"Mg •:.'.•■
»HSiS
■'■'■■■>■-'''
Ms
l«Pnft&XS«l
^-- '•:•-■•- ■"■■'
Hl
fW'*; . '^öv'
'..'•' | MEmJSJ (St ■'■''.:■
'AGE-ITE» MATN LIBRARY
LP9-R26G
U.B.C. LIBRARY
THE LIBRARY
THE UNIVERSITY OF BRITISH COLUMBIA
Digitized by the Internet Archive
in 2010 with funding from
University of British Columbia Library
http://www.archive.org/details/diebehordenorganOOrose
DIE
BEHÖEDENORGMISATION
KAISER FERDINANDS I.
DAS VORBILD DER VERWALTUNGSORGANISA TION IN DEN DEUTSCHEN TERRITORIEN.
EHsT BEITEAG
ZtJB
GESCHICHTE DES VERWALTMGSRECHTS.
NACH ARCHIVALISCHEN QUELLEN
VON
DR EDUARD ROSENTHAL
A. 0. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT JENA.
PREBIND
4*
Vorwort.
Vorstudien zu einer Geschichte des deutschen Behörden- wesens Hessen mich bald erkennen, dass für die Lösung dieser Aufgabe noch eine Reihe von Specialarbeiten erforderlich sei, welche das Behördenwesen einzelner Territorien zum Gegen- stande hätten.
Eingehende, der bairischen Behördengeschichte gewidmete Studien in den Münchner Archiven überzeugten mich, dass das Vorbild der österreichischen Verwaltungsreformen hier inten- siver, als man glaubte, nachgeahmt wurde. Ich wandte mich den österreichischen Archiven zu, um die Verwaltungsorgani- sation Maximilians I. und Ferdinands I. zu studiren, die auf- fallender Weise bisher noch keine monographische Behandlung erfahren hatte.
Noch bevor ich die Früchte dieser archivalischen For- schung publiciren konnte, erschien: S. Adler, Die Organisation der Centralverwaltung unter Kaiser Maximilian L, Leipzig 1886. Wenn ich nun auch mit der Art der Behandlung, welche Adler seinem Thema angedeihen Hess, vielfach nicht einverstanden war, so schien es mir doch nicht angezeigt, nunmehr noch eine auf dem gleichen Material sich aufbauende Arbeit über dasselbe Thema dem Publicum vorzulegen, nachdem Adler mit bewun- dernswürdigem Fleisse das gesammte Material des lang ver- nachlässigten Gegenstandes gesammelt und verarbeitet und damit wirklich eine fühlbare Lücke in der Literatur ausgefüllt hat.
Ich beschränke mich daher darauf, im Nachfolgenden die Behördenorganisation Ferdinands I. in Kürze darzustellen, und werde dabei die Verwaltungsreform Maximilians nur berück- sichtigen, soweit dies der historische Zusammenhang erfordert.
54
Der Arbeit liegt zum grossen Theil urkundliches Material zu Grunde, welches ich der grossen Liberalität folgender Archive danke:
K. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Archiv des k. und k. Reichs-Finanzministeriums, Archiv des k. k. Ministeriums des Innern zu Wien, sowie k. k. Statthalterei-Archiv zu Innsbruck.
Alle Herren Vorstände und Beamte dieser Archive haben mit ausserordentlicher Liebenswürdigkeit diese meine Studien ermöglicht und gefördert. Insbesondere fühle ich mich ver- pflichtet den Herren Geheimrath Ritter von Arneth, Dr. Gustav Winter, Felgel, E. v. Ratky und Dr. Fellner in Wien, sowie den Herren Dr. David, v. Schönherr und Dr. Redlich zu Inns- bruck meinen wärmsten Dank an dieser Stelle abzustatten.
Die Arbeit beschränkt sich auf die Darstellung der Organi- sation der Central- und Mittelbehörden, weil diese allein dem Amtsorganismus des übrigen Deutschlands zum Vorbilde diente.
Leider konnte ich in manchen Abschnitten nach dem Stande des Materials nicht mehr als eine Skizze liefern. Aus- führlicher konnte und musste ich dagegen die Abschnitte über die Finanzbehörden (Hofkammer und Raitkammer) behandeln. Es schien dies nothwendig, weil in der Ordnung der Finanz- behörden der Schwerpunkt der österreichischen Verwaltungs- reform lag, und weil es hier darauf ankam, unter Berücksichtigung der historischen Anknüpfungs- und Vergleichungpunkte in das Detail der formellen Ordnung der Staatswirthschaft einzugehen, um die hervorragende Bedeutung der Organisation dieses hoch- entwickelten Zweiges der Verwaltung in die richtige Beleuchtung zu setzen.
Auf die materielle Verwaltung ging ich nur insoweit ein, als dies zum Verständniss der formellen Organisation erforderlich erschien. Hoffentlich findet die Geschichte der Verwaltung und des Verwaltungsrechtes Oesterreichs bald einen competenten Bearbeiter.
In den Beilagen kommen einige bisher nicht publicirte Behördeinstructionen zum Abdruck.
Jena, September 1886.
E. -R.
Die Centralbehörden.
1. Der Hofrath.
Die Geschichte des Hofraths der österreichischen Erb- lande kann ein hervorragendes rechtsgeschichtliches Interesse in Anspruch nehmen, weil sie zugleich über die Entwicklungs- stadien des Reichshofraths Aufschluss gewährt.
Die Einrichtung eines Raths, welcher den Landesherrn in der Regierung des Landes und in der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten zu unterstützen berufen war, ist in Oester- reich zurückzuführen auf Kaiser Ottokar.1 Die Zahl der Mit- glieder des Raths war eine schwankende. Sie wurden aus den Herren und Rittern des Landes gewählt und rnussten die ge- wissenhafte Erfüllung ihrer Functionen als consiliarii ducis eidlich geloben.2
Zu einer förmlichen Organisation dieser Räthe kam es auch in den folgenden Jahrhunderten nicht. Sie wurden aber in derselben Weise zur Formirung des herzoglichen Hofgerichts3 verwendet, wie aus den Räthen des Königs das königl. Kammer- gericht hervorgegangen zu sein scheint.4 Denn auch am Hofe des Königs hatte sich eine nach aussen als königl. Rath her- vortretende Regierungsbehörde gebildet, welche aber wie der herzogliche Rath der collegialen Organisation entbehrte5 und
1 Siegel, Deutsche Rechtsgeschichte, Berlin 1886, S. 267.
2 Siegel, Die rechtliche Stellung der Dienstmannen in Oesterreich (in den Sitzungsber. d. phil.-hist. Classe d. kais. Akad. d. Wissensch., CIL Bd., I. Hälfte, S. 253 f., 1883). Seit dem Landfrieden 1251 werden diese Rath- geber des Herzogs häufig erwähnt.
3 Luschin v. Ebengreuth, Geschichte des älteren Gerichtswesens in Oesterreich ob und unter der Enns, Weimar 1879, S. 96, 99.
4 Franklin, Das Reichshofgericht im Mittelalter, Weimar 1869, L, S. 341.
5 Tomaschek, Die höchste Gerichtsbarkeit des deutschen Königs (Separat- abdruck aus den Sitzungsber. d. phil.-hist. Classe d. kais. Akad. d. Wissensch., XLIX. Bd., S. 22).
56
keineswegs eine fest bestimmte Anzahl von Mitgliedern um- fasste. Dieser Rath, welcher unter Friedrich III. offenbar auch die Geschäfte der Landesregierung besorgte, war in seiner jeweiligen Zusammensetzung und Functionirung ganz von dem Belieben des Kaisers abhängig. Erst Maximilian hat die schwan- kenden Verhältnisse dieser höchsten Behörde in eine feste, dauernde Form durch organische Verordnungen gebracht.
Nachdem durch die Beschlüsse des Reichstags zu Wurms 1495, durch die Art der Constituirung des Reichskammergerichts ein Sieg des ständischen Princips über das monarchische erfochten war, musste Max daran denken, diesen Hieb zu pariren. Sein Streben musste dahin gehen, diesem ständischen Gerichtshof einen rein kaiserlichen entgegenzustellen, denn seine , Obrigkeit' sollte auch nach den Wormser Beschlüssen unversehrt bleiben. Su sehen wir Maximilian 1497 beschäftigt, die Organisation der Centralstelle ins Werk zu setzen. ' Durch die Hofordnuug vom 20. December 1497, eingeführt am 13. Februar 1498, 2 wurde das Gebäude der Behördenverfassung gekrönt, ein Hof- rath geschaffen, welcher als höchste kaiserliche Gerichts- und Regierungsbehörde seine Zuständigkeit nicht nur auf das Reich, sondern auch auf die Erblande erstreckte. Gleichzeitig ward auch die Hofkammer als oberste Finanzbehörde geschaffen.
Angeregt wurde Maximilian offenbar zu seinen Verwal- tungsreform planen durch seine Bekanntschaft mit der vortreff- lichen Organisation der flandrisch-burgundischen Länder.3 Da
1 Sein Fernbleiben vom Reichstage zu Worms 1497 entschuldigte er in Freiburg damit, ,er habe in seinen Erblanden ein löblich Regiment auf- richten müssen'. Vgl. Ulmann, S. 528 f., auch S. 582.
2 Ulmann, S. 825, contra Luschin v. Ebengreuth, S. 278.
3 Das französische Königthum hatte sich in seinem conseil (vgl. Aucoc, Le conseil d'etat, Paris 1876, p. 28 ss. ; Pardessus, p. 142 ss.) oder grand conseil ein Werkzeug geschaffen zur Bekämpfung der Feudalgewalten. Schon im 13. Jahrhundert ist dieser conseil du roi vollständig orgauisirt, die gesammte Regierungsgewalt des Königs erscheint in ihm concentrirt, in allen Justiz- und Regierungsangelegenheiten wird er vom Monaivhrn consultirt. Im 14. Jahrhundert lösen sich aus diesem Rathe besondere Organe für die Justiz und das Finanzwesen, das Parlament und die Rechnungskammer.
König Johann von Frankreich belehnte seinen Sohn Philipp den Kühnen mit dem Herzogthum Burgund (1363), zu welchem dieser durch seine Heirat mit Margaretha von Flandern noch deren Besitzungen hinzu erwarb (1384). In Burgund fand er bereits ein höchstes conseil
57
diese aber vorzugsweise für die Finanzverwaltung als Vorbild diente, so wird in dem Abschnitte über die Hofkammer im Zusammenhange von dieser Nachahmung die Rede sein.
Was speciell den Hof rat h anbelangt, so haben wir dessen Organisation unter Maximilian nicht sowohl als eine Neuschöpfung, denn als eine Zusammenfassung der vorhandenen Kräfte zu betrachten. Es war nur eine weitere Etappe in der organischen Entwicklung: des landesherrlichen Rathes. Diesem wurde eine neue Bahn gewiesen. Der Hofrath wurde jetzt eine ständige Behörde von bestimmter Mitgliederzahl und mit umgrenzter Competenz und als solche collegialiter organisirt.
Drei Fundamentalprincipien wurden durch diese Behörden- einrichtung von Maximilian verwirklicht und damit eine ge- wichtige Grundlage des modernen Staatsgebäudes gelegt.
Das Princip der Centralisation war von eminenter poli- tischer Tragweite. In den Centralbehörden waren Organe ge- schaffen, welche ihren Wirkungskreis auf die Gesainmtheit der unter dem Scepter des Königs vereinigten Erbländer (und das Reich) erstreckten. Dadurch war ein wirksames Mittel im Dienste der Einheitspolitik geboten. Durch die einheitliche Verwaltung der Centralbehörde wurden die Verschiedenheiten der Verfassung der einzelnen Theile der Monarchie, soweit solche bestanden, immer mehr verwischt. Indem dieselben Verwaltungs- grundsätze gleichmässig auf diese Anwendung fanden, bildete sich ein einheitliches Verwaltungsrecht, und so ward der Verschmel- zungsprocess der verschiedenen Bestandteile der Erbmonarchie wesentlich befördert. Sodann wurde nach dem Vorbilde der Gerichte das Princip der Ständigkeit und der Collegialität bei der Verfassung der Central- und Mittelbehörden zur An-
vor. (Vgl. Schaffner, Geschichte der Rcchtsverfassuug Frankreichs, Frankfurt a. M. 1849, IL, S. 407.) In Flandern errichtete er gleich 1385 eine chambre du conseil und eine chambre des comptes. (Gachard, S. 4 ff.) Philipp der Gute errichtete eine höchste Regierungs- und Gerichts- behörde mit collegialer Verfassung für alle burgundischen Länder und hat damit ein erfolgreiches Centralisationsmittel geschaffen. Als nun Karl der Kühne 1473 diesem grand conseil zu Mecheln einen festen Sitz angewiesen und auch die Finanzverwaltung im französischen Sinne weiter ausgebildet hatte, waren die burgundisch-flandrischen Einrich- tungen vollständig denen Frankreichs entsprechend organisirt. In diesem Zustande lernte Max diese Institutionen als Gemahl Marias von Burgund kennen.
