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Deutiche Dichtung

von der älteflen bis auf die neueſte Beit.

Dentfche Dichtung von der Alteſten bis auf bie neuefte "

Wolfgang Menzel.

In drei Bänden,

Dritter Band.

Stuttgart.

Verlag von Adolph Krabbe 1859.

NS UNTUEReTY x

u !3 24MAR. 1038 3 ; 3

\ 3 OF VAruad 5 9

Brad von 3. Srauzer in Stuttgart.

Inden

Meuntes Bud: Pie Watärlihheitsperie. . -

. Einfluß der Schweiger und Engländer

. Romane in engliſchet Manier

. Miebergebust der beuffen Eanbißne

. Die Gräfomanie oo.

. Die philißerhafte Ratirlihfeit . . Die Herrfijaft der Empfindfamteit . - . Die Tüberlicge Natürlichteit

Sehntes Bud: die Sturm- und Prangperiode

. Die freigeiftigen Poeten

. Die Kraftgenied

. Die Poefie des Egoismus Poetiſcher Univerfalismus . Die ſittliche Erſtarkung

Eilftes Bud: Aomentik Pa

sonsun»

. Die ſalſche Romantit

. Die echte Romantik

. Batriotifche Dichtung

. Phantaſtiſche Ueberreigungen

. Rüdfall der Romantit in den Dämonismus

. Eihikjaldtragäbien und Fmantfge Modekram .Die Rachromantiler

387

v

Inhalt.

Smölftes Bud: Die jüngke Dichtung

eonenron»

. Die Gpigonen . , . Die Jambentragödien

Moberomane

, Revolutionäre Diestung

. Die tieffle Corruption ber deutfchen Dichtung . Die unabhängige Lyrik

. Der unabhängige Humor . .

. Neue Keime vollsthümlicher Dichuung . Wiedererftarkung der Religiofität

Dentphe Digtung.

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Neuntes Buch. Die Natürlichkeitsperiode.

1. Einfluß der Schweizer und Engländer,

Die Unnatur der Renaiſſance- und Rococozeit, ver claſſiſchen Affec⸗ tationen wie der franzöſiſchen Moden, des pebantesfen Schwulſtes wie der Boudoirphiloſophie, befrembete und beleidigte dad germaniſche Natio- nalgefühl zuerft da, mo thells die Natur in ihrer majeſtätiſchen Herrlich“ feit, theils uralte germaniſche Freihelt vormalten, In ber Schweiz und in England. Einfache, fittenreine Männer diefer Länder wiefenfvon der in der Hofe und Schulluft verberbten Poefle wleder hin auf ven ewig jungfräulichen Reiz der Natur.

Johann Grob von Herifau in Appenzell, der ſich Reinhold von Srauenthal nannte, hinterließ ein 1700 gebrudtes „poetiſches Spazier- wälblein“, welches mir hauptſächllch deßwegen bebeutend erſcheint, weil Hier zum erftenmal bie oberdeutſche Natur mit ihrem Mutterwig und Bes hagen, der Unnatur der Schule gegenüber, ſich felber zum Bewußtſeyn lonunt.

In großer Einfachheit, aber mit der beſten Laune ſtellt ſich uns der Dich⸗ ter als ein Mann der Profa und bes praktiſchen Lebens bar, ber durch bie herrlichen Alpen nur als Weinhänbler reist, um im Beltlin Wein anfzus Taufen, im Beltlin, das er viel reigender findet, wie Graubündten, es ber ſchönen Magd einer haͤßlichen Frau vergleichend. Mitten in ben Alpen und

während er feinem Gefchäft nachbenkt, im büfteren Cugpaß v. Hirſchſprunges Menzel, deutſche Digptung. LIL

2 Neunted Buch.

tritt ihm ploͤhlich Apollo entgegen im Glanz feiner Gottheit, aber „die Harfe verkehrt auf den Lenden“ und mahnt ihn an feinen Dichterberuf. Der Weis fende wird aber nicht verlegen, fondern fagt dem Gott, wenn ic) erſt meinen feurigen Beltliner baheim Haben werde, wird mir das Dichten ſchon wieber tommen. Ueberall verräth fi des Appenzellers munterer und praltiſcher Verſtand. in Wort, das meinem Mund entwichen, IR auf der Stelle nicht mehr mein, Es wirb von andern auögeftrichen, Es muß oft mein Berfolger feyn. Zum Redeverlehren ift keiner faul, Ber ruhig will Ieben, der Halte das Maul. deinde, fagt der Dichter, nüßen uns mehr als Freunde. Bei Preunden wird viel Zeit auf Spiel und Scherz verwandt, Bei Beinden nimmt man bald das Betbuch in bie Hand.

Ber, fagt er unter anderm, zu raſch will reich werden, dem geht ed, wie einem, der fih zu raſch wärmen will und ſich verbrennt. Vom Böbel fagt ex: berfelbe ift

Ein Hof, worinnen man mehr Thier’ als Menſchen ſchaut, Ein fauler, tiefer Teidh, der gleichwohl Sturm erreget, Ein blindes Pferd, das oft den Reiter vom ſich ſchmeißt, Ein Hund, der Broden nimmt und gleich den Geber beißt.

Ber find die vier Hoffärtigften in der Welt?

Ein alter Schulregent, der Halb Latein verficht,

Gin auögefreite Magd, die gleich zur Trauung geht, \ Gin neuer Bauernſchulz, ein Bettler, fo befoffen.:

Ob biefen zweien wird nichts Stolzers angetroffen.

Vortrefflich if die Schilderung eines allzudicken Mannes ©. 194. Auch foottet er ber fremden Trachten, der neuen Moden. Ueberall ift bei ihm Ras tur und er if hierin ein Vorbild Hallers, aber ungezwungener und viel hei⸗ terer als biefer.

Albrecht von Haller aus deuyberühmten Berner Patriziergeſchlecht, ausgezeichneter Naturforfeper und Anatom, gab 1729 einen „Verſuch ſchweizeriſcher Gedichte“ Heraus. Das erfle und älteſte Gedicht enthält mMorgengevanken“ von wirklich lichter Friſche eines neuen Dichtermor⸗ gens. Es iſt ein Durchfühlen der Morgenlandſchaft mit der Andacht

Die Ratürlichfeitöperiode. 3

eines frommen Chriften und zugleich eines Naturforfchers, denn als ſol⸗ Ser verräch fi Hier ſchon ber flehzehnjährige Jüngling. Sein berühm- teſtes Gebicht find „die Alpen“.

Er ging babei nicht ſowohl auf prächtige Natwrfchilberungen aus, als auf das Lob altſchweizeriſcher Cinfachheit und Naturwüchfigkeit. Er preist feine Landsleute vor allen Völkern der Welt glüdtih, weil fle die alte Naturfraft und reine Gitte bewahrt Hätten. Er beſchreidt ihre Gepmwingfehe, ihr haus⸗ liches Leben, das Käfebereiten, die winterlichen Gefhäfte. Erſt nachdem er das Bol gefägildert, entwirft er ein auffleigenbes Bild des Bebirges.

Ein rührendes Gedicht bewahrt das Andenken feiner verfiorbenen Gattin Marianne. Hallers übrige Gedichte behandeln meift ernfte und abſtrakte Dinge. Eines feiner gedankenreichſten Gedichte iſt ferner das „uͤber den Urſprung des Uebels“.

Der Dichter verſeht ſich in die Alpen und überblickt bie reiche Banbfehaft. Welche Größe der Schöpfung! Aber wie fam bad Uebel in die Welt? Nach⸗ dem er die Schöpfung der Gngel gefchilbert, die alle volltommen gewefen, fährt er fort: „Die Kenntniß ihres Lichts gebar bie Finſternig“. Sie vers Ioren ihre Unſchuld, indem fie ihre ganze Größe und Herrlichkeit inne wurben uf. w. Bekannte Säge, aber ſchön von Haller vorgetragen.

Noch ein Gedicht, müber die Cwigkeit“, enthält ben kühnſten Aus- druck des Grauens, dad den Denker faßt, wenn er in biefen Begriff fi vertieft.

Haller ſchrieb in fpätern Jahren aud einige politifge Romane, die infofern bebeutfam find, als fih fon in ihnen ber ſtreng confervative Geiſt ausſprach, der fpäter in feinem als Staatsrechtslehrer berühmten Enter zum vollſten Durchbruch kam.

Albrecht von Haller ſchrieb den Roman Ufong, worin er ald geborner Res publifaner den Sa durchzuführen bemüht it, daß auch ein abfolut regierens ber Defpot den Staat beglücden und beffen ſittliche Zwecke erreichen könne. In dem „König Alfred“ ſtellte er ein ähnliches Mufterbilb conflitntioneler ober befchränfter Monarchie auf, während er in bem „Babins und Gato“ der Ariftofratie das Wort redet gegen bie Demokratie.

Durch Hallers Alpen angeregt, gab Tralles 1750 zu-Bredlau ein Gedicht über das ſchleſiſche Niefengebirge heraus und widmete es Hallern.

Daflelbe enthält einige ſeht ausgemalte Naturfepilberungen in der Manier

von Brodes, 3. B. des Nebels, der aus Bläschen in Eiokriſtall und dann in 1*

4 . Reuntes Bud.

Sqhnee übergeht, bir Wafferfälle sc. Much bie Schilberung der weiten Aus⸗ ficht über die ſchleſiſche Ebene iſt nicht übel, dagegen fchildert er in gar bes ſcheidener Weife die Gebirgöbewohner nur ald ein armes, aber genügfames Bolt, und ift weit entfernt, ein Ideal daraus machen zu wollen, wie Haller aus feinen Schweizern.

Hallers Jugenbfreund war ber berühmte Johann Jakob Bopmer, Profeffor und Großrath in Züri. Obgleich dieſer Bodmer nur ein ſchwacher Poet war, fo erwarb er fi doch als unermüdlicher Kritiker das große Verdienſt, Gottſched und ben franzöflfgen Geſchmack vom Standpunkt gefunder Natur und Moral aus zu bekämpfen und endlich auch zu beftegen. Er flügte ſich dabel auf den neuen in England aufge kommenen Gefhmad und auf bie alten Griechen, deren edle Natürlichkeit in der Renaiſſance zu baarer Affectation und Unnatur geworben war. Er fehte mithin der Gallomante die Anglo- und Gräfomante zugleich entgegen. Den Kampf allein aus dem nationalen und kirchlichen Bewußt- fegn Heraus durchzuführen, war er nicht Manns genug, der junge ſchwache Sproß eines beffern Geſchmacks bedurfte noch der fremden Stütze.

In England wirkten biefelben Elemente wie in der Schweiz dem franzoͤſiſchen Geſchmack entgegen, alter gefunder Sinn und Freiheitsge⸗ fÜhL, zugleich aber auch das religiöfe Gewiſſen, welches die immer ärger geworbene Freidenkerei in Frankreich abſtieß. Milton in feinem berühm- ten Gedicht vom verlornen Parabiefe erreichte zwar den großen Dante ‚nicht, war aber ber erſte Proteftant, der aus der gänzlich verholgten und ausgetrockneten Orthodoxie wieder eine prachtvolle Blüthe der Poeſie hervorzauberte. Dur ihn wurde Klopftel in Hamburg, von dem for gleich die Rede ſeyn wird, zu feinem „Meſſias“ angeregt. Bobmer ahmte Klopftod in einem Epos von Noah nad, aber ohne deſſen idealiſtiſchen Slug, mehr als Naturbefchreiber. In Bezug auf Naturſchilderung war aber in England Thomſon mit feinem Gedicht „die Jahreszelten“ voran⸗ gegangen. Bor allen nahm ſich Bodmer als Kritiker ven berühmten engliſchen Journaliften Addiſſon zum Mufter, der ohne eignes Dichtergenie ben größten Einfluß auf den Geſchmack übte durch bie von ihm vers theidigten Grundfäge des Natürlichen.

Im Kampf wiber Gottſched Hatte Bobmer, im innigen Verein mit Breitinger, ſchon 1721 eine fefte Stellung eingenommen in einer literaris

Die Ratürlicffeitsperiode. 5

fen Geſellſchaft In Zürich, die ihre kritiſchen Grundfäge durch eine perlo⸗ diſche Schrift „Discurfe der Maler“ ausbreitete. Die Verfafler Hatten ſich nämli die Namen berühmter alter Maler beigelegt. Alsbald wehrte fi} Gottſched und feine Keipziger Schule mit Händen und Füßen für ben franzöfifchen Geſchmack gegen bie neue Züricher Eule und es begann ein lebhafter Federkrleg, in Folge deſſen Bodmer no eine Tange Neihe kritiſcher Betrachtungen, Briefe ꝛc. herauszugeben Gelegenheit fand, bie Gottſcheds engherziges Geſchmacksregiment zu Grunde richteten.

Bodmers eigene Dichtungen find: 1747 Pygmalion (mit feiner leben» dig gewordenen Statue), Eleine Eleglen und Lehrgedichte, dann 1752 „ber Noah“ ein Epos In Herametern, dem Klopftods ſchon 1748 erſchienene erften Geſänge des Meffias zum Vorbild dienten, fortgefept in einem weiten Epos „die Sündfluth“.

Im Noah ſtehen die feommen Noachiden ber verberbten Menſchheit gegens über und werben empfindfam genug aufgefaßt. Den größten Bleiß aber wens det Bodmer auf die Naturſchilderungen. Der feierliche Cinmarſch ber Thiere im die Arche Hat viel Komiſches. Da Heißt es

Nach ihm folgte das Federheer: Zuerſt das Geflügel

Mit krummhadigten Schnäbeln, gefräßige, beißende Vögel,

Dann die Arten ded Spechts mit converen klemmenden Schnäbeln,

Dann die, fo ſchwimmen, mit Schnaͤbeln wie fägende Zaͤhn' eingefägmitten, Die in einander fehließen, und Haͤutchen an Klauen zu ſchwimmen.

Andre mit langen cylindriſchen Schnäbeln x.

Dann bie vom Hühnervolt mit coniſchem, krümmendem Schnabel,

Endlich beſchloſſen den Zug die Vögel vom Eperlingsgefchledte,

Mit dem coniſchen abgeſtudten Schnabel x.

Bodmer nimmt an, ein großer Komet habe fd ber Erde dermaßen ger nähert, daß er all ihr Wafler an fih gefogen und auf eine Geite getrieben Habe, wodurch die Eündfluth enthanden fe. Der naſſe Tod überraſcht die Menſchen mitten in ihren Schandthaten und Lüſten. Schön iſt bie Scene, wie eben einige edle Söhne im Augeſicht des Vaters durch einen Tyrannen follen and Kreuz gefchlagen werben, als plöglich die Sündfluth Märtyrer und Hen⸗ ter verſchlingt. Was fpäter Babel wurde, if Hier vor der Günbfluth bie uns geheure Stadt Thamifta, in welcher der Riefenkönig Og gebietet. Diefer hat fi ein großes Schiff, den Leviathan, bauen laflen, in das er mit allen Ge⸗ noſſen feiner Lüſte flüchtet und ſich fo fiher wähnt. Hier ſihen fie und zechen und höhnen bei vollen Bechern die Gündfluth. Die große Stadt geht allmähe Üig unter, nachdem fie lange das überſchwemmte Land noch fiegreich überragt.

6 Neuntes Buch.

Aber auch Dg geht unter: eine der ſchoͤnſten und großartigfen Schilderungen \ in diefem Gebicht. Im dem engen Raum bes Schiffs rüden alle Laſter näher an einander und beginnen mit einanber zu ringen. „Erft erfüllt eine allgemeine Drgie das Schiff, dieſen Wollüften folgt Neid, Giferfucht, brutale Raufluſt und ein allgemeines Gewürge erfüllt dad Schiff mit Blut und Leichen, bis Og ganz allein lebendig übrig bleibt. Aber auch über ihn flürzt ein Berg und begraͤbi ihn, als er eben and Ufer treten will,

In feiner Galliope 1768 vereinigte Bobmer die Sündfluth, fünf alt« teſtamentliche Idyllen von Jakob und Joſeph, ſodann „Colombona“, ein &po8, welches die Entdeckung Amerikas durch Columbus ſchildert, gleich⸗ falls in Hexametern, aber zu ſehr voll langweiliger Monologe und Dia— loge, während die Beſchrelbung des Meers und ver neuen Welt zu ſehr vernachlaͤſſigt ifl. Dann folgen Ueberfegungen aus ter Ilias, ber Kolu= thos (Raub ver Helena), und Stellen aus dem Parcifal und aus ben Nibelungen, feltfamerwelfe in Herameter gebracht. Die Ealliope enthält ferner noch drei merfmürbige Ditungen Bodmers.

Zuerſt Zilla, in Herametern, eine Nachahmung des verlornen Paradieſes von Milton, aber von eigener Grfindung. Hier Heißt das erfte Weib Zille und der erfte Mann, Zadik, laͤßt ſich nicht von ihr verführen, fonbern bleibt Soft treu. Als nun Zille ganz in die buhleriſchen Schlingen bes Satan gefal len, der ihr vorſpiegelt, Gott zu ſeyn und fie zu göttlicher Würde zu erheben, ſchafft Bott dem Zadik eine neue, ganz reine und unſchuldige Silla, bie ihm treu bleibt und ihn beglüct, während ihr verfinſtertes @benbild zwar ihre Sünde bereut, aber zur Strafe, wie Rain, flüchtend umberirrt,

Inkel und Nariko, die rührende Geſchichte des treulofen Engländers, ber in der Gefangenfchaft von einem wilden Mäbchen gepflegt, daſſelbe nachher als Sklavin verkauft und fi freut, da fie von ihm ſchwanger if, ein paar Thaler mehr zu befommen. Der Gontraft der durch ihre Unſchuld fittlichen Barbarei mit der die Cultur begleitenden Unſittlichteit kann nicht frappanter ausgedrückt werben, als in biefem Gedicht, das Gellert in feinen Babeln abgekürzt wieder⸗ gab und Pelzel 1770 in ein Schaufpiel umarbeitete.

Auch Monima if ein ſeht interefantes Gedicht. Diefe dem König Mir thridates verkaufte Griechin Hagt aufs rührendſte über das traurige Schickſal einer gebildeten und edeln Hellenin im Harem eines Barbaren, der, nur ihren Körper fuchend, ihren Geiſt verachtet. Die Ehre einer Königin ift ihr fo vers leidet, daß fie, ald Mithridates auf der Flucht ihren Tod befürdhtet, und fie fi mit ihrem Diadem erbroffeln will, es aber abreißt, farkaftifh ruft: auch dazu taugft du nicht einmal?

Die Töchter des Paradieſes 1768 in Herametern habe ich nicht ge=

Die’ Ratürlichfeitöperiode, 7

Funden. Auch nicht ven in Hexametern epiſch behandelten Eonrabin von Schwaben und die Gräfin Hedwig von Glelchen 1771. Wilhelm von Dranfe (Bearbeitung des Wolfram in Hexametern) 1774, Hildebold und Wibrade und Maria von Brabant 1776, deßgleichen Sigowine und Abalbert 1776, alle in Herametern; deßgleichen Telemach und Nauſikaa, Evadne und Kreufa 1777.

Bodmer ſchrieb noch eine Menge epiſche Dichtungen in Hexametern und noch mehr Schauſpiele. Man iſt kaum mehr im Stande, alle ſeine Dichtungen einzeln aufzutrelben.

In den „Apollinarien“ 1783 wurden bie kleinen epiſchen Dichtungen claffls fügen Inhalts gefammelt (Meleager, Orpheus, Medea, Bhilemon und Bancis x). Macarie, die ſich opfernde Tochter des Hercules, erſchien beſonders. Die Schaufpiele Haben biblifchen Inhalt (der Tod Adams, der keuſche Joſeph, Iſaals Opfer), oder antifen (Ulyfies, Glectra, PBatroflus, Debipus, Cicero, Eato, Brutus, Timoleon, Octavius, Gracchus, Nero, Patus, Ariflomenes x.) aber auch romantiſche und moderne Stoffe (Johanna Gray, Friedrich von Toggenburg, Heinrich IV., bie Cheruöfer, der Hungerthurm von Pifa, Arnolb von Brescia, Wilhelm Teil sc. Ich kenne fie nicht alle, aber bie ich kenne, find ohme Werth. Bodmer pickirte fih, es beſſer machen zu wollen, und ſehte daher dem Weiße einen „neuen Romeo“, Leffing einen „Dboarbo Galotti” ents gegen. Nie war ein Dichter von fo geringer Befähigung erpichter baranfı, alle andern zu übertreffen.

Iohann Jakob Breitinger war nod weniger Dichter als Bob- wer, ſchrieb aber 1740 eine kritiſche Dichtkunſt, gab Boners Evelftein heraus „Kabeln der Minnefinger“, mit Bodmer die ſchwäbiſchen Minnes finger und vieles andere, da er und Bodmer immer Hand in Hand ar- beiteten.

Ein Schüler Bodmers, Heinrich Lange in Halle, ſchrieb „Thyrſis und Damond freundfehaftliche Briefe“ 1745, die Hiftorie vom gehörnten Siegfried, ‚eine rohe Satire auf die Herrmhuter, und ein Lehrgedicht von Cometen. Bedeutender war fein erſter Verſuch, in horaziſchen Vers⸗ maaßen zu ſchreiben.

Lehrgedichte in Hallers und der Engländer Manier erſchienen noch öfter. In dem „Verſuch in moralifgen und Schäfergedichten“ von Zer⸗ nig 1748 findet fi ein langweiliges Lehrgedicht vom Endzweck der De Wit hof ſchrieb Lehrgebichte gegen die „moraliſchen Keger“ d. h.

8 Neuntes Bu.

die Philoſophen, ein Gedicht von der Redlichkeit sc. Seine Werke er» ſchlenen gefammelt als „akademiſche Gedichte“, 1782. Thienemann befang 1753 die Vorfehung, dann Johanne Eharl. Unzerin 1753 den Nach- ruhm. Ludwig von Heß, fhwebifh-pommerifcher Beamter, der zu Ham⸗ Burg privatifirte, ſchrieb 1746 eine Satire „Glückſeligkeit der ungerechten NRichter“ und fpäter noch mehr ſatiriſche Schriften, die ihn auch wleder von Hamburg vertrieben, unter andern Juno abortans und orater Hele- nae. ©. Hier. Bohn ſchrieb 1753 „die ſchwache Wiſſenſchaft der heu⸗ tigen Aerzte.” In demfelben Jahr erſchlen anonym eine „Bibergailiader in Aleranbrinern, Satire auf die Klatſchgeſellſchaften.

Angeregt von Thomfon und Haller zugleich begann Senator Bar- thold Heinrich Brockes in Hamburg 1732 fein „irdiſches Vergnügen in Gott“, welches erft 1740 mit dem 9. Bande ſchloß.

Beſchreibungen und moralifchsreligisfe Betrachtungen der Natur, zum Theil ſeht fleif und Iangweilig, guweilen aber auch von homeriſcher Schönheit. Alles zerfällt in einzelne Bilder. Das größte Talent Hatte Brodes für die Auffafe fung flüchtiger Naturerfljeinungen, bie Wechſel des Lichts und der Schatten, das Spiel der Wolfen, der Wellen, der Sonne und des Windes im Laube ıc. Sn faft unzähligen Gedichten wiederholt fich dieſer optifche Reiz. Beiſpiele: Theil 2 ©. 7 die Schilderung bewegter Wolken, 5. 270 des bunten Barbens

ſpiels an einer Saifenblafe, 1. 142 eines Gewitters, 1. 34 eines Waſſerſpie⸗ geld, 7. 92 des filen, 7. 87 des fürmifch bewegten Meere; 1. 48, 209: 5. 10, 11; 8. 37 der Lichteffecte im Laubwalb, 2. 179; 6. 70; 7. 123 in einem wallenden Kornfeld, 1. 321 des Schnees im Winter, 1. 358 des leben» digen, Iedenden, freflenden Beuers. Auch die Pflanzenwelt wird aufs lieb⸗ Hcfte geſchildert, wie im Frühling die Pflanzen hervorkeimen 3. 8. 1. 4, oder wie fle im Herbſt welfen 1. 263; 8. 228, wie das Getreide 1. 110, wie das Obſt 1. 267 geerntet wird. So auch einzelne Pflanzen, 3. B. bie Raiferfrone 1. 64, die Rofe 1. 83, der Weintraube 1. 269, 281, 284, einer Kirfchens blüthe im Mondſchein 2. 38, das Mood 2. 91. In der Hleinlichen Ausmalung überaus treu, wenn auch weniger poetifch, find die Befchreibungen der Erbbeere 1. 98, Nelfe 1. 248, Lilie 2. 109, des Kürbiſſes 2. 306, der Quitte 2. 422, des Raftanienbaums 3. 593, der Balfamine 5. 218, des braunen Kohls 6. 211, der Klette 8. 129. .

Wie einzelne Pflanzen, fo werben auch einzelne Thiere von Brodes mit Meiferfhaft gemalt. Bei der Schilderung auslänbifcher Thiere benupte Brodes die berühmten Stiche von Riedel, nach beflen Blättern er eine ganze Reihe von Tieren vortrefflich befchreibt. Am beflen gelang ihm die müttere ige Leoparbin 4. 247, der Tauernde Hirſch 6. 219, das ruhende Wildſchwein

Die Natůrlichleitoperiode. 9

6. 227, die Büchfin mit den Sumgen 6. 283, das fäugenbe Reh 6. 234. Midht übel ift auch der Biber anfgefaßt, 6. 247. .

Unter den Bögeln preist Brodes am meiſten die Nachtigall und bezeichnet die Mannigfaltigkeit ihrer Tone mit großem Gefchtd, 1. 23, 65, 68. Gehe gut und Acht nieberlänbifch if die Befchreibung des Gühnerhofes, 4. 162 und des fchönen Pfau 4. 164, 165. Gut auch bie Beſchreibung der Fiſche 1. 36; 2. 129; 7. 104. Komiſch bie bes Froſches 2. 61, dad Gequack des Froſches fol lauten: merk es, merk es! Nämlich: Menſch! merke die Wunder Gottes auch in mir! Sehr ſchön iſt der weiße Schmetterling 1. 221, gut auch bie grüne Sliege 5. 120. Der Menſch iR in feinen natürlichen Cigenſchaften am wenigften berüdfidtigt. Theil 3 ©.-167 finden wir eine Schilderung des Schlafes, nebft Dank für diefe Gabe, und 6. 623 eine fehr weitläuftige Ber ſchreibung der menſchlichen Hand und aller in ihr liegenden Talente.

Der Natur Hulbigte auch der Freiherr Bachoff von Et in feinen Gedichten „der Herbſt“ und „die Landluſt“, beide von 1748. Auch Bohn in Lübecd ſchrieb 1754 eine „Landluſt“.

Triller, ein Arzt in Wittenberg, ahmte in 5 Bänden „poeti» ſchet Betrachtungen“ 1750 das Irbifehe Vergnügen von Broded nach, aber faft nur feine Fehler ohne feine Vorzüge. Beſonders widrig if feine verſificirte Beſchreibung des thieriſchen Organismus, des Ernährungd- und Zeugungsprozefles, ber Krankheiten ac.

Nathanael Reichel ſchrieb 1755 „poetifhe Gedanken über den ger ſtirnten Himmel“, ald Vorbild der fpätern Uranta von Tledge, mit fleter Rückſicht auf die Athelften, welche Gott und bie Unſterblichkeit Teugnen, und vol Ehrfurht vor der Majeflät Gottes in dem größten feiner Werke.

Johann Chriſtian Cuno aus Berlin wurde Soldat, heirathete eine reiche Wittwe in Amſterdam, diente lange in Oſtindien und ließ ſich ſpäter in der Gegend von Durlach nieder. Im feiner Ode über feinen Garten von 1749 fpridt ſich feine Freude an der ſchönen Natur in ber Weife von Brodes aus. Die Holländer Hatten feinen guten Geſchmack aber fo gänzlich verborben, daß er, ald er 1762 wagte, dem Mefflas von Klopftod eine zu Amſterdam gedruckte Meffiade entgegenzufegen, biefelbe folgenbermaßen begann :

Ich fimmte fonft verzogne Saiten Auf längft verlegtem Dichterfpiel;

10 Neuntes Bud.

Die Sittenlehre war mein Ziel

Nebſt Blumen, die zum Schöpfer leiten.

Sept wedt ein größter Gegenſtand

In meiner Bruft ein flärker Feuer.

An flat des Rohre, an flat der Leier,

Fült die Trompete mic bie faſt zu Füne Hanb.

Im Uebrigen verbirgt ſich in dieſer geſchmackioſen Borm mancher tiefe Ges danfe und viel Gigenthümliches , es erfcheint z. B. Satan in der Geſtalt des

x von ben Juden fälfchlich erwarteten · Weſſias dem Hohenpriefter, um ihn gegen den wahren Meffias aufzureizen; während der Engel am Grabe fit und bie Wächter fchlafen, fehleicht die „Bertwefung“ Heran, erzeugt vom Tobe und von ber Sünde, bie alles Fleiſch frißt, und deren Beſchreibung fo meifterhaft iſt, als wäre fie von Milton.

Naumann, ein Nahahmer Bobmers und Klopftods, ſchrieb 1752 ein Epos „Nimrod“. Ein anderer, Frledrich Ewald von Kleift, preus

biſcher Major, der In der Schlacht bei Kunnersborf den Helbentob fand, ahmte Ihomfon in dem berühmten Gedicht vom „Frühling“ nad (1749):

Daſſelbe ift in Herämetern mit einer eigenthümlichen Vorſchlagſylbe ges fögrieben und wimmelt von zierlichen Eleinen Naturbefcreibungen, bie ber Dichter auf feiner fogenannten Bilderjagb im Wald und Felde ſammelte.

Kleift war ein großer, martialifh ausfehender Mann, was man nit glauben follte, wenn man feine fanften Lieber Liest. _ Allein er hat auch Heldenlleder geſchrieben.

Vortrefflich iſt feine Ode an die preußiſche Armee von 1757, worin ber ganze Unmut und Stolz eines preußifchen Krieger über die allgemeine euros päifche Verſchwoörung gegen Friedrich den Großen ſich ausfpricht und ber edelſte Muth gegenüber den zahllos fi um Preußen aufthürmenden Gefahren. Auch das Gebicht Ciſſides und Paches athmet diefen Muth, fo wie auch bad Trauer⸗ fiel Seneca, wo ber verblutende Seneca gleichſam ald Vorbild des verblutene den Dichters ſelbſt anzufehen if.

Don Palthen (Verſuch zu vergnügen, 1759) ahmte ebenfalls Thomſon nah, ſuchte aber, wie die hollaͤndiſchen Maler dieſer Zeit, bie Natur in den gemeinften Dingen, wie Viehſtücken, plumpen und gemein ſinnlichen Bauernflaffagen ıc.

unglelch feiner waren die „Blide in das Landleben“ des Freiherrn Eberhard von Gemmingen (1752), in denen einige fehöne Landſchafts- bilder ausgemalt werben, ſonderlich eins vom Ufer der Nagold im Schwarze

Die Ratürlichfeitsperiobe. 11

wald. Sehr langweilig find die „Spaziergänge“ des Joachim Chriſtian Blum zu Frankfurt an ver Oper, weil fie nur morallſche Betrachtungen enthalten, die ver Dichter auf Spaziergängen anſtellte (1774).

Hirſchfeld, Juſtiztath in Kiel, ſchrieb 1767 ein „Landleben“, worin er vom Genuß der Natur und Landſchaft handelte, fpäter „ben Winter“, eine moralifge Betrachtung, und einige andere moraliſche Säriften. Seine „Gartenkunft“ von 1779 Hat das Verbienft, zuerſt wier der nach dem Beiſpiel der Engländer von ber franzöſiſch⸗holländiſchen Künfletet zur Natur, zum BVerflänbni landſchaftlicher Schönheit zurückzu⸗ kehren. Ganz unbedeutend tft Tſcharners „Wäflerung der Aecker“ 1754, ferner „der Landbau”, ein Lehrgebit von Röſſig 1779; „den Fels“ von Weiſenhahmn 1774 konnte ich mir nicht verfhaffen. „Die Weſer“ von Eurtius ebenfalls nit. „Der Harz“ von Dannenberg 1781 enthält. nur eine trodene Befchreibung ber Bergwerke in Hexrametern. Aber Valerius Neu beck, ein ſchleſiſcher Arzt, ſchrieb 1796 ein berühmt gewordenes Lehrgedicht „die Gefundbrunnen“, worin er Naturbetrachtung Belehrung und Sentiment glüdli vereinigte Schon 11 Jahr früher hatte ex eine „Zerftörung ber Erde nach dem Gericht“ gefchrieben, die ih nit Eenne. \

Einen weit höheren Flug als alle diefe Naturbichter nahm ſchon zu Bodmers Zeit der Quedlinburger Friedrich Gottlieb Klopftod, ber als bänifher Penfionär in hohem Alter erft 1803 zu Hamburg geftorben iſt. &r ließ bereits 1748 die erften Gefänge feines weltberühmten „Mefflas“ in den Bremer Beiträgen abbruden. Im Allgemeinen Bobmerd antigott- ſchediſcher Richtung folgend, erkannte er richtig, daß der deutſchen Litera- tur nur durch zwei Potenzen aufzubelfen fey, durd eine feurige Religio⸗ ſität und durch eine eben fo feurige Vaterlandsliebe. Obgleich faſt jeder Dieter damaliger Zeit feinen weltlichen Liedern geiſtliche voranſchickte, fo waren bie letztern doch meiſt handwerksmäßig gefünftelt. In den eigent hen Kirchenliedern, Cantaten und Oratorien hatte fi das Bedürfniß nad einer innigern und lebendigern Erfaffung tes chriſtlichen Stoffes Tund gegeben. Klopſtock glaubte nun, das Höchſte in dieſer Richtung zu erreichen, wenn er bie Evangelien felbft in einem neuen lyriſch-epiſchen Beuer verflärte. Er wollte das Heiligfle und Größte in der ſchönſten Sprache darftellen. ben fo glühend war feine Vaterlandsliebe und

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er griff in diefer Beziehung in die zweite ſchleſtſche Schule zurüd, und i machte, wie Lohenftein, den Hermann zum Hauptgegenftand feiner patrio« tiſchen Poefle, wie ven Mefflad zu dem ber religiöſen. Aber Klopſtock verirrte fi auf dem Wege zu biefen beiden hoben Zielen in das fremde Gebiet der Claſſicität. Er brauchte zu feinem Mefflas die Versart Ho— mers, zu feinen Gefängen altdeutſcher Barden die des Horaz.

Was man Klopftocd am meiften vorzumerfen bat, iſt, daß er bie Gemůthseitelkelt in die deutſche Poeſie einführte. Gottſched war eitef auf fein vermeintliches beſſeres Wiffen, auf feinen vermeintlich befferen Ge» ſchmack; auch den ſchleſiſchen Dichtern Hatte es nicht an einer Ueber- THägung ihrer Talente gemangelt; aber Klopftod mar der erſte, ver mit feinem Herzen wichtig that und gerade mit dem am melften prahlte, mas das beſcheldenſte fegn fol. Das Beiſpiel dieſes berühmten Mannes wurbe nun bis zur Ungebühr nachgeahmt. Faſt alle Widerlichkeiten ver fenti- mentalen Poefle in Deutſchland führen auf biefe Quelle zurüd,

Vom Meffias fogte ſchon Keffing, er werde von Jedermann bes munbert, aber nicht gelefen, und Gerber, er fafle Chriſtum und die Apo— fiel (man kann hinzufegen, fogar den Teufel) zu weichlich und fentimental auf. Ich moöchte ihm am meiſten vorwerfen, daß er von den Thatſachen der Offenbarung und der kirchlichen Tradition abweicht und ſich willkühr⸗ liche und unpafiende Erdichtungen geftattet. Fries tabelte formell bie räumlichen Mißverhättniffe im Gedicht und verglich den Meffiad mit einer großen leeren Leinwand, auf der man nur hie und da zerflreute Sterne, ganz unten in einer kleinen Ede aber dad gelobte Land fehe.

Im Cingang huldigt Klopſtock der Prädeſtinationslehre. Nicht nur Gott Bater und Sohn contrahiren ausführlich über die Miffion des Ieptern, fondern auch von ben Apoſteln Heißt es, ihren ſchon lange vorhergeſchaffnen Seelen feyen Stühle im Himmel neben den vierundzwanzig Nelteften gefegt geweſen, ehe biefe ihre Seelen in dem irbifchen Leib eingezogen ſeyen. Alſo fällt das Naive der diſcher und Zimmerleute, bie durch Chriftu zum Mpoftelamte ers weckt werben, ganz weg. Erſt nachdem ber Dichter auf dem feflen Boden der Erbe angelangt iſt, Hat er in wundervoller Sprache Scenen von Hoher Schönheit auögemalt. Man denke nur an dad Bild, wie der Heiland vor Kaivhas ſteht, mitten unter dem Toben feiner Beinde fo ruhig, „als fäh er den Abfall einer Duelle“. Auch die Einmiſchung der böfen Welt if nicht felten tiefpoetifch gefaßt. Wie z. B. Adramelech vor des Heilands Blid zus rüdbebt, indem er ihn belauert, im fünften @efange, if fehr fhön. Eben fo

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wie der reuige Abadonna ihm am Delberge naht. Biele Epifoben find aufs finngollfte dem Ganzen eingeflochten, Mebenperfonen ift eine Bedeutung gegeben, die dem Ganzen, ohne es zu fiören, einen wahren poetifchen Keichthum ver⸗ leiht. Die Bilber find oft von homeriſcher Schönheit, die Sprache immer würdig und begeiftert. Allein das Gedicht ift im Ganzen zu lang, die Begeis flerung ermübet durch bie endlofen @xelamationen. Und bie Cinmiſchung ber übers und unterirbifchen Gewalten wird namentlich) beim Tode Jeſu gar zw wiftügrlich, phantafifch, durchaus unevangelifch. Wie erhaben iR in der Bir bel die Vorftellung der Binfterni beim Tode Jeſu. Wie aber hat Klopflod diefelbe motivirt? 6 ift laum glaublich: Er erfinnt einen Kometen namens Mamida, der alle noch ungeborne Seelen enthalten fol und ſich geſchwind vor die Sonne ſchiebt, um diefelbe zu verfinftern. Dann fleuert aber Engel Gabriel diefen Irrſtern zur Erbe, damit die Ungebornen noch den Tod Jeſu fehen koͤnnen. Voͤllig verfehlt it der Charakter Abadonnas als eines reuis ‚gen, weinenden, fentimentalen Teufels. Nicht ganz paflend erſcheint auch bie Einmifhung Adams und Cvas. Wenn Klopftod die Eva ſich weinend über den Leichnam des Heilandes auöftreden und deffen Angefiht magdalenenhaft mit ihren blonden Haaren bebeden läßt, fo iR das gewiß ein originelles Bild, allein es ſtoͤrt den ernften Cindruck, den bie Pietabilder jonft auf und zu mas en pflegen und machen follen. Hieher gehört Maria, nicht Eva. Am weiteften aber entfernt ſich Klopſtock von der bibliſchen und kirchlichen Poeſie, indem er Chrifti Höllenfahrt nicht in bie Zeit des Begrabenfeyne, ſondern erft Hinter die Auferftchung verlegt. Much befreit Chriſtus nicht die Propheten, (bvenn diefe find bei Klopſtock ſchon lange felig), fondern verwandelt plöglic alle Teufel in Tobtengerippe. Das follen fle fortan bleiben und ber ſub⸗ lime Gebanfe des Dichters iſt, daß Tod und Teufel eigentlich Cines feyen, oder daß ſich wenigſtens unfere aufgeflärte Neuzeit bie Vernichtung als bie einzige Strafe, bie ben Günber treffen konne, vorzuftellen habe. Dazu kommt auch noch die feltfame Vorſtellung, daß das Innere der Erde von einer Gens tralfonne ausgefüllt fey, in welder bie Seelen der jung verſtorbenen Kinder wohnen und friedlich von einem Gngel geleitet werden, alfo im ganz Innern ber Erde fein Plag für bie Hölle übrig bleibt.

Klopftods bibliſche Dramen find 1) der Tod Adams, 2) Davib, 3) Salome. Der Tod Adams ift in poetifcher Profa gefchrieben und voll O und Ach fentimentaler Gxelamationen und Rührungen:

Adam. Ach, ich Habe fo fanft gefcglummert.

Seth. D ihr Engel, er laͤchelt! Kommt, kommt, komm Gva, komm Haman und Selima, kommt ihr Mütter. Wir alle find hier, fegne und, mein Bater!

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Das Trauerfpiel „David“ if in Jamben geſchrieben und Handelt von Das vide Uebermuth und von der Strafe der Zählung des Bolts durch die Peſt. Das Trauerfpiel „Salomo“, gleichfalls in Jamben, handelt vom @ößenbienft dieſes Königs und feiner veuigen Rückkehr zu Jehovah.

Abbt verfpottete diefe Dramen und fagte vom Salomo, es handle fi Hier eigentlih nur darum, ob ber kathollſche Caplan oder der refor⸗ mirte Hofprebiger bei Hofe fpelfen fole? Gröber war der Hohn, ben Gottſcheds Anhänger Trier in feinem „Wurmfamen“ über Klopftock ausgoß.

in Dämon aus der ſcythiſchen Wüſte ſtreut Wurmſamen umher, aus wel⸗ chem die neumodiſchen Cpen in Hexametern hervorwachfen.

Die geiſtlichen Lieber Klopſtocks leiden an Empſindelei. „Der Ewig- lebende, von einer Klarheit zur andern Klarheit, ver Weg zum Unenb- lichen, der Geift der Auserwählten, der Wehmuth Thräne“, das tft nicht ädhter Kirchenſtyl. Wenn daher Klopſtock, wie er ſagt, im Sinn hatte, allein ein ganzes Geſangbuch zu fehreiben, fo würde es wohl nirgends eingeführt worben ſeyn.

Klopſtocks Oden erklären dem deutſchen Reim den Krieg, als einer Barbarel, aus der ſich die deutſche Mufe, an der Hand der griechiſchen, emancipiren muͤſſe. Er ſelbſt dichtet daher nur in alcäiſchen, ſapphiſchen choriambiſchen ꝛc. Verſen und in Hexametern. In einer Ode an Voß ſagt er: der gute Genius ſey allein bei den Alten geweſen, ſtatt deſſen feg in die neuern Sprachen ein böfer Geift mit plumpem Wörtergepolter, der Reim, gefahren.

Red’ iſt der Wohlflang, Rede das Sylbenmaaß,

Mlein des Reimes ſchmetternder Trommelfchlag Bas der, was fagt ed, fein Gewirbel,

Larmend und lärmend mit @leichgetöne ?

Es iſt merfwürbig, daß weder Klopftos noch Voß merkten, wie das Gepolter rein auf Ihrer Seite war. Eben fo unangenehm fällt es auf, daß Klopflod, wenn er nun doch griehif fingen wollte und die Mufe, den Genius, Apollo und fonftige griechiſche Götter anrief, nicht in biefer griechiſchen Illuſion blieb, fondern fle beftändig durh die Anmaßung flörte, er fey ein Barbe, ftimme bie nordiſche Telyn, finge ein Barbiet,

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mettelfere mit anbern Barden, Braga begeiftere ihn, Iduna umſchwebe ihn . Seinen Stolz, die deutſche Sprache und Poeſie wiedergeboren zu haben, drückt Klopfto in der fhwülftigen Weiſe aus:

So ertönt, fo flrömt der Gefang, Thuiskon, Deines Geſchlechts. Tief lags, Bater, und lang Im ſaumenden Schlaf, unerwedt Bon dem Auſſchwung und dem Tonfall Des Apollo, wenn ber Hellänen Dichter, Phoͤbus Apoll Lorbeern, und dem Curot Gefänge des höheren Flugs In dem Lautmaaß der Natur fang.

Die Oben wimmeln von ſprachlichen ohrzerreißenden Härten, indem fle gerade dem Ohr zu ſchmeicheln ſich rühmen, 3. B. aus ber Ode „un⸗ ſere Sprache“:

Die der Fremdling nicht entweiht (Teutonien erlag

Nur Siegen, unerobert!) o feyere, dich

Bagte ber gefchredten Beflel nicht

Zu fefleln! Die Adler eniflohen und du bliebſt, Die du wareft!

Aus der Ode „die Maafbeftimmung* : Dig Harmonie, der gehorchend, fih zu Mauern

Belfen wälzen! Der Baum, zu fchatten, Wandelt ind Sonnengefild!

Zaubert fo gar der Meifter nicht ſtets. Hat das Urteil Etwa den Theil, und das Teilchen nicht mit ſcharfem Bid gemeſſen? Bemerkt es Ausart Im das zu groß und zu Hein? Die nit? Genau das Maaß nicht gedacht; und der Umriß Ründet ſich nicht mit der Biegung, ber es glücket. Aus der Ode „Delphi? : . Schon noch einft, wo gleichen ſich darf, wer nur lärmt, Gar den Erguß des Erſinders noch mit Schlamm trübt, ’$ Kind dem Wanne, da rags von hohen Ohren, nicht leerer, hervor? Gegen dieſen krampfhaften Unſinn iſt der ſchon früher von Andern gerügte klopſtockiſche Comparativ eine unſchuldige Kleinigkelt. Klopſtock

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pflegte nämlich, bloß um bed Metrums willen, aus dem Poſttiv ber Bei⸗ wörter ben Comparativ zu maden und 3. B. zu fagen: ber flillere Abend flatt der ſtille Abend, auch wo Feinerlet Vergleichung mit einem weniger ftillen Abend ftattfand. Neben dieſem unerlaubten Mißbrauch der Sprache fällt In Klopflodd Open befonberd unangenehm bie wechſel⸗ fetige, ſchon 618 zur Lobaſſekuranz gediehene Anpofaunung ver damaligen Poeten auf. Wie Klopftod von feinen Zeitgenofien und jüngern An- hängern über alles Maaß gepriefen wurde, fo gibt er ihnen auch das Rob reichlich zurüd und feine Oben wimmeln vom Preife Gleims, Gel» lerts, Cramers, Hagedorns, Stolbergs, Ramlers ꝛc. Neben den Poeten wird au die Mufe, die Leyer ıc. gepriefen: kurz, der Sänger preist vor allem ſich ſelbſt, feines Glelchen und ven Gefang. Die entfeglihe Ge- ſchmackloſigkeit der Oden auf bie Leyer ging zwar nicht von Klopſtock aus, wurde aber bo durch ihn mehr als je in Deutſchland eingebürgert. Ungertrenntih damit verbunden find bie Anrufungen an die allegoriſchen Perſonen berjenigen Gefühle, die ver Dichter ausdrücken fol. Anftatt ein frohes Lied zu fingen, ruft der Dichter die Breube an:

Komm und Ichre mein Lied, jugendlich heiter feyn,

Süße Freude, wie du! gleich dem befeelteren

Schnellen Jauchzen des Jünglings, Sanft, der fühlenden Fanny gleich! Statt begeiftert zu dichten, wird die Begeiflerung angerufen:

O Begeifterung! fe erhebt fich, feuriges Blides

Ergießet ſich ihr Auge, die Seel in der Glut!

Ström! denn du ſchoneſt deß umfonft,

Der, leer des Gefühld, den Gedanken nicht erreicht.

Au darin gab Klopſtock ven nachfolgenden deutſchen Diätern ein böfes Beifplel, daß er an die Stelle des reinen Ausdrucks des ächten Gefühls hohle Exclamattonen ſetzte. Man lefe z. B. die Ode „ber Er» barmer“!

D Bewundrung, Gottes Bewundrung, Meine Seligfeit!

Nein, wenn fie nur bewundert,

Gebt fich die Seele zu ſchwach! Erftaunen, Himmelfliegendes Erflaunen! Ueber den, ber unenblich if!

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O du ber Geligfeiten höchfle, Ueberftröme du meine ganze Seele x.

Leider it im biefer Andachtsgluth die Aufmerkſamkeit des Dichters immer auf ſich ſelbſt gerichtet. Klopſtock kokettirt mit feiner werthen Perfon. Ich bete, ich bewundre, ich fehe, ich flaune, ich hebe mein Auge auf, Ich fühle sc., immer id und id und ich!

Ich legte meine Hand auf den Mund, und ſchwieg Bor Gott!

Jept nehm’ ich die Harfe wieder and dem Staub auf, Und laffe vor Bott, vor Bott fie erſchallen!

Denn id erfeme,

Wie ich erfennet werde! x.

In der Ode „Teutone“ preist er ſich felbft als den Liebling Deutſch⸗ lands, dem bie Göttin Teutone zulädelt, und ben bie Beifter feiner Ges fänge zur Unſterblichkeit emportragen. Unter dem unpaffenden Namen „Vaterlandslied“ ſchrieb Klopſtock das berühmte Lieb:

Ich bin ein deutſches Naͤdchen!

Mein Aug iſt blau und fanft mein Blid, Ich hab ein Herz,

Das edel ik, und ſtolz und gut.

Jahn verlangte, jedes beutfhe Mädchen follte dieſes Herrliche Lich auswendig lernen. Mir aber ſcheint dieſes Lied unwahr, eine eitle Prah⸗ Ierel, eine Kofetterie mit ber beutfchen Jungfräuligkeit zu fegn. Weldes Mädchen wird wohl fo fre mit ihrer Tugend und Nationalität daher» geprahlt kommen!

Aedone und Aedi, Mutter und Tochter in Klopſtocks „Lehrſtunde“, welches Gedicht von Nauman in Muſit geſetzt wurde und ſeiner Zeit be⸗ liebt war, find.ein non plus ultra von Sentimentalität.

Die Mutter gibt der Tochter Unterricht im Gingen; bie naive Tochter verlangt immer fehönere, immer füßere Lieder zu hören und endlich entſchließt ſich die Mutter, ihr ein Liebeslied zu fingen, wozu bie Nachtigall flötet. Der Schluß ift allgemeine Auflöfung in Wonne. Klopſtocks Sprache if in biefer Dichtung von Göthefcher Wärme; nur folte ſtatt der Mutter ein Liebhaber den Unterricht ertheilen.

Bon der Natur ift in Klopſtocks Oben wenig bie Rede, aufer mo

er bie Sterne commanbirt, nach dem Tact feiner. fömätfigen Oden Gott Menzel, deutfge Dietung, LIT,

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zu beweifen. Dreimal jedoch befingt er dad Schlittſchuhlaufen, dad er gern trieb, freilich weniger feöne winterliche Landſchaftobilder, als wieder confuſes Poſaunen im hohen Odenton. Das einzige wahre Naturbild iſt das berühmte Mondlied. J

Willkommen, o ſilberner Mond,

Schoͤner ſtiller Gefaͤhrte der Nacht!

Du entfliehft? Gile nicht, bleib, Gedankenfreund! Sehet, er bleibt, da Gewölk wallte nur Hin!

Eine Anzahl der fpätern Oben iſt politifchen Inhalts. Er preist

"die Reform Joſephs IL Er begrüßt die franzöſiſche Nevolution als vie

Aurora der beffern Zukunft. Aber bald efelt auch ihn der Greuel ber Safobiner an unb er Elagt bitter über die verlorene Hoffnung ber Freiheit. Klopſtock ſchrieb drei patriotiſche Schaufpiele, die er felber Barbiete zu nennen beliebt (barditus nad Tacitus), alfo Bardenfpiele. 1) Her- manns Schlacht, 2) Hermann und die Fürften, 3) Hermanns Tod.

Alle drei find in Proſa gefchrieben mit untermiſchten Chören und Arien der Barden. Die Profa Hat viel von Maspherfons Dffian geborgt, dazu aber noch eine Menge O und Ad, fo daß die altgermanifchen Helden nicht felten reden, wie Geßners Schäfer. Man höre z. B. wie Hermann über den Tod feines Vaters klagt: „Haft du ihn gefehen, Brenno? Du antworteft mir nit? Dein Blid wird ernfter! Mebe, rede, Brenno, bei Wodan, rede! Nebet, wer hat meinen Vater gefehen? Warum feyd ihr fo beftürzt? Will mir Keiner fagen, ob er meinen Bater gefehen Hat? Du weinft, Brenno? Ich Habe dich nie weinen gefehen. Todt iſt er? ach mein Vater! o Woban, Wodan, du gabft mir ber Freuden viel. Aber biefer Schmerz ach mein Vater! adj mein Vater! Iſt er tobt? ac.“

Das Barbiet „Hermann und bie Fürften“ lehrt, wie troß Hermanns Gifer und Muth durch die Uneinigfeit der deutſchen Fürſten ber Sieg verloren geht. Es iſt Schade, daß Klopftod biefen fruchtbaren Stoff nit mit mehr Geiſt und Big auögearbeitet Hat. Der einzige treffliche Sarfasmus, ber dem gärnenden Hermann entfäßet, iR: „Wohlen denn, wenn es die Fürften nicht wollen, fo wollen es die Götter auch nicht, und ich untertwerfe mich.“ Diefelbe Uneinigs feit und Vaterlandsvergeſſenheit motivirt „Hermanns Tod.“ Klopftod macht bier feinem jungen Freunde Stolberg das Compliment, unter Hermanns Freun⸗ den ſchon einen Stolberg, als Ahnheren des Haufes, anzuführen.

Zuletzt ſchrieb Klopftod nod ein wunderliches Buch in Profa „bie deutſche Gelehrtenrepublik“, worin er vorſchlug, das ganze gelchrte und ſchriftſtellende Deutſchland zunftmäßig zu organifiren, das Genie und das

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Bute zu belohnen, Dummheit und VBosheit unwirkfam zu maden. Als ob bie Geiſterwelt je einen Bunftzwang ertragen könnte!

Klopſtocks begeiftertfier Breund war Johann Andreas Eramer, Kanzler in Kiel, ver „Er und über ihn“ ſchrieb und ihn Im aufgeblafenen Odenton ſklaviſch und geiftlos nahahmte. Eine feiner längern Oben an Luther erlangte unverdienten Ruhm. Johann Adolf Schlegel (des Elias Bruder und der Auguft Wilhelm und Friedrich Vater) ging in feinen geiſtlichen Oben von Gellerts Manier zu ber Cramers über.

Unter dem Einfluß Klopſtocks entfland 1760 die „Lutherlade“ des v. Derſchau, obglei nit in Herametern, fondern in Alerandrinern geſchrieben. J

Neben Luther, als er die Völler vom Joche Roms befreit, glänzt hier

Morig von Sadjfen, ald der die Fürſten vom Kaifer emancipitt. Schon gang modern bureaufratifch aufgefaßt.

Eonrad Arnold Schmid ſchrieb 1761 Gedichte auf die Geburt bes Erlöfers, welche vergeffen find, während feiner wigigen „Jugendgeſchichte und Biflon des 5. Blaſius“ noch rühmlich gedacht wird. Das war aber nur ein Scherzgedicht zu Ehren feines alten Freundes Gärtner, als bere felbe am Stift St. Blaflen in Braunſchweig Eanonicus murbe.

Friedrich Hudemann gab zu Bügom und Wismar 1765 einen mRuclfer“ Heraus, ein Epos in Herametern, matt, geiſtlos, voll falſcher Empfindſamkelt.

Die Erde iſt noch nicht geſchaffen. Gott will fie ſchaffen. Luciſer wird darüber wüthend und empört ſich gegen Gott, unterliegt aber dem Erzengel Michael. Sie führen förmliche Schlachten im leeren Raum aus, bie Heere ziehen ſich zurüc, avanciren wieder ıc. wie Regimenter. Michael ift des Siegs wicht fiher, Gabriel muß ihm zu Hülfe Tommen. Endlich find die Rebellen befiegt und Gott beginnt die Schöpfung, Tag für Tag, nach dem Wortlaut der Genefis, aber vom Dichter mit wenig Phantafie ausgeführt. Wie Bobmer in der Noachide gibt er Heine Thierbilder; der Schöpfer felber redet z. B. bie Gänfe, indem er fle ſchafft, alſo an:

Schwebt in der Fluth und der Luft, ihr ſtets gefchtwägigen Gänſe,

Schneidt mit dem Schnabel das. Gras in wackelnder Leibesbewegung.

Schließlich wird das erſte Menſchenpaar geſchaffen und die Geſchlagenen in der Hölle fordern den Satan auf, die Eva zu verführen. Das fünbige Pärchen wird aus dem Paradiefe verbannt, aber Chriſtus felber tröͤſtet fie:

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„alle Sünden find end) vergeben und völlig getilgt, wenn ihr bereut. Gleich nad) eurem Tode follt ihr in den Himmel kommen sc.“

Diefe widrige Sentimentalität macht die ganze tiefe Bedeutung bed Sündenfalles zu nichte. Derſelbe Dichter ſchrieb auch noch einen aufer⸗ ſtandenen Meſſtas und behandelte Kains Brudermord und die Tochter Jephthas als Trauerſpiel.

Caſparſon, einer ſchwediſchen Familie entſtammt, Profeſſor in Kaſſel, lleß ſich durch Klopfto und bie Schweizer für das Altdeutſche begeiſtern, gab den Wilhelm von Oranſe Heraus, und ſchrieb In Klop⸗ ſtocks Manier Barbenftüde: Thafnilde 1768 und Theutomal (Thus- neldens Sohn) 1771. Karl Auguft Küttner in Mitau ſchrieb 1773 Oden und 1791 eine „Kurona“, Dichtungen aus ber nordiſchen Vorzeit- Friedrich Hahm aus Zweibrücken ſchrieb ein „teutoniſches“ Gedicht an Minnehold (Müller).

Au der galante Gerſtenberg warf fi in Klopſtocks Manier; 1766 ſchrieb er „ben Skalden“, ein Eleines Epos in gereimten Jamben, worin ein Skalde den Fall ver alten deutſchen Götter beffagt. Ganz in der Barbenmanier ift das lange Melovrama „Minona ober die Angels ſachſen“ gebiätet, 1785.

Die keltiſchen Britten find von den Römern unterjocht, werben aber durch die Angelfachfen befreit. Minona, die Schwefter des brittiſchen Könige von Morven, deren Gefänge wie Geifterflimmen die Handlung burdtönen, liebt den heldenkraͤftigen Edelſtan, Herzog der Angeln, der die Römer überwältigt und ihren gedemüthigten Anführer Aurelius fammt der Heißblätigen Aezia, die ihn Tiebt und Minona aus Eiferſucht ermorden wollte, heimſchickt. Zuletzt ffürgt auch noch der Sieger Edelſtan die blutigen Aftäre der Druiden und macht die edle Menſchlichteit gegenüber dem Prieſterthum geltend. Nun follte man meinen, es fey leidenſchafſliches Intereffe genug in diefem Stüd, damit Sprache und Handlung raſch ſeyn Fönnten; aber die Neben werben zu breiten Barlar mentöreden und Seitungsartifeln.

Ind Ärgfte Extrem des Schwülftigen und Grauenhaften jprang ber fonft fo leicht tändelnde Gerflenberg über In der Tragödie Ugolino (1768).

Die bekannte Eyifode aus dem Dante, Ugolino und feine Kinder im Hunger⸗ thurme ſchmachtend. Was Dante weife verſchwiegen, malt Gerflenberg breit aus, behaglich wühlend im Gräplichen. Der Knabe Anfelmo bittet (Theil I. ©. 505) den Vater, er folle ihm nicht freſſen, wenigſtens nicht, fo Tange er noch lebe. Um das beſtialiſche Anpaden der Kinder gewiſſermaßen zu veriheis

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digen, läßt Gerſtenberg ben Ugolino in eine Art Raferei fallen, in ber er ſich einbilbet, fein Sohn fey ber verhaßte Feind, gegen ben er num mit Met wüthen barf. In biefer fhäumenden Wuth fafelt Ugolino trivialen Unſian und das Schreckliche wird laͤcherlich. ©. 509: „Teufel, Teufel! bu mein Kicpter? Weißt du, was ber Zob des Verhungerns iR? Kungertod? ha, ha, Hungertob! Hungertob, bein Name ift Tartarus!“

Karl Friedrich Kretſchmann, Advokat in Zittau, deſſen Werke 1784 erſchilenen, ahmte Klopſtock und Offlan zuglelch nad in „Mingulfs Klage“, worin Ningulf über Hermann des Cheruskers Top ungefähr jammert, wie Oſſian über Bingal. In vemfelben Ton klagt er über Keifts Tod. Daneben ahmte er aber auch Gellert nah und benußte deſſen „alten böfen General“ zu einem breiten Luſtſpiel. Daniel es niſch, Prediger in Berlin, ſchrieb eine „Voruſſtas“ in Kerametern von Schwulft und Pathos, worin er bie Thaten Friedrichs im fichenjäh- rigen Kriege verherrliähte, ſtürzte fich aber, weil feine Poefle keinen An⸗ Hang fand, 1804 In die Spree.

Einen merkwürdigen Nahahmer fand Klopfto in dem joſephiniſchen Deſterreich. Michael Denis, Bibliothekar in Wien, genoß den unge heuerften und übertriebenften Ruhm als angeblicher Morgenftern des beſſern Geſchmacks in Oeſterreich, als erfter Lichtträger In das mittelalterliche Dunkel des katholiſchen Deutſchland. Aus feinen Lievern geht hervor, daß er ein gutmüthiger Oeſterreicher und höchſt Ioyaler Unterthan, aber ein ſchwacher und unglaublich eitler Geiſt war. Dur Anagramm feinen Namen in Sined verfehrend, nahm er nicht den mindeften Anftand, feine eigenen Lobgedichte auf Maria Thereſia und Jofeph IL. in ungertrennlier Verbindung mit feiner Weberfegung des Macpherfonfhen Oſſian (in Herametern) unter dem pomphaften Titel „Oſſtans und Sineds Lieber“, in einer Pradtausgabe in Düart erfgeinen zu laſſen. Wien, 1784. Er ſelbſt fagt darin, Oſſian Habe ihm, dem deutſchen Barden, feine Telyn Hinterlaffen. Den Inhalt feiner eigenen Lieber bildet Immer Denis ſelbſt. Was er auch fonft befingen mag, voran fteht immer er ſelbſt als Barde. Von ſich, über fi, zu ſich ſpricht er, oder von feiner Harfe. Da befingt er feine eigene Geburt, wie die eines Gottes, und bedauert feinen Vater, daß er den Ruhm des Sohnes nit mehr habe erleben können.

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Wenn damals in Frankreich die Dichter alle antike Götter anrlefen, um Ludwig XV. bei der Tolfette umd bei Tiſche zu bedienen, oder feinen Maltreffen aufzuwarten, fo glaubte Denis patrlotifger zu handeln, indem er, ähnlich den Offlantfhen Geiftern, ſämmtliche in Walhalla verfammelte altdeutſche Helden und Barben herbeifommen ließ, um bie Wiege und ven Thron der Habsburger in Wien zu umſchweben. Doch trog all dleſes geſchmackloſen Schwulſtes tft etwas Nührendes in Denis Liedern zum Lobe der Marla Therefia. Seine Devotion nimmt nit felten den Ton der Härtlicfeit an. Das patrlotifhe Epos „Rüdiger von Stah- temberg ober das belagerte Wien“ von Huber (1788) Eonnte ich mir nicht verſchaffen.

Ein noch merfwürdigerer Nachahmer Klopſtocks mar Franz von Sonnenberg, gebürtig aus Münfter, der in Jena privatifirte und ſich nad der Schlacht bei Ulm (1805) aus Verzweiflung am DBaterlande aus dem Fenſter ftürzte. Seine glühende Seele verräth ſich auch in feiner großen Epopöe „Donatoa“, in Klopſtockſchen Hexametern.

Der Genius der Erbe klagt, daß die Erde nun ſchon fo alt geworden und die Menſchen fo verborben feyen. Gott beſchließt, den Donatoa, ben erfigebos tenen Engel, den des Todes, zu rufen. Unterdeß beraten ſich bie drei Per⸗ fonen der Gottheit, worauf der Eofn den Todedengel umarmt und zu feiner Beſtimmung einweiht, nämlich, die böfe Welt zu vernichten, bamit eine beſſere an die Stelle trete. Donatoa fliegt über bie Erbe und ſieht unter fih bie fündenvolen Städte der Menfchen, auch Rom, bie verberbtefte von allen (Sonnenberg war Katholit). Erzengel Michael erbittet für bie Menfchen noch eine Frift und weifet auf eine Gegend bin, wo noch reine Unſchuldemenſchen leben. Das it ber Greis Eliora, der das längf vergeflene Chriftenhum vpredigt, feine Tochter Herfla und ihr Beliebter Heroal. Endlich kommt Satan mit allen Mächten der Hölle, entfchloffen, fi dem Tode entgegen zu flellen, um bie Menfchheit als fein Volk zu retten. Das if der genialſte Gedanke des Gedichts. Mit: den Bildern nimmt es übrigens der Dichter nicht fehr genau, denn Satan erſcheint Hier geflügelt und fährt doch auf einem Wagen mit Roſſen. Satan hofft, Gott felbft zu überwinden. Ginftweilen begnügen fie ſich mit der Erbe, über welche fie den Abdul zum Alleinherrn fegen, weil Deſpotismus das befte Mittel ift, die Menfchen zu verſchlechtern. Dann wieder Liebeöfeenen zwifchen Herkla und Heroal. Die Liebenden werben felbft bebrängt, wäßrend Abdul erſt bie alte Welt erobert, dann mit Donatoa um ten Befig von Amerifa Fämpft. Heroal tritt an bie Spitze ber Amerifaner für die Frei⸗ heit gegen Abdul. Cr unterliegt und wird der verlorenen Schlacht entrüdt in

Die Natürlicpfeitöperiode. 23

ein Thal, wo er unerwartet feine Herfla wieberfindet. Indem fle fi entzädt umarmen, ſterben fie im Kuß und ihre Geelen ſchweben zum Himmel auf. Die Dreieinigkeit wiederholt den Beſchluß der Weltvernichtung. Adami, der Genius der Erde, nimmt rührenden Abſchied von Gelenoa, dem Genius des Mondes. Die Mondfinder ſchlummern nur ein. Die Menſchen aber werben vertilgt durch furchtbare Ungemitter, Erdbeben, Empörung bes Meeres x. Donatoa überfüttet fie mit allen Schreden der Natur. Aber bie Tobten Rehen Bald wieder auf. Adam und Gva genießen das Schauſpiel, alle, ihre Kinder auf einmal überfehen zu können. Zuerſt werben bie guten Menſchen abgefunden und alle felig. Während dieſes Gerichts aber dauert die Zerſtörung anderer Welten fort. Nicht nur Erde und Mond, alle Planeten und Sonnen gehen unter und fommen vor bad Gericht. Hier aber if das Urtheil viel fummarifcger. In Bauſch und Bogen werben ganze Sterue und Sterngruppen abgefertigt. Nachdem alles in der Natur tobt if, kommt ber Himmel felber dran, die Engel müflen flerben. Michael flicht ſchoͤn, Gott felbft Hrüdt ihm bie Augen zu. Endlich ift außer Gott nur noch Donatoa übrig, auch er, der perfonifichtte Tob, muß nun flerben. Gott det ihn mit den Trümmern des Himmels zu und if nun ganz allein auf den Gräbern der Welt. Aber Bott wedt alle Leben wieder auf, jept gereinigt, fündenlos. Die Holle ſelbſt wird gereinigt und ausgepugt und zum Himmel gemacht. Gatan fieht es mit Schaudern und Ingrimm; alles iſt von ihm abgefallen, alles fromm und belehrt und felig, nur er allein noch perfonifleirt die Höle. Da rafft er ſich noch einmal zufammen, verftellt fi und fpielt den Vekehrten, Bott aber durchſchaut feinen Trug und verdammt ihn, ind Nichte zu verſchwinden.

So endet biefes merfwürbige Gedicht, das nahezu 20,000 Verfe zählt und wegen feiner breiten Manier trog ber großartigen Anſchauung bed Ganzen doch den Leſer ermübet. Am meiften aber gereicht dem Gedicht die falſche Sentimentatttät zum Vorwurf, in welder Teufel und Hölle wie in Budermafler aufgelöst werben.

2. Romane in englifher Manier.

Je mehr in ven franzöflfchen Romanen und Schauſpielen die Lüber- lichkeit überhand nahm, um fo entſchledener wandte fi der ernfte, kalte und folge Engländer von ber unreinen Berührung mit ihnen ab und er. fand eine neue Gattung moraliſcher Bamilienromane, In denen er feinem frengen Pflichtgefühl und feiner Frömmigkeit Genüge that, aber au ein

24 Neuntes Bud. -

wenig Prüberle zur Schau trug. Der Schöpfer biefer neuen, melft fehr bändereihen engliſchen Romane war Richardſon, der aber an feinem Geift und poetifhem Gefühl von Goldſmith übertroffen wurde. Guten Humor braten Fielding und Smollet hinzu. Der Schöpfer einer eigenen Gat- tung empfindfamer Reifen wurde Sterne, ber zum erftenmal einen Zug Shafefpeared in den Roman übertrug, die echt humoriſtiſche Paarung von Weinen und Laden, tiefer Rührung und Sarkasmus.

Bel der Stammverwandtſchaft zmifchen Engländern und Deutſchen und dem gleichen Bedürfniß beider, ſich dem Einfluß der franzöflfepen Sittenverberbniß zu entziehen, war es natürlich, daß Bald viele deutſche Dichter auf den engliſchen Ton eingingen.

Johann Timotheus Hermes, Superintendent in Breslau, ahmte _

Richardſon nah, zuerft in der Geſchichte der Miß Fanny Wilkes (1766), dann in dem langen Roman, ber feinen Ruf begründete, „Sophiens Reife von Memel nah Sachſen“ 1769.

Sophie von Hohenwald, die Tochter eines engliſchen Schiffers, wird bei einer Dame in Memel erzogen, die eine Tochter in Sachſen verheitathet, aber lange feine ‚Nachricht von ihr Hat. Sophie entſchließt ſich, Hinzureifen, um ihr Nachricht zu Bringen, unb babei ihre eigne Neugier zu befriedie gen, da fie gerne die Welt ſehen möchte. Nun begegnen ihr unterwegs eine Menge Abentgeuer. Sie wirb mit vielen intereffanten Charakteren bes Tannt, die ſich freundlich und feindlich zu ihr verhalten. Cie verliebt ſich in einen gewiſſen Heren Leſſe, mit dem fie zufällig in einem Bette zufammen« Tomnt, jedoch in allen Ehren, und entfagt feinetwegen dem braven Seemann, Cornelius Puf, der fie aus mehreren Gefahren errettet. Gin ruſſiſcher General Tſchernoi ftellt ihr mach und entführt fie nach Danzig, Puf aber befreit fie wieber. Der obligate Boſewicht des Romans und ihr eigentliher böfer Däs mon ift ein gewiſſer Schulze. Endlich da Lefle fie aufgibt, muß fle einen ars men Sculmann heirathen, ber’ fie anfangs plagt, mit dem fie zuleht aber gladlich wird. Die Haupthandlung wird durch ungeheuer viele Nebenperfonen, Epifoden und moralifche Greurfe fat ganz verſchwinden gemacht.

In dem Roman „Für Töchter edler Herkunft”

iſt ein Präfat heimlich verheitathet, muß aber feinem habgierigen Bruber das Verſchweigen des Geheimniſſes mit dem größten Theil feines Befiges abfaufen. Da wäre num wenigſtens Anlage zu etwas Romantiſchem, das aber in der Ausführung durchaus vermißt wird. Was Töchter edler Herkunft daraus lernen follen, ift ſchwer zu errathen.

Die Ratürlichfeitöperiode. 3

Ir dem: Roman „Zwei literarifge Martyrer und deren Brauen“ kommt im Anfang des 2. Theils eine einzige hübfege Scene vor, wie ein Reifenber ein unſchuldiges Mädchen befcgügt und fi dann unter einer Beide fipend mit ihr unterhält. Gin Johanniswürmdpen umfreist ihren ſchonen weißen Arm. Ihr Halstuch iſt von dem Poſtillon etwas mit Branntwein befegüttet worden. Der Geruch efelt fie, ber Reifende bietet ihr ein anderes Zu an und fie ſteckt das ihre vor ab, um das feinige umzulegen. Gine echte Scene wie aus Gerricks Meifen. Im Uebrigen if dieſer Roman unends lid) wibrig durch feine Berworrenheit, durch das Häufige Verlieben, das zu nichts führt; durch die Nahrungsforgen und das ewige Borzählen von Thalern, bie der Held ober bie Heldin zu wenig haben. Genug, Hermes (den ih noch perſönlich kaunte, da er erft 1821 im höchſten Alter geftorben iſt) war zu zerfireut und confus, als daß feine Sittenprebigten einen tlefern Eindruck hätten machen fönnen. Wielands Freundin, Sophie von Laroche, gab ein Jahr nad „Sophiens Reiſe“ (1771) einen Roman unter dem Titel „dad Bräulein von Sternheim“ Heraus.

‚Hier iſt es wieder eine Sophie, bie ihre Tugend mitten unter Nöthen bes wahrt. Aber die Laroche packt den Gegenftand mit großer Energie an. Sophie von Sternheim wird durch ‚ben diaboliſchen Lord Derby um Alles gebracht, durch eine falſche Trauung betrogen, durch einen Diener des Boſewichts zulegt in einen Thurm geworfen, ben fie nur flerbend wieder verläßt, aber bei alles dem bleibt fie immer gleich ebel, gleich tugenbhaft und läßt ſich micht aus dem Gleichmuth einer fhönen Seele heransbringen.

Die Verfaſſerin hat fig nit ſowohl Richardſon und Hermes, fon« dern den jüngern Erebilon zum Muſter genommen, in beffen orphelins ein Don Juan der englifchen Artftofratie mit unnachahmlicher Kunft eine eble Dame -verführt. In den fpätern Romanen ber Laroche wird jene erſte Energie vermißt. Sie erſcheint darin Ichrhaft, tugenbfofett, Tange weilig. In dem Roman „Schönes Bild der Reflgnation“ zerfließt fie in D und Ad. Ein empfindfamer Georg fteht bier mit getheiltem Herzen zwiſchen zwei für ihn betenden Mädchen. Es Lohnt nicht ver Mühe, alle ihre Romane: Meluſinens Sommerabende, Briefe an Lina, Liebehütten sc. zu analyſiren.

Johann Jakob Duſch, Profeſſor in Altona, begann 1754 mit lang⸗ weiligen Lehrgedichten, ging allmählig in die Nachahmung Kleifts als

26 Neuntes Buch.

Naturbefchreiber über, unterbrach dieſe geiftlofen Sachen mit einigen Eos miſchen Epopden im Geſchmack des Pope und Zayarlä (den Schooßhund, das Toppee), überfegte Pope und Hume, und endete mit Romanen in englifher Manier, nachdem er 1780 in „ber Stärke der ebleren Liebe“ den griechiſchen Roman des Hellobor matt nachgeahmt hatte. Am be» rühmteften wurde fein „Karl Berdiner“ (1776).

Karl liebt zwei gleich vortreffliche Frauenzimmer zugleich, kann ſich deßhalb nicht entſchließen, weldje er heirathen foll, läßt ſich mit der Ginen ein, vers ſchiebt aber den Hoczpeittag und Täft fie am Ende figen, um der Andern nach-⸗ zugehen, bie ihrerſeits bie Großmüthige ſpielen und ihn Jener laſſen will, Wie in Goͤthes Stella, wiberliches Zeug! Gin fo wanfelmüthiger Mann verdient nicht, ald ein intereffanter Romanheld dargeftellt, ſondern ausgepeitſcht gu werben.

Noch widriger iſt „die Pupille“, ein Roman in Briefen von 1798,

Die Helden des Romans find die Pupille, ein vermaistes, ſehr ſchönes Mädchen Namens Minna und ihr Geliebter Waller. Die Kataſtrophe if ein Mastenball, auf dem Waller in der Trunfenheit feine Minna entehrt, ſich aber einbifvet, es fen eine Andere gewelen, während auch Minna glaubt, es ſey bei ihr ein Anderer gewefen. Gin boshafted Paar nährt den Irrthum, bis er ſich auftlärt und Waller und Minna ein gläcliches Paar werden. Die unfchöne Art, wie Caroline ſich bei diefer Geſchichte benimmt, entfrembet ihr da8 Gerz ihre Liebhabers Felaberg.

Müller von Itzehoe, Buchhändler, fpäter Privatmann, ahmte die komiſchen Romane des Fielding nah. Sein berühmtefter Roman „Steg« fried von Lindenberg“ erſchlen 1779 mit Kupfern von Clodowieckl. Müller ſchilderte darin einen jungen Pommerſchen Edelmann als einen nod ganz ungeledten jungen Bären, aber vol Gutmüthigfeit. Leider glaubte er manches von Don Quixote auf ihn übertragen zu müffen, woburd bie Naturwahrheit biefed pommer'ſchen Sittengemälbes wieder Noth litt.

Siegfried iſt nur Cornet, aber reicher Gutsbeſitzer. Aus Langeweile laͤßt er ſich einmal durch den Schulmeifter (Ludimagifter Schwalbe) den gehörnten Siegfried vorlefen und bekommt Luft zu folchen Geſchichten. Der Schulmeiſter überredet ihn, feine eigenen Thaten, wie bie jenes ältern Siegfried, mittelft eines Wochenblattes der Welt zu verkünden, unb wirbt in der nächſten Stabt ein broblofes Genie, den Herrn Bir, dieſes Blatt nebſt dem Drud zu übers nehmen. Hier lernt er aber aud) den braunen Mann, das Mufter eines fchlichten, vernünftigen Mannes und Familienvaters kennen. Nun wird -die Fleine erbärms

Die Ratärlicpteiteperiode. 27

liche Chronif des Pommerfchen Dorfes in den Nummern des neuen Blattes preiögegeben. Die barin vorkommenden Aufſchneidereien läßt fi) ber ehrliche Junfer aber nicht gefallen. Um bie Welt zu fehen, geht Giegfried auf Reifen, von Ludimagiſter und Bir begleitet, aber ſchon am nächften Stadtthor kehrt er wieber um, weil er incognito bat reifen wollen und bie unverfhämte Wade am Thor feinen Namen wiflen will. In einem Wirthehaus begegnet er zum erfienmal ber fehönen Eliſe, einer reifenden Dame,.die zum Glück in feiner Nähe wohnt und der er bald feine Aufwartung macht. Der Schulmeifier fäNt aus der Rolle, indem er ſich von feinem böfen Weibe jämmerlich durchprügelu läßt, welchen Erceß der Junker ſtreng befraft. Sir macht ſich nuͤhlich, indem er den Junker aus den Händen von Räubern befreit. Endlich kommt auch noch der braune Mann wieder, macht den Junfer auf feine: begangenen fleinen Thorheiten aufmerffam und bildet ihn zum praftifchen Manne aus, in welchem Gefgäfte ihm life gern behülflich ift, die bem treuherzigen Junfer Gerz und Hand gibt.

Unter dem braunen Manne verftand Müller ſich felbft, gab daher fpäter noch mehrere Romane „aus ven Papieren des braunen Mannes“ heraus. Seine Sprache iſt affectirt natürlih, in Siegfried noch gehal- tener, fpäter allzu vertraulih und auforinglig. In dem „Kern von Waldheim“ ſchildert er wieber einen derben Landjunker mit feinem Sohn und verhöhnt nebenbei einen orthodoxen Geiſtlichen als Kuppler. Im „Enmerich“ ſtellt ex eine gefunde Ländliche Natur ber ſtädtiſchen Corruptlon gegenüber und greift wiederum bie Orthoboren heftig an. Hierin zeigt er eine Wahlverwandtfaft mit Nicolat. In „Friedrich Be“ Häuft der Verfaſſer newe Abentheuer, in „Berbinand“ fogar Greuel, mas zu feiner erſten Manier nicht mehr paßt.

ALS ein gutes Sittengemälde war ber 1784 von Helene Unger (Brau eines Berliner Buchhändlers) gefehriebene Roman „Iulgen Grünthal“ berühmt, weil in demfelben das damalige Unweſen ber franzöflfgen Moden und frioolen Sitten gegeißelt wird.

Julchen it die wohlergogene Tochter eines Amtmannd auf dem Lande und wird, um „Welt“ zu bekommen, in eine weibliche Penfionsanftalt der Reſidenz geſchict, wo fie ſtatt der vaterlaͤndiſchen Sitten und gefunden Berflandess und Hergenebilbung nur bie franzöſiſche Unnatur und Gorruption findet und Bald, in dem Strudel derfelben fortgeriſſen, ald gemeine Buhlerin endet.

Eine viel ſchwächere Nachahmung iſt „Lottchens Reiſe ins Zucht Haus“, worin die Schwächen und Thorhelten eines Mädchens geſchildert

28 Neuntes Bud.

werben, welche fle zulegt Ind Zuchthaus bringen. Vgl. allgemeine deutſche Bibliothek 35, 182.

Johann Gottlieb Shummel, Profeffor in Breslau, hatte feinen ausgezeichnet guten Styl an Wieland und Leffing gebildet. Es ift mir nie gelungen, feiner älteſten Sachen habhaft zu werben. „Ruftfpiele ohne Heirathen, Wittenberg 1772. Kinderſpiele und Geſpräche, Leipzig 1776. Fritzens Reife nach Deſſau da. 1776. Wilgelm von Blumenthal daſ. 1780. Das blinde Ehepaar, Breslau 1788. Reife durch Schleſien, 1792.

Ich kenne nur feine „empfindfamen Reifen dur Deutſchland“ von 1771. .

Eine geiftlofe Nachahmung der empfindfamen Reifen von Yorif (Sterne), voll von Sangweiligfeiten und Gemeinfeiten, wie man fie einem fonft fo feinen Gifte, wie Schummel, nicht Hätte zutrauen follen. Der Reifende ſchildert, wie er von einer Stiefmutter mißhanbelt, in bie weite Welt gegangen fey, jpie eine gutmüthige Bäderöftau ihn beſchenkt, dann ein Kaufmann ihn zu ſich genommen habe, deſſen ſchon Aftliche Frau ihn verführen wollte, wobei er ſich wie der feufche Joſeph benahm. Durch eine Erbſchaft plötzlich reich geworben, geht er auf Reifen und kommt zuerſt nad; Leipzig, wo er mit verfchiebenen Brauenzimmern ziemlich geiftlofe Abentheuer beſteht, indem er fich einer Kranken, dann einer Gefallenen erbarmt unb endlich die Bäckersfrau wieberfindet, die er als „Mutter“ zu fi nimmt. Im dritten Theil entſchließt fi Giner große müthig, ein Mädchen zu Heitathen, bie von einem Andern ſchwanger iſt. Auch wirb fi einer Kindomorderin erbarmt und werben bie Leiden eines Geiſtlichen unter einer Mafle von Gemeineiten feiner Umgebung geſchildert. Auch ift ein Luſtſpiel eingeflochten, „die unfchulbige Ehebrecherin oder viel Lärm um nichts.“ Der dumme Töffel will des Nachts zur Magb, verirrt aber in die Schlafftube der Frau, welch Ieptere num des Chebruchs beſchuldigt wirb, bis erwiefen if, daß Toffel in der Angf ſich verirrt hat und die Frau von nichts mußte. Diefe Albernheiten werben nun noch prefidß in einem Turzgehadten Style vor⸗ getragen, fo daß man vor Verdruß oft kaum weiter Iefen Fann.

Beſſer iſt Schummeld „Eleiner Voltaire“.

Die Geſchichte des Auguftin, Sohn eines reichen und angefehenen protes ſtantiſchen Prälaten und einer vortrefflichen Mutter. Auf der Mniverfität kommt biefer Jüngling in Geſellſchaft von Preigeiftern und wird Mitglied eined geheimen Ordens, deſſen Zweck Befeitigung des Chriſtenthums und Eultus der Natur, Gmancipation des Bleifches iſt. Man liest in diefem Klub nur atheiftifche und obfeöne Schriften, namentlich aus der franzoöſiſchen Schule. Einf beſucht der alte Bater den Gohn, als derſelbe gerade ein Mädchen be RS Hat. Schnell wich diefelbe ein wenig maskirt und für einen kranken Stus

Die Watürlicjfeitöperiode. 29

benten ausgegeben. Der arglofe Bater tröflet den vermeintlichen Kranken, faßt feine Hand und meint, er habe große Hige. Man Fann fi denken, wie der Elub nachher darüber lachte (S. 466.). Cine Krankheit der Mutter führt den Sohn zurüd. Er fieht fie ſterben, bie ihn aufs innigfte zur Beflerung ermahnt. Cine Heirath führt ihn auch wirklich auf beflere Wege, aber feine junge Frau flicht; er trifft mit einem alten Ordensgenoſſen, der als ſalſcher Gpieler deich geworden; wieder zufammen, geht mit ihm auf Reifen, wird in Italien im Chebruch ertappt und vergiftet. Der Roman iſt etwas breit und mit viel Gelehrſamkeit durchſpict, doch in den gelehrten Notizen wird bie Seite der Literatur, gegen welche Schummel feine Angriffe richtet, gut beleuchtet. Die zweite Auflage iſt von 1785, die erſte muß alfo älter feyn.

Am beften ift Schummels „Spitzbart“, eine tragifomifche Gedichte

für unfer, Jahrhundert (1779).

Infpector und Paſtor Spigbart, Paſtor in Rübenhaufen, hat ein „Ideal einer vollfommenen Schule“ herausgegeben, voll von Bafebow'fcher Schwärs merei. Weil aber diefer pädagogiſche Schwindel damald Mode war, fo zieht ihm fein Buch den Ruf auf das Directorat einer größeren Schulanfiali zu, und triumphirend zieht er, als der gefeierte Pädagog, in bie Stadt ein, in der er Wunder thun fol. Nun if er aber im hoͤchſten Grade unwiflend und unpraftifch und fängt alles verehrt an. Das gute Alte ſchafft er ab und Tann nichts Beſſeres dafür bieten. Das Leichteſte macht er fich ſchwer. Ber fehle, bie er gegeben, nimmt er aus Roth felöft wieder zurüd. Gute Lehrer Rößt er vor dem Kopf, ſchlechte zieht er hervor sc. Endlich fpielt ihm feine eigene Familie die (hlimmfen Streiche. Der bie ganze Menfchheit erziehen will, kann nicht einmal feine eigenen Kinder erziehen. Seine Tochter dielchen

. wird ſchwanger, fein Söhndjen Jeraelchen iſt der gottloſeſte Buße unter der Sonne, den er am Ende in fremde Zucht geben muß. So ſchwer muß er für feine itelfeit büßen, bis ihn der Kummer über die Tochter toͤdtet. Das Buch iſt in ſeht gutem Styl und in der beflen Laune geſchrieben. Das Häusliche Leben des alten Mannes und bie Sc,ulfenen find trefflich geſchildert. Unter den lehtern beſonders bie Verſuche des Idealiſten, die ſokratiſche Methode als die Hebammenkunſt des Geiſtes, in der Schule einzuführen.

Geringer ift wieder „die Revolution in Scheppenftebt“, 1794.

Die franzöfifche Revolution findet Nachahmung in Scheppenſtedt. Gaft: wirth Springer regt bie Köpfe auf. Der Fürſt beflehlt, die Leute machen au laffen, in ber Mbficht, durch bie zu erwartende Dummheit der Scheppens flebter alle Nachbarn abzuſchrecken und die Gefahr durch Karifirung ihres Scheines abzuwenden. Die guten Spießbürger ſchmücken ſich nun mit Kos farben, errichten Klubs und Freiheitsbäume, überlaflen ſich der Führung von

30 Neuntes aus

Thoren und Spigbuben und werben auf einmal durch fürftliche Truppm übers fallen und ins alte Geleis gebracht.

Johann Karl Wezel von Sonberöhaufen, der als Privatmann lebte und in hohem Alter (} 1819) noch wahnfinnig wurde, ſchrieb bald nach dem flchenjährigen Kriege Schauſpiele und Romane, die ſich durch viel Natürlichkelt und oft, dur guten Humor außgelänen, aber eine ger wife Linie des Gemeinen doch nicht hinter ſich laſſen.

Sein vierbändiger Roman Tobias Knaut (1773) iſt ſichtbar dem Triſtram Shandy und au ein wenig dem Candlde nachgeahmt.

Die Körpers und Seelenbildung Knauts wird bis in den Seugungsakt verfolgt. Knaut ift der Sohn eines Dorſſchulmeiſters, zwerghaft, budlig, phlegmatiſch, wir in ber Jugend mißhandelt, läuft aber davon, um Golbat iu werben, weil er von biefem Stande viel Schönes gehört Hat ohne zu bedenken, daß er zu einem Helden zu Hein iſt. Unterwegs beträgt ihn eine Bigeunerin, bie ihm, während ex badet, die Kleider fliehlt. Nackt im Teiche wird er von zwei Bräulein gefunden, unter denen Adelheid ihm beſonders Mitleid widmet. Durch fie befommt- er Kleider und ein Reiſegeld. Nachher bat er das Glück, diefelben Damen aus einer Waflersnoth zu retten und wird dadurch noch weiter gefördert. Gin Herr Seelmann nimmt ſich feiner an, erzieht ihn, bildet ihn zum Philoſophen und Hinterläßt ihm fein ganzes Vers mögen. Inzwiſchen ftärkt ben Heinen Knaut eher fein angeborenes Phlegma, als ſein Glück und feine Philofophie. Was in BVoltaires Candide Reflerion iſt, die befte Welt des Magifter Panglos, erfcheint bei Knaut nur als natür⸗ liche Gutmüthigfeit. Als er hört, Jemand Habe das Bein gebrochen, freut “er ſich, daß er nicht beide gebrochen hat. Einmal verzehrt er eine Schüſſel voll Gicheln, um zu beweifen, auch bei ſolch roher Koft koͤnne man glücklich fegn. Als ihn ein lebensluſtiger Freund das erftemal in- ein Bordell führt, findet er dort Fräulein Adelheid wieder und heirathet fle auf der Stelle.

In diefem Roman ift bei aller Natürlichkeit Bo etwas Lnges fundes. Der Bug echt deutſcher Gutmüthigkeit erſcheint zu fehr Farlkixt Es beleidigt unfer Gefühl, unfre Volfsthümlickeit zu einer ſolchen Pers Tonification verfeprumpft zu fehen. Der deutſche Michel iſt eine beſſere Bigur, weil er wenigſtens drein ſchlagen Tann. In einem andern Roman, Belphegor (1776) zeichnet Wezel den nämlihen Charakter noch einmal, aber nicht mehr in Glück, fondern unter fortwährenden Schlägen des Mißgeſchickes. Hier Hat er Candide bis in Einzelnheiten copirt, ohne glei Voltaire dad Widrige und Schaubererregende durch Wig und Föfl« liche Laune zu neutralifiren.

Die Ratürlicteitöperiobe. 31

Belphegor wird von ber fhönen Akante mit fo derben Bußtritten aus dem Haufe geſtoßen, daß er das Hüftbein zerbricht. Der Grund ihres Zorne ik feine Empfindfamfeit. Sie will nit Seele, nicht Geiſt, fondern Fleiſch und Geld, und hat ſich bereit dem reichern Fronal hingegeben, der als Belphegors dreund es für diefen ſelbſt Heilfam Hält, von feiner thörichten Liebe Lodzus fommen. Belphegor geht in bie weite Welt, um Mfante zu vergeflen, findet fie aber überall wieder, denn fie iſt nur bie perfonificitte Ungerechtigkeit der Belt überhaupt. Ueberall fieht er nur Böfes gefchehen, den Gerechten und die Unſchuid Teiden. Das boßhafte Schicſal zwingt ihn, um fein Leben zu vetten, felber Böfes zu thun. Ginmal fol er gehenkt werden, als ein Erd⸗ beben ihn befreit. Ginen Troft findet er erſt, indem er feinen alten Freund Medardus wieberfieht, der bei allem Clend gelaflen bleibt und nicht höher ſchwört, als bei dem Apfelwein feiner Heimath, ben er in Ruhe trinfen möchte. Nach einiger Zeit gefellen ſich auch Atante und Fronal zu ihm, bie ſich beide rein wachen, als Hätten fie nur Belphegors Beſtes gewollt. Alante wird Hier ganz der Bapfttochter in Candide nachgebildet. Sie erzählt, wie fie mit Bapft Alexander VI. gebuhlt habe, dann ald Maitreffe eines Markgrafen aus Giferfucht der Nafe und rechten Hand beraubt und im ganzen Geſicht geſchunden worben ſey, welche Mängel fie indeß durch Kunft wieder erſeht Habe Ploblich tommt eine Wafferhoſe und entführt in ihrem Wirdel vei⸗ dhegor und Medardus nad) der Türkei, wo fie blutige und ſchreckliche Abentheuer erleben, Sklaven werben ꝛc. Dann gerathen fie nach Afrika unter bie heids nifchen Neger, zu Menfchenopfern ꝛc. Gar phantaſtiſch if ein Amazonens Raat gefhildert. Hier Haben die Weiber überaus lange Brüfe und in der Kunft, fie über die Achſel zu werfen oder nachlaͤſſig fallen zu laſſen, beftcht ihre hoͤchſte Kofetterie. Zu Geſellſchaftern haben fie nur Mffen, deren Schwanz ein natuͤrlicher Spiegel iſt, worin fie ſich gern belichäugeln ıc. Mus ber Gewalt diefer Damen befreit, findet Belphegor endlich ein Paradies der Uns ſchuld und glaubt zum erſtenmal, es gäbe doch noch Glück auf Erben, aber am andern Morgen ift die Gegend von Feinden verbrannt und verkeert, find die unſchuldigen Menſchen alle ermordet. Im einer gemeinen Straßenhure ndet er feine Mfante wieder, laßt ſich von ihr gutmüthig beſchwahen und vers zeigt ihr alles. In ihrer Geſellſchaft kommt er in das Wunderland ber weiſen Zwerge, lediglich eine verlleinerte Copie ˖ der Menſchenwelt, fo daß auch fie ihm nicht beftiebigt. Da reißt ein Erdbeben ben Boden, auf dem er mit Mfante fleht, vom Feſtlande los und treibt ihn als ſchwimmende Infel in den ſtillen Deran. Bon Hunger gequält ſpaͤht nun berfelbe Belphegor, der eben erſt die ganze Menſchheit verflucht und ſich in die entlegenfte @infamfeit gewünfcht Hat, - ängflich nach Menſchen aus, nach einem Schiff ober einem gaftlichen Ufer. - (Die einzige geiſtreiche Ironie im ganzen Roman.) Sie landen unter Kannis balen, werben madt an einen Pfahl gebunden und man zwickt ihnen Stück vor Stud das Bleifh ab, doch werben fie abermals gerettet. Alante wird, als fie

32 Neuntes Buch.

einen Chemann verführen will, todtgeſchlagen. Belphegor aber, mit Medardus und Fronal wieder vereinigt, findet endlich Ruhe in einer beſcheidenen Ginfams feit am Apfelmeinfruge bes Medardus.

Peter Marks, eine Eheftandsgefgichte, 1779, mit vortrefflichen Kupferftien von Chodowiecki.

Marks heirathet ein ſchönes, aber fo einfältiges Mädchen, daß fie auch in der Ehe noch mit Puppen fpielt. Sie flirt in ber erflen Niederkunft. Da heirathet er eine überaus Enge Dame, die ihm aber bei jedem Wort widers foricpt und ihren Mops lieber Hat ald ihre Kinder. Auch fie ſtirbt. Nun heirathet er eine Kofette, bie ungeheuren Aufwand macht, bis fie an franzöfle ſchen Verfen erflict, die ihr ein Liebhaber in ein Stück Torte verfiedt Hatte. Zum viertenmal Heirathet er eine Geizige, bie vor Merger ftirbt, als er es nad) langen Demüthigungen zum erftenmal wagt, ſich ihr zu tiberfegen. eine fünfte Srau iſt eine Reiche, aber fo übermüthig und freigeiſtiſch, daß fle an einem Bußtage durch ihren Pug und freches Betragen das Volk reizt und mißhandelt wird, ein Affront, der fie toͤdtet. Endlich findet er in einem ein fachen Mädchen die ſechste Frau, mit der er glüdlich if.

Die wilde Betty, eine Eheſtandsgeſchichte, 1779, mit fhönen Kupfern von Chodowiecki, ift das Seltenftüd zu Marks.

Betty if in England geboren. Ihre Mutter Heirathet zum zweitenmal in Deutfchland. Betty if ungeheuer wild, plagt die Knaben im Dorfe, tummelt ſich allen zuvor, if daher fonnverbrannt und ſchmutig. Endlich feuert und firiegelt man ihr den Schmug ab und verheitanhet fie an einen Griminaltath, einen bleichen falten Pedanten, der fie ſtreng hält. Sie erholt fih in Späflen mit ihren Mägden und läßt fih fogar von einem Officier ein-Meitfleid ſchen⸗ ten und reitet; aber der Herr Gemahl verficht feinen Spaß. Sie wird den Eltern zueüdgefegiett und entſchließt ſich, teuig wieder zu ihm zu gehen. Rode mals mit einem Liebhaber erfappt, wird fle von ihrem Mann vor Gericht ger ſtellt, ex ſirbt aber und ber Progeh wird niebergefdjlagen. Sie heirathet einen Kapitain, der ein folder Trinker ift, daß er fih ein Faß Wein fogar im Schlafzimmer Halt, bis er einmal todt davor liegen bleibt. Nun nimmt fle zum dritten Mann einen Landedelmann, der vorher ausſchweiſend gelebt Hat, und den jeht eine frömmelnde Schweſter befehren will. Der Cdelmann übere raſcht aber einmal die Schweſter, indem fie einen Frommler bei fi) im Bett Hat und veitfeht diefe durch. Gin durchaus elendes Machwert ohne alles Zartgefühl. Cine wilde Natur, wie diefe Betty Hätte ungleich geiftvoller aufs

. gefaßt werben mäffen.

Hermann und Ulrike, Eomifcher Noman, 1779. Hermann wird als hübſcher junger Knabe von Einer Gräfin aufgenommen,

Die Ratielileiteyerioe. 33

um ald Amor bei einem Feſt zu ſiguriren, dann im Haufe behalten und ers zogen, und verliebt fi in das Fräulein Ulrike, mit der er aufwäͤchst. Die Sache wirb entdeckt, er wird verfloßen, und auch das Fräulein, eine entfernte Verwandte -des gräflihen Haufe, muß fort. Die Liebenden finden fi im Haufe eined Kaufmanns wieder, er als Lehrling, fie ald Erzieherin. Da fie abet von ihm ſchwanger wird, werben fie abermal® verfloßen und getrennt. Er treibt fich nun als Spieler umher, if aber fo treu, mit bem gewonnenen Gelde ein idylliſches Hüttchen in ber Schweiz zu Faufen, auf bem er ſich mit Ulriten nieberläßt. Aus dieſem leinen Elyſtum wird aber Ulrike durch ihre vornehmen Verwandten heimlich entführt und muß plöglic aus einer Schwei⸗ zer Bäuerin eine Hofdame werden. Doch auch dießmal findet Hermann fle wieder, weiß fich beim Hofe einzuſchmeicheln, wird ein vornehmer Mann und heirathet endlich die vielgeprüfte Geliebte. Im Grafen Ohlau foll Wezel den Grafen Günther von Schwarzburg-Sonberöhaufen aufs treueſte portraitirt Haben. Weber, Deutſchland II. 241. Wilhelmine Arend oder die Gefahren der Empfindfamkeit, 1782.

Der beſte Roman Wezels , obgleich von widerwärtigem Inhalt, Wilhels mine iR dem reihen Kaufmann Arend in Hamburg verheitathet, plagt ihn aber mit ihrer Empfinbelei, fo daß et. ſich an eine fangöfifche Operntänperin Vouilly Halt, die feinem Geſchmack befler zufagt und ihn amuſirt. Durch Vers mittlung eined Mugen Arztes, der ben Raufmann vor der Habgierigen Tänzerin warnt und der Frau zurebet, den Mann weniger ihre Meizbarfeit merken zw Iafien, werben bie beiden Eheleute mehreremale wieber verföhnt, allein auf bie Länge kann es Arend bei der pimplichen Frau nicht aushalten und läßt fich immer wieder durch die muntere Franzöfin verloden. Auf den Math des Migs tes verfucht ed Wilhelmine mit Giferfucht und nimmt einen gewiſſen Webſter um Hausfreund an, allein aud das Mittel ſchlägt nicht an. Mrend if ſchon fo tief gefunfen, feiner Frau ihren Schmnd, fogar ihren Trauring entwenden gu Taffen und damit feine Buhlerin außzuzieren. Wilfelmine, bie aus Trauer ſich gar nicht mehr fhmüdt, geht zum erſten⸗ und letztenmal zu der Pouilly, um fle zu rühren, daß fle ihr ihren Mann zurüdgebe, findet aber nur Hofe und Uebermuth und als fie mit Erſchrecken ihren eigenen Schmuck am ber ruch⸗ Iofen Berfon gewahr wird, entreißt le ihr den gefioßlenen Tranring. Run if feine Berföhnung mehr möglich. rend vernachläßigt alle Geſchäfte, iR tief verfjuldet, Iebt außer dem Haufe gnit der Pouilly und ald er ihr nichts mehr in geben Hat, mit noch gemeiner® Buhldirnen Unter biefen Umftänden gibt BVilpelmine der Stimine des Herzens Gehör und folgt Webſtern, den fle liebt, Wer um feinen Preis laͤßt fie ſich bewegen, ihren Mann vor Gericht zu laden, and eine Scheidung zu erzivingen. Mus Gmpfindfamfeit und Schwäche zieht fle es vor, Hamburg zu verlaflen und in der woſehiedehen bes Thüringers

Menzel, beutfe Diätung. IL

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waldes mit Webfter heimlich getraut zu leben. Man begreift nicht, wie Web⸗ fier und der Eluge Arzt eine fo unvorſichtige Wahl gut heißen können. Wils Helmine fühlt ſich zwar in Webſters Armen hoͤchſt glücklich, allein dieſes Glück wird ihr unaufhoͤriich geört durch den Gedanken, fle lebe in Bigamie. Dazu ommt noch, daß rend ihr einen Brief fehreibt, worin’ er anf feinen Anfprüs Gen beharrt, und ihre Rückkehr fordert. Das Fahn ihre zarte Natur nicht aushalten. Sie kraͤnkelt, fällt in Irrfinn und ſtirbt. Arend kommt, als fie ſchon begraben ift, jammert und möchte fie aus der Erde wieder herauskrahen. Die pſychologiſche Wahrheit dieſes Romans ift ergreifend, aber es empört, fo viel Jammer zu fehen, der durch einfachen Verſtand hätte vermieden werben Tönnen.

Wezels Luſtſpiele (von 1778) Haben viel Natürlihes, find aber zum

Theil allzu frei. "

Rache für Rache. Gin Iufliger Graf macht einem jungen Herrn weiß, das ſchone Fräulein Rottchen ſey ein verfappter Jüngling. Er glaubt dieß und wirb ſehr unartig gegen das Wräulein, welche bie Urfach davon nicht bes greift, was zu einigen ſehr Heitern Scenen führt. _

Ertappt! Grtappt! Zwei junge Liebende werben erkannt ald Baſtarde zweier alten abeligen Herten, bie über diefe Entvedung ihrer Jugenbfünden ſehr beſchamt ind.

Eigenſinn und Ehrlichkeit. Hermann, der Hofmeiſter, liebt nur das Kam⸗ mermäbchen, befommt aber die Gräfin ſelbſt. Es loſtet den Dichter Mühe, gu beiveifen, daß er biefe Wahl nicht ans Eigennuß trifft.

Der blinde Lerm. Gin Gdelmann von wunderlicher Laune will feiner Nichte, einer jungen Wittwwe, nur unter der Bedingung wieder zu heirathen er⸗ Tauben, daß fie in der neuen he brei Kinder bekäme. ine Nebenbuhlerin verleumdet nun ihren Anbeter, ex ſey abaͤlardiſirt und erſt ein fingirter Brief, wornach eine Parifer Operntängerin von ihm in guter Hoffnung ſeyn ſoll, bes ruhigt nnd erfreut den alten Onkel dergeſtalt, daß er die Hände der Liebenden Tufermnenfügt. Das damalige Publikum fonnte viel aushalten. Die übris gen Stüde find ganz unbebeutend. Gbenfo das · Trauerfpiel „der Graf von Witham“, im dem am Schluß der ſterbende Liebhaber noch fo: viel Kraft bes Hält, die untrene Geliebte zu erſtechen und mit ihr zu ſterben.

Karl Philipp Morig, geb. zudhameln, geſt. als Profeſſor und Akademiker in Berlin 1798, ſchrieb vielerlei Unbeheutendes, nur feine unter dem Titel „Anton Meifer“ 1785 erſchienene eigene Lebensbefchrei- bung iſt intereffant, weil aufrichtig und naiv in der engllſchen Manter.

Reiſer, ein gaͤnzlich verwahrloster Knabe, wurde Hutmacherlehrling, nach⸗ Her Schauſpieler ac. eine Abentheuer wie feine fpätern Ausheichnungen ger

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währen weniger Intereſſe, als bie Schilderung feiner Geelenzuflände und das Schulleben feiner Jugend.

Ein noch viel merkwürbigerer Selbfibiograph war Stilling (eigentlich Johann Heinrich Jung), daher auf oft Jung ·Stilling genannt, aus dem Naſſauiſchen, ein Schneidergefel, Schullehrer, dann, nachdem er Mebizin fiubirt, berühmter Augenarzt in Heidelberg und zuletzt noch Profeſſor der StaatöwiffenfHaften (+ 1817). Mit dem ebelften Muthe fid mitten im Neid der. Aufklärung und Neligionsfpötterel für Chriſtum zu befennen, verband er eine feltfame literariſche Koketterie. Seine Schrif- ten wurben in vielen Kreifen ber Frommen gelefen. Gefammelt in Stutt« gart, bei Schelble 1838, in 14 Bänden. Am befannteften if feine Selbſtblographie oder „Stillings Jugend, Jünglingsjahre, Wanderſchaft, Rehrjahre, häusliches Leben und Alter.“

Die treuherzige Art, im der er feine gebrüdte Jugend beſchreibt, das Poylifcge der Armuth,, die Genremalerei aus der börfligen Gchulmeifler und Schneiverwelt Hat vielen Reiz und dad fromme Gottvertrauen etwas Er⸗ hebendes. Es liegt fogar eine tiefere nationale Idee in biefem Buche, fofern es beutfcher Muth und Fleiß, deutfcher Geiſt if, ber ſich aus fo tiefer Niedrige teit und Befcgränktheit zum Hohen emporarbeitet, wie dad Samenkorn aus Erde und Mift. Doch wird man beim Lefen diefer Geſchichten ein brädendes Gefühl nicht los, daflelbe, wie es Anton Meifer einflößt; und biefes drückende Gefühl nimmt in dem Maße zu, in welchem der Autor In glücklichere Ver⸗ Hältniffe Tommt und nur noch feine @rfolge und feine dreude zw fejildern hat. Das Drüdende ift die Kleinlichkeit, der Pedantiemus, bie geheime Gitelfeit des Mannes, ber ſich felbft denn doch gar zu wichtig vorfommt und der Mits und Nachwelt auch dad Unbebeutendfle aus feinem Leben, fogar aus der Kinberfiube feiner Kinder erzählen zu müſſen glaubt. Geine Anhänglikeit, man darf wohl fagen feine Schwärmerei für feine Gattin hat etwas Rührendes, aber fie wird faſt komiſch, wenn man liest, wie ihm eine Sram mac) der andern ſtirbt und er eine nad} der andern heirathet, Chriſtine, Selma, Glife, und für febe neue wieder eben fo fwärmt, wie für bie frühere. Das Hat denn aud auf feine Romane singewirkt, in benen ein wahrer. Lurus von chriſt⸗ Hidjer Ruppelei und Chefegen herrſcht.

Die ganze Eigenthümligkeit Stillings tritt Hervor in feiner „Ge⸗ ſchichte des Herrn von Morgenthau“. Bon 1779.

Der junge Candidat Streitmann lernt den Herrn von Morgenthau, einen

erſt dreißigjähtigen aber ſeht ernſthaften und geheimnißvoll orafeinden Edel-

mann, kennen und bewundern, zuerſt bei ber Leiche einer er in der bie

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verſtoßene Schwiegertochter des böfen Heren von Haberklee erfannt wird. Morgenthan Täpt fie begraben und nimmt fi der verwaisten Kinder an. Da fommt aud) der Gatie ber Verflorbenen, ber junge Haberflee, als abge riffener Bettler. Sein alter böfer Bater will ihn Holm, aber Morgenthan verwehrt es ihm. Der Alte befommt einen Schlag von feinem Pferde, Mors gentgau verpflegt ihn und bringt es bafin, ihm zum Chriſten gu befehren. Denn Morgenthan iſt felbft der frömmſte Chriſt. Nachdem er manches Gute von Johannetten, Streitmanns Schwefter, gehört hat, geht er einmal incognito aw ihr und zwar des Nachts, ald fehon alles im Haufe fhläft. Sie if ſchon in Negligs, macht ihm auf und nimmt feinen Anftand, ald er fie unter dem angenommenen Namen Adam erſucht, einen Spaziergang im Mondſchein mit ihm zu machen, bieß zu thun. Gleich bei dieſer erſten Zufammenkunft ſchmelzen ihre Seelen in einander. Ginige Jahre fpäter zieht er ald Herr von Morgens thau auf und holt die freudig überrafehte Braut, deren Eltern, alte Pfarrers⸗ Teute, er ebenfalls zu fih nimmt. Aus diefer einen Heirath folgen andre, der junge Streitmann wird Pfarrer und heirathet eine Geelenfjwefer, deren Bruber wieder eine andre, ber junge Haberflee diefe und fo fort. Es if eine recht himmliſche Kuppelei. Daziwifchen werden theologifche Geſpraͤche geführt, die falſche Orthoborie vom wahren Chriſtenthum unterfchieden und ber ſchale Deismus verdammt. Gin Verbrecher wird hingerichtet und vorher bekehrt. Melfolg wird gebemüthigt und belehrt. Der waltende Geiſt if ein etwas männlich geſteiftes Herrenhuterthum, mit amerifanifchem Freimuth. Um den freien, nur an Ghrifto gebundenen Geift Morgenthaus noch glänzenber ins Licht zu ſehen, macht ihn ber Dichter zu einem Prinzen, der am Schluß des Romans auch wirklich auf den Thron gelangt, troß feiner Mißheirath mit der BPfarrerstochter.

Etwas fpäter ſchrieb Stilling die Geſchichte Florentins von Fah—

lendorn, 1781.

Ein verwaister Knabe, deſſen Eltern todt, deſſen Schloß verbrannt iſt, bettelt ſich durch die Welt, wächst heran, fällt Werbern in die Hände und muß in Amerifa als Soldat dienen, wird aber durch alle biefe graufamen Scidfale nur geprüft und geläutert, fo daß er, in feinem Stande rehabilitirt und zu großem Beſihe gelangt, an ber Seite des eben fo geprüften und gefühl⸗ vollen Fraͤuleins Rofalie, feiner Jugendliebe, ein frommes Herrnhuterleben führt, ein großes Waifenhaus gründet zc. Die Begebenheiten und felbft die Charaltere find Nebenfache, die Dauptſache find bie ihriſchen Ergießungen; die Hymnen in Profa, in denen irdiſche und himmliſche Liebe bis zur Ununters feeidbarkeit in einander fließen.

In dem Noman „Theodor von Linden“ 1780, werben verſchiedene Perſonen geprüft, befehrt und am Ende gibt es eine Menge Hochzeiten

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zugleich. In „Theobald oder ber Schwärmer“ unterſcheidet Stilling ben ädten Frommen von den Srömmlern. In feinem berühmten „KHeimmeh“ von 1794 kokettirt er aber felber etwas zu viel mit ber Brömmigkelt. Es ift ein allegoriſcher Roman.

Chriſtian Oftenheim if der Chriſt, der feine wahre Heimath im Ofen, d. 5. bei Chriſto ſuchen foll. MS er herangewachſen, weihen ihn feine Eitern in wunderliche Myſterien ber fogenannten Welfenmänner ein, d. 5. von feft auf Gott Bertrauenden und im Glauben Wurzelnden. Er wird auf Reifen gefegikt und muß unterwegs allerlei Prüfungen ſeines Glaubens und feiner Tugend befichen. Wenn er dabei firaudelt, fo fommen ihm bie geheimnißs vollen Belfenmänner allzeit raſch zu Hülfe. Die Verführer find nur immer Alegorieen der Weltluft, der böfen Neigungen und Sünden, fo wie bie Belfens männer Adegorieen der chriſtlichen Tugenden. Zur Belohnung für feine Ans⸗ dauer wird er mit ber wunderbar ſchonen Uranla verlobt, bie ihn anfangs freilich mit der Larve eines Todtengefihts zurüdfchredtt, das fid aber fpäter in ein Angeſicht vol himmliſcher Schönheit verwandelt. Diefe Urania flellt die Wahrheit vor, fo wie Chriſtian, der von nun an Eugenius (ber Wohl: geborene) Heißt, ben Glauben. Verſchiedene Verſuchungen, ihn wieder von Uranien abzuloden, mißlingen. Ginmal wird der Jüngling von einer reigenden Dame im Bett überrafcht, feigt aber muthig heraus, padtt fie und wirft fie unbarmherzig zur Thüre Hinaus. Solche Heldenthaten machen ihn nun nach und nach fähig, das höchſte Ziel zu erreichen. Er beginnt bie Reife zur Heimat}, in ben Orient. In Aegypten wird er im Innern einer Pyramide in die älteflen Geheimniſſe der ägyptifcken Weisheit eingeweiht. Damit foll nichts anderes als das geſchichtliche und menſchheitskundige Studium gemeint ſeyn, das ber Chriſt durchmachen muß, um bie bohe Bedeutung des NMeſſias auf Erden gehoͤrig zu verſtehen. Auch zu den Perſern kommt er, um ihnen ihren Lichtgott Ormuzd als Chriſtum zu deuten. Endlich wird er Fürſt von Salyma und richtet eine chriſtliche Monarchie ein, die ein Surrogat für das Reich Chriſti im himmliſchen Jerufalem feyn fol, und in welchem bie menfchs liche Schwäche noch einige Unorbnung veranlaßt, die aber bald wieder gehoben wird. Die Polizei und Genfur in dieſem Staat if fehr aufmerffam. So unumſchraͤnkt die Gewalt des chriſtlichen Fürſten nad; unten if, fo hängt er doch nad) oben von einem Zwölfergeriht ab, dem hohen Rath von Deb- pera, unbefannten Obern, dem er verantwortlich ift und Rechenſchaft ablegen muß. Das find die apoſtoliſchen chriſtlichen Urkunden. Die Erklärung gab Stilling in feinem „Schlüffel zum Heimweh“. Die Allegorie Hat etwas an fi fo Kühles und Langweiliges, daß man ſich hüten follte, ein warmes chrifte liches Herz mit diefem Cismantel zu bebeden. Hier aber fpielt Jung noch dazu mit den chriſtlichen Wahrheiten Verſtedens, myRifleirt die Lefer und täne

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delt in das ernfte Chriſtenthum bie Geheimnigfrämerei der Freimaurer hinein. Das alles macht einen unerquicklichen Eindruck.

Noch mehr verfehlt ift „der graue Mann“, eine Borfehung des Heimweh,

worin Oſtenheim bie letzten Zeiten verfündet. Das Buch wurde in ber Zeit nad) Napoleons Sturz vollendet, daher ift auf die Meinung Rüdfiht genoms men, berzufolge Napoleon der Antichriſt feyn follte. Aber Stilliug behauptet, der wahre Antihrift fey der Papſt.

Die Eleineren Erzählungen Stillings handeln von Gottes wunder- baren Fügungen in Rettung von Armen und Unglüglichen, Bekehrung von Sündern, im Bufammenbringen von Menſchen, vie ſich zu lieben beſtimmt find, in Beſtrafung von Verbrechern sc. Er bearbeitete auch bibliſche Erzählungen und machte Gedichte. Unter den letzten findet ſich eines auf feine drei Frauen, deren er ſich faſt muhamedaniſch freut, als könne er ſie, die er mac einander gehabt, einſt ale zugleih. Haben. Endlich verfiel er auf Geiſterſeherei, ſchrieb eine „Theorie der Geifter- kunde“ voll intereffanter Belfpiele und „Scenen aus dem Geiſterreiche“.

Gefpräche im Himmel. Die Seligen freuen ſich ber neuen Herrlichkeit, befchäftigen ſich aber doch mehr mit Crinnerungen an bie Erde. Da werben ganze Kapitel aus der Kirchengeſchichte abgehandelt. Noch öfter wird einzelner frommen Männer gedacht, deren Anfunft im Elyfium oder deren „Verklärung“ befonders gefeiert wird. Das iſt eine Art Kultus des Genius, wie er wenige ſtens unter den Frommen nicht vorfommen follte. Gin eitles Ausframen pers fönlicger Verdienſte. Da umarmen fih und disputiren mit einander Lavater und Heinrich Heß, jener unter dem Namen Israel, diefer Jeſanjah genannt. Abgefchmadtte Lobhubeleien, die fih die himmlifchen Brüder wechfelfeitig fpenz ben. Hin unb wieder aber fehlagen doch tiefere Gedanken vor. So z. B., daß die Verdammten vermittelt einer nur jenfeitd zu erlangenden Geiſterſprache oder unmittelbaren Ginfiht alle Lafer an Andern erkennen und einander mit unſaglichem Abfcheu fliehen möchten und nicht fönnen.

Im Anhange ein epifches Gedicht in achizeiligen Stangen: Ehryfäon ober das goldene Zeitalter, der Verſuch einer Schilderung des taufenbjäßrigen Reihe. Selmar blickt in ein paradiefifches Thal mit einem Tempel, wuͤnſcht dort Hinein zu kommen, muß aber erft viel Prüfungen beftehen. Endlich fommt er hinein und findet im Garten den Hausvater Gottfried, ber ihm über den Antichriſt und das nach feinem Sturz angebrochene goldene Zeitalter Nachricht gibt. Dann fommt er nach ber Hauptſiadt Antiochia, wo eine vortreffliche Kinderzucht und Schule eingerichtet it und wo er ein Concert Hört, den finns

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billigen Ausdruck dex Hier herrſchenden volllommenen Harmonie. Weiter bes fleigt ex das Gebirge Libanon, findet Hier feine auferflaubenen Eltern wieder und empfängt aus ben Händen dea Mpofel Paulus das Abendmahl. Gublich fommt er noch nach Jerufalem, fieht den Heiland felb und erwacht aus feinem Traum.

Theodor Oottlieb von Hippel, ein Ofpreuße, flubirte Theologie, wurde aus Liebe zu einem abeligen Fräulein Jurift, Advokat und flarh ad Vürgermeiſter und fehr veiher Mann in Königsberg. Er war ein Sonberling, fpielte den Republikaner von Grundfag und lleß ſich adeln, mar fehr Häplih und ließ fih oft malen. Er ſchrieb ein Lob ver Ehe und heirathete nie. Als Dichter war er der gefühlvollſte Menſch, liebens⸗ würdig edel zum bewundern, als Gefäftsmann aber hart und eiskalt. Sein Hauptwerk find die: „Lebensläufe nad auffleigenber Linie, in 4 Bänden, Berlin 1778 mit Kupfern von Chodowieckt. Er wollte zuerſt fein, dann feines Vater, dann feines Großvaters Leben beſchreiben, daher der Titel, hat aber doch nur fein eigenes beſchrieben, mit Erinne⸗ tungen an das väterlihe vermiſcht. Unter ven handelnden Perfonen finden wir treue Portraits von Hippels Eltern und Freunden, dem Philo⸗ ſophen Kant ac. wieder. Im Allgemeinen iſt nicht zu verfennen, daß er Swift und Sterne fid zum Muſter genommen, allein feine deutſche Natur bricht durch die Nachahmung des fremden Mufterd gleichſam verftohlen, aber mit einer unwiderſtehlichen Macht hindurch. Sein Gefühl iſt un⸗ endlich tiefer, als daß feiner englifhen Vorbilder. Man fleht, wie hier die fhönfte, liebenswertheſte Seele, dur Ungunft ber Umgebung, durch ein hartes Schickſal mie die zarte Blume durch den rauhen Nord erfror, und bie eiskalte Meflerion, zulegt der Egoismus des Geſchäftsmannes und alten Junggeſellen übrig blieben.

In den Lebensläufen wird wie in Gternes Triſtram Shandy in breitefter Beitläuftigfeit eine Jugendgeſchichte erzählt. Der Dater iſt Paſtor in Kurs Iand, ein Audländer, ber aus feiner Heimath ein tiefes Geheimnig macht, aber täglich davon rebet, wie ganz anders, wie viel fhöner es in feiner ſüdlichen Heimat fey. Die Mutter ift eine biebere Hausftau, fireng lutheriſch, bes wanbert in den geiftlichen Liedern, aus denen fie in allen Faͤllen Troft ſchoͤpft, und dabei echt weiblich naiv. Der Sohn heißt Alerander und hat eine Jus gendgefpielin, die Feine Mine: Er wird todikrank, fein Kranfenlager, bie Sorge feiner treuen Eltern, fein rührendes Teftament laſſen bie tiefſten Blicke in die menſchliche Seele thun. Er wird wieder gefund, zum Staunen und heim⸗

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lichen Berbruß des unfähigen Arztes. Gr widmet ſich ber Theologie, bei feiner erften Predigt ficht er mur auf fein aufgeblühtes ihm gegenüber figendes Minden. Eo iſt außerſt merfwärbig, wie der Dichter hier bie alte lutherifche Srömmigfeit verbindet mit der modernen Gmpfinbfamfeit. Nie fällt e8 ihm ein, des Heiligen zu fpotten, vielmehr hat man es oft an Hippel getabelt, daß er zu viel chrifliche Erbauung einmifche, und fo fällt es ihm eben fo wenig ein, es unpaflenb zu finden, daß der junge Prediger nur fein Minden im Auge hat. Cinf ift er mit Minden im Walde und umarmt fie aufs gärtlichfle, da überraſcht ihn fein Vater, der dabei faR mehr in Ber legenheit kommt, ald die jungen Leute felbft. Diefe Scene iſt unübertrefflich wahr gefchildert. Der beflürzte Vater will nicht zutnen, weiß nidt waß er fagen foll und fragt Mingpen: it Ihr Herr Bater nicht da. Sie antwortet: nein, er iſt auch nicht da gewefen! Der Sohn, dem das Mädchen ſchon entfeptüpft iR, Hält in feiner Weberrafehung noch immer den Arm gebogen, wie ex fie umfaßt gehalten. Bald darauf flirbt Minhens Mutter und bei ihrer Leiche ſchwöͤren ſich bie Liebenden ewige Treue.

Dazwiſchen fommen nun freilich ellenlange Excurfe über allerlei theolos giſche, alademiſche ꝛc. Fragen vor. Am bemerfenswertgeften find bie Lehren, welche des Autors fterbende Mutter ihm Hinterläßt, ein langer, langer Lehre _ brief, noch viel mehr enthaltend, als Wilhelm Meiſters Lehrbrief bei Göthe. Dazu kommen Dialoge pwiſchen dem Paflor und einem Gdelmann, die zu des Autors Zeiten mehr Bedeutung hatten als jet, fofern er den Kantianismus dem firengen Lutherthum zu vermitteln fucht.

Der Autor muß Minden verlaflen und auf die Univerfität geben. Mittlere weile kommt Minchen in die Dienfte eines hochadeligen Hauſes und ein junger Edelmann trachtet fle zu verführen. Da es ihm nicht gelingt, fo hofft er fie mürbe zu machen durch Furcht und Schreden, indem er fie des Diebftahls anklagen läßt. Sie flieht und flirbt im tiefften Elende. Zu fpät erfährt es der Autor und findet fle ſchon tobt.

Mit dem Tode Minens ſchließt der zweite Band. Die beiden fpätern Bände enthalten wieber anziehende Abhandlungen, z. B. über das Gewiflen, die weitläuftige Gefchichte des Todes feiner Mutter, Scenen aus dem kurläns diſchen Sanbleben, Gefpräce des Paſtors mit dem Cbelmann x. Dann ges winnt die eigentliche Geſchichte erſt wieder Leben. "Der Autor wird Goldat und zieht mit der ruſſiſchen Armee in ben Türfenkrieg. Bei Bulareſt wird ex ſchwer verwundet und begibt ‚fi zum Behuf der Heilung nach Pyrmont. Nachdem er wieder genefen, derlicht er ſich in das Fräulein Tine, ald er fie betend erblickt. Sie ift Brant mit einem Andern, aber bie Heirath zerſchlägt fih und fie wird feine Gattin. Die Art, wie er Minen in Tinen fieht und beide verwechſelt, iſt allzu empfindfam und flört außerordentlich ben reinen und tiefen Ginbrud, den und fein Verhältniß zu Minen Hinterlaffen.

Unter den Gpifoben ift eine lange des britten Bandes zu bemerken. Eie

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handelt von einem feommen Grafen, ber fi in ben Tod verliebt und alle feine Zimmer mit ben phantaflifhen Emblemen bes Todes ausgeſchmückt hat. Diefed Grafenhaus und das Ordensweſen im nadjfolgenden Werke ſcheint nicht ohne Einfluß auf Gothe's Wilhelm Meifer geblieben zu feyn, der ebenfalls in abelige Höfe allerlei hineingeheimnißt.

Als Hippel reich geworben war, richtete er fi einen großen Garten ein, in dem er unter anderm auch einen förmlichen Kirchhof haben mußte. Offenbar verfegte feine Einbildungskraft in diefen Kirchhof die, die er in feiner Jugend geliebt Hatte, und mitten unter Geldmachen und weltlichem Egoismus blieb er einer tiefen Jugendempfinbung treu.

Wir vergeffen alle Gapricen feine® Humors und hören immer nur den, durch alles hindurchklingenden füßen, tiefen Klageton. Er brüdt, ohne daran zu denken, den Schmerz eines unterbrüdten Volkes aus. Wenn man feine Lebensläufe, eine Idylle der Oftfeeufer, Liest, glaubt man zumellen, man höre ben Wind an einem dunkeln Novembertage über bie Stoppelfelver Kurlands in geheimnißvollem Wehlaut Hinziehen. Welche heltere Bilder der Dichter und auch vorführt, wie viele deutſche Gelehr- ſamkeit er in muthwiliger Ironie herbeimälzt, um, wie Jean Paul, Wig auf Wig mit ihr zu treiben, ber Hintergrund aller Borbergründe bleibt bei ihm immer die Melandolie jenes nordiſchen Strandes und feines armen Volkes. Das gaftlihe Haus des Edelmannes, die idylliſche Woh- nung des Paftors, der die ganze deutſche Literatur und Bildung an jenem Öben Norbftrand angeflebelt,.Eönnen und vergefien machen, wo wir find; immer aber verräth es ſich wieber; blickt die bleiche Hoͤrigkelt mit flehen · der Miene zur halbgeöffneten Thür herein, und ſtreicht der kalte Wind ſeewãrts her über ein armes friſchgegrabenes Grab. Die Geſchichte des llebenswürdigen, von einem lüſternen Edelmann bis zum Tode verfolgten Mäadchens in den Lebensläufen gehört zu dem Rührendſten, mas je ge= ſchrieben worden iſt, und man muß ſich wundern, daß fie nie vom Xibe- ralismus ausgebeutet worben iſt, ba fie wahrhaftig näher läge, als bie Atar Guld, Parias und fo viele andere poetiſch verherrlichte Opfer ber Kaſtentyrannei, von denen ungleih mehr bie Rede iſt. Das Bezaubernde an Hippeld Darftelungen ift übrigens etwas, was Ihn von den mobernen Dichtern des menſchlichen Elends auffallend unterfceivet, nämlih bie Beſcheldenheit. Während Trog und Prahlerei, oder wüthender Haß und

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Fanatismus alle neuen Dichtungen des Proletarints Harakterifirt, tritt die Armuth und Unterthäntgkeit bei Hippel nur in ſtillſter Demuth auf und wagt faft feinen Schmerzlaut, nur eine Thräne, und fle ſtirbt ohne Verwünfgung, nur mit einem Seufzer. Warum merken denn die neuern Dieter nicht, daß diefe Dekonomie der Klage unendlich tiefer die Seele des Leſers ergreift, als ber pathetiſche Bombaft, "in dem fle fih gefallen ?

Die Kreuz und Quergänge des Ritters A bis 3 von Hippel, zwei Bände, Berlin 1793 Haben einen ganz andern Charakter als die Lebens⸗ Täufe. Ste verfpotten erſtens den Mel in der ausführlichen Auselnander- fegung der Ahnen⸗ und Bamilienverhältniffe des Helden, und ſodann die DMaurerei, in deren verkünfteltftien Grabe der Autor ftufenmelfe aufge- nommen wird, um zulegt der Natur zurückgegeben zu merden und in einer glücklichen Ehe die Alfanzerei zu vergeſſen. Uebrigens tft feine Ge— burt und Taufe wie in Sterned Triftram in ungemeinem ausführlichen Humor vorgetragen.

Hippel ſchrieb auch ein Luftfplel „ger Mann nad der Uhr“, worin erseinen gutmüthigen Pebanten harakterifirt, ſodann Schriften über weib⸗ liche Bildung und bürgerliche Verbefferung ver Weiber, über Gefehger bung, eine Spottfrift auf den, Arzt Zimmermann und eine Selbftbios graphie. Seine Werke erſchlenen in 12 Bänden gefammelt, Berlin 1827.

Einige beveutende Geifter in Deutſchland geflelen fih damals in nue Eurzen Abhandlungen, Fragmenten, Aphorismen, worin fie, Halb in

Smwifts, Halb in Sternes Manier, frappante Säge mit abfichtlicher Dunfel- beit, unvollendet, halb mit myſtiſchem Tiefſinn, Halb troniſch vortrugen. Hinter diefer Maske verſteckte fi mamentli der Berühmte Magus aus Norden,‘ ein lange anonym gebliebener Schriftfteller, der es in feinem Leben nicht weiter brachte als bis zum Amt eines Padkhofver- walter8 in Königsberg. Johann Georg Hamann war nur ein rhapſo⸗. diſcher Philoſoph, aber tieffinniger als die Syſtemmacher feiner Zeit. Er hielt mehr von den Offenbarungen der innerften Menſchennatur in Stimmungen, Neigungen, Einfällen, Entſchlleßungen, als von den Bes rechnungen ber f. g. Vernunft. Eben fo Hoc fanden ihm Erfahrung, Geſchichte und Offenbarung, die alle umverrücbar ſeyen gegenüber .ven Kunſtſtückchen der fogenannten Vernunft. Er fah daher mit fouverainer Verachtung, wie auf die Vernunftpebanteret des Philofophen Kant, fo

Die Ratürliäteiteperiohe. “8

auf bie ftivole Sophiſtik des eiteln Leffing herab und züchtigte insbe⸗ fondere- den frechen Juden Mendeldfohn. Doch Eonnte ihm biefer edle Muth im Zeitalter der Aufklärung nur ſchaden. Herder, Jacobi nahmen ſich feiner an, von ben Meiften mar er gehaft ober wurde abſichtlich ignoritt. Erſt nach feinem Tode bat man ihn recht zu mürbigen ange fangen und ſogar überfehägt. Jean Paul hat wohl vet, wenn er feine Werke mit einem dunkeln Nachthimmel vol Sterne vergleiät, unter denen ſich noch viele unaufgelöste Nebel finden; aber verborgene Offenbarungen in ihm zu fuchen, wäre thöricht. Er hatte Feine Weisheit als die längft offenbarte des Chriſtenthums. \

Matthias Claudius, Mevifor in Wandöbet, fhrieb 1763 Täns beleten, im verliebten Geſchmack des Gerftenberg, aber 1778 feinen be» rühmten Aswus omnia secum portans ober fämmtliche Werke des Wandd« beder Boten, 4 fpäter 7 Bände, worin ber nefunde Menſchenverſtand {m Gewande natver Einfalt die vornehmen Narrheiten und Eitelfeiten der Belt verfpottet, zugleih aber au das natürliche Gefühl oft in weh⸗ müthige und tief rührende Klagen außbricht. Der Gedanke an ben Tob geht durch das ganze, oft fo launiſche Bud durch, fo daß man an dem Gelächter faft erſchrickt, als ob es von einem Grabe herfäme. Die große Virfung des Buchs legt nur darin, daß der tieffte Schmerz über bie Selbſtentwürdigung, wie über die Lelden des Menſchen in Spaß und burleske Gemeinheit eingefleivet if. Sein Vorbild war Noriks fentie mentale Reife von Sterne. . Aber er mahnt fon an Jean Paul, indem er fein eigenes Doppelmefen in zwei Hauptfiguren fplegelt, feine volfd- thümtiche Natürlichkeit und Einfalt im Asmus, feine gelehrte Bildung Im Vetter Andres. .

Die erften Bände des Asmus find die beften, die letzten werben breit und " verlieren fih in Hiforifch:philofophifche Betrachtungen ohne Humor. Gie ents Halten 1) Vollsthümlich empfundene Lieder, von denen einige wirklich wahre Volkslieder geworben find, vor allen das weltberühmte Rheinlied :

Am Rhein, am Rhein da wachfen unfre Reben xc.

Man Hat in neueren Jahren behauptet, Claudius babe das Lieb nicht felöf gebichtet, fondern nur aufgenommen, und es ſey von Sander aus Baben verfaßt. Allein die Beweife ift man fepulbig geblieben. Das Lie if fo ganz im Geifte des Claudius empfangen, daß man nicht berechtigt if, einem Ans dern etwas Nehnliches zuzutrauen. Sehr beliebt wurde auch das Lich:

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Der Mond ift aufgegangen, Die golbnen Sterne prangen Am Himmel Hell und klar ꝛc.

Ein gar hübſches Lied if das von Philinen, einem jungen Mädchen, welches nicht begreifen kann, warum ihr Liebhaber fo wild und ſcheu zugleich iſt, weil ihr das Wefen männlicher Liebe noch fremd if. Es iſt bisher wenig beachtet, Philine überfcprieben (I. 34), Hat aber eine pſychologiſche Tiefe und Hohen natürlicgen Reiz. Uriens Reife um die Welt:

Wenn jemand eine Reife thut, So fann er was verzählen ıc.

Hat zwar infofern Bedeutung, als biefe burleske Manier wefentlich auf Bürger und Blumauer Ginfluß übte und auf Kortum (Jobſiade) 2. und eine flehende Gattung von Liedern begründete; allein es if im Ganzen wenig Wi darin. In demfelben Ton werben von Claudius Heine Bamilienfcenen geſchilderi. Das Taͤndelnde des Bater Gleim vereinigt ſich hier mit der Haushahngrandezza des alten Voß. Gine durchaus verfehlte, gemachte und wibrige Manier. So z. B. IV. 93 und 94. Gin Kind reflectirt:

Der Storch bringt nun ein Brüberlein Er fommt damit ind Benfter herein

Und beißt Mama ein Loch ind Bein, Das ift fo feine Art.

Mama liegt wohl und fürchtet ſich, O lieber Storch, ich bitte dich, Beiß doh Mama nicht hart.

He, be, da kommt Papa herein, Nun wird er wohl gekommen feyn. Aber du weineft ja. Hat er did auch gebiffen, Papa?

Gleich darauf S. 94 befingt Claudius die Geburt feiner nachherigen Frau und hätte fie gar zu gen in den Windeln gefehen.

Das Tragifche dagegen tritt im Asmus oft hoͤchſt rührend hervor, z. B. im der nur Furzen Beirachtung über bie Schönheit einer Leiche I. 7. In den kurzen Schmerzliedern, Klage um Anſelmo's Tod L 13. Im Liede am Grabe des Vaters I. 139. inen tief rährenden und zugleich furchtbaren Cindrud machen bie vier wahnfinnigen Brüder im Irrenhaufe IV. 125. Doch hat fih Claudius auch in dieſen tragifchen Parthieen verleiten Iaflen, zu tief ind Nas türliche zu malen, z. B. in bem wahrhaft efelhaften Liede für Schwindſüch- tige IV. 106. .

In der Mafle zerfireut finden ſich einige treffliche Satiren, z. B. das

Die Natürlicpfeitsperiode. , 4

Eoncert der Rapaune, zur Verſpottung der falſchen Empfinbfamfeit feiner Zeit IV. 67. Das Heine Epigramm auf Adam: dein erfler Schlaf war deine Iepte Ruh (weil Eva daraus entftand) I. 67, vor allem der köſtliche Spott über Gothe s Wertger L 52. Nun mag ich auch nicht Länger leben, Verhaßt if mir des Tages Licht; Denn fie hat Franze Kuchen geben, Wir aber nicht.

Am eigenthumlichſten iR Asmus darin, daß er zugleid) fromm und liberal iR, zugleich gegen bie ſalſche Aufklärung eifert und doch Oppofition macht gegen Fürflens und Melswillfür im Namen des dritten Standes. Er vertrat den Bauernfland gegenüber den Herren. Cine furchtbare Anklage enthält in frielenden Worten das Schreiben eines parforce gejagten Hirſches an ben Fürfen, IM. 93, zum Theil and der Meujahrsmunfc des alten lahmen Ins validen @örgel, TIL. 28. Die befle iſt wohl bie Mubienz des Asmus beim Kaiſer von Japan, II. 49. Die Frömmigkeit tritt bei Claudius überall her⸗ vor. Mm fhönften in dem kleinen Beifpiel vom Waſſerfall in Nordamerika IV. 83. Gin @uropäer unterſucht und mißt aus, während ber Indianer nur ehrſurchtsvoll den großen Geift anbetet. In demſelben Sinn vertheidigt Claus bins ben Jacobi gegen bie Angriffe von Mendelsfohn und Leffing. Zugleich gibt fih Claudius Mühe, durch Maturbetrachtungen (wie Brodes) zur Relie giofttät zu ſtimmen. Hier fällt er aber auch wieder ins Triviale hinab. So heißt es I. 6: die Juden ſeien doch recht boͤſe Menfchen geweſen, daß fie im Angefihht des freundlichen Mondes einem gerechten und unfguldigen Mann (Ehriftus) Hätten Leid thun können. Als ob die empfindfame Betrachtung des Mondes allein fie davon hätte abhalten follen.

Ein guter Humorift mar auch Abraham Gotthelf Käftner, Pro— feffor der Mathematit und Phyſik in Göttingen. Seine vermiſchten Säriften erſchienen zuerft Altenburg 1783 und mit vielem Einzelnen ver wehrt in 4 Bänden, Berlin 1841.

Sie enthalten 1) Eyigramme, in denen nicht bloß Witz, fondern auch eine edle, insbeſondere patriotifche Geſinnung vorherrſcht, z. B. in denen auf Kepler, die Schlacht bei Roßbach, Friedrich den Großen ac. 2) Oben, Lieber, Elegien. Gut ift die Parallele zwiſchen fehönen Wachsſiguren und geiftlofen Mädchen. Ein philofophifches Lehrgedicht von den Kometen iſt nur gelehrt, nicht wigig. Unter ven wenigen Babeln ift die von der Eule bie befte. 3) Miss cellen, Anecboten, Ginfälle in Proſa. Cinmal, fagt Käftner, konnte ih ein nenes theologiſches Wert nicht in den Vücherfeprant bringen, es flel immer Wieder Heraus, weil unbemerkt ein Neues Teflament in Meinem Format in der Ece ſtand, von dem es zurügefloßen wurde. 4) Reden und Heine Auf⸗

46 Neuntes Buch.

füge, darunter bemerfenswerth das gerechte Urtheil über Gottſched in einer Borlefung von 1767. Alt und in der Manier von Swift ift die Thon 1744 in ben -Beluftigungen des Verſtandes und Witzes gebeutete Schilderung der Mondregentinnen, eine Satire auf den philoſophiſchen Streit der Zeit, indem bie eine Regentin Atome unb bie andere Monade Heißt, jene ber Ausbrud ber franzöſiſchen Atomiſtik, dieſe des Leibnihianismus.

Einer der angeſehenſten Vertreter des engliſchen Geiſtes in Deutſch⸗ land war ber Göttinger Profeſſor Georg Chriſtoph Lichten berg, ein kleiner, bucklicher Mann, aber ſehr munter und geiſtreich. Er lehrte Naturwiſſenſchaften und ſchrieb in dieſem Fach. Außerdem aber zeichnete ex ſich durch eine Menge kleiner Auffäge und Aphorismen aus, die nach feinem Tode in 9 Bänden gefammelt erfälenen unter dem Titel „Ver— miſchte Schriften von Lichtenberg“ Göttingen 1800. Hier zeigt er ſich als ein überaus feiner Menſchenkenner und wigiger Kopf. Sein Stol iſt leicht und Elar, wie ber von Reffing, dem er auf in Scharffinn am naͤchſten ſteht. Andrerſeits neigt er im leichten Scherz wieber mehr zu Wieland.

In feinen „Bemerkungen über ſich felbft“

entfaltet Lichtenberg die geheimften Balten der menſchlichen Seele, mit ber Aufricptigkeit Rouffeau's, aber nicht mit dem armen Eündergefühl Rouffeau’s, fondern mit dem Vergnügen eines Anatomen, der im feinſten Rervenfüften uene Entdeckungen macht. Die Analyfe ber unbewachten Empfindungen und geheimften Beftimmungen der Meinung und des Willens gelingt ihm am meiften. Er geht damit bis ins Kindesalter zurüd und berührt Hier Saiten, bie in neuerer Zeit zuerft wieder Bogumil Col angeſchlagen Hat.

In der Abhandlung „über die Macht ver Liebe“

verfolgt er mit berfelben Schärfe ber alles analyfirenden Lanzette die geheim

Ren Empfindungen der Zärtlichfeit. Dieß iſt wohl einer ber originellften und

merkwürbigften Auffäpe von ihm. Aber ich geſtehe, fie iſt mir unbehaglich, eine ſolche Bivifection des noch fehlagenden Herzens.

In den „philoſophiſchen Bemerkungen“ gefteht Lichtenberg offen, er ſey kein Chriſt, er melffagt ver Philoſophie den Steg über die Kirche und verzweifelt nicht, in einigen Jahrhunderten werde geläuterter Spino—⸗ zismus · die allgemeine Weltreligion geworben ſeyn. Alſo mußte auf diefer fonft fo feine Geift dem Vorurtheil der Zeit huldigen. Bon ausgezeichnetem pſychologiſchem Intereffe if Lichtenbergs Abhandlung

Die Ratürlicfeitöperiope. 47

über bie Bedienten“ im 4. Bande, mit Kupfern von Ehobowiedt. In demſelben Bande finbet ſich auch eine Humoriftife Abhandlung vom Nugen der Prügel. Die letzten Bände find faft ganz mit Abhandlungen über einzelne Zweige ver Naturwiſſenſchaft angefüllt, voll feiner Bemerkungen aber melft nur Gelegenhettöfäriften feiner Zeit. Das Wigigfte liegt verborgen in ben Eleinften Auffägen und Aphorismen. Hier nur eine Auswahl: J

Band I. ©. 95: Bittſchrift der Wahnſinnigen. S. 344: Geſpräch zweier Bieillinge im Mutterleibe, ©. 368: Nachahmung der englifdyen Croth-readings, ober Zufammenftellung von, Zeitungsnachrichten, fo daß über bie Spalte hinüber⸗ gelefen wird und zum Anfang bed einen ber Schluß des andern Artikels fommt, 3. B.: Heute wurde Madame N. mit Zwillingen entbunden wer auf zehn Gremplare pränumerirt, befommt das elfte gratis. Band III. 231 : Anfchlagzettel im Namen des Zauberers Philadelphia. Als dieſer Tas ſchenſpieler nach Göttingen fam, fam ihm Lichtenberg mit einem wißigen Anſchlagzettel voll komiſcher Auffchneibereien zuvor und Philadelphia ſah ſich genötigt, abzureifen, ohne feine Kunſt probueirt zu haben. ©. 589 Frage ment von Schwänzen, d. h. von Zöpfen, die hier ald Schwänze der Menfchen« thiere phyfiognomifch aufgefaßt werben.

Unter den kleinen epigrammatifchen Wipen ift zu bemerfen I. 101: Gin Dreis groſchenſtuck ift immer befler ald eine Thräne. IL. 141: Mädchen fangen ſchon an, ſich dumm zu fielen, ehe fie noch Flug find, ©. 159: Ob Mäpchen auch im Dunkeln ereötgen? Gine Brage, die fih nicht beim Licht ausmachen läßt. ©. 363: Wenn Jemand dem größten Schelm in Deutſchland 100,000 Louisd'or ausſetzte, wie viel Bewerber würben ſich melden ? II. 49: Wenn es einmal in ber Welt feine Barbaren mehr gibt, iſts um und gefchehen. 106: Gs gibt einen Zufland, in dem man bie Gegenwart einer geliebten Perfon eben fo wenig verträgt, als ihre Abweſenheit. 108: Zuweilen gefällt einem ein Ge⸗ danke, wenn man liegt, aber nicht mehr, wenn man aufflcht. 411: Sujet für einen Maler, zwei Mädchen, die in einen Brunnen fehen, aus bem bie Kinder Tommen follen, und durch ihr eigenes Gpiegelbild getäufeht werden. 422: War num fielen die Thiere nicht?

Das witzige Hauptwerk Lichtenbergs find feine Erklärungen ber Kupferſtiche von Hogarth, vol Geiſt und Gelehrſamkeit.

Friedrich Dominik Ring, Geh. Hofrath in Karlsruhe, ſchrieb im Mt. Anzeiger von 1799 Nr. 148 eine hübſche Abhandlung über Ueber fegermißgriffe mit vielen fehr komiſchen Beifpielen, und Nr. 149—151 eine andre über ben deus Risus ber Alten.

Eine der beltebteften komiſchen Dichtungen murbe das In Knittel-

48 x Neuntes Buch.

verfen und in ber Manier des englifhen Hudibras geſchriebene Epos des Johann Arnold Kortum, Arzt zu Bodum in der Grafſchaft Mark, die Iobfiade, zuerft 1784 in Münfter gebrudt.

Job, ein ganz gemeiner, aber munterer Burfcje, follte fiubiren, lebte aber faul und lüderlich, fo daß er im Cramen durchfiel. Dieſes Gramen iſt der Olanzpunft des Gebichts. Fragen: Wer waren bie Apoſtel? Antwort: Große Bierfrüge (bie man auf Univerfitäten fo nennt). Wer war ber heilige Mugus . Min? Der PedeN (weil diefer wirklich fo hieß). Wie viel gibt e8 Engel? &r fenne mur den blauen (ein Wirthehans). Was glaubten die Manichaäͤer? Ich wuͤrde fie bezahlen, aber ich habe fe geprellt sc. Bei jeder Antwort reißt es:

Ueber diefe Antwort des Candidaten Jobſes Geſchah ein allgemeines Schütteln des Kopfes. Der Infpector fprach zuerſt: hm, Hm, Darauf bie. andern secundum ordinem.

MS Jobs heimlehrt, ſtirbt fein Vater vor Verdruß, er ſelbſt muß Schul⸗ meifter werben, ſinkt bis zum Nachtwächter herab und flirbt. Später er- fehien ein zweiter Theil, worin er wieber auflebt und zu Ohnewitz Pfarrer wird. Das Leben eines gemeinen, nur dem Schlendrian folgenden Landgeiſt- lichen, ift darin nicht übel gefchildert, der zweite Theil aber ift matter ald der erfle. .

Kortum ſchrieb au einen Märtyrer ber Moe, die magiſche Laterne und Amors Hochzeitfeter, die ich mir nicht habe verſchaffen können. Andre geiftliche Humoöresken waren Weppens Kirenvifitation 1781 und ſtädti— ſches Patronat 1787, und Walderd Stugperüde 1785, Paftor Rinb- vigius 1798. .

Levin Sander von Itzehoe fhrieb feit 1783 eine Menge komiſche Erzählungen und Humoresken, auch 'ein Baar Luftfpiele und Ueberfegungen aus dem Dänifchen.

Eines der Heften und auch volfsthümlich gewordenen Bücher jener Zeit waren die „wunderbaren Reifen und Begebenheiten des Freihern . von Münchhauſen“, 1787 angeblih aus dem Engliſchen, aber am wahrſcheinlichſten verfaßt von Bürger, ber nur Ältere Jägerfhwänfe mit neuen vermehrte. Vgl. Theil I. 89, IL. 396, wozu nod bie mendacia ridieula in des I. P. Lange deliciae acad. von 1606 nadzutragen find. Ob Bürger den Miniſter Münchhauſen bamit ärgern molte, iſt gleich» gültig. Das Buch) Hat nur Werth als Volksbuch voll Yuftiger Fägerlügen.

Die Ratärlicfeitsperiode. 4

Der eble Freiherr von Mündpbaufen breffict fein Pferb fo gut, daß er damit auf einem Theetiſch Herumtangt, an welchem Damen figen. Gr reitet durch eine vorbeifahrende Kutſche durch und begrüßt die darin figenben Tamen im Durflug. Gr bindet fein Pferd im Echnee an einen Pfahl, erwacht des Morgens, nachdem der Schnee geſchmolzen ift, unten an einem Kirchthurm, fieht fein Bferd oben am Thurm hängen, ſchießt den Zügel mit einer Piflolens fugel durch und reitet weiter. Im Sumpf verfunfen zieht Münchhauſen fih felbft und damit zugleich das Pferd, auf dem er figt, am Zopf Heraus, Einen Bären fängt er, indem er Honig an eine Deichfel ſtreicht, an ber fih der Bär fortledt, bis er wie am Spieße daran fledt. Gin Sagdhund läuft ſich auf langer Jagd bie Beine kurz ab, auf der Rückkehr aber wieder lang an. Gine gehete Häfin wirft Junge, die nachſehende Hündin aud) und die kleinen Hündchen helfen gleich die Häschen jagen. Bei einer Bes Ingerung ſeht ſich Munchhaufen auf eine Ranonenkugel, indem fie abgeſchoffen wird, beobachtet aus der Höhe den Feind und kehrt auf einer feindlichen Kugel, die ihm entgegenfliegt und auf bie er ſich geſchwind ſeht, zu den Geis nen zurüd. Ein Waldhorn an ber Wand fängt plöplich zu blafen an, weil die darin erfrorenen Töne aufthauen.

Ich ſchließe Hier noch einige Satiren ver Zeit an. Die „Geſchichte diner Raus“ 1782 ohne Angabe des Drudorts, ift eine matte Sammlung m Gharakteriftifen und Intriguen des franzöflfgen und engliſchen Hofes, melde eine Laus, die fi auf den Köpfen und Perücken des Hofvolkes umgetrieben, beobachtet haben foll. Nur der cyniſche Geift eines Rabelais lönnte fo etwas mit dem gehörigen Witz ausbeuten. Noch geringer if 6. F. Hoffmannd „Reben und Wanderungen eines Flohes“, 1803. „Der blaue Eſel“, Berlin und Leipzig 1786, fol bemeifen, daß ein Efel eigentlich vernünftiger feyn könne, ald die Menfchen. Den philoſophi⸗ tenden und moraliſtrenden Eſel durch zwei dicke Bände hindurch zu bes gleiten, erweckt Langeweile. Gumor biefer Art muß kürzer gehandhabt werben.

Johann Karl Auguft Mufäus, Profeffor in Weimar (t 1787) if ukwürbig ald Romanſchriftſteller dur ven leitfertigen, ſpöttiſchen, gemein familtären Ton, ven er in bie Literatur einführte, und ber einer- ſeits in Spieß und Cramer sc., anbererfeits in Kopebue Nachahmer und eine weite Verbreitung fand. Bisher war noch Fein deutſcher Autor in fo tiefem Negligse erfjienen. Die ſchlechten Bücher, bie er geſchrieben hat, find jept vergeffen und viele Literarhiftoriter ſprechen von ihm, ohne fle gelefen zu Haben. Nur feine berühmten deutſchen Volksmaͤrchen kennt

Benzel, deuiſche Diätung. IL, 4

50 Renntes Bud.

Jedermann und nur nad ihnen pflegt er, viel zu günflig, beurtheilt zu werben. Es ift wahr, in dieſen Maͤrchen fällt feine mebifante und falope Manier weniger unangenehm auf, als in feinen langen und langweiligen Romanen, weil dieſe Märchen überhaupt viel fürzer find und weil ber ächten Volksſagen entnommene Stoff ſchon durch ſich ſelbſt intereffitt.

Außer den Volksmaͤrchen find das beſte, was Muſäus geſchrieben nBreund Heins Erſcheinungen in Holbeins Manier“, ein moderner Todten⸗ tanz, dem berühmten Basler nachgebildet, aber mit modernen Motiven. So erſcheint der Tod als Vulkan, der bie Liebenden im Netze fängt; als eine Buhlerin, die einen galanten Herrn beſchleicht; als Schulviſi- tator; als Werber 0. Auch löst er als Neformator ein Klofter auf, ſucht einen im Luftball hoch oben auf ıc.

Die moraliſche Kinderklapper des Muſäus (Erzählungen für Kinder) tft dem Franzöſiſchen des Monget, die Oper „das Gärtnermädchen“ einem franzöflfgen Roman entnommen.

Der deutſche Grandifon, Roman von Mufäus, ift ein ſchlechtes Produkt, dem Müllerſchen Siegfried von Lindenberg einigermaßen ähnlich.

Ein bornirter Landedelmann will die wenigen Romane, bie er liest, auch ſpielen. So fpielt er anfangs den Robinfon und ifolirt ſich auf einer Infel in einem Teiche. Später liest ex den Grandiſon und will aus feinem Neffen einen zweiten Granbifon machen. Derfelbe wird nach Gngland gefhidt, wo er erſt entbet, daß Grandifon nie wirklich erifirt hat. Seine Geſchichte bricht ab. Die des Onkels aber wird vollendet. Derfelbe will fi mit einem jungen Sräulein verheicathen, die aber am Hochzeitstag mit einem jungen Offizier bavonläuft. Matt erfunden und in einem widrig ſpoͤttiſchen Ton durchgeführt. J

Die Straußfedern, ein Bändchen kleiner Erzaͤhlungen von Muſäus, zweite Auflage, Mannheim 1802 enthalten vier Geſchichten ohne Ueber⸗

ſchrift.

Nur zwei find bemerkenswerth, bie von einem Grafen, ber ſich bei einem Mastenball in Wien durch eine gemeine Grabennymphe, bie er fr eine vor⸗ nehme Dame hält, prellen Iäßt, und bie eines gewiffen Walther, der ſich dem Böfen ergibt, unter der Bebingung, mur dem Wein und ber Liebe zu leben, und nadidem ex eine anftänbige Heirath; gemacht, vom Teufel gemahnt wird und mit Wahnſinn und Gelöftmorb endet, Gin Heiner Anfang ber“ fpätern

* Gallot-Hoffmannfegen Manier.

B Die Ratärlicteitöperiode. st

Die phyflognomiſchen Reifen von Mufäus. find das umerträgliäfte Bud, das vlelleicht je in Deutſchland geſchrieben wurde.

Zwei Bände hindurch wird man ununterbrochen mit einem Styl gemartert, ber ſich in vertraulichen Abkürzungen, Heinen Flächen x. gefällt. Anfang: „Hätte weiß Gott! nimmer gedacht, daß es fo kommen würbe, wies num Kommen ift, daß ich in der Buchfchnäglergilbe follt’ zünftig werben. Hab’ bie Buchmacher fehier nicht anders gebacht, als die Huimacher sc.“ Das Ganze iR eine Satire auf Lavater, beflen phyfiognomifches Syſtem Hier fpottend widerlegt wird, indem durch alle brei Baͤnde das Thema durchgeht, der Sein trügt. "

Muſäus war in Weimar ber Lehrer des jungen Kotzebue. Leicht möglih, daß von biefem Lehrer bie widerliche Spottluft, hie plumpe Epaßmacherel und der familiäre Ton auf Kotzebue übergegangen iſt.

Ein fpäterer Anhänger der engliſchen Schule war Ulrich Hegner, geboren. 1759 zu Wintertfur, Arzt und Senator daſelbſt, deſſen Werte 1828 erſchienen. Sie beftehen 1) in geſchichtlichen Relationen, die mit naleriſchem Auge ald Genrebilver aufgefaßt find, und zwar: „auch id var in Parts“, die Schilderung feiner Reife dahin zur Zeit des Eonfulats 101, und „Salys Revolutlonstage“, meifterhaft gemalte Idyllen aus der Zeit der Schweizer Aevolution von 1798. 2) Eigentlihe Romane, de Molkenkur 1812 und ald Fortſetzung Suschens Hodzelt. 3) Ein Bert über die Kunft: Hans Holbein der Jüngere, 1827.

Die Molkenkur. Gin alter norddeutſcher Oberſt, ber fig in Gais im Appenzeller Sande durch eine Molkenkur vom Pobagra Heilen will, ſchreibt fleißig an feine«Schwefter daheim, deren blühende Tochter Chlotilde mit dem Kam. mermäbchen Suschen ihn begleitet Hat. In Gais findet er einen alten Pros feflor aus Zürich, einen offenen, wahrheitoliebenden und vielerfahrenen Mann, den er bald Lieb gewinnt und durch den er viel über die Schweiz erfährt. (Segner ſpricht ſich bei dieſem Anlaß über manche Mängel der Schweiz aus, während er andererſeits auch ihre Tugenben, fonderlic des Landvolfs hervor⸗ Gebt. Am meiften tabelt er bie Koketterie mit Schweizernatur, Schweizer⸗ kracht ac, die nur eine Speculation auf bie Mihernheit von Fremden fey.) Gine vornehme Chanoinefle , deren junge Begleiterin, ein reiches Mäbchen ans der Schweiz, Chlotildens poetiſche Freundin wird (indem beide dichten), fafelt viel über bie Grziehung des Menfchengefchledhts, wird aber von einem alten Schulmeiſter beſchaͤnt. Cine feine Satire auf das Unweſen ber Muflers erziehungsanftalten in der Schweiz, welche Hegner, wie es ſcheint, auf eine bireftere Weiſe doch micht anzugreifen wagte. @in junger Schweiger Pfarrer

4

52 \ Neuntes Buch.

verliebt fh in Suschen und auf ihrer Hochzeit wollen alle einander befreundet gewordene Gaͤſte wieder zufammenfommen. In Suschens Dochzeit (mei Bändchen) wird die Geſchichte fortgefegt. Der alte Oberft fährt mit Suschen nach Schaffhauſen, unterwegs. flürgt der Wagen. ber alte ehrliche Diener bed Oberſten wird verwundet und Suschen zerreißt ſich ihr Kleid auf eine ärgers liche Weife. Aber der dadurch Herbeigefühtte Aufenthalt in Schaffhaufen it uUrſache, daß Suschen mit Pfarrers Guſtav zufammentrifft, dem Jugendges fvielen Chlotildens, Pfarrersfohn von ihrem Heimatheort. Cr hat ausftubirt und fol in Welfepland einige Zeit verweilen, um franzoͤſiſch zu Iernen. Der Zufall führt ihm zu Suschen und mit ihr zurüc zu Ghlotilben. Gin gewifler Sommerthal wird fein Nebenbuhler, aber Chlotilde bleibt ihm treu. Der Dberft iſt in großer Verlegenheit, er ſelbſt würde am Ende das Adelsvorur⸗ teil gegen den Pfarrerfohn ablehnen, aber feine Schwefter, Chlotildens gnä dige Mama, wird bie Tochter nie einem Bürgerlichen geben, ber alte Pror fefor und die Chanoineſſe find den jungen Liebenden günſtig. Nach verfcier denen Zwiſchenfaͤllen (Händel mit zwei Engländer, Stoß durd einen wilden Stier, ein Sturz in den Rhein, eine mißlungene Alpenreife, eine Feuers- brunſi 3c.) langt die Nachricht an, Chlotildens Mutter ſey tobt. Nun iſt fie frei und Chlotilde wird Braut, wie Suschen. Cine der hübſcheſten Parthien des lebten Bandes if die mißlungene Alpenreife. Die Gefelfchaft will den Sonnenaufgang fehen, wird aber durch das Klagegefchrei einer armen Mödr nerin in einer Hütte aufgehalten, indem die Damen Hülfe Teiften.

Heinrich Hirzel gab in „Eugentad Briefen“, zweite Auflage 1811, Gemälde ver Alpennatur, des Bamilienlebens, der Freundſchaft, mit viel eingeftreuten Bemerkungen über Welt und Leben, worin er ein vortrefl- Uches Herz, doch weniger Geiſt als Ulrich Gegner verrieth. Derfelben Claſſe gehören auch noch bie beliebten Genfer Novellen von Rudolf Töpffer (gefammelt 1837) an, In denen die Alpenwelt den Hintergrund bildet und deren Eleine Lebens⸗ und Bamilienbilder von Elarem Verſtande und Äuferft feinem Gefühl zeugen.

3. Wiedergeburt der deutfchen Schaubühne.

Der lange Kampf zwiſchen dem Renaiſſancetheater und dem beutfchen daſtnachtſpiel hatte, mie wir oben fahen, mit einem Siege des franzöfl- fen Rococogeſchmacks geendet. Wie aber biefer letztere überall durch bie

Die Natürlicpeitsperiode. 53

Anglomante und Natürlichkeitöfudt wieder verbrängt wurde, fo geſchah a8 auch auf dem Theater.

Das Theater kam aber überhaupt felt der Mitte des vorigen Jahr« hunderts in eine nie vorher gefannte Aufnahme. Es begann, wenigſtens be den Gebildeten, bie immer mehr gering geachtete Kirche zu erſehen. Dan fing an, für das Theater, als für eine Schule der Gumanttät, zu föwärmen. Sein größter Förderer war Lefling.

Gotthold Ephratm Leffing, geboren 1729 zu Kamenz in ber Lau» fit, wo fein Vater Prediger war, follte Theologie flubiren, Hatte aber feine Luſt, fondern ſchloß ſich zu Lelpzig an Weiße an, und begann Schauſpiele zu dichten. 1760 wurde er Sekretär de General Tauenzien in Breslau, machte fih aber fon 1765 wieder frei und ging nad Ham» burg, wo er bie berühmte Dramaturgie ſchrieb; 1769 wurde er Biblio» thefar in Wolfenbüttel, wo er 1781 ſtarb. Seine fämmtlihen Werke er- ſchienen in 30 Bänden zuerft 1771—179.

Leſſing gehörte zu ven erflen Geiſtern des Jahrhunderts. Als Dich ter ift er von höchſter Bebeutung für dad Schauſpiel, weil er zuerft eine Iurhaus natürliche, tiefe und feine Charakteriſtik ver Perfonen einführte and damit die herkömmlichen theils vom franzöſiſchen Theater, theils noch aus dem deutſchen Poffenfpiel entiehnten Schablonen durchbrach. Er that dad auf eine einfache, ihm eigenthümliche Welfe, er verließ die Gallo- mante, ohne in die Anglomante zu fallen. Er blieb von jedem fremben Einfluß frei, macht daher einen überaus erquicklichen und erfriſchenden Eindrud. Es thut wohl, den deutſchen Geiſt in biefer jugendlichen Kraft aus den zerfallenen Gräbern aller alten Moden emporſteigen zu fehen.

Leſſings jugendliche Luſtſpiele find umbebeutend und verrathen felbft in den Namen nod die Nachahmung des Plautus und Moliere.

Zuerſt parakterifiet er 1747 „ben jungen Gelehrten“ als einen capriciöfen Narren. Sodann im „Mifogyn“ einen aus ſchlimmer Erfahrung eingefleiſch⸗ ten Weiberhaſſer. Im „Schag“ bearbeitet er, wetteiſernd mit Destondhes, den Triumnus des Plautus. Gigenthümlicher find „ber Freigeiſt und „bie Juden“ von 1759. Hier offenbart Leffing zum erftenmal, wie fehr er das Chriſtenthum unterfpägte. Sein Freigeiſt ift fo fehr gegen bie gefammte Veiftlicgfeit eingenommen, daß er ſich wundert, einmal einen tugenbhaften zu Änden, und fein Jube wird ald Erretter eines Baron dargefellt, der ihm zum

54 Reuntes Buch.

Dank feine Tochter anbietet, bis er erfährt, jener fey ein Jude, und nun aus dem Dank nichts mehr werben kann.

Eine neue Bahn flug Leffing mit dem in Profa geſchriebenen - Zrauerfpiel „Miß Sara Sampfon“ ein, 1755, wobei ihm jebod die eng⸗ liſchen Mufter gefränkter Tugend von Richardſon vorſchwebten.

Der lüderliche Mellefont verliebt ſich in die tugenbhafte Sara und entführt fie, was fie jedoch nur unter der Bebingung zugibt, daß er fie fofort heirathe. Diefe Heirat aber verzögert er jegt; feine frühere Geliebte Marwood, von ber er ſchon ein Kind Hat, ſucht ihn abzuhalten, und ba fie ihre Abſicht vers eitelt glaubt, gibt ſie der armen Sara Gift. Zur Gühne erflicht ſich Melle- font. Zwar verleugnet Leſſing auch Hier feinen ſcharfen Geift nicht, bie Charaktere find trefflich gezeichnet, aber das Ganze ift unerquidlih. Die Marter eines edeln Maͤdchens unter fo nieberträchtiger Umgebung erfcheint em⸗ pörend.

Seltfam iſt das Kleine Trauerfpiel Leſſings „Philotas“ von 1759, nur in einem Act.

Philotas, der junge Sohn des Königs von Macebonien, ift in der Schlacht verwundet und gefangen worben. Der Sohn des Giegerd aber, des Könige Aridäus, iR von den Maceoniern ‚gefangen worden. Mun follen beide Kna⸗ ben gegeneinander ausgelöst werben, aber Philotas Aberlegt, wenn er ſich umbringe, fo müfle Aridäus feinen Sohn unter den für Macedonien günfligften Bebingungen Iöfen. Alſo erſticht er fi. Man Hat biefes Heine feurig ger fepriebene Stüd fehr gepriefen, allein ich finde die dem Knaben in den Mund gelegte Reflexion durchaus unerträglich und das Ganze hochgeſchraubt.

Leffings Genie für dad Drama emancipirte fich erft in feiner lieb- len „Minna von Barnhelm“ von 1763.

Minna, eine reiche Erbin in Sachſen, Hat im fiebenf. Kriege den preußiſchen Major Zelgeim kennen und lieben gelernt. Cie haben Ringe mit einander gewechfelt. Aber ald er nach beendigtem Kriege zurädgefept wird und zu mittello8 geworden if, um feinem Stande gemäß als Bräutigam aufzutreten, läßt er nichts mehr von fih Hören und Iebt mit feinem Vebienten Juſt in einem Wirthehaus in Berlin höchtt Fimmerlich, als abgedankter auf halben Sol gefegter Offkeier. Sein vormaliger Wachtmeifter Werner hat ein Feines Gut und bringt ihm den Ertrag beflelben, ben er aber nicht annehmen will. Die Wittwe eine Offtciets, dem er Geld geliehen, will es ihm wieberbringen, aber er verleugnet die Schuld und läßt ihr das Geld. Der ſchurliſche Wirth gibt ihm feinen Gredit mehr, und er muß Minnas Ring ihm verfeßen. Eben aber ift Minna in bemfelben Gafthof abgeftiegen, denn fie ift gefommen,

Die Ratürlicgleitsperiobe. 55

um Tellheim zu fuchen. Der Wirth zeigt ihr den Ring, den fie fogleih an fh nimmt. Mit Gülfe ihres luſtigen Kammermäbdchens Francisca iR fie nun bemüht, den Rolgen Geliebten zu irren, was ihr aber nicht eher gelingt, als 5iß die Kränfung und Surädfegung, die ihn betroffen Hat, durch den König felöR gehoben und wieber gut gemacht wid. Denn fo jart er ihre hin gebende Liebe aufnimmt, fo geht ihm doch bie Ehre über allee, und er will nicht von den Wohlthaten einer reichen Bran leben. Minnas Onkel kommt bazu, das Glüd aller if vollſtaͤndig, der wackere Werner Heirathet Francisca.

In diefem Stück ſpiegelt ſich ber Geiſt des preußifchen Heeres auf bie glängendfle Weife. Das zugefnöpfte Weſen bes preußifchen Dffleiere, in deflen harter Schale der edelſte Diamant der Ehre fih birgt, kann nicht wahrer, nicht liebenswürbiger bargeflellt werben. Das iſt Mannheit ohne alle Prätens fon. Und biefem firengen und ſchweigſamen Mann gegenüber die Fülle weib⸗ licher Liebe, Anmuth und Geſchwaͤhigkeit in ber reizenden Minna!*) Gier ift allea Seele, warmes Leben.

Der Minna, dieſem madellofen Spiel der Grazien mit Ehre und Xiebe, ließ Leſſing 1772 dad vielbemunderte, aber auch oft getabelte Trauer⸗ ſpiel „Emilia Galotti“ folgen, eine Uebertragung der römiſchen Birginta auf moberne Verhäftniffe.

Emilia, Braut des Grafen Appiant, fürzt am Hochzeitömorgen entfept in das elterliche Haus, indem ihr in der Kirche der regierende Fürft von Mafla Garrara feine Liebe erflärt Hat. Auch der Bräutigam erſcheint Heute trübſin- mig. Da fommt der raffinirte Marinelli, der geheimfe Rathgeber des Fürften, um Appiani zum Gefandten zu ernennen und ſchleunigſt zu entfernen. Appiani merkt die Falle und lehnt ben Antrag ab. Aber als er noch an bemfelben Tage mit der Braut aufs Land reist, wird er unterwegs von bazu beftellten Banditen erſchoſſen und die Braut von bazu beftellten fürſtlichen Dienern in das Luſtſchloß des Fürſten gerettet. Vater und Mutter fommen an, aber auf Marinelis Rath erklärt ihnen ber Fuͤrſt, wegen Unterfuchung bes Morbes müffe die Tochter von ihnen getrennt bleiben. Die abgedankte Maitreſſe des Fürfen, Gräfin Orfina, die vor Giferfucht vergeht, gibt dem alten Oboarbo Galotti ihren mitgebrachten Dolch und mit biefem erficht ber alte Baier feine Tochter Emilia, um fie vor der Schande zu retten. Alle Charaktere in dies fem Stück find mit Meiſterhand gejeichnet Aber man tabelt bie faſt epigrams matiſche Kürze im Dialog.

*) Gin Suffpiel „der Iungfernfleg*, gebrudt zu Hamburg 4746 zeigt und die Refrfeite ber Mana von Barnhelm.

taufmann hat einen Rarcın —* jr „ferteen torengirgen, Rriege-

f Obentbeurer ala ode er zum Bwedl fommt,, burd) den Gelichten bes

56 Neuntes Bud.

A. W. Schlegel über dramatiſche Kunft ITI. 391 fagt, Leffing Habe, um den dellamatoriſchen Schwulſt zu vermeiden, die kalte und laufchende Beobs achtung des Komikers ins Teauerfbiel eingeführt, und bie Leibenfchaften in Emilia Galotti ſeyen mehr ſcharffinnig und wipig charakteriſitt, ald berebt aus⸗ gedrüdt. Daran if wohl etwas Wahres, aber es hindert nicht, daß Leſſings Tranerfpiel einen tiefen und ergreifenden Ginbrud macht.

Diefes ſchöne Trauerfplel ift vorzüglid merkwürdig ald bie erſte Öffentlicge Regung ſittlicher Oppofition gegen die damalige Lüderlichkeit der Höfe, als die erſte Mahnung bes Liberalismus an bie Throne.

Eben fo geiſtvoll, wie Leſſings Schauſpiele, find feine Fleinen Lienen, Epigramme, Fabeln. Den größten Ruhm aber und bie umfafjendfte Macht über die Geifter in Deutſchland erwarb er fi als Kritiker. Obs gleich er anfangs feinen Wein in das Waffer Nicolais goß und biefem faden Berliner die Literaturbriefe ſchreiben Half, und auch fpäter ſich noch oft mit unbebeutenden Kleinigkeiten abgab und feinen Scharffinn an deren Betrachtung verſchwendete, kann man doch Feine Seite von ihm Iefen, ohne durch die Claſſicität und Klarheit feiner Sprache entzüdt zu wer⸗ den. Unter feinen Eritifehen Leiftungen find am berühmteften feine Ham- burgiſche Dramaturgie und feine durch Winkelmanns Begeifterung für bie Antike veranlaßte Schrift über Laofoon. Wo Leffing es nur mit der, Kunft zu thun hatte, war er fo unbefangen als möglich und trug. mehr als jeber andere zur Verbreitung eines guten Geſchmacks bei.

Neben Leffing ſchrieb auch Karl Kranz Romanus in Dredten - 1761 Luſtſpiele im Style des Terenz und Plautus (bie Brüder, Erifpin, der Vormund ꝛc.) und Joachim Wilhelm Brame einige leidenſchaftliche Trauerſpiele. Brawe ftarb fhon im 20. Jahre ald Student (1758), aber feine Stüde hatten ihn ſchon berühmt gemacht.

Der dreigeiſt. Henley verführt feinen frommen und tugendhaften Neben buhler Gleondon aus Ciferſucht mit teuflifcher Arglift, bis fie alle dabei zu Grunde gehen. Brutus, der Mörder Caſars, wird von den Triumvirn vers folgt und von einem gewiſſen Marcus, feinem eigenen Gohn, der ihn nicht Tennt, getöbtet. Diefes in Jamben gefchriebene Stück if voll von jugend⸗ lichem Beuer.

Eben fo ganz in Leſſtugs Manier geſchrieben erſchlen „Amalla*, Trauerſpiel. Frankfurt und Leipzig 1766.

Amalie ift mit Charles heimlich vermaͤhlt, deſſen Vertrauter Sanville ite

Die Ratürlicgfeitsperiobe. 57

aber beträgt, indem er Amalie für fih behalten will und deßhalb Charles Vater gegen bie Liebenden aufheht. Zwar erkennt der Mater fein Unrecht, aber zu fpät, Amalie wird das Opfer der auögeflandenen Augſt und ſtirbt. Sanville fleht die Sterbende noch um Werzeifung.

Eben fo „Lucie Woodwill“ von Johann Gebhard Pfeil (1760), „der Sreihere von Barbenfeld* von Major, von Trautzſchen (1772), die Schau» und Trauerfpiele von Anton v. Klein feit 1769.

Jobann Chriſtoph Unzer aus Wernigerode, Profefjor in Altona, ſchrieb 1775 ein merkwürdiges Trauerfpiel „Diego und Leonore“.

Diego ift ein deutſcher Proteftant, der in Liſſabon lebt, und in ben ſich die Fatholifche Portugiefin Reonore zum Sterben verliebt. Ein rucjlofer Mönch, der felbft nach ihren Reizen gelüftet, flürzt fie ind Verberben. Diego fAt in die Hände der Inguifttion und nichts Tann ihn reiten. Da entſchließen ſich die Liebenden, durch Gift ihr Leben zu enden. Die flerbende Leonore aber feht ihren Geliebten an, bamit er mit ihr felig werben könne, ihren Glauben ans zunehmen, unb jegt erft Bricht dem bisher Standhaften das Herz, und er, der allen Schreden der Inquifition getrohi, wird ihr zu Liebe noch unmittel- bar vor dem Tode fatholifch. Cine originelle Wendung, verRößt aber gegen das erſte äfthetifche Befeg, nad welchem, wenn Glauben und Liebe kämpfen, der erſte ſiegen muß. Die Liebe fleht über allem, nur nicht über ber Relis gion, nur nicht über der Baterlandöliebe, nur nicht über der Ehre und nur nicht über der Mutterliebe. Außerdem über allem.

Deſſelben Dichters „neue Emma“ wiederholt die befannte Liebesge · ſchichte Eginhards und Emmas. Seine „ODroſſel“ iſt nach Boccacclo ber arbeitet. Auch ſchrieb er einen tragiſchen Roman „die Geſchichte der Brüder des grünen Bundes“, worin der-Günftling eines Fürſten als un» glüdtiches Opfer ſchlechter Menſchen elend zu Grunde geht.

Helfrich Peter Sturz aus Darmſtadt, in däniſchen Dienften, be⸗ ſchrieb feine Reifen zc., hinterließ aber au ein Trauerfpiel:„Iulle, ab» gedruckt in feinen Sthriften, 1779.

Diefe Julie liebt den armen Belmont und foll ben reichen Woldemar heis zathen. Ihr Vater ſtellt ihr vor, wie unbefonne® und vergänglich in der Regel die erfle Liebe fey, wie man bie Vernunft fragen müfle ꝛc. Sie läßt ſich durch nichts von ihrem Belmont abbringen. Gin roher Oheim verfucht «6 mit Hätte,- Einfperren und Miphandeln; es gelingt ihm eben fo wenig, fie umzuftimmes. Wolbemar richtet die zartlichſten Bitten an fie, allein fie gibt ihm fo rührende Beweife von dev Tiefe ihrer Liebe zu Belmont, daß er ſelbſt RS zum Vertheidiger biefer Siehe umwandelt, ihr freitwillig entfagt und fle

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j 58 Neuntes Bud.

fogar aus dem Haufe entführt, um fie vor ferneren Mißhandlungen zu fügen. Nun kommt aber Belmont verfleidet zurüd, ficht in biefer Gutführung ein innigeres Cinverflänbnig, überfällt den "vermeintlichen Nebenbuhler und wird von ihm im Zweikampf erſtochen. Julie finft um, man weiß nicht, if fie tobt, ober wirb fie zum Wahnſinn erwachen. Die Motiyirung der Katas ſttrophe iſt ſchlecht. Die Entführung war nicht mehr nöthig, fobald Woldemar ſich dem Vater erklärt; auch Belmonts Mißverſtaͤndniß war mit zwei Worten zu löfen. Trotz dieſer zwei Fehler (die auch in Schillers Kabale und Liebe vorlommen) hat das Stück etwas Rührendes, was befonderd im Charakter und Benehmen der zärtlichen Julie Liegt. Im ihrer Meberreizung Hat fie viel Achnliches mit Leffings Emilia, fo wie Sturz auch in der Gemeſſenheit der Sprache ſich Leffing zum Mufer genommen zu Gaben ſcheint.

Neben Leffing war für Hebung bed deutſchen Theaters am thätigften der aus Mecklenburg gebürtige Friedrich Ludwig Schröder, Theater- director in Hamburg, einige Zeit aud in Wien. Der größte beutfche Schauſpieler feiner Zeit, wirkte er zugleich als dramatiſcher Dichter auf ven Geſchmack mohlthätig ein, indem er, wie Leſſing, der Natur und den Engländern hulbigte. Nebenbei war er ein Meformator des Brei- maurerorbend, ben er von feinen franzöflfgen Verirrungen zur engliſchen Einfachheit zurüdführte. Sein Leben tft ausführlich beſchrieben von Meyer, Hamburg 1819. Seine Schaufpfele herausgegeben von €. von Bülow, Berlin 1831 in 4 ‚Bänden, mit einer Vorrede von Tied. Als Schauſpieldichter Hat zwar Schröder wenig Originelles geſchaffen und meift nur mehr oder weniger fret überfegt, aber er Hat ben deutſchen Bühnen ein vortreffliches Repertoir gegeben, indem er hauptſächlich eng« liſche und von ben franzöſiſchen Stüden nur bie beſſern, feinern und wigigen wählte. Naturwahrheit galt ihm vor allem, doch wollte er ihr die Poeſie nit opfern; in feinen Familiengemälden ift baher weit mehr Leldenſchaft, Verwicklung, Ueberraſchung und poetiſches Wunder, als In den fpätern von Iffland, Kotzebue 36. Unter feinen geiſtreichen Bearbeitungen auslandiſcher Originale zeichnen ſich beſonders aus: der Ring, ſtille Waſſer find tief, die heimlichẽ Heirath, die Wankelmüthige, der vernünftige Narr. „Der Fähndrich“, von feiner eigenen Erfindung, zeichnet ſich durch bie Wärme der Charafteriftit aus.

in alter reicher Offizier, Baron Harrwitz, verbirgt ugter dem alten Bolterer ein ungemein guted Herz, ftürmt bie Leute öffentlich an und thut ihnen heimlich wohl, if dabei äͤußerſt zerfiteut und ein heimliche, Rums

Die Retürlicteiteperiode. 59

mer nagt an ihm. Niemand weiß ihn zu behandeln, als fein Arzt, ber auch dad Werkzeug feiner Wohlthaten if. Gr Hat eine Tochter Gophie, mm bie fig ein Hauptmann bewirbt, bie aber einen armen Fähnrich lieber hat. Diefer wohnt im Haufe zur Miethe und iſt in feiner Armuth Rolz und etwas ſtör⸗ riſch, zufahtend taſch, und doch von großer Herzensgüte, gerabe fo, wie ber alte Baron. . Diefer Alte ſtedt einmal bei Tif einen filbernen Löffel in Ge⸗ danken in bie Tafche und nun wird ber arme Faͤhnrich beſchuldigt, ihn ent⸗ wendet zu haben. Als ber Itrthum entdeckt iſt, beeifert ſich ber Baron, ben Jüngling noch zärtlicher zu behandeln, als zuvor, da er ihm ſchon durch den Bedienen heimlich Geld Hat zufliegen laſſen. Der Alte ſelbſt if es, der, nachdem er bie heimliche Liebe Sophiens zum Fahnrich bemerkt, ihre Hände in einanber legt. Nur ein Hinderniß gibt es noch. Der Fäahnrich Hat eine heimliche Befanntfchaft. Da entbedt «8 ſich, es fey nicht eine Geliebte, fons dern feine arme alte Mutter, für bie er alle® gethan. Diefe Mutter aber iſt die vom alten Baron Berlaflene, um die er ſich fo ſchwere Gewiſſensbiſſe gemacht, und der Faͤhnrich ift fein Sohn. Zum Glück aber erklärt fih nun auch, daß Sophie nur feine angenommene Tochter ift, und fo werden fie denn noch ein Paar.

Don ähnlicher Charakteriſtik und meift von fpannenden Scenen iſt

Shrövers „Better aus Liſſabon“.

Wagner, ein Kaufmann, bat fich durch feine zweite Frau (nachdem er ihre Hand durch Borfpiegelung, er fey reicher als er wirklich war, erſchlichen Hatte) beherrſchen unb fein Verntögen vergeben laſſen. Aus Scham und ans geborner Schwäche wagt er Feinen Widerftand. Zugleich; wird feine Tochter erſter Che, Sophie, als Aſchenbroͤdel mißhandelt. Das Geld ift zu Ende, der Bater muß ind Gefängniß, bie ungerathenen Kinder zweiter Ehe, Charlotte und BWilgelm, gehen mit einem Mbentheurer durch. in reicher Kanzleirath, der um Sophie geworben, läßt fie figen, weil fie heimlich verheitathet geweſen und ein Kind hat. Die Hoffnung auf einen reichen Better aus Liffabon ſchei⸗ tert auch, da ihm ein Brief meldet, er fey plöglih um all fein Vermögen gefommen. In biefer Außerften Noth tritt ein Herr Sievers, der im Haufe wohnt und bisher über die üble Wirthfchaft ſtrengen Zabel ausgefprodjen und fh bewegen ben Haß ber Hausfran zugezogen hat, als Retter auf. Er ſelbſt naͤmlich iſt der Better aus Liflabon, der unter frembem Namen feine Verwandten eine zeitlang beobachtet und geprüft Hat. Er heirathet Sophie, verzeiht der Hausfrau, nachdem fie Beflerung verſprochen, unb läßt die Ger Hüdpteten artetiten und beffern.

Ein recht guter Schaufpieler und Schauſpieldichter mar Heinrich

Ber, welcher feit 1788 einige beliebte Stüde im Geſchmack Schröders und der Engländer ſchrieb: das Herz behält fein Recht alles aus

60 Achtes Bud.

Eigennup Vertrrung ohne Lafter bie Duälgeifter die Schach-⸗ maſchine. Der „Bettelfiudent“ von Paul Weidmann (1775) machte durch feine gute Laune Glück auf der Bühne.

Zwei Brüder aus Breslau, Chriſtoph Gottlob und Gottlieb Ste phante, wurden Luſtſpieldichter, aber nur der jüngere erlangte einigen Ruhm. Derfelbe diente im fiebenjährigen Kriege als preußiſcher Hufar, wurde von ven Defterreihern gefangen, nahm bei ihnen Dienfte, ftieg zum Offizier, wurde aber plöglih Schaufpieler und Schauſpieldichter und half das Nationaltheater in Wien in Aufnahme bringen. Seine Schauſpiele erſchienen zuerft 1771, vollftändig 1789.

Es find großentheils Solbatenftüde, vol Grinnerungen an ben fiebenjähe tigen Krieg, aber nicht fo geihvoll wie Leffinge Minna. Mehrere Stüde, worin bie Werber und ihre Liften eine Rolle fpielen, der berühmt geworbene „Deferteur aus Kindesliebe“, die „Kriegögefangenen“, die „Wölfe in ber Heerde“, ein Stück, worin ſoldatiſche Brutalität auf dem Lande in ihre Scranfen jurüdgeniefen wird, der „Oberamtmann und die Soldaten“, worin ein braver General den Retter fpielt, bie „abgebanften Offiziere”, bie ſich Taut und Bitter über ihr Schidſai belagen, aber durd einen großmüthigen Minifter befriedigt und befhämt werden. Dazu noch ein Rührflüd „bie Liebe für den König“, die Flucht und Rettung Karls I. in England darſtellend fpäter von Kopebue benügt); ein gutes Luſtſpiel „der Spleen?, worin zwei Engländer, die eben ins Waſſer fpringen wollen, zufammentteffen und ben Selbftmord verfchieben, bis einer des andern Tochter heirathet. Als Vorbilder Kogebues Tann man „dad Mädchen in der Irre“ und „den Dflinbienfahrer“ anfehen. Das erftere fehabet durch Leichtfinn ihrem guten Ruf, wird deßhalb von ihrem Bräutigam verlaſſen, aus Mitleid und Rührung aber nachher doch noch von ihm angenommen. Der Oftindienfahter, eine offene und berbe Nas tur und fehr reich, freit ein armes Maͤdchen in Holland. Die übrigen Stüde übergehe ich. Am laͤngſten erhielt fi auf der Bühne feine komiſche Oper „Doctor und Apotheker“.

Auch Friedrich Aloyſtus, Graf von Brühl, polniſcher Kronfeld- zeugmelfter und Sohn des berühmten Minifters, ſchrieb 1785 theatraliſche Beluftigungen, worin nod bie Erinnerung bes flebenjährigen Krieges lebt.

Die Brandſchahung, bezüglich auf die Großmuth des preußiſchen Offigiers, welcher auf Friedrichs des Großen Befehl die Güter des Grafen plündern follte, fie aber großmüthig ſchonte. Die Race. Ein alter Soldat, dem ein feindlicher Offizier muthwillig als ſchon Gefangene die Hand abgehauen, reißt eben biefen Offizier edelmäthig aus dem tiefften Elend. Gin Jeder

Die Ratürlicpkeitöperiode. 6

teitet fein Stedenpferb. Zwei Offiziere enilarven einen Betrüger, der ſchon im Begriff ift, die Hand eines edeln Mädchens zu erſchleichen. Der „Bürs germeifter“, abermals ein edler Retter. „Cbelmuth flärfer ald Liebe“. Major Tiefenau iR verabſchiedet und vernadjläffigt, wie Leffinge Tellheim. Sein treuer Reitknecht Herold liebt die Tochter feiner Wirthin, läßt ſich aber dennoch abermals bei den Soldaten anmerben, um mit dem Angeld feines Majors Schulden zu bezahlen. Inzwiſchen wird ber Major vom König wieder anerkannt und hochgeſteüt und Herold wieder frei.

Der Roman „Henriette oder der Hufarenraub“, von Beuvius (1779) verfegt und lebhaft in den fiebenjährigen Krieg, iſt aber troß des Inte teffed, welches man von dem verlornen und wiebergefunbenen Mädchen nimmt, im Ganzen langweilig, hauptſächlich wegen der Briefform. Gin Pendant dazu iſt Sattlers „Friederike oder die Hufarenbraut*.

Hatte man, ſeit der englifhe Geſchmack aufkam, der franzöſiſchen Tragödie und den Alexandrinern entſagt, ſo fühlte man ſich doch immer noch angezogen vom franzöſiſchen Luſtſpiel. Das heitere und geiſtreiche Varis ſchuf deren immerwährend und iſt heute noch unerſchöpflich in dieſer Gattung von Erfindungen. Dem Geſchmack der deutſchen Höfe ſagten die etwas frivolen Luftfpiele der Franzoſen eben fo zu, wie bie Gedichte Wielands. Unter den vielen Dichten, welche franzöflfhe Luſtſpiele und Dperetten auf bie deutſche Bühne braten, war der Epigrammatift Johann Andre in Offenbach beſonders thätig, feit 1772. Sam. Gottl. Würde in Breslau, ver Milton und Golbfmith überfegte, bearbeitete auch Voltatres Alzire und ſchrieb einige dramatifhe Sachen ohne Bebeu- tung. Auch Joh. Chr. Bod in Dresden überfepte viel für die Bühne.

Die ſich 1746 Gottſched feine deutſche Schaubühne, eine Sammlung der feiner Schule angehörigen Stüde (meift nad franzöſiſchen Muftern) herauögegeben hatte, fo erſchlenen jegt neue Sammlungen von Stüden des veränderten Geſchmacks: ein Theater der Deutſchen feit 1776 in 16 Bänden, eine deutſche Schaubühne feit 1789 in 72 Bänden, ges fammelte. Schaufptele in 13, Xuftfptefe in 16 Bänden.

Im bürgerliden Schau⸗ und Luftfpiel ging man aus ber Moral und Humanität je mehr und mehr zur Philifterei und Empfindſamkeit über.

Hin und wieber Fam eine kräftige Eharakteriftif In den beutfchen Stüden vor.

So Hilaria in dem Lußfpiel „Triumph der guten Bauen“ (Theater der

62 Reuntes Buch.’

Dentfchen, Berlin und Leipzig 1767. V.), bie verlaflene Frau des treulofen Nifander verkleidet ſich als Mann, geht ihrem Gatten nad), flört feine neuen Liebeshaͤndel und bringt ihn endlich zur Neue. Gin lebendiges Bild, aber voll THorheiten. Nikander ladet feine Frau, bie er für einen Mann hält, mauf ein hübſches Mädchen“ ein.

4. Bie Gräkomanie.

Bodmer war ber erfte, ber bie antiken Dichter rein von allem Schnörkel der Nenalffance aufzufaffen und wiederzugeben verſuchte. Mit wenig Talent freilich, aber mit richtigerem Blidk als ſelbſt der viel geifte reichere Wieland, der die griechiſche Anmuth noch viel zu fehr mir franzöfle fer Ueppigkeit würzen zu müffen glaubte. Aber ber erfte Anftoß war gegeben und man fuhr fort, die klaſſiſchen Dichter des Alterthums in ihrer reinen Eigenthümlichkeit zu erkennen, zu überfegen, nachzuahmen. Samuel Gotthold Lange, Paftor in der Nähe von Halle, ahmte 1746 in den „horaziſchen Oben“ horaziſche Veremaaße nach, wenn auch ohne Geift, weshalb ihn Leffing mißhandelte. Mehr noch als die römifchen, zogen die griechiſchen Dichter an. Es war ein natürliches Bebürfniß des guten Geſchmacks, dem Perücken und Relfröcke immer wunberliger mur- den und den es unwiderſtehlich hinzog zur ſchönen Naturwahrheit der Hellenen. Allein es war doch nicht möglich, die deutſche Natur in die griechiſche umzuſetzen und je echter man Grieche ſeyn wollte, um ſo mehr fiel die Unechtheit auf. Die Natürlichkeit, die man ſuchte, war gerade die größte Unnatur. Denjenigen, der die ioniſchen Formen am ſtrengſten durchführen wollte (Voß), Hatte die Natur zu einem mehr als böotliſchen Bauern geftempelt. Das rauhe Klima des Nordens fo wenig wie ber Teufche Sinn des Volkes paßt zur griechiſchen Nadtheit. Selbft ver weiße . Marmor verwittert Im Eiswinde, der von der Oftfee hermeht.

Der Uebergang vom falſchen Claſſiclsmus der Renaifjance und Ro— cocozeit zur echten und treuen Auffaffung des Antifen wird bezeichnet dur die Verdrängung des Alerandriners und dad Aufkommen des Heras meterd, hauptſächlich ſeit Klopftod. Das iſt in ver That ein äußeres Kennzeichen. Indeß war Klopfto viel zu ſehr Schwärmer für das Ehri-

Die Ratärlicpeitöperiobe. 63

ſtenthum und Deutſchthum, als daß feine claſſiſchen Formen mehr. als eben nur Formen hätten ſeyn können. ud, fein niederſächſiſcher Lands— mann und Nachahmer Johann Heinrich Voß, der es übernahm, die Herrſchaft dieſer Formen in der deutſchen Dichtung durchzuführen blieb beim Formellen ſtehen, denn man müßte vor Homer und Plato er- röthen, wollte man behaupten, Voß fey auch in ben Geiſt ber alten Griechen eingedrungen. Selbft fein Fanatismus gegen das chriſtliche Mittel» alter war nur mit einem dürren Nationalismus gepaart und ging feined- wegs etwa aus einer Fülle heidniſchen Schönheitögefühles hervor. Es iſt charakteriſtiſch, daß er fon die Einführung des Chriſtenthums in Deutſchland mit diefem Haffe begrüßt. Der heidniſche Wodan fey ein viel reinerer, vernünftigerer, humanerer Begriff geweſen, als der chriſtliche Jehovah. Bon Karl dem Großen fagt Voß in der Ode „Deutfchland“, die er Stolberg zueignet (III. 29): Die SElavenfeflel Hlirrt in das Eigenlob, Die und der Fraul' einft (wecke den Moͤnch, ber ihn MS Großen pried) um Hals und Knöchel Schlang, da mit trieſendem Stahl der Herrſchſucht, Für Gott, der Heuchler, morbet’ ein fromm Geſchlecht, Die Priefter austilgt', uud dir, o Wittekind, Statt Wodans unfichtbarer Gottheit Burmige Gögen gebot zu feyern. In einem „Gefang an die Deutfhen“ beginnt Voß mit einer gräß- lichen Schilderung der mittelalterlien Finſterniß: Der Geiſteswildheit Nacht voll Grauen Lag dd auf Deutſchlands dumpfen Bauen x. In dem „PBenferofo“ fagt Voß: Und bet’, o Heilige Natur! Di an mit Zeno, Epicur, Pythagoras und Sofrates Und Blato und Diogenes: Dich, Weltgeift, hehr und unbefannt, Den Weiſen minder nr, genannt Jehovah, Jupiter und Thot, Zeus, Dromazes, Tien und Gott. Fünf Fabeln widmet Voß „ven Lichtſcheuen“, worin ver Papft als Oberuhu auftritt. Dog einen Cultus erkennt ber Deift an, ven der Breis

64 Neuntes Bud.

maurer. Ihm widmet er mehrere Feftlieder. Politik treibt Voß nit; nur verftohlen verknüpft er ein paarmal bie politifche Freiheit mit der Glaubens» freiheit, während er mit großer Oftentation feine Loyalität Fund gibt, den Kaifer Alerander anpofaunt und die ſchöne Marſeillaiſe ver Fran- zofen in einem edelheft ſervilen deutſchen Philiſterllede parobirt. Im einem Liede, „bie Anſchwäͤrzer“, ſchwärzt er felbft die Gläubigen an, als fegen ſie allein die Revolutionäre, die reigeifter aber alle loyal:

Bekämpft ſey, was ihr tradhtet,

Bapktjum und Barbarei.

Kein Bolt, wo Dummpeit nadhtet,

Bleibt Gott und Fürften treu! .

In der „Warnung an Stolberg“ wird die Hriftlihe Kirche von der Belehrung an bis auf Luther. als ein Neid der Dummheit, des Truges und der Bosheit, ald „graufer Hildebrand unmenfhlihe Krohn“ aufgefaßt, von ber erft Luther „zum Licht zwanglofer Vernunft“ und die claffifhen Studien dur den „Anhauch griechiſcher Luft“ befreit hätten. Die langen Jahrhunderte unferer nationalen Größe und Herrlichkeit warf biefer pe— dantiſche Schulmeifter als nichtswürdig weg.

Nichts geht über feine Anmaßung in dem die Homerüberſetzung ein- leitenden Gedicht an Stolberg. Hier erſcheint ihmder alte Homer felbft und weiht ihn ein, für Deutfhland zu werben, was er für Hellas geweſen. Und das dedicirt Voß boshaft an Stolberg, der vor ihm eine Ueberfegung defielben Homer gewagt Hatte, die nun durch die Voßiſche vernichtet wer⸗ den ſollte. Voß Hat ven Homer, Heſiod, Orpheus, Theofrit, Bion, Mo— ſchus, Ariftophanes, Aratus, Virgil, Horaz, Tibull und Lygdamus (In Verbindung mit feinen Söhnen aud den Aeſchylos und Shafefpeare) überfegt. Insbeſondere fein Homer erlangte ungeheuern Ruhm, well er wirklich möglichft treu überfegt und zugleich gut ffandirt iſt. Allein biefer Eorrectheit der Verſe opferte Voß jede Grazie der Natürlikeit und des Wohllautd auf. Unter dem Gammerfhlag feiner Herameter wird das zartefte Gefühl zerknickt. Man vergleiche zum Beiſpiel die liebliche An» rede der Gaͤſte: „woher kommt ihr? und mwelder Leute Kind fegb ihr?“ die bei Homer fo einfach, landüblich und gemüthli Klingt, mit ber Ueber⸗ fegung von Voß:

Woher der Männer und wer die Grienger?

Die Ratürlicfeitsperiohe. 65

Kann man pedantifeher, tborfhreibermäßiger, inquifitoriſcher fragen? Eben fo verſchwindet bei Voß jede virglliſche Anmuth. Statt Mut ter ſagt er Gebärerin, flatt Amme Säugerin. Zum verkünftelten Horaz paßt er etwas beifer, ‚aber der romantiſche Shafefpeare ft in biefer Voßi⸗ fhen Radebrechung 37 Angenleßbar. Ueberhaupt iſt es bezeichnend für die Voßiſchen Ueberfehunugen, daß alle Dichter, die er überträgt, mögen fie noch fo verſchleden ſeyn, alle zu Heinen Voßen werben, "alle wie er teen müffen und ihre Eigenthümlichkeit ganz verlieren.

Karl Wilhelm Ramler, Profeffor in Berlin (f 1787) überfegte den Horaz, Catull, Martial, Batteur Einleitung in die ſchönen Wiſſen⸗ fhaften und gab Sammlungen von Sinngedichten und Zabeln heraus, auf eine lyriſche Blumenleſe. Im feinen eigenen Gedichten ahmt er hauptſaͤchlich den Obenton des Horaz nad.

Auf dem Litelfupfer der Ausgabe von 1800 fipt er mit einem merfwürs digen, halbängftlichen, halbpebantifchen deutſchen Philiſtergeſicht vor einer Lyra da, die ihm eine recht niedliche, eiwas foubrettenartige Mufe Hält. Wie groß aber immer der Contraſt zwiſchen ben Zeiten feyn mag, fo hatte doch das 18. Jahrhundert mit feinen abfoluten Fürften und ihren poetiſchen Lobs tednern in vieler Beziehung etwas mit bem auguſteiſchen Zeitalter gemein, und was Horaz für den Auguſtus war, fonnte Boileau für Ludwig, Ramler für Friedrich ſeyn. Boileau war ed aber mehr im franzoͤſiſchen Geſchmack, Ramler dagegen ſchreibt felavifch den Bormen bes Horaz nach, Klopfod fols gend, fucht er nicht nur die antifen Versmaße, fondern auch die Gonftruftion, den ganzen Gebanfengang und bie Bilberfprace der Mimer nachzuahmen, unter Beiziehung des mythifcgen Apparated und ber anfifen Namen. Cingt ex von Liebe, fo iſt es in alcäifchen, ſapphiſchen, choriambiſchen Verſen und feine Damen heißen wie bei Horaz Chloe, Lalage, Delia sc. Im ber achten Ode befingt er den Tob einer Wachtel, ganz fo wie Gatull den des Sper⸗ Uings, Dech iſt die Zartlichteit bei ihm micht bie Hauptfache, er iR dazu viel zu ern. Seine meiften Oben find Gelegenheitögebichte auf das Lönigliche Haus und auf vornehme Gönner, ganz wie bei Horaz. Anbere enthalten alls gemeine Betrachtungen unb Lehren, ebenfall® wie bei Horaz. Dazu eine Menge ernfter Gantaten.

Die 39. Ode von Venus Urania, bezeichnet den horaziſchen Ton des Ganzen und zeigt zugleich, wie ber Dichter im franzöſtſchen Allegoriengeſchmack ausfchweift.

Göttin Liebe, die weiht heute bein Agathon, Unfers Cineas Sohn, feinen vollendeten Menzel, deutſche Dichtung. LIE. 5

66 Neuntes Bud.

Tempel: zeud in bein Haus, Venus Urania, Erfigeborne des Himmels ein!

Breude hüpfe voran, Unſchuld begleite dich

Unauflöslih vereint folge bir, Arm in’ Arm,

Holde Sanftmuih und nie täufcpende Wahrheit und unbeſtechliche Treue nad. ꝛc.

Die Klopftodiche Gitelfeit ſchlug auch bei Ramler ſtark vor. Cine Can: tate, Danfopfer für Friedrich Wilhelm IT., beginnt er mit den Worten:

. Mein Geift beginnt erhabene Gefänge. Monarch, bir if} mein Lied geweiht, Dir meine Zunge, bir mein Meiftergriffel.

Die ſeht zahlreichen Oben Ramlers auf Friedrich IL, Bei den verſchieden⸗ ſten Gelegenheiten, find von ſchoönem Enthuſiasmus durchglüht, wenn gleich die antife Sprache ganz unb gar nicht dazu paft.

In der 15. Ode wird Friedrich mit Herkules und feinen zwölf Arbeiten verglichen. Leider verbicht Mamler den guten Eindruck gerechten Lobes durch unvernänftiges Schmeicheln. So fagt er in ber 31. Ode, bie zum Triumph— einzug des Könige in Berlin nach dem fiebenjährigen Kriege gedichte war: „Schäme dich, Camillus, fehäme dich, Cäfar, daß ihr triumphirtet. Hier iſt ein weit größerer Held ac.“ Befanntlich wollte aber Friedrich der Große ſelbſt damals von einem Triumph nichts wiflen und zog bei Nacht in einem fölicpten Wagen ein. \

Unter den Gantaten find einige rein antif mythologiſch, z. B. Ino, Pyg⸗ malion, Gephalus und Profis, immer mit viel Exclamation. Einige allegoriſch 3. B. das Opfer der Nymphen Sprea, Pregolla, Wiadrina, Wiflule, (ber huldigenden preußifchen Flüſſe). Im einem Singfpiel „Cyrus und Caſſandane“ fol der reiſende Cyrus ben reifenden Großfürſten von Rußland (Baul I.) ber deuten. Ginige Gantaten find chriſtlich, 3. B. ber dur; Grauns fhöne Com⸗ pofition berühmt geworbene Tod Jefu.

Chriſt. Aug. Clodius, Profefior In Leipzig, deſſen vermiſchte Schriften 1780 erſchienen, wurde ſchon von Böthe verfpottet wegen des hohlen Pathos feiner Oden und feiner gefehraubten Profa. Er hat nichts Großes geſchrieben, nur lauter Eleine Dialoge, Erzählungen, Gedichte, Briefe, Babeln geringen Wertes. Mehr reines und edles Gefühl ver⸗ rieth der im Openton mit Ramler mettelfernde Jeſuit Karl Maftalier in Wien (Gebiäte und Oben 1785).

Wenn Gleim ver deutſche Anakreon, Mamler ber deutſche Horaz, Voß ber deutfche Homer, Wieland der deutſche Luklan fegn follte ac., fo

. Die Ratürlicpfeitöperiode. 67

flellte in dieſer Reihe der Gräfomanen Joh. Gottl. Willamom ben deutſchen Pindar’vor. Seine Dithyramben erſchienen 1766, dialogiſche Babeln 1791. Er Hefert übrigens ben Verweis, wie ſchlecht es mit ſolchen fpätern Eopien alter Originale beſtellt tft, ha er In ben Tönen und mit dem Schwunge des helleniſchen Sängers nichts zu befingen wußte, als die allerhöchſten Geburtstage, großfürftlide Genefungen von ben Poden und Stege ruſſiſcher Generale.

Nur eine Ode auf Friedrich den Großen und eine auf Johann Sobiesky machen hievon eine Ausnahme, Diefen Pürften zu befingen, mar wohl eines- Pindars werth. Mitten unter den pinbarifchen Erinnerungen, antiken @öttern ıc. fällt es Willamow zuweilen ein, ſich einen Sohn Teuts und Barden zu nens nen, wie es in der Klopftod’fchen Schule Eitte war. Aber das macht die Sähmeiggeleien, die er den Rufen wibmet, noch wibriger.

O daß ber Barbe, der entzückt Sein Saitenfpiel dir weit, - Held Romanzov ıc.

Benn deutfcge Barden ruſſiſchen Cpaulettes nachſchleichen, fo iR das eleL- Haft. Doch fapt Willamom bie ruffiihe Natur großartig auf. Der game Drud der ruſſiſchen Winteratmosphäre verräth ſich in ber ſchönen Ode an das

Schickſal. Im furchtbaren Gewand Heiliger Dunkelheit,

Wie vom ſtürmenden Pol ſich eine Mitternacht Dit um Gisberge Iagert, Sipt das Schicfal, ein machtger Gott.

Hoch vom ehernen Thron ‚hängt von der ſchweren Hand Stets die Wage des Glücks; um ihn herum entflehn , Künftige Tage der Menſchen Und erwarten gebüct ihr Loos. Hingeraffet vom Weſt wölft ſich ein lautes Heer Gitler Wünfcge zum Thron unbewußt ihrer ſelbſt. Doch die mächtige Wage Gibt den Ausfhlag und fie find Hin.“

Willamow Hat ſich aud an rein antife Stoffe gemacht, namentlih an bacchiſche Scenen. So befingt er auch bad Erwachen Ariadnens in des Bacchus Armen. Berner ein Wunder bes Gottes, wie er das ode Burgund in ein fruchtbares Weinland umſchafft. In den „Himmeloſtürmen“ ſchildert er den Titanenflurz, nur mit zu viel Grelamationen.

Alle diefe Dichter Eofettirten und prahlten nur mit der angeblich 5

68 Neuntes Buch.

echten Claſſicität. Die wirklich echte fand erſt der große Johann Joachim Winkelmann. Sohn 'eined armen Scähuflers in Stendal wurde er Sekretair des ſaͤchſiſchen Minifterd von Bünau, Iernte in Dresven bie vom König Auguft von Polen gefammelten Antiken kennen umb flubirte mit dem regſten Eifer die alten Claſſiker. Ihm nun ging daß erfle eine Verftändniß ber plaftifhen Ideale ver Alten auf und wie feiner vor ihm erflärte er der überraſchten Welt fon Im feiner erften Schrift „Gedanken über bie Nachahmung der griechiſchen Kunſtwerke“ 1755 den Zauber des menſchlich Schönen in jenen Idealen. Im Beitalter der Häß- lichſten Moden war dieſer Zug zum Schönen inſtinctartig. Winkelmann, ein echter Norddeutſcher, männlih ſchön, felber von dem edeln „Gewächs“, das er am ben Hellenen pried, konnte die Verzerrung ber Menſchen nicht länger ertragen. : Es wäre freilich noch beffer gewefen, wenn er das männliche Ideal in Thaten geſucht hätte, aber ald Mann ver Schule in dem Zeitalter bloß geiftigen Lebens ſuchte er e8 nur in den Marmorreften der griechiſchen Sculptur, nur in der fhönen Form. Der Einblick in den verlornen Himmel der griechiſchen Götter follte hinreichen, uns über die Gegenwart zu tröften.

Dur Winkelmann wurden vornehmlich Leffing, Göthe und Gerber begeiftert, die Männer, die damals in Deutfhland das feinfte Schönheits- gefühl beſaßen. Was Klopſtock durch fein prahleriſches Pathos, mas Wieland durch feine frivole Auffaffung des Altertfums nimmer erreichen konnte, daB erreichte Winkelmann durch feine einfache, aber tiefe Ergrün- dung bes griechiſchen Schönheltoldeals. Er weckte eine allgemeine Begel⸗ flerung. Um aber in Italien unter den Antiken leben, um mit ihnen ganz Grieche, alfo Helde werben zu können, murbe Winkelmann katho⸗ liſch und lleß ſich in Mom von Cardinal Albani anſtellen. Auch eine von den vielen Unnaturen ber Zeit. Er zog aber das für Schönhelt ſchwärmende Deutſchland Hinter fi Her. Es wurde Mode, nah Stalien zu reifen, um dort bie nod erhaltenen antifen Kunſtwerke zu flubiren. Zaufende find bis auf den heutigen.Tag nah Nom gewalfahrtet, um im Vatican nit den Oberhirten der abenblänbifen Kirche, ſondern die marmornen „Bötter Grlechenlands“ zu ſuchen.

Inzwiſchen darf man nicht außer Acht laſſen, daß auch durch große muſitaliſche Componiſten der Sinn für antike Schönheit lebhaft geweckt

Die Naturlichleitoperiode. 69

murbe. Neben ben biblifgen Stoffen der Oratorien Hatten ſchon Tängft claſſiſche Operntexte geglänzt. In dem Maaß aber, wie die gelſtliche Muſik durch Bach und Händel ſich veredelte, nahm auch die Gompofition zu antiken Stoffen einen ungleich tieferen Ernſt und reichere Fülle bes Ausdrucks an. Die Opern Glucks (Iphigenia, Alceſte, Helena, Orpheus) hatten eine nicht minder große Wirkung, wie bie Schriften Winkelmanns. Auch die Opern von Benda (Ariadne auf Naxos, Text von Brandes; Medea, Text von Gotter, 1775). Seltdem mehrten ſich die deutſchen Tragödien nad antiken Muftern: Polyrena von Bertuh 1775, Kepha- lus und Profis von Ramler, Achilles Schatten von Berger 1777, Elektra von Dalberg 1780, Andromeda und Perfeus von Braun 1780, Drpheus und Curidice von Riehl, 1787.

Leſſing, von Winkelmann mächtig angeregt, drückte nad feiner kri⸗ tiſchen Weiſe feine Begeifterung für die Antike nur in einem fharffinni« gen und gelehrten Werke „Laokoon“ aus, ber viel phantaflereihere und propuctivere Göt he aber, ber ſicher zugleich von Gluck und Benba .an« geregt war, dachte fogleih daran, mit den claſſiſchen Dichtern ber Alten ſelbſt in Darftellungen zu wettelfern. Uebrigens verband auch er mit der Liebe zu ben alten Helden den Haß gegen bie Kirche des Mittelalters, wie Voß, blieb aber nit fo ganz in feichtem Nationalismus befangen, ſondern griff aus dem Altertfum ben Prometheustrog gegen bie Bötter auf, um ihn anzuwenden auf das ftolge Ich gegenüber den chriſtlichen Autoritäten und Geboten.

Ich dich ehren? wofür? Haft du die Schmerzen gelindert Je des Beladenen? Hat nicht mich zum Manne gefchmiebet Die allmächtige Zeit Und das ‚ewige Schicfal? ‚Gier fig ich, forme Menſchen Nach meinem Bilde, Gin Geſchlecht, dad mir gleich fen, Zu leiden, zu weinen, Zu genießen und zu freuen fi Und Dein wicht zu achten Wie ich! Dieſelbe Grundidee hat Göthe ſpäter Im Fauſt durchgeführt, die Uns

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antaſtbarkeit des Menſchlichen durch dad vermeinte Goͤttliche. Davon abgeſehen vertiefte ſich Göthes Schönheitsſinn in die antike Tragödie, wie Winkelmann in die antike Plaſtik. Beiden ſtrahlte ein wunderbar reiner Glanz entgegen, von dem jedes angeborne barbariſche Gefühl in äſtheti- ſcher Andacht fi gefangen gab. Was Winkelmann verſagt war, mas lange nad) ihm erſt Ganova und Thormalpfen verfuhten, mit fefter Hand die antifen Götteriveale felber in Marmor nachzubilden, das wagte Göthes nie verfagende Kraft in Nahahmung der großen Tragifer der Alten. Jedoch nur einmal (1787) in feiner Iphigenta. Darin eint fi fopho-. - kleiſche Meinheit und Klarheit allerdings fhon mit etwas wärmerer Far⸗ bung, jedoch ohne die euripideiſche Unreinheit. Mit Recht Hat zwar ſchon Julian Schmidt bemerkt, wie fehr Göthe in feiner Iphigenia auch die relne griechiſche Form erftrebt Hat, „würden die Alten diefen Inhalt: das in fi vefleetirte Herz, das feines Widerſpruchs mit fih und ver Alge- meinhelt bewußt ift, nicht verſtanden Haben und bie Löſung des fittlichen Eonflictes widerſpricht feiner Vorausfegung.“ Allein ver moderne Lefer unterſcheldet nit fo genau und wird in Göthes Iphigenia immer einen fo Hohen fittligen Adel und eine fo vornehme Simplicität bewundern, wie bet Sophokles ſelbſt. Aber je weniger Göthe ein Sophokles war, je gewiſſer er fih Hier. nur künſtleriſch auf einen ganz fremben Boden verfegt Hat, um fo mehr muß die Virtuofität feines fhönen Talentes überraſchen. Die Behauptung, er habe nach Ueberwinbung des Innern Kampfes ober des prometheiſchen Standpunktes in der Iphigenta bie wie» dergefundene Harmonie und den Heiligen Frieden feines Innern abgefpie- gelt, iſt abſurd. Göthe Hat erſt nad der Iphigenia den zweiten Theil des Fauſt und manches andere noch fehr Unruhige geſchrieben. Es war ihm überhaupt nie um Beruhigung, fondern nur um geiſtiges Schaffen zu thun, und ber Dämon in ihm legte, wie er felber fagt, im feinen Werken nur eine Schlangenhaut nad) der andern ab. Die Iphigenia zu ſchrelben trieb ihn lediglich nichts, als das Bewußtſehn und ber Stolz feiner ſchaffenden Dichterkraft in einer Zeit, in welcher alles für bie Ans tike begeiftert war. Er mollte das Größte in dieſem Gebiete durch bie Iphigenta leiſten, wie er das Größte auf dem empfindfamen Gebiet durch den Werther und auf dem Gebiet ber philiſtröſen Poeſie durch hie Doro then leiſtete.

Die Natürlickeitöperiobe. 71

Amalie v. Imhoff ſuchte in dem Epos „bie Schweſtern von Les⸗ 608“ (1801) ver Goͤtheſchen Iphigenia nahe zu kommen, weshalb man auch eine Zeitlang Göthe ſelbſt für dem Verfaſſer Hielt. Ideale Weib- keit in der Entfagung und Hochſtellung über bie Leidenſchaft darzu⸗ ſtellen, ift ihr auch wohlgelungen.

Kleinere Schöpfungen Göthes im grie chiſchen Style waren bie bei⸗ den von äſchyleiſchem Geiſt eingegebenen Dramen .von Prometheus und Pandora, die heitere freie Bearbeitung ver Vögel des Ariftophanes, das etwas Tangmeilige Erwachen des Epimenides, wodurch er das Erwachen des deutſchen Volks im Jahr 1813 felern ſollte; aber gerade, well man ihn dazu aufforberte und er e8 nicht gern that, fiel das Werk fo kühl und nüchtern aus. Im Elpenor, welcher unvollendet blieb, wollte Göthe eine ächt antike Tragödie vom Vatermord und Blutrache ded Sohnes aus- führen. Auch begann Göthe ein homerifes Epos „Achilleis“ und bes abſichtigte eine „Nauſikaa“ zu ſchrelben. Selt Göthe in Sübitalien ge- weilt und die weiche Luft Großgriechenlands geathmet, ſchrieb er zeigende Elegien ganz im Geift ter Anthologie. Hier unterhält ſich Pauflas mit feinem Blumenmäbchen. Hier erblict der Dieter (In der Elegie Cuphro⸗ ſyne) die antifen Heroen und Heroinen und rühmt fi der Poeſie, welche eben ſo ewige Geſtalten, dem ewigen Ruhm liefere, wie bie wirkliche Ge⸗ ſchichte. In den römiſchen Elegien, wozu nod bie reizenbe Idhlle „Alexis und Dora gehört, ahmt Göthe freilich mehr dem Tibull und Properz nad, indem er feine in Rom verlebten Eleinen Liebesabentheuer In antiken Formen ſchildert. Seit 1795 ließ Schiller die „Horen“ erfeinen, 1797 erließen Goethe und Schiller gemeinfam die „Xenten“, Blitze des joviſchen Doppeladlers, ver im Reich ver Geiſter zu Herrfegen begann. Das alles hatte antiken Zuſchnitt. Göthe ſchwaͤrmte für bie Alten nit ohne feind⸗ felgen Hinblick auf die damals auffproffenben erſten Keime ver romanti» fen, d. h. chriſtlichen Porfle.

