Zfi-Jt\ <^^*^€^^^ Ci^tM^'^ ■ Zr^t^ J. «/». >jCu, ^^ J^_* a:^/;^j^^^ ^J^^i^ B^^ /f/v ^ ^,<^^\^ / JJfif C^^Ll^^'^^^OA^^^^ g \X\^^ ^rw^sw-o ^ ^^<^ Q. /f-^A^lf^-^jT '^^M^'m. ^ /rrv y/^:>^^u^^ '/- JV " 8^5^/^ Die Agrarkrisis und die Mittel zu ihrer Abhilfe. Grundzüge eines agrarpolitischen Programms. Von Dr. Witold von Skaf2yAski. Als Referat für „Die Grundkreditkommission" des „Bundes der Landwirthe" gedruckt und herausgegeben. Verlag von F. Teige. «V \ Berlin 1894. Inhalt. Seite Vorwort , 1 I. Kapitel: Wirthschafts- und Handelspolitik des „neuen Kurses", — „Wissenschaftliche" Quelle oder nachträgliche Verherrlichung derselben — als Typus: SchäfFle - kritische Analyse der bezüglichen Abschnitte aus den „Deutschen Kern- und Zeitfragen" , 4 II. Kapitel: Agrar- und Hypotheken- Gesetzgebung. Credit- und Schuldnoth — als Typus: A. Buchen- •^ berger lg III. Kapitel: Rodbertus'-Jagetzow agrarpolitisches und agrarrechtliches Programm 34 IV. Kapitel: DeutscherLandwirthschaftsrath. Kritische Analyse der Verhandlungen der XV. Sitzungs- periode im Jahre 1887 53 V. Kapitel: Kritische Analyse der österreichischen . Gesetze betreffend die Errichtung von Berufs- genossenschaften der Landwirthe und die Er- richtung von Rentengütern, sowie despreussischen Gesetzes über die Landwirthschaftskammern. . 7G VI. Kapitel: Eigene Vorschläge in Betreff" eines agrar- politischen Programms, — Grundkredit und Währung etc 97 Schlusswort ]20 VorAvort. Wenn der „Bund der Landwirthe" seine Entstehung EdchTr «V^P^^^^-dehnung über das gan.Ttutchf fertld 9'dT''''''^'''*^^'^"";"^ ^'"''^ ^^'^^^^^»'» und der laudwir« sc laftlichi TT ? "'" '''"' Grundbesitzer Grundstacke dietSfSnen'sTcfr^"- ''"^ ^«»-'b«" Spuk g:bSg™:l,flr' r.: «^*-'. hierin hegt der Alles, was daran häiiS f'^"'''. >'««™-ische Problem" und Kontrovese zw' chenX hlJT"^ «» wenig erbaulichen Gesellschaft gestalte? haT '"'■""^^'«'™ ^'^'^^'^n der heutigen oben''bLtS"te'dL"V:rtM""'S "'r' =""«'"• -'^ -l«"" wirthschaftlichenUnternehi^^ "■ "ä*-;. I^^i-essen der land- dagegen in ihnen d'verf^hterllr'T t'''''^™"? S'™''-' selbst wirthschaftenden r i der Interessen der nicht rente einstreSnt,? GruSes'Serhek"''''f « *° ^°^"- Das ist das mal entendu 1 hI «-""i"'?" ™."'''^^^"- entendu, _ der GrunJI'es erbTtSln. — 10 — hasserfüllten Kampfes auf Leben und Tod zwischen dem, wie ihn die Engländer nennen, „landed and monied interest"! Wie liegt nun die Sache in Wahrheit? Wer hat Recht, wenn überhaupt die einen oder die andern Recht haben sollten? Es liegt auf der Hand, dass in den agrarpoliti- schen und agrarrechtlichen Verhältnissen jedenfalls die Agrarier selbst für gewöhnlich besser orientiert sind, als ihre Gegner. Den Ersteren muss daher, ohne für dieselben daraus ein besonderes Verdienst ableiten zu wollen, einge- räumt werden, dass ihre Auffassung den Thatsachen mehr entspricht und zwar in doppelter Beziehung: 1) insofern es, auch ohne Statistik, wohl feststeht, dass zur Stunde in Deutschland die Mehrzahl der Grund- besitzer zugleich auch landwirthschaftliche Unter- nehmer auf ihren Grundstücken sind, wenn man dabei von den Domänen, Standes- und Majorats-Herrschaften absieht; 2) insofern es innerhalb unserer Gesellschaft, welche nun einmal das Privateigenthum an Grund und Boden nebst dem Kapitaleigenthume und das Erbrecht an beiden zur Grundlage hat, gerade unerfindlich ist, wieso man die Rente des Grundbesitzers — auch des nicht selbst Landwirthschaft betreibenden — für weniger legitim halten kann, als die Zinsrente des Rentiers, oder die Dividende des Aktionärs, oder die Bodenrente des städtischen Grundeigenthümers u. s. w. Ueber Punkt 1 brauchen wir uns wohl nicht zu ver- breiten. Es wäre allerdings zu - wünschen gewesen, dass eine diesbezügliche genaue Statistik den „leitenden Staats- männern" vorgelegen hätte, bevor sie auf Kosten der Land- wirthschaft und des Grundbesitzes ein ganzes System von Handelsverträgen aufzubauen für gut befunden haben. Zeit genug hatten doch wahrlich die Statistiker, anstatt manchen unnützen Krames, den sie inzwischen zu Tage gefördert haben, eine genaue Statistik über das Verhältniss von Landwirthschaft zu Grundbesitz auszuarbeiten. Hätte dieselbe vorgelegen, dann wäre vielleicht die Regierung sowohl als das Parlament davor zurückgeschreckt, eine derartige Rücksichtslosigkeit, wie sie in den auf 12 Jahre abgeschlossenen Handelsverträgen liegt — nicht einem seine Renten müssig und sorglos verzehrenden Magnatenthum gegenüber — ein Bild, welches wohl den meisten Anti- agrariern vorschwebte — sondern einer überwiegenden Mehrzahl auf ihrer ererbten Scholle mühe- und sorgenvoll arbeitender, Landwirthschaft selbst betreibender, sowohl grösserer als mittlerer, als kleinerer Grundbesitzer gegen- über — zu üben ! 'In Bezug auf grösseren Grundbesitz gilt dies vornehm- lich von Preussen und zumal von seinen östlichen Provinzen. Da ist seit Jahrhunderten jener so verhasste Junker erb- — 11 — ansässig und meist als landwirthschaftlicher Selbstunter- nehmer thätig, der seinen guten Theil dazu beigetragen hat, Treussen und mit ihm Deutschland zu einer Weltmacht ersten Ranges zu machen. Diese so verachteten Junker sind es, welche fast das ganze Offizierkorps des grossen Wursten Friedrichs des Grossen, überwiegend selbst Wilhelms I. und auch einen grossen Theil der Verwaltungs- beamten und Juristen in einer langen Reihe von Gene- rationen innerhalb derselben Familien lieferten — also gleichsam den Kern jenes preussischen Beamtenstandes bildeten, welcher nebst der Armee als die Hauptsäule des machtigen Baues des Hohenzollernstaates mit Recht gilt -üurch die Fnedericianischen Kriegsanstrengungen finanziell erschöpft, wäre der erbansässige preussische Grundbesitz bei der grossen Katastrophe 1806-1812 mit dem Staate zugleich zu Grunde gegangen, wenn seine Inhaber die politische Existenz des States auf den Schlachtfeldern der Freiheitskriege nicht reichlich mit ihrem Blute erkauft und rter btaat seinerseits diesem erbansässigen Grundbesitze, dem er noch obendrein damals die grosse soziale Reform der Aufhebung der Leibeigenschaft unter grossen momen- tanen Verlusten für denselben aufoktrojderen musste, auf dem VV ege der Gesetzgebung nicht beigestanden hätte. So fassten Friedrich der Grosse und später Freiherr v. Stein das Verhältniss des Staates zum erbangesessenen Grundbesitze auf. Die Gründune der Landschaften in den alten preussischen Pro vmzen sind ein bleibendes Denkmal dafür ^) T.n.iy.w'^'^ '^'^* es heute? Heute jagt der Staat einem moghchst grossen Industrieexporte nach allen Himmels- gegenden nach, während aus allen Himmelsrichtungen die Rohprodukte einlaufen und den Preis der eignen land- wirthschaftichen Produkte erdrücken. Der auswärtige land- yirthschaftliche Produzent und Konsument in Amerika, Asien, Austrahen Afrika ist das eigentliche Glücks- und Schosskind der „leitenden Staatsmänner" und der meisten Konsumenten ohne „Ar und Halm«. Ihm werden die IZlT ^^br^kate möglichst billig und selbst immer besser zugeführt! Ihm werden seine landwirthschaftlichen l-rodukte mit Vergnügen abgenommen — sie sind ia billiger wenn auch meist schlechter als diejenigen, welche der in- riÄ ^^?t''^^ li^f^rn kann. Um' dieses schöne männPr?'.l7 p'i/f^ ^T^^^^ ^^^ „leitenden Staats- SS^.-. T ^J^^J^^gt, betreiben zu können, muss die Industue und nebenbei auch alle von Zinsen und Gehältern ebende_n „Konsumenten ohne Ar und Halm" - möglichst ^f%^'^'.-'^'''^\--- "Verfügung haben, um mö|ichst . billig fabrizieren zu können, also möglichst niedrige Löhne 8j Darüber Näheres Kap. VI d. vor. Schrift. — - 12 — zu zahlen, denn so allein kann in dieser tollen Jagd nach dem goldenen Kalbe selbst über die Ozeane hinweg die Konkurrenz anderer, ebenso „schlauer Europäer" aus dem Felde geschlagen werden! Doch genug davon! Wir können uns auf eine ein- gehendere Erörterung dieser die Grundprinzipien der National- ökonomie betreffenden Fragen hier nicht einlassen. Wir kommen noch im letzten VII. Kapitel darauf zurück. Eigentlich haben diesbezügliche Erörterungen heute keinen praktischen Zweck mehr. Es ist aber nicht überflüssig, zu konstatiren, dass wenn die deutschen Staatsmänner und die öffentliche Meinung in dieser Hinsicht falsch unter- richtet sind, sie dies in erster Linie der deutschen universi- tären Wissenschaft zu danken haben. So viel steht für uns fest, dass in dem Augenblicke^ in welchem das alte Europa, ausgenommen Russland, von dem Banne der englischen ISTationalökonomie unter der Firma: Adam Smith, Ricardo, Malthus, Stuart MiU, Cobden — sich nicht definitiv loszulösen verstand, wozu Deutschland einen blossen Anlauf unter der Aegide Bismarcks 1879 — 1887 gethan hat, ohne sich jedoch vollständig auf den Boden der Friedrich List'- schen, Henry Carey'schen und Eugen Dühring'schen wirk- lich nationalen Oekonomie zu stellen, — sein Schicksal besiegelt war. Man braucht wahrlicli kein Prophet zu sein, sondern nur mit blossem Auge, ohne die englische Brille atifzusetzen, dreinzuschauen, um zu erkennen, dass wenn niclit etwa der „gros.se Krieg in Sicht" bald losbricht und ganz andere politische Konstellationen mit sich bringt oder etwa die „schlauen Mitteleuropäer" nach fühlbar gewordenem Schaden nicht noch rechtzeitig eines Besseren belehrt — England nebst seinen getreuen mitteleuropäischen Kämpen mit ihrer theils kosmopolitischen, theils bundespolitischen Wirth- schaftspolitik — den zwei in grossem Stile nationale Oeko- nomie treibenden Staaten Nordamerika und ßussiand, an welche Frankreich Anschluss zii finden sucht — ä la longue ökonomisch und in weiterer Folge auch politisch unter- liegen müssen, was auch Prof. Schäffle dagegen sagen mag. ^) Was Punkt 2 anbetrifft, so ist ein Doppeltes dabei auseinanderzuhalten. Vor allem muss mit der falschen Bodenrententheorie, welche von Ricardo sich herschreibt, aufgeräumt werden. Trotz aller Modifikationen und „Ver- besserungen" durch Stuart Mill und die deutschen National- ökonomen operirt man noch immer mit einer „reinen Bodenrente". Nun giebt es aber im Kulturzustande keinen Boden mehr, in welchem kein Kapital steckte; es steckt daher auch in jeder Bodenrente der Zins von diesem mit '*) Deutsche Kern- und Zeitfragen, pag. 292 ff. — lo- dern Boden gleichsam verwachsenen Kapital, wovon Die- jenigen keine Ahnung zu haben scheinen, welche die ganze heutige Ueberschuldung des Grundbesitzes, wie es selbst Schäffle thut, für eine unproduktive Ueberschuldung er- klären. Sodann muss hervorgehoben werden, dass wenn auch ein ideeller Theil der Bodenrente auf keine Kapital- anlage zurückzuführen ist, dieser Theil immer nur aus der Preisbildung resultirt, nie aber als causa efficiens der Preisbildung wirksam ist, was bereits die alten Oekonomisten wussten, so die Physiokraten und Adam Smith, was aber in letzter Zeit zumal in den Schriften Henry George's und der deutschen „Landliga" geradezu auf den Kopf gestellt worden ist. Sobald man über die Bodenrente, als spezifisches Ein- kommen aus dem Grund und Boden — worin sowohl Zins als Unternehmergewinn aus dem im Boden angelegten Kapital, als auch der ideelle Theil des Einkommens ent- halten ist, welcher sich aus dem Besitztitel allein her- schreibt, und nur dann überhaupt existirt, wenn nach Abzug des Unternehmergewinns und des Zinses überhaupt noch etwas für den Grundbesitzer als solchen übrig bleibt — im Klaren ist, so erhellt auch ohne Weiteres die sozialökonomische Ungerechtigkeit und Ungereimtheit, die mit eineni anderen Masse Zins und Unternehmergewinn und die „soziale Besteuerung", welche aus jedem Besitz- rechte streng logisch folgt, misst, je nachdem diese Eiii- kommenquelle aus dem Kapital oder aus dem Grund und Boden stammt. Entweder sind nämlich die Rechte des Kapitals an seinem Zinse, des in industriellen Anlagen angelegten Kapitals an einem Unternehmergewinn und an emer Divi- dende obendrein eben sogut „wohlerworbene Rechte" des Kapitals, als die Rechte des Zinses und Unternehmer- gewinnes an dem landwirthschaftlichen Betriebskapital und des Zmses von dem in dem Boden fixirten Kapital und der Besitzrente „wohlerworbene Rechte des Grundbesitzes" sind — oder aber sind sie es beide nicht, sondern laufen beide auf einen „sozialen Raub" übereinstimmend mit der Ansicht der Sozialisten hinaus. Tertium non datur! In der Pacht kommt jene Trennung des landwirth- schaftlichen Unternehmergewinns von dem Zinse von den im Boden fixirten Kapitalien und der ideellen reinen Grund- besitzrente zu unzweideutigem Ausdruck. Im Kulturzu- stande wird Pacht stets von einem Grundstücke gezahlt, m welchem ein gewisses Kapital angelegt ist. Der Pächter übernimmt eine mehr oder weniger vollkommene Werkstatt der landwirthschaftlichen Produktion, welche von dem Eigenthümer oder von seinen Vorgängern mit Kapitalauf- wand hergestellt worden ist. Der Pächter betreibt auf dieser Werkstatt den landwirthschaftlichen Betrieb mit — 14 — seinem Betriebskapital und muss daher aus dem landwirth- schaftlichen Ertrage vor allem seinen Unternehmergewinn und den Zins von seinem Betriebskapital wieder erstattet erhalten. Erst das, was nach diesem Abzüge aus dem Wirthschaftsertrage übrig bleibt, kann er dem Eigenthümer als Pachtgeld zahlen, wovon der letztere den Zins und die Amortisation seiner und seiner Vorgänger Kapitalauslagen decken und — erst dann das, was noch etwa darüber hinaus übrig bleibt, für sich aus dem Titel seines Besitz- rechtes an Grund und Boden einstecken kann. Ist dies nun legitim oder nicht? In Bezug auf Zins und Unternehmergewinn, ob bei Kapital in industriellen oder landwirthschaftlichen Anlagen bleibt dabei gleichgültig, — darüber sind wohl alle Besitzenden ziemlich einig. Wer aber die Legitimität der Grundbesitzrente anfechten will, wer wirthschaftspolitische Massnahmen des Staates und die ganze Gesetzgebung danach bemessen will, wie es Schaffte, Conrad, Buchenberger u. A. thun, ob der Grund- besitz grössere oder geringere Grundbesitzrenten beziehen soll, — der mag doch den Muth haben, ganz frei und oifen sofort für eine Verstaatlichung des ganzen Grund- besitzes zu plaidiren und dann auch folgerichtig für die Verstaatlichung des ganzen Kapitals eintreten. Denn wir fragen noch einmal, sind die Besitzrechte am Kapital der heutigen Gesellschaft „heiliger" als die Besitzrechte am Grund und Boden? Und wenn dies der Fall ist, dann bitten wir doch alle „Konsumenten ohne Ar und Halm" mit den „leitenden Staatsmännern" und Professoren an der Spitze, uns gefälligst die Gründe angeben zu wollen, warum dieser „ethische" Unterschied zwischen den Betitz- rechten des Kapitals am Zinse, Unternehmergewinn und Dividende und dem Besitzrechte des Grund und Bodens am Zinse, Unternehmergewinn und eventuellen Rente bei seinem spezifischen Einkommen, welches unter dem Namen der Bodenrente zusammengefasst wird — statuirt und wo- durch er gerechtfertigt wird? So lange uns die Gründe nicht gesagt werden, müssen wir annehmen, dass dieser Unterschied zu Ungunsten der Grundbesitzer einzig und allein auf dem Unterschiede der dabei in Betracht kommenden Personen beruht. Diese ganze Kontroverse würde dann auf eine blosse Geschmacks- irage hinauslaufen. Auf die Frage nämlich, ob für das fernere Wohl und Wehe der Gesellschaft die Existenz einer Mehrzahl Geheim-, Kommerzien- und Kommissionsräten oder aber von Oekonomieräten, Majoraten und Ritterguts- besitzern erwünschter und erspriesslicher wäre! Also eine müssige Frage, da bekanntlich „de gustibus non est dis- putandum"! Im Lichte der obigen Erörterungen kann es nicht Wunder nehmen, dass Männer der Wissenschalt, welche — 15 — derartig grundlegende Fragen wie die eben erörterten, entweder gar nicht aufwerfen oder ganz schief beantworten — auch in der Folge ganz schiefe Urtheile über Staatsmänner und ihre Wirksamkeit fällen, wie es Schäffle in Bezug awi Bismarck und Caprivi in seinen „Deutschen Kern- und Zeitfragen" thut. ^o) Wir fordern jeden Wirthschaftspolitiker auf, diese akademischen Ausführungen zu lesen, wahrlich nicht ihres W^erthes halber, sondern der Erkenntniss wegen, woher der Quell der sozialökonomischen Weisheit entspringt, an der wir uns seit zwei Jahren vom Kegierungstische aus im Parlament und in der offiziösen Presse zu laben nur zu oft Gelegenheit haben. Nachdem v. Dellbrück für Deutschland und v. Hock für Oesterreich als „Kapazitäten allerersten Ranges" hin- gestellt worden waren (p. 225), wird auf 50 Seiten an der von Bismarck 1879 — 1891 praktizirten WirthschaftspoUtik eine professorale Kritik geübt, welche alles übersteigt, was uns in dieser Beziehung bisher zu Gesichte gekommen ist und welche auf der 50. Seite in dem Ausspruche gipfelt : „Eine ruhige Prüfung alles Einzelnen hat dem Verfasser dieses die weiterhin kurz an den Haupt- zollgruppen erwiesene (!?) Ueberzeugung beigebracht, dass die Caprivi'sche Handelspolitik erreicht hat, was bei der nicht durch sie (seil, sondern durch Bismarck) verfahrenen Lage überhaupt zu erreichen war"!! Der Leser wirft sich dabei unwillkürlich die Frage auf: Wer ist in diesem Falle der Meister und wer der Schüler? Hat der Prof. Schäflle sammt seinen Kollegen den Reichskanzler Grafen Caprivi und den Staatssekretär Freiherrn von Marschall oder umgekehrt beeinflusst? Die Uebeinstimmung der „Ueberzeugungen" ist nämlich eine in die Augen springende ! Die Beantwortung dieser Frage wird wohl und kann auch getrost als ewiges Räthsel fort- bestehen. Im Endresultate kommt dies nämlich auf eins heraus. Eins muss jedoch hervorgehoben werden, nämlich dass diese Uebeinstimmung oder wenigstens diese gegen- seitige Beeinflussung der oifiziellen Wissenschaft an den Universitäten und der offiziellen Wissenschaft an den grünen Tischen der Regierung, Verwaltung und grössten- theils auch der Gesetzgebung ein Faktum ist, welches sich durch die ganze deutsche WirthschaftspoUtik und soziale Gesetzgebung, wie ein rother Faden, mit nur geringen Intermezzos hindurchzieht. Ob zum Segen der ökonomischen Wohlfahrt des deutschen Reiches, ist eine andere Frage. Wir glauben es unsererseits nicht. Die „Konsumenten olme Ar und Halm" sind zur Zeit anderer Ansicht. Wie '0) pag 223—295. — 16 — lange sie an dieser Ansicht festhalten werden, hängt von den Umständen ab. Geradezu erheiternd wirkt jedoch der Schlusssatz, mit dem Prof. Schäffle sein Kapitel „Das Endziel der Handelspolitik" (pag. 292—295) zu Ende führt, indem er sagt: „Die Handelspolitik hat zur Zeit grosse parlamentarische Schwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten wurzeln wesentlich darin, dass die Volksvertretung unvoll- ständig ist, dass im Reichstag das Sonderinteresse der Volksschichten sich zu breit machen kann. Wie viel leichter wäre die Handelspolitik, wenn die National- vertretung eine im früheren Sinne vollständige und ver- hältnissmässige geworden wäre und die mässigenden Zusatz- elemente besässe. Alle grossen „„Kern- und Zeitfragen"" haben eben einen tiefen Zusammenhang!" Wie beschaifeu aber jene „im früheren Sinne vollständige und verhältniss- mässige Nationalvertretung" wäre, hat Schäffle auf pag. 113 gesagt. Dort finden wir den Satz, auf den hier angespielt wird und der denselben wehmüthigen Ton anschlägt: „Schule, Kirche, Kunst, Wissenschaft, die Volks wirthschaft in ihrer Hauptverzweigung, sind überall unvertreten ! " _ Also genügt Schäffle noch durchaus nicht, dass die Universitäten durch ihre „kameralistischen Kollegien und Kompendien" die „leitenden Staatsmänner" sowohl mit den meisten Verwaltungsbeamten, als auch die meisten „Ge- bildeten" in ihren „sozialökonomischen Ueberzeugungen" als auch den grössten Theil der Presse beeinflussen, — die Handelspolitik wäre seiner Ansicht nach noch viel „leichter", wenn mehr Schulmeister, Pastoren, Künstler und last not least Universitätsprofessoren in den Parlamenten Sassen! Ja „leichter" wäre die Handelspolitik gewiss in der Richtung, in welcher sie heute gehandhabt wird, welche man kurzweg als eine „Wirthschaftspolitik der systematischen Enteignung der heutigen Grundbesitzer" bezeichnen könnte. Ob sie darum „besser" wäre, lassen wir dahingestellt. Es sei denn, man wäre ohne weiteres der Ansicht, dass eine „allgemeine nationale Verarmung", welche dabei unvermeid- hch herauskommen muss, je eher desto lieber zu jenem sozialdemokratischen „Kladderadatsch" führen müsste, nach welchem es allerdings nicht ausgeschlossen ist, dass Schul- meister, „Diener des Etre Supreme" oder „Priester des Absoluten", Gelehrte und Beamte allein den soziaHstischen Staat regieren werden! Wahrlich „difficile est satiram non scribere", wenn man solche sozialökonomischen und staatsmännischen Aus- führungen liest. Wir mussten aber so lange bei denselben verweilen, weil sie, wie gesagt, geradezu typisch sind und wir uns dadurch in der Folge ersparen können, noch weiter auf andere diesbezüglichen Aeusserungen aus den „gelehrten" Kreisen einzugehen. — 17 — Wir müösen nur bitten, im Folgenden daran fest- zuhalten, was wir durch diesen einleitenden Exkurs klar gestellt haben, dass nämlich, um das eigentliche „agrarische Problem" richtig aufzufassen, nie jene beiden Thatsahen ausser Acht zu lassen sind: 1. dass der grösste Theil der Grundbesitzer Deutschlands, wenn man zumal von den königlichen Domänen und Forsten, den Standes- und Majoratsherrschaften absieht — zugleich landwirthschaft- liche Unternehmer in einer Person sind, 2. dass selbst die- jenigen Gixindbesitzer, welche ihren Besitz anderen land- wirthschaftlichen Unternehmern, nämlich Pächtern, zum Betriebe überlassen, in dem Pachtschilling vor allem den Zins von dem durch frühere Generationen in dem Boden fixirten Kapital zu beziehen berechtigt sind und auch das darüoer hinaus extra noch Uebrigbleibende als Besitzende zu beziehen ebenso sehr oder ebenso wenig berechtigt sind, als sonst alle anderen Eigenthümer an sonstigen Produktionsmitteln. Beide diese Gesichtspunkte müssen festgenagelt werden, da wir im Folgenden auf diesen beiden sozialökonomischen und sozialrechtlichen Thatsachen fassend, dem Herrn Professor Schäflfle gegenüber, wo es gelten Avird, Hilfe in dem „Schwächezustande", in welchem, wie er es selbst am Eingange einräumt, „ein grosser Theil der deutschen Landwirthschaft zur Zeit sich befindet", zu leisten, diese Hilfe aucli für den Grossgrundbesitzer, jedenfalls aber wenigstens für den selbstwirthschaftenden mit demselben ßechte, wie für den bäuerlichen Grundbesitz in Anspruch nehmen werden. Prof Schäffle beschränkt nämlich in dem schon oben zitirten Satze „die Hilfe für die Landwirthschaft" ganz folgerichtig in Konsequenz seines oben gekennzeichneten schiefen Standpunktes dem Grossgrundbesitze gegenüber, allein auf den bäuerlichen Grundbesitz. „Die Hilfe", sagt er wörtlich, „muss hauptsächlich in der Reform des bäuerlichen und namentlich Argrarkreditrechtes gefunden werden. Bis dahin soll der Agrarschutz bleiben, nachher kann er abgebrochen werden". Also nur für den Bauern soll sowohl der Argrarschutz zeitweise als auch die helfende Reform des Agrarkreditrechtes vorgenommen werden. Woher diese sonst auffälHge Einschränkung sich herschreibt, wissen wir aber bereits: „Der Zollschutz zu Gunsten der nothleidenden Betriebe" kann nur als ein malum necessarium angesehen werden und daher je eher desto lieber abgeschafft werden, weil er den „gewaltigen Fehler hat, den nichtschutzbedürftigen, kapitalkräftigen Theil der Landeigenthümer, nicht auch ihre Pächter, auf Kosten aller Konsumenten in Gestalt hoher Getreidepreise zu begünstigen." Also Herr Prof SchäfFle kann sich nur für die noth- — 18 — leidenden Bauern erwärmen — ausser diesen sieht er nämlich nur noch „nichtschutzbedürftige, kapitalkräftige Landeigenthümer" , welche ihre Güter verpachtet haben und dabei so habsüchtig und unersättlich sind, dass sie jede Preissteigerung des Gretreides für sich einstecken, „nicht auch ihren Pächtern" gönnen — als ob die Pacht- kontrakte von Jahr zu Jahr oder gar nach jeder Börsen- notirung zu Gunsten des Verpachtenden modifizirt werden könnten und also im Endresultate die Landeigenthümer allein die ganze Masse der „Konsumenten ohne Ar und Halm" besteuerten! Wir sehen, hier reichen sich Prof. SchäfFle und Henry George brüderlich die Hände! „Nicht schutzbedürftig, kapitalkräftig" und noch zu guterletzt die ganze Gesellschaft besteuernd, — das sind die epitheta ornantia et significantia, welche von einem Universitätsprofessor und Staatsminister a. D. den Gruad- besitzern Deutschlands, ausser dem bäuerlichen Grundbesitz, an den Kopf geworfen werden!! Wie ist es denn zu verwundern, dass die ganze liberalisirende „Intellegenz" in den Parlamenten, in der Presse, in den Wahlversammlungen und nun gar die Sozial- demokratie — den ganzen Grossgrundbesitzerstand von dem bäuerlichen Stande abtrennen und mit dem ruhigsten Ge- wissen dem Verderben preisgeben?! Gegen diese Auffassung müssen wir an dieser Stelle im Namen der Wissenschaft und im Namen der Gerechtigkeit auf das entschiedenste pro- testiren! Das ist keine Wissenschaft — nicht einmal Sozialismus — das ist eben nur Kathedersozialismus ! Der Grossgrundbesitz Deutschlands ist sich bewusst, einen weiteren Sinn und ein wärmeres Herz für alle „nothleidenden Betriebe" zu haben, als es je den philosophirenden Pro- fessoren eingefallen ist! Nach dieser Verwahrung, welche unumgänglich war, um freie Bahn für eine „Abhilfe in der Noth" des ganzen Landwirthschaft betreibenden Grundbesitzes im deutschen Reiche oflen zu halten, können wir die Handelspolitik und Prof. Schäffle auf eine Weile verlassen, um uns später noch einmal mit ihm eingehender und dann zu unserer auf- richtigen Preude mit grösserer Anerkennung zu beschäftigen. Dort nämlich, wo es gelten wird, eine specifisch bäuerliche Reorganisation des Realkredites zu besprechen. n. Bei einer, wenn auch nur flüchtigen Umschau in der einschlägigen Litteratur fällt einem jeden Leser die That- sache auf, dass auf die Präge, wie ist dem Grundbesitze und der Landwirthschaft anderweitig zu helfen, da ihm — 19 — in der Handelspolitik der Konsumenten wegen nicht zu helfen war — fast übereinstimmend die Antwort lautet: Reform des Agrarrechts insbesondere im Agrarkreditrecht ; körperschaftlich - genossenschaftliche Standesorganisation des landwirthschaftlichen Kredites^) oder Organisation des landwirthschaftlichen Kreditwesens 2) oder genossenschaft- schaftliche Organisation des H5^othekenkredites3) und ähnliches mehr. Bevor wir aber alle diese Vorschläge vorführen, sei uns eine allgemeine Betrachtung gestattet über die wissen- schaftliche Art und Weise — die Methode — einzuschalten, welche von den meisten „wissenschaftlich fachmännischen" Autoren bei allen diesen eminent praktischen Fragen be- liebt wird. In dem richtigen Gefühle, dass sich diese Herren meist in diesen Fällen auf einem ihnen nur litterarisch und theoretisch zugänglichen Felde bewegen, und bei der unab- weislichen und auch eingestandenen Unzulänglichkeit statistischer zuverlässiger Angaben, befolgen diese Herren die einzig in dieser Lage gangbare Methode, alle Argu- mente ■ pro und contra möglichst „vorsichtig", also mit allerlei Einschränkungen vorzubringen. Es wird unter Anwendung dieser Methode kein einziges klares unzwei- deutiges Urtheil gefällt. Die einschränkenden Wendungen wie „meist", „zum Theil", „vielfach", „nicht ohne weiteres", „gewisse", „kein direkter Anlass", „möglichst wenig" u. a., mit welchen „vorsichtshalber" alle Argumente pro und contra eingehüllt werden, führen nach Ansicht dieser Herren zu einer „objektiven, überlegenen, über jede ein- seitige Parteistellung erhabenen, echt wissenschaftlichen Position". Unserer unmassgeblichen Ansicht nach führt diese Methode oder vielmehr „wissenschaftliche Unsitte" zu so flagranten Widersprüchen und offenbaren Ungereimtheiten, dass der gesunde Menschenverstand, der doch auch am Ende minder „fachmännisch wissenschaftlichen" Köpfen nicht abzugehen braucht, nicht nur seine Rechnung dabei nicht findet, sondern geradezu beleidigt und verdrossen sich lieber an die Lehren hält, die ihm das „Leben" bietet. Und er fühlt sich dazu um so mehr berechtigt, als er an Männern der Praxis und Theorie zugleich, wie Thünen, Rodbertus, List, Carey einen genügenden wissenschaftlichen Rückhalt findet. Diese Betrachtung über „die Methode", welche den 1) Schäffle, V. 0. p. 281. 2; So lautete das Themx einer Verhandlung in der XV. Sitzungsperiode 1887 des deutschen Landwirthschaftsrathes. 3) A. Buchenberger, Agrarwesen und Agrarpolitik in A Wagners Lehrbuch passim. 2* — 20 — Männern der offiziellen Wissenschaft eigen ist und wohl auch immer eigen war, mussten wir einschalten, um die fortwährenden Widersprüche in der Begründung als auch die nur halben Massregeln in der Durchführung der Vor- schläge, welche von offiziell wissenschaftlicher Seite in der vorliegenden Materie gemacht w^erden, einigermassen zu erklären, aber auch zugleich keinen Zweifel über ihren praktischen Werth bestehen zu lassen. Schon im ersten Abschnitte haben wir in Bezug auf Handelspolitik ein typisches Beispiel derartiger Methode aus Prof. Schäifle's diesbezüglichen „Deutschen Zeit- und Kernfragen" herausgegriifen. Dasselbe wollen wir auck hier in Bezug auf Agrarrecht und Agrarkredit thun, indem wir die Ausführungen A. Buchenbergers, des Mitarbeiters Adolph Wagners an dem bändereichen „Lehr- und Hand- buch der politischen Oekonomie", in den Hauptzügen vor- zuführen und kritisch zu beleuchten suchen. A. Buchenberger konstatiert in seinen „Geschichtlichen Rückblicken"*) als Signatur der Verschuldungen „in der älteren Zeit", das üeberwiegen „der Noth- und Nothstands- darlehen (sie) neben den durch die Grundherrlichkeitsver- fassung verursachten Schuldaufnahmen (insbesondere zur Bestreitung der Laudemien) — in der unsrigen dagegen der Darlehen des Produktivkredits (für Zwecke des Besitz- erwerbs, der Melioration, des Betriebs), wobei in den Gegenden des Anerbenrechts die Erbabfindungskredite einen besonders breiten Raum einnehmen". Dabei liegt es auf der Hand „auch in Ermangelung schuldstatistischer Ziffern" über die ältere Zeit, dass während „ehedem der Zustand einer gewissen Kreditnoth den Grundbesitz und seine Vertreter in wirthschaftliche Nothstände versetzte",. heute „eher von einem Kreditüberfluss und einer durch übermässigen Kreditgebrauch verursachten Schuldnoth" gesprochen werden darf. Mit dieser allgemeinen Charakterisierung der früheren und heutigen Lage des Grundbesitzes und der Landwirtli- schaft in Betreff ihres Kredites können wir uns einver- standen erklären, wobei wir nur bemerken wollen, dass schon heute dieser Kredit seinem Zwecke und seiner Anwendung nach leider die ältere Form des „Noth- und Nothstandskredits" immer mehr annimmt, was unserer Ansicht nach ein gar sehr „beunruhigendes Symptom" ist,, da in der älteren Zeit Nothstandsdarlehne von einem so gut als schuldfreien Grundbesitz aufgenommen wurden, während heute ein bereits über die Hälfte seines Werthes verschuldeter Grundbesitz derartige Nothstandsdarlehne in Folge der Schleuderpreise aller landwirthschaftlichen Produkte aufnehmen muss. Allerdings hat „das Wachsen *) pag. 13ir. — 21 — des Bodenwerthes über das ehemalige Werthniveau dem Kredit nicht nur eine breitere, sondern auch eine selir viel mehr realisierbare Unterlage verschafft". Wenn aber Buchenberger ,,die absolute Zunahme der Verschuldung" daraus als erklärlich hinstellt, „ohne dass deshalb diese überall als ein im Vergleich mit den früheren Zeiten beun- ruhigendes Symptom ohne weiteres angesehen zu werden braucht, weil eben das Deckungskapital vielfach in noch höherem Grade als die Verschuldungsziffer gewachsen ist, was vielfach nicht genügend gewürdigt wird",^) — so müssen wir dieser Begründung einer „akademischen Beruhi- gung" in Betreff der ferneren Schicksale des Grundbesitzes in Deutschland widersprechen. Was heisst ,,vielfach" im Zusammenhange mit dem obigen „ohne weiteres' , wenn sie nicht Selbsteinschrän- kungen des eignen Gedankens sind, welche diesen Gedanken „vorsichtig" in Dunst und Nebel aufgehen lassen? Doch wohl, das^ ergo die Verschuldung des Grundbesitzes in Deutschland noch im weiten Felde liegt? Wie reimt sich dies aber mit der einige Zeilen zuvor konstatirten „Schuld- noth" des Grundbesitzes und der Landwirthschaft zu- sammen?! Der Leser dürfte sich über diesen Widerspruch von selbst beruhigen, wenn er im Folgenden noch viel ärgeren Widersprüchen begegnet und auch diese, unter Bezug- nahme auf unsere einleitende allgemeine Betrachtung, „dem objektiven, wissenschaftlich überlegenen Standpunkte" des Verfassers zu Gute schreiben und einfach wird „ver- schlucken" müssen! Unter § 110, welcher den Titel führt „Die Beurthei- lung der Hypothekenverschuldung und der Besitzverschul- dung insbesondere" 6) wird in dem Eingangssatze von A. Buchenberger die ganz allgemein gehaltene Behauptung aufgestellt: „Alle bis jetzt vorliegenden verschuldungs- statistischen Ziffernangaben der verschiedensten Länder- gebiete zeigen insoweit eine Uebereinstimmung, dass die so vielfach befürchtete gleichmässige Ueberschuldung des gesammten ländlichen Grundbesitzes in Wirklichkeit nicht besteht. . ." Man lese und staune nicht, sondern wäge jedes Wort sorgfältig ab unter Berücksichtigung der An- merkung, welche schon der Aufschrift des Paragraphen, die wir eben wörtlich angeführt haben, beigefügt und unter dem Text abgedruckt ist. In dieser Anmerkung näm- lich wird schon ein guter Theil der in dieser allgemeinen einleitenden Betrachtung aufgestellten Behauptungen „ein- geschränkt". Da heisst es zum Beispiel, dass „die vom 5) pag. U. ß) s. Lehr- und Handbuch der politischen Oekonomie von Wagner II. Band, p. 39. — 22 — Verein für Sozialpolitik im Jahre 1883 angestellten Er- hebungen über die Lage der Landwirthschaft in Deutsch- land ... als Material zur Beurtheilung der vorliegenden Frage . . . besonders werthvoll" seien. In demselben Zuge wird aber weiter gesagt: „sie sind aber . . . nur als Stimmungsberichte zu betrachten". Sodann geht Verfasser zu den minder werthvollen Materialien über und sagt: „Aehnliches gilt . . . von den Verhandlungen der land- wirthschaftlichen Interessenvertretungskörper u. s. w." Endlich kommt das „relativ werthwolle Material" an die Reihe, nämlich „die landwirthschaftlichen Enqueten der achtziger Jahre u. s. w." Man glaubt endlich festen Boden unter den Eüssen zu haben! Dies ist aber eine Täuschung, in die allein ein „naiver Laie" verfallen kann, denn der Verfasser fügt gleich hinzu: „Auch dieses (relativ werthvollste Material) reicht nicht aus, zu Schlussfolgerungen auf die Allgemein- heit verwendet zu werden", — so dass der Verfasser selbst im grellsten Gegensätze zu der allgemeinen Betrachtung im Texte — in der Anmerkung zu dem folgenden unter seinen Ausführungen wohl „relativ werhtvollsten" Ein- geständniss^ sich gezwungen sieht: „Für ein völlig zu- treffendes ITrtheil fehlt es eben vorerst noch an einer hin- reichend (sie) statistischen Unterlage; daher auch die Betrachtungen im Text durchaus nicht den Anspruch er- heben, eine gänzlich einwandfreie Erklärung und Würdi- gung der vielbeklagten Schuldnoth zu geben!" (pag, 40.) Und dieser Anmerkung gegenüber glaubt A. Buchen- berger im Ernst sich im Texte „ein von vorgefassten Meinungen und doktrinären Erwägungen freies, d. h. un- befangenes Urtheil" gewahrt zu haben?! Offenbar verwechselt er die Begriffe von „unbefangenem Urtheil" und „Urtheils- losigkeit" untereinander! Dieser Anmerkung gegenüber glaubt er ferner be- rechtigt zu sein, den Agrariern speziell in Baden (pag. 41, und Anmerkung) einen Vorwurf daraus zu machen, dass sie den „vorliegenden statistischen Ermittelungen mit Miss- trauen in die Richtigkeit des Erhobenen" aufnehmen und wagt es ihnen unterzuschieben, dass ihnen diese ganze Statistik, wie sie vorliegt, nur aus dem Grunde unlieb sei und eine Enttäuschung ,, statt des Gefühls einer Erleichte- rung" bereitet habe (pag. 40), weil sie ihrem „weitgehen- den agrarischen Programm (Zwangsablösung der Hypothek en- schu d mit Staatshilfe, Schiuss der Hypothekenbücher u. a.)" jede ^„Stütze" entzieht? Dass vielmehr ehrlicherweise es den Agrariern zum Vorwurfe nicht gemacht werden kann, dass sie „einer Klarstellung durch weitere Erhebungen ängstlich aus dem Wege gehen", wie es Verfasser in derselben Anmerkung (pag. 41) aus der badischen Enquete entnehmen will, wo — 23 — von einer „notorischen" Ueberschuldung gesprochen wird, und jede weiteren statistischen Erhebungen in dieser Hin- sicht als überflüssig hingestellt werden und zwar lediglich aus dem Grunde, weil die badischen Agrarier weitere in der Weise wie bisher gehandhabten statistischen Erhebungen für geradezu irreführend (wie auch bei A. ßuchenberger) ansehen, — dies wird dem Leser noch klarer werden, so- bald er noch die ferneren Ausführungen des Autors im Texte nachgelesen haben wird. Verfasser leitet diese seine „vorurtheilslosen 7)" Be- trachtungen, welche als definitives Schlussergebniss gelten sollen, mit folgenden Worten ein: „Unter den mancherlei Betrachtungen, die bei solch' vorurtheilsloser Würdigung des schuldstatistischen Materials sich aufdrängen, mögen die folgenden hier eine Stelle finden:" Und nun werden diese „mancherlei Betrachtungen" der Reihe nach in 5 Punkten auf 7 Druckseiten aufge- führt (pag. 41 ff.)- Wir empfehlen den Mitgliedern des Bundes der Land- wirthe diese Lektüre auf das ein dringendste und bedauern nur, sie nicht völhg zitiren zu können, da sie einen schlagenden Beweis für die Richtigkeit unserer Charakteristik der „wissenscha-ftlichen" Methode der Beurtheilung und für die Halbheit der von dieser Seite vorgeschlagenen Massregeln zur Abhilfe liefern. Des Raumes wegen können wir hier nur eine Skizze davon bringen. Dem Verfasser, der an ,,die Eabel der allgemeinen Ueberschuldung des Grundbesitzes u. s. w." nicht glaubt, drängt sich trotzdem hinterher folgende erste Betrach- tung auf: ^ 7) Wenn Verfasser sagt: „Einer sehr düsteren Beur- theilung der Verschuldungsverhältnisse aber ohne dass dieses Urtheil auf zuverlässige Zahlenergehnisse sich zu stützen ver- möchte, neigen L. v. Stein und andere österreichische Schrift- steller (Freiherr v. Vogelsang. Preter, Peyrer, Ritter von Heimstatt etc. zu; ferner Ratzinger. Jäger, neuestens auch G. Haussen die drei Bevölkerungsstufen 1889 S. 312 ff., zu); die deutschen Volkswirthe, wie Conrad Freiherr v. d. Goltz, v. Miaskowski, Röscher, auch Schäffle und selbst viele land- wirth schaftliche Fachmänner, desgleichen die deutschen land- wirthschaftlichen Interessenvertretungskörper haben sich ein viel unbefangeneres (?!), ruhigeres Urtheil bewahrt. . ." (pag. 4(» Anmerk.), — so erscheint uns der österreichische Pessi- mismus viel „unbefangener" als der im besten Falle „naive" Optimismus der deutschen „Volkswirthe" und leider Gottes auch mancher „landwirth schaftlicher Fachmänner", in deren Häusern ausser dem Kalender nur noch die „Freisinnige Zeitung" oder das „Berliner Tageblatt" in diesen Fällen die ganzen „LitteraturbedürfnisseundKenntnisse" befriedigen resp. ausmachen! — „Nicht sowohl die augenblickhche Höhe der Hypothekar- verschuldung fordert zu ernsten (also doch!) Betrachtungen auf, als die wahrnehmbar fortschreitende Zunahme der Verschuldung, der gegenüber die Tilgung der Verbindlich- keiten „nicht völlig gleichen Schritt zu halten scheint (sie)." In Preussen beträgt „die Mehrbelastung in den Jahren 1886 bis 1890 rund 520 000 000 M. . . ., die in Baden 90 000 000 M., in Oesterreich 1868-1889 eine solche von 660000000 Gulden." Diesen „wahrnehmbaren Thatsachen" gegenüber giebt der Verfasser zu, dass „bei aller Vorsicht, mit der ... die grundbuchmässigen Nachweisungen aufzunehmen sind, und so wenig verkannt werden darf, dass der jährliche Zuwachs- prozent der Verschuldung im Verhältniss zum Gesammt- werth überall ein sehr massiger (?!) ist „man doch nicht wird umhin können „einzuräumen" (wie ungern, ist aus diesen verschrobenen Redewendungen deutlich zu ersehen), dass „in der Gegenwart eine Tendenz zur wachsenden hypothekarischen Verschuldung des Bodens sich geltend macht, und dass die auf Abminderung dieser Schuldenlast abzielenden Gegen tendenzen (?!) an Wirksamkeit und innerer Kraft eingebüsst haben" (pag. 42). Diese erste Betrachtung läuft schon auf ein halbes Eingeständniss der Noth hinaus, weil sie die herannahende Möglichkeit der Noth zugiebt. Zugleich ist sie die beste Illustration zu dem bei den Agrariern so scharf gerügten Misstrauen gegen die bisherige Statistik. Der „überall nur sehr massige Zuwachsprozent" der Verschuldung im Verhältniss zum Gesammtbodenwerthe, auf den sich hier Verfasser als auf eine bekannte That- sache bezieht, ist bereits zuvor von ihm „statistisch nach- gewiesen" worden. Auf pag. 29 hatte bereits Verfasser eine Hypothekenstatistik vorgeführt, die er allerdings selbst für „wenig zuverlässig" hält, auf der er aber trotzdem getrost seine Berechnung über das Verhältniss des Schulden- zuwachses zum Bodenwerthe stützt. Wir zitiren sie ausführlicher, weil sie charakteristisch dafür ist, wie aus falschen oder wenigstens unzulänglichen statistischen Daten nothwendigerweise falsche oder wenigstens schiefe Schlüsse sich ergeben müssen «). Verfasser konkludirt folgen dermassen: DerWerth des preussischen Grundbesitzes kann bei einem Umfange von 32,58 Millionen Hektaren und einem Grundsteuerrein- ertrage von 408,20 Millionen M. mit Gebäuden und Inventar auf einen Kapitalwerth von wenigstens 30 Milliarden Mark geschätzt werden und die Hypothekenschuld auf mindestens 10 Milliarden veranschlagt werden. Der jährliche Zuwachs an Schulden hat statistisch vom Jahre 1886 bis 1891 ins- 8) p. 30 lieber Meitzen's Aufsatz in den landwirthschaft- hchen Jahrbüchern Band XIV. — 25 — gesammt 678 Millionen mehr Eintragungen als Löschungen ») betragen: also in 5 Jahren 2 bis 3 pCt. d. h, jährlich un- gefähr V2 pCt des Gesammtwerthes des Grundbesitzes — ergo ist die Ueberschuldung des Grundbesitzes „eine Fabel"! Dies ist ein Prachtexemplar der saftigen Früchte, welche die bisherige Statistik gezeitigt hat. Für einen „vorurtheilsvollen" Agrarier der die Noth an seiner eigenen Haut und der seiner Leidensgefährten nur zu lebhaft zu fühlen bekommt, enthalten die obigen Sätze ein wahres Nest von höchstens halben, aproximativen Wahrheiten, ver- quickt mit allerlei ganzen und greifbaren Trugschlüssen. Die Schätzung des Kapitalwerthes des Grund und Bodens der gesammten preussischen Monarchie wird in den Augen jedes praktischen Landwirthes und Grundbe- sitzers mit Misstrauen aufgenommen werden, sofern sie sich auf die Schätzungen der preussischen Grundsteuer allein stützt. Abgesehen davon, dass infolge der auf Grund der neueren agrarischen Technik vielfach heute zu modi- fizirenden Taxgrundsätze sich deshalb ein anderer Kapital- werth des Bodens ergeben müsste, liegt eine Erhöhung dieses Werthes innerhalb von 30 Jahren ohne Weiteres auf der Hand. Mit der Verschuldung von 10 Milliarden ist nichts anzu- fangen, da dieselbe nur auf Konjekturen beruht. Ausser der hypothekarischen ist noch eine „dette flottante" in Wechseln, Conticorrenti u. dergl. mit zu berücksichtigen: die faktische Verschuldung dürfte also eine noch viel höhere sein! Allein selbst wenn die Schätzung des Kapitalwerthes als auch die Höhe der Verschuldung und der einzig zu- verlässige Zuwachs von 678 Mill. Hypothekenschulden in den 5 Jahren von 1886 bis 1891 in Betracht gezogen werden, kann dann H. Buchenberger ohne weiteres 2 — 30/^ des Gesammtwerthes des Grundbesitzes in 5 Jahren, ergo V2V0 i" einem Jahre, herausrechnen? Weiss er denn nicht, dass ein sehr beträchtHcher Theil des Gesammtgrundbesites, nämlich die königlichen Domänen und Chatouillengüter, die Privatgüter der Fürsten und Standesherren und die Majorate ganz frei von Schulden sind, dass also die Prozente des jährlichen Schuldenzuwachses nach Abzug dieser schuldenfreien Flächen auf die verschuldeten allein ver- rechnet werden müssen?! Für jeden Unbefangenen ergiebt sich aus dieser sta- tistischen „Unthat" unabweissHch der Schluss, dass diese ■ganze prozentuale Berechnung des Zuwachses an hypothe- karischen Schulden im Verhältniss zum Kapitalwerthe des Grund und Bodens selbst gar keinen Werth hat, so lange die Eegierung sich endlich nicht entschliesst, eine an- ^) Die Löschungen sind meist auf Subhastationen zurück- zuführen, s. pag 31. — 26 — gemessene und genaue Statistik des Grundbesitzes und seiner Verschuldung anzuordnen und durchzuführen, wozu ihr allerdings die Organe noch fehlen — ein Grund mehr, um solche Organe zu schaffen. ") In seiner 2. Betrachtung konstatirt Verfasser, dass die Hypothekenverschuldung „grösstentheils aus Verpflichtungen des Besitzkredites hervorgegangen ist, also zumeist aus Erbabfindungsgeldern und Kaufschillingsgeldern sich zu- sammensetzt, wie dies schon von Rodbertus behauptet, zahlenmässig in den süddeutschen Agrarenqueten nach- gewiesen und mittlerweile durch ähnliche Erhebungen in anderweitigen Staatsgebieten bestätigt wurde ..." Dies können wir gelten lassen, jedoch nur unter der auch faktisch nachfolgenden Einschränkung, dass es „ziemlich ausnahmslos bei der grossen Masse der bäuerlichen Be- völkerung zutrifft", während bei Grossgrundbesitzern „neben der Inanspruchnahme des Besitzkredits auch umfangreiche Verwendungen von Kapital in den Grund und Boden: Auf- fühi-ung von Gutsbaulichkeiten, Anlagen von technischen Nebengewerben, Ausführung umfassender Meliorationen, namentlich Drainagen etc zu Elementen der Hypothekar- Verschuldung werden können und gerade in der Gegenwart in steigendem Masse geworden sind." Protestiren müssen wir dagegen, wenn Verf. diese seine trefflichen Betrachtungen schon wieder einschränken oder gar bei den folgenden Erörterungen ausscheiden will, vermeintHch weil diese Schulden wegen ihres „reproduk- tiven Charakters", sobald sie nur „wohlüberlegt" waren, auch „ihre Deckung regelmässig in nicht ferner Zeit finden". Dass dies eben nicht der Fall ist und noch viel weniger unter dem Regime der neuen Handelsverträge der Fall sein wird, das weiss ein jeder praktische Landwirth. Die meisten grossen Meliorationen und „umfangreichen Ver- wendungen von Kapital" zum Zweck eines intensiveren landwirthschaftlichen Betriebes wirken bei derartigen Schleuderpreisen für die meisten landwirthschaftlichen Pro- dukte, wie wir sie mit geringen Ausnahmen in den letzten 2 Jahrzehnten gehabt haben, geradezu verhängnisvoll. Von möglicherweise und sogar aller Wahrscheinlichkeit nach dabei vorgekommenen „Irrungen", d. h. falschen Kapital- anlagen, hätte Verf. in diesem Zusammenhange wohl gar nicht zu sprechen brauchen. Die 3. Betrachtung, welche sich dem Verf. aufdrängt, ist folgende: „Als Kraft, die im Sinne einer Steigerung der Ver- 1°) Ob diese Organe in Landwirth Schaftskammern oder in Landschaften zu suchen und zu finden wären, welche in beiden Fällen in Kreisunterverbände verzweigt sein müssten, darüber Näheres Kap. V und VI der vorl. Schrift. — 27 — schulduiig durch wachsende Inanspruchnahme des Besitz- kredites in der Gegenwart bisher wirksam war, stellt sich überall die Zunahme des Bodenwerthes dar". An dieser schiefen Redewendung (in der Gegenwart — war) ist schon zu ersehen, dass Verf. den Boden unter seinen Füssen schwanken fühlt und daher sofort zu den bewährten „Ein- schränkungen" seines Urtheils greift. Mit dieser Zunahme des Bodenwerthes nämlich, welche für die Vergangenheit zugegeben werden soll, hat es in der Gegenwart bereits eine andere Bewandtniss. Die Preise der Güter sind sogar schon in dem letzten Jahrzehnt von 1880 bis 1890 im Ver- hältniss zu den Preisen von 1870 bis 1880, zumal im Osten und bei Grossgrundbesitz bedeutend zurückgewichen — was in der Gegenwart nach Abschluss der Handelsverträge noch in einem höheren Grade der Fall sein dürfte, und nun gar innerhalb der nächsten 10 Jahre, wenn nicht ausserordentliche Umstände eintreten, kann infolge einer allgemeinen Depretiation und Deteriorisirung der Güter, der von der Sozialdemokratie so heiss herbeigesehnte „agrarische Kladderadatsch", dem zugleich auch der in- dustrielle und finanzielle auf dem Pusse folgen muss, per- fekt sein. Diese Kraft, welche im Sinne einer Steigerung der Verschuldung wirksam war, ist heute erlahmt. Es giebt heute Güter, welche absolut nicht verkäuflich sind. Aus freier Hand nicht, weil sie ihrer üeberschuldung wegen nicht zu dem bei den heutigen Produktenpreisen ange- messenen geringen Gutspreise verkauft werden können. Im Zwangsverfahren auch nicht, weil die Besitzer der zu- letzt eingetragenen Hypotheken und der Wechsel des Guts- eigenthümers den letzteren lieber gleichsam als Beamten auf dem Gute halten, ihn auch noch Geld zum Betriebe der Wirthschaft lieber weiter leihen, als dass sie sich der Gefahr aussetzen, beim Zwangsverkaufe ihre ganze Hypo- thekenforderung sammt Wechsel einzubüssen. Wenn auch also eine Steigerung der Verschuldung als Folge einer Steigerung des Bodenwerthes heute kaum mehr zu befürchten ist, so kann man trotzdem dem Verfasser beipflichten, wenn er im Anschluss an diese seine dritte weniger gelungene Betrachtung die sehr wichtige Bemerkung knüpft, dass wenn man auf dem Standpunkt steht, dass es sozialpolitisch bedenklich sei, wenn der Grund und Boden zu einem „Monopol für geldkapitilistische Elemente werde", und man eine Ordnung des Wirthschaftsrechtes vorzieht, „unter deren Herrschaft die Segnungen des Grundbesitzes möglichst weiten Kreisen der Volksgemeinschaft zugänglich gemacht werden können, so ist augenfällig der Besitzkredit an sich kein Objekt der Beanstandung, da ja eine steigende Inan- spruchnahme des Besitzskredits nur ein Symptom für die Energie ist, mit der auch in den mit Kapitalbesitz minder — 28 — ausgestatteten Elementen des Volkes der durchaus be- rechtigte und berücksichtigungswerthe Wunsch nach Er- langung von Grundbesitz sich geltend macht" (p. 43). Alles dies können wir gelten lassen, obgleich uns die „Segnungen des G-rundbesitzes" heute und für die nächst- absehbare Zukunft nicht gerade einleuchten. Es gehört mit zu den Gründen, warum die meisten „Konsumenten ohne Ar und Halm" keines vorurtheilslosen, objektiven Urtheils über die wahre Lage des Grundbesitzes und der Landwirthschaft fähig sind, dass sie den Landwirthschaft treibenden Grundbesitz, zumal den grösseren, in Mitten von Parkanlagen, in Schlössern wohnenden, fiir eine reine Idylle halten, um die ihn alle „Konsumenten ohne Ar und Halm" zu beneiden haben. Als ob es etwas Widerwärtigeres gäbe,_ als das glänzende Elend, welches oft heute in den ländlichen Schlössern zu Hause ist, und etwas Düstereres und Tragischeres als die schwarze Sorge um die Zukunft von Weib und Kind, welche in „herrschaftliche Landsitze" eingezogen ist, und mit einer Auswanderung mit dem Bettelstabe in der Hand enden muss. _ Die Unhaltbarkeit der Position für den Grossgrund- besitz — gerade umgekehrt also seine Depretiation und Deteriorisirung, nicht aber die Steigerung des Boden- werthes sorgen heute dafür, dass „weiten Kreisen der Volks- gemeinschaft" diese unter den gegebenen umständen aller- dings problematischen „Segnungen des Grundbesitzes" zu- gänglich werden. Es geschieht dies durch die theilweise Parzellirung grosser Güterkomplexe im Osten, durch An- legung von Rentengütern, innere Kolonisation, Parzellirungs- bankenii) u. s. w. Neben der eine gesunde Ent- wicklung in dieser Hinsicht hemmenden Verquickung dieser Frage mit politischen Bestrebungen ist dabei jedoch zu bedauern, dass wenn auch dieser Urfehler vermieden ") Diese ganze Bewegung hätte einen ganz anderen Auf- schwung genommen, und dann allein wären die bereits von der preussischen „Ansiedelungskommmission" verausgabten circa 50 Mill. Mark wirklich , sozial-ökonomisch rationell" angelegt worden, wenn alle zur Ansiedlung auf den parcel- hrten grossen Gütern ,.disponiblen" Elemente und Kräfte ohne Unterschied aer Nationalität und der Konfession herangezogen worden wären Dies ist aber bekanntlich nicht geschehen- und so rächt sich das ethische Odium einer beabsichtigten Massenenteignung erb ansässigen Grundbesitzes, an dem im Verhaltniss so winzigen sozialökonomischen Resultat, das mit einem so enormen Apparate erreicht wird. Die doch sehr problematischen Erfolge der preussischen „Ansiedelungskommission" sind unserer persönlichen Ansicht nach ein Beweis unter vielen, dass sozialpolitische Dinge mit Politik nicht verquickt werden dürfen, und zwar nicht allein in der internationalen Handelspolitik!! - 29 — worden wäre, die Bevölkerung im Osten weder dicht noch kapitalkräftig genug ist, um eine derartige Liquidation der grossen Privatlatifundien, welche überschuldet sind, im grossen Stile durchzuführen. Es wäre dadurch wahrhch beiden Theilen gedient und allein auf diese Weise dasjenige zu vermeiden, was Verfasser so mit Recht perhorreszirt, dass nämlich ,,der Grund und Boden zu einem Monopol für geldkapitalistische Elemente werde". Bei dem noto- rischen Mangel an bäuerlichen Elementen, welcher sich bei den grossen Elächen, die hierbei in Betracht kommen, bereits fühlbar gemacht hat, ist es durchaus nicht aus- geschlossen, dass bei der grossen ,, Leichenauflösung" des Grundbesitzes im Osten, der „Stoffwechsel" weder im germanischen noch auch im slavischen Sinne, sondern allein zur grössten „Ehre" und zum grössten Segen des „auserwählten Volkes" sich vollziehen wird. Derartige Güterkomplexe mit derartigen Kapitalaufwendungen für Gebäude, Inventar, allerlei technischen Anlagen und Melio- rationen, Schlössern und Parkanlagen, wie sie der erb- angesessene Grundbesitz im Osten in besseren Zeiten her- gestellt hat, — können heute wo nicht von Prinzen, höch- stens niu" von der Grossfinanz behufs „Fixirung eines Theils ihrer zu hoch angewachsenen flüssigen Anlagen" — erstanden werden! In Betrachtung 4. stellt Verfasser, eine, wie er selbst vorausschickt, rein theoretische Betrachtung an, welche trotz allerlei Widersprüchen manche bemerkenswerthe Streiflichter auf die ökonomischen Auffassungen in Uni- versitätskreisen, als auch manche sehr werthvollen Beiträge zur Frage der Hilfe in der Noth und zur eventuellen Linderung der Agrarkrisis enthält. Verfasser erörtert die Frage, ob es unter allen Um- ständen verhängnissvoll wäre, wenn „die Besitzkreditver- schuldung selbst bis zum vollen Betrage des Werthes des Gutes oder Grundstückes" reichte? und beantwortet sie dahin, dass eine solche äusserste Verschuldung „überall dann von einer bedrohlichen Folge für den Erwerber sich nicht als begleitet zu erweisen" brauchte, wenn und in- soweit ,,die Grundrente d. i. der Ertrag des Gutes oder Grundstückes nach Bestreitung aller auf der Wirthschafts- führung ruhenden Lasten und der Unterhaltskosten des Unternehmers regelmässig eine Höhe erreicht, dass aus der Rente die Zinsen und die Tilgungsquoten der Kaufschuld bestritten werden können, und man könnte aus dieser These schliessen, dass eine unterhalb jener Grenze liegende Verschuldung zu Besorgnissen überhaupt einen Anlass nicht gebe". Wenn man nun den hier statuirten Begriff der Grundrente oder „Rente schlechtweg" mit der in folgenden Sätzen mit dem Pacht Schilling identifizirteii Grundrente im Zusammenhange ins Auge fasst, so ersieht — 30 — man, dass diese „theoretische" Betrachtung des Verfassers m Betreff der Grundrente an denjenigen Schwankungen und Unklarheiten laborirt, die wir schon oben als ehien der Hauptgründe erkannt und gekennzeichnet haben, aus welchen die schiefen Urtheile Schäffle's und anderer unter der Firma: Adam Smith- Ricardo -Malthus -Stuart Mill grossgezogenen deutschen „offiziell-wissenschaftlichen" Autoritäten sich herschreiben. Verfasser sagt nämlich in dem unmittelbar folgenden Satze: „Wenn aus einem Anwesen im Werthe von 20000 Mk. eine zur freien Verfügung stehende Rente von 1000 Mk.' gezogen wird, so ermöglicht dieser Rentenbezug die Tilgung einer Schuld von 20000 Mk. durch Aufnahme eines fünS prozentigen Amortisationsdarlehens in rund 40 Jahren; der Besitzer des mit dem vollen Werth belasteten Anwesens ist alsdann in der Lage eines Pächters, indem auch er auf die Grundrente zu Gunsten eines Dritten verzichten muss, indessen mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Ab- •führung der Grundrente in der Form der Kaufschillings- Annuität mit der Zeit zum vollen Eigenthum hinüberleitet, der Verzicht auf die Grundrente also ein temporär be- grenzter ist." Was ist demnach die Grundrente in den Augen des Verfassers? Sie ist mit dem technisch-landwirthschaftlich benannten „Reinertrage" nach Abzug nur noch des Unter- nehm^gewinnes, den der Verfasser unter den wahren Begriff „der Unterhaltungskosten des Unternehmers" sub- sumirt,_ — identisch. Diese Begriffsbestimmung der Grund- rente ist nun falsch, denn sie ist entweder zu eng oder zu weit, was aus ihrer Identifikation mit dem Pacht- schilhng recht deutlich in die Augen springt. Die Grund- rente kann nämlich nur als der ganze Reinertrag aus dem landwirthschafthchen Betriebe auf einem gegebenen Grund- stücke aufgefasst werden, worin dann die Zinsen von dem ini Boden fixirten Kapital in Kultur, Gebäuden, todtem und lebendigem Inventar und ein angemessener Unternehmer- gewinn enthalten sein müssen, wo dann aber diese Grund- rente mit dem PachtschilHnge nicht identifizirt werden darf. Es würde nämlich niemand, es sei denn, dass er durch ausserordentliche Umstände dazu genöthigt wäre, ein Gut verpachten, aus welchem die Pacht nur den Unter- nehmergewinn, nicht aber auch zugleich die Zinsen und die Amortisation von dem im Boden fixirten Kapital ein- brachte. Jede normale Pacht muss nämlich so viel bringen, dass S13 nicht bloss die regelmässigen jährlichen Unkosten deckt, sondern darüber hinaus die Verzinsung und Amor- tisation der durch eine ganze Reihe von Generationen ge- häuften Kapitalanlagen, — wonach erst die Deckung der Hypothekarschulden resp. der Kaufschillingsquote erfolgen kann. Dies lässt Verfasser gänzlich ausser Acht. Ein - 31 — derartig gekauftes Gut, dass die Schulden bis zu seinem vollen Werthe heranreichen, ist demnach mittelst Pacht gar nicht zu halten. Der Pächter bezieht ja aus dem Rein- ertrage des Gutes den Unternehmergewinn, von dem er lebt, und muss obendrein die Verzinsung und Amortisation seines Betriebskapitals herauswirthschaften. Was bleibt denn dem Besitzer übrig, wenn er auf den Unternehmer- gewinn zu Gunsten eines „Dritten", des Pächters, auf die Verzinsung der festen Kapitalanlagen verzichtet und dabei noch den vollen Werth des Gutes an Hypothekengläubiger zu verzinsen hat. Es bleibt für ihn absolut gar nichts übrig! Dieser Fall ist daher ebenso undenkbar als die übrigen Voraussetzungen, welche