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DEUTSCHE KUNST UND DEKORATION

ILLUSTRIERTE MONATSHEFTE

FÜR MODERNE MALEREI PLASTIK ARCHITEKTUR WOHNUNGS-KUNST UND KÜNSTLERISCHE FRAUEN- ARBEITEN

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DARMSTADT

VERLAGSANSTALT ALEXANDER KOCH

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DEUTSCHE KUNST UND DEKORATION

HERAUSGEGEBEN UND REDIGIERT

VON

HOFRAT ALEXANDER KOCH

BAND XXXVII

OKTOBER 1915 MÄRZ 1916.

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ALLE RECHTE VORBEHALTEN.

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ERICH ERLER-MÜNCHEN. RADIERUNG .SÄENDE FRAU. AUS EINER SERIE KRIEGS-RADIERUNGEN.

VORWORT ZUM 19. JAHRGANG.

Der erste Kriegsjahrgang dieser friedlichsten aller Zeitschriften ist abgelaufen. Wir treten in den zweiten ein! Was schließen diese Worte in sich an Mühe und Opfern, aber auch an frohen Enttäuschungen, an Stolz und kühnem Hoffen! Unsere Feinde wollten nicht mehr und nicht weniger als den militärischen und wirtschaft- lichen Ruin Deutschlands. Wie ist es anders gekommen! Die Anstrengungen der Gegner haben nur bewirkt, daß das Große im deutschen Wesen, das man über gewissen Mängeln der Form übersehen hatte, hell vorallerWelt erstrahlte! Der deutsche Riese erhob sich und vollbrachte in einer sachlichen und sozusagen bürgerlichen Begeisterung Taten von einer sagenhaften Gewalt. Handel und Wirtschaft sind nicht erstickt; wir leben, atmen und essen! Ein gesteigertes Lebensgefühl erfüllt das deutsche Volk. Während die tapferen Heere ringsum den Feind abwehren, blüht und wirkt im Innern deutscher Geist und deutsche Kultur fast unge- stört! Man kann Deutschland wohl vom Meere und von einigen Erdteilen ab- schließen, aber man kann es nicht abschließen von den unversieglichen Quellen, die innere Kräfte, inneren Reichtum spenden. -

Diese seltsamen Kriegsschicksale Deutschlands spiegeln sich auch in dem wieder, was unserer Zeitschrift widerfuhr. Beim Beginn des Krieges hatte keine Zeitschrift, am allerwenigsten eine Kunstzeitschrift, Grund, besonders vertrauensvoll in die Zu- kunft zu schauen. Im gesamten feindlichen Ausland hat denn auch der Krieg unter den Zeitschriften verheerend gewirkt. Viele sind eines plö^lichen Todes verschieden. Ein paar nur fristen ein kümmerliches Dasein. Auch wir haben die anfänglichen Begleiterscheinungen des Krieges, die sich zunächst in falsch verstandener Sparsam- keit äußerten, zu spüren bekommen in Gestalt einer großen Anzahl von Abbestel- lungen. Zwar erfolgten sie durchweg mit dem Ausdruck des lebhaftesten Bedauerns, aber man glaubte sich selbst bis in die sehr vermögenden Kreise hinein zu spartanischer Einschränkung verpflichtet! Bis allmählich das Staunen und die Er- kenntnis kam, daß nicht ein Zehntel der befürchteten Störungen wirklich eintrat, und daß die wichtigere Pflicht die war: die mühsam errungenen Kulturgüter des Friedens nach Kräften über den Krieg hinweg zu erhalten! Da erlebten wir die Freude, die einen Augenblick verlorenen Freunde in stattlicher Schar zurückkehren zu sehen. Daß aber troßdem die Aufrechterhaltung einer so anspruchs- vollen Zeitschrift in diesen schweren Zeiten nichts weiter ist, als ein der Kunst und der vaterländischen Kultur gebrachtes Opfer, das bedarf für den, der die Ver- hältnisse kennt, kaum der Erwähnung! Die Einberufungen, die vermehrten Kosten, die Schwierigkeit der Stoffbeschaffung, der gänzliche Ausfall an Anzeigeneinnahmen: all das bedeutet eine erhebliche Erschwerung des Weitererscheinens einer so kost- spieligen Zeitschrift. Der Ausweg, weniger oder minderes zu bieten, kam von vorn- herein nicht in Betracht. Wahrlich, es war keine leichte Aufgabe, wenn diese Zeitschrift tro^ Kriegsgeschrei und harter Zeit kein im Wert oder Umfang schwächeres Heft herausgebracht hat! Das Gleiche darf ich auch von meinen beiden anderen Zeitschriften, der „Innen-Dekoration" und der „Stickerei- und Spißen-Rundschau" sagen.

Die Kunstzeitschriften haben auch während des Krieges die bedeutungsvolle Auf- gabe, namentlich den neutralen Völkern unablässig und eindringlich die Hoch- leistungen deutscher Kultur vor Augen zu führen. Nach dem Kriege, wenn es an das Wiedereinrichten und Neuaufbauen geht, werden wir gewiß dazu helfen, die Geister auf die Werke der feinen Künste wieder einzustellen und rasch die frühere Höhe der Arbeit wiederzugewinnen. Wir hätten es als eine Beschämung des ganzen Volkes aufgefafit, hätten wir unter dem Drudt des uns aufgezwungenen Krieges unsere Pioniertätigkeit aufgeben müssen, unser Bestreben: für gesunde deutsche Kunst zu werben, die Schaffenden zu fördern, indem wir ihre Werke in würdigster Form vorführen, der Allgemeinheit - Staat, Schulen usw. - wie dem Einzelnen die Fühlung mit den Künstlern zu erleichtern, der Kunst die öffentliche Achtung zu erringen! Wenn feindliche Heere deutsches Gut verwüsteten, so greift der Staat ein, er heilt, entschädigt, richtet wieder auf. Wir können nur auf das allgemeine Kulturgewissen des Volkes vertrauen. Man spendet gewig auch den „Opfern hinter der Front" Aner- kennung und Lob. Unsere Art opfervollen, tapferen Aushaltens ist sicherlich die wirksamste Beschämung für den Gegner. Aber auch wir brauchen Mitkämpfer, die Unterstüt5ung derer, die die Güter der Kultur schät5en und genießen. Darum möge ein jeder mithelfen, in seinen Kreisen für unsere Zeitschrift zu werben. Auch dies ist eine Möglichkeit, für Deutschlands Ehre und Größe einzutreten!

Dem Sieg deutscher Waffen möge ein Sieg deutscher Kultur in ihrer ganzen versöhnenden Größe folgen!

Darmstadt, September 1915.

ALEXANDER KOCH.

HANS THOMA. >SEI.BSTBn.DNIS. 1872. Hamburger galerib.

H.-VXS THOMA-KARLSKUHE.

BLÜHENDES TAL 1913.

HANS THOMA.

EINE HULDIGUNG ZU DES MEISTERS 76. GEBURTSTAG

VOM HERAUSGEBER ALEXANDER KOCH MIT TEXT VON FRIT/, VON OSTINI.

ES sind rund fünfzig Jahre her, daß Hans Thoma zu malen begann, die Lehrzeit ab- gerechnet. Aber es ist nur ein Vierteljahr- hundert vergangen, seit dem Tage man kann das fast auf den Tag berechnen! seit dem Tage, da einem weiteren Kreise ein Verständnis aufdämmerte für das, was er als deutscher Ma- ler bedeutet. Er ist immer der Gleiche ge- blieben im Wandel der Zeit, wie im Wandel seines Schicksals , das ihm erst Armut , Ver- kennung und Hohn brachte und dann in späten Tagen Ruhm und Ehre, wie wenigen Anderen. Keine der Zeitströmungen, in denen das Schiff- lein der deutschen Kunst seit Jahrzehnten hin- und herschwankte, hat ihn beeinflußt, keine gute und noch weniger eine schlechte, jede laute Verkündigung neuer Kunstgesetze verhallte un- gehört vor seinem Ohr. Und er hat seinen Platz doch behauptet in all der Zeit! Behauptet in der Meinung der Urteilsfähigen, wie auf dem Kunstmarkte. Denn er ist ein Ganzer und Ei- gener — und darauf kommt's an! Das spüren schließlich auch die Ritter von der Phrase, spürt die Menge, die sich von ihnen leiten läßt. Und

er ist ein'Deutscher und zwingt gerade dadurch, ohne daß sie es wissen vielleicht, gerade denen Achtung ab, die Zeter zu schreien pflegen, wenn man von der Möglichkeit einer ausgesprochen deutschen Kunst redet. Er ist ein lebender Beweis für diese Möglichkeit, sogar ein Beweis dafür, daß diese Möghchkeit sehr reich und viel- gestaltig ist. Er ist deutsch, wenn er, wie in vielen prächtigen Bildnissen und Landschaften reine Malerei treibt, deutsch in seiner oft durch- brechenden Neigung, die Formen stilistisch zu binden, deutsch in seiner Nachdenklichkeit und Lust am Fabulieren, in seiner Arbeitsfreudig- keit, die sich nie genug tun kann, die alle Dinge umfassen will und auch das, was hinter den Dingen steht. Seine schöpferische Fruchtbar- keit ist beispiellos und wenn man aus seiner gewaltigen Produktion alles minder Wertvolle ausschiede, das ja selbstverständlich mit unter- laufen mußte bei solchem unbezähmbaren Schaffensdrang es bliebe immer noch ein Lebenswerk von erstaunlichem Umfang übrig. So zählen ihn heute nicht etwa bloß die Alten zu den Ihrigen er gilt auch bei denen, die

XIX. Okiober 191S. 1

Hans Thoma.

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HANS THOJlL\ K.VRLSRUHE.

sich sonst ausschließlich für den Hort der vor- wärtsstürraenden Jugend halten. Und bei den ultramodern sich gebärdenden Kunsthändlern hängen die Bilder Hans Thoma's zwischen denen der Allerneuesten und der alleinseligmachenden Franzosen. Die Erklärung? Die Wucht einer Persönlichkeit, wie er sie darstellt, erschüttert eben keine neue Lehre, keine Willkür der Mode. Er ist sozusagen eine der wenigen „ganzen Zahlen" in der endlosen Reihe der Kunstentwicklung. Wie alle echte Kunst, ist die Hans Thoma's, eine Kunst, die aus innerstemTrieb, aus heiligem Müssen stammt. Er ist sich immer selbst das Publikum gewesen, das ihm wichtig war und das Schaffen war ihm Lebensinhalt und Lebens- genuß. Höchstens in seinen Bestrebungen für Volkskunst, seinen Lithographien, seinem „Immerwährenden Bilderkalender Chronos" wird der Wille deutlich, zu den Vielen zu reden. Aber nicht in der Sprache der Vielen, sondern in der eigenen. Er ist eben Einer, der unend- lich viel zu sagen hat und aus seinem Reichtum

»RÖMISCHE C.VMl'AU.NA 1913. MA.NXHEI.MEK KU.NSTHALLE.

dem Volke geben will, dem er entstammt. Im Wesentlichen galt ihm stets der Grundsatz, den er einmal in einem Aufsatz über „Kunst und Staat" so schön formuliert hat:

„Tun und Wirken als Ausdruck eines ruhigen, in sich gegründeten Seins, ohne vorgefaßte Ab- sicht, damit die Welt zu beglücken und be- lehren zu wollen ein frohes Spiel der in ihm liegenden Kraft ohne immer an das Bewußt- sein einer Endabsicht, eines Zweckes dieses Schaffens anzustoßen, das ist das Wesen eines Künstlers." In diesem Wesen hat Hans Thoma immer Befriedigung gefunden, ist er glücklich gewesen auch in dem Vierleljahrhundert der Verkennung, das er vor dem Vierteljahrhundert der Berühmtheit durchlebte. Er selber schreibt : „Ein wirklicher Künstler kann gar kein Kunst- märtyrer sein, auch wenn die Lebensmisere, die er ja mit allen Sterblichen gemeinsam zu tragen hat, ihn verfolgt; gerade in seinem Schaffen ist ihm etwas gegeben, was ihn über den Zufall der Geschehnisse erhebt!" Kann

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HAXS THOMA. GEMÄLDE DRCiHEXDE WÖLKEN' inu. IM i;es. dks Künstlers, veri.agsr. deutsch. veri..-anst. stuttg.

Hans Thoma.

HANS TilOMA KARI.sKUilE.

HEKDMTAG IM >CH WAKZWALL) 1904, BE.Ml/XR L".M;tKA.NM.

ein Künstler seinen Beruf, sein Verhältnis zum Leben schöner, weiser auffassen? Weniger be- irrt als er durch irgend Etwas, das von außen kommt, kann kein Künstler zu seinem Berufe stehen, nichts Überkommenes, keine Neben- absicht trübt ihm die reine, heiße Liebe zur Natur, zum Weltganzen, die der Urquell seiner Kunst ist. Auch seine Neigung zur philosophi- schen Beschaulichkeit, zu phantastischen Flügen ins Fabelland, stammt aus jener großen Liebe und steht darum durchaus nicht in einem Gegen- satz zu rein künstlerischen Bestrebungen, so wenig, wie etwa bei Böcklin, dem ja auch die Ganzklugen ob seiner Romantik gelegenthch eine nichtmalerische, „literarische" Nebenab- sicht unterschoben haben. Bei Beiden erwuchs das Was ? und das Wie ? im Schaffen aus einem Stamm. Daß Beide im Herzen auch Dichter waren, ändert nichts an ihrem Werte als Maler.

Erst unserem nüchternen Zeitalter blieb die Entdeckung vorbehalten, daß echte Malerei das poetische Empfinden ausschließen soll bis dahin sind alle großen Maler Poeten gewesen! So weit die Erinnerung des greisen Meisters zurückreicht, hat er den Trieb zur Kunst ge- spürt. Und jene reicht sehr weit zurück. Er- zählt er doch selber, es sei seine älteste Er- innerung, daß er in einer Ecke der Schwarz- wälderstube zu Bernau saß, wo er am 2. Okto- ber 1839 geboren wurde und daß er damals noch keine Hosen, sondern ein Röckchen trug. Er kritzelte Striche auf eine Schiefertafel und die gütige Mutter deutete ihm den „Kribbs- krabbs" dann als Haus, als Baum, als Gockel usw. Die Mutter war es auch, die seine Be- gabung erkannte und ihm schließlich die Wege ebnete ins ersehnte Land der Kunst. Die Fa- milie lebte in kleinen Verhältnissen, zumal der

HANS THOMA. FRÜHLIXGSKLAXG IMI. Besitzer: K.\RL malsch— Karlsruhe.

Hans Tlioma.

lANS THOMA KARLSRUHE.

»CHRISTUS UKIJ DIE .SAMARJTERIN . 1887. BES : HENRY THODE.

Vater früh starb. Die Mutter stammte aus einer bäuerlichen Künstlerfamilie, in der Heiligen- bilder, Kruzifixe und Uhrenschilder produziert wurden. Nach kurzer Lehrzeit bei einem Litho- graphen und dann bei einem Stubenmaler in Basel kehrte der Knabe wieder ins Elternhaus zurück, dann gab man ihn zu einem Uhren- schildermaler in St. Blasien, wo er wenigstens mit Pinsel und Ölfarben hantieren lernte. Und wieder kam er ins Elternhaus, weil die Mutter, als der Vater gestorben war, das Lehrgeld nicht mehr bezahlen konnte. Von jetzt ab suchte er sich selbst zu bilden, malte für ländliche Ab- nehmer schon kleine Landschaften und Bild- nisse und arbeitete inzwischen fleißig vor der Natur. Was er hier zuwege brachte verschaffte ihm schließlich (1859) die Aufnahme in die Karlsruher Kunstschule und ein Stipendium dazu. Er arbeitete bei des Coudres und dann bei Schirm er, in den Ferien zu Hause im Schwarz- wald, dessen Schönheiten er nun schon mit besserem Rüstzeug als Maler zu Leibe gehen konnte. Auf der Schule kam er mit Emil Lugo, Eugen Bracht und Philipp Roth in freundschaft- liche Beziehungen, trat auch dem Wiener Canon

nahe, dessen starke und sichere Persönlichkeit ihm manches zu geben hatte. Wenn das knappe Stipendium verzehrt war, erfolgte wieder die Rückkehr nach Bernau ins Elternhaus, wobei ihn jene Freunde oft begleiteten. Dann war wieder die Natur seine Lehrmeisterin und dabei studierte er die Alten, vornehmlich Dürer und Holbein. Auch in Düsseldorf weilte Thoma eine Zeit lang, wo ihn Otto Scholderer nach Kräften förderte. Dieser nahm ihn 1869 auch mit nach Paris und hier tat sich dem jungen Maler eine neue Welt auf, als er eine große Ausstellung Courbets sah. Vielleicht lag keine der großen französischen Maler Kunst dem deutschen Empfinden so nahe, als die des star- ken, phrasenlosen, eher schwerblütigen Cour- bet, der sich ja selber im Kreise deutscher Kunstgenossen besonders wohl fühlte. Die Früchte dieser Lehrjahre stellte Thoma mit großem Mißerfolg in Karlsruhe aus und wurde in geradezu grotesker Weise angefeindet. Auch ein wohlwollender Kunstschulprofessor redete ihm zu, künftig so zu malen, wie gebildete Menschen es verlangten. Er ward wohl ein wenig irre an sich und verdarb beim „Bessern"

Hayis Thorna.

HANS THOMA— KARLSRUHE.

> MORGEN AM UBERRHEIN: 1913. HA^S THOiL\-MUSEUM— KARLSRUHE.

und Übermalen manche der guten Arbeiten, die er ausgestellt hatte. Eine Wendung in des Künstlers Leben bedeutete 1 870 die Übersiede- lung nach München; hier schloß er sich dem genialen Viktor Müller an und war mit Leibl, Trübner, Sattler, Eysen, A. Lang und allen denen zusammen, die man heute wohl, ein wenig irrtümlich, als den Leibl-Kreis bezeich- net. Es war eben der Viktor Müller-Kreis. Und das Programm dieser Gruppe war damals nach einem witzigen Ausspruch Adolf Bayersdorfers, des Kunstkenners, der mit zu dem Freundes- kreis gehörte, das der unverkäuflichen Bil- der. Auch mit Arnold Böcklin ist Thoma in München bekannt geworden und er schloß sich freundschaftlich an den Älteren an, dessen Ur- teil er vertraute und mit dem ihn so viel Ge- meinschaftliches verband. Als Thoma freilich im Jahre 1874 nach Italien kam, nachdem ihm ein längerer Aufenthalt in Frankfurt Freunde und Besserung seiner Lage gebracht hatte, fand er Anregung durch Kunst und Natur in Menge, hat auch einige Dutzend italienische oder durch ItaUen inspirierte Bilder gemalt, kam noch öfter

nach Italien zurück aber er blieb deutsch in seiner ganzen Art, Natur und Menschen zu sehen. Vielleicht fand er dort eher eine Be- stätigung seiner künstlerischen Absichten, als einen Anreiz, sie zu ändern. Dann Frankfurt, ein zweiter, längerer Münchener Aufenthalt und abermals eine Übersiedelung nach Frankfurt a. M. Und jetzt stellte sich so nach und nach der Erfolg ein, ein bescheidener allerdings aber die Sorge war wenigstens aus des Künst- lers Leben gewichen. Porträtaufträge, Wand- malereien und zu bescheidenen Preisen ver- kaufte Bilder brachten ihm ein Wohlständchen, ja im Jahre 1885 sogar die Freude, sich ein kleines Haus erwerben zu können. Nun konnte er schaffen, malen und zeichnen nach Herzens- lust. Und als er im Frühling 1 890 im Münchener Kunstverein, wo er zwanzig Jahre vorher noch verspottet worden war, eine Ausstellung von 36 Bildern veranstaltete, da erntete er endlich den lange verdienten, geduldig erharrten Erfolg. Fast alle diese Bilder, darunter freilich die Perlen von Hans Thomas Schaffen, wurden in wenigen Tagen verkauft, seine Preise schnellten

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HANS THOMA. GEM'"

MMERTAG IN MARXZELI.' 1915

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HANS THO.MA. SILBERHORN IM BERXER OBERLAND mn. be.s: h.eahlsen- haxnuVER.

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HANS THOMA. HÜHXERF ÜTTERUXGo ISGT. HANS TIIOMA-MUSEUM KARLSRUHE.

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HAXS THOALV— K.\RLSRUHE.

in die Höhe, der Name Hans Thoma stand mit obenan unter den Namen der modernen deut- schen Kunst. Im letzten Jahre des neunzehnten Jahrhunderts wurde ihm dann eine Berufung als Galeriedirektor und Leiter eines Meister- ateliers in Karlsruhe zu Teil und er riß sich, nicht mit leichtem Herzen, von dem lieb ge- wordenen Frankfurt los. Von da ab gabs Ehren über Ehren. Er ward Ehrendoktor von Heidel- berg, Mitglied der ersten Kammer, er führt den Titel Exzellenz. Und sein alter Gönner, der Großherzog von Baden, tat noch mehr: er ließ an die Karlsruher Kunsthalle ein „Thoma- Museum" anbauen und in diesem durfte er nun Wandmalereien schaffen nach Herzenslust. So wurde ihm eine alte Sehnsucht erfüllt. In diesem „Thomasium" malte er in den Jahren 1905 bis 1909 elf große Wandbilder aus dem Christus- leben und eine Menge füllender, dekorativer Zutaten, Monatsbilder, Planeten, entwarf Holz-

>,C.EmCsE-STILI,EBEN 1873. E. KÜCHI.ER FRANKI- URT.

Schnitzereien, Majoliken und Glasfenster, run- dete so diese Summe künstlerischer Arbeit zu einem Ganzen und spiegelte darin das Wesen seiner gesamten Kunst. Das war ihm die Krö- nung seines Lebenswerkes !

Dies Werk auch nur mit den Titeln der Bilder aufzuzählen, dazu würde der hier zu Gebote stehende Raum auch nicht annähernd genügen. Die Bilder, die dieses Heft schmücken, geben aber wenigstens einen Begriff von der unbe- grenzten Weite von Thoma's Schaffensgebiet. Sie stammen aus allen Schaffens-Epochen des Künstlers, von den Siebziger Jahren bis zur Gegenwart entstand doch die eine, farbig wiedergegebene Landschaft erst in diesem Jahre ! Und erstaunlich erscheint uns da des großen Meisters ungebrochene Frische. Gerade das Bild „Sommertag in Mar.vzell" (Abb. S- 13) atmet die heiße, innige Naturliebe, die seinen frühesten Landschaften ihr eigenes Gepräge gab,

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XIX. Oktober 1915 2"

Hans Thoma.

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dieses Sichversenken in die unergründlichen Schönheiten der Welt, dem Alles ein köstliches Wunder ist, die stille Ruhe der Wälder, die Einzelheiten des grünen Kleides der Erde, der unsagbare Formenreichtum und ewig wech- selnde Aufbau des Gewölkes. Auch sonst stehen die späteren Landschaften HansThoma's, was aus einer Anzahl von Bildern dieser Num- mer zu ersehen ist, den früheren nicht oder wenig nach, sind auch ebenso wie diese be- zeichnend dafür, daß er sich dabei nicht etwa

auf eine ausgeprobte Technik verläßt, sondern mit seinen Ausdrucksmitteln ständig wechselt, je nach der Absicht, die ihn leitet. Er ist bald weich und tonig, wie in der schönen Gebirgs- landschaft „Silberhorn im Berner Oberland" (Abb. S. 15), bald geht er allmeisterlich naiv in jedes Detail ein, wie in dem farbigen Bilde, bald stilisiert er mit seltsam festem Zug, wie in „Frühlingsklang" (Abb. S. 9), der Land- schaft mit dem Schalmeibläser vor der wunder- voll gezeichneten und plastisch herausgehe-

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HANS THr)MA-KAK!.SRrHE. GEMÄLDE DER HÜTER DES TALES iS'.m. KGL. GALERIE DRESDEN.

Hans Thoma.

HANS THOMA KARLSRUHE.

»ALBTAL ST, BLASIEN 18S2. MUSELM HASEL. I'HOT. H.WE.STAEXGL.

benen Kastanie. In seiner eigenen Weise be- tont er da die Form des Baumes so stark, wie es z. B. Segantini in vielberühmten Bildern tat. Einen seiner Schwarzwaldbäche, „Bach im Tal" (Abb. S. 18), die ihm früh schon Freunde er- worben, hat er 1906 wieder gemalt und er ist ebenbürtig jenen älteren Werken, durch die Meisterschaft, mit der hier die Heimatnatur er- schöpfend in einen knapp zusammengefaßten Typus verherrlicht ist. Wie anders wieder die großen, weit ausgedehnten Landschaften (Abb. S. 1 9 u. 2 1 ), die eine fast monumental mit ihren schweren Wolkenballen, hinter denen die Sonne vorbricht, die andere nicht minder großzügig in ihrer wuchtigen und wahren Darstellung des entfesselten Elementes.

Von Hans Thoma's figürlicher Kunst gibt das Heft gleichfalls bedeutsame Proben. Eine der frühesten wohl ist die „Hühnerfütterung" mit dem Mädchen am Türpfosten in liebevoller Ge- nauigkeit strenge bis ins letzte Detail durch- geführt. Man beobachte auch die unübertreff- liche Darstellung des Hühnervolks! Saftiger, wenn man so sagen will, vollblütiger, ist die Römerin „Auf dem Heimwege" (Abb. S. 32),

1888 gemalt, eine Frucht italienischer Reisen, wie das gegenüber stehende Bild, die Frau mit den Camelien im Korbe. Die beiden Frauen- typen erinnern stark an des Künstlers ver- ewigte Gattin, Frau Cella Thoma, die ja eine Italienerin war. Eine edle frühe und malerisch kostbare Arbeit ist dann die junge Mutter mit dem schlummernden Säugling unterm Hollunder- busch (Abb. S. 27). Der „Hüter des Tales", vielleicht die eindrucksvollste Einzelfigur aus Thoma's Lebenswerk (Abb. S. 22), mag wie der wesensverwandte „Wächter vor dem Liebes- garten" um das Jahr 1890 herum entstanden sein. Dieser Hüter des Tales, Hüter der Heimat, ist er nicht eine ergreifende Verkörperung des Geistes, der auch dafür sorgt, daß wir heute in deutschen Landen, gesichert vor Feindeswut ruhig schlummern dürfen, wenn die Nacht auf die Erde sinkt? Kein neues Bild kann den deutschen Gedanken, wie er in diesem Kriege zum Ausdruck kommt, größer, klarer und ein- facher ausdrücken, als dieser Eiserne auf seiner Bergwacht. Er gehört wohl zu Thoma's popu- lärsten Werken, zu denen wir auch den „Kinder- reigen" von 1872 zu zählen haben, der in

IIAXSTHOMA. (iEMÄLDE JUGEXDBILDNIS CELLA THOMA« 1877.

IM BESITZE DEb Kl XSTLEKS. GENEHM. DER DEUTSCHEN VERLAGS- AXST. STUTTG.

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HANSTHOMA-KARLSRUHE. -.SELBSTBILDNIS« 1S99 IM BESITZ DES STÄDELSCHEN INSTITUTS— FRANKFURT AM MAIN.

HANS THOMA. .UNTER DEM FLIEDER. 1871. BESITZER EDUARD EÜCHLER-FRANKFURT AM MAIN.

Hans Thoma.

ungezählten farbigen Nachbildungen an den Wänden deutscher Heimstätten prangt. Eine Lebensfülle sondergleichen strömt durch das Bild, in dem man vielleicht erkennen mag, wie damals das Streben des Viktor Müller-Kreises auf Thoma einwirkte ! Wie er auch seiner deut- schen Art treu blieb, auch wenn er seine Ge- stalten aus arkadischen und elysäischen Ge- filden nahm, zeigt die, hier farbig nachgebildete „Flora" von 1880, deutsch in ihrer jungfräu- lichen Herbheit, wie die Landschaft, die sie

durchschreitet. Und ähnlich ist's auch mit den musizierenden Frauen in dem Bildausschnitte (Abb. S. 37), Gestalten aus irgend einem „Ge- filde der Seligen", das aber sicherlich nördlich der Alpen liegt. Hans Thoma hat den Süden wohl gekannt, studiert und geliebt. Er hat aber sein deutsches Wesen überall mit hingenommen, ganz wie Böcklin, der nur mehr von der Er- scheinungswelt des Südens in sich verarbeitete, weil er eben sein halbes Leben dort zugebracht hat. Aus Hans Thoma's Kunst scheint mir, wo

HAJib THOMA KARLSRURE. FUCHSIEN« 18T0. BESITZER: KUNSTH.V.NDLUNG K.\RL HABERSTOCK BERLIN.

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XIX. Oktober 19IS. 3

Hans Thoma.

HANS THOMA -KAKI.SRUHF..

HEIMKEHKEXDE ZIEGENHERDE 18T.S. IM BESITZ DES KL NSTLERS.

er sich mit italienischen Stoffen beschäftigt, oder äußerlich mit der alten Kunst Italiens zu berühren scheint, geradezu was wie ein Protest dagegen zu sprechen, daß darum ein Maler nur ein Jota von seinem Deutschtum aufgeben müsse oder dürfe! Als Maler religiöser Stoffe zeigt er das besonders deutlich. Die Gruppe Christus mit der Samariterin (Abb. S. 10) und der von Engeln betrauerte Leichnam Christi ( Abb. S. 11), eins der tiefsten und reifsten religiösen Bilder des Meisters, dürften es bestätigen.

Vom Werte des Bildnismalers Thoma zeugen die beiden Selbstporträte von 1871 und 1899, und das wundervolle Jugendbildnis von Frau Cella Thoma (Abbild. Seite 24). Das erstere steht, was Kraft des Ausdrucks, wie was Malerei, Farbe anlangt, sehr hoch und ist, wie übrigens gerade viele Porträte Thoma's, besonders dazu angetan. Jene zu entwaffnen, die in dem Künstler mehr einen Erzähler und Romantiker, als einen Maler sehen wollen. Das ist Malerei von Gottes Gnaden und es ist wieder einmal zu sagen : käme das vom Aus- land, es gälte auch unseren Snobs als eine höchste Kunstoffenbarung! Als eine, zu der deutsche Kultur sich doch nimmermehr auf- schwingen kann !

Auch ein paar feine Stilleben finden sich unter den 30 Abbildungen des Heftes und zeigen den Maler von einer neuen, seiner vielen Seiten. Malenswert schien ihm ja immer Alles,

was malbar ist, ein Fuchsienstöckchen so gut, wie die Tragödie der Erlösung, ein Korb Ge- müse so gut, wie ein schönes Menschenbild. Er hat romantische Rittergestalten auf die Lein- wand gebracht, Nymphen, Nixen, Faune, Ele- mentargeister aller Art, Sirenen, zeitlose un- verhüllte Menschen, die in idealen Landschaften baden, nach phantastischen Vögeln schießen, oder sich sonstwie eines schönenLebens freuen, er hat das Paradies gemalt und die Unterwelt mit Charons Nachen, Pultenvolk in Wolken und im Grünen, antike und nordische Helden, hat die Gestalten der Wagnerschen Dramen ge- schildert, wie die des griechischen Mythos. Volkstypen aus der Gegenwart, aus Heimat und Fremde und hat seinem starken religiösen Gefühl ebenfalls Ausdruck gegeben in unge- zählten Werken. Von seiner bedeutsamen und sehr vielseitigen Bildnismalerei war schon die Rede und ebenso von seiner Landschaftsmalerei. Seiner Landschaften Zahl wird wohl heute nur annähernd abzuschätzen sein, der Künstler selber kennt sie sicherlich nicht genau. Da sind Landschaftsbilder aus Sturm und Stille, wilde und friedliche, weitgespannte Ebenen, Idyllen aus dörflicher Enge, Wasserfälle und breite, ruhig hinfließende Ströme, sind Bilder aus dem Taunus mit seinen wundersam geschwungenen und überschnittenen Rückenlinien, aus dem Schwarzwald, von den Ufern des Rheins, aus den Alpen, aus Italien. Oft heben meister-

HANS THOMA -KARLSRUHE. .AUF DEM HEIMWEGE. 1888.

IM BESITZ VON ARCHITEKT SIMON RA VENSTEIN FRANKFURT AM MAIN.

HANS THOMA -KARLSRUHE. .DIE GÄRTNERIN. i8hi

BILUNIS VON CELLA. THOMA. HANS THOMA-MUSEUM KARLSRUHE.

Hans Thoma.

HANS THOMA- K.\KI.SRrHE. HEKNAT, DES KINSTLERS HEIMAT IDOd. BEST] ZER : KUNSTSALOX-SCHNEUJER - EKANKb IKT.

lieh ins Bild gesetzte Staffagen die Landschaft wieder in ein anderes Gebiet, oft ist's aber auch nur ein stilles, tiefinnig gefaßtes Stück Natur, das er mit der ganzen Liebe seines Her- zens erfüllt. Wenn man in einem so reichen Lebenswerke überhaupt das Eine gegen das Andere abwägen darf, so möchte man doch wohl sagen, daß Thoma'shöchststehende Werke auf dem Gebiete der Landschaft zu suchen sind. Da bleibt kein Wunsch und kein Rest, das ist ganz reine und große Kunst ! Und es existieren viele, viele Bilder Thoma's von dieser Höhe.

Eine überaus fruchtbare Tätigkeit hat der Künstler dann noch auf den Gebieten der Ra- dierung und der Originallithographie entfaltet, deren Wirkungen er in der mannigfachsten Art abwandelte. Er schuf mehrtönige Blätter, hat

andere ganz übermalt, zum Teil mit Gold ge- höht und Manches mit dem ausgesprochenen Zweck geschaffen, Kunst ins Volk zu tragen. In dem schon erwähnten „Immerwährenden Bilderkalender" , der vor etlichen Jahren heraus- kam und dessen Bilder Motive aus Thoma's ganzer Schaffenszeit aufweisen , läßt sich so recht erkennen, wie er den Begriff Volkskunst meint. Bei diesen Arbeiten kommt denn auch der Poet in sinnigen Versen zur Geltung und daneben der Philosoph, der gerne hinter den Vorhang der materiellen Welt guckt. Der Maler, der Poet und der Denker Thoma die sind eben nicht zu trennen, die Dreie sind Einer und wer diese Dreieinheit nicht verstehen kann, wird auch den Wert dieser ganzen Kunst nicht einsehen lernen I fritz t. ostini.

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HAXS THOMA KARLSRUHE. DIE AVOXXE DES FLIEGENS 1910.

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LAUTEXSPIELERIX. . ai-sschnitt aus kinem gemälde die

GEFILDE DER SELIGEN 1908. HANS THOM^V-MüSEI/M— KiVRLSRUHE.

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EIN OFFENER BRIEF

VON HANS THOMA AN DEN HERAUSGEBER.

Hochverehrter Herr Hofrath !

Bei Ihrem neulichen Besuch als Sie mir die Ausvi^ahl und die Zusammenstellung meiner in Ihrer Zeitschrift aufgenommenen Bil- der vorlegten kam ich auf die Vermuthung, daß Sie, obgleich ich mit Ihrer Wahl und An- ordnung sehr zufrieden bin, doch noch einige Fragen mehr auf dem Herzen als im Munde über einzelne dieser Bilder haben möchten.

Die Auskünfte, welche ich Ihnen gebe, so gut es in diesem Rahmen geschehen kann, sind vielleicht auch der Theilnahme der Freunde Ihrer Zeitschrift sicher, und aus diesem Grunde über- gebe ich Ihnen diesen Brief unverschlossen.

Es ist bekannt, daß ein Künstler viel gefragt wird, wenn er sich in die Öffentlichkeit wagt mit seinen Arbeiten. Die Fragewörter: wa- rum, wozu, wie, was, wann, wo, usw. mit all ihren reichen Verbindungen thürmen sich vor ihm auf, so daß es manchmal einem pein- lichen Verhör gleichkommt, wo der arme Künst- ler in die Enge getrieben wird, weil er gar manche Frage nicht beantworten kann oder sich auf den bekannten gewissen Unbekannten be- rufen muß da macht er sich aber geradezu verdächtig . Wenn er dann noch die un- durchdringliche Amtsmiene des geheimen Kunst- gerichtsrathes Dr. Kritikus vor sich sieht, so fühlt er sich wie verloren.

Doch was helfen die Ausflüchte ! Aus- künfte will man haben, man möchte kurz und bündig erfahren, wieso er dazu gekommen ist, solche Bilder zu malen. Und doch muß der Künstler vorsichtig sein, er weiß nicht, welches Urtheil der Richter aus seinen Aussagen heraus- drehen wird.

Freilich, wenn man das Recht hätte den Richter zu fragen, wenn man verurtheilt wird : warum? auf welches Gesetz sich sein Urtheil gründet, so könnte auch er in Verlegenheit kommen, wenn dies bei ihm möglich wäre. Es giebt nun einmal kein allgemein gültiges Gesetz- buch für die Malerei, da sogar auch Leonardo da Vinci von vielen in seinen gründlichen Äußerungen als ein alter Philister erklärt wird. Die wechselnde Tagesmeinung kann doch nicht für ein Gesetz genommen werden; so mag man daran zweifeln, daß dicker Farben- auftrag auch als „dickere Begabung" zu gelten hat ; man darf auch nach dem Gesetz fragen, welches Malern verbietet Zeichnungen zu machen und sie nachher zu koloriren u. dergl. mehr.

Auch in Kunslsachen bin ich von weitgehender Duldsamkeit. Unduldsam kann man eigent- lich nur da sein, wo ein festes Gesetz vorhanden ist, das man anerkennen muß, weil es auf dem Wesen des Menschen sich gründet.

Ein Gesetz für die Malerei ließe sich wohl aus den Naturgesetzen des Auges, aus dem Wesen der Farben begründen, aus einer Far- benlehre, wie Goethe sie verkündet hat, die jeder Maler begreift, weil sie von der Wahrheit der Natur getragen ist. Der Maler weiß aus täglicher Erfahrung, daß wenn er z. B. Roth mit Grün, Violett mit Gelb, Blau mit Orange mischt, also Komplementärfarben miteinander, daß sie sich in die unendlichen Variationen eines Graus umwandeln, in das wundervolle Spiel des Graus, auf dem doch eigentlich der Reiz des Farben- und Lichtreiches beruht. Aus dem Dreiklang von Gelb, Roth und Blau bildet sich die Unend- lichkeit dieses Reiches, ein fast mystisches Reich, in welches diese drei uns einführen. Diese Far- bendreieinigkeit beherrscht mit ihren Verbin- dungen — fast wie ein geistiges Element die ganze Licht- und Farbenwelt bis dorthin, wo das Licht uns blendet, und für unsern Sinn eins wird, mit dem Geheimniß der äußersten Finsterniß, in das wir nicht eindringen können. Unsern Sinnen ist nur ein Mittelding wahrzu- nehmen erlaubt, denn die Farben gehen aus der Vermählung von Licht und Finsterniß her- vor, und Goethe spricht von der „schattigen Natur der Farben." So könnte man wohl dazu gelangen zu denken: auch die Malerei sei be- rufen, ein großes Wellgesetz dem Sinne des Auges klar zu machen es sozusagen zu ver- menschlichen. Leonardo da Vinci nennt die Malerei die Wissenschaft vom Sehen, Wissen- schaft ist der Versuch, das Unerforschliche dem Menschensein näher zu bringen dem Ver- stand zu formuliren. Doch ein Richter würde hier sagen „das sind Ausflüchte, nun end- lich zur Sache ! Was haben Sie uns über Ihre Bilder zu sagen!"

Eigentlich fast nichts, ich vertraue darauf, daß Bilder, wenn man sie genauer ansieht, von selbst zu sprechen anfangen, ja, daß sie manches erzählen können, was uns die Sprache nicht sagen kann. Als allgemeine Bemerkung will ich noch sagen, daß meine Bilder eigentlich Ge- legenheitsbilder sind, gewissermaßen vom Zu- fall ins Dasein gerufen, bedingt durch gerade vorliegende Lebensverhältnisse.

Theorien und Prinzipien hatten selten Ein-

Ein o/Jener ßriej.

fluß auf meine Arbeiten und ich war immer froh, wenn ich sie über Bord werfen konnte. Auf- traggeber, die aus einem Prinzip heraus mich hätten bestimmen können, hatte ich zu meinem Leidwesen nie, meine Existenzmittel waren knapp und ich mußte mich, wie nocli so viele andere Maler, von Bild zu Bild durch die Welt d. h. durch die Ausstellungen schlängeln.

Wenn nun Bilder von mir die in einem Zeitraum von über fünfzig Jahren so „gelegent- lich" ohne bestimmten Plan entstanden sind nun in Reproduktionswerken untereinander ge- mischt erscheinen, so mag das etwas verwirren- des haben, und da der Hervorbringer immer noch lebt, so ist es natürlich, daß man ihn in Mancherlei um Auskunft angehen mag, und da das Alter mitteilsam ist, so thut er es gerne.

Das früheste Bild in dieser Zusammenstellung ist das „Mädchen mit Hühnern" S. 16. Ich habe dies Bild in meiner Kunstschulzeit in Karls- ruhe gemalt; esgiebt aus dieser Periode mehrere Hühnerbilder von mir und ich stand im Begriff, einen Namen als „Hühnermaler" zu bekommen, ich will nicht sagen, daß ich deshalb aufgehört habe, Hühner zu malen.

Das „Selbstporträt" S. 2 habe ich 1872 in München gemalt; manche Maler werden mich verstehen, wenn ich sage, daß solche Selbst- porträts oft deshalb entstehen, weil man keine Bestellungen hat und auch kein Geld, um Mo- delle zu bezahlen , auch hält einem niemand besser still als das Bild in seinem Spiegel, wo man ruhig studieren kann.

Das zweite „Selbstporträt" S. 26 habe ich aber doch 1899 im Auftrag und auf Bestellung für das „Städelsche Institut" in Frankfurt ge- malt; es war vor meinem Abschied von dort, vielleicht sieht man es dem Bilde an, daß ich mich über diesen Auftrag freute.

Das Bild S. 27 „Unter dem Flieder" habe ich 1871 direkt vor der Natur gemalt und zwar in Säckingen, ebenso das „Stilleben" S. 17.

S. 24 ist ein frühes Bildniß meiner Frau, S. 33 ebenso im römischen Kostüm, das sie sich in Rom angeschafft hatte.

S. 32 ist eine gewisse Neckerei, weil meine Frau sich im Heimschleppen von Feldblumen nie genug thun konnte und der „geduldige Ehe- mann" dann mittragen mußte, ich habe das Bild später „Deutsche Flora" genannt.

Eine andere „Flora" auf S. 7 ist das farbig reproduzirte Bild vom Jahr 1892.

Die „Tanzenden Landkinder" S. 31 habe ich in München 1872 gemalt.

Christus und die Samariterin" S. 1 0 habe ich 1 887 in Frankfurt gemalt ; leider war die zur Re- produktion benutzte Photographie nicht sehr gut.

Die „Pieta" S. 11 ist 1885 in Frankfurt ent- standen.

Den „Hüter des Thaies" 1893 S. 22 habe ich ebenfalls in Frankfurt gemalt.

Das Bild auf S. 37 „Singende, lautenspie- lende weißgekleidete Frau" ist ein Ausschnitt aus dem 3 Meter hohen Wandbild „Das Land der Erlösten" im Karlsruher Museum, es zeigt wohl die Art meiner Arbeit besser als es bei der unmäßig verkleinerten Aufnahme des gan- zen Bildes möglich gewesen wäre.

Die „Drei Köpfe" zum Schluß S. 40 sind ein frei erfundenes Familienbild.

Die „Fuchsien" S. 29 1870 sind ein mir lie- bes Erinnerungsbild. Die „Heimkehrende Zie- genherde " S. 30 ist ein Erinnerungsbild, welches jeder, der den Schwarzwald kennt, gleich ver- stehen wird.

Die Landschaft S. 35 ist ein Stück „Bernau" mit seinen Wiesen und ziehenden Wolken.

Das Bild S. 36 „Die Wonne des Fliegens" ist wohl mit aus dem Bestreben entstanden: den leeren Raum einer Luft durch ein fast geo- metrisches Maaß klar zu machen und so das Gefühl des Schwebens im Räume hervorzurufen.

Das Bild S. 3 „Blühendes Thal" 1913 ist ein Seitenthälchen des Rheines bei Säckingen.

„Römische Campagna" S. 4 1912 ist eine späte Erinnerung an meinen Aufenthalt 1880 in Rom.

„Drohende Wolken" S. 5 habe ich einmal so ähnlich im Taunus gesehen.

„Herbsttag" 1904 S. 6 ist in der Nähe von Schönenberg gesehen.

„Frühlingsklang" S. 9, mit seinem Feigen- baum, dem schalmeienden Hirten und den Frö- schen, ist aus einer Stimmung in einem kleinen Thälchen bei Gardone entstanden.

Die „Landschaft" auf S. 23 ist aus dem Alb- thal bei St. Blasien. „Das wandernde Bächlein" S. 18 ist aus der Gegend von Neustadt im Schwarzwald.

Die „Landschaft" S. 19 mit der großen Wolke und den Sonnenstrahlen über die weite Land- schaft ist eine Anregung aus der Villinger Gegend.

Der „Gewitterregen" 1914 auf S. 21 ist in Gedanken an den Oberrhein bei Säckingen in freier Weise entstanden.

Aus gleicher Gegend stammt auch das Bild S. 12 „Morgen am Oberrhein".

Das „Silberhom an der Jungfrau in den Ber- ner Alpen" auf S. 15 ist nach einer ganz flüch- tigen Bleistiftskizze auf einem Spaziergang Wengen gegenüber entstanden; dadurch, daß ich nur den Eindruck dieser großen Welt in einer wohl niemand anderem verständlichen

, Okiober 1915. 4

Aphorismen von Hans Thoma.

Bleistiftskizze festhielt, nach der ich 5 Jahre später das Bild aus derErinnerunfJ malen konnte, beruht es wohl, daß der erste Eindruck trotz der mit meinem jSuten Gedächtniß zusaramen- hänjjenden ziemlich genauen sachlichen Aus- führung wieder im Bilde lebendig wurde.

Mit dem Bilde S. 1 3 Glücklicher Sommertag in Marxzell" komme ich nun zum Schluß; es ist mein neuestes Bild und recht gut farbig reproduzirt. Ich möchte sagen, daß es ein ganz persönliches Bild ist, aus Liebhaberei aus meinem Sommerhäuschen und Gärtchen, in dem ein paar Kinder ihr Glück finden, entstanden.

Es ist ein Bild tiefen Friedens, in dem mör- derischen Kriegsjahr 1915 entstanden

Damit will ich aber schließen, denn ich habe ein Gefühl, daß ich ungebührlich mehr beant- wortet habe, als ich befragt worden bin.

Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster

HANS THOMA. KARLSRUHE in Baden. Ende August 1915.

IM AUGUST. An allen Acker- und Wegerandern, an den staubigen i \ Landstraßen hin, ist jet^t das blaue Wunder, die Wegewarle zu sehen die Zartfarbigkeit des Him- mels hat in diesem Biumengebilde sidi dem Erden- staube der gemeinen Gfliwege zugesellt sie stellt und wartet am Wege, eine Verkündigerin der Schönheit und wendet ihr blaues Blumenauge der Sonne entgegen. Wie der Mai den Löwenzahn, die fröhlich-leicht- siimige Blume wie funkelndes Gold über alle Gefilde streut, so streut der August die milde, sanftmütige Wegewarte aus, als sollte ihr feines Blau ein weh- mütiger Trost sein über die Vergänglichkeit des Som- mers. Löwenzahn und Wegewarte sind Geschwister, sie gehören der gleidien Pflanzenfamilie an. H. Thoma.

ALTMODISCHER SPRUCH.

Weiches Herz und weicher Kopf: Ein braver Mann, ein guter Tropf. Harter Kopf und hartes Herz Madit die Welt voll Kampf und Schmerz. Weicher Kopf, das Herze hart. Das ist sdilimme, böse Art. Harte Köpfe, die Herzen weich: Auf solchen ruht das Deutsche Reich! H. Thoma.

H.\NS THO.MA. »DREI KÖPFE« BE.SITZER: .\LEX.-\NDER KOCH.

ALLF. mi.lJI.lCUEN WIKOKRC. AHKN MIT GENEHMICrNG IiEk UEfTSCHEN \ ER I.AGS- ANSI AI. T STfTTGART.

GEORG KOLBE-BERLIN. BRONZEPLASTIK, teilansicht der nebenst. figur.

GEORG KOLBE. BRONZEPLASTIK JUNGES MÄDCHEN AUSFÜHRUNG IN LEBENSliROSSE.

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GEORG KÜLBE BERLIN. TEILAXSR'HT DER VORSTEH. BRONZEPLASTIK. JUNGES MÄDCHEN«

NEUES WERDEN KEIMT IN DER DEUT- SCHEN PLASTIK. Aus der antikischen Rundung der Münchener Schule, dem nervösen Zucken des Impressionismus, der rasch zur Manier verflachten „neuen Linie" löst sich be- hutsam gleich einer schüchternen Knospe eine tiefe, meisterliche Formkunst, die Größe mit Einfachheit, Linie mit Seele verbindet. Die Büste von Kolbes mannhafter Jungfrau ist höchste Kunst. In ihrer unbewußten Monumen-

talität hält sie sich ungefährdet neben Gotik, Antike und Renaissance. Ein Titelblatt für die neue deutsche Plastik, die kommen soll. Bau- roth, voll singenden Ausdrucks in seiner Büste mit den zagen Fingern und dem wehen BUck, hat noch eine Spur zuviel Absicht. Aber auch hier meldet sich ein Meister. Milly Steger sucht noch rastlos zwischen den Richtungen. Ihre Büste aber zeigt, wo auch für sie der Weg zur freien Höhe, zur Meisterschaft führt, a. j

MII.I.Y SIEGER UERLIN-CHAKI-OTTENKURG.

ITASIIK KATERNDEs JINCFS MAIICHEN

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RICHARD BAUROTH-BERLIX. BILDXISBÜSTE«

RICHARD BAURDTH -BERl.IX, BILDXIS15ÜSTE .

Bll.UHAUKRlN MII.LY STEGER BERLIX-CHARLOTTENBURG. BILDXISBÜSTE EINER PIANISTIN«

ARCHITEKT PROFESSOR EMANUEL von SEIDL-MÜNCHEN. HAUS HUGO SCHÖLLER DÜREN. VON DER ANPAHRTSEITE AUS GESEHEN.

PROFESSOR E. V. SEIDL— MÜNCHEN.

HAUS HfCii SCHOI.MK.

DAS HAUS HUGO SCHÖLLER IN DÜREN.

BEGLElTWoKTE UES ERBAUERS.

Dem 15. Jahrhundert war es wesentlich vor- behalten, daß erste Meister zugleich als Architekt, Bildhauer und Maler tätig waren. Die Aufgabe der Architektur ist es, Maße und Verhältnisse zu gestalten, d. h. plastisch zu wirken. Die Architektur kann dabei in Ma- terial und Ausschmückung die Farbe nicht um- gehen, denn diese wirkt oft stärker als die Form. Ist es somit nicht verfehlt und ein- seitig, ledigHch architektonisch linear zu denken und zu arbeiten? Daß wir nur Zirkel und Win- kel bei der Hand haben und weder von einer gesunden praktischen Ausführung, noch von allgemein künstlerischen Gesichtspunkten aus- gehen, ist hauptsächlich eine Folge unserer Er- ziehung. Diese spezialisiert einesteils so stark, daß wir nur auf das Reißbrett zu schauen ge- wöhnt sind und Plastik undMalerei ausschalten ; sie nimmt anderseits durch die „höhere" Vorbil- dung, die „notwendig" ist, um eine geachtete Stellung einzunehmen und eine Rückendeckung

zum Staatsdienste zu haben, so viel Zeit weg, daß wir zu dem Hauptthema, unserem eigent- lichen Beruf, kaum kommen, und so fehlen die Grundlagen für das notwendige praktische Den- ken und Können. Die wichtigsten Jahre der Entwicklung werden mit Arbeiten verbracht, die vielfach nicht notwendig sind, und die noch dazu alle theoretisch gelehrt werden. So hat man schließlich die Schule mit Auszeichnung absolviert, und muß sich doch gestehen, daß man in seinem Berufe recht wenig kann und vor allem für die Praxis nicht geeignet ist. Nur so ist es auch möglich, daß so schauder- hafte Gebilde von Landhäusern, Alpenhotels etc. entstehen, während die alten Gebäude, welche meist von Landbaumeislern hergestellt wurden, alle organisch aus der Situation herauswach- sen. Die neueren Beispiele bezw. Gegenbei- spiele konnten nur dadurch überhaupt geboren werden, daß wir so lange belehrt wurden, bis wir das natürliche Empfinden verlernt hatten.

XIX. Oktober 1915. 5

Das Haus Ifmo Schöller in Düren.

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PKOPESbOR E. V. SEIDL- MÜNCHEN.

So war es in meiner Jugend. Heute ist die Ausbildung wenigstens auf den Hochschulen, gottlob! handwerksmäßiger. Ein frischer Zug weht in der starren Architektur. Der Lehrgang bis zur Hochschule ist aber immer noch derselbe. Leider! Sollte hier nicht endlich ein gründ- licher Wandel geschaffen werden?

Doch ich bin weit vom Thema abgekommen. Ich sollte ja auf Anregung von Hofrat Alexander Koch den „Bau Schöller" beschreiben. Ich mußte aber die kurze Vorrede machen, um er- klären zu können, wie ich arbeite.

Nach meinen Studien wollte ich umsatteln, da ich die Empfindung hatte, daß ich nicht zum

EbVUb HUGU bCHuLLER. »GAKTENAUSbCHKITT«

Architekten erzogen sei. Ich wurde aber un- nachsichtlich in die Praxis geworfen, und so fing ich denn von vorne an, vielleicht auf dem Wege, der der natürlichste ist.

Mein Vater, ein einfacher Bäckermeister, hat uns Buben nur mit guten alten Sachen um- geben ; diese Schule trug gute Früchte. Ich schaute mir insbesondere gute Beispiele in der Situation, im Hause, in der Landschaft, an. Diese waren alle von Natur aus malerisch und im Zusammenhang mit der Umgebung modelliert. Unter diesen Eindrücken wurde ich allmählich Architekt. Ich verfolgte mit Begier auch alle neuzeitigen Bewegungen, da ja auch neue Ma-

ARCHITEKT PROFESSOR EMAX. von SEIDI. MÜNCHEN.

HAUS HUGO SCHÖLr.ER-IJl'KEN. MIT'It.KKEK TEIL DER GARTENSEITE.

Dan Haiia Hugo Schöller in Düren

EMANUEI. V. SEIDL. GRÜNDRISS IlES HAfSES HVGO SCHOLI.ER - DÜREN

terialien, Techniken und Erfindungen die Neu- zeit charakterisieren. Und so entwickelte sich dann daraus für mich ein gewisser Stil. Der Bau Schöller möge ein Beispiel sein. Ich möchte möglichst wenig Worte dazu machen. In den Rheinlanden sind die städtischen Wohn- bauten vielfach von französischem Stile beein- flußt und haben sich dann selbständig weiter- entwickelt; das erklärt die Tonart der Fassade des Hauses Schöller. Die Wände sind in Putz- charakter durchgeführt, mit Steinsockelgewän- den , Plastiken, geschliffenen Granitsäulen. Dazu natürlich kein rotes, sondern dunkles Ziegeldach.

Der Eintritt in ein kleines ovales Vestibül mit Fußmatte, Terrazzoblumenkranz und Mar- morwänden , führt zu einem weißgetäfelten Garderobegang: die Herrengarderobe mit Platten getäfelt , die Damengarderobe mit Wandschränken, Toilettetischchen etc.

Den Mittelpunkt des Hauses bildet die große Wohndiele mit hoher dunkler Nußbaumtäfe- lung, eingebautem Kamin und Stuckgalerie.

Der Empfangsraum ist vornehmlich ein malerisches Problem: lila Fußboden, rote Da- mastwände mit Bronzeleisten, schwarzer Mar- mor als Türumrahmungen und Plafondgesims, die Möbel teils dem Fußboden und Wänden entsprechend, teils schwarz-weiß gestreift und bestickt. Für den runden Damensalon war

ein alter Aubusson-Teppich tonangebend. Die Wände und Möbel in ruhigen Tönen mit gol- denen geschnitzten Teilen und Panneauxfül- lungen; der Lüster (Prof. Wackerle) in gleicher Ausführung. Anschließend ein kleines intimes Damenzimmer: Boden in lila mit grauen Ro- setten, Wand rosa. Türen innen in verschiede- nenHölzern eingelegt mit Vögeln etc.; die Decke weiß mit silbernen Ornamenten. In einer Mar- mornische steht ein kleiner weißer Ofen.

Einen ganzanderenTypus zeigt das Herren- zimmer in gemasertem Birkenholz mit Pali- sander und plastisch geschmückten Wandschrän- ken, stark ornamentierter gewölbter Decke und Kamin, mit Graphit gewichst. Orange Vor- hänge und Beleuchtungskörper kontrastieren zu den hellgelben und dunkelblauen Möbeln.

Das Speisezimmer soll einfach, sachlich sein ; hier ist eine hohe mattweiße Täfelung angeordnet mit zwischengesetzten Mahagoni- türen und Möbeln auf einem bunten gestickten Teppich; Decke in Stuck; ein großer Zug- lampenschirm darf nicht fehlen. In direktem Zusammenhang steht eine große Veranda mit Ausblick gegen den Park. Für die Räume des oberen Stockes sind sachlichere Gesichtspunkte maßgebend. Es mag hiefür das Beispiel eines Schlafzimmers dienen; hellgrüner Boden- teppich mit Kränzen, lila Wände, geschweifte

Das Haus Hum SchöUer in Düren.

PROFESSOR EMAXUEL v. SEIDL MINCHEN.

HAUS SCHOI.LER.

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Wandschränke aus Zitronenholz geben zusam- men eine einfache, heitere Farbentönung.

Daß Garderoben, wie Badezimmer rein sach- lich und praktisch durchgeführt sind, ist wohl nur eine Taktfrage. Der Garten war schon vor dem Hausbeginn angelegt. Es wurden aber kleinere

Pavillons und eine Gärtnerei zugefügt. Das ge- wölbte Dach erinnert an alte Orangerien, es gibt aber auch mit seinen gebogenen Bohlen- sparren die beste Raumausnützung. Damit ist das Werk abgeschlossen und damit auch meine viel zu lange Epistel e.manuel von seidl.

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PROFESSOR E. V. SEIDL. HAUS II, SrriOl.I.ER. AVOHXHALLE«

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ÜBER DIE ARBEIT DES KÜNSTLERS.

Das Leben selbst ist Arbeit, die unbemerkte aber ununterbrochene Arbeit des Geistes und des Körpers. Auch der Schlaf ist nur eine relative Ruhe der physischen und psychischen Funktionen. Wenn wir die Arbeit aus dem un- mittelbaren Lebensprozeß loslösen, d. h. wenn sie uns zu Bewußtsein kommt, so bedeutet sie einen Kampf gegen ein diesen Lebensprozeß störendes, ihm entgegentretendes Element. Sie wird damit eine Pflicht des Individuums gegen sich selbst. Sobald die körperlichen Erhaltungs- bedürfnisse teils befriedigt, teils durch Arbeits- teilung verringert sind, werden Energien für das Geistige frei. Die Arbeit dient nun zur Befriedigung eines empfundenen geistigen Be- dürfnisses, zur positiven geistigen Zielsetzung. Natürlich kann auch die sog. geistige Arbeit der Erhaltung und Vermehrung des physischen Lebens dienen, aber das reine geistige Bedürf- nis, der Wille ein Problem zu lösen, liegt nicht mehr in der Welt der Tatsachen und der Dinge, sondern in der der Vorstellungen, die ihre eigene Realität haben. Darum ist aber diese Arbeit für das Lebensganze nicht weniger notwendig; was ihr an biologischer Sinnfälligkeit, an zahlen- mäßiger Allgemeinheit abgeht, ersetzt sie durch ihre Würde als den Menschen allein zugehörig. Sie vollendet ihren Sinn erst dann, wenn sie sich von der einzelnen Tatsache fortwendet und das Ganze zu umfassen trachtet, wenn sie darauf ausgeht, das Universum in einer einzelnen Raum- oder Zeitgestalt darzustellen, kurz: in der schöpferischen Tätigkeit des Menschen.

Wenn man ganz allgemein die Arbeit „die Übertragung der Energie von einem System auf ein anderes" (Maxwell) genannt und so den rein funktionalen Charakter des Begriffes gut ausgedrückt hat, so wird der stoffliche Inhalt und die Energiemasse der Systeme der Arbeit verschiedenes Aussehen und verschiedenen Wert geben. Ursprünglich der Lebensprozeß selbst, bald durch Hemmnisse ein bewußtes Ringen um Lebenserhaltung, dann aus dem Kreis physischer Bedürfnisse herausgelöst, schließlich den geistigen Einzelakt überwindend und auf eine Realisation der Lebensgesamtheit an einer körperlichen Einheit solcher Vorstel- lungselemente abzielend, die von dem unmittel- baren Lebens- und Erlebniszusammenhang ge- löst sind, beschreibt die Arbeit einen Kreis, der in jedem seiner Sektoren einen anderen Inhalt hat. Ziel und Grund der Arbeit, der

Weg, auf dem der einzelne zu ihr kommt, die Organe mit denen er sie leistet, das die Tätig- keit begleitende Gefühl alles wird sich ver- schieben und verschieden sein.

Nehmen wir zunächst den gewöhnlichen Menschen. Er wird als physisch-geistiges und als soziales Wesen in eine Fülle von Bedürf- nissen und Pflichten hineingeboren, die er alle durch seine Arbeit, seinen sog. Beruf zu be- friedigen sucht. Er ergreift ihn beliebig unter dem Eindruck zufälliger Einflüsse, Neigungen, Berechnungen. Es ist gleichgültig, ob er Schuster oder Schneider, Rechtsanwalt oder Arzt ist. Es kommt allein darauf an, daß er sich in seiner Arbeit durch stetige Wiederholung des Gleichen die Fähigkeit möglichst großer Arbeitsleistung sichert, um sein Ziel: die Rente, d. h. den Zu- stand befriedigter Bedürfnisse möglichst schnell zu erreichen. Je näher der Maschine, desto näher dem eigenen Ideal größtmöglichsterTüch- tigkeit. Kein Wunder, daß diese Menschen, die nur arbeiten, um zu leben und einmal ohne Arbeit zu leben, diese zur Seite werfen, so oft und so bald sie nur können. Da sie ihre Not- wendigkeit nicht empfinden, ist sie ihnen eine Qual, von derem Druck sie sich erholen müssen. Das Leben ist ein Fest, sobald die Arbeit auf- hört und die Langeweile noch nicht begonnen hat. Leben und Arbeiten ist zweierlei geworden: dieses Frohnen, jenes Genuß. Das ist die Welt, die der Künstler haßt: die der handlangernden Arbeitsteilung und der in ihre Elemente zer- stückten Menschheit.

Wie anders stellt sich die Welt des schöp- ferischen Menschen dar Dank seiner Arbeit! Er wird mit seinem Talent geboren, er kann ihm nicht ausweichen. Er kann nicht einmal wählen, ob er Maler oder Dichter werden will, er ist es schon von Geburt an. Er gehört dem „unbekannten Gott".

„Sein bin ich, ob ich in der Frevler Rotte

auch bis zur Stunde bin geblieben:

Sein bin ich und ich fühl die Schlingen,

die mich im Kampf darnicderzieh'n

und, mag ich flieh'n,

mich doch zu seinem Dienste zwingen." Nietzsche.

Dieser Dienst besteht darin, das eingeborene Sein zu seiner höchsten Kraft zu entfalten, niemals die Unmittelbarkeit des Empfindens unter dem Druck der Wiederholung zu ver- lieren, keinem Zeitpunkt auszuweichen, immer tätig und darum niemals alt zu sein. „Nur wer sich wandelt, bleibt mit mir verwandt"

XIX. Oktober 1915. b

übet- die Arbeit des k'iinsfkrs.

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PROKKSSOR EMAM'EI, V. SEIUI..

(Nietzsche). Wenn aber diese ewige Wandlung nur die Höchstentwicklung der ursprünglichen Anlage bedeutet, so wird damit die Arbeit des Künstlers vollends zu einem Lebensprozeß freilich auf einer ganz andern Basis als der ursprünglich physische. Er wird sich um so reiner vollenden , je williger sich ihm der Künstler unterwirft.

„Denn ich weiß, es wird der ungetreue Wächter lebend in die Gruft verseni<t". K, F. Meyer.

Hier wurzelt nicht nur der bekannte Künstler- fataUsmus, sondern auch der moralische Wert

DAMENS.M.ON! IM H.\USE H. SCHOLLER,

der Arbeit des Künstlers für die sozial geordnete Menschheit. Rodin hat einmal gesagt, daß man die Künstler, wenn sie auch in der modernen Welt der Technik keinen Sinn haben mögen, als moralisches Exempel gelten lassen müsse, weil sie die einzigen seien, die ihre Arbeit mit Freude tun. Wie konnte es anders sein, da ihnen die Arbeit nicht mehr ein übles Mittel zu angenehmeren Zwecken, die bitterste aber not- wendigste Medizin, sondern als Entfallung der angeborenen Anlage Selbst- und Endzweck ihres Strebens ist. Nimmt man ihnen die Arbeit,

PROFESSOR EMANUEL VON SEIDL »DAMENSALON IM HAUSE SCHÖLLER«

l ^her die Arbeit des Künstlers.

PROKESSOR EMANUEL V. SElDr..

SO nimmt man ihnen das Leben, sie sterben ohne sie, wie sie mit ihr geboren werden und an ihr leben. Diese enge Verknüpftheit gibt ihnen auch das Bewußtsein von der Würde ihrer Arbeit. Descartes sagt: „.. Wenn ich mit dem Auge des Philosophen die verschieden- artigen Handlungen und Unternehmungen der Menschen alle betrachte, so finde ich kaum eine einzige, die mir nicht eitel und unnütz er- scheint. Dennoch . . . erkühne ich mich zu glauben, die von mir gewählte sei die einzige von allen Beschäftigungen der Menschen, ledig- lich als Menschen, welche wirklich gut und wichtig ist wenn es überhaupt eine solche gibt!" Den Grund sagt uns Lionardo an der Stelle, wo er die Heuchler schilt, die die Maler tadeln, weil sie am Festlag schaffen. „Denn jenes Tun ist die Weise, den Werkmeister so vieler bewundernswerter Dinge kennen zu

HEKRE.NZIMMER IM HAUSE H . SCHOI.I.EK.

lernen und dies der Weg, einen so großen Er- finder zu lieben." Noch deutlicher und um- fassender äußert sich Hebbel in einem Brief an Gärtner: . . Aber der bloße Besitz eines Talentes ist ein so unschätzbares Gut, daß sich keine Verstimmung auf die Länge dagegen hält. . . . Aus seiner Qualität geht der innere Friede hervor, der auf dem Gefühl beruht, daß man durch ein Band mehr mit dem Ewigen verknüpft ist, als den gewöhnlichen Menschen damit ver- bindet. Man frage sich z. B. ob der Jurist oder Mediziner von allem, was er ein ganzes Men- schenleben hindurch lernt oder treibt, für die höhere Existenz, die wir alle vertrauend er- warten, in und nach dem Tode nur das Ge- ringste noch gebrauchen kann. . . . Dagegen führt den Künstler . . jeder Weg zu Ideen, d. h. zur Anschauung der Urbilder, die allem Zeit- lichen zugrunde liegen. ..."

