H -1

|tSt$||

Ui

»

I*

ttl

> *fi * ****** **'t * * f f'fM

»^►'l'f»frf -i'C •€'€•§•# -i-f'^'f *.# 4.1,4; if]

i4»*i t»! '^ f 't "* * *

f" :■»: .r r«: ;'»*»' i»t* i»*»"" '■«i»^ '»t-*^«-«'««« 1' * 4; #,' f*^ I. l'ä'.

^^ J 4 ffrl

,«1,»-. ,*.

•• ,* ►•!

»w».'

•f ,♦'

♦(,»• >l

•f » * .^

.»i fif' :•»: ,r r«: ;'»4»' i»4* f*!f *f*f *?''f'*T*f' «i r .»' -♦; :*'■ '* ,»i i^i-vf ii4v^ ■»%*! i*A*4rXv

*r * t»l ,, > ,*' »1 ,*i ,»i >»I*4<^1^ *4»J *T*T"t*

* .»- ,*' ». ,*j ,r :♦ ;»i > tl»!'!»' «4» #4«i%.

r ,,1 ,»i .»- ;♦; ;.' ,»* ,». ,♦, .^ ,», ;«-; ,», ^ >. ,,- ,, ,. ,,, « ,»- >' ,* ,t ,*j ,«t .»^ ,*■ >j ,*• ,t; »-r ,r ,$' ,♦( ,«■ ,»: ,f

•i*i« ■•' ■■•^ ■*- * .♦' ^< 1*^ *: i"*^ .♦' ■••■ -'V .«J 1«^ ,•*' Iv .* .t! ,»; l»|ri ,»:

* .* »' »r ,»■- ,*■ ,»^ ,»■ .»i tri ,.»' >«■ ,* „.»: ,». ,*■ ,»^ ,,. ,•! ;%, jt. ,«• ,11 ,^ ,»4»4«4»4«i.*»

« ,fc :,%; ,»• :•; ,»^ ■» ,*< .»■ :•, ,»■ ,«. ,•< ,1 ,»i»; ,«•,,!, ,,^ ,», ,,: ,», ,,. ,♦, ,,|»-i ,,, ;„ ,,, ^4.

«V*" ,* ,if: ^^ ,*' .*: .*il«i >i .»^ ,*. .r ,»J ,r »; ». .»^ >* ,♦' .»■

* ►» .•♦ ,»■ ..*' > :♦■ ,»i ,».1 .»I ,-*! »»■' ,♦: ,»i .»: ,<^ ,«' ,♦- ,i«i ,*, ,«' ,#; ,|! .«i ,r

ii " 4^4 «1 >'••) '»<t*< "-! '''*4'4*4 '*

..^

«;

« '♦'

•i.

r*4*#y(

:i:

<"•<•♦

v

«^ >Tf

c 1*4* *| *1

«» tw 4g te «I

»«♦i >■»■; i»i

\

DEUTSCHE KUNST UND DEKORATION

ILLUSTRIERTE MONATSHEFTE

FÜR MODERNE MALEREI PLASTIK ARCHITEKTUR WOHNUNGS-KUNST UND KÜNSTLERISCHE FRAUEN- ARBEITEN

DARMSTADT

VERLAGSANSTALT ALEXANDER KOCH

"y"^ R - k "^

r ^^,

107681^ 1

U

DEUTSCHE KUNST UND DEKORATION

HERAUSGEGEBEN UND REDIGIERT

VON

ALEXANDER KOCH

BAND 50

APRIL 1922-SEPTEMBER 1922.

ALLE RECHTE VORBEHALTEN.

JOH. CONR HERBHRTSCHE HOFBUCHDRUCKERHl NACHP. DR. ADOLF KOCH, DARMSTADT.

EUGEN ZAK-CZENSTOCHAU. .DER JUNGE AKROBAT«

EUGEN ZAK— CZENSTOCHAU.

GEMÄLDE UNTERHALTUNG

EUGEN ZAK.

Man soll die freundlichen, schmückenden Kräfte, die in diesem Polen am Werke sind, nicht unterschätzen. Die unzerstörbare Liebenswürdigkeit dieses Charakters fUeßt leicht und anmutig in seine Kunst. In dieser herrscht eine gefällige, idealische Stimmung. Sie hat gute weltmännische Haltung und feine sinnliche Reize. Sie streift nahe an den Bereich des Gobelins heran. Sie hat das Kindliche und das Idyllische, sie hat auch einen leisen Anflug von Überfeinerung. Etwas Schwermut mischt sich ein, aber es ist eine Schwermut romantischer Prägung, die mit einem Lächeln grundiert ist. „Freude singt, was Leid gehtten Schweres Herz hat leichten Sinn", sang Clemens Brentano. Man kann sich mit diesen Bildern gut und an- genehm unterhalten. Es ist eine Kunst von höf- lichen Manieren. Sie macht eine gebildete, durchaus nicht oberflächliche Konversation. Sie versteht gut zu erzählen: Häuser eun Abhang, weUige Lieblichkeit der Hügelformen, darin Liebe, Blumen und weiße, frQhitalienische Läm- mer. Das ist gewiß kein anspruchsvoller oder

aufwühlender Akkord, immerhin aber ein Blu- menstrauß von Annehmlichkeiten dieser Erde, in die man sich in einer lässigen Stunde mit Vergnügen einfühlt. Unsere neue deutsche Kunst liebt die Kraft ; selbst wo Kraft nicht vor- handen ist, beeilt man sich, wenigstens ihre Ge- bärde anzunehmen. Die romanischen Länder (Zak ist durchaus französisch geschult und fran- zösisch gestimmt) haben sich die reizvolle Mög- lichkeit bewahrt, ein geringeres Geistesformat in liebenswürdigen, gefälligen Zügen herauszu- stellen. In Zak ist kein Menschentum von Mus- kel und Gewalt. Aber indem er seine Äußerung auf so positive Dinge wie Linienklang, Farben- reiz und einfachen Gefühlsvortrag einstellt, wird er zu einer höchst schätzbaren F.rscheinung.

Für unser Auge steht er etwa in der Nähe eines Carl Schwalbach. Es ist nicht die große, glühende Welt, was sich auf seiner Malfläche spiegelt. Es ist nicht das Epos oder das Drama des Daseins, was er uns vorträgt. Es sind ge- dämpfte Scheine und Schimmer, es sind lyrische Widerglänze, um die es sich hier handelt. Der

XXV. April 1922. 1

Enzcn Zok.

EUGEN ZAK— CZENSTOCHAU.

elegische Ton herrscht vor. Alles ruht, alles träumt: die schirmartigen Bäume, die von ost- asiatischen Lackmalereien zu stammen scheinen, die Blumen in ihrem Schatten, die schönen, lächelnden Frauen, die spiegelnden Gewässer. Alles ist gedämpft, überschaltet. Dieser ele- gische Ton wirkt bei Zak am echtesten. Wo er an die menschliche Gestalt herangeht, liest man aus seinenBilderneinLebensgefühl von passiver, unerlöster Stimmung. Der Mensch ist bei Zak eingefügt als Naturding unter Naturdinge. In jenen elegischen Landschaften erscheint der Mensch als Blume, verschwistert mit Tier, Pflanze und Element. Aber diese Eingebettet- heit in den Naturzusammenhang hat auch ihre dunkle Kehrseite, die sich aus dem Friedlosen, Unerlösten und Leidensvollen der Natur ergibt. Es ist keine volle Erwachtheit des Geistes in dieser slawisch-französischen Kunst, und daraus entstehen die Gefühle der Vereinsamung, der Bedrücktheit, von denen Bilder wie der bÜnde

GEMÄLDE »DER FISCHERc

Bettler und die Frau in Grauen sprechen. Sehr schön symboUsiert sich jene Unerwacht- heit des Geistigen in der Augenlosigkeit dieser Figuren. Sie haben alle keinen Blick, nur schmale Augenschlitze ; auch in dem männlichen Porträt ist der Blick schwer verhängt und scheint diese Augen als ungeübte, beinahe nutzlose Organe zu kennzeichnen. Die hoffnungslose Vereinsamung, die „Traurigkeit der Kreatur", von der die Frommheit unsres Mittelalters sprach, drückt sich am stärksten, wenn auch immer noch ziervoll und ornamental, in dem Bettlerbilde aus. Der Mensch hält blind die Hand in leere Luft; Straßen, die nie eines Men- schen Fuß mehr betritt; Häuser, die von der Pest geleert scheinen; dunkle, nackte Berge; alles Stein und fühllose Härte in starren, kristid- lischen Formen. Das wird zum Symbol für Zak's Lebensstimmung. Es kommt nicht zur Gebärde lauter Verzweiflung, aber von schwerem Pessi- mismus ist alles verhängt und die ganze Emp-

EOGEN ZAK— CZENSTOCHAU.

>AUS JUNGEN TAGEN«

EUGEN ZAK. .MANN IM BOOT.

F/igrii Zak.

EUGEN ZAK— CZENSTOCHAU.

»FRAU IN GRAUEN c

findung klingt in eins mit jenem Lenau'schen Sonett, das mit den Worten schließt: die ganze Welt ist zum Verzweifeln traurig.

Doch wie gesagt, diese Dinge ergeben sich nur dem, der sich ganz auf Zak's Kunst einläßt, und dies zu beanspruchen, hat wohl jeder ernst- hafte Künstler das Recht. Entscheidend für Zak's Gesamtbewertung bleiben aber doch jene leichteren, gefälligen Züge, mit deren Erörterung wir einsetzten. Es ist viel Zufriedenheit noch in der Trauer. Es kommt nicht zu bedrohlichen, zerstörenden Spannungen. Die freundliche, wenn auch dunkel gefärbte Harmonie dieses Charakters wird nicht entscheidend zerbrochen. Noch die kummervolle Frau die wohl als das stärkste Bild dieser kleinen Kollektion an-

zusehen ist wohnt tief ergeben in ihrem Gram. Über die Leidfalten ihrer Stirn fließen geglättet die autoritären Gewänder; kein Widerstreben, kein Aufbäumen, nicht einmal eine laute Klage ; nur ein Niederbeugen in das letzte Genügen £m einem höheren Willen.

Eugen Zak wurde in diesen Blättern vor 10 Jahren zum ersten Mal vorgestellt. Er ist sich in dieser Zeit gleich und treu geblieben. Vielleicht etwas dichter geworden, vielleicht menschlich gereifter; aber seine Malerei hat heute wie damals den flüssigen, gebildeten Aus- druck, den feinen Schmuckwert, die liebens- würdige, literarische Gebärde Eigenschaften, die in einer Zeit der Verwirrung schätzbcu: und selbst wertvoll sind Heinrich ritter.

EUGEN ZAK CZENSTOCHAU. »DER BUNDE BETTLER.

Di

Q

w

Q ■■<

s w o

13 <

u o

H

W N (J

I

<

N

^; w

c 13 w

Q

<

•A u o

/)

<;

N

w

W

EUGEN ZAK. .SELBSTBlLDNISc

GIOTTO . CHRISTUS AUSSCHNITT EINER WANDMALEREI.

ARENA IN PADUA, KAPELLE DER SCROVKGNI. PHOT. ALINARI,

GIOTTO. ARENA IN PAllUA.

»CMKIblUb tKbCUtlNT MAGIJALENA«

DIE FRESKEN GIOTTOS IN PADUA.

IN l>ER KAPELLE DER SCROVEGNI.

Die kleine Kapelle in der altrömischen Arena zu Padua, flachgedeckte Halle mit goti- schem Chor, fromme Stiftung des Paduaner Bürgers Scrovegni zu Ehren der heiligen Jung- frau Maria, ist von Giotto kurz nach 1300 mit Fresken geschmückt worden. In drei Reihen übereinander angeordnete Bilder aus der Ge- schichte Christi und der Jugendlegende Maria, Allegorien der Tugenden und Laster, eine Dar- stellung des jüngsten Gerichtes und des thronen- den Gottvaters schauen von den langgestreckten Wänden auf die Gläubigen.

Giotto war damals, wenn man Vasaris An- gaben zugrunde legt, etwa vierzig Jahre alt, und die Folge dieser Bilder ist, wenn man von dem umstrittenen Zyklus der Franziskuslegende

in Assissi absteht, das erste vollgültige Werk seiner Hand, das uns erhalten blieb.

Über Italien war im Jahrhundert zuvor die byzantinische Welle mit der goldstrahlenden, unirdisch hierarchischen, irgendwie schon in formelhafterManiererstcirrten Feierlichkeit ihrer Ikone hingeflutet. Cimabues und Duccios Bil- der sind Äußerungen solchen Geistes.

Giottos Fresken wachsen in einer anderen Atmosphäre. Einfalt und Ehrfurcht vor dem Geheimnis der heiligen Legende lebt als Grund- gefühl auch in seinen Bildern. Aber sie wirken sich in einer anderen irgendwie daseinsnäheren Form aus. Jedes einzelne Bild umgreift in klarer und eindeutiger Fassung einen bestimmten und fest umgrenzten Vorgang. Das Gesicht der an

13

XXV. April 1«2. 2

Die Fresken Giotfos in Padiia.

14

GIOTTO. ARENA IN PADUA.

den Geschehnissen teilnehmenden Menschen spiegelt Schmerz, Freude, Haß, Trauer in in- dividueller Prägung. Durch großgeformte, von allem differenzierenden Beiwerk befreite Um- risse, durch Icingsame und feierliche Gesten, die sich, wie auf dem Bild der Beweinung, rhyth- misch wiederholen, wird der Vorgang ins Monu- mentale gesteigert. Der mystische Goldgrund der mittelalterlichen Tafeln ist versunken; die Wirklichkeit des Raumes, das körperliche Dasein lebendiger Menschen trat sein Erbe an.

Giotto hat nicht etwa die heilige Geschichte vermenschlicht; dem Gesicht Christi gab er feierlich verklärte Züge. Aber er ließ den Men- schen mit seinen irdischen Trieben am göttlichen

»DAS LETZTE ABENDMAHL«

Geheimnis teilnehmen ; Schmerz überströmt das AntUtz der Mutter, die sich zu dem toten Sohn neigt; in des Judas Mienen spiegelt sich die Verworfenheit niedrigen Verrates; in den Ge- sichtern der beim Abendmahl versammelten Apostel die staunende Erregung über das Wort des Herrn: Einer unter Euch wird mich verraten. Die psychologische Deutung aber hat nichts Verästeltes, sondern die gültige Sicherheit des Gefühles, das alle erfüllt; wie auch Raum und Architektur im rhythmischen Gefüge organischen Wachstums leben. Die Falten der Gewänder besitzen natürliche Schwere, die Landschaft baut sich lebendig auf. Und dabei bleibt alles Einzelne nur dienendes Glied und fügt sich ge-

Dir Frrsk')! Gioffos in Padiia.

GIOTTO. ARENA IN PADDA.

lassen in den Kreis der frommen Geschichte ein. Die klare und starke Gesetzlichkeit solcher Bildform berührt sich mehr mit Dantes fest ge- gründetem im scholastischen Denken wurzeln- den Weltbau als mit der hingebenden Innigkeit und mystischen Gottnähe des heiligen Franzis- kus, den man gewöhnlich zugleich mit Giotto nennt. Schon in einem Land und in der gleichen Zeit sind solche Gegensätze wirksam. Aber in die Dome des Nordens wurden zur glei- chen Stunde Glasfenster eingelassen, die dunkel und geheimnisvoll glühend die mystischen und grenzenlos schweifenden Ängste und Beglück- ungen dieser anderen Menschen, einer anderen Menschheit gleichsam, ausstrahlten.

Als Giotto aber, so erzählt Vasari in seinen

»FUSSWASCHUNG« PUOT. ALINARI.

Künstlerbiographien, von einem Abgesandten des Papstes um ein Dokument seiner Kunst ge- beten wurde, nahm er ein Blatt und einen Pinsel mit roter Farbe, legte den Arm fest in die Seite, damit er ihm als Zirkel diene, und zog, indem er nur die Hand bewegte, einen Kreis so scharf und genau, daß es in Erstaunen setzen mußte, ver- beugte sich gegen den Hofmann und sagte: da habt ihr die Zeichnung. Sehr erschreckt fragte ihn dieser: Soll ich keine andere als diese be- kommen? Es ist genug und nur zuviel, ant- wortete Giotto, schickt sie mit den übrigen hin und ihr sollt sehen, ob sie erkannt wird.

Die Anekdote mag wie ein Gleichnis für die klare und in sich ruhende Gesetzlichkeit von Giottos Geist und Form zeugen, kurt pfister.

15

GIOTTO. AKENA IN PADUA.

»DER ERZENGEL ERSCHEINT DER HL. ANNAc

WEGLASSEN UND VEREINFACHEN.

Stil ist Weglassen des Unwesentlichen " , sagt Feuerbach. Und das paßt auf Giotto. Sein Geheimnis liegt in dem großen Zug der Linien, in der klaren Anordnung der Gruppen, in der strengen Unterordnung aller Einzelheiten. Nie wirren und drängen sich die Figuren. Deutlich sondern sich die Gruppen ab. Sofort wird das Auge auf die Hauptfigur, auf das Entscheidende des Vorganges gelenkt. Da sich die hohe Ge- tragenheit des Monumentalstils auch nicht mit jähen Wendungen und unsichern Gesten ver- trägt, bildet er sich eine feststehende Gebärden- sprache, die wie die Schriftsprache für die glei- chen Dinge immer die gleichen Worte benützt und so dem Betrachter sofort beibringt, was die Figuren sagen. Ein signifikanter BUck, eine

ausdrucksvolle Bewegung mit der Hand und des Körpers kommentieren die Handlungen und Stimmungen der Personen, sodaß die Bilder wie die Gesänge eines Epos am Betrachter vor- überziehen. Nur indem er auf alles Kleinliche, auf alle naturalistische Einzelheiten verzichtete und die Natur vereinfachte, um sie noch ele- mentarer sprechen zu lassen, konnte er seinen Werken jene sakramentale Würde geben, die dem Thema sowohl wie dem Stil dekorativer Kunst entspricht. Das haben auch einige Künstler des nächsten Jahrhunderts noch sehr wohl gefühlt. Denn noch Ghiberti, als er die Bronzetüren des Florentiner Baptisteriums schuf, und Mantegna folgten im Grunde nur den Prinzipien Giottos ktchakd müthek.

16

GIOTTO. WANDMALEREI .HIMMELFAHRT CHRISTI.

ARENA IN PADUA, KAPELLE DER SCRO^'EGNI. PHOT. ALINARI

GIOTTO. WANDMALEREI .DIE BEWEINUNG CHRISTI.

ARENA IN PADUA, KAPELLE DER SCROVEGNl. PHOT. ALINARI.

GIOTTO. ARENA IN PADUA.

»AUS NEBENSTEBE.VDEM BaDE«

DIE NEUE RELIGIÖSE MALEREI.

\oN Joachim kirchnek.

Das metaphysische Bedürfnis, sich von der Sinnenwelt und ihren vergänglichen Er- scheinungsformen zu lösen, und sein Schaffen ganz in die Sphäre gefühlsstarker Innerlichkeit zu erheben, hat die Künstler der abendländi- schen Malerei zu allen Zeiten zur Darstellung religiöser Stoffe veranlaßt. Mit gläubigem Sinne nahten die mittelalterlichen Maler den Legenden des christlichen Zyklus; Fra Angelico, Stefan Lochner und so viele andere, durch die mysti- sche Gottseligkeit ihrer Zeit inspiriert, trugen jene hingebungsfreudige, schhchte Frömmigkeit in sich, die uns als bedeutsam für die Wellseele jener Tage entgegentritt. Vielleicht dürfen jene Künstler auch heutzutage noch als die berufen- sten Führer und Deuter im Reiche göttlicher Geheimnisse und Wunder gelten. Gleichwohl ist bei ihnen das Göttliche nichts Erdenfemes, nichts Jenseitiges ; das Unfaßbare ist durch ihren künstlerischen Gestaltungswillen des scholasti- schen Schwergewichts entkleidet , es ist ver- menschlicht und läßt in seiner irdischen Form seinen göttlichen Ursprung durchschimmern. Das Bild der Maria mit dem Kinde und die Dar-

stellung des gekreuzigten Gottessohnes sind zum Sinnbild einer sich ewig gleichbleibenden höchsten Liebe geworden, deren reine Flamme auch auf die menschlichen Verhältnisse ihre milden Strahlen ergießt. Das formale Be- dürfnis einer zu höherer Technik entwickelten Kunst ließ bisweilen den Reiz jener gefühls- mächtigen Innigkeit der primitiven Malerei zu- rücktreten. Und doch vermochten sich auch die Künstler späterer Zeiten nicht der sugges- tiven Kraft jener ursprünglichen Religiosität zu entziehen, die ihnen in den Werken jener alten Maler am Anfange der abendländischen Kunst entgegentrat. Die Neubelebung jener primitiven Malerei konnte allerdings nur zu einer wenig glücklichen Episode in der Geschichte der bilden- den Künste werden. Die Klosterbrüder von St. Isidoro, jener Künstlerkreis um Overbeck, haben der Kunstgeschichte den Beweis geliefert, wie gefähriich es ist, selbst bei verwandten gefühls- mäßigen Voraussetzungen sich in die Gefolg- schaft längst verklungener Traditionen zu be- geben. Was im 14. und 15. Jahrhundert als ursprünglich und echt empfunden gelten durfte,

19

Die neue religiöse Malerei.

konnte im 19. Jahrhundert leicht als maniriert und (gewollt beurteilt werden eine Mahnung für die folgenden Generationen, nicht in der Wie- derbelebung überwundener Kunstformen das Heilmittel gegen die Schäden der Zeit zu suchen. «

Auch die Kunst unserer Tage wird von reli- giösen Ideen bewegt. Wieder drängen sich biblische Themen in die Gefühlswelt unserer Künstler ein, wieder werden religiöse Bilder gemalt, zwar nicht im Sinne der zarten An- dachtsstimmung oder der naiven Fabulierlust jener Primitiven, die sich so gern in das Anek- dotenhafte der Evangelien und Legenden ver- lor, wohl aber im Geiste mitfühlender Leiden- schaftlichkeit, verinnerlichter Erregtheit, die je nach dem Temperament des Künstlers sich bald in einer ekstatisch verzerrten Gebärde, bald in verhaltener Formensprache kundgibt. Das In- teresse am Stofflichen tritt zurück, das religiöse Motiv dient zuweilen nur zum Vorwand, um in den Qualen und inneren Kämpfen der göttlichen und heiligen Personen das Spiegelbild der lei- denden Menschheit, des ringenden Menschen- tums unserer Zeit wiederzufinden. Historisch gewertet mag vielleicht die übersetzte Formen- sprache unserer religiösen Maler an stilisierte Figuren mittelalterlicher Miniaturmalerei ge- mahnen, auch die Erinnerung an den monumen- talen und einprägsamen Ausdruck jener fast körperlos empfundenen Heiligen in frühchrist- lichen Mosaiken dürfte hier und da lebendig werden. Am nächsten aber liegen wohl die Beziehungen zu den Künstlern des Barock. Noch nie bemühte sich eine Künstlergeneration sich in die Kunst eines Greco, Tintoretto wie Grünewalds mit so hingebungsvollem Eifer ein- zufühlen und sie zu studieren, wie die unsrige. Wenn es ihr bei dieser Gleichgestimmtheit der modernen Weltseele mit dem Kunstgefühl ver- klungener Zeiten bisher möglich gewesen ist, sich nicht in die Abhängigkeit der umworbenen Vorbilder zu begeben, sondern äußere Anreg- ungen, die jene boten, umzuwerten und schöp- ferisch neu zu beleben, so dürften wir hierin ein hoffnungsvolles Vorzeichen für die Weiter- entwicklung der neuerwachten reHgiösen Ma- lerei erblicken. Die Gefahren epigonenhafter Nachahmung, an denen das Nazarenertum krankte, sind bei den starken Talenten unserer jungen Künstlerschaft kaum zu befürchten. Denn bei ihnen ist das religiöse Erlebnis ja nicht

auf eine kirchliche Frömmigkeit gegründet, auch nicht an schulmäßige Tradition gebunden oder gar als Konzession an die Zeitströmung zu be- trachten, sondern einem inneren Antriebe fol- gend wählen sie die alten durch die Überlieferung geheiligten Stoffe, um das, was sie in dem mo- dernen Weltbilde religiös bewegt, in dem Rah- men der alten Mysterien zum Klingen zu brin- gen. Das Motiv und die Form wird zur Neben- sache, die Pointierung des Psychischen , das gefühlsmäßige Erlebnis ist das Wesentliche. Mit dieser neuen charakteristischen Note knüpft die moderne reÜgiöse Malerei an allgemeine künst- lerische Anschauungen der jungen Generation an, die den ausgleichenden Tendenzen des Re- lativismus abhold, wieder an die zwingende Macht der Ideen zu glauben vermag. Unter diesem verheißungsvollen Vorzeichen erwarten wir den Anbruch einer neuen künstlerischen Schaffensperiode; ihrem Führer lebt die Ju- gend mit siegesfreudiger Hoffnung entgegen. . . « « «

Wilhelm Lehmbruck's Plastiken! Wer jemals in die Werke dieses so früh verstorbenen Mei- sters sich einzufühlen bemühte, dem dürfte es vielleicht am ehesten klar werden, aus welcher geistigen Provinz jene Ideen stammen, die unsre Jugend zu neuem Leben erwecken will. Lehm- bruck's fromme Sehnsucht, alles Erdenhafte und Vergängliche abzustreifen, um geläuterter, edler und reifer sich in das lichtvolle Reich einer künstlerisch geklärten prästabilierten Har- monie emporzuschwingen das ist der meta- physische Drang, der sich allen idealistisch Ge- sinnten heute mitgeteilt hat. Lehmbruck's Werke sind vergeistigte Manifestationen eines auf innerem Schauen basierenden Lebensgefühls eines reinen Menschentums; sie sind Gestalt gewordene Ausdrucksnormen einer subjektiven undogmatischen Religiosität. In ihnen ist das Kunstwerk zum religiösen Erlebnis geworden. Lehmbruck hat nie eine Kreuzigungsgruppe, nie eine Pietä geschaffen. Allein, wir verlangen bei diesem Künstler nicht nach den bibüschen Motiven. Darstellungen wie die „Knieende", „Der emporsteigende Jüngling" oder „Der ster- bende Krieger" können in ihrer vergeistigten Ausdruckskraft, in ihrer schUchten Herbheit und einfachen Größe ein stärkeres reügiöses Gefühl wachrufen, als \'iele noch so gutgemeinte An- dachtsbilder. Es kommt darauf an, welche Deu- tung man dem Begriffe Religion geben will. j. k.

H

u

o

s

<! Q

w

Q

M w

H tfi

OL

o >

u

o

u

H

O 3

GIOllO. AKK.NA IN I'AULA.

»S.GIUVACCHINO BEI DEN HIRTENc

NATUR UND KUNST.

Der geniale Künstler hat die Mission, die Reichtümer der Natur, die er entdeckt hat, denen zu offenbaren, die die Sprache der Natui nicht verstehen. Wenn Ihr euch ihr hingebt, wie wir es getan, so wird sie euch nach eurer Empfänglichkeit aus Ihrer Fülle geben. Es ist ein unendUcher Hochmut oder eine unendliche Torheit, wenn der Mensch glaubt, er könne die sogenannten Fehler und den schlechten Geschmack der Natur verbessern. Was rechtfertigt diese Axunaßung? Vor denen, welche ihre Schönheiten nicht lieben und ver- stehen, verschleiert die Natur ihr Antlitz, sie vermag ihnen nur bedingungsweise zu begeg- nen. Und deshalb sagen sie, die Trauben sind zu sauer ; da wir die Natur nicht verstehen.

wollen wir sie aus Rache verleumden. Die Natur gibt sich rückhaltlos denen, die nach ihr verlangen, aber sie ist eine eifersüchtige Herrin und will allein geliebt sein. Wir lieben ein Kunstwerk, weil es von ihr stammt, alles andere ist nichtssagend und trocken. Der Verfall trat ein, als die Kunst, die tatsächlich ein Naturkind war, höchstes Ziel wurde, als die Menschen die großen Künstler als Vorbild nahmen und vergaßen, daß diese den BUck ins Unendüche gerichtet hatten. Sie glaubten nach der Natur zu arbeiten, und sahen nicht, daß das AtelierUcht nicht das freie L'cht der Natur ist. Technische Verdienste wurden die Hauptsache und man vergaß, daß diese Vorzüge dazu dienen sollen, Gedanken auszudrücken, jean kran<,ois millet.

23

XXV. April 192J. 3

GIOTTO. »AUSSCHNITT DES NEBENSTEHENDEN BILDES.

ARENA IN PADUA. PHOT. ALINARI.

GIOTTO. WANDMALEREI .DER JUDASKUSS<

ARENA IN PADUA, KAPELLE DER SCROVEGNI. PHOT. ALINARI.

GIOTTO. WANDMALEREI »DIE GEBURT CHRISTIc

AKENA IN PADÜA, KAPELLE DER SCROVEGNI. PHOT. ALINARI.

HERMANN GEIBEL-MÜNCHEN. HOLZPLASTIK »MUTTER UND KIND.

UERMANN GElIiEL— MUNXUEN.

MAUCHEN AUE EINEM LAiiEK<

HERMANN GEIßEL.

Worringer hat kürzlich das Ende des Ex- pressionismus, ja der bildenden Kunst überhaupt verkündet, die nach seiner Meinung durch die Kunstwissenschaft abgelöst wird. Solche Kunstforscher und Philosophen (wie auch Spengler) sollten doch vorsichtiger sein mit ihren Grabreden und Prophezeiungen. Ihnen freilich ist die Wissenschaft natürlich ange- boren; aber weil sie keine zwingenden Schaf- fenskräfte mehr in sich fühlen, dürfen sie nicht sagen, es sei mit der Kunst überhaupt vorbei. Denn schließlich sind solche Aussprüche immer nur der Spiegel des urteilenden Subjektes.

Vielleicht ist das, was sich heute laut als Expressionismus bezeichnet und anpreist, nur bunte Blase, die bald zerspringt, Schaum oben auf dem erregten Meere, der schnell zerläuft; der Urgrund einer solchen Bewegung aber kann viel tiefer sein, und aus diesem Urgrund er- heben sich vielleicht Persönlichkeiten, denen man wieder den Impressionismus oder Expres- sionismus kaum noch anmerkt. So dem Ex- pressionismus entstiegen ist Hermann Geibel.

Irgend ein Zug ist lebendig an seinen Ge- schöpfen, ist gefühlt, besonderer Art, belebt das Ganze, erhebt die kleinsten Gebilde sofort über das bloße Kunstgewerbe. Unsäglich leicht wird der Ton Form unter seiner Hand. Zu leicht ihm, deshalb müht er sich am hcirten Holze. (Zu welcher leidenschaftlichen Weichheit hat er es in seiner Gruppe: „Mutter und Kind", ge-

schmeidigtl) Vom Tier geht sein Weg durch einige entzückend weiche Kinderköpfe zum Weibe, das sich ihm in seiner Gattin Elfriede Leonore Geibel, der vornehmen, warmblütigen Dichterin, erschließt. Wie ein Adagio, ein An- dante sind die Weib-Schöpfungen aus des Künst- lers Hand gequollen. Für einmal scheint das Rätsel der Welt gelöst in dieser ewig weib- lichen Harmonie, kraft derer alle in den Glie- dern entbundenen Ströme („Linien" wäre un- plastisch) ineinander fließen, zurücksinken in sich selbst oder aufgefangen werden wie in einer Schale, aus der sie dann neu hervor- quellen zu ruhiger Bestimmung. Selten ist eine unruhige, fast qualvolle Bewegung, wie in der liegenden Frau oder eine dumpfe Schwere, wie in der kauernden.

Die Einkörperung in das Weib ist dieser Stufe der inneren Entwicklung Geibels (wie einer langen Kulturepoche) noch natürlich. Sein Triumph beruht hier in der namenlosen Weich- heit und Zartheit der Form, und in diesem Na- menlosen vielleicht seine Größe. Auch in den Zeichnungen dieser Periode ist ein mitreißender Schwung, ein atemberaubender Zug und Drang. Aber auch in den Zeichnungen bedeutet die große Bewegung einen Rausch der Hingebung, ein Leiden mehr denn ein Schaffen, Einziehen mehr als Spenden. Und doch tritt der Künstler einem Rodin etwa gegenüber von der entgegen- gesetzten Seite an die Natur. Während näm-

29

XXV. April 1923. ■C

Hermann Geibcl

30

H. GEIBEL- MÜNCHEN. »MÄDCHEN- TORSO'

lieh Rodin sich (impressionistisch) festzusaugen strebt an der gegebenen Natur, sucht Geibel (expressionistisch) seine Seele restlos plastisch zu verwirklichen in einer neuen Natur. Eine expressionistische Epoche aber führt, wenn sie sich erfüllen soll, zu männlicher Tat. So erlebt Geibel auf dritter Stufe den Mann. Dies Erlebnis ist nicht einmalig, plötzlich, sondern lang ausreifend, immer tiefer umgestaltend. In Zeichnungen zunächst und in einer Porträtbüste formt er einen Dramatiker nach, aus dessen Werk er gleichzeitig starke Eindrücke eines männlichen Geistes empfängt. Rein aus männ- lichem Weltgefühl ist zuerst die Radierung eines Edward nach der bekannten schottischen

Ballade der visionär wie eine echte Ballade aus dem Raum heraustritt in voller Körperlich- keit mit seinem rücksichtslosen; „Hier bin ich" ! damit ist im Plastischen noch nicht der männliche Gipfel erreicht. Sondern hier ringt der Künstler noch um die Geheimnisse des männlichen Körpers. Geibel strebt über den aphoristisch-geschlossenen Torso hinaus. Ge- bärden werden ihm rege. Die Jünglings-Halb- figur legt schon träumerisch die rechte Hand (mit fast nervösen Fingern) über den linken Unterarm , und diese Bewegung wiederum zwingt den Künstler zur vollen Ausgestaltung des Kör- pers. So steht der nackte Jüngling vor uns in seltener Biegsamkeit und Schlankheit, ein

i

HERMANN GEIBEL-MÜNCHEN. .NARZISS.

Hermann Geibrl.

Ephebe, wie wir ihn aus griechischer Plastik kennen. Die Biegung des Kopfes erinnert leise an Praxiteles, ohne daß doch irgend ein Klassi- zismus hier obwaltete, der toten Schönheits- geselzen folgt, nachahmt, nicht neu empfindet. An den David des Michelangelo denken wir auch wohl, noch mehr an seinen Johannes. Der Junghng stand neulich in einer Ausstellung Münchener Bildhauer im „Kunstverein", zwi- schen all den toten Masken, die an solcher Stelle zusammengetragen werden. Dort rührte sich sein warmes Sein, das Werk offenbarte me- taphysischen Gehalt in der Art, wie es aus dem

unendlichen Raum das Leben herausschöpfte. Während sonst seine Figuren höchstens ein Meter hoch waren, drängt es den Künstler nun nach Überlebensgröße. Er erprobt den Kalk- stein, den Granit und den deutschen Marmor, wie er ihnen einen mächtigen Kopf abringen möchte oder eine ganze Gestalt.

Was wird sich noch entfalten aus dieser Seele? Wenn sich nur einmal ein mächtiger äußerer Impuls zu dem inneren künstlerischen Trieb gesellte und ein großer Auftrag unge- nügsam — die monumentale Form von dem Bildhauer forderte. . dr. georg lange-mCnchen.

HERMANN GEIßEL- MÜNCHEN. .KAUERNDES U^IB<

s

Ul

I aji«« ■■■ IBM ■■■ aaamu ■■■■■■ ■■■

HERMANN GEIßEL MÜNCHEN. HALBFIGUR .JÜNGLING<

HUGO GORGE-WIEN. .KAMINPLATZ IM WOHNZIMMER<

AKiailEKI HUGO ÜOKGE— WIEN.

AUS EINEM \V0HNZ1MMEK<

VON BÜRGERLICHEN WOHNRÄUMEN.

Die Behaglichkeit eines Raumes wird durch seine Maße, die harmonischen Beziehungen zwischen Wand und Decke, das Verhältnis zwi- schen Türen, Fenster und Ofen bestimmt. Ist diese Grundlage nicht vorhanden oder nicht zu schaffen, so ist jede Mühe, den Raum durch seine „Einrichtung" behaglich zu machen, erfolglos. Im strengen, architektonischen Raum früherer Zeiten bewegten sich auch die Menschen in feierlich repräsentativer Weise. Die Zeiten haben sich geändert. Der Mensch unserer Tage ist weniger konventionell, freier in seinem We- sen, seiner Gebärde, seinen Bewegungen ge- worden. In der neuzeitlichen Wohnung muß infolge dieser Ungezwungenheit und Absichts- losigkeit der Bewegungen des jetzigen Men- schen das Wohn- Gerät in ein ganz anderes Verhältnis zu uns treten. Wir wollen die Möbel nicht mehr in starrer, architektonischer Gebun- denheit, sondern als „Möbel" im engeren Sinn, als „Mobilia". Der moderne Mensch ist ddnn das Mobilste inmitten mobiler Dinge, die wir nach verschiedenen Möglichkeiten umstellen können, um die wir herumgehen können, wobei sich von jeder Stelle des Zimmers neue Raum-Wirkungen, neue Überschneidungen, neue Eindrücke ergeben, die durch Stoffe und Tep- piche noch bereichert werden. Feststehend

bleibt eigentlich nurnoch das Verhältnis zwischen Tür, Fenster und Ofen ; für Schreibtisch und Bett ist ebenfalls infolge der Beziehung zu Licht- quelle und Tür die Lage eine bestimmte. . .

In dieser neuzeitlichen Bürger-Wohnung er- gibt sich von selbst eine Einschränkung der Möbel auf das unumgänglich Notwendige. Auf gute Tische, Sessel und Liege-Möbel wird in erster Linie Wert zu legen sein. Der kul- turelle Gewinn solcher Einschränkung wird sich vor allem darin zeigen, daß, wenn wir wie- der wenige , aber gute Möbel in unseren Woh- nungen haben, wir wieder eine innigere Beziehung zu diesen Einrichtungs-Stücken un- seres Heims herstellen können. Als weitere Folge ergäbe sich die Möglichkeit, unsere bür- gerlichen Wohnräume kleiner zu gestallen, und trotzdem keine Beengung, sondern größere Bewegungs-Freiheit zu schaffen. . .

Unsere Arbeit hat nichts mit artistischem Künstlertum zu tun, dessen Kennzeichen Ge- fallsucht und geistige Inhaltlosigkeit bleiben. Unsere Arbeit soll, als Ausdruck höchster Menschlichkeit und sozialer Gesetzmäßigkeit, Harmonie in unsere Lebensgemeinschaft brin- gen. Damit ist dann wenigstens dem Ordent- lichen, als natürlicher Bedingung des Da- seins, Genüge getan hugo gorge— wizn.

37

XXV. April 1922, 5

s I

o

o z

N H

Q Z

O

••®

I

M O

o

o

o

D

K H

Ui H

a

u

<

z

«

n <

W

a

s

W O

o o

H

W

H

X

ARCHITEKT HUGO GORGE-WIEN. .WOHNKÜCHE«

HUGO GORGE-WIEN. .WOHNKÜCIIK- BLICK (iEGEN DIE SCHRANKWAND.

ARCHITEKT HUGO GORGE-WIEN. .WOHNKÜCHE.

HUGO GORGE. »NISCHE DER WOHNKÜCHEt

KARL LANG-HANAU A. MAIN. »EMAIL-MALEREI«

K. LANG- HANAU. >EMAIL- MALEREIf

DER KÜNSTLER UND SEINE PERSON.

I)erson und Persönlichkeit sind zweierlei. Das erste bezeichnet das gesellschaftliche Sein des Menschen, im Gegensatz zu seinesgleichen. Das zweite bezeichnet den schöpferischen, ein- maligen Inhalt des Ich; es bezeichnet die be- stimmte Welt, die mit und in einem einzelnen Menschen geboren ist. So wertvoll und ergiebig für das Kunstschaffen das zweite ist, so be- denklich sind die Störungen, die sich aus dem ersten ergeben. Die Persönlichkeit darf und muß der Künstler pflegen, die Person aber muß er überwinden.

Das ist keine neue Weisheit. Sie findet sich ausgesprochen und tätig bewährt in allen Zeiten starker und lebendiger Kunst. Insbesondere alle mystische Weisheit ist durchdrungen da- von. „Le Moi est toujours haissable", sagt Pascal. Von Laotse, dem gewaltigen und wun- derbaren Lehrer des Tao, sagt der Biograph, daß er sich in die Einsamkeit zurückzog und unbekannt zu bleiben wünschte. Bernhard von Ciciirvaux, der Prediger mystischer Demut, betete zu Gott: „Da mihi nesciril" (Gib mir, daß ich unbekannt bleibe).

Und es ist wirklich so, daß die „Person" das schwerste Hemmnis aller echten Menschentat

ist. Vor allem aller echten künstlerischen Lei- stung. Der Künstler, der seine „Person" nicht überwindet, wird nie in den Vollbesitz der Schaffenskräfte kommen. Dieses Überwinden bedeutet ja nicht eine Besitzminderung, eine Verarmung. Die „Person" ist geradezu der Pfropfen, der den Quell der Schaffenskräfte ver- schließt. Erst wenn er herausgezogen wird, be- ginnen jene zu sprudeln. Überwindung der „Person" bedeutet Durchbruch zur Persönlich- keit. Person ist das Ich als Negativum, als Ver- neinung und Ausschließung des Göttlichen. Persönlichkeit ist das Ich als Ort der Einmün- dung götthcher Kraftslröme in das Wesen des Menschen. Allen l'.rnstes ist künstlerisches Schaffen Dienst am Göttlichen.

Nie werden wir die Höhe vergangener Kunst- leistung erreichen dadurch, daß wir ihre Kom- positionsschemata nachrechnen, ihre Farben psychologisch enträtseln und etwas abstrahieren, was so aussiebt, als ob wir es rezeptartig für unsre eignen Werke verwenden könnten. Son- dern nur dann können wir hoffen, zu jenen Großen aufzusteigen, wenn wir ihre Seelen- lage begriffen und uns womöglich zugeeignet haben hm.

45

XXV. April 1922 6

KARL LANG HANAU.

»EMAIL-MALEREI«

KARL LANG— HANAU A. M. >EMAIL-MALERE1«

ARCHITEKT DAGOBERT PECHE. »KLÖPPEL-MOTIV, durchu. 2b cm.

AUSFÜHRUNG: WIENER WERKSTÄTTE.

DAGOBERT PECHE— WIEN.

>KLU1'PEL-MÜT1V- CM.

KLÖPPELSPITZEN UND SEIDENKISSEN.

zu DEN ARBEITEN DEK »WIENER WEKKSTÄTTE«

Die Zierlichkeit der Spitze, das Duftige, Le- bendige und bei aller Zartheit doch cha- raktervoll Strukturelle, Organisch-Gewachsene dieses Kunstgebildes hatte in früherer Zeit diesem populärsten Erzeugnis der künstlerisch hochstehenden Handarbeit so allgemeine Wert- schätzung gewonnen, daß keine Frau dieser Zierde bar sein wollte. Später, als die künst- lerisch-schöpferischen Kräfte ermüdeten, er- starrte auch die Hand-Spitzen-Erzeugung mehr und mehr in Tradition und kam dann dem Er- löschen nahe.

Mit dem Einsetzen einer umfassenden Neu- belebung aller kunsthandwerklichen Arbeit nahm man sich auch der H an d s p i t z e wieder an. Mit dem Kopieren historischer Formen wurde begonnen und das Zeitstil -Suchen der jungen Kunst bezog auch die Spitze ein. Die Bestre-

bungen waren aber meist mehr auf die Musterung gerichtet, als auE deren Voraussetzung: der neuerlichen Sinn-Erfüllung der Technik.

Dieses Problemes ist vor allen anderen neu- zeitlichen Versuchen Dagobert Peche Herr geworden in seinen Entwürfen und Anleitungen im Rahmen der Spitzen-Herstellung der „Wie- ner Werkstätte". . In den feinen Tüllsticke- reien der Wiener Werkstätte steigerte er zu- nächst diese Technik zu ihrer höchsten künst- lerischen Form, gab gleichsam die Essenz in reinster Darbietung. Jetzt hat Dagobert Peche seine künstlerische Intensität der Klöppel- Technik zugewendet und auch hier Höchst- leistungen erzielt. Die Spitzen -Umrahmungen dieser Leinen- oder Batistdeckchen weisen eine Mannigfaltigkeit auf, die bei allem Witz der Er- findung und Anordnung so bündig ornamental

49

Die Vt-rcdliiiig ihr Klo pprl spitze.

50

PARADEISER. »KISSEN AUS SCHWARZEM LIBERTY, MIT CBENILLE BUNT BESTICKT« AUSFÜHRUNG; WIENER WERKSTÄTTE.

gelöst sind, in ihrer symmetrischen Reihung und vornehmen Flächenfüllung so harmonisch wir- ken, daß sie den Höchstleistungen früherer Zeiten vöüig ebenbürtig zur Seite stehen.