der Verfasser seiner „rein theo- retischen" These zu Grunde legt, und welche er als ,.in der Wirklichkeit des Lebens keinen Boden habend" selbst bezeichnet. Diese beiden Voraussetzungen sind nämlich die: „einmal, dass während der ganzen Dauer der Tilgungs- zeit die Gutserträgnisse irgend nennenswerthen Schwan- kungen nicht aussgesetzt sind, zum anderen, dass der für das Gut hinzugebende Kapitalwerth über den Betrag nicht hinausgeht, bei dem die zu erwirthschaftende und zur freien Verfügung des Eigenthümers stehende Rente zur Verzinsung und Tilgung der dem Kapitalwerth ent- sprechenden Schuld sich gerade noch ausreichend erweist." Dass die erste Voraussetzung „in der Wirklichkeit des Lebens keinen Boden hat", in Anbetracht davon, dass im landwirthschaftlichen Gewerbe „noch viel weniger als in den übrigen Gewerbsthätigkeiten ... in seiner Ab- hängigkeit von unberechenbaren und unabwendbaren Ein- flüssen der Witterung und von schädigenden Einflüssen anderer Art" auf „eine Gleichmässigkeit der Jahresrenten" gerechnet werden darf, — führt Verfasser zu unserer Ereude recht „vorurtheilslos" aus und erkennt hiermit die besondere Natur des Grundbesitzes, welche wir oben bei-eits gekennzeichnet haben, ausdrücklich an. Und wenn Verfasser hinzufügt : „ Die Grundrente ist . . . ganz abgesehen von der Beeinflussung durch die wechselnde Preislage der für den Markt produzirten Er- zeugnisse nicht unerheblichen Jahresschwankungen unter- worfen, in Hinblick auf welche die Abführung der vertrags- mässig zu leistenden Schuldzins- und Schuldtilgungszahlen nicht immer verbürgt erscheint (pag. 44)", — so beeilen wir uns, diese Aeusserungen des Verfassers, welche an dieser Stelle voa einer tieferen Einsicht desselben in die besondere Natur des landwirthschaftlichen Betriebes andern Gewerbszweigen gegenüber und die besondere Natur der Grundrente als Einkommens, welche in logischer Folge eine besondere Behandlung des Grundbesitzes und der — 32 — Landwirthschaft von der Gesetzgebung postulirt, be- kunden, — festzunageln! Sie allein sollten genügen, um dem Verfasser seine „akademische Kühe" über die Verschuldung des Grund- besitzes zu stören, ganz abgesehen von dem infolge der Schwankungen des Zinsfusses auch noch schwankenden Kapitalwerthe des Grund und Bodens, auf welche Rod- bertus, wie wir unten sehen werden, den Hauptnachdruck legt. Verfasser lässt hier zu guterletzt Aeusserungen fallen, die es unbegreiflich erscheinen lassen, wieso er oben so schlankweg von „der Fabel einer Ueberschuldung des Grundbesitzes" sprechen konnte. Wenn wir nämlich oben an mancher Stelle Kritik und zwar sehr scharfe Kritik üben mussten, so können wir. hier unsere volle An- erkennung über folgende Sätze aussprechen: „. . . . Der- selbe Prozentsatz der Verschuldung .... berechtigt in verschiedenenLändern keineswegs zu denselben Forderungen: ie nach der Preisbildung des Grund und Bodens kann in dem einen Land ein bestimmter Prozentsatz der Ver- schuldung völHg unbedenklich sein, in dem andern Land bereits denkbar schwierige Lagen geschaffen haben. Diese Schwierigkeiten müssen wachsen, wenn die Organisation des landwirthschaftlichen Bodenkredits eine noch unvoll- kommene, den Bedürfnissen des Grundbesitzes nicht hin- reichend angepasste ist: oder wenn die bei dem Eingehen der Besitzkreditschuld vorausgesetzten Daseinsbedingungen des landwirthschaftlichen Gewerbes unverhofften Aende- rungen (Absatzstockungen, weichende Preise etc.) unterliegen und der Einfluss des Grundbesitzes sich nicht ausreichend erweist, der staatlichen Wirthschaftspolitik eine auf die Beseitigung dieser Schwierigkeiten abzielende Richtung zu geben: oder wenn gar welche nachtheiligen Verschie- bungen, gegenüber den bei Eingehung der Schuld vor- handenen Rentabilitätsverhältnissen, mit ungenügenden Kreditorganisationen zeitlich zusammentreffen, wie dies für viele Staatswesen in der Gegenwart thatsächlich zu- trifft, daher denn auch die in dem letzten Drittel dieses Jahrhunderts in die Erscheinung getretene Agrarkrisis einen früher unbekannten langwierigen Charakter ange- nommen hat." (pag. 46). Es sind dies goldene Worte, welche mit der „Fabel" über die Ueberschuldung des Grundbesitzes schwer in logischen Zusammenhang zu bringen, aber nichtsdestoweniger für die Sache, welche wir vertreten, von grosser Tragweite sind. — In der 5. Betrachtung deducirt Verfasser aus den obigen „für die Marktpreisbildung des Bodens massgebenden Ten- denzen", dass „die sich daraus ergebende Lage ... am misslichsten in den Gebieten des Anerbenrechts empfunden — 33 — werde . . , wo an den Eintritt in den Besitz von Grund und Boden die rechtliche Erbabfindungspflicht gegenüber den Geschwistern sich knüpft, weniger misslich in den Gebieten der Ereitheilbarkeit". Im Anschluss daran macht Verf. einen Ausfall gegen diejenigen, welche eine Schliessung der Hypothekenbticher verlangen. Er nennt ihr Verlangen „widersinnig . . . namentlich (also sonst auch) wenn die Vertreter dieses Begehrens im übrigen als grundsätzliche Befürworter des Anerberechts-Instituts auftreten" (pag. 47). Nachdem der Verf. diesen „kräftigen Hieb" den ex- tremen Agrariern versetzt hat, „schränkt" er dieses sein Urtheil sofort wieder ein, indem er folgende Wendung macht: „Es kann daher auch nicht die Beseitigung dieser Art von Besitzkreditschulden, sondern nur Abschwächung der aus dieser Verschuldungsart entstehenden Nachtheile: durch richtige Werthtaxation, durch eine gewisse privi- legirte Stellung des Anerben in Verbindung mit einer an- gemessenen Kreditorganisation und mit der Sorge für recht- zeitige Wiederabstossung dieser Erbabfindungsschulden, eventuell durch Auferlegung eines Tilgungszwanges, d. h. durch eine sachgemässe Ausgestaltung des Anerbenrechts selber . . . Ziel einer massvoll ordnenden Agrarpolitik sein" (pag. 47). Hiermit schliessen wir unsern Bericht über die An- sichten A. Buchenbergers in Betreff der gegenwärtigen Lage des Grundbesitzes in Deutschland, als auch über seine Vorschläge hinsichtlich einer Verbesserung dieser Lage ab. Wir sind aber in der That im Zweifel, was wir als feststehendes Resultat dieser „Beurtheilung der Hypo- thekarverschuldung und der Besitzkreditverschuldung" und der 5 daran geknüpften „Betrachtungen" hinstellen sollen? Erkennt Herr A. Buchenberger eine Ueberschuldung des Grundbesitzes und also eine „Noth" in dieser Hinsicht an oder nicht? Je nachdem man die eine oder die andere Seite seiner Ausführungen liest, fällt die Antwort auf diese Frage bejahend oder verneinend aus. Wenn die Ueber- schuldung und daher eine Noth des Grundbesitzes zugleich eine „Eabel" sein soll und dabei doch von einer „Agrar- krisis von einem früher unbekannten langwierigen Charakter" gesprochen wird, so darf man sich nicht wundern, dass im Anschluss an diese „schwankende" Beurtheilung der Lage auch die Vorschläge zur Abhilfe „sehr flau" ausfallen und mit grösster „Ruhe" dieser „überlegene, vorurtheilsfreie, echt wissenschaftliche" Standpunkt bis zuletzt gewahrt wird. Förmlich wohlthuend und herzerquickend ist daher für uns der Uebergang zu einer des Raumes wegen kurz gedrängten Skizzirung des Rodbertus'schen Ideeenkreises. Hiermit gehen wir zugleich eigentlich erst zu einer end- giltigen Eormulirung des Problems über. In Anknüpfung 3 34 an Rodbertus kann erst von einer Auffassung der Agrar- krisis und von Vorschlägen zu ihrer Abhilfe im grossen Stile — die Rede sein! IIIc Wenn man das Titelblatt des Rodbertus 'sehen Haupt- werkes abliest, welches in die uns hier beschäftigende Materie eiiischlägt, so ist der erste Eindruck der, dass man es mit einem vom heutigen Standpunkte aus anti- quirten Werke zu thun habe. Als Inhalt des Buches verkündet nämlich das Titelblatt Folgendes: „Zur Erklärung und Abhilfe der heutigen Kreditnoth des Grundbesitzes". Dieser „antiquirte" Standpunkt scheint auch in dem Datum der Herausgabe des Werkes seine Bestätigung zu finden. Im Jahre 1869 ist es erschienen, also vor bald 25 Jahren. Man erfährt schon aus dem Titelblatte, dass damals bereits eine Agrarkrisis, eine Kreditnoth bestand und zwar sowohl eine Immobiliar-, als auch eine Person al- kreditnoth. Dass überhaupt eine „Noth" für den Grundbesitz und die Landwirthschaft auch damals bestand, erscheint einem „Agrarier" kaum wunderbar. Weiss doch ein Jeder, dass in diesem Jahrhundert., von der Zeit an, als die englische ökonomische Weisheit nach Deutschland importirt, gepflegt und von den leitenden Staatsmännern zur Richtschnur ihrer Wirthschaftspolitik in praxi verwerthet wurde, — der Grundbesitz und die Landwirthschaft trotz aller Phrasen stets immer nur als Aschenbrödel neben Handel und später Industrie behandelt oder besser misshandelt worden ist und daher nie aus dem Zustande einer mehr oder weniger „latenten" oder „akuten" Agrarkrisis herausgekommen ist. Und was die „Konsumenten ohne Ar und Halm" betriift, so wird von ihnen meist aus der philosophischen Betrach- tung, dass „auf 100 Menschen überhaupt nur 2 glückliche kämen", die weitere philosophische Anschauung hergeleitet: „Lieb Vaterland kannst ruhig sein und dir über die Schick- sale der Landwirthschaft und des Grundbesitzes keine grauen Haare wachsen lassen, denn die Landwirthe klagen immer, sie haben immer geklagt und werden immer klagen", i) Zur Orientierung jedoch der Agrarier sowohl, als der Konsumenten über die Grösse der heutigen „Noth" und die „ausserordentliche Lage", in welcher sich Landwirthschaft und Grundbesitz heute befinden und voraussichtiich noch viel mehr m absehbarer Zukunft befinden werden, trägt 1 \^' 5®"<^^* ^^^^ die Verhandlungen der XV. Versamm- lung des Deutschen Landwirthschaftsrathes, in welcher Prof VT. V. Miaskowki „diese hochphilosophische Betrachtung" eines nationalhberalen Abgeordneten anführt (pag. 484). — 35 — ■e,s ausserordentlich bei, wenn man bei Rodbertus die Schilderung nachliest, welche er über die damalige Lage giebt. Er nimmt „die Mitte der 30ger Jahre als den Ausgangspunkt des zu verfolgenden ökonomischen Verlaufs", um die Ursachen der damaligen Immobiliarkreditnoth dar- zulegen. Selbst der grösste Optimist unserer Zeit in Bezug auf die heutige Lage einerseits und der grösste fach- männische Pessimist unter den Agrariern andererseits — beide allertlings mit ganz entgegengesetzten Gefühlen — bekommen nun folgende Schilderung der Lage des Grund- besitzes und der Landwirthschaft in dem dreissigjährigen Zeiträume, der vor Rodbertus lag, zu ihrer nicht geringen Verwunderung zu lesen: „Was zuerst den Ertragswerth anbetrifft, so kann nicht bestritten werden, dass seit dem angenommenen Ausgangspunkt eine bedeutendere Steigerung der Reute und also auch des Ertragswerthes des deutschen Grund- besitzes stattgefunden hat. Diese Steigerung hatte die solideste Basis. Sie wurzelte in den beiden Faktoren des Reinertrages selbst, eben so sehr in der Produktmasse, wie dem Produktwerth, die sich beide gehoben hatten, — die erstere durch das Verdienst der deutschen Landwirthe, der letztere theils infolge der gestiegenen Bevölkerung und Industrie unseres eigenen Vaterlandes, hauptsächlich jedoch durch die Veränderung der englischen Korngesetzgebung." 2) Einem jeden heutigen fachmännischen Landwirthe muss es als ein süsser Traum aus einem goldenen Zeitalter er- scheinen, wenn von einem Steigen des Ertragswerthes des Grund und Bodens, der Rente und zwar infolge einer intensiveren, rationelleren Wirthschaft oder gar infolge günstiger Konjunkturen im Verkehr mit dem Auslande die Rede ist. Wo sind die schönen Zeiten hin? Wohin sind wir heute im Vergleich zu damals angelangt? Was kann dem- nach die damalige Noth im Vergleich zu der heutigen gewesen sein? Doch wohl nur ein Kinderspiel oder eine Einbildung! Wenn man aber weiter die von einem so regen Geiste und warmen Herzen für die Landwirthschaft getragenen Ausführungen liest, so lernt man bald einsehen, dass man dem Autor Unrecht gethan, wenn man seinen Standpunkt als antiquirt, die damalige Nothlage als imaginär anzu- sehen geneigt gewesen ist. _ Je mehr man sich in die ganze, systematische, wirklich soziale im grossen Stile angelegte Anschauung des Autors hineindenkt, woran man einzig und allein durch Weit- I 1, "^-D^\'^^^*^^°^^*, ^^® Aufhebung der englischen KornzöIIe, welche Richard Cobden an der Spitze der Manschosterliga durchsetzte, gemeint. S. Rodbertus, u. O. p 44 ff — 36 - schweifigkeiten und Wiederholungen gestört wird desto mehr gelangt man zu der Ueberzeugung, dass man' es mit einem Manne zu thun hat, der geradezu bahnbrechend ge- wirkt hatte, wenn er schon damals hinreichend gewürdifft worden wäre Wären die Anschauungen und Lehren des . Kodbertus beherzigt worden, hätte man den prophetischen Blick erkannt, mit welchem er schon damals im besten / „einen langen und schönen Abendsonnenstrahl" (pag. dl5) dem privaten Grund- und Kapitaleigenthume in Aussicht stellt, so wäre man während der nach ihm folgen- den dO Jahre wahrscheinlich nicht zu der unerquicklichen Lage eines bis über die Ohren verschuldeten und verarmton ^Grundbesitzes, eines in immer weniger Händen zusammen- geballten Xapitalbesitzes, eines von diesem Kapitalbesitze nicht ganz unabhängigen Staates und in streng logischer ±olge davon eines Parlamentes mit 40 sozialdemokratischen ±teichstagsmitghedern gelangt. Wenn Eodbertus zu der Zeit, als er mit seinen bahn- brechenden Anschauungen über den landwirthschaftlichen Orrundkredit hervortrat, nur vereinzelt und wenig Anklano- fand so erklärt sich diese Thatsache daraus, dass er alS Landwirth und Grundbesitzer und dabei freier aber darum nicht weniger fachmännischer Nationalökonom, ganz ähnlich wie Friedrich List, Henry Carey, Eugen D'ühring u. a nicht zur „Schule" gehörte, wie er sie selbst in seiner schneidigen Polemik der offiziellen Universitätslehre gegen- über nannte, und worunter er die an den Universitäten massgebende „historisch-ethische", in theoretischer Be- ziehung aber schlechtweg „englische" Schule verstand. Unter diesen Umständen kennte ihm höchstens und zwar erst nach seinem Tode ein „succes d'estime", eine An- erkennung mit den üblichen „Einschränkungen" und der beliebten überlegenen", vorurtheils- oder vielmehr urtheils- losen Kritik zu Theü werden, 3) was aber nicht ausschloss, dass seine Ideen unter anderen „Marken" (z. B. der katheder-soziahstischen) hie und da auftauchten und sogar in der letzten Zeit in der Form der Rentengütergesetz- gebung eine praktische Anwendung erfuhren. «K. ^i-' \T!.'*®''.^'^-?^' ^^^°^ <^ie ßodbertus'schen Ideen über die Natur des Grundbesitzes und die ihm allein auf Grund dieser Natur zukommende Verschuldungsform nicht tZ^'Ir T""' T' ^""' ^^^' ^'^ „Universitäten" an den !il;l T? Begründungen, welche Rodbertus für seine gross- artige Reform der ganzen Grundkreditgesetzgebung an- noliti8chIf^n«tnn^''''-^''''^^''^f^-^"^«^^- ^^°<^ Handbuch der II S «h?r A ^'^ ^'''' ^- ^""Snev IIL Hauptabtheilung, mit 8 1« ^' „Agrarweson und Agrarpolitik« und zwar§117 Tönnfn ' ' «Musterprobe" in dieser Hinsicht dienen — 37 — führte, eine „billige" Kritik übten, ohne seinen Ideenkreis, als ein neues_ ganzes System der rechtlichen Behandlung des Grundbesitzes aufzufassen und zwar im Zusammenhan o-e mit einer ganzen sozial - ökonomischen Weltanschauung, welche unverkennbar im besten Sinne modern- sozialistische Züge an sich trägt, zu begreifen. Rodbertus ist kein „einseitiger Agrarier", der nur die Interessen der Grundbesitzer als seiner Slandesgefährten verträte. Er verliert nie die ganze Gesellschaft und ihre Schicksale aus den Augen. Einen handgreiflichen Beweis dafür liefern seine Ausführungen über Kredit und Kapital, seine geistreiche Polemik gegen die Kapitalbildung durch Sparen, welche an das von Friedrich List an den Pranger gestellte englische „Hunger- und Sparsystem" lebhaft er- innert, seine Bodenrententheorie, seine Ideen über einen „normalen Arbeitstag" und einen „natürlichen Arbeitslohn" u. s. w. Dass Rodbertus und nicht seine Kritiker und Verkleinerer auf einem überlegenen, vorurtheilslosen, sozial- wissenschaftlichen Standpunkte steht, muss einem jeden einleuchten, der seine „Soziale Betrachtung allgemeiner Art", mit welcher er den II. Theil seines Werkes ein- leitet, mit Aufmerksamkeit und Verständniss liesst. Verfasser führt in grossen Zügen alle drei Produktions- faktoren und die von denselben sich herschreibenden Ein- kommenszweigB vor: „Dem Kapital steht eine glänzende Zukunft bevor. Kapitalien sind Parzellen vom Nationalprodukt, insofern sie noch weiter der Produktion dienen. Ihre Natur ist die Beweglichkeit selbst. Sie vermögen sich in alle Formen umzusetzen, alle nationalen Grenzen zu überfliegen, sich zu ungeheuren Summen zusammenzuschichten, sich bis ins Kleinste zu zerteilen. Aus dieser Bewegung entspringt ihre Rentabilität, vermöge ihrer werfen sie ihren Ge- winn ab. Man nennt Kapitalien todt, die keiner solchen Bewegung unterliegen. Das Kapital hat auch bereits eine Gesetzgebung zu erlangen gewusst, die seiner Natur und seinen Gewinnen vollkommen entspricht. Nach welcher Richtung es sich bewegen kann, darf es sich auch heute bewegen. Was es m jeder Richtung gewinnen kann, darf es auch gewinnen. Es ist dies in der That auch sein „natütlicher" Gewinn! Und das Kapital hat auch die Gunst solcher Gesetz- gebung zu benutzen verstanden. Früher theilte sich der Kapitalgewinn in Zins und Unternehmungsgewinn. Um so viel, als der eine Theil fortnahm, war der andere niedriger. Die Ruhe blieb dem Zmse, das Geschäft dem Unternehmungsgewinn. Heute hat der Kapitalist in der Aktienform das Mittel gefunden, den Unternehmungsgewinn als „Dividende" zum Zinse zu schlagen und doch dabei die Ruhe des Rentiers zu ge- — 38 — uiessen. Je massenhafter es sich zu solchen Unter- nehmungen vereinigt, desto ungefährdeter wird die Anlage, desto gesteigerter wird die Zins-Dividende, desto süsser die Ruhe; — Lockung genug, in gleichen Betriebsformen sich nach und nach des ganzen Gebiets der Industrie zu bemächtigen. — " Und nun schildert Eodbertus den seiner Ansicht nach, die heute recht naiv erscheint, kolossalen Aufschwung, welchen das in Aktienform associrte Kapital innerhalb von 25 Jahren gewonnen hatte: „Die ganze preussische Staats- schuld, einschliesslich des Papiergeldes, betrug 1847 nur etwa ein Drittel des Vermögens" der vier Eisenbahn- gesellschaften: der Köln-Mindener, der Rheinischen, der Stettin -Berliner und der Bergisch - Märkischen Eisenbahn- gesellschaft, _ welche „binnen Kurzem jede ein Bahnnetz von 100 Meilen beherrschen, ja ein Kapital von an oder über 100 Millionen repräsentiren werden." Und dabei welche Organisation, „die einem Staat im Staate ähnlich sieht." Eodbertus vergleicht sie mit den alten Publikanengesellschaften Roms und knüpft daran folgenden prophetischen Ausblick in die Zukunft, welche unsere Gegenwart ist: „Kann es ausbleiben, dass sie (die Kapitalsgesellschaften m Aktienform) nach und nach auch deren politische Maclit anstreben werden? Wenn es in der Natur jener Macht liegt, herrschen zu wollen, — sicherlich nicht! Wie zuletzt in Rom kein Konsul mehr gewählt werden konnte, er wäre denn zuvor bei jenen Domäuenpächtern bettebi ge- gangen, ja, wie nur sie es waren, die die Verfassung Roms erst untergruben und dann auch zur Grube tragen halfen, so werden nicht minder auch die modernen Kapitalisten - associationen nach und nach versuchen und schliesslich auch verstehen lernen, unsere politische Maschine mit ihrem feinen Oele zu schmieren, denn „„Geld ist Macht"" bestätigt Adam Smith. Und der Staat für sich allein, so gross seine Integrität heute noch sein mag, wird sich auf die Dauer nicht solchen Einflüssen zu entziehen vermögen. Gegen soziale Mächte helfen nur soziale Gegengewichte." Hier folgt eine ebenso meisterhafte Schilderung der Natur der Lohnarbeit, ihrer sozialen Stellung und der ihrer harrenden Zukunft. Auch sie hat eine neue Kraft, welche sie zu einer „Gegenmacht" dem Kapital gegenüber erstehen lässt, in der Arbeiterassociation gefunden. Wir können es uns nicht versagen, das so plastisch und farben- reiche Bild, welches Verfasser von diesen sozialen Vor- gängen entwirft, in extenso anzuführen: „Die Arbeit — in ihrer Kooperation — ist die zu- nehmend produktive Schöpferkraft des gesammten National- reichthums. Die Gemeinschaft, die in dieser Kooperation liegt, verbindet nicht blos die lebende Generation mit ein- — 39 — ander, — längst ins Grab gesunkene Geschlechter betheiligen sich noch heute in denjenigen hinterlassenen Werken an ihr, mittelst deren die heutige Generation überhaupt erst in ihrer gegenwärtigen Produktivität weiter zu arbeiten vermag. ,„,Kein Nagel, — sagen die Engländer — „„wird in England fabrizirt, der nicht auf die Eroberung der Nor- mannen zurück zu führen ist."" — Die Arbeit erhält ihren Lohn. — Nach der zunehmend produktiven Natur der Arbeit ist es daher klar, dass sie in ihrem Lohn ein Mit- recht an den steigenden Früchten der zunehmenden natio- nalen Produktivität zu beanspruchen hat. Ein mit der steigenden Produktivität mitsteigender Lohn ist in der That der ,„, natürliche"" Lohn der Arbeit. Mehr \md mehr werden auch von dem vorgeschrittneren Theile der Gesellschaft diese Natur und diese Lohnberech- tigung der Arbeit erkannt und anerkannt, — allein es fehlt noch viel, dass, gleich wie das Kapital die seiner Natur und seinem Gewinn, so auch die Arbeit die ihrer Natur und ihrem Lohn entsprechende Gesetzgebung errungen hätte. Aber die Arbeiter erheben sich heute deshalb. Damit thun sie nicht mehr, als was das Kapital schon ge- than hat. Wie dieses seinen natürlichen Gewinn verfolgte, wie es nicht eher ruhte, als bis es seine Gesetzgebung errungen, die ihm diesen natürlichen Gewinn sicherte, wie es heute mit Energie, in allen denkbar wirksamen Formen sich um diesen seinen Gewinn schaart, so verfolgt die Arbeit ihren „natürlichen Lohn", so erstrebt sie ihrerseits auch eine diesen natürlichen Lohn sichernde Gesetzgebung. Dass die Arbeit in diesem Streben mit andern Mitteln ringt, als das Kapital sie anzuwenden vermochte, liegt in ihrer sozialen Stellung, und dass die Gesetzgebung in dieser Aufgabe einen andern Charakter wird annehmen müssen, als wo es nur darauf ankam, den Schwingen des Kapitals Raum zu verschaffen, stellt weder die Gerechtigkeit des Strebens der Arbeit in Frage, noch tritt es dem Rechte des Kapitals zu nahe. Es ist noch kein Eingriff in den der eigenthümlichen Natur des Kapitals entsprechenden negativen Charakter der Gewinngesetzgebung, wenn die der eigenthümlichen Natur der Arbeit entsprechende Lohn- Gesetzgebung nur einen positiven Charakter verträgt. Es is noch keine dem Kapital selbst wieder angelegte Fessel, wenn es nur auf den gesetzlich organisirten Widerstand einer gleichberechtigten und in diesem ihrem Recht sich beschränkenden Macht stösst. Vielmehr ist es Anmassung an dem Kapital, die Gesetzgebung für die Arbeit nach seiner eigenen gemodelt haben zu wollen. Die Naturen unserer volkswirthschaftlichen Grundlagen pind •eben ver- schieden und „hart im Räume stossen sich die Sachen." Und die Arbeit, mag sie in dieser oder jener Losung: „Nieder mit dem Kapital!" oder: „Her mit dem Kapital!" — 40 — — beide nehmen sich an Verkehrtheit, nichts — vorläufig ihr Ziel noch so falsch gesteckt, den dazu eingeschlagenen Weg noch so falsch gegriffen haben, die Arbeit wird zu ihrer Gesetzgebung gelangen, wie das Kapital zu der sei- nigen gelangt ist. In ihren Assoziationen wird sich eine Macht organisiren, die dem Kapital mehr und mehr die ausschüessliche Berücksichtigung seitens des Staates streitig machen wird. Und diese Macht wird wachsen und der des Kapitals ebenbürtig werden. — Werden Beide, wenn sie die alleinigen Kämpfer auf der sozialen Werkstatt bleiben, sich nicht schliesslich den Staat selber streitig machen? — Wird dieser nicht unausbleiblich einem von Beiden in die alleinigen Hände fallen müssen? — Denn es greift hier eine Erscheinung ein, die überaus merk- würdig ist. Zwar, das Wort: Quot mercatores, tot tradito- res ist uralt; aber heute hat nicht bloss das Kapital auf- gehört, national zu sein und ist kosmopolitisch geworden auch die Arbeit ist es. Wie im Mittelalter jeder der drei damaligen sozialen Stände — Geistlichkeit, Adel und Burgerthum — mehr mit dem eigenen Stande in allen andern Landern Europas zusammenhing, als mit den audern beiden Ständen des eigenen Landes, so scheinen auch unsere neuen drei sozialen Klassen — Arbeit, Kapital und Grundbesitz — wenigstens, was die ersteren beiden betrifft einen analogen Gesellschaftszustand in Europa wieder an- bahnen zu wollen. Das Kapital unterstützt bereits lieber das Kapital m andern Ländern der Welt als den Grund- besitz im eigenen Lande. Die Arbeit verschwört sich ^hon heber mit der Arbeit fremder Länder gegen das Kapital des eigenen Landes, als dass es mit diesem einen billigen irieden zu schliessen versucht. Wenn es wahr ist, dass sich Kraft durch Vereinigung progressiv stärkt, so ist nicht anzusehen, wie die nationale Selbstständigkeit der btaatsorganismen in den einzelnen Ländern Europas sich gegen soziale Kräfte sollte behaupten können, die sich durch alle Länder Europas geeinigt haben". Endhch führt Rodbertus den Grundbesitz — jene von den beiden hofihungsvollen Sprösslingen verstossene Mutter vor welche nur mühsam diesem „tollen Jagen nach dem goldnen Kalbe" nachhinkt. „Der Grundbesitz hat seine besondere Natur, wie Kapital und Arbeit sie haben. Er ist Parzelle von natio- nalem Grund und Boden. Er ist also Land, wenn auch i^uiturland. Damit ist er das gerade Gegentheil des Kapi- tals: Er 18t die Unbeweglichkeit selbst. Er kann sich niemals in etwas Anderes umsetzen, er bleibt immer Land. J^r kann sich auch über keine Grenze fortsetzen, er muss im Lande bleiben. Er lässt sich auch nur schwer zv grosseren Komplexen zusammenlegen und lässt sich kaum weniger schwer zu kleineren Parzellen zertheilen. — 41 - Auch seinen besonderen Einkommenzweig hat der Grundbesitz. Wie beim Kapital im Gewinne, bei der Arbeit im Lohn, besteht derselbe beim Grundbesitz in der Kente. Die Eente ist immer nur das, was Lohn und Gewinn vom Ertrage des Grundstücks übrig lassen. Von Konkurrenz m Rente und Gewinn kann daher zwischen Grundbesitz und Kapital ebenso wenig die Rede sein wie zwischen einem Ross und einem Vogel in deren Leistungen Beide haben eben ihre eigene Art. Aus der Rente allem schöpft der Grundbewtz seinen Werth. Dieser be- ginnt mit ihr und hört mit ihr auf. Unser Vermögen ist nur Rentenvermögen. Die Rente ist unser „„natürliches"'^ Einkommen ! Wie dem Kapital und seinem Gewinn, der Arbeit und Ihrem Lohn, so kommt auch dem Grundbesitz und seiner Rente die ihnen entsprechende Gesetzgebung zu. Die Rente, wie sie allein den Werth des Grundbesitzes konsti- tuirt, sollte ihn daher auch allein bemessen. Kein anderes Ausdrucksmedium sollte sich einschieben dürfen, um dem Grundbesitz einen andern Werth als Rentenwerth aufbürden zu wollen. Durch keinen solchen fremden Ausdruck sollten wir gezwungen werden dürfen, etwas Anderes als Rente stehen lassen, etwas Anderes als Rente theilen, etwas Anderes als Rente verpfänden, endlich etwas Anderes als Kente auch unsererseits übrig behalten zu müssen. Denn wir besitzen m unsern Grundstücken keinen andern Werth als Rente. Wir können daher auch nichts Anderes stehen lassen, theilen, verpfänden und übrig behalten als Rente. -Uas ist unser, ist das dem Grundbesitz und der Rente entsprechende Recht. Und die Gesetzgebung? Kapital und Gewinn haben die ihrige errungen; Arbeit und Lohn ermangeln noch der ihrigen; aber Grundbesitz und Rente sind so viel übler daran, als Arbeit und Lohn wie Verfassungs Verkehrtheit übler ist wie Verfassungs- losigkeit, denn Grundbesitz und Rente haben heute unter einer ihrer Natur schnurstracks wider- sprechenden Gesetzgebung zu leiden. Rodbertus stösst hier den Ruf aus: „Wie ungleich- massig werden also unsere sozialen Grundlagen vom Staate behandelt' , der durch die HandelspoHtik „des neuen Kurses" an Aktualität gewonnen und eine neue Illustration unter vie en andern in letzter Zeit erfahren hat. Auch das Bild, welches Rodbertus von dem Verhalten der Landwirthe und Grundbesitzer entwirft, trifft leider auch heute noch zu: _ „Durch altes Misstrauen und neue Eifersüchteleien sind wir unems und getheilt. Uns fehlt der Listinkt des mate- riellen Interesses, den das Kapital in solcher Schärfe besitzt. Uns fehlt auch das Klasseninteresse, in dem sich 42 — die Arbeit, wie Ein Mann, erhebt. Unter den Banden unserer falschen Gesetzgebung liegen wir schon schwer darnieder. Und, was das Uebelste ist, wir glauben noch selbst an den falschen Götzen dieser Gesetzgebung. Axr ..Collen wir in dieser Zerfahrenheit fortvegetiren '^ Wollen wir als selbstständige Klasse von der sozialen Buhne abtreten und uns gänzlich vom Kapital ins Schlepp- tau nehmen lassen? Soll der Ringkampf, der sich zwischen Kapital und Arbeit entspinnt, uns als müssige Zuschauer hnden, oder, was schhmmer ist, als den Diener des Kapitals? Was verhindert uns, uns nicht wenigstens zur Höhe der Arbeiter aufzuschwingen, die sich nichts mehr vom Kapital einbilden, sich nicht mehr vom Kapital gängeln lassen wollen.'' Sollten wir Grundbesitzer nicht eben so viel Zusammenhörigkeitsgefühl, eben so viel Ehrgeiz in uns wieder zu wecken vermögen? Sollten wir nicht ebenfalls versuchen müssen, uns an unsern eingenthümlichen Inte- ressen wieder zu einer selbstständigen Macht in Gesell- schatt und Staat empor zu arbeiten? — Das Kapital fasste seinen natürhchen Gewinn ins Auge, hat die Gesetzgebung die denselben ihm sichert, errungen und ist heute all- mächtig geworden, weil ihm kein Gegengewicht mehr die Waage hält. Die Arbeit beginnt sich um ihren natürlichen 1-ohn zu schaaren, und die Energie, mit der sie es begonnen sichert auch ihr das Gelingen. Folgen wir also deren ^eispielen! Sammeln auch wir uns um unser natürliches ^.inkommen! Sammeln wir uns um unsere Rente! V\ arum sollte uns nicht gelingen, was dem Kapital gelungen ist und der Arbeit gelingen wird? Sozial begehren wir nicht mehr, als was Kapital und Arbeit errungen und begehrt üaben, und national sind wir vor Beiden berechtigt zu erringen was wir begehren. Der Staat müsste schon vollständig dem Kapital überliefert sein, wenn er nicht begreifen woUte, dass der Grundbesitz allein dieienige soziale Macht ist oder vielmehr werden kann, die vorzugs- weise das nationale Element in der Gesellschaft vertritt, und der Staat, in seiner Besonderheit, beruht ia gerade aul nationalen und nicht auf sozialen Elementen.'' Diese Hauptsätze der Vorrede, welche wir in extenso zitirt haben, genügen wohl, um Rodbertus als einen Sozial- okonomen ersten Ranges zu kennzeichnen: sie können auch dazu dienen, die Interessen, welche „der Bund der Landwirthe" vertritt, in ein wahres Licht zu !^t Ik^'u ^n"" g^"2es Programm für die landwirth- schaftliche Bewegung der Gegenwart zu liefern. a^r...■^T^ o^e^fl^chliche Kritik^) ist Rodbertus aller- S.Ti,"^^'''"^^^°P^^* gewesen und ein einseitiger Diagnostiker, in Bezug nämlich" auf den Zinsfuss. Der *j V. O. A. Buchenberger. pag. 103. i — 43 - letztere ist nicht gestiegen, sondern gefallen, und zwar darum gefallen, weil der riesige Aufschwung des Kapitals zugleich ein riesiges Angebot von Kapitalien, welche An- lage suchen, zur nothwendigen Folge hatte. Es hat sich weiter herausgestellt, dass nicht die Schwankungen des Zinses vornehmlich, wie Rodbertus meinte, die akute und langwierige Krisis herbeigeführt haben, sondern das Sinken der Rente und eine Ueberschuldung, die eine Folge von gestiegenem Bodenwerth, von Erbtheilungs- und Restkaufs- geldern, Meliorationen u. s. w. war, eine Agrarkrisis her- aufbeschworen haben, wie sie in der Weltgeschichte wohl selten vorgekommen ist. Andererseits aber sieht Rodbertus sehr wohl ein, dass diejenigen Voraussetzungen, von denen er im Jahre 1869 ausging, nämlich eine Kreditnoth aus steigender Rente und steigenden Produktenpreisen, sehr wohl in Zukunft in ihr Gegentheil ausschlagen kann, — was wir heute vor Augen haben. Auch die bezüglichen Ausführungen sind geradezu prophetisch; sie finden sich im Theil I, Absatz 2, welcher über „die nothwendige Erfolg- losigkeit der bisher vorgeschlagenen Mittel" handelt: ,, Zuerst begegnen wir der Ansicht, gar nichts zu thun, vielmehr die ganze Hypothekennoth sich selber zu über- lassen. Es ist dies die Am&icht des unsere Presse, unsere Kammern, unsere Kollegien und unsere Tagesrednor zumal beherrschenden national-ökonomischen Systems, es ist der Grundsatz des laissez-faire . , • . Unzweifelhaft würde nun auch auf diesem Wege das Uebel schliesslich sein Ende erreichen. Vorläufig dürfte es freilich noch steigen, weil auch der Zinsfuss noch steigen dürfte. Denn die beiden auf die Steigerung des Zinsfusses einwirkenden Ursachen haben sich noch nicht erschöpft. Noch vermehren sich von Tag zu Tag die Associationen, die, weil sie i7i der Dividende dem Leihkapital zum Zinse auch noch den grössten Theil des Unternehmungsgewinns zuwenden, des- halb auch den Zinsfuss für alle anderen Unternehmungen steigern; — und noch :fallen immer mehr die internationalen Scheidewände, welche die Kapitalien der Länder niedrigen Zinsfusses von der Mitwerbung in den Ländern höheren Zinsfusses zurückhalten. Mit solcher weiteren Steigerung des Zinsfusses wird aber auch der unsern heutigen Grund- verschuldungen zur Unterlage dienende Kapitalgrundwerth noch weiter zusammenschrumpfen und deshalb auch unsere G] undkreditnoth selbst noch weiter und tiefer um sich greifen. Alsdann werden sogar Aecker, die sich noch heute unter dem Pfluge befinden, aus der Kultur fallen, und der Ruin wird gross und allgemein werden. Allein, weil der Zinsfuss doch einst aufhören muss zu steigen, wird auch der Kapitalgrundwerth einst aufhören zu sinken und damit denn auch schliesslich die Grundkreditnoth ihr Ende erreichen. Nachdem also die Verheerung geschehen, — 44 - wird auch diese Kalamität, wie alle Kalamitäten, vorüber- gehen. Ist auch heute noch nicht ihr Ende abzusehen dass_ es einst eintreten muss, ist jedenfalls vorauszusetzen. Allein wie bei dieser Freihandelskur für das Ende der Kalamität gesorgt ist, so auch für ihre Wiederkehr. Nach- dem auf den verödeten Stätten neues Leben erblülit, mit einer neuen Steigerung der Rente auch der Kapitalg'rund- werth wieder neu gestiegen, vielleicht infolge eines neuen Fallens des Zinsfusses aufs Neue künstlich in die Höhe getrieben sein wird; nachdem den Grundbesitzern aufs Neue ein Spielgewinn an Kapitalwerth und Rente wird zugewandt und auch aufs Neue dieser fiktive Zuwachs in- folge von Veräusserungen und Erbtheilungen mit Kapital- schulden wird belastet worden sein; nachdem die dann lebende Generation unsere heutige Noth längst vergessen, und sich in ihrem neuen Flor wieder ebenso sicher wähnen wird, wie wir uns vor 15 Jahren in dem unsrigen wähnten; — wird a,ufs Neue auch diese Generation eben so unsanft, wie wir es wurden, aus ihrem Traume gerüttelt werden,' denn so wie ein neues Steigen des Zinsfusses eintritt, muss auch dies neue, wiederum nur auf der fiktiven Grund- lage eines durch ein blosses Rechnungsmanöver aufge- triebenen Kapitalwerths aufgeführte Kultur- und Kredit- gebäude aufs Neue zusammenstürzen. Wie also das laissez- faire-System für das Ende der Noth sorgt, sorgt es auch für _ die Wiederkehr.. Statt den Grundbesitzkrisen abzu- helfen, macht es sie periodisch gleich Handeskrisen und Pauperismus." Rodbertus sieht also durchaus nicht in den Schwan- kungen des Zinsfusses allein die Ursache aller „Nöten" des Grundbesitzes, wie ihm diejenigen anzudichten suchen, welche ihn nur oberflächlich lesen. Nur für die damalige Zeit sieht er sie als Grund der damals sich fühlbar machenden Kreditnoth an. Im Folgenden zeichnet er aber mit hellseherischem Blick, wohin der Grundbesitz unter der Herrschaft des laissez-faire nothwendigerweise steuern muss, nämlich aus der Scylla der Kreditnoth m die Charybdis der Schuldnoth — neben dem Sinken der Rente auf ein Minimum infolge Preissturzes der Pro- dukte auf Grund der ausländischen Konkurrenz und der Goldwährung — können wir heute hinzufügen, um das Bild vollständig zu machen. Darum hat Robertus trotzdem die damaligen Voraus- setzungen nicht mehr zutreffen, heute eine viel grössere Bedeutung als er sie damals haben konnte, und hoffentlich wird er heute einen ganz andern Einfluss auf die Stellung des landwirthschaftlichen Grundbesitzes, und wir wollen es ausserdem noch hoffen, auf die Stellung des Staates dem Grundbesitze gegenüber ausüben. Das Uebel nämlich liegt wahrlich einzig und allein in — 45 — letzter Linie in der der Natur des Grundbesitzes mit einigen Ausnahmen schnurstracks zuwiderlaufenden Agrargesetz- gebung, welche als der Natur des Grundbesitzes eben widersprechend an den Schwankungen des Zinsfusses zu beweisen ßodbertus viel schwerer war, als an der heutigen Krisis. Heute liegt es klar vor Augen, was ßodbertus damals vergebens ans Herz zu legen suchte, sowohl den Agrariern als auch der Regierung, dass von wirklichem Segen für die Landwirthschaft und den Grundbesitz nur diejenigen Kreditformen waren, welche dem Rodbertus'schen Renten- prinzip mehr oder weniger nahe stehen, wie die Land- schaften und sonstigen Hypothekeninstitute, welche un- kündbare, amortisirbare Darlehen mit massigem Zinse ausleihen. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass, wie sich das Blatt in dem Dezennium von 1869 — 1879 gewendet hat, es sich wiederum noch ganz anders wenden kann. Man denke sich einen grossen Krieg, der ungeheure Kapitalwerthe zu Grunde richten würde. Ein steigender Zinsfuss und eine Entwerthung des Grund und Bodens müssten nothwendiger- weise darauf folgen, worauf die auf dem Grundbesitze unter dem Kapitalprinzip eingetragenen Hypotheken jede Unter- lage und der Personalkredit des Landwirthschaft be- treibenden Grundbesitzers erst recht jede Basis verlieren müsste. — Wie sich also auch die Konjunkturen, sei es des Welt- produktenmarktes, sei es des Kapitalienmarktes, sei es des Gütermarktes gestalten mögen, — immer müssen die land- wirthschaftlichen Grundbesilzer wiederkehrenden Krisen ausgesetzt sein, so lange sie mit demjenigen Rayon ihrer Hypotheken, welcher über die Hälfte des Gutswerthes hinausgeht, welcher also den gefährdesten und gefährlich- sten Kredit ausmacht, — einzelnen kapitalistischen Gläu- bigern gegenüber stehen. Das sieht Rodbertus so gut ein, dass er sich auf die strenge Anwendung seines Rentenprinzips bei der Ver- pfändung des ersten Hypothekenrayons durchaus nicht steift. ^) Derselbe ist ja meistens in den Landschaften genossenschaftlich organisirt, also geborgen. Rodbertus will sich daher schlimmsten Falls mit einer genossenschaft- lichen Organisation der Hypothekenschulden über die Landschaften hinaus unter Anwendung seines Rentenprinzips auf die Letzteren vor der Hand zufrieden geben. Dara us ergiebt sich, dass für Rodbertus der Schwerpunkt nicht in dem Rentenprinzip allein, wie es immer dargestellt wird, sondern in einer-körperschaftlichen und genösse n- schaftlichen Organisation des Grundbesitzes m it 5) S. Rodbertus w. o. p. 376 fi'. ... 46 - einer Verschuldungsgrenze liegt. Diese Ver- schuldungsgrenze ist aber nach Ansicht des Rodbertus einzig und allein in der Rente, nicht aber in der kapitalisirten Rente zu suchen und zu finden, und darin wird er ewig Recht behalten. Wie daher die wahre Bedeutung des Rodbertus als Nationalökonomen nicht in seinen spezifisch agrarischen Auslassungen zu erkennen ist, so fällt der Schwerpunkt seiner agrarischen Aufstellungen nicht in die das Renten- prinzip an sich betreffenden, sondern in die den körper- schaftlichen und genossenschaftlichen Zusammenschluss des gesammten Grundbesitzes postulirenden Ausführungen. Diese werden auch als „diskutabler Kern" von dem Schul- system anerkannt, nachdem über das offenbar „völlig ver- gebliche" Bemühen, gegen „eine Rechtsordnung, die dem Grund und Boden Kapitalqualität verleiht", 6) anzukämpfen, vornehm die Achsel gezuckt worden war. Dem Renten - prinzip, wie es Rodbertus fordert und begründet, wird ein- fach entgegengehalten: „für jedes im Verkehr befindliche Produktionsmittel bildet sich ein Werth, und es kann ein anderer zahlenmässiger Ausdruck, als er sich durch Kapitali- sirung des von demselben zu erwartenden Reinertrages ergiebt, überhaupt nicht gefunden werden. Dass die Werth- bildung hierbei von den Schwankungen des Zinsfusses beeinflusst wird, ist richtig, aber unvermeidlich". '') Durch diesen „Keulenschlag" ist Rodbertus mit seinem Renten- prinzig abgethan und nur „der diskutable Kern" wird von dem „herrschenden Schulsj'-stem" verwerthet, um angeblich eigene Vorschläge zur Linderung der Schuldnoth zu machen, die freilich auch nur, wie wir gesehen, mit so viel allerlei Einschränkungen anerkannt wird, dass Alles nach vielen Redensarten in den schon oben charakterisirten Dunst und Nebel aufgeht, und die schönste „akademische Ruhe" über diesen agrarischen campo santo sich verbreitet. Dass es Rodbertus mit seinem Rentenprinzipe um ganz andere Dinge zu thun ist, als um den „zahlenmässigen Ausdruck" des Bodenwerthes, dasser in der ausschlieslichen Anwendung des Rentenprinzips für Werthermittlung und Verschuldung des Grundbesitzes einen allein entsprechenden Massstab für beide findet und hiermit sie vor sclxwankende Kapitalisation und Ueberschuldung schützen will, — davon haben die meisten seiner Kritiker keine Ahnung. Jenen „zahlenmässigen Ausdruck" kann sich übrigens ein Jeder, der in demselben befangen ist, auch unter der Anwendung des Rodbertus'schen Rentenprinzips bei der "Werthermitt- lung und Verschuldung bilden. Ein Rentenwerth von 4000 Mk. ist jederzeit bei einem Zinsfusse von 5 7o gleich *') ?!. A Buchenberger w. o. pag. 106. ^) Ibid. — 47 - einem Kapital von 80000 Mk., bei einem Zinsfusse von 4°/o einem solchen von 100000 Mk., und auch die Herren Rentiers, welche dabei Gänsehaut bekommen, da sie ihre Kapitalien gleichsam verschwinden sehen, kann man unter Hinweis darauf beruhigen, dass ja ßodbertus ein Papier emittiren will, welches allerdings nur zur Rente berechtigt, welches aber doch wie jeder Pfand- oder Hypothekenbrief einen Kapitalwerth je nach dem Zinsfusse hätte, — also als Kapital marktfähig wäre. Bei einem Zinsfusse von 5 "/o würde man z. B. 4000 Mk. Rente mit 80 000 Mk. baarem Kapital kaufen können u. s. w. Für den Verkehr, für die Kapitalisten hätte also die Durchführung des Rentenprinzips nichts Bedenkliches, — im Gegentheil, die Kapitalisten würden eben so gut, wie die Grundbesitzer, davor ge- schützt sein, dass die Unterlage, auf der die einen Geld geliehen, die andern Geld geborgt, durch eine blosse Schwankung des Zinsfusses so sehr zusammenschrumpfen könnte, dass nur ein für beide Theile verlustreiches Sub- hastationsverfahren als suprema salus übrig bliebe. Die Schwankungen der Rente infolge der ungleichen Erträge der Landwirthschaft sind doch wahrlich ein ge- nügend prekäres Moment in der Werthbildung und Schuldenbegrenzung des Grundbesitzes. Dieses Uebel, welches dem Grundbesitze und der Landwirthschaft noch mehr anhaftet als jedem andern produktiven Berufe, es postulirt geradezu, dass dem Grundbesitze nicht ausser seinen specifischen Gefahren noch die Gefahren, welche aus den Oscillationen des Kapitalmarktes erwachsen, durch eine verkehrte, seiner spezifischen Natur keine Rechnung tragende Gesetzgebung, — obendrein avif den Hals ge- laden werden. Noch in höherem Grade postulirt sie aber, und darin liegt wie gesagt der eigentliche Schwerpunkt der Rod- bertus'schen Ausführungen, eine besondere „Kreditoi'ga- nisation des gesamraten landwirthschaftlichen Grund- besitzes", ohne die sie sogar ganz undenkbar wäre, während das Umgekehrte wohl der Fall sein könnte. Nachdem nun Rodbertus unter den Abhilfen aus der Kreditnoth seiner Zeit die Erfolglosigkeit auch derjenigen nachzuweisen gesucht hat, welche durch eine „Verbesserung des Hypothekenrechts ... die Aufnahme von Kapital- schulden erleichtem ... es sind dies die Vorschläge des reinen Kapitalismus" (pag 35 ff.) und sogar die Unkünd- barkeit nebst Amortisation (pag. 43 ff.) auf ihren richtigen Werth zurückgeführt hat, worauf wir noch im letzten Ab- schnitte bei Formulirung unserer Vorschläge zurückkommen werden, — geht er zur Formulirung seines Rentenprinzips über, an welches sich zu einem organischen Ganzen der körperschaftliche und genossenschaftliche Zusammenschluss 48 — des gesammten landwirthschaftlichen Grundbesitzes eng anschmiegt. Seine Forderungen in Bezug auf die Einführung des Rentenprinzips als allein zulässiger Form der Verschuldung des Grundbesitzes fasst er in 11 Punkten zusammen. Er schickt denselben folgende Definition voraus: „Das Rentenprinzip besteht darin, dass der landwirth- schafthche Grundbesitz in allen ihn betreffenden Rechts- geschäften nur als das behandelt wird, was er ist, als ein immerwährender Rentenfonds.'' (pag. 73.) Für die praktische Anwendung ergeben sich aus diesem Prmzipe folgende Gesichtspunkte: „1. Die Abschätzung des landwirthschaftlichen Grund- besitzes nach dem Ertragswerth oder Rentengrundwerth, d. h. dem Rentenbetrage , den das Grundstück abwirft' (ibid.) 2. Der Rentengrundwerth ist in allen den Grundbesitz betreffenden Rentengeschäften der allein massgebende Werth (also bei Vererbungen, Veräusserungen, Verschul- dungen etc.) (pag. 74.) 3. Miterben an einem Grundstücke haben nur An- spruch auf einen ihrer Erbquote entsprechenden Renten- antheil, auf eine immer währende Rentenabfindung. (Was .jedoch eine freie Vereinbarung über eine Auszahlung der Erbtheile nicht ausschliesst). (pag. 76 u. 77.) 4. Verkäufer eines Grundstückes haben für den rück- ständigen Theil des Kaufpreises — ex iure reservati do- mmn — nur Anspruch auf einen diesem Theil entsprechenden Rentenantheil, eine immer währende Renteuabfindung. (Es soll dadurch dem Güterschacher ein Riegel vorgeschoben werden), (pag. 79 Anm.) 5. Darlehne auf Grundbesitz können nur in Form des Rentenkaufs aufgenommen werden, (pag. 80.) 6. Alle den Grundbesitz aus Erbtheilungen , Ver- käufen oder Kapitalaufnahmen dinglich belastenden Obli- gationen sind selbstständige Rentenobligationen, (pag. 80 und 82.) 7. Die urkundliche Form für die den Grundbesitz ding- lich belastende Obligation ist der Rentenbrief. Da alle Hypothekenschulden nur Rentenschulden und alle Rentenschulden selbstständige Grundschulden sind, so würde der gewöhnliche Rentenbrief, der der heutigen Individualhypothek entspricht, im Wesent- lichen enthalten: a) den Namen des mit Rente belasteten Guts, b) dessen letztherausgestellten Rentenwerth, c) den Namen des Rentengläubigers, d) die aus der betreffendenden Obligation schuldige Renten summe, e) die dieser Summe vorangehende Rentenschuldsumme. - 49 — Der Name eines persönlichen Rentenschuldners oder des jeweiligen Gutsbesitzers würde also fortfallen. Den eben be- zeichneten Rentenbrief würde man einen Gutsrentenbrief nennen können. — Auch solchem auf ein spezielles Gut radizirten Grundrentenbriefe würden alle Erleichterungen zu gewähren sein, die man heute in Bezug auf den Um- satz von Privathypotheken erstrebt. Würde mit der Renteneinführung zugleich das Personalkreditinstitut ver- bunden, und würde dann, wie es unzweifelhaft der Fall sein würde, jeder Landwirth dies Institut zum Vermittler seiner Einnahmen und Ausgaben machen, wie in England jeder Geschäftsmann seine Bank dazu hat, so würden selbst diese Induvidualgutsrentenbriefe mit Coupons versehen werden können, um bei jenem Institut die fällige Termins- rate zu erheben. 8. Es werden qualifzirte oder Landrentenbriefe kreirt. Solche Qualifikation erhalten diejenigen Rentenbriefe, die in der Inhaberform und unter solidarischer Ver- haftung des Grundbesitzes des Landes ausgestellt sind. . . . Solche Landrentenbriefe sind nicht mehr Guts- Rentenbriefe, Individualrentenbriefe, sondern analog den heu- tigen Kapitalpfandbriefen solidarische Schuldbriefe des ge- sammten Grundbesitzes desLandes, die zudemBetrage emittirt werden, wie sie von den einzelnen Grundbesitzern unter Verpfändung jenes absolut sicheren Theils ihrerRente begehrt werden, die nur noch die Rentensumme, für die sie gelten, enthalten, aber wegen ihrer Inhaberform, so- lidarischen Sicherheit und absoluten Priorität vor allen andern Privatschulden den oben sub Nr. 7 a, b, c, d, e be- merkten Inhalt entbehren können, (pag. 86). 9. Landrentenbriefe sind das gesetzliche Lösungs- oder Zahlungsmittel für alle Rentenobligationen, (um nicht bei allen Zahlungen ins Kapitalsationsprinzip zurückzufallen, pag. 87). Die Landrentenbriefe sollen die Stelle des Geldes für den Verkehr in Grundbesitz vertreten, als Grundgeld dienen .... Denn sie vereinigen infolge der erhaltenen Qualifikation alle Haupteigenschaften des Geldes in sich. Zuerst und vor Allem: Sie sind ein Werthmass des Grundbesitzes selbst, denn der Rentenbrief ist selbst nur ein Theil des Rentenwerths, der dem Grundbesitz eigen ist. Ein Gut von 5000 Rthlr. Ertragswerth wird daher immer genau bemessen durch fünf oder zehn Rentenbriefe, deren jeder eine Rente von 1000 oder 500 repräsentiert. Der Rentenbrief ist also ein Grundwerthmassstab im strengsten Sinne des Worts, Zweitens: So qualifizirte Rentenbriefe besitzen auch vermöge der bezeichneten Vorkehrungen die Eigenschaft in demselben Masse, wie sie den Grundwerte messen, ihn auch durch ihren eigenen Werth zu decken und also zu bezahlen, ebenso wie auch wirkliches Geld, Gold und 4 — 50 — Silber, einen eigenen „inneren" Werth hat (intrinseque wie die französischen Oekonomisten sagen). Solche Renten- briefe liqmdiren daher auch auf der Stelle. Denn der Werth des Grundstücks, das gekauft wird, besteht ja nur in Rente, die nach Summen theilbar ist, also in ein- zelnen Rentenbeträgen, und der Werth der Rentenbriefe besteht ja ebenfalls in Rente, d. h. in Werth derselben teilbaren Art. Indem man also den Rentenwerth eines Gutes mit Rentenwerth in Rentenbriefen bezahlt, bezalilt man wie bei Gold und Silber, das auch nur den Tausch- werth einer Waare mit seinem Tauschwerth bezahlt, immer auch den Gleichwerth in dem bezahlten Gegenstande. Treilich ist Gold und Silber ein allgemeines Geld, für alle Waaren und Tauschfälle, denn der Tauschwerth ist der allgemeinste Werth, den eine Sache haben kann. Gold und Silber ist also Weltgeld. Rentenbriefe dagegen sind nur ein spezielles Geld, nur für den Verkehr in Grund- besitz, denn der Rentenwerth ist ein spezieller Werth des Grundbesitzes, sie sind daher nur Grundgeld. Aber in dieser speziellen Werthspähre verrichten sie ihre Funktion vollkommen so gut, wie Gold und Silber in ihrer allge- meinen Werthsphäre. Sie übertreffen in dieser Beziehung sogar das Papiergeld, denn dieses bezahlt nur Waaren mittelst der mit ihm verbundenen und für realisirbar gehaltenen Anweisung auf Gold und Silber. Papiergeld ist also nur mittelbar Geld. Jenes Rentengrundgeld ist aber unmittelbar Geld, denn es verweist auf keinen Zwischenwerth, aus dem es erst seinen eigenen Werth schöpfte, sondern es trägt diesen, wie Gold und Silber, unmittelbar in sich, indem es den Werth, den es im Gute deckt, auch in sich selbst trägt. Wie daher der Renten- brief, vom Verhältniss des Rentengläubigers zum Renten- schuldner aus betrachtet, nicht einmal ein Kreditpapier ist, so wenig wie ein Kaufbrief es ist, so ist der Renten- brief als Grundgeld auch nicht einmal nur Kreditgeld, wie es das Papiergeld ist. Drittens und viertens besitzen denn auch so qualifi- zirte Rentenbriefe in der Inhaberform die leichte IJeber- tragbarkeit und, in der Aussteilbarkeit in grossen und kleinen Apoints, die Theilbarkeit des Geldes. So erfüllen daher Landrentenbriefe die Idee des Geldes — innerhalb der Sphäre des Grundbesitzverkehrs — im eminenten Grade, denn sie sind zugleich Werthmass und Quittung-Anweisung, letzteres in höchster Sicherheit und für die verschiedensten Werthportionen. Wer z. B. Grund- besitz in irgend einer grossen oder kleinen Werthportion in den Verkehr eingeliefert und dafür einen gleichwerthigen Rentenbrief erhalten hat, besitzt in diesem nicht bloss die Quittung für den eingelieferten Werth, sondern zugleich — 51 — auch die siclierste Anweisung auf den Verkehr für einen Grundwerth gleichen Betrages. Wenn also ein Theil der Rentenbriefe des Landes in der bezeichneten Weise qualifizirt würde, so würden sämmt- liche Rentenbriefe in voreingetragene Landrenten- briefe und in nacheingetragene Gutsrentenbriefe zerfallen, jene unsern voreingetragenen Pfandbriefen, diese unsern nacheingetragenen Lidividualhypotheken vergleich- bar. Aber wenn unter dem Kapitalprinzip Pfandbriefe und Individualhypotheken nichts mit einander zu thun haben, so würde sich hier ein sehr reger Verkehr entwickeln, denn man würde ohne Weiteres mit einem an der Börse gekauften Landrentenbrief jeden gleichwertigen Gutsrentenbrief ein- lösen können. Der Gutsrentengläubiger, der einen Land- rentenbrief erhielte , würde hiervon den grössten Vortheil haben und die Möglichkeit solcher leichten Abtragung würde ausserordentlich viel zur Schuldentilgung beitragen. So lässt sich voraussehen, dass Landrentenbriefe, weil sie zur Abbürdung von Schulden, zu An- oder Abzahlung von Kaufgeldern, zur theilweisen oder gänzlichen Aus- zahlung von Erbtheilen dienten oder seljlst erforderlich wären, ein an den Börsen äusserst gesuchtes Papier werden würden. Schon hierdurch würden sie das Gleichgewicht ihres Werthes in sich selbst tragen, weit mehr sogar als Papiergeld, das an allen öffentHchen Kassen zum vollen Werth genommen wird; denn bei Behandlung des Grund- besitzes nach Rentenwerth gäbe es im Grunde kein anderes Zahlmittel als sie. Sie würden höchst walirscheinlich ein Geld werden, das mitunter Agio abwerfen würde, womit denn -- um mich hier kurz zu fassen — angezeigt wäre, wann jener Punkt in der Skala der Grundrente, der die Landrentenbriefgrenze bezeichnete, im Literesse des Ver- kehrs hinaus zu rücken sein würde, (pag. 87 — 92). 