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f 'her die . Irheit des }\ün%tler<.

l'KiihF.SSOR F.MA.NUEL V. SEIDL.

So wird die Arbeit vom Künstler selbst nicht mehr als eine Stückleistung empfunden, sondern als angeborener und höchster Lebensprozeß. Mit diesem hat die schöpferische Tätigkeit ge- mein, daß sie nicht zerteilt werden kann, ohne an dieser Wunde zu verbluten. Der Gedanke der Arbeitsteilung, wie ihn van Gogh gehegt hat, ist gegenüber der genialen Tat undurch- führbar, zeigt nur, daß der, der ihn anwenden will, sich überhaupt nicht im Bereich der Schöpfung, sondern dem der Beschreibung be- findet. Als Lebensprozeß ist sie auch der über- beleuchteten Helle des Bewußtseins, der reinen Mechanik, d. h. Berechenbarkeit des Geisles- lebens entzogen, sie steht „zwischen dem Iq- stinkt des Tieres und dem Bewußtsein des Menschen" (Hebbel) mitten inne. Der Künstler kann nicht auf seine Arbeit losgehen wie irgend ein Handlanger, dem die Arbeit etwas von außen positiv und handgreiflich Gegebenes ist; er muß sie gleichsam erwarten. „Bereit sein ist alles." Das heißt nun nicht, daß der Künstler nur die Hände in den Schoß zu legen braucht,

IlAMEN/IMMKk l.\l H.M.sK H. .v Hi il.l-EK.

bis ihm die sog. Inspiration alles fix und fertig eingibt, so daß er nur das in der Vorstellung fertige Bild herunterzumalen braucht. Der Be- griff der Eingebung hat die Vorstellung von der Arbeit des Künstlers sehr verwirrt und man wird sich, wenn man zu einer rechten Schätzung kommen will, daran gewöhnen müssen, die Musen in sehr grobleinenen Arbeitskitteln vor- zustellen. Wie groß auch der Anteil des Un- bewußten an der künstlerischen Produktion sein mag, wir werden es uns, um es überhaupt zu fassen, als durch einen unerforschten Ent- materialisierungs- und Verschmelzungsprozeß derjenigen Elemente entstanden denken müssen, die der Künstler durch seine Anschauung der Welt, d. h. durch seine ununterbrochene geistige Tätigkeit gewonnen hat. Wieweit nun das irrationale Element sich erstreckt, wie Bewußtes und Unbewußtes sich in der künstlerischen Arbeit verteilen, wie groß also der Anteil der Arbeit bei der Produktion ist , darüber hat Goethe Eckermann allgemeingültige Aufklä- rungen gegeben. „Jede Produktivität höchster

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übet die Arbeit aes Künstlers.

Art, jedes bedeutende Apercu, jede Erfindung, jeder große Gedanke, der Früchte bringt und Folge hat, steht in niemandes Gewalt und ist über aller irdischen Macht erhaben. Dergleichen hat der Mensch ... als reine Kinder Gottes zu betrachten. . . . Sodann gibt es eine Produk- tivität anderer Art, die schon eher irdischen Einflüssen unterworfen ist. ... In diese Region zähle ich alles zur Ausführung eines Plans Ge- hörige, alle Mittelglieder einer Gedankenkette, deren Endpunkte bereits leuchtend dastehen; ich zähle dahin alles dasjenige, was den sicht- baren Leib und Körper eines Kunstwerkes ausmacht."

Dort wo der bewußte Wille weder bei der Berufswahl überhaupt noch bei der Bestimmung der einzelnen Leistung ausschlaggebend ist, dort wo die ganze Persönlichkeit auf ein noch nicht gesetztes Ziel vorwärts drängt, da wird sowohl der Weg, den sie nimmt, wie die Ver- knüpfung aller Persönlichkeitselemente, die an der Arbeit teilhaben, eine ganz andere sein als dort, wo sich eine einzelne Fähigkeit an die Bewältigung eines vorgezeichneten Pensums macht. Es ist die erste Tat des Genies, daß er sich aus der Fülle der Möglichkeiten sein Ziel setzt, daß er das Ende seines eigenen Stre- bens am Anbeginn seines bewußten Lebens konzipiert und die Kraft hat. Schritt für Schritt darauf los zu gehen. Die Erzählung von Peter dem Großen, der, als er die Idee gefaßt hatte, Rußland zu einer großen Seemacht zu machen, sich in Holland als Schiffsjunge verdingte, ist typisch für die Art des Genies. Er konzipiert seine eigene geniale Idee und beginnt bei dem ersten Buchstaben ihres Alphabetes sie aufzu- bauen. Dieser Aufbau selbst ist ein unend- licher. Daher kommt es, daß der Künstler für seine fertigen Werke oftmals kein Interesse mehr hat. „Meine dichterischen Arbeiten: Abgestoßne Blütenschalen, drin die Frucht, die ernste, schwoll. Wenn wieder eine fällt: Beweis, daß die Frucht selbst sich vergrößerte. Mag also mit jenen der Wind spielen!" (Hebbel). Hinter den Einzelwerken steht das eine große Werk. Denn bei der aus dem Wesen der Kunst not- wendigen Begrenzung der Allheit bildet sich immer deutlicher das eine Lebenswerk, das alles zusammenfaßt, was der Künstler zu sagen hat. Viele leben im Bewußtsein der Menschheit nur mit diesem einen Werke fort, z.B. Grüne- wald. Wie lange ein solches Werk im Geiste des Künstlers arbeiten kann, ehe es vollständig Gestalt wird, zeigt uns die Schaffensgeschichte des Faust, der, in der Jugend konzipiert, von dem Greis vollendet wurde. Man könnte sagen :

Der schöpferische Mensch konzipiert seine Ar- beit als seine Lebenstätigkeit in vollem Um- fang, wobei er allerdings das Ende schaut, aber die Wege nicht übersieht, so daß ihm immer ein großer Teil im Nebel liegt. Je weiter er nun fortschreitet, desto klarer werden ihm die zwischen seinem augenblicklichen Standpunkt und dem Ziel liegenden Dinge, so daß sich dieses scheinbar immer mehr entfernt. Es ist, wie wenn man auf ein Spiegelbild im Wasser zurudert. Es tritt, so kräftig man ihm zustreben mag, immer von neuem zurück, bis es schließ- lich unter das Ufer verschwindet und der Ru- dernde plötzlich vor einer ganz anders gear- teten und neuen Welt steht. Wie sehr man auch dem imaginären Ziel nachjagen mag, zu- letzt erreicht man immer ein Stück Wirklichkeit ; dieses ist der einzige Maßstab für den Wert der ganzen Lebensarbeit.

Es ließe sich leicht weit eingehender zeigen, wie die ganze Weltanschauung des Künstlers durchdiese Artseiner Arbeit bedingt ist, ja in ihr besteht. Vor allem wird man immer festhalten müssen, daß sie nicht von einem einzelnen Ele- ment, etwa dem Intellekt allein, sondern von dem ganzen Menschen mit allen seinen Fähig- keiten geleistet wird. Aber gerade weil sie den ganzen weitangelegten Menschen durch- dringt, ist sie auch mit seinem Körper und der ganzen physischen Natur aufs engste verbun- den. Es ist keine Frage, daß bei dem einen Künstler das Gehen die Produktion ebenso för- dert wie bei anderen hemmt. Daß die Ver- dauung in engstem Zusammenhang mit der Ge- neigtheit zur Produktion steht, haben mir viele Künstler bestätigt. Anderseits leidet Hebbel unter dem Frühling und jubelt über den Herbst. Wilhelm von Scholz sagte mir, daß die som- merliche Hitze sein Schaffen unterbinde, wäh- rend der Winter ihm günstig sei.

Diese Betonung der Rolle, die der Körper in der Arbeit des Künstlers tatsächlich spielt, wird am besten geeignet sein, den Unsinn des Inspirationsglaubens zu beseitigen, der in dem Gefühl der Menschen den Künstler um den Lohn seiner Arbeit bringt, den er um so eher verdient hat als alles, was sie ihm geben können, keine seinem Werk adäquate Münze ist. Denn was ist dieses von Musen besuchte Künstler- leben in Wirklichkeit? „Man hat mich immer als einen vom Glück besonders Begünstigten gepriesen; auch will ich mich nicht beklagen und den Gang meines Lebens nicht schelten. Allein im Grunde ist es nichts als Mühe und Arbeit gewesen, und ich kann wohl sagen, daß ich in meinen fünfundsiebzig Jahren keine vier Wochen eigentliches Behagen gehabt. Es war

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XIX. Oktober 1915.

über die Arbeit des Künstlers.

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iKoFESSOR EMAM Kl. V. MilDL MLNCHE.N.

das ewige Wälzen eines Steins, der immer von neuem gehoben sein wollte. Meine Annalen werden es deutlich machen, was hiermit gesagt ist." Das sind Worte des Goethe, den man so mißverständlich zu einem kalt und hehr thronen- den Olympier gemacht hat. Diese Annalen aber zeigen noch ein anderes: bis zu welcher Höhe ein Mensch seine Menschlichkeit ent- wickeln kann, daß alles, was er in die Hand nimmt, und sei es die beliebigste Stunde seines Lebens, durchleuchtet wird von den klaren Strahlen aufgelöster Disharmonie. Wer kann ohne erhobenes Staunen über die sonnengleiche Kraft des Menschen ein Alterswerk Poussins oder Rembrandts sehen? Haben sie so durch

«U.\.\IEN-KLE1IJEK.\.BL.\GE- IM HAUSE H. SCHoLLEK,

ununterbrochenes Schaffen für sich selbst Frie- den und Einheit mit der Welt erreicht, so ist ihr Ziel weit davon entfernt eine Rente zu sein, die nur ihnen zugute kommt. Wie das Einzel- werk so ist auch seine Vollendung auf die ganze Menschheit gerichtet. Denen , die gleichen Blutes sind, ruft es zu : „Nimm das Kreuz und folge mir nach!" Aber niemanden schließt es ganz von seinem Genüsse aus. Die Arbeit des Künstlers ist zu jenem unermeßlichen Mahl ge- worden, das uns Konr, Ferd. Meyer darstellt: „Da sprangen reich die Brunnen auf des Lebens, Da streckte keine Schale sich vergebens, Da lag das ganze Volk auf vollen Garben, Kein Platz war leer, und keiner durfte darben."

BODUAN AM SEE.

MAX RAPHAEL.

PROFESSOR EMANUEL VO.N SEIDL- MÜNCHEN SCHLAFZIMMER

PROFESSOR EMANUEL V. SEIDL— MÜNCHEN.

BADEZIMMER IM HAUSE H. SCHÜLLEK.

DIE ANGST UM DIE KUNST.

VON OTTO ZOFF.

Die Ängstlichen haben große Sorgen; denn nach dem Kriege werde die Kunst auf Jahre erstorben sein. Nach dem Kriege werde der Schund wieder die Herrschaft an sich reißen. Die ÄngstÜchen lassen es sich nicht nehmen: der Bankerott der Kunst ist sicher. Und einen Widerspruch gibt es da einfach nicht. Wer etwas derartiges dennoch wagt, dem werden als schwerwiegender Beweis die siebziger Jahre an den Kopf geschleudert. Diese siebziger Jahre, welche die deutsche Kultur auf einen Tiefstand gebracht haben sollen, daß selbst die Erinne- rung daran Übelkeiten bereite.

Nun, dieser Hinweis stimmt nicht ganz. Denn diese geächteten Jahre nach dem deutsch-fran- zösischen Krieg waren bei weitem nicht so schlimm, als ihr Ruf sie gemacht hat. Man wagt

es zwar kaum auszusprechen, aber es muß doch gesagt sein: das Jahrzehnt nach 1870 ist alles andere eher als ein Niedergang der deutschen Kunst: es brachte ihr vielmehr einen Auf- schwung, wie man ihn schöner gar nicht wünschen kann. Und es gehört zu den selt- samsten Irrtümern unserer Kritik, daß diese Zeit, eineZeit voll Kraft und Blüte, voll Frucht- barkeit und Reife, im Geruch einer geradezu geächteten Sterilität steht. Deutschlands beste Geister haben in den Jahren nach 1870 ihr bestes geschaffen, und nicht etwa in einigen zufälligen Richtungen, sondern nach allen Seiten hin. Was ist doch in diesen fünf bis sechs Jahren nach dem großen Krieg alles entstan- den ! Um nur einmal von der Literatur zu sprechen; der ganze Nietzsche ist aus diesen

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Die Angst um die Kunst.

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PROFESSOR EMjVNUEL V. SEIDL MUNXHEN.

Jahren hervorgegangen, bis zum Zarathustra. Fontane war voll in der Arbeit, sein Roman „Vor dem Sturm" wurde damals geschrieben. Damals entstand „Auch Einer" von Vischer. Damals entstanden die Meisterwerke Anzen- grubers: 1872 brachte den „Pfarrer von Kirch- feld", den „Meineidbauer", die „Kreuzelschrei- ber", 1874 brachte den „G'wissenswurm". Da- mals entstanden die schönen Altersnovellen von Theodor Storm, seine Gedenkblätter, und „Aquis submersus". Damals entstanden (um auch die Schweizer mitzunennen) die „Züricher Novellen" und das „Sinngedicht" von Gottfried Keller, und Conrad Ferdinand Meyer wurde durch den Krieg eigentlich erst zum Dichter, wie er selbst gestanden. Und noch lange nicht genug: Frey tag vollbrachte in diesem Jahrzehnt seine große Romanreihe „Die Ahnen". Ranke und Treitschke schrieben ihr Bedeutendstes, Fechner seine „Vorschule der Ästhetik", Grimm seine „Vorlesungen über Goethe". Soll man endlich noch davon sprechen, daß sich die Re- volution des Naturalismus damals schon vor- bereitete, daß ihre Vorkämpfer schon daran waren, auf den Plan zu treten?

Wie verhält es sich aber zu gleicher Zeit mit der bildenden Kunst? Nun, es wird nicht über- trieben sein, wenn man von einem Höhepunkt der Kunst nach 1870 spricht. Sie erlebte da- mals ihre Loslösung aus aller Tradition, sie befreite sich von der berüchtigten braunen „Sauce", sie wagte den Schritt vom Atelier in

»G.\KTNEREI« ZUM HAUSE HUGO SCHOLLER-DUREN.

die Freiluft, und sie nahm man bedenke doch ! mit hungerndem Herzen alle Errungen- schaften der Franzosen auf. Der große kleine Menzel ließ damals seine Historienmalerei hinter sich, mit einem Mal erschien ihm die Friederi- zianische Zeit, der er Jahre gewidmet, nicht mehr wichtig genug und er warf sich wie einer, dem eine Offenbarung wurde, in die neue, große, berauschende Gegenwart. 1875 entsteht sein „Eisenwalzwerk", eines der Haupt-Werke der neuzeitlichen Kunst, nachdem er vorher die „Krönung in Königsberg" und die „Ballpause" vollendet hatte. In diesen Jahren aber wacht der ganze Leibl auf, in diesen Jahren vollzieht sich seine Übersiedelung nach Grasslfing, ent- stehn die „Dachauerinnen". (Würde dies allein nicht schon genügen, um ein Jahrzehnt unver- geßlich zu machen?) Aber noch lange nicht genug : Hans Thoma malt seine feinsten Schwarz- wald- und Rheinlandschaften, welche, von allem Kriegerischen fern, die tiefe Stille der deutschen Welt wiedergeben. Im Jahre 1873 siedeln sich Hildebrand, Marees und Konrad Fiedler in Florenz an, in dem alten Bau von San Fran- cesco di Paolo, und entwickeln jene Anschauung der Kunst, welche für den Deutschen immer das höchste Ziel, aber auch das unerreichbarste, bleiben sollten. Endlich aber beginnt der neue Naturalismus schon seine Vorstöße, einige Jahre früher als die Literatur: Liebermanns „Gänse- rupferinnen" entstehen 1873, bald darnach die Konservenmacherinnen "und damit eine Kunst,

ARCHITEKT PROFESSOR EMAXUEL v. SEIDL-MÜXCHEX BLICK IX DIE HALLE DES HAUSES KXORR- GARMISCH.

Die Avc^sf lau die Kuvsi.

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ARCHITEKT K.\RI. JOH. MOhSNER BERLIN.

welche für Jahrzehnte die herrschende bleiben sollte. Zu guter Letzt sei noch daran erinnert, daß neue Bemühungen um das deutsche Kunst- gewerbe einsetzen und daß Eitelberger in Wien das „Österreichische Museum" begründet.

Nein, der Hinweis klappt nicht. Erwähnt man nur noch ganz beiläufig daß in diesen Jahren Brahms und Brückner ihren Höhepunkt erreichten, so kann man die stets wieder vor- gebrachte Beschimpfung des Jahrzehnts 1870 bis 1880 mit Recht ablehnen. Gebe Gott, daß uns jetzt wieder eine solche Kunst komme und wir dürften es fürwahr zufrieden sein.

Nun hat aber die ganze Geschichte doch einen Haken. Denn : wenn wir nun, nach Aufzählung aller bedeutenden Produktionen, zur Erkenntnis gelangt sind, daß die Jahre nach 1 870 das Gegenteil eines künstlerischen Nieder- ganges waren, wie ist es dann zu erklären, daß sie uns trotzdem immer als ein solcher er- schienen sind? Wie ist es zu erklären, daß wir diese Epoche höchster deutscher Kunst irgend-

BOOTSHAUS MIT WOHN- UND SCHLAFRAUM.

wie mit der Herrschaft der ärgsten Kitschiers verbunden haben? Woran mag es liegen, daß Fruchtbarkeit als SteriUtät, Verdienst als Träg- heit, Höhe als Ebene benannt wird?

Der Grund liegt hier einfacher, als man glaubt. Wer sich an diesem Jahrzehnt versündigt hat, das war keineswegs die Kunst. Aber das waren die sogenannten Kunstfreunde. Denn wir dürfen ja nicht vergessen, daß damals zwar Gottfried Keller, Vischer, Nietzsche, Leibl und Lieber- mann gelebt haben , daß aber das große Deutschland ihrer Existenz nur wenig Beach- tung schenkte. Und so kommt es, daß wir in der Rückschau auf diese Epoche nur eine Über- fülle von ärgster Schundware zu sehn ver- meinen. Denn diese war dem Geschmacke der durch den Krieg hinaufgekommenen Kreise nicht nur die weitaus bevorzugte „Kunst", sondern die einzige Kunst überhaupt. Das Parvenütum dieser Jahre, mächtig und aus- gebreitet, bezahlte alles glänzend, wenn es nur Talmi war. Und so kommt es, daß wir in den

Die Ayigst um die Kunst.

ARCHITEKT K.\RL JuH. MOSS.NEK bEKI.I.N.

Salons dieser Generation Defregger anstatt Leibl, Anton Werner anstatt Menzel, Grützner anstatt Liebermann finden. Ja, dieser selbe Liebermann, der heute untrennbar an der Spitze einer Generation steht, welche uns die ganze Schönheit der Welt erst erkennen lehrte, war damals als der „Apostel der Häßlichkeit" verschrien. Dieser selbe Liebermann mußte damals seine „Konservenmacherinnen" in Ant- werpen ausstellen (wo sie nicht nur verkauft, sondern auch mehrfach nachbestellt wurden), dieser selbe Liebermann mußte 1873 nach Paris übersiedeln , weil ihm der gehäßigste Chauvinismus der Franzosen noch ertragbarer schien als das grenzenlose Unverständnis seiner Landsleute. Für Leibls Dachauerinnen fand man 1875 nichts anderes als Befremdung über diese „unbegreifliche Vorliebe für häßliche Bäuerinnen". Und so blieb dieses unver- gleichliche Meisterwerk unverkauft und unbe- achtet in der Fleischmannschen Kunsthandlung in München, bis sie Munkacsy, der ungarische

1;lmjI>11a: .^ .Mll Wi.Ul.X- U.\'D SCHL.AhR.AU.\l.

Maler, gegen ein eigenes Bild umtauschte. Oder soll man wirklich erst daran erinnern müssen, wie dieselbe Generation mit Böcklin, mitMarees, mit Feuerbach, oder wie sie mit Nietzsche und Anzengruber verfuhr?

Nein, um die Kunst nach dem Kriege braucht niemandem bange zu sein, und die Kunst nach 1870 braucht niemand über die Achsel anzu- schaun. (Man möge lieber gar keine Vergleiche zwischen 1870 und 1913 ziehn!) Was Angst machen kann, das sind die Leute, welche die Kunst, die uns nun kommen soll, wieder zu fördern haben werden. An ihnen liegt es, anstatt eines Kulturverfalles einen Aufstieg zu schaffen. Die Künstler, die werden schon hier sein. Ob die andern hier sein werden : das muß unsre Sorge bleiben. Die Anton Werners kann man mit ein wenig Einsicht auf tausend Schritte erblicken. Und darum han- delt es sich. Denn für che Kultur eines Volkes genügt es nicht, die Genies nur zu besitzen. Es muß auch wissen, daß es sie besitzt.

GARTEN-SCHÖNHEIT.

Der rechte Garten besitzt seine Indivi- dualität, wie jedes rechte Haus. Er ist eine Einheit, nicht eine Sammlung von un- zusammenhängenden Einzelheiten. Dieser ein- heitlichen Gesamterscheinung muß mancher Kleinkram geopfert werden. Um wirkliche Gartenschönheit darzustellen, muß eins dem andern dienen, und was nicht in den Rahmen paßt, muß fallen. Spezifische Garten- schönheit — das ist der Gegenpol zu dem Architekturgarten. Um sie aber zu schaffen, ist sehr viel Ordnen, Disponieren, Herausheben, Abwägen, Gestalten nötig, und das ist, wenn man will, auch eine Art architektonischer Tätig- keit. Gartenschönheitbedeutet ja nicht gehäufte oder übertriebene Naturschönheit. Im Gegen- teil, der gute Garten wird stets, um auf be- schränktem Raum wenigstens einige Motive rein und stark wirken zu lassen, um ein einheit-

liches Bild zu geben, verhältnismäßig einfach sein. Ordnung, diskret geübte Disziplin wird, auch ohne Architektur, in ihm herrschen, und dadurch unterscheidet er sich wesentlich von der wilden Natur. Es kann unter Umständen der ganze Garten nur ein Rahmen sein für einen schönen Weiher oder für eine schöne weitgedehnte Rasenfläche. Die Kunst des Gar- tenbauers besteht dann eben darin, dieses eine wertvolle Motiv rein und stark herauszuar- beiten. Dabei mag er auf einfachste Formen kommen, ohne daß ihm die Geometrie gefähr- lich wird. Nichts ist törichter als zu glauben, ein Garten müsse alles enthalten, Pergola, Laube, Brunnen, Rasen, Weiher, Statue, Bank, U.S.W. Nichts ist törichter, als den Nachbarn zu beneiden, weil der auch noch ein Stück Wald hat und wir nicht. Und wieviele Gärten sind in ihrer stillen reinen Schönheit zerstört worden, indem die Besitzer nicht genug hineinzupropfen

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ANTON JAUMANN.

KUNbE i.jARTENB..\N'K, EINE ALTE EbLHENuKUl'PE UMFASSEND, WEISS GESTRICHEN.

KARL SCHENKER-BERLIN. .BILDNIS-PHOTOGKAI'HIE.

fHOTt;GRAPH KAKL sc. HI.NKF.K BERMX.

SCH-\USP1ELEKI.N Als MAIlAM l;ri lEKFLV

ZU KARL SCHENKERS BILDNIS-PHOTOGRAPHIEN.

Die stille Hoffnung der Kunstfreunde, daß eine gewisse konventionelle Bildnismalerei sie hat mit der Malerei nur das Material gemein- sam — von der Bildnis-Photographie aus dem Dasein gedrängt vk^erde und einmal ganz ver- schv/inden möchte, diese Hoffnung kann frischen Mut aus den Arbeiten eines jungen Berliner Photographen schöpfen, die uns als das Beste erscheinen, was die Porträt-Photographie zur Zeit leistet. Es ist gleich zu bemerken, daß Schenker ein Maler von Talent ist, also außer seinen fachtechnischen Kenntnissen noch etwas mehr mitbringt als den guten Geschmack, mit dem man sich bei der Photographie meist be- gnügt. Er hat als Maler ein sicheres konstruk- tives Auge, das die bildhaften Elemente wahr- nimmt und die Fläche nicht mit hübschen Ein- und Zufällen teilt, wie sie eine Farbe ergibt oder eine nichts als reizvolle Linie. Er macht

Bildnisse, die „gebaut" sind, stellt sie auf, ge- wissermaßen. Er flunkert nicht mit sogenann- tem seelischen Ausdruck; er bildet sich nicht ein, den sozusagen inneren Charakter des Por- trätierten kennen und wiedergeben zu müssen; er bleibt vielmehr ganz solide und gewissen- haft bei der Oberfläche, die ja der Tiefe viel stärker verbunden, viel verräterischer ist als man meint, und jedenfalls stärker verbunden als der dem Individuum bewußt gewordene Charakter, der zumeist eine Anmaßung ist. Hier bei Schenker wird deutlich: eine gute Ana- tomie ist dem Photographen viel nötiger als eine zweifelhafte „Seelenkunde", die dem porträ- tierten Naturforscher eine Denkermiene, dem Literaten eine Feder in die Hand und der Welt- dame das gewisse Lächeln gibt, dem Braut- paar den seriösen Treueschwur auf die Lippen und der jungen Mutter den innigen Blick auf

XIX. Oktober 1915. 3

Zu Karl Schenkers Bildnis-Photooraphicn.

MAI.EK IMi 1-Hoi<.(;kaI'H KAKL SCHENKER- BERLIN. KOHLE-ZEICHNUNGEN. BILDNIS-STXJDIEN.

den Säugling. Man macht diese Scherze ja niclit mehr ganz so grob wie vor zehn Jahren, aber man macht sie nur diskreter, hypnotisiert den Porträtierten immer noch mit einem Attribut seines Berufes in diese Erstarrtheit eines „gei- stigen" oder „seehschen" Ausdruckes, der weder das eine noch das andere, sondern nur komisch ist, denn die junge Mama ist mehr übermütig als innig, und der Naturforscher ist weit mehr moselweinliebend als naturforschend. Es ist ganz außerordentlich, wie seelenhaft diese luftdurchtränkten, luftumspülten, schwer- losen Bildnisse Schenkers sind, weil er sich auf das Physiognomische seines Modells einstellt uad nicht auf dessen Ehrgeiz im Seelischen oder Geistigen. Er porträtiert viel richtiger, möchte man sagen, weil er ehrlich bei dem bleibt, was man sieht. Allerdings muß man gute künst- lerische Augen haben, um so viel zu sehen wie er. Ein noch so gutes Objektiv ersetzt sie nie. Auch die Tricks der Belichtung und Beleuch- tung ersetzen sie nie, und nicht Behandlung der Platte und der Abdrucke. Alle diese tech- nischen Dinge kommen, so vollendet sie sind, in zweiter Linie, sind die Behelfe, genau wie dem Maler die Farbe nicht Zweck, sondern Mittel ist, das er eher verbirgt als zeigt (man sieht dem Rembrandt die Farben nicht an). Noch eines ist bei Schenkers Bildnissen wichtig und bedeutend; er trifft immer und betont den Zeit- und Rassencharakter seines Modells. Wir stoßen oft mitten unter den heutigen Menschen

auf ein Gesicht, eine Gestalt, die nicht aus dieser Zeit sind. Es gibt das Glück, daß wir in der Trambahn einer Frau gegenüber zu sitzen kommen, die eine frühgotische Madonna ist, sie mag eine Telephonistin sein, aber das ist der moderne gleichgültige Zufall eines Berufes; wesentlich ist ihre Erscheinung als eine gotische. Wenn sie spricht, mag sie ein Mädchen aus dem Berliner Osten sein, aber ihr Sprechen ist gleichgültig, und für den Photographen, der das Äußere festzuhalten hat, erst recht. Schenker wird nicht die Berliner Telephonistin, sondern die gotische Madonna, die sie ist, photo- graphieren. Die Florentinerin des 15. Jahrhun- derts und nicht die Frau Zahnarzt X vom Kur- fürstendamm. Er gibt in seinen Bildnissen die künstlerische Wahrheit und nicht den sozialen Zufall. Wie ich sagte: die sogenannte Ober- fläche hat mehr Tiefe als die bewußte vermeint- liche Tiefe Tiefe hat. Die vis suprema formae ist das wahrhaft Göttliche. Aber man muß ein Künstler sein, damit sie sich einem offenbart, und wer schlecht und ungenügend die Form sieht, der mogelt Seele und Geist. Nicht in den Äußerlichkeiten steckt diese Form! Nicht in Kostüm oder Kulisse! Schenker läßt dieser Frau, die ein Boltraffio ist, allen ihren heutigen Apparat, gibt ihr nichts als die aus ihrem Kör- per springende Bewegung, und es ist Boltraffio oder Goya oder Guys. Er kopiert keine Bilder und keine Maler, sondern konstatiert mit seinen Aufnahmen, daß dies lebt und ist. franz blei.

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KARL SCHENKER-BERLIN. »BILDNIS-PHOTOrTRAPHIEt

KARL SCHENKER-BERLIN. >BILDNIS-AUFNAHME«

KARL SCHENKER- BERLIN. .BILDNIS- AUFNAHME.

KARL SCHENKER-BERLIN. .BILDNIS-PHOTOGRAPHIE.

KARL SrHEXKER BERT,IX. BILDNIS-AUFNAHME.

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WALER UND PHOTOGRAPH KARL SCHEXKr:R BERLIN. AKT-STUDIE

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AVS EINEM IIAKMSI Aim-K l'KIVAIHAi >. GKIJI-C K 1 KK IKEl 1>C H Mir l'MKZELLAN DER Kc;l.. N\ MPHl Mll Ki.lK MAN! h AKU K.

DIE KUNST DES TISCHDECKENS.

Ihr Auge, gütige Leserin, streift das prächtige Tee -Service, die entzückende porzellanene Parforce-Jagd, die geschliffene Glasvase, das kostbare Linnenzeug mit vi'ürdigendem Blick und dann kommt etwas Spott in Ihre Mund- winkel und Sie sagen : Mit solchem Material ist das Tischdecken wirklich keine Kunst!" Richtig bemerkt, meine Gnädige; ja, ich gehe sogar noch ein wenig weiter wie Sie und sage; selbst wenn mit viel weniger kostbarem Mate- rial ein anmutiger Tisch gedeckt wird, so ist das doch noch nicht „Kunst", sondern lobens- werte Geschmacksäußerung, eine Empfindungs- sache. Und solches P'mpfinden läßt sich bil- den. Aber eben; schönes Tischgerät zu haben, darauf kommt es mit an.

Das ist garnicht so sehr eine Frage der Mittel, als vielmehr eine Frage der herzlichen Bestre- bung, des liebevollen Einkaufens. Freilich; alles Erforderliche im nächsten Geschäft zusammen- kaufen, das ist kostspielig und außerdem dilet- tantisch. Aber das langsame Sammeln, das zielbewußte Arbeiten, das Einstellen des haus- fraulichen Begehrungsvermögens alle Achtung vor dieser Großmacht auf dieses Ziel, das

ist es, was die Tafelschätzc ins Haus zieht. Der Ehrgeiz der Hausfrau kann auf diesem Ge- biet garnicht genug angefeuert werden. Der gedeckte Tisch, das wissen wir alle, ist eine sehr wichtige Sache. Die Stunde, da der Mensch bei Tafel sitzt, ist er ästhetisch gestimmt. Mehr als sonst ist er zu feinerem Genießen aufgelegt, er befindet sich in einer behaglichen Passivität, die der Aufnahme von schönen Eindrücken so außerordentlich günstig ist.

Alles faßt er mit einer besonderen Dankbar- keit der Sinne auf. Es ist eine Stimmung, die ans Festliche streift. Das macht der mit „Kunst" gedeckte Tisch sich zunutze. Die Hausfrau, die ihre Sache versteht, ist unablässig bestrebt, das, was zunächst nur dem Bedürfnis der Nahrungs- aufnahme zu dienen scheint, ins Festliche zu steigern. So wird der gedeckte Tisch zu einer Quelle ästhetischer Lust, deren „Nährwert" für den geistigen und leiblichen Menschen nicht gering zu schätzen ist. Ganz abgesehen davon, daß auch der gedeckte Tisch eine Angelegen- heit der allgemeinen Lebensverfeinerung ist, zu der wir uns immer mehr erziehen müssen. Aus diesen Gründen zeigen wir unsere Abbildung.

XIX. Oktober igi5. 9

.l:H l)]-k AKl;Kil I lll-.l l;ll.l> AI > lil-M '>l.l"l.l Ulll.l 1 I9I.S l'l'K SlirKERKl- UM) SPIT/KN-RrXl .-. I'NKMMAIM.

lÄHRLICH 12 KEUHILLUSIRIERTE HEI' FE ('/äJÄHRr.. ^^ 6. ), HERAUSGEGEBEN VON ALEXANDER KMCH.

rv HE/IEHEN DURCH ALLE GRÖSSERE BUCHHANDLUNGEN OIIKR DIE VEKLACS-ANSTALT ALEXANDER Kt)( H DARMSTADT.

DEUTSCHE NADELKUNST NACH DEM KRIEGE.

ach den napoleonischen Kriegen war Deutsch- land durch zahllose Opfer an Gut und Blut aufs tiefste erschöpft. In dieser traurigen Zeit er- lebte seltsamerweise die Stickerei eine Blüte, wie kaum je zuvor. Nichts ist so bezeichnend für die Epoche des Biedermeier als die unzähl- bare Menge gefühlvoller und farbenfroher Stickereien, mit denen damals Kissen und Decken, Schirme, Börsen, kurz fast jeglicher Gegenstand geschmückt worden ist. Die seh wach-flackernde Lebenslust, der ein weiteres Arbeitsfeld noch versagt war, suchte und fand einen Trost im Schmuck des Heims. Man freute sich wie der Genesende, der mit knapper Not dem Tode entgangen, an jedem Blümchen und Gefühlchen. Die Biedermeierzeit stand unter dem Zeichen der Frau, der handarbeitenden Frau. Die unschuldige Schwärmerei der Ro- mantiker blühte am üppigsten in den Kaffee- stuben und Stammbüchern dichtender Frauen.

Wartet unser nach dem Weltkriege eine neue Epoche der Erschöpfung, der bescheidenen Schwärmerei, der hausfraulichen Tugenden? Ich mag es kaum glauben.

Es liegt eher die Gefahr vor, daß im Gegen- satz zur Biedermeierzeit unter der harten Not- arbeit der Sinn für die leichten sentimentalen Künste der Nadel geschwunden ist.

Gewiß wird sich die Entwickelung nicht wiederholen, aber die Stickerei als Kunstge- werbe ist in unserem häuslichen und wirtschaft- lichen Leben denn doch zu fest verankert, als daß ein momentaner Wandel der Empfindungen sie so rasch entwurzeln könnte. Wenn nach

Beendigung des Krieges alle Kräfte sich bis zum Springen spannen, um möglichst rasch die Schädigungen zu überwinden und die alte Lei- stungsfähigkeit wieder zu gewinnen, ja über sie hinauszuwachsen, so geschieht das nicht allein zur Befriedigung der nackten Notdurft. So not- wendig es ist, zuerst für Unterkunft und Nahrung zu sorgen, die Verantwortlichkeit vor uns selbst, unseren Gästen und Kindern verlangt ebenso dringend die Schaffung des schönen Heimes. Das deutsche Haus will sich mehr und mehr erneuern, das Kleid der Frau macht eine tief- greifende Umgestaltung durch. Überall ist die Stickerei als Helferin wie Krone nötig. Vorder Kulturgeschichte hätte sie es zu verantworten, wenn sie jetzt nicht ihre Schuldigkeit täte.

Für diese großen Aufgaben, die der deut- schen Nadelkunst warten, wird sie an der Darm- städler Zeitschrift „Stickerei- und Spitzen- Rundschau" eine treubewährte Mitarbeiterin haben. In ihren 16. .Jahrgang tritt sie jetzt ein und hat sich aus unscheinbaren Anfängen zu stattlichen bilderreichen Heften ausgewachsen, die von den Höchstleistungen deutscher Sticke- rei- und Spilzenkunst die würdigste Vorstellung geben. Zugunsten der durch den Krieg in ihrem Erwerb beschränkten Nadelkünstlerinnen veranstaltet die „Stickerei- und Spitzen-Rund- schau" eine Reihe von Preisausschreiben, deren erstes im Oktoberheft mitgeteilt wird. Es betrifft Entwürfe für Spitzendecken unter Verwendung von Madeirastickerei. Näheres ist aus dem Anzeigenteil zu ersehen, ebenso über den reichen Inhalt des Heftes,

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VOM VERLANGEN NACH SCHÖNHEIT.

Wir verlangen Schönheit von den Dingen, die uns umgeben, vom Gerät des Tisches, von den Schätzen des Linnenschrankes, von allem, was uns im Hause dient, sei es Holz, Metall oder Gewebe. Und was bedeutet in diesem Falle „Schönheit"? Zunächst eine An- nehmlichkeit für die Sinne, einen Reiz der Form, der uns Lustgefühle spendet. Dürfen wir dem- nach sagen, die Schönheitsforderung sei der Ausfluß einer verfeinerten Genußsucht? Ein Streben nach Erschließung weiterer Lustquellen, über das Praktische und Gediegene hinaus? Ich glaube, jeder Hausfrau würde es wider- streben, die Sache so und nur so anzusehen. Denn sie verlangt „Schönheit" von ihrem Haus- wesen nicht etwa mit dem Gefühl, es sei dies eigentlich ein Überfluß. Wenn wir Schönheit um uns her schaffen, so kommen wir uns keinen Augenblick als „Genießer" vor, im Gegenteil; wenn jemand diese Schönheitsforderung an seine Umgebung nicht stellt, dann erscheint uns dies nicht nur als ästhetische Ahnungslosigkeit, sondern fast als ein Mangel im Sittlichen, als eine Minderwertigkeit. Ein solcher Mensch käme uns nicht ganz vollständig vor, erschiene uns mit einem Defekt behaftet. Gerade bei unseren doch gewiß nüchtern denkenden und allzeit auf das Praktische gerichteten Frauen drückt sich dieser wie ein Naturtrieb auftretende Drang nach „Schönheit" lebhaft aus. Was sie der Wäscheausstattung, dem Fensterschmuck, dem gedeckten Tisch an Aufwendungen opfern, das dünkt ihnen allzeit richtig angebracht, wäh- rend sonst der geringste Pfennig bei ihnen be- kanntlich in hohen Ehren steht. „Schönheit" dünkt ihnen nichts Entbehrliches, sondern sie sehen in ihr mögen sie auch sonst erbittert sein gegen jede Ideologie einen der Zwecke

des bürgerlichen Daseins. Sie ist ihnen vitl mehr als ein bloßer Schmuck. Sie wollen ohne diese Art „Schönheil" nicht leben. Und so hat die Menschheit seit uralten Zeiten gedacht; mit ihrem ersten Auftauchen aus der Dumpfheit des Tierk'bens stellen sich auch die ersten Regungen des Schönheitsbedürfnisses ein, ja sogar, wenn Kunst Spiel ist, noch früher. Ohne den holden Überfluß, den wir in allen seinen verschiedenen Gestalten „Schönheit" nennen, will die Mensch- heit nicht leben. Der gemeine Sprachgebrauch behandelt das Schöne oft herablassend. Er stellt es gern in einen nachteiligen Gegensatz zum Guten oder Nützlichen. Aber es ist ihm doch damit nicht ganz Ernst. Denn zu zahl- reich sind die Beweise dafür, daß dem Volke, von den höchsten bis zu den niedersten Schich- ten, ja bis zu den Ausgestoßenen und Verwor- fenen hinab, das Schöne, sowie es dasselbe versteht, unentbehrliche Nahrung seines Lebens ist. Das Schöne ist der Sonne verwandt; es leuchtet allen und nährt alle. Es ist nicht allen gegeben, aus den reinsten Quellen der Schön- heit zu trinken. Kunst zu genießen erfordert eine gewisse Mitarbeit und ein Eingeweihtsein in das Wesen künstlerischen Schaffens. Solches ist aber nicht häufig, und Verständnislosigkeit gegenüber den Bedingungen künstlerischer Werterzeugung findet sich oft auch bei denen, die sich aiif ihre Kennerschaft viel zugute tun. Aber dafür sind die minderen und gewisser- maßen verhüllteren Ausstrahlungen der Schön- heit allem Volke zugänglich. Wem das titanische Ringen der kühnen Neuerer nichts zu sagen vermag, den erfreut die Ewige doch noch in Form eines zierlich gebauten Möbels, einer edlen Spitze, eines farbenschönen Wandtep- pichs, einer feinen Stickerei. . . willv frank.

l'KMl-ESSOR J.ISEK Hon. MANN \VIi;N. SIIKI-KM 1- kr. 1 1 I >( IIMI'. AI'Sl- fll Ki'Nr, : WIKNFK WFKKMArrr WIIN.

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F.XTW: PROFESSOR JOS. HOFFMANN.

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I'KOKESSOK JOSEl' HliKKMANN

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Was den Menschen umgibt, wirkt nicht allein auf ihn, er wirkt auch wieder zurück auf sel- biges, und indem er sich modifizieren lägt, modi- fiziert er wieder rings um sich her. So lassen Kleider und Hausrat eines Mannes sicher auf dessen Charakter schließen. Die Natur bildet den Men- schen, er bildet sich um, und diese Umbildung ist doch wieder natürlich; er, der sich in die große weite Welt gesetjt sieht, umzäunt, ummauert sich eine kleine drein und staffiert sie aus nach seinem Bilde. Stand und Umstände mögen immer das, was

den Menschen umgeben muß, bestimmen, aber die Art, womit er sich bestimmen läßt, ist höchst bedeutend. Er kann sich gleichgültig einrichten wie andere seinesgleichen, weil es sich nun ein- mal so schickt; diese Gleichgültigkeit kann bis zur Nachlässigkeit gehen. Ebenso kann man Pünkt- lichkeit und Eifer darinnen gemerken, auch ob er vorgreift, und sich der nächsten Stufe über ihm gleichzustellen sucht, oder ob er, welches freilich höchst selten ist, eine Stufe zurückzu- weichen scheint gueibe.

Fs^iiR (OS. HOFFMANN WIEN. SCHMll K-., H \ IE, EEI>EK IN SIll:EkI- AsSINC. WIENER WEKKST.\I IE.

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XIX. Oktober 1915 10

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EMAII.-EIM.AGE.

Die Menschen empfinden im allgemeinen eine grope Freude an der Farbe. Das Auge bedarf ihrer, wie es des Lidites bedarf. Man erinnere sich der Erquickung, wenn an einem trüben Tage die Sonne auf einen einzehien Teil der Gegend scheint und die Farben daselbst siditbar macht. Dafi man den farbigen Edelsteinen Heilkräfte zuschrieb, mag aus dem tiefen Gefühl dieses un- aussprechlichen Behagens ent- standen sein GOETHE.

ür

atur! Wir sind von ihr um- geben und umschlungen unvermögend, aus ihr her- auszutreten, und unvermögend, tiefer in sie hinein zu kommen. Ungebeten und ungewarnt nimmt sie uns in den Kreis- lauf ihres Tanzes auf und treibt sich mit uns fort bis wir er- müdet sind und ihrem Arme entfallen. Sie schafft ewig neue Gestalten; was da ist, war noch nie; was war, kommt nicht wieder: alles ist neu und doch immer das Alte. Wir leben mitten in ihr und sind ihr fremd. Sie spricht unauf- hörlich mit uns und verrät uns ihr Geheimnis nicht. Wir wir- ken beständig auf sie und haben doch keine Gewalt über

FKMF. Ji>S. HOFFNF\NN. MFr.EKNE l'.K'i.srHE.

I;K■.'^CHE IN >II.I'.EK GEIKU 1:I-N

sie. Sie scheint alles auf In- dividualitat angelegt zu haben und macht sich nichts aus den Individuen. Sie baut immer und zerstört immer, und ihre Werkstätte ist unzugänglich. Sie lebt in lauter Kindern; und die Mutter, wo ist sie? - Sie ist die einzige Künstlerin: aus dem simpelsten Stoff zu den größten Kontrasten; ohne Schein der Anstrengung zu der größten Vollendung - zur ge- nauesten Bestimmtheit, immer mit etwas Weichem überzogen. Jedes ihrer Werke hat ein eigenes Wesen, jede ihrer Er- scheinungen den isoliertesten Begriff, und doch macht alles eins aus. Es ist ein ewiges Leben, Werden und Bewegen in ihr, und dodi rückt sie nicht weiter. Sie verwandelt sich ewig und ist kein Moment Stillstehen in ihr. Fürs Blei- ben hat sie keinen Begriff, und ihren Fluch hat sie ans Stillestehen gehängt. Sie ist fest. Ihr Tritt ist gemessen, ihre Ausnahmen seilen, ihreGesetje unwandelbar. - Sie lägt jedes Kiud an sidi künsteln, jeden To- ren über sidi richten. Tausende stumpf über sidi hingehen und nidits sehen, und hat an allen ihre Freude und findet bei allem ihre Rechnung. . . . goethe.

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109

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PROKESSOK sn IKR T'M) KAKI. HAiaU.E.

HESSISCHES SPIELZEUG. GEPÄCKWAGEN.

I'KOKESSOR Sl'TTER TM) fLVRI, HAGELE.

HE.SSISI HES SPIELZEUG. S.\NITATS\V.\GEX.

AUSGEKCHRT Vu.N HER HESSISCHE.X SPIELZEUG-MANUFAKTUR HAHNMIHLE BEI PFUNGSTADT.

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l'ROKESSOR snTER IM) KART, HACPIE.

Hl l".l -c MI I /

EINE ANTWORT. (Zu dem Briefe im Seplem- berheft.) „Verehrte Briefsctireiberin! Gewiß, es wäre wunderschön, wenn bei der gegenwär- tigen Mobilisierung der „Metalle" alle jenen bron- zenen Möpse und Venusinnen aus den guten Stuben daran glauben müßten, an die Adler auf den Kriegerdenkmälern gar nicht zu denken. Schaut man aber an den Metallsammelstellen der Abliefe- rung zu, so muß man leider bemerken, daß unge- fähr das Gegenteil stattfindet. Jene schauerlichen Kunstgegenstände kommen ziemlich zäh heraus, dagegen wandert vieles zur Einschmelzung, was auf den stolzen Namen „Kunstgegenstand" keinen Anspruch machen darf und doch soviel mehr wert ist, prächtige alte Kupfereimer und Pfannen und Mörser, die in ihrer handwerklichen Gediegenheit unwiederherstellbar sind. Der Qese^geber hat die ehrliche Absicht gehabt, künstlerische Werte zu schonen; nur ist guter alter „Hausrat" oft soviel mehr wert als die sogenannten „Kunstgegenstände". Das soll kein Vorwurf sein; Geschmackswerte lassen sich nicht reglementarisch erfassen. Daß aber der Schuß der Verordnung den wirklichen künstlerischen Werten zu gute komme und die Geschmacklosig- keiten nicht zu unrecht verschont bleiben, dazu ist die Fürsorge der Berufenen und .Aufklärung in der Öffentlichkeit nötig. Eine Propaganda in doppelter Richtung tut not. Das Eine ist, daß die guten alten Sachen möglichst gerettet werden. Wir wissen, daß die Volkskunstvereine schon viel- fach verdienstlich tätig sind. In vorbildlicher Weise wird in München gearbeitet; man hat den Ein- druck, daß mit außerordentlicher Liebe und Sorg- falt verfahren wird. Die Arbeit trägt reichen Segen; was für ungeahnte Schönheiten da zusammen kom- men, wie sie kein Museumsbesiß aufzuweisen hat, davon zu berichten wird vielleicht später einmal die Stunde kommen. Für heute ist nur zu fordern, daß dieser Schuß niclit auf einige Städte beschränkt bleibt, sondern auf die Sammlungen des ganzen

Reidies ausgedehnt werde. Das Zweite ist, daß das Publikum methodisch angeregt werde, die schlechten neuen Sachen wegzugeben, audi wenn sie als „Kunstgegenstände" formell von der Beschlagnahme frei sind. Auch hierfür hat München einen guten Gedanken gehabt. Wenn man die Sam- melstelle betritt, findet man sidi zunächst einem riesenlangen Bordbreit gegenübergestellt. Dort sind alle jene lieblichen Greuel versammelt, bis zum gal- vanisierten Tanzschuh. Ein großes Plakat mahnt: „Befreit eudi von solchen Geschmacklosigkeiten". Die pädagogische Wirkung dieser Ausstellung ist auger- ordentlich, wie man aus den Gesprächen an Ort und Stelle erlauschen kann. Wir meinen, daß die gute Idee dieser .Ausstellung sidi noch viel eindringlidier verwirklichen läßt. In den verkehrsreichen Straßen der Stadt mögen Behörden oder Kunstvereine .Aus- lagen veranstalten {Ladeninhaber von wirklich künst- lerischen Interessen werden ihre Schaufenster gern zur Verfügung stellen), worin sie Schulbeispiele von jenen Gegenständen vorführen, welche wegzugeben leider keine Pflicht, wohl aber eine Tat des Ge- schmacks ist und eine patriotische Leistung dazu. Gewerbelehrer, Männer von der Heimatkunst, hier wäre ein Feld zur Betätigung! Ihr werdet er- staunen, wie empfänglich das Publikum für solch eine öffentliche Belehrung in Geschmacksdingen ist. Es ist in anderen Zeilen so schwer, öffentlich am Beispiel zu zeigen: „Dies ist schlecht"! Diesmal müßten die Kitschfabrikanten schweigen, denn man demonstriert ja zugunsten des Vaterlandes." k m. Ä

KRIEGS-RADIERUNOEN VO.N ERICH ERLER. Das groj^zügige Blatt, mit dem dieses Heft eingeleitet ist, entstammt einem soeben ersdiienenen bedeutungsvollen graphischen Werke, das im Novem- berheft näher gewürdigt werden soll. Es ist das Schlußblatt einer Folge von Kriegs-Radierungen: eine deutsche Frau, die an Stelle des Mannes der Erde das Saatkorn für das „Neue Brot" anvertraut.

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\ BURli >RAlJERNKOPF' BESITZER A. K.-DARMSTADT

MAX BüRl t BRIENZ.

I.ETZTKS Ulli). INVol.LENDET.

GEDÄCHTNIS-AUSSTELLUNG MAX BURI IN ZÜRICH.

Im Märzheft dieses Jahres hat die „Deutsche Kunst und Dekoration" Max Buri einen reich illustrierten Aufsatz gewidmet. Es war das erste Mal, daß er selbständig, außerhalb des zufälligen Rahmens nationaler oder internatio- naler Ausstellungen gewürdigt wurde. Als Schaffenden, im Besitze eines reichen, reifen Könnens, schilderte ihn der Aufsatz. Inzwischen ist Max Buri gestorben. Die in Zürich veran- staltete Gesamtausstellung wurde zur Gedächt- nisausstellung. Sein Werk ist plötzlich abge- schlossen und wird unverändert so bleiben, wie es dort erscheint; der Künstler tritt mit seinen Bildern aus den Reihen der mitschaffenden jungen Schweizer Maler zum Kreis der zeitlosen Meister, die für uns nur in ihren Werken leben. Es fällt schwer, ihn so zu sehen, nachdem er Jahr für Jahr mit einigen neuen Bildern an den Ausstellungen erschien und man wußte, daß gleichzeitig immer zahlreichere unmittelbar von

der Staffelei in die Sammlungen übergingen. Die Ungeduld nach der geahnten, aber nur wenigen ganz bekannten Fülle seiner Schöp- fungen wird durch die Gedächtnisausstellung gestillt. Sie umfaßt bis auf eine kleine Zahl alle erhaltenen Bilder, etwas über 150. Die großen Kompositionen, zahlreiche Einzelbild- nisse, Studienköpfe, Stilleben, Landschaften und eine Gruppe von Studien und Gemälden aus der Entwicklungszeit, bieten jede Gelegen- heit, das Werden von Max Buris Kunst aus der MüDchener und Pariser Tradition heraus, wenn nicht lückenlos zu belegen, so doch zu ver- stehen und als Ganzes zu umfassen; bevor das Auge in längerem Verweilen wägend und ge- nießend sich auf die einzelnen Erscheinungen heftet. Von den vertrauten neueren Werken ausgehend, erkennt man ihn mit seiner klaren Bildteilung und der farbigen Einfachheit, bald auch in den vereinzelten Gemälden und Stu-

XIX. November 1915. 1

Gedächtnis- Ausstclhms' l\Iax Biiri in Zürich.

116

MAX blKl ( (UCMÄI.DE NA^H DEM BE(.;K.U'.MS I\ i;KlE.N/,<^ l'JUÖ. Ml l GENEHMIGUNG IiKR DHl'TSCHEN VKKLAGS-ANSTALr STUITGART.

dien, die aus der Frühzeit von Sammlern und Freunden mit mehr Pietät als der Künstler selbst sie für diese Werke hegte, gerettet worden sind; in der allgemeinen Haltung ist allerdings die Schule noch maßgebend. In den Jahren 1900—1905 wird Buri stärker als Paris und München und schafft aus eigener Kraft.

Das auf diesen Jahren sich aufbauende Ge- samtwerk ist von eindrucksvoller Einheitlich- keit und Stetigkeit der Entwicklung. Sie geht nicht in absolut gerader Linie und deutlich geglie- derten Absätzen, aber leichte Schwankungen und kleine Umwege führen immer wieder zur Hauptrichtung zurück, und immer auch ein Stück vorwärts, im Sinne der künstlerischen Absich- ten und Ziele oder der unbewußten grund- legenden Begabung des Malers, und im Sinne seiner Zeit. Die dämpfende Wirkung der Atmo- sphäre will er bannen, zu vollständiger Hellig- keit und Farbigkeit durchdringen. Immer mehr wachsen seine Bilder nicht aus dem Dunkeln oder aus Mittelstufen heraus, sondern aus der reinen Helligkeit, sind sie nicht von Luft durch- tränkt, nur von Licht, bauen sie sich nicht aus verbindenden Tönen auf, nur aus Farben. Die Feststellung, daß seine Figuren von einer ge-

wissen Zeit an alle auf hellerem Grunde stehen, bleibt beim Oberflächlichen, streift aber doch das Grundproblem. (Wenn gelegentlich ein ganz schwarzer Grund erscheint, so trägt der Künstler damit nur den Bildrahmen vom Rand der Lein- wand an den Umriß der Figur, die sich in sich selbst wieder so aufbaut, wie sonst der ganze rechteckige oder quadratische Bildausschnitt.) Als kleine Abschweifungen von dem so sicher erkorenen Wege mag man es empfinden, wenn Buri gelegentlich, um dem „Ton" zu ent- rinnen, zu fast reiner Umrißzeichnung mit far- biger Flächenfüllung hinneigt. Trotz der oft gehörten Behauptung, er pflege den Plakatstil, sind es schließlich nur wenige, kleinere Bilder, die in überstark ausgeprägtem Verzicht auf Luft und Modellierung sich von der Art der Tafelmalerei merklich entfernen. In zwei Ber- ner Köpfen von 1914 wölbt er wieder so stark, daß sie beinahe die Illusion der Natur- erscheinung geben. Im Jahre 1908 bläht und rundet er die blauen Hemden und die Barte seiner Bauern mit flockig breiten Strichen. Wenig später zeigen die „Rothaarige", „Papa Wenger", die „Köchin" eine emailartig weiche Modellierung; andern Orts setzt er leuchtend

Gedächt7iii- Ausstelhms 3Ia\ Bari in Zürich.

MAX BURI t BRIEXZ.

rosige Akzente auf braune Gesichter und geht den verkniffenen Runzeln und Falten bis ins Allerletzte nach, die Hemden strahlen in scharf gebrochenen Flächen vom sattesten Tiefblau. Oft erscheinen derartige Verschiedenheiten der technischen Behandlung fast gleichzeitig, in demselben Jahrlauf. Das Gemeinsame, Grund- sätzliche in Stoffwahl und Darstellung ist aber so stark, daß sie nicht mehr bedeuten als die leichten Schwankungen der Magnetnadel. Sie weisen um so eindringlicher auf das Bleibende. Es wird die Aufgabe des künftigen Biographen sein, an Hand der einwandfrei festgelegten Chronologie des Gesamtwerkes der Aus-

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GEMÄI.DF. .-MANN! IiHKK KCF'I- >■ rH4.

Stellungskatalog gründet sich bloß auf münd- hche Überlieferung die Absicht und den Verlauf derartiger Wandlungen im malerischen Ausdruck bis ins einzelne kenntlich zu machen ; gewiß hegen auch eigene Äußerungen Max Buris vor, die zu mancher dieser Erscheinungen erwünschten und klärenden Aufschluß geben. Wesentlich ist einstweilen, daß er sich stets wieder auf eine Mittellinie mit Höhepunkten wie „Die Alten", „Hedwig Buri", „Die Jasser" von 1913, zurückgefunden hat.

Am augenfälligsten erscheinen diese Wand- lungen als ein Vorwärtsschreiten, als Entwick- lung der malerischen Form, in den Landschaften.

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MAX BURl t t-TEMÄLÜE »BKIENZER BAUER.- 1904.

IM BESITZ DER ZÜRICHER KUNST-GESELLSCHAFT IN ZÜRICH.

Gedächtnis- Aiastellum; Ma \ Bto i in Zürich.

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MAX BUK! t BRIE.NZ. I_\.\U.-,CHAF 1 .

Was neben der tiefen Farbigkeit in der Luzerner Landschaft des „Mutteridyll" und im großen Iseltwalder Bild nur teilweise durchgeführt ist, die lineare Gliederung in große Flächen und Pläne wird im „Lauterbrunnental mit Jungfrau", im „Bilck vom Gurten" inderBrienzerseelandschaft mit dem baumumstandenen Herrenhaus links vorn, zum entscheidenden Grundgesetz; die spätere „Blümlisalp" und die Brienzerseeland- schaften von 1914 behalten die große Flächen- teilung als Gewinn, verbinden sie aber mit weicherer Modellierung und warmer, von innen heraus leuchtender Farbigkeit. In den Still- leben zeigt sich der gleiche Weg. Es ist eine der ersten Erfahrungen, zu denen die Aus- stellung zwingt, daß eben auch die Stilleben und die Landschaften Max Buris sich erst ganz offenbaren und erschließen, wenn sie als Er- gebnisse jener besondern Burischen Eigenart gewürdigt werden, die jeder in den Figuren- bildern ohne weiteres erkennt und anerkennt. Öfter als bei den Figuren wird für die Land- schaften Max Buris der Vergleich mit seinem großen Berner Landsmann aufgestellt. Die Ver- schiedenheit ist hier nicht geringer als dort.

»BU« K Vi.iM GURTEN BEI BERN« l'JOS.

Kodier durchdringt seine Gebirge, wie seine Menschen, bis auf die Knochen, sie durch- stoßen überall die nur dünn darüber gespannte Haut und bestimmen von innen heraus die Form; die Gräte und Kämme erhöht und ent- rückt er. Buris mehr triebhafte Malfreude sieht auch die Berge aus der Nähe ; sie leuchten groß herüber. Er entreißt der Natur nicht gewaltsam ihre Geheimnisse, sondern malt ihren freund- lichen Schein und geht glücklich in ihr auf. Wie aus seinen Selbstbildnissen, mögen sie in der Auffassung und Malweise nun so oder an- ders zugerichtet sein, das gute blaue Augen- paar unverfälscht und unbeschwert uns immer wieder entgegenblickt, so herrscht in den Land- schaften der Friede mit blauem Himmel, blauem See, frischgrünen Wiesen und Bäumen, fröh- lichroten Ziegeldächern und hellen Lüften.

Hodlersches Pathos, jedes Pathos der Ge- bärde und der Gesinnung, ist Buri fremd. Die Linie als Selbstzweck gilt ihm nichts, die Zeich- nung allein nicht als Lösung. Der Mensch, nicht der menschliche Körper, ist sein Studium. In seinen Bildern erscheinen keine andern als ruhig sitzende Figuren, fast alle in die unförm-

Gedäclit>ns- Ausstellung Jfa \

Buri in Zürich.

MAX BURI t IIKIE.VZ.

liehen Hüllen ihrer bäurischen Kleidung ver- sleckt. Diese Modelle beschäftigen ihn als far- bige Erscheinung und als Charaktere; die Linie ist Begrenzung der farbigen Fläche und Mittel zur Bewältigung der Erscheinung. Nicht die Formen sollen leben, sondern die Bilder, und die Blumen müssen duften und leuchten. Darauf beruht vielleicht die Volkstümlichkeit Max Buris; gewiß auch darauf, daß er jedem Bilde von seiner Einfalt und Daseinsfreude mit- gegeben hat DR. \V. WARTMANN ZÜRICH

GEiMÄI.DE •HArERN-KÖPFi 1910.

Die wahre Poesie kündigt sich dadurch an, daß sie dls ein weltlidies Evangelium, durch innere Heiterkeit, durch äußeres Behagen, uns von den irdisdien Lasten zu befreien weiß, die auf uns drücken. Sie hebt uns mit dem Baiast, der uns anhangt, in höhere Regionen, und laßt die verwirrten Irrgänge der Erde in Vogelperspektive vor uns entwickelt da- liegen. Die muntersten wie die ernstesten Werke haben den gleichen Zweck, durch glückliche geist- reiche Darstellung so Lust als Schmerz zu mäßigen; und wie arm das Leben ohne das Sdiöne wäre können wir nur ahnen! Goetlie.

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MAX BlKl t BR[ENZ.

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VERDEUTSCHUNG FREMDSPRACHLICHER FACHAUSDRÜCKE IN DER MALEREI.

VON HERMANN ESSWEJN MÜNCHEN.

Den verdienstvollen Bestrebungen der Sprach- reiniger kommt die durch den Krieg erzeugte Volksstimmung sicherlich zu Gute. Dem nichts- sagenden und unnützen Fremdwort, wie es die eitle Halb- und Viertelsbildung gedankenlos im Munde zu führen pflegt, stehen schwere Zeiten bevor, und das ist nicht mehr als recht und billig. Es wäre andererseits aber auch nicht

erstaunlich und es geschähe durchaus nicht zum ersten Male, wenn alsbald wieder einmal ein schlecht unterrichteter Verdeutschungstaumel emporschösse, um gegen fremdsprachliche, nur dem Nichtkenner entbehrlich dünkende Fach- ausdrücke die plumpen Hände zu erheben. Zu- gleich mit dem scheinbar überflüssigen Fremd- laut möchten da leichthin aus dem geistigen

127

XIX. Novembtr 1915. 2

Verdeutsclnmg fremdsprachlicher Fachausdrucke in der Ilfalerei.

MAX 1.1 K, . l.ixli-

Besiizstande unseres Volkes feine und wert- volle Unterscheidungen auszumerzen versucht werden, deren sich kein Verständiger wird entschlagen wollen.

Der Umgangssprache mag ja ein etwas grober Besen nicht allzuviel schaden, ein Fach wie die Kunst aber, die so viel mehr als ein bloßes Fach ist, darf auf gar keinen Fall durch plump- fäustige Reinigungsversuche an den empfind- lichen Organen ihres geistigen Wachstums be- schädigt werden. Indem wir aber streng und un- parteiisch darüber zu Gericht sitzen, was da als bloßes Kauderwelsch früher hätte man Jargon gesagt kurzer Hand gestrichen werden kann, und was im Namen der Kennerschaft un-

..JII.LEBEN »ROSEN« 191::.

bedingt erhalten werden muß, wird uns auch auf manche Feinheit und Schwierigkeit unserer Kunstsprache ein lehrreiches Licht fallen.

Verhältnismäßig am unergiebigsten sind da natürlich die äußerlichen handwerksmäßigen Verhältnisse, die gleichwohl zuerst betrachtet werden sollen. Dem Atelier wird niemand nachtrauern , denn das gut deutsche Wort Werkstatt ist um ein Beträchtliches sachlicher, ernsthafter, würdiger. Es entbehrt durchaus des üblen Beiklanges von Atelierfest, Atelier- klatsch und Atelierkunst, im Sinne jener Kunst für Künstler, die außerhalb der Dunstzone von Werkstätten, in denen meist sehr selten ge- arbeitet wird, niemand mehr versteht. Der

Verdeidschuvg fremdsprachlicher Pachausd>i(cke in der Malerei.

MAX BURI * BRIENZ.

Anklang an die Handwerker-Werkstatt stört um so weniger, als es der Künstler heutigen Tages gewiß nicht mehr nötig hat, sich gegen gesellschaftliche Verkennung, gegen eine Ein- ordnung ins Zünftlerisch-Banausische zur Wehr zu setzen.

Unter dem Handwerkszeug des Malers finden wir die Palette, um deren Beseitigung es wegen der Anwendung des Wortes in über- tragener Bedeutung schon nicht so einfach be- stellt ist. Jenes von schön geschwungenen Kurven begrenzte, zuweilen auch einfach eirunde oder viereckige Brett, auf dem der Maler die Farbe mischt, bevor er sie auf die Leinwand aufträgt, wäre ja schließlich als Mischbrett,

STII.I, I.BEN »RO.-.EX« 1H14.

Farbenteller und dergl. ganz annehmbar zu verdeutschen, aber höchst peinlich wäre es, einer so ausgesprochen sächlichen Benennung auch dort zu begegnen, wo mit „Palette" im über- tragenen Sinne etwas gemeint ist, von dem die deutschen Wendungen, die man allenfalls vor- schlagen könnte, immer nur einen Teil wieder- zugeben vermöchten. Die Palette, beispiels- weise desRubens, bedeutet im Sprachgebrauche der Kunstkenner recht vielerlei zumal. Da kann zunächst die dem Rubens und keinem anderen eigentümliche Auswahl unter den verfügbaren oder für die besondere Aufgabe besonders in Betracht kommenden Farbstoffen gemeint sein. Die Bedeutung von Lieblingsfarben des Ru-

Verdeutscliu7ig fremdsprachlicher Fachausdrücke hi der Älalerci.

bens klingt bei dieser Farben wähl als Unter- ton mit, jedoch ist auch wieder rein optisch die Farbeneigenart mitbetont, eine auf dem Misch- brett des Rubens und vor allem in dessen see- lischem Farbenschauen heimische Art von Grün, Gelb, Rot usw. Farbenbrauch, Farben- gepflogenheit wären vielleicht noch die neu- tralsten, weichsten, dehnbarsten Ausdrücke, die sich an die Stelle dieses schillernden und reichen Fachwortes setzen ließen.

Sein Modell muß dem Maler, der einer sol- chen GedächtnisnachhÜfe nicht entraten kann, wohl oder übel gelassen werden, denn Vor- lage, Vorbild, Urbild und dergl., unhand- lich und schief in der Umgangssprache, wäre im höheren Sinne geradezu verkehrt, denn durch jede derartige Verdeutschung würde einer heute gottlob überwundenen Nachahmungsästhetik Vorschub geleistet werden. Das Modell ist nichts weiter als die Wirklichkeitsanregung oder das Selbstüberwachungs(Kontrolle-)Mittel des Künstlers, so weit er sich während des Arbei- tens unmittelbar von Wirklichkeitseindrücken beeinflussen lassen will, soweit er entschlossen ist, mit überwachbaren, zum Teil unmittelbar ablesbaren Formen- und Farbenverhältnissen der Naturwirklichkeit zu arbeiten. Es wird kaum zum Ziele führen, einem so eingebürgerten und brauchbaren Fremdworte eine Verdeut- schung ergrübein zu wollen, die ohne verkehrte Einschätzung des zu Benennenden eine genau deckende Bezeichnung ergäbe.