58
wendung- gebracht. In dem Collegialsystem erblickte man eine Bürgschaft des Rechtsschutzes, einer Grleichmässigkeit und Un- parteilichkeit der Verwaltung,1 wie ja auch durch dasselbe eine gewisse Stetigkeit und Tradition der Geschäftsführung und eine starke Controle ermöglicht würde.2 Endlich wurde der Finanz- dienst als selbständiger Verwaltungszweig auf eigene Füsse gestellt und aus dem Rahmen der übrigen Verwaltung losgelöst.
Damit war der Grundsatz der Arbeitsteilung* auf das Erfolgreichste in das System des Behördenwesens eingeführt, der im Laufe der Zeit immer weitere Verbreitung fand.
Durch die Maximilianischen Verwaltungsreformen war der moderne Berufsbeamtenstand begründet worden, der immer tiefere Wurzel fasste. Durch die kluge Verwendung tüchtiger und angesehener Adeliger in den neugeschaffenen Behörden, die übrigens ihre Pforten Leuten geringer wie vornehmer Her- kunft öffneten, war der Adel mit den neuen Zuständen ausgesöhnt und der Regierung vielfach Einfluss auf die Landstände er- schlossen.3 Natürlich macht auch die Aufnahme des juristischen Elementes in die Behörden immer grössere Fortschritte. Im Hofrath und in den Regierungen, in allen sich mit der Rechts- pflege beschäftigenden Collegien werden stets einige Doctores juris angestellt, der Kanzlerposten und das Amt des Kammer- procurators ausschliesslich Rechtsgelehrten anvertraut.4
Die Competenz des dem jeweiligen Hoflager folgenden Hofraths Maximilians ist nur ganz5 im Allgemeinen bestimmt,
i H. Schulze, Lehrb. d. deutschen Staatsrechts, Leipzig 1881, I., S. 292.
2 Schmoller, Die Epochen der preussischen Finanzpolitik (Holtzendorff- Brentano, Jahrb. d. Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft, Leipzig 1877, I., S. 44).
3 Luschin v. Ebengreuth, Studien zur Geschichte des steirischen Adels im 16. Jahrhundert, in Mittheilungen des bist. Vereines für Steier- mark, XXIII., S. 4, weist darauf hin, dass der Herrendienst in der Werth- schätzung der Adeligen steige, welche sich gerne dem Staatsdienste widmen.
4 Auch unter den Eingebornen fehlte es nicht an brauchbaren Candidaten, da eine stattliche Anzahl Oesterreicher sich auf den Universitäten dem Rechtsstudium gewidmet hatte. Vgl. Luschin v. Ebengreuth, Oester- reicher an italienischen Universitäten (Blätter des Vereines für Landes- kunde Niederösterreichs, 1SS0 ff.).
5 Als Motiv für die Errichtung des Hofraths wird angegeben: ,daz den partheien so bisher mänig tausend von den regirungeu hie und wider gezogen sein und inen selbst zuvor an uns gros cost, mue, spot, anlost
59
er ist zuständig für alle , Händel, Sachen und Geschäfte, die künftig vom heil. Reiche deutscher Nation, gemeiner Christen- heit oder von unseren erblichen Fürstentümern und Landen herfliessen, ferner für Sachen, welche den Hof und dessen Ver- wandte betreffen.' Dieser Hofrath1 war als ein Collegium ge- dacht, in welchem die Fäden der Gesamintregierung zusammen- liefen. Von diesem Einen Mittelpunkt aus wurde die Leitung aller Regierungsgeschäfte, die Ueberwachung der untergeordneten Behörden geführt, auch die Hofkammer, obwohl sie Central- Finanzbehörde war, stand doch in einem Subordinationsver- hältnisse zum Hofrath.
Nichts dürfte überzeugender die Notwendigkeit einer rechtsgeschichtlichen Detailforschung über das deutsche Be- hördenwesen darthun als der Umstand, dass man bis in die neueste Zeit ganz allgemein2 in den Darstellungen der deutschen Rechtsgeschichte die Anfänge des Reichshofraths in das Jahr 1501 setzte, während das Organisationsdecret3 vom 21. April 1501, 4 welches man hierbei im Auge hatte, überhaupt nur die Einrich- tung niederösterreichischer Behörden zum Gegenstand hat, also auch nur handelt von der Einsetzung eines Hofraths für die niederösterreichischen Lande. Er war als Oberbehörde des gleichzeitig gebildeten Landesregiments gedacht, welchem die Aufsicht über die niederösterreichischen Behörden (Hofgericht, Hof- und Hauskammer) übertragen war. Bei der Dürftigkeit des Behördenapparats im alten deutschen Reiche erscheint es geradezu unbegreiflich, dass die Anfänge eines auch für die Reichsjustizverfassung so wichtigen Organs, wie es der Reichs- hofrath war, in so tiefes Dunkel gehüllt waren.
Ein wechselvolles Schicksal hatte dieses Hofrathscollegium. Wie so viele andere Versuche Maximilians wurde auch diese
gemacht haben, vermuten bleiben . . .' (Hofordnung, 13. December 1497, im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Entwurf.)
1 Ueber die Organisation und die ferneren Schicksale des Hofraths vgl. Ulmann, S. 825; Adler, S. 43 ff.
2 Zum ersten Male verändert von G. Meyer in der 2. Aufl. seines Lehrb. d. deutschen Staatsrechtes 1885, S. 63 (auf Grund der Forschungen Luschins v. Ebengreuth, S. 276 f. und Ulmanns, S. 823 ff.). Vgl. jetzt auch Siegel, Rechtsgeschichte, S. 225.
3 Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv, abgedruckt bei Harpp recht, Staats- archiv des Reichskammergerichts, IL, S. 423 ff.
* Vgl. über dasselbe Luschin v. Ebengreuth, S. 279 f.
60
Schöpfung nicht mit dauernder Energie festgehalten. Zu einer permanenten Behörde konnte er sich nicht entwickeln und keine continuirliche Thätigkeit entfalten. Zwar lassen sich ver- einzelt die Spuren einer Functionirung des Hofraths verfolgen, aber nirgends zeigt sich ein Beleg für eine Reorganisation desselben unter Maximilian auf Grundlage der Verordnung von 1497.
Erst am Ende seines Lebens,1 auf dem Innsbrucker Aus- schusslandtag 1518 trat der Kaiser dem Projecte der Einsetzung eines collegial organisirten Hofraths näher.2 Zum ersten Male waren die Stände aller deutschen Länder der österreichischen Monarchie zur gemeinschaftlichen Berathung der Landesange- legenheiten versammelt. Die Einführung guter Ordnung und Regiments wurde von ihnen als das Allheilmittel ihrer vielen Beschwerden vom Kaiser gefordert. 3 Der Einfluss der Stände ist in Folge der Geldnoth des Kaisers ein ungeheurer, er macht sich nicht nur bei der Einrichtung, sondern auch bei der Be- setzung der Behörden geltend. Nachdem die kaiserliche Pro- position von dem Plane der Einrichtung eines Hofraths den Ausschüssen Kenntniss gegeben hatte, antworten diese sofort mit positiven Vorschlägen über Zusammensetzung und Zu- ständigkeit des Hofraths und der Regierungen.4 Sie motiviren diese Vorschläge mit dem loyalen Hinweise auf die übermensch- liche Arbeitsüberhäufung des Kaisers. Damit ihre kaiserliche Majestät durch die gemeinen täglich vorfallenden Handlungen ferner nicht mehr belästigt werde, soll die Bürde dieser täglich vorfallenden Handlungen auf den Hofrath und die Regenten geladen werden, so dass sich der Kaiser ungestört der Regierung des Reiches und der Erblande und der Beschirmung des Glaubens widmen könne.
1 Durch ein Ausschreiben vom 9. September 1517 hat er die Absicht be- kundet, ,uns und unsern lieben Sun Ferdinand auf seine Zukunft' eine Ordnung aller Officien und Aemter und sonderlich einen steten Hofrath mit Hilfe der Stände aufzurichten. Vgl. v. Bucholtz, Geschichte der Regierung Ferdinand I., Wien 1858, VIII., S. 19.
2 Zeibig, Der Ausschusslandtag der gesamniten österreichischen Erblande zu Innsbruck 1518 (Archiv f. Kunde österr. Geschichtsquellen, XIII., S. 219).
3 ,wievil und was daran gelegen, das ain grosser tayll irer obligen und beschwerungen damit gewenndt wurdt' (Zeibig, S. 225).
4 Zeibig, S. 227 f., 234. Die Vertheilung der 18 Räthe u. s. f. auf das Reich und die einzelnen Ländergruppen, wie sie dann im Libell publicirt wurde.
61
Da der Kaiser mit den Vorschlägen der Ausschüsse im Allgemeinen einverstanden war, ordnete er im Innsbrucker Libell ' die Aufrichtung eines permanenten Hofraths an, der allzeit bei ihm oder in seiner Nähe sich aufhalten sollte. Gebildet wurde er aus 18 Rätben, von welchen fünf aus dem Reiche (Adelige und Doctoren), je einer aus jedem der fünf niederösterreichischen Länder, zwei aus der Grafschaft Tirol und zwei aus den vorder- österreichischen Ländern gewählt wurden.2 Dazu kamen noch ein Hofmeister, ein Marschall, ein Kanzler und ein Schatzmeister. Es war ein Zugeständniss von ungeheurer Tragweite an die Stände, wenn Maximilian sich herbeiliess, die Räthe nur mit der Stände Zustimmung3 zu ernennen.4 Das Amtsreorgani- sationsrecht der Krone wurde hier einer starken Beschränkung unterworfen und der rein landesherrliche Charakter der Behörde durch das ständische Präsentationsrecht wesentlich modificirt.
Die angeführten Personen bildeten ein abgeschlossenes Collegium, ihnen waren die laufenden Hofrathsgeschäfte über- tragen. Gleichsam als ausserordentliche Hofräthe fungirten die Räthe von Haus aus, deren es in Oesterreich wie in anderen Territorien viele gab. Von dem Besuche der täglichen Hofraths- sitzungen waren sie befreit; sie waren nur verpflichtet, den vom Kaiser persönlich präsidirten Berathungen beizuwohnen oder solchen, bei welchen Angelegenheiten zur Verhandlung standen, in denen sie grössere Erfahrung als die übrigen ordinari Hof- räthe besassen.5 Die Competenz der neugeschaffenen Control-
1 24. Mai 1518 abgedruckt in: Lands-Hand-Vest des Hertzogthumbs Steyer, Grätz 1697, S. 51 f.
2 Die Räthe, welche an dauernden Dienstleistungen am Hofe verhindert waren, konnten durch andere aus ihren Ländern im halbjährigen Turnus abgelöst werden.
3 Die österreichischen Hofrathsmitglieder wurden gleich in Innsbruck von den Ausschüssen gewählt. Da die Räthe aus dem Reiche erst auf dem nahen Reichstage zu Augsburg gewählt werden konnten, wollte der Kaiser provisorisch fünf andere Personen ernennen, damit der Hofrath unverzüg- lich seine Thätigkeit beginnen könnte. Vgl. Z eibig, S. 277, 280.
* ,alles treffentlich Erber verstendig und geborn Landtleuth, die Wir auch jetzo mit willen und wissen der Ausschüss gestimpt und fürgenommen haben' (Innsbr. Libell a. a. O.).
5 ,Dann unser Haussräth halben, der Wir an aller Orten vil haben, die sollen hinfüro nit täglich, sonder allein zu zeiten, wann Wir Persönlich in Hof- rath gehen mit uns oder wann Wir sie zu zeiten in unsern geschafften, der sie etwo mehr, dann unser Ordinarij Hofräth underricht haben wurden,
62
behörde war eine allgemeine; sie fungierte nicht nur als höchstes Regierungscollegium des Kaisers, sondern auch als dessen oberster Gerichtshof, denn auch nach Errichtung des Reichskammer- gerichts stieg die Zahl der an den königl. Hof gebrachten Processe derart, dass Max auf den Kölner Reichstag 1512 vom Reiche acht Räthe für seinen Hofrath verlangte. * Alle Sachen, ausgenommen die hervorragend wichtigen und geheimen, wurden im Plenum verhandelt, insbesondere alle , Parteihändel, die betreffen Justiciam und Beschwerungen oder Forderung zu unserem Kammergut oder Fürderung oder Gnaden und Gaben', also nicht nur zur Entscheidung der Rechtsstreitigkeiten, sondern auch der Verwaltungsbeschwerden war der Hofrath competent. Natürlich musste man bei einer so generell bemessenen Zu- ständigkeit auf eine allzustarke Inanspruchnahme des Colle- giums durch die Parteien gefasst sein. Darum war es dringend nöthig, die Einhaltung des Instanzenzuges zu betonen, so dass erst nach Erschöpfung desselben für den Hofrath die Möglich- keit gegeben war, sich mit der Sache zu befassen. Hatten die Parteien sich mit Umgehung der Regierungen oder der Gerichte und Obrigkeiten gleich an die Centralstelle gewandt, so mussten sie von dieser an die zuständige erste oder zweite Instanz zurückverwiesen werden. Nur dann war es dem Hofrath ge- stattet, auch bei vorliegender Umgehung der unteren Instanzen sich auf eine Behandlung der von den Parteien eingereichten Klagen oder Beschwerden einzulassen, wenn diese gegen die Regierungen, Obrigkeiten oder Gerichte wegen ihrer Amtsver- waltung gerichtet waren. Dann war selbstredend die Competenz der diesen vorgesetzten Centralstelle gegeben.