Die frische Lebendigkeit dieser Formungen konnte nur aus einer mit neuem Sinn beseel- ten Technik entspringen. Sie offenbart sich voll in den figuralen Einzelmustern, die nicht in Abhängigkeit von einem Gebrauchszweck, son- dern nur aus der Freude am Erzeugnis selber geschaffen wurden. Die Unmittelbarkeit der ge- wonnenen bildlichen Wirkung, die beson- ders in den Köpfen, Figuren und Tieren durch die feinsten zeichnerischen Qualitäten ausge- zeichnet ist, erhebt nunmehr auch die Klöp- peltechnik in die Reihe der freien, künst- lerischen Ausdrucksmittel. Gleiche künst- lerische Reife ist den buntbestickten Seiden- kissen eigen, die in ihrer technisch vollendeten Ausführung und wohligen Farbenstimmung sich willig als letzte Reize der vornehmen Wohnung einschmiegen. Der künstlerischen Phantasie ist

dabei das freieste Spiel gewährt. Nahezu hem- mungslos darf sie sich darauf ergehen ; denn allen schulmeisterlichen Bindungen haben sich die Künstler der Werkstätte schon längst entwun- den. So werden denn sonderbare Blumen und Vögel, Menschen und Tiere, gar ein Schiff zur schmückenden Hieroglyphe. Solche Gebiets-Er- weiterungen künstlerischen Schaffens sind als willkommeneBestärkungimStreben zubegrüßen, unsere Zeit endlich wieder von der Vorstellung zu befreien, daß die eigentliche Kunstübung nur in graphischer Darstellung und in der Malerei zu sehen sei. . . Und da liegt auch das für die künf- tige Kultur-Entwicklung unschätzbare Verdienst der Wiener Werkstätte, daß sie die höchst- qualifizierten Künstler wirbt, um durch die restlose Überführung aller ihrer Zweige in die Sphäre künstlerischer Freiheit und Vol- lendung, durch den hohen Gehalt ihrer Werke, die Beschränktheil des vielfach noch herr- schenden Begriffes von Kunst und Kunst- Schaffen zu beseitigen, Ludwig steinmetz wien.

K. RIX— WtEN. «KISSEN AUS SCHWAR/.EM LIBERTY, Mir SEIDE BUNT BESTICKT« AUSFÜHRUNG: WIENER WERKSTÄTIE.

ZEITSTIL UND VOLKSSTIL.

Indem man den Begriff eines „Zeitsfils" als ge- geben hinnimmt, bekennt man sich zu der geschichtlich eindrucksvoll genug erhärteten Tatsache, daß bestimmte Zeitepochen ihren im Wechsel begrenzten sinnlichen Ausdrucks- charakter geschaffen haben. Der läßt sich be- schreiben an einer gewissen Wiederkehr von Foimsymbolen, für deren P"ntstehen man aller- hand Erklärungen finden kann äußerer Natur, deren Aufnahme durch eine Zeit, deren Ver- schwinden in die Vergangenheit aber etwas ewig Geheimnisvolles bleibt. Der „Stil" ist der Aus- druck der geistigen Haltung einer Epoche, und es ist unumgänglich, daß rückschauende Zeit sein Wesen literarisierend und romantisch um- rankt — aber eben nur rückschauende Zeit, die sich selber gegenüber unsicher geworden ist und geneigt, ihre eigene Gegenwart als „stillos" zu empfinden. „Stillos" aber ist keine Zeit, denn jede bedarf, wenn sie in den Strom der Wand- lung gerissen ist und nicht auf einer tropischen

Südseeinsel im Schöße uralt gleicher Vegetation träumt, ihres Ausdrucks; auch schlechter Stil ist immerhin Stil, auch schlechte Form ist Form, und es ist eineHilfskonstruklion desGeschniacks, wenn man von „Entformuag" redtt. Solche Erkenntnis ist gefährlich, wenn sie zu der Resig- nation führt, die Form feiner Zeit nun eben bloß als Gegebenes, schier Zwangsläufiges zu nehmen, aber wohltätig, wenn sie davor warnt, eine rational erklügelte oder schwärmend empfun- dene Formidee künstlich einem Zweck, einer Zeit, einer geistigen Atmosphäre aufzuzwingen, deren Wesen von völlig fremden ICräftcn ge- speist ist. Hieran lag ja der guigläubige, wenn auch verhängnisvolle Irrtum des historischen Eklektizismus, hier lauern auch die Gefahren jenes Subjektivismus, der mit herrischer Ge- bärde Zeitsymbole diktieren will. Wenn Stile sich durch geistige Umlagerungengeändert haben, so heißt das nicht, daß dies Vorgänge außerhalb der Willenssphäre gewesen sind, sie sind durch-

51

Zeitstn lind Volksstil

52

V. WIESELTHIER. »KLÖPPEL-MOTIV« Is : l-, CM. AUSFÜHRUNG: WIENER WERKSTÄTTE.

setzt von Beispiel, Suggestion und Erziehung, der „Wille zur Form", wenn es nicht der Wille zum Formchaos ist (den es auch als stilistische Attitüde gibt), ist als aktive Kraft berufen, den Weg zu irgend einem Vollkommenerem zu suchen, aber er soll, will er fruchtbar sein, seine Bindung in der Zeit, und sei es die heute noch verhaßte Zeit, nicht vergessen.

Wahrer Stil ist überpersönlich. Wem nun gehört er, einer Zeit, unter deren einheitliche geistige Sprache sich die Volkspersönhchkeiten neigen, einem Land und seiner Bevölkerung, die unter dem Gesetz ihrer Art die eben ihnen eigentümliche Ausdrucksform schsiffen? Indem man diese beiden Fragen stellt, sieht man die Antworten aus der Geschichte kommen: daß es wohl einige große, völlig gesonderte Kulturkreise gibt, daß aber innerhalb ihrer Sphäre der Stil- willen keine nationalen Grenzen kennt, sondern nur nationale oder gar landschaftUche Modifi- zierungen. Aber je weiter der Prozeß der NationaUsierung der Kulturen im eigenen Be- wußtsein schreitet (die Gotik kannte ihn nicht, die Renaissance und das Beurock bereiten ihn vor), desto stärker beginnt die Differenzierung.

Sie ist die Erscheinung eines geistigen Vorgangs, der nicht nur die nationalen, sondern auch die religiösen Komplexe in sich schUeßt (Barock in katholischen , in evangelischen Landesteilen). An seinem Abschluß steht für unser heutiges Begreifen das Ende der großen undiskutierten Zeitstile, sei es, daß sie ihre wesentlichen Sym- bole von der umfassenden Geistesmacht der Kirche, sei es von den parallelen Entwicklungen des fürstlichen Hoheitscharakters erfuhren, und steht der Beginn des Nachdenkens über einen „nationalen Stil", in einer Periode freilich, da an die Lösung der großen Zeitgebundenheiten keine unmittelbar deutliche Volksgebunden- heiten der Form sich anschließen.

Doch ist das unverkennbar: wenn wir uns heute die Möglichkeit überdenken, wie ein Zeit- stil" aussehen könne, so klingt unausgesprochen mit: „bei uns in Deutschland". Und zwar in an- derem Sinn als man vor 100 und 80 Jahren die Gotik als „deutschen Stil" reklamierte oder als man vor fünfzig Jahren mit der „deutschen Renaissance" teils nationalen Stolz und teils Geschäfte machen wollte. Sondern mit dem Gefühl: wir wollen die unserem Wesen und un-

A. SCHRÖDER-WIEN. .KLÖPPEL-MOTIVE« 20 : 20 CM.

AUSFÜHRUNG: WIENER \VERKSTÄTTE.

XXV. April 1922. 7

Zeit Stil und Volksüil.

54

L. KRIEIJMANN.

.KibSEN AUS SCHWARZEM LIBERTV, MIT S-EIDE BUNT BESTICKTc AUSFÜHRUNG: WIENER WERKSTÄTTE.

serer Lebensweise gemäße Form finden. Das ' Suchen nach ihr ist nicht auf irgend einen ideal- deutschen Typus aus der Retorte abgestellt Werdandibünde waren halblebige Kinder von Dilettantismus und Eitelkeit , sondern auf diese Deutschen im Beginn des 20. Jahrhun- derts. Ihr seelischer, ihr „soziologischer" Habi- tus erscheint uns anders als der der Engländer und Franzosen, der Russen und Amerikaner in welche Form bannt sich ihre Art? Wir mögen dieEntwicklung diesesVolksgebildes nach seiner sozialen Schichtung, seinen geistigenTendenzen, seinem schöpferischen Vermögen skeptisch oder enthusiastisch, argwöhnisch oder gläubig be- trachten — wenn wir vom „Stile" reden, der unserer Zeit entspräche, denken wir eben an dieses problematische neue Deutschland und weder an französischeKleinstädte noch amerika- nische Industiiesiedlungen. Auch an diese nicht ! Gewiß kann gegen das Wort, den Begriff „deutsche Form" Sturm gelaufen werden. Die Internationalität sei nicht nur ein Ruf in die Zu- kunft, dem alle aufgeschlossenen Geister folgen müßten, sondern eine handgreifliche Tatsache der Gegenwart: Weltwirtschaft, Weltverkehr, Warenaustausch, Weltproletarial, Weltrevolu- tion, auch im Geistigen. Und seien nicht die Strömungen der bildenden Kunst, Impressionis-

mus, Expressionismus, grenzensprengende Vor- gänge, die uns vor die Tatsache einer europä- ischen Kunst hinführen. Ich halte diese Aussage für falsch. Wenn man heute etwa „europäische Graphik" als Einheit sammelt, so ist das ein Mißverständnis, denn gerade in dieser Kunst, bei Goya wie Hogarth, bei Richter und Rethel wie Guys und Daumier, sind die nationalen Akzente am stärksten. Technische Problem- stellungen sind einer Zeit gemeinsam, und Groß- städte sind zum Teil in gleicher Weise Schlag- worten ausgeliefert, aber die großen Franzosen bleiben Franzosen, Kodier ein Schweizer, Munch ein Norweger, sie sind keine Europäer, sie ragen ins Europäische, weil sie in ihrer Gebundenheit groß sind. Und wenn gewiß die Maschine ihr Formgesetz von der Zahl, vom MeßbcU-en emp- fängt und die mathematischen Ziffernreihen keine Grenzpfähle kennen, so ist auch das Be- rechenbare nicht der schöpferische Meister der Form. Und wir wissen, wie selber in dies Ge- biet hinein das Irrationale sich auswirkt. Inter- national ist eines: der Kitsch, und es bleibt die schlimmste Zeit für Deutschland, da es inmitten eines jugendlichen Kraftmeiertums seine Auf- gabe darin sah, den Bedarf der ganzen Welt an dieser Lebensunentbehrlichkeit zu decken. Für die Entwicklung unseres nationalen und

G. TEJCKA. >K1SSEN AUS LILA TAfX, MIT SEIDE BUNT BESTICKT« AUSF: WIENER WERKST.

G. TEJCKA. »KISSEN AUS GELBEM TAFT, MIT SEIDE BUNT BESTICKT« AUSF: WIENER WERKST.

Znfsfil 7niJ ]'olkssf!!.

zeitlichen Ausdrucks ist entscheidend der sitt- liche und sachliche Ernst, in dem die Träger eines schöpferisch formalen Vermögens sich mit den eigentümlichen Aufgaben dieser Zeit ver- binden. Laune allein gebiert das Wesentliche nicht; wo freilich ist es zu finden, wenn fast als einzige Aufgabe, die dem formenden Willen der jungen Künstler gestellt ist, der Umbau von Likörstuben und „Dielen" vorhanden erscheint?

Es ist zu fürchten, daß manche wertvollen An- sätze zerstört werden, wenn nicht aus derNation heraus begriffen wird, daß ihre Zukunft einer Reinigung von Wust und Mode bedürftig ist. Uns ist es außer Zweifel, daß die Antwort auf die Frage nach einer deutschen Form und dem „Stil unserer Zeit", der ein guter Stil sein soll, abhängig ist von Entscheidungen innerer, mora- lischer wie politischer Natur. . . theodor heuss

DAGOBERT PECHE. .KLÖPPEL-MOTIV. 15 : 30 CM.

AUSFÜHRUNG: WIENER WERKSTÄTTE.

CARL MENSE— MÜNCHEN. ^FRAUENBILDNIS*

MIT GENEHMIGUNG VON HANS GOLTZ - MÜNCHEN

'

rsa

^B^

1 ^^^

^^H

CARLO

MENSK.

BILDNIS

»DAVRING-

HAÜSENc

CARLO MENSE-MÜNCHEN.

Innerhalb des stets lebendigen Gestaltwandels der Formen, deren Aufgabe es ist, ein inneres Erleben mit sinnlicher Kraft und Fülle auszu- sprechen, entbehrt es eines tieferen Sinnes, festzustellen, daß diese oder jene „Richtung" der Kunst tot sei. Denn immer wieder offen- bart es sich dem erkennenden Blick, daß die aufeinanderfolgenden Generationen der Künst- ler, wie schroff auch jung und alt sich befehden mögen, von dem Kunstgute der Vergangenheit zehren. Jede Form hat wie jede Art des Er- lebens eine Geschichte, die die Keime, aus denen sie langsam wuchs, erkennen läßt.

Wenn heute die verschiedengearteten Quellen derjenigen Strömungen, die man unter dem Sammelnamen des Expressionismus zusammen- faßte, mehr und mehr sich zu einem „regulier- ten" Strome zu einen trachten, in stolzer Größe cils ein „Allgemeines" deihinfluten wollen, so haben alle diese seltsamen und bisweilen längst

überholten Versuche das Gute gehabt, den künstlerischen Willen, das Kunstwollen so un- mittelbar in den Brennpunkt des seelischen Er- lebens zu stellen, daß der Wille durch Form und Farbe ein sonstwie Unsagbares und Uner- klärbares auszudrücken, als zwingendstes Form- und Seelenerlebnis der Zeit gellen kann.

Solche Betonung des rein künstlerischen Seins hatte zur Folge, daß zwar ein jeder eigenwillig sein wollte, daß aber nur die wenigstens einen Weg fanden, für ihr persönliches Erleben die persönliche Form zu finden. Wenn auf dem Wege zu diesem Ziele mitunter eine über- große Fülle von Erinnerungsbildern vergange- ner Kunstformen zu Bausteinen der neuen Form werden mußten, so ist die Tatsache aus der Einstellung, nur Seelisches ausdrücken zu wollen, heute verständlich. Daß auf diesem Wege der Zersplitterung des großen strömen- den Gefühles für eine allgemeingültige Formen-

59

XXV. M»l 1922 1

Carlo Mcuse- München.

spräche das große, in sich geschlossene, klar gebaute Kunstwerk nicht selten wie in uner- reichbarer Ferne schwebend erscheinen mochte, wer wollte das bezweifeln? Aber auf dem ein- mal beschrittenen Wege gab es kaum ein „Zu- rück", da die Ernsthaftigkeit des Willens, als Eigner eine eigene Formseele zu schaffen als gegebene Tatsache anerkannt werden muß.

Da dergestalt im wahren Sinne des Wortes von Innen nach Außen geschaffen wird, bleibt bei starken Naturen die fast zufällige Anleh- nung an diese oder jene bekannte Kunstform belanglos. Schon die Bedingtheit jeder Form durch die gestaltende Macht des Zeitstiles läßt bewußt oder unbewußt Abhängigkeit aufkom- men. Unter diesem Blickwinkel hat der Weg, den Carlo Mense durchlaufen hat, nichts Be- fremdendes. Rückschauend würde man heute sagen, wenn man die hier veröffentlichten Werke als einen Abschluß auf einem lange vorbereite- ten Wege betrachten will, daß sich mit einer unverrückbaren inneren Notwendigkeit alles Wollen und Erleben, jede künstlerische Form- äußerung zu dieser machtvollen Ausdrucksform linearer Gestallung, zu dieser wuchtenden und beruhigenden Sprache der kubischen Massen, zu dieser kristallklaren Ablesbarkeit des Räum- lichen, zu der gestuften Schönheit der Farb- flächen, und, so sagen wir zusammenfassend, zu dem abgewogenen und ausgeglichenen Gewächs der reichen und klaren Bildeinheit verdichtete.

Schon in frühesten Jugendbildern impressio- nistischer Einstellung war es der gewaltsame Ausdruck von Farbe und Linie, der notwen- digerweise zur expressionistischen Formen- sprache führen mußte. In dieser wiederum war es weniger chaotische Wildheit als die Neigung, klare und ablesbar-faßbare Formbe- ziehungen von geprägter Struktur des Aufbaus zu gewinnen, bis sich vor etwa zehn Jahren, mehr und mehr die Neigung durchringen sollte, mit den denkbar einfachsten Mitteln den denk- bar klarsten Bildeindruck zu geben.

Das ist nunmehr erreicht. Form und Farbe, Linie und plastische Körperhafligkeit, die Be- ziehungen der großen und kleinen, der kurvigen und der scharfkantigen Körpereinheiten zuein- ander, die reichen und stimmungsvollen Stuf- ungen der Tonwerte, die den beherrschenden großen Farbflächen in dem lebendigen Reich- tum kleiner und kleinster Farbwerte Geltung verschaffen , sie alle haben ihren geheimnis- vollen Ursprung in einer Quelle: in einem ein- zigen bestimmenden Gefühlsklang, der jedem der Form dienstbarem seelischen Erlebnis dieses einzigartige und einmalige Gepräge verleiht. Daher vermag diesen Maler der sprühende und

strahlende Reichtum der sinnlichen Erschei- nungsfülle nicht zu verwirren, daher wuchtet die Wirklichkeitsform nicht drückend auf der vorgeahnten Kunstform, sondern wie ein natür- liches Gewächs entfaltet sich das Formgef üge aus der beherrschenden Gefühlsfeinheit, die einem inneren Erleben Gestalt verleihen möchte.

Dieser Gestaltungskraft ist es zuzuschreiben, daß ein Großes und Zwingendes aus diesen Bildern rätselvoll hervorschaut. Unerklärbar. Denn daß diese Form sich mit dieser Farbe verbinden mußte, um zum Bilde zu werden, ist Werk der geslaltschaffenden Phantasie. Aller- dings — und dies auch nicht zum geringsten Ergebnis einer sorgsamen und jedem Wollen dienstbaren Technik. Aus der wundersamen Feinheit, mit der die Farbe, man möchte bis- weilen sagen, allmeisterlich aufgetragen wurde, aus der Sicherheit, mit der die Farbtöne nicht selten unter Auswertung der Wirkungen der neoimpressionistischen Theorien der Farbzer- legung gewählt wurden, aus der Klarheit, mit der die Größe und die Umrandung der einzel- nen Farbflächen dem wirkungssicheren Cha- rakter der Farbtöne entsprechend gestaltet sind, spricht nichts mehr von der Mühe und Arbeit, von den ergebnislosen Versuchen, die zu dieser Beherrschung desTechnischen, derDarstellungs- mittel der Form wie der Farbe, führen sollten.

Diesen aufbauenden Werten gegenüber wird man ein Anderes nicht in Abrede zu stellen brauchen. Ich meine die Tatsache, daß An- klänge an alte Meister mitschwingen. Man könnte an Meister denken wie Michael Fächer, was die Klarheit des Raumgefüges anbetrifft, an Altichiero oder Avanzi, was das Gestuftsein der räumlich-körperhaften Dingwelt angeht, an venezianische Meister oder an Lukas Cranach. Aber was besagen solche Namen I Sie geben nur hier und da einen Hmweis, wie bestimmte und sehr persönUche Ziele erreicht werden der- gestalt, daß bei Verfolgung des Weges ein Stück oder die Richtung eines Weges bewußt oder unbewußt mit einer schon einmal fest- stehenden Lösung zusammengeht. Eine Tat- sache, die in allen Zeiten der Kunst selbstver- ständhches Vorrecht des gefühl- und phantasie- begabten Künstlers war.

Wenn nur dies Eine unangetastet bUeb : daß die innere und eigenste Wucht des seelischen Ausdrucks dadurch nicht getrübt wurde, daß die fremde Form nicht Fessel wurde, nicht Maske, die falsches Sein vortäuschen sollte. Daß dem nicht so ist, daß Form und Farbe schlichte Einheit eines lebensvollen Gefüges sind, wird fühlen, wer die Innerhchkeit dieser geschlossenen Form liebt lOthgen

CARLO MENSE MÜNCHEN. »WINTER.

VERLAG HANS GOLTZ— MÜNCHEN.

CARLO MENSE-MÜNCHEN. »MÖNCH.

^^^f^"^ v^^^^^

-^^ ^^

p^

HK ^

^^L ^Hff|r^^|U^^ » fl

' > |b

hk 1

i^^pprjyi >■

i'*- f

'*mI

PU^'O'^l ISI^^

^vf" '^R^mI

^J

B^

^^Zm^ i^S^

^^

hHHT

i .^r.j

i

CARLO MENSE. »NINIVE WIRD GEWARNT.

VERLAG HANS GOLTZ— MÜNCHEN.

CARLO MENSE. >AKT IN ITALIENISCHER LANDSCHAFT.

VERIAG HANS GOLTZ— MÜNCHEN.

DAS GEHEIMNIS DES PRIMITIVEN.

VON ERNST V. MEBELSCHÜrz.

Ein den Meisten zunächst nicht eben belang- reich erscheiaendes Ereignis hat mir jüngst tiefe und erschöpfende Aufschlüsse über die Kunst und ihr Verhältnis zum Leben geschenkt. Es war ein Besuch im Hamburger Museum für Völkerkunde, also einer Anstalt, die, wie der Name ja schon sagt, nicht eigentlich der Kunst gewidmet ist, sondern ethnographischen Zwek- ken dient uod damit vorzugsweise wissenschaft- liche Belehrung spenden will. Aber merkwür- dig — diese ganze, systematisch geordnete Masse von Gebrauchsgegenständen der soge- nannten „Naturvölker" vom Kanoe bis zum Fingerring erschien mir in dieser kurzen Stunde unter einem ganz bestimmten Gesichtswinkel. Der Nutzwert all dieser Dinge trat entschieden in den Hintergrund, umso zwingender drängte sich mir ifir rein künstlerisch er Gehalt auf. Nur daß das Wort „Kunst" plötzlich einen ganz neuen, von der landläufigen Bedeutung völlig abweichenden Sinn erhielt. Kunst und Leben rückten auf einmal unwahrscheinlich nah anein- ander — nein, sie flössen in einem breiten ge- meinsamen Strome, sodaß man sie garnicht mehr unterscheiden konnte, dem gleichen, unbe- kannten Ziele zu. Aus dem simplen Lenden- schurz jedes beliebigen Südseeinsulaners sah mich die Kunst an gleichsam mit großen, erstaunten Augen, als wunderte sie sich über diese typisch europäermäßige „Entdeckung". Und umgekehrt vor jedem dieser fratzenhaft ausdruckstcirken Idole, vom Künstler sinnreich geschnitzt und mit grellen Farben bemalt, emp- fing ich den Eindruck: dies ist Leben! wenn freilich auch Leben mit einem höheren, poten- zierteren Wirkungsgrad. Hier ist Kunst nicht, wie bei uns, eine dem Luxus dienende Begleit- erscheinung des Lebens, auch nicht ein gegen die Lebensnot aufgerichteter Damm, sondern das Ergebnis eines Wachstumszwanges, eine organische Kraftäußerung von so selbstver- ständlicher Vitalität, daß ich wirklich zweifle, ob die Menschen, die sie ausüben, sich eines besonderen Namens für sie bedienen. Kunst und Leben setzt eine in den meisten Fällen wohl unbewußte Trennung beider, eine Ab- grenzung von Interessensphären voraus. Es ist unser Fall. Wo aber Kunst und Leben aus derselben Quelle fließen und die gleiche Bewe- gungsrichtung haben, wären, sollte icli meinen, gesonderte Bezeichnungen für beide sinnlos. Irre ich nicht, so liegt gerade hier, in dieser

grandiosen Totalität, der Hauptanreiz, den die primitive Kultur der Negervölker auf den heuligen Europäer ausübt. Die Ganzheit ihrer Existenz ist es, die uns blasierte Kulturmenschen plötzhch zu Schülern der „Wilden" macht. Oh, über diese Kulturl Was hat sie uns nicht alles gegeben! Was hat sie uns nicht alles genom- men! Vielleicht so paradox es khngt die Kultur selber! Denn worin besteht Kultur an- ders als dcirin, daß sie alle Lebensäußerungen unter einen Generalnenner faßt, daß auch die Kunst, dieser Inbegriff zeugenden Daseins, in dem allgemeinen Blutumlauf kreist? Es unter- liegt gar keinem Zweifel, daß die Kunst in West- europa eine isolierte, mit den übrigen großen Lebensmächten nur noch locker zusammen- hängende Größe ist, die sich nur gewaltsam, unter Zuhilfenahme klug ersonnener Theoreme, jenem imaginären Ganzen, das wir reichlich an- spruchsvoll unsere „Kultur" nennen, einordnen läßt. Diese sogenannte Kultur die es mit Dingen, aber nicht mit Menschen und deren Veredelung zu tun hat gleicht einem präch- tigen aber schlecht komponierten Teppich, der wohl materiell eine Einheit bildet, nicht aber in einem höheren, ästhetischen Sinne, weil alle Ornamente unharmonisch nebeneinanderstehen, d. h. in Form und Farbe den Eindruck des Ganzen wieder zerstören helfen. Der Teppich der primitiven Kulturen ist viel einfacher, ding- lich weniger kostbar, aber er ist ein einheit- hches Gebilde. Was gibt uns also das Recht dies war die Frage, die ich mir beim Verlassen des Museums vorlegte hochmütig auf eine Kultur hinabzusehen, die im allein entscheiden- den Punkte der unsern nicht nur überlegen ist, sondern die vermöge des Wertinhalts, mit dem sie sich zu füllen weiß, dem Begriff „Kultur" überhaupt erst einen lebendigen Sinn gibt? So wurde mir dieser Museumsbesuch zum Er- lebnis. Er lehrte mich das Geheimnis des Primi- tiven entdecken.

Unter „primitiv" pflegen wir das Anfängliche, Knospenhafte einer Entwicklung zu verstehen, alles Unfertige, jugendlich Befangene, was noch eine Zukunft hat. Diese Betrachtungsweise schaltet also die Idee des Fortschritts als Maßstab keineswegs aus. Im Gegenteil sie wertet das Primitive als Etappe, als Unterstufe einer noch zu erreichenden größeren Vollkom- menheit, die damit immer als das Ziel am Hori- zont der Betrachtung steht. (Fortsetzung s. iib.)

65

CARLO MENSE. .t)AMEN-BILDNIS<>

EUGEN SPIRO-BERLIN. .DAMENBILDNIS. 1919.

EfGEN Sl'IRO BEKLl.N.

»COMER-bEE« l'J:;

EUGEX SPIRO.

Der Maler Eugen Spiro ist ein geborener Bres- lauer und neben Levis Corinth der Organi- sator der jetzigen Berliner Sezession. In Breslau war er Schüler jenes Peter Breuer, über den die Fama so mancherlei zu melden weiß. Der ein so vorzüglicher Lehrer, nach jeder Richtung reich angelegter Mensch gewesen sein soll, dessen eigenes Werk aber, trotz bemerkens- werter Keime, Fragment blieb. Man nennt ihn als Vorbild von Hauptmanns Michael- Kramer. Spiro behauptet von diesem Manne ent- scheidende Einblicke in das Wesen des künst- lerischen Schaffensprozesses erhalten und un- vergeßUche Stunden anregenden Beisammen- seins mit ihm genossen zu haben. Aus dieser ersten Zeit des Malers existieren einige Bild- nisse, die sich durch Schlichtheit und Sachlich- keit auszeichnen und bis heute ihren Wert be- wahrt haben. Es existiert ein Kinderbildnis jener Tage, das in seiner Einfachheit und Innig- keit an jene erinnert, die um die Mitte des

vorigen Jahrhunderts in Deutschland gemalt wurden. Diese Sachlichkeit und Geradheit aber ist ein Wesenszug dieses Künstlers, der in dem gelungenen Teil seiner Produktion nach vorüber- gehenden Schwankungen immer wieder durch- bricht und den er, wie wir sehen werden, sich zu seinem Wohle bis heute bewahrt hat.

Von Breslau ging der junge Kunstschüler nach München, da Stucks Ruhm um jene Zeit so manchen anzog. Es ist für die Entvificklung der deutschen Kunstjugend nicht von Vorteil ge- wesen, daß in Atünchen der Geist Leibls nie vorherrschte, sondern der Stucks oderLenbachs. So Anerkennenswertes diese beiden Tagesbe- rühmtheiten gelegentlich schufen, erzieherisch wirkten sie nicht in die Tiefe und so wurde auch das Talent Spiro's, der in dem damaligen Jugendkreis bald avancierte, weniger in der Wurzel gefeitigt, als in seiner Fähigkeit zu ge- schickter und leichter Entfaltung begünstigt. In kurzem war er auf den Titelblättern der

69

XX\'. ^Ui 1922. 2

Eiigen Spiro.

70

EUGEN SPIRO— BERLIN.

Jugend ein ständiger Gast als gewstndter Plau- derer der Dinge, die ihm der Tag zutrug, bei denen die elegante Frauentoilette eine Rolle spielt und Haltung und äußere Art des Weibes. In solcher Atmosphäre fühlte er sich wohl selbst gefährdet und so führte ihn ein Trieb zur Vertiefung nach Italien, wo er zunächst im Ko- pieren — in dem er später Ungewöhnliches leistete das Wesen der Alten studierte. Von Italien ging er dann, nach einem erneuten Aufenthalt in seiner Heimat, da er ein gesuchter Porträtist wurde, nach Peiris, das für ihn ent-

»DüRCHBLICK ZUM SEE«

scheidend werden sollte. Und man kann wohl sagen, entgegen dem Schicksal der nach dort verschlagenen meisten, daß es zu bedauern ist, daß er nicht gleich an diese Quelle geriet ; denn statt sich zu verheren, fand er sich dort, ver- stand es frei von Nachahmung seine Anlage ihrem eigenen Wesen entsprechend künstlerisch zu befruchten und zu entwickeln. Im Gegen- satz zu den etwas dünnen, illustrativen Münch- ner Gebilden, macht sich bei ihm nun ein male- risches Wachstum, und man möchte sagen aus heimatlichen Bedingungen geltend, d. h. aus

Eugen Spiro.

tUGEN SPIRO— BEBLIN.

eigener Wurzel. Er wird nicht zum Pseudo- Pariser, er bleibt Deutscher. Wir erinnern uns eines gelungenen Selbstbildnisses aus jener Zeit, das den Umschlag, die Fähigkeiten und die neue Qualität sichtbar dokumentiert: der Künstler sitzt sinnend im Hut an einem Cafehaus- Tisch, in einen gegenüberhängenden Spiegel blickend. So fand er sich einst, nach einem seelischen Erlebnis dort und wie er sich im Bilde festhielt, das den Zustand deutlich aus- spricht, zugleich den ferneren Weg seiner Kunst. Es ist auf einen stumpfen grauen Schieferton

»AM COMER-SEEc 11)20.

gehalten, der im ganzen ausdrucksvoll durch- gewertet ist.

Nun begann für den Künstler eine Zeit er- giebigen Schaffens auch in landschaftlicher Be- ziehung, zumal in den Sommern in Bretagne; wir erinnern uns einiger Bilder dieser Zeit, die zum Geglücktesten gehören , das aus seiner Hand hervorging; in die Ferne sich verlierende Äcker, bei farbiger Konzeption in einem stump- fen Gelb und Braun gleich prägnant in der zeich- nerischen Durchbildung, wie unter einem leich- ten Schimmer van Gogh'schen Einflusses. Diese

71

Eugen Spiro.

72

tUGEN SPIRO EliKLlN.

Landschaften kennzeichnet ein Zug , der im Künstler fast durchweg richtunggebend blieb, d. h. eine Objektivität der Farbe, die der Gegen- stand bedingt, und die ihn vor Einseitigkeit und Manier schützt. So war er in der Lage, jede Land- schaft ihrem eigenen khmatischen Charakter nach zu erfassen und auf diese Weise ihre geo- graphische Besonderheit zu wahren, handle es sich um Bretagne, Picardie oder den Harz, ent- gegen so manchen, die in Potsdam die Atmo- sphäre der Seine oder Neapels entdecken. Nach einer vorübergehenden Abwesenheit kehrte der Künstler um 1912 wieder nach Paris zurück und war von dieser Zeit ab dort bis zum Ausbruch des Krieges auch als Lehrer an einer Malschule tätig. In jenen Tagen entstand unter anderem das Bildnis seines Freundes Julius Meier-Gräfe. Der Schriftsteller sitzt in leuch- tend roter Sammetjacke am Schreibtisch und die Haltung des Körpers wie der Ausdruck der Züge sind von bemerkenswerter Lebendigkeit und Gründlichkeit ; wie es überhaupt in der Initia- tive des Porträtisten Spiro liegt, sich bei aller

»IN DER HANGEMATTE«

Leichtigkeit der Anlage nicht mit einer nur un- gefähren Ähnlichkeit und Erfassung der Form zu begnügen. Wir erinnern uns aus der gleichen Zeit eines Kinderbildnisses mit Kanin- chen, das sowohl hinsichtlich des Arrangements wie der Zusammentönung der Farbe smge- nehm berührt.

Nach Ausbruch des Krieges ging der Künst- ler eine zweite Ehe ein und damit beginnt für ihn eine neue ergiebige Schaffenszeit, die, zu- mal unter den Bildnissen seiner jungen Frau, die er immer aufs neue zu erfassen und zu ergründen suchte, einige seiner besten Arbeiten aufweist. Doch nicht nur als Bildnis, auch in den verschiedensten genrehaften Motiven, sei es am Strand des Lido, im Korbsessel des Ate- liers, am Frühstückstisch, auf dem Balkon, im Gespräch mit einer Freundin, immer wieder wußte er dieser Gestalt neue Reize und male- rische Momente abzugewinnen.

Zugleich bedeutet diese Periode einen Ein- schnitt in der technischen Entwicklung des Künstlers und zwar vom Objektiven zum mehr

Eti<^rii Spiro.

Subjektiven, wobei, merkwürdigerweise, nun, fern von Paris ein sichtbarerer Einfluß der dor- tigen Malkultur, speziell der eines Fülvrers einer ganzen Schule, der Einfluß Cezannes fühlbar wird: die Farbe ist gewissermaßen weniger atmosphärisch gestuft, summarischer dekorativ behandelt, in gobelinarligen Flächen von breitem Kontur umrissen aneinandergesetzt.als Materie aufgelockert. Als gutes Beispiel dieser Art kann die pikante Skizze „Unterhaltunji" gelten, in der für den, der sie kennt, die Personen oben- drein treffend charakterisiert erscheinen. Aber auch eine große Reihe in den letzten Jahren an den oberitalienischen Seen entstandener Landschaften tragen diese Handschrift.

Zugleich befaßte der Künstler sich nun mit dem Stilleben und man kann wohl sagen, daß das, was er in den letzten Bildnissen und Land- schatten koloristisch anstrebte, d. h. einen ver- tieften Klang der Farbe, hier reiner und stärker zum Ausdruck kommt, weil ohne jenes deko- rativ-summarische, unmittelbarer aus seiner Objektivität heraus und zugleich frei von fran- zösischer Ingredienz. Der Künstler war hier bestrebt, die Farbe an sich zu bestimmen, in der Stärke ihres Lokaltons. Das fiel zumal auf, wie bei einer wenig umfangreichen Kamelie die leuchtend, rote Blüte von dem feuchten dunklen Grün abstach. In einem großen Stilleben „Der Geburtstagstisch" kehrt das gleiche Bestreben in mannigfaltigeren Gegensätzen wieder.

Erinnern wir uns nunmehr des Ausgangs des Künstlers, wir meinen jene Zeit, da in München seine leichte Hand sich nicht ohne Gefahr für die Festigung so erfolgreich im Jugend-Kreise betätigte, so ist es klar, daß ein solcher Maler eine ergiebige Anlage zum improvisierend- illustrativen Vortrag haben muß, d. h. zum er- zählenden Graphiker und als solcher tritt er dann mit dem Werke „Das Konzert" vor uns, das er gemeinsam mit Oskar Bie herausgab und in dem er die bekanntesten Musiker, Sänger und Dirigenten unseres Konzertsaals nach Hal- tung und Ausdruck individuahsiert festhielt.

Ziehen wir die verschiedenen Wesenszüge zusammen, die wir als bezeichnend für die Kunst Spiros fanden, d. h. rasches Erfassen, Objektivität, leicht enVortrag, persönlicheFarbe, so ergibt sich daraus von selbst, daß wir es in ihm mit einem gewandten Porträtisten zu tun haben, der sich heute, im Verlauf einer natür-

lichen Entwicklung seiner Anlage, im Vollbesitz seiner Fähigkeiten befindet.

Im Sommer 1921 machte der Künstler noch einmal eine Italienreise und zwar im Auftrag der Marees-Gesellschaft, um in Rom und Neapel antike Fresken zu kopieren, eine Aufgabe, die ihm in einer überraschenden Weise glückte. Schon aus früheren Jahren existierten vorzüg- liche Kopien von seiner Hand, so die Olympia Manets und der Irreniiaus-Garten van Goghs, Arbeiten, in denen er die zartesten Tonwerte und den Strich des Originals erweckte ; darüber hinaus aber noch gelang es ihm mittels des schwierigen Tempera-Materials die blasse, ver- witterte, wie in erloschener Glut verhaltene Patina antiker Fresken und den Geist ihrer Form nachzufühlen und zu übertragen, klkin uiepolu. «

Ein echter Künstler muß in seinem Innern Milde, Güte und Großmut pflegen, auch sollte er angenehme Gedanken und Vorstel- lungen besitzen und fähig sein, in seinem Geiste die Gemütsbewegungen und Lebenslagen an- derer menschlicher Wesen zu verstehen und wiederzugeben, sowohl in der Schärfe und Schiefheit, als in dem Nebeneinanderstehen der Gegenstände. Wenn er so die andern verstan- den hat, sollte er sie ohne Bedenken aus der Spitze seines Pinsels herausfließen lassen. Ku K'ai-chih von Chin (Kogaishi von Shin) baute sich einen mehrstöckigen Pavillon als Atelier, damit seine Gedanken freier sein könnten. Wenn nun die Gedanken niedergedrückt und melancholisch sind, und nur an einem einzigen Punkte haften, wie können die Künstler fähig sein, mit solchen Gedanken zu schaffen oder die geistigen Eigentümlichkeiten anderer nach- zufühlen? . . . wenn ich nicht in einem ruhigen Hause wohne, mich in ein abgelegenes Zimmer mit offenen Fenstern setze, den Tisch abstaube, Weihrauch verbrenne, und die zehntausend alltäglichen Gedanken vertreibe und versinken lasse, kann ich keine richtige Empfindung für die Malerei oder guten Geschmack haben und kann das „yu" (das Geheimnisvolle und Wun- derbare) nicht schaffen. Erst dann, nachdem ich alle Dinge um mich herum in ihrer eigenen Ordnung aufgestellt habe, kommen meine Hand und mein Geist einander entgegen und be- wegen sich mit vollständiger Freiheit, kuo hsi

(CHINESISCaER MAI.ER UE.- .\I. JAHRUUNUERTS N. CHR.)

-^

73

MAX BURCHARTZ. .BILDNIS MARIA BENEMANNc

MAX BURCHARTZ.

GEMÄLDE »STILLEBEN«

MAX BURCHARTZ-WEIMAR.

VON PAUL BOMMERSHEIM.

Durch drei Strecken seines Weges hat Bur- chartz bisher gehen müssen, die an ihren Enden nicht schroff von einander geschieden sind, wo auch jede schon Ausblicke zeigt auf die Gesichte der späteren.

Zuerst hat er die Strecke zurückgelegt, die jeder wohl anfangs einmal gehen muß, die Periode des Umlagertseins von alten Gestalten. Der Mensch ruht noch in seiner inneren Abgeschlossenheit, und über ihn legt sich die Arbeit der vorhergegangenenMenschen. Hierderlmpressionistenund vorallemCezannes. Noch kann der Anfangende nicht die Decke auflösen in sein eigenes Wesen. Aber doch bricht es schon hier und da durch. Schon faßt er manchmal die Dinge in ihrer klaren Umrissen- heit, was er später auf höherer Ebene wieder tun wird. Schon irgendwie wollen sich die Dinge zu Aufbau-Ordnung zusammenschließen. Irgendwo wuchert schon das Dunkel herein.

Und in das muß er zuerst hinab. So beginnt die zweite Periode: die Periode des Hinab- stiegs zum schöpf erischen Urmeer. Beim Hinabstieg kommt man zu den Gestalten, die

sich gerade loslösen aus der Einheit des Ur- sprungs. Die Farben des Hinabstiegs sind auch die Farben des ersten Aufhellens der Dinge. Das Wesen dieser gebärenden Vorwelt ist Ge- schiebe. Geschiebe schwerer, klotziger Massen. Das reißt sie hin und her. Raum steht erst am AnfcmgseinerAusweitung. Schrecklich lasten die Urdinge noch auf einander. Sie haben sich un- bedingt einzuordnen in das frühe Gebälk. . . .

Aber der Abgrund treibt weiter zur dritten Periode, der Periode der Entfaltung aus dem schöpferischen Urmeer

Die Dinge kommen zu sich selber. Sie s t e h n für sich. Der Pflanzenkübel steht allein auf dem weiten Berghang. Oft steht ein Haus allein. Und wo die Wesen Berührung haben, da ist ihnen auch klare, scharfe Begrenzung gesetzt.

Hier erfüllt sich die Sendung der dritten Dimension. Treten die Gestalten heraus aus dem Geschiebe des Ursprungs, so brauchen sie den Raum, um sich darin zu verteilen. Und sie durchsetzen in vielen Schichten die dritte Aus- dehnung, die Dimension der Abgründigkeit. Aber die Dinge treten heraus aus den Ge-

75

Max Biirchartz- Weimar.

heimnissen der Hintergründe und nehmen Ge- setz und Ordnung in sich und werden Archi- tektur. Die Glut des Vorgeburtlichen, die Leidenschaft der unnennbaren Gefühle klären sich ab. Hälse haben lebendige Neigungen ver- loren und starren auf ins Überlebendige. Das Rechteck waltet durchs Dasein. Das hohe Auf- steigen gliedert die Welt.

Das Leben kommt zur Verhaltenheit. Der Urschreck reißt die Augen nicht mehr groß. Sie sind gemessen geworden am herben Tag und wurzeln doch im Wissen der letzten Dinge. Die Menschen sind zu schwerer Ruhe gelangt über der Schwärze der Tiefe. (Bildnis der Maria

Benemann). Hier steht auch die Bestimmung der neuen Gegenständlichkeit. Gegen- ständlichkeit: das heißt: Verhaltenheit. Der Schöpfergrund hat seine heiße Bloßheit über- wunden, überdeckt mit der kühlen schweig- samen Umwelt der Gegenstände.

Aus der Leidenschaft der furchtbaren Vor- zeit ist irdische Wärme geworden. Doch in allem ist der dunkle Abgrund. So ward bei Burchartz Mythos zum Bild. Nicht daß diese Bilder mythische Geschichten darstellen. Sie sind Mythos. Sie sind Stücke vom großen My- thos der Schöpfung, vom Mythos des schaffen- den Urgrundes und der entfalteten Welt. p. b.

MAX

BURCHARTZ.

»KLEINE

TÄNZERIN'

KARL SCHENKER-BERLIN. .BILDNIS-AUFNAHME.

K. SCHENKER BERLIN. »PHOTOGR. AKT-STODIEc

AUFNAHMEN VON KARL SCHENKER.

Die photographischen Blätter des Berliner Malers Karl Schenker sind dadurch aus- gezeichnet, daß sie

Nein, wenn ich jetzt diesen Satz fortsetzte, würde ich nicht so verstanden werden, wie ich es meine. Ich muß erst meine Grundanschauung über die Photographie aussprechen, die einiger- maßen von der heute allgemeinen abweicht.

Eigentlich ist sie schon in dem Ausdruck „photographisches Blatt" enthalten. Die Photo- graphie ist für mich ein graphisches Blatt, von anderen nur dadurch unterschieden, daß es mit Hilfe eines Apparates hergestellt wird, im übri- gen mit denselben Mitteln wirkend und also den- selben ästhetischen Forderungen unterworfen.

Leider kann ich auch jetzt noch nicht un- mittelbar zur Sache kommen, denn auf keinem Gebiet hat die neue Zuchtlosigkeit die Begiilfe so vollkommen verwirrt, wie auf dem der Gra- phik. Die Herrschaft der Quantität hat zu einer Übertreibung des Formates, die reproduktive

Täligkeit zu einer Verkennung der besonderen Wirkungen geführt, zu der ganz falschen Gleich- setzung von graphisch und malerisch. Dem gegenüber muß betont werden; die Schönheit des graphischen Blattes besteht ganz allem in dem Verhältnis und dem reichen Spiel von Schwarz und Weiß. Es kommt also an auf ein- heitlichen Ton, Mannigfaltigkeit der Nuance und gute Verteilung von Licht und Schatten.