Dagegen mag das Modellpodium getrost zu einem weniger anspruchsvollen Modellstand oder zur Modellbühne werden, und um hier gleich dem Worte weiter nachzugehen, wenn wir damit auch schon die Schranken der bloßen Handwerksumgebung verlassen, so sei für mo- dellieren, Modellierung, auch soweit diese Bezeichnungen von Werken der Malerei ge- braucht werden, Wendungen wie körper- haftes Herausformen, körperhafte Ge- staltung empfohlen. Es ist mit der fremd- sprachlichen Bezeichnung durchaus nichts ande- res gemeint, und auch von bildhauermäßiger Behandlung der Formen eines Aktes z. B., läßt sich gut Deutsch und für die Zwecke der Kritik sehr brauchbar reden.

Den altehrwürdigen, historischbegründeten Akt selbst eigensinnig zu einem Nacktstück oder dergl. zu verdeutschen wäre geradezu bös- artig. Von Auffassung und Behandlung des Nackten, von der Darstellung unbekleideter Gestalten, statt Aktfiguren, wird so wie so schon von jedem schreibenskundigen Betrachter gesprochen, falls nicht gerade Akt-Studium, Halb-Akt, Rücken-Akt usw. als ganz be-

stimmte fachmäßige Wendungen erfordert wer- den, was überall der Fall ist, wo die Darstel- lung des Nackten im bestimmten Sinne des akademischen Aktstudium gemeint ist, wo das in wirklichkeitsnaher Auffassung handwerklich schwere und lehrreiche Nackte als das betonte Ziel des Werkes in Erscheinung tritt. Eine Venus des alten Cranach ist stets eine unbe- kleidete Frauengestalt, ein weiblicher Akt von Besnard oder einem ähnlich gerichteten Mo- dernen ist dagegen ein Akt.

Möchte die Deutschbegeisterung unserer Tage lieber, je eher desto besser, einem un- säglich bösen Fremd worte den Garaus machen, das seit langer Zeit schon als die Eselsbrücke aller hohlen Kunstschwätzer, zumal einer ge- wissen denkfaulen Sorte von Tageskritik be- nutzt wird, man hätte nicht das allermindeste dagegen. Ich meine die immer und immer wie- der zu lesende und zu hörende „Technik", deren Wortbedeutung längst in alle Winde zcrblasen ist, die nur noch als verlegenes Sam- melwort für alles mögliche und noch einiges andere herzuhalten hat. Da wird z. B. behauptet, irgend ein neuerer Maler vernachlässige die Technik, habe zu viel oder meistens zu wenig „Technik", nur weil der Ärmste sich in Formen bewegt, die dem Herrn Kritiker aus Gründen, die er zu verschweigen beliebt, nicht schön oder nicht richtig genug vorkommen. Man faselt obenhin und unklar von „Technik", wo man besondere Arten von Gestaltung meint, wo die Pinselschrift, die Hand des Künstlers, seine Farbe, seine Komposition, alles mögliche, ver- gebens nach näherer Kennzeichnung schreit, ja es gibt wohl kaum eine Kategorie innerhalb der Analyse des Kunstwerkes, die ich nicht irgend wann einmal unter dieses windbeutel- hafte Hütchen der „Technik" gebracht gesehen hätte. Da sollen Impressionismus oder Expres- sionismus „Techniken" sein, dahörtmanvon der Farbentechnik eines Meisters, als handle es sich um den Laboratoriummitarbeiter einer Anilinfabrik, wo des Malers Palette, sein Ko- lorit, seine Farbenauffassung bezeichnet werden sollten. Ja, die „clair-obscure-Technik" statt Hell-Dunkelmalerei, die eine ganz hervor- ragend seelische, nicht technische Ange- legenheit ist, durfte so wenig fehlen wie dieKom- positions-Technik, die pleine-air-Technik und ähnliche grauenvolle Ungeheuerlichkeiten.

Ist das nicht, als hätte die in Polytechniken gelehrte, in Lokomotiv-, Automobil- und son- stigen Maschinenfabriken geübte Technik, diese vielberedete Errungenschaft unseres „Zeitalters der Technik" die Gehirne der Kunstbetrachter in heillose Verwirrung versetzt? Foitseizung folgt.

tlvlLll KKI.KK- MÜNlHtN. RADlKRUNu . 1 >KR EISERNE.

-MI Ni III \

I. I 1 1 (;S-KAÜlERr,NGEN VORMARSCH

ZWÖLF KRIEGS-RADIERUNGEN VON ERICH ERLER.

\ Is Begleiterin der kriegerischen Ereignisse, 1 \. die in der glorreichen Aufwärtsbewegung des deutschen Volkes seit den Befreiungs- kriegen die großen Wendepunkte bezeichnen, hat die bildende Kunst oft versagt. 1813 war sie sogar zur gezeichneten Berichterstattung unfähig, 1870 schwieg der große Einsame, Menzel, vollständig und jetzt hört man rasch- fertig schon wieder davon reden, unsere Kunst habe nichts Rechtes hervorgebracht, sie sei nicht im Stande, die Macht der Zeit zu erfassen. Solch kritisches Beschwatzen, das nichts er- warten kann, ist mindestens voreilig und auch gefährlich, weil es für Werdendes und Keimen- des schon im voraus den Boden vergiftet. Un- sere Kunst hat heute die Herrschaft über ihre Ausdrucksmittel erreicht und sie besitzt eine

solche Fülle neuer theoretischer Kenntnisse, daß die allgemeine Umwälzung unseres Geistes und die endliche Rückwendung zur Schätzung des Heimischen und Eigenen nur dann die Pro- duktion nicht befruchten würde, wenn es an empfängnisbereiten, schaffensfähigen Künstlern fehlen würde. Wer aber möchte zu behaupten wagen, daß es an dem sei, wenn ihm etwa die 12 Blätter unter die Augen kommen, die so- eben Erich Erler bei P. H. Beyer & Sohn- Leipzig, dem Verleger Max Klingers, veröffent- licht. Hier müssen alle Zweifel schweigen. In ihnen liegt ein Hauptwerk unserer Zeit vor.

Vor allem rollt in diesen mächtigen Radie- rungen großen Formates warmes, deutsches Blut. Das ist der erste Eindruck, den man empfängt. In ihnen verkündigt sich ein Aus-

XI.K. Ncveii.ber 1915. 3

Zivölf Kfiegs- Radierungen von Erich Erler

druck, eine Tiefe und Leidenschaftlichkeit, die nicht bloß deshalb überraschend sind, weil die Welt bisher den Schöpfer dieser Darstellungen lediglich als Maler von Gletschergegenden, idyl- lischen Gärten und Stilleben geschätzt hat, son- dern weit mehr noch, weil sie uns in ihrem wuchtigen Losgehen auf den Kern der Sache, in ihrem entschlossen Aussprechen des Inhalts, wie nicht allzu viele künstlerischen Objekte packen und schütteln. Die Unerbittlichkeit, die aus ihnen spricht, ihre schlagende Bildhaftig- keit, die volkstümliche Frische der Erfindung und ganz besonders ihr Schweben zwischen Phantasie und Wirklichkeit erinnert uns an Ur- eigenes, lang Vergessenes : an den Geist unserer altdeutschen fliegenden Blätter, auch an Werke wie Rethels Totentanz des Jahres 1848. Ein tief erregtes Künstlertum begleitet hier den donnernden Gang der Dinge symbolisierend, aufrufend, aufrichtend, wetternd und ergriffen, bald wie mit feierlichem Orgelklang, bald mit loderndem Trompetenstoß. Der Goldpfad zwi- schen Dichtung und bildender Kunst ist schmal ; er kann eigentlich nur von der Graphik be- schritten werden und wird von der formalisti- schen Monomanie der Ausländer von jeher mißtrauisch betrachtet, weil sie sich auf ihm unsicher und mit Recht fehl am Ort fühlen. Auch bei uns ist der Wandel auf ihm nur Aus- erwählten vergönnt. In Erich Erlers Radie- rungen aber beschreitet ihn einer, den der Gott geküßt und auf seinen kühnen Wegen sicher geleitet. Mit imponierender Kraft und staunens- würdiger Begabung ist hier die Wirklichkeit zum Ausdruck des Geistigen erhoben. Erich Erler bedarf keines von den krampfhaften und verzweifelten Mitteln, die lärmende Theoretiker für die Naturgestaltung an Stelle der Natur- nachahmung empfohlen haben. Fern von jeder dogmatischen Problemhaftigkeit ist der Geist der Dinge eindringlich, knapp und ohne irgend eine Konzession an kindliche Primitivität ge- geben. Der große Stil ist deutlich und einheit- lich. Das Detail tritt zurück, die Hauptmittel sind die Linie und die Fleckverteilung. Kein Kläubeln, zu dem das Material so oft den Ra- dierer verführt, stört den monumentalen Cha- rakter. Nichts erscheint errechnet oder gekün- stelt. Der männliche Strich, kühn zufassend und höchst temperamentvoll scheint auf dem Weg der Ausführung nichts von dem ursprüng- lichen imponierenden Feuer der Vorstellung verloren zu haben. Unmittelbar, fast tosend, ergießt sich die Phantasie des Künstlers und fortgerissen von der Glut seiner Empfindung fühlt sich unser Inneres dauernd von seiner Welt bereichert. Fast jedes Blatt ist ein starker

Einfall und durch das Ganze braust ein mäch- tiges, vaterländisches Empfinden, ein grandioses Erleben. Hier spricht das Herz eines Malers, der wahrhaftig im Sinne unserer Meister „voller Figur" ist. Ein Künstler eigenster und durch- aus deutscher Prägung steht vor uns, ein Er- finder, dessen flammendes Furioso von der großen Zeit aus der Tiefe seiner Seele herauf- beschworen worden ist.

Der ganze Zyklus ist reine Ätzarbeit, ohne Anwendung der kalten Nadel, dazu überaus verständnisvoll, mit höchster Sorgfalt, unter ständiger Mitarbeit des Künstlers gedruckt und rein technisch genommen von außerordentlicher Schönheit. Das erste Blatt zeigt die Wurzel des Übels, den unruhigen, moskowitischen Er- oberungstrieb: der Tod im Kriegsmantel weist dem hohläugigen Nikolajewitsch von einem Hügel die Welt: „das alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest". Da schallt die Sturmglocke mitten in die Ernte hinein und ruft : „Zu den Waffen" ; eine sym- bolische Erscheinung mit großer Gebärde schreit von der Wendeltreppe im hohen Glockenhaus die Kunde hinaus auf die sonnigen Felder; ein aufgeregtes Pferd, laufende Leute zwischen den Garben; das Blatt wirkt malerisch fast wie warm und kalt. Dann sieht man in stürmischer Nacht die ersten Späher in den Vogesen auf einer Schonung, im hohen Gras, wo man fast verschwinden kann, lauern; höchste Aufregung durchzittert die Szene in alle Formen; phan- tastisch gestaltete Wolken jagen durch das schwindende Dunkel und über den erbleichen- den Mond. Darauf folgt der „Vormarsch" : wie ein Naturereignis stürzen unübersehbar und un- aufhaltsam die langen Linien der Kolonnen nach Frankreich hinein, über ihnen eine dunkle, dräuende Wolke, die in einen gewaltigen Adler- kopf endigend vorwärts stößt. Im „Sturm" er- leben wir die furchtbare, betäubende und be- klemmende Aufregung eines rasenden Bajonett- angriffs; alle Linien konvergieren nach dem einen Ziel und das Getöse des Hurrahschreiens über- brüllt noch der Kriegsgolt in den Lüften. Auf einem anderen Blatt sieht man den „Ohnmäch- tigen Haß" der Franzosen, wie er in der Win- terschlacht der Champagne vergeblich Berge von Menschen vor den deutschen Schützen- gräben dahin opfert, um endlich nur mehr kraft- los, aber voller Wut auf die Gewehrläufe zu stieren, die ihm aus den schneebedeckten deut- schenSchützengräben entgegenstarren, während die erfolglos geschlachteten Toten ihre gefro- renen Fäuste zum Himmel emporstrecken. Die Unerschütterlichkeit des „Eisernen" d. h. des deutschen Michels stellt ein riesischer junger Ge-

ERICH ERLER-MÜNCHEN. .DAS APOKALYPTISCHE TIER.

ERICH ERLER-MÜNCHEN. RADIERUNG »ZU DEN WAFFEN.

Zwölf Krieos-Radierutioen von Ei ic/i Erler.

wappneter mit hartem Ausdruck dar, den Hammer in der Hand, die Feinde am Boden hinjieschmettert. Ein besonders großartiges, hochpoelisches Blatt ist das „Entsetzen". Wie da die aufgepeitschte Bevölkerung, wahnsinnig vor Angst, Hals über Kopf dahinflieht, verfolgt von der hochaufschlagenden, den ganzen Horizont einnehmenden, fressenden, eine unheimliche Gestalt annehmenden Lohe, das ist ein Triumph der Linie, ein unbeschreiblicher Eindruck. Rüh- rendruht im folgenden Blatt, den „Blutzeugen", ein fast knabenhafter Jüngling, den der Zorn auf die Gegner aus dem Schoß der Familie in den mörderischen Kampf getrieben, neben einem bärtigen Manne in der Vollkraft seiner Jahre; sie haben im Schützengraben ausgeblutet und schwarze Glaskränze legten die Kameraden den Helden auf die Brust. Das bevi^egendste Blatt nennt sich „Mütter": eine alte Bauersfrau mit hartem Antlitz kniet einsam in einer Kirche, tief in Gebet versunken ; hinter ihr ein Christus, der gleichfalls ausgerungen hat und über den sich fast schemenhaft in magischem Leben aus der Dämmerung hervortauchend die Mutter Maria mit schmerzerfülltem Ausdruck neigt. Auch der Sohn der Bäuerin starb für eine Idee. Grandios wirkt das auf England gemünzte „Apokalyptische Tier": aus den Wogen des

Weltmeers bildet sich triefend ein Pardel und mit ihm steigt das Weib aus dem Ozean auf, trunken und aufs neue lechzend nach Blut; hinter der grauenhaften Erscheinung finster und unheimlich die Panzer der modernen Kriegs- schiffe. Eine großzügig hingestellte Frau, die an Stelle des Mannes das Saatkorn für das „Neue Brot" in die Erde wirft, schließt den Zyklus. Man ginge gründlich irr, wenn man die pracht- volle Reihe dieser Radierungen eben nur als Kriegsbilder werten wollte. Sie sind weit mehr als nur starke Denkmale großer Tage. Wir be- grüßen sie vor allem als geistgeborene, echte deutsche Kunstwerke. Als solche werden sie dauernden Wert behalten. Sie sind ein Zeugnis dafür, daß die bildende Kunst nicht unwert der Gegenwart ist und daß sie nicht bloß Absichten hat, sondern auch zeugungsfroh in das neue deutsche Weltalter eintritt. Durch dieses Dut- zend Kompositionen ist die Geschichte der deutschen Radierung um einen bedeutenden Namen und um ein unvergängliches Werk reicher geworden. Möge der Künstler die bis- her verborgene Schatzkammer seines Herzens, die er nun geöffnet hat, nicht wieder schließen und möge ihm bald wieder ein solcher Wurf gelingen wie es dieser vom Hauch des Genialen umwitterte Zyklus ist. . . . prof. kakl mayr.

EK.1CH KKLtK-.MÜ.XCJlKX. KKIEGS-RADIERUXG MÜTTER'

FRANZ EICH

HORST-BERLIN. BILDNIS .GENERALMAJOR von HÜLSEN.

GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 1915.

Von HANS ROSENHAGEN.

II.

ES wäre mehr als verkehrt, jetzt, in dem Augenblicke, da das deutsche Volk in herr- lichen Siegen die Vollkommenheit seiner Kraft und die Zielsicherheit seines Willens erweist, ein Klagelied über die Unzulänglichkeit der deutschen Kunst, wie sie gegenwärtig in Aus- stellungen erscheint, anzustimmen. Viel nötiger ist es, der verirrten wieder auf den rechten Weg zu helfen und ihr Mut zuzusprechen, da- mit sie sich wieder auf sich selbst besinnt. Denn darüber kann kein Zweifel sein: Niemals hat eine ärgere Verwirrung über Aufgaben und Ziele der Kunst geherrscht, als vor Ausbruch des Krieges, niemals sind die deutschen Künstler unter einander weniger einig über Anschauungs- weisen und Ausdrucksarten gewesen, und zu keiner Zeit hat das Publikum ratloser oder auch übelberatener dem Ringen der Künstler zuge- schaut. Hier harrt derer, die helfen wollen, eine schwere aber auch dankbare Pflicht. Es handelt sich allerdings nicht darum was manchen freilich erwünscht wäre die bisher bemerkbar gewordenen Bestrebungen um eine neue Kunst mit Stumpf und Stiel auszurotten, sondern sie in gesunde Bahnen zu lenken, vor allem dafür zu sorgen, daß die Ausstellungen aufhören, die Tummelplätze für Leute zu sein, die nichts zu geben haben als höchst fragwürdige Versuche und niemals dazu gelangen, wirklich Kunst zu machen! Es erscheint überaus nötig, gerade für das Gebiet der Malerei, der Meinung gegenüberzutreten, daß Zügellosigkeit gleich- bedeutend sei mit Kraft, daß das Talent an sich genüge, um Kunstleistungen hervorzubringen und Anerkennung zu ernten. Wieviel wunder- bare Ideen sind doch für die Kunst dadurch ver- loren gegangen, daß die, die sie hatten, sich nicht entschließen konnten, ihnen in ernsthafter Ar- beit und in völliger Hingabe Form und Ausdruck zu geben! Die Gesundung der deutschen Kunst- zustände muß, wie die Sache jetzt liegt, von den Ausstellungen aus ihren Anfang nehmen. Diese spielen seit einem Vierteljahrhundert für den Kunstbetrieb in allen Kulturländern eine sehr viel wichtigere Rolle als die vielgeschmähten Akademien und haben in letzter Zeit unendlich mehr Schaden angerichtet, als diese je haben verursachen können. Die falschen Genies, die von gewissen Ausstellungen herangezüchtet worden sind, bedeuten sicherlich eine größere Gefahr für die Kunst als die unbegabten Hand-

werker, die neben den gutgeschulten Talenten von den Akademien kommen. Zum wirklichen Genie gehört nicht nur das höhere Wollen, sondern auch das höhere Können, und wenn durch manche Ausstellungen der Anschein er- weckt wird, als sei das handwerkliche Können, die anständige Arbeit für die Kunst selbst etwas durchaus Nebensächliches und Entbehrliches geworden, so wird damit nur jenem fruchtbaren Ehrgeiz entgegengearbeitet, der von jeher die besten Künstler zu höchsten Kraftanstrengungen getrieben hat und der darin gipfelte, die großen Meister der Vergangenheit in ihren Leistungen zu übertreffen. Man übertrifft aber niemanden, wenn man nicht genug gelernt hat, und der ehrgeizigste Künstler wird stumpf, wenn er sieht, daß so unglaublich wenig dazu gehört, in den Ausstellungen von heute als ein Genie zu glänzen.

Diese Bemerkung ist natürlich nicht gegen die fortschrittlichen Anschauungen gewisser junger Maler gerichtet; denn das hieße den frischen Wagemut des heranwachsenden Künst- lergeschlechts kaltstellen und alle Entwicklung unterbinden wollen. Aber es muß darauf ge- drungen werden, daß die „Ausstellungsleitun- gen" zum Wohle der deutschen Kunst wieder auf eine bessere handwerkliche Vollendung hal- ten und rücksichtslos alle nur zur Hälfte gelun- genen Versuche zurückweisen. Man läßt ja auch Musiker nicht aufs Podium, bei denen es mit der Technik erkennbar hapert. Wer wirklich in der Kunst etwas zu sagen hat, darf sich die Mühe nicht verdrießen lassen, seine Sache in möglichst vollkommener Weise vorzubringen. Die soge- nannten „Anreger" können sich auch privatim betätigen. Ebensowenig freilich gehören die Leute in die Ausstellungen, die Bilder malen ohne die Spur eines innerlichen Berufes, ohne Ahnung von Kunst, nur weil sies gelernt haben und um Geld zu verdienen; denn die Ausstel- lungen sollen Achtung vor der Heiligkeit der Kunst erwecken und nicht nur Unterhaltungs- und Geschäftszwecken dienen.

Es ist leider von jeher das Verhängnis der „Großen Berliner Kunstausstellung" gewesen, daß geschäftliche Rücksicliten oft genug ihren Charakter bestimmt haben. Auch bei der Be- schränkung, die ihre Veranstalter in diesem Jahre sich auferlegen mußten, konnten sie nicht ganz ausgeschaltet werden, weil die Not unter den Künstlern geringeren Grades besonders groß

XIX. November 1915.

Große Berliner Kunstausstellurig iQiß-

i.i>i"ls i.EjErN— i HAK1..J1 iEM;ri<i

ist. Die am 15. August eröffnete zweite Abtei- lung der Vorführung leidet wieder recht erkenn- bar unter dem Übergewicht von Darbietungen, die brave Mittelmäßigkeiten und noch weniger sind, und der nach erhebenden Eindrücken verlangende Besucher muß schon zusehen, wie er auf seine Kosten kommt. Immerhin lassen sich einige überragende Leistungen und mehrere interessante Arbeiten feststellen, auf die man als auf Zeichen dafür hinweisen darf, daß unter der unruhig schillernden Oberfläche des Ber- liner Kunstbetriebes sich frische und tüchtige Kräfte regen. Wieder ist der begabte Paul Plontke an erster Stelle zu nennen. Seine „Tischgesellschaft" ist ohne Frage das künst- lerisch am meisten bedeutende Bild der Aus- stellung, voll malerischer Feinheiten im allge- meinen und besonderen und sehr geschmackvoll im farbigen Ausdruck, obwohl oder vielmehr weil es allein auf Grau und Schwarz mit ein wenig Rot gestellt ist. Trotz aller Delikatesse in Farbe und Vortrag bleibt auch ein gewisser

GEM.VLUE »GRAUE WINTERSTIMMUNG«

Realismus anzuerkennen, der noch wirkungs- voller hervortreten würde, wenn Plontke kräf- tiger sich zur Farbe bekennen möchte. Sehr überraschend ist Franz Eichhorst als Porträt- maler. Der junge Maler hat sich in den letzten fünf Jahren mit genrehaften Bildern aus dem Hessenlande nicht unbedeutenden Ruhm ge- wonnen. Was die Hoffnung auf eine starke Weiterentwicklung einschränkte, war seine Farbe. Sie hatte, selbst in seinen besten Ar- beiten, etwas entschieden Romantisches, schien nicht aus eigener Anschauung zu stammen, son- dern auf einer zwar sinngemäßen, jedoch ziem- lich oberflächlichen Vorstellung zu beruhen. Je- denfalls lagen im farbigen Ausdruck von Eich- horsts Bildern keine Fortschrittsmöglichkeiten, wofür ein in der vorjährigen Ausstellung ge- zeigtes Kabarettbild ein geradezu schlagendes Zeugnis ablegte. Nun sieht man auf einmal, daß der im Felde, fern von jeder Beeinflussung durch Vorbilder stehende Maler mit seinen eigenen Augen die Natur anzuschauen beginnt

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FRI 1/. llURGER's r,KXERALKELD.M.\R.S(;HAl.l, von HIXDI-.NMU'RG.

Große Berliner A'iins/atisstelhoig igiß-

FALL I'LOXTKE- BERLIN.

GEMÄLDE .TIM HGESELLm HAI-

und darüber Fortschritte als Kolorist macht. Eichhorst hat zwei Offizierporträts ausgestellt, eigentlich nur Köpfe. Man denkt vor ihnen an Schöpfungen aus der Leiblzeit, an die von Alois Erdtelt etvk^a. Beide sind tiefgestimmt, das eine sogar, was auch bei Leibl vorkam, im Ton er- trunken, flach; der zweite Kopf aber, einen Generalmajor von Hülsen darstellend, ein klei- nes Meisterstück intimster Beobachtung und sorgsamster Durchführung. Der Maler hat sich Zeit gegönnt, diesen feinen Soldatenkopf gründ- lich zu studieren, und beweist mit seiner Arbeit, daß die Kunst der alten Meister, dem Leben bis in seine letzten Züge nachzugehen, auch für den modernen Maler noch erreichbar ist, wenn er etwas gelernt hat und sich die Zeit nimmt, die Wirklichkeit gewissenhaft nachzubilden. Seit vielen Jahren hat niemand in Deutschland ein Auge so liebevoll gemalt, wie es Eichhorst in diesem Bildnis getan, das bei aller Intimi- tät der Wiedergabe doch großzügig wirkt. Wie fallen gegen solche Leistung die übrigen

Bildnisse der Ausstellung ab, vor allem der Hindenburg Alfred Hamachers! Da macht der Hindenburg, den Fritz Burger (vielleicht nicht einmal nach dem Leben) gemalt, einen ungleich frischeren und lebendigeren Eindruck, der zum großen Teil allerdings wohl aus der klug ge- mäßigten Hodlerschen Farbengebung resultiert, aber doch auch auf der feineren Auffassung der Persönlichkeit beruht. Einen gewissen Wurf zeigt ferner ein Offizierporträt des Berliners Richard Lindmar. Was sonst von Bildnissen aus Deutschlands großer Zeit vorhanden ist, bleibt durchaus im Hergebrachten stecken.

Eine recht starke Taleniprobe bietet dieses Mal ein junger Maler, von dem schon im ersten Teil der Ausstellung eine Modellsludie auffiel: Carl Hentze. Sein „Stilleben" mit dem jungen Mädchen, das den Kopf auf den mit Früchten, Blumen, Geschirr und Stoffen überladenenTisch legt, läßt das Auge nicht zur Ruhe kommen, auch ist die Farbe als Materie hier und da nicht überwunden; im ganzen jedoch bleibt der Ein-

Große Berliner Kiinstausste/lung igiS-

druck, daß hier jemand sich betätigt, der ein guter Maler werden könnte, wenn er sich in strenger Zucht hält. Auch Linde-Walther, den man noch von den Ausstellungen derBerliner Sezession her als einen tüchtigen und geschmack- vollen Künstler kennt, beweist an dieser Stelle mit einem „Kinderbildnis", daß er die seltene TugenddesMalenkönnensbesitzt ; nurwünschte man seinen Farben mehr rotes Blut, mehr Wärme des Lebens und einen kraftvolleren Vortrag. Eine Ei- gentümlichkeit dieser Ausstellung sind die zahlreichen Frühlings- bilder. Das feinste rührt wohl von Alois Metz her, der eine „Baumblüte" mit der andächtigen Freude eines mittelalterlichen Künstlers am Detail gemalt hat. Der be- gabte Rudolf Kohtz verbindet eine ähnli- che Intimität mit einer malerischen Idee, in- dem er einen gehar- nischten Ritter auf weißem Schimmel un- ter sonnendurchleuch- teten Blütenbäumen zeigt. Die Sache, den weißen Tierkörper, spiegelndes Erz und Blütenschnee zu einer Harmonie zu zwingen, ist nicht völlig ge- glückt; aber schon die anständige Absicht hat in dieser an Malern mit eigenen Ideen ei- gentlich recht armen Zeit etwas Erfreuli- ches. Zu diesen Künst- lern, die unbekümmert um Tagesrichtungen aus sich heraus schaf- fen, zählt ferner Franz Lippisch, der seine stille, versonnene Art in einer wenig auffäl- ligen, dafür aber warm empfundenen „Vor- frühlings - Landschaft " offenbart. H. Klohss fällt auch in dieser zweiten Abteilung der

l;II IIHAIKK J.ill. VIERTHAI.ER-Mi XCHEN. x KI.EI.NBKuNZE «

Ausstellung mit einem „Märzsonnenschein" wieder durch natürliche Frische auf.

Die Ausstellung enthält außerdem eine Reihe großer und anspruchsvoller Werke. Da läßt Walter Firle ein riesiges Triptychon „Die Arbeit" sehen mit Leuten, die im bayerischen Torfmoor sich abrackern, den Schweiß von den Stirnen wischen und vorwurfsvoll zum Himmel aufblicken; aber es geht keine erschüt- ternde Wirkung davon aus. Da hat Walter Geffcken die pikante Schauspielerin Ida Ro- land in der Rolle der „Czarin" porträtiert, ein Effektstück in Rot, bei dem leider nur der Kopf alles zu wün- schen übrig läßt. Otto Marcus zeigt in dem Entwurf zu einem Mo- numentalbilde, dem zu seinem Zweck nur die innere Größe mangelt, einen höhnisch grin- senden Kosaken, der geknickt zurückblei- benden Schöneberger Bauern das Vieh fort- treibt, und will damit eine Szene aus dem Siebenjährigen Kriege geben. Christ. Speyer bleibt in seiner Flucht nach Ägypten" unent- schieden zwischen Stimmungs-Landschaft und Legendenstoff stehen. Wie reizvoll erscheinen neben sol- chen schweren, im Grunde jedoch un- tiefen Dingen Bilder wie Louis Lejeunes „Graue Winterstim- mung" mit dem ausge- zeichnet gegebenen Wasser zwischen ver- schneiten Ufern oder die weibliche Empfin- dung in angenehmster Weise offenbarende „Stickende Dame" von Johanna Zschille von Beschwitz oder der vollendet weich gemalte „Weiße Ka- ter" von Julie Wolf-

Große Berlitier Ktinstausstelluvg iQiß.

Thorn! Zu den erfreulichen Darbietungen sind ferner Ed. v. Gebhardts wundervolle „Sama- riterin", Christian Landenbergers „Ziegen", Amandus Faures „Schwestern" und vonZeich- nungen Erich Wolfsfelds „Galizischer Bettler" und Eugen Herschs „Siesta" zu zählen.

Ungleich glücklicher als bei der ersten Ab- teilung schließt dieses Mal die Plastik der Aus- stellung ab. Aus Edmund Möllers jugendlichem Mann, der etwas unmotiviert „David" getauft wurde, leuchtet nicht nur der feierliche Glanz der Antike, sondern auch ein feines ursprüng- liches Talent, das in dieser schönen Arbeit er- sichtlich auch nach individueller Form gestrebt hat. Joh. Götz offenbart in einer „Sklavin" eine bisher bei ihm noch nicht bemerkbar gewesene und treff- lich zum Ausdruck ge- brachte Neigung zu großer geschlossener Form. In Hans Kin- dermann lernt man eine frische Begabung kennen, der, wie sein „Knabentorso" be- zeugt, noch eine ge- wisse Unfreiheit ge- genüber der Natur anhaftet, die aber durch gesunde Beob- achtungskraft fesselt. Der naive Naturalis- mus dieses Knaben- aktes ist jedenfalls sehr viel entwicklungs- fähiger als der manie- rierte und verbogene Stil, mit dem vor dem Kriege manche jüngere Bildhauer ihre Emp- findung für Linie und Form zu dokumen- tieren liebten. Rein- hold Kübart, der schon in früheren Jah- ren mit vorzüglichen Pferde - Darstellungen auffiel, zeigt ein schö- nes ernsthaftes Grab- mal für einen Reiter", bei dem der Ritter später vielleicht besser durch einen modernen Krieger ersetzt wer- den könnte, und der immer interessante i;

Ernst Wenck läßt die Studie für seinen einen Berliner Platz zierenden „Geldzähler" sehen, die wie die meisten Studien reizvoller erscheint als das eigentliche Werk. Eine sehr achtbare neue Lösung für ein Kriegerdenkmal führt Wal- ter Schmarje in einem für Zeitz bestimmten überlebensgroßen Trommler in der Tracht der Freiheitskriege vor, der Wirbel schlagend gegen den Feind stürmt. Die Klippe des Trivialen, über die so viele fallen, die nach dem Volks- tümlichen streben, erscheint in diesem Werke mit Glück vermieden. Wenn die Denkmäler, die nach dem Kriege in großer Zahl zu erwarten sind, das gleiche Lob verdienen, wird darin das beste Zeugnis dafür liegen, daß die deutsche Kunst sich in dem so heiß ersehnten Zustan- de des Aufschwungs befindet. r.

UANSTH0M.'\ schreibt zu seiner Veröffentli- diung im Okt.-Heft 1915 u. anderem: „Ich freue mich sehr, dag die Sache, nach meiner .Ansicht, so vortrefflich ausgefallen ist. Ueberein paarsachli- che Irrlhümer kommt man ja leicht hinweg, so z. B., dafi der Feigenbaum auf dem Bilde Seite 9 ein Kastanienbaum genannt wird. Ein weiterer Irr- thum ist es, dag meine Frau auch hier wieder für eine Italienerin er- klärt wird, eine Ansicht, die ich schon gar oft berichtigen mußte. Es kommt aber daher, dafi sie ausgesehen hat wie eine Römerin und weil ich sie auf dem Bilde Seite 33 im römischen Kostüm abgemalt habe; sie war aber aus Lands- hut und ich habe be- merkt, daß in Nieder- bayern ein schwarz- haariger italienerarliger Menschenschlag öfters vorkommt. Doch das ist ja jet3t auch unwesent- lich, sie ruht seit 15 Jah- ren auf dem Frankfurter Friedhof."

M HIN. KI-EIM'.R' 'N/K

BII.DH. LUDWIG GIES Ml'NCHEN .

Die Flüchtlingsbilder, die der Münchener Ludwig Gies in dem Maß- stab zierlicher Anhänger gleich Szenen einer Pup- penbühne vorführt, umge- ben das Elend mitdem mil- den Schein eines Humors, der in Tränen lächelt. Sie erzählen das Grausen von Gestern in einer historisch gebundenen Form, als ob es sich um Erinnerungen an luisische Zeiten oder an den sieben- jährigen Krieg handelte. So rasch kann der Künst- ler über ein schreckliches Geschehen hinwegkom- men, indem er es gestaltet. Hier ist die Distanz, die für das künstlerische Schaffen (angeblich) so un- entbehrlich ist, bereits vor- handen, die Darstellungen wirken auch auf uns als reine plastische Gestal- tung. Was Ludwig Gies in den zartgefühlten Ova- len mit keuscher Model- lierung erzählt, ist schon so fern von den Gräßlich- keiten dieses Krieges, daß wir bereits in andeutenden Linien sehen, wie unsere Kunst über den gestalt- losen Schrecken hinweg- kommen wird. „Du wirst aus Dornen Honig saugen",

KRIEr,^-IiENK\n N/FN T'. WHANf.EK IN Ml.I'.EK'

■.OSTPREVSS. KRIEGSFT.VCHTLIN'GE«

heißt es auch hier. Was hat Gies aus den Wehen der Ostpreußentage in der Erinnerung festgehalten? Frauliche Trauer von un- sagbar feinem Reiz, Kin- derelend, stets auf der Kippe zu drolligem Spiel, ein Wirrwarr von allerlei Hausrat, Ruinen, Katzen, Vögeln, Greisen und Säug- lingen , alles getaucht in lächelnde Wehmut, in eine zarte Grazie der Darstel- lung, die das Schmerz- lichste in ein liebes Bild verwandelt. Doch als Schließen und Anhänger sind diese Szenerien m. E. immer noch zu schwer. Mit derflotten Architektur des weiblichen Kleides vertragen sie sich nicht. Aber vielleicht eignen sie sich für Petschaften, für Geldschein- oder Zigaret- tendosen; etwas vergrö- ßert und monumentalisiert dürften sieeinguterErsatz sein für die immer so frag- würdigen Denkmalreliefs. Man stifte sie als Erinne- rungstafeln, man setze sie in Rathaus- und Kirchen- türen , wie das ehedem Sitte war! Unsere Archi- tektur braucht Reliefs, wie diese Ostpreußen- bilder, dringend. a j

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MODEHAUS

»ALFRED-MARIE«

HOLZSCHNITT

VON ANNIE

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GBSELLSCHAFTS-KLEI

DAUS GEMUSTERTEM KREPP UND ANSCHLIESSENDEM SEIDENSEROE-ROCK.

DER KLEIDERMACHER LIND DIE ZEICHNERIN.

Ab und zu hörte man schon früher von dem L seltsamen Menschen und Maler, von Otto Haas-Heye. Aber erst die Gewitter des Krieges haben ihn in grellstes Blitzlicht getaucht, und nun steht er wie eine Palme im nordischen Sturm, vor schwarz zerklüfteter Bergwand, vor Zerrissenheit und irrem Suchen. Haas-Heye, dem Glücklichen, war es gegönnt, immer ge- rade das zu tun und zu unternehmen, wonach seine formfrohen Sinne begehrten. Er ging als Künstler seine abgelegenen Wege. Er schuf mit Malersinn fremdartige Damenräume, die mondäne Richtung im neuesten Kunstgewerbe geht zum Teil auf ihn zurück. Der Krieg end- lich, der so viel ver- borgen Keimendes bloßlegte, brachte ihm einen Strauß von Gründungen auf ein- mal, einen Kunst-Sa- lon, einen Kunst- Ver- lag, eine Schneider- werkstatt. Und alles gedieh ihm unter der Hand. Sein Mode- haus „Alfred-Marie", in einer undurchsich- tigen Laune unver- ständlich benannt, ist unstreitig die feinste und erfolgreichste Werkstatt, die aus den deutschen Mode- bestrebungen hervor- gegangen ist. Es liegt nur an ihm, seiner Laune, seinem Belie- ben, ob der Salon, wie eine Königin der Nacht, nach dem Krieg sich wieder schließen soll, oder ob er als eine Zier der deut- schen Schneiderei be- stehen bleibt. Zu un- tersuchen, warum ge- rade „Alfred-Marie" den Erfolg hatte, der fast allen anderen Kriegsgründungen auf dem Modegebiet ver- sagt war, hat wenig Zweck. Ein System,

.\IODEH,vrs ».-iLFRED-MAKIE« ÜKATNES ^ElDEXrNTEKKI.EIlJ

wie's gemacht werden soll, läßt sich doch niemals aufstellen. Haas-Heye hielt sich fern von den Vereinen und Programmen, er hat sich allein aufgestellt, er brauchte nicht mit Vorträgen und Ausstellungen in den Städten herumzuziehen, man kommt zu ihm. Die Frauen unserer höchsten und reichsten Kreise fahren bei ihm vor. Warum hat gerade er den Erfolg wie eine reife Frucht gepflückt? Verstand er vielleicht das Schneiderhandwerk besser, gründ- licher als die anderen? Er versteht sicher nur die Feinheiten der Nadel und der Stoffe. Aber vielleicht hat kaum einer sich so in die Welt der weiblichen Kleidung hineinempfunden, so die unfaßbaren Reize, die doch das meiste Gewicht haben, in sich aufgenommen, wie er. Ihm ist das Kleid nicht eine Ge- legenheit, bizarre Färb- und Formen- spiele zu verwirk- lichen, eher könnte man behaupten, er spielt mit gekleideten Frauen, schafft aus dem Zusammen von Mensch und Kleid in endlosem Spiel mo- dische Figuren. Und das ist ja auch, was die Frau liebt : Mit sich spielen und spie- len lassen, stets eine neueErscheinungsein. Keineswegs will sie dem Künstler dienen und seine persön- lichen Ornamente oder Linienführungen zur Schau stellen. Darum kann sie nur zu einem Schneider halten, der wohl mit dem Frauenkörper zu dichten weiß, ohne ihn aber unschöpfe- risch bleibt. Haas- Heye spielt und dich- tet mit Stoffen, Spit- zen, Nähten, Kleidern und Frauen. Mit Pas-

Hnl.ZSCHX. .\. OFFTERDI.VGEK. lU.AI'E U. IIK.MNE rijERKrn"KE.

XIX. November 1915. 5

Der Kleidermacher utid die Zeichner in.

sion hat er sich aber auch dem Getriebe der Werkstatt und der Geschäfte hingegeben, alles ist am rechten Ende angefaßt und läuft einst- weilen glatt und glücklich ab. Obwohl ich keinem damit zur Nachfolge raten möchte, ist Haas-Heye mit seinem Modehaus, seiner Kunst- ausstellung, seinem Graphikverlag doch ein zählendes Beispiel, daß unsere Künstler nicht unbedingt so unpraktisch und geschäftsun- tüchtig sein müssen, wie ihr angestammter Ruf es wahr haben möchte.

Von den einzelnen Schöpfungen, die das Signum „Alfred-Marie" tragen, kann hier nicht gesprochen werden. Sie sind von einem Maler entworfen, der die Würzen der jüngsten Stile bis zum letzten Tropfen eingesogen. Aber die malerischen Stilmerkmale, die spitzen Gesten, die aus langen Kurven greifen, die Fremdhei- ten der Farbenkreise, das ist alles restlos ins Schneiderische über- setzt, in neue Gc- wandlinien, in uner- hörte Stoffverbind- ungen. Anders gesagt ; Die Kleider von „Al- fred-Marie" haben keine Spur verbotener Graphik, trotzdem entspricht ihr Stil dem unserer jüngsten Gra- phiker. — Die Über- tragung in Holzschnitt war darum ohne jede Unduldsamkeit mög- lich. Wenn man die Blätter von Annie Of f- terdinger im Original sieht, in ihrer kost- baren Mappe aus Goldkarton, der mit blauem Chiffon voi- liert, dazu Goldgaze- bänder, innen gelb- grau-grün gestreifte Doppelklappen so erscheinen sie auf den ersten Blick wie freie Holzschnittfantasien. So hemmungslos ver- einigten sich hier die Stile. Und man sagt, die Modelle könnten gar nicht anders als in Holzschnitt darge- m, .ukhais »ai.ikfu-makii.: stellt sein. Freilich i;i.Ai(;KCNrsi aitki.kidm.bk

weichen diese Drucke von den üblichen Mode- zeichnungen erheblich ab. Diese waren in all ihrer süßen Gefälligkeit doch nur ein Er- zeugnis der Angst. Der Angst vor der Dame, der angeblich jeder herzhafte Strich roh, jedes eigenartige Gesicht häßlich erscheint, und der Angst vor der Schneiderin, die sich beschwerte, wenn sie nicht jede Naht, jede Spitze Stich um Stich verfolgen konnte. Niemand fiel es daher ein, daß das Problem ist, aus einem guten Kleid gute Graphik zu machen. Wenn das Bild durch künstlerische Qualitäten ein Wertgegenstand wird, so kommt das ja auch dem Kleid zugute, für das wir um Liebhaber werben. Niemand glaube jedoch, in einem Blatt alle berechtigten und halbberechtigten Ansprüche vereinigen zu können, die Genauigkeit, die Gefälligkeit und den künstlerischen Wert. Vor allem das Modehaus, das seine Wunderwerke emp- fehlen, auf seinen künstlerischen Hoch- standhinweisen möch- te, wird einzig und allein durch die Ver- bindung mit dem Künstler zum Ziele kommen. Für unsere Graphiker eröffnet sich hier ein Arbeits- feld von reizvollsten Aussichten. Jahraus, jahrein erfordert der Wechsel der Mode wechselnde Mode- empfehlungen. Und könnte es für den Zeichner etwas Lok- kenderes geben, als unaufhörlich die Frau zu schildern in ihren unerschöpflichen Ver- kleidungen? Der um- gekehrte Weg, der von der Graphik z um Kl eid, ist viel weniger erfolgver- sprechend. Das freie Spiel mit Stift und Farbe verführt leicht zu modischen Fanta- sien, die keine Schnei- derkunst je zu einem tragfähigen Kleid um-

Hiil/SCHN. A. i1F1'TEKIiIM;1-K.

KiTi: M r.i'RTKi., si'i rzi: NHI.I ,sE.

dichten kann

ANTON JAUMANN.

154

DIE TECHNIK ALS TRÄGERIN DES KÜNSTLERISCHEN AUSDRUCKS.

\ls Muthesius kurz vor Kriegsausbruch auf iTV der- vorjährigen Werkbundtagung zu Cöln einen einschlagenden und vielumstrittenen Vor- trag hielt, in dem der Ausdruck „Typ" nament- lich die Künstlerpersönlichkeiten in starke Er- regung versetzte, ahnten wir alle nicht, wie so bald wir von dem darin ruhenden Wahrheits- kern an handgreiflichen Beispielen überzeugt werden sollten. Muthesius hatte verlangt, daß wir von den eigenwilligen Gestaltungen und Formen, von dem mehr persönlichen Ausdruck in Gebrauchsformen, so in Möbeln und Geräten, absehen sollten im Interesse eines größeren Außenhandels in der vom Deutschen Werk- bund erstrebten Qua- litätsarbeit des deut- schen Kunstgewerbes. Mit den vielen unter- schiedlichen Herkünf- ten , mit dem tän- delnden Formenspiel, müsse aufgehört wer- den, wenn der Welt- markt Abnehmer des deutschen Kunstge- werbes werden solle. Es handele sich nicht allein um gute Tech- nik,einwandfreiesMa- terial und billige Prei- se, sondern um den einheitlichen Gesamt- Ausdruck des Willens nach Großzügigkeit in der künstlerischen Form. Der Krieg hat den anschließen- den erregten Ausein- andersetzungen ein jähes Ende bereitet. DieHeere und Flotten der Völker stehn ein- ander gegenüber, sie sollen entscheiden, welchen Anteil das Deutsche Reich an der Erde haben soll. Die sichtbaren Kampfmit- tel sind die Waffen, die unsichtbaren sind der Geist und die Kraft, die sie ersannen und anfertigten, und

Ml >I>KH.\I".s ».\l.hKia)-M.\KlK KIEID.M'SRDTBr AT IV GEI.H G

der Geist und die Kraft, durch den sie geleitet und mit der sie geführt werden. Die Waffen entscheiden und zwar eine einheitliche Vielheit guter und bester Waffen. Entspringen die guten Waffen den gleichen Geistes- und Kraftquellen, dann ist das, was sie zu verteidigen haben, min- destens von gleich hohem Werte, weil die Welt- geschichte lehrt, daß da, wo die höchsten Güter zu verteidigen sind, die besten Waffen geschmie- det werden. Das ist auch auf die friedlichen Kampfmittel, auf die geistigen Waffen, auf Kul- tur-Errungenschaften und Warenerzeugung an- wendbar, denn das Bessere wird immer zum Besieger und Verdränger des Minderwertigen. Unsere Erfolge mit den Erzeugnissen der Groß- und Schwer- industrie, der Farben- und chemischen Indu- strie, der Werkzeug- und Instrumenten- Fabrikation waren würdig der sittlichen Kampfesweise eines großen Kulturvolkes. Errungenschaften und Siege verpflichteten aber nicht nur zur Er- haltungdes Gewonne- nen, sondern auch zu einer Erweiterung und Abrundung des Erfol- ges. Dafür erachtete Muthesius das deut- sche Kunstgewerbe berufen und würdig, und er erachtete es für nützlich, es dafür vorzubereiten. Des- halb forderte er die Einheitlichkeit des Ausdrucks, oder, wie er seine Forderung einkleidete, den Typ. Natürlich stellte er diese Bezeichnung an das Ende der Ent- wicklungsreihe als Reifes, Abgeklärtes, als ein Qualitätsergeb- nis. Heute erscheint es unbegreiflich, daß Muthesius nicht ver-

H(1|./,.M u.V. .\. 1.>H' lERJJlN<iEK. ESTREIFT.TAET. SPrrzEN AKMET .

155

Die TecJmik als Träo-erin des künstlerische?! Atisdiucks.

standen werden konnte, denn unsere Siege im Osten wie im Westen entstammen der gleichen Ausstrahlung jener Typforderung. Parallel mit Feldwaffen gehen die geistigen und kulturellen Waffen eines Volkes; auch die wirkliche Kultur verlangt Ordnung und einheitlich geschlossenen Ausdruck in ihrer Gesamt-Erscheinung trotz abweichender wissenschaftlicher Denkweise und künstlerischer Grundsätze. Da wir die sicht- baren Zeichen davon nur nach ihrer Erschei- nungsform bewerten können, muß diese der Niederschlag des formalen Ausdrucks sein. Und nur auf diesen kommt es zunächst in der Welt an. Das in der Fülle der Erscheinungen Ver- sinkende, Unbestimmbare findet keine Beach- tung. Der Typ im Sinne der Forderungen Muthesius sollte aber das für eine gegenständ- liche Sache erreich- bare Ausdruckmittel der Form und Erschei- nungsein : Vollendung in einfachster Art. Früher hieß es: „Tech- nik sei Alles", ihr ent- spränge die Form nach innerem Gesetz, nach Bestimmung und Ge- fühl. Das letztere wer- de von ästhetischen Grundsätzen geleitet, die wiederum Ausfluß der kulturellen Aus- drucksmittel einerZeit seien. Der Sieg der Technik ist heute ein unbestrittener; daß er auf der Seite Deutsch- lands liegt, nicht min- der — der Unmut un- serer Widersacher be- weist das überzeu- gend. Dahinter steht der Sieg des Deutsch- tums, der aus dem an- fangs geplanten un- blutigen zu einem blutigen gegen un- sern Willen geworden ist. Das Naturgesetz schützt die Starken, läßt Schwache zu- grunde gehen. Im Erhaltungsgesetz der Staaten gilt das glei- che; der Erhaltungs- trieb läßt zu den je- m.,l,eh.u-s .ali-ked-makif.. h. weils bestgeeigneten kleid.a. schwarz, kreppstoi- f.

Mitteln greifen, und alle Vorteile gelten hierbei bis zur Schutz- und Abwehr-Form. Die besten Schutz- und Abwehr-Formen entspringen wei- sester Absicht, auch sie sind letzthin nur Aus- strahlungen höchster Technik. Die Festigung und Stärkung des Sicherheitsgefühls verschönt dann die bloße Zweck- und Nutzform , die in langen Friedenszeiten wieder bis zur Charak- terlosigkeit verweichlicht. Davor müssen wir uns zu bewahren suchen durch einen ständigen Kampf, den wir dauernd gegen uns selber führen, der technisch geführt wird, der immer bessert; nicht nach der Seite des Reichtums der Er- scheinung, sondern nach der Seite der brauch- baren, einschmeichelnden und begehrlichen Form. Und diese Form muß stets den Eindruck der Neuheit machen und doch desselben Ur- sprungs sein wie die voraufgegangene. Typ und Charakter fließen hierbei zusammen; sie werden um so ein- wandfreier sein, je mehr die Mühen der Technik und die Wi- derstände des Mate- rials von der Form des endgültigen Werkes überwunden schei- nen. Also Können und Wollen des Aus- führenden müssen sich decken. Tat und Ab- sicht die in Anspruch genommenen Kräfte so bannen, daß sie völ- lig überwunden schei- nen. — Der künstleri- sche Ausdruck wird um so vollendeter sein, je mehr die Spuren des voraufgegangenen Schöpfungsvorganges verwischt scheinen. Nicht wie ein Werk gemacht ist, sondern wie es uns erscheint, wie es seiner Aufgabe dient, seinen Platz füllt und uns anspricht, also die Summe des in ihm Ruhenden und seiner Erscheinung be- wirkt unser persön- liches Verhältnis zu )i,ZMHN. A. oFFiEKiiiNGi K. Seinem Dasein

T.VII.l.E M. HÖCHST. KK-VGEX. PROF. OTTO SCHULZE.

K. MASSANETZ-STEINSCHÖNAU. POKAL MIT FEDERZEICHNUNG SCHWARZ u. GOLD.

J Otetiger wie auf den meisten Gebieten des belebenden Stab der Wiener Kunstgewerbe-

v_J Kunstgewerbes ist der Zusammenhang mit schule von so starkem Einfluß, daß überall

1 alten Traditionen beim Glase nachzuweisen und auf uraltem Boden der Tradition, aus uralten !

J doch ist gerade dieses Arbeitsgebiet mit so Techniken neues und vortreffliches, lebendiges

frischem neuen Leben erfüllt, daß alle alten Kunstgewerbe hervorwächst. Das k. k. öster-

J Techniken heute im Sin- reichische Museum für J

ne einer neuen Empfin-

Kunst und Industrie in

dungsweise gehandhabt

Wienhat, einem Auftrage

2 werden. Im Norden

des Arbeitsministeriums \

Böhmens liegen einige

iBiiB'fjiiijlMtti jiij^B

sowie der Anregung

Glasmacher - Städtchen,

^ Y\JM^"^8r mPp

nordböhmischer Glasin-

B die von Alters her den

^^fj^^Bf^kwI

dustrieller und anderer \

Ausgangspunkt der in

IJm. \1 ^jJmwm

Faktoren folgend, eine

der ganzen Welt verbrei-

ral »v^^flKJ

stattliche Glasschau in

J teten böhmischen Hohl-

1S^ ^^B^^H

ihren Räumen veranstal- 5

Glasarbeiten bildeten, in

HF ^'^i^inO^ ff

tet. Wenn auch noch

denen noch heute die Er-

m ^^L*,^^ »

andere Gebiete des Rei-

2 Zeugnisse der Glashütten

^ ^^^

ches heute an der Glas- \

raffiniert werden, in de-

/'

erzeugung beteiligt sind,

nen unter kleinen Mei-

i

so hat doch gerade diese

* Stern die Heimarbeiter

y

böhmische Gruppe eine \

das Schleifen, Polieren,

besondere Bedeutung;

Ätzen, Gravieren, den

sievermochteeineSchau-

J Glasschnitt, das Vergol-

Stellung von sehr beach- Jj

den, Versilbern und Be-

V:

tenswertem Inhalt und

malen bis noch vor kur-

ansehnlichem Umfang zu

J zem übten. Noch stehen

bieten, Es sind zwei

die anmutigen Häuser

Hauptgruppen, nach wel- J

der Glasmacher, die statt-

chen die mannigfaltigen

" liehen Geschäftshäuser

Erzeugnisse der Hohl-

der „Verleger" in den

glas-Industrie zu gliedern !

Hauptorten Hai da und

1

waren. Die Export-

1 Steinschönau mit

gruppe halte die wirt- \

ihrem intimen Bau-Cha-

V y

schaftliche Seite der

rakter aus dem 18. Jahr-

€1»'

Angelegenheit beleuch- tet, welche in diesem ^

B hundert. Aber heute be-

stehen staatliche Fach-

T- /

Augenblick zu besonde-

schulen in beiden Orten,

ren Studien Anlaß gibt.

g in denen künstlerische

Die Kunstglas gruppe, \

und technische Kräfte

.^^^^^H^' ^' '

welche den Hochstand

wirken, heute sind zahl-

der erreichten Qualität

B reiche große Firmen tä-

bewies und die uns n

i tig, die den Zusammen-

IUHPIpf"

hier besonders beschäl-

Schluß deraltenArbeiter-

h

tigt, halte die künstle-

1 gruppen unter Schonung

rische Seite der An- ^

ihrer traditionellen Orga-

nisation zu neuen großen

^(B^Si ,^^r ^^s^^^K.

gelegenheit so überzeu- gend vor Augen geführt,

g Betriebs - Vereinigungen

^^^BBo^^^^^ämS^K^

daß auch alle jene, wel- \

bewirken, die den Welt-

^Ü^^H^&hB^^IP^

che die guten Leistun-

verkehr ihrem Vertriebe

gen der letzten kunst-

2 nutzbar machen. Heute

gewerblichen Schaustel- !

J ist die Berührung mit k..\i..v.s>am:i/,-m kin.m honai. h,.iik,>,kn.,m.,.i a> lungen verfolgt hatten, J

dem reformierenden und mit FEr>EKZEi<iiviN(; in si hwarz rND (;oi d. von der Fülle und Schön-

#

1 KU UKW 11 riLi.^c II srElxscHiiNAt'.

ZIERGl.ASEK MIT FFJ11;K/1;U HMM.l.N.

IKlI-nKK H l'IF.ISi H-MI-INM H' IN \r. (,EM HI.IUFNK (.1 \^M HAIE MH M H\\ \K/E.\ S( H AL TEXRISSEX.

160

Ausstellung ( hlerreichiscken Kunst- und Exportglases in Wie,

heit des Gebotenen überrascht waren. Das Kristallglas war besonders reich vertreten, wobei die Führung durch den Nestor der österreichischen Glas - Industriellen L. Lob- meyr noch immer in den Vordergrund trat. Wie er schon 1873 den figuralen Genimen- schnitt auf edeln Gefäßen zu großer Bedeu- tung hob, so folgte er auch dem modernen Empfinden, in dem er Künstler wie M. Po- wolny, Urban Janke, Otto Hofer mit den Entwürfen zu edeln Schmuckgefäßen im

Sinne unserer Zeit betraute. Josef Hoff- mann wirkte besonders bei der Schaffung jener schweren vornehmen Stücke mit, deren große Schlifflächen und einfache Umiißlinien so sehr den Einfluß des Architekten fühlen lassen. In demselben Sinne einer neuen Formgebung und Betonung edler Materialwirkung schließen sich die beiden Haidaer Firmen Johann 0er- tel & Co. und Carl Schappel an. Die Firma Oertel hat die Entwürfe der Haidaer Fach- schule, Schappel die Ideen E. Margolds und

FK-1£DRH;H l'lKrsill— sIEIN.il.Hi'.SAl. /1I.K(.1.A> .M 11 1-1.1)1 K/Ili H \ r M , IN m HU.\1</. INlJ (iol.lJ c;!>c HMl ("KT.

JuH. I.MT/ UUK. KUJ.MKKMl HLt (MM KKK.). IMKAI. Mll KARWGER BEMALUNÜ. ENTWURF: ARCH. H. BÜLEK— U lEX.

Ji >H. OERTEL S CO. HAIDA (Bl IHME.N). ZYI.INDR. GLAS MIT SCHWARZ. FEDERZEICHNUNG. KRIEGSERINNERUNG.

AUSSTELU-NG Os lERREICHLM-HFA- KUNST- f. EXPORTGI.ASr.S IXI K. K. ÜSTERR. MUSEUM FÜR KUNST U. INbUSIKlE IN WIEN.

162

CONRATH & LIEBSCH STEINSCHÖNAU. GESCHLIFFENE SCHALE MIT MALEREI u. FEDERZEICHNUNG.

RT

KAKI, l.'M Hill' IIAIhA.

i.c.LllKri;IN- l.r ASI-R (i.RmHI ll-l-l-

.l'MK. ZAIIN- lAlDA (HÜHMI \). iilHK GESc'lll II'- riXF. VASK.

November 1915. 6

105

I. 8; I.. LOBMEVR WIEN. ENTWURK: PKOKE^SOK M. I'OWOLXY. GESCHLIFFENE 1,LA.S.SCHAI.E .MIT REICHER GRAVIERrNC,

J. & L. U'H.MEVR- WIEN. ENTW: i >, HOFNER, EMW: l KllA.N J.\.NkF, ul..\>\.\sEN MIT SCHLIFF UND GRAVIERUNG.

166

JOH. HER HCL S: LU.- HAIÜA (BÜHMEN). GLAhhL HAI.E Ml 1 l'ARliluEM ÜBERFAXÜ, GESCHLIFFEN.

JOH. OERTEL & CO.— HAUJA. ZIEKCJLAS MIT F.VRBIGEN .STREIFE-N. C.\RL hCHAl'l'EL- H.VIDA. EM W; l'RiiK. O. PRUT.SCHER.

Ausstclluyis^ (hfenrii/ii'ichcii Kioist- 7ciid E\/^oifo/a'iCs i)i Jltef/.

O.Prutschers trefflich zur Ausführung gebracht und beide haben niclit nur vornehme Schmuck- stücke, sondern auch tüchtiges, fein gebildetes und sinnvoll geschmücktes Gebrauchsglas der Tafel geschaffen. Diese Arbeiten sind vorwie- gend in dem bisher von Böhmen bevorzugten Kaliglas ausgeführt; es sind aber auch mehrere Industrielle wie Graf Harrach Neuwelt, Gebr. Zahn-ITaida und andere mit schweren Kristallschliffen in Bleiglas aufgetreten, die an Materialreiz und Technik den ausländischen Leistungen ebenbürtig sind. Große Lichtkronen (worunter die von J. H off mann für Köln ent- worfene u. von Lobmeyr verfertigte und einige andere von Elias Palm e - Steinschönau aus- gestellt waren) haben das Verwendungsgebiet des Kristallschliffes illustriert, welches den modernen In- nen-Architekten so oft beschäftigt. Hier ist die vielseitige

Verwendbarkeit des Glases bei ge- schickter Montie- rung hervorzuhe- ben, die von einer

verständnisvollen Führung der Glas- industrie bereit- willig unterstützt wird. Die reich- ste Ausbeute an künstlerischen Ge- nüssen bot die Ab- teilung des farbigen Glases, in der vom in der Masse ge- färbten Goldrubin (Kunckelglas) bis zum dreifach auf- getragenen und

durchschliffenen vielfarbigen Über- fang ungemein man- nigfacheFarbenwir- kungen gegeben wa- ren. Es ist hervor- zuheben, daß hier schon eine große Wegstrecke zurück- gelegt wurde, die über das böhmische Glas der Bieder- meierzeit hinaus- führt. Wenn heute auch noch ähnliche

Schmuckmittel verwendet erscheinen, so bildet doch die Strenge und Geschlossenheit in der Anwendungder Mittel, die straffe und zielsichere Linienführung und Farbgebung moderner Glä- ser einen Gegensatz zur liebenswürdigen und gefälligen älteren Weise, die in der Ausstellung durch zahlreiche ausgezeichnete Nachbildungen alter Gläser vertreten war. Joh. Lötz Wtwe., Klostermühle, hat unter Leitung von H. Bolek, C. Witzmann, M. Powolny u. anderen sehr eigenartige farbige Arbeiten gebracht, während die Haidaer Firmen Joh. Oertel, Carl Schappel, Karl Goldberg u. a. teils von der Schule, teils von schon genannten Künst- lern Entwürfe von trefflicher Vielseitigkeit und Schönheit ausführten. Eine besondere Note

haben Steinschö- nauer Arbeiten mit der Verwen- dung von schwar- zen Federzeichnun- gen und Goldlinien hervorgebracht, sie zeigen vielleicht die stärkste Neigung zu neuen Wegen, die zuerst Karl Mas- sanetz betrat und die nun auch Fried- rich Pietsch u. a. unter Führung der

Steinschönauer Fachschule erfolg- reich auszubauen bestrebt sind. Es konnte an dieser Stelle nur eine kleine Auswahl des reichen Inhaltes der Ausstellung be- rührt werden, wozu die Abbildungen deutlicher sprechen werden. Sie weisen auf ein blühendes in voller Entwick- lung begriffenes Kunstgewerbe hin, bei dem Künstler und ausführende Kräfte in engster Verbindung arbei- ten und mit Glück und Erfolg Neues von bester Qualität schaffen

.MEYEKti.NF.KFE. GE.SCHLIFF.M A.NULRMll l,KA\ ILK.M Aljl ANMCill.

HARTWIG FISCHEL.

ZWEISPITZ AUS DUNKELGRÜNEM SAMT MIT HAHNENHALS-ZIER. VERBAND ZUR FÖRDERUNG DER DEUTSCHEN HUTMODE-BERLIN.

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VERHAXU ZVK füKDIiRr.Ni; DER DELTSLHEN HUTMdDK. .sc H\\ AK/.KK SElIiEXl'OSTII.I.i 'X MIT SAMT1'..\M> V. SCHNALLE.

HERBSTHÜTE.

In den Kampf um eine vaterländische Mode ist nun auch der „Verband zur Förderung der deutschen Hutmode" eingetreten; er hat kürz- lich auf einer Gesamtausstellung einen aus- sichtsreichen Erfolg davongetragen. Was an seinen Leistungen Eigengewächs, was inter- nationale Einwirkung ist, die ja doch wie ein Flugsamen über Schützengräben, Kriegszonen und Meere zu uns kommt, soll nicht untersucht werden. Der einzelne Hulkünsller konnte schließlich nichts anderes tun, als an die Tra-

dition und an die letzte Vergangenheit anzu- knüpfen. Wer Talent zum Hutmachen hat, der wird auch in die Verschmelzung überkommener Motive eine eigene Art und Note hinein zu legen wissen. Und dieses Talent war nicht selten unter den Elitefirmen, die jetzt der Ber- liner Eleganz ihre Erzeugnisse vorgelegt haben. Aus einer zierlichen Agitationsschrift, be- titelt „Der Herbsthut 1915", die der Verband seiner Ausstellung mit auf den Weg gegeben hat, seien an dieser Stelle die Abbildungen

Herbsthüte.

MArnVrKK.KAlKK nur mit IMArEMEUIKKRAN/. VERBAMi ZIR EmRUERUNG der DEfTMHEN HE'TMODE.

einiger besonders gelungenen Modelle wieder- holt. Es zeugt für das Gefühl der erwachenden Selbständigkeit, von dem diese Vereinigung beseelt ist, daß er seine Veröffentlichung auch für das neutrale Ausland zu bestimmen den Mut hat. Dem Ernst der Zeit entsprechend, haben sich die tonangebenden Werkstätten löb- licher Einfachheit und Unauffälligkeit befleißigt ; doch dem Ernst ist die Anmut durchaus nicht fremd. Es werden Sammet-, Plüsch- und Filz- hüte mit bescheideneren Garnituren bevorzugt, aber auch der Seidenpostillon mit Sammetband und Schnalle steht in der gefälligen Wirkung

nicht zurück. Das Hauptmerkmal der Winter- hüte ist der hohe (zumeist weiche) Kopf, der sich der neuen Frisur und der veränderten, einer Verbreiterung zustrebenden Silhouette der Frau besser anpaßt, als der niedrige Hut- kopf des verflossenen Sommers.

Wird auch der Nachdruck auf die kleine Form gelegt, die sich dem Kopf so zärtlich anschmiegt auf Dreispitz, Barett, Amazone, so be- hauptet daneben doch der große Hut durchaus seinen Rang. Er ist gewissermaßen eine Au- reole, die den Gesichtsausdruck hebt und stei- gert. Beide Formen erfüllen ihre Bestimmung,

172

Herbsthüte.

VERBAND ZUR KÜRDERUNG DER IJEUT.SCHEN HUTMcjUE BERLIN. EliENGRAUER PLLSCHHUT MIT MARABUZIER.

nicht ein Kleidungsstück nur, ^ nein, auch eine Zierde, ein Rahmen für das Menschenbild zu sein. Denn nichts verändert den Ausdruck des Frauenantlitzes so sehr, wie der Hut; nichts kann so schmeicheln, nichts kann so entstellen. Das Wort: „der Hut, das ist die ganze Frau",

hat ewige Berechtigung! jui.ie elias.

d

Die straffe Linie und der Wille zur knappen Silhouette, welche die heutige Mode trotz des stoffreichen Rockes beherrscht, finden in der Form des Hutes wohl ihren allerbestimm- testen Ausdruck. Gerade zu dem weiten flie-

genden Rock steht der meist kleine und in seiner Form ganz präzise Hut außerordentlich wirkungsvoll. Was an der Fülle des Materials beim Rock verschwendet wird, das scheint am Hut gespart worden zu sein, der fast nie so klein war wie jetzt. Auch der Schmuck des Hutes ist sparsam. Die Fülle der weichen wal- lenden Federn ist ganz verpönt, weil sie den scharf ausgearbeiteten Umriß des Hutes ver- wischen würde. Weiche breite Bänder sind aus demselben Grunde nicht brauchbar. Statt dessen sieht man aus schmalem Band gekniffte Schlei- fen, die scharf über den Rand des Hutes hin-

Herbsthüle.