10) In allen Verkäufen unter öffentlicher Autorität darf die Deckung des Kaufpreises nur entweder durch Uebernahme von Rentenschulden oder durch Renten- zahlung -— mittelst Landrentenbriefen — erfolgen (pag. 92)," Endlich last not least, sondern hierin liegt vielmehr der Schwerpunkt des ganzen Entwurfes: 11) Um dem bezeichneten Theil der Rentenbriefe die Qualifikation von Landrentenbriefen zu verleihen, wird aus den verbundenen Grundbesitzern eine Behörde errichtet, welche die Grenze bestimmt, bis zu der Renten- briefe dieser Qualifikation auf jedes Gut ausgefertigt werden dürfen ; welche der Ausfertigung dieser Briefe vorsteht ; die pünktliche Zahlung der Renten vermittelt; für die För- derung des Kurses der Briefe thätig ist; den Wirthschafts- betrieb der Grundbesitzer überwacht, — kurz, analog den heutigen Landwirthschaftsbehörden, die ganze Kompetenz, 4* — 52 — die zur gedeihlichen Leitung eines solclien Landrenten- briefinstituts erforderlich ist, ausübt. Es ist klar, dass, wenn die Ausstellung der Gutsrenten- briefe, ebenso wie heute die Ausstellung von Individual- hypotheken, dem Privatverkehr, unter vorschriftsmässiger Betheiligung der richterlichen und Hypothekenbehörden, überlassen wäre, für das Institut der Landrentenbriefe eine besondere Behörde nothwendig sein würde, ebenso wie heute für das Institut der Pfandbriefe. Eine solche Be- hörde_ ins Leben zu rufen, falls die Gesetzgebung zugleich materiell vorginge, würde nicht mehr oder weniger Schwierig- keiten bieten, als ihrer Zeit die Einführung der Landschafts- behörden bot. Sollte es gelingen, unsere Provinzialland- schaften zu einer Zentrallandschaft zu vereinigen, und demnächst zur Annahme des Rentenprinzips statt des Kapitalprinzips zu disponiren, — so würde sich das Renten- briefinstitut, in natürHcher Anknüpfung an das Pfand bri ef- institut, um so leichter einführen lassen. Und weshalb sollten die Landschaften nicht in dieser Weise vorgehen? Seit der Unkündbarkeit der Pfandbriefe sind sie schon eine Art Rentenbriefinstitut, nur, dass sie noch im Uebrigen mit allen Mängeln des Kapitalprinzips behaftet sind. Dies konvertirte Institut würde dann mit der Konvertirung der Pfandbriefe in Landrentenbriefen zu beginnen haben. Und schon diese erste Operation würde im höchsten Interesse sowohl dieses Instituts selbst, — weil dieses dadurch der Gefahr entrückt würde, dass seine nach dem Zinsfuss von 5 emittirten Briefe, bei dessen Steigerung auf 6, ihre Sicherheit verlieren; des bepfandbrieften Grundbesitzes, — weil sich, bei gleichzeitiger Einführung des materiellen Rentenrechts, sofort das dringendste Bedürlniss nach dem Grundgeld, das die Landrentenbriefe abgeben würden, im Privat- wie im öifentKchen Verkehr, aufs Dringendste fühlbar machen und dies Bedürfniss nicht verfehlen würde, den Kurs der heutigen Pfandbriefzinsenbeträge in der Landrentenbriefform sofort höher steigen zu lassen, als derselbe Kurs heute in der Kapitalpfandbriefsform steht. Die voraussichtliche Steigerung würde auch den Pfand- briefsinhabern die Konvertirung der Pfandbriefe in Land- rentenbriefe annehmbar machen, oder auch Banquiers be- wegen, die Konvertirung zu vermitteln, ohne dass die Grund- besitzer deshalb ein Opfer zu bringen hätten. Was dann noch die Grenze, bis zu welcher Land- rentenbnefe ausgefertigt werden könnten, anbeträfe, so würde dies zu dem ganzen Betrage des behufs unserer Grundsteuerausgleichung ermittelten Reinertrags geschehen kömien. So ungleichmässig diese Reinerträge auch ge- griffen sein mögen, so bieten sie sich doch heute als die nächste und natürhchste Norm des Grundwerthes an. Auch würde keine Gefahr dabei sein, bis zu diesem ganzen — 53 — Betrage vorzugehen, weil eben diejenige Gefahr, die beim Kapitalisationsprinzip darin liegt, dass wenn der Zinsfuss von 4 auf 5 steigt, der Grundwerth um 20 pCt. fällt, beim Rentenprinzip vollständig beseitigt ist, die zur Grund- steuerausgleichung angenommenen Reinerträge selbst aber so niedrig gegriffen sind, dass sie den gewöhnlichen Schwankungen der Grundrente nicht mehr unterliegen. — Würde endlich das schon mehrfach angedeutete Personalkreditinstitut mit dem Landrentenbrief- institut verbunden, .... so würde die Abtheilung für Personalkredit in den bei ihr zusammenströmenden Fonds auch die Mittel besitzen, auf den Kurs der Landrentenbriefe günstig einzuwirken, indem sich kein besseres Papier zur einstweiligen Belegung jener Fonds finden würde, als Land- rentenbriefe. Dadurch würde diese Abtheilung zu einem natürlichen Reservoir der Landrentenbriefe werden, bei dem das Publikum seinen Bedarf an diesem Grundgelde leichter einkaufen würde, als an den Handelsbörsen, so dass das Renteninstitut kaum je veranlasst werden würde, zur Be- schaffung von Baarmitteln seinerseits Landrentenbriefe an der Börse verkaufen zu müssen." (pag. 93 ff.) Das Angeführte aus und über Rodbertus dürfte vor der Hand genügen, um die wahre Bedeutung seines sozial- und agrarpolitischen Systems in das richtige Licht zu stellen. Eine nähere Präzisirung unserer Stellungnahme zu demselben erfolgt in Kap. VI bei Formulirung unseres an Rodbertus sich in mancher Hinsicht anlehnenden agrar- politischen Programms. IV. Wenn es einzig und allein auf eine theoretische For- mulirung des uns beschäftigenden Probleijis ankäme, dann könnten wir uns mit der Darlegung und Kritik der beiden typischen akademischen Kundgebungen von Schäffle und Buchenberger in Kap. I und II und der Darstellung des grossartigen Reformplanes des Mannes der Praxis und der Theorie, als welchen wir Rodbertus kennen gelernt haben, begnügen. Wir könnten unmittelbar an Rodbertus unsere eigenen Anschauungen knüpfen und unsern Agrarreform- plan zur Darstellung bringen. Es würde sich hierbei zu- gleich ergeben, inwiefern der Rodbertus'sche Reform- plan des ländlichen Realkredites zu modifiziren resp. zu erweitern ist, um der heutigen, um so viel prekäreren Lage des landwirthschaftlichen Grundbesitzes — der heutigen nicht Kredit-, sondern Schuldnoth — ein für alle Mal gründlich abzuhelfen. . Eh' wir dies jedoch thun, halten wir es für der Sache dienlich und förderlich, noch zuvor in zwei besonderen — 54 — Kapiteln zur Darstellung zu bringen und kritisch zu be- leuchten, was in den beiden grossen verbündeten mittel- europäischen Reichen die Männer der praktischen Wirth- schaftspolitik in dieser Hinsicht bereits zu Tage gefördert haben, und zwar im Deutschen Reiche eine berathende Körperschaft der „Deutsche Land\Yirthschaftsrath", — xind was in Oesterreich, ein Schritt weiter, eine gesetzgebende Körperschaft, nämlich beide Häuser des Reichsrathes, als Regierungsvorlage zu berathen hatten. Auch diese beiden Kundgebungen bieten nämlich ein werthvolles Material zur Klärung des Problems einer körperschaftlichen oder genossenschaftlichen Organisation des gesammten Grundbesitzes, wie sie von Rodbertus schon im Jahre 1869 in grossen Zügen skizzirt und in so beredten, von weitsichtigen sozialen Gesichtspunkten aus- gehenden Ausführungen geradezu als soziales Programm für den landwirthschaftlichen Grundbesitz zur Darstellung gebracht worden sind. Wenn wir mit den bezüglichen Verhandlungen im „deutschen Landwirthschaftsrath" beginnen, so liegt die Berechtigung dazu einmal im Datum des Jahres 1887, in welchem sie stattfanden, während die österreichischen dies- bezüglichen Sitzungen des Abgeordnetenhauses in das Jahr 1893, also in die unmittelbare Gegenwart fallen. So- dann aber auch aus dem Grunde, weil die Verhandlungen des „deutschen Landwirthschaftsraths" zu keinem positiven praktischen Ergebnisse geführt haben und daher bloss als vorbereitende Materialien für uns von Werth sind, während die österreichischen Regierungsvorlagen vom Abgeordneten- hause berathen worden sind, — also bereits das Stadium akademischer Diskussion überschritten haben, — für iins demnach den noch viel höheren Werth besitzen, als Beweis zu dienen, dass es Regierungen und Volksvertretungen heut zu Tage giebt, welche die „Noth," in welcher sich der mitteleuropäische landwirthschaftliche Grundbesitz be- findet, einsehen und derselben zu steuern sich nicht bloss für berufen, sondern auch für verpflichtet halten! Die Verhandlungen des „deutschen Landwirthschafts- rathes" in der XV. Sitzungsperiode im Jahre 1887 1) hatten zum Gegenstande: „Die Organisation des landwirthschaft- lichen Kreditwesens in Verbindung mit der Präge der Ab- änderung des Genossenschaftsgesetzes." Es hat also damals eine Berathung stattgefunden, deren Gegenstand fast genau mit dem Problem überein- stimmt, das die gegenwärtige „Grundkreditkommission des 1) Schon im Jahre 1884 hatten ähnliche Berathungen in der XII. Sitzungsperiode des deutschen Landwirthschaftsrathes stattgefunden. — oo — Bundes der Landwirthe" zur Erörterung und Entscheidung bringen soll. Es war dieser Verhandlung eine Besprechung über die Lage der Landwirthschaft vorangegangen, ähnlich wie wir sie in der Einleitung des vorliegenden Referates vor- angeschickt haben. Dieselbe war damals von dem Reichs- rath Grafen von Lerchenfeld-Köfering eröffnet worden, 2) welcher in beredten Worten die verheerenden Wirkungen der ausländischen Konkurrenz schilderte und den doppelten Vortheil des Zolles dahin präzisirte: „erstlich ist der Preis des inländischen Getreides um einen Bruchtheil der Zoll- sätze höher, als er ohne Zoll sich stellen würde, zweitens haben die Zölle ganz erkleckliche. Einnahmen geschaffen — ich glaube, 31 Millionen für 1886 — , welche in dem Ver- hältniss-Prozentsatz der Landwirthschaft zu gute kommen, zu welchem die Landwirthschaft an den allgemeinen Lasten theilnimmt." Der Zollsatz betrug damals 3 M. pro Doppel- zentner. Es waren Zeiten, in welchen viele Landwirthe „den Himmel voller Geigen" sahen. Der Bann war ge- brochen: man stand an^ Vorabend einer Erhöhung der Zölle aul 5 M. Bei dieser, im Vergleiche zu der heutigen, „rosigen" Lage entgeht es jedoch dem Grafen v. Lerchenfeld nicht, dass ein in seinem Kredite nicht entsprechend organisirter Grundbesitz bei der Werthsteigerung des Grund und Bodens, welche sich dabei ergeben würde, einer doppelten Gefahr ausgesetzt sein müsste. Graf v. Lerchen- feld kennzeichnet diese Gefahr in folgenden Worten: „Erstens ist die Belastungsfälligkeit des Grund und Bodens eine erhöhte: es können mehr Schulden darauf gemacht werden, welche doch auch wieder zur Rückzahlung und zur Verzinsung kommen müssen : und zweitens sind die Ueber- nahmspreise aus Erbschaften höhere, weil sich die übrigen Geschwister bei der Uebernahme des Einzelnen nicht billigere Ansätze gefallen lassen, als der ortsübliche Preis ist", (pag. 198.) Ganz richtig, es genügt demnach nicht, die Konjunk- turen durch Zölle zu verbessern, es muss noch ausserdem einer fortwährenden Ueberschuldung, welche nicht nur aus der Werthsteigerung des Bodens, sondern auch aus der immer mehr sinkenden Rentabilität desselben herrührt, — durch eine entsprechende Organisation des ländlichen Kre- dites vorgebeugt werden. Dr. V. Frege-Abtnaundorf führte sehr gut aus, „als das Signifikante xmserer heutigen Lage (1887) . . . , dass wir es nicht mit einer schnell vorübergehenden Krisis zu thun haben, wie wir solche Krisen der deutschen und 2) S. Bericht über die Verhandlungen der XV. Ver- sammhing des deutschen Landwirihschaftsrathes 1887. Vor- handlung „zur Lage der Landwirthschaft" pag. 195 ff. — 56 — ausserdeutschen Landwirthschaft in früheren Jahrzehnten verfolgen können, sondern dass diese Krisis — Gott sei es geklagt! — zu einem dauernden Rückgang der land- wirthschaftlichen Rentabilität sich ausgebildet und, möchte ich sagen, eine perennirende Kalamität geworden zu sein scheint, (pag. 202) .... Das Gleichgewicht der Ausgaben und Einnahmen des Landwirths ist gestört" u. s. w. (pag. 203). So bedenklich also im Vergleiche zu 1869 sah es bereits 1887 aus, und in Bezug auf die Aussichten für die Zukunft ist folgender Ausspruch des Herrn Dr. v, -Frege charakteristisch, welchen er über seine persönlichen Er- fahrungen im Parlamente macht. Er hätte „gelernt, wie ausserordentlich bescheiden der Landwirth auftreten muss", wenn er irgendwie Aussicht auf die Verwirklichung seiner Wünsche haben will, „denn", sagt Herr von Frege, „davon können wir wohl alle nachgerade überzeugt sein, dass die ganzen agrarischen Forderungen bei den letzten volks- wirthschaftlichen und gesetzgeberischen Veränderungen in so ausserordentlich bescheidenem Masse in Erfüllung ge- gangen sind, dass diejenigen, die dafür gekämpft haben, vor allem Resignation und Geduld auf ihre Fahne schreiben müssen." Dem gegenüber drängt sich unwillkürlich die Frage auf, was sollen die heutigen Agrarier auf ihrer Fahne schreiben, wenn unter Bismarck's Leitung Resignation und Geduld das Losungswort war, bei einem Zolle, der von 1 M. auf 3 gestiegen war und demnächst auf 5 M. erhöht werden sollte. Die heutigen landwirthschaftlichen Grund- besitzer müssten wohl ein „lasciate ogni speranza" aus den Auslassungen des Reichskanzlers Grafen Caprivi und Frei- herrn V. Marschall und den auf 12 Jahre hinaus gebundenen Getreidezöllen von 3,50 M. entnehmen! Und dies nachdem die Verschuldung seit 6 Jahren infolge jener sinkenden Rentabilität noch bedeutend gestiegen ist!! Sehr charakteristisch ist auch der Satz: „Wenn ich also resümire, dass wir kaum in der nächsten Zeit eine Herabminderung der für den Landwirth unumgänglichen Ausgaben zu erwarten haben, und wenn ich weiter sage, dass wir kaum eine ansehnliche Steigerung unserer Ein- nahmen zu gewärtigen haben, so wäre das ja eigentlich ein trostloses Resultat. Eine Hoffnung bleibt uns aber doch, und das ist die, dass in der schweren Krisis, in der die Landwirthschaft sich befindet, der deutsche Landwirth endlich besser rechnen lernt, dass er besser lernt die Grenze zu finden, bis zu welcher die Intensität des Betriebes noch einen Reinertrag abwirft, oder von welcher an er wieder zu einem massvollen extensiveren Betriebe zurückkehren muss". (pag. 207). - Freilich wird dann erst recht der Landwirthschaft vorgehalten werden, dass sie nicht in der Lage sei, soviel I - 57 — zu produziren, als die deutsche Nation mit ihrer steigenden Bevölkerung zum. Konsum braucht, was auch stets sowohl vom Regierungstische aus, als von der Presse vorgebracht wird, und zwar in Verbindung mit dem anderen Argument, dass es der Landwirthschaft trotz aller Klagen nicht so schlecht habe gehen können und ginge, da sie doch einen grossen Aufschwung sowohl in der Körnerproduktion, als auch in der Viehhaltung faktisch genommen habe. In der That sind noch in den letzten 6 Jahren auf die Zölle hin grosse Kapitalaufwendungen für Meliorationen gemacht worden, für Drainage, Rimpau'sche Kulturen, künstlichen Dünger etc. Die deutschen Landwirthe können eben, wie Dr. v. Frege sehr richtig sagt, nicht „streiken", (pag. 298) solange sie noch was zuzusetzen haben. Seit 1887 sind wir aber, wo nicht einem grossen landwirthschaftlichen Streike, so doch einem grossen landwirthschaftlichen „Kladderadatsch" be- deutend näher gerückt. Bemerken swerth noch ist folgende Auslassung des Herrn Oekonomieraths Schuhmacher-Zarchlin: „Wenn wir früher schlechte Ernten hatten, trug die ganze nächste Umgebung und späterhin auch bei den verbesserten Kommunikationsmitteln das ganze Deutsche Reich einen Theil des Ausfalls dadurch, dass die Preise der landwirth- schaftlichen Produkte eine Steigerung erfuhren. Jetzt tragen die Landwirthe den ganzen Ausfall allein; denn die Preise in Amerika und Russland beherrschen den Markt, und wenn das Korn auch nicht herüberkommt, — die visible supply in New-York drückt schon die Preise, und so ist jedes Band zwischen Produkten, Preis und Produktionskosten zerrissen" (pag. 215). Als eine Folge der damaligen doch noch nicht hoff- nungslosen Lage ist es wohl zu betrachten, dass diese Diskussionen über „die Lage der Landwirthschaft" ziemlich harmlos und akademisch verliefen und derartig in ihrer Naturwüchsigkeit und ihrem Humor prächtigen Auswüchse, wie die Ausführungen des Gutsbesitzers Knauer (Gröbers) zeitigen konnten, welche fortwährende Ausbrüche der Heiterkeit in diese sonst düsteren Berathungen herein- brachten (pag, 219, 220). So war die damalige Lage der Landwirthschaft und des Grundbesitzes in den Augen hervorragender Landwirthe selbst. Sehen wir nun zu, wie die Beschaffenheit des länd- lichen Kredites damals beurtheilt wurde. In derselben Sitzungsperiode XV. des Jahres 1887 wurde, wie schon oben gesagt, über „die Organisation des landwirthschaftlichen Kreditwesens" verhandelt und zwar auf Grund einer vorangegangenen Prüfung der Frage: „ob überall der Zahl nach genügende und ihrer Natur nach den Anforderungen des landwirthschaftlichen Betriebes und der sozialwirthschaftlichen Bedeutung des Grundbesitzes — 58 — entsprechende Krediteinrichtungeu gegeben sind?" Der Ausschuss des „deutschen Landwirthschaftsrathes" glaubte in dieser Hinsicht „den diesjährigen Berathungen des PJenums eine materielle Grundlage geben zu sollen, indem er mittelst Versendung von Fragebogen an sämmtliche landwirthschaftliche Hauptvereine Deutschlands, an die obersten Leitungen der bedeutendsten Kreditinstitute (landwirthschaftliche, ritlerschaftliche Kreditverbände, Hy- pothekenbanken, Verbände der Vorschussvereine und Dar- lehnskassen) sowie an land- und volkswirthschaftliche Notabilitäten Erhebungen über die bestehende Kreditorga- nisation und die bei denselben auftretenden Erscheinuno-en an dieselben zu richtenden Anforderungen und Wünsche gepflogen hat" (pag. 417 &). Wir sehen, die ganzen Berathungen des Gegenstandes waren im grossen Stile angelegt. Es w^urde ein verhältniss- mässig gi'osser Apparat in Bewegung gesetzt. Das Eeferat war vom Freiherrn von Cetto-Eeichertshausen verfasst worden. Auf einigen 30 Druckseiten wird Eeferent allen Seiten der ihm gestellten Aufgabe gerecht. Zuerst schickt er „Eniiges über die Kredittheorie" voraus. Etwas para- doxal, aber cum gi-ano salis verstanden ganz richtig, stellt Eeferent, indem einerseits „die Kreditnoth der Landwirth- schaft beklagt, beleuchtet und abgestellt werden will" und andererseits „vor Krediterleichterung gewarnt wird", im Hinblick auf die seit Jahren ersichtliche Zunahme der Grundschuldeu als „Ideal des allerseits angestrebten Zu- standes, dass die Landwirthe viel Kredit und wenig Schulden haben sollten" (pag. 408). Wir haben schon oben gesehen, wie A. Buchenberger als Signatur der Geschichte des Grundbesitzes und seines Kredites in der alten Zeit „die Kreditnoth", in der neuen „die Schuldnoth" bezeichnete, und bei Eodbertus haben wir gesehen, wie der unter dem Kapitalisationsprinzip den Schwankungen des Zinsfusses preisgegebene „unorganisirte" landwirthschaftliche Grund- besitz aus der Scylla der Kreditnoth nothwendigerweise m die Charybdis der Schuldnoth gerathen muss. Herr V. Getto bringt hierbei als fachmännischer Landwirth ein neues Erkenntnisselement in diese heikle Frage hinein, in- dem er darauf aufmerksam macht, dass die Unterscheidung zwischen Immobiliar- und Mobiliarkredit beim landwirth- schaitlichen Grundbesitze mitunter rein „äusserhch nur an die Darlehnsbedingungen geknüpft ist", während „nicht jedes Darlehn, welches auf Hypothek gegeben wird, deshalb von selbst mit Eecht in die Sphäre des Eealkredites fällt, wahrend manches Kapital, welches nur gegen Bürgschaft ant kurze Frist gewährt wird, wohl berechtigt wäre, die mit der hypothekarischen Versicherung verbundenen Vor- theile des billigen Zinses, der allmählichen und binnen Jangerer Zeit erfolgenden Abtragung ftir sich in Anspruch — 59 — zu nehmen. Die Nichtbeachtung dieses Satzes trägt . . . wesentlich dazu bei, dass die unproduktive Verschuldung zunimmt, die berechtigte Kreditaufnahme erschwert wird" (pag. 409). Die Erklärung dieser paradoxal gefassten Sätze ist da- rin zu suchen, dass dem 1 an d wir th schaftlichen Grundbesitze möglichst viel Personalkredit (Betriebskapital) zur Ver- fügung stehen muss — auf einem hypothekarisch nur massig verschuldeten Gute. Der erstere wird sogar durch den zweiten bedingt: „Dem umlaufenden Kapital sollte bei der heutigen Bewirthschaftung von Grund und Boden die Hauptrolle zufallen, und die Erkenntnis dieses Satzes, die sich in dem oft betonten Bedürfniss nach Betriebskapital ausdrückt, ist es, welche zum guten Theil das praktische Interesse an der Kreditfrage fortwährend rege erhält und steigert, indem dasselbe sich in der Klage über zu geringen oder zu theuren Kredit kund giebt" (pag. 410). Wie liegen aber die Dinge in Wirklichkeit? Referent beantwortet diese Frage in seiner Kritik der herrschenden Kreditsysteme sehr treffend, wie folgt: „Der landwirth- schaftliche Schuldner sucht und ist vielfach gezwungen, seinen Kredit ohne Rücksicht auf dessen Bedarf und Zweck zu nehmen, wo und wie er ihn eben findet: der kreditirende Kapitalist leiht sein Geld aus, soweit es sicher und gewinn- reich anzulegen ist, nimmt dabei Gewinn, so hoch es ihm Gesetz und Geschäftskonjunktur gestatten, ohne des Näheren zu prüfen, ob damit die Existenz des Scliuldners beein- trächtigt oder gar gefährdet wird, und das Resultat dieses beiderseitigen Vorgehens ist die rasch und in grossem Umfange um sich greifende Zunahme der Verschuldung, welche — soweit sie in der Ziffer der Hypothekenschulden eine beiläufige Abschätzung zulässt — nunmehr beiden Theilen bedenldich vorkommt und Einhalt gebietet. " (pag, 413). _ • Daher ist es auch kein Wunder, sondern für die Lage höchst charakteristisch, „dass die eingegangenen Berichte (bei Beantwortung der Fragebogen) wohl ohne Ausnahme die Frage, ob die vorhandenen Kreditanstalten hinreichend zur Deckung des Immobiliarkredits erscheinen, nicht nur unumwunden bejahen, sondern vielfach auch gleichzeitig betont haben, dass die Erweiterung der Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Immobiliarkredits geradezu schädigend . auf die wirthschaftlichen Zustände des ländlichen Grund- besitzes einwii'ken müsste, dass jedoch andererseits ebenso ziemliche Uebereinstimmung sich kund giebt hinsichtlich des Wunsches nach einer Revision der Kreditbedingungen, sowie hinsichtlich des Bedürfnisses nach Erweiterung der Sphäre des Mobiliar- und Personalkredites." (ibid.) Sehr gut ist die Schilderung, die Herr von Getto von der Art und Weise giebtj „wie der kreditnehmende Land- 60 - wirth .... sich nicht lange besinnt darüber, ob das Ver- hältniss zwischen stehendem und Betriebskapital überhaupt in seinem Gesammtvermögen richtig obwaltet, ob nicht die Zeitverhältnisse es erfordern, einen Theil des Ersteren aufzugeben und dadurch das Letztere zu stärken, ob der Preis des Erwerbes der Liegenschaften seine Verzinsung in dem Ertrag finden kann, ob er überhaupt in der Lage ist, sich den Luxus einer Anlage ä fonds perdu zu ge- statten oder nicht. Er nimmt ebenso gut das Geld zur Bezahlung von Grundankauf beim Privatmann, zahlt dafür hohen Zins und unterwirft sich wenigen kurzbemessenen Zahlungsfristen, wie er andererseits seine verschiedenen Schulden für den laufenden Hausbedarf in eine Hypotheken- schuld konvertirt und dadurch der Heimzahlung ledig ge- worden zu sein glaubt. Allerdings muss zur theilweisen Entschuldigung solcher unwirthschaftlichen Vorgänge die sich im wirklichen Leben täglich vor unseren Augen ab- spielen, angefülirt werden, dass auch ein guter Wirthschafter durch zwingende Umstände oftmals zu derartigen Miss- griffen veranlasst werden kann!" (ibid.) Diese Schilderungen sind aus dem Leben gegriffen und führen nothwendigerweise zu der Ueberzeugung, dass ,,Krediterleichterungen geradezu fatal sein müssen, wenn ihnen nicht gesetzliche Schranken gezogen sind, zumal bei bauerhchem Grundbesitz." Das Literesse der Gläubiger der Hypothekenbanken ist das direkt entgegengesetzte. Wäh- rend nämlich dem Grundbesitzer „als Ideal stets der Zu- stand möghchst geringer und möglichst rasch vorüber- gehender Schuldbelastung vor Augen schweben muss, . . kann das Ziel der Bankpolitik auf nichts anderes gerichtet sein, als möglichst viele einträghche Geschäfte zu machen und nutzbringende Kapitalanlagen möglichst lange zu er- halten", (pag, 415) wobei ruhig über Leichen hinweg- geschritten wird3). Es folgt daraus unzweideutig, dass 3) So beginnt „der deutsche Oekonomist", der sich den litel eines „Spezialorgans für Realkredit und Hypotheken- bankwesen" beilegt, unter 22. Jan. er. (1887) eine Besprechung tlL ^T, ^^«^«»de des Deutschen Landwirthschaftsrathes versendeten Fragebogens folgendermassen: «>>. "^°^eit man sich im Deutschen Landwirthschaftsrath und t?^^ J"^ auf agrarischer Seite dem Drucke nicht entziehen i^ann, den die Erkenntnis und das Bewusstsein ausübt, nur «n£rITo> 1^^ hm Interessen vertreten zu müssen, der anderen Seite also vielfach nicht gerecht werden zu könnend), ^ir pf^Lf ?-^^'^'''*^'.''^*^*^i^^« Bedeutung des Grundbesitzes Wir «•rf/J •?''°/ dieses Verfahrens nach innen und aussen. bZtIL. .qT! ^^t."^?^ entfernt, diese Bedeutung zu unter- schätzen (Ste s behebte Wendung!), aber wir finden, dass ?en 0 r'n^'.h^ .?'''"" ^^^^f^"^'^^«^«^^«^ ^i* der Sache! Wohl L.. ^*'**f '' ""'* ^^"^ Grundbesitz verwechselt. Woül kann die Ausnutzung des Grund und Bodens stellen- — 61 — das private, spekulative Leihkapital geradezu verhängniss- voll für den landwirthschaftlichen Grundbesitz werden musste. Dies erkannte Friedrich der Grosse schon vor hundert Jahren, und ihm lagen die Interessen des erban- gesessenen landwirthschaftlichen Grundbesitzes, den er als Hauptstütze seines Thrones ansah, am Herzen. Höchst charakteristisch für die Art und Weise, wie neue Ideen auf- genommen werden, selbst von denen, für welche sie segen- bringend zu wirken geeignet sind, ist die anfänghche schroiFe Abweisung des genialen Kaufmanns Bühring, der die Idee des genossenschaftlichen, ländlichen Kredites mit Solidarhaft, Unkündbarkeit und Amortisation gefasst hatte, durch Friedrich den Grossen selbst, und noch mehr be- zeichnend, dass eine Anzahl von Einwänden, welche heute der weiteren Verbreitung körperschaftlicher oder genossen- schaftlicher Anstalten ähnlicher Art entgegengesetzt werden, „bereits damals ebenso geltend gemacht wurden. So ins- besondere wurde bei Gründung des kur- und neumärkischen ritterschaftlichen Kreditinstituts seitens des Domstiftes, der Stände der Altmark, der Priegnitz und der Mittelmark einstimmig und unter Beitritt mehrerer Gutsbesitzer aus der Uckermark und der Neumark ausgeführt, in eine Ga- rantie der gesammten Ritterschaft könne man nicht willigen, da es unbillig sei, die guten Wirthe für die schlechten verhaftet zu machen. Viele Eingaben und sogar ganze Kreise protestirten gegen das ganze Institut, welches sie für unnütz und schädlich hielten, in dem die Verschuldung weise und zeitweise beeinträchtigt werden, wenn die Bebauer desselben aus irgend welchen Gründen in Kalamität gerathen; die Bevölkerungsdichtigkeit im Deutschen Reiche lässt aber die Befürchtung nicht mehr zu, dass dies in beunruhigendem Maasse (sie) vorkommen könnte. An -die Stelle desjenigen Landwirthes, welcher sich aus irgend welchen Gründen nicht mehr halten kann, tritt stets ein anderer, welcher leistungs- fähiger ist: dieLandwirthschaft geht noch lange nicht zu Grunde, wenn un d weil eine Anzahl Landwirthe zu Grunde gehen, und die Noth der Landwirthe ist keineswegs identisch mit der Noth der Landwirth- Schaft." (S. Bericht über die Verhandlungen der XV. Ver- sammlung des Deutschen Volkswirthschaftsrathes, pag. 414). Diese Auslassung aus „kapitalistischen Kreisen" verdiente es beispielshalber, als höchst charakterisch für die in diesen Kreisen den derzeitigen Landwirthschaft betreibenden Grund- besitzern gegenüber herrschende Gesinnung in extenso an- geführt und niedriger gehängt zu werden Hoffentlich werden aber dafür zukünftige „Enqueten" und „Fragebogen" aus der Mitte der landwirthschaftlichen Kreise es sich ersparen, mit Leuten einer solchen Gesinnung ihren Mitbürgern gegenüber m „Korrespondenz" zn treten. Man bekommt doch wahrlich ohnedem genug „cynische und unverschämte" Aeusserungen zu hören und zu lesen. - 62 — dadurch nicht beseitigt, sondern vermehrt werden würde." (pag. 419). Bis jetzt sind die preussischen Landschaften das Beste, was es auf dem Felde des Realkredites für den Grund- besitz giebt, und die „üebertragung und Anwendung ihrer Grundprinzipien auf den bäuerlichen Grundbesitz in Form dei- in einem Berichte aus Schlesien angeregten Gründung selbst- ständiger Bauernlandschaften würde .... mit der im jüngsten Beschluss des deutschen Lan dwirthschaftsraths begutachteten genossenschaftlichen Organisation des Realkredits zusammen- fallen und ebenso mit der von RaifFeisen begonnenen Ein- richtung landwirthschaftlicher Kreditverbände mit Filialen in Form der lokalen Darlehnskassen übereinstimmen." (pag. 419). Freiherr v. Getto fasst seine Kritik der herrschenden Kreditsysteme dahin zusammen, dass „eine Aufrechterhal- tung und Verbreitung des Genossenschaftsprinzips" zu er- streben sei, wodurch einzig und allein der Kredit in einer den Anfordungen des landwirthschaftlichen Betriebes und der Eigenart des ländlichen Grundbesitzes entsprechenden Weise vermittelt wird, und die weitere Möglichkeit gegeben ist, den Kredit mit Rücksicht auf die persönlichen Eigen- scliaften des Kreditsuchenden und die gemachte Verwen- dung des Darlehens seinem Umfang beziehungsweise seiner Form (Real- oder Personalkredit) nach auf ein entsprechendes Mass zu reduziren, welches in der einen nachhaltigen Betrieb noch ermöglichenden Quote des belehnbaren Besitz- werths zu suchen sein wird", (ibid.) Als hauptsächliche Schwierigkeit der Verwirklichung dieser Theorie erscheint dem Herrn v. Getto „die höchst verschiedenartig gestaltete Entwickelung und Verbreitung der Krediteinrichtungen in Deutschland, dessen Territorium schon hinsichtlich . der Bevölkerung, Besitzvertheilung, Fruchtbarkeit und Betriebsart die grössten Verschieden- heiten aufweisst." (ibid.) Referent geht diese einzelnen verschiedenen Formen des existirenden Genossen Schaftskredits durch. Wo Lati- fundien wirthschaft und Grossgrundbesitz überwiegt, sind vornehmlich die land- und ritterschaftlichen Kreditinstitute, so im östlichen und nördhchen Theile von Preussen nebst Schlesien und Mecklenburg thätig; neben anderen Hypo- thekeninstituten auch in den übrigen Theilen der preussi- schen Monarchie, im Königreich Sachsen und in Braun- schweig. Von diesen Land- und Ritterschaften haben manche ihre Thätigkeit auf Bauerngüter ausgedehnt, oder sind daneben besondere landwirthschaftliche Kreditvereine für bäuerliche Güter entstanden. So z. B. das neue branden- burgische Kreditinstitut, der pommersche Landkreditver- band, die neue westpreussische Landschaft u. a. Referent hebt dabei tadelnd hervor, dass die Vertretung — 63 - und Verwaltung der letzteren (nämlich der auch die Bauern- güter beleihenden Instistute) . . . sich jedoch durch die Organe der älteren Landschaften" vollzieht, so dass also „die Angehörigen der neuen Kreditvereine des Rechts der Selbstverwaltung entbehren", (pag. 420). Auf die in den Fragebogen angeregte Frage, was geschehen könnte, „um die Sparkassen zur Befriedigung des landwirthschaftlichen Immobilienkredits mehr heran- zuziehen und dann, ob es wün sehen swerth und möglich wäre, eine festere Verbindung zwischen Darlehnskassen und Spar- kassen herbeizuführen", erfolgt eine so gut wie negative Antwort. Es wird darauf hingewiesen, dass in Preussen von den Spa#-kassenvermögen 54,16 pCt. (davon 27,64 pCt. auf ländliche Grrundstücke), in Bayern 58,04 pCt. in Hypo- theken angelegt sind; in Sachsen sogar 73,06 pCt., in Baden circa 72 pCt. (pag. 421). Auffallend ist diese Ver- schiedenheit; es kann daher nicht unbedingt die Möglich- keit einer weiteren Heranziehung wenigstens für Preussen und Bayern in Abrede gestellt werden." Auch die Verbindung von Sparkassen und Darlehns- kassen, welche von einer grossen Anzahl von Berichten „als unstatthaft erklärt werden, weil die Tendenzen beider Anstalten mit einander nicht in Einklang zu bringen sind",-') ist nach Ansicht des Referenten, wenigstens für die öffent- lichen Kassen (z. B. Kreissparkassen) nicht a limine abzu- weisen. Im Gegentheil sie könnte erziehend wirken, „es würde dadurch in den untern Volksklassen das Verständ- niss für die richtige Anwendung gesammelter Kapitalien nicht allein als Reserve-, sondern auch als Betriebsfonds geweckt werden .... wälu-end .... die Art und Weise, wie die Ersparnisse in so be'deutendem Umfange verwerthet werden .... in der That noch sehr primitiv ist und uns vielfach gemahnt .... an die bekannte Uebung der Auf- bewahrung der harten Thaler in alten Strümpfen", (pag. 422). Sehr treffend hebt Referent hervor, dass die kolossalen Summen der Spareinlagen im Deutschen Reiche einerseits und die Klagen über mangelhaften Betriebskredit der Landwirthschaft andererseits zu der Ueberzeugung führen müssen, dass die üble finanzielle Lage der Bauern zum grossen Theile daher kommt, dass sie „mit dem Gelde nicht umzugehen wissen". Dasselbe gilt leider auch von manchem Grossgrundbesitzer. Eine Verbindung der Dar- lehnskassen mit den Sparkassen wäre unserer Ansicht nach ohne Gefahr nur in Anlehnung an ein grosses land- wirthschaftliches Kreditinstitut mit einem Netze von Filialen, wie es Rodbertus vorschlägt, möglich. Auch Referent spielt darauf an, indem er sagt, dass eine Gefährdung oder Festlegung der Sparkasseneinlagen sofort beseitigt sein *) S. Bericht u. s. w. w. c. p. 422. 64 — würde, wenn die mit den Sparkassen kombinirten Dar- lehnskassen das Recht der Pfandbriefemission erhielten (pag. 424). Ausser allen diesen privaten, sei es genossenschaft- lichen, sei es individuellen Kreditinstituten, welche der Herr Referent in drei Klassen eintheilt, nämlich 1) in die Assoziation der kreditsuchenden Landwirthe (Landschaften u. dergl.), 2) in die Assoziation der kreditgewährenden Kapitalisten (Hypothekenbanken), 3) in die einzeln auf- tretenden Kreditoren (Sparkassen, Gemeinden, Stiftungen und Private), — kommt noch als vierte Klasse mit be- sonderer Stellung hinzu „die Zahl der vom Staate organi- sirten und geleiteten Kreditinstitute", (pag. 424). _ Die Veranlassung zu der Errichtung der letzteren lag in der Ansicht, dass gewisse Zwecke des landwirthschaft- lichen Kredits nicht erfüllt werden oder wenigstens nur unvollkommen zu erreichen sind, so lange der Kredit nicht mit gewissen Erleichterungen für den Schuldner verbunden ist, welche auf dem gewöhnlichen Wege der Kreditbe- schaifung nicht zu erlangen sind. „So wurden denn zu- nächst zur Ablösung der mittelalterlichen Grundlasten und zur Forderung der Landeskultur besondere Staatsanstalten emchtet von denen einige ihre Thätigkeit auf das übrige Jjebiet des Kreditwesens ausdehnten und denen sich später- hin in einigen kleineren deutschen Staaten allgemeine Landeskreditkassen zugesellten" (pag. 424). Bemerkenswerth ist hierbei, „dass in Regierungski-eisen von jeher die Ansicht gegolten hat, dass für den land- wirthschafthchen Kredit im strengsten Sinne des Wortes die Bedingungen, unter denen der Kredit gemeinbin ge- wahrt wird, schlechterdings ungenügend und unzureichend sind und dass die deshalb errichteten Staatsanstalten, als welche die Grundrentenablösungskassen, die Landeskultur- Kentenanstalten vornehmlich zu bezeichnen sind, das Rentenprinzip in der Tliat adoptirt haben" (ibid.) Noch mangelhafter als der Realkredit ist der Personal- kredit organisirt. „Ausser den Banken, Banquiers, Handels- leuten Geldverleihern und Privaten, deren kleinster Theil ^^^ii, l^i?^^^^^^^^^^' verstau dniss volle Freunde der Land- wirthschaft und ihrer Angehörigen darstellt", sind hier T^ -S^S -^^^ Schulze-Delitzsch'schen Vorschussvereine und die -btaiöeisen'schen Darlehn s vereine zu nennen. Obgleich ein Aulschwung dieser Vereine unverkennbar ist, so geht doch aus den Berichten hervor, „dass beide Vereine sich trotz alledem noch immer auf im Verhältniss zum Umfange des landwirthschaftlichen Betriebes in Deutschland be- scheiden zu nennendes Terrain erstrecken" (pag. 426). Referent schhesst diese seine lehn^eichen Ausführungen mit einem Satze, welcher in einem zu der damahgen Ver- handlung eingelaufenen Gutachten des Prof. Haussen- — 65 — Göttingen enthalten war, und mit welchem Reierent voll- kommen übereinzustimmen erklärt: „Der Immobiliarkredit muss beschränkt, der Mobiliarbetrieb für den gedeihlichen Betrieb der Landwirthschaft gestärkt werden" (pag. 430). Ein prächtiges Programm in der That, aber woher die Fonds hernehmen, um das Zuviel an hypothekarischer Verschuldung abzutragen? Das sagt weder Haussen, noch Schäffle, noch Stein, und daher sind diejenigen konsequen- ter, welche eine Verstaatlichung des Grundbesitzes als un- umgängliche Nothwendigkeit ansehen, weil der Staat allein die nöthigen Fonds dazu bieten kann. Im letzten Kapitel unseres Referats suchen wir die Lösung des Räthsels zu geben, woher auch ohne Staat die zur grossen agrarischen Kröditreform nöthigen Fonds zu entnehmen sind. Doch greifen wir nicht vor, und resümiren wir noch die Schluss- betrachtungen des Referats des Herrn v. Getto, welche die Frage behandeln : „wie die vom deutschen Landwirthschafts- rath seiner Zeit (1884) begutachtete staatliche oder ge- nossenschaftliche Organisation demnächst in Verwii'k- lichung zu setzen wäre". Die sich dabei ergebenden Schwierigkeiten entgehen dem Referenten keineswegs. So sagt er: „Zur richtigen Würdigung dieser Frage sind zwei Dinge vor Allem festzustellen: einmal, dass die in neuerer Zeit wiederholt betonte Separatstellung des landwirthschaft- lichen Grundbesitzes und seiner Verwalter, der Grundbe- sitzer, vom sozialwirthschaftlichen Standpunkt aus voll gewürdigt werden muss, nicht minder aber auch, dass die wohlerworbenen Rechte der Gläubiger des Grundbesitzes vollen Anspruch auf Fortbestand und Erhaltung zu machen haben. Beide Momente sind zweifelsohne nicht nur gleich wichtig, sondern stehen auch in gewisser Wechselbeziehung zu einander; in ihrem Ausgleich liegt die Hauptschwierig- keit der Kreditreform, deren Prinzip und Theorie ja kaum mehr für Eingeweihte und Denkende ein Geheimniss sein kann" (pag. 430). Und da es sich dabei um Milliarden des Nationalvermögens handelt, so ist es nicht zu ver- wundern, dass „im Gefühle der grossen Schwierigkeit und Verantwortung bei Formulirung praktischer Vorschläge in den Berichten nur sehr knappe unmotivirte Antworten er- theilt wurden" (pag. 431). Referent unterscheidet zwei Einrichtungen: 1. die der genossenschaftlichen Organisation, 2. die der Verstaat- lichung des Grundbesitzes. Unter den ersten führt er mit warmer Anerkennung an der Spitze Rodbertus an, welchem, wie Referent an- führt, selbst Prof. Knies eine bahnbrechende Bedeutung beilegt, da die von Rodbertus vorgeschlagene genossen- schaftliche Organisation des ländlichen Grundkredites auch unter Verbleib „des Kapitalisationsprinzips" zur Ausführung gelangen könnte. Was diese Anerkennung auf sich hat, 5 — 66 haben wir schon oben bei Besprechung der Kritik A üuchenbergers hervorgehoben. Näheres darüber sparen wir uns bis zum letzten Kapitel auf, in welchem wir auf der iohe einer allgemeinen Kritik der vorangegangenen ßeorganisationspläne des ländlichen Grundkredites unsere eigenen Vorschläge in dieser Hinsicht formuliren werden. Nach Rodbertus führt Referent Lorenz v. Stein als „einen Schritt weiter gehend" auf, indem er wiU, „dass die Gemeinde wieder in ihr altgermanisches Recht eintrete und als Genossenschaft der Grundbesitzer auch für das ^rundschuldenwesen zu funktioniren beginne." (pag 431) 6) Hierbei hat L. v. Stein hauptsächlich den bäuerlichen Grundbesitz im Auge. Noch weiter geht Schaffte, der eine Inkoi-poration des Hypothekenki-edites, also obligatorische Vereinigung des gesammten landwirthschaftlichen Grund- besitzes mit Ausnahme der Grundbesitzungen des Reiches, der Staaten der Kommunalkorporationen, Kirchen-, btiftungs- Schul- u. dergl. Güter, der Familienfideikommisse endlich alles privaten Grundbesitzes „von gewissem Um- fange eingeführt wissen will. Aus den letzten Worten ergiebt es sich, dass Schäffle's Organisationsplan nur auf den bäuerlichen Grundbesitz sich erstrecken soll, den er wie wir oben gesehen, für allein nothleidend hält, und dessen Interessen allein ihm wirklich am Herzen liegen Referent richtet die Aufmerksamkeit seiner Leser darauf, bchaffle die spezifische Eigenthümlichkeit zu beachten sei dass dieselben nicht die Kreditorganisation für sich allein/ sondern als Bestandtheil einer neuen Agrarverfassung be- handehi, deren Inhalt sich auf die ganze künftige Behandlung des Grundbesitzes im Besitz verkehr erstreckt." (pag 432^ J^tigen wir dem bei, dass sie auf eine derartige Bevor- mundung des Grundbesitzes hinausläuft, dass sie bereits mit einem Fusse im Staatsocialismus steht. Trotzdem steht nl\.- i^'^A^*'"'''/^''^'' ^^^^^'« ^^^ Schäffle's bereits eine praktische Anwendung in Oesterreich in Aussicht in der Re- gierungsvorlage über die „Errichtung von Berufs- ITnZrr^-l'r ^^^ ^andwü-the-, vorüber wir im nächsten ivapitel berichten werden. Tf^^vl^"" P^"*® Verstaatlichung plaidiren Freiherr v. Stein- Kochberg in seiner Brochüre „zur Lösung der Grund- d^m fe " ^^'^ /'?|)r^ -- --y-' Schriffunter efn^rn !;•'' J^'''.*r^^*^'^^^"S des Grundkredits, Ideen zu einem nationalen Verwaltungsrecht des Grundbesitzes" scnreiDen, oöenbar za Grande liegen. — 67 — e.ge„thums offenkundig beabsichtigt" (pagTssf'"""'- j^iir^-L-e-:^^?^ ^?:rtr.rob!firrn"*^ Lin'Ä"*" '"™ ^"•"™"*-" ^- S'aate:- TeissHeh von di'nti^ntsrtrn'rs^r.et.r^Lr r^r*^^ -"^^ - ei^em Ämmte^ 7^^",!"^".°" ,7°J^ Genossenschaften liehen A.beltg^llS^Tn'^tdrw.Z^trSt'''''- „c.as'^Ht^rats i^fn^rsers^'^r" f ?* -f •und die dabei bestehen d p P.fr^'^^^'^*^^^*^^^«'' ') •damals, 1887, macht nehmen würde," - schon Vertrat tftLdSscTa?; ^1 .'^^^^i'^ ^^^^^^^ ^- lange es nochSTi^fif ''''^ ^'', Grundbesitzes, so- .-^nehi:;: w:Äirt:yreÄ!!X, s«S; 5* 68 — m seinem „Agrarischen Programm" in der „Zukunft" (No 49) und zwar direkt an die Adresse des „Bundes der Land- wirthe" m folgenden Worten hin : „Ich halte es für eine der obersten Aufgaben des Bundes der Landwirthe, dafür zu sorgen, dass schon die Vorlage des Bürgerlichen Gesetz- buches und des Einführungsgesetzes zu diesem für die landesgesetzliche Normirung des agrarischen Kreditrechtes im Sinne standeskörperschaftlicher und standesgenossen- schafthcher Ausgestaltung die Bahn freilasse. Auch was die dazu gehörigen Einrichtungen des Vollstreckungsrechtes betrifft, wird die deutsche Landwirthschaft sich von ienen kesseln frei zu macheu und frei zu halten suchen müssen die im gemeinen Privat-, Prozess- und Konkursrecht der traglichen Ausgestaltung des bäuerlichen Kreditrechtes jetzt entgegenstehen und künftig nach Verabschiedung des Burgerhcheii Gesetzbuches weiter entgegenzutreten drohen ner erste Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches ist in ^^uir^^i!^ ^^^ ^^ romantisch, als zu wenig deutschnrivat- rechtlich, als zuwenig „„germanistisch"" vielfach ange- griffen worden. Soweit ich als Nichtjurist ein Urtheil über diese Angriffe mir zu bilden im Stande gewesen bin, habe ich in der Hauptsache diesen Angriffen nicht beizupflichten vermocht. Nicht darum handelt es sich, altes rö^misches oaer altes germanisches Privatrecht wieder von den Todten zu erwecken, welches aus dem Schoosse vergangener Weschattsepochen emporgewachsen ist, vielmehr darum, für die Gegenwart und Zukunft, deren eigentliches RechtLbe- durtniss über dasjenige der römischen Kaiserzeit, geschweige über dasjenige des deutschen Mittelalters soweit hinau^'s- gewachsen ist, ein Recht zu schaffen, das dem Rechts- beduriniss der Neuzeit gerecht wird." fpag 442 443 der angef. Nummer). Auf Grund des eben skizzirten Referates wurde von aen Herrn Referenten, als welche ausser Herrn von Getto 1 . T ^- Miaskowski-Breslau und Landwirthschafts- inBpektorLeemann-Heilbronnfungirten,gemeinsamfolgendes- „Programm') für die Diskussion über die Kreditfrage" vereinbart: „Gemeinsame Aufstellung der Herren Referenten " I. Ro. f^'^^^Pf «.^^^ ^^% bestehendan Organisationen ihrer wÄ?;i??'^ ""^f t^ berechtigten Bedürfniss des land- wirthschafthchen Real- und Personalkredits? Wenn nein, würde es genügen, die bestehenden Kredit- organisationen weiter zu entwickeln und auszubreiten? Welche der bestehenden Organisationen: ^j W. O. p. 493. — 69 — a) für Realkredit, b) für Personalkredit, wären dabei ins Auge zu fassen? TXT III- Wenn die Formen der bestehenden Organisation Pn nicht für ausreichend gehalten werden sS reiche anderen Eninchtungen wären zu schaffen? ^' der^'spfh't'^^'^i"'^''T^'!;' ^'^^'''' des Staates, der^ ^Selbstverwaltung, des Cxenossensehaftswesens b) Sind dieselben vom Reich oder von den Einzel- staaten ins Leben zu rufen '-^ 0) Ist diesen Anstalten ein Kreditmonopol einzu- ^ZT '^? ^'^'" ''' ^^* ^^'^ bestehenden In- sntuten in Jvonkurrenz zu treten^ d) Sind dieselben gegenüber den Kreditnehmern als ge^'!ltnT'^ ^'^^ ''' '^^^^ Einrichtungen zu Aus der Diskussion, welche 2 Tage dauerte und ar, fl.r^rr^ ^"^ Referenten fast^lfe l^wesenden lebhaft beteiligten, greifen wir nur Einiges, was uns be sonders bemerkenswerth erscheint, heraus? So z.B. die Antwort, welche Freiherr v. Erffa-Wern bürg auf die Frage giebt: „ist die heutige VertchuMunir form des Realkredites die "richtige oder^iJicL'' Sl1>: lautet ganz zutreffend: -L'ieselbe ,,StelIt man sich auf den Standpunkt, dass man den Grundbesitz als eine Waare betrachtet^ dass man wünscht er wurde gleich dem Kapital mobilisirt, dass er wfe das ja auch m manchen Kreisen der Fall sein ^p^ ^^T.l i '::ztif' '') ~ ^r^'g^-beLh'rstdreheu^f^SS" Verschuldungsform des Grundbesitzes die richtLeS eilt man sich aber auf den Standpunkt, dass der Sundbesttz sozLTe unS'n J"'^r^'*^^^^^" ^^^^ -- politische, eine soziale und namenthch eine ethische Seite hat dass es sich darum handelt, das Fundament des Staates efnen gesunden, kräftigen und tüchtigen Bauernstand zu e'rhaUen - dann glaube ich, ist die heutige Verschuldungsform des Grundbesitzes vollständig zu verwerfen." (pag 462) T?nHK^'f"'''\^'"^'o^ ^""^ ^''^^ Erfa eine Lanze für das ^, P iri'^' ßentenprinzip, obgleich er im Ge^nsatz und eff ''%^"™ ^"^ ^^' AmortisationsprLip St S" (pa^ Is^ " ^''^''^^^y^^^"^ überhaupt in Vv^egffll ScCidShll?^^^^^^^^^^ I'-l Bünler- .ese^i^Ä^:i-as^ÄÄÄ^^x^ — 70 — Interessant ist die Thatsache, welche Freiherr v Erffa anführt dass bereits einmal in Preussen, und zwar unter Friedrich dem Grossen, die ausschliessliche Zulassung der Verschuldung des Grundbesitzes in ± orm einer unkündbaren und amortisirbaren Rente bestanden hat (pag. 463ff). Am zweiten Tage der Verhandlungen konzentrirte sich das ganze Interesse um die Ausführungen des Prof Dr v Miaskowski welcher, nach der so beredten Schilderung der Lage des Grundbesitzes und der Landwirthschalt inmitten der andauernden Agrarkrisis, die wir oben in unserer Einleitung bereits zitirt haben, folgende Ermah- nung an die Landwirthe Deutschlands richtet, welche erst 5 Jahre später durch die Gründung des Bundes der Land- wirthe m Erfüllung gegangen ist: „Richtig scheint mir das zu sein dass das bewegliche Kapital sein Interesse besser versteht, dass seine Vertreter sich, ich möchte sagen, in einer latenten Gemeinschaft befinden und fortwährend Inr ihre Interessen solidarisch einstehen, dass dasselbe aber m Bezug auf die Landwirthschaft nicht der Fall ist Wenn sich die ländlichen Grundbesitzer ebenso zusammen tüaten, wenn sie ihre Interessen ebenso zu verstehen und gemeinsam zu handeln lernten, so würden sie damit gegen- über dem Kapital zu ihrem Rechte kommen können Uns beschaltigt ja gerade heute eine Frage, die darauf abzielt, die ländlichen Grundbesitzer zu vermögen, dass sie sich zusammen thun, dass sie den Einzelnen aus seiner Isolirt- iieit, m der er gegenüber dem koalirten Kapital unterliegen muss herausreissen und sich dem bewegliehen Kapital in geschlossenen Reihen gegenüberstellen." (pag. 485). Weniger gelungen, indem Sachen zusammen- geworfen werden, welche nicht zusammen gehören, ist die Verwahrung und Warnung, welche er gegen die Tendenzen der Verstaatlichung des Grundbesitzes in folgenden Worten macht: „Wenn aber auf der einen Seite so scharf Front gemacht wird gegenüber dem beweglichen Kapital, so ver- misse ich auf der anderen Seite eine ebenso entschiedene diP^^T.^. ^T ^^'^^^^^S gegenüber denjenigen Tendenzen, fil' i-if ^Z^^""^ '"^ Verstaatlichugn des Grundeigen- thums fuhren Es sind aus landwirthschaftlichen Kreisen w'^if T^T f"^ I^andwirthschaftsrath, aber aus sonstigen vtLZ 1 ^^g^^^^" landwirthschaftlichen Vereinen Snd Versammlungen _ m letzter Zeit Vorschläge hervorge- des^Grnn'^' "' l^^k*«^l<^,gi«cher Folge zur Verstaatlichung Kür.?dt '-^'"i^^^^'n/'^^""- ^^«^^" Sie mich Ihnen in Kürze die einzelnen Glieder der logischen Kette vorführen. fä'die Xir^inf;?^ ^'' ländlichen Grundbesitzes." ^Referat — 71 Man beginnt mit dem Verlangen nach billigem Gelde, um eine Erhöhung des Werthes der landwirthschaftlichen -Produkte zu erzielen, um seine Schulden billig abzustossen u. s. w. Eine weitere Konsequenz ist dann, das man Papiergeld verlangt. Ein solcher Vorschlag ist ia neuer- dings hier in Berlin hervorgetreten, indem man jährlich eine Milharde Papiergeld den Kredit-Instituten zugeführt zu sehen wünschte. Weniger verhüllt tritt uns der (xedaiike m der Broschüre eines ländlichen Grundbesitzers aus Baden entgegen, der direckt verlangt, die Regierun *ren mögen von den bisherigen hypothekarischen Schulden 2U pOt. streichen; es sei dies nicht ungerecht, denn wenn es zum Krach käme, würden die Gläubiger doch mindestens 20 pCt verlieren _ Damit steht man schon mit einem ^uss auf dem Boden der Verstaathchung des Kredits, und wenn man die Verstaatlichung des Kredits hat, so ist das nur die Introduktion zur Verstaatlichung des Grundbesitzes. /t^■'^^\ "" '^''f ^^''^ Standpunkt der Herren Stamm imd riurscheim angelangt, die ja als einleitende Massregel j^ur Verstaatlichung des Grundbesitzes nur die Verstaat- Jichung des Kredits zu haben wünschen. Ich möchte daher wünschen, dass im Interesse der Erzielung grösserer prak- tischer Erfolge _ seitens der Vertreter der Landwirthschaft in Zukunft derjenige Stand, der sich mit Recht als der konservative Hort des Staates und der Gesellschaft hin- stellt, gegenüber solchen etwas leichtsinnigen Vorschlägen eine gi-össere Bedächtigkeit, eine grössere Vorsicht ausüben möge. Geschieht dies nicht, so werden, alle Vorschläge, ^nU? 1. " Landwirthen ausgehen, die möglichen und durchfuhrbaren wie die utopischen, zusammengeworfen Z}Z A ^'^ fh"^'} ?^" ^^"^^ d^« Agrarierthums ver- sehen und zur Unfruchtbarkeit verurtheilt. " (ibid ) Wenn Herr Prof. v. Miaskowski sagen will, dass die IZ^f'f\ "'^'^-^ 'l '"^'^ Organisation des ländlTchen Kredites fuhren, eine Etappe auf dem Wege zur Verstaat bchung des Grundbesitzes bilden, so stimmten wir mitthm uberein. Dasselbe gilt aber von allen diesen Vorschlägen «W /''V?-^^"'^'^-^'' ^^^^- ^- Miaskowski selbst; wie' rdas ?.?d 1 '^m' a'^ Doppelwährung wieder herzustellen (das ist doch wohl das „billige Geld", von welchem Prof. von Miaskowski spricht), oder die Kreditinstitute des Grund- besitzes mit dem Privileg auszustatten, auch ihrerseits nur vo^T ' Z ^^1'" (^^■?^- ^- Miaskowski spricht nur von Papiergeld, scheint also zwischen Noten und Papiergeld keinen Unterschied zu machen), in direkteiem fer^oT r^r* der Verstaatlichung des Grundbesitze" sein soll, als alle sonstigen diesbezügHchen Pläne - dies ist uns geradezu unerklärlich?' al^ ir^ ^I.TT.'^'i^f ^^'^^ ^^^ Agrarierthums nicht als eine „schlechte Marke" und daher als „zur ünfrucht- — 72 — barkeit verurtheilt" anerkennen, wie es Herr Prof von Miaskowski in höchst liebenswürdiger Weise inmitten der Agrarier ni dieser Sitzung des „deutschen Landwirthschafts- rathes" gethan hat. Sehr gut dagegen ist seine Polemik gegen den Abge- ordneten Dr Buhl, der gesagt hatte, „es lasse sich auf dem Gebiete des ländlichen Kredites durch den Staat nichts thun, Belehrung sei das Einzige, was möglich sei". Diese Ansicht habe ihn „m Erstaunen gesetzt, namentlich in dem gegenwärtigen Augenblick, indem die verbündeten Regie- rungen einmal den Ausbau der Fabrikgesetzgebung in die Hand genommen haben, und indem sie die soziale Gesetz- gebung durchzuführen suchen. Ich könnte diese Aeusserun-r verstehen, wenn sie vor 15 Jahren gethan wäre, heutS muss ich sie für einen Anachronismus erklären" (pag 486) Zutreffend ist ferner das, was Prof v. Miaskowski bei l Sr^i, "■ gestehenden Kreditinstitute über die landwirth- schafthchen Darlehnskassen ausspricht: dass sie nämlich tur den Personalkredit des grossen Grundbesitzers nutz- barer als bisher gemacht werden sollten; „Hier könnte vielleicht der Staat Einiges thun, diese Anstalten könnte er mit Summen dotiren, und sie könnten auch in Verbin- dung mit der Eeichsbank gebracht werden" (pag. 481) AUerdmgs bleibt diese Idee unklar, es ist aber darin eine dunkle Ahnung enthalten, dass der Personalkredit für die l^andwirthschaft sich an ein grosses Kreditinstitut anlehnen müsse, — freihch nicht an die Eeichsbank! Dass Prof. v. Miaskowski sich von den Sparkassen nicht viel verspricht, ist ganz in der Ordnung. Sie sind m der Ihat, wie er sagt, „in erster Linie Institute für die bparer, und weü sie das sind, müssen sie hauptsächlich auf dxese Rücksicht nehmen, und weil sie auf diese Rück- sicht zu nehmen haben, so müssen sie auf pupillarische Sicherheit ihrer ausgeliehenen Gelder bedacht sein. Der hypothekarische Kredit, den sie gewähren, wird wegen der leichten Rückziehbarkeit der Spareinlagen auch stets künd- bar sein müssen, nicht amortisirbar sein können. Ich meine daher, dass wenn nicht aus den Sparkassen etwas ganz wirthschaftlichen Kreditbedürfnisse nicht in erhebhcherem Masse dienstbar gemacht werden können, als sie es schon gegenwartig sind" (pag. 488). Wir stimmen auch vollkommen bei, wenn Prof v. G^nfrir'^ ?T Hypothekenbanken gegenüber für den mü^i ^^^^^ ^''^^'^^' ^°'^^^ ausgiebt: „Die Schuldner Z^T "-f^ ^"f^^^men thun, in geschlossenen Reihen auf dem Kapitalmarkt auftreten, und dort die günstigten Be- dingungen zu erzielen suchen," worauf er die Hyp^theken- ve\t:?st ''Tp:g%>"" ^"' '^^ '''^'^^ Gr'undbesitz — 73 — Nach blosser Streifung „der landständischen oder staat- lichen Kreditorganisation", welche Einrichtungen sind, wie sie in Preussen, Hannover, Hessen-Nassau existiren und „wie die Enquete ergiebt, ausserordentlich günstig funktio- niren", führt Prof. v. Miaskowki zu ihrer Empfehlung noch Folgendes an: „In den neuen preussischen Provinzen sind es Institute, die aus den alten Rentenablösungskassen entstanden sind. Nachdem diese ihre Geschäfte abgewickelt hatten, sind sie in Institute für den hypothekarischen Kredit des grossen und des kleinen Grundbesitzes umge- wandelt worden. Ihre Organisation ist dann entsprechend ihrem weiteren Wirkungskreise ausgebildet worden. Es liegt Ihnen speziell über die hannoversche Landeskredit- kasse das Votum eines gründlichen Kenners des Agrar- wesens vor, eines Mannes, der durchaus objektiv, sachlich und überlegt urtheilt. Geh. Rath Professor Haussen äussert sich sehr ausführlich über diese Institution und ihre Wir- kungen" (pag. 490). Zum Schlüsse entwickelt Prof. v. Miaskowski seine eigenen Ansichten über eine Ergänzungsorganisation der bestehenden Kreditinstitute. Nur darum kann es sich hier- bei handeln, da er „nicht mit der bisherigen Kreditorga- nisation tabula rasa machen, sondern überall, wo eine Lücke sich befindet, die dem ländlichen Grundbesitz ent- sprechende Organisation einstellen" will (pag. 491). Wir zitiren dieses Projekt in extenso: ,,Ich habe diesen Plan so formulirt, dass er den ver- schiedenen Gegenden und verschiedenen Verhältnissen Rechnung trägt. Zu diesem Zwecke unterscheide ich zwischen grossen und kleinen Staaten: ich rechne Preussen selbstverständlich zu den Grossstaaten, zu den kleinen Staaten rechne ich alle andern von Baden abwärts. In der Mitte bleiben Bayern, Sachsen, Württemberg. Es mag speziellerer Prüfung vorbehalten bleiben, ob in Bezug auf das Kreditwesen diese mittleren Staaten der ersten oder zweiten Gruppe einzuordnen sind. Die Grossstaaten charakterisiren sich dadurch, dass in ihnen der Gross-Grundbesitz reichlich genug vorhanden und vertreten ist, um eine eigene Organisation in den Landschaften zu ermöglichen. Für diese Grossstaaten möchte ich nun eine doppelte Organisation in den einzelnen Provinzen vorschlagen: für den grossen Grundbesitz Land- schaften mit Ausbau der landwirthschaftlichen Banken für den Personalkredit, erforderlichenfalls unter Dotirung dieser Banken durch den Staat; für den mittleren und kleineren Grundbesitz, für den die Landschaften nicht genügen, eine Organisation^im Anschluss an die provinzialständische Ver- waltung. Wii^ haben in den Provinzialhilfskassen ein In- stitut, das vielverheissend ist; man braucht sie nur auszu- bauen nach Art der Landeskreditanstalten in den neuen — 74 — Provinzen. Zu diesem Zwecke würde ich diese Provinzial- hilfskassen mit 2 Abtlieilungen versehen, die eine für den hypothekarischen Kredit, die andere für den Personalkredit belbstverständhch kann ja, wenn der hypothekarische Kredit — was mit Recht allgemein verlangt wird — unkündbar und amortisirbar sein soll, nur ein massiger Theil des (rrundertragswerthes von demselben in Anspruch genommen werden, weil der Kreditgeber sich gefasst machen muss aut ungünstige Konjunkturen, auf weniger intelhgente Landwirthe u. s. w. Es bleibt somit unter günstigeren Konjunkturen, für intelligente Landwirthe noch eine Basis übrig, nicht für den hypothekarischen, wohl aber für den Personalkredit. Für diesen Fall wäre der betreffende -^reditsuchende zu verweisen von der Abtheilung für den Hypothekenkredit auf die Abtheilung für den Personal- A -d"^^®^® beiden Abtheilungen hätten aber nicht nur m der Provinzialhauptstadt zu bestehen, sondern es wären auch Filialen in den einzelnen Kreisen zu errichten und zwar ebenfalls in 2 Abtheilungen, und diese wiederum iiatten als ihre untersten Organe die Darlehnskassen, wo sie bestehen, zu benutzen. Diese Darlehenskassen könnten als Urgane erster Instanz, als die Agenten dieser Kreis- kassen m den Dörfern angesehen werden. Wo sie nicht vorhanden sind, wäre nach dem Beispiel von Hannover zu verfahren, wo von der Landeskreditkasse in den iJortern eigene Agenten aus der Zahl der Bauern ange- stellt w^erden. Dadurch ist die Landeskreditkasse in ±lannover m die Lage versetzt, genaue Kenntnisse über die Verhältnisse der ländlichen Bevölkerung zu er- halten und ihre Geschäfte durch die Agenten vermitteln zu können. . Weniger komplizirt würde sich dieser Plan in den kleineren Staaten gestalten. Hier thut eine Bifurkation der Urgamsation nicht noth; sie ist aber auch nicht möglich, weil der Grossgrundbesitz hier nur eine untergeordnete -ttolle spielt. In den kleineren Staaten wären eigene Kredit- institute zu schaffen, die, wenn sie nicht an Organe der standischen Selbstverwaltung anlehnen können, vom Staat üfc T ^^"^"^^eli^ng der Berufsgenossen der Kreditnehmer ins i.eben gerufen und organisirt werden sollten. Ich aenue in dieser Beziehung an den sehr gut durchdachten y(.^r:r^-.T r ^^^"^ aufgestellt, jedoch fürs Erste an der Majorität der zweiten Kammer gescheitert ist, aber, wie ch glaube, wieder auftauchen wird. Derselbe hat schon Äbt'^''^ ^'" ''°'?- "'?^* ^^^^^'^^* i«t' ^ie günstige Folge gehabt, dass er die rheinische Hypothekenbank veranW nat den badischen Landwirthen günstige Bedingungen zu T:rX^\^ -'^ ^^'""^^ Wissens von keiner anderen Hvpo- thekenbank im Deutschen Reiche den Grundbesitzern ge- stellt worden sind" (pag. 491, 492). — 75 Für den Grossgrundbesitz hat also Prof. v. Miaskowski wenig übrig, und was den bäuerlichen Grundbesitz betrifft so ist der Plan Schäffle's in seinem „ Agrarpolitischen l'hf TSi (3- „Zukunft" No. 49) allerdings \us dem Jahre 1893 und der österreichische „Gesetzentwurf, be- treffend die Berufsgenossenschaften der Landwirthe" zu dessen Analyse wir im nächsten Kapitel übergehen, 'viel tiefgreifender und praktischer. Prof V Miaskowski scheint übrigens selbst gefühlt zu haben dass sein Plan erst noch eingehender geprüft und vertieft werden müsste, denn er selbst war es, der nach zweitägiger Debatte den Antrag stellte, welcher auch zum Beschlüsse erhoben worden ist: ■R u'I^'T Kommission aus fünf Mitgliedern mit dem Kechte der Kooptation und der Vernehmung von Sach- verstandigen einzusetzen und dieselbe zu beauftragen- a) die von den Referenten über die Frage der Kredit- Orgamsation m den Sitzungen des Deutschen Landwirth- schaftsrathes vom 30. und 31. März vorgetragenen, sowie ni der Diskussion hervorgetretenen Ansichten eingehend zu prüfen und dem Landwirthschaftsrath in einer seiner nächsten Sitzungen bestimmt formulirte Vorschläo-e zu unterbreiten, sowie b) auf Grund der veranstalteten Enquete und weiterer Recherchen eine kritische Darstellung der für den länd- ,,T"^ ^""^ -'u "^^'^ einzelnen deutschen Staaten be- stehenden Einrichtungen zu veranstalten." (pag 149) In diese Kommission wurden folgende Herren se- Nobbe nIX r^ ri^/^'?'"'^^^-^^^^^^' Oekonomierath Nobbe-Niedertopfstedt, Landwirthschaftsinspektor Leemann- Heilbronn und Rittergutsbesitzer von Puttkammer-Plauth welcher jedoch die Wahl abgelehnt hat. Den VorS übernahm vorläufig Ritterschaftsdirektor v. Wedell-Malchow ^Zt ^A r^\ ?'^ ^"^'^^ ^^^f- ^'•' v«^ Miaskowski- hausen ^^^sbesitzer Freiherr von Getto - Reicherts- ande?n^'"w'V'^''''..?'°^- ""T ^^^^«kowski ist sammt allen andern auf diese Weise glücklich begraben worden, so Verl.nT A ^'f'^f """^ '''^''^ J^^^^^ behufs wei erer \eruendung dank dem gedruckten Berichte über die da- r^«Sf"\^''^'"i^^T.?T ^'' »deutschen Landwirthschafts- raths" ebenso glücklich ausgraben konnten. 