Es bedarf keines Beweises, daß die Art von Photographie, die ganz besonders laut den An- spruch erhoben hat, als Kunst betrachtet zu werden, von diesen Eigenschaften im allgemei- nen so gut wie nichts besitzt. Es gibt ein paar Ausnahmen, aber der Troß ist fürchterlich.

Trot? dem hat diese Bewegung ihre V'erdienste. Sie hat der Sache einen neuen Antrieb gegeben.

Aber darüber hat man zu sehr die erste Art von Photographie vergessen, die der Mitte des 19. Jahrhunderts. Max Lehrs hat jetzt Bilder dieser Art in das Dresdener Kupfersticfikabinett

XXV. Mai 1922. 3

A-ii/7iali?)!f7i von Karl Schoikcr.

80

^*

KARL SCHENKER— BERLIN.

aufgenommen; ich habe sie Jahre lang benutzt, um den Übermut der sogenannten Kunstphoto- graphen zu dämpfen. Sie sind höchst lobens- wertes Kunsthandwerk. Das wundervoll echte Material hat jede Tonstärke präzis erhalten und damit die reiche Skala von Tonwerten wirksam unterstützt. Die Figuren sind mit voller Sicher- heit in die Fläche gestellt, nach erprobten Re- geln, die der Photograph, zumeist ein „akademi- scher Maler", auf der Hochschule gelernt hatte. Natürlich können und wollen wir nicht zu dieser Art zurück. Es käme darauf an, diese sichere Form auch bei einer persönlichen Art der Aufnahme zu erreichen. Es müßte also

»Bn,DNIS-AUFNAHME€

der Photograph nicht immer dasselbe Re- sultat wollen, sondern jedesmal entsprechend dem Menschen, den er vor sich hat, eine be- sondere Form in Umriß und Ton erstreben, zugleich charakterisierend und reizvoll.

Und nun kann ich den Satz vom Anfang zu Ende führen; die photographischen Blätter Karl Schenkers sind dadurch ausgezeichnet, daß sie das Bild des Menschen, wie er ihn empfindet, in eine jedesmal individuelle und geschlossene Form bringen, eine Form, die natürlich weder der handwerklich benutzte noch der wild losge- lassene, sondern nur der sinnvoll und zielsicher verwendete Appsu-at geben kann.

FRITZ STAHL.

KARL SCHENKER. »BILDNIS-AUFNAHME.

KARL SCHENKER. »BILDNIS-AUFNAHME.

KARL SCHENKER. .BILDNIS- AUFNAHME«

KARL SCHENKER. .AKT-STUDIE.

FRITZ AUGUST BREUHAUS-KÖLN. >EINGANG ZUR BIBLIOTHEKc

SCHNITZEREI AUF DEK TUE VON BILDHAÜEE KNAPPE— MÜNCHEN.

FBITZ ADG. BREDHAUS— K'iLN.

»BIBLIOTHEK SCHRA^KWAND<

RÄUME AUS DEM BONNER WOHNHAUSE DES ARCHITEKTEN FRITZ AUGUST BREUHAUS.

Fritz August Breuhaus hat in rastloser Arbeit seinen Weg gefunden. Von bunten Irr- gängen blieb er nicht verschont, sonst hätte er die Freude verloren, den Weg zu suchen, den zu gehen er berufen scheint; und wo früher einmal ein junger Impuls allzu schnell unter den Fesseln der Form erstarrte, überzeugen heute glückliches Besinnen und bewußtes Wollen.

Man schreitet durch diese Räume, die seine Gedanken und sein Können aus schwanken Träumen in erfüllte TatsächÜchkeit gerettet, gleichsam durch sonnige Wünsche ; wenn die Wände unter der ordnenden Hand des Bildners zu sprechen nicht verlernten, ist es, als ob so manches sich ereignen wollte, was die verderb- liche Unruhe des entsetzhchen Daseins über- winden möchte. Das sind stille Zimmer mit wirklichen Tischen, mit wirklichen Sesseln, mit Betten, in denen man schlafen kann, mit Schrän- ken, vor denen man sich nicht ängstigen braucht, mit Decken, die einen nicht einsargen, Fenstern, die Sonne lieben. Lichtem, die wissen, daß sie

erfreuen sollen. So still ist es in diesen Räu- men, daß alle Sorgen sich ordnen, alle Freuden sich finden und schließlich die Geste nicht aus- bleibt, die den Menschen kennzeichnet, wie er im Königreich seiner Träume, seiner Nächte und seiner Paläste sich zu formen den göttlichen Willen hatte. Wenn Ruhe in diesen Zimmern den Suchenden erlöst, der natürliche Halt der Architektur sich auf den Ängstlichen überträgt, Aufregung und Furcht sich allmählich verflüch- ten, steigt aus dem Däinmer des gepflegten Lichtes das bunte Gerät wie ein Heer gutmütiger Geister: Bücher und Bilder wollen sprechen, wollen gehört sein; Blumen und Tiere mischen sich ein; alles ist stolz, daß es da ist, schön ist und gesehen wird. Ziegelsteine, Travertin, Bronze und Terrakotten finden sich mit der gleißenden Anmut von Eichen- und Palisander- hölzern, die sich gerade so zu Kommoden und Truhen fügen, als dürfe es gar nicht anders sein, als hätte der Meister sie gestaltend nicht zer- brochen, sondern schmeichelnd geliebt. Wo

87

XXV. Mai 19i2. 1

Archilckt Fr Uz

August BrcuJiaus.

FRITZ AUG. BREUHAUS— KÖLN.

Seiden und Stoffe sich um Formen schmiegen, wollen sie nicht verhüllen, sondern es hängt an ihnen ein klingender Giuß aus fernen Ländern. Wir treten ein in die geräumige Bibhothek, öffnen die schwere, eichene Tür, in die das schnitzende Handwerk ein Märchen barmte. Das Zimmer ist hcht, in hellen Tönen gehalten, nicht arm und nicht üppig; gediegen in seiner einleuchtenden Behaglichkeit, wie in seiner zweckerfüllenden Lösung. Über dem Kamin ein farbfrohes Bild, es will nicht bestechen, aber es läßt sich anschauen und man darf nachsinnen, was diese schimmernden Farben wollen. Holzscheite warten in dem Kamin, sie wollen brennen und Wärme geben, wenn in den Sesseln ein paar Minuten sich vergessen wollen. Der Bücherschrank ist nicht anspruchsvoll, er weiß, daß er den Büchern dient, daß die Bücher nicht seinetwillen da sind, wie manches Möbel sich einbilden möchte. Endlich die köstliche Bank aus gelbem Stein, wie sie die Heizung verkleidet und vornehm in die Wand überleitet. In sol-

»BIBLIOTHEK FENSTERSEITEc

chem Raum mögen sich Stunden und Nächte verbringen lassen, zusammen mit den vielen ein- geschlossenen Gedanken und Träumen, die von keinem der Bilder rings an den Wänden zer- rissen würden. Und nebenan ein kleines Zimmer mit Goldwänden, über die wie ein verhaltenes Lächeln Ornamente, Blumen und Tiere sich weben. Das weite Fenster grüßt nach dem lustigen Garten. Sessel, Kommode, ein verständiger Spiegel, Kcikteen endlich ; hier wird

Tee getrunken, und so muß es sein. Dann

das Frühstückszimmer, einfach, nicht aufregend. Die Beleuchtung indirekt. DieWände klar geglie- dert und im ornamentalen Schmuck Vorhängen gleichend, die von allem AlllägUchen trennen wollen. Das Schlafzimmer des Architekten, gehalten in vornehmem Dunkelgrün, einfach in der Zweckmäßigkeit und doch mehr als zweck- gemäß. Das Bett überzeugt in seiner Haltung; kein borniertes Fußende mischt sich störend in die Sicherheit der Architektur. Das Damen- Schlafzimmer gibt das Gegenstück: lustige Ge-

Arcliitrkt Fritz A^igtiaf Brnihaits.

FRITZ AUGUST BREUHAÜS KULN.

danken schnitzte des Bildners Hand in das an- mulvolle Möbel, und reiches Licht grüßt lachend von den freudig rosafarbigen Wänden.

Es ist viel zu sagen über all diese Dinge, viel zu sagen über das, was der Architekt in die mannigfaltigsten Erscheinungen zauberte. Doch es wräre ein nutzloser Versuch, wollte man die Gedanken und Launen in Worten auf- leben lassen, für die der Künstler die güllige Form längst erfand. Die Geste ist heute ein gesuchtes Phantom, wer sie beherrscht, wird die Welt gewinnen, und ausgehend von ihrer befehlenden Erscheinung werden sich die ent- fesselten Elemente zu neuer Ordnung zusam- menfinden. Gedanken und Gefühle sind wohl die Impulse, die Weltgeschichte bedingen, sie mögen sich dogmatisieren, vermitttelnd fesseln an den Ausdruck der Bildkunst, den Klang der Musik, den Rhythmus des Wortes. Wenn es Gesetze angeht, die überzeugend in ihrer Formulierung sich befehlend mitteilen, sind sie der Architektur recht nahe verwandt.

■■uiaaamaBBBaaBHaBBMBaaaaaaaAJiaaiiai

»BIBLIOTHEK IM BONNER HAUSE'

Gedanken leben in Breuhaus' Schaffen, leben in den Räumen, die er erstehen ließ. Wie sie in den Proportionen der Wände, der Abstufung der Farben, der Zusammenstellung des Geräts ein einheitliches Gefüge ausmachen, so regen sie an zu mancherlei Beginnen, zu mancher Besinnung und mancher Tat. In der von ihm gestalteten Umgebung entäußert sich der Mensch, Wände sind Spiegel, die in ihrer blin- den Ehrlichkeit nichts verheimlichen können, wenn sie, durch keine Spekulation beirrt, sich zu dem heiligen Gefäß eines wissenden Daseins schmieden, erlösen sie den ruhelosen Geist von den Qualen seines Gesichts. Sic bestätigen, wechseln ein sicheres Bild, sind schließlich nicht fühlloser als die Menschen selbst. Und für Menschen will Breuhaus Werke schaffen: Wie er die Kostbarkeiten des Lebens liebt, Seiden, edle Hölzer und edles Gefäß, so um- gibt er das Leben mit einer prächtigen Hülle, unter der es doch immer atmet und niemals erstickt wernher witthaus.

89

X D W

m

w

H O

t-H

Q Q Z <! &

S

g

o

I IT)

P

(

<:

J<

w

es pq H

t/)

13

O

Ö

<!

N

H

'

2

.

(n

H

^

W

H

£

^

U

<

2;

o

m

iz;

S

l-H

w

H O

I— <

iz;

-1 o

I

t/3

H Ü

H

2

2

O

m

P

<

w

m

» m

<:

X

w

s s

w w

H

in

W P5

PQ

H O

N H

2

H

W

H

5

CJ

<

2

H

H

!/2

X

n

H

1/1

o

H

W H

S

ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS-KÖLN.

.TRUHE UND SPIEGEL IM TEEZIMMER« WANDBEMALÜNG PAUL JESSEN -KÖLN.

ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS. .FRÜHSTÜCKS-ZIMMER.

IM BONNER HAUSE DES KÜNSTLERS. BEMALUNG SILBER UND ORANGE VON PROFESSOR SCHNKIDLER.

XXV Mai 192J. i

SCHLAFZIMMER DES ARCHITEKTEN F. A. BREUHAUS-BONX.

ENTWURF: ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS-KÖLN.

»DAMEN-SCHLAFZIMMER« IM HAUSE BREUHAÜS IN BONN.

■■■■■■■■■■■■■rnai

KUNST UND NATIONALITÄT.

Alles was geschieht ist Symbol, und, indem " i\. es vollkommen sich selbst darstellt, deu- tet es auf das Übrige", hat Goethe an Karl Ernst Schubarth geschrieben. In den Lehren der Physionomik, Charakterologie, Graphologie usw. bat sich die Erkenntnis, daß wir vom Ein- zelnen auf das Ganze zu schließen vermögen, zur Wissenschaft ausgebildet. Zeigt uns ein beliebiger Brief durch die Handschrift : Rasse, Temperament, Charakter, Wesen eines Men- schen, wie viel mehr die Handschrift der Kunst. Wer in seinen Beobachtungen die Richtung vom Individuellen zum Typischen festhält, wie sollte der in der Kunst eines Volkes nicht die natio- nale Bedingtheit erkennen !

Wo über die Frage nach nationaler oder internationaler Kunst gestritten wird, da liegt meistens ein Mißverständnis vor. Mag man noch so eifrig allem Chauvinismus gegenüber betonen, daß die Kunst ihren eigenen Gesetzen folge, die nicht durch poUtische Grenzen be- stimmt werden, so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß die Kulturgemeinschaft in der Kunst ihren vornehmsten Ausdruck findet. Nicht nur die individuelle, sondern auch die typische Veranlagung kommt in ihr zum Vorschein.

Ich besitze von Emil Lugo ein Bild der römi- schen Campagna, dessen Wolken uns beispiel- weise das Deutschtum des Künstlers sofort ver- raten. Als ich im Atelier von Hans Thoma er hatte ein Bild aus den Schweizer Alpen auf der Staffelei eine ähnhche Bemerkung be- treff der in den Vordergrund gestellten Bauern machte, da antwortete der Meister mit Humor: „Ja, das sind gute Schwarzwälder; sie sind in die Schweiz ausgewandert, aber doch ihrer Heimat treu geblieben".

Soll der deutsche Künstler sich Einflüssen fremder Nationen verschließen? Die Antwort auf diese Frage kann verschieden lauten. Wenn er nicht eigen-persönlich genug ist, um sich trotzdem zu bewahren, dann: Ja. Aber heißt deutsch sein, nicht zuletzt überdeutsch sein? Auch für die Kunst steht das Ideal des „guten Europäers" am Horizont. Wie der junge Künst- ler, der zunächst nur aus dem Unbewußtsein schafft, sich ganz anders einstellen muß, sobald das Bewußtsein eine Revolution in seinem Wesen entfacht, so vermag ihm auch die Ver- tiefung in das Fremdländische eine entschie- dene Bereicherung zu bringen.

Nicht nur im Reiche der Gedanken sollen alle Schlagbäume in die Höhe gehen, sondern

auch im Reiche des künstlerischen Schaffens. Es gilt letzten Endes das Höchste als solches zu werten, aber es gilt wiederum in erster Linie, dem was uns gemäß und vertraut ist, unsere Pflege angedeihen zu lassen. Jeder Anfänger läuft Gefahr, das Allgemeine für ein Besonderes und Charakteristisches zuhalten; erst der Ver- gleich erschließt ihm mit der Zeit, wo die Son- derheit liegt. Nicht anders verhält es sich in der Frage nationaler Kunst. Das Organische enthüllt sich uns, wenn vfir den spezifischen Volksgeist in seiner allmählichen Entwicklung verfolgen. Auf das Nationale verzichten, führt zu unorganischer Verschwommenheit, das Interna- tionale ausschließen, sehr leicht zur Erstarrung.

Gerade weil die Kultur, wie Jakob Burckardt so richtig erkannt hat, nicht notwendig uni- versal ist und anderseits keine Zwangsgeltung für sich in Anspruch nimmt, besteht bei ihr ein Wechselverbältnis von Bedingtem und Bedin- gendem, dem sie ihre Selbstheit und doch zu- gleich auch ihre Hingebung an ein Allgemeines verdankt. In der künstlerischen Kultur legen die Völker die Substanz ihres eigenen Wesens nieder und spinnen doch zugleich die Fäden zu allen beseelten Wesen. Sie verdankt sich einem geistigen Überschuß, der sich von der Heimat aus ein Weltbild schafft. Sie stellt ein höheres Leben dar, das sich frei weiß von nationaler Bedingtheit und das dennoch aus dem Boden der Rasseneigentümlichkeit seine Naihrung gewinnt.

Wer nur nach der Vervollkommnung der Technik strebt, hat keine Ursache sich als Künstler seine Nationalität zu wahren und zu vertiefen, aber wer in der Kunst etwas Außer- ordentliches sieht, das lebendig aus dem Unter- grund des individuellen und typischen Wesens erwächst, der fühlt recht wohl, was er seiner nationalen Kulturgemeinschaft verdankt. So kommen wir zu dem Schluß, daß die Kunst in der heimatlichen Kultur wurzelt, daß sich ihre Äste und Zweige aber mit gutem Recht über die Mauern ausbreiten, die politische und wirt- schaftliche Verhältnisse aufbauten. Je nationaler ein Werk in seiner Wurzel ist und je weiter es zugleich seine Zweige ausstreckt in Luft und Licht, die Allen gemeinsam sind, je mehr wird es auch den Angehörigen fremder Nationen Achtung abgewinnen, soweit ihr Verständnis nicht versagt. Hüten wir uns also in der Kunst vor jedem Chauvinismus, bewahren wir uns aber auch die Bodenständigkeit; denn dort fließen die Quellen unserer Kraft, karl heckel.

100

■■■■■■■■■■■■■■■■■■MMBBMWII

ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS K' -I.X. >VORRAt7M IM HAUSE DES ARCHITEKTEN.

ENTWURF: ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS- KÖLN. »HERREN-SCHLAFZIMMER IM HAUSE SCH. IN KÖLN«

ENTWURF: ARCHITEKT KRITZ AUGUST BREUHAUS Ki iLN.

»FRISIERTISCH IM NEBENSTEHENDEM HERREN-SCBLAKZLUMER«

ENTWURF: ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS KÖLN.

WÄSCHESCHRANK MIT INTARSIA IM HERREN-SCHLAFZIMMER t

MARIE ELISABETH KRÄNKEL BERLIN. AQUARELL >DIE EINSIEDLEK«

ARBEITEN VON MARIE ELISABETH FRÄNKEL.

Auf einer großen Ausstellung bei Cassirer in i Berlin geschah es. Es war eine umfassende und bunte Schau über die Aquarell-Bemühungen unserer Zeit, und damit das Bild sich nicht gar zu einförmig aus Hunderten kleiner Blätter zusam- mensetze, fand sich, durch die Säle verstreut, auch ein wenig Plastik. Dabei ein paar Stücke mit dem Namen Marie Elisabeth Fränkel. Wer ist das? fragt man sich. Mit der aufmerkenden Neugier des Dauerkunstwanderers, zu dessen größten Freuden es gehört, einem unbekannten Talent zu begegnen, forscht man weiter. Und findet eine junge Künstlerin von so eigenem Wesen und Gefühlsausdruck in den nicht allzu- weit ausladenden Grenzen ihres Arbeitsbezirks, daß man sie, wiederum höchst angenehm berührt, in die üblichen Rubriken nicht einordnen kann Die Zeiten sind längst vorüber, da die Plastik nur sehr lockere Beziehungen zur weiblichen Künstlerschaft unterhielt. Und auch das ist nichts Neues mehr, daß junge Mädchen von Begabung sich in eine rechte Handwerkslehre geben, um das Problem künstlerischer Arbeit nicht nur als ein Objekt gefälligen, feinen Spiels zu betrachten, sondern zu seinen Gründen vor- zudringen. Aber selten habe ich doch diese Forlschritte mit einer so persönlichen und ge- schlossenen Empfindungswelt vereinigt gesehen und mit einem so zielsicheren Willen, ihr Form zu geben. M. E. Fränkel hat redlich ihre Schule durchgemacht. Sie war am Berliner Kunstge- werbemuseum und erfuhr dort die anregende Kraft von Josef Wackeries Unterricht. Dann ging sie auf den Rat dieses Lehrers, der ihre

besondere Neigung zum Holz erkannte, nach Oberammergau. In dem gesegneten und be- rühmten bayerischen Orte kann man viel lernen. Viel das will sagen: vielerlei. Man kann dort sehr leicht in eine konventionelle Routine geraten, die den Begriff der ÜberUeferung recht eng faßt. Man kann aber auch, namentlich heute in der Unterweisung von Cluistian Wittmann, dahin geführt werden, den Sinn der Tradition freier zu begreifen und die glänzende handwerk- liche Schulung, die Oberammergau unter allen Umständen gewährt, zu selbständigem Schaffen zu nutzen. Durch ihres Meisters Wittmann ver- ständnisvolle Leitung und durch das Gebot ihres künstlerischen Triebes fand Marie Elisabeth Fränkel diesen weiten Weg. Sie machte wohl den Lehrgang durchs bayerische Barock mit, der sich dort oben im Gebirge als etwas Natür- liches ergibt. Aber sie drang darüber hinaus zu Gestaltungen vor, die weitab von diesem Schema liegen. Was Oberammergau ihr gab, war außer der technischen Sicherheit, die sie befähigte, jedem Holzklotz unerschrocken ge- genüberzutreten, vor allem und wesentlich die Gefühlsinnigkeit und seelische Hingabe der katholischen Welt, in die sie sich versetzt sah. Unmerklich strömte in der Heimat der Passions- spiele das eigentümliche Geistesleben der Be- wohner in die junge Berlinerin, die hier aus der wirren materiellen ZiviUsationswelt der Großstadt in die Nähe einfacher, mit ihrem Gott vertrauten Umgang pflegender Menschen ge- kommen war. Aus solchen Stimmungen wurden die eigenartigen Arbeiten geboren, die dann.

107

XXV. Mil 1933. 6*

Arbeiten von Marie Elisabeth Fränkcl.

lOS

MARIE E. FBÄNKEL-BERLIN.

ans Licht gebracht. Sie scheinen noch nicht ganz aus dem Schlummer ihrer Ver- kapselung erwacht. Noch ist um sie gleichsam ein Traum- schleier gebreitet, unter des- sen kaum merklicher Ver- hüllung wir ihre Verbun- denheit mit der Materie, aus der sie bestehen, doppelt eindringlich spüren. Alle diese Figuren sind Gefäße einer versonnenen Sehn- sucht. Sie äußert sich ver- schieden. In frommem Ge- bet, in tiefem Nachdenken, in musikalischer Versunken- heit, in religiöser Schwär- merei. Das „Sinnende Mäd- chen" ist, fast wie eine Kwannon aufgebaut , eine ganz ferne , bescheidene Verwandte des Rodin'schen Denkers. Ausgezeichnet, wie die Lim'en des Gewan- des aus natürlicher , stil- mäßig benutzter Breite em-

nach der Heimkehr, ent- standen. Was Marie Elisabeth innerlich er- lebt hatte, berührte sich ganz natürlich mit den Wünschen der jüngsten Kunst, deren ganze Sehnsucht darauf ge- stellt ist, das uferlos wo- gende Meer des erreg- ten Gefühls in sichtbare Form zu zwangen. So entstanden diese Re- liefs und Holzschnitze- reien, die von einer zar- ten Mystik bestimmt sind. M. E. Fränkel nimmt ihre Schnitzmes- ser zur Hand und aus einem rohen Stück Birn- baumholz lösen sich Fi- guren, die so aussehen, als seien sie seit tausend Jahren in den Fasern des Holzes verzaubert gewesen, mit ihnen lang- sam gewachsen und nun

MARIE ELISABETH FRANKEL. »CELLOSPIELER«

HOLZPLASTIK »KNIENDE«

porstreben, um dort in die Umrisse des Körpers und der Arme überzugehen und in die kugelhcifte Rundung des Schädels zu münden. Wie hier, ist bei ihren Schwe- stern die Fiächenbehand- lung aufs Einfachste zurück- geführt, wahrhaft aus dem Holz gedacht. Nur die ent- scheidenden Formteile sind herausgehoben und mit ei- ner überraschendenKlarheit zusammengefügt. Der Kopf ist gern ein wenig größer gehalten, als es ein natura- listischer Maßstab zuließe. Die Arbeiten erhalten da- durch einen Zug des Primi- tiven, der aber nicht modisch erzwungen, sondern wirk- lich aus der Anlage des Ganzen geboren scheint. Ein Gran Urtümlichkeit und ein Gran Gotik mischen sich mit technischer Erfahrung, die rührend vergeistigt ward.

Arliitcn von Marie Elisahcth F.ränkcl.

Jene Köpfe sind gern nach vorn geneigt. Es ist eine charakteristische Haltung aller dieser träumerischen Schöpfungen. Auch der Cello- spieler hat sie, der, volksmäßig-nadv, mit seinem Instrument so innig verschmilzt. Auch die Klavierspielerin eines Reliefs, die eine kleine heilige Cäcilie wurde. Auch der Schäfer, der am Brunnen seine Herde überwacht, die deko- rativ so hübsch geordnet und mit der Relief- schrift in Beziehung gebracht ist - dieser Schäfer, der etwas vom christlichen Symbolamt über- nimmt. Und auch die Einsiedler des Aquarells, das hier als Probe einerbesonderenKunstübung

erscheint. Die Künstlerin hat sich in diesen Blät- tern wiederum eine ganz eigne Art des Vortrags gebildet. Etwas, das an Miniaturen erinnert, fast möchte ich sagen, an die geduldige Kunst alter Mönche, wenn nicht eine verhaltene sinnliche Glut der larben, die den flächigen Aufbau bele- ben, doch auch wieder abseits führte in ein Sehn- suchtsland der modernen Seele. i>r. max osborn.

Man lernt nichts kennen, als was man liebt, und je tiefer und \ ollständiger die Kennt- nis werden soll, desto kräftiger und lebendiger muß Liebe, ja Leidenschaft werden. . . goethe.

mwrnnmw

1

MARIE ELISABETH FRÄNKEL. >LAMPENFUSS IX HOLZ.

109

■■■■■■«■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■

UARIE

ELISABETH

FRÄNKEL.

»PLAKETTE'

DAS SUBSTANZIELLE IN DER KUNST.

Der Naturalismus ließ außer Acht, daß die Welt eine Schöpfung des Ich ist. Der Expressionismus ließ außer Acht, daß alles Ich ein Du, alles Subjekt ein Objekt voraussetzt. Dem Naturalismus entseelte sich die Welt, da er ihr den Bestandteil Ich entzog. Dem Ex- pressionismus entstoffUchte sich das Ich, da er ihm den Bestandteil Welt entzog. Zwei so grund- legende und schmerzliche Erfahrungen, gegen- sätzlich aufeinander folgend imd auf schmalen Zeitraumzusammengedrängt, sollten derMensch- heit als Warnung, als Fingerzeig dienen.

Die Welt ist Tat des Ich, kein Zweifel. Aber diese Einsicht gehört in den Bereich der Be- trachtung, nicht in den Bereich des Handelns und des Schaffens, Vor der reinen denke- rischen Erwägung wird sich das Gewebe der Welt immer aufdröseln; sie wird auf die Welt- substanz immer zerstörend einwirken , denn Denken ist nicht das Organ, mit dem wir an den Weltstoff, an das Objekt herankommen können. Es ist, als wollten wir zarte Woll- flocken mit weißglühenden Zangen ergreifen: sobald wir sie damit berühren, verkohlen sie im Nu. Verhalten wir uns aber dann handelnd und schaffend zur Welt: sogleich ist deren Sub- stanz wiederhergestellt, wölbt sich auf mit gra- nitenen Bergen und rauschenden Wäldern und

gibt sogar Stoff ab, die hohen Gestalten zu ver- leiben, die die überirdischen Sphären bevölkern. Der Expressionismus hat sich bemüht, zu vergessen, daß das so mächtige, weltschöpfe- rische Ich nur durch das entsprechende Du ge- füllt und bestimmt wird. So ist seine Welt verarmt , sie ist dünn und fadenscheinig ge- worden. Und auf allen Seiten sehen wir die- jenigen, die diese Erfahrung nicht umsonst ge- macht haben, mit herzlicher Begierde das große und kleine Du aufsuchen. Das Ich verschweigt sich. Das Ich ist eine Schattenblume; sie kann nicht immer im hellen Licht des Bewußtseins stehen. Sie braucht Dunkel und Kühle. Sie blüht, wenn der Geist sich herzlich auf das Nicht- Ich einstellt. Und so stehen unsere Künst- ler wieder vor der Natur, nicht um sie unter Vergewaltigung des Ichs abzumalen, sondern um dem Hunger des Subjekts die ewige, näh- rende Materie zuzuführen, durch die das Ich erst in den Stand gesetzt wird, Welten zu er- schaffen. Es ist ein Vorgang der Gesundung, eine kunstmoralische und sogar eine moralische Verdichtung, Wiederaufrichtung des mensch- lichen Geistes, die sich bei allen Völkern und auf allen Gebieten bemerkbeu- macht und die ohne Zweifel auch unsrer Kunst einen neuen Lebensantrieb geben wird w. f.

110

MARIE ELISABETH FRANKEL- BERLIN. HOLZPLASTIK »SINNENDES MÄDCHEN.

LOTTE PRITZEL. »VITRINEN-PUPPE«

LOTTE PRITZEL.

»VITRINEN-PUPPE«

VITRINEN-PUPPEN VON LOTTE PRITZEL.

Lotte Pritzels Puppenkunst hat einen schönen -< Weg gemacht. Sie begann mit Puppen, die Spielzeug waren. Sie endet mit plastischen Kunstwerken, in denen das Puppenhafte nur noch Material, nur noch Ausdrucksmittel ist. Sie ist durchaus in den Bereich der Kunst auf- gestiegen; sie stellt eine Welt aus sich heraus in objektiven Formen. Diese Formen sind Emp- findungsomamente, dargestellt aus einem leich- ten, durchleuchteten Etwas von menschlichen Körpern. Abwehr, zärtliche Sehnsucht, Jubel festlichen Schreitens wird hier gedolmetscht ; daneben auch krampfig Überreiztes, wie es sich

im Empfindungsleben moderner Menschheit so häufig vorfindet. Dem Wesen nach sind diese Kunstwerke nicht statuarischer, sondern lyri- scher Art. Jedes ist ein Lied von wenigen Zeilen, in duftigen, gehauchten Worten hingesagt, die alle vom gleichen Rhythmus zärtlich ergriffen sind. Es gibt an diesen Gestalten keine leeren, unergriffenen Partien. Das Zärtliche, Liedhafte, Schmachtende dieser Kunst wird vollends be- tont durch die hauchfeinen, schmiegsamen und spielerischen Materialien, die die Bewegung der Körper hilfreich unterstützen; Kunst und Spiel auf einem hohen Punkte vereinigt w. f.

113

XXV. Mal 1922 7

LOTTE PR1T2EL. .VITRINEN-PUPPE«

LOTTE PRITZEL. .VITRINEN-PUPPE.

■■■HBBHBMBBKBI

DAS GEHEIMNIS DES PRIMITIVEN.

(FORTSETZUNG VON SEITE 65.)

SO glauben wir z. B. bereits in den frühen Niederländern des 15. Jahrhunderts Rubens und Rembrandt wirken zu sehen, freiHch erst keimhaft, gleichsam im Puppenstand und von dem geheimnisvollen Reiz des Unvermögens umdunkelt. Diese Aulfassung wird der wahren Bedeutung des Primitiven nie gerecht werden. In ihr spricht sich meines Erachtens der ganze raffinierte Geschmack des vielzuviel Wissen- den aus, der nur eine andere Art von Per- versität ist und der Uoschuld des Noch-nicht- voU-Entwickelten als eines Stimulanzmittels für erschlaffte Nerven bedarf. Auch verkennt diese Art zu sehen vollkommen das Wesen der Kunst, die sich auf jeder Stufe als ein Abso- lutes gibt und durch den Entwicklungs-Ge- danken, der das jeweils erreichte Stadium relativ wertet, um ihren metaphysischen Sinn be- trogen wird. Das Primitive ist in sich genau so vollkommen wie der Zustand der Reife. Wir müssen nur versuchen, es aus seinen eigenen Bedingungen heraus zu verstehen.

Alles Primitive wurzelt im Mythos. Dies ist der Grund der unausmeßbaren Weite seiner inneren Dimensionen. Dies ist auch der Grund für die tiefe Verkettung von Leben und Kunst, die sein Wesen ausmacht. Denn ob der Neger sich einen Ring durch die Nase zieht oder seinen Gott in eine phantastisch gescfinitzte Holzfigur bannt der Antrieb zu beiden Tätigkeiten ist übersinnlicher, mythischer Art. Wo aber das Leben alles Leben im Dienste des Mythos steht, ja nur eine Erscheinungsform des Mythos ist, da bedarf es nicht der Kunst als eines besonderen Seelenvermögens, dem die Aufgabe zufällt, dem Leben eine Bedeutung zu verleihen, die es aus sich selbst heraus nicht hat. Denn hier ist das Leben in jeder seiner Äußerungen bedeutsam. Auch da, wo der Anruf zum Bilden ein sinnlicher ist, hört dieses darum nicht auf, metaphysischen Charakter zu tragen, denn diese ganze, vom Mythos ununter- scheidbar durchflochtene Körperlichkeit steht ja in innigster Beziehung zu magischen Mächten. So ist auch die Nachahmung der Natur im primi- tiven Kunstschaffen etwas ganz anderes als bei uns. Sie ist übergegenständlich, nicht illusio- nistisch, sie bezieht sich immer auf ein Über- weltliches, das sich in der vergänglichen Er- scheinung eingekörpert hat und Gewalt über sie ausübt. Der darstellende Künstler bemächtigt sich nicht etwa bloß symbolisch, sondern effek-

tiv der Seele des Gegenstands, weshalb heute noch australische Neger sich nur mit äußerstem Widerstreben von Fremden zeichnen lassen. Wir mögen das belächeln und werden uns doch nicht der Einsicht verschließen können, es hier mit Dingen zu tun zu haben, die, so barbarisch sie uns vom individualistischen Standpunkt auch anmuten, ein bei weitem stärkeres und tiefer fundamentiertesWeltgefühl offenbaren als dieser ganze faule Realitätenzauber europäischer Auf- geklärtheit mit seinem erschreckenden Mangel an Hintergründen. Vor allem aber sollten wir uns doch hüten, die Kunst der primitiven Völker mit der hochmütigen Gebärde des sich höher Dünkenden abzutun als eine Verlegenheits- äußerung technischeu oder imitativen Unver- mögens. Was sie ist, das ist sie ganz, Sie bedarf wirklich keiner Entschuldigung. So wenig wir von ihr unmittelbar lernen können nichts schreckUcher als die Primitivitätsgeste gewisser Modernen umso nachdrücklicher sollte uns das mitfühlende Erleben ihrer wun- dervollen Totalität die trostlose Zusammenhang- losigkeit unserer sogenannten „höheren Kultur" vor Augen führen. Vielleicht, daß auch hier das „Erkenne dich selbst!" den Anstoß zu einer Wiedergeburt des Geistes gibt I Denn zwei- feln wir nicht die Renaissance, vor der oder in der wir stehen, kann nur eine Wiederent- deckung der metaphysischen Kraft- quellen sein, deren Spur uns im Zeitalter des Realismus verloren ging, ernst v. niebeischütz.

Ä

Wollte sich der Künstler mit Bewußtsein der Natur unterordnen und das Vorhcin- dene mit knechtischer Treue wiedergeben; so würde er wohl Larven hervorbringen, aber keine Kunstwerke. Die Kunst muß, um Kunst zu sein, sich erst von der Natur entfernen. Der Künstler muß sich vom Produkt oder vom Geschöpf ent- fernen, aber nur, um sich zu der schaffenden Kraft zu erheben und diese geistig zu ergreifen. Hierdurch schwingt er sich in das Reich reiner Begriffe : Jenem im Innern der Dinge wirksamen, durch Form und Gestalt nur wie durch Sinn- bilder redenden Naturgeist soll der Künstler

nacheifern f. w.j. v. schelling.

Sl

Seien wir auch dem Snob dankbar, der sich mit guten Dbgen, statt mit gemeinen, brü- stet und schließlich, ohne es zu eihnen, doch zum Heile beiträgt julius meier-graefe.

116

Richard skewalD-münchen. >Wallfahrts-kirche auf elba«

PRiVATBKSrrz: a. k.— dahmstadt.

RICHARD SEEWAXD— MÜNCHEN.

BAUERNHAUS IN TOSKANA

AUSSTELLUNG „DEUTSCHE KUNST 1923" DARMSTADT.

Die Maschine des Ausstellungsbetriebs läuft noch fort. Aber langsam hat sich ihre Be- deutung, ihr Sinn verschoben, und die Zufuhr von Material ist da und dort ins Stocken ge- raten. Das Interesse der Künstler am Be- schicken der großen Sommerausstellungen hat stark nachgelassen. Diese Ausstellungen sind nicht mehr wie früher die Plätze der großen Premieren, die Bühnen der „Uraufführungen" neuer Begabungen. Der Kunsthandel ist scharf hinter allen neuen Sternen her, seien sie auch siebenter Größe, und legt in hitzigem Wettbe- werb Beschlag auf ihre Produktion. Wer etwas kann, hat auch sogleich den Markt. Die Be- schickung der großen Ausstellungen hat heute für die Könner nur den Wert einer zweit- rangigen Propaganda. Insonderheit die Kunst- Zeitschrift, die ihre Abbildungen weit ins Land und auf den Tisch kaufkräftiger Kunstfreunde trägt, ist dem „arrivierten" Künstler viel wich- tiger als die Massen-Ausstellungen, die ihm Mühe, Kosten und Gefahren einbringen.

Auch der Darmstädter Ausstellung kann man diese Gleichgültigkeit der Künstler anmerken.

Sie verfuhr so, daß sie eine große Zahl deut- scher Künstler zur juryfreien Beschickung ein- lud. Die Liste der Eingeladenen war gut uod vollständig; fehlerhaft war nur die Aufnahme einiger Weniger, wie Richard Pietzsch, Th. Th. Heine usw., die denn auch durch schlimmes Versagen einen Winkel der Ausstellung gröb- lich verunstalten. Viele andre aber sind der Einladung nicht gefolgt, teils wegen des Wett- bewerbs der gleichzeitig in Süddeutschland stattfindenden Karlsruher Ausstellung, teils aus Besorgnis vor einer drohenden Besetzung Darm- stadts, teils aus den Gründen, die einleitend angegeben wurden. Im Anfang schien es, als müsse das Unternehmen an dieser schwachen Beteiligung scheitern. Scliließlich kam aber dann doch etwas zustande, das beim ersten Durchwandern anruft und gewisse Versprech- ungen macht. Aber bei näherer Prüfung er- weisen sich viele dieser Versprechungen als nicht erfüllt oder nur halb erfüllt, und das Ganze bleibt schließlich eine halbe Sache ohne rechte Freude und Durchschlagskraft. Wobei wir nicht übersehen wollen, daß andere Unter-

175

XXVI. Juli 1923 1

Ausstellung ii Deutsche Ku7ist ig2j'). Darmstadt.

176

AXEXAMDES KANOLDT.

nehmungen ähnlichen Programms ebenfalls nur zu halben Ergebnissen gekommen sind. Der einzige Punkt, von dem aus dieses Ergebnis leicht zu bessern und zu heben gewesen wäre, ist das Hängen. Man hat in Darmstadt nicht günstig gehängt. Der sogenannte Ehrensaal ist schwach in der Gesamtwirkung. Das einge- laufene Material war zu knapp, um gefüllte Räume zu ergeben, und so wurde alles ausein- andergezogen. Es wirkt verstimmend, daß sich an den ersten Saal gleich mehrere Säle mit Graphik ctnschheßen. Mehrfach findet man Kol- lektionen nebeneinander, die sich in der Wir- kung gegenseitig beeinträchtigen. Gelungen ist nur der zweite Oberlichtsaal, der die Kollek- tionen Kanoldt, Davringhausen, Dix, Mense, Schrimpf, Kirchner u. a. zu einer guten Gesamtwirkung vereinigt.

Bei der Beurteilung des Ergebnisses muß in Anschlag gebracht werden, daß unsre künst- lerische Produktion immer noch unter der Un- gunst der Zeit, ihres Geistes sowohl wie ihrer materiellen Schwierigkeiten leidet. Die allge- meine geistige ICrise der Gegenwart, bei uns sehr verschärft durch die Kriegsfolgen, legt be- sonders auf die Kunst einen schweren, nach- haltigen Druck. Die weltanschaulichen Ent- scheidungen, die eines Tages aus der expres- sionistischen Sackgasse herausführen müssen, sind in den meisten Gemütern noch nicht ge- fallen, und was uns an Zeitwirklichkeit umgibt, ist in der Tat wenig geeignet, diese befreienden Entscheidungen zu fördern. Die Krise, in der sich der Expressionismus seit Jahren nun ab- quält, ist die Krise des Ichs und seiner Be- ziehungen zur Umwelt. Der Expressionismus ist an seiner Fehlbewertung des leeren, um- mauerten Ich hoffnungslos erkrankt. Aus ihr

»SAN 6IMIONAN0< 1922

kommt seine Weltlosigkeit, die weder ein wahres Objekt noch ein wahres Subjekt kennt. Er hat keine Welt. Er ist die endgültige Vereinsamung des Ichs im Universum, die völlige Erblindung, die radikale Verschluckung des Du in den un- ausfüllbaren Abgründen des falsch eingestellten Ego. Der Entwicklungswert des Expressionis- mus bestand darin, daß er der Übermächtigung des Ichs durch die Umwelt die Tyrannei des Ichs über alles Objektive entgegensetzte. Aber das eine bedeutet so gut wie das andre die Zerstörung jedes wahren Weltbildes, die Unter- wühlung aller Wirklichkeit. Aufbruch zur Wirk- lichkeit ist das Gebot der Stunde ; Wirklichkeit, die nicht etwa die des Naturalismus ist, son- dern ein Ernstnehmen der objektiven Dinge aufgrund einer sinnvollen, gläubigen, hingeben- den Beziehung des Ichs zum Du. Diesen Auf- bruch zur Wirklichkeit hat unsre Welt, und mit ihr die Kunst, noch nicht vollzogen. Daher das andauernd Zweifelhafte, Knappe und Dürftige unsrer Produktion; eine Lage, die wir wohl oder übel durchleiden müssen, um wenigstens im Leiden (und durch das Leiden) der großen Anforderung inne zu werden, die an uns ge- stellt ist: in einer Welt zu leben, nicht unter Gespenstern und Larven.

Von hier aus wird die Kollektion Alexander Kanoldt zu einer der bemerkenswertesten Darbietungen der Ausstellung. Seine Stilleben haben eine strenge, düstere Sachlichkeit, eine scharfe Bestimmtheit, in der gewissermaßen der Schrecken vor dem durchwanderten Chaos noch nachzittert. Es ist noch kein freies, gesichertes Verhältnis zum Ding. Es ist noch kein klares, glückliches S e h e n , sondern einüberscharfes Sichten der Gegenstände, ein Spähen wie mit bewaffnetem Auge, ein bewußtes Organi-

PAUL THESING-DARMSTADT.

GEMÄLDE: SCHAUSPIELER GÖBEL ALS DATTEFICH«

CARL MENSE-MÜNCHEN. FRAUEN IN ITALIENISCHER LANDSCHAFT.

AUSSTELLUNG -DEUTSCHE KUNST 19-'3 DARMSTADT.

Ausstellung •> Deutsche Kufist rp2j€ Darmstadt.

HEINKICH

DAVRING-

HAUSEN

-MÜNCHEN.

>B1LDNIS<

sieren, das seine Herkunft aus der kubistischen Richtung nicht verleugnet. Das ist es, was ein gutgläubiges Hinnehmen dieses nachexpressio- nistischen Realismus verhindert. Die Bilder scheinen noch mit angehaltenem Atem gemalt. Sie sind noch nicht frei von Angst, oder von Absicht, oder von Künstlichkeit oder Manier. Sie haben mehr Festigkeit als Freundlichkeit; das Hauptmerkmal einer geordneten Menschen- welt, die Heiterkeit, geht ihnen noch ab. Aber soviel kann man ihnen doch nachsagen, daß sie einen Schritt aus der eigentlichen expressio- nistischen Geisleslage heraus tun. Sie haben jenseits der gespenstischen Ichwelt wenigstens die kristallische, wenn auch noch nicht die or- ganische Stufe erreicht. Ein erster Versuch, dem Chaos zu entrinnen, wird selten ohne Ge- preßtheit und Gewaltsamkeit einhergehen. Der Durchbruch zum Ding ist bei Kanoldt immerhin an der richtigen Stelle angesetzt. Das Kubi- stische — jenes Gesetz, mit dem das weltleere Ich trotz allem Ordnung und Bestimmtheit zu

erzwingen versucht hatte will hier dem,, Ding" hilfreich und dienend begegnen. Das künst- lerische Ich Kanoldts hat die eigentliche Hin- gabe und Harmlosigkeit, das selbstvergessene Frommsein noch nicht gelernt. Aber es sieht diese Hingabe doch als ein erwünschtes Ziel. Kanoldts Welt hat das Drohende noch nicht ganz verloren. Aber es ist doch gesänftigt und abgedämpft. Die Luft in seinen Raumschilde- rungen ist noch dünn und kalt. Aber man kann sich denken, daß sie sich bei fortschreiten- der Bereicherung seiner dinglichen Beziehungen erwärmen und verdichten wird.