174

wegschneiden; oder das Band, das um den Hutkopf gelegt ist, wird in ein einzig kleines Schleifchen gebunden. Die verwendeten Federn sind auch solche mit bestimmter straffer Linie. Aus kleinen weißen und dunklen Federn wer- den kokardenartige Rosetten zusammengestellt, durch deren Mitte die Posen der langen sichel- artig geschwungenen Federn oder auch die Bandschlupfen der geradlinigen Schleifen hin- durchgesteckt werden. Diese Kokarden, Schnal- len oder Rosetten sind vereinzelt auch in Po- samente hergestellt und dann sieht man sie auch in Stickerei ausgeführt. Es ist früher schon dann und wann der Versuch gemacht worden,

die Kunst der Stickerin zur Ausschmückung der Damenhüte heranzuziehen, aber bisher nie mit durchschlagendem Erfolg. Der Augenblick ist aber einer mehr ornamentalen Ausgestaltung der Einzelheiten sehr günstig. Der Sinn für klar umrissene Form bevorzugt vor allem die Wir- kung von weiß und schwarz. Grundfarbe der Hüte ist vorwiegend das tiefe Schwarz von Samt und Velvet neben einigen dunklen Modefarben. Da- rauf stehen weiß auf schwarzem Band gestickte Bördchen sehr fein. Zudem hat die Stickerei die ganze Skala tiefleuchtender Farben zur Verfü- gung, die in sparsamer Anwendung vornehme Wirkungen erzielen c gkeve-hamburgek.

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X

BI..\rER SAMTHIT MM DRAXllENK.VREKlKM KEDERÜALI.. VERBAND ZIR h ORDKRING IJER DEUTSCHEN HUT.MODE.

DENKMAL FÜR DEN PLATZ EINER KLEINEN GEMEINDE.

ENTW. HANS KRILL, KLASSE PROF. HANAK, KUNSTGEWERBE-SCHULE WIEN.

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ARCHITEKT PROFESSOR Da. OSKAR STRNAD WIEN. ENTWURF ZU EINEM DENKMAL IN WALDKiEM TAL

OESTERREICHISCHE DENKMALKUNST.

^^ ach einer Bemerkung in den „Wahlver- S wandtschaften" fiel es schon Goethe auf, wie erstaunhch es ist, daß zu seiner Zeit den Grabmalkünstlern nichts anderes einfallen wollte, als immer wieder der Obelisk, die ab- gebrochene Säule, der Genius mit der gesenk- ten Fackel und ähnliche geistlose Wieder- holungen längst abgebrauchter Motive. Aber noch mehr als hundert Jahre mußten vergehen, bis auf diesem Gebiete Besserung kam. Wir wissen, daß heute für jeden, der auf dem Grab eines Angehörigen ein in der Form anstän- diges Erinnerungszeichen zu sehen wünscht, gute Arbeiten und gute Künstler zur Verfügung stehen. Aber damit, daß das Gute erreichbar ist, ist das Schlechte noch nicht überall ver- drängt. Denn das Gute kommt nicht überall hin. Die Grabstein-Industrie der kleinen und mittleren Städte bewegt sich noch vielfach im alten bösen Geleise, und auf dem Lande ent- stehen, wo man sich nicht mit dem alt-ehr- würdigen Grabkreuz begnügen mag, immer noch minderwertige Gräberzeichen in Fülle. Dasselbe gilt für die Denkmäler. Vielfach sind in den letzten Jahren noch in großen und kleinen Gemeinden Kriegerdenkmäler errichtet wor- den. Der schlechte Denkmalgeist, der im offi- ziellen Deutschland herrscht, erzeugte noch in der durch Sparsamkeitsrücksichten gebotenen ländlichen Verdünnung ungenügende, ja gerade- zu zweckwidrige Dinge. Denn wenn solch ein dörflicher Denkmalslöwe, wie er beispielsweise in den pfälzischen Gemeinden Weidenthal oder Alt-Leiningen zu sehen ist, bei jedem einiger- maßen gebildeten Passanten ein schallendes

Gelächter hervorruft, so kann man ihm nicht nachsagen, daß er seinen Zweck erfüllt.

Der Krieg hat uns alles, was es in der Grab- und Denkmalkunst an Fragen, Hoffnungen und Sorgen gibt, mit einem Schlage sehr nahe ge- rückt. Es ist eine Zeit ungewöhnlicher ethischer Kraftentfaltung ; aber so muskulös diese Gegen- wart auch im Sittlichen ist, so wenig dürfen wir uns verhehlen, daß damit über ihre Fähig- keit zu künstlerischem Ausdruck nichts ent- schieden ist. Es geschehen große Taten, und viele tapfere Männer geben ihr Leben hin. Den Menschen und den Taten müssen Denkmäler gesetzt werden, dem dankbaren Herzen zur Entlastung, den Späteren zum Gedächtnis. Welches ist das Gefühl, mit dem wir künst- lerisch Interessierten diesen kommenden Denk- mälern entgegensehen? Nackt gesagt: es ist Furcht. Es gibt Kunstfreunde, die eine völlige begriffliche Trennung solcher vaterländisch an- gewandten Kunst von der anderen, der eigent- lichen Kunst empfehlen. Das ist ein ungang- barer Ausweg. Wir dürfen nicht darauf ver- zichten, an die vaterländischen Kunsterzeug- nisse, die im Idealfalle doch Äußerungen des Gesamtvolkes sind, die künstlerische Forderung zu stellen. Wir dürfen der schlechten Gesinnungskunst keinen Freibrief ausstellen. Sondern wir müssen auch hier dem Ausdrucks- willen helfend zur Seite stehen.

Aus der Absicht, diesen jetzt überall in Tätigkeit gesetzten Ausdruckstrieb vor Ver- irrungen zu bewahren, ist das verdienstliche Werk entstanden, dem diese Abbildungen ent- nommen sind: Soldatengräber und Kriegs -

XIX. November 1915. 7

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WILHELM FOLTIN. SCHULE PROFESSOR HOFFMANN— WIEN. EINGANGSIOR EINES SOLDAT EN -FRIEDHOFS

denkmale (im Kunstverlag Anton SchroU G. m. b. H., Wien). Das Buch erhält seine Be- tonung von vornherein dadurch, daß es von einer staatlichen Behörde herausgegeben ist, dem K. und K. Gewerbeförderungsamt. Wir Reichsdeutsche dürfen die verbündete Monar-

chie ruhig ein wenig um solch ein Werk be- neiden; denn siehe, es wäre bei uns vorläufig noch nicht möglich. Dazu ist unser offizieller Denkmals -Geist künstlerisch zu ahnungslos. Um so inniger dürfen wir, das sei gleich hier gesagt, den Wunsch hegen, daß das Werk, so

WILHELM FOLTIN. SCHULE PROFESSOR HOFKMANN- WIEN. DENKMAL AUF DEM FRIEDHOF GEFALLENER KRIEGER

weit es Gutes und für uns Verwendbares ent- men neuen Aufgaben, neuerdings zu Werk geht.

M ^^'"^ Anregungen auch uns spenden möge. Man sucht den Kalkül (ich wähle dieses Wort

Man findet in dem Buche den feinnervigen im Anschlüsse an Hölderlins Anmerkungen zu

und denkfrohen Geist, mit dem die heutige den sophokleischen Tragödien, diesen seiner

Architektur, eingekeilt zwischen den bered- Zeit weit vorauseilenden Versuch, auf einem

samen alten Lösungen und die sphinxhaft stum- umgrenzten Kunstgebiete den Bereich des

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ARCHITEKT PROFESSOR Dr. OSKAR STRNAD— WIEN. DENKMAL IN EICHEMIOLZ, KREUZFORM, MIT SCHRIFTTAFELN

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ENTWURF: PROFESSOR JOSEF HOFFMANN WIEN.

DENKMAL FÜR FREIES GELÄNDE. HÖHE 12 METER

Festen und Nachprüfbaren zu erweitern). Man will sich in einer mutigen neuen Weise der rechnerischen und psychologischen Grundlagen aller Architekturwirkung bewußt werden. Es ist dies eine gesetzmäßige Begleiterscheinung aller idealistisch gestimmten Kunstzeiten und als Anzeichen sehr zu begrüßen. Alle Romantik will letzten Endes Unklarheit und legt den Schwerpunkt alles Kunstschaffens in das Unbe- rechenbare, in das Gefühl. Aller Klassizismus aber sucht das Feste und zu Errechnende. Das war schon das Neue oder jedenfalls das Be- wegende in A. Brinckmanns schönem Buche „Deutsche Städtebaukunst der Vergangenheit". Das ist auch das eigentlich Verdienstliche in

diesem Werke, dem wohl Oskar Strnad die geistige und künstlerische Prägung auf- gedrückt hat. Er ist mit dieser Feinfühligkeit für alle Bestandteile einer Wirkung, mit dieser Unbestechlichkeit der Sinne, dieser Empfind- lichkeit für Verhältnisse und Beziehungen, mit dieser Gabe der Unterscheidung und Begriffs- bildung eine sehr österreichische Künstlernatur. Wir in Deutschland nehmen ein Bauwerk wohl mehr als ein selbständiges und unabhängiges Ding. In diesem Österreicher, dem sich hier als Mitstrebende von gleichem Ziel Männer wie Jos. Hoffmann, Hanak, Larisch, Ob- sieger, Powolny, Tessenow und andere beigesellen, ist die größte Achtsamkeit auf die

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Bedingtheit seiner Wirkung. Da das Material der Baukunst selbst etwas ewig Bedingtes und nur in Bedingtheiten zu Erfassendes ist, der Raum, so ist das eigentlich architektonische Denken zweifellos ein Denken in Beziehungen und Abhängigkeiten. Dieses echte baukünst- lerische Denken macht den Hauptvorzug dieses Werkes aus. Die von Strnad verfaßte Ein- leitung legt davon Zeugnis ab.

Das Denkmal wird hier nicht als ein vorzugs- weise selbständiges Ding aufgefaßt, dessen Be- ziehungen zu Nachbardingen nur nebenher ins Auge genommen werden müssen, sondern es erscheint von vornherein als ein abhängiger, wenn auch betonter Teil des baulichen oder landschaftlichen Ganzen, innerhalb dessen es fortan sein Leben führen soll. Von diesem Ganzen hängt alles ab, Form, Material, Ab-

messungen. Daher bezeichnet Strnad es als die schwierigste und verantwortungsvollste Auf- gabe des Künstlers, zunächst einmal den zu- treffenden Maßstab zu finden. „Nicht die Form an und für sich gibt den Ausschlag; auch nicht die zufällige Symbolik durch figürlichen Schmuck oder der Text kann die Würde des Denkmals ausmachen, sondern vor allem andern das vollbeherrschte und richtig festgehaltene Maßverhältnis der Form zur umgebenden Natur, also zum umgebenden Luftraum und zur um- gebenden Bewegung zufälliger Naturlinien." So ist auch alles wohlbedacht, was Strnad über Raumgliederung, Luftraum des Denkmals, Ver- hältnis zu benachbarter Architektur und Land- schaft, Symbolik der Formen und Materialien zu sagen weiß. Es wurde sehr richtig von ihm erfaßt, daß ein Denkmal Kampf gegen den

OSKAR PAFKA. SCHULE HANAK. GRUPPEN-GRAB AUF DEM SCHLACHTFELD. AUS PLATTEN ZUSAMMENGESETZT

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chaotischen Raum ist. In seinen und seiner Schüler Entwürfen sieht man die raumgüedernde Kraft einfachster senkrechter Motive wie Gitter, Bäume, Pfähle, Säulen bedachtsam ausgenutzt. Ein inspiriertes Messen, ein künstlerisch be- schwingtes Rechnen darauf läuft seine Kunst hinaus, diese feinnervige, elegante, gebärden- lose Kunst, die keinen Überschwang zu kennen scheint und die den Höhepunkt ihresAusdruckes in einer innigen Kargheit findet. Dieses Aus- dehnen des Rechnens und des Berechenbaren in der Kunst ist das eigentlich Bedeutende und Moderne an den Anschauungen und Entwürfen dieses Buches. Denn gewiß ist Strnad im Recht, wenn er sagt, daß nicht nur bei Denkmälern, sondern überhaupt in der Baukunst bisher ge-

wisse grundsätzliche Erfordernisse zu wenig beachtet worden sind. Wir müßten sonst, bei den hohen Erzwingungsbefugnissen, mit denen die Baubehörden ausgestattet sind, bedeutend mehr gute Architekturbilder in unseren neuen Stadtteilen und vor allem viel mehr schöne und richtig zur Umgebung gestimmte Denkmäler be- sitzen. In Wirklichkeit sind diese Dinge bekannt- lich höchst selten und anscheinend mehr dem Zufalle als bewußter Erwägung zu verdanken. Das Streben nach Schärfung des Sinnes für die Maße und für die Abhängig- keiten des Kunstwerkes entspringt also dem dringendsten Bedürfnisse der zeitge- nössischen Baukunst. Deshalb begrüßen wir dieses Werk vvilli krank.

J.-\KOB LOW. SCHULE B.ARWIG GKAB.MAL AUS KALKSTEIN. SCHRIFT VERTIEFT UND VERGOLDET

IJh K iihhKM'.ArHKK »MANN IN EI>EN« EN I M AMIKN IM RESERVE-LAZARETT OEEENBAcH A. M., ABlEU-r.NG FÜR BERIE< CbUXGEN KRIEGSBESCHÄDIGTER, TECHNISCHE LEHRANSTALTEN— OEEENBACH A. M.

XIX. November 1915 i

\klhitekt 1. i.uimmfk \vir\.

IlllUm

Ak( H.K. I. WIMMKR. .t AMII.IKNGKIH IN Dj;k BRÜHL« \VEI>^KK MARMciR, HR' INZEIIITTER. PLASTIK VON PROF. F. METZXER.

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ARCHITF.Kl E. J. WIMMEK- WIEN.

\Mii.iKN(;ki 1- r N IJER BKl'llI.. I 1-ASTIK Von 1 K<iK. MKT/.NKK.

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KLEINE KUNST-NACHRICHTEN.

OKTOBER 1915,

OFFENBACH. Der „Mann in Eisen" (Abb. S. 1 85). Zu der Zahl der Nageldenkmäler, die allerwärts in deutschen Gauen erstehen, um Mittel aufzubringen, Kriegswunden und Kriegs- leid zu lindern, nimmt der Offenbacher „Mann in Eisen" eine ganz besondere Stelle ein, er wurde geschaffen von Männern, die in Feindes- land ihr Leben in die Schanze geschlagen hatten, draußen bluteten und nun zurückgekehrt sind zur Heilung ihrer Wunden und Neuanpassung an ihren altgewohnten Friedensberuf. Der „Mann in Eisen" ist erstanden in dem hessi- schen Zentrallazarett für Berufsübungen Kriegs- beschädigter, Technische Lehranstalten, Offen- bach am Main. Goetz von Berlichingen, der mannhafte Deutsche mit der eisernen Hand, das Sinnbild der ungebrochenen Willenskraft des Kriegsverstümmelten wurde den im Laza- rett arbeitenden Kriegsbeschädigten als Ge- danke und Vorwurf für das auszuführende Werk gegeben. Der frühere Schüler der Technischen Lehranstalten, Reservist Ernst Unger, ein vielversprechender junger Bildhauer, dem eine französische Granate drei Finger der linken Hand zerrissen, hat das Modell dieser den un- gebrochenen Glauben an deutsche Kraft wider- spiegelnden Männergestalt geschaffen. Kriegs- verletzte Schmiede des Lazaretts erstellten das Eisengerüst und schmiedeten dem Manne das blanke Schwert, kriegsverletzte Stukkateure gössen die Form. Die Drehvorrichtung des Denkmals erstand in der Maschinenwerkstätte. Die vier zum Nageln benutzte Hämmer und Hammerstiele kamen nach Entwürfen des kunst- gewerblichen Zeichensaales in der Eisen- und Holzdreherei zur Ausführung; die Nagelkisten und Tische fertigte die Schreinerwerkstätte. Die Architekten des Lazaretts entwarfen die große, den Alicenplatz beherrschende fünf- bogige Pfeilerhalle. Die Dekorationsmaler des Lazaretts tönten die 2 ' -• m hohe Holzfigur und gaben unter Meister ThroUs bewährter Leitung der Halle den reichen dekorativen Farben- schmuck. Die Abzeichen für die 150 beim Ver- kauf der Nägel- und Postkarten tätigen Frauen und Mädchen entstanden in der Druckerei und Kartonnagewerkstätte des Lazaretts. Auch die Vordrucke des „Eisernen Buches" besorgten kriegsbeschädigte Setzer und Drucker. Ein im Handel erschienenes, im Lazarett gefertigtes ge- schmackvoll gestaltetes Sammelbuch für die in zwölf verschiedenen Farben gehaltenen Nagel- karten, spornt an zur Sammeltätigkeit. Die

Plakate und Postkarten zeichnete Franz Franke. All das viele Drum und Dran, das eine der- artige Veranstaltung immer im Gefolge hat, wurde bei dem Offenbacher Mann in künstle- rische Form gekleidet, eine mühsame erziehe- rische Arbeit, die aber den vielen beim Werk Beteiligten zur Freude wurde, zur Freude, die jetzt überspringt auf die Tausende, die als Geber und Spender zu Mitarbeitern an dem Werke Alloffenbachs wurden.

In stimmungsvoller Feier wurde der „Mann in Eisen" am 3. Oktober im Beisein des hessi- schen Großherzogspaares vor einer vieltausend- köpfigen Zuschauermenge der Öffentlichkeit übergeben. Großherzog Ernst Ludwig schlug den ersten Nagel in dieses Werk der Kriegsbe- schädigten der hessischen Berufsübungsstätte. Den zweiten Nagel schlug die Großherzogin und ihr folgten die beiden jugendlichen Prinzen.

Inniger Glaube an unser Recht, mannhaftes Vertrauen zu unserem Schwert, sittlicher Ernst und hohes Pflichtgefühl pflanzt der „Eiserne Mann von Offenbach", ein echtes Werk deut- scher Volkskunst, in die ihn alltäglich um- lagernde Menge, und Tausende von Nägeln in seinem Eisenpanzer zeigen, daß der in ihm ver- körperte Sammelruf an die Opferfreude der Be- völkerung nicht ungehört verhallt, h.eberhardt.

BRESLAU. Die Stadt Breslau plant die Er- richtung eines Museums des jetzigen Welt- krieges und hat mit den Vorbereitungen die Direktion des Schlesischen Museums für Kunst- gewerbe und Altertümer betraut. Eine festere Form wird der Gedanke natürlich erst nach dem Friedensschlüsse annehmen. Aber schon jetzt werden Ankäufe für das zu errichtende Museum gemacht, für die es vielleicht nachher zu spät ist. Besonderes Gewicht wird dabei auch auf Werke der Kunst gelegt, die die kriegerischen Ereig- nisse widerspiegeln. So wurden fünf Hand- zeichnungen von Fr. Erler und F. Spiegel sowie die letzthin erschienene Mappe der Künstler angekauft, ferner Handzeichnungen von Richard Müller, Hans von Hayek, Franz Klemmer, Arnold Busch, Gerhard Beuthncr. Eine beson- dere Abteilung bildet die auf den Krieg bezüg- liche Graphik, für die u. a. die in nur wenigen Exemplaren herausgegebene Folge von Radie- rungen von Erich Erler angeschafft wurde. Im Januar 1916 soll im Kunstgewerbe-Museum eine Ausstellung aller bisherigen Erwerbungen für das Breslauer Welt-Kriegs-Museum stattfinden.

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PROFESSOR E. R. WEISS- BERLIN. GEMÄLDE .FRAUEN AKTE.

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DIE WIESBADENER KUNSTAUSSTELLUNG 1915

IM NEUEN MUSEUM I.OKTOBER 12. DEZEMBER.

ES sei gleich voraus gesagt: diese Ausstel- lung ist eine erfreuende Überraschung und wird, wenn die bei ihrer Eröffnung mit hohem Ernst ausgesprochenen Gelöbnisse nur zum kleinen Teil sich erfüllen, einen Markstein in der Geschichte Wiesbadens, ja darüber hinaus in der Entwicklung der deutschen Städte be- deuten. Man geht erstaunt und bald gewonnen durch die zahlreichen Räume des neuen Galerie- baues und sieht sich einer geschmackvoll her- gerichteten, umfangreichen Ausstellung gegen- über, wie sie zeitgemäßer kaum zu denken ist. Zum ersten Male hat man das Gefühl, daß die Richtung der Jungen, der Expressionismus, ihre Märtyrerstellung verlor und sich als historisch bedingt und darum selbstverständlich behaup- tet. Und damit auch der Schonung entsagt, die man gern beginnender Entwicklung entgegen-

bringt. Andererseits liegen in dieser Ausstel- lung die mannigfachen Fäden zu Tage, die un- sere Jungen mit der vorhergegangenen, histo- risch vollendeten Epoche des Impressionismus verbinden, die ebenfalls in einer vorzüglichen Auswahl vertreten ist. Eine seltene Loyalität, die vor allem der Persönlichkeit des Spiritus rector dieser Ausstellung , dem Maler Hans Völkers-Wiesbaden, zu danken ist. Er, der in reifen Jahren an sich selbst die große Wand- lung von der einen zur anderen Ausdrucks- weise erlebte , vermochte ohne die leiden- schaftliche Abkehr des Jüngsten von der voran- gehenden Generation vermittelnd beiden ge- recht zu werden, nur von dem Wunsche ge- leitet. Echtes und Starkes zu bieten. Wenn es ihm und seinen Freunden nicht gelang , aus dieser so wertvollen Versammlung die Ein-

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M\ Dezember 191i

Die IVieshac/ener liiontaussfelhino igiß.

uiru KOPP iML'NCHEN.

mischung nur für Wiesbaden interessanter ma- lender und bildhauernder Lokalgrößen fernzu- halten, so haben sie diese doch so zu gruppieren gewußt, daß die im Vergleich geförderte Selbst- erkenntnis sie späteren ähnlichen Veranstal- tungen von selbst fernbleiben heißen wird.

Als wesentlicher Eindruck der ganzen Aus- stellung ist festzulegen: die klare Gegen- überstellung des Berliner Kreises und der von Süddeutschland, vor allem vom Rhein über Frankreich aus befruchteten jüngeren Expres- sionisten. Zweier Welten, die beide in ihrer Art tüchtig, der Berliner Kreis womöglich an wirklichen Persönlichkeiten reicher deut- lich das Werden der letzten 30 Jahre unseres Geisteslebens erkennen lassen. Dort, in der historisch gewordenen Reihe der glanzvollen Namen eines Liebermann, Leistikow, Corinth das Ringen um den Ausdruck der mit einer bis dahin in der Kunstgeschichte unbekannten Schärfe ergriffenen äußeren Erscheinungsform, ein Ringen, das so klar das oft doktrinäre Suchen und dann wieder zu handfeste Zu- packen des jungen Kaiserreiches spiegelt, und hier bei den Jungen die Versenkung in die nur

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gefühlsmäßig auszuschöpfenden Tiefen einer im Farbigen und Formalen liegenden Trans- zendenz. Zwischen beiden stehend die darum so oft problematischen, urdeutschen Gestallen eines Thoma und Böcklins , eines Slevogt, Trübner und Habermanns.

Da, wie gesagt, die Auswahl der ausgestell- ten Werke bis auf ganz geringe Ausnahmen eine qualitativ angenehme Höhe des einzelnen gewährleistet, so erübrigt sich eigentlich eine Sonderbesprechung. Sie bliebe im Grunde eine Aufzählung des Katalogs mit mehr oder weniger richtigem Epithetaschmuck. Zudem sind eine große Zahl der Werke dem Kunstfreunde ohne- hin von anderen Ausstellungen her bekannt. Hingewiesen sei nur auf einige neu auftau- chende frische Begabungen wie Edwin Scharff und Otto Kopp - München, Ida Gerhardi- Lü- denscheid, Alice Lenhard- Falkenstein. Von aktuellen Bildern packt ein Werk von E. Wolff- Malm, „Die Granate", das den Krieg in seinem ganzen Grauen auf eine knappe Formel bringt: Vier Soldaten in einem Schützengraben, von einer Granate getroffen, eine Szene, die in ihrem sicheren Aufbau zweifellos auf ähnlich

Die Wiesbadener Kntistaitsstcl hin ir igi;^-

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Geschautes zurückgeht und doch sich in ihrer großlinigen Gestaltung über das Zufällige zum Typischen erhebt.

Tiefer empfindet man das Furchtbare dieses Krieges vor den Bildern Albert Weisgerbers, den der Schlachtentod in dem Augenblick aus dem Leben riß, da er den Weg zu zukunfts- sicherer eigener Gestaltung betrat. Man hätte gern neben seinen letzten farbenfrohen Werken einigeBilder des ihm verwandten, in derKlarheit der Problemstellung überlegenen August Macke gesehen, der nun schon über ein Jahr bei Tahure den letzten Schlaf schläft. Es ist soviel rührend Schönes in diesen jungen Bildern, etwa in Weis- gerbers „Mädchen auf der Ottomane", ein so

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dem AlltägUchen abgewandtes poetisches Emp- finden und reines Gestalten aus dem Farbigen, daß man ihren Tod wie eine Dissonanz emp- findet. Es sei denn, daß man in ihnen die ersten Bürger des kommenden Reiches sieht, das dem Künstler sein letztes bestes Recht vom Singen und Sagen, der Intuition, wieder voll zurück- geben wird. Ist doch schon dieser Krieg eine Zeit voll Wundern ohne Gleichen. Alle Speku- lationen haben versagt, nur das Unwägbare, die nachtwandlerische Gewißheit, daß Deutschland diesen Orkan überstehen müsse, half hinüber. Allerdings unter fast zu gleichmütig hingenom- mener Wirkung der straffsten Zusammenfassung aller aus dem Verstände wachsenden Kräfte.

LOVIS CORINTH-BERLIN. GEMÄLDE »SELBSTBILDNISt mit Genehmigung des verlags bruno cassirer-berlin.

Die IVicshadencr Kiaistausstelluno igif^.

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PROFESSUR EMIL OKMK HERIIX.

Da zweifellos sich unsere jungen Künstler neben ihrer Forderung, daß die höchste Kunst aus dem Untergrunde des seelisch Wunderbaren emportauchen müsse, auch der Notwendigkeit bewußt sind, daß dieses edle Rohgut nur unter dem Schliff der nach unverrückbaren ästheti- schen Gesetzen geübten Gestaltung zum wahren Edelstein sich zwingen lasse, so kann es an einer guten künstlerischen Zukunft nicht fehlen. Ge- wiß wird man zunächst noch manchen wohl- geschliffenen Kiesel mit in den Kauf nehmen. Und noch eine Hoffnung nimmt man mit aus

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Wiesbaden: diese neue Kunst wird ein neues Geschlecht vorfinden. Allerorten erzwingt die Erkenntnis sich Bahn wie aus wasserreicher Tiefe emporsteigendes Quellengestrudel ein verkrustetes, versandetes Land durchbricht, zu netzartigem Gerinsel sich ausdehnt und mit einem Male auch die trockenen Inseln zwischen sich durchtränkt daß die künstlerische Le- bensgestaltung und Weltanschauung mit zu den starken Pfeilern des kommenden deutschen Lebens zählen muß, wenn wirklich dieser Sieg ein endgültiger sein soll. Wieviel gute Ansätze

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Die Uleshar/eticr 7\u>isfai<ssfc/hifi<^ 'Q'S-

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t;rsiAV jai;f.r>1'Ai hek mimhi n.

bereits überall im Lande, in kleinen und großen Gemeinden, welch schöaes Gelingen bereits in Stadien wie Cöln, Hannover und Frankfurt, in denen Männer wie Wallraf, Tramm, Rehorst, Adickes sich rückhaltlos für die künstlerische Gestaltung und Durchdringung der ihnen an- vertrauten Städte einsetzten. Ihnen stellte sich der Wiesbadener Oberbürgermeister Glässing in seiner Weiherede bei der Eröffnung der neuen Ausstellung an die Seite. Einige seiner Worte seien hierher gesetzt: „Und die immer fruchtbare Stätte für diese Gemeinschaft soll nun vorbereitet werden durch die Vervollkomm- nung der Städtischen Galerie, durch gute Aus- stellungen der beiden in Vergangenheit und Gegenwart verdienten Vereine, des Vereins für bildende Kunst und des Nassauischen Kunstvereines. Und über allem soll schirmend und schützend die städtische Verwaltung stehen, die in Anerkennung der außerordent-

(iEMAr.DE »SCHI.AKENKES MADCHEN»

liehen Bedeutung des Kommenden ihre ideelle und finanzielle Kraft in den Dienst der guten Sache stellt , für deren Entwick- lung sie aber auch geltend macht ihre eigene Arbeit und ihre Forderung auf Mitentschei- dung und Mitverantwortung der einzu- schlagenden Wege, auf denen sie auch zu fin- den hofft die Förderung des Handwerks und der Gewerbe durch die Kunst."

So scheidet man von dieser ersten guten und fruchtbaren Ausstellung im neuen Wiesbadener Museum mit dem Wunsche, daß der hier feier- lich eingegangenen Verpflichtung durch die weise Wahl der geeigneten Wege und Kräfte eine glückliche Erfüllung werde, fk eh Lübbecke. Ä ijber Albert Weisgerbers künstlerischen Nachlaß bereitet die „Deutsche Kunst und Deko- ration" zurzeit eine umfangreiche \ eröffentlichung vor, die voraussichtlich in einem der nächsten Hefte erscheinen wird DER Herausgeber.

Al.HKKl \VE1;>i;EKHF.K I .MIM'HEN.

GEMÄLDE »MANN IM \VAIIiE«

Der Jüngling, wenn Nalur und Kunst ihn an- ziehen, glaubt, mit einem lebhaften Streben bald in das innerste Heiligtum zu dringen; der Mann bemerkt nach langem Umherwandeln, daß er sich noch immer in den Vorhöfen befinde. . . Indem der Künstler irgend einen Gegenstand

der Natur ergreift, so gehört dieser schon nicht mehr der Natur an, ja man kann sagen, daß der Künstler ihn in diesem Augenblick erschaffe, indem er ihmdasBedeutende, Charakteristische, Interessante abgewinnt oder vielmehr erst den höheren Wert hineinlegt goethe.

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CARL SCHWALBACH-MÜNCHEN. GEMÄLDE .JUDITH.

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GEMÄLDE .STADTBIU)

ÜBER EINIGE GRENZEN DER MALEREI.

Es kann kein Zweifel sein, daß das Sehnen nach Unendlichkeit ein dem Menschen ein- geborenes und wertvolles Streben ist. Ein Erb- teil unserer Jugend, die wegen ihrer inhaltlichen Unbestimmtheit dem (vom Instinkt beherrsch- ten) Bewußtsein als eine selige Einheit mit der noch nicht geschiedenen Welt erscheint; ein Gegenstück zu dem in allen Kleinlichkeiten des Alltags wühlenden Leben des in materiellen Sorgen und Bedürfnissen aufgehenden Men- schen; ein Sehnen, hinter dem ruhelosen Fließen das Beharrende, hinter aller Besonderung die Einheit, hinter allem Vergänglichen das Ewige zu finden, wie sollte da der Mensch nicht stolz sein auf seinen Weg „nach dem Auf- gang"; wie sollte er nicht in diesem Streben eine Würde sehen, die alles adelt, was sie be- rührt ( auch wenn sie es vernichtet); wie sollte er die Größe der Phantasie als der Schöp- ferin aller menschlichen Geistestaten nicht ge- rade darin erblicken, daß sie das Unendliche umschlingt und wiedergibt?

Und doch: sie ist nicht unendlich und nicht in der Unbegrenztheit liegt die Würde des

schöpferischen Triebes. Alles Leben und Wach- sen bedeutet, daß der Mensch sich ins Ganze mit seiner Menschheit gewordenen Individua- lität einwurzelt und sie als solche zur Vollen- dung ausreift. Ob wir den Baum ansehen oder den Weg des Menschen ^ : Jung-sein heißt, unbegrenzt und unbestimmt empfinden; Mann- werden heißt, sich und die Dinge nach Raum und Zeit, nach Sein und Werden, nach Gestalt und Wirken, in der Wurzel und im Ziel be- grenzen und bestimmen. Auch die Phantasie kann, so weit sie schaffend ist, diesem allge- meinen Gesetze, das alles Leben beherrscht, nicht entzogen sein. Mag der Mystiker noch so befriedigt im Unendlichen schwärmen, der Künstler darf sich den großen Schmerz nicht verhehlen, daß es nicht sein Beruf ist, das Un- endhche unmittelbar zu fassen und wiederzu- geben. Man lese etwa die Schillerschen Ge- dichte „DerPilgrim" und „Die Größe der Welt", um den Schmerz dieser notwendigen Begren- zung ganz zu fühlen. In dem einen der beiden klagt der Pilgrim, der in seines Lebens Lenze zu jener goldenen Pforte auszog, hinter der

203

Xl.X. Dezember 1915.

l der ehiig-e (hxnzeii der Ulalerei.

MAKI A ( AM' AK 1-I1.>EK JH NCHEX.

das Irdische himmlisch und unvergänglich ist:

„Ach, kein Steg will dahin führen,

Ach, der Himmel über mir Will die Erde nie berühren.

Und das Dort ist niemals hier."

Und in dem andern führt der Wanderer, der dort seine Anker werfen will, wo kein Hauch mehr weht, und der Markstein der Schöpfung steht", das folgende Gespräch mit dem ihm begegnenden Pilger:

„Steh! Du segelst umsonst vor dir Unendlichkeit!" „„Steh! Du segelst umsonst Pilger, auch hinter

Senke nieder [mir!

Adlergcdanke, dein Gefieder! Kühne Seglerin, Phantasie, Werf dein mulloses Anker hie.""

So begrenzt sich alles künstlerische Schaffen notwendig aus seiner inneren Natur, und das Unendliche ist nicht unmittelbar, sondern nur an der individuellen, gesonderten Erscheinung sein Stoff. Wer das Unendliche selbst, das Universum als solches mit künstlerischen Mitteln glaubt fassen zu können, befindet sich in einem fundamentalen Irrtum über das Wesen der

GEM.ALDF. »AM ST.VKMIERIIEK SEE«

Kunst und ihre notwendigen Schranken. Heb- bel, der sein ganzes Leben lang über die Größe und die Grenzen des Machtbereiches der Kunst nachgedacht hat, sagt einmal in seinen Tage- büchern : „Der Maler kann nicht die Sonne dar- stellen." Dieser Satz, der jeden Kenner der modernen Malerei auf ein bestimmtes Einzel- beispiel weist, enthält eine um fünfzig Jahre vorweg genommene, autoritative Kritik der van Goghschen Kunst in ihren Grundlagen.

Aber auch das ist noch ein Irrtum, daß der Künstler, wenn er nur einmal das Unendliche begrenzt hat, sich nun in diesen Schranken frei und willkürlich bewegen kann. Bei dem unzer- trennlichen Zusammenhang von Inhalt und Form in jedem Kunstwerk ist mit der einen Beson- derungeine ganze Fülle anderer Beschränkungen gegeben, so vor allem diese: daß der Künstler nicht jedes beliebige wirksame Ausdrucksmittel anwenden darf, sondern nur diejenigen, die einheitlich unter sich selbst und in Bezug auf das Ganze sind. Handgreiflich deutlich wird die Notwendigkeit dieser selbstgesetzten Be-

/ 'her eitiiere Grenzen lier Malerei.

l'KANV KI.INHAKin ML NCHKN.

schränkung da, wo die Gesamlwirkung aus dem Zusammentreffen mehrerer Künste erwächst, weil dann jede einzelne sich in d e n Grenzen halten muß, die ihr die andere, und vor allem die leitende unter den andern zieht, wie z. B. in der Schauspielkunst. Wie fern Zeiten voll künstlerischer Kultur von aller selbstherrlichen Willkür waren, wie sicher und taktvoll sie sich unter die Gesetze gebeugt haben, die ihren Kunstinstinkt beherrschten, zeigt sich allemal dort, wo eins ihrer Werke neben einem mo- dernen zu stehen kommt, namentlich, wenn der Neuzeit neben der Kunstkultur auch die Kennt- nis und der Gebrauch der spezifischen Technik verloren gegangen war, wie etwa in der Glas-

,I;MAI Ul'. KKMVsi III KI'ITM

maierei. Die neuen neben den alten Scheiben im Münster zu Straßburg oder Freiburg be- weisen mit aller nur erwünschbaren Deutlich- keit, wie sich die mittelalterlichen Meister be- schränkten, um zu wirken. Leuchtkraft und Farbintensität wurden nicht dadurch erreicht, daß die hellsten Töne und die sattesten Farben gewählt wurden, sondern dadurch, daß um eine gemeinsame mittlere Licht- und Farbskala die Werte so zusammen geordnet wurden, daß durch die Relation der Färb- und Lichtteile zu einander und zum Ganzen des geschaffenen Kunstkörpers jenes unvergleichlich große Er- gebnis entstand, das die Neueren gerade auf dem umgekehrten Wege der unmittelbaren

Über einige Grenzen der Malerei.

PKOIKSS. iR E. K. «EINS. IIEKJ.IN.

GEMAMjF.

BI.rMEN-

STIU.EBEX«

Lichtung und Färbung zu erreichen suchen. Aber wie sie das Bild in sich zerreißen, so auch den Zusammenhang mit der Wand, indem das überhelle oder überfarbsatte Glasbild aus der dunklen, farblosen Architektur herausfällt. Wie geschmeidig wußten sich die allen Meister zu fügen, wie klug und empfindsam rechneten sie mit dem Zusammenklang der Licht durchlassen- den Teile des Glases und der Licht absperren- den, farblosen Architektur. So begrenzten sie sich doppelt in der Wahl ihrer Mittel, aber gerade so schufen sie nicht nur jene an sich klassische Glasmalerei , sondern auch jene höhere Einheit der Kathedrale.

Ich nenne diese Begrenzung ein freiwillig- bewußtes Sich-einfügen in die überlieferten und als notwendig erkannten Kunstgesetze. Wenn

es aber noch einem Verteidiger der zügellosen Freiheit der Phantasie in Sachen der Kunst scheinen möchte, daß darin doch eben auch nur Freiheit und Willkür liege, so wird er sich wohl entwaffnen lassen müssen durch den Hinweis auf das, was die Malerei wegen der notwen- digen Beschränkung ihrer Mittel nicht leisten kann. Bei der Überschätzung der Lehre von der Perspektive, in dem Taumel der Freude, daß man den dreidimensionalen Raum illusio- nistisch auf der Fläche vortäuschen kann, hat man allgemein übersehen, daß es eine ganze Reihe von Raumgebilden gibt, die selbst die vollkommenste Perspektive nicht auf die Fläche bannen wird, Raumgebilde, mit denen sich ganz eigenartige Empfindungen und Gefühle ver- knüpfen, deren Überlieferung und Klärung dem

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[ 'der einige Grenze7i der Malerei.

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III.I.KHKN ^ *-

modernen Menschen mindestens eben so wert- voll wäre als die fast rein intellektuellen Ge- nüsse derProjektion des Raumes auf die Fläche. Ich nenne nur das eine Beispiel eines sanft ab- fallenden Geländes, jenes ganz unbeschreibliche Raumgefühl, das sich für den Obenstehenden mit der allmählichen Senkung einer leichten, weiten Erderhöhung verbindet. Das wird der Maler niemals zeichnen können, wenigstens so lange nicht, als es keine Perspektive gibt, die hinter einem hohen ersten Plan einen tiefen Hintergrund sichtbar zu machen vermag (ohne daß sich das Verhältnis von Bild und Augen- höhe ins Ungewohnte verschiebt). Wenn der Maler diese räumliche Situation direkt nicht darstellen kann, so ist damit natürlich durchaus noch nicht gesagt, daß er das mit ihr verbun- dene Gefühl nicht auf einem andern Wege mit- zuteilen vermag. Gerade darin wird sich die künstlerische Kraft zeigen, daß er das Erlebnis

von der Zufälligkeit der Situation befreien und ihm ein notwendiges Gewand geben kann. Der Streit, ob der Künstler dies oder jenes dar- stellen kann oder darf, ist ganz müßig, weil alles von seinem künstlerischen Talent, d. h. von seinem Bewußtsein gewordenen Instinkt abhängt, ob die Darstellungsmittel sich mit den allgemeinen Grenzen der Kunst überhaupt und den speziellen seiner Kunstart vertragen und von der Fähigkeit, nur solche Erlebnisse zu realisieren, die überhaupt ins Bereich der Kunst gehören. In diesem Sinne gibt es zwei unüber- schreitbare Grenzen für jeden Künstler: daß er niemals das Unendliche, Absolute, die univer- sale Totalität fassen und daß er das, was er geben will, niemals direkt und unmittelbar be- richten, sondern nur indirekt durch einen ge- schaffenen, neuen Kunstkörper darstellen kann. Alles führt uns zu der Behauptung, daß die Kunst jene vermeintliche Würde, die ihr aus der

l ber einige Grenzen der Malerei.

PKOK. HUGO VON H,\BER>L\>N ML'NCHE.N.

Freizügigkeit und Grenzenlosigkeit der Phan- tasie kommen soll, ablehnen muß, um ihre eigene und wie mir scheint weit höhere Würde notwendiger Allgemeingültigkeit zu behaupten. Denn Worte und Gebilde der Phantasie sind zufäUig und unverbindlich, und erst wenn sich

GEMÄLDE »WEIBLICHER TORSO«

der künstlerisch-schöpferische Geist dahin be- grenzt, sich in dem Organismus eines umfrie- deten, endlichenVorstellungskörpers zu realisie- ren, erhält er die Möglichkeit zu einer gesetz- mäßigen, allgemeingültigen Erscheinungsform.

Z. Z LÖRRACH (ÜBERBAUEN). DR. MAX RAPHAEL.

210

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GUSTAV CRECELIUS f KARLSRUHE. GEMÄLDE .WALDBACH.

(irSTAV CRECELIUSt

GUSTAV CRECELIUS f KARLSRUHE.

Gleich zu Beginn des Krieges fand der Karls- ruher Maler Gustav Crecelius, ein ehemaliger Schmid- Reutte- undThoma- S chüler am Donon den Heldentod. Damit wurde die vielverheißende Weiterentvk'icklung eines ersichtlich starken, künstlerischen Talen- tes jäh abgebrochen. Der junge, 1881 geborene Künstler, von dessen schöner und reicher Be- gabung wir hier einige charakteristische Proben veröffentlichen darunter sein sympathisches Selbstbildnis widmete sich ursprünglich, als Sohn eines tüchtigen Architekten, dem Kunstge- werbe und besuchte dann als Schüler der oben- genannten Meister die Karlsruher Akademie.

Diese bekannten Koryphäen der hiesigen Kunst wiesen ihn auch auf den, am intensiven Studium der alten Meister geschulten, koloristisch und zeichnerisch ernsten und strengen Stil hin, der für das ganze, leider so kurze Schaffen unseres sinnigen, feinempfindenden Künstlers so charak- teristisch ist. Gustav Crecelius nahm es wahr- lich mit der Kunst nicht leicht und arbeitete unverdrossen und unablässig an der Vertiefung und Vervollkommnung seines, auf der gediege- nen von seinen Lehrern ererbten Grundlage einer sicheren Zeichnung erworbenen Könnens. Dies lassen deutlich seine hier mitgeteilten Werke erkennen: die prächtigen, an gute alte

XIX. Dezember \<)\5. 1

Gustav Crecelius / Karlsruhe.

(.fMAV iKKc ELirs t KAKI.>KriU.

Holländer gemahnenden und doch in ihrer Schlichtheit und Geschlossenheit so modern empfundenen „Blumen- und Früchtestilleben" (aus einem Gartensaal des Reichsrats Buhl in Königsbach in der Pfalz) und ganz besonders der reizvolle „Waldbach" (in Karlsruher Privatbe- sitz), der koloristisch und zeichnerisch wie ein treffliches Kleinod aus der besten Periode unse- res Altmeisters Hans Thoma sich präsentiert. Der Künstler hat aber auch in der kurzen Zeit seines Wirkens andere großgedachte Werke geschaffen, die ihm ein bleibendes Gedenken in der Geschichte der einheimischen Kunst sichern werden; so zwei monumentale Altar- bilder für die neue Ausschmückung der Abtei- kirche St. Blasien im Schwarzwald, stilvoll deko- rative Kompositionen für Profanbauten wo- bei ihm seine frühere kunstgewerbliche Tätig-

»BI.UMEX- l".\U FRUHTK-MlLI.EliE.N«

keit sehr zu Statten kam und feinvollendete graphische Arbeiten, insbesondere prächtige Holzschnitte. Auch für ein großes anatomisches Tafelwerk das noch nicht erschienen ist hat er als letzte seiner fleißigen Arbeiten die Zeichnungen geliefert. Diesem reichen, viel- verheißenden, auf strenger und wahrer Grund- lage basierenden künstlerischen Schaffen hat nun der unglückselige Krieg mit rauher Hand, wie leider so oft diesmal, ein jähes Ende ge- setzt DR. KOELITZ— KARLSRUHE.

y:

' unstreformer zu sein, fiel mir niemals ein. Dazu fehlte mir eine Theorie, und ohne die geht es nicht! Idi wollte ja nur malen, weil idi die Mei- nung habe, dal! noch gar viele schöne Bilder in der Mensdienseele schlummern, die nocti nie gemalt worden sind!« HANS THOMA.

GUSTAV CRECELIUS t K^VRLSRUHE.

«BLUMK.N- UiND KRUCHTE-STILLEBEN«

VOLKSTÜMLICHE KUNST.

Es ist nur mit gewissen Schwierigkeilen mög- lich, diesen Gegenstand zu behandeln, denn der Begriff „Volkstümliche Kunst" hat im Sprachgebrauch mehrere Bedeutungen. Er be- deutet sowohl Kunst, die das Volk selbst hervorbringt, als auch Kunst, die, ohne aus dem namenlosen Volke selbst zu stammen, doch dem volksmäßigen Empfinden in beson- derem Grade angemessen ist. Unter die erstere Bedeutung fällt beispielsweise die so- genannte Volkskunst (der in der Dichtung etwa das Volkslied entspricht) ; unter die zweite Bedeutung fällt das Schaffen aller jener Künst- ler, die in ihrer Ausdrucksweise und in ihren Gegenständen dem Verständnis breiter Volks- kreise günstig liegen. Man hat dabei etwa an Namen wie Ludwig Richter, Schwind und ver-

wandte Erscheinungen zu denken. Es ist dies Kunst von durchaus ernster Art, der man keinen Abtrag tut, wenn man zwischen ihr und der im eigentlichen Sinne „großen" Kunst einen We- sensunterschied feststellt. Aber der Begriff Volkstümliche Kunst hat noch eine dritte Be- deutung, entsprechend einer dritten Art von Beziehung zwischen der Kunst und der natio- nalen Gemeinschaft, der sie entstammt. Es ist eine häufig gemachte Beobachtung, daß das Höchste der Kunst nur dann erreicht wird, wenn der Künstler aus den Tiefen der Volksseele schöpft. Die nationale Gemeinschaft ist der eigentliche Nährboden für alle Höchstleistungen des menschlichen Geistes. Das große Kunst- werk entsteht nur da, wo sich der Geist des Einzelnen mit den im Volke schlummernden

215

GUSTAV CRECET,TUS j .FELDBLUMEX-STRAUSS« BESITZERIN : GROSSH. GALERIE IX KARLSRUHE.

J^olksfüniliche Kunst.

namenlosen Energien gesättigt hat und wo der Künstler der berechtigte und befugte Wort- führer der Gesamtheit ist. Kunstwerke, bei denen dies zutrifft, haben also auch wohl einen gewissen Anspruch darauf, volkstümlich ge- nannt zu werden. In ihnen spricht das Volk, aber freilich nicht das \'olk als Summe aller zugleich lebenden Volksgenossen, sondern das Volk als Idee, der nationale Genius. Hier tritt also ein Unterschied zwischen den Bedeutungen des Wortes „volkstümliche Kunst" zutage. Ein Unterschied, der zwar bekannt, aber nicht im- mer gebührend beachtet ist und den man durch die Gegenüberstellung des Wortes „volkstüm- lich" und des ihm anscheinend entsprechenden Fremdwortes „populär" gut hervorheben kann. Es ist ein Unterschied, der in manchen Fällen zum schärfsten Widerspruche werden kann. Es gibt von Schiller ein Wort, welches lautet (ich zitiere aus dem Gedächtnisse): „Was den Vor- trefflichen gefällt, ist gut; was allen ohne Aus- nahme gefällt, ist es noch mehr". Dieses Wort hat viel Verführerisches. Die ihm zugrunde liegende Überlegung ist die folgende; was den Hochgebildeten mit der Masse verbindet, ist ersichtlich das rein Volksmäßige, das Nationale. Nur dieses haben beide mit einander gemein-

sam. Wenn nun ein Kunstwerk so geartet ist, daß es sowohl den Beifall der geistigen Ober- schicht als auch den der großen Masse findet, so ist anzunehmen, daß es aus dem gespeist ist, was die beiden verbindet, aus dem Nationalen. Und da dies, der oft gemachten Erfahrung nach, ein fast untrügliches Kriterium der künstleri- schen Höchstleistungen ist, hat ein solches Kunstwerk die Vermutung höchster Vortreff- lichkeit für sich. Dennoch aber gilt das ange- führte Wort von Schiller nicht unbedingt. Denn der Satz; „Alle große Kunst ruht auf einem Untergrunde allgemeinen menschlichen oder nationalen Empfindens" läßt sich nicht um- kehren. Nicht alle im Volksmäßigen wurzelnden Schöpfungen sind zugleich künstlerische Höchst- leistungen, mögen sie sonst auch durchaus acht- barer Art sein. Man denke nur eben an Fälle wie Richter oder Schwind; ihnen gilt der Bei- fall der Masse wie der Höchstgebildeten, sie sind durchaus volkstümlich inspiriert, aber sie sind trotzdem nicht höher zu bewerten als manche andere Leistung, die sich „nur" des Beifalls der geistigen Oberschicht zu erfreuen hat, also beispielsweise Marees. Sicherlich muß auch einMarees durchaus als deutscherKünstler im auszeichnenden Sinne gelten, als ein Künst-

MALER GUSTAV CRECELTUS

lL'uk. gkmalde «feixhex auf einer platte

Volksiüinliche Kiiw^i.

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1er, der Wortführer seines Volkes, Repräsentant seiner Rasse ist. Und doch ist er nicht „volks- tümlich" im nächsten Sinne dieses Wortes. Es lassen sich also Fälle denken, in denen edelste, volkstümlich empfundene und an den feinsten nationalen Kräften genährte Kunst keineswegs sich als „volkstümlich" erweist. Ein schlagen- des Beispiel liefert die Geschichte des größten und nationalsten hymnischen Dichters der Deut- schen, Friedrich Hölderlins. Das deutsche Volk besitzt seit seinen ersten Zeiten bis auf den heutigen Tag keinen Dichter, in dem sich der Genius der Nation reiner und gewaltiger aus- gesprochen hätte. Er ist Sänger des Deutsch- tums in demselben ernsten und hohen Sinne wie etwa Pindar oder Sophokles Sänger des Hellenentums gewesen sind, also Repräsentant

1 i K V\ .\1 liHAM

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des deutschen Geistes in dererhabensten Sphäre menschlichen Tuns. Gleichwohl war er niemals populär und hat auch keine Aussicht, es je zu werden. Er, der so herzlich wie kein anderer wußte, daß die einsamen Begeisterungen der nach moderner Weise ohne Zusammenhang mit dem Volke schaffenden Künstler nur ein Einst- weilen sind, ein Vorläufiges, ein notgedrungener und notdürftiger Ersatz für den allumfassenden „Chor des Volks", in dem allein sich das Gött- liche endgültig auszudrücken vermag.

Es ist vielleicht nicht müßig, Erwägungen wie den soeben vorgebrachten Worte zu geben in einer Zeit, in denen unser Volk sich unter starken politischen Gesichtspunkten kraftvoll zusammen- gefaßt sieht. Der Begriff des Nationalen gewinnt in Tagen solcher starken äußern Zusammen-

/ 'olkstünilichc Kiinst.

HANNS AI.HKRr HciFMANN -DAk.M- 1 AI) 1 .

»l'.EH'il I IN AlU-NDsi .NM-

fassung plötzlich eine stürmisch einbrechende Fülle. Er wird zu einer Wirklichkeit. Und er setzt sich in seinem jungen Kraftgefühl mit allen Erscheinungen des nationalen Lebens, vor allem auch mit der Kunst, in messende Beziehung. Dies ist auch jetzt wieder geschehen. Es zeigt sich nun, daß in solchen Zeiten der Begriff des Nationalen leicht zu eng genommen wird, eben nur in dem nächstliegenden Sinne des dem Volke Faßlichen und leicht Zugänglichen. Dieser Ge- fahr sind wir auch dieses Mal nicht ganz ent- gangen. Die Neuheit des nationalen Lebens- gefühls, das mit inniger Wärme und kräftigem Behagen alle umspannte, gab vielen im Anfang den Gedanken ein, es müßte sich nun auch die Kunst in der Richtung einer allgemeinen volks- mäßigen Faßlichkeit reformieren, sie müßte ganz neue Wege einschlagen, um der Menge des

Volkes gewissermaßen entgegenzukommen. Un- sere soeben angestellten Erwägungen setzen uns in den Stand, Wahres und Falsches in diesen Gedankengängen zu unterscheiden; gewiß werden der Kunst, da sie ja aus dem Leben schöpft, die nationalen Wallungen zur frucht- baren Anregung werden können, aber Maßstab dessen, was nun wirklich aus den Tiefen der Volksseele stammt, ist keineswegs die volks- mäßige Faßlichkeit. Soll unsere Kunst vor be- denklichen Entwicklungs-Hemmungen bewahrt bleiben, so muß der Begriff des Nationalen und des Urgesunden in der Kunst auch nach dem Kriege so weit gefaßt werden, daß auch die Schöpfungen edler und hochgespannter Geister darunter fallen, deren Bedeutung und nationale Prophetie nicht sogleich von allem Volke ver- standen werden kann wilhelm michel.

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PROF. HANS UNGER- DRESDEN-LOSCHWITZ. .KOHLEZEICHNUNGf

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DREIERLEI KUNST.

VON KARL HEINRICH OTTO.

Man könnte auch von „viererlei" oder gar von „fünferlei" Kunst sprechen; es käme nur darauf an, den Gesichtsv^rinkel dafür etwas weiter einzustellen und den Faden mit einiger Schalkhaftigkeit etwas länger zu spinnen. Man könnte mich hier vielleicht mit dem Hinweis be- richtigen wollen, daß da wir bereits zweierlei Kunst hatten die Kunst für das Volk und die Kunst für die Kunst, gemeint sein könnte; die Kunst des Krieges oder die Kunst für den Krieg, um im gleichen Sprachgebrauch zu blei- ben. Und wahrhaftig, man täte nicht unrecht, sie einer besonderen Betrachtung zu unter-

ziehen. Sie hat zwar Furchtbares, Erhebendes und Kitschiges zugleich gezeitigt doch, da- von soll hier nicht die Rede sein. Auch die zweierlei Kunst soll nur flüchtig gestreift wer- den, denn gerade unseren Lesern sind deren Begriffe so geläufig geworden, daß wir sie kaum noch aufs Neue zu erörtern brauchen.

Die Kunst um ihrer selbst willen sollte ja eigentlich stets des Künstlers höchstes Endziel sein. Daß viele Künstler (man muß jedem eigen- wiUig schöpferisch tätigen Menschen schon diese Bezeichnung belassen oder einräumen) davon weit entfernt sind, d. h. dem Gelde, der Kritik,

223

XIX. Dtiember 1915. 4

PROFESSOR JOSEPH WACKERLE BERLIN. »RELIEF.

Dreierlei Kunst.

auch der Liebe folgen, hat gerade das letzte Jahrzehnt uns besonders deuthch gezeigt. Da nicht alle Künstler Genies sind, verbleibt der Künstler des Durchschnitts auch nur besten Falles Tatmensch von der Rangstufe irgend eines wegen der Erfüllung von Trieben arbei- tenden Berufsmenschen. Demgemäß haben wir auch eine gestaffelte Kunst; eine, die ledig- lich gewissen Instinkten entspringt, handwerk- raäßig und spießbürgerlich anmutend, sie wendet sich immerhin an das Volk in gutem Sinne; eine, die, mit den Gebildeten Fühlung nehmend, geistig ringt, schöngeistig sich äußert, Zeit- strömungen folgt, mit deren Werken sich na- mentlich auch die Kunstschriftsteller eingehend befassen, um Richtungen festzustellen, und dann die dritte, die wahrhaft große Kunst, die, unbekümmert um ihre eben genannten dienen- den und frohnenden Schwestern, von den Aus- erwählten der Menschheit irgendwo und zu irgendwelcher Zeit und in irgendwelchem Vor- wurf und Stoff in weihevollen Stunden für die Menschheit erneut das Feuer vom Himmel holen läßt. Die Künstler der zuerst genannten Be- tätigung erwerben und leben; die der zweiten Art streben und schwelgen ; die an letzter Stelle genannten ringen und opfern sich; ihrer sind die Geschichts-, Welt- und Menschheitwerle.

Bis diese als solche erkannt werden, sind ihre Erzeuger oft lange dahin. Ihre Werke wirken aber nach wie heilige Bücher, ihr Geist umwallt den Erdball. Und wenn diesen Werken Gefahr oder gar Vernichtung droht, dann erzittert die Menschheit in ihren tiefsten Gefühlen.

So sprechen ägyptische Königsbilder zu uns, so ein griechischer Tempel und ein gotischer Dom, die Kreuzigung von Matthias Grünewald, das jüngste Gericht von Michelangelo und sein Petersdom, so auch eine Madonna von Dürer oder ein Totentanzbild von Rethel.

Nun brüllen die Geschütze über Länder und Meere und irgendwo zittert ein Rest mensch- lichen Rücksuchens nach Gott um jene Werke. Und vielen andern tut sich die Kunst des Un- sichtbaren auf, sie flüchten sich zu den heiligen Büchern, zu Beethovens Symphonien, zu Goe- thes Faust, aus denen die Werke des Sichtbaren die Seele erhalten und die Sterbenden und Helden des Schlachtfeldes das ewige Leben empfinden. Dreierlei Kunst, dreierlei Leben Es geht wie mit den drei Ringen Nathan des Wei- sen dabei zu: jeder glaubt den echten Ring zu besitzen und versucht die anderen zu über- zeugen, daß dem so sei.

Dreierlei Kunst, dreierlei Maß, dreierlei, um Menschen närrisch oder selig zu machen, h.o

JOSEPH \VACKEKl.E—l-.ERLrX. TLK-UEKRONUNG £>• .1 1 \ill li ll.il -kN

PROFESSOR JOSEF HOFFMANN- WIEN. .WOHNHAUS IN HIETZING.

230

M .--l 1 H' il- 1 \l A.\ \

KSFllF. MIT WIRTsrHAFTS-KINGANC.f.

JOSEF HOFFMANN-WIEN.

Motto; Im Ästhetischen wie im Ethischen gilt dasselbe Gesetz, ganz abgesehen davon, daß ieder für sein ästhetisches Treiben ethisch \ erantworthch ist Hebbel.

Josef Hoffmanns Künstlerwerk liegt in dieser Formel eingeschlossen. Was ihm seine über- ragende Bedeutung als schöpferischer Führer und Stilbildner gibt, ist eben die in ihm tief- wurzelnde Einheit seiner ethischen Weltan- schauung und seines ästhetischen Bekennt- nisses. Den großen Kunst-Problemen dieser Zeit, welche noch immer in knospender Ent- wicklungstehen, trat niemand reineren Herzens, mit edlerer und unbeugsamerer Gesinnung ent- gegen als dieser österreichische Bau-Künstler, der den Unverstehenden als Revolutionär galt, während er doch gerade dadurch ehrfurchtsvoll die Tradition veredelte, daß er formenschöpferi- scher Kunst huldigte. So wie die alten Meister bildete auch er seine Persönlichkeit aus dem Erleben seiner Epoche. Hoffmanns Anfänge trugen nach kurz währender Unsicherheit sofort den Stempel der Gesetzesmäßigkeit. Er lebte seine naturalistische Periode in den Cottage-

Villen der Hohen Warte aus, indem er in dieser expressionistischen Architektur die Form orga- nisch aus ihrer Funktion abzuleiten versuchte. Und so wie in der Malerei nur durch ein Neu- erleben der Natur die Stil-Synthese jeder aka- demischen Gefahr entging, und der Unmittel- barkeit ihres Ausdruckes mächtig wurde, so gab es auch für die moderne Baukunst keinen an- deren Weg, um zu neuer Zusammenfassung der stilentscheidenden Formen zu gelangen, als dieses erste Ringen nach Aufrichtigkeit und Charakteristik einer realistischen Architektur. Bald trat bei Hoffmann ein zweites für den österreichischen, ja für den europäischen Zeitstil entscheidendes Entwicklungs-Moment hervor. Die Primitivität. Um zu der schmucklosen, nur durch Forderung des Zwecks und des Materials gebildeten strengen und einfachen Form wieder zu gelangen, gab er sich einem vielfach intel- lektuell gewollten, und nicht intuitiven Archais- mus hin. Segensvoll wirkte diese strenge Unter- drückung jeglichen Zierates; der logische Aus- druck des Gesetzes im Objekt; die Selbstzucht,

/ose/' Hoffmann - JVicn.

PROKES.SOR JUSEI- Hl 'FI 11.

welche energisch genug war um Phantasie zu opfern, wo es galt, vorerst die Form als Ausdruck der Notwendigkeit festzustellen. Erst nachdem in langen Jahren der Werkarbeit er den Besitz aller Material-Echtheit errungen, die Logik der Struktur gesichert, und sie im weiten Kreis sei- ner Schule ebenso als ethisches, wie ästhetisches Prinzip verankert hatte, erst dann kam der schöne Augenblick der freien Hingabe an sein während der Lern- und Lehrjahre unendlich bereichertes Selbst. Aufmerksame Beobachter der Hoffmannschen Entwicklung konnten schon 1908 in der Kuastschau den Beginn einer neuen Periode erkennen. Seine bisher rein kubischen, flächig schmucklosen Gestallungen und die bis dahin geometrische Linienführung seiner Orna- mente waren von einem neuen Rhythmus beseelt. Jetzt offenbart der Künstler den zurückgestau- ten Reichtum seines sinnlichenNeuerlebens. Als Baukünstler zeigt er zum ersten Mal im Hause Ast (Hohe Warte), wie aus dem Beton orna- mentale Schmuckwirkung gewonnen werden kann; als Innenkünsller zeitigt er im Holzmöbel das Motiv der reliefgeschnitzten Füllungen, und der Perlmutter-Einlagen, die, in eine edel be-

■.U.VU> l.\ HIET/ING- .\.\MlHT I>ER GAR 1 E.\;,Eri F.

grenzte Fläche sparsam eingesetzt, juwelen- gleich wirken. Wie im Ornament nun Laub und Blüten, Beeren und Knospen, Stiele und Rippen aneinanderdrängen, sich schlingen, aufstreben und abklingen, das gibt leidenschaftlich er- fühltes Erleben wieder. Immer allerdings mit jenem keuschen Maß der Abgrenzung, das wie ein Abglanz frühen Griechentums über des Meisters Gestaltungen sich breitet.

Zwei neue Aufgaben differenziertester Art zeigen nun die Unerschöpflichkeit dieser genialen Baukünstler-Phanlasie und die Bereicherung, welche die Ausdrucks- Kultur überhaupt ihr verdankt. Ein Wohnhaus in dem durch das Schönbrunner Schloß zu einem der vornehmsten Gartenviertel alt-wiener Baukullur gehörenden Hietzing und ein Landhaus in Winkelsdorf bei Mährisch-Schönberg, am Fuß des Altvaters ge- legen, sind für einen Künstler, der wie Hoff- mann das subtilste Gefühlsvermögen für die Harmonie einer Baueinheit besitzt das heißt: für den Stil der Umgebung, für den Charak- ter des Landschaftbildes, für die Wesensart der Menschen, für die Tönung der Atmosphäre, für den Zusammenhang von Material und Ört-

XIX. Dezember 1915. J

JOSEF HOFF.MAXX. WdllXHAls IN lllETZIXG EIXlrAXti. .MARMOR, ROTER TEPPICH, SCHW. HOLZ.

[osef Hoffmanti - ]Vien.

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KAMIM'IAI/ IN M l.l .NMl.ll. HAl.l.l-,

lichkeit ebensoviele ideale Forderungen, wel- che in Form und Farbe er zu übersetzen ge- willt ist. Der monumentale Charakter des Hietzinger Wohnhauses bringt dem Gedächtnis das schön gegliederte österreichische Festhaus auf der Cölner Werkbund-Ausstellung nahe. Auch hier wird durch die streng axiale Teilung der Fassade, wie durch die Anordnung der beiden Giebel, die von einer Pilasterreihe ver- bunden sind, ein klassisch vornehmer, leicht pathetischer Stimmungs-Akzent geweckt. Ihren besonderen Reiz erhält aber diese Fassade durch die neuartige Proportionierung der reinen Architektur mit der schmückenden Plastik. Die von Professor Anton Hanack im Giebeldreieck gelagerten Figuren, auf welchen das Licht so wechselvolle Melodien spielt, wurzeln in der edlen Tradition jener alt-wiener Bauplastik, für die noch in Franz Zauners Wiener Klassi- zismus zahlreiche Beispiele sprechen. Ganz jedoch das Werk eines intuitiven schöpferischen Einfalles ist der skulpturale Schmuck der die Giebeltrakte verbindenden Pfeiler. Sind diese reizvoll bewegten Figuren (Professor Hanack), die knapp unter dem Hauptgesimse aus den Pilastern hervorspringen. Dieses Thema einer engen Wechselwirkung von Architektur und

bildnerischem Schmuck setzt sich wie ein Leit- motiv sowohl nach Außen als auch in den Innenräumen fort. Auf dem Gewächshaus, dessen gemauerter Unterbau einer Gartenhalle dient, bilden eine Reihe köstlicher Putten, die Hanack aus seinem Dichtersehertum zu Form erlöste, eine liebliche Wacht über die Blüten- veste. Weiter in dem architektonischen Abteil des Gartens umfrieden weißlackierte Holz- spaliere, die mit durchbrochen geschnitzten Schildern geziert sind ein Tee-Tempelchen. Auch hier ist in dem Giebel eine geschnitzte Holzfigur eingesetzt, die Andri, ein Meister der Holzbildhauerkunst, verfertigt hat. Das wuchtige, ganz aus dem Geist des Materials (Schmiedeisen) entwickelte Ornament des Gar- tengitters gibt ebenso Zeugnis von Hoffmanns ornamentaler Kraft, wie die in der Prachthalle des Hauses aus hellgebeizten Eichen geschnitz- ten Füllungen, welche diesen Raum und eine Wand der hier sich entwickelnden Stiege aus- zeichnen. Hoffmann hat hierfür 52 verschie- dene Ornamente gezeichnet, die in ihrer Reihen- folge so glücklich versetzt sind, daß der Be- trachter keiner Wiederholung sich bewußt wird. Ich muß hier von einer Besprechung des Grundrisses und der einzelnen Räume absehen.