76 — V. Während bisher in Bezug auf Oesterreich meist das boshafte Wort Napoleon's I. galt: „L'Autriche .... tou- jours trop tard d'une idee, d'une annee et d'une armee!" — kann dieses geflügelte Wort von Oesterreich in Hin- sicht auf eine genossenschaftliche Organisation des land- wirthschafthchen Grundbesitzes und eine Reorganisation des ländlichen Realkredites heute keine Anwendung mehr finden. Oesterreich hat nämlich „eine Idee" diesmal noch vor Deutschland gehabt, undzwar ein ganzes Jahr früher, wenn wir den günstigen Fall annehmen, dass Deutschland in diesem Jahre in derselben Richtung vorgehen wird. Was aber noch mehr bedeutet, hat Oesterreich dieser Idee be- reits eine That folgen lassen: in den den beiden Häusern des Reichsrates von der Regierung gemachten Vorlagen zweier organisch mit einander zusammenhängenden Gesetze namhch eines „Gesetzes, betreffend die Errich- tung von Berufsgenossenschaften der Landwirthe" und eines „Gesetzes, betreffend die Errichtung von Rentengütern." Wenn man sich diese beiden Gesetze und die den- selben beigegabenen erläuternden „Bemerkungen" näher ansieht, so wäre man eher geneigt, diesmal auszurufen: „L Autriche . . . trop tot d'une idee et d'une annee!" so sehr weitgehend in der Beschränkung des Eigenthums und m der Bevormundung sind diese Gesetze einerseits, und so sehr eingeschränkt und dem „bon plaisir" des Acker- bauministers andererseits ist ihr Wirkungskreis in Bezug auf die Errichtung der Rentengüter, in welchen der Schwer- punkt des Ganzen liegt, anheimgegeben. Dem Zuviel in der einen steht ein Zuwenig in der andern Hinsicht gegen- über. Daher macht das Ganze den Eindruck eines trotz grosser darauf verwandten Mühe und Sorgfalt nicht reiflich genug Ueberlegten. Es mag dies auch aus dem Umstände folgen, dass diese Gesetzentwürfe hauptsächlich den kleinen und mittleren Bauernbesitz im Auge haben, was wohl wiederum daraus herzuschreiben ist, dass das Material zu denselben hauptsächlich Professoren gehefert Haben, und zwar L. von Stein und SchäfFle, wie ein Ver- gleich dieser Gesetze mit den bezüglichen Schriften dieser Herren beweist. Die leitende, beiden Gesetzentwürfen zu Grunde liegende Idee wird in den „erläuternden Bemerkungen" in dem ersten Satze in folgenden Worten kurz aber scharf prazisirt : — 77 — „Die Organisation des Berufsstandes derLand- wirthe, welche heute bei dem fortschreitenden Einflüsse der überseeischenKonkurrenz, bei der drückenden und fortwährend in Zunahme begriffenen Hvpothekarbelastung der Grund- stücke und angesichts der an sie gestellten, beständig wachsenden Anforderungen auf ein Minimum des land- wirthschaftlichen Eeinertrages angewiesen sind, wird immer mehr und mehr als Bedürfniss empfunden." Sie ist auch kein Novum, sondern nur eine Vervoll- ständigung der schon zum Theil existirenden Rüstung, in welcher der landwirthschaftliche Grundbesitz zum Kampfe ums Dasein befähigt sein soll. Im zweiten Absatz heisst es nämlich: „Die Entwicklung, welche in den verschiedenen Staaten im Laufe der Zeit das landwirthschaftliche Genossenschafts- wesen und sonstige landwirthschaftliche Interessen - Ver- tretung genommen hat (Beilage I), lässt deutlich das Be- streben erkennen, der landwirthschaftlichen Bevölkerung in dem Zusammenschhisse zur gemeinsamen Erstrebung: ihrer Aufgaben und Zwecke ein Mittel an die Hand zu geben, welches sie befähigen soll, in der grossen Welt- wirthschaft den Konkurrenzkampf aufzunehmen, welchem die einzelnen in ihrer Isolirung als Individuen minder gewachsen sind." Wenn man diese so „korrekten" Sätze „der erläutern- den Bemerkungen", welche in eine so weite soziale Per- spektive auszuschauen scheinen, -liest, bevor man die Ge- setze selbst studiert hat, dann hegt man in Betreff dieser Gesetze hohe Erwartungen, welche hinterher einer bitteren Enttäuschung Platz machen. Wenn man sie dagegen nach dem Studium der Gesetze liest, so ist man ganz ver- wundert, wieso so hochfliegende soziale Motive und leitende Gesichtspunkte in den Gesetzentwürfen zu solch be- schränkten praktischen Massnahmen zusammenschrumpfen konnten. Daran ändert die wiederholte Versicherung nichts, dass „die Regierung .... dieser Frage der Organisation und Stärkung der landwirthschaftlichen Interessenvertretung das Augenmerk zugewendet und Studien darüber gepflogen, wie eine Reform des in Oesterreich noch wenig entwickelten landwirthschaftlichen Genossenschaftswesens anzubahnen wäre." Und auch noch weiter die Versicherung, dass beide Gesetzentwürfe „das Resultat der Studien, Er- hebungen und längeren Verhandlungen zwischen den be- theiligten Centralstellen" seien. Wir zweifeln keinen Augenblick an diesen „Studien"; die Gesetzentwürfe tragen unverkennbar den Stempel einer nicht leichtfertigen, sondern im Gegentheil einer so sehr hin und her überlegten und studirten Arbeit, dass gerade die Aengstlichkeit, ja nicht zuviel zu wagen, nicht 78 — b« „skirter ganzer Ma.sregel derSohaden m fX Tes ZU einem halben Was-en oio ' • ^^ Hagen Probiren führen soll f' 7^^^"" ^" ^'""^"^ tlieilweisen entwarft hWlaltn""'"^' '"^^ österreichischen Gesetz- Diese Ge.3en\1lfSn f^h^Ällez^^ .^^l^^^^ t^Lt und Landesgenossenschaften der Landwirthe -- ""■^^"'^^^- Mona^cMe X^^tLf ^tlf ^ ^Tr ^^'^^ ^^^ ^-- Maschen rBezirwIn'!! ?1 \ '^^^''^^^ ^^^ kleineren vereinigt LaÄe o.l '"'^^f ^^' '^ grösseren Maschen Schäften de?Landwäh; fn dl v 'l "^'"'^^ Berufsgenossen- und materieUen Verhelf, ^^^, ^«^'besserung der sittlichen des GemeinListef ' ^.^''^'''^''^^'^ durch Pflege Unterst^tzuC Frh' ,f "^"^^'^^VtS^ Belehrung uml bewusstseins unter ip^ undHebung desStandes- rung der w7rthschafthVl. \^?^^''"^V°^'^^ ^^^^^^ ^örde- TJp,- 7ki ^"-..'^^^^^ Interessen derselben." Oeist^^diett G^fetz^r^höc^hT^T^^T' ^^^^^^^^ '"^ ^- einem geradezu «4"],,^?^'^"'^^*^"^^*^^"^^ ^^^^ ^^^ Horizonte, nach wekhel ^h' ^''- J^"^' ^"^*"^^^ ^"^^ ^^^ — 79 — wählen diesen letzteren Ausdruck mit dem Bewusstsein, dadurch ein weiteres specifisches Merkmal dieses Gesetzes zu kennzeichnen: den Geist der Bevormundung nämlich, wie er nichtstärkerundabsoluterindemBuckle'schen „bevormundenden Geiste des despotisme eclaire" im vorigen Jahrhunderte sich hervorthat. Da das Gesetz in Oester- reich konzipirt worden ist, so mag es in dieser Hinsicht auf die Josephinische Tradition zurückzuführen sein. Die Berufsgenossenschaften der Landwirthe bekommen durch diese Einfügung moralisirender, pädagogischer Ele- mente und zwar an der Spitze der ihnen vorgesteckten Ziele in das Gesetz, sozusagen den Zuschnitt eher einer religiösen Gemeinde ^) oder Erziehungsanstalt, als einer sozialökonomischen Berufsgenossenschaft. Es ist ein gutes Stück Freimaurerthum darin eingeflochten. Man fragt sich unwillkürlich, wer sind denn die Landwirthe, welche das Gesetz im Auge hat? Doch wohl nicht erwachsene, ge- bildete Leute, und wenn es erwachsene Menschen sind, dann können es doch wohl nur Bauern sein, welchen „Pflege des Gemeingeistes, Belehrung, Hebung des Standes- bewusstseins . . . unter den Genossen" beigebracht werden sollen. Mit nichten! § 3 besagt einfach: „Mitglieder der Bezirksgenossenschaft der Landwirthe sind die Eigenthümer der in dem Gerichtsbezirke gelegenen, dem Betriebe der Land- oder Eorstwirthschaft oder eines Zweiges derselben gewidmeten Liegenschaften." Also alle Grundbesitzer, so- wohl die grossen, als die mittleren und die kleinen — vom Bauern herauf bis zum Magnaten! Wenn etwa der Herr Ackerbauminister oder eine andere Bezirks- oder Landesbehörde derartige „grossen Tische" aus dem ,, Netze" nicht herauslässt (§ 4). Es sind also Zwangsgenossenschaften, zu denen der Zutritt für jeden „Eigenthümer einer landwirthschaftlichen Liegenschaft" obligatorisch ist. Die „erläuternden Be- merkungen" äussern sich über diesen Punkt folgender- massen: „Es wurde dabei die Form der Zwangsgenossenschaft, welche ja auch in ähnlicher Weise für das Gewerbe be- steht, gewählt, um ein ganzes System von Genossenschaften zu schaffen, welche sowohl unter einander, als auch mit einer höheren Organisationsform in Beziehung treten, wo- durch gerade, wie die Erfahrungen in anderen Staaten bei den freiwilligen Verbänden zeigen, die Leistungsfähigkeit der einzelnen Genossenschaft erhöht, ja vielfach erst die Lebensfähigkeit derselben bedingt wird. Uebrigens ist der Gedanke der Zwangsgenossenschaft auch schon in manchen ^) Das Wort „Genossenschaftssprengel", dem wir gleich im § 1 begegnen, scheint schon darauf hinzuweisen. / — 80 — Kreisen der heute auf dem Principe der freiwilligen Be- gründung fussenden Bezirksgenossenschaften der Land- wirthe, sowie in sonstigen Kreisen der landwirthschaftlichen Bevölkerung spontan zum Ausdrucke gekommen. §§ 4—15 übergehen wir, da dieselben nur den formalen Ausbau der Genossenschaft betreffen. Dagegen ist der Leser auf § 16 gespannt, welcher die in § 2 angedeuteten Zwecke des Gesetzes m greifbarere, konkretere Formen fasst. ii,r lautet m extenso: „Der Wirkungskreis der Bezirks- und Landesgenossen- schaften der Landwirthe ist durch den im § 2 festgesetzten Zweck derselben bestimmt. Insbesondere fallen diesen Genossenschaften ausser den denselben nach dem Gesetze betreffend die Einrichtung von üentengütern zugewiesenen Aufgaben folgende zu: a) Die Errichtung von genossenschaftlichen Lager- hausern, Magazinen u. dgl. für landwirthschaftliche Pro- dukte der Genossenschafter; b) der Verkauf der landwirthschaftlichen Produkte welche von den Genossenschaftern an die Genossenschaft abgelielert worden sind, über Auftrag und für Rechnung der Genossenschafter, insbesondere auch zur Versoreun^ des Heeresbedarfes; ^ c) der Ankauf von landwirthschaftlichen Artikeln welche die Genossenschafter zu ihrem Betriebe benöthigen' über Antrag und für Rechnung derselben; ' d) die Gründung neuer und die Förderung oder Ver- einigung bestehender Darlehnskassen, insbesondere solcher nach dem System Raiffeisen^ behufs Pflege des landwirth- schaftlichen Personalkredites und des Kredites auf Grund der erfolgten AbHeferung landwirthschaftlicher Produkte an die Lagerhäuser, Magazine u. s. w. der unter a) bezeich- 11P.tp.T1 Av+> ' neten Art; e) die Vermittlung langfristiger, dem Amortisations- zwange unterworfener Hypothekardarlehen von Seiten der betreffenden Landeshypothekenbanken oder, wo keine solchen bestehen, von Seiten sonstiger Kreditinstitute an die Genossenschafter; f) die Vermittlung der Kranken-, Invaliden- und Altersversorgung der landwirthschaftlichen Dienstboten und Arbeiter ; g) die Errichtung von Kranken- und Verpflegungs- hausern und die Vermittlung genossenschaftlicher Natural- verpfiegung ; ^) ^}^ Arbeits-Nachweisung und -Vermittlung; ^)„<^ie Fürsorge für die Durchführung der Samen- kontrolle und der Verkehr der Genossenschafter mit land- wirthschaftbchen Versuchstationen ; k) die Vermittlung und Agentur behufs Abschliesung von J^ euer-, Hagel- oder Viehversicherungsverträgen für die — 81 — Genossenschafter und Erzielung günstiger Bedingungen, eventviell Wahl von Genossenschaftern in die Schätzungs- kommission der Versicherungsgesellschaften; 1) die Gründung und Törderung von Viehzucht- genossenschaften ; m) die Besorgung der Genossenschaftsstatistik; n) die Vermittlung des Rechtsbeistandes für die Ge- nossenschafter". Also finden wir mit der Errichtung von Rentengütern, welche als Schwerpunkt der Ziele in einem besonderen „Gesetze betreffend die Errichtung von Rentengütern" be- handelt wird und hier ausgeschlossen ist: lauter sozial-, ökonomische und agronomische Zwecke, und zwar in schönster Unordnung durcheinander gemengt beisammen. Man fragt sich nach Durchlesung dieser langen Liste, wo sind denn jene moralisirenden und pädagogischen Ziele geblieben? Es müssten doch, wenn dieselben oben nicht auf blosse Phrasen hinauslaufen, ausser Lagerhäusern und Magazinen, Bet- und Schulhäuser oder wenigstens Erei- häuser mit regelmässigen Vorträgen und Konferenzen über „Standesbewusstsein, Gemeingeist", Belehrung schlechtweg für die zu erziehenden „Genossen" auch in diesem Para- graphen vorgesehen sein. Im Zweifel, wie dieser Wiederspruch oder wenigstens diese Lücke im § 16 dem § 2 gegenüber zu erklären ist, greift man nach den „erläuternden Bemerkungen", wo man aber keinen Aufschluss darüber findet. Auch hier schrumpfen auf einmal die ethischen Ziele zu blossen „wirthschaftlichen Aufgaben" zusammen! Bei reiflicher Ueberlegung „ein Jahr später" hätte man wohl auch in § 2 diese ein falsches Licht über das ganze Gesetz wer- fenden Schulmeisterphrasen ausgelassen. Es wäre vielleicht dadurch nichts an der Natur des Gesetzes geändert, denn dasselbe bliebe trotzdem stark bevormundend und so- zialistisch gefärbt, wie wir es noch in den späteren Para- graphen in dieser Hinsicht besser kennen lernen werden, aber jene beiden für die Litelligenz unter den Landwirthen wohl kaum sehr mundgerechten Elemente würden mehr zurückgetreten und in einem diskreten Schatten zum äussern Vortheil des Gesetzes geblieben sein. Die „erläuternden Bemerkungen" sprechen hier, ohne gerade diesen Sinn hineinzulegen, das Wort aus: „Die Berufsgenossenschaften sollen nicht Erwerbs- und Wirth- schaftsgenossenschaften . . . sondern Genossenschaften be- sonderer Art sein". Aus dieser nicht näher gekennzeich- neten „besonderen Art" könnte man entnehmen, dass sie im obigen Sinne Zwittergebilde zwischen Kirchengemeinden oder Freimaurerlogen, und Innungen oder Kommissions- geschäften sein sollen. Diese unklare Bezeichnung bezieht sich jedoch speziell in diesem Falle darauf, dass die Berufs- — 82 — genossenschaften keine Erwerbs- und Wirthschaftsgenossen- schaffcen mit solidarischer Haftung sind. Sie sollen vielmehr nach § 17 sich solcher Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, insbesondere derer nach dem System Raifieisen, bedienen, ihre Gründung anregen und fördern, mit bereits bestehenden in Verbindung treten, und zwar „behufs Erfüllung ihrer wirthschaftlichen Auf- gaben", wie sie im § 16 dargestellt worden sind. Sie haben daher nach § 18 ein von den gesetzHchen Be- stimmungen, denen die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossen- schaften unterstehen, abweichendes, eigenes Recht und zwar folgendes: „Für die VerbindHchkeiten der Berufs- genossenschaften haftet nur die Genossenschaft, als ju- ristische Person". Zu den §§ 19—27 wird in den „erläuternden" Be- merkungen gesagt: „Die pekuniären Mittel ... zur Erfüllung ihrer Aufgaben sollen die Berufsgenossenschaften durch Umlagen aufbringen, welche als Zuschläge zur staathchen Grundsteuer einzuheben sind und unter Umständen auch von den politischen Behörden zwangsweise eingehoben werden können". Also Zwangsgenossenschaften mit Zwangsbeiträgen, welche allerdings nach oben hin limitirt sind. „Diese Beiträge dürfen bei der Bezirksgenossenschaft 47o und bei der Landesgenossenschaft 1 Vo der von den Ge- nossenschaftern im Sprengel zu zahlenden staatlichen Grundsteuer nicht überschreiten" (§ 20). Bei so weit gehenden Kompetenzen der Berufsgenossen- schaften den „Eingesprengelten (§ 1)" gegenüber ist es wohl als folgerichtig anzuerkennen, dass der „Vertretung der Regierung", dem „Einflüsse der Landesgesetzgebung", den „Verbänden und Revisionsorganen", welche in den §§ 28 — 35 zur Darstellung kommen, auch recht weit gehende Kompetenzen vorbehalten sind. So ist der Ackerbauminister berechtigt, zwei Mitglieder in den Ausschuss der Genossenschaft (§ 10.) zu senden, welche auch zu Obmännern (§ 18) gewählt werden können und in den Versammlungen stimmberechtigt sind. „Ebenso kann über Ermächtigung des Ackerbauministeriums die politische Landesbehörde je ein Mitglied in den Ausschuss der in dem betreffenden Lande gelegenen Bezirksgenossen- schaften mit dem erwähnten Stimmrechte entsenden." (§ 28). Diese Befugnisse des Ackerbauministeriums sind nur eine Ergänzung der ihm schon im § 13 emgeräumten Rechte, „die näheren Bestimmungen über das Wahlrecht und das Wahl verfahren ... im Verordnungswege festzu- setzen." Hier erscheint die diskretionäre Macht des Ackerbauministeriums in ihrem ganzen Umfange. Es können von ihm demnach Wahlen „gemacht" werden, was bei Zwangsgenossenschaften mit Zwangsbeiträgen doch immer- hin bedenklich sein dürfte. Besser wäre jedenfalls die - 83 — «trikt gesetzliche Regelung des Wahlsystems, oder wenn •das nicht bis ins Detail anginge, zumal bei der Ver- schiedenheit der Grundbesitzverhältnisse, je nach Provinzen und Königreichen in einem Lande wie Oesterreich, — wenn den betreiFenden Landesausschüssen in dieser Hin- sicht mehr Kompetenzen eingeräumt wären. Diejenigen Befugnisse nämlich, welche den Landesausschüssen nach •§§ 29 und 30 zustehen, ein bis zwei Mitglieder in die be- treffenden Ausschüsse der Berufsgenossenschaften zu ent- senden, und über Statutenänderungen endgiltrg zu ent- scheiden, sind doch das Minimum, was den Landesaus- «chüssen eingeräumt werden musste, wenn ihnen zugleich eventuell (nach § 79 des Rentengesetzes) die Haftung für die von den Genossenschaften emittirten Rentenbriefe an- statt des Staates auferlegt werden sollte. Auch § 35 bringt keine genügende Klarheit über das Verhältniss zwischen den Kompetenzen des Ackerbau- ministeriums und der Landesbehörden. Er besagt nämlich: „Dem Ackerbauministerium steht die Oberaufsicht über die Berufsgenossenschaften der Landwirthe zu. Die Auf- sicht wird entweder unmittelbar oder durch die politische Landesbehörde ausgeübt, und ist in derselben Weise auch ■die Revision der Landesgenossenschaften durchzuführen." Also auch hier diskretionäre Entscheidung des Ministers darüber, ob er jene Oberaufsicht und Aufsicht und Revi- sion selbst ausüben oder „en bon prince" mitunter dieses Recht durch die Landesbehörde ausüben lassen will. Wir gehen nunmehr zu einer kurz gedrängten, kriti- schen Darstellung des zweiten „Gesetzes, betreffend die Errichtung der Rentengüter" über. Ueber das Verhältniss dieses Gesetzes zu dem oben besprochenen äussern sich die „erläuternden Bemerkungen" wie folgt: „Mit dem eben besprochenem Gesetzentwurfe steht jener über die Einrichtung von Rentengütern in engem Zusammenhange und bildet eigentlich eine Ergänzung ' des im § 16 'des ersteren Entwurfes beschriebenen Wirkungs- kreise der Berufsgenossenschaften. Er behandelt die in wirthschaftlicher und sozialer Hinsicht bedeutendste Auf- gabe der zu schaffenden Körperschaften, indem er die allmähliche Ablösung der drückenden Hypothekar- lasten von den landwirthschaftlichen Liegenschaften und zugleich die Schaffung unbelastbarer Rentengüter in Aussicht nimmt." Es wirkt zunächst diese Bezeichnung „allmähliche Ablösung der drückenden Hypothekarlasten" als in „wirth- schaftlicher und sozialer Hinsicht bedeutendster Aufgabe" der landwirthschaftlichen Berufsgenossenschaften, — wie ein erfrischender Luftzug inmitten der Schwüle, welche in dem ganzen ersten Gesetz infolge der nebeligen ethischen Ziele herrschte. Es ist nicht allein die bedeutendste, son- 6* 84 — tZT::i^lt,:n Wirkungskreise der Beru^enossen- ^Piasste zu bezeichnen. Sie lautet wörtlich. gelasste zu ^.^ verschiedenen Verschuldungs- formSn des landwirthschaftlichen Grundbesitzes und die grossen Sumi'en der Belastung zu -sehen welche heute !S den landwirthschaftlichen Reahtaten hegt Es ist daraus zu ersehen, wie viele Güter zur executiven Feil- Sung gelangt sind, und welche grossen Verluste auch Älpoieka^rgläubiger bei derselben -Mten haben. Unter solchen Umständen muss es ^^^ ^utg^^^^^ der landwirthschaftlichen Verwaltung des Staates sein die Ablösung dieser an dem Volkswohlstande zehr'enden und di?Thatkraft des bedrückten Land- wirhes lähmenden Hypothekarlasten -^ /-S; £ fassen Es sind daher in dem Gesetzentwurfe über die Errichtung von Rentengütern die Grundsätze niedergelegt wordernach welchen diese Ablösung ohne Schädigung der wohlerworbenen Gläubigerrechte durchzufuhren wäre . Wlbrlich goldene Worte, welche mutatis --tandis m coldenen Buchitaben in allen Parlamenten und m allen Regierungsgebäuden des europäischen Kontinents pro Memoria ^an^ allen Ecken und Enden ein gravirt sein soUt^i. Den deutschen Professoren und Gelehrten, wie Schalhe und Buchenberger, von denen wie ^^.^J" J^^P .J'/^^^^^d gesehen - der erstere die Schutzbedurftigkeit des Grund besitzes und der Landwirthschaft nur bei den Bauern und Sternrnicht aber bei den Grossgrundbesitzern anerkennen w?ll der zweite allen Enqueten und statistischen Ausweisex, Zer die Verschuldung des ^-ndbesitzes m deutsch and gegenüber „akademisch kalt und ruhig" bleibt, - emplehlen %^ diese "Worte der „erläuternden Bemerkungen., zur österreichischen Regierungsvorlage ganz >^esonders. JUie selben dürften in Prof. Schäffle, als gewesenem osterrei^ chischem Staatsminister, Reminiszenzen ^/^^^f ^^^^' ^.^^'^ 'hm als solchen nie aus dem Gedächtniss hätten schwinden soHen Diese erste aufrichtige Genugthuung über die darin zu Tage tretende Einsicht in die Grösse der gegenwartigen Wwi^rthschafthchen Noth, sowie in die Pflichten des Staa es- und der Gesetzgebung der verzweitelten Lage des land^ wirthschaftlichen Grundbesitzes gegemiber, macht jedoch bereits in den sich unmittelbar anschhessenden Sätzen, die obendrein noch unter einander nicht gerade logisch ver- knüpft sind, einer vollständigen Enttäuschung Platz. Der Leser ürtheile selbst: „Vorschläge und Erleichterungs- versuche sind in dieser Hinsicht (nämhch m Hinsicht der — 85 — allmählichen Ablösung des Grundbesitzes von der er- drückenden Schuldenlast) schon wiederholt gemacht worden". Man sollte nun meinen, dass es jetzt endlich anders kommt, dass nicht bloss Vorschläge und Versuche, sondern „ganze Arbeit" verrichtet werden soll. Ja, wer das glaubt, der kennt büreaukratische Routine nicht, welche das würdige Pendant zu professoraler, „unparteii- scher, objektiver, vorurttieilsloser", aber dann auch, stets nur „halber" Wissenschaft und auf Grund dessen „halber" Praxis bildet und daher ihrerseits auch am liebsten nur „halbe" Massregeln zu treifen für gut findet. Im Gegensatze zu den „schon öfters gemachten Vor- schlägen und Erleichterungsversuchen" schwingt sich daher auch diese wichtigste österreichische Regierungsvorlage nicht zu einem Gesetz entwürfe auf, der eine radikale Kur des Uebels in Aussicht stellte, sondern sie lenkt trotz des Gegensatzes, der in dem Worte , jedoch" logisch liegen müsste, ganz ruhig in die bereits breitgetretenen Pfade wieder ein. Es heisst nämlich: „Es scheint jedoch (?!) unthunlich, eine derartige Ablösung der Hypothekenlasten durch eine um- fassende und alle betheiligten Kreise sofort berührende Aktion zu bewjerkstelligen, ohne die Gefahr einer allgemeinen Erschütterung und Um- wälzung der Bodenwerths- und Hypothekarkredit- verhältnisse heraufzubeschwören". In diesem Satze ist der springende Gesichtspunkt ent- halten, welcher dem ganzen, die Rentengüter betreifenden Gesetze die eigentliche, entscheidende Signatur verleiht. Es wird damit sowohl örtlich als zeitlich nur eine sehr „eingeschränkte Aktion", und zwar nicht wirklich sofort „eingeleitet", sondern bloss „in Aussicht genommen". Diese Aktion lässt sich bildlich unter Hinzuziehung des Ver- gleiches, welchen wir im ersten Gesetzentwurf zwischen der dort- angegebenen Organisation der Berufsgenossen- schaften und einem über die ganze Monarchie ausgelegten Netze gemacht haben, dahin erläutern, dass mit diesem Netze Fische gefangen werden sollen, nämlich „Liegen- schaften", die in Rentengüter umgewandelt werden, aber nur in soweit, als sie selbst in die Maschen jenes Netzes ge- rathen: wobei der Herr Ackerbauminister darüber zu ent- scheiden hat, welche und wie viel „Fische" er fangen will. In der That scheint uns diese „weise Einschränkung" der grossen Staatsaktion, die in den einleitenden Sätzen mit solcher Zuversicht angesagt wurde, zu schlau sein zu wollen. Es sind dies wohl Metternich'sche Reminiscenzen und Anklänge! Doch greifen wir nicht vor. Theil I §§ 1—21 handelt über den „Begriff des Rentengutes" und die „Formen der Begründung von Rentengütern". Als Begriff des Rentengutes wird hingestellt: „Unter Rentengut im Sinne dieses Gesetzes ist eine Liegenschaft zu verstehen, für welche der Kaufschilliug in Form einer festen, nach den Bestimmungen dieses Gesetzes ablösbaren Geldrente gezahlt wird, und deren Eigenthümer den durch dieses Gesetz festgesetzten Beschränkungen seines Eigenthumrechtes unterworfen ist" (§ 1), Auffallend ist zunächst der Umstand, dass bei der Rente nur an den Kaufscldlling gedacht wird, und dass „die Beschränkung des Eigenthumsrechtes" dabei so sehr, so einzig hervorgekehrt wird. Die Beschränkung der Rentengutsbildung nur auf die Fälle, wo Liegenschaften gekauft und verkauft werden, welche im Ausdruck „Kaufschilling" angedeutet ist, findet ihre nähere Ausführung in dem folgenden Paragraphen, welcher über die einzig zulässige Errichtung von Renten- gütern durch Landesgenossenschaften und nur an den durch die Organisation der Berufsgenossenschaften „ein- gesprengelten" Liegenschaften handelt. Diese Errichtung kann laut § 2 entweder zwangsweise oder freiwillig er- folgen. Zwangsweise laut §§ 2—16 bei Gelegenheit „einer exekutiven Feilbietung", an welcher die Berufsgenossen- schaft sich „zu betheihgen verpflichtet ist". Allerdings innerhalb einer gewissen Grenze, welche in betreff des Preises, den sie zu bieten hat, in einem Multiplum, nämlich mindestens dem zwanzig- bis höchstens dem fünfundzwanzig- fachen Katastralrein ertrage (§ 6), und in betreff der Be- schaffenheit der Liegenschaft darin besteht, dass die Berufsgenossenschaft zu kleine und devastirte (§ 13) Liegen- schaften selbst bei „exekutiver Feilbietung" nicht zu kaufen braucht. Dieser Verpflichtung stehen besondere Rechte und Privilegien gegenüber. So hat das Gericht „vor Bewilli- gung der exekutiven Feilbietung festzustellen, ob die be- treffende Liegenschaft in eine Berufsgenossenschaft der Landwirthe einbezogen ist (§ 3) und sofort die Bezirks- genossenschaft sowohl als die Landesgenossenschaft, in- deren „Sprengel" sie liegt, zu verständigen, damit dieselbe „alle ihr einem Tabulargläubiger gleich zustehenden Rechte" geltend machen könne. Auch steht ihr gleichsam das Vorkaufsrecht bei der in „exekutiver Feilbietung" erfolgten Licitation zu. Innerhalb einer gewissen Frist muss die Genossenschaft dem Gerichte gegenüber die Erklärung ab- geben, ob sie sich an der „Feilbietung" betheiligen will oder nicht (§ 4). Erst wenn die Entscheidung innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht erfolgt ist, „hat das Gericht mit der Durchführung der Feilbietung nicht länger zu warten." Dabei ist zu bemerken, dass bei sonst normaler Beschaffenheit der Liegenschaft eine Ablehnung, an der exekutiven Feilbietung theilzunehmen , von Seiten der — 87 — Benifsgeiiossenschaften nur unter Zustimmung des Acker- bauministers erfolgen darf (§ 13). Also nur in „trübem Wasser", als welches jene „exe- kutive Teilbietung" gelten muss, soll der Fischfang jeden- falls vollzogen werden. Dann kann er aber auch ganz ruhig riskirt werden, zumal da er aufgrund einer für das Gesetz recht charakteristischen Klausel laut § 14 auf alle Fälle günstig ausfallen muss. Dieser § 14 lautet, wie folgt: „Wenn die Landesgenossenschaft erklärt, sich an der exekutiven Feilbietung zu betheiligen, so hat das Gericht in die Feilbietungsbedingungen die Bestimmung aufzu- nehmen ; 1. Dass die Landesgenossenschaft von dem Erlange eines Vadiums befreit ist; 2. dass der Ersteher verpflichtet ist, das Meist- gebot zur Hälfte innerhalb 14 Tagen nach Rechts- kraft des Zuschlages, zur andern Hälfte binnen weiteren 30 Tagen bei Gericht zu erlegen . . . ." Einige geringe und nur in ausnahmsweise vorkommenden Fällen eintretenden Befreiungen von diesem „Baarerlage" ändern nur wenig an der Thatsache, dass hiermit den Landcsgenossenschaften allen Privatpersonen gegenüber ein Priveleg eingeräumt ist, welches den ausgesprochenen Zweck im Auge hat, unter Ausschluss anderer Bieter, „Liegenschaften" möglichst billig an die Berufsgenossen- schaften der Landwirthe zu bringen, um dieselben in Rentengüter zu verwandeln. Es liegt darin unver- kennbar ein sozialistischer Zug, indem hiermit eine Beeinträchtigung der Rechte, sowohl der Privatgläubiger als auch der Privatschuldner eintritt. Beide stehen nämlich m diesem Falle einer mit besonderen Vorrechten aus- gerüsteten Genossenschaft gegenüber, welche das erschwerte Meistgebot aller Andern durch ihr so sehr erleichtertes Gebot zu drücken in der Lage ist. Seine Berechtigung kann dieses Verfahren nur aus Rücksichten auf das Gemeinwohl und zwar auch nur in- direkt ableiten. Es liegt diesem Priveleg die Idee zu Grunde, den Grundbesitz dem freien Handelsverkehr mit dem damit verbundenen, oft recht für das Gemeinwohl unvortheilhaften Besitzwechel — dem Güterschacher — zu entrücken. Insofern kann diese gesetzgeberische Mass- regel als praktisch aber zugleich im Verhältnisse zu den winzigen Resultaten, die im Zusammenhange mit den übrigen eingeschränkten Bestimmungen dieses Gesetzes er- reicht werden können, als recht weit, um nicht zu sagen zu weitgehend bezeichnet werden. Es wird damit erst recht das oben herangezogene Bild von einem theilweisen Fischfange dahin ergänzt, dass derselbe vornehmlich nur in trübem Wasser geschehen soll. In den §§ 16—22 wird jedoch auch der „Netzfischfang" im „klaren" Wasser vorgesehen, nämlich durch „freiwillige Begründung" eines Rentengutes. Dieselbe erfolgt „über Ansuchen des Eigenthümers der Liegenschaft", welches an die Bezirksgenossenschaft zu überreichen ist. (§ 16). Die letztere hat nach „Festellung, ob die Liegenschaft im genossenschaftlichen Verbände steht" die in den §§6 9 vorgeschriebene „ Werther mittelung" und den Hypötheken- stand festzustellen und darüber der Landesgenossenschaft zu berichten. (§ 17), Die letztere kann jedoch nach Prüfung der Akten die Umwandlung der Liegenschaft in ein Rentengut ablehnen, wenn die fragliche Liegenschaft zu klein oder devastirt ist (§ 13), ferner, wenn auf der Liegenschaft ein Wieder- kaufs-, Vorkaufs- oder ßestandrecht eingetragen ist (§ 18). Und nun kommt eine Klausel, welche in die diskretionäre Gewalt des Ackerbauministers die Entscheidung darüber legt, ob, wenn auch alle sonstigen Bedingungen für die Umwandlungen einer Liegenschaft in ein Rentengut zu- treffen, diese in „wirthschaitlicher und sozialer Hinsicht bedeutenste Aufgabe" der Berufsgenossenschaften, nämlich die Errichtung von Rentengütern, in dem gegebenen Falle überhaupt Platz greifen soll!! Es heisst nämlich: „Die Landesgenossen Schaft ist berechtigt, auch aus andern Gründen die Umwandlung abzulehnen. Zur Be- kanntgabe der Ablehnungsgründe ist die Landesgenossen- schaft nicht verpflichtet." Es wird nur noch hinzugefügt, dass „Ablehnung nur mit Zustimmung des Ackerbau- ministers" zulässig sei. Also auch diese diskretionäre Ent- scheidung bleibt der centralen Exekutive vorbehalten. Durch diese eigenthümliche, mysteriöse Bestimmung des Gesetzes vor den Kopf gestossen, greift der Leser mit einer gewissen Herzensbeklemmung zu dfen „erläuternden Bemerkungen" und findet dort in der That eine Auf- klärung des Mysteriums in dem Absätze, welcher unmittel- bar der Erläuterung der ,, zwangsweisen Begründung von Rentengütern" sich anschliesst. Nach dem „kühnen Wurfe" der zwangsweisen Konver- tirung der Liegenschaften in Rentengüter mit den dazu gehörigen, sozialistisch gefärbten Privilegien fühlt sich der Gesetzgeber gleichsam auf eine abschüssige Bahn gerathen; er fürchtet offenbar, dass den von diesen ausser- ordentlichen gesetzgeberischen Massnahmen Betroffenen angst und bange werden könnte, wenn nun noch dazu „freiwillige Umwandlungen" hinzuträten. Er beruhigt da- her die Geängstigten mit folgenden Worten der „erläutern- den" Bemerkungen : „Daneben ist allerdings noch im Gesetze die freiwillige Begründung von Rentengütern vorgesehen, welche Bestimmung jedoch auch nicht die Gefahr einer — 89 — all zu weite Kreise gleichzeitig treffenden Massregel in sich birgt, nachdem der Landesgenossenschaft wie dem Ackerbauminister ein Ablehnungsrecht zusteht, und die den Eentengutsbesitzern auferlegten Beschränkungen nur eine allmähliche Entwicklung der Rentengüter erwarten lässt." In der That echt „staatsmännisch", diese gesetzgebe- rischen und Regierungsmassregeln, welche sich gegenseitig hemmen, eventuell auch ganz aufheben. — Dieses Wollen aber auch nicht Wollen — dieses pathetische Ausposaunen am Eingange, was man alles im Auge hat, wie man ent- schlossen ist, soweit wie nur möglich voranzugehen und — hinterher dieses Einlenken; dieses Vorsorgetreffen, dass nur sehr allmählich, ohne die süsse Ruhe der Routine zu sehr zu stören, die Dinge sicli von selbst entwickeln ; dieser Ackerbauminister endlich, der hinter den Covdissen bleibt, indem er „ablehnen" oder „bewilligen" kann, wann und wo immer er will, ohne Gründe angeben zu brauchen — alles dieses sind echt österreichische, nachMetternich'schem Muster ausgearbeitete, diplomatische Kreationen, diet den grossen Vorzug haben, etwas Humor in diese sonst lang- weilige Lektüre des Gesetzes hineinzubringen. Ganz richtig wird auch in den „erläuternden Bemer- kungen" von dem Gesetzgeber die Erwartung ausgesprochen, dass die Umwandlungen in Rentengüter, jene „bedeutendste Aufgabe" der Berufsgenossenschaften, nur sehr allmählig stattfinden werde wegen der „den Rentengutsbesitzern auf- erlegten Beschränkungen". In der That überkommt den Leser bei Betrachtung der übrigen Paragraphen, welche den Eall behandeln, wenn „die Umwandlung nicht abgelehnt wird" (§§ 20, 21) und auch des ganzen IL Theiles, welcher das Rentengutsver- fahren behandelt, — unwillkürlich das Gefühl, dass der Gesetzgeber diese „freiwillige Errichtung" von Rentengütern so sehr, verleiden wollte, dass, sich jeder dagegen mit Händen und Füssen wehren würde, und nur derjenige, der bereits das Messer an der Kehle fühlte, nach der „frei- willigen Umwandlung" seiner Liegenschaft in ein Renten- gut, als nach dem letzten, freilich auch keine Sicherheit bietenden Rettungsanker griffe. Diese „freiwilhge Umwandlung" vollzieht sich nämlich, je nachdem die vorangegangene Festsetzung des Werthes (§§ 6 — 9) ein Plus oder Minus dieses Werthes über oder unter dem Betrage der darauf lastenden Hypothekenschulden ergeben hat, entweder durch „Versteigerung" oder durch „Kaufvertrag". Der erste FaU gleicht in allen Punkten der „zwangs- weisen Errichtung" von Rentengütern. Der - zweite Fall ist der einzig „freiwillige" Verkauf eines Gutes aia die Genossenschaft, wobei die letztere jedoch die Werthtaxe — 90 — nach ihrem Gutdünken festsetzt, alle Schulden aus dem Kaufschilling bezahlt, und „den etwa erübrigenden Rest- betrag . . . dem Verkäufer baar auszahlt" (§ 21). Der Ge- setzgeber hat Recht, wenn er sich vor Massenumwandlungen von Liegenschaften in Rentengüter, selbst bei diesem „frei- willigen" Modus, ausser Gefahr fühlt. Es stehen wohl auch bei „zwangsweisen Umwandlun- gen" für die Genossenschaften bessere Geschäfte in Aus- sicht, als bei „freiwilligen Verkäufen". Bei der Noth jedoch, welche über den landwirthschaftlichen Grundbesitz hereingebrochen ist und sich aller Wahrscheinlichkeit nach noch steigern wird, ist es nicht ausgeschlossen, dass selbst trotz dieser Kautelen sich viele „freiwillig" zur Umwandlung melden werden, wie Mäuse, welche ein Haus verlassen, das dem Einstürze nahe ist. Einem solchen sauve-qui- peut der Landwirthe ist aber in dem „schlauen Ablehnen" des Ackerbauministers ein Riegel vorgeschoben! Das Rentengutsverfahren, (11, Theil II § 22), welches über jedes von der Landesgenossenschaft erworbene Gut sofort einzuleiten ist, umfasst folgende Vorkehrungen: a) „Die Feststellung des Rentenkapitals und der Gutsrente ; b) die Ermittelung des Rentengutsübernehmers ; c) den Abschluss des Rentengutsvertrages". Das Rentenkapital ist nach § 23 „gleich dem Nominal- betrage der von der Landesgenossen schaft auszugebenden Rentenbriefe, durch deren börsenmässigen Verkauf der von der Landesgenossenschaft für die Erwerbung der Liegen- schaft baar zu entrichtende Betrag beschafft wurde". Diesem Rentenkapital steht die Gutsrente gegenüber, welche folgen dermassen (§ 24) festgestellt wird: „Die jährliche Leistung, welche der Rentengutsbesitzer a) zur Verzinsung des Rentenkapitals, b) zur Tilgung desselben und c) zur Deckung der Verwaltungskosten an die Landes- genossenschaft zu entrichten hat, bildet die Gutsrente", wobei „die Verzinsung des Rentenkapitals ... zu dem- selben Zinsfusse zu geschehen hat, zu welchem die hin- sichtlich der Liegenschaft ausgegebenen Rentenbriefe verzinst werden. Die Tilgung des Rentenkapitals hat sofort zu beginnen, und ist die Tilgungsperiode in derselben Dauer festzustellen wie die Tilgungsperiode der Renten- briefe". Diese Feststellung des Rentenkapitals und der Guts- rente, welche allerdings auf dem Rodbertus'schen Renten- prinzip e fusst, indem der Ertragswerth — die Rente — in erster Linie massgebend ist, zugleich aber mit dem Ka- pitalisationsprinzipe verknüpft ist, indem der börsenmässige Kurs der Rentenbriefe auch massgebend für das Renten- kapital ist, — ist beim Uebergange aus dem Kapitaüsations- — 91 — prinzip zum Eentenprinzip unvermeidlich, wenn nicht ein Zwangskurs der Rentenbriefe eintreten soll. Bei diesem österreichischen Gesetz ist sie jedoch die Achillesferse des Rentengütersystems, indem für einen guten Kurs der Rentenbriefe zu wenig Vorsorge getroffen ist. Die vorgesehenen Kautelen, um der Gefahr einer „Massenumwandlung" vorzubeugen, und alle Privilegien, welche den Berufsgenossenschaften der Landwirthe ein- geräumt werden, reichen kaum aus, um den börsenmässigen Kurs der Rentenbriefe in einer Höhe zu erhalten, bei der die „freiwillige Umwandlung" wenigstens vor dem Verluste des „etwa übrigbleibenden Restbetrages" aus der Ver- steigerung des Gutes (§ 21) hinreichend geschützt wäre. Bei der „zwangsweisen Umwandlung" würden dagegen die Hypothekengläubiger jedenfalls grossen Verlusten ausge- setzt sein. Es dünkt uns, und wir kommen im letzten Kapitel, in welchem wir unsere Vorschläge zur Darstellung bringen, noch darauf zurück, dass noch andere Mittel angewandt werden können und angewandt werden müsser, um einen guten börsenmässigen Kurs den Rentenbriefen zu sichern, ohne auf die Zinsgarantie des Staates, wie sie hier in § 74 vorgesehen ist, zurückzugreifen. Ueber die „Ermittlung des Rentengutstibernehmers" handeln die folgenden §§ 25—29. Es werden hierbei, trotzdem in § 26 ausgesprochen war, dass ,,die Landes- genossenschaft . . . verpflichtet sei, die Liegenschaft dem früheren Eigenthümer über sein Verlangen als Renten- gut zu übergeben", hinterher doch den Genossenschaften in dieser Hinsicht derartig diskretionäre Rechte eingeräumt, dass schon dieser Paragraphen halber eine ,, frei willige Umwandlung" so gut wie ausgeschlossen ist. Wir lesen im Schlusssatze des § 26 wörtlich: „Von der Verpflichtung, den früheren Eigenthümer, beziehungsweise einen der früheren Miteigojfthümer zu wählen, ist die Landesgenossenschaft nur in dem Falle be- freit, wenn gegen die wirthschaf tliche Befähigung oder gegen die Vertrauenswürdigkeit des Bewerbers gegründete Bedenken bestehen". Auch die in § 27 vorgeschriebene Substitution des Ehegatten, der Descendenten und Ascendenten, der An- erben, sammt der in § 28 vorgesehenen Beschwerde an den Ackerbauminister innerhalb einer Erist von 14 Tagen, — legen nur schwache Schranken der diskretionären Gewalt der Berufsgenossenschaften ihren „Mündeln" gegenüber auf, denn nach § 27 hat „unter mehreren zur Uebernahme berechtigten Personen .... die Genossenschaft .... die Auswahl zu treffen", und sodann bestimmt § 29 Folgendes : „Erscheint die Uebertragung der Liegenschaft als Rentengut an eine nach den vorstehenden Bestimmungen 92 - anspruchsberechtigte Person ausgeschlossen, so hat die J^andesgenossenschaft jenen Bewerber als. Rentenguts- nbernehmer zu wählen, welchen sie hierzu mit Rücksicht auf seine wirthschaftliche Befähigung und Vertrauens- würdigkeit am besten geeignet errachtet." Man glaubt zu träumen, wenn man diese Bestimmungen hest, und fühlt sich bereits in das XX. Jahrhundert Bellamys versetzt. Em solcher theüweiser SoziaHsmus ist nur um so viel schlimmer, als er eine Klasse allein - ^ler die Landwirthe und Grundbesitzer — der Willkür ' der Beamten der Genossenschaft und in letzter Linie des fetaates (d^s Ackerbauministers) überantwortet. Folgerichtig mussten für die UnglücMichen noch Examina und Be" lahigungsnachweise eingeführt werden. In den , erläuternden Bemerkungen" wird diese rein soziahstische_ Bevormundung und Eigenthumsbeschränkung damit motivirt, dass im Gegensatze zum preussischen Rentengutergesetz, welches hauptsächlich den Zweck ver- tolgt, den Grundbesitzerwerb und die Ansiedelung zu be- günstigen und durch Abtrennung von Theilen grosser Grundbesitze landwirthschaftliche Stellen für iene Be- volkerungskreise zu schafifen, welchen die Abzahlung des iiautschiUings nur in Form einer Rente möghch ist — m dem österreichischen Gesetzentwurfe „hauptsächlich 'der Gedanke einer theilweisen Hypothekarentlastung seinen Ausdruck finden soll. Es war daher auch nöthig, anstatt des m den preussischen Gesetzen statuirten Begriffes der Rentengüter welcher - von einigen Bestimmungen ab- gesehen — keine wesentHchen Beschränkungen bezüglich nPnPn^P^'^^-Tf'^o' der Reatengutsbesitzer enthält, einen neuen Begriff des Rentengutes einzuführen " Im preussischen Gesetz wird das Geschäft zwischen zwei Privatpersonen gemacht unter Vermittlung des Maates durch die sogenannt« Generalkommission; hier wird dem l^rivatechuldner ein genossenschaftlicher Gläubiger ind^n rr'T'^t,^^'' f^^bstituirt. Es heisst darübe; aen „erläuternden Bemerkungen" weiter: „Die Ablösung der Hypothekenlasten durch die Landes- lr^h::::t"'\^^^^ '^-^ Abzahlung derselben durch den haben a,flt'';T''/\^^""^ '^^^^ ^^^^^ «°il den Zweck Besatzers dpr 1 'I früheren Gläubigers im Interresse des isesitzers der landwirthschaftlichen Liegenschaft einen rrtref' d"'^" ^I^^T^' ?^ LandfsgenoSenscZfC vIk f ^,^'®?^ "^'^ Aufwand an Arbeit und Kosten Ä aW X'^-^*^^""f thatigkeit der Landesgenossenschaft die d.^i J^ "^" nachhaltigen Erfolg versprechen, wenn die durch das geschilderte Verfahren bereinigten Renten itLrr.t'' ^- ^--^-Idbarkeit offen sfünden Es wurden daher im Gesetzentwurfe (88 33 bis 54) Be Stimmungen vorgesehen, welche darauf abzielen, dfe Ver-' — 93 — schuldbarkeit der Rentengüter, so lange sie den Renten- gutscharakter haben, auszuschliessen, sowie jede Veräusse- rung, Verpachtung und Zertheilung der Rentengüter oder die Begründung von Servituten und Reallasten auf den- selben von der Einwilligung der Landesgenossenschaft und Zustimmung des Ackerbauministeriums abhängig zu machen. (§§ 33 bis 36). Durch diese Beschränkungen des freien Eigenthumsrechtes soll der Landesgenossenschaft die Mög- lichkeit geboten sein, auf wesentliche Verfügungen über das Rentengut Einfluss zu nehmen, und sollen insbesondere die verschiedenen Formen der Verschuldung (Beilage V) von dem Rentengute ferngehalten werden. Aus demselben Grunde wurde dafür gesorgt (§§ 51 bis 53), dass beim Ableben des Rentengutsbesitzers das Rentengut unbelastet auf einen einzigen üebernehmer übergehe. Diese Beschränkungen der freien Verfügung des Rentengutsbesitzers über sein Eigonthum sind zur Sicherung der Landesgenossenschaft erforderlich, und sie sollen für den Rentengutsbesitzer, welcher auch die Hoff- nung auf einstige wirthschaftliche Selbstständigkeit des Gutes immer vor Augen hat, keine bedrückende Unfreiheit, sondern eine segensreiche genossenschaftliche Ueberwachung und eine wirthschaftliche Erziehung bedeuten. Im all- gemeinen ist diese Beschränkung des freien Ver- fügungsrechtes für einen Zeitraum von 50 bis 60 Jahren gedacht. Je nach dem Rentenbriefzinsfusse (3V2r 4 oder 4^/2 Prozent) wird die Tilgungsperiode der Renteu- briefe bei V2 prozentiger Tilgungsquote 60^/2, 56Vi2 oder 52^/3 Jahre betragen. Diese Periode kann allerdings durch Zwischenfälle (gewisse Erbfälle, Renten darlehen oder Ver- längerung der Rentenbrieftilgung) auch verlängert werden." Diese „genossenschaftliche Ueberwachung" und „wirth- schaftliche Erziehung" muss jedoch dem Gesetzgeber selbst nicht gar zu segensreich erschienen sein, da er diese „be- deutendste Aufgabe" der Berufsgenossenschaften, Renten- güter zu errichten, nur auf einen Zeitraum von 50 bis 60 Jahren sich gedacht hat, nämlich je nachdem die Tilgungs- periode der Rentenbriefe dauert. Das ganze Gesetz läuft demnach auf ein sozialistisches Experiment hinaus, welches auch ganz folgerichtig „auf Kosten der ganzen Gesellschaft" gemacht wird, indem der Staat in letzter Linie dafür die Garantie übernimmt. Es heisst nämlich zum Schlüsse der „erläuternden Bemer- kungen" wie folgt: ,,Bei Verfassung des Gesetzentwurfes wurde zwar von der Annahme ausgegangen, dass die erwähnten Sicherungs- massregeln und die fortwährend bis in die einzelne Ge- meinde herab durchgeführte Beaufsichtigung der einzelnen Rentengüter die Landesgenossenschaft stets in den Stand setzen werde, ihre Rentenbriefverbindlichkeiten, für welche - 94 - sie selbst haftet (§ 73), zu erfüllen. Dennoch schien es angemessen, für die Zahlung der Rentenbriefzinsen die Bürgschaft des Staates (§ 74) auszusprechen. Diese staatliche Garantie wurde im Interresse der grösseren Marktfähigkeit und eines günstigeren Börsenkurses der Renten- briefe, sowie in der Erwägung in Aussicht genommen, dass die gekennzeichneten Aufgaben der Landesgenossen- schaften von hervorragender Bedeutung nicht nur für die gesammte landwirthschaftliche Bevölkerung, sondern da- durch auch für den ganzen Volkswohlstand überhaupt sind, und dass auch für unsere Institutionen in den im Reichsrathe vertretenen Königreichen und Ijändern, sowie für die Papiere der preussischen Rentenbanken und staat- lichen Kreditkassen einzelner deutscher Staaten die Garantie von Staat oder Land in einer oft viel weiter gehenden Weise gewährt wurde. (Beilage X). Uebrigens soll es nach dem Gesetzentwurfe den einzelnen Ländern frei ge- stellt werden (§ 79), die erwähnte Garantie an Stelle des Staatsschatzes zu übernehmen, in welcliem Falle dann den Landesvertretungen eine entsprechende Einfiussnahme auf die Verwaltung der Rentengüter und des Rentenbrief- geschäites eingeräumt würde". Im Gegensatz zu diesen „Erläuterungen" ist die Schlussbetrachtung, welche sich uns hier am Ende dieser Skizze der österreichischen Gesetze aufdrängt, die, dass es doch wohl vernünftiger gewesen wäre, eine rationelle Handelspolitik zu treiben, also die in- ländische Landwirthschaft und den Grundbesitz vor der ausländischen Konkurrenz zu schützen, als dieselben in derartige Fesseln zu schlagen. — Während wir mit der Abfassung des vorhegenden Referates beschäftigt waren, ist von der preussischen Re- gierung dem preussischen Landtage am 18. Januar dieses Jahres ein „Gesetz über die Landwirthschafts- kammern" vorgelegt worden, welches wir in Anschluss an die oben analysirten österreichischen Gesetze an dieser Stelle in grossen Zügen charakterisiren wollen. Wie das österreichische „Gesetz, betreffend die Er- richtung von Berufsgenossenschaften der Landwirthe", er- strebt auch dieses preussische Gesetz laut § 1 eine „korpo- rative Organisation des landwirthschaftlichen Berufsstandes". Wohlthuend im Vergleiche zum österreichischen Gesetz ist der nüchterne Ton und die vernünftig gedachten Rahmen des Wirkungskreises, welche dieser Körperschaft zu- gewiesen werden. In § 2 wird dieser Wirkungskreis dahin gekennzeichnet: „Die Landwirthschaftskammern haben die Bestimmung, die Gesammtinteressen der Land- und Forstwirtschaft ihres Bezirks wahrzunehmen, zu diesem Behufe alle auf die Hebung der Lage des ländlichen Grundbesitzes ab- - 95 — zielenden Einrichtungen zu fördern und die Verwaltungs- behörde bei den die Land- und Forstwirthschaft betreffenden Fragen durch thatsächliche Mittheilungen, Anträge und Erstattung von Gutachten zu unterstützen. Insbesondere haben die Landwirthschaftskammern auf Erfordern nicht nur über solche Massregeln der Gesetzgebung und Ver- waltung sich zu äussern, welche die allgemeinen Interessen der Landwirthschaft oder die besonderen landwirthschaft- lichen Interessen der betheiligten Bezirke berühren, sondern auch bei allen Massnahmen mitzuwirken, welche die Organi- sation des ländlichen Ej-edits und sonstige gemeinsame Auf- gaben betreffen. Die Landwirthschaftskammern haben ausser- dem den technischen Fortschritt der Landwirthschaft durch zweckentsprechende Einrichtungen zu fördern. Zu diesem Zwecke können sie die Anstalten, sowie die Verpflichtungen und das gesammte Vermögen der bestehenden landwirth- schaftlichen Vereine zur bestimmungsmässigen Verwendung und Verwaltung übernehmen, oder solche Vereine in- der Ausführung ihrer Aufgaben unterstützen. Den Landwirth- schaftskammern kann eine Mitwirkung bei der Verwaltung der Produktenbörsen und bei den Preisnotierungen bei diesen, sowie bei den Märkten übertragen werden". Wir sehen, der Wirkungskreis der Landwirthschafts- kammern ist weit genug, bewegt sich aber ausschliesslich auf sozial-ökonomischem Gebiete, ohne in die schulmeisterlich - -ethischen, freimaurerischen Anklänge und in die patriarcha- lisch-bevormundenden Allüren des österreichischen Ge- setzes zu verfallen. Sie sind hiermit ebenso geeignet, den intelligenten Gross- und Mittelbesitz als auch den Bauern- besitz in dieselben Rahmen zu fassen. Ebenso wie die österreichischen Berufsgenossenschaften, sind die preussischen Landwirthschaftskammern Zwangs- genossenschaften. Die Zugehörigkeit zu denselben ist für alle Grundeigenthümer obligatorisch. Den österreichischen Land- undBezirksgenossenschaften entsprechen die preussischen Kammern für jede Provinz, welche nach § 26 in „Unterverbände" weiter verzweigt werden können. Die Kosten der Errichtung und Ver- waltung werden in beiden Gesetzen als Zuschlag zu den Staatssteuern behandelt, wobei in dem preussischen Gesetz bis 1 % des Grundsteuerreinertrages für die provinziellen Kammern und bis V2°/o obendrein für die Unterverbände derselben erhoben, eventuell exekutorisch eingezogen werden dürfen. Das Wahlsystem ist bei beiden Gesetzen zwei- klassig. Eine Superiorität muss dem österreichischen Ge- setz in betreff der Organisation eingeräumt werden, welche bei demselben viel mehr ins Einzelne durchgeführt ist, als im preussischen Gesetz. In dem letzteren sind die „Unter- verbände" nur fakultativ gedacht „nach Anhörung der Landwirthschaftskammern durch den Minister". — 96 — Sollten die „'Landwirthschaftskammern" überhaupt zu btande kommen, was uns noch zweifelhaft erscheint, aber dann allen an sie gesteUten Anforderungen — zumal in betreff der landwirthschaftlichen Statistik und des land- wirthschafthchen Kredites — gerecht werden, dann müssten unbedingt Kreiskammern als Unterverbände der Provinzial- kammeni eingerichtet werden. Vor der Hand sind sie wie sie in dem Regierungsentwurfe vorliegen, noch Rahmen ohne Inhalt und zwar recht kostspielige Rahmen. Das Beste jedenfalls an diesem preussischen Gesetze über die Landwirthschaftskammern ist seine Begründung Sie ist neben den bezüglichen Stellen in der Thronrede bei J^roffnung des diesjährigen Landtages das Beste, was in den amtlichen Reden und Schriftstücken des „neuen Kurses" überhaupt zu Tage getreten ist. — 97 — YI. Indem wir nunmehr zu einer Formulirung unserer eigenen Vorschläge in Betreff einer Reorganisation des ländlichen Grrundkredites übergehen, schätzen wir uns glücklich, es unter günstigeren Auspicien thun zu können, als sie uns bei Abfassung der fünf vorhergehenden Kapitel vorgeschwebt haben. Oifen gestanden hätten wir, wenn bereits die beiden bedeutenden und für jedes beklommene „agrarische Herz" erquickenden Kundgebungen der letzten Tage, die Thronrede nämlich und das Gesetz über die Laiidwirthschaftskammern nebst Begründung vorgelegen hätten, als wir die ganze einschlägige Litteratur besprachen, — uns manches bittere Wort, manche herbe Kritik viel- leicht ersparen dürfen. Eine andere Färbung erfährt das- selbe Bild, je nachdem die dunklen Schatten der Ver- zweiflung oder wenigstens eines düsteren Pessimismus oder Skepticismus, oder aber auf dasselbe Bild ein hellerer Schimmer der Hoffnung und des Glaubens fällt. Wenn wir jetzt hinterher trotzdem das betreffende Bild der verzweifelten Lage des landwirthschaftlichen Grundbesitzes und der zur Linderung derselben gemachten Vorschläge in derselben Färbung belassen, wie sie ursprüng- lich angelegt waren, so ist es darum, weil das Bild trotz seiner dunkleren FärlDung nicht weniger treffend und packend zu sein braucht. Sodann aber, weil ein Hoffnungslichtstrahl keineswegs genügt, um einen so gründlich fundirten Pessimismus und Skepticismus, wie er in der klaren Einsicht in die gegen- wärtige „ausserordentliche Agrarkrisis", m der weiteren Einsicht in die Fehlerhaftigkeit und Verderblichkeit des auf zwölf Jahre festgelegten „neuen Systems" der Handels- politik und endlich in die Wankelmüthigkeit der Urtheile über diese Lage und daher „Halbheit" der vorgeschlagenen Massregeln zu ihrer Linderung, — ganz naturgemäss fest eingewurzelt ist. Nichts wäre verhängnissvoller, als wenn sowohl die landwirthschaftlichen als die „leitenden" Kreise sich Illu- sionen in dieser Hinsicht hingeben und daher zu einer „ganzen" That und Arbeit sich nicht aufraffen sollten. Dass die landwirthschaftlichen Kreise aus dem tiefen Schlummer beinahe eines Jahrhunderts erwacht und sich der drohenden Gefahr einer Massenenteignung des Grund- besitzes bewusst geworden sind, davon zeugt der Zu- sammenschluss derselben im ,, Bunde der Landwirthe", _ 98 — allerdings „post fe.tu." "-oj-.^'-^ "iTw^rS ZU Stande gekommen ist. ^. ^^^^ Einsicht in Mit „schwerer Sorge" erfüllt ^^^^J^^^^iJ'X vorjährige die Regierung die Aufgabe eine ^^«^^^^^^f^^ ^^^ ihn Verhältnisse des ländhchen B^^f ^^V^^J^'',';^'^e;winden.'' in den Stand setzt, auch ungunstige Zeiten zu iiberwi Aus dem Hinweis auf die Schwf ngkeiten dieses We^^^^^^^^ frgiebt sich folgerichtig für die l'^-g^^^^^g^^tj^ /^.^fgÄ keit einer dauernden Mitarbeit an diesem Werke ^onbeite der landwirthschaftlichen Berufsgenossen. ^ „Die Herstellung einer allgemeinen korporativen ^^^^^^ tretuAg derLandwirthschaft i^.^f er der e-te^^^^^^^^^^ Schritf zu dem bezeichneten Ziele. ^^^^^f^I^^^'^reh ge- mitzuwirken, welche auf die Verbesserung Wesens und die Beseitipng der Uebelstan^^^^^^ richtet sind, die auf der übermassigen Veischumug des Grundbesitzes und den ungeeigneten i ormen derselben beruhen". •^iK^wn^=;te Worte, Wahrlich, echt «taatsmännische,zielbewusste Worte welche dem „lasciate ogni speranza", das nur zu oft aus den Reden vom Bundesrathstische aus ertonte - ein „sursum corda" vom Throne aus entgegengeruten ! ,^r ,^,, ^„_ In diesen wenigen, aber i^^f ««i^^^^^^^^ J^'^rfok^e Thronrede, in welchen die ,^-f ^^^^^ ^thl^ka«^ Vorlegung des Gesetzes über die Landwirthschaftskammern — 99 -r- angekündigt und motivirt ist, ist wie gesagt in grossen Zügen ein ganzes agrarpolitisches Programm der Regierung vorgezeichnet. Der eigentliche Schwerpunkt dieses Pro- gramms, wie es in der „Begründung" zu dem Gesetze über die Landwirthschaftskammern noch weiter ausgesponnen ist, liegt in dem öchlusssatze, welcher es als Zweck der Herstellung einer korporativen Vertretung der Landwirth- schaft bezeichnet, der Regierung als Beirat zu dienen bei der Verbreitung und Durchführung von Massregeln der Gesetzgebung und Verwaltung, welche auf eine „Ver- besserung des Kreditwesens" gerichtet sein sollen. Und in welcher Richtung sich diese Massregeln zu bewegen haben werden, wird durch die Ötichworte: „übermässige Ver- schuldung", und „ungeeignete Formen" derselben, denen wir bei der Darstellung der einschlägigen Litteratur so oft begegnet sind, — vor der Hand hinlänglich angedeutet. Es wird hiermit hinlänglich auf die Materie als springenden Punkt hingewiesen, welche Gegenstand des vorliegenden Referats in der Grundkommission des Bundes der Land- wirthe zur Diskussion gestellt ist und hoffentlich auch zu einem positiven Gesetzentwurfe für den Bundesrath und das preussische Ministerium heranreifen wird. Nach diesen Kundgebungen von Seiten der Krone und der preussischen Regierung dürfen wir wohl die Hoffnung hegen, ohne für einen Sanguiniker zu gelten, dass diesmal nicht wie im Jahre 1887 im deutschen Land- wirthschaffcsrathe die ganze Debatte zu einer blossen aka- demischen Diskussion sich gestalten und einzig und allein in neuen Enqueten und Kommissionen — also in Sand sich verlaufen wird. Damit wollen wir durchaus nicht gesagt haben, dass zur Durchführung der genossenschaftlichen Organisation des gesammten Grundkredits, wie wir sie \orschlagen, nicht eine noch bessere, auf sicherere statistische Daten basirte Orientirung über die faktische Verschuldung, über die faktische Bewirthschaftung und den gegenwärtigen Kulturzustand eines jeden Grundstückes gehörte, ja unum- gänglich wäre. Es würde dies unserer Ansicht nach eine der Hauptaufgaben der Landwirthschaftskammern sein, wenn sie überhaupt zu Stande kommen sollten, und sobald sie — was wir für eine conditio sine qua non ihrer Wirk- samkeit betrachten — nach Art der österreichischen Berufs- genossenschaften ihre Organisation in ein Netz Unterver- bände, zu welchen Kreisverbände die natürlichsten Ab- grenzungen abgeben könnten, sich verzweigt haben würden. Die Landwirthschaftskammern der Provinzen und Kreise würden dann, als ein offenes und wachsames Auge über den ganzen Grundbesitz des Reiches, im Interesse sowohl der Volksgemeinschaft als des Staates als auch des Grundbesitzes selbst, — im Organismus der Gesellschaft fungiren können. — 100 — den gegenwärtigen Befriebsmodis und K.lJ''''^^^^^^^' landwirthschaftlich bebauten Grundbesitfesrn'""/ ^'' Reiche haben, Hauben wir cU ic ^- , f ^ -Deutschen tischer Landwirt unS Z' alle ATerifbT"'.^'^ P^^^" möglichst grossen Dosis gesunden M.l'''^^^' "^^"" welcher uns jedenfalls am Sf .Ihf Sch^^t'^' durfte, - unsere Ansicht in BezuiJ nn/^n }• ^.^^^^^^ 5 vorhergehenden Kapiteln vorgeährten hLl" '" ^'^ und sozialpolitischen a^rarrpXlfn^ handeis-, agrar- Materien L grossen' zfgl" tr'^ tarstZ'nf r^"^^^^ können. Es eenüs-f Pimvtvrv^o -Darstellung bnngen zu Schäffle's handelsDoIittrTil k u J""«''hen Besprechung undagrarrechtSÄ^^^^ 4lÄllt;s^r^-^^^^^^ WlÄ^^^^^ wirthschaftsrathe über 'd^ ferner der xm deutschen Land- schaftlichen Kreditwe.Pn« ^^^^"^«^tion des landwirth- gefassten B^sthltst Td fnd^Ä T^^!??^?-^- -^ m Preussen ins gesetzLbpri«! q. i^ Oesterreich und getretenen Organisation der ^' Z*^'^'^^ ^^^^^^^ «i"" Landwirthe, dfr ErStunt vn 'r T'''^''""^"^^^^^ ^^^ wirthschafts'kammer^ _ eie^ ..ft^^Tf m"^ "^^ ^^^d" sichten bereits haben durchbLkenl. '^ """'''"^ ^^■ wohl anders nicht denkbar ist ""' "^'^ ^' "^^^ unser^eiln^skSlfBi:^^ -d systematische Vorführung nur in gedrWter Eo?m ÄZ-^^/^l" diese Materien, freihch Hintergrund für das ^-idl ^'^°'^ ^^^umgänglich, um als liehen und a^Lno]itT..h n '^'''" '^^^ der agrarrecht- schaftlichen GSbesl^^^^^^ landwirth- welche wir einzfrund lll'- i ^"'^^ ^"^ «^i««« Kredit, behufs Linderunf der ^eLtV''^'"''" ^^'' ""^ ^^^^i^' Agrarkrisis betrachten ^^^"""^^^'^en „ausserordentlichen« uns f rts, tdeitrt^tr^^^^^v^™- -^^ Smith als Moralphiloronh . J ^\^ ^"."'^^ ^^^^ "^^am ökonomie^' (Leipz£ I8?g "^^^ Schöpfer der National- berufen. ^ P ^' ^^'^' ^^^a^ Kap- -tV, pag. 388 ff.) fusselil?Sonal4^o7o"ifir^^ auf Adam Smith einseitig Dühring als ExisÄrein::1^^ '' "^* ^^^*' l^^^^? selbstständigen Volkes fn ^^ .?'^'''' grosseren, politisch Punkt seines DafeTns in « ^^«^^^i^chen Schwer- ritorium, in seiner BevölVp '''^."