In der äußeren Gebärde scheinen sich die Kollektionen Mense und Schrimpf, auch Davringhausen, verhältnismäßig nahe zu Kanoldt zu stellen. Aber Davringhausen tritt hier noch sehr als Gespensterseher auf und er- zählt das Beste in seiner Graphik, die eine angstvolle, unerlöste, von Maskenschrecken durchkältete Welt sehr überzeugend schildert. Ob es sich bei Mense und Schrimpf um

179

Aiisstellu7ig T> Deutsche Kunst ig2j'!~ Darmstadt.

180

JOSEF KBERZ— MÜNCHEN.

mehr handelt als um eine flüchtende Pseudo- Idealität, scheint mir im Augenblick schwer zu entscheiden, aber mindestens fraglich. Da ist doch wohl eine Ruhe neben den Kämpfen, eine Art Anachoretentum in einem geträumten Umbrien, nicht ohne Wohllaut, nicht ohne Kräfte der Ergriffenheit und Rührung, aber doch kein wahres Vorwärtskommen in der entscheidenden Richtung. Diese Harmonie ist zu herabgesetzten Preisen erkauft. Sie ist die schäferliche Idylle von Einsamen und fast von Deserteuren, sie hat etwas sehr Privates und darum Ungültiges.

Daneben Otto Dix. Man kann nicht etwa Dix gegen Mense und Schrimpf feindlich aus- spielen und sagen; diese gelösten Linien und klingenden Farben hier widerstreiten den gellen, grellen Dingen dort so, daß beides sich gegen- seitig ausschließt. Denn in jeder Zeit treffen harte Gegensätze aufeinander, jede Zeit hat ihre harte Realität und ihre holden Wunschträume, und das eine wie das andre kann dem Künstler zum Mittel seines Ausdrucks werden. Aber für Dix spricht doch die Materialität seiner In- halte, die er sich mit einer Art Ingrimm aus dem Leben des Augenblicks, manchmal aus der Gosse herausholt. Dix ist der verbissene Wille, um keinen Preis zu lügen. Lieber Schlamm als Gespensterei, lieber das Wilde und Grauen-

»UMBRISCBE EBENE c

volle, das Wahnsinnige und Ekelhafte als irgend eine Art von Schönfärberei. Seine Bilder schil- dern eioe wüste Realität. Sie knüpfen mit Ab- sicht an die Meßbudenmalerei an, sie tragen sich im Moritatenstil vor, sie sind viel eher Illustrationen als Gemälde, aber sie schleppen Leben, Dasein herbei und stellen es auf eine schonungslose Weise zur Diskussion.

Die Kollektion Reinhold Ewald (Hanau) zeigt endlich eine stärkere Regung und Aus- breitung dieses Künstlers, einen Ansatz zur Überwindung seiner Rationalität und zum Über- gang vom Reden ins Bilden. Seewald hält sich durchaus auf dem längst erreichten Stand, nur daß seine Bilder an Trockenheit, seine Linie an überheblicher Phrasenhaftigkeit vielleicht zugenommen haben. Die hier als Beilage ge- gebene Landschaft ist ohne Zweifel die beste seiner in Darmstadt gezeigten Arbeiten. Auch Pechstein ist eigentlich nicht weiter gekom- men. Doch spricht immer wieder der Klang seiner starken Farbe rein und kräftig an jedes empfängliche Auge. Achmann erregt mit graphisch gesehenen Bildnissen und Interieurs Interesse. Otto M ü 1 1 e r spielt die Harfe seiner feinen, übergrauten Farbenskala mit gewohntem Reiz, und unverdrossen bläst sein Namensvetter Felix seinen bald schnurrigen, bald recht lang-

REINHOLD EWALD-HANAU. AM WOLFGANG-SEE*

GEORG SCHRIMPF-MÜNCHEN. .MÄDCHEN MIT SCHAFEN.

Ausstellung ^Deitfsche Kunst igsj^ Darmstadt.

weiligen Dudelsack. Moll ist schwächer als gewöhnlich, Eberz desgleichen. In diesen und anderen Erscheinungen verzettelt sich das Bild der Ausstellung mehr und mehr ; der stärkste Ak- zent bleibt auf dem stummen Dialog Kanoldt- Dix liegen, begleitet von den Nebenstimmen Schrimpf und anderer, die ihm nahestehen.

Im Bereich der Graphik gibt es von fast allen bekannten Namen gute Proben zu sehen, z. B. von Barlach, Großmann, Meidner, Beckmann, Davringhausen, Eberz, Achmann usw. Zwei Aquarelle von Paul Klee sind einzelgängerisch und sehr erlesen. Die Plastik bringt meist kleine, feine Ware bekannter Art; darunter die sehr amüsanten Terrakotten von Lörcher und ein entzückendes, halbmelerhohes Mahagoni- Figürchen von Archipenko, teils positiv, teils negativ gearbeitet, dem ich vor den groß- formigen Marmorbildnissen des gleichen Künst- lers bei weitem den Vorzug gebe

Gleichzeitig mit dieser Ausstellung zeigen die hessischen Künstler ihre Arbeiten in der „Kunslhalle" am Rheintor. Ihr ist das Schau- spieler-Bildnis von Paul Thesing-Darmstadt entnommen, eine klare, gekonnte Arbeit von feiner, geistreicher Art. Im übrigen kommen nur wenige Leistungen dieser hessischen Ab- teilung über das Provinzniveau hinaus.

Erwägung verdient anläßlich dieser wie mancher andern Ausstellung der Gedanke, ob nicht auch bei juryfreier Beschickung der Hängekommission das Recht zustehen soll, in gewissen äußersten Fällen Ausscheidungen von Kunstwerken vorzunehmen. Dieser Gedanke ist auch in Berlin (Voss. Ztg.) mehrfach vertreten worden. Er ergibt sich einfach aus dem Um- stand, daß in jeder juryfreien Ausstellung fünf, sechs Werke hängen, die man aus QuaUtäts- gründen gern verstecken möchte und die das Gesamtbild empfindlich stören, wii.helm michel.

RICHARD SEE WALD. STILLEBEN«

183

XXVI. Juli l<»3 2

CARL MENSE-MÜNCHEN. BILDNIS GINE«

OSORG SCHKIMPF. > MUTTER UNDKIND€

EIN DEUTSCHER KUNSTKRITIKER DES 19. JAHRHUNDERTS.

zu iJEKCKS, DES GüETHEFREUNDES, AUFSÄTZEN ÜBER DIE KUNST.

Das 18. Jahrhundert europäischer Kullur wird immer als eine Blütezeit des mensch- lichen Geistes zu gelten haben. Mit dem üb- lichen Gerede von Rationalismus, Oberflächlich- keit und dergleichen dringt man nicht entfernt an das Wesen dieser Epoche heran. In jedem Zeitalter gibt es die große Masse der bloß aus- wertenden Geister, die die Kraft und Tugend der Epoche in breiter, faßlicher Verfratzung zum Vorschein bringen. Gewiß geht durch das 18. Jahrhundert ein breiter Strom behaglicher oder frecher Vernünftelei. Aber nicht an derlei modischen Verdünnungen ist das spezilische Gewicht eines Zeitgeistes zu messen. Jene humanitäre Vernünftelei. die schließlich zur Plattheit der Aufklärung geführt hat, ist eben nur ein Nebenprodukt oder vielmehr die flache und flaue Auswalzung jener echten, großen Geistestreiheit, Menschlichkeit und souveränen

Klarheit, womit dieses Jahrhundert vor allen andern geschmückt ist. Jedes echte Geistes- denkmal dieser Zeit zeichnet sich durch die- selben Züge aus: leichte, spielende Kühnheit des Gedankens, gelassene Zornlosigkeit der sittlichen Begriffe, weitherzige Duldung, an- mutigste, humanste Form, lächelnde, silberne Freiheit aller geistigen Horizonte. Sehr oft mischt sich darunter jener liebenswürdige, ge- füblige Zug, jene betonte Wärme der Empfin- dung, jene Zugänglichkeit für die weicheren, liebenderen Regungen des Gemüts, womit sich die Menschen dieser Zeit ein Gegengewicht zu der Schärfe ihrer Verständigkeit geschaffen zu haben scheinen.

Darmstadt, damals eine kleine und herzUch unbedeutende Residenz, hat den Ruhm, dem freien, schönen Geiste dieser Zeit in einigen seiner besten Söhne eine hervorragende Ver-

185

Ein deutscher Kzinstkritiker des ig. Jahrhunderts.

186

AUO. UABBEROER— KA&LSRUHE.

lautbaruDg gegeben zu haben. Der Geist der Stadt und ihrer Bevölkerung hat von Natur einige Züge, die man Züge des 18. Jahrhun- derts nennen könnte. Sie hat in Peter Helfrich Sturz einen der glänzendsten modernen StiU- sten hervorgebracht, in Georg Christoph Lich- tenberg den bedeutendsten deutschen Apho- risten nächst Nietzsche, von dem man nur sa- gen kann, daß ihm die Nation heute noch nicht den gebührenden Rang zuerkannt habe. Sie hat ferner der deutschen Literatur die eindrucks- volle, farbige Gestalt des Kriegsrats Johann Heinrich Merck geschenkt, der bedeutendste deutsche Kritiker des 18. Jahrhunderts nach

GEMÄLDE FREIFRAUEN«

Lessing. Und schließlich gab sie unsrer Lite- ratur den ohne Frage genialsten Dramatiker, Georg Büchner, auch er eine schöne, wenn gleich sehr verspätete Blüte des 18. Jahrhun- derts. So kann man sagen, daß diese Stadt zu jenem Abschnitt europäischer Geistesentwick- lung ihren Beitrag redlich geUefert hat.

Wir haben es hier mit der Erscheinung Johann Heinrich Mercks zu tun, jenes merkwürdigen Mannes, der unter den Paladinen Goethes im Ehrensaal unsrer Literaturgeschichte steht, der zum „Mephisto" das Modell abgab, dessen vielfältige, glänzende Talente die Bewunderung der Mitwelt waren und dessen verschlungenes

ALEXANDER KANOLDT. GEMÄLDE .STILLEBENc

»AUSSTELLUNO DEUTSCHE KUNST 1923 DARMSTADTc

Ein dcutsclter Kiinstkritlkir des k). JalirhiDidfrls.

Geschick im Verein mit einem schwierigen, wetterwendischen Charakter in tiefstes Elend und in den Selbstmord führte. Unter seinen zahl- reichen Gaben stehen seine Kennerschaft der bildenden Kunst und eine unwidersteh- liche Passion für sie an erster Stelle. Beson- ders für die graphischen Künste genoß sein Ur- teil in ganz Deutschland unwidersprochene Autorität. Es ist z. B. bekannt, daß Herzog Karl August von Weimar kaum eine Erwerbung für sein graphisches Kabinett vorgenommen hat, ohne sich der Zustimmung des Darmstädter Kenners zu versichern. Wichtiger noch wird

uns das Zeugnis unsrer eigenen Eindrücke aus Mercks Briefen und Aufsätzen sein. Wenige Zeilen dieser Schriften geben demjenigen, der selbst Kenner ist, das unzweideutige Gefühl : hier spricht ein Mann, der die Kunst nicht nur von außen kennt, sondern der sie bei ihrem Tun belauscht hat, der über die besondere Seelen- lage des Künstlers, über die bestimmten Be- dingungen technischer, soziologischer, kultur- geschichtlicher Art, über das Wesen des Kunst- genusses bis auf den Grund Bescheid weiß. Wir sehen Merck den Kunstschriftsteller gewiß in manchen Dingen an seine Zeit gebunden.

ALEXANDER KANOLDI-MÜNCHEN. STTLLEBEX

189

XXVI. Juli 1923 3

Ei)i deiifsclifr Kunstkritiker des ig. Jalirliuiiderts.

190

WILLI JAECKEL— BERLIN.

Aber während das so natürlich ist, daß es gar nicht anders erwartet werden darf, stimmt es uns fügUch zur Bewunderung, zu sehen, wie fiügelleicht er im wesentHchen den Zeitbefangen- heiten zu entrinnen weiß, wie kräftig und unmit- telbar das geheime Wissen vom untergründigen Leben der Kunst in seine schlanken, wüchsigen, ziervollen Sätze einströmt. Mercks Schriften und Äußerungen zur Kunst sind heute noch nicht veraltet, sie rufen in den ewigen Kampf, den der Künstler gegen das Banausentum und den starren Buchstaben zu führen hat, noch heute manches gute, witzige Wort, wie sie schon zu ihrer Zeit gegenüber einem kalten, trockenen Pedantentum das Leben, die Freiheit, das Wer- den und das tiefere Wissen mit Glück vertei-

GEMALDE »WALDLICHTUNG«

digt haben. Merck war „schöpferischer" Kri- tiker im besten Sinne des Wortes. Und um es noch genauer zu erfassen: er hat sich diesen Ehrentitel erworben nicht durch tiefe synthe- tische Spekulation über das Wesen der Kunst und des Künstlergeistes, sondern durch viele verstreute, oft polemische, im Tagesstreit der Meinungen anwendbare Bemerkungen, Finger- zeige, Richtigstellungen, die alle von Sachkunde blitzen und meist glänzend geprägt sind.

Kennzeichnend für die Lebendigkeit setner Betrachtung ist eine Bemerkung in dem Aufsatz „Lieber die Landschaft Mahlerey" (1777): „Die meisten unsrer Kunstbücher sind nichts weiter als Aesthetik, Redekünste, Institutiones styli, Poetiken u.s.w. Es ist nur immer die Rede da-

Ein deutscher Kunstkritiker des ig. Jahrhunderts.

WILU JAECKEL— BERLIN.

von, wie man die Verse machen müsse; aber wie der Poet, der sie machen soll, gebildet werde, kein Wörtchen, das instruktiv wäre!" Man sieht hier schon die lebendige, psycholo- gische Einstellung des 19. Jahrhunderts sich gegen eine lederne, normative Schulfuchserei erheben. Aus dem selben Geiste kommt die Bemerkung, daß zur Landschaftsmalerei fürs erste das große poetische Gefühl gehöre, „alles, was unter der Sonne liegt, merkwürdig zu fin- den und das geringste, was uns umgibt, zu einem Epos zu gestalten". Daran schließt sich die Mahnung zu unaufhörlichem Studium der Natur, zur Schulung des Wahrnehmens oder, wie er sehr hübsch sagt, zur „botanischen Jagd" auf das lebendige, charaktervolle Detail. Geht er

GEMÄLDE SELBSTBILDNIS«

dann zum Künstler selbst hinüber, so wünscht er ihm, besonders dem Landschafter, „daß er oft, satt von der Natur, ganze Zeiten lang ruhen könnte, ohne nachzubilden. . . . Nur das Non- Genie hat immer das Jucken zum Zeugen oder sich Spaß zu machen. Der aber produktive Kraft besitzt, dessen Seele ruht und sammelt, ohne zu wissen wie, wie die Natur im Winter", Gegenüber dem Dringen auf „deutliche Kom- position" lobt er den Landschafter, dessen Ta- ten anfangs „dasjenige haben, was man unbe- stimmt nennt". Und er meint: „Dies heilige Gefühl für die sanften Übergänge der Natur, das ihn überall bestimmt, da keine Grenzen und Linien zu ziehen, wo die Natur sie nicht abgeschnitten hat, bestärkt ihn immer weiter in

191

MAX PECHSTEIN. .STILLEBEN MIT SELBSTBILDNIS^

Ein deutscher Kunstkritiker des ig. Jaltrhunderts.

MAX PECHSTEIN— BERLIN.

dieser Ehrfurcht, hindert ihn aber, so bald, be- sonders dem profanen Auge, etwas Sehens- würdiges zu liefern. . . , Wer Wahrheit liebt und verehrt, ist nicht immer der fertigste Skri- bent. . . . Manier soll und muß werden, aber spät, wie bei J. J. Rousseau, der im 40. Jahre zu schreiben anfing. Wo sie zu früh entsteht, ist's Selbstbetrug, verkleidete Armut unter reichem Ameublement und Fertigkeit ohne Wissenschaft."

Man sieht: hier wird der Leser vom Führer wirklich in „Künstlers Lande" geführt; er lernt die Kunst und ihre Probleme sehen vom Stand- ort des Künstlers aus, und ist dies heute noch das Wesentliche, was vom Kunstschriftsteller zu verlangen ist: für Mercks Zeiten war dieser

GEMÄLDE FRAUENBILDNIS<

Wechsel des Standortes eine kühne Neuerung gegenüber einer üblichen Kunsterörterung, die in einem falschen Sinne normativ und rein gegenständlich war. Das tiefere Wissen von der Kunst befähigte Merck dann u. a. zu einer Würdigung Albrecht Dürers, die gegenüber der abschätzigen Meinung seiner Gegenwart kühn und revolutionär zu nennen ist. Es ist ein Un- recht, daß man seinen Aufsatz Einige Rettungen für das Andenken Albrecht Dürers gegen die Sage der Kunstlitteratur" vergessen hat, denn hier bereitet sich er ist 1780 im „Merkur" erschienen jene neue Einschätzung Dürers vor, die späterhin von der Romantik zum Glau- benssatz erhoben worden ist. Merck weiß Dürer, der jener Zeit als steif, gotisch, roh.

193

Ein deutscher Kunstkritiker des ig. JaJirhunderts.

194

AUSSTELLG.

»DEUTSCHE

KUNST 1923

DARUSTADT«

ALFRED LÖRCHER— STUTTGART.

häßlich, gemein, naluraUstisch, trocken und kleinHch, hart und unbeholfen galt, aus seiner Zeit, Bildung und Umwelt zu erfassen. Er lehnt seine Vergleichung mit den damals geschmack- beherrschenden Italienern rundweg ab, be- hauptet seine eigenwüchsige und eigengesetz- liche Größe und rühmt insbesondere sein gra- phisches Werk als unübertreffÜch: kein Meister habe je so tief wie Dürer empfunden, was man eigentlich in Holz ausdrücken könne. Man muß diese prachtvollen Ausführungen über Dürers Holzschnitte lesen, um ihre Sachkunde, ihren wissenschaftlichen Wert, ihre feinen Unter- scheidungen würdigen zu können.

Das gleiche Wissen ist es, das ihn ein an- dermal auftreten läßt gegen flaue, pseudo- ideahstische Auffassungen über die Motive, die den Künstler zum Schaffen treiben. Daraus entsteht der vortreffliche, von Witz und hu- manen Ironieen funkelnde Aufsatz „Über die

»STATUETTE TERRAKOTTA.

bei Kunstwerken objektiv gleichgiltige Absicht ihrer Urheber" (Merkur 1781). Eine falsche, phrasenhafte Geistigkeit wollte damals (und ist es heute viel anders?) als Antriebe für künst- lerisches Schaffen nur hohe und erhabene Dinge, Drang nach UnsterbUchkeit, edelste Bildungs- absicht U.S.W, gelten lassen. Mit entzückendem Spott tut Merck diese windelweiche, unwis- sende und respektlose Gesinnung ab: „Wenn große Kräfte in Bewegung gesetzt werden, so mag der Endzweck profan oder heilig sein, so werden allzeit große Resultate daraus entsprin- gen. Sogar um Geld zu machen, das doch so vielen Leuten das Ekelhafteste ist, das man denken kann, glaube ich, kann einer, der epi- sche Kräfte hat, ein episches Gedicht hervor- bringen. . . . Ob Voltaire sich hätte träumen lassen, daß er von einer Rotte unbärtiger Knaben in Teutschland . . Kahlkopf gescholten würde, weiß ich nicht; aber das weiß ich, daß manches

Ein deutscher Kunstkritiker des lo. Jahrhunderts

ALFRED LORCHER— STUTTGART.

fürtreffliches Produkt seines Kopfes, das noch lange bei der Nachwelt bleiben wird, wenn diese Knaben vergessen sind, in der unlautern Absicht zur Welt kam, Geld hervorzubringen und, was noch unlauterer ist, dies Geld sogleich sicher anzulegen. . . . Wird darum Rembrandt zum Handwerksmann, weil man weiß, daß ihn die Liebe zum Geld besaß und daß wir dieser Schwachheit sowohl seine meisten radierten Blätter als seine vielen Staffelei-Gemälde zu danken haben? . . . Wie viele Kompositionen von Rubens würden wir entbehren müssen, werm nicht dieser Mann so vieles Geld zu sei- nem Marstall und zu seiner Tafel nötig gehabt hätte? Er lebte als ein Fürst, und also war es ihm erlaubt, hierzu die Welt ein wenig kontri- buabel zu machen und die Fabriken von Ge- mälden anzulegen, die man heutzutage in allen Galerieen von Europa die Rubensische Schule nennt?" Umgekehrt aber kann man „die edelste

STATUETTE«; TERRAKOTTA.

Absicht haben, ein ganzes Volk zu beglücken, seinem Zeitalter selbst eine andre Stimmung zu geben, und doch nur einen Marmontel'schen Belisaire oder eine Ramsay'sche Cyropädie zur Welt bringen."

Liest sich dieses prachtvolle Stückchen Prosa auch stellenweise als ein überaus eleganter und höchst souveräner Scherz, so liegt eben doch in der Auffassung, die es vertritt, viel mehr wahre und nüchterne, geistige und ehrfürchtige Einsicht in das Wesen des Künstlers als in der Auffassung, die es so hübsch verspottet.

Am reichsten an Bedeutung und geistiger Resonanz ist aber wohl ein Aufsatz „Über die letzte Gemälde- Ausstellung zu ** ", Er ist im Jahr 1781 in Wielands „Teutschem Merkur" erschienen. Noch mehr als die bereits erwähn- ten Aufsätze verdient es dieser, der Vergessen- heit entrissen zu werden. Deshalb sei in Fol- gendem auf ihn eingegangen. (schluss folgt.)

195

KARL ALBICKER. BRONZE-STATUETTE

KEN£k NlNTENlS. KLEINE BRONZE

AUSSTELLUNG .DEUTSCHE KUNST 1923. DAKMSTADT-MATHILDENHÖHE.

RICHARD GESSNER. GEMÄLDE .INDUSTRIE.

BES: W. MEYER— dOSSELDORF-OBKRKASSEL«

RICH. GKSSNER— DÜSSELDORF.

GK .NL.Mi\CH IM GEWITTER«

DER MALER RICHARD GESSNER.

Der Düsseldorfer Maler Richard Geßner sucht seine Motive fast ausschließhch im rheinisch -weslfäUschen Industriegebiet, und seine Bilder zeigen durchweg Zechenanlagen, Kokereien, große Hüttenbetriebe und Fabriken. Sein Schaffen ist mit seiner Heimat aufs engste verwachsen, ist streng lokal und läßt sich von dem rheinischen Boden nicht trennen.

Was Richard Geßner auf seinen eigenen Weg führte, war neben einer großen zeichnerischen Veranlagung ein intensives Farbenempfinden, unterstützt von der Innigkeit des Gefühls. Er sucht die feinen Tonwerte, seltene Lokalfarben, ungewöhnliche atmosphärische Zustände, Rauch, Sonnendunst, Nebel oder den Übergang von der Dämmerung zum künstlichen Licht, mit dem aufgeregten Spiel der Bogenlampen. So wer- den die Hochburgen der Industrie, die Förder- gerüste, Schutthalden, Ruß und Dampf fast zu mystischen und unheimlichen Visionen.

Nur in einem seiner Bilder bricht auch Lieb- Uches durch, im „Frühlingstag". Es ist fast lyrisch. Wir sehen den Rand der Großstadt, noch nicht freies Land und doch auch nicht mehr nur Mauern von Mietskasernen und Fabrik- anlagen. Die matte Frühlingssonne hat am Spätnachmittag Arbeiter mit Frauen und Kin-

dern ins Freie gelockt; müde lagern sie auf der spärlichen Grasnarbe zwischen Sandhaufen, Korkservenbüchsen und anderen Abfällen. Eine schwermütige Darstellung großstädtischen Fei- ertages. — Das stärkste unter den hier gezeigten Bildern ist der „Feierabend". Schwacher Rauch steigt aus den Schornsteinen, wenige Arbeiter stehen vor dem Fabriktor, müde und breit liegen Häuser und Halden in der späten Dämmerung. Im Gegensatz hierzu lebt und rast in dem Bild „Industrie am Abend" die moderne Maschinen- technik mit all ihrer Wucht. Man hört geradezu das Kreischen und Pfeifen der Maschinen, die den weißen geballten Rauch in die Luft stoßen.

Eine Erinnerung an Geßners FCriegszeit bietet sein Bild „Landschaft aus Mazedonien"; mit charakteristischen Strichen ist der exotisch- herbe Zauber des südlichen Landes wieder- gegeben. Beinahe romantisch ist die südbaye- rische Landschaft „Grönenbach im Gewitter".

Richard Geßner ist nie allegorisch oder histo- risch; er steht bewußt in seiner Zeit und emp- findet ihren Pulsschlag, ihren Geist, Nie lehnt er sich an andere an, er malt, was ihn packt. Seine Bilder spiegeln im stärksten Maße seine An- schauungswelt wieder und zeigen zum Greifen deutlich, was er als Künstler durchlebt, r. bonos.

199

XXVI. Juli 1923 t

RICHAJID GESSNER-DUSSELDOKF

iUUBAYKRISCHE LAND.sCHAFl

DEUTSCHE KUNST UND FRANZÖSISCHE KUNST.

VON ERNST V. NIEBELSCHÜTZ MAGDEBURG.

Versucht man das innerste Wesen der deutschen Kunst auf eine möglichst kurze, zugleich präzise und doch nicht zu enge For- mel zu bringen, so wird man sagen können: sie ist Ausdruck einer romantischen Seelenverfassung. Die These hat nur den einen Nachteil, selbst wieder eine neue Frage zu enthalten, die Frage nämlich, was man unter „Romantik" zu verstehen habe. Ich denke hierbei nicht an die so getaufte geschichtUche Stilerscheinung, die sich mit dem Nazarener- tum der Cornelius und Overbeck deckt, sondern an etwas viel Allgemeineres und Um- fassenderes; an den geistigen Hinter- und Untergrund dessen, was wir als eigentümlich deutsch bezeichnen zu müssen glauben.

Dieses Romantische äußert sich negativ als Abneigung, ja geradezu Unvermögen, die äußere Erscheinung der Dinge, ihren schö- nen Schein, ihre reizende Oberfläche, als end- gültige Tatsachen anzuerkennen. Der roman- tische Geist will nicht den Schein, er will die Sache selber, nicht flüchtiges Sinnenglück, sondern Erkenntnis, Seine reaUstische Gründ-

lichkeit, die oft genug bis an die äußersten Grenzen des Erträglichen geht, steht keineswegs damit in Widerspruch. Sie ist nicht Selbst- zweck, sondern Ausdruck eines leidenschaft- lichen Verlangens, den Urformen auf die Spur zu kommen und ihrer Wesenheit teilhaft zu werden. Dieses unruhige Ringen um den ver- borgenen Sinn der Erscheinung, dieses boh- rende Bemühen, sie aus ihrer begrenzten Ding- haftigkeit zu erlösen und mit dem Weltganzen zu verknüpfen, führt notwendig den romanti- schen Künstler zur Selbstdarstellung des Gefühls und läßt ihn die objektiven Ziel- setzungen als für ihn unverbindlich ablehnen. Daher die oft erschütternde Ausdrucksstärke und Einzigartigkeit des romantischen Kunstwerks, daher aber auch seine Maßlosig- keit, sein auffallender Mangel an Traditions- werten, die uns seine methodische Eingliede- rung in eine fortlaufende Entwicklungskette, seine Angleichung an ein allgemein gültiges Gesellschaftsideal häufig so schwer, ja unmög- lich macht. Das oft bezeugte Mißtrauen des normalen Empfindens gegen sein Anderssein

200

p X o o

m

2

M Q

<<

X Ol

M

u

w

N

M Q

■■<:

u

o

Z

1/3 U)

o Q

< o

2

RICHARD GESSNER. GEMÄLDE .ZECHENANLAGE«

GROSSE KUNSTAUSSTELLUNG DÜSSELDORF l;i:-'3.

DcufscJif Kuttst und frnu-Jhischc Ku

s(.

RICHARD GESSNER.

ist nur allzu erklärlich. Denn alles Ungesetz- liche, dämonisch Unbestimmte und Überspannte erweckt den Widerspruch dessen, der sich im Besitz der Regeln weiß und seinen Schatz an überlieferten Konventionen mit der Umsicht ei- nes klugen und vorsichtigen Rechners verwaltet. Liegt der romantische Zug zum Unbegrenz- ten auf der allgemeinen Linie des germani- schen Kunstwillens, so ist freilich nicht zu übersehen, daß es hunderte von Beispielen gibt, die den deutschen Geist in deutlicher Kampf- stellung gegen dieses sein Erbteil zeigen, Fälle eines heroischen Bemühens, des Roman- tischen als einer Schwäche Herr zu werden und es durch ein dauerhafteres Ideal zu er- setzen oder doch unschädlich zu machen. Ich meine hier nicht den steifleinenen Dogmatis- mus der verschiedenen „Richtungen", der oft allerdings nichts anderes ist als ein Selbst- schutz der unruhig schweifenden Seele, son- dern ich denke an die an den äußersten Gren- zen der deutschen Möglichkeiten stehenden höchsten Repräsentanten unseres Wesens, an Dürer etwa oder Goethe, deren Leben und Wirken uns deshalb so ehrwürdig und vorbild- lich erscheint, weil es ein ununterbrochener

GEMÄLDE »FEIERABEND«

Reinigungsakt des durch Blutanteil romanti- schen, durch Wahl und Wille klassischen Menschen ist. Beiden ist die angestrebte Ver- schmelzung ihres Wesens mit dem Form- ideal des Südens von übereifrigen Patrioten zum Vorwurf gemacht worden: als Minde- rung ursprünglicher und angeblich hö- herer Anlagen. Ich denke, mit Unrecht. Was sie wollten: die Ncutralisierung der ange- borenen Prometheusnatur durch festere Bin- dungen, war doch wohl nur in engster persön- hcher Berührung und Reibung mit dem Geiste der Klassik zu erreichen. Man wandelt eben auch in nordischen Nebeln nicht ungestraft. Griechensehnsucht und Südheimweh (um zwei Wortprägungen aus Bertrams Nietzsche- Buch hier zu gebrauchen) was sind sie an- ders als Wirkungen der meist nur im deutschen Unterbewußtsein heimischen Ahnung von der Unmöglichkeit, unter bloß nordischen Voraus- setzungen ein Ganzes zu werden? Und so erklärt sich auch positiv die Anziehungskraft, die von je die französische Kunst auf uns ausübte. Es ist platter Unsinn, wenn heute sogar französische Gelehrte behaupten, immer wäre der deutsche Künstler nach Frankreich mit

203

Dfutsclir Kuiisf und französische Kunst.

204

RICHARD GEiSNER.

BtSlT*;hK. H. LIüMFENAU-UUthN.

AUS MAZEDONIEN«

der demütigen Miene des Almosenempfängers gekommen, der sich mit den Brosamen be- gnügte, die von des reichen Herrn Tische fielen. Statt vieler Worte bedarf es nur eines Hinweises auf den Skulpturenschmuck unserer frühgotischen Dome. Das ist wahrlich nicht erbettelt, es ist erarbeitet und er- kämpft! Deutsche Gefühlstiefe uod klas- sisch-französische Form haben sich hier aufs innigste durchdrungen, nicht nach dem Verhältnis von Nehmen und Geben, sondern nach dem der vollen Gleichberechtigung beider Kontrahenten. Und Ähnliches gilt auch für die zahlreichen späteren Stolfverbinduogen. Das Rokoko der deutschen Klöster und Residenzen ist etwas ganz anderes als der- selbe Stil in seinem französischen Ursprungs- land. Es ist bewegter, glühender, inner- lich reicher, mit einem Wort: romantischer als bei unsern selbst in der Ausschweifung noch maßhaltenden westlichen Nachbarn. Und eben- so wird kein Einsichtiger sich die Blöße geben

wollen, die deutschen Maler des 19. Jahrhun- derts, einen Leibl oder Thoma etwa, ihrer Pariser Schulung wegen mit ihren französi- schen Zeitgenossen zu verwechseln.

Worin aber besteht nun dieses Klassische, das in der Tat für die französische Kunst cha- rakteristisch zu sein scheint? Mit Recht gilt Frankreich noch heute als der eigentliche Hüter, als Verwalter und Mehrer des von der Spätan- tike den Mittelmeer-Nationen vererbten Kunst- geistes, der die Beziehungen zwischen dem Ich und der Welt nach verstandesmäßig ge- wonnenen, feststehenden Gesetzen regelt und auch mit Strenge ihre Befolgung überwacht.

Die mittelalterliche Philosophie der Schola- stik, die schcirfsinnig ein Glied aus dem andern entwickelte Systematik der gotischen Baukunst, der Akademismus eines Poussin und Ingres und neuerdings der Kubismus der Leger und Braque: sie konnten in ihrer stark intellek- tuellen Bedingtheit in keinem andern Lande ent- stehen als in Frankreich, (schluss auf seite 231.)

RICHARD GESSNER-DÜSSELDORF. GEMÄLDE -VORSTADT.

RICHARD GESSNER. GEMÄLDE .BOCHUMER VEREINc

BESITZER: FABRIKANT SIUPELKAMP— CREFELD.

MICHAEL FÄCHER. ALTARBILD >BESCHNEIDUNG CHRISTI«

VOH A^TAR W ST.WOI.POANQ IN ÖSTBRRBICH. PHOTO: DR. F. STOBDTNSR-BBRUN.

MICHAEL FÄCHER. »KIRCHEN- VÄTER- ALTAR t

DER ALTAR DES MICHAEL FÄCHER.

VON REINHOLl) EWALD.

Man fährt von Salzburg, der mozartisch Reinen, der Stadt des musikalischen Ba- rock, mit der niedhchen Lokalbahn durch ein liebliches Gefilde gegen die drohende, scharfe hohe Wand der Tiroler Alpen, durch deren erste schmale Schluchten unter überhängenden Bergwänden an türkisblauen und meergrünen Seeausschnitten sich schlängelnd, zum Wolf- gangsee. An des Sees schönster Stelle entsteigt die Kirche des Heiligen Wolfgang den Wassern. Jäh, wie der Aufstieg der steilen Bergnasen, ragt heute noch, fast unberührt, wie vor 450 Jahren, von Kindern dieser Natur geschnitzt und gemalt, der 1 1 Meter hohe Altar des Michael Pacher-Kreises in den Chor des Kirchleins.

Wenn ich es für notwendig halte, über das große Werk des Wolfganger Altars einiges zu schreiben, so geschieht dies aus mehr als einem Gesichtspunkt. Am wichtigsten scheint mir etwa folgendes; Fächer ist nicht so sehr als individuelle Persönlichkeit, etwa wie Dürer oder

der jüngere Holbein, begrifilich klarzulegen, zu fassen, sondern er wirkt über das Persönlich- Individuelle hinaus als letzte Sammlung nordi- scher Feudalgotik, als letzter Sammelstrom gotischer Energien. Kr war der Vorstand, der geistige Kopf einer Werkstatt, einer Bauhütte für Plastik und Malerei, und seine suggestive Kraft hat alle Gehilfen in diesen Feudalstrom übergeleitet und in ihm geeint.

Und dies vollzieht sich unter unmittelbau-em Einfluß der italienischen Epoche des Mantegna ; jedoch, was das Wichtige wird, ohne jede geistige Übernahme. Übernommene Formmittel, etwa des Raums, der Statik, der Bewegung, der Per- spektive, werden von seiner Gotik überwältigt, in nordischer Form vergeistigt und von diesen Tirolern als flammendes Symbol derEwigkeit ge- schenkt. Dürer dagegen hat sich etwa 50 Jahre später dem Einfluß der Italiener unterworfen.

Mit dem Falle Pacher wird eine große Frage aufgerollt, die mir noch ungelöst erscheint;

209

XXVL Juli 1923. 5

Der Altar des Michael Packer.

210

die Frage; gibt es eine Ästhetik des Nordens, und gesetzt ja: wo tritt sie klar zu Tage?

Es gibt auch heute noch, wie damals einen Kampf der Auswirkung des Objekts in der Natur gegen die Tatsächlichkeit des Objekts. Diese Auswirkung, die das nordische Blut ver- langt, fordert den Begriff der zeitlichen Wir- kung. Dem gegenüber steht die TatsächÜchkeit des Objekts der Romanen, mit der Berufung auf pathetischen Zustand. Ein sachliches Bei- spiel wäre folgendes: der Italiener (Romane, von Raffael bis Picasso) malt die Mutter, die Madonna ; Donatello baut den Fürsten zu Pferd, das Reiterstandbild; der gallisch-germani- sche Geist dagegen gibt das Mütterliche der Mütter, das Reiten statt des Reiters, das Fürstliche wie im Bamberger König statt des Fürsten, die Wirkung, den Streit, die Gescheh- nisse zwischen den Aposteln des Chors daselbst anstatt der Apostel selber. Des Weiteren: ein Mantegna, ein Tintoretto malt den Vorgang der Himmelfahrt Christi, die Tatsächlichkeit der Illusion; ein Meister von Wittingau, ein älterer Holbein (im Stadel zu Frankfurt a. M.) malt die dauernde Auswirkung dieses Geschehnisses, nicht seine TatsächÜchkeit, seine Illusion.

Die theoretischen MögUchkeilen der Ro- manen bei Zustand, Tatsache, sind etwa: bei der „Schule von Athen" von Raffael das Pa- thos des wohlig gemessenen Raums, bei Leo- nardo's„Madonnain der Felsgrotte" (im Louvre) die formal gefüllte, pathetische Pyramide, bei dessen „Himmelfahrt" (in Berlin) der Diagonal- raum, bei Signorelü's „Panbild" (in BerÜn) der meßbare pathetische Raum mit Vollform und Hohlform, bei Tizian's „Himmelfahrt" (in der Akademie in Venedig) die pathetische Tatsäch- lichkeit einer Illusion. All dies scheint irdisch gebunden, materiell bedingt, auf den Mensch- gott der Antike hinweisend.

Die nordische Theorie: „Gott in der Ma- terie ist Geist, und die Künstler, die diese Ma- terie anbeten, müssen sie im Geist anbeten" zielt auf den Gottmenschen. Die Theorie der Romanen ist hier nicht anwendbar, ein Hildebrand, ein Feuerbach und Marees haben diesem Geist um keinen Deut genutzt. Statt eines pathetischen Raums der Italiener: die Verflechtung zweier verschiedener Raum- systeme, die relativ zueinander entstehen oder vergehen, wie bei der „Himmelfahrt" des Hol- bein im Stadel. Dies Entstehen und Vergehen löst zeitliche Wirkung aus, dauert. Statt des farbigen Kosmos der Madonna Raffaels, bei der Lazaruserweckung des Michael Fächer drei in sich geschlossene Farbsysteme von gegensätzlichem Ausdruck, die wechsel-

seitig den Bildraum zu erfüllen scheinen, relativ zueinander entstehen und vergehen. Maß- gebende Regeln, sachliche Festlegungen, die wie beim ItaHener immer wiederkehren, gibt es beim nordischen Künstler nicht. Ausgangspunkt dieser jedoch immer vorhandenen Färb- und Raumsysteme (selbst bei Einzelfiguren wie Cra- nachs Venusbildem oder dem Christophorus des Fächer) ist jedesmal neu die Zwiesprache des Künstlers mit der anregenden Natur. Fleisch und Geist, stärkster Naturalismus und zu- gleich kühnste Abstraktion.

Dies erfüllt in hohem Maße der Wolfganger Altar. Er besteht aus dem geschnitzten Mittel- schrein mit der Krönung Maria und den Heiligen Wolfgang und Benedikt, dem Aufsatz des Mittel- schreins mit der Kreuzigung Christi und den Außenfiguren der Heiligen Georg und Florian, je zwei Innen- und Außenflügeln, die beider- seitig bemalt sind.

Die Hauptfiguren des Mittelschreins sind tief bewegt und raumplastisch empfunden. In einem reinen Wirbelsturm von kreiselnden, rauschen- den, brechenden Gewändern, kleinen tosenden Engeln, die sich taumelnd drehen, fliegen und mit dem FiUgran der Sockel, Gestänge, der Kronen, Haarflechten und Symbolen den Tie- fenraum in ganz verschiedenen Tempi in Be- wegung setzen, vom Sturm bis zum leisesten Erzittern, stehen übermächtig mit kolossalem Pathos die Großfiguren. Der Schrein ist ganz vergoldet, Hände, Köpfe und Teile der Gewan- dung sind farbig naturalistisch bemalt: Gold gegen blasse Gesichtstöne und Violett. Details, insbesondere der Köpfe, sind bis ins Äußerste abgestreichelt und formal und farbig durchge- fühlt. Ob Fächer diese Hauptfiguren selber ge- schnitzt hat, ist noch nicht festzustellen; zu- mindest sind sie von ihia fertiggestellt und wohl ganz von ihm angegeben worden. Der Orna- mentschnitzer scheint ein anderer gewesen zu sein. Auch die vorderen isoUerten Engel und manche der Kleinfiguren scheinen von einem anderen Meister oder Gehilfen gefertigt.

Sind beide Flügelpaare geöffnet, so erblickt man vier Tafeln von unstreitig Pacher's eigener Hand. Die „Beschneidimg Christi" ist von un- sagbarer Kostbarkeit. Der sichtbare Bildraum ist nicht wie bei Mantegna nach einem Ge- sichtspunkt orientiert, sondern von zwei g£inz entgegengesetztenRaumkosmen,Raumsystemcn beherrscht. Dies zeigt sich etwa folgender- maßen: der feierliche Priester in Brokat und hohem Ornat nimmt tiefernst die Handlung vor. Er bestimmt von der Mitte des Bildraumes aus den Kosmos des Ernstes, der Statik und der Festigkeit. Hierzu gesellen sich der vordere

MICHAEL FÄCHER. -KNIENDE MARIA«

VOM ALTAR IN ST. WOLFGANG IN ÖSTERREICH PHOTO; UR. F. STOEDTNER— BERLIN.

MICHAEL FÄCHER. AUFERWECKUNG DES LAZARUS

VOM ALTAR IN ST. WOLFGANG IN ÖSTERREICH.

MICHAEL FÄCHER. .HEILUNG DER BESESSENEN.

VOM ALTAR IN ST. WOLFOANG IN ÖSTERKEICH.

MICHAEL FÄCHER. .DER HL. WOLFGANGc

AM MITTELSCHREIN DES ALTARS IN ST. WOLFQAKG IN ÖSTERREICH.

MICHAEL FÄCHER. >DER HL. BENEDIKT«

AM UITTKLSCHREIN DES ALTARS IN ST. WOLFGANG IN ÖSTERREICH.

MICHAEL FÄCHER. »KRÖNUNG MARIAS<

SCHNITZWERK: MITTELSCHREIN DES ALTARS IN ST. WOLFGANS IN ÖSTERREICH.

MICHAEL FÄCHER. »DER HL. GEORG. TEILAUFNAHME.

VOM ALTAR iN ST. WOLFQANO IN ÖSTERREICH.

Der Altar drs Michael Packer.

218

MICHAEL

PACHER.

»ENGEL«

ALTAR ST

WOLFGANG

untere Körperblock der Helferin links und der kubisch bestimmende Block des rechts stehen- den Josefs. Der Raum dehnt sich statisch gleich- mäßig wie bei den Italienern, von der Bank aus in den dahinterliegenden wie in den nach vorne sich ergehenden Bildraume aus. Anders der zweite Raumkosmos, der seine Anregung von dem Erlebnis der Zartheit des Kindes, der un- erhört feierlichen Stille des Moments, der Zart- heit und leichten Nervosität der Maria und der feinen Nervenanspannung der Zuschauer er- hält. Es entsteht folgendes: Von der Schere und dem ungemein edlen Spiel der Hände des Priesters aus entwickelt sich der vordere

kreiselnde Raumkeim. Er greift um sich, zuckt über das aufgeblätterte Buch, in die beiden Daumen der nicht sichtbaren Hände der Maria, leitet nach rechts in die Hände und Arme des Josef und dreht schließlich bewegt die Ober- körper der Zuschauer, die Köpfe zirt ruckartig kreiselnd in die Richtung der Handlung. Hmter der Bank macht der obere Gesamtraum, von der Gewölbespinne ausgehend, dieselbe drehende Bewegung mit, öffnet hinter den Pfeilern neue kreiselnde Räume. Dies der zweite Kosmos des Raums. Beide Kosmen liegen in demselben Bildraum und verschwistern sich. Der eine ent- steht, der andere vergeht und umgekehrt. Die

Der Altar des Micliael Packer.