PROFESSOR JOSEF HOFFMANN. .HALLE IM HAUSE IN HIETZING«

ARCHITEKT PROF. JOSEF HOFFMANX-WIEX.

»ARBEITSZIMMER DES HERRN« AUS DEM HAUS IX HIETZIN'G.

240

^

ARCHITEKT PRi IFKSS( iR Ji )SEF lH )KFWAXX- WIEN'.

»ZIERSCHRANK UNIl HEIZKliRPER IM SAI.liN , HAUS IX HIETZING.

241

ARCHITEKT PROFESSOR JOSEF HOFFMAXN WIEX.

HArs IN HIETZING. »BLICK IN DAS SCHLAFZIMMER DES HERRN«

242

ARCHITEKT PROFESSOR JOSEF HOFFMANN -WIEN.

»Ill.lCK IX DAS SCHLAFZIMMER DER FRAUo IM HAfSE IX HIETZIXG.

XIX. Dezember 1915. 6

243

Josef Tloffmann IVien.

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HKiiKF.SsriR JOSEF HOKFMANN - WIEN.

Die Abbildungen sprechen ja besser, als das Wort es vermag, von der vornehmen, subtilen Kultur der architektonischen Gliederung, die allerdings durch die Vorstellung eines Farben- klanges — der immer überraschender, sonorer, an dumpfer Leidenschaft und hellen Harmonien reicher geworden Ergänzung der Phantasie fordert. Was diesem von nachbarlicher alter Edelkultur umgebenen Heim sein Gepräge gibt, ist eine sittlich-ethische tiefe Empfindung, die zu vollkommenem künstlerischen Ausdruck ge- bracht wird. Sie gilt der Kulturhaltung, an deren Sein Hoffmann die Kraft seines Daseins setzt. Denn seine Sehnsucht galt und gilt der Aristokratisierung des Geschmackes, der Ver- edlung der Luxuswelt, der Wiederherstellung des Qualitätsgefühles, eines sinnlichen Daseins- ausdruckes. Daß der Staat und die Schichte der oberen Zehntausend wieder wie einst zum Bewußtsein und zur Pflege alles Echten erzogen werden müssen, wenn die Renaissance des Ge- samtkunstwerkes, wenn die im Leben mit dem Leben wirkende Kunst nicht ungenützt als Künstlertraum verklingen soll ; aus diesem Welt-

Kl CHE IM HATSE IN HIETZLNG.

bewußtsein entstehen immer wieder solch edle Einheiten von Raum, Form, Material und Farbe, wie sie hier in Wort und Bild dem Leser nahe- gebracht wurden berta zuckerkandl.

*

T Tber das Landhaus in Winkelsdorf bei ^-^ Mährisch-Schönberg das auf Seite 233 gleichzeitig erwähnte Werk Prof. J. Hoffmanns wird in einem unserer nächsten Hefte ausführ- lich in Bild und Wort berichtet werden. . . a. k. Ä

Das Zimmer drückt dds Wesen seines Bewohners aus. Ist dodi alles, womit sich der Mensch um- gibt, die Kleider, die er trägt, die Werkzeuge, die er braucht, die Möbel, die ihm dienen, das Haus, das Ihn birgt, eine Erweiterung seiner Körperlichkeit, ganz ahnlich wie bei den Tieren die mannigfach modifi- zierte Bekleidung und die unendliche Vielgestaltig- keit zu Werkzeugen umgebildeter Glieder. Nur, daß der Mensch seine ins Unendliche komplizierten Be- dürfnisse nicht durch die Entwicklung seines eigenen Leibes befriedigen kann Alfred Lichtwdrk.

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er keinerlei Fesseln kennt, dessen Kunst zerfährt in form- und bedeutungsloser Willkür. G.Semper.

PROFESSOR JOSEF HuFFMANX.

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DIE ANFÄNGE DER GESCHMACKSBILDUNG.

In einer Zeit, wo man die erste Ausbildung des kindlichen Intellektes zur Hauptaufgabe mütterlicher Erziehung machen möchte, kann man wohl nicht oft genugbetonen, daß mindestens nebendieser Aufgabe, meiner Ansicht nach vor ihr und üb e r ihr die Entwicklung anderer Eigen- schaften zu beachten ist. Hier sei ausschließ- lich von der Ge s chmacks bildung die Rede. Die Bedeutung, die der Ausbildung des kind- lichen Geschmackes in der Erziehung im allge- meinen beigemessen wird, ist im Einklang mit der Einschätzung des Geschmackes im Leben überhaupt ziemlich gering. Wer viel weiß, wird höher eingeschätzt, als wer guten Geschmack verrät und der sogenannte Geschmack unserer Gebildeten ist in Wirklichkeit ein auf Wissen und Kenntnisse zurückgreifendes Urteil oder Vorurteil, nicht aber ein ursprünglicher, untrüg- licher Sinn. Daß die unverhältnismäßig geringe Bewertung der Geschmacksbildung nicht der großen tatsächlichen Bedeutung des Geschmak- kes für die ganze Kultur entspricht, kann und

soll hier nicht begründet werden, es darf wohl als eine immer allgemeiner anerkannte Wahr- heit zugrunde gelegt werden.

Demgemäß finden wir auch in der modernen Pädagogik weitgehende Bestrebungen, der Ge- schmacksbildung mehr gerecht zu werden, als das früher geschah. Ohne die Zulänglichkeit der bis dahin in Schulen ergriffenen Maßnahmen untersuchen zu wollen, möchte ich betonen, daß selbst die besten Methoden fruchtlos bleiben müssen, wenn der Geschmack des jungen Men- schenkindes nicht schon vorher zu einer ge- wissen Stufe entwickelt wurde. Denn man kann sich leicht klar machen: wenn schon das biß- chen Wissen, das die Schule mitgibt, so leicht und schnell verfliegt, obwohl, sagen wir, wö- chentlich 6 Stunden zur Einverleibung verwandt worden sind, wie viel oberflächlicher mag erst eine Geschmackskultur sitzen, die in 2 3 Stunden wöchentlicher Einwirkung erworben werden sollte? Zudem verlangt der Geschmack wohl noch eine viel eingehendere Pflege als

ARCHriEKl l'RnFESSiiK JnSEI- lH iFFM ANN -WIEN.

l.EW-U H,sHAr> liEN HAtM> I.\ HIKIZIM, l'lllKN V. l'Kt'l-. HANXAK,

Die A>ifä>igc der Geschmacksbildung.

l'ROI-T.b.SOK JOSEF Hun-.MAN.N WIEN.

reines Wissen, weil er eben nicht in fertigen Formeln überliefert werden kann, sondern lang- sam im Menschen entwickelt werden will.

Wenn man also schon und mit Recht die Forderung aufstellt, daß die Mutter der Schule wesentlich vorarbeite, indem sie den nötigen Grundbau zur Schulkultur liefere, so sollte man dies viel eher in Fragen des Geschmackes als in denen rein intellektueller Fähigkeiten tun, die immer noch frühe genug erworben werden können, was vom Geschmack weniger behauptet werden kann. Auch dürfte gerade der Mutter als Frau die Erziehung zum Geschmack weit näher liegen als die Ausbildung des Intellekts, sowohl was natürliche Neigung als auch die Fähigkeit anlangt, welche beide ja wohl Hand in Hand zu gehen pflegen.

Zunächst darf ich wohl darauf hinweisen, wie die Ausbildung des jugendlichen Geschmackes nicht zu geschehen hat; und da muß ich not- wendigerweise auseinandersetzen, was eigent- lich unter Geschmack zu verstehen sei, da eine falsche Methode sehr oft auf eine falsche Auf- fassung der Sache zurückzuführen ist. Viele

(.AkAt.K l;hIM UAl^K IN llli;i/l\<

glauben, Geschmack bestehe in der Kenntnis überlieferter Kunslformen und suchen demge- mäß den Geschmack durch kunstgeschichtliche Unterweisung zu lehren. Stilvoll und geschmack- voll ist für sie dasselbe, und so braucht man nur die verschiedenen „Stile" zu kennen und sich für irgend einen oder eine Kombination mehrerer zu entschließen, um sich Geschmack erworben zu haben. Dies setzt aber eine ge- wisse Abstraktionsfähigkeit des Menschen vor- aus, weshalb man mit der Geschmacksausbil- dung erst sehr spät anfängt - so in Prima, gewissermaßen als Dessert des leckern Bil- dungsmahles, das denn überhaupt nur den Kin- dern vornehmerer Leute gereicht wird, während der Volksschüler leer ausgeht. Diese Auf- fassung, welche Geschmack mit oberflächlichem Kunstkennertum identifiziert, ist in doppelter Weise hinfällig. Einmal indem sie aus dem Ge- schmack ein Wissen macht, wo er in Wirklich- keit einen verwickelten Komplex von Gefühls- und Willensregungen darstellt, in dem die Vor- stellungen erst sekundär auftreten und nur höchst selten zu reinen Begriffen verblassen.

AKCHirEIvT PROFESSUR JDSKF HOFF.MANX WIEN. HAUS IN HIEIZING. -BI.ILK ZUM TEE-TEMrELCHKX IM GARTEN«

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Die Anfänge der Geschmacksbildnvö.

PROFESSOR JOSEF HoFFMA.NN- Wlh;

Zum andern faßt sie den Gegenstand des Ge- schmackes viel zu beschränkt, ja in gewissem Sinne falsch, wenn sie ihn in der sog. „Kunst" sieht, Kunst im engeren Sinne natürlich, als bildende Kunst oder doch höchstens noch Musik und Poesie dazu. Gewiß gibt es auch in der Kunst Geschmack und (leider noch viel mehr) Geschmacklosigkeit; aber es gibt nicht allein in der Kunst Geschmack. Geschmack, bezw. Mangel daran kann man auf jedem Gebiete menschlicher Kultur beweisen , im täglichen Leben z. B. in Kleidung und Benehmen noch viel auffälliger als in der Kunst. Geschmack bezieht sich nicht auf einen bestimmten Gegen- stand, sondern kennzeichnet ein allgemeines Verhalten des Menschen zu beliebigen Gegen- ständen, nämlich die Art und Weise, wie der Mensch seine Umgebung (im weitesten Sinne) zu gestalten versteht oder wie er sich zu schon Gestaltetem stellt anerkennend oder ver- urteilend. Faßt man aus solchen Erwägungen das Wort Kunst im weitesten Sinne als Inbegriff alles Könnens oder Gestaltens, so ist freilich alle menschliche Kultur Kunst und dann mag man Geschmack auch gleich Kunstsinn setzen.

Hieraus folgt, daß Geschmack niemals lehr- bar, höchstens durch Beispiel anerziehbar ist. Da nun erfahrungsgemäß der Mensch in seinen ersten Jugendjahren am leichtesten durch Bei- spiel zu beeinflussen ist und zwar nachhaltig, so ergibt sich die Notwendigkeit, mit der Ge- schmacksausbildung möglichst frühe zu begin- nen ; nicht Dessert vielmehr die Grundlage aller Erziehung sollte sie bilden. Im vierten Lebens- jahre ja noch früher hat sie einzusetzen, oder besser gesagt, von dem Zeitpunkt ab, wo Kin- der anfangen ihre Umgebung und sich selbst zu betrachten, d. h. zu beurteilen. Der Geschmack der meisten Menschen setzt sich aus Gewohn- heiten zusammen, wie überhaupt der ganze Mensch. Was das Kind in frühester Jugend in seiner Umgebung gesehen hat, was ihm als schön und gut gepriesen wurde, und was es gewohnheitsmäßig als solches anerkannte, das gibt den Maßstab für jede spätere Beurteilung wie auch die Richtschnur für die eigene Ge- staltung ab. Als Gegenstand, auf den die kind- liche Aufmerksamkeit sich zunächst richtet und der demnach erstes Objekt des Geschmackes ist, kommt zweifellos die Kleidung in Betracht.

I'iie Anfänge der GescJiniackshihiung.

Das Kind empfindet die Kleidung wohl zunächst als einen Schmuck; es ist die erste Gestaltung einer notwendigen Materie, die das Kind be- wußt als solche empfindet und daher auch nach ihrem Werte als schön oder häßlich beurteilt. Hier setzt nun bewußt oder unbewußt die Einwirkung der Mutter auf die weitere Ge- schmacksbildung des Kindes ein. Denn je nach- dem sie die rege Aufmerksamkeit des Kindes auf die Form des Kleides im ganzen (sagen wir Zweckmäßigkeit des Schnittes, Gediegenheit des Stoffes) oder auf unnötigen Putz wie Spitzen, Bänder und dergl. lenkt, wird sich das Kind gewöhnen, auch später das Wesentliche und Große oder das Kleine, Nebensächliche zur Beurteilung zu benutzen. In zweckmäßiger, ge- sunder Kleidung, die deshalb nicht nüchtern zu sein braucht, wächst das Kind sicher auch in einen gesunden und gediegenen Geschmack hinein, ohne hausbacken zu werden, während das aufgeputzte Äffchen eben sein Leben lang nichts anderes werden wird. Die ursprüng- lichen Eindrücke können vor allem bei Mäd- chen bedeutend verstärkt werden, wenn sich das Kind selbst an die Gestaltung der Kleidung etwa seiner Puppe heranmacht. Hier kann die Mutter darauf hinweisen, was notwendig und zweckmäßig und darum schön ist und was als unwesentlich fortbleiben oder doch erst in zweiter Linie berücksichtigt werden muß. Auch kann neben dem Formensinn das Verständnis für Farbenharmonie geweckt werden, indem man aufmerksam macht, daß gewisse Farben in der Kleidung sich vertragen, andere aber nicht. Als weitere Gegenstände, an denen sich der Geschmack unserer Kleinen übt, kommt sodann allerlei Spielzeug in Frage, wie Holzfiguren, Bilderbücher, Puppenstuben und dergl. mehr. Wir besitzen ja heute soviel wirklich schöne Spielsachen, daß ein Ereifern gegen unzweck- mäßige Spielsachen als einer Gefahr für den guten Geschmack, unnötig ist. Viel wichtiger als die sorgfältige Auswahl des gekauften Spiel- zeugs ist die Überwachung des eigenen Gestal- tungstriebes, wie er schon bei der Puppen- toilelte zu Tage tritt. Wenn der Junge z. B. Häuser baut oder das Mädchen seinen Kuchen backt, so muß auch hier darauf geachtet wer- den, daß das Kind den Hauptzweck erfaßt und

gestaltet und sich nicht durch irgend einen Nebenzweck verleiten läßt, also etwa, daß der Knabe mit seinem Baukasten vor allem richtige Konstruktionen ausführt, nicht auf unwichtige Verzierungen sein Augenmerk richtet, das Mäd- chen in seinem Puppenhaushalt weniger auf Näschereien als auf nahrhafte Speisen Sorge hat.

Als letztes Objekt dieser ersten Jugendjahre, die aber schon zum reiferen Zustande überleiten, sei schließlich noch die Einrichtung des Heimes und die Ausgestaltung seiner näheren Um- gebung erwähnt. Es ist klar, daß eine solide, einfache aber doch schöne, d. h. im höchsten Sinne zweckentsprechende Einrichtung von großem Einfluß auf die Ausbildung des Ge- schmackes ist. Das Kind ist gewohnt, alles nach sich und seiner nächsten Umgebung zu beur- teilen. Eine Ausstattung, die auf äußerlichem Schein und Prunk beruht, wird auch den Ge- schmack des darin Aufwachsenden veräußer- lichen, während ein geschmackvoll eingerich- tetes Heim auch zu echtem Geschmacke erzieht. Dabei kommen weniger eigentliche Kunstgegen- stände in Frage wie Bilder und Plastiken, die das Kind kaum beachtet ; vielmehr die täglichen Gebrauchsgegenstände, Möbel, Geschirr, Vor- hänge und vor allem der Gesamteindruck, der Stil des Ganzen, wenn wir das gefährliche Wort gebrauchen wollen. Das wird für den bleiben- den Eindruck maßgebend sein, ob die Wohnung schlicht oder prunkvoll, ruhig oder überladen, einheitlich oder gestückelt, gediegen oder falsch ist. Denn diese ist der Ausdruck einer über- tünchten Scheinkultur, wo jene ein echtes, aus- dauerndes Leben offenbart. Wer inmitten von Surrogaten aufwächst, wird sich auch im spä- teren Leben an die Fälschung halten, wogegen das Kind gediegener Kultur selbst zu einem Menschen mit gutem Geschmack heranwächst.

Hier liegt nun meiner Ansicht nach das Haupt- arbeitsfeld, das die Frau als Mutler in der Er- ziehung zu beackern hat, eine Arbeit, mit der sie beginnen muß, längst ehe sie Mutter ist. EineFrau, die dasHaus geschmack- voll ausgestaltet, das ihren Kindern ein Heim werden soll, tut für deren Erziehung mehr als der berufenste Lehrer in Kunstgeschichte zu tun vermag Friedrich müller— günterstal.

PROFrSSoR HnFKM-\NN.

likdSi HR IV SII.ÜEK.

GRETEFISCHEL -BRliNN. KISSEN IN KREUZSTICII-STU KEREI

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XIX Dci.mber 1915 7

KLISAHETII HA( HARACH Cll AULOT lENBtTRti. DKCKE IX m.KT-ARP.EIT.

VERDEUTSCHUNG FREMD- SPRACHLICH. FACHAUSDRÜCKE IN DER MALEREI.

VON HERMANN ESSWEIN MÜNCHEN. Fortsetzung I.

Das schöne echt halbbildungsgemäße Fremdwort „Technik" will dabei durchaus nicht mehr besagen, als Handwerk, erlernbares Können auf den ja gewiß nicht zu unterschät- zenden Gebieten der Rohstoffkunde, des Leinewand- und Tafelvorbereitens, der Kenntnis der chemischen und physi- kalischen Eigenschaften der Farben und ihrer Bindemittel, schließlich auch das sich Verstehen auf alle in der Tat nur technischen, handwerklichen Hand- griffe, die ein geschickter Lehrmeister auch einem ganz schwach oder gar nicht Begabten mit der Zeit beizubringen ver- mag. Wollte man sich nur immer vor Augen halten, wie wenig, wie armselig Selbstverständliches dies zu Tod ge- hetzte Fremd- und Schlagwort besagen will, man würde es kaum noch erleben, daß irgend ein äußerlicher hohler Vir- tuose und Bravourmaler mögen diese fremdzüngigen Ekelnamen an denen haf- ten bleiben, die keinen guten deutschen Namen wert sind spreizend sich et- was auf seine „brillante Technik" zu gute tut. Wo hätte je ein zunftbeglau- bigter Schuster- oder Schneidermeister sich auf ähnlichen Gemeinplätzen betre- ten lassen? Räumen wir bei dieser Gelegenheit gleich weiter auf mit fremd- sprachlichen Unnolwendigkeiten. Die handwerkliche Seite der Kunstübung be- rühren mehrere Fremdwörter, die, wie Aquarell leicht durch Wasserfar- ben- oder wie Gouache ganz sinnge- mäß als Deckfarbenmalerei zu über- setzen wären, wobei die letztgenannte Bezeichnung der intimen Kabineltkunst mit deckenden Wasserfarben zu gute kommen, das Staffeleibild größeren For- mates und das Wandbild entsprechender Mache aber nach wie vor als Tempera- gemälde bezeichnet werden könnten, bei der Verschiedenheit der Tempera- verfahren ein unersetzlicher, gegen das Ölverfahren gut abgrenzender Sammel- name. Dagegen ist der Ausdruck Pa- stell für das gut deutscheu, vollkommen wesendeckende Farbkreide durchaus entbehrlich. Daß ich die Ausdrücke

Verdeutschoig fremdsprachlicher Fachmisdrücke in der Malerei.

intim, Kabinettkunst, Format, wofür sich übrigens in manchem Falle ganz gut Bildgröße sagen läßt, nicht zu verdeutschen suchte, geschah aus guten Gründen. Wir haben für intim in ein- zelnen Wendungen wie behaglich, anhei- melnd, bescheiden, zart, anspruchslos, eindringlich usw. keinen vollwertigen Ersatz, denn das Fremdwort gibt von jedem dieser Be- griffe etwas und doch noch mehr als sie alle zusammen, und auch dem Begriffe des Kabinett- mäßigen werden wir mit einer deutschen Wen- dung kaum beikommen, wenn wir nicht etwa nach dem Beispiele der Kammermusik von Kammerkunst und K amm er s t ück che n reden wollen. Die Bezeichnung einer gewissen Art des Farbenauftrages als pastos läßt sich dagegen völlig ausreichend und sinngemäß mit zähflüssig, dickauftragend übersetzen.

Die unvereidigten Geschworenen, die über Aufnahme und Ablehnung von Bildern in Kunst- ausstellungen zu entscheiden haben, bilden immer noch die Jury, die man nebst den von ihr abgeleiteten Wendungen wie etwa hinaus- jurieren, juryfrei, Jurorendummheit wohl schwer- lich aus der Sprache der Werkstätten hinaus- bekommen wird. In manchem Fall tut es üb- rigens schon jetzt der Ausschuß, auch Hänge-

ausschuß statt Hängekommission ebenso gut. Dem Katalog auch in der für die gelehrte Welt wichtigen Form des Catalogue raisonne wird es nicht viel schaden zum Bilderverzeich- nis, bezw. zum bearbeiteten Verzeichnis zu werden. Das allzuviel gelesene Niveau einer Ausstellung ist überall nur übles mit eini- gen leichten Handgriffen auszujätendes Fremd- wörterunkraut, und der viel belieble Dilet- tant sollte, je nachdem seine angenehme oder seine widerliche Erscheinungsform gemeint ist, schon der Klarheit halber stets als Liebhaber oder als Stümper verdeutscht werden. Der Amateur wäre entsprechend seiner Bedeutung innerhalb der Kunstsphäre, aus der er her- stammt im Gegensatz zum ausübenden Lieb- haber von Fall zu Fall als Kunstfreund, Kunstförderer, Kunstsammler oder Kunstkenner zu bezeichnen. Der Kritiker als Kunstrichter riecht mir zu sehr nach der staatsanwaltlichen Aktenmappe, der Kunst- betrachter ist weniger grimmig und auf jeden Fall dem Kunstreferenten vorzuziehen, des- sen Übersetzung als Berichterstatter unbe- dingt zu verwerfen ist, um nicht jene urteils- losen Beurteilungsversuche zu ermutigen, wie sie sich vielerorts breit machen. (Schluß foigt.i

CECn.IEXHII. FE- BERLIN. >7.\VEIG IN H.AKELSPIT/.E&

KKKAMISCHE WEKK.STATl E FRAU ESTHER MILLER— FKEU'.URi; L H. HoHK l". MKIJR. BLTMEN VAsE.N MLl FARBIGER GLASUR.

KUNSTTÖPFEREIEN VON ESTHER MÜLLER-FREIBURG I. B.

Zu den blühendsten Industrien unserer Zeit zählt die der Kunsttöpferei. Wer mal die Gelegenheit eines Besuches der Leipziger Messe dazu benutzte, einmal ausschließlich die Neu- erscheinungen auf diesem Arbeitsgebiete zu besichtigen, wird erstaunt gewesen sein über die Fülle von Formen, Glasuren und Farben, die aus Staatsmanufakturen , Fabriken und Kleintöpfereien sich hier zur Schau stellte. Hier kann man seine Kenntnisse über Erzeu- gungsorte und Techniken festigen und seinen Geschmack einer Nachprüfung unterziehen. Und innerhalb eines schier erdrückenden Reich- tums späht man, wie nach Befreiung suchend, nach einfachen Formen und voUklangigen Far- ben, Lichtwarks Bestrebungen nach einer Vase, die bestimmten Blumen und Sträußen gerecht wird, sind lange Zeit unerfüllt geblieben, trotz- dem seine Anregungen dafür reichlich flössen. Zu den wenigen Erzeugnissen, die gerade seinen Anforderungen am meisten entsprechen dürften, rechne ich die von Esther Müller in Freiburg im Breisgau gefertigten schlichten, handlichen und farbenfrohen wie schönlinigen Vasen mit an erster Stelle. Aus ihnen spricht

ein tiefes Empfinden für Blumenschmuck im Zimmer; diese Vasen sind ihrer ganzen Erschei- nung und Aufmachung nach ein tiefer Unter- und Mitklang zur Verstärkung des blumigen Inhalts. Sie vermitteln feine Zusammenstim- mungen, sie lassen mehr noch erreichen: sie geben der jeweiligen Blume ihre Persönlichkeit zurück. Aber nicht nur in dieser Beziehung wecken diese Kunsttöpfereien unser Entzücken, sondern sie befriedigen auch rein technisch durch ihre Formgebung wie Glasierung. Gerade bei dem hohen Stande der vielen neueren Kunsttöpferei-Techniken liegt die Gefahr einer mißbräuchlichen Anwendung sehr nahe. Esther Müller ist hier keinerlei Versuchung verfallen; ihre feine Bildung und künstlerisches Zartgefühl für die Grenzen des schmückenden Beiwerks bewahrt sie gefestigt vor jedem Übermaß, dem sonst Frauen so leicht in ungeschulter Schmuck- freude unterliegen. Deshalb wünschen wir gerade ihren so eigenartig-persönlichen Vasen, Kumpen und Schalen vollste Anerkennung und weiteste Verbreitung. Mit diesen erfreulichen Kleinwer- ken würde schon ein erziehlicher Einfluß auf die Geschmacksbildung nachwirken, prof.o.schul/e.

MX Dezember 1915 S

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BEWEGLICHE SOLDATEN VON KÄTHE KRUSE.

EIN BRIEF DER KÜNSTLERIN AN DEN HERAUSGEBER.

^Tein das ist schrecklich, daß ich selbst mich i über die kleinen Soldaten äußern soll. Sie wissen doch, daß ich mich nicht gern selbst äußere. Ich meine: entweder eine Sache ist gelungen, dann sagt sie selbst alles, was man wollte und wünschte, oder sie ist nicht durch- geführt, und dann hilft alles Erklären und Weise- reden garnichts. Nein, ich bin ein Feind alles Redens. Wir haben zu gut und zu klug reden gelernt. Für die simpelsten Gedanken-Wirr- gänge haben wir verblüffende Titel gefunden, liest man solch eine Abhandlung mit sozialen und ethischen und künstlerischen Gesichts- punkten, so wird man ganz stumm vor Ehr- furcht und eine eigne Stellung zu den Dingen ist im Keim erstickt. Ach, ich möchte fast sagen, daß ein Teil der Welt nur deshalb so urteilslos ist, weil der andere Teil so klug reden kann. Und ich möchte halt durchaus nicht in dies Fahrwasser kommen, auch klug-zu-reden. Ich bin ein ausgesprochener Tatmensch. Bescheidne kleine Taten, aber mit der nötigen Verbissen- heit. Und hier war sie besonders von Nöten. Mein Mann hatte mir gesagt, ich solle nun Sol- daten machen. Das war natürlich, denn man denkt jetzt nur an Soldaten. An die Soldaten draußen im Schützengraben, oder die auf den russischen Schlammwegen. Oder an die in den Lazaretten, oder auch die in den Gefangenen-

lagern. Und in den Kasernen. Und auf den Truppenübungsplätzen. Und die Flieger I Und wo überall sie sind , unsere Soldaten. Die ganze Phantasie ist ausgefüllt mit allem was unsere Soldaten tun, immer sieht man sie. Und wenn man Soldaten macht, dann müssen sie alles tun können, was die draußen tun. Das war klar. Alles mußte man damit machen kön- nen. „Fein" mußte es sich damit spielen lassen! Der Phantasie alle Möglichkeiten geboten wer- den, den Soldaten in jede Stellung zu bringen, die der vorschwebenden Situation entspricht. Genau entspricht. (Hier fängt das spielerische, vielleicht künstlerische dieser Arbeit an, das, wozu die Verbissenheit gehörte.) Es war für mich nicht gar zu schwer, diese Menschlein zu schaffen. Wissen Sie, wie ich darauf kam? Ich war erst ganz verzweifelt über meines Mannes Wunsch, ganz genau so wie damals, als er sagte : mach deinen Kindern selbst Puppen. Wie soll man das so einfach machen! Nein, ich war wieder recht unglücklich über den neuen Be- fehl. Denn neben allem „Tun" bleib auch ich recht gern im Gleise. Und da sah ich gelegent- lich, ohne etwas zu suchen, eine Photographie von einem Feldlager. Im Vordergrund stand ein Feldgrauer ganz einfach, bißchen müde, bißchen zerdrückt und staubig, gar kein „Held", einfach ein Mensch, der seine Pflicht erfüllte

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I3nvegliche Soldaten von Käthe Kruse.

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und beim Feuer steht. Undda „hatt"' ich's! Und nach diesem Bilde eines unbekannten Soldaten habe ich meine „beweglichen Soldaten" gemacht. Und wenn es gelungen ist, dann muß etwas von dessen Schlichtheit in jedem meiner ver- schiedensten Soldaten sichtbar geworden sein.

IN l.kWAK I r.\G IJES MARSCH-BEFEHI.S«

Wie gesagt, das Machen war für mich nicht so schwer. Aber ehe die ersten Soldaten her- nach aus der neuen Werkstätte hervorkamen, darüber verging ein volles Jahr unter unbe- schreiblichen Schwierigkeiten. Doch davon will ich nichts weiteres sagen. käthe kruse.

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KÄTHE KKUSK. .Jl;F.\VEr,I.U HE >oI.I)ArEN

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Schelten Sie das Puppenspiel nicht, lassen Sie sich Ihre Liebe und Vorsorge nicht gereuen! Es waren die ersten vergnügten Augenblicke, die ich in dem neuen leeren Hause genoß; idi sehe es diesen Augen- blick noch vor mir, ich weiß, wie sonderbar es mir vorkam, als man uns nach Empfang der gewöhnlichen Christgeschenke vor einer Tür niedersi^en hieß, die aus einem andern Zimmer hereinging. Sie eröffnete sich; allein nicht wie sonst zum Hin- und Wider-

lanfen, der Eingang war durch eine unerwartete Festlichkeit ausgefüllt. Es baute sich ein Portal in die Höhe, das von einem mystisc~lien Vorhang verdeckt war. Erst standen wir alle von ferne, und wie unsere Neugierde größer ward, um zu sehen, was wohl Blinkendes und Rasselndes sich hinter der halb durchsichtigen Hülle verbergen möchte, wies man jedem sein Stühldien an und gebot uns, in Geduld

zu warten Goelhe, Wilhelm Meisters Lehriahre.

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S(HLflCHl LIEP

WAl.THEK ITTTNF.K- MINCHEN.

AUS DER MAPPE »DEUTSCHE HELDEN«

DEUTSCHE HELDEN.

Je länger der Krieg dauert, desto weniger können Künstler wie Kunstfreunde einander zumuten, verlegen an der großen und allge- meinen Sache vorbeizusehen. Auch wer den Krieg, der alle Kräfte an sich reißt und reißen muß, für wenig geeignet hält, die Wechselwir- kung zwischen der Kunst und dem übrigen Leben richtig einzustellen, muß doch nüchtern zugeben, daß die Auseinandersetzung der Künstler mit dem übermächtigen Ereignis ge- rade wegen der Schwierigkeiten das große Pro- blem von Kunst und Leben besonders interes- sant beleuchtet. Wir können es daher dem Ver- lag von E. Richter in Dresden danken, daß er unter demTitel „Deutsche Helden" uns in einer Mappe von 15 Blättern mit den Visionen von Mitgliedern der Neuen Münchener Sezes- sion bekannt macht. Ob in Bernh. Bleekers „Morgenrot" eine starke bildhauerische Auf- fassung oder in M. Feldbauers „Schwarzem Husaren" reizvoll das malerische Element sich ausspricht, ob W. Püttner („Nibelungenlied", „Schlachtlied") mit starkem zeichnenden Tem-

perament oder E. Scharff („Kreuzritter") mit dem sinnreich gefühlten Aufbau der Zeichnung uns in den Bann des Blattes zieht, durchaus findet man sich einer lebendigen Äußerung der Zeit und fesselnden künstlerischen Handschrif- ten gegenüber. Dabei illustrieren diese Blätter, von ihrem Eigenwert abgesehen, in manchmal überraschender Weise die sonst bekannten Werke der vier Künstler, die hier als Graphiker auftreten. Man wird die Porträtbüsten Blee- kers, die in stilvollem Sinn ähnlich, aber nie kleinlich naturalistisch sind, die koloristischen Probleme Feldbauers, die Bilder Püttners in ihrem farbigen Aufbau aus Werten und die Plastiken Scharffs (der übrigens schon verschie- dene Mappenwerke im Graphik -Verlag Mün- chen veröffentlicht hat) mit Genuß wieder neu sehen, wenn man die jungen und künstlerisch noch beweglichen Meister auch auf diesen Wegen begleitet hat. Die ganze Ausstattung dieser Münchener Mappe ist angenehm und würdig; der Preis von 200 M. kann als durch- aus mäßig bezeichnet werden uR. e. h.

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PROFESSOR BERNHARD HI.EEKER— MIXCHE.N

MAX FELDBAUER-mC.NCHE-N. LITHOGRAPHIE AUS UER MAPPE «DEUTSCHE HELDEN r. VERLAG E. RICHTER-DRESDEN.

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ANSELM FEUERBACH. GEMÄLDE .MÄDCHEN MIT TOTEM VOGEL.

LOVIS CORl.NTH- BERLIN.

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mit genkh.mk.ing von brinu (assirtr-berlin.

DIE AUSSTELLUNG DER BERLINER SECESSION.

Der Teil der Mitglieder der „alten" Berliner Secession, der sich seinerzeit bei der be- kannten Spaltung unter die Führung Corinths stellte, während die Majorität um Liebermann und Cassirer sich nunmehr „Freie Secession" nennt, veranstaltete in seinem eigenen neuen Heim am Kurfürstendamm trotz Krieg seine erste Ausstellung. Daß sie unter diesen Um- ständen ihren Verein soweit förderten, ist eine anerkennenswerte Leistung. Die Kunstpolitik, die damals zur Spaltung führte und diese Gruppe in die Opposition trieb, wollen wir heute nicht noch einmal aufrollen und auch nicht näher untersuchen inwieweit ihr eigenes jetziges Ver- halten im Einklang mit ihren damaligen Oppo- sitionsmotiven steht.

Die Ausstellung, die den Räumen entspre- chend gering an Zahl ist, sie umfaßt 146 Num- mern an Bildern und Plastiken und einige Rah- men Lithographien der Serie „Krieg und Kunst", macht in manchen Punkten keinen unsympathi- schen Eindruck. Da wäre an erster Stelle der

noch jugendliche Maler Willi Jaekel zu nen- nen. Wir begegneten ihm schon auf früheren Ausstellungen, doch trat sein Wesen uns noch nie so klar umrissen entgegen, wie dieses Mal. Er ist, wenn wir nicht irren, als Schüler aus der Breslauer Akademie hervorgegangen, wo er, unter des soliden Kaempffers Leitung wahr- scheinlich, den Grund zu seinem ansehnlichen zeichnerischen Können legte. Aber nicht nur hierdurch, auch durch einen zweiten nicht all- täglichen Zug unterscheidet er sich wesentlich vom Geistesdurchschnitt seiner oder muß man schon sagen der vorigen? Generation: er besitzt wieder stoffgestaltende Phantasie! Freilich wird es für ihn ein Notwendiges sein, diese Anlage zu läutern, zu klären, damit der Gegenstand vereinfacht in die reine Form em- porwachse, um nicht im Illustrativen wuchernd zu verwildern. Dann wird seine Linie noch an Kraft, wie seine Komposition an Einfachheit gewinnen, und seine Farbe mit den male- rischen Absichten der letzten Generation hat

XIX. Januar 1916 1

Die Ausstellung der Berliner Secession.

l'KOFESiOR BEXNu KKCKEk MU.VCHE.N-

er nichts mehr geraein der kühle und feste Grund solcher Gebilde sein können. Vor- züge wie vorläufige Nachteile seiner Art finden wir in seinem umfangreichen „Sturmangriff", der trotzdem, soweit es sich heute übersehen läßt, die gelungenste Arbeit ist, die aus dem Zeitendrang zum Kriegsthema bisher beige- steuert wurde; die Vorzüge reiner, und fast in selbständigen Anklängen an gute alte deutsche Weise, zeigt sein „Hl. Sebastian". Wir sehen der Entwicklung dieser sympathischen Künstler- erscheinung mit Interesse entgegen. Wenden wir uns von diesem jugendlichen und zukunft- vollen Mitglied derVereinigung zum andern Pole, zum ältesten und ihrem Führer, zu Corinth, so ziehen wir diesmal sein Stilleben „Obst und Pfefferling" und auch das Doppelbildnis „Her- stein und Pottner" seiner Komposition „Weib Potiphars" vor. Wir sahen schon tonschönere Arbeiten des Malers; auch ist uns die Art von karikaturenhafter Auffassung, wie sie in der Figur so oft zum Ausdruck kommt, vom

GEM.\LDE .PROZE.v^l._.

h.VGNl DI LUCCA«

Künstler in den verschiedensten Motiven leider gern angewandt nicht gerade bestrickend. Einen um so reiferen Eindruck machen daneben in den letzten Jahren einige seiner Stilleben, in denen er das Sinnliche des Gegenstandes mit voller malerischer Kraft auszudrücken in der Lage ist. Hinsichtlich seines Potiphar- Bildes sei übrigens nicht vergessen, daß es zeichnerisch nicht geringe Qualität hat, und der lüsterne Ausdruck des sich rekelnden Weibes überrascht. In unmittelbarer Nähe dieses Bildes hängt eine italienische Landschaft der Münchener Malerin Maria Caspar-Filser, die man viel- leicht die vorzüglichste der Ausstellung nennen kann. Diese über den Durchschnitt begabte Malerin verbindet eine eigene kraftvolle nach Größe strebende Auffassung des Gegenstandes mit qualitätsvoller Malerei. Zwar hat diese die Spuren ihrer Herkunft noch nicht durchweg abgelegt, doch ist die Künstlerin im Begriffe, deren Bestandteile hinreichend zu verarbeiten, um den Anspruch erheben zu können als selb-

Die Ausstellung der Berliner Secessio7i.

ständig angesprochen werden zu müssen. Im weiteren folgen einige frische Landschaften von Philipp Frank, dessen „FrühHng" ein schönes Raumgefühl aufweist. Auch Erich Büttner ist unter die originellen Naturen zu zählen. Er geht eigene Wege und auch von ihm kann man sagen, daß eine deutsche Note in seiner Kunst klingt. Er verbindet hervortre- tende Zeichnung mit buntem Lokalkolorit und hat Neigung zu Träumereien. „Spuk" und „Bildnis meines Vaters" legen dafür Zeugnis ab. Als Porträtmaler möchte ich nach und neben ihm Georg Walter Rößner nennen mit seinem „Damenbildnis". Malerisch gedacht bildet es das Gegenstück zu Büttners linearer Art. Es ist dem Künstler gelungen , in über- zeugender, wirkungsvoller Weise sein Modell sowohl in Haltung, Ausdruck wie Tonqualität zur Geltung zu bringen. In ihrer bekannten soliden Weise sind die Tiermaler Pottner und Herstein vertreten; der eine mit einem „Hah- nenkampl", der andere mit einem „Ziegenstall". Heckendorf gibt ein lebendiges Natur- panorama in seinem „Übergang über die Ange-

rapp", doch fehlt es seinem in der Silhouette nicht stimmungslosen Aufbau zu sehr an inneren Substanz und fester Struktur. Kräftiger in einer verwandten Nalurauffassung ist Hugo Krayn mit seinen Großstadt-Szenerien, deren Wesen er in einen recht konzentrierten Linien- slil zu fassen sucht, verlieft durch ein Kolorit, das als Farbe beobachtet und als Stimmung er- lebt ist. Unter den Bildnissen des Herrn V. König wäre das einer jungen Dame hervor- zuheben, und gleichfalls bei Spiro das Damen- bildnis, lebhaft in Ausdruck und Farbe.

In der Retrospektiven Abteilung, die nicht sehr umfangreich ist, finden wir, neben 8 Num- mern von Menzel, einige klangvolle Namen. Da begegnen wir einem Kopf von Marees , frei- lich unsigniert, der wie eine jener Arbeiten aus dem Leibl-Kreis anmutet, die man seit einer Reihe von Jahren mit Vorliebe ans Licht zieht; doch wird hier die Behauptung aufrecht ge- halten, es handele sich um eine Malerei von der Hand Marees. Möglich, daß es im oeuvre des Künstlers Anknüpfungspunkte gibt. Als Mitglied des Leibl-Kreises ist dann Fritz

-MAI IK HKICH BÜTTNER— BERLIN. GEMÄLDE ^Pl K

l.LfNG DER BERLINER .SECESSION .NO\T.MBER l'jl.i.

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Die Ausstellung der Berliner Secession.

HUGO KR,\VN BERLl.N.

Schider mit zwei bemerkenswerten Bildern vertreten; einem Interieur: „Dame mit Kind", und einer genrehaften Szene: „Weihnachten bei Leibl", die in der Lichtbehandlung als Ma- lerei eher fast an den späten Uhde als an Leibl denken läßt. Das Bild gehört dem Kestner- Museum in Hannover. Durchaus anders ge- artet ist das vorige Bild „Dame mit Kind"; noch wenig breit im Vortrag, fleischloser im Strich, mit der Absicht auf Ton doch noch hart, könnte man an den Belgier Stevens denken. Das perlgraue Seidenkleid , um dessentwillen das Bild gemalt scheint es tritt deshalb ein wenig zu sehr aus dem Ganzen hervor hat einen Vorläufer auf einem Bilde des berühmten Belgiers im Museum in Brüssel, und auch das noch nicht voll entwickelte Sehnen im Male- rischen, das den niederländischen Kleinmeistern näher steht als den großen Vollendern, ist hier wie dort ein verwandtes. Von Anselm Feuerbach entlieh man gleichfalls demKeslner- Museum ein Werk: „Mädchen mit totem Vo- gel". Es ist in die 70er Jahre zu datieren; in die Zeit, da Feuerbach die Couture'schen An- regungen selbständig zu verarbeiten begann und die Betonung auf eine volle Malerei legte, die von seinem späteren Tempera-Stil noch weit entfernt ist. Von der Jahrhundert-Ausstellung

GEM.VLIJE »GKÜSSTADT«

war uns das Bild als doch noch reizvoller in Erinnerung geblieben; diesmal empfanden wir den Kopf des Mädchens ein wenig trocken. Die „Kinder im Garten" von Uhde bilden ein charakteristisches Beispiel für die reife Art der späten Zeit dieses deutschen Malers.

Mit einer verhältnismäßig auffallenden Zahl guter Werken ist, in Anbetracht des geringen Umfanges der Ausstellung, die Plastik vertreten. Am reichsten Franz Metzner. In lebens- großem , oder überlebensgroßem Format tritt der rein-dekorative Zug dieses sonst echt pla- stisch denkenden Künstlers ein wenig zu sicht- bar hervor: das Menschliche löst sich in eine in zu gleichmäßiger Weise wiederkehrenden For- mensprache auf. Bei nur dekorativ sein wollen- den Gartenplastiken stört dies weniger. Frei von solchem Nachteil ist die kraftvoll und ge- schlossen gehaltene Büste einer „Bäuerin" von slavischem Typus. Einen nicht gewöhnlich begabten Porträtisten lernen wir dann in Mar- tin Müller- Charlottenburg kennen, der ferner einen dekorativen „Torso" ausstellt, wenngleich dieser noch nicht ganz rein von den Einflüssen der Maillol-Schule ist. Seine eigene, den Cha- rakter einer Figur erschöpfende Ausdrucks- fähigkeit erkennen wir jedenfalls in den Porträt- büsten; z. B. der des oben erwähnten Malers

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Die Ausstelhcvo der Berliner Secession.

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Jaekel. Freier und von lebhafter Begabung in der Darstellung des weiblichen Körpers tritt Fritz Huf hervor. Von Ernst Wenks Modell zu einem Eugen Richter-Denkmal wäre zu sagen, daß er die Schwierigkeiten eines der- artigen Vorwurfs nach Möglichkeit überwand. Die Vereinigung beabsichtigt ihre neuen Räume für wechselnde Ausstellungen über das ganze Jahr geöffnet zu halten, und gleichfalls zu kunsthistorischen wie ästhetischen V'ortrags- zyklen und weiteren intimen Darbietungen künstlerischer Art, damit, so es verständig ge-

handhabt wird, eine günstige Wirkung auf das

Publikum geübt werden könnte. Auch plant

die Vereinigung die Herausgabe einer kleinen

Zeitschrift klein-iuepold.

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Ich halte es fiir durdiaus bedauerlidi, daß der mo- derne Mensch seiner Lektüre gegenüber, man könnte vielleidit sagen: allen Kunstwerken gegen- über, — den kritischen Standpunkt als den selbst- verständlich ersten und ort einzigen einnimmt. Man sollte von einem Budi dankbar aufnehmen, was uns fördert, und an dem anderen einfach vorübergehen. Auf den Stuhl des Richters sollte man sich nur se^en.

EUGEN SPIRO-BERLIN.

GEMAI IJE HA-MENBIUjNIS«

wenn es aus Gründen, die außerhalb des unmittelbaren Verhältnisses von Buch und Leser liegen, nötig ist. Warum mul! man durchaus immer ein »Urteil« haben? was, da Urteilen keine leichte Sadie ist, vor allen Dingen zu absprechenden, negierenden Urteilen führt, die jedenfalls die leiditeren sind. Ith übrigen hangt unser ganzer Zug zum Kritisieren mit der der Gegen- wart gewohnten mechanifchen Anschauungsweise zu-

sammen, für die ein Ganzes nur eine Zusammen- se^ung aus einzelnen Teilen ist. Denn er pflegt sich auf Einzelheiten zu riditen, die Einwände gegen diese werden zum Urteil über das Ganze; die Vor- ausse^ung der gewöhnlidien Kritik ist die allem künstlerischen Wesen durchaus entgegengesetjte; dali das Ganze aus für sich beurteilbaren Teilen zu- sammengese^t sei Georg Simmcl.

273

II. L. I.IM

GEMÄLDE »PLATTERINNEN«

DIE KUNST AUF DER WELTAUSSTELLUNG IN SAN FRANCISCO.

Eine rechte Weltausstellung ist die Veran- staltung zu San Francisco nicht, denn der für unsere Begriffe wichtigste Teil der Welt fehlt hier. Das deutsche Reich, Österreich, Großbritannien, Rußland, Spanien, die Schweiz haben die Einladung zur Beteiligung an dem Unternehmen abgelehnt und sind gar nicht oder mit lückenbiißenden Privatleistungen vertreten, die gar keine Vertretung wünschenswerter er- scheinen lassen. Diese Haltung der meisten europäischen Nationen ist verständlich, wenn man einzig und allein die praktische und mate- rielle Seite der Dinge betrachtet. Die Ameri- kaner haben alle Waren mit so hohen Einfuhr- zöllen belegt, daß nur noch solche Dinge mit Gewinn in den Vereinigten Staaten verkauft werden können, die wie der französische Wein oder die deutschen Chemikalien hier nicht ge-

wonnen werden. Warum also die großen Kosten einer Ausstellung übernehmen, wenn man doch keine Geschäfte machen kann? So haben das Deutsche Reich und die anderen europäischen Staaten überlegt, als sie die amerikanische Ein- ladung ablehnten. Die Italiener und die Skan- dinavier haben sich beteiligt, weil es ihnen darum zu tun war, das Band zwischen dem alten Vaterlande und ihren in den Vereinigten Staaten lebenden Landsleuten aufrecht zu hal- ten und fester zu knüpfen, ein Grund, der hof- fentlich in kommenden Zeiten auch für das durch die Erfahrungen des Krieges belehrte Deutsche Reich gelten wird.

Die Franzosen haben sich beteiligt, weil sie nach Amerika Dinge ausführen, die dort nicht hergestellt werden können, und weil ihnen in dieser Zeit sehr daran gelegen ist, sich von ihrer

274

FRITZ SCHIDER t GEMÄLDE .DAME MIT KIND. BERLINER SECESSION 1915. BES: GALERIE CASPARl-MÜNCUEN.

Die Kutist auf der Weltatissteinmg in San Francisco.

besten Seite, als Heger und Pfleger der edelsten Güter der Menschheit zu zeigen. Außer Wein, Seide und Damenputz setzen die Franzosen in den Vereinigten Staaten einen sehr großen Teil ihrer künstlerischen Erzeugnisse ab, und man kann sagen, daß sie seit mehr als einem Men- schenalter den amerikanischen Kunstmarkt mo- nopolisiert haben. Deutschland hätte also drei gute Gründe gehabt, sich an der Ausstellung zu beteiligen: erstens, um den Deutsch- Ameri- kanern die Hand zu reichen, zweitens, um auch auf diesem Gebiete die Eroberung des Marktes anzustreben, drittens, um den Amerikanern zu zeigen, daß wir nicht, wie ihre in englischer Sprache erscheinenden Zeitungen seit einem Jahre predigen, Barbaren und Zerstörer von Kunstwerken, sondern selbstschaffende Künst- ler sind und uns auch in dieser Kulturtätigkeit vor keinem andern Volk verkriechen müssen.

Es ist sehr bedauerlich, daß wir nicht gleich den Franzosen, Italienern, Dänen, Schweden, Norwegern, Holländern und sogar den Belgiern eine würdige Vertretung zustande gebracht haben wie seiner Zeit in Paris, wo das Deutsche Reich alle anderen Nationen im Wettstreit des Friedens besiegte. Und fast noch bedauerlicher ist, daß es den Leitern der Ausstellung gelang, einige zwanzig deutsche Bilder, die in Pittsburg ausgestellt gewesen und durch den Krieg in Amerika zurückgehalten worden waren , für San Francisco zubekommen, wo sie nun neben den vortrefflichen Abteilungen der anderen, wirklich vertretenen Völker einen sehr arm- seligen Eindruck machen und das Deutsche Reich etwa auf den Standpunkt Portugals brin- gen. — Es lohnt sich nicht, auf den Inhalt der von Europäern eingerichteten Abteilungen näher einzugehen, da fast alle die in San Francisco

MALER EMIL POTTNER BEKLLN.

GEM.\LDE »HAHNENK.VMPF«

XXI. Januar 1916. 2

Die Kunst auf der Weltausstellung in San Francisco.

1'RUI-Es.suR HCH. KEIFl-ERiCHKIlJ W ANNsEE.

erschienenen Künstler und Werke in Deutsch- land wohlbekannt sind. Es sei nur gesagt, daß Schweden, Norwegen, Dänemark und Holland ganz ausgezeichnet vertreten sind, und daß be- sonders Schweden trotz des Fehlens seines be- kanntesten Meisters Zorn einen impo- santen Eindruck macht. Auch Italien ist voll- zählig zur Stelle und zeigt sich ebenso unselb- ständig und charakterlos, wie die Skandinavier bodenständig und eigenartig sind. Ohne Paris gäbe es heute keine Kunst, sondern nur Kitsch in Italien. Auch die braven Leute, die unter dem Titel „Futuristen" vor dem Kriege Radau machten, nehme ich dabei nicht aus. Sie sind sehr vollständig erschienen, denn nachdem die

GEMALUE " I)AMENBlLDNI.S-<

italienische Regierung sie in den offiziellen Räumen nicht haben wollte, ist es ihnen ge- lungen, von den einer solchen Sensation frohen Leitern der Ausstellung einen Sonderraum in dem Nebenbau angewiesen zu erhalten, wo auch die ungarische Kunst sehr übersichtlich, die österreichische Griffelkunst in einer guten Auswahl und die Norweger mit einer reichen Sammlung vertreten sind.

Durchaus an der ersten Stelle der fremden Aussteller steht, wie es ja auch den Tatsachen entspricht, Frankreich. Es hat nicht nur mehr Platz und mehr Werke als irgend eine andere fremde Nation in den ihm zugewiesenen Räumen des Kunstpalastes, sondern auch sein im wesent-

Die Kunst auf der Weltausstellung in San Frayicisco.

PROFESSOR KR.\NZ METZNER BERLIN.

liehen dem Palaste der Ehrenlegion in Paris nachgebildeter Sonderbau dient in der Haupt- sache als Kunstausstellungs-Raum und zeigt außer Gobelins, Sevres, Stilmöbeln und Damen- putz einige hundert Gemälde und Skulpturen der Gegenwart und des letzten Jahrhunderts. Dazu kommt noch eine leihweise zusammen- gebrachte Kollektion von „Beeinflussern" der amerikanischen Kunst, die überwiegend Fran- zosen enthält. So sind manche Franzosen an drei Stellen zu finden. Claude Monet hat ein Bild in den französischen Räumen des Kunst- palastes, zwei im Sonderbaue Frankreichs und sieben bei den Beeinflussern. Rodin und andere sind ebenfalls an allen drei Orten vertreten. Bei diesen Beeinflussern" befinden sich viele ausgezeichnete Sachen: neben den Franzosen der letzten sechzig Jahre besonders Engländer des achtzehnten Jahrhunderts und vier ver- steckte deutsche Namen: Lenbach mit einem Selbstbildnis und einer Skizze zu Mommsen, Andreas Achenbach, Makart mit zwei leeren Dekorationsstücken und der eigentlich zu den Parisern gehörige Frankfurter Schreyer mit einer seiner arabischen Reiterszenen. Von diesen

PLASTIK »BÜSTE EINER BAUERIN«

Lehrmeistern gelangen wir zu den Amerikanern und betreten zunächst die retrospektiven Säle, worin man mit vielem Fleiß alles vereinigt hat, was an halbwegs künstlerischer Malerei im achtzehnten und am Anfange des neunzehnten Jahrhunderts auf amerikanischem Boden ent- standen ist. Wer es vorher noch nicht wußte, der sieht hier auf den ersten Blick, zumal wenn er von den Beeinflussern kommt, daß die ame- rikanische Malerei jener Zeit weiter nichts ist als ein Ableger der englischen Kunst. Ohne Reynolds , Gainsborough , Raeburn und ihre Genossen wäre keiner dieser amerikanischen Porträtisten denkbar. Es lohnt sich nicht, die Namen zu nennen, denn alle diese Leute haben nur Lokalinteresse und sind ohne jegliche Be- deutung für die weitere Kunstgeschichte. Auch der tüchtigste und bekannteste von ihnen, Gil- bert Stuart, ist weiter nichts als ein verblaßter Reynolds und das nur in seinen besten Arbeiten. Auch in den ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts noch erhalten die amerikanischen Maler ihre Einflüsse aus England, und man kann deutlich die Anekdotenmaler Wilkie und Moreland bei den gleichzeitigen Amerikanern

BILDHAUER MARTIN MÜLLER-CHARLOTTENBURG .TORSO. BERLINER SECESSION NOV. 1915.

Die Kimst auf der JVeitausste/bing in San Francisco.

J die amerikanischen

uau 1111 c ^^luciLt;:!!

von Rechtswegen J

einfach zur Pariser

nachRom, zu Clau-

Schule gezählt wer-

! de Lorrain und den

den müßten. Sehr J

Vedutenmalernhin-

viele von ihnen

deuten. Überhaupt

suchen sich zwar

2 macht jetzt Rom als

amerikanische The- ^

Lehrmeisterin der

men u. malen ame-

a englischen Haupt-

rikanische Land-

J Stadt Konkurrenz,

schaffen, amerika- J

bald ziehen sich

nische Menschen,

auch Fäden nach

Wolkenkratzer,

J München und Paris,

^^^^^^^^r^ ^^^^^^^^^^1

Cowboys, Indianer, J

und schon vor der

den Niagara oder

Mittedes neunzehn

den großen Canon,

ten Jahrhunderts

^^^^^Blb.,

aber so lange das !

beginnt Paris die

r B ^1

mit in Paris erlern-

1 Alleinherrschaft an-

f m, V 1

ten Mitteln, in der

J zutreten, die es heu-

iflk^' ^ m

Pariser Technik, J

te unumschränkt auf

r^BK

nach der Pariser

die amerikanische

1^^ ^^m

Anschauung ge-

Kunstausübt. Wenn

^^^^^^|p' ^^IP'"^^"^ ^^K

schiebt, kann auch ?

man nachher die

bei diesen Bildern

schier endlosen und

nicht von ameri-

5 etwas ermüdenden

kanischer Kunst

Säle der modernen

die Rede sein, so

amerikanischen

wenig wie bei den

5 Maler und Bild-

^^^^^^K' B

sehr zahlreichen J

hauer durchwan-

^^^^^H|^ E W

amerikanischen

dert, wenn man

^^B^' fl^> ' E m ^^^^1

Bildhauern, die uns

2 sich in den Sonder-

^^K i.9^^' K' - ^^^1

die Freunde Leder- J

räumen erholt, die

^^^H^A^^HtasL ^Ib^'- ^KJr ^^^^^^^^

Strumpfs auf dem

den bekanntesten

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Kriegspfad, auf der

J und geschätztesten

^^^^^^^HL ^^ ^^^H^^H

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irgend einer Be-

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schäftigung zeigen.

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^^^^^^^^Hb ^h^ ^^^^^^^^^m

Übrigens darf man J

mehr zu der Über-

^^^^^^^^^Bf .^^K ^^^^^^^^^1

aus dieser Unselb-

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^^^^^^^^K ^^Bl ^^^^^^^^1

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\ eigentlich amerika-

^^^^^I^^^^B

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nische Kunst nie

^^^^^^^^^^^^^K

B ^^^H

nen großen Vor-

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wurf machen; wie

J symbolische Male-

B^^HI

sie steht mehr als J

rei der Indianer

^^^Oi

die halbe Welt im

und die Kunst der

^^^^^^m ^^^^H

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^H^^KH^^^^H

und nicht nur in "

kanernatürUchaus-

^^^^^BB. ^^^^1

ItalienundSpanien,

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sondern auch in

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gibt. Wie vor hun-

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und Bildhauer, der

1 ren die Engländer,

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gehört. Auch bei

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5 ßen die Lehrmeister wäre in dieser kur- J

der Amerikaner, Bildhauer frh/ huf-berlin. pl.-vmik .gehendes m.^dchen. ^^^ Besprechung

ALi.K L.MIL l'-i i;.Li. i.i.kL.X.

IIL.-ILA- UKEN IN KER.\MIK.

MALER UND KERAMIKER EMIL POTTNER-BERLLX. PERLHUHN IX KERAMIK.

Die Kunst auf der Weltausstellung in San Francisi

ein Verweilen bei den einzelnen Namen nicht angezeigt. Um dieser Ausstellung gerecht zu werden, müßte man ein Buch schreiben, und in der Tat wird man so bald nicht wieder die Gelegenheit finden, der amerikanischen Kunst von ihren ersten Anfängen in der Kolonial- zeit bis auf unsere Tage in die Werkstatt zu schauen. Nur hätte eine solche Geschichte der amerikanischen Kunst für europäische Leser kaum genügendes Interesse. Letzten Endes wäre sie stets nur das die europäischen Kunstströmungen oder Kunstmoden beglei- tende Echo; ein eignes, selbständiges, origi- nales Leben aus ihr herauszuklügeln, wird wohl nur dem lokalpatriotisch parteiischen Amerikaner gelingen. Für uns genügt es fest- zustellen, daß auch die größten und mit Recht hüben und drüben wertgeschätzten amerika- nischen Künstler sehr deutlich den Einfluß ihrer europäischen Lehrmeister zeigen, ohne diese Meister nicht denkbar wären und schließlich so sehr zu Europa gehören, daß sie eigentlich Amerika nur ihre Geburt verdanken und nach- mals immer in Europa gelebt haben. So ist es mit den Allerbedeutendsten wie Whistler, Sargent und dem jetzt in Weimar, früher viele Jahre in Paris wirkenden Gari Melchers, und so steht es auch mit den zahlreichen tüchtigen Malern und Bildhauern zweiter Linie, die alle oder meistens ihren ständigen Wohnsitz in Europa, zumal in Paris haben und eigentlich nur nach dem Lande ihrer Geburt kommen, um hier Bestellungen und Geld zu finden. Wie nötig dieser Aufenthalt für den amerikanischen Künstler ist, mag man in dem Saale sehen, der mit den Arbeiten des Malers WilUam M. Chase angefüllt ist. Chase hat in den siebziger Jahren in Europa Bildnisse wie das seines Freundes Whistler und das der Frau mit dem weißen Shawl geschaffen, die durchaus gleichwertig neben den besten Arbeiten Whistlers und Sargents und somit in der allerersten Reihe moderner Bildniskunst stehen; seit er aber in Amerika festsitzt, sind seine Sachen immer konventioneller geworden, und obschon man ähnliche Beobachtungen auch bei Künstlern machen kann, die den europäischen Boden nie- mals verlassen haben, scheint die Ansicht doch nicht ungerechtfertigt, daß die den Kün- sten wenig holde amerikanische Umgebung dabei einen großen Teil der Schuld trägt. In diesem großen Lande ist noch immer kein rechter Platz für den Künstler im weitesten Sinne, und es wird wohl noch ein Jahrhundert oder mehr dauern, bis sich das geändert hat.

Am interessantesten für den europäischen Besucher aber sind auf dieser Ausstellung die

Chinesen. Sowohl China als auch Japan sind in allen Abteilungen reich vertreten, denn Kalifornien ist ja von jeher der Tummelplatz gewesen, wo die Europäer und die Asiaten ihre Kräfte messen. Die Japaner verkaufen mehr Waren in diesem Teile der Vereinigten Staaten als alle Europäer zusammen, und sogar die Ost-Amerikaner können nur mühsam mit ihnen konkurrieren. Japan hat sich in allen Abtei- lungen und auch im Kunstpalaste darauf be- schränkt, leicht verkäufliche Marktware zu zeigen. Wer hier etwas zu finden erwartet wie vor fünfzehn Jahren in Paris, der erlebt eine arge Enttäuschung. Dort zeigten die Japaner der bewundernden Welt die entzückendsten Schöpfungen ihrer vom feinsten Geschmack getragenen Nuancenkunst, hier ist nichts, was man nicht in allen großen Städten in den ein- schlägigen Kaufläden sehen könnte.

Dagegen haben die Chinesen eine Sammlung geschickt, die wie eine Offenbarung wirkt. Ein chinesischer Sammler Namens Liu Sung Fu hat 358 Gemälde aus den letzten sechshundert Jahren gesandt, und die Hauptlehre, die wir hier erhalten, ist, daß die Japaner auf diesem wie auf anderen Gebieten weiter nichts als die sehr gelehrigen Schüler und überaus geschickten Nachahmer der Chinesen gewesen sind. Wie sie heute mit staunenswerter Gewandtheit die europäische Industrie nachahmen und alle ihre Techniken kopieren, so haben sie seinerzeit mit der chinesischen Schrift und überhaupt mit der chinesischen Kultur auch die chinesische Kunst übernommen, nicht nur die wunderbar geschmackvolle Farbengebung und den steno- graphischen, alles Überflüssige und Unnötige ausscheidenden, nur das Wichtige und Not- wendige behaltenden Stil, sondern auch die äußerlichen Unterscheidungen nach Themen, Format und Größe. Anscheinend haben die Japaner der chinesischen Kunst nichts aus dem Eignen hinzugefügt, weder nach der Breite noch nach der Tiefe.

Hoffentlich wird diese Sammlung auch nach Europa gebracht, wo sie nicht wenig dazu bei- tragen wird, sowohl den Chinesen als auch den Japanern den ihnen in der Kunstgeschichte ge- bührenden Platz anzuweisen. Schon jetzt aber kann man sagen, daß wir die ersteren viel zu hoch eingeschätzt haben. Sie gehören an den Platz der geschickten Nachahmer und Schüler, die Meister und Vordenker aber sind die Chinesen, deren Originalität ihnen einen Platz auf der obersten Staffel künstlerischer Begabung sichert. Wenigstens in diesem einen Punkte hat die Ausstellung in San Francisco uns eine wich- tige Belehrung gebracht, karl eugen schmidt.

BILDHAUER BENNO ELK.\N'-

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GENERAL-FELDMARSCHALL VON MACKENSEN. 'i

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FERDINAND STAEGER- MÜNCHEN. ZEICHNUNG .VERWUNDETER KRIEGER.

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FERDINAND STAEGER. ZEICHNVNG » REITER- ANGRIFF (^

FERDINAND STAEGER-MÜNCHEN.

VON PROF. DR. E.W. BREDr.

Eine glückliche Ausnahme im weilen Zu- schauerraum deutscher Kunst ists, daß ein Künstler im Alter Ferdinand Staegers doch wenigstens schon einen nicht gerade kleinen Kreis von Freunden und Bewunderern gefunden. Gewiß sind nur wenige von so fester, ausge- sprochen anderer Art und Form wie Staeger, mit fünfunddreißig Jahren schon von Sammlern und Kunstfreunden besten Ansehens anerkannt worden. Ja, wenn Staeger so einer von den allzu vielen wäre, die die Formensprache der letztemporgekommenen Kunstraode jeweils mit- machen — mitmachen können, wenn Staeger Mitglied einer Ruhmesversicherungs- Gesell- schaft auf Aktien (mit beschränktem Hervor- ragen) wäre dann wäre eine verhältnismäßig früh erworbene Anerkennung nichts besonderes. Denn das muß gesagt werden, Staegers Art ist wie die aller Starken, eigensinnig. Diese Eigen- sinnigkeit machte faßt alle Großen zunächst unbeliebt, sie gibt immer einzelnen oder vielen Anlaß zur Ablehnung sie ist und bleibt aber Kennzeichen aller Genialen, wenn in ihr allein eine geistige Macht voll unlösbarer Wechsel- beziehungen zwischen Weltanschauung und Ausdrucksform klar sich offenbart. So mögen

Staegers zarte Radierungen und Zeichnungen eben manchen zu zart erscheinen, zumal heute, da die kunstgewerbhche Schulung auf Plakat- wirkung, da die Maler auf kräftige Schlager, da die Bildhauer auf den Umriß ausgehen, da so vielen Künstlern die rasche Orientierung im Bilde als wichtigstes Formproblem zu gelten scheint. Staeger, voll von eigener Anschauung seiner Wälder und Weiten, hatte den Mut an- ders zu zeichnen. Er war Kämpfer und ist und bleibt Sieger. Und von denen, die seine Fahne mit zum Siege führten, seien hier nur Georg Hirth, Julius Leisching und der Verleger Gerlach genannt. Solche Erkenner und För- derer der Einzelgänger zu nennen, werde mehr und mehr zur Pflicht. Uns aber sei der bisherige ideelle Erfolg eines so ganz anders Zeichnen- den und Malenden frohes Zeichen des Auf- schwungs im zeitigen Erkennen erster deutscher Meister. Denn so zart auch immer bisher Staegers Griffelkunst gewirkt so stark ist doch die Persönlichkeit, die sie schuf.

Mit wem ließe sich unser Künstler verglei- chen? Mit wem unter den Alten, mit welchem neuen Graphiker? Rein technisch liegt die Er- innerung mit einem der großen Meister des

289

XIX. Januar 1916. 3

Ferdinand Staeger-Mü7ichen,

290

FERDINAND STAF.GER— MÜNCHEN.