Auch der geſchmackvolle Gerber, ven wir erfi fpäter nad) dem gan» gen Umfang feiner Leiftungen werden Eennen lernen, war groß im Claſ⸗ fiſchen. Ex überfegte viel aus Horaz, Perflus, Pindar, der Anthologie ıc. und dichtete felbft viele Oben und legten im antiken DVersmaaf, meiſt lehrhaften Inhalts. Am zarteften find feine Auffafjungen von Amor und Pſyche, Amphion und die Paramythien. Die Iegtern find eigentlih Ba-

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bein, in denen aber ftatt der Thiere Götter Handeln, liebliche Heine’ (erft von Herder erfunbene) Mythen von der Aurora, Sphinx, Blora, vom Tode (an Leffings Grab), vom Feſt der Grazien, von ber Minerva ald Schutzgöttin der Frauen, von Kalligeneia als Mutter der Schönhelt. Dazu kleine dramatifche- Fragmente, charakteriſtiſche Scenen aus ver Mythe ber Alkeſtis, Ariadne, des Philoktet sc. Bezeichnend iſt fein entfeffelter Pro- metheuß, worin er nicht, wie Göthe, einen Gott trogenben Titanen, ſon⸗ bern den mit Gott verföhnten Zörberer der Gumanität erkennt. Hieher gehört auch die feltfame Scene vom Tode bed Brutus. Im ihm ficht Caſſtus den letzten Mömer und mit ihm die Freiheit fterben. So dichtete derfelbe Here, der in hohem Obenton die ruſſiſche Katharina befang. Eine ganz eigenthümliche Abzweigung der claſſiſchen Dichtung bilde» ten bie antiken Stoffe in moderner Balladen» oder Romanzenform. Ste geftelen auferorbentlih und gelten Heute noch tn ber Schule vorzugsweiſe als die Heften Memorirſtoffe. Der Beifall, ven fle fanden, erklärt ſich aber durch die Verwandtſchaft fo vieler antiker Sagen mit ven heimathlichen Sagen, welche den Stoff der beliebteften Volkslieder bilden. Im der That eignet fi der griechiſche Stoff, den Göthe fo meifterhaft in der „Braut aus Korinth“ bearbeitete, ganz, eben fo zur Ballade, mie her beutfche Stoff zu Bürgers Lenore. In antiken Balladen eigang Friedrich S Hiller, von bem wir fpäter erft ausführliger reden, eine hohe Meifterfaft. Ur— forüngli ein wildes Genie und durchaus naturaliſtiſch, wandte ſich Schiller unter Göthes Einfluß in Weimar dem antiken Geſchmack zu, wobei er theils die antike Schickſalsidee feſthielt, z. B. im Ming des Po— lykrates, in der Zerſtörung von Troja (der ſchönen Ueberſetzung des zweiten Buchs der Aeneide), der Caſſandra, ber Klage ber Ceres, ber Kraniche des Ibykus, thells den herrlichen Mannesmuth pries, wie in der Bürgfhaft, theils ſich hingeriſſen zeigt für die Schönheit der griedht» ſchen Form und des Idealen im griechiſchen Leben. Im „eleuſiſchen Feſt“ erhebt fich die ganze althelleniſche Bildung wie eine aufgehende Sonne aus der alten Nacht der aflatifhen Barbarei, und in ben „Oöttern Griechenlands" wagt es Schiller fogar, dieſelbe Bildung als eine unter» gehende Sonne wieder verfälungen zu denken von ber neuen Nacht ber (hriſtlichen) Barbarel im Mittelalter. Diefes ſchöne melancholiſche Ge— dicht, welches den Untergang der heiteren griechiſchen Götterwelt beklagt,

Die Ratkrlicpleiteperiode. 73

iſt mit Recht vielfach angefochten worden. Es mar des großen Schiller nicht würdig, ſich fo zärtlich in das griechiſche Heldenthum zu verliehen, und fi von dem unendlich höhern Ideal ver chriſtlichen Weltanſchauung wie ſcheu abzuwenden. Als Graf Stolberg das Gedicht Schillers tadelte, antwortete dieſer mit einer felerlichen Ausſtoßung Stolbergs vom Parnaß. Ohne Zweifel übte dabei Göthe großen Einfluß auf Schiller, gerabe in der Belt, in welcher Göthe den antiken Geſchmack auf alle Weiſe hob, um den romantiſchen nicht auffommen zu laffen.

Ganz in biefen Ton ging auch Auguft Wilhelm Schlegel ein, in den fhönen Balladen von Arion, Pygmalion, Ariadne. Im feinem Pros metheus vermiflen wir bie einfache Größe des Eleinen @öthefhen Ge⸗ dichtz. Im der „Erfindung des Küffend“ ſteigt Schlegel zu Wieland hinab. In ver „Kunſt ver Griechen“, ein Lehrgedicht in Diftichen, ſchlleßt er fd ganz ber Anſicht Göthes an, dem er auch dieſes Gedicht gewidmet hat. Im ver großen Elegie „Rom“ miſcht er die Erinnerungen feines Aufenthalts in Italten mit der Bewunderung ber antifen Denkmäler. Schlegel verſuchte fogar feine Tragödie „Ion“ der Götheſchen Iphigenia an die Seite zu ftellen, 1603. Göthe felbft protegirte diefen Jon, weil ex feiner Iphigenia zur Folle dienen mußte. Obgleich von ſchöner Sprache getragen, iſt Jon doch ein ſchwäͤchliches Produkt.

Jon, der zarte Füngling, waͤchst unter der Huf der Pythia im delphiſchen Tempel auf; bis zwei Mütter fi ſtreiten, welche ihn geboren habe. Apoll entſcheidet für dem Kreufa, indem er fie an die füße Schäferflunde erinnert. Das iſt der ganze Inhalt, von einem ſchweren Unglüd, von einer höheren ſittlichen Kraft iſt Hier nirgends die Rede.

Die Tragöbien, melde hiſtoriſche Stoffe aus dem claſſiſchen Alter⸗ thum entlehnten, führen aus der Steifigkeit der Schule Gottſcheds all« mäßlig zur politiſchen Schwärmerel der Sturm» und Drangperiode hin⸗ über. So Graf Stolbergs Timoleon und Dyks Coriolan, beide von 1785, die vielen Stüde von Eollin, Cramers Themiſtokles, Seumes Mil- tiades, beide von 1805 ꝛc.

Nach Göthes Iphigenta wuchs die Zahl der antikifirenden Tragd- bien immer mehr an. Ihre Strömung theilt fi in zwei Arme Die Einen hielten fih an mythiſche Stoffe, die Andern an geſchichtliche. Don der erflern Art maren: Mendceus von Boutermek 1788, Thefeus

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von Rambach 1791, Pygmallon von Herklot 1794, Iphigenta in Aulis von Lewezow 1805, Niobe von W. v. Schütz 1807, Achill auf Skyros von Zimmermann 1808, Ino von Pfeiffer 1809.

Einige Dichter faßten am Alterthum vorzugsmelfe das furdtbar Erhabene, das unbarmherzige Schieffal, die colofjale Leidenſchaft und ben heroiſchen Untergang der Gelben auf, aber mit romantifher Gluth, ja faft Ueberſchwänglichkeit. Unter ihnen fteht ber geniale Maler Müller von Kreuznach, mit feiner ſchon 1778 erfhtenenen „Niobe“ voran. Ich Tann von ihnen erſt fpäter Handeln.

Johann Apel, Senator in Leipzig, wollte Göthen noch übertreffen und in drei Tragödlen je ven Aeſchylos, Sophokles und Euripives wie» vergeben, zu welder Trilogie noch ein Satyrfpiel kommen ſollte. Er murbe aber nur mit dem erften und britten Stüd fertig. Im erften „Po— lyldos“ von 1805

wird der Sohn P., nachdem ihm das Drafel verheißen, er werde als König begraben werben, faͤlſchlich eines Mordes beſchuldigt und wirklich mit könig- lichen Ehren, aber lebendig begraben. Zum Beweiſe, wie das ſchrecliche Sciefal mit dem Menſchen fpiele.

In den „Aitoliern“ wird Meleagerd tragiſcher Tod behandelt. Apel hielt es aber bet ber. ftrengeren antifen Manier nicht aus, fondern fiel ind Sentimentale und Weinerlide. Seine „Kallirhoe“

foll dem Dionyſos geopfert werben, weil fie deſſen Priefter nicht ‚lieben wi, der zärtliche Priefter töbtet ſich an ihrer Statt, nun will fie ſich aber an Groß muth nicht übertreffen laffen und töbtet auch ſich ſelbſt.

Bon gleicher Art iſt fein balladenähnliches Gedicht Dlenos .und Rethäa.

Das Bol opfert der Venus, König Olenos aber fagt: was nüpt es tobten Göttern zu opfern, ich opfere meiner lebendigen Lethän, dem fehönften Weſen ber Natur. Da erzürnt die Göttin und verwandelt feine Königäburg in einen Tempel und Lethäa verfteinert zum @ötterbilde, als deſſen Priefter nun Dlenos ihr fein Leben’ lang opfert.

Vorzugsweife fentimental war „Kyllenion ober ein Jahr in Arfas bien“ von Herzog Auguft von Gotha 1805 verfaßt. Karl Philipp Eonz, Profeffor in Tübingen, der ven Tortäus, Aeſchylos ac. überfegte und ein Trauerfpiel Eonrabin ſchrieb, Hat au recht gute lyriſche Ge⸗

Die Ratürlichfeitöperiode. 75

dichte geſchrieben (erfte Ausg. 1792), worin dad „Maigewitter“ und „bie lberne Hochzeit“ das befte, desgleichen viele Momanzen, worin alte deutſche Sagen behandelt find. Auch den guten Schwank:

Hermotimus, ein Magier, pflegte bed Nachts feinen Körper zu verlaflen und ald Geift in der Welt herumzuſchwaͤrmen, bis fein Weib einmal, ärgers lich darüber, daß er ihr nicht Geſellſchaft leiſte, ſeinen Körper verbrannte. As er nun nach Haufe Fam, fand er den Leib nicht mehr unb tobte wüthend im Haufe und in der ganzen Stadt umher. Aber fein Weib Fümmerte fich nicht um ihn und Heitathete einen Anderen, ber bie ganze Macht hübſch bei ige blieb. Die Bürger der Stabt beſchloſſen, ben Poltergeift zu fühnen und errichteten ihm einen Altar mit Kultus und Opfern, feine Brau aber lachte dazu.

Am unpaffendften waren die empfinbfamen Verarbeitungen antiker Stoffe in den Romanen von Meißner, Beßler, Lafontaine, Bouterwek, Rambach (Cicero und feine Familie) der Frau Naubert, ver Frau Karol. Pichler zc. Indeß Hatten ſchon die-Branzofen Benelon, Marmontel, Flo⸗ tan ac. das Beiſpiel dazu gegeben. Dazu gefellten ſich die fentimentalen Romane, in welchen bie Neugriehen, wie die Italiener, als romantiſche Helden auftreten, feit dem Vorgang von Lindau in feiner Hellodora, ober die Rautenfpielerin in Griechenland (1799).

Friedrich Matthifon, aus dem Magdeburgiſchen, Lektor und Meife- gefährte der. Fürftin von Deffau, fpäter in württemb. Dienften, ſtellte eine Mifhung aus Salis und Ramler dar. Eigenthümlich iſt dieſem Dichter die Landfhaftsmalerei. Er verftand fehr gut in wenig Worten die italtenifhen und Schweizerlandſchaften Hinzumalen, die er gefehen. Aber er ftört ven einfachen Eindruck folder Landſchaftsbilder durch das fatale Einmiſchen antiker Götter, und noch mehr durch die erfünftelte Empfindſamkeit. Hierin erreiht er faft dem unerträglichen Salomon Geßner. Außerdem folgt er in der Neigung zu Nebelgeftalten dem Jacobi. Am meiften indignirt an ihm die Eitelfeit, mit der er fi felbft die himmliſche Seligkeit und unſterblichen Ruhm zuerkennt, und die innerliche Verlogenheit ſeiner Poeſie, indem er, wie ihm ſchon Gleim vorwarf, von der ſanften Melancholie, mit der er vor der Welt kokettirt, gar nicht beſchwert wurde, fondern es ſich allezelt wohl ſeyn ließ. Er zerfloß in Ahränen, wie ein Schooßhund, wenn er fi zu dick gefreſſen Hat.

Bezeichnend ift die Anekdote von König Friedrich von Württemberg, ber

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ihm einmal, als er ihn nach einem großen Diner im Garten beläftigte, um ihn 108 zu werben, beflehlt, an einem gewifſen Plah in ber Mittagshige chen zu bleiben, Bid er ein Monbfcpeingebicht vollendet Haben würde. Ais berfelbe König das große Jagdfeſt zu Bebenhaufen abhielt, bei dem die Bauern, bie treiben mußten, kaum weniger geplagt waren, als bie Hirſche, gab Matthifon als Hofbichter eine yomphafte Beſchreibung des Feſtes Heraus, worin er ben bieten Heren mit dem fernhintreffenden Apollo verglich, ein non plus ultra von ‚poetifcher Schweifwedelei.

Nun {ft nit zu verfennen, ba gerade hie Sentimentalttät hen rein« ſten und edelſten Charakter vorausfegt, wenn fie nit anwidern fol. Bet Hoͤlty iſt fie rührend, aber bei Matthifon und Kopebue tft fie eckelhaft. Auch die „Erinnerungen“ des Dichters, ein Werk in Profa, das mande fhägbare Nachrichten über feine Zeit und Beitgenofien enthält, ſtecken voll von perfönlihen Rückſichten und Gitelfeiten. Seine fämmt- lichen Werke erſchlenen zu Züri 1826 in 8 Theilen.

Unter feinen berühmten Gedichten flehen bie Landſchaftsbilder oben an, zuerſt' „ber Genfer See”, worin aber bie Landſchaft gar nicht gemalt wird, fondern der Dichter ſich von der ſokratiſch milden Freude bekraͤnzen läßt und an Platos und Zenophond Hand einhergeht, um fich im Geiſt mit Rouffean, Bonnet ꝛc. zu unterhalten. Um den See und feine Umgebung zu fehildern, weiß ex nichts beſſeres, als zu fagen, die Ausfit vom Aetna und Stroms boli fey weniger fhön, umd wenn er zugleich ein Weiler, wie Haller, ein Seher, wie Geßner, ein Held, wie Anfon, ein Maler, wie Elaude Lorraine wäre, fo würbe er an nichts denken, als immer nur wieder an ben Genfer See. Endlich wünſcht er fi ein Grab an biefem See, umſchattet von Trauerweiden und Rofen, ohne ein Marmorbenkmal, „da ihm ber eitlen Größe Schimmer nie geblendet.“

Die berühmte „Glegie, in den Ruinen eines alten Bergſchloſſes gefchrieben,“

Schweigend in der Mbendbämmrung Schleier

Ruht die Flur, das Lieb der Haine flirbt,

Nur daß bier im alternden Gemaͤuer

Melancholiſch noch ein Heimchen zirpt ıc. iſt frei von den antifen Reminiscenzen, die Geufzer über bie Vergänglichfeit der Dinge. find aber affestirt, wie ſchon aus der Widmung des ganzen Lier des erhellt.

‚Hier c., wo der Vorwelt Schauer mich ummehn,

Sey dies Lied, o Wehmuth, bir geweiht.

Der Dichter foll und wehmüthig flimmen, aber nicht von ber Wehmuth teben. Der „Herbftabenb“ if wieder viel zu elaſſiſch:

Die Natürlicpleitsperiode. „az

Heſpers bleiche Trauerkerje Lodert an des Tages Gruft ıc.

Am beſten gelingen dem Dieter bie ewas nebelhaften Mbendbilber aus der mordbeutfehen Landfhaft, 3. D. „das Rlofler“.

Der Weſtgewoͤlle Purpurfaum ergrant

Aus GEihendunfel fleigt der Mond empor,

Die Winde feufgen bang im Haidekraut,

Der Elfen Tanz weht leid am Weidenmoor x.

Aber laͤcherlicherweiſe „Iehnt hier die Melancholie an Grabeötrümmern“. Aehnlich bie Landſchaftabilder im „Todtenopfer“:

Die Berge ſtehn fo düͤſter Bon Nebelbuft umflort, Durch banges Rohrgeflüſter Raufcht ſchwach das Baͤchlein fort xc.

Das „Mondfcheingemälbe* : . Der Bollmond ſchwebt im Ofen Arm alten Geifterthurm x.

Andy hier wieder ein Mühlenbach und Binfen an feinen Ufern. Im einem andern Landſchaftsgemaͤlde „Melancholie” wiederholt fih das oben fon ges brauchte Bild vom Abenpftern, der ald Grablampe leuchtet:

Der Abendſtern blickt auf die Beilchenmatten Blaf wie der Schmerz auf Sarkophage ſchaut.

In den Grinnerungen an Italien ſchlaͤgt auf eine wibrige Weife das Kos fettiren mit den Dichtern und Philoſophen deF Mterthumd vor, bie Matthiffen ais feineögleichen anfieht, und deren Namen er in alle Berfe einweht. Daz neben giftiger Haß gegen bie Kirche. Nur als Gtaffagen in feinen Mond⸗ ſcheingemaͤlden mag er Kirchen und Kapellen leiden; ben Gottesdienſt in ber Kirche aber haßt er, der nur die Götter Griechenlands und den eingebildeten eigenen Genius anbete. So verhöhnt er im campo vaceino ben frommen Kapuziner , der hier auf ben Trümmern des claſſiſchen Alterthums prebigt, als eine fächerliche Garifatur Ciceros. In demfelben Geift ift feine „Nonne“ ger dichtet, der er affectitte Thränen nachweint, weil fie das Kecht der Natur nicht befriedigt und feinen Mann gehabt Habe. Dahin gehört auch die abgeſchmackte Bergötterung des elenden Roufleau. Doch wagt Matthiffen nur ein einziged« mal dem antifen Satyr zu opfern in einem üppigen „Faunenliede*. Im Mebs rigen if er mehr prübe ald Iadeio. Der claffiice Zopf hängt durch bie ganze Sammlung hindurch. Don Brieberife Brun fagt Matthiſſon:

Du rührft im Grazienſchleyer Die lesbiſche Leer.

78, Reuntes Buch.

Indem er ſich Agathon zu ſeyn wünfcht, preist er, wie diefer im Myrthens hain, wo Pfyche und Amor fi umarmen, von Hebes Blumen umbuftet, den Gragien opfert.

In einer ſapphiſchen Ode an die Nachtigall, die ein Muſter von Schwulſt iR, @- B. Heißt es da:

ehrt

Halten, gleich Harmonifatönen, ihre

Eilberakforde) ©. 51. muß Diana den Wagen Ienfen, reicht der Sohn Cytherens dem Bogel Götter: ſpeiſe und Nektar. Im dem Gedicht aus Tihur S. 55 weißt der Dichter dem venuſiſchen Schwan das bunfelglängende Haar ber keuſchen Daphne und fprenft opfernd milden Albanerwein.

Im einem fürſtlichen Geburtötagäfeftgevicht ©. 188 Iäßt er Barzen, Mufen, Horen und Dryaden um Frangens Altar den Kreis fliegen. Unter feinen elaffifchen Gedichten ift nur eins wirklich ſchoͤn, Elyſium ©. 38, in melden die Piyche, in Glyfium angelangt, Vergefieneit trinkt. Ganz hübſch ift auch „das Lieb aus der Ferne“ ©. 175, worin der Geift eines verftorbenen Freun— des ben Breunben voräbergeht. Gar nicht übel if ferner bie Gharakterifif der Elementargeifter ©. 124.

Das berühmte Gedicht an Adelaide ©. 53 ift fo gefünftelt und affeclirt als möglich, von jeder wahren Empfindung haar. Gin gewifler Wohllaut er: feßt bei ihm, wie das Prunfen mit claſſiſchen Namen, den Geiſt.

Eine wahrhaft eckelhafte Gitelfeit fpricht aus den Gedichten Wunſch ©. 115 und bie Vollendung ©. 159. Im dem einen ſchwebt er als unſterblicher Geiſt und Seliger empor zu Zenophond und Platons Weisheit und zu Anakreons Myrthenlaube, im andern gelangt er zu „göttlicher Vollendung“.

Karl Victor von Bonftetten, ein ‚Berner Patrizier, nahm ald Matthifond Freund Theil an deſſen Ruhm, obgleih er außer einigen philoſophiſchen und ethnographiſchen Studien nur einen Verſuch im ber Idyllenmanier Geßners geſchrieben Hat. Einen ebenfo unverbienten Auf genoß Matthifons Freundin Friederike Brun, Schweſter des gelehrten Biſchof Münter, ein ſentimentaler und eitler Blauſtrumpf, unnatürlich in die Höhe geſchraubt durch eben fo eltle Männer, insbeſondere durch Matthifon, lächerlich verliebt in ihre Tochter Ion, die fle ſelbſt in ihren Schriften zu einem Weltwunder erzogen zu haben ſich rühmt. Man hat von ihr viele ſchwache empfinbfame lyriſche Gedichte und proſaiſche Schilderungen ihres Aufenthalts in Italien. Ohne allen Werth, empfind- fame Phrafen und alberne Wichtigthuerei.

Aus der preußiſche Gefandte in Neapel, von Ram dohr, ſchrieb

Die Natarlichkeitsperiode. 79

felt 1787 außer über das Schöne in Natur und Kunft, moraliſche Er» sählungen, eine etwas ſchwärmeriſche Venus Urania und „bie vier weib⸗ lichen Syſteme ver Glüdfeligkeit“ (1807).

b. Die philiſterhafte Matürlichkeit.

Das philifterhafte Behagen fand feinen bequemen Ausdruck in ber Poeſie bereits in ben Gelegenheitögevichten ber Pegniger, ver Schleſier und ber Leipziger. Doc ſtellte man damals die gemeine Wirklichkeit der damilie und Häuslickeit noch tief unter die eigentliche Porfle, die man ſich noch von Böttern und Heroen nit getrennt denken Eonnte, Erſt bie neue Begeifterung für Natur und Natürlichkeit machte ven Philiſtern Muth, fich ſelbſt und ihre näͤchſte Umgebung mit dem poetiſchen Object zu iden tiſiciren. Der poetiſche Zauber, ven zuerſt Thomſon, Haller, Brockes, Kleiſt in Wald und Wieſe und im Garten kennen gelernt, zog nunmehr dur alle Thüren und Wenfter in die Wohn-, Studier⸗ und Kinberftube ein. Das Haus mit Haushund und Hauskatze, der Schlafrod und vie Sälafmüge, die gemüthlihe Pfeife und Tabaksdoſe, alles wurbe auf ein- mal poetifh. Es bedurfte nit einmal mehr intereffanter Unglüdsfälle ober wunderbarer Fügungen, um einen Bamilienenman, ein Familien⸗ drama, eine Famillenidylle poetifh zu machen, das Famillenhafte, Altäg- liche, Gemeine ſchon an ſich galt. als Poefle. Der Hauspapa im Kreife der Seinen ober unter ben übrigen Philiftern figend, mit allen feinen Heinen Schwachheiten, wurbe das Ideal der in Rede ftehenden Poefle.

Gleim, den wir ſchon kennen, darf als der poetiſche Urphilifter bes trachtet werben. Er nennt fein gaſtliches Haus immer nur fein „Hütt- Sen“, Das Wohlwollen, das er zahlreihen Freunden und namentlid Jüngeren Dichtern bewies, wurde von allen Seiten erwiebert und er wurde als „Bater Gleim“ der Großpapa ber damaligen deutſchen Dichterwelt. Aus feinem weiten Freundeskreiſe aber, der nod ganz formlos war, ging allmãhlig ein engerer foͤrmlicher Freundesbund hervor, ber berühmte Göt⸗— tinger Hainbund, deſſen Mitglieder zwar in ihren Richtungen man⸗ nigfach divergirten, bie jedoch im philifterhaften Freundſchaftsenthuſias- mus lange harmonirten.

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In Paris erſchien 1765 der erfle Almanac des Muses. Nach biefem Vorbilde gab Bote in Göttingen, In Verbindung mit Gleim, Klopftodk, Gotter ıc. 1770 den erften deutſchen Mufenalmana heraus. Indem ſich aber mehrere junge Dichter damals in Göttingen zufammenfanden, ftifte- ten fie dafelbft einen Dichterbund, 1772, der, von den Gtundſätzen Bod⸗ merd und Klopftods ausgehend, nah Natürlichkeit und Wahrheit firebte, zum Theil fogar mit patriotiſcher Gefinnung der deutſchen Vorwelt ges dachte, vorzugsweiſe aber die alten Claſſiker zum Mufter nahm und in Gleims Weiſe auf eine übertriebene und affertirte. Welfe für Freundſchaft ſchwaͤrmte, daher au im mechfelfeitigen Toben und Bewundern der Mit» glieder das Unglaubliche Veiftete.

Die Seele de8 Bundes. war der Mecklenburger Bauernfohn, Johann Heinrich Bo, der fi durch Fleiß aus der Niedrigkeit emporgearheitet hatte. Er fiudirte zu Göttingen, wurde Rector in Eutin, zulegt Pro⸗ feffor in Heidelberg. ine gewiffe Steifigkeit, Zähigkeit und Grobheit der Bauernnatur, bie er fein Lebenlang nicht ablegte, wäre ihm nicht übel angeftanden, wenn er nicht bie Marotte gehabt Hätte, theils es den Hel⸗ Ienen an Feinheit nachzuthun, theils als zärtlicher Bamilienpapa empfind⸗ fam zu ſchwärmen. Als einen echten norbifchen Barbaren ergriff ihn die Schönheit der griechiſchen Sprache und- Poefle mit einer unwiderſtehlichen Zaubergewalt, aber gleichfam wider feinen Willen, und riß ibn in lächer⸗

lichen Zudungen umher, ohne daß er je im Stande gewefen wäre, feine _

angeborne Bärenhaut fallen zu laſſen und plöglih in voller helleniſcher Anmuth dazuſtehen. Bon feinen berühmten Ueberfegungen des Homer ıc. wie überhaupt von der Gräfomante war fehon oben die Mebe. Hier haben wir e8 nur mit Voß, dem deutſchen Philifter, zu thun.

In feinen Oben, Liedern, Elegien folgt Voß ganz dem Muſter Klopſtocks, wählt antike Versmaaße und überſchwillt von Begeiſterungen. Ueberall aber ſchlaͤgt ver harte Tact vor. Auch mo Voß anmuthig zu hüpfen verſucht, wird es nur fleifes Betrampel. Was den Inhalt betrifft, fo ift die Hauptſache eitle Selbfbefpiegelung und manierirted Lob Ande- er, um wieder von ihnen gelobt zu werben. „Sie glauben gar nit,” ſchtieb Gleim einmal an Voſſens Frau, „mie wir einander gelobt haben“ (Briefe von Voß II. 370). Sodann Lob der Dichtkunſt überhaupt, Ans rufungen ber Mufe, des Genius, Oben an die Laute ꝛc., jenes unglüde

Die Ratürlichleitöperiode. 81

ſellge Beſingen des Singens, worin ſich immer nur mittelmäßige ober eitle Dichter gefallen. Auch in feinen zahlreichen Rundgeſängen und Xrinktiebern fegt er fl immer die Sporen an: fingt, wir wollen fingen, laßt und fingen sc. Nichts kann pebanteöfer Klingen. Ein paar Proben:

Traulich auf ein ſchmal Gericht Seyd ihr eingeladen,

Auf ein friedlich Angeficht

Und auf biefen Wlaben.

Hält man nur den Bladen feucht, Dann verbaut und fehläft man leicht.

Ausgeleert des Weines Bläfer,

Den der Wirth erlas!

GEdleres Getraͤnls Grlefer,

Schafft er reines Glas

Fröpli nun des ſtillen Wunſches

Schiurfen wir geählten Punfches . Volles Maaß! volles Maaß!

Noch pedantiſcher find die Arbeitsgeſänge, z. B. ein Geſang ber Milch⸗ mãadchen. Maͤdchen, nehmt die Eimer ſchnell, Habt ihr ausgemollen sc. Lieg' und wieberfäu’ in Ruh Dein gefegnet Butter: Alles, gute fromme Kuh, Mil und Käfe ſchenkeſt du, Rahm und füge Butter.

Gin Lied beim Flachsbrechen.

Plauderinnen, regt euch firads,

Brecht den Flach,

Daß die Schebe fhringe

Und der Bredjen Wechſelllang

Mit Geſang

Bern das Dorf durchdringe! 1. Ein Lied beim Spinnen zu fingen.

Schnurre, Raͤdchen, mit Geſang Sorg und Schlaf hinunter. Menzel, deutſche Ditung. IL 6

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Tragheit mat den Abend Tang, Arbeit Hält und munter.

Was im Kopf und heimlich murrt, Wird abgefehnurtt. x. .

Endlich das berüchtigte Kartoffellied. Kindlein, ſammelt mit Geſang Der Kartoffeln Ueberſchwang a. Voß hat auch eine ziemlihe Anzahl Liebeslieder gedichtet. In dieſen ſpielt er gern den Schalkhaften, was ihm überaus poſſierlich anſteht. Man höre das Minnelieb: Der Holdfeligen Sonder Want Sing ich fröhlichen Minnefang: Denn die Reine, Die ich meine, Winkt mir lieblichen Habedank. x.

Der Frauentanz. O herum mit Gefang, Ungefettet noch von Zwang! O herum in dem freiern Tanze! Bann die Haube und geziemt, Sey das Haͤubchen auch gerühmt! Doch zuvor noch gehüpft in dem Krange!

Dam fo friedlich Und gemüthlich Tanzen wir ben Weiberſchritt! Nach der Weife Tanget leiſe Auch das fromme Männchen mit!

Daß auch Eheftands- und Kinderſtubenlieder nicht fehlen, ver-

Ri . Gin BWiegenlied V. 286 ift höchſt wunderlich, weil feine Naivetät qualvoll erfünftelt ift. Auch in dem Gedicht „die fäugende Mutter“ VI. 50 waltet zu feßr biefes Bewußtſeyn und das Beſchreiben der eignen Empfindung vor. Das gegen ift ein Gedicht auf den Geburtstag feiner Frau V. 208 ein anfpredjens des Gentebilbchen. Auch das Hleine Wintergemälde III. 182 ift gut.” Das befte Gedicht unter allen ii die Spinnerin IV. 184.

Die Ratürlichleitöperiode. 83

Die Oben und Lieber enthalten auch manderlei Polemif. Voß war ein Rationaliſt, Todfeind nicht nur der katholiſchen Kirche, fonbern auch der lutheriſchen Mechtgläubigkeit. Diefes Bing mit feiner Schwaͤrmerei für die heldniſchen Clafflker zufammen. Es gehörte aber auch gewiſſer- maßen zu feiner amtlichen Stellung. Denn er wurde vom Großherzog von Baden nur deßhalb nach Heidelberg berufen, um der Rheinbundspo⸗ litik zu dienen, von welchet bekanntlich ber kirchliche Geiſt ſyſtematiſch unterdrückt und unter der deutſchen Bevölkerung, um ſie mit Napoleons Tyrannei auszuſöhnen, ein bornirtes und behagliches Philiſterthum nach Moͤglichkeit gepflegt wurde. J

Bedeutender als die Oden und Lieder ſind die Idyllen von Voß:

4) Der Frahlingsmorgen. Eine Braut geht früh in den Garten, um mitten unter ben Blumen des Lenzes an einem Geſchenk für den Geliebten zu fiden. Da fallen ihr Tropfen vom Baum auf ihren Stickrahmen, weil e& noch zu früh ift, ‚und fie flieht, 5iß die Sonne den Thau ausgefogen haben wird. Gin recht anſprechendes Genrebild. 2) Das erfle Gefühl. Schilderung einer Wochenſtube. Die Mutter Hat geboren, das junge Kind wird begudt von den anderen Kindern, bie alle das neue Schweſterchen fehn wollen. Man mahnt zur Stile. Da hört man den leiſen Gefang zweier Sehupengel, bie das Kind umfchweben. 3) Die Leibeigenen. Zwei Leibeigene unterhalten ſich von ber Rohheit des Junkers und von ihren Leiben, der eine mit mehr Ges - laffenheit, ber andere mit tieffler Grbitterung. 4) Das Gegenbild. Gin braves, abeliges Ehepaar freut fich, bie ſchweren Laften der Bauern erleichtert zu Haben. 5) Gin ähnliches Gemälde. Ein reigelaffener freut ſich mit feiner Braut der neuen Freiheit. 6) Die Bleicherin. Anna wird, indem fle ihre Auöfteuer bleicht, won Freundinnen beſucht und mit dem Bräutigam genect, gefigelt und mit Waffer begoflen. 7) De Windrawend (Winterabenb), in plattdeutfchen Hexametern, Höchft unnatürliche Sprachfpielerei. Wie kommt ber nieberfägftfche Bauer zum Kerameter? 8) Das Ständen. Gin häplicher Edelmann wimmert vor dem Fenſter einer ſchoͤnen Förſterotochter, die das Nachtgeſchirt über ihn ausfpüttet. Schlechtes Machwerk, worin nicht reiner Humor, fonbern Adelshaß das Motiv iſt. 9) Der Bettler, unbebeutend. 10) De Gelvhapers, handelt von der Lotterie, wieder plattdeutſch. 14) Der Riefenhügel. Gin Krämer läßt fi von einem Schäfer vom Hünengrab ers sählen und von einer Beſchworung des Geiſtes nnd Schapes dafelbfl. Voß Hat bier den Behler gemacht, antife Beſchwoͤrungsformein in den beutfchen Aberglauben einzumiſchen. 12) Die bügenden Jungfrauen, erfcheinen geiſter⸗ haft an einem Teich einem Süngling, ihn zu ermahnen, daß er heirathe, indem fle es im Leichtſinn verfäumt. 13) Der Abendſchmaus. Ironiſche Beſchrei⸗

6.

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Neuntes Buch.

bung eines deſtmahls in Hamburg, an dem zwölf dicbauchige Herren und

wwölf Breithüftige Damen Theil genommen 14) Die Kirfhenpflüderin. Gin

Mädchen iſt auf den Baum geftiegen und pflüdt ſchwarze Kirſchen, ein anderes fleigt über den Zaun zu ihr, fo daß jene fie warnt, bie Neffen würden fie in's Kinn fliehen. Dann plaubern fie vom Geliebten ber erſtern. Würde zus Tegt nicht ein abgeſchmactes Lied gefungen, fo wäre biefes Genrebild artig. 45) Der Teufel Lucian findet den Teufel Pur mit eingeflemmten Schwarze. Gaßner hat ihn da Hingebannt. Er erzaͤhlt nun von Gafner, bis Lucian ihn frei macht. Sehr albern. 16) Der fiebzigfte Geburtstag, mit Recht die ber rühmtefe Idylle von Voß. Ein alter Schulmeifter, der an feinem fiebzigften Geburtstag feinen zum Pfarrer ernannten Sohn an einem fehneereichen Wintere tage befucht, gewährt ein fehr anmuthiges Genrebild. Die junge Frau des Pfarrers wet den im Sorgenftußl entfälafenen Alten mit einem Kuß. 47) Die Heuerndte. Bartel und Lene begrüßen ſich beim Heumähen und er muß ihr ein Heulied fingen, ein ganz abgeſchmacktes Lieb, worin eben blos dag Heumähen befegrieben wird. 18) Philemon und Baucis, bie bekannte

- antife Mythe.

Loulſe, ein laͤndliches Gedicht (1783) iſt Voßens berühmtefte Dichtung. Der Pfarrer von Grünau feiert den Geburtstag feiner Tochter Louiſe, was bei auch ber Hofmeifter der abeligen Gutsherrſchaft, Louifens Liebhaber „der edle beſcheidene Walter“, zugegen ifl. Das laͤndliche, aber reihe Mahl wird in den fipönften Herametern beſchrieben. Beim Kaffee orafelt der Pfarrer und Teamt Voßens Lieblingätheorie aus. Laßt und freuen mit Petrus, Mofes, Konfuz und Homer, ben Liebenden, und Boroafler Und, ber für Wahrheit farb, mit Sokrates, auch mit dem eblen Mendelsfohn x.

Walter erzählt eine Legende, wie einft ein gethou habe in die Himmels⸗ thür eindringen wollen, Petrus ihn aber auf bie Bank vor der Thür gewieſen Habe. Darauf fey ein Reformirter und ein Lutheraner. gefommen und auch fie hätten auf die Bank müflen, bis fie dem Tanz ber Geſtirne und Engel zuſchauend erfannt hätten, e8 gebe nur Ginen Gott und die Unterſchiede, bie fie anf Erden gemacht hätten, ſeyen Thorheit. Nach diefer Herzenderleichterung wirb wieder gefafelt. Walter faßt ben Kelch oben an, daß es ſchlecht Klingt. Der Papa zankt ihn deshalb aus. Er entſchuldigt fi, er ſey durch einen Blick Louiſens verwirrt worden. Sie erröfhet, ftellt fich aber unbefangen und ſchnellt nach Karl einen Kirſchkern ı.. Walter ift bereits Pfarrer und Louiſens erflärter Bräutigam. Cr lommt an einem Falten Wintermorgen und umarmt die noch ſchlaftrunkene Braut. Endlich die Hochzeit, wobei die Guts— Herefchaft. Beim Abendſchmauſe mwigelt der Alte, als ob er ſchon ein wenig benebelt wäre, über bie Bibelftelle „ein Biſchof fey eines MWeibes Mann“ und

Die Natürlichkeiteperiode. 85

ſchenlt dabei Biſchof ein. Dann wird ein Hochzeitlied gefungen vom Liebehen, das warm im Bette liegt beim Maͤnnchen, dann ſchwanger wird und ſich ſchwer ſchleppen muß, bis es fich endlich Hinlegt und das Kindlein fäugt und Bater ehrbar fit und wiegt.

Schade für die wohllautenden Verſe, in denen biefe trivtalen Dinge vorgetragen werben,

Unter ven vielen Dichtungen, melde erft durch die Louiſe hervorge⸗ tufen wurden, fteht Göthes Hermann und Dorothea oben an. Ohne dem, mas in Göthes Geift einheitli iſt, irgend Abbruch thun zu wollen, glaube ich doch die Materien und Manteren, mit venen er fo oft gewechſelt hat, fondern zu müflen, hebe alfo hler wieder nur, was hieher gehört, feine Dorothea Heraus. Er ſchrieb diefe Idylle in Kerametern lediglich in Rückſicht auf ven großen Beifall und Ruhm, welden Voß für feine Louiſe eingeerntet hatte. Es Eigelte Göthe, mit dem glücklichen ° md hochmüthigen Philiſter zu wettelfern und ver Welt zu zeigen, daß man die Sache noch beffer machen könne. Dorothea erſchlen 1798.

Dorothea fommt mit Austvanderern, welche ben Schrecken der franzöſiſchen Revolution entfliehenb ben Rhein überfepreiten, in bie Nähe eines Fleinen deutſchen Staͤdtchens, erregt bie Aufmerkfamfeit eines braven Jünglings, dem fie an einem Brunnen Wafler reicht, und gewinnt feine Liebe. Gr iſt der Sohn eines reichen Wirths, der mit feinen Freunden, einem Pfarrer und Mpothefer, zu Rate geht. Am Ende aber, da fie des fremben Mäbehens Redifäaflenpeit

erlennen, willigen die Eltern ein, daß ihr Sohn fle freie.

Das alles iſt viel ſchlichter, einfacher 'und natürlicher gehalten, als in der Louife von Voß. Das Mädchen aus der Fremde, ver bemegte volitiſche Hintergrund, die faft bibliſche Brunnenfeene bringen einen ro»

mantiſchen Zug in die im Uebrigen ganz philifterhafte Idylle. Man muß dieſe Dichtung loben, aber für fie zu ſchwärmen und was weiß Ih für erhabene Gefinnungen herauslefen zu mollen, tft lächerlich. Am Schlufſe meint zwar der Bräutigam, wenn alle fo dächten, wie er, fo würden bie Deutſchen aufftehen und die Franzoſen bändigen. Aber ſo etwas neben- bei zu benfen, wenn man gerade Hochzeit mat, wohlwifiend, daß doch Niemand aufftchen wird, ift Feine Probe eines feurigen Patriotismus. Nebendem bat Göthe no 1813, wie E. M. Arndt berichtet, ber deut⸗ fen Begeifterung gefpottet: „Ihr Guten, füttelt immer an euren Ketten, ihr werdet fie nicht 108, der Mann (Napoleon) ift euch zu groß.“

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Jens Bag geſen, Profeffor in Kopenhagen, ſchrieb geläufig deutſch, wie daniſch, und war hauptſächlich ein Nachahmer und Parteigänger von Voß. In feinen lyrliſchen Gedichten affectirt er In horaziſchen Versmaaßen die Frampfhafte Dichtart feines Meiſters. 8. B. in ver Ode an Klop- ftod ©. 163.

Tag des Ruhms, Lichtgefild der Heroen, Smintheus

Zauberkreis, der, Horen umtanzt, von Aufgang

Durch die Luft weitſtrahlend hinab ins Weltmeer Helios wandelt ıc.

Am melften gefällt er fi in dithyrambiſchen Krämpfen, in einer wahrhaft unausftehlien, weil nur erfünftelten Irunfenheit ver Worte. In der Ode „an die Dieter“ lermt er alle Dichter der Welt, die Iehen- den wie die tobten, aus ihren Gräbern zufanmen, um den großen Napoleon zu befingen, und bat die Schamlofigkelt, die Göttin Teutonia als das perfonificirte Deutſchland den Reigen führen zu lafen. In dem längern Gedicht Napoleon“ an Voß gerichtet I. 167 f. wagt es Bag⸗ geſen, als Affe des großen Dante ſich den Virgillus erſcheinen und ſich von demſelben zum Sänger weihen zu laſſen, um Napoleon zu beſingen.

Nenn’ ich den heiligen Namen? verkünd' ihn Zunge, mit Chrfurcht, int den gefannteften weit: Napoleon Buonaparte! Sing ihn du der bewundernden Welt und ber flaunenden Nachwelt!

Das einzige Gedicht Baggefens, was einigen Ruhm erlangt hat, ift das heitere Trinklied

„MS Vater Noah in Becher goß Der Traube trinkbares Blut ꝛc. eine Satire auf die Fichte'ſche Philoſophie. Merkwürdig iſt auch das Gedicht auf Göthe: Der Schalt ſpielt Blindekuh mit allen Pierinnen, Mit allen Chariten verſteckt, Kaum fteht er flernbefängt auf Säulen ober Zinnen, Huſch, liegt er irgendwo mit Eicheln zugebedt ıc.

In dem „Rarfunkel oder Klinflingel-Almanadh“ 1802 trachteie Bag- gefen in Sonetten die romantifhen Dichter in Heidelberg zu verfpotten, die damals feinen Freund Voß plagten. Es iſt darin wenig Wig, weil Baggefen den Werth und das Verbienft von Schlegel, Tieck ıc. gänzlich

Die Ratürlicleitsperiobe. 87

verfannte. In dem f. g. „bollendeten Fauſt“ parobirt Baggefen Goͤthe's Fauft mit einer Menge von Anfpielungen ar die Dieter im Beginn bes 19. Jahrhunderts.

Baggefend humoriſtiſches Cpos „Abam und Eva“ 1826 iſt in ber leiten Manier Wielanbs in freien Jamben gebichtet und etwas Breit.

Doch find einige wigige Parthien darin. Das erfe Schmollen Evas if ſehr ortig gefildert. Much der Gedanke, daß bie verführerifche Schlange frangoſiſch ſpricht und des Weibes Herz mit Eitelleit erfüllt, iR glüdlich. Die Neugierde der guten Eva, zu twiflen, was Kinder feyen, if hoͤchſt naiv und liebenswürbig, aber zu weit ausgeſponnen. In einem Höhft abgeſchmackten Singfpiel „die Zauberharfer von Baggeſen befügt der Sänger Terpander eine Zauberharfe, verliebt ſich in bie Prinzeſſin Dione, muß ſich gleich den übrigen Freiern berfelben ber harten Probe unters werfen, wer feiner Liebe das größte Opfer bringen Tönne? und beſteht bie Brobe, indem er ber zur See verunglüdten und im Froſt verfchmachtenden Brinzeffin ein Feuer aus feiner Harfe macht. In „Parthenais oder die Alpenreiſe“ ahmte Baggefen bie Boffge Louiſe nad, aber nad Art der ältern komiſchen Heldengedichte mit Her⸗ beiziehung des antiken Olymp. Parthenais Heißt das Gedicht zu Ehren der drei Jungfrauen, deren gragienhafte Gruppe den Mittelpunkt beffelben bildet.

Drei junge Schweizerinnen, Cynthia, Dafne und Myris Haben Luft, eine Barthie auf bie Iungfran im Berner Oberlande zu maden und Iaflen fi, mit Grlaubnig ihrer Eltern, von bem jungen Dichter Nordfrank begleiten. ¶Dieſer fieht, wie fie ein Fußbad nehmen, dann im Mondſchein als Grazien tanzen c. Da wird Gott Hermes, ber die fehönen Mäbchen felber führen wollte, eiferſüchtig auf Nordfrank und verſchwoöͤrt fich mit dem Fleinen Eros, der auf das Finfteraarhorn Hinauffliegt, wo Jens thront und benfelben gegen Norbfrant einzunehmen fucht. Aber Apollo, als Gott der Dichttunſt, befspügt den Nordftank und Ienkt den töbtlicgen Blitzſtrahl von ihm ab. Gros überfällt in der Nacht den jungen Dichter und verwundet ihn mit feinem Pfeile, woraus das große Unglüc entfteht, daß Norbfranf fi von nun an allein in.bie füngfle der Helbinnen Myris verliebt. Die Heine Geſellſchaft fährt über ven Dunerſee, erlebt einen Fleinen Sturm, wird naf. Kaum haben bie Mädchen fh getrodnet, fo Täuft Myris ſchon wieder einem Schmetterling nach und veriert ſich. Der Dichter. folgt ihr und findet fle in der Bentushöhle, aus der er fie zurückführt, one auch nur einen Kuß zu wagen. Dabei auch eine gute

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Beſchreibung des Staubbachs. Die drei Mädchen kommen an einen Berge Malt, Norbfrant muß eine nach der andern Hinübertragen; als er Myris trägt, zittert fein Herz, er ſchwindelt und fält. Diefe einfache und hübſche Scene wirb unerträglich verunziert, indem Baggefen alles durch feine Götter motivirt. Gros Hat den Dämon des Schwindel herauſbeſchworen, ber ben Nordfrank angrinfen und erfcreden muß. Aber indem er, fällt, rettet Apollo wieber feinen Schügling und veranlapt den Helios eine Bergwand einflärzen au laſſen und ben Mbgrund in aller Geſchwindigkeit auszufüllen. Die Kleine Reiſegeſellſchaft kommt num glüdlic auf die Wengernalp und genießt die ente gücdende Ausficht auf die Jungſtau, verdirbt biefelbe aber unndthig durch bie fadeften Anrufungen der Mufe und durch bombaſtiſche Entzückungsphraſen. Endlich wagt es Nordfrank, fein Gerz der Myris zu enidecken und fie verloben ſich. Die Eltern fommen und flimmen zu.

Der Prediger Er. Wild. Aug. Schmidt zu Werneuden in der Mark gab 1797 Gedichte Heraus, bie Göthe In feinem Gedicht „Mufen und Grazien In der Mark“ verfpottete. In ihnen gipfelt die Gemeinheit des Natürlichen. .

e Rümpft ihr Modegecken nur die Nafen, Wenn den einzgen Rod ich, ungeputzt, Trage fchier bis auf ven legten Bafen Und mein Weib mir die Perüde ftußt.

Das Stillleben mit feinem Welbchen ſchildert der gute Paſtor, wie wenn von Vögelchen im Neſt die Rede wäre. Aus dieſer Beſcheidenheit aber poltert er immer wieder derb Heraus, wie Voß, und gefällt ſich in Pfügen, Ententeih, Mift und Vieh.

Ludwig Theobul Kofegarten, Probft zu Altenkirchen auf Rügen, Heß fi zur Beit der franzöſiſchen Occupation 1808 zum Profeffor in Greifswald machen. Nachdem er (meil Rügen feit dem weſtphäliſchen Frieden zu Schweben gehörte) in ſervilen Lobgedichten auf den ſchwediſchen König Gott gebankt, daß ver Deutfehe in Pommern und auf Rügen mit ven Finnen und Zappländern vereinigt für dad Wohl gedachten Königs bete (Dichtungen X. 228), hulbigte Kofegarten mit eben fo ſerviler Hin- gebung feit 1808 den Franzoſen und hielt eine berüchtigte Rede am Na- poleondtage in Greifswald 1809, worin er dem Unterdrücker Deutſchlands aufs nieberträchtigfte ſchmeichelte. Kaum aber Hatte Napoleon Unglüd und erhob fi Deutſchland im Jahr 1813, fo beeilte ſich Kofegarten auf ſchon wieder, Friedrich Wilhelm II. und die Kofaden zu befingen. Dies

Die Raturlichte teperiode. 89

genügt zur Charakteriſtik des Dichters. Er war ein unausftehliger, aufe dringlicher Poet ohne alle Originalität und Wahrheit, nur mit fremden Begeifterungsphrafen und fremben Empfindſamkeiten ſich ſchmückend, ein Nahäffer von Voß. Kaum iſt es zu verantworten, daß Literarhiſtoriker und Muſterſammler dieſe Lakalenſeele immer noch unter die deutſchen Caſſiker einſchreiben.

Koſegarten ſchrieb auch nach dem Muſter ver Voſſiſchen Louiſe zwei Ryllen. „Die Inſelfahrt“ 1808.

An ſich hätte die Fahrt eines Juͤnglings mit zwei Mädchen, worunter eine feine Geliebte (Monfins und Agnes) am romantifcen Ufer der Inſel Rügen auf einem Kahn an einem ſchönen Sommertage, ben ein ſchreckliches Gewitter und ein Mleiner Schiffbruch endet, aus dem jedoch bie Liebenden gerettet wer⸗ ben, viel Anziehendes. Aber Kofegarten Hat weber Naturgefühl noch Phantafie. Sein Gedicht if eine fade Nachahmung ber Parthenaid von Baggefen und ber Louiſe.

Gleichſam um an Voß wieder gut zu machen, daß er aus dem Bag«- geſen ſchen Abwaſſer und nicht unmittelbar aus Voß gefhöpft Hatte, ſchrieb "ofegarten 1808 die „Jucunde“, eine ſklaviſche Nahahmung der Louiſe.

Denn auch Hier if es ein Iangweiliger orafelnber Pfarrer, ein edler ber ſcheidenet Freier, eine empfiubfame Pfarrerstochter und eine Breundin, um bie alles ſich dreht. Nur daß die Scene aus dem Binnenlande and rügenifche Ufer verlegt iſt. Sonft ift der Herameter, das Ausmalen des Haushalts, bie Salbaberei und Familienpimpelei ganz die nämliche, nur daß der Bofftfche Hexa⸗ meter viel reiner unb metalliſcher, und die fentimentale Pebanterie wenigſtens urfprünglicher iſt.

Die Infel Rügen fand noch fpäter ihre Sänger; Arkona wurde epiſch 1828 von Furchau, 1835 von Chriften, 1840 dramatifh von 6%. Menzel, die Stubenkammer noch 1843 von Bolge befungen. Karl Lappe in Stralfund ſchrieb feit 1801 ein hiſtoriſches Gedicht „Minona“ und andre, worin er gleichfalls vorpommeriſches Landleben pries.

Zu den ſchwachen Nachahmungen gehören Fiſchers „die Letten zu Buchen“, Halle 1804.

Lettiſche Bauern empören fi. Ginem deutſchen Gutöheren wird mit dem Tode gedroht, aber das Zeugniß feiner Leibeigenen, daß er ein braver Kerr ſey, rettet ihn. Alles in Herametern, phraſenreich und empfinbfam.

Friedrich von Oertel (} 1807), ver viele engliſche Romane überſetzte,

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ſchrieb ein Gedicht Diethelm, eine empfindſame Nahäffung von Hermann und Dorothea und Louiſe. Sklaviſche Nahahmungen der Louiſe waren no 1816 Holzapfels Wilfelm und Emma, Heinels Pfingftfeft 1833, die Verlobung von Cruſius und ber Belerabend eines Greifes von Kirſch, belde von 1844. Noch fpät Elingt Hermann und Doro- thea nach in den patriotifägen Idyllen „Richard“ von V. v. Strauß (1841) und „Irmgard“ von Tellkampf (1850).

Johann Martin Uftert, Mathöherr in Züri, ſchrieb „vermifchte Gedichte“, voran ber berühmt geworbene Rundgeſang „Freut euch des Lebens, weil noch das Lämpchen glüht“ ı. Die übrigen Gedichte ſind ſehr mittelmäßig, ſchwächliche Ermunterungen zur Freude, didaktiſche Be⸗ trachtungen, Gelegenheitsgedichte, auch viele Künftlerliever. Beſſer find einige Balladen wenigſtens durch ihren Inhalt, ſo Ida von Toggenburg und andre Sagen und geſchichtliche Erinnerungen aus ber Schweizer Vorzeit. Auch ſchrieb er Ditungen in Züriher Mundart. Abgefehen von dem rein ſprachlichen Intereffe Tann ich diefe Arbeiten Uſterl's nur für „verfehlt Halten, weil fle und lediglich in die Kinderftube und in die Familienpimpelei des Schweizer Philiftertfums einführen und nie und nirgends das Heroiſche der Schweizernatur zu erfennen geben. Es ift felt- fam, daß dem Fräftigen nordalbingiſchen Volksſtamm mit den Idyllen des Johann Heinti Voß das nämliche begegnen mußte. Die wahre Schweizer Idylle ift weder bei Geßner, noch bei Ufterl zu finden. Außer Kinder- liedern bat Uftert in Züricher Mundart drei alterthümlich gehaltene ge— ſchichtliche Erzählungen in Profa „Zeit bringt Roſen“, „Gott befeheert über Nacht" und „ver Erggel im Steinhuus“ und zwei große moberne Idyllen -in Herametern geſchrieben „de Vikari“ und „de Herr Heiri“. In diefen waltet eine unleidliche Gemüthlichkeitsaffectatilon und ein Kofets tiren mit dem Alltäglichen vor, welches die mahre Natürlichkeit doch auss ſchließt, weil fi Immer erfünftelte Sentimentalität einmiſcht.

Ludwig Neuffer, Stabtpfarrer in Ulm, ahmte ebenfalls Voß in Iyllen nad, der Herbfttag (1802), ein Tag auf dem Lande, Hllfgr ꝛt. Er war eine patrlarhaltfge Natur, von viel mehr Wohlwollen als Voß, aber ſchwaͤcher an Geift.

Bon dieſen Idyllendichtern, bie wir zufammenfaffen mußten, gehen

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wir zur Betrachtung der Schauſpleldichter über, die ihnen am nächſten verwandt waren.

Dtto Heinrich, Freiherr von Gemmingen bearbeitete zuerſt Die derots pere de famille unter dem Titel „der deutſche Hausvater“ (1783) und machte dadurch die Philtfterei auf der deutſchen Bühne heimiſch. Denn der Franzoſen empfindfame und zugleih praktiſche Familienliebe nahm in Deutſchland ben nationalen Beigeſchmack an, den man vorzugs welſe ald den philiftröfen bezeichnet.

Der Hausvater Genmingens ift ein Graf, der mit feinen beiden Söhnen feine liebe Noth Hat. Der eine ift Offizier und macht Schulden (Berbinand), ba er ſich aber in einer Ehrenſache cavalieremäßig benimmt, fo vergibt ihm der gute Papa und bezahlt ihm die Schulden. Der andere Sohn, Karl, fol flandesmäßig eine Gräfin Amaldi Heirathen, die ihn liebt, liebt ſelbſt aber Lottchen, eine arme bürgerliche Maleretochter. Dieſes Lottchen iſt naiv genug, zur Gräfin Hinzugehen und fie zu bitten, fie möge ihr body ihren Karl Iaflen, bei welcher Gelegenheit wir erfahren, daß fie ſich bereits von Karl in guter Hoffnung befindet. Das beflimmt bie Gräfin, Karln wirklich aufzus geben. Auch den alten Hausvater weiß Lottchen durch ihre naiven Lamentas tionen zu rühren und er entfagt allem Abelövorurtheil, nicht auf Geburt, "nur auf Tugend komme es an ıc. Der gute Hauspapa hat auch eine Tochter, Sophie, die an einen Wellmann, Herrn von Monheim, verheirathet und im Begriff ift, ſich von ihm feheiden zu laſſen. Beim Abfchied wird ihr einziges Kind gebradpt, das aber beide bei den Kleidern gerrt und feines von beiden . fortlaffen will und dadurch wird Herr von Monheim fo gerührt, daß er bie Scheidung aufgibt und Sophie behält. Am Schluß ruft der Hausvater pathes ff aus: Meine Belohnung? Daß ihr mid) liebt, und dann, wenn, ich einf tobt bin, baß ein deuiſcher Biedermann an mein (sie) Grab vorbeigehe und fage: er war werth, Bater zu feyn!

In diefem merkwürdigen Gausvater Liegen fon alle Elemente der Mland · Kotzebueſchen Poefle, das biedermänniſche Gepolter wie das lüs derliche Sündigen und DVerzeihen. Julius Graf von Soden flellte ihm 1797 ein Schaufptel „die deutfhe Hausmutter“ an bie Seite.

Hier Hat die Mutter ihre liebe Noth mit einem verborbenen Sohn, einer wahnfinnigen Tochter und einer Schwiegertochter, welche bie Kafle beflichlt, fie verliert aber nie den Muth ald gute Ehrifin.

Auguft Wilhelm Iffland aus Hannover, ein berühmter Schau fpiefer, der die höchſte Meiſterſchaft In ein natürliches und mahres Spiel {m Gegenfag gegen bie’ Lermmacherei unb das manierirte Pathos fepte,

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aber auch ſeinerſeits in ber flubirten Effectmacherei des natürligen Spiels zu weit ging, ſchrieb aud viele Famillenſchauſpiele, rührende Scenen aus dem bürgerlichen Leben. Nur fehr felten ging er in bie ältere Pe- riode zurüd, wie z. B. mit ſeinem ſchlechten Stüd Kaifer Brieveri IL, den er, um ben Kaiſer Leopold IL. 1791 zu loben, aus einem Baulthier zu einem fittlihen Ieal erhebt. Trotz dieſer Hofſchmeichelel war Iffland in vieler Beziehung liberal und fogar ein Oppofittongmann. Wenn auf noch fo ergeben der umverleglihen Majeftät, bringt er doch in feinen Stüden furchtlos ale Mißgriffe und Willkührlichkeiten ver Beamtenwelt feiner Zeit zur Sprade. Ja die Eorruption, der Nepotiömus, der Kaſtengeiſt sc. der höheren und auch nieberen Beamten bildet ein Haupt⸗ motiv der tragifehen Begebenheiten, die er auf bie Bühne bringt. In andern Stüden contraflirt er die Unnatur der höheren Stände mit ber ſchönen Einfalt des ländlichen Daſeyns. Nicht felten aber fällt er in ven Behler, die menſchliche Schwäche allzu nachſichtig zu entſchuldigen, der Heben Natur gar zu fehr ven Lauf zu Taffen. Er Hat feine „Thea⸗ traliſche Laufbahn“ ſelbſt beſchrieben, aber mit zu viel Selbſtgefälligkeit. Ich gebe Hier nur eine harakteriftifhe Auswahl aus ‚feinen vielen Büh- nenftüden. J

Iflands erſtes unbedeutendes Stück war „Albert von Thurneiſen“, 1781. Erſt das zweite machte bedeutenderes Glück. „DVerbrehen aus Ehr- ſucht“ ac. 1784.

Der junge Ruhberg liebt eine vornehme Dame, bie ihn zu großen Aus- gaben veranlaft. Um ihre Hand zu erlangen, ſeht er alles aufs Spiel und beſtiehlt zulept die Kaffe des Vaters. Das Verbrechen wirb entdeckt, anfangs der Vater beſchuldigt, aber durch ded Sohnes Geftänbniß gerechtſertigt. Der Sohn flieht, nachdem er dem Bater gelobt, ſich fein Leids anzutfun. Es fällt auf, daß Iffland den elenden Buben von Sohn mit fo vieler Borliede und Schonung zeichnet. Aber das war es, was man damals verlangte, Strenge hätte man ihm mehr verübelt. Daher fonnte Iffland es wagen, noch zwei Bortfegungen dieſes beliebten Stücks zw ſchreiben: „Vewußtſeyn“ und „Reue verfühnt“, worin ber junge Ruhberg als völlig gebeflert und puriflcirt wieder in den Schooß der Familie zurüdfehrt.

Im „Mündel« (1785) tritt zum erftenmal ein höfer Kanzler auf, der einen ehrlichen Mann ind Unglüd flürzen möchte, aber entlarut wird.

Der ehrliche Mann iſt Vormund eines leichtſinnigen Jünglings, den ber

Die Ratürlihfeitsperiobe, 93

Kanzler verführt, wirh ber Vermögendveruntreuung angeflagt, aber glänzend gerechtfertigt.

Alle bisherigen Stücke Ifflands übertrafen „bie Jäger“ 1785, bie bis auf diefen Tag als fein Beſtes gelten.

Der alte biedere aber jähzornige Oberförfter Warberger läßt feine Nichte Frieberife, die früher bei ihm lebte, in der Stadt erziehen. Sie kommt eins mal zum Gntzüden feines eben fo ungeftümen Sohnes Anton, ber fie laͤngſt lebt. Die Mutter jedoch, die gutmütbige aber ſchwache Oberförfterin, hat im Sinn, ihren Anton mit dem Fraͤulein von Ze, Tochter bes reichen aber böfen Amtmannd, zu verheirathen. Ihre Bedenken machen ben Oberförfter zornig and in diefem Zorn fährt er Anton rauf an, ber num gleich toll wird und fortlänft, um fi zum Soldaten anwerben zu laſſen, was natürlich niemand ahnt. Während die Familien beim Feſt zufammenfigen, befommt Anton draußen unterwegs Streit mit Mathes, dem Diener des Amtmanns, und als man bald darauf benfelben Mathes verwundet findet, fo wird Anton als Mörder verhaftet. Aber die Angft ber Familie dauert nicht lange, denn ein älterer Diener, den Mathes mit Lift um's Brod gebracht, war ber Thäter und entvedt fih, um Anton zu retten. Der Amtmann zieht mit Fräulein Tochter ab und Anton bekommt feirte Briederife. Der Reiz dieſes Stüd8 liegt in ber unũbertrefflichen Wahrheit der Cha⸗ tafterzeichnung. Auch diefes Stüc wurde, feiner ungeheuren Beliebtheit wegen, von Iffland fortgefegt in „der Hand des Kaͤchers“, worin der Amtınann , ald der den Staat betrogen 2r., entlarot und unter dem Fluch feiner eigenen Kinder gut "Strafe abgeführt wirb. Der „Brauenftand* 1792 .

ſchildert eine Fran, die Hofräthin Teſtenfeld, deren Gatte ſich im häuslichen Kreife gu enge fühlt, falſchen Freunden folgt und fih vollends gegen bie treffe liche Gattin einnehmen läßt. Es kommt fo weit, daß er ſich einbilbet, das Geld, das fie zur Bezahlung feiner Schulden angewendet, könne fie nur von einem Liebhaber erhalten Haben. Sein Verdacht wird durch bie Delikateſſe ihres Stillſchweigens genährt, bis fie ihm endlich alle Beweife Liefert und er reuig zu ihren Züßen zurücklehrt.

Noch mehr auf Schrauben geftellt iſt „Elife von Vallberg“, 1792 ein 16jähriges Fräulein vom Lande, in das ſich ber Furſt verliebt, auf welches die Fürfkin eiferfüchtig wird, das aber durch feine Unſchuld, Offenheit und Moralpredigen ihn beffert, fie volfländig befriebigt. Alles ſeht unwahrſcheinlich.

Die „Hageſtolzen“ (1793) wurden am beltebteften nächſt den Jägern.

Gin ſchon AOjägriger, durch die vornehme Welt geedelter Hofrath Reins

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Hold laͤßt ſich von feinem ehrlichen Pächter bereden, einmal zu ihm aufs Land hinaus zu kommen unb ſich zu erholen. Da findet er in bes Pachters Schwär gerin Margarethe ein Maturkind von eben fo großer Schönheit, ald Herzens güte, und befchliept, feiner lifigen Schweſter zum Trop, dieſes Dorfmäbdhen zu heiratgen. Die Schweſter fammt einigen älteren Belannten kommen nun aud) aufs Land Hinaus, um ben Flüchtling wieder zu Holen, aber er bleibt ſtand⸗ Haft und Heirathet fein Mädchen, deren Maivetät zwar übertrieben, aber rein und fern von aller Kotzebue'ſchen Schlüpfrigkeit if. Eines ber beften Stücke Ifflands iſt ferner: „Dienftpflicht“ von 1795. Der ehrliche alte Kriegsrath Dallner Hat eine ſchaͤndliche Betrügerei beim Lieferungswefen entdeckt und bie Schulbigen angeklagt. Es find aber einfluß⸗ reiche Berfonen, fogar ein unmittelbarer Vorgefepter von ihm babei betheiligt und dur; falfche Anklage bringt man es beim Fürſten dahin, daß er durch Benfionirung befeitigt wird. Zugleich Hat fein Sohn, ein Geftetär, von einer Tofetten Wittwe verführt, Schulden gemacht und ein Kapital feines Schwagers unterfehfagen.: Die Lieferanten Tommen dahinter und drohen nun dem alten Dallner, den Sohn zu verberben, wenn er nicht in Bezug auf bie Lieferung ein Auge zubrüde. Mber er bleibt feiner Pflicht treu und opfert den Sohn, der zwar Gelegenheit zur Flucht Hat, aber die Schande nicht überleben will. Der ſchon entlafene Dallner will um jeden Preis den Fürſten ſprechen. Die Gofſchranzen verfperren ihm lange den Weg, endlich gelingt es ihm. Der Fürft Hört ihm und der ehrliche Jude Baruch bringt den Beweis herbei, wie fände üch Fürft und Armee durch die Bieferanten betrogen werben. Ba drängt ſich ein Heiner Knabe mit dem Bilbni des Fürften herein, das Original fuchend, und fleht ihn um Hülfe an, fein Onfel habe ſich eben durch ben Kopf ger ſchoſſen und feine Mutter weine fo ſehr. Es ift des alten Dallners Enkel, Sohn feiner verwittweten Tochter. Der Fürft tröftet den Alten über ben Vers Luft feines Sohnes, fellt feine Ehre Her und gelobt, den Mifbräuchen ein Ende zu machen. „Der Vormund“, Shaufptel von Iffland, 1795. Rothenburg, der 5Ojährige Vormund ber ſchoͤnen und wohlhabenden Lonife, hat ſich dieſes Mädchen durch feine freue Sorge und Liebe fo zur Dankbarkeit verpflichtet, daß fie ihn und feinen andern Heirathen will. Allein wie fehr er fie auch liebt, fo forgt er doch dafür, daß fle einen jungen ausgezeichneten Offizier zum Dann befommt, der fie innig liebt, und erträgt gebulbig bie VBerleumbungen, ald ſpeculire er auf das Vermögen der Miünbel. Zulept ſteht er gereinigt da, als Märtyrer der Uneigennügigkeit.

Das weibliche Seitenftüd dazu zeichnete Iffland in dem Schaufpiel „Selbſtbeherrſchung“.

Die Ratürlichfeitsperiobe, 98

Die verwittwete Baronin von Rofenflein liebt ihren Sekretaͤr, den jungen Billnang, und if im Begriff, ihm ihre Hand anzubieten, als fie merkt, er liebe ihre Gefellſchafterin, die junge Louiſe. Großmüthig entfagt ſie nun und macht bie armen Liebenden glüdlich.

Der „Spieler“ Ifflands wurde fehr beliebt.

Der junge Baron Wallenfeld ift von feinem reichen Oheim ſchlecht erzogen und, weil er ein arıned bürgerliches Mädchen heirathete, enterbt worden. Aus Noth fpielt er, verliert alles und muß Groupier des v. Pofert werben, des Spielers, der ihn um alles gebracht Hat. Seine Gattin duldet treu. Endlich wird Pofert wegen falſchen Spiels verhaftet und ein alter General übernimmt 8, den Mitſchuldigen Wallenfelb zu beflern und zu reiten. Er veranftaltet eine Bank in feinem Haufe, Poſert muß Bankier, Wallenfeld Croupier ſeyn, Beib und Kind von Wallenfeld ſehen ihr Ieptes auf die Karte und verlieren. Da fept der General den Knaben Wallenfelds ſelbſt auf die Karte. Der ers ſchutierte Bater reift das Kind weg und erhält Berzeihung.

nDie Abvokaten“ "1796.

Einige unmündige Waiſen follen um iht Erbe gebracht werben. Niemand aimmt fi ihrer an, als der alte chiragriſche Advolat Wellenberger, der das Verbrechen auffpärt und dem vornehmen Boͤſewicht bie Stirne bietet. Diefer till ihn bei einer Unterrebung unter vier Augen vergiften, was aber mißlingt, und er wird entlarvt. Der Charakter des alten Advokaten iſt meiſterhaſt ge⸗ zeichnet und wurde eben fo meifterhaft von Seydelmann gefpielt.

In ven „Höhen“ zeichnet Iffland

einen ſchaͤndlich verleumbeten Präfventen von Lerdjenfeld, der endlich gerecht» fertigt wirb, aber e8 in der vornehmen Welt nicht mehr anshält und fig in Undliche Ginfamfeit zurüdzieht.

Died mag genügen, Ifflands Eigenthümlichkeit zu bezeichnen. Auf feine vielen anderen unbebeutenderen Stücke will ich nicht eingehen.

Am nächften ſteht ihm Joh. Ehriftian Brandes, der zwar ſchon früher zu dichten anfing, als Iffland, aber von Leſſings Manier fpäter du ber Ifflands Überging. Brandes war In Stettin geboren, brachte feine Jugend in großer Noth zu als Krämer, Bedlienter ac, bis er Schaue ſpieler wurde. Zuerſt ſchrieb er Trauerfpiele.

Seine „Dlivid“ (1774) if ein Greuelſtück. ine böfe Stiefmutter vers giftet den Gatten und will auch deſſen Tochter erſter Ehe vergiften, befommt aber das Gift ſelbſt. Eben fo „Ottilie“ (1780). Eine edle Maitreffe opfert alles für ihren Geliebten, Bid das Uehermaß ſeimr Treulofigkeit fie

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dahin bringt, ihm und ſich ſelbſt zu erdolchen. In ben „Mebiceern“ bringt er bie bekannte Verſchwoͤrung ber Pazzi auf die Bühne. Mehrere feiner Stüce find nur Nachahmungen, z. B. Rahel, die fchöne Jüdin, nah dem Spanier Huerta; ber Gaſthof, eine Scene aus dieldings Amalia; das Trauerfpiel Alderfon, nach einer Grzählung der Frau von Riccoboni; ber liebreiche Ghemann nach Marmontel; der Schiffbrud nad Prevots Manon Lescaut.

Beſſer find die bürgerlichen Schau⸗ und Luſtſpiele, in denen Brandes Hfland nahe kommt, z. B. „der Bürgermeiſter“.

In einer entfernten Provinz regiert Graf Sellenthal als Statthalter, ergibt ſich Maitreſſen und Schmeichlern, läßt die Provinz ausfaugen, das Recht verkaufen, Unterfhleif üben xc. Wer Gelb bringt, bekommt Recht; wer nichts bringt, wird brutal abgewiefen. Cine Maitrefie tyranniſirt das ganze-Haus, ſchon aber fehleicht eine Kupplerin umher, bie dem Statfhalter die wunders ſchoͤne Louiſe, Tochter des verabſchiedeten und. bIutarmen Hauptmann dv. Weg- horſt zufuppeln fol. Der Hauptmann ift auögepfändet und lebt in den ärmlichftien Umftänden, aber Sekretär Wiederau, der die Tochter liebt, nimmt ſich feiner an. Gin anderer Gektetär, Gpringel, führt eine verrätherifche Eorrefpondenz mit einem auswärtigen Minifer, bie durch Zufall in Wiederaus Hände kommt, aber Springel iſt fo frech, fie aus Wiederaus erbrochenem Schreibtiſch zu fiehlen, fie an Wiederau felbft zu abreffiren und ihn dann als Berräther zu denuneiren, Inzwiſchen iſt im Wirthshaus, wo Weghorft fh

aufhält, ein feember Baron angelangt, in bem wir alsbald den König erfennen.”

Incognito unterſucht er das Benehmen feiner Beamten und wird nun Hier bald der Retter und Mäcer. Springel wird zum Tode verurtheilt, Sellenthal abgefegt,; Wiederau wird an ſeiner Stelle Siathhalier.

„Die Schwiegermutier.

Das eheliche Glück des Baron Reichenau wird durch die beiderſeitigen Schwiegermütter, eine Generalin und eine Landräthin, gefört. Insbefondere bie erflere, feine Mutter, tritt aufs feindfeligfe gegen feine rau auf, indem fie diefelbe in den Verdacht bringt, ein fremdes, von ihr angenommened Kind ſey ihr eigenes, vor ber Ehe geboren. Zu ihrer Beſchaͤmung zeigt es ſich aber, daß es ein umeheliches Kind bes Barons ift, weldes bie Baronefle großmüthig angenommen hat.

Am origineliften iſt „Gans von Zanom oder der Landjunker“ (1785).

Gin’ echter Pommerſcher Junker tommt in die feine Reſidenz und ergögt durch feine Grobheit und Gutherzigfeit. Er ſpricht echt plattdeutſch. . Seine ſchoͤne, feine, ſchallhafte und hochgebildete Tochter Wilhelmine, die am Schluß eine glüclice Braut wird, contraſtirt fehr gut mit ihm.

Die Rotürlicpfeitsperiobe. " 97

Franz Kratter in Lemberg ſchrieb feit 1782 Stüde in Ifflanbs Manter, vol Edelmuth und Empfindſamkeit, Tief fie aber meift an Höfen fhlelen, fo daß bie höchſten Perfonen ganz bürgerlich fühlen und reden.

So faßt er im „Mädchen von Marienburg“ Katharina I. auf. Desgleichen Menzifoff und Natalie, Eginhard und Emma. Im „Bicelanzler= geht der Liebende in feiner weinerlichen Großmuth fo weit, feine Beliebte felber zu übers reden, daß fie ſich einem verhaßten Feinde hingebe, um ben Bater zu reiten.

Aehnlich Ifenburg von Burt, melder viele Anechoten von Fries derich IL und Jofeph II. herausgab und 1787 Schaufpiele ſchrieb, in denen in Ifflandſcher Art Großmuth geübt wird.

„Das Intelligenzblatt · Der junge Durbach erfährt, fein reiches Erbe gehöre rechtmäßig einem armen Mädchen, ſucht dieſes auf und findet im ihr feine Geliebte. „Die Matroſen“. Gin alter Schiffscapitaͤn Hilff einem lies benden Mädchen aus ber Noth und entdeckt .in dem Mäbdjen feine verlorene Tochter. .

Haß und Liebe, Schaufptel von Ehr. Br. von Bonin (Deutfhe Shaubühne VII 1).

Geheimerath von Steinau hegt eine Affenliebe zu feinem ruchloſen Sohn Ferdinand und einen tödtlichen Haß gegen feinen braven Sohn Karl, weil feine fchöne Frau an der Geburt des Ieptern geforben iſt. derdinand beſtiehlt des Vaters Kafle und flürzt ihn in eine Anklage, während er zugleich feinem Bruder Karl nicht nur bie Geliebte zu rauben fucht, fondern ihn auch durch einen falfpen Brief bis nahe an bie Tobeöfttafe bringt; doch der Bürft entbedt alles und Karl wird mit der Hand der Geliebten und der Verföhnung des Waters belohnt. .

In den Schaufpielen des ſchon unter Klopſtocks Nahahmern ermähn- ten Kretfhämann kommt vor:

Die Familie Cichenkron. Ein unſchuldiges Mädchen wird vor den Rache Rellungen eines Prinzen gefehügt. Die Hausfabale. Cine adelige Schwie⸗ germutter plagt bie bürgerliche Schwiegertochter, bis der Iepteren Mater ihr beifteht. Die Belagerung. Gin Oberft Tapt ſich durch nichts irre machen in Dertheidigung einer Beflung und wird‘ durch glüdliche Liebe belohnt. Im der Erzählung „Hoheit und Stolz“ ehrt der Kampf zwiſchen Patrizier und Blebejer wieder.

Guft. Fr. Wi. Großmann, ein geborener Berliner, Schauſpiel⸗ director zulegt In Hannover, ſchrieb mehrere dramatiſche Werke und Ueber⸗ fegungen, ohne Werth. Nur das Stüd „Nicht mehr als ſechs Schüfſeln“ erlangte bedeutenderen Auf,

Menzel, deutſche Dieptung. IL 7

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weil batin ein zäher beutfcher Hausvater geſchildert ift, ber bei feinen 6 Echüf- feln bleibt, wie fehr auch feine abeligen Verwandten ihn beſtürmen, wenigſtens 18 Schüfeln auf den Tiſch zu ſtellen und ein großes Haus zu maden. Johanu Jakob Engel, Profeffor und Prinzenlehrer, fpäter Theater⸗ birektor in Berlin, defien Werke 1801—1806 in 11 Bänden erfehienen, war Mitglied der Akademie und wurde ungeheuer gepriefen, weit über feinen Werth. Auch er war ein Erzvater deutſchen Philiſterthums. Sein Hauptwerk iſt der Roman „Lorenz Stark“ von 1801.

Gin echt deutfcher Hausvater mit allen feinen Tugenden und Schwächen, ehrlich, fleißig, dadurch reich geworden, aber ein wenig kleinlich, Händelfühtig, argwößnifch gegen feinen eigenen Sohn, deſſen Berbienfk er mipfennt. Dazu die Hausfrau, eben fo bieder und gegen ben Sohn viel mütterlicher. Ginige andere Verwandte, Hausfteunde und Diener von guter und ſchlimmer Art, ganz aus dem Leben des vorigen Jahrhunderts gegriffen. Start, der Sohn, orbnet die gerrüfteten Wermögenöverhältniffe eines verflorbenen Freundes Lyck, deſſen Wittwe ihm babei ein zärtliches Intereſſe einflößt. Stark, der Bater, Hält den Sohn mit Unrecht für einen Spieler und Verſchwender und Fränkt ihn durch feinen Tadel aufs Bitterfte. Die Witwe iſt genötigt, um Gläubiger befriedigen zu Können, fi an die Großmuth des Alten ſelbſt zu wenden. Eine meifterhafte Scene⸗ das befle, was Engel je geſchrieben. Er meint es gut, Hat aber rauhe Bormen und hört ſchlecht. Sie foricht in der Angft leife und wir mißverflanden. Als fie ihre Abficht fo verfehlt ficht, fält fie in Ohne macht. Starke Tochter aber Härt feinen Itrthum auf und num Hilft er der Bittwe. Am Ende, überzeugt von dem Merth dieſer Witwe, verfühnt. er fi) mit feinem Sohne und erlaubt ihm, fie zu heirathen

Neben Lorenz Stark figurirt in Engeld Werken Tobias Witt, die Hauptfigur in feinem „Philoſophen für die Welt“.

Derfelbe Hat gewiſſe praktifche Marimen, die er in Beiſpielen deutlich macht. Es ift ein Bauwelen, Giner blickt immer Heffinnig vor ſich bin, fleht ben vor⸗ Rehenden Balken nicht und flößt fi an den Kopf; ein Anderer Hat die Nafe immer hoch, fieht die. Steine unten nicht, fällt und bricht ein Bein. Giner ſpricht immer von 50 Thälerchen als einer Kleinigkeit und wird banferott; ein Anderer ſpricht von berfelben Summe immer ald von etwas Großem und Ehrwürbigem und wird reich.

Unter den Schaufpfelen Engeld erlangte unverbienten Ruf „der Ebel- knabe“ von 1772. .

Der CEdelknabe ſchlaͤſt, der Für findet neben ihm einen angefangenen Brief an feine Mutter, wird dadurch gerührt und forgt fortan für Mutter und Sohn.

Die Natürkichleiteperiobe. 9

Mod unbedeutender find: Eid und Pfliät, der dankbare Sohn, ver Diamant, Titus, Stratonice. Desgleichen bie lehrhaften Schriften, ber Fürftenfptegel und die „Ideen zur Mimi“, aus denen man feiner Zeit viel zu viel machte,

6. Die Herrſchaft der Empfindfamkeit. .

Das empfindfame Wefen hatte ſchon mit ber Schäferpoefle angefangen, und war eine natürliche Reaction gegen bie Barbaret ver Religionskriege. 68 wurde genährt durch die Verweichlichung, in welche das Rococozeit« alter verfiel, und durch die falſchen Humanitätsideale, bie ſeit Mouffenu auffamen. Man bitvete fi ein, die ganze Menſchheit fen gleich einem vornehmen Kinde, welches feinen Eltern, feinem natürlichen Beruf ent- tiffen, unter unnatürlidem Zwange und allen Arten Mißhandlungen ges fufzt Habe und das man nun erlöfen, dem man für fo viel Noth nun wieder ſchmeicheln und liebkoſen müfle. Das menſchliche Herz fey rein und gut, und alles Schlimme liege nur in ver Verhältniffen, melde die⸗ f8 arme Herz kränken. Daher bei den Dichtern ein Wetteifer, das Herz zu rühren, zu pflegen und zu verhätſcheln, und der Ausdruck eines Weite

ſhmerzes, der das leidende Herz beklagt. Es Tag wohl etwas Wahres in diefer Auffaffung, aber man übertrieb, indem man bas Herz über- ſchäzte, die Erbfünde ganz umd gar vergaß und aus purer Eitelfeit ſich in ſich felbft verliebte. Nur einige anfpruchslofe Dichter faßten dad Wahre an der Sache auf, indem fie Worte lichen dem ftummen Schmerz, der durch einen großen Theil des Volkes ging. Wir haben dieſe Berech⸗ tigung zur Wehmuth fhon an dem wundervollen Roman von Hippel er⸗ kannt. Ein großer Theil des Volkes litt unter der Tyrannel eines halb⸗ barbariſchen Adels, einer durch alte kirchliche Sympathien und gutes altes Herkommen unbarmherzig durchfahrenden Bureauftatie, an der Ertöbtung jeter nationalen Begeifterung, unter Nahrungsforgen, In trivtaler Lebens⸗ gewohnheit und hatte nicht einmal mehr den rechten Troft ver Religion denn die Seelforger waren faſt durchgängig ſchale Nationaliften. Das deutſche Volk war nie vorher in einem fo verfommenen Zuftande gewefen, fo ganz ohne Nationalgefühl, ohne Bewußtſehn ber Kraft und Größe, . ı *

100 Neuntes Bud.

verftüdtelt, zerklüftet, Eunftrei Klein gemacht, gehudelt, gepubelt, verachtet, und zur Selbſtverachtung officiell verpfligtet. Da Eonnte ein tiefer Schmerz, wenn man ſich feiner auch aus Unterthantreue nicht einmal vet bewußt zu werben wagte, doch nicht ganz, nicht immer unterbrüct werden und machte ſich irgend einmal im füßen Klageton eines Volksliedes laut ober ſtimmte die melancholiſche Harfe eines gebildeten Jünglings, deſſen krankes Herz ‚die Krankheit ver Zeit mitfühlte, deſſen Todesahnung in der eigenen geknickten Lilie dad Sinnbild eines nationalen Hinfterbens ſah.

Das Volkslied, feiner natürlichen Anſpruchsloſigkeit gemäß, Tokettirt mit Feiner Xhräne, brüdt aber nur um fo mahrer ben tiefempfundenen Schmerz aus. Welches Klagelied der Kunſtdichter gleicht desfalls an zarter Innigkeit dem Heimwehlied bed Schweizers, welches in der Mitte des vorigen Jahrhunderts unter den gemeinen Soldaten entſtanden iſt:

Zu Straßburg auf der Schanz Da ging mein Trauern an.

- Der Schweizer Soldner fand Schildwacht, da hoͤte er von ferne ein Alpe Horn Elingen, ober glaubte es nur zu Hören, fprang hinunter und fort, wurbe aber als Deferteur ergriffen und fang das rührende.Lied auf feinem letzten Gange.

Diefen ebelften und beſcheidenſten Ausdruck des Schmerzes kannten nur wenige Kunſtdichter, bie immer zu viel winfelten. Ludwig Heinrich Chriſtian Hoͤlty aus Martenfee bet Hannover, flubirte in Göttingen, murbe dort ein ausgezeichnetes Mitglied des Dichterbundes, flarb aber bald, noch als Candidat, an der Schwindſucht, 1776. Seine Gedichte find einfach, zart, der treue Ausdruck einer reinen unentweihten Süngs lingsſeele, durchdrungen · von einem füßen Wehe, durchzlittert von einer Thrane. Der tiefe Eindruck, den ſie auf die Nation gemacht haben, ver Ruhm, den Hoͤlty Heute noch mit Recht genießt, beruhte auf dieſer rüh— senden Charakterfhönhelt mehr noch, als auf dem reizenden Wohllaut und der eben Simplicität feiner Sprache,

Unter feineh Heitern Liedern iſt am berühmteften: Ber wollte fih mit Grillen plagen, So lang und Lenz und Jugend blühn? Doch am meiften fpricht fi fein Weſen in ben mehr ernflen und mehr müthigen Lledern aus, 3. B. an ben Mond ber ein geliebtes Grab befcheint), an ein Vellchen, in das feine Seele übergehen und das am Bufen ber Ge⸗

Die Ratürlickeitöperiode. 101

Hiebten ſterben ſoll. @legie auf ein Lanbmäbchen und der arme Wilhelm (beide auf den Tor eines jungen Mädchens). Viele Seufzer im Mondſchein und füße Liebesthräänen kommen auf in Johann Martin Millers, des Ulmers, im Uebrigen ziemlich ge tingen Gedichten von 1783 vor. Am berühmteſten wurde deſſen Lieb:

22a frag ich viel nach Gelb und Gut, Bern id} zufrieden Bin?

Neben Hölty zeichnete fi der Graubündtner v. Salis durch edle Einfachheit und eine gewiſſe natürliche Wehmuth aus.

Er Hat nur wenig gedichtet, aber mehrere feiner Lieder ſanden unter den gebildeten Claſſen in Deutfchland die weiteſte Verbreitung. So das berühmte:

Bann, o Schidfal, warn wird endlich Mir mein lehter Wunfch gewährt? Nur ein Hüttchen ſtill und laͤndlich Und ein’ Heiner eigner Heerd sc.

Und das Prühlingalieb:

Unfte Wiefen grünen wieder, Blumen buften überall

Froͤhlich tönen Finkenlieber Zärtlich ſchlaͤgt die Nachtigall. Ale Wipfel dämmern, grünen, „Liebe girrt und Iodt darin. Jeder Schäfer wird nun Tühner, Sanfter jede Schäferin x.

Wie aud das berühmte Grablieb :

Das Grab ift tief und ſtille Und ſchauderhaft fein Rand, Es dedt mit’feiner Hülle , Ein unbekanntes Land ıc.

Ein Lied, welches dem Rationalismus ber Zeit beſonders zufagen mußte, da feine Spur von chriſtlicher Gefühlsweife darin il. Nur biefe einfach ges haltenen Lieder begründeten Salis Rum. In ben meiften übrigen findet man daffiige Affectation; z. B. in bem Gedicht „Berenice“ :

Lauſcht, Nymphen, lauſcht, Dryaben lispelt leiſer!

Unb in der Abendwehmuth:

Ueber ben Kiefern blickte Hefpers Lampe.

Vorbilder für Matthiſſon find feine Landſchaftsbilder:

102 Neuntes Bud.

Abendglodenhalle zittern - Dumpf durch Moorgebüfte hin ıc. ober: Der Mond, umwallt von Wolfen, ſchwimmt Im feuchten Blan der Luft, “Der Forftteidh matt verfülbert glimmt Durch zarten Rebelvuft. .

Merkwürdig find die Rehrgebichte „das Mitleid“ und „die Wehmuth“, weil fie gang im Berömaag und allegorifien Bilberfhmulft era find, wie Schil« lero Lied an bie Freude.

Chriſtoph Auguft Tiedge, geboren zu Gerdelehen bet Magdeburg, durch Gleim begünftigt, begleitete nachher die, Frau von ber Recke auf ihren Reifen und lebte bet ihr 518 ins Hohe Alter in Dresden (} 1841). Bon einer Frau Iebend, war Tiedge weniger ein Mann, als ein gutes Kind, allgemein gefhägt wegen feiner Seelengüte und Beſcheldenheit, gewiß nächft Hölty unfer fanftefter Dichter. Er dichtete fett 1796, feine ſaͤmmtlichen Werke wurden 1823 gefammelt und ſeitdem wieder aufgelegt. Seine Gedichte find meiſt elegiſch und man bemerkt in ihnen den Einfluß engliſcher Dichter, der Nachtgedanken Doungs und der Oſſian'ſchen Nebel⸗ gebilde. Die Hauptſache iſt bei ihm immer die mit überſchwenglicher Empfindſamkeit hervortretende Subjectivität, in deren Gefühlsfluldum Stoff, Gedanken und Bilder verſchwimmen. Sodann wählt er vorzugs⸗ weiſe gern Bilder, die nichts Feſtes und Beftimmtes darbieten, ſondern ſchon zerfliegen, ehe man ſie recht anſchauen kann. Die meiſten Bilder ſtehen nicht, ſondern ſie wehen, ſind' nicht von ruhenden Gegenſtänden, ſondern von vorübergehenden Bewegungen hergenommen, und ſind oft nur dad nämliche, wie das, dem fie zum Gleichniß dienen ſollen.

Im der „Morgenfeier" Heißt es:

Rebensathemzüge wehen Und ein großes Auferfichen Raufcht vom Traum der Nacht empor. arte Blüthen taumeln nieder, Ueber bie der Geiſt der Lieder Wie ein lindes Säufeln fuhr: Und aus einer weiten Laube Tont und triumphirt der Glaube . An die ewige Natur.

Die Natůrlichteitoperiode. 103

Cinmal befingt Tiebge das abftrafte Wefen „Wieberfchen“, beſchreibt aber dabei nur feine eigene Ungewißheit, wie er es Befingen foll? man Tann die Gntfernung des Gefühls von, ber Wirklichkeit eines poctifchen Gegenſtandes in das Ieere Nichts der Reflerion nicht weiter treiben.

Wie derſehn! Endlich tönt dir mein Willlommen, Meine höchften Hulbigungen, Sollen bir entgegenwehn! @nblich Hab ich did) errungen, Hell wie Frühlingsauferftehn, Leuchte du, o Wiederſehn! ıc.

In einem Liebe auf Laura's Tod fagt Tiedge: Hochgeheiligt, wie die Schlummerhöhle, Der die Blum’ ihr Todtenopfer weiht, Und melodiſch, wie die Harfenfeele, Liöple dort bie Abgeſchiedenheit.

Tiedge's Empfindfamkeit culminirt in dem poetiſchen Briefwechſel jeiſchen Abälard und Heloiſen und In dem Gedicht „Vergiß mein nicht“, Obgleich es dem Dichter immer gut ging und ſeine Seelenruhe nie getrübt erſcheint, iſt er doch aus angeborenem Temperament melancholiſch. Et llebt nur bange Dämmerungen, mondbeglänzte Ruinen in ſtiller Nacht, de Freundin trauernd an ber Urne ac.

Der bewoͤllte Mond Blickt in die zerfallnen Tempelhallen, , Wo ein klagenreiches Ccho wohnt.

Wie dieſes Lanbfhaftsbild, fo iſt feine ganze Poeſie. Nirgends aber tritt bet ihm der Ernſt eines tiefen Schmerzes in erſchütternder Wahrheit hervor. Der Tod tft ihm nur Ruhe, Schlummer. Nichts Yarakteri- ſirt das melancholiſche Temperament des Dichters beffer, als fein „Ge— ſellſhaftslied“, das zur Freude ſtimmen fol, aber ganz wehmüthig und weinerlich iſt.

In der „Geburt der Freude“ feiern Amor und Pſyche ihre Hochzeit in einer Palmenlaube (die. Hochftämmigen Palmen eignen fh nicht zu Lauben). Indem fie im hoͤchſten Entzüden liegt, tropft es von ben Palmen auf Pſyche herab und der Tropfen wird zur Thräne, d. 5. Freudenthräͤne. Aus Amors und Pſyches Umarmung aber wird fofort bie Freude geboren, „Iheogone“ ges nannt. Mufen, Grazien und bie Weiöheit pflegen fie. Sie reißt ſodann durch

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die Welt, bleibt aber immer die kuhle moraliſche Freude, die Schülerin ber Weisheit, 5 Abgefehen von dieſen Schwächen des Dichters erfreut feine Mitte und Zartheit.

Seine berühmte Elegie auf dem Schlachtfeld von Kunnersdorf iſt nicht empfindſamer, als es eine fo traurige Gelegenheit verlangt; aber bie Idee iſt aus dem Engliſchen des Gray (Clegie auf einen Dorftirchhof) geſchöpft. Sehr ſchon iſt fein Gedicht „auf dem Komoor“, worin er Betrachtungen über bie tings um ihn herum außgebreitete Alpenwelt anftellt. Unter feinen Romanzen iR am befannteflen „die Blume ber Lauenburg“. . Die Nonne Bertha wird aus bem Kloſter entführt, flirbt aber unterwegs, ehe der wilde Ritter ihrer Habhaft wird und feitbem geht ihr Geiſt auf feiner Burg um. Die Romanze Robert und Klaͤrchen“ erinnert an Hoͤlty's Ländliche Romanzen. Robert bleibt zu lange aus, Klaͤrchen fticht vor Bram. Als er wiederkehrt, ſtirbt er ihr nad. „Im Echo oder Alexis und Ida“, läßt ber Liebende Ioa’s Namen vom &ho wiederhallen. Alle Heine Reize der Annäherung, des Fliehens und Wie derfehreng find hier anmuthig aufgefaßt. Berühmt ift das Lied mit der Roſe an Alexis fend ich di.“

Tiedge's größtes Werk ift Die berühmte, fehr oft gebrudte Uranta, zuerſt 1801 erſchlenen.

Sie handelt von ber Unſterblichleit und beantworket theils bie Zweifel daran, theils bie Hoffnungslofe Sehnfucht darnach. Tiedge malt die Fülle der Natur und. des Lebens, den unermeßlichen Reichthum der Schöpfung aus und Reit ihnen dann den herben Gedanken der Beigänglicpfeit gegenüber. Seine Bhilofophie ift wefentlich Kantianismus, er greift nur nach fogenannten Bor derungen der Vernunft unb übergeht bie Verheißung, bie chriftliche Offenbarung gänzlih. Seine Hauptargumente find: 1) der Menſchengeiſt iſt Licht, zum Licht geboren; fein Wiſſensdrang Tann nur im hoͤchſten Willen fein Ziel finben. 2) Die Tugend Tann nicht untergehen; der moraliſche Werth ift die ſicherſte Bürgfehaft der Fortdauer. Der Iepte Gedanke ift der Schlußgebanfe und aller dings poetiſcher, ald das übrige. Diefes rein philofophifche Gedicht ſucht bie Trockenheit der Gedankenfolge überall durch weiche. Rührungen’ und ſchwarme üifche Begeiſterung zu verbeffern.

Auch in einigen feiner Eleineren Gedichte Hulbigte Tiedge dem Ratio- nalismus der Zeit. In einer bramatifirten Cantaͤte „die Apoftel am Pfingſttage“ laͤßt er jeden Apoftel eine der verſchledenen Confeſſionen und religlöfen Meinungen bebeuten und fagt, in ihnen allen ſey doch nur ein Geiſt. In einer Betrachtung der Muinen Roms bejammert er, daß

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uuölofe Pfaffen die Erben des antiken Heldenthums hätten werben müffen, und in dem Gedicht „Duldung“ fagt er von einem großen Geiſte, es ſey ihm erlaubt, nicht an Gott zu glauben, well er, indem er felbft ein Gott ſey, beweiſe, was er leugne.

Den geringſten Werth Haben die rein didaktiſchen Gedichte Tiedge's, dle Epifteln, der Brauenfplegel, die Wanderungen durch ben Markt des Lebens. Alles Betrachtungen über Welt und Menſchen in Jamben, mild md freundlich, nur fehr felten witzig ober einigermaßen geiftreid.

Es Hält ſchwer, alle empfindfamen Dichter der Zeit herauszufinden, da ihrer fo viele waren. In den Göttinger Muſenalmanach ſchrieben unter andern v. Stamforb 1777 das berühmte Lied „Wenn bie Nacht mit füßer Ruh“ und ein ſächſiſcher Paftor Senf daſelbſt 1782 das Lich Auf des Mondes fanften Strale“, Kelgen 1788 das Lieb „Im Arm ber Liebe ruht ſichs wohl“ 3. Chrift. Avolf Overbed gab 1786 nBieber für empfindfame Herzen“ Heraus. Won ihm das berühmte Lieb Blühe, Liebes Veilchen“. Der Schwere v. Brintmann gab unter tem Namen Selmar 1789 deutſche Gedichte Heraus, in antiken Verd« maafen, empfindfam und ſchwärmend für Einſamkeit, Freundſchaft, meift Sifeln an Freunde und Freundinnen. Ohne Originalität, in Matthiſ- fons Ton. Iſenburg von Burt if in feinen Gedichten (Bafel 1784) ſhwermüthig, wie Höfty und Tiedge, klagt um Laura und läßt fie aus dem Grabe antworten. Mntod in feinen Gedichten (1796) preist tn empfindfamen Tönen eine „Wallina und Minona“.

Der Dichter liebt zwei Mädchen, Wallina und Minona zugleich, und weint und jammert nun, daß es nicht bloß eine iR, und daß er, weil er nicht blos eine liebt, von beiden verſchmaͤht wird. ine ſolche Situation fentis mental aufzufaflen, iR hoͤchſt ungefchickt und ſchwächlich. Gin rechter Mann iſt entweder tugenbhaft und dann liebt er nur eine, ober er iſt es nicht und dann liebt ex alle beide, aber luſtig und frivol. Die fentimentale Don« juanerie, die in Lenau ihren Gipfelpunft fand, ift Hier in ihrem Beginne angebentet.

Indem wir zu den empfindfamen Romanen übergehen, ift voraus zu bemerken, daß Rouſſeau's neue Heloiſe den Ton angab, in dem alle fräteren fortflangen. Im dieſem weltberühmten Roman verliebt ſich ver Geld ſchwaͤrmeriſch in eine fhon verheirathete Frau, und alles Läuft darauf Hinaus, das Recht des Herzens gegenüber der Pflicht der Ehe. in

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Schutz zu nehmen. Das alte Thema, welches ſchon Gottfried von Straß- burg im Triſtan behandelte. Unter den deutſchen Dichtern, die nah Nouffeau auf diefes Thema zurückkamen, ſteht wieder Göthe oben an

‚mit feinem berühmten Roman „Leiden des jungen Werther“, ven er ſchon 1774 gefägrieben Hat. Außer Rouſſeau's Heloiſe ſchwebte ihm Oſſtan vor. Der Engländer Macpherfon Hatte kurz vorher (1760) die angeb-

lichen Ditungen eines altſchottiſchen Sängers Oſſian herausgegeben, die ſich dur ihre moderne Sentimentalität als verfälſcht erwiefen, an deren Echtheit man aber damals glaubte und die durch ihre Weinerlichkeit alles mitweinen machten. Göthe flocht nun eine Ueberfegung aus dem falſchen Oſſian feinem Roman ejn und taufte ihn reichlich mit Thränen.

Werther iſt ein ebler und fehr gebildeter Jüngling, aber bürgerlich, wird einmal in einer abeligen Geſeliſchaft ſchlecht behandelt und fortgewiefen und ift darüber untröftlich. Schon an Selbſtmord denkend verläßt er Amt und Eltern, wird aber an einem britten Ort durch die ſchöne Lotte gefeflelt, die Verlobte und naher Gattin Alberts. Ihre Liebe bleibt eine platonifche, aber da er fie mehr zu verdienen, ihrer würbiger zu ſeyn glaubt, als der geiflig ihm weit untergeoronete Albert, fo verbittert ihm dies Verhaͤltniß vollends das Leben und ex ſchießt ſich wirklich tobt. Der Dichter Hat den Schwaͤchling nicht nur idea⸗ liſirt, fondern gibt auch nirgends zu-erfennen, daß er ben feigen Selbfimorb mißbillige. Auch die fonft praftifche Lotte thut nicht, was jede tüchtige und feomme deutſche Frau Yun würde, um einem ſolchen fentimentalen Hämling den Kopf zurecht zu fegen. \

Vergebens erklärte ſich Leſſing gegen biefed „kleingroße, verãchtlich ſchätzbare Original“, vergebens ſpottete ver praktiſch fromme Claudius und der nüchterne Nicolat, v. Göchhauſen (Wertherfieber) ꝛc., die große Mehr⸗ heit des gebildeten Publikums begann dennoch für Werther zu ſchwärmen, ja es entſtand ein ſog. „Wertherfieber“, das lange In Deutſchland grafs ſirte. Das Jünglingsldeal ber deutſchen Dichtung, einſt der tapfere, treue, anſpruchsloſe, arbeit und thatenreiche Siftit, wurde jet der ſchmachtende, weinerliche, faule, feige und doch anſpruchsvolle und im Egoismus er- ſtickende Werther. Indem ſich die gebildete Welt für dieſen erbärmlichen Geſellen intereſſirte, verrieth ſich Ihre ganze ſittliche Fäulniß und Charakter- ſchwãche.

Unter den Nachahmungen, die alsbald den Büchermarkt überſchwemm⸗ ten, erlangte nur des Ulmer Profeſſors Joh. Martin Miller thränen⸗

Die ‚Ratürlicpleitsperiode. 107

tiger „Sigwart, eine Kloftergefhichte" vom Jahr 1776 faſt gleichen Ruhm wie Werther.

Zaver Sigwart, ber Sohn eines Amtmanns an der Donau in Schwaben, tommt einmal ald Knabe in ein Kapuzinerflofter und wird durch ben ehrwür⸗ digen Pater Anton und durch bie frembartige Heiligkeit, bie ihn hier umgibt, bewogen, fich felbft für das Klofer zu befiimmen. Auf ber Vorbereitungss ſchule lernt er einen jungen Heren von Kronhelm fennen, mit dem er aufs Land zu beflen Vater reist, wo das roheſte Junlerthum, Saufen, Lüderlich⸗ feit und Bauernfepinderei herrſcht. Mndererfeits befucht Kronhelm) mit Gigs wart auch deſſen Familie und verliebt ſich in deſſen Schwefter Therefe. Diefes aufgeweckte Mädchen hat proteflantifche und moderne Bildung verſchmeckt, weiht ihren Bruder in bie Poefie Gellerts, Klopfiods ıc. ein und macht ſelbſt Verfe, worin iht der Bruder bald nachahmt. Cine gewiſſe Sophie verliebt fi zum Sterben in ihn und wir befommen ihr fapphifches Schmachten zu lefen. Aber er liebt fie.nicht wieder und fo tefignirt fie ſich, in ihm einen reinen ihr ewig umerreichbaren Heiligen und Engel Gottes anzubelen. Inzwifcgen verliebt ſich Sigwart als Student in Ingolftabt in die fhöne Marianne, Tochter des Hofrathe diſchet, und bald liebt fie ihn wieder und fie verhimmeln zufammen. Da Kronhelm, trog des väterlichen Zornes, durch Vermittlung eine guten Oheims in den Stand, gefept wird, Therefen, ald ein bürgerlic;es Mädchen, heirathen zu Können, will auch Sigwart das Kloſterleben aufgeben und Mar tianne heirathen, aber ihre Eltern wollen fie einem Andern geben und fperren fie, da fie ſich Aräubt, in ein Kofler. Aus biefem iſt Sigwart eben im Begriff, fie heimlich zu befreien, als ‚fie plöplich, die ſchon lange vor Gram tränfelte, das Leben aushaucht. Aus Verzweiflung geht er ind Kloſtet. Nach einiger Zeit lommt er als Beichtvater zu einer fterbenden Nonne, es iſt Ma: rianne, die jept erſt wirklich ſtirbt. Nun Tann auch er es im Leben nicht mehr aushalten. x wirb vermißt und auf ihrem Grabe gefunden.

Auch no fehr fentimental tft Miller „Geſchichte Karls von Burg- Heim und Emiliend von Roſenau“, ein Roman in Briefen.

Gt Handelt von der Liebe des Heren von Burgheim zu Gmilien, bie den Herrn von Alten liebt. Karl tritt biefem auf's großmüthigfte Emilien ab, als aber Alten fränfelt und ſtirbt, überläßt er feine Wittwe wieder ihrem erften Liebhaber und Emilie Hält es für ihre Schuldigkeit, ihn nunmehr glücklich zu machen. Der Berfafler hat ſich gar zu felbfigefällig gehen laflen, auch feine eigene Perfon, als Freund ber adeligen Familien, von denen er ſchreibt, mit eingeflochten.

Zu ven Nahakmungen des Sigwart gehörten: Hartmann, eine württembergiſche Kloſtergeſchichte von David Chriſtoph Seybold, 1779;

108 Neuntes Buch.

Bater Hyacinth, 1782; Verfolgungen des Pater Hartung von Winkopp,

1782; die Wanderungen des Pater Abllgarb, 1797.

Der Pater entficht dem Klofter und wird von einer Dame unterftüßt, bei der er bie Kloflerfitten ablegt und bie Weltfitten annimmt. Seine Schüchtern- heit und das löflerlige Befremben, womit er in bie Melt teitt, find nicht ohne Reiz gefchildert.

„Das Paradies der Liebe“, ein Kloſterroman von Schad (1804). Hieher gehören noch: „Sophie Berg, ein Beitrag zur geheimen Geſchichte des Klofterlebens“ von Albrecht (1781) und „bie Widerwärtigkeiten ver Jungen Ewilie“ zum Unterricht tugenbhafter unb empfinbfamer Seelen. Leipzig 1778.

Emilie iſt ins Klofer gebracht worden, ihr Beliebter Füßt eben durchs Gitter ihre ſchöͤne Hand; als fein Nebenbuhler dazu kommt. Es gibt ein blu⸗ tiges Duell. Nach allerlei Nöthen aber heirathen ſich bie Liebenden. Im Klofter lernt Emilie eine andere Nonne Tennen, bie von einem Liebhaber ges ſchwaͤngert und von dem uneigennügigen andern in biefem Zuftand gepflegt worden war.

Eine der beſſeren Wertheriaden war der 1782 anonym erſchienene Roman „Buftan Wolart“.

Guſtav iR ſchwärmeriſch in. Fülle verlicht, Cie wird endlich geamun „gen, einen gewiflen Süßlind zu heirathen. Guſtav grämt ſich zu Tode, in feiner Sterbeftunde aber erſcheint Sulie, finkt in feine Arme und ſtirbt mit ihm.

Werthes (+ 1817 in Stuttgart) ſchrieb bie „Begebenheiten Ehuarb Bomftons in Italien“. Ste Inüpfen fid an Rouſſeau's neue Heloife an. (Altenburg 1782.)

Bomſton verliebt ſich in die ſchoͤne Laura, die einem wollüſtigen Garbinal zum Opfer gebracht, in dieſem Verhaͤltniß dennoch die Unſchuld ihrer Seele bewahrt hat und als fie enblich ihre Schande inne wirb, in Verzweiflung ger raͤth. Weiter verliebt et fid in eine ſchöne Gräfin, deren Gatte auch fo ger fällig it, zu leben. Da aber die Gräfin nicht fo viel Seelenadel beſiht, wie Laura, ehrt Bomfon zu dieſer zuruck und will fie heirathen, alß fie freiwillig ins Kloſter geht. So von zwei Frauen geliebt, befommt er gar Keine.

Werthes überfegte den Arioſt zum erftenmal in achtzeiligen Stangen, auch Gozzi, und ſchrieb noch Hirten- und Maͤdchenlieder, einige vergeſſene

Die Ratürlicfeitsperiode. 109

Schauſpiele und Opern. Rarolinens Tagebuch von Marla Anna Sagar (1772) Eonnte ich nicht einfehen.

Die moralifgen Romane tränkten ſich immer mehr mit Empfind« ſamlkelt. Was fonft nur ald „Begebenheit“ eines zärtlihen Paares ober einer Familie Hatte intereffizen folen, mußte jegt ſchon mehr zum Gefühl ſprechen. Die Zahl dieſer Romane aus den adtziger Jahren iſt fehr groß, fle wurden fon fabrifmäßig bearbeitet, um dem Publikum als Mobelecture feil geboten zu werden. (Emilte Sommer von Thilo, 1780. Eleonore, wahre Geſchichte in Briefen von Friedel, 1780. Emilie Bold» bach v. Trützſchler, 1783 0) Es fehlte jedoch auch nicht an Op⸗ poſitlon. Nicolat verhöhnte den empfindſamen Werther und ven Dichter dacobi (im Nothanker). Timme ſchrieb 1781 einen empfinbfamen Maurus Pancrattus Ziprianus Kurt ald Satire.

Deutſchland Hatte damals auch einen empfinbfamen Philoſophen. vriedtich Heinrich Jacobi aus Düffelvorf, Kaufmann, Hoflammerrath und endlich Präfldent der Afademte ver Wiſſenſchaften in Münden, mar ein Philoſoph, den feine Schmeichler ven deutſchen Plato nannten, mähe venb ihn Schelling wie einen dummen Jungen behandelte (beides über- trieben) und zugleih Diäter, als folder nicht weniger mittelmäßig. Xiefe, einſchneidende Wahrheit ober herzgewinnenden Zauber des Poc- tiſchen findet man nirgends bei ihm, wohl aber eine eble, jebod “ein wenig eitle Gefühlsfhwärmerel. Für das, was er glauben mat, daß er fen, iſt er in der Wirklichkeit Immer zu wenig. Offenbar hat Jacobi im Privatleben dur) feine Tugenden ſich eineh großen Freundeskreis ge- bildet, aber die Achtung, die dem Menſchen gezollt wurbe, auf ven Phi⸗ loſophen und Dichter, der fle weniger verbiente, übergetragen. Diefes entſchuldigt bie ſtillſchweigende Vorausfegung, daß feine Helen, d. h. er ſelbſt in ihnen, von höchſter Vortrefflichkeit ſeyen.

Seine Romane find: „Woldemar“ von 1779.

Der reiche, folge, eigenfinnige Kaufmann Hornich hat drei Töchter, aber feinen Sohn. Die Altefle Tochter Heirathet einen zeichen jungen Kaufmann * von Bildung; die jüngfte einen jungen Gelehrten, der, um ihre Hand befomz men zu fönnen, Kaufmann werben muß. Die mittlere Tochter, Henriette, if überaus geiſtreich und feelenvoll; ihres jüngeren Schwagers jüngerer Brus der, Woldemar, der alles weiß, aber noch viel mehr fühlt, tritt mit ihr in Rapport, flieht aber vor ihrer Ueherlegenheit und Heiratfet gleichſam aus

110 . Neuntes Buch.

Trop eine andere. Nachher erfennt er feinen Fehler und ſchaͤmt ſich bis zum Wahnfan, aber Henriette Heilt ihn. Vor der Meinheit ihrer Liebe muß jeber Schmutz, jedes Dunkel weichen. Ihr Triumph iR, daß Woldemar feine Als wine wieder Hebt, ja mehr als zuvor, und daß fie Beiden Freundin bleibt. Der Roman verkehrt die Geſchlechter. Henriette Hat männliche Feſtigkeit, Woldemar iſt ein eitled und ſchwaches Weib.

Eduard Allwills Brieffammlung von 1792.

Amalie Tlerdon und Sylli Clerdon, bie Frauen zweier Brüber, umb ihte Goufinen Lenore und Claͤrchen von Wallberg unterhalten fi in Briefen von einem gewiſſen Eduard Allwill, einem jungen fräftigen und etwas eigenfinnigen Mann, der viel in Amaliens von ehelichem Glüd und Kindern gefegneted Hans tommt, allen Maͤdchen die Köpfe verrüdt, als großer Mann behandelt wird und zivar nichts thut, aber deflo mehr Vhilofophie ausframt. In dem höcht fententisfen, aber ganz inhaltlofen Geſchwäh tauchen nur wenige halbwege Garafteriftifche Züge auf. So erfahren wir von Allwill, er Habe ſich als Kind eingebildet, fein Hölzernes Pferd müfle Iebendig werden, wenn er eine lebendige dliege Hineinbringen fönne, was er denn flandhaft zu bewerfftelligen

verſuchte. Gin andermal habe er feinen Bruder in Gegenwart des Vaters geichlagen, ald er von biefem felbft Strafe zu erwarten hatte. Wieder einmal fegt ex fih, ehe Amalie aufgeftanden, in deren Seflel und trinkt ihren Kaffee aus. ALS fle zum Frühſtück kommt, entſchuldigt er fi, der Kaffee fey ſchon zu falt für fie geweſen und ſervirt ihr galant eine Chokolade. Kurz er foll einen genialen Sonderling vorftellen, in dem eine tiefe philoſophiſche Weisheit let. Cine gewifle Lucie hat ſich in ihn verliebt, die er aber figen läßt. Er ift fo unverfhämt, ihr zu ſchreiben, fie fünne eben fo gut die Sonne am Himmel firiren, als ihn. Darauf antwortet fie indeß in einem Brief mit überlegener Vernunft und weiblicher Würde. Damit bricht der unerträglie Roman glücklich ab.

Zu den empfindfamften Schwärmern der Zeit gehörte ver Züricher Pfarrer Johann Cafpar Lavater. Die befle Schilderung von ihm gaben Ulrich Hegnerd Beiträge zur Kenntniß Lavaters, Reipzig 1836. Lavater war groß und fehlanf gewachſen, leiten und vornehmen Ganges, gleihfam ätherif ſchwebend, fein Geſicht edel, fein und weiß. Er Hatte als tapferer Schweizer mehr als andre den Muth, fih in einer enthrift- lichten Geſellſchaft als Chrift zu gebaren. Aher fein Muth wurde Prah- lerei und Affectation. Er war nicht nur ein Chrift, fondern fpielte auf einen Heiligen. Unter allen Hriftlichen Tugenden war ihm die Demuth am fremdeften.- Er reiste, von einem Nimbus umgeben und von falbungs- relcher Rede überfließend, durch ganz Deutfhland (ein Eleines Gegenbild

Die Ratürlichfeitsperiobe, 111

zu der Reife Rius VL). Er ließ ſich von andächtig verliebten Weibern beräudern. Er hielt fehr viel darauf, ein ſchoͤner Heiliger zu ſeyn, und fein berühmtes Werk über Phyſtognomik Hatte eigentlig nur ben Zwedck, auf die ideale Schönheit Hinzuwelfen, zu welcher bie Stufenletter der Thierphyſtognomle Hinaufführe. Diefe Phyſiognomik follte eigentlich nur ber Rahmen zu feinem eigenen Porträt ſeyn. Er ſchrieb Palmen (1765), geiſtliche Lieder, einen Jeſus Meſſias (Nachahmung Klopſtocko), einen Pilatus, Joſeph von Atimathia und ähnliche Sachen, alle viel zu oratorifch und empfindfam, Ausfihten in bie Ewigkeit und Predigten, auch eine Anzahl „Schweizerliever“. Seine Werke wurden von Drellt 1842 In einer Gefammtausgabe edirt.

Auguſt Gottlieb Meißner aus Bautzen, Profeſſor in Prag, ſchrieb felt 1778 „Skizzen“, fpäter hiſtoriſche Romane fabrikmäßig, indem er fremde Stoffe verarbeitete und über alles eine fentimentale Brühe goß. Sein Styl ift affectirt. Ueberall verräth ſich der gemeine Tropf, der gern vornehm ſcheinen möchte. Seine Skizzen enthalten in 13 Bänden eine Menge Eleine- Erzählungen, meift entlehnt. Darunter find die gräß- lihen Kriminalgeſchichten no am anziehendften, die empfindfamen Ges ſchichten aber am wibrigften.

Eigenthumlich if fein Hundoſattler, ein Raubmörber, der ald Krämer umherzieht mit zwei rieſenhaften Hunden, welde feinen Kram tragen hud que gleich auf das Paden von Menſchen abgerichtet find. Mit ihm contrafirt ein frommer Leineweber, ben er unglücklich macht. Wie ruchlos nun aber auch der Hundsſattlet iſt, Meißner Täßt ihn doch noch unter dem Galgen gerührt erben. Nicht minder originell find „die Spießrulhen“. Gin Unteroffizier dient feinem Hauptmann als postillon d’amour bei einer verheiratheten Frau, die einen überaus böfen Mann hat. Gr wird van dieſem ertappt, verräth aber ben Hauptmann nicht, fondern opfert ſich für ihm und läuft Spießruthen. Der böfe Mann firbt, der Hauptmann erneuert bei der Wittwe feine Anträge, aber fie Hat unterbeffen feinen ſchlechten Charakter Fennen gelernt und heirathet ben braven Unteroffizier. Was wagt eine Mutter nit? Donna Elvira Hat eine Tochter Clara, die den Don Alvaro liebt, aber Maitrefle des Königs Philipp werben fol. Da geht fle zum König und eröffnet ihm, Clara fey feine Schweſter, heimlich mit ihr vom König, feinem Bater, erzeugt. Nun darf Alvaro fle Heirathen. Die ältere Ehefrau, Helene, ift fo gefällig, als ihr Mann eine andere liebt, ſich tobt zu ſtellen und zum Schein begraben zu laſſen. Lange lebt fie verborgen, um ihn feine Geliebte Heiraten zu fehen und aus der Ferne ihr Glück theilnehmend zu beobachten. Erſt fpät wird ihre

112 "Reuntes Bud.

Großmuth entdedt. Die Matrone, wie e deren wenige gibt. Gine reiche Wittwe bei Jahren Heirathete einen jungen Mann, der ihr wohlgefiel, trat ihm ihr ganzes Vermögen ab und ließ ſich freiwillig wieber won ihm ſcheiden, indem fie felbft ihn nöthigte, ein junges Mädchen, das er liebte, zu heirathen. Ghorlotte Ormond. Cine deich gewordene Maitreffe liebt einen Füngling, der fie wieder liebt, und heirathet ihn, legt ihm aber in dem erflen Halbjahr der Ehe das ſtrengſte Colibat auf, Am ihn dadurch zu überzeugen, daß fie alle Schwaͤchen des Bleifches abgelegt und nur in feine ſchöne Seele verlicht iſt. Im der Sentimentalität ift jedoch Bei Meißner die echte Kohebue ſche Beivolität nicht ausgefchloffen. Was er, ein Prediger und Eonfiftorialrath, dem Publitum damaliger Zeit bieten burfte, erhellt am beften aus der Skizze L 20 in welder aufs NRührendfte die glädliche Crfennungsfcene zwiſchen einem jungen Manne und feinem Bater, einem Paſtor Primarius , gefchilbert wird, ber ihn einf im Chebruch gegeugt hat. Meißner nimmt daran nicht den mindeften Anfoß, ald ob ſich ſoiche Heine Verirrungen von felöR verftän: den und nur das Rühtende und „Reinmenfehlidie* dabei in's Ange zu faflen wäre. Echt Kopebuich find auch folgende Gedanken: Blutfhänder, Mords Bremer und Mörder jugleich ben Gefegen nad und doch ein Jüngling von ebler Seele.

Gern ſchmuͤck ſich Meiner mit fcemben Federn. Die ſchone patriotiſche Anekdote, die er von Herzog Alexander von Württemberg erzählt, if einer Inteinifcgen Gomöbie des Friſchlin entlehnt, ohne daß Meipner diefen nennt. Die feivole Grgählung von Gammelfell Hat er wie Langbein, von den Beanpojen entlehnt.

Die größeren Romane Meißners ſind alle abgeſchmackt.

Aleibiades ift faR durchaus in Dialogen fortlaufend, mit philofophirender Afectation geſchrieben, aber nur Gemeinpläge enthaltend. Das Plaftifchfeöne der antifen Geftalt wird in einer durchaus ungriedhifchen Gefühlöfchwärmerei, bie noch dazu aus Phrafen aufgebunfen iſt, verfhäumt. Der geniale Leicht: ſinn echt helleniſcher Wolluft wirb hochſt pebantifch in ein Paar moralifche Hofen verftedt und noch am Schluß fafelt des Alcibiades letzte Buhlerin von feinem (fittlihen) Manneswerthe.

Ganz ohne Geift find die Romane: Julius Cäſar, Epaminondas, Spartacus, Mafantello ıc. Mehr Intereffe gewährt „Blanca Gapello“, das Leben einer italieniſchen Buhlerin (na Sanfeverino). M. ſchrieb auch ein Paar ganz umbeveutende Schauſpiele und überfegte viel, unter andern Humes Geſchichte von England.

Auguft Lafontaine, Canonicus in Halle, fihrieb Romane In ungeheurer Anzahl, alle vol von ſchwaͤrmeriſcher Bärtligkett. Keiner

Die Natůrlichteitsperiode. 113

dat die Sentimentalttät fo fehr übertrieben und feiner fle fo populäz ges macht, als Lafontaine. Gewiß hat er nicht wenig dazu beigetragen, vie Deutſchen zu verweichligen und fle über ihr nationales Unglüd mit den ſũßlichen Schwaͤchlichkeiten des Herzens wie Kinder ‚mit Zuckerbrod zu täufen. Seine Sentimentalttät wirb nicht felten ehrlos, wie bie Kotze⸗ bue ſche, und wie bie Sentimentalität überhaupt nie verfehlt, irgendwo mit der Ehre in Conflict zu Eommen, weil fie immer barauf auögeht, Shwägen zu entſchuldigen. Nie aber fält Lafontaine ins Frivole, wie Kotzebue. Nie wird er ein lachender Faun, Immer, auch wenn er ver- führt, hut er es feufgend und weinend. Seine größte Verirrung iſt, daß er bie Liebe ſchon in Knaben und kaum erwachſenen Mädchen ſich zur vollen Reife entfalten Täßt. Ich zelchne nur die am melſten charakte⸗ rififgen feiner Werke aus. Im Anfang ſchrieb er Revolutlonsromane. Zuerſt Clara du Pleſſis und -Elatrant (1794).

Clara, die ſchoͤne Tochter eines Dicomte, liebt Clairant, den Sohn eines Paͤchters, erweckt aber dadurch ben wilbeften Zorn ihres abelfolgen Vaters. Da bricht die Revolution aus. Clairant rettet ihren Vater vor ber Bold» wuth. Sie muß mit ihrem Bater flüchten. Clairant folgt ihr nach, läßt ſich heimlich in Deuiſchland mit ihr trauen und lebt mit ihr einfam im Walde in idylliſcher Wonne, als plöglich der boͤſe alte Vater ihr Glück zerftört und lairant mit Gewalt fortfchleppen laͤßt. Sie flirbt aus Bram, von ihm if jede Spur verſchwunden. ,

Dad Gegenſtück dazu war der Roman: Liebe und Dankbarkeit.

Graf d’Ormefton will den armen Pächter Salier vertreiben. Er wird vor⸗ gebeten, er barf bleiben, der junge Salier wird Bebienter im Haufe bes Grafen. Die Revolution bricht aus. Der alte Cälier gibt fein Leben hin für Rettung des Orafen und der junge befljügt ihn in einer Höhle, bis er ihn in Sicherheit bringen Tann. Mehr als einmal wagt er fein Leben. Dadurch wird des Grafen Tochter Julie, die den jungen Galier von Jugend auf gern geſehen, fo gerührt, daß fie ihn, als ſie wieder in glückliche Umftände gefoms men, troß aller Standesvorurtheile Heirathet.

Auch der Roman „St. Julien“ fpielt mitten in ver Schreckenszelt der Revolution, tft aber viel vermorrener.

Rudolf von Werbenberg, eine Rittergeſchichte aus ver Mevolutiond- jelt Helvetlens. B

Graf Rubolp if der bekannte hiſtoriſche Held, der ſich im Appenzellerkriege aum Landvoll flug, ald Bauer Fämpfte und lebte und Appenzell bie dreiheit

Menzel, deutfge Dichtang. II. 8

114 Neuntes Buch.

erringen half. Hier aber erfcheint er verweichlicht, wie in einer Geßnerfchen Idylle.

Dann fiel Lafontaine ein wenig in die Manier des Müller von Idehoe. Sein Quinctius Heymeran von Flaming (1795) erinnert ſehr an ben Siegfried von Lindenberg.

Der edle Freiherr rühmt fich, von roͤmiſchem Blut zu feyn, und daß das llaminiſche @efeg „einer von Adel darf Handel treiben“ von feinen Borfahren flamme. Zudem hat er ſich ein Völterfyftem gemacht, wornach nur die keltiſche Race den wahren Abel darftellt. Aber feine Theorien fcheiterd an ber Er⸗ faßrung. Ueberall taͤuſcht er fih und wird betrogen, bis er bahin gelangt, die Negerin Iglow zu heirathen, bie buch ihre Tugenb und treue Kingebung allen weißen rauen, bie er je geliebt, weit ben Rang abläuft.

nDte Bamilie von Halden“ von 1797, gleichfalls die Geſchichte eines

ſonderbaren abeligen Haufes, {ft viel verwickelter und geiftfofer. Diefelbe Manier herrſcht no in „Wenzelfalk“.

Sofort legte fi Lafontaine auf das Natve und ahmte Kotzebue's

Gurli na in der „Tochter der Natur“, einem Drama in Profa von

1799, und in „Engelmannd Tagebuch“ von 1800.

Hier wird ein Holdes Suschen in aller Unſchuld ſchwanger, ein Thema, was Lafontaine fpäter noch oft varfiet hat. Die liebe Natur thut, was fie nicht laſſen Tann, und ahnt dabei nichts von Sünde, noch auch nur von Uns anftänbigteit.

Bon biefer Art war au „ber Naturmenfch“ und „Hermann Lange“, worin wieder eine unſchuldige Pfarrerstochter außerehelich ſchwanger wird. Nührend iſt Fedor und Marie ober Treue bis zum Tode, 1802.

Fedor Dolgorufi trifft unterwegs mit drei Damen zufammen. Gin über ſchwemmier Fluß nöthigt fie, einen Tag lang ſich in einer ſchlechten Hütte zu behelſen. Die Mutter wil ihm wohl, noch mehr aker ihre ſchöne Tochter. In Petersburg angekommen, wird er von der Raiferin, feiner Siege in Perſien wegen, fehr ausgezeichnet und erkennt in der Dame, bie er. unterwegs- lieh gewonnen, Marie Menzifoff, bie Tochter feines Todfeindes, des Miniferd. Die Kaiferin felbft aber führt fle ihm zu und er muß mit ihr tanzen. Sie Hat noch von der Reife, denn bie Kaiferin ließ fie fogleich eintreten, den grünen Schleier auf, Fedor ſtedt ihn in die Taſche und behält ihn als ewiges Ans denken. Marie foll dem Kaifer vermäßlt werden, bleibt aber ihrem Fedot treu. Menzifoff wird plöglich gefürgt und mit ber ganzen Bamilie nad Eh birien geſchickt. Webor, unter dem Vorwand einer Reife nach Frankreich, folgt ihnen nad. Die Mutter erblindet, der alte Menzikoff ſtirbt, Marie

Die Ratürliggteitöperiode. 115

felbR wird ſiech, Fedor aber iR immer an ihrer Seite. Kuhrend ift die Schilderung, wie bie Liebenden einmal auf einer Erdſcholle vom Orkan weg« gef äwemmt, doch glücklich gereitet werben. Unterdeß hat Dolgorufi, der alte, die Allgewalt in Rußland erlangt und will feine Tochter mit dem Kaiſer vermäßlen, allein ber Kaiſer ſtirbt, die Dolgorufi werben verbannt und kommen in Sibirien an, eben ald Marie flirbt. dedor meint ihre nad, fipt, den grünen Schleier in der Hand, troſtlos ba, bis auch er ſtirbt.

Einer der beften Romane von Lafontaine iſt dad „Leben eines armen

Landpredigers“ (1801).

Der arme Pfarrer Bebenroth, ber immer bebt und leicht erröthet, wie bie furchtſamen Jünglinge bei Jean Paul, lebt mit feiner braven Frau gar ruhig auf dem Lande, nur gehaft vom Amtmann, der früher Livroͤe getragen und dem bie Pfarrerin, weil er fie hatte verführen wollen, bie Liorse vorgeworfen Hatte. Ihre ältefte Tochter Clifabeih heirathet einen armen Gbelmann, von Bahlen. Deflen Oheim fpielt unter dem Namen Priedleben eine humoriſtiſche Rolle, nedt die Familie, reißt fie aber auch wieder, denn er if ungeheuer teich, aus aller Noth. Im einer Geſellſchaft trägt Eliſabeths Schwefter Aus guſte Perlen, die ihr ber alte Oheim gefchenft hat, und flaunend erfennt die Amtmännin, daß es echte Perlen find. Bebentoths ältefter Sohn Karl wird auf des boſen Amtmanns Betrieb entfernt und ald Rekrut über See geſchict. Augufte verliert ihren Geliebten. Der junge Pahlen wird Hart bebrängt durch einen andern Oheim. Aber Briebleben Hilft überall und verzeiht fogar dem Heruntergefommenen und reuigen Amtmann, deſſen Tochter den glücklich heims iehrenden Karl heirathet. Trotz mandjer Unnoth in diefem Roman ,. macht die reine Gutmüthigkeit und Unſchuld der armen Pfarreröfamilie einen rührenden Eindrud.

Wie weit derſelbe Lafontaine verirren Eonnte, beweist fein Roman nbie beiden Bräute“.

Hier Heirathet Amalie einen Anbern bloß aus Liebe zu Norden, damit diefer Rofetten heirathen Tönne, nicht etwa als ob Norden Mofetten mehr liebte, als Amalie, fondern nur, weil er zwiſchen beiden ſchwankt und Amalie ihren Ruhm darin ſucht, die Großmüthige zu fpielen.

Faſt alle andern Romane Lafontaine's find Fabrikarbelt, in denen immer die gleichen Charaktere und Situationen in berfelben wihrig em⸗ pfindfamen Sprache wiederholt werben.

Sehr ähnlich find die Romane von Schmiedtgen im Saatfeld, feit 1796 (Anna, Dämmerungen, der Hohe Windbruch, die ſtille Ede am Nohrteiche, die Liebe am See, Elementine ober mein Wonneleben, Abo- nide 1.).

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116 Neuntes Bud.

An Lafontaine Ichnte ſich auch So phie Brentano, geb. Schu⸗ bert, an, die mit ihm gemeinſchaftlich 1799 eine Eleine Romanbibliothek herausgab. Unter ihren lyriſchen Gedichten iſt „die Schwaͤrmerel ber Liebe“ am bekannteſten geworden. Schiller ſelbſt nahm einige Gedichte von ihr in die Horen auf. Sodann ſchrieb ſie „das Blüthenalter der Empfindung“ (1794), die Margarethenhöhle, Amanda und Eduard und überfegte viele ausländiſche Nomane und Novellen. Die Weimar'ſche Dberhofmeifterin, rau von Wolzogen, ſchrieb 1797 einen Roman, der fehr beliebt wurde, „Agnes von Lilien“.

Ein Minifter ſtört als obligater Boͤſewicht dad Glück der Liebenden, bie Heldin muß entfagen, aber Lauter vortreffliche Menfchen nehmen ſich ihrer am und führen fie in die Arme ihres geliebten Nordheim. Die Sprache ift ein Strom von Empfindfamteit.

Friedrich Jacobs, ber berühmte Philolog in Gotha, der 1807 nad München berufen wurte, um Baiern aufklären zu helfen, überfegte mit Geſchmack die griechiſche Anthologie, gab ſich aber übrigens ganz wei⸗ biſchen Gefühlen Hin und ſchrieb für Weiber wie ein Weib: Rofaltens Nachlaß, Renate an ihre Tochter, Schule der Frauen x. Ein merfmür- diger Gegenfag zu denjenigen Phllologen, die hur die Alten zur gries chiſchen Liebe verführt wurden und nichts mehr ald Männliches lebten. Eben fo gut gemeint und ſchwach find die Seelengemälbe, die Ländlichen Stublen aus Agathens Leben, Euphranor x. von Ehrenberg felt 1805, und Bamilenromane von Fr. Rochlitz in Leipzig, ſeit 1794, und die des Halleſchen Buchhäͤndlers Chriſt. Eberhard feit 1798. Des letz⸗ tern Idylle „Hannchen und bie Küchlein“ erlangte einigen Ruhm als Seitenſtück zur Louiſe von Voß; daneben fein „Berdinand Werner“, ver

‘arme Flötenfpieler.

Kofegarten, den mir ſchon ald Voßens Nahahmer in Idyllen kennen, ſchrieb au empfindfame Profaromane. In „Ida von Pleſſen“ (1800)

ſchildert ein Engländer in Briefen an feine eigene Geliebte die Liebe eines andern Englanders zu ber ſchoͤnen Joa. Da wird auf der Juſel Rügen am Meeresufer geſeuſzt, geacht und geoht, gefüßt und verhimmelt, dann wieber getrennt und geweint.

Beſſer ift feine „Adele Cameron“ von 1803, wieder in Briefen:

Der Hauptbrieffteller ift ein Mifflonsgeiftlicger, der auf bie äußerfle Morde

Die Natůurlichteiteperiode. 117

Küfe Schottlands und die benachbarten Inſeln geſchickt wurbe, deren wildſchöne

u Natur und weltftembe Menſchen er feiner geliebten Eweline ſchildert. Dabei fließen viele empfindfame Erinnerungen an Oſſian ein und fogenannte Volks⸗ lieder, die aber den echten Ton ſchotiiſcher Nationallieder entbehren unb zugleich fofegartenifiren, fo namentlich im Gingang ein angebliches Schwanenlied. Die Heldin des Romans iſt Aele, eine reiche Erbin, eine der vornehmſten ‚Züchter des Landes, bie aus ber Hauptſtadt Briefe ſchreibt. Hier contraflirt das glänzende Hofleben mit dem einfachen, aber unendlich anmuthenderen Ges birgöleben der Heimath. Man ftellt ihr nach, fie wird auf der Heimkehr qweimal entführt und ziweimal gerettet. Der Entführer iſt der Geeräuber Roß, der lehte glüdliche Grretter, ber ihr Gatte wird, Angus of Errol, ihr ritterlicher Landomann. Obgleich etwas breit, Hat doch biefer Roman manche fhöne Züge und ift beſſer ale alles, was Koſegarten in Verſen ge⸗ ſchrieben hat.

Er ſchrieb noch einige empfintfame Romane: Ewalbs Rofenmonde 1790, Hainings Briefe, Bianca del Giglio.

Einer ver weichlichſten Ronanſchreiber war der Ballenſtedtiſche Ober- hofprebiger Gotthelf Wilhelm Chriſtoph Starke. Geine Gedichte und Prebigten find vergeflen. Nur feine „Gemälde aus dem häuslichen Leben“, Berlin 1793—98, erlangten Auf, weil fie der damaligen Mode, die Haͤuslichkelt über alles zu preifen, entſprachen. Starke ift ein ſüßlicher Autor, der auf die Dauer zu leſen faſt unerträgli wird, indem er nit etwa häusliche Scenen in anſpruchsloſer Natürlichkeit und mit homeriſcher Einfatt malt, fondern eine prebigende Lobpreiſung derſelben auskramt und immerwährend mit feiner Reflexion darüber ſteht.

So beginnt,er 3. B. die Grzählung „Mutterliebe": „Cinfach und Herzlich ſey meine Rede.von Clementinend, Mutterliebe. Für wen. bebürfte Mutterliebe großen Preifes, damit er gerührt werde? Wen Hat fie nicht im Leben wills fommen geheißen? wen nicht sc.? über weflen Wiege ıc.? weſſen Schlummer ıc.? an weſſen Kranfenlager ꝛc. wen nicht s.? wen hat sc.? wer Bat sc. 2“ In diefem Salbaderton geht es fort. Worin beſteht aber diefe erſtaunlich ber vorwortete Mutterliebe? Cine Schlange Hat Cleinentinens Toͤchterchen ger ſtochen und fie ringt die Hände unb ſchreit, bis ber Water bazufommt und merkt, daß es eine unſchaͤdliche, gar nicht giftige Schlange geweſen if. In „vem Blumenfreund in Tonftädt“ iſt ein Herzguter Landpaſtor gefjilbert, der über feinem Nelfenflor alle, fogar auch feinen Anzug vergißt, während das Töchterhen ſich mit Brautgedanken erquict. Das wäre nun alles recht nafürlid}, wenn 8 nicht fo breit gebehnt wäre. Im der dritten Grzählung „Emilie Normaun“ wird eine alte Sungfer, bie fi um ihre Nebenmenſchen

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redlich verbient macht, mit folgender füßlicjen Eauce übergoflen: „OD gute, gute Emilie Rormann, frommes graues Mäder, vie Thränen Tommen mjr in die Augen, wenn ich am dich benfe und mein Herz fejlägt Höher und id; werbe befeftigt in meinem Glauben an Menfchenwürbe, und nenne dich einen Engel mit einer Inbrunf, mit welcher gewiß nur felten eine zwanzigjährige Schöne fo genannt wird. Gute Emilie Normann, ift dein Kuß auch nicht fo füß, als. die Umarmung ber blühenden Hulbin, fo 2.“

Sehr ſüßlich war au Herm. Chriſt. Gottfr. Demme, ver feit 1792 unter dem Namen Karl Stille „Erzählungen, Abendftunden, aus Burgfelds Leben, Pächter Martin und fein Vater“ ſchrieb.

Die Schwärmerel für Liebe und Ehe, melde die Deutſchen verweich⸗ Ute, ganz ins Privatleben fi vertiefen und von ben großen Intereffen des Vaterlandes abfehen ließ, culminirte in dem Berliner Legationsrath Franz von Kleiſt (k 1797). Es iſt Fein Zufall, daß in demſelben Jahr, in welchem Ludwig XVI. auf dem Schaffot blutete und ver Eon- ‚sent feine Schrecken ausgehen ließ, dieſer flille Berliner feinen Zamori dichtete, in welchem alles, was deutſches Gemüth damals an Süßlichkelt und Schwaͤchlichkeit leiſtete, concentrirt erſcheint. Zamori iſt in ſchönen welchen achtzelligen Stanzen geſchrieben.

Zamori, das Ideal eines zur Liebe geſchaffenen Mannes, liebt Mindora, das Ibeal eines zur Liebe geſchaffenen Weibes, und vereinigen ſich Beide „in der Religion der Siebe“, bie zugleich Naturcultus if. Da Liebe aber nicht- allein dad Herz des Mannes ausfüllen Tann, fo muß Zamori auch noch in Achmed das Ideal eines zur Freundſchaft geſchaffenen Mannes finden, nad deflen „Ruß“ er ſich nicht minder fehmt, wie nach dem Mindora's. So nun von Liebe und Freundfegaft umſchlungen, findet Zamori ſchon hier auf Erden bie Höchfle Seligkeit. en

Die damals die ganze Modewelt beherrſchende Schmärmerei für Liebe iſt in keinem deutſchen Gedichte einfacher und in reinerer Harmonie aus gebrüdt, wie hier. Der Dichter ſchwimmt in Wonne und kommt nicht einen Augenblick aus der Sicherheit und Klarheit ihres Genuſſes Heraus. Derfelbe Dieter hat noch mehrere Dichtungen in gleichem Geift und Ton gefärteben; Hohe Anſichten der Liebe an Minona, das Glück der Liebe, dad Glück der Ehe, Sappho ꝛc. Aeußerſt fentimental iſt auf „Siama und Galmory“, ein Epos in Herametern von Siegfried, ein 1801 erſchienenes Prachtwerk mit Kupfern von Schnorr.

Siama, indianiſcher Prinz von Panama, und Galmory, Prinzeffin von

Die Natürlichfeitsperiode. 119

Bern, werden mit Willen ihrer Eltern unter den glücklichſten Umftänden vers

mählt und führen ein parabiefiiches Leben, als bie Spanier hereinbrechen und ihr Glad ins tieffte Elend verwandeln. Der Eontraft der noch wilden Unſchulb mit einer ſchon wieder verwilberten Givilifation if an ſich poetiſch, hier aber au ſehr in Empfindſamleit verſchwommen.

In dieſe Epoche gehört au Aloys Schreiber, welcher 1802 „Bes mälhe her Kindheit und des häuslichen Glüdes“ ſchrieb, und Klinkicht mit den „vier Stufen des weiblichen Alters“, 1804. Auch bie Kinder- föriften, die mit Rochows und Weiße's Kinderfreund (1776) und Schum- mels Kinderſplelen, Pfeffeld dramatiſchen Kinderfpielen noch praftifh und lehrhaft, wenn aud fon widrig ſchwatzhaft begonnen hatten, wurden immer empfinbfamer. So das beliebte Kinderbuch „Gumal und Lina von Lofftus (1795) und die Bamiliengemälbe für die Jugend von Glatz ſeit 1799, Die Bearbeitung des Robinfon Erufoe für Kinder von Campe in Hamburg fehreibt fih von 1779 her. Ste wurde nit wegen ber lehrhaften Zufäge, fonbern wegen bed romantiſchen Inhalts unermeßlich populär. ,

7. Die lũderliche Wathrlichkeit.

Nachdem Wieland, wenn auch immer mit feinem Geiſt und Aftheti« ſchem Vorbehalt, doch das Recht ver Sinnlichkeit über die ſittliche Pflicht hatte trlumphiren laſſen, und Göthe ber Herzenslüderlichkeit im Werther, in ter Stella, ven Geſchwiſtern ac. offen das Wort gerebet, genirten ſich auch Dieter niebern Ranges nit mehr, und das Hohnlachen einer leicht- fertigen Moral über bie alte deutſche Bamilientugend wurde Mode. Diefe Mobe aber paßte für die deutſche Natton nicht und fand ihr ſchlecht. Sie verträgt fi mit franzöſiſcher Pikanterle, fie fleht einem chevaleresken Polen an, fie fann in einem ſpaniſchen Don Juan, einem italleniſchen Caſanova zu einer intereffanten Natürlichkeit werben, aber dem Deutſchen bleibt fie immer unnatürlich. Das urſprünglich Eräftige, ernfle und un. ſchuldige Naturell des Deutfchen kann dur ſie nur entſtellt werben. Wenn man gefunden Hat, daß unter dem lüderlichen Geſindel in Nord» amerika die Deutfhen am gemeinften, edelhafteften und verächtlicften

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fegen, fo macht diefe Wahrnehmung unferer Nation Feine Schande Nur wer hoch fland, kann fo tief finfen.

Säwerli würde die Brivolität ſich fo raſch eingebürgert Haben, wenn fie nit an ver Hand der Sentimentalität gefommen wäre. Das Herz diente zum Vorwande. Was der fein egofftifche Göthe desfalls be— gonnen, fehte hauptſächlich Kogebue fort zur gänzlichen Demoralifirung der gebifveten Claſſen. "

Wir werden den großen Göthe auf andern, höhern Gebieten wieder finden. Hier müflen wir ihn als den Protector ber Tüberlichen Moral betrachten. Schon die im Werther war nit weit ber. In der Welner- lichkelt verbarg fi} das verbotene Gelüften. Noch ungezmwungener Aufert ſich Göthe in dem 1776 erſchienenen Schaufpiel „Stella“, worin er vie Bigamie eben fo fentimental befnigt, wie im Werther die Gier nad des Nächften Weibe.

Fernando Hat die Gäcilie geheirathet und eine Tochter mit ihr gezeugt, ba verliebt er ſich in die junge Stella, bringt ſie auf ein abgelegenes Gut und Lebt mit ihr in wilber Ehe. Aber fein Blut Täpt ihn nicht ruhen, ex geht in den Krieg für eine ſchlechte Sache (die Unterbrüctung der Eorfen) und kommt unbefriebigt zu Stella zurück. Unterdeß if bie verlaflene Gäcilie mit ihrer Tochter verarmt und von Stella, ohne das Verhältniß zu Bernando zu Fennen, Hiebreich aufgenommen worben. Als Bernando fi zwiſchen beiden Frauen fieht, geräth er in Verzweiflung, Gäcilie aber Hilft ifm aus ber Roth, indem fie ihm den Vorſchlag macht, er folle, wie ber Graf von Gleichen, mit beiden Frauen zugleich leben. Damit ſchloß Göthe das Schaufpiel in feiner erſten Auflage. Später fah er ein, daß bie Welt daran Anſtoß nehmen könne und änderte den Schluß : Fernando und Stella töbten ſich ſelbſt.

In den „Geſchwiſtern“ gefänt ſich Göthe, die Linte ver Schweſter⸗

llebe mit dem feinften ſinnlichen Raffinement zu überfreiten. Ein wol lüſtiges Spiel der Phantafle, ſich die eigene Schwefter als Braut zu denken. Diefe Geſchwiſterllebe kommt bei Göthe noch einmal vor. In DB. Meifters Lehrjahren wird Auguftin wahnfinnig, well er gegen feine Schweſter in unerlaubter Liebe entbrannt iſt.

Sentimentalität und Frivolität reihen ſich bie Sand "in Göthes „Claudine von Villa Bella“ 1776,

Glaubine, als Geliebte zwiſchen einen fentimentalen Liebhaber, Don Beben, der fie zulept bekommt, und einen frivolen geſtellt, Bon Carlos, genannt Ruganfino, der fie mit Liſt und Gewalt verfolgt und durchaus gern zu Fall

Die Ratürlichfeitöperiobe. 121

bringen möchte, aber nicht reuſſirt. Gleichwohl Hat Gothe dieſem Garlos zus legt als einem Tiebenswirbigen Wildfang volle Verzeifung angebeihen laſſen. Cine äußerft ſchwache Produktion. Die Frivolität felert fofort ihren glänzendflen Triumph in Goͤthe's Ritſchuldigen“. Hier läßt ſich die Frau von einem Liebhaber verführen und der Mann weiß fih dafür zu rächen und zu tröften, indem er bem Liebhaber fein Geld flichlt. Man Tann die Gemeinheit nit meiter treiben. Selbft Kotebue hat fie nit weiter getrieben. Unter ven fpäteren Dichtungen Göthe's ges hoͤren ver bier in Rede ſtehenden Richtung Hauptfählih noch die „Wahl- verwanbtfchaften" an. Der Held dieſes Romans, ein reicher, junger, phantaflevoller Edelmann, ECduard genannt, heirathet die mehr verfländige Charlotte, die fein Herz wicht befriebigt. Er wendet bie ganze Gluth deſſelben der jungen, liebs lichen, neben ihm auffproflenden Ottilie zu, während Charlotte fig an den

Hausfeeund, einen echt männlichen, klaren und ruhigen Hauptmann attadhirt. -

Run Fönnten alle glücklich feyn, wenn die fatale Ehe nicht wäre, ober wenn fe Muth; genug Hätte, dieſe Che aufulöfen. Aber Cduard iſt zu ſchwach dazu, Charlotte fürchtet zu fehr das Gerede der böfen Welt; der Hauptmann iſt zu ſtolz und Oktilie zu unſchuldig, um die Jnitiative zu ergreifen. So bleiben fie denn in der peinlichflen Spannung, 5i8 die Unnatur ein tragifches Ende Herbeiführt. Das feinfe und boshaftefle Raffinement hat Gothe in die Scene gelegt, in welcher Eduard als rechtmaͤßiger Gatte feine Braun umarmt und doch, weil er fie nicht liebt, weil er dabei an eine Andre benft, in Wahre heit im eigenen Chebette ein Chebrecher il. Das aus jener Umarmung hers vorgegangene Kind ift num begreiflicherweife ein Unglüdöfind, Ottilie muß das unſchuldige Werkzeug feines Todes werben und flirt ſelbſt aus Schmerz dar⸗ über. Der ſchwache Cduard ſtirbt wieder aus Schmerz um fie und Charlotte und ber Hauptmann, welche übrig bleiben, fühlen ſich nun doch durch jene Gräber von einander getrennt. Es würbe Aufichen erregen, wenn fie nad folgen Vorgängen ſich heirathen wollten. Alſo müflen fie, getrennt bleibend, den Fluch der Unnatur forttragen.

Diefe nichtswürdige Verhöhnung des Heiligen Cheſtandes bot der große @öthe dem gebilbeten deutſchen Publikum gerabe zu ver Zeit bar,

als die tapfern Tiroler ihr Blut für alte deutſche Treue vergoffen, im

Jahr 1809. Mit ſolchem elenden Zeuge beſchäftigten fi hie Höheren Elaffen in Deutſchland, während allein der gemeine Mann im Volk des hohen Ruhmes der Ahnen würdig blieb.

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Aber wentgftens 618 in die Mittelklaffen, die Handwerker und ben Stabtpöbel hinab folte hie lüderliche Poeſie eindringen. Dafür forgten Dichter, welche viel geringeren Ranges als Wieland und Göthe, doch unglei größere Verbreitung und Popularität fanden mittelft der Leibe bibliotheken und der ‚immer zahlreicher in allen deutſchen Städten aufs tauchenden Theater. Hier entfland ein Publikum, welches ſich an Bils hung bereits hoch über das einfache Landvolk erhoben fühlte und doch immer noch fehr tief unter der Geſchmacksbildung der höheren Clafſſen zurückblieb. Kotzebue namentlich, von dem mir fogleih mehr handeln möüffen, fand ben ungetheilteften Beifall in biefen mittleren Regionen und mwurbe unermeßlih populär, weit mehr ald Göthe, ven doch nur bie feineren Geifter recht goutirten.

Ein guter Humor waltete no in dem 1764 erſchienenen Roman „die Braut bis ins Alter“,

Die Heldin macht eine Hochzeit nad) der andern, wird immer dabei ger ſtort und verliert ben Bräutigam, fo daß fie ihr lebenlang Braut bleibt.

Aber in „Lottchens Reife ind Zuchthaus“ von Kirften (1778) iſt die Moral ſchon fehr zweiveutig, indem die Heinen Schwächen und Süns ven, die ind Zuchthaus führen, nicht um der Abſchreckung, fonbern des Anreize willen befehrieben find.

Als ein Vorläufer Kotzebue's iſt der Wiener Theaterdichter, reis here von Gebler anzufehen, deſſen Werke 1772 erſchienen. Er bear- bettete franzöſiſche Comöbien und gab au Originale, in denen Frivolltät und Nührung um ven Rang ftreiten.

Maßgebend iſt deßfalls deſonders fein „Leichtſinn und gute® Herz,“ worin um des Ieptern willen das erfle verziehen wird. Much das Geld fpielt bier, bereits eine große Rolle. In der „Berfühnung" kommt 'eine Heirath zwiſchen edeln Weſen nur durch Zufall zu Stande, fofern dem Wucherer, ver den Lieb⸗ Haber feines Vermögens beraubt hat, das Gelb wieder abgenommen wird. Im dem fentimentalen in Aegypten fpielenden „Thamos“ kommen ſchon vers liebte Sonnenjungfrauen vor, kurz, überall gudt, wie ein nedifher Kobold, der künftige Kotzebue Hinter Geblers Theatervorhang heraus.

Zu Kotzebue's Vorlaͤufern gehört ferner noch Chriſtoph Bretzner, ein beliebter Schauſpieler, der ſelber viele Stücke ſchrieb, z. B. den Tert zu Mozarts „Belmont und Conſtanze“. Am langſten erhielt ſich auf ver Bühne fein „Raͤuſchchen“, worin echt Eopebue’fch ein gutmüthiger Papa ber

Die Ratärlicjfeitöperiode. 123

trunfen gemadt wird, damit die Mädchen ihm feine Einwilligung zu ihten Verliebungen abloden Tönnen. Berühmt wurde aud fein „Leben eine8 Lüderlichen®.

Karl Wild verführt: Sophie, fie ſtirbt vor Gram, ihr Vater wirb wahns fanig, ihren Bruder töblet er im Duell. In tieffte Lüderlichkeit verfunfen, nachdem ex all fein Gelb verfpielt, ſchießt er ſich tobt und wird nod ala veiche von einem andern Maͤdchen, das er verführt Hatte, gepflegt und ger Ueblost.

Felix und Hannchen.

Felic und Hannchen, zwei bildhübſche Naturfinder vom Lande, kommen in bie Stadt. Da verlieben fi alle Damen in ihn, alle Herren in fie. Aber die Raturfinder haben Mutterwig und find ſchlauer als bie Stäbter, foppen fie daher und bleiben einander treu.

Die ganze Frivolität der Zeit ſpiegelt fi In Brehners Luſtſpiel „Liebe nach ber Mode ober der Eheprokurator“.

Lizentiat Store Hält ein Heirathsbureau und verfuppelt für Geld Alle, bie ſich bei ihm melden. Da meldet fi eine luſtige Hofräthin aus Dresden und ihre jungfeäuliche Tante Olympia, auf der andern Seite ein Hauptmann Bild und ein Doctor Linde; mährenb Julie, bes Ligentiaten, Mündel, eine Liebfchaft mit einem jungen Menſchen Namens Eſch hat, ber ſich für einen Baron aus: gibt und auch nur nach Berlin gefommen ift, um eine reiche Frau zu ſiſchen. Kaum hat Wild die Hofräthin geangelt und fie ſich willig erklärt, fo kommt deren Mann, ber Hofrath, an, wird aber als Bildernarr durch ein koſtbares Bild bewogen, feine Frau dem Hauptmann abzutreten. Linde, der bie Hof⸗ väthin ebenfalls Hat heirathen wollen, wirb, ohne es zu wiflen, mit ber Tante Dlyınpia getraut, die in ber Hofräthin Kleidern und verfchleiert für fie eintrat, amd muß fie behalten. Der junge Eſch wird durch bie Ankunft feines Vaters entlarvt, erhält aber Berzeifung und Juliend Hand. .

Noch frivoler iſt „die verftorbene Ehefrau“, worin felbft mit dem Ernft des Todes Hohn und Spott getrieben wird.

Frau Arnold iſt geftorben, Bediente und Mägde tanzen im Haufe herum, weil fie nun den tyrannifchen Hausdrachen los find. Ihr Wittwer ſelbſt if äußerft froh und benft ſogleich auf eine neue Heirat; mit der fanften Juliane. Daflelbe Maͤdchen will aber auch fein Schwager, ein alter Offizier, und fein Sohn Heitathen. Sie begünftigt den Sohn unb entflieht mit ihm. Indem fie über den Kirchhof retiriten, wird bort der Sarg ber Mutter von fpigbüs biſchen Bebienten, bie ihr den Schmuck abnehmen wollen, geöffnet. Die Scheintodte erwacht, gibt den Liebenden ihren Segen und ehrt ind Haus zus rüd, um Mann und Bruder zu ſtrafen.

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Die „Erbſchaft aus Oftindien“, ein Luſtſpiel Bretzners, ift merk⸗ würdig, fofern e8 den Dorfſchulmeiſter Rabe, ver durch feinen aus Oft« Indien reich heimfehrenden Bruder geprüft wird, als Vorbild ver demo» kratiſchen Schulmeiſter unferer Tage auffaßt. Nabe ift ein Philoſoph, ſchwärmt für die Ehre, ein Menſch zu ſeyn, und fpottet des Edelmanns, der fi für beſſer Halte, ald andere Menſchen.

An Geift ihm ziemlih nahe verwandt war Joh. Br. Jünger, geboren in Leipzig, Hoftheaterbicgter in Wien, aber 1794 entlafjen und bald darauf im Elend geftorben. Er fehrieb viele Luſtſpiele, deren erfte Sammlung 1785 erſchlen, dazu auch Romane. In feinen Stüden wer- den, wie bei Kotzebue, bie Alten durch die Jungen betrogen, leichtſinnige Treuloſigkeiten gefühnt, und entftcht beſonders viel Spaß durch komiſche Verwechslungen. Ich zelchne nur ein Paar feiner Stüde aus.

Im „Stich durch die Rechnung“ werben bei einer Entführung die Berfonen verwechfelt, was zu fehr luſtigen Verwicklungen führt. In „Maske für Maske“ geben ſich Herr und Dame, bie einander heirathen follen, ohne ſich zu fennen, für Bedienten und Kammermaͤdchen aus, indem jebes dad anbre unter dieſer Made prüfen wil. Aehnlich „Freundſchaft und Argwohn“.

In mehreren. Stüden fpiegelt Jünger das lüderliche Lehen ber vor⸗ nehmen Wiener. So in „Verftand und Leihtfinn“.

Die Baronefle Olbau durchſchwaärmt die Nächte auf Bällen, fährt mit wis digen Cavaliers herum, verliert viel Geld im Spiel und Hört nicht auf bie fanften Warnungen ihres Gatten, biß ſich ein gewiffer Stornbach, ein Kröfus, im Haufe einniftet, ihr tüchtig ben Kopf zurechtfegt und ben Baron dahin bringt, es bis zur Scheibung zu treiben. Indem fie aber die ſchaͤndlichen Anträge eines ihrer Gefellfcpafter ſiolz abweist, wird ihre Tugend erprobt und ihr Gatte verzeißt, der alte Stornbach aber gibt ſich ala Onkel und Gouver⸗ ‚neue zu erfennen.

Die „Unvermuthete Wendung", gleichfalls aus dem Wiener Leben.

Graf Mittelburg ift verſchuldet und verlangt von feinem Sohn, einem Hauptmann, er foll bie reiche Wittwe Palmer Heirathen. Er will auch das Opfer bringen, obgleich er nicht die Wittwe, fonbern deren jüngere arme Schweſter Fanny liebt. Aber bie Wittwe ift fo großmäthig, ihn mit Fauny zu vereinigen. Daneben läuft noch eine andere Intrigue. Der alte Graf fucht die junge Baronefle Flottenbach zu verführen, bie mit ihrem eben fo jungen Männchen immer im Zank lebt, die Baronin wird aber durch feine befonnene Gemahlin, bie Gräfin, gewarnt. Diefer Graf Mittelburg iſt ohne Sweifel ein aus dem Leben gegriffener Charakter, in dem bie ganze innere

Die Natůrlichleitsperiode. 125

Nichtewurdigleit des verborbenen Wiener Adels mit aller Aufern Beinheit und Glatte aufgefapt if. in Pendant zu Kohebue's Klingsbergen.

Aehnlich das Wiener Luſtſpiel „Der Ton unferer Zeiten‘. Gleiche Brivolität waltet in Jünger Romanen vor.

Sein komiſcher Roman „Brig“ von 1796 hat einen ganz orbinären Jungen zum Helden, ber nad; allerlei leichtfertigen Abentheuern in den Hafen der Ehe gelangt. „Wilfelmine“, Die kloſterlich Gryogene liebt einen vielver⸗ ſprechenden Jüngling, aber erſt in ber Che mit ihm merkt fie, wie fehr ſich, ihre Unerfahrenheit vom äußern Schein Hat taͤuſchen laſſen und daß er ihrer wit wärbig if. „Gheflandsgemälbe“. Cine gewiſſe Antoinette, ein von Jugend auf verzärtelte& Bräulein, macht ihren Mann unglüdli und läßt fih von einem Grafen verführen. Gin gewiſſer Ferdinand macht auf ähnliche At feine Frau unglüdlid und lebt mit einer Gräfin. „Prinz Amaranih mit der großen Naſe“ ift in Wieland Manier geſchrieben.

Auguft Ko hebue aus Welmar, wo fein Vater Regationsrath war, lebte bei der guten, nur zu nachgiebigen Mutter, fpottete feiner Hof« meifter und zeigte ſchon fehr frühe Neigung zu Lügen und Bubenftreidhen, fpäter zu ſinnlichen Ausſchwelfungen. Schon in Weimar hatte ihn das Theater über die Maßen angefprochen. Als Stubent In Jena begründete er ein Liebhabertheater, feine erſten Stüde gefielen aber nicht, bis er „die Weiber nach der Mode“ ſchrieb und darin einige Damen aus Jena an den Pranger flellte. Dieſes hämifge Stück machte Glück und fo er- lannte er, wie Mediſance und Bosheit die beften Hülfsmittel fegen, um in ver Welt fein Glück zu machen. Als er aber 1781 in Weimar Pas- quille auf dortige Damen machte, erregte er folge Inbignation, daß er flüchten mußte. Dur Empfehlungen Lam er ald Sekretalr des Generald Bawr nach Petersburg, ſchrieb auch dort für das Theater (einen Deme- tens), erwarb die Gunft der Kalferin Katharina IL und wurde Präfl- dent des Oberappellationstribunals in Reval, wo er ein Liebhabertheater errichtete und das reihe Fräulein von Efien heirathete, 1784. Hier ſchrieb er Adelheld von Wulfingen, bad erfle Stüd, das in weiterem Ktelſe Aufmerkfamkeit erregte, dann 1786 fein weltberühmtes Stück „Menſchenhaß und Neue.“ Hiemit betrat er die Bahn ver alle Moral etſchlaffenden weichlichen Rührung, ber ſyſtematiſchen Vertheivigung jeder Sünde, Schwäche und Gemeinhelt im Namen des guten Herzens. Men⸗ ſchenhaß und Neue iſt wie Goͤthe's Werther und Wahlverwandtſchaften eine fentimentale Entſchuldigung des Chebruchs.

126 Neuntes Bud.

Gulalie läuft ‚mit einem Offizier davon und Tapt nicht nur ihren tugenbs haften Gemahl, Herrn von Mainau, fondern auch zwei Kinder zurüd. Ihrere feits wieber von ihrem Buhlen verlaflen, bereut fie und bient in einem fremden Haufe ald Wirthfchafterin unter dem Namen Madame Müller. Zufällig kommt Mainau, ald Menfchenhafler, in dieſelbe Gegend und lebt einfam in einem Häuschen, von wo aus er in Erfahrung bringt, wie tugenbhaft, wie wohl tätig ac. feine ihm noch unbefannte Nachbarin, die Madame Müller fey. Da erblickt er fie endlich, erfennt fein treulofes Weib und verzeiht noch nicht, bis die von Beiden Eltern im Stich gelaflenen Kinderchen kommen. Da fihließt - das Stüd mit allgemeiner Umarmung und Vergebung.

Hauptfähli in Bezug auf dieſes Stüd fagte Schiller: „wenn ſich das Lafter erbricht, ſetzt ſich die Tugend zu Tiſch.“ Um biefes efelhafte Tugendmahl noch mehr zu würzen, ſchrieb Kopebue eine dortebungc „Die edle Lüge“.

Nachdem Mainau die reuige Culalie wieder zu ſich genommen, will er ſie ganz in ihrem Gewiſſen beruhigen und erfauft ein von einem Bauernburſchen geſchwaͤngertes Mädchen, um auszufagen, er habe fie geſchwaͤngert. So ftellt er ſich freiwillig in der Schuld mit Eulalie gleich, um ihr dadurch bie ihrige zu erleichtern. Das iſt womöglich noch ärger, ald Menfchenhaß und Reue.

Dies GHarakterifirt den Dichter völlig. Ehebruch entſchuldbar, Rüge fogar edel. Bald darauf brachte Kotzebue die geſchwängerte Unſchuld, mit welder Lafontaine fo viel Glück machte, ſchamlos auf die Bühne in der „Sonnenjungfrau“.

Rolle, Feldherr des Vnka von Peru, liebt die ſchöne Sonnenjungfrau Kora, muß ihr aber entfagen, ba biefe Jungfrauen als Beftalinnen feinen Mann lieben dürfen. Der Oberpriefter weist ihn mit Strenge in die Sehranfen, befennt ihm aber am Ende, daß er felbft eine Sonnenjungfrau geliebt habe, daß fie, wegen Berlegung ihrer Keufchheit eines graufamen Todes habe fterben müſſen und dag Rolla felbft ihr Sohn fey. Inzwiſchen Hat fi der Spa- nier Monfo ebenfalls in Kora verliebt und fle ſich in ihn. uf das unber fangenfte gefteht fle ihm, daß fie guter Hoffnung fey, und freut ſich unmäßig auf dad Fleine Kind. Alonſo aber weiß befler, was bieß zu bebeufen Hat und iſt Außerft erfchroden. In der That wird Kora angellagt, ihr Gelübbe ger brochen zu haben und foll geopfert werben. Mit ihr ſoll der Verführer Alonſo

*) Au Ziegler ſchrieb eine Fortfegung: „Fulalie Mainau, worin er von der Unnatur zur Natur zurüdführen. wollte. Mainau und Gulalie leben nach Ihrer Berföhnung nit glac- U, die Untreue der Gattin und Mutter laßt ih nit ausföhnen, Der Officier, der Gulalien verfüßet, wird von Mainau erfpoffen, Dieſer fieht nah Amerika und Culalie bleibt einfam büßend zuräd. B

Die Natůrlichteitoperiode. 127 erben. Rolla rettet fle großmüthig und der Dula erfeint, um das harte Gefeg überhaupt aufzuheben und den Sonnenjungfrauen zu erlauben, künftig guter Hoffnung zu werben, von wem fie wollen; wozu auch zwei unter ihnen, Koras Gefpielinnen, große Luft tragen. Kopebue Hat in biefer Kora Mars montels Koraly copirt.

AS Fortſehung ſchrieb Kopebue: „die Spanier in Peru oder Rol- 108 Tod.“

Abermalige ungeheure Großmuth Rolla's. Kora Hat ihr Kind verloren,‘ Spanier Haben es gefunden und ber graufame Pizarto behält es als Geifel, aber Rolla entreißt es ifm, wird babei verwundet und bringt es, ſelbſt ſier⸗ bend, gefunb der Mutter zurüd.

Auf die naive Kora, die ungeheures Glück machte, ließ Kotzebue die noch nafvere Gurli folgen in dem Stüd „bie Indianer in England,

Kaberdar, ber vertriebene Nabob von Myfore, fein Sohn Fazir und feine Tochter Burli leben in England bei einem reichen Kaufmann Smith, ber auch einen Sohn und eine Tochter Hat, Robert und Liddy, welche beide Pärs den am Ende unter einander heirathen. Der ganze Witz beſteht darin, daß Gurli, ald ein Naturkind, ganz und gar feinen Begriff von ben europäifchen oder von menſchlichen Sitten überhaupt hat und in aller Unſchuld die verfängs lichſten Dinge fagt. Als fie ſchon Roberts Braut if, will fie aus Mitleid defien Bruder heirathen sc. Pibby ihrerſeits follte anfangs den alten Raberbar heirathen, würbe aber wit dem Sohn beglüct. Gurli mit ihren affectirten Natürlicpfeiten, bie lediglich Plattituben und ſtudirte Schlüpfrigfeit find, machte beim deutſchen Publikum unermeßliches Glüd und war lange Zeit die banfs barfte Rolle für die Schaufpielerinnen. Aber fie ift gar nicht einmal von Kotzebue's Erfindung, fondern von Chamforbs jeune Indienne entlehnt.

Zu diefen Nalvetäten gehört aud das Schaufpiel „Bruder Morig.

Morig ift pifict darauf, ein gefallenes Mädchen zu Heirathen, bie ihm ihren Unfall gefteht. Gerade dem Dorurtheil der Welt zu tropen, gefäht ihm, und ihr Meines Verſehen verzeiht ex ihr leicht, denn „alles Tiebt fih ja, alles baut ſich Neſter.“ Dieſes Stüd if in einer Spagenlaune gefchrieben.

Die Moral folder Stüde fand unermeßlichen Belfal in ber von aller Religion und DBaterlandöliebe immer mehr entleerten Zeit. Die Kotzebue ſche Sittenlehre, vom Theater herab verkündet, brängte immer mehr die chriſtliche won der Kanzel herab verkündete Sittenlehre in den Hintergrund.

Klein und ſchwächlich von Natur, frühe ausſchweifend und raftlos mit der Feder befeäftigt erkrankte Kogebue in Reval und nahm Urlaub

.

128 Reuntes Bud.

- zu einer Erholungsreife. Sein Arzt war der berühmte Zimmermann, der damals eine literariſche Fehde mit Bahrdt hatte. Nun ſchrieb Kotzebue, angeblich für Zimmermann, aber weſentlich aus eigener Malice und um ſich einmal fo recht behaglich im eigenen Koth zu wälzen, die Brochure „Bahrdt mit ber eiſernen Stirne“, das ſchmutzigſte, ekelhafteſte Pas» quill, das je geſchrieben worden, wobei er als Verfaſſer Knigge auf dem Titel nannte, und außer Bahrdt auch den gentalen Lichtenberg und andre mit Unflath überfehüttete. Als man ihm, als dem muthmaßlichen Ver- faffer, auf die Spur kam, verficgerte er feiner Mutter in einem Briefe heilig und theuer, er fey es nicht, und beſtach einen jungen Mann, fi als Verfaſſer zu nennen. Aber alle diefe Ränke halfen nichts. Es wurde ihm beiwiefen, daß er allein ver Verfaſſer ſey und er mußte abermals aus Deutſchland flüchten. Aber in Rußland wurde ihm von ber Katferin Katharina IL. leicht verziehen, weil er vorgab, alles für Zimmermann, ven fle ſehr ſchätzte, gethan zu Haben, und weil er fie durch ein Buch über den Noel beſtochen hatte, 1790. Im vemfelben Jahre ftarb feine Brau, die er auf dem Krankenbett verließ, ehe fie noch geftorben war, um nad) Paris zu eilen und ſich ſchon unterwegs, wie er felber in feiner „Blut nad Paris“ naiv bekennt, bei hübſchen Mädchen erholte. Nach- dem er Paris genoffen, blieb er eine Zeitlang in Mainz und ſchrieb Schauſpiele, 1795 kehrte er nach Rußland zurüd und heirathete ein Fräulein von Krufenftern. 1797 ging er nah Wien, von wo man ihn angeblich dur Intriguen wieder vertrieb. Er wollte fih nun in Weis mar nieberlaffen, aber Göthe goutirte ihn nicht und die Schlegel fingen an, ihn kritiſch zu geißeln. Da ſchrieb er gegen dieſe die Satire „ber hyperboreiſche Efel“ und machte fi davon. Aber In Rußland war unter deß Paul I. zur Meglerung gekommen, der ben Rückkehrenden für einen geheimen Agenten des Auslands nahm und ſogleich nad Sibirien trans» portiren ließ, 1800. In TobolsE angelommen, wurde er noch in dem⸗ felben Jahre zurüdgerufen, nachdem er ven Kalfer durch das in Peterb- Burg aufgeführte ſervile Luſtſpiel „ber alte Leibkutſcher Peters III.“ verſöhnt Hatte.

Nach Pauls Ermordung begab ſich Kohebue nad Berlin, nachdem er erfahren Hatte, welchen ungeheuren Beifall gerade dort feine Stücke bei Hofe wie beim Publikum gefunden hatten. In der That herrſchte

Die Ratürlicpfeitäperiode. 129

. zwiſchen der damaligen Berliner Frivolität und Sentimentalttät unb ber Kotzebue ſchen eine Wahlverwandtſchaft. Kotzebue wurde wie ber größte gelſtige Heros in Berlin empfangen und vom König zum Mitglied ber Alademie der Wiſſenſchaften, von der Königin zum Vorleſet ernannt. 1804 nad dem Tode feiner zweiten Frau Heirathete er bie dritte, eine Verwandte der letzteren. Als Napoleon Vreußen überwältigte, floh Kohebue wieder nad Rußland.

Bon Rußland aus begann nun Kotzebue eine yoikhjäe Polemik gegen Napoleon in der nordiſchen „Biene“, mie er denn 1813 dem ruſſiſchen Hauptquartier nad Deutſchland folgte. Nah Beendigung ber Kriege blieb er im Solde des Kalſers Alexander in Deutfepland, um demfelben in „liierariſchen Bulletins“ Bericht zu erflatten über bie Buftände ber deutſchen Prefie und Univerfitäten. Da er biefes Vertrauen des Kaiſers benugte, um feine perſönlichen Gegner zu verbächtigen, und überhaupt bie damaligen deutſchen Patrioten denuncirte, fo wurde der Haß in ber deutſchen Jugend gegen ihn allgemein und am 23. März 1819 fta ihn Ludwig Sand aus Wunfledel, Student der Theologie aus Sena, in Mannheim mit einem Dolce nieder.

Kogebue Hat unzählbare Schauſpiele, auch viele Romane und Er- zaͤhlungen geſchrieben. Ich gruppire fle nach dem Inhalt. Bu der oben Sarakterifirten fentimentalsTüberligen Gruppe geſellt fi eine von teinfter Frivolität, deren Mittelpunkt „die beiden Klingsberge“ bilden, ein Luſt⸗ ſplel von 1805. v. Hormayr fagt in feiner Iegten Schrift „Kaiſer Franz und Metternich“ ©. 30, unter Klingsberg fey Fürft Metternich gemeint und das Ganze beruhe auf einer wahren Geſchichte.

Graf Klingöberg, der Vater, if ein ewig Beiterer gutmüthiger Lebe⸗ mann, aber ein alter Geck, ber noch jeber Schürze nachlaͤuſt. Sein Sohn iR ein vollkommener Rous, wie der Vater in feiner Jugend, beide im Punkt der Weiber einer fo verborben wie ber andere. Adolph, fo heißt ber Sohn, leicht einem fchönen Frauenzimmer in der Nähe Wiens auf einem Dorfe nach. Auf diefelbe Hat auch der Vater fein Auge geworfen. Sie treffen uns vermuthet zufammen. Der Sohn erzäplt dem Bater einen Spaß, mie er geftern bei einer ſchönen Stalienerin geweſen und von dem alten Herrn, ber fie unterhalten, beinahe ertappt worden wäre. Der alte Herr aber if der Bater ſelbſt. Aergerlich, daß ihm .der Sohn überall ins Gehege geht, hat der Bapa doch eine Freude daran, daß ihm ber Sohn fo ganz nachfchlägt. Der Sohn küßt das Kammermänchen, der Bater auch. Der gebtere will ihr

Menzel, deutſce Digtung, II.

130 Neuntes Bud.

LE einen Shaw ſchenken, aber feine alte Schwefter kommt dazu und et muß nun die Miene annehmen, als fey der Shawi ihr beſtimmt gewefen. Der Alte Hat die Schöne vom Lande liſtig in die Stadt gelodt und macht ihr feine Anträge, der Sohn kommt wieder dazu und thut desgleichen, beide aber werben abgewiefen und überliftet, denn Amalie, fo heißt die Schöne, iſt bes reits mit einem Offizier, von Stahl, verheirathet, der jedoch in armen Um Händen Iebt. Zufällig Hat diefer Offizier eine hubſche Schweſter, Henriette, welche Adolph auffpirt und der er gleich Anträge macht. Cie weist ihn ab, da wirft er das Gelb zum Fenſter hinaus. Die Straßenbuben ſchlagen ſich drum, es gibt einen Auflauf. Stahl kommt dazu und flellt den leichtſinnigen Grafen zur Rede. Sie fehlagen fi. Adolph bereut feinen Leichtfinn, und ‘ba er erfährt, Stahl fey von gutem Mel, fo entfchließt er fih, die Chre der Schweſter durch eine Heirath; Herzuftellen. Ohne davon zu willen, kommt nun auch ber alte Graf zu Henrietten und macht ihr Anträge. Als er nun alles erfährt und ihm Henriette durch feinen Sohn, Amalie durch Stahl entführt iR, tröſtet er ſich damity fein läderlicher Sohn werde in vier Wochen an feiner Frau genug Haben und bann fey noch immer Zeit, wieber bei ihr anzuElopfen. Ein anderes eben fo frivoles Stüc von Kopebue ift der „Mehbor“. Auf des Grafen Gut hat Pächter Grauſchimmel einen Rehbock geihoflen unb fol vom Gute gejagt werben. Die Baroneffe Freyling, eine junge BWittwe, Schweſtet bes Grafen, die ihn feit früher Jugend nicht gefehen und eben anfommt, trifft mit ben weinenden Pächtersleuten zufammen und erbietet fh, in den Kleidern feiner jungen rau zum Grafen zu gehen und fürzubitten. Gleich iB nicht nur der Graf, fondern auch fein Stallmeifter in fie verliebt. Diefer Stallmeifter ift ein Baron, Bruder der Gräfin, aber eben fo wenig von ihr erfannt, wie bie Baroneſſe von ihrem Bruder, dem Grafen, und Hat daher auch bereitö ald Liebhaber Glück bei feiner Echwefter gemacht. Der Baron Fauft dem Bächter feine vermeinte Frau um Geld ab, biefer will ihm aber ehrlich feine wirkliche Frau abtreten. Als endlich alles ſich aufklärt, bleibt feiner übrig, ber nicht bie Treue gebrodjen Hätte; ba auch bie Pähterin ſich in der Baronin als Jüngling verfleivetes Rammermädchen verliebt Hatte. In den „Pagenſtreichen“ wird mit dem ehrwürdigen Alter ber frie volſte Spott getrieben. In den „Stricknadeln“ wird einer galanten Dame, bie fi Liebhabern und hohem Spiel ergibt, von bem treuen Ehemann aus ber Noth geholfen und verziehen. Gin feltenes Rührei von Empfind- ſamkeit und Unzucht tft Kotzebue's Roman „Reontine”. , Leontine von Blondheim heirathet ihren Couſin Arlhofen, nachdem fie dem Rittmeiſter Wallerſtein, der bei ihr verleumdet worden, als Habe er eine Mais treffe gehalten, dem Korb gegeben. Nachher findet fih, er fey ganz unſchuldig

Die Natürlicgkeitöperigde. J 131

und ein edler Mann, Arlhofen dagegen ber Wüfling. Sept erſt liebt fie Ballerflein, bleibt aber keuſch , verfagt ſich feinen Vegierben und treibt ihn von ſich in den Krieg. Als Nelgofen ein Rammermäbchen fäwängert, ftellt ſich Seontine ſchwanger und übernimmt das Kind. Arlhofen fommt in einem Duell um. Der Rittmeifter Hat ſich im Kriege ausgezeichnet und will eine gewiffe Louiſe heirathen, aber gute Freunde ſchieben ihm Seontine unter und es gibt ein glüdliches Paar. ö

Aus der Maffe lüderlicher Sachen, melde Kotzebue geſchrieben, unter ſcheidet fi ein Jugendroman „bie Lelden ber Ortenbergiſchen Familie“ als rührend ohne falſche Empfinbelet, und das berüßmte Luftfpiel „bie deutſchen Kleinſtädter“.

Sabine, die Buͤrgermeiſterstochtet von Kraͤhwinkel, war eine Zeitlang in der Reſidenz, Hat dort den jungen, liebeswürdigen unb reichen Olmers kennen gelernt, der ihr bie Cour gemacht, glaubt ſich aber von ihm vergeflen, da fie, in ihr Baterflädtchen zurüdgefehrt, nichts mehr von ihm Hört. Muf einmal

kommt er felbft mit einem Gmpfehlungsbriefe feines Freundes, des Minifters,

an ihren Vater. Zufällig Hat ihre Großmutter fie ertappt, wie fie das Pors trait von Olmers betrachtet, und Sabine hat es in der Berlegenheit für das Bildniß des Königs ausgegeben. Nun wird Olmers für ben König gehalten und von der Familie und ihrer rebfeligen Frau Muhme "auf Täcjerliche Art veneritt, Nachdem der Irrthum erfannt ift, ſtimmt bie Familie ihre Meinung von Olmers um fo mehr herab, als er es vornehm verfäumt, ſich in bie Heinftädtifgen Sitten zu fügen, jedem und jeder den gebührenden Titel zu geben ꝛc. Als er nun förmlich um Sabine anhält, befchließt der Familien⸗ tat, fie ihm nicht zu geben, fonbern den bisherigen Bräutigam, Baus, Berge und Weginfpectoröfubflitut Sperling beizubehalten. Aber Dlmers und Sabine verabreden in deflen Gegenwart in äquivofen Reden, die er nicht verfteht, ein Rendezvous auf den Abend. Bei biefem werben fie ertappt, Sabinens Ruf ift dadurch compromittirt und es wird Olmers nun um fo leichter, ihre Hand zu erhalten, ald er jeht mit einem Titel herausrückt, bie Gunft, bie er beim Minifter genießt, gehörig geltend macht, dadurch den Vürgermeifler aus einer Verlegenheit, in die er durch bie Flucht einer Delinguentin gefommen iſt, zu reißen verfpricht und endlich der alten Großmutter, dem Vater und Onfel, fowie allen Frau Muhmen ihren Titel gibt und Jedem den althere Lömmlichen Reſpect erweist.

Das Stüd wurde ungeheuer bellebt, ohne daß e8 irgend Geiſt verriethe. Es faßt nur eine, und noch dazu ziemlich unſchuldige Laͤcherlichkeit an der Kleinftäpterei auf, die Titelſucht und Wichtigthuerei mit Kleinigkeiten. Im Allgemeinen tft am Kotzebue's Luftfpielen der leichte Dialog,

132 . Reuntes Bud.

. mander gute Witz, eine meiſt natürliche Auffaffung der Charaktere zu

loben. Uber der Leichtſinn, mit dem er alles Ernfte, Würbige und Geis lige behandelt, kann nur Ekel erwecken. Und doch wagte er fi ins tragiſche Gebiet und wollte mit Schiller wetteifern. Aber feine ernften Dramen: Octavia, Rudolf von Haböburg, Bela's Flucht, Bajard, Eduard in Schottland, Graf Benjowski zc. ertränfen ben oft guten Stoff in empfindfamen Effekten und hochtrabenden Phrafen, Hinter denen immer ‚pie Kotzebue ſche Gemeinheit Hervorblict. Wie er fih zur Romantik ver- ſtieg, davon noch fpäter. .

- Burch ard, Rechtsgelehrter in Roſtock (} 1787) ſchrieb unter dem Namen Roller zwei Schauſpiele, die In Effekten mit Kotzebue's Stücken wetteifern. > -

Im Grafen von Santa Vecchia (1792) ſtellt er den zu jener Zeit berüch⸗ tigten Gaglioftro und alle verwandten Myfierien und Charlatanerien an ben Pranger und läßt den gefunden Menfdjenverfland und bie Aufhärung einen glänzenden Sieg feiern. Im der „Dichterfamilie” weiß er bie Zuherer durch das Elend eines verarmten Poeten fürchterlich zu rühren.

oh. Ludwig Huber, Oberamtmann in Tübingen (f 1800), gab [on 1751 Oben "und Lieder, 1787 affectirte Reben mit Gott heraus, und ſchrieb 1791 das lüderliche Trauerfpiel Zamtra.

Gine Pet verheert Golfonda. Der König will feine einzige Tochter Zamira ben Göttern zur Sühne opfern. Ihr Beliebter Mora raubt ihr nun eilig noch vor dem Opfermorgen bie Bigenfchaft der Jungfräulichfeit, als bie unerlägliche Bedingung des Opfers, umb reitet baburch zwar fie, verfällt aber ſeibſt der Todesſtrafe. Zamira aber ſtirbt mit ihm.

Naͤchſt Kotzebue wirkte hauptſäͤchlich der penfiontrte preußiſche Lien- tenant Julius von Voß durch feine in allen Leihbibliotheken weit⸗ verbreiteten Schriften auf das Berliner und norddeutſche halbgebildete Publikum ein. Er ſchreibt zum Theil grob, unzüchtig und hoͤchſt gemein, aber feine längft verworfenen und vergeffenen Romane find der treuefte Sittenfplegel feiner Zeit, zunächft der preußiſchen Corruption vor ber Schlacht von Jena. Die zuerft von ihm geſchriebenen „Begebenheiten eines fhönen Offiziers, der wie Alcibiades lebte und wie Eato flach“ (Berlin 1817), erſchilenen anonym, weil dad Bub ein nur zu treues Bild des Berliner Offizterölebens vor ber Schlacht von Jena enthielt und der Autor fi feinen Vorwürfen perſönlich ausfegen wollte.

Die Ratürlicpfeitsperioe. 133

Der Held des Romans iſt der junge Herr von Gall, ein Gtanbartenfunfer von ber Garde comme il faut, ald Jbeal einer ganzen in Berlin wohlbelannten Gattung von jungen lüberlichen Edelleuten in maleriſchet Uniform. Die Lieb⸗ linge des Hofes, fbielten fle die erſte Rolle bei allen Bällen, wurben von den vornehmften Damen protegirt und zu Rathe gezogen, verführten junge Mädchen, feierten Orgien, verfchwenbeten ungeheure Summen, madıten eine Stubienreife nach Paris, um das Echwelgen aus dem Grunde kinnen zu lernen, und gaben öffentlichen Skandal durch Bubereien aller Art. Der noch blutjunge Sall verführt, wie Baublas, ein junges Wräulein, inbem er ſich der noch Bartlofe, in Mädchenkleivern zu iht Riehlt. Er verführt noch viele und laͤßt ſich verführen. Gr übertrifft alle Nebenbuhler an Kechheit. Einmal wettet er, ohne Hofen an Damen vorüberzureiten und thut es; wegen

. feinen hohen Stiefeln und des Küraffierrods ſieht man nur einen Streifen feiner Beine und merkt nicht, daß man bloß die Haut fleht. Ein ganzes Heer von Mädchen und Frauen zieht an feinem Triumphwagen. Wie dem Don Juan find igm- alle recht, Groß und Klein, Prinzeffin und Rammermäbchen. Dafür bekommt er frühzeitig die Gicht. Der lange Frieden erlaubt fein Avanceınent. Is endlich der Krieg ausbricht, wird er gleich anfange gefangen. Diefe Demüthigung und das frühzeitige Schwinden feiner Kräfte machen ihn ſchwermůthig und er ſchießt ſich eine Kugel vor den Kopf.

Wie Voß bier die Offigierd- und Adelswelt, eben fo meifterhaft, wenn auch mit ariftophantfcher Freiheit, ſchlldert er die tiefere Schicht In ven „Begebenheiten einer Marketenderin mit ihren kritiſchen Anſichten der Feldzüge von 1806 und 1807“. (Berlin 1809.)

Die‘ Heldin Veronica iſt Tochter einer Kupplerin in Weimar, im Borbel geboren und erzogen, aber angeflogen von ber @eiftigfeit ber Stadt und ihrer poetiſchen Koryphäen. Ihre Mutter kommt ins Zuchthaus und zuleht an ben Galgen. Sie felbft wird Magb und verliebt ſich in den Schuſterlehrling Sa⸗ muel, dem fie (immer auf dem Abtrith äſthetiſche und philoſophiſche Bildung beizubringen fucht. Gin alter Vormund, ber ſich in fie verliebt Hat, wird von Samuel durchgeprügelt, weßhalb biefer lehtere fliehen muß. Gr wirb Soldat. Seine äfthetifche Bildung zieht ihm Spiepruthen zu. Weronica folgt ihm und will ihn heitathen, aber ihre Trauung wird ſtets geſtört. Gein Oberſt ſtellt ihr nach, aber fie vettet fi vor ihm, indem fie ihn bittet, erſt feine Stiefel anszuziehen, und ihn. bann mit den Beinen und ben halb auss gezogenen Stiefeln zappeln läßt und bavonläuft. In der Schlacht bei Jena fommt ihr Samuel um. Gin Wundarzt Wolf nimmt ſich ihrer an und

heirathet fie- Auf der Flucht befommt fie einen Schuß in den Theil, der ſie der Venus Kallipygos ähnlich macht, und wird von ihrem kundigen Gatten geheilt, verliert ihn aber durch den Tod. Gin Kanonier ſchüht fle vor der Brutalität anderer Golbaten und wird ihr brifter Mann, fällt aber auch.

134 Neuntes Buch.

Ein italieniſcher Offizier, in deſſen Gewalt fie geräth, macht ihr bie zartefte Liebeserflärung, fößt fie aber kalt wieder von ſich, als er entdeckt, fie fey ein Weib und ein Züngling. Ein Herrnhuter Hilft ihr, heirathet fie, bes rührt fie aber nicht und geht in einem Schiffbrud unter. Nech ber blutigen Schlacht bei Eilau wird fie von einem Kofafen ausgeplündert und mit Gewalt geheirathet. Er frißt ſich aber beim Hochzeitoſchmaufe zu Tode und fie flieht. Der junge ſchöne Pole Boleslaw verliebt fi in fie und heirathet fie, gibt fi aber im Brautbett ald Weib zu erkennen. Beide werben arretirt und ſollen flerben, ald Samuel wieder erſcheint und fie’rettet. Sie wird nun für immer feine Gattin und ihre übrigen Männer, vie ſich alle ebenfalls wieder einfinden, werben auf andere Art abgefunden.

In diefer plebejiſchen Manter, die alles fagt und dad Gemeinfte und Widrigſte der Wirklichkeit iwie in einem holländiſchen Schmußgemälve ohne Scheu ausmalt, ſchrieb I. v. Voß auch fein Schaufpiel „die Liebe im Zuchthauſe“, worin aller Gemeinheit ungeachtet mehr Menſchenkenntniß und Wig vorkommt, als in mander Eoftbaren Jambentragödie.

Voß ſchrieb, weil feine erften Romane Glück machten, noch mehrere dergleichen, die Geſchichte eines öſterreichiſchen Partheigängers, eines Sufarenoffizier8, einer. Uhlanenbraut, einer franzöftfhen Marketenderin, alfe aber minder originell. Dagegen ift feine Eleine Erzählung von Herrn von Schiewelbein vortrefflich.

Diefer Schiewelbein iR ein dummer Junge, aber von Adel und wird pro⸗ tegirt, fo daß er mit all feiner Dummheit von Stufe zu Stufe immer höher ſteigt bis zum General und Gefanbten. Auch ein nur zu wahres Spiegelbild ber Zeit, wie bie Commandanten ber preußiſchen Feſtungen in den Jahren 1806 und 1807 bewiefen Haben.

In dem Roman „die Flitterwochen“ (1818) behandelt Voß nicht ohne Geift den Leichtſinn der damaligen Berliner in Bezug auf Ehe und Eheſcheidungen.

‚Herr von Gbenthal, ein ſentimentaler Bräutigam, feiert mit feiner eben fo fentimentalen Braut Julie eine ganz eigenthümliche Hochgeitsfeier und made her hoͤchſt romantiſche Flitterwochen, indem er mit ihr auf einer einfamen Juſel Halb nadt im veinften Unfhulbsftande zubringt. Mber diefe Phantafterei nimmt

‚ein übles Ende. Das zaͤrtliche Paar findet ſich nad und nach Iangweilig, entdedct Hinter dem theatralifchen Schein eine gemeine Wirklichkeit, efelt fih, erzürnt ſich und ſcheidet ſich.

Die Unnatur des Comödianten⸗ und Literatenthums, feine innere Züge, die Frechheit, mit der es auf das Publikum fpeculirt, auch dieſe

Die Natürlicjfeitsperiode. 135

Corruption wurde von I. v. Voß melfterhaft dargeftellt In feinem Lufl- ſpiel ‚Künſtlers Erdenwallen“.

Ein Paar junge Leute vom Lande hoffen in der Stadt hohe Kunſtgenüſſe und Halten jeden Dichter und Künſtler für ein Menſchhetteiveal. Da geräth der funge Mann an eine in allen Intriguen abgehegte Sängerin, das junge Mädchen an einen abgefeimten Tageöfcprififteller, werben von benfelben aus⸗ gebeutet und merken endlich ihre Taͤuſchung.

Die übrigen zahlreigen Romane und Erzählungen dieſes Autors enthalten viel Frivoles, aber auch Pifantes.

In feiner „Tauſend und einen Nacht" kommt eine Erzaͤhlung vom Pfeile vor, deren geniale Obfeönität nur von Rabelais und Ariſiophanes übertroffen wird. In dem Roman „bie Floͤte“ befennen Bräutigem und Braut höͤchſt ſchüchtern jedes, ſchon ein uneheliches Kinb zu haben, als fie bie überrafchende Entdeckung machen, es fey nur ein einziges, baflelbe, und zwar ihr beibers feitiges Kind. Im „Don Bigo und Donna Gajetania* machen Bräutigam und Braut eine noch felffamere Entvedung, nämlich, daß er ein Maͤdchen und fie ein Jüngling if. Im „verwünſchten Bringen“ wirb ein etwas übermüthiger Prinz durch. weife Vorkehr gebeffert, indem man ihn in eine Verſchwörung verwidelt, einferfern, entfliehen, in ber Noth Rekrut werben läßt und in harte Zucht nimmt, bis er reif genug ift, um bie Wahrheit zu erfahren und von feiner Bein erlöst zu werben.

Einem guten Theil deſſen, mad Julius v. Voß gefärieben hat, wird im nãchſten Jahrhundert diefelbe Ehre widerfabren, bie dem Simpliciffi- mus {n unferem widerfuhr; und er verbient es. Sein fehr ſchwacher Nahahmer in Bayern war Abolf v. Schaden, der mit feinen Blumen- und Fiſchermädchen, feiner Xeipziger Jungemagd, feinem deutſchen Don Juan x. fein Glück machte, obglei ihn Voß bevorwortete.

Einer der gelefenften Romanſchreiber war damals auch Guſtav Schllling, deſſen erſter vierbändiger Roman „Bulbo von Sohnsdom res1 erſchien

Guido iſt ein ſaͤchſiſcher Cavalier und Offizier, ein Alcibiades, in ben alle Damen ſich verlieben, der wütend eiferfüghtig wird, als er erfährt, feine

+ Geliebte Julie fen Maitreffe des Fürſten, alsbald einen Mord begeht, ins Gefängniß kommt, bald aber felbft deren Beifpiel nachahmt und das Leben genießt ohne alle Rückſicht auf Moral. ALS er endlich die fehöne Emilie Heiz tathet, Iangweilt ihn biefe bald und er ftürgt ſich in neue Abentheuer sc. Das Ganze ift eine rohe Kette von Schäferflunden, Mord und Betafıra. Die Damen reden und handeln alle wie in einem Vordell.

136 Neuntes Buch.

Derfelbe Verfaſſer hat no eine große Menge Momane verwandten Gelſtes gefäärteben, bie in den Geſammtausgaben von 1810 und 1828 ſich auf 50 Bände beliefen. Er war ſächſiſcher Offizier und fpiegelt neben, dem Preußen Julius von Voß am, beflen die damalige Luderlichkeli des Offiz ierslebens. Inzwiſchen ſteht er tief unter Voß.

Der thüringiſche Forſtrath Karl Gottlob Cramer, von befien politifhen und Nitterromanen wir fpäter Handeln werben, ſchrieb auch viele Romane von ber lüderlichen Art. Seine Schriften waren fehr be Hebt und durch bie Leſebibliotheken verbreitet. Beſondern Auf erlangte

fein deutſcher Alcibiades (1802). . . Mbert, ein junger Graf, wirb von allen Mädchen und Frauen geliebt und Hebt immer ein Paar zu gleicher Zeit. Dabei renommirt er entſetzlich mit Thatendrang und Tugend und will ein großer Mann werben. Das wird er auch, Feldhert und Fürft, derweil er immerfort zugleich liebt. Faſt immer Hat er zwei um fih. Seine Gemahlin Riſa und feine Gelichte Julie theilen ſich in ihn. ine dritte, die ihm mit töbtlicher Giferfucht verfolgt, Gräfin Xherefe, vetwundet ihn durch einen Piſtolenſchuß, wird aber von einem feiner Jäger mit dem Hirfegfänger „wie eine Sau“ abgefangen und muß ſterbend fehen, wie er vor ihren Augen feine Rifa füßt und ihrer fpottet. Mile Teufel, - Donnerwetter und die gemeinſten Schimpfwoͤrter aller Art erfüllen den Roman.

Als Anhang dazu fehrieb Cramer den Hermann von Nordenſchild. Nicht beffer tft fein Moman „ber Glückspilz“.

Gin gewiſſer Frik , Junger Gehülfe eines alten Verwalters, wird von deſſen junger Sran Dorchen verführt; der Alte ertappt fle einmal Im Chebruch, läßt ſich aber nichts merken und ſchickt einfach; den jungen Menſchen fort. Brik Hat noch eine zweite Liebfehaft mit Lottchen, einem Hübfchen Mädchen in ber Nähe, und Fommt nad) einiger Zeit glüllich zurück und heirathet fie, während

Dorchen, die mit feinem Nachfolger ebenfalls gebußlt Hat, von demſelben ſchaͤndlich beſtohlen wird. Die Ioderfien und ſchlechteſten Sitten werben in biefem Roman als etwas, was fid von felhft verfiche, varausgefept. Doch iſt der Charakter des üppigen Weibes Fräftig und fehr wahr gezeichnet.

Aehnlich iſt Cramers „Frelherr von Rubin“.

Molph iſt der Sohn eines Marſchalls, ver im Kriege großen Ruhm erwirbt. Adolph felbft aber dient nicht als Soldat, fondern if nur ein im Sergarten der Liebe herumtaumelnder Cavalier, ermordet ben Bruder feiner geliebten Louiſe und inbireft auch ihren Mater, weil biefer aus Schrecken an einem Schlage ſtirbt. Das hindert Louiſen nicht, ihn aufs jaͤrtlichſte, ja luſtigſte zu lieben. Als fle aber feine Frau ift, buhlt fie gleich wieder mit einem

Die Ratürlicpkeitöperiode. 137

Baron, ben, er ebenfalls nieberfchießt. Gie ſtirbt aus Gram, er heirathet eine andere und wird glücklich. Sein Freund Albrecht, an den er alles ſchreibt, was ihm wiberfährt, erſchießt feinerfeit® bie ihm unfren geworbene ‚Henriette. Toller Roman in ber gemeinften Sprache. Die vornehmften Leute eben befländig per Kerl unb fluchen und ſchimpfen. -

Die größten Frivolitäten findet man in Eramers Rafereien ver Liebe (1801), Yauter Eleine verbuhlte Erzählungen.

Julius, Graf von Soden, preuß. Geſandter beim fränkiſchen Kreife in Nürnberg, ſchrieb viele Schaufpiele. Eines feiner früheften und das am meiften phantaſtiſche iſt feine Aurora von 1790.

Als die natürliche Tochter eines Königs if Aurora ein Kind ber Liebe und will ihr ganzes Dafeyn nur der Liebe weihen. Zu bem Behuf fucht fie fi} einen gewiflen Antonio, einen ſchönen, aber etwas einfältigen und wunder⸗ füchtigen Offizier aus, erſcheint ihm -bei einer Geiſterbeſchworung als Satan verfleivet und bietet ihm alle möglichen Wege zum Glück an, bie er alle aus— ſchlagt, endlich die Liebe, die reinfle, ibealfte, befeligenbfle Liebe. Diefe wählt ex. Da verſchwindet Satan und unter feiner ſchwarzen Hülle erſcheint bie himmliſch ſchoͤne Aurora, die fih nun für ein bloß geiftiges Weſen, für das @efchöpf feines bloßen Wunfches ausgibt und dieſe phantaftifche Rolle mit vieler Anmuth durchſpielt, bis er endlich merkt, daß fie von Fleiſch und Bein und eine Bringeffin if. -

In der „Macht der Wallungen“ 1791 iſt e8 eine Lina, bie den in fie verliebten Prinzen durch Moralprebigten zur Tugend zurüdführt. Im „neuen Timon“ bleibt eine Leonore, obgleih ein Fuͤrſt fie liebt, ihrem von Allen verlaffenen Geliebten treu. „Laura“ wird in dem Augenblid von einem Prinzen entführt, in dem fle Nonne merben fol. „Shah Sadi“ erftiht fih aus purer Großmuth, um, bie ſchöne Alma fammt dem Reiche ihrem Geltebteh” Almanfor zu überlaffen. n®ranz von Sieingen“ vermãhlt aus Empfindfamkeit und Liberalismus feine einzige Tochter einem armen Hirten. Dergleichen überfpannte Großmuth kehrt noch öfter in Sodens Stüden wieder." Er wagte fi auch in Trauerfpielen an Meben, Kleopatra, Virginia, Heinrich IV., Inez de Eaftro, Anna Boley, Pie zarro ac., bleibt aber überall zu empfindfam. Die ganze Kotzebue'ſche Lüderlichkelt kehrt wieder in Sodens „Emmi ober bie zerbrochenen Eier“, einer Idylle in Herametern wie Göthe's Dorothen, Voſſens Louiſe sr.

Emmi ift ein naives Schweizermäbchen. Im Jahr 1814 kommen Koſaken ins Quartier. Edmund, ein ſchöner Kofafenoffizier, verliebt fi in Emmi;

138 Reuntes Buß.

und als fie einmal mit einert Korb Gier zu Markte geht, Tommen fle in einen zaͤrtlichen Conflift, daß bie Gier zerbrechen. Der Koſak muß weiter ziehen und vergißt dad Feine Abentheuer. Emmi aber wird guter Hoffnung. Ihr Bater, anftatt böfe zu werden, tröfet fle (©. 109):

Emmi, ‚verloren ift deine jungfräuliche Chre,

Doch nicht die Unſchuld, ich fühl’ es, Er raubte dir jene,

Diefe konnt' er nicht rauben.

Zufällig kommt Kathinka, Edmunds Braut, die ihm nachreist, in biefelbe Gegend, erfährt was vorgegangen und beſchließt, Cbmund zu Gunften Cmmi's zu entfagen. In Straßburg, wo Kathinfa ihren Bräutigam wieberfehen foll, febt fle ihm am Ofterfeft ein großes Oſterei vor, und als er es neugierig öffnet, findet er darin fein und Emmi’ Kind. Ganz gegen das in ihr liegende feivole Motiv ift diefe Idylle nicht im fatiesfen Styl mit humorifis ſcher Laune gefchrieben, fondern im empfindſamſten Gruft.

Auguft Friedrich Ernft Langbein, ein geborner Sachſe, aber als Cenſor in Berlin angeftellt, war Iange Zeit beltebt durch feine zahl- zeichen Schwänfe und komiſchen Erzählungen, in denen er, noch in Gel- lerts und Wielands Manter, altdeutſche, italleniſche und franzöſiſche Stoffe behandelte. Er ſchrieb dieſe kleinen Sachen abwechfelnd in Verfen und . Profa. In einem größern Roman „Thomas Kellerwurm‘ von 1806 metteiferf er mit Julius von Voß.

Der Held ift ein Major von Pampel, ein bider Falſtaff, zubenannt ber Kellerwurm, weil ex ſchrecklich viel trinft. Wie feht er bramarbaſirt, ift er doch feig und während er bei einer nächtlichen Affaire ſich ins Heu verkriecht, -zieht feine zärtliche Freundin, die Marketenderin Gertrud Schnick, feine Kleider an und fiegt für ihn, fallt aber, als fie biefen Kleidertauſch zum zweitenmal unternimmt, und feine Schande kommt an ben Tag.

Die Hleineren Erzählungen und erzählenden Gebiäte erfheinen unter vielen Titeln als: Schwänfe, neue Schwänfe, komiſche Erzählungen, Märchen, Jocus, Novellen, Herbſtroſen, Talisman gegen die Langeweile, Zeitſchwingen, Felerabende, Eleine Romane, Gedichte. Ste find zumellen arg frivol, im Ganzen aber iſt darin viel Geift und echter Wi, weil fle faft alle Älteren guten Quellen entnommen find. Was Langbein felbft erfunden Hat, ift durchgängig ſchwächer, doch zumellen recht Heiter, wie ex denn auch belichte Geſellſchaftslieder dichtete, z. B. „Ih und mein Flaãſchchen find immer belfammen“, „Magifter Zimpels Poſt- und

Die Natůrlichleitoperiode. 139

Brautfahrt“, die beſte und auch berůhmteſte Erzaͤhlung von Langbein, erſchien im Becker'ſchen Taſchenbuch auf 1813.

Der Magifter erzaͤhlt ſelbſt, wie er in Gimpelwalde als dritter Lehret angeſtellt, durch ungeſchicte Höflichfeit Keim Jubelfet des Guperintendenten Alen zum Spott geworben fey. Indem er nämlich den Superintenbenten bes glüdwünfeht, ſtieß er mit dem Allerwertheſten den Vürgermeifter auf den Bauch, und indem er ſich wieber umwandte, trat er ben Zuflizamtmann auf den giche tiſchen Fuß. Dann bei Tafel fließ er eine Baumtorte um ꝛc. Da er nun von allen Damen des Orts verhöhnt wurbe, wollte er fih eine Braut in ber Reſidenz ſuchen und fete ſich auf die Poſt, fand aber bie Zufünftige ſchon im Poſtwagen, nämlich, eine junge hübſche Wittwe. Bei einem Sturz aus bem ‚Bagen zerfprengte er ſich die Veinkleider und verwundete ſich leicht an der Stirme. Die Wittwe verband ihn mit einem Tuch. Der Hoſen wegen mußte et auf der Station zurüdbleiben. Dann traf er mit einem Heer von Stu—⸗ denten zufammen, bie ihn foppten. Einer berfelßen Heibete ſich ald Mädchen und Iodte ihm eine Menge lächerlicher Höflichfeiten ab, zog aber nachher eine Tabadöpfeife hervor und bemadfixte fih. Kaum biefem Gohmgeläditer ent gangen, traf Zimpel auf ver Weiterreife mit einem grimmigen Foͤrſter zufams "men, der die Wittwe auch liebte und ihr nachreiste. Diefer erfannte das Tuch, nahm es dem armen Zimpel ab und ließ ihn arretiten, als wiſſe er von der Vermißten ober abe fie wohl gar ermorbet (weil Blut an dem Tuche wat). Da erſchien die Wittwe felbft wieder, auf ber Rüdkelfe, befreite ihn und wurde feine Braut. Der Ton biefer Grzählung if fehr launig, und Bimpel bleibt troß aller Lächerlichkeit Tiebenswürbig.

Im Style der Langbein'ſchen Schwänke, aber ungleich frivoler ſchrieb unter dem Namen Althing Profeſſot Chriſt. Aug. Fiſcher in Mainz im Anfang unſeres Jahrhunderts wiele erotifche Erzählungen (Dofenftüde, der Hahn mit neun Hühnern, Hannchens Hin» und Herzüge, Geſchichte der ſieben Säde ac.). Diefer Claſſe gehörten auch ſchon die „Natürlich- kelten/ des Frelherrn von Goltz (1798) an, und deſſen „Gedichte in Grecourts Geſchmack⸗ (1771). Mit welcher Speiſe man das Publikum damals labte, mag aus folgenden Titeln von aus ven Lelhbibllotheken ausgelefenen Romanen hervorgehen: Epriftingen in taufend Gefahren der Mutter und Tochter im Kindbett (1806), Eöleftinens Strumpfa Bänder (1805), Möschens Verlegenheiten, Guſtchens Geſchichte ober fo mußte es Eommen, um Jungfer zu bleiben (1805), Mariannens Schäfer ſtunden (1801), Nonne und Aebtiffin im Wocenbett (1797), das wun⸗ berthätige Unterröckchen (1800), das Unterröckchen, wie es ſeyn fol;

140 Rente Bud.

Felix, mit der Bleteteeer, Zulchens Schwaqhheiten, Guſtavs Verirrungen, die Honigmonate, acht Probenãchte ꝛtc.

Anton Wall (der eigentlich Chriſtian Lebrecht Heyne hieß und zu Hirſchberg Im Vogtlande privatifizte) ſchrieb neben jetzt vergeſſenen Krieg lledern dramatiſche Kleinigkeiten und einige Romane, die bekannter gewor⸗ denen „Baggatellen“, die einige Luſtſpiele, Erzählungen und Anecdoten enthalten, doch auch nur von geringem Werth.

Die Bindung eined Strumpfbandes iſt artig erzaͤhlt. Witzig auch das Gaſtmahl eines toleranten Oberpriefterd, ber ſechzig Prieſter von eben fo viel verſchiedenen Sekten bei ſich tafeln laßt im „herzlichen Einverflänbniß“. Gens timental ift die Gefchichte einer Dame, welche, zur Heirat; gezwungen, ihren Mann haßt und flieht, bis fie fh beim Anbli feines Portraits und indem fle Hört, auf welche ihm zur Chre gereichende Weile er ein Auge verloren Habe, fich plotzlich in ihm verliebt.

Albrecht, Arzt in Altona, ſchrieb 1789 den Roman „Lauretta Piſana“, der dreimal aufgelegt wurbe,

die Gefchichte einer eiteln Buhlerin, welche durch Pfaffen verführt, immer Kiefer finft, Bi ein edler Engländer ihr ſittliches Gefühl wieder erwect, worauf fie in ein Klofter geht.

Sehr viele Romane hatten berühmte Buhldirnen und fürſtliche Mais treffen zum Gegenftande. Eigenthümlich mar vabel das Idealiſtren der Buhlerinnen. Schiller in feiner bürgerfreunblien Lady Milford Hatte den Ton angeſchlagen. Maitrefien, die ihre Kürften zum Guten Ienkten, und aus bem Laſter eine Tugend machten, mwurben in Romanen und Schaufpielen beliebt. Auch glaubte man in dem Vagabundenleben von Buhlerinnen niebrigfter Ertractton das Romantiſche ganz nahe in ber eig- nen Helmath zu befigen und gleihfam neu zu entdecken. Daher nicht nur fürſtliche Maitreffen und Schaufptelerinnen, fondern auch gemeine Bett Terinnen zu Romanheldinnen erhoben wurden. Alle fürſtlichen Celebritäs ten biefer Art aus Älterer und neuerer Zeit kamen fm deutſche Romane. Eben fo Italienerinnen, Lauretta Piſana, Blanca Capello sc. Selbft noch lebende deutſche Maltreſſen, mie bie Gräfin Lichtenau, Diana, Berlins erſtes Öffentliches Mädchen (1794), Jettchen Schönthal, die ſchönſte Buhlerin ihrer Zeit, Galanterlen von Wien, Berlin ꝛc., Adelma, die Fürſtenbuhlerin (1805), Eliſe, die Buhlerin (1804). Amalle, bie ſchoͤne Solotänzerin. Eliſe ober Bekenntniſſe einer Buhlerin. Die drelfache

Die Natůrlichkeiteperiode. 141

Brieberife, glückliche Schauſpielerin ac. Golbchen, das Zigeimermäbchen. Sannden, die ſchoͤne Schinderstochter. Roſa, das Bettlermädchen. Das Shleifermaͤdchen. Selma, das Mädchen vom Hundsrüd.

Elauren (eigentlih Karl Gottlieb Samuel Heun), geheimer Hofe tath in der preußiſchen Staatskanzlei, fpäter beim Poſtweſen, kam Kopebue am nähften. Er ſchrieb eine ungeheure Menge Novellen und Romane, auch einige Schauſpiele, die vom Berliner Publikum eben fo verſchlungen wurden, wie früher bie Sachen Kotzebue's und aus demſelben Grunde, well fie zugleich frivol und fentimental waren, und ſich gerne zum Ge- meinen hinabließen. Er löste Kohebue nur ab. Geine Epoche fält in die Jahre 18151825.

Die Hauptfahe bei Clauren iſt das Kokettiren mit Unfgulb und Nalvetät, zu kelnem andern Zweck, ald um lüftern zu maden. Sein Meifterftück in dieſer Art iſt die Erzählung „Mimili“.

Ein preußifcher Offizier macht nad} der Ginnahme von Paris eine Grhos lungsreiſe in bie Schweiz, bewundert bie Schönheiten des Lauterbrunnerthals und findet auf einer Alpe ein Wundermädchen, die ſchöne Mimili, die mit der vollen Naivetät des Bauernmädchens eine Hohe Bildung, Bächerkenntniß, Glavierfpiel sc. verbindet. Ihre Alpenhütte ift voll von Kupferſtichen und Pracht⸗ bänden und fle macht ihtem Gaſt eine Limonade von Ananasfceiben. Kurz Dame und Alpenmädchen find hier eins. Natürlich if der Ritter gleich bis über die Ohren verliebt und Mimili Iäpt ihn gewähren, bietet ihm bie volle ruft, damit er von einem batan fledenden Erdbeerſtrauch bie Beeren mit den Lippen abpflüde, fept ſich auf feinen Schoß, läßt ihn fogar bei Nacht zu ſich. Das Ende iſt dann eine glückliche Heirath. Wer bie Alpenwelt kennt, weiß, daß es keine Mimili gibt, oder daß bie gepupten Dirnen, bie auf den Alpen Fremde & In Mimili Ioden, nur Hetären find. Clauren aber erreichte feinen Zweck, indem er den verborbenen Berlinern den wollüftigfien Reiz vorfpiegelt, , den daß Comfortable einer Reſidenzdame mit dem Unfehuldsreiz und der Raturs fülle der Alpen vereinigt barbieten Können.

Daneben viel Rührung. Clauren kokettirt auch gern mit ber Nr- muth, mie Koßebue. In diefer Art ift fein Hauptwerk ein Luſtſpiel „ber Bräutigam aus Mexiko“.

Don Alonſo Monteguilla, Erbe von vielen Millionen, fommt aus Merito um fi in Deutſchland eine brave Frau zw ſuchen. An eine gräfliche Bamilie auf dem Lande gewiefen, findet er in berfelben zwei durchaus verzogene und verbilbete Comteſſen Töchter, in ber Nähe aber ein liebes unſchuldiges ſchoͤnes Kind, dad arıne Suschen, das ihre Mutter mit ihrer Hänbenrbeit ernährt.

142 Reunted Bu.

Nachdem‘ er feinen Hofmeifter für ſich ſelbſt, ſich aber nur für einen Diener ausgegeben, und in biefer Berfleivung bie Herzen geprüft Hat, entſcheidet er fh, das arme Euschen zu heirathen, und bie ihn Furz vorher noch mit lichten Kartoffeln im Pelz traktirt, wird eine Millionärin. Die Wonne diefes Glůdewechſels ift bis zum Ekel ausgebeutet und Plutus iſt Hier Stell: vertreter des Amor, wie aller Mufen und Grazien.

Wer die übrigen füßen Lieschen, Liesll und Elſt, Molly, das Chriſt- püppchen, dad Dijonröshen, das Mädchen aus der Flledermühle, die unterirdiſche Liebe, die Rutſchparthle sc. genauer kennen lernen will, wird fie noch in allen Leihbibliotheken finden.

Einer ber fruchtbarften Romanſchreiber war Br. Aug. Schulze in \ Dreöden, ber unter dem Namen Laun feit 1790 eine Menge Romane und Erzählungen herausgab. Er neigte zum Momantifhen und gab mit Apel das reichhaltige Gefpenfter- und Wunderbuch heraus. Seine meiften Romane bewegen fi aber im modernen Leben und find harmloſe, unbe: deutende Familien⸗ und Liebesgeſchichten: „Helrathshiſtorien, die Gevatter ſchaft, Kleinftäntereien, Brautproben, ver große Mann in Liebesnöthen, Verlegenheiten, die Stiefmutter, die Handſchuhe ꝛc.“

Karl Ludwig Woltmann, Profeſſor in Jena, dann Geſchäftsträger des Kurerzkanzlers in Berlin und in ben Adelſtand erhoben, ſchrieb Ge— ſchichtsbücher, nicht ohne Geift, aber flüchtig, und einen diplomatiſchen Roman „Memoiren des Kreiheren von S—a“ (1815), woran feine Frau Karoline mitgeazbeitet haben fol. Man erkennt hieraus den parvenue, ben bürgerlichen Diplomaten, ber um jeden Preis den Adeligen fpielt und ſelbſt das Brivolfte nur affectirt. Aber der Roman enthält gute Schil⸗ derungen aus der Zeit.