MICHAEL FÄCHER. «ENGEL« ALTAR ST. WOLFGANÜ.

zeitliche Auswirkung ist in wunderbarer Weise entstanden. Feierlich, mit Gold, grau- schwarz, grauviolett, weiß und grün ist dieFarbe. Sind die inneren Tafeln des Altars geschlos- sen, so erblickt man acht Tafeln mit Darstel- lungen aus dem Leben Jesu; die „Taufe", die „Versuchung durch den Teufel", das „Wein- wunder", die „Speisung der Fünftausend", die „Auferstehung des Lazarus", die „Ehebreche- rin", die „Austreibung aus dem Tempel" und den „Versuch der Steinigung". Als das Aus- drucksvollste erscheint mir hiervon die „Auf- erstehung des Lazarus". Das Bild ist wie bei den Italienern auf starke Perspektive und Tie-

fenwirkung gestellt. Aber wie bei der Beschnei- dung unterliegt auch hier der sichtbare Bild- raum nicht einem ordnenden Gesetz, sondern er zerfällt dank der unerhörten Wirkung des Geschehnisses einer Auferstehung in zwei total gelrennte Raumkosmen. Es entsteht etwas wie bei einem Spießrutenlaufen. Das tiefliegende Grab mit den vier Säulen, dem Baldachin, dem nach vorne freien und nach hinten durch den Torbogen hinausstoßenden Raumstück ist Träger des einen Raumkosmo.'^, der sich blitz- artig, analog der formalen Gebärde des La- zarus, von der vorderen Bildwand in die Tiefe erstreckt. Der zweite Raumkosmos erstreckt

219

«XVI. Juli 1923, b"

Der Altar des Michael Packer.

220

1' ** '-V

mCHAEL PACBER.

sich rechts uad links vom Grab. Hier sind etwa 20 Personen, statt wie in italienischen Bildern drei oder vier, wie Pfähle aneinander- gerammt. Alle setzen den Raum von den äußeren Bildwänden nach der Mitte gegen das Grab in Bewegung. Dieses seitliche Drücken des rechts und links befindlichen Raumsystems in konstan- ter Ruhe bewirkt relativ ein fluchtartiges Tempo des ersten Lazarusgeschehnisses in die Tiefe des Raums. Als psychologischer Ausgangs- punkt des ersten Kosmos erscheint mir das un- erwartete zuckende Leben des Lazarus. Als

>- ENGEL < ST. WOLFGANG.

Anregung des zweiten Kosmos die erhabene Ruhe Christi mit seinen ihn stützenden Jüngern, die Neugier, mißwillige Pflichtgebundenheit, der üble Geruch der Leiche. In diesem Bilde unter- liegt der Raum um Lazarus einer entsetzlichen grünen Leichenfarbe, dagegen erscheint Christus in wunderbarem Braunviolett mit Rot umhüllt und vergoldeten Scheinen. Dieser Farbekomplex greift schon in das Dach des Grabes über. Die Gruppe der Zuschauer rechts ist dumpf, stickig violett. Vorne im Bild eine in der Farbe erbar- mungslos kcdte Frau, die Schwester des Lazeu-us.

Der Altar des Michael Packer.

MIC£L/^EL PACHEK.

Bei geschlossenem Altar erblickt man vier Darstellungen aus der Legende des Heiligen Wolfgang, die „Predigt mit dem Teufel", die „Grundsteinlegung der Wolfganger Kirche", die „Almosenverteilung" und die „Heilung der Besessenen". Sie sind alle von hoher Schön- heit. Raummangel verbietet mir, auf alle ein- zugehen, auch ist der Zweck dieser Zeilen, nicht zu umfassen, sondern nur zu beleuchten. Daß eine derartige Betrachtungsweise Berech- tigung erhält, möge sich beim Lesen eines banal- historischen breiten Werkes über diesen Meister

»ENGELS. ST. WOLFGANG.

erweisen , das unter einem Wust von begrifflicher Wissenschaft und trockener Stofflichkeit künst- lerisch belanglos bleibt. Fächer hat außer diesem Hauptwerk in St. Wolfgang den Kirchenväter- altar (jetzt in der Münchner Pinakothek) ge- malt, wovon hier einige Details der Heiligen beigefügt sind.

Tief erregt und beglückt verläßt man die wunderschöne Stätte am Wolfgangsee, wo die Häuslein weiß oder farbig gekalkt, das Wasser tief grün, die Berge schwarz oder im Abendrot golden und wie Purpur scheinen r. e.

221

MICHAEL FÄCHER. »VOM KIRCHENVÄTER-ALTAR« pinakotbek- München.

DAS KUNSTWERK ALS ORGANISMUS.

VON WILHELM MICHEL.

Ohne daß wir es wissen, beruhen unsre heu- tigen Kunstanschauungen noch wesentlich auf der romantischen Ästhetik. Was die Brü- der Schlegel und Wackenroder, was Fichte und vor allem Schelling über die Kunst gedacht und gesagt haben, ruht uns heute noch im Blut. Ja, man kann sagen, daß die romantische Kunst- anschauung heute lebendiger ist als in den Jahr- zehnten vorher. Der romantische Gedaoke, daß das echte Kunstwerk ein weihrer Organismus sei, ist allen heutigen Menschen angeboren. Und Schellings Darstellung vom Verhältnis der bil- denden Künste zur Natur ist mehr als je gegen- wärtige Wahrheit. Nach Schelling zeigt das Kunstwerk die volle Harmonie, das Gleichge- wicht der bewußtlosen und bewußten Tätigkeif, das sonst in der Erfahrung unmöglich, nur in der Unendlichkeit denkbar ist. Im Kunstwerk allein decken sich sinnliche und geistige Welt; denn das Genie ist die Intelligenz, die als Natur wirkt. Schon sehr frühe wurde der alte Begriff der „Naturnachahmung" in der Kunst von der romantischen Ästhetik dabin verstanden, daß der Künstlerdie Natur nicht in ihrem sinnfälligen Buchstaben, sondern in ihrem schöpferischen Verfahren nachahmen solle; daß er die „Natur" nicht erreicht, indem er ihre Erscheinung nach- bildet, sondern indem er wie sie Organismen, lebendige Gestalten erschafft. In Friedrich Schlegels Bemerkungen zur Kunst kehrt immer der Gedanke wieder, der echte Künstler müsse ein „organischer Geist" sein und festen, schöp- ferischen „Mittelpunkt" in sich haben. Eng ver- schwistert sich damit der Gipfelgedanke, daß auch die Welt im Ganzen als ein großes, als das höchste Kunstwerk aufzufassen sei: In seinem Gespräch über die Poesie stellt er die Welt als ein Gedicht der Gottheit dar, dessen Teil und Blüte auch wir sind; und alle heiligen Spiele der Kunst sind nur „ferne Nachbildungen von dem unendlichen Spiele der Welt, dem ewig sich selbst bildenden Kunstwerk." Diese Beziehung des irdischen Künstlers zum Gottkünstler die sich schon in dem Worte des antiken Philo- sophen ankündigt, daß ein „pyr technikon" in der Schöpfung brenne prägt er ein andermal in den Sätzen : „Unermeßlich und unerschöpflich ist die Welt der Poesie, wie der Reichtum der belebenden Natur an Gewächsen, Tieren und Bildungen jeglicher Art, Gestalt und Farbe. Selbst die künstlichen Werke oder natürlichen Erzeugnisse, welche die Form und den Namen

von Gedichten tragen, wird nicht leicht auch der Umfassendste alle begreifen. Und was sind sie gegen die innere, bewußtlose Poesie, die sich in der Pflanze regt, im Lichte strahlt, im Kinde lächelt, in der Blüte der Jugend schimmert, in der liebenden Brust der Frauen glüht? . . . Ja, wir alle, die wir Menschen sind, haben immer und ewig keinen anderen Gegenstand aller Tätig- keit und aller Freude als das eine Gedicht der Gottheit, die irdische Schöpfung dieser schönen Sternenwelt. Die Musik dieses Spielwerkes zu vernehmen, die Schönheit dieses göttlichen Ge- dichtes zu verstehen, sind wir fähig, weil auch ein Funken des ewigen Dichters und seines schaf- fenden Geistes in uns lebt und tief unter der Asche der selbstgemachten Unvernunft mit heimlicher Gewalt zu glühen niemals aulhört I"

Am klarsten aber hat wohl August Wilhelm Schlegel den größten Ehrgeiz der Kunst, die „Natur nachzuahmen", erläutert und ihn gegen das barbarische Mißverständnis, das die Kunst- fremden stets diesem Begriff angetan haben, ab- gegrenzt. Ersagtin seinen Berliner Vorlesungen : „Die gesamte Natur ist organisiert, aber das sehen wir nicht ; sie ist eine Intelligenz wie wir, das ahnen wir nur und gelangen erst durch Spe- kulation zur klaren Einsicht. Wird nun Natur indieserwürdigsten Bedeutung genommen, nicht als eine Masse von Produkten, sondern als das Produzierende selbst, und der Ausdruck Nach- Eihmung ebenfalls in dem edleren Sinne, wo es nicht heißt, die Äußerlichkeiten eines Menschen nachäffen, sondern sich die Maximen seinesHan- delns zu eigen machen, so ist nichts mehr gegen den Grundsatz einzuwenden noch ihm hinzuzu- fügen : Die Kunst soll die Natur nachahmen. Das heißt nämlich, sie soll, wie die Natur selb- ständig schaffend, organisiert und organisierend, lebendige Werke bilden, die nicht erst durch fremden Mechanismus, sondern durch inne- wohnende Kraft, wie das Sonnensystem, be- weglich sind und vollendet in sich selbst zu- rückkehren. Auf diese Weise hat Prometheus die Natur nachgeahmt, als er den Menschen aus irdischem Ton formte und ihn mit einem von der Sonne entwandten Funken belebte."

So hat die Romantik mit dem äußersten Nach- druck auf das organische, naturhafte Wesen des Kunstwerks verwiesen und damit den Grund zur Ästhetik eines ganzen Jahrhunderts gelegt. Wahr ist allerdings, daß mehrere Geschlechter dieses Jahrhunderts mit der Romantik selbst

223

Das Ktitislwerk als Orgaiiismus.

auch die romantische Kunstanschauung beiseite jjeschoben und durch ein teilweise viel minderes Kunstdenken ersetzt haben. Aber in neuerer Zeit ist die romantische Kunsttheorie wieder bloßge- legt worden und hat, wenn nicht unserm Kunst- schaffen, so doch unserm Kunstdenkeneinenhalt- baren Boden gegeben. Darnachsteht das Kunst- werk als ein echtes,, Geschöpf "neben den andern Geschöpfen, wie diese begabt mit dem einen Funken göttlichen Lebens, der nur dann auf- springt, wenn das Bewußtsein in die „fruchtbare Dunkelheit" untergesunken und zum hilfreichen Diener statt zum Herrscher geworden ist.

Der Fehler, den die romantische Praxis von dieser Anschauung aus begangen hat, liegt darin, daß sie anstelle des Bewußtseins schließlich ein zügelloses Walten der Gefühle, Wallungen und ReizempfinduDgen gesetzt hat, ohne zu bemer- ken, daß dadurch das Kunstwerk doch endlich wieder desorganisiert wird. Schaffen ist aber weder Rausch noch Rechnen, sondern es kommt aus einer neugeorduelen, aber eben doch höchst geordneten Seelenlage, die dem Be- wußtsein nichts Schlimmeres antut, als daß sie seine störenden Einwirkungen auf die göttliche Zeuguogskraft des Geistes ausschaltet. w. m.

MICHAEL FÄCHER. lENiiEL« VOM ALTAR IN ST. WOLFGANG.

ARCHltEKT PROFESSOR BRUNO PAUL-ßERLlN.

»TERRASSENSEITE DES HADSES IN BLANKKNESK«

PROFESSOR BRUNO PAUL.

»LANDHAUS IN BLANKENESE«

EIN LANDHAUS IN BLANKENESE.

ERBAUT VON PROF. BRUNO PAUL— BERLIN.

Das Landhaus liegt auf dem hart an die Elbe sich vorschiebenden, hohen, kieferbestan- denen Geest-Rücken, westlich des Süllbergs. Tief unten am Ufer des Stromes drängen sich winzige Häuschen, Hütten und Gärten, und zahl- lose Schiffe gleiten in endloser Kette auf seiner silbernen Flut. Durch die Kiefernwipfel schim- mert in der Ferne jenseits des Stromes im blauen Nebel das Alte Land. Der Erbauer des Hauses, Professor Bruno Paul, hat mit kundiger Hand die eigenartigen Vorzüge der Lage zur Geltung gebracht und durch die Stellung des Hauses auf dem verhältnismäßig engen Dreieck der Hochfläche an der Eibseite einen in Stufen sich abtreppenden Gcirten ermöglicht, einen weiten Blick geschaffen und Haus und Garten durch eine Terrassenanlage aufs engste ver- bunden. Dem, der das Glück hat, an einem schönen Tage die hier auf schwierigstem Ge-

lände geschaffene Anlage zu betreten, wird so ganz und gar der Zauber der weiten Fernsicht aufgeschlossen. Das Haus selbst ist bewußt in schlichten Formen in Sandstein errichtet. Wenn der Wunsch der Beteiligten sich hätte verwirk- lichen lassen, wäre unter günstigeren Verhält- nissen wohl an dieser Stelle ein Ziegelrohbau in ähnlicher Schlichtheit entstanden, der dem heimatlichen Charakter vielleicht mehr ent- sprochen hätte. Der gewaltigen Sprache der umgebenden Natur gegenüber wirkt die Schlicht- heit der Architektur in hohem Grade wohltuend. Gleiche Schlichtheit und Zurückhaltung in der Formensprache zeigen bei aller Großartigkeit der Gesamtanlage die gewiß vorbildlichen, herr- lichen, nahe gelegenen Landsitze em der Elbe, welche frühere Zeiten geschaffen haben. Das Landhaus Fraenckel zeigt eindrucksvoll, was die Schöpfer jener Bauten mit vieler Selbstbeschei-

227

XXVI. Juli 1923 7

Ein Landhaus in Blankenese.

228

PROFESSOR BRUNO PADL- BERLIN.

duDg sorgfältig beachtet haben, daß in freier Landschaft mit großen Formen die Steigerung des Eindrucks der großen Baumkronen, Rasen- flächen, Hänge und Schluchten durch die Ar- chitektur ein vornehmes Ziel baukünstlerischen Gestaltens ist. Wenn, was für Hamburg be- dauerlich wäre, die fortschreitende Bebauung des unvergleichlich schönen Eibparks zur Tat wird, müßte die Schönheit dieser alten Land- sitze zu neuen Ehren gelangen, und könnte in diesem Sinne auch das Landhaus Fraenckel reiche Anregungen bieten.

Im Gegensatz zur Zurückhaltung, die sich der Architekt bei Gestaltung des Äußern aus guten Gründen auferlegt hat, hat er im Innern frei geschaltet. Den in das Haus Eintretenden emp- fängt eine andere Welt, im Gegensatz zur Groß- artigkeit der umgebenden Natur die stille Welt einer kunstsinnigen Häuslichkeit, die Welt er- lesendsten Geschmacks. Je drei Räume, im Erdgeschoß Herrenzimmer, Musikzimmer und Eßzimmer, im Obergeschoß Schlaf- und Wohn- zimmer, entwickeln sich an der Eibseite des Hauses. Die Verbindung nach den der Straßen-

» LANDHAUS IN BLANKENESE«

Seite zu gelegenen Wirtschafts- und Eingangs- räumen stellt die Diele mit der wuchtigen Treppe dar. In allen Räumen äußert sich bis in die kleinste Einzelheit mit feinem Takt die bewußte Kraft eines Meisters. Für die Raum- verteilung, wie für die Einzelgestaltung ist eine stille Würde in diesem Hause bezeichnend. Nur selten, wie bei der massigen Treppenbrüstung der Diele, klingen lautere Töne an. Die Farben geben allen Räumen in glücklichem Wechsel den Ausdruck einer heiteren Festlichkeit. Es soll nicht versucht werden auszudrücken, was aus dem Werke des Künstlers spricht. Die liebevolle Sorgfalt, strenge Selbstzucht und Un- bestechlichkeit in allem scheint mir auch bei dieser Arbeit ein besonders schönes Merkmal des Künstlers zu sein. Abbildungen können nur eine dürftige Vorstellung geben. Die Beschrei- bung würde kaum zu einer besseren Anschauung verhelfen. Zum Wesen echter Kunst gehört es, daß sie sich nicht durch Abbildungen und Be- schreibungen ersetzen läßt, ihre Würdigung vielmehr eines eingehenden und liebevollen Studiums des Werkes selbst bedarf. Was Bruno

Em LandJiaus in Blankenese.

PROFESSOR BRUNO PAUL.

Paul hier schuf, ist eine Welt künstlerischer Liebe, in die eindringen zu dürfen dem Fühlen- den Glück bedeutet. Dieses Glück möchten wir recht Vielen wünschen. Was zum vollen Ge- lingen eines solchen Werkes unerläßlich ist, hat Professor Bruno Paul während der Entstehungs- zeit des Hauses offensichtlich in besonderem Maße zur Seite gestanden. Das dauernde ver- trauensvolle innere Einverständnis des Bau- herrn und die liebevolle, sichere Leitung der Bauausführung durch einen ortsansässigen Archi- tekten, Herrn Architekten B. D. A. Carl Feindt. Dr. Richard Linde rühmt in seinem Werk über die Niederelbe mit Recht, daß die steile Hügelschwelle rechts der Elbe von Natur sicher ein unveräußerlicher Besitz landschaft- licher Schönheit längst sich in eine einzige graue Häusersteinwüste würde verwandelt ha- ben, wenn nicht die reichen Kaufherrn ihre wundervollen Parkbesitzungen mit den Schlös- sern darinnen in fester Hand hielten, die sie in nie genug anzuerkennender Freundhchkeit einer oft fragwürdigen Menge öffnen. Der Weitblick dieser hanseatischen Kaufherren, welche auch

»LANDHAUS IN BLANKENESE«

heute wieder wie hier die fähigsten Künstler heranzuziehen wissen, läßt erhoffen, daß sie auch der schwierigeren und bedeutungsvolleren, der Zukunft vorbehaltenen Aufgabe unserer Zeit starken Besitzwechsels und der Entwicklung Groß-Hamburgs der dringend notwendigen Gestaltung eines Generalbebauungsplanes für die Hamburg vorgelagerten Landgemeinden am rechten Eibufer - in einer allen privaten und öffentlichen Erfordernissen Rechnung tragen- den Großzügigkeit zur Lösung verhelfen wer- den, zu ihrem und dem Ruhme ihrer Vaterstadt. Möchte das von Natur so schöne, aber durch unkünstlerische und planlose Bauten entstellte Blankenese in Zukunft recht viele, innen und außen so charaktervolle Bauten wie das Haus Fraenckel entstehen sehen. hans rolffsen.

Ä

In dieser Zeit, in der alles von der seelischen Kraft, vom Zukunftsglauben, von der Stärke der Sehnsucht und des Glücksverlangens in unserem Volke abhängt, ist es notwendig, allein das menschliche Herz an die Spitze der Idee zu stellen h. de fries.

229

PROFESSOR BRUNO PAUL.

^GARDEROBE IM LANDHAUSEc

•N

EUE FORMEN«? Warum nicht Beharren bei den erprobten, von Generationen durchgearbeiteten Formungen der Väter? Tö- richtes Gerede ... als entständen die neuen Formen aus dem Streben nach „Schönheit", oder nach „Zweckmäßigkeit", oder nach „Har- monie" ! Als wäre nicht Triebfeder all unseres Mühens und Bildens der reale, dunkle Form- wille der Zeit, der sich ausleben und dar- stellen muß um jeden Preis ... Gewiß werden die Richtungspunkte der objektiven

Schönheit und all der anderen guten Dinge beim Werden neuer Formen bewußterweise immer in den Vordergrund gestellt. Aber worum es sich wirklich und endgültig handelt, ist allein das Ausdrucksstreben der Zeiten, ihre Sehn- sucht nach Selbstausprägung in allen Stoffen, die sie erraffen und sich zu diesem Zweck dienst- bar machen können. Wer dies nicht tief gefaßt hat, dem ist unser ganzes neues Mtihen im Rin- gen des kunstgewerblichen Formens verschlos- sen und unzugänglich dr. e. zschimmer

230

PROFESSOR BRUNO PAUL.

»BLICK IN DIE HALLEc

DEUTSCHE KUNST UND FRANZÖSISCHE KUNST.

(SCHLÜSS VON SEITE 204.)

Das konservative Festhalten an der Regel, die erlernbar und schulmäßig übertragbar ist, hat die französische Kunst nur selten zu Extravaganzen, an denen die deutsche so über- reich ist, verleitet, sie freilich auch ebenso sel- ten zu individuellen Höchstleistungen befähigt, die das erstaunlich gute Niveau ihrer künstleri- schen Allgemeinkultur gipfelhaft überragen. Das Beglückende ihres Daseins beruht auf der ganz eigenen und natürlichen Art, wie sich der aus Geist und Blut harmonisch gemischte Rassen- charakter der klassischen Norm, die an und für sich eine abstrakte Größe ist, anzugleichen weiß : als das reizbar-bewegliche Element, dem es bisher noch immer gelungen ist, die mit jeder akademischen Doktrin gegebene Erstarruogs- gefahr abzuwenden und dem erkaltenden Or- ganismus frische und überraschend produktive Säfte zuzuführen. Nur wird der klassizistische Grundzug des französischen Wissens, der in Linienbestimmtheit und Formenklarheit

seinen Ausdruck findet, dadurch nur wenig, höchstens vorübergehend, verschoben. Er bricht immer wieder durch, zuletzt mit der aus dem Gegenspiel des Impressionismus entstande- nen, von Cezanne getragenen neuakademi- schen Bewegung, die heute mit den Land- schaften eines Andre Derain ganz unver- kennbar den Anschluß an die große architek- tonische Linie des Claude Lorrain sucht.

Wir sehen: es ist nicht die magisch an- ziehende Kraft des Gleichartigen, die hier die geistige Brücke geschlagen hat. (Man muß sich heute schon der Vergangenheitsform be- dienen!) Das Verbindende ergab sich vielmehr aus der scharf umrissenen Eigentümlichkeit jeder der beiden Rassen, einer Eigentümlichkeit, die Ergänzung und Ausgleich gerade durch den Gegensatz gebieterisch zu fordern scheint. Das Schicksal will es, daß heute die Türen auf beiden Seiten verschlossen sind. Ob sie sich je wieder öffnen werden? e. v. niebelschOtz.

231

PROFESSOR BRUNO PAUL. .TREPPE IN DER HALLE«

rr . "

Pill

P"^"^

^r's

im

/ - ■■■■ •(• , '■

_

, T^Tt V--- ^ :kM

" "^w

0

^^r

■1^-

■■■■m/KtK^m' .^i^2!>--.NR.

PROFESSOR BRUNO PAUL.

»TEIL DES TREPPENGELÄNDERS«

DIE NATÜRLICHE EINHEIT.

Eingekapselt durch die sechs Wände, zu ge- meinsamem Leben verurteilt oder be- gnadigt, sind die Dinge im Raum in unab- lässiger Auseinandersetzung mit sich, den Nach- barn und den Raum-Komponenten begriffen. Es ist nicht möglich, eine Vase, oder überhaupt irgend einen Gegenstand in ein Zimmer zu brin- gen, ohne daß sofort die gesamte Belegschaft des Raums dazu Stellung nimmt. Ein „neuer Ton" ist zum Akkord hinzugekommen. Das verändert unweigerlich seinen Klang, seinen Chcirakter. Dem hellen Eindringling tritt das Vorhandene mit getragener Würde entgegen, oder auch mit gewitterdunkler Feindschaft. Es dauert seine Zeit, bis die „Eingliederung" ge- lingt, bis etwa der helle Gast als Oberton eines neuen Akkordes assimiliert wird. Aber der Wille zur Einordnung ist immer vorhanden, die Auseinandersetzung , die niemals vollständig zur Ruhe kommt, ist kein sinnlos-zänkischer Streit. Oberstes Ziel bleibt stets, aus dem bunten Vielerlei irgendwie eine Einheit herzu- stellen. Mögen es auch Kontraste sein, die gebunden werden sollen, Zufälligkeiten, zwi- schen denen nachträglich eine entfernte Ver- wandtschaft hergestellt werden soll. Der Ein- richter macht sich die Aufgabe zu leicht, der auf geradestem Wege der Einheit zusteuernd, Fremdartiges, Kontraste bewußt ausscheidet,

auf einer Linie, einem Akkord die gesamte Raum-Musik aufbaut. Eintönigkeit ist die not- wendige Folge. Solch ein Raum erscheint tot, gleichgültig, ob er viel oder wenig Einrichtung enthält. Die Einheit, die durch künstliche Fern- haltung von Dissonanzen, oder, was jetzt be- liebt ist, durch absichtUche „Leere" des Raumes erzielt wird, hat keine Kraft, weil sie nichts zusammenzuhalten hat! Es gehört ein feines Gefühl dazu, den Zug zur Einheit, der heute im Wohnwesen so stark hervortritt, in rechter Weise zu nützen I . . Die aufgeteilte Beleuchtung ist von der schweren Krone wieder aufgesogen. Der große Schrank, das breite Büfett herrschen. Der Architekt sieht oft seine wesentlichste Auf- gabe darin, alles „Überflüssige" aus dem Raum zu entfernen, deimit der „Raum an sich" zur Geltung kommt. Möglich, daß dann in dem „Weniger" ein viel größerer Reichtum an for- malen und räumlichen Beziehungen zutage tritt, als sich in der Überfüllung auswirken konnte. Aber oft ist das Resultat eben nichts als Leere " . Der Könner wird mit leichter Hand alles, was in den Wohnraum gehört, was durch den Nutz-Zweck, durch Material oder durch die Liebe der Bewohner Beziehungen und eine Spur Blutsverwandtschaft erhalten hat, zur natür- lichen Einheit zu verschmelzen suchen, sei's auch die „Einheit der Kontrolle" I jaumann.

233

w s

s

tri

O

z

M

Ix,

O

o

1—1

< S

a a s

1/3

2

W

2 o

g

5

XIVl. Jnli 1923. 8

PROFESSOR BEUNO PAUL.

»ERKER IM ESSZIMMER«

VOM BILDUNGSWERT DER KUNST.

Bekannt ist der anscheinend widersinnige Ausspruch von Oskar Wilde, daß die Kunst die Natur forme, nicht die Natur die Kunst. Was ist Wirklichkeit? Das Bild, das wir von ihr haben. Gibt es ein Bild der Wirklichkeit, das alle Zeiten und Völker gleichermaßen ver- pflichtet? Die Kunstgeschichte antwortet mit Nein. Es ist also etwas Wahres in jenem para- doxen Wort des englischen Ästheten. Es ist das Wahre daran, daß jedes Naturbild der wechselnden Menschengeschlechter von einer andern Wesenhaftigkeit bestimmt ist. Wenn ein Künstler sein Naturbild herausstellt und mir aufzwingt, so schafft er eine bestimmte neue Wirklichkeit, die es außer ihm und ohne ihn „nicht gab". Es ist allen Ernstes wahr, daß die Ruisdael'sche Landschaft vor Ruisdael nicht existierte, daß die Welt vor dem Aufkommen des Impressionismus nicht impressionistisch aus- sah. Das Weltbild einer Zeit, einer Generation, einer Gruppe, eines Künstlers ist zwangbaft so, wie es ist; es ist Schöpfung oder besser

Entdeckung. Kunst ist unablässig daran, Wirk- lichkeit zu entdecken, Natur zu formen.

Wie sehr jedes Weltbild eines starken Künst- lers Weltentdeckung, Weltschöpfung ist, kön- nen wir durch ein einfaches Experiment fest- stellen. Sieht m£in sich nämlich in die Welt- auffassung eines solchen Künstlers nachdrück- lich ein, sättigt man seine ganze innere Sinn- lichkeit mit seiner Form, seiner Fcirbe, seiner Linie, seinen Valeurs, seiner Gemütsart und Lebensstimmung, so macht man unfehlbar die Erfahrung, daß man darnach eine Zeit lang die Welt „mit seinen Augen" sieht. Es gibt kein wunderbareres und genaueres Instrument als die menschliche Seele. Sie nimmt die Stim- mungen, die Akkorde der sie umgebenden Welt so unerhört genau auf, daß sie mit wunderbarer Präzision aus ihr zurücktönen. Ohne daß wir es wissen, ist unsre ganze Weise, zur Umwelt in Beziehung zu treten, von der Gemeinschaft, der wir angehören, wesentlich beeinflußt, mit- bestimmt; insbesondere von ihrer Sprache und

236

Vom Büdimgswert der Kunst.

ihrer Kunst. Wieviele Deutsche sehen heute noch die Wälder und Berge im Geschmack eines Ludwig Richter, eines Moritz v. Schwind I Wieviele erleben die Lust am Wandern und Schauen auf die Weise Eichendorffs oder Mö- rikes ! So reicht unsre Kunst von allen Seiten sehr tief in unsre Natur hinein. Und es wird auch von dieser Seite her wichtig das sollte der gebildete Mensch stets beherzigen wel- che Art von Kunst uns umgibt, wie unser Ver- hältnis zur Kunst beschaffen ist. Wer etwas für die Pflege und Verfeinerung seines Kunst- geschmackes tut, der erweist damit zugleich seiner gesamten geistigen Welt und seinem Naturbild einen wertvollen Dienst. Wer künst- lerische Roheit um sich duldet, sei es in der

Ausstattung seines Heims, sei es auf seinem Bücher- und Zeitschriftentisch, oder im Wand- schmuck, der schädigt sich viel mehr als er ahnt. Wir leben wohl in der Wirklichkeit, aber ihren Hauptakzenten nach ist diese eine selbst- geschaffene Welt. Was die Inder das „Karma" nennen, wirkt sich nicht erst in einem vermute- ten späteren Leben, sondern bestimmt schon in diesem Leben aus. Ein verborgener Weisheits- lehrer sagte zu einer jungen Dame, die ihn über Wesen und Begriff körperlicher Schönheit fragte: „Gute Gedanken denken, hohe Gebilde schauen und durchsinnen, gehört nicht nur zur Vervoll- kommnung des inneren, sondern auch des äußeren Menschen. Es ist ein Mittel zum Schön- werden, ein höchstes Kosmetikum. Lassen

PROFESSOR BRUNO PAUL. .GLÄSERSCHRANK IM ESSZIMMER.

237

Vom Bildungs'iVert der Kunst.

wir dcihingestellt, ob sich der Geist den Körper wählt, in den er eingeht, wie alte Lehren des Ostens behaupten. Sicher ist, daß er den Kör- per gestaltet, Familiengefühle, Hausstim- mungen formen erfahrungsgemäß die Gesichter. Leidenschaften, Geistes- und Seelenregungen prägen unsre Züge. So wirkt das Innere nach außen. Schön sein wollen, ist nun freilich ein niederer und unzulässiger Zweck. Aber daß die Züge des Gesichtes aufglänzen, wenn innen Gutes und Hohes sich ereignet, das ist unauflös- Uch zusammengeordnet." Die Wahrheit, die in diesen Worten liegt, sollte beachtet werden.

Das Schöne, das uns umgibt, formt auch unsre ganze Welt zum Schönen hin, nicht nur die innere, sondern auch den Baum, der vor unserm Fenster steht, die Straße, die wir durch- wandern, den blauen Himmel, der sich über uns wölbt. Alles Schöne, das die Kunst uns spendet, ruft tausendfache Schönheit aus der Natur für uns hervor. Die Kunst ist die uner- müdliche Entdeckerin neuer Reize an der vor- handenen Welt; ja, sie selbst ist Entdeckerin neuer Welten, und alles, was sie entdeckt, kommt auch dem Weltbild ihrer weJiren, aufrich- tigen Freunde zugute harald scholdeber.

PROFESSOR BRUNO PAUL-BERLIN. .OFEN IM EMPIRE-ZIMMER.

PROFESSOR BRUNO PAUL. .WOHNZIMMER«

IM LANDHAUS HAMBUKO-BLANEENESK.

MEIN ARBEITSZIMMER.

Man muß vor allem klar sein, daß man nur sein eigenes und nicht „jedermanns" Arbeitszimmer einrichten kann. . Der Raum, den ich mir denke, ist geräumig, hoch und hell. Er enthält an Möbeln nur, was ich notwendig brauche, um heimisch zu sein, ich will nichts entbehren, ich will kein überflüssiges Stück. Meine Bücherei unterzubringen, brauche ich Gestelle : einfache gradlinige Schränke aus dunk- lem Holz. Außerdem brauche ich zu jedem Schrank ein kleines Tischchen, es muß durch- aus beweglich sein, es dient mir zur Ablage von Büchern, manchmal pflege ich es an den Schreib- tisch zu rücken, dann Uegen Nachschlagwerke darauf, auch benütze ich es als stummmen Die- ner, der mir den leichten Imbiß freundlich ge- deckt anbietet, gelegentlich auch als Rauchtisch, Der Schreibtisch ist breit und massiv, er steht mitten im Zimmer, frontal gegen das Fenster, Ich hebe es, ins Freie, in den Garten zu sehn, wenn ich von der Arbeit aufbUcke. . In Bezug auf Beleuchtung gestehe ich, anspruchsvoll zu sein. Von der Mitte der Decke hängt die große Lampe, ihr Licht blüht, sie badet das Zimmer in Licht. Am Schreibtisch steht die elektrische Stehlampe, Aber ich habe meine Speziahtäten, Es gibt Abende, da brauche ich eine gewisse Feierlichkeit zum Lesen oder Arbeiten, dann liebe ich die schöne Milde von Kerzenschein und den Duft von Wachs, Und dann gibt es Gelegenheiten, daß es mir auf einmal zu still wird. Dafür habe ich eine alte Petroleumlampe aus Alabaster, sie hat eine klare, edle Form, ihr Licht quillt rötlich und beim Brennen summt sie leis und traulich; dies Summen versetzt mich in eine geheime innere Musikahtät, manchmal fällt mir ein, daß die summenden Bienen so fleißig sind. Am Schreibtisch habe ich einen lederbezogenen Sessel stehn, er stammt noch aus Großvaters Zeiten, Er ist das sachUchste und dabei bequemste Sitzmöbel, das ich kenne, Erhatbreite, genau ellenbogenhohe Armlehnen, und eine prächtige tiefe Rückenlehne mit großen , behaglichen Ohren, Sonst habe ich keine Sitz- möbel im Raum, sie stören mich beim Hin- und Hergehen, ich Hebe es sehr, meinen Rundgang im Zimmer zu machen, schon Georg Christoph Lichtenberg hat es bemerkt, daß man manche

Gedanken nur im Gehen denken kann, und auch die modernen Psychologen sind nicht ganz einig über die Parallelität geistiger und körperlicher Bewegungsvorgänge und ihrer gegenseitigen Beeinflussungskraft. Nur zwei kleine einfache Holzhocker sind noch da, sie dienen den kleinen Tischchen als Handlanger und Gehilfen und rauben keinen Platz. Wenn ich ausnahmsweise im Arbeitszimmer Besuch empfange, muß er auf dem Divan Platz nehmen. Der Divan nimmt mir eine ganze Ecke weg, aber ich muß ihn haben, um liegend lesen und cirbeiten zu können. Über dem Divan hängt ein Wandteppich, ein schlich- tes, kaum arabeskes Gerank. Gewebe stimmen fleißig. Der Boden ist mit weichem Wollteppich belegt, er bringt einen warmen goldbraunen Ton ins Zimmer. Die Decke ist weiß und hält das Licht. Die Tapete ist von einem saftigen, ganz beruhigenden Mittelgrün, Neben dem Divan habe ich eine alte einfache Truhe stehen, die mir zur Aufbewahrung dient für Papier. Der Deckel der Truhe dient mir als Hilfs-Tisch. In der andern Zimmerecke habe ich meinen Steh- pult, er ist zugleich Hilfsschrank und bewahrt vieles leicht Greifbare auf. Über dem Pult hängt der einzige Bildschmuck des Zimmers, ein schöner alter Kupferstich, eine Landschaft dar- stellend. Die vielen bunten, musizierenden Bücherrficken mit den tanzenden Goldbuch- staben bringen eine schöne Farben-Fröhlichkeit in das Zimmer. An Schmuck ist noch eine kleine Holzplastik, eine gotische Pieta, da, sie hat auf der Truhe ihren Platz. Auf dem Schreib- pult steht ein Blumenglas. Lebende Wesen im Arbeitszimmer dulde ich außer mir ungern. Ich habe trotzdem ein kleines Aquarium mit zwei winzigen Stichlingen und überalgtem Löffelkraut am Fenstersims stehen. Mindestens einePflanze, finde ich, gehört ins Arbeitszimmer, ihr stilles, geheimes Wachstum ist ein gutes Symbol. Ich habe mir eine Mamillciria, meine Lieblings- kaktee, dazu erwählt. , . .

Kurz: persönliches Gepräge ist das We- sentliche für solch einen Raum, Stimmung und Atmosphäre muß er als erste Eigenschaft haben : denn er ist in meiner Wohnung mein eigenstes, persönlichstes Reich, der Raum meiner Ar- beitssehgkeiten und der Inspiration, h. geron.

Pi

s

1^

t-i

N

25

X

o

^

S

t— <

2

W ,;

O w

-J ^

w g

Ä z

u <

< ä

« 6

M * « D

^ 03

§ z

-1 «

M S

^J^^l

« <•

^-j^^H

. w

J 0

5 5

<! ;S

Ph

o

:z;

t>

o;

m

Pi

o

73

y

M

(K

O

oi

(1.

PROFESSOR BRUNO PAUL. .BETTNISCHE IM TÖCHTER-ZlMMERc

LANDHAUS IN HAMBÜRG-BLANKENESE.

VROFKSSOR KARL HOFER— BERLIN. „TROMMELSCHLÄGER-

HhSir/FK: l. A. HBFI'HM'S HONN .Mll »-,1 NI-HMlI.l'Nt. IHK <;AJ-(-:KII' llKSi HTJHiM

KARL HOKKR. •MÄDCHEN MIT KEKZE«

DIE VERJÜNGTE BERLINER AKADEMIE.

VON DR. MAX OSBORN.

Das Berliner Ausstellungswesen, seit einigen Jahren schon in einem Gährungsprozeß begriffen, zeigt nunmehr ein völlig verändertes Angesicht. Die Sezessionen befinden sich in einer schweren Krisis. Die „Freie Sezession", d. h. die einst von Max Liebermann regierte, ist zur Zeit überhaupt nicht viel mehr als ein Begriff; vor dem Radikalentschluß einer gänz- lichen Auflösung ist man noch zurückgeschreckt, man will das £ilte Banner wenigstens im Schrank aufbewahren, um es bei besserer künftiger Ge- legenheit wieder hervorzuholen, aber man tritt sozusagen nicht mehr „in die Erscheinung". Die „Berliner Sezession", also die um Corinth,

existiert wohl noch, hat aber ihr Ausstellungs- hdus für den größten Teil des Jahres an ein Kabarett verpachtet (natürlich, da das Quartier auf Ctiarlotienburger Boden liegt, an eine „Russische Kleinkunst-Bühne"). Die „Große Berliner Kunstausstellurg" trägt ein immer ko- mischer werdendes Doppelantlitz, da die Se- zessionen sich von ihr zurückgezogen haben und auf der einen Seite die radikal-tumultariscbe Nuvembergruppe, auf der andern Seite ohne versöhnende Vermittlung mit der ungleichen Schwester drüben der „Verein Berliner Künstler" steht, aber nicht mehr, wie früher, durch die Mitwirkung der Akademie gestützt.

247

XXVI. Auguit 1M3. 1

Die verjüngte Berliner Akademie.

248

ROMAN KRAÜSTYK— BERLIN.

Das bedeutet: die Berliner AusstelluniJsver- hältnisse haben sich von Grund aus verschoben. Dafür sind nun zwei neue Faktoren aufge- stiegen, die jetzt der Lage ihr Gepräge geben. Dort die „Juryfreie Kunstschau", von der ak- tiven Energie des Malers Hermann Sandkuhl glänzend geleitet, der aus dieser ganz freien Organisation einen Sammelpunkt der Talente gemacht hat wobei sich nach dem zwang- losen Prinzip der zugrunde liegenden Idee frei- lich auch die große Masse und der holde Kitsch ungehemmt ansiedeln können. Und hier nun : die an Haupt und Gliedern verjüngte Akademie der Künste. Der neue Zustand wurde noch nie so hell beleuchtet wie eben jetzt durch die Früh- jahrsausstellung dieser allehrwürdigen , aber durch eine moderne Bluttransfusion wieder ela- stisch gewordenen Körperschaft. Was bisher nur in Anläufen gesucht wurde, ist jetzt wirk- lich durchgesetzt: die akademische Ausstellung hat endgültig aufgehört, die Angelegenheit eines geschlossenen, würdigen und was mit der Würde meist zusammentrifft gemächlich-

GEMALOE >LANDSCHAFrt

langweiligen Kreises zu sein, sondern stellt sich als ein Zeitdokument großen Stils, als ein Quer- schnitt durch die reifste Produktion der Gegen- wart dar. Man hat diesmal auch einen Kom- plex rückwärtiger Säle hinzugenommen, also planmäßig eine räumliche Erweiterung durch- geführt, sodaß das Ganze fast schon als eine „Große Kunstausstellung an anderer Stelle" auftritt, versteht sich und gottlob in mildernder Verkleinerung. So ist, auch im Hinblick auf den Umfang, eine wahrhaft repräsentative Ver- anstaltung zustande gekommen, die wieder das bietet, was man von der Akademie zu erwarten berechtigt ist. Das war eigentlich der ursprüng- liche Sinn der „Akademischen Ausstellungen", deren Anfänge bis auf die Zeit Friedrichs des Großen zurückgehen. Man hatte ihn nur in den letzten Jahrzehnten des Kaiserreichs durch die wunderliche Parteinahme des Hofes und damit auch der Regierung gegen alles Fortschrittliche in der Kunst, die sich leider die Akademie mit gehorsamster Devotion zu eigen machte, aus dem Auge verloren. Nun knüpft man wieder

<

X

Q

<

z

u Q

Q

u

c/5

o o

<;

bi t/) o

Die verjüngte Berliner Akademie.

250

PROF. E. F. WEISS— BERUN.

an die besten Traditionen an. Oder vielmehr, man schafft sich sogar eine neue Überlieferung; denn mit solchem Freimut hat die Akademie sich der werdenden Kunstfiedanken denn doch früher niemals angenommen.

Der Umschwung trat ein, seitdem Liebermann Akademie - Präsident geworden. Der unver- wüstliche alle Kämpe setzte seinen Ehrgeiz darein, mit dem unmöglichen und verstaubten Formelwesen, durch das die akademischen Aus- stellungen heruntergekommen waren und bis zu seinem Amtsantritt alle Bedeutung einge- büßt halten, energisch aufzuräumen. Erbrachte den Geist der Sezession nach dem Pariser Platz. Aber man darf nicht übersehen, daß damit noch nicht alles getan war. Die alte Sezes-sionskunst und Liebermanns persönliche Herzensanschau- ungen, die im Grunde stets in diesem Kreise wurzelten, bildeten nun schon ein Programm von gestern Wollte man das Heute hinzufügen, so mußte man sich noch einen kräftigen weiteren Ruck nach vorwärts geben. Glücklicherweise geschah das. Liebermann war einsichtig genug, um zu erkennen, daß es mit der inzwischen auf-

BILDNIS >REN£e SINTENIS«

gestiegenen neuen Generation paktieren hieß. De Jüngeren aus seiner Gefolgschaft, die er nach und nach gleichfalls in die Akademie zog, bestärkten ihn darin. Und man darf schließlich nicht vergessen, was der Reformgedanke dem „Sekretär" der Akademie, dem Kunsthistoriker Prof Alexander Amersdorfer, zu danken hat. Trotzdem ging es nur Schritt für Schritt wei- ter. Bis man in diestm Jahre endlich dem Kunstbegehren der Zeit die Tore weit geöffnet und zugleich bei den „Akademikern" (im früher gültigen reaktionären Sinne) kräftig gesiebt hat. Mit inniger Freude bemerkt man „viele, die nicht da sind". Man könnte wohl auch noch auf manches, das doch da ist, mit der gleichen Heilerkeit des Herzens verzichten. Aber da stoßen wir auf Resi bestände eines alten Zopfes: auf die berühmte Jurylreiheit der Akademie- Mitglieder, die von unbekümmerten Seelen noch immer in Anspruch genommen wird es wäre wohl an der Zf-it, dies Petrefakt aus vor- revolutionären Zeitläuften gelegentlich einmal in die Spree zu weifen. Auf der andern Seite vermißt man mit Bedauern einige führende Na-

FRANZ HECKENDORF-BERLIN. »PADENDE MADCHEN«

AKADEMIE-ADSSTKLLUNG BERLIN 1923.

Die Terüngte Berliner Akademie.