Der Hofrath war jetzt auf eigene Füsse gestellt und hatte ein auch von der Person des Kaisers unabhängigeres Dasein als sein Vorgänger 1498. Nicht nur berathende und begutachtende Behörde war er jetzt, sondern mit definitiver Entscheidungs- gewalt ausgerüstet. Nur sehr wichtige und dringliche Ange- legenheiten, besonders aber Gnaden- und Gabenbewilligungen bedurften der kaiserlichen Genehmigung.
schicken, darein gehen und sonst stetigs soll der Hofrath allein durch die berürten 18 geordent Räth gehandelt haben (a. a. O. 51v). 1 Herchenhahu, Geschichte des k. Reichshofraths, Mannheim 1792, I., S. 499.
63
Von der im Laufe der Verhandlungen1 hervorgetretenen Absicht einer sehr weitgehenden Competenzerweiterung auf das finanzielle Gebiet scheint man wieder abgegangen zu sein,2 wohl auch aus dem Grunde, weil zur Erledigung der Geschäfte in diesem Umfange auch das bewilligte Personal nicht aus- gereicht haben würde. Zudem konnten die Finanzgeschäfte durch die Finanzbeamten am Hofe und durch die Innsbrucker Raitkammer erledigt werden. Dem Hofrath als allgemeiner Centralbehörde war aber doch die Möglichkeit gegeben, sich auch mit Angelegenheiten finanzieller Natur zu befassen, soweit hierzu ein Bedürfniss vorlag. In dem Schatzmeister hatte das Collegium einen Sachverständigen als ständiges Mitglied, welches sich von selbst zum Referenten in Finanzfragen eignete.
Das Verlangen der Ausschüsse, die Hofräthe aus dem deutschen Reiche von den Berathungen der österreichischen Angelegenheiten auszuschliessen und diese nur durch die erb- ländischen Mitglieder vornehmen zu lassen, wurde von Max abgelehnt mit der Begründung, dass Oesterreich doch auch zum Reich gehöre. 3 Mit dieser Zurückweisung einer Sonderung nach Materien in Rücksicht auf ihre Provenienz war der Cha- rakter des Hofraths als einer einheitlichen Central-Reichs- und Central-Landesbehörde festgestellt. Dass die Reichssachen nur als ein Anhang der erbländischen betrachtet wurden, ist bei der Zusammensetzung des Hofraths leicht begreiflich, ,wo eine erdrückende Mehrheit österreichischer Landsassen neben wenigen Reichsverordneten zur Entscheidung von Reichsangelegenheiten berufen waren'.4 Allerdings ist zu erwägen, dass die geringe Zahl der Räthe aus dem Reiche darin ihre Erklärung findet, dass weitaus die grösste Zahl der vom Hofräthe zu bewältigenden Angelegenheiten Parteisachen gewesen sein dürften, für diese aber im Reichskammergerichte vom Reiche ein Organ geschaffen war, während der Löwenantheil an Arbeit durch das aus den Erblanden einlaufende Material wird gebildet worden sein. Immerhin bleibt es eine auffallende Erscheinung, dass der
i Zeibig, S. 273.
2 Das Fehlen der einschlägigen Stelle über die finanzielle Zuständigkeit aus den Verhandlungen im Innsbrucker Libell lässt sich kaum anders erklären.
3 Zeibig, S. 228, 273. * Ulmann, S. 835.
64
Kaiser bei Gründung dieser doch auch als Reichshofrath ge- planten Behörde nur im Einvernehmen mit den österreichischen Ständen handelte, ohne sich im Geringsten um die Anschauungen des zuständigen Organs, des Reichstags, zu kümmern.
Der schwächste Punkt der Organisation lag in dem Mangel eines festen Sitzes des Hofraths, welcher dem wechselnden Hoflager folgen sollte, ein Mangel, der allerdings auch dem Ferdinandeischen Hofrath anfangs anhaftete. So lange er nicht behoben war, erschien eine befriedigende und erfolgreiche Amts- gebahrung nicht möglich. Mit wahrem Feuereifer betrieb der Kaiser das sofortige Inslebentreten des Hofraths. Noch in Inns- bruck sollte derselbe gleichsam probeweise seine Wirksamkeit beginnen1 und gleich seine erste Sitzung halten.2 Dazu kam es nun nicht. Anfangs 1519 hatte Max die von den Ländern angezeigten und bewilligten Räthe zu sich nach Wels und dann, als er auf das Krankenlager geworfen war, nach Linz beschieden; 3 da machte der unerbittliche Tod seinem reichbewegten, rast- losen Leben ein Ende. So nahe am Ziel musste das grossartig angelegte Organisationswerk scheitern, das mit heissen Hoff- nungen ersehnte und unter schweren Kämpfen der Interessen- gegensätze erzeugte. Hatte nun auch so das an organisatorischen Ideen reiche Talent des ritterlichen Kaisers keine greifbaren Resultate zurückgelassen, sein Wirken ist dennoch nicht ohne jeden praktischen Erfolg gewesen. Seinem Enkel Ferdinand war es beschieden, seine Ideen zu dauernden Institutionen zu gestalten. Und so findet auch auf die Verwaltungsreformen Maximilians voll und ganz Anwendung der Ausspruch Ranke's:4 ,Es gibt überall in dem Staate wie in den Wissenschaften ver- mittelnde Thätigkeiten, die das Neue zwar noch nicht zu Stande bringen, aber nach Kräften vorbereiten/
1 Sie sollten eine oder zwei Sitzungen ,zu prob Investitur des hoffrats' halten (Zeibig, S. 284).
2 Zu diesem Behufe mussteu die Ausschüsse provisorisch neun ver- ordnen, bis die andern, die gewählt werden sollen, ankommen (Zeibig, S. 280).
3 In Herberstein's Aufzeichnung (Senckenberg, Sammlung uugedruckter und rarer Schriften, Frankfurt 1759), S. 31 findet sich die Liste des zum Hofrathe designirten Personals.
4 Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, 5. Aufl., Leipzig 1873, I., S. 237.
65
Derjenige, der das von Maximilian Vorbereitete wirklich zu Stande brachte, war sein Enkel Ferdinand. Er hat jene Gestaltung des Behördewesens im Staatsleben dauernd ein- geführt, deren Grundformen sich trotz aller Veränderungen im Einzelnen bis in unsere Zeit erhalten haben.
Die ersten Jahre nach dem Tode Maximilians waren an- gefüllt von der Gährung der ständischen Bewegung über das Regiment in Niederüsterreich. Ferdinand wandte daher, nach- dem er die Zügel der Regierung in den österreichischen Erb- landen ergriffen hatte, seine Sorgfalt der Organisation der nieder- österreichischen Regierung zu, welche unter der Bezeichnung eines niederösterreichischen Hofraths ihres Amtes waltete. Zur Einsetzung einer österreichischen Centralbehörde konnte es ur- sprünglich nicht kommen, da Ferdinand durch den Theilungs- vertrag mit seinem Bruder Karl V. 1521 (28. April) nur die fünf niederösterreichischen Länder1 als Erbportion erhalten und erst durch die definitive Theilung des folgenden Jahres2 Tirol und Vorderösterreich dazu erworben hatte. Jetzt war überhaupt erst die territoriale Grundlage für eine österreichische Centralbehörde geschaffen. Erst gegen Ende des Jahres 152G schritt Erzherzog Ferdinand dazu, eine solche ins Leben zu rufen. ,Wir sind ent- schlossen/ heisst es in einem Decret vom 14. December 1526, 3 ,an unserem Hof einen stattlichen ITofrath von geschickten Personen, dazu wir etliche unserer Landleute zu gebrauchen gedenken, aufzurichten.'
Ganz nach dem Modus des Innsbrucker Libells soll das Collegium aus Angehörigen der verschiedenen Landestheile zu- sammengesetzt werden, denn die Regierung zu Innsbruck wird in dem Decret aufgefordert, drei geschickte Personen vom Adel aus den vorderen Landen vorzuschlagen, aus denen dann der Erzherzog einen seinem Gefallen nach nehmen würde. Ferdinand war also nicht gewillt, gleich seinem Grossvater den
1 Unter Niedere sterreich wird entsprechend der von Maximilian ein- geführten Terminologie Oesterreich ob und unter der Enns, Steiermark, Kärnten und Krain verstanden, unter Oberösterreich die Grafschaft Tirol nebst den vorderösterreichischen Landen (das sind die. habsburgischen Herrschaften im Breisgau, im Oberelsass, Bregenz, Bludenz, Fehlkirch u. s. w.).
2 Brüssel, 7. Februar 1522. Vgl. v. Bncholtz, I., S. 154 ff.
3 Iunsbr. Statth.-Archiv (Bevelchbuch von der k. M;ij. 1523— 152G, S. 457). Archiv. Bd. LXtX. I. Hälfte. 5
66
Stünden einen massgebenden Einfluss auf die Constituirung dieser Behörde zu gestatten. Eifersüchtig wachte er auf sein landesherrliches Amtshoheitsrecht und war nicht gesonnen, den rein landesfürstlichen Charakter der Behörde preiszugeben.
Man geht nicht fehl, wenn man den Beginn der Thätigkeit dieser neugeschaffenen österreichischen (Zentralstelle in den Anfang des Jahres 1527 setzt, denn in der Kanzlei Ordnung vom 1. Jänner 1527 geschieht des Hofraths schon Erwähnung als einer Behörde, in welcher der Kanzler zu funetioniren hat. Ausserdem stammt aus dieser Zeit auch der Erlass, 1 durch welchen Ferdinand den Regierungen zu Wien und Innsbruck untersagt, fernerhin den Titel ,Hofrath' zu führen.
Die älteste Hofrathsordnung ist leider nicht erhalten, da- gegen gewährt einen Einblick in die Organisation und die Auf- gaben des Hofraths die Kanzleiordnung vom 12. Februar 1528. 2 Nach dieser ist der Hofrath zur Entscheidung aller Justitiam betreffenden Parteisachen, sie seien aus dem Reich oder den Erblanden, keine ausgenommen, berufen.
Er erscheint also als höchster ständiger Gerichtshof für das Reich und die Erblande — er wird einmal kurzweg Parteien- rath3 genannt — der täglich Vor- und Nachmittags Sitzungen abhalten soll, damit die aus weiter Ferne dem Hof lager nach- reisenden Parteien in ihren Rechtssachen rasch gefördert würden. Ueber die Organisation des Hofraths gibt erst die Instruction für die Hofämter vom 1. Jänner 1537 4 eingehenden Aufschluss. Nach dieser ist das Collegium zusammengesetzt aus den In- habern der obersten Hofämter, fünf Räthen aus den niederöster- reichischen, zwei aus den oberösterreichischen Ländern und vier aus dem Reiche. Ursprünglich scheint der Plan bestanden zu haben, auch die Königreiche Ungarn und Böhmen dieser Centralstelle zu unterwerfen und je vier Räthe aus diesen
1 20. Jänner 1527 (Innsbr. Statth.-Archiv, Bcvelchbuch 1527, S. 10).
2 Siehe den Abschnitt über die Hofkanzlei.
3 ,dass an unserm Hof lager ein steter Parteienrath in guter Ordnung und zu rechter Weil und Zeit alle Tag- Morgen vor dem Essen und nach Tisch etliche Stunden nach Gelegenheit der Händel gehalten werde'.
4 ,Der röm. kun. maj. Ordnung und Instruction derselben hoher und uider hofembter' (Archiv des Ministeriums des Innern, L, F 1). Das Hofämter- wesen ist auch nach burgundischem Vorbilde geordnet. Vgl. E. Löning, Verwaltungsrecht, S. 41 und v. Meiller, Geschichte der obersten Hofämter in Oesterreich in Zeitschrift , Adler', 1871, S. 24.
67
beiden Ländern in dieselbe aufzunehmen. * Man liess aber diesen Plan wieder fallen, denn auch die Hofrathsordnung 1541 kennt nur die oben angegebene Zusammensetzung-, also mit Ausschluss böhmischer und ungarischer Räthe.