Der Verfaſſer kommt nad; Berlin, im Anfang des Jahrhunderts. Die damaligen Diplomaten werben charalteriſirt, Haugwitz, Hardenberg, Johannes Müller, Woltmann ſelbſt. Sehr gut wird die damalige Gonfuflon vor und nach der Schlacht bei Jena gefchildert. Der Verfaſſer Hat fich inzwifchen in bie ſchone, geiftreiche Gräfin Rofamunde verliebt, ber er bei der Flucht aus Berlin den Koffer paden Hilft. Gr findet fie in Prag wieder. Im zweiten Theil erzaͤhlt ein italienifcher Marcheſe feine diplomatiſchen Abentheuer, und ſchildert mit füblicher Sonnengluth feine geheime Liebe zu der Gräfln Agnes, bie an einen alten Geizhals vermählt gewefen, als Witte vom dem Fürfen geliebt wird, an deſſen Hofe er beglaubigt ift, die aber nur ihn, den Mat: quis liebt. Er belauſcht fie, wie fie ſich auskleidet, hei Nacht am Senfler.

J Die Ratürligjfeitsperiode. - 143

Gr wird endlich von ihr aufgenommen unb ſtaunt, daß fle noch eine Jungfrau iR. Gut iſt die Schilderung ber geheimen Liebe während einer großen Hofs traner. Die Liebenden werben getrennt, der Marquis muß fehnell verreifen. Im dritten Theil findet der Marquis Agnes auf ihrem ſchoͤnen Landgut wieder, auf bem ſich auch der Fürſt einfindet, aber durch feine gleichfalls an⸗ gelangte Gemahlin neutralifirt wird. Der Verfaſſer iſt wieder in Berlin, ſchildert abermal den Hof, Blücher, Scharnhorft, bie Leichenfeier der Königin Louife. Gr ift mit Rofamunde vereinigt und verläßt bie biplomatifche Laufs Bahn, um einzig dem Glüct feiner Liebe zu Ieben. „Agnes kommt nach Berlin und ihr Marquis färeibt; au er entfagt dem Dienſt, auf biefed zweite Varchen will ungefört fein @lüd für ſich genichen.

‚Sicher gehören auch bie franzöſiſch geſchrlebenen Memoiren des Grafen Alexander v. TiJIy, der alle Weiber verführte, ein Don Juan und Eafanova zugleich. Vgl. über ihn das Ausland 1828 Nr. 264.

Chriſtian Ernft, Graf von Benzel-Sternau, In ver Nhein- bundzeit Minifter des Fürſten Primas, ſchrieb eine große Menge von Romanen, worin die Schwärmerel ded Herzens, unmittelbar In die Bla- firteit des. Weltmanns übergehend, dem Leſer nur Aufregung und ein ſchmerzliches Unbehagen zurüdtäßt. In feinen fpätern Erzeugniffen tritt die Empfindfamfeit zurück und eine mehr heitere Ironie und Satire wird vorherrſchend. Am berühmteften if fein vierbändiger Roman „das gol- bene Kalb" von 1802.

Onfel Klarenfeld erſchließt feinem Neffen Alfred bie Geheimnifle feines Pultes, vier weibliche Porträts von großer Schönheit und eine Anzahl alter Bapiere unter einem Eleinen Bilde des goldenen Kalbes. Die Papiere enthal⸗ ten des Oukels unglüdlidje Liebeögefhichten. Das erfle Porträt iR das Pure purinend, bie er als ihr Bräutigam mit einem Andern im Bade überrafcht. Das zweite gehört der geheimnißvollen Bella William an, einer Englänberin, die als fein Schuhgeiſt in männlicher Tracht nur ‚unter ber Bebingung mit ihm reist, daß er fie mie an ihr Geſchlecht erinnere. Unter ihren Augen vers Hiebt er fich in bie veigende 308 (das dritte Porträt), aber auch fie findet er untreu. Vergebens beſtürmt er Bella um ihre Liebe, fie trennt fi von ihm für immer. Aber in ber feenhaften Hulda, bie eine Infel der Glückſeligkeit bewohnt, wohin jeder Arme und Bebrängte flüchtet, findet er reihen Erſahz. Schon iſt fie feine Braut, da wird fie ihm entführt und er findet nur fpät iht Grab wieder. Der Sinn if: die Melt wird vom Gigennuß regiert, alles - betet das goldene Kalb an, zarte Jünglinge und Mädchen allein erheben ſich über biefe Gemeinheit, deren Opfer fie zulegt werden müflen. Das Ganze

144 Neuntes Bud.

wäre nicht übel erdacht und insbefonbere bie Zwittererfcheinung Vella's reizend, wenn nicht der Berfafler fo gar breit und geiſtlos ſchriebe.

Benzel-Sternau lieg bem golbenen Kalbe num noch mehrere Werke nachfolgen „aus dem Klarfelofgen Archive”, worin er feine Lebendweis⸗ heit weiter entwidelt. Darunter iſt „Proteus ober das Neich der Bilder“ 1806 daß beſte, „Morpheus“ das aͤrmlichſte.

Proteus zeugt mit der Wahrheit eine Menge Kinder, Fabeln, Allegorien, Parabeln x. Solde nun enthält das Buch. Einige Babeln find gut erdacht, finnig und fein, 3. 8. S. 37. Ginige Trauerweiden werben beim Gefang der Nachtigall tief gerührt, indem fie dabei an die Heimath ihrer Vorfahren, Babylon denken, ber fie für immer entriffen find. Die Nachtigall aber fpottet ihrer, daß fie im Genuß der ſchoͤnen Wirklichleit und im Heitern Lenz fi fo unnüße Sorgen machen. ©. 65 Zeus ſchuf die Sonne und als fie aufging, fiel ein Wiederfchein ins Meer und in den Orkue. Da wurde Neptun neibifch,

"wollte auch fo elwas Schönes ſchaffen und ſchuf bie Sata Morgana, und auch Pluto wurde neidiſch und ſchuf das Mondlicht. ©. 123. Die Elfter ſtiſtete allerlei Uebel, wobei fie bie ſchwarzen Federn herauskehrte; wurbe dann ger Hagt, fo fagt fie, der Rabe Habe es geihan; geſchah aber durch den Schwan etwas Gutes, fo kehrte die Eifer ihre weißen Bebern vor und fagte, fie habe es gefhan. ©. 155. Die Gans probucirte fih im Gehen, Fliegen und Schwims men unb fang dazu, hielt ſich daher für eine große Virmoſin.

nDer fteinerne Gaft“ (1808) if ohne Zweifel die mit dem meiften Geiftesaufwand hervorgebrachte Schrift des Grafen, aber eben deshalb au feine unausſtehlichſte. Denn mit allen Kehlern feiner früheren Schriften, den kurzen, unklaren, abgerifienen Sägen und ber künſtlichen Verwirrung tn der Erfindung, verbindet er Hier noch eine Frampfhafte Nachahmung des Jean Paul'ſchen Styles. Da feinem Genius keine fo langen Schwin⸗ gen gewachſen find, wie dem Jean Pauls, fo kann man .fi denken, mie ungeſchickt er mit den kurzen Stummeln flattert. Unter ben bramatifchen Arbeiten des Grafen iſt „Weiß und Schwarz“ (1826) vie befle.

Ein Graf und Diplomat fpielt bei ſehr beſchraͤnltem Verſtande den tiefs finnigen Staatömann, feine bürgerlich geborene Gemahlin Hat bei fonftigen Vorzügen doch die Schwachheit, auf ihren Mel eitel zu fern. Much die Neben figuren find aus dem Leben gegriffen.

Zehntes Bud. Die Sturm: und Brangperiode.

Ich behalte diefen Namen bei, weil er ſchon herkömmlich tft und auch den Charakter der betreffenden Periode nicht übel bezeichnet. Es war allerdings ein Stürmen und Drängen ber gefunden Natur aus bem Zwange der Umnatur heraus. Die Natürlichkeit, zu welcher die deutſchen Dichter nach dem Vorgange der Engländer zurücgefehrt waren, genügte st. Ste mar Landſchaftsmalerei, Gentemalerei, eine Art Duietis- md des Stilllebens. Man brauchte aber wieder Kraft, Leldenſchaft, Vegeifterung. Auf die Gefahr Hin, wieder nur, mie in ber zweiten jhleſiſchen Schule, in Schwulft und Uebertreibung zu falen, mußte man doch aus der Philifterei und ſchwächlichen Empfindſamkeit fi heraus⸗ telßen. Die deutſche Dichtung Fam in bie Lage eines lebensluſtigen Yünglings, ver ed in ber Philifterei des elterlichen Hauſes abfolut nit länger außhalten Tann und nad allen Seiten wild ausſchlägt, wenn auch tenommiſtiſch, doch berechtigt.

Es war damals noch nicht möglich, daß die Gebildeten der Nation ſich wleder Hätten zurechtſinden können im reinen einfachen Nationalgefühl Sqchon zu ſehr verbildet und an fremde Muſter oder an philoſophiſche Abſtraktionen gewöhnt, ſchufen ſie ſich Utopien, unerreichbare Ideale und begelſterten fi für Dinge, welche mit ber wahren Natur und dem eigent - den Bedürfniß der Nation geradezu im Widerſpruch flanden. Ohne eine Ahnung davon zu haben, daß das Volk Ältere Rechte und die Volks»

thuͤmlichkeit eine unvertitgbare und nie verfährenne Macht Bett, verlang · Menzel, veutfge Dictans. I.

» 146 " Beßutes Bud.

ten fle, durch Preffe und Schule ſolle ſich das gefammte Volk ploͤhlich umgeftalten und wie aus einer neuen Form gießen laffen nad einem Modell, wie es gerade das Vorurtheil und bie Mobe ver Zeit mit fih braten. Man Hatte den guten Willen, das deutſche Volk und alle Völker glüͤcklich zu machen. Man ſchwärmte für die Menſchheit. Man mwürbe es für kleinlich gehalten haben, ſich als Deutſcher zu fühlen, man glaubte fih als Menſch, als Weltbürger (Rosmopofit) fühlen zu müflen. In der allgemeinen brüberlichen Menſchenllebe, die ihren ſymboliſchen Ausbrud vorzüglig im Maurerbunde fand, glaubte man den Talisman gefunden zu Haben, durch ben bie Welt gebefiert, alle Menſchen gebildet und glücklich werben Könnten.

Negativ war alfo der Sturm und Drang gerichtet gegen alles bisher Beſtehende. Er veraitete und haßte die Kirche, ſah in ihr nur eine Bgwangs · und Berbummungsanfalt und ließ am Chriftenthum felbft nur die moraliſche Selte, eine Art von Sofratiömus, gelten. Serförmg aller alten Kirchen und Alleinherrſchaft ber Loge mar das Feldgeſchtei Nicht minder war ber Sturm und Drang dem Staate gegenüber revolu⸗ tionär, denn wenn er aud in milderer Form bie Fürſten zur freiwilllgen Anerkennung ber Menſchenrechte und zur offiziellen Menfhenbeglüdung aufforberte, fo ließ er doch merken, daß, wenn die Fürften nicht nahe geben würben, bie Revolution unvermeidlich fey. Der Sturm und Drang focht auf mit aller Macht jegliche Ariftofratie an. Ale Menſchen fol ten Brüder fegn, frei und gleih. Diefe Miffennung aller natürligen unterſchiede der Racen, Stänbe, Geſchlechter unb Alter veranlafte eine Menge poetiſcher Ungeheuerlichkeiten. Man legte ed barauf an, alle, was bisher als Heilig und erhaben galt, Heruntergumärbigen und alles Nievere zu erhöhen. Wie Leffing den bisher verachteten Juden als Ideel⸗ menſchen bezeichnet, ſo wurden von andern Dichtern ſofort edle Meger, | edle wilde Indianer, edle Räuber, edle Galeerenſträflinge, edle Maitreſſen x. auf bie Höhe der Menfphelt geelt und zur Bewunderung und Ned ahmung empfohlen, indeß alle Prieer, alle Könige, aller Abel als ver- dorben, ruchlos, nisberteähtig dem Haß uud der Verachtung bloßtzeſtelt werben. \ Unverwerkt aber ſchlich fi in den Sturm und Drang, der nur dab allgemeine Beſte zu wollen fchien, ber zaffinirtefe Egoismus ein. Cinige |

a Die Sturm⸗ und Drangperiode. 147

beſonders begabte und kühne Dichter glaubten den Umſturz alles Be- ſhenden nur für ſich ausbeuten zu dürfen. Glaubt, dachte ein folder Dichtet, das Volk nit mehr an Gott, wohlan, fo fol es an mid glau⸗ ben. Gehorcht es keinem Gefeg und keiner Sitte mehr, wohlan, fo fol @ meiner Sopbiftit, meiner Verführung geborgen. Gelten- die zehn Gebote nicht mehr, deſto beſſer, fo wi ich wich der fügen Wolluſt, ſie übertreten zu haben, noch rühmen.

Bir beginnen mit ber antichriſtlichen Ritung der Poeſie, melde, obgleich aͤußerſt Teer und nüchtern und von ben eigentlichen Philiſtern ausgehend, doch bie Revolution vorbereitete, wie mer Wind ſäet, Sturm ernbtet,

1. Die freigeißigen Poeten. \

Das deutſche Volk innerhalb beider großen Meligionsparteien hatte fd einen guten Glauben bewahrt und Bing um fo treuer daran, als es im drelßigiährigen Kriege und unter dem nachfolgenden harten Fürſten- md Adelsdruck beten gelernt Hatte. Aber die Höfe unb Univerfitäten, der Abel und Höhere Bürgerftand fielen tn immer tieferen Unglauben. In Brankreih verfpottete Voltatre und feine allmächtige. Schule alle Religion, In England begannen die Deiſten die chriſtliche Geſchichte zu einem kahlen Gottesbegriff zu deſtilliren. In Deutſchland wurde das glei nachgeahmt und die proteſtantiſchen Theologen fingen an, bie h. Schrift zu kritiſiren, und daß, was fle mit ihrer f. g. Vernunft nicht vereinigen konnten, zu beftreiten, ober aber, was buchſtäblich als Wunder verfünbet war, durch de Auslegung natürti$ zu erklären. Diefe Neologen, fpäter Rationa⸗ Üften genannt, ſollten das ganze proteſtantiſche Deutfhland erobern und die alte lutheriſche Rechtaläͤubigkeit verbrängen.

Auch unfere Oichtung nahm an biefer Ummenblung weſentlichen und thätigen Antheil. Allen andern Dichtern aber, bie gegen das Ehriften- thum zu Felde zogen, geht der berühmte Leffing voran. Diefer bes hielt ſich das Recht eines freien Geiſtes vor, Feine Autssität zu glauben, ſondern fich feine Ueberzeugungen erſt ſelbſt, ſey ob aus Elehruns ſey

10°

148 Zehntes Buch.

es durch Schlüffe zu bilden. Er fagte: wenn man ihm mit einer Hand die Wahrheit, mit det andern ven Irrthum böte, würde er nad dem Irrthum greifen, mur um bie Wahrheit ſuchen zu müflen. In biefem ſtoiſchen Stolze geflel er fi, ohne zu ahnen, daß dem Geſchöpf denn doch fo viel Stolz dem Schöpfer gegenüber nicht gebührt und daß e& einem Leffing Feine Schande gemacht hätte, wenn er ſich auch vor Chrifte gebeugt „haben würde. Er trogte feinem Heiland und trug mehr alt jeber Andere zu dem beklagenswerthen Abfall vom Chriſtenthum bei, ver fettbem bie proteſtantiſche Geſellſchaft Harakterifirt hat. Das Manifef, welches er gegen das Chriſtenthum ſchleuderte, waren die „Fragmente bed Wolfenbüttler Ungenannten“, im Jahr 1777.

Diefe berühmten Fragmente rührten von dem Hamburger Profeſſor Reimer zus ber, wurben aber von Leffing herauögegeben unb vertheidigt. Ihr Zued ift, die chriſtliche Offenbarung als Fabelwert in Verachtung zu bringen. A der Hamburger Hauptpaftor Göge in frommem Cifer das wirklich höchſt ſchäd⸗ liche Buch verbammte, fiel Leffing mit einem Witz und Spott über ihn her, dem bie ganze damalige gebildete Welt Beifall zujauchzte.

Ein Freund und Anbeter des großen Leſſing, der Berliner Zube Men— delsſohn, griff gleichzeitig in feinem „Jeruſalem“ unter der Maske einer unpartheitfehen Forſchung über den Talmud das Chriſtenthum mit dem giftigften Haffe an. Das wollte der edle Hamann in Königsberg nicht leiden und deckte des Juben hämiſche Bosheit auf in der Schrift „Ok gatha und Scheblimini“. Aber die Aufgeflärten achteten nicht auf die chriſtliche Stimme und Leffing ging in feiner Vertrrung fo welt, um feinen 2eibjuben zu rächen, denſelben als das vollfommenfte Ideal der Humanität Hinzuftelen. Er ſchrieb nämlih das Schauſpiel „Nathan“ mit der beftimmten Abſicht, feinen Juden über ale Chriſten zu ftellen.

Nathan der Weife ift der Form nad} eines ber beflen Schauſpiele Leffinge, meifterhaft harafterifirt und in fhönen Samben gefchrieben. Aber der Grund⸗ gebanfe ift ſcandalss. Gin Jude nämlich wird Hier als der ebelfte aller Men fügen dargefellt, gegen den alle Chriſten, Muhamebaner, Ritter und Priefer im Schatten ſtehen, im tieffien Spott aber der hriftliche Priefter. Und um noch deutlicher zu madjen, was er will, flicht Leffing die alte, längſt ‚vor ih bekannte Fabel von bem Ringe ein, welcher verloren ging, für ben aber die Erben drei unechte Ringe erhielten, worauf jeber ben feinen für echt Hielt. Dat Heißt, feine Religion ift bie wahre. Das Trevelhafte des Stückes liegt darin, daß Leffing dem gleichfalls im jübifchen Stamme geborenen, aber von ihm

Die Sturm- und Drangperiobe. 149

als Meffias vertvorfenen Chriſtus ein neues, viel höheres Ideal, an daB er alein glaubt, in feinem precid® friſirten Nathan entgegenfept.

In einem Briefe vom 9. Januar 1771 an Menbelsfohn nannte Leſ-⸗ fing da8 Chriſtenthum „das abſcheulichſte Gebäube des Unſinns, deſſen Umfhrz der Chrift nur unter dem Vorwand, es zu unterbauen, förbern fnne,“ und pries ven Juben glücklich, ber diefe Rückſicht nicht zu nehmen brauche. Dleſe Marotte Leſſings privilegirte die modernen Literaturjuden, fifematifeh unſere Religion zu verhöhnen und ihren Koth auf Alles fallen alaflen, was dem Deutſchen Heilig iſt. So verblenbet war damals das gebildete Deutfchland, daß es dem Nathan zujauchzte und daß es Nie- mand wagte, dad Chriftentfum gegen ihn zu vertheibigen, außer ver Hof- prebiger in Meiningen, Joh. Georg Pfranger in feinem „Mönd vom ianon“ von 1782, welcher dreimal aufgelegt wurde.

Bfranger ſeht Leſſings Gedicht einſach fort. Saladin erkrankt ſchwer, die Nathan ſche fih felbR erlöfende Menfchenvernunft Fann ihn nicht Heilen. Ein Rind vom Libanon aber heilt ihn geiſtig und leiblich und zeigt das Ghriftens um in einem Lichte, vor weichem das Nathan'ſche Reformjudenthum in’s Nichts zurückſinkt. Schoͤn iſt beſonders ein Geſpraͤch des Minds mit Reha, worin er ihr von den Apoſteln, Martyrern und Heiligen ſpricht:

Denn Betrug Sie zu Belennern Chriſti machte? nein, So fonnten fie nicht denfen, fo nicht dulden, Nicht ſchreiben, wie fie ſchrieben. Recha, lied, Und fühle nur, es braucht da nicht viel Wiſſens, Nichts als ein redlich unbefangned Herz. \

Pranger brauchte Fein großer Dichter zu ſeyn, um durch bloße Hinwelfung auf die welthiſtoriſche Bedeutung des Chriſtenthums die mo- dernen Juden und Judengenoſſen ad absurdum zu führen. Aber freilich demals betete dad ganze gebildete Publikum ver noch f. g. Proteftanten weit mehr Leſſings Nathan an als das Evangelium. Der größte För- derer des Reffing’fhen Ruhmes und Einflufes war ein Berliner Bad händler. Ueberhaupt verlegte damals bie kahle Verſtandesdürre, wie fie in der Wolfiſchen Philoſophle und Gottſched'ſchen Poeſie vorgewaltet hatte, Ühre Reſidenz aus Sachſen nad Berlin. Chriftoph Friedrich Nicolai, In feiner Art ein großer Wann, begann Hier als Buchhändler, Kritiker, Philoſoph und Dichter und als Ehef einer mächtigen literariſchen Partei

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es durch Schlüffe zu bilden. Er fagte: wenn man ihm mit einer Hand die Wahrheit, mit det anbern ben Irrthum böte, würde er nad dem Irrthum greifen, mur um vie Wahrheit ſuchen zu müſſen. In dieſem ſtoiſchen Stolze geflel er fi, ohne zu ahnen, daß dem Gefhöpf denn doch fo viel Stolz dem Schöpfer gegenüber nit gebührt und daß es einem Leffing Feine Schande gemacht Hätte, wenn er fi auch vor Chriſto gebeugt ‚haben würbe. Er troßte feinem Heiland und trug mehr als jeder Andere zu dem beflagenswerthen Abfall vom Chriſtenthum bei, der ſeltdem die proteſtantiſche Geſellſchaft charakteriſitt hat. Das Manifeſt, welches er gegen das Chriſtenthum ſchleuderte, waren die „Fragmente des Wolfenbüttler Ungenannten“, im Jahr 1777.

Diefe berühmten Fragmente rührten von bem Hamburger Profeffor Reimar rus her, wurden aber von Leffing herausgegeben und vertheibigt. Ihr Zwect iſt, die chriſtliche Offenbarung als Fabelwerk in Verachtung zu bringen. Als ber Hamburger Hauptpaftor Göge in frommem Eifer das wirklich hoöͤchſt ſchaͤd⸗ liche Buch verdammte, fiel Leſſing mit einem Witz und Spott über ihn her, dem bie ganze damalige gebildete Welt Beifall zujauchzte. .

Ein Freund und Anbeter des großen Leffing, der Berliner Jude Men- delsſohn, griff gleichzeitig in feinem „Ierufalem“ unter der Maske einer unpartheitfehen Borfhung über den Talmud das Chriſtenthum mit dem giftigften Hafle an. Das wollte ver edle Hamann in Königsberg nicht leiden und deckte des Juben hämiſche Bosheit auf in der Schrift „Bol- gatha und Scheblimini“. Aber die Aufgeflärten achteten nicht auf bie chriſtliche Stimme und Leffing ging in feiner Verkrrung fo weit, um feinen Leibjuden zu rächen, venfelben als das vollfommenfte Ideal der Humanität Hinzuftellen. Er ſchrieb nämlich das Schauſpiel „Nathan“ mit der beftimmten Abſicht, feinen Juden über ale Chriſten zu flellen.

Nathan ber Weife ift der Form nach eines der beſten Schaufpiele Leffinge, meifterhaft charalteriſirt und in ſchoönen Jamben gefeprieben. Aber der Grunde gebanfe ift ſcandalss. Gin Jude nämlich wird Hier als der ebelfte aller Mens ſchen bargeflellt, gegen ven alle Ehriften, Muhamebaner, Ritter und Prieſter im Schatten ſtehen, im tiefften Spott aber ber chriftliche Priefter. Und um noch deutlicher zu machen, was er will, flicht Leffing die alte, laͤngſt vor ihm befannte Fabel von dem Ringe ein, weldjer verloren ging, für den aber bie Erben drei unechte Ringe erhielten, worauf jeber den feinen für echt hielt. Das Heißt, feine Religion if die wahre. Das Prevelhafte des Stückes liegt darin, daß Leffing dem gleichfalls im jübifhen Stamme geborenen, aber von ihm

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als Meſſias verworfenen Chriftus ein neues, viel höheres Ideal, an das er allein glaubt, in feinem precids frifieten Nathan entgegenfegt.

In einem Briefe vom 9. Januar 1771 an Mendelsfohn nannte Lee fing das Chriſtenthum „das abſcheulichſte Gebäude des Unſinns, deſſen uUmſturz der Chriſt nur unter dem Vorwand, es zu unterbauen, fördern Tönne,* und pries ven Juben glücklich, der dieſe Rückſicht nit zu nehmen brauche. Diefe Marotte Leſſings privilegirte die modernen Literaturjuben, ſyſtematiſch unfere Religion zu verhöhnen und ihren Koth auf Alles fallen zu laſſen, was dem Deutſchen Heilig tft. So verblendet war damals dad gebilvete Deutſchland, daß es dem Nathan zujaudzte und daß ed Nie- mand wagte, dad Chriftenthum gegen ihn zu verthelbigen, aufer ber Hof- prebiger in Meiningen, Joh. Georg Pfranger in feinem „Mönd vom Libanon“ von 1782, welcher dreimal aufgelegt wurde.

Pfranger ſeht Leſſings Gedicht einfach fort. Saladin erkrankt ſchwer, bie Nathau'ſche ſich ſelbſt erlöfende Menſchenvernunft Tann ihn nicht Heilen. Gin Mönch vom Libanon aber heilt ihn geiftig und leiblich und zeigt das Chriſten⸗ tum in einem Lichte, vor welchem das Nathan'ſche Reformjubentfum in's Nichts zurückfinkt, , Schön if befonders ein Gefpräch des Mönche mit Recha, worin er ihr von ben Apofleln, Martyrern und Heiligen ſpricht:

Denn Belrug Sie zu Belennern Chriſti machte? nein, So konnten fie nicht denfen, fo nicht dulden, Nicht fehreiben, wie fie ſchrieben. Recha, lies, Und fühle nur, es braucht da nicht viel Wiſſens, Nichts ald ein redlich unbefangnes Herz. \

Pfranger brauchte Fein großer Dichter zu ſeyn, um durch bloße Hinweiſung auf die welthiftorifhe Bedeutung des Ehriftentfumd die mo- dernen Juden und Jubengenoffen ad absurdum zu führen. Aber freilich damals betete das ganze gebildete Publikum ber no f. g. Proteftanten weit mehr Leffings Nathan an ald dad Evangeltum. Der größte För⸗ derer des Leffing’fchen Ruhmes und Einflufes war ein Berliner Bach- händler. Weberhaupt verlegte damals die kahle Verftandesbürre, mie fie in der Wolfiſchen Philoſophie und Gottſched'ſchen Poeſie vorgemaltet hatte, ihre Reſidenz aus Sachſen nad Berlin. Chriſtoph Friedrich Nicolai, in feiner Art ein großer Wann, begann hier ald Buchhändler, Kritiker, Philoſoph und Dieter und als Chef einer mächtigen literariſchen Partei

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eine Rolle zu fpielen, im ber er Gottſched zwar nit an leerem Ruhm, aber an vollgehaltiget Wirkſamkeit weit übertraf. Der Gefämad war ihm nämlich nur noch Nebenſache, Hauptfache dagegen Ber Kampf gegen das Chriſtenthum. Das gab feinem hoͤchſt nüchternen Raiſonnement eine pikante Würze und machte ihn feinen gleihgefinnten Beitgenoffen überaus Heb und theuer. Sein reicher Verlag in Berlin war dad Bollwerk der antlchriſtlichen Partel unter dem Schub des Phllofophen von Sausſouci, ver jedoch in Feiner Welfe fi mit den Nicolatten gemein machte, fon» dern fie inmer nur tief unter ſich ſah. Wie Gottſched warf ſich Nicolat zu einem Tyrannen der Literatur auf zuerft feit 1754 durch bie Literatur briefe, dann durch die Ag. deutſche Bibllothek, große Rezenſionsanſtal⸗ tem, denen er bie eigene Feder Lich. Eine Zeitlang ſchrieb ſogar Leſſing in die Literaturbriefe. Nicolat’8 Hauptmitarbeiter war der ſchon genannte Jude Menvelsfohn und der Wolfianer Abbt, das proſaiſchſte Wefen, da9 je in Deutſchland eine Feder führte, von Inftinftartigem Haſſe gegen Phantafle oder Geſchlchte erfüllt und für nichts empfänglih, als bürre Verftändigkett.

Als er vom König von Preußen im fiebenjährigen Kriege ald Profeflor zu Brankfurt an ber Ober angeflellt worben war und dicht vor ben Thoren biefer Stadt der Dichter Kleift in der unglüdlichen Schlacht bei Kunnersborf fiel und ber neue Brofeflor veranlaßt wurde, etwas über den Tod für das Baters land zu ſchreiben, um Muth und Chrgefühl aufrecht zu erhalten, glaubte er fein Thun philoſophiſch conftruiren zu mäflen: „Um ben Tod für das Vaters land als eine Pflicht darzufellen, mußte nothwendig ‚vorher bie Verbindlichkeit zur Liebe für das Vaterland dargethan werben“ ıc.

Ganz fo dürr ift Abbts Schrift „vom Verdienſte“, ver Nicolal einen ungeheuren Ruhm verſchaffte. Nur ter Haß gegen bad Chriftenthum machte ihn einmal witzig; als Secundant Leffings contra Goͤtze ſchrieb er nämli eine „erfreuliche Nachricht von einem Hoffentlich zu errichtenden proteftantifgen Inquiſitlonsgerichte.“ Wogegen Michaelis in feiner oriental. Bibliothek X. 3. mit mehr Recht fagte, die Allg. deutſche Bibliothek fey eine „Inquifltion der Aufklärung“ und ihre Krititen ſeyen „Autodaf's ber Toleranz."

Nisolat befaß die echte Berliner Arroganz, eine unzerſtörliche Selbft« wertbfehägung und entfprad darin auf wunderbare Weife feinem Anti» poben, dem in feiner Welfe eben fo ftolz dahinfahrgnden Lavater. Davon

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zeugt unter anderm auch feine Reife durch Deutſchland und bie Schmelz in 12 Bänden. Hier verhöhnt er Alles, was in feinen Berliner Kram nicht paßt, mit beleidigender Geringſchäzung. Tobfeind war er vor Allem der Eatholifgen Kirche, dem Mittelalter, ver Romantik, fo wie allem Gemüthlichen und Gefühlvollen. Nur der praktiſche Verſtand galt bei ihm, verbunden mit der nüchternſten Moral. Daß er von biefem Stand« punkt aus die entgegengefegte Einfeitigkeit ver Gefühlsſchwärmerei und Sentimentalität befämpfte, mar natürlih. So verfpottete er Göthe's " Werther gleich nah feinem Erſcheinen dur bie „Freuden des jungen Werthers“. Aber aud, ald von der Schweiz aus Sinn für die altdeutſche Poeſie und die Volkslieder gemedt worden war, gab Nicolat 1777 feinen mEleinen feinen Almanach“ heraus, worin er echte Volkslieder gefehmad- 108 verhungt hatte, um bie Freunde ber altveutfchen Dichtkunſt zu per⸗ fifliren. Geiſtlos find auch feine dem Swift nachgebildeten „Meditationen eines alten Kautz über Befenftiele, Stiefelknechte, Schuhbürften“ ac. und die Geſchichte der Perücken. Lobenswerth dagegen bie Anechoten von Briebri dem Großen. Nicolal's befte Werke find: Leben und Meinungen. bed H. Magiſter Sebaldus Nothan- ter 1773.

In einem Heinen deutſchen Fürſtenthum Hat der Magifler Sebaldus Note anfer die aus Thümmels Gedicht berühmte Wilhelmine geheirathet. Verführt von einem vornehmen Herrn, bei dem fie Rammermäbdhen war, mußte fie an den Mann gebracht werben und ber gute Landpaſtor merkte nichts. Ihr erſter Sopn kam etwas zu früh auf die Welt. Der fiebenjährige Krieg begann. Nothanfer ließ ſich durch feine dem Grhabenen zuneigende Frau überreden, in einer Prebigt den Tob für Vaterland zu rühmen, mas einige junge Bauern teigte, unter den Preußen Dienfe zu nehmen. Das Gonfiftorium nahm das fehr übel und ba ohnedies das Factotum darin, Dr. Stauzius ihm fpinmenfeind war, weil Nothanfer nicht an die ewigen Hölfenfirafen glaubte, und weil die Frau Stauzius früher gern ben Nothanfer geheirathet hätte aber von ihm übers gangen worben war. Der Abgefepte ging ind @lend, Wilhelmine ſtarb. Der Sohn und bie Tochter mußten in der Fremde ihr Brod ſuchen. Nothanker lam nach Seipzig, wo er zufällig einen Gohn feines Feindes Stauzius aus den Händen prenfifcher Werber rettete, indem ein alter preußiſcher Major fein Freund geworden war. Der alte Stanzins verſprach, aus Angſt vor den Breufen, die audh fein Heine Furſtenthum befept Hatten, ben Nothanfer wie der anzuflellen, Hielt ihn aber Hin und wies ihn, fobald bie Preufen entfernt waren, venta a Nothanker geriet; nach Berlin unter Pietiften und Kreis

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geiſter. Hier fiel fein Freund, der Major, in einem Duell durch Hinterliſt. Nothanker verſuchte fein Glüc in Holfein, wo er mitten in das ärgerlichfte Gezänf orthoborer Prediger gerieth; dann in Holland, wo ihn ein Seelenverfäufer kaperte. Gin ebler Prediger rettete ihn, aber ein Buchhändler betrog ihn durch eine ers dichtete Verfolgung. Gr floh und erkrankte. Nach Ianger Zeit wieber genefen erbliden wir ihn als Veitler, wie er von einem mitleibigen jungen Herrn AL mofen empfängt, von einem zweiten aber verhöhnt wird. Der erfte ift Säugs ling , der Liebhaber feiner Tochter Marianne, der zweite Rambolb, fein miß⸗ tathener Sohn. , Sie Tennen einander nicht. Der junge Säugling nimmt fd) aber des alten Nothanfer an und bringt ihn in das Haus feines Vaters. Da , finbet er feine Tochter wieber, weil aber ber alte Säugling nicht in bie Heis zath mit einem fo armen Mädchen willigen mag, rät Nothanfer den jungen Leuten felbft ab. Nun gewinnt er aber mit einem Lotterieloofe, das ihm ger ſchenkt worben war, und ift auf einmal rei. Die jungen Leute dürfen fih heirathen und ber mißrathene Sohn gibt ſich reuig zu erfennen.

Das ift der Faden der Geſchichte, an melden Nicolai aber eine Menge Betrachtungen über die proteftantifche „Kirche Norddeutſchlands anreiht, wie fie damals war. Als flacher Rationalift ſchreibt er das ganze Bud) nur, um ben alten Glauben im Bol untergeaben zu helfen; indem er von ber Aufklärung

"nur bie fchöne, vom alten Glauben nur die häßliche Seite hervorkehrt. Seine Aufgeflärten find nämlich durchweg bie ebelften und gefühlvollften Menfchen, feine Gläubigen aber Dummföpfe, Pedanten und Böſewichte. Trotz biefer Parteilichfeit it das Buch Iefenswerth, weil es ins innere Getriebe ber kirch⸗ lichen Parteien ein Helles Schlaglicht wirft. In Säugling hat Nicolai den Dichter Jacobi, in Rambolb den elenden Riedel perſiflirt.

In dem Roman „Leben und Meinungen des Sempronius Gunbibert, eines deutſchen Philofophen“ fpottet Nicolat über das gänzlich Unpraktiſche der gelehrten Speculation in Deutſchland, mit befonderem Hindtid auf die Kantifche Philoſophle.

Herzog Friedrich von Württemberg mußte fih, ald er den Hofenbanborben befommen, in London in eine Zunft aufnehmen laſſen und wählte bie Weberzunft. Aus diefem Anlap wollte er felbft eiiwas für Weberei ihun , pfianzte ode Stellen bei Urach mit Flachs an und gründete fo bie großen Webereien dar ſelbſt. Oundibert, ein Weberſohn in Urach, fubirte Philoſophie und wurde in das a priori fo vernarrt, daß er, wie Don Ouirote, mit der Theorie überall an bie derbe Praris anſtieß. Cr wurde mit dem Wagen umgeworfen und während er über bie Theorie ber Straßen philofophirte, Half ein Praftifus den Wagen aufrichten. Er erflärte einer Dame, die er heirathen wollte, das Wefen ber Liebe; fie aber ging mit einem Praktitus durch. Gr bie putitte mit einem über bie Wahrheit, fagte ihm, wo das Gelb feines reichen Neifegefährten liege, und dieſer Praktifus ſtahl es sc. Nach ven bitterfien Er-

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fahrungen ſolcher Art fah er den Unfinn der Philoſophie ein, ging heim und wurbe ein Weber, überzeugt, daß das Weben mit Flachsfäden folider fey als alle Gefinnfte der Bäilofophie.

In der „Geſchichte des dicken Mannes“ 1794 perſiflirt N. die Eitels kelt und Schwaͤrmerei der Pädagogen. Das Bud „Leben, Bemerkun- gen und Meinungen Johann Bunkels, nebft dem Leben verſchiedener merf- würbiger Frauenzimmer, aus dem Englaͤndiſchen 1778“, wird gewöhnlich dem Nicolat zugeſchrieben, tft jedoch von einem Andern, wenn au ganz in feiner Richtung verfaßt; eine in Romanform gebrachte Apologie des Deismus.

Dee junge Bunkel ſchwaͤrmt für die Religion der Vernunft und kommt ind« beſondere immer mit gleich ſchwarmeriſchen Frauenzimmern in Berührung, mit denen er ſich weniger von Liebe, ald von theologifchen Gegenftänden unterhält. Auf der einen Geite wird bie geoffenbarte Religion befritten und verdammt, auf der andern wird für die Vernunftreligion auf eine Weiſe gefafelt, daß man Mufteranftalten für fie in proteflantifhen Mönds: und Nonnenflöftern und eine Idealkirche auf glüdfeligen Infeln Riftet. Bei alledem fpielt ber Cheſtand und das Erzeugen von Fünftigen Himmeldbürgern fo fehr bie Haupt tolle, daß Bunkel nad) einander neunmal entweber wirklich heirathet ober fich wenigſtens verlobt, indent er das Unglüd Hat, daß ihm feine Bräute immer ſchon vor der Hochzeit und bie jungen Frauen bald nach der Hochzeit wieber abfterben. Bei jeder neuen Wahl verwahrt er ſich gegen die Meinung, als treibe ihm Liebe zu bee neuen Che; durchaus nicht, nur die Pflicht, Kinder zu zeugen. .

Ein ſchwacher Nachahmer Nicolai's war Kindleben, ber als Prediger in Berlin wegen Lüderlichkeit entlaffen werden mußte. Er ſchrieb 1779 ein „Leben des Schluterius“ als Pendant zum Nothanter, einen Emanuel Hartenftein, das Lehen eines verunglüdten Philofophen und Stubentenlieber, melde verboten wurben.

Chriſtian Friedrich Sintents, Eonfiftorialrath in Zerbft, ſchrieb ſeit 1776 eine Menge moraliſche Romane, Bücher über Menſchenwürde, für Familien, Previgten sc., empfindfam und Iangmellig, aber mit einer merfwürbigen liberalen Tendenz. Gr broht ver Monarchie mit Revolu⸗ tion, wenn fie fi nicht zu liberalen Reformen im Sinn ver humanen Aufklärung bequeme. In „Hallo's glücklichem Abend“ 1783 zeichnet er ein politiſches Utopien.

Hallo magnetifirt den ſchwachen Fürften Guftav mit liberalen Ideen, daß

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ex, um die Menfchen volllommen glücklich zu machen, vie alten Befege und Sitten abfgaft und eimen menen Gtaat nach bem ſchulmeiſterlichen Recept des Nationalismus confruirt. Alles wird anf der Goldwage der Humanität gewogen. Unter andern wird bie Tobeöftfafe abgeſchafft, weil auch der Süns der ein Menſch und als folder nur ſchwach fen, feine Schwäche aber nicht in der Erbſünde, fondern nur in der Erziehung und im Beifpiel ihren Grund Habe, ein Regent alfo niemals befugt ſey, Menfchen, die er nicht beſſer ers aogen Hat, mit dem Zobe zu beftrafen (Xp L, ©. 190). Das game Bud jchwimmt in Tränen der Bihrung, mit denen ſich Guflav und Hallo gegens feitig. einweichen.

In „Flemmings Geſchichte“ von 1789

if es ein gewiſſer Flemming, der als Riniſter feinen ſchwachen Fürſten eben fo am liberalen Gängelbande führt umd ihm fcpließlich beweiſt, nur wenn er fo regiere, habe man bie eben in Frankreich ausgebrochene Revolution nicht gu fürdten. Mebenbei andy etwas vom Liebe. Die Heldin des Romans wird aus einem Nonnenflofter gerettet, um zu heirathen. Die alle Kirche wirb mit noch verhaßtern Barben geſchildert, wie die Revolution. Der moberne Liberalismus fol, fo Ihr Sintenis, jene verſchönern, um biefe zu vers meiben. “.

Ein merkwürdiges Auffehen erregte der, öfter. Major Wilhelm Iriebrih von Meyern, gebürtig aus Ansbach, im Jahr 1787 mit feinem diden Roman „Dya-Na-Sore oder die Wanderer“, angebli aus dem Sanffrit überfegt. '

Dya iſt ein edler Schwärmer für die Menſchheit. Durch einen geheimnißs vollen Bund mit maureriſchen Formen empfängt ex bie höhere Weihe. Die Zeit _ ift jedoch noch nicht reif für bie Ausführung bes großen Planes „Erlöfung der Menſchen durch ſich felbft*. Dya und feine Freunde werden verbannt, kehren aber zueüd, bilden ein Zreiheitöheer, und fämpfen. Dya fiegt und fällt. Aber mit ihm ift der Geiſt entwichen. Die Seinen vermögen dad Errungene nicht zu behaupten. Nebenbei wird viel Theophilanthropie getrieben, bie ganze Natur ift ein Tempel, der Maurer der allein berechtigte Priefter 2c.

Der Roman wurde bald zum zweitenmal aufgelegt, ſo entzückte er das joſephiniſche Beitalter. Ein norddeutſcher Gelehrter ging fo welt, zu fagen, Dyanafore werde ein ewiges Bud) bleiben, mie die Bibel und Homer. Der tragifche Ausgang, eine fanfte Schwermuth, ver halb Oſ⸗ ſianiſche oder Wertherton, bie ganze fentimentale Behandlung ber Politik, das Ahnungsvolle des Buchs, fofern es zwei Jahre vor dem Ausbruch der Revolution erſchien, trugen zur Empfehlung deſſelben gewiß noch

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mehr Bei, als der Gebrauch der maurerifhen Mobeformeln und ver Relz des Geheimnißvollen. Hinter allen optiſchen Täuſchungen des Moſterlöͤſen und Sentimentalen findet man aber zufept nur ein kahles und mageres Denkſyſtem.

Das Zauberweſen hatte Fra auf der Wiener Bühne von Stranitzky an erhalten, ver es mit dem italleniſchen Carnevalshumor mitgebracht, und war aud in den Heinen Puppentheatern,, die überall in Deutſchland aufgefjlagen wurden, nicht erflorben. Die neue Mobe friſchte es nur wieder auf und brachte neue Elemente hinein. So entſtand eine der merfmwürbigften Opern, bie je über die Bühne gegangen, bie Zauberflöte. Der Wiener Thenterbirector Schikaneder wußte fein Publikum nicht mehr zu befriedigen, fein Haus nit mehr zu füllen und erſann ein Stüd, das alle möglichen Effekte vereinigen und zuglel eine Huldigung für die große Mobe ver Zeit, die Maureret, ſeyn follte Der große Componift Mozart aber ſchrieb ihm aus Mitleid die Muflt dazu und umkleidete allen Unfinn Schikaneders mit dem Zauber der Grazie. Die Oper entftand 1792.

Prinz Tamino flieht vor einer Schlange, und wird von ben Dienerinnen ber Königin der Nacht gerettet, bie in ihrem Sternenſchleiet erſcheint und ihn aufforbeet, ihre Tochter Pamina, deren Bilbniß ihm gezeigt wirb, aus ber Gewalt des böfen Saraftro zu befreien, der fie gefangen hält. Zu biefem Bes Hufe befommt er eine Zauberflöte, deren Töne unwiberfiehlic zum Tanzen reizen, und einen Diener an dem Vogelfänger Bapageno , ber ganz in bunte Federn gefleibet if. Sie langen beim Saraſtro an, welder ein König, Prie⸗ fer und Zauberer zugleich ift, umgeben mit Pyramiden und Agyptifchem Prie⸗ ferthum und Zauberanftalten aller Art, in welchem aber Tamino nach Furzem Zweifeln ben Repräfentanten des guten Brincips erfennt, ber die ſchöne Pas mina ihrer Mutter nur geraubt hat, um fie zu reiten, weil bie Königin ber Nacht das böfe Princip ift. Geinerfeits erkennt auch Saraſtro in Tamino, obgleich er als blindes Werkzeug der nächtlichen Königin aufgetreten, bie innere Vortreflichteit und beftimmt ihm bie geliebte Pamina zur Braut, wenn er erft mit ihr die verſchiedenen Tugenbproben, fhliegli die Muthprobe im Durch-⸗ sehen durch Feuer und Wafler beftanden hat. Diefe Proben beftcht er, waͤh⸗ rend Papageno in laͤcherlicher Furcht denfelben.erliegt. Der Grundgedanie iR eine Apotheoſe der Breimanrerei, ber Sieg der Tugend über Meineib und Verrath, des Lichts über die Finſterniß, ber Weisheit über bie Dummbeit, aber durch Mittel, welche der Dummheit noch reichliche Rechnung tragen, ine

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dem Saraftro noch den Zauberer fpielen und allerlei Künfte anwenden muß,

um bie Uneingeweihten zu bienben.

Schikaneders theatraliſche Werke erſchienen 1792 und enthielten noch andre Opern (ber Spiegel von Arfabten, das Iuftige Elend ꝛc.), einige Poffen und fogar ein Paar Trauerfpiele.

Ein großer Agitator unter den Aufgeflärten und Freimaurern war der Freiherr von Knigge aus dem Hannöver'ſchen, deſſen Vater fon ein herüchtigter Schuldenmacher gemefen war, umb ber ſich ſelbſt durch Windbeutelei forthelfen mußte, ein adeliger Proletarter, wie weiland Urt von Hutten. Er verleitete den Landgrafen von Caſſel zur Errich- tung einer großen Meerſchaumkbpfefabrik und zum Bau von Cichorlen in großem Mafftab, machte fih durch jugendlichen Uebermuth Feinde und wurde entlaffen. Nun warf er fih auf die Sreimaurerei, wurde am Hofe des heſſiſchen Erbpringen Wilhelm in Hanau aufgenommen, wo er zus gleich ein Theater gründete, mußte fi aber auch von hier wieder wegen Unvorfitigkeiten entfernen. Es {ft charakteriſtiſch, wie dieſer Höfling, Projectmacher und Schaufpielarrangeur, auf die erhabene Idee eines Menſch⸗ heitsprieſterthums fallen Eonnte, dem er fofort mit allem Eifer nachtrach⸗ tete. Durch die Maurerei follte die Menſchheit foctaliftifh umgefhaffen werben in eine aufgeklärte, weiſe, friedliche Brüdergemeinde, unter ber Keitung von Obern mit priefterliher Weihe. Es mar ihm damit voller Ernfl. Damals hatte Weishaupt in Bayern ben Illuminatenorden ges fliftet mit dem ausgefprochenen Zweck, das katholiſche Deutfhland für die Aufklärung zu erobern, aber auch mit revolutionärer Tendenz gegen das Beflchende. Knigge wurde von den Illuminaten gebraucht, nachher wieder zurüdtgeftoßen. In Hannover Tief er ſich noch einmal auf eine neue maurerifhe Sekte, die fog. Union des Dr. Bahrdt ein, weshalb Kotzebue „Bahrdt mit der eiſernen Stirne“ unter Knigge's Namen heraus- gab. Diefer ſtarb 1796. Gödeke hat ihn in feiner Schrift Knigge's Leben und Schriften“ 1844 mögliäft in Schug genommen, als Habe er wenigftens reblich geftrebt, fi über die eigene Schwäche, mie über bie Mifgunft des äußeren Schickſals durch Selbſtkritik und freien Gein emporzuarbeiten.

Das berühmteſte feiner Werke iſt das „über den Umgang mit Men- fen“, worin er 1788 das Refultat aller feiner Lebenserfahrung niederlegt.

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Es ift verunglimpft worden als eine Lehre, ſich eben blos mit Liſt und Berftellung durchs Leben zu helfen. Allein fo unſittlich iſt das Bud nicht. Es geht vielmehr von der Erfahrung aus, daß wer immer nur das Rechte thun und behanpten will, bei ben Menfchen anſtöt und feinen Zweck verfehlt; ex empfiehlt alfo eine Accommodationsmethode, ohne darum das Rechte zu verleugnen.

Der „Roman meined Lebens“ von 1781 enthält Wahrheit und* Dichtung in zu bunter Unordnung gemiſcht, ift planlos und Tonnte daher bet weitem nicht ben Eindruck machen, wie der Umgang. In drei mert« mwürbigen Romanen Bat Knigge noch welter feine Anfiäten vom Menfchen- Ieben entwidelt. Einzeln erſcheinen diefe Romane ziemlih werthlos, es Eommen gemeine Scenen barin vor und die Sprache iſt vernachläßigt. Aber in. ihrem Ineinandergreifen zeugen fle, mie Aniase feine Werte fein durchdachte.

Die „Geſchichte Peter Clauſens“ 1783

zeigt uns einen jungen Menſchen von gemeiner Geburt, gemeinen Gitten, gemeinem Charakter, ſchmaͤhlichem Leichtfinn, entehrenden Handlungen und Ers fahrungen, ber endlich durch Erfahrung nicht nur klug, fondern auch weife und tugenbhaft wird. Es ift der Sohn eines Schuſters, der in feiner Jugend Bebienter ik, fih von einer nicht mehr jungen und zahnlüdigen Kammerfrau verführen läßt, Soldat, Deferteur, Schaufpieler, Schriftfteller, Birtuofe, Geſandtſchaftsſelretaͤr, Günftling eines Fürften und am Ende noch Minis fer wird. .

Die „Verirrungen des Philofophen ober Geſchichte Ludwigs von Seelberg" 1787.

zeigen einen Charakter von ganz entgegengefepter Art, einen ſyſtematiſchen Mann, der immer nur nach Grundfägen handelt, aber bamit eben fo übel fährt, als Glaufen mit feinem Leichtfinn. Denn unbewußt folgt Seelberg doch immer nur inneren Trieben und Leidenſchaften, deren Zwecknäßigkeit er fih in einem Syſtem zurechtlegt, fo daß er bie Syſteme nicht felten wechſelt und durch keines befriebigt wird, bis eine brave und Fluge Frau ihn heilt.

Die „Geſchichte ded armen Herrn von Mildenburg“ 1789 zeigt und einen Mann, ber allein auf Rechtſchaffenheit fieht und immer und unter allen Umfländen edel Handelt, aber eben deßhalb feinen Zweck nie erreicht, überall anftöpt und oft flatt des Guten, dad er im Sinn hat, einen Schaben fiftet. Am Ende muß er erkennen, daß es nicht bloß bie Dummheit und Bosheit der Menſchen it, die fein beſſeres Wollen vereitelt, ſondern feine eigene Unvorfichtigkeit. Hätte er ſich, mit benfelben fittlichen Grunbfägen,

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ein wenig mehr nach den Menfchen acsommobirt, fo Hätte er mehr ausge⸗

richtet.

Man fleht deutlich, daß Knigge in dieſen drei Romanen mur brek Seiten feines eigenen Naturells und feiner eigenen Erfahrungen aufgefaßt Hat. Wie ernft es ihm mar, erficht man au daraus, daß er auf

. ⸗Predigten“ ſchrieb, melde Beifall fanden.

Merkwürbig ift „bie Geſchichte des Amtmann Gutmann” 1794, eines Mannes, ber durch Unglüd viel heimgeſucht wird, ſich aber in Alles findet und Alles zur Ausbildung feines Ich und zur Befeftigung feine innern Friedens benägt.

Charakteriſtiſch für die Neigung Knigge's zum maurerifhen Gcheims thun iſt der Roman „dad Zauberſchloß oder Geſchichte des Grafen Tun- ger. 1791.

Graf Tunger läßt ſich ein Funftreiches Schloß bauen, in welchem er vers mittelft geheimer Thüren Alles beobachten unb überall ald deus ex machina ers feinen und das frafende und Iohuende Schidſal fpielen Tann.

In „Noldmanns Geſchichte der Aufklärung in Abyffinten“ 1791 hat Knigge den Rouſſeau'ſchen Staat nad ber Idee des contrat social als verwirklicht barqufiellen geſucht, ein höchſt langweiliges Utopien feiner maureriſchen und illuminatiſtiſchen Schwaͤrmerei, wenn es eine Schmwär- merei und nicht vielmehr Berechnung war. Beffer iſt „bed abyſſiniſchen Exminiſters Wurmbrand politiſches Glaubensbefenntnig“ 1792, morin er die franzöflfege Revolution erflärt ımb rechtfertigt.

Am beſten find Knigge's wigige Schriften und vorzugsweiſe fen komiſchet Roman: „vie Reife nah Braunſchweig“.

Amtmann Waumann lieft in ber Zeitung, der berühmte Luftſchiffer Blan⸗ Hard wolle zu Braunſchweig auffleigen und ladet feine Freunde und Nachbarn, den Paſtor Ehen Schottenius und Förſter Dornbuſch ein, dahin zu reifen und das nie gefehene Schaufpiel zu fehen. Huch nimmt er feinen großen verwahte loſten Sohn Valentin mit. Unterwegs finden fie im Wirtshaus eine Schaus fpielerteuppe, bie gerabe bei einer Probe der „Mgnes Bernauerin“ befchäftigt iſt. MS die arme Agnes chen abgeführt werben fol, fpringt Förſter Dorn⸗ buſch Hinzu, zieht dem Hiefehfänger und vetiet fie. Iu ber Macht darauf hat Valentinchen ein Bebürfnig, verfehlt bei ber Midfehr dns Simaner und legt ſich zu der alten Gchanfpieldirechrice, deren Mann ben Ciferfüchtigen fpielt. Am Morgen haben Buben bed Pafors Manufcript som Predigten, bie er in Braunſchweig drucken laſſen wollte, aus dem Magen geriffen und Papierdrachen

Die Sturm» und Drangperiode. 159

davon zu machen angefangen. Der Foͤrſter begegnet ganz unerwartet feiner Tochter, die er in Braunſchweig in Penfion getan, auf der Flucht mit einem Jungen Offizier. Gr eilt ihnen nad. Den Amtmaun und feinen Sohn nimmt ein fremder Reifegefährte in Beſchiag, ber fehr vornehm thut, als fie aber in Braunſchweig angefommen find, Valentinchen auf dem Abtritt einfperrt und den Koffer bes Amtmanns leert, während biefer ſelbſt mit bem Paflor voraus⸗ gegangen ift, in ber Meinung, fie werben nachlommen. Auf ber Wiefe anges langt, wo Blanchard auffleigen foll, ift es ſehr heiß. Die beiden alten Herren fegen ſich in eine Bierhalle und gerathen in ein Heffinniges Geſpraͤch mit dem Boeten Klingelzieher, worüber fie den Luftballon vergeflen. Als fie nachfehen, ift der Ballon eben wieder zur Erde gefommen. Valentinchen Hat natürlich eben fo wenig etwas vom Luftballon fehen Tönnen, da er in dem einfamen Haufe eingefperrt zuruckblieb. Er wird nun befreit. Der Amtmann findet Troſt bei alten Bekannten und bleibt bis zu einem Maskenball. Auf demfels ben findet ſich auch der Förſter, feine wiebergefunbene Tochtet und ihr jeßt anerkannter Liebhaber ein, und fie erfennen ben Amtmann bald, da ein Schelm ihm Hinten einen Zettel aufgeflebt hat mit den Worten „guten Mbend, Herr Amtnann Baumann“. Ale Bäfe lefen den Zettel laut und ber Amtmann Tann fi niet genug bücken, alle diefe Grüße zu erwiebern, und iſt ganz felig über die Chre. Darauf lehren fie‘ alle glüdlich wieder Heim.

In den „Briefen auf einer Reife aus Lothringen nad Niederſachſen“ (1793) laßt ſich Knigge behaglich gehen in Heinen Abentheuern und Ge- ſprächen, ohne daf ein geſchichtlicher Baden durchliefe. Die „Reife nah Briglar vom Kammerjäger. und Titulartagenfänger Spieöglas“ (1794) iR eine Parodie der pretiöfen Reiſebeſchreibung Lavaters, aber nicht fo geift« reich, ald Weber (Demokritos XI. 120) behauptet, vielmehr ziemlich

. platt.*) Wigiger ift Amigge's Parodie auf Zimmermannd Geſpräch mit Brievri IL: „Meywerk des kurhannover'ſchen Hoſenmachers Untervebung mit Friedrich Wilhelm dem Liebreichen“ 1788. Der große König läßt fi von einem Schneider Hofen anmeffen, findet Gente in ihm und traf« tirt mit ihm von Staatsſachen. Kuigge's „hinterlaſſene Papiere des Etatsrath von Säafstepf“ 1792 enthalten bie fatichihe Selbfibiographle eines hochadeligen und frömmelnden Schafskopfs, welcher bie Grund- füge des Pinſelordens entwickelt, der fich zur Aufgabe geſetzt Hat, ber Aufklärung entgegenzuwirken. Ganz im Geiſt ber Seit, aber ohne Wi.

*) Gübete fagt in feinem Lehen Knigge's (©. 481), ex habe Die Reife nat} Fritlar nit

sufteeiben Tonnen. ie if aber nod im Budhanbel und zwar ganz in feiner Mähe gu Haben bei Viewes in BraunfQweig, von imo # fie nad) angebunden bekommen hake.

160 Behntes Buch.

Knigge war Hein, ſchwächlich, unfhön, und auffallend durch fein überaus Fanges Kinn.

Wilhelm Ludwig Weckherlin, aus der Famille des Älteren be- rühmten ſchwäbiſchen Dichters, fehrieb feit 1777 eine Menge politiſch- ſatiriſche Schriften, unter denen Anfelmus NRabiofus, bie hyperborelſchen Briefe, das graue Ungeheuer (1784) am meiften Ruhm erlangten. Er war ein frivoler Freigeiſt, Mädchenjäger, Trinker und rückſichtsloſer Spötter, baher überall gemieden und zurückgeſtoßen.

Die „Raritäten“ des Rummelburger Küfter Baldrian Schwarzbuckel von 1778 find ein jämmerliches Machwerk, eine ganz geiftlofe Buchhändler ſpeculation auf dad lachluſtige Publitum. Eben ſo geiſtlos ift „der Teufel auf Reifen“ von 1789.

Eine ver freften Aufklärungsferiften ‘aus Nicolai's ober der Ber- liner Schule war Steinsbergs „zwelunbvierzigjäßriger Affe von 1784.“

Dex vielgereifte Affe erzählt, wie es bei den Menfchen, im Staat, ben Höfen, bei der Kleriſei sc. zugehe. Gin Gemälde ſchaudervoller Corruption und Unvernunft, in welchem vorzugsweiſe aller Haß auf bie alte Kirche, ihre Klö— fer, Beichte sc. abgeladen wird. Alles, was mit der Kirche zufammenhängt, ift hier ſchwarz, und nur bie Freigeiſterei gilt als Tugend.

Damals fon drängten fi die Proletarier der Preſſe, mißrathene Candidaten ober abgefegte Beamte, zur Demagogie. Im Allgemeinen Xiteratur-Anzeiger von 1799 Nr. 48 leſen wir:

„Es erwachſen auß ber zahllofen Menge von Magiſtern und Studenten bie Schmeichler, die MobesAutoren, die Lohnſchriftſteller. Sie fehreiben, wenn fie nicht bald beförbert werben, gegen bie Religion und gegen ben Staat; wenn fie Auffehen erregen Können, fo find fie nicht mehr zum Schweigen zu beingen. Die verfluchteften Schriften kamen feit den Iegten 35 Jahren zum Vorſchein, und über 7000 Romane und Liebeshiftörchen, die als Giftpflanzen den braven Charakter der deutſchen Töchter und Weiber ſchredlich verdorben haben. So wie biefe den Müfiggang beförberten, bie Chen zerrütteten und bie Sitien allgemein verſchlimmerten, fo arbeiteten fie zuglelch dem Defpotismus in bie Hand, denn fie machten bie Nation eitel, weichlich⸗ kleinſinnig.“

Im Jahr 1800 erſchien anonym (verfaßt von Venturini) eine „natür liche Geſchichte des großen Propheten“, worin das Evangellum zu einem gemeinen Roman verarbeitet iſt.

Chriſtus if ein wohlwollender und mit vielen Kenntniffen ausgerüſteter

Die Sturm» und Drangperiode. 461

Menſch, der feine Kenntniffe der Natur und Heilkunſt benupt, um durch froms

men Betrug bie Menfchen zu verebeln, indem er für göttliches Wunder auds

gibt, was ganz natürlich zugeht. Nebenbei ſpielt ex einen ganz zartlichen Ros man mit der ſchönen Magbalene.

Auch das Leben ver 5. Jungfrau Maria wurde von Jakob Friedrich Shmidt (1765) als Roman behandelt, was dem Verfaffer vie ſchwere Ungngde der Kaiferin Maria Therefla zugog.

Der Zweibrüdifhe Präfldent v. Rebmann (ber fi auch Janus Eremita nannte) ſchrieb außer unbedeutenden Romanen und ein Paar polltiſchen Sachen eine empfinbfame Reife nah Schilda (1793), einen füngeren Mündgaufen, einen Obfeurantenalmanah (1798), der ihm Verdruß zuzog 2c. Eine Nahahmung des Sebaldus Nothanker war Reb⸗ mannd- „Hand Kid .in die Welt“ 1795.

Paſtor Bieber wird wegen Geteroborie vom Amte gejagt und muß faſt durch alle Welttheile wandern, um überall gleiche Intoleranz zu finden, bei Calbiniſten und Katfoliten, wie bei ben Autheranern und überall. In die Schilderung des aſiatiſchen Bonzenthums unb der „brei Pantofelfgfleme* wird alles das Hineingelegt, was ber Berfafler eigentlich von feiner eigenen Heimat fagen will. Nur bei den Türken findet Bieder Duldſamkeit und in bem neuen dreiſtaat Nordamerika.

Altes ziemlich. geiftiofe Klopffechtereien der damaligen Aufklärung. Bon’ Ahnlihem Schlage waren die von dem Berliner Auguft Wilhelm Granz anonym ebirten Bücher: Galerie ver Teufel (1776), Kraut und Rüben, Berliner Ehronif, Silen, Charlatanerien, Bodiaden ac.

Der Freiherr von Goqhhauſ en aus Weimar trieb wie Knigge hauptſaͤchlich Maurerel und diente dem Zweck verfelben mit vielen Schrif- ten (Spftem ber Weltbürgerrepublit 1786, Geſchichte der Meinungen eines Menſchenſohns, Geſchichte des Sofratismus, Antoinette, ein Maͤd⸗ qhen aus der andern Welt). Gegen Göthe's Einfluß fchrieb er 1776 das Wertherficber“.

Die..Breigeifter, die ſich Ihres feinen DVerftandes und Geſchmacks rühmten, mußten Einen unter ſich leiden, In dem die ganze Gemüths- verwilderung und Sittenrohheit des Unglaubens als in einem Vorbild de8 Sansculottismus hervortrat. Das mar der Sachſe Karl Friedrich Bahrdt, der in feiner Lebensbeſchreiburg (Brankfurt 1790) von fig ſelbſt erzaͤhlt,

Menzel, deutſche Dichtung. m. 11

162 Zehntes Bud.

wie er Theologie flubirt, jebod gleich in feinem erflen Amte bie Ftau eines älteren. Geiftlichen verführt habe. Später ald Prediger in Leipzig, wurde er von einer gemeinen Buhldirne ald Vater ihres Kindes angeklagt und fortger jagt. Bei diefem Anlaß fagt er: von allen hochwuͤrdigen unb hochehrwürdigen ‚Herren in Guropa fen feiner beſſer, als er. ©. 382 folgt eine fürmliche Ayo: logie des Chebruchs, eine Vertheibigung der Natur gegen bie Convention. Bon der Kirche verfolgt, wurde Bahrdt al Märtyrer der Aufklärung ſchnell ein bes tühmter und gefeierter Mann. Die Aufgeflärten, bie damals ſchon viele Ans Hänger unter dürſten und Miniſtern zählten, verfchafften ihm eine Anfellung auf ber Univerfität Erfurt, wo er als Theologe und unter der Made, chrif- Hehe Dogmatif und Moral zu lehren, das Gift eines unglaublich feihten Deismus und Naturalismus verbreitete. Das böfe Gewiſſen trice ihn insher ſondere an, gegen die Erbſünde anzufämpfen und alle Lafer und Schwächen des Menfchen als liebe Natürlichfeit zu entſchuldigen. Damals fuchte er auch eine Bau, nur um des Geldes wegen, wie er gefteht, und fand eine, ‚bie er, nachdem er ihr Gelb verbraucht hatte, ſtuͤndlich mißhandelte und elend machte, wie er alles naiv felbft erzählt. Um biefe Frau zu befommen, beging er, wit ex felbft berichtet, eine nieberträhtige Täuſchung / um bie fromme Schwiegere mutter glauben zu machen, er fey fein Freigeiſt, fonbern gleichfalls fromm. Kaum war er verheitathet, fo ging er alle Tage ins Theater, das ihm mehr - intereffirte, als bie Kirche. Nachdem fich Bahrdt durch feine Frechheit in Er: furt Feinde gemacht und die Behörden felbft gegen ſich aufgebracht Hatte, zogen ihn feine atheifiihen Freunde und Gönner na Gießen, wo er bier felse Rolle aufs neue ſpielte, unter der Maske eines gelehrten Theologen bie baare Irreligiofität und Immoralität durch Lehre und Beiſpiel zugleich zu prebigen. Da ihm nad) jeder Schandthat und nad; jeder Ausweifung an anz dern Orten nur Immer größere Ehre erwiefen wurbe, legte er balb bie lehle Shen ab und trat immer offener als direkter Befämpfer bes Chriftenthums auf. Damals gab er auch feine „neueften Offenbarungen Gottes“ Heraus, eine vorgebliche Unterſuchung des neuen Teftamentes, aber nichts als ein Sy⸗ Rem von Blasphemien gegen das Chriſtenthum. In Folge deffen war feines Bleibens nicht länger in Gießen. Begierig nahm er einen Antrag des Herm von Salis in Graubündten an, dort ein Philantfropin zu gründen. Der Hiederliche Atheift wagte es, eine Mufteranfalt für Menſchenbildung leiten zu wollen; Lavater fühlte ihm aber auf bie Zähne, Salis überließ ihm bie obere Leitung nicht, und Bahrbt machte, daß er wieder davon Fam, um fein Philans thropin in ber Pfalz mit beſſerem Erfolg zu gründen. Hier wurde er mun ganz zum gemeinen Speculanten und prellte bie vornehmen Eltern, bie ihm ihre Söhne anvertrauten, um ihr Geld. Da er zugleich mit feiner atheiſtiſchen Schriftftellerei fortfuhr, wurde er 1778 durch Reichtagsbeſchluß aller Nemter und Würden unfähig erflärt und aus dem Reiche verbannt.

Die Sturms und Drangperiobe, 163

Alobald aber nahm man fich feiner in Preußen an und er wurde mit offes nen Armen in Halle aufgenommen, wo er Borlefungen hielt, bis er es auch bier zu arg frieb und man ihm das Leſen unterſagte. Nun verlor er feine brave Braun, die er dis aufs Blut gemartert Hatte, und hielt mit einer Magd, feiner Concubine, eine Kaffeewirthſchaft in einem Garten bei Halle, wo er eudlich 1792 farb.

Außer feiner Lebensgeſchichte, feinen faden Lehrbüchern und Streit« ſchriften ſchrieb Bahrdt auch Satiren, eine Standrede an Götzens Grabe (bed Hamburger Hauptpaſtor, den Leſſing verſpottet), das Religionsedict (ein Luſtſpiel), „einen Kirchen- und Ketzeralmanach und Romane, worin er die Orthodoxie verſpottet und ſeinen Deismus lehrt: Zamor oder der Mann aus dem Monde, Ala Lama oder ver König unter den Schafern. Von ihm ſoll au „die Reife des Prinzen Yhakanpol“ vom Jahr 1790 geſchrieben ſeyn. Vgl. Allg. deutſche Bibliothek 110 ©. 121. In Form einer Meifebefehreibung derbe Satire gegen alle Kirchen.

Verwandt iſt: „der Gevatter Matthied oder bie Ausſchweifungen des menſchlichen Geiſtes.“ Berlin 1790, 2. Aufl,

Der Gevatter, ein junger Brangofe, macht Reifen durch Europa und findet überall den Unfinn walten, was ihn zur Menfchenverachtung bringt, bis er auf dem Todbette noch Mönchen in die Hände fällt. Die einzelnen Begebens heiten, fo wie die Ergäflungen der Freunde und NMebenperfonen find vom Autor darauf beredinet, das poſitive Chriſtenthum als Unfinn barzuflellen und im 2efer den Eindrud eines eben Zorns über fo ‚vielen Unfinn zurüczulafien. uebrigens iſt die Schrift nichts weniger als wihig oder ſcharfſinnig, ſondern anmafend und langweilig ö

Der anonym 1797 zu Riga erfhlenene Roman „der Wilde“ hat benfelben Zweck, das Chriſtenthum verhaßt zu machen.

Der Pernaner Azeb, der ald Heide in Einfalt und unſchuld mit feiner ger lichten Gattin Zuna in einer abgelegenen Gegend unter dem tropiſchen Him⸗ mel im ſchoͤnſten Garten der Erde wie im Parabiefe lebt, wird plöglich ins tieffle Glend geflürzt durch die Anfunft der Chriſten, die ihm ben chrifllichen Glauben aufgwingen, ihm fein fhöne® Weib zu ſchnöder Luft rauben, ihn in ben Kerlet werfen und der Heiligen Inquifltion überlaffen.

Die Preffe wurde überſchwemmt mit Schriften, die das Chriſtenthum offen verhöhnten. In diefem Sinne ſchrieb Paalzom feine Geſchichte des Aberglaubens, Geſchichte der religiöfen Graufamkeit, feinen Hierokles und Porphyrlus, Wünfh einen Horus (1783) ı. An die Stelle des

110*

164 Zehntes Bud.

Chriſtenthums follte eine Religion der ſich ſelbſt anbetenden Menſchheit mit maureriſchem Ceremoniel treten.

Ignaz Aurelius Kepler entfloh als Kapuziner aus Bamberg, wurde in Preußen Proteftant und Breimaurer und kam 1809 nah Rußland als Präfivent des Conſiſtorlums zu Saratow. Geine frelmaureriſchen Schriften und feine Geſchichte von Ungarn haben mehr zu feinem Ruhm beigetragen, als feine Dichtungen. Diefe nämlid find hauptſächlich hiſto— riſche Romane, in denen antike Helden auf bie langweiligſte Welfe zu fentimentalen Schwärmern und Weidlingen mobernifirt werden. In der befannten Welfe des Franzoſen Marmonte. So weichte Feßler den Mark Aurel 1790, Ariſtides und Themiſtokles, Alexander, Attila, Mat thias Corvinus auf. Seine Hauptabfiät mar aber, in feinen Romanen die Vernunftreligion zu prebigen, die er, mie alle damaligen Aufklärer, an bie Stelle des Chriſtenthums fegen wollte. .

In „Bonaventura's myſtiſchen Nächten“ 1807 fuchte fi Feßler felber zu tbealificen.

Bonaventura ift dem Klofter beftimmt und wird von Jeſuiten erzogen, wird aber durch bie Bewunderung ber Kunſt zur Philofophie hingezogen, ſtudirt Blato, gibt das Klofterleben auf, wirb eng verbunden mit Paoli auf Corſika, ſchwarmt für die Freiheit, für „bie Ideen der Allgemeinheit“, für Menfchens ' rechte, heirathet, wird Bater, fieht mit Breuben ben Jeſuitenorden untergehen, muß zwar felbft, nach Paoli’s Niederlage, von Gorfifa flüchten, 'erlebt aber noch eine Art Verklärung in ber Heinen Republit San Marino, wo er, „nach⸗ dem bie drei Steine feines Weſens zu einem einzigen diamantenen Spiegel von unwanbelbarer Klarheit zuſammengeſchmolzen waren, und bie Offenbarung der Macht und Heiligkeit des Idealen im Menſchen in feinem Dafeyn erreicht war“, als für die Erbe fchon zu vollfommen geworben, berfelben in unmittel- barer Bergötterung entſchwindet.

Die eltelſte Selbſttäuſchung eines Freimaurers, die in der deutſchen Ziteratur vorgekommen iſt.

Auch im „Nahtwächter Benedict“, Berlin 1809, huldigt der ent⸗ fprungene Mönch, nachdem er feiner Kirche für ewig abgeſchworen, dem mobernen Cultus des Genius,

Der verlappte Nacptwächter ift ein Philoſoph, wird Orakel von Miniſter und Fürſt und endet als Geheimerath und Gemahl einer edeln Dame. In feinen Vorleſungen verräth ſich der im Irrgarten der modernen Claſſiter Herz umtaumelnde Rapuziner. Unter anderem fehilbert er das Elyfium ber Dichter.

Die Sturms und Drangperiode 165

In der Mitte eine Tafel, an welcher Dante, Camoens, Cervantes und Shake⸗ ſpeare ſichs fehmeden Iaflen; daneben macht Ariſtophanes dem Moliere und Gozzi „die Honneurd“, umarmt Homer ben Ariof, wallen Leffing, Swift und Bope Arm in Arm, empfangen Prometheus (sic), Milton, Young den Klops Rod, gehen Pindar und Curipides dem Schiller entgegen x.

Eulogius Schneider, Pranziscanermönd in Bamberg, gehörte wie Bronner, Feßler, Schad, zu den Emancipirten. Schon als Mönch ſchrieb er Gedichte, die nichts als Wolluſt atmen. Ste erſchienen jedoch gedruckt erft 1790. Unter anbrem fingt er:

\ Ginfam ſchmacht ich Hier im Bette,

Thraͤnen fallen auf die Kette, Die der Tiger Hildebrand Mir um Herz und Hände wand.

Vielleicht, fähet ex fort, wird Kaiſer Iofeph mich reiten, aber zu fpät. Wenn dein Züngling einſt als Greife Bittert und am Stabe feucht, Lina, dann geſchiehts vieleicht.

ine andere feiner Moͤnchsliebſchaften nennt er Babette. Cine dritte Mis nette. Als er biefe füßte, fah es ihre Schweſter und verrieth ihn. Darüber dichtet er ein artiges, für einen Moͤnch freilich höchſt feivoles Liedchen mit dem Schluß: was? beim Dfen ſeys gewefen? nicht doch, es war beim Kleis derſchrant.

©. 215 fingt er:

Oft, wenn ich in ber finftern Zelle Auf Hartem Sitohe Ing,

Da malte mir der Gott des Traumes Mein künftig Mädchen vor x.

Sinnenluſt, welde die Kette fprengen will, athmet ans allen biefen Klo⸗ ſterliedern Heraus. Cine Tolerangprebigt von ihm machte großes Auffehen und bewog ben Herzog Karl, ihn an feinen Hof zu berufen. Balb darauf berief ihn der aufgeflärte Kurfürft von Köln nach Bonn. Hier als Brofefior an ber tatholiſchen Univerfität fang Schneider ©. 177:

Lebewohl, Theologie!

Lange haft du mich gequält,

Bintermärdjen mir erzählt

Und gebacht, ich glaubte fie xc. Und ©. 223:

166 Sehntes Bud.

So kamen einft bepurperte Spionen Und Hodgeweihte Straßenräuber, Thuislons Erbe auszuplündern, Bom Vatikan gefandt.

Da fogen fie das deutſche Mark Und gaben Ablaß ihm dafür

Und Aeſer, die man faflen follte Mit Perlen und Rubinen,

Beim Ausbruch der franzöſiſchen Mevolution ging Schneider nah Straßburg, wurde Jakobiner und Terrorift, Heß köpfen und murbe 1793 felbft geköpft. Er war ein eitler Tropf, ber um jeden Preis eine große Rolle fpielen wollte, wie fpäter Johannes Ronge.

Friedrich Juſt Riedel, Profeffor in Erfurt, ein höchſt gemeiner und flacher Geiſt, brachte es durch feine Vergötterung Wielands, Nico lai's, Mendelsſohns ꝛc. dahin, daß er als Aufklärungsmiſſionär einen Ruf als k. k. Rath in Wien erhielt und auch dann noch, als er wegen Atheismus abgefeht wutde, vom allmächtigen Minifter Kaunig als Vor leſer beibehalten wurde. Er ſtarb in Wahnfinn 1785. Eitelkeit ſcheint ihn zu der Rolle getrieben zu Haben, ver er nit gewachſen mar. Seine gefammelten Werke erfienen 1778 in Wien in fünf Bänden. Alles ſeyn ſollende Satiren, aber unendlich platt und fabe.

Ueberfegungen aus der Sprache ber Thiere, bie ſich über die Menfchen ber Hagen ober ihrer fpotten. Dhne Wi. Das Marchen von einem Zauberhut, ber bie Gabe Hat, dem, ber ihn auffekt, Charakter, Stand und Amt zu vers leigen. Gut ausgedacht, aber ohne Geift durchgeführt. Neues Lehrgebäube der Seelenwanderung, von elender Plattheit. Skribleriana gegen ſchlechte Skribler, zu denen ber Mutor felbft gehört. Der Trappenfchüg, komiſches &po8 in Profa, ein ſchwacher Spaß, indem flait eines Trappen ein Eſel ge⸗ ſchoſſen wird. Der Reft, ben ich nicht aufzäßlen will, ift noch viel geringer. Einen großen Raum nehmen bie Briefe an bie bamaligen Größen der Aufklärung und Riedels Gönner ein.

Welch eine Zeit, in der ein fo ſeichter Geift vom römiſchen Kalfer na der Hauptftadt des Fatholifhen Deutſchland berufen werden Eonnte, um bort Licht zu verbreiten! In vemfelben Wien fehrieb Hofrath Ignaz v. Born eine lateiniſche Monachologia, worin er die Mönche nad dem Linneſchen Spftem als Thiergattungen clafflficirte. Im gleichen Sinn ſchrieb

7 Die Sturm⸗ und Drangperiobe. 167 Heinrich Gottfr. v. Bretſchneider einen „Almanach der Heiligen“, worin er den katholiſchen Glauben aufs frechſte verhöhnt. Bretſchneider war ein Sachſe, ging im fiebenjährigen Kriege zu den Defterreihern über, Half ihnen bei Collin flegen, ging dann mieber zu ven Preußen über, aben« theuerte durch die Welt: umb endete doch noch als öſterreichiſcher Hoftath. Er ſchrieb auch Wiener Sittenfohllverungen in zwei Romanen „Aben« theuer des Junker Ferdinand von Thon“ und „Waller Leben“. Hieher gehört auch des Biſtorius „Kronik ber Heiligen“ mit Kupfern, Wit tenberg 1787, eine Parodie der echten Legenden in Blumauerd Manter, vol Spott über den katholiſchen Glauben. Alle Heiligen werben hier ungefähr mie Antonius der Große von ben Teufeln, die ihn unter allen möglicden Geftalten zu neden und zu verführen tradhteten, von ben Wige- leien des Dichters umdrängt. No gemeiner iſt die „neue Legende ber Heiligen“, Salzburg 1784, worin die fhändlichften und albernften Dinge von Heiligen erzählt werben (in Profa).

Den meiften Ruhm unter allen Aufflärern Wiens erlangte Aloys Blumaner. Bei ihm verband fi der feihtefte Nationalismus und Humanismus mit der alten Genußſucht ver Wiener zu der frivolen Spöt« terei, die ſich, weil fie felbft nichts Driginales fhaffen Eonnten, am bes quemften im Traveſtiren deſſen bewegten, mas Andern groß, erhaben ober fein und ebel erſchien. Der Halbgebilvete Pöbel hat Blumauer vergöte tert, weil er alle‘ feine Neigungen in ihm wiederfand.

Blumauer gab zuerft 1780 ein langweiliges und geiſtloſes Ritterfpiel , Er⸗ wine von Steinheim", dann 1782. Gedichte heraus. Unter biefen nehmen bie burleöfen den erflen Rang ein. Nur fie foaren es, bie ein Publitum und awar vein großes fanden und Heute noch finden. Die poflenhafte und zum Theil lascive Art, wie er bad Lob. ber Gans, des Flohes, des Ochſen, bes Giels, des Schweins und des Nachtſtuhls in Knittelverfen fang, erregte wies herndes Gelächter. Auch ein Lob des Tabats oder Schmauchlied fang er. Am merhwürbigflen iſt das Gedicht „ber evangeliſche Bauernjunge in ber Fatholis ſchen Kirche“. Hier läßt er einen Bauernjungen erzählen, was berfelbe alles in der katholiſchen Kirche, in der er zum erftenmal war, gefehen Hat, lauter - Dummheit und fraffen Unfinn. Er ſchließt:

Las fie Hocus Pocus treiben Und die Narren Narren bleiben.“ v So durfte Blumauer über‘ die Landeskirche fepreiben. Dennoch gerieth er

168 Behntes Bud.

in eine literariſche Jehde mit dem Berliner Nicolai, "der doch ganz und gar fo dachte, wie Blumauer, mur weil der Wiener anderweitige Schene des Berliners über die Wiener auf Ambition nehmen zu müflen glaubte.

An die Stelle der Kirche trat bei Blumauer die Loge. Cine Menge feiner Gedichte find Freimaurerlieder. Er pries Jofeph IL al den großen Gönner und örberer der Logen im Oegenfag gegen bie Kirche. Er fah im’ Geiſt ſchon die Kirche vernichtet und bie Loge ald Tempel der Humanität auf ihren Trümmern erbaut. Unter anderm befang er die Aufnahme Voltaires unter bie Maurer (im Jahr 1778), wobei er benfelben ben „liebften Sohn ber gütigen Natur“ nennt. Dei jeber Gelegenheit brachte er in der Roge Gefunbfeiten in Verſen aus, fo auch alljährlich in ben Schwefterlogen. Man macht ſich einen Begriff von ber Höhe, bis zu welcher Humanität und Natürlichkeit damals in Wien getrieben wurden, wenn man lief, was Blumauer ben Schweftern in offener chriſtlicher Verſammlung Alles fagen durfte. Da leſen wir bei ber Beier des Iohannisfefes 1782: B

Denn eine Schweſter feitwärts ſchielt zc., ihr Ghemänner, da nehmt ger ſchwind die Binde um die Augen als blinde Brüber. Seht nichts, das iſt das befte, was ihr Yun Ant. Wenn eine Schwefter zanft, daf fle feine Kinder hat, ihr guten Chemaͤnner, fo

Berubigt fie für biefen Pal Und madjet für ein andermal Die Chftandsarbeit beffer.

Im folgenden Jahre 1783 wieder bei der ¶Shennisfeier ruft Blumauer den Schweſtern bie frivolſten Aequivoken zu, indem er ihnen bie Sinnbilder der Maurerei erklärt, und. fließt:

Für euch nur endlich feuern wir . Aus den Kanonen, welche hier

Im voller Ladung flehen. . Drum laßt die Arbeit und, und feyb Zufrieden, wenn ihr jeberzeit

Da erntet, wo wir fäen. Beim -Mamendfefte der maurerifchen Schwefter Therefla von ©. verhöhnt er die 5. Therefe. Die trage zwar einen lichten Schein um das Haupt, aber das Licht im Kopfe Habe bie Maurerei ıc. u Blumauers Hauptwerk iſt die „Aeneis“, eine Traveſtie der virgi⸗ liſchen, in Knittelverſen. Es war einmal ein großer Held, Der ſich Aeneas nannte, Aus Troja nahm ers Ferſengeld, Als man die Stadt verbrannte.

Die Sturms und Drangperiode. 169

Juno bittet ben Gott der Winde, dem Sliehenden auf dem Meere einen Sturm zu fenden. - Er thut es, klagt aber (©. 6):

Mein Nordwind, den wir jeßt zum Wehn Am beften brauchen Tönnten, IR athemlos ich lieh ihm den Berliner Reyenfenten.

+ Die machten ihn zum Helticus, Doch wirb ihn bald ihr Ueberfluß An Gſelsmilch kuriren.

Die Winde toben. Neptun aber ſpricht fein Quos ego und droht den Wins den „das Maul zu vernähen“. Venus bittet um Schug für ihren Sohn Aeneas, und Jupiter, ber eben auf dem Nachtſtuhl fit, gewährt ihn gnädig. Aeneas kommt giũdlich nach Karthago und geht in ein Kaffeehaus, wo er den Neichöpoftreiter Heöt. Dido läßt ihm kommen und erzählen: Infantin, laft das Ding mir nach, es koſtet mid nut Thränen. (Infandum, regina, jubes, renorare dolorem.) Doc) erzählt er vom Untergang Troja's (S. 43):

Wie Ihro Majeftät geſehn,

Wenn Sie oft Floͤhe fingen,

Daß ganze Blohfamilien .

Aus jeder Falte fpringen,

und ängflich Hüpfen hin und her So— ſlohen vor dem Morbgewehr

Der Griechen bie Trojaner.

Aeneas erzählt feine dlucht. Das Ungeheuer der Schlla wird ©. 79 als eine fofefte Tänzerin geſchiidert, bie mit dem Eurzen Roͤdchen zu fehr ger wirbelt und dadurch bie Männer verführt habe, wofür fie zur Strafe an den Bels gebannt worben fey, bellende Hunde am untern Theil um fih habe und beflänbig im Strudel dad Meer und die Schiffe um ſich beivegen laſſen müfe. Bolyphem wird als ein Großinquiſitor aufgefaßt. Als Aeneas feine Beichte geendigt, wird Dido immer verliebte. Cie wendet ſich an ihren Beihtvater, einen Sefuitenpater, der da meint, weil Aeneas Prinz Heiße, fo dürfe fle es mit ihm wagen, unb fey im Voraus abfoloick Nun das Gewitter und bie (ganz decent gehaltene) Höhlenfeene. Als Aeneas fort muß, überhäuft ihn Dido mit den pöbelgafteflen Schimpfreden (S. 113). Dann geräth fie in Verzweiflung. WB er fort iſt, klagt fie: .

Du füßef ewig theures Band, Das ih, o felge Stunden, Aeneen oft mit eigner Hand Um feinen Kopf gewunden x.

170 Schntes Buch.

Es mag genug fegn, um die Gattung zu charakteriſiren. Die drei legten Gefänge der Aeneis, die bei Blumauer fehlen, ergänzte Schaller 1794. Bald erſchien auch eine traveflirte Illas, ein traveftirter Ovid. Der Iegtere in vielen Bänden.

Unter Blumauerd Nahahmern ſteht Schaller, der Straßburger, oben an, deſſen Stutziade ober der Perüdenkrieg (1802) ganz im Ton und Versmaße Blumauers gerieben, aber in ber Erfindung originell ift.

Die olympiſchen Götter find im Begriff, ſich zu mobernifiten und haben fih eben die neueflen Moden von Paris kommen laſſen. Apoll erſcheint in Pantalons, Mars als Incroyable, Juno trägt eine cul de Paris ꝛc. Da Bringt Merkur die erflen Damenperüden, welche allgemeines Staunen erregen. Venus aber ärgert ſich darüber und wirft fie zum Himmel hinaus. Sie fallen auf das Giland der Circe, welde ſich gleichfalls über bie feltfamen Gefchöpfe wunbert und fie aus Mitleid lebendig macht. Gs ift eine rothe und eine ſchwarze Perüde. Kaum können fie ſich felbftfländig bewegen, fo fallen fie über einander her und zerzaufen fih. Die Olympier bemerken es und Tommen, nachdem ihr einziges Opernglas, weil es Jeder Haben will, zerbrochen ift, felber herunter, dem Perüdenfrieg zuzufehen, der fie fo lachen macht, daß Aeolus zerplagt und eine furchtbare Explofion hervorbringt. Indeſſen währt der Krieg nicht nur fort, fondern rüften ſich auch alle Berüden auf Erden, Partei zu ergreifen, und im Olymp ſelbſt flelt ſich Venus auf Seite der tothen, Zuno auf bie der ſchwarzen Perüden. Beide Göttinnen gerathen in höchft unerbaulicgen Haber. Der Krieg der Perüden beginnt nun im großen Style mit vielen Anfpielungen auf Mack, Sumarof, Napoleon und die wirklichen Kriege der Zeit). Junone führt die ſchwarze, Cyprine bie rothen Perüden an, Judaſine verräth die lehtern an jene. Unterbef hat Jupiter eine Anwandlung von Aufflärung und Täßt die Verbannten aus der Unterwelt wieder frei, ba aber ber unverfehämte Irion ihn gleich wieder zum Hahnrei machen will sc. und Momus, als olympiſcher Hofrath, kraͤftig Einſprache thut, proklamirt Jupiter, die böfe Welt fey für die Aufklärung noch nicht reif und ſperrt bie Gmancipirten wieber in die Hölle ein, in ber wir auch Robespierre, Garriere und bie übrigen Ungeheuer der Revolution büßen fehen. Die Göttinnen nehmen fortwährend Theil am Perückenkrieg. Indem Juno zur Erbe nieder⸗ ſchwebt und ihr Kleid ihr majeftätifh nachwallt, wird diefe ſchöne Situation das Motiv zur Crfindung ber Schleppes Indem Venus auf bie Infel der Circe tommt und mit biefer bald in Gtreit geräth, wird fie von der boßhaften Zauberin felber in eine Perüce verwandelt, Fämpft Heldenmüthig in Gypricens Heer, witd aber arg zerzaust und flieht weinend zum Bater Jupiter. Diefer ſchleudert endlich einen Blig auf bie Infel und die glüdlich davon entzündeten Berüden Iodern in Rauch auf.

Die Sturm⸗ und, Drangperiode. 171

Diefer fehr ſchallhaften und geiftreichen Dichtung fehlt nichts, als die Kürze, fie ift in drei Bänden zu lang ausgefponnen.

Ratſchkyy in Wien, ein Freund Blumauers, verfpottete bie fran» zoͤſiſche Mevolution, 1793 in einem komiſchen Heldengedicht „Melchior , Striegel“ in der Manter des engliſchen Hubibras.

Der Held flifte einen Clubb, der Gaſthof zur Krone wird in den zur Safobinermüge umgetauft. Die große Brage if, ob ber Kegelfönig noch ben Vorrang behalten folle x.

Joſeph Richters „Briefe des Eipeldauer über die Wienftabt“, fett 1774 geſchrieben, geben in burlesker Bauernſprache eine juvenaliſche Schilderung ver Wiener Lüderlichkeit.

Man hat den Gipeldauer in Wien gut angefellt, indem man ihm bie Maitrefle eines vornehmen Heren als Frau anfängt. Diefe Hält ihn nun unter dem Pantoffel und macht das luſtige Wiener Phäakenleben, Schlem⸗ merei, Schlederei, Chebruch, Galanterien jeder Art, Bälle, Theater, Prater, neue Moden, Lotterie, Schulden x. mit. Selbft in den Kirchen läßt und der Eipeldauer nur Unzucht fehen. Die Kirchen dienen nur zur Schauſtellung der tollften neuen Moden und zu Rendezvous, oder um eine Mefle fingen zu hören von einer Sängerin, bie geftern Racht noch ald Bachantin radte. Um "ben Narrenthurm aber ſtehen die Wiener den ganzen Tag und hänfeln bie Narren, damit fie noch märrifcher werden. Allen Ständen wird, immer mit gutmüthigem Humor, ber beſchaͤmende Spiegel vorgehalten.

Dieſes zu feiner Zeit oft (1796 ſchon zum viertenmal) aufgelegte, heute vergeffene Werk iſt ver beſte Gittenfpiegel Wiens, mie die Romane des Julius von Voß der Berlins.

Ich muß bier no eine Anzahl mohlmeinende, zum Theil edle Schwãaͤrmer anſchließen, melde die Welt mit ihrer neuen Aufflärung bes glüden wollten.

Schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts Hatte Rouſſeau in Genf eine Revolution ber ganzen Erziehung vorgefhlagen, um ein neues phi— loſophiſch gebildetes Geſchlecht aufzuziehen, dem alle Erinnerung an bie bisherigen auß dem Mittelalter noch ererbten chriſtlich-ſocialen Zuftände verſchwunden -fegn ſollten. Diefen Gedanken faßte nun der Hamburger Baſedow auf, um ihn zu verwirklichen, indem er 1774 zu Deſſau ein f. g. Phllanthropin als Muſterſchule der Fünftigen Erziehung des Menſchengeſchlechts gründete. Hier follten die Kinder alles ſpielend ler⸗

172 Sehntes Buch.

nen, nie beftraft werben ıc. Er machte aber bald Bankerott und wurde ausgelacht. Biel nüchterner und praftifer fing fein Schüler Sal z⸗ mann bie Sache an, indem er zu Schnepfenthal bei Gotha eine noch jegt blühende Erziehungsanftalt gründete und Hier zunächſt nur die Un» natur der damaligen Mode, Puder, Zöpfe, Perüden, Reifröcke, Schnür⸗ brüſte sc. abſchaffte und bereit lange vor Bahn das Turnen einführte, um bie Knaben zu Eräftigen. Er Hat auch viel geſchrieben, 1781 fein berühmtes Krebsbüchlein, worin er lehrt, wie man bie Kinder nicht erziehen ſoll, und 1783 den großen Sittenroman „Karl von Karlsberg“ in ſechs Bänden.

Darin verbreitet fih Salzmann über alle Verfehrtgeiten der Mode und focialen Mipbräuche feiner Zeit. Scharf tabelt er, daß man in den Schulen griechiſch und lateiniſch Ichre und bie Rnaben doch nicht zu Fräftigen Bürgern erziehe, fonbern philiftechaft vertrocknen laſſe. Die Verweichlichung der Sitten, die haͤßlichen und ungefunden Moden, die geſellſchaftlichen Lügen find es vorzüglich, bie feinen Unmillen erregen. In Bezug auf bie politifchen Ges brechen äußert er ſich vorſichtiger und was bie Kirche betrifft, fo bleibt ihm dieſelbe fremd und er Hofft alles nur von ber, Aufklärung.

Dem gleichen Zwede dienten Salzmanns übrige Volksſchriften in „Conſtants fonderbaren Batalitäten (1791), mie Haberfeld aus einem Bauer ein Freiherr wurde, und Sebaftian Kluge”, fämmtlih Anmeifungen für das Volk im Sinn des aide toi et le ciel t'aidera.

Johann Heinrich Merk, ven man ald Göthefreund belorbeert mit herumzuſchleppen pflegt, ftand feiner Tendenz nad Salzmann nahe. Er mollte Natur, Wahrheit, Einfachheit, gab fi abet, anftatt fih an das Alipolksthůmliche und an die Kirche zu halten, einem falſchen Idealiſiren und Erperimentiven Hin und ging barüber zu Grunde, denn wegen fhleh- ter Speculationen ſchoß er fi 1791 tobt. Er war ein Kunfl- und Petre- factenliebhaber. Unter ven vielen Eleinen Auffägen, bie er gefchrieben, zelnen fi zwei Erzählungen in Wielands Merkur (von 1778 und 1781) aus.

Die Geſchichte des Herrn Oheims, eines ber gebildeten Geſellſchaft freis willig entfliehenben Genies, welches fih der Landwirthſchaft widmet und ein idealer, alles rationell behandelnder Bauer wird, ein natürlicher Muftermenfch nad) Merks Hergensmeinung. Lindor, die Geſchichte eines von Kindheit auf durch feinen Scharffinn ausgezeichneten Jünglings, welcher hernach empors Tommt und Günfling eines Minifterd wirb, jept-aber erfi mit tiefer Befchär

Die Sturms und Drangperiode. 173

mung erfennt,' daß ihm alle Welt mur auöbenten unb benußen will, ohne Achtung für ihn, ja ohne Verſtaͤndniß feines Werthes. So der Minifter, die eigene Frau ıc. Gin Gemälde von hoher pfychologifcher Wahrheit.

. Ausgewählte Schriften von Merk ebirte Stahr, 1840.

Einen ähnlichen Weg manbelte feit 1781 ver Züricher Peſtalozzi, der in feiner Muſterſchule eine neue Methode durch Ausbildung des An- ſchauungsvermögens, des Formen», Zahlen» und Spradfinns anwandte, und eine folde Hoffahrt unter die Schulmelfter brachte, daß biefelben feltvem ben Pfarrern auffägig murben, und in ben nad Peſtalozzi's Grundfägen allmählig in ganz Deutfhland gegründeten Schullehrerſemi- narien bie Ueberzeugung genährt wurde, es fey für hie aufgeflärte Menſch- heit an ber Säule genug und bie Kirche müffe ganz verſchwinden. Pe⸗ ſtalozzi felbft dachte freiti nit, daß es fo weit Eommen mwürbe, noch wollte er ed. Seine Babeln, bie zuerft unter- dem Titel „Figuren zu feinem ABCbuch“ 1797 erfgienen, enthalten viel Schönes z. B.

Einer Hält ein Thal für gefegnet, weil es fo viel Quellen habe, aber ein Bewohner des Thales fagt: es find der Quellen zu viel, fie machen die Ebene zum Sumpf. Das paßt ganz auf bie deutfche Poefie, in der nur zu viel gemacht wird. Der Feld frägt die Statue, was fie ſich brüfte, fe ſey nichts mehr, ald er. Die Statue aber antwortet: ich brüſtete mich nicht, fo Tange ich zu dir gehörte, ich thue es erſt, feit ih von dir los bin. Gin König wünft, feine Unterthanen möchten fo an ihm hängen, wie die Blätter an der Binde. Die Linde aber fagt: id) nähre fie mit Gaft, du aber willft den Saft aus ihnen ziehen. Ciner ſchalt, es fey zu wenig Gemeingeiſt im Volle. Gin Bauer aber antwortete, ich fordere von meinem Reich nur Ges meinkraft.

Eben fo edel tft fein Volksbuch „Lienhard und Gertrud“ von 1781.

Didaktiſche Romane zur Belehrung des Volks: der philoſophiſche Bauer von Hirzel 1774 (dem no ein philoſophiſcher Kaufmann folgte), Gottfried Walgher, der Tiſchler von J. M. Miller 1786, die gute Chri« fine, eine Geſchichte für Dienftboten, von Effi 1793. Das Noth- und Hilfsbüchlein von Rudolph Zacharias Beer (Hofrath in Gotha) 1788 nebft einem Liederbuch 3c. der Mildheim'ſchen Muftergemeinde.

Sehr rührig in der deutſchen Literatur war damals Heinrich Zſchokke, ein Magbeburger, der, nachdem er Rittercomane, (Kurb von Kiburg nahm bie Silberlecke des Enthaupteten und warb Berftörer des heiligen Behm-

0

174 Zehntes Buch.

gerichts), ein Raͤuberſchauſpiel (den großen Abällino) ꝛe. geſchrieben hatte und nachdem er in ber Schweiz Erzieher gewefen war, fi der Revolu- tion tn die Arme warf, 1798 helvetiſcher Commiffär wurde, und fpäter für die göttliche Miffion Napoleons und für ben Rheinbund gegen bie Spanler, Tiroler und Preußen ſchrieb. Eine mit feinem Namen verbrei- tete Flugſchrift von 1807 kündigte Deutſchland die glücklichſte Zukunft an, feitbem ſich Napoleon und der ruſſiſche Alerander deſſelben erbarmt hätten. Dabei war Zſchokke ein eifriger Maurer, verbreitete Aufklärung und machte eine glänzende Speculatton mit feinen rationaliftifhen „Stunden ver Andacht“. Diefem Standpunkt gehört au fon fein Roman von 1802 „Alamontade“ an.

Alamontade liebt eine verheirathete Frau, von ber er fih aus Tugend wieder trennt, um. abermald eine gewifle Elementine zu lieben, von der ihn das Schickſal trennt, indem er im Gevennenfriege als Reformirter gefangen und auf die Galeere geſchleppt wird. Hier bringt er faft dreißig Jahre in nicht chriſtlicher, fondern philoſophiſcher Gelaffenheit und Gebuld zu, bis ber Tod ihn erlöst.

Ein anderer Roman Zſchokke's, „dad Goldmacherdorf“, machte noch meit mehr Glück, indem er darin der modernen Schulmeiſterei ſchmeichelte und das Ideal einer Dorfgemeinde ſchilderte, in der „Bildung und Wohl- fland für Alle“ dur den jungen Schulmeifter Oswald erreicht wird.

3. Die Kraftgenies.

Im inſtinktartigen Gefühl, daß man bisher immer zu ſchwach, zu weichlich, zahm und nachgiebig gegen das Herkommen ober die Mode ge— weſen ſey, begannen viele Dichter, mit groben Worten um ſich zu ſchla⸗ gen und mit ihrer wirklichen oder nur eingebildeten Kraft); zu renommiren. Es war nicht immer die kochende und braufende Jugend, die fih fo ge berdete, es ſchlich ſich bald auch Affertation ein, da der neue Ton impo— nirte und Mode wurde. Win ähnliches Gefühl Hatte ſchon früher die

Kraftausdrücke und ben Schwulft der zweiten ſchleſiſchen Schule ſowie ber

Die Sturm» und Drangveriode. 175

Klopſtockiſchen Bardiete motivitt, und auch jetzt fehöpfte man wieder einen

Theil der neuen Kraft aus dem Stolz auf die deutſchen Ahnen, auf das alte Heldenthum der Nation.

Hier trug Graf Stolberg die Fahne voran. Seinen patriotiſchen NRomanzen aber gingen ſchon Ältere vorher. Als bie erfte Romanze ber Neuzeit gilt „Hermin und Gunilde* von Rafpe, vom Jahr 1766, ob⸗ gleich fie nad des Verfaſſers eigenem Bekenntniß mehr dem Arioft, als dem deutſchen Volksliede nachgebildet if. Eben fo unbebeutend feinen

1768 Schiebeler8 Romanzen, fowie bie von Geißler 1773, Grahl -

1776, Keftinger 1779 gewefen zu ſeyn, da fle unbeachtet verſchwun⸗ den find.

In dem jungen Dichterbunde in Göttingen, ber feine Weihe haupt- ſächlich von Klopſtock empfing, nahm Friedrich Leopold, Graf von Stol-

berg, mit feinem Bruder Ehriftian, einen hervorragenden Rang ein. -

Einem der Älteften Adelsgeſchlechter am Harz entflammt, von echtem deut⸗ ſchem Kern, faßte Friedrich Leopold die Grundgedanken Klopftods „Relt- gion und Vaterland“ viel tiefer, als Klopſtock ſelbſt. Seine Religioſität blieb nicht der willkührliche, von aller Tradition emancipirte, empfindfame Christianısmus vagus, fonbern führte ihn zur wirklichen alten Kirche zu— rück, und feine Vaterlandsliebe blieb auch nicht im affectirten Barbiet ſtecken, fondern fuchte das wirkliche alte deutſche Reich, Adel und Bolt. Ein tiefer magnetifcher Zug, ein unwillkührlicher naturnothwendiger Trieb, mie er {m Wurzelfaft eines oben abgehauenen Baumes ſich regt, um neue Aefte zu treiben, führte ben poetiſchen Grafen mitten durch alle Täufgungen und Schmeicheleien, wie fpäter durch alle Anfechtungen einer Zeitbildung hindurch, die von der Naturwahrheit abgernigen mar. Es dauerte lange, bis er felbft fi faßte ynd begriff. Er ſchwankte in Sym⸗ pathien und Manieren umher, bis gleichſam gegen feinen Willen, wenige ſtens gegen ale Erwartung, immer die fire Natur in ihm den rechten Weg fand.

In feinen Gedichten ſchwirnt er anfangs wie Voß, Cramer ꝛc., für Klopftod und ergießt fi im Hohen Obenton in Begelfterungen für bie Freunde, für den Gefang ze. Bald aber fehn wir ihn aus den antiken Versmaßen heraus zum deutſchen Reim, zum Ton des Volksliedes ſich durchringen. Er vergleicht die gute alte Zeit deutſcher Kraft und Herr⸗

176 Zehntes Buch.

lichkeit mit den verkommenen Zuſtänden der Gegenwart und mahnt, die alte Kraft zu verjüngen in dem Liede vom deutſchen Knaben: Mein Arm iſt ſtark und groß mein Muth ꝛc. Im Liede des alten ſchwäbiſchen Ritters. Sohn, da haſt du meinen Speer, Meinem Arm wird er zu ſchwer ac. Im Liebe auf das Rüſthaus zu Bern: Das Herz im Leibe thut mir weh, Wenn id} der Väter KRüftung feh ıt. In einigen Balladen, unter venen „die Büßende“ am berühmteften . Wurde, fuchte Stolberg gleichfalls den Sinn für die alte Zeit, Zucht, Sitte und Gemüthlichkeit zu weten. Auch fein Bruder Chriſtian ſchrieb vergleichen, doch find deſſen Gedichte nur ein ſchwächerer Abglanz der brüderllchen. J Das Griechenthum, für welches in Göttingen alles ſchwärmte, machte auch unſerem deutſchen Grafen viel zu ſchaffen. Nachdem er ſich einmal damit eingelaffen, verräth es feinen großartigen Sinn, daß er glei (1776) die Ilias überfegte (forte fein Bruber ven Sophofles), Aber das war nicht fein Beruf, feine Meberfegung wurde bald dur die von Voß verdrängt. Sodann fehrieb er einige Schaufpiele in antifen Formen, und auch bier bezeugte fi wieder fein höher ſtrebender Geift, -fofern er in diefen Werfen Ioeen ver Freiheit zur Geltung Bringen wollte. Da- mals gab es viele ausgezeichnete Evelleute, welche im Sinne des däniſchen Minifters BVernftorff, für Humanität begeiftert, die Bauern emancipiren und zu ebler Freiheit Heranziehen wollten. Es war die Zeit, in welder die vereinigten Staaten ſich vom englifhen Mutterfande Iosriffen und in ihrer Nepublik ein Ideal von Humanität, Freihelt, Gefittung, Wohlſtand und allen Bürgertugenden barzuftellen und Rouſſeau's Ideal zu vermirk- lichen ſchlenen. Im Gefühl, ver Feudaladel habe ſich am Landvolk bis her verfünbigt, nahm fi ein franzöſiſcher Edelmann, Lafayette, mit lei— denſchaftlicher Wärme des Volkes an, und regte ſich daſſelbe Gefühl auf in einem Theil des norddeutſchen Adels. Sp erklärt ſich die Breiheitd- gluth in Stolbergs gräcifirenden Dramen. \

Die Sturm⸗ und Drangperiobe. 177

Im „Tpäfens“ wird biefer Held Vefreier der Athenienſer und Gründer ihrer bürgerlicgen Freiheit. „Qimoleon“ erobert bie Freiheit wieder.

Chriſtian ſchrieb zwei aͤhnliche Stüde:

Belſazer“ wird in der Fülle feiner Sünden von ben Perſern überfallen und unter obligaten Freiheitorufen auf feinem eigenen Thron ermordet, in ber That eine Art Bifion in Bezug auf das Schidfal der tiefverſchuldeten Dynas fie in Frankreich. „Otanes“ muß zufehen, wie ber ſchlaue Darius ſich durch umoürbige Liſt der Gerrſchaft in Perlen bemeiſtert, reitet aber ſich und bie

Seinen in ein Aſyl edler Freiheit.

Merkwürbig iſt Leopolbs Roman „bie Infel“, in Biofa, 1788. Der durch Unglüd geprüfte Sophron unterrichtet auf einer ſchwaͤbiſchen Donauinfel einige Jünglinge und malt ihnen die befte Mepublif aus, bie faſt ganz foeialiifeh iſt Gleichheit des Standes und Befpes, das Gefeh faft u

entbehrlich durch bie Sitte, Unſchuld und Gittenteinheit bie Grundlage, der Grfolg: das Parabied auf Erden.

Ganz verſchieden von biefen Dichtungen iſt Leopolds „Säugling“, nad Stoff und Form völlig claſſiſch, ein allegorifger Mythus.

Die ſchone Kritais wird am Ufer durch wunderbare Töne, Düfte ıc. in fügen Schlummer gewiegt, ald fle aber wieder erwacht, liegt ihr abgelöäter Gürtel neben ihr und eine Stimme verfünbet ihr, daß ihr ein Gott beigewohnt Habe. Der Gott war Apollo, das Kind, das fle ihm gebiert, iR Homer. Auf Befehl des Gottes wird das Kind ihr geraubt, um auf dem Helifon von ben Mufen gepflegt zu werden. Da klagt bie Mutter in den rührendſten Tönen, bis Apoll ihe das Kind wieder fendet, um endlich beide, Mutter und Kind, au fih gu nehmen.

Das iſt Stolbergs ſchönſte unb vollendetſte Dichtung, und obgleich in ſtreng claſſiſcher Form, doch von beinah indiſchem Charakter. Die Klage der Kritaͤls kann mit nichts verglichen werben als mit der Klage der Sakuntala, Draupabi, Savitri und der Verlaffenen von Maghabuta.

Stolbergd „Jamben“ von 1784 find poetifhe Epiſteln und Lehrges dichte, die feine edle Geſinnung und fein richtiges Gefühl befunden,

- In dem „Rath“ raͤth er ironiſch, die Franzoſen nachzuahmen; jede Modes thorheit zu pflegen, bie alte Treue und Sitte zu verlachen, Religion und Prier ſter zu Haffen xc. In den „Schafpelgen“ aber fraft er bie falfchen Pfaffen, Heuchler und Miethlinge. Unter dem „Kleinod“ verfieht er bie Ehre bes Mannes und bie Keufchheit des Weibes, dieſes Kleinod ſoll ewig bei und ger

wahrt werben. Menzel, deutſche Diätung, IL 42

178 Zehntes Buch.

Als Schiller die „Götter Griechenlands“ gepriefen und eine poetlſche Wehmuth darüber ausgebrüdt Hatte, daß eine ſchoͤne Heitere Böttermelt durch das finftere häßliche Chriſtenthum verbrängt worden ſey, nahm ſich Stolberg bes legteren an, wurde dafür aber auch gleich In den Bann gethan, denn welcher deutſche Dichter damals nicht dem Chriſtenthum feine Miß⸗ achtung bezeugte, burfte unter den Claſſtkern ver Nation nicht mehr geduldet werben. Schiller und Göthe ſchrieben eine Xente, worin fle Stolberg feterlih vom Parnaß herunterwarfen, damit er, wie fie fpöttifch Hinzufügen, in feinen Himmel eingehen Fönne. Stolberg aber duldete dieſes erfte Martyrium als Chriſt, trat 1800 zur römiſchen Kirche über und begann eine lang« athmende Kirchengeſchichte zu fehreiben. In hohem Alter fiel no fein Zugenvfreund Voß über ihn her, um ihn als Kinfterling und Römling dem Haß und der Verachtung der gebildeten Welt preidzugeben. Stol- berg antwortete mit Würde und verfhied in Frieden 1819.

Gottfried Auguft Bürger aus dem Halberſtädtiſchen, ſchloß ſich an ven Göttinger Diäterbund an und gab 1778 daſelbſt den Mufenalma= nad heraus, blieb aber bei den vornehmen Profefloren verachtet, weil er ein etwas soher Polterer war und Unglüd in der Ehe Hatte. Zwei Frauen flarben ihm, bie dritte, die ſich thm aus Anlaß feines Lieds von der Weibertreue als bievered Schwabenmadchen felber angeboten und an den Hals geworfen hatte, quälte ihn mit ihren ſchlechten Sitten zu Tode (4794) und Iangweilte die Welt no lange als herumziehende Declama- torin und mit geiftlofen Schriften, in denen fie fih Theodora oder bie nPilgerin zum Heimathlande“ nannte. Bürgers Werke erſchlenen 1835 gefammelt. · Schiller griff ihn ungerecht an, A. W. Schlegel vertheibigte ihn. Sein Verdienſt iſt, daß er fi zum Ton und Geift des Volfsliches Hingebrängt fühlte und eine Menge alte Sagenftoffe in Romanzen verar- beitete. Allein er trug noch zu fehr den Zopf der Zeit, um nicht, wie- Stolberg, in ein rohes Poltern zu fallen. Die Heilige Zartheit des ech⸗ ten Volksliedes Hat er nie errelcht. Er lermt, prahlt zu viel und wird burlesk, wenn er populär ſeyn möchte. Er wird gemein, indem er ſich zum Bolt herabzulafien vermeint, ohne zu merken, daß das alte Volks— lied voll Adel if. Im diefen Fehler waren auch ſchon Claudius und Xöwen gefallen. Auf Bürger wirkten aud die altenglifhen Balladen ein,

Die Sturm» und Drangperiobe. 179

die damals gefammelt worden waren. ‚Aus ihnen entlehnte er hauptſäch-⸗ lich die Geiſterſchauer, 3. B. feiner Lenore:

Zu Lenoren Tom bei Nacht plöplich ihr Liebhaber, ein in der Schlacht (im fiebenjäßrigen Kriege) gefallener Reiter als Gefbenft, Holt fie ab, fept fie

© Hinter ſich aufs Roß und reitet mit ihr in die Hölle. Vol. die Heine Ab⸗ Handlung über fie von Wadernagel in Haupts altdeutſchen Blättern I. 174 f. Auguft Wilhelm Schlegel Hat diefe Ballade fo fehr gepriefen, daß er fagt: um ihretwilien allein würde Bürger unfterblich ſeyn. Gleichwohl vermag ich in der Form der Bürgerfchen Ballade den echten volksthümlichen Ton nicht zu erkennen. Cs if ein Poltern, ein Aufhebens, ein Wichtigtfun darin, die der ebeln Ginfachheit des echten Vollsliedes geradezu widerſprechen. Doch Tann das dem poetifchen Inhalt feinen Abbruch hun. Diefer gehört nicht Bürger, ſondern der beutfchen Sage an. Bol. Müllenhoff, Sagen aus Schleswig, Holftein Nr. 224.

Im Senore und in „des Pfarrers Tochter von Taubenheim“ find Treue und Untreue ſchon und in ihrer ganzen leidenſchaftlichen Tiefe contrafirt. Der wilde Jäger macht mehr nur Sermen. Weniger volksthümlich erſcheint Lenardo und Blandine. Etwas zu gebehnt iſt das einem reizenden alten Fabliau ents lehnte „Lieb von ber Treue". Viel Lerm um nicht? macht das lange Gebicht „bie Entführung“. Gut if der altdeutſche Schwank vom Abt und Schäfer. Biel zu prahlend das berühmte Lied vom „braven Manne*. ins der bes Eannteften Gedichte Bürgers ift fein Zechlied:

Ich will eink bei Ja und Nein Bor dem Zapfen fterben!

Es ift gleichfalls verſchtoben. Halb Hat es die herrlichſte Trinferlaune, Halb iR e8 wieder gemein und niedrig.

Schubarts und Schillers Kraftgefühl und Oppoſitionsgeiſt regt ſich in fol« genden Liedern: Männerkeufhheit.

Ber nie in ſchnöder Wolluſt Schooß Die Fülle der Gefundheit goß sc.

Wer biſt du, Fürf, daß ohne Scheu Zerrollen mich bein Wagenrad, Zerſchlagen darf dein Roß?

Arm merkwürbigften iſt aber in einigen Liedern Bürgers ber erhabene Schil⸗ ler’fche Schwung. In ber Nachtfeier der Venus glaubt man ſchon die Klage der Eeres von Schiller zu hören. So erinnert „Adeline“ an Schillers begeis flertes Lied auf Laura.

Es war jebenfalls ein richtiges Gefühl, was Bürgern aus ber Glaf-

fleität Heraus riß zum deutſchen Volksgeiſt und Ton; wenn er auch vor« . 12°

und:

180 Behntes But.

erft nur das Draftifhe daran vorzog. Es bedurfte erſt flarfer Nerven läge, ehe die feinern Nerven leichtere Berührungen ertrugen. Einige Lieber Bürgers verrathen noch ganz bie Gleim'ſche Schule anafreons Hfepecatulifgger Tändeki, . B.: Breund Amor, kannſt du machen . Für einen hübſchen Kuß, . Da mein Agneschen lachen . Aus frommen Augen muß? ıc. Ein paar Lieber find ganz Voßiſch, fo beſonders das Spinnlieb: Hurre, hurre, hurre, Schnurre, Raͤdchen, ſchnurre ıc. Vsl. S. 21. Andere ganz nach Claudius Weiſe, z. B. an den Mond: Ei ſchoͤnen guten Ubend dort am Himmel, Man freuet fh, Ihn noch fein wohl zu ſehn ac.

und: . ‚Herr Bacchus ift ein braver Mann,

Das Tann.ich euch verfichern, Mehr ald Apoll, der Leyermanu Mit feinen Notenbüchern xc. Geht bürgerifch find vorzüglich die Lieder, worin der nachlaͤſſigſte Ton ber Vertraulichkeit angeftimmt wird: Mein Trautel hält mich für und für In feſten Liebesbanden x. Mädel, ſchau mir ins Geſicht x.

Im Löwen: und Blumauerſchen Styl burlesker Traveftie der claſſiſchen Mythenbichter iſt beſonders die Menagerie der Götter gedichtet. Deögleidhen die Traveftie der Curopamythe, dad Lieb von der Frau Schnips, bie auch noch im Himmel ihre Galle ausläßt und alle Heiligen ausſchimpft.

Friederich Müller, gewöhnlich der Maler Müller genannt, weil er zugleich malte und dichtete, geboren 1750 in Kreuznach, lebte feit 1776 in Rom, wo er 1825 farb. Sturm und Drang des Gemüths zaubten ihm bie Klarheit und Ruhe. Er Hat im Scherz wie im Er⸗ Habenen etwas Wildes und diefe Wildheit iſt gerade das Schönſte an ihm. Man glaubt zu bemerken, wie er, von ben Manieren anderer Dichter überwältigt, ſich mit feiner eigenften Natur durchſchlagen will.

Zuerft fand er unter dem Einfluß Miltons, Klopſtocks und Gef-

ober:

Die Sturms und Drangperiode. 181

ner8, daher feine bibliſchen Idyllen in poetiſcher Profa, „Adams erſtes Erwachen und erfte felige Nächte” und „ber erfehlagene Abel.

Im Afgemeinen erwehrt fih Müller mit Glüd der unleibligen Ad’s und O's, und Hält mehr ben ernflen und feierlichen Ton Miltons und Klop⸗ ſtods ein. Doch einigemal finkt er tief unter fein eigenes Genie herab, indem er dem guten Adam bie trivialften modernen Phrafen in den Mund Iegt, 3. 2. (Mällers Werke, Heidelberg 1811. L 96): „Adam fpricht leiſe num zu Eva: Höre, ſchöne Mutter, laß und forteilen an ben Ort der Ruhe, Rark fehnt ſich wieder einmal mein Gerz nach dem Genuſſe deiner Liebe. Theure, Taf mich nicht länger ſchmachten. Schmachten verzehrt das Leben, meine Liebe“ ıc. Zuweilen bricht auch mitten durch ben Heiligen und feierlichen Ernſt der para⸗ diefifchen Idylle die derbe Pfalzernatur hindurch und Kain, eiferfühtig auf das Lob, das dem Adam gefpenbet wird, ergeht flh ©. 71 in gemeinen Schimpfwörtern. Adams erfles Erwachen ſchließt mit einer Berföhnung, indem ber trohige Kain durch Liebe gezähmt wir und feine „braune“ Schweſter Melboe heiratet, durch welches glüclic;e Bamilienereignig der alte Adam een zu feiner ſchmachtenden Schwärmerei für bie alte Eva angereijt wird. Das zweite Gedicht, Abels Tod, feildert Kains Rüdfall und ift nur kurz und unbebeutend.

Auf andere proſaiſche Idyllen Müllers hat Wieland und Haben bie Branzofen eingewirkt, die Faune und Satyrn erſcheinen mehr in ihrer derben Natürlichkeit als bei Geßner.

Man ſieht, wie die gute Natur Müllers mit dem verderbten Modegeſchmack feiner Zeit kaͤmpft, am beſten in der Idylle „ver Faun“. Obgleich hier noch ganz in Geßners Manier ein Faun um ben Tod feiner geliebten Gattin Hagt (mad ungefähr fo viel bebentet, als wenn ber deutſche Hanswurft im Eruſt um den Tod der feinigen Hagen follte), fo ift doch in ber komiſchen Aaffaffung der weinenden kleinen Baunkinder dem Humor bie gebührende Rüd- fit geworben. In fataler Mittelmäßigteit Hält ſich bie Tängere Soylle „der Satyr Mopfus*. - Diefer befoffene Satyr wird nadt und übel verkapt in Dornen gefunden, in die ihn eine ſchallhafte Nymphe gelodt Hat. Gr fingt nun den Hirten, bie ihn befreien, bie Geſchichte feiner Liebe. Die mitleitigen Hirten fangen bie Nymphe und binden fie an einen Baum, in welder Sis tuation fie auch ein langes Lie fingen muß, eine Recapitulation antifer Mythen. Dafür wird fle dann Iosgelaffen und muß verfprechen übermorgen den Mopfus zu heirathen. Das if für den Scherz viel zu zurüdhalten und für den Ernſt zu frivol. Auch die Idylle „Bachhidon und Ailon“ macht keinen angenehmen Ginbrud, indem es fih Hier bloß darum Handelt, daß ein ſchalthafter Hirt durch feine üppigen Schilderungen die Sinnlichkeit eined ſchon total befoffenen Satyrs noch mehr anfacht. -

182 SZebntes Bud.

Diefe Geßner-Wielandifde Manier laͤßt Müller auf einmal fallen. und ſchreibt (1775) in der „Schafſchur“ und dem „Nußkernen“, zwel npfälzifpen Idyllen“, ohne .allen Ueberreft ber Schäferpoefle und ber Menalffance, nur auf modernem Boden gewachſene Dichtungen, Schilde» rungen einer ländlichen Schaffgur in der Pfalz und eines gefelligen Kernend ober Nüſſeknackens. .

Die betheiligten Perfonen find Hier ein Schulmeifter, dort ein Schultheiß, ein junger von der Univerfität Tommenver Sohn des Schulzen, ein Paar Hübfche Mädchen, obligate Bauern ac. Man feherzt fehr frei, man ift luſtig, man zankt, man fingt Volkslieder, man erzäplt alte Geſchichten, man liest endlich eine Comoͤdie vor. Die Laune, der etwas fehr aufbringliche Eonvers fationston, die Abwefenheit der Pruberie find echt pfälgerifch, allein man würde dieſer Idylle doch zu viel Ehre anthun, wenn man ſie für eine volfsthümliche halten wollte. Die Vorlefereien beurfunden hinlänglich, daß fle das nicht find.

Unter dem Titel „Kreuznach“ hat Müller eine feltfame Rhapſodie in poettſcher Profa geſchrieben, an das Lob feiner Vaterſtadt anfnüpfend die Schilderung einer alten Fehde berfelben aus dem Mittelalter. Hier erfennt man ben affectirten Volks- und Bievermannäftyl aus Goͤthens Götz wieder. Ebenfo in dem Schaufplel „Genovefa“. Müller hat diefen Stoff zweimal behandelt.

Zuerſt in einem ibyllenartigen Gedicht „Ulrich von Goßteim. Ritter Ulrich kehrt bei einem Schäfer ein, ber ihm bie Geſchichte der Genovefa in ein Paar dramatifieten Scenen vorträgt. Dabei verliebt ſich Ulrich in des GSchäfers ſchoͤne Tochter und nimmt fie, allem abeligen Vorurtheil irohend, zur Fran. Im dieſem ſehr unpaffenden ibyllifchen Rahmen find nun die Scenen aus Genos vefa eingeſchloſſen, die zum Teil fehr ſchon, vol Leidenfcpaft und Naturs wahrheit find. Als Golo der Pfalzgräfin den ſchaͤndlichen Haha macht, ergreift ſie ein Schwert:

Sieh her, her, hab ein Schwert, Ha, meines Siegfrieds Schwert, Will tief ind Herz mirs drücken, Anlachen dich.

Ich, it

Lieber den Teufel als dich! Entweich, Scheuſal, tödteſt mich. Hölle find mir deine Blicke, Berrätherifcher, elender Mann, Lächleft du mich noch einmal an, So ſtoß ich zu, fo iſ's gethan.

Die Sturms und Drangperiode. 183

Aber Solo droht ihr, ihren Knaben an der Mauer zw zerfcjellen, und aus Mutterangft gibt fle einen Augenblid nach, doch ermannt fle ſich wieder. . ®olo, zurüd, ich hab gelogen! Lieber erwürgt ich gleich Diefen mit eignen Armen, Schling diefe Locke um feinen Hals, Erdroſſelt ihn ohn' Erbarmen, Als daß ich durch Schand und Schmach Ihn wollt verfluchen.

Später arbeltete Müller ein größeres Drama „Golo und Genovefa“ aus, worin jene Älteren Scenen durch viel ſchwächere erfept find.

Müllers nur fragmentariſcher „Fauſt (aus den Jahren 1776 und 1778) ift ein nur ſchwaches Probuft.

Die Teufel fammeln fi in den Trümmern ber Kirche und Hagen (wahr⸗ Haft genial) über bie gemein und frivial gewordene Welt, in ber e nichts Großes mehr gebe, weber ein großes Lafter, noch eine große Tugend, fondern alles im Kleinlichen und Unbebeutenden verfomme. Nun tritt dauſt auf, ber (was num nicht mehr genial if) ganz eben fo über die Welt klagt, wie bie Teufel, es kaum aushalten Tann, um ſich zu zerſtreuen, lüberlich wird, und dann, als ihn die dolgen treffen, über Gott und Welt losdonnert. Da er nun ein großes Genie iſt, dem nur die Anerkennung fehlt, und die Teufel ein Genie ſuchen, um das matte Flaͤmmchen ver Ruchlofigfeit auf Erden wieber anzufachen, fo finden fid beide leicht zufammen. Allein dad Große, wad man num erwartet, geſchieht nicht; vielmehr macht fi auf einmal wieber bie phi⸗ Uifterhafte Moral breit Fauſt wird durch feinen frommen Vater erfchüttert. Damit endet das erſte Fragment. Im zweiten will Fauſt erſt anfangen, fih in eine Königin zu verlieben, als der Pakt ſchon abgelaufen iR.

Müller hat nur eine geringe Zahl Eleinerer lyriſcher Gedichte Hinter» laffen. Darunter einige erotiſch⸗anakreontiſche, 3. B. ein recht zart und lleblich gehaltenes Gefpräd des Eros mit feinem Täubhen, das allerliebft mit ihm kokettirt, und-eine wunderliche, antik-romantiſche Uebertragung des ſchlafenden Amor in die Feenwelt Titanias, wo die zarten Elfen des Nordens den Heinen Gott des Südens einmiegen. Dazu „Amor und Baus“, jener mit einer Schaar von Mädchen, dieſer mit feinen trun- Tenen Faunen zc., die fi begegnen und In die Arme ſinken, ald die uns zertrennlich verbunden ſeyn follen. Seltfam ſticht dagegen „bad Lieb eines bluttrunkenen Wodanadlers“ ab.

184 Sehntes Bud.

1825 erſchien von Maler Müller noch: Adonis, die Hagende Venus und Venus Urania, eine Trilogie, mit einem fehr originellen Motive.

. Der tobte Adonis ift in ber Unterwelt, Venus auf-der Oberwelt untröftlich um ihn. Da will der Heine Amor ihr Helfen, geht zur Unterwelt hinab und ſchießt einen Pfeil in Proferpina’s Herz, bie nun für Adonis entbrennt, aber auch ben Amor zurücbehält und ber bittenden Venus einen zurückgeben will, entweber ben Geliebten, ober den Sohn. Sie wählt ald Mutter und fordert Amor zurüd. Damit aber hat fie bie Probe beſtanden und bekommt nun ben Geliebten noch dazu.

Müllers gentalftes Werk ift die „Niobe“.

Dem kalten antifen Marmor ift hier das mildefle Feuer der Leidenſchaft eingehaucht. Niobe, von allen ihren Söhnen und Töchtern begleitet, geht in den Tempel, um fich felbft als Göttin anbeten zu laſſen, da fie ſich mehr zu feyn bünkt, als Latona. Da kracht die Decke des Tempels, furchtbarer Donner rollt und Flammen zucken umher, Diana und Apollo, Latonens Söhne kom—⸗ men, bie verfchmähte Mutter zu rächen und

Sie nickten fürchterlich, anfpannend

B Die ſchwarzen Bogen, ſchreiend:

Niobe, wir fommen nun Herab,

Opfer bir zu bringen. Die eigenen Kinder Niobe's find die Opfer, die an ihrem Altar von dem Pfeil der zürnenben @ötter hingeſtrect werben. Che Niobe ſich dem Schmerz bins gibt, tobt fie erſt alle Wuth aus mit der Grazie des Graͤßlichen, echt antif. Endlich bricht ihr das Herz, fle Hat nur noch eine einzige Tochter übrig und jammernd wirft fie ſich zu Dianens Füßen, wenigſtens bas Leben biefer lehten zu erfichen, aber unbarmherzig ſtrect Dianens Pfeil das Lieblingsfind nieder:

Zu fpät deine Rene!

Ha an meiner Säule

Sollt ich nicht rächen ben Brevelt

Derzweifelnd Ierne Götter ehren!

Da wird Niobe im Schmerz verfteinert.

Großen Einfluß, mie auf faft alle Dichtergruppen im bamaligen Deutfland, fo au auf die Kraftgenies übte feit 1773 Göthe durch fein berühmtes Nitterfehaufpiel „Götz von Berlichingen“. Bon biefem - ſchwaͤbiſchen Ritter war aus der Meformationdzeit eine Selbſtbiographie erhalten und auch gehrudt worden. Angereizt burd ihren naiven Ton brachte num Goͤthe dieſen auf die Bühne. Obgleich er den Haupt»

Die Sturms und Drangperiobe. 185

charakter verfehlte und aus dem naturwüchfigen, rohen, eigennüßigen und verſchmitzten Maubritter, der von fi felbft one Arg Gemeinheiten er- zählt, einen fentimentalen deutſchen Hausvater machte, ja das Haupt intereffe faft mehr auf ven jungen Ritter Weißlingen Ienkte, in ben ſich die Damen verlieben, fo übte doch, indem man zum erflenmal mwieber mittelalterliches Nittermefen auf der Bühne fah, dieſer Relz der Neuheit und zubem bie derbe und treuferzige Sprache des Ritters, melde Göthe beißehielt, einen Zauber aus und plöglih begann ein Schwärmen für das Nittertfum und die Sprache des Götz. Natürlich, kurz angebunden, vertraulich, zutäppif, grob ſeyn wurde Modeton.

Es ift erſtaunlich, wie viele Trauerfpiele alsbald in dieſem Kon’ ger ſchrieben wurben. Zuerft folgte Sprickmann feit 1774 (Eulalia, die natürlihe Tochter, der Shmud), dann Möller feit 1775. Leopold Bagner (ven Göthe im Fauſt verewigt hat) ſchrieb für Göthe gegen Nicolai, als diefer den Werther verfpottet hatte, ein Spottgedicht „.Bro- . metheus, Deucallon und feine Rezenſenten“, und ein gräßlies Trauer- ſpiel „die Kindsmoͤrderin“ (1776).

Auffallend erſcheint ein bayriſcher Kammerherr, Freiherr v. Neffel- rode, ber fhon 1774 einen „adeligen Tagelöhner“ und „die Ahnenſtolzen auf dem Lande“ auf die Bühne brachte mit der ausgeſprochenen Tendenz, der Eonvenienz die Natur entgegenzufegen.

Johann Anton Leifewig, Präfident in Braunſchweig, ſchrieb 1776 das feiner Zeit berühmte Trauerfpiel „Julius von Tarent“, deſſen Feuer auf Schiller Einfluß geübt zu Haben ſcheint. Diefes Werk und einige Heine Sachen, namentlih Dialoge, erfehlenen unter dem Titel „ſaͤmmtliche Werke von Leifemig, Braunſchweig 1838*.

Julius, Erbprinz von Tarent, liebt eine Nonne, und ift (wie Shaleſpeare's Romeo) ganz aufgelöst in Liebe. Eben deßhalb Hält ihn fein kriegeriſcher Bruder Guido für weichlic ind feig und macht ihm in einer Anwandlung von Uebermuth die Beliebte ſtreitig. Julius fol eine Andere heirathen; da bleibt ihm nichts übrig, al bie Nonne zu entführen, aber Guibo überrafcht und töbtet ihn. Die fanftere, aber reine, treue, dauerhafte und unüberwinbliche Liebe des einen, bie wilde, raſche, eitle und flücjtige des andern Bruders contraſtiren auf eine fehr poetifche Weife. Beide find gleich leidenſchaftlich, doch jeber auf fo ganz andere Art, daß fie ſich wechfelfeitig zur Folie dienen. ine ſchoͤne Wärme belebt das Gedicht.

186 Behntes Buch.

Sehr hochgeſchraubt und überfpannt war Bergers: Trauerfpiel „Galora von Venedig“, 1778. "

Jakob Michael Reinhold Lenz, Pfarrerdfohn aus Livland, Ternte in Strafburg Göthe Eennen und murbe 1777, als Frau Schloſſer, Göthe's Schweſter, farb, wahnfinnig, aber fo meit gehellt, daß er, ziemlid blöde geworben, das Schuſterhandwerk lernte. Endlich wurbe er völlig gefund, kehrte nad; Rußland zurüd und ſtarb 1780 in Moskau. Seine Werke gab Ludwig Tieck 1828 in drei Bänden heraus. In Lenz pulfirt biefelbe Bieberhige der Sturm« und Drangperiode mie in Maler Müller, Leiſewitz, Klinger, Schiller ıc., aber maßlos. Heiße Vollblütigkeit wird toll ‘und fucht, wenn auch unter Späffen, bie tödtliche Wunde, die dem Blut Abfluß, der brennenden Gluth Abkühlung gewähren fol. Aber von Pflihtgefühl, Gewiffenhaftigkeit, keuſcher Zucht, den mannhaften Mitteln, das heiße Blut zu beherrſchen, iſt bei Lenz nicht die Rede. Er iſt Egoiſt und erlaubt ſich alles, mie Göthe, nur daß er Fein fo glück- liches Temperament hat und nicht fo Elug berechnet.

Seine Schaufptele find:

1) Der Hofmeifter. Läufer, ein junger Hofmeifter, verliebt ſich in das Fräulein des Haufes. Sie wird fehwanger; beide fliehen und werben getrennt. Der beleidigte Bater findet fpäter ben Derführer und verwundet ihn. Läufer fieht ein, wie ihn fein Blut in üble Verfuchung geführt und ihm und andern nur Verberben gebracht habe, und entmannt fih. Gleichwohl will eine hübſche Schulmeifterstochter, in defen Haufe er aufgenommen worden, ihn abfolut heitathen und er Iäßt es ſich auch gefallen. Das verführte Feäulein mit ihrem Kinde wirb wieder aufgefunden und ein abeliger junger Herr if fo geoßmütßig, fle zu Heiraten und das Kind zu aboptiten. Bei biefem wun. derlichen Kampf zwiſchen ben Standesvorurtheilen ber Zeit auf einer, der Natur und Poefie auf der andern Seite kommen bier die lehtern doch ziemlich zu kurz, und das Schaufviel if, wenn auch gewiß originell, doch Bizarr und unnatürlich.

Da neue Mendoza. Gine ſpaniſche Dame, Donna Diana, die immer mit dem Dolch bei der Hand ift, Mört durch ihre furchtbare Giferfucht das Glück zweier Liebenden, des Prinzen Tandi und Wilhelminens, die als Bruder und Sqhweſter ewig getrennt werben follen, als entdedt wirb, Tandi ſey nicht Minens, fondern Diana's Bruber.

3) Das leidende Weib. Gine Gefandtin liebt den von Brand, ein Graf Louis fommt dahinter und beutet das Geheimniß ihrer Liebe für fih aus, inbem er bie fhöne Gefanbtin überfällt. Aber Brand kommt dazu und erſchießt

Die Sturm» und Drangheriode. 187

ihm. Durch diefen Mord wird iht Verhältniß ruchbar und fie ſtirbt vor Scham, ihr Gatte finbet fie ald Leiche. Das if ohne Zweifel dad einfache, durch⸗ dachteſte, durchfuhlteſte, in fi) vollendeifle und beſte der Lenz’fchen Gtüde. Nach Tiecks Borrede ©. CXXU erſchien dad Stüd ayonym und man hat es Klinger ober einem unbefannten Nachahmer des Lenz zufreiben wollen. Tiect aber hat Recht, wenn er bad Stück nach feinem ganzen Ton lieber dem Lenz, ald einem andern vindicirt.

4) Die Freunde machen ven Philofophen. Im Geſchmack der Böthefchen Stella, Mitfhuldigen und Wahlverwandtſchaften, eine fentimentalsfrivole Ver⸗ Höhnung ber &he. Der liebenswürbige junge Philoſoph Strephon licht Ges taphine, die Braut bes Prabo, und Brabo if fo gefällig, zwar Seraphinen auf feinen Namen zu heirathen, alle Cherechte aber an Strephon abzutreten.

5) Die Soldaten. Marie, die Tochter des Kaufmann Weſener in Lille, wird von einem jungen Offizier, der im Haufe einguartiert ift, vers und ent- führt. Ihr Bater fucht fie lange vergebens, endlich zupft ihn einmal in der Dämmerung eine jfeile Schöne an. Es if feine Tochter, fie erkennt ihn, beide finken zu Boden. Gin treues Bild aus dem wirklichen Leben, wibrig, aber tief ergreifend. .

6) Der Engländer. Der junge, Robert-Hot verlicht fih in Stalin in bie ſchoͤne Prinzeſſin von Carignan, ohne fie befigen zu Fönnen. Sein beforgter Vater lommt an, ihm zur Vernunft zu bringen, aber als Robert Hört, feine Geliebte gehe eine vornehme Bermählung ein, wird er rafend. Man ſchickt ihm eine ſchoͤne Buhlerin zu, ihn auf andere Gebanfen zu bringen, aber er entreißt derſelben eine Schere und erſticht ſich. Vielleicht das heiß und volle. blätigfe, was Benz gefchrieben.

7) Die beiden Alten. Gin Sohn läßt den Vater umbringen, der Mörder läßt ihn leben, fperrt ihn ein unb beföftigt ihn. Durch Zufall entbedt ihm ein alter Freund und rettet ihn. Dieſes Heine Schaufpiel ift vom Jahr 1776 und mag auf Schillers Räuber Einfluß geübt haben, obgleich ſich dad Ins tereffe nur um den Alten dreht; ber Sohn bereut und bittet am Schluß um Vergebung, ganz wie in einem Kodebue ſchen Stüde.

8) Pandaemonium germanicum, eine dramatiſche Skizze, worin Göthe vor allen, dann Leffing, Klopflod und Herder als die großen Genien beutfcher Nation gepriefen und ben verfpotteten Nachahmern des franzöfifchen Geſchmacks, Bieland, Jacobi, Hagedorn, Weiße, Rabener sc. entgegengefept werben. In der Art, wie früher Ariſtophanes und fpäter Ludwig Tied (im Prinzen Zere Bino) bie Dichter feiner Zeit durchnahm, doch an Wig weit unter beiden. Göthe fteigt einen Berg Binauf, feine Nachahmer kommen ihm nicht nad. Rabener lommt: „Platz, Pla für meinen Bauch!“ Wieland langweilt die Damen mit Borlefungen, bi eine beflere Unterhaltung beginnt, indem „bie Herrchen ungezogen zu werben anfangen,“ Göthe aber fürzt herein und Rört fe, indem er ifnen ihr undeutfches Treiben vorwirft und ihnen einen Knochen

188 Zehntes Bud.

als Reliquie ihrer Vorfahren vorhält. Am Schluß wird Göthe von Leffing, Klopftod und Herder gefegnet, und Lenz Hinwieberum von Goͤthe ald Bruder umarmt,

Anferdem Hat Lenz mehrere Luffpiele des Plautus modernifirt (das Bäter- hen, die Ausfteuer, die Entführungen, die Buhlſchweſter, bie Zuckerſtlavin) und Shafefpeare'8 Love’s labours lost überfeßt. Das Sragment einer Barce „der Höllentichter" läßt Bacchus den Dr. Fauſt aus der Hölle, in ber er ſich verzweifelt langweilt, heraufholen.

Kein Drama mehr, fondern nur eine Reihe philofophirender Dialoge zwi— fehen dem aus Swift befannten Gulliver und gewiſſen uftgeiftern find bie Geſpraͤche „über Delikateſſe der Empfindung“. ine Betrachtung über bie Sliege (TIL. 325) ift vieleicht das beſte in dieſer fonft ſehr ungufammenhängenben Gedankenfammlung.

Man Hat von Lenz auch einige Erzählungen in Profa: 1) Der Landpre⸗ diger (1777). Weit entfernt, einer ländlichen Idylle zum Mittelpunkt zu bienen, tie ber engliſche vicar of Wakefield, verfleigt ſich biefer Lengiſche Landprebiger vielmehr in bie höhere Sphäre ſtädtiſcher Bildung, als aber auch feine liebe Frau Albertine davon angeſteckt wird, Verſe macht und die Sappho fpielt, beſinnt er ſich und hilft fih und ihr, indem er fie an einen Abgrund trägt und verlangt, wenn fie wie Sappho ſchreibe, folle fie aud wie Sappho Handeln. Sie zieht es vor, Feine Verfe mehr zu machen. .

2) Zerbin oder die neue Philoſophie (1776). Cin junger Berliner Philos foph mit. „fühner glühender Einbildungskraft“ verführt ein Mädchen. Sie feßt das Kind aus und wird als Kindsmörderin hingerichtet, er ſtürzt fi ins

» Wafler. Die philofophifcgen Gründe, aus denen er bie Verführung für erlaubt hielt, Hätten noch ftärfer bürfen hervorgehoben werben.

3) Die Geſchichte des Felſen Hygillus iR, leider nur eine Skizze, enthält aber ein reiches poetiſches Motiv, das der Dichter wohl hätte ausbeuten füns nen. Hygillus if Bruder des Aesculap und Tann ſich in jede Form verwans deln, wie er will. Er erzählt ber fchönen Königin Thaumafla, in welchen Geſtalten er ſchon die feltfamften Abentheuer beflanden habe. Einmal Hatte ſich König Admet bei ſchmelgeriſcher Tafel durch Apollos Zaubertöne in immer füßere Wolluft einwiegen laffen und woilte noch mehr hören, da nahm Hy⸗ gilus des Apollo Geftalt an und fang ihm in plärrendem Schulmeiſterton ein moralifches Lied zum Preiſe der Keufchheit und Mäßigkeit. Gin andermal verwandelte er fi in die Taube vor dem Wagen der Venus und ärgerte fie, indem er plöglich zu Minervens Eule wurde. Noch einmal verwandelte er ſich in eine Hindin Dianens und wurde, als fle entſchlummert, plöglich ihr Endys mion. Die Königin Thaumafia Heißt ihn, ald er bieß erzählt, fogleid für immer ſchweigen und verurtheilt ihn, auf ewig ein Wels zu werben.

In feiner Jugend dichtete Lenz auch einige lyriſche und didaltiſche Stücke, Oden an Katharina IL, ein Lchrgebicht „bie Landplagen“, worin er in Hexa⸗

Die Sturm⸗ und Drangperiobe. 189

metern den Krieg, die Hungersnoth, bie Bert, die Jeuersnoth, Waflersnoth und das Grobeben befchreibt. Ganz im Geſchmack des Milton und Thomfon und ihrer deutſchen Nachahmer, nicht ohne mandjen glüdlichen Zug, im Ganzen aber von Iangweiliger Gmpfinbfamfeit. Im dieſe erfte Jugendzeit gehört auch das Fragment eines Gedichte auf das Begräbnig Chriſti, Mopflodifirend. Ein Gedicht ſchildert bie zaͤrtlichen Leiden des Petrarca, in einem fingirten poetifchen Briefe Tancreds an Reinald fehildert der erftere feine Liebe zu Chlorinden. J

Ludwig Philipp Hahn, ein Pfälzer, ſchrieb 1776 den „Aufruhr in Viſa“, ferner den „Grafen Karl von Adelsberg“, worin eine ver⸗ buhlte Gräfin ihren alten Gatten ermorben läßt, und 1778 „Robert von Hoheneck“, alle im Styl des Gög und mit Echauffement geſchrieben, aber ohne höheren Werth. Tieferen Eindrud machte der bayrifhe Graf Törring-Seefeld, deſſen Trauerfpiel „Agnes Bernauer“ in etwas roher, aber natürlicher und ergreifender Profa geſchrieben, unzählige Thränen hervorlockte. Sein „Rafpar der Thorringer“ iſt weniger rüh—⸗ send. Naͤchſt ihm machte ein anderer Bayer, Kranz Marius v. Babo, mit ähnlihemKraftftücen fein Glück.

Sein berühmtehes Trauerfpiel (von 1782) if „Otto von Wittelsbach“, in Brofa, im Styl des Gotz, die Geſchichte der Ermordung Kaifer Philipps behandelnd, aber voll von falfcher Sentimentalität. Der Mörder wird keines⸗ wege als roher rüdficptelofer Hipfopf aufgefaßt, fondern ald ein überaus edler und gefüßlvoller Menſch, ber fo wenig an ſich ſelbſt denkt, daß er ohne Neid dad Glüd feiner regierenden Vettern in Bayern mit anfieht, und ber ein fo guter Reicjöunterthan ift, daß er noch fierbend feinen Kindern Treue gegen das Reich empfiehlt. Wie ein fo lieber guter Mann dazu fommen kann, bens noch aus Gigennup und Trop ben beften aller Kaifer zu ermorden, fragt ber Leſer vergeblich. Der Schlüffel zu dieſem Wiberfpruche liegt aber darin, daß Babo dem Haufe Wittelöbach nicht weh thun wollte Ziemlich feurig if, Babo's „Arno“, worin nur von Ehre, nicht von Liebe gehandelt wird. Die übrigen Schaufpiele Babo’s find nicht viel werth. In „ben Römern in Deutſch⸗ land · erfit ſich Matfilde, um ber rämifchen Gefangenſchaft zu entgehen. mDagobert“, König der Branfen, wird auf feinen Thron zurüdgeführt. . In „Greuel und Rache” behauptet bie weife Königin von Cypern ben Thron ges gen ihren eignen übelgerathenen Sohn. - In den „Streligen“ fpielt Czar Per ter den Großmüthigen. „DBürgerglüc“ und „die Maler“ find fehr unbeden- tende Rührftüde. Das Befte von Babo iſt das Luftfpiel „ver Puls“. Gin lluger Arzt erkennt am Pulfe eines jungen Grafen, verfelbe Liebe feines Vaters Braut, und am Bulfe diefer Braut, baß auch fle ihn liebe. Nun fagt er dem

190 Zehntes Buch.

Bater, der Sohn liebe feine (bed Arztee) Braut, und ber Vater gibt fi alle Mühe, den Arzt zur Abtretung feiner Braut für ben Sohn zu bereven, um

dieſes geliebten Sohnes Leben zu erhalten. Er, ber Arzt, fen ja fchon ein zu alter Mann x., da fagt der Arzt: das ift Ihr eigner Ball, fo treten Sie denn felbft Ihrem Sohn Ihre Braut ab, denn fle iſt es, bie er liebt. Der überrafchte Vater muß ſich fügen.

Baterländifhe Schau⸗ und Trauerfpiele im Style des Götz, der Agnes Bernauer sc. erfhlenen nun eine Menge. Bon Werthes feit 1775 Rudolf von Habsburg und Conrabin; von Blum das befreite Rothenau 1775; von Julius Graf v. Soden Heinrich IV., Sieingen, Anna Boley, der Graf v. Gleichen ıc.; von d'A rien der Seeräuber Stor- tebefer; von Hagemetfter Johann von Procida, die Jeſuiten, Wal⸗ demar, Paufantas, Guftav Wafa; von Hagemann Ludwig der Sprin« ger, Otto der Schütz, Prieveri von Oldenburg; von Kalchberg bie deutſchen Ritter vor Accon; von Brömel die Adjutanten, Gerechtigkeit und Rache; von Conz Gonradin von Schwaben, von Längenfeld Ludwig ber Bayer; von Rambohr Otto IL; von Destouches in Münden Arnulf, Graf Arco, die Rache Albrechts IL; von Reinhard ‚Heinrich der Löwe; von Koller Konrad von Zähringen; von Caſpar Mar I. von Bayern; von Eremert der Bauernaufftand ob der Enz; von Kayfer Arnold von Winfelriev.

Leſſings Nachfolger als Hamburger Dramaturg, Johann Friedrich Schink, ſchrieb fehr viel durcheinander, ohne feften Charakter und ohne Geiſt, immer nur ſich forcirend. .

In Gianetta Montaldi (Trauerfpiel von 1795), Tina und Walter, Adels. fan und Röschen, affectirte er die Sprache des Werther und Gig. Im Thens ter von Abdera, dem traveflicten Hamlet sc. haſchte er nach fabem Big.

. Ein ſehr ſchwacher Geift war Heribert von Dalberg,, ver als <heaterintendant in Mannheim Schller vornehm im Stich Heß, und als badiſcher Miniſter (1806) ſtarb. Er ſchrieb mehrfach für die Bühne, eine Electra, Kora, Montesquleu (ſchwache Anecboten), Orinooko (ein edler Negerſtlave, der feine Geliebte tödtet, um fle der Verführung dur Weiße zu entreißen). Merkwürbig iſt nur fein „Mönd von Garmel* (1787) als ein Vorbild der Müllner'ſchen Schuld.

Ritter Hildebrand hat den Grafen Wallori ermordet. Die Witwe Mas

Die Sturm und Drangperiobe. 191

thilde wird wahnfinnig, ihre Vernunft kehrt aber zurüd und fie erzieht ihren Sohn unter dem Namen Montgomery ald einen Bremben, um ihn vor Hil⸗ debrands Nacjftellungen zu ſichern. Als er herangewachſen zum Jüngling, frandet ein Schiff am Felfen vor Mathildens Schloß. Die einzigen Gerette⸗ ten find ber Moönch ‚von Garmel und ber durch den Schiffbruch ſchwer ver- wundete Hildebrand, ben Niemand fennt. Mathilbe gefieht dem wilden Mont- gomery, daß fie feine Mutter fey und forbert ihn auf, fi an Hilvebrand zu rächen und ihm deßhalb aufzuſuchen. Aber ehe er geht, tritt ihm ber Monch in den Weg. Diefer nämlich iſt der tobt geglaubte alte Wallori, der ben Jungling nicht für den Sohn, fondern für den Buhler der Witwe Hält und ihn verwundet. Erſt indem er ſich zu erfennen gibt, erfährt er auch den Jer⸗ tum. Zum Glüd ift Montgomery nicht gefaͤhrlich verlegt. Mittlerweile ſtirbt auch Hildebrand und befennt vorher reuig feine Schuld. Der Anfang if ſpan⸗ nend, bie rauhe Küfte, das geheimnißvolle Schloß ıc., aber bie Entwidelung befriebigt nicht. .

Friedrich Wilhelm Ziegler aus Braunſchweig, auch Schaufpieler, ſchrieb viele Stüde, welche zu Wien 1791 erſchienen. Obgleih er nur zu den Dichtern zweiten Ranges ‘zu zählen iſt, unterſcheidet er ſich doch zu feinem Vortheil durh eine edle Wärme für das Natürliche und für die Tugend. Er macht den Uebergang von Iffland zu Schiller. Sein beftes Stück iſt die Mohrin.

Georg Fleetwell, Sohn eines Lords, gilt als ertrunfen und wird von ſei— nem Bater und von feiner Braut Aurelie tief betrauert. Er ift aber aus dem Schiffbruch gerettet worden durch bie freue Negerin Joni, bie er einft gefauft Hatte, um fie vor Mifhandlungen zu retten, und durch ihren Bruder Zangi. Diefelbe Joni if ihm, obgleich er ihr einen Freibrief ausgeſtellt und fie forte gejagt hat, doch überall nachgefolgt, feinem Wagen nachgeſprungen, at ihn nie und nirgends verlaffen und ihm noch öfter daß Leben gerettet, fo daß er feſt entfehloffen if, ihre Treue durch feine Hand zu belohnen. IB er aber zu feinem Bater zurüdfehrt und feiner Braut auf bie ſchonendſte Weife die Ver⸗ änderung feiner Gefinnungen anfünbigt, tritt feine Tante Lucie wüthend das zwiſchen und will durchaus nicht zugeben, daß ein Lord ſich mit einer Schwar gen verbeirathe. Ioni beruhigt fie, da fie entfähloflen ift, Georg zu entfagen, und will ſchleunigſt entfliehen. Nur nimmt fie von Aurelien George Bildniß an, wofür fie ihr das Original zurüdläßt. ber Tante Lucie will ihr nicht einmal das Bild Iaffen, nimmt es ihr ab und verſchließt es in ihrem Schreib⸗ tiſch Empört über fo viel Mieberträchtigfeit fhlägt die ſtarle Mohrin das Bult auf und nimmt in ber Haft eine ber ihrigen ähnliche Brieftafche, worin fie das Bild wäßnt, und flieht. Die Tante aber laͤßt ihr nachfepen und Hlagt

192 Zehntes Buch.

fie ald Diebin an, weil in ber Brieftaſche 500 Pfund geweſen ſeyen. Igni

wird arretirt, es gibt eine wilde Scene, Georg iſt außer fi. Im der Brief- » tafche ‚fehlen die 500 Pfund; aber Aurelie beweist, daß fe gar nicht darin geivefen fepen, indem fie ſelbſt fie früher herausgenommen Hat. Der alte Lord hatte fie feinem Neger geſchenkt, die geizige Tante fie zurüdgehalten, Aurelie fle aber. dem Neger heimlich wiedergegeben. Der. Neger ſelbſt kommt und zeigt fie vor. So ift Joni's Unſchuld erwieſen und die ganze Familie beeilt fi, das unrecht wieder gut zu machen. Joni wird George Gattin. Ziegler Hat fie als eine einfache und kraͤftige Seele geſchildert, ohne irgend eine Affec⸗ tation. Sie erinnert vielfach an das Käthihen von Heilbronn.

Am beltebteften wurde Zieglers politiſches Schaufpiel „Parteienwuth“.

Im engliſchen Bürgerkriege Hat Lady Johanna Laud ihren Vetter Heinrich, Dberften der geſchlagenen Königlichen Armee, bei ſich verſteckt. Der Oberrich⸗ ter Gottlieb Rode nimmt Ouartier in demfelben Haufe und Heinrich rettet fi, indem er feine Wirthin verräth (kraft des Parlamentsbeſchluſſes, der Je— dem Gnade ſichert, der feinen Wirth angibt). Gr Handelt babei aus Eifer fucht, weil er Johanna liebt, die aber den Sherif Sie Hamilton vorzieht. - Kode verurteilt die Lady zum Tode, unmittelbar vor der Hinrichtung aber wird er von bem wieder reuig geworbenen Heinrich erſchoſſen, die Solbaten

durch Hamiltons Getreue entwaffnet und alle Betheiligten entfliehen zu Schiff nach Holland. -— Gin fehr Iebenbig antegendes Schauſpiel, worin leider ber Haupicharakter Kocke karitirt ift. Gr fpielt den abgeriffenen Bettler, den alten franfen und ſchwachen Mann, den Demüthigen und Gutmüthigen gar zu abs fichtlich und ohne Noth.

Sehr beltebt mar auch Zieglerd Stück „Thekla die Wienerin“, vol von Wiener Patriotiömus. Minderen Werth haben die Stüde „Mache für Weiberraub“ auß der Nitterzeit, „ber Brubermörber wider Willen“ aus Attila’8 Zeit, „Fürſtengröße“ aus der Beit Ludwigs des Bayern, Unter Ziegler Lufifpielen macht fi „der Liebhaber und Nebenbuhler in einer Perfon“ bemerklich.

Graf Liebenau liebt die ſchoͤne Marie, Tochter eines folgen Schmiedes in einer Reichsſtadt, kann als Ritter nur verſtohlen zu iht gelangen und nie bars auf Rechnung machen, ihre Hand zu erhalten, verkleidet ſich daher als Schmiedgeſellen Konrad und dient -dem Schmiede uerfannt.. Das Mäbkhen ſelbſt kennt ihn nicht und ſchwankt zwiſchen ber Liebe zum Grafen und zum Schmiedeknecht, bis der Ieptere entſchieden dem Vorzug erhält. Nun macht der Graf öffentlich ſolche Anftalten, als wolle er Marien mit Gewalt entführen, daß der alte Schmied Stadinger es vorzieht, fie ſchnell mit dem Gefellen Kons rad zu verheirathien, um fie dem Grafen zu entziehen. Aber wie flaunt er,

Die Sturm⸗ und Drangperiode. 198

als nad; der Trauung der Geſell und ber Ga als eine und biefelbe Perſon ‚erkannt werben!

Im „Incognito“ ſtiftet ein Fürft unerkannt Gutes. „Die Schöne und Häßlige“ ift bizarr, fofern hier ein Lorb ein Ideal der Häßlichkeit ſucht und untröftlih wird, es nit zu finden. „Weltton und Herzend« güte“ beweist, bis zu welcher Verſchrobenheit man damals ſchon ge» langt war. .

Präfdent von Berg vernachläfigt feine edle Frau Amalie, Hält Maitreſſen, macht ungeheure Schulden. Cein Bruder rip kommt vom Lande, ein reiner träftiger Naturmenſch und reich, auf den daher fogleich Berge fofette Schwäs gerin, eine Wittwe, Jagb macht. Mber Brig liebt ſchon das Kammermächen, Antonie, eine eble arme Waife, der fein Bruber im eignen Haufe nachſtellt. Ja Berg geht fo weit, Brig zu belügen, Antonie fey eine Buhlerin, nur um fie für fi) ſelbſt behalten zu Können. Amalie bittet ihren Mann, ihr fein ‚Herz wieder zu ſchenken, er ſchenkt ihr aber eine Pomeranze. Ein Gofn Berge Hegt frank auf dem Lande, Berg fümmert fi nicht darum, bis das Kind ſtirbt. Kurz er iſt nicht nur leichtfinnig, ſondern handelt in jeder Meife nie⸗ berträchtig. Unterbeß Hat ein Juſtizrath aus altem Haß den Geftetär Berge beſtochen, defien Handfchrift nachzuahmen und ihm flaatöverbrecherifche Bapiere unterzufchieben. Berg wird verhaftet, der Sekretär brennt mit einer Summe Geldes durch, gibt aber zuvor noch ein Padet an Brig ab, was die Beweiſe von Bergs Unſchuld und des Juſtizraths Verrath enthält. Dadurch wird Berg gerettet und gelobt, fortan der Tugend zu leben.

Stark lotzebueſitt. Das Stärffte iR, daß Amalie im Grimm gegen ben untürbigen Gatten ſich ſelbſt einem Major anträgt, der fie liebt, ihr aber erwiebert, er liebe nur die Tugend in ihr, nicht das Laſter. Daburd) wirh fie denn bewogen, ſich wieber an ben Hals ihres elenden Gatten zu Hängen.

Iohann Gottfried Dydt, ein Leipziger Buchhändler, überfegte viele franzöͤſiſche Stüde und ſchrieb ein paar eigene Xrauerfpiele: „Thomas Moore, Heinrich IV., Efier, Eoriolan“ in ziemlih feuriger Profa, aber mit zu viel Tugendpathoe.

Friedrich Eberhard Rambach, ruſſiſcher Staatsrath in Dorpat,

ſchrieb fett 1791 mittelmäßige Schau» und Trauerfpiele „Ihefeus, Hiero, Dtto mit dem Pfeil, Friedrich von Zollern, der große Kurfürft zu Rathes nau, die eiferne Maske“ ꝛtc.

Der Schaufpieler Johann David Beil ſchrieb ſelbſt Schauſpiele und fieht Iffland nahe, doch ſchon mit Sturm und Drang. Unter feinen leldenſchaftlichen Stüden (Dietrich von Auben, Amuth am Soffarth,

. Wenzel, beutfge Digtung. I.

194 Zehntes Buch. "

Eurt von Spartau, die Familie Spaden) find befonders „die Spieler“ merkwürdig, weil er ſich barin die ſchrecklichen Folgen des Spiels, dem ex ſelbſt ergeben war, vor Augen ſtellte. Er hörte auf zu fpielen, flarb aber gramvoll und erſchöpft Im beften Alter (1794). Iſenburg v. Buri, heſſiſcher Offizter, brachte ſeit 1791 die Zerſtoͤrung ber Baſtille, fo mie den Tod des Königs und ber Königin von Frankreich auf die Bühne und ſchrieb aud einige Luftfpiele. . Friedrich Maximilian Klinger, geboren zu Frankfurt a. M., ſtudlerte Theologie, wurde Sekretait einer Schauſpielergeſellſchaft, öfter- reichiſcher Offizier, dann ruſſiſcher Vorleſer Pauls L ald Prinz, General und Direktor des Kadettenkorps, Curator ber Univerfität Dorpat. Ein Schwärmer für die Freiheit endete er als recht eigentlicher Defyoten- diener. Klinger blidte in feiner Jugend tief und ernſt in bie Shlehtigkeit und Dummheit der Menfhenwelt hinein. Der Troſt ber Religion war ihm verfagt, ja er erblicdte im der Kirche ſelbſt nur eine Corruptionsanftalt. Er ſchildert nun im faft allen feinen Dichtungen, wie edle und gute Menfhen, ja Engel felbft vergebens die Menſchen zu beſſern ſuchen und mie ftarfe Menſchen im furchtbaren Kampf gegen das Böfe erliegen. Nur die Helle Schönheit der Charaktere, die auf biefe Weife vom immer dunkler werdenden Abgrunde verſchlungen werben, ent« ſchädigt für das ſchmerzliche Gefühl, das feine Dichtungen zurücklaſſen. In der Auffaffung und Sprache Klingerd herrſcht anfangs noch etwas Wildes, ja faſt Rohes, aber fie verfeinert fi von Jahr zu Jahr. Klinger begann mit Trauerfpielen vol Leivenfhaft. Don feinem Stück „Sturm und Drang“, das von einem blutigen Bamiltenfampf in Schottland handelt, erhielt die ganze Periode Erampfhaft hitziger Dich— tung den Namen. In ven „Imillingen“ (1774) haßt der feurige Guido feinen ſanften Zwillingsbruder von Jugend auf und morbet ihn um ber ſchönen Kamilla willen, die den milden Bruder dem wils den vorzieht, bietet fih aber nachher Ranbhaft zur Gühne dar und läßt ſich von feinem eigenen Vater erdolchen. In den „falſchen Spieletn“ von 1780 hat Klinger einigermaßen ven ein Jahr fpäter erſchienenen Räubern von Schiller worgearbeitet. Franz von Stahl wird von feinem Gtiefbruder Karl verleumdet und in Noth geftürzt, daß er fih dem Spiel ergibt. Zuleht aber erfennen die Vers

2

Die Sturms und Drangreriode. 195

wandten und die Geliebte (Juliette), daß er auch im Verderben noch ebler ges blieben ift, als der Schleier Karl, deſſen Treulofigfeit beſtraft wird.

Beffer ift das Trauerfpiel „Elftide“ von 1782.

Gifride, ein Fräulein, die der engliſche König Cogar liebt, um bie ihn aber fein Günftling, Ethelwald, beträgt, indem er fie ſelbſt heirathet und durch Arglif von. ihm fern Hält. Mber die Liebe findet dennoch ihren Weg, ber Konig entdedt, wie ſchändlich er betrogen wurbe, und tötet ben falſchen Günfling, um feiner Wittwe die Krone aufzuſehen. Derfelbe Gegenſtand iR ald Roman behandelt von einer pfendonymen Maria, 1824. Der Stoff Hat etwas mit dem alten Romane von Bertha mit dem großen Fuß Bere wandtes.

Sehr merkwuͤrdig iſt Kungers Luſtſpiel von 1783 „der Schwur gegen die Ehe“.

Graf von Blumin, ein Weiberhaffer, läßt feinen Sohn ſchwören, daß er nie ein Weib heirathen, aber fo viel Weiber ald möglich verführen folle. Der junge Graf Hält ven Schwur, gerieth aber endlich an eine junge fo reigende und liebreiche Wittwe, daß er bei ihr den Schwur gern vergeflen möchte. Sie reizt ihn noch mehr dadurch, daß fie ihm fagt, fie habe ihrer Mutter ganz den nämlichen Schwur ſchwöten müflen, alle Männer zu verführen. Der alte Graf erfährt, daß fein Sohn im Begriff iſt, den Schwur zu brechen und weiß fein anderes Mittel, es zu verhindern, als daß er felbf ber ſchoͤnen Wittwe feine Hand anbietet, die fie auch annimmt, aber nur unter ber Bes dingung, einen jungen Liebhaber im Haufe zu halten. Am Schluß werden Bater und Sohn von der Wittwe überliftet, indem fie einen von beiden nimmt, beide beſchaͤnt unb ihre Hand dem Baron Babris reiht.

Man traut Faum feinen Augen, wenn man in der Vorrede Test, Klinger habe „deutſche Sitten“ ſchildern wollen.

Klingerd Trauerfpiel „Konrabin“ von 1784 iſt beffer, als die vielen Duzend Stüde, die denſelben Gegenftand behandeln. Vor allem iſt zu rühmen, daß Klinger feinem Helden Feine Beltebte gibt und das Inter reſſe für fein kaiſerliches Streben nicht abſchwächt In einer fentimentalen Liebelei.

Conradin erſcheint hier als ein feuriger, tapferer, dem Tode ſtolz entgegen⸗ gehender Jüngling und dennoch zart und Sich, ein echter Hohenſtaufe. Much feine Freunde find edel und natürlich gehalten. Seine Mutter Blifabeth bes freit zulegt feine Leiche, um fie, mit der ‚Briebrige, am Strande bed Oceans zu begraben.

13°

196 Zehntes Bad.

Im „Günftling“, einem Trauerfpiel von 1785, verläßt Klinger feine Härte, um faſt Kogebue’f weich zu werben.

Branfas, der Günftling des Königs Bernandez, ermorbet feine Gattin, ald ex erfährt, fie buhle mit dem König, reitet aber dennoch benfelben König große imäthig vor feinen Feinden.

Bon da an bildete Klinger fi) ein eigenes Syſtem von Menfehen- verachtung aus, mie es ſchwarzgalligter in Feines Volkes Poeſie je ge— funden wurde. Ganz im Contraft mit Göthe, ber aus allem, was in jenem erbãrmlichen Jahrhundert vorging, doch m nur füßen Honig für fi ſelbſt fog.

„Sohir ober der goldene Hahn“ von 1784 ift ein fehr mittels mäßiges Märchen.

In den goldenen Hahn verzaubert iſt Sohit, Eva's Grfgeborener, ber einem unſchuldigen Paare zum Sqhubsein dient gegen ihren ruchloſen Ders folger.

Weit beffer iſt dad damit zufammenhängenbe Bruchſtück „das zu früße Erwachen des Genlus der Menſchheit“.

Der Genius ber Menfchheit wird von Parid angerufen und kommt, Hofft Endlich das ganze Menſchengeſchlecht beglüden zu können (nachdem er vorher nur auf einer fernen Infel bei einem Unfhuldsvöltchen ein Unterfommen ger funden), fieht ſich aber furchtbar getäufcht. Hinter biefer Pariſer Menſchheit grinſt die ganze Hölle. Schaudernd flieht der Genius aus der Stätte bes Wahnfinned und Mordes und frägt, vor Gottes Thron Inieend, ein jams mernded Warum? aber ihm- antwortet nur ein ſchaudervolles, zermalmendes Schweigen.

Darauf ließ Klinger vier antikifirende Tragödien folgen, die „Meben in Korinth" und „Medea auf dem Kaukaſus“ vol Heißer Leldenſchaft, den „Ariſtodemos“ voll patriotiſcher Begelfterung, und „Damokles“, worin Klinger den Culminatlonspunkt poetiſcher Schwärmerel erreicht, indem Damokles den Tyrannen zwar erdolchen könnte, aber ben Dolch fallen läßt, well der Tyrann nicht würdig ſey, von fo,ehler Hand zu fallen. Eine ber feurigften Dichtungen iſt „Medea in Korinth“ von 1786.

Das Schickſal trit auf und verkundet die Strafe der Schuld. Jaſon ver⸗ laßt Medea und heitathet Kreuſa. Medea fleht ihn umfonft an, dann übt fie die ſchredliche Rache, ermorbet die unſchuldigen Kinder, fährt auf dem Drachen

Die Sturms und Drangperiobe. 197

davon und übergibt Jaſon ben in Perſon auftretenden Furien. Klinger faßt fie erhaben und echt antik auf, nur läßt er Medea etwas zu viel von ihrer eigenen „furchtbaren Größe" reden. Medea auf dem Kaufafus, 1790, Schluß des vorigen. Medea lebt auf dem Kaufafus, Hier foll eben die Jungfrau Rorane vom Oberbruiben ben Göttern geopfert werben, zum Jammer ihres Geliebten, Sophar. Da tritt Medea rettend dazwiſchen und zerflört mittelft ihrer Zauberfünfte durch Blihe den Opferaltar und verſcheucht bie SPrier fler. Aber die, bie zum Böfen jede Macht befaß, verliert alle ihre Zauber⸗ Träfte, nachdem fie einmal fie zum Guten angewendet. Die Druiden ers Tennen ben Verluſt ihrer Zaubermacht und ſuchen Rache an ihr, der fie zuvor⸗ Tommt, indem fie fh erflicht. Ein Profatrauerfptel iſt auch „Ariſtodemos“ 1787.

Ariſtodemos hat feine Tochter Hermione dem Kleonnys verlobt, ald das Unglück des Vaterlandes eine Jungfrau aus dem Geſchlechte ber Herakliden zum Opfer heiſcht. Diefed Opfer muß Hermione werden und fie opfert ſich willig. Aus Verzweiflung behauptet Kleonnys, fie fey ſchwauger von ihm, um fie zu veften. Hermione birgt vor Scham ihr Geſicht an des Vaters Bruſt, der fie erflicht. Matronen erfennen ihre reine Sungfräulichfeit. Kleons nys flürzt fi in den Kampf, dem num bie Goͤtter Sieg verleihen. Die Cha- taftere des Vaters und der Tochter find hoͤchſt edel gehalten.

Und „Damokles“ 1788.

Damofles Hat der Infel Rhodos Geſehe gegeben, felbft die Krone ausge ſchlagen und fie dem Atalos gelaflen. Wahrend Damokled abweſend im Kriege ift, unterjocht Attalos das Volk und hindet des Damofled Sohn Kal lias an fein Intereffe, indem er ihm feine Tochter Antioche verlobt. Das Bolt fleht Damokles an, ihm die Freiheit zurüdzugeben, läßt ihn aber im Stich. Er wirb gefangen und im Kerfer vergiftet. Antioche klagt ſich bei diefer Nachticht felbR als feine Mörberin an, ba fie ed gewefen, bie feinen Sohn Kallias zum Verrath am Bater verführt Hat. Kallias erflicht fie und flürzt ſich in's Meer. Cine bittere Satire auf das Bolf.

„Fauſts Ihaten und Höllenfahrt“, ein dialogiſtrter Roman von 1791, läßt und in die ganze Tiefe der Klinger'ſchen Melanolie bliden.

Bauft if Hier der Grfinder des Bücherdrucks, ben er aber nur durch mar giſche Kunft erlernte. Man begreift nicht, welcher Magie es zu biefer eins fachen Sache bedurft Habe? Es geht ihm ſchlecht, man will ihm feine ges druckten Sachen nicht ablaufen und er fommt in große Noth. Wiederum Höchft unwahrſcheinlich. Da nimmt er feine Zuflucht zur Hölle und Leviathan wird fein Diener. und Gefährte. Zuerft muß biefer ihm eines Bürgermeiſters fhöne

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198 Zehntes Buch.

Fran zukuppeln-, obgleich Fauſt felber ſchon verheirathet if. Das wird buch einen fentimentalen Abſchied Fauſts von feiner Frau gleichſam ausgeglichen. Nun geht die Reife durch die laſtervolle Welt Iuftig fort, und Bauft findet überall nur Bosheit, Heuchelei, Schwäche, die ſich bereitwillig dem Teufel in die Arme wirft. Diefe fragpenhaften Schilderungen follen bie Menſchenver⸗ achtung Fauſts rechtfertigen. Wie verzerrt num dieſes Weltbild auch ſeyn mag, fo iſt e8 doch confequent burchgeführt, indem es in der Hofhaltung des ſcheuß⸗ lichen und in allen Wollüften erfoffenen Pabft Alexander VI. feinen Mittels punkt findet. Hier tritt ber Menich noch greulicher hervor, als der Teufel ſelbſt. Der Pabſt macht dem Leviathan, ben er nicht kennt, einen ſchaͤnd⸗ lichen Antrag und drängt ihn fo, daß biefer fich endlich durch Enthüllung feiner Diabolität reiten muß. Durch ben Anblit fo entfeplicher Greuel wird Fauft im hoöͤchſten Grade mißgefiimmt und fein Genuß mehr Tann ihn erheitern. Nun fängt der Teufel an, mit raffinirtefter Graufamfeit ihn eben fo von Dual zu Dual zu führen; wie vorher von Luft zu Luft. Er zeigt ihm feinen älteften Sohn am Galgen, fein verlaflenes Weib in Lumpen und im tiefften Elende, in das fle feine Flucht verfegt hatte. Dann ruft er ihm alle Sünden ind Gebätniß, die er begangen, führt ihn in bie Luft empor und reißt ihn in taufend Stüde.

Verwandten Geiſtes ift Klingers „Geſchichte Raphaels de Aquilas*, ein Schreckensgemälde, unter den erſten Eindrücken ver franzöſtſchen Re— volution entſtanden, vom furchtbarſten Haß gegen Prieſterthum und König«

thum durchzuckt.

Der junge Raphael waͤchst in den Gebirgen von Valencia auf dem ein: ſamen Schloß feines. blinden Vaters auf. Diefer iſt im Kerker der Inquifition graufam geblendet worben auf Befehl König Philivps IL, weil Raphaels Mutter fi ben Lüſten diefed Königs twiberfept hat. Nach des Waters Tobe geht Raphael nach Madrid, um ihm zu rädjen, verliebt ſich aber Hier und ſchwaͤngert die Donna Seraphine, die Tochter Don Antonio’s, des königlichen Kupplers, und als er erfährt nicht nur, daß Seraphine mit dem König buhlt, fondern daß Antonio auch am Unglüd feines Vaters Schuld ift, fößt er ihm den Degen durch ben Leib und flieht in feine Gebirge. Hier findet er bie Moriskos, feine Vaſallen, und in ihre Häuptlings Suleimas ſchoͤner Tochter Almerine Erſatz und heirathet fie nach mauriſcher Sitte. Seraphine fehreibt ihm, fie Habe einen Sohn, fie ſey unſchuldig, der König habe fie nidht ber rührt und fleht ihn an, ſich mit ihr zu verföhnen. Aber er will nicht. Mitte lerweile kommt der Befehl, ſaͤmmtliche Morisfos follen nach Afrika übergeſchifft werben. Raphael begleitet den traurigen Zug. Unterwegs auf dem Schiffe übt Perez, ber Gapitän, die roheften Graufamfeiten an ven Moriskos aus. Die ſchwangere Almerine Tann fih nur vor ihm vetten, indem fle in's Meer

Die Sturm⸗ und Drangperiode. 199

fpringt und ertrinft. Raphael und Suleima fpringen ihr nach und fommen wieder am fpanifhen Ufer an, fämpfen im Gebirge verzweiflungsvoll und unterliegen; Raphael “wird verwundet und gefangen nad; Mabrid gebracht. Der König verzeiht ihm und laͤßt ihm frei. Ais er aber auf feinem Schloß anfommt, findet er bie unterirdiſche Moſchee von fanatiſchen Prieſtern erbrochen und Suleima auf den entweihten Gräbern ermorbet. Nun füllt er feine Rache, indem er alle riftlicgen Priefler niederhgut, und fickt aus Spanien. Im Neapel will er ſich nad dem Drient einſchiffen, um ein Muhamebaner zu werben, wirb aber ergriffen und nad) Spanien zurücgefchleppt, wo er in ben Kerlern der Inquifition unter den gräßlichften Dualen ber Wolter firbt.

Diefelbe Bitterkeit geht durch Klingers „Geſchichte Giafars des Bar- meciden“, 1791.

Giafar, der berühmte Vezir bes Chalifen Harun Alraſchid, will bas Menſchengeſchlecht beglücen. Das will der Teufel nicht leiden und verſucht ihn in der Geſtalt des weifen Ahmet, ber ihm die Menſchheit darftellt, wie fie ift, nämlich als nicht werth, daß man ſich für fie opfere. Giafar wibers ſteht ihm, weil aber feine heimliche Geliebte Abafla, des Ehalifen Schwefter, ihm ein Kind geboren, werben Mutter und Kind gemorbet und er felbft an eine Säule gekettet. Da erfceint ihm Achmet abermals, enthüllt ihm Vers gangenheit und Zukunft und beweift ihm, daß er mit all feinem hohen Glan: ben doch immer nur ein Spielball des Schickſals gewefen und daß fein Wirken der Menfchheit nichts genupt Habe. Doch auch jept bleibt Giafar Randhaft und Hülkt ſich in den Mantel feiner Tugend. Der Teufel muß beihämt abs ziehen, Giafar wird Hingerichtet, aber der Chalife bereut den Frevel und ſchenkt einem Greife, der es zum Grflenmale wagt, ihn an Giafard Verdienſt zu mahnen, eine Schüffel von Gold. Da ruft ber Greis: feht da noch eine Wohlthat des Barmeciden! ein Ausruf, der nachher im ganzen Morgenlande fprichwörtlich geworben iſt.

Diefelbe Menſchenverachtung kehrt wieder in Klingers „Reifen vor der Sündfluth“, 1794.

Mahal Iebt mit den übrigen Sethiten im Gebirge in ber alten Unſchuld. Da überfommt ihn der böfe Geift des Forſchens. Er will wiflen, wie es in der übrigen Melt beftelit ift und macht mit feiner ſchoͤnen Tochter Milka einen Ausflug in die Ebene. Da kommen Räuber vom Stamme Kaind und ents teißen ihm die Tochter, die erſte Strafe für feinen Forſchungstrieb. Gott ber fiepft ihm, noch einmal in die Welt zu gehen und zu erfahren, maß’aus ben Menſchen wird, wenn fie fih mit der Unſchuld nicht mehr genügen laſſen. Mahal findet eine reigende weibliche Gefalt, entfept ſich aber, denn fie iſt kalt und tobt, nämlich eine Statue der Liebesgöttin. Schöne Rainitinnen Fommen, ihr zu opfern. Er empört ſich über den Götzendienſt und wird ins Gefaͤngniß

Bu > Sunbed erfährt, es fey 198 Betnted Du -ssgemehlin erhoben Kat.

grau zufuppelm, obgleich Fauft ſelber ia am —* = * einen fentimentafen AOfhied danus > ek wi —R Rin geht die Reife durch bie lan.— : Solblandes aber befiegt ihm

i om seid nicht anbeten will, flieht

überall nur Bosheit, Heuchelet Se eb die Arme wirft. Dieſe fra . sem Namen von achtung Faufts rechtfertigen. e Volt heriſcht. Dier Hat er deren früheren Liebhaber, einen

fo if es doch vu ‚nen will und dadurch bie ganze Aris lichen und in allen reich, wird jedoch geheilt und flieht punft findet. Hier " our serrichen. Alle wohnen in Laternen, felbſt. Der Pabſt m: A matirt ſich Mahal, wird daher wieder lichen Antrag und Sacen nur Aheiften, die ihn, weil er feiner Diabentan 1 Ge kehrt nun ins Gebirge zurück und

wich Saul im .. san feine Reugier befriedigt, weil fie aber N «a zu in der Günbfluth mit all den Vofe J se kennen zu lernen er allzu begierig ges tiefe. © - efte wert iſt ein Anhang zu den Reifen vor

nad gerechteſte unter ben Menfchen, den ver Sultan

2 na Dan er aber immer eine geheime Scheu behält,

2 up mn ıprem eigenen Intereſſe nicht lange ertragen

sr duich einen Zauberer einen bienfibaren @eift, ber

uns auf reiner Güte eine unweiſe Handlung begehen

Acſcheden iR, will der Sultan Hinter das Geheimniß

ra te ihm zu verrathen. Da verbannt ihn

N Wuile wird er geplündert, aber von einem Hirten aufs

ie du sul der Anbli des jungen Hirtenweibes und ihres

ori crrdpeint ihm der Geiſt wieder und fagt ihm, dieſes

wu udn De he brechen, den Tod ihres Gatten verſchulben

ayray ser Schlangt opfern. Da efelt Abdallah das Leben an

sp a6 Mer Mer Biiber reiten ihn und er findet dad Leben

Sud dan ecx Mh wit einer Fiſcherstochter verlobt und hier

N wenn Wh FURllig genith er einmal in die Nähe von Bers

2 AN dan Det Suitand eigener Sohn ben Vater vom Throne

SD sdt zum Galtanı ihn zu warnen, und fehrt bann wieder zu

voor ea um Dechheit zu feiern. Da verläßt ihn der Geiſt für

N N da RUGR doch immer nur deinem Gange und bebarfft e Muh MA

Die Sturm⸗ und Drangperiode. 201

Die fpäteften Werke Klingers find: „ber Dichter und ber Weltmann“, 1797, ein Dialog, worin zwei Charaktere mit großer Feinheit und Wahr- heit durchgeführt werben. Der Dichter, Heißt es am Schluffe, Tann nur glücklich ſeyn in der- abgefhloffenen Welt feiner Illuſionen, die er ſich moͤglichſt ungeftört erhalten muß. Der Weltmann kann nur glücklich fegn im Rückblick auf das, mad er Gute zu thun Gelegenheit Hatte, mag er auch mit nod fo viel Verberbnig und Thorheit zu Kämpfen ge« Habt haben. Die „Beratungen über verſchledene Gegenftände der Welt und Literatur” 1802 in brei Bänden enthalten einen Schag von Men- ſchenkenntniß und Welt- und Büchererfahrung, in bunten Aphorismen niedergelegt. Hier ſcheint der Sturm in der Seele des alten Dichters völlig berubtgt, aber in feinem Iegten Werk „Geſchichte eines Teutſchen der neueften Zeit“ von 1810 bricht der ganze alte Unmuth, die ganze alte Menſchenverachtung noch einmal aus dem glühenden reife, wie Feuer aus dem ſchneebedeckten Vulkane hervor.

Ernſt von Faltenburg if in der Gunft eines Fürften hoch gefliegen und Hat daburd bie Giferfucht feines eigenen Oheimd, des bisher allmäctigen . Präfidenten erregt. Die Feindſchaft des Oheims gegen ben Neffen wird noch bitterer, als Ernſt die ſchöne Amalie, Tochter des neuen Miniſters, eines armen dremden, Heirathet, ber den Einheimiſchen von altem bel töbtlich ver« haßt iR. Die franzöfifche Revolution bricht aus. Ernſt macht -Borfäläge, durch weife Reformen in Deutfchland eine fo blutige Kataſtrophe zu vermeiden. Da wird er von ber Partei der Alten felbft ald Revolutionär bezeichnet und muß flüchten. Zugleich wird ihm Amalie untreu und buhlt mit dem ſchönen Berbinand, einem Freunde, dem Ernft fie anvertraut Hatte. Sie hören, Ernft fey in Paris, wohin er geflüchtet, ald auswärtiger Edelmann guillotinirt worden, was Amahe fo erſchüttert, daß fie Ferbinand entfagt, der ihr aber antwortet, fie ſey und bleibe durch die Sünde an ihm gefettet. Inzwiſchen ift Ernſt frei gelaſſen worben und zieht zu feinen Gefinnungdgenoflen nach Ame⸗ tifa, um bad Ideal der Menfhheit, für das er umfonft in Deutſchland ger glüht, unter den Wilden am Ohio zu finden.

Forſtrath Eramer zu Dreifigader bei Meiningen, ver feit 1782 eine große Menge Romane, weit mehr als je ein Deutſcher vor ihm, ſchrieb und den wir oben ſchon unter ben Lüderlichen Eennen lernten, ger fette ſich auch zu ben Kraftgentes und Hatte feiner plebejiſchen Sprache wegen auf bie Maſſen mehr Einfluß als vornehmere Dichter. Seine Bücher fühlten die Leihbibtiothefen und wurden von ben halbgebildeten Claſſen

202 Zehntes Buch. J

verſchlungen. Schon deßhalb darf der Geſchichtſchreiber ver Voefle an Ihm nicht veräßhtlich vorbeigehen wollen. Cramer verbient aber auch noch um feiner befondern Gaben willen Auszeichnung. Wie roh und gemein .er auch ſchrieb, fo war doch eine friſche und gefunde Kraft in ihm und feine Oppofltion gegen bie falſche Empfindfamfeit und Vornehmthuerei war eine echt volksthümliche. Das Erfreulihe an ihm iſt die derbe, kerngeſunde Jägernatur, bie den Waldgeruch auch ind Boubotr mitbringt, fi nichts verfagt und nod mitten im Exceß eine gewiſſe Liebenswürdig- Teit bewahrt. Das Unerfreulichfte dagegen find bei Ihm bie Myftificatio- nen mit Weltverbefferungsplänen. Sein befter Roman iſt das „Jäger mädchen“ (von 1798). .

Gurt, ein junger Offizier, und Xugufte, ein junge® Fräulein, verirten ſich unb bie Folge ift die Geburt eines jungen Mädchens, weldhes- ausgefept und” von einem ehrlichen Förfler gefunden und unter ben Augen der Gutöhertin, einer Gräfin, erzogen wird. Henriette wächdt in herrlicher Blüthe heran und vereint wit der Derbheit des Jägermädchens einen Anflug höherer Bildung aus dem gräflichen Haufe. Im biefem Haufe lernt fie Augufte kennen, ohne daß beide ahnen, wie nahe fie einander verwandt find. in armer Dichter, Namens Durft, ſchmachtet um Henrielte, die ihn mit zartem Mitleid behan delt. Vornehme Herren fuchen fie zu verführen, aber vergebens, das Fräftige, keuſche Mäpchen fpielt mit der Gefahr. Endiich fommt ein junger Jaͤgerburfch, nimmt beim Foͤrſter Dienfte und gewinnt ihre Liebe. Die Gräfin erwartet ihren lange abwefenden Sohn und befichlt, bis zu feiner Rüͤckkehr das Wilb zu ſchonen, bamit er eine gute Jagd machen könne. Aber Walter, der junge Zagerburſch, ſchießt einen Cdelhirſch. Als er bafür beftraft werden fol, fagt er tropig: ich Habe ihn auf meinem eigenen Grund und Boden gefhoffen! und gibt ſich als der Gräfin Sohn zu erkennen. "Wie fol num aber die arme Jäs gerstochter Hoffen, feine Hand zu erlangen? Der alte Curt erſcheint, heirathet Auguße, und Henriette wird als ihre verlorene Tochter und Erbin wiebererfannt, fo daß ihrem Bunde mit dem Grafen nichts mehr im Wege flieht. Das Zägermäbchen ift vortrefflich gezeichnet, zwar viel zu derb für ben verzärtelten Geſchmack, aber um fo natürlicher. Allerliebſt ift die Art, wie fie einmal einen vornehmen Heren abfertigt, ber ihr feine goldene Uhr von 100 Dufaten Werth für einen Kuß anbietet. Sie nimmt die Uhr und gibt ihm ben Kuß, bietet ihm aber fogleich wieder biefelbe Uhr um einen Kuß von ihm an. Alle Anwefenden lachen den Herrn aus, welder erröthend dem Mädchen ben vers langten Kuß gibt, die Uhr wieder nimmt und, um feine @hre zu retten, 100 Dufaten id Armenhaus fehiet. Nicht minder, veizend iſt bie Verwirrung des Mädchens geſchildert, ald fie erfährt, fle werde von einem Herrn geliebt,

Die Sturm« und Drangperiode. 203

den fie für Auguſtens Liebhaber Hält. Sie, voll Zärtlicgkeit für Auguſten, auch ehe fie noch weiß, daß es ihre Mutter iſt, und voll Unſchuld, glaubt num dadurch, daß ein Mnderer, auch ohne ihr Wiſſen und Willen, fie liebt, eine Sünde, einen Raub an Augufte begangen zu haben. In ſolchen Zügen liegt ein Hoher Zauber des Matürlichen, um weldjen mancher viel höher geftelte Dichter den verachteten Cramer Hätte beneiden dürfen.

Biel unbedeutender find das „Harfenmädchen“ (vol unfinniger Aben- theuer) und das „Hirtenmäbchen”, melde Gramer nachfolgen lief. Er ſchrieb nod eine Menge Romane biefer Art, alles mehr oder weniger wilde Liebesgeſchichten, der braune Robert, das blonde Nantchen, Nett» chens Hochzeit ıc.

Große Theilnahme ‚fanden zu ihrer Zeit befonderd die politiſchen Romane Gramerd, Der erfte war „Reben und Meinungen des Erasmus Schleicher” von 1789.

Erasmus Schleicher begegnet in der Rolle eine reifenden Mechanikus dem

alten General Grafen Jericho und intereffirt ihn, noch mehr aber befien fchöne Tochter Yurore. Sie macht ihn zu ihrem DVertrauten, aber nicht zum Lieb⸗ Haber, denn das ift ſchon ein gemiffer Goralli, Diener ihres Baters. Das gegen verhimmelt Echleicher mit einer gewiſſen Louiſe, obgleich fie ihn einmal „aufs Maul fehlägt“ und „Affe“ nennt. Als er zum Erſtenmake in ihren Armen gefäjwelgt, will er „die Welt gegen ben Mond fprengen“, fo übermüthig iſt er geworden. Mber fie läpt ihn wieder fahren und er tröftet ſich bei einer gewiffen Antonie, obgleich fle ihn „Schurke“ nennt. Mber auch Antonie gibt ihn auf und er genießt das ſchoͤne Schaufpiel, fie mit einem Andern aufs Sopha fallen zu fehen. Zum Ueberfluß erzählt er Nuroren noch von einer älteren Liebſchaft zu einer gewiflen Bianka, die auch nicht glücklich ausfiel. Endlich kommt Schleicher mit dem Fürfen in Berührung, iſt fo frei, ihn auf allerlei in feiner Nähe waltende Ungerechtigfeiten aufmerffam , findet aber für nötig, ſich eben deshalb bald aus dem Staube zu machen. Unterwegs ber gegnet ihm der vacitende Hofnare Dfop, fein Seelenbruder. Sie reifen zu: fanımen. Schleicher befummt eine neue Liebſchaft in Seraphine. Nachher finden fie den einfamen alten Pifo, ber ein verbannter Fürft und Coralli's Bater if. Seraphine ift in Mannskleidern entflohen, fommt mit Antonie zuſammen, wird von ihr für einen Süngling gehalten und mit Liebe bebrängt, gibt ſich ihr daher zu erfennen. Nun wendet ſich bie treulofe Antonie wieder zu ihrem Ritter Harras. Schleicher fchlägt einen Mönd, wird in ben Kerker der Kirche gebracht, aber vom alten Dfop, ver zum Spaß unter die Räuber gegangen, befreit. Sie nehmen ben alten Pifo mit, ber feinen Sohn wieber findet. Der alte Jericho willigt in Aurorens Verbindung mit Goralli, fobald in dem legten ein Fürftenfohn erfannt il. Die edle Seraphine tritt

24 Sehntes Vuch.

ihren Schleicher einer gewiſſen Auguſte ab, die aufs heftigſte in ihn verliebt iR, die Tochter des Miniſters von Hammer. Hammer felbft gibt ihm feine Tochter, wie er fagt, „ald Biergelb“ und forgt dafür, daß Schleicher Lands rath wird und alle Gelegenheit befommt, der Menſchheu im Staat durch nüglie Reformen zu bienen. Seraphine wird durch Karl, einen Neffen Je— richo'8, entſchaͤdigt. "Ale find glücklich. Der Staat Sommerfett iſt von biefem trefflichen Menſchen trefflich regiert. Aurore und Coralli wohnen mit Piſo und Dfop bei dem alten Jericho auf dem Lande. Als fie in bie Refibenz Balmira ziehen wollen, warnt fie der alte Dfop vergebens. Die Folge if, daß der junge Bring Hanno in der heftigſten Leibenfchaft für Aurore entbrennt. Der alte Dfop..tritt öfter warnend und Hindernd bazwifchen, unter anderem veißt er einmal ben Dfen in dem Zimmer ein, in bem fie allein find. End— lich aber wind fie doch von Hanno entehtt. Als es Goralli erfährt, ſchieht er anf ben Prinzen, verwundet ihm aber nur in den Arm und muß flüchten, Aurore flirbt aus Oram. Schleier wird wie alle Reblichen gezwungen abs qubanfen und wandert mit feiner geliebten Augufle und dem alten Dfop aus. Harras folgt Eoralli in ven Krieg. Der alte Jericho if vor Gram geftorben, eben fo Bifo. Eine gewiſſe Henriette, welche Hanno ferner entehrt , vergiftet ſich. Als er num auch von Aurorend Tod erfährt, geht der Prinz in ſich, Rößt feinen Günfkling und Verführer Adelſon mit Fuftritten von fid und zieht in den Krieg. uf dem Selbe der Ehre verfühnt er ſich wieder mit Goralli. Schleier aber kommt zu dem ebeln Grafen von Trafinor und Hilft ihm bie Menfepen weiſe regieren und glüdlich machen. Der alte Dfop flirbt bei ifm.

Im Jahr 1793 ſchrieb Cramer auch „Leben und Meinungen des Paul Yfop“ und 1794 die des „lahmen Wachtelpeters“, beide voll lüber- licher Geſchichten. Wieder etwas mehr politifgen Charakter Haben die „Lelden und Freuden des ehrlichen Jakob Luley“ (von 1797).

Wie Schleicher, fo ift auch der teifende Baumeifter Luley ein vacirenbes Genie und Tugendprahler. Er fommt an ben Hof, fagt überall die Wahre heit, nennt Statuen und Bilder, die für Originale gelten, Copien, macht ven Fürften auf die Nachläffigkeiten und Ehlechtigfeiten im Staatsdlenſt aufmerf« fam ac. und befommt unzählige Feinde. Chen dadurch gewinnt er aber auch, wie Schleicher, die Herzen der Damen. ine gewiſſe Bertha, ber er bei ber erfien Begegnung eine Raupe, die ihr den Yufen hinab unter dad leid ger krochen if, herausſuchen Hilft, wird feine Seelenfreundin, fo wie ihr rauher, geimmiger, aber grunbehrlicher Vater, der alte Oberſt Hartivig mit dem Höl- jernen Bein, fein Seelenfreund. - Sofort dreht ſich das Hauptintereffe des Ros mans darum, daß die Hofſchranzen den Wahrheitsfreund nicht zum König laflen wollen und alles Mögliche thun, ihm den Zutritt zu verſperren. Bald muß der König krank werben; bald bricht in dem Augenblid, in dem Luley bei

Die Sturme und Drangperiode. 208

ihm eintritt, eine künſtlich zu dieſem Zweck angelegte Feuersbrunſt aus; bald laßt man ben König verreifen. Bald wird Luley ſelbſt heimlich aufgehoben und in eine Feſtung gefledt, ohne daß es ber König weiß, aber von Bertha und bem Oberften wieber. befreit. Bald wirb ihm ein reigendes Mädchen zus geſchickt, die ihm verführen foll, was aber eben fo wenig gelingt. Endüch wird bie fhöne Glife, die junge Gattin feines Fteundes Walter, der biöher zurüdgefegt in Bitterer Armuth ſchmachtete, durch das Verfprechen feiner Er⸗ Hebung beſtochen, ben Luley auszuhorchen, ihn auf eine feine Weiſe durch Seelenliebe zur finnlichen Hinüberzuführen und dann feine Geheimniſſe zu ers rathen, aus denen die Hoffchranzen eine Anklage herausſpinnen wollen. ber Luley merft es, läßt Glifen bis zum Aeußerſien fommen und fagt ihr dann ruhig: nun geh und verrathe mich! Das erfehüttert fie aufs tieffte. Luley triumphirt über alle feine Feinde durch ein Gartenhaus, das er für einen _ Freund gebaut hat und das dem König überaus gefält. Nun ladet ihn ber König felber zu fih, läßt ihn bauen und gibt ihm Gehör, fo viel er will. Inzwifchen ift eine gewiſſe Lindore mit einem Kinde von ihrem Liebhaber, Herrn von Engern, verlaffen worben und Luley erfährt, dieſe Lindore fey feine Schweſter, er felbft ein geborene Freihert von Sturm. Der alte Oberſt (warum nicht LuleyP) fordert Engern, biefer aber ſchießt mit der Piſtole in die Luft, bittet um Verzeihung und heirathet Lindoren. Luley Beirathet Bertha, die Königin wird aber von den Hoffdpranzen abgehalten, der Hochzeit, wie fie wollte, beizuwohnen. Luley fieht die höchften Ghrenftellen offen, glaubt aber die Welt doch nicht beſſern zu fönnen und zieht ſich aufs Land zuräd.

Gramer ſchrieb au noch „Leben und Meinungen des Baron Hirkus“,

eine nicht üble politifhe Satire.

Hirkus if ein dummer und fader Edelmann, ben feine Tante in der Jugend allerlei Bogelftimmen hat nachahmen lehren, wodurch er in vornehmen Befells ſchaften amufirt, der in Hofämtern auffleigt und, nur um Andern, die anges Rellt feyn wollen, Plak zu machen, immer höher geſchoben und am Ende fogar Minifler wird. Nachdem er penflonirt iR, unterhält er ſich mit einem reducirten Hoffcpneiber, der fein Blatt vor den Munb nimmt, über feine intes veflante Laufbahn.

Chriſtian Heinrich Spieß, ein Wirthſchaftsbeamter in Böhmen, ahmte Eramer nad.

Sein Mäufefallen- und Hecheltrimer (von 1792) if ein in Deutfcland mit Mäufefallen herumgiehender Savoyarbe , aber in feinem aͤrmlichen Kleide ein Genie, fommt mit vornehmen Lenten in Verbindung und macht eine glüds liche Heirat. In biefem Buche kommen einige erheiternde idylliſche Bilder vor. Die eiſte Begegnung des im Walde verirrten Gavoparden mit Emilien,

206 Zehntes Buch.

die ſich in einer Banernhütte bie fehönen Haare kaͤmmt und fpäter bie zaͤrt⸗ liche Verfolgung des vliehenden durch eben biefe Emilie, if ein frifches Naturbild. Im feinen „Deutſchherren“ iſt die Heldin Hanndhen eine Schinderknechtstochter, bie ihres Standes wegen durch Verachtung bis zum Tobe gequält wird, weil fle felbft das Geheimniß "ihrer unehelichen Geburt aus vornehmem Stande aus Ebelfinn verſchweigt. Ganz grell ſind ſeine Biographten der „Selbſtmörder“, dito der „Wahnſinnigen“ und „feine Reifen durch die Höhlen des Unglücks“ (gräß- lie Criminalgeſchichten). „Cecilie oder die gottloſe Tochter“, ein zu Leipzig 1763 gedruckter Roman, iſt merkwuͤrdig als Vorbild der modernen franzöſiſchen Schule. Die Heldin ift ein emancipirtes Weib, welches, erft 18 Jahre alt, Ber brechen über Verbrechen Häuft, in allen Laſtern ausſchweifend, ihren Gatten, ihre Eltern, alle Umgebungen ruinirt und zulegt in Nordamerika unter bie Gannibalen gerät, bie ihrer vertrauteften Freundin und Mitfehuldigen bie Brüfte abfehneiden und freflen, fie felbft aber nur verſchonen, weil fie, indem fie nat und zitternd unter den keulenſchwingenden Wilden fleht, den Leib voll Spuren einer efelhaften Krankheit zeigt. Ihr Fleiſch if zu unrein, um vers ehrt werben zu koͤnnen. Das rettet ihr das Leben, aber fie ſtirbt bald darauf im äußerften Elend. Nicht minder merkwürdig iſt „Aurelle von Walbenborn*, ein ano— nymer Roman von 1797. Aurelie, die Maitreſſe eines Fürſten, gibt fi ihm blos befhalb Hin, um ihn im Sinne und aus Auftrag eined geheimen Tugendbunbes zu leiten, daß er das Land gut regiere und bie Unterthanen beglücke.

3. Die Yocfie des Egoismus.

Sowohl die Natürlichkeitsſchwärmerei, als der Sturm und Drang mußten eine egoiftifhe Richtung der Dichter förbern.

Die beſcheldenen Dichter, die zuerft die Natürlichkeit empfahlen, Haller, Brockes, Kleift, hielten fid nur an die Äußere Natur und vers Ioren ſich in ihrer Bewunderung. Nah und nad aber machten bie

Die Sturms und Drangperiode, 207

Dichter auch Ihre Innere Natur geltend und fepten fi über alles Her⸗ Tommen und Gefeg hinweg, um die angebli wahre, bisher nur unter drückte Natur zum Durchbruch kommen zu laſſen. Das hing genau mit dem Sturm und Drang zufammen. Man mollte fid über das Gemeine erheben, ein Genie ſeyn und flug nah allen Seiten aus. Es gab auch unter biefen Grobtanen noch beſcheldene Geifter, die für etwas Allgemei- ned ſchwärmten, für die Menfhheit, für die Freiheit, für die Wahrheit, für die Kunft ꝛc., aber auch Selbftlinge, welche die Mode der Zeit keck ausbenteten, nur um von fi reden zu machen, nur um fl bewundern zu laffen ünd fo viel Lebensgenuß ald immer möglich daraus zu ſchöpfen. Im Grunde waren alle diefe neuen Genies nur Epikuräer gleich Wies land, aber fie waren noch eitler, fie verlangten nicht blos Sinnengenuß, ſondern auch Vergötterung. Die Religion war abgeſchwächt, in ven ge- bildeten Stänven faſt vergefen, der Nationalgeift in allen politiſchen Aeußerungen gelähmt, gebunden oder tief eingefhlummert, es war aljo damals möglich, das öffentliche Jutereſſe geiſtreichen Egoiſten zuzuwenden und fie als Schooßkinder der Zeit zu liebkoſen. Dichter dieſer Art ges noffen das Vorrecht von fhönen Schaufpielerinnen und Tänzerinnen, für die man ſich lebhaft intereffirt, wenn man Muße dazu hat und nicht von wichtigeren und höheren Dingen in Anſpruch genommen iſt.

Die Poeſte des Egoismus war zunähft eine wenn auch unwillkühr- Ude, doch aufs künſtlichſte ausgebildete. Kofetterie mit dem. Publikum. Sie ging darauf aus, nicht für irgend melden Gegenſtand der Dichtung, fondern ausſchließlich für ven Dichter einzunehmen, fo wie eine Schau— fpielerin nicht will, daß das Publikum fih für das Stück intereffire, fondern daß es ſich in ihre Verfon verliebe. Der Dichter ſtellte fih auf den Standpunkt des Virtuofen, er wollte nicht mehr durch den Inhalt feiner Werke erfpüttern, rühren ober erheftern, fonbern nur durch fein perſöuliches Talent bezaubern. Cultus des Genius war Hier die Lofung-

So weit es möglih war, wurde biefer Cultus auch der flerblichen Hülle des Dichters, feiner perfönlichen Schönheit und fo recht eigentlich feinem Fleiſche dargebracht. Da dies jedoch nur im engeren Kreiſe ge⸗ ſchehen konnte, mußte das Herz dem Fleiſche zu Hülfe kommen. Daher das charakteriſtiſche Kennzeichen dieſer ganzen neuen Gattung von Poefle die „ſentimentale Donjuanerie“. Die erkünſtelte Sentimentalität, die Affec-

208 Zehntes Bud.

tation von Seelenrührung und Seelenſchmerz, unterfeheidet bie neue Schule von der Älteren franzöſiſchen, oder mit zwei Worten Göthe von Wieland.

IH fage Affectation, weil Göthe nit wirklich empfindfam mar, fondern immer nur mit feinen Lefern Tofettirte. Es gab eine Herzkrank· beit der Zeit, eine Herzenserweiterung, durch welche bie unglüdlichen

Dieter dahin gebracht wurden, fi einzubilven, ihr Herz fey zu groß"

für die Welt, die Welt zu Hein für ihr Gerz. Es ging ein bis heute noch forthallender Klageton f. g. Dichterſchmerzen durchs deutſche Land, denn je höher ſich die Dichter ſchraubten, deſto weniger paßten ſie zur Wirklichkeit und hielten ſich dann für verkannt. Es gab auch einen Herzensdurchfall, eine Proſtitution des Herzens in Kotzebue'ſchen Stücken und Lafontaine'ſchen Romanen. Aber das alles paßt auf Göthe nicht. Dieſer vornehme Geiſt war zu gemüthlos, um Schmerzen zu fühlen, deren Schilderung ihm nur Behagen gewährte und Ehre brachte, und zu klug und geſchmackvoll, um ſich zu proſtituiren. Er putzte ſich ſo ſchön als möglich heraus. Ihn in der günſtigſten Beleuchtung zu zeigen, war das Geheimniß feiner Poefle wie feines Empfangzimmers. Aber er war doch fein Gott, ſondern nur ein eitler Selbftling.

Göthe nahm befanntlih am Unglüd der deutſchen Nation zur Belt Napoleons nit den minbeften Antheil. Während bie Tiroler bluteten, Trieb er feine Wahlverwandtſchaften. Im Jahr 1811 befang er lobprei— fend Napoleon und hielt fi) noch von der Vegeifterung des Jahre 1813 fern, ohne fie mit einem einzigen Liebe, ja nur mit einem Worte gut zu heißen. Erſt nad der Einnahme von Paris ließ er ſich be— wegen, des „Epimenived Erwachen“, eine kühle Allegorie, zu fehreiben, um ſich dem patriotifchen Ton, den damals felbft die Höfe angenommen Hatten, anzubequemen. Was, ſchien er zu denken, braudt Deutſchland Freiheit oder Einheit! es hat ja mid. Aber das Ideal, mas Göthe in feinem Spiegelbilde dem deutſchen Volke aufftellte, war des alten großen Volkes nicht würdig.

War einft der treue und beſcheidene, aber ſtarke und Herrliche Held, Süngling oder Mann, jedenfalls in „grozer Arebeit“ bewährt, Eraft feines tapfern Armes und Gemüthes durch große Gefahr ſich hurhfämpfend, das Hoeal der deutſchen Poefle gemefen, fo trat Ihm jeßt fein Gegenbild gegenüber in einem weichlichen Wollüftling, der an nichts dachte, als an Leib und Seele

Die Sturm⸗ und Drangperiode. 209

behaglich zu genießen, in einem fentimentalen Don Juan, ven hauptſächlich Göothe zum eigentlichen Helden ver modernen Poefie ftempelte. Nur in ver tiefen Erniedrigung deutſcher Nation unter fremde Herrſchaft, unter den Ein⸗ fluß fremder Bildung, fremder Sitte, bei gänglicher Baterlandövergeffenheit und Enrfittlihung war es möglich, ben Egoismus, die gemeinfte Eitels kelt und Sinnlickeit zum männlihen Ideal der Poefle zu erheben. Hinter allen Helden, ber Goͤthe ſchen Dichtung, Werther, Wilhelm Meifter, Kauft, Egmont, Weiplingen, Ferdinand in ver Stella, Clavigo, Taſſo ac. ſteckt nichts andered ald ein ganz gemeiner, nur fentimentaler Don Juan, der in unerlaubter Weiberliebe ven Kigel nit nur des Fleiſches, fondern ins⸗ befondere der Eitelkeit zu befriedigen fucht und dabei ven Leidenden, von Gott und der Welt Unbefriedigten fpielt und fi für etwas fo Koſtbares gehalten miffen will, daß die Welt eigentlich feiner nit wert fey. Alle diefe Helden find Shwädlinge, die nur groß thun, und ihre Einführung in vie Poefie war nur in Deutfeplands nieverträgtigfter Zeit möglich.

Wir find dem aus einer reihen Bürgerfamilte in Frankfurt am Main herſtammenden, ſpäter geadelten Weimar'ſchen Geheimenrath Johann Wolfgang von Göt he ſchon öfter begegnet, da er vielſeitiger als irgend ein anderer deutſcher Dichter ſich in den verſchiedenſten Manieren als Meifter zu zeigen liebte. Wir Eennen ihn als Dichter der meifterhafteften aller ven Griechen nachgebildeten Tragöbien, Iphigenia (©. 70), als Dichter der berühmten Idylle Dorothea (S. 85), des berühmteften aller empfinbfanen Romane, Werther (S. 107) und einiger lüderlicher Stüde, Stela, die Mitſchuldigen x. (S. 121). Jetzt müffen mir in die ger Heimfte Werkftätte feines Geiftes einbringen, um ihn als Maler feiner ſelbſt, als den modernen Sejanus kennen zu lernen, ber feine eigene Statue auf den Altar flellte, um ihr zu räuchern und zu opfern.

Ehe ſich Göthe zu dieſem Cultus der Eitelkeit entſchloß, fühlte er eine gewiſſe Scham, die er erſt überwinden mußte. Er überwand ſie aber, indem er ſich ihrer im „Clavigo“ entledigte. Im dieſem merkwür- digen Trauerfpiel, welches er 1774 in Profa und noch ganz im Ton der nur zwei Jahr früher erſchienenen Emilia Galotti von Reffing ſchrieb, ſtellt er zum erftenmal feln eigenes Spiegelbild, den eiteln genußfüchtigen

Dichter, den fentimentalen Don Juan auf die Bühne, aber mit gewiffen- Menzel, deutſche Dichtung. IL 14

210 Zehntes Buch.

hafter Shen. Noch fällt es ihm nit ein, ihn zu hätſcheln und zu - fügen und (tie fpäter im Fauſt) trog aller feiner Sünden und Erbärm- lichkelten in ven Himmel zu erbeben; es ift ihm aus feiner Kinberzeit noch erinnerlich, daß es einen Gott gibt, der bie Sünde verbietet und beftraft, B

Clavigo hat ſich in ber Zeit, in ber er noch unbebeutenb im Leben baftand, in bie ſchoͤne Marie, Schweſter des berühmten Dichter Beaumarchais, verliebt, fle aber nachher im Glüd verleugnet und verlaffen. Der Gram zieht ihr bie Schwindſucht zu. Ihr befümmerter Bruder fommt nach Madrid, erfährt alles und ſchreckt den poetiſchen Schwaͤchling fo, daß berfelbe ſich erbietet, Marie zu heirathen. Aber ein Freund ermuthigt ihn, diefer Schwäche wieder zu ent» fagen und fein Anfehen bei Hofe zu benügen, den läfigen Schwager zu ente fernen. Darüber bricht Marien das Herz, aber an ihrem Garge, Bei dem der Zufall den treulofen Clavigo mit Beaumarchais zufammenführt, kommt es zwiſchen beiden zum Kampf und Clavigo fällt.

Allmählig aber geht biefer Rechtsſinn bet Göthe verloren. In feinem Trauerſpiel „Egmont“ von 1788 geht der fentimentale Don Juan, denn Graf Egmont iſt hier mieber nichts anderes, zwar noch zu Grunde, aber nit ohne eine Apotheoſe.

Graf Egmont, ein großer nmieberlänbifcher Herr, mit dem Prinzen von Dranien und Grafen Horn Haupt der Patrioten, bie fi der ſpaniſchen The rannei twiberfeßen, bazu-verheirathet, benft doch an weiter nichts, als feine heimliche Maitseffe, das fhöne Claͤrchen, und fie, dem Volk angehörig, welches damals in den Niederlanden eine fo große und furchtbare Rolle fpielte, benft auch an weiter nichts als an ihren lieben Grafen und fpielte mit feiner Ordens⸗ fette, in kindiſcher Gitelfeit feine eigene nährend. Erdlich kommt ber grau fame Alba und Ggmont läßt fih, nur fo nebenbei, ald liege ihm gar nichts dran, abfangen, einkerlern und hinrichten, denn er benft doch nur an fein Clarchen und diefelbe ericheint am Schluß ald Genius, um ihn als Volle Heiland und politifchen Welterlöfer zu frönen.

Man Kann faum etwas, was alberner wäre, erfinnen. Aus diefer Auffaffung des Volks und ver Verfechter feiner Freiheit erkennt man ven tiefen Gegenfag Göthe's gegen Schiller, ver niemals ein fo vornehmes Spiel mit dem Volke fpielen zu wollen feinem Gewiſſen abgewonnen hätte.

Schon in feiner Jugend hatte Göthe zwei’ Heine Stüde „Künſtlers Erdenwallen und Künſtlers Apotheoſe“ geſchrleben, worin alle Interefie ſich um die Noth, das Verdienft, den Lohn und Ruhm des Künſtlers dreht. In dem durch feine hersliche Sprache, glei der in der Iphigenta,

Die Sturm⸗ und Drangperiode. 211

mit Recht gepriefenen Schauſpiel „Zaffo“ von 1790 faßt Goͤthe den Künftler von feiner anſpruchsvollſten Seite auf, als ven eine Prinzeffin lebenden italieniſchen Sänger Taflo, den bie Pränzeffin wieder liebt. Muß er auch bier dem Weltlauf nachgeben und ben Taſſo troſtlos fterben laſſen, fo läßt er es doch aud bei ihm an ber Mpotheofe nit fehlen. Das ganze Stüd iſt darauf berechnet, allen Prinzeffinnen in ver Welt nahe zu legen, daß fie nit mächtige Könige, Staatsmänner und Helben, fondern verliebte Dichter lieben follen.

Das Stüc iſt bewundernswürdig ſchoͤn gefehrieben, aber alles if} nur Ger ſpraͤch, Art ohne Handlung. Der unglüdliche Taflo liebt vergebens und wird vergebens geliebt, die Staatsraifon ſteht unerbittlich zwiſchen ihnen. Ihm bleibt nur der Troſt, Schonung zu finden auch bei denen, bie ihn verdammen, und das Bewußtſeyn, ber ſchonen Fürflin Cleonore nicht gleichgültig geblieben zu fen.

Wie zart diefe Liebe bier aufgefaßt iſt, fo guckt doch überall aus ihr die Eitelkeit bes Dichterd heraus.

Die Liebe des Dichter zur Prinzeffin verwandelt ſich einige Jahre ſpäter (1794) in dem berühmten Roman Göthe's „Wilhelm Meiſters Lehrjahre“ in die Liebe eines bürgerlichen jungen Kaufmanns zu einer Gräfin, nimmt den Charakter volltommener Ruhe und Behaglichkeit an und endet nit nur mit der. Befriebigung feiner Wünſche, fondern zeigt und auch ein wahres Jagen, Rennen und Tumteren der Damen, vor nehm und gering, alt und jung, um ben allgeliebten fentimentalen Don Juan Wilhelm, während fi dieſer ſelbſt nicht die geringfte Mühe zu geben Braut. Eine folde Umkehr der altdeutſchen Nitterfitte, ein ſolches Buhlen der Weiber um den Mann mar in der Poefle vorher noch nicht vorgefommen und Karakterifirt vollkommen die Verkehrtheit des Standpunkts, auf melden Dichtereitelkeit ſtellt.