PAUL PLONTKE- BERUN. iBADENDEc

men des Fortschritts. Nolde, Heckel, Schmidt- Rottluff dürften eigentlich bei einer solchen Übersicht nicht fehlen. Aber Vollständigkeit ist schließlich nicht immer das höchste Gut. Es werden immer Zufälligkeiten mitsprechen. Bei Heckel und Schmidt-Rottluff z. B. liegt der Grund des Fernseins diesmal in einem sonder- baren Konflikt, den die Leute von der „Freien Sezession" kürzlich unter sich auskämpften: es war dort die Frage aufgetaucht, ob die Sezes- sionisten sich als geschlossene Gruppe über- haupt noch halten könnten, wenn sie ihre besten Sachen auf die Ausstellung der Akademie schickten eine Erörterung, in deren Verfolg übrigens auch Liebermann sein Amt als Ehren- vorsitzender der Freien Sezession niederlegte. Nun, so etwas wird sich ja wieder ausgleichen. Nach links hin zieht sich die Akademie auch

jetzt noch gewisse Grenzen. Man mag das be- dauern, weil dadurch in dem Überblick wesent- liche Lücken entstanden sind, aber man kann es auch verzeihen. Der revolutionäre Vortrupp hat schließlich noch andere Gelegenheiten, sich zu tummeln; Novembergruppe und Juryfreie bieten sie. Und ich würde als brauseköpfiger Stürmer überhaupt getr nicht in die Akademie hineinwollen. Immerhin kann man sich mit dem Prinzip der Beschränkung auf das Abgesiebte und Ausgegorene abfinden , wenn es so frei befolgt wird, wie es diesmal geschah.

Vorbildlich ist die Ausstellung vor allem durch die ungemein geschickte und geschmack- volle Anordnung. Es ist eine Kunst des Hän- gens geübt worden, die an die besten Zeiten der alten Sezession erinnert. Kein Gewimmel, Vielmehr sorgscunste Abwägung der Dinge, die

2S3

Die verjüngte Berliner Akademie.

254

FR. TISCHLER -CHARLOTTENBURO.

zueinander passen und sich zu symmetrischen Wirkungen eignen. Betonung der Hauptpunkte. Zusammenrücken der Werke derjenigen Per- sönlichkeiten, die man hervorheben wollte. Im großen Hauptsaal, der als eine Art „Tribuna" eingerichtet ist, zeigt sich das am deutlichsten. Sein Inhalt ruht auf drei massiven Pfeilern: rechts ein Wandzentrum Liebermann, links ein Wandzentrum Corinth das Gegenüber dient zugleich als Symbol des persönlichen Friedens- schlusses zwischen den lange verfehdetenKampf- genossen geradeaus ein Wandzentrum Ko- koschka. Liebermann bringt mit einigen der Gartenstücke aus Wannsee, hinter denen die Sammler heute wie wild her sind, ein Alters- Selbstporträt von ergreifendem Bekennertum. Corinth zwischen hingefegten Anblicken vom geliebten Walchensee eine große „Flora", die sich die Nationalgalerie gesichert hat ein prachtvolles Beispiel für die malerische Visions-

OEUALDE >WERBELLIN-SEE€

kraft und die geniale Technik dieses weder durch Alter noch durch körperliche Leiden zu erschütternden Riesen. Kokoschka präsentiert sich auch hier als das brillanteste Talent der ganzen jungen Schicht. Vor einiger Z*it gab es einmal zu irgendeiner Gelegenheit eine festliche Tafelrunde, für die eine Reihe von Künstlern als Menubeigabe ein kleinesLithograpbie- Album beisteuerten. Nach Tisch machten die Damen die Runde, die Künstler um ihre Unterschrift zu quälen. Eine Dame trat zu Liebermann; er unterzeichnete. Sie ging darauf zu Kokoschka, dessen Lithographie in dem Heftchen zufällig die nächste Seite bildete. Und was schrieb der Schlingel darunter? „Kokoschka, Kronprinz". Frech, nicht wahr? Aber man darf sagen, er bewähr!, sich auch als Kronprinz.

Als besonderes Verdienst bucheich die Auf- nahme nfuer Leute. So zog Wilhelm Schmid in die Akademie ein, der junge Schweizer, der

EUGEN ZAK BERLIN. .FRAUENKOPF.

SAMMLUNG A. K.— DARMSTADT.

r>ic rrrjihigte Brrliufr Akadeviic.

seit Jahren in Berlin lebt und sich hier durch seine Bilder in einer breiten dekorativen Manier und mit einer seltsam magischen Farbengebung durchgesetzt hat. So auch ein Künstler wie Eugen Zak, der mit seinen zarten, fast schon klassizistisch zu nehmenden Malereien auf eine ganz bestimmte Spielart jüngster Bestrebungen hinweist. So auch Otto Dix, der unerbittliche, fanatische Ironiker der modernen Gesellschaft, der, darin stärker als der ihm verwandte George Groß, auch mit der Farbe Originelles zu sagen hat. Soll man es glauben, daß dieser Otto Dix Liebermann, der wahrhaftig aus ganz anderen Anschauungen kommt, hat ihm unverhohlen seinen Respekt bezeugt sich mit Staatsanwalt und Gerichten wegen der „Unzüchtigkeit" seiner Bilder herumzuschlagen hat, weil seine ver- bissene Schärfe die lieben Alitmenschen und

EUGEN ZAK. GEMÄLDE •MÄDCHEN«

Mitmenschinnen auch da anpackt, wo sie grin- send und häßhch sind? Aber es sind auch ganz neue Männer da, von deren Namen man bisher nichts wußte. Ich hebe nur einen heraus : Georg Netzband, der, vielleicht durch Klaus Richter angeregt, seioe Phantasie mit modernisierten Breughelschen Typen bevölkert.

Von Bedeutung ist ein Kranz von Sonder- kabinetten, der sich um die Mittelräume zieht. Als eine Sache großen Ranges stellt sich da- runter das von Max Slevogt dar. Fast durch- weg Werke der allerjüngsten Zeit; man hat also den lebendigen Slevogt von heute. Souveräne Beherrschung der persönlichen Ausdrucksmit- tel; nie ein Schema, immer vielmehr ist Bild- gedanke und Formgebung frisch geboren. Frap- pante Bildnisse von ein paar bekannten Berliner Persönhchkeiten dem Bankbeherrscher Für-

257

XXVI. August 1923. 2

Die verjüngte Berliner Akademie.

268

RUDOLF LEVY— BERLIN.

MIT GF.Nf-:iI.MlGfNG DER GALERIE FLECHTHEIM.

»BLUMEN-STILLEBENc

stenberg und dem früheren Staatssekretär Dern- burg legen neues Zeugnis ab für Slevogts wohl realistische, auch Ähnlichkeit suchende, aber von innen her beseelende Porträtkunst. Frauenbilder in Blau, in Schwarz gegen Orange, oder ganz Hell in Hell, funkelnde kleine Stücke, wie ein Stilleben mit einem Baumkuchen, sind erfüllt von Farbenglanz und Geistreichtum der Pinselführung. Nur eine große allegorische Komposition zeigt, wo Slevogts Grenze ist. Das kann er nicht.

Dann gibt es einen Saal, der EdvcU-d Munch heißt. Gewiß hat es unsägliche Mühe gemacht, diese umfassende Kollektion zusammenzubrin- gen. Der Raum wird beherrscht durch das große Porträt Walther Rathenaus aus längst vergangenen Jahren dieser kluge Kunstken- ner, der dann Minister und dafür ermordet wurde, wußte schon damals, welche Potenz in Munch steckte. Bis in die achtziger Jahre reicht die Serie zurück. Und mit den grübleri- schen, deutenden, gespen<itischen Zügen, die in dem fabelhaften Porträt Henrik Ibsens, in dem einsamen Mann cun Fenster, in dem Bilde „Das Geschrei" heute wie ehedem fesseln, kontra-

stiert eine Auswahl jüngerer Bilder Munchs mit ihrem freien und großzügigen Naturalismus. Vorzüglich stimmen in diesem Saal auch das ein Beispiel für die verständnisvolle Anordnung

einige Holzskulpturen von Barlach in der mächtigen, geheimnisvollen ICraft der Formbe- handlung zu der Malerei des Magus vom Norden.

Aber auch der jüngeren Berliner Kunst ge- hört ein Sondersaal; Karl Hofer. Niemals hat die gewichtige Art dieses Mannes, in der sich monumentales Kompositionsgefühl, solidestes Farbhandwerk und eine ernste Sprache sym- bolhafter Umdichtung des Weltbildes zu einem herben und zugleich blühenden Werk verbin- den, so eindrucksvoll gesprochen. Hofer hat unter anderem ein Bild ausgestellt, das er „Selbstporträt mit Dämonen" nennt. Derglei- chen wäre bei vielen anderen eine Koketterie

hier würde niemand auf solchen Gedanken kommen. Es ist schon so: es bleibt sich gleich, ob Hofer einen Pierrot oder einen seiner keu- schen Akte oder ein Stilleben oder eine Le- gende zum Thema nimmt, es glüht immer ein geisterhafter Schimmer durch seine Gemälde.

Daneben stehen kleinere Kabinette. Das An-

Q Ui

tu <

X

o

o

05

H (/)

o

o I

s

u <

H 2

w

ERNST BARLACH-GÜSTROW. »DER RÄCHER«

MIT GENEHMIGUNG VON PAUL CASSIRER- BERLIN.

ERNST BARLACH. »MANN IM MANTEL«

MIl GliNEHMlGUNG VON PAUL CASSIRER-BERLIN.

Die vcrjüugtc Berliner Akademie.

WILH. KOHLHOFF— HEIDELBERG.

denken des jüngst verstorbenen Hans Looschen, der um Berliner Kunstdinge sich vielfach ver- dient gemacht, wird durch eine eigne Sammlung geehrt. Weich und lebensvoll gemalte Impres- sionen von Festen, Theaterszenen, schillernden Interieurs geben eine Probe vom kultivierten Geschmack seiner angenehmen Art. Auch ein Bildhauer kam ausführlicher zu Wort: Wilhelm Gerstel, der sehr reizendes Kleinwerk zu schnit- zen und zu modellieren weiß, am feinsten frei umrissene, breit behandelte weibliche Brouze- ügürchen. Aber auch sonst gibt es besondere Stationen für das Auge. Unter den Männern der einstigen „Brücke" dominiert Pechstein, mit einem Stilleben von geradezu prangender FarbenschSnheit, einer großartig aufgebauten Gruppe seiner Ostseefischer und dem besonders gelungenen Bilde eines Mädchens in männUcher Matrosentracht. Franz Heckendorfs flächig leuchtende Landschaftsmanier, Bruno Kraus- kopfs nervösere und reichere Naturausschnitte und Stilleben , Willy Jaeckels mit breitem Schwung gemalte bcirocke Aktgruppen, Hans Purrmanns und Alfred Parikels deUkate Farben- buketts — das alles präsentiert sich in charak-

GEUALDE »TAUWETTERc

teristischen Proben. Es verschlägt nichts, wenn auch einmal einer, wie diesmal E. L. Kirchner, daneben gehauen hat. Wichtiger ist, daß rings- um reichstes Leben sich entfaltet, daß eine Fülle interessanter plastischer Versuche den Malern sekundiert, und daß damit ein schla- gender Beweis gegen die Lamentationen der männlichen Klageweiber geführt wird, die immer greinen, unsere Kunst sieche in hoffnungslosem Verfall dahin. Daß es die Akademie ist, die diesen Beweis so beherzt führt, verleiht ihr einen neuen Platz als Führerin m. o.

Am Neuen sehen wir nur das Seltsame, aber . im Seltsamen alsobald das Bedeutende zu erblicken, dazu gehört schon mehr. . . qoethe.

Unbekannt mit den Regeln, den Krücken der Schwachheit und den Zuchtmeistern der Verkehrtheit, bloß von der Natur oder dem Instinkt, seinem schützenden Engel, geleitet, geht das wahre Genie ruhig und sicher durch alle Schlingen des falschen Geschmackes, in welchen das Nichtgenie unausbleibUch ver- strickt wird SCHILLER.

263

REN^E SINTENIS-BERLIN. »SELBSTBILDNIS«

GUSTAV SCHAFFER-CHEMNITZ. .BILDNIS«

BES: KÖNIG ALBKRT-MUSKUM CHKltNITZ.

GUSTAV SCHAFFES.

DIE LIEBEN FRAUEN

GUSTAV SCHAFFER.

W'enige Maler erschließen dem Kunstbe- trachter das Zentrum ihres Wesens so schwer wie dieser eigenwillige, außerhalb aller Schul-Zusämmenhänge und Zeit-Slrömungen stehende Künstler. Ursprünghch war Schauer Kunstgewerbler. Die gediegene Beherrschung des Handwerklichen zeichnet alle seine Arbeiten aus und macht ihn immer wieder willig, deko- rative Aufträge, wie die Ausschmückung von Landhäusern und Schlössern mit Fresken und dekorativer Malerei zu übernehmen, die er merkwürdig licht und heiter gestaltet, mit starker Bevorzugung von Gelb, Rot, Grün und Blau in ungebrochenen antikisch -lebenssatten Tönen. Von dieser Welt sonniger Innenräume zu den Graphiken und Gemälden Schaffers ist ein weiter Weg. Zwar gibt es ein paar heitere Land- schaften aus der Vorkriegszeit, zwar ist die zarte Holzschnittkunst seiner an Ostasiatisches gemahnenden Passionsmappe, im Widerspruch zu dem Thema, von ähnlicher im schönen Spiel der Kräfte befangener Gewichtlosigkeit, aber alle späteren Werke stehen zu diesen rasch auf- gegebenen Versuchen wie Ernst zum Spiel. Die Entwicklung zum heutigen Schalfer drängt sich in die wenigen Nachkriegsjahre zusammen, und man muß schon sehr mühsam suchen, um zu den kleinen, teilweise lustig kolorierten Ge- stalten der schwarzflächigen Passionsholz- schnitte, die vorwiegend geschmackhches Inter- esse haben, Beziehungen im späteren Werk zu

finden. Zwei Aufgaben geben diesem Werk Ziel und Inhalt: Die Gestaltung des mensch- lichen Gesichts und die Verlebendigung der Landschaft. Der Bildnismaler knüpft an die Eindrücke cm, dieihmDürer und Holbein schenk- ten. Beim weiblichen Porträt frühes Bildnis seiner Frau spielt die lineare Melodik, der Bildaufbau, das Kolorit, die Augen- und Haar- behandlung Bolticellis herein. Was aber von diesen Altmeistern übernommen wird, das ist mehr als bloßes Gerüst, als Ruozeltechnik und Anordnung der Gebärde, Einfügung in Fenster- ausschnitte und begrenzendes Gebälk, feste Körperhchkeit und Ruhe des Blicks und der Mienen, das ist vielmehr der Wille, alles Tran- sitorische, das durch Generationen gesuchter Inhalt der Malerei war, zu vermeiden, und das Bleibende, Feste, Strukturelle mit der Gründ- lichkeit eines Holzbildhauers herauszuschälen. Die Elternbildnisse zeigen eine Behandlung der Gesichter, die, mehr zeichnerisch als malerisch, aus harten unerbittlichen Strichen und Kurven die Landschaft der Züge wie ein Stück Erd- kruste aufbaut. Man meint Granit zu spüren unter der Oberfläche, die eine straifgespannte, glattgemalte, gelblich -fahle Epidermis deckt. Das hier wiedergegebene Bildnis der Mutter vom Jahre 1922 stellt eine spätere Stufe der Entwicklung dar, in der jedoch das Erträgnis der eben gebildeten aufgehoben ist. Luft, Licht und Farbe fehlten dieser Kunst der eindring-

267

tXn. Aueasi 1923. 3

Gustav Schaifcr.

268

GUSTAV SCHAJF£R.

liebsten Körpergestaltuog in einem solchen Maße, das der Widerschein des Lebens er- loschen schien in den zeitlosen, unerbittlichen, wie holzgeschnitzten und steingemeißelten Zü- gen. Immer wieder holte sich der Maler, dessen Farbensinn sekundär ist, aber zu psychologisch ebenso interessanten wie ästhetisch umstreit- baren Ergebnissen führt, vom Holzschnitt und von der Zeichnung hierin typischer Deutscher Anregung, und manches Porträt ist im aus- geführten Gemälde minder vollkommen geraten als in der runenreichen Rötel- oder Kohlen- studie, die eindeutig linear behandelt, am meisten Kraft und Charakter zeigt. Die starre Malweise konnte Schaffer auf die Dauer lücht befriedigen. Die Erkenntnis mußte kommen, daß das Erlebnis des menschlichen AntUtzes dem heutigen Menschen keine geologische, son-

-WERO£N UND VERGEHEN«

dern eine seelische Angelegenheit sei. Nicht als ob die Menschen der Schafferschen Bildnisse der ersten Nachkriegszeit keine Seele hätten: nur, sie ist gefroren, erstarrt unter der altmeister- lichen Kruste, ohne Regung, unerbittlich wan- dellos. Da kommt die Reaktion. Zunächst blei- ben eine Reihe von Voraussetzungen bestehen: das unmalerische Kolorit viel Schwarz, fahles Gelb und totes Grün bleibt, die Farbklänge des Eros schweigen weiter. Auch bleibt das menschliche Anthtz der kindheitlichen Erinne- rungswelt: das verwittert-fahle Gesicht über schwarz -verhülltem Körper der Vater war Bergwerksbeamter , aber der Raum weitet sich nun zur Landschaft frühester Träume und neben festgefügten dürer- und altdorferlichen Hügel- und Waldgebilden tauchen lichte Visi- onen auf von einer Durchsichtigkeit, die der

Gustav Schaff'er.

GUSTAV SCHAFFER.

Welt el Grecos eignet und die auf vielen, mit leichtem Pinsel rasch hingesetzten, bisweilen heiligen Szenen und Gestalten als Folie dienen- den Bildern uod Studien wiederkehrt. Es ist, als flöhe der Künstler immer wieder aus einer harter Gegenstände vollen Welt quälender Zwangsvorstellungen in die Gewicht- und Kon- turenlosigkeit dieser unkörperlichen Traumwelt, in der die lichtfrohe Farbenskala der dekora- tiven Periode wiederkehrt. Wohl bleibt auch hier eine letzte Kühle, aber die luftige Weit- räumigkeit wirkt abgeklärt und die Ahnung dämmert, daß hier ein Platoniker am Werk ist, der nicht den Pulsschlag der Dinge, sondern das unwandelbare Gesetz ihres Lebens, ihre kristallinische Grundform zu ergründen und sichtbar zu machen trachtet. Aber immer wieder

OEMALOE .WANDERER«

kommen die Angstträume der Jugend und wer- fen den Schaffenden in die Zerrissenheit und Qual zurück, gegen die er zuerst das Bollwerk seiner starren, unerbittlich -körperlichen Bild- nisse antürmte, imd was in diesen Stunden der Komplex -Beherrschtheit, wenn man kühn so sagen darf, entsteht, das ist nicht aus klarem platonischen Geiste gestaltete Kunst, sondern in rasender Scheinproduktivität hingeschleu- derte Menge dämonischer Gesichte, wie sie der Lyriker Georg Heym kennt, wie Alfred Kubin sie, aus einer anderen Hand freilich, auf Papier und Kupferplatte bringt. Schwarze, wie ver- krüppelte Gestalten gehen auf quälerisch ge- krümmten Wegen durch totgrüne Landschaften, kahles Felsgestein oder fahlgelbe Nacht. Bett- ler erfrieren an der Straße, ein Leichnam liegt

269

&!isfav Schaffer.

270

^W^T""'"

^

-?IM-^

GUSTAV SCHAFFER.

nackt und bleich am Bergwasser, unheimliche Gesellen fahren im schwarzen Boot unter'm Brückenbogen weg und um den kahlen Kirch- hof stehen und hocken alte und junge Menschen, aber das Greisenalter uod das Elend geben dem Bild das Gepräge. Zum unmalerischen Schwarz und Schwefelgelb des Bergmannssohnes kommt bisweilen die heirte rotzüngelnde Flsimme eines brennenden Hauses wie eine schmale rote Fahne vor dem kalten, als glatte Fläche hinlackierten dunklen Himmelsblau. Biblische Szenen kehren wieder. Schon einmal, zur Zeit der Eltern- bilder, entstanden solche, in unerbittlich harte Formen erst gebaut. Man denkt an Konrad

»DAMENbILDNIS D. L.

Witz, wenn Schaffer im Gemälde Antlitz und Gewandung wie aus Stein und Stahl gemeißelt und geschmiedet erscheinen läßt. Dann lockert auch hier el Grecos mystische Erschließung den Bau und schließlich mündet der religiöse Strom in die Traumflut der schwarzen Dämonenwelt, in der Rembrandts Helldunkel aus dem Meta- physischen in's Infernalische transponiert er- scheint. So wichtig diese Phase in Schaffers Werk ist, sie blieb nur wenige Monate des Jahres Zweiundzwanzig währendes Zwischenstadium und was dann kam, nach einer schöpferischen Pause, die von dekorativen Entlastungsarbeiten erfüllt war, das lag auf dem Weg zur Synthese

G^tstav Schaffer.

GUSTAV SCHAFFER.

»DAMENBLLDNIS S. G.«

zwischen der ersten großen Porirätperiode und dem lichten Piatonismus der abgeklärten Land- schaften. Wieder soll das Bildnis die ganze Welt des Künstlers umfassen, aber das mensch- liche Gesicht ist nicht mehr steiniges Geklüft, sondern klare, kaum gegliederte, transparent getönte Fläche, mehr, es ist beruhigtes Oval, in dem die Augen wie kühle, bunte Steine, unter den Torbögen der Brauen, Mund und Nase wie Glieder eines edlen Baues stehen, wiederum Ruhe, alles wie bei den früheren Bild- nissen, aber Ruhe aus Klarheit des Geistigen, nicht aus gesteinhafter Starre des Körperlichen. Die drei mitgeteilten Bildnisse von SentaGoeritz,

Dora Lipschitz und der Frau des Künstlers offenbaren den Kanon dieser an Hodler gemah- nenden Biidniskunst, die im zweitgenannten Bilde mit den symmetrisch stehenden Wölkchen und der weichen Eingliederung der aufgelegten Arme mit den wundervollen Händen ihren vor- läufigen kompositionellen Höhepunkt erreichte. Auch die neue Landschaft des letzten Arbeits- jahres nimmt an diesem Klärungsprozeß teil, nur scheint hier mehr Anregung von Cezanne als von Hodler gekommen.

Es ist müßig und gefährlich, den Wert einer Kunst an der Fülle der nachweisbaren Einflüsse zu messen. Schauer kam spät erst zum freien

271

GUSTAV SCHAFFER. »DIE MUTTER.

Gustav Scliaffer.

GUSTAV SCHAPFER— CttEHNlTZ.

künstlerischen Schaffen und ist noch lange nicht am Ende seines Weges. Aber das Ziel, von dem ihn dunkle Dämonen in infernalischen Zwi- schenspielen, die dem Kunstfreunde immer noch interessant genug sind, von Zeit zu Zeit abzu- lenken drohen, ist klar erkennbar: es ist die Spiegelung des Ewigen im Zeitlichen, in der klarsten und zwingendsten, in der reinen Form. Was uns heute noch fehlt in seinen Bildern, die Sonne, die wärmende Kraft des Eros, das schenkt sich ihm vielleicht noch, nachdem das Gefäß gefunden ist, in das sie sich ergieße. Dann wird vielleicht auch das Erlebnis der Farbe, in den Traumlandschaften leise vorgeahnt, spon- tan hervorbrechen und die klare Form durch- leuchten und durchwärmen . . . e. kurt fischer.

OEMALDE »der PHlLOSOPHc

Wie die Dinge keine Frage in sich tragen, außer dergroßen Einen Frage ihres Seins, die aus Farben und Linien zu dem bereiten Auge bricht, so wird sich in der kommenden Kunst das ruhige Geheimnis von dem Dulden und Handeln, von dem Ruhen und der Schön- heit der Dinge öffnen. Damit wird allgemein die neue, die bewußte Harmonie von Sinnlichem und Übersinnlichem erreicht sein.

Stoff und Gehalt, die sich bisher, aus ent- gegengesetzten Welten herbeigeholt, als mehr oder weniger ungleiche Hälften gegenüberstan- den, werden wieder, aus Einem geboren, zum Einklang werden. Die Götthchkeit der Erde wird wieder gefunden werden, frikdr. märrer.

>LEBENSGEFÜHL UN(J WELTGEFCHL ; DELPHIN VERLAG.

273

ERNESTO DE FTORI. »KAUERNDE FRAU. MUSEUM CÖLN.

MIT GENEHMIGUNG DER GALERIE FLECHTHEIM.

PAUL SCHEURJCH. >DAME MIT PUTTO.

AUSFÜHKÜNG: STAATLICHE PORZELLAN-MANUFAKTUR— MEISSKN,

PAl'l. IIURNHK. NKCJAHKS- IM-AKhlTK 1>I-:K MANIFAKTI'R- M i: l S S K N .

PORZELLAN.

Im Porzellan sind die plastischen Eigenschaften des Tons zur höchsten Steigerung getrieben. Zwar schätzt die Allgemeinheit zunächst den dQnnen weißen Scherben, die Feuerfestigkeit, die lebhafte Farbe, die reine Glasur. Alles wertvolle QuaUtäten des vielbegabten Stoffes. Aber dem Künstler erleichtern sie die Arbeit nicht. Es häufen sich nur die Probleme. Die spiegelnde Glasur spinnt ein Netz von Lichtern und Reflexen um die Form, sie hebt einzelne Buckel, Spitzen und Rippen heraus, aber sie löst auch die Tiefen auf. Skizzenhafte Andeu- tung gibt es im Porzellan nicht, hier muß alles präzis und erschöpfend gesagt sein um dann doch hinter einem Schleier von Lichtern und Spiegelungen wieder unterzutauchen. So reiz- voll dieser Kampf zwischen bestimmter Form und zuckendem Licht sein mag, dem Bildner liegt stets die Form am nächsten.

Was unsere Künstler offenbar am meisten zum Porzellsin hinzog, ist die hohe Bildsamkeit des Kaolintons, die zu jeder Form, aber auch zu jeder fähig ist. Nichts ist glatter als der Teller aus Porzellan. Dasselbe Material kräu-

selt sich in Locken und Rankenweik bis zur Fadendünne. Er gibt die mächtige Wölbung der Glocke wie das feinste Fingerspitzenspiel. Jede Drehung, Überschneidung, Auflockerung ist möglich. So wie die Form aus dem model- lierenden Spiel der Hand hervorgeht, bleibt sie stehen. Die Formbeständigkeit des Porzellans ist außerordenthch. Das Blatt wird beim Bos- sieren durch Schlicker an irgend einer Stelle befestigt und es hält, hält auch während des Brandes. In keinem andern Material ist es darum möglich, in ähnlichem Grade die mo- mentansten Zuckungen des Lebens festzuhal- ten und zugleich zu versteinern. Das gab leider auch den Weg zu einer Naturnachahmung frei, die bis zur Auflösung jeder Form ging.

Wie steht heute das Porzellan in der Zeit? Hat es eine Funktion in der Kultur, spiegelt es den Rhythmus unseres Lebens? Oder dient es nur buntem Schein und gefäUiger Süßlichkeit? Vieles, was heute den Porzellanofen verläßt, hält ernster Kritik, die nach künstlerischen Werten fragt, kaum Stand. Zu den glücklichen Ausnahmen gehören die neuen Werke der

277

XXVI. ASEnst 1923. 4

Porzellan.

Meißner Manufaktur, die hier vorgeführt werden, zusammen mit einigen Meisterwerken Kändlers, die aus den bald 200 Jahre alten Negativen neu ausgeformt werden. Da sind die kosmischen Urkräfte sichtbar am Werke: Fluß und starre Größe vereinigen sich in dem ekstatisch glotzenden Ziegenbock. Das Schreckhaft - AnimaHsche wächst unmittelbar aus der vulkanischen Landschaft des Felles empor. Was ist aus dem als „zierlich" ver- schrieenen Porzellan geworden in dem Auer- ochsen, wo Bewegung, Lichter, Oberflächen- ströme eine Wildheit verraten, die aus Urtiefen bricht und durch das elegante Material keines- wegs gebändigt, gerade das Unheimliche am Porzellan und am Tier zu bestürzendem Aus- druck bringt! Das ist in jedem Sinne großes Porzellan (die Figuren sind oft bis 1 Meter hoch) und von diesen erratischen Blöcken in der Kunstgeschichte aus gewinnen wir erst die rechte Einstellung etwa zu den Scheurich- schen Figuren, in denen Feuer und felsige Er- starrung zur süßesten Anmut verzaubert sind. Das ist nicht graziöse Niedlichkeit um jeden Preis! Eisig keusch schimmert die Haut, wie Schneebrücken spannen sich die schlanken Gheder, über die fremdartige Lichter huschen ; nur in den Fingerspitzen, den letzten Ausläu- fern löst sich die Knappheit der Gestalt. Und doch haben diese ausgesprochenen Porzellan- körper mit ihren Porzellanarmen und Porzellan- beinen einen sinnlichen Atem, der berauschen kann. Ein System kantiger Porzellanflächen bieten Barlachs Bauern dar, gleich Eisbergen ruhen und lasten diese beiden Menschen, groß auch im kleinen Format.

Schon diese Beispiele zeigen, daß die Meiß- ner Manufaktur keine leichten PubUkumserfolge sucht. Im Bewußtsein ihrer ehrwürdigen Tra- dition sieht sie ihre Aufgabe darin, die Probleme der großen Porzellankunst zu pflegen und Werke auch für weitere Jcihrhunderte zu schaf- fen. Die Kändlersche Erbschaft verpflichtete auch die Manufaktur, den größten unserer Tier- bildner, August Gaul, fürs Porzellan zu ge- winnen. Die ersten Früchte dieser Verbindung bilden wir ab, es sind herrliche Stücke darunter, wie die monumentale Löwin und der junge Löwe, der allerdings wie auch einige andere Gauische Modelle, am besten in rotem Böttger- steinzeug, dem Vorgänger unseres Porzellans, wirkt. Diesem Material fehlen einige der wich- tigsten Eigenschaften des Porzellans, die schnee- ige Fube, der Glanz der Glasur, die Möglich-

keit der Bemalung. Darum hat es auch seinen eigenen Stil. Aber gegenüber gewöhnlichem Steinzeug gestattet es eine viel weitergehende Oberflächen-Modellierung. Es ist das gegebene Material für einen Bildhauer wie Gaul, der Größe der Gesamtform mit diskretem Reich- tum der Epidermis verbindet. Gauls Tod hat leider seine Tätigkeit für die Manufaktur und die Reihe seiner Werke allzu früh unterbrochen.

Ganz wie Gaul, dieser redliche Arbeiter, gewohnt, sich in eine neue Aufgabe, in ein neues Material mit heiligem Ernst zu verbeißen, hält es auch sein Jünger, Max Esser, der in die Manufaktur selbst eingezogen ist, um aus der intimsten Kenntnis der Werkstatt sich seinen eigenen Weg zum Porzellan zu suchen. Und merkwürdig, dieser Weg zum Porzellan bedeutet ihm, der doch allein und mit Gaul zusammen schon Tiere genug gebildet, auch einen neuen Weg zum Tier. Das Porzellan lockt, das Vo- lumen des Körpers zu sehen, die aalglatte oder struppige Haut, die fremde Linie der Bewegung, die merkwürdige Pracht der Federn, Pelze, Geweihe. Die Seele des Tieres, wie sie aus dem Porzellan spricht, hat Esser am präg- nantesten in seiner Affenmaske gedeutet, einer Leistung, die nur mit Gauls letztem Werk, dem Menschenaffen, zusammengehalten werden kann. Mit dem großen „Jagdfalken" (ca. 135 cm hoch) hat Esser nicht nur ein technisches Mei- sterwerk geliefert, es ist ihm auch gelungen, den Anschluß an Kandier zu finden.

Das Bötfgersteinzeug hat sich durch die Schärfe der Formwiedergabe wie durch den warmen rotbräunlichen Ton, der weder für Lichter zu hell noch für Schatten zu dunkel ist, als ein wundervolles Material zu Medaillen, Plaketten und Münzen erwiesen. Diese Slein- zeugmünze und Medaille ist in Meißen geboren und in zäher Arbeit zur Vollendung geführt worden. Der Medailleur der Manufaktur ist Paul Börne r. Die Modelle, die er in den letzten Jahren geschnitten hat, sind kaum noch zu zählen. Er hat sich seinen eigenen Medaillen- stil entwickelt und, unterstützt durch eine un- erschöpfliche Erfindung, den figürlichen Schnitt zur Meisterschaft gebracht. Den religiösen, den ernsten wie den heiteren Vorwurf beherrscht Börner mit gleicher Leichtigkeit, sodaß er jetzt auch an Arbeiten größten Umfangs herantreten konnte. Künstlerischer Ehrgeiz beseelt heute die gesamte Meißener Manufaktur. Unter ihrem Leiter Max Pfeiffer wird sie dem Porzellan- freund noch manche Überraschung bescheren.

A. JAUMANN.

PAUL SCHEURICH-BERLIN. MOHR MIT KAKADU- PORZELLAN.

STAATLICHE PORZELLAN-MANUFAKTUR MEISSEN.

PAUL SCHEURICH. PORZELLAN-PLASTIK »DIANA.

PAUL SCHEURICH . PORZELLAN-PLASTIK >DIANA€

STAATLICHE PORZELLAN-MANUFAKTUR -MEISSKN.

ERNST BARLACH. SCHLAFENDE BAUERN. PORZELLAN.

STAATLICHE PORZELLAN-MANUFAKTUR— WEISSEN.

JOH. JOACHIM KÄNDLER lT3i.

iiAUEROCHS MIT WILDSCffWEINt

POR7.ELLAN-

MANDFAKTOR

MEISSEN

JOHANN JOACHIM KÄNDLER OKT. 1732. »PELIKAN« PORZELLAN.

JOH. JOACHIM KÄNDLER 1732 ZIEGE MIT JUNGEN UND ZIEGENBOCK«

PAUL BÖRNER. MÜNZEN IN BÖTTGER-STEINZEUG.

PAUL BÖRNER. PLAKETTEN'i

ADSFOhRONG in BÖTTGER-STEINZEOG POEZELLAN-MANÜFAKTUR— MKISSEN.

XTV7. AojiHl 1923. 5

AUGUST GAUL t

RUHENDER WISENT

PROFESSOR AUGUST GAUL. »STEHENDE LÖWIN» PORZELLAN.

ADGÜST OAUL t

»LIEGENDER LÖWE«

AUGUST GAUL. .JUNGER LÖWE< BÖTTGER-STEINZEUG.

AUGUST GAUL t. >SPRINGENDES PFERDc

MAX ESSER.

»AFFENMASKE«

DAS WESEN DES PORZELLANS.

In jedem Werkstoff liegt eine, aus der Tiefe des Seins sprechende, mystische Gewalt. Wie der Stoff selbst Verkörperung des Willens ist der diese Welt schuf, so liegt in jedem Stoff ein besonderer Formwille, gegen den man nicht ungestraft sündigen darf. Nur wenn der Gestal- tungswille des Schaffenden sich mit diesem Formverlangen des Stoffes auf einer Linie trifft, entsteht das Kunstwerk, das gleichberechtigt

neben den Werken der Natur steht

*

Das Porzellan hat , wie jeder Werkstoff, seine bestimmten Größengesetze. Denke daran : Ein Mineral, das erbsengroß, geschliffen zum schönsten Edelstein wird, wäre als haushoher

Felsblock nur ein schwerlastender Stein

*

Das Wesen des Porzellans wurzelt im Licht. Das Porzellan trinkt das Licht in sich hinein und strahlt es tausendfach gebrochen als weißes Licht zurCck. So ist der weiße Schein sein eigenstes Wesen, das es sich selber gibt. Dieses innere Licht gilt es zu höchster Entfaltung zu bringen. Wer Porzellan vollständig, oder mit lichtundurchlässigen Farben bedeckt , tötet dieses Licht. Wer Porzellan in geschlossene, schwere Formen zwingt, tötet dieses Licht. Dünne Kanten, die der Schein leicht durchdringt, heben das Licht, und Farben, die wie Edelsteine auf der weißen Fläche sitzen, lassen das Weiß selbst zu leuchtender Farbe werden

Porzellan ist ein Werkstoff, den der Mensch sich selbst als Stoff geschaffen hat. So ist es eine Welt für sich, in der der Mensch unbe- stritten als Schöpfer herrscht. Darum liebt er das Porzellan und ist nicht wenig stolz auf diese, seine Welt, Und wie gleicht diese Welt ihrem Schöpfer. Auf 10 000 Stück Dutzendware kaum ein Charakter, jeder Stoß bringt sie zum Brechen. Arme Welt, armer Schöpfer I Und doch, wenn der Wurf gelang, wenn Form und pEirbe im Feuer geeint leuchtendes Leben ge- wannen, dann wird menschliches Können aus

eigener Kraft den seligen Göttern gleich

Eigenstes Gebiet des Porzellans ist das Eß- geschirr. Kleinplastiken kann man auch aus Holz, Elfenbein oder Bronze herstellen, als Ge- schirr ist Porzellan unersetzUch. Wer möchte wohl von irdener oder hölzerner Schüssel essen, selbst Zinn und das edle Silber wirken als Träger von Speisen schwer und unfreundlich. Erst das Tafelgeschirr aus edlem Porzellan hat die Mahl- zeit des Europäers aus der Sphäre grobsinn- licber Befriedigung eines Bedürfnisses auf die Kulturstufe gehoben, die dem geistig hoch- stehenden Menschen angemessen ist. So hat das Porzellan dem Menschen gedankt, indem es einen seiner sinnlichsten Triebe adelte; deshalb sind Tassen und Teller aus edelstem Porzellan so unendlich viel wichtiger als Fi- guren MAX ADOLF PFEIFFER.

291

MAX ESSER. »DACHSt UND »DOGGEf AUS EINEM TAFELSCHULXK «REINECKE FUCBst PORZELLAN-PLASTIK.

STAATLICHE PORZELLAN- MANUFAKTUR MEISSEN.

^^^^H^^]H|h

^^^V'' '"^^^MH

^^ßtf ^^^1

HiTj^^i^l

^■i^tfä^^B

^^^H^ K/,4V^^^^|

^K^^ -'^sl^l

^E^fl

MAX ESSER. »MANDARIN- E N T PORZELLAN.

' MAX ESSER. »AFFE« UN» »BÄR« AD> EINEM TAFELSCHMUCK »REINECKE FUCHS« PORZELLAN-PLASTIK.

STAATLICHE PORZELLAN- MANUFAKTUR MEISSEN.

MAX ESSER »EBER« AUS »REINECKE

FUCHS«

MAX ESSER. .JAGDFALKE MIT GESCHLAGENEM REIHERc

ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS-CÖLN. .HERRENZIMMERt

IM HAUSE KONSUL DR. D. DÜSSELDORF.

FRITZ AUGUST BREUHAUS. .SCHREIBTISCH IM HERRENZIMMER.

AUS NEBENSTEHENDEM HERRENZIMMER.

August 1923 6*

ZWEI RÄUME VON F. A. BREUHAUS-CÖLN.

Das Geheimnis im Schaffen Breuhaus' ist eine Erregung nach den reinen Quellströmen der Möglichkeiten, beglückende Gesten des Lebens einzufangen. Mit unendlich nervösen Händen nimmt diese schöpferstarke und doch suchende Kraft den neuen Impuls auf. Und das ist das Fröhliche, Frohstimmende im Schaffen Breuhaus', eine Art der Transformierung, die in Ergebnissen endet, wo wir uns in sublimster Form beschenkt wissen. Sollte das nicht ein Kriterium für den Schöpfer der Räume sein, in denen wir wohnen, daß wir uns „beschenkt" fühlen beschenkt mit der fein-nachlässigen, sicheren Art, in der sich Künstler und Welt- mensch harmonisch vereint? Wo ein unbewuß- tes Lächeln Dankbarkeit strahlt an die geschaf- fene Schönheit, hinter der sich der Schaffende leicht und mit liebender Zärtlichkeit birgt.

Das Format der geschaffenen Dinge gibt den nun Wohnenden die Reize, um welche ihre Ahnungen spürten. Subtiles Erleben, wie in dem hier wiedergegebenen Boudoir, läßt es nicht zu, von Chinoiserien im üblichen Sinn zu sprechen. Die grazile Linienführung dieses Raumes, eine hauchzarte Behandlung seiner Wände in der Art japanischer Tuschbilder zeu- gen eine Stimmung, die schwebt und unendlich fein und bestimmt ist in ihrer Wirkung, wie das rätselhaftgütig-liebende Lächeln einerKwannon. Die unerhörte Sachlichkeit und Schönheit japa- nischer Dinge (wer würde von Möbeln sprechen?) findet hier eine Komponente in der Truhe und dem Spiegel. Das Ornament für diese ist ein Moment, dem die Rotlack -Fläche der Truhe, der Grausilber-Grund des Spiegels in abgewäg- ter Rechnung kühne Gleichung geben.

In all den übrigen Räumen waltet das gleiche Gesetz überlegener Flächen- Verteilung und Schmuck - Anordnung. Die große Form des Bücher- und Sammlungs - Schrankes teilt sich weiter in eine Art glückhafter Wechselbezieh- ungen, sodaß schon gleichsam mit der einzel- nen Schmuckfläche oder den offenen Fächern eine Vorstellung gegeben wird : hier das geist- volle Brevier eines alten Lebenskünstlers, der feine Almanach romantischer Welten, der kühl- ernste Band eines Laotse und hinter der feinen Schnitzerei eine kostbare farbige Minia- tur, ein ostasiatischer Schwertknauf, wo schwere Linien mit eingestreutem Schmuck leben ernste Dinge ernsten Sctmmelns. . . . Ein Notwendiges ist noch zu sagen. Wer je

in dem Vorzimmer eines Rechtsanwalts uner- freuliche Minuten verlebte, in trockener Akten- staubluft, vorbereitend auf Jahre eines akten- sammelnden Prozesses , mit dem gähnenden Umleben möglichen Verlustes , hat ein Gefühl dafür, wie man in dem „Weu-tezimmer", das Breuhaus schuf, besonnen wartet. Die Sofa- bank gewährt den weichen Sitz, erfordert die gestraffte Rückenhaltung zur Begegnung klar- und scharfgestellten Frage- und Antwortspiels. Der Raum hat die sichere und etwas unpersön- liche Wärme, die Unternehmungen jeden For- mates im voraus als gelungen erscheinen läßt. Genug! weiß ich doch, wie dem Schöpfer der hier wiedergegebenen Innenräume alle Be- zugnahmen auf seine Arbeiten fatal sind. Das Schöne versteht sich für Breuhaus ganz von selbst. Und so darf man seinen neuen Werken mit der Ruhe entgegensehen, die zur Voraus- setzung hat, daß in F.A.B. ein Hüter und Spender der Schönheit ist, deren formale Um- risse immer neu und deren geistiges Durch- drungensein lächelnd und ernst uns entgegen- kommt — wie der Künstler selbst. Für die deutsche Möbel- und Raumkunst bedeutet Breuhaus eine lebensvolle und kultivierte An- regung und Aufforderung, bans heinz lüttgen. A VON CHINESISCHEM KUNSTGEWERBE.

Tir müssen daran festhalten, daß im Gegen- satz zu dem ewigen Wechsel der euro- päischen Moden in China in symbolischer Be- deutung Material, Form und Verzierung für be- stimmte Gegenstände der alten Tradition stets beibehalten blieben. Dieses Gesetz hat in der Praxis in verschiedenster Weise gewirkt. Der Motivenschatz blieb begrenzt. Daher ist imLaufe der Jahrhunderte eine Durcharbeitung und Viel- heit der Variationen in Formen und Verzierungen innerhalb der begrenzten Zahl von Vorbildern durch viele tausend geschulteAugenu. geschickte Hände durchgeführt, wie wir sie in Europa nicht kennen. Und nicht nur das Auge des Handwer- kers, sondern ebenso das des Käufers ist durch diese Tradition geübt. Allerdings ist zu gewissen Zeiten eine Verschlechterung der Vorlagen zu erkennen. Nicht mit groben Effekten der Mode- schnörkel, sondern durch raffiniert geschulte Empfindungen für die Feinheit der Linien und Farben wird eine Vollendung auch in der ein- fachen glatten Form erreicht. . . o. münsterbero.

w

298

ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS- CÖLN. »BOUDOIR.

IM HAUSE KONSUL DR. D.-DÜSSELDORF.

FRITZ AUG. BREUHAUS. .TRUHE IM NEBENSTEHENDEN BOUDOIR<

SCHNITZEREI-MODELLE VON ALI UCHTENSTEIN-DARMSTAX)T.

ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS-CÖLN.

»WARTEZIMMER EINES RECHTSANWALTS

CLAIRE SELMAIR-MÜNCHEN .WACHSPUPPE«

CLAIRE SEXMAIR— MÜNCHEN.

WACHSPÜPPE »MADONNA MIT KINDc

WACHSFIGUREN VON CLAIRE SELMAIR.