Ferdinand wagte es doch noch nicht, die beiden neuer- worbenen Königreiche ihrer seit Alters herbestehenden höchsten Landesstellen zu berauben. Seine Centralisationspolitik verlangte es nicht gebieterisch, dass auch Böhmen und Ungarn in juris- dictioneller Beziehung dem Hofrath unterworfen wurden, da andere neugeschaffene Centralstellen, wie sich ergeben wird, ihre Competenz auch auf diese Königreiche erstreckten und so vollwirksame Werkzeuge seiner Centralisationsbestrebungen wurden. Da diese nicht so unmittelbar den ganzen Amtskreis der höchsten böhmischen und ungarischen Landesstellen ver- nichteten, sondern nur einzelne Zweige, für deren Verwaltung es bis dahin noch keine speciellen Behörden gegeben hatte, fast unvermerkt diesen entzogen, stiess ihre Einrichtung nicht auf energischen Widerstand. Ganz anders würde es beim Hof- rath gewesen sein, dessen Competenz sich nahezu vollständig mit der der Landesstellen gedeckt hätte. Hier aber, wo eine Competenzerstreckung des Hofraths nur hätte durchgesetzt wer- den können durch Beseitigung altbewährter heimischer Insti- tutionen, schien es dem das Verhältniss von Mittel und Zweck klug abwägenden Politiker angezeigt, nicht ohne Noth eine heftige Opposition der Böhmen und Ungarn um die Erhaltung ihrer alten höchsten Landesstelle anzufachen. In beiden Königreichen
1 Eine vermutblich ans dem Jahre 1537 stammende Besoldungstabelle ent- hält nämlich folgende Zusammensetzung des Hofraths: drei Räthe vom Reich (ein Graf, ein Herr, ein Ritter), vier Räthe aus Böhmen (zwei Herren, zwei Ritter), vier Räthe aus Ungarn, fünf aus den niederöster- reicbiscben, zwei aus den oberösterreicbischen Landen, deren Stand dem Belieben des Königs überlassen wird, nur sollen unter ihnen Grafen, Herren und Adelige sein. Die Rangsordnung unter den Ruthen war nach der Hofämterinstruction 1537 folgende: oberste Hofbeamte, Prälaten, Grafen, Freiherren, Herren, Ritter, Doctores und Edelleute (nach dem Innsbr. Libell 1518 war der Stand der Hofräthe für die Höhe der Besoldung massgebend). Dass die oben erwähnte Zusammensetzung nur Entwurf geblieben, beweist nicht, nur die Hofrathsordnung von 1541, sondern auch die Hofstatns von 1543- — 1546 und 1554 (edirt von Oberleitner und Firnhaber im Archiv f. Kunde österr. Geschichtsquellen, XXII., S. 224 und XXVI., S. 13) zeigen das Hofrathscolleginm weder der Zahl, noch den Ständen nach in dieser Weise gebildet.
68
bestanden seit langer Zeit höchste Landessenate (Hofrath),1 deren Mitglieder .sich in Abwesenheit des Königs um dessen Vertreter gruppirten und als oberste Regierungsbehörde und als höchster Gerichtshof die Verwaltung Böhmens,2 beziehungsweise Ungarns3 führten und die Rechtsstreitigkeiten der Uuterthanen des be- treffenden Landes in höchster Instanz entschieden.
So war denn Maximilians Plan endlich verwirklicht und ein Hofrath nach den Grundzügen des Innsbrucker Libells auf- gerichtet, indem die Ernennung der Mitglieder des Collegiums erfolgte unter Berücksichtigung der einzelnen Ländercomplexe, deren Regierung der Hofrath zu führen berufen war. Mit Pein- lichkeit ward über die Einheitlichkeit der Behörde gewacht, dass nicht etwa entsprechend dem ständischen Verlangen 1518 die einzelnen Käthe nur als Vertreter ihres Heimatslandes betrachtet, von der Berathung der aus anderen Landestheilen einlaufenden Materien ausgeschlossen blieben.
,Wir wollen nicht/ erklärte Ferdinand,1 ,dass der Lande halber hierin Unterschied gehalten werde, dann wir sie des Orts nit als Gesandte der Lande, sondern als unsere Käthe und Diener haben/ Bündig deutet hier der König seine Cen- tralisationstendenz an. Ein allmäliges Zusammenwachsen der
1 Bid ermann, Geschichte der österr. Gesammtstaatsidee, Innsbruck 1867, I., S. 22, 78.
2 Vgl. P. Stransky, Staat von Böhmen, übersetzt von Cornova, Prag 1803, VII., S. 342 ff. Unter dem Vorsitze des obersten Kanzlers versammelten sich die höchsten Würdenträger des Königreichs (ob. Burggraf, ob. Land- hofmeister, Landeskämmerer, Landrichter, Landschreiber und Landes- unterkäumierer), aucli alle Grossen des Königreichs konnten erscheinen. Bald trat das Collegium als grösserer, bald als engerer Senat zusammen, je nach den zu behandelnden Gegenständen. Die 1577 errichtete böhmische Statthalterei war nur ein Ausschuss dieses Senats.
3 Vgl. Fessler, Die Geschichte der Ungarn, Leipzig 1824, Th. VIII, S. 43 ff. Unter dem Vorsitze des Statthalters, welcher zugleich judex curiae war, wurde 1535 ein Statthaltereirath, bestehend aus dem Gross- kanzler, dem Reichscapitan und 14 Käthen aus dem Prälaten- und Magnatenstand als oberste Regierungsbehörde gebildet, welchen auf Ver- langen der Stände noch sechs aus den ungarischen und einer aus der slavonischen Adelsgesammtheit zur Verwaltung der Rechtssachen beigesellt wurden. In der Reiclishofrathsordnung 1559 wird dann ausdrücklich von einem böhmischen und einem ungarischen Hofrathe gesprochen, im Gegen- sätze zum österreichischen und Reichshofrath.
4 Hofämterinstruction von 1537.
69
verschiedenartigen seinem Scepter unterworfenen Ländercom- plexe strebte er an. Kein Mittel erschien wirksamer, diesen Ver- schmelzungsprocess zu fördern, als die Centralisation der Regie- rungsgeschäfte in Einer Spitze, in ' einer Behörde, in welcher die heterogenen Bestandtheile der Monarchie ausser im König ihren gemeinsamen Mittelpunkt anzuerkennen hätten.
Aus der erwähnten Hofämterinstruction ergibt sich, dass der Hofrath nicht nur als höchster Gerichtshof des deutschen Reichs (neben dem Reichskammergerichte) und Oesterreichs gedacht war, sondern dass er auch als oberste Regierungsbehörde mit fast unbegrenzter Competenz fungiren sollte. Die Leitung der gesammten inneren und auswärtigen Politik sollte sich in diesem Collegium concentriren, alle schwierigen Fragen insbe- sondere auf dem Gebiete der äusseren Politik — ,wie mit fremb- den potentaten zu practiciern sei, wie frembden practiken fur- komen mag werden', — hier zur Berathung kommen, kurz Alles, was sich als Ausfluss königlicher und fürstlicher Hoheit ergäbe, hier in Entscheidungen oder Gutachten erledigt werden. Dies war ausdrücklich als Generalclausel für die Zuständigkeit fest- gesetzt,1 da man absichtlich davon Umgang genommen hatte, eine ins Einzelne gehende Competenzregulirung vorzunehmen. Man hielt es mit Recht für unstatthaft, alle eventuell Entschei- dung erheischenden Fragen, deren Auftauchen auch von der je- weiligen politischen Constellation abhängig war, im voraus zu bestimmen — ,in ansehung das die anzal causarum status un- ergründlich'.2
1 Die Hofrathsordnung von 1541 sagt deshalb auch: ,zu betrachten . . . und je alhvegen in friedlichen und kriegszeiten die notturft ervordern will, darinnen wir unsern liofräten dhain ausgedrugkten bevelh geben, in ansehung das die anzahl causarum status unergruntlich'.
2 In der Hofämterinstruction von 1537 lieisst es betreffs derHofräthe: ,Nemb- lich sollen dieselben sondern bevelch haben täglich, man halt rath oder nit, zusamen komen, all künftig hoch, schwer und geliaim sacben und gefer- lichaiten zubewegen und furzekomen, das ist, wie mit frembden poten- taten zu practiciern sei, wie fremden practiken furkomen mag werden, auch die beschwerlich Zerrüttung und zuefäll abzulaineu sei und alles das zu erhaltung unser kuniglichen und fürstlichen liochait, land und leut aufnemen mit künftiger fursehung zu guetem raiclieu mag und albegen in handlangen und gutbedunken diser articl kan nit wol geuueg notturftig ausgefuert werden in ansehung das die anzahl causarum status unergründ- lich fursehung nach gelegenhait der zeit leuff, der potentaten und frembder
7(>
Dieselbe »Stelle, welehe die Amtssphäre des Hofratha in solcher Allgemeinheit regelt, kehrt fast wörtlich wieder in der , Ordnung und Instruction, nach welcher unser kuniglicher hof- rath gehalten werden soll" vom 1. Januar 1541. Selbstredend wird auch in dieser Instruction der Hot'rath als eine schon be- stehende Behörde erwähnt, und es ist nur die Rede von einer den Bedürfnissen entsprechenden Vermehrung des Personals mit tüchtigen Räthen aus dem Reiche, den niederösterreichischen und oberösterreichisehen Ländern. Der Hot'rath hatte keinen ständigen Sitz, er folgte dem Hofe des Königs. Ferdinand hatte Wien noch nicht zur Haupt- und Residenzstadt erhoben.'2 Der oberste Hofmarschall hatte als Haupt (,vorgeer')3 des Hofraths an jedem Orte,1 an welchem das königliche Hoflager für längere Zeit seinen Sitz aufgeschlagen hatte, Sorge zu tragen für die Instandhaltung eines für die Hofrathssitzungen geeigneten Raumes entweder in der Herberge des Königs oder in einem andern Hause — , damit solicher unser hofrate jeder zeit uns zu eern und reputation ausehenlich gehalten werd . .' Präsident des Hofraths ist der oberste Hofmarschall,5 welcher zugleich Mit-
volker nationen practiken zu bedenken hat, und es soll in uuserm bei- oder abwesen in solchen rate niemaut komen, er werde dann sonderlich darein verordent oder erfordert'.
1 Archiv des Ministeriums des Innern, auf Pergament mit Ferdinands eigen- händiger Unterschrift (Spuren des abgerissenen Siegels), die Unterschrift des Kauzlers fehlt.
2 Bidermanu, S. 23.
3 So hiess auch derjenige der Kurfürsten, welcher beim Keichsregiineut (1500) stets persönlich anwesend sein und zuerst votiren musste. Vgl. Siegel, Rechtsgeschichte, S. "_''js.
4 Nach der Kauzleiordnung von 1528 war dies Aufgabe des obersten Kanzlers.
5 Er hatte zu den einzelnen Sitzungen einzuladen und den Personen, welche keine schriftliche Anfertigung erhielten, mündlich die Hofrathsbeschlüsse zu eröffnen. Dem obersten Hofmarschall stand auch die Jurisdic.tions- gewalt über das Hofgesinde zu. Alle Klagen gegen dasselbe waren bei ihm anzubringen, und ihm blieb es anheimgegeben, bei schweren Fällen einige der Hofräthe sich beizugesellen, um mit diesen sich als Gericht zu constituiren. Räthe und Adelige vom Hofe, welche in eine Criminal- untersuchung verwickelt waren, hatten ihm das Gelübde ritterlichen Ge- fängnisses oder das Versprechen der Nichtentweichung zu geben (Hof- ämterinstruetion von 1537). Gegen die Urtheile des Hofmarschalls war das Rechtsmittel der Supplication und Revision /.um Reichshofrath zulässig. Die Reichshofrathsordnuug vom 3. Juli 1617 besagt, dass ,es darbey noch- liiahlen wie es von alters Herkommen verbleiben" soll (Uffenbach, S. 25).
71
glied des geheimen Raths war. Während 1527 noeh der Kanzler allein als Haupt des Collegiurns hervortrat, welcher nicht nur über die zur Berathung kommenden Gegenstände Vortrag zu erstatten,1 sondern auch die Abstimmung zu leiten und das Er- gebniss derselben zu fixiren hatte, erscheint nach der Kanzlei1 Ordnung von 1528 schon der Hofmarschall mit den Präsidialfunc- tionen betraut, denn er ist es, der allerdings nach Anzeige des Kanzlers die Einladung zur Sitzung ergehen lässt und in der- selben Umfrage vornimmt, ohne dass bei dieser die Stand- oder Landangehörigkeit der Räthe berücksichtigt wurde.2 An Stelle des Königs, den er im Vorsitze vertrat, hatte er die erste Session im Collegium; bei seiner Verhinderung wurde einer der Hof- räthe mit der Wahrnehmung der Präsidialgeschäfte betraut.
Ueber die jurisdictionelle Function des Hofrathes gibt die Ordnung von 1541 ausführlich Aufschluss. Ihm werden über- wiesen alle Justitia- und Parteisachen mit Ausnahme derjenigen, welche in das Gebiet der Finanzen und des Kammerguts ein- schlagen, weil für solche die Hufkammer, resp. die Laudes- kammern und Regierungen zuständig waren. Beschleunigung der Rechtspflege war das Ziel, welchem Ferdinand zustrebte. Damit die armen Leute, welche aus Noth oder Einfalt dum Könige aus weiter Ferne, aus dein Reiche und den Erblanden nachreisten, durch rasche Erledigung ihrer Rechtssachen ge- fördert und nicht durch Verschleppung zu langem Aufenthalt und unnöthigen Kosten veranlasst würden, musste der Hofrath täglich nach dem Kirchengang Sitzung halten. Aber nicht nur Promptheit, sondern auch Gewissenhaftigkeit in Hand- habung der Justiz wünschte der König gewahrt zu wissen. Es wird deshalb den Hofräthen eingeschärft, dass sie an des Königs statt und in seinem Namen Recht sprechen, dass sie die ihnen unterbreiteten Sachen nicht übereilen, sondern mit höchstem Fleiss hören, berathschlagen und entscheiden — ,und gemainlich in allen handlungen meniglichem gleichs götlichs rechtens und abschids, auch förderlicher abfertigung aus unserm hofrat oder wo not, bei uns treulich verhelfen'. Um einer Geschäftsüberhäufung vorzubeugen, ward der Hofrath ange- wiesen, strenge Beobachtung des Instanzenzuges im Auge zu
1 1528 wurde bestimmt, dass der Parteieusecretär nach Anzeige des obersten Kanzlers die Sachen im Hofrathe vorbringen sollte.