^1^«* " "^ seinem Ter- Konsum ion - in sfiner T /T^^ i" f ^""" Produktion und allem zu suche" l^n ttrst^'^d^ä' '"'^^^Tk^°^ genügsames volkswirthschXfchTs'ctrL^tit - JOl — halb seiner Grenzen herauszubilden trachten, und erst nachdem dies gelungen, — in die grosse Welt draussenj über die Ozeane, zu gehen, das Plus des Produzirten, welches im Lande nicht konsumirt werden kann, auszuführen und vortheilhaffc unter zu bringen. So hat es das alte England der CromweH'schen Na- vigationsakte gehalten, und auf diesem Wege ist es zu dem riesigen Seeungetimm mit tausend Köpfen und Zungen angewachsen, welches aus seinem kräftigen Leibe heraus Piihler nach allen Himmelsgegenden ausstreckte, und aller Wahrscheinlichkeit nach allen andern Völkern das Blut aus den Adern systematisch ausgesogen hätte, wenn alle Staatsmänner der beiden Kontinente das Smith'sche eng- lische nationalökonomische System derartig einseitig auf- gefasst und in praxi angewandt hätten, wie es die dabei offenbar national interessirte englische Schule mit den Koryphäen Ricardo, Malthus, Stuart Mill an der Spitze und der Cobden'schen Manchester-Freihandelsschule als General- agentur und die Universitätsgelehrten des alten europäischen Kontinents (heute hauptsächlich nur noch des mittel- europäischen), — mit einem grossen Aufwände von Eru- dition, Statistik und sogar sittlichem Pathos allen Völkern und Staaten anempfohlen haben. Von der englischen Freihandelsmelodie Hessen sich anfänglich fast alle Völker berücken und in einen süssen Schlaf mit schönen Träumen einluUen. Eigentlich war es nur der russische Bär, der gegen diese „süsse" Melodie stets „sauer" reagirte. Er war eben zu wenig „gebildet", um eine so feine „klassische" Musik zu verstehen, Frankreich unter Napoleon IH. hatte auch einen Augenblick Freihandelstaumel zu überstehen, von welchem es 1870 unsanft aufgerüttelt wurde. Dasselbe gilt von Amerika, nui- fällt sein Erwachen bereits in die 60er Jahre nach Abschluss des Secessionskrieges. Vielleicht als par exellence musikalisch angelegte Nation ist Deutscliland am längsten von jener entzückenden engHschen Freihandelsmelodie hypnotisirt worden. Sein Erwachen aus dem Freihandelsdusel erfolgte erst 1879, als der Katzenjammer nach den Gründungsjahren seinen Höhe- punkt erreicht und als Bismarck zufällig infolge einer Badebekanntschaft mit Amerikanern, zu seinem wohl nicht geringen Erstaunen erfuhr, dass diese schöne englische Freihandelsmelodie von den praktischen Yankees — und zwar von Henry Carey zuerst — für England wohl als melodisch anerkannt wird, für alle übrigen Länder aber als die ärgste Kakophonie und den grossartigsten Gimpel- fang angesehen wird, der je in der Weltgeschichte von einem Volke allen andern gegenüber in Scene gesetzt worden ist. — 102 — Bismarck's Scharfblick und seine Energie setzten eine Wendung — einen vollständigen Frontwechsel 1879 durch, jedoch scheint seine Kraft an den fortwährenden Rei- bungen mit seinen freihändlerischen Geheimräthen erlahmt zu sein, wie sie zuletzt nicht am wenigsten an der Ueber- macht des freihändlerischen und jüdischen Grosskapitals zerbrach. Darum blieb er auf halbem Wege stehen und lieferte nur „halbe" Arbeit auf dem Gebiete der „Handels-, Argrar- und Sozialpolitik, der Währung" u. s. w. Der „neue Kurs" hätte es sich zur Aufgabe machen sollen, in dieser Richtung weiter vorzugehen, nicht aber eine Wendung und einen Frontwechsel nach rückwärts zu machen. Ein autonomer Tarif in einer Zollunion mit Oesterreich, wie er auch Bismarck zeitweise vorschwebte, wäre das einzig Richtige gewesen, mit der Front nach allen Himmelsrichtungen. Ein solcher deutsch - österreichisclier Zollverein in der Mitte Europas mit einem Teritorium von circa 20 000 Quadratmeilen und circa 90 Millionen Ein- wohnern hätten ein volkswirthschaftliches Centrum gebildet, welches den Schwerpunkt seiner Gesammtproduktion und Konsumtion in erster Linie in sich selbst gefunden hätte und vermöge seiner Schwere alle kleineren, an seiner Pe- ripherie liegenden Staaten, Italien nicht ausgenommen, unwiederstehlich an sich gezogen hätte. Anstatt mit ein- ander zu konkurriren und sich gegenseitig das Spiel zu verderben, hätten diese beide grossen Staaten zusammen Handelsverträge mit allen andern Staaten und zwar unter viel günstigeren Bedingungen abschliessen können, als sie es einzeln erreicht haben und auch je erreichen werden. Hätten aber die österreichischen Staatsmänner die dazu nöthige Einsicht nicht gehabt („der Kapacität ersten Ranges" von Hock soll nach Schäffle eine ähnliche Idee vorgeschwebt haben), dann wäre immer noch ein autonomer Tarif Deutschlands allen andern Staaten gegenüber besser gewesen und hätte sowohl der Landwirthschaft als der Industrie mehr genützt, als dieses unglückliche System von Handelsverträgen, bei welchen die deutsche Landwirth- schaft und Industrie die nächsten zehn Jahre weder leben noch sterben — höchstens nur weiter wird fortvegetiren können! Ein Agrarschutzzoll freilich ist, unserer un massgeb- lichen Ansicht nach, und hierbei stützen wir uns im Gegen- satze zu jeder nationalökonomischen „Wissenschaft" auf den gesunden Menschenverstand allein — begehen also vollkommen bewusst eine „wissenschaftliche Häresie" — einzig und allein rationell in Form einer gleitenden Skala möglich (echelle mobile), wie er eben in der letzten Periode einer systematischen AgrarschutzzoUpolitik in den beiden damals vorgeschrittensten Staaten Europas, in England und — 103 — Frankreich, fast ein Menschenalter hindurch gehandhabt worden ist. Schon dieser letztere Umstand dürfte darauf hinweisen, dass dieses System, welches den so verschie- denen Ernteergebnissen von Jahr zu Jahr volle Rech- nungträgt und dabei einen festen Kompass zur Normirung des Zolles in einer festen Untergrenze findet, als welche ein massiger Durchschnittspreis, der die Produktionskosten nebst einem massig bemiessenen Unternehmergewinn des Land- wirthes deckt, zu gelten hat — nicht soverdei'blichundgerade- zu unsinnig sein konnte, wie es heute von den elendesten Zeitungsschreibern unter Zuhilfenahme einer ad hoc zurecht- gesetzten Statistik^) immer und immer wieder dargestellt wird. Freilich muss es auch den Regierungen, welche einen solchen Zoll einführen, voller Ernst mit dem Schutze der Landwisthschaft sein und müssen dabei alle Finanz- rücksichten tiur in zweiter Linie in Betracht gezogen werden. Charakteristisch übrigens für die „wissenschaft- liche Methode", mit welcher stets die Frage der „gleitenden Zollskala" einfach vornehm abgethan wird, ist die Ver- schweigung oder Ausserachtlassung eines Hinweises darauf, dass viele Unzuträglichkeiten und vermeintliche Gefahren (etwa zeitweise einem Kornmangel ausgesetzt zu sein) bei der heute so sehr veränderten Lage der landwirthschaft- lichen Weltproduktion und der ihr zu Gebote stehenden Kommunikations- und Transportmittel im Verhältniss zu den Getreidehandelsbedingungen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts, — ganz unmöglich eintreten könnten. Es muss auch, wie gewöhnlich, wo man sich ein prä- ziseres und selbstständigeres Denken ersparen will und sich davor scheut, zu viel Menschenverstand und zu wenig; fachmännische Kenntnisse an den Tag zu legen, — das Argument herhalten, dass dabei „einer wilden Spekulation in Getreide auf der Börse" Thür und Thor geöffnet wären. Dieser Einwand ist köstlich in doppelter Hinsicht. Einmal möchten wir darauf gespannt sein zu sehen, was für Thüren und Thore den Börsen in Getreidespekulation noch geöffnet werden könnten : wilder kann sie doch wohl kaum werden, als sie es schon ist. Sodann ist dieses Argument, was auf eine prächtige Selbstironie hinausläuft, zugleich das beste Argument gegen die „wilde Getreidespekulation an der Börse", wie wir sie eben heute haben. Zugleich also das beste Argument dafür, dass im Interesse eines gesunden Getreidehandels und dann trotz aller Zollsehranken und Zollmodalitäten: eine Schliessung der Thüren und Thore der Börse für ,,papierne Getreidewispel" und eine 1) S. z. B. Leitartikel über „Die französische Handelsbilanz und die Getreidep reise" im Berliner Tageblatt vom 2o Januar 1894. Nr 41, woran die Berufung auf das ,, Journal des Debats" gegen Herrn „Meline und Genossen" nichts ändert. — 104 — Oeffnung der Fenster, um reine Luft hineinzulassen — eine conditio sine qua non einer gesunden Handels- und Agrarpolitik ist! Getreide müsste als eine „res sacrosancta"_ be- handelt werden; damit darf kein frivoles Spiel getrieben werden, und dass der Ausschluss des Getreides von den Diffe- renzspielgeschäften an der Börse möglich ist, dies wird sich der gesunde Menschenverstand weder durch vornehme Ab- fertigungen von Seiten der „gelehrten" Nationalökonomen und Juristen, noch auch durch das Geheul der Börsen- jobber wegdemonstriren lassen! Alle diese Dinge würden vielmehr — freilich erst dann, aber dann auch allen „leitenden Staatsmännern" und „Kon- sumenten ohne Ar und Halm" sofort einleuchten, wenn es zu einer Verstaatlichung des Grundbesitzes infolge eines allgemeinen Bankerotts käme, was in der nächsten Zukunft durchaus nicht ausgeschlossen ist. Bei einer Uebernahme des Grundbesitzes und seiner landwirthschaftlichen Be- wirthschaftung auf Rechnung des Staates, also der Gemein- schaft, würde auch in dieser Beziehung ein ganz anderes Bild herauskommen. Dann wären z. B. die Herren „Is- raeliten" die eifi-igsten Verfechter einer rationellen Agrar- schutzzollpolitik und wahre Schutzengel für einen gesunden, allerdings auch spekulative Zeitgeschäfte zulassenden, aber immer nur mit „effektiven Waaren" operirenden Getreidehandel an der Börse. Dass bis dahin diese besseren, auf gesunden Menschen- verstand gestützten Einsichten und Ansichten keine Aus- sicht auf Anerkennung und Geltung haben, geben wir zu, womit aber einzig und allein bewiesen ist, dass die heutige Gesellschaft ebenso wie diejenige des XVIII. Jahrhunderts der sozialen Revolution mit verbundenen Augen vermöge einer geschichtlichen Fatalität zusteuern muss. — So viel über Handelspolitik. Das Gesagte dürfte ge- nügen, um unsere, wenn nicht pessimistische und skeptiche, dann doch wenigstens von jeglicher Illusion freie Ueber- zeugung zu begründen, dass, nachdem die handelspolitische Karre des Deutschen Reiches durch die Handelsverträge schief gefahren ist, — alle anderweitigen Hilfsmittel zur Linderung der Agrarkrisis auf dem Gebiete des Agrarrechts, des Agrarkredites, einer berufsmässigen Vertretung u. s. w. einzig und allein daraufhinauslaufen, einer Massenliquidation des Grundbesitzes vorzubeugen und diese Liquidation, so- weit sie unvermeidHch ist, in gewisse Formen zu fassen, — nie und nimmermehr aber weder den Grundbesitz noch die Gesellschaft bewahren können vor einer Massenver- armung und enormen Verlusten am Nationalvermögen, welche die unabweislichen Folgen der Entwerthung der landwirthschaftlichen Produkte und des Grund und Bodens sind! — — 105 — Sind etwa darum alle diese oder ähnliche „Mittel zur Abhilfe" in der Noth einfach abzuweisen oder wenigstens nur überhaupt anzuwenden, damit so zu sagen „das Kind", nämlich die Sorge der Eegierung um die Landwirthschaft und den Grundbesitz, einen „Namen" hat? Allerdings hätten diese „anderweitigen Massregeln zur Abhilfe in der Noth" nur diesen Sinn und die damit verknüpfte Wirkung — also völlige Unwirksamkeit, — wenn sie auf solche halbe Massregeln hinausliefen, wie sie von den Männern der akademischen Wissenschaft, wie Schäffle, Buchenberger, Conrad, Schmoller, v. Miaskowski u. s. w. vorgeschlagen werden. Man könnte dann in der That zu der Ansicht gelangen, dass es besser wäre, „überhaupt nichts zu thun" — laisser faire, laisser passer — und mit verschränkten Armen dem „natürlichen grossen Gährungs- und Fäulniss- prozess mit nachträglicher Gesundung" — alles von selbst, — wie ihn die um ßickert und Richter predigen, gelassen zuzusehen! Die Eegierung würde sich dann den bösen Schein ersparen, „vor den Agrariern kapitulirt zu haben" und selbst reaktionäre, feudale, junkerliche Interessen- politik zu treiben oder zu fördern! Unsere Ansicht geht also dahin: Entweder „ganze" Arbeit machen oder es überhaupt bleiben lassen, „quieta non movere!" Ob sich die Regierung auf diesen „radikalen" Stand- punkt heraufschwingen wird, bleibt abzuwarten. Mit der Thronrede und dem Gesetz über die Landwirthschafts- kammern nebst Begründung des letzteren: „alea iacta est". Die Regierung hat sich hiermit engagiert und sogar ein Pro- gramm vorgezeichnet, das, soweit man es heute übersehen kann, sich so ziemlich in dem Ideenkreise der akademischen Wissenschaft bewegt, womit wir vor der Hand weder Tadel noch Voreingenommenheit gegen die beiden Kund- gebungen der Regierung geäussert haben wollen. Im Gegentheil haben wir sie, wie im Eingange dieses Kapitels bemerkt worden ist, mit grosser Genugthuung begrüsst, weil sie jedenfalls einen Beweis dafür liefern, dass auch die Regierung sich keinen Illusionen in Betreff der wahren Lage der Landwirthschaft und des Grundbesitzes hingiebt. Gegen eine Wendung in der „Begründung" des Ge- setzes über die Landwirthschaftskammern müssen wir je- doch Verwahrung einlegen, nämlich gegen den dem Grund- besitze in Preussen gemachten Vorwurf, er hätte die schönen Erwartungen getäuscht, welche die Regierung sich von der so wohlthätigen Gesetzgebung des Jahrhunderts für Grundbesitz und Landwirthschaft zu versprechen berechtigt war. 2) Man glaubt zu trätunen, wenn man diese Phrase '^) Es heisst wörtlich u. A.: „Darüber hat kein Zweifel bestanden, dass die Aufgaben der Landwirthschaft und der — 106 — . -^^ ^^c «ormt SO trefflichen Expose's über die Lage '"."S feilst über die Mi tel zur Abhilfe .u lesen bekommt. Verfasser der "Begründung" scheint die Agrargesohjoh e Yeriasser oe „ K ^ j ^ „j„^t „, kennen, sonst hatte rdi:sfp"ulSglich in einer Begründung zu en.em ^^tdt ist'S":ndrerrna'"Sr zu suchen und zu rr \°rs'r/;ah^Ärtsä^^^^^^^^ dÄä—er" üÄer Geheimrithe ist, - der Junge ^K»t rlanrrprügelt werden, wenn man die w.ssenschaft- f-L ,?nTJdagogisohe Methode, die man bis dahin an ihm gÄ und an der er fast zum Idioten geworden wäre wobei also den Schulmeister allem die Schuld trifft - "„Ipine bessere und rationellere Behandlung umgetauscht gegen «""=,|'«%7 ™" u dies als Vorwand dafür dienen, rstrs°"ndankbaren"und unartigen „Knaben" nunmehr teKne bevormundende Zwangs acke zu stecken? ■" "was auch die Veranlassung zu f-' ""g-^f^e ^^=r^ "^^^' sÄÄktLt: ÄS^wr';rcrÄr:'sS:ntälS ?nnktionen Xllkommen zufriedenstellend nur von m jeder ^t^vÄ-Äntir«^^^^^^^^^ lÄ"ir«u^^i;prmtr\irÄ:mSS^ teht esdeaüich hervor, dass man in die ^ V" .^ 1 wlrden Einsicht der Landwirthe das v ertrauen hatte, sie worden fie Verkaufsfreiheit stets benutzen, um d^^^-'l ^y«^:^^^f, Znl Besitztheiles den Rest schuldenfrei zu 8^«*^^*?^;. Ä'^o^f^n dnrftenRittergüter in den alten östlichen preussischenProvmzen nicht zerschlagen werden!- Die jetzt nahezu ,\«Oj^^;^g^,^^^'_ Nahrung hat gezeigt, dass diese Erwartungen ^^^^V • /wSt gegangen sind und dass als Ergebnis« der l^ndwir hschaft- fchen^Entwickelung unter der bestehenden f ^^^^zgebung eine immer weitergehende Verschuldung eingetreten ^^t ^^elcne bT sinkenden Erträgen den Charakter einer J-t^o^^«^ Kalamität anzunehmen droht". Ganz richtig " .^^^«^ .^^ Seh Verf. dieser „Begründung" nicht fragen sollen ob die „wirthschaftliche Einsicht" der Grundbesitzer oder der Gesetzgebung" an diesem traurigen Resultat in erster Linie schuld war? — 107 — sondern aller sonstigen Massnahmen der Regierung und Gesetzgebung zur Abhilfe der Agrarnoth, nicht nöthig hatte, nach solchen Argumenten zu greifen! Diese Begründung liegt nämlich gerade da, wo sie die Regierung am wenigsten zu suchen scheint, obgleich sie auch diesen Punkt berührt, nämlich in der, der Natur des Grundbesitzes und der Landwirthschaft widersprechenden modernen Gesetzgebung, welche nicht die Grundbesitzer etwa für sich erobert, sondern welche die Regierung dem Grundbesitze aufoktroyirt hat. Wohin das aber führen würde, hat kein geringerer als Freiherr v. Stein prophezeit. Das, wozu nunmehr Umkehr gemacht werden soll, — also die agrarrechtlichen Bahnen, welche man Anfang dieses Jahrhunderts verliess, waren Ende des vorigen Jahr- hunderts von der preussischen Gesetzgebung betreten worden. Freiherr v. Ertfa-Wernburg berichtete darüber in der XV. Sitzungsperiode des deutschen Landwirthschafts- rathes im Jahre 1887 bei den Verhandlungen über ,,die Or- ganisation des landwirthschaftlichen Kreditwesens" wie folgt: „Nach der Zeit des siebenjährigen Krieges, als Preussen so daniederlag, hat Friedrich der Grosse mit seinem Kanzler von Carmer die Landschaften ermäcb.tigt, die damaligen Hypothekarschulden in diese Rentenschulden überzuführen. Die Landschaften erhielten die Befugniss, für jeden Grundbesitz die Beleihungsgrenze, bis zu der er mit Geld beliehen werden sollte, festzusetzen, und nur die Landschaften erhielten das Recht, diesen Grundbesitz zu beleihen. Diese Einrichtung hat sich nach meinen Informationen — ich habe allerdings die Frage nicht so eingehend studirt, wie ich es gern möchte, weil mir die aktenmässigen Quellen dazu nicht genügend zu- gänglich waren — vollständig bewährt, und als diese Gesetzgebung mit der Aenrlerung unserer ganzen Agrar- verfassung abgeschafft wurde, hat der damalige grosse Staatsmann Freiherr von Stein, der gewiss nicht im Geruch eines Reaktionärs stehen wird, gesagt: „Das wird sich bitter rächen, und an Stelle der Hörigkeit dem Gutsherrn gegenüber wird die grössere Abhängigkeit von Wucherern und Juden kommen" (pag. 463 und 464). Ausser dem theil weisen Pleonasmus am Ende des Satzes ist derselbe als eine jener ,,Lituitionen" zu bezeichnen, wie sie wahrhaft gi'ossen Männern in Bezug auf die Zukunft das Genie mitunter eingiebt! An diesen Auspruch des Freiherrn von Stein wollen wir nunmehr die Formulirung unseres agrarpoli- tischen Programmes speziell in Bezug auf das Kreditwesen anknüpfen. Den Ausgangspunkt bildet für uns Rodbertus, der das ganze, heute sowohl von akademischer Seite alsauchvon 108 Seitender „Männer der Praxis" zusammengebrachte Material zu einem a^rarpolitischem Programm wie es sich m der letzten Thronrede in den springenden Punkten vorgezeicbnet und in der Begründung zum Gesetz über die Landwirth- schaftskammern näher ausgeführt fi^^«*' .T" .,^?^,t^\"ä Jahre 1869, also vor 25 Jahren, zu einem einheitlichen und rationellen 'System der landwirthschaftlichen Kreditgesetz- gebung und genossenschaftlich -körperschaftlichen Orga- nisation desselben zusammengefasst hatte. , , Die zwei Pole der Axe, um die sich der Rodbertus sehe Ideenkreis dreht, waren, wie wir gesehen, «^m Renten- prinzip auf der einen und seine genossenschaftlich- einheitliche Organisation des Gesammtgrund- kredites auf der andern Seite: , j • ^u „Das Bentenprinzip besteht dann, dass der landwirth- schaftliche Grundbesitz m allen ihn betreffenden Rechts- geschäften nur als das behandelt wird, was er ist, als em immerwährender Rentenfonds." „:„^ ,.,,^ Dieses Rentenprinzip postulirt als condicio sme qua non folgende Organisation: rr j-x „ ^r^^ „Selbstverwaltung dieses gesammten Kredites. Ver- waltung durch den Grundbesitz selbst mittelst einer Tllgemeinen Landesanstalt, die durch sammthche Kreise des Staates verzweigt und durch eine ge- meinsame Centralbehörde ^^^^^^^^^^^S^^l;,^ zwei Abtheilungen, je für Immobiliar- und Personal- kredit, die betreffenden Geschäfte fuhrt. Wie gesagt sind beide diese Postulate die zwei Angel- punkte des pSdbertus'schen Grundkreditsystems, und em Jeder, dem es mit einer wirklichen, ganzen und nicht bloss scheTnbaren oder halben Abhilfe in der Noth der heutigen Agrarkrisis voller Ernst ist, muss auch ^eide diese funda- mentalen, prinzipiellen Gesichtspunkte schart ms Auge fessen und in das heutige agrarpolitische Programm ohne Vorbehalt aufnehmen. _ * v,i ,»« «r. Wir thun es hiermit in unmittelbarem Anschluss an Rodbertus mit Uebergehung aller späteren „Vorschlage zm- Abhilfe", da das Gute, welches sich dann sP^^lf^ vor- findet, auf Rodbertus zurückzuführen ist, - alles Uebrige aber darüber hinaus nicht viel auf sich hat ausser der von Schäffle sehr gut ins Einzelne vorgezeichneten Organisation des bäuerlichen Kreditwesens, auf welche wir noch im Folgenden zurückkommen. t> • • ^;.,^a Sowohl das Rentenprinzip als das Prmzip eines genossenschaftlichen Zusammenschlusses des gesammten Gnmdbesitzes mit verhältnissmässig geringen Ausnahmen, unter Wahrung der Selbstverwaltung durch den Grund- besitz selbst, wollen auch wir als Ecksteine des auf- zuführenden, massiven und kolossalen Baues einer allgemeinen Reichsgrundkreditanstalt benutzen, — 109 — unter deren festen Mauern fast der gesammte landwirthschaftliche Grundbesitz des deutschen Reiches den Schutz und die Abwehr finden soll, welche ihm auf dem Gebiete der Handelspolitik versagt worden sind. Wohl gemerkt, der ganze Immobiliarkredit brauchende Grundbesitz soll unter das schützende Dach dieser all- gemeinen Landeskreditanstalt und zwar obligatorisch untergebracht werden. Soweit und solange der Grundbesitz hypothekarisch schuldenfrei ist, kann er auch ganz frei ausser dem Bereiche dieser Organisation bleiben. Sodann bitten wir auch den weiteren Gesichtspunkt nicht aus den Augen zu verlieren, dass wir mit Rodbertus keine Einzwängung des Grundbesitzes in eine vom Staate angelegte Zwangsjacke, in eine staatliche Zwangsanstalt, wie es die Staatssozialisten wollen, — sondern dass wir den Grundbesitz und zwar nur insofern er Kredit braucht, sich genossenschaftlich unter Wahrung eigener Selbst- verwaltung zusammenzuschliessen zwingen wollen, was er auch ohne Zwang von selbst thun müsste, wenn er in allen seinen Bestandtheilen auf der dazu erforderlichen Höhe der Bildung und der sozialökonomischen Einsicht stände. Diese genossenschaftliche Organisation des landwirth- schaftlichen Kredites in einer derartigen Verzweigung von Anstalten — von der Centrallandschaft durch die provin- ziellen Landschaften herab bis zu den Kreislandschaften würde auch schon eine nach allen Seiten genügende körper- schaftliche Vertretung des landwirthschaftlichen Grund- besitzes ausmachen, so dass in diesem Ealle die Er- richtung von Landwirthschaftskammern noch da- neben sich vielleicht vollständig erübrigen dürfte. Die Landwirthschaftskammern, wie sie das preussische Ge- setz in Vorschlag bringt, sind auf Grund des Wahlmodus, der dabei zur Anwendung kommen soll : staatliche Listitute, ausgestattet mit etwas scheinbarer Selbstverwaltung, ähnlich wie es die Kreis- und Provinzialausschüsse sind, mit den entscheidenden Stimmen der Vorsitzenden Landräthe und Oberpräsidenten. Eine derartige Wiederholung oder Verdoppelung dieser Kreis- und Provinzialausschüsse unter einfacher Ueber- tragung der ganzen Kreditorganisation auf dieselben, würde dem oben von uns in Anlehnung an Rodbertus hoch- gehaltenen Prinzipe der Selbstverwaltung des gesammten Grundkretites durch den Grundbesitz selbst und nur unter Kontrolle des Staates, widersprechen, insofern also allein einen kostspieligen, büreaukratischen Apparat mehr ohne reellen Nutzen für den landwirthschaftlichen Grundbesitz schaffen. Wir wollen vielmehr unsere genossenschaftlishe Or- ganisation des gesammten ländlichen Kredites derartig ge- dacht und verstanden wissen, dass sie einer Erweiterung - 110 — der Rahmen der heutigen preussi sehen Landschaften und einer Verzweigung derselben in filiale Kreis- landschaften gleichkäme, unter strengster Festhaltung an den in den Landschaften massgebenden Grundsätzen, der genossenschaftlichen Selbstverwaltung mit eigenen Beamten und aus eigenen Mitteln, unter blosser Kontrolle der könig- lichen Kommissare, auf Grund eines Statuts und zu er- lassender Normativbedingungen. Innerhalb ihrer Wirkungs- sphäre müsste diesen korperativ - genossenschaftlichen Landeskreditanstalten die ausschliessliche Kompetenz zu Güter subhastationen eingeräumt werden, was übrigens ganz logisch aus der Thatsache sich ergäbe, dass die Genossen- schaft die einzige Gläubigerin des von ihr umfassten Grundbesitzes wäre, — ja die einzige Gläubigerin des Grundbesitzes als solchen überhaupt, da der ge- sammte Grundbesitz überhaupt nur noch in Rentenform hypothekarisch haftbar gemacht werden könnte, und die Genossenschaft allein die Kompetenz hätte, Renten Obli- gationen auszustellen und Rentenbriefe zu emittiren. Es würde dies also auf eine Wiederherstellung der ursprünglichen preussischen Landschaften, wie sie Friedrich der Grosse gegründet hatte, im Grossen und Ganzen hinauslaufen. Die dagegen von Rodbertus noch postulirten Kompe- tenzen: dieses allgemeine Institut des Grundbesitzes und der Landwirthschaft des ganzen Landes solle nicht bloss reine Hypothekarkreditanstalt, sondern zugleich auch Hypothekarverwaltungsamt sein .... und dem Immobiliar- kredit nicht bis zu einer beschränkten Grenze, sondern überhaupt bis zur faktischen Verschuldungsgrenze jedes Gutes dienen, — gehen uns zu weit! Da wir neben und ausserhalb dieser allgemeinen Landeskreditsmstalt uns auch in Zukunft Grundbesitz be- stehend denken, welcher, ganz schuldenfrei, ausserhalb der Rahmen dieser Organisation bliebe, — wie die königlichen Domänen und Uhatouillengtiter, die Standes- und Majorats- herrschaften etc. — so können wir die Kompetenz von Hypothekenämtern für unsere Kreditinstitute nicht bean- spruchen und wollen auch angesichts der heutigen und in Zukunft in Aussicht stehenden Lage des Weltmarktes und hiermit der Preise der landwirthschaftlichen Produkte eine hypothekarische Verschuldung bis zur faktischen Ver- schvildungsgrenze, — für den in der allgemeiuen Landes- kreditanstalt inkorporirten und solidarisch haftenden Grund- besitz nicht gelten lassen! Unserer Ansicht nach darf die Beleihungsgrenze nicht über 75 pCt., also ^U des Taxewerthes, und zwar auf Grund einer ad hoc revidirten Taxe hinaus- reichen, wenn die hypothekarische Sicherheit nicht gefährdet und noch eine Unterlage für — 111 — Personalkredit gewahrt werden soll. Schäffle plaidirt für 80—90 pCt. (Zukunft, No. 44. „Bauernnoth und Bauernkredit;" pag. 205 ff.). Er will sogar noch „den Rest von 10 — 20 pCt. einem besonders gestalteten Nachhypothekwesen vorbehalten . . . ." Allerdings vertheilt er diesen ganzen bis zur vollen Verschuldungsgrenze reichen- den Hypothekarkredit dermassen, dass 40 — 50 pCt. auf sogenannten Freikredit (also nach Belieben des Eigen- thümers), 40—50 pCt. auf gebundenen Kredit (zu bestimmten Zwecken) und 10 — 20 pCt. auf Personalkredit entfallen, was aber an der Thatsache nichts ändert, dass das Schäffle'sche Programm mit vollen Segeln auf Sozialismus hinaussteuert. Da er nämlich fühlt, dass bei einer 100 pCt. Verschuldung seine „Körperschaften in die Brüche gehen könnten, wenn sie auf sich selbst angewiesen wären", so soll sich „der Staat .... am Risiko betheiligen" (pag. 206)._ An diesem Staatssozialismus hängt Schäffle so krampfhaft fest, dass er, obwohl er ein paar Zeilen weiter en bon prince mit sich handeln lässt, indem er sagt: „Dennoch möchte ich nicht unbedingt und ausschliesslich nur diesen Weg empfehlen und eine niedrigere Beleihungsziifer, wenn die Sicherheit dies gebietet, nicht ablehnen 3), — doch in den reinsten Staatzsozialismus wieder verfällt, wenn er unmittelbar hinterher hinzufügt: „Man wird jedoch das Risiko auch zwischen Staat (Land) und Körperschaft theilen oder ganz auf den Staat (Land) abwälzen können (sie). Diejenigen Güter, deren Beleihung zu 80 — 90 pCt. Verlust bei der späteren Zwangsenteignung ergeben würden, wären dann für Rechnung des Staates zu erwerben und durch die körperschaftlichen Organe für den Staat in Pacht- verwaltung zu nehmen, später zu veräussern." (pag. 207). Wir sehen „dans la voie — du socialisme — ce n' est que le premier pas qui coüte", zumal für einen Professor, der folgerichtig theoretisch zu denken und an praktischen konkreten Hindernissen Anstoss nicht zu nehmen gewöhntist. Gegen alle diese und ähnliche rein sozialistische Organisationen mit Staatsgarantie, Staatsrisiko aber auch staatlicher Bevormundung oder gar Zwangsjacke verwahren wir uns auf das entschiedenste! Was wir allein vom Staate verlangen und zumal von der Volksvertretung, ist, dass sie dem Grundbesitze das seiner Natur allein entsprechende Recht wiedergeben, und dass sie ihn in den Stand setzen, sich zum Zwecke sein er Kredit- bedürfniss- Befriedigung organisch zusammen zu schliessen. Der Grundbesitz braucht blos in den Sattel gehoben zu werden — reiten wird er selbst! ^) Dazu hat ihn ausserdem die Erwägung veranlasst, dass ,gene Körperschaftsmitglieder, welche schuldenfrei sind, Bedenken tragen würden, dass die Körperschaft das Risiko übernehme . . . ." (pag. 407). — 112 — Der Sattel aber, in den er gehoben werden muss, besteht ausser der Rentenprinzipgesetzgebung in folgenden seiner Kreditanstalt zu verleihenden Rechten: 1) Die allgemeine landwirthschaftliche Grund- kreditanstalt hat das ausschliessliche Recht, den Grund und Boden des Landes hypothekarisch zu beleihen und zwar bis höchstens zu ^4 seines Ertragswerthes. 2) Bei allen Grundstücken, welche gegenwärtig über ^4 ihres Ertragswerthes hinaus belastet sind, werden die hypothekarischen Schulden in Höhe von ^U des landwirth- schaftlichen Taxwerthes abgelöst. Die Schulden darüber hin- aus bleiben stehen; so lange der Eigenthümer alle Zinsen pünktlich zahlt, bleiben die Hypotheken den verschiedenen bisherigen Gläubigern haftbar; im Falle aber, dass die Zinsen, sei es der übrigen Gläubiger, sei es der landwirth- schaffclichen Grundkreditanstalt, nicht bezalilt werden und auf Subhastation angetragen wird, hat in beiden Fällen die landwirthschaftliche Grundkreditanstalt das Recht, von dem Mitbieter des Grundstückes die baare Aus- zahlung ihres Guthabens von V4 des Taxwerthes beim Kauf zu verlangen (cfr. österreichisches Gesetz). 3) Das System der Grundkreditanstalten zerfällt in a) Kreislandschaften, b) Provinziallandschaften, c) Centrallandschaft für das ganze Reich. Die Hypotheken zerfallen ebenfalls in 3 Rayons: das erste Rayon bildet die Grundlage der „Grund- noten", das zweite Rayon das der Landrentenbriefe (heutige Pfandbriefe), das dritte Rayon das der Gutsren tenbriefe (cfr. Rodbertus). Das ganze Tax- und Beleihungsgeschäft bei Klein- und Mittelbesitz fällt den Kreislandschaften zu ^) ; das beim Grossgrundbesitz wie bisher den Provinziallandschaften. Sowohl die Kreis- als die Provinziallandschaften emit- tiren Land- und Gutsrenten briefe — wogegen der Cen- trallandschaft allein das Recht zusteht, „Grund- noten" zu emittiren. Alle 3 Verbände zerfallen in 2 Abtheilungen: L Für Imraobiliar -, IE. für Personalkredit. Jedes der 2 letzteren Rayons bildet eine Gesellschaft für sich, ähnlich wie die „Jahresgesellschaften" innerhalb der heutigen Landschaften, insofern in jeder derartigen einzelnen Gesell- schaft der bezügliche Grundbesitz zunächst allein haftbar ist. 4) Ueber die ganze genossenschaftliche Creditorganisation für den bäuerlichen Kleingrundbesitz sehr viel Zutreffendes bei Schäfflein„EinagrarpolitischesProgramm"iNo.49)und„Bauern- noth und Bauernkredit" in der Zeitschrift „Zukunft" (No. 44). - 113 — „Grundnoten" sind nur auf demjenigen Grundbesitze zu emittiren, welcher wenigstens mit Landrentenbriefen be- haftet ist. Für Gutsrentenbriefe haftet in erster Linie das damit beliehene Gut allein. Wie wir es schon oben ausgesprochen haben, lehnen wir uns im Grossen und Ganzen an ßodbertus an, jedoch ist schon aus dieser Skizze des Systems der Grundkredit- anstalten, wie wir es uns denken, eine wesentliche Ab- weichu^ng unseres ßeformprojektes von dem Rodbertus'schen zu konstatiren. Rodbertus ist ein entschiedener Gegner jeder zwangs- weisen Amortisation; er will nur eine Abtragung der Schulden, je nach dem freien Ermessen und Können des Schuldners durch einfachen Rückkauf der Guts- und Land- rentenbriefe an der Böise gelten lassen. Demgegenüber erkennen wir vollkommen an, dass bei einer Ueberlastung des Grundbesitzes mit Schulden das Herauswirthschaften der Zinsen allein eine genügende oder vielmehr bereits eine zu hohe Belastung ausmacht, — die zwangsweise Amortisation daher noch obendrein geradezu widersinnig ist. Andererseits aber verschliessen wir uns nicht der Nothwendigkeit einer fortwährenden, allmählichen Grundentlastung, welche allein eine erneute Kapital- aufnahme ermöglicht und daher als Fonds zu Erbtheilungen,. zu grösseren Meliorationen und dergl. für den Grundbesitz von unermesslichem Werthe ist, wie dies ein geschicht- licher Rückblick auf den Wirkungskreis der Landschaften hinreichend beweist. Um nun beiden diesen scheinbar widersprechenden Gesichtspunkten gerecht zu werden, sind wir auf die Idee verfallen: die Amortisation bei den Land- und Guts- rentenbriefen vollständig fallen zu lassen — da- gegen die „Grundnoten" als zinslose Anleihe, mit dem vollen Betrage des sonst zu zahlenden Zinses zu amortisiren. Die- Idee der „Grundnoten" oder vielmehr Zentral- landschaftsnoten als Pendant zu den Reichsbanknoten ist von uns bereits 1887 gefasst und zum ersten Male auf dem Juristen- und Oekonomistentage zu Krakau in demselben Jahre vorgetragen worden. Alles sonst diesbezügliche haben wir in unseren „Denkschriften" niedergelegt, welche, wie wir wohl voraussetzen dürfen, den meisten Herren zu Gesichte gekommen sind, obgleich wir sie nicht publizirt haben. Diese Idee stützt sich im Grossen und Ganzen auf folgende Erwägungen: 1) Die allerersten Hypotheken auf den Grund- stücken in einem Rayon von ^/u bis Vio <^es Tax- M^erthes derselben und darüber hinaus bei einem Gesammt- — 114 — grundwerthe des Grundbesitzes im Deutschen Reiche von ungefähr 30 Milliarden Mark und einer Grundnotenemission von 2 Milliarden — stellen die grösstmöglichste Sicherheit dar, welche es überhaupt je in einem Lande und Staate geben kann. Diese Sicherheit ist um ein Bedeutendes grösser als die Sicherheit und Garantie, welche der Staat selbst zu bieten im Stande ist. Man kann sich eher den politischen und finan- ziellen Untergang eines Staates denken, als dass der Werth des Grund und Bodens in Zentraleuropa, speziell im Deutschen Reiche unter Vis bis Vio seines heutigen Er- tragswerthes (seil, immer nach vorangegangener Revision der bisherigen landschaftlichen Taxen) fallen sollte. In- sofern wären die Grundnoten besser fundirt als selbst die Staatsrente — und zwar schon allein hypothekarisch ! 2) Es ist eine unbestrittene und auch unbestreitbare Thatsache, dass Notenemissionen einen Metallbaar- vorrath erheischen, wenn sie nicht in Papiergeld mit Zwangskurs ausarten sollen. Zugleich ist es aber auch ein Faktum, dass diese Metalldeckung der Noten nicht dem ganzen Betrag derselben gleichzukommen braucht. Die Hälfte, ja Vs genügen erfahrungsgemäss, um jeder Zeit (natürlich nur in normalen Zeiten) präsentirte Noten baar auszahlen zu können.^) Auf diese Thatsache stützen sich die Banknotenemissionen der ganzen Welt! 3) Diese obigen zwei Erwägungen mussten uns tolge- richtig zu der weiteren Erwägung führen, dass es, wenn es uns gelänge, ein Pendant zu den Wechseln, Depositen und Lombardwerthen der Banken für die Zentrallandschaft zu finden — also den durch Metall ungedeckten Theil der Grundnoten ebenso fest zu fundiren, wie es dieser Theil der Banknoten durch Wechsel-, Depositen- und Lombardwerthe ist, — es gar nicht zu begreifen wäre, warum der Zentrallandschaft das Recht, Noten zu emittiren, vorenthalten sein sollte. Diese feste Fundirung ist nun durch Hypothek mehr als nöthig gegeben, dieser Umstand würde aber noch nicht genügen. Es handelt sich hier nämlich nicht nur um ge- nügende Sicherheit, sondern zugleich um leichte Realisir- barkeit der Notendeckungswerthe. Diese leichte Re- alisirbarkeit ist nun darin gegeben, dass Pfand- oder Land- renten-Briefe jederzeit ebenso gut in Kurs als ausser Kurs gesetzt werden können. Sollen sie realisirt werden durch Verkauf an der Börse, so werden sie in Kurs gesetzt, und 5) In Kriegszeiten oder in Zeiten grosser Handelskrisen würde wohl weder die Reichsbank noch sonst irgend eine Bank zeitweise ohne Zwangskursverleihung für ihre Noten bestehen können, wie die Geschichte lehrt. — 115 — dann müssen sie verzinst werden. Brauchen sie dagegen nicht realisirt zu werden, dann ruhen sie im Portefeuille der Zentrallandschaft als eventuelles Substrat der Grund- noten über die Metalldeckung hinaus, — und brauchen dann auch nicht verzinst zu werden — worauf in weiterer Polge die Zinslosigkeit der Grundnoten ruht! Als Pendant zur eventuellen Wechseldeckung der "Banknoten neben dem Metallvorrath hätten wir also even- tuelle Eentenbriefdeckung der Grundnoten neben dem entsprechenden Metallvorrath. Also gleiche Reahsirbarkeit der nicht metallischen Deckungswerthe, bei den Grundnoten aber noch obendrein eine hypothekarische Sicherheit für den ganzen Betrag der Grundnoten und eine starke Amor- tisation derselben zuguterletzt, welche auch in anderer Hinsicht höchst bedeutsam wäre, nämlich in Bezug auf allmähliche Grundentlastung und sogar Kapitalisation auf Grund rationellen Sparzwanges für die Grundbesitzer. 4. Ja, woher soll aber der Metallvorrath her- genom-men werden? ist eine Frage, die sich hier noth- wendigerweise aufdrängt. Soll etwa der Staat denselben hergeben? Das wäre das Leichteste, das wäre aber Sozia- lismus und zwar noch dazu en carricature! Es müssten nämlich Alle besteuert werden, um einer Klasse der Grundbesitzer ein Geschenk zu machen. Für uns ist eine derartige Lösung indiskutabel. Der Grundbesitz soll auf eigenen Füssen stehen; er soll in sich selbst die Mittel suchen und finden, den sozialökonomischen Kampf uir:S eigene Dasein siegreich durchzufechten ! Den Metallvorrath kann und muss sich der Grundbesitz einstweilen borgen und zwar auf aller- erste Hypothek, also hoffentlich zum Zinsfusse der preussischen Konsols und mit möglichst starker Amor- tisation, um auf diese Weise zu einem eigenen Metall- voirath recht bald zu gelangen. Das Ausschreiben einer Silberanleihe von Seiten der Centrallandschaft, welche auf den aUer- •ersten Hypotheken des ganzen Reiches fundirt wäre, müsste Zug um Zug mit der Ablösung der bisherigen Pfandbriefe durch Grundnoten erfolgen. Die Silberdarleiher erhielten: Rentenbriefe mit Coupons und die Pfandbriefinhaber Grund- noten. Es würde Niemandem weder etwas geschenkt noch auch irgend etwas ohne Gegenleistung konfiszirt werden, und der Staat hätte allein die Aufgabe, diese ganze Finanz- operation durch sein „gutes Beispiel" zu unterstützen. Er köimte alles Silber, welches durch seine Kassen geht, der Centrallandschaft zuführen, (natürlich als Anleihe) und die, Avie schon bemerkt so gut fundirten Grundnoten an seinen Kassen an Geldesstatt annehmen, ebenso gut wie er es mit •den Reichsbanknoten thut! 5. Wie sollen aber diese Grundnoten auf einmal — 116 — Platz im Verkehr finden? Würde daraus nicht eine Geldplethora entstehen mit grosser Preissteigerung aller Waaren neben Entwerthung des Geldes — also eine gewaltige Erschütterung des Geld- und Waarenmarktes ? Auf diesen Einwand, der sehr nahe liegt und unser Projekt als geradezu utopisch aus diesem einen Grunde allein erscheinen lassen könnte, ist Folgendes zu erwiedern: a) Da wir eine Ablösung des ersten Rayons der Pfand- briefe durch Grundnoten mit halber ßaardeckung in Metall vorschlagen, so würde von vorn herein die Hälfte der Grundnoten an Stelle des dem Verkehr entzogenen Metalls Platz in demselben finden. Wenn wir den vorhandenen Silber-Stock der deutschen „hinkenden Gold- währung" zum Ausgangspunkte nehmen und denselben auf circa eine Milliarde Mark veranschlagen, so würden zwei MilHarden Grundnoten emittirt werden können, von denen eine Milliarde sofort an der durch die Silberanleihe auf- gesogenen Milliarde Silber Platz im Verkehr fände. _ b) Behufs Plazirung der zweiten MilHarde müssten die Privilegien aller sonstigen Privatbanken auf- gehoben und auch der ßeichsbank nur die Hälfte des gesammten Notenumlaufs zugestanden werden. Dieser Notenumlauf beträgt zur Stunde ungefähr' 1200 Millionen Mark. Die Hälfte davon, also 600 Millionen, müssten der Centrallandschaffc eingeräumt werden, die andere Hälfte aber, also ebenfalls 600 Millionen, der E,eichsbank verbleiben. c) Nachdem auf diese Weise (wie sub a und b dar- gelegt) 1600 Millionen Grundnoten im Verkehr Platz ge- funden hätten, ohne den Betrag an Umlaufsmitteln irgend- wie zu vermehren, würde es sich nur noch um circa 400 Mill. handeln, wenn zwei Milliarden Grundnoten emittirt werden sollen, was aber durchaus keine condicio sine qua non ist. Es könnten beliebig ebensogut mehr als auch weniger Grundnoten emittirt werden; den festen Punkt bildet dabei einzig und allein die Metall- deckung und in Bezug auf dieselbe gilt als Obergrenze einer bankmässigen, gesetzlichen Notendeckung in den meisten civilisirten Staaten das Dreifache des Metallvorraths, während als Untergrenze das Ebensovielfache der Noten- emission als des Metallvorraths logischer Weise sich ergiebt, — zwischen diesen beiden Grenzen aber jeder beliebige Punkt gewählt werden kann. d) Wir sind jedoch der Ansicht, dass eine Vermehrung der Umlaufsmittel um 400 Millionen Mark durchaus nicht schädlich auf den Verkehr und die Preisgestaltung wirken könnte, sondern dass umgekehrt eine derartige Ver- mehrung des Umlaufs (der ja so wie so in der Zahl von 1200 Mill. ganz willkürlich gegriffen ist) — vielleicht das einzige Mittel wäre, den Schaden auszugleichen, die Krisis — 117 — zu mildem, welche infolge der Entwerthung des Silbers in Gestalt eines allgemeinen Preisrückganges aller Waaren über uns hereingebrochen ist. Hier streifen wir an den Berührungspunkt der Grundnotentheorie mit der Währungsfrage. 6) Eine Lösung der leidigen "Währungsfrage erscheint uns auch allein in Anschluss an eine Notenemission von Seiten einer zentralen Grundkreditanstalt möglich. Des Raumes wegen können wir uns in Bezug auf die Währungsfrage nur kurz fassen. Massgebend dabei sind für uns folgende Thatsachen und Erwägungen: a) Das edle Metall muss stets und überall die Grundlage jeder geordneten Währung bleiben. b) Weltgeschichtlich sind es zwei edle Metalle gewesen, nämlich Gold und Silber, welche gemein- schaftlich in einem gewissen wechselnden Verhält- nisse zu einander diese Funktion, als Grundlage der Währung der meisten zivilisirten Staaten zu dienen, erfüllt haben. c) Mit der Zeit hat sich das Verhältniss immer ungünstiger für das Silber gestaltet und zwar aus folgenden Gründen : ß) weil die Produktion von Silber sich un- verhältnissmässig steigerte ; ß) weil in Folge des in ungeheuren Umsätzen gestiegenen, zumal internationalen Verkehrs Baar- zahlungen in Silber wegen des geringen spezi- fischen Werthes desselben so gut wie unmöglich wurden ; y) weil die reichsten, tonangebenden Staaten, denen es um einen regen, internationalen Handel mit der ganzen Welt zu thun war, aus den Gründen unter «) und ß) das Silber zum Theil demonetisirteii und zur reinen Goldwährung überzugehen suchten. Diese drei Umstände verursachten es, dass das Silber im Werthsverhältnisse zu Gold von 1 : 10 im Allerthume auf 1 : 3Ö in der Gegenwart gefallen ist. d) Es lässst sich unter diesen Umständen eine Doppelwährung mit einem festen Werthver- hältnis zwischen Silber und Gold schwerlich wieder einführen. Eine Bemonetisirung des Silbers könnte allerdings den Preis des Silbers heben, würde auf dem Wege einer internationalen Vereinbarung aber im besten Falle nur den einen Grund sub y) des Preisrückganges des Silbers aufheben, die beiden anderen unter «) und ß) nicht tangiren. Diesen besten Fall, dass nämlich eine internationale Vereinbarung wirklich zu Stande käme, halten wir bei der gegen- wärtigen politischen Lage der Welt für höchst un- wahrscheinlich. — 118 — e) Eine Eemonetisirung des Silbers, aber dann eine „doppelte" Währung (im Gegensatze zur Doppel- währung), kann in der Weise erfolgen, dass dasjenige Silber, welches zur Grundlage der Silberwährung neben der Goldwährung gemacht wird, von den Fluk- tuationen seiner Produktionskosten und seines Ver- hältnisses zu Gold mögHchst isolirt wird. Es muss diesem Silber ein besonderer Werth und eine be- sondere Sicherheit verliehen werden, welche es an und für sich in demselben Grade wie Gold nicht mehr hat. Diesen ergänzenden Werth und Sicherheit, welche das Silber wieder dazu befähigen können, neben Gold als Währung zu fungiren, kann ihm einzig und allein der Grrund und Boden verleihen! Er kann ihm auch allein die Möglichkeit gewähren, sich zur Ruhe zu legen, und trotzdem im Landesverkehr als handliches, leicht übertragbares Umlaufsmittel zu fungiren und zwar in Gestalt der Grundnote, welche sowohl auf Silber als auch auf Grund und Boden fundirt sein soll. Dass Silber im inneren Verkehr des Landes, gleichsam als höhere Scheidemünze, trotz eingeführter Goldwährung, selbst unterwerthig ausgeprägt und trotz des Sinkens seines Werthverhältnisses zu Gold — sich doch neben Gold halten kann, wenn nur die grossen privilegirten Banken in Ge- meinschaft mit dem Staate es zu stützen für angemessen halten, beweist die faktisch trotz des Preissturzes des Silbers bestehende Doppelwährung Frankreichs und der Thaler-Stock, der die deutsche Goldwährung zu einer „hinkenden" macht. Um wie viel rationeller und wahrheitsgemässer wäre eine Silberwährung neben der Goldwährung, wie wir sie vorschlagen, welche dem minderwerthigen und im Preise weichenden Silber durch seine Stützung auf die ersten Hypothekenrayons des Grundbesitzes des deutschen Reiches eine Sicherheit und Stabihtät des Werthes verleihen würde, wie sie selbst das Gold nicht aufzuweisen hätte. - 7) Die auf Silber und den allerersten Hypotheken aller von der Zentralkreditanstalt behehenen Güter fundirten Grundnoten hätten als Geldsurrogate vor allem in dem- jenigen grossen inländischen Verkehrsrayon zu fun- giren, welcher alle Transaktionen des Grundbesitzes und der Landwirthschaft betrifft. Insofern würden sie nicht bloss in der Abtheilung I der Zentral-, Provinzial- und Kreislandschaften, welche den Immobiliarkredit umfasst, in Verbindung mit den Land- und Gutsrentenbriefen den Umsatz und Verkehr zu vermitteln haben, sondern zumal in Ab- theilung II aller dieser Anstalten, in welcher der landwirthschaftliche Personalkredit zur ßethäti- — 119 — gung käme. Hier würden sie in Diskonto , Depositen-, Lombard-, Checkgeschäften ganz dieselbe Rolle spielen wie die Banknoten und noch eine weitere Metalldeckung ausser der ^/o in Silber für sich gleichsam erobern und Gewinne realisiren, welche eine Beschleuni- gung der Amortisation der Silberanleihe und eine Hinausschiebung des zinslosen Grundnotenrayons z\ir Eolge hätte. 8) Aus dieser letzten Erwägung ergiebt sich, dass diese Amortisation und Grundentlastung, wie wir sie vor- schlagen, im Gegensatz zur Rodbertus'schen und zur bis- herigen in den Landschaften und Hypothekenbanken praktizirten , — für den Grundbesitz eine geringere Belastung mit Annuitäten und trotzdem ganz andere Tilgungsresultate zeitigen würde, als die bisherige Amortisationsmethode. Wenn hier zum Schlüsse ein agronomischer Vergleich gestattet ist, so könnte man die bisherige Amortisations- prozedur der Landschaften mit einem schwer- fälligen Göpelwerke vergleichen, welches 50 — 60 Jahre unter fortwährender Ablösung der keuchenden und ab- getriebenen Gäule die grosse Tilgungsmaschine in Betrieb erhält, — wogegen unser Amortisationsmodus in einer Centralgrundkreditanstalt mit Hilfe der Grundnoten mit dem Anpassen einer nur kleine Raumdimensionen bean- spruchenden aber schneidigen und kräftigen Dampf- maschine zu vergleichen ist, welche allein den Grundbesitz in den Stand setzen könnte, „auch ungünstige Zeiten zu überwinden" und allmählich den drückenden Alp seiner Schuldenlast wirklich abzutragen! 120 — Sch-luss^^^ort. Wenn wir nunmehr in einem Schlussworte auf die im Eingänge unseres Referates aufgeworfene Frage: ob die Landwirthschaft und der Privatgrundbesitz im Deuschen Eeiche, so gut wie ungeschützt, die nächsten 12 Jahre hindurch der ausländischen Konkurrenz die Stirn zu bieten im Sta,nde sind, eine Antwort ertheilen wollen, so kann dieselbe nur negativ ausfallen, sofern sie so allgemein gestellt wird : 1) Zunächst kann nämlich nur ein Theil des Grund- besitzes Deutschlands vom Untergange gerettet werden, und zwar derjenige, welcher nicht höher, als bis zu ^4 des bei der landschaftlichen Taxe ermittelten Ertragswerthes verschuldet ist. Und auch hierbei muss noch die Em- schränkung gemacht werden, dass nur diejenigen Grund- besitzer über Wasser zu halten sind, deren Güter voll- ständig sachgemäss taxirt worden sind, und deren Bewirthschaftung allen Anforderungen der mo- dernen agronomischen Technik entspricht, was durchaus nicht von allen gilt. 2) Auch dieser Theil des Grundbesitzes aber kann, wie wir es oben bewiesen zu haben glauben, nie und nimmermehr konservirt werden, geschweige denn gedeihen, wenn nach Aufgabe jeder wirksamen Schutzzoll- politik die ganze sonstige Gesetzgebung und innere Wirthschaftspolitik des Staates auf den- selben Bahnen verharren sollte, auf denen sie sich bisher bewegt hat. Die unabweisliche Folge nämlich einer Politik des laisser faire, laisser passer nach innen neben einer blosseii Finanzzollpolitik nach aussen müsste, wie wir es an der Hand der einschlägigen Litteratur zu beweisen versucht haben, zu einer Massen- liquidation des Grundbesitzes wenigstens m den 8 alten preussischen Provinzen des Ostens und zu einem reissen- den Zurückgehen des landwirthschaftlichen Gewerbes auf diesem Grundbesitze führen. Dem Preisrückgange der landwirthschaftlichen Produkte muss folgerichtig und un- ausbleiblich auf die Dauer auch ein Preisrückgang der Güterwerthe, ein Zurückgehen des landwirthschafthchen Gewerbes und hiermit endlich ein Zusammenschrumpfen des Nationalvermögens folgen. Durch eine Massenliquidation in einem kurz gedrängten Zeiträume muss diese Agrar- krisis offenbar nur noch akuter wirken. Ein Uebergehen dieser gleichzeitig in Massen versteigerten Güter „in kapital- — 121 — kräftigere Hände," — dieser von dem „Freisinn" sowohl in „Wasserstiefeln", als auch in „Wadenstrümpfen" in Aussicht genommene ,, Segen" für die deutsche Landwirth- schaft, — dürfte unter diesen Umständen kaum nach dem Geschmack der „liberalisirenden leitenden Staatsmänner" ausfallen, und auch den „kapitalkräftigen", in Aussicht genommenen neuen Besitzern der im Zwangsverkauf zu erstehenden Güter muthen wir in Tinanzangelegenheiten einen besseren Geschmack zu, als dass sie, wenn es dazu kommen sollte, ihr schönes Geld in so ,, faulen Geschäften" anlegen sollten. Sträuben sich doch bekanntlich selbst Hypothekenbanken, welche ihre Forderungen höchstens bis 3/4 des landschaftlichen Taxwerthes eingetragen haben, in den letzen Jahren zumal im Osten vor dem Kauf sub- hastirter Güter mit Händen und Füssen. Lieber büssen sie ^) einen Theil ihrer Hypothekenforderungen in diesem Falle ein. Alle „kapitalkräftigen Hände" wissen nämlich sehr wohl, dass sie unter den gegebenen Umständen nach einer Reihe von Jahren an denselben Punkt gelangen würden, an dem sich heute ihre ,,nothleidenden" Schuldner befinden und zwar nur noch eher, wenn man bedenkt, dass , ,kapitalkräftig" nicht synonym mit „landwirthschaftlich iachmännisch" ist! Die Frage, welche wir zu lösen unternommen haben, war nun die: was kann der Staat resp. die Gesetz- gebung thun, um in agrarrechtlicher und agrar- politischer Hinsicht diesem allgemeinen agraren „Kladderadatsch" vorzubeugen? Wir haben auf „neue Pfade" hingewiesen, welche' der Staat sowohl als die Gesetzgebung betreten müssen, um dasjenige theüweise wieder gut zu machen, was sie auf dem Gebiete der Wirthschaftspolitik, sowohl nach aussen als auch nach innen, bisher versäumt haben; was sie, um einmal die Stichworte zu gebrauchen, welche so- wohl die Regierung, als die Majorität der Volksvertretung in diesen Fragen stets im Munde führen: der Landwirth- schaft und dem Grundbesitze zu Liebe nicht haben thun können — der Industrie, der Gehälter und Zinsbezüge und last not least „der billigen Volksernährung" wegen — also aus Rücksicht auf das „Gemeinwohl der Nation"! Als ob bei diesem „Gemeinwohl" der Grundbesitz und die Landwirthschaft nicht mit ungefähr 50 Prozent betheiligt wären ! ? Oder sind wir zur Aufwerfung dieser Frage überhaupt nicht berechtigt gewesen? Wir glauben doch, auf Grund unserer einleitenden Ausführungen und der Kapitel, in denen wir auf jedem ^) Eine ganze Reihe solcher Fälle könnten wir aus der Provinz Posen allein anführen. 122 - Schritt und Tritt den Versuchen diese Frage ^^ oseri von Seiten der akademischen Wissenschaft sowohl, als 1er Männer der Praxis, Wissenschaft und Verwaltung, be- ^'^tusler' der akademischen Wissenschaft und den offi- ziellen Ansichten sowohl am Regierungstische als m dem ganzen Verwaltungsapparate giebt .- 3edoch noch dxe Srosse Masse sozial - ökonomischer Ueberzeu lungen" in der Presse und inmitten der mtelli- fenten Stände, welche diese ihre sozialökonomische ^Ehisicht" aus jener Quelle der offiziellen Wissenschaft , der^n schwankende Haltung wir oben gekennzeichnet | haben, schöpfend und je nach ihrem Klasseninteresse Seutend, die' Trage der Abhilfe in ^er Noth de Grundbesitzes und der Landwirthschaft als über- haupt unberechtigt hartnäckig zurückweisen! Es wird in difsen Kreisen an den heutigen Grand- besitz und die mit ihm solidarisch verknüpfte Landwirth- schaft das Verlangen gestellt, dass sie -f^^^^^^^ dem landwirthschaftlichem Gewerbe speziell anhaltende Risiko, welches von den Wetterschwankungen und allerlei Unfällen herrührt, trage"; ««"^^f^ ^''-Vt^^Fs wird ^^ Verlust, mit „Unterbilanz" arbeiten! Es wird also vom heutigen Grundbesitze verlangt, dass er, um einen trivialen aber drastischen Ausdruck zu gebrauchen, „vom e'Tenen Eett zehre'-), ein Stück seiner Substanz und Tefnes Werthes nach dem andern abbröckele, verpfände^ veräussere und endlich sich selbst preisgebe, - alles um die Konkurrenz Amerikas, Russlands, Indiens, Austrahens u. s. w. auszuhalten und dadurch den .^osumenten ohne Ar und Halm" alle landwirthschaftlichen Produkte billiger zu verschaffen, als sie der deutsche l^^j^^^^f ^^.^f * ^^f/ Produzent Hefern kann, wenn er ausser den Produktions- kosten noch einen massigen Unternehmergewmn ^^^ eine Verzinsung der im Boden fixirten Kapitahen herausschlagen - ^11 _ von einer Besitzrente der Eigenthümer - die ■ doch auch noch keinen „Raub" oder eine andere ,Be- ^ Steuerung" der Gesellschaft bedeutet als alle sonstigen S Zinsrenten und Dividenden - gar nicht emma zu «prechen ! ^ Kann dies der gegenwärtige Grundbesitz nicht, und f dies wird von den „Intelligenteren" unter den „Intelligenten nicht geleugnet, so wird ihm einfach der Abschied gegeben „50 Prozent seines Werthes abschreiben!" und wenn dann nichts für den Eigenthümer bleibt und selbst die Hypothekenschulden mit 25 Prozent ausfallen , dann heisst die Losung: „Den Bettelstab in die Hand nehmen und Anderen Platz machen!" 2) Wenn bei demselben überhaupt noch von „Fett" die Rede sein kann! — 123 — Diese ,, kapitalkräftigen" Anderen, welche noch oben- drein billig gekauft haben werden (nach dem jetzigen Stande der Konjunkturen), werden auch „billiger" pro- duziren können, also eine Weile noch die ausländische Konkurrenz aushalten. Diese letztere wird vielleicht in- zwischen eine Einschränkung „von selbst" erleiden. Ist das aber nicht der Fall, dann kommen wieder andere „kapitalkräftigere" Grundbesitzer an die Reihe u. s. w. usque ad finem dierum! Man thut empört über diese Massenabschlachtungeu der Grundbesitzer? Der Gang der Weltgeschichte schreitet einmal über ,, Leichen" hinweg, warum sollten die Grund- besitzer allein unsterblich sein und damit dem „ewigen Juden" Konkurrenz machen?! Der Grund- besitzer kann doch nicht verlangen, dass er alleins) in seiner Existenzfähigkeit vom Staate und von der Gesetzgebung ge- schützt werde; es garantirt doch der Staat weder dem Kauf- manne noch dem Industriellen seine Gewinne, noch dem Arbeiter seinen Lohn?! — so lautet immer der „letzte Trumpf", den die „Antiagrarier" mit triumphirender Miene den ,, Agrariern" an den Kopf werfen! Dieses Raisonnement hat aber einen Fehler, einen einzigen Fehler, der aber so gross ist, dass mit seiner Aufdeckung und an den Pranger Stellung das ganze sich darauf stützende wirthschaftspolitische System wie ein Kartenhaus zusammenstürzt. Einen solchen Fehler können allerdings nur „Konsumenten ohne Ar und Halm" begehen, welche das Leben und Weben draussen auf dem platten Lande nur aus Romanen kennen, und welche dabei doch Ansprüche auf sozialökonomische „Ueberzeugungen" erheben ! Dieser Urfehler liegt darin, dass alle, die ihn begehen, keine Ahnung davon haben, dass das landwirthschaft- liche Gewerbe und der mit demselben verknüpfte Grundbesitz in mancher Hinsicht ein Gewerbe und ein Besitz sui generis sind, welche mitkeinen anderen verglichen werden könnnen! Der Unterschied zwischen Landwirthschaft und Grund- besitz einerseits und allen andern Gewerben andererseits ist, wie wir es schon oben vielfach angedeutet haben, nicht der ihnen in einer Extrabodenrente und einer Extrabesteuerung der Gesellschaft immer und immer wieder angedichtete, sondern vielmehr fol- gender: 1) Der Grundbesitz — ausser dem städtischen, berg- männischen, industriellen u. s. w. — kann im Kultur- zustande nicht anders als „landwirthschaftlich" 3) Dieses Argument führt auch SchäffJe in seinen „Deut- schen Kern- und Zeitfragen" an (pag. 28 1 ff). — 124 — nutzbar gemacht werden. Von waidmännischer, sports^ männischer, militärischer oder sonstiger Nutzung können wir füglich absehen, da dieselben nur verschwindend kleine Parzellen im Verhältniss zu den „acker baulichen" aus- gedehnten Flächen ausmachen. Wiesen, welche früher etwa ausgeschieden werden konnten, auf Grund des be- rühmten Ausspruches Adam Smith's, dass auf denselben die Eigenthümer „ernten, wo sie nicht gesät haben'', — gehören meist heut zu Tage als Kulturwiesen (in Folge von Wiesenmeliorationen und künstlicher Düngung) zu den landwirthschaftlichen Flächen ebenso gut, als alle sonstigen Grundstücke. Ebenso Wälder mit rationellem Betriebe und daher meist auch nur sehr geringem Ertrage. 2) Die Landwirthschaft kann keine beliebigen Produkte anbauen.*) Sie ist in der Wahl und in der Zahl der anzubauenden Produkte an die land- wirthschaftliche Technik und Statik^) gebunden. Sie muss zirka ^/g ihrer Fläche mit Wintergetreide, wenn auch nur der Streue und des Stalldüngers wegen anbauen; "^/g mit Hackfrüchten und ^/g mit Sommerfrüchten und Futter- pflanzen, (dies sind die gewöhnlichen Flureintheilungen im Osten), um einigermassen die Kosten ihi'es Betriebes und die Schuldenzinsen für eine, wenn auch nur 50% ihres Ertragswerthes betragende hypothekarische Last, aufzu- bringen. 