Im klassischen Viertel Münchens, da wo die alten Kastanien das Rund des Obelisk um- säumen: eine Art Puppenheim. In einigen klei- nen Räumen von unverkennbarem Empire, an- gefüllt mit dem warmen Hausrat aller Epochen, die eine liebevolle Hand zu einem harmonischen Durcheinander gezwungen, schallt Ciaire Selmair ihr Werk. In Kisten und 1 ruhen, ordentlich ver- wahrt und fast registriert, liegt der Fundus ver- stauf, der zu diesem Miniaturschaffen in einem Ausmaße nötig ist, von dem sich der Nicht- kenner kein Bild macht; Wachs in fünfzigfach abgestuften Farben, selbst mit unsägUcher Mühe hergestellt, Drähte und Eisen für die Gerippe, Sockel für den Aufbau, Perlen, Kettchen, Federn und Samte und Seide, Brokate und Tülle, Spitzen, Pelze und Leinen, Knöpfe und Borten. Doch dies ist nur der äußerliche Apparat, der den Unberufenen unweigerlich dem krassen Dilettantismus in die Arme treiben würde. Hier

ist er nur Mittel zum Zweck, dem Zweck, einer Idee zu dienen, die in letzter Linie mehr fast der Plastik im reinsten Sinne verwandt ist, als dem Kunstgewerbe. Die wenigen Ausschnitte aus dem Schaffen Claire Selmair's, die hier ge- bracht werden konnten, geben, auch ohne den Reiz der Farben, die von der hauchähnlichen Tönung des Wachses übergehen in die stärkeren Akzente des Materials, der Bekleidung und Drapierung, einen Begriff von dem eminenten Reiz, den diese Figuren ausgeben, die trotz ihrer Kleinheit bis ins einzelnste in Stil und Bewegtheit mit dem jeweils angeschlagenen Thema wundervoll übereinstimmen.

Vom Porzellan, mit dem genrehaften Anklang, wie es die in nicht gutem Sinne kunstgewerb- liche Ausbeutung verlangte, hat Claire Selmair sich auf diesen Weg gefunden es ist Anfang, und scheinbar noch lange nicht das Ende ihrer Möglichkeiten Ferdinand gdtz.

XXVI. Anglist 1923.

KÜNSTLER-ELEND. Ein Künstler schreibt : Auf der Kunstversteigerung bei Paul Grau- pe in Berlin sind kürzlich Preise erzielt worden, die stattlich erschienen. So gingen Handzeich- nungen von Wilhelm Busch mit 500 bis 675 000 Mark weg, solche von Lovis Corinth brachten 650 000 bis 1 000 000 M. und Liebermann wurde noch höher bewertet. 116 prachtvolle Blätter von Piranesi kamen auf 3 1 000 000 M. Und den Vogel schoß Slevogt mit seiner Lederstrumpf- Mappe für 14 Millionen, seiner Cellini-Mappe für 1 1,5 Millionen Mark ab. Diese Summen ga- ben anscheinend das erfreuliche Bild, daß heute für die Kunst gute Preise gezahlt werden. Und doch beweist nichts schlagender, in was für ein Elend die Künstler durch die Geldentwertung gestürzt werden. Setzen wir die Million Papier- mark gleich 50 Goldmark (in Wahrheit stand sie noch tiefer), so heißt das, daß für Handzeich- nungen von Corinth 50 und sogar 30 M. bezahlt

worden sind. Vor dem Kriege konnte man schwerlich ein Blatt unter 200 M. haben. Die Stiche von Piranesi brachten im Durchschnitt einen Erlös von etwa 13 Goldmark. Für die Mappen von Slevogt, die nicht unter 2000 bis 3000 M. zu haben waren, wurden 700 und 575 M. gezahlt. Als Wichtigstes kommt aber dabei in Betracht, daß diese Preise auf einer stark besuchten, heiß umstrittenen Auktion ge- zahlt worden sind und für Werke erster Künst- ler. Danach kann sich ein jeder selbst sagen, wie weit die Bezahlung bei Atelierverkäufen und weniger bekannten Künstlern hinter den genannten Zahlen zurückbleibt. Wohl keinen Stand hat die heutige Zeit so sehr zurückge- drückt, wie den bildenden Künstler. Eine Ver- armung der Künstler ist die Folge und damit ein Versiegen der Kunsttätigkeit. Was hier von den bildenden Künstlern gesagt ist, trifft übrigens für alle geistigen Arbeiter zu I . . .

CLAIRE SELMAIR- MÜNCHEN. »TÄNZERIN« WACHSPÜPPE.

306

WILLI NOWAK— MÜNCHEN „HALBAKT"

SAMMLUNG A. K. DARMSTADT

WILHELM THÖNT— MÜNCHEN.

VON DER MODERNEN STAATSGALEKIE ANGEKAL >"r.

> STREICH- QUAKTETT t

AUSSTELLUNG DER „MÜNCHENER NEUEN SECESSION" SOMMER 1923.

Der Expressionismus ist schon seil geraumer Zeit keine Kunstrichtung mehr, die einer besonderen Verteidigung bedürfte. Journali- stische Signale sind überflüssig mit dem Augen- blick, wo die Liebhaber uod der einsichtige Teil des Pubhkums den Weg zu der Bereicherung malerischer Möglichkeiten nachgefunden haben. Zu Möglichkeiten, die anfangs es ist gut, sich ständig dcu-an zu erinnern überraschten und entrüsteten. Mitläufer, Anempfinder, schwäch- liche Sonderlinge, Halbbegabte, kurz alle, deren Extravaganzen, deren Mangel an Ernst oder Können jede neue Richtung in Mißkredit brin- gen, sind heute erfreulicherweise vergessen und der junge Nachwuchs, an dem es nicht fehlt, schreitet folgerichtig weiter euf dem einmal ein- geschlagenen Wege. Es gibt heute eine Kunst mit geklärten Zielen, die vom Impressionisn; us genau so weit entfernt ist, wie die heutige

Geistigkeit von der materialistischen Denkart der Vorkriegsepoche.

Das heißt nun nicht, daß man, um ein Wort Goethes zu gebrauchen, gleichmäßig aus „vollen Backen loben" müsse. Die Qualitäten sind und bleiben sehr verschieden. Äußere Anerkennung, die der Gesamtrichtung geworden ist, mag eine Verlock uüg für die hoffnungslos Zahmen sein, die mit einer erschreckenden Nüchternheit Farbe, Zeichnung, selbst den literarischen In- halt behandeln und deren Bilder anscheinend mit Naturgeselzlichkeit immer gleich reihen- weise auftreten. Sie fehlen in keiner Autstel- lung und es ist schließlich ein Zeichen von Kraft, wenn in der „Münchener Neuen Secession" solcher Beispiele verhältnismäßig wenige vor- handen sind. Die Gruppe verfügt nach wie vor im ganzen über eine beträchtliche Spannweite der künstlerischen Temperamente.

XXVI. September 1«3. I

AiisstrlliDig der T^Miinchener Neuen Secession^ Soi/niio' 192J.

ADüLf SCHINNERER— MÜNCHEN.

Karl Caspar wird immer der Bewunderung der Verständigen sicher sein. Seine Art, im Stillen bedeutend zu wirken, kräftige, mit her- vorragendem rhythmischem Empfinden verteilte Farben in den Dienst einer schUchten und we- sentlich tiefen Bildidee zu steilen, hat das erste Kennzeichen der wirklich schöpferischen Lei- stung; die selbstverständÜche Einfachheit des Lebendigen. Seine Szenen aus der Bibel wer- den nicht nur mit sicherstem artistischen Ge- schmack und absolutem technischen Können vorgetragen, sondern auch mit jener Wärme menschlicher Empfindung, die gleichbedeutend mit edelster Reife ist. Die Phantasie der Völker hat Jahrhunderle lang die biblischen Geschich- ten mit Liebe umfaßt. So sind sie niemals alt geworden. Die moderne Zeit mit dem Reichtum ihrer seelischen Möglichkeiten vermag sie, wenn schon auf ihre Art, so doch nicht minder wahr und ehrlich zu erleben, als längstenlschwundene Epochen. Voraussetzung ist nur der Wille und die Hingabe, bedingt durch die innere Über- legenheit über die dreiste Kritik jener, die alle Erlebnisse ablehnen, deren Erfüllung sie nicht

»ANSTEIGENDE STRASSE«

in ihrem dürftigen Inneren finden. Ihnen gegen- über ist eine gesunde geistige Aristokratie not- wendig und auch möglich. Christus unter dem Hosiannahruf des Volkes in die Stadt seines Leidens einziehend. Die Gestalt, in dunkel- blauem, von rotbraunen Lichtern umflossenen Gewand steht ernst und überragend vor dem Gleichmaß einer roten Wand. Die Stadt erhebt sich als einer jener Gründe, die bei Caspar immer auf eine so bewundernswerte Art nur in engster Beziehung zur Stimmung des Ganzen existenzfähig sind. Die Bewegung des Zuges gedämpft durch den Gegenslrom des bunten Volkes so entsteht die Würde und Gefaßt- heit, von der die Idee des Bildes lebt: der Christus, der jenseits des Jubels lauter Be- grüßung das „Kreuzige ihn" hört, der Christus, dem auf dem glänzenden Gipfel seines irdischen Daseins nichts geblieben ist als die wissende Gebärde des stillen Segnens.

Höchste Wirksamkeit der Farbe und Form konzentriert sich in dieser Gestalt, die, je öfter gesehen, immer sprechender wird für den nämlich, der Ohren hat, zu hören.

w

M t/1 2

M Q O

m <

2

S

2

O

s

Di

w

MARTIN LAUTERBURG— MÜNCHEN. >LANDSCHAFT«

RICHARD SEEWALD-MÜNCHEN. .STRASSE NACH ARSOLI.

KARL CASPAR-MÜNCHEN. >EINZUG IN JERUSALEMc

Ausstellung der ^Münchener Neuen Secess'om Sommer 192J.

MAX UNOLD— MÜNCHEN.

Es gibt nachgerade zu denken, wenn man immer wieder lesen kann, „Karl Caspar be- müht sich um die religiöse Malerei." Man sollte vielleicht wissen, was religiöse Malerei ist, um sagen zu können, daß sie hier Wirklichkeit wurde, innerlich so stark, wie die der Alten, getragen dennoch von einer wahrhaftigen, im besten Sinne modernen Menschlichkeit.

Bleibend von der temperamentvollen Art, die wir seit Jahren an ihr schätzen, sind die Landschaften Maria Caspar-Filser's. Die Impression wird durch die urwüchsige Kraft einer starken Seele erhöht zu einem Bekennt- nis voll großen, malerischen Reichtums. Man wird solchen Gemälden, mit der Analyse ihrer Technik nicht gerecht. Die Natur als Ganzes ist in ihnen von einer schwungvollen Plastizität, wie sie die süddeutschen Volksstämme stets geliebt haben. Unter den heutigen Landschaf- tern ist Maria Caspar-Filser vielleicht die ein- zige, die der Volksrasse noch nahe genug steht, um als ihre Interpretin gelten zu können. Julius Hess, der neuerdings mit einer helleren und leichteren Farbigkeit wesentlich an maleri- scher Ausdruckskraft gewonnen hat, vertritt

GEMÄLDE »AM STRAND«

einen Typ absolut verfeinerter Gepflegtheit, der wohltuend wirkt. Bilder, die man gerne um sich hat. In der Hinsicht ist ihm Hans Gölt verwandt. Letzterer hat übrigens die Anlehnung an C. D. Friedrich überwunden und beginnt seinen eigenen Weg nicht minder verheißungs- voll zu wandeln, als er früher durch die einge- schlagene Richtung bemerkenswert war. Adolf Schinnerer hält in der Malerei noch immer nicht, was seine exquisite Graphik ver- spricht. Kennen wir solche Landschaften nicht schon recht lange? Seine Kraft liegt auf dem Gebiet pathetischer Lyrik. Jedenfalls ist er nirgendwo größer und hier wirklich groß. Pastos, mit sehr dunklen Farben malend, schei- det sich Paula Deppef von Julius Hess auch durch eine bestimmte Sprödigkeit des Temperamentes, die in der anschaulichen Wirk- lichkeit die struktiven Elemente aufsucht. In- des finden sich diese Elemente nicht zu einer stilistischen Einheit zusammen. Das Bindende ist die Farbe, deren ausgesuchte Schwere einer dekorativen Wirkung entgegen stehen dürfte. Eigentlich expressionistisch sind die Land- schaften Richard Seewald's. Man muß

GEORG SCHRIMPF. .FRAU MIT KINDc

AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER NEUEN SECESSION 192;i.

Ausstrlhing der ■!> Münchener Neuen Secrssioji'. Sommer ig2j.

GEORO SCHRIMPF- MÜNCHEN. »STILLEBEN«

allerdings zugeben, daß er an persönlicher Sicherheit, an Lust, sonnige Dinge heiter zu erzählen, eingebüßt hat, daß bestimmte Wellen- lioien allzu zerfließend wiederkehren, um noch ausdrucksvoll zu sein. Aber die Kraft, die man aus früherer Zeit an ihm kennt, scheint sich neue Wege zu suchen, auf denen man ihm aufmerksam zu folgen haben wird. Bei Max Unold ist eine entschiedene Erkräfligung zu spüren. Es tut sehr wohl, ihn aus dem Vor- stadtmilieu an die See entrückt zu sehen. Hier erobert er sich mit großer Konsequenz einen Reiz um den andern. Sein Erleben, trocken und kehl wie seine Farbe, hat, bildmäßig gestaltet, etwas Zwingendes. Das Experiment eines ver- hältnismäßig großen Formates ist geglückt. Die Werte des figürlichen Hintereinander sind ge- rade in den Fischern sehr stark. Man kann sich den Augenblick nahe denken, wo auch die großen Formen ganz mit dem sachten, inneren Leben gefOllt sein werden, das aus seinen Bil-

dern kleineren Formates, wie dem hier wieder- gegebenen „Am Strand" und besonders aus seiner Graphik bekannt ist.

Die „Badende" von Hans Lasser und der Halbakt von Willi Nowak ergeben einen aufschlußreichen Vergleich. Bei Lasser die kräftige, plastische Form, der die klärende, per- spektivische Aufsicht zugute kommt Nowak ganz lässig, fast hinfällig in Farbe, Modellierung, selbst im Thema. Mehr ein Blatt, als ein Ge- mälde. Es scheint, als ob man derartige Phä- nomene des Zarten nicht ausdrücken dürfe ohne das Erlebnis der Eleganz, der es nie an Straff- heit fehlt. Vergleiche Renoir. Bedeutend ist das Streichquartett von Wilhelm Thöny. Vom Inneren des Vorganges wird Vieles wach; Takt und Rhythmus, das Zusammenklingen und der Wille zum musikalischen Ganzen.

„Versuchung" nennt Josef Eberz ein Bild, das vielleicht das Problematischste der ganzen Ausstellung ist. Es gehört etwas dazu, Hände

317

Ausstellung der t> Adünchener Neuen Secession*. Sommer ip2j.

318

JULIUS HESS— MÜNCHEN.

SO expressiv zu malen, ein weibliches Antlitz voll zugleich hingebenden und grausamen Wil- lens. Aber man hat bei öfterem Sehen den Wunsch nach situationsmäßiger Verdichtung; man würde lieber lesen als sehen; man wäre dann weniger an bestimmte, verpönte, roman- tisch-symbolische Vorwürfe älterer Malerei er- innert. Indes ist Eberz ja reif genug, um zu wissen, ob die allegorische Idee des süß- erschütternden Giftduftes sich mit dem Wesen der bildenden Kunst vereinen läßt.

Die jüngere Generation beginnt mit S c h r i m p f und Mense. Beiden geht die Klarheit der Form über alles. Man sagt etwas, wenn man an Cranach und Botticelli erinnert. Das Wesen dieser Malerei liegt jedoch unvergleichlich tiefer, als daß es sich durch solche Reminiszenzen aus der Kunstgeschichte erfassen ließe. Die unbe- fangene Hingabe an die Dmge, an ihr Körper- haftes und ihre Eigenwilligkeit, das plötzliche Wertvollwerden des Details, die unbedenkliche Charakteristik , die dar an glaubt, daß Zusammen- stehendes als organischer Zusammenhang an- schaulich werden kann und muß kurz die sittliche Qualität, die Naivität der Temperamente

»BLICK AUF DEN SEE«

erhebt derartige Gemälde turmhoch über einen billigen, nachahmenden Quattrocentismus. Hier ist ein straffer Wille, der Respekt fordert, ein Wille zur Dinglichkeit, wie ihn die italienische Malerei als maßgebende Grundlage der An- schauung nie besessen hat. Daß Mense große Formate leichter bewältigt als Schrimpf , ist wohl nur vorläufig anzumerken. Für Schrimpf ist der Raum ein ganz Wesentliches und gerade er könnte in Zukunft vielleicht einmal zu höch- ster Monumentalität eines gefüllten Großfor- mates gelangen. Beide Künstler breiten die Form so aus, daß sie lebt, sowohl in ihrer Tatsächlich- keit, als in der ausdrucksvollen Unendlichkeit ihrer Bezüge. Auf der anderen Seite kann der Unterschied der persönlichen Stile nicht deut- licher klar gestellt werden , als durch einen Vergleich der Farbe: Mense emailartig fein ma- lend, mit tiefen, schweren und leuchtenden Tö- nen — Schrimpf konturfüllend, mit lichtbraun durchsetzter, mattglänzender Farbenskala.

Das Ergreifendste, was die Ausstellung bie- tet, ist vielleicht der Raum mit den zwölf Bil- dern Martin Lauterburg s. Seit Jahren konnte man beobachten, wie die sinnlichen

BPPP^^SMtt- ^^^^HHUJ^^^^BB^aft/k«

^■.;-' . -J.-Xjl ^Km ■"' H

JJHHh

HRW

•\ J

HBI^B^

B

n

CARL MENSE— MÜNCHEN. »LANDSCHAIT MIT HIRTIN«

JOSEF EBERZ-MÜNCHEN. »VERbUCHUNG.

XXVl. September l«a. 2

CARL MENSE-MÜNCHEN. .FRAU AM SEEt

AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER NEUEN SECESSION 1923,

AiisstfUiDig der ^Mümlioicr Neuen Seccssioii«

Soiiniirr iqj'i.

PAULA DEPPE t

Wesenheiten unserer Welt den Künstler ver- bäogaisvoll lockten und zugleich peinigten. Das Rätselhafte ihrer zufälligen und scheinbar doch logischen Bezugsetzuog hat sich ihm immer mehr verdichtet und findet jetzt Gestalt in einem erlösenden Bekennen. Eine Überzeugung von der Phantastik des Daseins wird laut, die be- klemmen könnte, wenn nicht ein geborener Maler jedes Ding gemeistert hätte, wenn nicht das heimliche Leben überall Sprache gewänne, wenn nicht der sichere Raum über allem wäre. Da die Logik der natürlichen Zusammenhänge in Zweifel gezogen ist, offenbart sich der Kern der Einzelheit, seine Wandelbarkeit und sein berückender Glanz. Kaum je sind Pflanzen so gemalt worden, kaum je hat man so die Lebens- säfte gespürt, die in ihnen quellen, die Zartheit der fortzeugenden Kraft, die sie entsenden. Mit dem Mißtrauen in die Beständigkeit, mit dem Gefühl für die drohende Weite der Welt hängt es zusammen, wenn die Landschaften Lauterburg's von einer Melancholie ohneglei- chen sind wenn der einsame Wagen hilflos dem zwingenden Lichtglanz einer ersten Laterne zustrebt, die vielleicht Aufatmen und wohn- liche Nähe bedeuten könnte

GEMALUE >SEESTETTEN<

Als Ganzes betrachtet ist seine Kunst noch weit dinglicher, als die der Mense und Schrimpf, und eben dadurch ist sie produktiv und ein Kind des heuligen Tages.

Für laute, plakatmäßige Gesten ist im Ex- pressionismus der Münchener Schule kein Platz. Man zieht eine stille Konsequenz des allge- meinen Programms, indem man sich an den Aus- druckswert der einzelnen, sinnlichen Erschei- nung erinnert. Das ist dinglicher Expressionis- mus. Die junge Generation hat das offenbare Bewußtsein vom Recht ihres eigenen Erlebens und das deutliche Gefühl für den Wert der Tradition. Unter dieser darf freilich nicht Technik und Form verstanden werden, sondern ein Geistiges: die Wohltat einer befreienden, anschaulichen Idee und das lebendige Vorbild

reifer Leistung rudolf kömstedt.

Ä

Das menschliche Herz in der Not seiner Sehn- sucht und in dem dennoch unzerbrech- lichen Glauben an Vollendung gewinnt sinnlich greifbaren Ausdruck nur in der Form des Kunst- werkes. Auf der Fläche eines Gemäldes, im Abriß eines Verses, in einer Folge von Akkorden ist innerlichstes Empfinden mitgeteilt, h. d. fr.

Was ist der Künstler? Der Entdecker einer neuen Art von Wirklichkeit. Was ist der Zweck der Kunst? Ihr Zweck ist ihr Dasein; Sinn dieses Daseins: Freude.

Was ist schön? Das Anmutiße und das Wilde, das Große und Kleine, das Rechte und Linke, der Himmel und die Erde, das Leben und der Tod.

Was heißt Kunstgenuß? Ein Kunstwerk ernst nehmen, es anschauen, durchschauen, an- hören, belauschen, in sich ziehen und schließ- lich in ihm die Welt, die Natur und alle Ge- schöpfe lieben, sogar sich selbst.

Was ist ein gebildeter Geschmack? Der- jenige, der rasch und sicher das Wesentliche des Kunstwerks erkennt und klare, sinnvolle Neigungen und Abneigungen bekundet.

Woher das Sprichwort „Die Kunst geht nach Brot"? Daß der Schuster nach Brot geht, ist selbstverständlich; daß die Kunst es tut, muß eigens ausgesprochen werden, denn es ist ihrem innern Sinn widersprechend.

Ist Kunst eine Lebensnotwendigkeit? Denke Dir aus dem Leben des modernen Men-

schen alles fort, was zur Kunst gehört. Was bleibt? Ein trauriges lichtloses Gefängnis.

Was heißt „Freiheit der Kunst"? Frei ist die Kunst, wenn sie die Möglichkeit hat, nur ihrem eignen Gesetz Untertan zu sein.

Soll die Kunst den Menschen „erheben"? Ja, aber nicht von der Wirklichkeit zum Schein, sondern vom Schein zur Wirklichkeit.

Welche Kunst ist die „wahre"? Jede, die Dir das Glück des reinen Schauens schenkt. Aber vergiß nicht, daß am höchsten die Meister stehen, die das Innerliche und Äußerliche zur objektiven Welt und Gestalt emporschaffen.

Was ist der „künstlerische Mensch"? Der spezifisch lebendige Mensch im Gegensatz zum stumpfen und toten.

Was bedeutet „volkstümliche" Kunst? Dreierlei, das sehr verschieden ist; Kunst, die vom Volk hervorgebracht wird; Kunst, die von den tiefsten , breitesten Volkskräften lebt ; Kunst, die vom Volk verstanden und geliebt wird. Jeder, der von volkstümlicher Kunst redet, gebe sich genaue Rechenschaft, welche von den drei Bedeutungen er im Auge hat.

-•t^,.

1

V«iJ»

HANS LASSER MÜNCHEN. . BADENDE» AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER NEUEN SECESSION 1923.

PAUL RÖSSLER-DRESDEN. .FATME.

OTTO SCHUBERT— LOSCHWITZ.

GEMÄLDE »SINTFLUT«

SOMMERAUSSTELLUNG 1923 DER KÜNSTLER-VEREINIGUNG DRESDEN.

Lebendige Vielfalt nach innen, geschlossene _/ Stoßkraft nach außen war immer schöne Tradition dieser Gruppe , wie sie sich in ihren großen Sommerausstellungen an der Lenne- straße darstellt. Und die löbliche Übung, das Gesamtbild der Gruppe durch auswärtige Mit- glieder und Gäste zu erweitern, andererseits es zu vertiefen durch reichliche Raumgabe an die, deren Entwicklung den Wunsch nach Über- schau und Kritik aufkommen ließ, sicherte ihren Veranstaltungen die fruchtbare Wirkung. Daß solches Streben heuer durch die Zeitumslände stark beeinträchtigt wurde, ist allgemeines Schicksal diesjähriger Veranstaltungen. Aber auch, daß unterhalb der Hemmung durch äußere Verhältnisse ein Stillstand, manchmal gar ein Nachlassen der schaffenden Kräfte eingetreten zu sein scheint, wird man bei größerem Über- blick über diediesjährigen Sommerausstellungen nicht als Sonderfall buchen dürfen. Nach heftig vorstoßenden Jahren ist innerhalb der bilden-

den Künste eine Entspannung eingetreten, ein Ausruhen nach Kämpfen und manchen Siegen, ein Sichsammeln und Besinnen, das bei vielen ein Rückholen verlassener Wirklichkeiten auch im ethischen, nicht nur im formalen Sinn im Gefolge hat.

Solcher Situation ist stärkere Beachtung hei- mischer, bodenständiger Kräfte genehm und notwendig. So kommt die Zeitlage der inneren Forderung entgegen und Dresden besonders, die Stätte gepflegter Tradition, kann hier eine manchmal beengende Eigenart zur Tugend wen- den. Daß es nicht in der vollen Möglichkeit ge- schieht. Hegt an der Zersplitterung der Dresdner Künstlerschaft in oft kleinlich motivierte Son- derbündeleien, die auch in dieser für Dresden repräsentativen Ausstellung kein Gesamtbild dortigen Kunstlebens aufkommen lassen.

Umso schätzenswerter, was trotzdem ge- leistet wurde. Zurückhaltung der älteren, in sicherem Können weiterarbeitenden Genera-

325

Sommerausstellung ig2j der Künstler- Verein igju/g Dresden.

326

E.RICH. DIKTZE. »DAMEN- BILDNIS«

tion, unter der man Sterl heuer ungern vermißt schafft Raum für die Jüngeren. Paul Rößlers farbenkündendes Temperament prickelt in Bildnis und Stilleben. In „Fatme" läßt er Bildraum und Farbraum ineinander- spielen. Der einzige ausgestellte Kokoschka gibt ein Bild seiner jüngsten Entwicklung: In Tiefen und Breiten leuchtet die Farbe über die Formbegrenzung hinweg, erotische Spannung, packend gestaltet, durchzittert das glühende Gemälde. Ludwig von Hof mann zeigt rhyth- misch kultivierte Kompositionen. Hettner bannt die Gefahren seiner tiefen Musikalität in

festem Auibau des Porträts. Richard Dreher überrascht durch abermaligen (wievielten) Stil- wechsel und zeigt diesmal sehr ruhige, fast etwas langweilige Landschaften.

Was die Jüngeren ausstellen, spiegelt in per- sönlichen Abwandlungen die Konstellation heu- tiger Malerei überhaupt. Warm durchdrungene Naturdarstellungbringt Dietze in seinen Wald- stücken, die noch einiger Festigung bedürfen. Diese bringt, ein gemäßigter Erbe des Kubismus, Nadler, in dem eine feine klassizistische Note schlummert. Auch Bern dt und Bernhard Müller sind mit guten Landschaften hierher

HANS NADLER GRÖDEN. .SOMMERTAG.

SOMUERAUSSTKLLUNG DER KÜNSTLER- VEREINIGUNG DRESDEN 1923.

SIEGFRIED BERNDT. »BERGLANDSCHAFT«

i

HANS NADLER. »LANDSCHAFT MIT KUHHERDEc

PETER AUG. BÖCKSTIEGEL. »BAUERN AM ABEND.

AUSSTELLUNG kOnSTLKR-VKRKINIGÜNQ DRESDEN.

Sominerausstelliing igjj der Küusller- Vereinigung Dresden.

BERNHARD KRETZSCHMAR.

GEMÄLDE » WINTER-SZENEc

ZU rechnen. Reichliches Gefühl belastet die Malereien der Cassel, Hennig, Mutter und des zarten Schönberg. Durch Betonung eigen- artiger Begabung suchen Josef Hegenbarth, Jörg Klemm, Westphal und der ernst stre- bende Wilhelm Rudolf ihren Stil. Zum Schluß die auf Präzision drängende, das Naturbild auf nackte Kahlheit reduzierende Art der Lachnit und Trepte (letzterer cdlzu gesucht), deren Bilder hier als Prototype einer sich langsam festigenden jüngsten Sehweise gelten dürfen. Daß deren Verkünder ihr künstlerisches Aus- maß erst zu erweisen haben durch Leistungen, die solche Beschränkung untergründet zeigen von breiter künstlerischer xind menschlicher Persönlichkeit, wird auch vor diesen Bildern deutlich. In diese der Klärung dienliche Klassi- fizierung fügen sich Otto Schubert, stärker in zuckender Lebendigkeit seiner Szenen als in gobelinhaft verwobener Monotonie seiner übrigen Bilder, der dekorativ begabte Jvo Hauptmann und Arno Drescher mit kleinen fein empfundenen Blumenstücken.

In der Plastik dieser Gruppe ähnliche Spiege- lung allgemeiner Kunstsituation. Sicher- erfaßte Naturanschauung in den Porträtbüsten Georg Wrbas, von dessen reichem Schaffen auf zeich- nerischem Gebiet aquarellierte Studien zeugen.

in Arthur Langes ruhig ausgewogenen Sta- tuen, in der vornehm zurückhaltenden Art Carl Albikers, der eine schöne Kollektion großer Skulpturen zeigt, überzeugend in der plasti- schen Ausponderierung, reizvoll im Gegensatz zusammengehaltener Massen und auflockernder plastischer Kleinbewegung. Dann gefühlsbe- tonte Kompositionen der Werner, Moeller, Türke, Peters und Löhner. Begabung für Groteske zeigt Otto Krischer. In Fritz Maskos tritt wieder jene direkte, oft naiv kari- kierende Wirklichkeitsdarstellung auf, die im Spiel kleiner plastischer Teile wie der Hände, der Schleifen etc. voll lebendiger, manchmal kindlich-spontaner Reize ist.

Problem der Ausstellung, nicht ihr Erlebnis, sind Sonderkollektionen dreier junger Dresd- ner, die in ihrem Radikalismus aus dem Rahmen des Ganzen stark herausfallen. Böckstiegel behängt einen großen Saal voll schreiender Farbstücke, deren jedes einzelne Begabung und Können zeigt, die als Gesamtes einen traurigen Schluß auf die Urteilsfähigkeit dieses Künstlers erzwingen. Jugendliches Pathos kann schön sein die Anfänge des Expressionismus haben es erwiesen , dann aber muß Ruhe eintreten, Sammlung und Tiefe. Radikedes Getue, nur der Opposition wegen, wirkt plump. Böckstiegel

XXVI September 1^23.

WILHELM LACMNIT. .BILDNIS EINER JUNGEN FRAU.

AUSSTELLUNG KÜNSTLER-VEREINIGUNG— DRESDEN.

Sommcrausstcllimg ig2j der Künstler - Vereinigung Dresden.

kreiert einen „Gelbismus" der Farben, einen „Kurvismus" der Formen, die in die Flucht schlagen, die einiiJe schöne Charakteristiken seiner Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen nicht genießen lassen. Auch Felix müller steht noch zu starr in seinen begabten Anfängen, als daß ihm wirkliche Malerei gelingen könnte. Seine jüngsten Bilder erstreben Weite, auch hier mit Hilfe zurückgeholten Naturbilds, doch kann man aus dem wenigen Entwicklung noch nicht verbürgen. Das kann man bei Bern- hard Kretzschmar, der sich aus allzugroßer Geschicklichkeit und einigem Revolutions- ressentiment allmählich den Weg bahnt zu recht eigener, in tiefer Farbigkeit leuchtender Ma- lerei. Seine „Straße am Sonntag" und „End- station" stoßen künstlerische Weiten auf, die

zu den Bchönsten dieser Ausstellung gehören. Erlebnis der Ausstellung ist die reiche Kol- lektion Corinth, mit der die Vereinigung ihren Mittelsaal wuchtig füllt. Fast zwei Jahrzehnte dieses sprudelnden Schaffens ziehen hier am Betrachter vorüber. Große, im Gegenstand noch tief gebundene Kompositionen von 1907 (Martyrium), temperamentvolle Porträts (Fritz Prölss, 1913), Raumerlebnisse in schlündende Farbtiefen hinunter aus 1912, fegender Farben- sturz um 1916 und die glühenden Landschaf- ten der letzten Jahre treten wie Siege hervor aus diesem prachtvollen Kampf um Schauen und Zeigen. Daß es der Künstlervereinigung gelun- gen ist, trotz aller Zeitnot solche Überschau über das Werk des Meisters zu schenken, sei ihr besonders gedankt dr. qskar schürer.

EIN DEUTSCHER KUNSTKRITIKER DES 18. JAHRHUNDERTS.

zu MERCKS, DES GOETHEFREÜNDES, AUFSÄTZEN ÜBER DIE KUNST. (SCHLUSS AUS DEM JULIBEFT )

Der Aufsalz hat die Belehrung eines gebil- deten, kunstbegierigen Laien durch einen Künstler zum Gegenstand. Der Aulbau ist dialogisch; daher stehen Meinung und Gegen- meinung scharf und bestimmt gegeneinander und die Prägungen lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Zuvörderst reklamiert der Laie in diesem Gespräch, wie er es immer und heute noch tut, das Recht auf seinen persönlichen Geschmack, auf sein subjektives Gefallen. Dagegen macht der Künstler in längeren Ausführungen das Vor- recht und die objektivere Gültigkeit des erzo- genen, des geschulten Geschmacks geltend. Dann geht das Gespräch hinüber zur unvermeid- lichen Frage der Naturwahrheit im Kunstwerk.

„Wahrheit, Wahrheit, meine Herren," sagt der Laie, „auch in der Kunst, auch bei der Nachahmung des Schönen, und wenn Sie mir diese zeigen, so bin ich der erste, der sein Knie davor beugt." Der Künstler fängt diese For- derung geschickt auf, stellt aber sogleich die notgedrungene subjektive Beimischung in der künstlerischen Wahrheit fest: „Auch ich bin Ihrer Meinung. Ich lechze so sehr nach Wahr- heit als der strengste Philosoph. Aber woher wird sie kommen? Aus den Händen ihres großen Urhebers selbst, oder wird sie uns durch Menschen zugebracht? Und so lange dies ist, wird sie von der Farbe des Mediums annehmen, wodurch sie gegangen ist." Er versucht das deutlicher zu machen, indem er auf das Men- schengestaltige selbst der intellektuellen Ein- sichten verweist : „Was haben Sie in Ihrer Phi-

losophie selbst mehr als Systeme? Wo haben Sie Eine Wahrheit, die nicht hieße Leibnizens oder Newtons Wahrheit?"

Dies glaubt der Gegner bestreiten zu können mit einem Argument, das trotz seiner Roheit heute noch nicht abgebraucht ist: „Dieser Fall paßt nicht. In der Philosophie beschäftigt man sich mit intellektuellen, unsichtbaren Gegen- ständen .... aber bei der Kunst hat man mit lauter Dingen zu tun, die in die Sinne fallen. Man macht nichts als was man sieht." Es ist dasselbe Argument, das heute noch in allen laienhaften Kunstmeinungen wiederkehrt, der naive Glaube, das sinnliche Weltbild sei nicht subjektiv bestimmt, es sei für alle das gleiche. Der Künstler erledigt den Einwand kurz durch die Bemerkung, daß das „Sehen" des Künstlers denn doch eine andre Sache sei als das ungeübteAuffassen derLaien. „Glauben Sie," sagt er, „daß das Sehen so bald getan ist? Das Sehen ist bei uns Künstlern, was die Kunst zu leben bei den Menschen überhaupt ist."

Der Laie aber kommt einstweilen von dem Aberglauben an eine für jedes Auge gleiche Wirklichkeit nicht los und vermengt ihn noch mit dem daraus abgeleiteten Aberglauben an eine endgültige, beste, „richtige", für alle ver- bindUche Darstellungsweise : „Wenn ich in eine Galerie trete , so ist's mir wie eine Sprache- wirrung beim Turmbau. Immer die Abbildung desselben menschUchen Geschöpfs, und das in so mancherlei Begriffen von Schönheit, so vielen Manieren, daß man tappt und tappt, um am Ende zu wissen, welches die beste ist." Dem

333

Ein den f sc her Kunstkritiker des 1 8. Jahrhunderts.

334

Einwand des Künstlers, bei großen Meislern sei keine die beste, sondern alle seien gut, hält er triumphierend entgegen: „Und so wäre denn das Kolorit von Rubens, von Tizian, von Rem- brandt, von Spagnolett, von Guercino alle Eins, und gleich gut, gleich natürlich? Ich wäre sehr neugierig zu sehen, wie Sic mir dieses erklären wollen." Und er besteht abermals darauf: Wie können alle die verschiedenen Manieren gut sein? Manier ist keine Na tur. In der Ant- wort, die der Künstler darauf gibt, liegt nun eine knappe, sehr hübsche Zurückweisung der naturalistischen Grundanschauung: „Ja wohl, so wenig Leinwand und Farbe Fleisch ist und Züge von Linien Körper sind. Sie ist das Sup- positum, sie ist das Phantom der Natur. Und

mehr versprach wohl der Künstler nicht zu geben als Phantom." Das Wort Phantom stört den Laien; er findet, was der Künstler ihm gesagt habe, sei eine „traurige Wahrheit", denn er entnimmt daraus nur, daß sein barbarisches Ver- langen, in der Kunst Natur und Wirklichkeit zu finden, irre gehe. Der Künstler stellt nun in wenigen ausgezeichneten Sätzen das ewig Relative und doch Endgültige jeder subjektiven Künstlerwelt und Künstlerauffassung heraus: „Jede Schule hat bei uns ihren eigenen End- zweck, so wie jedes Jahrhundert den seinigen hat, und jeder Meister hat nach seinen Kräften, Fähigkeiten, Organen seinen besonderen. Und haben Sie diesen ausfindig gemacht und beur- teilen ihn darnach, so ist Ihre Kritik gerecht."

KARL ALBIKER. .Li i ALS PIERROT.

KARL ALBIKER. .STEHENDER TORSOc

AUSSTELLUNG KUNST LER - VEREI N IGU N G DRESDEN 1923.

Ein deutscher K^mstkritikcr des 18. Jalirlnindcrts.

Diese Sätze die viel auffallender und neuar- tiger in ihrer Zeit stehen, als wir es heute denken können heben mit der Sicherheit des walir- haftKundigen eineWahr- heit ins Licht, die erst in unsern Tagen, z. B. durch Hermann Nohls Lehre von den verschie- denen, weltanschaulich gesonderten Künstler- typen, eine endgültige Prägung gefunden hat. Es ist bei früherer Ge- legenheit in diesen Blät- tern ausgeführt worden, welche Erweiterung des Blickfelds, welche Ent- lastung der Kunsterör- terung von unnötigen Konfliktsstoffen diese Typenlehre bedeutet. Wir sind zwar des Aber- glaubens, als sei in der Kunst die eine, be- stimmte, stets gleiche Wirklichkeit zu finden, seit langem entledigt. Aber der andre Aber- glaube, daß hinter den verschiedenen künstle- rischen Weltdeutungen eine endgültige und „ideale" stehen müsse, ist noch in voller Blüte. Auf ihm beruht die Übung, kÜDstlerischeEr- scheinungen mit Vorbil- dern zu vergleichen, die wohl für eine künstle- rische Weltanschauung, nicht aber für alle vor- bildlich sind. Auf ihm beruht insbesondere das

Messen neuer Erscheinungen an Maßstäben, die gerechter Weise gar nicht in Betracht kom- men können. Auf ihm beruht das ganze uferlose Gerede von der wahren, der echten, der hohen Kunst. Auf ihm beruht ein gutes Teil des un- vernünftigen und unfruchtbaren Widerstandes, dem künstlerische Dinge so oft begegnen.

Merck hat denn auch die weitertragende Be- deutung seiner Sätze wohl gefühlt. Er läßt seinen Laien einwerfen: „Es wäre doch aber besser, wenn alle Teile gleich gut erreicht

OTTO KRISCHER. PLASTIK »MADCHEN«

wären." Der Künstler meint darauf: „Freilich wäre es besser, wenn der Mensch ein Gott wäre. Aber da dieses eine Lästerung ist, so wollen wir uns mit dem begnügen, was er sein kann. Wer nach allen Endzwecken jagt, er- reicht keinen. Nun muß man fragen, ob der Künstler de nEndz weck erreicht hat, den ersieh vorsetzte: und alsdann ist er, wenn dieser einzi- ge Endzweck der Kunst entspricht und würdig ist, ein großer Meister. Wenn Rubens eine Göt- ternacktheit darstellt , so fordern Sie doch von ihm nicht die Wahrheit des Fleisches von Van Dyck? Aber Sie wer- den diese Wahrheit mit Vergnügen wieder in einem Gemälde finden, wo Niemand als er, sei- ne Frau und Kinder und sein Hund stehen soll- ten." — Der Laie be- ginnt darauf einzusehen, daß er dazu geführt wer- den soll, alle verschie- denen „Sekten" in der Kunst genau so zu re- spektieren wie die Sek- ten in der Philosophie ; und er meint: „Ich weiß gar wohl , was Vergleich- ung für ein schädliches Ding ist und wie man auch dem größten Ver- dienste dadurch eine tödhche Wunde schla- gen kann. Aber davon wimmelts in allen Kunst- büchern, in allen Beschreibungen von Italien, in Kritiken von Gemäldeausstellungen, räson- nierenden Katalogen von Galerien usw." Der Künstler weist diese Manie des fälschlichen Vergleichens als stümperhaft ab: „Man würde von diesem Übel nichts wissen , wenn diese Bücher von Künstlern geschrieben wären. . . . Alle Künstler sind tolerant in ihren Urteilen, gerade weil sie wissen, was man leisten kann.' Dies im wesentlichen der Gedankengang des

337

Ein deutscher Kunstkritiker des iS. [ahrhunderts.

338

Aufsatzes. Man kann nicht sagen, daß Merck in ihm schon bis zur klaren Erkenntnis der weit anschaulichen Verschiedenheit der zahl- reichen künstlerischen Weltdeulungen gelangt wäre. Aber er hat immerhin in einer Zeit, die in normativen Kunstanschauungen stark be- fangen war, das Einzigartige und Unvergleich- bare jeder selbständigen Künstlerwelt empfun- den und unterstrichen. Damit eilt er seiner Zeit entschieden voraus. Ein bedeutender Kenner, ein scharfsehender und äußerst sen- sibler Kritiker, ein be- geisterter Amateur mit beträchtlicher kunst- wissenschafthcher An- lage, dazu Meister ei- ner entzückend leich- ten und geschliffenen Sprachhandhabung so zeichnet sichMercks Bild als Kunstschrift- steller. Er gehört nicht zu denen , die den Geist eines Zeitalters schöpferisch deuten und Zukunft bestim- men. Aber neben dem Lob, das diesen Schöp- fern ewig tönt, soll- ten die Verdienste de- rer nicht vergessen werden, die je und je so vieles zur Erleuch- tung der Zeitgenossen, zum regen Austausch geistiger Güter, zur Befeuerung der Ent- wicklung und somit zur Mehrung des Le- bens beigetragen ha- ben. Merck selbst hat gelegenthch darüber gewitzelt, daß er unter den Literatoren nicht zur produktiven, son- dern leider nur zur „sterilen" Klasse ge- höre. Aber ein Mann, der mit einer einzigen kritischen Bemerkung seinem Freund Goethe Stoff zu jahrelang wie- derholtemNachdenken und fruchtbeu-sten An- stoß gab, kannimErnst nicht steril genannt werden, wllh. michel.

Wenn die gesunde Natur des Menschen als ein Ganzes wirkt, wenn er sich in der Welt als in einem großen, schönen, würdigen und werten Ganzen fühlt, wenn das harmonische Behagen ihm ein reines, freies Entzücken ge- währt: dann würde das Weltall, wenn es sich selbst empfinden könnte, als an sein Ziel ge- langt, aufjauchzen und den Gipfel des eigenen Werdens und Wesens bewundern. Denn wozu dient alle der Aufwand der Sonnen und Pla- neten und Monden, von Sternen und Milch- straßen, von Kometen und Nebelflecken, von gewordenen und wer- denden Welten, wenn sich nicht zuletzt ein glücklicher Mensch un- bewußt seines Daseins erfreut? .... goethe. «

Die Erscheinungen dieser Welt sind zu kompliziert, als daß sie unbedingt gut oder schlecht wären, und wir tun besser, statt zu verurteilen, verstehen zu suchen, c. schuch. *

Es kann keine objek- tive Geschmacks- regel,die durchBegriffe bestimmte, was schön sei, geben. Ein Prinzip des Geschmacks, wel- ches das allgemeine Kriterium des Schönen durch bestimmte Be- griffe angäbe, zu su- chen, ist eine frucht- lose Bemühung, weil, was gesucht wird, un- möglich und an sich selbst widersprechend

ist. . . . IMANUEL KANT.

D'

ARTHUR LANGE DRESDEN- -WEIBLICHE FIGUR«

kie alten Weisen sagten, daß ein Gedicht, ein Gemälde ohne sichtbare Gestalt sei, und ein Gemälde formgewordene Poe- sie. Diese Worte sind mir stets vor Augen.