2 Hofrathsordnung von 1541.
72
halten und die Processe, welche die Parteien mit Umgehung der in erster Instanz zuständigen Behörde ' an ihn gebracht haben, an die zuständige Obrigkeit zu verweisen, ausgenommen wenn die Klage gegen die ordentliche Obrigkeit selbst (Gerieht oder Regierung) in Bezug auf ihr Amt gerichtet war. Diese Competenzschranke war jedoch keine unumstössliche, denn es blieb dem Hofrath vorbehalten, aus beweglichen Ursachen jede zu seiner Cognition gebrachte Sache auch bei Nicht- einhaltung des Instanzenzuges zu erledigen.
Durch die Organisation des Hofraths wurde der Cabinets- justiz des Königs in keiner Weise vorgegriffen; sie wurde im Gegentheil im Sinne der Maximilianeischen Ordnung 1497 zur verfassungsmässigen Anerkennung gebracht, indem unter »••wissen Voraussetzungen ein Rechtsstreit dem König mit gut- achtlicher Aeusserung zur freien unbeschränkten Entscheidung vorgelegt werden musste. Dies war der Fall : 1. wenn eine Einigung unter den Räthen nicht erzielt werden konnte,2 oder 2. wenn die Sache ,so hochwichtig, tapfer und ansehnlich' er- schien, dass die Hofräthe selbst es für gerathen hielten, die Entscheidung des Königs einzuholen.
Ueber eine solche Sache wurde durch den Secretär oder je nach Lage der Sache durch den Hofniarschall und einige Käthe dem König Berieht erstattet,3 der dann nach eigenem Knnessen eine Entscheidung traf.
Hier sind also schon jene Elemente 4 gegeben, welche als sogenanntes votum ad imperatorem in den späteren Reichs-
1 ,ir nächst ordenlick obrigkait und gericht, auch unser furgesetzt land- furstliche regierungen'.
2 Also wenn Stimmengleichheit oder nur eine geringe Majorität vorhanden war, da im Allgemeinen das Majoritätsprincip anerkannt wurde.
3 Nach der Reichshofrathsordnuug von 1559 sollen die ausser dem Präsi- denten sich zum Kaiser begebenden Räthe namentlich die Referenten der betreffenden Sache sein.
4 Dieses sogenannte votum ad imperatorem war ein Rückschritt gegen- über der Bestimmung der Kanzleiordnung von 1528, dass, falls in grossen Sachen die Rathschläge gespalten seien oder sonst von denselben geredet würde, dass man keine endlichen Rathschläge wohl und verständiglich in der ersten Umfrage vernehmen möchte, die andere Umfrage geschehen und der Marschall mit einer Stimme das Mehrere machen soll. Hierin war der .Stichentscheid des Marschalls zur Anerkennung gebracht nicht nur für den Fall der Stimmengleichheit, sondern auch dann, wenn nicht eine ausgesprochene Majorität für eine Ansicht constatirt werden konnte.
73
hofrathsordnungeti unerkannt wurden. ' Durch dieses Institut wurde aber das Fundament des Gebäudes der Reichsjustiz- verfassung gefördert, denn die Reformen unter Max, insbesondere die Gründung des Reichskammergerichts waren hervorgerufen durch den Wunsch der Stände, eine Jurisdiction des Kaisers in eigener Person auszuschliessen und ihn in seiner Macht- vollkommenheit bezüglich der Besetzung dieses Gerichts zu beschränken.2 So ist es verständlich, dass die Reichsstände später wiederholt die Beseitigung dieses votum ad imperatorem forderten; es gelang ihnen jedoch nicht, etwas Anderes als eine nähere Regelung des Verfahrens bei Erstattung dieses Gut- achtens erlangen zu können.
In diesem Institut des votum ad imperatorem tritt so schon sehr früh der Charakter des Reichshofraths als eines persönlichen Gerichts des Kaisers 3 hervor gegenüber dem einer persönlichen Einwirkung des Kaisers entrückten Reichskammer- gericht, mit welchem er concurrirend die höchste Gerichts- barkeit im Reiche ausübte. Scharf kam dies zum Ausdruck in der Ordnung, welche Ferdinand III. (1G54) 4 dem Reichs- hofrath gab : , Unser k. Reichshofrat, dessen obristes Haupt allein wir und ein jeder römischer Kaiser selbst ist/ Auch sonst zeigte sich die Abstammung des Reichshofraths vom alten kais. Hofgericht in manchen eine innige Verbindung des Reichshofraths mit der Person des Kaisers bekundenden Vorschriften. 5
War der Hofrath nun auch vornehmlich höchster Ge- richtshof des Reiches (neben dem Reichskammergericht) und
'Fast mit den gleichen "Worten wie die Ordnung von 1541 hat die Reichs- hofrathsordnung von 1559 (abgedruckt bei Uffenbach, Vom kays. Reichs- Hoff-Ratli, Wien und Prag 1700, Maut. I., S. 8) dieses Institut geregelt, ausführlicher die Reichshofrathsordnung von 1651, tit. V, §. 18 ff. (Uffen- bach, a. a. O. S. 67).
2 Vgl. Stobbe, Reichskammergericht und Reichsgericht, Leipzig 1878, S. 36.
3 Der Kaiser hatte nur in allen anderen Fällen, wo die Voraussetzungen dieses votum ad imperatorem fehlten, auf die Ausübung der persönlichen Jurisdictionsgewalt verzichtet.
4 Uffenbach, S. 51.
5 So wurden die Eingaben der Parteien an die Person des Kaisers ge- richtet und die Rescripte wurden als vom Kaiser persönlich abgefasst behandelt. Feiner wurde der Reichshofrath beim Tode eines jeden Kaisers aufgelöst und die Reichshofrathskanzlei bis zur Wiederbesetzung des kaiserlichen Thrones geschlossen.
74
der Erblande, so blieb er doch die oberste Regierungsbehörde für diese Gebiete. Die Leitung der äusseren Politik und die Ueberwachung der gesamniten Verwaltung blieb ihm anvertraut, und zwar fast mit denselben Worten wie 1537, nur dass die Instruction 1541 die Competenz als höchstes Regierungscolleg für das Reich schärfer betont — ,und gemainlieh alles das emb- siglich zu betrachten, das zu erhaltung und friedlicher regierung gemainer christenhait, des h. reichs, auch unser kunigl. und furstl. hochait, land und leut aufnenien, frumen und wolfart raichen mag'. In allen diesen Regierungsangelegenheiten wird aber dem Hofrath keine entscheidende, sondern nur eine be- rathende Stellung eingeräumt. Es wird ihm auferlegt, ein schrift- liches Gutachten auf Grund seiner collegialen Berathung für den König abzufassen. Dieser behielt sich dann sein freies Entscheidungsrecht vor. So war also diese Centralstelle nach jeglicher Richtung von der Person des Königs abhängig.
Zur vollständigen Trennung der Geschäfte des Reiches von denen der Erblande konnte Ferdinand erst schreiten, nach- dem er an Stelle seines Bruders die Kaiserkrone erlangt hatte (24. März 1558). Kaum ein Jahr nach der Kaiserkrönung er- richtete er das Reichshofrathscollegium unter Benützung der Hofrathsordnung von 1541.
Wir müssen etwas ausholen, um die letzten Stadien der Vorgeschichte der ersten Reichshofrathsordnung zu skizziren.
Ferdinand war schon vor seiner Erwählung zum römischen Könige der Stellvertreter Karls V. während seiner Abwesenheit in den allgemeinen deutschen Angelegenheiten, ,sein anderes Ich', 1 darum konnte er auch zur Erledigung der Geschäfte des Reiches besondere Räthe in seinen Hofrath aus dem Reich organisch einfügen. Immerhin war es aber nur ein Theil der Reichsangelegenheiten, die ihm von seinem Bruder überlassen wurden, und dieser, wenn auch viel in Anspruch genommen durch die grossen Händel der europäischen Politik, musste sich doch auch wieder den Pflichten seines kaiserlichen Amtes widmen. Einzelne Hofräthe umgaben ihn wie seine Vorgänger auf dem kaiserlichen Throne, welche ihn auch bei Erledigung der das Reich berührenden Regierungsgeschäfte unterstützten
1 Vgl. Maurenbrecher, Ferdinaud I- (Allgemeine deutsche Biographie), VI., S. 634 ff.
75
und vornehmlich die Ausfertigung der kaiserlichen Erlässe besorgten. Zur Bildung eines förmlichen Collegiums konnte es bei dem ständigen Wechsel des Hoflagers nicht leicht kommen. Eine Vereinigung mehrerer Hofräthe zu gemeinschaftlichem Handeln fand nur statt in gerichtlichen Angelegenheiten. Von solchen Hofrathssitzungen behufs Entscheidung von Rechts- streitigkeiten wird wiederholt berichtet. Eine innige Wechsel- wirkung bestand zwischen der Thätigkeit des Hofraths und des Reichskammergerichts, indem stets in den Zeiten, in welchen letzteres inactiv war,1 die Parteien ihre Processe an den kaiser- lichen Hof brachten, wo sie der Kaiser durch seine Hof- räthe entscheiden Hess.2 Zu diesem Behufe verstärkte der Kaiser die Zahl seiner Hofräthe durch Mitglieder des einge- gangenen Reichskammergerichts.3 Solche Sitzungen des kaiser- lichen Hofraths fanden zumeist statt im Anschlüsse an die Reichstage,4 und es wurden zu diesen auch Grafen, Herren und Gelehrte, die gerade auf dem Reichstage anwesend waren, bciuezoi>en, obwohl sie nicht zu den kaiserlichen Hofräthen gehörten. Es waren aber nicht nur Geschäfte gerichtlicher Natur, welche diesen Hofräthen überwiesen waren, sondern es dürften auch die Grundzüge der Leitung der Reichspolitik nach aussen und innen Gegenstand der Berathung der kaiserlichen Hofräthe gebildet haben.5
Der unmittelbare Anstoss zu einer collegialen Organi- sation des Reichshofraths wurde wohl durch die von den prote-
1 Herchenhahn, I., S. 521, 525.
2 Der Hofrath machte die Annahme weitaussehender Rechtssachen sogar von der Nichtfunctionirung des Kammergerichts insoferne abhängig, indem er sich erst mit solchen befasste, wenn ein Stillstand am Kammergericht eingetreten war. Die Ladungen wurden sowohl vor den Hofrath als das Kammergericht erlassen in der Form: ,Vor uuserm kaiserl. Kammergericht, oder wenn dasselbe in bestimmter Zeit noch nicht in seinem Gang wäre, vor Uns, unserni Hofe zu Augsburg oder wo Wir alsdann seyu werden', zu erscheinen. Vgl. Harpprecht, VI., S. G.
3 Harpprecht, V., S. 34.
4 Zum Beispiel 1532 auf dem Reichstage zu Regensburg, 1550 auf dem zu Augsburg. Vgl. Herchenhahn, I., S. 515, 525.
5 Zum Beispiel das von Rauke a. a. O., VI., S. 136 veröffentlichte Gut- achten ,des kaiserl. Staatsratiis' über das gegen die Lutheraner einzu- schlagende Verfahren (Reichstag zu Augsburg 1530) verdankt wohl auch solchen Berathungen seine Entstehung.
7<;
stautischen Stünden 1552 zu Passau übergebenen ,gravamina' gegeben. Diese beriefen sieh darauf, dass der Vernunft nach jedes Reich am besten durch Angehörige des betreffenden Volkes regiert werde, welche die Verhältnisse der Unterthanen am besten kennen und bei diesen das grösste Vertrauen ge- messen; dagegen werde die Regierung des deutschen Reiches zuwider dem bei der Wahl gegebenen Versprechen des Kaisers durch Ausländer regiert, was zu grossen Unzukömmlichkeiten führe. ' Im Passauer Vertrage wurde den Stünden die Abstellung dieser gegen die spanischen Käthe gerichteten Beschwerden auf dem nächsten Reichstage zugesagt. Der kaiserliche Hofrath, welcher des Reiches und der Stünde Sachen berathe und erledige, soll stattlich mit deutschen Ruthen besetzt, die deutschen Sachen durch Deutsche gehandelt werden.- Auf dem Reichstage zu Augsburg 1555 mahnten sodann die Stünde Ferdinand an die zu Passau ertheilte Zusage und baten um Befürwortung der stündischen Bitten bei seinem kaiserlichen Bruder, ,dass der Kaiser seinen Hofrath mit deutschen, erfahrenen, geschickten, redliehen und tauglichen Personen besetzen und erhalten, dann auch einen ansehnlichen deutschen Präsidenten, durch welchen die Stände und Unterthanen, auch Gemeinden des Reiches Obliegen Ihrer Majestät nach Nothdurft angebracht, referirt, erledigt, auch die Bescheide und Decreta den Ansuchenden fürderlich gegeben werden'. Ferdinand versprach diese Bitte seinem Bruder befürwortend zu übermitteln. Da aber Karl V. sich schon damals mit der Absicht der Abdankung trug, blieb
1 , — so ist doch am Tag, dass solchem (Versprechen) zuwider, die Re- gierung der Reichs-Sachen . . . nun etlich Jahr hero in niemand anders, denn allein fremder Leute, die der Teutschen Nation und Zung, auch des Reichs, und zuvorderst der Teutschen Sachen und Gelegenheit, nicht genugsam hericht, Händen gestanden und noch stellet. Daraus dann, über das, dass es den Ständen, so der fremden Sprachen unkundig, sich mit ihnen zu bereden, oder ihre Sachen bey ihnen auszurichten, ganz schwer, auch soust allerley Unrichtigkeit, unbequeme Bescheid, Miss- verstand, Verzug und andere Nachtheil erfolgen.'