3) Die Landwirthschaft kann nie auf eine volle Ernte — also nie auf einen vollen Erfolg ihrer Arbeit und eine volle Verzinsung des in ihr ge- machten Kapitalaufwandes rechnen. Sie ist wenn nicht allein, dann jedenfalls unter allen Produktionszweigen im höchsten Grade in ihren Produktionschancen von der- artig unberechenbaren Konjunkturen, als es die klimatischen und selbst die Wetterschwankungen sind, abhängig. 4) Die Landwirthschaft ist ein Beruf, welcher heut zu Tage die vielseitigsten Anlagen, die grösste physische und moralische Tüchtigkeit und Menschenkenntniss in Anspruch nimmt. 5) Der Grundbesitz hat last not least ein pretium affectionis, welches in gleichem Masse keinem andern Besitze innewohnt. Fast jedes ver- erbte Grundstück ist sozusagen mit dem ganzen Leben und *) Sehr Gutes enthält in dieser Hinsicht eine Broschüre des Grafen A.Z61towski u.d.T.: „Ist es für den mitteleuropäischen Landwirt h thunlich, angesichts der überseeischen Konkurrenz den Anbau von Halmfrüchten aufzugeben?" (Doktordisser- tation.) Posen. 1889. 5) s. mein Buch: „Adam Smilh als Moralphilosoph und Schöpfer der Nationalökonomie", der letzte Abschnitt passim. — 125 — Weben der Familie verwachsen. Jeder Baum, jede Hecke, jedes Grebäude, jeder Stein sind gleichsam Denkmäler der Geschichte der Familie, Zeugen von Leid und Freud und oft mühsamer Arbeit ganzer Generationen! "Wenn man diese fünf Punkte im Auge behält, dann muss man zu einer ganz anderen Auffassung der Pflichten des Staates und der Gesetzgebung dem landwirthschaftlichen Grundbesitze gegenüber ge- langen, als es die heute landläufige ist, und als sie selbst die „berufensten" Vertreter der Wissenschaft bekunden. Fasst man nämlich die oben angeführten fünf spezi- fischen Eigenthümlichkeiten des landwirthschaftlichen Grundbesitzes scharf ins Auge, dann muss man zu dem Ergebnisse gelangen, dass in Bezug auf Punkt 1, 2 und 3 der landwirthschaftliche Grundbesitz sich geradezu in der Zwangslage befindet, in nicht seltenen Fällen selbst anhaltend mit Unterbilanz weiter zu ar- beiten, und zwar in der allerdings meist eitlen Hoffnung, dass jene Umstände, als welche die Konjunktur der auswär- tigen Konkurrenz, des inländischen Marktes, des Klimas und Wetters u. s. w. gegenwärtig auf seine Lage verhängnissvoll einwirken, — zufällig einmal zu seinen Gunsten sichändern können! Solange es eben geht — oft bis zum vollständigen Ruin — wird diese Sisj'phusarbeit fortgesetzt! Dabei ver- leihen die unter Punkt 4 und 5 angeführten Eigenthümlich- keiten des landwirthschaftlichen Gewerbes die technische Fähigkeit und die moralische Kraft zur Fortsetzung dieses „Kampfes ums Dasein" bis zum letzten Lebenshauche! Ein weiteres Ergebniss einer Zusammenfassung dieser fünf spezifischen Eigenthümlichkeiten des landwirthschaft- lichen Grundbesitzes ist die Einsicht, dass wenn demselben von Seiten der Staaten und Volksvertretungen nichts als eine fin de non recevoir und hiermit ein lasciate ogni speranza definitiv zugerufen wird, — er in die Zwangs- lage versetzt wird, selbst auf eine Massen- enteignung unter angemessener Entschädigung, solange noch überhaupt etwas zu entschädigen ist, — bei den Regierungen und Volksvertretungen vorstellig zu werden! Die spezifische Natur des landwirthschaftlichen Grund- besitzes bedingt es nämlich unabweislich, dass dieser Grundbesitz und diese Landwirthschaft im Privateigen- thume und auf Privatrechnung in den Rahmen der heutigen Wirthschaftspolitik und Gesetz- gebung auf die Dauer unmöglich bestehen können. Der Grundbesitz kommt nämlich ohne eine radikale Reform seines Agrarrechtes und seiner Kredit- organisation, wie wir sie im Anschluss an Rodbertus vorschlagen, selbst bei den zufällig günstigsten — 126 — Konjunkturen aus periodisch wiederkehrenden Krisen überhaupt nicht heraus «) Entweder muss dem privaten landwirthschaftlichen Grundbesitz die seiner Natur entsprechende Agrar- gesetzgebung, welche im öffentlichen Recht ihren un- zweideutigen Ausdruck finden muss, und zwar so lange es noch Zeit ist, wiedergegeben werden, — oder aber muss der Privatgrundbesitz und das mit ihm verknüpfte land- wirthschaftliche Gewerbe in ein gemeinsames Staats- grundeigenthum mit einem auf gemeinsame Rech- nung der Gesellschaft betriebenen landwirth- schaftlichen Gewerbe umgewandelt werden, und zwar dann möglichst bald bevor noch eine Massendeterriorisirung des Grund und Bodens eintritt. Tertium non datur! Die Wahl zwischen diesen beiden allein in Anschlag kommenden Alternativen würde wohl noch heute zu Gunsten der ersteren ausfallen, obgleich Stimmen für die Verstaat- lichung des Grundbesitzes immer lauter werden und zwar nicht blos aus den Reihen der „Enteigner" par excellence, nämlich der Sozialdemokraten. '') Wir stehen natürlich als Grundbesitzer, Landwirth und Nationalökonom auf dem Standpunkte, dass vor der H and die erste Alternative sowohl vom Staate als auch von der Volksvertretung, nicht bloss im Interesse der heutigen Grund eigenthümer und Landwirthe, sondern auch im Interesse der heutigen Gesellschaft ins Auge gefasst und praktisch verwirklicht werden soll. Ueber den dauernden Erfolg der bezüglichen Massnahmen, welche wir in allen 6 Kapiteln unseres Referates besprochen haben, machen wir uns allerdings keineswegs zu grosse Illusionen! Ein Privatgrundbesitz und eine auf Privatrechnung betriebene Landwirth schalt, die in Bezug auf auswärtige Wirthschaftspolitik auf 12 Jahre hinaus unter einem so minimalen Schutz, wie ihn die eben abgeschlossenen Handelsverträge gew^ähren, dem Auslande preisgegeben ist, ist damit zugleich zum grösseren Theile dem Verderben preisgegeben, wenn nicht etwa zufällig ausserordentHch günstige Umstände, wie gute Ernten im Inlande und schlechte im Auslande, oder ein grosser glücklich geführter Krieg, eine unerwartete Wendung herbeiführen. Darauf darf aber weder der landwirthschaf t- liche Grundbesitz noch auch der Staat noch end- lich die ganze Gesellschaft rechnen und sich damit für die Zukunft vertrösten. «) s. Rodbertus w o. pag. 75-79, 85—87, 92—94. Er geräth immer von der Scylla der Kreditnoth in die Charybdis der Schuldennoth. S O. Cap. III. ') Henry George Flürschheim, Stamm — die deutsche Landliga— gehören hiei'her. — 127 — Zum Schluss sei es uns gestattet, die Ueberzeugung und Hoffnung auszusprechen, dass. wenn nur der Staat die Rodbertus'schen und im Anschluss daran unsere oben dargelegten Vorschläge zur Abhilfe in der Noth des landwirthschaftlichen Grund- besitzes ernstlich in Erwägung ziehen undmannes- kräftig in Angriff nehmen und die Volksvertretung auf Grund einer besseren Einsicht, als sie bishör zu Tage getreten ist, ihn in diesem Bestreben unterstützen wollte, — um mit Eodbertus zu reden: „dem privaten Grundbesitz und dem Kapital ein langer und schöner Abendsonnenstrahl" trotz aller Ungunst der Zeiten und trotz aller begangenen Fehler — noch beschieden wäre! Druck von Wilhelm Issleib Inbater Gustav Schuhr, Berlin SW ^a» ginku kt fetmkpmft C^i untr tfu m\mum k$ ^$\mk^. Pier PorUfungen oon 'w iJiraf. Dr. pr$i?ritt0. SllS 9Kanuffript gebrurft für bte 2:^eilne^mer am ÄurfuS für praftifc^e Sanbnjtrt^e, oeronftaltet oon ber SJönigltdjen Sanbioirt^fc^oftltd^en ^oc^fc^ulc gu 33erlin im gebruar 1894. SSerlag oon 3^. 2;elge, 33erttn. 1894. C5§ ift mir ber SBunjd) auSgefproc^en worben, bie S5or^ lefungen, ti^eld^e id^ !üräUc^ auf ber ^öniglicfien Sanbttjirt^fc^aft^ liefen §oc^fc^uIe für praÜifc^e Sanbtüirt^e gehalten ^ahe, ben Ferren S^eilne^mem in gebrucfter gorm äugänglic^ gu machen, ^nbem ic^ biefem S5erlangen mit §ülfe einer ftenograptjifc^en SfJieberfc^rift nad^tomme, kmer!e ic^, ba^, ixm ba§ ai^anufcript nid)t p umfangrei^ 5U moc^en, ic^ einäelne me^r nebenfäd)= ücf)e Steile (^onfurrens ber amerüanifi^en SSie^ä«f|t' Quän-- inbuftrie 2c.) geftri^en §abe. SBerlin, 28. gebruar 1894. M. ^txim* SJleine ^errcn! @§ bcbarf !aum einer 9le(i)tfertigung, wenn i^ ba§ bcfannt gemalte ^t)ema jum ©egenftanb tnetner bte§iä^rigen SSorlefungen mac^e. ^eine ^rage be= iAäftigt gegenwärtig bie Ianbn)irtt)f^aftlic^en Greife md)t nur in S)eutfd)lanb, fonbem in ber ganjen ciütltftrtcn S^elt iebbafter ai§ bie: 2Bie werben fid) bie greife ber «oben- probufte geflalten? ©rf)on finb Saufenbe üon ©runbbeft^ern bur^ ben Stüdgang ber pefunidren ^Reinerträge t^rer äBirt^äiaften bid)t Dor ben ö!onomifcf)en 9flmn geführt, unb wenn bie heutige ^reisbilbung ant)alten ober gar weiter fic^ t)erfd)Ied)tern foUtc, würbe ein unget)euerer ^ujammenbrud) ganj unöermeiblid) fein. ^^ fet)e m ioldber 5Igrar!rifi§ ein fd)were§ nationale^ UngtüdC — nic^ nur be§t)alb, weil e§ bte äat)(rei^[te, fonbem wetl e§ aud) eine fojial unb politifd) befonber§ wertt)üOÜe maffe unferer S3eDÖl!erung trifft unb oon unabfet)baren folgen für un= fcre nationale 3u!unft begleitet fein würbe, ^le ganje ^nbiöibualität unfere§ @emeinbewefen§ tft auf§ ©ngfte üerfnüpft mit ber ©igenart ber Sanbbau treibenben S3e= oöüerung — e§ !ann un§ nid)t glcic^gittig fein, ob felbft* ftänbige SJlänner ben beutfc^en ^oben bearbeiten unb mit ihrem ^efi^t^um biejenigen 2;rabitionen auf i^re ^mber uererben, welche fie feit :Sa^rl)unberten mit bem ©taate oerbinben, ober ob fie in ein immer brüdEenbere§ Slbpngtg» feitSoer^ältni^ oon ben ^t)pot^efenban!en, tapitaliften unb Söu^erern geratl)en unb fd)lie^lid) anberen, oft wenig wünf^en§wert^en (Elementen weichen muffen. ^od) laffen ©ie mid) ot)ne längere 33egrünbung jur ©ad)e tommen. , ®er äußere SSertauf ber Preisbewegung ift für bie beibcn wic^tigften ©etreibearten au§ ber 3^nen überrcid)ten erften 2:abelle erfidjtUd^. Sf^ad) Ueberwinbung ber ^rifi§ ber swanjiger ^ya^re fanb ein faft !onftante§ Stuffteigen bi§ in bie erfte ^älfte ber fiebriger ^ai)xt ftatt, unter« brocken nur burc^ eine unbebeutenbe ©en!ung im felsiger :Sa^r§e^t. ^ene ßeit brad)te ben gtänsenbften 2luffd)wung ber beutfdien ^anbwirtt)fc^aft. ®ie Slufliebung ber @ut§- — ß — untert^nigfeit unb ber ^ro^nbienfle, bic Separationen unb ^ufammenlegungen ber ©runbftüde tiatten eine gro^c ©umme t)on bi§i)er latenten inteUe!tuelIen unb ett)if(^en Gräften entbunben, ja^ofe ^inberniffe bejeitigt, n)elct)e ber 2Inn)enbung ber ©runbfä^e einer rationellen Sanbn)irtf)f^aft entgegengeftanben t)atten. ®ie fteigenben greife madjten bie ®urcl)fü^rung intenfioer Sßirttjfd^apntetfioben, matten jebe Melioration, jebe 93erbcfferung be§ aSiet)ftanbe§ lotinenb. ^ie te^nifc{)cn ^^ortfc^ritte jener ß^it übertreffen raeitauä aÜe ©rrungenfc^aften be§ lanbrairt^fc^aftlic^en i8etriebe§ niälirenb eine§ ;5at)rtaufenb ber oor^ergeljenbeu ®nt= roirfelung. 3lber biefelbe urfäd)li(i)e @rfrf)einung, raeld^e bie günftigc Preisbewegung ^eroorgerufen ^atte, follte pgleicf) ben erften Slnfto^ §u it)rem ^Jiücfgange geben, ^ene ^reiSfteigerung raar t)erDorgegangen, abgefe^en oon ber rafc^en 3«"«^«^« unferer eigenen ^eoöüerung, au§ ber fortfc^reitenben '"^if- oollfominnung unferer a3er!ei)r§mittel. 3)ie beutfdien betreibe- preife ri^teten fid^ rcefentUc^ nad) benen unfere§ roic^tigften auswärtigen 2lbnet)mer§, be§ britifd)en ^nfelreid)e§, n)elct)e§ bamat§ bie I)öd)ften ©etreibepreife ber 3Öelt l)atte. @obaIb ein ©ebiet in ^eutfd^Ianb bur^ eine @ifenbal)n bem großen ^anbel erfc^Ioffen rcurbe, rücEte e§ fornmersieÜ bem bortigen 9J?arfte oft um |)unberte r»on Kilometern nä^er unb mürbe bie ^ifferens oon ben engtifc^en greifen bementfprec^enb »erminbert. 9Jiit ber weiteren 3Iu§breitung ber neuen 2:ran§portmittel, ber @ifenbaj^nen unb ^ampffd)tffe, begannen bann junäc^ft bie billigen 3uful)ren au§ bem Often ben bcutfc^en Ueberfc^üffen ben 3lbfa^ ftreitig ju madjen; fie waren el, welcl)e in ben fec^jiger ^a^ren ben erwähnten ^reisrüdfgang lieroorriefen. ©eit ber ^weiten ^älfte ber fiebriger ^al)re trat ein aJlitbewerber na^ bem anberen auf bem SBeltmarlte auf. 3Sor allem bradjten bie norbamerüanifc^cn unb oftinbifc^en ^ufuljren eine ^aiffe ^eroor, wel^e erft in ben ;3ci^^en 1886 unb 1887 i^ren 2:iefftanb erreidite. ^m ^urc^fdinitt ber ^at)re 1885 bi§ 1887 ftanben unfere SBeijenpreife tiefer al§ in ben üierjiger ;3al)ren tro^ be§ 1879 eingefüt)rten unb 1885 auf 30 3Ji!. pro 1000 Kilo erp^ten ©infu^rjoUS. ^n <$nglanb lagen bie ^inge freiließ nod) »iel fd)limmer. 2)ie '»greife erreichten bort i^ren Sicfftanb erft im ^a^re 1889, unb ber 9flücffd^lag war fe^r oiel heftiger al§ bei un§, weil bie $8erlegung ber wid^tigften 9}erforgung§gebiete oom Often na(| ben tranSoseanifc^en Säubern ba§ ß^^trum be§ @etreibel)anbel§ üon (Snglanb nac^ ber SHitte be§ — 7 — €uropätfd)en Kontinents üerfrf)ob. C'^ute t)at m^t mc^r (Snalanb bie ^ö^flcn ©etreibepreije ber SOßelt, fonbern ba§ iübn)cftlid)e ®cutfd^Ianb mit feinem ^anbel§§entrum 9Hann= kirn bie ©^roeij, 'i)a§ angrensenbe fran^öfifc^e ©ebtet. 23on t>a au§ ba^en fic^ bie ©etreibepreife md} Uöeften nnb Dften i)in ah, um it)ren tiefften 2)urd)j^mtt§ftanb einerfeitS in Oftinbien unb Sibirien, anbererfeit§ im meft= Ud)en S'lorbamerüa ju erreid)en. ^iefe STnorbnung mürbe awä) ot)ne jebe 3Jlitmirfung ber fontinentalen Botlpohti! beftet)en. (g§ ift !Iar, mie Derbcrblid) jener 9tärfgang ber @e= treibepreife bie Sanbmirti)fci)aft treffen mufetc. 9Jiit ben Kornpreifen, unb oft fic übert)oIenb, mar ber 2Bert^ be§ @runb unb ^oben§, ber ^äufig ben ^efi^ gemedifelt batte, bi§ in bie fiebriger ^a^^e geftiegen, t)atten bie au§ Kauf» gclberreften unb @rbfd)aft§tt)eilungen t)eroorget)enben ^x)VO* tbe!enf(iulben gemaltig angenommen, maren Saften ber Sanbrairttifd^aft aufgebürbet morben, meiere unocranbert blieben, al§ bie ©rträge ^urücfgingen. ®a§ tft ja bie aufterorbentlic^e Unbiüigfeit be§ ©d)ulboert)äItntffe§, X>a^ bie Stnfprü^e ber ©laubiger, berjenigen, meldte fid) ©runb* renten gefauft tiaben, unoerminbert fortbeftc^en, mäfirenb bie dienten felbft bat)infd)minben. 9Jiit bem äßertt) be§ £anbe§ maren aber aud) bie Steuern, bie Söi)ne, bte SebenS» anfprüdie ber öefi^er unb it)rer gamilien geroad)fcn urib ausgaben übernommen morben, bte fi^ ni^t fofort prücE» fcbrauben liefen. Malier ba§ ©rforberni^, 9^ot^fd)ulben äu !ontra{)iren — ba§ Slufdimeßen ber ^i^pot^efenfdjulben bei finfenben ®in!ünften ber Sanbmirtt)fd)aft tft tu ber ^^at ba§ bebenflid^fte 3eid)en it)rer Sage — bat)er ba§ Umfc^menfen ber Sanbmirti)e 9nittcleuropa§ tn ba§ fc^u^= jöünerifdie Sager unb bei weiterem SInbauern ber ^retä- fenfung ba§ fpontane Slufflammen ber agrarif^en 93eraegung, bie nidjt nur ^eutfd^tanb, fonbern aüe ©etretbc bauenben leulturftaaten mit @infd|lu^ 9(lorbamerifa'§ ergrtff. Sm ®urd)fd)nitt ber ^a^xe 1888 bi§ 1890 ^t in ^eutfd)Ianb eine @rt)öt)unq ber Sßeisen- unb Stoggeii« preife um etraa 20 9Jlf. pro 1000 Kilo ftattgefunben. ©tc ift auf bie @ri)öt)ung ber beutfc^en ©infu^rjöüe im gletdien betrage jurüdäufütiren, mie ein SSergleic^ mit ber engUfd)en ^:]3rei§bemegung ber gleichen 3eit ergiebt. SQBä^renb früher bie ©etreibesötle na($mei§bar jum großen St^eil auf ba§ SluSlanb abgemälst morben ftnb, ift bie ^oUertiö^ung üon 1887 in golge unfere§ beträd)Iid)en einfut)rbebarf§ oon 1888 bi§l890unfcren^robu5enten ootl ju Statten gefommen. — 8 — 3Bic \\6) nun bte Preisbewegung in ben testen brei :3a^ren geftaltet tiat, laffen a^ Verbot gerabe baju, ba^ bie ruffifd)en ^önbler ti)re in ben ^afenplä^en lagernben bebeutenben 3Sor= rät^e — einzelne Sanbe§tt)ei(e i)atten übrigens aurf) 1891 eine günftige @rnte get)abt — in fiebert)after @ile unb in enormen Quantitäten nad) bem 2lu§(anbe brad)ten. ®eutfd)= lanb f)at 1891 bie größte @infut)r oon ruffifd)em Söeijen get)abt, bie jemals bagemefen ift: 5,1 (einfc^lie^lid) ber ®infut)r auf ^ieberlagen 7,7) SJliUionen Doppelzentner gegen 2V2 bis 3 in ben Sßorjaliren — unb felbft bie Stoggen^ einful)r ift näd)ft berjenigen üon 1889 unb 1890 bie t)öd)fte bi§{)er erlebte. Diefe SJJenge !am jum fet)r großen 2:^eil pnäc^ft nic^t pm 33er!auf, blieb oielme^r in ©rraartung pt)erer greife an ben ©inlagerungsplä^en liegen. 3meitenS I)atte 3florbamerifa 1891 eine n)at)rl)aft riefen^afte @rnte. 9kd) ber offijieKen ©tatiftü, bie er^ miefenerma^en m niebrige eingaben mad)t, t)atten bie amerifanifc^en Farmer in .^inblid auf bie l'ommenbe — 9 tuffifc^e Sni^crnte ha§ Sßeisenareal gegen ha^ 35orjat)r um 4 9JliÜionen 3lcre§, ba§ finb 1,6 gj^itlionen ^eftar, au§= gebe^nt — jur Erläuterung fei bemerft, ba^ ®eut[d)lanb 1890 nicl)t me^r al§ 1,96 üJliüionen ^dtax im ©anjen mit SBeisen befteüt ^tte. ®er ©rtrag per tJIcre mar überbieS um V4 I)ö^er a(§ ber gen)öt)nlid)e ^urd^fc^nitt. ^er ®efammt= ertrag belief fiel) fd^ä^ungSiueife nuf 675 9JiiUionen 33ufl)el§ gegen 4-500 9Jiitlionen in ben üorlierge^enben 3at)ren. ebenfo fanble Oftinbien au^erorbentlid) gro^e ^Beigen* quantitäten. ^m Söeri df)t ber 2lelteften ber ^aufmannfc^aft oon Berlin für 1891 t)ei|t e§: „Niemals moren bie |)anbel§* lager (Snglanbö, bie unoerfteucrten Sager ^ranfreict)§, bie 9Rteberlagen 2lntn)erpen§ unb ber t)0Üänbif(^en ^äfen, 33erlin§, ^ansiqS, ^önig§berg§ fo gefüUt, fo geraattige 9J( äffen untermeg§ nad) duropa mie 3lu§gang§ 1891." ®ie beifpiello§ großen Slnerbittungen norbamerifanifdjen @etreibe§ bauerten mät)renb be§ ganzen ^al)reg 1892 fort unb brückten auf bie ^:preife. ®ie ameri!anifd)e @rnte mar and) 1892 bei §urücfgel)enbem Sßeisenanbau eine reid)lid)e (f^ä^unggrceife 540 aJiillionen ^^uf^elg.) @benfo roirfte bie jutreffente 2lu§fid)t auf eine gute @rnte in SEeutfd)= lanb unb 30f|itteleuropa überf)aupt preisfentenb. ^m ^uli fam baju ber ä^erl'auf ber großen in Hamburg unb ^ollanb auf Spefulation get)altenen Sager ruffi)d)en ©etreibes. ®ie ©pefulation l)atte fid) als faljd) erroiefen, unb nunme{)r mürbe baffelbe betreibe p ©c^leub erpreifen unb sunt ©d)aben für unfere Sanbrairtt)fd)aft abgefegt, beffen ^e^ten in 9f{u^lanb ^aufenbe bem ^ungertr)pl)u§ überantmortet iiatte. 2ln ber 33erliner ^örfe liatten bie Socoprcife für äßeijen unb 9ioggen Sieferungsqualität im 5luguft 1891 236 unb 237 3)1 'betragen; fie fanfen bi§ sum ^"juli 1892 auf 174 unb 185 9^. — mät)rcnb jener ä^it t'oftete alfo 9ioggen megen ber ruffifc^en 9Jli^ernte met)r al§ Sßeijen; — im ^ejember 1892 ftanben bie ^:preife burc^fd)nittlic^ auf i49 m. bejro. 130 2Ji. 2öir fommen nun ju bem fritifc^en ^aljre 1893. ^ie greife :^oben fid) nur Dorüberget)enb über i^ren niebrigen ©tanb am ©übe be§ ^al)re§ 1892. ©eit 9Jiai finb fie fortbauernb gemieden; feit "Oiooember t)aben fie in 33erlin mit 141 bi§ 144 m. für ^ei.^en (Sieferungsqualität) unb 121 bi§ 127 m. für ^Jtoggen ijiren l)eutigen unerprt tiefen ©taub erreid)t. ^n ^reu^en muffen mir bi§ in bie 30er 3al)re, in @nglanb bi§ in bie glitte be§ üorigen ^at)r' ^unbert§ prüdgel^en, um einen gleich niebrigen ®urd)' fd)nitt§prei§ rcie für 1893 ju erreid)en. — 10 — @itic au§reid)enbe @rflärung bcffelben ift au§ ber ©tatifti! ber ©rnten unb 3Sorrätt)e nid)t m gerainuen. Hüer^ bingS ^ben Dftinbien, 9ftu^lanb unb ®eutfct)Ianb eine teillidie ©rnte oon 93robfrüc^ten get)abt. 2lber im übrigen Europa gel)en bie ©rträge nid)t über einen mäßigen ®urd)= fd)nitt ^inaug. 3n ©nglanb ift ba§ ©etreibenreal, roic fd)on feit langem, fo and) 1893, miebcrftarf vebu^irt rcorben ^ox mm tiaben bie SSereinigtcn ©taaten it)ve 3Bei§enanbaufIäd)en gegen l891 um uid)t weniger al§ 6,4 SJliüionen ^ilcreg, ta^ finb 27, SJliüionen ^eftar eingefrf)ränft. ^t)re ®rnte ift um 225 9JliUionen ^uft)el§ geringer al§ bamat^. ©le ift bie üeinfte feit 1879. ^m ©anjen ift bie ©rnte ber @rbe üon 1 893 bebeutenb gegen bie beiben 3Sorjat)re prüif = gegangen, ©ie betrug fdjäJungSmeife 1891 bi§ 1893 290, 294 unb 281 9)iiaionen Cuarter (217,5 tilo) SBeisen. 9]un l)aben nüerbiiig§ fortbauernb bie SSorrätl)e au§ ben^at)ren 1891 unb 1892 auf ben dJlaxtt gebrüdt. ©^ märe begreiflid) gemefen, roenn bie greife 1893 auf bem tiefen unb ruinöfen ®urc^fc^nitt§ftanb oon 1892 Dert)arrt t)ätten; aber i^re meitergetienbe ®epreffion ift nur au§ Urfac^en ju erflären, bie gana auMalb be§ ©piel§ oon Stngebot unb 9tad)frage liegen. Sföir {■)ah^n barin in erfter Sinie eine SBirfung be§ ftiüen unb ber großen 3Jienge fd)mer oerftänblidien ©influffe^ ber SSalutacev^Itniffe gu erbtiefen, ^aum jemals finb fie fo beutlid), fo erroetSUc^ !(ar ju Stage getreten mie in ber (SJegenmart. ®ie 5Baluta= t)ert)ältniffe t)aben bie 9lorbameri!aner gezwungen, if)re alten Seßeiäenoorrättie mit großen SSecluften für aüe 33e« t^eiligten lo§äufd)lagen. ©ie l)aben bie 9iuffen befäl)igt, bie 9{orbameritaner auf bem Sßettmarft nod) ju unter= bieten*), unb betbe fonnten mieberum rceit unterboten mcrben burd) bie ^Irgcntinier berart, ba^ mie ber ^erid)t beä ^icfigcn 33örfenmaHcr§ 9}let)er fagt, fd)on ber Slufflug uon rocnigen 9)]arf, ben bie ^auffefpefnlanten t)erfud)ten, „genügte, um bie ebenfo rcid)lic^e mie billige ^Inerbietung ion Sa ^tatameiäen jum 3lnfauf gelangen ju laffen." ®a^ unter fold)en SSert^ältniffen bie jur ^eit ber 2t)euerung befdjloffene unb feit gebruar 1892 für bie 23er« trag§'' unb meiftbegünftigten ©taaten uerroirElid)te ^erab« fe^ung ber bcutfi^en ©etreibejöüe um 15 Wlt. pro taufenb ") „®ie rufiifcf)C <5rnte ermieS fi^ burc^ ÜJiäd^tigfeit beS @fport§ unb 33iÜtgfett ber^retje im Ie|len Quartal bem amerifantfc^en SBcttbeiüerb et^eblid) überlegen." S. HJle^tr, »ertditüber Den ©etretbe» fianbcl in SBerlin im Sa^re 1893. 93erlin 1894 ©. 1.5*») ebenba ©. 22. - 11 — ^ito if)rem ooaen betrage nad) prei§jenfenb roirten mu^te, lieqt auf ber ^anb. ^auptfäd)ltd) au§ biefem ©runbe tft ber neuefte ^rei§rüc!gang in 3)eiitfd)Ianb mel fct)limmcr qerccfen al§ in ©nglanb. SDort gingen bie Söeisenpreife üon 1891 big 93 um 48, in ^reu^en burc^fc^mtthd) um 72 mi pro 1000 tilo äurürf. 3"9lfif^ i)at f^^^i^t^ ^le Unfi^ertieit ber BoUüer^ältniffe unb bie ©pefulatton barauf eingeroirtt, mel^e auf bie in golge be§ 3oüfriege§ an ber ru fifÄen ®ren§e unüerfäuflid] lagernben ©etretbemengen unb ben 2Ibfd)lu^ be§ ruffifd)en |)anbel§üertrage§ red)net. 2Benn wir nun bie jdjroermiegenbe ?^ragc beantroorten moüen: rcie rcerben fid) bie ^^veife in 3ufunft geftalten? ]o ^aben mir in§ 5luge ^u faffen er[ten§ bie jiemlt^ fonftant fid) entmidelnbe 9lad)frage nad) ^robgetreibe unb smeitenä bie roat)rfd)einlid)e ©ntroicfelung be§ 3Ingebote§ au§ ben mic^tigften ^onJurrenjlänbevn unter 53erüc!ftd)ti= gung bc§ @influffe§ ber 5ßaIutaoert)ältniffc auf bie ^rei§^ bilbung. ^ ^^ .^^ . „, 2)er Q3robbebarf ber §ioilifirten 3Sölfer ift m über* au§ fd)neaer ßuna^me begriffen. ®ie 33eöölferung ber curopäifdjen ^mpovtlänber raeftlid) non ber ruffifc^en unb ungarifc^en ©reiige üermel)rt fid) jätjrlid) um etma '^JJ"U- topfe SW man ferner bie 2öad)§tt)um§rate non 3^orb-- unb 9}littel=^ilmeri!a mit ca. 1,8 ajliüionen köpfen t)m5U, fo fann man fagen, ha^ aüein in biefen ^auptgebieten ber europäifc^en Kultur bie 99eoöIferung — unb entfpred)enb ibr gflat)rung§bebarf — ^a^x für ^afyr um faft 4 9)^tütonen topfe anmäd)ft. @§ bebarf fd)on eine§ fefjr rafd) fteigcn= ben 3Ingebot§ oon 9]at)rung5mitteln, menn baffelbe mit ber rapib june^menben giad)frage auf bie ®auer ©d)ritt t)atten foü, unb non üornlierein liegt e§ auf ber ^anb, M^ ienem 33ebarf o^ne ©leigerung ber $reifc nur auf ejtenfioem SBege ba§ t)ei|t burd) 3(u?bet)nung ber bebauten ^-ladjcn genügt werben fann. 2Iüerbing§ ift ber ^:prei§rücfgang am (gnbe ber 70 er unb Slnfang ber 80 er Sat)re gerabe burc^ bie 2:^atfad^e bewirft morben, ha% bie bebauten unb unfercr SJiarftoerforgung jugänglid) gemad)tcn ^Iäd)en fid) bamal§ mit einer 9f{afc^!)eit ermeiterten, meldie ber 9lad)frage meit norau^eilte. ®iefe ©rmägung füt)rt un§ iu bem roic^tigften ©etreibegebiet ber @rbe: S)ic t^rage ber norbamerifanifc^en ©etreibefonfurrenj ift eine rein t)otf§mirtt)fd)aftlid)e. @ie ift fferoorgerufen — 12 — tüorbcn burd^ bie überaus fc^neüc ^efiebelung bicfe§ niärf)ttgen Kontinents tnnertjalb ber legten ^at)r§el)nte. ^cr ©diaupla^ ber Kon!urrenj umfaßt oornet)mIid^ bie 6aum:= (ofen ©benen ber weiten ^rairielanbf(i)aften, rcelrfje ba§ innere oon ^'lorbamerifa bebeden. 9luf biefer SBanbfarte ift mit einer grünen Sinie bie ungefäl^re ©ren^e 3n)ifd)en ben beroalbcten unb ben oon '»Jlatur roolblofen ober bod^ fe^r raalbarmen ©ebieten angebeutet, ©ie äief)t fic^ in einem Kreisbogen oom 3Binniepeg[ee über 6t. ^^aut am SRiffiffippi nad) ber (5üb= fpi^e be§ ^i(i)iganfee'S unb oon ba in geraber Sinie über ©t. SouiS bis jum @oIf t)on SJiejifo. Sßefttid) üon biefer ©renjlinie beginnen fid) bie Stoiber p lidjten; bie ^äume rüden mie in einem 'iparf ju üeinen Rainen unb ©ebüfc^en gufammen, bis fie enblic^ gan^ üer[d)H)inben unb nur nod^ bie S^Iüffe unb ^äc^e alS fc^male «Streifen fäumen. 2)ann beginnt bie eigentliche ^rairie, eine Ieid)t meüige, einförmige @benc, bie mit einem üppigen 3Bud)S oon nat)rt)aften (ä)räfern unb äßiefenfräutern bibedt ift. -^ft ber ^egenfall bort nid)t gro^ genug, um ein naturlid)eS ^aundleib ju erzeugen, fo genügt er bod), um fünftlid) gepflanjte unb gepflegte 33äume p eri)alten unb ben ©etreibebau ^u er= möglid)en. @rft meftlid) oon einer Siuie, bie fid) jiüifdjeii bem 98. unb 100. ©rab ro. @. bemegt, luivb ber Stiegen- faü fo gering, t>a^ 3(derbau otjne tunftlid)e 53emäfferung nid)t möglid) ift. (Seit ben 50er ^at)ren I)atte ber 3Sortrab beS ameri» fanifdjeu KoIoniftenI)eereS bie öftlid)en lliraälber überrounben unb rcar auf jene baunilofe (Sbene ()erauSgetreten. ^iec löfle fid) bie Kolonifation ooUt'ommen loS dou ben natura lid)en ^i^evfeljrSmegen, ben ?}Iüffen unb (Seen, benen fie in ben 5Bnlbbiftviften gefolgt mar Sie er()ielt it)re Sftidjtung unb eine unert)örte 33cfd)Ieunigung burd) hin §u jener 3eit mit au^erorbentIid)er Energie aufgenommenen ®ifen- babnbau. ®ie ®ifenbat)nen finben auf ben einförmigen ^läd)en ber ^rairie ein äußerft günftigeS Sauterrain. 9)ian ift bort üietfad) aller GinebnungSarbeit^n enthoben unb fann bie Sd)ienen o^ne meiteieS auf ben flachen Söoben legen, ^ic fd)neHe 3luSbreitung ber (£ifenbat)nen im ^rairicgebiet rourbe aber oor 5lllem {)erbeigefüt)rt burd) öffentli(^e ©üb» oentionen, bereu fiiberalitöt einzig baftet)t in ber @efd)id)tc beS @ifenbat)nmefenS. ®ie 58unbeSregierung gemälirte feit ben 50 er ^^^ren htn in jenen ©egenben l)er§uftellenbcn Sinien ;^anbfc^enfungen, beftelienb auS 80 biS 100 engt. SHeiten breiten ©treifen Sanbe§, bie, f(i)ad)brettarttg burd^» brod)en, auf beiben ©eiten ber ©trecEen entlang laufen, iiefe (Sd)en!ungen f)aben in^rotfclfien einen Umfang oon nid)t weniger a(§ 757 000 Cuabratütometern erreid^t. ©ie umfaffen fomit eine ©efammtfläc^e, n)eld)e biejenige be§ beutfd^en 9^cid)§ um beinahe bie ^älfte übertrifft, ^eute befi^en bie ^Bereinigten Staaten met)r @ifenba{)nen a(§ gans ©uropa, nämlic^ 275 000 Kilometer. 3luf jene SBeife erreirf)te man e§, ba^ bie ©ifenba^nen ber S3e= üöÜerung meit t)orau§eilten unb ba^ il)re ^ntereffen auf ba§ ®ngfte oerfnüpft mürben mit ber S3efiebelung be§ Sanbe§. ^urd^ ein ^eer üon 2lgenten üerfuc^ten fie @in= manberer, Käufer it)rer Sänbereien, Ijeranjusiefien unb ben SJlaffenabfa^ burd) bie beften ted)nif(^en Einrichtungen vor- zubereiten. 2lt§ i(^ nor 10 ;3at)rcn jum erften SRal bie ^rairieregion burd)reifte, I)abe id) im 9florbmeften jafilreic^e (Stationen paffirt, bie, mitten in ber rauben ^rairie gelegen, bur(^raeg fc^on mit ben befannten (Setreibceküotoren Der= fet)en raaren, of)ne ha^ nod) weit unb breit eine 9tnfiebelung ju finben mar. ®ie fo oorbereitete Slolonifation ber ^^rairie ert)iett aber noc^ eine raeitere f)öct)ft burc^greifenbe g^orberung burc^ ben ©rla^ be§ befonnten ^eimftättengefe^eg üon 1862. ®a§s felbe giebt ^ebem, ber ha§ 33ürgerre(i)t ber ^bereinigten ©taoten befi^t ober erroerben ju raoüen evfiärt ^at, ha§ 9ied)t auf foftenlofe Uebermeifung oon 160 ^i(cre§ ober 253 preu^ifd^en 9}Jorgen öffentUdjen Sanbe§, gegen bie blo^e 58erpfiid)tung, baffelbe ju beraof)nen unb ju bebauen. ®a§ ^eimftättengefe^ ift anjufe^en al§ ber raid)tigfte ©iege§prei§, rceld)en bie S^lorbftaaten im 53ürgerfriege baoongetragen ^aben. ®enn in jenem Kriege t)anbelte e§ fi(^ üiel roeniger um bie Befreiung ber ©!taoen, für bie in ber 3:^at nur raenige 5armer§föl)ne in§ ^elb ge< §ogen fein mürben, al§ oielme^r um bie ?^rage, ob bie i^ntereffen ber in ben 9lorbftaaten oort)errfc^enben bemo= l'ratifd)en ©efetlfc^aft ber ^leinfarmer, ©eraerbtreibenben unb 5laufteute, ober aber bie ber ^flanjer unb ^^lantagen- befi^er in ben füblid)en S3aummoübiftviften für bie @efe^= gebung ber Union in 3^^^"!^ ma^gebenb fein foUten; ob namentlid) bie bem-^unbe gehörigen unbefe^ten Sänbereien be§ 2ßeften§ bem auf ©üaoenarbeit berut)enben ©ropetrieb, ober ber freien 3Irbeit be§ ^Iein= unb 9)iittelfarmer§ anf)eim fallen follten. ®a§ ^eimftättengefe^ fanb nod) einige (Sr= gänpngen berart, ha^ jebem (Sinroanberer auf ^rairie* ianb im ©angen nid)t raeniger al§ 750 preu|ifd)e 9)iorgen, — 14 — tt)cil§ umfoiift, t{)cil§ gegen (Sricgung eine§ gang geringen ^aufpteife§ jur 5ßerfügung gefteUt würben, ^ene Sanb= gefe^e ^aben bie 2(u§n)anberung nad) ber Union feit bcn 60er ;^a^ren au^eiorb entließ angeregt, ^unberttaufenben namentlich aucJ) oon beutfd^en Q3auern ift bie SluSroanbe^ rung nac^ 9florb=9lmerifa nur ^ierburd) crmögli(f)t raorben. ajiißionen unb aber ^JliUioncn 2lcre§ Sanbe§ finb unter jenen @e[e^en roäfirenb ber oerfloffenen brei 3a^rjef)nte üer geben roorben. 9^orf) in anberer SBeifc trug ber ^ürgcr!rieg bap bei, bie SWaffenberoegung nad) bem 3ßeftcn anzuregen; nämlich burd) bie in feinem befolge auftretenbe ^apiergelbroirttjfc^aft. 2)a§ feit 1862 ausgegebene uneinlöSlic^e ^apiergelb erlitt fc^on im felben ^at)re eine @ntn)ertt)ung gegen @olb, unb fie erreichte im ^uli ^864 mit einem ©otbagio oon 85% it)ren ^ö^epunft. ®er Farmer erhielt alfo für ben 33uf^e[ SBcijen ftatt 1 S)olIar: 1,85 Dollars in Rapier unb fonnte feine ©djulben mit ben entn)ertl)eten Scheinen pm oollen S'lcnumert^e ab^a^lm. 3Bie feljr bie Farmer bie Rapier* gelbn)irtl)fc^aft goutirten, erroieS fid) im ^at)re 1868. ^ie „inf(ationiftifd)e" Partei, H§ l)ei^t bie Partei ber oerfc^ulbeten garmer, fe^te bamal§ burc^, ba^ bie fd)on 1866 fcft= gefegte ^n5iel)ung be§ ^apiergetbe§ fu§penbirt rourbe. äro^bem gingen nad) bem ^rieben§fd)lu^ mit bem fteigenben ^rebit ber ^Bereinigten Staaten bie ©olbpreife für $apier aamät)lic^ l)erunter. 100 ^oüarg @olb maren 1865 144, 1870 120 ®oaar§ Rapier roertt). ©nbtid^ beftimmte ein @efe^ Don 1875, ha^ com 1. Januar 1879 an mieber bie @inlöfung ber S8unbe§noten gegen baar ftattfinben fotlte. 1877 t)atten 100 Dollars ®oIb nod) 107, 1878 102 in Rapier gegolten. 3)en ^ötjepunft erreichte bie SBeftroanberung rcätirenb ber großen ^anbel§frifi§ oon 1873 bi§ 1879. ©ie mad)te ^unberttaufenbe oon Seuten aller S3eruf harten in ben oft* Iid)en ;^nbuftriebe§irfen broblog, unb ©d)aaren oon ?^armern ber Oft= unb 9Jiittelftaaten,5l'aufleute,gnbuftrielle, Ingenieure, ^anbrcerfer rafften bie krümmer if)rc§ 5ßermögen§ ober it)re ©rfparniffe pfammen, um fid) ein neue§ ^eim im SQSeften ju fuc^en. SBelc^e SBirfung aüe biefe @inpffe auf bie 9lu§= be^nung ber lanbmirt^fc^afttic^en ^robu!tion be§ 3Bcften§ gewinnen mußten, lä^t fid) ermeffen, menn man in ^etrad)t äiet)t, in mie ^ot)em SJla^e gerabe bie ^rairie mit il)rer roalblofen unb fteinfreien Oberfläd)e ber einbringenbcn Kultur entgegenfommt. Sluf ^rairielanb braud)t ber Farmer _ 15 nur einiges ©ebüfrf) tiinraeg gu räumen; tm Uebrigen !ann er ben 8ät)en 9ftajen einfarf) unterppgen unb fd)on itn f ften ^vabre nach ber ^lieberlaffung eine gro^e %la6)t befteüeri. äer (5d)älpf(ug bringt bort in mer 2;agen bte gleid)e i^läcbe Sanbes in einen jur 3lufnat)me ber faat befer qeeianeten ^uftonb, al§ bie 3lrbeit eine§ 3Binter§ im Ur= malbe. ®ie fteinfreien ©benen finb sum mafc^tncnma^igen 33etrieb im ©ro^en mie gemadjt. , ^ . ^ . • ._ ©0 ift eö ge!ommen, ba^ 'i)a§ ^armlanb ber ^[^ercintgten ©taaten fi^ iu ben 30 3at)ren non 1850 bi§ 1880 um 242 «minionen 5lcre§, t>a^ finb 98 9}iiüionen |)e!tar, ober um eine gläd^e au§bet)nte, meltfie ^einatje boppelt fo gro^ ift mie ba§ aefammte Ianb= unb f orftn)irtt)fd)afttid) benu|te ircal be§ beutfc^en 9fteid)e§ (50 gjiiüionen ^e!tar). ^te aroftere aölfte biefer erraeiteruug entfiel auf ba§ eine ^mtabnt 1870 bi§ 1880 ^Q§ ©etreibeareol ber Union mudbi in biefer Q^^t um nid)t meniger, al§ ber gefammte in ^eutfcblanb mit betreibe befteüte ©runb unb «oben umfaßt/ nämlid) un-i 13,3 9Jtiüioncn |)eftar. ^le ameri= fanifÄe 5lnbauftatiftif für 1890 ift nod| nidjt pubhjirt, fo bafe id) bie neueren ^iffevn nid^t mitjut^eilen oermag^ SBährenb auf ben ^opf ber q3eoöl!erung ber Union nod) 1850 nidit metic al§ 120 J^ilo an bort probujirtem Reisen entfaüen rcaren, ba§ ift etma fo niel, al§ ha^ Sanb felbtt Äaud)te, betrug biefe§ Quantum 1870 177, 1880 aber 250 5liIo, unb non biefer Sl^enge famen etma 40 /o pm ^^%nx bie öufunft be§ amerüanifc^en 3Beijenejport§ finb nun smei 2:i)atfad)en oon au§fd)laggebenber 2öid)tigfeit erften§ ift e§ ganj au§gefd)loffen, ha^ fid) jemals eine SKaffenberaegung mie biejenige ber fed)§iger unb fieb^ »iaer ^vabre roiebert)olt unb mit elementarer ©emalt, o^ne aUen ßu ammenliang mit bem ©etreibebebarf ber SBelt, bie ?lnbaup^en ermeitert. 2lüevbing§ ift m ben bem Söeisenbau 5ugängtid)en ©ebieten nod) nid)t mel me^r al§ bie Mlfte üon aüem nu^baren Sanbc t^atfäd)li(J m Kultur gebradit, unb e§ mirb nod) lange bauern, bi§ %3rbamerifa in ?^olqe be§ geroadifenen 33ebarf§ feiner eigenen «eoolferung aufhören roirb, 3Beisen in großen ^JJiengen gu ejportiren. 2lber fd)on oor 5el)n Satiren fonnte id) burc^ Umfragen namentlid) auf ben Sanbämtern feftfteüen, ba^ ba§ offent» lid)e Sanb im (5)etreibegebiete ber Union faft ganj oergeben unb in bie ^änbe oon garmern unb Sanbfpetulanten übergegangen mar, bat)er einen gjlar!tprei§ gemonnen l)atte welcher bem üon ben ©runbftücfen ju ersielenben IG — iHcinertrngc entfprad). ^eute finben ftd) gro^e Slompleje öffentlichen unb gum ©etreibebau geeigneten £anbe§ nur nod) im roeftlirfjen S^anaba. ®ie bortige Ü^egierung f)at aber ben get)ler begangen, fet)r gro^e Sanbfläd)en, unb getabe bie aüerbcften, !apitalifttfct)en @efeUfd)aften ju über^ tragen, fo ha^ bie SInfiebelung bort ttieurcr ju ftet)en !ommt, öl§ in ben bereinigten Staaten pr ßeit ber großen ^olonifation be§ 2Beften§. 3Sor aUem roirt't ba§ ^lima ^on äßefÜanaba abfd)rec!enb auf bie ©inroanberung, e§ entfpric^t genau bemjenigen be§ mittleren 2iBeftfibirien§. §urii)tbar ^rte unb lange Söinter, nertjeerenbe ^rü^-- unb epätfröfte unb tjäufige Dürren marf)en ben bortigen ©etreibebau p einem rigfanten @efd)äft. ®ie SSer-^ t^euerung be§ 33oben§ unb bie !(imatij(i)en SJitMtänbe üerlangfamen bie ^olonifation unb ^ultioirung ber unbe= bauten Sänber im britifd)en 3lmerifa in fe^r fühlbarer äßeife. ®ie norbamerifanifd)e ©inroanberung ift feit 1882 hinter bem bamal§ erreid^ten .g)ö^epunft Dauernb ^nxM'- geblieben, namentlich ift au^ bie fulturett roictjtigere «innen^ manberung ber eingeborenen 2lmerifaner nad) bem SOBeften in'§ ©todfen gerattien. ^er SBanberjug oon @uropa nact) 2tmerita befte|t gu einem oiel geringeren Streit al§ früher au§ britifd)en unb beutfd)en Heferbauern, p einem um fo größeren au§ Italienern, ruffifdj'-polnifdjen ^uben 2C., bte fic^ in ben i^nDuftriebesirfen unb ©tobten nieDerlaffen unb .ba§ fd)on recl)t §a^lreid)e, Proletariat üermel)ren. ®a§ smeitc unb au§fd)lagge6enbe SJ^oment ift in htm burd)au§ fapitaliftifd)en ©liarafter ber meftlid)en ^arm= rcirt^fc^aft ju erbliden. 9Jlan liat nictjt mit Unred)t gefagt, bafe ber moberne St)pu§ be§ @uropäer§ am reinften in ^^orb-- amerifa §u finben fei, ber Sppug be§ fpefulirenben, ener= gifd)en unb r)erfd)lageneu @efct)äft§manne§. ^n biefen @igenfd)aften liegt in ber X\)at aud) bie ©tär!e unb bie ©ct)mäd)e ber roeftamerifanifctien garmer. 3""ä^ft ift i^re 3Birtt)fd)aft gan§ unb gar auf ben;2lbfa^ eingerichtet unb auf'g @ngfte mit bem SCßeltmarft uerflocliten. ^ie ©emmnung be§ 33ebarf§ ber ^-amilie im eigenen ^^etriebe tritt gan§ gurüd, obmo^l bie amerilanifdjen ©etreibebejirte bi§ auf einen 'geringen ^rud)tt)eil nict)t mit großen, fonbern mit mittleren Carmen befe^t finb. @§ ift allgemein üblid), bafe ber Farmer nid)t nur fein 9)iet)l, fonbern auc^ ferne aöinteruorrätlie an ^leif^, nicl)t feiten, ba^ er Kartoffeln unb e^emüfe oom Krämer einkauft. 3Bie ber ^merf ber äBirtt)fd)aft ber ^marl'tgeminn, fo ift ber ©rroerb einer |5^arm eine Kapitalanlage, wie jebc anbere. 2)ie Carmen — 17 — Tt)ed)feln au^erorbentUc^ oft ben 33efi^er; in bcn neubefe^ten Sanbftridien finb fte namentlid) für ben eingeborenen 5lmerifaner bur(^au§ ©peMationäobjefte, ^anbelgroaaren. %u SJic^rja^t berjenigen, rcelc^e ha§ ^eimftätten- unb @ifenbat)nlanb au§ erftev 6panb in 33efi^ netjmen, errcirbt nid)t, um e§ ^n befi^en, fonbern um e§ ju oer!aufen unb groar fo raf(^ roie möglid). @en)öt)nlid) begrünbet erft ber grceite ober britte 33efi^er ein bauernbe§ ^eim unb eine auf eine geroiffe ©tänbigteit berei^nete 2Birtt)fd)aft. ®al)er finb benn aui) bie au§ ^aufgelberreften beroorgegangenen ^efi^f^utben weit oerbreitet unb belaften ben Slderbau mit beträct)tlic^en 3in§oerpflic^iungen. 3Iber man tt)äte ben ^ilmerifanern unb namentlich auc^ ben Farmern Unrecht, menn man i{)re ©l^araftorifti! mit bem 2lu§brurf @efd[)äft§mann für erfc^öpft tjielte. Heine anberc g^ation t)at einen 33auernftanb, ber gleich oiet ©inn unb 23erftänbni^ für bie t)öt)eren Kulturgüter — abgefel)en aUerbing§ uon allen funftlerifrf)en ©enüffen — ptte, mic ber ameritanifd)e. ®er Stufmanb für ba§ ^c^agen be§ ^aufe§ unb feiner @inrid)tung, für ©r^ieliungg^ ^ilbung§= unb 5lultu§äit)ecfe ift au^erorbentlid) t)Ocl). ^ie grauen unb 2:öd)ter ber ameri!aui[cl)en Farmer finb peifect ladies, bie niemal§ gelbarbeiten oerricliten. ©anj falfc^ ift bie 9)leinung, bie öffentlictjen 5lu§gaben unb bie Steuern mären geringer al§ bei un§. ,®enn ganj abgefet)en baoon, ba^ bie Union für 9Jiilitärpen^ionen etma ebenfooiel au§= giebt, mie mir im @an§en für unfere fte^enbe 2lrmee, oer= urfa^t bie ©d^affung einer gan§ neuen Kultur im 3ßeftcn, ber ^au oon ©d^ulen, Kird)en, SBegen zc. fe^r bcbeutenbc Soften. ^n i^olge alle§ beffen finb bie amerifanifd}en ^^armer für leben ftarfen ^]3rei§brucf, ber i^re ^robu!tc auf öem 2ßeltmar!tc trifft, überaus empfinblic^, t^atfäd)lid) in oiel ^oberem @rabe al§ ber beutfc^e 33auer, ber, menn'§ 91ott) tl)ut, bie baren SluSgaben auf'g äu^erfte befd^neibet unb bem bie 3Irbeit§ traft aüer gamilienanget)örigen ju ©ebot ftel)t. 2ll§ bie UeberfüUung ber 9}lär!te mit ameri!anifcl)em SBeijen in ber erfteu |)älfte ber 80 er ^alire bie ©etreibepreife ):)ixah'' brüdte, brad^ in 5tmerila felbft bie l)eftigfte agrarifc^e Krifi§ au§, bie fid) bemerfbar macbte in ber fteigenben 3Serfd)ulbung burc^ ^ott)!rebit, maffent)aften SSerpfänbungen t)on Sanb, ©efpannen, @erätt)en, 35ie^, betreibe, ber madifenben 3at)l ber ©ubbaftationen. ®ie ©etreibepreifc finb in 9lorb = 2lmerif a felbftoerftänblic^ mefentlicf) geringer .al§ in ^eutfrf)lanb, unb menn p jener 3^tt im äu^erften — 18 — SÖBeften ni^t me^r al§ 6 m. für i)unbert Hito SBeiscn beäat)lt lüurben unb bie greife scitraeife auf 3 3Jl. fanfen, fo bebeutete ba§ ben 9ftuin Don ^Taufenben oon ^^armem. ■ ^ie für bie 2BeltmQr!t§oert)ältmffe pc^ft bebeutung§- ooÜe Slrift§ t)atte nun bie 2öir!ung, ba|bie 3lu§bet)nung be§ (Setreibeareal§ fiftirt rourbe. Brcar bauerte in ben eigent= liefen Slolonialbiftriften be§ 9lorbroeften§ bie ßuna^me be§ SßeisenanbaueS fort, rceil feine anbere ^robuftion fo wenig 53etrieb§fapital oerlangt unb fo rafd) ha^ mit ^ülfe be§ 5lTebit§ befd)affte Kapital in bie .^änbe be§ ^armer§ äurüc!= bringt. Slber biefe übrigeng oerlangfamte 33en)egung rourbe mei)r a\§> au§geglid)en baburd), bafin ben älter befiebelten (gebieten jebermann bie unrentabel geworbene Kultur nad) 9Jiöglid)!eit einfrf)ränfte unb ju anberen 3öirtt)fd)aft§= groeigen überging. ®a§ norbamerifaniid)e Söei^enareal I)atte feine erftmaltgef)öc^fte2lusbe^nung mit 39 Va SQhÜtonen ^der (Vs |)eftar) im ^a^re 1884 get)abt, in ben fotgenben r, Satiren blieb e§ um 5 Va 6i§ 1 V2 9)ltÜionen 9ldcr t)mter jener ßiffer §urüc!. 2lnbererfeit§ war t)orau§5ufet)en - unb id) l)abe fc^on 1887 barauf t)ingen)iefen, ba^ jebe beträc^tlidje ^rei§= ert)ö^ung al§ allgemeine 3lnrcgung p erneuter ^usbe^nung be§ 2Bei§enbaue§ mirfen muffe. ®iefe ©oentualitdt trat ein, al§ im ^erbft 1890 befannt mürbe, ba^ 9iu6Ianb einer 9Jlt^ernte entgegen ging unb bie ^:|.^reife ju fteigen begannen. ^nnert)alb eine§ ^a^vz§ oon 1890 bi§ 1891 roud)§, mie fd)on bemerft, bie @rntefläd)e in Ülorbamerifa um beinat)e 4 9Jlillionen Slder ober 1,6 SJliUionen §eftar. ®ie (Srnte mar glän^enb, unb oiete ^armer l)aben bamal§ i^re ©Bulben abgeflogen. 2lber mieberum erfolgte bcr 9iüdfd}lag, unb §mar mit ungeal)nter ©emalt, unb in unmittelbarer ^olge ging ^a§ 2Bei§enareal in ber 3ctt oon 1891—1893 oon 39,9 auf 33,5 9J{iaionen 3lder, b. f). um 2V.. SJIiaionen |)eftar §urüd. ^ie 2ßei§enpd)e l)at im oofiaen Sal)re i|ren geringften Umfang feit 1879 ge{)abt. ^l§'id) im legten |;crbft jum jraeiten SJiale ben amertfa- nifd)en Seften bereifte, traten mir mieberum alle 3eid)en eine§ fd)meren ®arnieberliegen§ ber Sanbmirt^fdjaft ent= qegen. ®ie iRalamität raurbe oeric^ärft burd) bie tieftige @elb' unb ^rebitfrifi§ jener ^eit, bie tieroorgerufcn mar burd) bie Söirlungen be§ !Cerfud)§ ber ^-Bereinigten ©tauten, o^ne internationale ^Vereinbarung bie ©ilberpreife su ert)ö^en ®a§ ©^a^amt ber Union tiatte feit bem Sherman-Act üon 1890 aUjätirlid) 54 ^mittionen Unjen ©ilbcr aufgefauft. — 19 — ha^ i[t fo vkl, wie bic gan§e ^ai)re§probuttion her SScr- einigten Staaten beträgt, unter 2lu§gabe einer bem ^auf* preis entfprerfienben Stenge t)on3ertififaten, bie ooEe gefepd)e 3at)Iung§!raft t)atten unb t)om ©d)a^fe!retär in bar, auf SSerlangen auc^ in @olb eingetaufd)t rourben. ©§ machte fid) nun ba§ nad^ ©re^am benannte nationatöfonomifctje @efe^ gettenb, wonach ba§ fc^ted)tere, ha§ tiei^t {)icr ba§ nur im nationalen Umlauf brauchbare ©elb, \)a§ beffere, t>a§ tnter^ nationale @elb oerbrängte. ^a§ @olb begann abzufliegen, oormiegenb angezogen oon Oefterreid), n)elcl)C§ fid) anfc^ictte, bie 33aarjat)lungen in @olb auf§unet)men. SDie phänomenale betreibe* unb 33aumn)ollernte t)on 1891 ^tte nic^t ben @rfolg, @olb nad) ben ^Bereinigten ©taaten §u gießen; e§ TOurben amerüanifc^e 2öertt)papiere gur 3lu§gleic^ung be§ nerbleibenben ©albo§ benu^t, unb baju rairfte bie 33eforgni^ ber europäifdien ^apitaliften mit, bie Union mürbe fid) f^lie^lic^ ge^mungen fet)en, i^re 3infen in entmertt)etem ©über ftatt in ®olb ju gatilen. 3ll§ bann 1892/93 bte amerifanifd)e .r-)anbel§bilan§ eine ungünftige rourbe, ba bie ;3mporte oor ^nfrafttreten ber 3Jic S^inle^biE aufS Sleu^erfte forciert mürben, ftrömteti geroaltige ©olbmaffen, nämlid) 87 ajliaionen ®oÜavS, netto, nac^ Europa. ©§ cntftanb ein allgemeine^ drängen nad) Saargelb, bie ®epofiten mürben au§ ben 33anl"en gurüdgesogen, ha§> gelten einer bel)errfd)enben ^entralbanf, meiere ha§ all= gemeine a}li^trauen t)ätte beruf)igen fönnen, machte fid) fe^r unangenet)m füt)lbar. SJfian mu^te für Umlaufs- mittel einen 2luffd)lag beaal)len; ^abrifant^n fauften tn ben Säben SO^üngen auf, um nur i^re Slrbeiter entlot)nen ju fönnen. ^er 3in§fu^ flieg enorm, im Sföeften auf 2-3% pro SJlonat. ®ie betreibet) änbler fonnten bie großen feit 1891 aufgehäuften Sager nid)t met)r t)alten unb mußten forcirt unb mit 3Serluft ejportiren. ^nbeffen ^anbelle e§ fic^ boc^ nur um eine üorüberget)enbe 5^cr^ rcirrung, ba§ (5l)erman=@efe^ ift am 1. 91ooember 1893 aufgel)oben rcorben. 2ll§ roid)tige§ allgemeine^ 9^cfultat ber bisherigen Unterfudiung ergiebt fi^: ®er amerifanifd)e ©etreibebau pa^t fid^ htn greifen an. @r ift elaftifc^, be^nt fi^ a\\§> bei fteigenben greifen unb 5iel)t fic^ bei ungünftigen ^ou= juntturen §ufammen. Ratten mir e§ nur mit tonfurrenten roie ben 3Rorbameri!anern p t^un, fo mürben mir mit ge= Iegentlid)en beträ^tlic^en ©c^manlungen ber ©etreibepreife ju red)nen t)aben, aber bie ^onfurren§ mürbe erträglid) fein, rocil jebe ^reiSl'rifiS gleic^fam t)a§> |)eilmittel in fid) felbft — 20 tvÜQc; im ©ro^en unb ©anjen lüürbcn bie ^retfe «Ict^-^ mäiiqcr fein al§ in älterer 3eit, reo fte ber loMe ©rnte^ aulfaU aüein beftimmte. 2öir würben un§ auf em gen)tffc§ <3)urcfefd)nitt§niüeau einrict)ten fönnen, unb btefe§ ^Jltueau n)ürbe md)t aüp tief liegen, "^^^^^^ ^J.'^^T? f ''^!!f ^od)ftet)enbe§ Eutturoolf finb rote rotr felbft mtt l)ol)en Hui- turbebüifniffen. ^ .. c m *i. <• * @§ fragt ftd) nun, bei roeldiem greife berJPun!t hegt, bie§= ober ienfeit beffen eine 3unal)nte, be§ro. 2lbnat)me ber amerüanifc^en ©etreibeprobuftion su erroarten tft. ^ie§ fefipftellen, ift bei ber t)ol)en «ebeutung ber norbaniert!a= nifdien ^robuttion für ben äßeltmarft roic^ttg, obroo^l^ier nod) anbere9nitberoerberau§fcl)taggebenb inSetradit tomntcn, bereu ^on!urrensfä^ig!eit auf fetir abrocid)enben SSorauS* fe^ungen beruht, ^m ^a^n 1883 gelangte id)nad)em* qelenber Hnterfudjung ju bem g^lefultat, ba^ bte bamaligen greife in ^Jtocbamerifa gerabe genügten, um bie ^robu!tton§' t'often im roeiteften ©inne be§ 3ßorte§ ju betferu 33ei un§ ftanben bamal§ bei einem 3oü uon 10 m. pro Sonne bie greife in gnittelbeutfd)lanb, 3Hagbeburg ober Berlin auf 187 m., ebenfo in ©nglanb. _ '^sm legten C)erbft ^be id) mid) bemüt)t, au§nubig s" machen ob bie '^^robuttion§= unb 2:ran§port!often f"^ amerifanifd)en 2Beisen insroifd)en ermäßigt roorben feien. ®ie§ ift nad) sroci 9iid)tungen aüerbmgg, roenn aud) m geringem ^JJla^ ber ^-aU geroefe.i ®nteii§ J)at man neuerbing§ in größerer ^Verbreitung al§ bamal§ bie felbft» binbenben SOiä^mafd)inen eingeführt unb fte auper. bem burd) 5lblegeüorrid)tungen uerbeffert. ^a^yenb fruber 2 3)lann pm Sluffteüen ber ©arben ber 9Jiafc^me folgen mufeten, genügt fe^t einer, rceil immer 3—4 ^unbel auf einmal ftatt eine§ auf bie ©toppein geroorfen roerben ®ie§ liat bieroid)tige^olge gel)abt, ba§ man auf ben normalen mittleren Carmen in ber ©rnte feine ©^t^^Jljwte mehr eiusuftetten braud)t. ©in 53efi^er oon l^OjHcfern hält regelmäßig einen mann, uttb jroar tm ^3lorbroeften für 6 Monate, roeiter iüblid) ha^ gauje ^al)r Ijmburd). kk ßöbne betragen 200 ®oüar im 3al)re, für befonberä gute Seute 240 ®oüar ncbft ^oft unb ^JOBol)nung. mber nid)t nur bie roirttifc^aftlidje fonbern aud) bte fojiale Sirfung jener tec^nifd)en 33erbefferung ift fe^r bebeutenb geroefen 3Bät)renb oor ber @infü^rung ber „©elb^inber (grntearbeiter in ©c^aren oon %^a§ bi§ ©t. ^aul in jebem 3al)re Ijevaufjogen, t)at biefe Sßanberberoegung je^t ganj auf9el)üvt. 21 @§ fragt firf), ob roir bic neue ©rfinbuncj nid^t für un§ nu^bar machen fönnten. 2)er ©diriftfteüer 9luboIf 3net)er behauptet, ba§ fei unmöglid); bie 5lmert!aner feien un§ tedtinifd) au§ bem ©runbe bauernb überlegen, rceil roir feine 5lrbeit§fräfte befä^en, n)eld)e intelligent genug wären, um berartige 3Jiaf^inen su fü{)ren ^ie 5trgumentation ift in biefer gormulirung fid)er ungutreffenb. ^a&) Mc!« fprac^e mit üielen amerüanifdien unb foId)en beutfdien Sanb* rcirt^en, raeli^e bie „©elbftbinber" in Stnracnbung gebrad)t ^aben, fomme ic^ ju folgenber 5tnfid)t: 3um ^at)ren ber 9Jiafd)ine gel)ört gar feine ^nteütgens, fonbern unter Umflänben nur eine geraiffe Sorgfalt; mot)! aber mad)t ba§ aüevbing§ fubtUe SBerfgeug t)nufig Heine «Reparaturen erforberli^, unb bereu 33eforgung oerlangt aUerbingS einiget @efd)id. ^n SImerüa roerben bie 9Jla= fchinen " meiftens oon bem Q3efi^er gefütirt, mät)renb ber 2lrbeiter bie ©arben auffteüt, unb ^ener bebanbelt nic^t nur ba§ foftfpielige 3ßcr!äeug oorfid)tig, fonbern oermag auct) fleinere ^Reparaturen felbft au§5ufüt)ren ^iluf ben ©ro^farmen be§ gfleb>9iioer=3;^I§ aber t)ält man fic^ einen mafd)inent'unbigen 9Jlann, ber neben ber arbeitenben gKafd)ine eint)erfäf)rt unb, fobalb etroa§ in Unorbnung gerate, fogleid) l^elfenb beifpringt. ®ie ^Jlrbeit felbft wirb uon l'euten geti)an, bie faft burd)n)eg bireft non (guropa fommen, 2)eutfd)en, ©t'anbinaoiern, unb nid)t me^r gu oerftetieu braud)cn, al§ ein paar ^ferbe p lenfen. ®a§ 9fleb 9liüer=^^l ift eben mie eine 9^eitbat)n, unb faft überatt ift ferner ha§> ^rairieknb für bie aSermenbung ber 5elb= mafdiinen be§t)alb Dorjüglid) geeignet, meil ber SSoben ftein= frei unb im ©ommer jiemlid) tiart ift. Sagerforn fommt bei bem t)errfd^enben ejtenfioen betrieb fet)r fetten oor. (S§ treffen alfo günftige natürlid)e unb DoIf§n)irtt)fcl|aft- ltd)4o5iaIe SSebingungen in S'torbamerifa jufammen. _ ^ic le^teren liegen namentlid) im aSort)errfct)en gut arronbirter, mittelgroßer garmen, bereu a3efi^er felbft bie Hauptarbeit auf bem gelbe tt)un. ®ie großen ®üter aber finb au§ge= be^nt unb fapitalfräftig genug, um bie nött)igen ©pesialtften pr Slusbefferung ber 3}iafcl)inen lialten su fönnen. a3ei un§ finb 5unäd)ft bie natürlichen aSorau§= fe^ungen feltener gegeben. Sluf fteinigem, fanbigem, l)ügc= ligem Stervain, auf burd) Stiegen erweichtem $8oben ober ani) bei fel^r bünnem ©tanbe be§ @etreibe§ ift ba§ S03er£= jeug, metc^eS übrigen? bisher für 9floggen, mie mir gefagt rcirb, nocl) nid)t eingerichtet ift, nic^t ju gebrauten. gerner bietet it)re SSerrcenbung ha keinerlei SHu^cn, — 22 — tüo infolge intenfiöet $8oben!uttur ba§ betreibe ftd^ i)äufig lagert unb ber ^Qcffrud)t6au o^net)in fo ja^Ireidje 2Irbeit§- fräfte erforbert, ha% fte gur ©etreibeernte glei^fam nur nebenl)er SSerraenbuttg finben 3Bo aber bie allgemeinen 33ebingungen oorliegen, l)ätten wir atte 33eranlaffung, ha§ amerüanifc^e 3^orbilb nad)pa^meti. 2:t)atfäd)lid) bettu^t man auf großen unb fapitalfräftigen ©ütevn, tüie §. 33. galfenrebe unroeit ^ot§bam, bie 3Jiafd)ine mit gutem Erfolg in berjelben 3öeifc wie auf ben ameri!anijd)eii ©ro^gütern b. t). uuter ^\^\:)\^^'- na^me eine§ mafd)inentunbigen 9)ianue§.*) ©benfo mürben unferc dauern, bie arronbirten ^efi^ unb rceijenfätiigen 53oben t)aben, bie „©elbfibinber" gerci^ uielf ad) mit 33or- tt)cil oermenben fönnen. ®ie ©c^roierigfeiteu beginnen auf ben Heineren, fapitalärmeren 9ftittergütern, bie über- haupt gegenmärtig gmeifello§ am meiften gefät)rbet finb. ^ie ©d)mierig!eiten finb fosialer Statur unb liegen ebenfo auf ©eilen ber 3lrbeiter roie ber 33efi^er. ^n 5lcut)orpommern giebt e§ ein fleinere§ IRittergut, beffen ©igentpmer feine ©d]eu, trägt, fid) jelbft auf bie 9}lafd)ine 5U fe^en. @r ift mit bem (Erfolge jeljr aufrieben, ^eboc^ glaube id), ba^ er nidjt üiele 9iad)al)mer finben rairb. Unter unferen Slrbeitern aber wirb man nod| meniger Seute al§ in ^Jiorbamerifa finben — unb nur infomeit trifft bie 9)ler)er'fd)e 2lrgumentation §u - bie forgfältig unb anftetlig genug mären, um bie SJiaf^ine nic^t nur füt)ren, fonbern au(^ einridjten gu fönnen, meil unfere beften Gräfte com Sanbc in bie ©täbte ober nac^ Slmerifa su gc^cn pflegen. 5lber e§ märe bod) su erroägen, ob e§ fic^ nicbt lol)nen mürbe, gegen befonbcr§ gute 33e5al)lung einen ober jraei SJlann bauernb gu ^Iten, benen man beibe SSKanipulationen anoertrauen fönnte, unb baburd) bie fo§ial unb pefuniär ^öd)ft unermünfd)te ^eranjie^ng ron 5al)lreic^cn ®rnte- arbeitern überflüffig ju machen. 3lbgefet)en oon ben ted)nifd)en SSerbefferungen bat man bie ^robuttiong=, bc§m. £iefcrung§foften für amerifonifc^en SÖßeijen in ber legten 3eit infofern erniebrigt, al§ bie ^rac^ten auf ben ©ifenba^nlinien raeftlid) unb norbmeftlid) oon 6;f)icago mit gune^menber ^:8efiebelung unb unter bem 2)ruc! ber ©etteibepreife, mie ba§ übrigen^ oorau§jufel)cn mar, um einige (Jent§ pro ^uf^el ^eruntergefe^t raorben finb. 2)ie ©rmä^igung beträgt für größere Entfernungen, fomeit *) 3m ©aiiäen tuerben tu 5)eutfd)lanb 3—400 ©elbftbinber benu|t. — 23 — id) ha§ mir Don @tfenbQf)tigejelIfc^aften gelieferte SJlateriat pr 3eit überfet)en fann, 5—7 ©ent^, ba§ ^ei^t ca. 9 9Jt. pro taufenb Kilogramm. Deftli(i) oon (Etjicago finb bie ?^rarf)ten faft unoeränbert geblieben, ©ie roaren f(f)on vox 5 bi§ 10 :5a'^ren auf einen faft unrentablen ©tanb lierab» gebrückt. ®offelbe gilt Don ben Seefrad)ten. ©ie finb nad) bem SJIanntieimer ^anbel§fammerberic^t in ben ^at)ren 1892 unb 1893 gegen bie SSorja^re um etroa 3 Wl. pro taufenb kilo "heruntergegangen. S[Ran errei(^te bie (Sr* mä^igung I)ouptfäd)Iirf) burd) @infüt)rung befonberS großer ©c^ipförper. 3IÜe§ in Mem rcirb man annetjmen fönnen, ba§ ha§ ^robu!tionsfoftenniueau für ben amerifanifc^en Söeisenbau :^eute bei einem ißreife liegt, meldjer etraa 10—15 dJl. pro 1000 Mo SBeigen geringer ift a\§ 1883. SDerfelbe ent* fprid)t bei einem 3oU oon 35 9Jl in SRittelbeutfctilanb einem betrage non runb 180 bi§ 185 9Jl. ^a§ ift immeri)in ein ^rei§, bei bem unfere Sanb« mirt{)fc^aft beftet)en fann. Ratten mir, mie gefagt, feine anberen Slonfurrenten al§ foId)e nom ©daläge ber 9^orb= amerifaner, fo braud)te un§ bie 3ufu"p unferer Sanbroirtt)* fdiaft fd)n)ere ©orgen nid)t §u bereiten. ©§ märe ein SBettbemerb mit einem ad)tunggebietenbcn ©egner, h^n bie beteiligten Stationen im rcefenüidjen auf bem 'Boben mirt^* f^aftltdier ^nteüigens unb 3:ü(^tigfeit au§§ufed)ten ptten. 2Iud) in jenen 2)iftri!ten, melct)e nad) i^ren Zobern unb ^limaoer^ältniffen in erfter Sinie auf ben ^örnerbau an« geroiefen finb, fönnte bie Sanbrcirt^fc^aft fid) oi)ne aüsu fdiroere ®rf (Fütterungen ben neuen 5ßert)ältniffen anpoffen. Seiber aber jet)en mir un§ in bcr traurigen Sage, ba^ unfere 3SoIf§rcirtt)f^aft fic^ notI)n)enbig immer tiefer oerflidjt mit berjenigen oon S^iationen, bie einer tieferen ^utturftufe angehören al§ mir, bie unfere eigene Seben§t)altung auf i^r S^ioeau fierabgujielien brol)en, unb eben biefen ^^ölfern fte^en 3Baffen ju ©ebot, meldie jeben el)rIi(Fen ^ampf au§fd)lie^en. (&§ finb bie§ cor Slüen S^lu^lanb unb Slrgentinien. Euglantr» Üiu^tanb fte^t unter ben ©etreibc cjpovtirenbcn Sänbcrn mit ber norbamerüatiifdicn Union oben an. @§ übernimmt mie biefe ctma V3 ber 5ßerjorgung ber i^wipo^t^änber, ob= n)ot)l feine @etrcibe=^^robu!tion mefentlid) geringer ift. ^n ber B^it ^^^ 3tüc!gange§ ber amerüanifdjen 2lu§fuJ)rcn 1884 bi§ 1889 t)aben bie ruffifc^en bie amerifanifd^en ®jporte fogar bebeutenb übertroffen, ^ür bie beutfd)e Sanb* wirt^fc^aft ift 9^u^lanb§ ^onfurrenj oon befonberer ^Biditig-- !eit, weil mir ben ^auptt^eil unfere§ @infut)rbebarf§ regele mä|ig oon unferem öftlic{)en 9lad)bar belogen I)aben. SBät)renb ber ruffifd^e aöcijen oormiegenb xiad) ©nglanb, §ran!reicf) unb ;3tcilien get)t, ift ^eutfc^lanb faft ber einzige 3lbne:^mer be§ ruffifd)en 9ioggeng. "^aä) ber @infut)rftatiftit ber :3wportIänber; bie ein beffere^ ^ilb giebt, al§ bie naä) ber bloßen Sßerf(^iffung§rid)tung geglieberte rufftfc^e 2lu§fui)r« ftatiftü, finb in ben ^oliren 1889 unb 1890 mie id) einem offigielten ruffifcf)en ^eri(i)te entnelime, jmei drittel ber bortigen 9floggenau§ful)r na(^ S)eutfc^lanb gegangen, ein S)rittet nad) Belgien unb ^oüanb, unb auc^ baoon ift ber größte 2:^eil al§ ®urc^fut)r, für un§ beftimmt, ansufetien. ®ie agrarifc^en 5ßerpltniffe 9iu^lanb§ finb nur in ^olen unb in ben baltifd)en ^rooinjen mit ben unfrigen ober ben amerifanifdien oergteic^bar. 2)enn nur bort be* fte!^t t)a§ bäuerliche ^riüatcigentt)um al§ bie t)errfd)enbe ^efi^form. .^m übrigen europäifd)en 9?u^Ianb leben bie dauern nad) wie oor im 3«ftcinbe be§ 3tgrarfommuni§mu§ ; ))a§ Söauernlanb geprt ber ©emeinbe alä foldier, bie eiu' jelnen 3DfiitgIieber t)aben blo^e 9tu^ung6red)te. 2tl§ man im ^al)re 1861 bie Seibeigenfd)aft aufbob unb eine ©c^eibung 8n)ifd)en abcligcm unb bäuerlichem 93cfi^tt)um oornalim, ^t man fic^ nid^t entfc^Iie^en fönncn, bie al§ altftan)ifct)c @igent^ümlic^!cit angefe^ene, t^atfäc^ti(^ aber erft feit bem 17. ^al)rl)unbert mit ber ftrcngen Seibeigenfci)aft errcac^fenc ^elbgemeinfc^aft ber Sauern ju befeitigen. ^eute get)ören ben bäucrlid^en ©emeinben im europäifd^en 9^u^Ianb runb 25 — 117 «Millionen ^egjätinen ober ^e!tar, bem 2Ibel 73 3JiilItonen. SBä^renb man ahex urfprüngtid) bcabftc^tigt t)atte, ben dauern roenigften§ fo üiel Sanb päuraeifen, iric fie üor ber ©mansipation i)atten benu^en fönnen, I)aben bie mit ber 2lu§fü^rung ber 2iu§einanberfe^ung betrauten 33e^örben ba§ S3auernlanb tt)atfä^lic() berart beji^nitten, ba^ im ®urd)f(^nitt ouf \ihtn ber ehemaligen gut§t)errlic^en 33auern tjon bem ©emeinbebefi^ (3lnfang§ ber ac^tjiger ^a^re) nur 3,4 |)e!tar entfallen, auf bie 3lpanagebauern 4,8, bie üieic^sbauern 5,9 ^e!tar. ®ie ^aräeüen finb burc^- fd)nittlidt) üiel ju flein, a\§ ha^ fie jum Unterl)alt be§ ^au§ftanbe§ ober aud) nur für bie 3lbgaben ausreichten. 27p®t. unb im füblic^en Steppengebiet faft bie ^älfte aller 93auernl)öfe rairtt)fcf)aften ot)ne ^ferb. 2)ic Sanb^ ftreifen finb fd}led)t abgegrenzt unb ungünftig gelegen, ^n §otge bec regelmäßigen 9ieuau§tl)eilungpn wirb ber 33oben meift iämmertid) ben)irtt)fd)aftet, benn ;3eber fdjeut fid), 3}erbeffeiungen üor§unel)men, bie er bei ber näd)ften Um= tl)eitung oerlieren mürbe So ift bem ©emeinbebefi^ ein großer '2:l)eit ber (Sd)ulb an ber fc^limmcn Sage ^ur Saftgu legen, in meld}er fid) bie Sanbn)irt^fd)aft 9f{u^lanb§ smeifeüoS befinbet. ^m größten Xi)t\l ber eigentlidien ©etrciberegion, namentlid^ in ben ©d)roar3erbebiftnften t)evrfd)t bie ^rei» felbermirtt)fd)aft mil ©emeinmeibe oor. ^aä g^tinboie^ wirb al§ blo^e Saft mitgefd)leppt, bie getragen mirb, um ha^ 9^iotl)bürftige an aJhld) gu geminnen. ^n l)ol5armen @e- genben mirb ber mit ©trot) oerfe^te uub bann äufammen= gepreßte Jünger al§ 33vennmaterial benu^t. 9Jlan be= arbeitet ba§ "Sanb mit ben primitioften 2tdergerätl)en. giur bie oberfte ©c^id)t ber 2lcter!rume !ommt jur 3Ser= mertt)ung. ®er Import lunftlid)er Düngemittel t)at jmar angenommen, aber nur über bie baltifdje unb polnifd)e ©renje, unb bod) märe bei bem foloffalen ©etreibeejport eine SIJlaffenDermenbung fold)en ®ünger§ in bem attbe* fiebelten Sanbc fet)r not^roenbig. 9luf ben großen ©ütern ift §mar bie Bearbeitung be§ 33oben§ eine beffere. 3Jlafd)inen finben l)ier eine immer weitete 3Serbreitung tro^ be§ ^ol)en einful)r§oll§, metd)er bie greife ^od)fd)raubt unb in bem neuen 33ertrag§entmurf nur eine unbebeutenbe ©rmä^igung gefunben i)at Slber aud) bort ift bie 3Birtt)§fd)aft§roeife nad) ben oorliegenben Berid)ten im ©aujen nod) eine ^öd)ft rücEftänbige. Die großen ®üter leiben auffallenbermeife unter ber ©d)roierig= !eit, ftänbige Slrbeiter ju finben. Der @runb liegt im ©emeinbebefi^, in bem t^et)len einer eigentlid)en Slrbeiter^ 2ß floffc. ^n ®urd)f(i)nitt§ia!)ren muffen fid) allerbing^ bie mciften 33auern um Slu^enarbcit bemüijen; in fd)Ied)ten gießen fte §u ^unbcrttaufenben ^erum unb bieten fid) su ^ungerlö^nen an; in guten ^a^ren aber finb 5lrbeiter faum §u ben {)öcf)flen Söt)nen 5U t)aben. ^ie feit 1882 eingeri(^tete 93auernban! t)at übrigens ben 3tnfauf oon ^ut§tanb feiten§ ber 33auern erleichtert unb e§ finben §a^I= rei^e SSerpadjtungen in ^par^eüen ftatt. 5öenn bie 2In= gaben be§ 00m ruf[if(i)en 2)omänenminifter für bie C^icagoer SiuSftellung bearbeiteten 93evid)t§ zutreffen, fo mürben etma -Vg bei gangen 9ioggen= unb etraa '/lo ^^^ äßeigenareals i^eute im bäuerlid^en ^efi^ fte^en. ^ie Ernteerträge unterliegen in golge be§ fontinentalen ^tima§ unb ber fd)led)ten 2Birtt)frf)aft au^erorbentlid) großen ©d)rcanf'ungen unb finb im ®urd)f^nitt gering. 