KUO HSI (CHINESISCHER MALER DES XI. JAHRHUN- DERTS NACH CHRISTI.)

ARCHITEKT LEO NACHTLICHT. AUS DEM »FEIERLICHEN. RAUM.

OKOSSK BEBXINEK KÜNSTAUSSTELLDNO 192S.

ARCHITEST LEO NACHTLICHT.

AUS DEM »FESTLICHEN« RAUM.

DREI RAUM-IDEEN VON LEO NACHTLICHT.

Die Große Berliner Kunstausstellung im Glaspalast zeigte in diesem Sommer zum ersten Mal eine Abteilung für angewandte Kunst. Architekt Leo Nachtlicht hat darin drei Raum-Ideen verwirklicht, und damit der breiten Öffentlichkeit ein Lehrbeispiel und ein Experiment geboten.

Diese Räume sind nicht das Resultat einiger Wochen Arbeit. Um zu diesen Raumgestal- tungen zu gelcmgen, war eine Entwicklung von ca. 20 Jahren notwendig, angefemgen von den modernen Linien Van de Veldes bis zu den Eisenbeton-Bauten, vom Impressionismus bis zum Expressionismus, von der klassischen Plastik Hildebrandts über Rodin bis zur mo- dernen abstrakten Plastik. Alle diese Phasen in den bildenden Künsten haben an diesen Ar- beiten ihren Einfluß mit ausgeübt. Der ver- schriene Futurismus als ausgezeichneter Pionier einer Flächenteilung, die Abstraktion des mo- dernen Bildhauers als gegebener Architekturstil und der Eisenbeton als Mittel zur Raum-Neu- bildung — alles wundervolle Elemente einer

neuen Baukunst, aber nur dann, wenn die Zu- sammencirbeit konsequent zwischen Maler, Bild- bauer und Architekt, möglichst mit denselben Menschen, Jahre hindurch fortgeführt wird, oder wenn die einzelnen Künstler in ihrem Empfinden und ihrer Anlage übereinstimmen. Um irgend ein Beispiel herauszugreifen: ein herber Maler, ein süßlicher Architekt werden nie zusammen arbeiten können. Dasselbe be- zieht sich auch auf den Bildhauer. Das A und 0 geht jedoch vom Architekten aus. Wenn der Architekt den Raum nicht empfindet, sondern „komponiert, zusammensetzt", wird niemals eine harmonische, geschweige denn entwick- lungsfähige Schöpfung entstehen können. Wenn der Architekt aber selbst Maler und Bild- hauer wäre, so wäre das der idealste Fall. In der Renaissance waren Maler, Bildhauer und Architekt in einer Person vereint. Diese Zeiten sind vorüber. Unsere mehr auf wissen- schaftlichem Denken beruhende Erziehung nimmt soviel Zeit in Anspruch, daß bei der späteren künstlerischen Durchbildung nur noch

341

XlCVl. September 1923. 4

ARCHITEKT LEO NACHTLICHT. .FESTLICHER« RAUM.

WANDMALEREI VON PROF. c£SAR KLEIN— BERLIN.

ARCHITEKT LEO NACHTLICHT. >FESTLICHER. RAUM.

GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 1923.

ARCHITEKT LEO NACHTLICHT. »WOHNLICHER. RAUM.

WANDMALEREI VON EUGEN SCHÜFFTAN.

LEO NACHTLICHT. KAMINSEITE IM .WOHNLICHEN. RAUM.

GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG l'J23.

Drei Ran»i-Idccn vo7i Leo Nachtlicht.

Zeit für ein einziges Fach übrig bleibt. Es ist daher nicht möglich, daß der Architekt ohne die Mitarbeit von Maler, Bildhauer, die Raum- stimmung restlos löst. Sehen wir nun zu, wie in unserem Falle die Aufgaben gelöst worden sind. Im wohnlichen Raum ist die ganze Kom- position, auch die des Malers, auf das breit Ge- lagerte, Horizontale abgestimmt; das heißt, für das Auge ist der Raum in der Höhe noch mehr zusammengedrückt. Sehr wichtig für die Flächen- Malerei ist, daß der Maßstab für jeden Raum richtig getroffen ist. Den Maßstab für jeden Raum gibt der Mensch, und zwar unbewußt für den Laien, bewußt für den Fachmann. Wenn die Decke sich knapp über dem Kopfe des Men- schen befinden würde, so hätte er das Gefühl des Druckes, daher nennt man diese Raum- wirkung „gedrückt". Nehmen wir nun an, die Decke wäre beweglich und könnte nach oben verschoben werden, so würde der Mensch sich immer freier fühlen, je höher die Decke empor gehoben wird. Er würde aber sofort das Gefühl einer gewissen Kleinheit bekommen, das heißt, der Raum würde ihm erhaben dün-

ken, wenn die Decke weit über ihn sich ver- lieren würde. Die Wirkungen des Raumes sind also körperlicher Art. Haben wir nun eine be- stimmte Raumhöhe, so kann man die beabsich- tigte Wirkung, also in diesem Fall die „wohn- liche", noch dadurch verstärken, daß man den Maßstab der einzelnen Bildelemente kleiner nimmt, als der durchschnittlichen Größe des Menschen entspricht. Die Schwierigkeit für den Maler beruht dann darin, den für diese Raumgröße besten Maßstab für die Wandlösung zu finden. Man sehe sich auf diesen Maß- stab hin und auf den Rhythmus der Wand- teilung die einzelnen Abbildungen an. So wie Schüfftan im „wohnlichen", hat Cäsar Klein im „festlichen" Raum, vor dessen Wänden man sich bewegte Menschenmassen vorstellen muß, die Flächen gelöst, daher die vertikale und hori- zontale Linienführung. Der feierliche Raum zeigt eine vollkommen eu-chitektonische Wandlösung von Jacke 1, nur durch Farbenabstufung vom Braun über Rot ucd Blau. Die Stimmung im festlichen und im feierlichen Raum ist durch die Deckenlösungen noch besonders gesteigert, r. r.

ARTÜR HELBIG— BERLIN. ^STEHLAMPE« MESSING.

ARTUR HELBIG-BERLIN. >LEUCHTERKRONE.

ARTUH HELBIG— BERLIN.

»STANDLAMPEN« MESSING.

ARTUR HELBIG'S LAMPEN.

Heibig kommt aus Bruno Pauls Anstalt. Er ist nicht allein. Mit einem Schlag möchte man sagen hat das „Museum" eine Schar von Kunstgewerbe-Bildhauern heraus- gebracht, die was können, die sicher und mutig an der Stelle stehen, wo um die Weiterbewegung handwerklicher Form gekämpft wird. Zuerst gab es bei Paul fast nur Fiächenkunst. Schrift, Gebrauchsgraphik, Plakat waren schon zu An- fang gut, bald sah man auch hervorragende Druckmuster, Tapeten, dekorative Malereien, Stickereientwürfe. Langsamer ging es mit den Abteilungen Plastik und Handwerk. Sie waren abhängig von Werkstätten. Und die konnten nur Schritt für Schritt eingerichtet und mit Meistern besetzt werden. Aber die Arbeit am Material, in der Werkstatt hat auch sofort Früchte getragen. Wenn der bildhauerische Nachwuchs des Museums jetzt in Metall, Holz, Keramik glänzt, so hat das pädagogische Prin- zip, der Begabung freien Lauf zu lassen, viel dazu mitgewirkt. Aber ohne die ehrliche Werkstattarbeit wären doch nur wieder Mu- stermacher entstanden.

Diese jungen Bildhauer sind mit Ungestüm in die Berliner Kunstindustrie eingebrochen.

Überall stehen ihre Modelle. Artur Heibig der auch im FigürUchen und in der Keramik was bedeutet wird hier mit seinen Lampen nur als ein Beispiel aus der Gruppe herausge- griffen. Was von ihm gezeigt und gesagt wird, gilt mehr oder weniger auch für die Kollegen. Diese junge Schar die Schade, Düttmann, Lemke, Kruse, Elster, Schnitzer, Rämisch, Hei- big, Kulemann usw. sie haben ihre Marke. Der Kenner spürt die Blume des Jahrgangs.

Die kunststudierende Jugend ist naturgemäß Anregungen und Einflüssen in besonderem Maße zugänglich. Früher schwor der Schüler auf die Weise des Lehrers. Heute, wo die Meister selbst ihre Weise zu wechseln lieben, kennt auch der Lehrling keine Einseitigkeit, keine Dogmen mehr. Die Jugend ist über alles informiert, über die neuesten Richtungen in Paris und Mo5kau, über die entlegensten Ka- pitel der Kunstgeschichte, nur über diese, über die jüngsten Ausgrabungen in Peru und Mexiko. Über die Zumutung, die eigene Ausbildung der natürlichen Entwicklung, wie sie in der Kunst- geschichte vorliegt, anzupassen, lächeln sie. Sie operieren ausschließlich mit den letzten Pro- blemen, mit den Lieblingsmotiven des Tages.

XXVI. September 1923 5

Artitr Hclbig's Lampen.

350

ARTUR HELBIG— BERLIN.

Die geistige Akrobatik, die diese letzten Ismen voraussetzen, wird mit Leichtigkeit geleistet. Denn sie sind begabt, diese Jungen, unheimlich begabt. Ein Glück, daß hinter ihnen der große Zuchtmeister steht, der sie auf die Erde zwingt. Das Handwerk ist ihre Rettung.

Auch der Expressionismus hatte in den jun- gen Gehirnen seine Wellen geschlagen. Man hat mit Blitzen und Zacken gearbeitet und mit den spitzovalen Blättern, die nun mal dazu ge- hören. Aber der klugen Führung gelang es doch, den expressionistischen Jugendstil fern- zuhalten. Und man ist auch selbst sehr kritisch I Das hat aber nicht den Kotau vor Afrika und Mexiko verhindern können. Was hat ein Ber- liner Bildhauerlehrling mit Negermasken zu tun? 0, sehr viel. Sie sind seine Bibel. Es wurde chick, auf Negerstil zu studieren, wie Nigger- tänze zu tanzen. Noch stärker beinahe war das Echo, das die Ausgrabungen mexikanischer Vorzeit in der Prinz Albrechtsstraße fanden. Immerhin gab es einige Nachdenkliche, wie Gies, die auf das Persönliche nicht ganz verzichten, die die primitive Form ins Geistige steigern wollten. Andere aber kamen über die etnolo-

»LEUCHTERKRONK« MESSING.

gische Weltreise zu einer eigenen Auffassung des Handwerks, das ihnen in der primitiven Urform am reinsten und am kräftigsten erschien. In der Keramik der Kulemann und Konsorten sehen wir dieses Urtümliche, das so starke Reize hat. Die Kulemann geht z. B. soweit, ihre Töpfe nicht zu drehen, sie knetet sie. Die Er- findung der Töpferscheibe in der späteren Eiszeit gilt ihr als moderne Errungenschaft, die den Adel des Tons verwischt. Die Quali- tätsschmecker unserer Salons berühren sich hier mit der paradiesischen Roheit ältester Menschheitsstufen.

Andere von unserm Bildhauernachwuchs knüpften am ungefügen Volkshandwerk an oder sie schlugen kühne Brücken von der Latenezeit zur erstarrten Grazie spanischer Prunksäle.

Man darf sich nicht vorstellen, daß diese Jugend schwer stöhnt unter der Last der Tra- ditionen. Sie spielen Ball mit den Jahrhunder- ten, mit den Stilen, mit den Überzeugungen, Sie lernen ohne Pietät. Sie kämpfen ohne zu glauben. Sie sind kühn aus Wurschtig- keit. In der Großen Berliner Ausstellung haben sie sich jetzt neben der Novembergruppe ange-

ARTUR HELBIG BERLIN. LEUCHTER-KRONE.

ARTUR HELBIG- BERLIN.

»WAND-

LEUCHTER«

MESSING.

ARTUR HELBIG- BERUN.

»NACHT- TISCH- LAMPEN«

ARTUR HELBIG-BERLIN. .STANDLAMPE. NUSSBAUM.

Artnr Heibig' s Lai/ipm.

siedelt. Die einen verbrennen sich in Proble- men, die andern drechseln aus dem „Sturm" der Malerjugend reifes, raffiniertes Kunstge- werbe. Mit Sicherheit ist vorauszusagen, daß in ein, zwei Jahren diese fabelhaften Begabungen auch den Kubismus, den Konstruktionismus usw. salonfähig umgebogen haben werden.

Artur Heibig ringt um die Synthese. Ringt ist zuviel gesagt. Er setzt sie glatt hin. Das Indianische, Biedermeierliche, Expressionisti- sche, wer will die Rassenmischung definieren? Doch das alles teilt er mit den andern. Eigen scheint mir sein Verhältnis zum Handwerk. Er geht nicht den Weg, daß er Formen aufstellt und sie in der passendsten Technik wieder- geben läßt. Die Technik des Handwerks liefert ihm umgekehrt die Urformen und diese ver- arbeitet er, richtiger, er setzt sie zusammen. Typisch ist schon die erste Siänderlampe. Man kann die Teile numerieren: Der gewundene Stamm, der Teller, die gebogenen Füße. Jede Partie war vorher vorhanden, mit ihrem alten handwerklichen Namen. Bei den Modellen, die zum Abdrehen bestimmt sind, hast du deutlich die Kugeln, Zylinder, Kegel. Die menschliche Figur wird erklärt als Zylinderrumpf, der auf Röhren steht. Obenauf eine Kugel. „Das Pferd hat einen walzenförmigen Rumpf usw." wie wirs aus der Schule kennen

Bei den großen Leuchter-Kronen wird die wünschenswerte Fülle, das Volumen erreicht durch handwerklichen Reichtum , der sich in vielfältiger Art äußert, durch die Einführung von Bändern, Tellern, Vasen, Buckeln. Alles ist säuberlich getrennt. Wie in der Werkstatt. Jeder Geselle macht sein Teil. Was so ent- steht, sind nicht Embeiten aus einem Linienfluß, nicht Architekturstücke. Eher genossenschaft- liche Erzeugnisse, wo der Gießer, der Dreher, der Schmied, jeder mit einem charakteristischen Stück vertreten sind. Der einheitUche Hand- werkergeist hält alles zusammen.

Aber letzten Endes wird dochauch das Hand- werk artistisch genommen. Die gestückte Ein- heit ist ein Reiz, wie die plumpe Zierlichkeit, und die entliehene, mit Kabareltgeist versetzte

Naivität A.NTÜN JAUMANN.

Der echte, der große Künstler, dem es im Innersten glüht, der einfach nicht anders kann, der ringt sich zu der Gewißheit durch, daß die eigene Kunst das eigene Leben ist. Er lebt sie, lebt ihr, nicht Lohn von außen erwartend, sondern den Lohn in ihr selbst schon empfan- gend. Im Übrigen: Arbeit ist alles, und wem die Arbeit Lebensgenuß geworden, der leistet's, ein Lebensverdiener und Lebensverschönerer zu sein ernst zahn.

355

ARTÜE HELBIG- BERLIN.

»TISCHLAMPEN« NÜSSBADM.

ARTUR HELBIG. .TISCHLAMPE. NUSSBAUM.

VOM MESSING-GERÄT.

Die launischste aller Gebieterinnen, die Mode, hat mit einem Schlage wieder Ge- schirre aus Messing ins deutscheHeim eingeführt. Vielleicht geschah das wegen der kindlichen Augenfreudigkeit, die die spiegelnden Gegen- stände uns bieten, indem sie auf ihren konkaven und konvexen Wölbungen die Bilder der Um- welt verzerren und verzeichnen. Dadurch ist uns das Messing zum Metall der Munterkeit und des Frohsinns geworden. Gewiß hat aber auch die Not der Zeil zu diesem Siegeszug ein bestimmendes Wort mitgeredet, denn heutzu- tage , wo die Edelmetalle unerschwinglich für die meisten geworden sind, bekommt das Messing schon eine gewisse ansehnliche Kost- barkeit. Es wird Sache des Kunsthandwer- kers, durch geschickte Bearbeitung dieses un- edlen, aber herrlichen Metalls den Stücken einen Kunstwert zu geben, der den Material- wert in Schatten stellt. Dies geschieht vor allem

durch die Wahl von edlen, vornehmen Formen, die in erster Linie den Metallcharakter zur Geltung bringen. In Werkstätten und Fabri- ken wird mit Fleiß getrieben, und geschmolzen und gehämmert, bis erlesene Stücke fertig ge- stellt sind. Der gute Geschmack wird der Be- rater der geschickten Hand, und Frau Mode zeigt ihre Allmacht, wenn sie die Stücke bald glatt poUert, bald matt schillernd, bald rauh gencirbt, bald mit zierlichen, eingepunzten Or- namenten oder mit plastischem Reliefschmuck will. Und nach und nach wandern alle diese Stücke ins Haus und bürgern sich ein, neben den Leuchterkronen, Lampen und gewichtigen Kerzenhaltern , die Kannen und Kännchen, Schalen imd Dosen, Platten und Teller und Kästchen, gebauchte und geschweifte, glatte und einfache, verzierte und unverzierte Stücke aus dem Metall der Munterkeit und des Froh- sinns, und erfreuen Besitzer und Gäste, h. sch.

ARIUR HELBIG-BERLIN. ^KERZENHALTER.

357

XXVI. September 1923. 6

ULLI VETTER HOHEN ASCH AU. STICKEREI >> KYRIE ELEISON <

LILU VETTER— HOHENASCHAU.

-WüLLSTICKKREI AUF LEINEN*

STICKEREIEN VON ULLI VETTER.

Vielleicht muß man gleich obenan schreiben: Lilli Vetter ist keine Stickerin, sie ist bloß ein Künstler", und doch ist sie gerade ein Handwerker, ein so eminenter, der nie fehlt. Ebensogut könnte man wohl auch sagen: sie ist ja gar keine Malerin, und doch ist in ihren Ar- beiten die Farbe so rein der Träger ihrer Emp- findung, wie fast bei niemand heute.

Wer es einst unternehmen wird, die Wertung der Kunst und des Kunstgewerbes dieser Tage vorzunehmen, der wird vor der Erscheinung Lilli Vetters in arge Bedrängnis geraten. Nir- gendwo will sie hereinpassen, nirgends ver- wandt sein, nirgends mag sie zur Unnatur ge- hören und wird doch diejenige sein, die an erster Stelle steht und mit ihrer Nadel jeden Zwang gebrochen bat, den selbst edelstes Handwerk dem hohen Wollen auferlegt.

Absichtlich vermeide ich hier von einzelnen Arbeiten zu reden, kommt man doch allzuleicht in ein unzulängliches Beschreibenwollen und verliert den Zweck, für eine Kunst wie diese hier Sinn und Verständnis zu wecken, die es unternimmt, nur mit der kleinen, blanken Nadel und mit den abertausenden kleinen Stichen ein tiefes Innere zu enthüllen, ja eine Welt vor uns auszubreiten. Das tut sie und das ist das Staunenswerteste an Lilli Vetter.

Erst müssen wir alle Voreingenommenheit wegräumen, jenes Gewöhntsein an das gewisse Gewerbliche, das die Stickerei so vielfach hat, oder jenes Auffallenwollen durch das Motiv, das ja sowieso der Tod vieler guten Dinge ist; vieler guten Dinge, die aus der Ausstellungsluft herausgenommen, in ruhigem Zuhause jene fremde Atmosphäre verbreiten und sie uns

auch für alle Nachbardinge aufzwingen wollen. Erst wer stark genug fühlt, wie UDZünftig die Arbeiten Lilli Vetters sind, wird das trotzdem Edle und Selbstverständliche ihres Handwerks voll ermessen und von dieser edlen Zunft- losigkeit aus allmählich den Faden finden in ihr Wunderland, ihre Freiheit als Befreiung, ihre Persönlichkeit als Naturkraft, ihre Fessellosig- keit als streuenden Reichtum erfahren und so die Beschäftigung mit ihrer Arbeit als beglük- kendstes Geschehen tief empfinden.

Auf der Münchner Gewerbeschau war an wenig bevorzugtem Platze ein Wandbehang von ihr zu sehen, eine Aufnäharbeit teil- weise reichgeslickt, die mich als reichste Arbeit dieser Ausstellung immer wieder an sich zog. Ich entdeckte, daß es Anderen auch so erging und weiß seitdem, daß es gilt, die Aufmerk- samkeit auf solche Werke zu lenken, um die Zahl der Anbeter vermehren zu helfen. Das sollen und werden auch diese Zeilen tun, weil sie den Lesern sagen, daß ein Berühren mit solcher Zaubermacht, mit der Harmonie einer befreiten Persönlichkeit, durch edelstes Hand- werk selbstverständlich ausgesprochen, allen Lebenssinn gelegt in eine kleine Nadel, ihr eigenes Menschenglück tiefer macht.

Welchen Reichtum trägt uns ein Umschlag- tuch Lilli Vetters entgegen, welche ernteschwere Überfülle ohne Chaos, ohne Phrase es ist ein Schenken ohne Ende . Welche Fülle bekommen bei ihr Gold- und Silberfäden, welche fast sinnbetörenden Reize hat ein Pantöffelchen von ihrer Hand schon ist man außer Raum und Zeit und spinnt in sein Glänzen versunken ein Märchen von einem jungen Herrscher, der

ULLI VETTER-HOHENASCHAU. WIEDERKEHR DER SONNE«

BESITZER: LANDESGEWERBEMUSEOU— STUTTGAST.

H

W

Q

S

X o

CO

<

(il

X

o c;

M H H M >

Stickereien von LiUi Vetter.

großen Kriegszug rüstet, um dem geliebten Wesen die sagenhaften Schmuckstücke zu er- obern, wenn auch mit viel Jünglingsblut und Entbehrungen. Klänge wie nach Symphonien werden in uns durch ihre gestickten Bildkom- positionen wach und lösen ein Weltverlorensein in uns aus, wie sonst nur Musik es vermag.

Bei keiner Arbeit fühlt man das Vorgenom- mene, alles ist wie Blumen gewachsen, eine Einheit im Machen und Empfinden wirkt sich aus, die alle Knoten löst und uns endlich jen- seits des Kritisierens läßt, ja uns „jenseits von Gut und Böse" führt horst-schul7e.

Ich bin oft Menschen begegnet, die behauptet haben, „Sie müssen doch wenigstens zu- geben, daß es gewisse Gesetze der Komposi- tion gibt". Und mit einer wichtigen Miene glaubten sie an die Wahrheit ihrer Behauptung. Ich aber meine, daß Komposition nur ein Mittel ist, um andern mögUchst klar und zwingend unsere Gedanken mitzuteilen, und ich bin über- zeugt, daß die Gedanken von selbst die besten Ausdrucksmittel finden., jean fra>'' ois millet.

E

s sind die heiteren Regionen, wo die rei- nen Formen wohnen schiller.

LILLI VETTER. .BEUTEL« PERL- UND CHENILLE-STICKEREI.

I

AKTUR HELBIG- BERLIN.

Inhalts-Verzeichnis.

BAND LH

April 1923 -September 1923.

TEXT-BEITRAGE:

Seite Ruisiiche Kunst. Von Pawel Barcban

Berlin 3 8

Die »Lüge« der Kunst. Von Curt Bauer

Schlachtenjee 9

Die Gewalt der Form. Von W. F. . . 11

Die Kunst im Zusammenhang der nationalen

Kultur. Von H. Ritter 19

Gemälde der italienischen Renaissance im

Kaiser Friedrich-Museum zu Berlin. Von

Dr. W. Kurth— Berlin 23—

Landhaus de Vriess in Marsberg i. W. Von

C. B 43—44

Ausdruckskunst. Von Karl Heckel

Schöngeising 47 50

Kunst vmd Können. Von Curt Bauer

Schlachtensee 50

Frühstückszimmer F. A. Breuhaus. Von

Albert Haberton 53 54

Ludwig Kozma als Buchkünstler. Von E m -

merich Kner Gyoma 57

Bruno Krauskopf . Von Dr. Joachim Kirch- ner— Berlin 63 66

Theodor Volbehr Magdeburg. Von Ernst

von Niebelschütz Magdeburg . . 66 68 Eisenguß. Von Dr. G. ▼. Pechmann . . 69

Max Fleischer, der Forscher und Künstler.

Von Hans Schüler 71 72

Eduard Dollerschell— Elberfeld. Von Dr.

Jobst A. Kissenkoetter-Mülheima.R. 77 81 Rolf Winter und Harold Winter. Von Prof.

Hans Cornelius Oberursel. . . . 81 83 20 Jahre »Wiener Werkstätte«. Von Dr.

Adolf Vetter Wien 87—93

Dagobert Peche f 100 loi

Was ist »Naturalistische Kunst« ? Von

Erich Kramstal 107 108

Die Sorge um die Zukunft der Kunst. Von

Prof. Theodor Volbehr München . iiz 114 Aujusta von Zitzewitz— Berlin. Von Dr.

Alfred Kuhn Berlin 117 118

Die Kunst des Bildnisses. Vo» M. . . .

Der Aufbruch zur Wirklichkeit. Von H.Ritter

Russische Tänzerinnen. Von Pawel Bar- chan— Berlin

Eine Grabkirche von Ivan Mestrovic. Von Prof. Josef Strzygowski Wien . .

Geistige Zuversicht. Von H. W. . . .

Die Lotus-Tafel. Von Kuno Graf v. Har- denberg— Darmstadt

Die Ausstellung »Deutsche Kunst 1923« Dannstadt. Von Wilhelm Michel Darmstadt

Ein deutscher Kunstkritiker des iS. Jahr- hunderts

Der Maler Richard Geßner. Von R. Bongs.

Deutsche Kunst und französische Kunst. Von Ernst von Niebelschütz Magdeburg 200-

Der Altar des Michael Pacher. Von Rein- hold Ewald

Das Kunstwerk als Organismus. Von Wil- helm Michel

Ein Landhaus in Blankenese. Erbaut von Prof. Bruno Paul Berlin. Von Baurat Hans Rolffsen

Neue Formen? Von Dr. E. Zschimmer

Die natürliche Einheit. Von Anton Jau- mann Berlin

Vom BUdungswert der Kunst. Von Ha- rald Scholderer

Mein Arbeitszimmer. Von H. Geron . .

Die verjüngte Berliner Akademie. Von Dr. Max Osborn Berlin

Gustav Schaffer. Von E. Kurt Fischer .

Porzellan. Von Anton Jaumann Berlin

Das Wesen des Porzellans. Von Max Adolf Pfeiffer— Meißen

Zwei Räume von F. A. Breuhaus ^Botm. Von Hans Heinz Lüttgen Cöln

Von chinesischem Kunstgewerbe. Von O.

Münsterberg .

Seite

121 123—124

127

127 136 138

161

•75— '«3

185—195 199

-204, 231 209 221 223 224

227 229 230

233

236 238 241

247—263 267—173 277—278

291

298

298

Wachsfiguren Ton Ciaire Selmair.

Von Ferdinand Götz München . .

Künstlerelend

Ausstellung der »Münchener Neuen Secession«

Sommer 1923. Von Dr. Rudolf Köm- stedt

Sommerausstellung 1923 der Künstler- Ver- einigung Dresden. Von Dr. Oskar Schürer Dresden

Ein deutscher Kunstkritiker des 1 8 . Jahrhund. Von Wilhelm Michel Darmstadt .

Drei Raum-Ideen Von R. R

Artur Helbigs Lampen. Von Anton Jau- mann Berlin

Vom Messing-Gerät. Von H. Seh. . . .

Stickereien von Lilli Vetter. Von Professor Horst-Schulze Leipzig

Seite

305 306

309—321

325—333

333—338 34«. 346

349-355 357

359—362

Gemälde » Trommelschläger t. Von Prof. Karl Seite

Hofer Berlin-Grunewald 246

Gemälde »Frauenkopf«. Von Eugeij Zak Berlin 256 Gemälde »Bildnis«. Von Gustav Schaffer

Chemnitz 266

Porzellanplastü »Dame mit Putto«. Von Paul

Scheurich 276

Porzellanplastik »Diana«. Von Paul Scheurich . 282 Gemälde >Halbakt<. Von Willi Nowak-München 308 Gemälde »Einzug in Jerusalem«. Von Karl Caspar

München 314

Gemälde »Fatme«. Von Prof. Paul Rößler

Dresden 324

Gemälde »Bauern am Abend«. Von Peter Aug.

BSckstiegel 330

»Feierlicher Raum«. Von Arch. Leo Nachtlicht

Berlin 340

SEPIATON- UND FARBDRUCKE:

Gemälde »Bildnis: Frl. Tischtschenko«. Von S.

Ssorin

Gemälde »Bildnis: Frau Andrejeff«. Von W.

Schuchajew

Gemälde »Selbstbildnis«. Von Vecellio Tiziano Gemälde »Auferstehung Christi«. Von Giovaimi

Bellini

»Eingangspforte«. Von Prof. Heinrich Straumer

—Berlin

»Blick in den Garten des Künstlers«. Von Fritz

Aug. Breuhaus Köln

Gemälde »Bildnis«. Von Bruno Krauskopf Berlin Gemälde »Selbstbildnis«. Von Eduard Doller-

scheU— Elberfeld

»Kandelaber«. ! Wiener Werkstätte Wien. Gemälde »Selbstbildnis«. Von Augusta v. Zitze- witz— Berlin

Plastik »Madonna auf dem Hauptaltar«. Von

Prof. Ivan Mestrovic

Plastik »Hauptaltar«. Von Ivan Mestrovic . . Plastik »St. Rochus«. Von Ivan Mestrovic . Plastik »Xeilansicht eines Engels«. Von Ivan

Mestrovic

Gemälde »Wallfahrtskirche auf Elba«. Von Ri- chard Seewald München

Gemälde »Stilleben«. Von Alexander Kanoldt

München

Gemälde »Industrie«. Von Richard GeBner

Düsseldorf

Altarbild »Beschneidung Christi«. Von Michael

Pacher

»Terrassenseite eines Hauses in BUnkenese«.

Von Prof. Bruno Paul Berlin

»Wohnzimmer«. Landhaus Hamburg-Blankenese.

Von Prof. Bruno Paul Berlin

ABBILDUNGEN

(SACHLICH ZUSAMMENGESTELLT):

Seite Altar S. 208 224; Anhänger S. 112; Architektur und

Grundrisse S 42 47, 59, 226 229; Ausstellungsräume 2 S. 340—345; Bettdecken S. iio iii; Beutel S. 362; Bildnisbüsten S. 334 335; Boudoir S. 300 301; Bü- 15 cherschrank S. 242, 299; Buchschmuck und Initialen S. 22 56 60; Deckchen S. 106— 107; Dielen S. 48 49, 231; Edelmetall-Arbeiten S. 94 99, 112; Emailbilder S. 100 31 —103; Eßzimmers. 236; Frühstückszimmer S. 53 55; Garderobe S. 230; Gartenanlagen S. 44 47, 52; Ge- 42 mälde S. 2 9, 11 15, 18, 22 40, 62—80, 116 124, 174 193, 198 209, 212 213, 222, 227, 246 52 258, 263, 266 273, 308 322, 324 332; Gläser- 62 schrank S. 237; Grabkirche in Dalmätien S. 126 172; Herrenzimmer S. 296; Holzschnitte S. 58 59; Holz- 76 Schnitzerei S. 86, 232 233, 259 262, 356; Innenräume 86 S. 340 345; Kaffee- imd Teeservice S. 94, 97, 98 99; Kaminanlagen S. 48 49, 55, 240, 243; Keramik 116 S. 104 105, IIJ 113; Kerzenhalter S. 357, 364; Kinderweste S. 361; Kleinplastik S. 104 105, 112 126 113, 194 196, 276 285, 288 294; Klöppelarbeiten 139 S. 106 109; Krüge S. 99; Leuchtetkronen S. 88 89, '49 93> 348. 350 35'; Metallarbeiten S. 87 93, 114, 348 353- 355. 357. 364; Musikzimmer S. 23 4 235; Oefen 159 S. 235, 238; Photographien russischer Tänzeriimen zwi- schen S. 124 und 125; Plaketten S. 277, 287; Plastik, •74 figürliches. 10, 20, 82 84, 194 196, 264, 274, 276 285, 288 294, 334 338; Porzellanplastik S. 276 188 294; Simovar S. 95; Schreibtisch S. 297; Silberarbeiten S. 94 99; Stickereien S. 358 362; Studiertisch S. 92; 198 Tisch- imd Standiampen S. 86 87, 90 91, 97, 346, 349. 353 35^1 Tochterzimmer S. 244; Treppenanlagen 208 S. 231 233; Tüllarbeiten S. 110 iii; Vasen tmd Schalen S. 98; Vitrine S. 235; Wachs-Puppen S. 304 226 306; Wandleuchter S. 352; Wandmalereien S. 53, 55; Wartezimmer S. 302; Wohnräume S. 240, 344 34S; 240 Zeichnungen S. 17, 56 60.

Namen -Verzeichnis.

Seite

Albiker, Carl— Dresden 196, 335— 3j6

Babberger, August Karlsruhe 186

Barchan, Pawel Berlin 3 6, 127

Barlach, Ernst Güstrow J59— 262, 283

Bauer, Curt Berlin-Schlachtensee .... 9.

Bellini, Giovanni 31

Bemdt, Siegfried Dresden 328

Böckstiegel, Peter Aug. Dresden .... 330

Bömer, Paul— Meißen 277, 286, 287

Bongs, R 199

Botticelli, Sandro 35i 37

Breuhaus, Architekt Fritz August Köln- Bonn 52 55. 296 297, 299 302

Caravaggio 30

Caspar, Professor Karl— München . ... 314

Caspar-FUser, Maria München 311

Cornelius, Prof. Hans— Oberursel .... 81—83

Cosimo, di Piero 39

Cossa, Francesco 27

Davringhausen, Heinrich München ... 179

Deppe, Paula f 321

Dietze, E. Richard Dresden 326

DoUerschell, Eduard— Elberfeld .... 76—80

Eben, Josef München 180, 319

Esser, Max— Meißen 291 294

Ewald, Reinhold Hanau .... 181, 209—221

Fabriano, Gentile da 34

Fiori, Emesto de 274

Fischer, Dr. Kurt E.— Chemnitz .... 267—273

Fleischer, Professor Max Berlin .... 70 73

Franciabigio 25

Qaul, Professor August f 288 290

Geron, Heinrich 241

Geßner, Richard— Düsseldorf 198 206

Götz, Ferdinand München 305

Grigorjew, Boris 12 13

Grünewald, Matthias 74

Haberton, Albert 53—54

Hardenberg, Kuno Graf von Dannitadt . 161

Heckel, Karl Schöngeising 47 50

Heckendorf, Franz Berlin 252

Heibig, Artur— Berlin 346—357. 3^4

Heß, Julius München 318

Hofer, Professor Karl Berlin 246 247

Hoffmann, Professor Josef Wien . 94 95, 98—99

Horst- Schulze, Professor P. Leipzig . . . 359 362

Jaeckel, Willi— Berlin 190 191

Jaumann, Anton— Berlin . 233, 277 278, 349 255

Kandier, Joh. Joachim 284—285

Seite

Kaiser Friedrich-Museum.— Berlin .... 22 40

Kanoldt, Ale.\ander München-Pasing 176, 188 189

Kirchner, Dr. Joachim Berlin-Wilmersdorf 63 66

Kissenkoetter, Dr. Jobst A. Mülheim a. R. 77 81

Klein, Cfear Berlin 341 343

Kner, Emerich Gyoma 57

Kömstedt, Dr. Rudolf Berlin 309 321

Kogan, Alexander Berlin 2 18

Kohlhoff, Wilhelm— Heidelberg .... 163

Kokoschka, Oskar Dresden 249

Kozma, Architekt Ludwig Budapest . . 56 60

Kramstal, Erich 107 108

Kramstyk, Roman Berlin 248

Krauskopf, Bruno Berlin 62 69

Kretzschmar, Bernhard Gostritz .... 331

Krischer, Otto Dresden 337

Krymow, W 14

Kuhn, Dr. Alfred Berlin-Friedenau . . . 117 118

Kurth, Dr. W. Berlin 23 30

Lachnit, Wilhelm Dresden 332

Lange, Arthur Dresden 338

Lasser, Hans München 322

Lauterburg, Martin München 312

Levy, Rudolf— Berlin 258

Likarz, M. Wien 100 103

Lörcher, Alfred— Stuttgart 194 195

Lüttgen, Hans Heinz Köln 298

Lukomsky, G 17

Mantegna, Andrea 40

Maskos, Fritz Dresden 334

Mense, Carl München .... 178, 184, 319, 320

Mestrovic, Professor Ivan Agram . . 20, 126 172 Michel, Wilhelm —Darmstadt 175 183, 185 195, 223

2»4. 333—338

Münchener Neue Secession München . . 308 322

Mfinsterberg, 0 298

Munch, E. Christiania 251

Nachtlicht, Leo— Berlin 340—345

Nadler, Hans— Gröden 327, 328

Niebelschütz, Ernst von Magdeburg 66-68, 200-204, 231

Nowak, Willi München 308

Oäboin, Dr. Max— Berlin 247—263

Fächer, Michael 208 224

Paul, Professor Bruno^Berlin 226 244

Peche, Dag. f 86 93, 97—99, 106-107,109 112, 114

Pechmann, Dr. G. von Ilsenburg ... 69

Pechstein, Professor Max— BerUn .... 192 193

Pfeiffer, Max Adolf Meißen 291

Plontke, Paul Berlin 253

Seite

Porz«llanMAnufaktur, Staatliche— Meißen . 276—294

Raffael 28—29

Remisow, N, 7

Ritter, H ig, 123—124. 170—172

Roberti, Ercole de 26

Roerich, Nikolai 3

Rößler, Professor Paul Dresden .... 324

Rolffsen, Hans Hamburg 227 229

Rosa, Salvator 33

Russische Kunst Berlin 125

Schaffer, Gustav Chemnitz 266 273

Schaschl, Reni Wien 104, 112 113

Scheurich, Paul Berlin 276, 27g 281

Schinnerer, Adolf München 310

Scholderer, Harald 236 238

Schrimpf, Georg München . . 182, 185, 316 317

Schröder Wien io8 109

Schubert, Otto Loschwitz 325

Schuchajew, Wassili Si 9i '5

Schuf f tan, Eugen Berlin 341 345

Schüler, Hans 71 72

Schürer, Dr. Oskar Dresden 325 333

Seewald, Richard München Selmair, Ciaire München . , . .

Singer, Susi Wien

Sintenis, Ren^e Berlin

Ssorin, Sawely

Straumer, Professor Heinrich Berlin StrzygowsUi, Professor Josef Wien . Thesing, Paul Darmstadt .... Thöny, Wilhelm München ....

Tintoretto, Jacopo

Tischler, Fr. Charlottenburg . . .

Tiziano, Vecellio

Unold, Max München

Vetter, Dr. Adolf— Wien .... Vetter, Lilli Hohenaschau .... Volbehr, Prof. Dr. Theodor München Weiß, Professor E. R.— Berlin . . Wiener Werkstätte Wien .... Winter, Harold Oberursel ....

Wrubel, Michail A

Zak, Eugen Berlin

Zitzewitz, Augusta von Berlin

74-175

Seite

183, 312

304—306

104 105

196, 264

2, 8, 18

42—50 127—136

177 309

23

»54 22, 38

315

87-93

358-362

112 114

250

86—114

82—84

10 II

»56—257 116 124

MAX KÖRNER— NOkNBERO.

N Deutsche Kirnst und Dekoration

3

D^

Bd. 50

PLEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET

UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY

-^d

M

rc .iiv-^Tt

J'*'J'J*4*'*^«««««€»€t€^.C-.f..f,t.4- ♦44»*.i('.. »

^'<*c*c«c*e<f«4*«'r t<4/c.#*44 >44'

f.f 'i.C •€•€•£•# -t.^'^.f 4.#.^4,|.n

,* ^tiir ,*; ,,« j.», ;,i ,.fc, :.^. ^»J

,* ,♦• ,*l .* > .** ,♦. ,». ,♦, .* ,»|^' ,t ,1 ,4. ,,. ,,i „, ,i^ ,^, :,

.r .►^ ,* .r ,,. ,»,>.,,. .* ,^ ,,, „^, ,:r ,* ,■•; ,*■ ,-H,r ,r ,.1 ,»,.(■,.<.»■ .»'^ ,.,i,J., ,«; ,

#1 * r », *

■» * fl» »

■^^^WM^

^4km

■••»•»•••pv

1

!>- )■ i- i- i' i.'-|--|«*«

>. »• «- i'i. ;

^' \' \- ,'». '•-!■!• I*^'

J' -r^ I*-, l*< ;,?( '*' '-»If'. '♦■■ ;»i*'i '«■■- (*■ ••»■ tu '•': '-*-\ ii'- >*■:. '«; -»' -44«- '»■ rji :*^ if.i !* '■*' ii-^»-, ^*-^ t»' i*^ ',>:■•'■■' i''- t** 'S-: '*' '*^ ''■ "> : ^■*^ '-»* '*'" ■•• i :i; Ki^ :*< f»--' >i '*><'i y*< (■»: *^ ■> : i* ' '• : ^* '*■'■ ^if^i ;* : I"' ' f --^ '■»< ■*' '*: '>.,■-,; ;#( :>J u, ^*< »u>;.*^ ■:*= t*^ :»^*i A, |.»i ;*U*< '•*., v -^ : '*' '■»'. :*i'p [.^f .^l^f » !*.( (.*-1 !*■' !»■■ I J i-»^ r*. i*J ; r, t*; '%.-: ,:r; i* < i.» , '.y: i#< ^M^ '4 ,

};,;^: l«!!,,i f». r^i li«.' S^: i».; ... ,»i,.>, ,#,j !„.:»#, '»|.*-1»-; ;^-

'*1

■f

4-ff

'«1

I »• l'Ä"-^ r«»».

> M i>^ V; ;», ,.>1 ^».i |*i 'SJ >^|-t-.#*^

i*! r%i i0t <^9

t , IS - I* •; '-» i :? - ^^» : ** WS . •* . ^«t i ^?>i '*' ■>> '* ; i'i '.» , - '• . *- '* '*. '-*.'•<'*. *, ^ '»"^ 5

If, _.•: > , 1-4 i^, ■-:. L»- ^* . l* . '*^ ^*5 t>i '«1 '»^ i»; .*. f)»r> i ^-■. >,»..>. t», '*. !-*-: L*t

r., ;'■>)>■■ j; '•-. :*i ♦:'--».>' .1^-. »« ii»^ 1* 1'^ .,,.»,!«, i*. > :;*, S»'. *< '*< '■*- »- *■ ''

^^ * . '> ,1?, '-»,; >; .*, ^, i. , i-*, •«, I* r», , r,*; ►* . L«; ^, ■*• •<

:.,^. 'h . i#. '*■. *. »•- !*' f- '*■■ '* f*'* •*- >■ '»i 1'^ *' *■ ■'

1». ■>, i,», ^, i>. >yi \f\ 19 ij'' ».*•. i-< ' '♦ I*. '■», '** '»-. **- »' *■ ''

'1r, -♦ , >,, f.*. , !>; f# , », f.«i 1.» , f-»., i>. . I.» . > *■ »■. *. *v '*' :■

«,.?.■■«: ijr-', u.^ f>. '>, '*' -J« i '* . ■#-. '* '*■:'"'■ •• ' *. *. '*■' '*■- '*■' '^

:t>r:'> .'» ,-».,"«,*,;>;•'*.'>■. >^*-. ''i.'-i^r* '■<*■ <-*- r*. i*. l*,-».^ •>; ^^

, };* , :,'. . i* > •■ : i* , ■■* . *, i> ,■-*}• I * . '* f* >A * ^.. , .»• . •>. *. :~«, i'^

*.•«,-* :* #% . I*. '-■• , ^*. ^r. t*. '* , k»:^*.. C«*JI !ir^":,t. *, '^, *, tA. i

f-* I* ^* 1* f * ' '* ** '^' '* ' * ^ '"^ f ^' '* T ' '^i ^< *'^ '*^'" '

'* ,1*. '* ,IJ^ i*

m

'fgjtTTT'-'.'X"'

L A**^ 4 i.k A k r A ; ^ - ^ . . . , ff f I 4 4^ f.> ♦•♦ f k>i t * 4 ♦.♦-.

:<• IV ,*' „*-i , »1

k* ,* ,>^ :*1 ,W ,41 .*! .»-i*! , Hl >, :f. ,♦( .-ti ,* ,,^ >) ,*t«i»l.»l,-t .

»' .»I >»i . V .». .*i , t^ : .*i»' :»-( >v , «i ,,#; „», ..»i ,», .•♦i»4'M , M i»4 ..1 , »

*$*i

''4*4'*' '"t 4'*T'4''4"f*4*4*4'^ ^*v

)*«')><

1^4 *<

. **■*-<

i»*«4»«i*4'*4*4*v*^*^ '^

;.f 4 •! ♦o»4«4*T*4'f * * **

f 4^' '^'^ 1*4*4*4** 't *v**

k*-«'

* a

-fcx*-

i.

t

m

i