Gobelins, des Barock wohl nahe. Tatsächlich möchte ich manche Schöpfung Staegers gewebt sehen. Seine Landschaften sind wie Teppiche. Und das Spiel seiner Linien ist zart wie das der Spitzen von Frauenhand. Aber genau ge- sehen sind Staegers Zeichnungen eben Zeich- nungen. Staeger will nicht, wie so viele heute und früher, als Graphiker malen. Sein Stil ist rein graphisch, wie Beardsley reiner Graphiker war. Aber sonst haben die beiden nichts gemein. Beardsley war Illustrator, der aus der Bühnenkunst, nicht aus der Natur, stärkstes nahm. Staeger ist Dichter Weber der Welt. Wie der Menschen ineinander wirkende Schick- sale die dichterisch schöne Gestalt der Parzen schuf so greifen alle Teile der Staegerschen Schöpfungen ineinander über, wie der Fäden unzählige Zahl zu einem Bild, einem zunächst verschleierten Geschick.

Wer schafft ähnlich, ähnhches? Es mögen, sollen, müssen andere anders schaffen Stae- ger hat seine Form, seine Welt, seinen Stil.

ORIG.-R.\DIER. »RAST AUF DER FLUCHT NACH .\GYPTEN

IM BESITZ DES SCHRIFTSTELLERS FR.\NZ LAN'GHEINRICH MÜNCHEN.

Jeder ist unvergleichlich, wenn Herz und Welt, Form und Sinn so unzertrennlich fest ineinander greifen zu einer Weltanschauung. Wie er- bärmlich jener kluge Kritikus, der einmal Stae- ger als „Biedermeier" kleiner machen wollte. Biedermeierei und Staegersche Kunst sind Anti- poden. Kein Vergleichen macht Staeger kleiner.

Diez formt scharf und klar wie mit Messers Schärfe klingende Epigramme. Kubins zittern- der Griffel macht Geistergeschichten wahr. Geiger ist leidenschaftlich bewegt in freiem Raum, wie seine Feder. Alle haben ihren Stil wie Staeger seinen. Klingers Formenwelt entspricht seinen Ideen. Böcklin war Maler- Phantast und Ludwig Richter verklärte eine einfache Welt in glücklicher Einfachheit. Staeger aber schafft Bilder, die reicher sind als alle Bilderteppiche, die je gewirkt wurden. Reicher und feiner.

Und dies Ineinanderspielen, dies nicht gleich Deutliche des Einzelnen im Ganzen, ist wahr- haftig derselbe starke wundergläubige Geist,

Ferdinand Staeger-München.

FERDINAND STAE(3ER— MÜNCHEN'. ZEICHNUNG.

der die phantastisch-vielverschlungenen Tier- gestalten schlug in die Fibeln und Beschläge der altgermanischen Welt. Immer und immer wieder reckte sich dieser die Dinge verflech- tende Geist in der nordischen Kunst empor, im Filigrangeschmeide in der Plastik der goti- schen Dome, in Dürers Verknotungen, in Ru- bens Weltgerichten, weicher und reicher denn je in den traumhaften Schöpfungen Staegers, des Künstlers und Künstlersohnes aus Mähren. Staeger ist Österreicher wie Schwind. Aber der große Wiener Romantiker stand Welt und Leben ferner als Staeger der dennoch der größere Dichter, der der viel viel reichere, dessen Erfindung sich nicht in Märchenillustra- tionen erschöpft, sondern schöpferisch immer neu ist, wie in den ersten Werken. Auch die Bilder dieses Heftes allein sagen davon genug. „Der verwundete Krieger" Eine Kriegs- legende — Der Reitersmann ruht blutend im tiefen Wald. Ihm ists, als ob aus der Kapelle

MriKiivE: •.^f(./,AR■r auf der reise nach PRAC,

ORK.INAL IM Iii:sn/ lUS FL'kSTI-N JOHANN V. 1 IhCHTl-.NM hlN.

da drüben die Mutter Gottes sein Rufen gehört. Sie heilt ihm die brennende Wunde und das Christkind schöpft gleich mit der göttlichen Krone kühlendes Wasser aus dem Waldbach. Anders das andere Bildchen aus gleicher Kriegszeit. Oben Tannengezweig. Unten feine Gräser und Blumen. Eichkatzerln lauern im Sprung kleinen Insekten auf. Hinter dieser kleinen Welt aber der große Krieg; vorstür- mende todesmutige Reiterscharen. Eine Alle- gorie ohne Spitzfindigkeit. Die schöne, liebe Welt und doch überall Kampf und Tod. „Die Rast Maria und Josefs im Walde" ist eine Radierung von der ganzen Stimmungskraft Alt- dorfers, von der Zartheit eines Castiglione. „Mozart auf der Reise nach Prag", eine Zeich- nung im Besitz des Fürsten Johann von Liech- tenstein, wird neben den kostbaren Werken Richters in dieser fürstlichen Sammlung fest seinen^Wert behaupten. Mörike und Staeger und Mozart, die drei verstehen einander!

291

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FERDINAND STAEGER. ZEICHNUNG »BEDROHTE IDYLLE« IM BESITZ DES ESSENER MUSEUMS.

292

FERDINAXD STAEGER-MÜXCHEX. RADIERUNG JUXGE LIEBE

Ferdinand Slaeger—Mü?icken.

296

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FERDINAND ST.

In dieser Folge von Abbildungen begrüße ich aber besonders erfreut jene andere Zeichnung Staegers, der kaum ein kurzes Wort als Unter- schrift gerecht wird. Aus zerschmetterter Geige zischt eine ganze Brut gifteutriger Schlangen empor. Eine schrille Disharmonie zerschneidet alle Schönheit der Welt, allen Frieden im Tal. Bitternis als Feindin alles Heiteren. Das ist eine jener Schöpfungen Staegers, die noch kaum bekannt die den Dichter uns bald von an- derer Seite kennen lehren werden. Denn nicht sentimental bleibt Staegers Anschauung. Bit- tere Töne schlägt er an, auch das Furchtbare, Groteske und Brutale stellt Staeger dar. Frei- lich, sein Auge, trunken vom Überfluß der Welt, verwebt auch diese brutalen Erlebnisse in das Bild seiner heimatlichen Fluren. Noch ist nicht die Zeit, jene ganz anderen oft Furcht- bares allegorisierenden Zeichnungen Staegers zu veröffentlichen. Der Weltkrieg wars aber nicht, der den Lyriker auch zum Epiker und zum Dramatischen geführt doch das, was er

jetzt auf dem Kriegsschauplatz in Galizien sieht, wird er, daran zweifelt niemand, furchtbarer schildern als jene Kriegszeichner, die nur das photographisch Aufnehmbare graphisch fest- legen. — Freundlich ist noch die Mehrzahl unserer Bilder: So „Das einsame Dörfchen", oder die Zeichnung zu Uhlands „Droben stehet die Kapelle", die die deutsche Abteilung der Landesgalerie in Prag besitzt. Von glim- mend bald glühender Leidenschaft erzählt das Blatt des hebten vorwärts drängenden Paares im Walde unter hängendem Gezweig, auf blu- migem Boden: „Junge Liebe".

Ähnlich so viele Gelegenheitszeichnungen, Exlibris, Geburtsanzeigen usw. Mit nur wenigen anderen könnte sich Staeger leicht an die Spitze des großen, allzugroßen Zuges von deutschen Exlibriszeichnern stellen. Doch wozu? Stae- ger hat Größeres zu geben. Das schwierige Gebiet der Allegorie meistert er wie wenige. Er wird nicht trocken, nicht gelehrt, nicht klug und weise wie Pädagogen, die die Finger vom

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FERDINAND STAEGER. ORIG.-RADIERUNG PARZIVAL. ORKilNAL IM BESITZ IJ. I lEUTSCHEX SEKTION DER LA.\TJESGALERIE-PR.\G.

299

XIX. Januar 1916.

a^SiÄSS&s.

FERDINAND STAEGER-MÜNCHEN.

KRIEGSZEICHNUNG »SCHUTZENGRABEN«

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FERDINAND STAEGER-MÜNCHEN. KRIEGSZEK HNUNl. DIE VON DEN RUSSEN EINGEÄSCHEKTE lUDENSTAIiT KUROVICE«

/'crdi>ia)i(J Staeoer

IlFünchoi.

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FERDINAND STAEGER- MÜNCHEN.

Darstellen lassen sollten. Da müht sich der Bauer mit einem schweren Steinblock am Wege aber wandelt Christus mit seinen Jün- gern. — Wie ist das Blatt zu nennen? „Him- mel und Erde". „Geist und Erde". Es sagt bildlich alles braucht nicht Worte. Das andere Blatt auch im Besitz der Landes- galerie Prag in dem der starke Krieger beim leidenden HeilandTrost sucht, nenntder Künst- ler kurz „Parzival". Genug der Bilder. Staeger ist Dichter als Zeichner und Maler.

Der Maler Staeger ist fast noch unbekannt. Und doch ist er auch als Maler ganz ein Eigener. Er muß auch als Maler zumal als Fresken- maler — noch Erfolg haben. Vielleicht ist Staeger ein Beispiel für viele Künstler in un- serer Zeit. Ein Gegensatz zur Kunst des Barock. Er ist, wie so manche Graphiker, schöpferisch für Gebiete, die der Graphik fern zu liegen scheinen. Lebrun machte seine Teppiche reich

weil er tausend alle Dinge fleißig kopiert

KKIE(;SSK[/,ZE »AN DER /LOTA I.ll\\'

und aus ihnen ein ganzes Bild schuf. Staeger könnte alle möglichen Kunstgewerbler befruch- ten. Wer seine Gemälde betrachtet, staunt über den Reiz der schier unbewußt geschaffenen Möbel und Stoffe und „Muster".

Alles in allem: in Ferdinand Staeger besitzt die deutsche Kunst einen Schöpfer von unend- lichem innerem Reichtum einen Phantasten, der wahrhaftig sieht und ernst und tüchtig ge- staltet — in seiner unvergleichlichen Art. Wer Staegers Reichtum kennt, fühlt nun eine ernste Verpflichtung. Die Anerkennung, die er bei Besten unserer Zeit gefunden, ist doch nur gering, gemessen an der Stärke seiner Gaben. Möchte unserm Künstler, der des Lebens Not und Sorge noch in diesem Alter genugsam kennt, endlich auch ein materieller Erfolg zu teil werden, der einigermaßen wenigstens dieser unerhörten Arbeitslust, diesem nie ermüdenden Schaffensdrang, diesem sprudelnden künstle- rischen Reichtum entspricht e. w b.

301

FERDINAMl STAEC.ER.

c^-^^s;^^

D ERZEICHNER. »WarichinOe- sellschaft, so setzte ich midi lo, daß ich die Gesellschaft, oder eine Gruppe aus derselben, oder auch nur eine ein- zige Figur übersehen konnte, und zeidine- te sie so gesdiwind, oder auch mit so vielem Fleili, als es die Zeit oder die Tätigkeit der Per- sonen erlaubte. Bat niemals um Erlaub- nis, sondern suchte es so verstohlen wie möglich zu machen; denn wenn ein Frau- enzimmer — und auch zuweilen Man- nespersonen — weiß, daß maus zeichnen will, so will es sich angenehm stellen und verdirbt alles, dieSteilung wird ge- zwungen. Ich ließ es midi nicht ver- drießen, wenn man mir auch, wenn ich halb fertig war, da- vonlief, es war doch so viel gewonnen. Was habe ich da zu- weilen für herrliche Gruppen mit Licht und Schatten, mit allen den Vorzügen, die die Hatur, wenn

(gesundes Sqbnclie?!'

l'EKDINAN!) SI AEOKR MÜNCHEN. /Fli HMM;: ( 1 EHI'K I .S-.\NZEIi ;E

sie sich selbst über- lassen ist, vor all den so gerühmten Idealen hat, in mein Taschenbuch einge- tragen. Auch des Abends bei Licht habe ich das oft getan; kein besseres Studium, um große Partien Licht und Schatten hervorzu- bringen Ich

habe nach Gemäl- den wenig, nach Gips etwas, viel mehr nach der Na- tur gezeichnet. Bei ihr fand ich die meiste Befriedigung, den meisten Nutzen; sie ist meine einzige Lehrerin, meine ein- zige Führerin, meine Wohltäterin. Wo ich sie finde, werfe ich ihr einen Kuß, wenn es audi nur in Gedanken ist, zu: dem reizenden Mäd- chen, dem prächtigen Pferde, der herr- lichen Eiche, dem Strauche, dem Bau- ernhause, dem Pa- laste, der Abend- sonne und dem Mondlicht. Alles ist mir willkommen, und mein Herz und Grif- fel hüpfen ihm ent- gegen.<* Adolf Menzel.

302

LUCIAN

BERNHARD- BERLIN. .KAFFEEHAUS KURFÜRSTENDAMM« DURCHBLICK ZUR TREPPE.

AKi HITEKT LUCIAN l'.EKNHAKIl-HEKLI N.

KAl-H-.l-.HAUs kURhLKM IMJAMM- LOC.EN.

DIE KUNSTAM KURFÜRSTENDAMM.

LÄDEN UND KAtEEEKÄUME VON ARCHITEKT LUCIAN BERNHARD -BERLIN.

\ A 7 'c^ddes Gleiten, spitzes Wippen, Locken VV süßer Augen, Gruppen, die sich bilden und lösen, Beobachten, Grüßen, Hinweghuschen über die Menge, leises Kichern, gefährliche An- deutungen und schillernde Leerheiten so fließen die menschlichen Wogen dahin, zwischen weichem Dunkel und blitzenden Lichtern. Nicht das nährende Blut der Arbeit sammelt sich in dieser Ader; die Schmetterlinge sind es, die um die Wonnen des Genusses flattern. Hierher münden die Wege aller jungen und ältlichen Sehnsüchte. Die verbrämte Armut kommt und die glotzende Leere des Reichtums. Man kostet die Nähe des Luxus, man schmiegt sich ein in die Atmosphäre der Gelegenheilen, wie in ein Kissen, das von sündhaft fremden Düften ge- schwängert ist. Ein Flüstern irrt zag über den Menschenreihen, ein verhaltener Ton schwebt darüber, der mit ahnungsvollem Schleier Tiefen und Untiefen verhüllt. Man tut gleichgültig, gesättigt, und heimlich ist es eine peinigende Jagd harmloser oder böser Seelchen nach ein

bißchen Genuß, und immer wieder Genuß. Und hier, an dieser buntschillernden Ader des Vergnügens hat sich auch die Kunst an- gesiedelt. Darf man sich darüber wundern? Oder gar entrüsten? Der Kunst scheint eine wohlig-sinnliche Umgebung sehr willkommen zu sein, und auch in andern Städten kann man die Beobachtung machen, wie sie aus der frostigen Nähe der Museen sich zu den Menschen flüchtet, da wo sie am genußfreudigsten sind. So haben wir am Kurfürstendamm jetzt die Ausstellungen derSecessionen,allerhandgraphische Kabinette, Kinotheater, feinere Kunst- und Buchläden, und manche andere Kunstgelegenheiten mehr. Hier ist auch die Heimat der künstlerisch angehauch- ten Kaffees. Sie mußten hier entstehen, wenn die Vergnügungsindustrie versuchen wollte, die Ansammlung genußbereiter Modewelt in ihrem Sinne auszubeuten, und die Künstler mußte es locken, die seltsame Stimmung des Ortes in gleichgestimmten Räumen einzulangen, zu stei- gern, in Farben und Formen auszudeuten. Diese

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Die Kunst am Kurfürstendanim.

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AKi HHtKl LUCIAN BEK.NHARJJ MERLIN.

rahmende und deutende Kunstaufgabe mußte Lucian Bernhard ganz besonders gelingen, da er den Geist der Gegend mit allen Poren in sich gesogen halte, da ihm nichts so natürlich war, wie in das mondäne Gewoge sich hinein- ziehen zu lassen, mit Farben und Stoffen wie ein Modeschöpfer zu spielen und aus all diesen angefangenen Melodien, gehauchten Wünschen, dem zierlichen Drehen und Gleiten einen Traum von Linie und Farbe weiterzuspinnen.

Das Kaffee Kurfürstendamm war ein Aufklang. Der allgemeine Eindruck unterschied sich von Früherem nicht allzusehr. Doch war die far- bige Gliederung schon sehr bestimmt und sicher. Holzwerk, Wände und Bezüge waren hellgrau in verschiedenen Stufen, darauf saßen als ein- zelne frischfarbene Flächen die Lampenschirme in lila, gelb und rot, die Bilder und die bunten Vorhangstoffe. Aufsehen erregten die kleinen Logen mit den bunten zierlichen Vorhängen, so vorteilhaft als Rahmung der darum Sitzenden wie für diese selbstwillkommen als Rahmung des Ausblicks in den erleuchteten Saal. Die For- men der Leuchter, der Stühle und Sofas waren alle in denselben weitenangenehmenRundungen

»KAFl-EEHAUS KURFUR.STEND.AMM« LOGEN.

durchgeführt. So bildete das Kaffee Kurfürsten- damm eine schöne, einheitliche, runde Leistung. Das Prinzeß -Kaffee ging im Abrunden, in der geschlossenen Einheitlichkeit noch einen großen Schritt weiter. Aus den Fenstern dringt ein gedämpftes Glühen heraus, wie von einem leuchtenden Juwel, das der wogenden, lustgieri- gen Sehnsucht draußen winkt und lockt. Und innen ist dann tatsächlich alles ein Glühen, ein sorgsam gedämpftes, durch die Dämpfung nur ge- steigertes Glühen. Grau, in verschiedenen Schat- tierungen und Streifungen, sind auch hier wieder Boden, Bezüge, Holzteile. Die Kleidung der Besucher versinkt farbig fast vollkommen in diesem Dunkel. Nur die Haut leuchtet auf, und die Augen blitzen in dem gelbroten Strah- lenmeer, das von den gelbverschleierten Wand- armen und der mächtigen goldenen Krone aus- geht. Die Wände glühen matter in einem sanften Erdbeerrot, die Decke liegt wieder in ahnungs- vollem Dunkel. Man mag es etwas gesucht und gewaltsam finden, wie Bernhard so Raum und Besucher zu einer malerischen Einheit zusammengeschweißt hat, das Experiment ist jedenfalls gelungenund der Eindruck berückend.

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Die Kunst am Ktirfürstendannn.

ARCHITEKT LUCIAN BEK.NHAR»— HEKI.IN'.

Die süße Musik, die den Raum durchflutet, klingt, als ob der Raum selbst Stimme bekommen hätte. Wer eintritt, ist in dem Zauber gefangen. Unwillkürlich dämpft sich die Rede, die Sinne werden weich und aufnahmefroh und man meint wahrhaftig, Scheurich'sche Amoretten in den Dunst der Leuchter flattern zu sehen.

Gewiß hat Bernhard nicht beabsichtigt, nur eine weitere Gelegenheit zu schaffen, um Kaffee zu trinken, an Törtchen zu knabbern und Tangomusik zu hören. Sein Raum sollte vor allem ein Ort mondäner und künstlerischer Stimmung sein, und das ist er geworden:

Eine solche Zweck- und Stimmungskunst mag nicht nach jedermanns Geschmack sein. Als

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ein Symptom neuberlinischerKuIturbemühungen ist sie zu beachten, und Bernhard kann sagen, daß ihm zuerst und am reinsten gelungen ist, solch ein Symptom hinzustellen. Nicht als ein Resultat athletischer Bemühungen ihm fallen die Früchte, wenn er in seinen Gärten bleibt, reif und anscheinend mühelos zu. Er setzt die Formen spielend hin, aus allem weiß er eine angenehme, runde, klare Figur zu machen. Die Geistigkeit der Bücher ist seinem Wesen gewiß fremd, aber auch in dem Buchladen sieht er nur das Sinnliche, die farbigen Rücken, das edle Papier, die bunten Bilder, und auch die- sen feinern Dingen weiß er einen angenehmen Rahmen zu ziehen a. jauma.nn -berlin.

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TURBEKRONÜNG VON PAUL SCHEURICH.

VERDEUTSCHUNG FREMDSPRACHL.FACHAUSDRÜCKE IN DER MALEREI.

VON HERMANN ESSWEIN - MÜNCHEN. (FORTSETZUNG U.)

Daß Gesamtwerk, Lebenswerk nicht weniger gut klingt wie oeuvre dürfte kaum bestritten werden. Der Historie haben wir uns gottlob längst entschlagen. Die Marine tat gut daran zum einfachen Seestück zu werden, das Genre ist als Sittenbild durch- aus treffend bezeichnet, und warum man an Stelle des gut deutschen vollkommen ausrei- chenden Bildnis immer noch recht häufig dem Portrait begegnet, ist schwer zu verstehen. Auch das Interieur kann ohne weiteres dem Innenraumbilde Platz machen, denn es braucht darunter keine feinere Unterscheidung zu leiden.

Das Kostümstück dürfte allerdings weniger leicht abzuschaffen sein. Wohl könnte der Kri- tiker von einem solchen Werke sagen, daß es mehr dem Beiwerk und der Gewandung als, nach Art des echten Bildnisses, dem seelischen Ausdruck gelte, aber zur Bezeichnung des in den Kunstschulen neben Kopf und Akt ge-

pflegten Studienzweiges dürfte das Costüm nicht wohl zu entbehren sein. Gewandstück wäre, da neuzeitliche Damenmoden, Uniformen, Fräcke, Sportanzüge usw. keine Gewänder sind, zu feierlich, und der Kunstjünger, der von sich sagen wollte, er treibe Gewandübungen (anstatt Costümstudien), erschiene uns als ent- weder in die turnerische oder in die schneider- mäßige Fachsprache verirrt.

Von der Skizze zur biederen altdeutschen Stef ze zurückzukehren, möchte wohl manchem als recht verlockend erscheinen, wäre in sofern aber bedenklich, als die Stefze gar keine Skizze im Sinne der neuzeitlichen Ölmalerei, sondern eine Stift Zeichnung bedeutet. Zudem braucht der Kundige das Wort Skizze keineswegs wie der Laie als unnützes Fremdwort für Entwurf, Aufriß, sondern ihm bedeutet es ein in sich abgerundetes, kleines, in rascher Arbeit und mit geringstem Aufwand an handwerklichen Mitteln erbrachtes Kunstwerk in bewußtem und

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Verdeutschu?ig frcvidaprachlicher Fachausdrucke in der Malerei.

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K LEKTRISCHE HÄNGELAMPE IM BrCHL.VDE.X

vielsagenden Gegensatz zur Studie, die keinen Anspruch auf die Wirkung als Kunstwerk er- hebt, die als Übung zu matt und als Hand- übung verkehrt bezeichnet wäre, da bei vielen Studien die Übung des Auges, die Schulung des Raumgefühles und manches andere, was mit Handfertigkeit nicht das geringste zu tun hat, an erster Stelle steht.

Dem Sprachgebrauche der Künstler, wie ganz besonders der Kunstbetrachtung, gehören eine Reihe theoretisierender Bezeichnungen an, bei deren Verdeutschung wir ganz besonders vor- sichtig zu Werke gehen müssen, weil hier die Gefahr böser Begriffsvermengungen schon in der überkommenen fremdwörtergesättigten Fachsprache sehr nahe liegt und durch unge-

schickte Verdeutschung der Wirrwarr wohl aufs Äußerste gesteigert werden würde.

Ein besonders vieldeutiges Fachwort ist die ganz ungeschickter Weise sogar zur Bezeich- nung handwerklicher Herstellungsarten (Aqua- rellmanier, Kreidemanier usw.) mißbrauchte Manier, welche als die Manier des Velasquez, Manet, Böcklin usw. doch nur in einem sehr weiten und vagen Sinne die Eigenart dieser Künstler bezeichnen will und dann eben auch als Eigenart, oder je nach dem, als Hand- schrift, Strich, Farbengebung, Pinsel- führung usw. übersetzt werden muß. Im schlimmsten Sinne bedeutet Manier, Manieriert- heit, Manierismus entweder die Abhängigkeit des Künstlers von einer fremden, oder aber

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1 'erdeziisc/noio freyndsf^yaclilicher Facliausdrücke in der Malerei.

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auch von einer eigenen jedoch eintönig immer und immer wieder abgeklaischten Form. Sinn- gemäße Umschreibungen aus dem Geiste der deutschen Sprache finden sich da eben so leicht wie wir für noch eine weitere Bedeutung des Ausdruckes manieriert getrost gekünstelt, ver- schroben, verquält setzen dürfen.

Nicht anders gehen in der herkömmlichen Fachsprache die fremdsprachlichen Benen- nungen dekorativ und monumental ziem- lich kunterbunt durcheinander. Gemeint sind damit großzügig offene, pathetisch ausdrucks- volle Formen, zumal der Wandmalerei, doch kann selbstverständlich auch die Gebärde einer rasch auf ein Blatt Papier hingeworfenen Figur von monumentaler Haltung, ein Bild in mäßiger Größe von monumentalem Ausdruck sein. Unsere Muttersprache dürfte uns dafür kaum einen einwandfreien, ungekünstelt klin- genden Ersatz bieten, während sich in manchen Fällen für Dekoration und Dekorateur Aus- zierung, Flächenschmuck, Ausstattungs- künstler sinngemäß in Anwendung bringen läßt. In ausgesprochen stilkritischen Betrach- tungen gebraucht, dürfte dagegen das Eigen-

»HUi HLAIJKN AM KIKFUK.S 1 KND.\MM

Schaftswort „dekorativ" schwer zu entbehren sein, denn es meint dann eine bestimmte, groß- zügig übersichtliche Formenhaltung, die von kunstgewerblich schmückenden Absichten weit entfernt sein kann.

Diese dekorative oder, ebenso unübersetz- bar, ornamentale Formensprache kann der- ber oder auch kalligraphischer Art sein, was wir doch lieber nicht, um nur ja Deutsch zu reden, mit schönschreiberisch " über- setzen wollen, denn der Schönschreiber von heute hat mit der kalligraphischen Feinheit etwa gotischer Zierschriften nichts zu tun. Die Über- setzung Zierform, Zierat oder gar Ver- zierung für Ornament geht auch nur in man- chen Fällen an, aber zur scharfen stilkritischen Kennzeichnung ornamentaler Gestaltung wäre zierformhaft, zieratmäßig und dergl. gänzlich verfehlt, weil auch hier der grundfalschen Ge- dankenverbindung an kunstgewerblich schmük- kende Absichten des Künstlers Vorschub ge- leistet würde.

Die Kunstwissenschaft wird bestimmte scharf- umrissene Denkbilder, wie sie sich mit Worten wie Arabeske, bizarr, grotesk, Konfi-

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I ^erdeutschu7ig fremdsprachlicher Fachausdrücke in der Jlfalerei.

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guration, Kontrapost und vielen anderen verbinden, niemals durch an sich noch so be- rechtigte und lobenswerte Sprachreinigungs- bestrebungen gefährden lassen dürfen. Sie wird immer die Forderung erheben müssen, daß zu- erst und vor allem der fachlich genauen Kenn- zeichnung genüge geschehe, daß dem geistes- geschichtlich entwickelten und begründeten Sprachgebrauch, sei er nun fremden Stammes oder nicht, sein Recht werde.

Lassen sich zum Beispiel Karnation und Inkarnat recht wohl als Fleischton über- setzen, so stehen wir beim Motiv schon wieder

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in arger Verlegenheit. Dem bloßen Naturaus- schnitt gegenüber, an dem sich der wirklich- keitsnahe (realistische) Landschaftsmaler ge- nügenläßt, besagt es so viel wie aufgefaßter, komponierter Ausschnitt, was wieder auf nichts weniger als ausgeschnittene Komposi- tionsmotive, denen Gestalten oder Zierformen als Gegenstand zu grund liegen, unanwendbar ist. Die Übersetzung als Gegenstand schlecht- hin gäbe nur zu unliebsamen Verwechslungen mit dem Begriffe Thema Anlaß.

Die neuzeitliche Kunstform des Impressio- nismus schlechthin Eindruckskunst zu be-

Venleiitschutig frondsprachlichcr Fachatisdrücke in der Jldakrei.

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AUS Dl'.M KI"(HLAI>F.N KUKtÜRSTKN- DAMM.

nennen, wäre ebenso töricht, wie verblasen von Ausdruckskunst zu reden, wo es sich um den Expressionismus als um eine ganz be- stimmte Stilrichtung jüngerer Künstler handelt. Eher könnten wir die allgemeineren Bestre- bungen, die man als Naturalismus und Rea- lismus anzusprechen und fast immer durch- einander zu mengen pflegt, als wirklichkeits- nachahmende und als wirklichkeitsnahe Kunst zu unterscheiden lernen.

Gerade die neuzeitliche Entwicklung der Malerei , die aus Frankreich zu uns herüber kam, hat denn auch eine Anzahl von fremd-

sprachlichen Fachausdrücken in Umlauf gesetzt, die durchaus nicht allesamt unersetzlich sind. Das Pleinair, das man in jedem Kunstberichte der neunziger Jahre sein Wesen treiben sah, heißt heute schon längst Freilicht, und die Ponderationist zur gut deutschen Auswägung geworden, nicht anders wie sich der früheren Kunstepochen so wichtige Kontur als Umriß zu bescheiden gelernt hat.

Anders liegt die Sache bei den Valeurs, die weder Farbwerte noch Tonwerte, sondern beides bedeuten und also mit farbige Tonab- stufungen zu übersetzen wären. (Schluß folgt)

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ARCHITEKT ERNST HAIGER-MÜNCHEN. »KRIEGER-GRABMAL« (wiESBAnENERGES.FÜRGRABMALKUNST.)

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»ENTWURF l'UR EINE I ,KU !• I KAI'l-XLEt

GRABMALKUNST.

Im November konnte die Wiesbadener Gesell- schaft für Grabmalkunst, ein Zweigverein der Wiesbadener Gesellschaft für bildende Kunst, ihr zehnjähriges Bestehen feiern, und eine für die nächste Zeit geplante Ausstellung von Pho- tographien und Entwürfen in den Räumen des neuen städtischen Museums soll einen Rück- blick über die geschichtliche Entwicklung er- möglichen und gleichzeitig beweisen, welche Kulturarbeit hier geleistet wurde. Die Bewegung hatte damals mit einer großen Ausstellung mu- stergültiger Modelle eingesetzt; diese konnte be- sonders deshalb so bahnbrechend wirken, weil sie die Runde durch mehrere größere Städte machte. Mit Stolz darf der Vorsitzende der Gesellschaft, Dr. von Grolman, auf seine Tätig- keit als „Pionier" im Dienste der Friedhofs-

kunst zurückblicken. Der Sieg ist ihm nicht als reife Frucht in den Schoß gefallen, galt es doch, die zähesten Feinde aller echten Kunst, die Gedankenlosigkeit des Publikums und das widerspenstige Banausentum der in ihren ge- schäftlichen Interessen gefährdeten Kunstspeku- lanten niederzuringen. Nicht alles, aber vieles ist erreicht, wie man bei einem Rundgang durch einen der modernen Friedhöfe feststellen kann. Wie sträflich hatte man aber auch gerade an der erhabenen Stätte des Todes gegen den Geist der Kunst gesündigt! Vergessen war die edle Einfalt griechischer Stelen , die schlichte Frömmigkeit der Renaissance und die elegische Stimmung des späteren Klassizismus. Aufge- blasenes Protzentum, süßliche Sentimentalität und stilloser Naturalismus machten sich allent-

Grabmalkunst.

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AKi HU EKTENVKIL UND HERMS -MÜNCHEN. »F.VMIUEN-GRjVHMAL ARENUTS» WIESBAl). GESELLSCH. FÜR GRABMAI.-KUNsI

halben breit. Als abstoßendes Beispiel be- zeichnete Dr. von Grolman schon vor zehn Jahren den „berühmten" Mailänder Campo Santo. „Es ist ein eigenes Schicksal und nur zu verstehen aus der völligen Hingabe der italienischen Geisteswelt an den plattesten Materialismus daß ein Volk, das Jahrhun- derte die herrlichsten Werke der Grabmal- plastik hervorgebracht, nun deren äußersten Verfall, sowohl vom rein formalen, künstleri- schen, wie vom ethischen Standpunkt aus re- präsentiert." Aber auch bei uns waren bis vor wenigen Jahren nur gewisse ältere Anlagen durch die elegische Poesie, die aller Verfall in sich birgt, mit dem Zauber sanfter Trauer um- woben , und um Friedhöfe von einheitlicher künstlerischer Wirkung kennenzulernen, hätte man bis in die Türkei reisen müssen, wo etwa in Skutari die gleichmäßigen und doch individuell behandelten Stelen aus dem Dunkel

geheimnisvoller Zypressenhaine aufleuchten. Inzwischen ist aber auch bei uns eine freilich noch immer verhältnismäßig kleine Anzahl guter Friedhofsanlagen entstanden, nicht zuletzt in- folge der Wirksamkeit der Wiesbadener Ge- sellschaft, die schon weit über 2000 Denkmäler in verschiedenen Städten aufgestellt hat. Bei solchen Anlagen, etwa dem Münchener Wald- friedhof, sieht man so recht, welche Bedeutung die landschaftliche Umgebung beansprucht. Blumen, Büsche und Bäume bringen, geschmack- voll angeordnet, das Grabmal erst zu voller Wirkung, und keine Steinschwellen oder eiserne Gitter sollten es aus dem Gesamtbilde des Friedhofs lösen. Eine fortlaufende Rasenfläche gibt die schönste Folie ab, während durch die nüchternen Einfriedigungen die Parklandschaft in mathematischer Weise zerkleinert wird. Eine wichtige Frage ist es ferner, ob das Grabmal frei steht oder sich an eine Mauer anlehnt,

Grabiiialktmst.

welche Monumente es zu Nachbarn hat, und vor allem, aus welchem Material es errichtet werden soll. Mit Recht führt die Wiesbadener Gesellschaft einen erbarmungslosen Kampf gegen den schwedischen schwarzen Granit, den man mit einer ordinären, die Stimmung der Natur schrill zerreißenden Spiegelpolilur zu versehen liebt. Da er nur sehr schwer verwit- tert und jeder veredelnden Patina unzugänglich ist, werden freilich solche Leichensteine die auf sie gesetzten Hoffnungen in vollem Maße rechtfertigen und noch nach Jahrzehnten „wie neu" und blankgeputzt aussehen und, wie Dr. von Grolman meinte, den Eindruck erwecken, als ob „die ganze Gesellschaft soeben beerdigt worden wäre". Überall drängt sich dieses Lieb-

lingsmaterial der Grabsteinfabrikanten auf, bald allein, bald in schaudervoller Verbindung mit dem kreidig weißen Carraramarmor, als Obe- lisk, als Kreuz, als in „natürliche" Felsgebilde eingelassene Platte, mit gleichsam aufgepappten Rosen, Palmzweigen, Ankern und anderen ab- gegriffenen Requisiten der Kirchhofssymbolik. Verschärft wird die Pein, die man vor solchen Kunstgreueln empfindet, durch goldblitzende Inschriften oder durch die Gebläsebuchstaben, die ganz so aussehen, als seien sie mit der Schere aus schwarzem Papier geschnitten. Auch der Inhalt solcher Inschriften reizt nicht seilen zur Kritik. Die Redseligkeit der Wertherzeit hat zwar in unserer Zeit stark abgenommen, aber in hundertfach dagewesenen Redensarten,

ENTWURF: ARCHITEKT IT K^VTETSCH-DORTMUXD. .GRABMAT IX FORM EINES SARKOPHAGS .

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Grabmalkunst.

gedankenlosen Ausrufen, ja in schlechten, wenn auch gut gemeinten Versen wird noch immer Erstaunliches an Geschmacklosigkeit geleistet. Echt, schlicht und einfach wie die Inschrift sei dasMaterial: Kalkstein, Muschelkalk, Sandstein, auch gewisse deutsche helle Granite sind dem schwedischen Granit unbedingt vorzuziehen.

Was nun den plastischen Schmuck anlangt, so ist zu betonen, daß sich das Relief im all- gemeinen der gärtnerischen Umrahmung besser einfügt als die Rundfigur, wie denn auch die edelen Erzeugnisse des griechischen Meißels, die Stelen vor dem Dipylontor zu Athen, auf diesen Schmuck nicht verzichten. Die Freifigur kann uns in organischer Verbindung mit der Architektur befriedigen, bei isolierter Aufstel- lung wirkt sie leicht puppenhaft, in Carrara- marmor wie Zuckerguß. Bei der Bestellungvon Portraits sollte man besonders vorsichtig sein, um nicht in den Stil des schon erwähnten Mai- länder Panoptikums zu geraten.

Um auf weite Kreise aufklärend und ge- schmackbildend zu wirken, hat die Wiesbadener Gesellschaft ein „Büro zur Vermittelung künst-

lerischer Grabdenkmäler" gegründet, das Ent- würfe unserer ersten Künstler zu verhältnis- mäßig bescheidenen Preisen zur Ausführung bringt. Durch energische Verbreitung des treff- lichen „Flugblattes" könnte gewiß auch auf die kleinen Bürger, Beamten, Kaufleute usw., die in ihrer Ahnungslosigkeit erfolgreich an der Verschandelung unserer Friedhöfe mitwirken, segensreich gewirkt werden, sodaß die Bestre- bungen der Gesellschaft eine unabsehbare so- ziale Bedeutung gewinnen würden. Wie oft kommt es vor, daß Familien, die keineswegs mit Glücksgütern gesegnet sind, sich das Brot vom Munde absparen , um ein ebenso kost- spieliges wie schmackvoUes Denkmal der Un- kultur zu errichten. Dabei hätten die Leute für das Geld, das sie leichtsinnig für ein fertig ge- kauftes Fabrikat eines beliebigen Handwerkers verschleuderten , die preisgekrönte Arbeit eines Künstlers von Ruf erwerben können ! Hoffen wir, daß all die Ungeheuerlichkeiten, die weniger der Pietät, als der Eitelkeit ihre Entstehung verdanken, nach und nach gänzlich ausgerottet werden w. \\ ai dschmidt.

ENTWURF; ARCHITEKT L. MINDER WTESil-VUE.X. -üRAliMAL IX ML'SCHELKALKSTEIX«

KÜNSTGEWERBESCHULE -CHARLOTTEXBURG. GOBELIXSTICKEREI AUS DER FACHKLASSE HAROLD BEXGEN.

BERLIN. Im Kunstjjewerbemuseum ist eine Ausstellung von etlichen hundert Aquarel- len aus der Hausbibliothek des Kaisers zu sehen. Selten hatten wir eine so vortreffliche Gelegen- heit, die Entwicklung der Aquarelltechnik vom Beginn des 19. bis weit in das 19. Jahrhundert hinein zu studieren. In den Aquarellen Carl Gräbs, des bevorzugten Hofmalers des König Friedrich Wilhelms IV. (der ja diese ganze Samm- lung begründet hat), sieht man die architek- tonischen, skulpturellen und kunstgewerblichen Einzelheiten des Berliner Schlosses in ihrer ganzen Schönheit neu erstehen; F. W. Kloss, H. Hintze und F. Marohn schildern die Innen- räume der Berliner und Potsdamer Schlösser und die blühende Umgebung ihrer romantisch eingehegten Gärten mit dem Auge des Maler- poeten. Die Kirchenarchitekluren des mittel- alterlichenRheinlands werden in Adolf Wege- lins Aquarellen lebendig; ganz besonders liebe- voll ruht das Auge auf den Altmünchner Moti- ven A. Dolls, während Franz Xaver Nacht- mann den hellen Biedermeierglanz des Nym- phenburger Schloßmobiliars mit einer Leucht- kraft wiederzugeben versteht, die selbst ein Spezialforscher des Aquarells nicht ohne wei- teres diesen Wasserfarben zugetraut hätte. Ganz besonders reich ist die Burgenromantik vertreten: Caspar Johann Scheuren (ge- boren 1812) bevölkert die Burg Stolzenfels am Rhein mit den Rittern und Ritterfräulein der

Sage: ein Singen und Weben in Liedern und Sagen umraunt uns beim Beschauen dieser köst- lichen wie mit einer feinsten Feder geritzten Blätter. Auch der deutsche Osten wird uns durch die Meisteraquarelle der Joh. Carl Schultz und A. Behrendsen lieb und vertraut. Ganz vollständig tritt uns das Lebenswerk des im Auftrage seines Königs durch ganz Europa ge- reisten Eduard Hildebrandt entgegen. Der unübertroffene Meister der Meister aber ist und bleibt der Altwiener Aquarellist Rudolf von Alt mit seinen kleinen Wienansichten. Wir Deutschen haben diesem Wiener aus neuer Zeit freilich einen Adolf Menzel an die Seite zu stellen, der, zumal in seiner Frühzeit, mit Sepia, Tusche und Aquarell sehr gern hantierte: ein „König in Thule" aus frühester Zeit, ein „kurfürstlicher Läufer" und eine „Dame am Spinett" sind Proben dieses Sondergebietes un- seres Menzel. Daß die Hofmaler der Könige Friedrich Wilhelm III. und IV. auch in ihren Auslandaquarellen die höchste Sorgfalt ent- falteten, zeigt uns gleichfalls diese Ausstellung und verleiht ihr grade heutzutage einen ganz eigenen Reiz. Der deutsche Künstler sieht, das lehrt uns diese einzigartige Ausstellung aufs neue, Natur und Kunst allüberall mit der liebe- vollen Andacht seines naiv gläubigen Auges, gleichsam seines Augengemütes; grade darin verrät sich seine immer wache Sehnsucht nach der Heimat am allerrührendsten. arthur neisser.

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ARCHITEKT E. PFEIFFER-MÜNCHEN

MITARBEII FR DER PÖSSENBACHER WERKSTÄTTEN

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NACHWORT ZUM DEUTSCHEN IMPRESSIONISMUS.

Niemand kann sich länger der Tatsache ver- _ schließen, daß derlmpressionismus zuEnde geht. Über ihn, der durch ein halbes Jahrhun- dert die Welt beherrscht hat, ist so viel gesagt worden, daß jedes weitere Wort überflüssig erscheinen könnte. Im folgenden soll aber nur ein Nachwort für den deutschen Impressio- nismus versucht werden, der so hat man uns oft gesagt nicht mehr als eine platte Nach- ahmung des französischen darstellen soll. Die- ser Vorwurf soll widerlegt werden. Es gilt, den deutschen Impressionismus stärker zu um- grenzen , seine Besonderheit nachzuweisen, seine Verbindung mit der deutschen Kunst der Vergangenheit klarzustellen.

Der französische Impressionismus war eine Neuerweckung der antiken Kunst. Unter an- tiker Kunst im weitesten Sinn verstehn wir die Gestaltung einer bereits vollständig er- kannten, einer schon problemlos gewordenen Welt. Der antike Mensch begreift die Erde, reiht sich selbst in die Erde ein, und so sehr ist ihm das ganze Leben selbstverständlich, daß er auch die Götter verirdischt. Er ringt nicht mehr um das Problem Welt; vielmehr zwingt er alles, was ihn umgibt, in eine Formel, findet aus allen Einzelfällen den Typus, kurz : er gibt Synthese. Dieses Prinzip (das Prinzip der freiwilligen Beschränkung im Irdischen und der synthetischen Gestaltung dieses Irdischen) es ist das große Erbe, das die Antike der Welt hinterlassen hat. An erster Stelle haben es die Italiener übernommen, die infolge ihrer Ab- stammung dazu am prädestiniertesten waren. Giotto, Masaccio, Raffael : sie sind ohne die Antike undenkbar. Später aber ging dieses Prinzip auf die ganze lateinische Rasse über.

Der Deutsche aber ist Problematiker. Er leidet an der Welt, er leidet am Leben, und wird niemals darin naiv eingegliedert sein. Aus dieser unhaltbaren Position gibt es für ihn nur zwei Auswege: der erste führt ihn von dieser irdischen Existenz fort, er läßt ihn die Erlösung in der Sehnsucht nach einem andern, zweiten Dasein , in der religiösen Extase suchen : das Resultat ist die Gotik, die Inkarnation deutscher Weltgestaltung. Der zweite Weg aber bildet aus der Not eine Tugend, er führt nicht mehr aus dem Problem fort, sondern macht es, und damit das Denken überhaupt, zum Selbstzweck. Beide Auswege aber lassen eine Synthese der Erscheinungen nicht zu, viel- mehr führen sie zur unaufhörlichen Auseinan-

dersetzung mit diesen Erscheinungen, also zum geraden Gegenteil: zur Analyse.

Als nun zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Kunst des Empire auszuspielen begonnen hatte und in allen Nationen die Forderung nach einem neuen intensiven Naturstudium sich bewußt oder unbewußt geltend machte, da leisteten die lateinischen Nationen an erster Stelle Ge- folgschaft. Denn diese Forderung entsprach ihrer ganzen Wesensart, entsprach den antiken Traditionen, die sie im Laufe der Jahrhunderte niemals ganz vergessen hatten. Und so setzt in Frankreich allseits ein neues Naturstudium ein, und die ersten Vorläufer des späteren Im- pressionismus, der das antike Prinzip zum vollen Siege führen sollte, treten in Aktion.

Was geschieht nun gleichzeitig in Deutsch- land? Auch hier wird der Naturanschluß schließlich offen gefordert. Während aber der romanische Sinnenmensch schon mit beiden Beinen breitspurig in der neuen Arbeit steht, hindert den Deutschen seine Metaphysik und seine Spekulation. Und so kommt es, daß Otto Runge, der noch heute als der erste deutsche Realist gepriesen wird, in Wirklichkeit keine objektive Naturannäherung, sondern doch nur (ihm selbst unbewußt) eine neue Gotik wollte. Während er die Landschaftsmalerei als den Beginn der zu schaffenden neuen Kunst emp- fiehlt, ist er doch nicht imstande, die Land- schaft als Landschaft zu erfassen, sondern sieht in ihr doch nur wieder Symbole menschlicher Empfindungen. Wie er ja von Dresden, wo sich seine Anschauungen im Verkehr mit Tieck gebildet, schreibt: „Die Landschaft bestände nun natürlich in dem Satze, daß die Menschen in allen Blumen und Gewächsen, und in allen Naturerscheinungen, sich und ihre Eigenschaften und Leidenschaften sähen."

So geht der Intellekt des Deutschen unauf- hörlich neuen Entwicklungen zu. Doch sein Formgefühl und sein Formkönnen : sie blei- ben dabei im Hintertreffen. Bis endlich jen- seits des Rheins die Bewältigung der Erde, all ihrer Gestalt- und Lichtprobleme gelungen ist, bis die Kraft der handwerksnüchtemen Impres- sionisten auszustrahlen und Feuer zu fangen beginnt. Nun nimmt der Deutsche, was eine glücklicher irdische Veranlagung ihm vorweg- gearbeitet hat, schnell auf. Aber und hier liegt der springende Punkt, in dem alle Diffe- renz eingeschlossen ist diese Anlehnung ist kein Aufgeben des Eigenen. Wohl wird die

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Nachwort zum deutschen hnpressionismus.

AK( H. O. KINUKNN & HUsMNc;- K-

Form der Franzosen übernommen, mit ihr aber keineswegs der Wille zur Form als Allein- herrscherin. Der deutsche Geist arbeitet wei- ter. Und er bindet sich schließlich mit der fremden Sinnlichkeit. Es ist kein Zufall, daß Liebermann mit Darstellungen aus Proletarier- kreisen beginnt: mögen sie ihm selbst nur Ob- jekte gewesen sein, wir erkennen darin einen Ausdruck von Weltanschauung, eine psycho- logische Notwendigkeit. Aber noch weniger ist es ein Zufall, daß unter den Begründern des deutschen Impressionismus in vorderster Reihe Fritz von Uhde, der christliche Prediger, steht und daß gerade er die größte Popularität von allen gewonnen hat. Und es ist auch kein Zufall, daß sich in dem Belgier Meunier be- wußter Sozialismus und naive Formkunst zu so vollendeter Einheit gefunden haben, wäh- rend der reine Franzose Rodin die Nachfolger- schaft der Antike darstellt.

Der geschilderte Vorgang hat sich nicht zum ersten Male ereignet. Ein flüchtiger Blick über die Jahrhunderte zurück: und wir erkennen, daß er nur eine Wiederholung ist. Der anonyme Meister, der die Statuen des Bamberger Domes

WOHNHAI'S D.SKAK KUNHF.NN E.SSEX.

geschaffen , hat ebenfalls erst die Vorbilder von Rheims benützen müssen ; doch die schwere Tiefe der Antlitze findet sich zu Rheims nicht. Auch Dürer ist in Venedig in die Schule ge- gangen, seine Münchener Apostel können die Anlehnung an Bellini nicht verhehlen: aber aus schönen Figuren sind hier Leidenschaften ge- worden. Der Beispiele gäbe es übergenug. Immer wieder könnte die Vergangenheit Zeug- nis für die Notwendigkeit der Gegenwart ab- legen. Immer wieder wird die Gewalt der Sinne von dem metaphysischen Geist befruchtet. Wie er die ganze Welt mit seiner reichsten und erschütterndsten Prägung befruchtet hat: der deutschen Musik otto zoff— Berlin.

Ä

GRABSTÄTTEN UNSERER KRIEGER.

GEDANKEN DES VERFASSERS DER ENTWÜRFE S. 3JÜ.

Der deutsche Kriegerfriedhof ist der Ort würdigster Totenverehrung. Mit Wehmut soll er uns erinnern an all die großen Opfer, die unserm Volk in schwerer Zeit auferlegt waren. Mahnend für kommende Geschlechter soll er Erhebung und vaterländische Begeiste- rung wecken und in eindringlicher Sprache reden.

Grabstätten unserer Krieger.

AK« H. ' '. KL NMl .\-N & I.» ^^1 ^<. -1 -

als großer Toten- hain umrauscht von mächtigen Pappeln und deutschen Ei- chen oder als klei- ner Kriegerfriedhof mit duftend blühen- den Linden. Wür- dig der großen Zeit in derwir leben, wol- len wir die Ehren- stätten der teuren Gefallenen anlegen. Eine ausgeprägte

Wechselwirkung zwischen Natur und menschlicher Kunst gibt dem Ort die Weihe. Erhöht wird diese Stimmung durch die einheit- lichen Grabstätten. Unsere Helden sind als deutsche Brüder in treuer Zusam-

CRV.VDRISS DES ERDGESCH'1^SE^ DES HAUSES KrxHENN - ESSEN.

\\oH.\HAr> ii..~K \i< Kr.NHi;N.\ l>m;-n.

mengehörigkeit fürs Vaterland gestor- ben und sollen da- rum auch gleichar- tige Ruhestätten er- halten. Ihr Schmuck sei das einfache Steinkreuz, das als kirchliches Sinnbild dengeheiligtenStät- ten das Gepräge ver- leiht. Das Kreuz des Christentums in sei- ner Bedeutung als Zeichen kraftvollen und ausharrenden Heldentums noch weiter ausgebildet, wird bei einer ein- heitlichen Verwen- dung eine überzeu- gende, tiefgehende Wirkung auslösen. Feierlich reiht sich Kreuz an Kreuz,

Grabstätten 7tnserer Krieger.

340

EMWtKK: RiUiKKr AMAN.N-KAKl.skUHii.

selten unterbrochen vom Grabdenkmal des Mo- hammedaners oder Israeliten auf dem farben- prächtig mit Blumen überwachsenen Totenfeld. Klar in den Umrissen, sinnig geziert mit wohl-

k.rieitKk-1'K1eijHuI' mii mki>. kreuzen.

gepflegten Efeuranken erheben sich, überragt von einem gemeinschaftlichen Gedenkstein oder einem Gedächtnisbau, die letzten Zeugen vom Heldentum der Gefallenen r. a.

Ki'H. AM \NN

-K AKISKTHR. ME INKKEIVE. I. EHRENPREIS. ATS DEM 1;AI>IS( HKN \VE I 'n-.EW EKB Et K KKIEGER-GR.MiMALER.

PROFESSOR WIIJIF.LM TRÜBNER -KARLSRUHE TERRASSE IM STIFT NFUBURG AM NECKAR' (1913)

PRciFESSilK WILH. IkllJNER- KAKLsKUHE.

.bClll.. ibMAKK l.N HuMULKl, V. IJ. H.i. iiaiii.

WILHELM TRÜBNER

zu SEINEM 65. GEBURTSTAGE 3. FEBRUAR 191t3.

Um Trübners Anerkennung in der Kunst ist noch bis in die letzten Jahre hinein gekämpft worden. Aus einer tiefen und schmerz- lichen Lebenserfahrung heraus hat der Künstler in seinen „Personahen und Prinzipien" noch 1907 von dem „Kunstunverstand, von dem er so viel zu leiden hatte," gesprochen. Er reiht sich mit diesem Leiden würdig der nicht geringen Zahl jener deutschen Künstler aus dem 19. Jahr- hundert an, die infolge ihrer individuellen Bega- bung von kunstgenießenden Laien und von dem im Irrgarten von Schlagworten der Zeit herum- taumelnden Kunstschriftentum mißachtet waren. Für die großen, führend und maßgebend gewor- denen Meister der deutschen Kunst unserer Zeit ist es charakteristisch, daß sie nur durch ein langes Leben und Schaffen und durch das zähe Festhalten an ihrer Eigenart schUeßlich zu dem ihnen gebührenden Erfolg und zu all- gemeiner Anerkennung während ihres Lebens

durchgedrungen sind. So auch bei Trübner. Für ihn war es in allemGrämenden anscheinender Erfolglosigkeit ein Glück, daß seine Vermögens- verhältnisse und sein bis in unsere Tage hinein rüstiges Schaffen ihm erlaubten, dem Unverstand unbekümmert, ja, trotzig seine Werke entgegen- zuhalten, die, von Stufe zu Stufe sich steigernd, eine glänzende Entwicklung des deutschen malerischen Könnens darstellen.

Die Ablehnung der Kunst Trübners seitens der Kunstfreunde ist allerdings nicht gerade auf Böswilligkeit zurückzuführen, sondern auf die dem Wesen Trübners völlig entgegengesetzte Richtungsstellung der künstlerischen Aufgaben und Anschauungen in seiner Zeit. Das Umlernen aber ist für Kunstgenießer und Führer zur Kunst ebenso schwer oder unmöglich, wie für den aus seiner angeborenen Natur heraus schaffenden, nur in sich verankerten Künstler. Da sind schmerzliche Reibungen unausbleiblich. Nur

Xl.X. Februar 1916. 1

Wilhelm Trübner.

PROKESSOK WII.H. TRUBNER-KARLSRUHE.

den in sich unsicheren, leicht beweglichen Natu- ren, die im Augenblickserfolg die Bestätigung ihrer Bedeutung gesichert meinen, wird es leicht, das Segel rasch zu drehen und den gerade wehenden Wind sich dienstbar zu machen.

Es verdient auch hier hervorgehoben zu wer- den, wieviel und wie lange die deutsche Kunst zugunsten des Auslandes herabgewürdigt und damit herabgewertet worden ist. Kein Gebiet, weder das Porträt, noch die Landschaft, weder das Figurenbild, noch das Stilleben, wurde ge- schont, wenn es galt, das fremdländische Er- zeugnis gegenüber der deutschen Leistung hoch- zuleben. Es wird späteren Feststellungen vor- behalten sein, nachzuweisen, wie tief durch sol- ches sinnloses Vorgehen die deutsche Kunst in ihrer Entwicklung gehemmt und geschädigt wor- den ist, weil in der dadurch bewirkten Verwir- rung nur die Zähesten, ja Hartlebigsten, am Ent- wicklungsgang festhielten, der deutschem Emp- finden und deutscher Anschauung gemäß war. Der „Fall Trübner" wird hinsichtlich der Er- folglosigkeit verschärft, weil die künstlerische

KAPELLE IN sl II I M IIURG, NECK.\R<i (1913). IM BESITZ DER N.\TIONAL-GALERlE BERLIN.

Entwickelung bei Trübner von einem Punkte aus mit ungeheurer Folgerichtigkeit, mit ganz geringenSchwankungen und Ausbiegungen, eben seiner eigensten Natur gemäß, sich vollzieht, und weil sie unabhängig und unbeeinflußt vom Zeitwollen zu sein scheint und gewissermaßen aus sich heraus vor sich geht, wenn einmal die leisen Anstöße von außen her den fruchtbaren Boden der Trübnerschen Malnatur gelockert haben. Die Entwicklungsstationen der Trüb- nerschen Kunst liegen nicht auf Bruchlinien, sondern auf fast vorherbestimmtem, organisch festgelegtem Wege, an dessen Anfang dem werdenden Künstler „die vier größten Könner des Jahrhunderts: Feuerbach, Canon, Leibl und Thoma als Führer und Leitsterne" standen. Feuerbach, mit dem Trübner in den 60er Jahren in Heidelberg noch persönlich verkehrte, hat nur mittelbar auf ihn gewirkt: als entschei- dender Berater bei der Berufswahl zunächst, dann aber auch durch seine adelige Auffassung vom Wesen der Kunst in Wort und Werk, die dem Kunstjünger ein hohes Vorbild stellten.

WILHELM TRÜBNER KARLSRUHE.

GEMÄLDE »VVALÜEINGANG (1902).

Bezeichnend für Trübners Naturanlage ist es, daß er aus Wahlverwandtschaft und fast gegen den amtlichen Lehrgang sich dem eigenartigen, maltechnisch seiner Zeit und seinem Aufent- haltsort Karlsruhe überlegenen, aus einem Schatz von Wissen schöpfenden H. Canon (von Straschiripka) zuwfandte und seiner Führung

sich überließ, nachdem die Akademie und das Kunstleben zu München sich für seine Ausbil- dung als ungeeignet erwiesen hatten.

Mit dem für einen Neunzehnjährigen erstaun- lich gemalten Bilde „In der Kirche" ( 1 869, Karls- ruher Kunsthalle) ist der erste Ton der Tiüb- nerschen Malweise schon sicher angeschlagen:

346

PROF. W. TRÜBNER. .KAMPF DER LAPITHEN UND ZENTAUREN. {181').

PROF. W. TRÜBNER. .GIGANTENSCHLACHT. (i»77). kdnsthalle-kaiosrdhe.

Wilhelm Trühiier.

PROFESSOR WII.H. 1 RLBXER - K.VRLSKURE. GEMALIIE K-\RTOFFELACKER Ml 1 MANoVEK-L.KUl'PE« .1n7i1 . IM PKI\ A] 1;E>I 1/..

Reine Gegenständlichkeit und Sachlichkeit, Sicherheit in der Zeichnung und Malweise, kein Effekt, kein Mehrwollen als Können, dieses aber sicher und fest, ein Grundstein für die Zukunft. Der noch in der Canonzeit gemalte „Alte Mann" (1870) |S. 374] sagt das Nötige hierzu auch bezüglich der Farbe.

Nachdem Canon (1870) wieder nach Wien, Trübner nachMünchen gegangen war, erschlossen sich für diesen die entscheidenden Berührungen mit Leibl und mit Thoma (1871).

Leibls maltechnische Ausschließlichkeit, die Primamalerei, die bei sicherster Formbeherr- schung höchste koloristische Sorgfalt und Un- mittelbarkeit forderte, wurde für Trübner maß- gebend. Alles Genrehafte, historisch Interes- sante, literarisch Geistvolle, populär Anziehende ist nicht bloß vermieden, sondern man könnte fast sagen. Trübner habe mit Absicht alltägUch nüchterne, fast banale Stoffe gewählt, nur um an seinen Bildern das Köstliche der Vortrags- weise und des Kolorits umso eindringlicher dar-

zutun. „Der erste Versuch" (Junge am Schrank, Stuttgart), „Im Atelier" (München) [S. 359|, das „Butterbrotmädchen", „BürgermeisterHoff- meister" (Berhn) [S. 373] alle aus dem Jahre 1872 , gehören hierher.

Vergegenwärtigt man sich diese Bilder neben- einander, so ergibt sich außer der wunderbaren koloristischen Zucht noch die immer stärker sich durchsetzende Bewältigung der lichttragen- den Elemente, wie sie in den hellen Bildstellen verteilt sind, vorerst nur noch als Lichtleiter. Hierin liegt schon die Freiheit Leibl gegenüber. Vielleicht wirken aber die Erinnerungen der internationalen Ausstellung (München 1869, mit Couture, Courbet, Manet), vielleicht auch die Eindrücke von den Niederländern und an- deren alten Meistern nach, die Trübner in den europäischen Galerien studiert und in seiner wahlverwandten Begabung aufbewahrt hatte.

Die römische Reise (1872) verstärkte die Entwicklung nach der Seite des Kolorits und der Lichtdarstellung in paralleler Bewegung.

Wilhelm Trübner.

PROl'ESSOR WILH, TRUBNEK KARLSRUHE.

Ohne Licht: keine Farbe, sondern Dunkel- heit, Schwarz; Summe aller Farben: höchstes Licht, Weiß. Die Sonne Italiens leuchtet be- kanntlich anders, als das durch die feuchten Luftschichten brechende Licht nordalpiner Län- der. Diese Gegensätzlichkeit muß Trübner auf- gefallen sein, und er setzt sich mit ihr in einer Reihe eigentümlicher Werke auseinander. In den „Mohrenbildern" [S. 378 79],woseinKolorit aus dem Schwarzbraun der Haut und dem Dunkel des Gewandes sich zu vollklarer Form- sprache auf dem dunkelroten Hintergrund ent- wickelt und mit dem Blumenstück [S. 378] eine sieghafte Farbennote ausspielt. Hier, wie im „Kassensturz" [S. 379], ist in der stillebenmäßi- gen Behandlung von Einzelheiten und in der Ge- genüberstellung stumpfer und heller Töne schon das Meisterliche der späteren Stillebenmalerei vorgedeutet. Noch bestimmter und zusammen- geballter bis zur vollendeten Helldunkelwir- kung wird die Lichtführung auf dem „Selbst- bildnis" (Dresden) [S. 361], „Beim römischen

»BEIM KUMIM HEN WEIM (1H72). IM PRIV.\TBEsnV,.

Wein" [S. 352] und im „Herrnbildnis" (Ham- burg) [S. 363] alle 1873 , um im „Liebes- paar" [S. 365] von der lila-silbrigen Hinter- grundsgruppe her durch den hellen Hund auch den Raum aus den gebrochenen Farben und dem zerstreuten Licht zu entwickeln, was schon in den obengenannten römischen Tischszenen zur Andeutung gelangt.

Eine Sonderstellung nimmt die Landschaft bei Trübner in dieser Zeit ein. Die Werke; „Im Heidelberger Schloß", (Darmstadt) [S. 385], „Waldrand", „Waldinneres", „Schloßgarten" sagen eigentlich noch wenig von seiner spätem Tätigkeit als Landschaftsmaler; nur daß man den schlichten, rein gegenständlichen Naturaus- schnitt mit der größten Treue in rein maleri- scher Haltung, d. h. in sorgfältig zusammenge- stimmtem farbigem Vortrag ohne scharfe zeich- nerische Behandlung wiedergegeben sieht. Also hat Italien außer der Klärung in der Lichtführung und Raumbildung keine andere Folge gehabt, als die Liebe zu Baum und Wald, die dann in

Wilhelm Trübner.

PROKESSOR WILH. TRUBXER— KARLSRUHE.

den Chiemseebildern [„Dampfbootsteg" (Mün- chen), „Herrenchiemsee" (Berlin) u.s. f. (die volle Freiheit zur Darstellung aller möglichen Arten von Grün gegen das Silber der Luft und des Wassers gewinnt. Die malerische Vollendung in farbiger Haltung und in Technik ist durch die bekannten Bildnisse („Landwehroffizier", „El- tern") und die Tierstilleben gekennzeichnet. Die niederländische Reise (1873) läßt im folgenden Jahre sich im Bildnis (1873) [S. 371], den drei Christusbildern [S. 355, 357] erkennen: An sich sind es Köpfe und Akte ohne jegliche äußere Schönheit, sondern geradezu eigensinnige Be- kenntnisse und die Beweisführung zur Möglich- keit, rein koloristisch und nur in Gegensätzen von Licht und Dunkel alltägliche Modelle künst- lerisch wertvoll zu machen und kühnste Ver- kürzungen und Raumvorstellungen aus der Malerei heraus zu lösen, Leistungen, die in vollen Ehren neben Mantegnas linearer Strenge und Rembrandts Hell-Dunkel und dem breiten Vortrag von Frans Hals bestehen können.

»CÄSAR AM RUBICOX« (1877). KU\MHAI.r.E KARLSRUHE.

Die Zeit der experimentierenden Studien wird, meines Erachtens, damit abgeschlossen. Der Künstler hat das Ziel erreicht, einen „schlich- ten Gegenstand ohne auffallende Handlung, ohne schönes Äußere und ohne dekorativen Effekt, die Figuren in einfach natürlicher, un- gezwungener Stellung, im Alltagsgewand, aber mit aller Schönheit in der höchsten koloristi- schen Darstellungsweise zu formen, so daß ein weiteres Interesse für Begebenheit und andere Zufälligkeiten daneben gar nicht aufkommen kann." Jene, die die Güte eines Werkes nach den zufällig in Mode stehenden Äußerlichkeiten bestimmen, werden von Trübner als „Kunst- gigerl" bezeichnet. Es ist klar, daß es sich bei diesen scharf geprägten Urteilen immer nur darum handelt, ob das Bild künstlerisch gut ist oder nicht, und nicht irgend welche andere Zwecke verfolgt, als z. B. Hell- oder Dunkel- farbigkeit, Kolorit oder Einfarbigkeit , ein Standpunkt, der ebensoweit von der „Kunst an sich" wie von Popularitätsabsichten entfernt ist.

353

PROFESSOR WILHELM TRÜKNF.R.

»REITERBILDXIS GROSSHERZi m; V( iX HESSEN« ^iwö . PAr.AlS DARMSTADT.

PROF. AV. TRÜBNER. »CHRISTUS IM GRABE« is74:. neue pinakothek in München.

PROFESSOR WILHELM TRÜBNER. .CHRISTUS IM GRABE« (1874).

XIX. Februar 1916 2

VVilhehn Trübner.

PKol-EShUK WILHLI .\l 1 lU |:MK -KAklsKi III'.

Werke dieser Art hat Trübner in der frucht- baren zweiten Hälfte der 70er Jahre in großer Fülle geschaffen. Hervorragende Bildnisse : „Alte Frau" (1875) [S. 372], „Martin Greif" (Frankfurt) [S. 375], „Schuch im Sessel" (Berlin) [S. 376], „Männliches Bildnis", „Selbstbildnis", „Blondine" (alle 1876) gehören hierher. Ebenso die freiräumigen und im Kolorit bei aller Ge- haltenheit außerordentlich reichtönigen Land- schaften: „Zimmerplatz am See" (Hamburg) IS. 345], „Dogge am Waldsee", „Dragoner im Kartoffelacker" [S. 351], [alle 1876), mit ihren von vorn nach hinten abgestuften Helligkeits- flächen und ihren vielstimmigen, zu einfachen Akkorden zusammengefaßten Tonwerten.

Die nächstfolgenden Jahre zeigen Trübners Suchen nach neuen koloristischen Möglich- keiten, nicht ohne gewisse Unruhe der Ent- wicklungslinie in Farbe und Vortrag. Hier liegen vielleicht schon die ersten Keime der späteren Monumentalkunst Trübners. Die Stoffe werden andere. Antikisierende und literarische Inhalte tauchen auf, „In Arkadien" (1890) [S, 392] ge- hört noch hierher. Die Gigantomachien [S. 349],

^1 N/ATN- (!'."