Wilhelm Meifter, ein junger ‘Kaufmann, hält erſt mit einer jungen Schaus frielerin zu, will ſich dann felbk dem Thenter"twibmen und gefellt fi einſt⸗ weilen zu einer wanbernben Truppe, bei ber er wegen feiner Wohlhabenheit "und Schönheit wohlgelitten if. Beſonders buhlen die Brauenzimmer um in, unter benen ſich die luſtige Philine durch ihre liebenswürdige , obgleich etwas unreinliche Naturlichkeit und das Kind Mignon durch den zauberhaften Reiz des Unnatürlicjen auheichnen. Mignon if die Frußt eines Ineeſtes zwifcgen Bruder und Schweſter, geräth fchon als Kind unter Geiltänger, lommt mit ihnen ans Stalien und bewahrt in ihrem Elend a hoͤchſt poetiſche

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Sehnfucht nad) der ſchoönen Heimath ihrer Kindheit. Aber weder Philine noch Mignon können Wilhelm feſſeln, den einige hochgräfliche Damen von hoher Schönheit und Hoher Bildung viel mächtiger anziehen, bis er eine berfelben zu heirathen fo glüdlich wird. Mignon ſtirbt an früh gebrochenem Herzen, Philine wird außerehelich ſchwanger und if ganz luſtig babei. In einer großen Menge Nebertperfonen entwickelt Göthe fein darſtellendes Talent und feine Menſchenkenntniß. Das Myſtiſche in den fogenannten Lehrjahren feines Helden {ft durchaus nur gemacht und Hat fein inneres Motiv weder in feinem Char ralter, noch in feiner Lage. Der Dichter braucht biefen Nothbehelf mit einigem freimaurerifegem Apparat nur, um bie Mißheirath Nataliend mit ifm weniger grell erſcheinen zu laſſen. Gr iſt unaußftehlich lokett und läßt fh immer nur das Liebfofen ber Weiber um ihn gefallen, ohne irgend thaͤtig einzugreifen ober nur ein lebhaftes Intereſſe zu zeigen. Das beſte am ganzen Roman ift das teefflich gezeichnete Leben der Herumgiehenden Truppe. Doc; ift dieſe Schilder sung Sfarrons komiſchem Roman mehr ober weniger nachgebildet.

Später hat Göthe noh „W. Meifters Wanderjahre“ gefhrieben, worin der arme Wilhelm immer mehr zum Phitifter Hinabfinkt, indem ihn wegen feines biöherigen genußreihen Müßiggangs das Gewiſſen zu rühren feint und er „nützlich“ werben möchte. Dabei entwidelt er wahrhaft alberne Erziehungspläne mit einem durch Philofophie und Hu— manitätdempfinbfamkeit zufammengebadtenen Polgtheismus, in welchem Apollo neben Abraham verehrt, die chriſtliche Neligion aber „ald DVer- ehrung des Wiberwärtigen, Verhaßten und Fllehenswerthen“ nur gebulbet werben fol, mie etwa Henkerbilder und Karikaturen in einer Gallerie neben ben fhönen und anziehenden Bildern. Die dem W. Melfter an- gefügten „Befenniniffe einer ſchönen Seele“ find in ihrem pietiſtiſchen Charakter begreifligerweife eine Affectation Göthe's, oder ein Verſuch, im Ton Lavaters und Jung-StiNings zu. ſchreiben, eine eigentlih nur ironiſch gemeinte Stylübung. -

In Goͤthe's „natürlicher Tochter“ Hat man bie allerdings darin lie gende politiſche Idee zu wichtig genommen. Der Uebergang ver Heldin zum bürgerliäjen Leben iſt bod vom Dichter nur als pſychologiſches Problem " gelöst worben und bie darin liegen follende Allegorie auf bie franzöſiſche Nevolutlon allzu verſteckt. Das Hauptinterefie lag Hier für ven eiteln Dieter wieber nur in ber behaglichen Vorſtellung einer zum Bürgerd- ſohn Herabfteigenden Prinzeffin.

Gothe's poetiſcher Egoismus gipfelte im Kauf. Das tft feine

Die Sturms und Drangberiode. 213

legte große Dichtung, an ber er bie beſte Zeit feines Lebens fortgearbeitet Hat, denn das erfte Fragment erſchlen 1786, die Kortfegung 1808, ber zweite Theil erft 1831. Da die großartige Legende von Dr. Fauſt (vgl. hell IL ©. 191) fon vor dreihundert Jahren In fi abgefhloffen und vollendet war, würde es als eine grobe Anmafung Göthe's, wie der zwei Duzend andern mobernen Fauſtdichter erſcheinen, ſich an denſelben Stoff gewagt zu haben, wenn fle nicht ver Zeitgeift dazu gewiſſermaßen berechtigt, ja fogar aufgeforbert hätte. Denn in einer Zeit, in welcher man Gott felbft leugnete, um nur das eigne Ih anzubeten, und bie Offenbarung felbft von einer ſpöttiſchen und wahnſinnigen Kritik verfälſcht und zum Nugen bed eiteln Ich mißdeutet wurde, Eonnte auch bie tieffin- nige Bauftfage der Verfälſchung und Mißdeutung zu gleihem Zwecke nit entgehen. Und zwar um fo weniger, als die Legende im Kauft die große Beifterbewegung , die zum Abfall von der Kirche führte, perſoniſicirt Hatte. Im Boden diefer Kirche wurzelnd Hatte die Legende ven Ball des Kauft mit dem alle des Lucifer verglichen und das eritis sicut deus auf ihn angewendet. Vom Geflätöpunft der modernen Aufklärung aus mußte nun begreiffihermeife verfucht werben, dieſe Schmad von Bauft Hinmeg- zunehmen und ihn als ftraflos, ja als triumphirend aufzufafien. Man dachte ſich ja das Chriftenthum als einen überwundenen Stanbpunft, die Kirche als niebergeworfen und beflegt, den Geift kirchenfeindlicher Wiflen- ſchaft und Bildung aber, ven Fauſt ſchon nach der Legende vertrat, als den nicht überwundenen, fondern ald den für jetzt und alle Zukunft zur Herrſchaft berufenen. Das erklärt hinlänglich die Wendung, welde Göthe feinem Gedicht gegeben hat und mit dem auch die meiften andern neueren Fauſtdichter übereingeftimmt Haben und übereinftimmen mußten.

Obgleich der erſte Tpeil infofern noch der urſpruͤnglichen Sage tren bleibt, daß er noch die Macht des Teufels und die Verdammniß des Fauſt voraud- feßt, iſt er doch ſchon bedeutend von weſentlichem Inhalt und Geift der alten Sage abgewichen, indem er von dem unerfättlichen Wiſſensdurſte des Bauft abſieht und gleich einen Don Juan aus ihm macht. Man follte meinen, von dem Augenblid an, in welchem Fauſt ſich alle Zauberkraͤfte der Hölle unters worfen hat, in welchem es ihm frei ſteht, die weiteften Räume bligfchnell zu durchreiſen 3c., würbe er num biefer Gaben ſich bedienen, um feinen Wiſſens⸗ ober vielleicht auch Thatendrang zu flillen. Allein das thut er nicht, Er tut vielmehr mar Dinge, zu benen es gar feiner hölliſchen Zauberfräfte, Feiner

214 Sehntes Bud.

uftfläge und deögleichen bedarf. Er verführt ein unſchuldiges Mädchen. Das iſt alles. Dabei fällt er von der Höhe feines Geiſtes in bie gewöhnlichſte Sentimentalität und verliebte Weinerlichleit, wozu es durchaus nicht der außer: ordentlichen Erſcheinung eines Fauſts bedarf. Kür diefe Schwäche und Weich: lichkeit des Hauptcharakters kann alles Geiſtreiche in den Nebenparthien und auch der treff lich gezeichnete Mephifiopheles nicht entfcjäbigen.

Göthe Hat fo lange an feinem Kauft gearbeitet, weil er darin feinen eigenen Egoismus immer fortgefponnen und ſich zum Bewußtſeyn gebracht hat. Daher die manderlei Phaferr und auch Widerſprüche in Fauſts Innerer Entwicklung und das Eofette Ende mit Fomöbienhaften Selbft- täufjungen. Hier in gebrängter Skizze ber Inhalt des zweiten Tells:

dauſt ſchlaft. Geiſter umtanzen ihn. Er erwacht geärkt. Er blidt mit neuem Muth ind Leben, deſſen Sturm ein Etwas in ihm niemals über⸗ waͤltigen kann.

Mit dieſer feſten Ueberzeugung, daß nichts, ſelbſt nicht die Hölle ihn zu übertwältigen wermöge, flürzt er ſich aufs neue in den Strom des Lebens. Er tommt, begleitet von Mephiſtopheles, an den Kaiferhof. Zahlreiche Anfpier lungen auf die moderne Politit. Die Erſchaffung des Papiergelds als ein Zauberftüdden Mephiſtos sc. Der durch alle dieſe Zauberei geblendete und unerfättliche Kaifer verlangt, daß Fauſt die ſchöne Helena aus der Unterwelt heraufbeſchwoͤre. Es gefchieht, aber Kauft wirb von ihrer Schönheit fo er⸗ griffen, daß er auf das Zauberbild zuftürzt. Es entweicht und er Rürzt finnlos zu Boben. Wir finden ihn wieder in feiner alten Wohnung, noch erflartt. Mephiftopheles fhnüffelt umher.

So wie Mephiftopheles ſich wieber in ben Profeflorsornat geworfen hat, erfcheint auch jener alte Schüler aus dem erften Theil des Fauſt wieder, er iR aber inzwiſchen Baccalaureus und wie ein Hegelianer allwifiend geworben, bruslirt den Teufel und geht Rolz ab.

Auch Wagner tritt wieder auf. Er if eben beſchaͤftigt, durch chemiſche Künfte einen Menſchen zu befilliten, und ber Homuncuins Tommi wirklich zum Vorſchein. Der Kleine geberbet ſich, feiner Entfichungsart würdig, als ein durchaus fertiges, felbfiftänbiges, frei waltendes Wefen, lacht den Bater Wagner aus, rümpft ſelbſt über den Teufel die Nafe und arrangirt allein, was jegt mit Fauft angefangen werden fol. Was if diefer Homuncufus in den Augen bed Dichters? Das Geſchöpf der Einbildungskraft, der Geiſt des Traums, der feinen Urheber felbft überwältigt und willenlos mit ſich fortreißt ; Mephiftopheles fagt:

Am Ende Hängen wir doch ab Bon Kreaturen, die, wir machten. Zunächft if in dem Homunculus bie durch das Bild der ſchoͤnen Helena

Die Sturm⸗ und Drangperiobe. 215

ins Glaffifche firirhe Imagination Faufts reprkfenttet oder perfonificht. Daher ſagt auch der eine, indem er ben Teufel bei Seite Rößt und ſich gu Fauſts Führer aufbrängt:

Du (Teufel) aus Rorben,

Im Rebelalter grau geworben,

Im Wuſt von Kitterthum und Pfäflerei,

Bo wäre da bein Ange frei!

Kurz ver Homunculus führt Fauſt in die griechiſche Mythenwelt, deren amtife Beftaltenfülle die claſſiſche Walpurgisnacht aus dem goldnen und elfens beinenen Traumthor zugleich hervorbrängt. Die Wahrheit biefer antifen’ Welt

iſt immer nur die Wahrheit eines Trauınd, den Fauft träumt, Fauſt, ber fon lange vor feinem Bünbniß mit dem Teufel für griechiſche Trauerfpiele . ſchwaͤrmte und jegt für Helena, das ſchönſte Weib der Orde, entzündet if. So Tann, fo muß Fauft träumen. Die ganze claffifhe Walpurgionacht erflärt fih nur aus der unwillfärkien Geinnerung an bie romantiſche Walpurgid« nacht, bie fi in den Traum beftänbig einmiſcht. Auch die vhantaſtiſche Er⸗ zeugung eineg Sohnes mit der ſchönen Helena trägt durchaus den Tran Garalter. Endlich erſcheint der Teufel felö fo fremd in biefer griechiſchen Belt, daß man nicht ihn ſelbſt, fondern nur fein Bild in Fauſts claſſiſchem Traum erblidt.

So phantaſtiſch biefer Traum begonnen, endet er auch, zerplaft gleichſam und wir finden Fauſt von einer Wolfe getragen auf einem Hohen Berge wieder. Die Wolfe (der Traum) verſchwindet, und auf bem Gipfel des Gebirge erhebt ſich Fauſt zu edlen, hohen, reinen Entfchliegungen. Alle feine Erinnerungen, Helena-Öretöhen, ließen, zufammen, flimmen ihn wehmäthig und Aärken ihm doch in feiner jegt viel befonneneren, nur auf @bles gerichteten Willenskraft.

Mephiftopheles kommt. Fauſt läßt ſich durch ihn nicht irren, fondern fors dert von ihm zum Grflenmal zu feinem nicht geringen Grflaunen, etwas Nütz⸗ Lies zu tun.

Der Kaifer erſcheint wieder, in Krieg begriffen. Fauſt verſchafft ihm durch Zauberfünfte ven Gieg und erhält dafür zum Lohn den Theil deö Meeres, dem er durch Austrodnung und Dünen fees Land abgewinnen will Diefed Wert wirb vollbracht, aber nup befommt Kauft aufs neue Langeweile und üble Laune und bie Fliege am ber Wand ärgert ihn. Die alte Hütte und das Gaͤrtchen, worin Philemon und Baucis wohnen, flören feine neuen Anlagen, fiehen ihm im Wege. Egg will er ſchonend gegen fie verfahren, bann aber fällt er in die alte Defpotenlaune und Mephiſtopheles verdirbt fi. Da flellt fich zum erſtenmal ſtatt des unruhigen Dranges, ber ihn bisher vorwärts gekrieben, bie Mil Daheim fipende Gorge bei ihm ein. Um fh von iht zu befreien, ſich Zerſtreuung zu verfchaffen, laͤßt er einen ungehenern Palaft ers bauen und bad Land in ein Paradies für ein chätiges und freies Volk umfchaffen.

216 Zehntes Buch.

Aber diefer Augenblid ift fein Iepter. Der Augenblik, in dem er durch feinen Egoismus Wndern bient, gibt ihm ben Tod. Und dadurch wird zu⸗ gleich die Rettung motivirt. Mephiſtopheles ſammelt bie hölliſchen Scharen um fi, um ſich ber Seele des Fauſt zu bemaͤchtigen, ſobald fie dem Körper entſchweben wird. Aber da kommen bie Engel vom Himmel herab und firenen Rofen auf das Grab.

Mephiftopheles ſtut, mißgeberbet fih, aber ber Engel Gegenwart bezaubert ihn, macht ihn ohnmaͤchtig umd verführt ihn. Das Gefühl, das fie in ihm betoirken, wird vermöge feiner fÄhmupigen Natur fogleich thieriſche Wolluſt, und durch das Mittel, durch das er Fauſt betrog, wird er nun ſelbſt betrogen. Während er wie ein Satyr auf die ſchönen Engel gafft, entführen fie ihm bie Seele Fauſts.

Den Schluß macht die Apotheoſe mit Chören von Heiligen und Engeln im theatraliſchen Brillantfeuer. Ohne Reue und Buße fährt Fauft gm Himmel, too er übrigens weder Gott den Vater, noch Sohn, noch Geiſt, fondern nur Maria findet,.mit den Schlußworten:

Das ewig Weibliche Zieht uns hinan.

Man {ft fo einfältig geweſen, in biefem Schluß eine Huldigung für ven katholiſchen Glauben fehen zu wollen. Aber Marta tft Hier nur auf unmürbige Art berbeigezogen und mißbraucht zu einer Huldigung, welde der eitle Dichter lediglich fi felber bringt.

Der Grundgedanke iſt: Fauſt verfällt dem Teufel nit, weil es gar feinen Teufel gibt, well ver Teufel nur ein Spiel der Einbildungskraft iſt. Auch bedarf er, um in den Himmel zu kommen, Feiner Reue und feiner Buße, weil auch die Hölle, weil die himmliſchen Heerſchaaren ſelbſt nur ein Spiel der Einbildungsfraft find. Das menſchliche Ich, welches ſich mit dieſen Einbildungen befhäftigt, fleht über beiden. Im Menſchengeiſt allein Legt das Stätige, Ewige, Unüberwindlie. Das Hoͤlliſche, wie das Himmliſche in Göthe's Kauft, beides iſt nur alle goriſch zu verſtehen. Der Teufel und Maria bilden nur die Schild⸗ halter feines Toftbaren Ich. Eigentlich follte niht Maria, fondern Gott felbft den Gegenfag zum Teufel Bilbeh, aber er tft am Schluß des Göthe'ſchen Gedichts abwefend, gar nicht vorhanden. Das darf man ſich nun nicht etwa erklären als eine legte Scham und Scheu Goͤthe's vor Bott, fondern es verfteht ſich von ſelbſt, wern man erwägt, daß Göthe in feinem „das ewig Weibliche zieht uns hinan“ feinen Olau-

Die Gturms und Drangperiobe. 217

ben an ein nicht männliches, fondern weibliches Princip des Guten und Schönen beurkunbet bat. Dieſes weibliche Princip tft aber nit Gott. Gott iſt überhaupt niemand als Fauft felbft, Göthe ſelbſt, das menfchliche Ich ſelbſt, welches feiner mephiſtopheliſchen Seite ſich entzieht, um ſich in der marianiſchen wohl ſeyn zu laſſen. Das ganze Gedicht iſt eine reine Allegorie, die Apotbeofe des Ich.

v. Eichendorff (deutfefer Roman ©. 210) und Ooſterzee in einer eignen Schrift über Göthe (1858) haben bereits nachgewieſen, wie Göthe ſelbſt ſich einen „decidirten Nichtchriſten“ nannte, wie er das Chriſtenthum zu den Ihm mibermärtigften Dingen, wie Tabak, Knob> lau und Hunbegebell zählte, wie er das Chriftenthum für einen „Raub“ an der Menſchheit erklärte, fofern man „allem Geflügel die Federn aus- rupfte, um allein ven Paradiesvogel (d. h. Ehriftus) damit zu ſchmücken,“ das „Einreih Chriſti“ fen ein Irrthum, es gebe nur eine „von Gott eingefegte Ariſtokratie“, unb zu biefen Geifterfürften, in benen ſich Gott ſelbſt offenbart, gehöre natürlich er, Göthe, vor allen. Einer Notiz von Arndt (Meine Wanderungen mit Freiherrn von Stein 1858 ©. 232) zu= folge erzählte der Großherzog von Weimar einmal öffentlich, der „meldh- ſchaalige“ Göthe Habe ſich eingebilvet, feine eigene Perſönlichkeit merbe nad dem Tode „durch alle möglichen weiblichen Naturen den Durchgang machen.“ Das ſtimmt ganz mit dem „Enig Weiblichen“ am Schluffe feines Fauſt. Es tft die Religion des mollüftigften Egoismus.

Iept erft feheint es mir paſſend, alle andern modernen Fauſtdichtun⸗ gen vergleihend an die Göthe'ſche anzureihen. Unter allen Neuern Hat es Leffing zuerft unternommen, bie Fauſtſage in einem Drama umzu- arbeiten, allein er führte feinen Vorfag nicht aus und ſchrieb nur zwei Scenen, aus denen hervorgeht, daß jedenfalls der Teufel zu kurz Eom« men fol.

Im der erſten Scene, bie und nur von Engel in einem Briefe von Leffings Bruder aufbewahrt if, verfammeln fih- die Teufel in den Trümmern einer Kirche (eht gut!) und betathſchlagen, wie dem durch und durch feſten und mannhaften Fauft beizufommen fen? Die Entſcheidung fällt dahin aus, daß nur fein ungemeflener Wiflensdurft eine Blöhe darbiete. Dabei wollen fie ihn paden. Aber ein Engel ſchwebt vorüber und verfünbet voraus, daß ihnen ber Sieg nicht gelingen werde. Wenn das Leſſing wirklich fo gebacht hat, und wir bürfen an Engelö treuer Kuffaflung nicht zweifeln, fo ſchweble ihm wohl

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etwas vor, wie es fpäter Böthe ausgeführt Hat. Der Berichterſtatter fährt fort, Leffing Habe beabfichtigt ben Fauft durch feinen Gepugengel in Schlaf verfenfen und ben Teufeln, bie ihn verſuchen wollen, ein Scheinbilb des Fauft Preis geben zu wollen. Das würde noch deutlicher beweiſen, daß Leffing, fo gut wie Böthe, feinen Fauſt auf alle Art in Schu zu nehmen bereit gewefen if. Die einzige noch auögearbeitete Scene des Leifing’fcpen Fragmente if dem Puppenfpiel entnommen, nämlich der Mufterung ber Teufel nad dem Grabe ihrer Schnelligkeit.

Im deutſchen Muſeum 1777 ©. 254 fleht ein kurzes Fragment von Lenz. Bauft iſt Hier fon in der Hölle und mwimmert Hägli über feine- Verlaffenheit, va kommt Bacchus und Holt ihn zur Oberwelt zurüd. Wozu, weiß ich nit. Ein allegoriſches Drama von Fauſt, gebrudt zu Münden 1775, habe ich nicht zu Geſicht befommen Fönnen. Auch nicht den Soden'ſchen Fauſt von 1797. Der Fauft des Maler Müller von 1776 (vgl. ©. 183) und der 1791 gebrudte von Klinger (vgl. &.196) beide Halten ausnahmömelfe bie Verdammniß des Fauſt feſt. Dagegert endet Fauft in A. W. Schreiberd „Scenen aus Fauft Leben 1792 wieder modern fentimental, indem er nicht in die Hölle kommt, fondern Schutzgeiſt feines Sohnes wird. Au von Chamiffo liegt ein Frqgment „Kauft“ vor, ähnlich wie dad von Leffing, aus bem Jahre i801 (Werte IV. 186).

Fauſt ift hier zwifchen feinen guten und böfen Genius geftellt, Feiner genügt im. Den Qualen der Ungewißheit und des bieffeits unlösbaren Zweifeld zu entgehen, erficht er ſich, um nad" dem Tode fen es Verdammniß, ſey es Vernichtung, vieleicht Erkenntniß, notwendig aber Gewißheit zu finden.

In der „Jubelfeler der Hölle" von Benkowitz (1801) wird Fauſt der Jüngere mieber ausnahmöwelfe vom Teufel geholt, wie bei Klinger. Vulpius, Göthe's Schwager, ſchrieb 1803 einen Roman „ber Zwerg“, nad dem erften, aber vor dem zmeiten Theil des Götheſchen.

Abelbert ergibt ſich Hier dem Teufel, der in Geſtalt eines Zwerges erſcheint. Merkwürbig ift, daß fpäter Göthe im zweiten Theil feines Fauſt dem Ideen⸗ gange feines Schwagers weſentlich gefolgt if, denn Bulpius laͤßt feinen Adel- bert qulept gereditfertigt in ben Himmel eingehen, wie fpäter Göthe ben Bauf.

In dem Fauft von Joh. Fr. Schink, Berlin 1804

treten die Bafuftäten fowohl, ald die Tugenden in Berfonififationen auf. Bon fomifgem @ffett iſt die Theologie, eine Kugelgeſtalt mit moͤnchiſchen Ati

Die Sturm⸗ und Drangperiobe. 219

buten. Heutzutage müßte fie freilich ganz andere haben. Die richtigſte Miller gorie ift eine ihm vorgefpiegelte Perfoniffation der Liebe, für welde Fauſt in der heftigſten Leidenſchaft enthrennt und deren Original er in Stalien finden fol. Das ift das Meiſterſtück des Mephiftopheles. Denn Kauft Hat fidh dieſem auf zwölf Jahre verfeprieben, wenn er durch ihm zu einem Lafer verleitet werben Tönne, hat aber biöher jeder auch noch fo liſtig eingeleiteien Berſuchung wiberflanden; wobei ihm eine gewiſſe Mathilde, bie.ihn unerfannt in männs licher Tracht als fein Schupgeift begleitet, beiſteht. Erſt der Anblick jener allegoriſchen „Liebe* bringt Faufl dahin, wo Mephiſtopheies ihn haben will. Das Urbild der Schönen wird in der Herzogin von Montalto gefunden, und Mevhitopheles Tartet alles ab, daß fie Hinter dem Rüden ihres Gemahls dem Fauft überantwortet werben foll. Aber im Himmel iſt's anders beſchloſſen. Das Rendezvons wirb unterbrochen, der Engel Ithuriel bemüht fih eigens vom Himmel herab, den Teufel zu verjagen, Fauſt zu reiten und Mathilden zu beloßnen, denn Fauſt, bem nun erſt die Mugen aufgehen, beeilt ſich, ihr Herz und Hand anzutragen.

Ganz armjelig if „Fauſt, eine romantiſche Tragöble von Karl Schön, 1807%.

. Hier ergibt ſich Fauſt dem Teufel bloß ans Noth und Hunger, wird von ihm an ben Hof Kaiſer Friedrichs III. gebracht, fpielt Hier ganz zweclos den Reformator, tommt deßhalb ins Gefängniß und wirb vom Teufel befreit, d. 5. geholt.

Im Jahr 1815 erflen Klingemanns Fauſt.

Derfelbe muß, gemäß einer älteren Vorſtellung, bie in einem vom Zoller mitgeteilten Bigeunerbrama enthalten ift, gewiſſe Tobfünben verrichten: bie Vergiftung feiner ſchwangern Gattin um ber ſchönen Helena willen und bie Ermordung feines blinden alten Vaters. Allein der Dichter macht nichts aus ihm, als einen herabgefommenen, an ber Menfchheit verzweifelnden Hands werfer, ber fi aus'Noth und Groll gegen die Menfchen dem Teufel ergibt. Bon höherem Streben if bei ihm nicht die Rebe.

Die Oper Fauſt von Bernard, Muſik von Spohr 1814 und bie Wiener Zauberpoffe „Fauſts Mantel von Bäuerle, 1819, fo wie die Oper Baufto von Bertin, Paris 1831, und eine andere von Berlioz, daſ. 1846, brauchen wohlenur erwähnt zu werben. Fauſt Lehrling, eine eine Erzählung von Gerle in deſſen Schattenriffen, Leipzig 1824, kenne ich nicht. Eben fo wenig ben umgekehrten Kauft von Seybold, Heldel- berg, 1816. Der durch feine frivolen Schriften berüchtigte Julius von Voß ſchrieb 1823 einen Fauſt (Trauerfptel mit Gefang und Tan)

220 Zehntes Bud.

und ging barin von dem ſehr richtigen Gedanken aus, in Fauſt ten Vertreter der mobernen Revolution zu fehen. Er ibentificrt ihn mit dem Buchdrucker Fuſt und zeigt die dämoniſchen Wirkungen der neuen Erfindung in ber allen Glauben und alle Autorität zerftörenden Wirkung der Preffe. Allein die Idee wirb nicht großartig durchgeführt, nur eben angebeutet unb in ben Haupifituationen ift Kauft auch Hier wieder nur Don Juan, immer mit Weibern befhäftigt, und bei feinen neuen Lieb» ſchaften durch eine verlaffene Geliebte (die Nonne Seraphina) mie Don Juan durch bie Elvira geftört. Originell ift unter diefen Scenen nur die eine, wo Kauft ſich einer Heiligenftatue fubftituirt und das ihn an« betende Maͤdchen in diefer Situation verführen wil. Am Schluffe Holt ihn der Teufel. 1823 ſchrieb ein gewifler Schöne eine Kortfegung des Götheſchen Fauſt. Hier tröftet ſich Fauſt über Gretchens Verluſt durch Befriedigung der gröb⸗ Men Sinnlichteit bei andern Weibern, Winzerinnen, Nonnen ıc. ganz als Don Juan. In Venedig verführt er eine edle Dogentochter, fängt aber an, fh für Kunft zu begeiftern und wird durch biefe in die Kirche und zum Glauben geführt. Er kommt dann, man weiß nicht warum, nach Paris, um die Bluthochzeit mit zu erleben, ſieht dann auf ber Heimfehr Gretchens bleiche Gebeine auf dem Rabenflein, edelt ſich an der Welt und will ſterben. Da Holt ihn der Teufel; aber in einem Rachfpiel im Himmel zwingt Gott den Teufel, den „gläubigen" Bauft wieder herauszugeben und nimmt ihn zu Gnaden an.

Don Juan und Fauſt, Tragödie von Grabbe, 1829.

Der geniale, aber verrüdte Grabbe hatte den wunderlichen Ginfall, Fauft und Don Juan in einem and demfelben Stüd zu contraſtiren, allein er’ war weit davon entfernt, bie Tiefe ihres Gegenſates, nämlich der geiftigen und leiblichen Unerfättlicgkeit aufzufaflen. Sein Fauſt ift nur ein zweiter Don Juan.

Beide ſtreiten um Donna Anna. Jeder von beiden will ſie an ihrem Oochzeittage indem fie mit Dctavio vermahlt wird, entführen. Don Juan todtet den Bräutigam und den Bater, Fauſt aber bringt unterdeß durch feine Zauberkunſt die Braut auf ein Schloß, das er auf dem Gipfel des Montblanc erbaut. Don Juan folgt ihm nad, wird aber von Fauſt durch die Luft auf den Kirchhof zurücverfegt, wo er bie Statue bes ermorbeien Don Gusman Anna’s Vater) findet. Nun begibt ſich alles wie in Mozarts Don Juan, das Gaſtmahl, die Erſcheinung des fleinernen Gaftes, die Höllenfahrt Don

Die Sturms und Drangperiode. \ 221

Inand. Bas dauſt anlangt, fo gibt ſich diefer vergebens alle Mühe, Anna's Liebe zu geiwinnen. Cie verſchmaͤht, fie Haft ihn. Da töbtet er fie mit einem Wort und beſchließt, da er ohne fie nicht mehr Ieben Tann, ſich felbf eben falls zu töbten.

Im Jahre 1831 erſchienen zugleich: Kauft, der wunderthätige Magus bes Nordens, von Holtel; Fauſt Im Gewande der Zeit von Harro Har- ting; Mantelkragen des verlornen Fauſt von bemfelben; Roſenkranz, geiftig Nachfpiel zu Göthe's Fauſt; Guſtav Pfizer, Fauſtiſche Scenen (im Morgenblatt 1831).

Guſtav Pfizer gibt nur wenige’ Schlußfeenen zum erflen Theil des Goͤthe⸗ ſchen Fauſt, worin der Gedanke ausgeſprochen if, eine Thräne Gretchens loſche das Blut aus, mit dem Fauſt der Hölle ſich verfchrieben. Doch fagt Mevhifopheles am Schluß, die Sache ſey noch nicht entfdhieden und Fauf wird neuen Berlodungen audgefegt.

Der erſte Theil von Göthe's Fauſt murde 1833 durch einen ge= wiſſen J. D. Hoffmann fortgeſetzt, in der Grundidee ganz ſo wie ihn Goͤthe ſelbſt vollendete.

Fauſt nämlich wird trog feines Blutbundes mit dem Teufel am Ende felig, weil das ihm inwohnende Göttliche von ſelbſt über alles Gemeine, Sundhafte und Teufliſche ſiegen muß.

Bechſtein hat 1833 ein epiſches Gedicht „Fauſtus“ in Nibelungen. verfen Herausgegeben. Er Hält fih an das Volksbuch, aber auf an Göthe.

Nachdem Fauſt weder durch Ruhm, noch durch Wiffen, noch durch Schwelgen in allen möglichen Genüſſen der Sinne (au) mit Helena) das Glück und die Befriedigung gefunden, die er fudht und um derentwillen er feine Seligfeit im Voraus verfauft Hat, wendet Satan das lepte Mittel an und gewährt ihm eine reine Liebe, aber nur, um ihm bie Nähe des Verberbens und die Scha⸗ denfreude der auf ihm Iauernden Hölle deſto entfeplicher zu machen.

Im Fauſt des Braun von Braunthal, Leipzig 1835

finden ſich manche originelle Gedanken, 3. B. das Geſpräch Faufts mit feinem eigenen Schatten, der ſich fofort in ben Teufel: verwandelt. Doc; herrfcht in ber Hauptfache die Göthefche Reminiöcenz vor, fo in ber Liebſchaft des Fauft

. u einer gewiffen Bianca, bie nur ein etwas umgeformted Gretchen if. Ju Beug auf den Schluß ſcheint ber Verfaſſer mit ſich ſelbſt nicht recht einig gewefen zu ſeyn, denn er enbei mit einer Verföhnung und. Hintenbrein doch noch mit Wahnſinn und Selbſtmord.

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Der Fauft von Lenau, 1836 iſt in dee Sprache auffallend Gothiſch, macht auch aus Fauſt nur einen Don Juan, läßt ihn aber wenigſtens nicht verhimmeln, fondern noch, wie es ſich gebührt, vom Teufel holen. Fauſt iR eben mit feinem Famulus beim Anas tomiren eines Leichnams befhäftigt, da kommt zum erſtenmal Mephitopheles als fahrender Schüler zu ihm, um ihn zu belehren, daß man vom menſchlichen Leibe ganz andere Genüffe Haben fünne, als durch Seciren. Fauſt ergibt ſich ihm, verbrennt bie Bibel und macht nun alle Wollüſte mit Weibern durch. Aber fo fehr fein Leib dadurch befriedigt wirb, fo wenig feine Seele. Er ſehnt ſich mit feiner verderbten Phantafie nad) Unſchuld, mit feiner Sünde nad} reinen Frauen. Et findet eine folge im häuslichen Kreife, aber fie Röpt ihn zurück. Nun wendet er ſich in bie heiligen Kloferräume, um eine Nonne zu verführen, alles aus Sehnfucht nach dem Reinen. Endlich findet er eine Beinzeffin, das Bild der höchſten Reinheit und adeligſten Unſchuld, und ba er fie nicht gewinnen kann, töbtet er mwenigftens ihren Bräutigam, worauf fie > aus ram nachſtirbt. Nun verzweifelt dauſt, geht in bie Ginfamfeit und philoſophirt. An Buße ift Bei ihm nicht zu denfen. Gein Egoismus ſucht, da ihm das Grfehnte verloren ging, einen Troſt nur in dem Gedanken, daß doch alles nichtig fey. Cr will vernichtet fegn und erflicht fih. Weber feiner Leiche ſteht Mephiſto, ihm verhöhnend, er werde auch das Licht nicht finden, fonbern das, was feine Schuld verbient habe.

Fauft, dramatifhes Gedicht von F. Marlow, 1839 (nit zu ver- wechſeln mit dem Älteren engliſchen von Marlowe).

Fauſt iſt mit ſich und der Welt zerfallen, ein Zerriffener. Da benügt der Teufel feine leiblichen Gelüfte, um feine Seele zu verberben, aber ber abfolute Geiſt, die unzerflörbare, über Gutes und Boͤſes erhabene Denffraft, die das Ewige im Menfchen ift, erſcheint ihm ald Schugengel und rettet ihn aus allen Wirrfalen und befreit ihn von aller Sünbenftrafe.

Fauft, ein Gediht von Woldemar Nürnberger, 1842.

@pifch, Hin und wieder dialogiſirt, in wohltlingenden Jamben. Der Dichter läßt ben Fauſt nicht verhimmeln, fondern im Elend enden, doch ohne ihn dem Teufel zu übergeben. NIS Greis verliert Kauft im Schnee feine Krüden und zuft zum lehtenmal ben Teufel als feinen Diener herbei, ihm bie Krüden zu holen.

Fauft, dramatiſches Gedicht von Chilsky, Halle, 1843.

Hier iR Fauſt ganz Don Juan, den Mephiſtopheles mit Mäbchenbilbern umganfelt und ber nicht minder in ber derben Wirklichteit genießt. Am Ende muß ihm aber der Teufel bie Bluthandſchrift wieder Heransgeben, ja ed zeigt ſich, daß der Teufel eigentlich gar nicht erifirt, fondern nur Trug und Maske

Die Sturm» und Drangperiode. 223

ey. Ein Geiſterchot am Schluß verkündet die Goͤttlichteit des Menfchen und den ewigen Genuß.

Amadäus, dramatiſches Märchen von Wilhelm Gärtner, 1845, iR wiederan auf, welcher wie der Gotheſche durch das Ewigweibliche Hinan- gezogen, nämlich zuleht durch eine fingirte Weltmutter Hilga gerettet wird.

Der „Bauft“ von Friedrich Reinhard, 1848. laßt fih am Schluß ganz gemüthlich von einem frommen Möndje bekehren und betet dad Kreuz als das Zeichen allgemeiner Weltverföhnung an. Der Dichter erklaͤrt, nur die Liebe daure ewig, der Haß und der Tob müßten vers gehen vor ihr.

So weit bie moderne Fauftliteratur. Ich gehe nun wieder zu ben

andern ältern Dichtern neben Göthe über.

Als poetiſcher Egoift ftand Wilhelm Heinfe zwiſchen Wieland und Böthe. Aus Thüringen gebürtig Fam er in Dienft des aufgeflärten Kurfürften in Mainz und durfte unter den Augen biefes geiftlihen Herrn ale feine obfeönen Bücher ſchreiben und fie ihm vorlefen. Das mar Geiſt der Zeit und an geiſtlichen Höfen nicht mehr auffallend. Mit ver jattresfen Manter Wielands verband Heinfe eine feurige Begeifterung für das Kunftfhöne, nur daß fie lange nicht fo rein if, wie die Winkel- mannd. Immer will er die füßen Töne der Nachtigall nicht nur hören, ſondern gelüftet auch mie eine Kage nad ihrem füßen Fleiſche. Sein Egoismus iſt ganz göthiſch, vornehm, wähleriſch, fentimentale Donjua- nerie, Genialitätsjugt, Selbftbefomplimentirung und Schönfeelennarrheit.

Heinſe gab zuerft 1771 Sinngedichte Heraus, nah einem älteren Geſchmack contra Bav und Mav, aber auch ſchon ſchlüpfrig, 3. B.

Chloes glůcklicher Spah wird vom Dichter beneivet, weil er fie im Babe fehen darf, aber der Spaß feufgt dem Dichter nach, weil er nicht Ledas Schwan iſt.

Unter dem Namen Laidion ſchrieb Heinfe 1774 noch ganz in Wie- lands Manier ein berühmtes Bud, welches die Schickſale ber griechiſchen Hetäre Lais nad), Ihrem Tode erzählt.

Das geiſtreichſte darin if Kapitel 9 des erſten Buchs der Abſchied ihres fchönen Seelchens von ihrem noch ſchöneren Körper, in dem fie fo zahlloſe Bonnen auf Erben genoflen. Inzwiſchen bleibt ihr verklärter Leib auch im Elyſium noch jedes Genuſſes fähig. Sie fihweift nach dem Tode unter dem

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Der Fauft von Lenau, 1836 iR in der Sprache auffallend Göthiſch, macht auch aus Fauſt nur einen Don Iuan, läßt ihn aber wenigftens nicht verhimmeln, fondern noch, wie es ſich gebührt, vom Teufel holen. Fauſt ift eben mit feinem Famulus beim Anas tomiren eines Leichnams befejäftigt, da Fommt zum erſtenmal Mephifiopheles als fahrender Schüler zu ihm, um ihn zu belehren, daß man vom menſchlichen Leibe ganz andere Genüfe Haben Fönne, als durch Geeiten. Fauſt ergibt ſich ihm, verbrennt die Bibel und macht nun alle Wollüfte mit Weibern durch. Aber fo fehr fein Leib dadurch befriedigt wird, fo wenig feine Seele. Er ſehnt ſich mit feiner verberbten Phantafie nach Unſchuld , mit feiner Günde nach reinen Frauen. Er findet eine ſolche im häuslichen Kreife, aber fie ftößt ihn zuräd. Nun wendet er fi in die heiligen Klofterräume, um eine Nonne zu verführen, alles ans Sehnſucht nach dem Reinen. Endlich findet er eine Peinzeffin, das Bild der höchſten Reinheit und adeligſten Unſchulb, und da er fie nicht gewinnen Tann, tödtet er weuigſtens ihren Bräutigam, worauf fle > ans ram nachſtirbt. Nun verzweifelt Fauſt, geht in die Ginfamfeit und philofophirt. An Buße ift bei ihm nicht zu benfen. Gein Egoismus ſucht, ba ihm das Erſehnte verloren ging, einen Trof nur in dem Gevanfen, daß doch alles nichtig ſey. Er will vernichtet feyn und erficht fich. Ueber feiner Leiche ſteht Mevhiſto, ihn verhoͤhnend, er werde auch das Licht nicht finden, fondern das, was feine Schuld verbient habe.

Fauſt, dramatiſches Gedicht von F. Marlow, 1839 (nit zu ver- wechſeln mit dem älteren engliſchen von Marlowe).

Fauſt ift mit ſich und der Welt zerfallen, ein Zerriflener. Da benüpt ber Teufel feine leiblichen Gelüfte, um feine Seele zu verberben, aber der abfolute Geiſt, die unzerſtoörbate, über Gutes und Böfes erhabene Denkfraft, die das Ewige im Menſchen ift, erfcheint ihm ald Schugengel und rettet ihn aus allen Wirrſalen und befreit ihn von aller Sündenſtrafe.

Fauft, ein Gedicht von Woldemar Nürnberger, 1842.

Epiſch, Hin und wieder dialogiſirt, in wohlflingenden Jamben. Der Dichter läßt den Fauſt nicht verhimmeln, fondern im Elend enben, doch ohne ihn dem Teufel zu übergeben. Als Greis verliert Kauft im Schnee feine Krüden und zuft zum Teptenmal den Teufel als feinen Diener herbei, ihm bie Krücken zu holen.

Fauſt, dramatiſches Gebiht von Chilsky, Halle, 1843.

Hier iR Fauf ganz Don Juan, den Mephiſtopheles mit Mädgenbildern ° umgaufelt und ber nicht minber in ber derben Wirklichkeit genießt. Am Ende muß ihm aber der Teufel die Bluthandſchrift wieder Heransgeben, ja es zeigt ſich, daß der Teufel eigentlich gar nicht erifirt, fondern nur Trug und Masle

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ſey. Gin Geiſterchor am Schluß verkündet bie Goͤttlichleit des Menſchen und den eivigen Genuß.

Amabäus, dramatiſches Märchen von Wilhelm Gärtner, 1845, iR wiebe lin Fauſt, welcher wie der Götheſche durch dad Ewigweibliche hinan- gezogen, nämlich zulegt durch eine fingiete Weltmutter Hilga gerettet wirb.

Der „Bauft“ von Sriebrih Reinhard, 1848. laßt fih am Schluß ganz gemürhlich von einem frommen Möndje befehren unb betet das Kreuz als das Zeichen allgemeiner Weltverföhnung an. Der Dichter erklärt, nur die Liebe daure ewig, ber Haß und der Tob müßten vers gehen vor ihr. B

So weit bie moderne Fauflliteratur. Ich gehe nun wieder zu den andern ältern Dichtern neben Göthe über.

Als poetiſcher Egoift ftand Wilhelm Heinfe zwiſchen Wieland und Göthe. Aus Thüringen gebürtig fam er in Dienft des aufgeklärten Kurfürften in Mainz und durfte unter den Mugen dieſes geiftlichen Herrn ale feine obfeönen Bücher fehreiben und fle ihm vorlefen. Das war Geiſt ver Zeit und an geiſtlichen Höfen nicht mehr auffallend. Mit ver ſatiresken Manier Wielands verband Heinfe eine feurige Begelfterung für das Kunftfhöne, nur daß fie lange nicht fo rein iſt, mie die Winkel mannd. Immer will er bie füßen Töne ver Nachtigall nicht nur Hören, ſondern gelüftet auch wie eine Katze nach ihrem füßen Fleiſche. Sein Egoismus if ganz göthiſch, vornehm, wähleriſch, fentimentale Donjua- nerie, Genialitätsſucht, Selbftbefomplimentirung und Schönfeelennarrheit.

Heinſe gab zuerft 1771 Sinngedichte Heraus, nad einem älteren Geſchmack contra Bay und Mav, aber au ſchon ſahlüpfrig, 3. B.

Ehloes glüdlicher Spat wird vom Dichter beneibet, weil er fie im Babe ſehen darf, aber der Spaß feufzt dem Dichter nah, weil er nicht Ledas Schwan if.

Unter dem Namen Laidion ſchrieb Heinfe 1774 noch ganz in Wie lands Manier ein berühmtes Buch, welches die Schiäfale ver griechiſchen Hetäre Lais nad, ihrem Tode erzählt.

Das geiſtreichſte darin if Kapitel 9 des erſten Buchs der Abſchied ihres ſchönen Seelchens von ihrem noch fehöneren Körper, in dem fie fo zahlloſe Wonnen auf Erden genoffen. Inzwiſchen Bleibt ihr werflärter Leib auch im Elyſium noch jedes Genufles fähig. Sie fihweift nah dem Tobe unter den

. 224 Zehntes Buch.

Sternen unftät umher, bis fie auf dem Abendſtern einen reizenden Jüngling findet, der ſich iht als der verflärte Anakreon zu erfennen gibt, grau auf Erden, aber im Himmel wieder braun. Gr bebeutet fie, daß fie nun erft vor ein Todtengericht geftelit werben müfle, das aber nicht aus- den finſtern brei Höllenricptern, fondern aus einer Commiffion feliger Geifter zufammengefept fey, aus Orpheus nämlich, Solon und Afpafi.. Bor ihnen erzäglt num Lais ihre Lebensgeſchichte und rühmt ſich, den Himmel wohl verbient zu Haben, da fie als öffentliche Hetäre theils durch ihre Küſſe die Jugend des Baters Iandes zu Heldenmuth begeiſtert, itheils auch die Alten beglüdt und von bem, wa fie den Reichen für ihre Gunft abgewonnen, wieder die Armen entſchaͤdigt Habe. Mit einem Wort, fie habe die Wage ber Gerechtigkeit unter dem Hemde getragen (wie Schillers Karl Moor ald Räuber ebenfalls den Reichen nimmt, um den Armen zu geben). Vermöge biefer hohen Moralität Hat fie die elys ſiſchen Wonnen verdient, die ihr noch dadurch erhöht werden, daß fie in Apafien ihre Mutter und in Orpheus ihren Vater wiebererfennt. Denn wenn auch Orpheus viel früher gelebt Hat, fo bat fie ſelbſt ſchon mehr als ein Leben auf Erden mittelft der Seelemwanderung durchgemacht. Gine vollftäns digere Apotheofe der Hurerei if kaum in einer andern Literatur zu finden, wie überhaupt die deutſchen Dichter ſich nicht zu ihrem Vortheil dadurch ber merftich gemacht haben, daß fie die Wolluſt fo gern fentimental machen, wäh: rend fie von den Dichtern anderer Nationen ſchicklicher nur fatirest und Hus moriſtiſch aufgefaßt wurbe.

Im Anhang zu Laidion findet man ein in der heißeſten, aber auch füßeften Gluth der Wolluft geſchriebenes Gedicht vom Bade, in welchem bie fchöne Almina überfallen wirb. .

In demfelben Geift waren auch Helnfe's Erzählungen für junge Damen (1775) geſchrieben, und bie Kirfen (1773) nah dem Sran- zoͤſiſchen.

Gin unſchuldiges Bauernmaͤdchen bringt dem alten Edelmann ein Körbchen friſche Kirſchen auf das Schloß, als er gerade mit andern alten Herren geile lichen und weltlichen Standes Tafel Hält. Die Schönheit der Kleinen wird, bewundert und der Gutoherr befiehit ihr, wie fehr fie auch jammert, ſich aus- zukleiden und nadt bie aus dem Körbchen auf ben Boden geſchütteten Kirſchen einzeln wieber ind Körbchen zu fammeln. Nad; biefer Mugenweide für bie alten Herren nimmt der Wirth aber den Hut und fammelt von den Gaͤſten bie Zeinfgelber ein, bie fo reichlich ausfallen, daß das arme Mädchen dadurch ein ſchoͤnes Heirathsgut gewinnt.

In dieſe Claſſe der Arbeiten Heinſe's gehört auch ſeine Ueberſetzung des Petronius. Später nahm er einen Aufſchwung, vom Sturm und

Die Sturm» und Drangperiode. 225

Drang ber Zeit ergriffen, und fo entftand 1787 fein merfwürbiger Maler- roman „Arbinghello®.

Arbinghelo, Baſtard eined Prinzen und Maler, ein Don Juan unter den Weibern und Philofoph unter den Männern, raifonnirt den ganzen Roman Hiudurd; über bie Bildenden Künſte und ihre Werke, namentlid; in Italien, und fagt darüber hin und wieder etwas fehr Schönes und Paffendes, ent behrt aber alles fttlichen Haltes. Erſt verliebt er ſich in eine gewifle Gäcilie, ſchwaͤngert fie und erflicht ihren Bräutigam am Hochzeittage. Dann flieht er, findet eine gewiſſe Lucinde und trachtet fie zu verführen. ine Freundin ders felßen, Fulvia, weiß ſich unvermerft unter dem Namen Lucindens zu ihm zu fehlen und beglüdt ihm flatt ihrer Feufcheren Freundin. Zur Entſchaͤdigung für den ihm gefpielten Betrug verſpricht fie ihm nun aber, ihm ueinden in die Arme zu liefern. Diefe widerſteht jedoch, weil fie fon einen Bräutigam at, ber aber bei den Garagenen gefangen if. Da ihr jedod) Ardinghello keines wegs mißfällt, fo hat fie eine fonderbare Grille, ihm ein fehriftliches Bers . forechen zu geben, daß fie ihm den Borgenuß ihrer Reize gewähren tolle, wenn er ihren Bräutigam befreie. Ms der Bräutigam nun wirklich frei wird, iſt Arbinghello fo großmüthig, ihr bie Verfchreibung zurüdzuftellen; und nun wird fie darüber wahnfinnig. Ardinghello entfernt ſich aus diefem Kreife, in weldem er Zulvien ſchwanger zurüläßt und geht nach Rom, wo er ſich neuen Liebfchaften überläßt und mit andern Künftlern Orgien feiert, in denen antife Bacchanalien nachgeahmt werden. Dann macht er Befanntfchaft mit einer ſtolzen Römerin Fiortimona, bie ald femme libre Ieben, und flatt einem Chemann unterworfen zu ſeyn, ſich jedem frei überlaffen will, der ihr und fo Tange er ihr gefällt. Mrdinghello wird ihr Liebhaber, ohne auf feine Mits bubler eiferfüchtig zu werden. Auf dem Gipfel eines Berges im Angeficht der Sterne umarmt er fie das erflemal. Dann reißt er mit ihr und fie vers Hleidet ſich als Mann, um Scherz auf Scherz zu häufen. Alsbald entbrennt ein ſchönes Mädchen, Cimbra, in fie, während eine andere, Candida, fi in Arbinghello verliebt. In einer Nacht will Candida zu Ardinghello ſchleichen und findet ihn in Biorbimonens Armen. Diefe Ieptere fommt am Ende mit Zwillingen nieder und Heirathet den Arbinghello, damit ihre Kinder auch einen Bater haben. Sie willigt aber ein, daß Arbinghello mit ein Paar Freunden ſich auf den griechifchen Infeln anfiebelt, und daſelbſt alle feine früheren Ge— liebten mit ihren unterbeß geborenen Kinblein in einem philoſophiſchen Harem verfammelt. Nur Fulvia verunglüdt unterwegs.

Im Jahr 1795 fehrieb Heinfe einen muſikaliſchen Roman „Hildegard son Hohenthal“. Die Heldin ift eine amazonenhafte Sängerin, in bie fi Bedmann, der

NRapellmeifter, verliebt, und mit ber er brei Bände durch über bie aufgeführten Menzel, beutfge Dichtung. IL. 15

226 Zehntes Buch.

Dpern und Synphonieen geiftreiche Kritifen durchſpricht. Im den Pauſen macht er eine Menge Angriffe auf ihre Keuſchheit, wozu fie ihm Beranlaflung gibt, die fie aber mit überlegener Kraft zurüdweist. Sie fpielt mit ihm wie eine große englifhe Dogge mit einem Heinen Pudel. Endlich heirathet fie zw feinem großen Berbruß einen Lord.

Zulegt ſchrieb Heinſe 1803 einen Roman „Anaftafla”, ver aus- ſchließlich von-ven Reizen und Geheimniffen des Schachſpiels Handelt, wobet aber nebenbei wieder geliebt wird. Unter Heinſe's Namen er- ſchien ein Roman „Fiormona“, angebli verfaßt von Meyer, fehr ſchwach und nur in ben ſchlüpfrigen Scenen einigermaßen an das Original erinnernd.

Athenor, ein Epos, welches 1807 zum brittenmal aufgelegt wilde ſchildert in achtzelligen Stangen einen Helden de Egoismus von ber weichlichen Göthefhen Art.

Athenor liebt Belinden, verläßt fie aber, um ber Theadene, ald dem höch⸗ Men weiblichen Ideale, nachzufagen. Diefe aber wird ihm durch ben Fürflen Huon (dem der Dichter mit Wielands Huon ibentifleirt) entriſſen und er felbR durch bie treue Belinde, die ihn mit allerlei Zauber täufcht, zu feiner urfprünge lichen Liebe zurücgeführt. Die Irene des Weibs if der ſchönſte und reinfte Zug in diefem Gedicht, der Held aber ein eitler und widriger Schwächling.

Ernft Wagner in Meiningen, ein gemüthreiher Diäter, war weit reiner ald Göthe, Konnte aber doch von ben Gelüften nicht laſſen, in feinem Helden ben Dichter felbft abzufpiegeln, daher auch Hier alles auf fentimentafe "Donfuanerie Hinauslauft.. Sein erſter Roman (von 1806) war ein verliebter Künftlerroman: die reifenden Maler.

Am Dreiherrenftein, wo dreier Herren Gebiete zufammengrängen, finden Wir unter einer Zigeunerbande, bie bald wieder abzieht und nur die romans tifche Pforte des Buchs mit ihren Arabesken verziert, drei intereflante Maler, welche hier ber Raturfhönheit wegen länger verweilen. Zu Ihnen gefellt ſich Here von Steinbach, der Heinfle unter den Grundherren, beren Gebiet Hier angeängt, und ber in ihnen alte Bekannte wieberfindet. Der zweite Grundherr iR ein reicher alter Miniſter, deſſen ſchöne, wilde und ſcheue Tochter Louiſe von Steinbach heimlich geliebt wird. Der dritte if ein dürſt, ber vom einem ber reifenden Maler, Schweizer, aus dem Wafler gezogen wird und bdeſſen Tochter Ftanziska eine gewifle Gräfin Ida zur Bufenfreundin hat, in die ſich eben jener Schweizer verliebt.” Beide Liebſchaften ſcheinen traurig aus gegen zu follen, denn Steinbach ift, durch die Schuld feines verfiorbenen Vaters, arm und zu ſtolz, um einem zeichen Maͤdchen nachzugehen. Louife

Die Sturm» und Drangberiode. "297

aber ift reigbar, heſtig und von unnahbarer fimgfränlicher Echen. Endlich fiegt dennoch bie Liebe. Die Scenen, in welcher fie ſich beleibigt, aufgeregt, verfigloffen vom Geliebten abwendet und dann wieber in hinſchmelzender Liebe ihre Natur überwindet, find das Sqhönſte in biefem anziehenden Roman. Drbinärer ift die zweite Liebſchaft. Schweizer bringt es fo weit, daß Ida Abm ihre Liebe gefieht, und dann erſt, ald fie in ihm ben bürgerlichen Künftler liebt, offenbart er ihr, daß er ihr ebenbürtig und ein reicher Seutfcher Reichs⸗ Graf ſey, ber fie nur habe prüfen wollen ynb mur aus Laune den bürgerlichen Rod angezogen Habe. Unter ben Nebenperfonen ragt ber zweite Maler, Fink, Hervor, der ben Humoriften fpielt, aber ohne wahre poetiſche Genialität. In „Willibalds Anfiäten des Lebens“, die Wagner in demſelben Jahr. heraudgab, wird ber Held von allen Weibern geliebt, mie Goͤthe's Meifter.

Willibald {ft der Sohn eines veichen Bankiers. Sein älterer Bruber Albert wird Bräutigam ber fhönen Marianne, eines abeligen Fräͤuleins, bie’ aber, als fie den größern, fehönern und geiftreichern Willibald fennen lernt, eine Hiefere Liebe zu diefem faßt, ald zu Albert. Wie ſich dieſe geheime Liebe vers rath, wird vom Dichter mit feiner in biefer pſychologiſchen Feinheit ſtets bes wöhrten Meifterfchaft gefepilbert. Außer der flillen Marianne faßt auch noch eine benachbarte fenrige und an Geiſt überfprubelnde Gräfin die Iehhaftefte Neigung für Willibald. : Diefer aber entzieht ſich ben ihm von der Liebe ges legten gefährlichen Schlingen dadurch, daß er aufs Band geht und bei einem feanzöfifcgen Schweizer, der eine rationelle Wirthſchaft treibt, bie Defonomie lernt. Indem er felbft mit pflügt und mäht sc., kommt er in anmuthige Bes rührung mit der Tochter feines dlonomiſchen Lehrers, ber zgijenben, ſcheuen, feften Mathilde, einem Racemaͤdchen, bie bald fein ganges Herz gewinnt. Beſonders lebendig ift die Scene, in der fie ihren verloren gegangenen kleinen Bruder ſucht und er ihr beifteht. Die beiden andern Damen aber kommen wieder in Beziehung zu ihm. Die Gräfin benägt eine warme Sommernacht, ihn zu überfallen und ihm im Taumel der Sinne Mathilden auf einen Augene li vergeffen zu machen. Gr weiß nicht, wer ſein naͤchtlicher Beſuch gewefen ÄR.. Crft ſpater geflcht es ihm die Gräffn, wobei fie ihm erflärt, fie ſey durch feine und Mathildens Reinheit nun felbft gebeſſert, und bittet ihn ulm einen Ruß, in dem fie auf ewig vom ber Günbe Abſchied nehmen will (eine nicht fehr gelungene Scene). Marianne iſt bereits verheitathet und guter Hoffnung, fällt aber von dem Augenblid an, in welchem Willibalds Liebe zu ‚Mathilde offenkundig ift, in tiefe Schwermuth" und ſtillen Wahnfinn, fo daß fie ſich für die geifterhaft umwandelnde Bertha Hält. Sie ſtirbt, noch che fie geboren. Ihr folgt im Tode der im geheimnißvollen Rapport mit ihr geſtan⸗ dene italienifehe Kapellmeifter Minelli. Willibald aber führt feine Mathilde Heim. Das find die Lebensanſichten Wilibalde. Die Lebensanſichten, von

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228 ' Zehntes Buch.

denen im Titel die Rede ift, fpielen aber feine große Rolle. Gr lernt mehr, als er beſtimmte Anfichten aufftelt. Doch knüpft Wagner Hier, wie überall, in den Gefprächen, bie feine Romanhelden führen, allgemeine Lebensanfichten, Betrachtungen über bie Menfchen, die Kunft x. an.

Wagners „Reifen aus der Fremde in die Heimath“ von 1808 fehll- dern die Liebe des Nelfenden zu zwei Mäben, von denen eine einen Anbern heirathet, bie zweite alg Nonne ihm unerreichbar bleibt. Das Schönſte in diefem Roman aber find die Erinnerungen des Reiſenden an feine Jugend. Nichts kann mahrer und fhöner erzählt werben, als der Zank zwiſchen dem Knaben und Mädchen, ver Trotz beider Geſchlechter gegen einander in ven Jahren Furz vor der Entwidlung. Wagners Roman „Iſidora“ von 1812 iſt unbedeutend.

Ein Graf verliebt fi in Iſtdora, fle fi in ihn, fie muß aber einen Prinzen heirathen, und als derſelbe ankommt, erkennt fie in ihm ihren Grafen.

Wagners Roman „Thalheim“ iſt eine Robinſonade.

Candidat Thalheim, auf eine wüfte Inſel verſchlagen, wird durch bie Ans kunſt vieler ſchöner Mädchen ergägt, die von einem Geeräuber aus einer * Benfion entführt worden, abe "gefcheitert waren. Darunter befindet ſich eine deutfche Prinzeffin, bie er heirathet.

Das Hiftorifhe ABE eines vierzigjährigen Fibelſchützen von Wagner enthält nur Aphorismen,

Friedrich Heinrich Bothe, Beivatgelehrter in Mannheim, gab 4803 „ſatiriſche Schriften" Heraus, die einen männlichen Geift verfünden.

Bothe verhöhnt bie modernen Schöngeifter, die einander immerwährend Toben, an einander alles intereffant finden und in laͤcherlicher Citelfeit und Selbfibewunderung verfunfen, durch den Ginfluß ber Lecture und des Theaters das deutſche Volt vollends entnerven.

D wenn ein Tropfen in und von ber Ahnherrn Blute noch ftrömte,

- Duldeten wir die Schmach? Weich tönt, den Zähnen entlifpelt, Jegliches Blatt; matt fummt, dem Gefumm der Müde vergleichbar, Scherz auf der Bühn' und Spott und ber Stachel verleget die Haut Tun. So entfhlummert die Kraft in und; ungefpannt zu Thaten Hängt an der Wand der Bogen und harrt auf feinen Odyſſeus.

Das war ber allein riätige Geſichtspunkt, aus welchem Göthe und fein Jahrhundert gemürbigt werben mußte. Ebendeshalb wollte Niemand

Die Sturms und Drangperiobe. 229

auf Bothe Hören. Eben fo trefflich find deſſen Gatiren auf hie ein» zelnen Mobethorheiten ber Xhenterwuth, bes Kunftvirtuofenthums, der Kinderzucht ꝛc. Das Schrecklichſte, was er gefärieben, iſt die Satire „Zonkunft“, in welcher Priapus al Apollo erſcheint. Nur zu wahr, denn das ‚Herz nannte, und ben Priap meinte man damals. Bothe iſt fo verſchollen, daß ich Leider feine Shauſpiele und ſeine „Roſaura“ nicht mehr habe auftreiben können.

Der Egoismus ſchuf Aa Göthe's Safe eine eigene zahlreich ver= tretene Gattung von Künftlerfhaufpielen und Künftlerromanen. Künftler, Dieter, Schaufpieler traten an die Stelle der Helben. Der Dieter vor dem eignen Spiegel war ſich felber Held genug, er wurde ein Narciſſus. Auch Tie wurde von feiner wahren Richtung hauptſächlich dadurch abgeführt, daß er nicht Immer blos auf dad Werk, fondern nur zu viel auch auf dad Machen und den Mader fah. In Sternbalds Wan- derungen liebaͤugelt er mitten in der Andacht für bie Heilige Kunft doch zu viel mit dem eitlen Künftler. In Shakeſpeare's Leben überträgt er in merkwürdiger Verblendung was von Göthe gilt, auf Shakefpeare und reißt unfer Intereffe von der herrlichen Dichtung los, um es ausſchließlich dem Dichter und noch dazu feinem ganz falſch aufgefaßten Bilde zuzus wenden. .

Großen Beifall fand 1816 Oehlenſchlägers „Correggio“ und ging fehr oft über die deutſche Bühne.

Der italienifhe Maler Eorreggio wird verfannt. Für ein herrliches Bild bietet ihm ein Reicher nur eine geringe Summe und zahlt fie ihm noch höhe niſch in Kupfer aus. Der fon lange Franke Dichter erliegt nun unter ber ungewohnten Laft und ſtirbt.

‚Hier wird tiefes Mitleid rege und bie Künftlereitelfeit verftummt, Andre Dichter Haben aber defto mehr wieder ber Iegteren gefröhnt. Kind brachte „Ban Dyks Landleben“. (1818), Döring den „Gervanted“, Braun den „Raphael“ und „Quintin Meffis“ (1819), Brummer ven „Taſſo“, Smets „Taſſo's Tod“, Holtei und Braun von Braunthal den „Shafe- fpeare*, Schier ven „Paleftrina“ und „Mengs“, v. Schenk, Uffo Horn, Halm und Chezy den „Camoens“, Büffel „Winkelmanns Tob*, Halirſch, Immermann und Chriftine Weftphalen den „Petrarca“, die Birch- Pfeiffer den „Rubens“ und „Guttenberg“, Döring den „Gellert“, Wiefe

230 Zehntes Bud.

den „Beethoven“, Halirſch den Bans Sachs“, Kollmann ven „Dante“, Oehlenſchläger „des Schauſpieler Schröder Jugendzeit“ auf bie Bühne.

Karl Förſter handelte von Raphael in einem großen Cyclus von Gedichten, 1827. .

In dem Roman „die Dichter" 1817 ſchildert Franz Horn

das Leben eines gewiſſen Heinrich, eines fentimentalen Don Juan, ber von ‚Grauen und Freunden geliebt, fih im Bewußtſeyn feiner Genialität Aus— ſchweifungen ergibt, zuleht im deldzug gegen Napoleon Beſinnung, Ehrgefühl and daß eiferne Kreuz gewinnt, venig zu feiner verlaffenen Geliebten zurüds kehrt, aber'nur, um zu flerben.

„Gulscardo der Dichter oder das Ideal“ von demſelben Verfaſſer Habe ich. nicht mehr aufgetrieben. Horn ſchrieb mod ſehr viel, alles füß und ſchwach. Seine Werke über deutſche Poeſie entbehren ſehr ed ſcharfen und gefunden Urtheils.

Deinharbftein, unter Metterni lange Cenſor in Wien, ſchrieb lyriſche Gedichte „eine dem Herrfherhaufe dargebrachte Huldigung „Maris milians Brautzug* und eine Anzahl fAntimentaler „Künſtlerdramen“ in Iamben.

- Die Helden aller diefer Schaufpiele find Dichter oder Künftler, Pigault _ 2ebrun, Boccaccio, Salvator Rofa, Hans Sache, Garrik in Briſtol. Den Inhalt Bilden Meine Anecboten aus ihrem Leben, welche Deinhardſtein mit moglichſter Auskramung von Künftlereitelleit ausgepugt hat.

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4. Poetiſcher Univerfalismus.

Wie der Drang der jungen Kraft ſich einerfeitö in dem Egoismus ver poetifhen Donjuanerie concentrirte, fo behnte er ſich andrerfelts in die Breite aus, um gleichſam alles zu erobern, was poetiſch fey.

Die deutſche Dichtung hatte In der Aneignung fremder Geſchmäcke und Manieren fon oft genug gewechſelt. Als nun vollends vom Deuts ſchen verlangt wurbe, er ſolle nichts als reiner Menſch ſeyn, wurde ihm auch zur Pflicht gemacht, ſich alles menſchlich Schöne aller Zeiten und Völker anzueignen, das Bild der ganzen Menſchheit in feiner Liebe ab

zuſpiegeln. Der Kosmopolitimud,' ber bie Philoſophle, die maureriſche

Die Sturm⸗ und Drangperiode. 231

Begeiſterung, bie ber Revolution vorhergehende edle Schwaͤrmerel für das allgemein Menſchliche an die Stelle des Chriſtenthums und Deutſchthums geſetzt Hatte, mußte nothwendig zu einer ſyſtematiſchen Allbuhlerei mit der Poeſie aller Zonen und Jahrhufiverte führen. Daß died die Aufe gabe für den gebildeten Deutſchen fen, ſprach zuerſt Gerber aus. Noch Tühner aber fühlte fi) Göthe, indem ex unternahm, nicht blos wie Herder empfangend, fonbern felbftzeugend in ben Befhmäden und Gtylen ber verſchledenſten Art zu dichten. Und feitvem wird in allen Dianderen fort« gedichtet und das Aufgehen ber deutſchen Literatur in die Weltliteratur Immer noch gepredigt. Schwärmt man auch nicht mehr für bie allge- meine Menſchheit, fo wird doch die Eitelfeit ver Dichter befriedigt, in⸗ dem fie, wie ein Birtuofe auf mehreren Inftrumenten zugleih, ihre Kunft« fertigkeit bewähren: und durch Abwechslungen ber Mobe bie Langeweile Setrügen. "

Der hochgebildete Deutſche fol wohl alles Eennen Iernen, von allem das Beſte für ſich benuten, abez nicht alled nachahmen nicht feine eigne Nationalität aufgeben oder in eine fremde verftellen.

Zohann Gottfried Gerber (fpäter geabelt wie Böthe und Schiller), geboren 1744 zu Morungen in, Preußen, Rector zu Riga, zulegt Ober« hofprebiger in Weimar, wo er 1803 farb, Hatte das große Verbienft, von der einfeitigen Gallo-, Anglo⸗ und Gräkomante zu einer alffeitigen Anerkennung ber Poeſie aller Zeiten und Völker hinůberzuführen und insbeſondere auf bie von Feiner weltlichen Kunftpoefle jemals zu erreichende Schönheit ver bibliſchen und der echten Bollspoefle aufmerkfam zu machen. Trotz feiner Weltbürgerei hat er alfo doch ber damals fo tief verfannten qhriſtlich · deutſchen Idee gebient. Ex felbft glaubte nur der Menſchheit zu dienen. Im feinen berühmten „Ideen zur Philoſophie der Geſchichte der Menſchheit“ Ichrte er, mie fih aus der Weltgeſchichte allmaͤhlig die Hu⸗ manität entfalte. Auch als Theologe fah er im Chriſtenthum nur das Mittel, die Humanitätsidee zu verwirklichen. Deshalb fiel es ihm auf leicht, chriſtliche und antikheidniſche Ideale zu verfühnen, anftatt eines durch das andre auszufäließen, wie Schiller in ben „Odttern Griechen⸗ lands“. Während er der Begeifterung für antike Schönheit völlig zu⸗ ſtimmte, war er es doch, welcher zuerſt wieber.auf die unnachahmliche Schönheit des hohen Liedes, der Pſalmen ıc. aufmerkſam machte und von

232 Zehntes Buch.

ben Trübungen und Willkührlichkeiten Miltons und Klopftocks zur reinen Duelle bibliſcher Voefle zurückführte, ja es fogar wagen durfte, aud bie ange ſchon in Staub und Moder begrabene, tief verhaßte und verachtete katholiſche Legende in ihrer zarten Heiligkeit (mie viel fpäter Boifferde die altdeutſchen Gemälde) wieder hervorzuzlehen und der ſtaunenden und beihämten Geſellſchaft zur Bewunderung anzuempfehlen. Auch war es Herder, der den ſeit einem Jahrhundert ſchon vergeſſenen Jeſuiten Balde wieder zu Ehren brachte und eine gute Anzahl ſeiner ſchönen Gedichte überfegte.*) Don größter Bedeutung waren ferner die von Herder 1778 berauögegebenen „Stimmen der Völker“, eine Sammlung echter und überaus ſchöner Volkslieder ver verſchiedenſten Nationen, worunter auch viele deutſche, die man bisher nicht beachtet hatte und auf deren Werth zum erſtenmal die höher gebildete Geſellſchaft aufmerkſam gemacht wurde. Da erkannte man, wie unendlich viel ſchöner das einfachſte deutſche Volks— lied ſey, als die vornehmſte Klopſtock'ſche ober Ramler'ſche Ode. Und das machte ſich vor allen Göthe zu nutze, indem er ſich nicht entblödete, wirk- liche alte Volkslieder mit kleinen Abänderungen als ſein eigenes Erzeugniß drucken zu laſſen, z. B. Röslein roth, dort droben auf jenem Berge sc. Inzwiſchen wurde damals die chriſtliche und deutſch nationale Richtung bei Herder noch nicht fo beachtet, mie feine kosmopolitiſche. Seine Stim- men der Völker eröffneten und zum erfienmal bie altromanifche, vorzugs⸗ weiſe ſpaniſche Poeſie. Gerber überfeßte ben ſchönen Romanzencyclus des Eid. Ebenſo eröffnete er zuerſt bie Poefle bes ſlaviſchen Oſten, und wies zuerft auf bie verborgenen Paradiefe der muhamebanifchen und indiſchen Poefle Hin. Ja bis zu den Wilden Afrika's und Amerika’ und zu den Völkern des Nordpols tafteten Herders Nerven nach dem Schönen. Das Wenige, mas er bier fand, diente doch, den Wahn zu nähren, ben fentimentale englifche Weltumfegler aufgebracht, bei den Wilden, ſonderlich auf den glücklichen Inſeln der Südſee, ſey noch der erſte Unſchuldszuſtand der Menſchheit zu finden. Die Empfindſanikeit des Zeitalters vermiſchte nun biefe wilden Kinder mit den Humanitätsidealen. " Herders lyriſche Gedichte zeichnen ſich durch den fanften Grundton

Bei biefem Walde blieb es aber chen. Die Übrigen zaflreigen und zum Theil aus geseichneten Iateinif gen Dicfer bes 17. Jahrfunberts waren vergefien und blieb «& mir übrig, fe zum erfienmal wieder in die Grifnerung der Deutfägen einzuführen.

Die Sturms und Drangperiode. 233

einer fhönen Seele aus. Bet ihm tft alles Ruhe, Güte, Liebe, die Ein- förmigfeit dieſes Tones aber weiß er aufzufriſchen durch finnige Bilder und Parabeln. „Das Kind der Sorge. Die Sorge macht aus Lehm den Menfehen; die Erde, von ber er genommen ift, fpricht das Kind als das Ihrige an und muß es behalten. Wie der farbige Regenbogen, fo verſchwinden bie Hoffnungen der Jugend. Aus dem Leibe wird die Seele frei, wie aus ber häßlichen Raupe der ſchoͤne Schmetterling. Gin Regentropfen fällt ins Meer und ſcheint verloren, aber die Muſchel fängt ihn auf und er wird zur Perle. Der Greis ruft den Tod, ald aber ber Tod kommt, bittet ihn ber Greiß, er ſolle ihm nur Hejfen, feine ſchwere Bürde wigber aufladen.

Herder malt auch treffliche Naturbilder, z. B.

Flattre, Hatte? um dieſe Duelle, Kleine farbige Libelle,

Zarter Baden, leichtbeſchwingt. Flieg auf deinen hellen Flugeln Auf der Sonne blauen Spiegeln ıc.

So die Lieder von ben Erdbeeren, vom Storh, vom Eildtanz ac. Einige patriotifche Gedichte haben noch Klopftod® Obenton. In „Deutſch- lands" Ehre” preist Gerber bie größten deutſchen Helden, entlehnt aber die- Leler dazu vom altgriechiſchen Orpheus. Auch „Bott“ befingt er in dieſem Hohen Ton:

Wie nenn ich dich, du Unnennbarer, du?

Herders geiftficde Lieber find von biefem Ton nicht frei und heben immer nur die Liebe (Gumanität) und nit den Glauben hervor. Ehri- ſtus iſt darin ‚mehr Lehrer und liebreicher Erzieher, als Richter und Erlöfer.

Was Herder im Claſſiſchen geleiftet, iſt ſchon oben berichtet.

‚Herder überfegte auch viele jüdiſche und muhamedaniſche Mythen und Märden, vieles aus Saadis perfiigem Rofengarten, auch aus dem Indiſchen und fogar Chineſiſchen. Er empfahl zuerft die indiſche Sakon- tala 2. und fland zum erftenmal auf ver Berghöhe, von mo ver Dichter des alten Fauſtbuchs ahnungsvol feinen Fauſt in die von ber Morgen- Tonne wunderbar beglängte Berne Indiens fehen ließ.

Eigentlih vollendete Herder nur, mas der, vielſeitige Bodmer an⸗ gefangen, denn ſchon Bodmers Seele wandte fi bald ver Bibel, Bald

232 Zehntes Buch.

den Trüßungen und Willkührlichkeiten Miltons und Klopſtocks zur reinen Duelle bibliſcher Voefle zurüdführte, ja es fogar wagen burfte, auf bie lange fhon in Staub und Moder begrabene, tief verhaßte und verachtete katholiſche Legende in ihrer zarten Heiligkeit (mie viel fpäter Bolfferse die altdeutſchen Gemaͤlde) wieder hervorzuziehen und der ſtaunenden und befhämten Geſellſchaft zur Bewunderung anzuempfehlen. Auch war es Herder, der den ſeit einem Jahrhundert ſchon vergeſſenen Jeſuiten Balde wieder zu Ehren brachte und eine gute Anzahl feiner fhönen Gedichte überfegte.*) Bon größter Bebeutung waren ferner die von Herder 1778 herausgegebenen „Stimmen der Völker“, eine Sammlung echter und überaus ſchöner Volkslieder ver verſchledenſten Nationen, mworunter auch viele deutſche, die man bisher nicht beachtet hatte und auf deren Werth zum erftenmal die höher gebildete Geſellſchaft aufmerffam gemacht wurde. Da erkannte man, wie unendlich viel ſchöner das einfachfte deutſche Volks- lied ſey, als die vornehmfte Klopſtock'ſche oder Ramler'ſche Ode. Und das machte ſich vor allen Göthe zu nutze, indem er ſich nicht entblödete, wirt» liche alte Volkslieder mit kleinen Abänderungen als ſein eigenes Erzeugniß drucken zu laſſen, z. B. Röslein roth, dort droben auf jenem Berge ꝛc. Inzwiſchen wurde damals die chriſtliche und deutſch nationale Richtung bet Herder noch nicht fo beachtet, mie feine kosmopolitiſche. Seine Stim- men ber Völker eröffneten und zum erflenmal bie altromaniſche, vorzugd- weiſe ſpaniſche Poefle. Herder überfegte ven ſchönen Romanzencyclus des Cid. Ebenfo eröffnete er zuerft die Poefle des ſlaviſchen Often, und wies zuerft auf bie verborgenen Paradieſe der muhamedaniſchen und indiſchen Poeſie Hin. Ja bis zu den Wilden Afrika's und Amerika’ und zu ben Völkern des Nordpols tafteten Herders Nerven nad) dem Schönen. Das Wenige, was er bier fand, biente doch, den Wahn zu nähren, ven fentimentale engliſche Weltumfegler aufgebracht, bei den Witden, ſonderlich auf den glücklichen Infeln der Südſee, fey noch der erſte Unſchuldszuſtand der Menſchheit zu finden. Die Empfindfanikeit des Zeitalters vermifchte nun biefe wilden Kinder mit den Gumanitätsidealen. ! Herders lyriſche Gedichte zeichnen ſich durch den fanften Grundton

*) Bei dieſem Balde blieb es aber ſtehen. Die übrigen zahlreichen und zum Thell aus- geaeiegneten Iatelnifeen Diger bes 17. Jahrhunderts waren vergeflen unb dileb e& mir übrig, fie zum erfienmal wieder in die Grinnerung der Deutſchen einzuführen.

Die Sturms and Drangberiode. 233

einer ſchönen Seele aus. Bel ihm iſt alles Ruhe, Güte, Liebe, die Ein- förmigkeit dieſes Tones aber weiß er aufzuftiſchen durch finnige Bilder und Parabeln. „Das Kind der Sorge”. Die Sorge macht aus Lehm den Menfchen; bie Erbe, von der er genommen if, ſpricht das Kind ald das Ihrige an und muß es behalten. Wie der farbige Regenbogen, fo verſchwinden die Hoffnungen der Jugend. Aus dem Leibe wird die Seele frei, wie aus ber häßlichen Raupe der fehöne Schmetterling. Gin Regentropfen fällt ins Meer und ſcheint verloren, aber bie Mufchel fängt ihm auf und er wir zur Perle. Der Greis ruft den Tod, ald aber der Tod kommt, bittet ihn der Greis, er folle ihm nur Helfen, feine ſchwere Bürde wigder aufladen.

‚Herder malt auch treffliche Naturbilver, z. B.

Flattre, Ratte? um dieſe Quelle, Kleine farhige Libelle,

Zarter Baden, leichtbeſchwingt. Flieg auf deinen hellen Flugeln Auf der Sonne blauen Spiegeln x.

So die Lieder von ben Erdbeeren, vom Storch, vom Eidtanz ꝛc. Einige patriotifge Gedichte haben noch Klopſtocks Odenton. In „Deutſch-⸗ lands Ehre“ preist Herber bie größten deutſchen Helden, entlehnt aber die Leler dazu vom altgriehifhen Orpheus. Auch „Bott“ befingt er in diefem Hohen Ton:

Wie nenn ich dich, du Unnennbarer, du?

Herders geiſtliche Lieder find von biefem Ton nicht frei und Heben immer nur die Liebe (Humanität) und nicht den Glauben hervor. Ehri- ſtus iſt darin ‚mehr Lehrer und liebreicher Erzieher, als Richter und Erlöfer.

Bas Herber im Claſſtſchen geleiftet, iſt ſchon oben berichtet.

Herder überfegte auch viele jüdiſche und muhamedaniſche Mythen und Märden, viele® aus Saabis perſiſchem Nofengarten, auch aus dem Indiſchen und fogar Chineſiſchen. Ex empfahl zuerft die indiſche Sakon⸗ tala sc. und ftanb zum erflenmal auf der Verghöhe, von mo der Dichter des alten Fauſtbuchs ahnungsvoll feinen Fauſt in die von der Morgen- fonne wunderbar beglänzte Berne Indiens fehen ließ.

Eigentlich vollendete Herder nur, mas ber,nielfeitige Bodmer ans gefangen, denn fon Bodmers Geele wandte ſich bald ver Bibel, bald

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den Alten, bald ber vaterländiſchen Vorzeit zu, mehr empfangend als zeugen. -

Seit Herder hat es ſich der deutſche Wiſſenstrieb zur Aufgabe ges ſtellt, dad Schöne und Intereffante aller Zeiten und Völker zu erforſchen und find nach einander auf den Univerfitäten Lehrftühle für bie orienta- liſchen, altdeutſchen, altromaniſchen sc. Stubien geftiftet worben. ‚Auf hat man fleißig aus ben fremden Sprachen überfegt. Der hochgebildete Deutfche darf fih nad und nah rühmen, ein Panorama alles Schönen, was je gebichtet worden, um fi verfammelt zu haben. Indeſſen hat dieſes Ueberwiegen des weiblichen Dranges nad) fremdge Empfängniß doch in vielen Geiſtern die Nationalkraft geſchwächt und zu unzählbaren höchſt widrigen Mifgeburten geführt. Nicht nur die ſchwachen Geifter wurden zu blinder Nachahmung geführt, auch flärkere Geiſter erlagen der allzu mächtigen magnetiſchen Anziehung durch dad Fremde. Daher feit diefer Zeit fo viele deutſche Dichter nicht. recht mußten, mohin fie fi wenden, was alles fie dichten follten, und die ungeheure Verfuchsliteratur tn allerlei fremden Manteren, die einem einzigen eoloffalen Abortus glei kommt.

Herder verführte dazu, Gdthe aber gab dad Beiſpiel, mie man es machen müfſſe, um ben geilen Trieb nach fremden Weibern und Bößen gleihfam in ununterbrochenen falomonifgen Nächten zu befriebigen. Ihm verflattete fein Talent in allerlei fremden Manteren anſprechend zu dich⸗ ten und feine Eitelkeit geftel ſich darin, wie die eines Virtuofen, beftändig von einer Tonart, ja von einem Inftrument ind andere überzufpringen. Indem er gewiffermaßen den Fußtapfen Herders folgte, um überall, wo diefer nur vom fremden Geiſt empfangen, keck mit bemfelben zu zeugen, fprang er von der fentimental engliſch-oſſianiſchen Manier in Werther zu der altdeutſchen im Götz, von der antifen Manter in ver Iphigenie zu der romantifehen im Meifter, von der franzöfifgen im Mahomet zu der orientalifhen im Diwan sc. über, um am Ende im Kauft alle Geſchmäcke wie in einem allerfeinften Ragout zu concentriven. Da ich Göthes Haupt · dichtungen an diejenigen Gruppen der deutſchen Dichtung überhaupt ver⸗ theilt habe, denen ſie dem Inhalte und Charakter nach gehören, will ich hier alle feine übrigen Dichtungen zufammenfaffen.

Am Mebenswürbjgften und achtbarſten erſchelnt Göthe als Lyriker. Sein feiner Geſchmack erkannte bald, daß Im naiv rührenden Tone bed

Die Sturm und Drangperiode. 235

Volksliedes ein Zauber llege, den alle bisherigen Kunſtdichtungen nicht erreicht hatten. Er ſtimmte daher viele feiner Lieber anf dieſen Ton, ja er war fo frei, ſich einige alte Volkslieder anzueignen, ald ob er felker fie gemacht Hätte, wie oben ſchon gefagt iſt. Auch das füße Nachtlied „D gib vom weichen Pfühle träumenb ein Halb Gehör“ ift wörtlih aus dem Italleniſchen übertragen. Meift jedoch flug Göthe ven Ton des Volksliedes nur fpielend an, etwa wie eine Prinzeffin ſich als Schäfertn geritt. So in den Liedern: „An dem reinften Srühlingsmorgen. Ein Bellden auf der Wiefe fand. Da broben auf jenem Berge. Ich Tenn’ ein Blümtein munderfpön. Wenn ich doch fo ſchoͤn wär 1.“ Am wahrften und lärmften find einige Sieber ber Liebe, 3. B.: „Im Walde ſchleich ih ſtill und wild. Wie kommts, daß bu fo traurig bift?“ ac. Bon Hoher Schönheit einige Naturbilber, 3. B.: „Hoch auf dem alten Thurme fleht des Gelben ebler Geiſt“ ac. und das Mondlied: „Fülleſt wieder Bufh und Thal ſtill mit Nebelglanz“. Manches beim erften Hören durch feinen wunderbaren Ton bezaubernde Lied Göthe's gemährt bet näherer Betrachtung doch ein unerquickliches Gefühl. So das ber rühmte Sehnſuchtslied Mignond: „Kennft du das Land, wo bie Citronen blühn?“ Die Sehnſucht nad der fhönen Heimath im Süden iſt an fi natürlih und rührend, aber ber Vortrag im Munde des armen Kin- des viel zu kokett. Auch im „König von Thule“ und im „Erlkönig“ Uegt den Reiz nur in dem geheimnißvollen Ton. Daß ein alter Säufer ſtirbt, Hat an fi) lediglich nichts Rührendes und einen Erlkönig Eennt ber Voltöglaube gar nicht. Göthe hat hier das alte Volkslied von König Dlaf vor Augen gehabt, aber nicht verbeſſert. Der Fiſcherknabe iſt da- gegen die glücklichſte Anwendung einer alten Nizenfage, die wir kennen, und eine ber fhönften Romanzen der Neuzeit überhaupt: „Das Wafler rauſcht, das Waſſer ſchwoll, ein Fiſcher faß daran“ ıc. Gleich bewun⸗ derungswürdig iſt „die Braut von Korinth“ einer altgriechiſchen Er⸗ zaͤhlung entnommen, und „Gott und die Bajadere“, obgleih bie Worte „Unſterbliche heben verlorene Kinder mit feurigen Armen zum Himmel empor" in Göthe's Munde leicht zweiveutig erſcheinen. Den mZauberlehrling“ entlehnte Goͤthe aus dem Luclan, bie Erfindung if nicht fein eigen. Im den gefelligen Liedern Göthe's ‚zeigt fi Häufig ein Heiner Zwang, beſonders wo er maureriſchen Ernft zur Schau tragen

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mußte, und ein Sichforciren zur Luftigkeit, wahrſcheinlich der zu vor- nehmen und fteifen Geſellſchaft wegen. Nur die Lieber „Mich ergreift, ich weiß nicht wie“ und „Ih Hab’ mein’ Sach' auf nichts geftellt“ find wirklich luſtig und frei, .

Wie Göthe in allen diefen Liedern, fi mehr oder weniger bem deutſchen Volksliede näherte, nahm er in andern lieber den elegiſchen Ton der Alten an und ahmte insbeſondere die erotifhen Dichter des Au- guſtelſchen Zeitalters in ven anmuthigften Verfen nad. Bon diefer Art find feine „römiſchen Elegien“ dem Properz nachgebildet, reizende, wenn auch etwas freie Schilderungen der verliebten Abentheuer, mit denen fig der Dieter in Rom ergögt hat.

Der Zahl nah übertreffen die Gelegenheitd- und gehrgeläe, Epi⸗ gramme, wilde und zahme Tenten alle andern Gedichte Göthes. Sie verrathen einen feinen Geſchmack, ein gewähltes Urtheil, aber auch viel Selbſtgefälligkelt. Sonberli In feinen fpätern Jahren hat Göthe gar gewöhnliche Gedanken mit einer Prätenſton vorgetragen, ald ob es Ora- kelſprüche wären.

Die Zenien gab Göthe mit Schiller gemeinſchaftlich heraus, im Jahr 1797. Göthe zog ſich damals den gentalen Schiller zurecht. Es iſt Hier der ſchickliche Ort, über dad Belfammenfeyn unferer großen Dihterheroen in Weimar zu reben.

Die Bereinigung von Wieland, Göthe, Schiller und Herder in Wel- mar war Fein Zufal. Die Herzogin Amalie, melde fle dahin berief, - war ber perfonificirte Gentus der geit, ihre Huld die des Iahrhunderts. In jenen vier Dichtern culminirten die Hauptrichtungen deutſcher Dich- tung. In Wieland die noch vom franzöflfgen Geſchmack beherrſchte Säule, in Goͤthe die Natürliket, in Schiller ver Sturm und Drang, in Gerber der poetiſche Untverfalismus. Nur die eigentliche, echte, d. h. zur Vorzeit der Nation zurüdgreifende und chriſtliche Romantif war in Weimar nit vertreten, den herrſchenden Geiftern fremd, allen biöheri- gen Geſchmacksrichtungen zugleich entgegengefegt. In Weimar felerte bie dem heidniſchen Geift, der chriſtusfeindlichen Philoſophie, dem vaterlands-⸗ Iofen Kosmopolitismus, der rattonaliftiihen Schwärmeret für das allge» mein Menſchliche und ber. Buhlerei mit den Genien aller Zeiten und Völ« ker verfallene Poefle ihren höchſten, aber auch legten Thriumph. Die Eleine

Die Sturm» und Drangperiobe. 237

weiße Hand der Herzogin Amalie Ienkte bie Quadriga bed vierfachen Pegaſus, als ob ſie geahnt hätte, nur ein Weib könne ein Jahrhundert geiſtig beherrſchen, in welchem die deutſche Nation den Nerv ihrer Mann⸗

helt verloren Hatte. Wenn aber auch in einem Sinn einverſtanden, waren doch die vier großen Dichter einander zu ſcharf entgegengefegt, ald daß

ſie ſich perſönlich Hätten. eng aneinander ſchließen können. Nur den jün- geren und leicht zu enthuflasmirenden Schiller fand Göthe gefügig und zugleich feiner großen Popularität wegen wichtig genug, um mit ihm ein Duumpirat- zur Beherrſchung des deutſchen Parnafles zu fliften. Die Renten waren eine Revue der damaligen Mobeliteratur und geißelten je— den ſchlechten Dieter mit einem Kleinen Diſtichon, Immer witzig, faſt im- mer gerecht.

Für die Unterhaltungen des Weimarſchen Hofes ſchrieb Göthe in feiner erften Glanzzeit vyſelbſt Kleinere Heitere Stüde und Scherze ber Lebe und Eiferfuht: Laune des Verliebten, Jery und Bätely, die Fiſche⸗ tin, Scherz, Liſt und Rache, die ungleihen Hauögenoffen. Erwin und Elmire ift nad einer engliſchen Romanze in Goldſmiths Vicar bearbeitet. In Glaudine von Villa Bela Klingt ein Ton an, wie in Shakeſpeare's Luſtſpielen, aber alles tft geringerer Art, man glaubt den Shafefpeare von Metaftafio bearbeitet. Lila if eine fehr ſchwache Nahahmung.

Lila, die nervenſchwache Gemahlin des Baron von Sternthal, wird nach feiner Abreiſe ſchwermuͤthig, bilbet ſich ein, er fey tobt und wirb ein wenig verrüdt, fo daß fie ihn, obgleich er wieberfommt, gar nicht mehr erfennt und in den Wald flüchtet. Da verabreden die Verwandten eine Gomdbie, umgeben fie mit Masken von Fern, Zauberern und dergl. und Heilen fie, indem fie in ihren Wahnfinn eingehen, nur fo erfennt fie in ihrem Irrſinn den Gatten wieder unb erſt durch dieſes Wiebererfennen wird fie vom Ierfinn geheilt. Das poetifche Motiv, das Nicptwiebererfennen des wirklichen Geliebten im Schmerz um ben eingebilbeten ift aus dem .arabifchen Roman Medſchnun und Leile entlehnt (baher auch Göthe ſchon den Namen beibehalten und nur die Ges ſchlechter gewechſelt Hat). Da das arabiſche Original von Dſchami fo ſchön iR, Hätte Göthe diefe Nachahmung unterlaffen Fönnen. .

In Heinen Stüden fpottete Göthe mehrmals über Wieland. So in Götter, Helden und Wieland“, worin er mit Recht bie tiefe Kluft zeigte, die zwiſchen der Wieland’fhen Auffaffung der Antike und den wirklichen Alten beftche, und in „Orpheus und Euridice“, einer Parodie von Wie-

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mußte, und ein Sichforciren zur Luftigkeit, wahrſcheinlich der zu vor⸗ nehmen und fteifen Geſellſchaft wegen. Nur die Lieder „Mich ergreift, ich weiß nicht wie” und „Ich Hab’ mein’ Sad’ auf nichts geftellt“ find wirklich luſtig und frei. J

Wie Göthe in allen dieſen Liedern ſich mehr oder weniger dem deutſchen Volksllede näherte, nahm er in andern lieber den elegiſchen Ton der Alten an und ahmte insbeſondere die erotiſchen Dichter des Au—⸗ guſteiſchen Zeitalter in den anmuthigften Verſen nach. Von dieſer Art find feine „römiſchen Elegien“ dem Properz nachgebildet, reizende, wenn auch etwas freie Schilderungen ber verliebten Abentheuer, mit denen fi der Diäter in Rom ergögt hat.

Der Zahl nad übertreffen die Gelegenheitd- und gehrgetiäte, Epis gramme, wilde und zahme Xenien alle andern Gedichte Göthes. Ste verrathen einen feinen Geſchmack, ein gewähltes Urteil; aber auch viel Selbftgefänigkeit. Sonberli in feinen fpätern Jahren hat Göthe gar gemöhnliche Gedanken mit einer Prätenflon vorgetragen, als ob es Ora⸗ kelſprüche wären.

Die Zenien gab Göthe mit Schiller gemeinfaftlih Heraus, im Jahr 1797. Göthe zog ſich damals den genialen Schiller zurecht. Es tft hier der ſchiclliche Ort, über dad Beiſammenſeyn unferer großen Dichterheroen in Weimar zu reden.

Die Vereinigung von Wieland, Göthe, Schiller und Herber in Wel- mar war fein Zufall. Die Herzogin Amalie, welche fe dahin berief, war der perfonificirte Genius der Zeit, ihre Huld die des Jahrhunderts. Im jenen vier Dichtern culminirten die Hauptrichtungen deutſcher Di» tung. In Wieland die noch vom franzöſiſchen Geſchmack beherrſchte Säule, in Göthe die Natürlichkeit, in Schiller der Sturm und Drang, in Herder der poetiſche Unlverſallsmus. Nur die eigentlie, echte, d. h. zur Vorzeit der Nation zurüdgreifende und chriſtliche Romantit war in Weimar nicht vertreten, ven herrſchenden Beiftern fremd, allen bisheri— gen Geſchmacksrichtungen zugleich entgegengefept. In Weimar feierte bie dem heidniſchen Geift, der chriſtusfeindlichen Philoſophie, dem vaterlands- Iofen Kosmopolitismus, ber rationaliftifgen Schwaͤrmerei für das allge mein Menſchliche und der. Buhlerei mit den Genten aller Zeiten und Böl- ker verfallene Poeſie ihren höchften, aber auch letzten Triumph. Die Kleine

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weiße Hand ber Herzogin Amalie lenkte bie Quadriga des vierfachen Pegaſus, als ob ſie geahnt Hätte, nur ein Weib könne ein Jahrhundert geiſtig beherrſchen, in welchem die deutſche Nation den Nero ihrer Mann» heit verloren hatte. Wenn aber au in einem Sinn einverftanden, waren doch bie vier großen Dichter einander zu ſcharf entgegengefegt, als daß fie ſich perföntih Hätten. eng aneinander fließen können. Nur den jün« geren und leicht zu enthufiasmirenden Schiller fand Göthe gefügig und zugleich feiner großen Popularität wegen wichtig genug, um mit ihm ein Duumvirat zur Beherrſchung des deutſchen Parnaſſes zu fliften. Die Zenien waren eine Revue der damaligen Mobeliteratur und geißelten je— den ſchlechten Dichter mit einem Eleinen Diſtichon, immer witzig, fat im⸗ mer gerecht.

Für die Unterhaltungen des Weimarfhen Hofes ſchrieb Göthe In feiner erften Glanzzeit Kgfelbft Eleinere heitere Stüde und Scherze ber Liebe und Eiferfucht: Laune des Verliebte, Jery und Bätely, die Fiſche- rin, Scherz, Liſt und Rage, die ungleichen Hausgenoffen. Erwin und Elmire ift nach einer engliſchen Romanze in Goldſmiths Bicar bearbeitet. In Claudine von Billa Bella Elingt ein Ton an, mie in Shakeſpeare's Kuftfptelen, aber alles tft geringerer Art, man glaubt den Shakeſpeare von Metaftafto bearbeitet. Lila iſt eine fehr ſchwache Nahahmung.

Lila, die nervenfchwache Gemahlin des Baron von Sternthal, wird nach feiner Abreife fhwermüthig, bildet fi ein, er ſey tobt und wirb ein wenig verrüdt, fo daß fie ihn, obgleich er wieberfommt, gar nicht mehr erfennt und in den Wald flüchtet. Da verabreden die Verwandten eine Comödie, umgeben fie mit Masken von Feen, Zauberern und dergl. und heilen fie, indem fie in ihren Wahnfinn eingehen, nur fo erkennt fie in ihrem Irrſinn den Gatten wieder und erft durch diefes Wiebererfennen wird fie vom Irrſinn geheilt. Das poetifche Motiv, dad Nichtwiedererfennen des wirklichen Geliebten im Schmerz um ben eingebilveten ift aus dem arabiſchen Roman Mebfchnun und Leila entfehnt (daher auch Göthe ſchon den Namen beibehalten und nur die Ges ſchlechter gewechfelt hat). Da das arabiſche Original von Dſchami fo ſchoͤn if, Hätte @öthe diefe Nachahmung unterlaffen Fönnen, \

In Heinen Stücken fpottete Göthe mehrmals über Wieland. So in nGötter, Helden und Wieland“, worin er mit Recht die tiefe Kluft zeigte, die zwiſchen der Wieland'ſchen Auffaffung der Antike und den wirklichen Alten beftehe, und in „Orpheus und Euridice“, einer Parodie von Wie-

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lands Alceſte. Die Eyniker des Natürliäkeit verhöhnte Göthe im „Sa- tyros“, ber die Philiſter erft zur freien Natur Hinaudlodt, fle dann aber durch feine Bocksnatur erſchreckt und ärgert. Der Pietiften lachte @öthe im „Pater Brey“, einem Nachbild des Tartuffe und echtem Mucker; aber auch der ſeichten Rationaliften im „Doctor Bahrdt“. Im „Grof-Eoph- tha“ fpiegelt er die Charlatanerte des Caglioſtro ab, von ber ſich da⸗ mals die Höfe berüden, Legen. Im „Bürgergeneral“ und in „ben Auf- geregten“ macht er bie beutf gen Schwärmer für bie erſte franzoſiſche Re⸗ volution laͤcherlich. Im „Triumph' der Empfindſamkeit“ fpottet er über feinen eigenen Werther. Das Iahrmarkisfeft zu Plundersweiler führt uns ind Tebendige Gewühl eines kleinſtädtiſchen Marktes mit obligatem Theater, auf dem eine Haupt» und Staatdaction aufgeführt wird. Faſt alle diefe Taunigen Stücke erinnern in ber Kürze wie in ben Knittelverfen an Hand Sachs, dem Göthe den Reiz des natog Humord glüdlih abs gelauſcht hat.

Unter ten kleinen Gemälden, welche Göthe in Profa entwarf, ſteht ſein römiſcher Carneval und ſein St. Rochusfeſt zu Bingen oben an. Gar viel Schönes ober wenigſtens zart bon Poefle Angehauchtes findet ſich auch In feinen Schriften über Kunft und Alterthum, über die Bar- bentehre, über die Metamorphofe der Pflanzen, in den Wanderjahren, in Wahrheit und Dichtung aus feinem Leben ı. Aber alle -jeine fpätern Proſaſchriften find pretiös geſchrieben, als nahte Herr von Göthe feldft immer nur in Ehrfurcht und gleichſam zitternd feiner eigenen Gottheit.

In feiner Iegten Zeit wandte fi Göthe au noch der orientalifhen Poeſie zu und fehrieb den „weftöftlihen Diman“, 1819, Eofette Nad- ahmungen ber Liebes⸗ und Weinliever von Haſis, der arabiſch-perſiſchen Liebesgeſchichten von Jufluf und Suleiha und der orlentaliſchen Sprud- vichtung, Hauptfählih angeregt durch v. Hammer Weberfegungen. Im Grunde nur eine Ältliche Wollüftelet. Der alte Herr wollte noch Harems- luft athmen und unter Wohlgerüchen ſterben.

Auguſt Wilhelm Schlegel (ſpäter geadelt), der mit feinem Bru- der Friedrich gemöhnlih zum Haupt ver Momantifer gemacht wird, hängt

. mit der wahren Romantik nur locker zufammen und war vielmehr der Großceremonienmeiſter des poetiſchen Univerſalismus, wie er von Gerber in ber Theorie feftgeftelt, von Göthe praftif ausgeführt wurde. Schle—

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gel Hulbigte den Grkechen, Shakefpeare «und Galberon zugleich, machte fh zum Sklaven einer Franzöſin (Frau von Stasf), ſchrieb in ihrem Dienft franzoöͤſiſch und vertiefte fih zuleht ausſchließlich in indiſchen Stu⸗ dien. Er dichtete wenig Eigenes, ahmte mehr nach und errang fein großes Anfehen nur durch feine zahlreichen Kritiken, feine Geſchichte der drama tiſchen Kumft, feine treffliche Shakeſpeareüberſetzung. Bon feinem antikis firenden Schaufpiel „Ion“ und feinen griechiſchen Balladen war oben ſchon die Rede. Daneben ſchrieb er auch zärtlihe Gedichte, viele An« ſprachen an Freunde und Gönner, eink Menge Sonette auf die berühme teflen Dichter und Künftler, fogar ein Freiheitslled auf Tells Capelle. Den Romantikern näherte er ſich durch feine Gedichte „ber Bund ber Kirche mit den Künften, ber Glaube, bie geiſtlichen Gemälde.“ In den legtern drüdt er in Form von Sonetten den Inhalt und Charakter der ſchönſten Kirchenbilder aus. Auch geſellte er ſich zu den Romantikern in ihrem ſatiriſchen Kampf gegen die Zopfpoeten. Ex ſchrleb eigens eine „Ehren- pforte für Kohebue“ (mogegen Kotzebue ven „hyperboreiſchen Eſel“ ſchrieb). und ein ausgezeichnetes Gedicht, worin er die Manieren von Voß, Mat- thiffen und Feldprediger Schmidt parobirte. Deßhalb griff ihn auch Voß wüthend an ald einen Kryptofatholifen, aber Schlegel erflärte Öffentlich, ex habe die katholiſchen Sympathien feines Bruders Friedrich nie getheilt, und ſey unb bleibe ein Proteftant. Im ihren legten Jahren arbeiteten beide Brüder noch fehr viel für dad Stublum des Sanſkrit und die Ein» führung ber indiſchen Poefle In den Kreis unferer Betrachtung. Frledrich Bouterwed, Profeffor in Göttingen (} 1828), befannt dur eine Geſchichte ver Poeſie und Beredſamkeit in 12 Bänden, war ſelbſt Dichter. Bouterweck ahınte in lyriſchen Gedichten hauptfächlich Tiedge nad, j. B. in feinem Kirchhof, auch ein wenig Matthiſſon und Schlegel in antiliſirenden Sachen, z. B. die Vergötterung des Herkules. Unter an« derem beſang er bie Gefühle eines otaheitiſchen Mädchens am Grabe ihres Geltebten. So welt holte er die Gelegenheit her, fi und Andere zu rühren. Das iſt die Unnatur des poetiſchen Univerfalismus. „Ma— homeds Himmel“ faßte er fentimental auf. In den „Halbbrüdern im Gel- ſterreich“ contraftirt er die wahre Religion mit ihrem Zerrbilde, dem Fa⸗ natismus, d. 5. die Aufklärerei mit der Kirche. In einer düſtern No—

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velle „der Schwur der Liebe“ laͤßt er eine Braut durch ihren erften Lich Haber, dem fle die Treue gebrochen, am Hochzelttage erſchleßen. Ude dieſe Sagen ſtehen in feinen Miscellaneen, Berlin 1792, 2 Baͤnde. Er ſchrieb auch einige philofophife Romane „Paulus Septimlus, oder das legte Geheimniß des Eleuſiniſchen Priefters“ (1795) und „Guſtav und fein Bruder“ (1796); mehr Reflerion als Poefle. Nur der Roman „Graf Donamar“ (1790) erregte Auffehen, obgleich er ohne alle poetiſche Deko- nomie und Klarheit die romantiſchen Effecte durcheinanderwirft

Graf Donamar wird kurz vor-dem fiebenjähtigen Kriege preußiſcher Ritt: meifter. Unterwegs findet er einen umgefürzten Wagen und fieht eine Dame von hoher Schönheit bei, die eine Franzoͤſin if. Bald darauf fommt er im Lager mit St. Julien, einem geheimnipvollen, überaus fhönen und männlichen preußifchen Hufarenoffizier zufammen, fchlägt fih mit ifm und verſoͤhnt ſich. AS gleichgefinnte Seelen werben fie bie innigſten Freunde. In einem Aufr trage des Koönigs nach Berlin geſchickt, wird er dort von einer reigenden Wittwe Laureite von Wallenſtaͤdt umftridt. Schon ganz von ihr verführt, entbedt er, daß fie noch Andere liebt und flieht fi. Noch einmal begegnet ihm auf dem Wege die unbekannte frangöͤſiſche Schöne. Im zweiten Theil erzählt St. Julien feine Geſchichte. Er ift in Spanien geboren, war einmal in Tunis gefangen und SHave, kehrte zurück, entführte eine Nonne und flel der Inquiſition anheim, aus beren Kerfern er mit genauer Noth entrann. Donas mar findet in Berlin in einer glänzenden Gefellfpaft die ſchöne Reifende mit den herrlichen Augen wieder, ed ift ein Fräulein d'Aubrecourt, aber bald ers kennt er in ihr eine verloren gegangene Gefpielin feiner Kindheit, Brancidca von Sternach, wieder. Ihr Begleiter, der Marquis von Creſſi, an ben fie durch einen Eid gebunden ift, lodt Donamar in einen Hinterhalt, aber Donas mar flicht ihm nieder und ſchlägt alle feine Begleiter glüdlih ab, muß aber fliehen vor ben Gerichten. Der verwundete Marquis geht in fih und gibt Francisca ein von ihm verborgened Käftchen mit Kleinoden und läßt fie frei. Auf einmal ergibt ſich, daß Francisca biefelbe Nonne Gabriele if, bie St. Julien einſt geliebt Hat, und um beren Defig ihn der ſchlaue Marquis betrogen, ber jedoch nur Branciscas Schuß, nicht aber ihre Liebe begehrt. Francisca erklärt dem Donamar, fie fönne nie bie Seine werben, da fie ihrem Pedro (St. Julien) nicht untreu werben wolle, obgleich fie ihn für tobt hält. Im dritten Theil fommt Tonamar an einen Fleinen Hof, wo Laurette, bie ihn immer noch liebt, aus Giferfucht und Radje ihm allen flellt und ifn in einen Hochverratho progeß verwidelt. Als die Hinrichtung unvermeidlich geworden, will fie ihm wenigſtens den öffentlichen Tod erfparen und gibt ihm Gift. An feinem Sterbebette erfcheint Ftancisca wieber, erblidt St. Julien, der ſich aud eins gefunden, und ſtirbt vor Alteration. Sie wird mit Donamar begraben.

Die Sturm⸗ und Drangperiobe, 241

Gerh. Anton v. Halem, Regierungsblrector in Oldenburg, ſchrieb fett 1780 und ſchwankte befländig zwiſchen dem claſſiſchen und roman« tiſchen, abend» und morgenländiſchen Geſchmack. Er ſchrieb Idyllen von Amor, Pan, Echo, das Orakel zu Pharä, die Schlange Python, Por⸗ cia, Arria sc. Dann behandelte er wieder altfranzöflfge und ſpaniſche Stoffe aus ben Zeiten der Troubabourd. Drittens ſchrieb er ein Epos von Guſtav Adolf und eine Tragödie von Wallenftein, fogar ein Epos „Jeſus“ und nicht minder kleine Geſchichten von Indianern und Negern. Alles bunt durch einander, aber ohne originellen Geiſt.

Guftav Fülleborn, Profeffor in Breslau, überfegte ven Perſtus und gab mehrere Eleine Sammlungen zur Unterhaltung heraus (Papiere aus Heno's Nachlaß 1792, bunte Blätter, Heine Schriften und ben Breölauer Erzähler), meift Bearbeitungen, aber voll Geiſt und Heiterkeit.

Johann Daniel Kalk aus Danzig, Iebte in Weimar anfangs als ein ſatlriſcher Schriftfteer ohne Genie und Erfolg, befehrte fih dann plötzlich, gründete 1813 eine große Anflalt für verwahrloste Kinder und endete 1826 als ein frommer allgemein verehrter Mann. Seine wenig erheblichen Schriften find:

Die Heiligen Gräber zu Rom, 1796, Taſchenbuch für Freunde des Scherzes und ber Satire 1793—1803, worin das Beſte aus fremden Originalen ents lehnt if, Satiren 1800 und 1804. Prometheus 1803. Amphiſtruo 1804. Irrfahrten des Johann von ber Oſtſee, 1805. Elyſtum und‘ Tartarus 1808, Sämmtliche Werte, 7 Bände 1817; auserlefene Werke, 3 Bände 1819. Buß⸗ fpiegel 1826. B

In feinen Satiren ſchwankt er beftändig zwiſchen Antik und Romane tiſch, Superfein und Poffenhaft, Reim und Profa herum und kann zu kelner Eigenthümlichkeit gelangen. Aug find alle feine Sachen Elein und kurz. Am auögearbeitetften iſt fein Prometheus, dramatiſches Gedicht.

Prometheus Iebt in einer Höhle auf einer Imfel unter den Iepten Kindern, die er belebt hat, denen aber Merkur noch drei Hinzugebfufpt Bat, die als Bhitofopgen, indem fie zur urfprünglichften Natur Jurüdkehren wollen, auf allen Bieren gehen. Da landet ein engliſches Schiff, deſſen Gapitän ſich in eine fhöne Prometheustochter verliebt. Die Philoſophen aber gehen in bie BWerkflätte des Prometheus und beleben vorwißig einige angefangene Statuen. Unter anderen einen Gerberus, beflen brei Köpfe ald Dogmatismus, Idealis⸗ mus und Spinocismus gegen einander reden, und eine Urania, zu welcher ſich

der eine Philofoph wie Pygmalion verhält. Lauter Anklänge von Ideen, ohne Menzel, beutfge Dietung. IL 16 \

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daß irgend eine Grundidee hier energiſch Hervorträte, und einige pifante Sis tuationen, bie aber abgerifien und ohne Zweck baftchen.

Friedrich Rochl itz fammelte in feiner Glycine (1805) verfätedene Dichtungen.

SGiliycine iR der Name einer „irregulären Schmetterlingsblume“. Das Beſte in der Sammlung iſt ein Schaufpiel „die Zwillinge“, verfolgte Königskinder, die durch einen Genius gefchügt werden, nachdem bie Gchwefter biefen Genius aus einer Quelle, in bie er gebannt war, erlöst hat. Des Schah KRosru Zorn und Mifverftänbnig werben überwunden, ber Tönigliche Vater verjühnt. Neber den ſich Wieberfindenden ſchwebt der Genius empor. Gin zwar felte famer Verſuch, Romantit auf den Orient überzutragen, doch mit yiel Wärme geföhrieben. „Chuarbs Papiere” in Profa find viel pretiöfer. Neinhofb, Graf zu Dona, noch unbebeutenber. .

Karl Streckfuß, ein höherer Beamter in Berlin, machte ſich als Ueberfeger des Arioft,, Taffo und Dante berühmt. Seine eigenen Ges dichte (von 1811) find vergefien: wohlklingende, aber ftofflofe Sonette, einige ſchwache Romanzen. Sein Beftes find die Elegien in weichen Di— flihen, ben Götheſchen nachgebildet, worin das Entflehen und Wachen eines zärtlichen Verhaältniſſes nicht ohne Anmuth geſchildert wird. Seine erfte größere Dlötüng war Ruth 1805, dann ltimor und Zemire, beide vol Zärtlichkeit, das Xrauerfplel Maria Belmonte (1807), Kle- mentine Wollmer und mehrere Bänden vol Erzählungen. Sein Roman „Julie von Lindau“ (1811) tft fehr ſchwach und faft kotzebue'ſch.

Zulie bricht die Che, bereut gleidh mach ber That, rennt wie raſend ihrem Buhler davon, daß ihr der Athem vergeht und fält, indem fie einen Ylutflurz befommt, ihrem Gatten zu Füßen. Der Buhler kommt ihr nach. Sterbend geftcht fie ihre Schuld und der Gatte verzeiht beiden mit zarter Rührung.

Dem poetifhen Univerſalismus wurde nad; Herders Vorgang haupt- ſaͤchlich durch Ueberſetzungen geholfen. Ich kann mich hier jedoch nicht auf alle dieſe Arbeiten einlaſſen, ſofern ſte durch folgende immer beſſere wieder verdraͤngt wurden. Dan fuhr fort, die. griechlſchen und rdüiſchen Dichter zu Übertragen. Voß und feine zwel Söhne trieben das Geſchãft fabrtfimäßig, wurden aber Im gegenwärtigen Jahrhundert von vielen ans dern, beſonders von dem fleißigen und gemwanbten Donner erfegt. Ine zwiſchen blieben bis auf diefen Tag doch noch viele Griechen unäberfegt, 3 B. Ronnus. Auch die franzoͤfiſchen und engliſchen Dichtermerke zu

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Überfegen murbe in Deutſchland raftlo® fortgefahten. Aus ver italieniſchen Literatur begann man vorzugömelfe DIE über der Schäferpoefle vergeffenen älteren Dichtungen zu übertragen, ben Dante, Arioſt, Taffo, PBetrarka, Boccaccio, Gozzi ꝛc. And Spanien hatte man früher nur die Amadis- md Schelmenromane entlehnt, und nur einige deutſche Jefulten den Eal« deron benngt. Jeht wurden nad Herders Cid Cervantes, Galberon, Rope be Vega, Camdens sc. überfegt. Damals fon burfte ein gewiſſer Karl Große auf die Brembfucht der deutſchen Leſewelt fperulfren, indem er 1794 unter dem falſchen Namen eines Grafen von Vargas „fpanlſche Novellen“ herausgab, die man mit der größten Begierde Ind, als feyen fle Erzeugniß der ſpantſchen Poefle. Als aber der Betrug entdeckt wurde, warb ber Dichter bald verachtet und vergeffen. Sein Talent war ſehr mittelmäßig. Reichardts Romanenbibliothek gab in mehr als zwanzig Bänden Auszüge aus altromanifhen Dichtungen.

Joſeph von Hammer in Wien öffnete den muhamedaniſchen Orient Huch feine trefflichen Werke über die arabifge, perſiſche und türkiſche Voeſie, durch ausgezeichnete Ueberfegungen (insbeſondere der perſiſchen Schirin 1809) sc., ſchrieb aber auch eigne Gedichte, z. B. „Italia“, 101 Städten (1830). Seine erſte vergeſſene Dichtung war „Die Befreiung von Akri“ mit Noten. Spät ſchrieb er noch vie romanhafte Geſchichte eines großen Hexenprozeſſes „Die Gallerin auf der Riegersburg“ 1845. Neben Hammer wirkte Hartmann vorzüglich für Uebertragung morgen- ländiſcher Ditungen und Habiht gab zum erftenmal die ganze 1001 Nacht heraus. Die mongotiſche Mythologie und Maͤrchenwelt enthüllten zuerſt Palas, I. I. Schwidt, Bergmann. Slaviſche Vollslieber und Märchen, auch ungariſche, finntföge ı., enbli Lieder und Märchen ſogar der Wilden wurden als etwas Neuss und Seltſames verbreitet.

Die reichſte Ausbeute für die Poefte, wie für bie Philofophie fand man bei ven Indern. Das Studium des Indiſchen war von den Eng« ländern begonnen worden, fanb aber balb feine fleißigften Körberer in Deutfhland, wo jeht faft jede Univerfität einen Lehrſtuhl des Indiſchen aufzägtt. Außer den Schlegeln erwarben ſich Hier dad größte Vervienft Bopp, Laffen, Brockhaus, Holgmann, Höfer sc. Das altperfiiche Gel denbuch von Iran Übertrugen Görres und v. Schack.

Der einfache Hummismus verhielt ſich zum voten Univerfaltte

16°

244 Zehntes Buch.

mus wie dad Licht zum Regenbogen, Der Menſch an fi) war doch gar zu abſtrakt, das BVebürfniß trieb dazu, ihn in allen Speclalitäten der Race, der climatifchen Bebingung und ber hiſtoriſchen Entwicklung aufzufafen und wo möglich in allen diefen Situationen zu Heben. Das war aber nicht die Menſchenliebe, melde das chriſtliche Gebot verlangt, fonbern im Gegentheil der Rüdfal aus dem Chriſtenthum in die Heid» niſche Anſchauung, denn weit entfernt, die Race von Ihrem niebern Standpunkt auf einen höheren zu heben, fie zu befehren und zu heiligen ſuchte man eben nur ihre fpesififche Unart feftzuhalten, Am Ende [wand auch das humaniſtiſche Intereffe. Man ſuchte nicht mehr das Reinmenſch- liche bei allen Racen und Völkern, ſondern gerade das Verſchiedenartige in ber Phyflognomie, im Charakter und Coſtume. Es entfland ein Wett- eifer, wie bei einem römlſchen .Carneval, durch neue und immer wech⸗ felnde Erſcheinungen die Aufmerkfamkett auf fi zu locken. Was Göthe aus Dirtuofeneitelkeit gethan, um fein Talent gleichſam auf allen In» firumenten fpielen und glänzen zu laſſen, das wieverholte nachher die Uterariſche Induſtrie und lieferte fabritmäßig antike und romantiſche, philiſterhafte und idealiſtiſche, franzöſiſche, engliſche, italleniſche, ſpa⸗ niſche, nordiſche, ſlaviſche, muhamedaniſche, indiſche, chineſiſche, ameri⸗ kaniſche Poefle wie in einem wohlaſſortitten Waarenlager. \ Nach Leſſings widrigem Vorgange/ als der zuerft einen Juben zum Ideal der Humanität erhoben (im Nathan), wurben bald alle möglichen Heiden, Türken, Mohren, Mulatten, Wilde, Mäuber ıc. gleichfalls dazu erhoben. Die edle weiße und chriſtliche Race war freilih ent- artet genug, allein es ziemte ſich doch nicht, daß fie ſich an bie Barbi- gen wegwarf. In Gellerts Inkle und Dariko war bie nievere Race doch nur als das unſchuldige Opfer‘ der höheren Race (der Engländer verkauft nãmlich hier eine Wilde, feine Lebensretterin, als SHavin) bezeichnet worden. Uber der oben fehon genannte v. Neffeltone, ver 1778 fein Nührfpiel „Zamor und Soraide“ vor dem Herzog Karl von Württems berg aufführen Heß, fehilbert die Neger als fo vortrefflige und an Tu⸗ gend den Weißen überlegene Menſchen, daß er mit ver Phraſe ſchließt, „die Neger hätten weiße, die Europäer ſchwarze Seelen.“ Die Gefner- fen Unſchuldsldeale wurden jept auf Wilde übertragen, auf Kogebue's Gurlis und Koras. Mit den Ständen verhielt es fi eben fo. Während

Die Sturm⸗ und Drangperiode. 245

Könige, Priefter, Adel umd ſelbſt der Bürgerftand mit gehäfftgen Karben geſchlldert ober lächerlich gemacht wurben, erhob_man dagegen Mäuber, Hehelfrämer sc. zu Idealen.

5. Die ſittliche Erſtarkung.

Unter allen ſeit der Herrſchaft der Renaiſſance und des franzoͤſiſchen Geſchmacks verlorenen Gütern der Nation mar Feines in ber deutſchen Dichtung fo lange vermißt worben, wie der fittliche Adel, das ritterliche Ehrgefühl. Man war zur Natürlichkeit zurückgekehrt, man hatte fi auch im Geift gefräftigt, aber viel Tänger ließen das fittlide Erzürnen, das Erröthen ver wiebergebornen Unſchuld, die Donnerftiimme des erwachten Gewifjens, die volle Ermannung der Nation in ihren ebelften Vertretern auf fi warten.

Juſtus Möfer in Odnabrüd war einer ber erſten, welcher, ruhig aber feft, die verberbte Neuzeit zum erftienmal wieder mit ven gefunden Augen eines alten Cheruskers anfah und in feinen unfterblichen „patrios tiſchen Phantaſien“ das lebende Geſchlecht mahnte, möglift zur guten alten Natur, Sitte und Praris zurüczufehren. Auch in einem XTrauer- ſpiel „Arminius“ von 1749 friſchte er bie Vaterlandsliebe wieder auf, von der einft Lohenſtein befeelt geweſen war.

Diefes Stüc enthält troh der langweiligen Alexandriner, in denen es noch gefehrieben it, viel Schönes und befonders iſt der Charakter des boͤſen Segeſt gut durchgefahrt.

Ohne dieſes jegt vergeffene Stück würde Klopftod ſchwerlich feine Hermannſchlacht (1769) gefäärteben Haben.

Nicht lange nad Möfer erhob ſich auch eine vaterländifhe Stimme in Schwaben. Unter allen deutſchen Stämmen Hat ber ſchwäbiſche in feinem öffentlichen Leben am meiſten von dem alten Rechtsſinn und von verfafjungsmäßiger Medefreiheit bewahrt, denn bie württembergifhe Ver⸗ faffung {ft vierhundert Jahre alt. Hier Hatte ſchon Friſchlin in latelniſcher Sprache für Bürger und Bauern gegen ben Abel geeifert. Bon hier aus erhoben fi au im 18. Jahrhundert berebte Stimmen gegen den fürft«

246 . Zehntes Bud.

Ligen Defpottsmus. Friedrich Karl v. Moſer (nit zu verwechſeln mit feinem Vater Jakob, dem wackern Vertheidiger der ſtändiſchen Rechte in Württemberg, der dafür in ben Kerker Fam und eine Menge frommer Lieder dichtete), fand in darmſtaͤdtiſchem Staatöbienft, aus dem er fpäter in Ungnade entlaffen murbe, gewann aber zuleßt feinen Prozeß mit dem Fürften vor dem Reichskammergericht. Bon ihm find erhalten „Der Herr und Diener“ von 1763, ein politifher Nomen, worin er das Ideal eines guten Pürften aufftelt, und „Doctor Leldemit“, fragmentarifhe und aphoriſtiſche Betrachtungen über Welt und Menſchen, nicht ohne Geiſt. Auch feine „politifehen Kabeln“ find nit fo ſchlecht, wie Gervinus glaubt. Etwas feltfam iſt fein „Daniel in der Löwengrube“, ein Heldengedicht in poetiſcher Profa. Der hereliche allbefannte Stoff Hat durch dad fenti= mentale Pathos des Gedichts nicht? gewonnen. Noch viel Intereffanter und berühmter war Schubart.

Ehriftian Friedrich Daniel Shubart, unter dem Eunftliehenden Herzog Karl von Württemberg Muſikdirector, machte ſich durch feine Freimüthigkeit und bittere Kritik Feinde und verfiel im Umgang mit ven welſchen Sängern des Herzogs in koloſſale Lüderlichkeit und Freigeiſterei. Die Lüderlichkeit brachte ihn ind Gefängnif. Kaum wieder frei, mußte er wegen eines Spottgebichts flüchten, 1772. Er irrte num lange umber, da feine ſchlimmen Sitten und fein übler Auf ihn überall wieder vertrieben, von Heilbronn, Heidelberg, Mannheim, Würzburg, Münden. In Augs« burg fand er endlich einen Plat als Zeitungsſchreiber und gab bie „Deutſche Chronik“ heraus (1774—1777, fortgefegt erft 1787—1791). Diefes merkwürdige Blatt tft der Prototyp aller fpäteren deutſchen Oppoſitions⸗ blaͤtter. Es war politif liberal, vertheibigte dad Reinmenſchliche gegen- über dem Beftehenden, verlangte Abſchaffung der Prügelfirafe sc. End» lich war er für alle leidenden Völker intereffirt, in welchem Sinn die Deutfpe Chronik fogar wagte, bie Polen bei der erften Theilung ihres Relchs zu beklagen und in Schuß zu nehmen. Neben fo eveln, ja erha= benen Stellen bietet die Chronik aber auch viel feichte Aufklärer. Bon Augdburg vertrieben floh er nad Ulm, wäre unterwegs aber beinah von den katholiſchen Bauern todt gefehlagen worden, da er bie katholiſche Geiſtlichkeit durch feine Angriffe gereizt Hatte. Aber · auch in Ulm blieb er nicht lange. Herzog Karl ließ ihn aus ver Stabt locken, feſt nehmen

Die Sturm» und Drangberiode. 247

umd auf ben Afperg führen, 1777. Man glaubte, ein berüdtigtes Epi⸗ gramm ſey die Veranlaffung geweſen. Als naͤmlich ber Herzog 1770 die - hohe Karsſchule in Stuttgart ftiftete, ſchrieb Schubart:

AS Dionys aufhörte ein Tyrann zu ſeyn,

Da ward er ein Schulmeifterlein.

Allein der Herzog, der gegen Schubarts treue und edle Gattin gnädig war und fpäter auch ihn felbft wieder zu Gnaden annahm, hat ihn nur befiern wollen. Schubart blieb ein Jahr in einem fehr dunkeln und rauhen Kerker und durfte fi mit nichts beſchäftigen als mit geiftlihen Dingen. Dann erft brachte man ihn in ein lichteres Zimmer und unter die andern Gefangenen, deren Elend ihn vollends zerknirſchen follte. Das gelang denn au fo weit, daß er von dem Gonfiftortum, meldes ihn früher feiner Gotteöleugnerei wegen excommunicirt hatte, bie Grade erflehte, wieder zum heiligen Abendmahl zugelaffen zu werden. Auch machte er viele geiſtliche Gedichte. Im Jahr 1785 ließ man auf Frau und Kinder zu ihm, um ben durch Religion Gezähmten nun dur die Bamiliens gefühle zu fefleln und als der Herzog glaubte, fein pädagogiſches Meifter- Rüd an ihm gemacht zu haben, ließ er ihn 1787 nicht nur wieber Heraus, fondern kündigte ihm aud feine Befreiung felber an. Der Gebefferte wurde num Theaterbirector in Stuttgart und gab aud die Chronik wieder heraus, natürlich nicht mehr im alten Geiſt, ſtarb aber ſchon 1791.

Es war wohl ein gewaltig braufender Geift in diefem unreinen Ge- fäß, und da alle zufammenwirkte, um ihn zu ſchwächen und zu ermatten, fo muß man fih nur wundern, wenigſtens in einzelnen Strahlen ihn noch in fo feuriger Reinheit zu finden. Seine gejammelten Gedichte bil- den ein wunderliches Durcheinander von frommen geiftlichen und von wilden kecken Trog- und Freiheitsliedern und von Gelegenheitsgedichten, "bie er als Hofpoet zu machen hatte.

* Unter den Gedichten, in denen er ganz feine Eigenheit ausſprach, find am merkwürdigſten die berühmte „Bürftengeuft“: . Da liegen fie die Rolgen Fürſtentrümmer ıc. Noch befier „Deutfche Freiheit“:

Da lüpfe mir, Heilige Breifeit, . Die Hirrende Feflel am Arm ı.

248 gehnles Bud.

Die Erinnerung an feinen Lelvensbruber Friſchlin: Wo liegt Friſchlin, der Bruder meines Geiſtes?

Dann das berühmte Abſchiedslied der vom Herzog Karl an die Hol»

Yänber verkauften Solbaten oder dad „Kaplied“: . Auf, auf ihr Brüder und ſeyd ſtark.

Der wilde Naturſchrei in feinen Liedern muß und mit der moraliſchen Verſunkenheit verfühnen, in die er hineingerieth, ein trauriges Opfer feiner Zeit, in ver ſich die beffere Natur wenigſtens wehrte. Er hat den größten Einfluß auf Schiller geübt.

Der blinde, aber als Lehrer zu Colmar im Elſaß unermüblih bis ins Hohe Alter thätige Gottlieb Conrad Pfeffer (+ 1809) fteht feit 41761 als Dichter zwiſchen Gellert und Schubart. Seine Fabeln und Erzählungen, wontt er 10 Bände gefüllt, find alle in der Form ben Gellert'ſchen Ähnlich, doch in der politiſchen Frelmüthigkeit reiht er nahe an Schubart. Bon Gleim, Claudius ꝛc. entlehnte er ben ſcherzhaften Modeton, wonach damals vor die antiken Götter englifhe Titulaturen gefegt wurden, Miß Hebe ıc.

Rüßrend if fein Minnelied zweiet Blinbgeborner „wir allen nie, weil wir und nicht fehen können.“ Berühmt ift fein Lied von ber Tabaföpfeife des alten Invaliden. Das Lied „ber freie Many“ if, obwohl pedantiſch, doch ein Vorbild unzäbliger Freiheitslieder geworben,

Ber ift ein freier Mann?

Der, dem nur eigner Wille

Und feines Zwingherrn Grille . Geſehe geben kann; Der iſt ein freier Mann ꝛc.

- Das „Lied eines Negerfklaven“ ift ein Hohn über bie deutſchen Fürſten, die ihre Untertanen nach Amerika verkauften, einem Neger in den Mund ges legt, ber fih über die „weißen“ SHaven freut. Bon fo vielen Babeln Hier: nur einige politiſche. Apis, ein Ochſe in Aegypten als Gott verehrt. Nicht zu verivundern, ſolche Ochſen werben heute noch vergöttert, auf Thronen. Das Golflüd. Ein Knabe findet ein Goldſtück, ein alter Jude erflärt es aus Neid für falſch und der Knabe wirft es weg. Gine treffliche, gegen Leffing gerichtete Babel. .

Ihr raubt den Chriften Ein Gut, das euch nicht nupen Fann. Gelehrte Herrn Fragmentenſchreiber, O werbet lieber Strafenräuber!

Die Eturme und Drangperiobe. 29

Der Glephant pflegt in der Gefangenfchaft nie ber Liebe, meil er Feine Stlaven zeugen wil. Der Stier macht noch unmittelbar in dem Schlacht⸗ hauſe feinen Rang vor dem’ Schops geltend. Cine Kreatur erhält von Jupiter die Gabe, ganz Menſch oder ganz Pferd zu werben. Nachdem er einige Zeit Menſch gewefen, wirb ex lieber Pferb, denn als Pferd wird er doch nur von Ginem, ald Menſch von Jedermann geritten. Ignorantia wirb ſchwanger und gebärt ein Wunderlind, bie „Meinung“, das aber I der Taufe ben Namen „Wahrheit” empfängt.

Auch ein gewiffer Bifher gab 1796 zu Königäberg polltiſche Fa⸗ bein heraus von ziemlich ähnlicher Art.

Seit Haller die Schweizer gepriefen und Klopfto an die Germann- ſchlacht erinnert, Hatten die Dichter öfter den Natlonalftolz wieberaufzu- zufen angefangen, was aber nicht recht Beuer fangen wollte, da ber deutſche Michel zu tief ſchlief oder fi in der claſſiſchen und franzöͤſiſchen Mode zu wohl gefiel Die Schweizer rührten ſich am meiften. Zwei‘ Luzerner, Ignaz Zimmermann und ber Erjefult Erauer ſchrieben vatriotiſche Schaufpiele, der erfte feit 1777 einen Tell und eine Schlacht bet Sempach, der andere feit 1778 einen Berthold von Zähringen, Kalfer Albrechts Tod und einen Oberſt Pfeyffer, dazu ſchrieb Ambühl vom Battwil 1779 einen Schwelgerbund und 1752 no einen Tel, Müller Friedberg von Stäfels 1781 eine Schlacht bei Morgarten. Alles vergeflene Gedichte, die aber das Vaterlandögefühl genährt haben.

Frledrich Shiller, 1759 zu Marbach geboren, bildete fi auf der hohen Karlöfhule in Stuttgart zum Megimentsarzt aus, durchbrach aber ſchon ald Schüler bie doppelten Schranken, welche ihn einengten. Je tyrannifger fein Herzog Karl veglerte, um fo mäßtiger empörte ſich in dem jungen Genius das Freißeltögefühl, und je verborbener bie Sitten des Hofes und der Schule ſelbſt waren, um fo unwlderſtehlicher trieb es ihn aus biefem Emm zum fittlihen Focal Hin. Zum erfien- mal regte fi ihm unbewußt die uralte Sigfritönatur. Hohe Geflalten- reiner ebler Helvenfünglinge f&mebten ihm vor. Er Eonnte fie aber mur in grellem Gegenſatz gegen bie Wirtlichteit des modernen Lebens auffaflen. So entſtanden ſeine erſten Zraue riele, tie noch in Proſa geſchrieben fint.

In ben „Räubern“, gerrudt 1781, tie er noch als Karlsſchüler ſchrieb, iſt Karl Moor ein unbewußter Sigfrid, das nie vwerjähtende Joral eines deutſchen Keltenjünglings, firegend von Kraft, wald fühle

250 Zehntes Bud.

er eine Armee in feiner Fauſt“, und unſchuldig, unbefangen, treuberzig, Hingebend. Darin, daß Schiller ihn durch die Verhältniffe dahin gebracht werden läßt, ein Mäuber zu werben, Hegt eine tiefe Symbolit. Der Sinn tft, die Nation tft phyſtſch und moralif fo verkommen, daß ihr beſter Sohn feinen Plag mehr in ihr findet ober die fehlechtefte Role in ihr übernehmen muß. Das begriff auch die Jugend der Natton mit wun« verbarer Schnelligkeit und was man auch über bie Verwilderung und Karikitung in diefem erften Werke Schillers mit Recht fagen mochte, es wurde mit rauſchender Begeifterung begrüßt.

In „Kabale und Liebe“ (1784) hatte der junge Held fi über- raſchend ſchnell verfeinert, ohne: von feiner Kraft nachzulaſſen. Hochge⸗ bildet und hochgeehrt, Günftling des Fürſten und Sohn des allvermögen- ven Minifters, war doch. Ferdinand von Walter wieder nur jene uralte

"und ewig junge Sigfridsnatur, indem er der Perfonificirung aller der Nation angefünftelten Schande zurief: ih verwerfe dich, ein beytfcher Jüngling! Schiller aber fühlte auch Hier wieber, wie fremd biefer uralte ſittliche Adel der Zeit geworben war und fo mußte fein Held und deſſen lilienreine Geliebte tragifä untergehen. Dieſes tief rührende Trauerfpiel bat nicht mehr den phantaftifhen Anſtrich Her Räuber. Er ſchildert die Menſchen und die Verhältniffe ganz fo, wie fle zu jener Zeit waren, wirft aber ein Schlagliht von brennendem Glanze hinein, wie einen Strahl aus der reinen Region ewiger Unſchuld.

„Fiesco“ (fon von 1783) tft mit jenen erften großen Dichtungen hit mehr zu vergleichen. Der Held ift nicht rein, nicht deutſch genug. Aber es liegt etwas. Prophetifches in feinem Schiefal. Die Auffaffung iſt welthiſtoriſch. Das Gerite, will der Dichter fagen, vermag mit al feiner Gäfargröße oder Alclbiadedliebenswürdigkeit doch nichts gegen das ewige Recht der. Völker.

. Seine fpäteren Trauerfptele ſchricb Schiler in Jamben, und in diefen, wie in feinen lyriſchen Dichtungen tritt eine ganz neue glänzende Seite des Dichters hervor, nämlich feine hinrelßende, pindariſche Bered⸗ ſamkeit im muſikaliſchen Rhythmus, einSchwung der Begelſterung, wie ihn vor ihm mod Fein deutſcher Dichter beſaß. Auf der’ Woge des Wohllauts ſcheint ſich unferem Ohr ein Schwan zu wiegen und plößzlich verwandelt er fi vor unferem Geiſt in einen bilgtragenden Adler, denn

Die Sturm⸗ und Drangperiode. 251

bie Gedanken find Hier noch mächtiger, als das Wort. Aber wir ver« lleren in dlefem prächtigen Strom von Rlang und Geift das urſprüngliche BD des jungen Dichters. Man Hat biefe feine Wandlung fo bezeichnen zu müffen geglaubt, als ſey (namentlih unter dem Einfluß Göthe's in Weimar, wohin Schiller berufen wurde) die in ihm „gefättigte Kraft zur Arimuth zurüdgefehrt“. Aber das iſt Fein Lob. An Anmuth Hat es ſchon vor Schiller der deutſchen Dichtung nicht gefehlt, wohl aber fehr an Kraft. 8 läßt fi nicht Teugnen, fein Wohlgefallen an ber poetis ſchen Beredſamkelt als folder, befonderd an ben fogenannten ſchönen Stellen, an majeſtätiſchen Sentenzen, am Doctrinären, an ber philoſophi⸗ Then Betrachtungsweiſe hat feiner Erfindungsfraft Eintrag gethan. Die urfprüngliche Kraft ift in den Charakteren feiner fpätern Trauerſpiele nicht mehr fo naturwahr zufammengebrängt, wie in ben Altern, fie Löst ſich zu fehr in der ſchönen Rede auf. Unverbrüdli treu aber bleibt der Dichter feinem fittliden Ideale, und das erhebt ihn über alle Dichter feiner Zeit. Die deutſche Jugend hat von Schiller edel fühlen und bens Ten gelernt, die Nation hat an ihm nur Ehre erlebt, ihre eigne uralte Ehre in ihm wieder gefunden.

Im „Don Carlos“, dem berühmten Trauerfpiel, welches Schiller zuerſt in Profa, dann in Jamben ſchrieb, Handelt es fidh, wie im Flesco um das ewige Recht der Völker gegenüber ven Herrſchern.

König Philipp IT. von Spanien Hat Cliſabeth, die frühere Geliebte feines Sohnes Don Earlos, geheirathet, und iſt bephalb eiferfüchtig auf biefen feinen Sohn, weil berfelbe für bie empörten Niederländer Sympathien hegt. Gin Maltpeferritter, Marquis Poſa, des Don Earlos Freund, wagt e8, bem König felbft die gerechte Sache der Völker ans Herz zu legen, Philipp aber läßt ben Marquis erfchießen und Don Garlos heimlich hinrichten. Als Cpiſode iſt eins geflochten die ſchwaͤrmeriſche Liebe der Brinzeffin Cboli zu Don Carlos, während fle zugleich des Könige Maitreffe ift.

Poſa tft das Urbild de3 modernen Liberalismus, der au aus feinen Neben eine Menge Sentenzen gefchöpft Hat, durchaus ehrlich und edel,

* aber unpraktifeh, ſchwärmeriſch unb ein wenig ſchwatzhaft und eitel.

„Wallenſtein“, eine Trilogie won einem comiſchen Vorſpiel und zwei Trauerfpielen, tft reich an Schönheiten der Charaktere, wie der Gedan⸗ Ten und Sprache, aber ver Hauptcharakter verfehlt.

Das Vorſpiel „Wallenfteins Lager“ if ein hoöͤchſt lebendiges und treues

252 Zehntes Buch.

Bild. Im den folgenpen ernflen Gtüden fehen wir ben großen Feldherrn kurz ‚vor feinem Ende im Zweifel, welchen Weg er einſchlagen foll? Der Bedaͤch⸗ tige läßt ſich von feiner feurigen Schwefter, der Gräfin Terzky, Hinteißen und " fällt dem Derrathe zum Opfer. Des Hauptverräthers Dftavio Piccolomini Sohn Mar liebt Wallenfeins Tochter Thekla und fällt in der Schlacht.

Der wahre Wallenftein war ein verfäloffener Charakter, ſprach fehr wenig, vertraute fi niemand, Schiller läßt ihr geſchwätzig und fogar gemüthlih fegn. Die äußere Pracht der Scenerie und Sprache deckt dieſe Hauptſchwaͤche des Stücks nit zu.

Die „Jungfrau von Orleans“ iſt Schillers brillanteſte Dichtung..

Jeanne d’Arc, unterm Zauberbaum dazu begeiftert, wagt fi) als arme Schäferin ind Lager der von ben Engländern befiegten Branzofen, führt bie lebieren raſch wieder zum Siege und ſeht ben rechtmäßigen König Karl VIL. auf den Thron feiner Väter. Als fie ſich aber in den ſchönen Engländer Lionel in dem Augenblid verliebt, in dem fie ihn töbten will, verliert fie das Vertrauen zu ſich felbft, wird von ihrem Vater als Hexe angeflagt und folgt einem Hirten, ben fie einft geliebt, in bie Verbannung. Als fie aber von ven Engländern gefangen wird und Lionel fie um Liebe beſchwört, erfaßt fie ber göttliche Geift von neuem, fie zerreißt ihre Ketten und fällt im Kampf. Der fiegende König der Branzofen Iäßt ihre Leiche mit allen Bahnen feines Heeres bebeden.

Die heilige Begeifterung für das Vaterland, die ſchöne Amazone, die hinreißende Gewalt in Schillers Verſen, alles vereinigte ſich, um die⸗ fem Trauerfpiel den glängenbften Erfolg zu figern. Dan rühmte Deutfeh- land, daß Hier jene herrliche Jungfrau, die in Frankreich durch Voltaire's Pucelle in. den tiefften Staub und Schmuß begraben worben, wieder ver⸗ herrlicht worben ſey. Und doch war es ein Fehler Schillers, der Junge ı frau die Schwäche anzudichten, von welder die Geſchichte nichts weiß. Es xbleibt gewiß merkwürdig, daß felbft Schiller die Strenge und Gon« fequenz glaubensſtarker Charaktere des Mittelalters nicht zu faſſen ver- mochte und ihnen Heine Menſchlichkeiten zutrauen mußte.

„Maria Stuart“ ift von Schiller als leidende und mitleibswerthe Gefangene aufgefaßt worben und ihre früheren Sünden hat er verſchleiert, um fie zu einem fo reinen Opfer als möglich zu machen. Da ohnehin nit "viel Handlung In dem Stüd feyn Konnte, herrſcht ber elegiſche Klageton vor. .

Wilhelm Ze“ ergreift (wieder weit mehr umb erhebt fi auf bie

Die Sturm» und Drangperiobe. 253

Höhe der Jungfrau von Orleans. Auch Hier handelt es ſich darum, das Baterland von fremder Tyrannei zü- befreien. Im Allgemeinen folgt Schiller der Chronik von Tſchudi und ſchlldert die Alpen und die Män- ner der Urcantone mit bewundernswürdiger Friſche und Lebendigkeit. Seine Sprache iſt Hinreißend wie immer. Die Neben, aus denen ber Liberalismus feine Tendenzen ſchoͤpft, fließen bier wieber reichlich. Aber Tell ſelbſt iſt nicht der nalve Sohn der Berge, ber er ſeyn follte, ſondern zefleetirt viel zu viel und iſt infofern verfehlt, wie Ballenftein,

Die „Braut von Meffina“ ift Schillers ſprachlich vollendetſtes Werk, ein bloßes Kunftflüd, ein mißrathener Verſuch, die deutſche Bühne zur alt- griechiſchen umzuwandeln und die antiken Chöre wieberherzuftellen. Dazu tft der Inhalt abſchreckend widrig. Zwei Brüder befämpfen fi auf Tob und Leben um ven Beflg des Mädchens, das fie zulegt ald ihre eigene Schweſter erkennen. Xrog alledem aber iſt dieſes Stück ein einziger Ian» ger Strom von muſikaliſcher Rede, von fhönen Stellen, herrlicher Lyrik und Gnomik, in ver That wettelfernd mit den Ehören ver alten Tragi— ter ober mit den Oben des Pindar.

Schillers Neberfegungen des Macbeth (nah Shafefpeare) und der Zurandot (nad Gozzi), der Phädra (nah Racine), des Parafiten und Neffen als Onkel (nad dem Franzöſiſchen) will id nur eben erwähnen. Bier Stüde hat er angelegt, ohne fie außzuführen, den falſchen Deme- trius (aus der ruſſtſchen), Warbeck (aus der engliſchen Geſchichte), die Malthefer (aus der Geſchichte des Ordens), die Kinder des Haufes (ein altfranzoͤſiſcher Criminalprozeß). Ste würden, wären fie auch vollendet, ſchwerlich einen Fortſchritt des Dichters bezeichnen, der ſchon viel Größe⸗ res geſchaffen hatte.

Schillers lyriſche Gedichte und Balladen Halten den ernſten Grund«- ton feiner Trauerfptele ein und mettelfern mit den „fehönen Stellen“ der⸗ ſelben im Feuer der Begeiſterung und im Wohllaut. Die Natur tritt Hier zurück oder bildet nur den landſchaftlichen Hintergrund. Der Menfh mit feinen Idealen, oder wenigſtens mit feinen feurigen Leidenſchaften ſteht immer im Vordergrunde. Schillers Liebeslleder, die berühmten Lie der an Laura, von Amalia „Ihön wie Engel vol Walhallas Wonne“, der Triumph der Liebe, „Selig durch Die Liebe, Götter, durch bie Liebe“, Hektors berühmter Abſchied sr. gemahnen und alle wie feine „Semele“,

254 Zehnted Bud.

denn immer iſt es ein Bott, ver ben geliebten Gegenſtand mit feinem Blitz umhüllt und in Flammen verzehren will. In ben gefelligen Lie- dern ſtrebt Schiller die Flamme feines Bufend über die ganze Tafelrunde auszubreften, aber in biefen poetiſchen Toaften fteigert er ſich ſelbſt zu fehr. _ Die Beredfamkeit wird ſchwülſtig. So In dem berühmten Liede an die Freude, deſſen Ueberſchwenglichkeiten von Jean Paul mit feiner Ironie erörtert worden find.

Zu den herrliäften Schöpfungen Schillers gehören feine gehfreiien Balladen. Leider find nur wenige darunter der vaterländifchen Vorzeit entnommen, wie Eberhard der Greiner, der Graf von Habsburg; aber dem ritterlichen und romantifhen Kreiſe, wie der Gang nach dem Eiſen⸗ Hammer, der Taucher, der Kampf mit dem Drachen, ver Handſchuh, Mit- ter Toggenburg ; einige auch dem modernen Xeben, wie die Kinbesmörbes rin und bie wundervolle Mädchenklage „ber Eichwald braufet, vie Wolfen ziehn“, mit einem ftarfen Anklang an die altenglifche Ballade. Die meis ſten und ſchönſten Dichtungen dieſer Art widmete Schiffer antiken Stoffen, die wir oben fon Eennen lernten.

Schüler Hatte immer etwas Pathetiſches, daher ſeine vielen Lehrge⸗ dichte und philoſophirenden Proſaſchriften. Am meiften echte Ppeſie liegt in feinen kleinen Lehrgedichten, welche Kabeln und Parabeln gleichen, 3 B. die Thellung der Erde, das Mädchen aus der Fremde, das ver- fleterte Bild zu Sais. Dagegen macht ſich die Lehrhaftigkeit als folge zu breit in ‘den größeren Dichtungen: die Ideale, das Ideal und das Leben, die Künftler, der Spaziergang, Winde ver Frauen, das Lieb non der Glocke. Die Sprache in allen dieſen Gedichten tft prachtvoll, der Gedanke glänzend, der Sinn nicht felten tief, aber es iſt doch ur Lehre und Berebfamfelt in poetifhem Gewande, es ift nicht Poeſte felbft und alkein. Diefe Bemerkung Hält und jedoch nicht ab, in der Glocke dad größte befannte Meiſterwerk der Togenannten didaltiſchen Poefie zu er⸗ kennen.

Unter Schillers proſaiſchen Dichtungen iſt der Geiſterſeher die bes deutendſte. Es erſchien davon nur der erfle Band, 1789.

Ein Graf von D. lernt in Benebig einen deutſchen Prinzen fennen. Zur Carnevalszeit ſihen fie einmal beifammen, ald die Maske eines Armeniers ſich “ihnen gegenüberfeßt und bie Uhr ziehend ausruft: , Wanſchen Sie ſich Glich

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Being, um 9 Uhr iſt er geftorben.“ Mach einiger Zeit erfährt der Prinz durch einen Trauerbrief, der Erbprinz feines Landes ſey geforben, genan wm 9 Uhr an jenem Tage. Nun ift nur noch ein Thronerbe vor ihm übrig. Der Prinz wird von einem Gicilianer, einem Gaufler, ins Meß gezogen, ber ihm den Geift eines Freundes erfcheinen läßt, um von ihm ein Geheimnig zu ‘erfahren. Raum aber ift der ſalſche Geift aufgetreten, als er durch den wahren verbrängt wird, fo wie ber Betrüger felbft durch ben Armenier, ber aber ben wirklichen Geift beſchworen hat. Dadurch wird num ber Prinz immer mehr von ber geheimmißvollen Macht des Armeniers überzeugt. Bald daranf wird er raſend verliebt in eine wunderſchoͤne Griechin, die für ein Kind der Liebe eines Fürften ausgegeben wirb, Fommt dadurch in Gefahr, wird zugleich won Seiner Schwefter daheim, bie ihn Bisher mit Gelb unterflügt, verlaflen und iſt in größter Noth, als ihn ber Armenier abermalg rettet, um einen Preis, ber am Schlufle nur kurz erwähnt if. Der Prinz ift nämlich katholiſch geworben. Die ganze Intrigue hatte feinen andern Zwed.

In den folgenden Teilen ſollte wahrſcheinlich der Prinz einen Flei- nen deutſchen Thron beſteigen. Es iſt aber mehr als wahrſcheinlich, daß Schiller an den Herzog Karl Alexander von Württemberg gedacht hat, der in Venedig katholiſch wurde und {m Anfang des vorigen Jahrhun⸗ derts das proteſtantiſche Land erbte. Nur daß Schiller die Geſchichte mehr mobernifirt hat. Der Roman murbe aldbald von mehreren Andern fortgefeßt, one Geiſt. Schiller ſelbſt Hat mit Recht die undankbare Ar- bet, mit der er in einem-Augenblid der Noth dem Modegeſchmack ſchmei- chelte fallen laſſen. Au jeine Eleinen Erzählungen „ber Verbrecher aus verlorner Ehre“ und „Spiel des Schickſals“ hätte ein Geringerer fehret- ben innen. . .

Schiller ſchrieb aud größere Geſchichtswerke, eine Darftellung des Abfalls der Niederlande und des dreißigiährigen Kriegs, beide Meifter- werke in Styl und Behandlung, aber aus unzulänglichen, zum Theil trü- ben Quellen geſchöpft, daher dem Sachinhalt nad) gar nicht zu brauchen. Die zahlreichen Abhgndlungen fodann, in welchen Schiller über bie äfthe- tiſche Erziehung des Menſchengeſchlechts, über naive und fentimentale Dichtung, über das Erhabene, über äſthetiſche Sitte, über ven Gebrauch ſchöner "Formen ꝛc. ſeine Begelſterung ergoſſen hat, ſplegeln uns überall das liebenswürdige Bild des großherzigen Dichters wieder, erklären uns auch zur Genüge, warum ſein Schönheltsgefühl aus der Zopfzeit heraus

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zum antiken Ideale zurückſtrebte, Haben aber weder einen chriſtlichen noch volfsthümlichen Boden.

Neben Schillers leichtem lebensfriſchem Helvengeifte erblidten wir die püftere Beftalt eines Lanbömannd, ber edel, wie er, doch dem Schickſal nicht zu trohen vermochte: Priedrih Hölderlin von Lauffen verſank, nachdem er Herrliches gedichtet, ſchon ald Jüngling in einen Wahnflın, ber ihn vierzig Jahre lang, bis an feinen Tod (in Tübingen) nicht mehr verließ. Das Ideal, wonad er firebte, blieb ihm unerreichbar; der Welt⸗ ſchmerz, Menſch' bleiben zu müſſen, wo man Gott feyn möchte, verzehrte ihn. Er war Aber kein eitler Egoift, ſondern der Schmerz Anterer Tag auf feiner Bruft, Er trauerte tief um das Vaterland. .

D heilig Herz der Völker, o Vaterland, Allduldend gleich der ſchweigenden Mutter Erb’, Und allverfaunt, wenn ſchon aus deiner

Tiefe die Fremden ihr Beſtes Holen.

Er trug, was er fürs eigne Vaterland empfand, auf Griechenland über und dichtete den 1798 im Drud erfäenenen Roman „Hyperion“ deſſen Held für alles Hohe und Schöne, für Vaterland, Freihelt und Tus gend und dabei aud für eine fhöne Diotima (Hölvderlind eigne, aber ver- botene, unerreihbare, weil ſchon verhelrathete Geliebte) ſchwärmt. Spä- ter fehrieb er den „&mpebofled“, worin er ſchon aller Hoffnung entfagt. Der Held Tann der Gemeinheit, welde die ganze Welt beherrfht, nicht dienen und muß daher in erhabner Einfamfelt untergehn. Bumellen Hält Hölderlin warm am Leben. Er malt feine ſchwäbiſche Helmath im hell- ſten Sonnenfäein, ein llebliches Bilb:

Seliges Land! Fein Hügel in Dir wächst ohne den Weinfiod, Nieder ind ſchwellende Gras regnet im Herbfte das Obſt.

Froͤhlich baden im Strome den Buß die glühenden Berge, Kraͤnze von Zweigen und Moos Fühlen ihr fonniges Haupt.

Und, wie die Kinder hinauf zur Schulter des herrlichen Ahnherrn, Steigen am dunkeln Gebirg Veſten und Hütten hinauf.

Friebfam geht aus dem · Walde ber Hirfch ans freundliche Tageslicht; Hoch in Heiterer Luft fiehet der Falke fih um.

Aber unten im Thal, wo die Blume fi nährt von der Duelle, Streit dad Dorſchen vergnügt über bie Wieſe fh aus,

Noch fehöner iſt das bewundernswürdige Rheinlied, gewiß das fhönfte

Die Ehurms und Drangperiobe. 257

unter allen ben unzähligen, in denen der Vater Rhein zum Sinnbild des deutſchen Volks ſelbſt gewählt worden:

Jedt aber, drinn im Gebirg, Zief unter den fübernen Gipfeln, Und unter fröͤhlichem Grün, Wo die Wälder ſchauernd zu ihm Und ber Beljen Hänpter über einander Ginabſchaun, taglang, dort Im kalteſten Abgrund hört 3% um Gelöfung jammern Den Süngling, es hörten ihn, wie er tobt, Und die Mutter Erb’ anklagt, Und ben Donnerer, ber ihn gezeuget, Grbarmend die Eltern, doch Die Sterblichen ſlohn von dem Det, Denn furchtbar war, ba lichtloß er In den Befleln ſich wälzte, Das Rafen des Halbgotis. Die Stimme ward bed edelften ber Ströme, Des freigeborenen Rheins, Und Anderes hoffte der, als droben von den Brüdern, Dem Teffin und dem Rhobanus, Er ſchied und wandern wollt’, und ungehuldig ihn Nach Aſia trieb die Königliche Seele. Doch unverflänbig ift Das Wünfchen vor dem Schicſal. Die Blindeſten aber Sind Götterföhne, denn es Tennet der Menſch Sein Haus, und dem Thier ward, wo Es bauen folle, doch jenen if Der Fehl, daß fie nicht wiflen, wohin? In bie unerfahrne Seele gegeben. Ein Räthfel ift Reinentſptungenes. Auch Der Gefang faum darf es enthüllen sc.

Xiefrührend find die Gefänge Hölberlins, in denen ihn die Ahnung feines Tünftigen Unglüds ergreift. Seine fämmtligen Werke fanmelte Chriſtoph Schwab 1846.

Man wir es mir vielleicht verdenken, daß ich Hier fon von Jean

Paul rede und tiefen empfinbfamen und humoriſtiſchen Didter an Schiller Menzel, deutfge Diptung. Im

258 Sehntes Vuch.

anrelhe. Allein ich thue es mit Ueberzeugung, weil das Hauptſächliche an Jean Paul weber feine Thraͤnenſeligkelt, noch fein brillanter Witz, fondern fein edler Charakter, feine Seelenhoheit, Seelenſchoͤnheit, Seelen- unſchuld if. Friedrich Richt er (geboren 1763 zu Wunflevel, geftorben als Titularlegattonsrath in Bayreuth 1825), nannte ſich als Autor nur Sean Paul. In armen Verhältniffen aufgewachſen und lange mit Noth Tämpfend, war er einer ber reichſten und liebenswürdigſten Geiſter auf deutſcher Erbe. Im ihm vollendete fi, was Hippel angedeutet, der Hu⸗ mor, der mit einem Geſichte Tat und mit bem andern weint. In dem Engländer Sterne und noch früher in Shafefpeare find die erſten Mufter dieſes echt germaniſchen Humors zu ſuchen, deſſen die Romanen fo wenig fähig find, als es die Griechen und Römer waren. Es gehört germani- ſches Gemüth dazu.

Jean Paul hat ſeiner Zeit das Publikum hingeriſſen und wurde

ſchwarmeriſch geliebt. Lichtenberg ſagt (vermiſchte Schriften IL 309), an Sean Paul intereffire nur der Autor felbft, feine Manier, nicht der Gegenftand feiner Werke. Doc iſt das nicht richtig. Er bringt, wenn au nur in grelem Contrafte, doch das Innerfte der deutſchen Volks- natur zur Erfigeinung, fo objectiv wie irgend ein anderer. Ueberall kehren in feinen Werken folgende Grundgeftalten wieber. . Bor allem ver „hohe Menſch“, ein an Leib und Seele geſunder reiner, Eeufeher, vornehmer Jüngling, in deſſen idealer Schilderung etwas an Sifrit gemahnt, troß aller mobernen Civilifation. Jean Paul gefällt ſich beſonders darin, diefe fo hochadelige Perfönlicgkeit in jugendlicher uUnſchuld und Blödigkeit zu ſchildern, die dennoch den Fühnften Heroismus nicht ausſchlleßt. Darin fpiegelt fi wahrhaft das Schönſte in ver beut- fen Jünglingsnatur ab, und dieſe intereffante Geftalt verſchwimint nicht in phantaſtiſchen Bildern oder empfinbfamen Thränen.

Diefem Jüngling entfpriht ein eben fo reines, vornehmes Mädchen faft mehr amazonen- als madonnenhaft, von faft männlicher Feſtigkeit, ein Ideal, vor dem ber Dichter aus innerer Andacht in ber Ausführung des Gemälde zumellen ftodt und gleichfam vor feiner eignen Schöpfung blöde wird. -

Der dritte überaus relzende Gegenftand her Dichtungen Jean Pauls,

> mit jenen beiden erfien contraftirend, iſt die Demuth, Beſcheidenheit und

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das flille Glüd der genügfamen Armuth, der unverflegbare Frohſinn in äußerer Dürftigkeit.

Die vierte Figur iſt der kapriziöſe Freund des hohen Menſchen, der deffen Ernft und Würde in der tolften Poffenhaftigkeit parobirt, Hinter feiner Satyrsmaske aber alle Grazien verbirgt, um, wo es darauf an- kommt, mit ſartaſtiſcher Miene und unter Hohn und Spott das ſchwerſte Dpfer für den Freund zu bringen.

ALS fünfte und ſechste Hauptfigur Eehren ein ſchwindſũchtiges Mädchen von ebelfter, durchſchelnendſter Zartheit, und ein blinder gleihfals an der Schwindfucht ſterbender Jüngling öfters in Jean Pauls Romanen wieder. Sene iſt gewöhnlich die erſte Liche des hohen Menſchen und welkt vor feinen Augen wie eine Lilie. Der andre iſt der Freund bes hohen Menſchen, in unendlicher Liebe und Treue an ihm bängend und gleihfam fein muſikaliſches Eho, fein Gefühl in Flötentöne überfegend und ihn damit umſpielend. An dieſes empfindfame Paar, das aber nie ein Paar wird, hängt Jean Paul alles an, mas feine ſchöne Seele an weichſten und zarteften Gefühlen ausſtrömt und was für feflere Geftalten nicht paſſen würde. Es ift darin etwas von Engelöreinheit und elfenartiger Beinheit, aber auch etwas Krankhaftes, was ben Lefer um fo unanges nehmer berührt, ald Jean Paul es ſich angelegen ſeyn läßt, um den Reiz des Gontraftes zu erhöhen, bie Schmerzen jener zarten wunden Seelen und hektiſchen Brüfle mit dem Anatomtemeffer des lachenden Humors zu feciren.

Die fiebente Hauptfigur iſt im Contraft zu jenen beiden überzarten Wefen ein cyniſcher Arzt, der gleihfam von Amtswegen unzart tft und den Jean Paul zum Träger aller der Wige braucht, die felbft für hie vierte Figur zu derb mären.

An diefe Hauptfiguren reihen fi nun noch Geftalten aus dem Hofe leben eines Duobezfürften, die jedoch nur den Hintergrugd bilden. Der Fürft wird gewöhnlich als ausgelebt mit Ironie, die Fürftin als zuräd- gefegt mit zartem Mitleid behandelt, die unſchuldige Prinzeffin mit einer jugendlichen Andacht angebetet. Unter den Hofleuten findet ſich ein far kaſtiſcher Junker als obligater Böſewicht.

Der Duodezſtaat Flachſenſingen oder Scheerau wird vom Dichter 17°

260 Behntes Und

ſtets mit überlegenem Humor verfpottet und darin auch mande gefunde politiſche Satire auf größere Staaten angebracht.

Dem Heinen Hofe und feinen Eabalen gegenüber Liegt gewöhnlich in Sean Pauls Romanen der ſtille Frieden eines ländlichen Thales und Doͤrfchens In paradieſiſcher Maientuft. u

Obgleich Jean Paul dur und durch deutſch iſt, Deutſchland nie verließ, au alle feine Stoffe und Gefühle Deutſchland entlehnt, Hat er doch die Schwäche, feinen Romanhelven gern fremde Namen und wenige ſtens den Schein eines fremden Urfprungs anzudichten; fo wie er benn auch feinen eigenen deutſchen Namen franzöfirt in Jean Paul.

Die eigentliche Geſchichte ift in Sean Pauls Romanen ftets einges taucht in ein unendliches humoriſtiſches Matfonnement. Jeden Augenblick ſpringt der Dichter von ſeinem Gegenſtande ab, um in eine perſönliche und hoͤchſt bequeme Converſation mit dem Leſer einzutreten und Nebengedanten audzufpinnen. Hierin bat er Sterne's Licenz oft bis zum Unleidlichen mißbraucht. Dazu ein Cumulus von Anhängfeln aller Art, Vorreden, Vorreden zur Vorrede, Ertrablättern, Einſchiebſeln, Ausſchweifungen, Zugaben, Aphorismen ꝛc. Uebrigens iſt alles an Jean Paul geiſtreich. Daher ich ſchon vor dreißig Jahren von ihm ſagte, er gleiche einem Prisma, das alles und jedes, und wäre es auch nur eine Dachrinne, im poetifchen Farbenglanze des Regenbogens flieht.

Sein erſtes Werk waren 1783 die „Brönländifhen Prozeſſe“, noch kein Roman, fondern nur

ſatiriſche Ercurſe über Schriftſteller, Ahnenſtolz, Weiber, Stuher, Lob der Narrheit, Verhaͤltniß zwiſchen Genie und Regel, BDittſchriſt det Satiriler und Cpigramme in Proſa (mas Jean Paul fpäter Streckverſe nennt) ıc. Seine ganze Manier ift hier ſchon fertig, nur bie fentimentale Seite tritt noch nicht in vollem Glanz hervor, fondern birgt ſich noch in herber Knospe.

Ein ganz ähnliches Quodlibet war auch nod die „Auswahl aus des Teufels Päpieren“ von 1789. Dann erft ging Jean Paul zum Roman über. Sein erfter iſt „bie unſichtbare Loge“ von 1793.

Rittmeifter von Falkenberg hat den felfamen Einfall, feinen Sohn Gufav durch einen Herenfuter unter der Erde ohne Sonnenlicht erziehen zu laflen und erſt als er zum Knaben Heranzeift, ihm zum erſtenmel bie Oberwelf au zeigen, ald ob es ein Himmel fey. In der neuen Welt findet Guſtav einen jungen Seelenfeund an dem ſchönen blinden Bettelfnaben Amandus, den

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der Rittmeifter gerettet Hat, ber aber ſchmachtend dahinſtirbt. In der Gtabt teitt ein Dr. Frank als die humoriſtiſche Perfon auf und Beate als bie Hohe Jungfrau, bie den auf Amandus Grabe entſchlummerten Guftav findet, eine fehr empfindfame Mondſcheinſcene. Ein andermal find fie in großer Geſellſchaft und Fönnen ſich nur durch den Spiegel ihre Empfindungen ausbrüden. Ihre glüclicäften Momente erleben fie in dem paradieſiſchen Orte Lilienbad. Lieblich in die Schilderung eines Gewitters, das die Liebenden nöthigt, unter einem Baum unterzuftchen. Aber ber Roman bricht ab. Wir erfahren nur noch eben, daß Guſtav eine geheime Gefellihaft „die unfihtbare Loge“ gefliftet Bat. Aber mas weiter mit ihm geworden, bleibt unbefannt. Dieſe wes nigen Begebenheiten des Romans find eingehüllt in ungeheure Efulgnrationen des rebfeligen Wipes. Im Anhang gibt Jean Paul die liebliche Idylle „Leben des vergnügten Schulmeifterlein Maria Wuz in Auenthal“, ein Mufter von Hiebenswürbiger Reſignation und Frohſinn im Glend.

Dann folgte ein noch weit ausgebildeterer Moman „Heſperus oder bie 45 Hundspoſttage“ 1795. Jean Paul läßt fi die Nachrichten von ben im Roman auftretenden Berfonen durch einen Hund überbringen, daher der Titel. Hefperus iſt ein ziemlich millführlich gewählter Name. Jean Paul wünſcht, das Buch möge abgeblühten keſern zum Abend⸗, anfblü⸗ henden zum Morgenſtern werden.

Im Baddorſe St. Lune erwartet der Prediger Cymann mit feiner Familie feinen Pflegefohn Victor und deſſen Bater, Lord Horion. Der Lorb if blind, der Sohn deßhalb ein Augenarzt geworben und das Pfarrhaus wird auserfehen zur Kur, die volllommen gelingt. Der Lord if Freund und Günftling des deutſchen Duodez«Fürften Jenner von Blachfenfingen, bei dem nun Victor Leibs arzt wird. Am Hofe verliebt ſich Victor in die hohe Mlotilde, die im Fraäu⸗ Teinftift zu Maienthal von dem blinden Lehrer Emanuel zu einem Ideal ges bildet worben, obgleich fie bie Tochter eines raffinirten Hofmanns, Lebaut, AR. Im daſſelbe Hohe Weſen ift aber auch Matthien, Sohn des Minifters, der obligate Boͤſewicht des Romans, ein über alles fpottender Geiſt, und zugleich der Regierungsrath Flamin, Gymannd vermeinter Sohn, verliebt. Diefer Flamin ift aber eigentlich Jenners unehelicger Sohn und Klotildens Bruder. Die Liebe Victor zu Klotilden entwicelt ſich langſam und überaus zart. Ihre Gefichter begegnen ſich in einer Orangerie, Indem fle an bemfelben duftenden Gefträuch riechen. Agnola, eine italienifche Prinzeffin, langt an als Jenners “Braut. Emanuel weiht in der Johannisnacht feinen Schüler Bictor zur Tugend ein. Diefer wird ein wenig auf bie Probe geſtellt durch Jakobine, Matthien’s ſchoͤne Schwefter, und durch Agnola ſelbſt, ber er einft in einer Augenfranffeit beiftchen muß. 6 fommt fo weit, daf er, inbem bie Fürfin ihre Augenbinde 158 und fein Geficht dicht über dem ihrigen hängt,

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in einen Kuß mit ihr zufammenfällt. Allein das if, wie ber erfte, fo auch ber legte. Die Fürftin verzeiht ihm und er wendet ſich ausſchließlich Klotilden zu Einf erblidt ex fie, tie fie ihn von ferm für fein Wachsbilb Hält und lange weinend anblitt, während er, um ihr bie Täufchung nicht zu nehmen, fleif Reben bleibt. Gin andermal ſchmelzen ihre Seelen zufammen beim Anhören einer Harmonifa. Ginmal gehen fle unter ihrem ſchmalen Sonnenſchirmchen aufammen im Regen. Endlich erflärt er ihr feine Liebe. In Maienthal fegnet der blinde Emanuel den Bund ihrer Herzen ein. „Zum Mitleiven genügt ein Menſch, zur Mitfreude gehört ein Engel“. Aber Flamin, der noch nicht weiß, daß Klotilde feine Schweſter it, überraſcht fie, wie Victor fie küßt, und flürzt mwüthend auf fie los, von Matthieu aufgereist. Es gibt eine wilde Scene. Imzwifcgen wird alles wieder ruhig. Bictor wirbt um Klotilben und nimmt tührenden Abſchied von dem flerbenden Emanuel, eine übertrieben em⸗ pfindſame Scene, wozu ein gleichfalls blinder Zögling Cmanuels, Julius, die Blöte ſpielt. Hier beraufcht fih Jean Paul in der weichften und wollüſtigſten Empfinbfamfeit und laͤßt den Schwindſüchtigen im Blumenduft und an ber Süfigfeit der Töne Rerben. Flamin if fo toll, ſich mit dem alten Lebaut zu duelliren und ihn zu erfehlegen. Warum fagte diefer nicht vorher, daß jener Klo« tildens Bruder fen? Nun fommt wieber eine Meuigkeit, Victor ſey nicht des Lords Sohn, fonbern einfach Eymanns Sohn, der blinde Julius aber ſey des Lords Sohn und Klotilde des Lords Tochter. Flamin wird frei und Victor mit Klotilden glüͤcklich verbunden.

Die fatirifpen Intermezzos find in dieſem Roman nicht Häufig. Am artigften ift der Hofapothefer Zeufel gezeichnet, bei dem Victor in der Stabt wohnt. Diefer Zenfel ift ungeheuer eitel und dabei fehr Hein. Mie er für Victor, den neuen Leibarzt, mit dem alten in Ungnade gefallenen groben Doctor Kuhlpepper zankt und wie er feinen als Kellner dienenden Swilingdr bruder vornehm verleugnet, find fehr ergögliche Scenen.

„Des Rektor Florian Fälbels und feiner Primaner Reiſe nach dem Fichtelberg,“ 1795.

Der Rektor unternimmt feine Ferienreiſe mit 12 Schülern, bie zu Buß gehen, und feiner Tochter Cordula, die auf einem Cabriolet mitfährt und Pros viant mit ſich führt, Der Zweck der Reife if, Erholung mit Belehrung zu verbinden. Jeder Tag Hat feinen beflimmten Unterricht. Ginmal wird Bel gemeflen und Mathematit getrieben, ein anbermal natürliche Theologie und Gott in der ſchoͤnen Natur bewundert (wozu natürlich Regenwetter und allerlei üble Umfände Tommen). In jevem BWirthöhaus bekommt der geigige Rektor Händel, weil er aus eigenen Borrätgen zehrt und zu wenig zahlt. Ginmal befommt er Prügel, weil er ‚bei einer Meſſung ber Mafe eines ſchlafenden Bleifcgers zu nahe kommt. Ginmal erregt er Mipfallen, indem er feine Schäfer im Fluchen, jebod nur lateiniſch, wetteiſern läßt. An einem armen ungaris

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ſchen Soldaten, der unterwegs erfepoflen wirb,. tabelt er das ſchlechte Latein der lehten Mebe vor dem Tode. Cinem Wirth demonftrirt er bie Gonftruftion eines Hleinen Rades vor, welches er am großen Spinnrade anbringen foll, um daran die Umſchwünge des großen zu meflen und ſich zu verſichern, ob bie Tochter Heipig gewvefen. Die Tochter aber meint: das ſieht er ja am Garne. Auf den Berg kommen bie Reifenden nicht, weil ihnen Jean’ Baul mit ber Nachricht entgegenkommt, dad Wetter beflere ſich nicht. Nur eine Stelle in dieſer humoriſtiſchen Reiſebeſchreibung iſt fentimental, betreffend ben füllen Kummer der zurüdgefegten und mißhandelten Cordula. \

nBiographifche Beluftigungen unter ver Hirnſchale einer Rieſin“, 1796. Unter der Rieſin iſt die Jungfrau Europa zu verftehen. Man follte bet diefem Titel wieder nichts als humoriſtiſche Excurfe erwarten, aber man wird durch einen förmlihen Roman überraſcht.

Die Italienerin Adolina folgt Som Grabe ihrer Eltern einer Freundin nach Schottland, wo der edle Lismore, der fie ſchon in Italien geliebt Hat, fie wieberfindet und ſich unter hoͤchſt empfindfamen Thränen mit ihr verlobt. Hier nehmen Jean Pauls Hohe Menfchen aufs beftimmtefte den Charakter der beiden Nationalitäten an, welde ‘bie meiſte romantiſche Anziehungskraft auf Jean Baul übten, auf Koften feiner vaterländifchen Gefühle. .

„Blumen⸗, Brucht- und Dornenftüde oder Eheftand, Tod und Hod« zeit des Armenabvofaten Siebenkäs“, 1796.

Der Armenadvofat Firmian Leibgeber Hat feinen Namen mit feinem Buſen⸗ freund und Gbenbild Siebenkas getauft. Gr lebt im Reichsmarktflecken Kuhfegnappel, den Armen bienend, deßhalb felber arm. Der Heimlicher St. Blaife, ein alter Berwanbter, vorenthält ihm eine Erbſchaſt. Sein farkaftifcher Freund Leibgeber aber zwingt den alten Geizhals durch feinen großen Hund, angfivoll auf dem Stuhl figen zu bleiben und ſilhouettirt ifn unter unauſhör-⸗ lichen fatirifehen Imfurien. Das it die einzige Rache, die fie nehmen. Der Armenabvokat hat eben bie habſche Linette geheitathet, ein armes ungebilbetes Mädcgen, welqhes die geiftige Unruhe ihres Mannes nicht begreift. Anfangs gebt e8 ganz gut, bald aber wird Giebenfäß durch bie Wirthſchaftlichteit feiner Linette, durch das ewige Kehren mit dem Vorfibefen ac. gefört. Sie aber wird durch ihn tief gefränft, da er anfängt, aus Noth die Möbeln zu vers kaufen. Was er ganz leicht nimmt, if für fie das Drückendſte. Was fle ganz unbefangen thut, macht ihn toll. Linette weist zwar bie Huldigungen eines parfumirten füßen Patricierd, Rofa von Meyern, ab, wird aber deſto unbewußter von dem Schulrath Stiefel bezaubert, dem Hausfreund, deſſen gemeflenes und proſaiſches, Tangweilig ehrwürbiges Weſen zu bem ihrigen paßt. Diefe Berhäktniffe find mit trefflihem Humor geſchildert, am ergößs lichten die Noth und das Glüd bei einer Kirmes, indem ber bereit von Allem

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entblößte Armenadvokat bei einem Vogelſchießen bie erſten Gewinne trifft, waͤh⸗ rend Linette ſich von dem ehrbaren Schultaih tröften läßt. Als Epifoden werben Hier ziwei Traumbilder eingefhoben: Rebe des tobten Chriſtus vom Beltgebäube herab, daß fein Gott ſey, eine Ausgeburt humoriſtiſcher Ver⸗ zweiflung, die ein fentimentales Gewand annimmt; und: ein Traum im Traum, eine fentimentale Apotheofe der Mutterliebe. Siebenfäs reißt ſich endlich einmal von ber Trübfal feiner Häuslichfeit Io, beſucht feinen Leibgeber . und macht die Bekanntſchaft der geiſtreichen und Hodjgebilbeten ‚Englänberin Natalie. Da gibt ihm Leibgeber den Rath, den er befolgt. Gr kehrt heim, ſtellt fich, als rühre ihn der Schlag, flirbt zum Schein und läßt einen leeren Sarg begraben, während er felbft Leibgebers Stelle als Infpector in Vaduz annimmt und Natalien, bie über feinen Tod getrauert, plöglich überrafcht und heirathet. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß unterdeß auch Stiefel die verwitte wete Linette geehelicht hat und fehr glücklich mit ihr lebt. Das ift der einzige Roman Jean Pauls, gegen deſſen Sittlichfeit viel einzuwenden wäte.

neben des Quintus Firlein“, 1796. Ein etwas potenzirtes Schul meifterlein Wuz, aber eben fo meifterhaft geſchildert.

Firlein iſt Ouintus einer Stadtſchule und wird zu einer Landpfarrei beför⸗ dert, wodurch e8 ihm möglich ift, ein blutarmes adeliges Fräulein, bie befcheis dene Thienette, zu Heitathen. Es iR eine koͤſtliche Figur biefer gute, immer fröhliche, fleißige Menſch. Wie er die Ferien benügt, um zu feiner armen alten Mutter aufs Land zu reifen, und wie er in beren ärmlichen aber ſaubern Häuslichfeit das Fräulein ſieht, ihr feine Liebeserklärung macht xc. und endlich mit ihr auf der Pfarrei aufzicht, gehört zu dem Anmuthigfien, was Jean Paul je gedichtet Hat.

Als Anhängfel des Quintus Firlein drei merkwürdige poetiſche Traumgeſichte.

Die Mondfinſterniß. Auf dem dunkeln Monde zittern bie noch ungebornen Seelen, die zur Erde kommen ſollen, vor einer Rieſenſchlange, die ſich von der Erbe gegen fie äufbäumt, fie werben aber durch einen ſchönen-Jüuͤngling, den Genius ber Religion, geſchutzt. Gin Bild von fehr ſchwacher Erfindung, aber vortreflich ausgeführt. Der Tod eines Engels. Gin Extrem von Zartheit, wie flerhender Slötenton und verzitterndes Mondliht. Der Mond. Die Seelen Tehren von ber Erbe wieder zum Monde zurüd. Gin Kind ift dem Eltern vorangegangen, ber Vater Eugenius folgt ihm nach und winkt nun ber flerhenden Mutter, das Kind an ber Hand, aus dem Monde zu.

„Das Kampaner Thal ober über bie Unſterblichkeit ber Seele“, 1797. In dem befannten reizenden Pyrenaͤenthale Fommen befreundete Menſchen

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zufammen, unter andern Bictor aus dem Hefperus, und unterhalten ſich ins mitten dieſes irdiſchen Barabiefes über bie Fortdauer der Seele. Einer bes zweifelt fie, gibt aber am Ende nicht ben Verſtandes⸗ fondern Gefühlsgründen der andern mad. Hier überläßt fih Jean Paul allen Wonnen feiner fanfteften Gefühle, fo daß er fogar ben Blumen eine Seele und Geelenfortbauer zuſchreibt und ein künftiges ungeſtoͤrtes Paradies. Uebrigens durchzieht das Ganze ein Hoher ſittlicher Genf. Der Gauptbeweis für bie Unfterblichfeit Hegt bem Dichter in dem Dafeyn ber Tugend, Wahrheit und Schönheit. Diefer auf Beben fo deutlich vernehmliche Dreiflang fept nothwendig bie Mufit höherer Sphären voraus, aus benen fie zu und geflogen. Ais Gumoriftifcher An⸗ Hang die Erklärung der Holgfchnitte unter den zehn Geboten· des Katechismus. Unter dem Titel Selina erfehien eine unvollenbete, aber in zahlreichen Bruchſtücken erhaltene Fortſetzung des Kampanerthals, worin abermals alle Fragen über Unfterblicpfeit durchgeſprochen werben. Sie enthält fehr ſchöne Gedanken, aber zu fehr mit Bekanntem gemifcht. Hier Hätte Jean Paul nicht philofophiren, fondern einzig Dichter feyn und nur Neues geben follen.

„Der Jubelſenior“, von 1797. Eine Ihylle, die Iubelfeier eines Schulfeniors und feiner alten treuen Chehälfte chidermd; aber fo überfaben mit humoriſtſchen Ausfigmeifungen, daß ſich bie eigentliche Grzäplung darunter faft ganz verliert.

Palingeneften, 1798. Auch unter dem Titel ran Pauls Fata und Werke vor und in Nürnberg.

Nichts als humoriſtiſche Digreffionen, unter denen ber bünne hiſtoriſche Baden, dureh den fie zufammenhängen, faum mehr bemerft wirb. .

Jean Pauls Briefe und bevorſtehender Lebenslauf, 1799. Desgleichen Sean Pauls Freiheitsbüchlein oder deſſen verbotene Buelgnung an ben reglerenden Herzog Auguft von Sachſen-Gotha, veflen Brlefwechſel mit ihm und die Abhandlung über die Preßfreiheit.

Aus Anlaf eines Verbotes, dad von ber Genfur der Univerfität Jena auss gegangen war, meil ihr bie Debication nicht discret und conventionell genug vorkam. Biel Lärm um nichts,

Der „Titan“ von 1800 if Jean Pauls Meifterwert. Hier hat er den „hohen Menſchen“ vollendet. Es iſt wieder der Victor des Hefperuß, aber um Vieles erhabener.

Albano, der junge ſpaniſche Graf von Gefara, in Deutſchland auf dem Lande erzogen, fährt mit feinem humoriſtiſchen Geſellſchafter, dem Bibliothekar Schoppe, und mit bem griechiſchen Baumeifter Dian über den Lago maggiore

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nach ber zauberiſchen Infel Isola bella, um daſelbſt zum erflenmal feinen Vater, . Don Gaſpard, Nitter des goldenen Vließes, wiederzuſehen. Um bie volle Wonne ber ſchoͤnen Ausſicht zu genießen, verbindet er fi die Augen und macht die Binde nicht eher los, als bis er auf der hohen Terraſſe der Juſel ſteht. Die Naturſchilderung if um fo bewundernswürdiger, als Jean Paul nie in Italien war. Der feurige Sohn findet einen Falten, wenn auch forgs lichen Vater, der ihm einen neuen Hofmeifter, den Sector Augufli, einen glatten und fühlen Weltmann zuführt, mit welchem er bie Univerfität und ben Heinen Hof in Peftiz beziehen fol. Das if die Haupiſtadt des Kleinen Fürftentäums Hohenflies, in welchem Albano bisher auf bem Lande zu Blumenbüßl bei dem Landfehaftsbitector von Wehrfriz erzogen worben ik, deſſen treffliche Gattin Albine und deſſen gutmüthige Tochter Rabette Mutter und Schweſterſtelle bei ihm vertreten hatten. Es war ihm nie erlaubt, zur Stadt zu kommen. Aber er hatte oft von ber lieblichen Liane, Tochter des Minifterd von Froulay, und ihrem genialen Bruder Roquaprol reden hören. Als er num endlich in bie Reſidenz kommt, wo er bei dem arroganten Leibarzt Dr. Spher ein Quartier nimmt, was zu ſehr komiſchen Nebenparthien Anlaß gibt, Hört er mehr von der fhönen Liane. Gben ift der alte gute Fürft, ver einmal ben Knaben AL bano im Walde gefegnet Hatte, geftorben und Dr. Spher hat ihn ſecitt und fein Herz nach farſtuicher Sitte in eine beſondere Rapfel gethan. Als Ros quaprol über die Bruft ohme Herz farkaftifche Bemerfungen macht, entſetzt ſich die fanfte Liane fo ſehr, daß fie, da ohnehin eine Heftige Migraine bei ihr im Beginn it, plöglich erblindet. Um ihre Augen zu heilen, verorbnet ber Doctor Waſſerſtaubbaͤder. Sie ſtellt fi) alfo in einem Waflerhäuschen dem feinen Geftäube der Springbrunnen blos, und Albano ſchleicht fi in ben Garten, um fie zum erſtenmal näher fehen zu fönnen. Ihre Engelsſchönheit im Mond⸗ licht übertrifft alle feine Erwartungen. Sie gewinnt bie Sehkraft wieder. Beide lernen ſich lieben, aber fie trägt ben Tobeöfeim im zarten Buſen, und verlangt von ihm, er folle nach ihrem Tode die wunderfchöne Gräfin Linda de Rameiro, feine fpanifche Landsmännin lieben und heirathen, biefelbe, die ihm ſchon auf · Iſola bella durch einen taſchenſpieleriſchen Geiſterſpuck als die ihm beftimmte Braut verheißen war. Albano wird noch einmal durch Geiſterſpuck an Linda erinnert, in welche zugleich Roquayrol und Schovpe verliebt find. Linda war in ihrer Jugend einmal in Peſtiz. Roquayrol liebte fie ſchon als Kind. Albano geſteht diefem, daß er deſſen Schwefter Liane liebe, und tritt ihm fegleich gerne die unbekannte Linda ab. Da wird Roquayrols Freund⸗ ſchaft noch feurfger und er hilft ihm nach Kräften, macht ſich baneben aber das Vergnügen, die unſchuldige Rabette ein wenig zu verführen. Inzwiſchen wird das geheime Treiben ber Liebenden verrathen und ber Minifter fpeit Beuer und Flammen. Liane bleibt flandhaft, bis fie zu dem „guten Vater“, dem frommen Bußprebiger Spener, geſchickt wird. Diefer ehrwürbige Greis beweift ihr, fie bürfe Aldano nicht heirathen und müffe ihm entfagen, und fle

Die Sturm⸗ und Drangperiode. 267

muß einen Heiligen Eid ſchwören, es mie zu verrathen. Diefen Gib hält fie, nimmt noch einen rührenden Abſchied von Albano und ſtirbt. Albano fält aus Bram in ein Fieber, dem er Hätte unterliegen müflen, wenn nicht bie Prinzeſſin Idoine, die viel Aehnlichteit mit Liane Hatte, ihn durch ihr Er⸗ ſcheinen gefröftet hätte. Dieſe Idoine war eine Tochter des benachbarten Für⸗ ſten von Haarhaar und bewohnte ein idylliſches Dorf, wo fie ein Ideal von Menfchenglüd verwirklichte. Ihre Schwefter Iſabelle muß inzwifchen ben jungen Gröfürften von Hohenfies, Luigi, Beirathen, einen enfnersten, dem Tode entgegenfiechenden Menfchen. Daher fabelle ſich nicht befriebigt fühlt und ihre Augen auf den ſchönen, wiebergenefenden Aibano wirft. Gie reifen zufammen mit Don Gafpard nach Stalien. In feiner Unſchuld verſteht er Habelle nicht und verlept ihren Stolz aufs höchſte, fo daß er ſich von ihr trennen muß. Gr muß nad) Neapel. Auf der Infel Iſchia trifft er zum erſten⸗ mal mit Linda, der fo oft ihm Verheißenen, zufammen, und findet fie wirklich fo amazonenhaft ſchon und geiftteidh, daß er Lianens lehten Willen erfüllen und Linda lieben zu müffen glaubt. Sie kommen nach Peſtiz zurück. Hier findet Albano feinen geliebten Schoppe im Natrenhauſe und muß ihn endlich ferben fehen. Hier in das Tragiſche des Humors auf eine ſolche Höhe ger trieben, daß man erſtaunt, ihn gleich darauf auf eine noch Höhere getrieben zu fehen in Roquayrols Trauerfpiel. Roquayrol nämlich liebt Linda noch immer zum Sterben und muß fie in Albano's Armen fehen. Da treibt ihn Iſabelle, die ihn zum Buhler angenommen, aus Race an, bie Aehnlichteit, welche feine Stimme mit Albano's Stimme hat, und Linda's abendliche Blindheit zu bes nugen, um fie, als fey es Albano, im Garten zu verführen. Linda, voll Hingebung gegen Albano, glaubt ihn zu umfaflen und wird von Roquayrol enteßet. Der Voſewicht führt aber gleich darauf das lange ſchon von ihm ans gefünbigte Trauerfpiel auf, in welchem er in der Rolle bed Gelbfimörbers ſich wirklich tobt fchießt.

Linda muß, ald fie die Verwechslung entbedt, auf ewig fliehen. So hart wird ihre frühere Männerveradptung und der Ehrgeiz ihres Vaters beftraft. Denn num erſt erfahren wir, fie it Don Gaſpards Tochter und von ihm find die geifterhaften Gaufeleien ausgegangen, durch bie Mlbano dahin gebracht werben follte, fie zu heirathen. Albano felbft aber ift der Bruber Luigis, ber rechtmahige Thronerbe vom Hohenflied. Sein ehrwürbiger alter Mater, ber verſtorbene Fürft und deſſen Gemahlin Hatten ihn abſichtlich entfernt und laͤnd⸗ lich erziehen laffen, um ihm die Kräfte und Tugenden zu retten, welche Luigi ſchon frühzeitig durch die gewöhnliche Prinzenerziehung und durch bie Argliſt des Haarhaar'ſchen Hofes, der den Hohenflieſiſchen beerben wollte, einges Teitet Hatte. Nun geftaltet es fih fo, daß der Erbprinz von Haarhaar ebenfalls entnervt war und flarb und daß auch fein Erbe mit ber Hand ber eblen Idoine unferem glücklichen Albano, fo wie das Erbe von Hohenflied aufaflen mußte.

268 Behntes Bud.

Die komiſchen Anhänge zum Titan enthalten 1) Das Peſtizer Real» Blatt voll unabhängiger humoriſtiſchet Digreſſionen.

2) Die clavis Fichtiana, Excurſe über die Fichte'ſche Philoſophie.

3) Giannozzo's Seebuch.

Giannozzo iſt der Seelenbruder Schoppe's, voll von Sarkasmen über die Gemeinheit Dummheit und Schwäche der Menſchen faft mehr noch als über ihre Lafter. Ueber die Lafter kann man ſich wenigſtens erzärnen, über jene nur ärgern. Diefem bitten Aerger überläßt ſich Giannozzo fo recht con amore, indem er auf feinem Luftfchiff über die Miltionen Bhilifter und Schwache töpfe hinfiberfährt. Reflerionen dieſer Art nehmen den größten Theil feines Tagebuches ein. Dazmwifchen aber finden fi auch artige Abentheuer. So Iandet Giannozzo im Heinen Fürſtenthum BVierreuter und läßt an der Hoftafel des Abends heimlich ein Paar lebendige Fledermaͤuſe los, die ex mitgebracht hat. Dann befcgreibt er den Tumult, das Gefchrei der Damen, die Tapfers teit der Hofleute und Nitter, die mit gezogenem Degen bie Fledermaͤuſe ver- folgen, unter welchem Spektafel er felbft unvermerft wieder in bie Luft aufs Reigt. Gin andermal Täpt er fih in Mülanz nieder, um den Genfor Fahland, den er im Mondfchein mit einer Dame verdächtige Wege gehen fieht, in einer Rotunde zu erfehredden. Sein Echiff bleibt aber oben in der Deffnung ſtecen und er muß fi; begnügen, dem fliehenden Paare feine Sarkasmen nachzus fleudern. Sehe wigig if Giannozzo's „fühtiger Plan zu einem Jubiläum des Nürnberger Galgens“, beögleichen bei einer Lefung bes Blorberges die Vorrede des Teufel zum Brockenbuche“. Einmal wird Giannozzo fehr ger rahrt, als er nämlich über Italien fliegt und einer teizenden Dame Liebesbote wird. Ginmal wirb er gefangen, entflieht aber während eines Ungewitters. Ueber der Fleinen Beftung Blaſenſtein ſchwebend forbert er fie ſpöttiſch zur Uebergabe auf. Endlich fährt er einer Gewitterwolfe entgegen, ſchildert noch ben wilben Reiz · des Schredllichen, das ihn umgibt, und wird vom Blitz erfchlas gen. Die Herabgeftürgte Leiche findet fein Freund Leibgeber.

„Das heimliche Klagelied der jegigen Männer", 1801.

Der Conſiſtorialrath Perefir hat eine gewiſſe Minette verführt und figen laffen. Sie weiß ſich zu helfen, neckt einen Berggefchworenen, ben kurzſtaͤmmi⸗ gen Heren Tortupal, fie werde ihn in den April ſchicen und befommt ihn richtig zum Manne. Unter feiner Firma nun wird fie Mutter einer gewiflen Kora, deren wahren Vater, den Conſiſtorialrath fie num dadurch quält, daß fle der Tochter eine ihm im höchſten Grabe widerwärtige Erziehung gibt. Der Conſiſtorialtath bekommt in rechtmaͤßiger Ehe einen Sohn, Wolfgang, der im Kriege einen Arm verliert und nach feiner Heimkehr ſich innig in Kora vers liebt. Da muß endlich der Conſiſtorialtath, fo ſchwer es ihm wirb, dem Sohn feine Jugenbfünde eingeftehen, um zu verhindern, daß ber Bruder nicht bie

Die Sturm» uud Drangperiode. 209

Schweſter heirathe. Gin aus dem Leben gegriffener Stoff. Die Qualen des fünbigen Vaters find ſehr gut beſchrieben.

„Die wunderbare Geſellſchaft in der Neujahrsnacht.“ Im 39. Theil der geſammten Werke dem heimlichen Klagelled angehängt.

ine Biflon in der Neujahrsnacht des nenen Jahrhunderts, 1800. Das Pitantefe darin iſt die Vorahnung des Iepten Menſchen, ber einf allein am Ende aller Jahrhunderte noch übrig ſeyn wird.

Die „Blegeljahre" von 1804 find wieder eines von Jean Pauls Meifterwerken.

Im der Heinen Reſidenz Hadlau wird das Teſtament des kinderlos verſtor⸗ benen Herrn van ber Kabel eröffnet. Sieben meitläuflge Verwandte find ges laben. Derjenige unter ihnen foll fein Haus in der Gtabt erben, der binnen einer Halben Stunde die erflen Thränen über ihn weinen könne. KRöffiche Schilderung der Erben, mie fie fih abquälen, bis endlich der arme Frühs prebiger Flache, der es wirklich am Nöthigften hatte, die nötigen Waller tropfen im Augenmwinfel auftreibt. Weiterhin fept das Teflament den Gotts wait Harniſch zum Univerfalerben ein, einen unbebeutenden Süngling vom Bande, den er zufällig fennen gelernt als daß offenſte, liebenswürbigfe Ges müth. Aber das Teftament fehreibt ihm komiſche Klaufeln vor, die ben Zweck Haben, ben jungen Menfchen mehr ans praktiſche Leben zu gewöhnen. (ine Klaufel verlangt, es fol ein Schriftſteller gefucht werben, der dad Benehmen ber Erben nieberzufäpreiben Habe und bem für jedes Gapitel eine Nummer aus van der Kabels Naturalientabinet verabfolgt werben fol. Der Schriftfteller iR nun Jean Paul und jedes Gapitel hat bie Ueberfchrift einer Naturalie. Die legte Klaufel’verlangt, Walt foll Pfarrer werben, wo möglich in Schwer den. Dabei eine Veſchreibung der Glüdfeligfeit eines ſchwediſchen Pfarrers an einem ber längflen Tage, an dem bie Sonne faum untergeht.

Der glückliche Erbe weiß noch nichts, aber fein Zwillingsbruder Bult (quod deus vult), der fchon feit Jahren bavongelaufen und ein berühmter Flöten fvieler geworben if, hat es in der Stadt erfahren, ift der Nachricht voraus⸗ geeilt und fieht in fpäter Dämmerung von einem Baume herab, von wo aus er ins nahe Feuſter fehen Tann, dem Abenbgefpräche ver geliebten Bamilie und dem neidiſchen Hoffiscal Knoll (einem der zurüdgefepten Miterben) zu, ber gefommen iR, den jungen Walt als Fünftigen Motar zu eraminiten und zu legitimiren unb exft Bintenbrein wie beiläuflg des Teſtaments erwähnt. Walt begibt ſich nach Haslau, um hier ald Notar zu prakticiten unb bie vers ſchiedenen Heinen Proben des Teflaments zu beſtehen. Im Nanfinkleive auf einem alten fleifen Schimmel reitend fpielt er eine tragikomiſche Figur, wobei fein Bruder Bult, der ihm unerfannt nachfolgt, ihn bald auslacht, bald ihm hilft. Walt hat durch feine Liebenswürbigfeit auch auf den welterfahrenen

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Bruder benfelben Zauber geübt, wie auf ben alten Kabel. Vult beſchließt daher, ſich des Brubers anzunehmen, um ihm durch die Bußangeln der Teſta⸗ mentsklaufeln möglich durchzuhelfen. Cr gibt fih ihm zu erfennen, worüber Balt ganz felig it. Doc) wird er von des Bruders Schärfe und humoriſu. ſcher Hätte Hin und wieder abgefloen. j

Die größte Albernheit, die dem armen Walt paffiet, if feine poetifche Liebe zu dem folgen Grafen Clotar. Im dieſem glaubt er das Ibeal- aller männ- Tihhen Hoheit zu erbliden und fucht ihm nahe zu kommen, findet aber, wie ihm Vult vorausgefagt, einen Falten Ggoiften. Als ihm Walt einmal in ber Seligleit der unerwieberten Breundfchaft im Garten nadpläuft, geht der Graf in eine Pyramide, bie ein maskirter Abtritt iſt. Faſt noch berber ift bie Ents ganberung als Walt ſich als Cbelmann verfleibet, dur; feinen Bruder beim Grafen einführen Täßt, ihm fehr artig findet, ſich ihm daher entdedt und nun plöglich von ihm per Er angerebet und auf's gröbfle behandelt wir. Mins der getwaltfam Rößt der gute Walt überall gegen das praftifdhe Leben an. Aber ex begeht nichts Lacherliches, was nicht zugieich das Liebevolle und Poetifche feines Wefens darlegte. Deßhalb ift er auch in der Liebe glüdlih. Is Kind an ben Blattern ſchwer erfranft und vorübergehend erblinbet, war er durch bie Heine Tochter des Gutöheren General von Zablofi getröftet worden, die ihn an einem Aurikelſtrauße hatte riechen laſſen. Diefer Duft blieb ihm feitdem unvergeflih. Er hatte die Generalstochter, Wina heißt fie, feitem nicht wieder gefehen. Jetzt erfährt er, fie fey bie Braut Clotars. Gr iſt fo uns eigennügig, daß er’s tief bedauert, als bie Heirath rüdgängig wird. Gr fieht Wina zum srftenmal in einem himmelblauen Kleide, Perlen im bunfeln Haar bei feine® Bruders Plötenconcert (humoriſtiſche Gpifode beim Concert: bie Schlacht unter den Inftrumentiften) und wird von tieffter Liebe ergriffen. Er Hat das Gläd, fie öfter zu fehen, indem ihr Vater fih von ihm frangöfifche Briefe erotiſchen Inhalts abſchreiben läpt. Wina fiht einmal Bult, Hält ihn wirklich für blind und führt ihn. Nun wird auch er ſterblich in fie vers liebt. Walt Hört Wina das Lied von Salis „nur ein Hüftchen ſtill und landlich· fingen, ein Beweis, daß fie nicht hoch firebt. General und Tochter teifen ind Bad. Walt reist auch, trifft mit ihnen zufammen, wird über Erwarten gut aufgenommen und empfängt unter einem Waflerfall den erflen Blick der Liebe von Wine. Seine Liebenswürbigfeit rührt fie, feine Dichters gabe floßt ihr Achtung für ihm ein. Noch if er fo unſchuldig, daß er nicht mehr wagt als poetiſch zu träumen, was er glaubt, das Wina träumen Tonne. Diefer Traum von Wina's Traum ift nicht fehr zart. Sie bittet ihn, ihrer Freundin Raphaele Neupeter eine Heine Freude zu machen an ihrem Geburtstag. Walt bichtet den Wunſch, Wina fingt, Vult fpielt bie Flöte dazu. In der Heitern Mondnacht fahren fie auf dem Cife Schüttſchuh. End« lich wird Bult überzengt, Wina liebe nicht ihn, fondern Walt, wird ein wenig kalt und geht in bie weite Welt. Hier bricht der Roman ab.

Die Sturms und Drangperiobe, 271

Der Hauptreiz der Flegeljahre iſt die unübertrefflide Schilderung einer unverborbenen deutſchen Jünglingsnatur.

Daß deutſche Seitenftüc zu Rouſſeau's Emil tft die Levana von 1807, eben fo rein menſchlich, empfindfam und freifinnig, aber weit tiefer in bie Sees Ienfphäre der Kinder eindringend. An biefem Meifterwerk if nur eins auszu⸗ fegen, daß es nämlich ganz unmöglich it, den gemeinen Vätern und Schul meiftern die Reinheit der Empfindung und geiſtige Gapacität beizubringen, welche dazu gehört, um Jean Pauls Winfe zu verfichen und feinen Vorſchriften nach- leben zu Können.

Nun folgen einige mehr wiſſenſchaftliche Arbeiten, die „Vorſchule der Aeſthetik“, 1804. Ein Buch voll der feinften und mwahrften Bemer- Zungen, voll genialer und witziger Gedanken, worin aber doch das rid- tige Gefühl und ber Mutterwig mehr walten, als irgend weldes Syftem. Unter allen Schriften Jean Pauls, die Feine Romane find, ift dieſe eben fo vorzugsweiſe die reichſte und befte, wie unter den Romanen ber Titan. Daran reiht fih die „Heine Bücherſchau“, 1825, gefammelte Bor- reden und Mezenflonen, 3. B. über Hoffmanns Phantafleftüde, über Deutſchland und die Corinna von Frau von Stasl (echt deutſch und männ- Hd der Branzöfln und dem. Weihe gegenüber).

Ein ganzes Buch ſchrieb Jean Paul „über die deutſchen Doppels wörter“ 1820, worin er mit unendlicher Zähigkelt und Weitſchweifigkelt das Weglaffen des 8 In Doppelwörtern verfiht. Seitdem ſchrieb er fi auch nit mehr Legationsrath, fondern Legatignrath, und feierte Feinen Geburtötag mehr, fondern nur noch einen Geburttag. Durch diefe Bis zarrerie find alle fpätern Auflagen feiner Werke entftellt.

„Des Feldprediger Schmelzle Reife nah Flötz“ von 1807 iſt wieder eine anmuthige Idylle.

‘In dieſer humoriſtiſchen Reiſebeſchreibung charalteriſirt fi Schmelzle als ein ausgemachter Haſenfuß, ſucht es aber durch feine Selbſttaͤuſchung zu bes mänteln. Am ergöplichften ift fein Paratonnerre, ein auf einem Regenſchirm angebrachter Bliableiter; feine Angſt vor einer Hure, bie ihn .fälfchlich als Bater eines Kindes angeben Tönne; feine Noth, als er eine Tafel vor ſich fießt, auf der vor umhergelegten Selbſtſchüſſen gewarnt wirb; feine Furcht, der Barbier Könne toll ſeyn sc. Gr ſucht bei einem General um eine beflere Anfellung an, biefer aber weist ihn ab, weil er einmal aus einer Schlacht davon gelaufen fey. Vergebens beweist Schmelzle, daß er aus durcht gar nicht einmal bei der Schlacht anwefend gewefen fey, alfo auch nicht aus ihr

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hätte fönnen weglaufen. Ueber Nacht im Wirthehaus wird ihm bie Vettdede weggezogen unb er babet im Augſtſchweiß, bis feine ihm nachgereiſte luſtige Gattin und ihr Schwager, ein derber Dragoner, der ſich einen Spaß mit ihm gemacht, ihm aus feinem Irrthum reißen. Die angehängte Veichte des Teufels bei einem großen Staatsbeamten ift fortirt. Auch in Schmelzle felbft iſt manches zu fehr Aubirt und erfünftelt.

Doch if es fehr merkwürdig, daß den Dichter gerade in den Uns glüdsjahren der franzoſiſchen Weberwältigung die Laune beſchlich, die Beigheit zu perfifliren, befonders in Bezug auf das nachfolgende Buch, „Dämmerungen für Deutſchland“ von 1809, worin ein patriotifches Herz fhlägt.

In demfelben Jahre erſchlen: „Dr. Katzenbergers Babereife*. Unter den Dichtungen Sean Pauls, worin Wi und Humor über der Empfinb- famfeit vorherrſchen, die klaſſiſchſte. Hier iſt alles gefund gefühlt und wahr.

Dr. Kahenberger ift ein grober Arzt, der ſich nicht nur vor Feiner Gemein« heit fcheut, fondern fie gefliffentlich begeht und ſich vor Niemand genirt, aus einem gewiffen Zunfteynismus. Er ſchwaͤrmt hauptfächli für Mißgeburten und ift ihm nie wohler, ald wenn er in ekelhaften mediciniſchen Materien wählen kann. Er ſucht, in ber Hoffnung, ihm die Reiſeloſten aufzulaben, einen Mitreifenden nach bem Babe Maulbronn, wo er feinen Rezenfenten durch⸗ prügeln wil. Da meldet fi ein Herr von Nieß, ber unter dem Namen Theubobach rührende Theaterſtücke gefhrieben und bamit unbefannter Weiſe Kapenbergers feurige Tochter Theoda bezaubert hatte. Mieß'gibt fih nun für einen Freund des berühmten Theudobach ans, aber je mehr fie biefen bewun⸗ dert, befto weniger macht fie aus dem anwefenden Nieß. Kapenberger laͤßt dad mitreifende junge Pärchen machen und ärgert alle Welt unterwegs durch feinen Cynismus. So verfhlingt er Maifäfer und Spinnen, theilt einen Pfefferkuchen, den er ber Gefunbheit wegen auf bloßem Leibe getragen, Kins dern aus, überfegt jede Regung ber Seele in eine des Körperd x. Im einem Heinen Stäbtdjen wird ihm bie Mißgeburt eines adptfüßigen Hafen zum Kauf angeboten. Gr gibt ein zu leicht wiegendes Goldſtück bafür, laͤßt es deßhalb auf eine Heine Prügelei (im Apotheferladen) ankommen und zieht mit feiner Beute triumphirend ab, da er die Gegner durch einen in feinem Spazierſtock verborgnen Giftpfeil fehredt. Unter den Abenthenern unterwegs iſt auch gut erzählt, wie ein Schwimmer, der öffentlich feine Kunſt fehen laſſen, von einem zufällig anweſenden Halloren, der ihm ins Waffer nachſpringt, aus Kunſtneid durchgeprügelt wird. Am meiſten Humor herrſcht jedoch in Kahenbergers iſchreden vor, die darauf berechnet find, den Miteſſenden Elel zu erregen und

Die Sturm» und Drangperiobe. 273

doch fo fein gewendet, daß ber Lefer nur lachen Tann. In biefen Tiſchreden fließt denn auch der verbiffene Grimm gegen den Regenfenten ein. Diefer, der Brunmenarzt Dr. Gteyfius, HR zugegen und hört alles mit am, wirb aber von dem: abgefeimten Ragenberger lange in Ungewißheit gappelu gelaflen, und übers bietet ſich in Artigkeit gegen ihn. Rieß gibt ein Declamaturinm mb bes rauſcht fih in der Befriedigung feiner Gitelfet. Am Schluß befeunt er, daß er felbR ver berühmte Theudobach fey, befien Verſe er fo eben vorgetragen. Nun ift aber eben ein wirklicher und leibhaftiger Hauptmann von Theudobach zufällig in den Saal getreten, bilbet ſich ein, jener poeliſche Schwaͤchnng bes diene fh feines Namens and fagt ihm ganz teoden, er fey der wahre Ihenbobach. Rieß vertheidigt feinen Autornamen, aber Theoda brängt ſich dazwiſchen mit Gutrüfung und behauptet, mur ber Gaupimana könne ber wahre Theubobad; ſeyn, nur er entfpredhe dem Ideal, das ſie fi von ihm gemacht Habe. MB fie nachher ihren Srethum erkeumb, iR fe ſehr beſchämt, aber hen Hauptmann intereffirt das ſchone Mädegen und ihre Kerzen Anden

. fi. Kahenberger beißt durch cyniſche Reden die lehten beiden Scäulein von ber Abenbgefellfchaft Hinweg und fegt ſich dann mit Gtrykins zum Trinken Hin, indem er vorgibt ſich betrunfen machen zu wollen, am an feinem eigenen Zufand medieiniſche Beobadituugen anzufellen. Gr macht Giryfins ganz ficher, der ihm am Ende mit nach Haufe nimmt. Hier aber, in tiefer Nacht, zieht Kapenberger plöglich ein PiRol hervor und zwingt feinen Gegner, eine in der eitung abzudrudende ſchmahliche Mbbitte nicht mur zu unterzeichnen, fonbern aud) auswendig zu Iernen. Dann will er ihm ein Glied gerbrechen, läßt es fich aber abfaufen durch das Skelett einer Hand mit ſechs Fingern, unb bes gnügt fidh, den Rezenſenten blos derb anf die Hand zu ſchlagen. Dann reist er entzüdt mit feinen zwei Trophäen, bem Hafen und ber Hand, Heim unb findet am Bett einer befreundeten Wöchnerin feine Tochter umd ben Haupts mann, den er als Cidam annimmt, ald er erfährt, berfelbe ſey reich und habe auf feinen Gütern eine Höhle voll urweltlicher Knochen.

In den Anhängen: eine Empfehlung von Hebels alemanniſchen Gedichten, Dr. Fenks Leichenrede auf den Magen eines Fürften, über den Tob nach dem Zode (hochſt fentimental, der Tod im Himmel oder Parabiefe, der Tod am Ende des zweiten Lebens). Die Kunft einzufchlafen; das Glück, auf dem linken Ohr taub zu feyn; bie Vernichtung, eine Bifion (abolalyptiſch, aber nicht fo einfach fehauerlich wie Byrons Naht). Cin warmes Andenken an bie eble Charlotte Eorbay und mehrere Digeeffionen und Aphorismen. . „Leben Fibels“, des Verfaſſers der Bienrodiſchen Fibel, 1812. Eine

Idylle wie die von Firlein und Wup. Gotthelſ Bibel iR ber Sohn eines armen Bogelfellers und wächst in wil⸗ der Unſchuld auf. Da empfängt einmal der Pfarrer einen Befuch von feinem

Bruber, dem deector, und Gottgelf muß ihm einen redenden Gtaar überbrin- Menzel, deutſche Dichtung. UL. 18

274 j gehntes Bud.

gen, bei welchem Anlaß er bie gelehrten Herren von bem VBebürfniffe eines befferen ABEbuchs reden Hört. Der pebantifche Rector holt von Gotthelfs Kopf eine Laus und zeigt fle unter dem Mikroskop, um an ihr bie Größe Gottes in ber Natur betvundern zu laflen. Zum Spaß ſchenkt der Mector ihm auch eine Matritel, in bie ber junge Bibel auch feinen Namen eintragen darf; der Rector felbR unterſchreibt aber micht. Geitbem Heißt Fibel nur der Stu⸗ dent. und ift mit biefem Titel uͤberglücklich. Drolla, die hübſche Foͤrſterstochter, bie er liebt, ermahnt ihn zur Geduld. Sein alter Vater ſtirbt, Hinterläßt aber einen Heinen Schag in Gold. Ueberdies erfindet er das nach ihm bes nannte berühmte ſachſiſhe UPEhuch. Cin verborbener Magifter Pelz gibt ihm den Rath, fein Büchlein zu bruden. und dem Markgrafen zu überreichen. Fidel ihut das, Hält uber in der Mefibenz jeden galonnirten Bedienten für den Martgrafeh und fäNt ihm zu Füßen, 5is er den Markgrafen felbft, welder cpläft, für einen Bedienten Hält und weckt. Der Markgraf donnerwettert ein wenig, muß aber über ben armen Schelm lachen, und verfpricht ihm Einfüh— rung feines Büchleins in den Schulen. Auch darf Fibel jeht feine Drolia heirathen und ſchwimmt in Eeligkeit. Sämmtliche Intereffenten fterben, nur Fibel nicht, den der Verfaſſer noch in feinem 128. Jahre befucht und ihn noch immer befeligt findet von feinem Verdienſt und Ruhm.

Mars und Phöbus Thronwechſel“, 1814.

Der Dichter hebt darin das Lügenfuftem Napoleons auf bie fhärffte Weife hervor und bewährt ben Adel deutſchen Gefühls gegenüber biefer welfchen Lüge in ber feinften Auseinanberfegung der verfchiebenen Gattungen von offizieller beſonders lachender und auslachender Lüge. Die Pointe iſt aus Stellers Reife nad) Kamtſchatta, da Beifpiel des Bären, der erlegt und gebraten auf dem Tifh fo angerevet wirb, als ob er, ſtatt verfpeift zu werden, felber der Mit⸗ fbeifende und Ehrengaft wäre.

nBriebensprebigt für Deutſchland“, 1818.

Wieder politiſche Digreffionen, fogenannte Nachdaͤmmerungen für Deutfchs land. Dabei eine rein humoriſtiſche Schilberung des Krieges zwiſchen zwei Duodezfürften, Maria und Tiberius. ö

nDer Komet“ oder „Nikolaus Marggraf“, 1820. Jean Pauls letzter größerer Roman, unvollenbet geblieben.

Henoch Clias Marggraf, Apothefer im Städtchen Rom in ber Markgrafs ſchaft Hohengaiß, heirathet eine italieniſche Sängerin, bie ihm (etwas zu früh) einen Sohn Nicolaus und dann noch brei Töchter gebiert. Hierauf ſtirbt fie, befennt aber vorher in der Beichte, daß Nicolaus nicht Henochs, fonbern eines deutfchen Fürfen Sohn if, dem er auch fehr ähnlich fehe. Die Aehnlichteit beſteht hauptſaͤchlich in zwölf angeborenen Fleinen Poclennatben auf ber Nafe

Die Sturm» und Drangberiobe. 275

und in der Phosphorescenz bed Haare, in ber ber Heine Nicolaus zuweilen wie in einem Nimbus ſtrahlt. Henoch hat die Beichte belauſcht und if nichts weniger als gornig, fondern ſchadt fi die Hohe Verwanbtfehaft zur Ehre und ſpeluirt darauf, vom unbefannten Fürfienvater einmal für die Erziehung des Blegefohnes reichlich belohnt zu werben. Nicolaus if voll Liebe und Güte gegen Jedermann ſchon ale Kind, hat aber eine große Ginbilbung von ſich heils wegen feines Heiligenſcheins, theils wegen ber fürftlijen Geburt, bie ihm Henoch verrathen. Als dieſer aber ſtirbt und Nicolaus von deſſen Ieptem Erbe ſtudirt, ohne feinen fürſtlichen Vater auffinden zu Tönmen, muß er Heim und bie Mpothefe übernehmen. Eo geht ihm ſchlecht / er wird Bitter arm und verfällt auf allerlei Projecte, reich zu werben. Erſt will er bie Golbtinktur erfinden, dann verſucht er, Diamanten künſtlich zu erzeugen. Dabei vertraut er feinem dummen aber treuen Stößer Stoß alle feine Hoffnungen, wie er durch Neichthum feine fürſtliche Geburt geltend machen und dann bie wunders Holde Brinzeffin Amanda heimführen werde. Diefe nämlich Hat er ein als Knabe gefehen und geliebt, einen Drangenzweig, ben fie fallen gelaflen, als Heiligthum aufbewahrt und fogar ihre Wachsbüfte nächtlicjer Weile vom Brett, auf dem fie ausgefielt gewefen, gefohlen und in einem Ieeren Uprgehäufe aufe bewahrt wie ein Mabonnenbilb, zu bem er täglich betet. Inzwiſchen mißräth der Diamant, auf ben er fo ſicher geredinet, daß er Gaſte eingeladen hat. Nun Hat er feinen Heller Gelb, und morgen foll er wegen Schulden gefangen gefegt werden. Zu allem lommt noch der ihm feinbfelige Doctor, um bie Apotheke zu viſitiren, und findet alles ſchlecht. Aber ihn unterbricht bes Stößers Ruf, es ſtrahle im Dfen mit unbefchreiblicyem Glanze. Man unterfucht und flehe der zweite Diamant ift mackellos und bie große Erſindung gelungen. Ein Jude bezaßft gleich 5000 Thaler bafür, weit unter dem Werihe Nico laus bewirthet gleich fürftlich jeden, der kommt, und will aud Feinden Gutes Aun. Gr nimmt alfo eine Geldrolie und fleigt Nachts auf einer Leiter in das Benfter des verarmten Unterauffchläger Schleifenheimer, um bemfelben bie Geldrolle heimlich einzulegen, gerabe weil berfelbe ihn einmal als Kind miße Handelt Hat. Aber Nicolaus wird auf der Leiter erblidt und für einen Dieb gehalten, was zu einer Kleinen Straßenſchlacht führt. Sie endet damit, daß alle Kämpfer ſich auf bie Gelbftüde wälzen, die ber Rolle entrollen, indem Nicolaus fie im Handgemenge zerfehlägt. Durch diefen Vorfall wird Nicos laus Widerwille gegen das Heinfädfifcge Rom, in dem es ihm bisher fo übel ergangen, noch) gefleigert und er beflieft, als Fürft incognito auf Reifen zu gehen, um feinen Hetrn Bater und die Prinzeffin zu fucjen. Geine wenigen biöherigen Freunde nimmt er mit, lauter Humoriftiflhe Figuren, bie allerlei " Hofigargen übernehmen müflen. Gleich auf der erſten Station findet er Jean Baul felber als Wetterpropheten und nimmt ihn auch mit. In der erſten Stadt, in der fie anlangen, hält Nicolaus alle Maler, die fid bei ihm mels den, für die längf verſtorbenen Meiſter, deren Bilder fe copiren, und

276 Zehntes Buch.

verſchwendet fein Gelb an ſie, indem er fi vom allen malen läßt. Im ber Bildergalerie ſindet er auch «ine der Tleinen Pringeffiunen, bie feine Amanda begleitet Hatten, jeht erwachſen wieder, md redet Unfinn am fle Hin.