'-' Dies Erforderniss der deutscheu Reichsangehörigkeit für das Reichshofratbs- personal wurde noch nicht in der Ordnung von 1559, sondern erst 1617 ausdrücklich betont: , Personen, so im Reich Teutscher Nation und des- selbigen 10 Creisen, unausgeschlosseu unser Nied. & Ob. Oesterr. Landen gebohrn & erzogen' (Uffenbach, S. 21).
77
es Ferdinand überlassen, alsbald nach seiner Kaiserkrönung eine Reform in diesem Sinne durchzuführen.
Er knüpfte sie an die Ordnung, welche er seinem könig- lichen Hofrathe 1541 gegeben hatte, und die Reichshofraths- ordnung, ' welche er am 3. April 1559 zu Augsburg publieirte, stimmt in weitaus den meisten Theilen mit dieser Vorlage wörtlich überein.2
Wie 1541 wird auch 1559 der Hofrath nicht als Neu- schöpfung behandelt, sondern mit den gleichen Worten aus- gedrückt, dass der bisherige Hofrath nur verstärkt werden soll, und zwar auch jetzt nicht ausschliesslich durch Personal aus dem Reiche, sondern auch aus den österreichischen Erblanden.3 An der Spitze des Collegiums stand nicht mehr der Hofmarschall, sondern es wurde ein besonderer Hofrathspräsident ernannt mit den gleichen Functionen, wie sie früher der Hofmarschall ver- sehen hatte.4 Neu ist die Bestimmung, dass, wenn der Kaiser auf einem Reichstage in seinem Reichshofrathe — einzig au dieser Stelle kommt diese Bezeichnung vor — einen Fürsten gebrauchen wolle, der Hofrathspräsident diesem den Vorsitz und die übrigen Präsidialfunctionen für die Dauer seiner An- wesenheit in der Sitzung abzutreten habe. Die Zahl der Räthe wird nicht bestimmt. Als ein Mitglied wird jetzt eingeführt der
1 Eine kurze Inhaltsangabe findet sich bei Herchenhahn, L, S. 541 ff.
2 Wo 1541 von einem königlichen Hofrathe die Eede ist, wird 1559 stets von einem kaiserlichen gesprochen. Der Ausdruck ,Reichshofratli' wird nur an einer einzigen Stelle gebraucht. Selbst die Einleitung ist gleich- lautend in beiden Ordnungen.
3 ,So haben wir bis anheer zu furdrung und Verrichtung der justicia und parteiensachen unsern königlichen [kayserl.] hofrate erhalten, welichen wir auch hinfuran gleichermassen erhalten und der notturft nach mit noch mer aiisehenlichen, erbarn, frommen, geschickten und geierton personen aus dem reich und unsern n. & ob. ö. landen ersetzen und all justici- & partlieien händl (ausserhalb deren, so vinanzsachen und unser chamer- guet [1559: Cammergericht] belangen) für beruerten unsern hofrate zu erledigen remittiein & weisen wellen.' Die Veränderung , Cammergericht' (1559) statt ,Chamerguet' (1541) beruht offenbar nur auf einem Schreib- fehler, denn auch Rudolfs II. Reichshofraths-Instruction hat (tit. V bei Uffenbach, S. 14) ,Cammer-Gut'.
4 Carl Graf zu Zollern, des Reichs Erbkämmerer, ward 1559 zum Präsi- denten des Reichshofraths ernannt. Der Stellvertreter des Präsidenten, welcher nach der Ordnung von 1541 durch den Kaiser ernannt wurde, ward jetzt vom Ersteren selbst aus der Zahl der Räthe bestellt.
78
Vicekanzler, obwohl keinerlei Functionen desselben erwähnt werden, welche in einem ausschliesslichen Zusammenhange mit dem Reichshofrath stünden. Er hat den gesammten an den Kaiser gerichteten Einlauf, ausgenommen die zu eigenen Hän- den stehenden, zu eröffnen und je nach dem Inhalte an den Reichshofrath, die ungarischen, böhmischen, österreichischen Hof- und Kammerräthe zu vertheilen. Hieraus ersieht man, dass neben dem Reichshofrath ein speciell österreichischer Hof- rath sich forterhalten hat.
Im Ganzen prägt die Reichshofrathsordnung von 1559 dem Collegium den Charakter eines höchsten Reichsgerichtshofs auf, ohne dass im Wesentlichen eine bedeutsame Aenderung gegen- über den Anordnungen von 1541 getroffen worden wäre. Na- türlich werden manche Momente neu geregelt, die vorher noch nicht normirt waren.1 Die meisten Modificationen sind ohne einschneidende Bedeutung und viele der neu hinzugefügten Be- stimmungen sind rein reglementarischer Natur, besonders solche, welche das Verfahren normiren,2 manche nur mehr ins Detail
1 Betreffs der das Kammergut und die Justitia berührenden Processe blieb weitere Anordnung- vorbehalten. — Als Richtschnur für die Reihenfolge der Verhandlungen diente, dass zuerst die eigenen Sachen des Kaisers, dann die keinen Verzug erleidenden Sachen, darnach die Angelegenheiten der Witwen, Waisen und armen Leute und endlich die übrigen Partei- sachen nach den Einlaufsterminen zur Berathüng kommen sollen.
2 Die Umfrage soll wechseln zwischen den Laien und den Gelehrten im Collegium. Diese sollen die Abstimmung eröffnen in den das heil. Reich betreffenden Justizsachen, jene in Staats-, Landes- und anderen Sachen. — Die Ordnung in der Abstimmung darf nicht gestört werden, Keiner dem Andern ins Wort fallen. Ueberflüssige Wiederholungen sind zu ver- meiden. Räthen, welche die verlesenen Schriftstücke zum Studium mit nach Hause nehmen wollen oder sich bei schwierigen Fragen Bedenkzeit zur Abgabe ihres Votums erbitten, soll dies vom Präsidenten nicht ab- geschlagen werden. — Wenn die Parteien einzelne Hofräthe ausserhalb des Raths ansprechen, dürfen sie dieselben wohl mit allgemeinen Redens- arten, dass die Sachen nach Billigkeit, erledigt werden u. s. w., hinhalten, aber ihnen nicht ihre Stimme versprechen oder Rath ertheilen über die Einrichtung und Verbesserung ihrer Schriftsätze. Auch sollen sie, wenn eine Partei ungünstigen Bescheid erlangt hat, sich nicht für ihre Person mit Worten oder Geberden schön machen wollen oder ihre Collegen be- schuldigen; ebenso sollen sie sich hüten, sieh allein eines günstigen Be- scheids zu berühm en. Jeder Hofrath soll eine Abschrift dieser Ordnung haben, welche quartaliter durch einen Secretär verlesen werden muss. Auf der Hofrathstafel müssen stets ein Exemplar der goldenen Bulle,
79
gehende Ausführungen schon früher betonter Grundsätze. Um so mehr muss es auffallen, dass jetzt lediglich der jurisdictio- nellen Thätigkeit des Collegiums gedacht wird und der Cha- rakter einer höchsten Regierungsbehörde nirgends hervortritt. Jener aus der Instruction von 1537 übernommene Absatz der Ord- nung von 1541, * welcher namentlich die Fragen der auswärtigen Politik dem Hofrath zur Berathung überwies, fehlt 1559 gänzlich. Wahrscheinlich wollte der Kaiser solche Materien künftighin nicht mehr in einem starkbesetzten Collegium, sondern nur mit wenigen geheimen Räthen berathschlagen. Befremden muss es aber immerhin, dass der Charakter als Regierungsbehörde auch an keiner anderen Stelle der Reichshofrathsordnung betont wird. Und doch lässt sich nicht annehmen, dass jene Zweige der Regierung wie Lehen, Privilegien u. s. w., welche in späteren Ordnungen ausdrücklich als zur Competenz des Reichshofraths gehörig: angeführt wurden, nicht schon unter Ferdinand I. in den Geschäftskreis des Reichshofraths fielen. Die späteren Reichs- hofrathsordnungen waren überhaupt viel ausführlicher als ihre Vorgängerin von 1559, sie wollten nicht die gegebenen Grundlagen umgestalten, sondern die überlieferten Vorschriften mit erläu- ternden Zusätzen versehen.2
So war denn auch diese Schöpfung Ferdinands eine dauernde. Die von ihm entworfenen und ausgeführten Grundzüge geben der künftigen Gestaltung eines der wichtigsten Organe der Re- gierung des deutschen Reichs Ziel und Richtung. Seine Ord- nung von 1559 bildet den Rahmen, innerhalb dessen sich die Entwicklung des Reichshofraths3 vollzieht. Auf dieser Basis erhält er sich als ein kräftiges Bollwerk kaiserlicher Macht bis zum Untergang des alten deutschen Reichs.
Landfrieden und anderer Reichsgesetze und auch andere Rechtsbücher, deren man in zweifelhaften Handlungen nicht entbehren kann, liegen; sie sollen dem kaiserlichen Hoflager nachgeführt werden.
1 Siehe S. 74.
2 Vgl. zum Beispiel Eingang zur Reichshofrathsordnung des Kaisers Mathias von 1617 (Uffenbach, S. 21). Diese ist auch in Titel eingetheilt, hat also eine gewisse systematische Gliederung, während die von 1559 einer solchen entbehrt, wie die Conception dieser letzteren überhaupt viel zu wünschen übrig lässt.
3 Ueber diese gibt Aufschluss F. C. Moser, Pragmatische Geschichte und Erläuterung der kaiserlichen Reichshofrathsordnung, Frankfurt und Leipzig 1751 f. (2 Bde.).
80
2. Der geheime Ratli.
Die Entstellung des geheimen Eiathscollegiums entzieht sicli in ihren Anfangsstadien unserer Kenntniss. Ks unterlieg! aber keinem Zweifel, dass das Bedürfniss des Herrschers, sieh über die wichtigsten Regierungsgeschäfte mit einigen wenigen besonders vertrauenswürdigen Räthen zu berathschlagen, dazu führte, einige angesehene Hofräthe mit diesem Vertrauen des Monarchen zu beehren, namentlich in solchen Angelegenheiten, welche ihrer Natur nach weniger zur collegialen Berathung in einem grösseren Kreise geeignet erschienen, auch darum, weil an ihrer Geheimhaltung viel gelegen war. Schon in früher Zeit linden wir an den Hufen des deutschen Königs und der Landesherren solche geheime oder heimliche Käthe,1 mit welchen intime Regierungsfragen besprochen wurden. Wie der souveräne Wille des Herrschers überhaupt im Mittelalter solchen Verhält- nissen der Regierungsgewalt ein persönliches Gepräge verlieh und die im Flusse befindlichen Verhältnisse sich erst allmälig zu einer festen Gestalt durchrangen, so ist auch das geheime Rathscollegium das Product einer mehrhundertjährigen Ent- wicklung. Als besondere Behörde — einzelne Räthe gab es ja zu allen Zeiten — hat es sich erst aus dem Kreise der Hof- räthe herauskrystallisirt. In Oesterreich lassen sich die ersten Spuren des geheimen Raths zurückverfolgen bis in die Zeiten Friedrichs III. Dem Enea Silvio, welcher vermöge seiner Stellung am Hofe dieses Kaisers uns am ehesten über die Ein- richtungen an demselben unterrichten konnte, danken wir die erste Kunde von den Anfangsstadien der Entwicklung des geheimen Raths. Nach dessen Schilderung2 zog sich der Kaiser mit einigen wenigen der am Hofe versammelten Räthe, welche
1 Waitz, Deutsche Vcrfassungsgeschichte, Kiel 1875, VI., S. 292 f.
2 Aeneas Sylvius, Historia Friderici III. (Boeler), Argentc-rati 1582, p. 102: ,Tres tantum viri apud Caesarem auditi sunt, qui plus caeteris sapere putabantur . . . Cum his enim Caesar in abditas cameras seso reduc.ere solitus erat resque cune.tas eorum consilio gerere: sive quod eos prae ceteris prudentiores existimavit, sive quod fidem eorum soli- diorem oredidit . . .' und an anderen Stellen, lieber die Bedeutung dieser sogenannten Geschichte Friedrichs III., die als Denkwürdigkeiten dieser Zeit ihren Werth behalten, da Sylvius als ein Mithandelnder schildert, vergleiche jetzt v. Wegele, Geschichte der deutschen Historiographie, München und Leipzig 1885, S. .",s.