3}lan fc^ä^t biefelben für längere ^:pcviüben auf 8—9 |^cftoliter Sßeisen unb g^loggen gegen 17—18 be§ra. 15—16 in 9)eutf^lanb unb ^ranl'reid). 33iele fel)en bie ^aupturfac^e ber ruffifdien |>unger§nott) oon 1891 nid)t in ber ®ürrc bc§ üorl)ergel)enben ^at)re§, fonbern betrad)ten jene 5^ata= ftrop^e al§ eine le^te ^olge be§ ßufammenmirt'enS ber ungtüdlidien Sefi^oerpltniffe, ber mangetliaften ^Bearbeitung unb 2lu§faugung be§ ^oben§, be§ ^bt)oläen§ ber 3öälber, namentlid) aud) ber nad)t)er nod) nä^er in6 3luge §u faffenben Ausbeutung ber 33auern burd) 2Bud)erer. ®er je^ige ®o^ mänenminifter ^ermolom oeröffentlic^te oor feiner (Bi- nennung im ;3a^re 1891 eine ©d)rift über bie „^Jli^erntc unb 'Oa§ aSolfSelenb", in ber e0 t)et^t: „(£§ ift ^ot)e 3eit, fid) an§ Sßerf ju machen, t)ol)e 3eit, baoon enblid) überzeugt gu fein, ba^ ol)ne gegenfeitige ^itfe ber ©taat§regierung; ber 2öiffenfd)aft unb ber Sanb= mirtl)e felbft au§ ber traurigen ^age, in ber mir un§ be= finben, fein Slugroeg gu finben ift. Unmöglid) ift c§, rut)ig jenen Sag abgumarten, an bem bie fruc^treid)ften unb blüt)enbften ©ebiete 9^u^lant)§ p einer mafferlofen, unfrud)t= baren unb fanbigen SBüftenei Ijerabgefunfen fein merben. Unmöglich, bem rut)ig gujufetjen, ha^ bie früljer fo \xu(i)U reid)e ©d)mar5erbe, bie g-rud^tbarfeit be§ ruffifdjen 33oben§ ba^infint't in ha§ ©ebiet einer Ueberlieferung unb bamit ^ugleic^ aud) bev 9^eid)tl)um be§ rujfifdjen 2lrfcrbau§ ücr= nid)tet m^rbe." Xxo^ ber elenben ^ulturDecl)ältniffe unb bürftigen ernten ift nun ein rapibe§ ^Inmadifen be§ ©yportS feit ^Beginn ber 60er ^a^re gu beobachten. ®er gefammtc (55ctreibecyport betrug 1860 bi§ 1864 26 SJliUionen |)eftoliter. — 27 — ^n ben folgenben ^a{)vfünften ftiecj berfelbe auf 32, 48, 67, 72 3Jiiatonen, im ^at)re 1887 auf 93, 1888 auf 133 SJlillioneu. ®amit roor bcr 6i§t)ertge ;^öt)epunft er= teiclit. ^m ^al)u 1889 tüurben 107, 1890 99 9J?iaionen ^eftoliter cjportirt, unb im ^ungeriat)re 1891 errcidite ber Syport eine 3^ffß^/ ^^^ ^"^ ijinter berjenigen ber unmittel« bar DorI)ergel)enben 3 ^at)re jurürfblieb, aber ^öt)er mar al§ im ^al^re 1887. 3it)ei Urfad)en t)aben biefe ©ntrcicfelung t)ert)orgerufen. ^unä^ft bie Gcrfd)Iie^ung be§ Saube§ burd) ®ifenbat)nen feit ben 60er unb cor Slllem in ben 70er ^ö^i-'^n. 9^u^Ianb i)atte 1868 4800, 1870 8528 SBerft (1 2Ö. = 1,067 mio' meter) @ifenbai)nen, 1880 fd;on 19 950. ^n f^olge be§ orientatifdjen Krieges, ber ha§ Sanb finan§ieü erfdjöpfte, ftorfte ber ^af)nbau eine :^t\t lang ®rft in neuefter ^eit ift er mieber in großem SRa^e aufgenommen morben. 1891 betrug bie ©efammtlänge ber ruffifd)en @ifenbat)nen 27361 2Berft. 3um 3SergIei% fei bemerft, hai ®eutfc^» lanb im 33etrieb§ja^re 1890/91 41 818 Kilometer normal- fpuriger (Sifenbat)nen t)otte, obmot)! e§ siemlid) genau 9mal fü ftein ift at§ ba§ europäifdje 9^u^Ianb 2Son Dornt)erein ift alfo !Iar, ba^ bie @rfd)(ie^ung biefe§ Sanbe§ hux6) @ifen= bat)nen nod) in ben Slnfängen ftet)t. 3:;ro^bem unb obmot)I bie ^al)nanlagen gro^entt)eiI§ met)r im friegerifd)en al§ im rcirtt)fd)aftlid)en ^ntereffe angelegt morben finb, ift bie ]^ot)e ^ebeutung, rcetd)e fie für bie ^^cltmarüftellung 9iu^* Ianb§ fd^on erlangt t)aben, nid)t §u oerfennen. @ine grceite Urjac^e aber, rceld)e ha§> 2(nfc^meÜen ber ruffifd)en (Setreibeejporte I)erbeifüt)rte, ift gu erbliden in bem eigenartigen unb finnreid)en Organismus, TOeId)er e§ ermöglid^t, ben ruffifd^en Sauern ha^ ©etreibc ntd)t nur in auffaüenb großen 3Jiengen, fonbern aud) §u ©pottpreifen abjufaufen unb bie anberen 3SöIfer auf bem Sßeltmarft gu unterbieten. ®a§ erfte ©lieb biefeS Organismus ift bie Rapier» gelbroirtl)f(^aft. ©ie ift in 9ftu^lanb fd)on metir als ein ^al^r^unbert alt. 1768 erfolgte bie 2luSgabe oon 9fteid)S» affignaten, bereu ©inlöfung 1786 aufget)oben mürbe, ©ie ftanben feitbem unter pari unb mürben 1839 befinitio beoalöirt, b. t). man fe^te ben Sertl) non 350 ^^apierrubeln auf 100 Sflubel ©ilber gefe^lic^ feft, unb löfte fie p bicfem 33erl)ältni§ ein; bie bann neu ausgegebenen ^rebit= biÜetS bel)aupteten fid) längere 3ßit t^o^ ungenügenber S3aarbecfungauf bem^^arimertl). Slber infolge beS ^rim= fricgeS mürben fie 1854 uneinlöSbac gemacht, unb — 28 fcttbem ift ber ^rebilrubel tjon Sf^euem ftar! entit)ertt)et, 2BQt)renb ber urfprünglic^e Scrtt) oon 100 D^tubeln SJ^etaU 324 9J?ar! in unferem @elbe war, betrug er, wie au§ ber Dorliegenben STabetle erfid^tlid) ift, 1876/80 221 9«or!; in ben beiben folgenben ;3at)rfünften 205 unb 204 9Jiar!. ^m 3al)re 1888 fiel er biä auf 163 SJiar!. S)ie t)olf§n)irt{)f(^aftIict)en Sßirfungen ber unterroert^igen 3SaIuta finb t)on ber 9flationaIöEonomie in einer l)eute un= beftrittenen Z^zoxu fkrgelegt roorben. ^c^ bef(^ränfe micf) auf bie n)irf)tigften ©ä^e, inbem idf) fie unmittelbar auf S^u^Ianb anrcenbe unb, foweit bie§ in^ürjc möglich ift, mit 3:^atfad)en belege. ®ie ©ä^e lauten: 1. SBenn gro^e «Summen uneinlöSlic^en ^apiergelbe§ auggegeben unb in 33er!el)r getjatten werben, fo fc^minbet äunäcl)ft alles SHetaEgelb au§ ber ©irfulation, meil jeber lieber mit hzm nominell üollgittigen, fa!ti[d) entmert^eten '^iopier feine ©cf)utben be^al)lt unb bie baare SJiünje gurürf^ l)ält ~ in ber Sl)at fommt in 9iu^lanb ber ©ourantrubel faft garnicl)t üor. 2. ^ebe eintcetenbe ©ntraerttjung wirft raie eine (5jport= Prämie, benn raenn ber Söertl) be§ ^apiergelbeS gegenüber bem SRetatlgelb ber ^mportlänber finft, fo fteigt entfprectienb t>a§ lufgelb, melclieS für 9Jietall in ^^^apier ge5al)lt mirb, fteigt ebenfo ha§ 2lgio für bie Sßed^fel, it)eld)e auf @bel^ metaKIänber lauten. ^at 5. 33. ein ruffifc^er ^änbler für lOOOüO SJiarf ^loggen narf) 33erlin üerfauft, unb ber ^ur§ ift: lOO ^;papier= rubel gleid) 200 maxt, ober 100 SJiarf gleid) 50 9iubel, fo ert)ö(t eu für ben Söecbfel auf 33erlin bei feinem ^eter§= burger 53anfier, 00m ^igfont abgefef)en, 50 000 y^ubel. ©inft nun ber ^üv§ bevavt, ha^ 100 5Kubet nur noc^ 150 maxi mxil) finb, fo gelten 100 Wlaxt fo oiel mie 66,66 Sftubel, unb ber2öeci[)fel bringt 66666 9Rubel Rapier, ^ft in ber ^n-'ifdjenjeit ber Sinnenmertl) be§ 9ftoggen§ unoeränbert geblieben, fo beträgt bie ©rportprämie 16 666 maxi 2lnbererfeit§ wirb bei fteigenber @ntn)ertl)ung be§ ^apiergelbe§ bie ©infulir erfct)n)ert, weil bie auSmärtigen 3Bed)fel auf baS Qant) mit finfenber SSaluta einem %{§'- agio unterliegen. ^ebe @r^öl)ung be§ SiubelfurfeS roirft umgefet)rt al§ @rfd)n)erni^ für ben e;cport unb Slnreij für ben O^iport. 3. ^ie ern)äl)nten Sßirfungen l'önnten bann nid)t ein- treten, menn alle ^^preife im ^nlanbe entfpred^enb ber @nt= mertbung be§ @elbe§ fliegen unb umgefet)rt. i)ann würbe _ 29 unf er ßänbler mit feinen 66 000 ^:papierrubeln nid)t mci)t anfanflen tonnen, al§ i)ori)er mit 50 000. 3lber fol^e mnpaffung ber q3innentt)erti)e pflegt nur fet)r langfam unb ungleichmäßig einzutreten; um fo weniger rafc^, je ftarfer bie 9}laffe ber 33eoölferung nod) in ber gflaturalmtrt^fdiaft ftecft. ©ie laffen e§ fi^ gefallen, wenn fie ben alten ^rei§ für i^re ^robufte in entmertt)etem Rapier ermatten. mux bie au§länbifd)en @rseugniffe, weil fte tn baar bega^tt werben muffen, fteigen, menn bie S^urfe fmfen, unmittelbar im greife ^ , .. .. 4. ®ie turfe finb niemals fonftant, fonbern beftanbigen ©(^man!ungen unterm orfen. ^aburd) mirb bie 3tnpaffung ber S3innenroertt)e befonbev§ erf^roert unb bie ^ur§fpe!u= lation immer oon ^^leuem angeregt. ®ie ^ur§fd)n)an!ungen Rängen nun auf§ ©ngfte mit ber ^anbel§= unö 3a^lung§^33itans be§ ^apiermät)rung§» lanbe§ sufammen, unb sroar berart, baß bie 2lb^ängigfett eine gegenseitige ift. 9?ußlanb t)at afliätirlid) eine beftimmte ©umme üon importirten SBaaren im 3lu§lanbe su be§al)len. @§ ^at ferner bebeutenbe Säeträge an ©ct)ulb5infen unb 5^iDibenben an 't)a§ 2lu§lanb ju entrid^ten. ®iefe ©d)ulb- Derpfli(^tungen finben il)re ^ecfung gunäc^ft bur^ ejportirte SBaaren. 33leibt ein ©albo übrig, \o tarn bie§ ni^t burc^ ba§ im ^nlanbe üorl)errfcl)enbe @elb, b. \) burd) ^^iapier auSgegti^en roerben Merbing§ ift 9ftußtanb ein @olb probusicenbe§ Sanb unb t)at tt)atfäd)lid) bi§ @nbe ber 80er Sat)re met)r ©olb au§= at§ eingeführt, aber feitbem ^ält bie ruffifd)e 9iegierung nic^t nur ba§ im ^n= lanbe probujirte, fonbern auc^ ba§ burd) 3onäat)tungen tc. eingel)enbe ®otb im ^ntereffe feiner l^rieg§t)orbereitungen feft. Unter fotc^en a3erl)ältniffen fönnen bie ©d)ulboerbinb= lic^feiten im 5lu§tanbe nur in SBaaren, b. I). mit |)ülfe üon Söe^feln beja^lt merben, bie für fold)e auf ba§ 5lu§= lanb gesogen finb ^ft nun bie 5aad)frage nad) ruffifd)en Söaaren, b. ^. nad) ruffifc^em betreibe unb anberen S3oben= er^cugniffen fdiroad), finb bie greife gebrüdt in golge einer fd)on ot)net)in ftattfinbenben ftarfen ^onfurrens, fo muß ber (gjport fc^led)terbing§ forcirt merben, unb ba§ gef^iet)t burd) ©rniebrigung be§ 3Bertl)e§ be§ ^apierrubel§. ©uc^en alfo §. ^. bie ruffifd)e 9^egierung, bie bortigen 2l!tiem fabiifen, bie @ifenbat)ngefcllfd)aften, bie Importeure burd) gSermittelung ber 33anfen 10 9}liüionen 50^ar! jur Ballung in§ 9lu§lanb, bie bei bem äunäd)ft befteljenben 2ßec^fel!mfe qteid) 5 SJliUionen 9iubel $apier finb, unb \)at man nod) nic^t genug SBaaren au§gefül)rt, baß SBec^el m fold)em 30 93etrage eingebracht werben tonnten, fo fteigen bie Söcdjfel* furfe auf bie @otbroät)rung§tänber berart, ba^ ber ^^rei§ für je 100 matt §. 33. auf 55 ober 60 9lubel t)inaufget)t. 2)ann erfiält ber au§füt)renbc Kaufmann für einen 3Bed)fel auf 10 000 Tlatt ftatt 5000 : 6000 Ü^ubel. 2)aburd) roerbcn bie @5porteure in ©tanb gefegt, bie greife if)re§ 2Beisen§ unb 9toggen§ im 2lu§Ianbe I)erab5ufej^en, bie anberen 3Ser= fäufer p unterbieten unb öen üblichen @efrf)äft§gen)inn tro^ ber gebrühten ©ctreibeprcife p erzielen. Umgefe^rt wirb allerbingS bei fet)r günftiger ©eftaltung ber ^anbel§bilanä, rei(i)Iid^er @rnte unb ^o^en @etreibe= preifen ber ruffifc^e 2ße(ä)fel!ur§ auf tia§ 5tuslanb fid^ er= niebrigen, ber S^tubetfurS alfo fteigen, weil bann fold)€ 2Be(i)feI in großen S3eträgen angeboten werben; ber ejpor= tirenbe ©ropaufmann oerliert üieüeic^t jeglid)en ©ewinn unb bie 31u§fu{)r gerätl) oorübergetienb in§ ©torfen, wäl)renb bie @infut)r gunimmt 2)er ganje ©fiarafter be§ ^anbet§ gewinnt auf foId)e Söeife etwa§ ^ajarbmä^igeS. §ür un§ aber ift bie %\)aU fac^e oon größter Söiijtigfeit, ha^ öcr ruffifc^e |)änbler fein betreibe mit ^itfe ber $apierwä{)rung unter Umftänben, ja ber 9f{egel nad) bei ot)neI)in gebrü(^ten greifen noc^ mit ©ewinn oerfaufen !ann, ba^ bann oft gerabe§u ein ^w'fiiig Dorliegt, bie ^onfurrenjlänber §u unterbieten. ®a wir bei ben t)euttgen ^robu!tion§üert)äItniffen ef)er mit einer Ueberfü^rung ber ÜJ^ärfte at§ mit einem ajiangel an (Seti-eibe su red)nen t)aben, fommt ber ©influ^, \)in bie finfenben aßeltmarftpreife auf bie 9iubelfurfe unb biefe bann wiebec auf bie ©etreibepreife ausüben, me^r in ^etrac^t, at§ bie anbere SJlöglictifeit, t>a^ bei ot)ne^in ^ot)en greifen ber iRubelfur§ fteigt unb bie ruffif^e 2lu§fut)r erfd)wert werben mag. ©elbftoerftänblic^ werben bie Üiubelfurfe ntdjt nur burd) bie .^anbelgbilan^, fonbern burd) noc^ anbere unb fid) freujenbe SJIomente beeinflußt. 3lber e§ ift ^etoorsulieben, ba| mit bem fd)on erwäfinten neuerlidjcn ^^eftt) alten be§ @oIbe§ feiten§ ber ruffifd)en S^legierung eine wefenttid)e Urfad)e befeitigt worben ift, weld)e früher ta^ Steigen be§ Stgioä, ba§ ©infen ber 9?ubel!urfe in ©djranfen t)ielt. ^eute muß bie gan§e foloffale ©umme ber ruffifd)en 3preisbilbung für bie 3ßelt= ^anbcl^aitifel beu ©etreibebörfe, einfdilie^Iid^ be§ 9floggen§. ®ie großen ruffifd)en 5tu§fut)rplä^e folgen bat)er in it)ren ^reilnotirungen ben greifen ber 2Beltl)anbel§plä^e, in erfter Sinie Sonbon§, bergeftatt, ha^ bie 9f|otirungen ber ruffifd)en ©etreibebörfe an ben 2lu§fuf)rplä^en, inÄ'rebit= rubeln ^um SageSfurfe au§gebrüdt, ben gleidigeitigen Son= boner 3(lotirungen in @olb, nad) Stbjug oon ^rac^t unb ©pefen entfpred)en. S'iu^lanb oermag alfo fein ©etreibe im 2lu§lanbe nur ju ben SBeltmarftpreifen gu nerfaufen." ®ie ©etreibepreife in ben ruffifdjen ^af enplä^en, in ©olb ausgebrüdt, folgen felbftnerftänblic^ ben 3Beltmart'tpreifen ; aber ha§> gilt feinegmegS ol)ne weitere^ für bie ^opierrubel* preife. ©in gemi^ unoerbädjiiger 3euge für bie ©inpffe ber ^apiermä^rung ift ber ruffifdje Sanbn)irtl)fd)aft§= unb ®o= mänenminifter. 2)erfelbe l)at, roie fd)on erroätint, für bie (S;i)icagoer äßeltauSfteüung eine fet)r mertt)oolle ®enffd)rtft über ben ruffif^en 5lcferbau aufarbeiten laffen, unb barin finbet fid) ein im Petersburger J^anbelSminifterium t)er= 3-2 — fa^ter Slrtücl über ben ru|ftfd)en ®etreibct)anbel. ^m wirb junädjft im 2lügemeitten baraiif iiingeratejcn, ^umx' fc^iebcn ftd) bie ^Beroeöung ber ruffifcf)en SluSfutir. in ®olb unb i^opierrcert^ au§gebrüc!t, geftaltet t)abe. ©e^t man bie @etreibeau§fut)v für 1871/75 gleid) 100, jo betrug fte in bem 3at)rfünft 1886 bi§ 1890 bem ©cmidit nad) 214, bem SCBertbe nad) in @olb 142, in Rapier 190 ®er ^rei§ per ^ub, in @olb auegebcüdt, fiel oon 74 auf 51 ^opefen, in parier t)ingegen üon 88 nur auf 81; bieö mar ber ^aü, meil in ber erften ^ertobe ber ^olb^ rubel 119 in ber jmeiten 160 ^opcfen $apier rcertl) mar. 5(to(^ beutli^er mirb ber ©ad^oer^alt, raenn man bte 3^eriobe 1871/75 ücrgleid)t mit ber üon 1881/85. Jöer &crtb per ^ub fiel bamal§ oon 74 auf 65 ^opefen ©olb unb ftieg üon 88 auf 102 ^opef'en ^^iapier. 'illfo ©tnfen ber Sßeltmarftpreife in @olb, Steigen ber Siubelpreife m 9iufelanb ®er 33erid)t fd)ilbert bann im ©mselnen bie «Beroequnq ber Sßeijenpreife in @olb unb ^xipier für Obeffa mälirenb ber 6 3at)re 1887 bi§ 1892. ^m^^alire 1890 ftanben bie 3ßeltmarftpreife, ba^er aud) bte Dbeffaer greife in ®olb für Sföeijen 2'/o ^opefen l)öl)er alä 188 <. ®a aber in^mifc^en auc^ ber 9iubelfur§ geft legen mar, faulen gleid^jeitig bie ?ßapicrpreife um 23,4 topefen per 1ßub 2)er S3erid)t fäl)rt bann roört(id) fort: ®er entgegengefe^te ©inftu^ be§ D^lubelfurfeS rann 1890"unb 91 beobad)let merben. ®ie 2Beltmacftpreife — unb bementfpre^enb bie greife für Sößeisen in Obeffa - ftiegen üon 1890 bi§ 91 um 9 ^ope!en ©olb, tu ruffifdiem iapier aber um 18,5 Eopel'en. SDer 9(lubel!ur§ gmg tm felben :Sa^re oon 137,7 ^apier!ope!en pro ©olbrubel gu* xüd auf 145,7 ^:papiertopefen." Uebrigen§ ^at ber 9lubel!ur§ ben ©taub oon 1890 nidit roieber erreicht; aber aud^ menn er fid) im ®urd)= fcbnitt boc^ galten foüte, fo bleibt noc^ in berüc!fid)tigen, baft bie ©c^manfungen oon 3at)t m ^a^r raeniger m g3etrad)t fommen, al§ bie ©djmanfungen innerhalb be§ einzelnen 3at)re§. ®§ ift s« beobad)ten, ba^ bie 9lube«urfe reqelmäfeig in ber gmeiten |)älfte be§ ^at)re§, menn bie neue ernte angeboten mirb, ^eruntergelien. 2)ie ©rflärung l)ierfur liegt barin, ba| bie 2Iu§gabe be§ ^:papiergelbe§ m jebem ^abrp gegen @nbe bc§ ©ommer§ ftattfinbet, gu ber Reit mo iebe§ ®örf(^en fic^ in einen fleinen (Setreibemarft üermanbelt. ®ann ftrömt ba§ ^apiergelb m ^cnge üon a^eter§burg ah in bie Filialen ber '-^^i^f oanf, b-^ Heineren aanbel^sentren unb ^robu!tion§biftri!tc. ^iac^ — 33 — ©tepuiaf beträgt bie regelmäßige ^aptergetbouggab« in ben brei ^erbftmonaten ^uli bi§ (September 86p®t. ber gcfammten ^apicremiffion für ha§ ^ai)X. ^a^er entfte^^t ber Stieget naö) jeben .^erbft eine ©ntmert^ung be§ ^apierrube(§ auf allen ©etreibemärt'ten ber SBelt. 3ur felben ^^it aber ftet)en nun aUjä{)rIid) nac^ ber S^icagocr ^en!f(^rift bc§ ®omänenminifter§ bie tofalen greife nid)t ber Sflubclentraert^ung entfpreci)enb t)od^, [onbern befonberS niebrig. „^ie greife in Siußlanb", I)eif3t e§ bort roörtlic^ (©. 126), finb t)od) in ba* erften ^älfte be§ ^a^re§ unb Derpltni^mäßig niebrig in ber äroeiten |)älfte, be[onber§ im Oftober, ^ie allgemeine 5Ibn)eid)ung t)on bem jät)rs lidjen ^urc^fd}nitt§prei§ erreid)t in mancher ©aifon für SOßeisen 9"/o unb für anbeuc ©etreibearten 10%; bie ©enfung ber '^pretfe im i^erbft ift etmaö größer at§ bie Steigerung im 'J'rül)]al)r." "^Jlad) ben mitget()eiiten ®urd)= fd)nitt§äal)Ien fte()t j. i&. ber SBeiscn im September um 5,5",,) unter, im ^Jiär^ um 3,8 ^^^ über bem ^a{)re§burd)= fdjnitt, ebeufü ber ^Koggen im Oftober um 3,5 o^ unter, im Tläx^i um 3,3",, über bem ^a^v*e§burd)fd)nitt. 2(uf biefe äBeife erneuert ftd) alfo aUiül)rlid) bie ©jportboni* fifation für ben ruffifc^en ^\inblcr. (Sd)on l)ierauy erf)ellt, boü bie ©d)n)an!ungen be§ 9^ubelfurfe§ nad) unten l)in ben ^|^robu5enten nur raenig ju @ute fommen. ^4Bol)l fann ber @ro§grunbbefi^er bei ge= fd)icftcr Spefutation unter Umftänben bärau§ lotteriemäßige ©eroinne erzielen, aber ber ruffifd^e 58auer fät)rt fd)le(|t genug mit ber ^^apiermirtl}|d)aft; er f)at oielmet)r gerabe bie Soften ber ganzen Operation fc^ließtid) §u tragen @an§ abgefel)en t)on bem natürlid^en Uebergeroidjt be§ ^änbler§ beim ©infauf, ift berfetbe burc^ bie beftänbigen ©rf)n)anlungen be§ ^)iubel!urfe^ unb baS bamit üerfnüpftc Sftifit'ogenot^igt, fid) einen weiten Spielraum gmifdjen @tn» iinD 3Serfauf§preifen offen su l)altcn. „^ie Sßelle ber @nt» n)ertl)ung be§ ^apierrubelturfeg", fagt Stepniaf, „erreicht nid)t bie grünen ^^elber S^tußlaubS, bie Dörfer unö ^Äeiler, mo ber i^Mnbel abgefdjloffen mirb. 2)ie enorme SJiaffe oou ^apiergelb, metd)e ber (Btaat unb bie Saufen ben (betreibe* l^änblern pr SSerfügung ftellen, bef)ält bort i^re gan§c Äauffraft unb ift im Stanbe, ti^n ^^'robu§enten bie ent« fpred)enben Ouantitäten iljrer (Srjeugniffe abjunet)men." 2;t)atfäd)lid; mirft bie gan^e *!]3apiergelbrairtt)fd)aft mic eine l)r)braulifd)e ^^reffe, bie, aüjät)rlid} non 9ieuem m iÖe- megung gefegt, e§ ermöglid^t, ben ruffifd)en 33auern haS ■betreibe billigft fortzunehmen unb mit großem ©eminn, 3 — 34 — ftetlid) aud) großem Slifüo, an§ 3Iu§Ianb abzuliefern, ©inft ber ^ur§, fo bebeutet ba§ foöiel, al§ ba^ bie rufftf(i)e SeoöÜerung für bie gleirf)e SJienge auSroärtiger 2ßaaren unb sur SSerginfung ber auSroärtigen ©c^ulben eine größere ©umme ber eigenen 3lrbeit abzuliefern l^at, n)äJ)renb bie y^crmittler biefer Operation babei ©rtrageiüinne errieten, gür bie ruffifd^e 3SoIf§n)irtt)fd^aft — bemerft 9lb. Söaguer in feiner 1868 erfc^ienenen ©tubie über bie ruffifd)e ^^apier= Währung — läuft bie „33tütt)e be§ ©yportS ungefät)r auf boffeIbe1)inau§, alä roenn man bieSßaaren, roeldje" — infolge geroiffer SJianipulationen ber ruffifcf)en ^anf - „met)r ejpor^ tirt werben, einfad) in bie Oftfee unb ha§ ©c^n)ar§e 9Jieer iDürfe." @§ ift ein unget)eurer diauh^UQ, ber aüjä^rtid) an ben ruffifd)en 53auern begangen wirb unb bie .^änbler in älftc unb ein drittel; berfelbe mürbe burd) gro^e U^erbefferungen auf bem Gebiete be§ (Sd)iffbaue§ beiuirtt, - burd) bie (ginfül)rung großer @d)Ieppbampfer, 2)ampf(aftfd)iffc unb ber 9iapbtt)a^eisung, meiere ba§ 2(ufftapetn oon ^ols an ben Ufern überflüffig umd)l "^ie 2Bafferfra(i)ten roerbcn nod) weiter abnet)men in ^yolge ber f(^on begonnenen SSertiefung ber 3}iarienfanä(c; fie roerben in ^ufunft (5d)iffen üon 17 ftatt mie bi§^cr 127., ^u^ Siefgang bie %a\)n geftatten. ©benfü mie bie 2Bafferfrad)ten finb bie ©ifenbabn* trangportfoften in neuerer :^Q\t fet)r bebeutenb, namentlid^ feit 1887 jurücEgegangen; 5. S. fanten bie (N^etreibefradjten t)on ©famara ober ©faratom an ber 2Bo(ga nod) ^|?eter§= bürg üon 196 (1883—1886) auf 161 ^Kubel (1889—92) für bie Söagenlabung oon 10000 S^tilo, cbenfo oon ©famara nad) Sibau oon 255 (1883) auf 172 Üiabel (1889-92). ^tefer 9tudgang ift nad) a)ierten§ au§fd)(iei3lid) auf bie ^onturrenj ber ^a{)nen unter einanber 5urüc!^ufül)ren. ^m t)at man aber feit bem ^a^v 1882 fel)r encrgifcb bie 9Serftaatlid)ung ber @ifenbat)nen betrieben. 1891 ge{}örten bereite 36 "/o «0«^ Sinien ber 9fiegierung. S^amit bat bie» felbe einen großen ©influ^ auf bie ^arifbilbung gemonnen; überbie§ ift 'feit 1889 ba§ gefammtc 2;arifmefen ber ^^rioat= bahnen ausbrüdlid) unter Slontrole ber ©taatSregierung gefteUt morben. ^m üorigen Oal)re ^at bie 3iegierung ^JSertreter ber £anbrairtt)fd)aft eingraben, um mit i^nen ju bcrat^en, mie i^rem banieberliegenben ©emerbe aufget)oIfen werben fönne, unb e§ ift bbd)ft mal)rfd)einlid), ha^ barau§ eine weitere ^ebuftion ber ^radjten heröorgel)en wirb. SCöidjliger nod^ ift ber geplante Slusbau be§ ©ifenba^n* ne^c§. ®affe(be ift bisher, mie mir gefctien ^aben, nod) — 37 — l)öd)ft n)eitmaf(^ic\ ; e§ roürbe aber tro^bem eine nod) »iel größere ^^ebeutuncj für ben SÖßeltljanbel geroonnen t)aben, al§ e§ t^atjäd^Iic^ ber %a\i war, loenn c§ nid)t faft gan§ an orbentUc^en 3ufuf)rn)egen gebräcf)e. 2lbgeiel)en üon ben olien Slulturgebieten ^innlanbS, ber Oftfeeproinn.^en imb '»^olenS befinben firf) bie SKege unb ®f)auffeen in troftlofefteni ßuftft"'^^- ®i^ 6f)auffcen bienen nur sur 3Serbinbung ber tt)id)ti9ften Knotenpunkte unb finb mit bem 3Iusbau ber (*ifenbat)nen tl)eiln)eife ein= gegangen. ^a§ gan§e a^eid) au|3er '^polen h^\a^ 1878 bi§ 1878 nic^t met)r al§ 64it3, 1888 nur nod) 5181 äßerft ober Kilometer. '2)ie gen)öt)nlid)en 3Bege finb ni(^t§ at§ meift fei)r breite Streifen Sanbe§, bie oI)ne aüe Slbgrenpng oon jebem ^affanten nad) 33ebarf üerbreitert rcerben, inbem er einfad) üom nädjften 3^elb ein ©tüd einfät)rt. ^m ©ebiet ber fd)iüar5en @rbe l)üit tt)atfäc^tid) jeber ^J3erfet)r auf, fo= balb e§ im S^rü^jaijr ober ^erbft uub SBinter einige ^agc geregnet t)Qt. ®anu ^at nid)t ein Sanbroirtl) bie 9)löglid5= feit, fein ©etreibe jum ^^orfauf in bie ©tabt §u fc^affen. ®r mu^ barauf red^nen, es im f^rü^t)erbft, fo lange bie Sege nod^ paffirbar finb, ober im ?3^rüt)ling nad) ber ^eftellung ber Slusfaat §u oert'aufen. ^n 9Jiittelru|lanb fommt ber Sßinter mit feiner (Sd)neebec!c ^ur ^ilfe, bie e§ regel- mäßig ermöglid)t, mittelft ©erlitten bo§ ©etreibe nac^ ber Station ober ©tabt gu fal)ren. ^n ?^olge be§ 9)Zangel§ an braud)baren 3Begen finb bie Gebiete, au§ benen I)eute betreibe in ben ^anbel gebrad)t werben fann, relatit) menig au§gebe^nt. 3Iußert)alb berfelben rairb ^mar ©etreibc gebaut, aber e§ lot)nt fic| nid)t, ba^felbe pr ^at)n ober pm ?^luß SU fdiaffen. S)arau§ folgt, ^a^ S^iu^lanb in bemfelben SJiaße mit größeren ©etreibemengen auf bem 2ßeltmar!t erfd)ctncn fann, ül§ e§ gelingen roirb, jene 33erfe^r§rar)onä ju erroeitern. ®iefe 2lufgabe l)at man nun gegenwärtig fe|r ernftt)aft in Eingriff genommen, unb jmar plant man nid[)t ben ^au oon ®t)auffeen, bie fic^ bei ber ©(^mierigfeit, ba§ 53aumaterial ju befdjaffen, fel)r treuer ftellen unb im ©c^raar^erbegebiet nid)t einmal t)altbar fein mürben; man beabfic^tigt oielmet)r, ©cl^malfpurbal)nen im @roßen t)er§uftellen. ^n allen ©ouDernementS ^at bie 9f{egierung @r|ebungen angeftellt, um fcftpftellen, roo fotc^e namentlii^ erforberlid) mären. 9)lan giebt ben ©d)malfpurba^ncn ben SSorjug, weil fie rafd) unb billig f)ergeftellt werben fön neu. darauf, baß bie @üter beim Uebergang auf btc 38 ^auptbal)n umgelabeu werben muffen, legt man ebenfo= wenig @en)id)t wie mx bei ber gegenwärtig betriebenen Einlage oon Kleinbahnen . . . < x < ©nblid) ift nod) barauf ^in^uweifen, ha^ fel)r bebcutenbe ©rfparniffe an ^anbelSfpefen ju erwarten finb au§ ber beüorfte^enben Stntage sat)lreirf)er ©ilofpeic^er nad) amerifa= ntfÄem SJiufter. ^flac^bem guerft auf ber Stme gfttga= Raxx)im im ^aiire 1887 berartige eieoatorcn unb bem entfpred)enb ber (Srport be§ @etreibe§ in gefct)üttetem ^u- ftanbe mit ©rfolg eingefütirt worben finb, fdirettet btc 2Iu§breitung beg neuen ©^ftemS rafc^ ooran. ^eute beftetien fcbon einzelne ©üofpeictjer in faft allen größeren ^afen unb centralen 33innenptä^en ^n bem SSerpltni^, wte biefelben uerme^rt unb in bie ^robuftion§biftri!te üorge= fioben werben, erhielt man fe^r beträcl)tlict)e ©rfparniffc an eädeu' unb Umlabefoften, bie in ben ruffifcl)en ^anbel§= planen aüerbingä bi§t)er enorm ^ot)e finb. ^n ben ^äfen ift fd[)on in ^älbc eine Koftenerfparni^ ju erwarten. ;^m S3innenlanbe wirb biefelbe nod) längere ßeit m Slnfprud^ nel)men. äugleic^ wirb bie ^urdifü^rung be§ Sagerl)au§= wefen§ ein ^eer t)on SSermittlern 5wifd)en ben ^robu^enten unb ©roPänblern überflüffig mad)en. ^m ©an§en wirb bie ©rmä^igung ber Steferung§= foften §weifeEo§ nid)t ber ruffifdien «auernfd)aft ju gute !ommen, wie e§ na^ bem uort)in 3lu§gefüt)rten laum einer weiteren ^egrünbung bebarf, fonbcrn bem rufftfdien ^anbel, ber baburc^ ein weitereg 9Jlittel sur 35erftär!ung fetner ^0== fition auf bem Söeltmartt gewinnt. e§ ift bemnac^, ganj abgefelien üon ben KurSoer* Mltniffen, eine weitere 2Serfd)ärfung ber ruffifc^en £on= !urrenä ju erwarten. :3nbeffen würbe jebe auf bem aiJege wirt^fd^aftlid^er SSerbefferungen bewirfte ©rniebrtgung ber greife e^cr ^u tragen fein al§ ber heutige 3uftanb mtt fetner unbered)enbaren 2Bertl)bewegung. SJlan fprid)t baoon, 9flu^lanb werbe mit ^ilfe feiner — wie bisher angenommen würbe, p trieg§5weden — in le^ter 3eit angefammelten ©olbbeftänbe (1,8 SlJliüiarben mi) gur 3?aaräal)lung unb ©olbwäbrung übergetjen. ®a§ wäre nur auf§ ^reubigfte 5U begrüben. 5(ber vorläufig gehört jeneS @crüd)t tn ba§ ©ebiet ber unfid)eren 3Sermut^ungen, unb e§ tft jweifelbaft, ob felbft wenn jene 2lbfid)t beftänbe, bie ^inanjsuftanbe 9flu^lanb§ it)re 33erwir!lid)ung auf längere ßeit geftatten würben. %v^tnixnitn. Argentinien t)at 1893 niet)r at§ alle anbeten Sänber ba^u beigetragen, bie @rt)öt)ung ber betreib epreife gu oer^ t)inbern, weil e§ in bcr Sage raar, tro^ ber 9Jiar!tüber= füllung feinen 2Bei§en nocf) ju ben nicbrigften greifen — niebriger al§ 9lorbamerifa unb felbft ^u^Ianb — mit dJereinn ab^ufe^en. SIrgentinien mact)te jeben SSerfud) ber norbamerifanifi^en nnb europäijd)en ^au[fcfpe!u(anten, bie ipreife au^ nur um ein menigeS über t)a§ niebrigfte ^fiiücau ju tjcben, hinfällig. ^i§^er I)at biefe§ Sanb bem 2ßeltmar!t relatio geringe Quantitäten ©etreibe geliefert, bie fid) nur burd^ i^re mini- male ^rei§ftellung fo unangenehm bemerfbar machten. 2lber bie argentinifd^e 2lu§fut)r ift in erftaunlid) fd)neller Qw nat)me begriffen unb rcirb in ßufunft einen nod) oiel größeren ©influ^ auf unfere ^reiSbilbung gerainnen. 9floc^ 1880 t)at bie argentinifd)e 9tepubli! 1,5 SJüttionen 2)oppeljentner äßeiäen importiert; 1890 exportierte fic 3,2, 1S92 4,7, 1893 aber 91/3 aJlillionen ^oppelsentner. S)er Anbau oon betreibe nimmt bort bei finfenbeu greifen gan§ au^erorb entließ ju. ^m 3at)re 1888 umfaßte ha§ (Setreibeareal nidjt me^r al§ 4,2 a)lillionen 3Icre§, 1891 raurbe e§ fd)on auf 7,4, 1893 auf 12 '/s S^illionen Acre§ gef^ä^t. 3J?an roci^, ha^ bie neue, gegenraärtig fällige (Srnte nict)t nur fe^r reid), fonbcrn auc^ auf einer raieberum bebeutenb erroeitcrten ^^lädie gewonnen ift. ^^r ©cfammtbetrag rairb auf met)r al§ 20 Mionen Doppelzentner gefc^ä^t, raooon nid)t raenigcr al§ -/g für ben (gjport bi§ponibel ftnb. Die t)iert)er gefanbten SJlufter ber neuen (Srnte geigen eine oorgüglidie Oualität, fc^on ftnb bebeutenbe SSerfäufe nad) ©uropa abgefcl)loffen unb sa^t= rei^e ©d)iffe jur SOßeisenoerlabung in ben näd^ften 3Jlonaten ged)artert. Dabei fönnen noc^ geraattige ^läc^en jungfräulichen Sanbe§ ^ier roie in bem benachbarten Uruguay unb ^^ara^ gua^ jum ©etreibebau t)erange5ogen werben, ^^ad) einem — 40 — com norbameri!auifd)en Slderbauamte publi^irten ein^ gei)cnben ^erid^te umfaßte ba§ argcntinifd)e ^utturlanb im ^ai)xt 1888 erft 1,3 % be§ gangen bem 2(c!erbau su= gänglic^en 2lreat§. ' ®ic Urfad)en für jene ©ntroicfelung finb nur jum 2;^eil in ber @un[t ber natürlidjen ^robuftion§bebingungcn 2lrgentinien§ gu erblirfen. SlÜerbingS finb bie Soften be§ ^etreibebaue§ überaus gering. ®enn man !ommt in bem rointeriofen Sanbe mit ben leid)teften ©ebäuben unb o^ne Neuerung au§. ®er S3oben fann faft i>a§ ganje ^abr Jinburd^ bearbeitet merben. ®er 2lrbeit§lobn unb ßin^fu^ finb jmar t)od), aber e§ beftetjen gegenüber bcn Slrbeitern fcinerlei fojiale 3Serpf(ic^tungen — fic merben nur jur ©aifon Ijerange^ogen, bann micber abgefto^en. (£nb= lic^ finb bie ^ranlportfoftcn im gangen gering, raeil bie ©jportfarmen ben 3Serfc^iffung§I)äfcn im ©egenfa^ gu ben ^auptejp ortgebieten 9^orbamerifa§ unb 9^u^lanb§ nat)cliegen. ®ie§ alles ift relatio irrelcoant, roeil ba§ jum 3lder= bau geeignete Sanb faft gang in bie ^änbe von ^oIoni= fation§gefeÜfd)aftcn unb priöaten 33übenfpef'ulanten über» gegangen ift, bie e§ ju auffaUenb ^o^en greifen, ben ju ergielenben®urd)fd)nitt§erträgcn uott entfprerf)enb, üer= faufen unb auf biefe SBeife mit fd)n)eren ©d)ulbginfen be= laften. 2Bid)tiger als bie allgemeinen ^robuftionSbebingungen ftnb bie ©inflüffe, meiere ber ^ur§ beS argentinifc^en $*apier= gelbes auf ^^robultion unb ©yport ausübt. 2)anad) rid^tet fid) gang überroiegcnb ©eroinn unb SScrtuft. ^er ^reiS beS grö|tentt)eilS gum ©jport uerfauften 2ßeigcnS mirb im 33inncnlanbe roefcntlid) burd) ben (Solb!urS beS argenti= nifd^en ^apiergelbeS beftimmt ^ft ber ©olbfurS niebrig, etma 150 7o, Mt alfo bie argentinifd)e 3Saluta im greife relatio i^o6), fo rcerben »ieUeic^t 5 ^efoS Rapier (b. t). no= minell 20 3Jl.) pro 100 kg SBeigen gegat)lt; jebcS ©infen ber argentinifdien SSaluta im ©olbroert^e finbet aber in einer Steigerung beS in Rapier begat)lten ^reifes feinen 9IuS= brudt. S3ei einem ©olbfurfe oon 350 "/q tommen ^^reife bis gu 13V2 ^«foS = 59,4 W. pro 100 kg oor. Säng^re 3eit i)at neuerbingS ber ^reiS auf 10 ^efoS - 44 2Jl. geftanben — in bcrfctben ßcit, als mir ^ier 12 bis 15 SJl. ergidten. ^6) entncl)me biefe 3öl)lcnangaben einem Seric^te, ben ^^rofeffor Seber im „®eutfd)en 2öoc{)enblatt" oeröffent» lic^t \)at; biefelben ftammen auS ben ^üd)crn eineS in 2lr^ gerttinien anfäffigen ^oloniften. 41 - 2)ie 9KögIic^feit au^erorbcntlicf) I)oi)ei- ©eroinne ergiebt fic^ barous, ha^ bte Sojne, übcrl)aupt bie binncnlänbifc^eti ^>reiie für bie 33ebürfniffe ber SInfiebler ben ^ut§= fd)rcanfungen nlc^t folgen 3liie(änbiicl)e Sißaaren fauft man nur, wenn ber ""^apierpefo l)od) ftet)t. ®en -^aupt*^ geroinn madjen freilid) bie ©jporteure unb ^olonifation§- gefeüfdjoften , bie fid) il)re :^\n\m in @olb 5Qt)len (offen. Unter ben ^oloniften finb ^anferotte jicmlid) ^äufig, namentlid) bann, wenn bie '»jßapierfurfe fteigen. ^er t)orI)in ern3ät)nte norbameritanifd)e 33erid)t t^cilt mit, ha^ im ^at)te 181)0 infolge ber fdjmeren @olbh-ifi§ unb ber noran» gegangenen Ueberfpefulation in ^anb, @ifenbat)nen u. f m. bie ^eoölfcrung ber '»^rouinj Q3ueno§ 5ilt)re§ abgenommen ^at. ^cad) bei- Dorliegenben ©tatiftif ift bie l^lut'tuation bei 33ci)ölt'irung eine ganj enorme, ^er beträd}tlid)en ©inmanbernng ftet)t in jebem ;jal)re eine gro^e^itusmanberung gegenüber, bie im n^ai^x^ 1891 fogar üfaerraog ^2lud} in- älrgeniinien xü'xxtt bie ^apiern)irtl)fd)aft mie eine gro^e Sfiäuberei, meldje bie arbeitenben klaffen um it)ren :^o^n betrügt; ein mal)rer äBoI)lftanb t'ann fid) nid)t entroideln. 2tber bas fd)lie^t uid)t au§, tia^ wie uon ben i^apitaltften unb Kaufleuten, fo aud) uon ben 5loloniften 5al)treid)e aleatorifdje ©eminne gemad)t raerben unb baburi^ bie ^robultion in au^erorbentlidjer SBeife angeftad)elt wirb. ®in aÜmä^lidjeg ^inaufget)en be§ ^^efoturfeS ift bei ber foloffalen ^erfd)ulbung unb fd)led)ten ^^ermaltung ber argentinifdien 9*?epublif für bie näd)tie ^eit nid)t §u er« roarlen, obmot)l ja f(^lic^lid) bie immenfen ©jporte auc^ bie bortigen ginanj^ner^ältniffe beffern unb ben Slur§ be§ ^^apier§ in bie Apö^e treiben muffen Slber in ber ^njifc^en» jeit raerben in Europa Staufenbe üon 33efijern, namentlid) in ben ärmeren ©egenben, raefenttlidj infolge ber argen* tinifdjen ^onfurreng jufammenbredjen. 3u ben Säubern, beren SBät)rung§t)er^ältniffe bcn ^jport begünftigen, get)ört Oftinbicn. @§ befiehlt bort bcfanntlid) bie ©ilberiüä^rung. ®ie ©ilbcrmünsen aber ^ben gef e^Ud)e 3at)lung§fraft nur im ^nlaube; in ben ^e^ietjungeu jum 5lu§lQube f ommt au§f(i)lie^Ii(^ it)r ^Qnbel§= roertt) gegenüber ben ©olbmünjen ber ^mportlänber in 33etrad^t. 9^un finb bie ©übergreife, rcie au§ ber 2;nbetle erfirf)tlid) ift, fett ben fiebriger ^a\)XQn fe^r ftar! gefallen, ^laö) bem alten SCBert^Deri)äItni^ oon @olD ju©ilber(l : 15V2) war bie Unje ©ilber in Sonbon 60,83 $ence ober runb 5 9Ji. roertt). 2)iefer ^rei§ ift üou ^a\)t p ^al)r foft unuuter« broct)en jurüdgegangen unb ftanb am @nbe be§ oorigen 3al)re§ mit 31 ^:pen§e faft auf ber |)älfte be§ SlnfaugS-- rcertl)e§, feitbem noc^ unter berfelben, foba§ t)eute ber inbifd^e ©jporteur für bie gleiche ?^orberung auf (Snglanb ober ®eutf(i)lanb jebegmat ftatt, mie cor 20 ^ö^^en, 1000 runb 2000 SRupienftürfe einroedjfeln !ann. Unter bem Sinfluffe ber 5ßalutaentroertt)ung belinten fiel) bie SCßeisenejporte Oftinbien§ feit ben fiebriger ^al)ren beträditlicl) au§. ^m 3al)re 1873/74 l)atten fie 1,7 SJliü. Rentner betragen, 20 ^a^re fpäter maren e§ 20,9, 1886/87 22,3" SJiiUionen Rentner. ®amit mar iebod) pnäc^ft ein ^öl)epun!t erreicht; in ben folgenben öal)ren fd)manften bie Ziffern pifc^en 13 unb 18 9Jliaioneu; nur 1890/91 );)at infolge einer befonber§ reic^tid)en ©rnte ber <£jport eine t)ö^ere Ziffer al§ 1 b86/87, nämltd) 30 9Jliüionen, erreict)t. SBdtjrenb man bie 9lnbaup(^e @nbe ber fiebriger ^a^re — mol)l ju l)od) — auf 25,8 SJ^ittionen 2lcre§ fc^ä^te, umfaßte fie im «mittel ber ^at)re 1882/83 bis 1886/87 28,6 9JIitlionen 5tcre§. ©eitbem finb inbeffen bie 3lnbaufläd)en prüdgegangen; fie umfaßten 1892 unb 1893 nur nod) 24 unb 26 ajiiüionen 2lcre§. S3ei aller ^ebeutung £)ftinbien§ für ben SÖBci^enmarft ift bie gerabe oon bort lier brotienbe @efat)r meinet @r= — 43 a^ten§ feine qüju gro^e. ©§ fommt nur ein ner^Itni^^ mä^ig Heiner Xl^\i ber ©efammternte au§ bem mit 287 gniUionen 9)^en|d[)en benölferten Sanbe §ur 2lu§fut)r: 10 bis 13 7o- ®te %porte gcf)en felbft bei reirf)Iic^er betreibe» ernte gurüd, wenn^anbere ^rüc^te, rcie ber 9ftei§, mi^ratt)en. %a§ bem Sßeisenbau sugänglid^e SIreal fann freiließ nod) bebeutenb erroeitert rcerben, aber bie ß^'p ortgebiete t)aben einen fo geringen 9f{egenfaü, ba^ man, um SJJi^ernten, ja ^unger§nöt^en üorgubeugen, burd)n)eg lunftlidtie ^öemäffe^ rung ju ^ülfe nehmen mu^. ®ie 9flegierung füt)rt bie ^cmäfferungSanlagen im ©ropen au§; aber ba§ mad)t be= beutenbe Soften, bie fcl)Iie^Iid) üon ben ^robujenten ge= tragen werben muffen, unb uor allem rüden jene SBerfe nur tangfam cor. ®aju fommeu eine au^erorbenttict) xM' ftänbige ^öivt^fc^aftSmeife, I)ot)e Sanb^ unb Safferfradjten; !urj, bie oftinbifdien 2ßei^enau§fut)ren fönnen nur fd)ritt= meife june^men. SKan behauptet fogar, ha^ ber neuerlirf)e Mcfgang ber 2tnbaufläd)en burd) bie finfenben europäifd)en greife ü'erurfad^t morben fei. @§ mürbe biel barauf fc^Ue^en kffen, ba| fic^ bie inlänbifd)en, in ©ilber au§gebrüdten greife für bie ge= möiinlic^en 33ebarf§artifel bem ©infen ber ©ilb erpreife, wenn and) nid)t ganj, fo bod) einigermaßen angepaßt ^aben. tiefer 2Infid)t ift and) bie tommiffion, meiere cor furjem bie inbifc^e 2öät)rung§reform beratt)en t)at. ©ie beutet allerbing§ gteid)5eitig an, ha^ bie 5Irbeit§Iöl)ne !eine§meg§ in cntfpred)enber Sßßeifc geftiegen finb. ^ür unfere Ianbmirt|fc^aftlid)en ^ntereffen !ommt cor 2tÜem in S3etrad)t, baß Oftinbien nid)t, mie 9^ufetanb ober SIrgentinien, in ber ^mangSlage ift, gerabe 33rotgetreibe unb anbere mit ben unfrigen fonfurrirenbe 33oben= probu!te ^u ejportiren, um feine SSerbinbli^feiten in ©uropa p beden, benn e§ t)at eine geraaltige 5(u§fu^r oon anbern ©rjeugniffen, mieSaumrcoUe, 9ftei§, Opium, 3ute,St)eeu. f. m. ^d) bin ber äHcinung, hafi unter ben iiibifd)en 3Saluta= nerpltniffen oiel weniger unfere Sanbroirtl)fd)aft al§ bie ^nbuftric, namentlich ha^ 3:e4ilgemerbe, leibet, bem md)t nur bie 3lu§fut)r nac^ Oftinbien fe^r ftarf befd)nitten roirb, fonbern bie b ortige fid) rafc^ entmidelnbe ©jportmbuftrte au^ bie übrigen afiatifc^en ajläifte fd)on ftreitig mac^t.^ «8e!annttid) t)at bie oftinbifc^e 9legierung im Qunt n. ^. bie freie ©ilberprägung eingeftellt, um ber fortfdireitenben ©ntmertbung ber bortigen 3Jiünjen unb ber immer brolienber rcerbenben ©efalir be§ finanjieüen 53an!erotte§ oorjubeugen. 9^0^ ift nic^t abjufe^en, ob, mie e§ pnäc^ft fd)eint, ha§ — 44 — ©jpertmcnt al§ gefd)eitcrt an5ufct)en ift ober nic^t. SBürbc e§ gelingen, ben ©olbroertt) ber 9ftupicn tro^ finfenber ©ilberpreife gu fiinren, ben SJÜin^en alfo einen SJ^onopoU roert^ §u geben, jo lüürbcn bamit aüe au§ ber SSaluta* biffetcnj ^eroorge^enben ©xportprämicn balb ücrfd)n)inben muffen. 2lbev auc^ im anbeten J^üe ift ju ermatten, ha^ bie (gjpovtprämien in fursem aufhören merben, rceil gerabe burd) bic ©infteüung ber inbifi^en ©ilberprägungen auf '>PriDatred)nung bie ©ilbcrpreife mo^l auf ii)ren niebrigft möglid^en Staub ^erabgebrüctt rcorben finb: ^aben fid^ ho^^9ß ert)oben merben foUen. 2)iefe f ollen bei einem ^i§agio oon 10 7o 1 3)]arf, bei 20% unb met)r 2 9Jlarf für ben ^oppel§enter ^toggen ober äÖeijen betragen, ^m ^rinjip oerbient biefer 35or= fc^lag bie lebt)aftefte 5lnertennung, meil er e§ ermöglichen würbe, bie une^rlidjeu SKaffen, mit benen Sänber mie Dtu^lanb unb Slrgentinien fämpfen, einigermaßen unfd)äblid) ju machen. 3^ur müßte in 9^üdtfid)t auf ba§ aud) in Oefter== reid^ beftet)enbe ©olbagio bie angenommene ©ren^e oon com lierein raeiter, etm'a auf 20 bi§ 30 o^, fijirt merben. 2tber felbft menn ber für bie Sanbmirtt)fd)aft unter ben einmal gegebenen ^^orau§fe^ungen benf'bar günftigfte t)anbet§politifd)e ^wftonb fortbauern fotite, menn bie ^iffe= ren§ial= unb felbft bie ^ampf^öHc gegen ^Jtußlanb, bie ja einem ^ufdilag oon 4 SRarf pro 100 k^- gieid)fommen, beftet)cn blieben, mürbe eine mefentlid)? 33effcrung ber l)eutigen 33ebingungen unferer ^re'Jbilbung faum p er= märten fein. ®enn 2Bei§en rcirb un§ bereit? au$ anberen Jßänbem jum Sföeltmarttpreife unter ^oüfa^en m großen SJiengen jugefü^rt. Ü^aä aber bie Ötoggenpreife anlangt, fo ift allcrbingS rid)tig, \>a^ fie l)eute unter bem ®rucf ber ©pctutation auf bie jenfcit ber ©renje lagernben ruffifc^en SSorrätlie ju ermäßigten ßöUen ftet)en. 2lnberer» feit§ ift 3U ermägen, ba^ ber ruffifd)e 9toggen, ber boc^ irgenbmie untergebradjt merben muß, bei fortbauernber ^tatiHifdiß SabcUcn. ?*(- Durd^fd^nittspreife für Wex^an im5 ^oiüutbc. d^rtöfitprct* l 5aß. 25 ^f. ^nltu 1894. V> c r l a i"\ von ,f. C e l g e. Dormort S)ie Söä^rungöfrage fängt enblic^ an, in ben 3Sorbergrunb ber attge= meinen 33ead)tung gu treten. S)ie meiften ^Jienfd^en, ja fogar ber größte S^eit atter gebilbeten unb urt^eilSfci^igen (Elemente })at [id^ biefer ^rage in nic^t gu üergei^enber 9^ac^Iä[[ig!eit fern gel^atten. Wlan fo!ettirte förmlich, toie ®raf Don 3J2irbad^ mit SfJec^t fagen fonnte, mit feiner lln!enntni§ in ber Söal^rungSfrage. 33ei i^rer tief einfd^neibenben 33es beulung für unfer gefammte^ njirt^fd^aftlic^eö unb fogtale« Se6en, einer ^ebeutung, bie öietteic^t alle anbern bolf^ttjirt^fc^aftlid^en (fragen über= ragt, ift bie p^igfeit i^rer ißeurt^eilung aügemeineö (Srforberni^. S^lid^t nur ber ©etel^rte, nic^t nur ber Söanquier foUen bie Söal^rungöfrage öer* fielen, fonbern jeber ©ebitbete unb loenigfteng jeber geiftige p^rer einer ©efeßfc^aft«: ober ertoerböftaffe; — nic^t gum SEBenigften aber ber (Staatsmann. S)iefeö 5Serftänbni§ förbern gu l^etfen unb gleichzeitig ben 9^ac^rt)eiS gu erbringen, ba§ unfere heutigen äßäl^rungötjerpltniffe unö bem 2lb= grunbe gutreiben, ift ber 3^ecf ber oorliegenben Slrbeit. I €inleitung. ^aS ®etb ift ber Sßertl^meffer, mit welchem ber Sßert^ be« un&eiüeglid)en (Sigent^umö ber 3'latuv= imb 2lr6eit«propu!te unb ber t)cr= fc^iebenen ®ien[ttei[titngen gemeffen loirb. (Sin [oId)er SBert^meffer ^at fid) mit bei- 3eit au« bem 33ebürfni^ ^erauSgebilbct. Ur[prüngli(^ ^at bie 2lu«gletc^ung im ^Befi^ttje^fet ber einzelnen Sßert^gegenftänbe fic^ bmc^ 5tauf^ öoUsogcn unb bie fiö^nung für S)ien[tleiftungen beftanb in §auöt:^ieren, yiainv- unb gewerblichen (Srgeugniffcn ober ©runb unb 23oben. §ierauö entwicfelte [ic^ baö 3Ser§ältniB, bafe ©egenftänbe, welche ein allgemeine^ ^ntereffe l^attcn, auc^ allgemein aU Xaufc^^ ober ^aufmittel öermanbt würben. S)iefe ©egenftanbe waren ben üer[(^iebenen i!ebcn§gewo^n:§eiten unb 33ebürfni[fen ber 3Söl!er angepaßt, unb fo feigen wir benn bei ben 'JiomabenüoÜern 3ftinber unb ©d^afe aU Uniüerfal^ taufd^mittel fungiren ober ©etbbienfte »errichten. Sieben anberen @egen= [tauben beginnt nun auc^ bie 33erwenbung bon ^etaffen ju biefen 2au[c^a^^eden unb e« üermitteln (Sifen, 33lei, Äupfer, ©über, ®oIb u. f. w. ben SSaarenöerfe^r ber '3Jienf(^en. (S§ [teate fic^ balb ba§ §8ebürfni§ ^crau«, bie ^Jietatte in beftimmten @ewtc^tg[tüc!en su benu^en unb biefe ©tüde mit ©tempeln gu toerfc^en, weld^e eine gewiffc ©id^erl^eit für baö ©ewic^t unb ben §einge§alt boten, hierin l^aben wir ben Slnfang beffen, waö wir l^eute unter ®elb oerftel^en. @olb unb ©über, bie ^belmetaHe, erfreuten fid^ fc^on feit ben 2tnfdngen ber Kultur einer affgemeinen 3Serwenbung unb Beliebtheit als Söert^meffer unb SBcrt^bewabrer; unb mit 9te(^t, benn bie (Sigen= f(^aften biefer 3Jietaffe, i^re UnüeränberUd;!eit unb il^rc ©elten^eit machten fie in ^o^em ©rabc für biefe ^wede geeignet. ®otb unb ©über würben in ben meiften l^änbern bie 3fiormalwertl^meffer, fie bilbeten bie ©runblage ber 2öä^rung. Unter SBa^rung berfte^t man ba« ^üngft)ftem eineS Sanbeä; bag äBä^rungggelb foff ba^er auc^ ben 2Bertl) beö ^etaüö, aus welchem e6 geprägt ift, repräfentireii. 3u Slnna^me beö 2ßä|rungggclbeö ift ;3ebermann bei äffen 3aare gegen ®elb auötaufc^t besw. jebem 2öaarenau«tauf(^ bte ®elb= bere(^nung unb bie 2öertt)fiprung burc^ @elb gn ©runbe legt !ann baran, bafe ®elb Staate ift, ni(^ts anbern. Sag ©efefe öon eingebet unb ^a^frage n^irb gan.^ befonber^ bem ©elbe gegenüber mit etferner ^onfequens in 2ßir!)am!eit treten, mil ber 3Bert^meffer fetbft etnen ^^^ertB bcfi^t. ©0 muB alfo unbebingt bag ®etb t^eurcr werben, b. ^. feine toffraft M öerme^ren, t.enn ein Mangel an bemfetben Dor. Lnben i[t föine 3Serme^rung ber ^auffraft beg ©elbee aber bebeutet bie ^erminberung beg Sßert^eS aller 2öaaren, welche an biefem SGÖert^^ meffer gemeffen werben. . r,. . S)ie ©(^eibemünsen erhalten burd^ bie ^ragung emen beftimmten 2Bert6 als ^^eitbetrag beg teantgetbeß, ni^t jo bie teantmun^en, ibr äöertB ift ber SBert^ beö in i^nen enthaltenen (gbelmetaHö, bie Tagung leiftet nnr ©ewci^r für ein be[timmteg ©ewic^t unb für einen beftimmten ®rab ber gein^eit beg ^etallg. 3ebe 3^erduberung m ^Jletaüwerteg §ie^t bie äöert^üeranberung beg 5lurantgelbeö md^ \x(i), ber fic^ bie Söert^üeränberung ber ©c^eibemünjen unb beS ^apiergelbeö anfd)lie^t ^eine 5löaare ^at eine fo ftetigc bauernbe g^tac^frage, als ©Dclmetaae, mW SU ©elbswecfen öerwenbet werben, worauf bag «Beftreben einer SBcrtMteigerung berfelben öon felbft ^eri^orge^t; bte ^ermebrung ber ^robuttion fü^rt erfal)rungggemä^ feine 2öert^öermtn= berung ^erbei, ba big ^eute bie ©rfa^rung nur gelehrt ^at, ba^ etn Ueberangebot nic^t entfte^t. . (5g ge^t ^ieraug ^ertoor, ba^ ein gans boUfommener, gewtlfer- maf^en ibealer Buftanb ni^t s« erreid^en ift, unb ba& man fi^ bamtt pfrieben geben muß, ben Sßert^meffer fo glei.^bleibenb alg mogltd) ju aeftaltcn ©er ©elbwert^ ift alfo ab^ngig, wie wir gefeiert ^ben, ^on bem Sßaarenwert^ ber (Sbelmetatte, welche ber 2öelt ju ©etbgwerfen bleuen S)ie ©belmetatte ©olb unb ©ilber ^aben i^re Slufgabe tu an= uäbernb üottfommener 2öetfe erfüllt, befonberg feit man auf gefefettc^etn 2ßeae ein fefteg aBert^oerpitnife jwifc^en beiben gefd^affen ^atte, unb big V ber 3eit, wo in ^olge beg (Singretfeng ber ©efefegebung btejeg 3Sert)ältni6 geftört würbe. Um ben WetaUen bie S^tatur beg ©elbeg ju geben, tft bag3«t^wn ber ©taatggewalt erforberlic^. 3tug bem Stempel, ber urfprüngli^ nur bag ®ewi(^t unb bie getn^eit garantirte, ^at fi^ bte moberne Wn^^ gefe^gebung cntioidfelt. SSie aber früher bie ©eje^gebung [id^ ben pvah tifc^en 33ebürfniffen anjupaffen fuc^te unb pufig ber, gcioiffermaBen inftinütt) em^^funbenen, ©etbiuertl^fteigerung bie §era6je|ung beS Wtixn^: fu§eö *) eiitgegenfe^te, fo fud^t man l^eute bie 3Jiünggefe^geBung mel^r auf eine tl^eorctifc^ tt)i[[enfc^aftlicE)e ©runblagc gu bringen. Slufgabe ber @e[e|gebung jmu^ e« aber fein, ba^ fefte ©leid^bleiben beö ®elb- tütvt^tß mä) aJiöglid^feit gu ermatten, foireit aber ©c^toanfungen un= öermeiblid^ ftnb, öor ollen S)ingen ber 2Bert^fteigerung beö ©etbeö oor^ubeugen, ba hierin biet größere öolfömirtlfd^aftlic^e ©efa^rcn liegen, aU in ber SBertl^üerminberung **). @^ toirb l^äufig erforberlid^ fein, gu geeigneter ^eit boS 2öac^fen bcö ©elbtoert^ea gu befd^neiben, ha bie ©belmetaire bei ber ftetigen 5Ra(^frage nad^ benfelben, lei^t bie S^feigung l^aben im Söertl^e gu fteigen. D^tc^t gum SBentgften burd; ^urüdffe^en be« geftiegenen ©elbn^ert^eö ^aben ©efe^geber unb prften foh)ol)l im Slltertl^um aU aud^ nod^ U^ gum öorigen ^al^rl^unbert il^re Sänber gu 33tüt]^e unb Sßol^tftanb geführt, raä^rcnb bie geitgemaleften eulturauf= gaben unb ßotonifation^beftrebungen an einer gefe^lid^ burd^gefü^rten ©elbujert^fteigerung fc^eiterten ***). 2öir fe^en l^ieroug, mt öerfe^lt eS ift, bie SBol^rungSfrage nur bon ber müngted)nifd^en ä^rung. S)er beutjc^en (Sin^eit njegeu mv bie Seftätigung ber toerfi^tebencu gjiünsber^altniffe unb bie (Schaffung eineö ein^eitlid^en 3Küngf^ftemS in ©eutjc^Ianb geboten. $Der Sfleid^t^um ©nglanbö einerfeitö, anbererfeitö ber aRifliarbenfegen, ber öon §ran!retc^ über unfcr 3Satcrlanb tarn, legten ben ©d^ritt, ^m ©olbtüä^rung überzugeben, na^e. o big bal^in !ein Ueberflu^ üorl^anben geraefen war, gu einem empfinblii^en 2JJanget füf)ren mu§te, ergiebt fic^ auö bem ä^or^ergefagten üon felbft. ©benfo !Iar ift eö, ba^ ein Mangel eine äBertl^beränberung l^erbeifü^ren mu^. yj^it biefer Söert^berdnberung beS ©olbe^g mu^ natürlid^ auc^ ber 3öert^ beS beutfd^en ©olbgelbeö üeranberlid^ fein. @g öeranbert fid^ biefer Söert^ unfereS ©olbftüdö natürlid^ nid^t gegenüber ben ©d^eibe= müngen unb bem ^a^iergelbe; biefe finb burc^ ®efe^ in ein fefteS 3Ser= mtniö an ba§ ®olb gefettet, wo^ aber oeränbert fic^ ber Söertl^ beö ©olbftüdö in 23egie]^ung auf aUt anberen bagegen in Slu^taufc^ fommenben ©egenftanbe; ba« ^ei^t alfo, man mu§ für ba^fetbe ®otb= ftüdf, im i^atle ber ©olbwert^fteigerung, me^r ©etreibe, mel^r 3Stel^, mel^r SSoUe, me^r 5lrbeit u. f. w. l^ergeben. SBenn nun burd^ bai8 ©teigen be^ ®olbWertl§eg ber 3Bert|meffer fid) üeranbert, wenn, um ein 23itb gu gebrauchen, bie @lle länger wirb, fo mu§ ber an ber ©de gemeffene SSaarenraertl^ gurüdge^en. Ueber bie — 12 — 3ßir!ung biejer ©elbwert^fteigerung geben wir einem auswärtigen ®e= karten bo« äöort: „S)enn fel6[t mit ^itfe ber ameri!ani](^en mttionen ^at bie europaij(^c ©elbjirfutation nidjt ^inreii^cn fönnen, eine ©tei= gerung ber tiefgefunfenen greife ju 6en)ir!en, — ja nur baö gegebene qSreiSniöcau ju erhalten. ©ogar „®er Sonboner economift", ber eifrige 3Sorfäm^fer ber reinen @olbwä§rung unb ber ^artndcüge SSerneiner einer ®otb!napp^eit, er!ennt, bafj alle ftati[tif(f^en S)aten ben ^SeroeiS führen, ba^ bie ^abrifanten (Snglanbö in 1892 nic^t nur gegen einen 3^ücfgang in ber S^ad^- frage, fonbern auc^ gegen einen 3fiü(fgang ber greife i^rer 5probufte gu tdmpfen Rotten. S)ie gefammte (gin= unb 2Iuöfu^r englanb« §eigte benn ouc^ einen Dftiicfgang bon ungefähr 30 ^ill. gftr. oDer ca. 7 p6t. gegenüber 1891. Unb in ben erften ^c= naten biefeö ^a^reS ging ber ö):port »ieber 6,2 p(5t. gegen boö aSoria^r gurücf. Unb ba^ bie Sanbmirtfci^aft noc^ weit me^r unter bem ^preiSfatt i^rer q^robufte gelitten ^at, ift aEgemein anerfannt. ©etbftöerftünblid) taftet ber S)rucf nic^t nur auf Sanbwirt^en unb gabrifanten; bie SlrbeitSlofigfeit fteigt unb bie Slrbeitgtö^ne ge^en trofe ber ftar! wac^fenben ^robu!tion surücf . 23 engüfc^e Strabe§=union«, bie bem 23oarb of Xrabe regel= mofeige 3Jtitt^eilungen über bie Slrbeitööer^ättniffe geben, ^aben gemelöet, ba^ in 1890 2,4 p(5t i^rer ^^itglieber, 1891: 4,7 p6t., 1892: 8,3 p6t., o§ne «efd^aftigung waren — unb im Januar unb gebruar 1893 ftteg bie 3a^I big 9,9 unb 9,5 p(St. Unt> bie oielen unb großen ©trifeS beö legten ^abreS finb aU 3flegel bur(^ ^erabfe^ung ber SlrbeitStö^ne ober Sebrobung mit folc^er ^erabfe^ung hervorgerufen. Me er!ennen, ba^ eine aHgemeine ^reigfteigerung eine fc^nette aSeronberung in allen biefen SSer^dttniffen ^erbeifüt)ren , bie Eifere ber ganbwirt^e becnbigen, einen Sluffcbwung in ber Snbuftric ^eroorrufen unb eine 33efferung ber 3trbeiteroer§dlt= niffe gu Sßege bringen würße. 5IIIe ernennen, bafe eine 2öieber^ ^olung ber ©olbentbedungen in Kalifornien unb Stuftralien ein fidleres Heilmittel gegen ben [tetigen Dflücfgang ber greife, weld)cr 5iae bebrürft, fein würbe. S)aB aber biefer ©rucf baoon !ommt, baB bie ©otbmenge unjuldugUd) ift, mit ber ftetigen enormen 3Sergrö|erung ber Söeltijrobuftion ©c^ritt gu ^aUen, unb baß — 13 — bcr 5)rucf n)äd)ft, jebeömal njenn ein neuer 2:^eilne^mer ber ©olbroci^rung fic^ melbet unb einen X^eil ber fd)on fo !nappen ©olbmenge für fic^ in Slnfprud; nimmt, haß wilT man nic^t crfennen."*) ©urd^ bie ®etbwert{)fteigerung wirb bie SSert^Derminberung jebcg anbcrn iöefi^eö herbeigeführt. 2Im einfc^neibenften trifft biefe« bei oer^ fc^ulbetem §aug= unb ©runbbefi^ ju, ba burc^ biefelbe (ginwirfung bie (Scl)ulben tüac^fen unb ber SBert^ beö 33efi^eö fic^ berminbert. ^er betaftete ®runb= unb ^pauebefi^ get)ört jum attergröfeten X^eile bcm ^ittelftanbe, ba^er tft eg ber ^ittetftanb, ber guerft burc^ bie ®clb= wert^fteigerung ruinirt njirb. S)ie :Öanbtt)irt^fc^aft, bie aud^ bem 3iRitteI= ftanbe angel^ört, — aud> bie 5Be[i^er ber metften 9littergüter muffen bem 'Mttelftanbe ^u^t^äm werben — wirb am unmittetbarften oon ber ©etbwert^fteigerung getroffen, weit ber ßanbwirt^ feinen (ginftu§ auf bie greife feiner ^robufte beft^t SDie meiften auf bem tänblic^en ©runbbefi^ ^aftenben §^pot^e!en rül^ren au« ber 3eit öor (ginfü^rung ber ©olbwä^rung ^er; mit bem Sßac^fen beä ©elbwert^eä wad^fen bie ©c^ulben ol^ne 3"^^«« ^e^ ©c^ulbnenS, anbrerfeitg üergröBert ftc§ ber Äapitalwcrt^ o^ne 3ut§un bes ©läubigerö. 3öir laffen aud) hierüber einen unbet^eitigten ©ele^rten beS Sluötanbe«, ^^rofeffor aJifttger in SBien, fpred^en: „eg unterliegt feinem 3weifel, bap bie ©laubiger, alfo boc^ »or|errfcfcenb bie ©elbfapitaliften, in ^^olge biefer un3Wecf= mäßigen unb wenig überlegten ^eftimmung beg beutfc^en ^ün^- gcfe|cg ungeheure ©ewinne gemacht ^Uw, wäbrenb bie ©c^ulbner, welche bei bauernben ^orberungen, namentlich bei §t)pot^cfenfc^ulben, Kapital unb ^'mim \pakv in einer wefentlid) erp§ten Söä^rung gu leiftcn Ratten, einen entf prec^enben SSerlufl gu tragen Ratten, ^c^ glaube, ba^ bie heftigen Singriffe, weld)en baö fogenannte mobile Kapital in ben testen -Qxon 3a^r3el)nten in befonberö l^o^em ^a^e auögefe^t war, gu einem beträchtlichen 2;§ei(e biefem ungerechtfertigten ©ewinn auf Soften sapofer !leiner §au«^ unb ©runbbefi^er gugu^ fc^reiben ift'.**) *) ^t^rof. Dr. SBiUiam ©c^arling, ^opcnf)agen: Mt gefeglic^e ißerbrängung be§ Silbers. **) ®te iuriftiicf)e ©eite ber SSalutaregulirung. — 14 — ®aB ft(^ in btefer SBeife aud^ bte (Staat^[(^ulbeu [tetig üergröfeern, ift ein 5Ra(^t^cit für bie gefammte fteitersal)lenbe 23iirgerfc^aft. ^enn ^eute mi öielen unb fetb[t autorifirten ©eiten auf bte 25or= Süge unferer ®olbtt)äI)tung ^ingewiefen wirb, fo überfiel)! man, baJ3 tüir in ^irfUc^feit noc^ gar feine reine ©olöwa^rung ^aben. ®ie ©ur(^fül)rung m einl]eitlic^en ^ert^mefferä ift m W bei unö no(^ ni<^t niögli.^ get^efen; n^ir befifeen no(^ 400 ^ittionen ^maxt in ©über, tbalern mit öoEer gefet^lic^er 3«P?raft. SlUerbingS ^at gegenwärtig tn SDeutfc^tanb ber 33unbeSrat^ la^ 3flec^t, bie ©urc^fü^rung ber ®Dlb= Währung ju üoHenben unb bie noc^ oor^anbenen ©ilbert^aler auS bem a?er!e^r ju gießen. 2öie bie 3Ser^dltniffe aber ^eulc in ber 2öelt hegen, njirb fein 5Bunbe«rat§ eä magen, bie «erantmortung bicfer ^a^regel auf m m nehmen. S)ie 33ort^eile ber ©olbwa^rung ^aben wir noc^ nic^t fennen gelernt, ©afe ba^er bie reine ©olbma^rimg tür 5)eut|c^= lanb m befte Mnaf^ftem fei, ba§ ju bet)aupten, befifecn mir md) nn^t bie qeringfte (S-rfa^rung, unb üon „unferer erprobten ©olbma^rung' m fprec^en, ^aben mir nic^t m minbefte 9tc(^t. SBo^I aber ^aben mir babur^, bafe mir gefefelic^ unfer ^JJlünsf^ftem allein auf bag ©olb bafirt ^aben, fc^on bie ganje ^tei^e ber mä^mU ber ©olbmd^rung ju empfinben gel)abt. ©otoiet muffen mir ^eute !lar erfennen, ba§ ber ©olbüorrat^ ni(^t Binrei(^t gur Sefriebigung beö ©elbbebürfniffeg ber ganzen 2öelt, unb baft in einseinen Säubern bie reine ©olbma^rung nur möglid) ift, menn eine JRei^e anberer Staaten ein fefteö Söert^Der^ltniii s^^clien ®olb unb Silber aufrecht ju erhalten im ©taube ift. darüber tanu Mn Zweifel obmalten, bafe ber gegenmärtige ^uftanb auf bie ®auer unBaltbar ift. 2Bir ^aben in unferen X^alern noc^ 400 ^iaionen teantgelb, meiere einen ^etaümert^ öon ber $älfte i^re6 3a^lung§= mertbeö befifeen. ^lußerbem ift unfer ^Rei^gjilbergelb in fo ^o^em ©rabe entmert^et, baB au(^ l)ierauö fid) bie größten ^:miMtänbe ergeben fönnen. Unjer ganje« Sfteii^gmüuäf Aftern fommt auf eine immer unfolibere ^afig. wenn nic^t bie (gingie^ung ber ©ilbert^aler unb bie Umprägung ber 9fleid)gfilbermün3en erfolgt. ®er ©olboorrat^ in ben Saufen barf alö 35eweiö tur baö ge= nügeube SSor^anbenfein bon Umlauf^mitteln nic^t gelten, ba aU erfte St-olge ber ©elbwert^teigerung ein Srac^liegen beö ^apitalg unb bie attgemeine ßä^mung beS Unterne^mungögeifteö in bie erfd)einung tritt. — 15 — ©d)on bie 2lu^[i(^t auf eine jufünftigc 6tetgerung beS ©elbeö niu§ lä^menb auf ben Unternel^mungägeift wirfcn. S)aö o!tiöe 3Sermögen tn ^reufeen wirb nac^ ber ©d)ä^ung gu bcn 3Sorar6eilen ber (Sinfommenftcuer auf 76,8 3JiiIIiarben SSftaxt üer= anfd)tagt unb mu^ bal^er für ganj ©eutfc^tanb auf minbefteu^ 1 20 3iJiiaiar= bcn ?Okrf augenommen lüerben, bemgegemiber l^abcn lüir nur ettt)o 2V2 aJJiEiorben ^axt getnünsteig ©olbgelb.*) SDer ©olbborrat^ ber ganjen äBelt ift nur 15 big 16 SKiniarben ^arf. Ser ©ilberi)er= rat^ ber gangen 9BeIt im olten 2^er^äItniB öon 1572:1 beredjnet, bürfte !aum bie SBcrtf}^ö^e Don 15 big 16 2)^iaiarben maxt i'iber^ fc^reiten, fo ba§ ber 2)^etoUborrot^ fieser in feinem ißer^altniB 8« bem aftiben 3Sermögen fielet. 3um 33ett)eiie, ba§ fein ÜJiangel an Umlaufömitteln befielt, werben bie riefigen ^a^lm beö ®iro= unb (Sl^efberfe^rg angegeben, wobei man überfielt, ba§ biefe „^a^len grcBtent^eilö ber ^ßrfenfpefulation ent= fpringen unb nid)t einem §in= unb ^erbewegen bcn SKcrt^en; fie ^aben alfo mit bem ©elbbebarf beg 3>er!e§rg nic^tg gu fc^affen. S)a bag ©elbwefen fowo^I in ©ngtanb aU auä) bei unö nur auf bem ©olbe beruht unb Da wir nnß ocn ber Un;;ulangtic^feit biefeö Sßäl^rungömetallg überzeugt l;aben, fo fönnen wir nic^t umt)in, 3U3U= geben, ba§ ber gegenwärtige 3"ft«n^ fowo^l für bie S)eutfd)e 9ftetc^§= banf, ale anc^ für bie 33anf bon ©nglanb ein gefal)rlic^er ift.**) ®ie 5)eutfci^e Dfteic^gbanf i^at wegen be« geringeren ©efc^aftgberfe^r« unb ber fürjeren 3eit ber ©olbwa^riing in SDeutfc^lanb nod) nid)t in bem Wta^i SSeranlaffung gef)abt, baö ©efä^rlidje biefeö j^uftanbeg erfcnnen 5U fönnen, x\)k bie S3anf bon ©nglanb, bei welcher ber ©olbabflu^ unb ber 'sUJangel an @otb beg Oefteren bereit« einen fo bro^enben Umfang angenommen l^at, ba§ fie gu au§erorbentlic^en äTcitteln, wie plöltic^e fpruitgweife unb im ^inblicf auf bie englifc^en 35er^ättniffe e;:orbitante ©rl^öl^uiig bcg 39anfbigfontg l^at greifen muffen. (Sine ©rpl^ung beö ^anfbigfontg l^at aEerbingg bie ^olge, bie ©otbentna^me eingufc^ranfen, unb burc^ htn barin liegenben l^ol^eren B^^^fiiB ^^" 3"f^"fe ^^^ ©obeö au§ bem Sluglanbe ju beförbern. 'üJian wirb aber berartige 3"[iänbe taum no(^ aU folibc begeic^nen fönnen. ^m ©egenttieil wirb man gu= geben muffen, ba§ l^ierin ein f)o§er ®rab bon Unfic^et^eit liegt, unb *) 2)ie 3a^Ien in biefem tapttel ftnb Slbolf äSagnerg ©c^rift „2)tc neueftc @tlberfrift§ unb unfer SJiünstoefen" entnommen. **) ^er ^ufammenbrud) eineg einzelnen 33anfbaufe§ berfe^te bie 33anf üon (Snglanb in bie JiotljWenbigteit, @oIbanletI)en im 2lu§Ianbe fudjen gu muffen. — 16 — ba^ atter^anb ^wf^^^S^^^*-'^ ^^" (Srfotg btefeä S^in- unb §erlabtren§ beeinträchtigen !önnen, fo auc^ bte 2JiögH(^!eit ber (Sinflupal^me anbcrcr (Staaten, toetd^e, lüie beifpielßweife Dflußlanb, ba^ 3"^ücf^alten ber ®olb= referben anf gefe|lic^em Söege ausführen. (Sine groJ3e ©efal^r in [cutteren 3^^^^" ^^^9^ l'^<^^^ barin, baj^ ber nottoenbige SSJletallborratl^ ber 9fteic^^6an! gur S)ecfung ber 9fteic^g6anf= noten gum Zi)di au§ ^f^akxn befielt, alfo auö einem gegenwartig ftarf entnjert^eten detail. Sßenn man ba^er fagt, bie 3fleid)Sban! !ann nac^ il^rem ^D^etaÜBeftanbe, wenn bie SSerme^rung ber Umlaufömittel erforberlid) i[t, no(^ bie Dflotenau^gabe t)erme{)ren, fo i[t biefeg mit S^türffic^t auf bie 33efd^affen!^eit ber ^etattbecfung ein Wittd üon zweifelhaftem SBertl), gang abgefel^en bat>on, ba^ ftatutenmä^ig für bie burc^ ^Ü^etall nic^t gebecfte S^otenmenge bantmd^ige 2Bed)felbecfung borl^anben fein mu^. Slu^erbem barf man nic^t überfeinen, bafä bie ©ecfung fi(^ nur auf bie 9fieict)«ban!noten begießt, ba§ wir aber no(^ 120 ^Jiiöionen 3J^arf 9fieid)ö!affenfc^eine (^ünf-, 3wan3ig= unb pnfgigmarffc^eine) ol^ne jebe SDcdung im Umlauf I)aben. S)ie (Srfa|mittel ht§> ©elbeö, ber @irc= unb g^eföerfel^r werben in Wtifc^en ^dkn fieser berfagen, we^alb ein 3SerIa§ auf ben mobernen 3al)lunggauggleic^ burd) bie S3anE rec^t bebenllic^ ift. 3ii"^ S3eweife biene bie S;l}atfacne, baj3 tro^ i^rer ftarfen ^etattreferüe bie 33an! oon granfreic^ bod) balb nac^ 33eginn beö beutfd^=fransöf{f(^en 5lriegeg bie e-inlöfung i[)rer flöten einfteEen mu^te. 5(m 11. Sluguft 1870 würbe in lyranfreic^ ber ^wongS^ui^ö erflart; unb baö war gur ^dt ber ©oppel- wäl^rung unb ber ^offwertl^igfeit ber großen ©ilberborrät^e. Unfere SSerpltniffe liegen ^eute fcbenfaHö fel^r biet unfid^erer unb fi^led^ter. iBei 120 ^Dfliaionen ^ar! ungebedter 3ftei(^§f äff enfd) eine, bei 400 SD^ittionen Wlaxt entwertljeter ©ilbert^aler unb bei 460 3Jiimonen Wtaxf entwertl^eter ©ilberfd)eibemünge ^aben wir ben ^tt^angöfurö beim erften Äanonenfc^u^. Slnbererfeitg bürfte bie S)urc^fü^rung ber reinen ©olbwä^rung l^eute in ©eutfc^lanb als eine Unmßglic^!eit ansufcl}cn fein, fc^on auö bem ©runbe, weil ber 3Ser!auf ber 3:^aler bem ^teid) einen «Schaben bon V* ^JiiHtarbe öerurfad)en würbe. Sßenn man lertl) — fteigenöer ®ol6tt>ertb. SDie ganj gewaltige 3Serme^rung ber ®otbprobu!tion in ben fünf= jiger 3^^i^^" ^'^^^ "i'^t im ©tonbe, eine bemer!enStüert^e 3Ser[(^iebung beö Söertl^ber^ältniffeö jtüifc^en ®olb unb ©über ^erbeigufü^ren, tt)eil bie ^JJiüngftätten öon ^ran!rei(^ unb anbeten Sanbern jebeö i§nen an= gebotene Ouantum ©olb gum feften ©ilberpreife abnahmen. ,@5 i[t bal^er bcr ©(^lu^ bur^auö gered^tfertigt, ba^ bei unbe[(^ränfter freier ©Übertragung in ben ©ilber= unb S)oppeIn)ä§rungöIänbern ein ©in!en beö ©itberpreifeö auä) bei einer ^robuftion^oermel^rung nic^t ^ätit ein» treten fönnen. SSürben bie ?