Hier Hört der Roman auf, ohne daß Nieplaus ben Vater oder die Beliebte gefunden hätte, oder daß wir vorauswiſſen Könnten, ob fein Wahnfinn geheilt werben ober tragiſch enden wirb.

Außer den aphoriftifhen Anhängen zum Kometen enthält derſelbe zwei der geiſtvollſten Epiſoden.

1) Das große magnetiſche Gaſtmahl des Reiſemarſchallq Warbel (fon im Anfang des erflen Theils eingef—hoben), eine trefflice Satire auf den Wiener Gongreß. Nur Einer ißt, die übrigen @äfe glauben nur zu eſſen, indem durch Magnetismus ihre Chwertzeuge und Sinne in fäufcpende Bewegung ges feßt werben.

2) Die Traumgeberei. Fünf Studenten vetſchworen ſic⸗ dem Polizeidirector Saalpater und andern würbigen Perſonen ängftigende, beſchaͤmende uud hoͤchſt ärgerliche Träume einzugeben, welche diefelben, durch Sympathie gezwungen, notwendig träumen müflen. Die Studenten werden befhalb als Dema- gogen verfolgt. Meifterhafte Satire auf die Mainzer Centralunterſuchungs⸗ commiſſion. J

Kleinere Auffäge Jean Pauls wurden gefammelt "in ſeiner „Herbfte blumine“ von 1810. Darunter der „Traum einer Wahnfinnigen“, ein „Traum von einem Schlachtfelde“. Werner ein „Mufeum* von 1814. Darunter das Brappantefte: „des Geburtöhelfer Walter Viermeiſſel Nachtgedanken über feine verlornen Fötus-Ideale“, Indem er’ nichts ger worden als ein Menfh. Weitere Auffäge aus Taſchenbüchern und Zeit- ſchriften, Briefe sc. enthalten die fünf Schlußbände der Gefammtausgabe, und Ernft Börfter, Jean Pauls Schmiegerfohn, Spazier, Jean Pauls Neffe haben noch ganze Bände von Material, Bruchſtücken, Aphorismen und Briefen nachgeliefert.

Eilftes Bud. NRomantik.

1. Die falſche Homantik.

Man pflegte alles romantiſch zu nennen, was weder antik noch auch philiſterhaft modern war, ſondern worin Geſtalten und Scenen des ritter⸗ Uichen Mittelalters vorkamen, ober, wenn, es bie Jetztzeit galt, mentgftens \ Bilder aus fremben ober eingebilveten Ländern. Unter dem Romantiſchen wurde eigentlich das Anfremdenbe gemeint, was jene Beftalten und Scenen für die gebildete Lefewelt Hatten, die biöher In der Schule nur an das Antike, zu Haufe nur an das. Philiſterthum gemöhnt worden war.

Begreiflicherweife wurde das Ritterlich- Mittelalterliche wie das Aus

ländiſche nicht nach feiner Art, fondern nad claſſiſchen Schulbegriffen und philiſterhaft aufgefaßt, weshalb dieſe ganze Richtung nur eine falſche Romantik war. Die Philiſter fühlten fi wunderbar angezogen von ben ritterlichen Heldengeftalten, minniglichen Jungfrauen, alten Burgen und Harſthörnern, von der Heiligen Veme, von Klöftern im Mondſchein, von Geiftern u. dgl., aber fle verftanden das Mittelalter nit mehr und trus gen ihre modernen Begriffe hinein.

Die Ritterromane, ſcheinbar zurückführend in das Mittelalter und deſſen Geiſt, waren gerabe bie wildeſte Ausgeburt der Aufklärung In ihrem Haß gegen das katholiſche Mittelalter... Durchgängig ergreifen fle

278° . Cilftes Bug.

Partei für den modernen Staat gegen bie alte Kirche und ‚verlegen in den angeblichen Nitterbünden die moberhe Maurerei in jene fernen Jahr» Hunderte zurück. \

Leonhard Wächter (d 1822 in Hamburg) ſchrleb unter dem Namen Beit Weber „Sagen der Vorzeit“ in fieben Bänden 1787, worin durchaus dieſe Tendenz vorherrſcht. Don echten Volksſagen finden ſich hier nur ſchwache und entftellte Spuren. Alles ift moderne Erfindung. Biſchöͤfe, Aebte, Mönde find die obligaten Böſewichter, die alle erdenk- lichen Greuel begehen und bafür von dem „Nitterbund für Net und Frelheit“ gezücgtigt werben. Daneben Fommen auch wilde Ritter vor, die das Fauſtrecht mißbrauchen, Räuberei treiben, Weiber ſchänden, bis zulegt ein volksfreundlicher Fürft ihrem Unfug ein Ende mat und die Segnungen des modernen Staates in Ausfiht flelt. Faſt unerträglich iſt die Affectation des mittelalterlichen Styles in mehreren dieſer Sagen. Nur eine einzige, im dritten Theil, „Tugendſpiegel“, tft als Compofition aus echten Sagen nicht übel durchgeführt.

Bloribelle, die fehöne Königin von Dänemark, fommt in Mannsfleivern an den Hof der Königin Genovefa von Frankreich, um zu erfahren, ob fie wirklich fo fee fhön und fchöner noch ald fie felbft fey? Hier kommt fie als Jüngling in Verdacht, mit der Königin zu buhlen, und muß ſich vor dem König durch Entblößung ihres Bufens teifffertigen. Der Dänenlönig, ein Graf Adolph von Dachsburg, dloribellens Gemahl, tut aber, weflen fie faͤlſchlich beſchul⸗ bigt war, und buhlt mit Genovefen. Cine gewifle Wulfhile, die ebenfalls mit ihm buhlen möchte, wird von Golo betrogen, ber fie verkleidet und mit verftellter Stimme, als ob et Abolph wäre, umarmt. Diefer Golo vollbringt noch allerlei Miffethaten, bis er entlarot und durch bie zornmüthige Wulfhilde erſtochen wird.

In den „Holzſchnitten“ Veit Webers wird ein Bruder Gramſalbus als Vorbild aller mittelalterlichen Pfaffen verhöhnt, z. B. neben eine junge Schöne ind Bett gelegt, aber, fo wie er ſie berührt, jedesmal ſchmerzlich gezwickt, in einer Mummerei, ald wäre er in ber Hölle, ent- ſetzlich geängftigt, zulegt aber noch bei lebendigem Xeibe zum Heiligen ernannt und ber Schwank ſchließt damit, daß er vor feinem eigenen Altar ſich ſelbſt bittet: „Bitte für mich“.

Den wüthendften Haß gegen die Kirche trug ber Hofgerichtsrath

Romantit. 279

Mater in feinem Nitterfaufpiel „Buft von Stromberg“ zur Schau, aufgeführt zu Mannheim 1782.

Fuſt von Stromberg iſt der Sohn eines Ritters mit ber Leibeigenen eines Klofterd. Auf diefen Umfand gründet bie ruchloſe Pfaffheit den Plan, bie Güter des Ritters an fich zu reifen. Mber fein Helbenmuth und der treue Beiftanb bed Adels vereitelt den Plan. Im einer großen Menge von Nads trägen Häuft der Dichter alle erdenklichen Verbrechen auf die Pfaffen.

Hermann von Unna. Eine Geſchichte aus ben Zeiten ber Vemge⸗ richte. Zwei Theile. Brankfurt und Leipzig, 1789. J Kaiſer Wenzel feiert die Hochzeit zu Prag mit Sophie von Bayern. Reis zende Mädchen umringen bie junge Raiferin mit Blumen. Die reigenbfle von allen, Ida, Tochter eines Bildhauers, gefält der Kaiferin fo fehr, daß fie deren Liebling wird. Der Liebling des Kaiferd aber, Hermann von Unna, verliebt ſich in Ida. Nur der Stand trennt fie. Ida wird aber von Neibern als Here angeklagt, weil Schönheit alle Welt behert, und vor das Bemgericht gezogen. Ihre lichte Unſchuldogeſtalt vor den ſchwarzen · Richtern im Werbors genen iſt der Glanzpunkt des ganzen romantiſchen Gemaͤldes. Ihre Unſchuld wird beſchuht durch den Grafen Eberhard von Württemberg, den wir plößlich ‚al ihren wahren. Vater auftreten fehen. Der Bildhauer hatte das junge Mädchen dem Vater nur entführt, um ed vor einer böfen Gtiefmutter zu fügen. Unterdeß wird Hermann ebenfalls falſch angeflagt, als hätte er mit König Sigmunds Weibe Barbara gebuhlt. Rach allerlei Gefahren und Abens theuern aber kommt auch er gerechtfertigt zurüd und wird mit feiner Iba vermaͤhlt.

In feinen Ritterromanen ahmt ber oben ſchon charakteriſirte Korft« rath Eramer bie naive Sprache des Götz, zugleich die Kraftausbrüde der Schillerſchen Näuber und den glühenven Pfaffenhaß Klingers nad. Die Tendenz iſt: tapfere Ritter und gute Fürſten fügen das Volk vor der Ungebühr ver Pfaffen. Alles erdenkliche Böfe wird den Pfaffen zu- geſchrieben. Man begreift ven Pfaffenhaß der Wreigeifter, aber es war doch eine grobe Verirrung, wenn bie Dichter ſich ind Mittelalter zurüd“ verfepten, um ritterliches Fauſtrecht ind dynaſtiſche Ufurpation zu preifen und dagegen bie Kirche zu beſchimpfen. Cramer hat feine Romane bras matifirt. 2 "

Adolph der Kühne, Maugraf von Daflel. Hier ahmt Cramer ben biderben Styl der Ritterflüde von Törring nach unb ſchmückt feine Meben nicht nur mit ben bei ihm herkoͤmmlichen Flüchen, fondern auch mit vielen: traun, ſchier, unwirrſch und aͤhnlichen Tofeit angebrachten alten Redensarten. Der

280 Cities Bag.

Rangraf if im Kampf mit ben Pfaffen, denen alle möglichen Lafler anges Dicptet werden. IS guter Megent befegüt er das Mol gegen bie Tyrannel, Räuberei und Hurerei ber Pfaffen. Einmal läßt er bie Mönche in einem Kloſter Iebenbig verbrennen und freut ſich, wie die Mäufe pfeifen, Gin geiler Propſt raubt ihm feine Geliebte Adelheid. Gr rettet fie, aber fie iſt ſchon von Kummer fo Herabgefommen, baf fie in feinen Armen firbt. Der Propft wird ermorbet und furchtbare Rache genommen. Dann zieht fi Adolph von ber Höfen Welt zurüct, die einen Meiz mehe für ihn Bat. .

Hafpar a Spada. Auch Hier kämpft der Weberherzige Held wider bie Arglift des Bifchof von Würzburg und eines buhleriſchen Abts. Haſpars Mutter iſt von einem Pfaffen verführt morben und mit dem Gerippe beffelben im ſchauerlichen Kerker eingefperrt; Haſpars Gattin wird ihm von Pfaffen geraubt, doch wieder frei durch einen Freund, ber, um wur ihr Verſteck zu erfahren, mit bes Biſchofs Maitreſſe buhlen muß. Diefe Maitrefle liebt neben vielen andern auch einen jungen Pagen, ben fle auf alle Art mißbraucht, bis er fie und ſich zugleich vergiftel. Am Schluß tritt ber Herzog von Brqun⸗ ſchweig, den Hafpar kennt, als volksfreundlicher Netter auf. In biefem Mos maue dolettirt Gramer am meiften mit bem Schauerli—en, Kerkernacht, Ges witterſchwůle, grauenvoller Stile, Wildniß, Gift und Dold, Schlacht und Brand ꝛc. \

Spies, Eramers Nahahmer, deſſen au ſchon oben gedacht iſt, ſchrieb 1790: dad Spektakelftüd „Klara von Hoheneichen“.

Mara liebt den Ritter von Melungen, dem fle Landgraf Heinrich von Thüringen zu entreißen fucht. Adelungen wird gefangen, aber von Klara ber freit. Klara ift in Heinrichs Gewalt, wird aber von Adelungen wieder befreit und Heinrich, beflegt und gefangen, entfagt verzweiflungsvoll und geht in ein Klofter. J

„Die Löwenritter“

bilden einen Bund zur Aufrechterhaltung des Mes in Deutſchland. Die Ge⸗ ſchichte beginnt mit dem Tode Heinrichs VI. und endet mit ber Thronbefteis gung Friedrichs IL. Der Bund prüft diefen Iepten jugendlichen Hohenſtaufen und unterßügt ihn, ald er ihn bewährt gefunden, und hilft ihm auf den kaiſer⸗ lichen Thron, indem er bie Ritter des „ſchwarzen Bundes“ beflegt. Alles übrige dreht fi um eine italienifche Gräfin Adelgunde und ihre Abenteuer im Abends und Morgenlande. Geiſtlos, lang, breit, eine Geheimnißkraͤmerei umd Wichtigtäuerei ganz im Style des damaligen Maurerthums und ber. Theaterheiden mit Rüfingen von Pappendedel.

Spieß ſchrieb aud eine „Marla Stuart“, melde viel beſſer iſt. Glifabeth fpricht zu viel von ihrem guten Herzen umd von ihrem weichen Mitleid, indem fie doch Hart handelt. Nicht übel iſt der Herzog von Norfolk

Romantik. 281

im die Mitte zwiſchen beide Königinnen gefiel. Cr lebt Marien nnd wirb von Glifabeth geliebt. Cr Hat ſih tief in die Verſchwörung gegen Clifabeif eingelaffen. Sie verzeiht ihm. Gr glaubt, fie Habe auch Marien verziehen, als er aber, ſchrecllich getäufcht, erkennt, daß bie Verzeifung nur ihm gelte und daß Marieng Todesurteil ſchon unterzeichnet fep, überläßt er ſich vor Glifabeth feiner Verzweiflung. Wüthend will fle ihn nun verhaften laſſen, aber er erflicht fi vor ihren Augen.

Im „Petermännden“ von Spieß wird Ritter Rudolph von Wefterburg (mie Fauſt) vom Teufel durch alle Stufen des Laſters durchgeführt.

Merkwürbig find bie Geiflerromane von Spieß, weil fie fi an die altbeutfehen Elbenſagen anknüpfen.

Im „Hans Heiling“ kommt ein reicher Bauer in das Geiſterreich im Innern eines Berges, wird mittelft eines Zauberringes felber Geiflerkönig, verliert aber feine Macht durch Unflugheit und Verführung böfer Geiſter. Hier ſchweift der Roman weit ab, läßt den Helden in eine Tochter des Vnka von Peru verliebt werben sc. In „den Berggeiſtern“ if es Hannchen, ein reiches Bauermäͤdchen, die nicht wirklich ins Geiſterreich lommt, fonbern nur unter phantaſtiſchen Borfpiegelungen einem ſchlauen Liebhaber in die Arme geführt wird.

Verwandt wit den Sagen von Ahasver iſt der Roman von Spieß „der alte Ueberall und Nirgends“, ver 1792 zuerft in Prag erfchien.

Diefer alte Ueberall iR nämlich Ritter Georg von Hohenfauffen, der zu Karls des Großen Zeiten lebte und feine Ritterpflichten fo freng übte, daß er überall bie Unſchuld und das Recht ſchirmte, felbft im Wiberfpruch mit dem Höchften Staatöwillen. Natürlich verfiel er dem Geſetz und Karl ber Große Heß ihn wegen feiner ungeſehlichen Tugendſchwärmerei enthaupten. Allein weit entfernt, nam im Himmel den Lohn feiner Tugend zu erndten, warb ihm geboten, fo lange, und zwar in beliebigen Geftalten, auf Erben umzuwandeln, bis ex wenigſtens fünf Handlungen verrichtet haben würbe, die wirklich groß und gut zu nennen wären. Gr fept man in allerlei Geftalten feine Tugend⸗ übungen fort, allein mit Schrecken wird er inne, wie ſchwer bie ihm geftellte Aufgabe feg, denn faft alle feine Handlungen find entweder bloß einfache Pflichterfüllungen, die nicht beſonders belohnt und verehrt werben Tönnen, oder es find wohl gar Anmaßungen und Tänfjungen, bie anſtatt eines guten Er⸗ folges einen böfen Herbeiführen. Was immer Spieß für abgefchmadtes Zeug gefchrieben Hat, die Idee dieſes Romans macht ihm Ehre.

Eine Kaufmannsfrau in Leipzig, Frau Benedikte Naubert, Tod ter des Profeffor Hebenftreit, wettelferte mit Veit Weber und Mufäus

282 Gilftes Bud.

in ver Wiedererweclung altveutfcher Sage. Ihre 1789 erſchienenen „neue Volksmarchen der Deutſchen“ find weit beffer als Webers Sagen ber Vorzeit und enthalten echten Sagenftoff von Rübezahl, ven Kindern von Hameln, Roßtrapp, der weißen Frau ꝛc., fle muthen aber nicht fo an, wie des Mufäus Märchen, weil fie in einem zu empfindfamen Romanton geſchrieben find. Zwiſchen 1785 und’ 4818 ſchrieb die Naubert 5060 Hiforifhe Romane. Man thut ihr zu viel Ehre an, wenn man fle die Schöpferin dieſer Gattung nennt, da ſchon die Staats- und Liebes- geſchichten hiſtoriſche Aomane waren. Sie behielt auch von diefen noch die abentheuerlihen Verwicklungen und zum Theil fogar noch die galante " Briefftelleret bei. Aber fie trug viel mehr Empfindfamfeit hinein und bewährte eine marme Liebe zum romantifch Ritterlichen, fo daß fle unge- fähr wieder zum Standpunkt der Amabisromane zurüdfehrte oder zu ber Grenze, wo Renalffance und Mittelalter ſich berührt hatten.

Die Geſchichte Emmas und Eginhards (vom 1785) ift ziemlich ergöglich wegen des gänzlich mobernifieten Goftüms. Ritter, gnäbige Frauen und Hofz fräufeins wie in der galanteften Zeit, und fentimentale Briefwechſel mit ben ſchoͤnſten Romanflofeln. Dazu viele Nebenperfonen und Kleine Berwiclungen, tie immer bei ber Naubert. Das Hauptinterefie dreht ſich indeß um die Liebe des Geheimfchreiberd zu ber ſchoͤnen Tochter Karls des Großen, bie (eine nicht ungludliche Erfindung) dem Sachfenhelden Wittetind zur Befieglung des Friedens verlobt werden fol. Am Schluß die befannte Entvedungsfcene im Säner.

Alf von Dülmen, ein Roman der Naubert von 1791, läßt ven Helben als Freund des Dtto von Wittelsbach mit ihm gegen das Leben des Kaifer Phir Hipp verſchworen, mit ihm verbannt und verfolgt, gefangen, gefoltert und in den Kerker geworfen werben, aus bem ihn enblich zwar ein Freund reitet, aber nur um den ganz Entkraͤſteten zu begraben. Diefer tragiſche Roman ift voller Abentheuer, Vemgerichte, mittelalterliher Rohheit und moderner Gens timentalität in buntem Gemiſch, nicht ohne Lebendigkeit, aber unnatürli und unhiſtoriſch, da der gute Kaiſer in bie moralifche Schattenfeite und ber barba⸗ riſche Otto in die Lichtſeite geftellt wird.

Im Eonrabin von Schwaben lenkt Frau Naubert das Hauptinterefle auf eine Heine Liebſchaft dieſes Prinzen, und ſelbſt im Walther von Montbarry, dem Hochmeiſter des Templerorbens, befepäftigt fie das große Schidſal des Ordens und des Mannes nicht, fondern wieder nur eine Liebfehaft, bie fie ihm ,

andichtet. Auch dem Hatto, Biſchof von Mainz, Iegt fie eine Maitreffe bei,

s ber fie alles aufbürdet, was bie Vollsſage dem Bifchof felbft zufchreibt. Die Thekla von Thurn, Tochter des berühmten böhmifchen Rebellen, läßt Frau

*

Romantik. 283

Naubert doch gar zu wunderliche Abentheuer befiehen. Die Barbara Blomberg, Mutter des Juan d’Auftria, macht fie nur zu einer Scheinmutter ıc.

Nur wenige und meift ſchwaͤchere Romane der Naubert gehen vom hiſtoriſchen zum Pamilienromane über. So die Zwillingsfhweftern von 1791. Cine Gräfin Mutter Hat die Freude, „den Zwillingscherub· ihrer Töchter nach vielen Sorgen und Gefahren, bie beſonders eine Tochter vckanlaßt, glücklich verheitathet zu fehen. Nebenperfonen fpielen, wie überall bei der Naubert, eine große Rolle. Das befte in diefem Roman if die ſchlichte und ſehr Ichens dige Schilderung eines Bootsmanns, wie er im Schiffbruch ein kleines Mäd— en gerettet Babe, In dem Roman „die Irrungen“ von 1808 wird eine gewiffe Biole ihrem Geliebten durch Verleumdungen entriffen, Heirathet feinen Vater und findet fih nun barein, des Geliebten Mutter zu feyn. Cine recht geeifenhafte Grfindung der alten Frau.

Ein Nachahmer der Naubert war der Vielſchreiber Gottlieb Heinrich Heinfe mit feinen Romanen: Margarethe Maultaſch, Turnier zu Prag, Ludwig der Springer, Ludwig ber Eiferne, Dietri der Bedrängte, Kanut der Heilige ıc. .

Lindau, deſſen „Heliodora oder die Rautenfpielerin aus Griechen⸗ land“ von 1802 einen gewiſſen Auf erlangte, ſchrieb noch unzählige Nitterromane, eine Erminia ober Einfteblerin unter Roms Ruinen ac.

Friedrich Schlenkert (F als Profeffor der Korftacademie in Tha⸗ tand) ſchrieb von 1780 an dialogiſirte Ritterromane von äußerſter Lang- weiligkeit und Rohheit, fofern er ohne eigene Erfindung nur befannte geſchichtliche Stoffe über feinen Leiften ſchlägt. So Friedrich ber Gebiſſene, Kaiſer Heinrich IV., Wiprecht von Groitſch, Morig von Sachſen, Ru—

dolph von Habsburg, Bernhard von Weimar, Theudelinde sc. Er ſteht tief unter der Naubert und Gramer.

Berbdinand Ludwig Huber gab 1795 zu Berlin Schauſpiele heraus, erftend das Heimliche Gericht. \

Nitter Sontheim Hat einen andern Ritter erfehlagen, um fein Weib zu freien. Es wirb entdeckt und er wird vor bie heimliche Veme geladen. Gin Freund rettet ihn, indem er fich ſelbſt opfert, Sontheim aber kehrt zurüd, wirft ſich über feine Leiche und während die Vemrichter mit gezogenen Dolchen um ihn ſtehen fällt der Vorhang.

Breit und geiftlos behandelt, die Spräche in Göthe's Götz nadjäffend. Im zweiten Stück, in deſſen Vorrede Huber ſich „eines gewiffen höheren Coſtumes des Converſatlonstons“, wie Göthe in feinem Taffo, rühmt,

284 Eilftes Buch.

opfert ſich die fehöne und geiftteiche Juliane durch freiwillige Blucht auf, damit ihr Gelichter, ein Graf, auch wieder zu feiner Gattin zurückkehren könne. „Die Wehmuth, die ich ihm in meinem Andenken Hinterlaffe, fol das Band wiſchen ihm und mix Heiligen.“ Dan follte faft glauben, feine Frau, Thereſe Huber, die fo viel Entfagungsromane ſchrieb, habe dieſes Stüd für ihren Mann gefehrieben. Au Kogebue pfuſchte in die Ritterſchauſpiele. Wie er fi zur Romantik verhielt, erhellt am beſten aus feiner „Johanna von Mont- faucon®,

Johanna if die Gemahlin Adalberts, deſſen Vater einft ben Grafen von Granfon aus feinem Erbe vertrieben. Adalbert macht fid Aber den unrecht: mäßigen Beſih Gewiſſensbiſſe, kann aber feine Nachkommen des alten Grafen mehr finden. Inzwiſchen bemächtigt fih ein böfer Nachbar, Ritter Lafarra, mit Lift und Gewalt des Schlofles Granfons und Johannens, die er längft heimlich liebt. Adalbert entfommt mit Noth. Laſarra gibt fih nun alle Mühe, Johannen zu getvinnen, und droht ihr endlich mit ber Hinrichtung ihres einzigen geliebten Sohnes. Schon flieht der Henker mit dem breiten Beile bereit, da bricht ihr Herz und fle bewilligt alled; mittlerweile aber hat Bhilipp, ein junger treuer Diener Abalberts, biefen gerettet und bie Hirien auf den Alpen zu Hülfe gerufen. Sie lommen zu rechter Zeit, um Graufon zu überfallen und bie Hochzeit zu Hindern. Während gefämpft wird, zieht Jo— Hanna ſchnell eine Rüſtung an, waffnet ſich, ſtürzt ſich ins Gefecht und erfchlägt Laſarra felbft in dem Augenblick, in welchem er Adalbert fchon befiegt und niebergetorfen bat. Johanna ift frei, aber gleichzeitig Hat man entdeckt, daß der alte Gremit, bei dem Malbert auf feiner Flucht Schug gefunden, ber alte Graf von Grauſon, und bie niedliche Hildegard, bie ald Tochter eines Meier gegolten und Philipps Geliebte ift, des Grafen Tochter und Erbin if.

In den „Kreuzfahrern“ ſcheint er an Leſſings Nathan gedacht zu haben, indem er alles Gehäffige auf chriſtlicher, alles Noble auf muha- medaniſcher Seite geſchehen läßt.

Balduin von Gichenhorſt rettet bie gefangene Emirstochter Batime aus der Gewalt der Chriſten und gibt fie ihrem Dater zurüd. Verwundet kommt er in ein Ronnenkloßer, wo eine junge Nonne ihn pflegen foll, bie er als feine alte Geliebte erkennt, Emma von Walkenfein, bie ihm aus Deutfchland gefolgt und, weil fle ihn tobt geglaubt, ins Kloſter gegangen war. Gie fliehen, werben entbedt. Schon fol Emma eingemauert werben, ald der Emir fle rettet. Der Biſchof Ademar kommt dazu und löst großmüthig der Nonne Gelübbe, fo daß fie den Ritter heirathen Tann.

Romantit. 285

Im „Eremiten von Formentera müffen fh alle Confeſſionen den maureriſchen Bruderkuß geben.

Befagter Eremit lebt einſam, als ber Zufall feinen eigenen, anfangs uner— Tannten Sohn Bebro mit der Türfin Selima, die derſelbe entführt Hat, auf die Infel führt. Durch einen noch größeren Zufall Tomnt and; Gelimas Vater Haſſan auf die Infel und man verſöhnt fih. Pedro darf Selimen heirathen. fie darf aber eine Türkin bleiben, benn, fo ſchließt das Teichtfertige Opus: unfer Glauben ift verſchieden, doch die Herzen find ſich gleich.

Nitterfhaufpiele und Ritterromane entſtanden, well fle fo fehr be— llebt wurden, zu hunderten und taufenden und Bilden jegt noch eine ſtehende Rubrik in den Lelhblbllocheken Hier nur einige Titel.

Kuno von Kiburg nohm die Gilberlode des Enthaupteten und warb Zerſtorer des heimlichen Bemgericht. Kuno von Schredenſteln oder bie weiß: ſagende Traumgeftalt. Wolfgang von Teufelftein oder die goldene Rofe. Urach der Wilde. Kurt von der Wetterburg. Der Tobtenritter. Adolph von Bomfen ober Ritterkraft und Moͤnchsliſt. Das Burgverließ ober bie blutrothe Tobtens fadel. Die Verſchleierten im ſchwarzen Schloß. Buflo von dalkenſtein ober die Geheimniffe der Todtengruft xc.

Neben ven Ritterromanen entflanben unzählbare Rauberromane. und Rauberſchauſpiele. Hierin ging Schiller, von dem wir erſt nachher ausführlid reden, voran. Die modernen Räuber galten als Vertreter des Rechts, wie bie oben genannten Ritterbünde. Die gebilbete Welt fand auf bem Kopfe, indem fle ihre eigne philifterhafte Einrichtung zu ver⸗ achten und zu haſſen und für bie Weimbe.ber bürgerligen Orbnung, bie Räuber, zu fhwärmen begann. , Sie trug fon revolutionären Geiſt in ſich, indem fie den Wahn audhedte, alles Verderben gehe von ven Pries fern und Beamten aus und eble Räuber feyen berufen, das gekränkte Met zu rächen, das Beſtehende umguänbern.

Am weiteften ging Cramer in feinem Donfgügen und Hfäokte in feinem Abaͤllino.

Der Domfäg, ein Wilderer und Mänberhanptmann, fprelt mit feiner Bande bie Molle des Vemgerichts, firaft vie Böſen ber höfern Stände und ber lohnet die Guten und Armen. Als Verbrecher ſteht nicht ber Räuber vor dem Richter, fondern der Michter und Beamte vor dem Mäuber. Zuletzt ſtellt ſich ber Räuber vor den Fürften, wie Marquis Pofa vor Philipp IL, belehrt, erſchüttert ihn aber nicht mur durch Reben, fondern enthüllt ihm, daß faſt alle feine Beamten Böfewichter und Hochverraͤther feyen, er, ber Räuber und feine

286 Cilftes Bud.

Bande allein feyen loyale Unterthanen und am Schluß des tollen Werkes ſteht der Fürft mitten unter den Räubern, während die Beamten in Ketten abs geführt werben.

Beh oFke’s Abäallino fpielt die Doppelrolle eines Prinzen und Räu« berd. In der legten Mole übt aud) er ein Vemgericht über alles Böfe im Staat und wirb ungeheuer gefürdtet, bis er ſich als vornehmer Herr zu erfennen gibt.

. Der vertriebene neapolitaniſche Graf Dligzo liebt die ſchöne Rofamunde, Tochter des Dogen von Venedig, und erwirbt ihre Hand durch Fühne und liſtige Ueberwältigung der in ber Republik übel Haufenden Banditen, indem er fi unter dem Namen Abällino in einer Verfleivung felbft an ihre Spitze ſtelit und fie fo lange täuſcht, bis er fie völig in feiner Gewalt hat und dem Gerichte überliefern Tann. Mit der Rolle des fürchterlichen Abällino abwech⸗ felnd, fpielt”er die eines gewiffen Flodoardo, eines Höchft feinen Florentiners, der unter den venetianifchen Nobili ſich eben fo viel Anfehen erwirbt, wie Abällino unter den Banditen und ber ſcheinbar an ber Spige der Sbirren gegen eben diefen Abällino zu Felde zieht. Das Gange ift die anmaßendfte Kofetterie, die ſich denken läßt, dazu gemein gefehrieben.

Chriſtian Auguft Vulpius, deſſen fhöne und üppig. gebaute Schweſter die Haushälterin und Maitreffe Göthe's wurde (und die Göthe 1806 nad, ver Schlacht von Jena im Lerm der Zeit unbemerkt heirathete), war Sekretair des Grafen Soden in Nürnberg, dann Theaterbichter und endlich Bibliothekar in Weimar. Er erwarb fih 1798 einen großen Ruhm durch feinen „Rinaldo Rinaldini“, der unter allen Räuberromanen der Zeit der beliebteſte wurde. Vulpius miſchte hier den Charakter Karl Moors von Schiller, des edeln Mäubers, mit dem des Don Juan, des Lieblings aller Weiber. Auf den zahlreigen Kupferftien, die dem Ro— man beigegeben wurden, erfeheint Rinaldo ſtets mit einer großen weit vorftehenden Adlernaſe. Ein folder Held mar ganz geeignet, dad dama⸗ lige frivol fenttmentale Publikum, fonverli die Weiberchen, zu entzüden. Zum Ueberfluß miſchte Vulpius noch Myſterien Hinein, die dem freimau« reriſchen Geſchmack ver Zeit zufagten. So abgeſchmackt nun auch ein folder Held ift, fo läßt fi doch nit Teugnen, daß, wenn man fi einmal in die Illuſion feiner Zeit verfegt, er eine Menge Lefer in hohem Grabe anziehen und befriedigen mußte. Durch die ungeheure Donjuanerie und immerwährend abwechſelnde Schäferfeenen Tigelt er die Sinne des Leſers; durch die Räuberrenommifteret von Gelfteögegenmwart, Tapferkeit ac.

* Romantik. 287 ſchmeichelte er dem folbatifgen Geſchmack der Zeit, zugleich war dad an ſich verwerfliche Räuberleben bei ihm durch die großmüthige Art, in ter er es wie Karl Moor trieb, und no mehr dadurch entſchuldigt, daß er ein Werkzeug geheimer Oberen eines hohen Menſchheitsbundes ſeyn follte. Endlich umſchwebte ihn immer eine füge Melancholie, mitten in der Aus- Übung ſultaniſcher Zeugungsluſt feufzt er immer als unglücklich Liebender. So war denn alles in ihm vereinigt, Lüfternen und zugleich empfindſamen Referinnen ven Kopf zu verrüden.

Rinaldo liegt im Walde bei feinem Freund Altaverde. Liebeskummer quält ihn, ex hat Nurelien gefehen und weiß noch nicht, wer fie if. Bei dem Einfiedler Donato findet er ihre Spur und entbedt, fie fen bie Tochter des Prinzen Della Roccela. Aber fie wird ihm Heimlic entführt und muß einen Andern heirathen. Rinaldo wird von feinen Leuten aufgefordert, nicht müßig der Liebe nachzuhängen, fonbern etwas zu thun. Gr überrafägt eine reiſende Herrſchaft, erzählt ihr, als ob er ein Zörfler wäre, eine fede That Rinaldo's und vollbringt fle in demfelben Augenblid, indem er ihnen al ihr Geld ab⸗ nimmt und ihnen fagt, er felbft ſey der Gefurchtete Aber er wird von Col daten überfallen. und ſchlagt fih mit Mühe durch. Nachdem er ſich etwas erholt, Rößt er auf Zigeuner und fauft ihnen ein ſchönes Mädchen ab, Ro— falie, die feine Beifhläferin wird. In den Ruinen einer Burg töbtet er einen andern gefürchteten Mäuber, feinen Mebenbuhler, und fammelt fih bier eine nene Schaar. Auf einem feiner Streifzüge findet er Aurelien wieder, unglüd lich verheiratet an einen Baron, der fie mißhandelt. Rinaldo ſtraft ihn und feine ſchlechten Geſellen und Buhlerinnen und bringt Aurelien in ein Klofter. Weiter ziehend tröftet ex ſich abermals in ben Armen zweier Judenmäbdchen. As er zu hart verfolgt wird, zieht er ſich incognito nach Neapel zurüd. Hier fommt ifm, durch Ludovico, einen früheren Räuber, ber unter ihm biente, belehrt, ein Abentheurer auf bie Spur, ein corfifcher Hauptmann, der ihm Geld abzupreffen fucht und ihm wirtlich in Gefahr Bringt; aber bie reizende Dame Olympia, eine Buhlerin erſten Ranges, bie ſich in ihn verliebt hat, veitet ihn. Die erſte Schäferflunde mit Olympien hat etwas Pikantes, indem fie ſich vorher nicht Hat fehen laffen, jegt aber, indem er gerade in ihren Armen fehwelgt, plöglich alles Licht auf das Bett, fallen Täpt und ihm ihre ganze Schönheit enthüllt. Aber der Capitain denuneirt ihn und er wird gefangen. Olympia befreit ihn aus dem Kerker und gibt ihm Briefe nach Meffina. Hier verliebt er ſich in die ſchöne Lauta, vergipt fie aber bald über der weichen liebreichen Gräfin Dianora, in deren Armen er das hoͤchſte Glück feines Lebens genießt, bis fie entdectt, wer er it, und ihn flieht. Auch Hier verfolgt ihn der Capitain und eine Gefelfchaft von ſchwarzen Verborgnen. Aber der vom Gapitain nbgefallene und wieder zu Rinaldo übergegangene

288 Gifes Dub.

Sudovico und der Ränberhauptmann Luigino ſchaden ihm, Olympia befreit ihr ‚gem zweitenmale; enblich tritt ihm ber Alte von Sroufeja ald fein lebendiger Sqhudgeiſt entgegen, der wie Garafro oder ber Alte vom Berge zugleich Zauberer und Meifter vom Stuhl einer geheimen Loge iſt, im der fehr fchöne Sqhweſtern neben ben Brüdern bienen und geheime Naturweisheit neben Mens ſchenbeglackang getrieben wirb. Bei einem Befudh bei Laura finden ſich Räuber ein, die Rinaldo durch Nennung feines Namens zurückſchreckt. Siatt eines Lohnes erbittet er fich von Laura's Vater nur, daß er fie ihrem Geliebten, einem armen Schreiber, vermähle. Dafür tröfe ihn bie wiebergefunbene Rofalie, die ihm ein Kind bringt, aber bald Rirbt. Nochmals gefangen, wird er aber‘ vom Alten von Fronteja geretet. Der Gapitain wird endlich getöbtet, aber andere Feinde verfolgen Rinaldo. &r wirb in einer Billa verborgen, wo ex Gerenen, das ſchöne Gärtnermädchen, ſchwängert. Dann verbirgt man ihn auf der Juſel Pantaleria, wo er Dianora wieberfinbet, bie ebenfalld ein Kind von ihm hat. Hier erfahren wir die erſte Nachricht von Rinalbo's Jugend. Er iſt als Hirtenfnabe anfgewachfen, von einem Klausner gebildet, dann Soldat und wegen Subordinatiousvergehen geflüchtet endlich Räuber gewor⸗ den. Rinaldo wird auch hier entdeckt und vom Solvaten überfallen. Da, um ihn zu retten, flögt ihm der Alte von Fronteja den Dolch in die Bruſt.

NRinaldo lebt aber als Ferrandino wieder auf auf ber Inſel Lampidoſa. Dann tommt er nach Cagliari in Sardinien und gewinnt bie Liebe der fhönen Fortunata. Der Alte weist ihn nach Ragufa, wo er eben fo die Liebe ber Tönen Serafina gewinnt and auf einem einfamen Schloß die der Marvalifa. Zu dieſen neuen Liebſchaften gefellen ſich die alten, denn ſowohl Olympia, bie im Dienf des Alten feht, ald Serene und Diansra folgen ihm in den Drient. Cine Zeit lang ſcheint es, als follte Rinaldo Eorfita’8 Freiheit, ers Tämpfen, dann die ber Heibuden, allein er kommt nicht bahin, fondern nach Eyyern. Hier nämlich iſt der Alte von Fronteja Paſcha und gibt fih als Rinaldo’s Water zu erfennen. Auf Eypern Hat nun Rinalbo eine gute Zahl feiner Liebſchaften im Harem um ſich, verliebt fich aber wieder ertra in Jömunde, eine fehöne Cypriotin. Als Zürke wird, er gefangen und nach Malta gebracht, abge auch bier wieber frei und durch bie Liebe der ſchoͤnen Miltta getröftet. I feinen Harem nad; Eppern zurüdgelehtt, wird er von feinem Bater zum türkiſchen Heer geſchickt, um gegen die Ruflen zu fechten, wird aber beſiegt. Als fpäter Cypern ſich weigert, dem Enktan nene Truppen zu fiellen, und die Türken die Infel angreifen, kommt Kinaldo mm.

Vulpius ſchrieb no „romantiſche Geſchichten ver Vorzeit“, eine „Saalnire“, mehrere Schauſpiele, aber ohne Geiſt und mit nachläſſiger Breite. Auch feine Sammelwerke „Curioſitãten“ und = Vorzeit“ find ſehr oberflägtig.

Noch andre Räuberromane waren

Romantik. 289

Aborni, der Räuber, ein Retter ber unterbrüdten Menfchheit. Aleſſandrini ober die Mäuberrepublif in Italien. Antonia della Roecini, die Geeräubers tönigin. Aranzo, der edle Mäuberfanptmann. Ortellino, Staliend Furcht und Schreden. MRolando Rolandini, ber furchtbare Land» und Seeräuberfürft. Gloriofo, der große Teufel. Rollino, der ſurchtbare Räuberhauptmann in den apenninifchen Felſenklüften. Joſephine, die Banditenbraut im Nonnens Hofer. Moraldini, der eble Banbitenfohn. Romalino, der furchtbare Mädchens raͤnber. Goronato, ber Schreckliche. Salardo, der Schredlide. Sebaftiano, der Berkannte sc. .

Die Sreimaurerei fpielte in ber Unterhaltungäfiteratur eine große Mole, theils durch ben Zauber des Geheimniffes, der fie umgab, theils durch dad günftige Vorurtheil, das fi an fie knüpfte, ſie ſey die geheime Wohlthäterin und Erlöferin der duldenden Menfhheit. In ven hleher gehörigen Romanen ift es in ver Regel ein geheimnifvoller Greis, wie der Alte von Fronteja im Rinaldo Rinaldini, oder wie der Groß-Cophtha Goͤthe's, der Armenter in Schillers Geifterfeher, der die unſichtbaren Fäden des Geſchickes lenkt.

Solche Romane waren z. B.: Alinon, der Greis in vielerlei Geſtalten ober die Geheimniffe der Felſengruft. Roderigo Anderugo ober bie Unbekannten im den Klüften von Piombino. Die Brüder des Bundes für Menſchenglück. Eu⸗ phemion, der Unerforſchliche. Mirafulofo, der Schredensbund der Illuminaten. Die Nachtwandlerin oder die fehredliche Bundesgenoſſin ber Finſterniß. Die Gerichte des furchtbaren Bundes. Sionio, der Greis des Gebirges. Die furchtbaren Unbekannten oder die Ritter für Tugend und Recht. Die Verbor⸗ genen aus Griechenland.

Das Geiſterweſen ſpielte vabet eine große Rolle. Hier einige Buͤcher⸗ titel, aus denen man die ganze Gattung erkennt.

Schauervolle Abentheuer im Todtengewoͤlbe zu Bentheim. Golifano, der rettende Dämon. Gveftona, die Braut von Marmor. Der Geifterlichling ober die Entfchleierung im Grabe. Gelaor, der Geiſt. Die Geifterzwils linge. Die bintende Geſtalt mit Dolh und Lampe. Die Geifler ber Schauerhoͤhle. Die Mitternachtglocke. Der fleinerne Sarg im Ulmenthale. Der Schreckensthurm am Gee ober die mitternächtliche Tobtenglode. Theo⸗ bul, der Geiſterkonig.

Auch in die erotiſche Erzählung kam mehr Romantik. Das fran⸗ zoͤſiſche Boudoir wurde ein orientaliſcher Harem, oder In venetlaniſche and andaluſiſche Nächte, oder nach den Südſeeinſeln verlegt. Die Leihe

bibliotheken füllten fi mit Büchern wie: \ Menzel, deutſche Diätung. LIL 19

200 Gilfes Bud.

Apuls Liehesnächte in Stambul. Heliodora, die Lantenfpielerin ans Griechenland (von Lindau). Marhanna oder die Siebe auf Dtahaiti. Mas Hilbens Garriere dur Inquiſition und Gerail. Thitza, die Geherin aus Griechenland. Janequeo, das Heldenmähchen aus Chili. Paulisfa, das Kos ſalenmaͤdchen. Albina, dad Blumenmäbchen. Reife einer Negerin.

Das Romanfreiben wurbe Lebensberuf für Leute, bie zu befferer Thaãtigkeit verborben waren, und erzeugte ein literariſches Proletariat. Ein merkwürdiges Exempel biefer Art war ber erfle abelige Proletarier son Baczko, ein oſtpreußiſcher Edelmann, der 1775 feinen erflen (bie academiſchen Freunde) und 1822 feinen legten Roman (Bobo und Laura) Trieb, fein Leben lang mit Nahrungsforgen kämpfte und erft in hohem Alter mit einer Profeffur begnabigt wurde. Baczko gefiel ſich am beſten in hiſtoriſchen Romanen, ſchrieb aber auch Familiengemaͤlde und Operetten, alles für die Vergeſſenheit. Und mie viele folgten feinem klaͤglichen Bei⸗ ſpiele! Der literarife Markt wurde und wird Heute no überſchwemmt mit Probucten ber literariſchen Hungerleiberet, die fi für Poeſie oder wenigſtens Unterhaltungdlecture ausgeben. Giner der erften unter dieſen

"völlig überfläffigen Vielſchreibern war Karl Friedrich Benkowihz, ber fett 1797 Reiſen, Zaubergeſchichten, Mobinfonaden, einen Fauſt ven füngern, die Geſchichte eines Affen, einen fentimentalen Ababonna, einen luſtigen Hilarion 3c. ſchrieb, alled foreirt und ohne Beruf.

\ 2. Die echte Romantik.

Unter Romantik fft nichts anderes zu verfichen, als die Wieder⸗ erweckung des chriſtlich- deutſchen Geſchmacks, wie er im ganzen Mitiele alter geherrſcht Hatte, im Gegenfag gegen vie Renalffance, als die Wieder» erweckung des antikheidniſchen Geſchmacks ver voräriftlihen Zeit. Romantik iſt ein unpaſſender Ausdruck. Die ſ. g. romantiſche Schule ſetzte die deutſche Nationalität zum erſtenmal wieder dem Kosmopolitismus, dem allgemeinen Humanitaãtsideale entgegen, und das kirchliche, mittelalterliche Chriſtenthum der Aufklärung. Sie griff um drei, vier Jahrhunderte zurück. Das mar nun nah fo viel Verirrungen und Ausſchweifungen ein ganz natürlicher Act des wieber zu fid) ſelbſt kommenden · Natlonal-

Romantik. : 291

getſtes, allein er fand in ber gründlich verberbten Zeit keinen Glauben, ja die meiften Romantiker ließen ſich einſchüchtern, verloren felbft ven Glauben an ihre Mifften und capitulieten mit ben Mächten, bie fie überwinden zu Eönnen verzweifelten. x

Die Romantik ging von norddeutſchen Proteftanten aus. Das tft fehr merkwürdig. Die Katholiken verbielten fi dabei paſſiv. Weber gegen bie proteftantifhe Aufflärerei, nod gegen ben ſeichten Iofephinis- mus in Oefterrei$ und Illuminatismus in Bayern erhob ſich ein katho⸗ liſcher Diäpter. Die ganze tiefe Ideenfülle des Katholicismus ſchien tobt amd begraben. Der mächtige Iefultenorden fand ſelbſt in feiner ſchreck⸗ lichen Kataftrophe nicht einen Dichter, der feinen Untergang beklagt hätte. Dem diaboliſchen Muthwillen ver Breigeifter wurde keinerlei Erinnerung an bie Herrlichkeit des Evangeltums, an bie großen Heiligen, Helden, Denker und Dichter der alten Kirche entgegengefegt. Ueberall nur dum⸗ mes, dumpfes Schweigen. Wer in ber katholiſchen Welt irgend als Dichter auftrat, fland auf Seite der Breigeifter. Die romantiſche Reaction ging von Proteftanten aus und wurde gerade von ben Katholiken am menigften begriffen und unterftügt.

Die Romantiker ſelbſt waren fi noch nicht Far. Sie verwechfelten

in der erften Begeifterung, was ber Nation, was ber Kirche und mas der Poeſie gebührte und nicht gebührte. Im Grunde ging auf bie un» geheuerfte Schmärmerei des Novalis und einiger fpäteren NRomantifer, ofern fe die ganze. Welt in Poeſie eintauchen, gleichſam vernichten und poetiſch mwievergebären wollten, aus einem nur mißverftandenen Katholis cismus hervor, indem fle der Poefle eine Miffton ver Verklärung zudachte, die nur der Kirche zufommt. Die bezeichnete Schwärmerei Fannte eigentlich nur ein Saframent, die Transfubftantiation aller Profa in Poeſie. Diefes Eintauchen ver ganzen Welt in Poeſie war aber eine Uebertrei- bung, eine Unnatur, die fi bald rächen mußte. Die poetifhen Enthu- flaften flohen, haften, beſchimpften die Wirklichkeit ber Dinge und fielen in bodenloſe Phantafteret.

Die Katholiten machen dad den Momantikern zum Vorwurf, bie Proteftanten find umgekehrt fon über bie bloße Tendenz ber Romantiker zum Katholicismus unzufrieden. In biefer Zwitterſtellung konnten fie nicht

feften Fuß, nit dauernde Achtung und überlegene Macht gewinnen. Ihre 19*

292 Eilfies Buqh.

BVoefle flieg am einfärbigen norddeutſchen Himmel wie ein in ben präd-

" tigften Farben des Südens brennendes Meteor auf, nur um bald wieder zw erlöfgen. Aber in ihrer Fata Morgana fpiegelte fie hie Poefle des

" Mittelalters in die der Zukunft hinein. Die Momantik glich einer Biflon

ver fhlafenden Nation. Es mar etwas Geifterhaftes und Prophetiſches darin. Auf geheimnißvolle Welfe und unvermerkt wurben viele Seelen umgeftimmt. Der Zufammenhang der tiefgefunfenen und durch fremde " Bildung verborbenen Nation mit ihrer fhöneren und ebleren Vergangen- heit machte fi geltend. Die Romantik war ein Helmweh der Nation. Wie glänzend “auf ihre dichteriſchen Verſuche ausflelen und die Welt durch eine Fülle der Phantafle und Geiſt überrafehten, fo war doch noch

wichtiger und tiefgreifender, was, angeregt durch jene romantifchen Dichter, für Wiederanerfennung ver alten Kirche und ber herrlichen, bisher ganz vergeffenen Dichtungen unferes Mittelalters, fo wie für die Auffammlung aller alten, von ber gebifbeten Welt biöher verachteten Poeſie im DBoIt geſchah.

Der eigentliche Begründer der modernen Romantik in dem bezeich⸗ neten Sinne war Novalls.

Friedrich von Hardenberg, geboren 1772 in Wiederſtadt im Mand« feldiſchen, flubierte in Jena mit Friedrich Schlegel, dann zu Freiburg das Bergfach, wurde Salineninfpector in Weißenfels und ſtarb ſchon 1801. Er wurde berühmt unter feinem Sdhriftſtellernamen Novalis,

\ der aber keineswegs etwas Neues ober Außerordentliches ausdrücken follte, . ſondern nur entlehnt mar von einem Gute diefed Namens, nach welchem fi} die ältere Linte des Haufes Hardenberg unterfehten, mie die jüngere ſich nad dem Gute Roftorf nannte (Tiecks gefammelte Novellen, Breslau 1838 ©. 60). Seine Werke wurben gefammelt von Tieck und Schlegel und beftehen, einige Lieber ausgenommen, faft nur aus Fragmenten, aus denen aber ein wunderbares Licht in den töttiägften Barben ſtrahlt.

In dem unvollenbet gebliebenen Roman „Heinrich von Ofterdingen“, welcher 1802 zum erſtenmal erſchien,

ſtellte Novalis dieſen aus der Minnefängerzeit ſſo berühmten Heinrich in ben Mittelpunkt der ganzen Welt als dasjenige Subject, welches alles Object ber Welt, des Himmels und ber Erde durchdringen und ſich gleichfam aneignen follte durch die geheimnißvolle Formel der Boefle. Denn eine andere Einheit

Romantik. 293

gab 6 für Novalis nicht, ald bie poetiſche, tie er überhaupt die Melt nur als ein mißfanntes Gedicht anfah, bei dem es nur darauf anfomme, feine ewige unb vollendete Boefle zu begreifen. Geine poetiſche Alleinslehre Hefe ſich auf indiſchen Pantheismns zurüdführen, wenn fie ſich nicht zu einem gos thiſchen Dome wöllte. Das geheimfte Mäthfel der Toefle ſelbſt Tann nur durch den chriſtlichen Glauben gelöst werben und die Welt mit all ihrer Sinn⸗ lichkeit und Materie wird in höherem Sinne doch ganz zur Kirche, und zwar zut katholiſchen, denn Novalis konnte dem Proteftantiömns nur ein Oppofls Hiond«, nicht das urfprüngliche Kirchliche Beſihrecht zugeſtehen. Ihm fehwebte die inheit des Reichs mit ber Kirche vor, wie fie in ber beflen Seit bes Mittelalters beftanden Hatte. Gin fo boppelter und wieber vielgeglieberter und doc einiger Organismus follte die ganze Welt werben, nad) Raum und * Zeit, Natür und Geſchichte. Der unvollendete Roman follte, wie Tleck bes merkt, mit einer Berföhnung bes Chriſtenthums und Heidenthums ſchließen duch Vermittlung der Marie. Das if wohl nur fo zu verfiehn, daß das Heidenthum alle feine poetiſchen Schäge der Madonna zu Füßen legen follte, wie bie Heil. drei Könige gethan.

Sen dem, wie ihm wolle, fo erſcheint allerdings des Novalis poe⸗ tiſcher Pantheismus nur als der concentsirtefte Herder'ſche Univerfallsmus ; allein die Tendenz zum deutſchen Mittelalter und Katholicismus ſchlägt bei ihm doch in der Art vor, daß er mit Recht ben Romantikern zum Führer gegeben. wird. Er bichtete die ſchönſten Marienliever, die von moderner Lippe floffen, aber er wurde nit katholiſch. Fretherr von Eichendorff fagt, die Innere Rückkehr in ihn ſelbſt fey noch nicht voll- bracht gewefen und Habe alfo auch in feinen Dichtungen nod nicht zum vollen Ausbruch kommen können. Daffelbe zeigt fi bei Ludwig Tieck und. den meiften übrigen Romantikern. Alle trieb es zur alten Kirche bin, aber fie blieben vor ver Kirchenthüre ftehen, eine magnetiſche Gegen» ſtroͤmung ftieß fie zurüd. "

Myſtiſch, märchenhaft find auch des Novalis Hymnen an bie Nacht. Im der Form vollendet find nur feine wenigen Igrifchen Gedichte, die geiftlichen: Bern im Often wird es Helle :c.

Wenn ich ihn nur Habe, Benn er mein nur iſt sc. Bent alle untren werben, So bleib ich dir doch treu ac.

Ber einmal, Mutter, dich erblidt x.

294 Gilfes Bug.

Ich fehe dich in taufend Bildern, Maria, lieblich audgebrüdt, Doc; keins von allen kann dich ſchildern, Wie mgine Seele dich erblickt x.

Dazu die ſchonen weltlichen Lieder, das Bergmanmslieb: Das iſt der Herr ber Erbe, Der ihre Tiefen mißt sc.

Und das Weinlied:

Auf grünen Bergen warb geboren ıc.

Im Anhang zu den Schriften von Novalis häuft fih eine ungeheure Menge tieffinniger Aphorismen wie ein Schutt von Perlen und Juwelen auf. Sie alle follten noch in den kaiſerlichen Schmud des Heinrich von Ofterdin⸗ gen eingeflidt werben.

Ganz entſchieden fprad das katholiſche Princip der proteftantifche Berliner Wilhelm Heinrich Wadenroder auß, indem er (1797) „Herzend- ergießungen eine Tunftliebenden Kloſterbruders“ fehrieb, das Programm der neuen chriſtlichen Kunft und ein mächtiger Impuls für die romantiſche Richtung in ver Poeſie. Lie, dem Wackenroder Befreunbet wurde, ver⸗ anderte darnach feine ganze Richtung.

Der erſte Romantiker, ver von überaus reichem Geiſt und produktiv zugleich ver Form Meifter war und der neuen Richtung eine breite Bahn brach, war Ludwig Tieck, Sohn eines Sellers in Berlin. Es wird immer wunderbar. bleiben, daß der romantiſche Geift gerade in einem ‚Berliner Gamin erwachen mußte, ber mitten in her Windigkeit und Lüder⸗ lichkeit Berlins unter ber Herrſchaft Kotzebue's aufwuchs. Aber es erFlärt ſich aus der Gefunpheit ver deutſchen Natur, die endlich anfängt ſich zu efeln, wenn man fie allzu gemein behandelt, und die dann das Ehle aus fich ſelbſt Herfteltt. Tiecks bedeutungsvolle Werke überraſchen um fo mehr, als man einen flarfen Charakter bei ihm immer vermißte und feine Flext⸗ bilttät erſtaunlich iſt. Im feinen älteften Erzählungen jagen fi lichte und ſchwarze Wolken der Leldenſchaft in einem nod ganz unftäten Gemüthe.

Almanfor, eine Idylle von 1790, zeigt ung einen von feiner Geliebten bes teogenen Jüngling, den ein reis tröftet. Auch is „grünen Band“ wird Treue gebrochen. In ben „Bribern“ bewährt dagegen ein Bruder dem anberen fels tene Treue. Im „Bremben“ erſchrit ein Bräutigam vor dem unerwarteten Anbliet feines bleichen Nebenbuhlers fo, daß er die Treppe hinunterſtürzt und

Romantif, 295

ſtirbt. In „Siegmunds Leben“ bewirbt ſich ein würbiger Candidat Iange vers gebens um ein Amt, bis ex es durch ein Freubenmädchen erhält. Der „Ges niale* liebt drei zugleich und heirathet eine, während bie zweite von ihm ſchwauger ift und bie britte abgefunden wird. „Die mänpliche Mutter“ bringt ihre geſchwaͤngerte Tochter dadurch zu Ehren, daß fie ſelbſt als Mann verfleis det fi mit ihr trauen läßt. Die lüberlichfle ‚unter biefen Erzählungen iR das „Schickſal· von 1795. Hier wird ber ſchüchterne Anton allmäßlig durch muthwillige Maͤdchen kühn genug gemacht, um in einem Nonnenkloſter ben Faublas zu fpielen, als Lafai verkleidet feine Herrin zu liebkoſen ıc., bis er verbiente Veitſchenhiebe befommt.

In diefer Tüberligen Manter culminirte Tiecks Roman „Willem Lovell“ von 1795. j

William ift ein junger Lovelace und Don Iuan zugleich, der allen Schönen die Köpfe verrüct, allen mit fentimentaler Schwärmerei naht und alle wieder mit herzlofer Kälte verläßt. Sohn eines vornehmen Gngländerd verhimmelt er zuerft in Liebe mit Amalie Wilmont. Wie ‘fie einander ihre Liebe zum erſtenmal geftchen und einander in bie Arme finfen, ift mit bem füßehen Feuer der Poeſie, faft mit ver Gluth wie in Shakeſpeare's Romeo und Julie geſchil⸗ dert, Mber der junge Herr läßt feine zärtliche Herzensdame balb ſihen, reift nad Paris, amufirt ſich dort und verliebt fi in bie muntere und nichts wes niger als fpröbe Louiſe Gräfin Blainville. Nachdem er in ihren Armen ges ſchwelgt, läßt er auch fie ſihen und reift nach Rom. Hier feflelt ihn die lieb⸗ liche Rofalie, deren Bräutigem er wie zum Spaß erdolcht und die er dann wieder fügen Täßt. Sie flürzt- ſich in bie Tiber. Cine gewiſſe Bianca über nimmt ihre Stelle und wird feine Geliebte, aber gleichfalls von ihm verlaffen. Amalie, ber ex förmlich abgefagt, hat einen gewiflen Mortimer geheitathet. Loves Bater if geſtorben, er dehri nach England zurüd unb findet bie Gräfin Louffe, nachdem fie entführt und von Blattern entflellt verlaflen worden, als Auffeherin in Mortimers Haufe. Schnell mit ihr einverflanden verabreben fie einen Streich gegen Amalie. Louife erregt in Mortimers Abweſenheit eine Heine unſchuldige Feuersbrunſt, Lovell ift bei ber Haud und rettet bie ohn⸗ mächtige Amalie, wobei ex fie füßt und umarmt, ohne baf fie es merkt. Das Beuer aber Hat fich weiter verbreitet, als er gewollt, das ganze Haus Liegt in Aſche. Noch ärger handelt er an Emilie Burton, der Schweſter eines feiner älteften Sreunde. Gr entführt fe, nachdem er ihren Bruber vergeblich zu vers giften getrachtet Hat, und läßt fie fipen, fie flirbt vor Gram. Aber Karl Bilmont, Amaliens Bruder, der Emilien geliebt Hatte, ſchwoͤrt ihm Rache, Amalie befommt einen Sohn, man Tann nicht errathen, ob eine Frucht jener Naht, da Mortimer fein Berenken trägt, ihn als den feinigen anzuerkennen. Lovell flieht aus England, wird Epieler yon Profeffion, betrügt und finkt endlich fo tief, daß er ſich aus Verzweiflung in toller Laune zu einer Räubers

296° Gilftee Bud.

Bande in Italien geſellt. Karl Wilmont ift ihm nachgereift, findet ihn unter den Räubern, beide aber Tommen biegmal noch unverlegt auseinander. Lovell Fehrt nad Rom zurüd, wo Bianca eben firbt. Auch fein alter Freund, der Maler”

"Andrea ſtirbt, erMärt fi noch vor dem Tode als feinen Landsmann Waterloo und beweift ifm, wie er ihn biöher am Gängelbande geführt und zu feinen Liebfehaften liſtig angeleitet Habe, wie aud) bie mißlungene Vergiftung Burton nur feinen Zwecken Hätte dienen follen, da er beffen Verwalter fey und ihn zu beerben gehofft habe ꝛc. Noch ganz verblüfft von biefen Gnthüle lungen wird Lovell enbli von Karl erreicht und im Duell erſchoſſen.

Man hat in Lovell ein Vorbild Byrons und den erfien Repräfen- tanten ber mobernen Berriffenheit fehen wollen. Allein zu Tiecks Ehre müffen wir proteftiren. Lovell wird nirgends von feinem Berfafler als eine edle Prometheuönatur, fondern immer nur ald ein egoiſtiſcher Böfe- wicht aufgefaßt. In den übrigen Jugendprodukten Tiecks macht ſich ein Zug zum Phantaftifhen umd zum Humor bemerklich.

Abdallah (in einer Erzäßlung von 1792) folgt der Lehre Omars, daß Gutes und Boͤſes einerlei ſey und ber Geift über beiden ſtehe. Das treibt ihn big zum Vatermorde. Dann aber erwachen in ihm alle Furien, wie im Oreſt, und er fchleppt ein Halbwahnfinniges Dafeyn fort. In „den Freunden“ ges raͤth einer ber Freunde, indem er für ben andern Heilung fucht, ind Elben⸗ rei. Im „Leben des berühmten Kaiferd Abraham Tonelli“ faßt biefer nach allerlei glüclicpen und unglüdlichen Abentheuern den Entfchluß, um ein ruhiges Brod zu finden, nicht die bioherigen mühfeligen Wege einzufchlagen, fondern lieber gleich Kaifer zu werben, was ihm denn auch mit einiger bämo= nifcher Hülfe und etwas Goldmacherei ſchnell gelingt. Der trodene Ton mit vielen Abkürzungen, in dem der Kaifer alles erzählt, was ihm begegnet, und das Wunderbarſie ganz orbinäe nimmt, ift Höchft ergöglih. Im „Peter Lebrecht· fpricht ſich Tieck humoriſtiſch im Ton Gterne's und Hippels über Men ſchen und Dinge aus. Zwei Heine Schaufpiele oder eigentlich nur Dialoge, mein Prolog“ 1796 und „ber Autor“ 1800, enthalten Satiren auf ben ſchlech⸗ ten Bühnengefpmad. Zwei größere dramatiſche Werke Tiecks find nur dem Johnſon nachgebilbet, der Herr von Fuchs dem Volpone und Gpicöne oder das flille Srauenzimmer. Das ältefte Drama Tiecks von 1790 „Ala-Mobbin* nad} einer Erzählung im deutſchen Merkur, ift nicht der Rede werth.

. Größere Bebeutung ſprach erft 1795 das Trauerfpiel „Karl von Berne“ an, ein romantiſcher Oreftes. .

Walther von Bernek kehrt aus ben Kreuzzügen nach langer Gefangenfchaft

zurück und findet bei feinem Weib einen Buhler, ber ihn umbringt. Sein

Sohn Karl aber rächt ihn, ſtͤßt den Buhler nieder und töbtet in ber Wuth

Romantik. 297

auch feine Mutter, büßt dann feine Schuld, von Furien verfolgt, bis ihn auf feine dringende Bitte zur Sühne fein eigener Bruder erflicht.

Die „Theegeſellſchaft“, Luſtſpiel von Tieck in Profa, 1796, iſt eines feiner witzigſten Werke.

Er ſchildert eine gemeine Berliner . Dheegeflfänf mit allen ihren convens tionellen Redensarten, Höflichfeiten und Babheiten! Man fpricht vom Karten ſchlagen und Wahrfagen. Cin gewiffer Werner, der Demokeit in biefem groß⸗ fäbtifchen Abbera, wird beſchuldigt, ſich von einem alten Weihe Haben wahrfagen zu laffen, über welche abergläubige Schwäche ſich alle im Gefüßl ihres aufger Härten Verſtandes empören. Mein gerade der alte Herr, ber ſich am Heftige fien darüber erflärh Hat, ſucht noch am naͤmlichen Abend felber das alte Weib auf, und die ganze Teegefellfchaft thut deogleichen, nur aus Langeweile und des Spafles wegen. Wie erftaunen fie nun, ald fie ſich bei dem alten Weibe alle beifammen finden, und noch weit mehr, als ihnen die Alte in der That allen die Wahrheit fagt, die mandjem centnerfehwer auf Herz fällt. Suleht fagt fle dem Fräulein Julie, ihr Bräutigam liebe fie nicht, liebe nur ihr Gelb und fey gar fein Baron, fondern ein Aventurier und falſcher Spieler. Der Baron braust auf, da läßt das alte Weib die Kleider fallen und ſteht ald Werner da, ber heute erfl die Beweiſe für feine Ausfage erhalten Hat und nach Entfernung des Betrügers ſelber Juliens Hand erhält.

Die „ſieben Weiber des Blaubart“, Erzählung von Tieck, 1797. Neben, feinem Drama, welches viel beſſer iſt, ſchrieb Tieck auch dieſe Er- zählung in der Manier wie ven Peter Lebrecht, ein wenig an Sterne, Hippel und Jean Pauls Humor ſtreifend, eine Manter, die er aber bald wieder, als ihm nit ganz natürlich, verlafien hat, und mit Recht.

Blaubart empfängt hier von einer Fee einen bleiernen Kopf, der ihm wahre fagt und in allen Dingen Rath ertheilt. Diefen Kopf Hält er geheim, wedt aber dadurch bie Neugier feiner Weiber und beftaft jede mit dem Tode. Die Pointe der Erzählung liegt nun in ber Eontraftirung ber fleben Weiber, von denen bie eine ernft, bie andere luſtig, bie eine vornehm, bie anbere ländlich naiv iſt se., bie aber alle in der Meugier einander gleich find.

Das „Ungeheuer“ und ber „verzauberte Wal“, muſtkaliſches Märchen von Tieck, 1798,

Prinz Mdrovan, beflen älterer Bruber durch eine böſe Stiefmutter mit Hülfe einer böfen Bee in ein Ungeheuer verwandelt worben, wird angereigt, gegen baffelbe zu Fampfen,‘ damit wo möglid” beide umfommen. Allein das durch wird gerade des Bruders Gntzauberung bewirkt, und in gleicher Weife feplägt der böfen Weiber Arglif fehl in Bezug auf Aldrovans Gelichte, Ans

298 Cilftes Bud. \ - gelica, welche fie wahnfinnig gemacht Haben Gin guter Genius fihert das Glüd der Liebenden. Die Grfindung ift ſchwach, aber die Ausführung befto geiſtreicher. Grgöglich iſt beſonders die Rolle eines aufgeflärten Miniſters, der mitten unter märcjenhaften Wundern doch an biefelben nicht glauben will, und die großartigen Wahnfinnsfeenen am Schluß, indem ber Wahnflnn ben ganzen Hof anfedt und alle in ihrer Tollheit ein Ballet tanzen. J

Die „verkehrte Welt“, ein hiſtoriſches Schauſpiel von Tieck, 1798, auch im Phantaſus.

Die Idee dazu entlehnte Tieck aus Chriſtian Weiſe's Zittanifchem Theater. Das poetifche Motiv iſt die humoriſtiſche Umkehr aller Verhaͤltniſſe. Der hi⸗ ſtoriſche Baden, an ben ſich alles reiht, bie Ginfegung des Skaramuz auf ben Thron des Parnafles, ald Herrſcher im Gebiet der Kunft, ſtatt des verbannten Apollo. Im Uebrigen wird der Zuſammenhang jeden Augenblid durch Autor, Leſer, Mafcinift zc. unterbrochen. Die tolfte Willkühr wie im befoffenkten Moment eines Carnevals herrſcht durchs ganze Stüd. Im biefem Wirrware geht bann ber Haupteffeft bes wißigen Contraſtes zu Grunde, bie Vorftel⸗ Tung ſchlechter Poefle und Kunft verſchwindet als ſolche in dem allgemeinen Taumel.

Erſt jetzt bemerken wir bei Tieck den Einfluß feines Umgangs mit Wackenroder. Plöglic) begeiftert er fich in feinem Sternbald für dad Altdeutſche und Katholiſche. Franz Sternbalds Wanderungen, „eine alte deutſche Geſchichte“ (1798) war ein Kunft- und Künftlerroman, mie fle Heinſe ſchon früher gefäärteben, aber nicht mehr huldigend ver Wolluſt, fondern dem Ernft der Kirchenmalerei, nicht mehr der Antike, fonbern der Gothik. Zum erftenmal wurde bier nicht blos der Künftlereitelkeit gehulbigt, fondern dem Inhalt der Kunft, dem Geift des chriſtlich-deut- fen Mittelalters.

Franz Sternbald lernt die Malerei bei Albrecht Dürer in Nürnberg und tehet Heim nad) Franken. Unterwegs lernt er Pircheimer kennen und ben Schmieb Quintin Meffys. Eine Funftliebende Dame von Hoher Schönheit Hat er kaum erblidt, ald ein Wagen fle ihm entführt. Sie bleibt fein Ideal. Gr befucht die Niederlande, lernt dort bie großen Maler kennen und tritt bie ihm beſtimmte Braut ihrem Geliebten, dem fungen Schmiede ab, ber ein großer Maler ger worden iſt. Auf ber Reife geräth er im Wald in eine von der Jagd aus— ruhende Heitere Geſellſchaft und lernt eine fchöne Gräfin kennen, durch die er nad) Italien gewieſen wird, wo er Michel Angelo und andere große Künftler kennen lernt und enblich fein Ideal findet, deſſen Befig fein edles Streben nach dem Schönen lohnt. Durch das ganze Bud) zieht ſich eine fanfte

Romantif. 299

Schwärmerei für bie altdeutſche Kunft und Kirchenmalerei. Zum erfienmal wird bier Th. IL, ©. 248 im Namen des Schönen gegen ven Proteflantiemns proteſtirt, der das Schöne aus den Kirchen verbannt habe.

Bald darauf folgte das katholiſche Programm ver Romantik in Tiecks Trauerſpiel: „Leben und Tod der heiligen Genovefa" (1799). Nach dem befannten Volksbuch, aber mit Shakeſpeare'ſchem, Geiſte durchgeführt, Tiecks beſtes dramatiſches Werk. Es iſt beſonders dadurch wichtig, daß es zum erſtenmal wieder ſeit den Dichtungen bes Mittelalters die „Blorie ber katholiſchen Religion“ am Horizont heraufführte. Der Grundgedanke iſt, daß alle Leidenſchaften der Menſchen ihre enbliche Beruhigung unb BVerföhnung in der Kirche finden.

Im Prolog tritt der 5. Bonifacius auf, mit mächtigen Worten Deutiche land für die alte Kirche reclamirend. Diefes Werk unterſcheidet ſich auffallend von den untirchlichen Produktionen der modernen Poefie und boch hängt es mit ihmen-twieber nahe zufammen durch eine einzige Schwäche. Tiedck konnte nämlich nicht unterlaffen, den Boͤſewicht Golo fentimental zu behandeln, ihm eine ſchwaͤrmeriſche Liebe für Genoveſa anzubichten, ihn als edel und unglüds lich zu bezeichnen, mit einem Wort ihn zu entſchuldigen. Das geflattet aber _ der Stoff und Geift der alten Legende nicht, und verbietet fi‘ von ſelbſt, einen Mann, der an einem Weibe fo graufam Handeln Fann, der fo heimtückiſch feinen Herrn verrathen und einen unſchuldigen Diener opfern Tann, empfindſam aufzufaflen. "

Hieher gehört Tiecks dramatifirter „Kaiſer Octavianus“ nad. dem befannten Volksbuch, wieder eine der bebeutenhften Dichtungen Tiecks.

Es if ein in vielen Bariationen fich wieberholender Text, die Trennung einer Familie theils durch Leidenſchaft und Unglauben, theils durch äußere Zu— fälle und ihre Wiedervereinigung dur den Glauben. Die ganze Geſchichte des Chriſtenthums iſt in biefer Legende vorgebilbet, bie Trennung ber heid⸗ niſchen Völker und ihre Vereinigung zu einer einigen Gemeinde durch bie Kirche. Dieſes einigende Princip ift hauptfächlich in ber frommen duldenden Mutter, Kaiferin Felicitas, dem perfonifleirten Glauben dargeſtellt. Unter den beiben verlorenen Söhnen ift- Florens, ber bei einem Spießbürger in Paris erzogen wird, beffen Helbenfraft aber bald zum Durchbruch fommt, ber liebends würbigfte Repräfentant des weltlichen Ritterthums im Mittelalter, während fein Bruber Leo mehr bie ideale Seite des Ritterthums darſtellt. Doch vers lieben ſich beide und heirathen, Florens bie muntere Rofe, Leo die ſtille Lilie. In der fentimentalen Allegorifirung dieſer beiben Blumen herrſcht auferorbents ch viel Wohllaut, doch kommt uns biefe Parthie kühl vor ober läßt und wenigſtens fühl. Hier folgt Tiec auf einmal dem Galderon und fällt fomit

300 Eilftes Bud.

aus der Illuſion des Volföbudies heraus. Wollte er Calderon folgen, fo Hätte ex es in ber Manier des Mutord thnn follen und bie firchlichen Grunbs Übeen des Hirchlichen Gedichte, nicht aber ben Gegenfag zweirt Seiten ber weltlichen Siehe auffaffen follen.

Diefe Dichtung bildet den Uebergang zu den Bearbeitungen der mehr heidniſchen Volksbücher. Unter biefen iſt ber „Fortunat“ Tiecks fhönfte dramatiſche Dichtung.

Der Reiz liegt bier in ber Furchtbarkeit und Grauſamkeit des Glückes, das feine giftige. Tücke unter ber üppigfen Fülle von Luſt und Witz verbirgt. Auch fehlt Hier die ſchwaͤrmeriſche Parthie romantiſcher Sentimens talität, bie im Oclavianus und in der Genovefa zu viel Anfprud; an und madjen.” Ales ift natürlicher, ſhaleſpeariſcher.

Eben fo geiftreih und durchaus heiter iſt das dramatiſche Märden vom „Eleinen Däumling*.

An den Oger, ber den Heinen Däumling und feine Brüder frefien will, knüpft Tie eine Reihe Satiren auf die moderne Bildung an. Statt ber großmüthigen Riefen der echten Gage nämlich; gibt er ihm einen modernen Vlauftrumpf, eine gewiffe Malwina, zur Gattin, ein zartes Weſen, welches ex geranbt Hat und nun unbarmherzig zu feinen häuslichen Dienften zwingt. Daneben Hält er ſich einen gleichfalls geraubten Hofrath Semmelziege, bios zu dem Zweck, ihm täglich auf einem Breit in bie Höhe zu prellen und ſich an feinen Luftfprüngen zu erluftigen. Diefer Hofrath vertraut Malwina fein fraheres unglüdliches Schidfal. Gr Hatte nämlich eine gewile Ida zur Frau und beide Gheleute Tonnten ſich einen Fehler nicht verzeihen. Gemmelziege ' nämlich Hatte unaufhörlich dad garſtige Wort im Munde, das vollothümlich in einer Sylbe den Theil des Körpers bezeichnet, mit dem er jeht durch das Brellen am meiften beftraft war. Die Frau aber pflegte immerfort zu firiden und ſelbſt während ber zarteflen Myfterien des Eheſtandes krahten ihn ihre Stricknadeln auf. dem Rüden. Nachdem der Riefe und Menſchenfreſſer durch Däumlings Lift umgefommen, verföhnt ſich der Hofrath mit feiner Frau, und " einer feiner Freunde heiratet die vielgeprüfte Maltwina.

Im „Leben und Tod des Eleinen Rothkäppchens“ Hat Tieck das bes kannte Volksmarchen in feiner liebenswürdigen Manter behandelt, ohne Einmiſchung moderner Satire.

Der „Blaubart”, bramatifirt, in Profa. Die bekannte Volksſage, aufs anmutbigfte frei bearbeitet. Um bie beiden Säulen der Dichtung, den harten. Mann und bie neue Eva, rankt fih köſtlicher Humor. Die Beinde des Blaubart, abgeſchmackte Nitter mit ihrem muntern Narren

Romantik. 301

und langweiligen Rathgeber find vortreffliche Zugaben. Auf der anderen Seite ift auch der tieferen Empfindung Rechnung getragen. Stmon, ver Bruder der Agnes, bie in Blaubartd Gewalt die furchtbare Strafe für ihre Neugier erwartet, ahnt auf wunderbare Welfe in feiner träumerifchen Natur dad Unheil und es treibt ihn zur Rettung.

In Profa hat Tieck fehr anmuthig folgende altdeutſche Volksbücher überarbeitet: Magelone, Melufine, die Haimonskinder. In Verſen ein Fragment aus König Rother. Vom Donaumelbchen ſchrieb Tied nur den erflen Act, Das alte Schildbürgerbuch hat Tieck gleichfalls artig behandelt, nur pafjen die Unfpielungen auf die Revolution und auf das moderne Schulweſen nicht hinein, das flört die alterthümliche Illuſton.

- Das bramatifirte Märchen vom geftiefelten Kater iſt mit dem Eöfle lichſten Humor gefrieben, aber faft ganz moderne Satire, wie feine Bortfegung im „Prinz Zerbino“. Diefe Dichtungen haben, mie es heißt Zie viel geſchadet, weil ver darin vorkommende gutmüthig pedantiſche König Gottlieb dem König Friedrich Wilhelm II. dur Kogebue als eine Stichelel auf ihn, den König, benuncirt worden fegn fol. Tieck mußte als Privatmann Ieben und fpäter als fähfljher Hofrath in Dresden, und erſt als Friedrich Wilhelm IV. den Thron beſtieg (1840), wurde Tied ehrenvol nad Berlin berufen.

Im »geftiefelten Kater“ bezeichnet ber König das alte Regime vor der Revolution, der Popanz die kurze Herrſchaft des Volks, Gottlieb die moberng aufgeklärte Reglerungsweiſe und ber Kater ven Genius bed Bortfepritts. . \

Im Zerbino ift Gottlieb König geworden, der alte König hat als ſchwach- finnig abgedankt. Der Kater if Minifter. Gottlieb Sohn, Prinz Zerbino ſucht den guten Geſchmack; überall, wohin er kommt, verſichert man ihn, Hier ſey der’gute Geſchmack, aber überall findet er Abwechsiungen der nämlichen armfeligen Narrheit des Mobegefchmadd, bis er endlich durch Sauberei in den wahren Garten der Poeſie gelangt, wo die Bäume und Blumen fingen und die Geifter der größten Dichter umherivandeln. Aber biefe poetifche Tr⸗ fahrung Hilft ihm nichts, denn fein eigener Hund, Stallmeifter, der ihm ent forungen und heimgelehrt ift, hat dad Minifterium des Unterrichts übernommen, veformirt das ganze Land, rottet allen alten romantiſchen Aberglauben, auch den an die Poefie, aus und erzieht die Menfchen nach einer neuen rein ratios naliſtiſchen und moraliſchen Methode. Als nun der Prinz zurückkommt, wirb ex für verrückt erklärt und fo lange eingefperrt, bis ex aller Poeſie abſchwoͤrt

302 . Eilftes Bud.

and ſich vor Stallmeiſter demüthigt. Durch die Satire zieht fi) eine ro⸗ mantiſche Idylle voll ſchwaͤrmeriſcher Liebe hindurch, bie einen Gegenſatz gegen die derbe ariſtophaniſche Proſa bilden ſoll, doch aber hieher nicht paßt. Schon am Dichtergarten war es ja des Contraſtes genug. Auch in den komiſchen Perſonen ſcheint und zu große Vervielfältigung. Ariſtophanes und Shake— fbeare würden Bier weniger Figuren und vieleicht mit mehr- Erfolg gebraudht Haben. Die beiden Alten, Ginze und der alte Rönig aus dem geftiefelten Kater, find unübertrefflich. Eben fo Stallmeifter und Neftor, aber die beiden legten haben ſchon zu viel Verwandtes. Polykomicus bleibt im Ganzen unver ſtaͤndlich. Die Ricptung, die er bezeichnet, ift auch ſchon durch andere Partien des Gedichts blopgeftellt. „Das jüngfte Gericht“, eine Viſton von Tieck, 1800.

Cine humoriſtiſche Schilderung des jüngften Tages, nicht durchgeführt, nur ffiggenhaft, aber mit einigen guten Schilderungen. Das befte iſt das Vertreten der Prüben, die ſich nackend allen. vorbrängen, um zu zeigen, wie ſchamhaft fie wären ac., fehr frivol, à laWieland, aber vol’ Wig. Zuletzt wird der Autor felöft vorgenommen und zur Rechenſchaft gezogen, weil er in feinem Zerbino ehrenwerthe Schulmänner sc. verfpottet Habe.

Im „Phantafus“ (von 1812) fammelte Tieck Erzählungen und Märchen, als würden fle vorgetragen in einem Kreiſe edler Herren und Damen nah dem Vorbild des Decameron. In den Geſprächen biefer Geſellſchaft findet ſich viel Treffliches und Feines über bie deutſchen Dichter gefagt, wird aber an Göthe viel zu viel Weihrauch verſchwendet. Ueber- haupt gibt Tief Hier zu erkennen, wie meit er fi von bem eigentlichen Biel der Romantik fihon entfernt hatte. Bon Nation und Kirche MM nicht mehr die Rede, alles läuft auf guten Geſchmack und „glückliche Behand- lung“ Hinaus. Das Schöne, hatte Göthe gefagt, iſt das Nefultat einer glücklichen Behandlung. Doch enthält der Phantafus treffliche Erzähe Tungen. " \

Der blonde Ebert. Ebert, ein Ritter, heirathete bie ſchoͤne Bertha, eines Hirten Tochter, bie, ihrem firengen Bater entflohen, zu einer Bee ober Hexe gefoms men war, ber fie wieberum mit einer Menge Perlen und Gbelfteinen entflohen war. Das Ghepaar lebte ganz einfam auf feiner Burg, wo niemand hinkam, als zuweilen Ritter Walther. Da ſaßen fle einmal vertraulich Beifammen und Ebert bat Bertha, dem Gaftfreund die Geſchichte ihrer Tugend zu erzählen. Walther hörte ruhig zu und Tieß nachher wie zufällig den Namen des Hundes fallen, den Bertha bei der Bee gefannt Hatte, auf ben fie ſich aber ſeitdem mie wieber Hatte befinnen Können. Walther mußte alfo mehr wiflen, als nöthig war.

Romantik. . J 303

Dieß verfegte fie in granfame Beängfigung. "Ebert aber war fo erbost, dieſem Walther vertraut zu Haben, daß er ihm auflauerte und ihn mit der Armbruſt erſchoß. Aber Bertha farb aus Kummer. Da fand fld ein gewiſſer Junger Hugo bei dem troſtloſen Wittwer ein, bem biefer auch eine Zeit lang vertraute, 5iß bie alte Here zu ihm Fam und ihm plöplic eröffnete, fle ſey fowohl Hugo ald Walther, und habe diefe Verkleidungen nur angenommen, um ſich an Bertha zu rächen, welche feine eigene Schweſter und dem Hirten nur von feinem Bater anvertraut gewefen ſey. Da wurde CEckbert wahnfinnig. Bon tief romantiſchem Anklang, aber nicht gut durchgeführt.

Der treue Edart und der Tannhäufer. Mad der Befannten Sage, fehr ſchon ausgeführt. Dem treuen Geart laßt fein graufamer Lehnoherr, der Herzog von Burgund, nach einander alle feine Söhne hinrichten und verbannt ihn felbft. Ginft aber, als der Herzog auf ber Jagb verirrt iſt und vers ſchmachten will, Hilft ihm der treue Eckart und der reuige Herzog ſeht ihn ferbend zum Bormund feiner eigenen Söhne ein. Diefe aber werben von einem zauberiſchen Spielmann in ben Benuöberg gelodt; da bringt Edart in den Berg ein und kanpft mit ber Zwerge ungeheuern Schaaren, biß er ihnen die Sößne ſeines Gern wieder abgewonnen. Er felöft aber flirbt an feinen Wunden und hält feitdem ale Warner vor dem Venusberg Wache. Lange nachher lommt einmal ber Ritter Tannhäufet zu feinem alten Sreunde, Briebrich von Wolfsburg, und erzäßlt ihm feine traurigen Sehidfale. Er Habe wegen einer Geliebten, die ihm unten geworden, deren Bräutigam ermorbet, fie aber fey aus Gram geforben. Dann Habe er in wilder Verzweiflung ben Boͤſen angerufen und habe von ihm ein Zauberlied gelernt, das ihm in ben Venusberg geführt Habe. Dort Habe er gelebt, bis ihn die Gehnfucht nach

ver Heimath wieber Herausgefühtt. Der Freund fuchte ifn zu tröften, aber im der Nacht entfloh ber Tannhäufer, nachdem er MWolfsburge Gattin ermordet hatte, denn fie eben war feine alte Geliebte. Wolfsburg felber aber mußte, weil er von Tannhäufer einen Kuß empfangen hatte, vom Zauber fortgeriflen, in ben Venusberg folgen.

So-yortrefflid) der erfle Theil der Erzählung vom treuen Edart iR, fo wenig genügt ber letzte Theil vom Tannhäufer. Man muß ſich wundern, warum Tied ſich nicht ſtreng am bie echte Dolföfage gehalten Hat, bie viel föner iſt.

Der Runenberg. Der junge Jäger Chriſtian wird von einem Fremden auf den gefpenflifchen Berg verlodt, two er ein wunderſchoͤnes Weib erblit, bie ſich vor ihm bis aufs Hemd ausfleidet, fh nackt in der vollen Majeftät ihrer Schönheit zu ihm wendet und ihm ein goldene Täfelhen reicht. vloblich if alles wie ein Traum verſchwunden. Er kehrt um, heirathet und tritt in bie Pacht feines Schwiegervaters ald Landmann. Nach langer Zeit kommt ein⸗ mal ein haͤßliches altes Weib auf ihn zu, redet ihn als Befannt an und verwandelt fi, indem fie abgeht, in die Schöne der Runenburg. Zugleich

304 ' Eilftes Buch.

erblict er etwas Glaͤnzendes im Grafe und findet bie goldene Tafel wieder. Bon Siund an vom Zauber ergriffen, eilt er zum Runenberg und ehrt nicht wieder. Sein Weib Elifabeth heitathet einen Andern. Da kommt Chriſtian endlich noch einmal wieder, aber nur, um feine Kinder zu fehen und eilt gleich wieder zum Berge. Im biefem Roman hat Tieck das Wefen ber fogenannten Baldminnen glüdlid erfaßt.

Liebeszauber. Gmil, ein reicher Fremder in Rom, Hatte ſich in ein reis zendes Mädchen, das ihm gegenüber wohnte, verliebt, ald er durch den Fenſter— rib fehen mußte, wie fie in Gemeinſchaft mit einer hählichen Alien ein ſieben⸗ jähriges Mädchen abſchiachtete und ihm das Blut abzapfte. Ohnmächtig zurück fallend, verlor er die Grinnerung, nicht ahnend, daß jenes unſchuldige Blut gu einem Liebeszauber benügt wurbe, ber ihn felbft umſtrickte. Denn bald darauf war er Bräutigam jenes fchönen Mädchens. Beim Hochzeitsfeſt aber fah er im maslirten Gefolge feiner Braut die Afte wieder und einen türliſchen Dolch, den er damals geftagen, und ber ihn an bie Schauderſeene plohlich erinnerte, und nun burchbohrte er mit bemfelben Dolche die Braut. Hoͤchſt ergreifende Schilderungen, nur im Gingang fehlend, fofern gegen einen ſchon Verliebten eigentlich kein befonderer Liebeözauber angewendet zu werben braucht.

Die fünfte Erzaͤhlung des Phantafus iſt die Lebensgeſchichte der ſchönen Magelone und des Grafen Peter von Provence, von 1796, eine hoͤchſt lieb⸗ liche Bearbeitung des befannten Volksbuchs.

Die Elfen. Die Heine Marie geräth einmal in ein Tannenwälbchen, worin die Glfen wohnen. Zerina, eine junge Clfe, "wird hier igre Geſpielin, lehrt fie aus Goldſand plögli? Blumen Hervorfchiegen Iaflen, fih auf Bäumen wiegen und fliegen 2, zeigt ihr bie liebreiche Glfenfönigin und den Halb fölafenden gnomenhaften Metalltänig und macht eine Heine Reife durch bie Glementarreiche ber Luft, Erde, Wafler und Feuer. Auch lernt fie den Bogel Phönix kennen, deſſen Ankunft das ganze Glfenreich in Bewegung fegt. Mit einem Ringe beſchenkt wird fie wieder entlaflen, unter ber Bedingung, nie etwas von dem, was fie gefehen zu verrathen, indem ihr gefagt wird, bie Elfen, die der ganzen Gegend Glück Bringen, würden augenblicklich verſchwin⸗ den und mit ihnen das Glück, wenn fie verrathen würben. Marie ſchweigt, wächst heran, Heirathet und wird eine glüdliche Mutter, In all diefer Zeit . iſt die Gegend voll Segen. Ihr Kind Elfriede aber erhält die Heine Zerina zur Gefpielin, gerabe fo wie fie einft ihre Gefbielin gewefen war. Crſt als einmal Zigeuner außgeiviefen werben follen, bie in jenem Tannenwäldchen Haufen von den Elfen in Schup genommen find, und Matiens Gatte heftig auf fie ſchilt, verräth Marie in edlem Unmuth ihr Geheimnig und fagt, Fu von dem Brieben jenes Tannenwaͤldchens ber Segen der Gegend abhänge. nimmt Zerina Abſchied, ſchon am andern "Tage erfährt man, ein nam J Habe die Elſen über ben Fluß führen müffen, die ganze Nacht hindurch, und von Stund an herrſcht Unglück in per Gegend und in Mariens Haufe, alle

Romantik.” 305

ſterben im Elend, Schöne Auffaflung ber echten deutſchen Sage, nur ber Vhoͤnir paßt nicht dazu.

Der Pokal, Ferdinand erblict in ber Tiefe eines goldenen Pofals durch Zauber eine nadte weibliche Geftalt von verführerifhen Reizen, will fie tüflen und macht dadurch den Zauber verſchwinden. Nach vielen Jahren kommt er wieber einmal in biefelbe Stadt, ift bei einem Kaufmann zu Tiſch amd ers blickt ein Mädchen, dad auffallend jener Schönen im Becher gleicht. Zu fels nem Entfegen lommt aud der nämliche Vecher auf den Tiſch und geht um. Aber am Ende erfährt er, das ſchoͤne Maͤdchen bei Tiſch fey bie Tochier der älteren Dame, die fih ihm ald bie Schöne des Bechers zu erkennen gibt. Eine ziemlich ſchwache Erfindung.

Ih ſchließe Hier nod den „Pietro von Abano“ an, obgleich biefe Novelle erft fpäter erſchien.

Petrus Apone, ein berühmter italienifeher Arzt, verliebt ſich in die Leiche der reigenden Crescentia, weckt fie durch feine Zauberkunſt wieder auf und lebt mit ihr, 6iß fie einmal zu Oſtern dem Hochamt beiwohnt, die Nähe des Heir ligen den Zauber Iöft und fle endlich wirklich ſterben kann. Wie fle in ihrem lebend tobten Zuftand ihren Geliebten, Antonio, twieberfieht und ihm ben von ihr begangenen Frevel gefteht, if eine erſchutternde Scene; abgeſchmaat das gegen, daß Antonio fpäter durch Crescentia's ihr taͤuſchend ähnliche Zwillings⸗ ſchweſter eutſchaͤdigt wird.

Die lyriſchen Gedichte Tiecks find ſehr ſchön. Er gab eine Auswahl altſchwaäbiſcher Minnejänger heraus und ahmte ſelbſt deren Form nad, nur daß er ben grünen Wald mit noch viel jubelnberer Luft beſang. Seine Waldliever find dad Schönfte, was wir in biefer Art befigen. Keiner vertiefte fi fo innig in die deutſche Waldeinſamkeit, bald in fühner Jagdluſt mit weithallendem Waldhornklang, bald in trüßer Me lancholle, bald in füßer Lieheöfehnfuht. Seine Liebeslieder Haben vie Einfachheit und Gemandtheit des echten Volksliedes, aber ſchon eine etwas ſũdliche romaniſche Gluth. \

Geliebte, wo zaubert Dein irrender Fuß?

Die Nachtigall plaudert Bon Sehnſucht und Ruf.

. . .

Süße Liebe denkt in Tönen,

Denn „Oedanten ſtehn zu fern,

Rur in Tönen mag fie gern

Alles, was fie will, verfhönen. Menzel, deutſche Ditnng. IM, 20

306 Eilſtes Bud.

Aufs glücklichſte drüdt er den Bauber bes Maͤrchens aus, der feine beften Dichtungen abelt.

Mondbeglänzte Zaubernacht, . Die den Sinn gefangen Hält, Wundervolle Maͤrchenwelt,

. Steig auf in der elten Pracht.

Aber indem er Sterne, Wolfen, Bäume, Blumen Weitgefänge halten läßt, fällt er aus bem echten Volköton ‘fon wieder zu fehr In das Allegorienſpiel der Renaiſſance zurück. Oft tändelt er zu viel mit dem Wohllaut.

Warum Schmachten? Barum Sehnen? Ale Thraͤnen,

Ach, fie trachten Weit noch ferne,

Bo fie wähnen Schönre Sterne.

Dazu fGlägt feine Liebe in Sonetten, wie in einem Blaͤtterwalde aus. Seine italleniſche Reife befingt er auf allen Stationen und: befon- dere Ehre in Loblietern erweist er ben Meiftern der altitalieniſchen Muflt. Einiges Lehrhafte mahnt an Göthe.

Mag Tugend fi und Laſter gatten, Sie find nur Dunſt und Nebeiſchatien! Das Licht aus mir fällt in die finftre Nacht, Die Tugend ift nur, weil ih fle gedacht. Auch andere „Zweifellleder“ bewelſen, wie in Tie ver poetiſche Egotönus, den er Göthe abgelernt, mit der Demuth der echten Romantik tämpfte. - Erfreulich unter fo vielen. Lievern, worin ſich die ſubjektive Schwäche ausſpricht, erſcheint eine Erinnerung aus ber Durchreiſe durch

Tirol. Wer da will Manner ſehn,

Geh’ ind Tirolerland. \

In Romanzen leiſtete Tieck nicht viel. Sein Arion iſt ſchwächer als der von Schlegel, fein Sifrit und Weland in Eurzen Verfen zu Enapp behandelt. Nur ver treue Eckart befriedigt durch die faſt bänkelſaͤngeriſch einfache und doch edle Art des Vortrags.

Im feinen letzten Jahren ſchrieb Tieck nur nod Novellen und einige

Romantif. 307

Romane, in denen feine Romantik ausgeglüht hat und er ſich höchſtens no auf den Standpunkt der alles belächelnden Ironie ſtellt. .

Der Waſſermenſch, eine äfthetifhe Converfation, worin Schillers Taucher dem Göthe’fchen Fiſcher Hintenangefept wird. Der Mondſüchtige, worin alles > abermals auf eine Huldigung Goͤthe's wegen feines Mondliedes Hinausläuft. Die Sommerreife, aus Tieds Jugendzeit, frifch erzählt, aber wieder voll Goͤthomanie. Auch in vielen andern Novellen Tiecks wirb über Literatur und Poefie converfirt, immer leicht und ironiſch. Das Befte diefer Art ift „die Vogelſcheuche“. Ciner Hat einen ledernen Automaten, eine Vogelſcheuche, mit vieler Kunft gefertigt, derſelbe wird ihm geſtohlen, er glaubt ihn aber in einem ‚Heren von Lebebrinna wieberzuerfennen, ber eine Ieberne Afabemie geftiftet hat (Theodor Hell) und verlangt vor Gericht feine Auslieferung. Der Lederne wird jedoch frei geſprochen und behauptet das Feld gegen die Phantaſten. In diefer Novelle, die vortrefflich geſchrieben, aber etwas zu lang gebehnt if, tommt unter anderem eine Vertheibigung der Schminke vor, die an bie beften Ereurfe Jean Panls mahnt. Auch im jungen Tiſchlermeiſter ergeht ſich Tied in literariſchen Bemerkungen, namentlih in einem breiten Lobe des Goͤthe ſchen Gsg. Im übrigen Handelt es ſich um bie in fpäteren Jahren forte gefepte Jugendfreundſchaft zwiſchen einem Edeimann und einem ehrbaren Tiſch⸗ ler. Das alte Yu oder bie Reife ind Blaue macht Athelſtan zu einer neuen Berförperung des Oberon und zugleich Perfonification der poetiſchen Kraft, Als Ergänzung und Vefriebigung diefer Kraft iſt ihm Gforiana, eine meue Verförperung ber Titania, zugefellt. Sie verfehren mit ben größten Dichtern aller Zeiten und beherrſchen frei das felige Reich der Poefle, Ahel- Ran Tommt inzmifgen in Gonfict mit ber mobernen Mufe, bie fi für Poefle ausgibt und das Gegentheil davon iſt.

Verführt von Göthe ließ es ſich Tieck auch angelegen feyn, Poeten zu Helden zu maden. In feinem „Dichterleben“ von 1826 und im „Dichter und fein Freund“ ſchildert ex des großen Shakeſpeare's Jugend, aber Shafefpeare gleicht Hier nicht ſowohl ſich felbft, als dem pretidß ſich Herablaffenden Göthe. Im „Tode des Dichters“ ee fi Lied an ben Dualen des armen Camoend.

In andern Novellen treten feltfame Charaktere und Sonbertinge auf ober werben Thorheiten der Zeit verfpottet. So in den Wunderſüchtigen bie maureriſche Geheimnißfrämeret, in den Wunberlichkeiten die Kunftlich- haberei. In der Geſellſchaft auf dem Lande wird der Uebergang von der alten zur neuen Mode und das Abſchneiden des Zopfes fehr anmuthig geſchlldert. Im Zauberſchloß iſt mur die Epifobe von ber wilden Eng

20*

308 . Gilftes Bud.

Händerin von Intereſſe. Diefe fhöne, aber prube Amazone weist alle Männer ab, bis fie einmal beim Abfteigen vom Pferde ausgleitet, fo daß ihr Liebhaber fie völlig entblößt ficht. Da befiehlt fie felbft dem doppelt überrafehten Liebhaber, fie auf ber Stelle zu heirathen, denn nur ihr Gatte dürfe gefehen Haben, mas er ſah. Minder heiter ift „Eigen- ſinn und Laune“, weil hier ein ähnlicher weiblicher Sonderling die Folgen ihrer Wunderlichkeiten fhwer tragen muß. Sie wollte nämlid; zwanglos ohne Ehe lieben und wurbe entehrt. Im Geheimnißvollen ſchildert Tied einen jungen Mann, der die unwiderſtehliche Neigung hat, zu Fügen und ſich für etwas Anderes auszugeben, als er iſt. In ven muſtkallſchen Leiden und Freuden ſpricht Tieck fehr fehön über. Muflk.

Eine. der anmuthigften Novellen Tiecks find „die Reiſenden“.

Ein junger Edelmann wird auf einige Zeit zu feiner Beflerung in ein Irrenhaus gebracht und Täßt fi aus Langeweile und durch bie unwiberfich- liche Macht des Beifpield von einem Irren überreden, es liege ein Schag im Keller verborgen, dem er zu heben eifrig mithilft. Endlich wird auch ber Director der Anſtalt angeſteckt, Hält ſich allein für verrüdt und alle feine Irren für geſcheibt und entläßt fie freiwillig. .

Mebrere Novellen Tiecks handeln von glüdliher Liebe. Der „Ges lehrte“, ein Bücherwurm, macht endlich ein grmes im Haufe zurückge- ſetztes Mädgen glücti. "Eine junge Gräfin, die ihrem bürgerlichen Geliebten entfagen muß, wird zufällig durch heffen Mutter aus großer Gefahr gerettet und darf ihn nun. heirathen. In den „Abendgeſprächen“ gibt fi eine lange geſuchte Cächtie endlich dem fie Suchenden als Jofei zu erkennen, der mit {hm felbft gereist ifl. Im „Alten vom Berge“ werben bie Liebenden verbunden, nachdem gin Böſewicht von Nebenbuhler entlarot iſt. Hieher gehören noch „Liebeswerben“ und „Waldeinſamkeit“. Rührend ft „ber Weihnachtsabend“, in weldem eine arme Wittwe ihren verloren geglaußten Sohn In Glüd und Wohiſtand wiederlehren fieht Aehnlich „des Lebens Ueberfluß“.

Ins romantiſche Geblet der Wunder reichen noch einige Novellen hinein. Im „Schutzgeiſt“ rettet eine Gräfin, von ihrem Schutzgeiſt ge⸗ leitet, ihrem Sohn das Leben. In der „Klaufenburg“ wird ber umirrende Geiſt einer Ahnfrau dadurch erlöst, daß ihr Nachkomme einmal eine Buͤrgerliche Heirathet zur Sühne eines von ber Ahnfrau an einem armen Weibe begangenen Verbrechens.

Romantik. 309

Ein Paar Novellen Tiecks find hiſtoriſch: „die Glocke von Aragon“, ein Bild aus ber ſpaniſchen Geſchichte; „der griechiſche Kaiſer“, bie tra- giſche Geſchichte Balduins von Flandern, der einige Jahre lang latel⸗ niſcher Kaiſer in Konflantinopel war.

Im der größern, aber unvollendet gebliebenen Novelle „ver Aufruhr in den Cevennen“ (1826) machte fi Tieck an eine Aufgabe, welder er nicht mehr gewachſen war.

Edmund, ein junger Cavalier und eifeiger Royalift, zieht mit gegen bie Camiſarden zu Felde, wohnt aber einmal zufällig einer Andacht derfelben bei, befehrt ſich und tritt auf ihre Seite. Mit feinem raſchen Feuer contraftirt bie Ruhe eines latholiſchen Geiſtlichen, mit dem er ſich in ein Religionsgeſpraͤch einläßt. Der Schluß fehlt, Tied hätte auch feinen befriebigenden zu Stande gebracht, da Begenflände fo ernfter Art nicht mit Ironie abgefertigt werben Tönnen.

Eine große Verirrung Tieds war 1840 fein Roman „Vittorla Arcorombona“. .

Die Geſchichte einer itafienifchen Dame, die von ihrem Gemahle an, einen Cardinal verfuppelt werben foll, felber aber bie Che ſchon geiſtig mit einem Herzog bricht, den fie liebt. Der Herzog vernichtet ben Plan des Cardinals, der dafür den ehrlofen Kuppler und Gemahl erbolchen läßt. Als Wittwe Mann fi ®. nun ganz dem Herzog hingeben und lebt mit ifm in parabififcher Bonne, Bis auch ihn das Gift der Rache hinrafft.

Eine ganz wüſte Geſchichte und von fehr zweifelhafter Moral. Tiecks Schwager, Auguft Ferdinand Bernhardt, gab 1797 „Bam- bocciaden“ Heraus, eine Sammlung gemiſchter Erzählungen und Luſtſpiele, auf die ohne Zweifel Tieck Einfluß übte, die aber nicht Gehalt und, Bedeutung genug hatten, um nicht vergeffen zu werben; derſelbe Bern- Hardt fland Tieck und Schlegel bei im Kampfe miber Kohebue, der die Romantiker mit wüthendem Haſſe verfolgte. Tiecks Schweſter, Sophie Bernhardi, in zweiter Che v. Knorring, gab zu Berlin 1804 „dramatiſche Phantaſien“ Heraus, in recht fehönen „Verſen, aber nur ein ſehr blaſſes Abbild ber Romantik ihres Bruders, gleihfam in einem etwas bewegten Waflerfpiegel, In dem Farben und Formen in einander rinnen.

Es find drei phantaftifche Dramen, in denen je am Shchluß ein alter König aus dem Schlaf oder aus einer Ginfiebelei durch feine glüdlichen Kinder

310 Eilftes Buch.

gewectt wird. Das if im Iepten Stüde „Beiftingspnber, eine Allegorie des Naturlebens felbft.

Ihr Epos „Flore und Blanchefleur“ von 1822, in achtzeiligen Stan- zen, führt ven befannten Stoff (vgl. Theil I. ©. 4) etwas breit aus. Zuletzt erſchien noch 1836 ein von ihr Hinterlaffener Roman „Enremont“.

Ein lebendiges Gemälde aus Preußens Unglüdzeit von 1806—1813. Der Held, ein verlorener Sohn erſter Che, wird in einem ſchwerverwundeten juns gen frangöfifchen Offizier wiebererfannt, ben man auf das Schloß feiner Gräfin Mutter bringt. Deren zweiter Gemahl, des Zünglings Stiefvater, bewährt unter mandjerlei Aufregung einen Haren, ruhigen, edeln Charakter. Auch alle Nebenfiguren find meifterhaft gezeichnet.

Friedrich Schlegel, der Bruber Auguft Wilhelms, mit Tieck befreundet, ſchritt gerabeaus dem Ziele der Romantik zu, von dem ſich Tieck fo weit entfernte. In Tie glauben wir eine halbſlaviſche, leicht⸗ blũtige, kobold⸗ und elbenartige, mehr der heidniſchen Märchenwelt als ber mittelalterlichen Kirchenpoeſie zugeneigte Natur zu erkennen, während Schlegel mehr die deutſche, niederſächſiſche Feſtigkeit offenbart. Auch er fiel in Verlodung, aber er riß ſich mannhaft los. Gerade je weiter er in feiner berüchtigten Lutinde verirrte, um fo mehr Energie und Dauer gewann feine Belehrung. Man hat e8 den Nomantifern zum ſchwerſten Vorwurf gemacht, daß fle in den neunziger Jahren in eine Art von Wolluftraferei verfielen, und doch mar ihre kurze Tollheit eher zu ent ſchuldigen, als die Iangfame‘, ein Halbes Jahrhundert fortgefegte Unter wühlung jever ſittlichen Autorität und Pflicht in den Schriften von Wie- land, Göthe, Kotzebue. Friedrich Schlegeld Roman „Lucinde“ von 1799 erinnert an Wieland und Heinfe.

Iulins Hebt erft unerfahrene Iungfrauen und allyuerfahrene Hetaren bis er die Lucinde, eine moderne Aſpaſia findet, die mit bem taffinirteften Körpergenuß zugleich den geifligen zu verbinden weiß. Das ganze Buch ift angefüllt mit Reflerionen über diefe Vereinbarung ſinnlicher und geifiger Wol« luſt ald das Höchſte auf Erben. Zugleich if das Buch eine Gntfagung des männlichen Geſchlechts zu Gunften des weiblichen. Der Dichter behauptet ©. 197, die Weiber allein feyen mitten in ber Gorruption ber Bildung reinere Naturmenfchen geblieben, und während der Mann immer zu heiß ober zu Falt fey, wohne nur den Weibern dauernd die Wärme bei, in ber das ſchönſte Maaß wie das füßefte Glück liege. Mit biefer weiblichen wollüſtigen Wärme

Romantif. 311

fucht er nun fein ganzes Buch zu durchdtingen, in bem bie verführerifcheften Scenen der Luſt mit geiftvollen Reflerionen abwechſeln.

Diefe ſ. g. Religion der Wolluft geflel damals. Selbſt der berühmte Theologe Schlelermacher ſchrieb beifällige Briefe über bie Lucinde. In dem Roman „Florentin“, ber Schlegeld Gattin zugeſchrieben morben iſt (1801)

iſt der Held als Maler ein etwas zahmerer Ardinghello, ſchwaͤngert fein weib⸗ liches Model und gerät nachher in Raferei, weil fie das Kind abtreibt. Dann ein das poetiſche Recht Herftellender fchöner Traum von Kindern.

Das Trauerfplel „Alarcos“ war ein Einfall Friedrich Schlegels und fieht mit feinen großartigeren Werken nicht ˖im Einklang.

Graf Marcos hat um die Hand der Infantin geworben, nadjher aber eine Dame geringen Standes geheirathet, Clara. Der König macht ihm ſchwere Borwürfe, Clara aber ift fo großmüthig, fid ſelbſt umzubringen, bamit er bie Infantin heirathem fann. Gr will ſich aber an Großmuth nicht übertreffen laſſen und töbtet fi gleichfalls.

Das Schönfte unter den wenigen Poeflen Friedrich Schlegels find

‘feine lyriſchen Gedichte. Obgleih auch er, wie fein Bruder, clafſſiſche

Formen hit verfhmähte und ein Lehrgedicht „Herkules Mufagetes“ in Hexametern ſchrieb und in feiner „Sprade und Weisheit der Inder“ (1808) altindiſche Dichtungen übertrug, dazu Altſpaniſches von legenden⸗ Baftem Inhalt sc., blieb fein Gerz doch dem Vaterlande in fteter Treue zugewendet. Zu’ Anfang des Jahre 1800 feprieb er eine ſehr vatrionige Mahnung „an die Deutſchen“. . Vergeßt auf ewig ihr der Hohen Ahnen? Ihr uneins all, an Stumpfheit ale gleich, Gelehtte, Laien, Herrn und Untertanen! Vom echteſten Heimathsgefühl zeugen ferner Friedrich Schlegels wun. derbar ſchoöne Gerichte „vom verlornen Schloß“: Bei Andernach am Rheine Liegt eine tiefe See ıc. und „vom Speßhart”. Jahrtauſende wohl ſtandſt du ſchon, O Bald fo dunkel kuhn, Sprachſt allen Menſchenkünſten Hohn Und webteſt fort dein Grün.

312 Cilfies Vuch.

Der Romantik Teiftete Friedrich Schlegel Vorſchub durch feine Bear- beitungen des Roland, Merlin, Lother und Maller, durch verſchiedene kritiſche Schriften über Kunft und Literatur, am meiften aber durch feine philoſophiſchen Arbeiten und durch feine DVorlefungen über Geſchichte. Hier naͤmlich trat er zuerſt mit großer Geiſtesüberlegenheit dem Vor⸗ urtheil entgegen, welches das vorige Jahrhundert beherrſcht hatte, nämlich der Ueberſchaͤtzung der alten und der modernen Welt auf Koſten des Mittelalters. Er zuerft Ichrte wiever, in die Nacht des Heidenthums habe das Licht des Evangeliums geftrahlt, und aus der tiefen Corruption bes Alterthums Habe nur das ſittliche Princip des Chriſtenthums zu zetten vermocht, und au das moberne Heidenthum und die moderne Cor- ruption könne auf Feine andre Weife überwunden werden, als durch die alte, ewig die eine und gleiche Kirche. Gegen dieſe Lehre empörte ſich begreiflicherweife bie ganze gebildete Welt, der Voß längft eingeſchärft Hatte: Im Anfang gingen die Menſchen auf allen Vieren, bis griechiſchem Geiſt. das erfte Licht der Eivilifation entfirömte. Herrlich glänzte das claſſiſche Alterthum in diefem Licht, da brach die Finſterniß des Mittel- alter8 herein, rabenſchwarze Nacht des Pfaffenthums. In diefe brachte wieder Luther das erfte, noch ſchwache, der Humanismus aber, bie Re— naiſſance und die moderne Claſſicitaͤt und Philoſophie das volle Licht.

Joſeph Görres, Profeffor in Coblenz, geborner Katholik, erfaßte, obgleich kein Dichter, doch die Romantik am tiefſten und bewies, ihre Anſprüche nicht auf das formelle Dichten fih beſchränken. Indem er im Anfang des Jahrhunderts einige Jahre in Heidelberg zubrachte,

"wirkte er auf den dort verfammelten Kreis genialer Dichter eben fo prin- cipiell ein, mie früher Novalis auf Tieck und Schlegel, denn er beſaß unter allen den tiefftien, klarſten und umfaflendften Geift. Ihm erſchien die ganze moderne Bildung ſeit der Neformation und Nenatffance als

"eine Krankheit, an welcher das deutſche Volk zehre, ober als ein ſchwerer Alp, der auf ihm laſte, und er fah das Hell nur in der Wiederfindung ber eigenen deutſchen Urnatur, des alten Reichs und der alten Kirche.

Die nächſten Beftrebungen dieſes Heidelberger Kreiſes gingen dahin, die alten Vollkslieder, Volksbücher, Volksſagen, die altdeutſchen Dich⸗ tungen, die altkatholiſche Legende wieder zu Ehren zu bringen. v. Arnim und Brentano fammelten feit 1806 in „bed Knaben Wunderhorm“ die

Romantif. 313

alten Volköliever, Börres 1807 die „Volksbücher“. Alle drei gemeinfam gaben 1808 die „Einſiedlerzeitung“ heraus, worin fie theils alte deutſche und romantiſche Dichtungen fammelten, theils die claſſiſchen Philifter, beſonders den alten Voß verſpotteten. Die noch ſehr jungen Brüder Jakob und Wilhelm Grimm in Caffel ſammelten ſeit 1812 Volksmärchen, ebenfo Büſching in Breslau 1807 Volkslieder und 1812 Volksſagen. Von der Hagen gab 1807 das Nibelungenlied Heraus, das jeht zum erftenmal wieder einen weiten Xeferfreis fand. Gräter in Ulm, ber fehon 1789 mit nordiſcher Literatur befpäftigt war und bie ſtandinaviſchen Dich⸗ tungen durch Meberfegungen verbreitete, kann doch Faum zu den Romanti» tern gerechnet werden, weil er noch Klopſtocks elaſſiſchen Bardenton feſt-⸗ hielt. Das waren die erſten Anfänge eines Studiums, welches ſeither ununterbrochen alle Schäge altdeutſcher Dichtung wieder zu Tage geför— dert und das vergeſſene und verachtete Mittelalter unſerer Nation in einem neuen Glanze gezeigt hat.

Natürlicherweiſe war das die ſtärkſte Reaction der deutſchen Natur "gegen die claſſiſche fett drei Jahrhunderten herrfhende Unnatur. Aber fo ſeht mar der größte Theil der gebildeten Welt- [don von der claffifchen Säule verzogen, daß er bie neue Erſcheinung nur mit Staunen, Miß- trauen und Widerwillen aufnahm. Am meiften tobte dagegen Napoleons damaliger Lobhudler Baggefen und in Heidelberg felbft der vom badiſchen Großherzog dahin berufene Voß Im Gelft und Intereffe der damaligen Rheinbundpolitik.

Aber auch der alte Goͤthe erflärte ſich entſchieden gegen die Roman- tiker. Sein plötzlich erwachter Eifer für das Claſſiſche, ſogar für die MRenaiſſance erklärt ſich aus feinem Widerwillen gegen Novalis, Tieck, Wackenroder und die durch ſie zunäͤchſt bei den Malern erweckte Begeiſte⸗ zung für altchriſtliche, mittelalterliche, altdeutſche Kunſt. Die Nazarener, wie man dieſe romantiſchen Maler nannte, welche größtentheils katholiſch wurden und unter denen Overbeck den größten Ruhm erlangte, waren ein Greuel für Göthe, der unter ven Malern einzig die mattherzigen Tiſch- bein und Hadert pries. Er entzünbete in Weimar eine künſtliche Begei- flerung für das Claſſiſche, le Plautus und Terenz, Corneille und Racine aufführen, überfegte felbft Voltairz's Mahomeb und Tancred und bewog Schiffer, die Phätra von Racine zu überfegen.

314 Eilſtes Bud.

Unter den Satiren gegen die Nomantiker finden wir aus dem Jahr 1808 eine anonyme Comoedia divins,

bie aus drei Vorreden, einigen Seenen und einer Blumenleſe aus ben Schriften von Novalis, Gorres, Br. Schlegel ac. beſteht. Sie deckt die ſchwa⸗ hen und bebenflichen Seiten ber Romantik, insbeſondere bie Frechheit ber Lucinde auf, erflärt aber auch manche Ausſprüche ber Romantifer für Unfinn, wo fie es keineswegs find. Wie gemein die Auffaffung iſt, mag daraus erz hellen, daß bier Movalis in eine Gans verwandelt und von einem in einen- Fuch6 verwandelten Buchhändler gefreffen wird.

Dagegen Fam ver Schmerz der Zeit und das allmählig immer ſtärker erwachende Nationalgefühl unter dem Drud Napoleons der Romantik zu Statten. Die gebifvete Jugend fand da Feinen Troft mehr bei ven Claf- fifern, fonbern verſenkte fi viel Lieber in die Erinnerung der deutſchen Vorzeit, jener herrlichen Kaiferzeit, in welcher die deutſche Nation bie herrſchende in Europa gemwefen war. Die Stimmung bis zum Jahr 1813 wurde immer romantiſcher und von allen Seiten ftanden Dichter auf, die theils mit ſchmetternden Trompetenflängen zum Kainpfe riefen, theils die ‚Helvenbilder der Vorzeit in die Gegenwart hineinmalten.

Göthe Tief biefen romantifen Sturm vorüberbraufen, fing aber 1817 in feinem „Kunſt und Altertfum“ ſchon wieder an, „gegen bie neubeutfche religloͤs⸗politiſche Kunſt“ mit verbiffenem Haffe zu etfern.

3. Patriotifhe Dichtung.

Unter den romantifhen Dichtern faßte Feiner die Bedeutung ber Schmach und Erhebung Deutſchlands zur Napoleonifhen Zeit fo tief auf, wie Mar v. Schenkendorf, welcher aus Tilfit gebürtig als Negierungsrath in Eoblenz 1817 geftorben iſt. Er nämlih erkannte, daß es ſich um eine Wiedergeburt der Nation und Kirche handle, daß das Unglüd Deutſchlands nit von Napoleon, fondern. von viel früher herrühre, von ber traurigen Zeit an, in welder man ven alten Glauben, bie alte Sitte aufgegeben. Deshalb geht durch die Gedichte Schenfen- dorfs (1814 und 1815, fpäter noch im einer Gefammtausgabe erſchienen 1837) ein nit 6108 ritterliger, fonbern aud frommer Ton. Deshalb

Romantit. 315

ruft er nicht blos die deutſche Jugend zum Streit In den fhönen Liedern erhebt euch von ver Erbe”, „Breiheit, bie ich meine“, im „Landſturm llede“ ac., und ehrt das Andenken unlängft für dad Vaterland gefallener ‚Helden, wie in dem lieblichen Liede auf Andreas Hofer, fondern er mahnt auch an die Vorzeit, an bie Ehren, die verloren gingen und wieder er- rungen werben müffen, in den ſchönen Liedern vom Straßburger Münfter, vom Dom zu Speyer, vom Rhein („Es Elingt ein Hoher Klang“ ꝛc.), vom 1000jährigen Todestage Karls des Großen (28. Januar 1814), in der Mahnung an den Kaiſer sc. Ueberall erinnert er an bie Kalforgelt, das Mittelalter und wünſcht im neuen Frühling der Nation nur den alten wieberzufinden. Seine märmfte Liebe hat er in den Frühlingsgruß an das Vaterland gehaucht: „Wie mir deine Freuden minfen“.

ALS Sänger ber Freiheit und Frömmigkeit zugleich ftand ihm Lub- wig Gieſebrecht am nädften, ohne feinen poetifhen Werth zu er- reichen. .

Poetiſcher als alle andern, wenn au nur in Profa, faßte Görres in feinem Rheiniſchen Merkur die romantifge Wendung im Jahr 1813 auf. ‚Keiner wie er fpra in fo flammenben Worten bie Wahrheit aus, daß wenn wir nit zur Ginheit der Kirche und des Reichs zurückkehren, alle unfere Siege vergebens erfochten find.

Nur augenblidtihe Kampfluft und Siegestrunkenheit charakteriſirt andre Dichter des Vefreiungskampfes.

Ernſt Moriz Arndt, geboren auf der Inſel Rügen, machte am Ende des vorigen Jahrhunderts mehrere Neifen in Süd und Nord, ente wid als Profeſſor zu Greifswald vor Napoleon 1808 und ſchürte ben deutſchen Patriotismus dur feurige Reden und Lieber, die ihm beſonders in den Jahren 1813—1815 feine Unſterblichkeit ficherten. Mit Stein nah - Deutſchland zurückkehrend als deſſen Sekretair, wurde er Profeffor in Bonn und baute ſein Haus am Rhein, wurde jedoch nach den Karsbader Beſchlüſſen lange ſuspendirt, bis Friedrich Wilhelm IV. ihn herſtellte. Eine kraͤftige, derbe Perſoöͤnlichkeit, grundehrliches norddeutſches Weſen, ein zarter Sinn für das Haͤusliche, die Kinder und ihre wunderbare Märchenwelt, Luft an gefeliger Freude, männlicger kriegeriſcher Ernft, Zorn gegen alles Undeutſche Haben ihn bei Jung und Alt und felbft bei ben Gegnern populär gemacht.

316 Eilfies Buch.

Er ſchrieb zuerſt eine „Relfe durch Deutf land, Frankreich, Italien“ 1800, „durch Schweden“ 1806. Seine Gedichte von 1803 enthalten Oden, Dithyramben und viele Tange poetiſche Epifteln an Freunde, worin noch fehr der claſſiſche Geſchmack vorherrſcht, Bachus und Amor und die horaziſche Lebensweisheit gepriefen werben, daneben aber auch fon echt deutſche Kieder. Ganz Klopſtockiſch Ift „Hermanns Siegeslied“ von

1787. Woban! Donnerer, fie ſanken

Die Eroberer, Die Tyrannen, durch den fehlanfen Teutfchen Todesfpeer. An Herder und Schiller zugleich mahnt das ſchöne ochrgevicht: Heilig find die Schlüſſel der Herzen . Bei Göttern und Menfchen. Die ganze männliche Fretheitsluſt Arndts befeelt dad Gedicht „Natur“, worin er ausruft: " O fo nehmt, ihr hochfliegenden Vogel! nehmt mich mit, o dalken! Tragt mich, tragt, wo der Punkt wird Die Erbe, die Sonne funkelt dem Blick Ein ſtrahlendes Feuergebirg!

Das iſt der Schwung Hölderlins, aber mit ungebrochenen, nie zu brechenden Flügeln. Im feinen'fpäteren Gedichten ſchlägt das kriegeriſche Zeuer vor. Ein guter Theil der Arndt'ſchen Lieder find wahre Volks- Heder geworden und werden hunderttauſendſtimmig, fo weit e8 Deutſche gibt, gefungen. Bor allem das Lied „Was iſt des Deutfchen Vaterland In allen Liederbüchern finden mir wieder: „Sind wir vereint zur guten Stunde*, „Wer tft ein Mann? wer beten kann”, „Der Gott, der Eifen wachen Heß, der wollte feine Knechte“ sc. Welder unter unfern Altern Xefern erinnert ſich nit no, mit welcher jubelnden Luft vor vierzig Jahren dad Blücherlled von Arndt erflang „Was blafen die Trompeten? Huſaren heraus“ ac., und mit welcher Wehmuth die Lieder auf Shi „Es zog aus Berlin ein tapferer Held“ sc. und auf Scharngorft „Wem ſoll der hoͤchſte Preis ſeyn?“ Und wer Fennt endlich nit die frohen Trinklieder unfres Arndt „Aus Feuer ift der Geiſt gefchaffen, drum

Romantik 317

ſchenkt mir füßes Feuer ein“ zc., und „Bringt mir Blut der edlen Reben, bringt mir Wein!

Arndt dichtete auch Romanzen und wählte dazu manchen fhönen Stoff, 3. B.

Rudolph von Burgund wird von einem Mädchen geliebt, die ihm uners Tannt als Page dient und als er ſchwer verwundet baliegt, fi das Hemb abs reißt, um ihm zu verbinden. Als der König ihr Geſchlecht erkennt, erhebt er fie zum Lohn ihrer Trene zu feiner Gemahlin.

Ein Luftfpiel Arndts „der Shah und feine Familie“ verfpottet (1804) einige damalige Philofophen und Pädagogen.

Arndts „Maͤrchen“ von 1818 enthalten fehr treue Züge aus echten Volksmärchen Norddeutſchlands, aber auch viel Willkührliches und find etwas zu breit erzäßlt.

Das Märchen von ben fieben Mäufen iſt volksthümlich, auch das vom ſtarken Klas Avenſtacken Grad Durh, vom Wehrwolf, vom Johann Dietrice und ben Elfen.

Aber das Märchen von einem in ein Gchneeflödchen verwandelten Maͤd⸗ Gen, das vom Erdwürmchen, vom Rattenkoͤnig Birlibi 3. find Spielereien einer ſchon ganz modernen Qinbilbungskraft. - Die Märden vom Zaunfönig unb Wiedehopf find eben fo mobern und willlührli und paflen um fo weniger, ald man edjte bentiche Vollsmäͤrchen vor ihnen hat, die viel ſchöner find. Daß die Gefcjichte der Prinzeſſin Anemone, die geftorben ifl, weil fie die Seufs zer erlöfen wollte, Fein echtes Bolfsmärchen enthält, verſteht fich gleichfalls von _ felöft. So im erflen Theil. Der zweite ift noch weniger befriedigend.

Die politiſch-philoſophiſchen Jugendaufſätze Arndts find vergeflen, nur feine fenrigen Flugſchriften aus ben Befrelungsjahren noch im ge= ehrten Andenken, befonberd „Der Rhein, Deutſchlands Fluß, nicht Deutſch- lands Grenze.“ Im Alter ſchrieb Arndt im mehreren Werken bie Erin nerungen feines Lebens nieder, ein wenig rebfelig, aber immer noch feurig und friſch.

Ein ehrendes Andenken- verdient Karl Chriſtian Wolfart aus Hanau, welcher unter dem Drud Napoleons in ernften und würbevollen Trauerſpielen an Gott und Vaterland appellirte. Seine „Katakomben“ von 1809 zeigen und bie erften Ghriften ſtandhaft unter Nero's blutiger Tyrannei, fein „Sermann“ malt den Steg der Deutſchen über die Römer.

Hieher gehört auch ein früh verftorbener Ehrenmann. Johann Gott- fried Seume aus der Gegend von Weißenfeld ftudirte in Leipzig,

318 . GEilftes Buch.

wurde aber auf einer Reiſe nach Paris von heſſiſchen Werbern ergriffen und nach Amerika verkauft, wo er den Engländern als gemeiner Soldat Im Kampfe gegen die Volksfrelheit dienen mußte. Die gemeinfte Roh⸗ heit, in welcher der Kamaſchengeiſt des alten Europa und ‚der Geiſt amerlkaniſcher SHavenhänbler ſich wechſelſeitig überboten, umgrinften den edeln Mann Tag und Nacht, wie Frazzen der Hölle. Dann kam er nach Rußland und Polen, wo bie Knute nicht lieblichere Melodien ſauste, als in Virginien. Dann fand er fein theures Vaterland in der tiefften Schmad und Entehrung unter Napoleons elferner Authe, Seine Frei⸗ heit und Patriotismus athmenden Schriften ſind voll von Ingrimm über die damaligen Zuftänbe, über den Geiſt, wie er war vor ber Schlacht bei Jena. Aber einfam mit feinem gekränkten Herzen und knirſchenden Unmuth mußte er umberirren im Vaterlande. Er konnte es nit auds halten. Da machte er einen Spaziergang nah Syrakus, um bie Gegen» wart zu vergeffen unb ſich ins klaſſiſche Alterthum zu träumen. Bald aber ſchlief er zu einem fehönern Traum ein und ftarb, um die Deutſchen ewig daran zu erinnern, wie unglücklich man trog allem Geiſt als eine Deutſcher fegn kann, und um wie viel unglüdlicher, je mehr man Deutſch- land Hebt. Seine Lebendbefhreibung, fein Spaziergang nah Syrakus, fein Sommer 1805, feine Aufſätze und Aphorismen, worin fi fein männlicher Charakter treu abfpiegelt, find intereffanter als feine Dich— tungen, welche Hinter der VBüfte des ernflen Mannes zu fehr den clafe ſiſchen Zopf herabhängen laſſen. Er iſt etwas pathetiſch wie Klopſtock und Schiller (feine Minna an der Harfe copirt nur Schillers Laura am, Elavter) und tobt gegen Pfaffen und Bonzenthum wie Voß, ald ob die arme Kirche, die damals fo ſchwer mit unferem Vaterlande litt, an den Leiden ſchuld gewefen märe. Er flüchtet In die antike Welt, um alte NRömertugend und Griechenfreiheit aufzuſuchen. Im einem Trauerfptel in Jamben verherrliht er den Miltlades. Er flüchtet auch ein paarmal, um fi zu zerfireuen, in die Idylle (bad polniſche Mädchen und die Weinleſe). Beſſer ald alle feine andern Saden aber find die Eräftigen, muthigen Lieder, worin er mitten in ber Branzofenzelt dem deutſchen Her⸗ mann fein feuriged Opfer bringt, mitten in der Schande an die Ehre mahnt und furchtbare Anklagen erhebt.

Romantit, 319

Haß und Spaltung herrſcht in unfern Stämmen, Einheit nur kann das Verderben hemmen, B Und bie @inheit fliehn wir, wie bie Peft. &h man oͤffentlich, was recht if, ehrt, Jauchzet man, wenn Gau ben Gau verheert, Und die Volksſchmach wird ein Freudenfeſt. Gleich den Thoren, die nad) Schande dürften, Bliden in bie Wette unfre Fürften Stolz auf Knechtſchaft, hin ins fremde Land, Kriechen dort in ber Glienten Heere xc.

Neben Seume muß fein Freund Heyno, Freiherr v. Mündhaufen genannt werben, ber fhon 1791 ein Schaufptel „Sympathie der Seelen“ und 1797 mit Seume „Rücerinnerungen“ herausgab und 1801 „DBer- füge". Seine Gedichte find von gleicher Freibeitd- und Baterlande- begeifterung durchdrungen.

In Oeſterreich trauerte Mathias Schleifer über die Schmach des Vaterlandes. Seine Gedichte wurden erſt 1847 wieder geſammelt und

"gehen bis. auf 1797 zurüd. . Sie felern den Erzherzog Karl und Hagen tief über den greulichen Verfall der Sitten in ber Franzoſenzelt.

Heinrich Joſeph von Collin, k. k. Hofrath in Wien (mo er 1811 ſtarb), ahmte Schiller nad, wie früher Denis den Klopſtock, nämlich mit übertriebenem Pathos und Schwulſt. Jedoch zeichnet ihn eine warme Baterlandgliebe aus. Als Defterreih dem gewaltigen Napoleon ımterlag, hörte Collin nicht auf, fein Volk zu ermuthigen, namentli in feinen Wehrmannslieern. Au in feinen Trauerfptelen erfreut zumellen dad edle euer der Freiheitsliebe und des Patriotismus, im Uebrigen find file Epigonenarbeit vol hohler Prafen, hochtrabender Rede und falſcher Empfindſamkeit.

4) Regulus. Für die patriotiſche Auſvpferung des roͤmiſchen Helden, die eines Jeden Hohe Bewunderung erwecken muß, kann nur dann das Herz abge⸗ Tühlt werben, wenn ſie, wie hier, zur phraſenreichſten Tugendprahlerei breit ges lagen wird. Attilia, des Regulus Gattin, kommt ihm, un ihn zum Bruch feines Eides zu bewegeh, ganz Topebue'fh mit Tränen und obligaten Kindern. 2) Eoriolan. Auch Hier langweilige Phrafen. 3) Polyrena. Einige Abwechs⸗ lung von den Schiller’fdjen Jamben gewähren Hier bie eingeftreuten Turzen -

Versmaße; aber” fle nehmen fi im Munde ber ernften Caſſandra unwürdig und poffirlic Hünfend aus. Am Ende aber fällt Polyrena, indem fie geopfert

320 Gilites Bud.

werden folf, wieder in bie allertrivialften Phrafenmacherei und denkt in einer langen Rebe vor ihrem Sterben an nichts, als wie fle durch ihren Tod wer nigfiend der Mutter und Schweſter die Freiheit erfauft habe (mas nicht eins mal wahr if). Man Tann einen Stoff von ſurchtbarer tragifcher Größe nicht - Heinlicher auffaflen. 4) Die Horatier und Euriafier. Hier wird in breitem pathetiſchem Schwulſt befonders der Streit zwiſchen dem römiſchen Bürgerſinn und dem Naturgefühl durchgeführt, fofern Horatius, ber feine Schweſter mor⸗ det, das eine, ber fiefgefränfte Schwiegervater der Ermordeten, der alte Curia- tius, aber jenes vertritt. Der Schluß eine Fopebue’fche Verzeihungsſcene. 5) Mäon. Diefer Neffe des Odenat liebt deflen Gemahlin Zenobia nur plas toniſch. Odenat wird eiferfühtig und fält im Sweifampf von Maͤons Hand. Das Volt fteht auf und morbet Mäon, der zuvor noch Zeit bat, rührend von Zenobia Abſchied zu nehmen und ihr zu empfehlen, doch ja an ben Werfen Odenats fortzubauen und Palmyra's Größe zu gründen. Mbgefchmadkter Pla⸗ tonismus. 6) Balboa. Der tapfere Balboa heirathet Marien, Tochter des ſtolzen Pebraria, fpanifchen Statthalters in Darien, der ihn toöͤdtlich haft und als Hochverräther unſchuldig hinrichten läßt, obgleich Baiboa grogmüthig bie Fieunde, bie ihn retten wollen, ſortſchict.. Maria firbt aus Gram und nun jammert der alte Vater wie ein kotebue ſcher Papa. 7) Bianca bella Porta. Die befannte Heldin von Baflano, die, von dem Tyrannen Gzzelino verfolgt, - ſich am Grabe ihres hingemorbeten Gatten erſticht um der Schande zu ents geben. 8) Bradamante. Nach Ariofo. Roger entgeht den Nachfkellungen der Bee Alina und damit ja Kopebue und die Rührung nicht fehle, wird Als eina felbft am Schluß reuig, gebeflert und von der Strafe befreit. 9) Julie von Billenau. Julie wird von ihrem Gatten mit furchtbarer iferfucht geplagt, und ſchon glaubt man an ben blutigen Ausgang eines Trauerfpiels, als ſich entbedt, das geheim gehaltene Kind, das für Juliens gehalten wurbe, fey von einer Verftorbenen und Julien habe nur ein Gid gebunden, es nicht zu vers rathen. Noch dazu aber fen Mater de Kindes gerabe ber ruchlofe Verleum⸗ ber, der Billenau's Ehe nur trennen wollte, um ſich das Erbe deflelben anzus eignen. 10) Kinbeöpflicht und Liebe, unbereutend.

Eolind jüngerer Bruber, Mathäus, ſchrieb auch einiges für bie Bühne, eine Oper in Oſſtaniſchem Style („Ealthon und Colmal“) und ein Trauerfpiel „Bela's Krieg mit dem Vater“ aus ber ungariſchen Geſchichte.

Unter Schillers Epigonen wurde sheber Körner der bellebteſte. In Dresden gebürtig, Sohn eines alten Freundes von Schiller, von Jugend auf für dlieſen begeiftert, flubirte er zuerft bie Bergwerks⸗ kunde, wurde nachher aber Theaterdichter in Wien, ‚ging 1813 unter das Freikorps von Lützow, ſchtieb begeiſterte Vaterlarddlieber und fiel im

Romantit. 321

Treffen bet Gadebuſch. Im Schwunge der Begeifterung wie der Berfe ſteht er Schiller fehr nahe; doch fehlt*ihm deſſen fententiöfer Ernſt wie deſſen farkaftifge Kraft. Er iſt in jeder Beziehung jugendlicher und freundlicher, daher auch Heiterer Luſtſpieldichter.

Die Baterlandögefänge und feurigen Kriegslieder, die er 1813 in feinem Eleinen Buche „Leger und Schwert“ veröffentlichte, find die Blüthe feines Geiſtes. Diele davon wurden damals allgemein gefungen und hatten eine tyrtäifge Wirkung. Schon vorher dachten feine Lieber des Andreas Hofer, der Schlacht bei Aſpern 1. in’ reizendes Sonett be» fang den Todesſchlaf der preußiſchen Königin Louiſe. Unter den Kampfe liebern von 1813 find die berühmteflen:

Brifch anf, mein Bolt, die Flammenzeichen rauchen. Das ſchöne Lied beim Rückzug nach der Schlacht bei Groß-Görfchen: Bas zieht ihr die Stirne finfler und Frans? Das Sonett, das er als Verwundeter fang: Die Wunde brennt, die bleichen Lippen beben. - Das milde Lied von Lügoms Freiſchaar: Bas glänzt dort vom Walde im Sonnenfhein? Das Eräftige Lieb „Männer und Büben*: Das Volk ſteht auf, der Sturm bricht los. Zu pathetiſch tft dad Bundeslied während ver Schlacht: Aynungsgrauend, todeomuthig ıc- Desgleichen das Gebet während ver Schlacht. Vater, ich rufe dich! Die Vergleichung des Schwertes mit der Braut: Du Schwert an meiner Linken ıc. iſt zu fehr gemacht, zu wenig unmittelbar empfunden. Ganz mifrathen iſt das Lied „Troſt“, das mit folgendem felbftgefälligen Gefhwäg anfängt: Wie wir fo treu beifammen ſtehn Mit unverfaͤlſchtem Blut! Der Beierftunde Heilig Wehn

Schwellt meinen jungen Muth. Menzel, beutfige Dichtung. IL. 21

322 Eilſtes Buch.

» Es treibt mich raſch zum Liede fort, Zum Harfenfturm hinaus. Im Herzen Icht ein Fühnes Wort Mas gilt, ich ſprech es aus, Das ewige Sichſelbſtrühmen iſt überhaupt der Fehler der meiften neuen Freiheitd- und Muthliever. * Im Trauerfpiel eiferte Körner dem Shiller ſchen Schwunge am meiſten nad. So im „Bring“ 1812. Die berühmte Geſchichte der Eroberung von Sigeth in Ungarn durch Sul- fan Soliman IL, gegen deſſen ungeheure Uebermacht fih Graf Niclas Zriny aufs helvenmüthigfte wehrte, zulept fid) Hinausitürgte unter die Türken, wähe end feine tapfere Gemahlin fi mit der Burg in die Luft fprengte. Körner

contraſtirt den ſterbenden Greis Soliman, in dem bie legte Wuth des Tyran- .

men aufbligt, fehr gut mit bem feften Sriny. Daneben läßt er noch Zriny’s Tochter eine zarte Liebe pflegen mit bem jungen Helden Juranitfch, dem treuen Todesgefäßrten Zriny's (mie Schillers Mar und Thella). Als alles verloren if, tödtet der Jüngling die Geliebte durch einen Dolchfich, che er fih ſelbſt unter bie deinde Arzt. Im biefem Gtü herrſcht das ganze kriegeriſche

Teuer Schillers und man merkt ihm bie feit der Schlacht bei Afpern in Oeſter-⸗

reich gewachſene Begeiferung und den tiefen Haß gegen die Uebermadht Napo⸗ leons an. . Gewoöhnlicher Art ift dad Trauerfpiel „Roſamunde“. Die befannte Geliebte Heinrichs II. von England, die von feiner eiferfüchs tigen Gemahlin vergiftet wird.

Einen neuen und eigenthümlichen Meiz gab Körner dagegen feiner „Hedwig“, obglelch er den Stoff nur alter Volteſage entlehnte. Vgl. Thell IL ©. 69. . .

Räuberhauptmann Rudolfo ift aus Italien geflohen und dient als Forſter unerkannt beim Grafen Felsech, wo er ſich in das dort dienende Mädchen Hed⸗ wig verliebt und fie zut Frau begehrt. Mber ſchon vor ihm Hat ber junge Graf ſich in fie verliebt und erklärt ſich Heftig gegen biefe Verbindung. Gebr wig, obgleich fie den finftern Förfter nicht liebt, fondern ein Grauen vor ihm hat, gelobt ihm dennoch ihre Hand, um dem jungen Grafen die Mesalliance au erfparen unb ben alten Gltern deſſelben feinen Kummer zu machen. Aber Rubolfo merkt wohl, daß Hedwig ihn nicht liebt, und dad Leben verleibet ihm; er will fi im Walde erſchießen. Da plöglich feht feine alte Räuberbande um ihn ber und al8bald fapt er einen andern Entſchluß, nämlich in Abwelens Heit des alten und jungen Grafen die alte Gräfin im Schloß zu überfallen, das Schloß auszuplündern und Hedwig gu rauben. Im Beginn der Nacht

Romantik. 323

geht Rubolfo zu den geängfligten Frauen, pfeift durchs Fenſter und läßt bie Bande ein. Mber indem fie im Keller nach den Gchägen wühlen, fließt die ihnen Teuchtende GHebiwig ſchnell beſonnen bie Rellertgür zu und zündet einen Stall an, um durch das Feuer die Bauern des nächften Dorfes herbeigulodten, Sie hat nicht bemerkt, daß Rudolſo nicht mit im Keller if. Er fommt, ents reißt ihr die Schlüffel und will eben den Keller wieder aufichließen, als fie ein Gewehr ergreift und ihm niederſchießt. Nun kommt Hülfe und der zurüds fehrende Graf lohnt ihr mit der Hand feine Sohnes.

Ziemlich ähnlich iſt „Toni“, ein Schauſpiel, weldes Körner nad) der Erzählung Kleifts bearbeitete. Im „Heldenreich“ verbirgt ein’ treuer Eorporal, nachdem er feinen Hauptmann gerettet hat, auch voch feine eigne ſchwere Wunde, damit jener zuerft verbunden werbe. „Die Söhne“ find ein wüſtes Stück nad einer franzöflfgen Criminalgeſchichte.

Ein Bruder heirathet das Weib des andern, indem er ihn tobt glaubt. Sener kommt zurüd und alles endet mit Mord.

Körners Luſtſpiele unterſchelden ſich kaum von ven gewöhnlichen.

4) Die Braut. In Alexandrinern. Graf Holm, Vater und Sohn, find die allein auftretenden Perfonen, Nebenbuhler um biefelbe Dame, die fih nas turlich dem Sohn zuwendet und den Vater befchämt, Gin fehr unbebentenber Scherz. 2) Der grüne Domino. In Alerandeinern. Hier treten nur zwei Mädchen auf, Pauline und Marie, die fih um einen Herrn im grünen Dos mino ein wenig 'quälen, bis man entdeckt, er ſey Paulinens Bruber und Mariens Geliehter. 3) Der Nachtwaͤchter. In Jamben. Zwei Studenten betrügen den Nachtiwächter Schwalbe, indem fie ihm verloden, auf das Dach feines Haufes zu Reigen, dann die Reiter wegziehen und ihm feine hübſche Muhme Röschen entführen. 4) Der Better aus Bremen. In Jamben. Pächter Veit erwartet einen Vetter aus Bremen, um ihm feine Tochter Gret⸗ en zu verheirathen. Ihr Liebhaber Franz, ein junger Bauer, verkleidet ſich und fpielt diefen Better. Das fehalfhafte Gretchen verkleidet ſich aber gleiche falls in den Vetter und jagt dem erften falſchen Vetter nicht wenig Schreden ein, bis beide ſich entdecken und der Vater ihre Liebe billigt. Koͤrners beſtes Luftfpiel. 5) Die Gouvernante. In Alexandrinern. Zwei junge Mädchen betrügen eine Gonvernante, indem eine ſich in einen fungen Herrn verkleidet. Der Zweck if, ihr ein paar Briefe herauszuloden, in benen ihrer beider Fünfe tiges Schidſal enthalten iſt.

Aehnlich die Opern von Körner.

4) Das diſchermädchen. Schwache Nachahmung von Shakeſpeare's Sturm. 2) Der vierjährige Poſten. Duval, ein franzoͤſiſcher Soldat, iſt auf dem Vor—⸗ poften vergeflen worden, bleibt im Lande und heitathet. Nach vier Jahren

21°

324° Gilftes Buch

lommt fein Regiment wieder an denſelben Ort. Da holt er feine Uniform und Waffen Hervor, flellt ſich auf denſelben Poflen und fagt, er Habe vier Jahre Hier geftanden. Der General lacht und erlaubt ifm, bei feiner Frau zu bleiben. 3) Die Bergfnappen. Röschen wird von einem Berggeiſt Runal entführt, aber von ihrem Geliebten wieder glüclich herausgebracht. 4) Alfred der Große. Harald Hat eine Braut geraubt, wirb aber befiegt und erflicht fih. 5) „Der Kampf mit dem Drachen“. Der Drachenbeſieger erwirbt bie Hand eines fehönen Fräuleins.

Körners proſaiſche Erzählungen.

A) Hans Heilings Felſen. Heiling macht einen Bund mit dem Teufel, um bie ſchoͤne Elsbeth zu gewinnen, aber ſie liebt den abweſenden Arnold, der endlich zurüdfehtt. Da am Kochzeitstage beider bewirlt Hans durch Teu⸗ felsfunft, daß das Brautpaar und alle Gaͤſte verfteinern. 2) Waldemar. Dies fer Jüngling iſt Officier, verliebt ſich in eine ſchone Stalienerin, hat aber das Unglüd, in einer Schlacht unwiſſend unter den Beinben ihren Bruber zu töbten, worauf fie vor Gram ſtirbt. Gr ſtürzt ſich in die Schlacht und kommt ebenfalld um.

Unter unfern patriotiſchen Romantikern nimmt ber edle Freiherr Friedrich de la Motte⸗Fouqus eine beveutende Stelle eine. Obgleich einer franzoͤſiſchen Emigrantenfamilie entſtammt, wollte ex doch vor allem altfränkifger Ritter feygn und fah in dem krlegeriſchen Aufſchwunge Preu⸗ send tm Jahr 1813 das echte germaniſche Ritterthum wiedererſtehen, um, wie St. Georg mit dem Kreuz bezelägnet, den Drahen ber welſchen Revolution und des welſchen Imperialismus zu überwinden. Als Melter- offizier verſtand er überdies, wie Fein Anderer, den Zauber des mittels alterlihen Ritterthums in das moderne Soldatenweſen überzuführen, und in jedem Lieutenant und Cornet auf feinem „Liätbraunen“ das mahre Nitterthum wiebergeboren zu fehen. Seine Romane wurden daher auf mit großer Begierde gelefen und feuerten die kriegeriſche Luft ver preu⸗ Fliegen Jugend nit wenig an. Allein er gefiel ſich in einer affectixten Kindlichthuerei, tänbelte mit den Begriffen von Loyalität, Ehre, Ritter thum und Frommheit wie mit Puppen, und prahlte andererfeits zu viel. Wie glüctih Hatte Leſſing im Major Tellpeim einen Tapfern des ſieben⸗ jährigen Kriegs gezeichnet, beſchelden, fehmelgfam, zugefnöpft bis unter das Kinn, wogegen Fouqus feine Helden mit dem Roß courbettixen, traverfiren, mit bem blanken Harnlſch und bunten Helmbuſch kokettiren and überall fi in die Bruft werfen unrd renommiren ließ.

Romantik. 325

Eigentliche Kriegslieder Hat Fouaqus nicht gefungen, ober nur fehr ſchwache. Seine lyriſchen Gedichte (1816) enthalten aber viel Schö— ned. Das tieffte Gefühl für deutſche Treue und Nitterehre ſpricht ſich aus In dem Gedicht „Liebesprobe“. Auch feine zahlreichen Romanzen, melde meift deutſche und nordiſche Sagen behandeln, Haben viel An—⸗ ziehendes.

Mitten im Kriegslerm vom 1813 ſchrieb Fouqus das Heldengedicht „Corona“, daher auch Im Anfang des Geſanges bie gleichzeitigen Kriegs⸗ ereigniffe erwähnt und die Siege der Deutſchen gefelert werden. Das Gedicht felbft iſt eine Allegorie de Kampfes ber Zeit.

Der tapfere Ritter Romuald, der feiner frommen Gattin Blanfa treu bleibt und fi durch alle Zaubergewalt ber fehönen Corona nicht überwältigen noch berücken läßt, bedeutet das treue und fromme beutfche Volk, das feine anges ſtammten Fürften nicht verräth. Corona felbft bebeutet die poetiſche Bezaubes tung der Welt durch die Revolution und Napoleon. Diefe Corona wirb zus legt von Romuald befiegt, ſchwer verwundet und läßt ſich ſterbend von ihm taufen, wie Chlorinde bei Taffo. ine geraume Zeit hindurch laſtet auf Ros muald der Fluch, obgleich er von allen ber Tapferfte if, dennoch immer ſieg⸗ los zu bleiben.

Fouque Hatte aber auch ſchon 1804 „dramatiſche Spiele“ Heraus- gegeben, morin er mit vielem euer „den Helden des Nordens“ d. 5. den Sigurd (Sifrit) felerte, als leuchtendes Vorbild für alle deutſchen Helden. Im der Zeit, in welcher die deutſchen Mächte nichts als Nieder- lagen erfuhren, mar das eine löbliche Mahnung des Dichter am bie Helvenkraft der Ahnen. Die übrigen Stüde: Alboin, Eginhard und Emma, Thaſſilo, Hieronymus von Stauf (ein Opfer feiner eigenen In» triguen am bayriſchen Hofe) bedeuten weniger. Fouqus gefiel fih am beften unter den Norblandöreden. Großen Belfal fand fein Roman „Stntram und feine Gefährten“.

Der wilde Ritter Björn Gluthauge zu Drontheim in Norwegen thut eins mal in der Iuulnacht, obgleich Chrift, das heilige Gelübde auf den Eher, jes den Hanfefaufmann zu töten, ber ihm in bie Hände fallen würde. Da Hopft es and Thor und ein alter Hanfeate und fein Sohn bitten um gaſtlichen Gins laß. Die Reifigen wollen der Gäfte ſchonen und Verena, die Handftau, bittet "für fie; aber Bioͤrn fegt feinen einzigen Sohn Sintram aufs. Spiel und ruft Tod und Teufel herbei, wenn er nicht fein Gelübbe halte. Dennoch geſchieht durch Verena's Gebet ein Wunder, die Knechte hauen fehl und der Sturm

326 Eilftes Buch.

reißt das verſchloſſene Thor auf, durch das bie Kaufleute entfommen. Bon der Zeit aber iſt der junge Sintram durch bie gefpenftifche Erſcheinung zweier furchtbarer Gefährten geplagt, des klapperdürren Iangen Todes und des furzen dien und Fobolbartigen Teufels. Wild, wie fein Vater, überfällt er einft räus berifc bie mil einem fremden Schiff gelandete Gefellſchaft, wird aber von dem Schiffsherrn, Ritter Folco von Montfaucon, einem edeln Normannen, niebers geworfen und tann ritterlich geſchont und ald Verwandter erfannt. Nun lodt ihn der Teufel, ſich der himmliſch fhönen Gemahlin Folco's zu bemächtigen, ber edeln Gabriele; aber fein befleres Eelbft fiegt ob. Er wirb des Teufels 108 und ein fo wadterer Ritter, daß ihm Bolco ſeibſt feinen Sohn zuſchickt, um ihn zu erziehen. Bongus hat Sintrams beide Gefährten einem berüßmten Kupferſtich des Albrecht Dürer entlehnt, aber nicht gut angewendet. Bei Dürer begleiten fie einen ernft vor ſich Hinreitenden Ritter, der buch bad Graufenhafte ihrer Nähe und durch ihr Hohnneden ſich nicht irre machen läßt und in dem aud mit andern Schredniflen, phantaftifchen Felſen und Baums wurzeln, Schlangen und Pilzen angefüllten Thale feft und mannhaft vorwärts dringt. Irrthümlich hat man ven Ritter für Franz von Sidingen gehalten. Es iſt viel wahrſcheinlicher, daß ſich Dürer unter ihm einfach das Wriſtliche Nittertfum und bie deutſche Mannhaftigkeit überhaupt gedacht hat.

Denſelben Eontraft zwifhen Nord und Süd faßte Fouqus in dem Roman „Die Fahrten Thiodolfs des Isländers" auf.

Bietro von Gaftelfraneo, ein toscanifcher Ritter, Hat die fchöne Margherita, Tochter eines ftolgen provenzaliſchen Freiherrn, entführen müſſen, weil er feine ältere Tochter Iſolde zuerft verheirathen wollte, biefe aber alle Männer ab⸗ wies. Durch Sturm werben fie nach Island verſchlagen und begegnen dem riefenhaften Jüngling Thiodolf, der fie in feines Oheims Gehöft in Sicher⸗ heit Bringt und, obgleich Heide, ihnen einen Chriftenpriefter mit Gewalt her⸗ beiholt, um fie zu frauen. Im Thiodolf fihlägt bei großer Treuherzigfeit und ‚Helvenart doch die Heibmifche Wildheit vor. Schade, daß ihn der Dichter gar zu alberne Streiche machen läßt, z. B. wie er als Elfenfönig vermummt bie zarte Margherita ſchteckt Gin ſchoͤnes Naturgemälde gewährt der ſeuerſpeiende ‚Hella. Das neugetraute Baar wird auf einem islaͤndiſchen Schiffe, von Thios dolf geführt, in die Heimath gebracht. In ber Provence tecognodeirt Thio⸗ dolf das Schloß des ſtotzen Freiherrn .und begegnet Iſolden, deren Schoͤnheit und Hohe Würde ihn entzüden, aber nicht abhalten, fie auf den Arm zu nehr men und zu entführen. Es wird jedoch vereitelt. Thiodolf Hört fpäter, Iſolde ſey entführt, er ſucht fie unter allerlei Heldenabentheuern vergebens, findet end⸗ lich in Conftantinopel ‘den greifen Norblanbshelden Helmfried als Heerführer der Wäringer, dient unter ihm und wirb Chriſt. Hier begegnet ihm wie⸗ derholt die fogenannte heimliche Helferin, ein myſtiſches verfchleiertes Weſen, das bei allen Gefahren in ber Stadt reitend dazwiſchen tritt. Die Bulgaren

Romantit. 327

Rürmen in ungeheuern Schwärmen heran, Helmftied fällt, Thiodolf wird Heerführer und fiegt. Cine Kaiſerstochter wird ihm angetragen, aber er Schlägt fie aus. Da, bei einem Schaufpiel, welches Sigmunds Drachenkampf darſtellt, ergreift ihm ber Zorn und er fpringt auf die Bühne und Haut den Drachen von einander. Da ift unter ihm ein Mann verborgen, ben er vers wundet hat. Das Volt dringt auf Thiodolf ein, aber die Helferin ihn. Es iſt Iſolde. Auch ihr Bater, der alte Freiherr fommt und fagt: „nun ſey der Fluch gefühnt, einer alten Prophezeigung feines Ahnherrn zus folge.” Iſolde aber wird Thiodolfe Weib.

Diefelben Gegenfäge, nur noch reicher entwickelt, Tiegen in Fouqus's größtem und- berühmteftem Roman „Der Zauberring“ von 1812.

Der junge Otto von Trautwangen ergöpt fih auf einer Wiefe an der oberen Donau mit Pfeilſchießen, die hübſche Bertha von Lichtenried leiftet ihm Geſellſchaft. Da nahen fi Ritter und Damen und ſchlagen ein Zelt auf. Es ift die fhöne Gabriele von Portamour und ihr Ritter Graf Archimbald von Walde. Bereitwillig erzäßlt fie unferen fungen Leuten, fie ziehe aus, den Ritter Folco von Montfaucon zu fuchen, beflen Schweſter Blancheflour ihr einen koſtbaren Erbring vorenthalte. Zufällig kommt Kolco felbft und der Zweifampf um ben Gröring beginnt auf ber Stelle. Archimbald unterliegt, Otto aber will an feine Stelle treten und forbert Folco heraus, ber ihn aber abweist, weil er noch nicht Ritter fey. Alsbald bittet Otto feinen greifen Bater, Heren Hugh, um den Ritterfchlag, der ihm auch zu Theil wird. Bei der nächtlichen Waffenwacht hat er gefpenftifche Schrecken zu beftehen und haut gewaltig unter die alten Harniſche Hinein gegen einen dämonifh auf ihn herabblidenden Helm mit @eierfügeln. Darauf nimmt er Abfhied von Bater und Geliebten und zieht aus, um mit Folco um Gabrielens Ring zu taͤmpfen. Zu ihm gefellt fi Tebaldo, ein junger Kaufmann aus Stalien, der bie Liebesgeſchichte eines tapferen Ritters Uguccione und ber ſchönen Mais länderin Lisberta (feiner eigenen Mutter) erzaͤhlt. Lißberta flarb, von Uguccione verlaffen, aus Gram. Als Dito feine eigene Meine Liebesgefchichte erzäplt, fährt ein junger Ritter, ben fie unterwegs gefunden, wild auf. Cé— iſt Heerdegen, Bertha's Bruder. Gr befämpft Dito, wird aber von biefem im Zweifampf Hart verwundet. Dito aber fieht feinen Harniſch nicht gerne vom Blute feines Tünftigen Schwagers gefärbt und taufht ifn aus gegen den Harnifch Archimbalds, mit bem er wieder zufammengefroffen. Heerbegen wich mad} Trautwangen gebracht und von Bertha gepflegt. Bertha felbft muß nachher zu ihrer Muhme, Frau Minnetroft, die wie Mondfehein in ben Ros man hineinſtrahlt. Hier findet fie einen Zauberfpiegel, in dem fie ihr eigenes Bild blutend erblict. Auch zeigt ſich ihe in dem Spiegel ein feltfamer Thurm in einer norbifchen Gegend. Mit Heerdegen einmal am Ufer luſtwandelnd ſtoͤßt fie auf eine wunderbar frembartige Geſtalt, eine normannifche Keibin,

328 ilfes Buch

Gerda, bie Hier Kräuter fammelt, und bald darauf werben fle von einer Menge normanniſcher Seeräuber umringt und in ben hohen Norden über See entführt,

Unterdeg macht Otto Bekanntſchaſt mit dem Meifter Blondel, der tem König Wicjard zum heiligen Grabe folgt, und gelangt endli zur Burg Boleo’s, wo die ſchoͤne Gabriele, feit jenem Zweikampf ausgeföhnt bei Blanches Four verweilt. Gin ganzer Hof von Rittern in zugegen. Da gibt fih Otto zu erfennen und Folco muß ihn im Kampf beftehen. Bei dieſem Anlaß ers fahren wir, der Erbring flamme von dem tapferen Ritter Huguenin, der Blandeflours und Folco's Vater geweſen, aber bie Mutter wieder verlaflen Habe, die nachher der Ritter Portamour geheirathet und ihm Gabrielen ger boren habe. Der Zweifampf it Heiß und dauert lange, endlich ſiegt Otto und überreicht knieend den Ring Gabrielen, bie ihn auf die Stirne Füßt und im Begriff ift, fih als feine Braut zu erklären. Da öffnet fih die Thür und ber normanniſche Seefönig Arinbiden tritt mit Bertha und Heerdegen, herein, auf dem Kopfe einen Helm mit Geierflügeln, gleich dem, vor dem Dito fih einſt entfept Hatte. Diefe damoniſche rinnerung und Berthars plögliches Erſcheinen wirken fo mächtig auf Otto, daß er in die Berſerkerwuth fält, um fi Haut und Bertha an der Hand verwundet, bis er von Arinbiörns furchtbarem Axthieb niedergeworfen wird.

“98 Oito wieder genefen, folgt er Arinbiörn in den hohen Norden, um gegen bie Heidnifchen Binnen mitfämpfen zu helfen. Hier erfährt er, Arinbiörns Vater habe mit dem Ritter Hugur um bie ſchöne Aſtrid geſtritten, der bier ſelbe aber unglüdlicherweife getöbtet Habe, als er ihr begegnete, wie fie den Geierhelm vor ſich hertrug und er fle für feinen Feind anfah,

Die Damen Gabriele, Blandeflour und Bertha werben inzwifchen in ber Provence, in Folco's Abweſenheit, von dem Sarazenen Muza, ber ald Gaft bei ihmen iſt, aber das Gaſtrecht bricht, nach Spanien entführt., jedoch fo fütlich behandelt, daß ihre Tugend feine Gefahr läuft. Folco aber und Tes baldo reifen ihnen in Verkleidungen nad) und Tebalbo reitet fie mit Hilfe von Gabrielens Erbring, in dem Zauberräfte ſtecen. Muza fällt im Kampf, auch Yolco, den aber Tebalbo im ber Gruft wieder zum Leben ruft. Aber der Emir Nurebbin, der Bertha gefangen, glüht in Liebe zu ihr und Täpt fle zum zweitenmal entführen. Da erfährt fie, er fen der Sohn bes tapferen Ritters Dygins, einft in Damadcus gezeugt mit einer fehönen Sarazenin. Bertha bewegt ihn, unter dem Namen Chrifiophorus Chrift zu werben.

Otto kampft mit den Geibnifchen Finnen fort und kommt auf den geheims nißvollen Thurm, ben einft Bertha im Zauberfpiegel gefehen. Hier findet er bie Frau Minnetroft als feine Mutter wieder. Sie Heißt Hilldiridur und iſt eine Schwefler Aſtrids, die demſelben Hugur (feinem Vater Hugh von Trauts wangen) einen andern Sohn, Lothur, geboren hat. Diefer Lothur ſieht ihm völlig gleich, und als ſich Beide zum erfienmal begegnen, entfegen ſie ſich,

Romantif. 329

werben bann aber bie beſten Freunde. Otto ift nicht zufrieden mit den Zaus berfünften feiner Mutter, zerſchlägt ihren magiſchen Spiegel und bewegt auch Lothur, ein Chriſt zu werden. Darauf ziehen alle Heim nad; Deutſchland. Im Harz finden fie unvermuthet bie Zauberin Gerba wieder, bie Bier von dem noch Heibnifchen Bergvolk als Göttin Freja verehrt wird. Die jungen Helden werben von ihr bezaubert, liegen Wochenlang in tiefem Schlafe, müflen ſich das Blut abzapfen laſſen ıc., bis Arhimbald kommt, fie wet und rettet. Lothur wird Monch unter bem Namen Zeloted und begrüßt feinen Vater auf Trautwangen, um ihn wegen feine® fünbhaften Lebens ind Gebet zu nehmen und feine Seele zu retten. Die übrigen fommen nad. Hiflbiribur if bie einzige noch übrige von Hughs zahlreichen Frauen und Geliebten, deſto mehr aber find Söhne und Töchter vorhanden, bie alle nad und nach ans langen. Am ſchlimmſten geberbet ſich Tebaldo, ver mit dem Zauberring Un fug treibt und alle ſchreckt und gegen einander hept, bis Bertha erſcheint und ihn durch einen bloßen Blick zwingt, ben Ring Herauszugeben. Nun vertheilen ſich die Paare fo: Otto Heirathet bie Bertha, Foleo bie Gabriele, Arinbidrn die Blancheflour, Archimbald die befehrte Gerda. Heerdegen ift im Harz tobt geblieben, Tebaldo geht ing Heilige Land, Chriftophorus aber ift noch fo ſehr Türke, daß er meint, ein einzelnes Weiberherz genüge ihm nicht. Zum Schluß lommt noch Meifter Blondel wieder, nachdem er feinen Herrn gerettet hat. Die Donjuanerle des Herrn Hugh, welcher Huguenin, Ugucclone, Hygins und Hugur zugleich iſt, widerſpricht zwar fehr ver deutſchen Treue, Ehrbarkeit und Ritterpflicht, iſt inzwiſchen vom Dichter nicht böſe ge- meint, denn ſie ſoll ihm blos zu dem allegoriſchen Zwecke ſeines Werkes dienen. Unter Hugh verſteht er das deutſche Volk, das In der Völker wanberung und in ben Kreuzzügen feinen Einfluß nah allen Richtungen außgebreitet, fi mit allen Völkern vermiſcht Hat. In dem Roman „Sängerlicbe* zeichnet Fouqus die uneigennüßige Treue eines provenzaliſchen Sängers. ö

Arnold liebt eine verheirathete Dame, widerſteht jeder fremden Lockung, vettet das Kind feiner Dame und ſtirbt mit dem einzigen Troft, fie habe ihn ihren Sänger genannt.

No viel Liebreiz Hat ein fyäterer Roman Fouqué's „Der Ver— folgte“. .

Der junge Sachfe Engelſchall bringt ein fechejähriges Mädchen, die luſtige fleine Siegaminne, weit aus Sachſen her nad ihrer Heimat am Nedar zus tüd, Sie war von hier geraubt worden, und follte auf dem Harz eben von einer heibnifchen Priefterin geopfert werben, als der junge Engelfchall fie durch

330 Eilftes Bud.

den Mord der Priefterin rettete, denn er war ein Chriſt. Die Heine befehl: haberiſche Perfon reist vol Anmuth durch die grünen Thäler des Neckars und erkennt an einer Kapelle auf dem Berge bie Heimath wieder. Ihr verwitt⸗ weter Vater Gberharb, der in tiefe Schwermuth verfunfen war, ift überglüd- lich durch ihre Heimfehr. So Beginnt der Roman auf eine höchſt anziehende

Beile. Bald aber wird er langweiliger. Engelſchall beftcht abentheuerliche

Kämpfe in der Lombarbei, lebt als Wächter auf dem St. Bernharböberge, zieht fpäter gegen bie Türken aus, entreißt ihnen bie entführte Siegaminne und beirathet fie nad} feiner Heimfehr in Sachfen, wo ſich Herzog Wittelind unterbeß befehrt Hat.

Die übrigen Romane Fouqu's, „bie vier Brüder von der Wefer- Burg, Riedmar und Diona, Elivouc, der Refugis“ ac. find viel ‚matter. Dagegen haben wir von ihm noch eine gute Zahl von relzenden Eleinen Erzäßlungen. Unter ihnen iſt die „Undine“ am berühmteften geworben (von 1811). B .

Ienfeits eines geſpenſtiſchen Waldes wohnt ein frommes altes Fiſcher— ‘paar. Zu biefem Fommt einft Ritter Huldbrand von Ringſtetten, dem Fräus lein Bertalda ihren Handſchuh verfprochen hat, wenn er Muth Habe, ben uns geheuerlichen Wald zu durchreiten, der ſich aber veriert hat. Der diſcher nimmt ihn gaftlich auf, aber als er bei Tiſch fügt, fprigt es gegen das Fens ſter, und bald trift die blonde, reigende, lachende und neckiſche Undine herein, die Pflegetochter des alten Fiſcherpaars. Traulich ſeht fie ſich zu des Ritters Fügen und licbfoft ihn, ber Alte verweift e8 ihr. Da wird fie wild und zornig und läuft davon. Ueber Nacht ergießt ſich ein Waldbach fo flürmifch, daß bie Landzunge, auf der bie Fiſcherhütie ſteht, vom Walde fosgeriffen wird und eine Infel bildet. Der Ritter fann mun nicht mehr zurüd. Uns dine aber macht ihm die Gefangenfchaft durch ihre Liebe bald fehr behage lich. Nur ald er von Bertalda erzählt, beißt ihn Undine wie aus Finbifchem

. Scherz in den Finger. Als des diſchers Heiner Weinvorrath ausgeht, ſchwimmt ein volles Faß and Ufer. Der Ritter wird immer verliebter in Undinen. Da wird ein verirrter Priefter mit feinem Kahn and Ufer verfhlagen und anges gangen, das junge Paar zu trauen. Gr erfennt die Undinennatur, ift aber bes zeit, das fchöne Mädchen dem Nitter zu vermählen, um dadurch dem Himmel eine Seele zu gewinnen, benn nad) uralter Sage foll die feelenlos geborene Nire eine Seele befommen, fobald fie ſich mit einem Menfchen vermäßlt. Die Hochzeit wird gefeiert und das wilde, ungezogene Wellenmädchen wird von Stund an, nachdem ihr eine Seele geworben, fanft und mild und recht fraus lich. Nun wird auch der Landweg wieder geöffnet und das fehöne junge Paar begibt ſich auf den Rückweg durch den Wald. Hier erlebt der Ritter wieder den nämlichen Spud, wie auf dem Herritt; denn Undinens Onfel, Kühleborn,

Romantif. 5 331

ein Walbbach, umgaufelt ihn in allerlei phantaſtiſchen Geftalten, ſchreckt ihn und macht ihn nah. Nachdem fie in der Stabt angelangt find, entbedt es ſich, daß Vertalda die einft ins Waſſer gefallene und wunderbar errettete Tochter der armen Bifchersleute if, die von einem Herzog auferzogen worben. Bertalda folgt dem Ritter und Unbinen auf des Mitterd Burg und lebt Hier mit ihnen, um ihren Frieden zu flören. Zwar läßt Undine den Schloßbrunnen mit einem Stein zudecken, bamit Kühleborn nie wieder mit ihr in Berührung fommen könne und meibet auf jede Art bie Nähe bes Waſſera Aber immer noch wird Huldbrand zuweilen durch das elementarifche Mefen feiner Gattin geſchreckt und es zieht ihn inflinftartig zu dem ihm verwandten menſchlichen Wefen Bertalva’s hin. Ginmal unternehmen fie eine Luffahrt auf der Donau nad) Wien, da ift Kühleborn wieder da, raubt neckiſch Bertalda einen Foil- baren Goldſchmuck, Undine Holt ihn wieder, aber Huldbrand macht ihr, daß fie immer noch mit ihrem alten Verwandten in Verbindung fey, zum fehwers fen Vorwurf und ſchilt fi. Da nimmt fie mit Thränen Abſchied und vers ſchwindet im Fluß. Gr kehrt mit Bertalda auf die Burg zurüd und heirathet fie. Als aber die Braut am Hochzeitötage, um ein Paar Sommerfproffen in ihrem Gefichte zu vertifgen, den ſchweren Stein vom Schloßbrunnen heben läßt, deſſen Wafler ihr früher dagegen geholfen hat, taucht Undine in tiefflem Schleier daraus hervor und töbtet den Ritter mit einem Kuffe.

Die Erzählung iſt vol Anmuth, der Stoff echt fagenhaft, bie liebliche und wilde Gigenfchaft des Glementes meifterhaft aufgefaßt im Charakter ber Untine. Daher vie Gunſt, welche diefe Erzählung erlangte. Undine wurbe gemalt von Steiubrück, desgleichen ihre Trauung von Schnorr. Die berühmte Tänzerin Fanny Gerito führte in dem Ballet „Undine“ in London als Undine einen Tanz im Mondſchein aus, indem fie, aus dem Wafler tauchend, am Ufer mit ihrem eigenen Schatten fpielend immer vor ihm tanzt. (Illuſttitte Zeitung 1843, Nr. 26.)

. Dem Waffergeift ließ Fouqué fpäter noch Luft-, Erb» und Beuer- geifter nachfolgen. Sehr artig iſt feine „Sophie Ariele“ von 1825.

Zu Marfeille ſteht Doctor Matthieu, ein gelehrter Arzt, mit Swedenborg

in Verbindung burch eine Taubenpoſt. Da wir ihm ein Kranfer angefündigt

Dberft Guſtav Gyllenſtiold. Gy leidet an furdtbaren Träumen, in denen

ihm insbefondere oft ein mit einer Krone geihmücter blutiger Ritter erfcheint.

. Während er dem Doctor erzählt, teitt deſſen Gattin, die liebliche Sophie

Arriele herein, ein weißes Taͤubchen auf ber Schulter. Zart und leicht, finds

lich fröhlich birgt fie tiefes Willen und eine magiſche Gewalt über die-Natur

in ihrem einfachen Wefen. Cie ſtammt von fürſtlichen Eltern, die fie nach

einer harten Schlacht in früher Kindheit verloren. Sie ift auf einem Thurm

Hoc) in den Ayenninen erzogen, wo der Doctor fie auf einer botaniſchen Reife

gefunden. Sie kennt wunderbare. Heilfräfte, und gern folgt ihr der Gatte.

332 » Eilfted Buch N

Auch diegmal zerreißt ſie, was der. Doctor über des Gaſtes Krankheit nieder geſchrieben und verfpricht, ihm felbft zu Heilen. Sie gibt ihm ihr Täubchen mit, das zu feinem Hanpte ſchlaft, und defien Macht wirflih bie Träume bänbigt: Der Grundton feiner Träume ift „Leben if Sterben“. Die fröhs liche Sophie lehrt ihn „Leben ift Leben“. Cine Brieftaube fommt von Swe— denborg, er töbtet einen Geier, ver fie. verfolgte. Dann rettet er Ariele, als fie von maurifchen Seeräubern entführt werben fol. Er wird babei vers wundet und ftiflt das Blut mit ihrem Schleier. Da lehrt fie ihn: „Sterben if Leben“. Er geneft aber von feiner Munde wie von feinen Träumen und kehrt in ben Morben zurüd. Nach vielen Jahren findet er zur See den Sohn Matthieus und Arielens auf einer wiſſenſchaftlichen Reife, behält ihn auf fein Bitten bei ſich und fällt in einer Seeſchlacht, mit den Worten „Sterben ift Leben".

Der Ausgang biefer Erzählung ift, wie fo oft bei Fougus, matt und une befriebigenb und entfpricht dem reigenden Anfang nicht. Allein darauf kommt es Hier weniger an, als auf bie Charakteriftif und man muß geflehen, bie Sylphennatur in Arielen zu zeidinen, if Fougus eben fo gut gelungen als die Undinennatur in feiner Undine. Ariele ift ber weibliche Ariel Shakefpeare’s, der Luftgeift, das perſonificitte Element, jedoch nur in feiner Reinheit und fonnigen Heiterkeit.

„Erdmann und Flammetta“ von 1826.

Erdmann iſt der Sohn eines verſchütteten Bergmann in Goslar, widmet ſich frühe der Malerfunft, obgleid) er nur bei einem Maler lernen kann, deſſen Bilder den Schügen zur Scheibe dienen, und Iebt ftill bei feiner Mutter Erd— muthe, als einmal der welfche Marcheſe di Roflo Gallo in die Gegend fommt, auf feine Leitungen aufmerffam wird, ihn ermuntert und nad Italien ein ladet. Bald darauf findet er zufällig bei feinem Meifter das Bildniß eines teigenden Mädchens, aus deffen Beifchrift er erfennt, e8 fey Biammetta, die Tochter eben’ jenes Roffo. Nun ruht er nicht mehr, fondern eilt nad; Italien. Unterwegs, bei Nürnberg, trifft er mit einem Welfchen im Walde zufammen, zeigt ihm arglos das ſchone Bild und wird deffen beraubt, denn der Fremde behauptet, vas Dild fey fein. Cromann feplägt ihn zu Boden und nimmt ihm das Bild wieder ab. Der Fremde flieht. Da kommen Nürnberger Krieger ſchaaten, an der Spige Albrecht Dürer, bie welſchen Räuber, von denen fie genedt worden, zu verkreiben. Ervmann lernt num Dürer näher fennen, zieht aber weiter. In Sieilien findet er am Aetna bie Billa Roſſo's, ähnlich einer Blumenvafe, oben ganz bebeeit mit hertlichen Pflanzen, darunter diam⸗ metta im feuerrothen leide. @r wird von dem Mater und ihr gut aufger nommen und zum Dank für das zurückgebrachte Bild, freut fie bie Feuer: lien, mit denen ihr ſchönes Haupt befränzt war, über ihn aus. Er erfährt jet, jenes-Biloniß ſey von ihrem unbändigen Liebhaber Ardente gemalt wor⸗

Romantik. 333

den, ber es habe in das Eis des Nordpols mitnehmen wollen, um bort einen’ Sauber mit ihr zu treiben, durch welchen fie, bie Tochter bed Aetna's, gezwun⸗ gen werben follte, ihn zu lieben. Erdmann weilt in der Billa und lernt bie Meifterwerke Roſſo's kennen, deren Schlüſſel ift das Myfterium des Abyſſus. Auch Ardente lommt zurüd und wird gaſtlich gebulbet. Die beiden Liebhaber befommen oft Streit, immer aber bleibt Erdmann Meifter. Fiammetta ſchwankt ziwifchen beiden, bald dem natürlichen wilden Feuer, wenn fie mit Ardente ſympathiſirt, ſich überlaflend, bald unwiderſtehlich hingezogen zu dem milden, aber Fräftigen Deutſchen. Inzwiſchen will der Bater das Myfterium des Abyfus enträthfeln und den durch Jupiter in ben Aetna verbannten is ganten, beren Sturz er gemalt hat, ein Bild des Jupiter zum feierlichen Opfer bringen. Erdmann will ſich zu fo heidniſchen Dingen nicht hergeben, geht aber doch auf ben Berg, um im Nothfall Fiammetia beizuftchen, und hat das Glüd, fie wirklich aus den Flammen des Aetna zu reiten. Weil aber die Geliebte ſich doch nicht losrelßen kann von dem damoniſchen Zauber des ſadlichen Feuers, verläßt er fle und Fehrt Heim. Mber bei einem Beſuch in Nürnberg Fommen Roflo und Fiammetta als Pilger, reuig, befehrt. Ardente iſt im Aetna verglüßt, Fiammetta wird Erdmanns Weib und Roffo erfennt, das Mofterium fey nicht im Abyſſus, fondern nur in ber Liebe zu finden. Hier ift wieder recht finnig das Clement ded Feuers in ber Sübländerin, und das Glement der Erde in dem ruhigen Deutfchen perfoniflcirt. Intereffant find nod folgende Erzählungen: „Das Galgenmännlein“. Meichard, ein junger Deutſcher, lebt ziemlich; Tüberli in Venedig und verliert babei fein Geld; aber ein Hauptmann verkauft ihm ein Galgenmänn- lein, d. 5. einen Teufel im Glaſe, ber alle Wünfche gewähren und Gelb in Fülle ringen muß, wofür er des Inhabers Seele befommt, wenn biefer ihn nicht zuoor um eine geringere Summe wieder verfauft, als um bie er ihn gefauft hat. Reichard bebient ſich des Teufels, bis ihm Augſt wird, da vers kauft er ihn. Durch Zufall aber befommt er ihn immer wieder und Fann ihn endlich gar nicht mehr los werben, da er ihn ſchon für die Meinfte Münze, einen Heller, wieberbefommen hat. Nun fucht er in ber ganzen Welt einen Halben Heller und wird für wahnfinnig gehalten und ber „Halbheller“ genannt, viis er das Glü hat, im Wald einem Fürften auf der Jagd das Leben zu retten. Aus Dankbarkeit fhlägt ihm nun der Fürft Halbheller, fo viel er will und fo wirb er den Teufel endlich los. „Mandragora“, Novelle von 1827. Eapitain St. Edms will feinen Freund, den Grafen Armand, und Paris verlaffen, weil er Armands Gattin Victoire liebt. Aber Armand felbft ladet ihn ein, zu bleiben, da ber lilienreinen Frau Umgang fo reinigend auf feine Leidenſchaft wirken werde, daß er nirgends befler Heilung finden fönne. Diefe ungeheure Sronie findet er auch beflätigt, indem er bleibt. Eines Abends ift

336 Eilftes Bud.

Bitte Difpens zum Heiraten ertheilen läßt. Cchter Humor herrſcht dagegen in der „Strafe nad) bem Tode“. Gin Wucherer ſtirbt am Schlage. Ein armer WBarbier,, den er um alles gebracht Hat, will ihm in berfelben Nacht ein geſchlachtetes Schwein fehlen, hebt ſtatt deſſen im Dunfeln bie Leiche auf, efennt fie und hängt fie an einen Baum. Zigeuner Hängen fie an den Gal- gen. Da fommt des Morgens ein Jude, des Wucherers Mitſchuldiger bei vielen Verbrechen, des Weges daher, ſieht feinen Freund am Galgen, glaubt, alles fey entvet, und hängt, ſich ihm freiwillig gegenüber.

Um wieder auf die Kriegd- und Freiheitslieder von 1813 zurückzu— kommen, fo ſchrieb deren unter andern auch F. G. Wetzel Ceſſen Ge⸗ dichte 1838 wieder geſammelt wurden), ziemlich trivial und noch in der Gleim'ſchen Grenadierweiſe.

So recht, Herr König, wirf ihm Ted Den „ehdehandſchuh Hin!

Derfelbe Dichter ſchrieb auch Romanzen, ein Baar ſchwache Zrauer⸗ ſpiele (darunter eine Jeanne d'Are, viel ſchwächer als Schillers Jungfrau), und ein Paar harmloſe Humoresken (Rhinozeros als Anhang zu Tiedge's Urania, und ein Prolog zum großen Magen).

Die „Kriegsgeſänge“ des Staatsrath von Stägemann (1814) find dagegen des Tyrtäus würdig, vol preußlſchen Stolzes und Hohen Schwunges, aber zuweilen zu fteif und nit einfadh genug gehalten, als daß fie volksthümlich Hätten werben Eönnen. Mindern Anklang fanden Julius Auguft von ver Heydens „Katzbachhymnus“ (1814), „Lied an fein Schwert“ und „Lieberfränge aus der Zeit der Schmach und Erhe— bung“. Deögleihen die „Rampfliever“ von Karl Lappe (1814), ver auch einige nordiſche und norddeutſche Sagen in Romanzen brachte und ein romantiſches Epos „Miranda“ ſchrieb.

Die patriotifhe Begeiſterung der Kriegsjahre wirkte nah in vielen epiſchen Dichtungen, worin unfre geſchichtlichen Helden gepriefen werben. So in Brauns Hermann (1819), in des Schwelzers Henne Die vico (1826), in Klemms Herfeft (Arloviſt), Sutnerd Karl dem Großen, Bes Otto dem Großen, Kunze's Heinrih dem Löwen ꝛc. Auch bie alten Apoftel der Deutſchen und Glaubenshelden wurden epifch gefeiert. So ber Apoftel Pommerns, Otto vom Bamberg, durch Meinhold, das Kreuz in ber Mark (bie Bekehrung der Mark) durch Seivel, Adalbert von Preußen durch Furchau.

Romantif. 337

Ludwig Follenius aus Heffen übertraf in fehmetternden Trom- petentönen alle andern Breiheitäfänger der Zeit. Man glaubt, das wilde ‚Heer Eomme, wenn er beginnt:

Un der Katzbach, an ber Katzbach Heiſa gabs ein Iuflig Tanzen,

Wilde, wüße Wirbelwaer *

Rißt ige dort, ihr fehndben, Franzen!

Aber er fiel in Bombaft z. B. in dem vielgefungenen Liede „Vater landsſöhne, traute Genoffen“ mit dem felbftgefälligen Schluß:

Nordlands brauſender Drgelklang, Sturmgefang, Stolz lockender Klang.

Das Renommiren wurde der Hauptfehler dieſes Diäters, der als Student die deutſche Kaiferkrone vor dem Spiegel probirte, nachher aber als polltiſcher Flüchtling in der Schweiz eine reiche Müllerstochter heirathete, zulegt Schweinzüchter wurbe und nur noch vegetirte. Seine freien Stimmen friſcher Jugend“ erſchienen 1819, feine „Harfengrüße aus der Schweiz“ 1822. Er überfegte auch einige lateiniſche Kirchenlleder und verſuchte ſich in Romanzen.

Joh. F. Schick ſchrieb ein Drama „Satang Baftarb*, worin Napo« leon als Sohn des Teufels auftritt.

Friedrich Rückert in Coburg begann feine poetiſche zauſbahn unter dem Namen Freimund Raimar mit „geharniſchten Sonetten“ (1814) voll patriotiſcher Zornflammen, Trompetenklänge der Schlacht, die ihm großen Ruhm erwarben, obgleich auch ſchon in ihnen eine kleine Neigung zu Wortſpielerelen hervortritt. Damals ſchrieb Rückert auch zwei politiſche Comðödien.

1) „Napoleon und ber Drache“. Der galliſche Hahn brütet ein Ei, aus bem ber Drache kommt, dem man das Futter mit der Guillotine zufchneibet, beffen Bette aus ben Pilien ber Bourbons und aus den dem Hahne felöR ause gerupften Federn beftcht und ver, immer größer wachſend, ganz Frankreich aufzufteflen droht. Endlich Fommt Napoleon, macht den Drachen durch Zaus berei ganz Hein und verfchlingt ihn. Bon da an aber fpeit Napoleon Beuer. 2) „Napoleon und feine Fortuna“. Napoleon verläßt bie Fortuna und Hät« ſchelt nur fein Kind zweiter Che, den Ruhm, der von ifm den Storch vom

Turm in Moskau verlangt. Napoleon will den Storch holen, erfriert aber Menzel, deutſche Dichtung. I. 22

338 Eilftes Bud.

faſt in Rußland und kehrt plöhlich zurüd, um fi am warmen Hintern feines ſchlafenden Söhnleins wieder ein wenig zu wärmen. Müdert wollte noch ein drittes Stück ſchreiben, that es aber nicht.

Den merkwürdigen Uebergang von ben Sängern ber Freiheitskriege zu den fpäteren conflitutionellen und demokratiſchen Sreiheitsfängern macht Rudivig Uhland in Tübingen. Seine politifgen Lieber kämpften 1815 zunãchſt nur für das alte gute Vollsrecht, gegen Napoleonifhen Defpo- tismus und Miniſterialwilllühr in Württemberg, lichen aber dem dama⸗ Ugen Streben der gefammten deutſchen Nation nad verfafjungsmäßigem Met einen Haren, beftimmten und eblen Ausdruck. Sein Lied „am 18. Oktober 1819“ ſprach den ganzen Schmerz und Zorn des beutfchen Batrioten aus. Im „Nothruf“ Hebt er ſtolz hervor, daß es in Deutſch⸗ land feit urältefter Zeit Kein anderes Recht gibt, als Vertragsrecht, ger gründet auf gegenfeitige Treue, Im Gegenfag gegen ale modernen Staatd- Tünftefeien. Auch in feinen beiden Schaufpielen „Herzog Ernſt“ und Ludwig ber Bader“ verherrlicht Uhland nur die alte deutſche Treue, wie fie wahren Männern ziemt. Im erfteren bleibt der Freund dem Freunde treu bis zum Tode; im zweiten brechen ſich die verföhnten Fürſten bie Treue nit, trog aller gegenſtrebenden Interefien. So geht auch durch bie übrigen lyriſchen Dichtungen Uhlands ein Zug von hohem ſittlichem Abel, 3.2. in dem „Belang der Jünglinge“. Die ganze Friſche deutſcher Jugend aber athmet in dem Liebe „Ih Bin vom Berg der Hirtenknab“. Und die echte Anſpruchsloſigkeit des gemeinen beutfhen Mannes, wie rührend iſt fie ausgedrückt in dem „guten Kameraden“! Ueberhaupt zog es Uhland aus der empfindfamen und reflectirenden Kunſtdichtung immer zur Einfachheit des Volksliedes hin, daher ſprechen feine Romanzen fo freundlich an, 3. B. „bed Goldſchmieds Töchterlein“.

Der Ritter ſieht des Goldſchmieds ſchöne Tochter, beftellt w bei ihrem Bater einen Brautring ‚und ſchmüͤckt fie felbft damit.

So bie reigende Romanze von Graf Eberftein (vgl. chel IL S. 59), die hübſchen Lieder von Graf Eberhard dem Greiner. In andern Ro— manzen ahmte Uhland theils altnordiſche, theils ſüdbromaniſche Formen nach. Von hoöͤchſter Schönheit iſt, was er in der letzteren leiſtete; „ber Caſtellan von Coucy“ (deutſch die Sage vom Brennberger, vgl. Theil L ©. 388), „Don Maſſias“.

Romantif. . ö 339

Diefer edle Sänger liebt eine Dame, beren eiferfüchtiger Gatte ihn ges fangen fegen und umbringen läßt, aber überall tönen ihm bie Lieber des Vers Haßten entgegen. Den Sänger rät fein Ruhm.

Und „Dante’8 Jugendliebe“. Zum Schönſten, dad Uhland gebiähtet, gehört ferner „König Karla Meerfahrt*.

Karl fährt mit zwölf Gefährten über Meer, ein Sturm droht fle zu vers ſchlingen, ba reden bie zwölf nacheinander, jeber wünſcht oder gelobt eiwas, Karl aber, ftatt ein Wort zu reden, Handelt und fleuert das Schiff glücklich durch bie Wellen.

Echt romantiſch iſt Uhlands „verlorene Kirche". Man hört im fernen Walde läuten und Kirhengefang, aber niemand kann dahin ge» langen. Das tft das beſte Sinnbild für die Verblendung der Roman- tifer, welche zwar Immer bie Kirche gefucht, aber nicht gefunden haben.

4 VPhantaſtiſche Weberreizungen.

Diejenigen Dichter, welche nicht tief ober nicht lange genug bie na⸗ tionale und katholiſche Bedeutung der Romantik erkannten und fefihlelten, fielen in der Regel in eine phantaſtiſche Spielerei, welche alsdann von den Gegnern dem romantifen Princip felbft zur Laſt gelegt wurde. Schon Tieck war auf biefen phantaftifcgen Irrweg geraten. Die arg« Iofen und flolgen Diäter glaubten, es ſey genug, fi vom claſſiſchen Bopfe frei zu wiffen, ohne zu ahnen, was ber Ernſt der Romantik ihnen für pofltive Pflichten auferlegte. Mehrere von ihnen ließen fi durch die Goͤthe'ſche Form beftehen und fahen nicht fo Har, wie Novalis, eine Schlange der’ Rüge und Verführung unter ven Blumen.

Einer der liebenswürdigſten Romantiker war Ludwig Achim von Arnim, aus einer altbefannten preußiſchen Adelsfamilie, ver ſich mit der geiſtreichen Bettina, Schweſter des Elemens Brentano, aus einem zeichen Frankfurter Haufe vermäßlte, eine Zeitlang in Heidelberg lebte, fpäter aber auf feinem Gute Dahme privatifiste (t 1831). Ex begann wie Tieck mit heißen wilden Sachen, zuerft 1802 mit „Hollius Liebes

Ieben®, . . ö 22°

3a0 Gifts Buß.

Hollin verliebt ſich wie rafend in Marien, folgt iht nad, trifft auf dem Broden ihr Zimmer eben von ber Abgereiſten verlaffen, ihr Bett noch warm und wälzt ſich in deſſen Wolluſt. Als er angefelt if, ſchteibt er ihr und bittet um ihre Hand; reiſt aber bem Briefe gleich nad. Durch Zufall und Nachläffigkeit des Beſtellers if der Brief nicht abgegeben worden. Hollin findet alle ganz unbefangen und glaubt fi verrathen. An demfelben Abend fol auf dem Liebhabercheater Schillers Maria Stuart aufgeführt werben. ‚Hollin übernimmt die Rolle des Mortimer und erſticht ſich auf der Bühne. Erſt ſterbend erfennt er feinen Irrtum.

In „Artels Offenbarungen“ von 1804 zeigt fi eine ftarke Neigung zum rein Phantaſtiſchen, dem aller natürliche Boden fehlt. Der Diäter ſpielt mit Geftalten des nordiſchen Mythus ohne Sinn und Verftand.

Durch eine blutſchanderiſche Verbindung der Freyja mit ihrem Bruder ſoll ein auf Hermanns und Thusneldens Enkein ruhender Fluch gefühnt werben. Angehängt find Sonette auf Bilder berühmter Maler, nach dem Beifpiel AB. Schlegels.

Nachdem Arnim zu Heidelberg unter eben Freunden gelebt und in Verbindung mit Brentano dad „Wunderhorn“ herausgegeben unb Hleinere Saden in „Iröfteinfamkeit“ und dem „Wintergarten“ gefammelt hatte, ſchrieb er 1810 feinen größten und beften Roman: „Armuth, Reichthum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores“.

Der italieniſche Palaſt des verforbenen Grafen P. ſteht gänzlich Leer und der Herrliche Garten verwildert. In ben weiten Räumen wohnt Niemand mehr als ein alter Bebienter und bie beiden bis zur Bettlerarmuth herabges Eommenen Töchter des Grafen, zwei eben aufblühende Maͤdchen. Die ältere iſt die ernfle und firenge Melia, die jüngere bie immer luſtige und leichtfertige Dolores. Das Leben biefer verlaſſenen Geſchöpfe in dem öden Palaſt wird mit hoͤchſter Anmuth geſchildert. Da kommt einmal ein funger Graf Karl als Stubent vorüber, ſieht die reizenden Maͤdchen ihr bischen Waſche trodnen und verliebt ſich in Dolores, die gegen den Willen ihrer Schwefler ihn aufs freunblichte empfängt, nachtem fie alles was beide Schweſtern etwa noch Keidfames befigen, allein angezogen und ſich damit herausgepugt hat. Die heilerſte Jugendluſt lacht und aus biefen Schilderungen entgegen. Aber Karl muß zu feinen Studien zurüd, Klelia geht ald Gefellfchafterin einer Verwand⸗ ten, ber Frau eines Schweizer Oberſten, nach Sicilien. Dolores bleibt allein, Kann jegt aber nicht mehr einfam leben, mifcht ſich daher in die Geſellſchaften der Heinen Stadt und wird, als Karl fie das erflemal wieder befugt, von ihm Auf einer Wieſe gefunden, wie fie eben als Blindefuh einen jungen Herrn

Romantif, 341.

erhaſcht. Das gefällt ihm gar nicht, allein er verfähnt fich bald wieber mit dem ſchoͤnen Mädchen und fie heirathen und ziehen auf bed Grafen Landgut. Hier folgt Dolores ungenirt ihren Saunen, oft zum Aerger Karls, ben fie aber durch ihre liebenswürdige Froͤhlichteit immer wieber bezaubert. So ver⸗ kehrt fie mit einem bizarren, Halbverrüdten Mädchen, der tollen Ilſe, bie ihm ein Greuel if. So läßt fie fi mit einem pockennarbigen Nachbarn, einem äuferft rohen Landjunker, in Spottgefedhte ein und wird von ihm tief beleiz bigt, fo daß fie weinend beim Manne Hülfe ſucht. Diefer fordert ben Baron, der ihn aber auslacht und fich fogleich zur feierlichen Abbitte bereit erklärt. Er leiftet fie wirklich vor dem Penfler der Gräfin und zwar in frühefter Morgenftunde, wobei fie wieber in ber beften Laune und im bloßen Hemde zum Senfler hinausſieht j

Hier werben mehrere Epiſoden eingeſchoben, meift phantaſtiſch oder frivol, 3.2. die Geſchichte des Prediger Fcank, welcher behauptet, durch bloßen Blic die Frauen frudhtbar machen zu Können. Die Crzählung dreier ſihen geblies bener Fräulein. Cine Stiftödame erzählt die Gefchichte des Mohrenjungen. Eine Xebtiffin glaubt im Dunkeln ben Baum zu umarmen, ben fie ihrem Ger liebten geweiht hat, umarmt aber einen Mann, der unter dem Bau fteht und wird ſchwanger. Ihre kinderloſe Schweſter, eine Herzogin, ſtelit fi nun ebenfalls ſchwanger und trifft alle Varbereitungen, um ber Aebtiffin Kind als das ihrige zu embfangen. Mber als die Stunde kommt und Gäfe geladen find, das erfehnte Kind zu beivundern, wird es ald ein Feiner Mulatte ers funden, denn der Mann unter dem Baum ift ein Mohr gewefen. Dann fährt die Geſchichte der Gräfin Dofores fort, nachdem ſich auf ihrem Gut ein bürgerlicher Dichter Waller eingefunden und Frau und Kind verloren, mit der Ilſe eine Liebſchaft angefangen Hat ıc., alles Mebenfachen, ohne Bedeutung für das Ganze. Im zweiten Banbe fehen wir das geäfliche Paar in die Reſidenz verſeht, wo Dolores Mutter eines gefunden Knaben wird. Zugleich erhält fie Nachricht aus Sieilien, wo fih Kielia mit einem Herzog von X. vermählt hat. Da wird Dolores neidiſch, weil fie nur eine Gräfin, bie Schweſter aber eine Herzogin if. Gin Better diefes Herzogs, der Marchefe D. wird nun der Gräfin Dolores doppelt intereffant und es gelingt ihm, fie gu verführen, während ihr Karl auf das Land zurückkehrt, um für feine Güter zu forgen. Bald aber wendet ſich Dolores mit Abfchen von dem Marchefe ab, weil er ihre Hingebende Liebe mit Tallem Hohn belohnt. Der Graf Karl wird unterdeß auf ber Reife zu ihr durch allerlei nicht hiehergehörige Baufelei, einen Wunderdoctor, ein unſichtbares Mädchen und einen Plötenfpieler, aufge Halten. Als er zu Dolores kommt, martert fie feine unſchuldige Zärtlichfeit mehr als alles. Gr wünfcht, daß das Kind, weil fie abermals ſchwanger geht, nach dem Marchefe Johannes getauft werben möge, ohne zu ahnen, daß es des Marcheſe Kind ſey. Aber als er fie im Schlafe reden hört, ers fäprt er feine Schande. Gr nimmt ſich aber zufammen und verräth nichts.

342 Gifte Du. .

Am andern · Tage ift ein Konigſchießen, dem er mit feiner Gemahlin anwohnt. Sie will mitfchlepen und Hat das ungeſchid, ihren Gatten zu treffen. An feinem Krankenbette zeigt fi num Dolores’ aufrichtige Buße. Dafür wird ihr der Troſt, daß fie einen Knaben gebärt, ber nicht dem Marchefe, fonbern dem Grafen ſprechend ähnlich if. Er wird aber Johannes getauft. Sie widmet fig nun ganz der Häuslichfeit und den Kindern.

Abermald wird eine Gpifode eingeſchoben, von ber Päpftin Johanna, bie Arnim fpäter in einem größeren Werke ausführlicher behandelt Hat.

Inzwiſchen iſt der laͤngſt tobtgeglaubte Vater Dolores’, der alte Graf P. mit einer Oftinbierin unermeßlich reich zurüdgefehrt und hat den vertwahrloften Balaft Hergeftellt. Und auch der Fürft des Landes, deſſen Minifter er früher gewefen, if zurüdgefehtt. Die Pürftin reift nad) Stalien, begleitet vom Grafen Karl und Dolored, die ihre Schweſter Melia auffuchen wollen, deren Gatte, der Herzog, geftorben if. Die Fürſtin befleigt mit Karl ven Aetna, {ft in ihn verliebt und glaubt ihn des Nachts in den Armen zu haben, es ift aber ihr junger, längft in fie verliebter Schreiber. Mittlerweile wird des Fürften Sohn, der lange verlorene Erbprinz, als gemeiner Huſar wieberges funden. Die Fürfin, als fie des Schreiber Frevel inne geworben, todiet ſich und ihn mit Gift. Karl, den Dolores für ſchuldig gehalten, iſt voll Tommen gerechtfertigt. Da ſtirbt Dolores, am demſelben Tage und in bers felben Stunde, in der fie einft ihrem Karl die Treue gebrochen, unter dem geiftlichen Troft ihres Priefter gewordenen Sohnes Johannes.

Sehr intereffant, aber ohne Schluß iſt der noch weit phantaftifcher ausſchweifende Roman „bie Kronenwaͤchter“ von 1817.

Berthold wird als neugebornes Kind mit dem Tobtenfopf feines ermorbeten Vaters dem Mörder deſſelben, einem alten Thurmmwächter, in Waiblingen übergeben, wächst hier in Armuth auf, verliebt fi in bie ſchöne Apollonia, des Bürgermeifterd Tochter, und ſchwaͤrmt in einem (in den fonft Jedermann ungugaͤnglichen Ruinen eines Palaſtes des Barbarofla) verborgenen Garten, wo er erfährt, daß er felb ein Hohenftaufe fen. Die verlorne Krone feiner Bäter werde von einem geheimnißvollen Bunde bewacht. Sein Bater habe fie einf geraubt, als ihm rechtmaͤßig gebührend, aber bafür den Tob erlitten. Berthold findet auch feine Mutter wieder, verliert aber die Geliebte, denn ber Vürgermeifter muß wegen Mipbrauchs feiner Amtögeiwalt mit feiner Tochter flichen. Berthold wird an feiner Statt Bürgermeiftet und alter. Da kommt der MWunberboctor Fauſt und macht ihn wieder jung, indem er ihn fein Blut mit dem des Kuaben Anton taufchen läßt. Der verjüngte Bürgermeifter reist nad Augsburg, um den Raifer Maximilian I. empfangen zu Helfen. Es regnet heftig. Gr begegnet ber bildſchönen Anna, die ihre deſttieider beſchmuht hat und ſteht ihr bei. Beide gefalien ſich und er heirathet fie, ald er ent bedt, daß fie Apolloniens Tochter if. Cr Ieht Iange glüdlich mit ihr, aber

Romantil, J 343

ein geheimnißvolles Band Inüpft ſich num zwiſchen Anna und Anton an, weil

es doch eigentlich Antons Blut if, das in ihres Gatten Mern fließt. Die Geſchichte nimmt aber feine frivole Wendung, fondern enbet tragifch, Indem Anton bei einem Aufruhr ſchwer verwundet wird und in Anpa’s Armen ſtirbt, Berthold aber, der Blutfgmpathie wegen abweſend, gleichfalls in demſelben Augenblic ſterben muf.

Man ſieht, diefer Roman iſt in der Crſiudung ungfüdtig. Wie zwei quer durcheinandergewachſene Kryſtalle ſtehen ſich Hier die eine Gefchichte, deren Mittelpunkt die Krone der Hohenſtaufen iſt, und bie andere, deren Mittelpunkt der Bluttaufch if, wechfelfeitig im Wege, ohne zu einem organiſchen Ganzen verſchmelzen zu können. Die große Erwartung, bie uns bie geheimnißvoll bewahrte Krone erwedt, wirb am Ende durch nichts befriedigt. Aber alles Einzelne in dieſem Roman ift meifterhaft; das Stillleben des Knaben auf dem Wachtthurm und in den Trümmern ds Hohenftaufenfchlofles ift eben fo liche lich, wie das ber jungen Dolored im öden Palaft und Garten ihrer Ahnen. Dan kann fi vom Reiz diefer Gemälde kaum losreißen und wergißt fie nie.

Arnims Wittwe Hat noch fpät eine Bortfegung Herausgegeben vol reicher Phantafle. Sehr ähnlich iſt feine gleichfalls unvollendet gebliebene Novelle „Martin Martir“,

worin er die Schidfale der Marille, einer verloren gegangenen Kaiferstochter, unter nievern Ständen und Verhältnifien mit eben fo phantaflifdem Humor zu ſchildern angefangen Hatte.

Unter Arnim "fürgeren Erzäflungen und Novellen ſteht „Iſabella von Aegypten“ "obenan.

Das Zigeunermäbchen,, in das ſich Kaifer Karl V. in feiner erften Jugend verliebt, mit hohem poetifchem Reize durchgeführt, ſchwankend zwiſchen dem füeften Liebeöglüd und dem Glanz ber Krone hier, und dem gemeinen, tollen, wilden und bämonifdjen Zigeunervolfe dort.

Im Wintergarten (1809) Hat Arnim viele alte fhichten des 15. und 17. Jahrhunderts überarbeitet.

1) Euryalus und Lucrezia des Aeneas Sylvius, 2)die Infel Felſenburg,

3) Arbogakt von Andelon nad) Lyrers Chronik, 4) das Soldatenleben nad) Bhilander von Siltewald, 5) die Geſchichte der Miſtreß Lee, die ſich ent« führen läßt und nachher ihren Entführer heimlich anflagt, als ihr zufällig ihr Mann begegnet, 6) die Geſchichte Glifiond aus Froiſſarts Chronik, 7) bie drei Erznarren nad) Chriſtian Weiße und Grinnerungen an Schelmuffsfi und Jakob Böhme, 8) Poliphil und Polia, aus dem Italieniſchen nach ber phan⸗ taftifcpen Dichtung des Minds Colonna, 9) Abentheuer des Prinzen Karl Cduard Stuart. Dazu noch eine Phantafle in Verfen, Nelfon und Mebufa.

344 . Eilftes Buch.

In den eigenen Novellen Herrfät bei Arnim Immer das phantaſtiſch Barode vor.

Seine „Melük Maria Blainville* ift eine Muhamebanerin, welche erſt eine fromme Nonne und dann eine ofette franzöſiſche Schaufpielerin wird. In den „drei liebreichen Schweſtern“ laͤßt die Madonna Sterne vom Himmel als Goldſtücke nieberfallen,'um die Armuth zu beglüdeh. „Cosmus,“ einer Gräfn verlorene Sohn muß Geiltänzer werben. Im der „Eheſchmiede zu Gretna⸗ green führt der Dichter eine Menge ehelufliger Paare zufammen. „Brau von Saverne“ wird von einem Intriguanten für verrüdt auögegeben und nur gegen das Verfprechen, ihn zu heirathen, wieber frei, entfommt ihm aber und läßt ihn in einer Tretmühle ängftigen, bis er alles, was zu ihrer Ghren- vettung nothig, zufagt. „Fürft Ganzgott“ läßt eine Zeitlang den ihm ſehr ähnlichen „Sänger Halbgott“ feine Stelle bei feiner Gemahlin vertreten, welde Außerfi zärtlidh wird und den Sänger in bie größte Verlegenheit verfegt. In der „erbrochenen Poftkutfche“ treten Werther und Lotte, in der „Weihnachts: ausftelung“® Siegfried won Lindenberg auf. Im „Pfalzgrafen“ wird biefer junge hübſche Graf an bie Stelle ver Leiche Philipps des Schönen in ben Sarg gelegt, um die wahnfinnige Königin Juana zu Heilen, und kommt der⸗ ſelbe Pfalzgraf fpäter einmal zu einer andern Geliebten fo brennenden Herzens, daß er nicht merkt, daß feine Kleider brennen. In der „Kirchenordnung“ vers ſchwindet ein Pfarrer währenb einer Sonnenfinfternig und findet ſich nach vie— Ien Jahren wieder. Im „Raphael“ ſchildert Arnim den Tod dieſes großen Malers. In den „Metamorphofen ber Gefellfchaft“ ergeht fih der Dichter in Betrachtungen ber Geſellſchaft, Literatur ıc.

Ih übergehe die übrigen Novellen. Unter ven dramatiſchen Dich— tungen Arnims iſt „Cardenlo und Gelinde“ am ausgezelchnetſten, eine freie Bearbeitung des ſchönen Trauerfpiels von N. Gryphius (Theil IL ©. 405).

Die Liebe figgt hier gegen alle Gonvenienzen ber Welt und felbft über die Macht der Höfe. Nie, außer in Shakefpeares Romeo und Julie, ift bie erfte Jugendliebe füßer und feuriger gefchilvert worden. Zwar hat Arnims ‚Humor alle möglißen fremden Dinge, die Halloren, den ewigen Juden, Napo⸗ Teon, Sir Sidney Smith ze. Hineingezogen und eine Fülle lyriſcher Ergüffe und doch if das Schaufpiel nicht überladen und wie viel Blumen auch ber Dieter in das Feuer feiner Dichtung wirft, als wollte er fie erfliden, bie Gluth dringt doch durch alle hindurch mit ihrem ſchonen Purpur, ohne eine Blüthe zu verlegen.

uUnglelch unpafiender find die wilführlichen Zufäge zu ber „Päpftin

Romantif. . 345

Johanna“. Ueber die ältere Dichtung vgl. Theil IT. ©. 101. In Arnims Schauſpiel iſt Johanna die Unſchuld ſelbſt. Ste wächst als Knabe, als Jüngling auf, bildet fi ein, als ſolcher in bie ſchoͤne Stephana verliebt zu ſeyn, wird ohne Zuthun und ohne Arg Papft und verliebt ſich jept erſt als Mädchen in ben ſchonen Pfalggrafen, dem fie am Ende auch unter Zuftimmung des neuen Papſtes vermählt wird.

Wir fehen Hier, wie Arnim ven höchſten romantiſchen Reiz in einer willkührlichen Zerftörung aller mittelalterlichen Denkart fuchte. Mit ähn- licher Willkühr behandelt er in ven „Gleichen“ die alte Sage vom Grafen mit feinen zwei Frauen. Vgl. Teil I. ©. 61.

Während der Graf mit der fehönen Amra aus der Orfangenfgaft juräds kehrt, zieht ihm feine daheim zurücgebliebene Gemahlin mit ihrem platonifchen Liebhaber Pleffe entgegen. In Venedig treffen fie ſich. Die Gräfin aber, die fi) in Mannsffeidern. nur für ihren Bruder ausgibt, macht nun Ama heftig in ſich verliebt. Auf dem Schloſſe des Grafen Ieben fie dann keines⸗ wegs, wie die alte Sage will, in Frieden, fondern Pleffe wird erſchoſſen durch den Hofmeifter Hartmann, aus dem ber Geift Hugo's, bed Ahnherrn ber Gleichen redet. Zugleich wird Joſeph, der lebendig begrabene Bruder der Alt-Gleichen, entdeckt und gerettet. Die Alt: und Neugleichen tämpfen und fallen, bis auf Joſeph, der beflimmt iſt das Geſchlecht allein fortzupflangen. Der Graf geht ind Kofler, die Gräfin ditto, nachdem fie ſich noch dem ſter⸗ benben Pleſſe vermäßlt hat. Amra heirathet den wirklichen Bruder der Gräfin. Cine wirklich finnlofe Verdrehung des einfachen alten Stoffes.

Die hiſtoriſchen Stüde Arnims aus der brandenburgiſchen Geſchichte find ziemlich langweilig: Markgraf Karl Philipp, der echte und falſche Waldemar, der Bürgermeifter Glinde, der Stralauer Fiſchzug, die Ver- treibung ber Spanier von Wefel. „Die Appelmänner“ enthalten einen guten Stoff.

Der Bürgermeifter A. von Stargard laͤßt ald Pommeriſcher Brutus feinen ſchuldigen Sohn enthaupten. Arnim aber erbietet ſich, den Todten durch ein Zauberftäbchen wieder Iebendig zu machen und mit Wieberfehen und „Berföhr nung echt Topebue’fch zu ſchließen.

- Au im „Auerhahn" Hat Arnim zu willkührlich die ſchöne Sage von Otto dem Schügen (hell IL S. 64) verändert. Eine Anzahl Heiner Poſſen· und Puppenfpiele Hat Arntın älteren deutſchen Schwänfen entlehnt,

346 Gifes Vuch

3 B. das Log im Thum, ein Hahnreifpiel, Jemand und Niemand, der mwunberthätige Stein sc.

Bel Arnimd Schwager, Glemens Brentano, tritt das Phanta- ſtiſche noch viel zügelfofer Hervor. Sein erfter Roman: „Godwi ober das fteinerne Bild der Mutter," iſt fo verwildert, wie Tiecks Lovel und Schlegels Lucinde.

Violette, deren Mutter ſchon eine femme libre war, lebt ganz nur ber Wolluſt. Die Jungfräulichkeit will fih ihr gar nicht anpaflen und fie fucht fle ſobald ald möglich 108 zu werben. Der ihr vom Schooße abgelöste Gürtel wird ihr um bie Augen gebunden und macht fie blind für alles, daß fie nur allein die Luft genießt. In dieſer raſt fie nun durch den Roman mit der wil⸗ den Grazie einer Mänade. Dabei entwidelt fie ſhon vollfändig alle Regeln der Weiberemancipation. Sie Haft die Ehe wegen ihrer unenbligien Flachheit als eine ewige Proteftation gegen daß freie Streben zur Höhe. Cie Haßt die Tugend, denn fie fen ein Zwang, und ſich zur Tugend zwingen, fey eben das wahre Zafter. Die Religion lä5t fie gelten, aber nur als Sinnlichteit. Res ligion fer nichts als unbefiimmte Sinnlichteit, fagt fie IL. 361. Andächtig feyn konne man nicht als Menſch, fondern nur ald Mann oder Weib. Sie "gefteht, daß fie eine Heibin fey und da fie alle Männer für Götter Halte wegen des Männlichen. Die Hriftliche Religion fey zu geiftreich , deßwegen

werde fle untergehen und bad Heidenthum beftehen bleiben x.

Aber Brentano läuterte ſich, wurbe überaus fromm und blieb et. Im Uebergange ſchrieb er viele Gumoreöfen, Märchen unb Heine Erzäh- lungen. Am befannteften iſt fein „Gockel, Hinkel und Gadeleta*.

Der Graf Godel von Hanau und feine Gemahlin Frau Hinfel von Henner berg find arm geworben und bewohnen eine elende Hütte in den Ruinen ihrer Stammburg. Das einzige Beſihthum des Grafen if ein Hahn und eine Henne, die er, als feine Wappenthiere, unter allen Umftänden behalten will Einmal kommen drei Juden und bieten ihm eine große Summe für ben Hahn, der auf feiner Schulter figt, aber er gibt ihm nicht Her. Frau Hinfel indep und ihre Tochter Gackelela Tönnen’ den Hahn nicht leiden, weil er fie immer zu früh durch fein Krähen aufwwedt, und Reden ihn in einen Gad, wo er von Tag und Nacht nicht mehr weiß und nicht mehr Fräht. Unterdeß wird auch die Kenne mit ihren Küchlein durch Gackeleia's Unvorſichtigkeit von- einer Kape gefreflen. Als der Graf den Hahn endlich befreit, verlangt das halb⸗ verhungerte und über ben Tod ber Henne tiefbetrübte Thier ſelber, er folle ihn töbten. Wenn er es mit feinem gräflicgen Schwerte thue, fo fey das ein ehtenvoller Tod, und überdieß were er in feinem Kopfe einen Zauberftein finden, der ihm alle Wünfehe gewähren werde. So war ed and. Der Graf

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enthauptete ben Hahn, fand den Stein, wünfchte fi und feiner alten Bram Jugend und Schönheit, ein ſchoͤnes Schloß in der Mefibenz und Gut bie Hülle und Fülle. Der König borgte von ihm, behandelte ihn als feinen beſten Freund, und wollte feinen Sohn mit Gadeleia vermählen. Aber Badeleia “Hatte, obgleich der ſterbende Hahn ausdrücklich verlangt, fie folle nie mit einer Buppe fielen, weil ihr Glüd daran hänge, ſich von einem Juden eine ſchöne Puppe auſſchwaten laflen und ihm bafür, wie er verlangt, ‚den Zauberſtein des Vaters gegeben. Der Graf konnte nun nicht mehr zaubern und ber bods hafte Jude machte, daß das ſchoöͤne Schloß verſank, der Graf und die Gräfin wieder alt wurden und fammt ber Tochter als Bettler fortgefagt wurden. Gackeleia nahm die Puppe mit. Sobald der Graf dieſe erblidte, ahnte er, was an feinem Unglück ſchuld fey und wollte Gackeleia firafen. Diefe lief davon und Fam nicht wieder. Allein in ihrer Buppe fledte ein weißes Mäuds Gen, das ber Jude hineingethan, um ber. Puppe lebendige Bewegungen zu geben, und das Mäuschen war einft vom Grafen aus den Zähnen einer Katze befreit worben. Aus Dankbarkeit gab es jetzt der betrübten Gackeleia das Rettungömittel an, ſchlich fi in der drei Juden Haus, ftahl ihnen, bie ſich unterdeß mobernifit, baroniſitt, beorbensbandet ıc. Hatten, bei. Nacht ben Zauberflein, verwandelte fie in Eſel und gab dem Grafen all fein voriges Gläd zurüd, der Koͤnigsſohn aber heirathete die Tochter.