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Amazonenschlacht, Kreuzigung, das Schlachten- bild, die Wachtparade, Dantes Hölle, die Zen- taurenbilder [S. 348] entstehen. Die „Wilde Jagd" leitet diese Werke von 1877 ein, die „Doggemit den Würsten" schließt sie ab. Noch ist das Kolorit von größter Feinheit, noch flutet das Licht in reichem Gewebe über die Leiber, aber der Pinselstrich zeigt, namentlich in den Zentaurenbildern, eine fast schlagartige Breite bei verhältnismäßiger Kürze. Die Zerlegung und Aufteilung der Lichtquellen beginnt; die hellfarbige Periode setzt ein. Die Neuregistrie- rung fängt an, noch zaghaft, aber doch schon auf das Freilichtbild gerichtet. Man möchte fast sagen, daß Trübner die Ateliermalerei auf- gibt, und daß er vom Freilicht durch die Notwendigkeit neuer Darstellungsweise und Farbenakkorde fast verwirrt wird. Tatsäch- lich fällt in die 80 er Jahre eine Periode der Unsicherheit und der Unfruchtbarkeit. Die Eltern Trübners starben, ohne die Freude des Erfolges bei ihrem Sohne erlebt zu haben. Ab- lehnung, Anfeindungen haben während einiger Jahre eine Mutlosigkeit bei Trübner herbei-

J Vilhclm T> ü hier.

PROFESSOR WILH. TRUBNER-KiVRLSRUHE.

geführt, so daß diese Zeit durch literarische und kostümgeschichtliche Studien, durch gesell- schaftliche Verpflichtungen, durch Sammlung von Altertümern, Gemälden und Büchern, so- wie durch eine Reise nach England ausgefüllt wird. Doch entstehen immer wieder Werke von edelster Rasse; das Bildnis von Miß Lina Trübner [S. 367] (1885) kann für alle zeugen. Aber hier liegt die Grenze,' wo sich die tonige Kunst Trübners, die sich im Atelierlicht ent- wickelt und ausgebildet hat, von der farben- kräftigeren Freilichtkunst zu trennen beginnt, wo die neue Malepoche des Meisters einsetzt.

Die Landschaften von Frauenchiemsee (1891), Seeon (1892) usf. deuten in ihrem Raumgefühl und Farbenakkord das Neue an.

Aber der Boden in München schien doch nicht mehr recht fruchtbar für Trübner werden zu wollen, und so zog der Künstler, nach häu- figem Wechsel des Aufenthaltsortes 1896 nach Frankfurt a.M., um in den alten Freundeskreis Thoma-Lang-Steinhausen neu einzutreten.

»VILLA AM STARNBERGER-SEE« (1912).

Frankfurt war Neuland, war Ruhe, gab Selbstbesinnung und Sammlung und eröffnet die Periode der Freilichtmalerei mit ihrem Ge- folge von Forderungen hinsichtlich der künst- lerischen Darstellungsweise. Der damals noch nicht von Häusern umstandene und verbaute Staedelgarten bot Gelegenheit, den Akt im Freien zwischen Gebüsch aufzustellen. Die sanfte Schönheit der nahen Taunuslandschaft, die üppigen, leuchtend grün erstrahlenden Ge- lände der Bergstraße und des Odenwaldes for- derten gegenüber dem Atelierkolorit eine völlige Umwertung der Palette, eine Aufhellung. Die im Freien sich ergebenden Formauflösungen, die farbigen Reflexe, die durchsichtigen, far- bigen Schatten das reichere Spiel der Licht- flecken durch das Netzwerk der Baumkronen all das bedingte ein Neues in der Trübnerschen Malerei. In sieben arbeitsreichen Jahren hat Trübner ohne französische Beeinflussung die deutsche Freilichtmalerei zu ihrer monu- mentalen Ausdrucksform erhoben. Es kann

PROFESSOR WILHELM TRÜBNER -KARLSRUHE. GEMÄLDE ..MEDITATION« (I8i)9).

VVühehn Trübner.

I'KOKESSOR WH.H. TKÜBNF.R KARLSRUHE.

nicht scharf genug hervorgehoben werden, daß Trübner dem französischen Kunstbetrieb nichts, gar nichts zu verdanken, sondern seine Art aus sich heraus entwickelt hat. Von den Wegpunk- ten dahin weisen wir nur auf den hier wieder- gegebenen „Waldweg" (1902) [S. 346] und die vier Reiterbildnisse hin, darunter besonders das des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen (1905

"I.IEIiESI'AAR MIT HUM)« (lST3,i. KU.NM VEREIN- ESSEN.

Darmstadt) [S. 354] und nennen zum Vergleich noch die Werke von Amorbach, Lichtenberg und Hemsbach. Im Ernst Ludwig-Bildnis, dem eine reiche Folge von Einzelstudien aller Art vorausgeht , ist das monumentale Form- und Raumproblera rein koloristisch gelöst. Dazu war eine Zerlegung der Formflächen in Farb- flächen notwendig. Diese wurden mit breiten

365

/ [ ^ilJichi! Tt ühicr.

PROFESSOK UU.HEI.M TKVBXER KARLSRUHE.

Farbbändern in fast unvermittelter Abstufung nebeneinander gesetzt, so daß das Körperliche von Mensch, Tier, Raum und das Ätherische von Luft und Licht aus einem Mosaik von Farb- flächen sich baut. Trübner geht, meines Er- achtens, über die bskannten Reiterbildnisse des Velasquez hinaus, indem er statt der raumab- schließenden Seitenstellung die Tiefenstellung bevorzugt und den Raum erstehen läßt, den er aus kühlem Grün, Blau und Grau herstellt.

Hier ist der Punkt, von -wo aus sich ein Blick auf Trübners Monumentalkunst werfen läßt. Sie folgt, weil sie aus dem Farbigen geboren ist, anderen Gesetzen, als den uns aus der Tradition überkommenen der linearen Raum- und Flächenkonstruktion. Die eigenartige, auf Farbigkeit gestellte Künstlernatur Trübners konnte deshalb abschließende Lösungen in der Monumentalmalerei so lange nicht bringen, als in seiner Arbeitsweise noch das System der Lichtfleckenverteilung und der Helldunkel- wirkungen bestand. Daher die von manchen

»RO.SENHECKE« (1909). KUNSTHALLE -MANNHEIM.

alsnicht ganz befriedigend empfundenen Werke, die den Giganten- und Amazonen-Darstellungen nahe stehen, und zu denen auch die wenig be- kannten „Okeaniden" (1890), sowie die Wandge- mälde der Heidelberger Stadthalle „Begrüßung Karl Friedrichs in Heidelberg 1803" (1906) ge- rechnet werden müssen. Überhaupt besteht ein Unterschied in der Qualität und Malweise beim Tafelbild oder Monumentalwerk. Ein Tafelporträt kann und muß bis in die letzte Einzelheit malerisch durchgebildet sein, weil die kleinere Farbfläche die sorgfältigere Be- handlung zuläßt, ohne das Ganze zu beeinträch- tigen. Beim vielfigurigen Bild müssen und dürfen zugunsten des Ganzen die Detailquali- täten bis zu einem gewissen Grade zurück- treten, weil es bei den großen Formaten doch mehr auf die Gesamthaltung und Gesamtwir- kung ankommt. Das ist aus einem Vergleich der Bildnis- und Monumentalkunst der alten Meister (Raphael, Rembrandt) ebenso gut zu erkennen und abzuleiten, wie aus Werken der

366

PROF. W. TRÜBNER. .BILDNIS EINER COUSINE DES KÜNSTLERS« (1885).

}Villiehn Trübner.

PROFESSOR WILHELM TRLBXER--K-\RLSRUHE.

Neuern. Ein Monumentalwerk wird also in einzelnen Qualitäten weniger streng sein dürfen, wenn es nur als Ganzes das Urteil aushält, wäh- rend das Einzelbildnis unbedingt die kritische Sichtung bestehen muß.

Heute würde Trübner derartige Aufgaben durch die Vereinfachung der Farbenskala, der Farbenflächen und durch ihre unmittelbare An- einandersetzung lösen, wie er es in den Reiter- bildnissen und in den letzten Landschaften getan hat. Diese in der deutschen Kunst bis jetzt einzig dastehenden Bildnisleistungen, wie auch die Landschaften der letzten Periode haben bislang nur mäßige Anerkennung gefunden. Aber Trübner hat in den Starnberg- und Ober- bayern-Landschaften (1909 12) [S. 377, 383] und neuestens in dem Dutzend der „Stift Neu- burg"-Bilder [S. 342, 386, 387] sowie in den Bildern aus dem letzten Jahr von Baden-Baden und Homburg v. d. H. (1915) die Errungenschaf- ten der Freilichtmalerei zu einer Vollendung und Vereinfachung geführt, die wie die Zusammen-

8 BALKONZIMMER .\M ST.\R.NBERGER SEE« (1912

drängung reich organisierter Symphonien auf Grunddreiklänge von Grün-blau-braun oder Grün-gelb-blau anmuten. Nur ein Künstler von seiner zeichnerischen Sicherheit und farbigen Kraft konnte das fast banal Gegenständliche zu dieser zwingenden Eindringlichkeit erheben, die man als Variationen in Grün über das Thema zweier anderer Farben ansehen kann.

Trübner, am 3. Februar 1851 in der roman- tischen Hauptstadt Deutschlands, zu Heidel- berg, geboren, hat in seiner künstlerischen Entwicklung alles Romantische, das im Hell- dunkel, im Inhaltlichen, im Sehnsuchtbeschwing- ten, im Wunderlichen und das Wundersame Liebenden, im Unendlichkeitsgefühl lebt, völlig ausgetilgt. Seine letzten Werke über die far- bige Umwelt sind wahrhafte, objektive Zeugen- aussagen, die nichts verschweigen, aber auch nichts hinzufügen. Das verklärende Spiel zit- ternden und flutenden Lichtes, das mit seiner ätherischen Kraft das Dunkle ins Helle, das Gewöhnliche ins Ungewöhnliche hebt, ist in

XIX. Februar 1916. 3

PROF. WILHELM TRÜBNER KARLSRUHE. KNABE MIT DOGGE« (1877). BES: KUNSthalle düs.seldorf.

370

WILH.TRÜBXER FRAU MIT PELZKRACEX- (1873).

GEMÄLDE IM BESITZ DER NEUEN PINAKOTHEK IN MÜNCHEN.

Wühehn Trübner.

372

PROFESSOR WILHELM TRUBNER-KARLsRUHE.

die kühlklare, kristallendurchsichtige Chromatik starker Farbenklänge umgesetzt. Trübner hat die Physik der Farben wissenschaftlich kaum studiert; er ist durch die besondere Anlage seiner Natur künstlerisch zur klaren und letzten Erkenntnis der farbigen Physis vorgedrungen. Diese gibt er uns, ohne Heimlichkeiten, ohne

■ALTE FK_\r ,1^7o,. STAATSGAL. STUITG.VKT.

Lichtblilze, ohne Schattentiefen, als Wahrheiten und damit als ein offenbartes Geheimnis des Schaubaren. Die Formel seiner Kunst lautet jetzt nicht mehr; Licht und Farbe, sondern Licht ist Farbe. Damit ist das Schaffen Trüb- ners auf seine elementarische Einheit gebracht.

MANNHEIM. DR. JOS. AÜG BERINGER.

PROF. W. TRÜBNER. .BÜRGERMEISTER H. IN H.« 1872). Nationalgalerie in Berlin.

PROFESSOJ< WILHELM TRÜßNEK-KARLSRUHE. .ALTER MANN. (i»70).

PROF. W. TRÜBNER. .BILDNIS DES DICHTERS MARTIN GREIF. (187(5). IM BESITZ DES STÄDELSCHEN KUNSTINSTITUTS IN FRANKFURT A. MAIN.

WILHELM TRÜBNER. .BILDNIS KARL SCHUCH. (187U). natiünalgalerie Berlin.

'Äs'syi^*. *:

PROFESSOR WILH. TRÜBXER. .KASSENSTURZ« (i»T2). museu.m h.vn.\over.

XIX. Februar 1916. 4

Vom Künstler und z'on der Porjn.

PROFESSOR \VII.H. TRLBNER KARLSRUHE.

der Dinge, also nichts als das, was man eben nur ihre Formalität nennen kann, wer aus- schließlich in der Wahrnehmung der sinnenfäl- ligen und in ihrer Sinnenfälligkeit irrational be- deutsamen oder wohl auch logisch bezwingen- den Formalität zu leben gewohnt ist, der ist ein Künstler.

Es ist hoffnungslos schwierig, das Problem positiv zu bestimmen. Man könnte es annähernd vielleicht nur negativ bezeichnen: Kunst ent- steht bloß da, wo das Verhältnis des Menschen zum ganzen Leben sehr anders ist als bei uns, den zerebral und unsinnlich erzogenen Laien.

Was dieser zunächst scheinbar leere Satz umschließt, läßt sich einigermaßen alsbald von jedem Laien ermessen, der seine eigene Art, zu sein, mit dem Charakter der Existenz eines Künstlers vergleicht. Die Künstler sind anders als wir. Das Nächste, das etwa auffällt und das sich vom Laien aus bemessen läßt, ist die Weise des Künstlers, zu denken und sich zu äußern. Bei ihm scheinen Gedanke und Wort nicht Er-

»I;AI>EFL-\TZ am ST.VKNBERGER SEE« (HI12).

gebnisse systematisch verbindenden Denkens. Vielmehr muten sie an wie Einfälle, fast wie Sprünge. Sie sind Geschenke der Phantasie. Sie haben auch den Charakter des Unbewußten und des Zufälligen. Sie sind herabgestreute Launen des guten Glücks. Oft ist es beim Künstler, als sei eine Blume, ein Baum, ein Tier redend geworden. Man weiß nicht, woher der Pflanze und dem Tier die Gabe kommt, noch wohin sie eigentlich zielt, noch ob sie einen schulmäßig faßbaren Sinn bringen kann. Nichts scheint ja im Zusammenhang gemeiner Logik zu stehen. So denkt und spricht der Künstler. So etwa lesen sich die Briefe van Goghs. Aber je weniger Systematisches, Zerebrales und Be- wußtes in den Gedanken und Worten der Künstler ist, desto voller und überzeugender man möchte sagen blutiger und fleischiger sind ihre Gedanken und Worte. So bestimmt sind sie, so gänzlich unbeirrt von der Möglich- keit schulmäßiger Einwände, so über die De- batte erhoben, so unwiderleglich von Natur,

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AVILH. TRÜBNER. FENSTER IM HEIDELBERGER SCHLOSS« GEMÄLDE (1S73) IM BESITZ DES GROSSH. LANDESMUSEUMS IX DARMSTADT.

Köw Kioisikr U7id :'on der Forr,

PROFESSOR WILHELM TKÜBNI;K KARLSRUHE. r.LVRIENS.U'LE VOR SlIFT NEUl.IKO •• (.I'JIS). KUNSTVEREIN FRANKFURT.

daß sie keiner Gründe und Beweise bedürfen. Alles scheinen Künstler aus der Nähe wie aus der Ferne so sicher zu wissen, daß man ihre Ge- wißheiten nur mit der bedingungslosen Sicher- heit tierischer Instinkte vergleichen kann. Über- haupt scheinen dieKünstlermit unmittelbareren, prompteren, volleren Sinnen begabt: im Ge- sicht, im Gehör, im Greifen und im Tasten wie im Geruch und Geschmack und im Erotischen. Zugleich scheinen Worte und Gedanken eines Künstlers aus unabgemessenen Tiefen zu stei- gen, zugleich aus schwindligen Höhen herabzu- kommen ; so gewinnen sie neben den Bürg- schaften, die ihnen das Instinktive ihres Wesens verleiht, die Gewalt einer geistig-gründlichen, einer jenseitigen Offenbarung. Aus einer Mi- schung von unbegreiflicher, aber schlagender Intuition und animalischer Witterung bilden sich Gedanken und Worte des Künstlers.

Damit versteht sich das andere fast von selbst. Es fällt auf, daß sich die Künstler, die echten jedenfalls, keine schweißigen Sorgen über Zu-

sammenhänge von Ursachen und Wirkungen zu machen pflegen. Sie entwickeln nicht. Sie haben alles auf einmal in der zusammenfassenden An- schauung einer formal eindringlichen oder viel- mehr formal eindringlich erlebten Erscheinung beisammen. Die Künstler leiten nicht das eine von weither aus dem andern ab. Sie scheinen eine Tatsache nicht in der Tiefenrichtung, sondern in der Breite aufzustellen. Aber seltsam; trotz alles Flächig-Naiven künstlerischer Wahrneh- mung bleibt der Eindruck der Tiefe, und zwar im körperlichen wie im geistigen Sinn. Die Künstler offenbaren, ob sie reden oder malen, den ganzen Nachdruck der sinnlichen Wölbung, die den Dingen eigen ist und die von uns, den Laien, vergessen wird, da wir den Tiefsinn der Dinge, so gründlich wir sind, nicht leicht in die irra- tional deutende Formalität von Blättern, Blu- men, Tieren übersetzen wie der Künstler, dessen bewundernswerte Oberflächlichkeit letzte Ge- heimnisse umspannt und für Sekunden ent- schleiert — kühner entschleiert als Philosophie.

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PROFESSOR WILHELM TRURNER- KARLSRUHE. GEJIALDE •HOF IM STIIT NKIinURr,' Il9l:i) HrSIT7. D. KUNK THAI LF MANNHEIM

Vo);! Künstler titid :'0>i der Forvi.

PKOH-:>.SOK Wll.H. IKLKNKK KAKl.,-.RrHE.

Freilich sind solche Worte über den Künstler und die Formalität seiner Welt, seiner Erleb- nisse noch immer ziemlich negativ; vom An- derssein der Künstler ist die Rede, von einem Faktum also, das wir als Laien schließlich doch nicht ganz auszumessen vermögen. Es gibt, wenn wir die reine Formalität der Dinge so erleben wollen wie der Künstler, die Formalität der Dinge oder, wenn man will, ihre ahnungs- volle Landschaftlichkeit, ihre stillebenartige Weisheit es gibt, wenn wir dies erleben wollen, am Ende nur den einen positiven Weg für uns, stärker und immer stärker mit den Sinnen aufzunehmen. Beispielsweise in der sinnlich - formalistischen Intensität des Ge- schmacks beim Essen zu leben, wenn wir nicht sehen und nicht malen können. Dann käme es darauf an, die Intensität des Bedürf- nisses und des Geschmacks, die man beim Essen empfindet, als eine sehr sinnlich-formale Inten- sität auf unsere Vorstellung vom Künstler zu übertragen. Malen und Meißeln des Künstlers könnte etwa eine Steigerung der sinnlich-for- malen Sensation sein, die ein kultivierter Esser beim Essen , ein Liebender beim Lieben hat. Wie weiter die angenehme zerebrale Schwin-

»HEIUELBEKG« (INill) IJEKLINEK PKI\ A I ia„^l 1 /.

gung beim Essen ein mittelbares Ereignis zu sein scheint, so ist das sogenannte Geistige der Kunst nichts als eine zum Äußersten verfeinerte Weisheit der Sinne. Das Hirn selbst ist beim Künstler zum Sinn geworden. Das Zerebrale selbst wird bei ihm ein Sinnliches, das reflex- mäßig, naiv und fleischlich reagiert.

Sinnliches ist auf Erfahrung gestimmt. Da- her bedarf der Künstler der Erfahrung. Sie besitzt ihrerseits nur für ihn ihre reinste Form. Er allein ist der Mensch, der die Welt des Vor- handenen nach dem ganzen Umkreis ihrer sinnen- fälligen und formal nachdrücklichen Erschei- nung gründlich befriedigt, gründlich heiter auf- nimmt. Er allein ist der Mensch, der die so volle Formalität aller Dinge der Erfahrung sieht : er erblickt den Reichtum, die Gebärde der Gegenstände. Alles ist ihm Geste. Alles ist ihm Farbe. Alles ist ihm Rumpf mit Kopf und Glie- dern. Alles hat für ihn merkwürdige Formalität, die sein augenblickliches Gefühl sättigt und seiner Erinnerung tausend Aufgaben stellt und ihn hindert, über die große und weise Seltsam- keit des Formalen hinüberzudenken zu philoso- phischem und theologischem Warum.

Dies alles bedeutet freilich auch, daß der

J'o'N Künstler luid zmi rlcr Form.

390

JP^ <S".- "-- ' ^^ '

PROFESSOR WILH. TRUBNER KARLSRUHE.

Formalismus des Künstlers über die unmittel- bare Einfachheit der Erfahrung hinausgeht. Der Künstler hat Phantasie.

Aber die Phantasie bleibt wiederum auch dann im Sinnlichen, wennsie ins Geistige wächst. Phantasie: sie ist nun das Äußerste, dessen der Künstler fähig ist. Sie ersetzt ihm die Befrie- digungen, die der rein gedankliche Mensch aus

KLOSTER FRAUEX-CHLEMSEE« (1691).

der Freude an der Erkenntnis von Kausalitäten zieht. Der zerebrale Mensch als der unglück- selige Haupttypus des Menschen im neunzehnten Jahrhundert verfolgt dieWirkung zur Ursache zurück. So erweitert er zweifellos den Bestand der Erfahrung. Dem Künstler freilich scheint es größer oder schlechthin notwendig, mit der Phantasie fast eine dogmatische Anschauung

I^om Künstler tind von der Form.

zu vermögen, mit festen, über Ursächliches hinausgehobenen Formahtäten zu rechnen und die Mühsehgkeiten der Erforschung des Kau- salen zu verschmähen. Er, der Künstler, er- weitert den Bestand menschlicher Erfahrung, indem er die einfache, die banale Erfahrung mit einem Schlag überbietet: er verstärkt die Erscheinung ins Romantische, Abenteuerliche, Jenseitige, und so ist er, der Sinnliche, der Primitive, der Unzerebrale vielleicht der einzige Mensch, der von sich behaupten darf, er befahre mit Glück auch metaphysische Meere.

Es ist trübe, daß wir Heutigen gezwungen sind, derart über Gegensätze zwischen Künst- lern und Laien nachzudenken. Die Normalilät des auf das Formale der Erde, der Hölle, des Himmels gerichteten Künstlers ist so sehr außer jedem Zweifel, daß nur wir anderen uns der Abnormität zu zeihen haben. Wir Laien alle, die nicht malen können, sind ein wenig Krüppel. Das Banausische eines rein zerebralen Lebens begann mit Sokrates: Griechenland lag vor seinerzeit. Doch nein ; ihm geschieht Unrecht, denn seine Philosophie, die noch etwas von der Phantasie der alten sinnlichen griechischen

Philosophie hat, argumentiert im Gorgias am liebsten mit Gründen aus der Kochkunst, so unliebenswürdig Xantippe auch gekocht ha- ben mag. Er war noch ein Grieche, wenn er auch einer der ersten war, die der naiven Freude der Sinne und eines sinnlichen Hirns an der bloß tatsächlichen Formalität der Dinge und der Gedanken das Grab geschaufelt haben.

MÜNCHKN. WILHELM HAUSENSTEIN.

Ä

BILDER VON PROFESSOR WILH. TRÜBNER IN ÖFFENTLICHEN SAMMLUNGEN; Berlin Nalional-Galerie 6, Bonn Museum 1, Bremen Kunst- haile 5, Breslau Museum 1, Cöln Museum 2, Danzig Museum 1, Darmstadt Museum 2, Dresden Galerie 3, Düsseldorf Kunslhalle 2, Elberfeld Museum 2, Essen Kunsthalie 2, Frankfurt a. M, Städelsches Kunstinsti- tut 1 2, 1 lagen i.W. Museum 1 , Halle Museum 1 , Hamburg Kunsthalie 8, Heidelberg Kunsthalle 2, Karlsruhe Kunsthalle 6, Leipzig Kunsthalle 1 , Magdeburg Kunst- halle 1, Mannheim Kunsthalle 8, München Neue Pina- kothek 9, Posen Museum 1, Stuttgart Kunsthalle 3, Weimar Kunsthalle 1, Wiesbaden Museum 3, Mailand Mod. Galerie 1, Reichenberg i. B. Mod. Galerie 1, Wien Mod. Galerie 1, Zürich Kunsthalle 1. (Zus. 88.)

l'Kiil'Ks.sult WILHELM TRUIiXEK K.\RL.SKUHE. »IN AKKAI illON <- (L'^HH). L\l l'K I VA I l;ESI 1 /..

PROFESSOR ANTON HANAK WIEN. I'UTTE AN EINEM GEWÄCHSHAUS IN HIETZINC. ERÜAUT VON PROF. JOS. HOFFMANN.

PROFESSOR

A. HANAK-

WIKX.

pn IE AN EINKM GE\V.\CHSHAU>E IN HIETZING. ERBAfTVOXPRiiF, JOS. HOEEMANN.

ÜBER BÜHNE UND MALEREI.

T Tber die Wechselwirkung von Malerei und V^ Bühnenkunst ist oft gehandelt worden, lei- der besitzen wir eine historische Forschung darüber nicht. Und doch würde manches für beide Künste Beherzigenswerte dabei heraus- springen. Die Wechselwirkung begann, als die Bühne den Kreis der Arena verlassen hatte und unsere Guckkastenform mit der fehlenden vierten Wand annahm. Aber bewußt wurde dieser Einfluß erst nach Überwindung des Ro- koko, da die Auffassung Allgemeingut gewor- den war, daß „kein Genremaler je ausgezeich- net gewesen, ohne zuvor wenigstens ein leid-

licher Geschichtsmaler gewesen zu sein" (Cochin 1771). „Die anerkannte und vielleicht glück- liche Unmöglichkeit, die Natur mit absoluter Genauigkeit wiederzugeben" (Diderot), ließ damals in David den Meister der Malerei er- kennen, einer historischen Malerei, die ihre Beleuchtung, ihre Anordnung und ihre Gesten- sprache der Bühne entlehnt hatte. Wir wissen aus Berichten der Zeitgenossen, wie die Maler zu ihrem Studium sich kleine Bühnen in den Ateliers erbauten, und mit Kostümfiguren bei passender künstlicher Lichtgebung alle Wir- kungen ihres beabsichtigten Gemäldes studier-

395

XIX. Februar 1916. b"

über Bühne und Malerei.

PROFESSOR ANT. HANAK- WIEN".

PUTTE AN

EINEM GE-

\VÄCHSH.\US.

ten. Dieser Einfluß der Bühne und der Büh- nenbeleuchtung (freilich nicht der Lichtwirkung des modernen Theaters) dauerte bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Die Düs- seldorfer Schule steht noch in allen ihren Genre- und Geschichtsbildern in Abhängigkeit von der Bühne. Es war ja die Zeit der großen Künstlerfeste im „Malkasten," wo das lebende Bild den Höhepunkt fürdie Schaulust bedeutete. Der moderne Impressionismus und die Freilicht- malerei brachen für die Malerei den Bann der Abhängigkeit von der Bühne, und als das Theater begonnen hatte im elektrischen Licht eine Beleuchtung auszunutzen, die alle Licht-

erscheinungen der Natur vortäuschen konnte, kehrte sich das Verhältnis um. Die Bühne suchte fortan engere Fühlung mit der Natur zu gewinnen und benutzte als Wegweiser die Malerei. Hatte die Malerei durch eine feine Beobachtung der Farbenwerte den Raum er- weitert, so folgte ihr die Bühne darin und gewann im Rundhorizont das Mittel fernste Weiten vorzutäuschen. Dem gesteigerten Licht- bedürfnis der Malerei kamen alle Möglichkeiten der elektrischen Beleuchtung mit dem System von Lampen in drei Farben entgegen. Aber diese neuen Lichtquellen machten die alten Dekorationen mit ihren getünchten Licht- und

über Bühne und Malerei,

l'Kdl'KSSiiK AM. IIANAK- WlkN.

i'U'i'ri'; AN

KINEM GK- WACHSHAUS.

Schattenmassen unmöglich. So entstanden die plastischen Kulissen, und das naturalistische Theater hatte dank der Malerei sein Bühnen- bild gewonnen. Die Sehnsucht unserer Zeit nach Monumentalität, deren Ausdruck die Werke eines Egger-Lienz oder die neusten Arbeiten Sascha Schneiders, kommt in der sogenannten Stilbühne auf dem Theater zum Wort. Gordon Craigs vereinfachte Kulissen oder die Vorhänge, von Reinhardt als Hintergrund in Verwandlungs- szenen bei Shakespeare viel benutzt, gleichen dem großzügigen neutralen Hintergrunde dieser Malerei. Selbst die Massenszenen der Rein- hardtschen Regie zuerst in antiken Dramen und

in der wiederbenutzten Arena angewandt, sind ohne Liebermanns Gemälde großer Massenbe- wegungen, als Schöpfung des Theatermannes allein, undenkbar. Jedoch mit der Slilbühne ist auch der Höhepunkt der Abhängigkeit des Theaters von der Malerei nach m. E. über- schritten. Vielleicht erfolgt jetzt die rücklau- fende Bewegung. Doch wir wollen nicht prophe- zeien, nur anregen und auslegen, die Antwort auf Fragen der Kunst an die Zukunft findet allein der Genius, p ur. robekt corwegh.

Der Gehalt, der in der Kunst zur Aussprache drängt, ist nidits anderes, als das sich zum Bewußtsein gelangende unbewußte Leben des Volkes. Denoir.

397

S T^UNSTSINN.

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heit gelangen kön-

nen. Daher ist das J

geburt der schönen

zweite notwendige

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Erfordernis für den

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und Kenner wie für

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voraus. Das erste

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J künstlerische Kraft,

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nen blühen soll, der J

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rakters und einer

2 oder die erfindende

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sittlicherhöhten J

Kraft idealischer

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Stimmung. Der

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richtige Kunstsinn,

P tischerWirkungläßt

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könnte man sagen, ^

sich weder erwer-

' ";^^

ist das gebildete

ben noch ersetzen.

Gefühl eines sitt-

J Es gibt auch eine

lieh guten Gemüts. J

ursprüngliche

Unmöglich kann

Naturgabe des

hingegendasKunst-

1 echten Kenners,

gef ühl eines schlech- J

welche zwar, wenn

,■

ten Menschen rieh-

sie schon vorhan-

f.

tig und mit sich

! den ist, vielfach ge-

1

selbst einig sein. ^

bildet, wo sie aber

Die Stoiker hatten

mangelt, durch kei-

s

in dieser Rücksicht

ne Bildung ersetzt

nicht Unrecht zu "

werden kann. Der

behaupten, daß nur

treffende Blick, der

der Weise ein voll-

J sichere Takt; jene

kommner Dichter ^

höhere Reizbarkeit

und Kenner sein

des Gefühls, und

könne. Gewiß hat

5 offene Regsamkeit

der Mensch dasVer-

der Phantasie, las-

mögen, durch bloße !

sen sich weder 1er-

Freiheit die man-

2 nen noch lehren.

nigfaltigen Kräfte J

Aberauch die glück-

seines Gemüts zu !

lichste Anlage ist

lenken und zu ord-

P weder zu einem

nen. Er wird also ^

großen Künstler

auch seiner künst-

noch zu einem gro-

lerischen Anlage

J ßen Kenner zurei-

und Kraft eine Des- ^

chend. Ohne Stär-

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' sittlichen Vermö-

W'a^l^

erteilen können. J|

gens, ohne Harmo-

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Nur muß er es wol-

nie des ganzen Ge-

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len; und die Kraft,

J müts, oder wenig-

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es zu wollen, die

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beharren, kann ihm J

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wenn er sie nicht

in sich selbst findet. ^

Tempels der Schön-

I;II.1JHAUEK CIj .Ki; Ki'LI;E-HEKI in. r.AKTKNUCrK IX BRONZE

FRIEDRICH SCHLEGEL.

äiäOA

PROFESSOR JOS. HOFFMANN. »salon einer wiener wohnung« gelber

UND WEISSER STUCK. MÖBEL MIT WEISSGEMUbTERTER .SCHWARZER BESPANNUNG.

PROFESSOR JOSEF HoFFMANN WIEN.

UMHAT FI.NE.I AI,IK.N HArsFs. .VoKKAi M

KUNST-PATRIOTISMUS.

Eine Begleiterscheinung der europäischen Zwistigkeiten, und keine erfreuliche, ist das Streben der streitenden Völker, ihre Kultur- bestände nach feindlichem Gut zu durchforschen. In Sprache, Sitte, Wissenschaft und Kunst geht es an ein Aufstöbern solcher Konterbande, Der Zweck ist der entgegengesetzte wie beim Auf- suchen materieller Konterbande: diese wird, wo man sie erwischt, als gute Prise eingesteckt, jene aber, die kulturelle Konterbande, wird mit Abscheu aus dem Hause geworfen ; oder wenig- stens, weil dies nicht immer sofort auszuführen ist, nach Kräften verunglimpft. Besonders eifrig wird auf diesem Gebiete, auf dem ja die Be- tätigung der Vaterlandshebe verhältnismäßig gefahrlos ist, in Frankreich gearbeitet. Eine Zeit lang hörten wir jeden Tag von erstaunlichen Entdeckungen deutscher Kultur-Konterbande in Frankreich. Und mancher Deutsche mag erst durch das zornige Geschrei der kulturellen Bil-

derstürmer drüben darüber belehrt worden sein, wieviel feinsten kulturellen Export wir nach Westen hatten und haben. Da wurden die deutschen wissenschaftlichen Methoden als rückständig und schwerfällig verleumdet. Die deutsche Philosophie, die nicht nur in Frank- reich bis dahin eine einigermaßen verdiente Achtung genossen hatte, ward vom eleganten Weltweisen des College de France, Bergson, hochfahrend abgekanzelt vielleicht in der Hoffnung, es werde dadurch in den Geistern Raum frei für seine eigene Weisheit, die ein Franzose, nicht etwa ein Boche, eine philoso- phie d'imbeciles genannt hat. Nietzsche, den die Intellektuellen Frankreichs nicht weniger verhimmelt hatten als diejenigen Deutschlands, ward endlich als Barbar erkannt und geächtet. Goethe ward als mäßiger Dichterling entlarvt. Von Beethoven ließ sich zu seinem Glücke nachweisen, daß er eigentUch Vlame ist, und so

401

Kunslpatriotismus.

iK JOSEK HUFFMANN WIEN.

kam er mit einer posthumen Expatriierung da- von. Aber die übrige deutsche Musik! Wagner, der Rohling! Strauß, der musizierende Nigger! Es schlug die Stunde ihrer Demaskierung. Schon vor dem Kriege erklang es: „Qu'allons -nous donc, Fran<;ais, chercher hors de chez nous?" Da nunmehr alle Höflichkeit unter den Völkern beiseite gesetzt ist, werden auf diese Melodie jetzt bedeutend gröbere Verse gesungen. Laut wird die kulturelle Selbstgenügsamkeit der gal- lischen Rasse verkündigt. Und diese Verkün- digung fällt um so lauter aus, je weniger fest der Glaube an das Selbstgenügen Frankreichs in Wirklichkeit sitzt. Die Krise im Latinismus, die seit mehreren Jahrzehnten besonders in Frankreich zu bemerken war, ist zwar bei uns wenig beachtet worden, aber sie ist eine ernst- hafte Erscheinung, die sehr wahrscheinlich auch durch so heftige nationale Reaktionen, wie sie seit einigen Jahren in Frankreich gezüchtet werden, nicht aufzuhalten sein wird. Der Eifer und die Einseitigkeit, mit der die kulturpatrio- tischen Lächerlichkeiten in Frankreich betrieben werden, ist geradezu ein Beweis für den Mangel

UMBAU EINES ALTEN HAUSES. »WOHNRAUM«

wurzelechten vaterländischen Selbstgefühls. Am kecksten gebärden sich Frankreichs neueste Kulturpatrioten natürlich in Dingen der Kunst und des Kunstgewerbes. Hier sind wir ja im eigentlichen Herrschaftsbereich des französischen Geschmackes. Hier sind frische Wunden zu salben, frische Demütigungen zu rächen. . . Da stellt sich denn im Lichte des jungen Hasses heraus, daß die deutsche Malerei des neunzehnten Jahrhunderts, soweit sie über- haupt etwas taugte, lediglich ein eifriges Ab- malen der französischen Vorbilder war. Und im Kunstgewerbe? Nun, da dürfen sich die Möbelkitschiers des Faubourg St. Antoine end- lich einmal ins Fäustchen lachen. Vor dem Kriege mußten sie mit verständnisloser Sorge Deutschlands jungen Aufschwung mitansehen und mußten von den Künstlern ihres eigenen Landes zahllose Anrempelungen zähneknir- schend ertragen. Noch im November 1913 schrieb Jean- Aubry gelegentlich eines Berichtes über den Herbstsalon: „Si les meubliers anglais ou munichois n'etaient pas venus exposer ä Paris et donner quelque inquietude ä ces mes-

403

XIX. Februar 1916. 6

PROFESSOR JOSEF HOFFJIAXX WIEN. -WOHN-HALLE« Ars EINER WIENER WOHNUNG. SCHWARZE MÖBEL, BUNTE STOEFE.

Kwist/^ahiofisvms.

WM\k

PROFESSOR JOSEF HOFFMAXN— WIEN.

sieurs du Faubourg Saint-Antoine, ces sages fabricants persisteraient dans des copies imbe- ciles d'un passe dont ils ne peuvent plus eprouver lemotion, et nos decoraleurs, nos meubliers originaux continueraient, si j'ose ainsi dire, ä mourir de faim." Aber jetzt! Jetzt sind diese ge- schmähten „Verfertiger schwachköpf iger Nach- ahmungen" die Retter der französischen Über- lieferung. Sie sind die Verteidiger Frankreichs gegen den Einbruch der Barbaren. Diese ab- lehnende Bezeichnung für deutsche Tüchtigkeit, Zucht und Wesentlichkeit ist ja nicht erst von diesem Kriege aufgebracht worden. Aber man wußte sie bis zum Jahre 1914 doch manchmal in einem weniger gehässigen Sinne anzuwenden. Ein Brüsseler Kunstblatt ließ sich 1913 durch die Feder eines Pariser Kunstschriftstellers also vernehmen: „Die übertriebenen „Persanismen", „Russismen" und „Munichoiserien" werden vorübergehen, aber diese Wogen werden durch Anregungen oder Gegensätze glückliche Spuren hinterlassen und wir werden zeigen, wie man sie nutzbringend verwerten kann. Wenn wir heute im Kunstgewerbe nicht über künstlerische

■^SPEISEZIMMER IN EINKR WIENER WOHNING« DUNKL. NUSSHOLZ, TEPPICH BR_\UN-SCHW.VKZ.

Kräfte verfügen, holen wir uns doch unsere Anregungen von denen jenseits der Grenze; wenn wir aber neue nationale Kraftquellen be- sitzen, was haben wir von den Fremden zu fürchten? Die Barbaren haben den Geist Roms nicht zerstört, vielleicht haben sie ihn sogar vor der Fäulnis gerettet! Lassen wir doch alle die armseligen Gemüter, denen das schönste Reich unter den Himmeln nicht offen ist, sich furchtsam am Fuß der chinesischen Mauer nie- derkauern, und segnen wir die Bresche, die man immer wieder in sie legt und die uns frische Luft zuführt". Also man war sich bewußt, daß die „Barbaren" Frische und Kraft mit sich brachten, daß sie, was ihnen an Abgeschliffen- heit nach französischer Meinung fehlen mochte, durch kernige Ungebrochenheit des schaffenden Geistes ersetzten. Aber solche Aussprüche stammen aus einer Zeit, da der französische Geist noch stolz auf seine kulturelle Internatio- nalität war; aus einer Zeit, in der das Wort „Kunst-Patriotismus" als Schimpfwort galt; aus einer Zeit, da man in Paris Sätze schreiben durfte, wie die folgenden: „Muß man es denn

405

/■Cnnstpatno/isfuus.

406

PROFESSdK JOSEF HOFFMANN WIEN.

nach zehn Jahrhunderten reicher Geschichte immer noch wiederholen, daß Frankreich und die französische Kunst durch das Studium des Auslandes nur gewinnen können; daß die Furcht vor fremdem Einfluß das untrügliche Kennzeichen geschwächter Geister ist und daß ein gesunder Geist, seines Persönlichen sicher, fremden Gedanken gerne Einlaß gewährt, um ihre nutzbaren Bestandteile aufzunehmen und ihnen so ein Leben von größerer Kraft und Dauer zu geben? . . . Wenn die Rückkehr zur französischen Tradition nur in der Versteinerung besteht, wenn sie zum Bett desProkrusteswird, wenn unsere ganze Vergangenheit, der Prunk unserer Kathedralen, die Geistesschärfe eines Montaigne, die Kraft eines Pascal, der geistes- klare Rausch eines Delacroix uns nicht geradezu vorschreiben, frische Luft mit vollen Lungen einzuatmen, dann soll man nur die Barbaren herbeirufen und wir wollen ihnen die Türen noch weiter öffnen, wir, für die das gelobte Land nicht das Reich des juste milieu ist!" All das wie oft wurde es in den letzten

»HERKENZIMMER IN EINER WIENER WOHNUNG« HOI.Z SCHWARZ, GRÜNE BEZÜGE, TEPPICH GRAU.

Jahren in Frankreich gesagt! ist nun nicht mehr wahr. Man könnte seitenlang fortfahren in der Anführung von ergötzlichen Widerrufen, die Frankreichs Schreibevolk nun allen früheren günstigeren Beurteilungen deutscher Dinge an- gedeihen läßt. Hätte es noch an Beweisen ge- fehlt für die Anschauung der neueren Philoso- phie, daß der menschliche Intellekt Diener des Willens (des Affektes) sei, sie könnten jetzt zu Hunderten gesammelt werden.

Es läge nun für uns besonders nahe, der schweren Schädigung zu gedenken, die Frank- reich durch diese patriotische Geistesverdun- kelung gerade auf kunstgewerblichem Ge- biete sich selber zufügen wird. Freilich wird ja der Friede das Meiste von dem, was jetzt mit Wollust eingerissen wird, wieder aufbauen. Sicher ist aber, daß noch sehr lange Zeit in Frankreich alle Bestrebungen, das kunstgewerb- liche Schaffen in modernem (das heißt deut- schem) Sinne zu erneuern, der vaterländischen Phrase als Hemmung begegnen wird. Aber das soll hier außer Erörterung bleiben. Nur möge,

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SOFA U. SESSEL MIT BUNTER STICKEREI. AUSGEFÜHRT VON MELITTA LÖFFLER.

408

Kunstpatriotisimis.

zum Nutzen der allge- meinen Einsicht, mit Deutlichkeit betont werden, daß in allem Kunstpatriotismus ein intellektueller Mangel steckt, weil er die Be- ziehungen zwischen Kunst und Vaterland falsch auffaßt, weil er überhaupt von dem Verfahren im Haus- halte der Kultur keine angemessene Kenntnis besitzt. Es ist eine der Grundlehren der Kul- turgeschichte, daß der Genius eines Volkes sich nicht zu gleicher Zeit auf allen Gebie- ten menschlichen Schaf- fens mit gleicher Mei- sterschaft zu betäti- gen pflegt. Es gibt eine Art Stellvertre- tung unter den einzel- nen Gebieten. Und je mehr sich das mensch- liche Tun verästelt, desto mehr zeigt uns die Kulturgeschichte einen farbenreichen Wechsel in den Vor- kämpferrollen der ein- zelnen Völker. Wenn Deutschland gegenwärtig auf den meisten Ge- bieten des Organisierens, in der industriellen Ausdehnung, in der Wappnung der Volks- gemeinschaft, im kunstgewerblichen und ar- chitektonischen Schaffen, auf sozialem und erzieherischem Gebiet Führer und Lehrer ist, so fehlen ihm dafür die großen Begabungen in der Malerei und Plastik, im Drama und in der Erzählung, so mußte es sich in den Gestal- tungen der Mode und der Gesellschaftskultur von seinem gegenwärtigen Feinde übertreffen lassen. Ähnlich steht es mit der kulturellen Ein- und Ausfuhr-Bilanz bei den anderen Völ- kern. Eine solche Bilanz gilt aber immer nur für einen knappen Zeitraum. Vor hundert Jah- ren war, wie allgemein bekannt, das Bild ein ganz anderes. Die ganze Welt stand im Banne des glänzenden, unvergleichlichen Aufstiegs deutscher Dichtung und Philosophie, dieser stolzesten Darlebung europäischer Humanität; wogegen das materielle Leben, die staatliche Entwicklung und so fort erst in ihren Anfängen

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standen. Es geht da- raus hervor, daß kein Volk sich dessen zu schämen hat, wenn es auf bestimmt abge- grenzten Gebieten ein- mal als Lernender auf- zutreten gezwungen ist ; wie dies jetzt für uns auf dem Gebiete der Malerei gilt. Das entspricht vielmehr ei- nem allgemeinen Ge- setze und ist nicht im mindesten regelwidrig. So wenig als im ein- zelnen Menschen alle menschlichen Fähigkei- ten in gleicher Weise entwickelt sein können, so wenig darf dies vom volklichen Individuum erwartet werden. Man sollte dies für reichlich selbstverständlich hal- ten. Aber wir erleben den Widerspruch dage- gen alle Tage. Wenn ein Engländer sich weigert, ein Wagner - Konzert zu besuchen, was liegt darin anderes als die kindliche Behauptung, England sei verpflich- tet, seinen Bedarf an Musik selbst zu decken? Und wenn man deut- schen Malern zum \ orwurf macht, daß sie von Frankreich lernten in einer Zeit, in welcher der deutsche Genius aus uns nicht zugänglichen, aber verehrungswürdigen Gründen es nun ein- mal ablehnt, seine große Schöpferkraft auf dem Gebiete der Kunst zu bewähren was ist in diesem \ orwurf anderes zu erblicken als wirk- lichkeitsfremde Ideologie, törichte Auflehnung gegen Naturgesetzliches?

Aber noch ein Anderes ist zu betonen : die umwertende Kraft des Volksgeistes. Selbst wenn auf einigen Gebieten Nahrung und Anregung von außen bezogen werden müssen, so werden sie doch im Haushalte des Volksgeistes auf dessen spezifische Weise ver- arbeitet und national umgewertet. Ein deut- scher Maler, der sich an französischen Vor- bildern schulte, wird eben schließlich doch wie- der deutsche Malerei hervorbringen, und zwar um so deutschere, je mehr er in sich erstarkt und je wertvoller er selbst wird. Der leibliche

H. iKFM.WX WIEN. .VRMSTUHL MIT STICKEREI.

Ku nstpatriotisvi ns.

410

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PKÜKF.SSOK JdSKl' Hi'hhMANN WIE.N.

Mensch wird ja schließlich auch nicht zum Fran- zosen, wenn er sich an den trefflichen Erzeug- nissen von Brie oder Roquefort erquickt. Bei- spiele für die nationale Umwertung fremden Kulturgutes liefert die Geschichte auf Schritt und Tritt. Der Volksgeist kann zu seiner Nahrung nur das Edelste und Zeitgemäßeste gebrauchen. Er holt es sich, wo es eben vom Geschick am üppigsten und reinsten ausgestreut wurde. Was er daraus aufbaut, ist doch ewig nur seine eigene Herrlichkeit.

Wenn man den Kunstpatrioten auf den Grund geht, so wird man sehr häufig finden, daß sie letzten Endes von der Kunst, von ihrer Würde und von ihrer Geltung in wirklicher Welt keine hohe Meinung haben. Daß Wissenschaft, Tech- nik oder Handel den Fortschritt überall nehmen müssen, wo er zu haben ist, das zu bestreiten fällt ihnen nicht ein. Ist aber die Kunst nicht im selben Sinne etwas Ernstes, Wirkliches, gesetzmäßig sich bildend und dem Zugriff der Willkür durchaus entzogen, wie die technischen

.SCHLAF- U. ANKLEIDE/IMMER EINER D.\ME«

Dinge und die Erkenntnisse des Geistes? Wenn Röntgen seine Strahlen entdeckt, so wird da- durch im selben Augenblicke die ganze wissen- schaftliche Welt von Pol zu Pol bereichert. Wenn Kant die Idealität des Ursachbegriffes feststellt, so hat in diesem Augenblicke das Denken der gesamten Menschheit einen Schritt nach vorwärts getan. Sollte diese allgemeine Bereicherung nicht auch dann eintreten, wenn Van Gogh Wichtiges zum rhythmischen Aus- drucke der modernen Seele entdeckt? Oder wenn Dostojewski Gebiete des menschlichen Innern erschließt, in die sich vor ihm nur die kühnsten Träume gewagt hatten? Oder wenn deutsche Künstler dem gewerblichen Formen einen neuen Antrieb geben? wilhelm michel. Ä

Ein echtes Kunstgebilde hat den Charakter der Not- wendigkeit, als könnte es nicht anders sein. Die Natur hat keine Willkür, und willkürlos erscheint das wahre Meisterwerk. Losgelöst, von dem, der es er- schaffen, scheint es sein eigenes Herz zu haben, sein eigenes Leben zu führen. . . . )oh. Heinr. v.Dannecker.

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»Mi'IiK/EICHNUNG HR KLE11)EK U. HI. II.

KUNST UND MODE.

zu DEN ABBILDUNGEN DER KLEIDER, HUTE, KUNSTBLUMEN.

Die Mode ist eine Huldigung vor dem Weib. Seide gleißt und prahlt und will sich um junge Hüllen spannen. Alles, was an Farbe und Licht in den Stoffen steckt, erwacht, wie die Erde vor der aufgehenden Sonne; das Ge- webe strafft sich, faltet sich, wallt und rauscht: Die Tänzerin, die vor tausend Menschen im Licht der Rampen tanzt, holt nicht mehr Rei- zungen und Lockungen aus dem Schnellen ihrer Glieder, den Schlangenwindungen des Körpers, dem Aufleuchten und dunklen Verglühen ihrer samtnen Haut. Federstutze springen steil auf vom Haupte des Weibes, sie tragen die schim- mernde Wehr des Stolzes ihr voran. Schlaufen flattern, ein flüchtiger, zärtlicher Rahmen, um das königliche Oval, daraus die Augen Blitze werfen. Stets neu, immer wieder auf andere

Weise anbetungswürdig und fremd, lockt die Weibheit, und es winden sich in verzückten Krämpfen Dinge und Künste, um immer wieder anders, hingebender, kongenialer ihr zu hul- digen. Noch haben die Pelze ihre Katzen- schmeichelkünsle nicht ausgeschöpft. Wolle, Seide, Brokate, Gold und Steine, ihr wandel- baren Wesen, nie wird die Frau eurer Umar- mungen, eurer Krönungen, eurer Maskenfeste müde werden! Während ihr selig die selige Herrin umsingt, rollen sich schon wieder in der Werkstatt die buntseidenen Blätter, die spira- ligen Drähte formen sich zu Staubfäden, sprin- gende Lust, süße heiße Leidenschaft schießt in sie hinein, und jeden Moment sind ihre ge- hemmten Gesten bereit, in den Tanz der Hul- digungen einzutreten. .\nton j.\um.vnn.

Xl.\. Februar 1916. 7

II.TISMLTZE MIT BRAUNEM SAMT UND METALL-RÖSCHEN. \ERBANI) ZUR EÜRDERUNG DER DEUTSCHEN HUTMODE.

KLEINER Si'HWAR/EK HUT Mir in'.NKEI. BLAUER \V< )LLEINFASsr NC. VERHANI) ZUR K'iRDERlNG HER DEITSCHEN HUTMOllE BERLIN,

KLEINER SCHWARZER PELZHUT MIT SCHWARZEM KRONENREUIER. VERBANTl ZUR FÖRDERUNG DER DEUTSCHEN HUTMODE— BERLIN.

414

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DUXKEI.liRAL'NEK KLEINER VIEKSm / MIT STRAVSM-EDER-KANl). VERBAND ZUR FÖRDERUNG DER DEUTSCHEN HUTMODE-BERLIN.

MARGA KUMMER— DRESDEN.

»BLUMEN AUS SEIDE UND BROKAT«

FREMDSPRACHLICHE FACHAUSDRÜCKE IN DER MALEREI.

VON HERMANN ESSWEIN MÜNCHEN. (SCHLUSS.)

Im Deutschen schwerer wiederzugeben, etwa durch Pinselansatz, ist die Touche, welche die besondere, punklartig runde oder auch vier- eckige, länglich geschwungene oder breitflächige Form des durch den einzelnen Pinselstrich hin- gesetzten Farbfleckens bezeichnen will.

Fachwörter, die ebenso kurz und treffend wie die Worte Valeur oder Touche, die Ton- abslufungen sowie die Oberflächenbeschaffen- heit eines Gemäldes kennzeichneten, haben wir weder in deutscher noch in fremder Sprache.

Mein Aufsatz erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich wüßte noch manches in Kunstgesprächen und volkstümlichen Veröffent- lichungen über die Kunst übliche Fremdwort, das der Fürsorge der Sprachreiniger empfohlen werden könnte, ohne daß man die Schädlich- keit trüber oder verkehrter Auffassungen zu befürchten hätte. Ich wollte hier weniger alles feststellen, was entbehrlich ist, als vielmehr mit Nachdruck auf die unentbehrlichen oder schwer zu ersetzenden Fachausdrücke hinweisen, deren

fremdlautliche Prägung man auch in Zukunft nicht anfechten darf. Ich schließe, indem ich den Geist meiner Ausführungen noch einmal scharf durch Beispiele aus dem Gebiet der so- genannten vervielfältigenden Künste kennzeichne, die im Hinblick auf den Gegen- stand dieser Abhandlung als ein rechtes Schmer- zenskind bezeichnet werden können.

Unter diesen Vervielfältigenden Kün- sten, die in vielen Ausstellungsverzeichnissen immer noch den Begriff der Künstlergraphik umschreiben wollen, kann rechtens nur die ge- werbliche Reproduktionsgraphik ver- standen werden, also Stein- und Metalldruck aller Art und die neuzeitlichen photochemischen Verfahren, die darauf ausgehen, die Urschöp- fung (Original) eines Künstlers mehr oder min- der mechanisch zu vervielfältigen. Nahezu mechanisch ist heute auch die Tätigkeit des nicht selbständig erfindenden sondern ein frem- des Urbild nachahmenden Steinzeichners, Kup- ferstechers oder Holzschneiders, der darum vom

Fremdsprachliche Fachausdrücke hi der Malerei.

MAKGA KUMMER DRESUEN.

»BLUMEN AVS SEIDE IMI BRUKAI'

freierfindenden Künstlergraphiker oder wie man früher sagte Originalgraphiker, als Vervielfäl- tigungsgraphiker unterschieden werden muß. Die Verdeutschung des somit beizubehalten- den trefflichen Sammelnamens Graphik durch

Zeichnende Künste geht schon deshalb nicht an, weil so mancher Steindruck, so manche Radierung und auch mancher breitfläcbige Far- benholzschnitt nicht das geringste Kennzeichen der Zeichnung, wohl aber alle Merkmale maler-

417

FremdsprachlJche Fachausdrücke hi der Malerei.

mäßiger Arbeitsart aufweisen. Darum weg auch mit den neuerdings vorgeschlagenen Urzeich- nungen, die entweder Künstlerholzschnitte, Künstlersteindrucke, Künstlerradierungen oder Künstlerkupferstiche sind und, wenn sie als mechanisch vervielfältigte Zeichnungen den Text eines Buches begleiten, nach wie vor Illustra- tionen genannt werden müssen.

Ich weiß nämlich dem Deutschen Illustra- torenverband, der einen Geldpreis auf die Er- langung einer muttersprachlichen Bezeichnung für sein Wesen und Wirken ausgelobt hat, keinen Rat. Er könnte sich Verband zur Pflege des graphischen Sittenbildes

nennen, denn mit graphischen Mitteln erstellte ' Sittenbilder bringen unsere Illustratoren vor allem in den mehr oder minder witzigen und satirischen Bilderzeitschriften, nur wäre damit noch nicht die Tätigkeit des Buchilluslrators gekennzeichnet, die nicht unbedingt sittenschil- dernd sein muß, sondern u. a. auch stimmung- hafter, lyrischer Art sein kann. Illustration schlechthin mit Abbildung zu übersetzen geht natürlich nur dann an, wenn es sich nicht um künstlerische Zutaten, sondern um rein sach- liche Wiedergaben, etwa in einem Handbuch der Maschinenkunde oder in einem anatomi- schen Atlas, handelt.

HERMANN ESSWEIN.

.\I.\RG.\ KU.M.MER- DRESDEN. »BI.U.MEN .^US SEIDE UND BROK.\T MIT PERLEN«

OTTO KOPP-MÜNCHEN. GEMÄLDE .NAUSIKA I.

OTTO KOPP - MUN'CHE.N.

SPAN. I..\N1)SCH,\FT »sEGdVIA«

MALER OTTO KOPP-MÜNCHEN.

Im Positiven wie im Fraglichen ist Otto Kopp ein Münchener Maler. Das ist nicht nur ein allgemeiner Eindruck, der bloß als Ganzes gilt und sich kaum im einzelnen verantworten läßt. Es ist vielmehr beinahe im besonderen festzustellen, was das heißt.

Dieser Künstler hat vor allem eine ausge- zeichnete oberbayrische Rasse. Er hat ihre Breite und ihre Reizbarkeit, ihre Animalität und ihre cholerischen Anlagen, ihre bäuerliche oder bürgerliche Einfachheit und Treue und in derselben Sekunde ihr natürliches Gefühl für das Feine. Er hat ihre gründliche Heiterkeit, ilir augenblickliches Talent zu kräftiger und un- befangener Geselligkeit, ihre primitive Freude

an der Musik, ihren ganz unliterarischen, ge- borenen, oft äußerst schlagfertigen Witz und ihre staunende Andächtigkeit, ihre Abneigung gegen die Abstraktion und ihre ungehemmte Sinnlichkeit. Er hat ihre muskulöse und seh- nige Zähigkeit, die sich bis zur Hartnäckigkeit, bis zum Eigensinn, ja bis zum Fanatismus vor- treiben kann und dann nichts anderes sieht als die eigene Energie.

Er hat das ursprüngliche Verhältnis des Mün- chener Malers zum Handwerklichen. Er be- herrscht das Handwerkliche in allen \ erzwei- gungen: nicht nur das Handwerkliche des Ma- lers von der Radierung bis zum Fresko, sondern auch das Handwerkliche des Holzschnitzers

XIX. März 1916.

Maler Otto Kopp München.

OTTO KOPP -MÜNCHEN.

und des Dekorateurs. Ihm würde viel fehlen, wenn er sich nicht mit bewußter Handwerklich- keit betätigen könnte; ihn erfreut das körper- liche Sich-Drangeben an handwerklich anstren- gende Aufgaben. Auch dies Handwerkliche aber ist wie sein ganzer Typus ein Kapitel seiner eigenen Naturgeschichte. Es ist ursprüng- liches Talent. Er würde heute, wenn ihn die Gelegenheit ankäme, ohne weiteres den Meißel und den Schlägel des Bildhauers in die Hand nehmen und, ohne ein vir eruditus zu sein, nur Schüler seines Naturells, aus dem sinnlichen Reiz der Aufgabe heraus mit Glück die Arbeit eines Bildhauers leisten können. So sehr ist seine Hand zu jedem Werk geschickt.

Ich erinnere mich an einen gemeinsamen Ausflug mit ihm nach Tirol. Es regnete; wir waren mißlaunig, nahmen unseren Rotwein und unsere Pfeifen und setzten uns in die klägliche Werkstatt des Dorftöpfers an einem Wiesen- hang droben über den Häusern und unter den Bergen. Man müßte gesehen haben, mit wel- cher gesellenhaften SelbstverständUchkeit dieser Maler verfeinerter Bilder sich den Ton zurecht- arbeitete und sich an die Drehscheibe setzte

GF3L\LLit »sPEERKAlklPF«

und mit welchem einfach natürlichen Können er am Tisch vor dem schmutzigen Fenster rei- zende Tonfiguren modellierte.

Es ist nicht anders möglich, als daß dies Talent, das mitten in einer Zeit stark abstra- hierender Kunst mit einem fast heftigen Antrieb die unmittelbare sinnliche Berührung der Hand mit den Dingen sucht und sich darum mit Vor- liebe ins Handwerkhche begibt, das vielleicht insgeheim keinen zärtlicheren Wunsch hat als den, irgendwo am Rand der Berge mit eigener Hand die Erde auszuheben, ein Haus zu bauen, Kästen und Bänke und Tische zu zimmern, Pfosten zu schnitzen und Wände und Schränke zu bemalen und den Boden zu bearbeiten, kurzum, sich in allem Elementaren selbst ein- zurichten — es ist nicht anders möglich, als daß dies Talent etwas Abseitiges an sich hat. Verglichen etwa mit dem Geist der Kunstübung in Berlin hat es etwas Provinziell-Heidnisches, Faunisches. Daß ein Künstler so im sinnlichen Wesen naiv bildnerischer Arbeit lebt, ist für München einigermaßen eigentümlich. Mit dieser Art, zu sein, hängt eine gewisse Beharrung zusammen, die sich trotz aller Neigung zu

OTTO KOPP .MÜNCHEN. GEMÄLDE .NAUSIK.V ]I

OTTO KOPP MÜNCHEN. GEMÄLDE .SCHLANGENTÄNZERIN.

I\Taler Otto Kop{>-Mtinche7u

KOl'l' MLMHIN,

MALIii; .IJECKNDEK KNAliE

schnell zugreifenden Entschließungen nicht leicht auf ästhetische Revolten einläßt, vor allem dann nicht, wenn sie die Hilfe intellektueller Manifeste genießen. Vielleicht hat bei Kopp auch die KathoUzität Einfluß behalten , die seiner Rasse, seiner Stadt und seiner Herkunft eine besondere Bestimmung gibt.

Es ist ohne Zweifel wichtig, zu wissen, daß dieser Künstler aus streng kirchlichen Ver- hältnissen stammt. Sein Vater war Kirchen- bildhauer von nazarenischer Art. Unter dem Einfluß des Vaters hat der Heranwachsende zuhause kirchlichen Sinnes in Holz geschnitzt. Als er nach der Realschule an die städtische Gewerbeschule kam, um das Zeichnen zu lernen, ließ ihn ein Lehrer dieser Schule, die im Bann kirchlich - bürgerlicher Anschauungen stand, Kreuzwegbilder vergrößern. Im weiteren Ver- lauf seiner Entwicklung fand Kopp häufig Ge- legenheit , Kirchen auszumalen. Ihm schien vielleicht der Beruf vorgezeichnet, einer jener im Grund kunstfremden Enkel der katholi- sierenden Münchener der dreißiger und vier- ziger Jahre zu werden, die in München auch heute noch zahlreicher sind als man ahnt.

Der stärkere und edlere Instinkt aber brach durch. Begreiflich ist, daß Kopp in dem Ent- schluß, von diesen Bedingungen frei zu werden, zuerst an die Akademie glaubte. 1901 setzte er es durch, an die Akademie geschickt zu werden. Er arbeitete bei Raupp und Marr und schließlich bei dem Gott der Jungen des ver- flossenen Jahrzehnts: bei Stuck. Er erhielt akademische Auszeichnungen. Die Sommer- monate verbrachte er, des Handwerks und des Verdienstes wegen, in Landkirchen. Es sind nicht wenige, deren Wände er mit Arbeiten seiner Hand bedeckt hat.

Dann kam der Zweifel. 1907 verließ er die Akademie. Dekorative Aufträge, die ihm häufig zuflössen, entsprachen seinem Bedürfnis, das mit Schwung in die Breite drängte. Aber insge- heim bereitete sich in ihm ein anderes Verlangen vor: Verlangen nach einer intensiven maleri- schen Qualität, die zunächst wohl nur im Staf- feleibild zu verwirklichen war.

Der Einfluß, dem Kopp sich auf der Aka- demie ausgesetzt hatte, war zwiespältig ge- wesen. Die Stuckschule schien Möglichkeiten monumentaler Malerei anzuzeigen , und sie

427

Makr Otto Kopp München.

Uli; KOl-f i\R .N« HK-N.

mußten für den jungen Künstler um so wichtiger sein, je stärker er durch seine Vorarbeiten in ländlichen Kirchen auf großzügige Dekoration gestimmt war. Aber die rein malerischen Mög- lichkeiten der Zeit waren in ihr nicht glücklich verwirklicht. So ergab es sich, daß Kopp nach der Akademie von den Überlieferungen Stucks sehr energisch hinwegstrebte und dasMalerische im Sinn der Freiluftmalerei möglichst eindrin- gend zu erreichen suchte.

Jahre hindurch arbeitete Kopp nun aus- schließlich an den Freiluftproblemen. Das In- teresse für das Dekorative, Monumentale, Allgemeine schwand; alle Energie wurde auf die analytische Durchdringung des Lichts und der lichten Farbe gewendet. Seit 1905 be- gegnete man seinen Arbeiten in der Sezession. Von Jahr zu Jahr waren sie mehr auf Freiluft- probleme gestellt. Die Eleganz und die Ein- dringlichkeit, mit denen diese Probleme er- faßt, die Virtuosität, mit der sie schließlich gelöst waren, gaben den Arbeiten Kopps eine unverkennbare Auszeichnung. In seiner rein auf das Malerische des Staffeleibilds ge- richteten Entwicklung wurde Kopp durch eine

l.l.MAl.UE »U.VLDWEIHF.Ri

Reise bestärkt, die er 1910 nach Spanien unter- nahm. Er reiste über Paris, nahm dort aber keinen längeren Aufenthalt; es läßt sich nicht sagen, daß sich ihm in Paris die französische Malerei erschlossen habe. Überhaupt hat Kopp wohl nie ein unmittelbares Verhältnis zur fran- zösischen Malerei gehabt, so sehr ihn die Ma- lerei Manets insbesondere die Olympia interessierte. Das eigentliche Thema der Reise war eine fanatische Beschäftigung mit Velas- quez. Velasquez schien dem jungen Künstler den Inbegriff aller Malerei zu bedeuten. Er kopierte ihn mit Leidenschaft und mit großem Glück. Die Reise führte schließlich über den Süden Spaniens nach Afrika hinüber; dort kamen dem Maler neben den koloristischen und den Tonproblemen die Lichtprobleme mit ver- stärkter Energie zum Bewußtsein.

Die folgenden Jahre waren der Ausbildung der Möglichkeiten gewidmet, die sich aus dem impressionistischen Schema der Zeit und aus der Reise zu Velasquez entwickelt hatten. Den Gipfel dieser rein auf das im ersten Sinn Ma- lerische und insbesondere auf das Hellmale- rische gerichteten Entwicklung bedeutete etwa

XIX. MUrz 1416.

Maler Otto Kopp-Mwichen.

OTTO Klipp MÜNCHEN.

das Jahr 1913. Von da ab fand die Malerei Kopps eine neue Linie. Die neuen künst- lerischen Tendenzen, die man gemeinhin unter dem Namen des Expressionismus zusammen- faßte, gingen um diese Zeit in München in die Tiefe und in die Breite. Nun ist Kopp nicht dazu geschaffen, sich dem Einfluß irgend eines neuen Radikalismus leichthin auszusetzen. Er war immerhin beim Auftreten des Expressio- nismus ein mittlerer Dreißiger und im Besitz einer bereits durchgebildeten malerischen Kul- tur. Es kommt dazu, daß diesem Münchener überhaupt nicht die leichte Beweglichkeit ge- geben ist, mit der sich die neuen Talente den Situationen der Entwicklung anpassen: irgend- wie ist er schwerblütig und mißtrauisch. So zog Kopp seinem Freund Weisgerber vergleich- bar, mit dem ihn verwandtes Streben verband nur langsam aus der neuen Entwicklung die Anregungen, die den Weg zu einer zweiten Etappe bezeichnen. Aber lieber als dem Ein- fluß des neuen Expressionismus setzte er sich seitdem etwa dem Einfluß des Tintoretto aus.