[Rüni^[tatten bem @oIbe öerfd^loffen ttjerben, fo ^dtte baö ©olb ein äl^nlid)eö ©(^idffal wie baS ©ilber gu erwarten. SDie groije, englifd^e (Snquete l^at bie[eö einftimmig, alfo auc^ unter 3"= ftimmung ber 3Jiitglteber ber ©olbwd^rung^partei anerkannt. 2öir bürfen bal^er bie ^reiSftürge beg ©ttberö nic^t aU ^otge ber SSerme^rung ber ©ilber=^robuftion auffaffen, fonbern nur alö eine ^^olge ber @in= ftellung ber freien ^Prägung. S)te bemerfenSWertl^eften ^reiöftürge traten ein, aU S!)eutjc^lanb feine ^ragung eiufteßte, obwohl bamalö oon einer 3>ermel^rung ber ^robuftion noc^ !aum bie Sfiebe war unb bann, alö bie legten müngpolitifdien ^af^regeln in 3"^^^" ^^'^ Slmerifa erfolgten, hierfür ein 33cifpiel: 3lm 19. ^uni 1893 ftanb ©ilber in Sonbon auf 3874 ^ence, ber ©ilberwertl^ am 30. ^uni wirb aber auf 30 Vs ^-Pence notirt, wir l^aben tä alfo mit einer ©ntwcrt^ung öon über 20 p6t. ^u tl^un, wel(^e fid^ innerhalb ber l'urgen ^rift oon 5el)n Stagen öolljogen l)at. 3" biefen ge^n Ziagen l^anbelt t§ fid) weber um eine ^robu!tionS= Derme^rung, nod) um fonft irgenb etwa«, rt>aS ben ^Preiöftanb beS ©ilberö SU beeinfluffen im ©taube gewefen war, fonbern e« war einzig unb aEetn ber ©d^lu^ ber inbifc^en ^JJüngftätten, weld)er biefen ^rei^faH t)erbeifü^rte. 2 — 18 — ®er Umftanb, ba§ md) ber ^rägungöftatifttf ttac^ beii neueren [inan3politifd)en 9Jia§nal^men mel^r ©il6er al§ gur 3^^* ^s^' freien Prägung geprägt njurbe, unb tro^bem ber ©olbpreiö für @il6er gefunfen i[t, wirb für bic 23e§auptung, ba§ ba^ ©ilBer burc^ natürliche nid^t burc^ bic gefe^lic^en ©inwirfungen entwert^et fei, aU Sctceiö angefüfyrt. Siefe 2:^atfac^e i[t aber im ©egent^cil ein iBeweig bafür, baj5 ber ©ilbertüert^ nid^t eigentlich gefun!en, fonbern ba^ üielme^r ber ®olb= lüertl^ in golge ber gefe^lic^en SRonopoltfirung gefticgen ift. S)urc^ btcfe ©olbmonopolifirung ber fü^renben Staaten ift baä l^erborgerufen, \va^ für MUß alö ,,gefun!ener ©ilbertoert^" n)a^rne^mbar ift. Söenn 16—17 aJiimarben 30^arf ©olb unb 16—17 ^J^iüiarben ÜJiar! ©ilüer in ber Sßelt ©elbbienfte Vertreten unb bie 16—17 9Jii0iarben •IRarf ©ilber au^ bem SSerfel^r gegogen werben, fo ift eS ein burc^auö natürlid^er 3Sorgang, wenn fid^ ber SBert^ ber 16—17 ^ißiarben Wlaxt ©olb berboppelt. ^^r 3Seranf(^aulic^ung möge ein 33eifpiel bienen. 3Bir nehmen an, bie 33ef(^äfttgung aller ^erfonen weiblichen ©efc^lec^tö als 3Sertäuferinnen, S3ud)^alterinnen, Äaffirerinnen u. f. w. würbe gcfe^lic^ verboten; !ann man bann erwarten, ba^ bie iungen ?[Ronner für benfelben Sol^n wie bis ba^in weiterarbeiten würben? ^eineöwegö; fie werben fofort mit (Srfolg p^ere ©e^altöanfprüc^e fteHen. @an§ fo üerl^ält eg ftc^ mit ben ©belmetaEen. 3öenn plöt^lid) haß ©ilber feiner (Sigenf(^aft, ®elbbien[te gu üerfe^en, enttleibet wirb, wirb fein ©enoffc, baS ®olb feine SDienfte nid^t mel^r um benfelben ^reiö leiften. 5Durc^ S)eutfcl)lanbig Uebergang gur ©olbwä^rung unb ben 35erfauf beö größten ^l^eilS feineö ©ilbergelbeig, ferner baburd), ba^ ber lateinii'd^c 'ffl'iünäbunb ben Slnfauf unb bie fernere Prägung beö (Silber^ einftetttc, enbli(^, haß Sanber wie: ©c^weben, Dflorwcgen, Siänemarf, 9lumänien, Oefterrei(^=Ungarn, ^i^^^s" ^cri ©(^ritt Seutfc^lanbS nad)maci)ten, mu^te ein immer weitere^ relatiöeä ©in!en beS ©ilberpreifeß auf bem 2Belt= marfte eintreten. SDaS SSorgel^en biefer ßänber ^at nun aber nii^t allein ben ©itberpreiö gebrürft, fonbern eS l^at baburd^, bafe fie für baö ©ilbcr ®olb eingutaufd^en fud)ten, baö (Steigen htß ©olbwert^eö bewirft. (S5enau ebenfo, wie burd^ baS üermel^rte 2lngebot auf bem SSeltmarfte ber ©Überpreis gum ©infen gcbrai^t werben fonnte, muffte burd^ bie t»er= meierte 9'lacl)frage ber ©olbpreiö fteigen. S)iefe ©tcigerung beö ®olb= preife^ i^ätte felbft bann eintreten muffen, wenn bie ©olbprobuftion ber Söelt öoUftanbig genügenb wäre, ben 33ebarf an ©olb §u bedfen; um wieüiel me^r mu^te biefe ©teigerung öor fic^ gelten bei bem ungu- — 19 — reid^enben SSor^anbenfein beö ©olbborrat^^. S)a§ bag ®olb tl^otfäd^ltd^ unsulängtic^ i[t, um ben 23ebarf an 9}iiingmetaII ber Staaten, toetd^e l^eute fi^on aU ©olbwäl^rungiglänber ju betrachten finb, gu bedfen, ift o^ne 3wcifet/ benn toir l^aben gefeiten, ba^ bie fernere SDurc^fül^rung ber ©olbn^al^rung in einem Sanbe je^t nict)t mel^r gu ermöglichen ift. ©ö finb unö hierfür S3eifpiel: bie 5Ber^äItni[fe in Italien, Oeftcrreic^* Ungarn unb ^n^isn- <5o ift and) bie in ben legten ^al^ren fonftatirte ^wn^lli^e ber ©olbprobuftion fein S3en)eig für ba§ genügcnbe 3Sor!ommen h?^ ©olbeig, fonbern biefe 3wna'^)nie ift nur barauf gurücEjufü^ren, ba|3 burc^ bog 5;§eurernjerben be« ©otbeS, begiel^ungötoeife burc^ baS ©teigen feineö SBertl^eö eine ^ßermel^rung ber ^robuftion eintreten fonnte, baburd^ ba§ eö möglid^ würbe, baö ®olb ba gu fuc^en, roo man eS früher wegen beö nic^t genügenben SBert^eö nic^t fud^en burfte. §eute to^nt cg bei bem enorm geftiegcnen ©olbwertl^e, baffelbe auö Quargabern gur ®e= winnung gu bringen, welche früher ber l^o^cn Soften wegen im 25er^dttni§ gum äöert^ be§ ^^robu!teS nic^t bearbeitet werben fonnten. S)iefe a)er= ^ättniffe muffen febod^ not^wenbig gu einer fc^ncHeren (Srfd)öpfung ber erreichbaren ©otbüorrät^e in ber Sflatur führen. S^afe biefe ©el^auptung aud^ üom geologifd^^wiffenfc^aftlid^en ©tanbpunfte auö richtig ift, beftätigte ber berühmte ©eotoge (Sbuarb @ü§ in einer ^erfammtung in SSien im 3^"««^ biefeö ^a^xtß *), in welcher Dr. Otto Slrenbt einen 3Sortrag über bie SÖSl^runggfrage gel^alten ^atte, mit folgenben Sßorten: „5lüe no(^ fo gut begrünbeten Slnfid^ten ber Ferren ?lationaI= ofonomen reichen nic^t ^in, bie S;§atfac^en a\iß ber 3öett gu fc^affen, weld^e einmal bie Statur gefegt l^at. ^yjögen bie@taatS= männer, bie S^iegierungen unb bie 9^attonatOefonomen t§un, ima§ fie wollen, id^ fd^Iie§e mit ber ©ic^cr^eit, mit wetdjer ber 9'iaturforfd^er gewohnt ift, au^ Ji;^atfad^en gu fc^liej^en, ba^ bie ©olbwal^rung auf bie Stauer feinen 23eftanb l^aben fann unb ba^ ba§ ©über wieber bas 2Sä^rungömetaII werben wirb. @ä mögen grofee ©d^wierigfeiten fommen, unb man mag ^eute garniert wiffen, wie biefe ©cEiwierigfeiten befeitigt werben mögen — befeitigt werben fie boc^ werben, baö \vd^ iä) beftimmt. S)arum glaube td^, laa^ ©ie auc^ gegen ben Stbg. Slrenbt oorgebrac^t ^aben, er wirb bod^ fc^lie§lic^ 9fted^t behalten". *) ®eut)"(f)eS SBod^enblatt mx. 3 Dom 18. Januar 1894. 2* — 20 — ^a^ bte a^tegelimg ber inbifd^en SKal^rungäöer^ältniffe im ©inne ber 9fiegierung, tüte mv feigen Serben, ge[(^eitert i[t, liegt bieKeic^t im 2ßefentli(^en mit baran, ba^ ein genügenber ©olbguflu^ ber Unsuläng* lic^fcit beS ©olbborrat^g tüegen nic^t 51t errei(^en tüar. S)a ^"bien ein in l^o^em ©rabe probucirenbeg unb eyportirenbeö Sanb i[t, fo l^ätte ein ftarfer (Solbabftii^ nac^ 3"^^en ftattfinben muffen, tt)enn nic^t ber ott- gemeine ©olbmonget btefeö »erl^inbert l^ätte. 33e!annt ift bie ©ewol^n^eit beig inbif^en SSolfeö, aJliinsen unb ©belmetaUe angufammeln ober ©c^mucffac^en aug berfelkn anfertigen gu laffen, fo berfc^njinben je^t iä^rlid^ 30 biß 40 Millionen Wart ®oIb, welt^e eingeführt irerben, fpurloö aus bem SSerfel^r. 3" ^^^^^ 9fiotI)ftanb)gj[a^r njurben in ^ritifd^« 3nbien über 40 Millionen '^axt auß ©d)murfgegenft(inben geprägt. S)ie (Sbelmetallbernjenbung §u ©d)mu(fgegenftänben wirb fid) in Sanbern, n)el(^e bie ©Übertragung eingefteEt unb bem ©über bie Statur beö ©elbttjert^eö genommen l^aben, natürlich mel^r unb mel^r bem ©otbe guwenben. 3Benn an<^ bei ber fteigenben SSerwenbung ber ©betmetaüe öietteic^t feine (Sinfc^ränfung be§ ©ilberberbrauc^g erfolgt, fo wirb ober boc^ ber ©olboerbrauc^ er^eblicl) gunel^men. 5Der ©olbumlauf ber gangen Söelt ift nac^ ben guberläffigften ©c^ä^ungen fo gro^ wie bie ^robuftion ber legten 25 ^a^xz. S)er ^ebarf an @olb §u anberen alö ©elbgwecfen, alfo ©(^mucfgegenftänben unb @ebrau(^§arti!eln, bat ben gefammten, ^^^^t^iifenbe l^inburc^ an= gefammelten ©olbborrat^ aufgegel^rt. 3« S)eutfcbtanb finb in ben legten l^unbert 3«^^^"^ ^or ©infül^rung ber ©olbwä^rung 532V2 ^iH- SBlaxt ©olbmüngen geprägt, alö man na(^ ©infü^rung ber 9fiei(^Sgolb; wäl^rung gur ©ingiei^ung berfelben fc^ritt, fanben fid^ ni(^t einmal 100 3>iimonen ^ar! oor. S)er ^nbuftrieperbrauc^ beö ©olbeg ift fortwal^renb fteigenb unb oerfc^lingt ben größten SLl^eit ber ^robuftion, taufenbe Slrbeiter in alten Äulturlänbern finb bamit befct)äftigt, @olb: müngen einjufc^melgen unb inbuftriell ju »erarbeiten. 3" 5lmerifa würben im ^al^re 1883 gwölf SJüCionen SDoHarS an ®olb gu inbuftrieEen ^werfen »erarbeitet, im ^a\)xt 1892 war biefer a^erbraud^ bereits auf 20 Mißtönen S)ollarß geftiegen. ''Sflan borf iebenfallg annel^men, ha% bie Urfa(|e ber SBert^fc^wanfungen beö (Selbeö nic^t im (Silber, fonbern im ®olbe liegen. S)ie SSerdnberlic^feit beß ©olbwert^eä ift für ben oberpc^lid^en ißeobad^ter nic^t wal^rne^mbar, ba er gewol^nt ift, aUeö nac^ bem ©olbwertl^e gu meffen. (5r l^at bie (gmpfinbung: bie eingelnen 2Baaren finb billiger ober t^ eurer geworben, je nai^bem er — 21 — me§r ober toentger berfetSen für ein ©olbftüd erl^alt. S^iun fpielt aber l^eute baö ©ilber noc^ eine groBe dioUt im ©elbbienfte ber ^enfi^^eit; in üielen großen 3ftei^en ift baöfclbe no(^ ber einzige SBertl^meffer. SSenn wir nun feigen, ba^ ia§ 3ßert§öer^ältni^ bieler SBaaren ^um (Silber in einer längeren ^^'^ps^^o^e annä^ernb ba^felbe geblieben ift, wä^renb baö SBertl^berl^ältnijg gum ©olbe fi^ erl^eblid) gu ©unften beg Sedieren öeränbert l^at, fo Werben wir bie ©clbwert^fteigerung o§ne äöeitereö gugeben muffen, ^er 33eobac^ter bei unä ^irb geneigt fein, oom gefunfenen (gilberwert^ gu fpre($en, ber 5ßeobac^ter in einem ©itberwäl^rungölanbe wirb ben geftiegenen ®oIbwert| wa^rne^men. 2)a in ©ilberwal^rungSlanbern haß ©über fein SBertl^berpltni^ gu ben wef entlief) ften 3fto;^probu!ten in einem biet geringeren ®rabe öeränbert ^at aU in ©olbwä^rungglänbern ba^ ®oIb, muf^^ man baö 2Iugeinanber= ge^en beg ®oIb= unb ©ilberwert^e^ weniger al§ einen ^reiöfall beg ©ilberö, fonbern bielme^r aU eine Söertl^fteigerung be«i ©olbciS auf= faffen. ^n biefem Sinne finb auc^ bie öorliegenben Slu^fül^rungen ftetö ju üerfte^en. Sßenn ber Äürge unb ©euttic^feit wegen bon bem ge= funfenen ©ilberwertl; bie JRebe ift, fo ift ftetö bie relatioe .2Bert;§= oerminberung beö ©itberö bem ©olbe gegenüber gemeint. 22 — Die üalutaöiffccensen. ci„e«8«nbe/it bon gröfetem ©nW auf bie ®elbber|««mf(e anbcrer ?* e gten, Beftanb» leine Sc^^ierigteiten in bem ^W 8»«en aänban mit M»ä^nm8. Salutabifferenäen*) jmfCen ®olb= u„ S IBemdlrnngrtdnbevn gab e« nid,t. 0|ne 3»ei et mrb man Za 5«8e6en ranffen, bafe eine internationale Uebere.nft.mtnunfl m en Mnt«=3Jer|liffen eine gemiffe 5ftot^»enbigteit für ben .nter= „aüonden »erlebt ift. SJtefe internationale Uetereinft.mmnng mar m.t SS b!r sLel mit 3«".ng«ur« tbatfä^U« bor|«nben fo lange b er Vateiniidje Wlnn^btinb unb bie bereinigten ® ««"•»»■' J r !Ler\"a Bimetattiftifd, »aren. «eMt biefe -'7"*™»^ «f - einftimmnng «nb baä fefte äBert^berpitnife ber e.njelnen «»I"'™ 5" »«rer fo »erben bie ffied^fellnrfe«) im internahonaten Serte^r Zn mb unb (c^mntenbe SBee^feltnrfe muffen nct^menbtger Sße.fe t SSte bon Z ruhigen fieberen «Srunblage auf ba« @ebKt oager letlalon bringen. Sie a5aluta=®ifferenjen geten SJerantaffung ^u Swen»elcl,e überhaupt leine .»ott«»irtM*aftH*e Sere^t.gung laben l t2t bie ^nte effen nbt|»enbiger unb berechtigter ®en,erbe W bigen unb eren tilen, erfc^üttern. S,er §anbel lommt lei^t au. iriner bae^tigten ©teQung, ber «ermittler ä« fein, ber au« bem Ueber« f,:tr/rztsrs3ir^S^^^^ ®*""ifÄfÄrrreS-be„ äBertb ber Salut« eine. 2a„be* in be« ®f l *, "tum^^i'^i^^m^^^'^ bem Maamrtb, auf bem biefelbe unterwotfeiu ^''^l^Zf^Zx-lainta in (äoIbmabtunüSlanbetn ift oon bem Ä*,efe"äl* ^bb^ltu^ubMe ..oIb»aU,.„ i. ®i.ber,.äbvu„,«ä„bera üon bem @ilberprei§ beS (^olbeS. — 23 — flu§ be^ einen Sanbeg ben ^J^anget be« anberen becft, ^erauö unb erptt bic Statur eine« ©pielun ternel^nienö, roeld^eö eine 2Baaren= unb SBertpeweguncj fc^afft, um auß bem Unterfc^tebe ber ^ollunggiüert^e ber öerfc^iebenen Sauber S^Ju^en gu gießen. ®ie ^:i3robu!tiö[tanbe beS fianbeö mit l^ö^er [te^enber Valuta werben fid^ ftet« im S^iac^t^eil gegen bie ^robucenten eine« ßanbeö mit minbertüertl^iger Valuta befinbcn. ®ie 2Saluta*S)iffereng tt)ir!t förbernb auf bie ^robuftion eineS Sanbeö mit niebrigem ©elbtoert^ftanbe unb erleichtert bcffen (Soncurreng; fie er: md^igt bie ©d^u^göüe eines SanbeS mit l^o^em ©elbnjertl^ftanbe unb erpl^t bie ©(^u^aöffe eineg SanbeS mit untern)ert£)igem ©elbe. ^ag Sanb mit bem tl)euerften ©elbe l^at ba^er ben fc^tt)er[ten 6oncurrens!ampt im SBeltüerfel^r. ©o Hegt eg flar auf ber §anb, ba§ bie ßanbwirt^fc^aft, als bie urfprünglid^fte ^robucentin, bie SOBirfung biefer S5atuta=S)ifferensen am e^eften unb am meiften füllten mu§, befonberS auc^ aus bem ©runbe, weil ber fianbwirt^ feinen ©influ^ auf bie g^reiSbilbung feiner ^ro= bufte l^at. 3ftec^t bejeic^nenb ift eS, wie ^nbien als ^cnfurrent in ber aöei5en= ^robuftion auf bem beutfc^en ^UJarft erft bann auftritt, als ber @ilber= wert§ in ^^-olge ber ^a^nal^men ber euro^aifd^en ©taaten gefunfen war. ®urc^ biefeS relative (Sin!en beS ©ilberwertl^eS gegen ben ®otb= wert^ fonnten äöec^fet unb 3fiimeffen auf ^nbien in Sonbon um bie SDiffereng gwifc^en bem frül^eren unb bem bergeitigen ©ilberwertl) billiger gegen @olb eingetaufc^t werben, ^a biefe 3fiimeffen fi(^ in S^bien bott oerwert^en liefen — benn ber inbifc^e ©etreibe^^robujent §ai)lte nad^ wie bor feine Söl)ne, Steuern, 2lbgaBen, 3^"f^" "• f* ^- ^" ®ilber;3ftupien — fo erwui^S aus biefer ©iffereng ber inbifc^en SSaluta gegen bie Statuta europäif^er ©olbwä^rungSlänber ein fe^r erl^eblic^er ^anbelSgewinn. S)a^ berfelbe gu öerme^rten gefcfcäftlic^en Umfa^en anregen mu^te, ift felbftberftanblid^ unb fo fc^en wir bann an bem ©infen beS ©ilberwert^eS, ba^ beffen Urfac^e, — S)eutfd)lanbS Uebergang jur (^olbwd^rung — ber beutfc^en Sanbwirt§fd)aft bie inbifc^e Äonfurreng auf ben §al§ gebracht l^at. Slber and) Dfin^lanb gegenüber bilbet bie ©iffereng in ber 3Saluta ben wefentlic^ften eintrieb pm 2^poxt ruffifc^er lanbwirt^fc^aftlic^er 5]^robufte m;« 8«>ibe« »0^1 Befunben. ©eit »cginn ber internationalen ©btbwett^. fleigeruns tentitte bet atfetbau in einer früher nic^t gctannten SBcife; «»anbei «nb Snbuftrie natoen einen bebeutenben 3(« = i*»nna unb mit bem retatiben ©inlen beä ©ilberpreife« auf bem SSett« martte »ucbä ber ffio^tftanb ber inbi(ci,en SebölEerung. «nbet« geftaltete m aber ba« Sietpitnijj für bie inbif(%e Regierung. Sie fe^r Bebeutem ben ©taatäf^utben, bie im Saufe ber Bei* contra^irt »aren unb b« grofjen eifenba^n=3tntei^en, bie auf bem (Setbmartte bon ßonbon an,= enommen »aren, legten ber SKegiernng bie äJerp »«"8 »"f b.e |,nfen in @olb 5U jagten. SRit bem ©infen be« e.lbern,ertt,e« lant nun natütli* an^ bie inbif^e Sßaluta in Sonbon unb eS mu^te jur »e- -a6tuna ber Hinfen immer me^r unb me^r (Selb aufgemenbet werben. tSngen bfn 500 SRnfien jur Seit beä alten äBert«ber^ältn,„e. fn,i cOen ®olb unb ©Über erfbrberten inW bereits 800 SRnp.en fo bafe bie inbifd^e SRegierung fie^ t^atfdd,«,^ in einer ferneren Jcot^lage betäub. Siefelbe ^at 3a^r für 3<^¥ auf baä eiubnngl.e^fte 6e, ber englif,*en SRegierung SSorfteOungen erljoben, bafe eine f^r^aUom^ meqelung ber ffiä^rungäwirren, eben«, eine internationale 9lunat)m ber 5 Z^rung ansuflKben fei. Siefe ©.^ritte finb aber fte.« erfo gib« gebtoben, ba bie englife^e iftegierung äu leiner «»nceffton m W]n Se»ie6ung fi4 bereit finbtn liefe. S>ie SBerlegenlie.t ber inb«cn SRe= rierun »ar über aae^8egriffe grofe getborben. 3" bem SRed,nung - tbr 1892/93 ^at bie inbife^e ©taat«fafje an ben SKegiernngän>e,^feln über 87 51Riaionen SRu^ien berloren. eine ©teueterP^ung war nu*t — 29 — möglich, lüeti bie Sebölferiing üon 3"^ien fc^on eine t}er:^altm^mä^ig je^r ^of)e Steuerlaft gu tragen Ijat ^n biefer ßerjroeifelten Sage l^at nun bie inbifd)e 3ftegierung ju einem Mittel gegriffen, tt^elc^eS 2l6§ilfe, ober njenigftenS (Srteic^terung ber ©c^ttiierigfeiten, bringen foöte; boc^ f)at ftd^ biefe Hoffnung iiid^t erfüEt. S)urd^ SDcfret üom 26. 3""^ 1893 würben bie inbifc^en ^üns= ftdtten ber freien ©ilberprdgung ge[d)toffen*) unb ber 3fiupie ber Sßert:^ oon 1 ©c^itting 4 ^ence beigelegt; haß f)d^t 1 ©^iKing 4 ^ence bilbete ben Sßert^, ju welchem englifc^eg @oIb feitenS ber inbifc^en Waffen angenommen werben foKte. S)er ^IRinimalpreiS, ^u welchem inbif(^e 3fiegterungön)ed)fet üerfauft werben burften, würbe auf 1 Schilling 3% 5ßence fe[tgefe|t. 2)er urfprüngli(i)e g^upienwert^ l^atte 2 ©(^illing betragen, ©aburt^, ba^ man biefelbe nun auf einen um 8 ^ence er* niebrigten SSert^ firtrte, hoffte man ber S^atfad^e beö gefunfenen ©ilber= wert^eS genügenb 9fiec^nung getragen gu l^aben. ferner l^offte man bie ©d^wanfungen beg inbifc^en 2öec^fel!urfeö im internationalen 3Ser!e§r namentlid^ an ber Sonboner 23örfe, l^ierburc^ beseitigt §u ^aben. S)er inbifc^e ^refor in Sonbon berfauft jä^rlid^ für 14 big 19 ^Jiillionen ^-l^funb Sterling 9ftegierungöwec^fel, wel^e ber iubifc^e ©efretdr in Sonbon auf 3"^^^" 8^^1)1. S)iefe DflegierungSwec^fel Ratten big ba|in ftetö ben ^reiöftanb beö jeweiligen ©ilberfurfeg. 2Ran |offte nun, ba§ burc^ bie Soölöfung ber 3flupie oom ©ilberpreife ungemün^teö ©itber, wegen beg niebrigcren SBertl^eg beffelben, weniger ^u 9f{imeffen auf ^nfeien benu^t werben, unb ba§ ^ierburd) eine größere 3iac^frage nad) ben 3flegierunggwec^feln entfte^en würbe, woburd^ ber ^reig ber= fetben bie firirtc .'gö^e bauernb beibel^alten würbe, ©iefe Hoffnung ^at [ic^, wie fc^on gefagt, olg trügerifd^ erwiefen. @g ift nur einmal, balb nac^ ©rlafe beö neuen SDefretö, für furge 3"t ^^r ^reig oon 1 ©djiHing 4 ^encc für bie dinpit beä 3'tegierunggwed)felö erreii^t worben. S)a balb ber gefe^lid^e 2Rinimal)3reiö bon 1 ©d^iHing 0V4 ^ence für bie diupk beim 5öer!auf ber Df^egierung^wed^fel nid)t me^r gu erreii^en war, fo mu^tc bie inbifd^e 9tegierung wieber^olt ©olbanlei^en bei ber 23anf üon ©nglanb gur 33e3a§lung t§rer 3i"f^" mai^cn. *) @g fei l)ier nod) befonberg barauf f)tngewiefen, bafe fidj biefe ©iftirung nur auf bie freie (Süberprägung ht^kijt 2)te inbtfd)e Sfiegierung I)at ftd) bie ©ilber= Prägung üorbel)aIten ganj wie £)efterreic^4Ingarn fett bent Sa^re 1879. 30 — ©iefer opcratiüc (Singriff in bie inbifc^en ^ünstjer^attniffe ^at nun bie 9ftu»ie toom ©ilberraert^ loSgelöft unb ^icrburd^ bag @ef(i^äftg= öerpltniB mit anberen Sänbern, bie ^eutc noc^ ©ilberwä^rung ^aben, lüie bie großen öteic^e Oft^^fieng, uerborben. (S« ift ^ierburc^ bie ^on!urreng inbifd^er gabrifen in ben oftafiatifc^en ©ilberlanbern er. f(^wert. 2Inbererfeitö ^at biefe SoSlöfung bie gelüünfc^te fefte 2tnle^nung an bie ©olbüatuta (Snglanbö nid)t erreichen !onnen. (So ift alfo bie inbifc^e dtupk eine ^Jinnje o^ne jebe natürlid^e ©runbtage geiüorben. ©er Söert^ penbelt nunmehr unfi^er gtoifc^en (Sotb^ nnb ©itberiDert^. S)er einzige fefte q^unft ift ber, bafe fie nic^t über 1 ©c^itting 4 ^^ence fteigen fann. ®ie 3flupie ift hiermit ein öon bem ^ünjwert^ ab. njeid^enbeS Söert^seic^en genjorben, äl)nü(i) bem ^apiergetb. bemfetben jeboc^ nad^fte^enb infoweit, alg in atten Sänbern o^ne 3mangöfurS baS ^apiergelb in Metall umgctüanbelt werben fann. S)ie 3flupie ift alfo eine ^^ünge, ä^nlic^ benjenigen, welche in früheren Reiten, unter 3Ser= fc^lec^terung beS ^JJiünäfuBeö, geprägt würben oon ^ünj^erren, bie man Kipper unb Sßipper nannte. S)ie fftupie ^at burc^ i^re 2Bertf)firirung Weber einen feften eilber= noc^ einen feften (SJolbwert^. 2n Snbien giebt eS eine Dtei^e autonomer prften, welche baö 3«ünsregal noc^ befi^en unb wetd)e üon ber englifc^en ^Regierung an bem Sluöprägen oon Silber, ba§ für fie ein gewinnbringenbeö (Sef(^äft geworben ift, ni(^t ge^inbert werben !önnen. Stufeerbem bürften bie inbifc^en SSer^dltniffe auc^ bie 3Wöglic^!eit ber ^^alfdimünjerei in ^ot;em ®rabe erleicE)tern. ^ebenfattö ift eö Z^at]aä)z, baf? bie ©ilberfenbungen noc^ 3nbien feit bem ©d^tie^en ber inbifd^en aftegierungömünjen ni(^t na(^gelaffen ^aben, fonbern im ©egent^eil e§er ftärfer geworben finb. ©ie (Sntwirfelung ber 33er^attniffe ^otte nun ba^in geführt, jur 3at)Iung oon 3SerpfIic^tungen ©c^ulben aufzunehmen, tiefer M^anh ift natürlich nid)t lange faltbar; unb fo fa^ fic^ bie inbifc^e 9legierung genöt^igt, bie Verfügung über ben ^3)iinimalprei^ ber 9%upie aufju^eben unb gunac^ft toon^att gugatl über ben 3Ser!auf^preig biefer D^egierungö^ wed^fet ju befd)lie^en. (So biirfte bicfeS nur ber Uebergang ba^u fein, baB man watirfc^einlic^ in gar ni(^t langer 3eit ganj einfai^ wicber bie inbifc^en 9flegierunggwe(^fel gu ®ilber!urg an ber 2onboner 23orfe oerfauft. S)iefer 3eitpun!t, ber fommen mufe, ^at bann bie inbifc^e SBä^rung^reform in baö ©egent^eil umgefc^lagen. ^an wollte bur«^ bie gefe^lic^e ^Tia^regel bie 3Saluta ^0(^ galten, ^at aber burd) ein= fteEung ber ©ilberwä^rung ben (Solbpreiö für ©ilber um 20 p(St. — 31 — gebrüdft, of)ne ba§ man ben «Stanb ber 3Saluta üom ®ilber^rei[c trennen fann. SCöic tief einfd^neibenb §um Schaben ^"bienö bie gegenwärtige ginansmaBreget bereits gettefen ift, gel^t barauS l^eröor, ba^ ber ftet« borl^anbene Ueber[d^u§ ber Sluöful^r beö fianbeS über bie ©inful^r. in ba)§ ©egent^eit umgefd)Iageii ift. 9Xm 26. ^uni 1893 lüurben bie in= bif(^en ^üngftatten geft^Ioffen, unb fd^on in ber ^tit bom 1. ^uni bis 1. Oftober ift ein Ueberfc^ujj öon 26 ^JiiHionen 9f{upicn an ein= gefül^rten Sßaaren über bie auSgefül^rten gu öergeic^nen, »a^renb biefelbe 3eitperiobe beö 3Sorj[at)rS einen Ueber[d)u| an SluSful^r bon 65 Millionen ^Rupien aufweift*). *j Jgerinanu ©c^mibt, Sonbon. __ 32 Die üorgänge in Tlor6amerifa>*) ©eit 1848 begann bie auBerorbenttid^ ftar!e ©olb^robultion in ben «ereintgten Staaten, tro| berfelben führte tnbejfen ber ^ürgerfrteg ,ur ^^apiemirtfc^att. ©^ mx unter ber ^errfc^aft beö Btt^ang^Me^ aU bei einer rein inünstec^nif(^en 3SorIage, n)ie behauptet «trb bnr^ betrug iebenfatts o^ne ba^ eg irgenbwelc^e 2lufmer!Iamfeit erregt ^attc, 187B bie m bat)in geltenbe gefepc^e Doppelwährung befeitigt würbe, inbem bie Prägung üon ©ilberboltar^ verboten warb. (So ilt bteS ber Stu^qangspuntt ber amerifanifd)en2Ba^rung«!ampfe. S)ie ©ilberprobujtton war mittlerweile in ben ^Bereinigten ©taalen ftarf angewa(^fen, unb ol8 bie ?colqen ber (Sinfü^rung ber ©olbwa^rung in S)eutfc^lanb sur ©itberentwert^ung führten, entftanb in Slmerifa eine ftarte iöewegung für bag ©ilber, bie aber niemals ^atte jiegen können, wenn fie jid) auf bie „2)linenbefifeer'' befc^ranü ^ätte. ^an barf nie übeife^en bay bamalS ber Bwangöhirö beftanb unb bie SBieberaufna^me ber 33aav= Gablungen, bie man anftrebte, burd) baö ©ilber erleichtert werben mu^te^ Vbem fiird)teten bie Übertreter ber probusierenben Waffen, namentli(^ ber fianbwirtfc^aft unb ber 3nbu[trie, eine ^JSertl)euerung beä ©elbe« burc& bie iS-infül)rung ber ©olbwa^rung. @o !am im ©ommer 1876, m ber ^eit, aU in Sonbon bie er[te ©ilberpani! ^errfc^te unb ber ©ilberpreiö ^um erften ^ial big 461 ?ence geworfen würbe, m äöafbington ber Sefc^lu^ beö ^epräfentanten^aufeg gu ©tanbe, bic freie ©ilberprdgung wieber^ersufteücn, alfo bag !urs oor^er 1873 unbemerü *) ®icfc Slugfütirungcn finb mit gütiger (Sriaubntfe einem im ^cutfcften 2Bod)enbIatt erfci)ienenen mm »on Dr. Dtto Slrenbt entnommen. — 33 — pafficrte @efe| loieber aufgu^eben. tiefer iöefc^tuß reichte auö, um bte ©ilberpanif ju befeiligen unb ©tI6er faft toteber üoEwert^ig gu machen. 3m 3^""^^ 1877 [tanb «Silber lüteber 58)^ ^ence, ba öertüarf ber ©enot bie S)oppeItt)ä^rung unb gleichzeitig Begannen ftarl'c beutfc^e (Sil6erüerlaufe, fo ba§ bie (Snttoertung be:g (Silber^ öon Steuern begann. ^aä) langmierigen parlamentartfc^en Stampfen tarn man gu einem ÄompromiB. Wlan fül^rte nic^t bie freie ©ilberprägung ein, aber man prägte mieber Silber. SJJonatlid^ follte bie S^legierung für minbeftenö 2 nnb für l^öc^fteng 4 2)lillionen S)olIarö Silber anfaufen unb gu Äurantgelb ausprägen. ®a^ ®efe^ war 1878—90 in ^raft unb ^at nad) beiben S^lic^tungen l^in enttäufd)t. S)ie ©olbpartei er!larte, ba§ biefe Silberprägungen baS ©olb Perbrängen unb bie ©olbPaluta, bie feit 1. Januar 1879 ^ergefteUt n^ar, bebro^en würben. Sie behielten ni(^t D^ec^t. ©erabe umgefel^rt, feit 1880 begannen bie ftarfen ©olbejrporte Pon ©uropa nac^ 9Xmerifa. '^an ptte nod) lange weiter prägen fonnen, obne bie ^öaluta ju ge= iä^rben. 5lber anbererfeite l^atten fid) auc^ bie Hoffnungen ber Silber^ partet nid^t crfüKt, ba^ bie beftonbigen Silberfäufe ber 9tegierung ber Silberentwertl^ung ein (Snbe machen würben. @g lag ba^ gum 3:i^eil an bor ftar!en Steigerung ber Silberprobuftion, gum 3:^eil baran, ba^ bie ^D^ünsl'onferengen Pon 1878 unb 1881 fcbeiterten unb Silber, be^ feften ^alteö ber freien ^Prägung Uxauht, burcb limitirte Prägungen allein Por ^reiäfd^wanfungen nidjt htvoa^vt werben fonnte. ^n richtiger ©rfenntni^ ^ierPon entftanb nun eine S3ewegung, auf freigäbe ber Sitberprägungen, unb eS fd^ien faft, als ob biefe Bewegung fiegen würbe, ba wieberl;olt baS a^iepräfentanten^auS mit wad)fenben ^e^r^eiten für freie Prägung Potirte: allein ber Senat leiftete SSiber* ftanb, unb fo fam 1890 ein ncue^ Äompromi^ §u Staube — bie S^ermani33ill. S)iefe beftimmt, t>a^ bie aftegierung monatlid) 4V2 WiU. Ungen Silber faufcn mu^ unb bagegen ^^apiergelb aug^ugeben ^at. ©ine Unje l^atte Por ber ©ntwert^ung einen SSert^ Pon 1,29 ©ollarö — ber heutige 5ßreig ift 69V2 6entS. — ®er Slnfauf entfprad) ungefähr ber ©efammtprobuftion ber SSereinigten Staaten an Silber unb ftellte eine fo ftarfe 35erme]^rung ber Sil berna erfrage bar, ba^ eine rafc^e Steigerung beö SilberpreifeS eintrat, ber im Stuguft 1890 wieber 54V8 ^ence er= reichte. (SDem alten Söert^Perl^ältni^ Pon 1 : 15,5 entfpric^t ein Silber= preie Pon 60 Vs ^ence, bie le^te ^reiSnotis ift 31 V2 ^ence.) Slttein 3 — 34 „ie.e. trat dne enttä«fd,un3 ein. ^.-«";!'»t«!f H.Vt^^S«! i»etutation juiammenbt.c^en, i,er ©ilbetpmä ?>'' f° ."'*'»'' "f' Cn Ir unb al« nun ®olb«SM an« ben Sercm.äcn Staaten e,n= 7 nb Wiae, »irtM^aftUc^e «e«e bie J«;;;- J^-- »m an M nicljtä jn t^nn Ratten, eine §anb^abe boten, besann ^*Ä:::iSnn„nsrt::e,«e.nn«w^^^ t: Si bü'ertifitaten n,.b S*a,id,einen bem ^-^^ ^^^^^^'^^nS i mittel äu. ®aM6rt je^t auf. «nftig tann nur ®olb ben Umlauf« bebütfniffcn bet Sßetcinigten Staaten ®enuge t|un. öo — Dk internationale Doppela^ätirung. 33et 33ert^cibtgung ber ©olbwä^rung befcf)ränft man i'id) m bcr Spiegel auf ben müngtec^nifc^en 3^^ eil ber 3öä^riingg[ragc, auf bte ^erüoröebung ber ©ort^etle in münstec^nif(^er 33e3iel)ung. SBenn ba= gegen auc^ wenig einguftienben ift, fo mu§ bocf) ^croorge^oben werben ba^ in §infi(i)t auf bie (eichte unb bequeme SSerwenbbarfeit feineöwegss taö (Solbgelb bie gerühmten Slnncl^mlic^feiten befiijt, ba gegenüber ber ?0^e^rja{)l ber täglichen ^fu^gaben im SSerfel^r bte im ©olbgelb oerförpcrte ^ummc SU gro§ ift unb ber 3öec^fetnö bebarf. (Silber i[t bo6 @elb öcö ^Ü^ittelftanbeö unb Iä§t fid) burc^ ®otb in ben meiften feiner ^^'unftioncn nid)t erfet^en. §anbe(t eö fid^ barum, bie Unl)anblid)!eit größerer Silbermengen gu befeitigen, fo fann man burc^ 33anfnoten, für tt>etd)e bie (Silberbedfung in ber ditiirt^f(^aftlic^c ^ranl^eit unb fd^were wirtl^fc^aftltc^e Ärifen würben bereits bei (Sinfü^rung ber ©olbwä^rung oon bebeutenben 9lational= öfonomen öorauS gefagt. Slber bie ©rfd^einungen ber neueften ^dt machen eS ben S^iegierungen unmöglich, ben ^äl^rungSbei^ältniffen i^ve 2lufmer!fam!eit länger gu entjie^en. 3öenn nun baS Silber feiner 33eftimmung, als @elb gu bienen, entzogen wirb unb biefe feine ^unftionen allein bem ©olbe übertragen werben, weld)eS bis ba^in als ©enoffe beS Silbers ben ©elbbebarf ber *) Dr. mal^i), ©räbifc^of üoit 2)ubUn. S3imetaat§mug unb 3Jlonometal= li'gmul. — 38 — "föelt 3U befriebtgen befttmmt irar, fo mu^ buri^ bteje 3Serfür5ung an Umlaiifi?mitteln ein Wlanlo eintreten. — SBenn wir nnu jc^en, ba^ ber ©clbraert^ auf ebten ^JietaUcn kftrt i[t, fo mu^ ber ©elbwert^ gang natürlii^ mit bie[en eblen 'DJ^Ialten [teigeii unb faEen. S)aö (Steigen unb ^aEen eineö einzigen 2)^etalle6 tritt aber teii^ter ein, alß baß ©teigen unb Ralfen 310 ei er WttaUi, )v>dd)t burd) ein feftcö 2}erl^ältni§ mit eiiiaiibcr oerbiinben jinb. Stuf biefem feften 3SerpItni§, welc^eö fo lange beftanb, aU ber Sateinifc^e ^JD^ünjbnnb bie freie ©ilberprägung aufred)t erl^ielt, ift aiifi) nod) bie bentjc^e (4)olbn)äI)rung, ober rid)tiger gcfagt, unfere gegenn)ärtige ^in!enbe SBä^rung aufgebaut, ^ier l^aben tuir an* ben (^ara!teri[tif(^en Unterf(^ieb §iriif(^en (Snglanbö (SoIbiDä^vung oon 18U) big 1873 unb unfern heutigen 3#änben. @ng(anbs @olbs u\i^rung fa^ fid) einem feften internationalen 2Scrt(}t3erf)äItnif3 gn3ifd)en @oIb unb Silber gegenüber. (Snglanb^ ©otbmal^rung war natürlid), gennff ermaßen aug ben SSerpltniffen ^eraui§gewa(^fen. S)a8 Sanb u^ar atlmä|lid) in ben ^efi^ eine« genügenben ©otbfc^a^eö gefommen unb ^atte ni(^t nöt^ig, (Silber abguftojjen. S)urd) ba§ 9Sorgel)en (Snglanbö njar alfo nic^t eine Jf^a erfrage mä) ®oIb unb ein 2ln gebot ron (Silber eniftanben. SDa mir eö mit einem !onftanten (Steigen beg ©otbmertl^ejg in ^olge ber bor^er angefül^rten 2>erl^ättniffe gu t^un l^aben, ift ba^ ®oIb aU atteintger SBert^meffer burc^aus ungeeignet. S)ie @IIe, nac^ metc^er bie 'j>robu!te gcmeffen werben foHen, ift ang i^rer D^latur, ein fefter SBerl^* meffer ju fein, ^erauiggetreten unb oerlangert fid) ftetig mel^r unb mettr. ^tcraug entfpringen nun bie öerberblic^ften folgen für bie gefammte 5^robu!tion, namenttid^ für bie Sanbmirt^fd)aft. ®ie länger merbenbe ©de ^üt eg gur §otge, ba§ üon ben '^robuften, meiere an il^r gemeffen werben, allmal^li(^ me^r unb met)r gum Sluötaufd^ gegen baö @olb, ben einzigen Sßert^meffer, l^ingegeben werben muffen. S)a^ frangöfifd^e ?[Rünggefe^ bon 1803 beftimmt baig 3Serpttni^ oon ©olb unb (Silber auf ©runb oon 3^'^^^wnbcrte alten @rfa|rungeu auf 1 : 15 V2. 1 ^funb ®olb foCte 15 V2 ^funb (Silber wert^ fein; für 1 ^funb ungefragten ©olbeS fottte man 1 ^funb ®olb in geprägten ©olbmüngen .ober 15 'A ^funb (Silber in geprägten (Silbermüngen er^ balten, unb umgefe^rt für 15 V2 ^funb ungefragten (Silberg 15 V2 ^funb ©ilber in geprägten ©ilbermüngen ober 1 ^funb ®olb in geprägten ©olbmüngen. — 23i)g 1865 würben in ^^ranfreid^ auc^ bie (Sd^eibemünjen üoHwert^ig ausgeprägt, ^n biefem S^'^^'^ fd)loffen \iä) 23elgien, bie — 39 — ©c^toei^ unb Stalten bem frangöftfc^en 9}iüngf^[tem an, unb baburc^ ent= ftanb ber Iatetnif(^e ^Deünsbunb, bem im ^a^vt 1868 nod^ ©riec^enlanb bettrat. S){e S)oppeltra^rung ^at alfo in ^ranfreid^ eine fieb^igja^rige ©rfa^rung hinter fid); e§ i[t burd^ feine Stl^atfac^e bie Unbrauc^barfeit biefer Sßäl^rungiSform emiefen. Söol^I meiftenS o^ne gn a|nen genoffen big 1873 fowo^t bie (S)oIb= aU anä) bie ©ilberft»d^rung^Iänber bie sjjort^eile ber Doppelwährung, ba ber Iateinif(f)e ^Rüngbunb im ©tanbe war, baig fefte Söert^oer^ättniö ber beiben ©betmetaUe ^u einanber aufrecht gu erl^alten. 2Jiit 5lufgabe biefeö feften 3öertl^oer^altniffeg ift d)xia§ Slltbewäl^rteg oerlaffen unb eö ift ein ©(^ritt in^ S^unfle getl^an, oon bem man l^eute fc^on fagen fann, ba^ eö !ein gtüdlid^er ©(^ritt gcwefen ift. 2öir fönnen fagen, ba§ wir biä §um 2a^vt 1873 gewiff ermaßen eine 2öefcS)oppeIit)ä^rung gehabt ^aben, ba auc^ reine ©olb^ unb ©itberwä^rung^länber fowo^ untereinanber aU and) mit Sdnbern ber Doppelwährung in gefc^aftlic^e i^erbinbung treten tonnten, ol^ne ba^ Sßert^fc^wanfungen bie fefie SSereinbarung beetnträd^= tigten. ^n bem tateinifc^en SJiünjbunbe war bie @ewaf)r, ba§ fowoljt •Silber^ wie @otbwä!^runggIänber atö auc^ bie Sauber ber Doppelwährung gegenfeitig ein fefteö Sßert^oerl^ättniö für ben 2tuötaitf(^ ber Söaaren unb bie Serec^nung ^tten. Deutfc^tanbö 3Sorgel^en l^at ben Uebergang gur 2öeIt=®olbwä!^rung gur ^olge gehabt, ba eine gan^e D^teil^e oon ©taaten t^eilö freiwillig, t^eilö burd) bie SSer^ältniffe gezwungen bem 3Sorgel^en Deutfc^lanbg gefolgt finb. SBir fe^en l^ierau^, ba§ Deutfc^lanbä SSor= gelten ben Uebergang gur2öelt;®olbwäl^rung einleitete unb gewifferma^en not^wenbig machte. Da^ bie[e 2Belt^®olbwäl)rung aber nic^t burd^fü^r= bar unb etwaig gan^ Unmögliches ift, barüber bürfte fein B^^^f^^ ^^1^ beftel^en. .DieSBett würbe tl^atfäc^lid^ in ber größten 25ertegenl^eit fein, wenn fie ni(^t in bem ©ilber ein detail l^ätte, ba^ bem @elbbebürfni§ in @e= meinfc^aft mit bem @olbe wenigftenS für abfe^are ^tit gu genügen im ©tanbe wäre. Dag ©ilber ^t burd) ^a^rtaufenbe ber 3)ienfd^^eit bie wertl^ooEften Dienfte aU ®elb geleiftet unb wirb fie wieber leiften. Den foloffalen S^^t^um am (Snbe beö neunjel^nten ^a^r^unbertS, haß ©ilber alö ^Jiüngmetall i?erbannen gu wollen, wirb man in fünftigen 3^'^^'^««= berten nid^t öerfte^en. @S mu§ bal^er baS ©ilber aud^ wieber ooll in feine D^iec^te gefegt werben; wir muffen wieber freie Prägung ^aben. 3eber anbere SluSweg, ber nur bie 33egeid^nung eines 3^otpe^elfS bean^ fprud^en fann, wirb baS ©runbübel unferer ^e^t/ ^^^ ©elböerll^euerung — 40 — nic^t fcefeitigen. @ie anbereö 3}l{tte(, ai§ bic freie ©ilBerprägung auf ®runb internationaler 3Sereinbarung !ann öielTeic^t ben 3iif^'"nt£i^^i^"<^ ber 58er^ältni[fe ^inau^fd^ieben, aber nid^t i^re ©efunbung l^erbeifül^ren. ^Jlic^t um §ebung beö ©ilberlüertl^eg ^anbelt e^ [tc^, fonbern um 3urürffü|rung be^ ©olbiüert^eg auf ben ©tanbpunft üor 1873. 9^ur öon ber freien ©Übertragung bürfen wir ^ilfe ertt>arten. 2lEe anberen 3JiitteI fönnen bte ©otbiüertl^fteigerung nic^t befeitigen, fetbft wenn fie beffer funftioniren foEten aU 23tanb=23i(I unb ©^erman- 33iE in Slmerif'a. ^ann bie reine ©otbwä^rung fid^ ntc^t behaupten, fo mu§ fie fallen; filberne Ärücfen wollen wir berfelben nic^t leiten. S)rei fünfte bürfen nic^t überfeinen werben: 1. mu^ ber ©olbwert^ gurücfgefü^rt werben, 2. mu^ baig ©tlber, fofern wir eö aU Söäl^rungömetall nic^t ent= beeren !önnen, ber ©pefulation entzogen werben, 3. ^at Ui ber fünftüc^en ^oc^l^altung beg ©olbwert^e^ bie SSerme^rung ber Umtauf^mittet feinen ^\j)zd. Unter biefen ©efid^t^punften bürfte eö feine anbere fiöfung ber ©(^wierigfeiten geben, aU bie freie ©Übertragung. S)er (Sinwanb, ba§ ba§ 35orfommen be^ ©itber« in ber Sf^atur ein ju rei(^lic^eg fei, ift gegenüber ber 2;inatfacf)e ber foEoffaten ©olbwert^» fteigerung wol^I hinfällig, '^uxä) bie 9^eubelebung hiß 3SerfeI)r^ unb beä allgemeinen Sßirt^fc^aftöleben^, welche eine SSermel^rung ber ^ivtü= lationgmittel mit fid^ bringt, wirb aud^ ganj fidler ber gefammte, freie ©itberoorratl^ fo abforbirt werben, ba^ ein Ueberffu^ an ©über fdbwerlic^ bemerfbar werben bürfte. 3Siel el^er fann bereits nac^ einiger ^dt haß ©egent^eil eintreten, ba^ bie ©itberprobuftion ben oermet)rten 2lnfor- berungen beS 3Serfe^rö nid^t naii>foI.qen fann unb ba§ einer allgemeinen ©elbwertl^fteigerung nur burd^ §erabfe^ung beö äJiünjfu^eö borgebeugt werben fann. S)ie Äapitalö=^ongentration ^at bie allgemeine ^robuftion unb bie ^öerfe^rSmittel auf ungefunber ©runblage oermel)rt. (Sine 2}er= me^rung ber ^robuftion mac^t aber eine 35erme^rung ber Umlauft; mittel notl^wenbig. S)er derme^rte Sebarf wirb aber fi(^er alle irgenb wie oerfügbaren ©ilberbeftdnbe fofort willig aufnel^men. 33on ©eiten ber ©ilberfeinbe wirb ftetö angeführt, ba^ ©ilber l^eute fein ©belmetaH mel^r fei unb ba^ i^m bie ^aupteigenfd^aft ber (Sbel= metalle, bie ©elten^eit, fe^le. ^Df^an beruft fid^ l^ierbei auf bie 3^= nal)me ber ^robuftion unb fül^rt weiter auß, ba^ bie ^robuftion beg ©ilberö fid^ beliebig fteigcrn laffe unb aud^ ol^ne 3^^^!^^ gefteigert — 41 — werben würbe, wenn baö ©U6er wieber einen p^eren 3Öertl^ ^tte. „SoBalb wir wieber in ben fül^renben Staaten freie ©itBerprägung l^aben", l^ört unb lieft man, ,,bann werben wieber foDiel ^inen, bie \t^t i^ren 33etrieb eingeftellt |a6en, rentabel. ®ann wirb bie ©ilberprobuftion fo ungeheuer gefteigert, ba^ fc^liefelic^ ©ilbergelb faft wert^loö wirb." @§ ift biefer (Sinwanb für bie ©ebanfenlofigfeit, mit welcher ©c^lu§* fotgerungen gebogen werben, fo rec^t be5ei(^nenb. ^n einem 2It^em fpric^t man t3on ber UnprobuÜiöitdt ber ©ilberminen bei niebrigem ©überwertige unb öon bem ©ewinn, weld)er fic^ beim ^inenbctriebe errieten lä^t, felbft wenn ©Über faft wert^oö ift. ^an »ergibt, ba^ bie :^eutige untere ©renje ber 3ftentafeititdt ber ©ilberminen auc^ nad^ ©infübrung ber freien ©ilberprägung minbeftenö biefetbe bleiben wirb. (Sine üerme^rte 3Serwenbung beö ©ilberö wirb jur SSermc^rung ber ^robuftion natürlich anfpornen, aber nur infoweit, alö feine Sßert^tjer* minberung beg ©ilberg erfolgt, benn eine folc^e wirb ber 3Serme^rung ber ^robuftion fofort eine ©renge gießen. (5ö fann unmöglich ber ©ilber= wert^ bi« in^ Unenblid>e burc^ bie 3Serme^rung ber ^robuftion gum ©infen gebracht werben, ba entfpredienb ben ©ummen beö ©itberwert^eö bie q^robuftion^foften beä ^inenbefi^er^ fic^ erp^en werben; benn wenn bem ©ilber wieber bie ©elbeigenfc^aft gegeben wirb, fo jal^lt ber ^inen-- befi^er feine ^robu!tionö!often mit feinem ^robult unb ^atte in biefem gaEe entfprec^enb größere 3JJengen feine« ^robufte« gur SBega^tung feiner Soften ^ergugeben, fo ba^ fi(^ ^ier gang bon felbft unb naturgemäß bie ©renge für eine beliebige ©teigerung ber ©ilberprobuüion ergeben würbe. 3Bir ^aben e§ beim ©olbe gefe^en, ba^ ber fteigenbe SGBert^ eine gefteigerte ^robuftion ^erbc^gurufen im ©tanbe ift, wir fe^en eg beim ©ilber, ba^ ber finfenbe 2öert^ bie gflentabilitdtggrenge ber ^robuüion balb erreicht. 3Btr fonnen gang fieser fein, ba^ wir e§ in 3ufunft mit einem felbftregulirenben ^aftor gu t^un ^aben, ber in bem engen 3u= fammen^ange gwifc^en ^robu!t unb ^robu!tion gu finben ift. ®ie ©teigerung ber ^robultion bleibt bei ber freien Prägung nic^t at« nu^- lofer 33atlaft liegen, fonbern fliegt wie ein frif(^er betebenber 33lutftrom in bie 2lbern be§ 35er!e^rg. ®iefe 3?er!e^rgbelebung üerurfac^t aber eine ©teigerung ber ^robuftiongfoften bur^ bie wac^fenben 5lnfprü(^e, weld^e bie probugirenben Slrbeiter an bie Sebenäfü^rung ftetten. ®iefe ©elbft= regulirung wirb ßiel fieserer funftioniren, alß jeber ]iaatl\ä)t Eingriff. S)ie ©taatggewalt ^at nur ba« SBert^üer^altni^ groifc^en @olb unb 42 ©tlkr fcftsulegen, im UeBrtgen !önnen bte Singe i^rer natürlichen ^nU mddnn überladen bleiben, fotange beibe ^belmetaae bem contmmrltd) tt)a^fenben Sebürfni^ nac^snfommen im ©tanbe jinb. ®emB Ht bie ©ilberprobu^licn gen^a^fen, aber trol^bem i[t bie ©olbprobuftton an SBertb größer alö bie ©ilberprobnüicn; bon einer inä Unge^enre ge= t^ac^jenen ©itberprobnftion !ann !eine ^ebe jein. > f^^^ J^^'^ mxm an ®olb 540 ^HiHionen maxt unb an ©über nur 440 mxUiomn maxt probusirt. ®ie ©olbtoa^rungSpreffe giebt nun gefliffentli^ mü ä^orliebe bie ^robumongsa^l in Kilogrammen an, n)oburd) natürlich bte ©ilberprobufticn im 25ergleic^ ^nx @olbprobu!tton !olojfal erj^etnt. §8on 1831 big 1892 ^at fid^ bie ©ilberprobu!tion berac^tfac^t, bte ®olb. .robumon aber t^erje^nfa^t, e^ finb auc^ tro^ ber 3Serbannung beö ©itber« öon ben Mnsftätten lattm gro^e ©ilberöorrat^e trgenbt^o öor= Banben 6« W bem Silber m ba^in nie an 3ibja^ gefehlt, eg fet au.^ barauf'aufmerlfam gemacht, bafe ber neu erfd^loffene ^rbt^eMfrüa _^eute einen iebr großen ^ebarf an ©ilber ^at. Sie ®olbprobu!tton tft tn ben -sabren 1845-55 ftar!er geftiegen al« je^t bie ©ilberprobuftton unb eAdtte m ®olb bann m gleite ©c^icffal gehabt aU ^eutc bag ©itkr t^enn e« nac^ bem ^ü^rer ber ^rei^anbel^parlei 9tid)arb (Jobben gegangen t.are, «elc^er bamal^ in t^nglanb bie ©itbert.d^rung bem Lrlament empfahl ©^ ift biefe^ rec^t beseid)nenb für ben ©tan pun t bieier Partei, welche oor aüen Singen auf eine Knapp^ett ber 3a^lungö= mittel ibre Seftrebungen richtet, um fo bem ©ro^apital bie Uebermac^t in bie ßanb ju geben. SamaB ^ielt man ©ilber aU m etnjtge, ge= eignete Söa^runggmetaa unb 2ßertl)papiere in ©ilber als bte eiuätg fixere Kapitalganlage. . Sag ©ro^fapital ftrebt eine SSerme^rung ber Kapttalbilbung o^ne 58ermebrung ber 3ir!ulationgmittel an, wa^renb bag attgemeine öol!g= n)irt^f^aftlic^e Sntereffe ba^in ge^en mufe, mit ber Kapitalgt^erme^rung eine SSerme^rung ber ^irfulationgmittel eintreten gu toffen 2öenn xoix nun ber §rage nd^er treten, n^ie bag 3öert|ber^altntB .trifcben ©olb unb ©ilber gu geftalten fei, fo muffen mx mj bte Urfac^e beg Leinanberge^eng beg ®olb. unb ©ilber«ert^eg bor Slugen fuhren 2öir faben, bafe bie Urfa^en beim ®olbe liegen, mx fa^en, ba^ mr eg mit einem geftiegen en ®olb«ert^e unb n^eniger mit einem ge= funfenen ©ilbern)ert^e gu t^un ^aben, mx fönnen ^ternac^ nur bag alte erprobte 58erl)dltni§ Don 1:157^ für richtig bauen. 2lu^ fc^wer. triegenbe ted^nifc^e (Srünbe fprec^en für bie Söieber^erftettung beg alten — 43 — 95er^ältnif[eei. ©oUte ein lüeitereö 2Bert^Der^ärtnt§ 6e[timint ttjerben, fo lüürbe aütn ©c^ulbnern, beren ^Ber^fltd^tungen noc^ an§ ber 3eit öor ber ©olbüert^euerung ^errü^ren, ein fd^iüereö Unrecht lüiberfa^ren. ^ur naiveren (griauterung laffen luir einen ©egner fpred^en: ©oetbeer, ber für^lic^ berftorbene bekannte 33or!ampfer ber @olbn)ä§rung, jagte feiner 3eit: ,,@^ ift augenfc^einlid^ bon fel^r njeit reid^enber unb gewaltiger iBebeutung, ob haß bem neuen 2JJüngf^fteme für ben Uebergang gum ©runbe gelegte 2ßert^ber^ä(tni§ beg ©olbeö gum ©über um einige ^rogente, ja felbft um nur einige ^Promiffe ^o§er ober niebriger beftimmt wirb, ©ne früher üerfud^te ©d)ä^ung ^at ben ungefähren ^Betrag ber je^t (1871) in SDeutfc^tanb auf ©ilberfurant lautenben ^ijpot^efen, ^fanbbriefe, eifenba^n= Prioritäten, fonftigen Priorität« = Obligationen, ^taaiß-^ unb Äommunat2(nlei§en u. f. w. auf ungefähr fieben a^iHiarben 2;^aler beranfd)Iagt. S)iefer 2lnfc^lag fc^eint gu niebrig gegriffen, a0ein für bie unö ^ier befc^äftigenbe Erörterung !ommt eö hierauf nic^t befonberö an, unb fonn banacf) ber Unterfd)ieb beif|)iel^weife erläutert werben, dlaä) biefer ©d^ä^ung würbe, im 2?ergleid^ mit ber je^t im ©efe^e angenommenen 9florm oon 1:15,50, bie 2öa^I einer Söertl^relation oon 1:15,31 ben betreffenben ©c^ulbnern in i^rer ©efammt^eit eine Wi^v^ Sa^Iung bon ungefähr 187 000 ^funb @olb (etwa 87 ajliüionen 2;^aler) in 33etreff beö ^apitalg unb oon etwa bier 3)^iUionen 5;]^aler an jä^rtic^er 3in^enti^^iung auferlegt l^aben, wä^renb anbererfeitö, wenn man eine Sßertl^relation öon 1 : 15,75 für bie Äonoertirung ber ©c^ulben gefe^Iic^ beftimmt ^ätte, für bie ©laubiger auf i^re früheren gorberungen bieö einen a)^inbeiwert^ oon etwa 239 000 ^funb Oolb (etwa 113 äJJiaionen X^aler) • an ta^itat, unb bon dima fünf ayiillionen S;^aler jä^rlic^ SJJinbereinna^me an ^^^f^i^ ergeben l^aben würbe." 2Bir meinen, bafj, wenn bie reine ©olb Währung auf ©runb biefeg 33er]^attniffeö eingefül^rt würbe, biefelbe auc^ auf ®runb biefesi SSerpltniffeg wieber befeitigt werben mu^. S)ie ^eftfe^ung eineö weiteren 2öert^oerpttniffe§ würbe fic^ aiß eine (Sonceffion an haß ®ro§!apital c^arafterifiren, auf welche baöfelbe feinen Slnfprud^ ^at unb welche im ^ntereffe ber Slttgemeinl^eit fid^ertic^ nic^t liegt. Tlan prt pufig einwenben: ®ie ©infü^rung ber SDoppelwä^rung wäre eine ungerechtfertigte SSereid^erung ber ©itberminenbefi^er — 44 — eg fte§t biefer (ginwanb in 2Biber[pruc^ mit bem anbern (Siniüanbe ber ©elbberjc^tei^terung huxä) bie S)oppetwa^vuttg, benn mnn bie ^incn= befi^er bereichert lüerben, i[t bie ©elböerfc^ec^terung nid)t möglic^. SBenn bem 2Jiinenbefi^er bur(^ ben fteigenben ®otb»ert^ bie ^robuftion immer me^r i^ert^euert irirb, fo befinbet er \xä^ in ber gleichen Sage wie ber Sanbwirt^, ber bie geftetgerten B^njcn unb ^robu!tiong!often nn^t auf bie 2lbne^mer feiner ^robu!te abtodlgen !ann, unb in a^niiä^tv Sage, wie alle probusircnben ©tdnbe, er ^at atfo auc^ benfelben 5lnfpru(^ auf 3lbfteIIung biefeg Unred^t«. 3Son ber ®olbwä^rung«preffe werben bte abenteucrlic^ften ®efd)i(^ten berbreitet, befonberg über bie amerWanifc^en a«inenbefi|er: S)iefelben Ratten bie beutfc^en ©imetalliften beftoi^en, ober 2tmerifa ftrebe nur mit mum auf feine ©ilberprobuftion na^ ber ©oppetoQ^rung u. f. w. hierüber ^aben fi^ bie ameri!anif(^en SSertreter auf ber legten Srüffeler ^üngfonferenj wie folgt geäußert: S)ie 9}er= einigten ©taaten probu^irten jä^rlid^ für 50 ^ittionen $DoUarg ©ilber unb für 50 ^ittionen Dollar« §ü^nereier. ©o wenig wie bte §u^nereier i^re q3oliti! beeinflußten, fo wenig wäre m tm^ bie ©ilberprobumon möglich. 3^re ?!Jiünspolitif ^atte anbere Urfac^en otS bie 3ftücffid)t auf bie ©ilberprobuüion. — ©ie ®olbwdl)runggpre]fe fpringt überhaupt wunberbar mit ben S^atfac^en um, wie bie Unterfteaung beweift, bie man ber beutfd)en ©oppelwä^runggpartei ma(^t, bafe fie S:)eutfd^lanb attein auf ben 2öeg ber Doppelwährung brängen wotte. „SBenn oon S:)oppet= Währung gefproc^en werbe, fei ©ilberwä^rung gemeint unb unfer fi^öneg @olb foHe aug bem ßanbe gebrängt werben, ber 3wecf aber fei: Die 5lgrarier wollten i^re ©laubiger betrügen hat^uxä), bafe fie mit wert^= lofem ^etatt i^re ®otbfd:)ulben be^a^len woaten." ^un ben!t aber 9^iemanb baran, S)eutf(^lanb allein gu bicfem Schritt oeranlaffen gu woHen. ©eutfi^lanb foE nur feine 23ereitwiaig!eit auöfprec^en, fic^ an einer internationalen Otegelung gu bet^eiligen, fic^ ni(^t prinsipieü auf ben ©tanbpunft ber 3ufrieben^eit mit ber ®olb= Währung fteUen, fonbern feine §anb gur (ginfül)rung ber oertagg = mäßigen S)oppetwä^rung bieten. S)ann !ann aud^ baS ®olb nic^t aug bem Sanbe ge^en, benn wo^in foE eS abfliegen? S)ie ©efa^r beS ©olbabfluffe« ift ^eute entfc^ieben größer; Sauber wie bie bereinigten (Staaten unb Snbien fönnen unter heutigen SSer^dltniffen in ber !ommenben entwicfelung unfern ®olbfc^a| oiel e^er bebrol)en, als wenn oertrag«^ mä§ig eine ®leic^artiö!eit be« 3Jiüns0er|ältni[feS ^ergeftettt ift. Slu^erbem werben aud^ bie ©olbanlei^en anberer Sauber, welche wie Oefterrei(^ gur — 45 — ©otbtüäl^rung überkugelten berfud^en, gum großen %^ül auf ben bcutfcfieu @otbmar!t gebrad)t werben. — (Snglanb ^at ©olbiüdl^rung, baö '^adt^hax- lanb |^ranfrei(^ l^atte biö 1873 uneingefc^ränÜe S)oppeIit)ä^rung, tro^bem toav (Sngtanb ntd)t im ©tonbe ^ranfreid) feinen ©olbreic^tl^unt gu ent* gießen. 2öenn eine Dffeil^e größerer ©taaten bag fefte 2Bertböerl^ältni§ 5»ifd§en ®olb unb ©über garantirt, l^at S^liemanb ein befonbereS ^nt^i^^ffc baran, ©olb an fid^ gu giel^en« S)ie 3Jiüngöerträge, fagt man, fönnen gebrochen werben. — 2Betd)e 3SeranIaffung aber follte l^iergu bortiegen? ^n ^riebeujggeiten fidler feine unb in ^riegggeiten nod^ biet weniger; benn bann wirb !ein Staat fo tl^oric^t fein, fid) feiner 3^^Iun9^wtitteI gu berauben. Solange bie @ef(^ic^te bie Erinnerung an biefe ^eriobe ber berfud^ten 2öeltgolb= wal^rung feftgul^alten bermag, wirb fid^ 9iiemanb barnad^ fernen, ba^ ©rj^eriment bon Dienern ju machen, ^a ein ^ntereffe an bem 33ruc^ berartiger SSerträge ni(^t ben!bar ift, fo übertreffen fie an «Sid^erl^eit unb 3ubertäffigfeit jebenfaKS bie für ungweifetl^aft fidler gel^altene ^in^Sgarantie finansiell gut funbirter Staaten für il^re Slnleil^en. ®ie ©efe^gebung ift nidf)t im Staube baS gegenfeitige 2öertl^ber= l^ältni§ beiber Metalle bauernb feftjutegen, wenbet man ein; bamit fe^t man fid^, wie wir fallen mit ber (Srfal^rung in üöiberfpruc^. Sßie eine 33eeinf(uffung beö ^urSWertl^eig burd) einen (Singriff ber ®efe|gebung moglid^ ift, fe^en wir an S)eutfd^tanb^ ^infenber 3öa|rung. — ®ie 2;^aler, bereu aJietaKwertl^ nur etwa ber §ä(fte be« ^uröwert^eg entfpric^t, ^aben i^re boKe 3^^Wraft bel^atten !onnen. — ©in 2le|nlid^eg fe^en wir bon Oefterreic^^ ©ulben, weld^e ben gefe^lid^ firirten ©olbwertl^ aUerbingö nid^t boll gu bel^aupten im Staube finb, aber ben ^-^rei^fturg beig Silb'erö nid^t mitma(^en. — 46 S^ie progreffibe ®elbn)ert^[teigerung tnac^t bie wirt^i^aftlic^e gvei= ^eit ber toirt^fc^oftlic^ ©d^iradjen öoHftänbig gur ^U\\on. ®ie t)er= grö^ert ftetig bie Greife bcr lüirt^jc^aftltd) Slb^ngigen unb rutnirt bie deinen felb[t[länbtgen ©jriftengen. ©ie §^pot^e!enfd)ulben tvad)fen mit ber eUe. ©ie 3injen, burd^ ^robucte beglid^en, werben bem ^robucenten \ä)mxzx unb brücfenber, ebenjo bie ©teuern unb oEe ttj:irten ^a^lungen, lüeil bie greife für bie gur 33eglei(^ung biefer fi^irten ^a^m^tn er= geugten Sßaaren bem fteigenben ©elbtoert^e entfprei^enb finfen. ^lueifelgo^ne gie^t nun bie SBert^fteigerung beö ©elbeö ben ^mijc^en^ ^anbel gro^. ®a bie Äleinpreife (S)etai(preije) immer baö 33eftreben ^aben werben, fic^ an ba« @in!ommen ber unterften 9Sol!gf(^i(^ten anju^ lehnen, fowcit ni(^t wirflic^e X^euerunggDer^attniffe biefeg unmöglici^ machen, ba anbererfeitä ber fteigenbc ©elbwertß ben ^robucenten gegen= über einen ^reiSbrucf ausübt, jo cntftel^en gwifd^en ©rofepreiö unb mein= preiö er^eblid^e SDifferensen, weld^e bem ^wifc^en^anbel einen ^ol)en ®e= wiim gewahren. ®er einzelne 3TOifd^en^cinbler wirb aber nic^t lange im ©euuffe biefeg großen ©ewinneg bleiben, fonbern ber gro^e 3^u^en wirb anbere gur (Soncurreng üerlocfen, jo baß burch ben SBettbewerb fein ?lu^en gefd)malert wirb. «Qierburc^ wirb ber ©c^werpunü bcr ganzen gef(^äft= tiefen St^ätigfeit au^fc^lieBIid^ auf m 3Serfaufen, baö Stnbenmannbringen ber SBaare gelegt. 6« !ommt barauf an, bem ßoncurrenten bei ber ^unbfd^aft ben 3ftang absutaufen, unb biefe^ 3Ser!aufen ^at fid) im Saufe ber 3eit §u einer förmlichen ^unft auögebilbet. ©aS SnPut ber 3fte= !lame unb ber'^anblungöreifenben ift ^ierburc^ gu einer früher nie ge= ahnten ©rö^e emporgewad^fen. S)ag ©efd^aft ift burd^ aüe biefe ^er= ^altniffe au§ ber foliben 33afiig ^erauggebrdngt, ba bie großen ©ewinne am eingelnen 2lrti!el aud^ eine gang ungeheure ^oncurrens grofe gebogen ^aben. 3Son biefem fo erl^eblid^en 3flu|en, ber auf ben 3wifd)en^anbet fdUt, bleibt bem eingetnen ^wif^en^änbler nur ein berpltni^mä^ig fteiner 2:^eil, ba bie burc^ ben bebeutenben SBettbewerb nöt^ig werbenben 2^er= Jauf^unfoften ben ^Jlu^en er^^ebtic^ einfd^ränfen. Slber nic^t attein bem 3wifc^en^anbel in feiner ©efammt^eit, fonbern aud^ bem mit minberwert^igem ©elbe arbeitenben ?lu«lanbe fommt, wie — 47 — mx gefe^en l^aben, bie ©clbirertl^fteigerung gu gute — feineöttjegg aber bem ^onfumenten. (Sä [ei bei biefer ©elegen^eit ernannt, ba§ e§ fo[t 0iiemanb giebt, ber ouöfc^Ite^ttc^ ^onfument i[t, benn ^eber i[t in pl^erem ober geringerem @rabe mit ber ^robuftion unb ber allgemeinen SöoPfart beö Sanbeö beriüad^fen, befonberö aud^ ber Slrbeiter, ber 39e= amte unb ber tteine [Rentner, pr ben 5Irbeiter mac^t bittigeg 33rob feine^toegg baß Sebenöglürf auß. SiBenn er feine 2lrbeit ^at, hungert er auc^ bei bimgften Srobpreifen. 2öir fe^en ba^er aud^ [tetö, ba§ fic^ bie 3Irbeiter öon ©egenben mit bißiger fieben^^altung fortwenben unb nac^ ©egenbcn mit !o[t[pie(tger Sebenö^altung ^inftrömen. Unb ber iBeamte? Slbgefe^en babon, ba^ bie für i^n [aft au^fd)lie§tic^ ma^gebenben Älein^ greife für geben^bebürfniffe bei ®elb»ert§[teigerung ni(^t [infen, tüirb er aud) feine 3luö[ic^t auf ^lufbefferung feiner 3?er^altniffe ^aben, iwenn ein allgemeiner »irt^fd^aftlic^er D^icbergang bie ©teuerfraft Ui)mt unb bie ©taatöfaffen leer ^alt. 3Iud) ber üeine Dtentner fann fic^ ge; nugfam überzeugen, ba§ bie gegenwärtigen 33er^altniffe i^m feinen 3Sor= t^eil bringen, ©ie ©elbwert^fteigerung la^mt ben Unterne^mungögeift, bag Kapital liegt brac^ unb wenbet fid) Stnlagen^ert^en gu. ©rfte i)i)= potl^efen unb fiebere ©taatöpapiere «werben gefuc^t unb ber 3inöfu§ finft, jtoeite §t)pot^efen werben unftd^cr, ba bie ©elbwert^fteigerung eine Sßert^minberung ber ^fanbobjefte üerurfac^t. ©ie 3fieic^en fönnen bie ^robuftion nic^t verbrauchen, ber ^ittelftanb mu§ fic^ me^r unb mebr einfc^ränfen unb fo entfielt ber D^tücfgang ber ditnk. Unter biefen 3uftänben leiben wir ^eute; bie gegenwärtige Ärifig f)at bereit« swanjig 3a^re angehalten, unb noc^ §aben wir feine Hoffnung, anß berfclben ^erauö gu fommen, im ®egent§eit werben bie 5tugfid)ten immer trüber unb trüber! ^ur 5lb^ülfe öerfuc^t man fünftlid^ ben ©jrport gu ^eben, aber wid)tig£r unb fieserer als bie Slbtettung ber gewerblichen Ueberpro= buftion inö 3luölanb ift bie i^ebung ber 3[^erbraud^öfa^igfeit im ^nlanbe. S)ie (Steigerung be« ©elbwert^eö wirft täl^menb auf bie gJrobultion unb fc^afft burd^ 3tüdgang berfelben befd)aftigung«lüfe 5]ßerfonen, welche fic^, angelodt burc^ ben ^o^en ©ewinn, ber in ber ©iffereng gwifc^en bem ^oc^ge^attenen ober gefteigerten ©etailpreife unb bem gebrückten ^^robuftionSpreife liegt, bem ^anbelögewerbe guwenben. 33ei Sluf^ören ber ©elbwertl^fteigerung wirb bie ungefunbe^onfurrengoermel^rung aufhören. ®ie Steigerung ber Ifto^probuftenpreife wirb ben 3tt'if<^en= l^anbel beeintrdd^tigen, aber nic^t bie ^wifc^enl^dnbter. ®iefe werben au« ber ^Belebung be« SSerfe^r« unb ber ^ebung ber allgemeinen ^on= — 48 — („mtionSfäKaleit «"feeten Jiu^cn sieben, ate i^nen b,e S^m« am auf ben gröfeeren @e»mn im einjetacn »eräid^tm, »mn x|mn b« ber cimetnm Sßaarc i^rm Sunben ju »«bergen brausen ®.e 3J^^ m brun ber 5pa(onen im laufmänm|d,cn ®e»er6e, ober m.t anberen ffio "en bie Setme^tung ber Sontaren, ift al|o e.ne gotge b er Sejerung be« (SelbLrt^eä. Sie Steigerung be. ®etb»ert^e« „t ba^er tcin Sorffieit für ben «aufmann. SBer tat nun aber »on ber ©olbwä^rung unb ber bamtt ber- bunbenen ®elb»ertMteigerung einen Siort^eil? - 3« t^*'« «m.e nur tär ntenationale (grojjtapitat, m mobile Äapital, n=ie eä ^ m ®ro6= SoTtlbTuub in ben kn.en ber^r^ert. SDiefe 3"te«ffentengru,,en «ein in biefer Srage ber angemein^eit biametral gegenüber^ SKe* be- S e^b f ken L|en, ben bie ^ro^m »»» ^- ^Tt7 ( ? mJ SBort ©labftcne., »eld,e. er jur Sert^eib.gung ber ® b= »äbrung gebrauchte: „(änglaub ift ©laubiger ber Sa-J^J^;». fi er »irb eä alf b»n einem Mmm, ber fiel, ate gmansgen.e e,n langeä M n b nb e^ ernährt l,at, unb bon bem man bo^ nid,t anberä an= n Sen ann at. ba^ er in biefer ©«e^e feiner «'"««^W «»äbrurf ge eOen I^at, mit uadten Porten auerfannt: ben 5«u«en ber ®elb= oertbeuerung bat ber ©rofeglänbiger, ber ©rofetaf.talift 3e grölr ba. im mobilen Sapitot befinbU,*e Vermögen burd, Steigen be« ®elb»ert^eä »irb, befto Keiner wirb ba« in aUen ubr.gen SEScrLn befinblicfje 3lational=SSermögen. Sa8 Severe .ft aber gerabe Sr dletaat ba. äßert^boaere, .eil ber^ert^ ^effe ™ " b« ©olibität unb ©tabilität liegt. ®ie Sffiert^berm.nberung btefeä mtional- Sermögeu. mufe fid, natürlich »oa,iel,eu bure^ l^^'^'m^^t M (Selbe«, ba b«« Sediere ben 3RaMtab für aUe äBert^e '* • S = ®olb»ä§rung begünftigt bie Sa,>ital«cn5entrahon, unb b.efe me er er- Ici^tert bie (ämiffion bon Slulei^en. Siefe "^!"'9"^J" ®?'""''' " '" SDeutfc^lanb, bie fd,liepie^ probuWbe «nlage im «uälanbe u^en mufet n L 1 fi anbere« «te baa ^probuft ber f^ftematif^en *>tl»9"n8 ' Tm (Srunbbefit unb Sleingen>erbe ru|enben SapitaK. «nfere mobern fiailaanflmlung fteBt fi^ un. nid,t al. ^^^^"'"''^^"^Z SMtigteit bar, fonbem atä eine burc^ ben ft"9™^f ®*»';^,^,.^ '" urfai Sapital.oerfdjiebung 5" ©unften be« grofeen fiapüalbef*.. — 49 — ©ie fc^iüere fogtale ©efa^r ber ©olbwä^rung liegt in ber fic^ bon felbft boEgie^enben ©jirpropriation beö Ätein-- unb aJiittelbefi^eö, in ber SSer= nid^tung beö 3Jlittelftanbcg gu ©unften ber ^Jüttionäre. SDurc^ bag 3Serfd^n)inben ber einzelnen SSermogen^ftufen ber[d^ärfen fic^ bie jogiaten ©egenfa^e. Präger aber beö 9^ationalitatSgeban!eng i[t toeber ber @ro^= fapitalift noc^ ber Proletarier. tiefer Deriüüftenbe ©influ^ ber ©roPapitalStuirtl^fc^aft i[t bon ben pirern ber ©ojialbemo!ratie richtig begriffen, ©eit Sßai^rnel^mung ber ©elbwertl^fteigerung ift bie fogialiftifc^e 3:afti! öon ber SSorbereitung ber fogialen 3fleöolution me^r unb me^r jur Unterftü^ung ber fapitaliftifc^en 33eftrebungen übergegangen: 3)ie rotl^e ^"ternationale überlast wißig biefeö Zeitalter ber golbenen ^"ternationale, in ber (Sr; tt)artung, ba§ il^r baburc^ ba^ fommenbe geprt. ©er internationale (S^arafter beg ©ro^fapital^ geigt fid^ in feiner gangen S;^ätig!eit; baffelbe fd^raubt bie nationale Kultur gurüc! unb förbert bie Äullur entlegener Sauber, eö befc^ranft bem fleinen Äapitaliften bie ©icfierl^eit ber 3lnlagctt)ert^e im 3«uem unb berleitet i^n gu gefoagten (S)3efulatiouen im Sluölanbe. S)ag ©ropapital erfc^lie§t mit beutfc^em @elbe im Slu^lanbe ©egenben, mit bereu natürlid)em Dfieid^t^um tt)ir uns nic^t meffen fönnen. ©er beutfc^e Sanbtüirtl^ Oerbanft bie il^n erbrüdeube iloufurreng gum großen 5;^eile beutfd)em Kapital, ßäuber auf einer niebrigen Äulturftufe fönnen bie ^infen für ©ifenbal^u^ unb (5taatg= anleiten nic^t anberö bega^len, aU burc^ ben SSerfauf oon S3oben= probu!ten. ^n ^olge beg fontinuirlic^ fteigenben ©elbwertl^eö ber preiä= beftimmenben fidnber fintt ftetig ber Sßert^ ber 58obenprobu!te, oerme^rt bal^er bie fieiftung ber ©yportlanber unb Oergro§ert bie lanblüirtl^fc^aftlid^e Äonfurreng in SDeutfd^lanb. S)ie mieberl^olten ©r^ö^ungen ber lanb= wirti^fd^afttic^en ^blU finb ba^er feine S3egünftigung ber Sanb= njirt^fdjaft, fonbern ein mangelhafter unb nad^^infenber 3luögleid^ beS fd^äbigenben ©influffe^ ber Södl^rung. 2öir l)aben in SDeutf(^lanb feine Ueberprobuftion oon 33robfrüc^ten, tro^bem bedft ber 3SerfaufgpreiS uid^t bie ©rgeugungöfoften; mv '^abm bie biHigften ©etreibepreife, tro^bem leibet ber Slrme Sf^ot^. ©ie fleine, ober burd^ i^re ^apitatöfraft übermächtige 3ntei^effeuten= gruppe oertl^eibigt mit Erbitterung i^r 3Jlonopol. ©ie toitt fid) bie furchtbare SSaffe, njelc^e in ber ©olbnjä^rung liegt, nic^t aug ber §anb winben laffen. ©er ^^artei gur ©eite fte^t eine gefügige ^reffe,^ ioetd^e bie öffentliche ajieinung nal^egu bel^errfc^t, njelc^e nid^t loä^lerifd^, aber 4 — 50 bafüt befto «Sme^fetungäreic^er in i^rcn ^üMn ift. 31« m W' Sunbament, auf bem bic ®olb.»ö|rung aufsebaut ersten, etwa« ju «' fittern anfing, ba (d^tug bic @blb»ä^tungäptef(e (oforl anbere S.ge ein «lan »erfüllte, bem 9ßuMitum einen Bä,xtd bot emet aBa^rungä= änberung einjniagen, mon ma^te bie ©laubiger *7«f »"«'"''•f!™' /" bev «etgebung »on ®arle|en ober bei Selaffuug ber etben, bu Sftucf= äabtung in ®otb «uSjubebingen. 66 foll.e hiermit ben «<^nlbnern angft gemad,t nnb and, bie(e in ba. fiager ^« ®f »»^'""9^""''" |in ingetrieben «erben. - Sie Ser^flidjtung ber Muctja^lnng n, ®blb Ln jeber ©e^ulbner ru^ig übernehmen, »eil b,e @taat«9eie|e be= ftimmen, bafe ©c^utben nur in ber Sanbeän-älrung äurnetgejaP jn "eTben brauen, nnb teber ber.Wtet iP, Jo^toBen j er äBa rnng beä Sanbeä bott ansnne^men. SBenn ^ente f