Wie Hier dem romantiſchen Ritter das moderne Judenthum, fo ſteht im „Märchen vom Mein“ der In den Rheln gefallenen und vom jungen Müller geretteten romantiſchen Prinzeffin die moderne Schulweisheit in Herrn Ciſio Janus gegenüber. Im Märchen „vom Murmelthier“ wieder- Holt fi das alte vom Aſchenbrödel. In andern varlirt Brentano nur bie alten Märchen von ben flarken Gefellen, vom Tiſchlein deck did, vom Siebentod auf einen Schlag, und viele Märden des Neapolitanerd Baflle, alle mit ſehr phantaſtiſchen Auswüchſen. Meifterhaft iſt die Satire ber Philiſter“, worin Brentano den deutſchen Spießbürger in ver Na- poleoniſchen Zeit ſchildert. Ein bloßer Scherz find „die mehreren Weh- müller“, voll komiſcher Verwechslungen aus Anlaß. eines ſtrengen Peft- cordons an’ der Grenze. .

Ernft und tragiſch iſt zuerſt hie merkwürdige „Geſchichte des braven Kaſperl und des fhönen Annerl®, in welcher die Liebliche Naivetät ber Iylle mit allem Graͤßllchen eines Crimlnalprozeſſes gepaart erſcheint. Annerl wird als Kindsmörberin hingerichtet. Im älteren ehrbaren Chro- nikenſtyl ſchrieb Brentano die Begebenheiten des Schüler Johannes und

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das Tagebuch einer Ahnfrau. Im den „drei Nüflen“ gehen Omina dem Morde vorher.

Brentano ſchrieb auch mehrere Schauſpiele. Am meiſten wird ſein „Vonce de Leon“ geſchätzt (ſchon von 1801), der auch in der That öfter Shakeſpeare'ſchen Geift verräth, aber das Intereffe weniger in Charaktere, als in tolle Verwicklungen und Verkleidungen legt und überhaupt an zu viele Perſonen vertheilt. „Die Iuftigen Muflkanten“ und „Viktoria und ihre Gefäwifter« find Singfpiele für die Siegesfefte von 1813, aber in humoriſtiſchem Ton geſchrieben, das Tegtere erinnernd an Walenfteins Lager von Schiller. Demfelben patriotiſchen Zwecke dient das längere epiſch⸗ dramatiſche Gedicht „die Gründung Prags“, höchſt wunderlich und bizarr die alte mythiſche Geſchichte Böhmens miſchend mit der Verehrung für das ſachſtſche Königspaar, welches damals in Prag in unfreimilliger Verbannung zubrachte.

Beſſer als alle diefe allzu ausſchweifenden Sachen find die lyriſchen Ergüffe Brentano's. Seine weltlichen Gedichte find vol Zartheit und füßer Gluth. So das ſchöne Lied an den Mond, das Heimwehlled, die Blumenklage, die Romanze von der Lorelei. Die Romanzen vom Rofen- kranz find allegorif zu verfichen und enthalten zum Theil nur perfüns He Beziehungen und Erinnerungen. Aufs mwürbigfte aber ſchließt Bren- tano mit den geiftlihen Gedichten ab, die und die Heiligfien Bilder im teihften Blumenkranze zeigen. "

Oft vertieft er fi in reiner Blumenluft in dem immer Höher ihm über: tanfenben, immer üppiger ihn umbrängenden Blumenflor und unter dem immer düfteſchwerer auf ihn nieberfchattenden Blüthenüberhang, während kaum noch ein fonnenbeglängter grauer Schein durch die bunte. Farbenfülle blickt und an die Nähe der Kirche mahnt. Oft faͤllt er unwillkührlich in den Ton, ber in den Liebern des h. Framiscus von Affift überall wieberflingt, preifend bie Natur als Gottes Schöpfung und verweilend beim geringften der Gefchöpfe als einem gottgeſchaffenen Wefen, z. B. ©. 455. Am ſchoͤnſten in biefer Art iſt das Frühmorgenlied vom Kirſchenblüthenſtrauß, ©. 484. Zuweilen tritt bie Per: ſonlichteit gar zu kindiſch naiv hervor, z. B. in dem Liede vom Aberlaflen dor dem Abendmahl, wo die Beziehung des Blutens auf den Tob am Kreuz nicht ziemlich erfcheint. Allein man fann das Findliche-Gefühl nicht wahrer ausbrüden und ed gefällt uns beffer, daß der Dichter fih ihm überläßt, als wenn er ſich genitt und vor dem firengen Publikum mit allerlei pornehmer - Zurückhaltung Pofition genommen Hätte.

Romantik, 349

Die reihe Phantafle Brentano’8 kehrt wieder bei feiner Schweſter Bettina v. Arnim, aber noch minder geregelt und noch willkührlicher. Daß fie ſich (in Göthe's Briefmwechfel mit einem Kinde) In eine Liebe zu dem viel älteren Göthe hineinträumen Eonnte, war ein Verrath an ber echten Romantik.

Ebenfalls dem Heidelberger Kreife befreundet und gleichfalls einer angefehenen Frankfurter Familie angehörig, Teuchtete Karoline v. Gün» derode früh im poetifchem Feuerwerk auf, um ſchnell zu erlöfgen. Ste liebte im Anfang des Jahrhunderts den berühmten Heidelberger Philologen und Symboliker Ereuzer (einen Freund von Görres) und gab fi felbft den Tod. Bettina ſchrieb über fie ein Buch und 1857 gab Götz ihre fämmt- lichen Dichtungen heraus. Von dem Schmerz, der die Günderode zum Selbftmorbe trieb, zeugen faft alle ihre lyriſchen Gedichte.

Ein Schwanfen, eine ängfliche Verwirrung, ob fie vergeflen fol, ohne zu ſterben, ober fierben, um zu vergeflen, burchzittert das wunderbare Lieb mtethe". In einem andern Liebe „die Bande ber Liebe“ gibt fe zu verſtehen, die Erinnerung und der Tod ſey für fie daſſelbe, fie müfle an ber Grinnerung ſterben. Wieder in einem andern Liebe „ber Adept“ ſchildert fie die Unerträg- lichkeit der Zeit, bie ewig baffelbe wieder bringt. Im töbtlich ermattender Ungenüge ſchwankt fie zwiſchen Lebens» und Tobesluft. Eines der ſchönſten Lieber, in das fie bie ganze Poeſie ihres Schmerzes gehaucht hat, ift das „Stumm und Leer“.

Kann Lieb fo unlieb ſehn,

Don mir fo fern, was mein? Kam Luft fo fehmerzlich ſeyn, Untren fo Herzlich feyn?

D Bonn’, o Bein!

Immer beftimmter neigt das ſchoͤne ſchwere Haupt dem Abgrund zu. Sie will ſterben.

Auf Naxos Felſen weint verlaffen Minos Töchter. Der Schönheit Heißes. Flehn erreicht der Götter Ohr. Bon feinem Thron herab fenkt Kronos Sohn die Blipe, Sie zur Unferblichfeit in Wettern aufzugiehn.

Man wird nicht leicht rührendere Klagen in fo fehöner Sprache gelefen haben. Die Günberode ſteht, was ihre Sprache anlangt, in der erſten Reihe unfer romantiſchen Dichter.

Ihre dramatiſchen Dichtungen ſind weniger vollendet.

350 @ilftes Buch.

Auffallend klingt durch biefelben des falſchen Dfflan Harfe dur. Das Heine Stüd „Mora“ if ganz offianifch. E8 if gewiß merfmürbig, wie ſich von biefem Pſeudobarden (dem in Sentimentalität fpeculitenden Machherfon) gleichzeitig der Harte Napoleon und bie zarte Gunderode Haben verführen iaſſen. In dem feinen Gtüd „Immortalita, einem lucianiſchen Geſpraͤch ähnlich, gelangt Erodion über den Styr und wird durch Immortalita (d. h. bie Liebe durch bie Unfterblicgfeit) nach Elyſium geführt. Das Heine Drama Hildgund fehilbert die Vorbereitung zu Attila's Mord durch dieſes Mädchen. udohlah iſt das ſchwächſte Stüc, in der Sprache auffallend an Leſſiugs Na— than erinnernd. Gin Sultan entfagt feiner Geliebten, weil entdeckt wird, er Habe den Morb ihres Vaters verſchuldet. „Magie und Schickſal“ ift dem antifen Debipus nachgebildet. Cine Mutter entbrennt für den eignen Sohn, den fie in ber Jugend Hülflos verlaflen Hatte, fpäter in unreiner Liebe, ohne au wiſſen, wer er if. Merkmürbig flicht gegen biefes düſtere Schauſpiel „Muhamed“, ab, ber unter allen Umfländen, in Gefahren, in Trauer⸗ fällen, bei Gelegenheiten, wo er ſich rächen önnte sc., bie vollfommenfte Ruhe, Milde und Gropmuth bewahrt, Hätte die Dicpterin ſelbſt dieſe ideale Ruhe befeffen, fa würden wir ihren frühen Tod nicht beklagen müffen.

In Heinrich v. Kleift erkennen wir einen ber liebenswürdigſten, aber auch der unglücklichſten Romantiker. Sohn eines preußlſchen Offl- ziers irrte er, ohne eine rechte Beftimmung zu wählen, unftät umber, hatte das Unglück, obgleich er felbft gar nicht Soldat war, 1806 für einen Offizier gehalten und als Gefangener nad; Frankreich gefleppt zu werben, verliebte fih naher in Adolphine Vogel, geb. Keber, und er- ſchoß fi mit ihr gemeinfhaftli 1811. Durch das zerriffene Gewölt feiner Seele bilden wir in klare ſchöne Landſchaften von wunderbarem Retze. Daß die Liebe ein Zauber fey, biefe Wahrheit hat Fein Dichter tiefer erkannt, als Heinrich v. Kleiſt, Aber er verfenkte ſich zu tief. in diefen Zauber. Wer bie ganze Süßigkeit der Sympathie ausdenken will, muß mit dem Leben zerfallen. In feinem erften Trauerfpiel „bie Bamilie Schroffenſtein“ ſchwebte ihm Romeo und Julle vor.

Rupert, das Haupt des einen Zweiges der Familie, glaubt, Sylveſter, das Haupt des andern Zweige, trachte in um des Erbes willen zu verderben. Da deuperts jüngfler Sohn zufällig verunglüdt, Heißt es, Sylvefer habe ihn ermorben laſſen und Rupert beginnt die blutige Fehde wider ben ganz unſchul⸗ digen Sylveſter. Insgeheim aber kommt Ruperts Sohn Ottokar mit Syl⸗ veſters Tochter Agnes im Walde zufammen, denn beide lieben fi. Als Rus pert es erfährt, überfällt er fie. Ditofar Hat aber noch Zeit, feine Kleider mit denen feiner Geliebten zu vertauſchen. Gine Scene voll Reiz, indem er

Romantit. 351

dem Feine Gefahr ahnenden Mädchen die Wonne der Brautnacht vorfpiegelt, indem er fle enffleivet. Darauf fommt Rupert und erſticht fejnen eigenen Sohn Ottokar, indem er ihn für Agnes Hält. Agnes enttommt, wirb ‘aber nun von ihrem Vater, der fie für Ottokar Hält, getödtet. Weber ihren Leichen verſohnen ſich die ihres Ferkhums inne werdenden Bäter.

Die tieffte Bezauberung durch die Liebe, wie fie je ein Dichter aufe faßte, Liegt in Kleiſts „Käthchen von Heilbronn“ vom Jahr 1810.

Das Kathchen if die vermeinte Tochter eined Waffenſchmiedes in Heil: bronn. Ritter Wetter vom Strahl befucht die Schmiede feiner Rüftung wegen, das Mädchen fieht ihn, wird fogleich magnetifch mit ihm verbunden und flürzt ihm in fomnambulem Zuftande aus dem Fenſter nad; aufs harte Pflafter. Der Schmieb Hagt den Ritter bei der Veme auf Zauberei an. (Kannte wohl Aleiſt die ältere, fehönere Erzählung, die ih Th. IL. ©. 432 mitgetheilt Habe?) Der Ritter iſt unſchuidig. Gr treibt das wieder geheilte Mädchen, das ihm wie ein Hund folgt, mit der Peitfche fort. Cie ift aber durch den unauflöslichen Zauber der Sympathie an ihn gebunden und kann ihn nicht laſſen. Sie leiftet ihm bie wictigften Dienſte, ald Feinde ihn verfolgen. Dankbarkeit, Mitleid erweichen fein Herz. Cr findet fie ſchlaſwachend unter einem Fliederbaum und beginnt ein Gefpräd mit ihr, bie immer fortfcpläft und doch ſpricht. Sie fürzt fi für ihm ins Feuer der brennenden Burg. Aber erft ald fie ald eine verloren gegangene Tochter des Kaiſers wieder- exfannt wird, fann er fie heiraten.

In diefem rührenden Schaufpiel, das fehr großen Beifall fand, iſt bie blinde Liebe und Hingebung bed Weibes in unnachahmlich reizenden Zügen geſchildert. Viel fhöner als in der Griſeldis. Sehr Ihön tft Kleiſts „Prinz Friedrich von Homburg“.

Der Prinz, ein junger ritterlicher Hey, dient unter dem großen Kurfürſten und Lebt deſſen Nichte Natalie. Als Nachtwandler begegnet er ihm zu: fällig und verräth in diefem bewußtlofen Zuſtande feine Liebe. In der Schlacht bei dehrbellin erringt feine unwiderſtehliche Tapferfeit den Sieg, aber gegen Befehl, und wegen Ueberfehreitung feiner Orbre wird er verhaftet. Auch in der Haft verläßt ihn feine eble Schwärmerei feinen Augenblid und bald ents laßt ihn der Kurfürſt mit Hoher Auszeichnung und gibt ihm Natalien. Cine fehr originelle und reizende Miſchung von junger Kriegerehre und faſt maͤdchen⸗ Haftem Somnambulismus. Der männliche Pendant zum Kaͤthchen deſſelben Dichters.

In „der Hermannsſchlacht“ legte Kleift den ganzen Schmerz feines patrtotiſchen Herzens nieder. Er fah Deutſchland innerlich zerriſſen, von Napoleons Heeren rettungslos überſchwemmt. Da ballte ſich feine

32 Gilftes Vuch.

Fauft und er räumte ſich zurück in die Zeit des Armintus. . Aber er fptegelte in diefem Heldenbilde zugleich den ganzen Verrath der Gegen- wart, bie Zwietracht, Shwäde und Erbaͤrmlichkeit deutſchet Fürſten ab. Eben fo genial find die griechlſchen Dramen Kleiſts.

Ventheſtlea's Geſchichte tft no von Eeinem Dichter genialer aufge» faßt worden als von ihm in dem gleiänamigen Trauerfpiel. Schade nur, daß er den Stoff ganz willkührlich behandelt hat.

Penthefilen naͤmlich bildet ſich ein, den Achilleus befiegt zu haben und Hingeriffen von feiner Schönheit, behandelt fie ihn mit einer Großmuth, bie raſch in die innigfte Hingebung ber Liebe übergeht. Auch er kann dieſem Holden Piebreiz ber gewaltigen Amazone nicht widerſtehen und gibt ſich ihr ganz bin. Nun entfieht aber ein Kleiner Zant zwiſchen ifnen. Da er nämlich der Sieger ift, will er fie mitnehmen, während fle ſich einbildet, ihn in ihr Neich mitnehmen zu fünnen. Sobald fie ihren Irrthum inne wird, fällt fie in Raferei. Alle ihre weibliche‘ Gingebung war motivirt durch die Großmuth, die fie ald Siegerin äußern fonnte, Unter dem Gefictöpunft einer Vefiegten mußte fie dagegen unziemlich und verächtlich erſcheinen Daher bie Wuth, in welche Pentheſilea ausbricht und die fo weit geht, daß fie den nämlidhen Achill, den fie eben voch fo Heiß geliebt, töbte und wie eine Bachantin in Stüde reißt.

Nicht minder keck weicht Heinrich v. Kleift auch in einem Luſtſpiel von der alten Traditlion ab, im „Amphitruo“.

‚Hier entfernt ſich Jupiter nicht, fondern bleibt auf dem Plage als Amphis truo und ſtellt fih dem wahren Amphitruo entgegen. Alkmene foll entfcheiden und Hält den falſchen Amphitruo für den wahren. Nun kann man ſich den— ten, in welche Berlegenheit biefer lehtere geräth, Bis Jupiter dem Schmerz ein Ende macht, fih als Gott zu erfennen gibt und den armen Hahnreih führ Ien läßt, daß er es noch als eine Gnade anzufehen habe, einen ſolchen hohen Saft im Bette feiner Frau gehabt zu Haben.

Kleiſts Trauerſpiel „Robert' Guiscard“ blieb Fragment. Sein Luft- ſplel „der zerbrochene Krug“ tft unbebeutend. Unter feinen Fleineren Erzählungen

iſt die erſte „Michael Kohlhaas“ einer wahren Begebenheit der branbenburgis ſchen Geſchichte nacherzaͤhlt. In der zweiten Erzählung läßt „die Marquife von D.“ in die Zeitungen einrüden, fie fey ohne ihr Wiffen ſchwanger gewor- den und fordere den unbekannten Vater ihres Kindes auf, ſich zu melden. Ein Graf meldet fi, fie heirathet ihn aber erft, nachdem er ſich demüthig um ihre Liebe hat bewerben müflen. „Das Erdbeben in Chili.“ Joſephe,

Romantif. 353 eine junge Dame zu St. Jago in Chile mußte ‚wider Willen Nonne werden, ihr Geliebte, Don Afteron, ſchlich ſich aber Heimlich zu ihr, fie murde ſchwanger und gebar ein Kind unterwegs während einer Progeffion. Wegen bieſes Stange follte fie eben enthauptet werben und Aſteron wollte ſich gleiche eitig Bar: Ah ald ein ungeheures Grbbeben fie unterbrad. Sie fumen glüdlih mit dem Leben davon, fanden ſich in der allgemeinen Zerſtörung wieber und lebten noch kurze Zeit glücklich, bis bad Volk fie erfannte und ers morbele. „Die Verlobung in St. Domingo.“ Toni, eine junge Meflige auf Hayti, im Haufe eines der wildeften und unbarmherzigfen Megerhäupts Hinge, verbirgt Gufav, einen jungen franzöfifchen Offizier, während des großen Negeraufftandes, indem ihr wildes Herz von ber heftigſten Liebe zu ihm ers griffen wird. Auc) ihn feſſell an fie nicht nur Dankbarkeit, ſondern auch ber Umftand, daß ſie feiner ermordeten Geliebten ähnlich if. Der Neger übers raſcht fie, da fehnell entſchloſſen bindet fie dem Süngling mit wilder Geberde die Hände, als Hätte fie ihn eben gefangen genommen und reitet ihn fo mer nigſtens vor augenblidlicher Grmorbung. Dann in ber Nacht ſucht fie mit größter Anftrengung Weiße auf, die ihn befreien; aber kaum Hat er die Hände frei, fo ſchieße er die arme Toni nieder, indem er nicht weiß, was fie für ihn gethan Hat. „Das Bettelweib von Locarno.“ Gin Marchefe jagt eine Bettierin aus dem Winkel, wo fie ruht, fie ſteht auf und bricht tobt zufams men, ihr Geift aber verfolgt den Marchefe, bis er das Schloß und ſich ſelbſt mit verbrennt. „Der Findling.“ Piachi, ein Kaufmann in Rom, erbarmte fi) in Ragufa auf einer Reife eines verwaiſten peflfranfen Knaben Nicolo, durch ben aber fein eigener geliebter Sohn angeftedt wurde und ſtarb. Trob⸗ dem ſuhr er fort, Nicolo zu pflegen und behielt ihn an Gofnesflatt. Ms er aber erwachfen war, entehrte Nicolo mit Gewalt feine Pflegemutter, Piachi's Gattin, daß fie vor Entfepen farb. Piachi ermordete bafür den ſchaͤndlichen Phllegeſohn, ber fo viel Unglüd über ihn gebracht, und wollte, ais er felber hingerichtet wurbe, Feine Buße thun, noch Abfolution annehmen, um gewiß in die Hölle zu Fonımen und bort feine Rache an Nicolo zu vollenden. „Der Zweifampf.“ Littegarbe, bie edle Wittwe des Ritter von Auerſtein, wurbe vom Grafen Jalob dem Rothbart geliebt, den fie aber verfehmäßte. Satob brachte feinen Bruder, den Herzog von Breifah, um und rächte fi zugleich an Littegarde, indem er ihr ſchamlos erklärte, in der Nacht des Mors des bei ihr geſchlafen zu Haben. Die ſcheinbaren Gründe für diefes Alibi ges mügten. Littegarbe wurde von ihren Brüdern ins Glend geſtoßen. Hitler Friedrich von Trota nahm ſich ihrer an, rief das Gottesurtfeil im gweilampf an, unterlag aber und nun follten beide als Frevler gegen das Gotteögericht, das fie ſchuidbewußl angerufen Gatten, fterben, ald der ſchwer erkrankte Rothe bart fein Verbrechen und jener beiden Unſchuld erflärte.

Der Maler Philipp Otto Runge aus Wolgaft, eeffen Werke nad Menzel, deutſche Dichtung. IL

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feinem Tode 1840 erſchienen, ſchrieb zuerft die berühmt geworbenen Maͤrchen vom Madandelbaum und vom Fiſcher und feiner Brau nieder und come ponirte felbft mit dem Pinfel wie mit der Feder Märchen, In tenen bie Blumen eine große Rolle fpielen.

Die Blumen dienen ihm zum allegorifchen Ausbrud. So malt er in ber Geſchichte einer weißen Lilie den Wechfel der Tagegeiten, von ihren Erwachen bis zu ihrem Hinabfinfen. Alles von dieſer Art Tann eigentlich nur als Rands zeichnung gelten, aber fein Maler war je fo reich in den Arabesken, ald Runge. "

Der ſchleſiſche Dieter, Iofeph Freiherr v. Eichendorff, melder zuerft 1815 auftrat, Hat in feinen lyriſchen Gedichten, wenn biefelben Waideinfamkeit, Morgen- und Neifeluft oder ſtille Liebe ſchildern, viel von Novalis und Tief angenommen, in ben Capriccios aber von Cha— miſſo. Seine Novellenproja erinnert am meiften an Arnim, gelegentlich auch an Sternbalds Wanderungen. Im Drama tft er warm, mie Hein— rich von Kleiſt. Ueberall wiederholen fi bei ihm bie zarteften Bilder und Töne unjerer beften romantiſchen Dichter, aber Eichendorff felbft tritt und nit in feflumriffener Originalität entgegen.

Sein erfler Roman „Ahnung und Gegenwart“ murbe 1815 durch Fouqus eingeführt.

Der junge Graf Friedrich fährt von Iuftigen Etubenten begleitet die Donau herab. Da felelt ihn ein fremdes ſchoͤnes Mädchen, Rofa. Cr folgt ihren Spuren, geräth in eine NRäuberherberge, wo ein fchönes junges Halbnadtes Mädchen ihn warnt und ihm im Kampf gegen die Räuber beiftcht. Obgleich Sieger, wird er verwundet und erwacht, nad) langer Ohnmacht, auf Rofa's Schloß, neben ſich den Knaben Erwin, der ihn im Walde gefunden Haben will. - 68 ift das als Knabe verkleidete Mädchen aus der Räuberfcjenfe, bie’ ihm fortan unerfannt dient, ohne daß er fie wiebererfennt ober ihr Geſchlecht erräth. Er genet und findet die beſte Gefelfcpaft im Schloß. Mit eigem hier gewonnenen Freund Leontin beſucht er ein anderes Schloß, wo Julie, Leontins Geliebte, wohnt, und endlich das Schloß der geiſtreichen Gräfin Ro⸗ mana, bie fi mit aller Gluth einer Stalienerin in ihn verliebt. Er kommt in bie Reſidenz, wo Rofa von einem Prinzen umgarnt iſt. Er kämpft für das Baterland in einem Gebitgskriege mit (dem Tirolerfriege), weßhalb er geächtet und feine Güter conſiscirt werben. Er kommt wieder zur Gräfin Romana, bie ſich, da ſie ihn nicht gewinnen Tann, wie Dido-Armiba bes nimmt, nämlich ſich erfchießt und zugleich ihr Schioß in Brand fledt. Cr findet Erwin wieder, ber bei feinem Anblid tobt auf die zetbrochene Lante

Romantit. 355

flutzt, bie er eben gefpielt hat. Sept erſt erkennt man in ihm das Mädchen 2eontin Heirathet Julien, Friedrich aber geht in ein Klofter.

Es find da überall hübſche romantlſche Anklänge und Anfänge, aber nichts iſt durchgeführt. Der Knabe iſt eine ſchwache Erinnerung an Mignon, fein Charakter wird eigentlih nie entwidelt. Friedrich erhebt ſich aus der romantiſchen Liebelei, kämpft für dad Vaterland und mweiht ſich der Kirche; aber das iſt alles nicht gehörig in feiner Charakteriftit motivirt und erſcheint wie zufällig. -

„Krieg den Philiſtern“. Dramatifches Märden von "Eichendorff (4824) ift eine Nachahmung und ärgſte Uebertreibung der von Tieck im Zerbino und in ber verkehrten Welt beliebten Manter.

Das Heer ber Poetifchen bricht feindlich in das Land der Philifter ein, auf Schiffen, bie über Land fahren. Sie landen an verſchiedenen Punkten und unter verſchiedenen Klaſſen der Philifter. Sodann reifen Narr, Kritikus x. rückwärts in die Vergangenheit, in bie Perücken- und Reifrodyeit, in bie alte Nittergeit 1. Endlich fpricht nicht nut der Mutor des Gtüdes ſelber mit, fondern auch der Regenfent und wird die Illuſion in jedem Augenblick gerftört. Es fehlt in dieſem Stüd durchaus nicht an feinen Anfpielungen und guten Witzen, die ſich auf den verkehrten Geſchmack des Publifums, die Anmagung _ der Dichter, die Einfeitigkeit der Echulen und Lächerlichfeit ber Moden bes ziehen; aber bie Ecenen wechſeln gar zu bunt mit den Perfonen ſelbſt F es Hätte doch mehr Ginfeit wenigſtens durch die Hauptperfonen in das Gtüd gebracht werben follen. Die Aufmerkfamkeit des Lefers wird zu fehr zerſtreut.

Eben fo phantaſtiſch iſt die Novelle „Viel Lärm um nichts“, in welcher die Poetiſchen, Prinz Romano und Gräfin Aurora, in das Be- figthum des Heren Publikum gerathen. Die poetifge Gräfin kehrt fehr oft bei Eichendorff wieder. So in der Novelle maus dem Leben eines Taugenichts“.

Der Taugenichts iſt ein armer Junge, der mit einer Geige ſingend in die Belt hinausgeht und von zwei Damen hinten. auf dem Wagen mitgenommen wird, weil fein Gefang und Spiel fie ergögt. Er wird in ihrem Schloß aufs genommen und Gärtner. Die junge fehöne ver beiden Damen, Gräfin und Gemahlin des Schloßheren, intereffirt ſich fehr für ben Taugenichts, er fingt und fpielt oft heimlich vor ihrem Fenſter. Ploͤtzlich wird er einmal im Walde von Räubern entführt, bie ſich aber nachher ald Maler kund geben und. mit denen er nach Italien geht. Die Maler bewundern feine Schönheit, auch eine unbefannte Gräfin, bie er für bie feine Hält, in der er aber eine fremde erfennt und gegen die er ſich fo ungeſchidt benimmt, daß fe in fahren laßt.

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Endlich kommt er zurüc und findet feine Gräfin wieder, aber jegt erſt entdedi er, daß es gar Feine Gräfin, fondern bie Nichte des Portiers und mur im Schloß erzogen ift. Nun befommt er fie zur Frau. Das Ganze Täuft alfo auf eine tomantifche Myftification hinaus, bie gar anmuthig durchs gefüßet if. Der Styl mahnt an Menims Kronenwächter. Aber die durch⸗ dachten Lieder yaflen nicht für einen fo jungen unerfaßrenen Taugenichte. Auch; ift der Dichter etwas nachläſſig gewefen, indem beim Abſchied des Tauges michts noch Schnee vom Dache (hmilgt und er am demfelben Tage noch durch wogende Kornfelder wandert.

Aehnllich die Novelle „das Marmorbild⸗.

Ein gewiſſer Florio wird ganz eben fo myſtificirt durch eine junge Dame, die ihm in mannigfaltiger Geftalt erſcheint, bid er fie in Knabentracht wiebers findet und fie feine Braut wird. Der Dichter führt und durch italienifche Paläfte und Gärten vol reigender, nur zu flücptiger Grfepeinungen. Alles if zu nebulos und traumhaft, die Auflöfung der Räthſel, wie in ber früheren Novelle, zu nüchtern.

Die Novelle „Dichter und ihre Gefelen“ (1834) verdient am meiften den Vorwurf, eines jener unglücklichen Produkte der Romantik zu feyn, in denen die Dichter nicht die Welt, fondern nur ſich unb ihre Lich lingolecture und Kunftgenüffe befptegeln. Nicht gefchöpft aus ber Tiefe ber Naturs und Lebensanfhauung, ſondern aus Göthe's Wilhelm Meifter und Tiecks Sternbald.

Baron Fortunat, halb Student, Halb Jäger, reist luſtig durch die Welt, findet in einem Fleinen Städtchen feinen Univerfitätöfreund Walter und macht mit ihm einen poetifchen Auftritt zu bem nicht fern wohnenden Dichter Grafen Victor. Unterwegs in einem Amtmannshauſe Iernt er die reizende Florentine, Walters Geliebte, Fennen, und beneibet ihn. Victor if nicht zu Haufe. Ins dem dortunat feinen Weg weiter ninmt, begegnen ihm während eines Unges witters vornehme Damen zu Pferde, im naſſeſten Zuſtand, die ſchwazen Locken an dem fehönen Geſicht der Cinen, bie fpäter -ald Gräfin Juana ers Tannt wird, Herunterhängend und triefend. Dazu kommt noch eine total vers "regnete Schaufpielerbande, wodurch wir plöglich in Göthe's Meiſter verfept werben. Die Gräfin Juana ift im Gefolge einer Fürſtin, deren Gemahl bie Schauſpieler Heftellt Hat. Auch Tortunat beſucht ihren Hof, an dem ber ritters liche Literat Lothario und ein phantafifch humoriſtiſch aueſchweiſender Voet Diyander, ven bie Fürfin ieht, der Maler Albert ıc. bie Afhetifchen Genüffe keiten. Auch ein engliſcher Lorb ift da, ber „bie Geſchichte ber wilden Spas nierin“ erzäßlt, einer Gräfin, bie aus Pattiotismus unter den Franzoſen greus lich gemorbet, aber einen franzöfifchen Offizier, nachdem fie ihn verwundet,

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gänzlich zu ihrem Sklaven und Mitfämpfer gegen fein eigenes Bolt gemacht hat. Man ahnt, daß das eben die Gräfin Iuana fey, bie ein italieniſchet Marcheſe heirathen fol, vom Fürſten geliebt, von Lothario entführt wird, ſich aber unterwegs ind Wafler flürzt. Fortunat fieht ihr Leichenbegängniß und flieht ind Sand der Kunſt, nad; Italien. Hier verlicht er ſich in die fhöne Fiammetta, findet alte Bekannte, Maler und Dichter, wieder. Sept erſt ers fahren wir, daß Lothario der Dicptergraf Victor if. Die Fürſtin täufcht in der angenommenen Kleibung Juana's. Er endet als Fatholifcher Geiftlicher. Bortupat verlicet Giammetlen, aber nur, um fie in Dentfland und zu heirathen.

Eichendorff ſchrieb auch zwei contraſtirende Trauerſpiele von ſchoner Anlage, den „Ezzelino von Romano“ 1828.

Ezzelin als echter Eohn feiner wilden Zeit aufgefaßt, der noch wilder als fie, mit ihrer Wildheit fyielt und das ghibelliniſche Ideal eines blühenden teltlichen Reichs im Auge, doch zugleich weiß, daß es nur Hinter Gtrömen von Blut zu erreichen if, in denen er untergehen muß, in bie er ſich aber wie in ein erfrifchendes Bad flürzt.

Dagegen iſt Heinrich Neuß von Plauen im „legten Nitter von Mas tienburg“ (1830)

ein Ideal von chriſtlicher Ritterpflicht und unerſchütterlicher Feſtigkeit im Dienfte des höchfen Herrn, muthig in ber höͤchſten Noth, würbevol im Unglück, ganz ohne Egoismus.

Schade, daß Eichendorff, anſtatt fo viel zu wilhelmmelſtern und zu flernbalben, nit mehr darauf Bebght nahm, ſtarke männliche Charak- tere zu zeichnen. Er Hat auch ein Luſtſpiel geſchrieben, welches den beften ſpaniſchen Stüden an Feinheit gleihfommt, „bie Freier“ (1833). Im Grunde nur eine Wiederholung von Füngers „Mate für Master, aber viel geiftnoller.

Gin junger Graf Bernarb will feine Zukünftige, die er noch nidjt kennt, die fehöne Gräfin Adele, prüfen und Fommt als luſtiger Schauſpieler auf ihr Schloß. Sie felbft aber hat ſich bereits in ihr Kammermäbchen verkleidet und in diefen Masfen verlieben fid beide in einander. Anders aber Hat Cichen— dorff das Rammermädchen behandelt, die Hier (Flora) wenigſtens eben fo geiſtreich if als ihre Herrin und durch ihre Munterkeit ald angeblie Gräfin den Reiz des Ganzen erhöht.

Der Jugend» und Llebesmuth des Grafen, ber Adele, und des Jä- gers Victor, der Floren erobert, ift mit hoher Genialität aufgefaßt und mahnt an Shakeſpeare's befte Luftfpiele. -

J

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In feinen. fpäteren Jahren ſchrieb Eichendorff mehrere Werke über die neuere, vorzugöwelfe die romantifche Poefle, worin er fie vollfommen richtig beurtheilte, das Herrlihe an ihr Hervorhob und gegen DVerun« glimpfung fügte, aber auch ihre Mängel nit mißkannte.

6. Rückfall der Romantik in den Dämonismus.

Da die meiſten Romantiker Proteſtanten und Kinder ihrer Zeit waren, wurden ſie von der alten Kirche, zu welcher doch der Weg aller Romantik führte, nicht mächtig genug angezogen, ja viele wichen ſcheu vor ihr zurück. Weil fle aber die Lichtfelte flohen, geriethen fie in bie Nachtſelte und ihre Phantafle, dem Mittelalter entrinnend, fand einen andern Ausweg als ven in bie Dämonomante des Reformatlonszeitalters. So reproducirte ſich das „Hereinragen ver Hölle In bie deutſche Dichtung“ wie vor breifumbert Jahren jegt wieder In der von Ihrem Ziel rüdmärts "entweihenden, Herabfinfenden Romantik.

Schon in den Nitterromanen, dieſen Ausgeburten der faljhen Ro— mantit, Hatten Geiſter gefpudt. Im Jahr 1808 erſchien Jung-Stillings Theorie ver Geifterfunde, worin gelehrt wurbe, daß die Geifter ver Ber- ftorbenen wirklich erſcheinen Eönnten, während die Mationaliften eine. Menge Bücher verbreiteten, worin umgekehrt ber Geifterglauben ald Wahn und Obfeurantismus verſchrieen wurde In den Jahren 1810-1816 gaben Johann Auguft Apel, Senator in Leipzig, und Friedrich Auguft Schulze (genannt Laun) in Dresden ein Gefpenfterbud heraus, welches echt poetifche Stoffe dieſes Geblets verarbeitete. Am berühmteſten wurde Apels Erzählung „der Freiſchütz“. Vgl. Theil IL ©. 163. „Die Bräu- tigamsvorſchau“ iſt berfelbe Stoff, ven Tieck im „Dolch“ behandelte. Dgl. Theil L. S. 142. Schön iſt „das ftille Kind“ und fehr eigenthümlich nbie Todtenbraut“.

Hildegarbe, die verſtorbene Zwillingsſchweſter Libuſſa's, von ihr nur durch ein kleines Maal am Naden unterſchieden, geht als Geiſt um, wird mit ihr verwechfelt und flört das Glück ihrer Liebe. Am Ende aber entvedt fi, daß es wicht die Todte felbft it, die etwa wie bie Braut von Korinth umgeht,

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fondern eine andere längſt geflorbene Berfon, die verdammt it, fo lange auf Erden umzugehen, bis fie ein liebenbes Paar findet, deren Glück fie nicht gerftören kann. Diefe nun bedient ſich der ſchoͤnſten Leichen jüngft verforbener Mädchen zu ihrem Zweck und fo auch Hildegardens.

Unter allen romantiſchen Dichtern, melde ſich dieſer Vorliebe für das Dämonifege hingaben, erlangte den höchſten Ruhm der ſ. g. Callot- Hoffmann. So pflegt man zum Unterſchied von fo vielen andern Hoffe mannen ben aus Königäberg gebürtigen Bamberger Mufifbirector, fpäteren Berliner Kammergerichtsrath Ernft Theodor Amadeus Hoffmann zu nen« nen, meil er feine erſten poetifchen Gemälde „in Callots Manier“ Herauss gab. Der Lothringer Callot, aus der Zeit Ludwigs XIV., malte höchſt phantaſtiſche und groteske Bilder. Hoffmann war ein nervöſer, über« zeizter Menſch, habitueler Trinker und etwas unheimli in feinem Leben wie in feinen Schriften. Er wußte nicht wie Jean Paul und Tie die rege Einbilbungskraft mit der Wirklichkeit auszuföhnen. Das eigentlich Poetiſche und weſentlich Eigenthümliche bei Callot-Hoffmann if, wie er felbft es in den Seraplonsbrüdern I. ©. 14 gut bezeichnet, „das Entfegen an dem tief gefpenftifchen Philiſtrismus“. Was wir jegt Natur und

Aftäglicgkeit nennen, iſt fo umnatürlih und frembartig, daß bie Bes mwohner- anderer Himmelöförper und unbefangene Geifter ſich daran als an etwas Dämoniſchem entfeen müßten. Daher faßt Hoffmann nit immer das gemeine Leben ald das Gewiſſe und die phantaftifgen Träu— mereien feiner verliebten Jünglinge und Enthufiaften als Wahn auf, fons dern öfter kehrt fi bei ihm das Verhältnig um, die zarte Elbenwelt, die Wunderwefen des Traums werden zum Natürlichen und Wahren und die Hofräthe und Kammerfekretatre und Profefforen zc. werben zu Ge- fpenflern und ungeheuerlihen Wefen. Hier tft ber eigentlich romantiſche Standpunkt, der die Seelenruhe des Glaubens mit der. nationalen Helden» Traft verbindet, ſchon wiedet verloren gegangen, und man fleht deutlich, wie dad poetiſche Vermögen der Neuzeit bie Heiligkeit und Mannhaftigs Teit des Mittelalters nicht vertragen kann und ſich unvermerkt von der Ritterzeit wieder in die Perückenzeit zurückzieht. Callot-Hoffmann wird daher nur noch unelgentlich zu den Romantikern gezählt. In ihm repro⸗ ducirte fi vielmehr der Dämonismus des 17. Jahrhunderts in feiner höchſten poetifhen Blüthe. Das Geheimniß feiner Poefle liegt in dem

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füßen Grauen zauberiſcher Verlockung, in ver ſchönen Angft der Unſchuld vor dem Böfen und in den Capticcios der Diablerien, und indem er desfalls in die Gefühlswelfe einer früheren Zeit über hundert "Jahre zurückgehen mußte, war auch feine Affectation eines altfränkiſchen Co- ſtumes ganz angemefien. Er ſtellt in dem pſychologiſchen Entwicklungs- gange der modernen Poefle ein Höcft intereſſantes Moment dar, aber man begreift, daß er weder recht populär werben, noch in ſich felbit be⸗ friebigt werden Tonnte, weil er ber Gegenwart ſcheu und in fieberhafter Angft entfliehend doch die alte Heimath der Nation nicht hat wiederfinden Können. Die ganze Diffonanz ber deutſchen Nation eoncentrirt fi in Hoffmann. Daß in feinen Erzählungen die Muſik eine fo gewaltige Rolle fpielt, if gewiß eine Notwendigkeit. Alvina weint in der Ges walt des Winterriefen, Diefe uralte Wehklage tönt durch alle Werke des unglüdlichen Amadeus.

Zuerft erfehtenen von ihm: „Bantafleftüde in Callots Manter, Blätter aus dem Tagebuch eines reifenden Enthuflaften. Mit Vorreve von Jean Paul, Bamberg 1814.% \

1. 1) Jacques Callot, eine Betrachtung über biefen Teden Maler. 2) Ritter Gluck. Der Euthuſiaſt trifft im Berliner Tpiergarien mit einem alten Herrn aufammen, und ſpricht mit im über Mufif, trifft ihm wieder im Theater bei der ſchlechten Aufführung der Gludſchen Armide und wird von ihm in fein Haus mitgenommen. Hier fpielt derſelbe bie Armide felbft aufs genialfte dem Entgufinften ge und gibt ſich ihm dann ald der Autor Ritter Olu gu ers fennen. 3) Kreiöeriana. Der Kavellmeifter Johannes Kreisler ergeht ſich ſar⸗ tafifch über den elenden Mufifunterriht, über ven Mißbrauch der Mufit als blohes Unterhaltungsmittel, über die Cparakterlofigfeit und Gitelfeit in den Con⸗ eerten. Goͤchſt ergöglich iſt die ausführliche Vefchreibung eines Berliner Thee mit. obligater Claviermufit der Fräulein Töchter. Dazu eine Charakterifif der genialen Muſik des verfannten Beethoven, mit der Hoffmann in den wil- den Eontraften und Capriecios harmonitt. 4) Don Juan. Der Enthuſtaſt Hört in einer fremben Gtabt biefe Oper und iſt entzüct befonder von ber Donna Anna. Da im Zwifcpenact fleht diefelbe Hinter ihm in der Loge und Täßt ihn in bie Ziefe ihrer mufifafifen Seele bliden. Im derfelben Nacht ficbt fie. Doc; if das bei Hoffmann öfter vorlommende Verklingen des Ser bens und der Stimme Gier nicht die Hauptſache, ſondern ein neuer Schlüffel zum Berfländniß der Mogart’fen Oper. Donna Anne, fept Hoffmann vors aus, Habe den ſchoͤnen heldenmäßigen Don Juan ihrem ſchneidermähigen Bräus tigam vorgezogen, Don Juan ſey wirklich glüclich bei ihr gewefen, und aus

Romantit. 361

Donna Anna's Tönen rebe nicht ber Schmerz über ven Verluf des Maters, fonbern die Verzweiflung ber Liebe. Ich bin überzeugt, daß Mozart, auf den es. allein hier ankommt, der Meinung Hoffmanns nicht geweſen if. 5) Nachricht von den neueſten Schidfalen des Hundes Berganga. Nachahmung der befannten Hunbenovelle des Gervantes, mit Beibehaltung deſſelben Hundes, der ſich Höchft vernünftig über die unvernünftigen Menſchen beklagt und zwar Hauptfächlich wieder, wie Kreiöler, den ſchlechten Geſchmack und die Eitelkeit geifllofer Menfchen, die ſich für Kunſt ald Modeſache enthuflasmiren, geißelt. Ginmal wird er, als eine große mimiſche Künftlerin (die Hendel-Schütz) eine Sphinx darftellt , derſelben gegenüggrgelegt , um fie zu perfifliren, eine fehr gelungene Eatire. Zulept rächt er bie beleibigte Unſchuld und Schönheit, eine

" geile Gäcilie, an ihrem rohen’ Bräutigam, indem er in der Hochzeitönacht über ihn Herfältt und ihn halbtodt beißt.

IL 1) Der Magnetifeur. Die junge Baroneſſe Marie, Geliebte des Hips polyt, wird durch einen gewiflen Alban, ven bämonifhen Magnetifeur, ber gleid) einem Vampyr vor dem Tode das Leben des edlen Mäbchens Iangfam ansfaugt, ihren Verwandten und ihrem Geliebten unvermerft entriffen. 2) Der golbene Vogel, ein Märdjen. Der Student Anfelmns, ein ſchwär⸗ merifcher Jüngling , führt ein Doppelleben in ber gemeinen Welt, und in der Wunderwelt, in der ihn eine reizende Elfin als goldgräne Schlange Serpen- tine verführt. Wie in allen Märchen Hoffmanns ift auch in dieſem der Con⸗ traſt zwiſchen der Profa unferes bürgerlichen Beamtens und Honoratiorens Teens und der poetiſchen Traummpelt mit trefflichem Humor durchgeführt. 3) Die Abentheuer der Sylveſternacht. Der Enthuſiaſt fieht feine Iugendger liebte wieder, wird von neuem vafenb in fie verliebt, findet auch fie ihm zärte lich geneigt, wird aber aus allen feinen Himmeln geriflen durch die Anfunft ihtes Mannes, eines häßlichen wibrigen Gefellen, da er gar nicht einmal gewußt Hat, daß fie verheiraihet fey. Gr trinkt fi Muth in einem Wein⸗ Haufe und geräth hier mit Crasmus Spilher zufammen, ber fein Spiegelbild an den Teufel verloren hat, wie Peter Schlehmil feinen Schatten. Schwache Nachahmung Chamiffo's. 4) Kreisleriana. Wieder mufitalife Klagen und Satiren.

Hierauf folgten „Nachtſtücke“ 1816.

1. 1) Der Sandmann. Gin Geſpenſt des Kindermärchen, das den Kindern Sand in die Augen freuen und ihnen dann die Augen ausreißen fol, um feine Kinder damit zu füttern. Der Knabe Nathanael wird durch bie Er⸗

ſcheinung dieſes Sandmanns, der oft zu feinem Vater kommt, um mit ihm geheim Chemie zu treiben, geängftigt. Gein Vater kommt bei dieſen Vers fügen um. Der Sandmann, Bisher unter dem Namen Coppelius erſchienen, teitt erſt viel fpäter wieder auf als italieniſcher Wetterglashändler Eoppola, der dem Profeflor Spalanzani die Augen für fein Automat, bie wunderſchöne

362 Eilſtes Buch.

und gefangreihe Donna Dlimpia, liefert. In biefe Olimpia verliebt ſich Nathanael und fällt num ganz den dunfeln Mächten anheim, denen er als Knabe faum entronnen war. Zwar ſcheint er von feinem Wahne geheilt und ift bereits Bräutigam feiner Jugendfreundin Clara, ale er von einem Thurm herab den Sandmann wieder erblit und plöglic in den Wahnſinn zurück- fallend erfi bie Braut hinunterflürzen will und da ihm dies nicht gelingt, ſich felbſt zu Tode fällt. Dummheiten, die aber den Wahnſinn der Angft fehr gut bezeichnen. 2) Ignaz Denner. Andreas, ein armer deuiſcher Fäger, heirathet eine Stalienerin Giorgine, mit ber, wie unſchuldig fie ſelbſt auch iſt, doch der Fluch in fein Haus zit, denn ihr Vater iſt der ſchreckliche Räuberhaupfmann Ignaz Denner und ihr Großvater war ein Kerenmeifter, die nun ben guten beutfchen Forfimann mit ihrem Höllentrug umfpinnen, denen er aber doch zulegt mit feiner Ehrlichkeit entriunt, indem er ben ruchlofen Schwiegervater todtſchießt. 3) Die Jeſuitenlirch ein G. Berthold, ber Maler, erſtrebt mit aller Gluth der Seele den Beſih der ſchönen Angeola; taum aber befigt er fie, fo wird fle ihm eben fo verhaßt, als er fie vorher liebte; er ftößt fie mit Füßen von ſich und flirbt im Wahnfinn. 4) Das Sanktus. Der kranfen Bettina Hat der Aızt dad Singen verboten, aber fie bricht das Verbot und fingt ein Sanktus, deſſen Heilige Wirkung fie völlig gefund wieber Herftellt.

U. 1) Das öde Haus. - Theodor ſiht in einer Allee, ald er in einem Haufe der Vorftadt ein Fenſter fid öffnen ficht, aus dem ein wunderſchoͤner Arm hervortaucht.. Bald darauf Hört er eine entzüdende Singſtimme und wird wunderbar von ber unbefannten Schönen angezogen, zumal, ald er ers fährt, das Haus fey gänzlich unbewohnt. MS er enblich in’das Geheimniß deſſelben einbringt, findet er ein altes wahnſinniges Weib darin. 2) Das Maforat. Der Diener Daniel ürzt den Majoratsheren Wolfgang in einen Abgrund, worauf deſſen jüngerer Bruder Hubert erbt. Der alte Böfewicht Daniel wird aber von Gewiflensbiffen geplagt, geht monbfüchtig um und ers ſcheint auch noch als Geſpenſt. Widerliche Greuelgefcjichte, die Vogel fogar auf die Bühne brachte. 3) Das Gelübde. Hermenegilde glaubt in einer Nacht von ihrem geliebten Stanislaus befucht zu werben und wird Mutter. Später erfährt fie, Stanislaus fey in derſelben Nacht weit von ihr entfernt im Kriege gefallen. Der feine Rolle gefpielt, war ein Graf Xaver, welcher ſich nunmehr einbildet, die Fand der Schönen gewonnen zu haben, Aber fie weist ihn mit Abfhen von ſich und geht in ein Kloſter. 4) Das fleinerne Herz. Ein alter Hofrath glaubt ſich ſelbſt als Jüngling geſpenſterhaft zu er⸗ blicken, es ift aber fein früher von ihm verfoßener Neffe, mit dem er ſich nun verföhnt. .

‚Hierauf erſchlenen die „Elixire des Teufels“, 1816, Der Mind Medardus trinkt alten köſtlichen Wein aus einer verbotenen

Romantik. f 363 Blafege, die ſich unter den Reliquien feines Kloſters befindet und angeblich ein Elixir des Teufels enthält. Diefe Meinung feheint ſich zu betätigen, indem er von num an tief in Sünden hineingelockt wird. Er entflicht aus dem Klofter, trifft einen gewiflen Bictorin, Offizier, am Rand eined Abgrundes, weckt ihn, ſieht ihn Hinabflürgen, beraubt den Leichnam feiner Uniform und läßt ihm feine Möndöfutte zurüd. Der Zufall will, daß er dem Offizier ſprechend ähnlich it und von dem Bedienten veffelben immer noch als der alte Herr anerfannt wird (überaus unwahrſcheinlich). Nun lebt er als großer Herr, verführt Aurelien, Victorins Geliebte, und ermordet ihren Bruder. Mbers mals auf der Flucht, wird er am Gofe eines Heinen Fürſten auf's freunde lichſte aufgenommen. Zugleich ‚entvedt er, fein Doppelgänger Bictorin lebe noch, jet in feinen Monchekleidern, indem er feit feinem Sturz wahnfinnig geworben und nachdem er die Kutte, die Medardus weggeiworfen, angezogen Hatte, ſich einbildet, ein Mind zu ſeyn. Zwar wird Mebarbus verbächtig, aber defto glängenber gerechtfertigt, als fein Doppelgänger allein alle Sünden auf fi nehmen muß, Als Bictorin als vermeinter Mörder zum Tode geführt wird, erbliett ihn der wirkliche Mörder Medardus vom Fenſter aus und wirb von dem Anblick felber fo wahnfinnig, daß er Murelien den Dolch in bie Bruſt Rost. Bon feinem Wahnſinn geheilt, findet er ſich in einem Kloſter in Italien wieder, thut Buße und Fehr in fein deutſches Kioſter zurüd. Aurelie war nicht tobt; er findet fie als Nonne wieder. Sie wird aber zu guter leht doch noch von dem wahnfinnigen Victorin erdolcht und bleibt diesmal wirklich. BVictorin und Medardus find Brüder, heimlich von demſelben Vater gezeugt, daher ihre Aehnlichkeit. Das Elirir ift nichts Teufliſches, fondern einfacher Bein, aber in der Berlodung zur Sünde liegt das Teuflifce.

„Seltfame Leiden eines Theaterdirektors“, 1818.

Im Schloßhofe einer Reſidenz treffen zwei wunderliche Gaͤſte zufammen, die fih beide als Schaufpielbireftoren zu erkennen geben und einander ihre Leiden Hagen. Der eine gehört zu ben Gebulbigen und Raffinirten, ber ans dere zu den zornigen Enthufiaften und Idealiſten. Alles, was fie fagen, if voll Wahrheit und dharafterifirt bie Verdorbenheit der Theater vortrefflich.

„Die Serapionsbrüder“, gefammelte Erzählungen und Märden, 1819. Mehrere Berliner Freunde bilden eine ſ. g. Serapionsbrüder- ſchaft zu Ehren eines zum Einfievler gewordenen wahnfinnigen Grafen- Serapion. Sie theilen einander ihre Erzählungen und Märden mit und unterreden ſich in der Zimifchenzelt von allerlei, was ben Verfaffer ber ſonders intereſſirt, namentli von Muſik, Somnambulismus, Theater 2r. -

Die erſte noch in den Text verflochtene Erzählung Handelt von einer Sänz gerin Antonie, deren Seele mit einer Geige dergefalt ſympathiſitt, daß fie

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ganz von berfelben abhängt. Mntonie kann nicht mehr fingen, man ftimmt die Geige an und fie fingt wieder. Endlich flicht fie im füßeften Tone. Die Erzaͤhlungen mit Ueberfchriften find: I. 1) die Fermate und 2) der Dichter und der Gomponift, beide enthuſiaſiſch für Mufil. 3) Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde. Im Berliner Thiergarten kommen drei Breunde zuſammen, erbliden ein allerliebftes Mädchen und verlieben fi, Zwei von ihnen tappen in Einbildungen von ihr herum, nur ber britte, Alexander, findet und’ heirathet fie und überrafcht feine beiden Freunde zwei Jahre fpäter an dem naͤmlichen Plage im Thiergarfen mit feiner hubſchen Frau. Das An- ziehendſte in dieſer Erzählung iſt' die Befignahme bed Grbed einer alten Jungfrau durch ihren jungen Neffen, wie er zum erflenmal ‚in das Heiligthum ihrer Wohnung tritt und in berfelben durch geſpenſtiſchen Spuck geſtört wirb. 4) Der Artushof, eine der anziehenbflen Grgähfungen. In dem berühm: ten Artushofe zu Danzig zieht den jungen Kaufınann Traugott das Bild eines Sünglings neben einem Alten in dem großen Wandgemälde auf's wunderbarfte an. Gr copirt es, alle Gefchäfte darüber vergeſſend, und fiehe da, plöglic Rehen die Driginäle des Jünglings und des Alten lebendig vor ihm. Gs if ein italienifcger Maler und fein Sohn, ber ſich aber, ald Traugott in feine Bohnung eingelaflen wird, in eine Tochter verwandelt. Seitdem taumelt Traugott in verliebter Phantafterei umher, wird Maler und fucht feine Ges liebte in Italien. Gnblich erfährt er, fie habe Danzig gar nicht verlaffen und dort geheirathet. Da heirathet aud er eine Andere. Matter Schluß eined‘ ſehr fpannenden Anfanges. 5) Nußfnader und Mäufelönig Die Kinder Fritz und Marie warten im Dunkeln auf das Deffnen ber lichthellen Zimmer mit den Weihnachtsgeſchenken. Unter biefen findet Marie einen hübſchen Nußfnader, in ben fie ſich verliebt. Sie Tann nicht ſchlafen, Mäufe ſchrecken fie bei Nacht. Daraus enifpinnt ſich ihr ein fleberhafter Traum von einer Schlacht des Nußfnaders, der Puppen und Tragantfiguren mit ben Mäufen, und ein Märden, in welchem der ibealifite Nußfnader als ein Neffe des Pathen Droſſelmeyer auftritt. Als das Mädchen von ihren Fieber träumen geneft, ift ein leibhaftiger Neffe angelangt, der Mariens Bräutis gam wird.

U. 1) Der Kampf der Sänger, die berühmte Sage vom Saͤngerkrieg auf Wartburg und’ von ber Todesgefahr Heinrich von Ofterdingen und vom Baus berer Klingfor. Sehr gut vorgetragen. 2) Die-Automaten. Cine nächte liche Erzählung wie der Sandmann, nicht ganz vollendet. Gin Profeſſor hat ein ganzes Concert aus Automaten fabriziet wnd es Handelt fih mm das Schauerliche, das darin liegt, wenn die lebendige Menfchenftimme durch tobten

Mechanismus nachgeahmt wird. 3) Doge und Dogareſſa. Der greife Doge von Venedig, Marino Balieri, erhebt die arme’ aber ſchoͤne Annunziata

« au feiner Gemahlin. Aber fie liebt Heimlih den jungen Antonio. Die Haupt: ferne iſt bie, in welder Antonio in der Tracht eines Gonbelierd bei dem

Romantik. 365 großen Feſt vom Marfusfhurme an einem Selle herabgelaffen an ber ſchö⸗ men Dogareffa vorbeiſchwebt und ihr nach der Vollsſitie im Namen ber Gonbelierzunft einen Blumenſtrauß überreicht. Später wirb ber greife Doge, teil er die Ariftofratie Rürzen wollte, hingerichtet, Annunziata flieht mit ifrem Antonio, beide kommen aber im Meer um. Die alterthümlice Pracht Bene digs und feiner Fefte und bie Sehnſucht ber Liebenden ift gleich gut aufgefaßt. 5) Meifter Martin der Küfer und feine Gefellen. Der reiche, flolge, ehr⸗ liche Meifter Martin hat eine wunderſchöne Tochtet Rofa, aus Liebe zu welder der Ritter Eonrad, der Patrigier Reinhold und ber Gilberarbeiter Friedrich

als Geſellen in die Lehre gehen, weil er die Tochter nur einem Küfer geben will. Aber nur Friedrich hält aus, gewinnt bes Maͤdchens Liebe und wird, weil er wenigftens ein bürgerlicher Gewerbömann bleibt, ihr Gatte. 5) Das fromme Kind. Felix und Chriftlieb, bie Kinder des auf einem eins fomen Landgute Iebenden Herrn von Bradel, finden im Walde ein Glfenfind, mit dem fie in innigfier Gemeinfhaft und in einer Wunberwelt Ieben, aus der fie durch einen aus der Stadt verſchriebenen Hofmeiſter, Magifler Tinte, ges tiflen werden, der eben fo ber Vertreter aller ſädtiſchen Unnatur und Profa if, wie das Glfenkind Vertreter der Natur und Poefie. Am Ende gibt ſich der Magifter Tinte als eine große Brummfliege zu erkennen und wird vom Hofe gejagt, indem der alte Here von Bradel ihm mit der Fliegenflatfche nachläuft. Aus der Wunderwelt qber erfährt man, er fey her boͤſe Genius Pepſer und der Sieg über ihm durch eine Fee bewirkt worden. Gine ber. Beften, wo nicht die deſte Erzählung Hoffmanns; ſowohl der Gegenfap von Säule und Natur, ald die kindiichen Gefühle überhaupt find hier höchſt reizen audgedrüdt. ,

II. 4) Die Brautwahl. Albertine Voßwinkel erfcheint hier als bie tra⸗ veſtitle Portia. Bildſchon und reich wird fie.von drei Freien begehrt, einem gelehrten Pedanten, Geheimen Ganzleifefretär Tusmann, einem fübifchen Baron Dümmel und einem jungen Maler, Edmund Lehfen, den’ fie liebt. Der Bater läßt drei Käſtchen Hinftellen und bie Freier wählen; wer das waͤhlt, worin Albertinens Bildniß if, ber fol fie Haben. Auf dem goldenen Kaſtchen ſteht: wer, mich wählt, Glück ihm nach feines Sinnes Art. Der Baron wählt €8 und findet eine Feile, welche die Eigenfchaft Hat, daß die damit abgefeilten Dufhten immer vollwigptig bleiben. Auf dem filbernen Käſichen fleht: wer mic) erwaͤhlt, befommt viel mehr, als er gehofft. Der Pebant wählt es und findet ein Zauberbuch, welches die Cigenfchaft Hat, ſich in feiner Tafche in jedes beliebige Buch, das er wünfcht, zu verwandeln, woburd er in ben Befig der reichſten Bibliothek kommt. Im dem elfenbeinernen Kaͤſtchen ſteht: wer mic) erwählt, dem wird geträumte Seligfeit. Der Maler wählt es und findet darin das Bild.’ Alle find zufrieden. Der Schwanf if koͤſtlich erzählt. 2) Der unheimliche Gafl. Angelifa, die Somnambule, ein ebles Fräulein, die einen Offizier liebt, aber durch einen ilalieniſchen Grafen ©., der fie als

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Magnetifeur durch die magiſche Gewalt feiner Blide berückt, eine Zeitlang wie bezaubert und dem Geliebten Morig entfremdet wird, bis der Magnetifeur felber flirbt, worauf -etwas in ihr wie ein Eryftall zerfpringt, der böſe Zauber gelöß ift und fie ihrem Geliebten wiebergegeben wird. 2) Das Präulein von Seuderi. Das als Romanſchreiberin berühmte Fräulein empfängt in Baris unter Ludwig ZIV. auf geheimnißvelle Art einen koſtbaten Juwelen-⸗ ſchmuck. . Seit einiger Zeit waren bie Befiger neuer Schmudfachen in ben Straßen erdolcht worden und Fein Liebhaber getraute fih mehr, feiner Ger liebten einen Schmuck zu bringen. Das Fräulein Hatte bei Hofe etwas ſpöͤttiſch bemerkt: ein Liebhaber, der ſich vor Dieben fürchtet, ift Feiner Liebe werth. Das Fam den unbekannten Räubern zu Statten und zum Lohne ſchidten fie dem $räulein jenen Schmud. Bald darauf aber wird fie heimlich gewarnt, fie möge doch ja den Schmud dem Juwelier, der ihn verfertigt, Rens Cor⸗ dillac, zurüdfegiden und in der nächften Nacht wird derfelbe Corbillac in ihrer Straße ermordet gefunden. Als fein Mörder‘ wird fein Gefelle Olivier anger klagt, der feine Tochter Mabelon Hatte Heiraten follen. Aber er, wie Mar delon’, behaupten Randhäft feine Unfchuld. Endlich enthüllt Olivier dem Fräu lein in einem’ geheimen Geſpräch die ganze Sache. Cordillac war fo wahns finnig in feine Arbeiten verliebt, daß er fie Niemand laffen konnte und Jeden, der einen bei ihm beflellt Hatte, ermorbete, um ihm den Schmuck wieber abs zunehmen. So hatte er dem Bräulein-den Schmud zwar geſchenkt, konnte ſich aber nicht überwinden, ihm ihr zu laſſen und wollte fie umbringen. Dli- vier ſtellte ſich des Nachts an ihre Thüre, fie zu retten, Gorbillac wurde aber von einem Anderen erſtochen. Diefer Andere, ein Edelmann- meldet ſich und

- fomit wird Dlivierd Unſchuld Alar und er wird noch Madelons glüdlicher Gatte. 4) Spielerglüd. Der junge Sigfried iſt reich und denkt nicht an die Luft des Spieles, als ei Zufall ihn zu der Entdeckung führt, das Glüd ſey ihm gewogen und verlaffe ihn mie. Er gewinnt für einen Anbern im Spiel eine ungeheure Summe und wird nun erſt ſelbſt Spieler. Aber ein alter Spieler ſtellt fih ihm warnend entgegen und erzählt ihm feine Geſchichte. Es iR der Ehevalier Menars, der unter ganz ähnlichen Umftänden, vom Glüd verführt, Spieler von Piofeſſion wurde, dann auf einmal Unglüd Hatte und in der Wuth des Spieles fein lettes, fein treues und geliebtes Weib Angela, auf die Karte ſehte. Cr verlor und führte den Gewinner zu feiner Angela, damit er fie Habe, aber fie war tobt. Er hatte fie umgebracht.

IV. 1) Signor Formica. Der berühmte Maler Salvator Rofa ift ſchwer erkrankt. Der Funftliebende Doctor Accoramboni hat ihn halbtodt curirt, wie ex alle Maler behandelt, um ihnen durch die Kurkoften Bilder abzupreflen. Der junge Maler Antonio Scacciati, der früher Wundarzt gewefen, rettet ihn. Dafür fteht ihm Roſa bei, den alten geizigen und verliebten Capımyi zu übertölpeln, deſſen ſchöne Nichte Marianna Antonio liebt. Dies gelingt ihm hauptſachlich mit Hülfe des Signor Bormica, eines berühmten geiſtreichen

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Schauſpielers. Das Luſtigſte iſt, daß ber Alie feine Nichte mit Antonio auf dem Theater auftreten fehen muß. Gr will aus dem Parterre hinaus auf bie Bühne, aber man Hält ihm zurüd und bie Siebenben entfliehen. Später wer⸗ den fie durch Rofa noch mit dem Alten wieder verföhnt.. 2) Erſcheinungen, eine Grinnerung aus dem Jahre 1813, von einem Ausfall der Franzoſen und von einem wahnfinnigen Bettler handelnd. 3) Der Iufammenhang ber "Dinge. Edgars Abentheuer in Spanien unter dem Guerillaführer Empecis nado, feine glüliche Liebe und Vermaͤhlung mit Donna Emanuela, werden von Edgar felbft in Deutſchland erzäßlt. „Unter den Zuhörenden glaubt Lud⸗ wig, die ſchone Victorine Tiebe Edgar, während nur er ſelbſt es ift, der von ihr geliebt wird. 4) Die Rönigebraut, Anna von Zabelthau, ein gutes eihtliches Landfräulein, liebt nichts mehr als ihren Rrautgarten, wird von dem die Gemůſewelt beherrſchenden Elfenkönig Daucus Carota mit phantaſtiſchen Zaubereien umgeben und zur Braut erwählt; aber ber Sauber wird bald wieder Iuftig gelöst, fie faͤlt in bie ganze Profa des Lanblebeng zurüd und heirathet einen irdiſchen Liebhaber.

„Klein- Zaches, genannt Zinnober“, ein- Märden, 1819.

Ein altes Weib beklagt fi) über ihr Wechſelbälgchen, einen feinen über aus haͤßlichen Knaben. Aber eine Bee kommt, kammt das Kind und beſchenkt es mit der abe, daß alles Gute und Schöne was Andere thun, von ihm geglaubt werben fol. Der Heine Zaches tommt nun unter dem Namen Zinns ober auf bie Univerfität. Fabian, ein mitleidiger Student, Hilft dem Knirps auf ein Pferd und belacht feine Ungeſchiclichkeit und Swerghaftigfeit, nachher aber hört er, baf Jedermann biefen Zwerg für den beften Reiter in der Stadt Hält. Balthaſar, ein anderer Student, zum Sterben verliebt in die Profeflord« tochter Candida, liest biefer und dem Gefellſchaftskreiſe ihres Waters fein neuefted Gedicht vor, und ‚alles wird bezaubert und bricht in Bewunderung Sinnobers aus, denn jeder bifdet ſich ein, Zinnober ſey der Dichter. Candida fügt. ihn fogar, und Balthafar ſtürzt in Verzweiflung hinaus. in feember Virtuofe geigt und alles jauchzt Zinnobern Beifal zu. Gin Miniker liest dem Pürften ein Promemoria vor und der Fürſt dankt dem Zinnober und ſchenkt ihm den großen Orden. Unter biefen Umfländen wird Zinnober felbft Miniſter und Bräutigam der ſchönen Candida. Dem unglüdlichen Balthaſar aber fleht der Doctor Proſper Alpinus bei, der das Fräulein von Rofenfchön (die Fee Rofabelverde) durch Gegenzauber überwältigt und zwingt, ben häß- lichen Zinnober nicht mehr zu befhügen. Nun erden biefem, gerade als er Hochzeit feiern will, durch Balthafar die drei rothen Haare ausgeriſſen, durch welche bie Berblendung der Menfchen bewirkt worden war, und plöglich wird er von Jedermann als das haßliche Altaͤunchen erfannt, das er if. Alles ver: _ abſcheut ihn, er muß flüchten und enbet fein Lehen in einem Nachtgeſchirr. Balthafar und Candida Heirathen einander.

368 duſtes Buß.

„Lebensanſichten des Kater Murr nebft fragmentariſcher Biographie des Kapellmeifters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern®, 1820. In der äußern Form Jean Paulſche Blzarrerie. Der Kater er⸗ zählt feine Geſchichte in abgeriſſenen Handſchriftsblättern und zwiſchen jedem Fetzen tft ein Makulaturblatt eingeſchoben aus einer Blographie des I. Kreisler, fo daß beide Geſchichten in einander verflochten find.

Der Kater erinnert an einigen Stellen an Tiecks geftiefelten Kater, indem Hoffmann das Kapennaturell humoriſtiſch auffaßt und in feinen Feinheiten lebendig darzuftellen bemüht if. Er ſchildert feine Jugend von ber erſten Blindheit an, feine zaͤriliche Mutter, einen gutherzigen Pudel, der mit ihm in demfelben Haufe lebte und bald fein Freund wurbe, feine erfle Liebe zu einem mieblichen Kaͤhchen, «die ihm aber durch einen färkern Nebenbuhler abfpenflig . gemacht wird, feine Bekanntſchaft mit dem glücklichen Nebeubuhler und Aufe nahme durch denſelben in ein Burſchencorps von jungen Katern, wobei bie Stubentengebräudhe perfiflirt werben, ein Duell auf den Biß, das Wieder ſin / den, feiner Tochter Mina am Grabe bes Nebenbuhlers, und eine neue poer tiſche Liebſchaſt mit der fenfimentalen Kape Minona. Dann erfahren wir nur noch, der Kater ſey geflorben. Das Ganze ift in der glüclichften Laune ges ſchrieben, doch bie Erfindung oft zu willführlid und bie Ausführung zu breit. Bine der hübſcheſten Epifoden if die Geſchichte des Hundes, ber feinem Herrn, dem Profelor, ald berfelbe eben mit feiner fhönen Gemahlin Lätitia in der größten Zärtlichkeit begriffen ift, einen Handſchuh apportirt, den ein Baron unter dem Sopha ber Frau Profeflorin hat liegen laſſen. Der Pros feffor wirb wüthend eiferfüghtig, aber die Damme weiß ihm zu beſchwichtigen und niemand wird beſtraft, als der arme Pudel, den nun Herr und Frau wette eifernd mißhandeln. Johannes Kreisler lebt, als genialer reiſender Rapells meiſter eine Zeitlang am Hofe des Heinen Fürſien Irenaus und bezaubert durch feine mufifalifcpe Wundergabe und intereffante Perfönlichkeit nit nur das Hoffräulein Julie von Benzon, fondern auch bie Prinzeffin Hedwig. Aber der italieniſche Prinz Heftor wirb Bräutigam der Ieptern und flellt zugleich der erſtern nach. Kreisler ſchreckt ihn durch eine Erinnerung an Stalien, wird aber dafür im Walde banditenmäßig überfallen und durch einen Schuß für tobt Hingeftredlt. Er erholt ſich wieber und Hält ſich in einem Kofler auf, wo er wieber mufleirt. Der Prinz flieht anfangs, kehrt aber heimlich zurüd und erhält wirklich die Hand Hedwiga's. Die Ieptere wird von ihrem Starrkrampf geheilt, von dem fle feit Kreislers vermeintlichem Tode ergriffen war. Julie fol den blödſinnigen Bruder Hediviga’S Heiraten und dadurch um fo ſicherer eine Beute ihres Fünftigen Schwagers werden. So wird es Kreielern geſchrie⸗ ben. Hier bricht die Gefchichte ab und wir erfahren nicht, was Kreisler etwa dagegen zu wirfen vermocht hat. Kreislers Freund und Gorrefpondent, ber

Romantik. 369

Meifter Abraham if. mit feiner mignonartigen Pflegelochter Chiara, bie er in einem engen Kaften eingefehloflen als „unſichtbares Mädchen“ herumführt und orakeln läßt, der Held einer Epifode. Daran ſchließt fih die Erzählung eines von dem Prinzen Heftor in Stalien begangenen Mordes. Confuſes und uners quidliches Zeug.

„Prinzeſſin Brambilla“, 1821. Ein Capriccio.

Giaeinta, die hübſche römiſche Puhmacherin, probirt das Prachtkleid an, das ſie gefertigt, und gleicht einer Prinzeſſin. Ihr Liebhaber, der arme Comoͤ— diant Giglio dava erblidt beim Garneval den phantaſtiſchen Zug der Prins zeſſin Brambilla, in die er ſich fofort ſterblich verliebt, wobei er ſich ſelbſt für einen Prinzen der Märchenwelt Hält. Gin alter Herr begünfligt bie poetiſche Illuſion, aus der fie ziwar geriffen werben, bie fie aber mit Bewußtſeyn forte fegen, indem beide Liebende, Giacinta und Giglio, ald Colombine und Arlelino in der comedia del’ arte freiwillig und mit dem Töftlichften Humor die Mär chenrolle fortfpielen. Einige phantaftifche Skizzen von Eallot Haben bei Hoffe mann biefes geiftvolle Capriccio hervorgerufen. Es ift unverantwortlich, daß in der Reimer’fchen Ausgabe die Kupfer fehlen. "

nMeifter Floh“, ein Märchen 1822.

Der Floh verliebt ſich in Alinen, bie au als Doͤrtchen Everding in Hols land und als Pringeffin Gamaſch auftritt, ihn aber grauſam einem Mechani- «us außliefert, der ihn in golbne Kettchen legt und an ein Wägelchen gefpannt dem Publikum vorweist. Herr Peregrinus Tyß wird fein Retter und biefem erzäßlt er feine tragifomifepen Begebenheiten. Diefes Märchen befrievigt nicht. Wenn ein Floh redet, fo in das marchenhaft genug, des @eifter- und Pringeffinnenwefend bebarf es da nicht mehr. Wo ein Floh bie Hauptperfon it, muß nicht das phantafifch Romantifäe, ſondern der chniſche Humor vor- walten. Gine hübſche Fleine Epiſode ift die Erzählung vom Schneider, dem ein Apothelerburſche anftatt Schnaps brennbare Luft eingab, wovon ex hoch in die Luft hinaufgetrieben wurde, oben verbrannte und als Meteosflein wieder herabfiel.

Die Tepten Erzählungen Hoffmanns find im 11. und 12. Bande feiner fänmtlicgen Werke, Berlin 1825 als Supplemente erfihtenen. Sie find ſehr ſchwach.

4) Der Doppeltgänger. Zwei, die ſich ſehr gleich ſehen, lieben Cine, bie aber feinen nimmt, fondern ins Klofter geht. 2) Die Räuber. Zwei Reifende gerathen unter die Schiller/jchen Räuber. 3) Die Jerungen. Gin Berliner Junker verliebt fi in eine angebliche Fürftin aus Griechenland, es ift aber nur ein Schichſelchen. 4) Der Glementargeifl. Cine rothhaarige, dicke ſtrumpffttickende Baronefle erfcheint ald Elfe. 5) Datura fastuosa. Die Ber

Menzel, deutſche Dichtung. m. 71

370 iiftes Bu.

Tobung eine& deuffchen Studenten durch eine jeſuitiſche Propaganda. 8) Jo⸗ Hannes Wacht, ſchwacher Pendant zum Meifter Martin.

Ein jämmerlier Nachahmer Eallot-Hoffmanns war Weisflog, ver eine Menge Lefefutter in die Leihbibliotheken geliefert hat, aber ganz ohne eignen Geift fein triviales Gefäwäg nur mit einigen von Hoffmann geſtohlenen Wunderlichkeiten würzte.

Ein ſehr merkwürdiger Dichter mar dagegen Adalbert von Cha- miſſo, nicht blos wie Fouqué franzöſiſchen Urſprungs, ſondern in Frankreich ſelbſt geboren. Als Knabe ſchon während ver Revolutlon emigrirt, wurde er in Berlin ganz zum Deutſchen, ſo daß er ſogar als deutſcher Liederdichter einen hohen Rang einnahm. In mehreren ſeiner Dichtungen theilt er den patriotiſchen Schmerz der Deutſchen. Doch ver- mied er, gegen ſein Vaterland zu fechten, als die Deutſchen ſich gegen Napoleon erhuben, und brachte dieſe Zeit über auf einer Weltumſeglung (auf dem ruſſiſchen Schiff Otto's von Kotzebue) zu, die er ſchön beſchrieben Hat und in deren Folge er als Naturforſcher die übrigen Jahre feines Lebens im botaniſchen Garten in Berlin unter den Erinnerungen ber fremden Welttheile wohnen Eonnte. In feinen Dichtungen ceontraftirt eine milde Zartheit des Gefühl mit grellen Aeußerungen des Sarkasmus, ja oft mit einem Wohlgefalen am Schmerz, am Gräßligen und Tollen. In der legten Beziehung ſcheint fein Landsmann Beranger Einfluß auf ihn gehabt zu Haben. Aber au Lord Byron.

Ehamiffe’s Invalid im Irrenhaufe, fein Bettler, der fih aus Clend ums bringt und um ben Niemand trauert, als fein Hund ıc., erinnern ganz an Beranger. Aber Chamiſſo Hat tieferen Ernft und klagt wie Byron über ben Völfermord,' die Bölfernothzucdt. Alle unterbrüdten Bölfer, von den India— nern und Negern an bis zu ben Polen und ben Branzofen ber Reſtaurations— zeit wecken fein tiefes Mitgefühl. Mit Herzzerreißenden Romanzen voll ber düfterfien Gemälde läßt er fobann Satiten wechſeln, unter benen das Lieb vom Sopf fah zum Volksliede wurbe.

'S war einer, dem's zu Herzen ging, Daß ihm der Zopf fo Hinten Bing, Der Zopf, der hängt ihn Hinten ac.

Große Beliebtheit erlangte dad moderne Maͤrchen Chamiſſo's „Peter Schlemihl⸗.

Peter iſt arm, der Teufel kauſt ihm um große Glücksgüter feinen Schatten

Romantik. . 371

ab, aber Peter erkennt jept er, mas für eine unentbehrliche Sache der Schatten fen, denn er barf ſich im Lichte gar nicht mehr bliden laſſen, ohne wegen feines Schattenmangeld verhöhnt, wo nicht als verflucht gemieben zu werden. Endlich fommt er in eine wahnfinnige Angft und will um jeben Preis feinen Schatten wieber haben, den ihm ber Teufel höhniſch vorzeigt, aber nicht erreichen läßt. Endlich wird er durch ben Gewinn von Giebens meilenftiefeln getröftet, mit denen angethan er fi die Welt beficht. Cha⸗ miffo Hätte diefen Stoff im Geift der alten Teufelöfagen durchführen und nicht in fo phantaſtiſcher Willkühr enden follen. *)

Laurißz Kruſe ſchrieb felt 1822 eine Unzahl gräßliger Criminal- geſchichten, denen er aber den Reiz des Geheimnißvollen und Dämoniſchen zu geben fuchte, im Webrigen ohne Geiſt. '

Das ſchwarze Herz, bie Klofterrnine in Norwegen, ſchweres Mitwiſſen, die Rache, ber Verfchollene, das Judasbild, das geheimnißvolle Haus x.

Ein noch roherer Fabrikant von Eriminals und Gefpenſtergeſchichten war Tarnowski ſeit 1840.

Eine eigenthümliche Stellung nahm Sufinus Kerner, Art in Weinsberg, ein. In feiner Jugend ſchon dem romantiſchen Kreife in Heldelberg befreundet, fämpfte er als trefflicher Humoriſt mit gegen bie Phitifter, ſchwärmte aber zugleich für Magnetismus, Gelfter- und Dä- monenmwejen unb wurde weltberühmt durch fein Buch über die „Seherin von Prevorft“, eine arme Frau aus dem Württembergifhen, deren Bis flonen zc. im fomnambulen Zuftande er niederſchrieb. Im feinen fhönen Igrifehen Gedichten bemerkt man aber weder von jener Satyrmaske, noch von dieſer Schmärmeret etwas, fie find vielmehr von einer anſpruchsloſen füßen Zärtlichkeit erfüllt für alles, was er liebt, ober von Wehmuth über die Flucht der Zeit, über die Menſchen und Dinge. Am rührenditen

ſind die Lieder, die er ſeiner mit ihm alternden treuen und vortrefflichen Frau gewidmet hat, dann die auf die Leiden ſeines Standes Bezug Haben „der Arzt und fein Hündchen“ und „Arzt und Pferd“. Auch

=) Denfelben Stoff behandelte ſpäter der Däne Anderſen auf andere Art, Gr fFildert einen Hypogondrifgen dänifen Gelehrten, dem fein Sqhatten bavomläuft und @Ldd in der Belt mait, während das Criginal unglüclid wird. Cine ganz vom gefunden Moden ber Sage fi entfernenbe Ppantafterei. Brunold in feinen Märchen (Berlin 1845) wendet ben Stoff wieder anders um und läßt dem Teufel ben Leib eines ihm Werfallenen, wahrend bie Seele defjelben im Schatuen fi rettet und korperlos umperisrt. 24°

372 Diiftes Buch.

dichtete Kerner einige fHöne Romanzen, z. B. der Geiger von Gmünd (die Sage von der h. Kümmerniß vgl. Theil L ©. 296), und St. Alben.

Als dieſer Heilige ind Land Fam war alles Wilbniß, fobald er aber des Satans Bild auf dem Belfen mit feinem Hammer zerfchlagen und das Kreuz an feine Stelle gefegt, verwandelte ſich bie Wildniß in ein lachendes frucht⸗ bares Land. .

Darin liegt die Ahnung, daß die Macht des Kreuzes auch einmal die heidniſche Wildniß unfrer Dichtung reinigen werde. Kerner ſchrieb aud in Profa Humoresken, die Hin und wieder an Jean Paul und Ealot-Hoffmann erinnern, doch aber fehr eigenthümlich find. Im ben „Reiſeſchatten“ (von 1811) ſchildert ex eine phantaftifhe Reiſe, worin alle Arten von gelehrten und ungelehrten Philiftern höchſt ergöglich ver- ſpottet werben.

Conducteur bed Poſtwagens ift der Verleger mit den geftorenen Augen- brauen (ber felige Gotta). Wie viele wirkliche Berfonen ber Dichter in dieſen Schatten noch vorführte, iſt den fpäteren Generationen nicht mehr erfennbar. Die Reife nimmt einen tollen Berlauf. Chineſiſche Schattenfpiele werben aufe gefüßrt, worin bie Perfonen beliebig in eine zuſammenſchmelzen und wieder in viele auseinanbergehen ꝛc. Die Sonnenfungfrau von Kopebue fol aufgeführt werben , voll tieffter Erwartung fügen die Philiſter da, aber ein Corps Stu— denten Hat die Musgänge befept und erzwingt bie Aufführung eines anderen Stüdes, zur Verzweiflung der Philiſter, welche zufehen müffen. Das Stüd Heißt: der Tobtengräber von Belbberg. Befagter Tobtengräber kann der Grä- ber wegen bie Erbe nicht mehr auöfehen und will durchaus fliegen. Endlich bringt er aus Wuth Weib und Tochter um, wird gehenkt und Iernt nun am Galgen fliegen. Seine Tochter Hatte einen Poeten zum Liebhaber, den ihr ber Gärtner in einem Blumenferben brachte. Aus den Gräbern fleigen zwei ZTobtengerippe, vormals Liebende, bie fih immer noch Tiebfofen ꝛc. Nachher lernen wir ben Chemicus Staubenmeier Tennen, der fi ein Haus aus lauter Surrogaten baut, in welchen, zum Ruhm ber menſchlichen Intelligenz, die ed fo weit gebracht hat, daß nichts Natur, fonbern alles falſch if, fein wahrer Stein, Fein wahres Holz, fein wahrer Kalk, ein wahres Gifen x. Später finden wir einen Pfarrer und einen Brunnenmacher in einem Gafthof belagert, weil die Leute glauben, fle feyen von einem tollen Hunde gebiflen wor⸗ den. Wüthend ſchreien fie nach Gflen und Trinfen sc. Noch wahnfinnir ger wird der Spud, als nächtlicherweile die Wirthshausſchilder fih von ihren Häufern losmachen und einen grimmigen Kampf beginnen, das Lamm vom Bären zerfegt, biefer vom Löwen angegriffen, alle aber vom @lephanten ums {lungen werben, indeg ber goldene Eſel den grünen Rezenfenten frißt x

Romantit. 373

Die „Heimathlofen" enthält bie Geſchichte des Serpentin und ber Sililie, eine Phantafle in Callot:Hoffmanns Style. „Ein aͤrztliches Spiel.” Der Kranfe flirbt, während der feelenlofe Arzt nur von feiner Kunft fortplappert, „Der Bärenhäuter im Salzbade.“ ine dramatiſche Poſſe. Ein Schneider wird vom Teufel zum Bärenhäuter gemacht und bringt in einem Babort alles durcheinander, bis ihm der Teufel wieder als armfeligen Schneider demaskirt, in einen Bock vertvanbelt und auf ihm durch alle Lüfte davonreitet.

3 Schihfalstragödien und romantifcher Modekram.

. Die legten Verirrungen ver Romantik maren gleichzeitig in ben zwanziger Jahren bie Schiefalstragöbten, in denen die vor dem Kreuze fliehende Romantik, nachdem fie durch die neue Gefpenfterangft gegangen war, ſich dem antifen Batum ergab, und bie Zurehtiäneldung roman⸗ tiſcher Stoffe für das große Publikum als Eurze Nürnberger Waare und Kinberfpielzeug mit Goldflitter in ven Taſchenbüchern.

Die Schiefaldtragäbien gingen von Zacharias Werner aus, einem Köntgäberger, der 1810 katholiſch wurde und 1823 als Redemptoriſt farb, aber auch nad feiner Belehrung, wie vorher, 518 zum Unfinn überfpannt war. Beitgenoffen rühmten feine geiftreihen Predigten, aber "mas er und In Berfen hinterlaſſen Hat, if Geheimnißfrämerel und Wunderſucht, indem alle feine Helden und Heldinnen willenlos als bloße Puppen von Schickſalsmäͤchten regiert werben. Sein erſtes großes Trauer⸗ ſpiel erſchien ſchon 1803 und war eine Verherrlihung ver Maurerei: „Die Söhne des Thals“ in zwei Theilen. 1. Die Templer auf Cypern. Schon find bie Tempelherren aus bem 5. Sande vertrieben und haufen guf Cypern, ſchon if ber Orden innerlich entartet, ſchon lauert Philipp von Frankreich im Ginverfländniß mit dem Bapft, den Orben anzuflagen, zu vernichten und feine Gchäge zu rauben, als noch ber Großmeiſter Jakob von Molay mit wenigen treuen Freunden bas Ideal des Ordens, ben Aufbau eines großen Tempels der Menfchheit, feſthaͤlt. Ueber den Wiflenden des Tempelordens flehen aber noch bie „Söhne des Thals“, ein uralter Orden, ber bie ältefle ägyptiſche Weißheit noch im Chris ſtenthum forteultivirt, fofern Iſis nur die Madonna, ihr Sohn Horus nur Chriftum vorbedeutet. Den Söhnen des Thals ift die Herrfchaft über bie

374 , Eilſtes Bu.

Natur verliehen, weil ihnen das Geheimniß Flat geworben, daß bie ewige Liebe mit der Mutter Natur und ber ewige Geift mit ber Sonne iventifch if. Molay Eennt felber die Geheimniffe des Thales nicht, wird aber von ber uns fihtbaren Macht des Thales umſchwebt und zu feinem Martyrertobe einges weiht. Aus den Flammen feines Scheiterhaufens foll der Orden gereinigt wieder auferſtehen. Gin junger ſchottiſcher Ritter, Mobert v’Herebon, if berufen, das Geheimniß aus dem Scheiterhaufen zu reiten und nad) Schottland zu verpflanzen, wo es im Fieimaurerorden fortcultivirt werben foll. Deßhalb ſieht diefer Mobert unter dem befonberen Schug deö Thales und iſt ihm ein vierzehnfähriges Mädchen, Aftralis, eine angebliche Agyptife Anachoretin, als Schuggeift beigegeben. Diefes myſtiſche Kind fafelt pantheiſtiſchen Unfinn aus den angeblich ägyptifchen Möfterien, ivie fie denn auch fehr pretisß fagt: gelobt ſey Horus, flatt gelobt ſey Jeſus Chriſtus ıc., und hängt mit ſchwaͤr⸗ meriſcher Liebe an dem ſchoͤnen ſchottiſchen Ritter, indem fie zugleich ald Hohes priefterin vor ihm orafelt. Es ift wohl kaum zu zweifeln, daß Werner, als ex dieſes Wunderfind ſchuf, der ein uralter mit der Harfe umwandelnder Greis zur Seite ficht, dabei Goͤthe's Mignon vorgeſchwebt hat, bie ebenfalls ein alter Harfner begleitet. Nebenperfonen find ber Freund Molay's, Herzog Bhilipp von Anjou und fein verloren geglaubter Sohn Adalbert, der in den Diden eingeweiht wird. Der alte lahme mücrifje, aber kreuzbrave Comthur, der immer fagt: Gott beſſers! Gin junger etwas fugerhafter Ritter, Franz von Brienne. Gnblid; die obligaten Boͤfewichter, Noffodei und ein Prior, bie wegen Verraths im Rerfer legen, ſich aber befreien und in Frankreich zum

Verderben des Drbens beitragen. II. Die Kreuzesbrüder. Der Prozeß des Ordens in Frankreich. Am Schluß wird Molay befreit, bie Templer und ihre Freunde haben den König in der Hand, aber bie Thalbrüber verlangen das Opfer zur Läuterung des Ordens, ein Blip entzündet ben Scheiterhaufen und Molay ftürzt fih freiwillig Hinein. So wird ber Held zur Puppe der Schid- ſalsmaͤchte.

Werners „Martin Xuther ober bie Weihe ver Kraft“ erſchien 1807.

Luther iR im Allgemeinen als geſchichtlicher Held aufgefaßt, aber Katha- tina von Vora wirb zu einem Engel, ber ben Helden umfchwebt. Luthern zur Seite fieht ein Famulus Theobald, ber, erft 15 Jahr alt, bereits The⸗ vefen liebt, die erſt neunjährige Geſellſchafterin Katharina’. Diefe Therefe iſt die wieber aufgelegte Atralis, und der perfoniflcicte Engel der Siebe, Theo- Bald aber der Engel der Kunſt. Ihr Attribut iſt die Hyacinthe, das feinige die Flöte. Diefe mpferiöfe Einmiſchung ber Allegorie in das ſonſt geſchicht- li) nächterne Drama macht einen fehr fatalen Gindrud.

„Das Kreuz an der Oftfee”. . Aus der Eroberung Preußens burch den deutſchen Orden. Warmio, ein

Romankit. ö " 375

heidniſcher Preuße, wirb durch feine Geliebte, bie polniſche Malgona, bekehrt und ſtirbt mit ihr den Martyrertod in ben Flammen, als Gefangene ber wüthenben Heiben. Weber ihrer Liebe ſchwebt fegnend ber Geiſt des 5. Adal⸗ bert, ber in Gefalt eines Spielmannes durch das Stüd fpudt, wie der Harfs ner in ben Söhnen bed Thales.

„Wanda, Königin der Sarmaten“.

Die bekannte Sage von ber Wanda, Königin ber Polen, die freiwillig in die Weichfel fpringt, um unvermäßlt zu bleiben. Werner faßt die Sache ganz anders auf, Wanda und Rüdiger lieben fi, finfen einander, nachdem fie

"mit einander gekämpft, aufs zaͤrtlichſte in bie Arme, können aber ihre Liebe

nicht genießen, weil Rübiger, deſſen Heer geflohen ift, die Schande nicht übers leben will. Wanda erzeigt ihm ben Liebesbienft, ihm ſelbſt das Schwert ins Herz zu Roßen and flärzt fi dann ind Waffer. Wieder im Höchflen Grabe unnatürlid.

Eben fo überfpannt iſt „Attila“. Als Werner katholiſch geworben, warf ‚man ihm feinen Luther vor. Daher beeilte er fih, 1814 in einem Gedicht „die Weihe der Unkraft“ feine frühere Begeifterung für Luther als eine Verirrung zu bezeichnen. Argen Spott ergoß über ihn Gafpar in der „Karfunkelwelhe“ 1817. Als Katholik ſchrleb übrigens Werner nichts, was eine gentale Auffaffung katholiſcher Ideen verkündet hätte, Seine 1818 erſchienene „Eunegunde, die Heilige“ ift faft läppiſch. *

Die befannte Legende von ihrer Reinigung durd) die Feuerprobe. Hein⸗ rich U., ihr Gemahl, lebt mit ihr in jungfraͤulicher Che, glaubt, fle vergehe fi mit dem fechszehnfährigen Floreſtan und klagt fie an, aber ber junge dloreſtan rechtfertigt ſie und ſich durch den Sweifampf mit dem Anfläger, den ex beflegt und felber Rirbt. Dann geht fie ins Klofter, erſcheint aber am Schluß wieder, um zu prophezeihen von ber Größe des Haufes Habsburg und von ber. Leipziger Schlacht.

Auch „die Mutter der Maccabäer“ iſt in. der Ausmalung des Gräß-

Uchen wie bed Heroiſchen überfpannt.

SAn kleines nur einaktiges Trauerfpiel „ber 24. Bebruar*, in welchem der Menſch als Spielbal des einfachen antiken Schiefals, nämli des graufamen Zufalls, aufgefaßt wird, erfehten 1815, alfo drei Jahre fpäter, als Müllners 29. Februar, iſt alfo nur als eine Nachahmung deſſelben anzufehen, aber charakteriſtiſch, weil er beweist, wie weit Werner von ver echten Momantif abzuirren geneigt war. .

J Kunz Kuruth, Wirth zu Schwarzbach am Gemmi, einem einſamen Wirths⸗

376 Eilftes Buch.

Haus am Daubenſee zwiſchen Kanderſteg und Leuk, hat eine arme Pfarrerstochter,

Trube, geheirathet, womit fein Vater unzuftiedtn war. Die Mißhandlungen und Befchimpfungen des Vaters reizen den Sohn einmal am 24. Februar fo zum Zorn, baß er das Mefler nach dem Vater wirft. Diefer gibt ihm feinen Fluch und ſtirbt. Nach einigen Jahren hat fein älteftes Bübchen Kurt das⸗ felbe Meſſer, will mit feinem kleinen Schweſterchen Hühner ſchlachten fpielen und fehneidet ihr in aller Unſchuld den Hals ab. Kunz will ihm nicht mehr fehen, er geht in bie weite Welt und fommt nad; langer Zeit wieder, reich, unerfannt, wieder an einem 24. Bebruar, in ber Nacht, Am barauf folgen den Tags fol Kunz wegen Schulden aus dem Haufe getrieben werben. In der Moth ermordet er den fremden Gaft, um ihm fein vieles Gelb zu nehmen, und entdedt zu fpät, daß es fein Sohn ifl.*)

Adolf Müllner, Advokat in Weißenfels, ſchrieb 1812 den „29. Februar“.

Am 29. Februar, der nur alle 4 Jahre wieberfehet, zeugt Horft außetehe- lic) ein Kind, ein Mädchen, dad heimlich auferzogen wird, und ohne es zu wiffen, wieer am 29. Februar ihren einzigen Bruder Walter Heirathet. Sie haben beide fchon einen Knaben, da fommt ihres Waters Bruder aus fernen Landen zurüd und trennt ihre bintfchänderifche Ehe, wieder am 29. Februar. Walter ermordet bie Frucht derfelben, den unfchuldigen Knaben Emil, und überliefert ſich ben Gerichten, um auf dem Schaffot zu erben. Seine Gattins Schweſter verfpricht ihm zuzuſehen, damit der Traum erfüllt werde, in welchem fie fein blutiges Haupt zu ihren Füßen habe rollen fehen. Lauter frampfhafte Unnatur! Später hat Müllner den Schluß abgeändert. Es wird nämlich entdeckt, daß bie Frau nicht die Schwefter des Mannes iſt und fo bleiben alle geſund. Noch jämmerlicher!

Sodann ſchrieb Mülner „Die Schuld“ (1816) in ſpaniſchen Tro—⸗ bien, wie die Stüde Calderons.

Donna, Elvira, bie fpanifche Gemahlin des norbifchen Grafen Hugo von Derindur, figt an einem büftern Herbſtabend bei der Laute. Sie entfällt ihr und eine Saite reißt mit einem Klagelaut, was ihre Bange Seele Unglüct ahnen läßt. Jerta, Hugo's Schwefter, die fefte, ſtolze nordiſche Vungfrqu kommt dazu. Im Geſpraͤch contrafiren beide Damen des Südens Gluth und des Nordens Froft, mit viel zu viel naturphilofophifchem Bewußtſeyn. Hugo lommt fpät von der Jagd zurü. Elvira plagt ihn mit Giferfuht. Gr ers

*) In Engelhardts Naturſchilderungen aus den Alyen (1840 ©. 82) ift nachgewieſen, daß in gedachtem einfamen Alpenwirthöhaufe die Wirthsleute ſelbſt von zwei italienifchen Räubern ermordet worben fehen, mas Werner zu feiner Tragübie veranlaßt Habe, wobei er aber bie un« ſquldigen Opfer In bie Mörber felöft ungereihterweife verwandelt habe.

Romantit. 377 innert fie, wie innig er fie geliebt habe, als ihr erfter Gatte, Garlos, noch ger lebt. Dann fält er in büftere Phantafen und meint, wie? wenn jegt in biefer finftern Stunde Garlos ans bem Grabe fliege und zwiſchen fle träte. Da geht die Thür auf und zwar nicht Carlos, aber deffen alter Bater, Don Valeros, tritt ein, eben angefommen aus Spanien, und macht der erſchrocknen Familie ſogleich befannt, e8 triebe ihn durch bie ganze Welt umher, um ben Mörder feines Carlos zu finden. Hugo wird ohnmächtig, Valeros ſpricht mit feinem Enfel Dtto, Carlos Sohn, Hugo's Stieffohn, wobei Otto von einer That Hugo’8 bei einem ſpaniſchen Thiergefecht erzählt (Taf wörtliche Nachäffung des Handſchuh's von Schiller). Dann fpricht Baleros mit Jerta und erzäßlt, wie einft in ben Pyrendenbäbern feine ſchwangere Gemahlin eine Bettlerin beleidigt Habe, die ihr darauf den Fluch gegeben, ber Sohn, ben fe unterm Kerzen tnage, folle feinen älteren Bruder umbringen. Wegen dieſes Fluchs Habe die Mutter ihren Sohn vor ihm verheimlicht und eine nordiſche Gräfin habe ihn mitgenommen und als ihren Sohn erzogen. Alsbald ergibt fh, daß Hugo biefer Sohn und bes ermordeten Carlos Bruder if. Daher in ihm „ber Swiefpalt der Natur“, die Extreme bed Südens und Nordens vereint. Er⸗ ſchüttert von biefer Entdecdung bekennt Hugo, was man ſchon lange voraus: geahnt hat, daß er felbft Carlos Mörder ift, und zwar daß er ihn heimlich auf der Jagd, tückiſch Hinter einem Baum lauernd, erfchoffen habe, um beflen Gattin Elvira Heirathen zu Können. Das alles erzählt er, ohne bie Nieder⸗ trächtigfeit feiner That zu fühlen, blos wieder ben wunderbaren Zwieſpalt feiner Natur zur Schau darlegend, wie wunderbar es ſey, daß er, ber rittere Hicje Held, in einem fieberhaften Augenblid den Hahn an ver Flinte mit uns bewußt zuckendem Finger abgebrüct habe. Anflatt nun ferner Buße zu thun, fGtwärmt er für die Idee, ſich öffentlich hinrichten zu laſſen und malt fih ſehr lebhaft bie Effectſeene auf dem Schaffot aus. Elvira aber Bringt ihn davon ab, indem fie fih dem Dolch in die Bruft ſtößt, welchem Beifpiel er nun nachahmt. .

Abgefehen davon, daß die Menſchen Hier wieber nur Puppen bed Schickſals find und das Verbrẽchen begehen müſſen, weil es ihnen pro⸗ phezeiht war, iſt dad Großthun, die heroiſche Prahlerei und die Gefühls- affectation des feigen Meuchelmörders unerträglich. Gleichwohl war ſeiner Zeit alles in dieſes elende Drama vernarrt und es erlebte in wenigen Jahren drei Auflagen und drei Nachdrucke.

Ein Jahr fpäter ſchrieb Mülner den „König VYngurd“, eine ſchlechte Nahahmung von Shakeſpeare's König Johann.

Bas bei Shakeſpeare Johann ift Hier Dngurb, ber Ufurpator, was bei Shakeſpeare der ungiückliche, dem Tyrannen geopferte Iegitime Knabe Arthur, ift Hier Prinz Oscar, Aber unfähig, Chafefpeare in der rührenden Anmuth

378 Eilftes Buch.

und Unſchuld des Knaben zu erreichen, macht Müllner den Oscar etwas älter, gibt ihm eine Geliebte und eine wahnfinnige Mutter, die mit Tarilirten Berfen mehr orafelt, ald jammert, eine ber unaueſtehlichſten Mißgeburten,

‚welche die moberne Gffectjägerei -auf ber beutfchen Bühne hervorgebracht hat. Wie weit die Frechheit Mülners ging, erhellt aus dem Geſpräch zwiſchen Vngurds Gemahlin Irma und ihrer Tochter Asla, Oscars Geliebten. Diefe erzählt der Mutter, wie fie in ber vorigen Nacht aus einem Kinde ein Mädchen geworben fey, und befchreibt ihre erfte Menftruation in Berfen von Goͤthe ſcher Meiſterſchaft.

„Die Albaneſerin“, Trauerſpiel von 1820.

Albana heirathet als vermeinte Wittwe des Fernando deſſen Bruder Enrico. Der Todtgeglaubte kehrt zurück und Enrico entbrennt in wüthender Ciferſucht, Albana ift in Verzweiflung, Fernando aber thut ihnen den Gefallen, ſich zu vergiften, damit fie fortan ungeftört ihr Glüd geniegen können.

Beſſer find Müllners Luftfptele, obgleich durch zu viele Aeflerionen und Hervorblicken der Abſichtlichkeit die heitere Laune geftört wird.

1) Die Vertrauten. Bräulein Sophie v. Kraft wird von zwei Of⸗ fiieren geliebt, die, ohne einander zu kennen, beide auf den Einfall gerathen, ber eine ald Gärtner, der andere als Reitknecht, fich im Haufe der Geliebten einzuniften. Der Major, Reitknecht Chriſtian, verräth ſich dem Kammer⸗ mädchen und unglücklicherweiſe auch Heinrich dem Gärtner, ber ein Haupt⸗ mann und fein unbefannter Nebenbuhler if. Natürlich benugt nun biefer dad BVertrauen, das ihm ber Major als feinem angeblichen Helferöhelfer ſchenkt, um ihn aus dem Sattel zu heben. Gin ſehr Lufliged Stüd, gut erfunden, aber mit zu viel Prätenfion durchgeführt und in Mlerandrinern geſchrieben.

2) Der angolifche Kater oder die Königin von Golconda. Gedachte Kös nigin aus ber bekannten Oper Heißt Aline, eben fo eine Kae, bie brei Junge wirft. Durch Mißverſtand hat ber Herr des Hauſes, Franz, feine unverheis rathete Schwägerin Lucinde im Verdacht, fle ſey in andern Umfländen.

3) Die Zurücfunft aus Surinam, nach Voltaire's femme qui a raison. Der reiche Kaufmann Schmalt kommt verffeiet und unerfannt aus Surinam zurück und findet fein ehemals beſcheidenes Bürgerhaus in vornehmen lange, feine Tochter mit einem Edelmann, feinen Sohn mit einem Fräulein vermaͤhlt, alles ohne fein Wien und Willen, verjeiht aber, ald er erfährt, das Gelb für den neuen Aufwand fomme aus den Zinfen eines unterdeß von feiner Frau ergiebig umgetriebenen KRapitale.

4) Der Big. Brig fol eine gewiſſe Rofalie heirathen, beide treffen in einem Gaſthof zufammen, ohne einander zu fennen und freiten fih um ben Beſid des beflen Zimmers, ald er fie noch nicht gefehen. Als er fie ſieht, ift ihm, als Hätte ihn der Blitz getroffen: Cr bietet ihr dad Zimmer an, fleht

Romati. - 379

fie um Vergebung ꝛc. Nun iſt fie aber böfe und läßt ihn abfahren, bis fie allmäßlig beibe merken, wer fie find, und fid fröhlich verföhnen. If recht artig.

5) Die Onfelei. Preihere v. Hagenbuch will feinen Neffen verheirathen, ex ift aber fchon mit einem armen Mädchen heimlich, verheirathet und die ihm zugedachte Dame Hat auch fehon einen Freier. Sie fpielen nun alle zufammen dem alten Onfel eine Gomöbie, bis es zur Eutdeckung kommt und er das allgemeirie Schickſal der Onfelö leiden, nämlich verzeihen muß.

6) Die Zweiflerin. Gräfin Adelheid mißtraut der Liebe des Baron Halt, bis fie ihn geprüft Hat. Daß er fi für fie ſchlagen will, veicht noch nicht aus; daß er ihr aber entfagt, weil er fie nicht mehr achten zu können glaubt, eutſcheidet bei ihr. Sie bietet ihm nämlid) zum Scheine an, fie wolle einen Andern heirathen, dann aber doch feine Geliebte werben. Man muß geftehen, biefe Art, den Geliebten zu prüfen, ift von Geiten ber Dame wenig zart.

7) Die großen Kinder. Ein noch junger Vater, Graf Albert, hat ſchon große Kinder, deren junge Gouvernante feine eigene Beliebte if, während fein Sohn Brig das Kammermäbchen Lenore (eine geſchickte Malerin) und feine Tochter Lina ben Bedienten (einen verkleiveten Offizier) liebt. Daß unter biefen Umfänben ber Water vergebens Reſpect von ben Kindern gegen bie Gouvernante und von den Dienftboten gegen bie Herrſchaft verlangt, iſt ber Wig von der Sache.

Den übelften Auf erwarb ſich Müllner als Kritiker, indem er die Frechheit Hatte, glei einem Gottſched die Tyrannis in der Literatur ans zuftreben, ohne auch nur durch eine Idee und durch große Kenntniffe unterftügt zu ſeyn, wie Gottſched. Müllner folgte in feinen Kritiken immer nur ber Laune und perfönligen Rückſicht.

Auf Mülner folgte Franz Grillparzer in Wien 1817 mit feinem Trauerfpiel „bie Ahnfrau“, gleih der Schuld ein Schieffalsftüd in Trochaͤen. \

Im Geſchlecht Berotin muß die Ahnfrau, weil fie das Geſchlecht im Eher bruche fortgepflanzt Hat, fo lange als Geiſt aͤmgehen, bis der ganze Baſtard⸗ Bamım untergegangen if. Das gefchieht, indem der Iepte Spröfling, Jaromir, als Räuberhauptmann und in einer unglüdlichen Liebe zu feiner eignen Schweſter Bertha endet.

Grillparzer wagte fid an antike Stoffe, Sappho, Meben, Hero und Leander, aber ohne Geiſt mit jentimentaler Phrafeologle, wie auch feine Oper „Melufine‘. Auch fein „Ottofar“ iſt nur eine Ovation für bie habsburgiſche Dynaftie, fein „ber Traum im Leben“ nur Nahahmung eines franzöflfehen Stüdes.

380 Eilftes Bud.

Rufan fleht im Traum, was ihm alles geſchehen würde, wenn er feiner Leidenſchaft gefolgt wäre, ein Lehen voll Verbrechen mit ſchreclichem Ende. Zum Glüd erwacht er und beffert fh.

nDer treue Diener feines Herrn“ von Grillparzer ift die Mißhand⸗ lung eines edlen hiſtoriſchen Stoffe.

Benedict Bancbanus, Grban unter König Andreas II. von Ungarn, hatte— eine fehöne Gemahlin, welcher ber Bruder der Königin, Ekbert von Meran, vertriebener Biſchof von Bamberg, nachftellte. Die Königin Gertrud begünz ſtigte fo fehr die Lüfte ihres abſcheulichen Brubers, daß fie felbft die unglüd- liche ſchoͤne Frau ihm in die Arme lieferte. Die Gefchändete benahm fih nun zwar nicht wie Lucretia, aber ihr Gemahl Benedict trat mit dem Schwert in der Hand ins Gemach der Königin, die eben mit ihren zwei Kindern bafaß, entfernte” bie unſchuldigen Kinder von ihr und ſchlug dann mit folder Furie auf die Königin hinein, daß er fie buchſtäblich in Stüde hieb. Der König ließ ihm und fein ganzes Geſchlecht hinrichten (1213). So berichtet die Ger ſchichte. Grillparzer aber hat ſich nicht gefhämt, aus dem Manne, der bie Ehre feines Weibes fo ſchrecklich rächte, ein ferviles Ideal zu machen, einen Hahnreih, der es fih zur Ehre fdäpte, für feinen König Schmach zu leiden, und der ben Schänder feines Weibes ſelbſi gegen. dad Wolf, das ihn zerreißen will, in Schug nimmt, weil es der Schwager Sr. Majeftät iſt. Grillparzer schrieb dieſes Stück, womit er feine Mufe entweiht Hat, in ber Zeit, in wels her das Princip der Legitimität auf den europäifchen Congreſſen in fegroffefter Einfeitigfeit geltend gemacht wurde.

Beſſer ift Grillparzers Luſtſpiel „Weh dem, ber lügt“.

Ein kecker Küchenjunge in eines Biſchoſs Dienft befreit den Neffen des Biſchofs aus der Gefangenſchaft eines Grafen und nimmt auch noch bie fhöne Tochter ded Grafen mit. Die Charaktere find teefflich gezeichnet, bie Behand⸗ lung nur etwas breit.

Es folgten noch viele Schickſalstragödien. Xherefe v. Artner ſchrieb zu Müllners Schuld eine „That“, worin fie die Vorgeſchichte Hugo's und Elvirens in Spanien darſtellte. Theodor Mörtl ſchrieb 1828 den „Vierzehnender“.

Einen Vierzehnender ſchießen bebeutet dem Jäger Unglüd. Robert ſchießt einen, da graut ihm und er erzählt, wie er einft feine eigne Mutter ins Wafler ges flürzt Habe. Damit das Verbrechen nicht entdedft werbe, will er den, ber ihn verrathen Tönnte, vergiften, trinkt aber felbft das Gift. Das Pathos " fleigert fih in diefem Drama bis zum Lächerlichen.

Romantit. 381

G. A. Freiherr v. Maltitz ſchrieb 1825 einen Schickſalsroman „Der Kloſterkirchhof“.

Ein edles Geſchlecht, in dem eine unheilbare Krankheit forterbt, ſoll durch uebereinkunft ber drei letzten Glieder deſſelben ausſterben. Aber einer der Brüder bricht das Gelübde und wird durch eine Nonne Vater eines Sohnes und einer Tochter, welche aufwachſen, ohne einander zu kennen, ſich in ein⸗ ander verlieben und zu ſpät das ſchreckliche Geheimmiß erfahren; fie beſindet fi bereits guter Hoffnung, da töbtet er ſich und fie.

Das fhwächfte aller Schickſalsſtücke ft Otto Ludwigs „Erbförfter“.

Der Vater will den Liebhaber feiner Tpchter erſchießen, trifft aber bie Tochter ſelbſt, ales in Folge von Träumen ber Toter und Mifverflänbniffen des Vaters.

Chriſtoph Ernft Freiherr von Houmald in der Laufig, ſchrieb 41821 au ein Schickſalsſtück, „Der Leuchtthurm“, in Trodäen.

Graf v. Holm Hat die ſchoͤne Mathilde über Meer entführt und auch ihren Heinen Sohn Walther mitgenommen. Ihr rechtmaͤßiger Gatte, Ulrich, harrt als wahnfinniger Harfner viele Jahre lang am Ufer, bis fie zurüdfommen fol, und Hat deshalb mit feinem Bruder bie Pflege des Leuchtihurms übers nommen. Da firandet einmal fein Sohn Walther, ohne daß er ihn Fennt, und verliebt fi in feine Nichte Dorothee. Als das junge Baar einmal mit einanber plaubert, Löfcht Ulrich die Lichter im Leuchtthurm aus und veranlapt dadurch (höherer Macht folgend, wie er ſelbſt verfichert) das Scheitern des Schiffes, auf dem fi Holm und Mathilde befinden. Mathilde ertrinkt, Ulrich findet ihre Leiche und flürzt ſich mit ihr ind Meer, nachdem er über ihre Leiche herüber dem Grafen den Friedenszweig gereicht hat.

In „ber Heimkehr“ ift ein helmkehrender Batte, indem er fein Weib mit einem Andern glüdtich findet, fo großmüthig, um ihr Glüd nicht zu flören, fi zu vergiften. In Houwalds „vermiſchten Schriften läßt ſich ein Hofnarr eben fo großmüthig anftatt des Waters feiner Gelichten hinrichten. Man findet bei Houwald faft nichts Einfaches und Natür- uiches.

Ein ziemlich ſchwacher Nachzügler der Romantik war Graf von Löben, welcher ſich Iſidorus Orientalis nannte und ſeit 1808 einen Guido, das Relſebüchlein eines andächtigen Pilgers, Arkadlen, Ritters und Minnedienſt, Klotars Irrſale, Lotosblätter ac. ſchrieb, confuſe Sachen voll Gefühlsſchwaͤrmerei ohne feſten Inhalt.

Wilhelm v. Schütz, einer der verachtetſten romantiſchen Trauer⸗

384 Gilftes Buch.

am Krankenbette Cãciliens mit deren Schweſter llebäugelte. So ſchwindet der letzte Nimbus von dem Dichter.

Elfe Ehrhardt ſchrieb 1820 „Die Wunderblume“, eine Nach-⸗ ahmung der bezauberten Roſe, eben ſo verſchwommen.

Indem ſich die Romantik auch nach dem durch und durch rationali- ſtiſchen Sachſen verirrte, mußte jene gutmüthige Baſtardpoeſie entſtehen, die hauptſaͤchlich durch Friedrich Kind in Dresden vertreten iſt, alte Natürlichkelt, Famillenhätſchelei, auch noch ein wenig Wielandiſche Schall- haftigkeit mit einem romantiſchen Anflug. Rambergs Kupferſtiche zeigen uns daſſelbe im Bilde, Sentimentalität und Frivolltät in romantiſchen Formen. Kinds berühmteſte Dichtung iſt fein von: Weber wundervoll in Muſik geſetzter „Freiſchütz“, eine Volksſage, die er mit feiner Empfind- famfeit total zu Schanden gemacht hat (vgl. Theil I. ©. 163).

Noch ein zweites Stüd Kinds, „Ban Dyks Landleben“, war wenige ſtens eine Beitlang beliebt, eine gleichfalls empfindſame Maleranechote. Kinds Romane und Novellen find ſchwach und vergeffen. Eben fo feine Schaufpiele, unter denen fi nur „Das Nachtlager von Granada” durch anecbotenartigen Nelz auszeichnet. (Der junge Kalfer Mar IL. geräth in Spanten einmal unter Mäuber). Kind Hat aud viele Romanzen ge- ſchrieben, die immerhin zu den beffern gehören, Bearbeitungen alter Sagen und Legenden, auch antike. Stoffe (Bachus auf dem Seeräuberſchlffe, VPygmalion). Seine Tängfte Romanze ſchildett eine altruſſiſche Liebes- geſchichte vom Klofter Otrotſch (ver Einflevler an der Twerza).

Ein ähnlicher Autor war Gerle, der 1819 „Volksmärchen aus Böhmen“, fpäter „Artus und die Tafelrunde“, „den Eleinen Phantafus“ und „bie Liebesharfe“ ſchrieb.

Viel tiefer als alle dieſe fland Theodor Hell (Hofrath Wintier) in Dresden, deſſen „Abendzeltung“ die Romantik in das Theewaffer einer geiſtloſen Klatſchgeſellſchaft auflöste, und der überbied „des Maurers Leben“ in neun Gefängen feierte. Hell bezeichnet den tiefften Stand der Poeſie zur Zeit ver Reftauration.

Dem Dredvener Kreife gehörten damals noch einige beſere Diqhter an, Karl Förſter, Ueberſetzer des Dante, Petrarca, und ber auch ſelbſt einige hübſche (von Tieck herausgegebene) lyriſche Gedichte und NRomanjen ſchrieb; ſodann Arthur vom Nord ſtern (Minifter v. Noſtiz),

Romantit. 385

mber fhon 1802 „gefellige Gefänge* und 1819 ein Friedensepos „Irene“, Sinnbilder für Chriſten“, „Anregungen fürs Herz“ ac. ſchrieb; Hohl⸗ feld, Armenabvofat in Dresden, der 1810 eine „Jüngere Urania” nad der Tiedgeſchen „zur Befeſtigung des Glaubens“, „Harfenklänge“, „neue Horen“ ıc., alles wohlwollende, aber ſchwache Sagen ſchrieb.

Zu den Spielereien, womit man fi in der langweiligen Reſtaura⸗ tionszeit die Langeweile vertrieb, gehörten bie poetifchen Taſchen bücher in Eleinem Format und elegantem Goldſchnitt. Dem erfien Muſenalmanach Boie's nachgebilvet, begann zuerft Beders Taſchenbuch zum gefelligen Vergnügen ben Igrifhen Gedichten Profaerzählungen beizumiſchen. Seit⸗ dem erfätenen jährlich als Weihnachtsgaben eine Menge, zuletzt bis zu 20—30 auf einmal.

Aglaja, Alpenrofen, Aurora, Concordia, Cornelia, Eivora, Flora, dor⸗ tuna, Brauentafhenbug, Gebenfe mein, Helena, Huldigung der Brauen,

. Immergrün, Iris, Lies mich, Minerva,, Orphea, Penelope, Philomele, Bolyäymnia, Thalia, Urania, Vergigmeinnicht, Veſta, Vielliebchen, Winters grün ac.

Dazu Almanache aller Art, bis zum Iahr 1837 gab e8 fon nicht weniger als 43 verſchledene Mufenalmanade. Später wechſelten bamit die Album ab. Daneben noch unzählige Sammlungen von Erzählungen und Gedichten mit Blumennamen: Afazienblüthen (von Sydow), Gactus- blüthen (von A. Schreiber), Camelten, Cyanen, Herbftrofen, Hortenſlen,

Lillen, Malven, Roſen, Tulpen, Vergißmeinnicht ꝛc.

Ein literariſcher Hauptfabrikant war ſeit 1789 Karl Müchler in Berlin, der in einer Menge von Taſchenbüchern und Sammelwerken Er- zãhlungen, Anecboten, Parodien, Näthfel, Epigramme ıc. zufammentrug, auch Gedichte, Luſtſpiele ac. verfertigte,

Anecdotenalmanach, Tafchenbücher: Aurora, Cugenia, Cuphroſine, Gedenke mein, Klio, Momus, Taſchenbuch für Kinder Jstael, Taſchenbuch zur gefels ligen Unterhaltung, Taſchenbuch der Liche und des Frohſinns, Berliner Taſchen⸗ buch, Vergißmeinnicht ıc.

BSZu den halbromantiſchen Vielſchreibern gehörten auch Aloys Schret- ber in Baden ſeit 1791 (Erzählungen, Gemalde, Herbſtroſen, Gedichte, Damenbibliothek), Guſtav Linden (eigentlich Stein) ſeit 1805 mit zahl⸗ zeichen Romanen, auch Dramen, Blumenhagen desgleichen, Streck⸗

fuß, der den Dante, Taſſo und Arioſt überſetzte, kunt ſelt 1805. Menzel, beutfge Ditung. m.

386 Ciiftes Bud.

Auguft Mahlmann im Leipzig, Mebakteur ver eleganten Zeitung daſelbſt, ſchrieb feit 1802 theils lyriſche Gedichte, unter benen fein Lieb des Frohfinnd „Mein Lebenslauf iſt Lieb’ und Luft“ am berühmteften wurde, theils romantiſche, etwas empfindfame Romane und Erzählungen. Bon biefer Art war fein erfter Roman „Albano, der Lautenfpieler*, desgleichen feine Erzählungen.

1) „Bruno“ will fort, Hört Thirza um ihn Magen, fällt ihe um ben Hals und bleibt. 2) Die Urne. Cie wird verlaffen und ſtirbe, der Bere rather weint bitterlih um fie. 3) Cduards Belehrung zum Cheſtande. Die Belehrerin iſt eine gewifle Liody, in deren Armen er zulept Breudenthränen weint. 4) Biographie eines Engels. Der Autor findet einen intereſſanten alten bärtigen Armenier, ber ihm naiv fagt: „ich bin ein Engel“ und ihm erzählt, wie er wirklich unter den Engeln’gelebt und, um bie Menſchen kennen zu lernen, unter ihnen geboren worben fen. Schwacher Anklang an bie alte orientalifche Erzählung von Harut und Marut ohne bie tieffinnige Motivirung. Und fo noch Anderes von minberem Belange.

Endlich ſchrieb Mahlmann eine Traveftie der Huffiten vor Naums Burg von Kotzebue „Herodes vor Bethlehem ober ber triumphirende Viertelsmeiſter“,

worin Herodes bie bethlehemitiſchen Kinder nicht umbringen, fondern mit Nüffen und Kuchen beſchenken laͤßt. Die Parodie ift gut, aber Mahlmann war doch nicht berufen, über Kogebue zu fpotten, da er felbft von Rührung überzufließen pflegte.

Und einige Marlonettenpoffen.

Der bezauberte Prinz“ Handelt von dem in einen Zeiſig verwanbelten, von feiner Gelichten gepflegten und bann wieder zum Süngling geworbenen Prinzen Selio. Cine andere: König Violon, er und fein Sohn find beide in diefelbe Dame verliebt und Bringen ſich alle freiwillig um, eine Satire auf die Schickſalstragödien, aber zu Teicht ffigzirt.

Damals wurden mande romantiſche Sagenftoffe auf bie deutſche Bühne gebracht. So von Holbein „Fridolin“ (nad Schillers Gang zum Eifenhammer). Sp von Holtei „Lenore“ (nah Bürgers Ballade) und „Robert der Teufel”, von dem Schaufpieler Pius Alexander Wolff „die Prezioſa“ (ded Cervantes), welche duch Maria v. Webers Muſik fehr populär wurde, "

" Romantit.’ 387

7. Die Madhromantiker.

Die Romantif wirkte noch lange nah und. mitten in die jüngfte Beit hinein, wie viel ihr auch widerſtrebte. Wenn fle auch nicht mehr viel Originelles zeugte, fo entfaltete fie dafür deſto glänzender ihren alten Reichthum. Denn durch eine Menge der ausgezeichnetſten altdeutſchen Sprachforſcher (die Brüder Grimm, von ber Hagen, Karajan, v. Laf- berg, Lachmann, Schmeller, Hoffmann von Fallersleben, Leo, Wadernagel, Mafmann, Haupt, Pfeiffer, Chmel, Diemer, Müllenhoff, Hahn, Eit- müller 2.) murben Hunderte von biöher ungedruckten altdeutſchen Dichtungen zum erftenmal gebrudt und ber Jeßtzeit zugänglich gemacht. Zugleich wurden auch viele Schäge ber altfranzoͤſiſchen, altfpanifgen und altitalie- niſchen Poeſie, ale der Romantik des Mittelalter8 angehörig, eröffnet (our Uhland, Diez, Ferdinand Wolff, v. Keller, Holland, v. Kaudler). Eben fo. rührig waren die Kunfthiftorifer in Entdeckung, Sammlung und Erklärung unzäßliger Denfmäler ver mittelalterlihen, ſonderlich tirchlichen Künfte.. Die Meifterwerfe der gothiſchen Baukunſt wurden nicht nur prachtvoll illuſtrirt, ſondern zum Theil auch weiter ausgebaut, vor allem der Kölner Dom. Die politiſche und Kirchengeſchichte ſelbſt erlitt einen Umſchwung, indem durch gründliche Studien (die zunächſt wie die neue Romantik von Proteſtanten ausgingen, von E. A. Menzel, Leo, Barthold, Gfrörer, Hurter) die mannigfachen Verleumdungen des Mittelalters und der alten Kirche widerlegt wurden. Was endlich für die Sammlung und Erhaltung der alten deutſchen Volksſage und Legende in den legten vier Jahrzehnten Großes geſchehen ift, haben wir im zwei⸗

“ten Buche dieſes Werks ſchon ausführlich kennen gelernt. Im Vergleich mit biefen alten Funden tft die Productivität der \ jüngften Nomantifer allerdings nur von geringerem Belange. Ich will Hier ihr Namhafteftes zur Ueberfiht bringen. Noch in bie erfle buch von der Hagen und Fouqus angeregte Begeiſterungszeit gehören bie romantiſchen Tragödien Armida von Gieſebrecht (1809), Fr. R. Hermanns Nibelungen (1819), Johann Wild. Müllers Chrimhildenrache, Kuffners 25°

388 'Gilftes Dad.

Minnefänger (1825), Zarnels Tod Sifrits (1826), welchen Dörings treuer Edhardt (1833), Bürks König Arthur (1834), v. Nordſterns Chlorinde sc. folgten.

Der Wiener Dieter Joſeph Chriſtian Freiherr v. Zedlig gehört zu den beften der Zeit. Geine Todtenkränze von 1827 find Elegien in Hangvollen Berfen, ſchwermüthige, aber zugleich hochherzige Betrachtungen über bie gefallenen Größen ver Jahrhunderte, über die längſt vom Grabe zugebedten Diäterherzen, bie einft fo feurig ſchlugen, wie das Ger Taſſo's, Petrarka's. Man merkt, daß Zedlitz ein menig von ver Schwer⸗ muth Lord Byrons angeſteckt war, befien Childe Harold er meifterhaft überfegte. Im feinen andern lyriſchen Gedichten zeigt Zedlitz dieſelbe büftere Melancholie.

Am berühmteſten wurbe feine „nächtliche Heerſchau“. Gin gefpen- ſtiſcher Tambour weckt die Tobten der großen Armee, bie ſich als Ge— tippe zufammenfhaaren, um von „bem Mann im Eleinen Hütchen“ ge= muſtert zu werben. Dazu „das Lied eines Wahnfinnigen“, „ber blinde Geiger”, „das Weib des Räubers“, „das Geiſterſchiff“, „dad Auge der Schlange“, wobel wir bald an bie melandolifgen engliſchen Dichter, bald auch an den Branzofen Beranger denken nüffen, deſſen Gedichte wohl auf Zeblig viel Einfluß übten. Allein es finven fi auch heltere Gedichte hei ihm, die uns ven Wiener Lebemann nicht ganz verkennen Yaffen. In den Schaufpielen, die er feit 1821 ſchrieb, verräth er die ſpaniſche Schule. J

Sein „Stern von Sevilla" iſt aus dem Zope de Bega übertragen. Ein außerſt düßered Gemälde enthüllen und „bie beiden Nächte von Ballabolid*. Während Munnez, Bruder des Garcia, defien Gattin Eſtrela mit Liebe vers folgt, Müdtet Bugage, der zum Tode verurteilt it, in ihr Haus und Rirbt in feinem Verſteck. Munnez, der einzige Vertraute des Geheimnifles, benupt es, Eſtrela zur Liebe zu zwingen und ba fie ſtandhaft Bleibt, fi an ihr zu rächen, indem er Garcia's Giferfucht beim Anblick des Tobten, den er bei Eſtrela als Liebhaber gefunden und erdolcht zu haben vorgibt, fo aufacht, daß er feine unſchuldige Gattin erſticht. Daß ſich die Leiche einen Act hindurch auf ber Bühne Herumfchleppt, iſt mit Recht ſtark getabelt worden. Im „Sertu und Sklaven" hat Zedlig bie gräßliche Rache eines Sklaven geſchildert, der feines Herrn Weib und Kind ermordet, ein alter ſchon in Happels rel. car. - aufgenommener Stoff. Im „der Liebe Kram“ zeichnet Zeblig einen Dichterhelden, Namens Alonzo. Derſelbe liebt die Königin von Granada, dringt

Romantif. | 389

in ihren Harem ein, um jedoch nur ein Teufches ſchmerzlichſüßes Geſpraͤch über- ihre Trennung zu halten, und kommt am Ende des Stüdes noch einmal zum Vorſchein, um bie verleumdete Ehre der Königin durch einen Sweifampf mit dem Anläger zu vertheibigen, in welchem Kampf er aber fällt. In „Kerker und Krone” fol Taſſo, kaum dem Kerker entriſſen, öffentlich mit dem Lorbeer als Dichter gekrönt werden und winſelt vor Vergnügen über dieſe Ehre, bie „ein Holder Traum“ ihm früher ſchon vorgeſchwebt, und ift fo beglüdt dadurch, daß er vor Breube firht und ber Lorbeer erſt feiner Leiche aufgebrückt werben kann. „Turturell“, die Tochter des verbannten König Bramor, liebt den auf ber Jagb zu ihr verirrten König Gavin, ber fi für einen gemeinen Nitter ausgibt. Denfelben liebt aber auch die Königin Gylfe, Gemahlin des Sinewalb, der ben Bramor vertrieben. Gylfe will ihren Gatten verfloßen oder umbringen und Gavin auf den Thron erheben, erfährt von feiner Liebe zu Turturell und läßt diefe erfäufen. Ihre Leiche findet der alte Bramor, ald Harfner verfleidet und bringt fle der Königin.

. Zebdlitz Hat auch ein Paar Luftfpiele gefchrieben, „Liebe findet ihre Wege“ in ſpanifchen Trochäen und ganz im Ton Lope de Vega's , und „Gabineldr Intriguen“, bie übrigens nicht in einem Königlichen Gabinet fpielen, fondern iu dem eines liſtigen Kammermadchens

Später (1844) ſchrieb Zedlitz ein Märchen „Das Waldfräulein“.

Das Waldfräulein, eine Frucht der Liebe, wird im Walde gefunden und von einer guten Fee erzogen. Diefe merft, das ſchöne Kind habe ein leicht entzünbbares Herz, warnt fle daher vor ber Liebe und ſchaͤrft ihr insbeſondere ein, ben koſtbaren Pantoffel, das einzige Andenken ihrer "Mutter, als einen Talisman nicht von ſich zu laſſen. Aber da Fommt einmal ein fChöner junger Nitter duch den Wald daher, Herr Aechter von Möfpelbrunn, und augenblid- lich ift der Rath der Fee vergeffen. Sich fehen und lieben und in bie Arme finfen und bie Höcjfte Staffel auf der Himmelsleiter des Liebeaglüds erfleigen, ar eins; wobei man ben Dichter fragen Fönnte, warum er der Scham nicht wenigſtens fünf Minuten Zeit gelaflen Habe? Doc; es handelt fi von einem Märchen und in Märchen liebt man bie raſchen Effekte. Die Scham ſtellt ſich erſt nachher ein, motivirt die raſche Flucht des ſchönen Waldfräuleins und das Vergefien ihres Pantoffels. Der bleibt dem glüdlichen Ritter als theures Angebenfen. Nun fällt aber das Fräulein zur Strafe ihrer Schuld in die” Gewalt eines böfen alten Weibes, bei ber fie fpinnen und ald Magb dienen muß. Diefe glückliche Wendung der Dichtung erinnert an das ſchöne Märchen von Amor und Pſyche. Auch Pſyche muß für ihre Schuld durch Karten Magbdienft büßen. Inzwiſchen wird das Walbfräulein enblih, als fie ben haͤßlichen Sohn des alten Weibes heirathen foll, durch einen Cinflebler ger rettet und enttommt. Herr Aechter Hat ſich unterdeß mit dem Bilde des Bräus keins unausgeſeht beſchaͤftigt und ſie vergebens geſucht. Auf einer dahrt nach

390 Eilftes Buch.

Köln verlodt ihn die Nire des Lurley, ber ganze Liehreiz ber Unbinen breitet fih vor ihm aus, doch bleibt er feiner Sylve treu, indem ihn ein Paar Schwalben aus feinem Liebesrauſche wedden und an bag Walbfräulein erinnern, Diefes findet er nun am Hofe ihres Großvaters wieder, wohin fle auf ihrer Ddlucht gelangt if. An dem Pantoffel wird ihre Hohe Geburt erfannt und ſie wird des Ritters glückliche Gattin. Die Schwalben, die ihn am Rhein ges twarnt, fommen wieder und bauen ihr Neft an feiner Burg.

Unmittelbar nad den glängenben Stegen Radetzki's in Italien ſchrieb Zeolig fein „Soldatenbüchlein“, worin er in fhönen, zum Tell freitih etwas fehnell entworfenen Liedern die Fatferlihen Truppen und ihren groß Feldherrn preist.

Aın beften iſt das Lied von Curtatone, in welchem bie Verdunkelung der Sonne durch Wolfen, bie fle enblich doch durchbricht, ſehr glüdlich auf die anfängliche Verbunfelung und den nachherigen Siegesglanz der kaiſerlichen Waffen angewendet wirb. .

Giner der fpäteften, aber intereffanteften Romantiker war Jullus Mofen, deſſen 1831 erſchienener „Ritter Wahn“, ein Epos aus dem Italleniſchen, eine der fhönften altdeutſchen Sagen (vgl. Theil I. 65. 187. 307) wieberholt. In demfelben Jahr gab ofen den Roman „Georg Venlot“ Heraus, welder gleihfam den Bankerot der Romantik pro- klamirt.

Der Held iſt ein poetiſcher Enthuſiaſt, der ſich in die Wirklichkeit nicht zu finden weiß, von dem Contraſt der gemeinen Welt mit dem poetiſchen Zauber zereiffen wird und in Wahnfinn endet. In der Manier des Gallot-Hofimann und zum Theil des Tieck ſchen Serbino.

Diefer merkwürdige Roman, der nicht fo fehnell hätte vergeffen werben follen, erklärt am beutlihften, warum bald naher die realiftifche, an bie Wirklichkeit fi Haltende Dichtung emporfam. Mofen felbft trat, im Widerſpruch mit feinem eigentlichen Beruf, als Theaterbireftor in Oldenburg, zu den Epigonen der Jambentragödie über.

Ludwig Bech ſtein in Meiningen reiht fi auch no an die Ro— mantiker in feiner epifchen Bearbeitung der Haimonskinder und bed Kauft, in feinen Romanzen, feinen Sagenfammlungen aus Thüringen, Franken und Defterreih, feiner Ausgabe des Tobtentanzed. Seine Berfe find föner als feine Profa, überall aber zeigt er warmen Sinn für ven voetiſchen Zauber der Vorzeit und ihre Sagen. In feinen Nrabeöfen

Romantik. 391

(1832) Hat er ſchoͤne Hymnen an hie Natur gedichtet. Sein Epos „Ruther“ (1834) hat präctige Verſe, paßt aber nicht recht zur Romantik.

Herr v. Keudell in Dresden begann 1847 mit einer eigenthüm« lichen Gattung vornehmer Romane „Außerhalb der Geſellſchaft“ und „Bergan“. J Im erſten Roman Hat ein Malergraf eine ſchoöͤne Tochter, bie von Rudolf

ein uneheliches Kind befommt. Rudolf aber wird von der Gräfln Mathilde geliebt, die vor Nengier brennt, fein ſchoͤnes Kind won der Nebenbuhlerin zu fehen, ohne alle Giferfucht wie in Göthe's Stella. Im zweiten Roman geräth ein Enthuſiaſt wie Callot⸗ Hoffmanns Kreisler in Wuth über das Altägliche und Gemeine. Hoͤchſt phantaſtiſch ift die Ueberfegung einer Beethoven’fchen Syms phonie in Worte, wunderſchoͤn if eine Beſchreibung der Mebufa und dann wieber ſeltſam fentimental das ſchoͤne Harfenmäbchen, das ihrem Geliebten, einem Verbrecher, unverbrüchliche Treue bewahrt.

Man erkennt, daß v. Keudel wie Immermann in ber Welt Göthe's und der Romantiker fortlebte und aus biefer Wolkenregion nicht mehr zum Boden der Wirklichkeit herabkonnte. Auch in feinem Roman „bie Politiker" von 1849 fehüttet er nur den ariftofratifhen Ekel über ven Rerolutionspöbel aus.

Eduard v. Bülom bearbeitete italleniſche und altfranzöſiſche No⸗ vellen und ſchrieb ſelbſt einige (1846) ſchwache Nachahmungen Tiecks, meiſt bizarr. J

Selbſttaͤuſchungen und Launen blafixter Perſonen, durch bie fie ihr Liebes⸗ glüt verfcherzen. Widerlicje Situationen harakterlofer Perfonen in unpaflens der Ehe. Verbrechen eines buhlerifchen Moͤnche. Sehr überflüffige Nade ahmung des Dolches von Tieck, des Faluner Bergmanns von GallotsHoffs mann x.

Siemlich viel wurde immer noch bis auf die neuefte Zeit für das Märchen geleiftet. Der geiftreiääfte Märchendichter aber war Alexander v. Sternberg aus Reval, der In Berlin eine große Menge von

"Romanen und Novellen geſchrieben Hat. Er zeichnet ſich durch ſchönen Styl und vornehme Eleganz aus, doch iſt er in feinen Salongemälven und geſchichtlichen Romanen kühler und nur im frivolen phantaſtiſchen Märchen wird er gental und feurig. Aber er ſchweift fehr in die frivole Manier ver altfranzöftfhen contes hinüber und wir glauben Wieland vor uns zu Haben. Sein ausgeführteſtes Feenmärchen iſt „Fortunat“ von 1838.

392 Eilftes Buch.

dortunat iſt der bekannte Held des Vollsbuchs, dad Tieck in einem feiner fchönſten Gedichte dramatiſirt Hat. Gr tritt Hier als ein junger Page auf, der mit drei andern Bagen vom Hofe zu Eypern verbannt wird, weil er in einem Kleinen Streithandel dem König Recht gegeben und nicht der allgebietenden Maitreffe deffelben. Die vier Jüngiinge müffen auswandern, erhalten aber von ber abſcheulich haͤßlichen Fee Kafombre mit dem großen Zahn, die fie zuvor im Babe bedienen müflen, vier Geſchenke, Fortunat den unerfhöpflichen Gelbfädel, Ganelon eine Flaſche mit VBerfüngungswafler, Tulipan eine Brille, die durch alles hindurchſieht, und Roger ben Hut, welcher unfihtbar macht. Sie follen fi nun an ben Hof der Pringeffin Kalypfo in ber Provence bes. geben und aus ben verführerifchen Netzen berfelben ben Genius Tuberofe bes freien Helfen, ver um ihretwillen die junge Bee Sonquille verlaffen Hat. Unter— wegs auf dem Schiff macht ſich Tuliyan vermittelt des Hutes unſichtbar und liebkost die junge Frau bes alten Schifföherrn, der endlich dahinter kommt und ſich toll geberbet,, aber durch einen Schlud aus der Verjüngungsflafche veichlich entfgädigt wird. In der Provence angefommen, begegnet Fortunat der ſchoͤnen Kalypfo zuerft bei einem Masfenzuge, verfolgt fie und ereilt fie endlich, indem fie mit ihrem Gfel zufammenflärzt und in einer fehr unfittfamen Attitube baliegt. Fortunat wird, da er ziemlich abgeſchabt audficht, in ven Kerter geworfen; Hier aber vertreibt er ſich die Langeweile, indem er aus feinem Sädel Golbftüde Holt und die Enten im Burggraben damit wirft. Sobald das Geheimniß feines Reichthums entdect if, wird er frei und erfier Liebhaber der Pringeffin. Diefe benutzt eine Schäferfunde, ifm den Sädel mwegzunehmen, hat die Frechheit, in feiner Gegenwart (mährenb er ſchlaͤft) einen Befuch des Genius Tuberofe anzunehmen ꝛc. Der ffandaldfe Auftritt, der nun folgt, übertrifft die bereits erwähnten an Unanftändigfeit, iſt aber noch nicht das Indezenteſte, was dieſes Märchen enthält. Die drei Gefährten For— tunats werden auf ähnliche Weife durch treulofe Hofbamen um ihre Talismane betrogen. Fortunat wirb durch den Genius Tomogiflon gerettet, in welchem er feinen Vater erkennt. Cr belauſcht dann die ſchoͤne Magelone im Babe. Sie wird von einer großen Spinne überfallen und fortgefragen. Fortunat rettet fle, und ſie wird feine Geliebte. Vermittelſt eines gewiffen Moofes, auf " das er ſich fegt, wird er in ein Mädchen verwandelt, und vermittelt eines Apfels, den er ift, wieder in einen Mann. Gr nimmt nun biefe beiden Zau— bermittel zu fi, um fi an ber falfcyen Kalypfo zu rächen. Magelone be- gleitet ihn, was wieder zu einer ber indegenteften Scenen führt. Am Hofe der Kalypfo angelangt, laͤßt er bad Bett derfelben mit feinem Moofe polftern und fie befommt einen fürdhterlichen Bart. Mittlerweile ift Magelone von‘ einem Zubringlichen überfallen worben, Fortunat hält fie für untren und vers ſtoͤßt fie. Sie wandert allein durch bie Welt, findet einen männlichen Ans aug, glaubt darin fiher zu ſeyn, vermißt aber bie inexpressibles, kauft ein Paar und entdeckt barin eine verzauberte Dame, bie wegen ihrer Pruberie in

Romantif. 393

dieſes Kleidungsſtück verwandelt worden. Inzwiſchen find die drei Hofbamen, welche dortunats Gefährten ihre Taliömane geraubt, übel damit gefahren. Die eine hat zu viel von dem Berjüngungswafler getrunfen und ift ein kleines Kind geworben; bie anbere hat zwar bie Zauberbrille anf ber Nafe, ift aber blind ; bie britte bleibt beflänbig unfichtbar, um ihren Liebhaber zu bewachen umb regalirt ihm bei jeber Gelegenheit mit Oßrfeigen. Die ganze Gefelichaft fährt durch die Luft nach den Maulwurfsinfeln, wo ihnen Gutzauberung ver- heißen ift. Unterwegs läßt Magelone das Bündel mit den Kleidern fallen, Fortunat, einem Schiffbruch entronnen, findet es und zieht die prube Prinz jeſſin an. Endlich kommt alles auf den Maulwurfsinfeln zufammen, wo bie Fee Songuille, vom Zauberſchlaf erwacht, ihren Tuberofe wieberfindet und auch die Sterblichen ſich durch die Bank heirathen. .

„Palmyra“, die Geſchichte eines Papagays, der nad einander in die Hände vieler Damen kommt, und „Tutu“ (von 1848), der ald ge» falfener Engel auf unfern Planeten und in unfere vornehme Geſellſchaften kommt, find nur im Rahmen märchenhaft, den mefentlichen Inhalt bildet eine troniſche Schilderung moderner Sittenverberbniß. Sternberg hat auch Kleinere Märchen geſchrieben. So ein „Buch von den drei Schwe- ſtern“ (1847). Das Märden vom rothen Zwerge.

2eon, ein junger Mann, macht mit einem tothen Zwerge einen Pakt wie Fauſt mit dem Teufel, übernimmt aber nur bie Verpflichtung, dem Zwerge bisweilen feinen Leib zu leihen. Komiſch ift die Angft, mit welcher Leon nun alle Bewegungen, Anftrengungen und Genüffe verfolgt, die der Zwerg aus feinem Leibe gewinnt.

In den „Schifferfagen“ von 1837 kommt neben gewöhnlichen Niren⸗ und Perlenmarchen auch ein Auſtermärchen vor. Ein Auſtermännchen verliebt ſich in eine ſchöne Sterbliche und zwingt fie zu ſeinem Dienft. Sternbergs „Erzählungen und Novellen“ von 1844 ſchildern in Gallot- Hoffmanns Manter den phantaftifden Wahnfinn des Maler Kock, eine andere bie unglückliche Miß Pamela, die mit ihrem verftorbenen Geliebten in Rapport ſteht sc. Voll düſterer geſpenſtiſcher Phantafle ift auch bie Sammlung, melde Sternberg 1854 unter dem Namen „Nachtlampe” herausgab.

Unter den größeren hiſtoriſchen Romanen Sternbergs ſteht „bie gelbe Gräfin“ von 1848 oben an. Hier nur eine Scene daran.

Benzt, ein ſchoͤnes junges Mädchen, wird vom Grafen Orlof für die mas "fürliche Tochter der Kaiferin Glifabeth gehalten, die er im Interefle der Kai⸗

394 Cilftes Bud.

ſerin Katharina U. verderben will, und nachdem ſie gebadet, in dem Bade zimmer nadt eingeſchloſſen. Dieſes Zimmer, das rothe Kabinet, iſt mit Kupfer⸗ diech tapezirt, da® von außen nach und nad) glühend gemacht wird, fo daß das fhöne nadte Mädchen darin Halb verbrennen, Halb erſticken muß. Im Wahnfinn der Angft träumt fie, in einem Walde veriert zu ſeyn und fieht in den Brandblattern, bie fi überall auf ihrem zarten Leibe bilden, Bunte Sipmetterlinge, die fih auf fle fegen.

In den Romanen „Sufanne“ und „Diana* find die Heldinnen gleichfalls unſchuldige, durch ruchloſe Menſchen graufam verfolgte und unglücklich gemachte Mädchen. In „Paul“ ſchildert Sternberg ven etwas verwilderten Sprößling eines abeligen Haufe. Verfehlt ift fein „Mif- fionär“ fofern derſelbe Herrnhuter und ein Freimaurer höheren Grades ſeyn fol.

Viel Eigenthümlies Hat C. M. Winterling, ver 1829 mit Sonetten begann, 1834 „Graziani's Eroberung von Granada“, 1836 „Apulejus“ und „Longos“ bearbeitete, 1842 „ein launiges Märchen" dramatiſirte.

Ay wird zur Strafe für ein Vergehen, an dem er ſchuldlos iſt, in einen Greis verwandelt und foll nicht eher entzaubert werben, bis ein Mädchen ihn von freien Stüden liebt. Alle Verfuche ſchlagen fehl, bis er in das Land Tommt, wo nur bas Alter für ſchön gilt und Hier gleich zwei Prinzeffinnen ſich in ihn verlieben. Sobald er aber wieder Züngling iR, fliehen fie ihn und ex Tann nun ber Neigung feines Herzens folgen.

Winterling ſchrieb ferner Epigramme (1847).

Diefe find nicht, wie gewöhnlich, kurz, fondern weiter ausgeführt in ber Form dehhgriegifgjen Anthologie und enthalten viel Geiſtrelches, auch einige politiſche Wipe.

Winterling ſchrieb auch zwei unerhebliche Schaufpiele (darunter eine Grifeldis) und ein Luftfpiel „die Colonie“.

Auf einer Inſel fol die Gleichheit erzielt werben dadurch, daß die ſchönen Mädchen an die reichen Männer verfleigert werben. Gin armer Liebhaber vers tiert fo feine ſchöne Geliebte, die einen reihen Bauern (der immer in feiner Mundart fpricht) Heiraten fol. Gin als Maͤdchen verfleibeter Bedienter bed Liebhabers Loct aber den Bauern ab.

Eouard Mörike in Stuttgart hat außer ſchönen lyriſchen Gedich- ten vorzugämelfe Idyllenartiges geſchrieben. In feinem erflen Roman Maler Nolten® von 1832, der gern gelefen wurde,

» Romantik. 395

verläßt ein junger Maler feine laͤndliche Braut, tritt in bie große Melt und wird der Geliebte einer kunſtliebenden Gräfin. Gin humoriſtiſcher Freund aber ſchreibt in feinem Namen der Verfloßenen immer noch zärtliche Briefe, als kaͤmen fle von Nolten. Da findet die Gräfin einmal bie zaͤrtlichen Ante orten ber Braut, wird wütend und verfolgt Nolten bis in ben Kerfer. Dies fer erfennt fein Untecht und dehrt veuig zur erflen Geliebten zurück, bei ber er alles unverändert findet und deren Bild vom Dichter reigend ausgemalt iſt.

Im Jahrbuch ſchwaͤbiſcher Dichter von 1835 fteht ein Märchen von Mörtke „der Schatz“,

worin bie Abentheuer eines jungen Golvarbeiter gar anmuthig in der Mrt EaNot-Hoffmanns geſchildert find. Am hübſcheſten iſt die Angffcene anf der Öben Heide, wo ber gefpenflifche Wegweifer ſich umbreht. Die „Idylle vom Bodenſee“ ſchrieb Mörike 1846 in Serametern. Der diſcher Martin rächt ſich humoriſtiſch an einem Brautpaare, dem er bei Nacht die ganze Auöfteuer in den Wald fährt und mit luſtigen Kameraden hier bie Hochzeit feiert, wobei zwei Buppen ald Brautpaar figuriren. Gin fehr einfadger Schwank, der aber Reiz gewinnt durch ben ironiſchen Ernſt ber Sprache.

Im Stuttgarter Hutzelmännlein von 1853 hat Mörlke einige alte ſchwaͤbiſche Volksſagen in Märchenform verſchmolzen und mit beftem Humor behandelt. Sole Humoresken von kleinem Umfang enthalten auch feine Gebichte, 3. B. „dad Märchen vom ſiechen Mann“, worin bie toMften und komiſcheſten Dinge mit ernfthafter Würde voller Schalkhelt vorgetragen werben, und die „Bäußlihen Scenen“, das köſtliche Geſpräch des Präceptor Ziborius mit feiner Gattin vor dem Einſchlafen.

Chamiſſo's Manter. nahm der fonft fanfte und heitere I. G. Seidl an, einer von Oeſterreichs befferen Lyrikern. Seine „Dichtungen und „Bifolien“ von 1836 (Riebertafel von 1840) find zarte, zum Theil - ſcherzhafte Liebeslieder und Genrebilber, wie feine niederöſterreichiſchen Flinſerln, aber feine Romane enthalten ſchauerliche Verzweiflungsbilder, wie die von Chamiffo. Eben fo feine Novelletten von 1839.

1) Das Herz eines Weibes bricht mit einer Kadenz Beethovens. 2) Cine Stelle in einem alten Buch wird prophetiſch für ein Tiebenbes Paar. 4) Ein Kind wird wüthend auf bie Leiche feines Vaters gefchlendert, bamit er es mitnehme. 7) Tanzende Holggruppen in einem Gudkaſten ſcheinen einem fieber⸗ haften Träumer lebendig zu werben. 10) Gin Verzweifelter, der ſich ermorden will, verſucht noch einmal, ein menſchliches Herz zu finden, ftellt ſich ald einen

396 i Eilftes Buch. \

Bettler an und bittet einen jungen Herrn um eine Gabe, diefer aber if zu faul, den Rod aufjufnöpfen. 12) Tobtengräber, Berführung, Mord. 13) Widrige Mißhandlung des Weibes durch den Mann. 14) Cine unglüds lich Verheirathete ſtirbt in dem Augenblid, in welchem ihr Ehering, ben fie einem Bräutigam geliehen Kat, an ben Finger einer andern Glüdlicheren ge- fieit wird. 16) Ein Ehemaun ſtürzt den Derführer feiner Frau heimlich in einen Abgrund und fagt öffentlich, er Habe feine Frau teen gefunden. Die übrigen Grzählungen find von mehr. heiterem Charakter.

" Ein anonymer Roman von 1837 „die Höllenbraut“ ift fehr phans

taſtiſch.

Gin Primaner lebt in der wirklichen und zugleich in einer Feenwelt und liebt hier wie dort eine gewiſſe Adelheid, die ihn auf die wunderlichſte Weiſe net und Bald beglüct, bald in Verzweiflung fürgt. Mm Ende Iöst ſich das poetifche Märchen in.Profa auf. Der fehöne unſchuldige Jüngling hat einer genialen Prinzeffin gefallen, die mit Hülfe einer ihr ganz ähnlichen Zwillings— ſchweſter ihm ben Spud gefpielt, ihn in ihre Gärten hat entführen Iaflen xc.

In dem Roman „die Reife des Tegten Menſchen“ von Kuffner, Bien 1837, ift ver Gedanke durchgeführt, daß der Menſch ohne feined« gleichen nicht exiftiren kann. Ale Menſchen find geftorben, nur einer iſt übrig, und obgleich ihm die Efementargeifter zu Dienfte ſtehen, fehnt er ſich doch dergeftalt nah Menfchen, daß er fogar lieber Puppen bafür nimmt, als Geiſter.

Anmuthig und pfantaftereld ift „der Diamant“ von C. Terpen (1840), Halb Profa, Halbe Bere.

Die ſchöne Herzogin Air in Paris liebt heimlich einen armien Grafen. Ein Oheim Vormund will fie weit höher hinauf vermählen und aus Rüdficht anf die Welt gibt fie nach. Aber plöglich ändert fh alles durch ein Wunder. In der That ein Wunder. Die Dichter thun ganz wohl, das Wunderbare wieder in bie Altäglichfeit einzuführen. Die fehöne Alix wird burd einen Geift überrafept, der in einen von ihrer Mutter geerbten Diamanten gebannt iſt. Diefer Geift fängt zu reden an und rebet fort und fort und wir vergeffen Paris und die ſchöne Herzogin und ihre Liebhaber und verfenfen und in bie indiſche Natur und Mythe. Die Profa verſchwindet, der Brahmine fpricht in Iauter Verſen. Erſt wenige Seiten vor dem Schluſſe des ganzen Buches enden. dieſe Phantaſien, in denen bie Liebe ver fchönen Menafa und Urwaft mit halb

idealen, Halb indiſchen Lofalfarben ausgemalt wird. Wir erfahren plöglic, daß alle dieſe ſchönen Dinge der Herzogin Air nur geträumt Haben, wir finden‘ fle von einer neuntägigen Fiebergluth ſich erholend. Aber jene Bifionen haben ihr ganzes Herz umgewandelt. Sie vergißt alle occidentalen Rückſichten

Romantif. 397

und folgt allein der Natur und ber Liebe, die fle in ben fehönen orientaliſchen Bildern kennen gelernt. Der Graf wird zurücgerufen. Er ift fhon da, er hat fich als Bebienter verfleidet und finkt in bie Arme der Herrin.

Adolf Ritter von Tſchabuſchnigg in Wien wagte 1841 in feiner „Ironie des Lebens“ und in „humoriſtiſchen Novellen“ ven vornehmen Humor ber Romantiker gegen dad Alltagsleben aufzufrifcgen, und wieder 1846 durch den „mobernen Eulenfpiegel”.

Am beften ift unter den Novellen die erfte Fahrt eines altmobifchen Onkels auf der Gifenbahn, eine meiftechafte Perfiflage der Aftgetifchen Mobenarrheiten, der Paganiniwuth, des Saphir in Wiener Cirkeln ac. und der moderne Mys thus von Midas, weniger ſpricht Eulenfpiegel an, weil er ohne eigentliche Handlung nur Fritifirend mit Künftlern und Schaufpielern umgeht.

„König Rübezahl“ von Heinrich Schwarzſchild (1842) iſt ein romantiſches Epos in Wielands Manter.

Es entfält die aus Mufäus befannte Geſchichte vom Berggeift, der für bie schöne Emma, während fie ihm entfloh, Rüben zählen mußte, miſchte aber eine Menge Iauniger Raifonnements über bie Gegenwart und ihre Thors heiten ein.

Die „Hause, Walde und Feldmärchen“ der Adele Schopenhauer (einer Toter ver Frau Johanna) von 1844 enthalten hübſche Märchen von guten Hausgeiſtern, zaͤrtlichen Elfen ꝛc. Am launigſten find bie

„Abentheuer eines Irlichts“, das unter Menſchen geräth, aber unter ben Bartfer Literaten und Karlsbader Babegäften doch zu viel von feinem urſprünglichen Charakter verliert.

Goͤthe's gleichnamiger Enkel, Wolfgang v. Göthe, gab 1845 eine wunderliche Sammlung von Profa und Verſen heraus, worin das bra- matiſche Gedicht von Erlinden vorwiegt.

Etlinde, die Nixe der Ilm, verlockt den Grafen Berka, ſich ihr hinzu⸗ geben, muß ihn aber wieder losgeben und ſterben laſſen, weil er nicht faͤhig if, den in ihr repraͤſentirten Naturgeiſt zu begreifen. Sinnige, doch etwas zu verwickelte Dichtung. Bol. meine Kritik im Literaturbl. 1845, Mr. 65 u. 86.

Das „Märchen“ des Nitter v. Levitſchnigg (1847) iſt mil - und üppig.

Ein moberner Don Juan tanzt feine Gelichten zu Tobe, das ift fein höch⸗ fer Genuß. Er will alles niedertanzen, und fordert auch eine Tobte auf, aus

398 \ Eilftes Buch.

dem Grabe zu felgen und mit ihm zu tanzen. Da erſcheint feine erſte Ge⸗ liebte als weiblicher Vampyr und reißt ihm fort zum Tange mit ihren blut- Teihgenben Gefährtinnen, aber das Krägen des Hahnes rettet ihn aus ber dir monifegen Gewalt, und er endet als glüdlicher Gate, mas zum Charakter des Marchens gar nicht paßt.

Die See» und Waldmärden von F. Brunold (1845)

handeln von Meerfrauen, Balbfrauen, Moorfrauen, die im Walbnebel und Wellenſchaum auftauchen, auch von Einem, dem ber Teufel ben Leib entführt und ver fortan nur im Schatten fortlebt, von Einem, ber dem Morgenroth nadjläuft, bis er ſtirbt ıc. Bertha Werders „Iraumfahrt in das Land des Aufgangs“ von 1851 enthält geiftvolle, zarte, aber auch überzarte Märchen.

Gin Engel ſchwebt zu den Menfchen nieder, wird aber in feinen liebevollen Erwartungen durch ihre Rohheit arg getäufht. Gin Mondſtrahl läßt ſich in eine hoͤchſt empfindfame Liebe zu .einer Palme ein. Cine Gazelle ftirbt am Heimweh, eine Mimosa pudica an der erflen Berührung. Die Thräne einer Mutter wächst fo groß, daß fle ben Durft ihres verſchmachtenden Kindes ftillt zc. Beſſer als biefe Weichlichfeiten ift das phantaſtiſche Maͤrchen vom Haar ber Sklavin. Cfflea, eine Tſcherkeſſin wird geraubt und Fommt als Sflavin zu dem Eunftreichen Weber Haflan in Stambul und flirbt. Diefer kann ſich nicht ent Halten, das wundervolle blonde Haar feiner Sklavin ihr noch im Grabe abs zuſchneiden und als Golbfäden einem feiner fehönften Teppiche einzuweben, webt aber unbewußt Eſſica's traurige Geſchichte ein, denn ihr Geift umſchwebt ihn. Den Teppich erblict ein Tſcherleſſenfürſt, der Gffica einft geliebt, Kauft ihn für ſchweres Gelb und Bringt ihn in bie Heimat. As Effica® Gitern ihn fehn, reißt ſich die Geftalt des Mädchens aus dem Teppich los und wirb lebendig, aber nur auf einen Augenblick, um fie zu grüßen und auf immer Abſchied zu nehmen. Und mit ihr iſt auch das golbene Haar aus dem Teppich verſchwunden.

Von ähnlicher Zartheit waren auch die „Parabeln“ von Agnes Franz (1841).

Kleine Märchen zur Erklärung von ber Eniflehung der Blumen. 3. B. der Eiſenhut wuchs da, wo ber Venus Tauben im Helm bes Adonis geniftet. Der Mond eniftand ans der Thräne eined Engels ıc.

In Berlin erfhienen 1853 „diei Märchen“ anonym, das erfte iſt ſehr reizend.

Pring Ohneſundchen ſindet im Walde ein reizendes Kind. Das ſagt ihm: ich bin das Heimelchen und habe feinen Heller Gel. Hierauf entſpinnt ſich

Romantik, 399

eine zarte Liebe. Aber die Hanebüchne Kälte, eine garflige Bee, flört das Glü der Liebenden und ſtellt dem jungen Prinzen nach, um ihn mit ihrer Tochter, dem Haidegelbche, zu vermählen. Diefes Töchterchen ift ungeheuer teil. „Bon vorn, da ſchauts gar niedlich brein- mit feinem Rödchen von Treforfheinen mit Falbelas von Gifenbahnaftien, das Schürzchen von Mes talliques; das goldgefticte Miever mit Brüßler Nentenfpig und Schleifen und , fliegende Bänder von- allerlei Coupons, und die Perlenſchuur um den Hals und ber fliegende Federſtrauß im golbigen Haar.“ Der arme Prinz wirb weggelockt. Heimelchen flirbt aus Gram und wird begraben. Ohnefündchen tommt in gute Geſeliſchaft und wird Sündchen. Aber Heimelchens Herz lebt nod im Grabe und fie fieht mit dem Frühling wieder auf. Die Hanebüchne Kälte verliert ihre Macht, die Liebenden finden ſich wieder. Gs if ein echtes Wintermaͤrchen, verwandt dem Schneewitchen und Dornröschen.

Auch die beiden andern Märchen find anziehend, die Spapenmemoiren mehr ſatiriſch, des Mondkönige Tochter wieder recht empfinbfam. Gin armer Bauernknabe wird hier vom Monbfchein geliebt und aus ber böfen Welt hinauf gehoben in des Mondes Reid.

Den Sieg ber Lebensprofa über den Märchenzauber feiert Wald- mäülter in feinen Irrfahrten (1853).

Cine Elfe beſchenkt den Jäger mit einem Zauberhorn. Er ſchweift durch alle Länder, verführt alle Weiber, ift aber endlich fatt, wirft den Talisman weg unb heirathet als Bilifter.

Artig iſt „dad Roſenmärchen“ von Pauline Schanz (1854).

Der Rofenkönig und feine wunderſchöne Tochter Rofenblüth, die ein uns ſichtbares Feenreich beherrfchen, feiern ihr Maifeft und belohnen bei biefer Gelegenheit die fromme Pflege, die eine junge Mutter bisher ven Roſen im Garten angedeihen ließ, durch das Geſchenk einer nie verblühenben Rofe, bie mit dem zarten Töchterlein jener Mutter aufwaͤchst und ihr Glüd bringt. Das iſt der einfache Inhalt des Gedichts, dem echt weibliche Zartheit und ber Lieb: veiz romantifcher Rofendämmerungen in füßbuftender Mainacht nicht abzus fprechen find.

Eine erfreuliche Erſchelnung war 1854 „der Trompeter von Säf- kingen“, eine jugendfrife Dichtung Joſeph Victor Scheffels.

Berner, ein junger Student, muſikaliſch, in der Wonnegährung des Alters,

. weldjes bie tofige Wange bräunt, bringt einer Pfahgräfin unbefugtermafen eine Serenade und empfängt bafür die Relegation. Luftig in die Welt hinaus abentheuernd gelangt er zum alten Herrn von GSäffingen und wird beflen Burgtrompeter. Da Iommen Feinde, er Hilft bie Burg wader verteidigen " und wir verwundet. Des Burghern ſchöne Tochter Margarethe pflegt ihn

400 - Gilftes Buch.

Beide lieben’ fig, der alte Herr aber fährt dazwiſchen, denn biefer Eidam if ihm zu gering. Werner abenthenert weiter, immer frif auf, kommt nad dem fehönen Italien, nach der heiligen Roma und wirb Hier Kapellmeifter des Papftes. Gbenbehin Tommt die ſchwäbiſche Margaretha ald Begleiterin einer Webtiffin. Die Liebenden find fi treu geblieben und ber wohlwollende Bapft fügt ihre Hände zufammen. Died der Baden ber Greigniffe, in den aber eine Menge Heinerer Blumen der Erzählung und auch lyriſche Gebichte und Gnomen eingeflochten fin. Desgleichen Wunderbares, aber im Humor rififgen Geift des Ganzen gehalten und wegen ber kritiſchen Tendenz an das dramatiſche Märchen Tiecks mahnend. Insbeſondere fpielt der Hauslater ber Säffinger Burg, Hiddigeigei, als spiritus familiaris die Rolle des kritiſchen Geiſtes. Später ſchrieb Scheffel einen Roman „Ekkehard“, der weniger anſprach.

Eklehard iſt der geiſtreiche Mönch, welcher der ſchwäbiſchen Herzogin Hed⸗ wig auf Hohentwiel vorzuleſen pflegt, ſich in ſie verliebt und fliehen muß. Ein ſchwaͤbiſcher Hirtenknabe wird yon den Ungarn weggeſchleppt, entkommt ihnen aber und raubt ihnen fogar ihren großen Schatz ac. Gin Herzog, Graf, überhaupt ein rechter Mann wirb in biefem Roman vermißt, Moͤnche, Weiber und Knaben herrfchen zu fehr barin vor.

Joſeph Pape. fehrieb 1856 ein Epos im Nibelungenversmanfe „Schneewitchen vom Graal“ vol reicher toMantifeher Anklänge.

Aber das Schneewitchen wird hier aus.dem ihm heimathlichen Kreife bed heidniſchen Märchens heransgezogen und als Kaiferkraut in den Kölner Dom geführt, unter dem Einfluß des Albertus Magnus, vor beffen chriſtlicher Myſtil jene Maͤrchenwelt ganz in den Hintergrund tritt.

Wir müſſen noch der Balladen- und Romanzendichter ge denken, die in fo großer Menge auftauchten, daß Hub mit nur einer Auswahl ihrer Nomanzen einen dicken Mufterband anfüllen Eonnte. Sie nahmen in neuerer Zeit hauptſachlich deshalb zu, weil zugleich fo viele echte Volksſagen aus bem Volksmunde gefammelt wurden. Das gab reichen Stoff, den die Dichter fofort In Verſen verarbeiteten, lelder oft handwerksmãßig genug.

Einer der beſten und berühmteſten war Guſtav Schwab, Uhlande Freund. Unter ven vielen gemüthlichen Liedern dieſes ſchwäbiſchen Dich-⸗ ters erlangte das Studentenlied „Bemoodter Burſche zieh ih aus“ bie welteſte Verbreitung. Im vielen ſchönen Romanzen (ſeit 1819) verarbel⸗

Romantif. 401

tete ex die Volksfagen ber rauhen Alb, des Schwatzwalbe, des Boben- ſee's, auch einige Schwelzerfagen, und in größeren Eyclen das Jugend« leben Herzog Chriſtophs, den Möringer, die ſchwaͤbiſchen Kammerboten, den Appenzellerkrieg, Walther und Hiltgund, Robert den Teufel, die ſchoͤne Legende von ben Heiligen brei Königen. .

Guſtav Pfizer in Stuttgart fleht unter den jüngern ſchwäbiſchen Dichtern im flttlihen Ernft und auch in der Neigung, in poetifcher Form zu philoſophiren, Schiller am nächſten. Seine Gedichte erfätenen zuerft 1831 (neue dazu 1835 und 1840). i

Bon der epiſchen Gattung find .die Tatarenſchlacht, Ezzelino, Salomo's Nächte. “In diefem Iegteren Gedicht wird beſonders bed Königs Liebe zur ſchoͤnen Königin von Saba reizend aufgefaßt, doch waltet im König ſelbſt nicht bie falomonifche Ruhe und Weisheit, fonbern ein unenblicher Sehnſuchts⸗ drang. Am tieffinnigfien it „Magie und Liebe“, worin-gezeigt wird, welde teinigende und Heiligende Kraft in ber Siebe felbft Hege, auch dann, wenn fie aus unreiner Quelle Fam. Pfizer war in Italien und brachte von dort viele poetiſche Grinnerungen mit, darunter bie ſchönſte an Pompeji, vol heiligen Ernſies. Unter den Beitgebichten ift „ber Tod Ferdinands VII.“ beſonders fräftig mahnend.

Es war fein Wunder, daß ſich Göthe über diefen reinen und edlen Sänger Ärgerte, aber Göthe's ungerechter Ausſpruch über Pfizer war für diefen doch eine gerechte Strafe, well er Göthe einmal „ben Fürften der Wahrheit” genannt Hatte. Friedrich Julius Krais, ein Schüler Uhlands, ſchrieb auch einige ſchöne Romanzen (1839), desgleichen Lud⸗ wig Seeger (1843).

Johann Rudolph Wiyß in Bern, gab 1818 „Idyllen und Volksſagen aus der Schweiz“ heraus, dann „eine Meife ind Berner Oberland“, bie auch voll von Bolköfagen ift, und Schweizer, Kuhreihen und Volkslieder mit Melodien. Alles höchſt dankenswerthe Leiſtungen, obgleich das echt Volksthümliche nit ſtreng genug geſchieden iſt won der Zuthat des Bes arbeiters. Ihm trat Franz Kuenlin würdig zur Seite, ver beſonders in dem Taſchenbuch „die Alpenroſen“ viele ſchöne Sagen aus ber Schweiz bearbeitete, obgleih In zu empfindſam romantifhem Converfationdton. Seine beften Sachen erſchlenen 1840 gefammelt. Biele ſchöne Schwehzer- fagen brachte Otte (Better in Mühlhaufen) felt 1840, insbeſondere

Menzel, deutſche Dichtung. TIL 26

402 Cilftes Bud.

Volksſagen aus Graubündten Alfons von Flugi 1843 und Xiroler Sagen Johann Zingerle in Romanzenform.

Ehrenftied Stöher in Straßburg lehnte ſich an feinen Landsmann Pfeffel an, ſchrieb patriotiſche Lieder als Franzoſe in deutſcher Sprache, was ſich nicht ſchickte. Seine lyriſchen Gedichte (1811) enthalten viele „zarte Züge, auch brachte er manche hübſche Sage des Elſaſſes in Ro» mangenform. Im legterer Beziehung übertraf ihn noch fein Sohn Auguft Stöber, deſſen Alfatta (fett 1842), Elſäßiſches Sagenbuch, oberrheiniſche Sagen ꝛc. den reichften Stoff mitteilen und deſſen ſchöne Gedichte ven Straßburger Münfter zum Zeichen nehmen, daß drüben über dem Rhein auch noch deutfches Land fey.

Geib brachte 1828 die DVolköfagen vom Rhein in Romanzen, Adelheid von Stolterfoth ahmte ihn nah, Simrod in Bonn aber übertraf ihn. Der letztere war zugleich der fleißigfte Ueberfeger altveuts fer Dichtungen ind verftändlichere Neudeutſch und erwarb fi durch bie weitere Verbreitung folder Dichtungen ein großes Verdienſt. Schnezler

brachte viele oberrheinifhe Sagen in Romanzenform, Fried in feinen Epheuranken Pfälzerfagen, Wolfgang Müller mehr niederrheiniſche, aber auch viele andere, Beäftein, Adolf Bube (1825) und Welcker (1831) die Sagen Thüringens.

Eine Menge Romanzen gemiſchten Inhalts dichtete Krug von Nidda, der auch Erzäßlungen fprieb, die zu den befferen gehören (1821), ferner Samuel Chriſtoph Pape (1821) no in Fouqus's empfindfamen Tone, Auguft Nodnagel (1836), Fr. Körfter (1838), Louiſe v. Plön—⸗ nies (1844), Alvin Reiubold (1846). Eine ungeheure Menge Ro- mangen, baͤndeweiſe, Trieb Nepomuk Vogl in Wien fett 1830. v. Baal behandelte 1822. ungariſche Sagen in beutfefen Romanzen. Der Schotte Sinclatr brachte 1812 altnordiſche Stoffe in deutſche Nomanzen und behandelte den Cevennenkrieg in einer dramatiſchen Trilogie.

Zwölftes Buch. Die jüngfte Dichtung.

Aeußerlich fällt am der deutſchen Dichtung, wie fie ſich in ven Iehten vierzig Jahren feit dem Verfall der Romantik ausgebildet Bat, nichts fo fehr auf, als bie ungeheuerliche Menge ver Dichtungen. Kein Jahr ver» gebt, in welchem die Meßcataloge nicht Hundert nene lyriſche Werke, chen fo viel oder no mehr Romane und wentgftend halb fo viel Schauſpiele verzeichnen. Die Zahl unferer Iebenden Dichter ift eine Myriade, und nit einmal zu viel für bie mehr als taufend jegt in Deutſchland bes ſte henden Buchhandlungen. Die Poeſte, ehemals monarchiſch, prieſterlich oder wenigſtens ſariſtokratiſch, iſt demokratiſirt worden, und nicht nur glaubt ſich jeder, ſobald es ihm nur einfällt, berechtigt, zu ſchrelben und drucken zu laſſen, ſondern eine zahlrelche Claſſe von Proletarlern ber Preſſe wird von den Verlegern zur poetiſchen Fabrikarbelt förmlich ges dungen. Ein Kritertum des guten Geſchmacks gibt es nicht mehr. Reiche Verleger und Lobaſſecuranzgeſellſchaften unter den Literaten ſelbſt, ober das politiſche und kirchliche Partelintereffe diktiren das Öffentliche Urtheit. Nie zuvor iſt daher fo viel Schlechtes angepriefen und verbreitet, fo viel Gutes verachtet und unterdrückt worden. Cine fo monftröfe, unnatüstie und werthlofe Production aber -bet einer fo Harakterlofen Kritik ſteht zum wahren Bebürfniß und Recht der Nation in verfehrtem Verhältniß und kann nit von Dauer ſeyn.

Als durchgreifende Tendenz im Chaos biefer poetifchen Superfötation war zunääft eine gewaltige und unwiderſtehliche Rteaction gegen bie Ro—

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404 Zwölftes Bud.

mantik wahrzunehmen. Je weniger bie romantiſchen Dichter ihrer großen Miſſton, zur Nationalität und Kirche zurüdzuführen, genügt hatten, um To ſchadenfroher und übermüthiger erhoben ſich von allen Seiten die An- Hänger des claſſiſchen Altertfums, ver Menatfjance, des poetiſchen Unl⸗ verfaltemns und Kosmopolitismus, des vornehmen Egoismus, des feichten Ratlonalismus, verbunden mit den jungen Schwärmern für ven frans zoͤſiſchen Liberalismus und Socialismus, die neuen Propheten ber Rüber- lichkeit, die Fleiſchesrehabilltatoren und die Todfelnde des Chriftenthums, die Juben. Darin gab fi num nicht weniger Unnatur zu erkennen, wie in der äußern Demokratifirung und im Induſtrialismus der poetiſchen Preſſe.

Die Mehrheit theilte fi in eine Rechte und Linke. Die ariſtokra⸗ tiſche Rechte füllte fh mit Epigonen, melde ven Ruhm der großen Dichter des vorigen Jahrhunderts fi als rechtmäßige Erben aneignen zu Tonnen glaubten, wenn fle nur in ihrer Manier fortbihteten, die demo- kratiſche Linke aber mit Anariften, melde die Poefle nur wie Schieß- baumwolle präparirten, um bamit alles Beftehende auseinander zu fprengen. Die Epigonen behaupteten dad Uebergewicht, fo lange die Meftauratton dauerte. Die Anarchiſten erhielten e8, als von Frankreich Her bie Re— volution Fortſchritte machte.

Erſt nachher gelang es unter dem Säutt des geflälezten Epigonen- thums und ber mißrathenen Nevolutionspoefle einigen jungen Keimen einer befjern Zukunft durchzudringen. Allerdings noch ſchwache Keime, die aber bedeutungsvoll find, weil ihnen naturnotäwenbig noch viele von mehr Lebenskraft nachtrelben müffen. Keime nämlich einer wieder Hrift- Uchen und wieder volksthümlichen Dichtung, derjenigen, zu der wir von allen Berirrungen, wie biöher, fo Fünftig, immer und immer wieber zurüd- Tehren müſſen.

1. Die Epigonen.

Es iſt nit gay leicht, dleſe Herren zu rubriciren, eben weil es Epigonen ſind. Sehr viele unter ihnen, und gerade die vornehmſten,

Die jüngfte Dichtung. 405

haben Goͤthe's Beiſpiel nachgeahmt und ihre Virtuofität in gar vielen Manieren zu zeigen geſucht. Das formelle Talent, fhöne Verfe, au eine ſchoͤne Proſa, zeichnet die melſten aus, während ihre Erfindungen ſchwach find. Man fteht, daß fie nicht mit friſchem, eigenem, unver „fälfehtem Gelfte einen neuen Gegenftand ober aud einen alten in ganz neuer Welfe ergriffen, ſondern daß bie Gedanken, Bilder, Gefühle und

Verſe großer Meifter, in die fie fi ganz Hineingelebt Hatten, in Ihnen nachklangen, ſich unwillkührlich In ihnen reproducirten und die Origina- Ität in ihnen, wenn auch eine Anlage dazu da war, nicht mehr aufs kommen ließen.

Den eöhteften Epigonendarakter trug Karl Lebreht Immermann aus Magbeburg, Landesgerichtsrath in Düffelvorf. Nie aus Leben und Natur fhöpfend, ſondern ſich Immer nur an fremder Dichtung begeiſternd, ahmte er Shakefpeare, Göthe, Tieck sc. nah, ohme je felber original zu werben. Und doch fheint er fich eingebilvet zu haben, fo groß zu ſeyn, wie feine Vorbilder, denn er hielt und fpra viel von ſich.

Schon in feinen lyriſchen Gedichten (1822 und 1830) ſieht er ſich ſelbſt als Endymion in füßem Schlummer von feiner Göttin geküßt und Framt, gleih dem alten Goͤthe, die Gitelfeiten feiner perfönlichen Sympathien und Antipathien aus, ald ob es ber Welt ungeheuer interelant feyn müßte, ders gleichen zu erfahren. *) Dabei macht ſich ſchon in ber erſten Jugendbläthe bei ihm ein Gelangweiltfeyn, jene Blafirtheit und Guropamübigfeit bemerflich, mit der nachher fo viele junge Dichter förmlich Fofettirten, ohne zu ahnen, wie verächtlich fie ſich ſelbſt dadurch machten. Immermann fingt einmal:

Du endlich, lieber Gott, gehört Zu denen auch, bie mich verleget. _ Haft, ohn einmal zu fragen erſt, Mic; auf den Sünbenball gefeget, Doc, wie du bich an mir vermeſſen, &8 fey vergeben und vergeflen.

®) Zur Gittengefihichte gebört, was wir dem Wu) ber Ludom. Affing über Cuſe vor Ablefeld, Sceuntin Immermanne* (4857) entnehmen. Glife, die Gattin bes Major Lügow, der 4819 das berühmte Greicorps führte, fand ihren Mann zu peofalt, ſchler fi von ihm und lebte mit Immermann, bi6 biefer eine jüngere heiratete, bie ifm aber aud) wieder nicht genug poetii$ war. Ladow heiratete auch eine andere, Tieß fl) aber nohmals fpeiden. Eli fens und Immermanne Beeunbin Sohanna Noterby Tief iprem Mann und zwel Kindern dar

von, einem jungen Danne nad, der fie wieder figen ließ, dann dem Ghatefpeare-Ueberfeher „Kaufmann, ber mit Selbſtmord endete. As aus Ehöngeiferei.

406 Zwölftes Bud.

Dan merkt Hier ven verderblichen Einfluß, hen ver Jude Heine auf Immermann geübt hat. Mit den Gedichten zugleih erſchlenen 1822 „die Papterfenfter eines Eremiten“, Briefe, Sragmente und Aphorismen in Wertheriſcher Proſa mit einem kleinen romantifen Schaufptel als Anhang „bie Verſchollene“, deren Stoff aus ben von und Theil I. ©. 243 erzählten Legenden entlehnt iſt. Sodann gab Immermann eine , Menge Trauerfpiele heraus, mit denen er ſedoch fein Glück machte, da er In ber Regel gute, Stoffe nur verzerrte und verdarb.

König Periander und fein Haus, 1822. Periander, Tyrann von Korinth, entriß dem Volk feine Freiheit und beging die ſchändlichſten Graufamfeiten. Unter andrem trieb er Blutſchande mit der Mutter und trat feine ſchwangere Gattin mit Füßen tobt. Seinen Sohn Lyfophron, ber darüber weinte, vers bannte er 3. Diefen haäßlichen Tyrannen nun macht Immermann zum Helden feines Trauerfpiels und yupt ihn mit Empfindfamkeit auf. Der gute Vater Tann es nicht übers Herz bringen, daß ihn feine Kinder micht lieben. Neben dem Lykophron Hat er noch den Thraſyll und die Meliffa, die, ſich eben fo alt gegen ihn benehmen. Das macht ihn ganz troſtlos. Lykophron fällt im der Verbannung in Wahnfinn und tobt, Halb wie Hamlet, halb wie Lear, bis ihn die Korfyräer erſchlagen. Der Vater ſtirbt nicht, fondern geht am Schluß nur mit verhülltem Haupte ind Elend, freiwillig ſich verbannend.

Das Thal von Ronceval, bie bekannte Sage von Rolands Tod. Hier wird von Immermann in hergebrachten Schiller'ſchen Jambenphrafen geprahlt, getrogt und gejammert. Nichts iſt dabei neu, ald bie obligate Liebe Rolands au der Mohrenpeinzeffin Zoraide, bie fih Marin taufen läßt und noch den Schwerverwundeten tröftet. Wie ungeheuer trivial im DVergleih zum Tode

Rolands im alten Ruolantes Liebe!

Edwin, rechtmaͤßiget Erbe des engliſchen Thrones, wird durch Rebellen,

bie ihn erlennen, auf den · Thron erhoben. Immermann affectirt hier bie Sprache Shakeſpeare's, feine Dichtung bleibt aber Höchft mager.

Petrarca. Während Betrarca ſich um Paura bemüht, mit ihrem Manne vor ihrem Fenſter fich Herumfchlägt und endlich von ihr für immer abgewieſen wirb, bringt ſich Jeanneton, des Wirths in Avignon Tochter, bie aus Liebe zw Petrarca, den fie für ben Heiligen Sebaſtian Hält, naͤrriſch geworben iſt, ums Leben. - Die unpaſſendſte Auffaſſung ber zarten Sängerliebe Petrarca's.

Cardenio und Eelinde, eine mittelmäßige und kahle Bearbeitung der ſchöͤnen Dichtung des Andrea Gryphius. Bl. Tell IL. S. #05.

Ghismonda, eine eben fo ſchwache Bearbeitung der altitalienifchen Novelle. Neu iſt nur der Umfland, daß der Liebende, weil ihm von feiner Geliebten Stillſchweigen auferlegt worden iſt, fi von ihrem Vater gang ruhig und ſtillſchweigend erdolchen laͤßt.

Die jangſte Dichtung. 407

Das Trauerfpiel in Tirol (1828), die befannte Geſchichte des Andreas Hofer, aber widrig entflellt dadurch, daß das Weib eines treuen Tirolers mit einem franzoſiſchen Offiziere buhlt und Hofer ſelbſt nur ein matter Abllatſch des Marquis Bofa if, indem er dem BVicefönig von Stalien liberale Vor⸗ Iefungen halt, wie Pofa dem fpanifchen Philipp.

Kaiſer Friedrich II. Im diefem Trauerfpiel charalteriſirt Immermann nicht etwa den großen. Kampf zwifchen Staat und Kirche, fondern Ienft das Ins tereffe allein auf bie fehöne Sarazenin Rorolane, in welche fi beide Söhne des Kaiſers, Enzius und Manfred, verlieben, bis fie entbeden, fie ſey des Kaiſers natürliche Tochter und ihre eigene Schwefter. Sie aber, den gefangenen Geliebten und ben Franfen Vater nicht achtend, nimmt Gift. Der Dichter Tann eine große Zeit und große Männer nicht jämmerlicher mißbrauchen.

Aerid (1830), die Hägliche Geſchichte des ruſſiſchen Thronfolgers, welchen fein eigener Vater, Peter ber Große, hinrichten ließ. Seht breit ausgefponnen und ohne daß ber Dichter die wahre Gefchichte und das eigentliche Motiv des Mordes gekannt hätte.

Etwas beſſer ift Immermanns Luftfptel „bad Auge ver Liebe“.

Amanda, eine Prinzeffin, Liebling der Glfenfönigin Titania, wurde von dem erzürnten Gemahl derfelben, Oberon, um bie Titania zu kranken, ent⸗ führt und Häßlich gemacht und follte nicht eher wieber ſchon werben, als bie fie auch in dieſer wiberlichen Geftalt geliebt würde. Ein Prinz, ihr früherer Geliebter, findet fie und das Auge ber Liebe erfennt auch in der Auferften Entftellung die Geliebte wieber, wodurch der Zauber gelöst wird.

Ziemlich unbebeutend ift das Heine Ruͤhrſtück „bie Nachbarn⸗.

Abgeſchmackt dagegen iſt „die Schule der Frommen“ (1829).

Ein Herr von Kamäleon ſpielt den Pietiſten, ſchleicht ſich bei einer hüb⸗ ſchen jungen Wittwe ein, thut ehrbar und mäßig, hat aber heimlich Lieb⸗ ſchaften und frißt Leberpaſteten 2ꝛc. bis er ertappt wird; als er aber Hört, es ſey ein Regierungswechſel eingetreten und die Pietiſten gelten nichts mehr, wirft er bie Masfe ab und wird Aberaus luſtig und frivol. Unwahr und Yarifirt. Kein wahrer Tartuffe benimmt ſich fo.

In dem „Prinzen von Syracus“, in der „Verkleidung“, im „Magen« ſchmerz“, im „Merlin arbeitet fih Immermann in Wig ab, worin er dem Shafefpeare, Calderon und Tieck gleichkommen möchte, aber bie Abſichtlichkeit zerflört ven Eindtuck, man iſt wie auf Schrauben geftellt.

Unglaublich fabe iſt „der neue Pygmalion“, eine Erzaͤhlung Immer- manns von 1830. .

Ein reicher Baron liebt ein armes Maͤdchen und wird von ihr geliebt.

408 Zwoͤlftes Buch.

Aus zarter Scham verſchweigen fle ihre Neigung, bis das Mädchen einmal einem Maler ald Statue des Pygmalion zum Mobell ‚dient und den Baron im Zimmer baneben um fie feufgen hört. Da fpringt fie vom PoRament Herab und zur Thüre hinaus in feine Arme. Immermann ſchrieb nur zwei größere Romane in Profa; in dem einen ahmt er Göthe's Meifter, in dem andern Tiecks Novellen nad. „Die Epigonen“ find das am beften ſtyliſirte Buch Immermanns. Die Sprache kommt an Schönheit ver bes Göoöͤthe ſchen Wilhelm Meifter auffalend nahe. Wenn nur auch ber Inhalt dem jenes Meifters nicht auf fo gar nahe käme. Wir Haben eine ganz epigonenmäßige Nad« ahmung vor und; ein Schüler macht es Hier dem Meifter nach „wie er ſich räufpert und wie er ſpuckt.“ Hier eine Skizze des Inhalts. Hermann, der Sohn eine Lübecker Senator, ift auf einer Reife und trifft zufällig im Walde die junge wilde Fiametta (Flaͤmmchen), Tochter eines in der Schlacht gefallenen polnifchen Offiziers und einer Spanierin, bie von einem herumziehenden Komöbianten erzogen worben ift und jet einem alten Johanni⸗ territten übergeben werben foll. Hermann glaubt zu ſchaͤndlichen Sweden, wirft ſich zum Nitter des unglücklichen Kindes auf, beleidigt ben Ritter unb wirb von ihm im Zweilampfe ſchwer verwundet, aber im Walde von dem lieblichen Flaͤmmchen gepflegt, die, in wunderlichem Aberglauben aufgewachſen, ſich fer einbilbet, Hermann fey ein Prinz und ihr zum Gemahl beftimmt. Als Knabe getleibet folgt ihm Flammchen in das Schloß eines Herzogs, wo er langſam geneöt und die intereffanteften Bekanntſchaſten macht, Der Herzog iR kinder⸗ 108 und beerbt eine ausgeſtorbene fehr reiche Linie, deren Befigungen aber dem Oheim Hermanns verpfändet find. Als Hermann wieder hergeftellt ift, forgt er für Flämmehens Ausbildung und verlobt ſich ſelbſt mit feiner Coufine Eor- melie, Tochter des reichen Onfels; verliebt ſich aber in die fehöne Johanna, eine uneheliche Schweſter des Herzogs, und glaubt in ihren Armen zu ruhen, aber Flammchen Hat die taͤuſchende Nacht benügt, ohne daß er es weiß. Zu feinem Glüd, denn fpäter wird entdeckt, Johanna fey feine Schwefter, er ſelbſi ein Bender des Herzogs. Flammchen gebiert ein tobtes Kind und firbt ſelbſt, ſchidt aber noch vor ihrem Ende den Ring, ben fie in ber geheimniß— vollen Nacht Hermann entriffen, diefem zurüd. Nun erft erkennt ex feinen Irrthum; und Johanna, bie vollfommen rein vor ihm als Schwefter ſteht, führt ihm laͤchelnd bie ſchoͤne und reiche Braut Cornelie zu, auf deren bebeus ‘ende Güter er nun ein doppeltes Recht Hat als Bräutigam und ald Erbe bes Hergoglichen Haufes. Abgefehen von den vielen eingeftrenten Gefprächen über allgemein intereffante Segenflände, Dichikunft, Erziehung, Abel ıc., auf bie ich feinen großen Werth Tegen möchte und bie immer bie Hanblung eines Romans flören und und ſtatt

Die jüngfte Dichtung. 409

des Gedichts zu fehr den DVerfafler zeigen, if der Roman vom Verfaſſer mit feltener Wärme und Liebe ausgearbeitet, bie Malerei durchſichtig Mar, die Sprache claſſiſch. Borzüge, bie auf jeder Seite an das große Vorbild, Goͤthe's Wilhelm Meifter erinnern. Aber gerabe biefe Erinnerung fört den hehaglichen ‚inbrud; zumal da es nicht bloß die Sprache, ſondern auch der Inhalt if, den Immermann von Böthe geborgt Hat. Hermann, der Kaufe manndfohn, ift ganz der nämliche, wie Wilhelm, der Kaufmanndfohn; teidh, Jung, ſchoͤn, empfänglich für alle Reize, befonders der Vornehmigkeit, übers laßt er ſich der Woge des Zufalls, die ihn immer fiher zu feinem Glücke trägt, unb laßt ſich von ben Frauen ſtill und laut anbeten, ſich überwiegend paffio zu ihnen verhaltend, und ben männlijen Pol umbrehenb in ben weib⸗ chen. Chen fo it Flammchen eine Wiederholung der Mignon Gothe's, fle lebt, fie liebt, fie ſtirbt wie Mignon; nur daß fle ungleich munterer und wil- der, ich möchte fagen, zigeunermäßiger aufgefaßt iR, wobei dem Dichter anbere Borbilder aus Arnim und namentlich aus Cichendorffs Ahnung und Gegens wart vorfchweben mochten. Das herzogliche Haus erinnert vielfah an das grafliche in Meifter, auch die erfahrenen, Mugen, aber ſonderbarlichen Nebens perfonen. B Immermann hat den Roman „bie Epigonen“ genannt, theils weil ex einen Inbuftrieritter zum Erben eines alten Fürſten macht, thells weil er unfere ganze Generation mit Epigonen vergleiht, die nur noch vom geiftigen Erbe des vorigen Jahrhunderts, fonderlih von Göthe, zehren. Aber dieſes Epigonengefühl Immermannd tft ein Erankhaftes und irr⸗ thümliches. Unſere Zeit iſt gar nicht fo arm am eigenem Geiſt, wie Im- mermanit ſich einbildet. Diefer Geift tft fogar viel gewaltiger und tiefer, als der bed vorigen Jahrhunderts. Die neue Zeit ſchmiedet Schwerter und Harniſche genug, es ift gar nicht nöthig, fi in Göthe's Schlafrock Hinzufegen und ins vorige Jahrhundert Hineinzuträumen. Die Arbeit des laufenden Jahrhunderts iſt großartiger und vielverſprechender als bie des vorigen. Die deutſche Nation war im philoſophiſchen Jahrhundert unter der Herrfhaft des klaſſiſchen Geſchmacks ſich felbft entfremdet morben. Jetzt erſt beginnt ſie die Wiedergeburt. Alle jüngeren Gelfter find be» rufen, aus biefem friſchen Elaren Born bes neuen Lebens zu fhöpfen, und nicht mehr aus dem ſtehenden faulen Abwafler des vorigen Jahr- hunderts, deſſen theatralifche Eitelkeit und poetifche Schminke doch nur eine fumpfige Tiefe vergolbete. Statt der gefrönten Poeten und äſthe— tiſchen Hofräthe Haben wir doc jegt etwas, was einigermaßen mit einem

40 \ Zwölftes Bud. Nattonalgefühl verglichen werben Tann, und flatt des Theaters haben wir wieber eine Kirche. Wer jetzt nod kein anderes Allerheiligſtes deut⸗ fer Nation anerkennen will, als dad Göthehaus in Weimar, ven ſchleu⸗ dert das Rad ber Zeit weit hinter fi zurüd,

Der zweite große Roman Immermannd tft „Münchhauſen“ (1838);

Ein Enkel des großen Lügners, Mündhhaufen, hält vor einem einfältigen Edelmann, feiner ſchmachtenden Tochter und einem Schulmeifter, der obgleich Halb verrät, noch ben meiſten Verſtand hat, eine unendlich Tange ironiſche Rebe, worin er aus bem Hundertſten ind Taufendfte kommt, vorzugsweiſe über die damals neufte deutſche Literatur und kühlt fein Müthchen an feinen Geg- nern eklig, grämlich, verbittert, ohne Wig und ohne gefundes Uriheil. Hier nur eine Probe, die Schilberung einer Bücherſchlacht. Er hat Goͤrres Myſtil zuerſt mit Strauß Leben Jeſu, dann mit Voltaire's Pucele zufammengeftellt. Im erften Ball ſchlagen ſich die Bücherdeckel grimmig, im zweiten läßt ſich die Pucelle durch den Heiligen Nachbar befehren und ber Drud verſchwindet von dem wieder weiß werbenben Papier. Welche Verwirrung im Kopfe des Dichters läßt das vorausfepen! Wie weit entfernt iſt er von Tiecks heiterer Unbefangenheit und Oragie, die er krampfhaft zu erfünfteln ftrebt.

Die hübſcheſte Dichtung Immermanns tft das Tuliſintchen⸗ ein komiſches Epos in hochtrabenden Cidverſen.

Prinz Tulifäͤntchen, ein Daͤumling, über deſſen Kleinheit ſich feine koͤnig- lichen Eltern ſehr betrüben, beſchließe, durch die Größe feiner Thaten zu er— ſeben, mas ihm fehlt. Er ſeht ſich zu Pferde, aber nur ind Ohr des Pers des, weil ex zu Hlein iſt / ihm auf den Rüden zu figen.. Gr kommt ins Land der Amazonen, erlegt fiegreich eine große Brummfliege, welche die ſchlafende Königin beläfigt und erfährt von biefer, ihre Tochter fey in der Gewalt eines Rieſen. Indem er auszieht, um ſie zu befreien, gibt ihm eine liebreiche Fee das Mittel an. Cr darf nur einen Heinen Stift ausziehen, ber bie ganze Mauer bed Riefenfchlofies zufammenhält, fo muß fie zufammenfallen und den NRiefen erfchlagen. Er thut es, befreit bie Prinzeffin und wird ihr Gemahl, aber die flolge Prinzeſſin findet ihn viel zu Hein, ſperrt ihn in einen Bogel- bauer und hängt ihn and Fenſter. Diefe Schmach Tann er nicht überleben und flürzt fih aus dem Käfig Hinab' auf die Straße; aber bie Bee fängt ihn in ihren weichen Armen auf und trägt ihn in ihr Wunderland,

Immerhin ein artiger, wenn auch unbebeutender Scherz, und mit befter Laune in heroiſch komiſchem Style vorgetragen.

Einen ebenfo echten Epigonendarakter, wie Immermann, trug auch ber Bayer Auguft Graf v. Platen an fih, und eben deshalb haften

Die jüngfte Dichtung. 411

ſich belde töbtlich und verbitterten ſich das Leben. Jeder von beiden namlich wollte nach Göthe als ber erſte deutſche Dichter gelten. Schaden- froh ſchürte der kleine Jude Heine das Feuer dieſes Neides. Platen hatte von Heine, als dem Freunde Immermanns, geſagt, ſeine Küſſe duften nach Knoblauch. Dafür rächte ſich Heine in feiner ſchamloſen und heimtückiſchen Art, Indem er aus feinem ſicheren Pariſer Verſteck heraus den unſchuldigen Grafen des griechiſchen Laſters zieh. Platen aber ſetzte fi aufs Hohe Roß und hoffte mit mafeftättfgen Parabafen den einen mie den andern feiner Gegner nieberzuftampfen. *)

Platen verſtand meifterhaft, Hangvolle Verſe zu machen, bildete fih aber auf die Muſik ſeiner Sprache zu viel ein, da ihr der Inhalt an Werth und Anziehungskraft nicht immer gleich kam. Auch ſchwankte er zu unentſchieden zwiſchen entgegengeſetzten Manieren umher, zwiſchen Claf- ſieltät und Romantik, Occident und Orient. Noch als Jüngling gab er 1821 die „Gaſelen“ heraus und welhte ſie Göthe.

Gaſelen, morgenlandiſche Gefühle und Gedanken in morgenländifchem - Veromaß, nach Hafis und Batis, Blumenreich, weinfelig, noch mehr liebetrun - Ten, behaglich, weichlich, zuweilen gnomiſch, immer aber wohlklingend.

Es folgten noch „ein Spiegel des Hafis“ und „neue Bafelen* in demſelben Ton und Geift, dann „Iyrifehe Blätter“ und „vermiſchte Schrif- ten“ mit vielen Liedern und Romanzen und den erften Verſuchen in clafe ſiſchen Open, Elegien, Eflogen, worin ber Dichter Meifter werden follte. Eben fo cultivirte Platen die romaniſche Form des Sonetts, überall kunſtgerecht, ſprachgewandt, wohllautend, geift- und phantaflereih, aber nit genug feffelnd durch den Inhalt feiner überall nur Heinen und aufs mannigfachfte wechfelnden und fpielenden Gedichte. Die Kraft des Dich- ter8 war nicht concentrirt und nit auf einen großen Gegenftand ge= richtet. Er fehlen das zu füsten und begann 1823 dramatiſche Arbeiten, aber zum Tragiſchen fehlte ihm die Tiefe.

Sein Tod Marats war nur ffiggirt. Sein gläferner Pantoffel miſcht zu wilfführlich zwei deutſche Märchen in einander, Afchenbröbel und Dornröschen. Noch weniger Fonnte er aus dem Schag des Rampfinit machen, den Jeder

*) Dlaten’ ſpottete In feinen ‚neuen Propheten® 1817 über bie Frommen mit eben fo fregem Big, wie Heine, hatte alfo fein Reit, ih über ihn zu beflagen. „In jenem Cebit Taßt er den $. Augufin das aystöme de 1a mature und den h. Ignatius die pucalle flubiren,

412 Swoͤlftes Buch.

ans Herodot Tennt. Im Berengar if auch nur ein alter befannter Märcjenz Roff vom falfegen Bräutigam, ben der rechte endlich vertreibt, wiebergegeben. Im Thurm mit ſieben Pforten desgleichen. Erſt „Treue um Treue“ erſcheint mehr audgeführt und durch den Inhalt rührend. Es handelt fi darin um die gegenfeitige Treue des jungen Grafen Aucaffin und ber ſchönen Nicolette, die um feineftvillen einen mächtigen und liebenswürbigen Herrfcher ausfchlägt; aber der Stoff ih aus dem Franzoͤſiſchen entlehnt. Die Liga von Cambray feiert einen Sieg der Venetianer über bie Deutſchen, ein für ben deutſchen Dichter unpaflender Stoff.

Ale diefe Sachen find ſchwach und eines großen Dichter Auf zu begrünten unvermögenb. Viel mehr Geift enthalten Platens ariftopha- niſche Zuftfpiele, wovon das eine gegen Müllner und die Schickſalstragiker, das andere gegen Immermann und bie romantiſchen Epigonen gerichtet iſt.

Die verhänguißvolle Gabel, 1826. Cine allerdings nur arme Crfindung von einer Schidfalögabel, die von einer Ahnfrau Herflammt, deren Geiſt nicht eher erlöst werden Tann, bis der letzte des Stammes von ber Babel durch⸗ bohrt ift „gleich einer gebratenen Gansbruſt“. Un biefem fimpeln Gerüft aber vanft ſich eine reiche Fülle von Wi empor, der in den prachtvollen Barabafen juvenaliſch wird. Doch muß man auch wieber fragen, ob fo viel Geiſteokraft auf den Tadel fo Meiner Dinge und Perfonen verwendet, der Mühe werth war? Man braucht Feine Blige, um Käfer zu erfchlagen.

Der romantiſche Debipus von 1829, gegen Immermann gerichtet, dem Blaten wie einem Gfel die Lowenhaut umhängt, um ihn noch lächerlicher zu machen, als er ohnehin iſt. Der Held des Stüds „Nimmermann“ genießt unter ben Heidſchnucken auf der Lüneburger Heide göttliche Verehrung und führt hier den ind Romantiſche überfegten Debipus des Sopholles auf, eine Duinte eflenz aller Unnatur und Unvernunft bes mobernen Theaters.

Bel alledem vergaß Platen, daß er felbft nur ein Epigone war und daß ihn feine eigene Originalität nicht beretigte, fo gar tief auf Immer- mann berunterzufehen. Beide haben ſich einander zu Tode geärgert. Plas ten lebte und fehrieb in Italien. Er geftand offen, er wolle nicht mehr nad Deutſchland heimkehren, 618 ihm die höchſte Dichterehre erwleſen würde. Er wollte einfach und bequem auf Göthe's verlaſſenem Throne nieberfigen. „Aber diefe Hoffahrt, dieſes ſtete Verkünden von fich felbft, er werbe noch Ungeheures leiſten, Haben ihm in ber öffentlichen Meinung geſchadet und ber Tod erfparte ihm die Probe, das zu leiften, was er verſprochen hatte.

Unter feinen Eleinen Arbeiten tft noch auszuzelchnen ein hübſches

Die jüngfle Dichtung. 413

Märchen „Rofenfohn“. Das epiſche Gedicht von den Abaſſiden zieht weniger an. Dagegen tft die Romanze von Bobir ſchön.

Platens Gabel wurde im „König Kodrus“ von Karl Stahl 1839 nachgeahmt.

Auch Hier wird der Modeliteratur und ber Stutzererbaͤrmlichkeit der jungen Poeten in Mangvollen Verſen gezürnt, ſonderlich dem aͤſthetiſchen Theegeklatſch in Berlin und ber Weiberemancipation ıc.

Die deutſche Dichtung fuhr fort, ſich aud viel mit Italien zu be» ſchäftigen. Jahr aus Jahr ein weideten deutſche Schafe drüben über ven Alpen alles ab, was von Poefle etwa noch nit abgenagt war. Dur‘ Kunftreifen nach Stalten, durch einen Aufenthalt in Rom, Florenz, Neapel oder Venedig glaubte ſich ver deutſche Dichtergeift Immer noch zu ‚abeln. Aber man ſuchte doch nicht bie Kirche, fondern dad Heidenthum, den Sinnenreiz. Schöne Stallenerinnen mit tiefſchwarzen Augen und . Haaren und durch frembartigen Wohlklang imponirende Namen wurden immer noch maffenhaft für bie beutichen Trauerfpiele und Romane requis rirt. Unter ben beutfehen Dichtern, bie ihre zweite Heimath in Italien fanden, ſteht (abgefehen von Graf Platen) Herr von Rumohr oben an, ein wohlhabende Edelmann und Kunftkenner, der In Berlin eine geehrte Stellung einnahm, lange in Jtalten lebte und viel über die Kunft, aud über den Landbau in Oberitallen, eine Schule der Höflichkeit, ein Buch über Kochkunſt ſchrieb, alles behaglich, vornehm, voll Verftand und feiner Ironie. In den „Denkwürbigkeiten aus alten Papieren“ 1832 ſchildert ex die Beit nach dem fiebenjährigen Kriege. In feinen Novellen iſt, was er aus Italien erzählt, beſſer, als’ feine Verſuche In deutſchen Dorfgeſchichten. Gefindungsgabeging ihm ab, auch fält er immer in den rebfeligen Belehrungsten. "Am wigigften iſt fein „Hundefuchſenſtreit (von 1835) in Knittelverfen.

Der Pfarrer iſt in der Kirche, bie Magb daheim eingefchlafen. Da plüns bern bie magern Hunde die Küche und Speifefummer, aus und tragen ihre Beute in den Wald. Der heimgelehrte Pfarrer glaubt, als die Hunde heim- Tommen, fie hätten die Diebe verfolgt. Nun ſpekulirt aber der Fuchs auf ben Hüßnerftall und beſticht die Kape, ihn einzulaffen. Unterwegs Hört ber Buchs ein Geſpraͤch mit dem Löwen einer Menagerie. Der Einbruch in ben Hühner ſtall erfolgt, bie Hunde aber find wachſam und fangen die Rage, der Buche

414 Swölftes Buch.

enffpringt, aber auch er wird im Freien noch ereilt. Die Natur der Thiere iſt von Rumohr fehr treu und mit gutem Humor aufgefaßt.

Wilhelm Watblinger, ein früh überreifted Genie aus Reutlingen, farb in Bolge feiner Lüderlichkeit jung an Jahren in Rom, nachdem er ſchon viel Hatte drucken laſſen. Er nahm ſich Hölderlin zum Muſter, ohne deſſen tiefes Gefühl zu beſitzen, und ſchrieb 1823 Lieder der Griechen Gum Beſten ver eben damals gegen bie Türken aufgeſtandenen Neugriechen), dann einen philoſophiſchen Roman Phaston vol von jugendlichem Schwulft. Später in Italien verweilend ſchilderte er das dortige Leben in Gedichten und Novellen. \

Auch der Schlefler Auguft Kopiſch, der als Dieter und Maler glei) außgezeichnet in Berlin farb, lebte viele Jahre in Italien, über fegte den Dante und lieferte einen reihen Gommentar dazu, übertrug auch unter dem Titel Agrumi die fhönften- ttaltentfchen Volkslieder ins Deutſche und gab eigene Gedichte unter dem Titel „allerlei Geiſter“ "Heraus (1848), worin beſonders viele zarte Elben-, Nirenfagen und Märchenhaftes vorkommt. Sein Lied vom Meeresleuchten, worin er das flammende Meer mit ver Liebe vergleicht, in der er unterzugehen zittert, E gehört zu ben ſchönſten Bildern feiner italieniſchen Erinnerungen. Ueber haupt iſt ihm das glückliche Auffinden geheimnißvoller Naturreize de Südens eigen, wie au ihm zuerfl, dem kühnen Schwimmer, beſchieden war, die’ wundervolle blaue Grotte tief unter dem Belfen ‚von Capri zu entdecken.

Ein großer Enthuſiaſt für Itallen war auch fein Sandsmann, Franz Breihere v. Gaudy, preußiſcher Offizier. Aus Urmuth geswungen, feiner Geltebten zu entfagen, befang en fle in zarten. Elegien unter dem Titel Erato 1829. Nachher ſchrieb er noch zahllofe Gedichte und Nor vellen und bereiöte Italien, flarh aber plöglich, exft 39 Jahre alt. Er befaß viel Talent, fehrieb aber zu flüchtig, zu viel und zu Heterogen.

Bald amt er Bean Paul nach (in den Bapieren deoeCandidaten Ballhorn, dem Sonntag eines Schulmanns / den elenben Bemerkungen über Orden, Res den bei der Taufe einer Mißgeburt :c.), bald Cervantes und CallotsHoffmann im Hund-Berganza). Bald ſchreibt er Kaiferlieder zu Ehren Napoleons, bald Schildſagen zu Ehren des deutſchen Adels und feiner Wappen. Bald if er humoriſtiſch und wigig, bald tief tragiſch. In dem Gedicht „Baulina“ muß eine edle Polin ihren Geliebten, der die Macht bei ihr zugebracht, am Morgen

Die jüngfe Dichtung. ° 415.

vor ihrem denſter ald Opfer der Kache Hängen fehen. In dem Gedicht „Lud⸗ wiga“ entfagt die Dame ihrem Treugelichten aus bloßer Rüdfiht für ihren verftorbenen Vater. Ungleich beſſer ift die naive „Schülerliebe”, eine Novelle. Italien hat ihn am meiften befchäftigt. Gr fehilbert feine Reifen dort und - ſchreibt eine Menge venetianifcher, roͤmiſcher und anderer Novellen, meift ernften und büfteren Inhaltes. Weit befler als alle das ift fein „Tagebuch eines Schneidergeſellen auf einer Reife nach Italien“, die Parodie der jämmerlichen Reife Nicolai's, der damals die Welt mit abgefhmadten Klagen über bie Reiſenoth, die er in Italien ausgeſtanden Hatte, erfüllte. Unter den vielen Romanzen Gaudy's kommen auch ruffifche Märchen vor, unter dem Namen „Copien eines Laien“ beſchrieb er- berühmte Bilder. Viele hoͤchſt zärtliche ieder zeugen von feinem warmen Herzen. Aber es fehlt Bei ihm auch nicht an guten Spottlievern auf bie wieberkehrende Rococomode, auf die Stutzer, auf Thorheiten und Schwächen der Zeit aller Art.

Der 1840 in Breslau anonym erfhienene Moman „Eoward in Rom“ (von Meyer).

fternbalbifiet infofern, als er einen jungen Enthuſiaſten die Kunftihäge Roms in Gefelfchaft hochadeliger Perfonen genießen läßt. Damit aber der berben Proſa und dem ſchrecklichen Realismus der Zeit ihr Recht werde, gefteht bie hochgebildete polnifche Gräftn ihrem jungen Liebhaber Edward ganz naiv, fle Habe ihren Mann umgebracht, worauf fih aud Edward verzweifelnd in's Waſſer fürzt. , ö

Auch die Romane von Levin Schücking ſternbaldiſiren ein wenig, fofern Abel un? Künſtler darin die Brennpunkte find und es feine geift- reichen Norbländer immer nah Italien hinzieht.

Aus dem „Schloß am Meere“ (Roman von 4843), wo ber Gutöherr durch falſche Leuchtfignale die Schiffe ſtranden macht und ausraubt, flieht bie edle Tochter mit der zufällig Hier geſtrandeten Gräfin Albany und deren ger Hebtem Dichter Alfter nad) Italien und findet Hier’ einen edeln deutſchen Gatten.

Unter ben Deutſchen, die ſich für Italien poetifh intereſſirt haben, macht ſich Cduard Bons bemerklich durch feine liebliche Idylle „Pepita“ von 1844.

Der Deutſche verliebt ſich in Pepita, das reizendſte Bauernmaͤdchen von Sorrent. Ihr Liebhaber Cecco iſt zu feig, es mit dem Deutſchen aufzunehmen. Dieſer · reist nach Neapel, bleibt aber mit Pepita in Verbindung durch bie Taubenpoſt, Fahrt noch einmal zurück, if mod; einmal Bei ihr glücklich und ficht fie dann nie wieber.

Ganz im Ton des. Properz und Göthe. Die italienſſche „Reiſe des

416 " Swolftes Bud.

Kriegscommtfjär Piptg“ von 1841, ein Profaroman von demfelben Ver- faffer, iſt viel ſchwaͤcher. Im „Romancero“ der Betty Paoli (1845) Tommt vor:

A Der empfindfame Tod des Gomponiflen des stabat mater; bie rührenbe Mage der Maria Pellico um ihren gefangenen Bruder Sylvio, den berühmten Dichter ; ein Tobtenopfer für zwei polififdie Verbrecher, „bie Veichte des Monchs,“ der ſich in eine ſchöne Leiche verliebt, bie durch Teufelskunſt wieder lebendig wurde, um ihn zu verführen; Fiamma, die am Hochzeitstage im Becher Blut Rat Wein findet, dadurch erinnert wird, daß fie in früher Jugend dem Heiland , der am Kreuge flirht, verlobt worben, und ploͤtlich ſtirbt, um ben irbifchen Bräutigam mit dem himmlifchen zu vertaufchen.

Bir mäffen hieher auch den Dichter Ferdinand Oregoronius zählen. In feinem „Werdomar und Wladislaw“, einem Roman (1845), Ioderte feine erfle romantiſche Gluth auf, ein wenig wild. Schwaͤrmeriſche - Liebe, Tummeln in ber großen Welt, Babeleben, Spielhoͤlle, Selbſtmord enden als raufchendes allegro im fentimentalen adagio ber Heimath und des Stilllebens. J

In vollendeter Reife erſcheint dagegen der Dichter in dem lieblichen Epos „Cuphorion“ von 1858, worin er mit dem Engländer Bulmer wettelfert, die Zerftörung Pompejt’3 auf das rührendſte auszumalen.

Euphorion, ein aus Griechenland geranbter Künftler, muß Sflave werben in der Werkſtatt des Arrius, eines reichen roͤmiſchen Künftlers zu Pompeji, und verfertigt für ihm die Fünftlichften Arbeiten, ſonderlich einen (noch unter den Alterthümern von Pompeji erhaltenen) Kandelaber. Er hat mande Noth auszuftchen von unwiſſenden Tablern, macht aber, obgleich Sklave, das Königs

„tum des Genies geltend. Nachdem ihm fein fehönftes Kunſtwerk gelungen, befrängen ihn die Mädchen. Menandros if fein Tabler und Nebenbuhler. Des Arrius ſchoͤne Tochter Jone hat aber ſchon ihr Herz dem Künſtler zuges wendet. Cuphorion vollbringt ein hertliches Kunftwerf, wofür er bie Freiheit erhalt. Da tobt der Veſuv, Pompeft geht unter und nur auf wunderbare Weiſe rettet Guphorion bie Jone und ihren Bruder und ein griechiſcher Schiffer bringt ſie in Euphorions ſchoͤne Heimath.

Das Gebiät iſt in den ſchönſten Hexametern geſchrieben.

Das alte Grlechenland begeiſterte die deutſchen Dichter Immer noch. Friedrich Adolf Kuhn in feinen Gedichten (1820) ahmte Schillers und Goͤthe's antike Balladen nad. (Sophofles, Anakreon, ber fhöne Greis, zu dem alle Gbtter nieberfteigen.) Eben fo Gries, ver Ueberfeger des

Die jüngfte Dichtung. 417

Taſſo, Artoft, Bojardo, Calderon ıc. (Phaeton, die Danaiden). Bacchus, Epos von Karl Baron von Nordek, 1827, in achtzelligen Stangen,

ſchildert Die Liebe des Zeus zur Gemele, die Geburt des Bacchus, fein Heer⸗ gefolge, feinen Zug nad Platäa, feine Beitrafung des König Agaflos, mit eingeflohtenen Gpifoden von Perfens, Kephalos und Profris ıc. Diefe Aufr falung bleibt weit Hinter dem gefftvollen Gedicht des Nonnus zurüd.

Ein gar wunderliches Gedicht war 1817 die „Tantalis“ des Herrn von Küromsfy- Eiden.

Tantalis, eine gewaltige Stabt an der Ofifee, wird gegründet von Tans talus, dem Empörer gegen bie Götter, bem.böfen Princip, mit Hülfe der Furie Alecto und der Here, die immer bad Böfe will. Aber Zeus ſteht unter der Leitung’ ber Rhea, des guten Princips, alfo daß Tantalis zerflört wird.

"Eben fo munderlih if W. Helbelbergs Epos „Orpheus und Euridice“ von 1829.

Orpheus geht in bie Unterwelt, um feine geliebte Euridice zurüdzuholen, findet aber nicht 6108 bie alten, fondern auch bie neuen Bewohner ber Hölle. Der proteftantifche Dichter läßt den thrakiſchen Sänger fi) weiden an ben Sollenqualen des fiebenten Gregor und der Marquife de Pompadour. Nachher ſchidt er ihn auch nach Elyſtum, wo fih die klaſſiſchen Dichter beifammen finden und Göthe ſich bereits als Seliger oder Mlehöcfifeliger praſentirt, obgleich er damals noch in Weimar lebte. Erbaͤrmlicher Unfinn.

Groſchvetter befang 1836 den Phaeton. Das ſchöne Märchen des Apulejus von Amor und Pfyche wurde 1836 von Ado Schütt in achtzelligen Stanzen behanbelt, und 1838 von H. A. Eloptus feltfam umgeftaltet.