(;k.\l\lde .son n kn ija i

Diese zweite Etappe ist durch zwei Merk- male charakterisiert: sie ist jenseits der Frei- luftmalerei und strebt einer neuen Posivität der Farbe zu; sie ist von den naturalistischen In- stinkten der ersten Epoche befreit und ver- sucht sich in ideellen Kompositionen. Ein drittes kommt hinzu: in dieser neuen Periode besinnt sich Kopp wieder auf die Überlieferungen, die mit seiner ersten künstlerischen Entwicklung verknüpft sind. Er geht in dieser neuen Periode wieder aufs Dekorative und Monumentale aus. Er entfernt sich von den intimen Problemen des pleinairistischen Staffeleibildes, insbeson- dere von der Ausschließlichkeit des Lichtpro- blems, und sucht die neue Wirkung in der dekorativen Gewalt der positiven Farbe und der allgemeinen Komposition.

An dieser Stelle ist Kopp heute angelangt. Es läßt sich nicht bezweifeln, daß er bei der oft bis zum Furor gesteigerten Leidenschaft- lichkeit seines Arbeitens von hier aus erst zu dem entscheidenden Wesen seines Lebens ge- langen wird WILHELM HAOSENSTEIN.

iTTo KOFI' 'i\ir.\( HF.N.

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KRIEGERGRABMAL UND KRIEGERDENKMAL.

Die Mannheimer Kunsthalle bringt unter die- sem Titel eine umfangreiche Ausstellung, die von Mannheim aus wenigstens in einzelnen Abteilungen eine Rundfahrt durch die deutschen Städte antreten soll. So traurig der Anlaß ist, so sehr ist doch das Anpacken der Aufgabe mitten im Kriege zu begrüßen. Schon zur Ab- wehr des sich überall vordrängenden Unge- schmacks, der in seiner geschäftigen Roheit recht oft auf der Fährte der Todesanzeige die Hinterbliebenen ungesäumt anfällt. Damit hat man auch das Beste über sie gesagt was kei- nen Tadel für ihre fleißigen Veranstalter Storck und Hartlaub in sich schließen soll. Sie konnten nicht mehr geben als die deutsche Kunst ihnen bot. Und das ist im Grunde nicht zu viel. Muthesius hat wenigstens darin Recht behalten, daß unser Kunstgewerbe (der Name Kunst

kommt für die Mehrzahl des Gebotenen nicht in Frage) auch auf diesem Gebiet den Weg zum Typus gefunden hat. Leider zu einem epigonen- haften Typus, wenn man einer so breit strömen- den Bewegung, die alle Anzeichen des Natur- haften an sich trägt, mit Wertungen persönlichen Bedauerns entgegentreten darf. Unzweifelhaft sind gute achtzig Prozent des hier Neugeschaffe- nen ohne den Klassizismus um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert nicht denkbar. Selbst die Gartenarchitektur geht gemessen an der des Rokoko nur schmale Wege in ein künst- lerisches Neuland. Jedenfalls ist es unmöglich, die Arbeiten dieser Ausstellung in einem Atem mit stofflich verwandten Werken der Antike und des Mittelalters zu nennen, von denen die Ausstellung ein recht reichhaltiges Abbildungs- Material beibringt. (Man vermißt nur Abgüsse

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Kriegergrabmal utid Krieoerdenkmal.

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GEMÄLDE »KASI

in Originalgröße.) Angesichts dieser beiden Epochen, die wirkHch den geistigen Gehalt ihrer Zeit künstlerisch erschöpften, grenzt selbst der Klassizismus Schinkels ans Epigonenhafte. Für unsere Zeit wird der Abstand noch weiter. Es bleibt die Sehnsucht, daß die kommende Welt auch den künstlerischen Ausdruck für das Er- leben findet, das jetzt kein Herz verschont. Daß sie ihn finden wird, darf man hoffen. Zu viel starke Ansätze sind bereits vorhanden. Ja, man nimmt aus Mannheim die Gewißheit mit, wenn man die Treppe zu den Gemälden empor- steigt. Dort ist man plötzlich von dem inneren Druck befreit, der einen in der unteren Aus- stellung gefangen hält. Vor den wunderbaren Werken Thomas, Trübners, Feuerbachs, Manets, Courbets, Cezannes, die hier so still und friede- voll nebeneinander hängen, atmet man heilige Luft. Wie gleichgültig, daß hier Soldaten in französischen Uniformen den Bruder Franz Josephs erschießen. Hier ist wahrlich Schillers ästhetische Forderung bis zum letzten erfüllt, daß im echten Kunstwerk die Form den Stoff

vertilgt. Noch ist für das Kriegermal der Stoff zu mächtig, viele der Berufenen, ihn zu bändigen, ringen noch mit seinen irdischsten Formen, manche haben bereits durch ihres Lebens Hin- gabe ihn geadelt. Nach dem gleichen unerforsch- lichen Gesetz, das mitten in einer Welt kunst- feindlichsten Materialismus den Genius eines Manet, Thoma, Cezanne emporrief, wird auch die Zukunft die Geister wecken, die unserer Lebensnot die künstlerische Ausdeutung geben. Vorerst ist genug getan, wenn man den gröbsten Geschmacklosigkeiten und Gleichgültigkeiten erzieherisch entgegentritt. Das tut die Mann- heimer Ausstellung. Darum darf man ihr Glück

auf den Weg wünschen fried Lübbecke.

Ä

Wir Heutigen sehen auf die Entwidclungsphasen der neueren Baukunst und ihr notwendiges Ende als eine Offenbcimng menschlicher Geschichte zurück, stehen erwartungsvoll in den Anfängen eines Neuen, von dem wir tro^ dieser Offenbarung nicht ahnen, wie es werden wird. Aber wir wissen, daß es wieder ein Anfang ist, und darum ist es wieder eine Lust zu leben PAUL FRANKL.

LUDWIG KAINER

■: GEMÄLDE i >W1NTER<

LOTTE NICKLAbS BERLIN. .SCHERENSCHNITT. ILLUSTK.\T10X »T.\USENIJUNIJE1NE N.\CHT« ('/3 GRÖSSE) HRIVATBEM I /,.

LOTTE NICKLASS, EINE NEUE SCHWARZKÜNSTLERIN.

VON HANS SCHLIEPMANN.

Die Wege der Kunst sind wunderlich; einen geradlinigen, zielbewußten Verlauf hat vielleicht nur die griechische Plastik genommen, weil sie einem ganz einhelligen Volksempfinden entsprach. Annähernd gleich geradlinigen Verlauf zeigt noch die ansteigende Entwicklung der Gotik und der niederländischen Malerei aus gleichen Gründen. So bald aber im Völker- leben verschiedene Strömungen auftreten, wech- selt auch der Kunslverlauf die Richtung je nach dem Vorwiegen dieser und jener Rasse und nach dem Einfluß eines oderdes anderen Genies, dem es gelang, Zeitspannungen zur Auslösung zu bringen. So ward die spätrömische Kunst durch das Eindringen asiatischen Einflusses, die niederländische durch italienische Auffas- sung in neue Bahnen abgelenkt ; so übten Vrede- mann de Vries, der Erfinder des Schnörkelwer- kes im Ornament, Michelangelo und Gluck, neuerdings Manet, Richard Wagner, Zola, Wal- ter Crane, Eckmann und Olbrich einen kaum vorherbestimmbaren Einfluß auf die Kunstent- wicklung aus. Je mehr sich die Kunst „inter- nationalisierte", desto weniger konnte sie be- stimmten völkischen Strömungen folgen, desto weniger auch blieb die Kunst Ausdruck des Volksempfindens, desto mehr mußte an Stelle eitler gefühlten Kunst die Mode treten, die, jeder Verinnerlichung feind, nur immer wieder

nach neuen Reizmitteln sucht. Da aber Erfin- dung für ihren Heißhunger nicht genug liefern kann, so muß das „Einfühlen" in halb ver- gessene Künste die Vorräte „sirecken" helfen; darum kam man uns mit Japanisch, Indisch usw. und gar mit dem Primitiven, das in Baukunst und Bildnerei allgemach zu einem wahren Hohn auf unsere leichtgläubige Geschmack- losigkeit geworden ist.

So brachte uns denn auch die modische Schwärmerei für das Biedermeier die Wieder- kehr des Schattenschnittes. Das goldene Rähm- chen mit Großvätern als Student und als schwar- zes Klexchen durfte an der Wand des stilvollen Zimmers nicht fehlen. Daß es einst nur ein spärlicher Behelf gewesen, kam gar nicht ins Bewußtsein; es sah so „echt" aus: das war der Ersatz für fehlendes Kunstempfinden.

War nun aber die Wiederbelebung der Sil- houette zunächst nur eine „antiquarische Ma- rotte", so zeigte sich doch auch hier, daß kein Ding ganz schlecht und nutzlos ist. „Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum besten dienen"; und da auch rechte Kunst ein Teil der Gottheit ist, so entsprang für der Kunst rechte Jünger auch hier ein neuer, wenn auch nicht überwältigender, so doch immerhin befruch- tender Lebensquell. Was für die Menge bloße Mode war und zunächst in der Wiederent-

März 1916 3

Lotte /Yicklaß, ei?ie neue Schivarzkünstleriyi.

l"irE MCKLASS liF.RLlN. SCHERENSCHNITT »FLUCHT NACH ÄGYPTEN«

deckung der feinen Kunst Fröhlichs und Konew- kas einen ersten Kunstgewinn brachte, ward in der Logik der Tatsachen ein Fortschritt im Kunstverständnis, der zuletzt auch der Kunst- entwicklung förderlich sein muß

Vergegenwärtigen wir uns nämlich, wo letz- tere unter dem Einfluß des modernen Kunst- betriebes angelangt war, so bleibt für den Ein- sichtigen nur das Zugeständnis, daß dank eines endlosen Kunstgeschwätzes in den Zeitungen, einer planlosen Neuigkeitsjagd, einer Überfüt- terung mit immer wüsteren „Ismen" unter blö- der Überschätzung des Auslandes alle maßvolle und innerliche Kunst jeden Kredit verloren, ja, daß man den Geschmack des Volkes ge- radezu planvoll zugrunde gerichtet hatte, um in Tagesgötzen ein besseres Geschäft machen zu können. Wer noch ein „Bild" malte, war veraltet; nur die möglichst wüste Skizze ver- riet Genie. Dabei konnte man denn schließlich die Qualitäten der klassischen Meister: das Miteinander von Linie, Farbe, Raumaus- schnitt und Aufbau gar nicht mehr sehen, ge- schweige denn schätzen. Daher auch der „Pri- mitivismus"; man kehrte zu den Anfangsgrün- den zurück, um von neuem einen nach dem anderen die Reize eines richtigen Bildes wieder fühlen zu lernen. Lange galten alle Mühen nur der Farbe, über der die bildhafte Komposition völlig vernachlässigt wurde; im Schwarz-weiß- blatt tobte sich eine Phantastik aus, der oft wirkliche Phantasie fast ebenso gebrach wie jede Ahnung von zeichnerischem Können. Da hat nun die Kunst der Schere eine Erziehungs-

aufgabe zum Kunstsehen übernommen, die für unsere Zeit und die Gesundung unseres Ge- schmackes nicht hoch genug einzuschätzen ist. Hier hilft kein geniales „Fummeln", kein flalb- ton über faulen Stellen, keine Farbenfanfare; alles will gekonnt und auf das Ganze zuge- schnitten sein. So bringt uns denn der Genuß einer Silhouette wieder zum Verständnis für Linie und Raumfüllung und Massenabwägung in der Komposition; das Schattenbild wird zur nötigsten Vorstufe in der künftigen Erziehung unseres Geschmacks, wie es für den Künstler eine heilsamste Zucht zu wirklicher Arbeit wer- den könnte.

Die junge Künstlerin, die mich zu diesen all- gemeinen und vielleicht nicht überflüssigen Be- trachtungen anregte, zeigt freilich, daß natür- liche Begabung und Ernst sich selbst in gute Zucht nehmen. Ja, ich darf sagen, daß ich noch kaum einmal so unter dem Staunen über ein geborenes Genie gestanden habe wie bei dem Schaffen von Lotte Nicklaß, das ich fast von Anbeginn still zu beobachten Gelegenheit hatte. Denn Lotte Nicklaß ist von Hause Vio- linistin und hat nie anderen als den üblichen Schulunterricht im Zeichnen erhalten. Eine Erkrankung hatte eines Tages die Zweiund- zwanzigjährige zu wochenlangem Stilliegen ver- urteilt; die Langeweile zu töten, ließ sie sich eine Stickschere geben und begann in weißem Papier herumzuschneiden; und mit dem ersten Versuch ward es etwas!

Kleinen zierlichen Püppchen folgten sehr bald ganze figürliche Friese und daneben pflanzliche

Lotte Nuklaß. eine neue Schtvarzküfistkrin.

LOTTE MC.KLASS HEKI IN.

Studien, in denen sich gleichermaßen schärfste Beobachtung wie die Selbsterziehung zu tech- nischer Virtuosität eine glücklich vom Geigen- spiel überkommene Einsicht auslebte.

Die Einführung des neuentdeckten Talentes in die Öffentlichkeit gelang ziemlich schnell, besonders als der Verlag von Werckmeister in Berlin fünf von ihren Figurenfriesen in Urbild- große veröffentlichte. Diese graziösen und schmuckhaften Werke fanden ihr Publikum; und als gar ein „Tanz einer Jüdin vor einem ägyptischen König" von der Kaiserin angekauft wurde, begann sich auch der äußere Erfolg lang- sam einzustellen. Zeitschriften wie „Studio", „Über Land und Meer", „Licht und Schatten", „Arena" und „Daheim" brachten einzelne Wie- dergaben ihrer Schnitte; diese selbst erschie- nen auf verschiedenen Ausstellungen, und nam- hafte Verleger übertrugen ihr die Bildausstattung

"Hr.KENMHM I I l'l I I HII.IM.K- (IMI)

von Büchern. Ein größeres Werk über „Die Entwickelung der Scherenbildkunst in drei Jahr- hunderten" von Dr. Martin Knapp (Gelber Ver- lag, Dachau-München) wird ihr die Stelle in der Entwicklung dieser Kunst anzuweisen suchen.

Die Abbildungen dieses Heftes geben uns zwar nicht den ganzen noch kurzen Werdegang der Künstlerin, da sich die meisten ihrer Schöp- fungen in Privatbesitz befinden; sie lassen immerhin über ihre Eigenart keinen Zweifel.

Schon in einem der frühesten Schnitte (Abb. S. 442), der in der zierlichen Verwertung pflanz- licher Motive noch an die ältere Scherenkunst anknüpft, verrät sich trotz der kleinen Ver- schneidung am Hälschen der Figur das feinste Gefühl für die Musik der Bewegung und den Fluß der Linie, die ja allein die Elemente sind, aus denen die Schwarzkunst ihre Wirkungen aufbauen kann. Sieht Lotte Nicklaß nun zu-

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Lotte Xicklaß, eine neue Sthwarzkünstleriti.

LOTTE NICKLASS BERLIN.

nächst diese Schönheiten aus'der Natur her- aus, wie bei der Rokoko-Schäferin hier freilich schon durch die Gewandung aus dem Alltäglichen herausgehoben und zu einem Spiel mit Überwindung technischer Schwierigkeiten ausgenutzt so legt sie später den Gebilden ihrer Phantasie erst die Natur unter; das heißt: zunächst schwebt ihr eine reizvolle Linie oder Gruppierung vor, und dann gibt sie ihr aus ihrem untrüglichen Forraengedächtnis die naturgemäßen Verhältnisse. Sie ist meines Wis-

.■iCHüRENSCHNITT »PIERROT MIT HÄHN'E>'«

sens die erste, die gewagt hat, eine einzelne Gestalt ganz für sich als größeres „Bild" wirken zu lassen und hat damit etwas wie Monumentalität in solchen Blättern erreicht, wie sie sonst nur die Schnitte von Gertrud Stamm zeigen; hat diese aber meist ein schweres Pathos, so geht Lotte Nicklaß bewußt von der gefällig- schönen Bewegung und mit starkem Ton auf der ungewöhnlichen Bewegung, der lebensge- schwängerten — aus. So haben ihre graziösen Gestalten etwas, was man vorm Kriege „re-

4-40

I^tie Xickloß, eine uace ScJnvarzkwistlerin.

LOTTE NICKLASS BERLLN.

cherche" genannt hätte, was man aber beileibe nicht mit „gesucht" übersetzen dürfte; es kHngt etwas von Beardsley ohne dessen übergeist- reiche Kapriolen und Verstiegenheiten an; sie hat aber die Salome geschaffen, ehe erst ich selbst sie auf Beardsley aufmerksam gemacht habe. Zum Teil entsteht diese zufällige Ähn- lichkeit aus der virtuosen Art, mit der sie die allzugroßen Flächen die Gefahr für die Wirkung aller Schattenschnilte durch das Arbeiten mit Weiß in Schwarz mit niemals

SCHERENSCHNriT SC H LANGEN BESCHWÖRER«

versagender Schere aufzulichten weiß. Wo dieses Pikant-Dekorative nicht hingehört, weiß sie, wie in der andachtvoll-schlichten „Flucht nach Ägypten", auch einzig durch zusammen- gehaltene Massen zu wirken; und daß ihr auch ergreifende Töne zu Gebote stehen, be- weist das Blatt „Flüchtlinge". (Teilausschnitt.) Wo nun aber die Künstlerin ihr Weiß-in- Schwarz anwendet, da „sitzt" es auch, und es hat ihr erst ermöglicht, ein neues Motiv in den Formenschatz der Scherenkunst einzuführen:

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Lotte Nicklaß. eine tieue Schwarzkünstler in.

/

den Vorhang. Seit langem hat man versucht, das Bildhafte des Schattenschnittes durch eine Umrahmung zu verstärken, sei es durch Pflan- zenwerk oder durch Andeutung von Architek- tur als Raumgrenze. Auch Lotte Nicklaß hat in den Bildern zu Jungnickels wunderhübschen Buch „Trotz Tod und Tränen" (Verlag Wiede-

mann-München) diese ältere Weise angewen- det, um idyllische Wirkungen zu erzielen. Mit der breiten Fläche eines Vorhanges, wie ihn gleich unsere erste Abbildung zeigt, hat sie aber ersichtlich ein packendes Mittel gefunden, unter Vereinfachung der Linienführung und Vermeidung jeder „Verprilzelung" der Flächen

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LOTTE XirKLASS BERLIN. SCHEREXSCHNITT SCHÄFEHIX« AUS SCHWARZEM PAPIER GESCHNITTEN.

Lotte N^icklaß, eine tieiie Sclnvarzkünstlerin.

ihren Erfindungen Zusammenhalt und fast monumentale Wucht zu geben, während sie wieder durch die Gliederung des Vorhanges die Schwere der dekorativen Fläche aufhob.

Trotz dieser Bereicherungen in den Mitteln hat die Künstlerin nie die Grenzen überschrit- ten, die ihrer Kunst aus deren Natur gesetzt sind; sie hat nur alles aus ihr herausgeholt, was die Ausdrucksmittel hergeben konnten, und das mit einer ausgesprochenen Persönlich- keit von angeborenem graziösem Formengefühl und wahrhaft „kultivierter" Phantasie erfüllt.

So können denn ihre Schöpfungen auf einem beschränkten Gebiete wirklich auch wieder zu kultivierter Kunstfreude führen. . . h. sch.

Schönheit: ein wunderseltsames Wort ! Er- findet erst neue Worte für jedes einzelne Kunstgefühl, für jedes einzelne Werk der Kunst ! In jedem spielt eine andere Farbe, und für ein jedes sind andere Nerven in dem Gebäude des Menschen geschaffen. Aber ihr spinnt aus diesem Worte, durch Künste des Verstandes, ein strenges System, und wollt alle Menschen zwingen, nach euren Vorschriften und Regeln zu fühlen, und fühlet selber nicht.

Jegliches Wesen strebt nach dem Schönsten. So wie in jedes sterbliche Auge ein anderes Bild des Regenbogens kommt, so wirft sich jedem, aus der umgebenden Welt, ein anderes Abbild der Schönheit zurück. ... w. g. vvackenroder.

HANNS HOLDT -MÜNCHEN. .BILDNIS-AUFNAHME.

HANNS HOLUr-

niLD.NISAUFNAIIMr: I JKR SCHWESTER I )ES KÜNSTLERS.

HANNS HOLDT-MÜNCHEN

EIN KÜNSTLER DER KAMERA.

Ganz neue Möglichkeiten für die Photogra- phie lassen die hier vorliegenden Beispiele aus dem Münchener Atelier des Hanns Holdt erkennen. Das Lichtbild ist hier nicht mehr allein das Produkt der mit technischer Gewandt- heit und geschultem Geschmack bedienten Ka- mera, — hier wird der Apparat zum Diener eines höheren Strebens; das Objekt wird auf die Platte gebannt, wie eine zielbewußte künst- lerische Persönlichkeit es sieht. Sehen ist Kon- vention, aber Konventionen dürfen gebrochen werden. Hanns Holdt hat früher gemalt,

gezeichnet, modelliert und radiert, mehr um als Kunstwissenschaftler die Techniken ver- stehen zu können. Sicherlich hätten ihm also noch andere Wege offen gestanden. Wie er nun gerade dazu kam, die Photographie als Ausdrucksmittel zu wählen? Als künstlerisch begabter Sohn eines Herrnhuterpaares hatte er seine erste Jugend in abgeschlossener Einsam- keit verbracht. Befreundet war er allein mit der Natur. Wandernd hielt er seine Eindrücke mit dem Zeichenstift fest, und nur zur Ergänzung dieser Eindrücke machte er neben seinem Kunst-

447

XIX. März I9I6. 4

Hayins Holdt ATünchen.

HANNS HOLDl".

BILDNIS-

AUFNAH^LE

»KERSTIN ST.«

Studium Versuche mit der photographischen Kamera. Es waren kleine Landschaftsbildchen, aber jedes sollte eine besondere Stimmung geben, meist eine recht zarte und immer nur die, die er vor der Natur erlebt hatte.

Später erst kam er zu Porträtaufnahmen. Die Kinder hatten es ihm angetan. Er belauschte sie und suchte ihre zartesten, unschuldigsten Regungen zu verstehen und nachzuerleben. Ge-

fühlsmäßig vermied er dabei alles , viras an Genrebilder erinnern konnte. Nicht die Spiele der Kinder, ihre verwunderten Augen bannten ihn. Nicht anders sah er die Kinder wie schöne Blumen oder Tiere. So wurden sie ihm zeitlos wie Dinge , die nur die Märchenwelt kennt. Ihre Augen wurden ihm Spiegel. Wessen? Jedenfalls nicht der nüchternen Außenwelt. Augen voll Reinheit und Ehrfurcht, mit zu-

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Hanns Holdt-Münchett,

HANNS lloI.Dl-.

KILDNIS- AUFNAHMK . FRl. LOTTE PRITZEL«

nehmender Schulung entdeckte Holdt sie auch bei Erwachsenen, auf dem Umweg durch Werke der byzantinischen und der gotischen Kunst.

An einer Holdtschen Photographie ist nichts dem Zufall überlassen geblieben. Das Wesent- liche herauszuarbeiten, was gerade am Men- schen in einer besonderen Stimmung packt, nahm er zur Aufgabe, seitdem er vor Jahres- frist in München ein Atelier für künstlerische Photographie einrichtete. Sein rascher Erfolg hat die besondere Fähigkeit einer wunderbaren Einfühlungskraft zur Voraussetzung. Ohne sich

etwa lange mit psychologischen Studien abgeben zu müssen, dringt er fast visionär in das Eigen- leben, in das Gebiet von Künstler und Dichter. Er kommt dem Geheimnis des Einzelnen auf die Spur. Eine künstlerische Offenbarung des Tatsachenbestandes wird uns so in feste Ge- setze eingefangen. Immer bleibt dabei dies eigene Werk des noch jugendlichen Holdt in Beziehung zur bildenden Kunst. Was das Bild- mäßige angeht, läßt ja erkennen, daß sein Blick vorzüghch auf die klassische Porträtmalerei der Renaissance gerichtet ist. . . . alfred mayer.

HANNS HilMH - Ml-NIHKN. lillUNIS- AI'l-NAIIMI SY I).

KUNSTGEWERBE UND LUXUS.

Wenn auch das Wort „Kunstgewerbe" eine neuzeitliche Schöpfung ist, tatsächlich hat es stets eine Gewerbetätigkeit gegeben eng verwandt der Kunst. Attische Vasen, etrus- kische Bronzegeräte, Webereien islamitischer Völker, chinesische Porzellane und Stickereien, wurden wohl von Handwerksmeistern geübt, denen z. B. der Grieche als Banausen mit der Verachtung des vornehmen Nichtstuers begeg-

nete. In der Seele dieser biederen Meister schlummerte gar oft jener göttliche Funke, der nicht nur den Dichter und Denker zum Himmel hebt, der aus ihren Werken noch heut verkün- det, daß sie vom Eros geleitet über das Hand- werk hinaus das Reich der ewigen Schönheit betreten durften. Auch der Luxus ist ein sol- ches Kind der Liebe, der Freude am Nutzlosen, am Zierat des Lebens, das uns das Dasein so

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HANNS HOLDT-MÜNCHEN. BILDNIS-AUI-'NAHME -TAN/.ERPAAR«

Kunstgeiverbe und Luxus.

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HANXSH'iI Hl.

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AUKNAHMI;

»WKRA K.-

lebenswert macht. Die Natur selbst wurde darin unser Lehrmeister. Wer ist ein größerer Verschwender als sie? Daher könnte man ein Gespräch über Kunstgewerbe und Luxus leicht demSymposionPlatos anfügen, wüßten wir nicht wie verächtlich die Griechen über Handarbeit dachten. Ahnten diese Denker nicht, daß die Hand nur die geschulte Dienerin eines Kopfes, daß auch die Form eines schönen Kruges, jedes Zierats ihren Ursprung von den Müttern aller For- mung herleitet, alten Adels wie der Gedanke?

Die Liebe zum Zierat, die angeborene Freude des Menschen, sich und alles ihm Wert- volle zu schmücken, ließ Kunstgewerbe und Luxus entstehen. Beide bilden Verschönerung unseres äußeren Menschen und unserer Umge- bung, beide sind Kinder der Schöpferfreude und des Überflusses, und doch trennen sich ihre Wege an der Schwelle der Nützlichkeit. Kunst- gewerbe bedeutet das nützliche Schöne, Luxus das schöne Unnütze. Luxus wählt sich zum Gemahl die Verschwendung , Kunstgewerbe

Kwisignverbe uvd Luxus.

schreitet mit derbürgerlichenBrauchbarkeit zum Altar. Ein kunstgewerblicher Gegenstand kann künstlerisch in seiner Form mißraten, er bleibt dennoch brauchbar. Wir erleben das täglich an Dutzendstühlen, an Muschelkommoden, an Gläsern. Verliert der Luxus seinen Platz im Reich des Schönen, dann ist er, da nutzlos, auch heimatlos, wertlos. Dieser tiefgehende Unterschied wird gar oft beiseite gelassen, und das Kunstgewerbe mit dem Luxus verwechselt. Man vergißt, daß alles Kunstgewerbe mit

»BII.DMS EINES BUL- GARISCHEN ■.CHAU- •-I'IELERS«

einem Gebrauchsgegenstande verbunden sein muß. Ein schön geformter Eimer gehört ihm an wie die Villa des Millionärs, und so schön und reich diese Villa ausgestattet ist , ein Luxus würde sie erst dann, wenn sie ihren Zweck als Wohnbau nicht erfüllte. Der Luxus beginnt, wo der Zweck verstummt. Er kann mit einem Gebrauchsgegenstand verbunden sein, aber er muß es nicht. Wenn die Knöpfe eines Kleides mit echten Steinen geschmückt sind, wenn der weiße Damast des Tafeltuchs von Brüsseler

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Kunstgeiverhe und Luxus.

Spitzen durchbrochen wird, wenn in der ver- schwiegenen Ecke des Gartens ein Teehäuschen seine verschwenderische Pracht für die kurze Zeit eines Fünfuhrtees öffnet, wenn goldene Spangen Arm und Haare zieren, dann dürfen wir von Luxus reden. Leider tun wir das immer mit einer gewissen moralischen Verurteilung. Die Moral verlangt Zwecke des Handelns, der Luxus verwirft den Zweck. Ein Kind des Über- flusses fragt er nicht nach Notwendigkeit, Freude und Glanz ist seines Daseins Wert, und so will und soll er genommen sein. dr. rob. corwegh.

Weisen feinere (lerven einmal beweglich, und für den geheimen Reiz, der in der Kunst ver- borgen liegt, euipfcinglich sind, dessen Seele wird oft da, wo ein anderer gleicligültig vorübergeht, innig gerührt. Idi bin mir bewulit, daß öfters, wenn ich (mit anderen Gedanken besciiattigt) durcli irgend ein schönes und großes Saulenportal ging, die mäch- tigen, majestätischen Säulen, mit ihrer lieblidien Er- habenheit, unwillkürlich meine Blicke zu sich wen- deten, und mein Inneres mit einer eigenen Empfin- dung erfüllten, daß ich midi innerlich vor ihnen beugte, und mit aufgelöstem Herzen und mit reicherer Seele weiterging W. G. WACKEHRODER.

HAXXs in il.Dl MUNCllKX. |;| Li ).\ IS-AUl- N AI 1 .\1 i , KK.XA M. iRl.XA.

ARCHITEKT FRITZ ZEYMER-WIEN. .HAUS IN WÄHRING.

AKCHITF.KT FRITZ ZE VMER WIKN.

IUKKA.sM; K1M-„s llAr.sK> l\ \\Allki:-

FRITZ ZEYMERS „HAUS G." IN WÄHRING.

Das Haus erhebt sich auf der sogenannten „Türkenschanze", einem zum Bezirk Wäh- ring gehörenden , hochgelegenen Vorort von Wien. Das Wohngeschoß ist bis zu dem be- haglich deckenden Mansardendach einfach weiß und glatt verputzt. Ein weiß gekalkter Lauben- gang mit schmiedeeisernem Gittertor, ein alt- heimatlich traut anmutender Einfall des Archi- tekten, vermittelt den Zugang zum Hause von der Straße aus. An der dem Garten zugewen- deten Hauptseite des Hauses ist diesem eine breite Terrasse vorgelagert, auf die man vom Hause aus durch eine Loggia gelangt. Haus und Garten stellen sich als ein durchaus ein- heitliches architektonisches Gebilde dar, zweck- bedingt in seiner Gliederung, wohlproportio- niert, vornehm und gediegen. Man hat es hier mit der Bauleistung eines reifen und besonne- nen Künstlers zu tun, der allem Kniffligen und Mätzchenhaften, jeglicher Effekthascherei ab- hold ist, der nie der Spekulation aus Eitelkeit verfällt, sondern beherrscht bleibt, der die Ein- fälle der Phantasie unter die Klarheit des Den- kens bringt. Zeymer hat schon manche schwie- rige Aufgabe mit ebenso wohlüberlegter wie geschmackvoller Geschicklichkeit gelöst und

auch die ihm beim Bau des Hauses G. gestellte Aufgabe zur vollen Zufriedenheit des Bauherrn bewältigt. Es war hier nicht nur irgend ein hübsch gestaltetes und angenehm bewohnbares Haus zu' bauen, in dem sich die Familie eines wohlhabenden Kaufmanns, eines Beamten eines Ministeriums oder einer Bank, eines Rentners oder Fabrikanten „daheim" fühlen kann, son- dern das Wohn- und Lebensgehäuse eines Ge- lehrten und seiner Familie, eines Mannes, der durch seine, ihn der Kunst naheführende Spe- zialforschung eine feine Empfänglichkeit für architektonische und sonstige, namentlich mu- sikalische und dekorative Kunstwirkungen in sich entwickelte; es war das Haus für einen Menschen mit deutlich ausgeprägter Eigenart, mit besonderen Neigungen zu bauen. Zeymer war sich dessen von Anbeginn bewußt, ebenso der sich daraus ergebenden Schwierigkeiten, aber gerade das vermehrte nur den Anreiz, den jede Arbeit für ihn hat, die sich nicht nach überlieferten Rezepten erledigen läßt. Es hat einmal ein grübelnder Betrachter der Bedin- gungen des künstlerischen Schaffens gesagt: nicht der Grundriß eines Hauses bestimmt den Rang und die Befähigung eines Meisters, oder

März 1916. 5

Fritz Zeymers » Haus G.« in II ähring.

AKCHI IKKT FRITZ V.l.

. G. IN WAHRING« GARTEXSEUI-,.

doch höchstens in dem Sinn, daß wir danach erkennen, wie er sich mit dem Fatalsten, mit den Bedingungen des Raumes und vielleicht gar den Launen des Auftraggebers abgefunden hat, ohne allzuviel von den Forderungen der ewigen Kunst hinzugeben. Auch nicht die Ver- hältnisse, die meist festgelegt sind, noch minder die Ausführung, die ihre Weisungen vom End- zweck empfängt und desto geglückter ist, je vollkommener sie ihn zum Ausdruck bringt und sich ihm unterordnet. Hauptsächlich im Detail kann er sich behagen, bekunden, ausleben. Daß er seinen Plan zu entwerfen verstehe, das for- dern wir vom Architekten, soll man ihn über- haupt beschäftigen dürfen; aber ihn sinnreich und wiederum unaufdringlich schmücken, das Bedürfnis, das ja unter Umständen schon durch seine Macht einen Eindruck übt, ohne es zu verzierlichen oder zu verkleinern mit einem Schimmer zweckloser und dennoch schwer zu missender Schönheit umgolden, dies kann nur der Künstler, und je feiner und sicherer er es vermag, desto höheren Rang müssen wir ihm zugestehen. Dieser Forderung, der Erhebung des dem Bedürfnis dienenden zum Schmücken-

den, zur Schönheit, ist Fritz Zeymer nun ge- recht geworden. Man darf natürlich unter dem erwähnten Detail nicht etwa eine spielerische Willkürlichkeit verstehen, eine unorganische Applikation plastisch oder malerisch dekora- tiver Art an Dingen des täglichen Gebrauches, sondern diese Dinge selbst in ihrer besonderen Gestaltung, in ihrem Verhältnis zur Umgebung, ihrer organischen Bedingtheit, ihrer Stofflich- keit, ihrer Form und Farbe. Das Schmückende aus dem Notwendigen herauszuholen ist Fritz Zeymer ganz besonders befähigt. Man sehe sich auf den Abbildungen dieses Heftes die Eingangslaube, die Terrassenbauten mit Ru- slikasubkonstruktion und Balustradenabschluß in blankweißem Verputz, die Holzvertäfelung und das Stiegengeländer in der Wohnhalle, die Versprießungen der Büchereischränke und der- gleichen Einzelheiten an, und man wird sich darüber klar werden, wie das konstruktiv Sinn- reiche als Schmuck wirken kann und zu jenem andern Schmuck überleitet, der vom Dienst des Zwecks entbunden, dennoch in einem fei- nern Sinn zweckvoll ist und von der Empfin- dung nur ungern entbehrt wird. Der Zweck

ARCHITEKT FRITZ ZEYIIER— WIEN.

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ARCHITEKT FRTTZ ZEVMEK WIEN. »GRUNDKISSK DES HAUSES Ci.« J.N WAHKENG HEI U IKN.

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ARCHITEKT FRITZ ZEYMER WIEN. vEIXGANGSLAUHE«

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ARCHITEKT FRITZ ZEYMER-WIEX. »GARDEROBE« IM HAUSE G.

ARCHITEKT KRITZ ZEYMER-WIEN. .HALLE IM HAUSE G. IN WÄHRING.

Fritz Zeymers »Haus G.« in Wäkrijig.

ARCHITEKT FRITZ ZEVMER WIEN.

beherrscht das ganze Haus außen und innen. Das allein wäre nun nicht genug, es muß sich der Gewißheit der Bedürfniserfüllung, das be- stimmte Gefühl der nicht unbedingt notwen- digen Gegenwart der Schönheit gesellen, die, gleichviel ob sie durch das verwendete Mate- rial, die Form oder Farbe bewirkt wird, das Bedürfnis adelt.

An zwei aufs Geradewohl aus einer Menge herausgegriffenen Beispielen möchte ich dartun, wie ich das meine : es ist da im Hause G. neben der Studierstube des Hausherrn eine Bücherei. Ein Schatzbehälter in jedem Sinn, denn der Raum birgt in tischlerisch meisterhaft gefügten Schränken eine große Anzahl überaus wert- voller altorientalischer Handschriften und sel- tener Bücher. Die verglasten Bücherspinde sind aus dunkelgrün poliertem Kirschholz ge- macht, ebenso die hölzernen Teile der Stühle

»Mr.-IK/IM.MEK IM HAU.sE I>R< iF. G.

und des großen Lesetisches. Die Sitzflächen und Rücklehnen der Stühle und die Platte des Tisches sind mit grauem Sämischleder bezog^p. Die Decke schimmert glatt weiß. Zwischen ihr und dem oberen Sims der Schränke zieht rings- um an der Wand ein breiter buntfarbener Fries mit fÜmmerndem Goldgeranke, auf dem sich phantastische Vögel schaukeln, stihsierte Ge- schöpfe, wie aus einer altpersischen Märchen- handschrift herausgeschlüpft. Sie sind unwirk- liche Geschöpfe aus einer möglichen Wirklich- keit, und so starr wie sie sich tagsüber auch ver- halten, während der stillen Stunden, in denen das Licht der Ampel an der weißen Decke zer- stäubt und silberig den farbenbunten Ranken- fries überrieselt, mögen sie ins Zwitschern und Flöten kommen und in ein rhythmisches Tril- lern, Gurren und Munkeln, und sich in die Phantasien des stillen Lesers hineinleben, der

XI.X. Mirz 1916. 6

Fritz Zeymers y>Haus (9.« in Währ in g.

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ARCHITEKT FRITZ ZEYMER— WIEN.

Über den Manuskripten aus dem fernen Osten sitzend , von einem Leben träumt , das zum Traum geworden, Im oberen Stockwerk des Hauses ist das Schlafgemach des Herren und der Frau vom Hause. Die hölzernen Geräte sind geradlinig und glattflächig und weiß lackiert, die Sessel und Stühle mit dunkelblauem Rips bezogen. Über die Wände und die Decke spannt sich, wie ein aus Kaschmir gewobenes Fürsten- zelt, ein schablonierter bunter Pflanzendekor auf nachtschwarzem Grunde. Traumblumen, Blumenträume, auf denen man den aufgelösten Blick der Schlaftrunkenheit liegen lassen kann in der abendlichen und morgendlichen Dämme- rung, kurz bevor man einschläft und kurz nach- dem man erwacht, wenn die Augen ihre selt- samen Zustände haben, die Art des ersten und des letzten Schauens. Menschen mit leicht er-

»BLICK INS HERRENZIMMER«

regbarer Einbildungsfähigkeit mögen unter der schwarzen, bunt beblümten Decke im wach- träumenden Liegen mitunter zu recht wunder- lichen Gesichten gelangen. Nicht jeder wird eine derartige Decke, die sich unvermutet rasch in eine gespenstige Welt zu verwandeln vermag, über sich haben wollen, wenn er nach einem laut bewegten Tag im Schlafraum tiefe Rast und Ruh sucht ; aber Fritz Zeymer hat ja diese phan- tastische Decke auch nicht für jedermann ge- macht. Zeymer durchmenschlicht alle Teile eines Hauses, er gibt den Dingen etwas von der Seele ihrer Besitzer, macht den Wohn- und Schlafraum zum Leberaum, und das Ungewöhn- liche zum Behaglichen. Fast möchte ich glauben, daß er vom Alltag nichts hält, daß er nur Fest- tage empfindet, jeden als einen Tag der sich unaufhörlich erneuernden Lebensfeier, a. r r.

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PAUL SCHEURICH— BERLIN BUCH-ILLUSTRATIOX.

AUS POMPADOUR-BRIEFEN \"I;RLAG GEORG MÜLLER.

WEGE ZUR KRIEGSKUNST.

Mit Ausbruch des Krieges setzten nach den ersten Tagen des Wartens die Versuche ein, das ungeheuere Geschehen mit den Mitteln der Kunst festzuhalten obwohl das Unter- nehmen eigentlich von vornherein paradox war. Die Künstler rangen danach, die Sichtbarkeit dieses Krieges hinzustellen, dessen ganzes Be- streben darauf ausgeht, während seines Ablaufs die Sichtbarkeit möglichst auszuschalten. Feld- graue Uniformen, in der Erde verschwundene Soldaten, Artilleriestellungen in Parks und Wäldern und Gärten maskiert, daß niemand sie sieht, Flieger, so durchsichtig hell, bräunlich, wie ein vom Licht aufgelöstes Insekt, daß selbst das geübte Auge sie kaum am hellen Himmel zu entdecken vermag das sind seine Mittel. Er will nicht gesehen werden, will seine Sicht- barkeit so weit als möglich vernichten, auf- heben — gerade die Sichtbarkeit aber ist die Materie des Künstlers. Und das Schlachtfeld selbst dehnt er zu Dimensionen aus, deren Un- geheuerlichkeit von vornherein jeder Bewäl- tigung im künstlerischen Werke spottet.

Man wird einwenden : Gewiß, das ist wohl eine Gesamttendenz, die da und dort, wie bei der Leere des Kampffeldes, bei den Fliegern, bei maskierten Stellungen, Erfolg haben und die Sichtbarkeit mindern und herabsetzen kann. Aber kein Mensch vermag zu verhindern, daß ein Nahkampf, ein Sturmangriff, ein Bajonett- kampf, Reitergefechte und dergleichen sich in voller Sichtbarkeit abspielen und nach wie vor dankbare Objekte der Kunst bleiben.

DerEinwand ist durchaus berechtigt ; dagegen aber ist zu sagen: diese Dinge sind wohl vor- handen und ein integrierender Bestandteil auch dieses Krieges; aber sie sind nicht das, was seine Besonderheit, seine Einzigkeit ausmacht. Alles das hat es schon anno 70 und früher ge- geben; die Unterschiede auf diesem Gebiet liegen nur in Äußerlichkeiten, in den Uniformen, der Bewaffnung, allenfalls der Methodik des Kämpfers. Was die Kunst hier finden kann, besaß sie im Grunde immer: von der Alexander- schlacht über Tizian und Lionardo bis zu Rod- lers Schweizer Kriegsbildern trifft man es an. Und das Spezifische dieses Krieges ruht doch am Ende nicht nur im Feldgrau der Uniform, oder in anderen militärtechnischen Neuerungen. Seine Besonderheit besteht vielmehr mit den überall notwendigen Einschränkungen ver- standen ^ darin, daß sein Wesentliches über- haupt nicht mehr darstellbar ist, ja daß er selbst zuletzt jeder Art der Darstellung spottet.

Dazu tritt im weiteren die Steigerung der akustischen Seite des Kampfes. Dieser Krieg ist weit mehr als frühere Artilleriekrieg : wesent- liche Phasen seines Ablaufs, wie der Durch- bruch bei Gorlice, die mißglückte September- offensive der Franzosen, die Lorettokämpfe sind durch Artillerieschlachten von nie geahnter Furchtbarkeit bestimmt. Das tagelange Dröhnen dieses Feuers, dieses noch in der Entfernung nervenaufpeitschende Trommeln der schweren Schallwellen gehört zum Wesentlichsten dieses Krieges —und ist jeder Darstellung unzugänglich.

N^ciic Wege zur ICriegsktüist.

Somit bliebe den Malern gegenüber diesem riesenhaftesten Ereignis der Gegenwart also nichts weiter übrig als resignierter Verzicht? Sie sollten das ungeheuerste Ereignis der Welt- historie miterleben und tatenlos bei Seite stehen?

Niemand wird ernsthaft diese Forderung er- heben — und was bis jetzt an Kriegskunst vor- liegt zeigt deutlich, daß auch hier Wege sich auf- tun, die gerade von diesen Schwierigkeilen aus ihre Richtung und ihre Liebe bestimmen lassen. Den einen Weg ist Ludwig Dettmann ge- gangen, indem er dem Krieg so dicht als mög- lich auf den

Fersen folgte. Wo der eben gewesen war, stellte er sich hin und hielt fest, waser sah, mit der ganzen Sachlichkeit, zu der seine Generationdas Auge erzogen hat. Die Flam- men der ver- nichteten Häu- ser züngelten noch, die To- ten lagen blu- tig und zerfetzt in den Gräben; Dettmann ging hin und malte, was er sah, In den Kampf selbst hinein konnteernicht: er folgte sei- nem Weg und gab uns so die stärksten Bil-

FEliKKZF.ICHMXG VON' FEKI)1N.\M> STAFX.ER-MfNXHEN. jBUCHER/.EICHEX

der vom Kriege, die wir bisher bekommen haben. Andere Maler, die gleichzeitig Sol- daten waren, haben ähnliches gebracht. Zer- schossene Häuser, rastende Soldaten, Flieger- beschießungen , Blicke über das leere Feld zwischen den feindlichen Fronten sind die Er- gebnisse. Weg und Ziel sind hier naturgemäß überall die gleichen: Darstellungdes Sichtbaren. Der ungeheuere Gefühlskomplex, den das Wort Krieg umfaßt, drängt indessen nach wei- terem Ausdruck. Das ganze menschliche Emp- finden ist von dem Grauen und der Größe der ^ Zeit erfüllt und

sucht instinktiv Erlösung in der

Produktion, Die reine Dar- stellungkommt dafür nicht in Frage; sie be- schränkt sich auf das „So ist es". Dafür tut sich hier plötz- lich eine Welt neuer Möglich- keiten auf für die Bestrebun- gen der Jünge- ren. Die such- ten schon vor dem Kriege von der bloßen Darstellungdes Sichtbaren ab- zurücken, nach dem Vorgang Hansv.Marees vielmehr ihre „Vorstellung" im Bilde zu ent- wickeln. Die

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Nene Weoe zur Krieoskunsl.

KEKIJ. Sl At(;KK MIMHKN. HIJkK/I.li IlMWC. Lil ( HF.K/.KR HEN

Zeit gab ihrem Gefühl wenig; so wurden die Versuche leicht zu Experimenten. Jetzt geht auf einmal eine ungeheuere Gefühlswelle durch die Menschheit und über sie hinweg, die nach Verdichtung und reiner Vorstellung ringt. Der Krieg wird hier zum stärksten Förderer des wahrhaft Zeitgemäßen; wo die eine Kunstform ihre Grenzen findet, stellt er der anderen, der werdenden, die größten Aufgaben.

Es liegen schon heute Anfänge einer Kriegskunst in diesem Sinne vor. Meist graphische Arbeiten: einige der schönen Blätter Otto Hettners, einige der Lithographien von Erich Thum (aus der Mappe „Hinter den Schlachten"). Die Aufgabe ist nicht leicht. Es gilt das Gefühl der Zeit in sich zu verdichten, zu anschau- lichem Sein zu steigern und dieses in reiner Vorstel- lung zu entwickeln. Etwas Sinnbildliches wächst hier aber ein „Sinn-Bild" eines Gefühls, ein gefühltes Symbol einer allgemeinen Welle, das außerhalb aller sonstigen primitiv begrifflichen Bedeutungssymbolik bleibt. Otto Hettner hat das bisher offenbar am be- wußtesten erfaßt: Klarheit aber ist gerade hier von nöten, um nicht auf die Abwege einer billigen AUer- welts-Allegorik zu geraten, die bereits genug Verhee- rungen in diesem Kriegsjahr angerichtet hat.

So scheiden sich die beiden Wege, auf denen die Kunst zum Kriege kommen kann: es sind die gleichen Pfade, die sich schon im Frieden deutlich von einander

zu sondern begannen. Der Krieg ver- neint eben nicht nur, er bestätigt auch und bestärkt, wenigstens was lebens- kräftig und zukunftshaltig ist. Ab- seits von diesen beiden Wegen aber wird vielleicht die Plastik aus diesem Kriege sich eine Fülle neuer Bereiche- rung holen. Sie wird vielleicht die un- geheure menschliche Kraft, die notwen- dig ist, um die Riesenlast dieses Ringens zu ertragen, am unmittelbarsten gestal- ten können, nach dem Vorbild der deutschen Soldaten selbst. Was man daheim nach Photographien vermutete, aber noch skeptisch zurückhielt, findet hierdraußen vollauf Bestätigung: in den Gestalten dieser Männer, die draußen liegen und nun seit Monden schon das Schwerste über sich ergehen lassen, in Sonne und Regen, wächst die Monu- mentalität, die Meunier in seinen besten Arbeiten nur angedeutet hat. An einem Bahnübergang draußen, hin- ter der Front, stand morgens immer ein Ulan Posten. Der Mann war seit Monaten nicht aus seiner Uniform ge- kommen. Sie war eins mit ihm gewor-

I-KHIilN \M> SIAEI.KR Ml M HIN.

Anette Weoe zur Kries'skuyist.

den, Ausdruck seiner körperlichen Existenz und seines gelassenen Ertragens der Dinge und der Lose. Sein Mantel war zerknittert, wie der gotische Mantel der Maria auf einem Schon- gauer Blatt; er gehörte zu ihm, wie ein Teil seines Ich. Der Mann stand reglos, mit unge- spannten Gliedern unbeweglich; er war weder groß noch schön noch stark: in seiner ganzen Erscheinung und Haltung aber war etwas, daß man beim Anschauen im Vorbei- marschieren plötzlich erkannte, wie hier die seelische Kraft des Heeres, das nun einundein- halbes Jahr lang sich von drei Reichen belagern läßt, einen Ausdruck gefunden hatte, in der ungewollten Monumentalität dieser Erschei- nung. Wir haben es noch öfter erlebt an diesen Gestalten, die die Erde wieder zurückgenom- men zu haben scheint und wir haben ge- wünscht, daß unter denen hier draußen, die es

mit uns sehen und erleben, Menschen sind, deren Augen und Seelen die große Form zu begreifen vermögen, die hier bei diesen Trägern des Krieges erwachsen ist und noch weiter erwächst, um später im Frieden daraus das dauernde Denkmal dieser Zeit zu schaffen.

DR. PAUL FECHTER (Z. ZT. LILLE). Ä

Die Kunst ist eine Sprache ganz anderer Art, als die ttatur; aber auch ihr ist, durch ähnlidie dunkle und geheime Wege, eine wunderbare Kraft auf das Herz des Menschen eigen. Sie redet durch Bilder der Menschen, und bedienet sich also einer Hiero- glyphenschrift, deren Zeichen wir dem Äußern nach, kennen und verstehen. Aber sie schmelzt das Gei- stige und Unsinnliche, auf eine so rührende und be- wundernswürdige Weise, in die sichtbaren Gestalten hinein, daß wiederum unser ganzes Wesen, und alles, was an uns ist, von Grund auf bewegt und erschüt- tert wird W. G.WACKENRODER.

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FERDIMAXD STAEGER-MÜNXHEX. ZEICHNUNG »NEUJAIIRS-KARTE.

HANNS ARNO H.\MMER— MÜNCHEN. ENTWURF FVK EIN KRIEGER-GRABMAL.

Inhalts-Verzeichnis.

BAND XXXVII

Oktober 1915— März 1916.

TEXT-BEITRAGE:

Vorwort zum 19. Jahrgang. Von Alexander Seite

Koch vor I

Hans Thoma. Von Fritz von Ostini

München 3 35

Ein offener Brief. Von Hans Thoma . 38 40

Im August. Von Hans Thoma ... 39

Altmodischer Spruch. Von Hans Thoma 39

Neues Werden keimt in der deutschen Plastik 45

Das Haus Hugo Schöller in Düren. Von

Prof. Em. von Seidl München . . 51 55

Über die Arbeit des Künstlers. Von Max

Raphael Bodman 61 74

Die Angst um die Kunst. Von Otto Zoff

Wien 77—81

Gartenschönheit. Von Anton Jaumann . 82

Zu Karl Schenkers Bildnis-Photographien.

Von Franz Blei 85 86

Die Kunst des Tischdeckens 97

Deutsche Xadelkunst nach dem Kriege . . 99

Vom Verlangen nach Schönheit. Von Willy

Frank 101

Eine Antwort III

Kriegsradierungen von Erich Erler ... 1 1 1

Gedächtnis-Ausstellimg Max Buri in Zürich.

Von Dr. W. Wartmann Zürich . . 115 122 Verdeutschung fremdsprachlicher Fachaus- drücke in der Malerei. Von Hermann

Esswein München

Zwölf Kriegsradierungen von Erich Erler.

Von Prof. Karl Mayr München . Große Berliner Kunstausstellung 1915.

Hans Rosenhagen Berlin . Bildhauer Ludwig Gies München Der Kleidermacher und die Zeichnerin

Anton Jaumann

Die Technik als Trägerin des künstlerischen Ausdrucks. Von Prof. Otto Schulze . Ausstellung österreichischen Kunst-und Export- glases in Wien. Von Hartwig Fischel Wien 159 168

Von

Von

27-

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33-

139

43-

149

150

53-

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Herbsthüte. Von Julie Elias Berlin . Österreichische Denkmalskunst. Von Willy

Frank

Die Wiesbadener Kunstausstellung 1 9 1 5 . Von

Fried Lübbecke Frankfurt Über einige Grenzen der Malerei. Von Max

Raphael Lörrach

Gustav Creceliusj Karlsruhe. Von Dr.

Koelitz Karlsruhe

Volkstümliche Kunst. Von Wilh. Michel

Darmstadt

Dreierlei Kunst. Von Karl Heinrich Otto Josef Hoffniann Wien. Von Berta Zucker-

kandl Wien

Die Anfänge der Geschmacksbildung. Von

Friedrich Müller Günterstal . Verdeutschung fremdsprachlicher Fachaus- drücke in der Malerei. I. Fortsetzung.

Von Hermann Esswein München . Kunsttöpfereien von Esther Müller Freiburg

"Von Prof. O. Schulze— Elberfeld . . Bew^liche .Soldaten von Käthe Kruse. Von

Frau Prof. Käthe Kruse ....

Deutsche Helden

Die Ausstellung der Berliner Secession. Von

R. Klein-Diepold

Die Kunst auf der Weltausstellung in San

Francisko. Von Karl Eugen Schmidt Ferdinand Staeger München. Von Prof. Dr.

E. W. Bredt— München

Die Kunst am Kurfürstendamm. Von Ant.

Jaumann— Berlin

Verdeutschung fremdsprachlicher Fachaus- drücke in der Malerei. II. Fortsetzung.

Von Hermann Esswein Mimchen . Grabmalkunst. Von W. Waldschmidt

Wiesbaden

Nachwort zum deutschen Impressionismus.

Von Otto Zoff— Berlin

Grabstätten unserer Krieger. Von Robert

Amann Karlsruhe

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337-

-338

338-

-340

Wilhelm Triibner. Von Dr. Jos. Aug. Seite

Beringer Mannheim 343 37^

Vom Künstler und von der Form. Von

Wilhelm Hausenslein München . 377 392 Über Bühne und Malerei. Von Dr. Robert

Corwegh— Leipzig 395—397

Kunstsinn 398

Kunst-Patriotismus. Von Wilhelm Michel

Darmstadt 401 410

Kunst und Mode. Von Anton Jaumann 411 Fremdsprachliche Fachausdrücke in der Malerei.

Schluß. Von Hermann Esswein

München 41b 418

Maler Otto Kopp München. Von Wilhelm

Hausenstein München 421 430

Kriegergrabmal und Kriegerdenkmal. Von

Fried Lübbecke Frankfurt . . . 431 432 Lotte Nicklaß, eine neue Schwarzkünstlerin.

Von Hans Schliepmann Berlin . . 437 444 Hanns Holdt München. Ein Künstler der

Kamera. Von Alfred Mayer München 447 449 Kunstgewerbe und Luxus. Von Dr. Robert

Corwegh Leipzig 450 454

P'ritz Zeymer's »Haus G.« in Währing . . 457 470 Wege zur Kriegskunst. Von Dr. P. Fechter

Berlin 475 478

ABBILDUNGEN

(SACHLICH ZUSAMMENGESTELLT):

Architektur S. 50 53, 228 233, 338 339, 456 462; Badezimmer S. 77; Becher und Pokale S. 158 167; Beleuchtungskörper S. 322; Bildnisphctographien S. 84 85, 87—96, 98, 446—454; Billardsaal S. 315; Blumen- Behälter und -Vasen S. 103; Bootshaus S. 80 81; Bronzen S. 42 44, 148, 149, 286; Bucheinbände S. 106; Damenzimmer S. 62 65, 68 69, 334, 407, 468 469: Decken S. 254, 255; Denkmäler und Brunnen S. 176, 177, 180 182, 185, 279; Edelmetallarbeiten S. loi 105, 107, 250; Empfangszimmer und -Räume S. 58 59; Friedhöfe S. 178 179, 183, 340; Qarage S. 247; Gartenanlagen und Gartenarchitektur S. 78, 82, 246; Gartenhäuser S. 78, 248, 249; Garten- und Veran- damöbel S. 82, 457; Gemälde S. i 40, 114 129, 142,

144 147, 190 208, 210 220, 266 278, 342 392, 420 436; Gewächshaus S. 78, 246; Gläser, geschliffene und gravierte S. 100, 158 168; Gobelirstickerei S. 331 ; Grabmäler und Kreuze S. 183 184, i8b 187, 326 327, 328 330, 340, 480; Grundrisse S. 54, 339, 461; Hallen und Treppenhäuser S. 56—57, 79, 236 237, 464 465; Hauseingänge, Portale und Türen S. 51, 53, 234, 462; Herren- und Arbeitszimmer S. 67, 240, 406, 470; Hüte S. 170 174,412 415; Kaffeeräume S. 306 319; Kamine S. 79, 236, 241, 334, 464; Keramik S. 284; Kissen S. 252; Kriegsdenkmünzen S. 150, 286; Küchen S. 244 245; Läden S. 320—321, 323—325; Land-, Stadthäuser und Villen S. 50 79, 338 339, 456 473; Lederarbeiten S. 106; Malerei, dekorative S- 3'7. 332, 334; Medaillen und Plaketten S 150, 286j Modeblumen S. 416 418; Modezeichnungen S. 152 156, 411; Monogramme S. 112; Musikzimmer S. 467; Plastik, figürhche und omamentale S. 42 48, 148 149 209, 223, 279, 280 283, 394 398; Puppen S. 108 109; Reliefs S. 150, 224—226; Salons S. 62 65, 68 69, 241, 400; Schalen S. loi, 102 103, 105, 160, 163, 116 167; Scherenschnitte S. 437 444; Schlaf- zimmer S 76, 242 243,410,472 473; Schmuck S. 107, 250; Schränke und Vitrinen S. 403 ; Service S. 104 105; Sessel und Stühle S. 408 409; Sofa S. 408; Soldaten S. 108 109, 258 261; Speisezimmer S. 70 71, 239, 405; Spielwaren S. 1 10 1 1 1 ; Spitzen S. 253, 256; Stickereien und Näharbeiten S. 252, 253, 331; Stuckarbeiten S. 224 226, 241; Tafelgeräte und Tafelschmuck S. 100 105, 158 168; Terrassen S. 457; Tierplastiken S. 284; Tische, gedeckte S. 97 ; Treppen S. 306, 316, Türanlagen S 334, 403; Vasen S 166, 257; Veranden S. 7 I ; Vorräume und Kleiderablagen S. 55, 74, 235, 401, 463; Wohndielen und Wohnzimmer S. 5b 57, 79, 335, 402, 404; Zeich- nungen, Radierungen, Holzschnitte, Lithographien vor S. I, 86, 99, 132 133, 135. 137, 139—140, 152—156, 177, 222, 262 264, 288 302, 303 304, 475 478, 480; Zierschränke S. 241; Ziergitter S. 241.

KLEINE KUNST- NACHRICHTEN:

Seite

Berlin 332

Breslau

Offenbach

i»8 188

Namen -Verzeichnis.

Seite

AlbUcer, Karl Ettlingen 20g

Alfred-Marie, Modehaus Berlin . . . . 152 156

Amann, Robert Karlsruhe 338 340

Bacharach, Elisabeth Charlottenbiu-g . . . 254 255

Baurolh, Richard Berlin 46 47

Becker, Prof. Benno München .... 268

Bengen, Harold Charlottenburg .... 331

Beringer, Dr. Jos Aug. Mannheim . . . 343 372

Bernhard, Lucian Berlin 306—325

Bleeker, Prof. Bernhard München . . . 263, 264

Blei, Franz— Berlin 85—86

Bolek, H., Arch.— Wien 162

Bredt, Prof. Dr. E W.— München . . . 289—301

Büttner, Erich Berlin 269, 272

Burger, Fritz 145

Buri, Maxj Brienz II4 129

Caspar-Filser, Maria München 204

Cecilienhilfe— Berlin 256

Conrath & Liebsch Steinschönau .... 163

Corinth, Prof. LoWs Berlin 196, 267

Corwegh, Dr. Robert Leipzig. 395 397, 450 454

Crecelius, Gustav -j- Karlsruhe 212 217

Czeschka, Prof. C. O.— Hamburg . . . 303 304

Eberhardt, Prof. H.— Offenbach .... 188

Eichhorst, Franz Berlin 142

Elias, Julie Berlin 171 173

Elkan, Benno, Bildhauer Aisbach . . . 286

Erler, Erich München .... vor S. I, 132 140

Esswein, Hermann^München . . . 127 130, 255

256, 317—325. 4'6— 4'8

Fechter, Dr. Paul— Berlin 475 478

Feldbauer, Max München 263

Feuerbach, Anselm 266

Firle, Irma München 411

Fische], Grete Brunn 252

Fischel, Hartwig, Arch. Wien .... 159 168

Foltin, Wilhelm . . . 178 179

Frank, Willy loi, 177 184

Gesellschaft für Grabmalkunst Wiesbaden . 328

Gies, Ludwig, Bildhauer München ... 150

Goldberg, Karl Haida 165

Greve-Hamburger, C. Berlin 173 174

Habermann, Prof. Hugo von München . 194 210

Hagele, Karl iio 11 1

Haiger, Ernst, Arch. München .... 326

Hammer, Hanns, Arno München . . . 480

Hanak, Prof. A. Wien . 176, 183, 246, Hausenstein, Wilhelm München 377 392,

Heckendorf, Franz Steglitz

Hessische .Spielwaren-Manufaktur Pfungstadt Hoffmann, Prof. Josef Wien . loi 107, 181, 228—250, 394-397. Hof mann, Hanns Albert Darmstadt .

Hofner, O

Holdt, Hanns München

Huf, Fritz— Berlin

Jagerspacher, Gustav München ....

Jank, Prof. Angelo München

Janke, Urban

Jaumann, A. Berlin . 82, 153 154, 307- Jungnickel, Heinrich, Ludwig Wien . . .

Kainer, Ludwig Berlin

Kaletsch, H., Arch. Dortmimd ....

Klein-Uiepold, R. Berlin

Koch, Alexander Darmstadt

Koelitz, Prof. Dr. Karlsruhe

Kolbe, Georg Berlin 42

Kopp, Otto München 192,

Krayn, Hugo Berlin

Kiill, Hans

Kijise, Käthe Bad Kosen . 108 109,

Kummer, Marga Dresden

Kunhenn & Büssing, Arch. Essen . . . Kunstgewerbeschule Charlottenburg .

Kunstgewerbeschule Wien

Lehranstalten, Technische Offenbach . . Lejeune, Louis— Charlottenburg ....

Linde- Walter, E. H.— Berlin

Lobmeyr, J. & L. Wien

Lötz, Joh., Wwe. Klostermühle ....

Low, Jakob

Lübbecke, Dr. Fried Frankfurt ....

Massanetz, K. Steirschönau

Mayer, Alfred—

Mayr, Prof. Karl J neben

Metzner, Prof. Franz— Berlin

Michel, Wilhelm Darmstadt . 215 219, Minner, L., Arch. Wiesbaden .... Mossner, Karl Joh., Arch. Berlin . . .

Müller, Esther Freiburg

Müller, Friedrich Freiburg

Müller, Martin Charlottenburg ....

Seite 394—397 421—430

271 1 10 1 1 1

178—179 400 410 218 219

166 446—454

283 198 19g

220

166 -314- 4>'

332 433—436 327. 32g 267 272 vor S. I 213 214 —44, 398 420—432

270

176 258—261 416 418 338—339

33' 176 184

185

•44

274

166

162

184

191 198

158—159

447—449

133 '39

280

400 410

330 80—81

245-

257

-250

281

Neisser, Dr. Arthur Berlin

Nicklaß, Lotte— Berlin

Oertel, Joh. & Co.— Haida

Offterdinger, Annie— Berlin

Orlik, Prof. Emil Berlin

Ostini, Fritz von München

Otto, Karl Heinrich

Pafka, Oskar

Pellegrini, A. H. München

Pfeiffer, Eduard, Arch. München . . . Pietsch, Friedrich Steinschönau ....

Plontke, Paul— Berlin

Pössenbacher Werkstätten München .

Pottner, Emil Berlin

Powolny, Prof. Michael Wien . . loo.

Püttner, Walther München

Pmtscher, Prof. O.— Wien

I^aphael, Max Bodman .... 6i 74,

Reiff, W.— Steglitz

Reifferecheid, Prof. Heinrich Wannsee

Reinhardt, Franz München

Rosenhagen, Hans Berlin

Schappel, Carl Haida

Scharff, Edwin München

Schenker, Karl Berlin

Scheurich, Paul Berlin

Schider, Fritz f

Schliepmann, Hans Berlin

Schmidt, Karl Eugen

Schulze, Prof. Otto— Elberfeld . . 155- Schwalbach, Carl München

302

Seile

332 Seidl, Prof. Em. von München . .

437 444 Spiro, Eugen Berlin

162, 167 Spitzenschulen der Fürstin Mary Theresa

152 156 Pless— Hiischberg

197 Sutter, Prof. Konrad

3 35 Staeger, Ferdinand München . 288—

223 226 Steger, Milly Charlottenburg . . .

183 Stmad, Oskar, Arch., Prof.— Wien .

191 Szafranski, H., Arch. Berlin .

334 335 Teutsch, Walter München ....

160 161 Thema, Hans Karlsruhe ....

147 Trübner, Wilhelm Karlsruhe . . .

334 335 Unger, Prof. Hans Dresden-Loschwitz

277, 284 Veil und Herms, Arch. München

i6fa, 182 Verband zur Förderung der deutschen Hut

203, 262 mode —Berlin 170 174

167 Verlagsanstalt, Deutsche Stuttgart

203 210 Vierthaler, Joh., Bildhauer München

112 Völckers, Hans Wiesbaden

278 Wackerle, Prof. Joseph Berlin

205 Waldschmidt, W. Wiesbaden

143 149 Wartmann, Dr. W. Zürich

Ib7 Weisgerber, Albert f— München

264 Weiss, Prof. E. R.— Berlin

84 96 Wenck, Ernst Berlin . .

317, 475 Wiener Werkstätte Wien .

275 Wimmer, E. J., Arch. Wien

437 444 Zahn, Gebr. Haida .

274 285 Zeymer, Fritz, Arch. Wien

-156, 257 Zoff, Otto— Wien-Berlin

201 Zuckerkandl, Berta Wien .

90

06,

77-8

Seite

50-79

273 I 10 II I

476—478

45. 48 177, 180

323—325

193

1—40

342—392

222 328

412—415

I 40

148-149

208

223 226

327, 330 115 122

200 206 207

279

loi 107

186—187 165 456—473 337—338 232 244

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Bd. 37

Deutsche Kunst und Dekoration

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UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY

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