81
sicli durch ihre Klugheit auszeichneten oder deren Vertrauens- würdigkeit er besonders hoch schätzte, zurück, um mit ihnen Staatsangelegenheiten von hervorragender Wichtigkeit zu berat- schlagen. Dieser Zustand hat sich auch unter Maximilian nicht geändert trotz der Organisation des Hofraths und der sehr weit- gehenden Competenz, welche die Instruction demselben ein- räumte. Denn es gab eine Reihe von Angelegenheiten, vor- nehmlich auf dem Gebiete der auswärtigen Politik, welche sich, wie erwähnt, ihrer Natur nach überhaupt nicht zur Berathung in einem grossen Collegium eigneten. Solche Fragen erwog dann der König mit einigen Käthen, wie Serntein, P. von Lichtenstein, Lang, Eitelfritz von Zollern, Villinger ' u. A., deren Einfluss auf den König den Zeitgenossen grosses Aergerniss erregte. Die Kategorie der geheimen Sachen bildet auch jetzt eine Specialgruppe unter den allgemeinen Regierungsangelegen- heiten.2 Zu einer festen Organisation des geheimen Raths waren die Verhältnisse aber noch nicht gediehen. Das Innsbrucker Libell von 1518 fixirt auch nur den bisherigen Rechtszustand, bekundet aber doch darin einen Fortschritt im Entwicklungs- process des geheimen Raths, dass nun zum ersten Male in einem grundlegenden Organisationsstatut die Gattung der geheimen Sachen ausdrücklich von der Competenz des Hofraths eximirt wird. Dieser soll, so wird hier bestimmt, Parteisachen, Gnaden u. s. w. handeln, ausserhalb unserer aygnen geh ahnen grossen Sachen'. Diese sind also von den Plenarberathungen ausge- schlossen und werden nur mit einigen dieser Hofräthe berathen, 3 doch steht es natürlich im Belieben des Kaisers, auch solche wichtige und bedeutende Angelegenheiten im Plenum behandeln zu lassen. ' Von einer förmlichen Zusammensetzung des ge- heimen Raths ist also hier noch nicht die Rede. Es liegt aber auf der Hand, dass die bevorzugten Hofräthe, welche
1 Eine Charakterik dieser Räthe und ihres Einflusses gibt Ulmann, S. 804 ff.
2 So heisst es in der Schatzmeisterordnung für Villinger von 1514 (ab- gedruckt bei Adler, S. 548): ,als ... V. lange zeither in unsern treff- lichen gehaymen Tewtschen Waelschen und Niderlendischen Sachen und geschaeften . . .'
3 Vgl. Zeibig, S. 228.
4 ,Zu dem das auch zu unserm gefallen steht unser geheim gross sachen je zu zeiten mit den Hofräthen oder etlichen auss jnen zu berathschlagon' (Innsbrucker Libell).
Archiv. Bd. LXIX. I. Hälfte. ü
S2
regelmässig zur Erledigung der geheimen grossen Sachen heran- gezogen wurden, sich bald als die geheimen Käthe aus dem Gros der TTofräthe heraus zu einem besonderen Collegium ab- geschlossen haben. Hier waren also die triebkräftigen Keime gegeben, aus welchen sich die Institution des geheimen Raths entwickeln konnte. Es war nur ein Schritt hiezu erforderlich und diesen machte Ferdinand.
Das Jahr der Errichtung des geheimen Raths lässt sich nicht fixiren. Wahrscheinlich wurde er zugleich mit dem Hof- rath ins Leben gerufen, denn die Kanzleiordnung von 1527 regelt in gleicher Weise die Thätigkeit des Kanzlers im geheimen Rath und im Hofrath.' Bei beiden Behörden soll er das zur Be- rathung kommende Material vorlegen und die Stimmen sammeln. Auch die Kanzleiordnung von 1527 erwähnt in gleicher Weise Hofrath und geheimen Rath, so dass an einer festen Organi- sation beider Behörden nicht gezweifelt werden kann.
Ein Organisationsstatut, eine Instruction für den geheimen Rath ist aus der ganzen Regierungszeit Ferdinands nicht er- halten. Ob eine solche überhaupt existirte, steht nicht fest. Möglich, dass, wie der geheime Rath als ein , Ausbruch' aus dem Hofrath 2 betrachtet wurde, aus welchem er sich herauskrystal- lisirt hatte, auch die für diesen erlassene Instruction auf ihn An- wendung fand, denn die in den Instructionen von 1537 und 1541 dem Hofrathe zugewiesene Aufgabe der Erledigung der in das Gebiet der auswärtigen Politik fallenden Geschäfte gehört offen- bar zu den vorzugsweise zum geheimen Rath ressortirenden Gegenständen. Der Kreis dieser Materien grenzte sich ab nach
1 , Erstlich soll aiu ansehenlicher verstendiger, vertrauter, geschickter und fromer canzler sein, der soll im rate, es sei bei k. maj. in dem gehaimen rate oder im hofrat die merern stimb collegieren und zusamen merken, materi proponieren, auch all supplication durch ine oder wem er des be- vilht und sonst keins andern hant furbracht werden, es sei bei k. maj. oder in den reten' (Kanzleiordnung von 1527).
2 Die ähnlichen Verhältnisse und die gleichwirkenden Kräfte zeigen auch . in anderen Staaten denselben Entwicklungsgang der Absonderung der ver- trautesten aus dem Gros der Räthe, z. B. in Frankreich, wo sich seit dem Ende des 14. Jahrhunderts aus dem conseil du roi ein secretius consilium abgezweigt hatte. Unter dieser Bezeichnung werden diejenigen Mitglieder zusammengefasst, mit welchen der König solche delicate Fragen, die er nicht dans son plein conseil erörtern wollte, berathschlagte. Vgl. Par- dessus, Essai historique sur i'organisation judiciaite, Paris 1851, p. 147.
83
dem im Innsbrucker Libell betonten Gesichtspunkte der geheimen und hervorragend wichtigen Sachen. Eine schärfere Umgrenzung war nicht erforderlich, da die Verwaltungspraxis den Umkreis dieser Geheimrathsgeschäfte genauer festgestellt haben dürfte und der Kanzler durch seine Geschäftsgewandtheit und Er- fahrung in der Lage war, diejenigen Schriftstücke des Einlaufs, welche ihrem Inhalte nach zum Geschäftskreis des geheimen Raths gehörten, auszuscheiden und an diesen auszutheilen. Dass auch ungeachtet der traditionell oder instructionsmässig fest- gesetzten Amtssphäre der persönliche Wille und das Vertrauen des Herrschers hier ein massgebender Factor blieben und die Grenze derselben bald enger, bald weiter rückten, bedarf bei einer Institution, welche, aus dem Vertrauen des Monarchen her- ausgewachsen, denselben in den höchsten Regierungsgeschäften zu berathen und zu unterstützen berufen war, keiner Erklärung. Den Kernpunkt der Geheimrathsfunctionen bildeten aber die Angelegenheiten der auswärtigen Politik, die Beziehungen zu den fremden Staaten und insbesondere die Verhandlungen über Krieg und Frieden.1 Dazu kamen dann die Materien von her- vorragender Wichtigkeit aus allen Ressorts, Alles, was die Räthe vorzubringen für gut fanden, auch wenn es seiner Natur nach vor das Forum einer anderen Behörde, z. B. der Hofkammer oder des Hofkriegsraths gehörte. Alles, das Bedeutendste und das Unbedeutendste2 konnte in diesem Organ zur Ausübung der staatlichen Hoheitsrechte in den verschiedensten Beziehungen zur Berathung kommen, sobald der Monarch ein Interesse
1 Schon zur Zeit Ferdinands war die Competenz des Collegiums bestimmt in der vom venetianischen Botschafter Caraffa 1628 geschilderten Weise (ed. Müller im Archiv f. Kunde österr. Geschichtsquellen, XXIII., S. 295): II Consiglio Secreto, che in altre parti si chiama di Stato e quello dal quäle dipendono tutte l'importanti risolutioni. Ordina e comanda tutto quello, che riguarda lo Stato, la pace, il governo, gl'interessi della Camera. Modera tutte le attioni de gli altri, e tratta e discute tutto quello, che qualunque Ministro delibera . . . Die Competenz des geheimen Raths Ferdinands dürfte vollständig übereingestimmt haben mit jener des conseil d'etat Karls V., welchen dieser in den Niederlanden hatte. Derselbe be- handelte ,les grandes et principales affaires et celles qui concernaient l'etat, conduite et gouvernement du pays, c'est-ä-dire les affaires de la guerre et de la paix et les demelees avec les puissances etrangeres'. (Vgl. De Neny, Menioires historiques et politiques sur les Pays-Bas autrichiens, Amsterdam 1785, II., p. 82).
2 Zum Beispiel Petitionen von Privatpersonen.
6*
K4
daran hatte, die Ansicht seiner vertrautesten Käthe über eine Sache zu hören. Fehlt, uns so auch eine Grundlage für eine scharfe Umgrenzung der Amtsgewalt, so lässt doch ein ver- gleichender Blick auf die Competenz des geheimen Raths in anderen Staaten, sowie die Berichte zeitgenössischer Beobachter keinem Zweifel Raum, dass oben der Kernpunkt seines Amts- kreises richtig beschrieben wurde, denn die Angelegenheiten, für welche Specialbehörden existirten, wurden doch nur aus- nahmsweise in den geheimen Rath gebracht. Der geheime Rath war die angesehenste, allen übrigen vorgesetzte Behörde, hatte aber nur berathende Befugnisse. Im Hofstatus nehmen deshalb auch die geheimen Räthe die erste Stelle ein, vor den Hof- und den Hofkammerräthen. Die Zahl derselben wechselte, je nachdem das Vertrauen Ferdinands einer grösseren oder ge- ringeren Anzahl von Personen zutheil wurde. Er selbst dürfte wohl oft persönlich in den Sitzungen präsidirt1 haben, während in seiner Abwesenheit der oberste Hofmeister 2 als das dem Range nach hervorragendste Mitglied die Präsidialfunctionen versah.3 An Bedeutung und Einfluss überragte der Kanzler alle übrigen Geheimräthe,4 denn seine Thätigkeit, von der bereits
1 Nur eine Person, der oberste Kanzler Bernhard, Bischof von Trient (1538 entlassen), kommt zwischen 1535 und 1537 wiederholt als Präsident des geheimen Raths vor. Nach ihm wurde diese Präsidentenwürde nicht mehr verliehen.
2 Ueber die Entwicklung- der Stellung- des Hofmeisters im kaiserlichen Rath vgl. Seeliger, Das deutsche Hofmeisteramt im spätem Mittelalter, Innsbruck 1885, S. 89 ff. Die -Bemerkung S. 110, dass mit dem Hin- scheiden Maximilians der Wirksamkeit des Hofmeisters im Rathe über- haupt ein Ende bereitet worden sei, trifft aber nicht zu.
3 Der oberste Hofmeister wurde nach der Hofäinter-Instruction von 1537 als die oberste Person am Hofe und als Repräsentant des Königs in seiner Abwesenheit in den Räthen, bei anderen Fürsten und in anderen Regierungshandlungeu betrachtet. Es soll, heisst es hier, ,in den Räthen' offnen Verhören und Sessionen oder sonst Handlangen von unsertwegen, wo das uns persönlich zu thun nicht gelegen sein will, unser Kanzler oder der Hofmeister Red und Antwort geben und thun . . .'
4 Als Geheimräthe werden aufgeführt 1543 — 1546 : oberster Hofmeister H. Hofmann, Vicekanzler Dr. Jonas, böhmischer Kanzler Graf H. von Plauen, Hofmarschall H. Trautson, Freiherr zu Sprechenstain; 1554 kommt noch Dr. G. Gienger zu den vorigen. In dem Schlussbericlit des Venetianers Navigiero von seiner Gesandtschaft bei Kaiser Ferdinand eharakterisirt er die einzelnen geheimen Räthe. Er sagt u. A.: .jetzt hat Se. Majestät allein Hofmann als Rathgeber und Herrn Gienger, aber
85
gehandelt wurde, insbesondere der Vortrag über die zur Dis- cussion gelangenden Gegenstände gestattete ihm eine tiefgreifende Einwirkung auf den Gang der Berathungen und Entscheidungen. Auch der oberste Hofmarschall und der böhmische Kanzler (Graf von Plauen) kommt unter den geheimen Räthen regel- mässig vor. Hofmeister, Hofmarschall und Kanzler waren offen- bar kraft ihres Amtes schon Mitglieder des geheimen Raths. Die Söhne des Königs werden auch als solche genannt.1
So sind wir gerade bei der wichtigsten aller Behörden von den Quellen im Stiche gelassen. Nichtsdestoweniger dürfte diese kurze Skizze2 genügen, um ein Bild von der Bedeutung und Wirksamkeit dieser Centralstelle zu gewinnen, welche nach Durchführung des Princips der Arbeitstheilung in der Verwaltung durch die Einrichtung von Specialbehördeu die Aufgabe hatte, alle Ressorts in einem Brennpunkte zu sammeln. Nur so war es mög- lich, Ueberblick über das Ganze der Regierung und Verwaltung
Hofmann ist Alles in Allem' (Bucholtz, VI., S. 495; vgl. Bidermann, S. 63).