Eros ſtellt Hier, ganz unpaſſenderweife, die prifliche Liebe, das Chriſten⸗ tum überhaupt vor. Pſyche foll an den unfichtbaren Gott glauben, fehen wollen if} ſchon Unglaube, fie frevelt mit ihrer Neugier und findet zwar nach langer Prüfung ben Eros wieder und wird mit ihm in Gegenwart der alten Götter vermählt, aber an der Hochzeit wird bie ganze Goͤtlerwelt verfteinert, während Eros ſich wieber unſichtbar macht. Nun entfleigt zwar Pſyche als Seele dem kalten Stein, Tann. jedoch ihren Geliebten nicht wiederfinden und irrt ruhelos umher, wie der ewige Jude.

Antike Tragödien wurden häufig nachgeahmt. Cine ber beften mar der Laokoon von ©. Chr. Braun (1824), weil Hier durchgeführt iſt,

- wie ber eble Gelgr, der allein bie Wahrheit weiß, eben deshalb Opfer

der Lüge wird. Um fehöne Verſe und Sentenzen gaben ns alle Dichter Menzel, deutſche Diptung. IM.

418 Bwölftes Bud).

Mühe, aber den alten antiken Styl erreichten fle doch nicht, weil Ihnen die Schüler’fhe Declamation und die Empfinbfamkeit immer In die Quere tam. Die Zahl der antififirenden Tragoͤdien feit vierzig Jahren iſt groß. Die Niobe allein wurde dreimal (von Wilhelm Schütz, Weichfelbaumer und Julius Körner), die Dido gleichfalls dreimal (von Gehe, Weichſel⸗ baumer und Schöll), auch Sappho dreimal (von Kleift, Gubig und Grillparzer), Achill auf Skyros zweimal (von Zimmermann und Klaufen) behandelt, Polykrates von Schnitter, Asbon von Sondershauſen a. Vor⸗ zugöwelfe fentimental 1805 faßte auch Weichſelbaumer bie antike Tragödie auf. Im feinem Menökeus (1821) rettet dieſer durch Selbſt- aufopferung das fehwerbelagerte Theben. In feiner Denone fticht Paris in ven Armen biefer feiner früher verfämähten Schönen. Cine falt Kotzebue ſche Verföhnung nad) der, unbarmherzigften Beleidigung. Eben fo weichlich Hat er „Dido“ und „Niobe* behandelt.

Unter den neueften zelchnet ſich Ariadne von Ofann aus. Melenger von Heyſe iſt nicht mehr die antike Geftalt, fondern romantiſch und fen

‚mental geworden. In Telephos Hat noch zulegt (1858) Friedrich Bed “eine trefflich ſtyliſirte, aber kalte Muſtertragödie aufgeftellt, die uns mahnt wie ein Vaſenbild.

Noch ungleich häufiger, als mythiſche, wurden geſchichtliche Stoffe aus dem klaſſiſchen Alterthum in Jambentragödien behandelt. Kaum iſt ein griechlſcher oder römiſcher Held, König, Weiſer übrig, von dem man nicht ein, bisweilen ein halbes Duzend deutſche Trauerſpiele aufzu— weiſen hat. Cholevlus hat in ſeinem Werk vier ganze Seiten mit Namen derſelben angefüllt und bel weitem noch nicht aue verzeichnet. Ich glaube fle übergehen zu ſollen.

Die Verſuche, altnordiſches Heldenthum in modernen romantiſchen Verarbeitungen epiſch oder gar für die Bühne darzuſtellen, ſind, meiner Meinung nach, alle mißlungen. Das Titanenhafte der nordiſchen Ge— ſtalten paßt nun einmal nicht in die romantiſche Kleinmeiſterei und noch viel weniger auf die Bühne Wie Elephanten zerreißen ſie die Gulr- landen zarter Verfe, mit denen man fie halten, und zertreten hie Bretter, auf denen man fle fpielen laſſen mil. Zu ven beffern Verſuchen gehört de8 Herrn von Ouerfurth (Eurt Oswald) „Harald Sängerfönig“, 1856. Hier iſt in würbiger Weife ber tiefe Ernſt der nordiſchen Sage

Die füngfte Dichtung. 419

eingehalten unb ſpielt bie nordiſche Göttermelt lebendig in bie Handlung hinein. Aber für bie moderne Welt if das Gedicht zu fremb und für bie Zeit, bie es ſchildert, doch viel zu modern. Der fanfte Geibel Hätte fi nie an die gemältige Brynhilldur wagen follen, ebenfo wenig Hebbel an die Nibelungen.

Der Poeſte des Orients wandte ſich, wie mir oben ſchon bemerkt, vorzugsweiſe Rückert zu. Der Bilder des Orients von H. Stieglig (1833) tft nur zu erwähnen als eines Extrems von poetiſcher Impotenz bei Erankhaftem Probuctiondbrange. Stieglig malt nah orientalifhen Dichtern und Reiſebeſchreibungen matte Bilder mit empfindſamer Zuthat. In jüngfter Zeit hat Bodenſtedt mit viel Feuer und Phantafle morgen. laͤndiſche Scenen behandelt, in feinem 1001 Tag (Reifefilderungen und Gedichte vermifht mit Erzählungen) 1850, in feinen Schilderungen der <feperkeffen, feinem Gedicht „Ada, die Lesghierin“,

ein Hübfches Bild aus dem Kaufafus, in welchem ein Tobfeind, indem er des Haufes Gaftlichfeit genießt, zum Preunde wird und bie Tochter des Haufes liebt, auch Schamyl auftritt ac.

In ven „Liedern des Mirza⸗Schaffy“ hat Bodenſtedt die ganze Ueppig« Teit des Hafld und Bakis nachgeahmt und uns das orientaltfhe Leben von feiner verführerifheften Seite gezeigt.

Wir müffen nod einige epiſche Dichtungen gemiſchten Stoffs durch- nuftern. Ladislaw Pyrker, Erzbifhof von Erlau in Ungarn, gab 1819 ein Epos „Tuniſtas“ und 1824 ein zweites „Rudolfias“ heraus.

Das erfte Handelt von Kaifer Karla'V. Zug wider Tunis, das zweite von Rubolf von Habsburg, beide zeichnen fich durch wohlklingende Herameter und lebendige Schilderungen von Kriegsſcenen, Land und Meer aus.

Er ſchrieb auch eine verfificirte „Legende der Heiligen“ und „Perlen der Heiligen Vorzeit", Scenen aus dem alten Teftamente. Noch Klops ſtocks Schule angehörend iſt er Tein ſchlechter Dichter, verbient aber nicht, unter bie erſten Claſſiker der Nation geftelt zu werben, wie geſchehen tft.

Peter Friedrich Kannegießer, nicht zu verwechſeln mit Karl Ludwig Kannegießer, dem Weberfeger des Dante, ſchrieb 1811 ein Helden» gedicht in Herametern: „Tataris oder bad befreite Schleſien“, voll Teben- Higez Kampfbilder und marmer Vaterlandsliebe. Krug von Nidda bes

\ 27°

40 Zwölftee Buch.

fang In einem Epos ben Skanderbeg. Lindenhahn ſchrieb 1829 „das gerettete Malta“ in prädtigen Hexametern mit echt Homerifchen Befchreibungen der Schifferüflung, der Schlacht, der Ins feln, des Samum, eined edeln Roſſes sc. Aber ber Dichter übertreibt und fucht unmogliche Effecte, z. B. in einer förmlichen Schlacht von Tauchern unter bem Meere. .

In demſelben Jahr gab Egon Ebert in Prag fein Epos „Wlaſta“ heraus, welches ben Krieg der böhmiſchen Amazonen ein wenig zu em⸗ pfinbfam auffaßt. In derfelben empfinbfamen Manter iſt fein „Kloſter“ gebichtet.

Ein junger Müller will eben ins Kloſter gehen, als er feine Geliebte wieberfindet und von dem menfchenfreundlichen Prior mit ihr verbunden wird.

Unter den zahlreichen epiſchen Dichtungen der letzten Jahrzehnte bes merken wir noch: Wolfarts Rheinfahrt (1815), Hagens Ottfried und Kifena (1820), Stubenraugs Euſebia (1824), Eberhards Schöpfung (1828), Schölls Paulus und Graf Blankenſee's Wanderer, ein Lehr⸗ gedicht (1830), Graf Auerfpergs letzter Nitter (Mar L), dem Duller die Wittelsbacher und Frankl das Habsburglied (1832) folgen lie, ver Adelheid von Stolterfoth Alfred und Waſſerburgs Sündfluth (1834), Otto's Columbus und Toblers Enkel Winkelrieds (1837), DO. 2. 2. Wolffs Abälard und Heloiſe (1838), Becks Otto der Große (1839), Schramms Paulus und Hermann (1842), Simons Guftav Adolgh, Stamms Hefperus und Theodor Apels Melufine (1844), Söltls Eon- radin (1844). "

Eigenthümlichkelt beanſprucht Morig Hartmann Epos in Hera- metern „Adam und Eva“, tft aber voll Unnatur.

Aus Furcht vor den Ruſſen wird bie junge Eva im Malde verſteckt, mit ihr der junge Adam. Da leben fie wie im Paradieſe, aber ein Ruflenfeind und Demokrat, ber in der Kutte privatifiet, weiht ihn in die Revolution ein, zu deren fünftigem Heros er heroiſch heranwäͤchst. .

Seit der Revolution von 1848. kam eine neue epiſch⸗lyriſche Manier auf, welcher viele Dichter fi zumandten. Es war eigentlih ein Zu- ſammenſchmelzen ver ehemaligen Nomanzenchelen in ein Ganzes in kurzen Verſen mit lyriſchen Ausſchweifungen. In diefer Manier war ſchon 1847 Heffemannd Juffuf und Naſiſſe geſchrieben.

Cine freie Umfegreibung der berühmten morgenlaͤndiſchen Dichtung ven

Die jüngfe Dichtung. 421

Juſſuff und Suleicha. Juſſuff dient als wunderſchöner Süngling am Hofe eines Sultans, twiberficht allen Verfolgungen und erhält zulept bie Hand der geliebten Pringeffin.

Größere Verbreitung fand bie bezeichnete Manier, ſeit Oskar von Redwitz feinen berühmten Amaranth in diefer lyriſch-⸗epiſchen Form ſchrieb. Bon ihm rede ich fpäter, ber Tendenz wegen unter ven religiöfen Dich-⸗ tungen.

Dtto Roquette nahm bie Igrifchsepifhe Korm und von Bogumil Golg die Vertiefung in den Naturzauber an. So entfland ihm „Wald- meifterd Brautfahrt“,. ein Gedicht in kurzen Verſen, welches ſehr viel Beifall fand.

Baldmeifter liebt die Prinzeſſin Rebenblüthe und troh des zornigen Könige Gundermann unb feines Radjlicpten Haushofmeiſters Wachhoider gelangt er zum Siel ine Allegorie bes beliebten Maitranks.

Deflelben Dichters „Tag von St. Jakob“ (1852)

{Gilbert den heroiſchen Tod einer Schweizer Jungfrau (Verena), die mit der Leiche ihres Geliebten, der bei Gt. Jakob fiel, in ber Kapelle verbrennt, nachdem fle mit dem Morgenftern in Fräftiger Bauft ihren Bebränger niebers geſchlagen.

Im „Herrn Heinrich“ beſingt Roquette die Wahl Heinrichs des Voglers zum deutſchen König. „Hand Heldekukuk“ iſt eine Nürnberger Idylle.

Hans, ein Schreinerjunge, fpielt mit in Bafnacptöfpielen des Hans Sachs und liebt bie Tochter eines vornehmen Rathöheren, wird aber auf ber Bühne ausgelacht und vom rengen Rathöferen, der ihn bei feiner Tochter überrafcht, ſchimpflich fortgejagt. Das Unglüd aber gibt ihm Kraft. Cr wird Soldat, zeichnet ſich aus, kommt ald Gieger zurüd und empfängt ben Lorbeerfranz aus der Hand feiner Geliebten, und bald darauf biefe ſelbſt.

Roquette Hat auch viel Lyriſches geſchrieben, mit leichter Anmuth, meiſt von Natur und Liebe handelnd. Seine Romane „Orion“ und

„Zusunde* find ſchwach, feine Helen haben „etwas vom Stubenten“ und etwas vom Künftler“.

Adolf Böttger ſchrieb in vemfelben Styl 1850 „Dämon und Engel*, J

die Liebe Roberts des Normannen zur ſchönen Raiferötochter. Robert erſcheint erſt als Dämon, zuleht als“ Engel zu ihrem Schuh .

422 Bwölftes Bud.

Drei Jahre fpäter gab Böttger die „Habana“ heraus, in berfel- ben dorm. B -

Habana ift ein fehönes Indianermädchen, in welches ſich ein Spanier vers liebt und welches beshalb das Opfer ſchrecklicher Rache wird. Nach ihrem Namen nennt der Spanier bie erfte Niederlaſſung auf Cuba.

Wolfgang Müller von Königäwinter gab 1852 feine „Maikönigin“ heraus, eine hübſche Ländliche Idylle. Auch einige heroiſche Gefhichts- ſpiegel erſchienen in dieſer Form. Scherenberg ſchrieb ein Epos „Waterloo“ und Franz Löher 1854 einen „General Sport“.

Sport, eined Bauern Sohn, wirb von feiner geliebten Grete abgewiefen, gebt in den Krieg und fleigt zum General auf. AR er die Grete wieberficht, zuft er ihre zu: „Greichen, werd gethan hättel“ Sie aber antwortet: „Ios Hanndgen, werd gewußt hätte!« Im Uebrigen beſchteibt das Gebicht die bunten Kreuze und Duerzüge und Heldenthaten des berühmten Generals.

In demſelben · Styl ſchrieb Hofer 1855 „Engelhart und Engel- trut“, eine moberne Umgeftaltung ver ſchönen Sage, die. wir Theil I. ©. 391 kennen gelernt haben. Und Mar Waldau (Spider v. Hauen⸗ ſchild) feine „Cordula“, eine Sage aus Graubündten.

2. Die Jambentragödien.

In feinen fentenziöfen Jambentragödien Hatte Schiller ein Parade pferd gefattelt, auf dem in ven letzten fünfzig Jahren jeder Stümper seiten wollte. Diefe Iambentragöbien find eine wahre Galamität ver deutſchen Literatur, In ihnen bewährt fi das Epigonenthum am zäheften in Anmaßung ohne Verdienſt, im Erhaltungstrieb ohne Potenz. Die Mittelmäftgkeit wirb nicht mübe, auf den Stelzen dieſer hochtrabenden Jamben zu gehen und Hohle, Hundertmal. gehörte Phrafen zu drechſeln. Das falfche Pathos ift ihr Grundzug. Man wird an den Lumpenkönig in Hamlet erinnert. Und dieſe Tragödien fehen fi ale einander ähnlich, wie ruſſiſche Soldaten. Bon Schillers leidenſchaftlichem Feuer, von feiner hinreißenden Beredſamkeit, von Shateſpeare's feinem Geift und über reicher Phantafle, von Leffings milder Ruhe und Beredſamkeit ift felten

Die jüngfte Dichtung. 423

eine Spur zu finden, faft immer nur hohle Phrafe, Großthuerei und nichts dahinter. Indem die Dichter nur einen gegebenen geſchichtlichen Stoff bearbeiten, eriparen fle ſich die eigene Erfindung ober wenden bie Iegtere leider gar häufig nur zur DVerunftaltung des gegebenen Stoffes an, indem fle bie wahre Geſchichte verfälfhen, alten Helden und Natur« menfehen moderne Parteidoctrinen in den Mund legen ober ihnen dumme Liebſchaften andichten. Die Zahl dieſer Stüde belauft fih ſchon auf mehr als taufend und da noch immer neue hinzukommen, märe es nicht ver Mühe werth, weder fle nach den Namen ber DVerfaffer, von benen bie größte Mehrheit der Vergeffenheit werth tft, noch nach den geſchichtlichen Stoffen zu rubriciren. "Kaum tft ein Held und eine wichtige Begebenheit der Weltgeſchichte übrig, aus denen nicht eine Tragöble gemacht worden wäre. Ein an fi Löblicher Patriotismus zog immer zwar deutſche Stoffe vor, aber die Impotenz des Epigonenthums ſtellte IH nur um fo aufs fallender 5108. Wie viele Dichter wagten ſich an die Hohenftaufen und immer unglücklich! Conrabin allein wurde der Held von wenigſtens 20 Xrauerfpielen und gerieth nirgends.

Ernft Auguft Friedrich Klingemann, Theaterbirector in Braun⸗ ſchweig, ſchrieb 1795 ein paar Ritterromane, dann aber viele Trauerfpiele für die Bühne, als Epigone Schillers ohne deffen Geiſt. Er glaubte alles verarbeiten und bühnengerecht machen zu Eönnen, fo bad ganze Leben Mofis, fo einen modernen Oedipus. Im der „beutfehen Treue! (Friede ri der Schöne und Ludwig der Bayer) ahmteer Wallenftein, im „Wols fenſchieß“ Ten, im „Cromwell“ die Maria Stuart nad. Er ſchrieb au einen Columbus, Alfonfo ven Großen, Schill. Er wagte fogar, einen Fauft, Ahasver und Don Quixote zu ſchreiben. Wenn er nicht ſchon gegebene Stoffe geiſtlos verarbeitete, fonbern ſelbſt erfand, war er uner- träglih. Im feinem Originaltrauerfpiele „das Vemgericht“

Hat Adelheid von Schwarzenberg ihren erſten Gatten Hohenan vergiftet, um den ſchoͤnen Hugo von Schwarzenberg Heirathen zu fönnen, und befennt dem Tepteren, der nicht davon gewußt hat, in einer gärtlichen Stunde bie Unthat, bie fie um ſeinetwillen begangen. * Schwarzenberg, iſt aber Freigraf bei der Bern und hat ale folder einen Hohen Eid ſchwoͤren müſſen, jeben zu feiner Kunde kommenden Frevel dem Gerichte anzuzeigen. Er muß alfo nun feine eigene Gattin anflagen und fie wird als Giftmifcherin auch wirklich hinge⸗ richtet. Ihr Geiſt aber erſcheint dem trauernden Gatten in lichtem Gewande

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und aufſchwebend zum Himmel, zum Beweife, daß Bott ihr verziehen habe. Ein merkwürbiger Beleg, zu welcher Unnatur die tragiſche Mufe in Deutſch⸗ Iand entarten konnte. Ber Mann Eonnte das verbrecherifche Weib ermorden, aber nie durfte er fie denunciren. Das Weib konnte aus Liehe ein Verbrechen begehen, aber nie durfte fie dafür gen Himmel fahren.

Ernſt Raupach, ein Schlefler, ber als ruffiiger Hofrath in Ber- Hin lebte, ſchrieb eine große Menge Jambentragödten, aber auch Luftfpiele. Wie Körner, iſt er einer der erſten Epigonen Schillers geweſen und wohnt ihm noch einige Wärme inne, die ſich bei den fpätern Epigonen immer mehr abkühlt bis zu eiökalter Langweiligkeit. Raupach begann 1818 mit dem Trauerſpiel „die Fürften Chawanski“.

Jury Chawanski, junger ruſſiſcher Bojar, Freund des Czar Feodor, deſſen Schweſter Maria ihm zur Braut beſtimmt wird, kaͤmpft gegen bie äußeren deinde bes Reichs, während der Ezar flirbt und deffen andere Schwefler Sor phia durch eine Revolution auf den Thron geſeht wird. Gr fommt zurüd, Sophia verliebt ſich in ihn und will ihn auf den Thron erheben. Maria aber, von Ciferſucht entbtannt, verbädtigt ihn und machi Sophia glauben, er liebe

dieſe nicht, fondern wolle fie nur ald Werkzeug feiner Erhebung befußen. Sophia, ſich gelauſcht glaubend, Iäft im erflen Zorn Jurys unglüdlichen Vater hinrichten. Zu fpät entdeckt fie, daß Maria fie verrathen hat, daß Jury wirklich fie und nicht Maria liebt. Cr hat ſich ſchon, aus Gram über des Vaters Tod, den Feinden freiwillig überliefert und wird Hingerichtet.

Noch mehr Intereffe erregte 1826 Raupachs „Iſidor und Olga“.

floor, der uneheliche Sohn eines ruſſiſchen Fürften, von einer Leibeigenen geboren, daher ſelbſt Teibeigen, wird im Ausland erzogen und ein auögezeich« meter Maler. Sein Vater firbt aber, ohne ihm einen Freibrief gegeben zu Haben. Er wird daher Leibeigener feines rechtmaͤßigen jüngeren Bruders Wor iodimir, der dies Verhältniß benugt, um, indem fi) beide in bie ſchöne Gräffu Olga verlieben, feinen brüberfichen Nebenbuhler zu befeifigen. Cr pwingt den Bruder, als Bebienter gekleidet ihm aufguwarten, während Olga einen Veſuch bei ihm macht, und droft ihm, ba er ſich gegen bie Mißhanblung empört, mit der entehrenden Strafe, bie Leibeigene trifft, wenn fie ſich gegen ihren ‚Hern erheben. Olga muß ſich aus Liebe zu Ifibor endlich entfließen, um ihn zu retten, ben böfen Bruber zu heirathen. Ihre Hand iſt der einzige Preis, um den Wolobimir dem Iſidor ben Freibrief fehreiben will. Kaum hat aber Iſidor ben Brief, fo begibt er fich zu feinem Bruber ald freier Mann, forbert ihn auf Piftolen und beide bleiben im Duell. Gin leibeigener Hofnarr, der, um fi an feinem Herrn zu raͤchen, bie Brüder verhepen hilft, ‚macht

Die jüngfte Dichtung. 425

das Stüd ohne Noth noch greller und zieht die Aufmerffamfeit unpaffend von Iſtdor und Olga auf fi ab.

Diefe ruſſiſchen Stüde find beffer ald Raupachs Trilogie Erommell und als fein Hohenftaufencyelus In 7 Bänden, worin er dem unerreibaren Shakefpeare nachhinkte. Eben fo ſchwächlich ahmte er Göthe nad in Tafſo's Tod. „Der Prinz und die Bäuerin“ hat etwas Mührendes, ſo— fern bier des Prinzen ländliche Geliebte 'ald armes Opfer durch Gift hinweggerafft wird. Aehnlich „ber Müller und fein Kind“. Das Ahr fterben des kranken Mäbdchens iſt aber gar zu weinerlih. Am wibrigften erſcheint Raupach, mo er die äußerſten Schrecken der Erinnyen ausbrüden will, ohne die. wahre Dichtergabe dazu. So in ber „Erdennacht“, mo ber ruchloſe Sohn in endlofem Monologe mit feiner Eigenfchaft als Bater- mörber gleichſam felbftgefällig kokettirt. Auch in der „Corona von Ga- luzzo“ werben Schmerz und Verzweiflung auf die äußerſten Schrauben geftellt, indem Corona fi heroiſch opfert, um bie Rache eines Vaters zu ſühnen, veffen verloren geglaubter Sohn auf einmal wiederkommt. In „den Freunden“ läßt Fergoſo feinen beften Breund aus Patriotiemus, um der Ruhe Genua’ willen, durch einen Banditen erdolchen. Bis zu wel⸗ her Unnatur Raupach gebieh, zeigt „Lorenzo und Gecilie“.

Cecilie, eine ſchoͤne, aber arme Dame, in bie ſich der Prinz Lorenzo vers liebt, geht freiwillig ind Kloſter, damit er eine ſiandesmaͤßige Heirath treffe und fie vergefle. Cr entführt fie und vermäßlt ſich mit Gewalt mit ihr. Da vergiftet fle ſich, um ihm zu feiner fürftlichen Pflicht zurüczuführen, bie fie ihm flerbend den ganzen fünften Act hindurch vorjammert.

Eben fo widrig iſt „Raphaele“.

Der Held dieſes Stüds ift ein türfifher Kaufmann, Abdallah, der für das Glüd feiner Kinder zu forgen gedenkt, indem er feine Tochter Dfelula mjt einem mächtigen Paſcha, feinen Sohn Osmin aber mil der Griechin Raphaele, die feine Mündel iſt, vermählen will. Es findet ſich aber, daß Naphaele ſich ſchon mit einem andern Liebhaber, dem’ Griechen Helivbor, ver⸗ fehen hat, und in dem Augenblick, da biefer mit feinem Nehenbuhler Osmin aufammentrifft, erdolcht er benfelben ohne weiteres und wird von einem Freund befielben wieber erbolcht. Raphaele erfährt nichts davon und wartet bei Nacht im Garten auf Heliodor, während ihre Freundin Yfelula an ihrer Stelle in ihrem Bette fpläft. Abdallah fieht die Leiche feines Sohns, will ihn durch Raphaelens Tod rächen, und fpeeulirt babei auf bie Schäpe Raphaelens, die er biöher nur verwaltet Hat und bie er nun nad, ihrem Tode zur Aus⸗

426 . Zwölftes Bud.

Neuer feiner Tochter vertvenden will. Gr eilt in Raphaelens Schlafzimmer und erbolcht im Finſtern Dfelula. Eobald er feinen Jerthum erfannt, wirb er wahnfinnig, und Raphaele geht ind Klofter.

Daffelbe Motiv Tehrt wieder in „Themiſto“, die ihren Stieffohn morben will, im Dunkeln aber ihren. eigenen trifft. Im dieſem Stück glaubte Raupach den Sophofles nachahmen zu müffen. Gering tft au „Zimoleon“. Die „Semlramis“ faßte er in der Manier Galberons auf, aber ohne deſſen Geiſt mit einem affectirten Pathos, das an Zacharias Werner und Mülner erinnert. Des Romantiſchen war er überhaupt nicht mãchtig, weil er ohne Gefühlstiefe nur immer bühnengerechte Effecte be= rechnete. Seine „Genopefa“ blieb daher tief unter Tieck, auch fein „Ro— bert der Teufel® nur ein Fabrikat. Im „Nibelungenhort“ blieb er eben fo Hinter Fouqué zurück. In ver „Echule des Lebens“ behandelte er die alte Sage von den Prüfungen einer Frau mit der ihm eignen Luft am Peinlichen. Das „Märden ein Traum“ iſt beſſer, obgleih nur eine Nachahmung des Calderon.

Die Herzogin Laura liebt den Ritter Leonardo und erbittet ſich ihn von ihrem Gemahl Uberto zum Begleiter auf einer Reife. Im Traum aber ſieht fe, wie weit ihre fünbhafte Liebe fie hinreißt, bis zum Morde ihres Gemahls und einem Ende vol Verzweiflung. Da erwacht fle und wendet fih augen blilich ſchaudernd von Leonarho ab.

Ganz albern iſt „Mirabeau“. Hier fireitet fih am Schluß Mira- beau und fein Beichtvater, ob alles Große, was Mirabeau’ vollbracht, durch ihn felbft oder von Gott nur durch ihn vollbracht worden ſey?

Raupach, als tragiſcher Dichter fehr ſchwach, Hat einige gute Luft- fpiele geſchrieben und mürbe noch beffere zu Stande gebracht haben, wenn er einfacher geblieben wäre und nicht immer Hätte geiftreih fegn wollen. Sein Verfuh, den Till Eulenfpiegel als bumoriftifhen Diener und Rath- geber ins moderne Luſtſpiel einzuführen, und feine neue Schöpfung eines obligaten Barbierer Schelle mißlang, weil er dieſen Figuren Shakeſpeare⸗ Dig anquälte, anftatt fie natürlich reden zu Iaffen, wie den deutſchen Hanswurſt. Doch Hat er hübſche Motive.

Sein „geraubter Ruß“ und auch fein „verfiegelter Bürgermeifter“ find fehr heiter. In dem Stüd „laßt die Toten ruhen“ veranlapt das Auftreten eines Bremben, der dem verflorbenen früheren Gelichten einer Dame ähnlich if, und den ber eiferfühtige Gemahl ver lehteren arretiten läͤßt, fehr komiſche Ecenen.

Die jungſte Dichtung. 427

Im „Seitgeifi“, den die Bauern im Walde einfangen, iſt bie Komik zu fehr bei ben Haaren herbeige zogen. Noch mehr in ber Boffe „Schelle im Monte“, einer fehe ſchwachen Madahmung der Bögel von Ariftophanes. Auch im „Denk an Gäfar“ und in allen andern Luftfpielen , wo Schelle oder Till mit, frielen, flieht der natürliche Scherz. Im ben „feindlichen Brüdern“ wird ber Streit zoifcen Gomdos und Mlopaten, in „Art und Antiteif“ das Teeiben der Biteraten und Blauftrümpfe auf bie Bühne gebracht.

Friedrich v. Uehtrig, preußiſcher Beamter in Berlin, fpäter in Düffelborf, ſchrieb felt 1823 mehrere Trauerfpiele (Chryfoftomus, Otto IV. Spartacus). Am meiften Ruhm erlangte fein Alerander und Därlus.

Darin ift beſonders von vortrefflicher Wirkung bie Ecene, in welcher Sta⸗ tira für ihren geliebten Darius, während er in der Schlacht iſt, im Bräuts lichen Schmucke betet.und von Ormuzd erfleht, er folle ihr den Todesengel fenden, wenn Darius falle. Nachdem fie ihr glühendes Gebet geendet, tritt Alexander ald Sieger ein und Statira fnkt tobt zu feinen Füßen.

Eigenthümlich phantaſtiſch find deſſelben Dichters „bie Babylonier in Jeruſalem“ (1836).

Zedekiah Hält ſich für den von den Propheten verheißenen Meſſias, bis ihn feine Niederlage und das Bekenntniß der ſchönen Mirjane aus feiner Täu⸗

ſchung reißen. Diefe nämlich, bie er leidenſchaftlich liebte, Hatte als falfche Prophetin ihn für den Meffias ausgegeben, bekannte aber nachher, daß fie gelogen und daß ihr eine ganz andere Prophezeifung geworben, die auf Jefum Chriſtum Hindeute, der in Knechtsgeſtalt die Welt erlöfen werde. Als aber Nebucadnezar dem unglüdlichen Zedeliah die Augen ausſtechen ließ, wurde derſelbe wahnfinnig und in feinem Irrſeyn kehrte ihm bie Vorſtellung wieder, ex ſey der wahre Meſſias. So fah der trauernde Jeremias ihn in bie baby⸗ loniſche Gefangenfchaft fingend unb jauchzend wegführen. . Einer der fhwächften Epigonen war Ebuard v. Schenk, Minifter unter König Ludwig von Bayern. Seine Schauſpiele (1829) find vol von falſchem Pathos und abſichtsvoller Rührung.

Nur Belifar Hat auf der Bühne Glüc gemacht, weil er in Hochtrabenden Trochaͤen, wie Müllners Schuld, gefchrieben und der übertriebenfte Ausdruck der damals herrſchenden Loyalität war. Der Blinde Feldherr Belifar vergilt des Kaiſers Undank mit beifpiellofer Treue, indem er den reitet, an bem er ſich raͤchen Könnte. Ganz unhiſtoriſch und ein Mißbrauch ber Poeſie zu Guns ſten des Servilismns. „Henriette von England“ ift eben fo widerwaͤrtig. Ihr Gemahl, vergiftet fle und kniet dann reuig und winfelnd vor der Sters bendenben. Die „Krone vom Eypern“ zeigt und zwar die rührende @eflalt einer Fürſtin, die ald Sflavin dient, Bis ihr Sohn herangewachſen ift, ben

428 Bwölftes Bud.

verloenen Thron wieder zu erobern, iſt aber ohne Shaleſpeare's Geiſt in ges meinen Theaterphrafen behandelt. Die übrigen Stüde find Künſtlerdramen

zu Ghren des Nürnberger Peter Viſcher und Dürer, ober Feſtſpiele bei Hofe. Michael Beer, ein Berliner Jude, ſchrieb Trauerfpiele, die zu ben beffern der Epigonenzeit gehören. Seine Werke erſchlenen gefammelt

5.

Klytemneſtra, von ihrem Sohn Oreſt gemorbet. Die Bräute von Ara⸗ gonien, worin eine Schwefter anf Antrieb der andern ins Meer geflürzt wird, aber als Rachegeift twiebererfcheint; die Mörberin und ihr Geliebter, um deſſentwillen fie das Verbrechen beging, müflen untergehen. Der Paria. Ein indiſchet Paria Hat eine Brahminentochter geheirathet, weil das aber gegen das Gefep ift, wird fie ihm graufam entriffen. Sie aber verzehrt mit ihm eine giftige Frucht und fle flerben ald Treuliebende. Struenfee, die ſchred⸗ liche Kataſttophe des daͤniſchen Miniſterg, dem bie Königin ihr Herz zuger wendet hatte. Schwert und Hand. Gleönore, bie Gattin eines Generals, ficht ihren früheren, tobtgeglaubten Geliebten wieder, und wird in feinen Armen vom General überraſcht. Der General bleibt ruhig, läßt ihr aber feinen Degen zurüd und fie richtet fich ſelbſt, er findet fie tobt.

Ein wahrhaft tragifcher Ernft, würdevolle Sprache und große pſy—⸗ chologiſche Wahrheit find die Vorzüge biefer Dichtungen. " Auch Friedrich Rückert, der originelle Lyriker, ſchrieb Iamben- tragödien, welche weit unter feinen Eleinern Gebiäten ftehen, ohne Hand» lung und fühl, einen langweiligen Columbus, einen Kaifer Heinrich IV. nad der vulgären Auffaffung, dazu bibliſche Stüde: Saul und David, Herodes. Leider finden wir nun auch den geiſtreichen Julius Mofen unter den Schiller'ſchen Epigonen. Er ſchrieb ſeit 1836 Heinrich der Finkler, Kaiſer Otto III., Cola Rienzi, die Bräute von Flotenz. Das lehtere iſt eine wahre Haupt- und Staatsaction vol Mord und übertriebenem / zaͤhneknirſchendem Pathos. In dem Profaftüc „Wendelin und Helene“ fpürt man etwas von Egmont und vom Käthchen von Heilbronn heraus. Gin Graf liebt ein Bürgermädchen und wird ihr unten. Sie flirbt aus Gram, aber der Graf, von tiefer Neue ergriffen, erdolcht fih an ihrem Grabe. Später ſchrieb Mofen noch einen „Bernhard von Weimar“.

Joſeph Freiherr v. Auffenberg, Xhenterintendant in Karlsruhe, ſchrieb 21 Bände voll Trauerſpiele (geſammelt 1834), alle in Jamben, alte voll Pathos, eins immer länger wie das andere, Indem bie lyriſche Strömung unaufhaltſam und unaufhörli den Damm des Dialogs dur

Die füngfte Dichtung. 429

Brit. In feiner „Alhambra“ kommt ein Monolog von mehr als 100 und noch einer von faft 400 Selten Länge vor. Man fagte ihm nad, er Habe jede Role in dem Eoftüm, welches dazu gehört, vor dem Spies gel gefärieben, und dann Habe ihn die Begeifterung fortgerifien unb er Habe nicht aufhören Können, diefelbe Perfon fortreven zu laffen. Er fucht Schillers und Calberond Schwung zu vereinigen, ba. er aber immer in Extafe bleibt und die Kraft bei ihm zum Krampfe wird, widert er bald an. In der Alhambra, einem Trauerfpiel, welches allein drei dicke Bände füllt, felldert er den Untergang des maurifchen Reichs in Granada. Die Helden feiner andern Stücke find Pizarro, Savonarola, Pugatſchef, Skan« derbeg, Erich von Schweden, Themiſtokles sc. ö An den Hohenftauffen zerarbeitete fi außer Immermann und Raus pach auf noch Nienftädt, ber 1826 einen ganzen Hohenſtauffencyelus in 7 Bänden herausgab, eine fehr ſchwache Nachahmung der Kämpfe der beiden Roſen von Shafefpeare. Auch Friedrich von der Heyden, Rogge, Blech, Becker, v. Dyrhn, v. Lindner, Schleiß, Rueß ꝛc. braten einzelne Staufen auf die Bühne. Ebenſo Häufig Fam Heinrich IV. und Gregor in Canofja vor (von Rückert, Köfter, Schllephake ac.). Alle alten Hel- ben des Volkes polterten mit Schiller'ſchen Phrafen über die Bühne, Hermann immer. wieder, Alboin mit. feiner Roſamunde, mehrmals die Brunhild, faft ale Kaifer, ale irgend erheblichen Kürften aus ben großen Dynaſtien. Oft waren es nur hiſtoriſche Anechoten, melde der Provinzial- vatriotismus bei feftlihen Gelegenheiten zu Ehren der regierenden Häup⸗ ter in die Scene fegte. Ale Rührſtoffe wurben immer aufs neue bear- ‚beitet, am Häufigften Conradins Ende, dann die Agnes Bernauerin, Anna Boley ꝛc. Defterd wurde verſucht, Schillers unvollendeten Demetrius fort« äufegen sc. Kirchliche und politifhe Tendenzen miſchten fi ein. Unter den Helden der Reformation murben Sickingen, Guftav Adolf, Bernhard von Weimar am häufigften gefeiert. Unter ben Helden ber Revolution Mafaniello, Erommell, Spartacus, Sertorius, Andreas Hofer (dieſer allein von Immermann, Auerbach, Gärtner, Stehling). Der Schweizer Ludwig EHrift ſchrieb 1824 ein Trauerfpiel „Arnold von Winkelried“. Deshalb merfwärbig, weil ſich vor der Schlacht Arnold und der öfter: reichiſche Herzog lange und aͤußerſt eifrig über die Hegel’fche Philofophie unter« halten.

430 Swölftes Buch.

Wilhelm von Normann brachte 1817 ben „deutſchen Bauernkrieg⸗ in einem Trauerſpiel, in welchem ein gewiffer Wertheim den Poſa fpielt, auf die Bühne.

Das Trauerfpiel „Don Juan“ von Wiefe (1841) Häuft Greuel über Greuel und erſtickt alle Luftigfeit in Blut und Mord.

Mathilde (Donna Anna) erſticht fi, deren Kammermädchen (Zerline) fürzt ſich in ben Brunnen, die wahnfinnige Alexandra (Glvire) vergiftet ben Don Juan, feine Braut und fi felbft an deflen Hochzeittage.

Originell iſt ein Trauerſpiel „Maria* von Wilhelm Schnitter, 1842.

Maria, die fromme Nonne, wird aus dem Kloſter wider ihren Willen von einem Ritter unb biefem wieder von einem König entführt, befien Mutter aber durchſetzt, daß fie als Here verbrannt werben fol. Ein Pilger rettet fie vom Scheiterhaufen, das Volk aber will ihren Tod nochmals unb obgleich ins Kiofter zurücgebracht, ſtirbt fie vor Schrecken. Der Gedanke, ein fo ganz unfegulbiges Wefen wie eine verfolgte Taube umherflattern und ganz unbewußi und willenlos fo viel Unheil unter der Männerwelt anrichten zu laſſen, ift nicht unglädlid. .

Die Schaufptele von Köfter (fett 1842) find ungewöhnlich ſchwung- haft. Es war ein glüdlicher Gedanke von ihm, flatt der Schiller'ſchen Maria Stuart eine jüngere, nicht ſchon im Kerker ſchmachtende, fondern noch -in Luft und Leichtſinn dahinſchaukelnde zu malen. Auch fein „Conradin“ iſt beffer gelungen, fofern er nicht albern Liebelt, wie bie meiſten Eonrabine anderer Dichter, fonbern ber großen Miffton feines Geſchlechts lebt. „Lulfa Amidei“ zieht weniger an, weil die italleniſchen Parteifimpfe, denen ſie

zum Opfer fänt, ſchon zu oft poetiſch bearbeitet worden find. Eben fo „Paolo und Franzeska“. Im Heinrich IV. nintmt der Dichter zu fehr Partei für den Kaifer und häuft alle erdenklichen Verbrechen und Arg- liſte auf den Pabſt. Eben fo fanatiſch felert er „Luther“ und „Uli von Hutten®. Der confefflonele Eifer aber kann ver poetifhen Wahr- heit nur Eintrag thun.

Die Trauerfpiele von Karl Gutz ko w geben fi ale als „gemacht“ zu erkennen. Es iſt etwas Hölzernes und Seelenlofes darin. Man wird an Meißner in Tiecks Zerbino erinnert, wie er bekannte Helden ber Ge- ſchichte in feiner Mühle fehrotet.

Die jüngfte Dichtung. 431

So Hier Wullentoeber, Batful, Pugatſchew. „Richard Savage” ift ſchon dem Stoff nach wibrig. In „Difried und Werner“ hat Guhlow bie Ifflan⸗ diſche Manier verſucht, aber fteif und ungelent, „Ariel Acoſta“ if „voller Juden und doch ohne Handlung“. Im „Urbild des Tartuffe* und im „Konigs⸗ lientenant“ deckt er eigne Bloͤßen mit den Portraits von Molidre und Gothe. Im „Zopf und Schwert· macht er aus bem ernften und firengen König driedrich Wilhelm I. einen alten Narren. Das „weiße Blatt“ if eine Iangweilige Ents ſagungsgeſchichte. Am verfehlteften aber iſt das f. g. Vollstrauerſpiel „Liesli“, in Grfindung und Behandlung gleich matt.

Heinrich Laube, ber feine Stüde Öfterd mit einem langen und breiten von Anmafung ftrogenden Gommentar empfahl, Teiftete doch ige, was dieſer Auspofaunerel irgend entſprochen Hätte.

Sein Struenſee fieht tief unter dem von Beer. Sein Monaldeschi ift ein jedes Charalteradels entbehrendes Stüd. Wer „Gottſched und Gellert“ auf bie Bühne bringen konnte, ſtellte feiner Grfindungekraft ein Armuthszeugniß aus. Die „Karlefgüler“ find gar nur einem Kurziſchen Romane naher pfuſcht, fo wie die „Bernfteinhere“ dem Meinhofdifchen. Im „Prinz Friedrich“ iſt Die Kataſtrophe Katte's, die Jedermann kennt, ermübend in bie Länge gezogen.

Halm (Eligiuß Freiherr von Münch-⸗Bellinghauſen) in Wien, defr fen Werke 1856 gefammelt erſchlenen, ſchrieb außer lyriſchen Gedichten eine gute Zahl Schau- und Trauerfpiele in Jamben, unerquicklichen In-

alte.

» „Griſeldis“ wird von ihrem rohen Gatten Pareival, einer bloßen Weite des König Artus wegen, auf bie graufamfte Probe geftellt, nachdem fie bier felbe aber mit der ebelften Aufopferung beftanden, verachtet fie ben Gatten und verläßt ihn für immer. ine fehr willführliche Entftellung ber alten ſchoͤnen Grifelbisfage. „Der Adept“ vergiftet fi, um feinem Berfolger fein Geheimniß nicht zu verrathen. „Camoens“ ftirht im Elend, wird aber von einem Genius mit dem Lorbeer gekrönt. „Imelda Lambertazzi“ ift eine ſehr ſchwache Nachahmung der Julie Shakeſpeare's, das Opfer bes Zwiſts zweier feinblicgen Bamilien. Im „milden Urtheil“ opfert fih Edith, das treue Weib, trop ber fehwerften Verleumdung, welche fie getroffen, ver Ret⸗ tung ihres Gatten auf und erſt im Tobe wird ihr Ghelmuth erfannt. Gin ſchoner Charakter, nur vom Dichter zu ſtark gefchraubt. „Der Sohn ber Wildniß“. Parthenia, Tochter Myrons, des Schmieds von Maffilien, wagt fi mitten unter die wilden Teftofagen, bie ihren Vater geraubt, bietet ſich ſtatt feiner zur Sklavin an, wird angenommen, bewegt aber ben Fürften der Barbaren, Ingomar, bie Wildniß zu verlaffen, mit ihr nad Mars feille zu gehen und als Schtwiegerfohn und Gefelle in der Werkſtatt ihres

432 Zwölftes Bud.

Vaters einzutreten. Das Heißt den folgen deutfchen Fürſten doch eine gar zu große Unwahrſcheinlichkeit zumuthen. „Sampiero“, ber edle Corſe, morbet fein eigenes geliebtes Weib, um zu beweifen, daß er durch fle nicht für Ger nua's Politik beſtochen worden fey. „Cine Königin“, Donna Maria, Res gentin von Gaftilien, beſchaͤnt und fügt ihren ſchwachen Sohn gegen bie Rebellen und macht, daß alle vor ihr fnien. Die Gloriflcirung der weiblichen Macht ift überhaupt die Force diefes Dichter. Sie tritt auch im „Becher von Ravenna“ (Thumelicus, Sohn des Arminius, ben feine eigene Mutter Thusnelda, um feiner Schande ein Ende zu machen, umbringt) fo auffallend hervor, daß Jedermann dieſes Stüd für ein echt Halmifches erachtet Haben würde, wenn ber bayriſche Schulmeiſter Bacheri nicht das Profaftücd hätte drucken laſſen, aus weldem Stoff und Hauptmotive entlehnt find.

Ein forcirter Trauerſpieldichter voN von Unwahrſcheinlichkeiten und Ueberſpanntheiten iſt Briedrih Hebbel. Seine lyriſchen Gedichte Haben ſchoͤne weiche Verfe und mandes liebliche Bild, wibern aber durch bie’ Dreiftigkeit an, mit welcher ver Dichter bald fein Mädchen, bald fein eig- nes Ich zur wirklichen, wahren und alleinigen Gottheit erhebt. Seine Trauerſpiele find vol Unnatur. "

Im der „Genovefa“ faßt er den Golo ald eine eigentlich eble und geniale Natur auf, etwa wie Goͤthe den Kauft, daher er ihn auch nicht beſtraft wers ven, fondern fi; nur freiwillig den Tod geben läßt. Ueberhaupt tritt in dieſem Stück Genovefa ganz in ben Hintergrund und bie Entwicklung ber fentimentalen Donjuansnatur in Golo ift die Hauptfache.

In der Tragödie „Judith“, welche 1840 in Berlin aufgeführt wurbe, if auf die Mäglichfte Weife die Schwäche der Jungfrau von Orleans gegen Lionel nachgeahmt. Judith if in Holofernes verliebt und diefer ſelbſt renommirt anf eine kaum glaubliche Weife vom feiner Kraft, und je mehr er ihr davon vor— ſchwatzt, je kirrer und verliebter wird fie. Deshalb iſt fle auch nach voll⸗ brachtem Morde hoͤchſt unglücklich und möchte ſich vor der ganzen Welt vers bergen und Hagt fi vor ihrer Magd an. Als fie endlich unter ihr Voll tritt, weiß fie aud nichts Befleres au tun, als bie Juden zu beſchwoͤren, fle ſollen fie ſogleich umbringen, wenn fie. etwa von Holofernes ſchwanger wäre. Die unwürbigfte Behandlung eines bibliſchen Stoffe. Iu der „Iulia“ tritt ein unvermoͤglicher deutſcher Graf auf, der ein von ihrem Geliebten vers laſſenes italienifches Mädchen auf der Stelle heirathet, einzig um fie ifrem aufzuſuchenden Geliebten zu erhalten, und ber nachher fogar freiwillig flerben will, um dem aufgefunbenen nicht im Wege zu ſtehen. Ganz verfehlt iſt auch „Agnes Bernauer“ und bei weitem nicht fo ergreifend und rührend wie bad ältere Stüd vom Grafen Thorring. Agnes fol entweder dem Albrecht entfagen ober ins Kofler gehen. Das erftere ſcheint ihr gegen die Ehre zu

Die füngfte Dichtung. 433

ſeyn und darum, läßt Albrechts Bater fie erfäufen. Hätte ſie das Kofler ges wäßlt, fo wäre ihr gar nichts geſchehen. Zufept tritt ber Vater dem erzürnten Sohn auf ein Jahr die Regierung ab, bamit er felber fehe, mas Regentens pflichten ſeyen. Alles unhiforif und eben fo unpoetifdj, Gophismen, bie nur die Wirkung Haben, das Witleib zu ſchwächen Im „Michel Angelo“ wird biefer große Maler mit Raphael dur den Papſt ſelbſt verföhnt zum Beſten moderner Künftlereitelfeit. In „Gyges Ring“ töbtet die ſtolze Khodope ihren Gemahl, weil ex feinem Liebling Gyges ihre Schönheit gezeigt, heirathet dann den Gyges zur Sühne ihrer gekränften Chre, erſticht ſich aber unmittels bar darauf. Auch das ift gegen ben Geiſt der Alten und übertrieben. Das „Trauerſpiel in Sicilien“ if eine gemeine Mordgeſchichte. Der „Rubin“, in den eine Prinzeffin verzaubert ift, Hätte ungleich zarter im echten Geiſt bes Märchens behandelt ſeyn follen. Nicht minder gefchraubt iſt „Herodes und Marianne”. Die Ieptere läßt fi zum Tode verbammen, obgleich fie leicht ihre Unſchuld hätte beweifen Tönnen, aus reiner Renommifterei, um ben Hes rodes zu beſchamen. In dem bürgerlichen Trauerfpiel „Maria' Magdalene“ von 1844 Hat Hebbel den Ton von Kabale und Liebe nachgeahmt. Klara, bie Tochter eines Tiſchlers, witd von einem jungen Beamten verführt und geſchwaͤngert, nachher aber von ihm verlaffen, indem er um eine teichere freit. Klara’ früherer Liebhaber, ein edler Sekretair, toͤdtet den Verführer im Duell und wird ſchwer verwundet, Klara aber ſtürzt fi in einen Brunnen. Der alte Vater Tifchler iſt entſeht und begreift von allem nichts. Eine gräßliche Griminalgefejichte, aber ohne Poefle. Der Tifchler, den bie Tochter immer Gr anvebet, hat ettva® von dem polternden Geiger in Kabale und Liebe, aber Klara ift feine Lonife, und auch Walter, überhaupt die „Hohen Menfchen“ fehlen Hier ganz. Die Kindsmörderin nun-gar zur Maria Magbalene machen wollen, iſt unwürdig.

Hebbel ſchrieb auch Novellen (1855), worin er humoriſtiſche Cha⸗ raltere ſtizzirt, etwa in Jean Pauls und Hofmanns Manier. So ben Aſoten Haldvogel, den furchtſamen Paul sr. Indeß find es nur ſchwache Nadhbilder.

Agnes Bernauer wurde 1845 von Adolf Böttger bramatiſch eben fo unglücklich, wie von Hebbel, behanbelt.

Ale Schuld wird hier auf einen Kanzler geworfen, deſſen Liebe Agnes verſchmaͤht Hat. F

Wir wollen nun das Drama verlaffen und bie Epigonen ber Mor

mantik durchmuſtern.

Menzel, deutſche Dichtung. I. 28

434 Zwölftes Buch.

3. Moderomane.

Der Roman wurde immer mehr nur Modeartikel und maſſenhaft für eine raſch vorübergehende Neugier und Liebhaberei producirt, wie jede andere Modewaare.

In den Keihbibliotheken erhielten ſich für bie Lectüre der Wacht- fluben, Bedientenzimmer 3. bie Aitter- und Mäuberromane und wurden immer noch neu und mafjenhaft fabricirt. Für die Mittelclaffe arbeiteten nad) den großen Kriegen noch eine Menge halbromantiſche Romanſchrei- ber nach den Schablonen von Fr. Kind ıc., almählig jedoch übergehend in den Hiftorifehen Roman in Walter Scottd Manier. So Georg Dd- ring ſeit 1819, Blumenhagen, Gleich, Adrian, Log, Starkloff, Theodor von Haupt, Theodor von Kobbe, Penferofo. Halbromantiſche Damen, die noch romantiſche Geſtalten in Ihren Romanen anbraten, waren Fou— que’s Frau Caroline, deögleihen Caroline von Woltmann, Amalie von

Sellwig, Helmine von Chezy, Julie von Richthofen, Caroline Xeffing, Friederike Lohmann, Wilhelmine Lorenz, Eliſe von Hohenhauſen ꝛc.

Seit der Reſtauration regierten in Frankreich die alten Welber und kam eine eigenthümfiche Aeltlichkelt auf, die auch auf die deutſche Damen- welt überging. Frau Johanna Schopenhauer, eine reihe Dame aus Danzig, zog nah Weimar, um in ver Nähe ver dortigen Dichterheroen zu leben, befehrieb ihr Jugendleben, ihre Reiſen, charakteriſirte die Bilder ber Eyck und ahmte in ihren Romanen feit 1819 ein wenig bie Stasl nad, jedoch ohne ihren Geiſt.

mDie Tante“ opfert ſich großherzig für das Glüc der Ihrigen. Eben fo entfagt „Natalie“ ihrem geliebten Fürften, damit er ſtandesmaͤßig heirathen Tann. „Gabriele“ flirht aus Liebe zu Hippolyt, nachdem fe ſchon einen ans dern geheirathet Hatte. „Sidonie⸗ Tann gleichfalls ihren Robert nicht Haben und enbet entfagend. Diefer Robert Miet einmal vor ihr und ruft: Sidonie! Angebetete! Tu Sonne meines Daſeyns, dich haben die Götter ꝛc. Du biſt ein höheres Wefen. Sidonie, ich krümme in Tobesangft wie ein. Wurm mich zu deinen Füßen ac. Endlich fällt der Weichling in Ohnmacht und fe muß ihn nach Haufe fahren laſſen.

Die jüngfte Dichtung. 435

Thereſe Guber, Tochter des großen Philologen Heyne, Gattin erft des Weltumfeglerd Georg Forſter, dann des Publiciſten Huber, fiel auf die feltiame Idee, in ihren Romanen die Ehe zu tabeln, nit mie bie Jungdeutſchen, die das Fleiſch emancipiren wollten, fondern aus Prüderie, aus einer ſäuerlichen Geringſchaͤtzung des männlichen Princips.

In dem Roman „bie Ehelofen“ von 1829 verlangt fie förmlich eine Er- ziehung ber Mädchen zur Cheloſigkeit und fagt II. 88: „für das filid aus- gebildete Madchen ift nur der geiftige Inhalt der Mutterfchaft Bedürfnig geblieben.“ Ihre Heldin Glifabeth iſt zu zart für bie rohen Männer und bleibt ledig, nur um bie Kinder Anderer’ zu erziehen, nicht etwa aus weiners licher Entſagung, fondern abſichtlich und mit ſtolzer Verachtung der Männer.

Die übrigen Romane der DVerfafferin find weniger pifant (Elfen Perch, Hannah die Herenhuterin ꝛc.).

Fanny Tarnom in Dresden ſchrieb feit 1812 eine große Menge Romane, worin unglüdliche Liebe und Entfagung die Hauptrolle fpielen

- (Mäpcenherz und Mädchenglück, Sidonie's Wittwenjahre, Margarethens Prüfungen ꝛc.). Sie hatte warmes Gefühl, mußte aber in fpätern Jah— ven ums Brod fehreiben und ver Mode, nah dem Willen ver Buchhänd— ler folgen. Sehr empfindfam find au die Momane der Agnes Franz, feit 1824 (Angela, Glycerion, Stundenblumen ꝛc.).

Die Familienromane der Henriette Hanke (feit 1824) find wegen ihrer Einfachheit und Beſcheidenheit zu Toben. -

Sie ftellen in der Regel eine tugendhafte Jungfrau, Frau oder Wittwe in den Vordergrund und entwickeln deren edeln Charakter unter allerlei Wibers wärtigfeiten und Nölhen. Das, womit die Geplagte zulegt ſiegt, iR immer ihre echt weibliche Demuth und Güte So bie Momane: die Pflegetöchter, Wittwen, Freundinnen, Schwägerinnen, Schweſtern, die Schwiegermutter, ber Schmud, die Perlen ıc.

Bon ähnlicher Art waren die Romane der- Regina Frohberg, Wils helmine von Gersdorf, Henriette von Biffing.

Der lehtern Roman „Victorine“ zeigt und dieſes beſcheidene Mäbden, wie fie ald Gaſt zu einer Hochzeit geladen und durch die Nachricht überrafcht wirb, fie ſelbſt fey die Braut,

Frau von Paalzow, eine preußifche Dame, ſchrieb feit 1839 Ro— mane, welche ſchnell beliebt wurden, jegt aber ſchon wieder vergeſſen find. Sie enthalten durchgängig Bilder aus dem englifhen und franzöſt-

28*

436 Zwölftes Buch.

ſchen Hofleben der Nenalffancezeit (Godtvie-Emftle, St. Rode, Thomas Thyrnau), vol von Prätenfton, als ob dieſe Salonwelt, ihre Etikette amd Mode das Wictigfte in der Welt wäre,

Selbſt das tragiſche Intereffe großen Helbenmuthes und großer Gefahr unterdrückt bei biefer Dame niemald bie vorherrſchende Kückſicht auf Coſtüm und Gtifette, und baß z. B. in Godwie⸗Caſtle die Helvin des Romans nach unendlicher Roth zum fehönen Ziel des Brautftandes gelangt, gilt faR für minder wichtig, ald daß fe bei Hofe des Tabourets gewürdigt wirb.

Caroline Bihler, geborne von Greiner, eine fehr geachtete Frau in Wien, ſchrieb feit 1804 viele hiſtoriſche Romane, zunähft nad dem Vorbild der Naubert, aber mit viel mehr Gefühlsausdruck und aud mit reicherer Ausmalung, 3. B. ber Coſtüme, morin fie ſchon an Walter Scott mahnt. Am berühmteften wurde ihr „Agathokles“ non 1808, der allerdings ernfter und ebler als Wielands, und wärmer als Feßlers und Meißners griehtfhe Romane geſchrieben iſt, aber die weiche Frauenhand doch allzufehr verräth. Diefe weiche Hand paßt dann auch nicht ganz zu den kriegeriſchen Romanen aus ber öſterreichiſchen Geſchichte (Friedrich ver Streitbare, Ferdinand IL., die Belagerung Wiens ꝛc.), wie auch nicht zu den Trauerfplelen (Germanicus, Heinrih-von Hohenſtaufen, Rudolf von Habsburg 2c.). Ihr mehr gemäß, wenn auch dem Inhalt nah minder in» tereffant find die Romane aus ber Geſellſchaft (Leonore, Frauenwürde :c.).

Die hiſtoriſchen Romane kamen erft in die Mode und wurden in un« geheurer Menge geſchrieben, ald Walter Scott in England fie in eigen- thũmlicher Welfe mit größter Ausführlichkeit des Coſtüms wie nieberlän- diſche Gemälde zu entwerfen: begonnen Hatte. Obgleih nun in dieſer Ma— nier voͤllig fabrikmäßig geſchrieben wurde, fo hielten fi die Dichter doch meift an die Geſchichte und brachten wieder Vorſtellungen von Fräftigern und heibenmäßigen Zeiten auf, was nah ber Abſchwaͤchung durch die Damenromane erquicklich war.

Ban der Velde in Breslau ſchrieb ſeit 1820 eine Menge hiſtoriſche Romane, wettelfernd mit Walter Scott, welcher gleichzeitig auffam und ohne deſſen Nachahmer zu ſeyn. Er erinnert vielmehr noch einigermaßen in der warmen Bärbung des Ritterthums und der Vorzeit an Fouqus.

Am beräßmteften wurde fein boͤhmiſcher Mägdefrieg; baran reihen ſich die

Die jüngfe Dichtung. 437°

Lichtenfleiner, bie Groberung von Merifo, der Maltgefer, die Wiedertäufer, Epriftine und ihr Hof xc.

Ihm folgte feit 1823 unter dem Namen Tromlitz Oberft von Witzleben In Dresden mit vielen hiſtotiſchen Romanen, unter denen Sidingen, Heinri IV. von Frankreich, die Pappenheimer, ver Page bed Herzogs von Friedland als lebendige Darftelungen aus ver Reformation und dem breifigjährigen Kriege am meiften gefielen.

Karl Spindler aus Strafburg, der anfangs mit einer armen Schau⸗ fpielertruppe herumzog, begann 1824 Romane in der Manier Walter Scott zu ſchreiben, machte jedoch erft 1825 mit feinem „Baſtard“ Glück, dem bald immer größere und immer mehr mit Beifall aufgenommene Ro— mane folgten. Spindler zeichnete fi durch eine fehr reiche Phantafle and, und Hatte fi auf feinen frühern Irrfahrten gewöhnt, alten Städten das romantiſche Intereffe abzugewinnen und fi in ihre Vorzeit hinein⸗ zuträumen. Am beften gelangen ihm Darfielungen aus der wirklichen Geſchichte, aus dem mirklichen Xeben der Vorzeit, weniger bie idealiſirten Situationen, dad Märchenhafte, Orientalifche und wieder Scenen aus der Neuzeit beffer, wenn fie der ländlichen, ald wenn fle der vornehmen Welt angehörten. Denn er fland.mit feiner ganzen Natur und Erfahrung den niedern Sphären der Geſellſchaft näher ald ben höhern, und darin lag eben der Hauptreiz feiner Dieptungen, daß ihn die Welt mit allen ihren bunden Erfeinungen, gleihfam wie einem wanbernden Handwerksburſchen wunderbar anfrembete und er biefen erften friſchen romantifchen Eindrud naiv wiebergab.

Der Baftard ift Archimbald, ein von feinem älteren Bruder und vom Schies fal ſchwer verfolgter Knabe und Jüngling, der aber am Ende durch innere Tüctigfeit und gutes Glüd triumppirt. Den reihen Hintergrund feiner Ger ſchichte bildet die Zeit Kaiſer Rudolf IT. Kurz vor dem breißigjährigen Kriege. Ein noch etwas rohes, aber hoͤchſt phantafiereiches Produkt aus Spindlers Jugendzeit, mit unzähligen Figuren in noch verworrenen Gruppen. Klarer ſcheiden fd die Gruppen im „Juden“. Gier fleht einer reichen altbürgerlichen Ehriftenfamilie zu Frankfurt am Main eine Judenfamilie gegenüber und beiten draußen bie wilde Ritterſchaft. Der Roman fpielt zur Zeit des Gonflanzer Concils. Die Heldin ift die ibealifirte Eſther, mit der theild ein energiſches,

> aber böfes Nitterfräulein, theils der in allen Bosheiten geübte Jude Zodif contraſtirt. „Die Nonne von Gnabenzell.“ Die Helvin des Romans iſt Giſela, vertraulich Geißlin genannt, die ſchöne Tochter des durch Lüderlichkeit

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gänzlich Herabgelommenen Ritter Göß, der, um fein Leben zu friflen, in Bas den Babefnecht geworben iſt. Der ſchöne und reiche Junfer Heerbegen von Sperbersed lernt ihn im Bade kennen und verliebt fi in Gifela; fie wird ihm durch einen andern Bewerber entriffen, enttommt aber aus allen, fehr angiehenb geſchilderlen Gefahren, und wirb zulegt in einem Klofter aufgenom⸗ men. Die Sittenverberbnig der Nonnen ift mit lebhaften Barben gemalt, ein blödfinniger Bube, die Frucht verbotner Liebe, bildet einen guten Contra dazu, doch ift etwas zu viel Gcheimnißfrämerei & In Walter Scott dabei. Dagegen ift das Geheimniß, das um ben Grafen von Württemberg ſchwebt, mit feinen Decorationen von Walds und Räuberleben deſto anfprechenber, und die geheime Liebe Giſela's zu dieſem fürftlichen Helden fann nicht zarter bes handelt werben.

Spindlers beſter Roman war „ber Vogelhändler von Imbft (1842). Ser taphin Plaſchur, ein armer Tiroler Waifenknabe, leidet mit feinem Schweflers en große Noth. Cinmal verweilt eine reiche Familie, deren Reiſewagen zers brochen ift, in der Gegend; dabei ift ein kleines Mäpchen, die ſchöne Martina, und zwifcien ihr und Seraphin Müpft fih auf die unfgulbigfte Weife ein ger heimes Band der Seelen an. Die Grzählung, wie er ihr einen Vogel, ben er fingen gelehrt hat, und ein gemaltes Herz fchenkt, iſt entzüdend und er— innert an das befle, mas Jean Paul in diefer Art gefchrieben Hat. Diefem erſten Freudenblick des Schiefals folgen trübe Tage. Mitten im rauheſten Winter wird Seraphin von feiner graufamen Pflegemutter über Land geſchickt. Gin alter böfer Jäger, der Geld, das ihm anvertraut worben, bei ihm ges fegen, will ihm auflauern und ifn umbringen, finkt aber bei dem fehredlichen Winterfeof und Schneewetier in Betäubung und iR im Degeiff, zu erfrieren, als der Knabe Seraphin ihm findet und rettet.

Die gange Scene verändert ſich dur die Erſcheinung eines ſeltſamen Mannes, Egidi des Vogelhändlers, eines, Engadinerd, der nur gebrochen deutſch, mit Ladiniſchem (Romanifchem) untermiſcht, redet. Mit den Eltern Seraphins befannt, und innig an feinem Schiefal Theil nehmend, erkennt er ſogleich, daß der Knabe hier nicht an feinem rechten Plage ift, und beſchließt, für ihn zu forgen. Sein Patron, der veiche Vogelhändler Tammerl zu Imbft im Oberinnthal, für den er im Auslande Gefchäfte beforgt, Hat eben feinen alten Bogelwärter verloren. Diefer Tammerl iſt derſelbe fremde Herr, deflen föne Tochter Martina Serapfin auf der Reife kennen gelernt und der er einen von ihm ſelbſt abgerichteten Vogel gefchenkt hat. Indem nun der alte Herr von Cgidi erfährt, daß der Knabe, ven ihm dieſer empfiehlt, berfelbe fey, der jenen Vogel fo gut abgerichtet, ift er ſogleich bereit, ihm die Stelle des Vogelwarters anzuvertrauen und Seraphin wird, um alles Cinreden abe zuſchneiven, von Egibi mit Gewalt entführt und nach Imbſt gebracht. Wie erftaunt er, als er in der · Tochter feines Fünftigen Herrn bie hübſche Martina wiebererfennt. Gr tritt nun wohlgemuth feinen neuen Dienft im abgelegenen

Die jüngfte Dichtung . 439

Bergwald an. Seraphin erhält in feiner Ginfamkeit, bie nur ein ehrlicher alter Schuhlnecht mit ihm theilt, von der Familie Tammerl Vefu und darf fie wieder befuchen. Die Entwicklung ber Liebeögefchichte zwifchen ihm und Martina ift meifterhaft und echt vollsthümlich. Im Hauſe des Herrn Tams merl herrſchen drei. Grauen zugleich, die alte Mutter, die Hausfrau und deren Schweſter, eine vortrefflich gezeichnete halbvornehme und Halbalte Jungfer, Magdalene, die wegen einer unglüdlichen Liebe unverehelicht geblieben, aber reich und der gute Genius der Familie ifl. ben fo glücklich find die Haus⸗ freunde, das rebfelige Veverl (Genoveva), Martina’s Yufenfreunbin, und das ganze Treiben des Gebirgsmarkts Imbſt geſchildert. Alles fheint nun im ger woͤhnlichem Geleife auf eine Hochzeit Hinauslaufen zu wollen. Allein Seras phin muß, ehe er feine Geliebte heirathen darf, noch auf Reifen gehen, wirb in Holland zum Soldaten gepreßt und nad) Indien verſchlagen, kommt aber endlid, glüdfich Keim,

Schwaͤcher it Spindlers Roman’ „Bribolin Schwertberger“, die Gefchichte eines Hleinbürgerlichen Schreiners, ber harte Verfolgungen .erleibet, aber zuletzt noch glüdlid wird. Am wenigfen genügt „der König von Zion“, weil Spinds Ier in dieſem Roman den berüchtigten Miebertäuferfönig Johann von Leiben nicht ald Schwaͤrmer, der er war, fondern ald einen abgefeimten Schurken auffaßt. .

Im „Iefuiten“ flellt Spindler den Orden in dem verhaßten Lichte dar, wie e8 die Mobe des Zeitalterd verlangte. Im „Invaliven“ zeichnete er Char taftere und Situationen aus ber franzöfifchen Revolution und ber Napoleonis fchen Zeit mit gewohntem Talent.

Sein ſchlechteſter Roman bagegen ift „Boa Conſtrictor“, worin ein gewiſſer Georg teuflifche Ränfe erfinnt, um ſich an einer befreundeten Familie zu rächen und alle ihre Glieder in Schande und Unglüd ſtürzt. Seine Bosheit ift durchaus nicht ausreichend motivirt und bie Greuel find allzu grell und widrig.

Dagegen findet ſich wieber in den Hleineren Grzählungen und Novellen Spindlers viel Schönes, z. B. „der große Antlas“ (das Frohnleichnamsfeſt in Münden). Toni, der Tiroler Schüge, fol feiner folgen Geliebten Theres den beften Schügenpreis von Mündjen bringen und geht bahin, verliebt ſich aber dort in die Afra, eine Tirolerin, bie ald Magd in Münden dient und wegen ihrer Schönheit ausgewäßlt wird, bei der Prozeſſion die Madonna vor- zuſtellen. Gr gewinnt ben Preis und bringt ihn ber Theres, wie er verſpro⸗ en, heiratet aber zum großen Verbruß ber Stolzen bie beſcheidene Afra. Das Vollafeſt ift trefflich geſchildert. Zu den fehr intereffanten Erzählungen Spindlers gehört aud „die Ulme des Vauru“.

Ludwig Storch, ein Thüringer, ergoß fi feit 1827 in einer un⸗ geheuern Fuoͤlle von hiſtoriſchen Romanen, in venen er ſich an Spindlers Manier hielt, und mit weniger Geift und Erfindungsgabe doch immerhin

440 Zwölftes Bud.

reiche Gemaͤlde, beſonders des bürgerlichen Lebens ver Vorzeit, aufftellte, 3. B. der Glodengießer, der Freiknecht, ber Reineweber sc. Einer ber gemeinften Romanfutler war Belant (Häberlin, der feinen Roman aus dem Zuchthauſe ſchrieb), desgleichen Brudbräu.

Naͤchſt Spindler war der beſte Nachahmer Walter Scotts der in

Berlin privatiſtrende Schlefler Wilhelm Hering, ber fig Wilibald Alexis nannte.

Er begann 1820 mit einem harmlofen fomifchen Heldengedicht „bie Treibs jagb*, wählte ſchon 1822 eine waterlänbifche Erinnerung zum @egenftand feiner Dichtung aus „bie Schlacht bei Torgau“, vertiefte fi dann ganz in das Stu— dium Walter Scotts, myſtiſicirte 1825 das Publifum mit dem Roman . Walladmor“, den man aus Seotts Feder gefloflen wähnte, und fügte noch einen Ähnlichen Roman „Schloß Avalon“ Hinzu.

Dann aber concentrirte er ſich mehr in der Darſtellung geſchicht - licher Bilder aus der preußlſchen und zunächſt brandenburgiſchen und Ber- liner Vorzeit, Bilder, bie ihm fehr wohl gelungen find und die feinem guten patriotiſchen Herzen Ehre machen.

Romane aus ber Älteren Zeit: Der Roland von Berlin, ein Gemaͤlde bes Berliner Buͤrgerthums, wie es vor der Reformation war. Der falihe Wal demar und die Hofen des Herrn von Bredow, Gemälde aus der Ritterzeit Brandenburgs. Cabanis, eine Scene aus dem Hofleben Friedrichs des Großen. Ruhe if des Bürgers erſte Pflicht, aus dem Unglüdsjahr 1806. Iſegrimm, aus dem Heldenjahr 1813 ıc.

Recht hübſche Bilder aus dem alten Nürnberger Bürgerleben ſchrieb 1826 Auguft Hagen (Norika 1820).

Rellſtab in Berlin begann 1822 mit Griechenliedern und ſchrieb die geiſtvolle Novelle „Henriette“,

in der er die berühmte Sängerin Sonntag abſpiegelte, wie ſich ein Schwarm von abeligen Müfiggängern, Thenterfreunden, Dichtern und Rezenfenten gleich Müden in ihre Flamme Rürzen, während ihre Nebenbuhlerinnen alle Kunſt der Verführung und Intrigue gegen fie in Bewegung ſehen, bis ein ehler Graf fie allen Gefahren entführt und heirathet. Ein treues Bild des damaligen Berlin. .

Rellſtab ſchrieb überaus viel: Erzählungen, Kritiken, empfindfame WNeifen, Kunftnovellen, Sagen ꝛc. Am beften ift fein Roman „1812“ som Jahr 1834, ein höͤchſt Tebenbiges Bild des ruſſiſchen Winterfelbzugs.

Die jüngfte Dichtung. 441

Ein junger Sachſe begegnet in Oberitalien einer wunderſchönen Reifenden, findet aber ihre Spur nicht eher wieder, als im ruſſiſchen Feldzug, indem er in ber polniſchen Armee gefangen und von ber Eehönen, melde bie Tochter eines ruſſiſchen Grafen iſt, gerettet wird. Um einer verhaßten Heirath zu entgehen, fließt fie mit ihm unb fie kommen unter allen Gchreden und &e« fahren des Berezina-Uebergangs zc. glüdlich nach Dreöben und Heiraten ſich.

Biel geringer. waren die Romane von Berd. Stolle (1813, Na- poleon, Elba und Waterloo). Einer ber geiftreihern Romanfchreiber, Profeſſor O. & B. Wolff, als Improvifator berühmt, ſchrieb einige

. freie Sachen, ein Settenftüd zur Fiormona, einem dem Wilhelm Heinfe untergefhobenen- Roman, die Irwiſche des Tags, bie Liebesgeſchichte des Grafen Mirabenu sc. Zu den begabteren gehörte ferner Guſtav von Heeringen, ber feit 1834 viel hiſtoriſche Romane fehrieb.

Adalbert Stifter in Wien trat 1844 mit „Studien“ auf, bie großes Glück machten. Es find Erzählungen in Profa.

Det Condor”. Cine Lady, bie alles wagt, fährt aud einmal mit einem Luſtſchiff empor, aber „die Weiber koͤnnen ben Himmel nicht ertragen“, fagt der alte Lufiſchiffer, als fle ohnmaͤchtig wird, und laͤßt fie herab. „Belbblus men." Zwei Freunde erblicden zwei wunderfchöne Damen und einer ift fo Ted, bei ber Wirthin nach drei Jahren ein Gaftmahl zu beftellen, da er und fein Freund jene beide Damen ald Bräute mitbringen würden. Und fo geſchah

8. „Der Haidebewohner“, eine liebliche Idylle aus ber Schreckenszeit bes breißigfährigen Krieges. Eben fo die letzte Erzählung vom armen Heinrich, der plöglich reich geworden, doch nicht ftolz wird, fonbern feine laͤndliche Ge - liebte heitathet. Die ſpateren Sachen Stifterd find weniger anſprechend.

Heinrich 3ſch okke, deſſen Abälino und Alamontade wir ſchon kennen, ſchrieb auch einen hiſtoriſchen Roman „bie Prinzeſſin von Wol« fenbüttel“.

Diefe Prinzeſſin fol wegen. Mißhandlungen, welche fie von ihrem rohen Gemahl, dem ruſſiſchen Prinzen Alexis (Sohn_Peters I.) erlitt, ſich tobt ger flellt Haben und während fie ſcheinbat begraben wurde, nad; Mmerifa entflohen fegn, wo fie einen frangöfifchen Offizier heirathete.

Später ſchrieb Zſchokke hiſtoriſche Romane in Scotts Manier: den Freihof von Aarau, Adderich Im Moos ꝛc., geringen Werthes. In feinen Erheiterungen gab er unter vielen flachen Erzählungen doch auch einige gute, 3. B. „ber tobte Gaſt“. [

In einem Städtchen geht die Sage, alle 100 Jahre am erſten Advents-

442 Zwölftes Buch.

fonntage komme „der tobte Gaft“ und hole drei Bräute, indem er ihnen bad Blut aus der Kehle fange. Run erfcheint der einem Mädchen der Stadt ber

- Rimmte Bräutigam, ein fo Blaffer, langer und unheimlicher Gere, daß er für den toten Geft gehalten wird, bis alles fi fröhlig Lat. Mit treftichen Humor durchgeführt.

Wilhelm Meinhold, Pfarrer auf. der Infel Uſedom, der fehon einige Gedichte geſchrieben Hatte, myftificirte 1842 das Publikum mit der angeblichen Relation eines Pfarrers aus dem 17. Jahrhundert über ben Serenprogeß feiner Toter „Maria Schweidler, die Bernfteinhere*.

Der Vater erzählt, wie feine Brave, ſchoͤne und hochgebildete Tochter auf Antrieb eines Beamten, von bem fie ſich nicht hatte verführen laſſen wollen, ſchaͤndlich verleumbet worden fey ald Here, wie man fie im Prozeß gequält und wie fie endlich nur durch die Dazwiſchenkunft eines braven Junkers ges rettet und deſſen Gattin wird.

Alles fehr unwahrſcheinlich. In jener Zeit Hätte Fein Junker unge— flraft dem Volksaberglauben getrogt. Auch iſt dfe alterthümliche Sprache des Buchs affectirt und fprict uns kelneswegs an. Meinhold fehrieb nachher noch eine zweite Hexengeſchichte, die der Sivonia von Bork, treu nach der wirklichen Geſchichte.

Sidonia, die Geliebte eines pommerſchen Fürften, wurde beſchuldigt, durch Hererei den Kinderſegen ber rechtmaͤßigen Gemahlin vereitelt zu haben, und unſchuldig verbrannt.

B Meinhold erregte noch größeres Auffehen, als er, ein lutheriſcher Paſtot, plötzlich Eatholif wurde.

Hermann Kurz In Stuttgart ſchrieb außer einigen Igrifchen Dich⸗ tungen und einer vortrefflien Uebertragung ber altdeutſchen Triſtan, einige ſchwäbiſche Romane: „Schillers Heimathjahre“, ein treues Bild aus ber Zeit des Herzogs Karl, und-„den Sonnenwirth“, die ausführ- liche und wahre Geſchichte, welche Schiller In feinem „Verbrecher aus verlorner Ehre? nur ſtizzirt hatte. Auch „Oenzianen“ (1837), Heine ſchwäbiſche Novellen mit guter Lokalfärbung.

Der Romantiker Ludwig Bech ftein wandte ſich auch dem Hiftort- Then Roman zu. Sein erfter Roman, „vie Weiſſagung ver Libuffa“ von 1829,

faßte aus der Chronik des Hageck bie höchſt intereffante und phantaſtiſche

* Die jüngfte Dichtung. 443

Geſchichte der Wrſſowezen auf, eine den böhmifchen Konigen feindlichen Geſchlechts. Recht lebendig ſchilderte Bechſteln auch „das tolle Jahr“, die Revo— lutlon in Erfurt zur Meformationgzeit. Minder intereffant war die Pro- zeßgeſchichte Grumbachs, die Stiftung von Grimmenthal, der Fürftentag. Sehr anziehend aber Elſters von Bechſtein herausgegebene Fahrten eines Mufifanten. Viel geringer waren die böhmiſchen Romane von Wangen- heim (Bisfa, der vreißigjägrige Krieg 2c.) und auch die von Herlo ß⸗ fohn feit 1827. .

Die 500 vom Berge Blanit, die Huffiten, ber lehte Taborit, die Roſen⸗ berger, Wallenſteins erfie Liebe, der Ungar, ber Preifhüp vom Niefens gebirge 2. i

Brontkowski feit 1825 aus der polniſchen Vorzeit GBaratinski, Sobieskt, Maina, Olgierd und Olga ı.), Harro Harring aus ber neuern Zeit Polens mit befonderer Hervorhebung der ruſſiſchen Tyrannei Maria Norden Patkuls Tod, den Brand von Para ı. Niedmann und Gehe fehrieben jever einen falſchen Demetrius; Albin von See- bad 1837 ruſſiſche Novellen, der Deutſchruſſe Grett ſch zu derſelben Beit den Roman „bie ſchwarze Frau", Abentheuer eines ruſſiſchen Offi- ciers mit obligaten Geiſtergeſchichten.

Unter die Nahahmer Walter Scott ſtellte ſich auffallender Wetfe auch der berühmte Naturphiloſoph Henrik Steffens, ein Norweger,

* aber ald Univerfitätälehrer in Breslau und Berlin und als Mitkämpfer "im Jahr 1813 ganz Preufe geworben. Mit reicher Phantafle begabt und immer aus ter Wiſſenſchaft hinaus ins bunte Leben blickend fuchte er alle poetlſchen Eindrüde feiner Erinnerungen und Forſchungen in einem großen Bilde zu concentriven in dem 1827 erſchlenenen Roman Walfeth und Leith.

Walſeth, ein junger geiftreicher Norweger, geräth im vorigen Jahrhundert in die mannigfachften Eonfliete, kaͤmpft mit in Corſika, ſieht die franzoöſiſche Revolution ıc., während Reith, von norwegifcher Mutter Sohn eines ſaͤchſiſchen Grafen, und an bem fächfifchen Hof, unter bie Hetenhuter und in den fiebens jägrigen Krieg führt. Endlich kommen fie in der nordiſchen Heimath zufammen und freuen fi der reichen Beute von Erfahrungen, gleichfam als geiflige Seeräuber, die das große Feſtland im Süben ausgeplündert. Als Philofoph, Aefthetifer, Politiker flieht Steffens allerlei Bemerkungen über Wiſſenſchaft

444 Zwoͤlftes Buch. . \

und Literatur ver Zeit: ein. Vorherrſchend bleibt aber immer fein Stolz ald Normann. Zu den Haupteffecten des Romans gehört bie Schilderung bes großen Schloßbrandes in Kopenhagen. _

Der Roman erntete Beifall. Da ſchickte ihm Steffens 1828 „die Hier Norweger“ nad.

Diesmal find ed nicht blos zwei, fondern vier Norweger, bie auf biefelbe Weiſe im Süden herumfahren, um alles zu fehen und zu erfahren, was nach der franzoͤſiſchen Revolution ſich begeben. Da nehmen fie Theil an ber großen Erhebung des Jahrs 1813, am der deutſchen Wiflenfchaft, Poefie, Kunft ꝛc. Kurz Steffens ſebbſt vervierſacht fih bier, um überall audzuframen, was er felöR erlebt, gebacht, geträumt Hat. -

Die Form des hiſtoriſchen Romans Hatte Steffens bisher nur gedient, feine eigenen Meinungen in bunter Miſchung vorzutragen. Aber er ſchwankt mit feiner Meinung zwiſchen Götherultus, Herrnhuterei, preußi⸗ ſchem Heroismus, Schelling'ſcher Naturphilofophte, Werner-Gumbolbt’feher Geologie ꝛc. herum und iſt nur ein geiſtreicher Epigone, ohne irgend eine eigene Idee umzuſetzen. Hierin gleicht er Oehlenſchläger, welcher gleich- fans mit laͤcherlichem Normannenſtolz doch nur ein ſchwaͤchlicher Epigone der deutſchen Romantik war. Steffens ließ fi verführen, 1831 feinem nur vermeintlichen hiſtoriſchen Romanen einmal einen echten nachfolgen zu laſſen, „Malkolm“, der aber völlig mißlang.

Maltolm ſteht auf der Höhe der Bildung und wird von Steffens abſichtlich mit allen Tugenden befonnener Mäßigung und Gothe'ſcher Ruhe ausfaffirt, laßt ſich aber nachher doch darauf ein, den feinem Geſchlecht von den Ururahnen- her eingebornen Fluch zu erfüllen und ftellt fih an die Spige eines gemeinen Banbiten- und Rebellenaufens, was ifn zum Schafot führt. Gin ſchlecht Durchgefüheter Charalter, dazu noch wie in allen Romanen biefes flüchtigen Autors, eine Mnhäufung- von Mebenfeenen und große Verwirrung in den Gruppen.

Noch ſchwächer fiel Steffens letzter Roman aus, „bie Revolution“, von 1837.

Louvet, das gute, und Adrian, das böfe Beindp, befämpfen ſich in der franzoͤſiſchen Revolutign. Edward, ein Entel des erfleren, wird von einem gewiflen Theodor in die geheimen Umtriebe und Verſchwörungen in Deutſch⸗ laud eingeweiht, was dem loyalen Dichter Anlaß gibt, geifteich über Liberar lismus und Gonfervatismus zu raifonniren.

Auch die Gebirgsſagen von Steffens (1837) find unbedeutend.

Die jüngfte Dichtung. 445

Unter dem halben Duzend Meiner Rübezahljagen zeichnen ſich nur ‚zwei aus, bie eine von Heren von Emmerling, der im ſiegreichen Bewußtſeyn ber Aufklärung ben ganzen ihn umgebenden Zauber für bloße Einbildung Hält, bis die fcharffinnigen Bemerkungen, die er immerfort macht, ſich in ein Ge⸗ mecker auflöfen und er ſich in einen Bock verwandelt fieht. Die andere von einem Schagfucher, dem die zerbrochene Thür zur Höhle einmal vom Berggeift da gezeigt worben, wo zwei Thürme in einer beftimmten Stellung zu einander fihhtbar waren, welche Stellung er mum aber, troß- täglichen. wahnfinnigen Suchens, nie wieder finden kann. Diefe Rübezahliana umfaflen nur 75 Seiten. Den größten Raum des Buchs nimmt fodann die Novelle „die fehlafende Braut“ ein; die Schlafende iſt eine fomnambule Echerin, der Schauplag das Byrenäenthal, die Zeit bie ber Hugenottenkriege, den Inhalt bildet bie Ger ſchichte der adeligen Hugenottenfamilie von Briſſon unter ven graufamen Vers folgungen der Katholifen. Zum Schluß eine norbifche Novelle: „die Trauung". Gin alter Pfarrer kaut ein geheimnißnolles vornchmes Paar und ſieht nachher, wie die Braut vom Bräutigam erſchoſſen wird.

Der romantiſche Reiz, den diefe Erzählungen haben könnten, wird gänzlich verſchlungen von dem widrigen Eindruck, den die vorherrſchende Reflerion und die Eitelkeit feined Vortrags machen.

Theodor Mügge im Berlin ſchrieb viele Erzählungen und Romane, diie ſich als Landſchafts- und Goftümbilder außzeichneten, fo früher den Chevalier (1835) und Touffaint (1840), beides höchſt lebendige Gemälde auß ber Negerrevolution auf Hayti, fpäter feine Skizzen aus dem Nors den, reizende Meifebilver aus Norwegen x. Biernazki's Romane fett 1835 enthalten reiche Norbfeebilder aus Holftein und Schleswig, die von Heinrich Schmidt Seebilder von Hamburg.

Großen Auf erlangten feit 1835 die anonymen Romane, ald deren Berfaffer fpäter Sealöfteld genannt wurde. Sie find gut geſchrie⸗ ben, handeln aber nur von Amerika, wie die von Cooper und Wafhing- ton Irving. Eebensbilder aus beiden Hemifphären, der Virey, Land» und Seebilver ıc.). Wachsmanns Romane feit 1830 fpielten in Spa- nien und Südamerika, die von Gerfläder in ver Südſee und ben fernen Weltthellen. Robert Heller verfuchte in feinen Novellen aus dem Süden (1842) eine romantifche Durchkreuzung der Macen, ald dem mobernen Weltverkehr entſprechend.

Ein edler Franke heirathet eine arme Sklavin, der Schwede verbindet ſich

448 Zwoͤlftes Bud.

wird wieber fehr viel durch einander geliebt, bis bie ſchöne Tosca ihren ges Hiebten Sigismund zu einem Duell begleitet und fallen fit. Sie beerdigt ihm, geht aber nicht ins Kloſter, fondern in bie weite Melt.

Im „Geo“ von 1844 entfagt ein Liebenswürbiger junger Diplo- mat feiner Geliebten aus einem Uebermaß von Delifateffe. In „ben beis den Brauen“ von 1845 fiegt der vornehme Stolz über die Liebe.

Die Geliebte wird Fürflin, der Geliebte, ein berühmter, aber bürgerlicher Bublicif, heirathet eine dumme Frau.

Die „Sibylle von 1846

iſt eine überbildete Gräfin, die zuerſt „ihre Sehnſucht nach Liebe für Liebe Hält“ und zuleht damit endet, daß der Verlobte ihrer Tochter, weil er ſich in fie felöft, die Mutter, verliebt Hat, eilends entflicht.

Eine zärtlihe Laune gab 1846 die Gräfin dem Roman „Clelia Conti“ ein. .

Celia, im Kloſter erzogen, wird eine hochgefeierte Schaufpielerin, liebt aber nur einen armen Süngling, dem fie alle Schäge weißt, die fie erwirbt. In diefem Roman ift nichts natürlich, als der Heiße ungeflüme Drang eines großmüthigen Herzens.

In dem Roman „Diogena“ von 1847, der unter ihrem Namen er- ſchlen, wird die Gräfin nur arg perfiflizt.

Diogena, fehön und reich, trennt ſich von ihrem Gatten, genießt das Leben, findet aber nirgends Raſt und Ruhe, durdhreiät die halbe Welt und endet im Irrenhaufe.

Düfter iſt der Gräfin echter Roman „Levin“ von 1848.

Levin ift ein geiftreicher Dichter, ber fein treues Weib verläßt, eine Anbre liebt, um biefer willen im Duelle verwundet und geiftesfchwach wird. Die Treue der Frau, bie ihn pflegt, iſt das einzig Erquicliche in biefem widrigen Gemälde geiftreicher Corruption.

Größern Beifall als ihre Romane fanden die geiſtvollen Meifebe- ſchreibungen der Gräfin: „Jenſelts der Berge“ (italieniſche Meife 1840), Reifebriefe® (ſpaniſche Reiſe, 1841), denen noch eine ſchwediſche und orientalifhe Reiſe nachfolgten. Im der Tegten giebt ſich ſchon eine große Ermübung zw erkennen. Die Gräfin Iernte endlich, daß einer fo glühen- den Sehnfucht, wie ver ihrigen, Erfühung nicht dieſſelts gefunden mer- ven fönne. Sie befehrte ſich, wurde katholiſch, fhrieb 1851 das Buch

Die jüngfle Dichtung. 449

„son Babylon nad; Jeruſalem“ und wibmete ſich ſeltdem zu Mainz in Elöfterlicher Strenge dem Stublum der Heiligen.

Ida von Düringsfeld aus Schleſien Hat ſich ein vorzügliches Verdienſt erworben durch treffliche Ueberſetungen von böhmiſchen, italie- niſchen, dalmatiſchen Volksliedern, und durch intereſſante Reiſeberichte (velche die gelehrten Anmerkungen ihres Gatten noch werthvoller machen). Ihre Romane ſpielen in ver „Geſellſchaft“ und handeln von bald glück⸗ er, bald durch Eigenfinn und Mißverſtändniß verfehlter Liebe. Am beften iſt „Hugo“, 1845. .

Hugo wendet fi} von einer früheren Liebe feiner gewiflen Lea zu, bie,- obwohl von reichen Gltern, doch ohne Unterricht aufgewachſen ift und mit den Anfprüchen der höheren Stände etwas Wildſchoͤnes, Halb Barbarifches ver- einigt.

„Schloß Goczyn“, der Roman, der ihren erften Auf begründet, (1841) ift blaſirt.

Drei Brüder buhlen nad; einander um die fhöne Mathilde. Der Altefte heirathet fie, um fie zu vernachlaͤßigen, macht Schulden und bringt ſich felbft

"ums Leben. Den zweiten liebt fie, heirathet ihn aber nicht aus Delicateffe. Vom dritten wird fie aufs feurigſte geliebt, weist ihn ebenfalls ab und flirbt, um ſich ihr Grab vom zweiten Bruder und deſſen junger Gattin unter em⸗ pfindfamen Thränen Befränzen zu laſſen. Der jüngfe Bruber ſchwärmt dabei für die Kunft in Italien.

Der Roman „Sol und Haben“ von Georg Freitag (1854) em langte raſch ungeheuern Ruhm und wieberholte Auflagen, nicht megen feines poetiſchen Werthes, ‚fondern weil er im Sinne moberner Lebend- praxis der Poefle Hohn ſprach.

Ein romantiſch ſchwaͤrmender junger Kaufmann Anton und bie ihn zärtlich liebende Lenore, ein adeliges Fräulein, Isfen ihr Liebesverhältnig freiwillig

auf, um anderwärts eine reiche Parthie zu fuchen.

Einer der beltebteften Unterhaltungsfägriftfteller wurde in ber letzten Zeit Halländer in Stuttgart. Diefe wmohlverbiente Gunſt des Pur blikums verbankt er einer liebenswürdigen Harmloſigkeit und anſpruchs-

loſen Auffaffung des Lebens und der Menſchen, wie fie find. Am beften find ihm feine Scenen aus dem Soldatenleben, Wachtftubenabentheuer ıc. und anderſelts feine Schilderungen ans dem Schaufpielerleben gelungen.

Sein befter Roman „Europäifces Sklavenleben“ von Fr erzählt daB Menzel, deutſche Dichtung. IL

450° Zwölftes But.

Leben ber Tänzerin Clara und ſtellt dad Dafeyn der Choriſtinnen als wahres SHavenleben dar. Bine ſolche Eriſtenz, Hinter deren Außerem Flitter fi Glend und Schande verbergen, und bie fo vieler „verſchaͤmter Hausarmen“ aus dem Honoratiorenftande berechtigt den Dichter, mitten in unfrer Givilifas tion unb conflitutionellen Freiheit von einem europäifchen Sflavenleben zu ſprechen, welches drückender ift, ald das afrifanifche. In dem Roman mGugen Stillfried“ hat ber Verfafler bie wahre Geſchichte der Rofine Klöble benußt, bie durch Vorſpiegelung eines unſichtharen Freiers um ihr ganzes Vermoͤgen betrogen wurde.

Hadländer ſchrieb auch ein paar heitere Luſtſpiele, uaguetiſche Eus ren“, worin ein Liebhaber ald Magnetifeur ins Haus kommt, und „ber geheime Agent*.

Ein junger Herzog, unter Vormundſchaft einer firengen Mutter, emans cipirt fi von biefer, gelangt zur Regierung und gewinnt zugleich die Hand feiner ihm vorher verfagten Geliebten lediglich durch Vorfpiegelung eined ges Heimen Agenten, der gar nicht, erifirt, unter deſſen Masfe ber junge Herr aber immer felbft Handelt.

4. Revolutionäre VDichtung.

Durch die Karlsbader Beſchlüſſe 1819 wurde die von 1813 Her nach⸗ Hlühende Begeifterung für verbrecheriſch erklärt, die patrlotifhe Breffe und die „chriſtlich⸗ deutſche“ Burſchenſchaft auf den Univerfitäten, die Turm» gemeinden ac. unterbrüdt. Die deutſchen Ständeverfammlungen und bie wenigen nad und nad wieder entftehenben unabhängigen politifhen Blät« ter fahen ſich umvermerkt in die Lage gebracht, ihren Rückhalt in ver franzöͤſiſchen Deputirtenfammer zu ſuchen und ihre Hoffnungen mit denen der franzoͤſtſchen Liberalen zu identificiren. Sogar der kaum erſt nom deutſchen Boden dertriebene, tiefverhaßte Napoleon wurde wieder mit einem Heiligenſchein umgeben und man erfreute ſich an der Erinnerung feiner genialen Größe, weil man mit feinem Bilde tie deutſchen Fürften . und Minifter, wenn nicht mehr ſchrecken, doch noch neden konnte. Alles, was aus Paris Fam, wurde wieder begierig in Deutſchland gelefen und überfegt. Der deutſche Liberalismus begann fogar ber patriotiſchen Be geifterung von 1813 zu fpotten, weil die Völker ſich damals für bie

Die jüngſte Dichtuug. 451

Fürften geopfert Hatten, ohne einen Dank zu erhalten, ja nur zu fordern. Der Nationalftolz Habe fih, meinten fie, als unfähig erwiefen, man müffe davon abgehen und ſich mit ven Franzoſen einfach für bie Freihelt ver- Binden. Durd die Freiheit allein Eönne beiden geholfen werben. Sofern nun die franzöſiſche Poeſie Yelt der Neftauration von den Leidenſchaften der unterbrücten Parteien fieberhaft durchglüht war und ſich Hier alles vereinigte, eine neue Revolution vorzubereiten, wurbe auch bie deutſche Poeſie von biefer dämoniſchen Gier nad dem Umfturz alles Beſtehenden mit ergriffen. Die franzöfifgen Dichterwerke, die am melften gegen jede kirchliche und flaatlide Ordnung, gegen Sitte, Ehe, fogar gegen das Eir genthum wütheten, wurden in Deutſchland wie in Frankreich ſelbſt ver- ſchlungen. Bon Eugen Sue's ruhlofeften Romanen (den Geheimniffen von Paris und dem ewigen Juben) erſchienen 1843 und 1844 je zehn deutſche Weberfegungen zugleich. R

Dieſe allgemeine Sachlage muß ih voraus bezeichnen, damit man verftehe, wie e8 kommen Eonnte, daß die deutfhe Dichtung feit der Re— ftauration eine’ fo auffallend undeutſche und unchriſtliche, worzugäwelfe franzoͤſiſche und jüdiſche Färbung annahm. Die antinattonale und antis chriſtliche Oppofltion würde nicht fo bald und nicht fo viel Erfolg ge» Habt Haben, wenn ihr nicht edler patriotiſcher und ſelbſt frommer Män- ner bittre Unzufriedenheit mit der Lage des Vaterlanded vorausgegangen wäre. Es gab eine Zeit, in welcher ver feurig kathollſche und patrio⸗ tiſche Görres und der Zube Börne Auffäge in daffelbe Blatt (bie Waage) Trieben. In des edeln Chamiffo Gebieten finden wir mandes, was denen des Juden Heine nicht ganz unähnlich fleht. Der Tadel, der von Wohlgefinnten ausging, fand fo viele Anerkennung und Achtung, daß auch der Tadel ber Uebelgefinnten dadurch eine Zeitlang, ehe man ben Unterſchled in den Motiven wahrnahm, privilegirt erſchien B

Man fühlt fi verſucht, Joſehh Görres von Coblenz nicht nur unter bie politiſchen Dichter zu zählen, fondern ihm fogar den erften Nang unter ihnen anzumeifen, denn obgleich er nur politifhe Flugſchrif- ten ſchrieb, iſt nicht nur feine Sprache dithyrambiſch, glühender Erzguß ber erhabenften Beredtſamkeit und vol ber gentalften Bilder, fondern au feine ganze Auffaſſungsweiſe der deuten Dinge iſt poetiſch, weil er bie großen Ideen des Kaiſerthums und der Kirche feſthält.

29°

452 Zwolftes Bud.

Nur ſchwach erfeheint neben ihm der Advokat Jaſſoix in Frank furt am Main, deſſen „Welt und Zeit“ (1816) jedoch vol Wig und derber Wahrheit tft, die er muthig in bie Zeit hineinſchleuderte.

Friedrich Sey bold, "ver in den zwanziger Jahren die liberale Necdarzeitung nicht ohne Geift rebigirte, ſchrieb auch mehrere politifche Romane.

Am merkwürdigſten war fein „Caſpar Haufer“ (1834), worin er die Ges ſchichte des unglüdlichen Sünglings nach ber Hypotheſe ausſpann, nad} welcher er ber Erbprinz von B. geweſen feyn follte. Im „Camiſarden“ pries Seys bold bie Helden ber Eevennen. Aber auch dem reactionären Helden ber Basken, Zumalacarregui, ließ er in einem Trauerfpiel Gerechtigkeit, wider- fahren, das fey doch in fo elenber Zeit einmal ein Held geweſen, gleichviel

von weldjer Partei.

Freiherr Gotthold Auguft von Maltig fehrieb feit 1823 politiſche Satiren, worin er allerlei Unzufriedenheit mit den Neftaurationszuftänden in derber Weiſe, meift epigrammatiſch, ausſprach. So im Gelaflus, dem grauen Wanderer, in den Pfefferkörnern, Humoriftifden Raupen. Da- neben fhrieb er ein paar Nevolutionsftüde: Crommel und Kohlhas, ein komiſches Heldengedicht „Kix Meife im Pomeranzenland“, eine Scene „Joko am Styr“ ıc., alles etwas herb, ohne Frohſinn.

Die. Voefte des politifhen Haſſes vol Giftblumen, Dornen und Dis fteln wuchs zuerft auf jüblfehem Boden. Der Jude Baruch in Frankfurt am Main, der fih Börne nannte, trat anfangs als politiſcher Jour— nalift auf mit den Zeitſchwingen (1818) und der Waage (1820), in denen noch der Geift der Freiheitskriege nachwirkte, ſowie mit Kritiken und dramaturgiſchen Blättern. Allein er gab ver patriotiſchen Entrüflung die er mit Arndt, Görres ꝛc. gethellt Batte, bald den Abſchled, um hämiſch wie Shylod feine ganze Jubennatur hervorzuklehren und nicht mehr blos die Meftaurationspolitif, durch melde Deutfehland gefnechtet war, fontern die beutſche Nation ſelbſt zu läftern, was er ungeftraft thun konnte, da ex ſich nad Paris zurücdzog, von mo aus er eine Reihe von Bänden far- kaſtiſcher Briefe ausgehen ließ. Er fehrieb immer nur in Profa, Briefe, Heine Auffäge, nie ein größeres zufammenhängenbes Werk, überall aber zeigt er glängenden Wig. Er fagt auch fehr viel Wahres über die ſchlech— ten Zuftände Deutſchlands in jener Zeit, aber er freut ſich derſelben, mie Jonas, als er auf Ninive herapblicte, wie Shylock, als er das Meffet

Die jüngfte Dichtung. 453

an Antonio's Bruſt fegte, und hat für das deutſche Volk Fein anderes Gefühl, als echten Judenhaß. Sein ſchwächlicherer Nahahmer war ver Jude Kaliſch (Mainzer Narhalla 1843, Schlagſchatten, Buch ver Narı- heit, loſe Hefte 2c.), ver aud 1848 einen „Demokraten“ rebigirte, Viel mehr Feuer des Haffes glüht wieder aus des Juden Karl Bed Nächten ober gepanzerten Liebern, ftillen Liedern zc. (feit 1837) hervor. Derfelbe erfrechte ſich auch, eine „neue Bibel“ zu ſchreiben. Auch der Jude Erei- zenach, den Herwegh als Bote eines neuen Himmels und einer neuen Erde begrüßte, machte den Höllifhen Sabbath, den damals bie Juden zu Deutſchlands Schmach auf deutſchem Boden aufführten, luſtig mit und ſchrieb unter anderem einen „Don Juan“ und einen „Sohn der Zeit“. An Iprifhem Talent aber übertraf alle dieſe jüdiſchen Schreier Morig . Hartmann (Keld und Schwert, 1844, 2c.) aus Leitmeritz in Böhmen. Mit der Wiener Judenbreſſe des Jahres 1848 habe ih mich nicht näher befannt gemacht. Nach den Proben zu urtheilen, muß bier ver Literatur Jude an Frechheit alles überboten haben, mas davon fonft in Deutſchland vorgekommen iſt.

Alfred Meißner trat in feinen Gedichten 1845 als Nachahmer Eugen Sue's und Georg Sands auf, indem er mit gräßlichen Schilde rungen des Vollkselends Eofettirte und zur Revolution aufrief, als dem einzigen Mittel, dad Volk feinem Elend zu entreißen. Da aber bie Män- ner zu feig fegen, fih zu erheben, folten e8 die Weiber thun. Diefen Unfinn ſchöpfte Meißner aus feiner Vergötterung der G. Saud, an ber fi, wie er felbft fagte, „fein Geiſt Hinaufranke”. In feinem „Ziska“ von 1848 tobt er die ganze Mevolutiondhige vollends aus, verzerrt aber das Bild der wilden und frommen Huffiten gänglig, indem er ihnen bie moderne Selbftvergötterungslehre anbichtet. Er ſchrieb auch Schaufpiele:

Im „Weibe des Urias“ thut David wegen ſeines Chebruchs nicht ehva Buße, fondern laͤßt feine ganze Wuth an den Leviten aus. Im „Reginalb“ verläßt der Held feine Glariffe, um eine Reiche zu heirathen, bie er aber, obgleich fie viel ebler und tugendhafter it, als bie Fofette Glariffe, ſogleich vernahläßigt, fobald er ihr Gelb hat. Die Liebe zu Clariſſen erwacht wieder und er ſchießt am Ende den Rathgeber, den er gehört, und ſich felber tobt, Darin fol „der Fluch des Geldes“ anfchaulich gemacht werben.

Die Gebiie von Eduard Mauıner von 1847 enthalten ſchwin-

454 Zwölftes Buch.

delnden Jünglingsunfinn, aber mit ver Routine des fltteniofen Wieners gepaart. "

Der Dichter ſchwaͤrmt für ungariſche, polniſche, deutſche Freiheit, zugleich aber auch für Wiens Hetaͤren, und feine Phantaſie ſchwelgt in wollüfigen BWirbeltängen mit gürtellofen Schönen. Den im Prater fpazieren fahrenden Damen fagt er ins Geſicht: was Hilft es auch, wenn man einen Triumph über eudy feiert, den ja der Lafai theilt. Und diefer Tüberliche Poet ftellte ſich entrüftet darüber, dag man Schiller, ben Sänger der Freiheit, in einer Fürftengruft beerdigt habe.

Ein politiſcher Romantifer war Harro Harring (ein Frieſe), der ſeit 1822, angeregt durch bie griechiſche und italtenifhe Revolution eine Menge demagogiſche Romane, Dramen und Erzählungen ſchrleb, bie Mainotten, ben. Polen, ven Garbonaro, den Eorfaren, den Wildſchützen, die Schwarzen von Gießen zc. nicht ohne Friſche des Gefühle, aber ohne Geiſt. Zu den politifgen Romantifern gefellte fih au Wilhelm Mül— ler mit feiner Igrifhen Schwärmerei für die Neugriehen und Julius Mofen mit feinen ſchönen Polenliedern, worunter „bie legten Zehn vom vierten Regiment“ am berühmteften wurde.

Graf Auerfperg aus Krain ſchrieb unter dem Namen Anaftafius Grün 1830 lyriſche „Blätter der Liebe“ und ein Epos „der Tegte Nitter® zur Verherrlihung des Kalſers Mar, glelchſam einen modernen Theuerdank. Aber ſchon im folgenden Jahre gab er „Spaziergänge eines Wiener Poe— ten" heraus, in denen der Grundgedanke lag: das ſchöne, fonnenhelle, reiche, fröhlide Oeſterreich Liegt unter dem Bann einer häßlichen, finftern, Zalten Politit (unter Metternich feit der Reſtauration). In der Wärme biefer neuen Lieber fpürte man ven Einfluß der „Juliusſonne“ in Parts. Aehnliche Oppofitiondlieder enthielt das Buch „Schutt“ von 1835, denen noch „die Nibelungen im Fra“ (gegen feine Verleumder) und eine neue Sammlung „Gedichte“ folgten. Der Dichter murbe bald fehr beliebt, nicht bloß wegen feiner leichten und ſchönen Verfe und wegen ber jugend« lichen Friſche feines Sanges, fondern auch und zwar hauptſächlich, weit er im Sinne des damaligen Liberalismus ſchrieb und zwar als Defter- eier und ald Graf, was man ihm hoch anrechnete.

Die Dichtungen von Friedrich Ernft (1837) Haben eiwas von Chamiflo's Gluth

Der Dichter ſchwaͤrmt für die Freiheitsfämpfer in Griechenland, Polen,

Die füngfe. Dichtung. 455

Spanien, Amerika, gedenkt der edelſten Kämpfer -in der erſten franzöſiſchen Revolution und kommt zulegt an bie Deutſchen, um einen Invaliden von 1813 über den Unbanf des Vaterlands bitter Hagen zu laffen.

Der unglüdlige Meffenhaufer ſchrieb 1841 ein Trauerfpiel nDemofthenes“.

Hier fleht Demoſthenes in der von Philipp belagerten Stadt Athen ben Zeus an: „gewähre gnäbig der Freiheit den Sieg, fo unwürbig wir und dere felben auch erwieſen.“

Ganz in derſelben Lage befand ſich der Dichter ſelber nach fieben Jahren in dem belagerten Wien. Als Commandant des Aufruhrs fand er den verdienten Tod, aber die Wahrheit jener Worte muß uns rühren.

Büchner kokettirt In feinem Trauerſpiel, Dantons Tod (1835), mit der philoſophiſchen Weltverachtung, welche in der Welt nichs anders fieht, als dad Chaos, aus welchem das Nichts geboren werden fol. Das dur wird ber demokratiſche Unſinn, der bier feine Schlagwörter aus—⸗ wirft, ziemlich wieder neutraliſirt. Gripenkerl hat „die Gtrondiften“ etwas nobler behandelt, aber auch fie taumeln in den Abgrund, ohne eine Ahnung ihrer eigenen Schuld, ganz trunfen von Gelbftüberfhägung.

Heinrich König ſchrieb feit 1826 viele binoriſhe Romane mit etwas revolutionärem Anſtrich.

Die Waldenſer, die Mainzer Klubiſten ꝛc. Am meiſten Ruf erlangte „die Hohe Braut“. Der bürgerliche Giuſeppe wird als Revolutiondr eingelerkert. Es gelingt ihm, an dem Tage ftei zu werben, an weldem feine vornehme Geliebte, die adelige Blanca, d. i. bie hohe Braut, einem Grafen vermäßlt werden fol: Er eilt in die Kirche und ſticht den Bräutigam tobt. Später bricht die große Revolution aus, bie Mächtigen werben niebergeworfen und die Hohe Braut kommt in Giuſeppe's Arme.

Seit 1837 ſchrieb ein Anonymus derbe Satiren auf den deutſchen Adel (Eavalier-Perfpective, Cancan eines deutſchen Edelmann).

Hoffmann von Fallersleben kam nad und nad in Bredlau, wo er nur hie Stelle eines britten Bibliothekars bekleibete, in ſolche Miß- fimmung, daß er bie Reihe feiner verbienftvollen Herausgaben altbeutfcher Dichterwerke und feiner Harmlofen lyriſchen Gedichte plöglih mit politie hen, zum großen Theil ſehr wigigen Satiren unterbrach („unpolitiſche Lieder“ von 1840) und nad feiner Entlafjung in Deutſchland umher⸗ irrend ein Liebling der Demokraten wurde, bis er nad der Revolution

456 Zwölftes Buch.

von 1848 wieder Ruhe fand.und in feiner gelehrten Thätigkeit fortfubr. Aufer den unpolitiſchen Liedern ſchrieb er auch noch „Gaffenliever, polis tiſche Gedichte, Lieder aus der Schmelz, deutſche Salonlleder 21."

Einer ver ärgſten Schreier der Mevolution, Karl Heinzen, fing 1841 mit Gedichten an, die noch ziemlich harmlos waren. Später über» bot er fi in radikalen Zornausbrüchen.

Unter ben Revolutionspoeten machte fi Feiner. unnüger, ald Her—⸗ wegh von Stuttgart, deſſen „Gedichte eines. Lebendigen“ 1841 (bem Briefen eines Verftorbenen vom Fürſten Pückler-Muskau entgegengefept) mit fnabenhafter Renommiſterei die ganze Welt umzufehren drohten.

Meißt die Kreuze aus der Erben, Alle follen Schwerter werben.

. .

Die Liebe Tann und Helfen nicht. Halt du, o Haß, dein jüngft Gericht, Vrich du, o Haß, die Ketten. "

Laßt endlich dad Geleier feyn, Und rührt die Trommeln nur.

Nachdem man ihn auf die übertriebenfte Art (fogar in Berlin) ges feiert Hatte, ſtellte er fi 1848 an die Spike einer Freiſchaar, welche aus Paris ausmarſchirte, um Deutſchland zu erobern, als er aber faum über den Rhein gezogen war, ließ er fi, obgleih 800—1000 Mann ftark, von einer Halben Compagnie Württemberger in die Flucht ſchlagen, und verſteckte fih unter dem Spritzleder bes Wagens, ben feine muthigere Frau kutſchirte. Ungleich weniger renommiftif und viel mehr von ins nerem euer glühend waren Ludwig Seegerd demokratiſche Lieder im „Sohn der Zeit“ von 1843.

- Die Gedichte Gottfried Kinkels paßten für einen Demokraten und Freiſchaarenführer nit. Sein „Otto der Schütz“, ein 1846 erſchienenes eines Epos, worin er die von und Theil IL. ©. 64 mitgetheilte Volks- fage behandelt, tft ganz royaliſtiſch. Seine vielen lyriſchen Gedichte han⸗ dein von Liebe, vom eiteln Ich, won einer italieniſchen Neife, Klagen um Immermanns ‚Tod, greifen empfindfam in Sappbo's Lyra, wiegen ſich in muhamedaniſchen Gaſelen, und machen dann nebenbei in deutſchem Pa—

Die jüngfte Dichtung. 457

triotismus und Revolution. Ein abgeſchmacktes Lied richtet er gegen bie „Todesſtrafe“ und wollte doch felßer ein Mann ded Schwertes ſeyn. Seine-Jambentragöble „Nimrod“ von 1857 laßt den Tyrannen durch ein Weib umkommen, welches fih naher ſelbſt umbringt, die ſchwachen Männer verhöhnend, die nicht fo viel Muth Haben, wie ein Weib.

Einer der feurigften Frelheitsdichter von 1848 war Ferdinand Frei⸗ ligrath, ein junger Kaufmann von fanfter Gemüthsart, welcher durch feine reihe Phantafle und durch den Beifall, mit dem man ihm ſchmei⸗ chelte, zum bemofratifhen Extreme fortgeriffen wurde. Seine erſten Ge- dichte von 1838 enthalten faft durchgängig Bilder des Meeres und ferner Länder, mit dem lebendigſten Pinfel ausgemalt, und von wunderbarer Sehnſucht romantiſch angehaucht, denn der Dichter nimmt vom kleinſten

" Begegniß in der Helmath Anlaß, feine Sehnfucht zur Berne auszubrüden, und fi dieſe Berne auszumalen. Indem er für feine Eranfe Bruft 18län- diſches Moos trinkt, dichtet er vom fernen Island und feinen herrlichen Bulcanen. Die Schwalbe im Frühling mahnt ihn an ven fhönen Süden, aus dem fle kommt. Im Eilwagen erinnern ihn die vorgefpannten Pferde an bie türkiſchen Roßſchweife. Gin ſchlittſchuhlaufender Neger. verfegt feine Phantafle nah Afrika. Jedes Schiff im Hafen der Stadt, in ber er ald junger Kaufmann bient, führt ihn in andre fremde Welten, nad den Urmäfvern Südamerika's, unter die Gräber Aegyptens ıc. Hier fin- den wir auch fein erſtes politifches Lied „ver Scheik am Sinai“.

Der Scheif Hört, bie breifarbige Fahne wehe auf den Mauern von Algier, und glaubt, Napoleon ſey wiebergefommen. Als man ihm aber eine neue franzoͤſiſche Münze mit dem Kopf Ludwig Philipps zeigt, fagt der Scheit ver- aͤchtlich, das ift er nicht, das iſt eine Birne.

Ale Gedichte Freiligrath zeichnen fih nicht nur durch lebendige Färbung, fondern auch durch Friſche und Wohlklang der Sprache aus. Schön find auf feine metriſchen Ueberfegungen engliſcher und franzöfl- ſcher Lyriker. Sein „Glaubensbekenntniß“, feine „Zeitgedichte“, dad „ga ira“ und bie „neuen politifhen und foctalen Gedichte” fallen in die de» mofratifhen Delirien ber vierziger Jahre Man merkt aber wohl, daß der fanfte Dichter diefe Wildheit nur erkünftelt, fie tft ihm nicht Natur. Auch fhlägt das Milde immer wleder vor.

Hermann Rollet ftimmt in feinen „friſchen Liedern“ 1848 den‘

48 Zwölftes Bud.

Lerchenſchlag an, ber ben Völkerfrühling verkünden folle, und Elagt Defter- zei an „Oeſterreich du flafft gar lang“. Doch handeln feine meiften Lieber harmlos von Natur und Liebe. .

Amold Auge, ber in ver vormärzlichen Zeit in feinen Halle'ſchen Jahrbüchern in frechſter Welfe den Umſturz des Chriſtenthums verkündet und betrieben Hatte, dann einer der wüthendſten Demokraten wurde, ſchrieb 1850 „Revolutionsnovellen“

voll revolutiondrer, communiſtiſcher und antichriſtlicher Doctrinen, vol Hohn über Preußen, voll Lob des Schweizer Rabikalismus, ſchließend mit der Aus⸗ wanderung der politiſchen Slüchtlinge nad; Amerifa unter ber Drohung, von dort her wieberzufommen und Deutſchland für bie Republik wieber zu erobern. Ein abgefhmadtes Ragout aus demokratiſchen Blättern.

Charakterlos erſchelnt Dingelftedt, melder ald Nachäffer Hoffr manns von Fallersleben, Freiligraths sc. mit radicalen Nachtwächterlledern begann, dann Höfling wurde und Hauffs Lichtenſtein in die Scene feßte, Er ſchrieb au (ſehr unbedeutende) Erzählungen und einen ſchwachen Roman aus der vornehmen Welt „Unter ver Erde“ (1840).

Die hiſtorlſchen Stüde von Robert Prug find verfehlt. Er macht nit nur „Morig von Sachſen“ zu einem edeln Schwärmer für die Frei- heit, fondern ſtellt ſogar ven „Karl von Bourbon“ ins reinfte Licht. In dem bluttriefenden und wahnſinnigen „Bauernfönig Erich“ fucht er einen Vertreter des modernen Liberalismus und läßt ihn nur zum Beſten des Volks unter der Ariftofratie aufräumen. Der Verſuch in dem Stüd „Nach Leiden Luft” Shakeſpeare'ſchen Wig ſplelen zu laſſen, iſt gänzlich mißlungen, des Paufiad Geſchwätz unerlaubt langweilig. In einem aris ſtophaniſchen Luftfpiel „die politiſche Wohnſtube“, dem geiſtreichſten, mas er überhaupt gefehrieben Hat,

faßte Prug die arme Germania als eine Profituirte, das Volf als einen Sklaven auf und goß eine bittere, nicht immer reine Lange zunächft über preußifche Perfonen und Zuftände aus.

Berner ſchrieb Prug 1851 einen focialiftifhen Roman „das Engels chen“ für die armen Weiber gegen den unflttlihen Fabrikherrn mit einer obligaten Liebesgeſchichte, in ven Charakteren übertrieben und in ber Schrelbart zu gebehnt. In feinem zweiten Roman „Felix“ macht der Held in Umſturzpolitik, kehrt aber, da es ihm nicht gelingt, zur Poeſie

Die jüngfte Dichtung. 459

zurück. Gleichfalls ſchwach. Eine Loutfe Otto ſchrieb 1846 einen Roman „Schloß und Fabrik“, worin die Arbeiter ſich gegen den herz= Iofen Fabrikherrn empören und einer von ihnen, ber bed Herm Tochter liebt, mit ihr im Kugelregen fällt.

Eine ber tollſten Tragödien ſchrieb 1850 J. 2. Klein „Cavaller und Arbeiter“.

Ein Etbſchleicher verfolgt bie rechtmaͤßige Erbin mit unbarmherziger Grau famfeit, fo daß fie noch viel mehr Gefahren ausfteht wie Dliver Twift von Didens. Obgleich ein Prinz fie heirathei, weiß der Erbſchleicher noch einen Aufſtand der Arbeiter zu erregen und das unglüdlihe Opfer durch Mord hin zuraffen, um aber feiner Rucjlofigfeit bie Krone aufzuſehen, läßt er biefelben Arbeiter zulegt durch fremde Truppen zuſammenſchießen.

Gottſchall brachte 1850 die Amazone ber erften franzöͤſtſchen Re⸗ volution, Lambertine von Mericourt, auf die Bühne und badet in der Wolluſt revolutionärer Reden, mwobel au das Chriſtenthum verhöhnt und nur die heidniſche Hoffnung einer Unſterblichkeit des Ruhms feftges halten wird. Gottſchall ſchrieb aud 1848 Barrifadenlieber.

Daß unfere demokratiſchen Dichter die Helden ber erſten franzöſiſchen Revolution felern würden, ließ fi erwarten. Heinemann brachte den Robespierre als hohen Tugendhelven auf bie deutſche Bühne, E. Rau-

"pad (1850) ven Mirabeau als politiſchen Leimſieder, der In feinen felbft- gefäligen Neven alles zuſammenleimt.

In den „Poltzeigeſchichten“ von Ernft Dronke 1846 wird in dem Elend gewühlt, welches die Armen durch die Relchen Teiven.

Gin armer Handwerker wird von einem Ariftofraten überfahren und zum Krüppel gemacht. Gin armer Literat wird von einem Lieutenant verwundet und ficht, Weib und Kind im Glend zurüdlaffend. Gin von einem Vornch⸗ men verführtes Madchen geht im Clend unter. Gin Polizeidiener übt grau fame Radje an einem Baar armer Brüder. Gin Verfolgter übt eine ſolche an den Kindern feines ungerechten Richters.

Deffelben Verfaſſers „Maikönigin“ 1846 tft eben fo, büfter.

Anna, die Maifönigin, wird grenzenlos unglücküich und verbrennt, indem fie ihr Fräulein vettet, im adeligen Schloſſe, das ihr blödſinniger Vater aus Rache angezündet Hat. .

Defien „Bud aus dem Volk“ gleihfals von 1846

460 Zwolftes Buch.

enthält Geſchichten von verführten Mädchen, von Verbrechern, von elend im Spital Sterbenben, an deren Unglück überal nur die Armuth Schuld war.

An die Volksromane, die ſchon bei Bitzius einen politiſchen Anſtrich Haben, lehnten ſich rein revolutionäre und ſocialiſtiſche an, in denen bie Arbeiter auf Koften aller höhern Stände gefeiert werben. Diefe Mobe Tam von Frankreich Her, mo Eugen Sue ihr größter Meifter war. Hies her gehören „die Schiefale eines Proletariers“ von Eihholz, 1846.

Ein armer Weber erhebt ſich aus bitterflem Clend durch feinen Fleiß zum Bürgermeifter, verachtet als folder Adel und Orden und opfert ſich ganz dem Wohl der arbeitenden Claflen.

„Fürſt und Proletarier” von Delders (1846).

Gin Prinz erfennt die Noth des Volkes und tritt in einen Geheimbund ein, ber dem Bolt Helfen joll, wird aber entdeckt und feine Fteunde müflen fliehen. .

Ernft Willtomms „Europamüden“ von 1838 muß man unter die Judenromane zählen.

Der Jude Mardochai perfonifleirt den Weltſchmerz, wie Nathan in Angft und Nöthen, ber flerbend noch Legate vermacht „an Ghriften, bie Judas Schmerz milfühlen“, als ob von ber Emancipation der Juden das Heil der Welt abhinge,

Deſſelben Verfaſſers Roman „Weiße Scläven ober die Lelden des . Volks“ von 1845 verfegt die Cramer-Spießifhen Romane ind Revolu— tiondgeitalter. ,

Demofratifhe Novellen „Aus drei Jahrhunderten“ ſchrieb 1851 Ufo Horn, prahleriſch und ohne Geiſt.

As Mahner der Böfen, Retter und Rächer der Unfcpulb figurirt Hier ein genial ſeyn follender Maulwurfäfänger. Das boͤſe Princip ift ein Graf Bor berflein, Berfoniflcation des Reichthums, der Bildung und Macht; das gute Prineip ift deſſen natürlicher Bruder Martell, der ins Proletariat verſtoßen als armer Spinner in der Fabrik des tyrannifchen Bruders dienen muß. Brüs der find beide, um anzubeuten, daß Reiche und Arme, Regierende und- Res gierte urforünglich gleich find. Der Graf felt unfhuldigen Mädchen nad, mißhanbelt feine Untertanen und Arbeiter wie weiße Sklaven, wirb aber zus legt von feinen eigenen Arbeitern unter Zeitung Martells gezwungen, zwölf Stunden hintereinander in ber, Fabrik zu fpinnen, bis er ſich aus Verzweiflung in die Maſchine flürzt und zermalmt wird.

Alexander, Graf von Württemberg, gab 1837 Gedichte

Die jüngfte Dichtung, 461

heraus, voll Waldduft, Jägerluft, Heiterem Sinn, aber auch zum Theil fehr ernften Inhalte,

Herrlich ift das Lied, worin er befchreibt, wie Andreas Hofers Leiche von Mantua in fein heimathliches Tirol zurüdgetragen wurde. Reizend bie Ber ſchreibung der Iburg und der Tannenwälder im Schwarzwald. Cine Tanne pflanzte er felbR auf das Grab feines treuen Negers im Bade Teinach und prophegeihte dem Baum, er werde einft nad) Jahren ald Schiffemaft das Welt⸗ meer fehen, von wo ber arme Schwarze gefommen iſt. Nach einer lieblichen Volksſage verlor der erlauchte Dichter im Wildbad einen Fofkbaren Ring und fagte ſcherzend, die Nite der Duelle habe ihn genommen, um ihn an fih zu Binden. Bald darauf aber ſtarb ber Dichter in bemfelden Wildbad. Zu feinen fhönfen Schwarzwalbliebern gehört „der lehte Hirſch“, denn er ficht voraus, wenn die Welt fo fortfährt, wird bald der Iegte Hirſch mit dem legten Edelmann verſchwinden. Auch aus Ungarn, wo ber Dichter eine Zeitlang Iebte, gibt er fchöne Bilder z. B. vom Ritter Ferko, ben ein prächtiger Schimmel verlodt, daß er benfelben um jeden Preis fangen wollte, aber in einer öben Haide von ihm in einen Abgrund fortgeriffen wurbe. .

Die „Lieber des Sturms“, die Alerander 1838 folgen lleß, find wirffih wie vom Sturm durchtobt.

Der Sturm felbft wird befungen, als echter Sohn des Nordens, wie er über dad Giömeer braust und durch bie brennende Wüſte sc. Dann wird als fein Sinnbild ein Pferb in feinem Sturmlauf Herrlich. gefehildert. Endlich wird der Sturm perfonifleirt in einem franzöſiſchen Gaperfapitän mit feinem flurms fönellen Schiffe. . R

Endlich ſchrieb Alexander 1843 Lieder „Gegen ben Strom“, worin er feinen. ritterlihen Zorn über die entnationalifirte und entchriſtlichte Dichtung der Zeit, über dad junge Deutfchland, die Hegeltaner, Juden und Judengenoffen ausläßt, aber dieſe Jämmerlichkeiten fehr richtig aus ber Schwäche und falſchen Stellung Deutſchlands überhaupt erklärt. Der Sinn if: wären mir noch eine große Natioh, in Einem Reihe vereinigt, ſo würde auch umfere Poefle gefund feyn. Da mir aber verfaulen, leget ſich Ungeziefer aller Art in unfere Wunden.

Kein Wunder, daß bie Juden ſtolzer werben, Da wir ja felbft mit frevelnden Geberden Die alten Kreuze reißen aus ber Erben.

J Denſelben ritterlichen Geiſt athmen die Gedichte des Grafen Strach— wig von 1848. Der Dichter iſt jung geſtorben. Kühn trat er gegen

462 " Zgwölftes Buch.

die Eorruption der Zeit auf, hoffte aber, es werde wieder eine beſſere. Zeit kommen,

Es wird eine Zeit der Helven ſeyn

Nach der Zeit der Schreier und ber Schreiber.

Gleich feurig, ernſt und würbig find die Zeitgedichte Wilhelm Wackernagels von Bafel (1843). Nachdem derſelbe Gelehrte und Dichter fon 1828 und 1832 lyriſche Gedichte voll männlicher Friſche und zärtliher Milde zugleich herausgegeben Hatte, ſchrieb er dieſe Zeit gedichte In edlem Zorn über den radikalen Unfug der Zeit, über die bru- tafen Umtriebe für Dr. Strauß, über die künſtliche Entchriſtlichung und Entdeutſchung des Volks ꝛc.

Mic ſchwillt das Herz von Trauer und von Zorn, Gewahr ich, Baterland,. wie deine Knaben Des Taumelfelches gierig ſich erlaben x.

Einen guten Eindruck machte 1840 das patriotifche Lied „Ste ſollen ihn nicht Haben“, welches ein namlofer Dichter am Rhein, Nicolaus Beer, damals anftimmte, als Frankreich und mit Krieg bedrohte. „Ste follen ihn nicht haben“! nämlich den Rhein, wiederhallte es von allen Enden Deutſchlands. Und doch wurde der arme Dichter von der jungdeutſchen und Jubenprefie aufs frechſte verhöhnt.

Abraham Emanuel Fröhlich, Pfarrer in Aarau, ſchrieb 1825 vor- treffliche politifhe Kabeln, mit noch mehr Geiſt, als früher Pfeffel, geißelnd die geiſtloſe Erbärmlihkeit jener Neftaurationsperiode. Faſt zwanzig Jahre ſpäter geißelte er eben fo ſcharf in zahlreichen Epigrammen „ven Jungen Deutſch-⸗Michel“ (1843), nämlich die Thorhelten und Verbrechen des damaligen deutſchen und Schweizer Radikallsmus, der Straußtaner, Chriſtusfreſſer, Fleiſchesemancipatoren x. Er ſelbſt Hatte unter dem Ra— dikalismus viel zu Teiven, daher feine 1851 erfehlenenen ſchönen und frommen „Troſtlieder“. Außerdem umfchrieb er das Evangelium Johannis, in Lie- dern und pries Zwingli und Ulrich von Hutten in epifhen Dichtungen, ohne zu merken, daß Hutten ſelbſt ber ärgfte Radikale gewefen war. Ein ſchwaͤcherer Nachahmer Froͤhlichs in politiſchen Babeln war ber Zür- Ger Bandlin (1845).

Dtto Gruppe verfpottete 1831 die Hegel'ſche Schule in’ einem art» ſtophaniſchen Luſtſpiel „die Winden,

Die jüngſte Dichtung. 463

Oberon, der Glfenfönig, Hat die Zauberformel verloren, durch bie er bie Welt beherrſcht, und feine Geifter fliegen aus, fie zu ſuchen. Nokturn, der Nachtwind, geräth in das Stubierzimmer des Herrn Hegel. Der große Phi— loſoph figt vor feinen Büchern und „förbert das Denken des Weltgeifls“, ver ohne ihn nicht weiter denfen konnte. Wenn Hegel nicht bächte, wäre e aus mit der ganzen Welt, benn er allein.hat ben Begriff und ber Begriff ift das Weſen ſeibſt. Und biefen Begriff entführt ihm der Rachtwind, in der Meir nung, Oberons Zauberformel zu erbeuten. Der Philofoph jammert ariflos phaniſch. Der Nachtwind iſt unterdeß mit dem Papier bavongeflogen und verfucht darin zu buchftabiren. Gr findet das Kapitel won ber Luft, die er felber if, und liest beim Mondſchein: „Das Clement der unterſchiedloſen Einfachheit ift nicht mehr die pofitive Identität mit ſich, die Selbftmanifeftation, welche das Licht als ſolches if, fondern if nur negative Allgemeinheit, als um ſelbſtloſen Moment eines Anbern Herabgefept“ ac. 1. Der arme Nachte wind, es wird ihm fo duſſelich dabei. Der Philofoph, der überhaupt in flars fer Wahlverwandtfchaft mit der Behörde ſteht, zeigt ben Diebſtahl fogleich bei der Polizei an und macht auf das ungeheure Unglüd aufmerffam., das daraus

. enfftehen würde, wenn bie Weltgefchichte fill ftehen müßte, weil ber Weltgeift nicht weiter benfen könne. Zum Glüd kommen Hegeld Schüler, Henning (ver Hahn) und Gans, der lehtere aber ahmt bie Gänfe nach, bie durch ihr &es ſchnatter das Capitol retteten.

Heinrich Hoffmann, Herausgeber ded Strummelpeter , eines ſeht beliebt gewordenen Kinderbuchs, worin bie demokratiſche Verwilderung und ihr Gegenſatz, der ruſſiſche Abfos lutismus, unter dem Bilde eines fruppigen böfen Buben und des ihn züch— tigenden Nicolas aufgefaßt wird, ſchrieb auch noch humoriſtiſche Studlen, wie der Teufel ven Schwanz ver» Tor, über ven 5. Rock ꝛc. und ein Handbüchlein für Töchter (1848), zur Berfpottung der damaligen Demokraten.

Die lyriſchen Gedichte des Emanuel Geibel erfreuten ſich feit ven vierziger Jahren eines großen Beifalls. Im Gegenfag gegen die wilben politiſchen Lieber jener Zeit waren fie fanft, heiter, zart in der Auffafe fung der Natur und Liebe, edel und patriotiſch in ver Gefinnung. Geibel ſchrieb 1845 „einen Ruf vor der Trave* für das Recht ver Deutfchen gegen Dänemark, und mahnte in den „Juniusliedern“ 1848 zur Mäßigung und Eindelt. Für das Epiſche und Dramatiſche eignete ſich feine dichteriſche Gabe weniger, obgleich er ſich in einem Epos in Nibelungenverfen „Ste gurds Brautfahrt” und im Trauerfpiele „Roderich“? (dev Ausgang des

464 Swolftes Buch.

legten Weftgothenkönigs) und „Brunhilde“ verſuchte. Wie ſchon Dehlen- ſchläger und Fouqus, bewies auch Geibel, daß bie Rieſengeſtalten ber nor⸗ diſchen Sage nicht für die moderne Bühne taugen. Geibels Luftfpiel - nMeifter Andrea” weiß gar verſchiedene Künftlercharaftere fein zu fehat- tiren, hat aber zu wenig Handlung. Die „Lieder aus der Gegenwart” von Franz Jahn (1850) treten im Geift Geibels und Wadernageld ven Wühlern entgegen.

Einer der eifrigften Kämpfer gegen bie beftruftiven Tendenzen unferer Bett ift der Wiener Humorift Samuel Brunner, deſſen „Nibelungen- Ted“ von 1845 die damaligen fogenannten Sänger des Bölferfrühlings, die Herwegh ac. in ihrer ganzen Bubenhaftigfeit zeichnete, und deſſen „Prinzenſchule zu Möpſelglück“ 1848 ganz eben fo die Eitelkeit des welt⸗ erlöfenben deutſchen Profefforentfums lächerlich machte. Er ſchrieb ferner „die Welt“, ein Epos; Johannes Ronge; das deutſche Reichsvieh; des Genie's Malheur und Glück; Keilſchriften ꝛc.

Theodor Meyer⸗Merian von Baſel ſchrieb 1856 eine Satire nble Lichtfreunde“.

Eine Lerche ſoll unter die Lictfeeunde , d. h. Eulen aufgenommen werben, der Sonne abſchwöͤren und einem Stüd faulen Holzes Huldigen, als der wahr ven Lichtquelle, die Licht in bie Macht ergießt. Zugleich ift eine gelehrte Eule bef_päftigt, bie mechaniſche Urquelle zu. erzeugen, aus ber fie nachher nad) Belieben Geſchaͤſte, welche fie will, zu machen hofft. Wie es aber Morgen wird, erliſcht das faule Holz und die Lerche flicht zur Sonne.

5. Die tieffle Eorenption der deutſchen Dichtung.

. Die katholiſche Kirche Hatte fi von den furchtbaren Zerrüttungen des Joſephinismus und Napoleonismus noch nicht erholt und befand ſich unter dem Drud der Staatsgewalt, welche lange dafür forgte, daß fein . Geiſt in ihr auffem. Die proteftantifhe Kiche war im Nationalismus und offenen Unglauben beinah aufgelöst. Hegel verfünbete der preußiſchen Jugend, der Menſch felbft jey Gott. Aus. der Gottesfurcht konnte man kelnen fittligen Halt mehr ſchöpfen. Auch der Patrlotismus, der Trä—

Die jüngfle Dichtung. 465

ger ſittlichen Adels, war officlell verboten. Daher in der Preſſe eine

- Entfittlidung und Niedertracht auffam, mie nie vorher.

*

Daß bei dieſer allgemeinen Vernachläſſigung und Verachtung der Kirche die Älteften Feinde Chriſti, die Juden, eine ihnen fo günftige Zeit benugten, war nicht zu verwundern. Aus allen dunkeln Eden kamen fle hervor, um mit affenartigem Zähneblecken, Grinfen und Zungenheraus- ſtrecken, was bisher vem Chriften Heilig war, zu verhöhnen, Höflifche Kere open, die Jahrhunderte lang unter dem ſchweren Gebälf der gothiſchen Kirche halberdrückt und ins Finſtre verkrochen, nur ſcheu hervorgelugt, jest aber mit frechem Saltp Mortale mitten in die verwilderte Ge— meinde Hinüberfprangen und fle zur Anbetung des goldenen Kalbes unt BVergötterung ber Fleiſchesluſt verführten.

Heinrich Heine, aus Düffelvorf, ‚unterftügt von einem reichen Onkel aus Hamburg, begann 1822 mit noch harmloſen lyriſchen Gedich⸗ ten und 1823 mit ein paar ganz unbedeutenden Tragöbien (Willem Rat- eliffe und Alınanfor), ftimmte aber 1826 in feinen „Reiſebildern“ und 1827 im „Buch der Lieder“ einen ganz neuen Ton an. Don Eleinem ſchwachem Körper und ungewöhnlicher Häßlichkeit wollte er doch immer den Don Juan fpielen, und mußte daher die Folgen in. einer Rücken⸗ marksdarre auf dem Schmerzendlager Jahrzehnte lang bis an feinen Tod erdulden. Da es ihm mißlang, den romantiſchen Nitter zu fpielen, wor⸗ nad ihn früher gar fehr jückte, fand er in feiner Bosheit ausreichende Mittel, um ſich an der Natur und Geſellſchaft zu rächen und biefe gife tige Stimmung wuchs natürlich mit feinen Körperleiden. Sein Geiſt und Wis, an fi ſchätzenswerthe und eines beſſern Gebrauchs würbige Dinge, mußten ihm nur dienen, alles Heilige und Hohe, Edle und Un— ſchuldige in der Welt zu läftern. Geine Feder wurde buchſtäblich eine Kothſchleuder. Im Buch der Lieder ſtimmt er noch zuweilen einen roman⸗ tiſchen Minneton an, aber im Bewußtſeyn, daß es ihm nicht fiehe, zer⸗ reißt er gemöhnli bie Satte mit einem grellen Mißton. Schon vor thm Hatte Chamiſſo die unglückliche Manier der ſarkaſtiſchen Romanze aufgebracht, welche rührend und tragiſch beginnt, um mit einem Hohn⸗ lachen zu endigen. Das war nun ganz ber Heine'ſchen Natur gemäß. Auch in den Neifebildern ſucht er den Hauptrelz im Herabziehen des Heiligen und Ernften ins Gemeine. Wir fehen da den Jubenjungen mit

Menzel, deutſche Dichtung. IL. 30

466 Zwöälftes Bud.

ber Sand in. ven Hofen frei vor den italleniſchen Mabonnenbilvern fliehen. Zugleich ſpottete er mit vielem Wig über die politiſchen und fos sialen Zuflände, was ben Liberalen Philiftern überaus wohlgefil. Nun ging er In feiner Frechheit noch weiter, ſchrieb eine Schandſchrift zur Ver⸗ Hößnung ber romantiſchen Poefle und wagte in feinem „Salon“ und in feinen „neuen Gedichten“ geradezu das Chriſtenthum als ein der Menfch- heit nicht mehr würdiges Inflitut zu verwerfen und die „Rehabilitation des Fleiſches“ in feine alten, durch das Chriftenthum ihm entriffenen Rechte zu verlangen. , "

Die fünftige Menfchheit, fagt er im Salon, wird ben fünftlichen Hader, den das Chriſtenthum zwifchen Leib und Seele erregt hat, laum begreifen tonnen. Das Chriſtenthum galt ihm lediglich al eine Störung ber urfprüngs lichen Harmonie zwiſchen Leib .und Seele, welche nach glüdlicher Neberwindung des Chriſtenthums fofort zurüdfehren werde. Ghriftus erſcheint ihm alſo als der Störefried, der böfe Feind.

‚Heine durfte um fo kecker auftreten, als er von König Ludwig Phis lipp einen anſehnlichen Jahrgehalt empfing, um von dem fihern Parts aus unaufhörlih die Mißſtimmung in Deutfgland zu nähren. Dur feine Krankheit vollends verbittert, fhrieb er nun immer tollere und rüd- ſichtsloſere Sachen, unter denen Atta Troll, Deutſchland ein Wintermär- en, Dr. Fauſt und der Nomanzero nur literariſchen Abtritten. gleichen. Es fam Heine gar nicht darauf an, bekannte Ehrenmänner in Deutſch- land öffentlich als Päderaſten zu bezeichnen, und um feinen Haß gegen fle auszulafien, ſchöne und ftarfe Männer, bloß weil er fo verkommen war, zu häßlichen Karikaturen auszumalen sc. Wie ein wüthender Affe ven eignen Koth als Wurfgeſchoß braucht, das iſt die beſte Vignette zu Heine's fpätern Gedichten. Sogar mit Börne überwarf er fi, dem er doch fo viel: verbankte, weil die Achtung, welde Börne genoß, ihm als dem ſtets mit ihm Genannten zu Gute kam. Schließlich gefland Heine ſelbſt, feine ganze Poeſie fey vergiftet, und wie eine verbiſſene Natter ſchlug er ven Iegten abgebrochnen Zahn in ven eignen Leib.

Trotz feiner augenfäligen, abſichtlich zur Schau getragenen Nichts- -würbigfelt wurbe Keine in Deutſchland faft vergöttert und fammelte ſich unter feiner fhmugigen Fahne eine ganze Schaar von Nahahmern. Diefe Leute nannten fi „das junge Deutſchland“. Denkt man zurüd an dad

Die jüngfte Dichtung. 467

Urbild deutſcher Jugend, wie mir e8 im Sifrit erlannt, ſo hat man hier daß elelerregende Gegenbild. Die Phyſtognomie des jungen Deutſchland war die eines aus Paris kommenden, nach der neuſten Mode gekleldeten aber gänzlich blaſirten, durch Lüderlichkeit entnervten Judenjünglings mit ſpecifiſchem Moſchus· und Knoblauchgeruch. Die Nuptlehre der Jung- deutſchen war „Rehabilitation des Fleiſches“. Dafür ſchrieb zunaͤchſt Karl Gugfom aus Berlin (1835) den Roman „Wally, die Zweiflerin“.

Darin wird nit nur Unzucht gelehrt, geübt und gepriefen, fonbern auch Chriſtus mit affectirter Geringfhägung „ein junger Mann, unehelichen Urs ſprungs, Stieffohn eines braven Simmermannd“ genannt, der durch eine bes denlliche Verwirrung feiner Ibeen auf den Glauben Fam, er müfle ein Bes freier ber Nation werben.

. Mehr Geift Hatten feine Jugendarbeiten „Briefe eines Narren an eine Närrin“ und „Mahaguru“, eine tibetaniſche Geſchichte. Im „Blafe- dow und feine Söhne“ zeichnete Gutzkow das Unglüd eines Mannes, der (in feiner Einbildung) über dem Jahrhundert fteht und doch in und mit ihm leben muß. Die „Seraphine” war ein Elägliher Verſuch des Dich⸗ ters, weibliche Seelenfhönheit zeichnen zu wollen, von der er nie eine Ahnung Hatte. In feinem Buch „aus der Knabenzeit“ (1852) ahmte er das Buch der Kindheit von Golg nad, aber ſchlecht. Im folgenden Jahr begann er einen neunbänbigen Roman „die Ritter vom Geiſte“, womit er gleichſam Sturm lief auf das Publikum.

Das Bud iR noch langweiliget als lang. Die f. g. Ritter vom Geifte bilden einen Orden, um, unabhängig von Religion, Sitte, Staat, das, was fie Geiſt nennen, in der Menſchheit fortzupflangen. Alſo der langft abger ſchmackie Illuminatismus. Die Ritter thun überdies nichts, ſondern fhwapen blos, effen und trinken, lieben unb verheirathen fi, wie andre gemeine Leute.

Das Lebensbild „bie Diakoniſſin“ (1855)

beſchreibt, wie eine getviffe Gonftanze Diafoniffin wird, ſich aber in biefem Dienfte immer beſchaͤnt und genixt fühlt und am Ende Gott banft, einen Mann zu bekommen, ber fie von ber leibigen Pietiſterei befreit.

Man kann den Dienft der frommen Schweftern nit unwürdiger, unpoetiſcher und phillſterhafter auffaflen. Charakteriftifch erfheint, daß Guhlow noch fo ſpät die Windigkeit, Charakterloſigkeit und Lüderlichkeit des Kotzebue ſchen Berlin an Ludwig Tieck rächte. in Berliner, wie

Tieck ſelbſt, ſuchte er aus Leibeskraͤften die Poeſie aus Tiecks romanti- 30°

468 Zwölftes Bud.

ſcher Höhe wieder herunterzurelßen in die alte Gemeinheit. Indem Gutz⸗ tow Schlegels Lucinde neu herausgab, fuchte er die Meinung zu verbrei- ten, die Romantiker feyen eben fo unflttlich gewefen, wie das junge Deutſchland.

Heinrich Laube, ſpäter Vorſtand des Wiener Burgtheaters, wett⸗ elferte mit Gutzkow in Anmaßung und war eben fo arm an Geiſt und Erfindungsgabe. Seine Reifenovellen, eine matte Nahahmung der Heine’- ſchen Reiſebilder, (feit 1834), fein „junges Europa“ ftrogten von Infos lenz. Auch gab er die obfeönen Schriften Heinfe'8 neu Heraus. Sein Roman „bie Schauſpielerin“ von 1836 und „dad Glück“ von 1837 find ſchwache Gemälde aus der modernen Geſellſchaft, charakterlos, nichtsſagend. Etwas mehr Farbe haben feine Darftelungen altfranzöſiſcher Küberlichkeit, eln Element, in vem er ſich behaglich fühlte. So in feinem Roman „die Gräfin Ehateaubriand” von 1843. .

"Der König buhlt mit ihr; als die Kataſtrophe ihrer Treufoflgfeit heran⸗ naht und fie nach bretoniſchem Recht als Chebrecherin fterben foll, tritt der König unter ben bretagne'ſchen Adel und Hält ihm eine Vorlefung über die nothwendige Emancipation des Weibes, das Recht ber Unzucht, das Unrecht der Che. Inzwiſchen emaneipirt fi die Gräfin mit Gift. Man weiß nicht, ob Bier die Frechheit oder bie Abgeſchmacktheit größer iſt.

In diefem Geiſt ſchrieb Laube auch die „franzöſiſchen Luſtſchlöſſer“. Nicht viel beffer iſt „der belgiſche Graf“, eine Pariſer Criminalgeſchichte aus der ſchlechteſten Zeit des Megenten: In dem Luſtſpiel „Rococo“ vers fpottet Laube „bie alten Herren’ und Läßt einen Alten am Schluffe fagen: „wenn und die Jugend vergiebt, fo find wir begnadet, denn der Jugend gehört die Zukunft“. Das ift ganz kotzebue'ſch. Aber die bubenhaften Spötter werben felber zu wackligen Greifen.

Ein eifriger Parteigenoffe de8 jungen Deutfhland war ferner Lu⸗ dolf Wienbarg, weniger produktiv, aber geiftreiher als die andern, wie feine ſatiriſchen „Wanderungen durch den Thierkreis“ darthun. Auch feine Schilderung Hollands Hat viel Anziehendes. Seine äſthetiſchen Feld⸗ züge und was er „zur neuften Literatur“ ſchrieb, war wohl nur DVer- irrung des Augenblicks und mißverflandene Kameraderei.

Auch Theodor Mundt ſchloß ſich dem jungen Deutſchland an und ſchtieb Romane und Erzählungen in demſelben arroganten und lelchtfer-

Die füngfte Dichtung. 469

tigen Ton, wie die andern. In feiner „Madonna ober Unterhaltungen mit einer Heiligen“ von 1835 macht er diefelbe Affengeberbe vor bem Bilde Ser allerfeligfien Jungfrau wie Heine. Indem er bie Rehabilitation des Fleiſches den ſchoͤnen Mädchen Prags verfündet, reizt ihn das fpecififch Katholiſche derſelben nur zu thieriſcher Wolluft, deren er ſich mit blafirter Vornehmthuerei rühmt.

In „Mutter und Tochter“ triumphirt gleichfalls das emancipirte Weib. Mundt ſchrieb auch ein Buch über Charlotte Stieglig.

Diefe war bie Gattin feines Freundes, des hoͤchſt mittelmäßigen, aber eiteln Berliner Dichters Stieglig. Weil Stieglig ihr immer vorlamentirte, bie Heis rath mit ihr hindere ihn an einem großartigen Emporfommen, gab fie ſich freiwillig den Tod, uud Stieglig war fo feelenlos, mit dem Dolce, mit ber fie fi) erſtochen, Hinterbrein zu fofettiren und in einem Iebenden Tableau zu Müne hen öffentlich damit aufzutreten. Mundt aber machte ein Buch daraus.

Das Talent diefer Jungdeutſchen würde fammt der Lobaflefuranz, melde fe unter einander etablirt hatten, nicht ausgereicht Haben, ihnen einigen Ruhm zu erwerben, wenn nicht die Zeitftimmung und Mode für fle gewefen wäre. Der deutſche Büchermarkt wurbe damals überſchwemmt mit Ueberfegungen ber beftruetioften, irreligtöfeften und unfittlichften Werke der franzöſiſchen Dichter (Victor Hugo, Georg Sand, Eugen Sue, Bal- zak, Paul de Ko ıc.). Zugleich gingen bie Saaten auf, welche die alten Nattonaliften und die neuen Hegelianer auf den Untverfitäten gefäet Hat- ten. Der Unglaube warf alle Scham von fih. Im Jahr 1835 erfehten das berüchtigte „Leben Jeſu“ von David Strauß, ber die Evangelien für Mythen und Fiſcheranecdoten erflärte. Bald darauf thaten ſich die Licht⸗ freunde in Sachſen, die Deutſchkatholiken in Schleſten auf unter faft all- gemelnem Zujauchzen der deutſchen Preffe, und in ver Schmelz erhob der Communlsmus fein Haupt und warf feine Brandfäriften nah Deutſch- land hinüber. Im Grunde ging dieſe ganze fleberhafte Wuth, womit man die Religion und Sitte verfolgte, won Frankreich aus, welches in der Periode zwiſchen der Jull- und Bebruarrevolutton vor Ungebulb und ler nad) einer neuen Revolution ſich bis zum Wahnſinn echauffirte. Deutſchland ließ fi nur anſtecken. J

Wir müſſen die Reihe der charakteriftifhen Zeiterſchelnungen forte fegen. Guſtav Kühne überwarf ſich zwar mit hen Jungdeutſchen, feine „Quarantaine im Irrenhauſe“ verräth aber, daß er an ber Unruhe der

470 Zwoͤlſtes Buch.

Zeit ſelbſt betheiligt war. In den „Kloſternovellen“ ſchildert er die traurigen Folgen ver Aſceſe, als ob Entfagung den Menſchen unmög« lich wäre. Auch ſchrieb er ein unnützes Buch über die Rahel und Bettina.

Rahel war eine durch ihren Geiſt berühmte Jüdin in Berlin, Gattin des Biographen Barnhagen von Enfe, ber ein Buch über fie ſchrieb. Sie wurde Hauptfächlich nur deshalb vergöttert, weil auch fie zu ben von aller Religion Gmaneipirten gehörte.

Der Jude Berthold Auerbach machte damals (1837) den Spinoza zum Helden eines Romans,

Durch feine kuhne Philofophie zerreißt er die Fefleln des Judenthums, bie ihn bisher umftrict. ber dafür ſiößt fein Bolt ihn aus. Er will ſich mit einer ſchonen Katholifin tröften, findet aber, daß fle ihn um eines reicheren Liehhabers willen verräthen hat. Ganz allein und verlaflen hat er nun nichts mehr, als ſich felbft und feinen Geiſt. Da erfcheint ihm tröftend Ahasver, der ewige Jube und preist ihn als den wahren Meſſias der Juden, der fie jest erft erlöst habe von ihren alten Glaubensbanden durch ben freien Geiſt.

Auerbach vergötterte in einem andern Roman „Diäter und Kaufe mann“ den Juden Mendelsſohn, ven ſchon Leſſing fo lächerlich zum Ideal hinaufgeſchraubt Hatte. Die wirklichen Juden der Neuzeit find von ſol⸗ Sen Idealen Himmelmeit entfernt geblieben und haben fi nur auf Koften der Chriſten ungeheuer bereipert ober, wenn fie in Wiffenfhaft, Kunft und Literatur machten, den guten Geſchmack verborben (mit durchgängig fehr geringen Ausnahmen) und einen Gifthauch von Irreligiofltät und Entſittlichung um fi verbreitet. Den beflen Jubenroman ſqrieb m W. von Chezy 1845 unter dem Titel „der fromme Jude“.

Nach einer Seite Hin verfolgt er das Judenthum in den gemeinften Schacher, in bie Gaunerei und ins Zuchthaus; nad; ber andern Geite hin in die Comp⸗ toirs, in bie Salons und Boudoirs. Hier wird ein Judenkind Hinter dem Zaun geboren, bier werben Dietriche gebraucht, Hier in ber jübifchen Gauner⸗ ſprache Verbrechen verabredet, dort heirathet die Tochter des geadelten Ban⸗ quiers einen Grafen, Fauft man große Herrſchaften und fpielt ven Pair ıc. Am frappanteften find die Scenen, in welchen Verwandte zufammenkommen, die beiden Richtungen angehören. Der eine Bruder ober Better Hat fein Glüd gemacht, ber andere ift im Elend geblieben. Die reiche Judentochter am Arm eine Grafen, eine Anzahl armer Verwandter von fehr zweibentiger Lebens ſtellung mufternd (Theil IV, ©. 192 f), iſt ein ungemein gelungenes Bild.

Die jüngfte Dichtung. 471

Stolz und Verlegenheit, Teop und Aerger auf beiden Geiten machen endlich wie auf einen Zauberſchlag dem alles überwältigenden Gefühl der Verwandt⸗ ſchaft und des gemeinfamen Jntereſſes Plag. Theil IV. ©. 85 Heißt es Hier, daß ein zu ebleren Gefinnungen berufener Jude fein Zube bleiben koͤnne, ohne auf eine ober bie andere Weiſe zu verderben. Henoch, der hier biefe Richtung vertritt, wirb das Opfer feiner Treue.

Auch die Jüdinnen drängten fi herbei. Fanny Lewald ſchrieb 1849 einen Roman „Prinz Louis Ferdinand“.

Sie ftellt diefen tapfern Prinzen dar, wie er brei Geliebten mit obligaten Kindern ſchwärmeriſch liebt und fid von der Jüdin Rahel geiftig beherrſchen und langweilig hofmeiftern läßt.

Zeitgemäßer Triumph des Judentums über das Preußenthum! ihr Roman „auf rother Erde“ (1850)

ſwitdert bie Revofution in Iſerlohn, Toettit mit Gelabreſet und Schleppfäbel und endet mit der Flucht der Demokraten nach Amerifa.

In den „Hausgenoſſen“ von 1856 läßt die Lewald einen jungen Arbeiter und. fein Mädchen 2—3 Bafı Tang in wilder @he leben und Kinder zeugen und findet das gang fehön und natürlid, ertläct e8 dagegen für ein Verbrechen an der Menfchheit, daß bie Poligei dem Standal zulegt ein Ende macht

Auch in der „Lebensfrage“ triumphirt bie Liebe über die, Pflicht. In „Jenny“ fteht eine Jüdin als Lichtgeftalt unter chriſtlichen Geiſtlichen als Ungebeuern ıc. .

Aber auch chriſtliche Frauen und Männer überboten fi in unſitt⸗ lichen Romanen. Amalte Schoppe ſchrieb feit 1824 überaus viele Ro— mane, anfangs noch fentimentale Entfagungdromane, dann hiſtoriſche, end⸗ lich ſociale & 1a Georg Sand, 3. B. „Aus Haß Liebe” (1842).

Gräfin Heloife, anflatt ihren kranken Mann zu pflegen, liest bis Mitters macht unzüchtige Romane, da wird fie von einem jungen Heren befucht und nimmt ihn, „indem ſich Traum und Wirklichkeit bei ihr vermifdjen“, in ihren Armen auf. Aber biefer Liebhaber befriedigt fie fo wenig, ais ihr Mann, auch flerben Heide und erſt ein Dritter befeicbigt fie ganz, fo daß „jept erft bei iht bie Knospe ihre bis dahin verſchloſene Hülle forengt“. So wird mit Sungfräuficpfeit Tofettirt, nachdem man ſchon tief in ber Schande gebabet. Der neue Liebhaber träut auch nicht. Man trennt fh, verföhnt ſich aber äulept wieder wie in Menſchenhaß und Reue, wobei ein kleiner Banfert, bie Feucht jener magiſchen Wirkung der ©. Sand'ſchen Boefle, bie Hauptrolle fpielt.

472 gwoͤlftes Bu

Herr von Rehfues, ein Württemberger in preußifgem Staatd« dienſt, ſchtieb 1832 den berühmt gewordenen Roman „Scipio Cicala“. Scipio if einer ber vielen Don Juans, deren Kraft barzuftellen ſich die Unkraft der modernen Poefie abmüht. Schön, helvenkräftig, eine in jeder Beziehung reiche Natur, in ein eben fo reiches Leben hingeſtellt (in die Mitte zwiſchen die chriſtliche und muhamebanifche Welt und in bie Zeit der ficilias niſchen Veſper), wird er gleichfam von allen Mächten des Himmels und ber Hölle umbublt; wie es feit Goͤthe's Fauſt Mode geworben ift, ſich ben ſterb⸗ lichen Menfchen al einen für bie Unſterblichen überſchwenglich intereflanten Gegenſtand zu denken, bem fie, ohne irgend eigne Selbfifländigfeit, nur zw hoſiren hätten. Doch hat Rehfues bie poetiſche Gerechtigkeit walten und ben Helden in feiner tief unfittlichen Richtung untergehen laffen. Nehfues Tieß. „tas Caftel von Gozzo“ nachfolgen. - Der Maler Eamillo flücgtet mit feiner fpönen Frau vom Lande in das Caſtell der Infel Malta, weil Türken landen. Die verſchmaͤhten Liebhaber der fehönen Fran wollen aus Rache das Caſtell den Türken überliefern, aber Camillo fommt ihnen zuvor, indem er Weib und Kind vergiftet und ſelbſt im Kampfe fällt. Die Verhöhnung eines Minds Bildet eine luſtige Epifobe in der tragifchen Geſchichte. Und eine „neue Medea“ (1836). Eine Greuelgefichte. Die neue Medea wirb, wie bie alte, von ihrem Jaſon betrogen und wirft ihm in wüthender Rache noch im Tobe fein- (und ihr) Kind nad. . "Unter dem Namen Emerentius Scävola ſchrieb feit 1832 ein Herr von ber Heyden (nicht zu verwechfeln mit Friedrich van der Heyden) flandalöfe Sachen, die alles übertreffen, was bisher der Roman in Sit- tenloſigkeit geleiftet Hatte. Sein erſtes Product „bie Genoſſen ver Mit- ternacht“ kamen mir nicht zu Geſicht; 1836 eiſchen fein „Adolar, der Weiberverägiter“, Adolar verführt alle Weiber, bis ihn einmal Cine um beide Augen bringt. Blind und ohne Mittel fept er dennoch feine Lüderlichleit fort, indem er ſich, immer nod ein ſchoͤner Mann und wegen feiner Blindheit um fo gewiſſer dis⸗ Tret, am vornehme Frauen verfauft und nunmehr Gelb für das einnimmt, wofür er es fonft ausgab. Cine Hetäre männlichen Geſchlechts. Im Roman „Reonive* . . bricht die Heldin als Nonne ihr Gelübbe, um zwei Männer zu heirathen, denen fie ſich abwechſelnd Hingibt.

Die füngfte Dichtung. 4713

Die Heldin des Romans „Learoſa“

iſt ein unſchuldiges Mädchen, fällt in bie Arme mehrerer Verführer, bleibt aber unſchuldig, heirathet einen Greis und bleibt unſchuldig, bis ein Traum zum erſtenmal fie darüber belehrt, wo bie Unſchuld aufhört. Nun glüht fie, den Traum zu verwirklichen, verliebt fi, geräth aber im Dunfeln in bie Arme eines Scheuſals. Außer ſich vor Aerger will fie ſich auf andre Art entfejäbigen, wird aber nochmals im Dunkeln betrogen durch ihren eigenen Bebienten. Das Ende ift im Bordell,

Genug, die Analyfe der noch übrigen Romane dieſes Searola wollen wir uns erſparen.

Ein Wilhelm Müller, nicht zu verwechſeln mit dem fanften Phil- hellenen, gab fett 1835 Greuelgemäfde im Geſchmack der neuftanzofiſchen Romantik heraus.

Zuerſt ein Taſchenbuch „des Bettler Gabe“, darin gräßliche Scenen aus Rupland, Erfrierungen im Winter 1812, Knutungen, daß man das Fleiſch davonfliegen und das. Blut rauchen ficht ꝛc. „Die Verworfenen“, ein Roman. Hier tritt der Helb in ein Bordell ein, wo ihm alles geftohlen wirb und geht ab auf einem Karren mit Choleraleichen, um lebendig begraben zu werben. gZwiſchen biefen beiden Greuelfcenen liegen noch unzählige andere, worin bie unmenfchlichfte Graufamfeit und Verruchtheit, bald im Verbrechen, bald in deſſen Beſttaſung ihre Triumphe feiern. Gin Paria wird verurtheilt, fein eigenes Kind einem Tiger vorzuwerſen und kſieht es vor feinen Augen zer⸗ feifcpen, wird dann wahnfinnig und verbindet ſich mit einem Juben und einem Neger, die auf Annliche Weiſe mißhandelt worden ſind, um an der ganzen Menſchheit Rache zu nehmen. Sie gehen ins Giftthal und holen bie Cholera Heraus. Beltlerd Gabe wurde noch 1845 fortgefeht mit ähnlichen Greuel- gefejichten. Die rührendfle fol einer Volksſage entnommen feyn. Gin rufe ſiſcher Bage wurbe mit feiner Braut und ihrem Vater von ben Tataren geraubt, die der unglüdlic;en Braut einen von beiden, "ben Vater oder Bräutigam, beim Leben erhalten wollten, wenn fie bei ber Hinrichtung des Andern fänge. &ie wählte den Vater und fang bei der Hinrichtung des Bräutigams, aber ihr Gefang war fo ſchauerlich, daͤmoniſch und mächtig, daß ber Tataren großes Goͤhenbild zufammenflürzte und fie und ihren Vater erſchlug. Seitdem hört man dort eine geifterhafte Nachtigall fingen.

Im „König Og und feinen Nachkommen“, einem anonymen Roman von 1839

zabotirt ein gewifler Hilar gegen alle Religion und Che, will bie Weiber und fogar bie Kinder emancipieen und enbet bamit, daß er feinem eignen Kinde den Kopf einftößt und feine Geliebte wahnfinnig wird.

474 Zwölfies Bush.

Im „Breigeifl von Delders (1840) fgurirt wieder eine emaneipirte Wally und ein Ritter vom Geiſte, ber die Religion „einen Augenſchitm für Blöbfihtige nennt, die den vollen Strom des Lichts noch nicht vertragen koͤnnen,“ und nachher Tangweilig die junge hegelſche Lehre vom „Zufichfelöfttommen Gottes im Menſchen“ ausframt.

Die „Söhne und Töchter ver Zeit“ von Wilhelm Elias (1840) find deſſelben Geiſtes ober vielmehr Fleiſches, da Hier aller Geiſt ins Fleiſch geſetzt wird. Sonderlich bie Töchter der Zeit baden fidh in ber Luft biefes emancipirten Fleiſches mit philofophifchem Stolze. Die Eine, bie ein uncher liches Kind bekommen Hat, worüber ſich ihr früherer, jeht wieder zu ihr zurüds kehrender Liebhaber beflagt, fagt zu dieſem, indem fie das „ineroyable Dogma* verhößnt: ich bin die Jungfrau Mutter, du ein Heiliger Geift, und jener, von dem ich das Kind Habe, mag ben Joſeph vorftellen.

Dagegen ſchrieb Egert Winnfteen 1843 eine Novelle „Antonia“, worin er beweist, daß die chriſtliche Ehe dem weiblichen Geſchlecht viel mehr zum Vortheil gereiche, ald die Emancipation.

Antonia will durchaus emancipirt ſeyn, ſich feinem Chezwang unterwerfen, aber doch; Männer lieben. Sie felbf trägt fi einem Manne zur ehrlofen Buhlerin.an, wird aber bald von ihm, der fih an ihrer Unzartheit ärgert, verlaffen und muß nun als Mutter eines unehelichen Kindes alle Schmach erleben. jur

In der Tragödie „Liebe von Held (1841) wird die Tugend mit dem Lafter in unglaublicher Unnatur vermiſcht und verwechſelt.

Die junge Gräfin Johanna liebt ihren Lehrer Eduard und wird gelicht vom Grafen Adlerhorft. Da fe den bürgerlichen Eduard nicht, heirathien Tann, iſt der Graf fo gefälig, fie zu heirathen, aber nur um fie Eduard abzutreten, mit dem fie nun in einem ſicheren Ayl ald Gattin Lebt, bis ſie fi in ben großmüthigen Grafen felbft verliebt und nun einmal in Eduards Armen dieſem gefeht: Cduard, id) liebe meinen Gatt (bie Stimme verfagt ihr, fie finkt um). Edward ift wie vom Donner getroffen, fpielt aber nun feinerfeits den Gromüthigen und vergiftet ſich.

„Die Seherin“ in einem dramatiſchen Cebit von Emil Medlen- burg (1845) J

ſucht als Maitreſſe eines Königs dieſen für die Hegelſche Philoſophie und für den Communismus zu gewinnen, deren Lehren ein gewiſſer Frei als rabifaler Marquis Pofa des breiteren ausframt. Es gibt Feinen Gott, verfündet er, wir Menfchen allein find Gott, jeder dem anderen gleich, jeber frei sc. Der König will aber nichts davon hören und der Schwaͤter endet im Kerker.

Die jüngfte Dichtung . 475

Ernft Wilhelm Alermann, ein Königöberger, ver ald Hofmeifter einer ruſſiſchen Familie frühe farb, deſſen poetiſchen Nachlaß aber Raus pach 1848 herausgab, ſchwelgt in Wolluſt und verhöhnt das Chriſtenthum.

In einem Gedicht fagt er einer ſchönen Fübin: du mußf erſt den wahren Glauben Haben, d. 5. glauben, daß ich dir freu bin, wenn du mid; auch eine anbere füffen ſlehſt. Du mußt an bie Dreieinigfeit glauben, d. 5. ich bin das Seyn, du bit mein Entfalten und unſere Vereinigung ift der Ruß sc. Im „Don Inau und Maria“ fpottet Don Juan in der Hölle über den „armen Gott“, ver nichts fo Schönes zu ſchaffen wifle, als Er Don Juan in feiner üppigen Phantafie. Zum Lohn kommt Maria zu ihm in bie Höle, um ihn eigenhändig von da in den Himmel Hinaufzuführen. Das ift noch ärger al am Schluß des Goͤthe ſchen Faufl.

Lenau (Niembſch, Edler von Strehlenau), der abwechſelnd in Wien und Stuttgart Iebte, begann 1832 mit lyriſchen Gebichten, welche großen Belfall fanden und oft wieder aufgelegt und vermehrt wurben. Allein ich wies damals ſchon (In meinem Literaturblatt von 1835 Nr. 73 und 1839 Nr. 42) auf ven kranken Punkt in Lenau's Seele Hin.

Er befang ein Dutzend verſchiedene Mädchen zugleich, von denen er jebe einzelne bis zum Sterben zu lieben verficherte, und ſtreckt dann noch jammernd die Arme nad) einer aus, die einzig beftimmt fey, ihn zu beglüden, aber erft nach taufenb Jahren geboren werben würde sc. Das war nun nicht Affecta— tion, fonbern ganz ernfhaftes, aber krankhaftes Gefühl.

Sein Herzweh beftand in einer nit zu befrienigenden, wenn auch nur fentimentalen Donfuanerte. Gewaltſam wollte er ſich aus biefem Innern Elend herausreißen und fuchte inftinktartig dad gefunbe praktiſche Xeben In Norbamerika, aber die Profa dort riß nur neue Wunden in fein zartes Gerz und er kehrte zurüd, um aufs neue feinen Schmerz in Liedern auszuftrömen.

Im einem morfchen, Iebensarmen, hohlen Baum, in welchem Bienen fügen Honig bereiten, ſah ex fein eigenes Bild. Gr nannte bie ihm angetraute Braut „die Dual“. Gr fah „ben Geift unglüdlicher Liebe, ber über bie Erde zieht”.

Kurz überall nur ſchwarze Melandolie, aber fein Schmerz fand oft den rührendſten Ausdruck, weil er ein wirklich empfundener war. ber überall vermißt man die männliche Erhebung, Selbftbeherrfhung und Zucht feiner ſelbſt. Der Dichter jammert immer über vorenthaltenes Recht und

476 Bmölftes Bud.

denkt an keine Pflicht. In feinem Drama „Baufl“ identificirt er fi ſelbſt mit Fauſt.

Der durch Wolluſt mit Weibern erſchöpft, einer Unſchuld nachtrachtet, bie ex nicht mehr finden kann und ſich endlich felber umbringt, mit dem einzigen Wunſche, nicht mehr aufzuleben.

Lenau fühlte, er müffe aus dieſem ſubjectlven Jammer heraus und ſich erhabenen Gegenftänden zuwenden. Da feierte er 1837 in, dem epi⸗ ſchen Gedicht „Savonarola“ dieſen florentiniſchen Reformator und ent- warf ein abſchreckendes Bild von ber römiſchen Kirche. Dem ließ er noch 1842 „bie Albigenſer“ nachfolgen mit verfelben Tendenz des Haſſes gegen Nom, aber aud mit Verachtung des reformirten Bibelchriſtenthums. Denn ex läßt den Meifter Theodor, nachdem er den Albigenfern die Bibel er» Härt hat, das h. Buch felber ins Feuer werfen und fließt mit einer Bergötterung des „Gedankens“, der troß römiſchem Purpur und Kutten fortwirfen werde zur Befreiung ver Völker.

Nah Huß und Ziefa Tommen Luther, Hutten, Die dreißig Jahre, bie Gevennenftreiter, Die Stürmer der Baftille und fo weiter.

Lenau ftellte ſich alfo ganz in die Methe der revolutionären Dichter, wofür ihm die Partei, welche damals die Preſſe beherrfhte, reiche Lor— beerkränge zuwarf. Aber feine ariſtokratiſchen Gewöhnungen und Bebürf- niffe und feine Sehnſucht nah idylliſcher Häuslichkeit paßte nicht zu ber Molle eines Zeitgeiftrenommiften. Im Conflict zwiſchen einer älteren und einer jungen reinen Liebe, welche Tegtere durch bie Ehe geheiligt werden ſollte, fiel er in Wahnflnn und endete im Irrenhauſe.

Eine laͤcherliche Parodie des tragiſchen Kenau bot E. Bleffig in feinen Gedichten von 1839 dar.

Ganze Bündel von zärtlihen Gedichten an nicht weniger als 26 verſchie⸗ dene Schönen, in melde der Dichter immer gleich feurig verliebt, bei denen

“er aber nicht immer gleich glüdtich ift, fo daß wir ihn bald vor Vergnügen, bald vor Furcht und Aerger zappeln fehen.

Eduard Duller, ein Deflerreicher, der aber In Darmflabt lebte war anfangs ein harmlofer Nachläufer der Momantifer und ſchrieb ein Epos „bie Wittelsbacher“ zu Ehren des bayrifhen Königshauſes, bis er ſich in die antlkirchliche Bewegung warf und eine Rolle unter den Deutſch⸗

Die jüngfte Dichtung. 47

tatholiken fpielte. Obgleich er die Worte gut zu fegen umb blendende

Farben aufzutragen verftand, find feine Dichtungen doch nur Hohl und

aufgeblafen. Sein Roman „Loyola“ von 1836 mag ihn charakteriſtren.

ö Loyola, der Stifter der Gefellihaft Jeſu, Handelt nicht aus fieffter Buße empfinbung heraus, fonbern aus Ghrgeiz, will feineswegs dem Herrn ber Kirche dienen, ſondern hegt von Anfang an die Abſicht, ven Papſt zu feinem Diener und Werkzeug zu machen, und enbet nicht wie ein Heiliger ober auch nur Fanatiler, fondern wie ein Kotzebue ſcher Bamilienvateg, indem er Gott und Kirche vergißt und nur, feinen leiblichen Sohn in ven Armen, an deſſen Mutter und die mit ihr genoffene Wolluſt denkt.

Sole Pfufhereien in den tiefen Exnft der Geſchichte hinein fanden damals Beifall. Im Jahr 1842 ſchrieb Duller ein. Epos „ber Fürft der Lieber,

worin Gott als Fürft der Liebe einen Engel in die Welt ſchickt, der biefelbe voller Sünder findet. Gott aber theilt ben Menfchen feinen Geift mit und Hofft, munmehr werben fie ſich felbft erlöfen. Den Sohn-besavouitt er aus drüdlich :

Kein Bild am Kreuz! o nicht des Bildes

Bedarf ed, da mit euch ber Geiſt.

Duller ſchrieb noch einen Antichriſt, Franz von Sickingen, Kaiſer und Pabſt ꝛec. Er wurde Vorſtand einer deutſchkatholiſchen Gemeinde. Eben ſo Heribert Rau, ein geweſener Commis, der in unzählbaren elenden Romanen Propaganda machte. Auch der Vielſchreiber v. Al⸗ vensleben ſchrieb 1835 einen Roman „Betbruder und Betſchweſter“. Gegen die Jeſuiten wurde ungeheuer viel geſchrieben, theils in hiſtoriſchen Excurſen, theils in Romanen. Das war das Parabepferb für ben ratio- naliſtiſchen Pöbel, fonderlih in Sachſen. Indem man aber übertrieb und alle Jefuiten ohne Ausnahme zu Teufen machte, verfehlte man das Ziel. So Ellendorf mit feinen wüthenden Pamphleten. So Hefefiel mit feinem Roman „Schmwaning“ von 1845,

worin eine abelige Familie durch bie Jeſuiten argliſtig ruinirt wich,

Unter den vielen Streitfehrtften, welche die Berufung des Dr. Strauß nad ‚Züri (1839) hervorrief, findet fih auch eine „Straußiade“ in Verſen nad) Blumauers Welfe, gemein und geiftlo8 der frommen Volfd- partei fpottend.

Leopold Schefer, Infpertor zu Musfau, dem Sig des als Nutor

480 j Zwölftes Bud.

fam der Madonna gegenüberfiellend. In einem Gedicht „ver Tod Gottes“ wird auseinandergeſetzt, Gott habe eigentlich nie exiftirt, fonbern fih an die Menſchengeiſter vertheilt. In einer Novelle ſtellt Schefer den Glor- dano Bruno als-Märtgrer der Menfchheit und ber allein wahren Reli gion der katholiſchen Kirche entgegen.

Alles Chriſtliche iſt in biefer Novelle unkoſcher und nur die Juden und Heiden werben gepriefen. Der einzige Kultus, auf ben es der Dichter abfieht, iſt der Naturfultus. Bon einem Mädchen, bie durch einen Mönch zu Balle getommen, heißt es ©. 53 ausdrüdlich, fie habe Medht gehabt und der Mönch auch; was ihnen bie Kirche verboten, das habe ihnen die Natur befohlen, fie Hätten alfo nur das Gehot Gottes erfüllt sc. Zum Ueberfluß wird am Schluß bie Hinrichtung Bruno's zu einem Afierbilde des Todes Jeſu am Kreuze ges macht. Wie dort die Madonna und Magdalena, fo wohnen hier eine Mutter und Geliebte der Schreckensſeene bei und Bruno ſtrahlt einen Nimbus, ber ſelbſt das Feuer überglängt.

Friedrich von Sallet, ein ungufriebener Officer in Bredlau, ſchrieb 1838 einige tolle Märchen: die wahnfinnige Flaſche, . worin ein habitueller Trinker mit der Flaſche ſelbſt ibentifleirt mird und fich mit allen Arten von Wein sc. anfüllt, bis er im Rum untergeht.

Und „Schön Irla“,

worin eine Fliege aus dem Süben einer in der Wiege liegenden Lapplänberin liebliche Träume vorgaufelt, während ein altes Mei die Wiege ſchaukelt und haͤßliche Dinge fieht, und zwar taufend Jahre lang. Das Kind foll die euros päifche Menſchheit, das alte Weib die chriſtliche Kirche, die Fliege den reis heitoruf bebeuten.

Sallet befämpfte fobann in feinen lyriſchen Gedichten alles Beſtehende mit dem tiefften Haſſe. Sein „Laien-Evangelium“ von 1842 verhöhnte die Bibel und lehrte, Gott eriftire nur im Menfchen, jeder Menſch müſſe fich ſelbſt erlöfen, der Chriſtenglaube ſey Verdummung, die Revolution allein die wahre Religion. Auch die Weiber wollte er emancipiren.

Eins ift Noth. Nicht wafchen, nähen, ſtriden ıc. Wollts (ie Weiber) und ebenbürtig, Menfchen heißen, Müßt, Geifter ihr, mit uns im’ Geifte leben.

In feinen gefammelten Gedichten von 1843 wieberholt ſich dieſelbe "Emancipationswuth.| -

Im der Schrift „bie Atheiſten und Gottlofen* verkündet Sallet

R Die jüngfte Dichtung. 481

nur Selöftvergötterung fey der wahre Gottesdienſt; Atheiſten und Gottloſe ſeyen nur die „Könige und Pfaffen,, welche das Chriſtenthum erfunden Haben, um die Völker damit in ewiger Dummheit und Knechtſchaſt zu Halten. ©. 128 fagen bie Pfaffen zu den Königen: „warum ſeyd ihr fo thöricht und zu chika⸗ miren?, Wir find Spigbuben fo gut wie ihr. Wir müſſen und bie Hand zeichen und verfländigen.“

Dem Beiſpiel Sallet und Herweghs folgten eine Menge anderer junger Dichter. Johann Scherr (laute und leiſe Lieder, 1842), Stolle Machtigalllieder, 1842), Steverd (Kinder der Zeit, 1843) 1. Alles Berkünder des „WVölkerfrühlingd“, Eleine Berangers „vor“ ver Revolution.

Au eim Jude, Joſeph Mendelsſohn, rief 1843 in feinen „milden Blumen“ feinen Glaubend- und Stammgenoffen zu, fle follten das alte Teſtament und den Talmud ins Feuer werfen, und dem Mefflas entgegen» gehen, der mit dem Schwert und in Flammen daherkomme (bie Revolus lutlon).

Im „Proteus“ eines Franz Trautmann (Münden 1843) "erklärt Gott am Weltende, das Weltgericht fey .überflüffig, es brauche ſich Niemand davor zu fürchten, das Böſe fey nur Gr, Gott ſelbſt geweſen, fofern er ſich nämlich entäußert Habe, und wieder zurückehrend in ſich hebe er auch das Böfe wieder auf. Alles fey mur ein Vorgang in Gottes eigener Ginbils dungöfraft gewefen. Eine fehr unſchickliche Anwendung des indiſchen Brahma auf den Gott der Chriſten.

Der Frechſten deiner war Titus Ulrich, der in feinem „Hohen Liebe (Berlin 1845) das ganze Verhältniß des Menſchen zu Gott ums kehrte.

Der Menſch Hat Gott geſchaffen, d. h. bie abſolute ewige dem Menſchen allein zukommende Intelligenz Hat ſich entäußert an Gott, um durch ihn ben Menſchen zu dienen, aber Gott Hat das ihm angewiefene Amt mißbraucht, die Menſchheit verraten, und nicht ber Menſch Hat gefündigt an Gott, ſon— dern Gott am Menfchen. Darum fey es Pflicht aller Menfchen. fi gegen biefen Gott zu embören und bie Natur aus den Sklavenketten, in ‚denen er fie Halte, zu erlöfen durch den ,Gedanlen“.

Schwãcher tft deſſelben Dichter „Victor“ von 1848, nämli ein rabifaler Renommift, der als Flächtling in ber Schweiz mit einem Bolen zufammentrifft und nun für allgemeine Freiheit und Republik in hohlen Bhrafen poltert.

Wie die alte Legende von Dr. Fauft durch die entiöeiftige Poeſte

x Menzel, deutſche Diptung. IL

482 Zwölftes Buch.

entftellt morben ift, Haben wir oben fon (S. 218 ff.) erfannt. Der Le» gende vom ewigen Juben ift e8 eben fo ergangen. Während nämlich das fromme Mittelalter im Ahasver dad Judenthum, im Kauft das Heiden» thum als zwei dem Chriſtenthum feinbfelige, bösartige, zum Glück un- ſchädliche Mächte auffaßte, hat die unfromme Neuzeit, dem Chriſtenthum ſelbſt entfremdet, ſowohl im Ahasver als Kauft nur befreundete, dem Geift der Neuzeit innig verwandte Weſen erfannt und gegen das ver- haßte oder verachtete Chriſtenthum in Schug genommen. Was Ahasver betrifft, fo laſſen fi alle modernen Auffaffungen veffelben in zwei Aus brifen bringen. Entweder Ahasver ift ein ſtarker Geiſt, der eine unge echte Mißhandlung mit eblem Stolz erträgt une ſich nit beugen läßt; ein Prometheus, der Gott verachtet und die Menſchen bemitleidet, die einem ſolchen Gotte dienen; ein Vertreter des fogenannten ewigen Men- ſchenrechts, welches die Diener des Altars und des Throns den Menfchen vorenthalten; eine Perſonification der ſocialen Republik, zu der es bie Götter der Zeit nicht kommen laſſen wollen, für die er daher nur als Prediger in der Wüſte auftreten Tann. Ober aber Ahasver erſcheint als eine fhöne Seele, ald ein weiches zartfühlendes Weſen, das in feinem Schmerze den gefammten Weltſchmerz der modernen Literatur concentrirt. In den Dichtungen biefer weichlichen und meinerligen Gattung tritt ber ewige Jude immer ald ein gemüthreiher Menſch auf, verrichtet gute Werke, Hüft und tröflet, verliebt ſich, helrathet fogar, lebt als guter Ba- miltenvater und Mitbürger. Ober die Dieter nehmen einen höhern phis loſophiſchen Schwung und beweiſen, aus Hegels Syſtem, der ewige Jude ſey erhaben über den ſittlichen Gegenſatz, aus dem feine Legende hervor—⸗ gewachſen; es wird ihm demnach bequem gemacht, ſich zu emancipiren und zu ber Höhe vergötterter Menſchheit zu erheben, von melder man verähtlig auf den alten Chriftengott herunterfieht. Hin und wieder Tamen auch Dieter vor, die aus purer Gutmüthigkeit den ewigen Juden felig fterben laſſen, 3. B. Schubart, A. Schreiber, Theodor von Haupt. Kurz ‘unter zwanzig bis dreißig Dichtern, die den Stoff behandelt haben, iſt auch nicht ein Einziger der chriſtlichen Grundidee ber Legende treu ge= blieben. Ich hebe aus der von mir gefammelten Ahasverus-Literatur nur einige der bedeutſamern Erſcheinungen hervor.

Ganz abgeſchmackt ift Klingemanns Drama (1827), worin Ahasver

Die jüngfe Dichtung. 483

während bed breißtgjäßrigen Kriegs als deus ex machina rettet und hilft. Ehen fo der emige Jude des Wilhelm Jemand von 1830, der fi Hier in mittelalterliche Ritter- und Vemgerichtsſcenen einmifht. Luſtig tft nur, daß ber gefeterte Jude einmal ruhig ſtehen bleibt, während Nitter und Knechte aus Leibeskräften, aber immer vergeblich, auf ihn hauen und ſtechen.

Einer der ſchwäͤchſten Ahasvere iſt Eduard Dullers „Antichriſt“ von 1833.

Zwar verſchwendet ber Dichter alle erbenkliche Greuel, um Effect zu machen, finft aber immer wieber in weichliche Empfindſamkeit zurüd. YBulept eine völ⸗ Terwürgenbe Peſt, ein vor Angft, angeſteckt zu werben, faſt wahnfinniger Kös nig, ber ewige Jude als fchadenfroher Zufchauer, der Angft und Verzweiflung noch anfegürt. Der König läßt ein Kind feines eigenen Blutes ſchlachten, um dur Trinfen dieſes Blutes vor der Peft ficher zu feyn, aber vergebens. Des Kindes Mutter trauert, verliert aber mitten unter allen Schrecken nit Glau— ben, noch Hoffnung. Sie pflegt eine Lilie, als fey es ihr Kind. Da findet fie die Lilie einmal abgeriffen. Aber der Gärtner (Ghriftus) kommt ihr ent: gegen, bie Lilie in der Hand und führt fie in den Himmel, wo fie ihr Kind findet. Dem allen ſieht der Jude grinfend und endlich verzweiflungsuonl zu. Da wendet ſich der Gächner nach ihm um und ruft ihm tröftend zu: hoffe.“

Julius Mofen faßte den Ahasver in einer epiſchen Dichtung (Ahas- ver, 1838) titanenhaft auf

und war verflänbig genug, ihn nicht aus feinem melancholiſchen Charakter fallen zu laffen, glaubt ihn aber immer noch ald Prometheus, ald Vertreter des gefränften Menſchenrechts gelten Iaffen zu müflen und legt am Schluffe Chriſto felser die unverfländigen Worte in den Mund: „zwiſchen uns beiden wird einf das allerlehte Weltgericht enſcheiden.“ Als ob ber von ber ganzen Ehriftenheit anerkannte ewige dichter felbft an ein noch höheres Gericht appels liren önnte und als ob hier überhaupt noch ein Zweifel bleiben könnte.

In Auerbachs „Spinoza“ erfcheint der ewige Jude dieſem Philoſophen in dem Augenblick, in welchem ihn die Juden, feine alten Glaubensgenoſſen, ausgeſtoßen haben und auch die Geliebte ihn verrathen hat, Troͤſtend verkündet ihm Ahasver, er habe bie alten Glaubensbande feines Volles gefprengt und fey ber wahre jüdiſche Meſſias.

Noch unſinniger iſt die tieffinnige alte Sage mißdeutet in „dem

neuen Ahasver“ von Ludwig Köhler, 1841. en 31°

482 gwoͤlſtes Buch.

entftellt morben ift, Haben wir oben fhon (©. 218 ff.) erfannt. Der Le» gende vom ewigen Juben ift e8 eben fo ergangen. Während nämlich das fromme Mittelalter im Ahasver das Judenthum, im Kauft das Helden» thum als zwei dem Chriſtenthum feinbfellge, bösartige, zum Glück un- ſchͤdliche Mächte auffapte, Hat die unfromme Neuzeit, dem Chriſtenthum ſelbſt entfremdet, fomohl im Ahasver ald Kauft nur befreundete, dem Geift der Neuzeit innig verwandte Weſen erfannt und gegen das ver— haßte oder verachtete Chriſtenthum in Schug genommen. Was Ahasver betrifft, fo laſſen ſich alle mobernen Auffaſſungen veflelben in zwei Rus briken bringen. Entweder Ahasver iſt ein ſtarker Geiſt, ver eine unge—⸗ rechte Mißhandlung mit edlem Stolz erträgt und ſich nicht beugen läßt; ein Prometheus, der Gott verachtet und die Menſchen bemitleidet, die einem ſolchen Gotte dienen; ein Vertreter des ſogenannten ewigen Men— ſchenrechts, welches die Diener des Altars und des Throns den Menſchen vorenthalten; eine Perſonification der ſocialen Republik, zu der es die Götter der Zeit nicht kommen laſſen wollen, für die er daher nur als Prediger In der Wüfte auftreten ann. Ober aber Ahasver erfheint als eine ſchöne Seele, als ein weiches zartfühlendes Wefen, das in feinem Schmerze den gefammten Weltſchmerz der modernen Xiteratur concentrizt. In den Dichtungen biefer weichlichen und meinerlihen Gattung tritt ber ewige Jube immer als ein gemüthreiher Menſch auf, verrichtet gute Werke, Hlft und tröftet, verliebt ſich, heirathet fogar, lebt als guter Ba- milienvater und Mitbürger. Ober die Dieter nehmen einen Höhern phis loſophiſchen Schwung und bemeifen, aus Hegels Syſtem, der ewige Jude ſey erhaben über ben fittlihen Gegenfag, aus dem feine Legende hervor— gewachſen; es wird ihm demnach bequem gemacht, fih zu emancipiren und zu ber Höhe vergötterter Menſchhelt zu erheben, von welcher man verächtlich auf den alten Chriftengott Herunterfieht. Kin und wieder kamen auch Dichter vor, die aus purer Gutmüthigkeit den ewigen Juden felig erben Taffen, 3. B. Schubart, A. Schreiber, Theodor von Haupt. Kurz unter zwanzig bis dreißig Dichtern, die den Stoff behanvelt haben, iſt auch nicht ein Einziger der chriſtlichen Grundidee der Legende treu ge= blieben. Ich Hebe aus der von mir gefammelten Ahasverus-Literatur nur einige der beveutfamern Erſcheinungen hervor.

Ganz abgeſchmackt iſt Klingemannd Drama (1827), worin Ahasver

Die jüngfte Dichtung. 483

mährenb des vreißigjäßrigen Kriegd als deus ex machina rettet und hilft. Eben fo der ewige Jude des Wilhelm Jemand von 1830, der fich Bier in mittelalterliche Nitter- und Vemgerichtsſcenen einmifht. Luſtig ift nur, daß ber gefelerte Jude einmal ruhig ftehen bleibt, während Ritter und Knechte aus Leibeskräften, aber immer vergeblih, auf ihn hauen und

ſtechen. Einer der ſchwaͤchſten Ahasvere iſt Eduard Dullers „Antichriſt“ von

1833.

Zwar verſchwendet der Dichter alle erbenkliche Greuel, um Gffect zu machen, finkt aber immer wieber in weichliche Empfindſamkeit zurück. Bulegt eine völs Terwürgende Peſt, ein vor Angft, angefteckt zu werben, faſt wahnfinniger Kös nig, ber ewige Jude als ſchadenfroher Zufchauer, der Angft und Verzweiflung noch anfcürt. Der König läßt ein Kind feines eigenen Blutes ſchlachten, um durch Trinfen dieſes Blutes vor ber Peſt ſicher zu feyn, aber vergebens. Des Kindes Mutter trauert, verliert aber mitten unter allen Schrecken nicht Glau— ben, noch Hoffnung. Sie pflegt eine Lilie, als fey es ihr Kind, Da findet fie die Lilie einmal abgeriffen. Aber der Gärtner (Chriftus) kommt ihr ents gegen, die Lilie in der Hand und führt fie in den Himmel, wo fie ihr Kind findet. Dem allen ſieht der Jude grinfend und enblid verzweiflungevoll zu. Da wendet ſich der Gärtner mach ihm um und ruft ihm tröſtenb zu: hoffe.“

Julius Mofen faßte den Ahasver in einer epiſchen Dichtung (Ahas- ver, 1838) titanenhaft auf

und war verflänbig genug, ihm nicht aus feinem melancholiſchen Charakter fallen zu laſſen, glaubt ihn aber immer noch ald Prometheus, als Vertreter des gefränften Menſchenrechts gelten Taflen zu müflen und legt am Schluffe Chriſio felber die unverfländigen Worte in den Munb: „Iwiſchen und beiden wird einft das allerlegte Weltgericht enfcheiden.“ Als ob der von der ganzen Chriſtenheit anerkannte ewige Richter felbft an ein noch höheres Gericht appels liten Könnte und als ob hier überhaupt noch ein Zweiſel bleiben könnte.

In Auerbachs „Spinoza“ erſcheint det ewige Jude dieſem Philoſophen in dem Augenblick, in welchem ihn die Juden, feine alten Glaubensgenoſſen, ausgeſtoßen haben und auch bie Geliebte ihn verrathen hat. Tröflend verkündet, ihm Ahasver, er Habe bie alten Glaubensbande feines Volkes gefprengt und ſey der wahre jüdiſche Meſſias.

Noch unſinniger iſt die tiefſinnige alte Sage mißdeutet in „dem

neuen Ahasver“ von Ludwig Köhler, 1841. on

484 Zwölftes Buch.

‚Hier heißt es, Ahasver foll nicht eher flerben, bis die Breiheit auf Erden herrſchen werbe. Nun herrſcht aber leider das Chriſtenthum, bei bem feine Freiheit möglich iR, und der wahre jüdiſche Meſſias, Börne, „der Heiland der Freieit“ mußte ferben. Auf feinem Grabe in Paris jammert der eivige Jude, der nicht flerben Tann, daß jener fierben mußte und daß bie Unfreiheit ihn überlebt. Wüthender Chriſtenhaß glaht durch das ganze Gedicht, dad zu den klaglichſten Mißgeburten des franzofentoflen und jübelnden Sungbeutfchland gehört.

Auf eine ganz eigenthümlich geiftreiche Weiſe Hat Theremin in feinen Abendſtunden bie Legende aufgefaßt,

Bei ihm ift Ahasver ein Philoſoph, ein antieipirter Hegelianer und Ariftipp zugleich, er glaubt nämlich nicht an das Jenfeits und wünfcht, das Diefleits fo lange und volfommen als möglich zu genießen. Indem er mit dem Heis Tand nun diſputirt, denfelßen einen Schwärmer nennt und feinerfeits allein vernünftig zu benfen ſich einbildet, wird ihm bie Verheißung, er jolle, weil ex doch das Leben fo fehr liebe, fortleben, bis Chriſtus werbe wieberfommen. Ahasver läßt ſich das gern gefallen, genießt das Leben wirklich, aber ohne Mißbrauch, cultivirt feine Vernunft immer mehr, ift ein überaus braver Mann, fährt fort, das Jenſeits für einen lächerlichen Wahn zu halten und gegen bies fen Wahn zu Fämpfen, nimmt an allem Theil, was dienen Fann, das auf jenen Wahn gebaute Chriftenchum zu Rügen, Tann deßhalb aber erſt in ber neueren Zeit recht froh werben, indem er in jedem Rationaliften ein Bruders herz findet und hofft, nun werde endlich die Vernunft und Wirklichkeit jenen Bahn vom Jenſeits gänzlich überwinden. Gine der pilanteſten Scenen in diefer- Legende ift das Geſpraͤch des Ahasverus mit dem Teufel, weld lehterem fonnentlar bewiefen wird, daß er gar nicht eriffire.

6. Die unabhängige Lyrik.

Die lyriſche Poefte, welche die Urgefühle der Jugend, bie erſte Liebe und bie erfte Freude an der Natur ausbrüdt, wird mit jeder Generation neu geboren und bleibt fih im Wefentlichen gleich. In unfern Tagen tft fie nur, wie die Schriftftelerel überhaupt, zu fehr in die Breite gegangen. Es Haben fih zu Viele damit befaßt und ohne Originalität und Geiſt nur bie bekanuten Redensarten und Bilder nachgelelert, bie ihnen längſt vorgeleiert waren.

Die jüngfe Dichtung. 485

Wenn e8 erfreut, im frifhen grünen Wald auf allen Zweigen ver Vögel Gefang zu hören, und wenn wir Deutſche flolz darauf ſeyn dür⸗ fen, daß der Fremde die bei uns zu Stabt und Land von muntrer Jugend gefungenen volksthümlichen Lieder und ber Stimmen Zauber bewundert, fo folgt daraus nicht, daß wir auch die centnermweife gedruckte Lyrik unferer literariſchen Stubenhoder zu refpectiren haben. Nur von jenen lebendigen Stimmen barf gelten, was Uhland fang: „finge, wem Gefang gegeben !+ nit von den Verſemachern. Ein geiftreiger Mann hat jenen berühmten Vers Uhlands, den Hundert ſchlechte Lyriker als Motto ihren gebrudten Gedichten vorangefidt Haben, „die Marfeillaife ver Maikäfer“ genannt. Dazu iſt er allerdings mißbraucht worden. Auf dieſen Vers eines großen Dichters Hin haben die ſchlechten getroft fündigen zu bürfen geglaubt.

Außerdem iſt umfere Lyrik immer noch zu voll von Eitelkeit und Wehleidigkelt. Der Subjectivismus, der in allem vorherrſcht, hat wie die Köpfe, fo auch bie Herzen vermöhnt und verhätfäelt. Unftreitig bat das Herz feine Rechte. Auch der Fräftigfte Züngling hat einmal eine weiche Stimmung. Aber biefe männliche Erweichung mill von ber Poefle zart gefaßt, nur fo objectiv ald möglich in wenigen naiven Zügen audge- drückt und muß auch beſtimmt motioirt fegn. Aber die unermeßliche La- mentation unferer modernen Lyrik, das elenbe Liebesgewinſel von taufend und aber taufend Shwädlingen, die ihr Herz wie ein Schooßkind her- umtragen und mit ihren Ihränen begießen, {ft cine Krankheit, gleihfam eine nafle Flechte am gefunden Xeibe der Nation.

Doch erhält ſich das gute deutſche Gemüth in der alten Vorliebe der jungen Dichter für die Natur. Nie, fo lange es Deutſche gibt, wird unfer grüner Frühling unbefungen bleiben. Der Zug zur Natur, ben weder die Alten Fannten, noch den man hei den Romanen und Slaven findet, iſt den Deutſchen von ber älteften Helvenzeit an treu geblieben. Man bemerkt eben jept in ber Lyrik einen Wettelfer mit der Landſchafts- malerei, die Natur in ihren mannigfahften Erhabenheiten, Schreckniſſen, Schönheiten und Lieblichkeiten aufzufaffen.

Man ſtellt gewöhnlich, und mit Recht, Uhland, den wir oben ſchon kennen lernten, an bie Spige der modernen Lyriker. Neben ihm Guſtav Schwab, deſſen oben fon unter den Romanzendichtern gedacht iſt. Eine ganz eigenthümliche und vorragende Stellung unter den neuern

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Lyrikern nimmt Friedrich Rückert ein, ven mir ſchon als politifchen Dichter Tennen. Derfelbe breitete in feinen ſechs dicken Binden Iyrifcher Gedichte einen weiten Blumenteppich aus, reicher ald irgend ein deutſcher Lyriker vor ihm: die lieblichſten Auffafjungen ver Natur, Landſchaftsbil- der, Blumenftüde, Ausbrud der Stimmung zu allen Jahreszeiten, die zarteften Liebeslieder, Wallungen des jungen Herzens, Lieber der Freund» ſchaft, der Ehre, gefellige Lieder, eine Fülle von Bildern, Gefühlen, Ge— danken, Tönen, alle den Meifter beurkundend. Rückert erfreute ſich einer faft ununterbrochenen Schöpfungsluft, und nit wie der ängſtliche Künft- ler, der da Maß Hält und viel abztrkelt, fondern mie ber Schöpfer ber Natyr, der fm wildſchönen Urwald alles durcheinander wachſen läßt. In feinem „Dichterfelbftiob“ fagt er daher:

Ich bin König eines flillen Volks von Träumen,

Herrfcher in der Phantafien Himmelsräumen,

Kaiferkron und Königöferze mir zu Füßen

Blühen auf, mich. ihren Oberheren, zu grüßen.

Um bie dunkeln Locken farbige Wolkenbogen

Sind, ein buntgefticted Diadem, gezogen.

Alle Frühlingsblumen fommen, vorzutragen

Meinen Ohren ihre ewigen Liebeöklagen,

Alle Bronnen aus der Echöpfung Tiefen brechen,

Bon Geheimniffen mit mir fih zu befprechen ꝛc.

Rückert fANt aber, weil er der Sprade in feltenem Maße Meifter tft, in den Fehler, ohne Noth Sprachſchwierigkeiten aufzufugen, um fie in fühner Verdfünftelet zu löfen. Daraus entfteht eine rein willkührliche Schwerreimerel, worin ber fonft fo durch und durch romantiſche Růckert dem Johann Heinrich Voß ähnlich wird. Wo Rückert ſich ſolcher Reime und künſtlichet Härten bedient, fährt man in feinen Gebieten ‚mie auf einem polnifhen Knüppeldamme durch ein tropifches Paradies. Als die erſte einigermaßen größere Dichtung ſchrieb Rückert 1825 die Mylle „Amaryllis“.

Der Dichter Hat ſich auf's Zaͤrtlichſte in eine ländliche Schöne verliebt, die ihn aber immer fpröde und übermüthig abweist. In der übelften Laune klagt er nun fein Leid und nie war bie Vitterfeit verfchmähter Liebe mit fo viel Süßigfeit echt poetiſcher Empfindung gepaart.

Bedeutend Leiftete Rückert auch in ber Mebertragung und Nachahmung

Die jüngfte Dichtung. 487

indiſcher und muhamedaniſcher Poeflen (Nal und Damajanti, Amrilkais, die Verwanblungen des Abu Seid, Hamäfa, Roſtem und Suhrab, morgen« ländifhe Sagen). Sein letztes Meifterwerf war „vie Weisheit des Brah⸗ manen“, vol von Sentenzen, aus benen und bad liebenswürbigfte Ges müth und eine reiche Rebenserfahrung anſprechen.

Doch paßt der Titel nicht, denn überall verräth ſich darin der Deutfche, der eine ganz andere Grundanfcfauung der Dinge hat, wie ber Inder, und der 3. 8. feine Familie innig liebt, und ſich für immer mit den Geinigen identifieirt, während befanntli der Brahmane mittel der Seelenwanderung durch eine Menge Körper hindurchzugehen glaubt, die ihn im Merlauf ber Seit mit einer Menge von Bamilien in Verbindung bringen, fo daß er eine über der andern vergeffen muß.

Ein hübſches und Veihtes Talent beiaß Wilhelm Müller, Bi— bllothekar zu Deffau, der (erft 32 Jahre alt) 1827 ſtarb und deſſen Werke Guftav Schwab herausgab. Am meiften gefielen feine Griechen⸗ Heber, in denen er kurz nad der Erhebung ter Neugriechen deren Helden und Heldenthaten ſchilderte. Außerdem ſchrieb er muntere Müller«, Jäger-, Reiſe⸗ und Tafellieber, einige recht nette Liebeslieder und erotiſche Scherze, Reifeerinnerungen aus Italien, Epigramme ꝛc. Weniger Werth Haben feine Profaerzähfungen. .

1) Der Dreizehnte. Dreizehn Perſonen figen zufammen an der Tafel. Nach dem bekannten Aberglauben fol binnen Fahresfeifi der Dreigehnte ers ben. Die Freunde behandeln bie Sache mit Ironie, aber der Scherz wird trauriger Ernſt. 2) Debora, eine ſchoͤne Jüdin, in bie fih ein edler Spas nier, Don Alonzo, verliebt. Schöne Jüdinnen, in bie fi chriflliche Ritter, fogar Tempelritter verlieben, waren bamald Mode, eine efelhafte Ausartung der Romantit. Cine Nebenperfon der Erzählung, ein Marquis, trägt Jahre lang einen Kirſchkern, den einmal bie Dame feine Herzens auf ihn geſchneilt, im Munde, durch ein golbenes Kettchen an einem Zahne befeſtigt. Das iſt weniger rühren, als efelhaft. '

Bei ven Epigpnen herrſchte der poetiſche Univerſalismus vor. Sie wurden mehr von fremder Schönhelt angezogen, als daß fie bie des eig⸗ nen Volks erfannt hätten, und Fofettirten gern mit fremden Bormen. Es waren meiſt paſſive, nicht aktive Geiſter, volltommen angemeſſen dem tie« fen Stand der religiöſen und patrlotifhen Geſinnung.

Nach Wilhelm Müller beſchäftigten ſich vorzůglich gen, &eob, Kind

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und v. Schmidt Phiſeldek mit der Meberfegung von neugriechiſchen Volks⸗ und Freiheitslledern, alle 1827. \

Zu ven beffern Lyrikern der Zeit gehörte Schmint aus Lübek, deſſen Gedichte 1821 erſchienen; darunter das fehr verbreitete Lied: „Fröh⸗ lich und wohlgemuth hüpfet das junge Blut“. Auch mehrere ſinnige Romanzen. Ein ſehr gewandter Lyriker war, Wilh. Gerhard (1826), der nicht nur die ferbifchen Volkslieder, fondern aud viel aus dem Grie— chiſchen, Engliſchen meifterhaft übertrug, in den eignen Liedern aber zu viel tändelte und kindſchte. Die intereffantefte Dichterin jener Periode war bie 1825 in St. Peteröburg geftorbene, erft 17 Jahr alte Elifabeth Kulmann, deren liebliche Gedichte 1846 in vierter Auflage erſchlenen find. Das geiftvolle Mädchen machte fhon im 11. Jahre allerliehfte, ge» dankenreiche und wohllautende Verſe und verbreitete ſich, faſt wie Hans Sachs über ale Zonen und Zeiten, um überall Poefle zu ſuchen. Ob— gleih fie nun alles mit. Geift auffaßt, und nichts, was fie befingt, ver- dirbt, fo find doch immer ihre Naturfhilderungen am liebliäften. So die Lieder vom Sonnenuntergang, das Herrlihe Bild vom Sonnenlauf die Lieber vom Hagel, vom Blig, vom Rauch, von der Heideblume, die Klage der Schwalbe ꝛc. Im Geiſt ihr nahe verwandt iſt Minna von Mändler, geborne Witte, deren Gedichte (von 1848) ebenfalls Natur- ſchilderungen, 3. B. ein fehr fhönes von den nordiſchen Tannen, und Heine nordiſche, au inbifhe Mythen in Romanzenform enthalten.

Im Jahr 1829 erſchienen die Gebichte des damals noch regierenden Königs Ludwig von Bayern, welche von ber revolutionsſchwangern Zeit mißgünftig aufgenommen wurden, die aber, trog einiger ſprachlichen Här- ten und Sonberbarkeiten, fehr viel Schönes enthalten. Vor allem if fein deutſcher Patriotismus zu preifen. Er fingt:

Trauriges Bild des Reichs der Deutſchen: zweilöpfiger Adler, Bo zwei Köpfe beſtehn, ach da gebricht es am Kopf. Mit Arndt wetteifernd, fang der Prinz (1807): Auf ihr Deutfchen, auf, und fprengt die Ketten, Die ein Eorfe euch Hat angelegt ıc.

Sodann zeichnen biefe Lieber, wie die Friedrichs des Großen, könig- liche Gedanken aus, die ihm Niemand, der nicht König iſt, vorbenfen würde. Und mas die Nachwelt mehr als die neivige Mitwelt fhägen

Die jüngfe Dichtung. 489

„wird, ein großer Frelmuth, ver eigne Schwächen nicht verhehlt. Wo alle Wünfge fid erfüllen, tritt erſt die rechte Armuth ein, dieſen echt Tönig- lien Gedanken drückt fein Lieb „Sehnfucht nah Sehnfuht“ aus. Im Uebrigen hat der König-Dichter die meiſte Poeſie in das gelegt, was er von Italien, von den ſchönen Italtenerinnen, von Kunft und Alterthum im ſchönen Welſchland und ferner von Griechenland, feiner herrlichen Natur, feinen Ruinen und feinen jungen Freiheitshoffnungen fingt.

Die Gedichte des Freiherrn von Keuhtersleben (1836) Haben einen lehrhaften Charakter, empfehlen Befonnenheit und Praxis und ent- halten aud hübſche Naturfilverungen, z. B. vom Morgen und Abend, einem außgehauenen Borfte ıc.

Edermann, Göthe's vienfibarer Geift, ahmte in feinen Gedichten (1838) Göthe nad, freitich fehr ſchwach. Mit ungleich mehr Feuer ſchloß fh Magerath an Schiller an. Setne Gedichte (1838) enthalten anti Tiftrende Romanzen (ber fterbende Ajax, die Apotheofe des Herkules, bie Toter von Tarent 3c.), auch nordiſche und deutſche Volköfagen und Ro— manzen, endlich Naturbilber, am eigenthümlichſten in dithyrambiſcher Form, fo beſonders ein fehr ſchönes Lied an die Wolke. Endlich Elegieen und Idyllen in Hexametern. Ueberall hören wir bei biefem Dichter Schillers Rhythmus und hohen Schwung. Eben fo in den Gedichten von J. ©. Fiſcher (Stuttgart 1854). Die Gedichte des Straßburger Drechsler- meiſters Hir tz find Intereffant als Beweis, wie im Bürger diefer Stabt no ganz deutfehes Gemüth gefunden wird. Weiter abwärts am Rhein begann 1841 Wolfgang Müller gar frifhe Liever zu fingen, theils zärt- lichen Inhalts, theils ſchöne und treue Landſchaftsmalereien. In demfelben Jahr fang Nathufius ein ſchönes Weinlied, eine ſchöne Elegie vom Schwan in antikem und Balladen in romantifhem Styl. Die Gedichte des Freiherrn von Pechlin tragen einen frommen Charakter, befingen dann Holftein und feine Natur, das Meer, bie Jagd und ſchließen mit einer Bearbeitung der Pſyche des Apulejus.

Dtto von Deppen entrüftet fih in feinen Gedichten (1842) ge» gen die Holländer, ſtellte damals ſchon für Preußen das Gotha'ſche Pror gramm auf, es ſolle ſich nicht an Rußland, fondern an das meftlihe und ſüdliche Deutfehland halten, gibt ſich übrigens als einen heitern Lebemann und. luftigen Tänzer zu erfennen.

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Wir Heben aus der Unzahl von Iyrifhen Dictern einige hervor, bie ſich vorzugsweiſe ald Dichter der Liebe audgezeichnet haben. Es gibt wohl feinen, der nicht von Liebe gefungen hätte, es iſt das Recht und biswei⸗ len aud ver Fehler der Jugend. Unter den Dichterinnen jener Perlode fteht Rouife Brahmann in Weißenfeld ald echte deutſche Sappho obenan. Die Tochter eines niederen Beamten, arm und nit ſchön, In früher Jugend durch den Umgang mit Novalis und taburh, daß Schiller ihre Erftlingögedichte in die Horen aufnahm, gefteigert, machte fie zu hohe Anfprühe an die Männerwelt, von ber fie gemieden wurbe. Ihr feuriges Herz täuſchte fie noch im 43. Lebensjahr, als fie aber erkannte, fie könne nicht mehr oder habe nie fo geliebt werben können, wie fie verlangte, gab fie fi felber ven Tod durch einen Sturz in die Saale, 1822. In ihren Igrifhen Gedichten Hat fie den tiefen Liebesfehmerz ausgetönt, trotz ber griechiſchen Sappho. Hier ‚nur eine fle ganz darakterifirende Stelle:

Zaufendmal wůnſcht ich fehon, ihm nimmer gefehen zu Haben, , Wünfcpte die Ruhe zurüc, die ich durch ihn nur verlor.

Ad und doch, böte mir einer ber Götter ein ruhiges Leben Und Bergeflen, mein Herz wählte fein Bild und den Tod.

Um das Unglüd ihres Lebens voll zu machen, mußte fie aus Ar— muth für die Buchhändler arbeiten, Erzählungen fehreiben, mas fie mit formellem Talente that, aber ohne Erfindungsgabe. So ſchrieb fie au ein ſchwaches Nittergepiht „das Gottesurtheil“. Vergeſſen wir biefe bleis hen Kerferblumen und ſchmücken ihr Grab mit der unvergänglichen Blume des Ruhmes, die ihre fapphifchen Thränen bethaut haben!

Die Empfindfamfeit herrſcht noch bei den ältern Dichtern vor. Ein Karl Borromäus Frelherr von Miltig (Amida's Thränen, Oranges blüthen 2c.) ſeit 1819 Eonnte noch fingen: .

O Xhränen, Thränen, fießet fort, Daß draus ein Strom entſteh,

Auf dem ich ſchwimme zu dem Ort, Wo ich dich wieberfeh.

Barte Liebeögedichte von ganz eigenthümliger Süßigkeit des Tons enthalten des Schweizer Aubolf Tanner „heimathliche Bilder und Lie—

der“ (1829). Sehr zaͤrtliche Liebeslieder mit Gafelen verbunden dichtete

Die jüngfte Dichtung. 491

‚Kermann von Hermannsthal (1830). Verliebte Trunkenheit in der Iuftigften Bräutigamdlaune charakteriſiren die Gedichte von Heinrich Wenzel (1836). Den römiſchen Elegten Göthe's fehr ähnlich find die in antiker Form behandelten Gefänge ver Liebe von Peters (1840). Ein gemiffer Eginhard gab 1840 einen „Marienkranz“ heraus, den er feiner geliebten Marta aus zahlreichen Romanzen gemunden hat, die von der h. Maria, Maria von Burgund, Maria Stuart ıc. und dies len andern in Geſchichte und Sage berühmten Marien handen. Eine eigenthümlich glühende Zärtlichkeit llegt aud in den „Eypreffen“ von Boglar (Wien 1841), Gebite‘, in denen tiefe Schatten, dunkle Um- tiffe, traumhafte Geftalten, bei zweifelhafter aber glühenver Beleuchtung und frembartig anſprechen, wie eine Landſchaft in tieffter Abendpämmes tung. Die Gedichte des Fürſten von Lynar (1843) enthalten reizende Genrebilder von glücklicher Liebe. Etwas frivol wird hier die Liebe auf- gefaßt in dem Gedicht „Amord Münze“.

Amor frägt, ob es nicht raͤthlicher fen, anfatt einer einzigen ſchweren Golomünze (dem Gheftante) Fieber taufend Heine Stüdchen Scheidemünze (die freie Liebe) zu wählen. "

Derſelbe Fürſt ſchrieb ein Trauerfpiel „der Ritter von Rhodus“, ein Ideal der Treue, der Gerz, Freiheit und Leben opferte für fein Wort und bie Ehre.

Zärtlich, ſchwaͤrmeriſch, ein menig zu weltfehmerzlich ohne Noth und in orientalifhen Bilderſchwulſt eingehüft geben ſich die Gedichte des Rit- ter von Levitſchnigg (1846), die er ſelbſt „meftöftlih“ nennt, als bunte Satfenblafen vornehmer Launen und Erinnerungen zu erkennen. Nur deutſch, aber glühend von reiner und Hoher Freude find die Liebes⸗ teber des Sigismund von Riesberch (1848) in fehr mohllautenden Verſen. Die tieffte und zartefte Empfindung aber, gepaart mit einer fanften Melancholie findet man in Feodor Löwe's Gedichten (1854).

Wir gehen nun noch eine Reihe von Lyrifern durch, welche vorzugs- weiſe die Natur feiern.

Karl Mayer in Tübingen, ein Freund von Uhland, gab 1833 Lie- ver heraus, die in meift nur engern Rahmen eine ganze reihe Galerie der lieblichſten und treuften Landſchaftsbilder enthalten. Zumellen find es nur vier Zeilen, in denen er uns eine ganze Gegend, einen Walb im

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Sonnenſchein, eine alte Burgruine im Megen, eine reizende Blumen»

. gruppe ac. malt, Ueberall aber liegt in biefen Bildern zugleich ver Retz der reinen und edlen Empfindung beffen, der fle gemalt hat. Der Pfäl- zer. 8. I. Schuler kam auf Ewald von Kleift zurüd und ergänzte def fen Frühling dur einen Sommer (1833), Herbft und Winter, die fehr reiche und zarte Naturſchilderungen enthalten. In den Gedichten von Fr. W. Rogge (1839) glauben mir zu fehen, wie ber buhleriſche Früh- lingswind in den Blumen wühlt.

Hübſche Naturbilder enthalten auch die Gedichte von Eduard Vogt (1839), noch reizender dadurch, daß ein frommer Ton durchklingt, wie die Glocke des „Waldkirchleins“, dem eines der ſchönſten Lieder gewidmet iſt In den „Wellenſchlägen“ von Georg Schirges (1840) hören wir das Meer rauſchen und ſeine bunten Muſcheln auswerfen, aber wir ſehen es auch überzogen von ſchwarzen Wolken und darin büftere blutige Bilder, die von des Dichters Trübſinn zeugen. Die Naturgemälde in ben Ges dichten Rudolph Kulmanns (1841) ſind reich, aber nach orlentaliſcher Art zu ſchwuͤlſtig mit. Metaphern überladen. Aus Tirol erhielten wir eine Reihe von ſchönen Alpenbildern, zuerft in den Gedichten von Beba Weber (1842), ein Bild des Ortler, des Alpengebirges, ein Blick am Strom Hinab, Erinnerungen an die Helvenfämpfe des Bergvolkes. Dann in den „Leterflängen“ des A. ©. von Lindenberg (1843) Frühlings- bilder, eine Mondlandſchaft, Herbſtbilder ıc. aus der Alpenwelt. In den Gedichten von Ignaz Zingerle (bed Tiroler Sagenfammlers) ſchöne Landſchafts⸗ und Genrebilder (1853) aus dem Volksleben; in denen von Adolph Pich ler umd Johann Pfeiffer gleichfalls treue Tiroler Natur⸗ und Volksgemälde. Aehnliche Bilder aus den Schmelzergebirgen enthal- ten die Gedichte von Reit hard (1842) und von Gottfried Keller (1846), die letzteren jedoch gemiſcht mit politiſchen Excurſen. Hübſche Waldbilder ſind in den Gedichten von Theobald Kerner (dem Sohn des berühmten Juſtinus) von 1845 das Anziehendſte. Sehr eigenthüm - lich ſind die Gedichte von Adolph Schirmer (1846), ſofern der Dichter die Landſchaft gewöhnlich auf eine geiſtreiche Weiſe perſonificirt, z. B. die Nacht als Mohrenkönigin, den Felſen als Rieſen ꝛc. Die Gedichte von 2. v. Morajn (1848) enthalten düſtere Nachtbilder, ſodann Romanzen und Liebeslieder. Die von Albert Werfer (1851) hübſche Frühlings⸗,

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Herbſt⸗ und Wanderlieber; die von Storm (1852) norddeutſche Helde⸗ und Meerfturmbilder, ein ſchönes Ofterlied sc. Sehr ſchön find die Ge- dichte von Hermann Lingg (1853), vol Malerei ver Natur und Ges ſchichte, großartig und von leidenſchaftlicher Gluth.

Einige Dichter waren insbeſondere Blumenmaler, verbanden aber mit der Charakteriftif der Blumen etwas Sinnbildliches. So ein Dichter aus dem Anfang des Jahrhunderts, deffen Gedichte aber erft 1848 vollſtändig erſchienen, Bernhard Trinius; ferner Karl Schimper, In beffen Gedichten (1840) auffallend die Rückert'ſche Schwerrelmerei nachgeahmt wird; und Pauline Klein, deren Parabeln (1841) überall nur finnige Deutungen der Blumen geben.

Was die Volkslieder betrifft, fo wurden nah Arnims und Brentano’ Vorgang bie Älteren vorhandenen in immer reiherer Fülle ger fammelt, die des Kuhländchens von Meinert 1817, vie ſchleſiſchen von Hofmann von Fallersieben 1842 mit Melodien und Varianten, die öfter- reichiſchen von Tſchiſchka und Schottky 1844, die ſchwäbiſchen von Eduard Meter. Die am meiften kritiſche Sammlung deutſcher Volkslieder gab Uhland, die umfaſſendſte v. Erlach heraus, mit den Volkslledern anderer Völker verbunden au Talvj (Thereſe A. L. geborne Jacob, verheirathete Robinfon). R

Au entftanden Immer noch neue Vollslieder unmittelbar im Volke, die aber in den Sammlungen (von Schröter 1833, von Erf 1841) in den zahlreichen Lieerbüchern für Singvereine 3c. meift fehr vermifht find mit nur fogenannten Volksliedern, melde durch die Gefangverefne bem Volk octroyirt wurden, oder beliebte Opernarien sc. Berner find auch die echten neuern Volkslieder häufig ſchon dem Zeitgeift verfallen, indem allerlei Wiffen und Meinen der Halbgebilbeten darin anklingt. Ste haben daher viel von der frühern Naivetät verloren. Einige find zu empfind«

fam, wie das: Herz, mein Herz, warum fo traurig?

Andere wieder zu Eofett, z. B.: Mäbele, ruck, ruck, ruck! Am llebenswürdigſten find wohl die Handwerksburſchen⸗ und Sol⸗ batenlieber, in denen ſich die beſcheidene Nefignation des Standes, eine natürfiche Rührung in trodenem Ausdruck ohne empfindfame Tränen,

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und ein eben fo beſcheldener Frohſinn ver Armuth ausdrückt. Am un— Hebenswürbigften dagegen die Tugend» und Freundſchaftsprahlereien der Philifter, Freimaurer, Studenten, Turner ıc. und das ewige Befingen des Geſanges in ven Sängervereinen. Hier fehlt überall die anſpruchsloſe Naivetät und tritt eine Wichtigthuerei Hervor, melde nur lächerlich iſt

7. Der unabhängige Humor.

Wie die lyriſche Poeſie, aus ewig junger Duelle des Gemüthes fließend, fi frei erhielt von den Partelungen der Zeit, fo auch ber ge= funde Humor.

Der beliebtefte Epigrammatift Deutſchlands mar fett 1791 Hofrath Haug in Stuttgart, beffen 100 Hyperbeln auf Wahls große Naſe (1804) ein Meifterftück Im grotesfen Humor & la Rabelais find.*) Er ſchrieb unzählige Epigramme auf aled Mögliche, er fol ihrer täglich zu Duzen- den verfertigt haben, die in vielen Sammlungen, am melften aber zerftreut in Zeitſchriften und Taſchenbüchern erfäienen. Eine Auswahl kam 1840 nad feinem Tode heraus, aber mit Weglaflung gerade des Pikanteften, aus Anftand caftrirt. Von minderem Belange waren bie Sinngedichte Weishuns (1790) und Kyaws (1809), die „Nachtgedanken Spiri— tus Afpers über das ABC“ von Hempel (1808), desgleichen Weiſers ſatiriſche Werke (gefammelt 1818), ver in fherzhaftem Ton meift nur unbebeutende, einem vorübergehenden Tagesintereſſe angehörende Dinge leicht, aber zu mweitläuftig behandelte.

Karl Weitzmann (f 1828) erlangte als burlesker Dichter, Haupt- ſachlich in ſchwäbiſcher Mundart einigen Auf, aber au durch feine Uns flätereien, 3. B. feines Sch—ßliedes. Er ähnelt am meiften Blumauer und Sehaftian Sailer. Das Komiſche erzielt ex oft durch Einmiſchung der griechiſchen Götter In unfer gemeinftes Spießbürger- und Bauernleben.

Der pfiffige Michel foU Pfeffer und Ingwer Holen, dreht ben Zeller um, um nachdem er den Pfeffer Hat, den Ingwer auf bie andere Seite zu Iegen.

+) Gin gutes „Bug von ber Mafer erſchien no anonym 1849 voll Wit.

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Als er heimkommt, wird er gefragt, wo benn ber Pfeffer fen? Da, fagt er, und dreht den Teller wieber um. Schneider Windſpiels verfificirter Liebes⸗ feufger, voll Humor. Die Drechfelbant im Olymp, ein längeres Gebicht in Blumauers Ton. Um beſſere Menfchen zu machen, wird eine Drechſelbank im Himmel angelegt. Auf derſelben ſchnihelt Zeus zuerft einen Bauer, dann einen Bürger (einen Schneider), da diefe aber gleich Händel befommen, um ihre Händel zu ſchlichten, einen Abvofaten. Das ift nun bie ganze verbefferte Menſchheit. Das Weltgericht oder ber ſchwaͤbiſche Jupiter in feinem Grimme, eine Bauerurache in ſchwaͤbiſchet Mundart, in der Manier Sebaftian Sailers. Gine Menge Sünder müflen zulegt in die Hölle hinab kutſchiren in Galawagen, Chaiſen, Bauernwägelchen ıc.

Earl Julius Weber in Langenburg, als Sekretär des Grafen von Erbach auf dem Raſtadter Congreß, dann Hofrath des Fürften von Dfen- burg, mit dem er zerfiel, worauf er privatifirte, farb 1832 unverheis rathet, als ein Sonderling im Beſitz einer fehr großen und ausgemäßlten Bibliothek, durch die er zum Schriftſteller wurde, denn alle feine Werke find Collectaneen, mehr oder weniger geiſtreich verarbeitet. Das Cäment aber ift ein trefflicher Humor. Er ſchrieb erft, als er ſchon über fünfzig Jahre alt war. Sein erſtes Werk war 1819 die „Mönderei“, eine im Allgemeinen hiſtoriſche, aber ganz von Satiren durchdrungene Schilderung des Mönchsweſens, wimmelnd von pifanten Anechoten, die von einer un- ermeßlichen Belefenheit des Verfaſſers zeugen, die Auffaffung tft durch⸗ gängig die Voltaire-Wieland'ſche, mit beveutendem Wohlgefallen am Schlüpfrigen. Diefem erften Werke Webers folgte ein zweites über, das „Ritterweſen“ nad) bemfelben Plan, aber weniger pifant durchgeführt, Dann fein berühmteftes Werk „Deutfepland, oder Briefe eines in Deutſch- land reifenden Deutſchen“ 1826 in 4 Bänden, überaus reich an örtlichen Notizen, Eleinen Sittenſchilderungen, pikanten geſchichtlichen Erinnerungen und Anecboten, aus benen in der That die Eigenthümlickeit der Stämme und Städte Deutfhlands fehr Iebendig Hervortritt. Weber war felbft fehr viel in Deutſchland gereist und Hatte immer ſcharf betrachtet und fleißig geſammelt.

Erſt nach ſeinem Tod erſchien ſein „Pabſtthum“, das Seitenftüd der Mönderei, und fein vielbändiger „Demokritos, oder hinterlaſſene Papiere eines lachenden Philoſophen“, worin der Verfaffer unter allgemeinen Rub— riken über ale möglichen Selten des Lebens feine Menſchenkenntniß, feine

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Belefenheit und feinen Humor ergießt, aber auch cyniſcher ift, als in allen feinen älteren Schriften.

Der badiſche Staatsratö W. Reinhard gab noch im Alter (1838) „Ernſt und Laune“ und „Bekenntniſſe“ (1840) Heraus, eine Sammlung son Erinnerungen aus feinem Leben, worin fi viel Intereffantes und Wigiges, aber auch gar Frivoles findet.

3 B. ein katholiſcher Geiftlicher verführt eine Proteftantin und entſchuldigt fich nachher, er habe es aus Religionshaß gethan, um bie Keher zu ber ſchimpfen. Arg iſt des Verfaſſers „Lenchen im Zuchthauſe“, worin über bie Törperliche Züchtigung geklagt wird, aber um dieſelbe mit- faunifcher Lüſtern⸗ Heit zu befchreiben.

‚Karl Heinrih, Ritter von Lang, bayriſcher Negierungddirector in Anfpah, mar ein tüchtiger fränkiſcher und bayriſcher Geſchichtsforſcher, aber auch ein bitterböfer Satiriker. Harmlos iſt feine „Hammelburger Reife“, die feit 1817 In vielen Fortſetzungen erflen und von überaus geiftreien und ergötzlichen Anſpielungen auf die politiſche und andere Philiſterei im deutſchen Vaterlande wimmelt. Dagegen find feine erft 1842 erſchienenen „Memoiren“ zwar vol Sat, aber au vol Sift des perfönlichen Haſſes und der Verleumdungsſucht. "

Nur Eurze Zeit erregte Theodor Heinrih Friedrich (ein preußls fer Beamter) ſeit 1814 durch feine „ſatyriſchen Feldzüge“ einem „Als manach luſtiger Schwänke“ und „Sarbellen“ sc. Auffehen. Sein Wig iſt fehr orbinär und würde weniger angezogen haben, wenn er nit Ber- liner Perſönlichkelten darin porträtirt und fogar illuſtrirt hätte. Das machte ihm Feinde, weshalb er nad Hamburg zog, mo er 1819 ftarb.

Einer unferer gemüthliääften Dieter war Kanzleirath Friedrich Lud⸗ wig Bührlen in Stuttgart. Seine Wanderungen durch den Schwarz« wald, feine Eleinen Erzählungen enthalten viele der Natur abgelauſchte Reize. Am liebenswürdigſten ift feine humoriſtiſche Auffaffung der Ar» muth. Er felbft war arm und brachte feine Brave Bamilie nur mit Ent behrungen durch. Er mahnt daher oft an Jean Pauls Quintus Firlein und Blumen, Frucht- und Dornenftüde. Ein meifterhaftes Idyll tft fein „Enthufiaft“ von 1832, worin fih Bührlen felbft ſchildert.

Blank, der Archivar, ein braver, gemüthlicger Familienvater, aber troß feiner Armut ein Bildernarr, der mit der glügendften Leidenſchaft nad; dem

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Befig koſtbarer und berühmter Bilder firebt. Die Tantalusqualen des Armen, ber einem unerreichbaren Schahe gegenüberfeht, die mannigfaltigen Tauſchungen bee Phantaſie, die ihn verführen, in eiwas Geringem ehnas Vortreffüches zu ſehen; die komiſche Haft und Neugier nach Bildern, endlid) ber Kampf in: feiner Seele zwiſchen der Luft, Bilder zu faufen, und der Augft, vadurch feiner Familie ihte Nahrung noch zu ſchmaͤlern, find mit unübertrefflichem Humor gefchildert. Am anziehenbften iſt bie Kataſtrophe. Blank wi in einer Auction ein Bild von Huyfum erfiehen, bie Angft aber verblendet ihn fo, daß er die Nummer überfieht und auf ein anderes ſchlechtes und noch dazu nicht ganz zügptiges Bild eine enorme Summe biete. Man denfe ſich fein Ente fegen, als ihm das efelhafte Bild zugeſchlagen wird, während der erfehnte Schat bereits, ohne daß er es bemerft hat, um -ein geringes Gelb in eine anbere Hand übergegangen if. Doc der Käufer des Huhfum tröflet ihn, ſchentt ihm das Bild und vermaͤhlt feinen Sohn mit Blanks ſchoner Tochter. Diefer liebenewürbige Roman, einer ber beften, ben bie deutſche Literatur her figt, iſt zu feiner Zeit wenig beachtet worben, wirb aber dennoch fortleben.

Mifes (eigentlich Guſtav Theodor Fechner), Profeffor ver Phyſik in Leipzig, ſchrieb fett 1822 eine Anzahl geiftteihe Humoreöfen im Ion von Kagenbergerd Badereiſe und Kerners Reiſeſchatten, vol Satire auf die Aerzte, aber aud mit einem zarten Anflug Jean Paul'ſcher Empfind- Tamteit.

&r begann 1822 mit einem ironifchen Banegyricus auf die jehige Medizin. Seine Stapelia mirta von 1824 enthält ſodann zerftreute Excurſe voll guten Humors, eine Babel vom Merkur, ber dem Apollo bie Leier wieber geflohlen Hat (Satire auf den Materialismus ber Zeit und auf bie Abhängigkeit der Poeſie von buchhandleriſcher Induftrie und Mode); eine Vergleichung der Cul⸗ tur mit dem Magen, der nie zufrieden ift mit bem Guten, was er ſchon hat, fondern es verächtlich fahren läßt, um immer etwas Neues und fey es auch das Schlechtefte, zu verfchlingen. Gin Beweis, daß die Weiber eigentlich nur die Kleider, und daß bie in ben Kleidern ſteckenden Perfonen Nebenfachen find x. Die 1825 edirte „Anatomie der Engel“ taugt weniger, weil fie aus den Engeln erft lebendige Planeten, bann Augen, bann gar nur fonnenklare Blaſen machte. Diefe ganze Wigelei widerſpricht der edlen Vorſtellungsweiſe, die man von Engeln haben muß. ungleich beſſer waren wieder bie Meinen Schriftchen „Berveid, daß der Mond aus Jodine beftcht“ und „Schugmittel für die Cholera“, köſtliche Satiren anf bie Geſchmackloſigkeit naturforſchender Eharlatanerie und auf bie innere Rathlofigfeit der Außerlich fo laut bemons ſtrirenden und durch einander ſchreienden Aerzte. Die Gedichte von Mifes (1841) afmten den capriciöfen Ton Chamiſſo's nad. Sehr wigig waren wieder 1846 die „vier Paradoxen“, worin er bewies, ber Schatten ſey etwas

Menzel, beutfge Dichtung, II. 32

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Lebendiges, es gebe noch Hexen und die Welt fey nicht vom fehaffenden, fons dern vom zerflörenden Princip ausgegangen (eine vortrefflihe Satire auf die Sophiſtik und das negative Ergebniß der Hegel'ſchen Philvfophie). In der „Nanna“ (1849) wollte Mifes Halb ſcherzhaft, Halb ernſthaft beweifen, daß die Pflanzen eine Seele hätten.

In den „Memoiren eines Säornfleinfegers (1830) verfuchte Louis Zar ein menig zu jeanpauliſiren, aber mit wenig Glüd,

Ein gewiffer Brägel ſchrieb feit 1815 viele Erzählungen Heiterer, zuwellen auch humoriſtiſcher Art, in bie Taſchenbücher, auch Gedichte (be ſonders mauriſche), alles harmlos, aber ſchwach.

In der „Kynomachie“, einem humoriſtiſchen Heldengedicht von Braun [7 Caſſel 1824, -

Tämpfen die Hunde unter einander aus Eiferſucht, indem ein alter Spig einen jungen Pudel bei feiner Geliebten auszuflechen "bemüht iſt. Sie befommen alle Prügel, der fentimentale Pudel wird frank und elyſtirt. Die Liebe triums phirt inztoifchen über bie Intrigue und der weggebiffene und weggeprügelte alte Spip geräth zulegt in Verzweiflung und erhentt fih. Das Gedicht if in Hexametern gefchrieben und das fentimentale Pathos nimmt fi, auf die Hundes liebe angewandt, oft fehr comiſch aus. Doch find die Hunde als ſolche nicht arakteriftifch genug durchgeführt, indem fie ganz wie Menfchen Handeln. Juss beſondere liegt in ber Mrt des Seibſtmords am Schluß durchaus nichts Hün- diſches.

Geiftreich iſt „der Ameiſen⸗Immenkrieg von Berestas (1841) in

Hexametern.

Der junge Bienenprinz und fein Hofmeiſter kommen zum wimmelnden Bolt der Ameifen, deren Stabt dem hundertthorigen Theben verglichen wird. Der Ameifenfönig nimmt fie freundlich auf und bewirthet fie; aber fein Sohn, der Ameijenprinz, ber früher einmal von Bienen beleidigt worden, töbtet ben Gaſt. Die Bienenkönigin befchliegt den Rachekrieg. Im Olymp felbft wird darüber berathſchlagt. Die Götter ftreiten fih, welche Partei Jupiter ergreifen folle. Minerva beklagt ſich über die Ameifen, von denen fie einſt im Schlaf übere fallen und klaͤglich geftochen worden fey. Merkur beſchwert ſich dagegen über die Bienen, von 'benen überhaupt hier mancher Tiebliche Mythenſcherz erzählt wird. Inzwiſchen entſcheidet fich Zeus noch nicht. Der Krieg beginnt. Die Ameifen waffnen ſich mit Haferlangen, Tannennadelſchwertern, Gerftenhülfens panzern, Glimmerſchildern und Mohnkornhelmen; aber bie Bienen ſiegen. Die Bienenfönigin rächt ihren Sohn, töbtet ben Ameifenprinzen und trägt fein Haupt ald Siegeözeichen davon. Da ruft Jupiter einen behaglichen Sperling

Die jüngfe Dichtung. 499

herbei, ber nicht vor dem Gott, aber vor dem Adler jämmerlich erſchridt, da ihm aber der Gott Muth zufpricht, alsbald auf deſſen Befehl zum Schlacht⸗ feld der Ameifen und Iınmen hinunterfliegt und unter beiden Parteien aufräumt.

Wilhelm Hauff in Stuttgart, ver fehr jung farb, trat 1825 mit einer Taunigen Perfiflage gegen den fentimental«frinofen Clauren auf, „dem Mann tm Monde“, dem „Memoiren des Satan“ folgten, bie eben fo leicht und heiter (für den Satan etwas zu ſchwach) gehalten waren. Ein freundliches Bild gewährten jobann noch feine „Phantaflen im Bremer Nathökeller*. Auch ſchrieb er hübſche Märchen für die Jugend, Dagegen verdiente fein hiſtoriſcher Roman „Lichtenftein“ ven großen Auf, ven er erlangt hat, meniger, weil das Charakterbild des Herzog Ulrich darin viel zu ſehr verſchönert und alles Böfe veffelben einem Kanzler aufge» bürdet wird.

Im Jahr der Juliusfonne (1830) ging auch der deutſchen Literatur ein flrahlender Stern auf in dem Fürften Hermann von Büdler- Muss Tau. Er begmm mit „Briefen eines Berfiorbenen“, worin ex ber plebe⸗ jifgen Welt alle geheime Schwäden, Sünden und Thorhelten ver vors nehmen Welt, zunächſt der engliſchen Geſellſchaft, mit einer geiſtreichen Mebifance enthüllte, wie fie früher nur am Hofe Ludwigs XV. vorgefoms men war. Obgleih felber ein Ariftofrat von Geburt und überdies ein vornehmer Geift fepmeichelte er doch dem Liberalismus der Zeit außer⸗ ordentlich mit der Verhöhnung feiner Standesgenoſſen und feine witzigen Bücher hatten mithin nicht blos eine literargeſchichtliche Bedeutung. Im „Tutti Frutti“ ging er fobann mit gleicher Schavenfreude an bie Ente Hülung deutſcher Schwäghen. Später reiste er im Orient und ſchrieb über denfelben wohl zu viel, denn trog feiner muntern Suade wurde er doch zulegt ein wenig langweilig.

Eine ver beſten Satiren auf das Unweſen der Kunſtakademlen ent» Hält die „Moderne Kunſtchronik“ des berühmten Maler Koh in Rom (1834).

Er fiellt die freie Begeifterung und das angeborene Genie der ſich ſpreizen⸗ den Mittelmäßigfeit und feelenlofen Schulmanier "gegenüber und verfpottet bie Schmarotzer, die um jeden Preis nach Hofgunft buhlen. Am wigigften if mbie Tiberſiſcherei·. Die Afademie von S. Luca in Rom hat einen kürzlich auf einem Berge gefundenen Stein mit Yrömifcher Inſchrift in den Tiber ges

worfen, um ihn in Gegenwart des Kaifers ‘von Deſterreich herauszuſiſchen, 32°

500 Zwolftes Bud.

als ob der Kaifer der glüdliche Buiveder wäre. . Der Stein wird ausgeſiſcht, als der Kaifer aber nad; der mit Schlamm bebedten Infchrift fragt, zieht ein Spottvogel eine Abſchrift derfelben heraus und liest fie ihm vor.

In der „Oftfee“, einem Gebiht von Guſtav Gardthauſen von 1847, wird eine Fahrt auf der Oſtſee, bie Seekrankheit, dann bie Klein- ſtädterei an einem deutſchen Ufer recht anmuthig geſchildert.

Einer der geiftvolften Humoriſten ber jüngften Zeit ift der Advokat Detmold in Hannover, der 1849 Reichsminiſter in Brankfurt wurbe: Seine „Randzeichnungen“ find das Beſte, was je über bie deutſche Bhi- Hifteret während der Neftaurationsperiode gefhrieben wurde.

In der Erzählung „bie ſchwierige Aufgabe“ Handelt es fi in einem Elub um bie Reinigung ber Gypsſtatue einer mebiceifchen Venus, die vom vielen Streicheln der aus⸗ und eingehenden Clubmitglieder nach und nach an einem gewiſſen Theile ſtark angefcpwärzt worden if. Im den ernſthaſten Vorfeplägen zu einer zweckmaͤßigen Reinigungsmethobe und ben erſchöpfenden Hin» und Wiederreden, endlich im Schlußvotum find bie Debatten veutfcher Kammern, Gemeinberäthe und Comite's aller Art meifterlich perſiflirt.

Diefelbe Ironte waltet au in feiner „Anleitung zur Kunftkenner- ſchaft (1845). \

Hier mag noch der migigen Satiren aus dem Frankfurter Parlament von 1848 gedacht merben, die geiftreic in ver Karllaturmanier des Genfer Zöpffer illuſtrirten Abentheuer des Parlamentsmitglieves Piepmater.

Auch die „humoriſtiſchen Studien“ von Karl Alt (1844) find vol Dig.

u Eine launige Zufammenftelfung von Windbeuteleien der modernen Induſtrie, Neujahrögedanfen eines Zahnarztee. Humoriſtiſche Betrachtungen über den Neid. Cine artige Satire auf Wittwer und Witwen. Die Meinen Leiden, z. B. eine fehr -gute Schilderung des Geſtörtwerdens im Schlaf durch nachbarliches Schnarchen. Endlich eine hubſche Naturgeſchichte des Spiegels.

Briebrih Hebbel, der Tragiker, ſchrieb 1850 eine Humoreske in Proſa, „Schnock“.

Schnock iſt ein Schreiner von rieſenhaftem Wuchs, aber mit einem kleinen klindiſchen Kopfe, der anfangs als Held auftritt, indem er einen Verbrecher einfängt, bald aber nur als beutfcher Michel erſcheint, fofern. er- fi aus Dummheit wub Gutherzigkeit von Allen alles gefallen läßt und ſich bei jeder Beleivigung, die er empfängt, fo benimmt, als Habe er feibh deßhalb um

- Verzeifung zu bitten. Der Eharafter iſt ſehr gut amgelsgt, aber bie Durch⸗ . führung läßt merfen, daß die Komik nicht des Dichters eigentliches dach if.

Die jüngfe Dicpkung. 501

Daß deutſche Luſtſpiel blieb au in ver jüngften Zeit im All-. gemeinen dem Charakter treu, den es von Schröder und Kotzebue empfan- gen hatte, d. h. es bewegte fi vorzugämelfe In der Sphäre des Adels und der bürgerlihen Beamten und handelte von Liebesintriguen, wobei irgend eine mehr oder weniger originelle Charakterfigur, die ein guter Schauſpieler durchzuführen Hatte, das Hauptintereſſe einflößte. Die Ems» pfindfamkeit nahm immer mehr ab, das Verſtändigſeynwollen, bie glatte, aber bürre Gonverfation immer mehr zu. Die Erfindung war im Ganzen

"fo arm, daß bie beutfche Bühne mehr als je vorher von ber franzoͤſiſchen Horgte, denn nur in Parts fprubelte die Komik aus unerſchöpflicher Quelle.

In und nad den Freiheitsktiegen ſah man patriotiſche Luſtſpiele aufe führen, die aber mehr guten Willen als poetiſche Gabe verriethen. Es waren bramatifirte Anecdoten von Blücher, Wellington, dem. alten Brig, ein paar Karlkaturen auf Napoleon, Kofadennatvetäten ı. Den alten Fritz feierte beſonders Earl Töpffer und St. Schüg. Im gewöhnlichen Gleiſe Schröders und Kotzebue's blieben Heinrich Bed (die Quälgeiſter, Alles aus Eigennutz), Coſteno ble (Almanach dramatiſcher Spiele), Kur Länder (ramatiſcher Almanach), Karl Schall (ver Kuß und bie Oht- feige, die unterbrochene Whiſtparthie), Lebrun (beffen beſtes Luſtſpiel Nr. 777 und die Fortſehung dazu „bie Verſtorbene“).

Franz Ignaz von Holbein, Theaterdireltor in Wien, ſchrieb viele Bühnenſtücke, eine Bearbeitung z. B. von Schillers Fridolin, ein ſchwaches Trauerſpiel „Leonidas“, mehrere Luſtſpiele. Sein beſtes find nbie beiden Blinden“: zwei bie fi) Lieben und deren Blindheit stüag ge⸗ heilt wird, ſo daß ſie endlich fich ſehen.

Eine ſehr fruchtbare Schauſpieldichterin in Wien war Frau Johanna Stanul von Weiſſenthurn. Sie ſchrieb außer ein paar ſchwachen Nitterftücten meift bürgerlige Schau» und Luftfpiele, vet gut angelegt, aber ohne Tiefe der Charaktere und ohne Beuer der Handlung: Eines ihrer beften Ruͤhrſpiele ift „die Fremde“.

Marie, die Tochter eines ald Rebell hingerichteten yolnifchen Grafen lebt mit ihrer Mutter unter Bürgerligem Namen im tiefen Glend. Die Autter Richt. Marie wird von einem ehtlichen Schuſter ind Haus genommen. Bor dem Haufe fügt ein junger Graf vom Pferde. Marie verbindet feine Wunde

502 Zwölftes Bud.

mit einem Schuupftuch, in welchem noch eine Grafenkrone eingeftict iſt. Ob⸗ gleich ſchon Bräutigam, verliebt er fih in Marien. Geine firenge Mutter unterfucht die Sache und Marie macht fie zur Vertrauten ihres Unglüds. Da nun des Grafen Braut ebenfalls einen Andern liebt, Hat der Wechſel Feine Schwierigkeit und das arme Schuſtermädchen wirb des Grafen Gemahlin.

Eines ihrer beften Luſtſpiele iſt „ber Brautſchleier“.

Garolime will den Hochzeitotag verfehieben, weil ihr Brautſchleier noch nicht fertig if. Guard, ihr Bräutigam, erfennt darin Herzlofe Gitelfeit und ift ſchon im Begriff, die ganze Verbindung aufzugeben, als Caroline den koſt- baren Siäöleier erhält, aber Hingebung und Muth genug Hat, ihn auf ber Stelle zu zerreißen und ohne Schleier dem Bräutigam zum Altare zu folgen.

Recht anmuthige Luftfpiele ſchrieb Amalie Heiter (Prinzeffin Amalie von · Sachſen, Schweſter des König Johann), aus ver bürgerlichen Sphäre (ver Landwirth, Ohelm, Verlobungsring, die Fürftenbraut).

Frau Charlotte Birh- Pfeiffer ſchrieb fehr viele Bühnenftüde, meift Bearbeitungen nad fremden Dichtern, nur einiges Originelle.

Unter Anderem ftellte fie Kohebue's beiden Kling&bergen, in welchen Vater und Sohn diefelbe Liebſchaft Haben, das Eaufplel „Mutter und Tochter“ gegenüber, in welchem bie. Mutter Ottilie und bie Tochter Helene denſelben Artur lieben. Aus dem Leben der vornehmen Wiener Welt, wie bie Klinges berge, aber noch wibriger, wenn auch mit aller möglichen Delifatefle bes handelt.

Doch Hat ſich Frau Birch-Pfeiffer, vielfachen Anfechtungen trohend, das Verdienſt erworben, ven Sinn für das Gemüthliche und Rührende im Beitalter herzloſer Fadheit immer noch von der Bühne herab zu pflegen.

Ihr Pfefferröfel (nach Dörings Sonneberg), ihre Bearbeitung von Dorf und Stadt (nach Auerbach) und der Griffe (nah G. Sand) werden immer dem unverborbenen Bublifum zufagen.

Der angefehenfte Wiener Luftfpieldichter wurde Bauernfeld, deſſen Stüde fi jedoch nicht über das Niveau von Jünger und Kotzebue erhoben.

Das Königaftäbter Theater in Berlin firebte Volkstheater zu werben, wurde es jedoch nicht ganz in der Ausbehnung, wie das Leopolbfläbter in Wien, fondern behielt Immer nod zu viel von Bildurfg und vorneh⸗ mem Anfpruc bei. Unter den Dichtern diefer Bühne zeichnete ſich felt den zwanziger Jahren Louis Angely durch heitere Luſtſpiele aus.

Die füngfte Dichtung. 503

Am beliebteften wurden: Sieben Maͤdchen in Uniform, Echũletſchwaͤnte, das Feſt der Handwerker, Schlafrock und Uniform, die Schneidermamſells.

Eben fo Earl Blum, .

Die beiden Brillen, die Brüber Philibert, der Sekretär und Koch, Miran⸗ dolina, die Märtel ꝛc.

- Seſſa, Arzt in Breslau, beobachtete dort bie Juden und ſchrieb die Berühmte Poſſe „unſer Verkehr“, die beſte Satire, welche je auf Ju⸗ den gefärieben worben iſt. Sie wurde 1814 zum erftenmal in Breslau aufgeführt von den beſten Schaufpielern (Louis Devrient, Auſchütz, deſſen nadmaliger Frau geb. Boutenop, Schmelfa ıc.) und alle Masken waren nad damals in Breslau lebenden Juden treu copirt. Das überfülte Haus dröhnte vom Laden und Jubel.

Jalob Hirſch wird von feinem Vater in die Welt hinausgeſchidt mit der Lehre, „laß dich treten, laß dich anfpuden, nur gewinne Gelb!“ Gin reicher Jude, deſſen Tochter Lydia in ber chriftlichen Kirche Arien fingt und den Schöngeift fpielt, nimmt ihn zum Vebienten, aber auch zum Schwiegerfohn an, ba Jafob das große Loos gewinnt x. Die Charakterifik aller Haupte und Nebenfiguren in biefem Stüd ift meifterhaft.

Dietrich Chriſtian Grabbe aus Detmold kündigte fi 1827 mit mbramatifchen Dichtungen“ als ein verrüdtes Genie an, immerhin aber als ein Genie. Vom tiefften Ekel an dem damals in der Poefte ſich mit feiner Vornehmthuerei breitmahenden Epigonenthum ergriffen, flug er mit Sarkasmen um ſich, mie Callot⸗Hoffmanns durch die Modemuſik bis zur Verrücktheit geärgerter Kreiöler, zumellen aber auch mit eben fo feiner Ironte wie Tieck im Berbino. Unter dem unpaffenden Titel „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“ ſchrieb er 1827. fein erſtes vor⸗ treffliches Luſtſpiel.

Der Teufel fit in der Mittagbhige des Auguft ganz ‚in Pelz gehült da und erfriert. Naturforfcher finden und unterfuchen ihn. Es ift heller Tag, Sie zünden aber noch ein Licht an. Da erwacht ber Teufel und fledt den Finger ins Licht, um fi ein wenig zu wärmen. Gin Baron nimmt ihn, der ſich für einen Ganonicus ausgibt, ins Haus. Des Barons fchöne Tochter Libdy treibt Velletrifit mit dem immer betrunfenen Schulmeifter Loci, ber ihr die neueften Dichterwerke, ald Mafulatur um alte Heringe gewickelt, mits teilt. Unter andern Houwalds fade und ſüßliche Sachen, die erſt durch bie umwidlung um den Häring Salz bekommen. Unter biefelbe ſcharfe Lauge wird viel Anderes genommen. Unter anderem burfte Grabbe damals ſchon

504 Bwölftes Bud).

freien: „Iubenfungen, deren Bildung im Schweinefleifcjeflen befteht, ſpreizen ſich auf ben feitifchen Richterftählen; Sqhauſpieler, bie fo langweilig find, daß alles vor Freude klatſcht, wenn fie endlich abgehen, heißen denkende Künftler. Die Mufe der Tragödie if eine Gaſſenhure geworben, bie jeder beuffche Schlingel nothzüghtigt und mit ihr fünfbeinige Monbfälber zeugt.“ Liddy Hat einen Heren von Wernthal zum Freier, ber fie aber nur um bed Geldes willen heirathen will und ſich vom Teufel eine befrächtliche Summe zahlen Iäßt, wor für ex fie dem Herrn von Morbar abtritt. Diefem foll fie durch den Poeten Rattengift in die. Arme geliefert werben, mit dem der Teufel eine höchft erbau⸗ Hide Unterredung über deutiche Poeſie hält. Aber ein früherer Liebhaber Liddy's tritt rettend bazwifchen und der Schulmeifter fängt ben Teufel in einem Käfig , in den er Caſanova's Werke gelegt Hatte, die ihn unmiberfichlich, wie der Sped die Maus, anziehen.

In dem dramatifchen Märchen „Aſchenbrödel“ behandelt Grabbe den befannten alten Sagenftoff in feiner freien Weiſe.

Die beiden Schweſtern der Aſchenbroͤdel gehen auf den Koͤnigsball, Änden aber ftatt des Königs nur deſſen Narren, der feine Rolle fpielt, indeß der König ſelbſt fih dem von gütigen Feen gepußten und geſchmeichelten Afchens broͤdel zuwendet. Neben dem Narren fpielt die komiſche Perfon noch einen Juden, dem der brei Schweftern Vater Geld ſchuldig if. Als der Kutſcher den Schuldſchein von 80,000 ‚verfchlingt, will der Jude ihm den Bauch aufs fchneiden und fommt in Verzweiflung, ald er es nicht burchfegt.

Im Trauerfpiel ift Grabbe zu grel, ja fein erſtes Stück „Herzog Xheodor von Finnland“ hat etwas bluttriefendes mie bie alten Haupt und Staatdactionen. Es handelt fih um ven Untergang des Haufes Gothland durch zwei feindliche Brüder unter gräßlichen Morbthaten und noch gräßlicheren Redensarten. Gothland ruft 3. B.:

in Palaſt der Stürme if Mein Haupt, wie 'n tollgewordner Hund Schlägt mein Gewiflen feine Zähne in ‚Die Tiefen meiner Seele, meine Gedanken BWürgen fih

Ich bin ein Haufe von zufammen Geſpercten Tigern, bie einander Auffreflen 2c.

Marius und Sulla von Grabbe blieb nur Fragment. Sein Hanni» Hal dagegen iſt zum großen Trauerfpiel ausgeführt, aber mit viel zu viel Wintühr bis zur Frivolität mißbraucht.

Die jüngfte Dichtung. 505

Die Römer und Rarthager, im furchtbarſten Kampfe um bie Griftenz ihrer Staaten und Nationalitäten begriffen, unterhalten fi; bier viel zu luſtig. Hannibal treibt beinahe Poſſen mit feiner Kriegsliſt und auch Seipio's Groß⸗ muth wird beinahe nur poflenhaft aufgefaßt.

Grabbe ſchrieb auch zwei Hohenſtaufenſtücke, Friedrich Varbaroſſa und Heinrich VL, beide nad feiner Weiſe genlal.

Im Barbaroſſa hebt er aber nicht den Gegenſat zwiſchen Papſt und Kai⸗ fer, ſondern vielmehr den zwiſchen ven Völkerſtaͤmmen hervor, und zwar wie zwiſchen Deutſchen und Jtalienern, fo auch zwiſchen Süd⸗ und Norddeutſchen, wodurch insbeſondere Heinrichs des Loͤwen Verrath am Kaiſer entſchuldigt wird. Auch im zweiten Trauerſpiel tritt der Gegenfag der Normannen gegen die Schwaben hervor, ber Staliener überhaupt gegen bie deutſchen Lanböfnechte und gegen bie arabiſchen Söldner ber Hohenftaufen, dann wieber der Gegenſatz der oͤſtreichiſchen Phififter, die den Richard Löwenherz gefangen nehmen, und der um ihren Heinrich den Löwen ſich ſchaarenden Sachſen. Grabbe ſchildert alles mit größter Lebendigkeit, aber er fällt oft in Webertreibungen.

Grabbe’8 kürzeſtes Trauerfptel „Manette und Marie“ iſt fein beftes.

Graf Leonardo verliebt ſich in bie arme Nanette, bie ſich ihm mit naiver unſchuld und Liehenemwürbigfeit hingibt. Obgleich er ſchon mit ber flofgen Marie verlobt ift, macht ihm das feine Sorge, benn fie war immer fpröbe gegen ihn und nimmt feine Erklaärung, er liebe eine Andere, ſcheinbar ganz leicht auf. Aber Hinter diefer Maske verbirgt fie die glühendſte Liebe für Leo⸗ nardo. Ihr Bruder, der Marcheſe, Tommt Hinter das Geheimniß und läßt ſich Hinreißen , das Hinderniß aus dem Wege zu räumen. Er töbtet bie arme Nanette, aber der rafende Leonardo töbtet bafür Marien und zulept bringen ſich Leonardo und ber Marchefe im Zweikampf gegenfeitig um. Die Leidenſchaft in biefem Stück und bie fo Beterogenen Charaktere find mit Meiftergügen ges ſchildert. Das ganze Stüd if vol Gluth, noch concentrirter al im Julius von Tarent von Leifewig. Es mahnt an Schillers Jugendarbeiten, und an S. von Kleiſt.

Wahrhaft genial ift auch Grabbe's „Napoleon“ von 1831.

Barifer Poͤbel und Veteranen ber großen Armee auf der Strafe. Emir grantenadel wird verhößnt. Obgleich Ludwig Philipp von Orleans populär eiſcheint und er „Ginfifönig“ genannt wirb, fügt er doch Hinzu, aud er werde nicht Tange regieren. Der Hof Ludwigs XVIII. in Meifterzügen gefdjilbert. Napoleon auf Ciba, fein Gruß an das Meer, das ihn zum erfehnten Ufer Frankreich tragen: foll. In Paris langt die Nachticht feiner Landung an. Die Hoffcene wieder meiflerhaft, bie Herzogin von Angouleme der einzige Mann in der damilie. Napoleons fiegreiche Rüdfehr. Dann: die Schlacht

506 Zwölftes Buch.

bei Waterloo. Die Scenen im preußifchen Lager vortrefflich ber Natur abges lauſcht. Wie in allen andern Tranerfpielen Grabbe’s ift auch Hier der Natios naldjarakter in ben fhärfien Umriflen ffigzitt, da8 Ganze aber in großartigen, welthiſtoriſcher Weife aufgefaßt.

Grabbe's Tehtes Werk „hie Hermannsſchlacht“, ein Drama in Profa, behandelt die Geſchichte des Auguſt, Barus, Arminius mit derfelben Ge⸗ nialttät, wie die Napoleon, aber der moberne Ton paßt doch nicht vet zu dem alten Stoffe. Ungern hören wir ben Arminius feine Thusuelba „Neldchen“ anreben. Der unglüdlihe Diäter ſtarb 1836.

Profeſſor Morig Rapp in Tübingen ſchrieb 1828 „dramatiſche Studien“, worin er die Prager Schlacht darſtellte und die Soldaten in ihren Munbarten reden Heß; ferner 1835 „Luftfpiele von Jovialis“ mit obligatem Eulenfpiegel, und 1836 „Atellanen“, arlſtophaniſch, geiſtvoll, aber gar zu bunt.

Im „Wolfenzug“ richtet ſich feine Satire auf gar zu enhemere Tageöhels den der zwanziger Jahre; das Wipigfle darin if eine Mahlzeit im Himmel, bei ber noch die Seligen ihre Rangftreitigkeiten geltend machen. „Der Stus dent son Coimbra“ und eine Ueberfegung ber Acharner find ganz in ſchwaͤbi⸗ ſcher Mundart geſchrieben. Im zweiten Theil: Guſtav Molf, eine Zaubere tragdbie; des Kaiſers Zorn, ein Luftfpiel (Mnecbote aus dem Leben Karls V.) und eine Umarbeitung bes Göthe’fchen Egmont. Berfehlte Arbeiten, der Dichter Hatte Geiſt genug, aber er wählte feine Stoffe nicht glücklich.

Genses „Königreich der Weiber“ 1834 zeigt eine gänzlihe Um« ehr der Geſchlechter. Die Weiber herrſchen, die Männer verrichten Weibergefhäfte, bis ein Paar Europäer antommen, welche die Weiber dahin bringen, den Männern wenigſtens den Schein der Herrſchaft zu laſſen.

Einer der harmloſeſten Luſtſpieldichter iſt Roderich Benedix, deſſen dramatiſche Werke 1846 geſammelt erſchienen. Die klelnen Schwächen der Männer und Weiber werden darin recht fein charakteriſirt. Die han⸗ delnden Perfonen gehören meift ver höheren Bürger und Adelsſphäre an. Met anmuthig war „dad Recht der Liebe“, Luſtſpiel von Robert Prölß (1847) in Jamben.

Das befannte Thema „Maske für Maske“. Der Herr gibt fi für den Diener, bie Dame für dad Kammermädchen aus. Berwilung unb Löfung vom heiterften Liebreiz.

Die jüngfe Dichtung. 507

Freitag, deſſen Roman allzuviel Ruhm erlangte, ſchrieb auf Schaufpiele.

Die Balentine. Ein kraͤftiger Mann will feine Geliebte erobern, fie aber, eben fo fräftig, wi ſich nicht erobern Iaffen, fonbern frei wählen. Graf

\ Waldemar, ein auögelernter Rous, bem nichts mehr new iſt oder Interefle einflößt, wird plöplid kurirt und völlig verjüngt durch bie Liebe. Er Hatte bieher nur dad dleiſch gefannt, aber nicht das Herz.

Viele Zuftfptele befhäftigen fi mit den neueften Erfindungen und Gebräuchen. Halm ſchrieb eine „Zeitungsbraut“, die man durch An« noncen gefuht Hat; v. Breitfhmwert färteb „Eifenbahn und Tele graph“ voll Wig, desgleichen „Brad und Erinoline“. Die literariſche Schwindelei, zuerft in Jul. von Voß „Künſtlers Erdenwallen“ trefflich gegeißelt, wurde nod oft auf bie Bühne gebracht.

Schließlich betrachten wir no die Tofalpoffen.

Auf dem Wiener Volfätheater in ber Leopoldſtadt erhielt ſich von Stranihtzki's Betten ber der Hanswurſt, wenn er au ald Kafperle, Tiro- ler Waftl, Staberle sc. verſchledene Moden durchmachte. Und mit ihm erhielt ſich auch der romantiſche Zug, den außerdem nur noch bie Puppen- theater beibehielten, die Einmifhung der Been- und Geiſterwelt. Am Ende des 18. Jahrhunderts fehmücte Wenzel Müller die Wiener Volks— flüde mit lieblichen Melodien. Eins der bellebteften Stüde murbe „bad Donauweibchen“, von Hensler, einer Volksſage entnommen, die wir fon Th. J. ©. 93 Eennen lernten, mit obligatem Kafperl, tollem Spaß und reizender Muſik. Beliebt war auch deſſelben Henslers „Teufelsmühle am Wienerberg“. Neben romantiſchen Stücken dieſer Art machte ſich na⸗ türlich auch der moderne Geſchmack geltend und auch Kotzebue's Manier wurde auf der Volksbühne ins Grob-Poſſenhafte hineingezogen. Von diefer Art wurden beſonders bed älteren Hafners „Schweſtern von Prag“ beliebt.

In einer gewöhnlichen Liebesintrigue gegen einen alten Bolterer gerichtet, wirb den Liebhabern von einem Bedienten und Schmiebegefellen geholfen, von denen jeber, ohne daß der andere es weiß, bie Rolle einer aus Prag erwar⸗ teten Schweſter fpielt, und bann jeder ſich einbilbet, der andere ſey bie echte.

Stegmeyer in Wien fhrteb 1811 den „Rochus Pumpernickel“, der an die alten Stranitzki'ſchen Poſſen mahnt. Man darf nicht außer Acht laffen, daß die Wiener Poſſe von Anfang an in Wahlverwandt

508 Zwölftes Bud.

ſchaft ſtand mit ter italienifhen. Das Luſtſpiel geht Bier in bie tolle Kuft und den mannigfachen Wechſel des Carnevald über. Die zahlreichen Stüde von Bäuerle (gefammelt 1822) ftehen zwiſchen biefer Volks— poffe und dem etwas höheren bürgerlichen Luſtſpiel Kotzebue's in der Mitte, ohne Geiſt. Bäuerle hat zwar im Staberl eine neue Bühnen- figur geſchaffen, diefer gutmüthige Wiener Philiſter iſt aber geringer an Gehalt als ver alte Kaſperl. Meift ſeit 1814 wurde der Vorläufer von Raymund, indem er Zauberpofjen fehrieb (dev Männerfeind und die Männerfeindin, dad Geſpenſt tm Prater ac).

Unter ven Dichtern der Wiener Volksbühne nahm Ferdinand Ray— mund ben erften Rang ein. Er war felbft Schaufpteler und fehr beliebt, aber Hypochonder, fo daß er fih 1836 im Wahn, er fey von einem toflen Hunde gebiffen worden, erſchoß. Seine Stüde find moderne Mär- Gen, worin die Wirklichkeit des Wiener Volkslebens mit der Feenwelt eontraftirt. Ja Raymund wagte es, auch allegoriffe Perfonen, Tugen- den und Lafter, Jugend und Alter, die Jahreszeiten ze. einzumiſchen, mie dad in den Älteren Jeſuitenſchauſpielen in Wien üblich geweien war. Die Eharaktere, die er aus dem Volk aufgreift, find, wenn auch ein wenig burlesk gehalten, doc immer treue Spiegel der Wiener, ihrer Fröhliche Teit, ihres Lelhtfinns, ihrer Gutherzigkeit. Die Moral iſt immer die, da Unfehuld, Ehrlichkeit, Treue zulegt ihren Lohn finden. Wie es das Märchen erlaubt, dienen große Glückswechſel den Leidenden zum Erſatz, den Hoffärtigen zur Strafe. Raymunds Werke erjchienen geſammelt 1837. j

„Der Alpenkönig“, nach einer alten Sage von Rübezahl. Der reiche Herr von Rappelfopf, ein Menſchenſeind ofne Grund, plagt feine brave Frau, verweigert feiner Tochter die Hand ihres Geliebten, weil er nur ein armer Maler it, zankt und rast befländig, daß Niemand mehr bei ihm aushalten Tann. Da erfcheint ver Geift des Gebirges der klagenden Familie im Spiegel und fagt ihnen Hülfe zu. Dem Rappeltopf ſelbſt aber hält ver Geiſt einen audern Spiegel vor, indem er ſich felbh in ihm verwandelt und nun vor feinen Augen in feiner alten. Art ſchimpft und Herumtobt, fo daß es dem Rappelkopf zu viel wird und er ſelbſt ihn zur Mäßigung ermahnt. Zudem von dienen⸗ den Geiſtern geneckt iſt Rappelkopf endlich froh, feinen Leib wieder zu befoms men und von Stuud an iſt er ein fanfter Chemann und zärtlicher Bater.

„Der Diamant des Geifterfönigs“. Eduard, der Sohn eines verftorbenen Zauberers, getoinnt durch Treue, Muth und Ausbaner die Gunft des Geiſter—

Die füngfe Dichtung. 509

tonigs und erhält zulept einen Diamant zum Lohn, der nichts anderes iſt als das ſchönſte und befte Mädchen. Geringe Erfindung, aber das Stackiſt übers aus luſtig, denn am Hofe des Geifterfönigs redet und handelt alles burlesk, Edwards Diener, als komiſche Berfon, wird in einen Pudel verwandelt ıc.

Sinnreicher iſt „Moifafurs Zauberfluch“. Die Bee Ahinde, Königin des Diamantenreich®, wird durch den Fluch eines böfen Genius aus dem Himmel verbannt und in der Geſtalt eines alten Weibes auf die Erbe gefegt. Arme Leute nehmen ſich ihrer an. Sie weint vor Rührung und ihre Thränen find Diamanten; das merkt ein habgieriger Nachbar, ſchleppt die arme Alzinde heimlich fort und will fie zwingen, ihm Diamanten zu weinen. Aber fie weint nicht mehr. Die Sache wird ruchbar, die Gerichte fehreiten ein und Alzinde fol als Here verbrannt werben. Da erfcheint ihr Gemahl ald Retter und.fie lehrt triumphitend in die Feenwelt zurück

&ben fo reigend. ift „ber Bauer als Millionär, oder das Maͤrchen aus der Teenwelt“. Die Fee Lacrimofa ift genöthigt, ihre Tochter Lotichen, bei einem Bauern zu verbergen. Ihre Beindin, eine böfe Ber, macht den Bauer zum Millionär, worauf er das arme Lottchen plagt und enblich verſtößt, weil es

‚nicht nach feinem Willen heirathen mag. Der reiche Bauer Iebt im Ueber muthe fort, bis einmal die Jugend in Perfon zu ihm kommt und mit ber zaͤrtlichſten Lufigfeit von ihm Abſchied nimmt, worauf dad Alter auftritt, ſich bei ihm haͤuslich nieberläßt und ihn durch bloße Berührung zu einem zittern ben Greife macht. Zudem verliert er auch feinen Reichthum und muß ſich als Aſchenmann vom Aufſammeln der Aſche in den Küchen naͤhren, bis feine Prüfungsgeit vorüber ift und bie Fee, deren Lottchen überdieß einen freuen Liebhaber gefunden hat, ihn erlöst.

Der „Barometermacher auf der Zauberinfel“ ift das befannte Märchen von Bortunat (vgl. Th. L, S. 406), nur mit trefflicher Laune in ‚ben Wieneriſchen Volkoion übertragen.

„Die gefeffelte Phantaſie“ iſt etwas verfünftelt. Die Königin Hermione will den heirathen, der daß befte Gedicht madje. Ihr geliebter Dichter Amphio wirb aber gehindert, es zu machen, weil bie Phantafie in Feſſeln liegt. Ein elender Stümper ift ſchon im Begriff, der Königin Hand durd; fein Gebubel zu erzwingen, ala bie Pfantafte endiich frei wirh und Amphio zum ſchönſten Liede begeiftert.

„Die unheilbringende Krone“, der alles ſich beugen muß, Bringt zwar, auf das Haupt eined Rebellen gelegt, den rechtmaͤßigen König um ben Thron, dem Ufurpator zuleht aber doch Unheil. Die komiſche Berfon in dieſem Stück iſt ein furchtſamer Schneider, welcher durch einen Zaubertrunf auf einmal Löwenmuth befommt.

„Der Verſchwender“, ein gewiſſer Flottwell, welcher durch die Gunft einer Bee überaus reich, dann zu feiner Prüfung auch wieber bettelarm gemacht wird, wobei ihm fein Bedienter „Valentin“ Dankbarkeit und Treue bewahrt. Die

510 Zwölfted Bud.

Bee ſtelli fein Glück wieber Her. Der gutmüthige Charakter Valentine, der auch feine etwas herbe Frau umfimmt, ift recht öſterreichiſch und war die legte Rolle, in welcher Raymund die Wiener entzückte.

In dem Maße, mie man in Berlin eine ver Wiener ähnliche Bolks- büßne mit fiehenden Masken einzuführen bemüht war, nahm man au An Wien unerwartet etwa Berlinifhes an. In Berlin ſchuf Carl von Holtei ven „Nante*, wie er felbft triumphirend (in feinem Theater 1845, ©. 325) audruft. Diefer Edenfteher Nante follte für Berlin werben, was der philiftröfe Staberl (den Bäuerle gefhaffen) in Wien. Aber dem Berliner Pöhel war die Bonhommie des Wiener doc nicht abzulocken, wähe rend die Wiener Lofalpoffen mehr und mehr von ihrer ‚bisherigen Unbe⸗ fangenheit verloren und fi in Bewußtſeyn, Suffifance, Wortfpielerek ſtark verberlinerten. Site fpiegelten nicht mehr das Heitere Volk der Phäaken, noch weniger bemüßten fie fih, auf fein gutes Herz einzuwir- fen; fie ſchmelchelten nur noch den Glacqueurd, Flaneurs und ber Saphirſchen Spaßmacherel, die echt berlinifeh und jüdiſch obendrein nicht das Mindefte mehr gemein hatte mit dem gefunden Humor einer chriſt- chen Bevölkerung. Man darf in dieſer Beziehung Neſtroy nicht unter die DVerbefferer der Bühne zählen.

Johann Neftroy fleht unter Raymund, dem er nur nachahmt, in« dem er die gemeine Wirklichkeit des Wiener Lebens mit dem Märden- zauber durchdringt. Am beliebteften wurde feine Märchenpoſſe „ber böfe Geift Lumparivagabundus oder das lüderliche Kleeblatt“, 2. Aufl. 1838.

Die Seen wetten, ob es der Fortuna möglich feym werbe, bem Lumpacs vagabundus (Genius der Lüberlichfeit) von drei lüderlichen zwei zu entreißen, wenn fie fie trop allem Verſchleudern immer wieder reich macht und dadurch enblich zum Inſichgehen bringt. Es werden nun die drei lüderlichfien Hands werföburfchen auderlefen und beglücdt, ver Tifchler Leim ift noch der bräufte, viel ſchlimmer der Schneider Zwirn, der hartnädigfte aber der Schufter Knies vien, deſſen ewige Befoffenheit gewiß von Raymund nicht auf die Vühne ges bracht worden wäre. Die beiden leptern bewähren ſich als unverbeflerlih und Fortuna Hat ihre Wette verloren, aber Amorofa, bie Bee der Liebe, rettet die ſchon Verdammten, indem fie ihnen Liebe einflößt und fie durch Häuslichkeit zur Ordnung zurücjührt. Die Erfindung if nicht übel, auch die Charalteriſtik des lüberlihen Kleeblattes fehr treu, mur iſt dad Gemeine zu wenig ver⸗ mieben.

Zu ebener Erbe und erfter Stod, Lofalpoffe von Neftroy, 1838.

Die füngfte Dichtung. 511

Der ſchoͤne Adolph, ein gemeiner Tagfchreiber und Pfiegfohn bed armen Tandlers Schlucker zur ebenen Erbe, liebt bie ſchöne Emilie, Tochter des Milionäre Goldfuchs im erſten Stock, und wird wieder geliebt. Ratürlich darf er nicht daran denken, öffentlich um fie zu werben und ift in großer Roth. Da erhält er Nachricht, er ſey der Sohn eines unermeßlich reichen Kaufmanns in Indien, während Goldfuchs durch die Verſchwendungen feines Sohnes und allerlei Unglücsfälle ruinirt wirb, und am Schluß des Luſtſpiels sieht der arme Tandler mit Bamilie triumphirend in den erflen Gtod hinauf, der reiche Goldfuchs aber in das Parterre Hinunter. Beide Etagen aber vers föhnen fi durch die Heirath Adolphs und Emiliens.

Auch Carl Haffner, deſſen „öſterreichtſches Theater“ 1846 erfchien, hat Raymund in poffenhaften Geiftermärchen nur nachgeahmt, ohne feine Zarthelt und Gemüthlichkeit zu erreichen. Ein höchſt vorzügliches Stüd von Haffner iſt dagegen ein Wiener Lebensbild, Therefe Krones, treu nad einer wirklichen Begebenheit.

Thereſe, eine ſchoͤne Schlefierin, wurde die Beliebtefle Goubrette des Leos polofäbter Theaters und zwar ein Original, fteigebig mit ihren eigen ohne NRüdhalt, aber auch freigebig mit ihrem Gelde. Cine Menge Anekvoten ihrer feltenen Großmuth gingen um. Da kam fie in ein Berhältnig mit einem polnifchen Grafen, ber bei einem Gaftmahl, das er ihr gab, plöglic; als Raubmörber verhaftet und bald darauf gehenkt wurde. Sie durfte nun lange nicht mehr vor dem Publitum erſcheinen, that es zwar noch einmal, flach aber aus Kummer. Haffner Hat das ſchöne, Teictfinnige, aber gutmüthige und geniale Mädchen auf die zarteRe Weiſe ind glänzenbfte Licht der Liebenss würbigfeit gefeßt.

Die öſterreichiſchen Luftfpiele neuefter Zeit von Feldmann, Kal fer, Baumann find alle nicht mehr recht vollsthümlich, fondern ſchon mehr im modernen Zeitgeſchmack. In Brankfurt a. M. tauchte 1834 Malß mit feiner Hauptfigur Hampelmann in mehreren Lokalpoſſen auf.

Abgefehen von Zuftfpielen machte ſich ber Iofale Wig auch in anderen Formen Luft.

Ignaz Friedrich Eaftelli war einer der beliebteſten Humoriften, der feit 1816 eine Menge witziger Kleinigkeiten, Sinngedichte, Anecboten (Wiener Bären), gefellige Gedichte, Gedichte in niederöſterreichiſcher Mundart, dazu Opernterte (zur Schweizerfamilie), eine Satire auf die Schickſalstragödlen (der Schiefalsftrumpf) ac. ſchrieb, ein überaus Heiterer und harmlofer Spaßmacher, der aber zumellen fehon in die fade Worts ſpielerei fiel, die bald tarauf Saphir zu feiner Hauptaufgabe machte.

512 Zwölftes Bud.

Saphir,« der Wirner Jude, der feit dem Jahr 1821 eine unge heure Menge von angebli Humoriftifhen, in Wahrkeit"aber nur bur- Testen Sachen ſchrieb, war eine für bie damalige Zeit höchſt Harakterifti« fe Verſon, nämlich unter Metternichs Tangem geiftlofem Regiment der privflegirte Spaßmacher, der den Leuten, wenn fie etma heimlich zu murren Luft befamen, die Zeit vertreiben und alles zum Laden bringen mußte. Gin verfteinertes Lachen, eine Maske ded Momus ver Fünftigen Revolution entgegengehalten, gleich den zungenausſtreckenden Lallenfönigen an den Thoren der alten Schweizer Städte. Mehr unheimlich als wirklich läderli. Den armen Saphir harafterifict der moderne Juden- oder Wortwitz, der fih durd feine Windigfeit von dem Kern» oder Eter- lingswitz der alten Zeit fo auffallend unterfhelbet. Er fpielt nämlich nur mit Namen- und Sylbenäßnliäfeiten, ein Spiel des Zufalls, kindiſch, nur möglich, wenn man die Langeweile töbten mil, und doch felbft Tang- weilig.

Nur einige Titel von Saphirs Werfen: Dumme Briefe (ein Potpourri über Leben, Literatur, Theater), Conbitorei des Jofus, humoriſtiſche Abende, humoriſtiſche Glasperlen ac. Auch gab er mehrere humoriſtiſche Zeitſchriften heraus, worin er ſich zum Wig forcirte. Hier einige Proben. Zur Zeit der volniſchen Revolution ſchrieb er „die Freiheit it ein Magnet, ber bei den Volen am fehärfften zieht“. Zur Zeit der conftitutignellen Kämpfe: „Die Arche No& war die erſte Pairöfammer, denn jeder Verfchlag faßte ein Paar.“ Diefe Dige gehören nod zu feinen beften. Meift find fie die werthioſeſte Spaß- macherei über Theater, Stadtneuigfeiten und Klatſch aller Art.

Die „wilden Roſen“ Saphir von 1838 find lyriſche Gebichte zärt- lichen Inhaltes, die zwar auch viel Spielerei in Metaphern enthalten, im Ganzen aber ein feines und warmes Gefühl zeigen, das Befle, mas Saphir je geſchrieben.

Seit 1830 ahmte ihm ein anderer Jude Oettinger nicht unge ſchickt nad in einem ſatiriſchen Taſchenbuch „das ſchwarze Gefpenfl“, fer ner in „faſhlonablen Dummheiten, im confiscirten Eulenfpiegel, Mara= bouts, Joujoux, einem Narrenalmanach“ ꝛc. Auch ſchrieb er kleine dramatiſche Deſſerts (Luſtſpiele), Liebesblicke (Gedichte) und einen größeren humoriſtiſchen Roman „Onkel Zebra“, deſſen Witz ſehr forcirt, aber ganz harmlos iſt. Im „Reich des Roſtradamus“ von 1845 wühlt Oettinger zu tief in den Erinnerungen der coloſſalen Sittenloſigkeit des altfranzö=

Die jüngfte Dichtung. 513

ſiſchen Hofes. Hermann Marggrafs humoriſtiſcher Roman Brig. Beutel“ (1856) iſt unerlaubt geiftlos, Indem er ven ewig fliehenden Witz bei den Haaren zurüdzerren mödte und nur Abgeſchmacktheiten enthält. Zur Probe: . F Brig Beutel gewinnt die Schlacht an der Alma und ſtürmt Gebaftopol, indem ihm Guitarria, Cichoria, Cigarretta zu Hülfe kommt. Unterhaltung des Kaiſer Brig Beutel mit feinem Marineminifter über Cigenthumsrecht und den alten Adam, für Juriſten von größter Wichtigkeit ze.

Glasbrenner, ber ſich Brennglas nannte, fehrteb feit 1834 eine große Menge witziger Humoresken aus Berlin und über Berlin.

Berlin wie es ißt und trinkt. Gucklaſtenbilder. Buffey in der Kunſt⸗ ausſtellung. Der politifirende tkenſte her. Antigone in Berlin sc., alles treu nach dem Leben und oft fehr wigig, fo daß feit Julius von Voß Feiner den Berliner Wind fiherer aufzufangen wußte, wie Giasbrenner.

Glasbrenner begann mit etwas phantaftifgen Sachen: Aus den Pa= pleren eines ‚Hingerichteten und Leben eines Geſpenſtes. Später ſchrieb er eine Walpurgisnacht und einen modernen Neinede Fuchs vol politi— fer Anfpielungen. Er fand bald Nahahmer in Berlin felbft an Wehl (Berliner Stednadeln, ver Teufel in Berlin, 1844), in Leipzig an Senff (buntes Leipzig 1842), fogar in Wien an I. C. Mofer (feit 1842). .

Die feit 1846 in Münden von Braun und Schneider herausgegebe- nen „Bllegenden Blätter“ enthalten einen reihen Schag von. echt volks⸗ thümlihem Humor. Wenn aud untermifgt mit großftäbtifchen Wige- leien Im gewöhnlichen Styl der Wiener und Berliner Wigblätter, beſteht doc der Inhalt der liegenden Blätter größtentheils aus guten Schmän- Ten, Charakterzügen und Bonmots, die dem bürgerlihen und ländlichen Leben, dem eigentlichen Volk entnommen find und gegen alle Art von ueberbildung und Mobethorheit Oppofitton machen. Sie ftehen hoch über allen anbern illuſtrirten Wigblättern, die faft in jeber größern Stadt auf- getaucht find.

Menzel, deutfge Ditung. U. 33

514 Zwölfte® Buch.

. 8. Hene Keime volksthämlicher Dichtung.

Hatte man ſich auch von der Romantik, wegen ihrer phantaſtiſchen Ausſchweifungen, abgemandt und mar bie politifce Begeifterung von 1813 erloſchen, fo erhielt fi do ein nüchternes und behagliches Heimaths- gefühl. Man Hatte nun doch einmal fid felber achten gelernt. .

Zur volksthũmlichen Neactton gegen bie Auslänberei und Claſſicitüt gehörte zunädft die Wiedererweckung der mun dartlich en Dichtung. Kunſtdichter fingen an, fi ver Bauernſprache ihrer Helmath zu bedienen, um im Xon ver Volkslieder ober in Folien, Volksmärchen und Schmän- Ten das Bolt in feiner ganzen Natürlichkeit bald mehr gemüthlich ernft und empfinbfam, bald mehr humoriſtiſch darzuftellen. Diefe Dichtungsart hatte aber Häufig etwas Kokettes, Gemachtes und eben deßhalb nichts , Natürliches, ober fie faßte das Volk gar zu gemein auf. Schon Uftert und Joh. Heinr. Voß hatten Idyllen, dieſer in Schweizer, jener in nies derſãchſiſcher Mundart geſchrieben, die jedoch zu fehr claffifhen Muftern nachſtreben, um natürlich und volksmäßig genannt werden zu können.

Ioh. Peter Hebel von Laufen bei Schopfheim am Fuß des Schwarz« walds, Kirhenrath und Prälat in Karlsruhe, ſchrieb feine berühmten „Alemanniſchen Gedichte“ 1803 in ver lieblichen Mundart des ſüdlichen Schwarzwaldes, unb einen nicht minder berühmten und beliebten Bolks- Talender, ven Rheiniſchen Hausfreund, deſſen befte Schwänfe nachher im „Schatzkaͤſtlein des rheiniſchen Hausfreunds“ geſammelt wurden. Diele feiner Gedichte find von Kebenswerther Nalvetät und das Volksthümliche bringt darin mãchtig zu Tage. Allein wiberlich entſtellt find andere durch Einmifung moderner, fentimentaler Gefühld- und Ausdrucksweiſen ber gebilbeten Welt, ja fogar dur die Einmifhung des loyalen Beamten- geiftes. Eine Anzahl befteht aus Eleinen Idyllen in Hexametern, aber ‚bie bäuerliche Naivetät und Rohheit paßt nicht in die prachtvoll firömen- den Verſe Homers. Gleich auf ber erflen Seite Heißt e8:

Bo mit liebligem Gſicht us tief verborgene Chlüfte Biefen luegt, und check go Zobtenau aben ins Thal fpringt, ſchwebt mi muntere Blid, und ſchwebe mine Gedanke.

Die füngfle Dichtung. 515

Wo mird «8 je einem wirklichen Schwarzwãlder Bauern einfallen, in ſolchen gebilveten Phrafen und mit fo viel Bewußtſeyn von der Mun— terfeit feiner eigenen Blide und feiner ſchwebenden Gedanken zu reben ? Wir ſchlagen Feine Seite bei Hebel auf, ohne daß uns dieſe unnatürliche Verbindung der Bildung höherer Stände mit der Sprache ber niederen auffällt Seine Mufe iſt eine Stadtdame im Coftum einer Schwarzwälder Bäuerin. Auch die Lieder Hebels, die niht in Herametern, fonbern in ber gewöhnlichen deutſchen Liederwelſe gedlchtet ſind, entbehren meiſtens des echten Vollstons. In „den Irrlichtern“ Heißt es:

Es wandlen in der ſtille dunkle Nacht

Wohl Engel um, mit Sterneblume bchrönt sc. Das iſt nicht vollsthmlich. In '„dem Morgenftern“ Heißt «8:

Boher fo früheih, wo ane fcho, Her Morge:Stern enanderno, in biner gligrige Himmeld-Tradit, in Diner guldige Lode Pracht, mit dinen Auge chlot und blau und fufer gewäfchen im MorgesThau ? Das tft nit volksthümlich. In der „eine Frage“ Heißt es: Sag, weiſch denn felber au, du liebi Geel, Was 's Wienechtschindli iſch, und heſchs bidenkt? Denk wol i ſag ders, und i freu mi druf. D 's iſch en Engel ufem Paradies Mit fanften Augen und mit zartem Herz x. Das iſt nicht volksthümlich. . In dem „Käfert Heißt es: Der Käfer fliegt der Ilge zu, es figt e fchönen Engel doͤrt, er wirthet gwiß mit Blumefaft und s hoftet nit viel, hani ghört sc. Das iſt nicht volksthümlich. In dem „Ienner“ wird von Bauersleuten der Jenner als allegoriſche Perſon weitläuftig nach allen feinen Eigenſchaften beſchrieben, was ganz

und gar gegen die Natur der Bauerneinbildungskraft geht. Auch die 33*

516 Zwoͤlftes Buch.

laändliche Liebe wird don Hebel mit einer Abfichtlichkeit, mit einer über dem Gefühl ſchwebenden Reflexion und in Ausdrucksweiſen behandelt, die jede Natvetät und volksthümliche Wahrheit ausſchließen. Man leſe z. B. „die Ueberraſchung im Garten“.

Nur in den wentgften Liedern Hebels Elingt ver rechte Volkston an. Hin und wieber In den Idyllen, fo daß man wohl flieht, der Dieter Hätte das Lieblichſte dichten können, wenn er nur bie Affertation, in Herametern zu ſchrelben, hätte laſſen können. So der Scherz mit. dem Eleinen, ſich verſteckenden Mädchen. Auch in dem „Hexlein“, wo ein Bauer ‚von einem hübſchen Mädchen behert wird, find volfsmäßige Anklänge. In „ber Mutter am Chriſtabend“ {ft die Naivetät ver häuslichen Scenen aufs wiberlichfte geflört durd die Reflexion. Anſtatt daß der Dichter die Mutterliebe nur in ihren Aeußerungen hätte malen ſollen, ſpricht er em⸗ phatiſch über „den zarten Mutterſinn“, das „Mutterherz“, die „Mutter⸗ liebe, was vollends im bäuerlichen Coftüm unerträglih wird. Am meiften dem echten Volkslied ähnlich find „Hand und Verene“ und „ber Schwarzwälder im Breisgau“, obgleich auch nicht ganz rein. Das einzige Gedicht aber, das in jeder Beziehung vortrefflih if und au ganz gut unter die romanzenartigen echten Volkslieder eingerelht werden Tann, iſt „der Bettler“, worin ber Gelichte, als Bettler verkleidet, zur Geliebten zurückkehrt und fle überraſcht. Hier iſt alles natürlich und Innig.

Höchſt eigenthümlih und vom liebenswürdigſten Humor eingegeben find die Schwaͤnke des Hebefhen Schatzkäſtleins, eines der beften Schwank - bücher, die wir befigen.

In der Schweiz ſchrieb Kuhn 1806 „Volkslieder Im Schweizer Dialekt“ und fhon in Hebels reflectirender Manter. Viel gemeiner das gegen dle Schweizer Vollslleder von Häffliger 1813. In ver „Ale mania“ gefammelten Liedern von Dorn, Schneider, Hagenbad und Eichin herrſcht die Hebel'ſche Art vor und findet fih auch manche Humoreske. Bon den alemannifchen Gebiäten, welhe E. von Bülow 41851 aus verſchledenen neueren Schweizerdichtern zuſammentrug, gilt

daſſelbe. Hier ragt Minn ich hervor, aber au er reflectirt zu viel und überfegt nur bie Gebanfen eines geblldeten und empfinpfamen Herrn in die Bauernfprade.

Die jüngfe Dichtung. 517

Bon derſelben Hebel'ſchen Art iſt auch Corrodi's „der Herr Vrofeſſer“ (1857) in vortrefflichen Hexametern.

Einzig in ihrer Art waren bie Luſtſpiele des Schultheiß Wag⸗ ner (feit 1823) in ſchwäbiſcher Mundart, durchaus realiſtiſch, die ganze Grobheit der Bauern zur Schau tragend, ohne alle empfindfame Beſchöni— gung, ‚nur mit zu viel Verachtung des ungebifdeten Standes, der nicht 6108 jene rauhen Seiten hat.

In der „Schulmeiſterswahl zu Blindheim“ mit einer Fortſehung werden die Dorfintriguen mit trefflichem Humor geſchildert, die Schleichwege der Bewerbung, bie Beſtechungsarten, bie Politif der Mütter heirathefähiger

. Töchter ıc. „Die Gemeindebeputirten zu Leer“ und „ber Zinspacht“, fo wie die Repräfentantenwahl zu Dippelsburg“ Iegen die Verfioctheit der Bauern gegenüber von weifen Verfügungen, und bie Dummheit der Bauern gegenüber von ſchlauen Intriganten und badurdh „die Unmündigkeit des Volt3“ gegenüber den liberalen Anforderungen ber Zeit bar. Das Meifterflüd aber if „ber Handſtreich bis auf Spig und Knopf“ mit einer Bortfegung, womit Bagner feine Leiftungen ſchloß (1827). Der Bauer Strobel will feinen Sohn Friederle mit des Bauem Hansobbet Tochter Judith verheirathen und ſchon ift bie Verlobung faft am Ende, als bie beiden groben Bäter wegen einer Ausſteuerluh, die dem andern zu mager ift, in Hige gerathen und fluchend und tobend außeinanbergehen. Das gereicht aber zum Vortheil des Friederle, der längft eine andre liebt. Diefe andre bekommt er auch, aber erft, als fie durch eine Erbichaft plöglich reich wird. Die Bauerncharaktere find mit Meiflere Hand gezeichnet nd feldft von Bitius nicht übertroffen.

In der Nürnberger Mundart gab fon 1798 Joh. Conr. Grübel

Gedichte Heraus, die aber mehr ſprachlich merkwürdig, als poetif find.

Er filbert zwar den Spießbürger in feiner Behaglichkeit, Gutmüthigkeit

und Vefchränktheit recht treu, aber es fehlt ihm bie eigentliche vis comica,

Solche Selbfibefpiegelungen des deutſchen Philifierthums bedürfen einer ſtarken Würze von genialem Humor, um nicht zu langweilen.

In der Auffaffung eher Grübel, in der Mundart eher Hebel ähnlich Trieb Daniel Arno Ip 1816 „den Pfingftmontag“, ein Drama im en burger Dialekt.

Unterbef Hatte au im deutſchen Norden Bornemann 1810 plattbeutfche Gedichte herausgegeben , die 1854 in ſechſter Auflage erſchie- nen. Man Hat ihn fehr gepriefen, ich mag ihn aber nit, denn er iſt ein Mufter unerträglider Kofetterie und Wichtigtäuerel.

518 . Bwölftee Bud.

Grandeer (Grenadier) bin ick ut Poamerland Soldoat in Luft und Fred.

Diefed emige Selbftlob, welches Bornemann den Pommerjchen Bauern in den Mund Iegt, die ewige Selbftauspofaunung ihrer Bieder⸗ kelt, Tapferkeit, Unſchuld und Natvetät iſt nur efelhaft. Sehr gering find auch die Gedichte in oberfächfliher Bauernmundart von Döring (1821). Dagegen viel beffer, gefünder, volfsthümficher die plattveutfehen Gedichte des Claus Groth von 1823, die unter dem paffenden Namen

Ouickborn (febendiger Duell des Volksgefühls) erſchienen. Man findet bier den ganzen füßen Wohllaut, der bie plattdeutſche Sprache auszeich- net, zum erflenmal zu poetifher Geltung gebracht und auch den Inhalt der Dichtungen ungleich zarter und doch auch volfsthümlicher behandelt, als hei Bornemann. Groth fließt fih aufs genauefte an das echte Volkslied an und bringt viel Volksſagen und Geſchichten. Später er- ſchienen noch plattdeutſche Gedichte von Jung (1849), Gedichte in ver Aachener Mundart von Joſ. Müller (1840), in der Luremburger Mundart von A. Meyer. Im „Lappenkorb“ des Element (1848) finden fi allerlei Spriämwörter, Sagen, Genrebilder aus Friesland, deögleigen in Gol dſchmidits Heinen Lebensbildern (1844) aus Olden- burg. Die reiäfle Sammlung mundartlicher Lieder, Sagen ꝛc. aus allen Gauen Deutfehlands begann Firmeni in „Germanlens Völkerſtimmen“ zu fammeln, theils echte alte Volkslieder, theils Neues.

Eaftelli gab 1828 Gedichte in nieveröfterreihtfher Mundart her= aus, melde vielen Beifall fanden. Obgleich ſie nur auf die Unterhaltung ber Wiener berechnet find, gibt Ihnen Caſtelli's eigene Gutmüthigfeit und treffliche Laune doch einen gewiſſen Reiz des Natürlichen. Franz Stelz- hamer ſchrieb 1837 Lieder in Obderenſiſcher Mundart (vermehrt im feinen Gedichten 1855), theild im Tone ber von Tſchiſchka und Schottky herausgegebenen öfterreiifchen Volkslieder, theils empfinbfam tm Tone Hebels. Dazu kommt nod. ein Element von Wieneriſcher Blafirtheit und ſchlechten Wis. Die Mundart tft nur ein Mittel, um das Wiener Pu—⸗ blikum zu amuflven. Von einem wahren tiefen Volksgefühl und von dem Heiligen Ernft, mit weldem ein tüchtiges, ſchönes, frommes Bergvolk aufzufaffen wäre, tft da Feine Spur. Beffer find die 1838 von SetbI in Wien herausgegebenen „Flinſerln“, denen er 1844 noch Gebiäte in

Die jüngfte Dichtung. 519 j

nlederoͤſterreichiſcher Mundart folgen ließ. Kartſch gab 1849 öfter reichiſche „Belpblenmeln“ Heraus.

Unter allen Lyrikern, melde volksthümlich und mundartlich gedichtet haben, gebührt dem Münchener Franz von Kobell ver erfle Rang, denn keiner ließ fo alle Affectation Hinter fi und dachte und redete fo ganz rein aus dem Bol heraus. Seine Gedichte in oberbayeriſcher und pfäl- ziſcher Mundart (mit einigen hochdeutſchen verbunden) von 1839 zeigen und die Oberbayern und Pfälzer im treueften Spiegel. Ein Bild aus dem bayeriſchen Gebirge.

Es ſchlaſt a Diendl untern Baam Daneb'n liegt ihr Huet,

Der Tag is warn, bei'm Baam is's Hühl, Sie ſchlaft fo ſüeß, fo guet.

Da kimmt a Jager aus'n Wald,

A alter finf’rer Mon,

Der ſchaugt dees Diendl in fein Schlaf Grad in Vorbeigehn on.

Auf oamal aber fehrt er um,

Jeb fleht er, lang vor ihr,

Aufrs Mieder ſchaugt er, gfalt ihm g’wiß Da dran dees reicht Gfchnär.

Er werb’ ja bo fon Räuber ſeyn

Und werd’ ihr ja nix thoan,

38 ja a bluetjunges Diendl no

Und gran is ſcho der van,

Na ſchau, er geht und thuet ihr nix

Und do Hat 'n was brudk,

Er hat fl hinter'n Ohrna fragt

Und 3 Huetl hat er g’rudt.

Echte Walbluft athmet auch das Lied vom Auerhahn.

Der Jäger bedauert das dumme Thier, das, vom Liebe verblenbet, den Feind nicht kommen fieht, verfinft aber ſelbſt dabei fo in bie Grinnerung feiner eigenen Liebe, daß er ben Bogel vergißt, ber ſicher bavonfliegt.

Ein Bild aus der Pfalz:

Lische, Lische, Halt a bische, G'ſchwind a Kißche!

520 Swolftes Bud.

„Ree, wann’d Jemand fehe thät"

Ei wie fo,

S is Niemand do

MS der Bu, ber nir verficht! Ruf.)

Und dem Kuß gudt eener zu,

Und des war a Hleener Bu!

Au unter ven hochdeutſchen Gedichten Kobells finden FF ſehr ihöne 3. B. das herrliche Weinlied mit majeſtätiſcher Melodie: „Ein König if

ber Wein!« Minderen Werth haben Pangkofers Gedichte in alte bayeriſcher Mundart (1842).

Hübſche Ländliche Genrebilder enthält das Buch unterem Schindel⸗ dad“ von Waldmüller (1851). .

Eine neue Seite gewann Bogumil ® ol in Thorn (feit 1849) vem Volksgeiſte ab, indem er In feinem „Buch der Kindheit” den geheimniß vollen Rapport der Kinder mit ber fie umgebenden Natur und überhaupt die ganze Romantik der Kinderwelt enthühte. Dabei kam er auf bie tieffle Grundlage des deutſchen Nationalcharakters. Sein Buch wurde ſchnell berühmt, wird aber auch noch für die Nachwelt von Bebeutung bleiben. In der fhönen Begeifterung für feinen Gegenftand, in ver edeln und freien Auffaffung fteht Golg dem Jean Paul am nächſten. Er ſchrieb nachher noch mehrere Werke, ein „Jugendleben“, eine „Reife nad Aegyp- ten“ ꝛc., alle vol Geiſt. Weniger poetiſch, durchaus nüchterner faßte gleichzeitig Profefior Riehl in Münden das Volksleben, zunächſt feiner heſſiſchen Heimath auf, und ſchrieb im Sinne der patriotifhen Phanta- fien des alten Juflus Möfer viele treffliche Bücher über die Grundlagen des deutſchen Nationallebend und Nationalmohls, die Bamilte, den Bauernftand ꝛtc.

Guſtav von Putlig machte mit einem Eleinen Buch in poetifger Profa „Was fi der Wald erzählt“ großes Glück, indem es raſch hinter einander zwanzig Auflagen erlebte (bls 1857). Er Hat offenbar dem Buch der Kindheit die Naturfprache abgelauſcht und mag habel auch ein wenig an Tiecks Märchen gedacht haben.

Die Blumen im Walde reden mit einander unb erzählen einander ihre Entftehung. Deögleicjen ber Waldbach, der feinen Urfprung aus empfinbfamen

Die füngfle Dichtung. 521

Thranen Herleitet, der alte Tantenbaum, ber vom Winter erzählt, der ber moodte Stein x., alles fehr pretiös.

Am meiften Beifal und Verbreitung erlangten bie fogenannten Volksromane, Dorfgefhichten ı. Man Fam enblih von den hiſtoriſchen Romanen, bie fi unter allen Zeiten und Völkern ihren Stoff geſucht, zu Romanen zurück, die ausſchließlich im deutſchen Volk zu Haufe blie— ben, von den Damenromanen „aus der Geſellſchaft“ zu Schilderungen des Landvolf3, und von ben mehr ober weniger enthufiaſtiſchen Tendenz⸗ tomanen vol Illuſionen und Gedanken zu der gemeinen Wirklichkeit. Diefe merkwürbige Wendung erfolgte im Culminationspunkt der antikirch⸗ lien Schwärmerei, in der Mitte ver dreißiger Jahre, als eben Strauß, Auge, Feuerbach ıc. das Chriſtenthum zu flürzen wähnten, und zuglelch im Culminationspunkt des literariſchen Judenthums, des Keine» und Börnecultus. Wie aber in ven neuen Volksromanen und Dorfgefiäten die Wirklichkeit des deutſchen Volks fi gleichſam mit derben Ellbogen- flößen Platz machte, fo erfolgte gleichzeitig auch die Fatholifhe Reaction in Köln. Der erfte Volksroman von Bitzius erfehten im Jahr der Köl« ner Wirren, 1837. Der große Durchbruch des neuen Geiſtes erfolgte in der nationalen wie kirchlichen Richtung.

Die Wendung wurde wie ein elektrifher Schlag oder mie ein Erb- bebenftoß meithin gefühlt. In Frankrelch ſelbſt, mit deſſen beftructiver Poeſie wir damals überfämemmt waren, blieb der mächtige Rückſchlag aus Deuiſchland nicht Tange ohne Folgen. Unter den geiftreichften Kleri- fern that ſich eine altfränkifce oder gothiſche Schule auf, welche, zum - Geift Montesquieu's zurückkehrend, den eigentliden Kern, die Ehre und den Stolz der franzöſiſchen Nationalität nit mehr im galliſch-römiſchen, fondern im frankiſch⸗burgundiſch-weſtgothiſchen Elemente fand, und bie gothifhen Formen des Mittelalter wieder hervorſuchte, weil fie dieſelbe dem katholiſchen Weſen für angemefiener hielt, ald die Kormen der Re—

naiſſance. Und die berüchtigte Madame Dubevant, das geiflreichfte Weib in Frankreich, die unter dem Namen G. Sand biöher nur glauben- und fittenzerftörende Romane geſchrieben hatte, warf ſich, nad unſers heut- fen Bigius Vorgang, auf einmal auf Dorfgeſchichten und ſchilderte in unübertrefflih reigenben Idyllen den alten frommen Glauben, die alten

322 Iwölftes Buch.

guten Sitten, Treue und Unſchuld des vom Pefthaud der Stäbte unbe» rührt gebliebenen Landvolkes.

Gehen wir in unferer Literatur zurüc, fo finden wir, daß eigent- lich ber belichtefte Kinderfchriftfteler, Domherr Chriſtoph Shmtd in Augsburg, die Ländliche Idylle zuerft in der Einfachheit und Natürlichkeit

. in Brofa auffaßte, wie mir e8 in den fräteren Dorfgeſchichten finden,

“nur daß er für Kinder und nicht ohne religiöfe Weihe ſchrieb. Seine berümteften Erzählungen find „bie Oftereter* (1816) und „Heinti von Eichenfels“. Die ſchönſte feiner Idyllen iſt aber feine Selbftbiographie, herausgegeben und vollendet von feinem Neffen Merten ‚Hier athmen wir bie reinfte Bergluft des Allgau.

Die erfte eigentliche Dorfgeſchichte ift der Zrwiſch/hrih eine Novelle

der Adelheid Reinbold, die unter dem Namen Franz Berthold ſchrieb und ſchon in früher Jugend ſtarb. Ihre hinterlaſſenen Novellen, die ſich durch friſche Farben auszeichnen (ruſſiſche Scenen, die Nebenbuhlerin ihrer ſelbſt ꝛc.) und ihre größeren Romane, König Sebafttan (in wel- chem eine Ehriftin für den wahren, eine Muhamedanerin für ven falfchen Sebaſtian begeiftert It), gab Tieck heraus (1839): Der Irmiſch-Fritz er- fen zuerft in dem Taſchenbuch Urania, fpäter in den Novellen 1842. Fritz, ein armer junger Bauernburfeh , Befommt den Webelnamen vom Ir⸗ wiſch, weil ihn feine Mutter unter freiem Himmel, vom Irwiſche verlodt und verirrt, in Tobesangft geboren hat und barüber geftorben ifl. Er wird aber der ſchönſte Jüngling im Dorfe und gewinnt die Liebe eines reichen Mädchens, die er im Felde auffucht. Cine überaus lieblich ausgemalte Idylle, deren einzelne Züge ſich in ber Meinen Fadette der ©. Sand wieberfpiegeln. Der reiche Bater will dem Burfchen die Tochter nicht geben, ihre jüngere Echwefter, ein verzogenes Kind, macht ihr noch mehr Plage durch Angeberei und Gifers ſucht. Sie fol endlich mit einem Apbern getraut werben und auch Fritz eine Andre heirathen, aber durch Zufall wird die Trauung in der Kirche bis zur Dunfelfeit verfpätet und fehlen die Lichter. Da werden die Paare verwechfelt; Brig, einmal mit feinem Lieschen getraut, behält fie und alles endet im beflen Humor.

Die Erfindung {ft zwar arm und der Schluß unwahrſcheinlich, aber die Charaktere und Situationen find‘ meifterhaft natürlih und mahnen ſchon ganz an Bitzius, durchaus verſchieden von den Eofetten Mimilis einer erlogenen Ländlichkeit.

Eine ganz neue Gattung von eigentlichen Volksromanen gründete

Die jüngfe Dichtung. 523

Albert Bitz iue, ber ſich Jeremias Gotthelf nannte, reformirter Pfarrer im Canton Bern, indem er 1837 feine Schilderungen aus dem Berner Landleben begann. Ex fpiegelte einfach das Volk ab, wie e8 war, in Ge- mãlden, bie fi durch ihre Naturtreue bald den allgemeinſten Beifall ers warben. Nur Poeſie vermißt man darin, weil der Dichter weniger im Sinne hatte, gebifvete Leſer zu ergögen, als das Volk felbft zu beffern. Er ftellte ergreifende, oft ſchreckliche Belipiele des Verderbens auf, dem dad Landvolk zum Opfer fällt, wenn e8 die angeborene Barbarei nit mehr durch chriſtlichen Glauben und gute Sitte zügelt, fondern ſich der berühmten Schwelzerfreifeit und ber mobernen radikalen Errungenſchaften nur bedient, um der Genußſucht zu fröhnen, zu fpefuliren und fi zu ruinlren.

Sein erſter Roman „ber Bauernſpiegel“ von 1837 enthält die Geſchichte eined armen Bauernfnaben, welcher, früh verwaist, die niebrigflen Knechts⸗ bienfte thun muß, dad Mädchen, welches er zärtlich Tiebt, micht heirathen kann, feanzöfifchen Solddienſt nehmen muß und endlich heimfehrt, um Privatichuls meifter, Dorfrathgeber und vielleicht noch Gemeindeſchteiber zu werden. An biefen einſachen Baden reihen ſich fehr ernſte Betrachtungen über bie Herzens— verhärtung, Gelbgier ıc. auf dem Lande.

„uli, der Knecht“ von 1842 iſt ein Ceitenftüd dazu, nur daß hier der Knecht aus Charakterſchwaͤche ins Verderben rennt, bis ihm feine Geliebte, das freue und verfländige Vrenele, wieer auf den rechten Meg bringt.

„Wie Anne Bäbi Jowaͤger haushaltet“ von 1844 ift eines ber beften Ge⸗ mälde von Bigius. In einer reihen Bauernfamilie regiert die Frau Anna Bibi. Ihr fanfter Sohn Jafobli verliebt ſich in Meyeli, eine blutarme Magd, bie im haͤrteſten Dienft und in ber roheften Umgebung aufblüht wie eine Lilie im Eumpf. Gr fennt die Gefinnung feiner Eltern und weiß, wie ungern fle eine fo arme Schtwiegertodhter im Haus aufnehmen würden, aber er Fann ed nicht über das Herz bringen, ihr zu entfagen. Indem er, in Träumen vers loren, zu ihr gehen will, lößt er an einer Ede mit ihr felbft, bie raſch daher⸗ tommt, fo zufammen, daß ihr ber Korb voll Rüben vom Kopf fällt. Er aber reicht ihr die Hand und begehrt fie zum Weibe. Sie wird durch ihn der Hölle, in der fie bisher gelebt, entriffen. Die Schwiegereltern und deren Gefinde nehmen fie zwar nur Hart und unfreundlic auf, aber „ihre innere Wärme tropte“ und befiegte bie Kälte ihrer Umgebung.

„Der Geldstag· von 1846 ſchildert einen jungen dürftigen Gaſtwirth, der eine reiche Frau nimmt, die ſtolze Eiſt, einen neuen Gaflhof errichtet, prahlt, teinft, fpielt, ſich als reigeift geberbet, die rabifale Mode der Zeit mit: macht x., bis er voller Schulden in Folge der Trunkſucht ſtirbt. Da wird

524 . Bwölftes Bud. B

er vergantet und die flolze Gift muß zufehen, wie alle ihre Fahrhabe vers auctionirt und ihr großer ſchoͤner Spiegel von einer ſpoͤttiſch auf fie herab⸗ blidenden Nebenbuhlerin erftanden wird.

„Jakobe, des Hanbwerkögefellen, Wanderungen durch die Schweiz“ von 1846 zeigen uns den Gefellen in Zürich, Bern, im Waadtlande ıc. unter den verſchiedenſten Ginflüffen des Rabitalismus, Straußenthums, Communismus ıc. jener Zeit. Er wird auch Halb verführt, macht aber fehr Bittere Grfahrungen und iſt von fo guter Art, daß er umlenkt und als frommer und fleißiger Hands werfer in bie Heimath zurückfehrt.

„Geld und Geiſt“. Gin junger Bauer liebt ein braves Mäbchen, deren Vater aber einen zweiten, widerwärfigen reier, blos weil berfelbe noch reicher iſt, begünftigt. Der junge Liebhaber fommt mit ſchmucken Roſſen felber im beften Buß dahergefahren und das Herz des Mädchens pocht ihm liebevoll ent⸗ gegen, aber ber Mater empfängt ihn mit einer Miene voll Effig und Galle, nimmt an, er fey nur gefommen, eine Schuld einzufaffren, zahlt ihm das Geld in ben Fleinften und ſchlechteſten Münzforten auf ben Tifch und Heißt ihn gehen. Zum Vorwand ber Abweilung muß auch der Umftand dienen, daß der junge Mann noch nicht felbffländig if. Er foll erſt Herr des väterlichen Gutes, Vater und Mutter ins Hinterflübchen verbannt feift, worauf er aus tindlicher Bietät ſich nicht einlägt. Auf ſolche Weiſe nun tritt das gemeinfte Gelbinterefle einer in jeber Beziehung paflenden ehelichen Verbindung in ben Weg, und bie beiden jungen Leute werben felbft durch Mißverſtand und ver⸗ meintliche Kränfung einander im Herzen entfrembet, bis günfligere Umftände eintreten, die dem Süngling unter ben Augen feiner guten ſterbenden Mutter die BVerföhnung mit feiner Geliebten und eine glüdliche Heirat möglich machen.

mSeitgeift und Berner Geil“ von 1852. Hans, ein reicher Bauernfohn, wird durch bie Radikalen aus der Stadt beſchmeichelt, verführt und gänzlich ruinirt. Treues Spiegelbild des ſchändlichen Treibens der'damaligen Berner Rabifalen.

„Grlebniffe eines Schulbenbauers" von 1854. Hans Joggi übernimmt ein größeres Gut mit Schulden, wird felber nicht bezahlt und wird von args liſtigen Menfchen fo lange ausgefaugt, bis er Haus und Hof verliert, tröflet ſich aber in einem foliden Hausfnechtödienft,, in dem er forglofer Iebt, als früher.

In Heineren Erzählungen verfuchte Bigins zuerft 1842 im „Sylveflertraum“ Jean Baulfcen Schwung der Phantafie, dann 1843 in den „Bildern und Sagen aus der Schweiz“ vomantifche Voltsfagen wiederzugeben, wovon er aber wieder abging. Die „Erzählungen aus dem Volfeleben“ von 1852 ent⸗ halten wieder nur ländliche Charakterbilder, z. B. das einer reichen Bäuerin, bie einen jungen Freier ihrer Tochter ans der Stadt abfertigt, eines börflichen Piepmeiers, der es mit allen Parteien Hält, eines deutſchen Flüchtlinge, der Schweizergnabenbrod mit Tränen effen muß 2x.

Die jüngfe Dichtung. . 525 -

„Die Frau Pfarrerin“ if die lehte Grzählung von Bigius (1855), eine

Idylle von großem Reiz. Die Pfarrerin ift eine einfache, befcheidene, ſchüch⸗

terne Natur. Sie verliert Vater und Gatten und bleibt kinderlos, einfam,

bis fie eines Tages unvermuthet einfhläft und flirht. Kein Verwandter trauert um fie, nur ein Meiner Vogel, den fie liebreich gepflegt, ſeht ſich auf ihre

Achſel, auf der er fo oft gefeflen, und flirht mit ihr.

Wenn dad Rauhe und Peinigende in der Schilderung des Wirklichen bei Bitzius viel mehr vorfhlägt, als eine der Einbildungskraft ſchmei- chelnde Idealiſirung, fo war es doch äußerſt nützlich und zeitgemäß, daß nad fo viel magenverderbender Leckerel endlich wieder einmal derbe Haus- mannskoſt auf den Tiſch Fam.

- Mehrere Schweizer ahmten Bitzius nah. A. Hartmann trat ihm mit feinen Kiltabendgeſchichten (1853) offen als Goncurrent entgegen, ohne alle Berechtigung, denn er behielt von Bigius faſt nur deſſen Fehler bei. Beſcheidener, aber nicht gehaltreiher find Bitters Geſchichten aus dem Emmenthal (1857). Ungleich beſſer find die Erzählungen von Ih. Meyger-Merian: „ber verlorene Cohn“, die Geſchichte eines in der vornehmen Welt ſich vertrrenden, aber zur reiten Zeit in fein natürliches Geleis zurüdtretenden Handwerkers, und „Sienfeppli#, bie rührende Kebend» und Todesgeſchichte eines unglücklichen Ausmürflings der Gefell- ſchaft, der fi zufeßt aus Dankbarkeit für feinen Wohfthäter bei einer großen Ueberſchwenmung aufopfert (1853 und 1855).

Bitzius befter Nachahmer wurde ein aus dem Schwarzwald gebürti» ger Jude, Berthold Auerbach. Derfelbe fehlen anfangs biefer finnigen Bertiefung im chriſtlich- deutſchen Bauernleben, durchaus fremd zu ſeyn. Er begann mit zwei Romanen, „Spinoza“ (1837) und „Diäter und Kaufmann“ (1840), melde beide darauf berechnet find, den „freien Gelft“ des mobernften Judenthums im Gegenfag gegen jeden pofitiven jüdiſchen, wie chriſtlichen Glauben, zu verherrlien. Auf diefer Bahn wäre Auer- bad verfunfen, wenn nicht die Romane von Bitzius heimathliche Jugend- gefühle in ihm geweckt und ihn unwiderſtehlich zur Nachahmung getrieben Hätten. In den „Schwarzwälder Dorfgeſchichten“, deren erſte Bände Auerbach 1843 drucken Heß, verräth ſich überall die Bezauberung, in welcher derſelbe fih befunden, ſeltdem er Bitzius gelefen. Noch führt ber Schüler nicht mit voller Sicherheit den Pinſel des Meifters, aber

526 Swolftes Bud.

überall blickt deſſen Manier hervor. Der Schauplatz iſt nur aus dem Canton Bern in den katholiſchen Schwarzwald verlegt. Die harten, gro» ben Bauern, die Dorflöwen, die dummen Nüpel, bie Mütter und die jungen zarten Dulverinnen im ländlichen Miever find biefelben, nur in fehr wenig verändertem Coſtüm. Das Rauhe herrſcht, wie bei Bihius, no auffallend vor und dad Zarte, Süße, Befriedigende der Idylle weicht fheu zurück wie des Acis und der Galathen Liebe vor dem gräße lichen Polyphem. .

In den Dorfgeihichten tritt zuerft der Tolpatſch als ber gehänfelte, dumme, aber guiherzige deutfche Bauernjunge (ber echte deutſche Michel) charalteriſtiſch hervor. Dann der rauhborftige böfe Schloßbauer, zu deſſen Füßen feine ſchöͤne Tochter Befele wie die Belfennelte aufblüht und verwelft; der gottlofe Frieder, der ſich im @efängniß henkt; der durch den modernen Schwinbelgeift zu tollen Speculationen verführte Diethelm, der zulegt böswillig fein verſichertes Ges höfte anzündet und im Zuchthaus endet; der durch die Hoffarth verführte Dorflöwe Florian, der, nachdem er aus dem Strafhaus entlaffen if, ale Scheer enſchieiſfer umherziehen muß,. aber durch bie treue aufopfernbe Liebe feiner Grescenz getröftet wird; ber wilde Luzian, ber fi an dem Pfarrer vergreift. Die befte unter biefen harten Dorfgeſchichten ift „der Behenhof“. Bier fehen wir Bater und Sohn, Bruder und Bruder im furchtbaren, handgreiflichen Kampfe um Teilung des großen Bauernguts, und obgleih bie Söhne zu Grunde gehen, tröftet ſich der Hinderlofe Vater noch mit Stolz, daß er bie Untheilbarfeit des Gutes doch erhalten habe. Das if nralt. alemannifches Gefühl. Das Mnüpft die jüngfle Gegenwart an Eticho's Zeiten an. Eben fo treu and bem Leben gegriffen und rührend if die „@rbmuthe”, bad arme Opfer einer Bergantung. Am rührendften iſt bie Erzählung von dem armen mTonele mit der gebifienen Wange“. Das hübſche Bauernmäbdyen wird von ihrem Liebhaber in ber verliebten Wuth wirklich angebiflen, ſtoͤßt isn daher mit Abſcheu von fih und nimmt die Liebe eines ehrlichen Jägerd an, ber aber im Zmweifampf von dem tollen Mebenbuhler umgebracht wird. Heiteren Charakter haben nur bie Erzählungen von „Ivo, dem Hairle“, das Still- leber eines jungen, nachher den Stand ändernden Bicard; „ber Lauterbacher“, das Stillleben eines Anfangs von ben Bauern verachteten, aber durch ein braves Weib getröfteten und mit den Bauern verfößnten Schulmeifterd; „Lorle“, das StilHeben einer vom Land in die Stadt an einen Profeffor verheiratheten, aber geſchieden zurücktehrenden Frau, und die Siebe des fleißigen und trenen Maurerd Brofl.

Nah dem Beifpiel von Hebel und Horn zerblätterte Auerbad feine Dorfgeſchichten aud in Calenterweife, zuerft im „Gevattermann“. Sein

Die jüngfe Dichtung. 527

Trauerſpiel in Profa „Andreas Hofer“ fiel ſchwach aus. Dahin paßt er nit. In feinem Moman „neues Leben“ von 1852 Hat er Feine Fort— Tritte gemacht, fondern ſchwankt noch. Inzwiſchen eignete fih, nad» dem 1847 das Buch der Kindheit von Bogumil Gold erſchlenen war, Auerbach deſſen warme Auffaffung an und lernte von ihm, die Natur mit frifchen kindlichen Augen anfehen. Nicht nur in feinen „beutfchen Abenden“ plaubert des „Waldfhügen Sohn“ mit den Bäumen und Bös geln des Waldes, fondern auch im „Schapkäflein des Gevattermanns“ verräth ſich vielfad die Goltziſche Manier. Ungefähr gleichzeitig mit dem Buch der Kindheit erfehten la petite Fadette der Madame Dubevant (George Sand) in Paris,

die rüßtende Geſchichte eines armen zerlumpten Mädchens, ſchimpflich Grille

genannt, die aber durch ihr gutes Herz und durch ihren glänzenden Verſtand

die Liebe des ſchönſten und reichſten Bauernfohns gewinnt.

Nach diefen Muftern nun dichtete Auerbach 1856 feine liebliche Idylle

nBarfüßele“, entſchieden fein beſtes Werk,

Amrei (Anna Maria) und ihr Bruder Dami (Damian) verlieren ihre El— tern früh. Sie dürfen nicht einmal inldas elterliche Haus zurück, an daß fie oft Hopfen, um bie, wie fie glauben, noch ‚lebenden Eltern zu rufen. Sie - wachſen im Elend auf. Amrei muß immer- barfuß gehen, daher man- fie nur das Barfüßele nennt. Sie muß bie Gänfe Küten, ber niebrigfle und vers achtetfte aller Dienfte. Aber unter freiem Himmel verfehrt fie finnig mit den Sternen, Wolfen, Bäumen, Kräutern und Thieren und lauſcht der Natur ihre zatteſten Geheimniffe ab. Die ſchwarze Marann, eine phantaſtiſche Wittwe, bei der fie allein wohnt, beftärft ihren Hang zum Sinnen und Schwärmen. Endlich kommt Anırei als Magb auf eines reichen Bauern Hof. Hier wird fie von Rofel, der Hoffärthigen Schweſtet des Bauern, viel geplagt. Einmal darf fie mit auf eine Hochzeit in dem benadjbarten Dorf Endringen. Da ers vegt fie bie Aufmerkſamkeit eines bildſchönen dund wohlgefleibeten fremden Bauernſohnes (Johannes); während fie ald arme Magd ohne Tänzer daſtehen und ben reichen Burſchen und Mädchen ihres Dorfes die überflüffigen Kleider, Tabakspfeifen xc. halten muß, geht er auf fie zu, forbert fie zum Tanz auf, tanzt mit ihr zu Aller Bewunderung, denn fie find das fhönfte Baar zufams men, verläßt fie aber ſchnell, nachdem er erfahren hat, fie fey nur eine arme Dienftmagb und nachdem er einen furzen wehmüthigen Abfchied genommen hat. Sie fieht ihn nicht wieder und weiß nicht, wer er if. Ihr Gerz if ſchwer. Neuer Kummer kommt über fie durch ihren Bruder, dem alles mißlingt und für den fie immer von neuem forgen muß. Da meldet fich ein Freier für die Rofel und mit Entfegen und Wonne zugleich erfennt Amrei in ihm den Tänzer

528 3Zsoilftes Buch.

von Gndringen. Ihr Herz pocht zum Sterben. Sie fann nicht ſchlaſen. Sie iret in der Nacht im Felde und Walde und zieht ſich daburd einen dicken Baden zu. Diefer aber ſchüht fie nun, daß Johannes fie nicht erfennt. Er wendet fih an fie, als die Magd des Haufes, mm über Roſels Charakter Erfundigungen einzuziehen. Ihre großmüthigen und verfländigen Antworten erfreuen ihm, während ihn gar manches an Rofel felbft abößt. Cr if nur auf Brobe gefommen, feine Eltern haben ihm alle Freiheit gelaffen, ſich ſelbſt eine Frau zu wählen, und er ift Flug. Am Abend, als Rofele ganze Ber wandtſchaft eingelaben ift, erfcheint Amrei, wie ihr die Bäurin geheißen, in ihrem Sonntagsſtaat. Das will Rofel nicht leiden, ahnend, ber Fremde fönme jet erft ein Auge auf fie werfen. Amrei rechtfertigt fh, aber Roſel wirft fie zu Boden und ſchlägt fie ins Geſicht. Da plöblich ſteht Johannes pwiſchen ihnen, deckt Amrei, bie noch am Boden niet, mit feiner Hand und erklärt fie zu feiner Braut. Gr begleitet fie in ihre enge Kammer und zur ſchwarzen Marann’, die, indem fie in Johannes ihren verlorenen Sohn wieberzufehen glanbt, vor Freude flirht. Nachdem Amrei für die Todte ger forgt, feßt fie ſich Hinter Johannes auf feinen Schimmel und fie reiten in die ſchoͤne Sommernacht hinaus, in Heller Wonne, zunäͤchſt in den Wald zum hoͤchlich überrafchten Dami, der hier ald Köhler lebt. Dann am Morgen reiſen fie zu Wagen weiter nad) des Johannes Heimath. Amrei geht allein voraus auf den Hof und gewinnt durch ihren überlegenen Geiſt und burd die ehle Offenheit ihres Benehmens der reichen Eltern Gunft, fo daß fie mit Freuden ald Schtwiegertochter anerkannt wird.

Ein zweiter Nahahmer des Bigius, der Pfarrer Wilh. Oertel zu Horn im Hundsrück, der ſich W. O. von Horn nannte, gab ſeit 1846 einen Volkskalender vol Eleiner Dorfgeſchichten unter, tem Namen „Spinnftube* Heraus, fpäter „Rheiniſche Dorfgeſchichten“, „des alten Schmiedjakobs Gefhihten ze. Er fpiegelt dad Bauernleben auf dem Hundsrück, an der Mofel, Ahr und im Naſſauiſchen ab. Da das rhein- ländiſche Blut leichter fließt, begegnen wir bei ihm Leinen fo ungeſchlacht groben Geftalten, wie im Oberlande; er zeichnet feine Leute fehr treu und weiß auch durch Geſchichten armer Kinder das Herz zu rühren; im Allgemeinen aber füßelt er ein wenig zu viel in der Manier der Düffel« borfer Gentemaler. Aehnlich die „Geſchichten und Erzählungen“, „aus der Rockenſtube,“ „aus dem Altmühltal“ ac. von Karl Stöber (eit 1841).

Beſonders lieblich find darin die Schilderungen armer und frommer Kinder, welche Segen ind Haus bringen, und fehr treffend bie komiſche Beſtrafung

Die jüngfte Dichtung. 529

eined Juden, ber zum erftenmal in ein bis dahin von Luxus und Gorruption jeder Art verfchontes Gebirgsborf kommt.

In Belgien gab Hendrik Conſcience Dorfgeſchichten in vlämt« ſcher Sprache heraus, melde zuerft ver ehrmürbige Bifchof Diepenbrod 1845 in's Deutfche überfepte. Seitvem Hat man alle feine übrigen Ro— mane- ebenfalls überfegt.

. Sie {bildern das altolämifche Leben im Bürger: und Bauernſtande und war im Gegenſah gegen die moderne Bildung, in den Krifen der Revolution, in den Vebrängniflen des „@elbteufelö“ zc. und zeichnen fi; wie durch ehle Ginfalt, fo durch tiefe katholiſche Frömmigkeit aus.

Don Jofef Rank in Wien erhielten wir 1843 Schilderungen „aus dem Boͤhmerwalde“, worin Leben und Sitten eines wenig befannten, aber kerndeutſchen Volkes trefflich charakterifirt waren, Dagegen fielen die Dorfe geſchichten, melde Rank naher von jenem Urftoff abzog, zu breit und empfindfam aus. So bie: Weißdornblüthen, Florian ıc.

Joſeph Briedrig Lentner, ein junger Bayer, ver fi. meift in Tirol aufhtelt, deſſen Berge ihm Iteb geworben waren, farb frühe an Schwindſucht und hinterließ „Geſchichten aus den Bergen“, in denen feine Schwermuth fi ſpiegelt. Die bier mitgethellten kleinen Novellen find zum Theil fehr rührenden Inhaltes. Ich hebe nur die am meiften cha⸗ ralteriſtiſchen hervor:

Ein Zithermacher aus Tirol Hört, feine Geliebte Habe einen andern ger heirathet, überfällt fie im Wahnfinn und will fie ermorden, wird aber noch verhindert. Gin frifcher Tiroler, Blorian, betrachtet vom Gletſcher herab das Dorf, in dem er bald feine Hochzeit feiern will, und läßt in feines Hers zens Freude einen Juhſchrei laut durch die Berge hallen. Da von dem Schrei wird der Schnee erfchüttert und 1888 eine Lawine ſich ab, bie ihn begräbt. Die Mutter eines unehelichen Kindes, das fie verloren, winbet ihm immerfort Kränze. Bin Schwärzer (Schmuggler) rettet feinen Tobfeind, einen Zolls beamten, den er erflarrt im Schnee findet. Gin bayriſcher Afleffor foll im Jahre 1809 eben von ben Tiroler Bauern erfchoffen werden, als ein Bauerns mädchen auf ihn zuſtürzt und den anbern zueuft, ed fey ihr Schab. Da ſchonen fie ihn, er will dem Mädchen danken, aber fie verfchwindet. Cine Mutter glaubt, ihr Kind Habe fh an einem Kraut vergiftet und ift den Heberreft, um mit igm zu flerben, denn fie Hat fonft Niemand auf der Welt; aber dad Kraut erweiot ſich als unſchaͤdlich.

Wenlger angiehend ſind Lentners hiſtoriſche Dichtungen, „Ritter und Menzel, deutſche Ditung. DIL 3

‚530 Zwölftes Bud.

Bauer“ aus dem 12. Jahrhundert und „ber Tirdfer Bauernfpiegel® vom Sahre 1809. uUnbehaglich düſter das Novellenbud (1848), voll Erinnes rungen an bie Zeit der politiſchen DVerfolgungen, unter ber auch er ö gelitten. "

Unter andern muß Hier Guphrofine, die Geliebte des verfolgten Clemens Müller, einen verhaßten Beamten heirathen. Ihr Geliebter wird vor ihren Augen von ihrem Manne mit Hülfe eines großen Hundes, der ihn nieberreißt, verhaftet und in Ketten gelegt. Dann in langer Unterſuchung ergögt ſich der* Beamte, nicht nur ben Gefangenen, fondern auch feine eigne Gattin moraliſch zu martern. Am Ende aber flirbt er und ber glücklich Befreite Heirathet noch feine Witte. In einer andern Novelle läßt ſich ber treue Waflel für den Bruder feiner Geliebten fünf Jahre lang als Wildihüg ind Zuchthaus ſtecken. während fie von einem ruchloſen Freier umfchlicgen und bebrängt wird. Aber er wird noch frühe genug entlaffen, um fie zu reiten und zu heirathen.

Der „Bauernfhinder“ von 9. E. Marcard (1844) ift ein treue, ganz aus dem Leben gegriffenes, aber fhauererregendes Bild der aus dem modernen „Bortfegritt“ ausgeborenen Harpyen, die an Leib und Seele des Bauern nagen, der Wucherer, Güterſchacherer, treulofen Creditgeber, Schuldſcheinmäkler, Verführer zu Lurus, Derfpotter ber guten alten Sitten und Redlichkeit sc.

Der Roman zeigt, wie durch ſolche hoͤlliſche Künfte unter dem Schug ber Geſehe der ehrlichſte und bravſte Bauer um Haus und Hof, Ehre und Gelige feit gebracht werben Tann.

Mit mehr religtöfem Auge und Troft faßte Friedrich Ahlfeld und Glaubrecht (R. L. Deſer) jener in fränkiſchen, dieſer in met- terauiſchen Dorfgeſchichten bie Sünde und Corruption des Volkes auf. Die „norddeutſchen Bauerngeſchichten“ von K. Ernft (1850) find fehr grell.

Da fommt ein „ganzes Dorf voll Schurken“ vor, ein Sohn, der anwiſ⸗ fend feinen Vater erſchießt; eine Hochzeit, auf welchet ſich die Braut als ſchon von einem Andern in guter Hoffnung erfärt ac. Nichte als Criminal -und Bolizeigefchichten.

Siieher gehören noch die erzgebirgiſchen Dorfgeſchichten von Wilder- hahn, eine niederſächſiſche von Schirges, die „aus dem Volksleben“ von Br. Friedrich ꝛc.

Im norddeutſchen Torfmoor wird ein junger Mann, ber feinem Bruder

Die jüngfte Dichtung . un 531

eben Gelb Bringen wollte, damit er heiraten konne, vom Vater der Braut ermordet und beraubt ıc.

Heinrich Pröhle, ver die fhönen alten Volksſagen des Harzes fammelte, ſchrieb 1851 die „Walddroſfſel“.

Das iſt eine ſchöne muntere Wörfterstochter, an beren einfache Liebes⸗

geſchichte ſich die traurige Betrachtung der immer mehr durch Schulmeifterei und Ginfuß des modernen Staats verſchwindenden alten Volfgfitte knüpft, mit der auch der tiefere innere Geelenfriede verſchwindet.

Proöhle's Vater fammelte alle noch im Volk bis jegt erhaltenen alterthümlichen Sitten und Gebräude, um menigftend, che fie vollends untergehen, ihr Andenken zu erhalten. Die Geſchichten „aus dem Bott“ von Edmund Hoefer (1852) ſuchen das Intereffe mehr in ver Wahr- heit, als im romantifchen Reiz.

Am einfachſten und rührendfen ift die Dorfgefchichte „verh andelte Treue“ worin zwei Liebende getrennt und am Ungeliebte verheirathet werden. Das „Verlaffene Haus“ zeigt und einen doͤrflichen Birginius, der feine Tochter erfehießt, um fie vor det Berführung eines Grafen zu reiten. Dazu Solbatenz geſchichten, Grzählungen eines alten Tambour.

Hoefer ſchrieb noch Geſchichten aus alter und neuer Zeit, bewegtes · Leben, Norien (Erinnerungen einer alten Frau), Schwanwiek (ein nord⸗ deutſches Natur⸗ und Sittengemälbe).

Vieler Beliebtheit erfreuen ſich auch die ſchwäbiſchen Sittengemälde von Ottilie Wil dermuth (1852), die fie ſeitdem nur zu fleißig forte geſetzt hat. Sie gehen weniger auf romantifhen Reiz, als auf Natur wahrheit in Schilverungen des häuslichen Lebens aus. Am eigenthlm- lichſten find ihre „ſchwäbiſchen Pfarrhäuſer“. Sie ſchließt ven heitern Scherz nit aus. Ernfter, von tieffter Gemüthlickelt und fehr fromm find die Erzählungen der jung verftorbenen Brau Marie Nathuftus, unter benen „das Tagehuch eines armen Zräuleins“ von 1853 am bes liebteſten wurde.

Das arme Fraͤulein wird aus großer Noth und Armuth durch einen wackern Ghelmann gerettet, der fie heirathet. Bol Demuth und Anſpruchsloſigkeit weiß fie felber nicht, wie liebenswürbig fle if und melden Gindrud fie auf das Herz des Edelmanns gemacht Hat. Das if eines der reizendſten Cha⸗ tafterbilder unferer neueren Poeſie. 5

Neben ihren übrigen Erzählungen zeichnen fi die „alte Jungfer“ 34*

532 B Zwoͤlftes Bud.

und „Eliſabeth“ am meiften aus, treue Bilder des weiblichen Lebens außer und in der Ehe.

Eine hübſche Dorfgeſchichte „ver Weihnachtsfund“ ſchrieb Hermann Kurz in Stuttgart 1856, nachdem er ſchon für eine gelungene Weber» fegung des Triftan und für feine Karlsſchüler (Scenen aus dem Jugend» ieben Schillers) Beifall geerndtet Hatte.

Eine fromme und brave Bauernmagd, Juſtine, wird verführt und betrogen, muß deshalb ihrem eigentlichen Geliebten, einem wadern Handwerfögefellen, entfagen, ohne daß er die Urſache ahnt, gebiert bann heimlich ein Kind und lebt im Ehrbarkeit fort, bis ihr Geliebter wieberfommt und fie ihm nun erft alles Borgefallene gefteht. Gr erfennt ihre Unſchuld, heiratet fie und nimmt ſich väterlich ihres Kindes an.

In dem Roman „Hlerongmus“ von Maler Lucian Rei (1853) wird das Leben, Sitten, Tracht sc. des Hebel'ſchen Helmathlandes in der Baar und im Schwarzwald zugleich in Schrift und im Bilde dargeftellt. Die Zeiänungen find fehr lieblich und treu.

Hieronymus ift ein armer Wälbler, un deſſen Abentheuer fih die Schil- derung des Bandes und Volkes zwanglos anfnüpft. Das Buch ift nicht blos Dorfgefchichte, fondern auch eine Duelle für die Sittenkunde.

9. Wiedererſtarkung der Keligioſität.

Die unbedingte Herrſchaft der Aufklärung mährte nur bis zu dem großen Kriege im Jahr 1813. Damals im Unglüd lernten die Gebil« beten in Deutſchland zum erftenmal wieder beten. Auch bie Fatholifirende NRomantik hing genau mit ber patrlotifen Reaction gegen Frankreich zuſammen. Während der Reflauration wurbe dagegen ſowohl in Defter- relch unter Metternich‘, als in Preußen unter dem verhegelten Mintftes rium Altenftein die kirchenfeindliche Srivolität gehegt und gepflegt. Nun Heß ſich aber die einmal erwachte Sehnfuht edler Kerzen nad der ver- Iorenen Kirche nit mehr unterbrüden und unter Proteflanten, wie Ka⸗ tholifen wurde der Drang zur Kirche immer mächtiger. Davon gaben bie Altlutheraner in Schleſien 1825 und eble Kämpfer für den Glauben

Die-jingfte Dieptung. 533

mie: Harms, Scheibel, Hengftenberg x. und noch viel energiſcher ſeit 1837 der Erzbifchof von Köln, Görres sc. Zeugnif. Nah langen Kämpfen des Unglaubens mit dem Glauben führte das tolle Jahr 1848 einen nicht geahnten Triumph des letzteren herbei, denn Aus Angſt vor der Anarchie fingen num auch die Bureaufraten und Philifter an, ver Kirche wieder Achtung zu erweiſen.

In der Voeſie Haben fi diefe Kämpfe nicht ihrem gangen Umfang und ihrer ganzen Tiefe nach abgefpiegelt. Das Leben war hier (mie eigentlich Immer) viel reicher als die Phantafiemelt der Dichter. Auf

dem proteftantifehen Gebiete ſchafften die rationaliftifgen Eonfiftorien am Ende des vorigen Jahrhunderts und Im Anfang bes unfern bie alten frommen Gefangbücher ab und führten neue ein, worin bie Stimörter ber alten Gläubigkeit (Chriftus, Herr) vermieden und moderne Surrogate (Borfehung, Himmel, Weisheit) dafür geſetzt, auch bie beſten alten Lieber weggelaffen und dur lehrhafte Altklugheiten erſetzt wurden. In Wilh. Bauer's Kirchenlied (1852) iſt die Ältere und neuere Methode in ihren Eontraften am beften charakteriſirt. Die rationaliftifden Kirchenlleder wurben zu Breimaurerliebern herabgewürbigt. Da fang man z. B.: " Vernunft, du folft mich immer mehr Die wahre Weisheit Ichren. . . Er thut, was Wohlſtand ihm gebent, Doc trügend Spiel und Ueppigkeit Heißt ihn die Klugheit meiden ıc.

Auch das Led von Salls „das Grab iſt tief und ſtille und bedt ein unbekanntes Land“ wurde in die Gefangbücher für die Kirche aufs genommen, der jenes Land nicht unbekannt ſeyn darf. Eine Menge lite rariſcher Spekulanten drängten fi damals auf, um ben Herren und Da» men die nicht mehr genteßbare Bibel und Orthoborie mit einer glatten, niedlichen und biegfamen Toilettentheologie zu erfegen, Witſchel ſeit 1798 mit feinen empfindfamen Morgen- und Abendopfern, Sfhofte mit feinen weit verbreiteten Stunden der Andacht, Hundert Andere mit gas lanten Frömmeleien für gebilvete Töchter ıc.

Nach den großen Kriegen bemühten fi bie wieder frommer und ernfter geworbenen Gonftftorien, das Unkraut der Aufklärungszeit aus den

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Geſangbüchern wieder auszutilgen und den alten Glauben im Kirchenlieve herzuſtellen. Auch fanden ſich viele neuere Sänger der Kirche. Ich werde fie Hier nicht alle beſprechen, fo wenig mie alle Älteren. Nur muß ih bemerken, daß bei den meiften bie Frömmigkeit immer noch zu viel mit Selbſtgefühl gepaart erſcheint und daß in den neuen geiſtlichen Liedern das Wort Ich zu oft vorkommt. Auch Haben bie mobernen Frommen mit ven früheren Rationaliften in ver Zurechtmachung der Tollettentheo- logle nur zu viel gemetteifert und In unzählbaren Communtonbücdern, Hausandachten aller Art das Goldkorn des Wortes Gottes breit geſchla—⸗ . gen zu Goldſchaum und Mopeflitter.

Einer der beften evangeliſchen Liederdichter ift Albert Knapp in Stuttgart, Sammler der alten Kirchenlieder (Liederfhag 1837). Seine eigenen geiftlichen ‚Lieber zeichnen fi durch die tieffte Frömmigkeit aus, werben aber oft zu wortreich. In feinen Hobenftaufenliedern (1839) be» fingt er den ſchönen Berg, auf dem einft die Burg unferer großen Kaiſer fland, und fnüpft daran ftolze und mehmüthige Erinnerungen. Sehr ſchön find auch wiele Lieber von Spitta: deſſen „Mfalter und Harfe“, ein Buch, welches ſeit 1833 ſchon 22 mal aufgelegt und fehr verbreitet wurde. Sie ſprechen durch tiefe Innigkelt des Gefühls und durch die Nude gläubtger Zuverfiht an. Aehnlich find die Tönen Lieber des Job. Fr. von Meyer („Heſperiden“) von 1836, vol hoher Andacht, Anbetung der Mafeftät Gottes, himmliſchem Heimweh und Sehnſucht nad dem Frieden Gottes. Echt herrnhutiſche Lieder, nur etwas sefämad- voller, als bie älteren, dichtete Karl Bernh. Garve.

Die Helden ver Reformation wurden überaus oft gefelert, beſonders am der Jubelfeler von 1817 und 1830, aber meiſt prahleriſch, hochtra⸗ bend, geſchmacklos. Keine Dichtung auf Luther erreichte an poetiſchem Werth das verrufene, aber am Ende doch geiſtrelche Schauſpiel von Zach. Werner. Nur die epiſche Dichtung „Luther“ von Bechſtein (1834) nahm einen höheren und genialeren Schwung. Geringer waren die Schauſpiele „Luther“ von Klingemann, Haupt, Köſter. Fröhlich feierte in epiſchen Dichtungen Zwingli und Hutten, Rellſtab und Duller den Sickingen, in Schauſpielen Schier den Huß; Schöne, Gehe, Fr. Förſter den Tod Gu— ſtav Adolfs x.

Fr. Adolf Krummacher, ein angeſehener Geiſtlicher Bremens,

Die jüngfte Dichtung. 535

hielt ven Ton von Claudius und Herder ein. Seine „Parabeln“ von 1805 erlangten großen und verbienten Ruf dur ihre edle Einfachheit

. und Srömmigkeit. Aber der Dichter neigte etwas zu fehr zur meiden, empfindfamen Familienſeligkeit hin.

Die Kinderwelt, 1806. Feſtbüchlein. Die Liebe, ein Hymnus. Apologien und Paramythien. Johannes, ein Drama. Bilder und Bilden. Das Täubchen ıc.

Das Epos „Iefus“ von G. A. von Halem (1810) iſt eine Ergän« zung zu Klopflods Meſſias, indem es da aufhört, mo biefer anfängt, fentimental und langweilig. j

Großen, nicht durchaus verdienten, Ruhm erlangten die Glockentöne von Srievrig Strauß, 1815. Derfelbe faßte im frommen Wupper- thale die Eindrücke feiner nädften Umgebung als Scenen aus dem Leben eines jungen Geiftligen zufammen, in einem äuferft falbungsoollen, kokett feömmelnden Tone, viel zu ſüßlich. Erſcheint, auch das Beftreben, die gebilvete Welt wieder frömmer zu flimmen, an fid löblich, fo follte es ſich doch anderer Mittel bedienen, als diefer eiteln Selbftportraitirung. Die Liebe zu Gott darf nit verſchwimmen mit her eigenen Beliebäuge⸗ lung im Spiegel. Die Glodentöne verfehafften dem jungen Dichter eine ‚Hofprebigerftele in Berlin. Er ſchrieb noch zwei geiftlihe Romane „Helons Wallfahrt nah Jeruſalem“ und die „Taufe im Jordan“, beides nur belehrende und zugleih etwas fentimentale Sittengemälve aus ber Anfangszeit des Chriſtenthums.

Samundis Führungen, ein Roman von I. A. Kanne miſcht Chri- ſten⸗ und Maurerthum.

Samundie reißt ſich aus den heidniſchen Myſterien los, um ſich in bie chriſtlichen einweihen zu laſſen. Die erſteren, ſowohl des Typhon als des Vacchus, find in ihrer wilden Sinnlichteit wenigſtens kurzweiliger als bie leh⸗ teren, in denen die Geheimbündlerei und maureriſche Phraſenmacherei und Moralitatsptahlerei ſehr langweilt. Faſt komiſch iſt die Zuziehung ber Frauen⸗ zimmer. Es muß ſich in dieſem ſittlichen Roman alles paaren.

R. A. von Boguslawski ſchrieb ein Epos Diocles (Berlin, 2. Aufl. 1817) in Hexametern, zur Verherrlichung des Chriſtenthums, gut gemeint, aber zu empfindſam.

Diocles (Kaiſer Diocletian) hat Frau und Tochter verbannt, weil fie ſich

536 Zwölftes Bug.

zum Chriſtenthum neigen, entfagt fpäter als Philofoph der Regierung, verirrt einmal in ber Ginfamfeit des Gebitges, wird aus Lebensgefahr durch einen ehrtwürbigen Greis gerettet und von demfelben in bie Geheimniſſe des Chriftens thums eingeweiht, erfennt deſſen Vortrefflichteit an und ſindet nun auch drau und Tochter wieder.

Beſſer waren Heſekiels Blüthen helliger Dichtung und deſſen Bil- der aus dem Leben eines Studirenden (1822), und Theremins Abend- ſtunden, Stimmen aus Gräbern, Adalberts Bekenntniffe (1828).

Ein wenig feltfam war ver Roman „Joſeph Sannazar“ von Theod. Melas (1837),

ſofern. ſich Hier zwei irdiſch Liebende bei jedem Kändebrud und Kuffe eins Bifden, Chriſtus müſſe zwiſchen ihnen ſtehen und jedes von beiden liebe und küſſe eben nur den Herrn. Das ift gut gemeint, aber gefhmadlos und eine unſtatthaſte Herbeizichung bes Heiligen. >

Ein Extrem von Weichlichkeit ftellten die übrigens recht frommen „Klänge aus der Melt des Gemürge« von Wilhelm St. Yaul (1839) dar.

Der Dichter verlangt, wir follen alle wieder Kinder werben, nur in ber Kindheit allein könne der h. Geiſt wieder geboren werben.

Hieher gehören noch zwei fromme epiſche Dichtungen von D. Baye Cote Sterne 1837 und Chriſtus 1840).

Eine merkwürdige Erfelnung waren 1843 die Gedichte Friedrich Becks, weil fie ven damals bie Literatur durchtobenden Heiden und Ju⸗ den das Kreuz vorhielten und fie mahnten, das Kreuz werde ſiegreich über dem Erbenrunde ftehen bleiben. Auch neigte diefer Diäter zur Form ber alten Minnefänger hin.

Cine Rofe blühte, fo lieb war feine mir; Ich pflegte mit forglicher Hand fie für und für, Bald aber fenkte das Haupt fie wellend nieder, Und mußte ſcheiden;

* Meine Leiden Sah ſie und ſprach: im enge kehr ich wieder.

Im Jahre 1841 Hat Stehling ein „jüngſtes Gericht“ gedichtet, worin bie Welt nicht in ber Fülle ihrer Kraft und Sünde durch Gottes Zorn zerftört wird, fonbern gleichfam nur an Alter und Entnervung abflirbt, wie eine alte Uhr flodt und ſtehen bleibt. Die Sonne läuft nicht mehr, das Meer

Die jüngfte Dichtung. 537

trodnet aus. Ms lehter Menſch bleibt der ewige "Jude übrig. „Da braufen Meteore hervor und fleden bie Erde in Brand. Der Jude ſtüczt hinein. Die verbrannte Erde bleibt als Schlade zurüd, in der Satan nunmehr bequem feine Reſidenz auffhlagen will. Da eröffnet Gott das Weltgericht, alle Todten ſtehen auf; der Tod felbft, der entwichen war, kommt zurüd, um Satan zu tödten und flirht dann ſelbſt. Zum Schluß allgemeine Amneſtie und Mers fammlung ber Menſchen in einer neuen Welt ohne Hebel. Obgleich diefe Dichtung in der That fehr viel Schönes und Grgreifendes enthält, ift fie doch nicht kirchlich. Derfelbe dichtete „Deutſchlands Freiheitöfämpfe“ in einem Tangen Epos (1845).

In mehreren Tendenzromanen wurden die religtöfen Gegenfäge ber Beit geſpiegelt.

In dem Roman „Wahl und Führung“ von Heinr. Wilhelmt (1818) wird der gläubige Proteftantismus gegenüber vom Katholielsmus und Unglauben erhoben.

Der Katholit Leopold wird von dem Bewußtſeyn gequält, einen Meuchel- mord veranlaßt zu Haben. Die befannten Heilmittel feiner Kirche gewähren ihm feinen Troſt. Erſt Theodorus, der fanfte, allliebende, tolerante Broteftant, gibt ihm bie Seelenruhe zurüd, Hauptfächlich durch ben Beweis, daß ber ſcheinbar Gemorbete noch lebe. Alle verfammeln und verföhnen fih dann am Grabe dieſes Theodorus, ber ein wenig Leſſings Nathan nadjfchlägt und cher ein Theophilanthropift, als ein Chrift ift.

Wilhelmi ſchrieb noch mehrere ähnliche Romane. Im „Cöleſtin“ ſtellt er dem Priefter den Menſchen entgegen. Der berühmte Theologe ve Wette ſchrieb 1821 ven Roman „Theodor ober des Zweiflers Weihe“ und 1829 „Heinrich Melchthal oder Bildung und Gemeingeift“. Beide lehrhaft. J

Im erſteren beſchreibt er den Bildungsgang eines proteſtantiſchen @eifts lichen unter Erwägung aller damals vorkommenden theologiſchen Richtungen, im zweiten den Bildungsgang eines Laien unter Erwägung der damals herr⸗ ſchenden wiſſenſchaftlichen und äfhetifchen Anſichten. Ungefähr im Geift Herz ders gedacht, ein fittlichegemüthlicher Nationalismus unter ausdrüdlicher Ver— wahrung gegen Pfaffentfum und Pietiemus. Im Melchthal fällt widrig auf, daß es eine Dame ift, von ber alle theologifche Weisheit ausgeht.

Merkwürdige Tendenzromane ſchrieb Profeffor Succom in Bred- lau unter dem Namen Posgaru, 1829 die „Liebesgeſchichten“,

worin ein Graf einen fein epifwräifchen in Goͤthe's Namen verfanmelten Heinen Freundeskreis um fi bildet, in welden ein männlicher und ſittlich

538 Zwoͤſtes Bud.

teiner Baron als Gaſt eintritt, ſich bald aber unwillig wieder entfernt. Plotzlich aber wird ber Kreiß zerriſſen, indem ber Bruder eines vom Grafen argliftig verführten Mädchens diefen ermordet.

Bald darauf fügte Succom den „Germanos“ Hinzu, eine Apotheofe des Proteſtantismus oder vielmehr der Zukunftsklrche.

Eine durch Zwietracht und Verbrechen zerriffene italienifche Fürftenfamilie verföhnt fi in dem neuen Glauben (zur Zeit Karls V). Der alte Germanos erblidt in einer Viſion eine allegoriſche Umbentung ber alten Schöpfungstage und zugleich ber Apofalypfe. in die neue Schöpfungszeit der Reformation, worin bie Ießtere 1) dem Es werde Licht“ und 2) fogar dem großen Aufer« Rehungsmorgen gleich gefept wird.

AS die Kölner Wirren aus Anlap der gemifchten Ehen ausbrachen, (1837), ſchrieb Oberconfifigriatratö Bretſchneider in Gotha, ein füs natiſcher Nationalift, einen Tendenzroman „der Breiherr von Sandau“.

Ein proteftantifcger Hauptmann liebt ein katholiſches Mädchen, bie Tochter des Freiherrn von Sanbau. Gin Fatholifcher Pater mipbilligt dieſe Verbin⸗ dung unb intriguirt Dagegen, aber ein bejahtter katholiſcher Weltprieſter findet fie entfpulbbar und Hilft fie dem Fraͤulein erleichtern. Alles in der Manier Kotzebue's. Liebe geht über Religion. „Sie (bie Fatholifchen Priefter) lieben nit, die ſüßeſten Menfchenfreuden find ihnen verpönt; von Rom ift feine Barmherzigkeit zu Hoffen.“

Eben fo ift ein Trauerfpiel von Angelftern (1839) gedacht.

Angelica von Delmaringen, eine Proteftantin, bie glüdliche Gattin bes tatholiſchen Grafen Sigismund, wird non dem katholiſchen Prieſter Molina verfolgt, und als fie nicht fatholifch werben will, der Untreue verdaͤchtigt. Ihe Mann, ganz in des Priefters Hand, Hört auf fie zu lieben und. bebrängt fie mit falfchen Beſchuldigungen. In ver Angft fucht fie Rettung bei einem proteftantifchen Jugendfreunde Walther, der einft ben Grafen vom Tode ges tettet hat. Aber ihr Verhaͤltniß bleibt nicht rein. Aus Berzweiflung vergiftet fie fih, Walther aber wird vom Grafen erfchoflen.

Eine antiproteſtantiſche Tendenz hatte dagegen der Roman bed zur katholiſchen Kirche übergetretenen W. Meinhold (ver getreue Ritter ober Sigiämund Hagen).

Unter den Romanen, die eine Vermittlung zwiſchen Katholicismus und Proteſtantismus anſtrebten, ſteht Tiecks Aufruhr in den Gevennen (fiehe oben ©. 309) voran, blieb jedoch ohne Ausgang. Friedrich von Uechtritz ſchrieb 1853 den Roman „Albreht Holm“,

I ,

Die jüngfte Dichtung. 539

worin Agnes, eine ehemalige Nonne, ald Gattin des einfeitig proteftantifchen Holm zwifchen biefem und feiner früßeren Geliebten, der einfeitig katholiſchen Lucrezia, ſtehend, den Gegenſatz beiber friedlich ausgleiht und den Beweis liefern foll, daß das Edelſte beider Glaubensformen wohl in einem Weſen Tönne verſchmolzen werben.

Gotthilf Heinrih von Schubert, Profeffor in Münden, verband mit reihem naturwiffenfhaftlihem Wiffen eine tiefe und fanfte Frömmige keit. Alle feine gelehrten Werke find von der letztern durchdrungen, vor⸗ zugsweiſe bie aſtronomiſchen und die pſychologiſchen.

" Seine „Anſichten von der Nachtfeite ver Naturwiffenfchaft“ von 1803, feine „Symbolik des Traums“ 1814, fein großes Werk über „die Seele, die Seelen⸗ krankheiten“ ac. Haben Cpoche gemacht.

Er ſchrieb auch Erzählungen, worin eine Art pietiftifhe Richtung doc keineswegs zu Kopfhängerei führt, fonbern der Jugend ſehr prafe tiſche Lehren ertheilt werden und umter anderm auch wor dem falſchen Pietismus gewarnt wird (in der Geſchichte des Iakob Werner). Auch feine Lebensgeſchichte, feine Reifen ıc. zeigen biefen frommen und zugleich verftänbigen Geift. .

Einer der evelften Dichter der frommen Richtung iſt Victor v. Strauß, fürſtlich Lippe'ſcher Geheimerath. Seine lyriſchen Gedichte gehören zu den ſchönſten der Neuzeit, z. B. das vom Kölner Dom, die Anrede an ſein Roß, die Dampffahtt dc. Meiſter des Wohllauts iſt ber Dichter auch geiſtreich, wie der ſchöne Mythus vom Dampf beweist.

Hephaãſtos ſiht, grollend über Aphroditens Untreue, am Meere. Da vers wundet ihn Gros mit einem’ Pfeil und macht ihn in bie fhöne Galatea vers liebt. Gierig flürzt nun der Feuergott in die falte Fluth und zeugt mit Gas latea (dem milchweißen Schaum) den Atmos (Dampf), welcher feines Vaters Liebling und von ihm in feiner Schmiede mit mächtigen Waffen ausgerüftet wird (dee Dampfmafchine).

Im „Kirchenjahr im Haufe” von 1845 Hat Strauß fromme Be— traitungen in Verſen an alle hervortretenden Tage des Klrchenjahrs angeknüpft; 1856 gab er noch weltere weltliche und geiſtliche Gedichte und ein Oſterſpiel „Judas Iſcharloth“ Heraus.

In dem Schauſpiel „Gudrun“ machte Strauß den merkwürdigen Verſuch, einen altnordiſchen Stoff in der Sprache des Sophokles zu be— handeln, und in der That paßt dieſe ernſte, würdevolle Sprache, in welcher

540 Iwölftes Buch. [ der fieben- mit, tem fünffüßtgen Jambus wechfelt, fehr gut zu ven hohen Charakteren des Gedichts. Diefe Form fügt dem Stoff beffer zu, als bie, welche Fouque und Oehlenſchläger wählten. Dabei verfuchte- fih Strauß auch in einer claffifchen Tragödie „Polyrene“, ein ſchönes, würdevoll ausgeführtes Charakterbild. 5

Die unglüdliche Tochter des Priamus wird auf dem Grabe des Achilles,

dem fie hätte vermäßlt werben follen, geopfert.

In dem Trauerfpiel „Katharina“ (fhon von 1828, feinem erften) zeichnet Strauß mit Meiſterſchaft die geheime Liebe eines demüthigen und tugendhaften Mädchens, die an ihrem Schmerze ftirbt, ohne ihn zu ver⸗ tathen.

Das bedeutendſte Werk des Dichters iſt ein Epos „Nobert der Teufel“ von 1854.

Kinderlofe Eltern wenden fi, um ein Kind zu befommen, enblih an ben Teufel und die Frau gebiert Robert, ber von feinen ſchlimmen Gigenfchaften der Teufel zubenannt wird. Nach ungeheuren Breveln befehrt er fih und thut Buße. Mach altfranzöfiicer Sage. Strauß hat fowohl den verteufelten Sünder und Watherich, als fpäter den reuigen Büßer mit ben Iebenbigften Farben geſchildert. Neben ihm nimmt feine Mutter mit ihrer Angft das Ins tereffe am meiften in Auſpruch. Die Reue in biefem Mutterherzen ift von er⸗ greifender Wahrheit. Wie Robert Frevel auf Frevel häuft, wie feine Barone “fh zuſammenſchaaten und ihn mit conſtitutionellen Vorftellungen zähmen-gu fönnen glauben, was ihnen klaͤglich mißlingt, das alles iſt vom Dichter fehr gut gezeichnet. Die Bekehrung erfolgt enblich durch ben Anblick ber ſchöͤnen Kaiſerstochter Aweline, welche Robert unterwegs überfällt, um fie zu berauben, “und deren ganzes Gefolge er erfäjlägt. Ihr Anblid bezaubert ihn, wie bie Dämonen ber Manichäer ber eined Engels. Sein ganzes Welen wird umger wandelt, nur einmal noch tobt er feine alte Wuth aus, aber nur an ben Ges fährten feiner Wildheit.

Von ganz anderer Art ift das ſchon 1841 erſchtenene Epos „Richard“,

J indem es ganz den durchſichtig klaren Ton und die Ruhe, wie Göthe's Dorothea, einhält.

Richard, ein junger Liberaler, der eine Zeitlang ſogar auf bie Beflung gefept wurbe, iſt gleichwohl fo Toyal, bie empörten Bauern zu beruhigen, wird im tapfern Kampf für feinen Fürſten verwundet, gewinnt aber dadurch die Gunft diefes wohlwollenden Herrn und bie Hand feiner Geliebten.

Strauß hat in feinem Roman „Theobald“ (1839), welcher in ver

Die jüngfte Dichtung, 541

bewegten Zeit ber Breißeltöfriege fpielt, Hauptfäglih das zarte Verhättnig zweier Geſchwiſter zu einander geſchildert.

Durch einen Ruchloſen ſind die Geſchwiſter Theobald und Marie ihren vornehmen Eltern und ihrem reichen Erbe entrifſen und zugleich von einander getrennt worben. Gie finden ſich wieder, ohne ſich zu fennen, Marie ald bie angebliche Tochter des ruchlofen Räuberd, der endlich entlarvt wird, Nicht minder art wie zur Schweſter ift Theobalds Stellung zu feiner Geliebten Hildegard und ihrer Schweſter Clara.

Im „Erbe der Väter“ 1850 fehlldert der Dieter bie Verſchuldung und Buße eines jungen Mannes im Nevolutionsjahr 1848.

Die „Erzählungen“ von Strauß (1846 und 1854) enthalten treff« liche Gemälde nach dem Leben, z. B.

die rührende Geſchichte eines verloren gegangenen Knaben, der ſich unter den niederſten Voikeilaſſen in größter Verwilderung umtreiben muß, aber” durch eine Erinnerung an feine beflere erfie Jugend und fpäter durch Gott- vertrauen und Frömmigkeit getragen, ſich ebler ausbildet, als er es viel- leicht als reicher Züngling vermocht hätte. Der Contraſt zwiſchen einem alten frommen Schulmeifter und einem mobernen, im Seminar Hochgefchraube ten Heren Lehrer. Die rührende Geſchichte Sophiens, einer armen von ihrem Bater roh mißhandelten Tochter, welche durch himmliſche Gebuld, durch Wohithaten, welche fie ihren Feinden erweist x., endlich des Vaters Herz bezwingt und ihn befehrt. Triumph des veligiöfen Pflichtgefühls in der Ehe über Neigungen bes Herzens. Die Belehrung eines Gommuniften, nachdem er in bie ganze Verwilderung feiner Anhänger hineingeblidt. Die Belehrung eines dem Pantheismus verfallenen Theologen ıc.

Ignaz Heinrich, Breiherr von Weffenberg, ald Verweſer des Bisthum Conſtanz vom Papft nit beftätigt, Bruder des öſterreichiſchen Minifters, ſchrieb feit 1800 viele Gedichte, auch religiöfe, ſittliche, Kunft- geſchichtliche Schriften. Unter den Gedichten ftehen die epifchen voran.

„Julius ober die Pilgerfahrt eines Fünglings“ zeigt und Julius in Ber gleitung bed älteren Gubor, ungefähr wie Seume, aus Schmerz um das das mald unter Napoleon leidende deutſche Vaterland, nach Italien pilgernd, wo fie fih in den großen Grinnerungen der Vorzeit zerſtreuen. Julius bewahrt in frenem Herzen feine Liebe zu einem deutſchen Mäbdjen, findet fie aber nicht eher wieder, Bid er noch in Spanien hat kaͤmpfen müſſen.

„Irene“, die legten Kämpfe des flegenben Chriſtenthums, ein ſeht leben⸗ diges Gemälde des römifchen "Reihe, Athens und Jeruſalems, wo fi bie Iegten Blüthen des antifen mit den erflen bes chriſtlichen Geiſtes berühren. Die Tendenz des Dichters gibt ſich als tolerant zu erfennen.

542 Zuwölſtes Buch.

Sie, deren Ideal und Chriſtus zeiget, Hält alles Wahre, Gute, Schöne werth, Das Kleinod auch, im Heidenſchacht erzenget x.

„Branz und Paul ober bie Wehen im Thal“ iſt ein kleineres, minder bes deutendes Gedicht. Das Thal wird von einer großen Plage befreit, aber bie Lofung iſt „der Freiheit Bahn fen fortan Lieber.

„Padilla ober der lehte Freiheitskampf Caſtiliens“ ijt eine Jambentragädie zur Verherrlichung der Maria Pabilla, der ſpaniſchen Freiheitsheldin, die Hier völlig wie ein weiblicher Marquis Poſa redet,

Herr von Weſſenberg ſchrieb auch fehr viele lyriſche Gedichte, theils geiftlicde zur Ehre Gottes, theils Naturbifver, Reiſebilder, vornämlich aus Italien, Lieder. der Freundſchaft, Lehrhaftes und Epigramme, Ueberall ‚eifert er für eble Sitte, deutſche Tugend und Reinheit, Humanität und chriſtliche Lebe, Duldung und Verſöhnlichkelt. Der fterbende Fechter, die meltberühmte Statue auf dem römiſchen Capitol, veranlaßt ihn zu einem feiner ſchönſten Gebichte.

Ber bif du, Fechter! der fo zierlich Richt, Der mit der Glieder Stellung und Geberbe Um weicher Römer ſchnoͤdes Lob noch wirbt, Da mit dem Blut das Leben ſtroͤmt zur Erbe? Wie Iuftberaufcht jept aller Augen blinfen Bei deines Haupts ſchoͤn abgeftuftem Sinken! D Schmach der Knechtſchaſt, zu der Menſchheit Höhn! Barbaren, auf! eilt mit des Sturmes Flügel! Nicht ungeraͤcht ſterb' eurer Wälder Sohn - Zum Zeitvertreib des Volks der fieben Hügel! Seht, jegt erblaßt er. Hört von allen Stufen unmenſchlich Jubeln laut der Rache rufen!

Weffenberg fteht den. frommen Proteftanten noch ziemlich nahe. Da- gegen bat die firengere Richtung des Katholicismus nit minder ihre Vertreter in ver Poefle gefunden.

Des feurigen Görres milder Sohn Guido dichtete feit 1838 zarte Marienliever, ein Weihnachtskripplein, ein Leben der 5. Eäcklie in Ge⸗ fängen und ein Paar hübſche Marchen (Schön Röslein und ber Hörnene Sigftied). Der Zug zum findlih Frommen qcharakteriſirt ihn. Es tft etwas Morgendlihes, friſch zum Leben Aufathmendes in feinen Dich- tungen. Ihm zunächft fteht fein Münchner Freund Graf Pocci, deſſen

Die jüngfte Dichtung. 543

Dichtungen 1843 gefammelt wurden (NRomanzen, Legenden, Märden, Kinderlieder), von zarter Gottesminne, warmer Vaterlandsliebe und einem edeln Sinne für das Einfache. Einen beveutenden Auf erwarb ſich auch Wilhelm Smets 1840 mit feinen fehönen Gedichten, die ben gothiſchen „Horizont heraufführen und bie Glockentöne vom Kölner Dom her finnig deuten. Doch iſt auch vielerlei Weltlihes in diefen Liedern, in denen noch befonderd die Beziehungen auf feine Mutter, bie berühmte Schau- fpielerin Sophie Schröder, merkwürdig find, fofern er erft im 20. Jahr erfuhr, daß fle feine Mutter fey. \

Sehr intereffant find die frommen Lieber. einiger jungen Kleriker. Michelis, der nicht unberühmte Caplan des Erzbifhof von Köln, Drofte zu Viſchering, während ber Kölner Wirren, faß lange in einer Feſtung gefangen und fang bier die zarteften Lieber, die erft nach feinem Tode 1857 gedruckt erſchienen. Eines der Iieblichften- ift ein Marienlied. Aber er vergißt über perfönlichen Leid und Kummer der Gefangenſchaft nie die Kirche, die er verteidigt, und das Vaterland. Seine Gedanken gehen hoch. Er Hört in feinem Kerker die feierlichen Töne ber alten Glode vom Magdeburger Dome und ruft:

Hoch auf der Thürme Wollenthron Brangt noch die alte Kaiſerkron. O ſchöne Zeit, wo noch im Bunb \ Das Reich mit Gottes Kirche ftund, Eh hier erloſch ber Heilige Glaube Und dann das Reich zerfiel zu Staube. Dieſem edlen Sänger, ber früh in's Grab fank, fteht der Jeſuit Georg, Fürſt von Waldburg«Zeil, würbig zur Seite. Seine 1856 ge- druckten Gedichte find voll kindlicher Andacht. Unter andrem fingt er auch "einmal von feinem berühmten Ahnherrn, dem Georg Truchſeß, der im Bauernkriege die Bauern zu Taufenden niederhauen ließ, unb fügt Hinzu: auch er fämpfe wider bie rebellifchen Bauern (1849), und in denſelben Gegenden, aber nicht mit dem Schwert, fondern als Miſ- fionär mit dem Worte Gottes. In einem andern Liebe gebenkt er des wü⸗ thenden Hafles, der feinen Orden überall verfolge, und preist ſich glücklich, die Schmach auf ſich genommen zu haben, benn tapferer fen doch feine Sqaar auf Erden, als zu deren Banner er geſchworen.

Auch Pater Morel von Einſiedeln ‚gab 1852 Gedichte Heraus voll

544 Zwoͤlftes Bud.

Frömmigkeit und Heiterer Sicherheit. Am anziehendften find feine Schll- derungen des katholiſchen Alpenvolkes, das in alter Treue nie von den Altären gewichen ſey.

Mitten im Sturmjahr 1849 tauchte ein junger Dichter auf, Oscar von Redwitz, deſſen epiſch⸗lyriſches Gedicht „Amaranth“ ungemeines Aufſehen erregte, ſo daß ſchnell ein dutzend Auflagen davon vergriffen waren, Beſonders die durch die Revolution geängſtigten abeligen Damen fanden einen Troſt darin und verbreiteten es in ihren Kreifen.

Der edle Walther freit um bie ſchöne Ghismonda. Cie aber iſt das emaneipirte Weib, der Freigeifl, bie Perfoniflcation der gefammten mobernen von Gott abgewanbten Bildung, weshalb er fie verläßt, um feine Liebe der befcheidenen Amarantfı zuzuwenden, welche tief im Schwarzwald am Spinn- zoden fipt und bie alte gute fromme Zeit perfoniflziet. Der epiſche Baden des Gebichts verbindet aber nur einen Kranz von Heineren Gedichten, bie bald tomangenartig erzählen, bald canzonenartig in Rede und Gegentebe wechſeln, bald in Sonetten, Walbliebern ze. rein Iyrifeh bleiben und in einem eigenen, gleiche fam füß träumerifchen Tom geſchrieben find, der zuweilen an Tiebge mahnt, und deſſen mufifalifche Wellen und manch teizendes Bild entgegentragen.

Dieſes erfte und beſte Gebicht von Redwitz wurde zu fehr gelobt. Die katholiſche Preffe glaubte in ihm eine Art von Meſſtas ver Poeſie zu feben, welcher bie heidniſch gewordene wieder chriſtlich machen werde. Zu einem ſo großen Werk war ſeine Kraft zu ſchwach und ſein Talent zu ſpielend. Die lyriſchen Gedichte, die er 1852 herausgab, waren ges ring. Er ſprach darin mit unangenehm auffalender Eitelkeit mehr von ſich, al8 von Bott. Gänzlich verfehlt aber war fein mit großer Often- tation angefündigte® Schaufpiel „Sieglinde“.

Sieglinde, die fromme Tochter des böfen Schenfen von Limburg, ber am Morde Kaiſer Albrechts betheiligt ift, wirb gezwungen, den noch böfern Wilds grafen von Stein zu Heirathen und hat ſich bereits entfchloffen, das ſchwere Opfer zu bringen, als ein deus ex machina fie reitet. Man entdeckt nämlich, der Wilbgraf ſey ſchon verheirathet mit einer Perfon, die er unglücklich ges macht Hat. Nun ift aber ber Wildgraf im Befig eines Brieſes, ber den Schenken compromittirt, bedient ſich beflelben unb droht, bie ganze Bamilie in Ketten und Banden zu bringen. Nur ein Mittel fann fie retten: Sieg⸗

linde fol fih dem Wildgrafen ergeben. Aber auch aus biefer Noth wird fie durch einen zweiten deus ex machina gerettet. Sie hat nämlich einen ſeuf— genden Liebhaber, ben jungen Arthur, der zufällig hört, bie Kaiferin Wittwe

Die jüngfe Dichtung. 545

veife in ber Nähe. Zugleich gibt ſich eben biefer Arthur als Prinz vom Branfs reich zu erfennen und fagt Sieglinden, feine Mutter willige ein, fie als Schtwiegertochter aufzunehmen. Nun feheint alles Leid überwunden zu feyn, aber Sieglinde befteht darauf, nur won einem Knecht begleitet und zu Fuß zur Kaiferin zu gehen, um ihren Gltern Gnade zu erbitten, felber aber zu ſterben. Der Prinz läßt fie wirklich gehen; nun läuft' ſie, läuft, daß der Kueht kaum nacjfommen kann, und Holt ſich einzig durch biefes unvernünftige und durchaus unnäpe Laufen wirklich den erfehnten Tod. Da iſt alles Un« natur. Die Kaiferin hat nie einem Mörber ihres Gemahls verziehen. Gin franzoͤſiſcher Bring Hat nie eines in Ketten liegenden armen deutſchen @belr mannd Tochter gefreit, ober hätte er fe gefteit, wuͤrde er fie auch gerettet Haben. Sieglinde ſelbſt mußte entweder beim Prinzen bleiben und ihn hei⸗ rathen, ober, wenn fie ber Welt entfagen wollte, ruhig in ein Kloſter gehen. Ihre Einbildung, fie müfle erben, um das verflodte Herz ihrer Eltern zu erfchüttern, ift lächerlich, und eine ſolche Bizarrerie mit dem Opfertobe des Heilands zu vergleichen, aus Sieglinde einen weiblichen Chriſtus zu machen, wie Redwip 5. B. &. 73 hut, iR ein arger Mißbrauch.

Später ſchrieb Redwitz ein hiſtoriſches Drama „Thomas Morus“, verſtäͤndiges angelegt, aber ohne beſondere Vorzüge, und eine „Philippine Welſer“, die ich noch nicht gefehen habe.

Baul Heyfe brachte 1858 bie Legende von ber h. Thekla in ein Epos in Herametern,

welches viele Schönheiten enthält, aber in ber Gaupkfadhe verfehlt if, weil es an bie Stelle der hriftlichen Demuth die Hoffarth des Hegel’fchen homme- dien ſeht.

Eine nit glüdlihe Nahahmung des Meſſias von Klopftod mar 1843 die Mariade von Ferdinand Wirth. Auch biefer kathollſche Dichter weicht von der kirchlichen Tradition willkührlich ab.

Am Schluß fährt die Madonna auf, aber nicht zu einem golb- und roſen⸗ wolfigen Himmel, aus dem fie Engel anlädjeln oder ber ewige Sohn ober ber Vater, ober bie Dreieinigfeit ihr bie himmliſche Krone reicht, wie bie Maler es barzuftellen pflegen; fonbern fie macht zuerſt eine Reife nad) dem Monde, wo fle von ben ungetauften Kindern empfangen wird. Es ift nun wohl eine ſchone Gage, daß im Monde bie ungetauften Kinder ſich Bis zu ihrer Grlöfung aufhalten; doch entfpredgen ihr keine andern Sagen von andern Planeten, wodurch die Himmelsreiſe der Madonna irgend motivirt werben Lönnte. Auf dem Planeten Veſta wird die „Birginität“ vepräfentirt, bie „Generation“ auf ber Juno, die „Reproduktion“ auf ber Geres, die „Bufries denheit· auf der Pallas, die „Infpiration“ auf dem Iupiter, die „Attraltion“

Menzel, deutfge Ditung. IM. 35

546 ° Bwölftes Bud).

auf dem Saturn, die „Geiſtesdisciplin“ auf dem Uranıd. Das if alles überaus willtührlih und ein gewiß unnöthiger Aufenthalt der Madonna auf ihrer Himmelfahrt.

Viel beffer iſt „ber Chriſftbaum⸗ von P. B. Biringer (1848).

Gin lyriſches Lehrgedicht, weſches an ben Chriſtbaum, feine Lichter zc. eine voeliſche Betrachtung der ganzen Welt anfnüpft, wie in Schillers @lode, vol ſchoͤner Schilderungen, nur daß alles von chriftlichem Ernſt durch⸗ drungen ifl.

Aehnlich „die Welt ein Epos“ von Sehafttan Brunner (1844), den wir ſchon unter den Bekämpfern ver revolutionären Dichtung kennen Ternten. -

Der Dichter fieht in der ganzen Natur, in jedem kleinſten Dinge den Epiegel des Echöpfers und bie Widerlegung ber Sweifler. An biefen Grund⸗ gedanken reiht er ſchone Naturbilder.

Zum Humor geneigt, wie Brunner, hat Alban Stolz zu Breiburg im Brelögau doch hauptfäli durch den tiefen chriſtlichen Ernft feines „Calenders für Zeit und Emigkeit" Ruhm erworben. Sein Humor po— Iemifirt gegen Proteflantismus und Aufklärung in feinen Streitſchriften gegen Sppenkel und in feinem Reiſewerk „Spaniſches“.

Die katholiſche Kirche fand eine Sängerin erſten Ranges in Annette von Drofte-Hülshoff (1851).

Auf meiner Stirn dies Kreuz Bon Aſche grau;

D ſchnoͤder Lebensreiz,

Wie biſt du ſchlau

Uns zu betrügen!

Mit Barden, Hell und bunt, Mit weiß und roth

Dedſt du des Mobers Grund; Dann fommt der Tob

Und ftraft dich Lügen.

Dies ihre Weltanfhauung, dies ihre Sprade. Die Frühverſtorbene hinterließ in ihrem „geiftlichen Kirchenjahr“ einen Schag ter ſchönſten und frömmften Lieder. Am nächſten kam ihr Frau von des Bordes, geborne Brentano‘ de la Mode in ihren geiftlihen Liedern (1853), in denen der Ton inniger Liebe und Hingebung vorherrſcht. .

Die jüngfte Dichtung. 547

Die jüngfte Dichterin der Kirche ift Emilte Ringseis in Münden, deren beive Heine geiftlide Schaufpiele „Veronica“ und „bie Sibylle von Tibur“ von einem fo Heiligen. Ernft, von einer fo altkirchlichen Strenge find, daß fle von keinem Manne Hierin übertroffen worden wäre.

Indem ich fliege, muß ih um Entſchuldigung bitten, wein ih nit ale neueren Dieter, die es verbient hätten, genannt habe. Auch beim beften Willen ft es nicht möglich, bie ungeheure Menge ber Dichter zu überfehen. Es Tiegen mir an zweitaufenb verſchledene Sammlungen

lyriſcher Gedichte, alle aus den letzten vier Jahrzehnten, vor und das ſind noch lange nit alle, es find ihrer noch mehr gedruckt worden. Es muß daher entſchuldbar erſchelnen, wenn auch einmal ein befferer Dichter ver- geſſen wird. IH Tann nur den Wunſch ausbrüden, Autoren oder Ver- leger ober überhaupt Freunde der Diehtkunft möchten mid durch ihre Ber merfungen ober Zufendungen von übergangenen irgend werthuollen Werfen in ven Stand fegen, in einer zweiten Auflage meines Buches das etiva Berfäumte nachzuholen. ö

nn

35°

über

Seite Abälard . . 104.420 Abällino . . 286

Abdera, Theater von 190 Abduls giebeenächte 290 Übel. . . . 181 Abendgefprähe . . 308 Achill auf Skyros 74.418 Süatten. . 67

Adileis . . N 1812... 440 Ada . 419 Adam und Eva 87.420 erſtes Erwachen 181 0... 13 Adele Cameron . 116 Melbert . . . . 336 Melftan 190 Met. 0... 41 Abjutanten . . . 190 Molar . . . . 472

Abolf v. Bomfen . 285 der fühne . 279

Monie . . . . 184 Advokaten . . . 95 Ason ....... 418 Abo . ..... 47 Aeneid . . . 168 Affe, der 42jährige 180 Agatge's Leben . . 116

Agathofle® . . . 436 Agent, der geh. . 450

Negiſter

Dichtungen und Dichter.

L

Dichtungen.

Seite Agnes Bernauer 189.432. 433

von Lilien . Agumi. 2... Aeyer wenn 48h Ahnenftolgen. . - Ahnftan » . . . 379 Ahnung und Gegen watt 200.0. 354 Aitolier . .

Alwil . . Almanach d. Heiligen

Heiner feiner

An ... Apenfönig . . - Alpenrofen . . Alte vom Berge . Alten, bie 5 Altimor . Altmühl .

Aamontade . . . 174 Amabäus Mareod . . . . 3141 Amalia... * 56 Albaneferin . . . 378 Amarantf . 125.544 Alban . . « 386 Ameiſenktieg . 498 Albert v. Tpurneifeit 92 Amida’s Thränen . 490 Albigenfer 476 Amaryllie . . . 486 Ale 222325 Amor und Pyge . 417 Mbreht I. . . . 249 Amphitruo . 241.352. m... . 190 Amtmann Gutmann 158 Aleeſte 2. 22. 69 Mnaafle . . . 226 Aleeſtis . . . 72 Anatomie ber Engel 487 Aeibiades . 112.136 Anbromeba . . . 69 Aemannia . . . 516 Angela . . . . 435 Alem. Gedichte. . 514 Anglomanie Dr 4 Alerander. . 164.427 Anleitung zur Kunſt⸗ Mei . . . 71.407 Tommelhaft 520 Alf von Dülmen . 282 Anna Boy . . 137 Afıee . . 3.324.420 Anne Bübi. . . 523 Afambra . . . 429 Anfelmus . . . 160 Alles aus Gigennug 501 Antihrift. . . . 482 Ala Lama . . . 163 Antlaa . . . 439

550

Antonia 2 0. Apollinarien. . . Al... Appelmänner . . Arbinghelo . . em .. . Ariabne Ani... Arifides . .. Ariftomensd . . - Alma... - Armida . . 0 - Arminiud . B Amo . ..

Arnold von Winfel ied

hof. . Afcpenbröbel 411.504 3 Belagerung . . . 97

Am 2... Atellanın . . . Atheiften . . Alben . . . Alta Tool... Attila. . - Auechahn - . - Auf rother Erde . Aula bie (vier

Aufklärung Abſſ⸗ niens . . Aufruhr in ven Ce: in Pifa . Kuge ver Bilde. \ Aurdie . . Aurora . . Aus ber Geſellſchai Ans Haß Liebe . Außerhalb der Ges felihaft . . . Auswahl aus des Teufel Papieren Automaten . . .

Babylonier . . Baus... .

190. 429

Regifker.

Seite Bärenhäuter . . 373 Baggatellen. . . 140 Bahrbt . . 128.238 Balad .... . 132 Ballon . . . . 320

3 Bamborciaden . . 309

Barbara Blomberg 282 Barfüßee . . . 527

331 Bardenfeld . . . 57 73 Barometermader . 509 164 Baron Hirkus . . 205 196 Barrifabenlieder . 459 89 Baflard . 437 387 Bauer ale Wiltiondr 509 245 Bauernfrieg . . . 430 4189 Bauernfhinder . . 530 Bauernfpiegel 5 Beethoven . 190 Befreiung von Ari 243 388 Begebenheiten eines

4a 500

391 u

427 47

Dffhiers 132 einer Warketenberin . 133

Bela’s Bluht . . 132

Reg... 320 Belmont und Gons Rane . . . . 122 Belphegor . . . 30 Bellagat . . - . 177 Benjoweiy . . . 132 Berengat . . . 412 Berganga . 361.414. Bergan . .. . 391 Berlin . . 513 Bernhard von Bei mat... 283.428 Bernfteinhere . 442 Betbruber

Beitelfubent . . 60 Betllermäblgen . . 141 Beltlerd Gabe . . 473 Beily. . 32 Barca Gapello \ 112 della Porta 320 bi Gepolero 478 Bibergailide . . 8

4 Bifolien . . 395 Bild ber Reflgnation 25 Biographie eines Ens

gl 2... 386

Seite Velu⸗ figungen . . » Blätter, fliegende . 513 Blafedow . 487 Blafius . . . . 19 Blaubat . 297.300 BR. 20. . 378 Blütgenalter der Em pfindung .. 116 Blumen, wilde . . 481 Blumen, Frucht und Dornenfüde . . 263 Boa Eonftrichoe . 439 Bodiaden . . . 161 Böhmerwald, aus

dem 2... 529 Bonaventura 164 Boruffias 21 Brambilla . . . 369

Brandfjagung . . 60 Bräute, bie beiden 115 von Bas gonien · . . . 428 Bräutigam aus De Dre 141 Braut, die... . 323 ‚die hohe . 455 "ieims Alter 122 von Meffina 253 Brautproben . . 142

fhlder . . 502

wahl . 365 Beiefeeimes Deuffßen 495 bumme . . 512

hyyverboreiſche 160 eines Narren 467

eines Berflors benen . 0. 499 Bruder Morig .. . 127

Brüder, bie feinds lichen . . 427

von don ber Borfehung - . 330 Brubermörder . . 192 Brunbibe . . . 464 Bruno, ©. . . 480 Brutuß . . . 56.72 Bıonhildur . . . 419 Buch, das alte. . 307 der Kindheit 520 der fiber . 465

Seite

Buch von ben drei Sämefern . 393 auddem Bolt 459

Bürgergeneral . . 238 gli... 189 mieiſter . . 96

ZYuhlerinnen . . . 140

Bund, ber grüne . 57

Bunfl . . . . 153

Burgfelb . . . . 108

Gabanis . 5

Eäcilie . . 383. 3

Cäfar . . 112

Calender für Seit und

Ewigfit . . -

Ealliope . .... 6

Ealtfon . . . . 320

Camoend . . 229. 431

Cancan . .... 455

Earbonaro . . . 454

Carbenio . . 344.406

Gaell von op . 472 Eavalier und Arbeiter 459

Gavalierperfpetive - . 455 Cecil oe. 488 Geile 206 Gervanted . . - = Eharlatanerie

Chateaubriand, Sein ins Ghavandli . . Chevalier . . . das

Chrimhildenrahe . 387

Chriſtbaum . . . 546

Chriftingen . . . 139

Chriftpüppden . . 142

Ehriftus . . . . 536

eieufäon - 2.038 . 2%

Sl du. Bieffi . 113

Claudine . . . 120

Saufen .

Elavigo_. '.

Clelia Eonti

Coleſtin . -

Coleſtine . .

Cola Rienfi. . - 425 Colombona . . - 6 Eolonie . . . . 394 Columbus 420. 423. 428 Comoedia divina . 314

& oo... 6 ypreſſen

Regifter.

Seite Conditorei ber Jocus 512 Eontabin 7. 74. 143. 190.

195. 282. 420. 430 Confnt . . . . 172 Cordula . . 422 Goriolan . 73. 198. 318

325

Corona

von Salugo 425 Correggio . 220.335 Coroinus .. . 164 Cromwell . 423.450 0 GCunigunde . . . 375 Euren

. 45 Eurt von Spartan 194 491

Dämmerungen für

Deutſchland . . 272 Dämon und Engel 421 Däumling . . . 300 Dagobet . . . 189 Damenromane ... 434 Damofles Daniel . 0. Dane . . 230 Dantone Tod . . 455 Datora . 2... 369 David ... 0. 43 Delora » . . . 487 Demetriud . 253.443

424 Demokrito® . . . 495 Demoſihenes . 455 Dent an Eifar . 427 Denner . . . . 362 Deferteur. . .. . 60 Deutfhher . . . 206 Deutihmigel . . 462 Deus Riss . . . 47 "Diaconiffin . . . 467

Diamant . . . 99.396 b. Geifertönige 508 Dina... 394 Dichter, die. . . 230

amd "ihre Gefellen 356

und Kauf mann . 470

und Belt mann . 201 familie . . 132 leben . . 307

551 Seite Dido. .... 48 Dig 2... 67 Diener, der ireue 380 Dienhnfiht . . . 94

Dietrich von Ruben 199 Dijonrdähen . . 442 Dioclet ... . 535

Diogma . . . 448 Discurfe der Mile 5 Ditbyramben . .. 67

Divan, weföfll. . 238 Divio . 0. . 336

0 Doctor Bahrbt . . 238

feibemit . 246 u. Mpothefer 60

Doge und Dogarefla 364

Dolor . . . . 340 Domin . . . . 323 Domfhüß . . . 285 Donamar . . . 240 Donatoa . . . . 22 Donauweibihen . . 507

Don Earlod .

7 deutiche 135

u. Bauft 220 Don Bio . .-.. 135 Doppelgängee . . 369 Dorfgelhigten . . 521 Dormröggen . . 411 Dofenflüde . . . 139 Dreizehnte . . . 487 Drofel . . . . 57 DyaNa:Sore . . 154 Edbert, der blonde 302 de, die file . . 115° Geart,! der treue 303. 2 Cdelknabe . . -

Cem . - 9 Cbuard Bomflon . 108 von Schott, land... 192 Pablere . 242

Eoward in Rom . 418

Emwin . .. . 406 Goinharb int Imma 925 Egmont .

Ehen... - 1a Ehelofen . » . . 435 Gheftanbagemälte . 125

552 Eeite Ghrenpforte für Kos gebue . - . . 239 Gienfton . . . „97 Eid und Pfliht . 99 Gigenfinn . . . 308 Ginfienlergeitung . 313 ECipeldaur . . . 171

Gifenbahn und Teles ah... . 507

[ehr . 400 Gier

Glegien . ._. 76.242 römifhe 71.236

fetta . 0... 190 Em... . . 304 Efeide . 0... 195 Ciementargeifter . 369 Eleonore. . . . 109 Clidoue . . . . 320 @lifabeth. . . . 532

Giife von Balberg 98 Gliriere des Teufels 3862 Ellen Bry . . 435 Eeann .... 7 Elyfüm . . . . 24 mei .... 27 Emilie Galotti. . .55 Golbah . 109 Sommer . 109 ‚die junge . 108 Emma en. 282 —, bie neue . 57

Emm 2... 197 Gmpebofles . . . 258 Gngelden . . . 458 Engelfatt . . . 422 Engelmann . . . 114

Engländer, die. . 187 Entsufa . . . 496 Epaminondas . . 412 Goigonen . 408.494 Gpimenies . . 71.208 Erasmus Schleier 203 Erbe der Bätr . 541 Srhförfer . . . 381 Erbſchaft aus Oſt⸗

indien .. . 124 Erdenmacht . . . 425 Erhmann. . . . 332 Cremit von Bormens

tra 22.20. 285 ih... 26

Erlinde 2 2.0.

Srminia . . .. Ernſt und Laune Erwachen d. Genius der Menfchheit . Erwin und _Elmire Erwin v. Steinheim @fel, der blaue .

der hyperb. . 239

. u 18 Gugenia’8 Briefe . 52 Guienfpiegel . . . „397 Guphorin . . . 416 Suphranor . . 116 Cuphroſine 71 Europa, das fange 468 Guropamüben . . 460 Gufebia . . . . 420 Ewald... . 117 Ewigkeit . .

Fa | Gelino . . 357.401

Gabeln u. 246. 2 abi 0. Bälbel . . . 262 dahndrich . . 58 dahlendorn 36 Bamilie v. Salben” 114 GSpaben . 194

Bata Morgana 334. 446 Fauſt 87.183.197. 213.

der Morgens länder. 0... dauſtine . . debruat, der 2 .

‚ber 20... Fechter von Ravenna dedor und Marie . Feierabend . . Felbbleameln . Belt. 0... und Hannchen mit der Liebes⸗

gäge 2 0. Feldzüge, fatir. . derdinand . . .

von Thon

Berner. derdiner . Beft der Sandwerter

486

Bibel... Bieeco . Figuren aus den ABE „u. Binding . . - Finnland, Se. v diormona Fiſcherin . . . Bifhermäbchen . . dlafche bie wahns

finmige . . - Blegeljahte . . . Blemming . . » Blinferln . . . . litierwochen .

jöte . .. dieh Florentin. Blorin . 2 - - Bormica . . -

Borfer . B

Fortuna . . 300.

Franz und Paul . 3 Frau, die ſchwarze Brauenfpiegel . fand . würde Freier, die Breigeift . Breifhüß . Fremde, die Besuben des jungen Bertber .. . Freund Sein . .

Friedrich Barbaroffa der Große 9. Hamburg II. Raifer Briederie . . . Trip .. Veutel. Frühling ... u Fürſt der Liebe . u. Proletarier Fürſtenbraut . .

gie . . Fufl von Stromberg

Gabel, bie

verhängs

Galanterien . . : Galerie der Teufel Galgenmännlein .

Gafelen .

Gaflenlieder . . . Gaſt, der fleinerne , ber tobte . ;d. unheimliche Gebirgefagen . . Gebicple eined Leben:

digen . Gegen ben

Strom .

Geheimnißvolle : .

Geiſterreich .

Geiſterromane Geiſterſeher . .

Gelafins .

Geld und Geit .

haͤuslichen Leben

Genevion .

Genfer Novellen

Genovefa

Gengianen

182. 299.

Georg Benlot Germanicus . . Germaniens Völter:

ftimmen Germanos Gericht, d.

Heimliche

, das jüngfte

Geſchichte

aus den Bergen . eined Deutfchen des dicken Mannes

153

Regifter:

Seite Geſchichte d. H. Ohe im 172 5.76de 13

Guſtav Bolt . 108

139 Guſtavs Verirrungen 140

a. d. Bolt 531

Geläwifer . . . 120 Geſeilſchaft, bie wuns derbate . . .' 209

Gefpenft im Prater 508 ,b.fowarge 512 Geſpenſterbus .. 358

Geſundbrunnen . 11 Gevatter Matthies 163 Ghismonda . . . 406 Giafar ©... 199 Giannogo . . . 288 Girondiften . . . 455 Glasperlen . . . 512 Gleichen . . 190.345

Glinde .. 345

Sf, vi "alte «393 Grandifon . . . 50 Griechenliedet . . 487

Srifelbis . . . . 431 Grönländ. Progefie 260 Groß:Cophtha . . 238 Gudrun » . . . 539 ; Ginfling . - - 108

Guido... 381

'».Sohnedom 135 Ouiscard. . 230.352 Gumal und Lina . 119 Gundibert . . . 152 Suftas Aboif 241.420

u. f. Brüder 240

Guflejens Geſchichte 139 Guttenderg . . . 228 Gyges Ring . . 483

Satan . . 422 jaberfelb . . . 172 Habeburglid . . 420

Hagefohen . . 93 Sadn mit 9 Gühnern 139 Haibvogel . .". 433 Hallos Abend . . 153 gamtet, d. travefiete 190 jammelburger Reifen 496 Hampelmann . . 511 Sandfhuh . . . 517 Hannah . . 435

Glode von Aragon 309 Sannpene Hins und Glodentöne » . . 335 Herzüge . . . 139 Glůckspilz « 136 Haunchen und die Glyeine 242 Kühlen . . . 116 Gockel 346 Hans Heidefufuf . 421 Gogyn 249 Selling. . . 281 Godwi.346 Kid in bie Weit 161 GodwierCaflle . a88 Su . . 230 Götter Oriechenlande 72 von Zanow . 96 , Helben und Hab . . Wieland . . . 237 Harfengrüße . Sog v. Berli mäbgen. . 203 Goitesurtheil Hartenflein . . . 153 Gottfried Walther. 173 Hartmann . . . 107 Gonvernante . . 323 Bay. 2... 1 „Gräber, bie h . 241 Hafpar a Spaba . 280 2 Graf⸗ vr bei eis 468 Haß und Liebe. . 97 ein 132 Hallo... . . 282

Haus, das gefeims nißoolle '. 371 , bad öbe . 362 Safe, ©... . 452 Hausfreund . . . 514 genoffen 217.471 aba... . 9

mutter... 9 date. ft Hewig . . . . 322 Heimelhen . . . 398 Heimfeht . . . . 380 Heimweh. - 37

Heinci IV. 197.193. 283. 428. 429. 430. 505

554 j Regifter.

Seite i Seite Seite deinrich v. Cichenfeld 522 Himmel, d. gefiinte 9 Infel und Dario . 6 ber @öwe 190.336 Hirtenfnabe . . . 335 Mo... . . 74

vom Ofter Sadyei, He fiberne 73 Jnfin im Cübmeer 335 dingen . = 2. 292 Böben, die... 98 Infelfahtt . . . 88 Heirathehiftorien . 142 Höllenbraut . . . 396 Imtelligenzblatt . . 97 Sehen Morbend 325 mäer . > 188 Innalie. . . . 420 eliodorn 0. 283 Hofer, |... 429 Zebſtade . . . AB Henos Rahlab . . 241 Hofmeifler . . . 186 Tau . . 138 Henriette... . 440 Hoheit und Stolg . 47 Johann von Procida 190 bie Huſa Hohelied . . 481 Sohanna von Mont: venbraut 61 Hohenflaufen 427. 429. faucon.. . . . 284 von Eng: 834 Ile... .. . 452 land. . 427 Sollin . ... 340 Ion 239 Herbſt 2.2492 Holfänitte > > 378 Iofeph v. Arimathia 111 Herbblimine . . 278 Konigmonate > . 140 Iolevh I... 446 Seröftag - Horalier.. . . . 320 Iphigenia . . 69.70 Herfeſt. 336 Horen en. MI Irene. . . 385.541 Herfules Mufageted 311 Hortenfe . - . 416 Irmgart . . 90 Hermann 18. 21. 317. Sug® . . .. . 449 Sronie bes Behens. 397 336, 420° von Rheinberg 335 SIrrfahrten . 241.399 umbDoro: * Hunbefuchfenftreit . 413 Ierungen . . .. 288 tea . . 85 Huntöfattler » 111 Irwiſche . . . 44 Bange . 414 Huffiten . . . . 442 Iemilh Brig . . 522

umd Ufrife 32 Nutten . 480.462.534 Sobella v. Aegypten 343 von Unna 279 Subelmännein “.. 395 Ifpor und Olga . 424

Hermannfglacht 351.506 Syaillus . . . . 188 Iibora . .... . 228 Hermin . . . . 175 Hymnen an die Nacht 293 IE . . 241 Hermotimm® . 78 Hyperion .... . 256 Stalin. 242 Hero und Leander . 379 Zubelfeier der Hölle 218 derodes . . 428.483 Jager 2... 93 Jubellenioe . .: . 265 0. Bethlehem 386 Sägermäbdhen . . 202 Iucunde . .. . 89.421 Here und Diener . 246 Jahr, dad tolle . 442 Jude. . 437 Heinrich . . 421 Jahrmarkt v. Plun , der Fromme . 470 Heil. 90 deröweiler. . . 238 Jnden, die . . 53 und Eflave . 388 Ialob «5. 524 Jubil . 5. 432 Herz, das danfbare 428 Iamben . . . . 177 Iübin.. 0... 487 » das fehwarze 371 Ida von Pleffen . 116 Jugenbleben.. . . 520 , das fleinerne 362 Jdhlle vom Bobenfee 395 Julden Grünthal . 27 Hergendergiefungen Joplien 83 90.181. 241 Julchens Sinadı eines funftliebenden geime dar... 336 heiten . . . 140 Kiofterbrubere. . 294 Jen 2 AM Zulia. 2. . 432 Herzog Einf. . 338 den "und Sileig 2837 Julie... . 57 Hefberiden . 2. 834 Iefüite o -. 439 °— von Villenau 320 Hesperus 261. 420 Jeſuiten 180 von-Lindan. 242 Seo. . 193 Jfus . . 111.535 Zul... 0. 541 Hieronymus . . . 532 Jeiſchen Schönthal 140 von Tarent 185 9. Stauf 325 Ilias, die traveflirte 170 Jungfer, bie alte . 531 Hildegard v. Hohen Immortalita. . . 350 "Jungfernfig.. . . 55 Mal. 226 Smeognito . . . 193 SJungfrhun. Orleans 252 Hildgund . . . . 350 Indianer in England 127 Juninslieer.. . . 463

Silfae 2 2 2.290 Imez de Caftio. . 137 Iufuf . . . . 420

Regifter. . 555

Seite Seite Seite Kabale und Liebe . 250 Kleopatra . . . 137 Randprebiger . 115. 188 Käthchen von Heil⸗ Klingsberge . 129 Landwird . . . 508

420 Raofoon . . . . 47

brom . 2.» . 8bt Rlofer

Kaifer, ber griechifche 309 Klofterfichhof . . 181 Lapbenforb . . . 538 Naiferlieder . . . 414 novellen. . 470 Laptd. Todten ruhen 426 Kalb, das goldene. 143 romane . . 107 Laune bes Berliebten 237 Kalligeneia . . . 72 Mlotars Infel . . 381 Lama . . 137 Ralirhoe. . . . 74 Klubilien. » . . 455 -Saurelta Pifana . 140 . Kampanerthal . . 264 Kluge. . 2... 172 Laus. 2.49 Kampfliedet . . . 336 Kiytemnefttn . ., 428 kearofa 473 Karfunfelalmana . 86 Knaut . . . 9 Leben ein. Weſpenſteo 513 weile. . 375 Rom...» Lüberlichen 123 Kal... 0.0. 190 König Og . . - 4 Lebensbilder . . . 445 von Melöberg 189 von Zion . 439° Aäufe. . . 39 von Bourbon 458 Königin, eine . . 482 Regende, neue . . 167 von Burgheim 107 Königreich d. Weiber ss Lehrgebichte - . 7 ber Öroge . 336 Königebraut . . 367 Leibkutf—her . . 128 von Karlöberg 172 Koblbad . . 382.452 Seichtfinn und gutes der Kühne - 382 Komet . 0 0. 274 He . 122 Kurlöfehüler er 431 Mreidler . . . . 360 Leiden der Ortenberge Karolinen® Tagebuch 109 Kreuz in der Markt 336 ſchen Bamilie . 131 Kafpar d. Thoringer 189° am ber Dfifee 374 Reineweber . . .. 440 Faſerle. . . 507 unbQuergüge 42 Leinzig, buntes. . 513 Ratafomben . . . 317 Rreugfahter . . . 284 Seingiger Jungemagp, 135 Kater, der angolifche 378 Kreunach . . . 182 Lenure . . '9. 386 ‚ber geftiefelte 301 Krieg den Philiftern 355 Leonidas . . . . 501 Mur . . 368 Nriegegefänge . . 336 Leonie . . . . 472 Katharina . . . 540 Krone von Eypern“ 427 Leontine » . . . 130 Kapbahhymmus . 336 , bie unheils Lermen, ber blinde 34 Rapenberger . . 272 Bringende . . 509 Lesbos, bie Schwe⸗ Keld und Schwert 453 NKronenwädter . . 342 flemvwon.. . . 71 Kerker und Krone . 389 Krone . . . . dit Betten. 2 2 20. 89 Kienfeppli . . . 525 Krug, der zerbrochene 352. Leuchttfurm . . . 381 Kind, das fromme.. 365 NKünftlerbramen . . 230 Levana . 2. 271 , bad file . 358 Künftlers Erdenwallen ein. . 448 Kinder, bie großen 379 135. 210 Seyer und E chnert 321 des Haufes 253 Kuno v. Kiburg ._ 285 Libufla . . . . 442 der Zeit . 481 Kunfchronif . . . 499 Lichtfreunde . . . 464 Kinderlieder . . . 542 Kuroma . . 20 Lichtenflein . . . 499 file 2.28 Ruß und bie Oßrfeige 501 Siebe u. Danfbarfeit 113 Kindsmörderin . . 185 Kyllenin . . . 74 findetihre Wege 389 pfliht. . : 320 Rymomadhie . . . 498 nad) der Mode 123 Kirdhenjaht . 539.546 am Se .. 116 vifltation . 48 Lacrimas . FH Liebesgeſchichten . 537 Kir Reife... 452 Raidim 2... bare... 384 Klaglied, d. heimliche 268 Laienbrevier . . . 2 zauber . . 304 Klarfelo’fche Archiv 144 evangelium . 480 Liebhaber und Mer Klara v. Hoheneichen 280 Lambertine . . . 459 benbuhler in einer Klaufenburg . . 308 Landlebn . . . 10 Bein . . . 192 Klein Zaee . . 367 Landluft . . . . H Lieder, gepanzerte . 453

Kleinftädter . . . 131 Landplagen . . . 188 ‚life. . 481

9. Geelberg 157 d. Springer 190. 28

udwiga . . . . 415 Lüge, die eble 126 Luifa Amibei 430

ul... 208 Sumbacivagabundus 510 Ruther 370. 374. 391.

430. 534 utgerindte 0. 19

Madonna . . 464 Mädchen in ber Irre 60 on Ma

tienburg 97 db. polnife 318 7inUniform 503 Mädhenfhen) . . 435 Mägdekrieg . . . 436 Mannerfeind . . 508 Min . .. . . 320 Märchen... . 397 vom ſiechen Mann . 395 vom Rhein 349 u. Traäumen 426 Märtyrer, zwei Mit 25 Magdala . 478 Magelome . . . 304 Magie d. Schidſals 350

556 Regifter. Seite "Lieder, fülle. . . 453 Magifter Zimpel .

, ded Sturm 461 Magnetifeur ;

unpolitiſche 455 ‚Mahaguru .. Liederfehng 534 Maifönigin . 422. Lienharb u. ðerirud 173 Waiuotten . . . Ma oe. 00. 237 Major... . Zinn . 2... 190 Maitreflenromane . indor 2 20... 172 Mir . 0... Löwenritter . . . 280 MNoltn . . Loge, unfihtbare . 260 bie zeifenben Born . 2. . 425 Waltokm. Botoablätter 2 381 Malta 2.0. Lottchens Reife. . 122 Malthefr . . . Koni Ferdinand . 471 Manbragrra . . Bone 2 2 +. 84 Mann, der braune Boyola >... 0 gran... Auch... 0. 19 der große . Queinde . 0. 310 im Ponte Sublamahöhle . . 335 nach d. Uhr Ludwig d. Bayer 190.338 Marabouts .

Marate Tod. . Marc Aurel...

3 Margarethe Maul

tafı Margaretenhügel Maria Belmonte 9. Frankreich Magdalena, Schweirler”.

Gtuart 252.

Wariade . . . . Marienfean . - lieder Me... Marmorbild . . Mars und Phöbus” Martin Martir . Mafaniello . . . Madte, eifeme . . für Madle Matrofen Maurus Pancratius Mausfallenfrämer . Morimilians Brauts

We. Medea 69. 137. 196.

, bie neue Meditationen eine alten Rau . - Meifter Andrea . ig.

Seite ae 361

142

109 205

230 379 422

151 464 369

Seite Meifter Martin . 365 , Bilelm . 211

Melgior Strigel . 171 Meläthal . . . 537 Melufine . ._ 379.420 Memoiren d. Satan 499 eines Siöornfeinfegerd 498 Mendoga. . . . 186 Menöteus . . 23, 418 Malin . 2... 407 Meffiad . . 9.11.20 Meywert . . . 159 Michel Angelo . . 432

Mildenburg . . . 157 Miltiadee . . 73.318 Mimii . . . . 14 Deinna v, Barnhelm 54 Minona_. - 20.89 Mira Schafiy . . 410 Mirabeau 426. 441. 459 Miranda . . - . 326 Mifgyn . . . . 53 Mitfäuldigen . . 121

Mönd von Earmel 190 vomfibanon 149

Mohn . 2... 19 Moifafur. . . . 509 Molfentur . . . St Monachologia . . 186 Monaleshi . . . 431 Mondfügtige . . 307 Monima. . . . 6 Montabi . . . 190 Montesquin . . 190 More 2... 0. 193 Mora... . . 350 Morgarten . . . 249 Morgen: und Abend-

opfer 533

Motiv. Sachſen 283.458 Morpheus . . . 144 Mom ... . 545 Moe . . 423 Müller und fein Kind 425 Müllerliever . .- . 487 Mündhaufen . 48.410 Mündel . 82 Mubamd . . . 350 Murmelthir . . 347 Mufen und Orazien 88

Seite

Mufenalınanad) . 80. 385

Mufifanten . . . 3 Mutter d. Maccabäer 373 und Tochter 189. 469. 502

Nach Leiden Luft . 458 Naht, 1001 . . 135 Nachtigallenlieder . 481 Nachtlager von Graz

nada . . 384

füde. . 361 mähter . . 323 Nag wachieꝛ Bene:

. 164

Ractwäcerlieher . 458 Nächte, venehianifche 446 , wi... 388 Nanette . . . . 505 Nam 2... 498 Nante . Napoleon 148. 337. 505 Narrenalmenah . 512

Natalie... . . 494 Nathan . . . 148 Natürlifeiten . . 139 Naturmen$ . . 114 Naufifaa . . . a Nebenbuhlerin ihrer

elbj . 522 Nettehens Hoheit . 203 Nibelungen . . . .987

im Brad 454

det . 426 Nimrod . . . 10.456 Niobe 74. 184. 418

Noch... - 5 Nonne und Kebtiffin 139

48 Dienoe .

Regifter.

Seite Dedipus, d. romant, 412 74

Dlivia 2... 95 Onfel Zebra . . 512 Onteli . 3780 Drangenblüthen . 490 Drinoofo. . . . 19

-Drion

“+ 490 Orpheus . 89. 237. 417 Dflereier . . .. 522

Hftindienfahrer.. . 80 fe... . 500

Dan . ... . 177

Dttilie . . .

95

tt von Bamberg 336 DL . 428

der Grofe 336.420 mit dem Pfeil 193 ber &chüg 190.345. 456

v. Wittelsbach 189

Dttofar . . . 379 Dpid, der travefirte 170 Padilla . .. . 542 Bächter Martin . 118 Bäpftin Johanna . 344 Bagenftreihe . . 130 Balingenefin . . 265

Balmyra . . . . 398

Randämonium . . 187 Bandora . .... 7 Bantoffel. . . . 411 Baolo und Francesca 430 Bapierfenfter ._ . 406 Barabeln . 398.535 Baia... . 428

Barorismus d. Liebe 108 Barthenais * 8

Seite Bentfefilea . . . : 352 Bepita . 45 Beriander . . . 406 Bellen 2. 2x. 435 bie Heiligen 419 Veridenfrieg . . 170

0 Petermännchen . . 281

Betrarca . . 229.406 Pfarrerin, die Brau 525 . Blarrhäufer . . . 531 Biefferförmer . . 452 Bieflerröfel . . . 502 Bngnfet . . . 90 montag. . 517 Bhantafie, die gefels fee . . . . 509 Phantafien im Bre⸗ mer Rathefeller . 499 Biantafehüde 360 Bhantafus . . .' 302 ‚berfleine 384 Bhaeton . . 414.417

Bhilifter . 347 Bhilotas Pe} } Pietro von Abano . 305 Bilatud . . . . 114 Bizarre . . 137.429 Boll... 2. 306 Bolen. . 0... 454 Bolitiker . .. . 391 Bolizeigefihichten 2459 Bolyidos. . . . 74 Polgkratoe . . . 418 Polgrene : 69. 318. 540 Bonce de Leon . . 348 -

Boften, d. vierjährige 323 Prags Gründung . 348 Brejiofa . . . 386

7 Prinz und Bäurin 425

».Gnabenzel 438 Barteimuth . . . 192 , d. begauberte 386 Norweger 0. . 444 Bater Mbilgard. . 108 von Syrafus 407 Nothanler . .. I By. . . 238 ‚d.vermünfdhte 136 Nro. 777 "501 Hartung. . 108 Bringenfiule Nübeg . . . 40 Hyacinib . 108 Brobenäßhte . Nußternen . . . 182 Batlıl . . . . 448 Beafeflor . 56 made 364 Baul . . : 394 Broletarier . . . 460

ö der furchtfame 433 Prolog zum großen Sfewranterafmanad 181 Dep . . . 204 Magen . . . 336 Dtavia . 2 Baulina . . > . 414 Promelfeus "69.72. 241 Detavianme \ . 2 208 Pauls . . 2. 420 Propheten, Gefchichte

Den. . . 14.62.65

Geptimius 240

bes großen . . 161

558

- Seite Proteus . . 144.481 Pſalter und Harfe 534 Bugatfchef . 429.431 Bu. .... 41 Bupile 2... 26 Bygmalion . . . 5.74

der neue 417

Quälgeifter . . 60.501 Quarantaine im Ir⸗ venhaufe . . . 469 Quidborn 2. 518 Quintin Nefñis 229 Duintus Sirlein . 264 Seimeran 114

Raphael. .

Näuber . 249 -Räuberromane . . 288 Räufhhen . . . 122 Randzeichnungen . 500

de Aqnilas 198

Rophade . . . 425 Raritäten . . . 160 Rafereien ber Liebe 137

Rathenan . . . 190 Raven . 2. . 454 Recht der Liebe. . 508 Rehte, der... 447

Refugis . » 2. 320

Rebel... . 130 Regulub . . . . 318 Reinefe Fuchs . . 513

Repräfentantenwahl 517 Reife nach Brauns fhweig . 158 nach Briglar 159 nad Egilda 161 Reiſebilder . . . 465 Reifen, empfindfame 28 ad. Bremde 228 068 Iegten Menfhen 396 ein. Negerin 290 vor d, Sund⸗

——— 5. Diafanpol 163 Neifenden, bie . . 308 Riten. 3 Reifeatten . . 372 Revolution . . . 444

Regifer.

Seite Revolution in Schep⸗

Seite Säugling . . . 177

venfledt . . . 2-S0n * Soreit 278 336 113

Rhinogeros . .

89 Ridard . . . 90.540

Eavage . 431

Riebmar . . . . 330 Rinaldo . . 287 Rindigius . . 48 Ringulf . - . 21

Ater und Bauer . 530 vom @eifte . 467

Et. Julie Salem . . . 13. 401 Saly' eReotutiondtage | Y

Sampiew . Santa... 538 Sandmann . . . 361 Sannazar

2.2. 536

Sappho 118. 379. 418 Sara Sampfon . 54 496

berlepte . 454 Sardellen . . . m Mar Satyres. .. 238 vienburg . 357 Saul. . . . . 428

von Rhobus 491 Savonarola . 429. 476 ‚ber treue .„ 538 Seenen aus dem Beis

Bahn 2390 Rereihe . . - Robert, der Braune 203 Chaflgur . .

v. Hohened_ 189 Echajäfopf .

2.Teufel 426.540 Shah, ber . Robespierre . . . 459° Gabi ; . 137 Robinfon . . . 119 Echaufpielerin . . 468 Rochus Pumpernickel 507 Schapg - . . 53.395 Rodenftube . . 528 Schapfäftlin . . 514 Roco 2 2 2. 468 Schelle . . . . 426 Rodeih . . . . 463 Scherz, Liebe . . 237 Römer >... 189 "Schidlalefrumpg . 511 Röschen . . . . 139 Sciewelbein . . 134 Roland in Berlin . 440 Schifferſagen . . 393 om. 78 Sailfagen 2. Mk Roman in Berlin . 446 © 2. 423 Romancero . . . 416 Eeinenig” .. 520 Romanzen . . . 402 Schlemihl . . . 370 Romanzero . . . 466 Schloß Avalon . . 490 Rofamunde . . . 322 und Zabrit 459 Roaura . . » . 29 Goryn. . 449 Nofe, die bezauberte 382° am Meere. 418 Rofen, wide . . 512 Schluterius . . Roſenmaͤrchen Schmelze .

fohn . Samitjatob Vothlaͤppchen Schmuch ·

Rubens . . . 229 Schneewittchen .

Rubin. . 138 438 Rudolf v. Haböburg 132. 190 283. 419. 436

9. Werenberg 113 Runenbug . : . 308

Sacdhie . . . 288 Sämunds Führungen 535 Sängerliebe >. . 329

Chnt . 2... Schön Itla. . . 480 Schöne, bie . Schöpfung . - - Schooßhund . . - Schroffenflein . . Schülerliebe. . . 415 Schüfleln, fie . 97 Schuld . . . . 376

Regifter. 559

Seite . Seite Seite. Schuldbauer . . . 524 Sohn der Wildnig 431 Sturmlieber. . . 461 Schule der Brommen 407 ber Zeit 453.456 Stugperüde. . . 48 des Lebens . 426 Eofrates Ton . . 334 Sünbfluth . . 5.420 Säulmeifterwahl . 517 Solvaten, die . : 187 Gufanne . .- . . 394 Me A büchlein - 390 Eugene Hochzeit 51 Schupgeit . . . 38 Hieer . . 456 Gylveflernacht . . 361 Schwaͤnke . 138 Soll und Haben . 449 traum. . 524 Schwärmereib. Liebe 116 Sommer . . . . 492 Cpmpathied. Seelen 319 Schwaning . . . 477 Sommerreife . . 317 Schwarzen, die: . 454 Sonette, geharnifchte 337 Tag von St. Jacob 421 Schwarzenberg . . 382 Sonnenjungfran . 126 auf bem Lande: 90 Schweigerliever . . 516 Sonnenwirib . . 442 Tagebuch eines ars Schweizerfamilie . 511 Sophie Berg . . 108 men Bränlein . 531 Schwert und Hand 428 Sophiens Reifen . 24 Taglöhner, d. abelige 185 Schwertberger . . 429 Spanier in Peru . 127 Tantalus . Schweern von Prag 507 Spaniihed . . . 546 Tante. . . Schwiegermutter . 96 Spartacus . Taſchenbücher Sqhwur ber Liebe . 195 Spaziergänge Zafo. . . - Seipio Cicala . . 472 Spaziergang eines Taſſo's Tod. Scubery‘ 366 Wiener Boeten . 454 Tatarid . . . Mothanfer 451: Spiegel des Hofes A11 Tatarenfchlagt . Sebaftin. . . 522 Spiel des Schidfald 255 Taugenihtd . . . 355 See u. Balmärien 398 Spieler . . . . 95 Telephos. . . . 418 Schein . . - 474 ,biefalfchen 194 Tel, W. . 249.252 Selbbeherifhung . 9 glüd. . . 386 Templer auf @ypern 373 Semiramiß . . 426 Spinoga . . 470.482 Teufel in Berlin . 513 Sempad, Schlachtbei 249 Spigbat . . 29 auf Reifen. 160 Serapionebruder . 363 Spot . . . . 422 Teufelsmühle . . 507 Shafefpeare . . . 229 Stabil . . . . 507 Teutomal . . . 20 Siama . . . . 118 Stahremberg . . 22 Thafnilde . . 20 Sibylle . . . - 448 Stapelia. . . . 497 Thal von Ronceval 406 von Tibur 547 Stark, Lorenz . . 98 Thames . . . . 122 Sieingen 137.477.534 Stednadeln . . . 130 Thaffllo . . . . 325 Sidonie . . . 434 Stella . . . . 120 That, die . . . 380 von Bor . 442 Gtern von Sevilla” 388 Theaterbireftor . . 3863 Siegfried v. Lindenberg FH Sterne, die. . . 536 Thea . . . . 545 Sieglinde . 4 Stendal . . . 298 von Thum 282 Siegwart v. Sternhein . . 23 igel Wienerin 3 Siftits Tod. 388 Stimmen, freie. 337, Themi 428 Sigurts Braufapt 463 Stortebefer . .. . 190 —52 73.164. 3 Sineds Lieder . 21 Strafe nach d. Tode 336 Theobald. . . . ESintram . . . . 325 Straußfeden . . 50 _ Sale . . 2. 20 Straußiade . . . 477 Sonim u. 837 Sigen . . . 111 Streligen . . . 189 Theodor . . . . 36 Stlavenleben, europ. 449 Grid durdi bie Reihe Therefe.Rroned. . 51 Söhne des Thale . 3735 mung». 0. 124 Thefeud . 73.177.193 und Töchter Simerfee «428.431 Theubelinde . . . 283 der Seit . . . 474 Gtubbenfammer . 89 Thiodolf . . . . 328 Shit . . . . 196 Stubien . . . 441 Thomas Kellerwurm 138 Sohn, der dankbar 99 ,Humorif.. 500 Triumph der Ems

‚ber verlorne 525 Sturm und Drang 194 pfinbfamfeit . . 238

um Treue. 412 Zröfteinfamkeit - . 340

560 Regifter. Seite Seite Triumph ber guten Begeriht . -. . 423 Braun . . . 61 Derbreihen aus Ehrs Zimoleon . 73.177.426 fuht . 0... 92 min . . 2. 197 Verbrecher aus vers Tiroler Wahl . . 507 Iormner Ehre . . 255 Zifchlermeifter . . 307 Berfolgte, der . . 229 Zitanı 2 2.0. 266 Bergmügen, itdiſchee zitus . 99 in Gott . . Töchter ebler Herr Verkehr, unfer Tunft, für . . 24 Verkleibung . . . 407 Tochter der Natur 114 Verlobung . . . 90 ‚bd.natürliche 212 Verlobungering . 502 Tod bed Dichters . 307 Veronica. . . . 547 Tobtenbrant . . . 358 Verſchollenen . . 406 Hänge . . 388 Verſawender . . 509 Zon unfer Seit . 125 Berföhnung . . . 122 Tomi... . 323.353 Gera eifnn 124 Zoppee » . . . 26 Vertrauten . . 378 Touſſaint .445 Berworfenen . . 473 Trauerfpielin Sieilien 433 Better aus Bremen 323 in Tirol 407° aus Liſſabon 59 Zeaum ein Leben . 379 Bicefanzler . . . 97 Traumfahrt . . . 398 Vier . . . . 481 Teeibja . . . 440 Wictoria . . . . 348 Treue, beutfche.. . 423 Bictorine 4385

Biel Lermen um Nicht... 355

Trompeter von Säls Bierzehnender fingen... 399 Bigilien.. . . . 479 Troftlieder 462 Biry. 2... 445 Zulifäntgen . . .. 410 Birginia. . . . 137 Zunifiad . » . . 419 BittoriaMccorombona u Zurturel 2.389 Vögel . . Tutti Frutti. . . 499 Bogıl, ber golbene as

Zum... 398

Mebeld, Urſprung des 3 Ueberall und drn. zei

Ugolind . . uli, ver Knecht . 52 Uih. 0.0.0447 Undine ..... 330

Ungeheuer, d. graue 160 Unter der Erde . 458 Unterrödden . . 139 Urania . . . 79.104 Urtheil, dad milde Mn 2...

Ban Dot ... . 229 Balentine . . . 507

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romane . . 521 Voltaire, der Meine 28 Dom .... 94

Waͤchtelpeter . . 204 Wahl und Führung 537 Wahls große Nafe 494 Wah lverwandtſchaften 121 3 Waldbroffel . . . 520 Waldeinfamfeit . . 308 Waldemar, d. faifche 440

Grf . 507

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Wallenſtein . . . Baller . B Ballina . Bl...» Walſeth und Leith Walther von Monte Ba. Banda . . Wanderungen dureh den Markt. des Lebens. . . Wanderungen durch den Thierfreid . Wandöbeder Bote Barbl . . . Waſſermenſch Waterloo . . eh dem, der lagt Wehmüller . . . Beib, das leitende bed Uriad . Weiber nach d. Mode Meihe der Kraft . der Unfraft Weihuachtsabenn . feſt

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mann... Weiß und Schwarz Weiße Sflaven . MWeipdornblüthe . BVellenfäläge . Welt, verkehrte und Zeit Beltpriefter .

ton . . Bendelin . . Bendung. » » Werdomar . . Bertha . . » Whiftparthie . Diener Bären Wikham . . .

Regiſter. 561 Seite Seite Seite Bilde, der . . . 163 Wolfgang von Zeus Zaubereing . . . 327 Wilelmine . . : 125 felflein. . . 285 fhlh . 157 William Lovell . . 295 Wollmer . . . . 243 Zeitgebidte . . 462 Bilibad . . . 227 Woowill . .. 57° —geifl. .-. 427 Binde . . 462 Wullenweber . . 431 geil und Ber Windbruch . . 45 Wunderblume . 384 ner Get . 524 Winkelied . . . 420 Wunderhom . . 312 fhwingen . 138 Winter . . . . 492 Wunderfüctigen . 307 Zeitungsbraut . . 507 Wintergarten . . 343 Wurmfamn . . 14 Zerbin '. . . . 188 märden . 466 Zebino . . Wiprecht v. Groitſch 283 Kenin . . . 71.236 Zila. . . Witt, Tob. . . . 98 Biete. ._. "42. Pr Wittelsbacher . . 476 Yugurd . . . . 377 Zopf und Schwert 431 Blfa . . . . 420 Dnlle. . 2... 6 Bciny . .. 0. 322 Wochenſtube, polis Zu ebener &be . 510 fe. 8 Bamira . . .. . 32 Imeiflein . . . 879 Woldemar . 109.345 Zamor . . 163.244 meilampf . . . 853 Wolfenbüttel, Prinz Zamoi . 2. . 118 Zwillinge . 194.242 zeffin von. . . 441 Zauberflöte . . . 155 Zwillingfifweflern . 283 Wolkenſchieß . 43 0 bafe . . 57 Zwingl , 482. 534 I. Seite Seite Abt. 150 Bernhardi . . . 308 Adrian . “434 Bettina . . Ahle 2. . 530 Betiy Bali . . 416 Albrecht - _ 108.140 Bewiud . . 6 Alerander, Graf von 6 Biernagli . . 445 Württemberg . 480 Bahı BirgePfeifer 229. 502 Alexis. W. . . . 440 Banblin . . . . 462 v. Billing . . . 435 A... 0.0. 500 Bauernfelb . . . 502 Biforlus. . . . 167 Althing . 4139 Baumann . . . 511 Bitter... . . 625 Ambühl . 249 Bechſtein 221. 390.442. Bis 2. . . 523 Andrö . 6 534 DBlanfenfee . . . 420 Angely .. 502 Bed, Fr. 27.418.536 Blum, 8. . . . 503 Angelftern . . . 588 —, Kent. . 59.501 ,3.0.. . 11 Ave . . 74.358.420 —, Karl . . . 453 Blumauer . «187 d’Arien : 190 Bedr 0... 385 Blumenhagen . . 385 And... 0... 315 Beer . . 428 Boas... 5 9. Arnim 2 339 Beil’. 200. 16 Bd... .. 81 Amb .. » 517 Belani . 2. 440 Bodenflet . . .. 419 v. Artnr . . . 380 Benedir . . . . 506 Bobmer . . 0. 4 QAuerba . . 483.525 v. Benkowit 218.290 Böome . . . . 452 Auerfverg, Graf . 454 Benjel⸗Sternau, - Böttger . 421.433 d. Auffenberg . » 428 Graf . . . . 143 v. Boguslamdli . 835 Auguft, Herzog von Berdlad. 2 2 2 488 Bohn. 2... 8.9 jotha . . 4 Bernhard . . . 446 Bolt... .. 80 Menzel, beuifge Diätung. In. 36

562 Regifter. Seite v. Bonin . Gollin, M. von . 320 v. Bonftetten Corrodi . . 517 v. Born . Gonfener 529 Bornemann : . onteffa \ 382 Bouterwel . - 73.239 Gm . . . . 74.190 Brahmann 490 Eofenoble . . . 501 Brandes» . 58 Cramer, I.0.. . 19 Bram - F 2. 47 „K. G. 33 33 von Braun— 76. 285 Mal 2... 16 Braund . . 498 Craur . ... . 249 Brawe . 56 Treigenach . . . 453 Breitinger 0. 7 Gremei . . 0. 1890, Brentano, El. . . 346 Grund . . . . 90 ,Eophie. 116 Gum. .... 9 Bretfönelder . . 538 Gulind . . . . di v. Bretfpneiber . . 167 Brehm... ann m Balken . . . 100 2 drinfmann > 40% Deinbarbfein . . 280 Bronitomihi. . . 403 Demme 00. 118 en .. v.Deppen . . . 489 Brudbcin . . . 440 5 Derlgau Brühl, Oraf . » 60 5 Fi 229 Diö Bares. . . 546 Sue Zeile... 400 emolb . . . . FG De Wette... 597 Bube : a02 Dingetet . .,, 458 ring » . 434.518 re Veen PIE Ti pe 17 u Si Be... Terterönkigef 546 Bürger... 4.128 5 Dirigefin . 449 Bf. ..\ Burda. . . . 132 Dufh - . v.Bud . . . 99.105 ». Dyken he Gafpar . . . . 190 Cafvarfan - . 20 Bun Gafeli . . 511.518 Qeermann v. Chamiflo . 218.370 Gainhardt . we... 43 heard. . gut > 33 m. Qicenborfl A: Giauren re 17} ea. Bun lement . . . 518 R Ge, ana Can Gm > u. ůõ BET... 20 Gotlin, '$. 2319 Gehe 2... 497

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184. 208. 234

Regifer. 563 Seite Seite Seite v. Gothe, jan. . . 397 Heidelberg . .. 417 gun 8. 8... 108 Göttinger Hainbund 79 Hein . . . 90 bo .. 116 Goldſchmidt. . . 518 Heinemann ... . 459 Jahn. . . . 464 Golz, von der . . 139 Heinfe, W. .°. . 224 Jafor . . . 452 —,Ag....50 —, . 283 Sean Paul . . . 258 Gotifhalt . ü 2. 466 Jemand... . 488 Srabbe . . Be deniſch . . . 24 Gregorovi . Mad .... MM Gripenlerl Immermann Gries .. Grillparzer B ob... . Groſchvetter Große 45 Großmann 97 Heklot . . J 511 roih 318 Zerioßſohn 180 Grübel . . 517 Hermann . . 453 rin . 2. 44 9. Sermamethal 535 Gruppe . . 462 Hermes 24 Kannegießer . 419 d. Günberode 349 Herwegh - 456 Raid... . 519 Supfow . 430 Hefefiel 536 Rayfr . . . . 190 Heffemann . 420 Kelle 2... 492 2.96 8 Regen 2... 105 adländer . 449 erden, von der 336.429 Kerner, J. . . 371 äfflinger 16 See... 492 Hafner . v.Hivpel 2.39 9. Keudell . 391 Hagemann Siefhfedb . . . AM Rind... 229.384 Hagemeifter . Hirg u Kindleben Hagen . Hirzel i Hagen . Hd . Hagenba Hoefer Hahn, 8. Holderlin ——5 Sefnam, $ ahn- Hahn . Hoffmann, v. Halem . ID. Hall . ,%.%. v. Haller v. dallere · dain leben Hamann 2 v. henhauſen . v. Hammer Sohlfed . . . . i janfe . v. Holbein . 386. . Harro Sarring 221. 1 Holtei 220. 229. 386. 510 Klinkicht . 4 Holzapfel . . . 90 Rlopfiod. . 41 Hartmann, W. . . 325 vom 2 220. 528 And 0... 534 ,M. 420.453 Som, %. . . . 230 d..Rnigge . 156 Huf... 439 NR. . 2. 460 v. Robbe. . 434 Sau... 494 v. Houwalb . «381 ©. Kobell . 519 v. Haupt ... 434 Huber, J.2. . . 132 Roh . . . 499 Hebbel 432.50 ,8.8% . 283 Koöohler . . 483 Seh. 455 d. Heeringen 444 Hubemann . . . 19 Körmer PP 320

564 Regifter.

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Berichtigungen und Buſãtze.

Band I. ©. 254 if durch einen Zufall das Blatt nicht abgebrudt worden, weldjes von Heinrich Sufo, genannt Amandas, handelte. Diefer zu Conſtanz geborene, zu Um geftorbene Möndh des 14. Jahrhunderts ſchrieb mehrere möftifche Werke (Herausgegeben von Diepenbrod 1829), worin er feine Liebe zum Heiland ald Roman feines Lebens mit feltener Kindlichkeit, Innigkeit und füßer Gluth ſchildert.

S. 433 iſt nachzutragen: Strickers Märe von ben Gäuhühnern (herausgegeben von Pfeiffer 1859). In dieſem kurzen Gedicht ſpricht ſich der ganze Trop ber nieberöfterreichifchen Bauern (im 13. Jahrhundert) gegen ben Adel aus.

Band II. ©. 92 Zeile 3_von oben lies: Raffinement. Zu S. 502 ift zu bemerfen, daß Stranipfi'g Reife aus Salzburg, die ich nicht befommen Fonnte, wahrfcheinlich daſſelbe Buch iſt, was noch einmal von feinem Nachfolger, dem beliebten Wiener Hanswurft Prehaufer, ohne Jahrzahl edirt wurde, mit einem Anhang „Hanstonrftifche Träume“, 'ganz im ähnlichen Humor. Hier träumt her Hanswurft 3. B., er werde in ein Rammermätdhen verwandelt und müffe einer böfen Dame dienen. Doch find alle diefe Sachen ſchwäͤchet ald Etranigfi's olla- patrida (nicht olla potrida), die in der Geſpraͤchsform an des. Crasmus colloguia, in der Sprache an P. Abraham a St. Elara erinnert, aber in die ſchlechteſten Sitten der Zeit Hineinbliden läft. Am twigigften if S. 208 das Gefpräg zweier Mägde.

Band II. Eeite 1 Zeile 11 von unten lies Breienthal. S. & 3. 13 von oben I. des Koluthos. S. 42 3. 7 v. 0. 1. Querzuge. ©. 114 3. 15 v. 0.1. Wenzel Fall. ©. 140 3.9. v. u. l. Buhlerinnen. ©. 142 3.15 v. u. L parrena. ©. 173 3.2 v. u. 1. Kunz flatt Kurt. ©. 174 die Kapiteljahl 2 ſt. 3. ©. 190 3. 10 v. o. L. Rathenau. ©. 241 3. 17 v. u. [. Amphitruo. ©. 243 3. 17 v. u. I. Ständchen. ©. 258 3. 18 v. o. I. grellen Contraſten ©. 343 3.11 v. u. L16R. 15: S. 372 die Kapitelzahl 6 f. 3. ©. 385 3.5». o. 1. Sachen fl. Sagen. S. 388 3.2 v. u. I. Krone fl. Kram, S. 440 3.3 v. 0. I. feine Romane, S. 458 3.10 v. u. I. Wochenſtube. ©. 472 3.13 v. m. L von der Heyden. B J

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