1 In dem Berichte des venetianischen Botschafters J. Michele von 1564, edirt von Fiedler in: Fontes rerum Anstriacaruui, Band XXX, S. 248 heisst es: ,Di molti eouseglieri adunque, che. havea in tempo mio l'Imp™. quelli che intervenivano insienie cou li figlioli di Sua M**. nel conseglio secreto, ö di stato, come dicono che e il piü importante, si ristringevano in sei, che li altri consiglieri, ö fussero del conseglio Aulico ö fussero di quello della camera, dove si tratta di cose dependenti da danari solamente, et dalle entrate Regie, ö di quello della guerra, ö di quello d'Ongaria non erano considerati, ne stimati piii che tanto.'
1563 bericlitete G. Michele über- den geheimen Ratli wie folgt (a. a. O., S. 213): ,11 Conseglio principale e quello che si dimanda se- creto, nel qnale Sua Maestä tratta le cose piü importanti di stato et ogn' altra cosa, ne inai si tiene se non alla presenza sua.' Es kommen in denselben die Söhne des Kaisers und vier Käthe: der Marschall, der oberste Kanzler von Böhmen. Dr. Gienger und Vicekanzler Dr. Seid, von welchem er in der Charakterisirüng der Räthe sagt, dass er in Reichs- angelegenheiten ,ö quasi solo, che fä il tutto'.
2 Ich bin mir vollkommen bewusst, dass diese Ausführungen höchst un- genügend sind. Allein trotz des freundlichsten Entgegenkommens der Herren Archivbeamten war es nicht möglich, auf die Geschichte des Geheimrathes unter Ferdinand bezügliches Material zu finden. Es ist dringend zu wünschen, dass diese Behörde bald ihren eigenen Geschichts- schreiber findet. Für eine solche Monographie dürften sich noch manche historische Notizen mosaikartig verwerthen lassen, welche im Rahmen dieser Darstellung der Collegialbehörden -Verfassung überhaupt keinen Platz finden konnten.
86
gegenüber der Specialisirung staatlicher Functionen zu behalten und zu verhüten, dass das Nebeneinander verschiedener Central- behörden durch einseitige Betonung des Ressortstandpunktes zu einer Schädigung des Staatsganzen führte, und zu erreichen, dass Hemmungen und Reibungen des vielgestaltigen Behörden- apparates durch die einheitliche Leitung des gesammten Staats- wesens seitens des geheimen Raths hintangehalten wurden. In ihm war wie im Monarchen eine Centralstelle geschaffen, welche die Einheit der Monarchie verkörperte, welche regulirend ein- griff in alle Zweige staatlicher Thätigkeit, welche ihre Wirk- samkeit auf alle Theile der Monarchie unterschiedslos erstreckte.
Offenbar hatte der geheime Rath selbst nach Gründung des Reichshofraths den Kaiser auch in Reichsangelegenheiten zu berathen, denn der Hauptkreis seiner Thätigkeit bestand ja in Erledigung von Geschäften der auswärtigen Politik. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet waren die Reichsangelegen- heiten ein für die Leitung der österreichischen Hauspolitik entscheidender Factor, und es war natürlich, dass der Kaiser mit denjenigen seiner Räthe, welche ihm am vertrauenswür- digsten erschienen, über diese für seine Regierung wichtigsten Angelegenheiten Berathung pflog. Die geheimen Räthe konnten, was die Reichshofrathsordnung von 1617 ausdrücklich anerkannte, stets den Sitzungen des Reichshofraths beiwohnen und diesem sogar als vorgesetzte Stelle Befehle ertheilen. l
Die Stände hatten bei Berathung des Concepts dieser Ordnung erinnert, ob nicht eine vollständige Ausschliessung der geheimen Räthe vom Reichshofrath einzuführen wäre. 2 Die Reichshofrathsordnung von 1654 fixirte die Zahl der Mitglieder des Reichshofraths auf 18 und entsprach dem Wunsche auf Ausschliessung der geheimen Räthe3 vom Reichshofrath.
1 ,Da auch unser Geheime Räth solchen unsern Hoff-ßath besuchen, oder sonst von unsert wegen demselben was anzeigen & befelchen würden, solle unser Praesident . . . dieselben, darunter auch unsern Reichs-Vice- Cantzler, als der dess Ertz Cantzlers Stelle vertritt, mit geziemendem Respect, wie vorher gebräuchlich gewesen, in Acht nehmen und unsere Reichs-Hoff-Räthe dasselbe nicht weniger zu thun sich befleissen' (Uffen- bach a. a. O., S. 22).
2 Correspondenztag zu Nürnberg vou 1615. Vgl. F. C. Moser, Geschichte des Reichshofrathes, I., S. 616.
3 Baiern monirte 1641, dass Einer oft mit seinen Sollicitationen wegen negotia imperii beim Reichshofratli an den Hof-, Kriegs- oder geheimen
87
E x c u r s.
Bei dem Zusammenhange, in welchem die Anfänge des geheimen Raths in den deutschen Territorien mit dem Ferdi- nandeischen Vorbilde stehen, dürften nachstehende zum grössten Theile aus archivalischen Quellen stammende Notizen einiges Interesse erregen.
In Bai er n entzieht sich das erste Entwicklungsstadium des geheimen Raths ebenfalls unserer Kenntniss. Ein ähnlicher Bildungsprocess wie in Oesterreich kann auch hier angenommen werden. Einzelne geheime Räthe kommen früher vor,1 zu einem Collegium dürfte der geheime Rath aber erst im achten Decen- nium2 des 16. Jahrhunderts formirt worden sein.3 Der Zusammen- hang mit dem Hofrath bleibt auch hier gewahrt, d. h. der ge- heime Rath ist nichts Anderes als ein Ausschuss des Hofraths, welcher für seinen Amtskreis, z. B. die Geschäfte der auswär- tigen Politik, ein selbstständiges Colleg bildet; die geheimen Räthe sind im Uebrigen verpflichtet, an den Sitzungen des Hofraths theilzunehmen.
Ueber Bildung und Bedeutung des geheimen Raths in der Pfalz gewährt Aufschluss die Kanzleiordnung ' des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm (ungefähr 1557). In dem Abschnitt über die geheime Kanzlei erklärt der Pfalzgraf, dass er aus der Mitte des Hofmeisters, Kanzlers und Vicekanzlers und anderer be- stellter Räthe , sonderbare vertraute Personen erwählen wrolle',
Rath verwiesen würde, und beantragte deshalb, den Kaiser zu bitten, die Reichssachen beim Reiehshofrathe vor als nach zu lassen. (Vgl. F. C. Moser, IL, S. 9.)
1 Neudegger, Geschichte der baierischen Archive, München 1881, S. 4, versetzt die collegiale Formirung des geheimen Rathes in die Regierungs- epoche Wilhelms V. (seit 1579), nachdem Albrecht V. nur einzelne ge- heime Räthe' um sich versammelt hatte.
2 So erklärt Herzog Wilhelm V. in einem Antwortschreiben auf die Landtags- beschwerden von 1583, dass er die Posten — es handelt sich um Erspa- rungen — nicht für sich selbst, sondern mit Rath und Gutachten ,dero gehaimen räth und fürnembsten officier' gehandelt habe. (Beschreibung des Landtages von 1583, Manuscript im königl. Kreisarchiv München.)
3 Eine Eidesformel des Sccretärs des geheimen Rathes ist vom 23. Fe- bruar 1585 datirt. (Königl. geheimes Hausarchiv zu München, Nr. 1712 E n. 1.) Er ist dem geheimen Rathe zugeordnet, hat in demselben nur auf Erfordern zu erscheinen, sonst ist er im Hofrathe thätig.
4 Copie im grossherzoglich badischen General-Landesarchiv zu Karlsruhe, dessen Benützung mir mit dankenswerther Liberalität gestattet ward.
88
deren Raths er nach Gelegenheit, einer und der anderen Sache gebrauchen wurde.1 Es zeigt sieh hier also in auffallender Weise derselbe Entwicklungsgang, welchen wir oben für Oesterreich annahmen. Der Kreis der diesen geheimen Käthen anvertrauten Geschäfte erstreckte sich hier auf die eigenen Sachen des Fürsten und die wichtigsten Staatsangelegenheiten, also namentlich auf die Fragen der auswärtigen Politik.2
Auch für das, was wir oben andeuteten, findet sich hier eine Bestätigung, für die Befugniss des Herrschers, Alles, was ihm gut scheint, vor das Forum seines geheimen Raths zu ziehen — ,wie auch all dasjenige, so wir geheim zu halten befehlen werden, zu solcher unserer geheimen canzlei soll gezogen werden'.
Zu fester collegialer Formation war aber die Entwicklung noch nicht gediehen. Wenn auch an einer Stelle von , anderen unseren geheimen Räthen' gesprochen wird, so war doch der Kreis derselben so wenig fest abgeschlossen, dass sich der Pfalzgraf vorbehielt, diejenigen geheimen Räthe zu bezeichnen, welche zu einer bestimmten Sitzung berufen werden sollen. :! Das zeigt, dass wir es noch mit den Anfängen dieser Institution zu thun haben.
Auch in Württemberg entwickelte sich das geheime Rathscollegium aus der allgemeinen Regierungsbehörde, dem sogenannten Oberrathe, indem wichtige einheimische oder aus- wärtige Angelegenheiten, Reichs-, Kreis-, Kriegs- oder Landes- sachen, bei denen die Publicität schaden konnte, nicht im Plenum
1 , Diejenigen', heisst es weiter, ,so wir dergestalt in geheimen Sachen indif- ferenter zu Rathe ziehen, sollen nicht allein alle Momente derselben mit Fleiss ponderiren und uns ihre Meinung ohne Passion, Forcht oder Scheu rund und aufrichtig anzeigen und auch Andern das, so wir ihnen an- vertrauen, nicht communiciren.'
- ,Zu solcher unsrer gehaimen Canzlei sollen unsre eignen Sachen und dann wichtige geheime uniones Einigungen, Werbungen, coiumunicationes Correspondentien, so wir mit ausländischen Potentaten, derselben Käthen und Dienern, mit Verwandten, Eltern . . ., auch andern unseru vertrauten Freunden, Käthen und Dienern bisher gehabt, gepflogen und noch künftig haben, wie auch all dasjenige, so wir geheim zu halten befehlen werden, gezogen werden.'
;1 ,Wenn wir in o-eheimen und wichtigen Sachen etwas zu berathschlagen brauchen, soll er (geheimer Secretär) sich bei uns jeder Zeit, wer zu solcher deHberation gezogen werden soll, Rescheid erholen, diese unserm Kanzler oder Vicekanzler anzeigen, der dann den Käthen ansagen lässt und die Sache proponiren soll.'
89
des Oberraths berathen, sondern nur von einigen der einfluss- reichsten Mitglieder dieses Collegiums erledigt wurden.1 Diese, der Landeshofmeister, Kanzler, Vicekanzler und noch einer der gelehrten Räthe traten nur im Bedarfsfälle zur gesonderten Be- rathung zusammen, ohne dass regelmässige Sitzungstage anbe- raumt wurden. Es sind also jetzt nur die ersten Keime einer selbstständigen Collegialbildung gegeben, ohne dass diese schon feste Formen hätte erlangen können. Erst durch das Testament Herzog Christophs vom 18. October 1568 2 wurde eine festere Zusammenschliessung dieser vier geheimen Räthe, welche auch während der vormundschaftlichen Regierung die wichtigsten Staatssachen zu bearbeiten hatten, angebahnt. Schon 1569 er- scheint das Collegium formirt, 3 dem ein besonderer (,läufägeiu) Secretär beigegeben wurde. Das kaum entstandene Collegium wurde aber bald wieder beseitigt und seine Mitglieder in den Oberrath zurückgedrängt. Spittler ' hat uns die einzelnen Stadien dieser durch die Hofpartei herbeigeführten Rückbildung ebenso wie die einzelnen Momente, welche zur Reorganisation führten, anschaulich geschildert. Wichtige politische Angelegenheiten wie die Gründung der Union schienen schon im Anfange des 17. Jahrhunderts zu einer Wiederaufrichtung des geheimen Raths zu führen, aber erst die durch den Tod des Herzogs Johann Friedrich 1628 nothwendig gewordene vormundschaftliche Re- gierung gab den Ar.stoss zur Bestellung eines geheimen Re- giments- und Curatelraths.5 Die segensreiche Wirksamkeit des- selben erfreute sich solcher Anerkennung seitens der Stände, dass auf ihren Wunsch der Landtagsabschied vom 14. Mai
1 v. Spittler, Geschichte des württembergischen geheimen Rathscollegiums in seinen sämmtlichen Werken, herausgegeben von Wächter, Stuttgart und Tübingen 1837, XIII., S. 279 ff., besonders S. 287 f.
2 .Und nachdem in obgemeldten Reservatis die fürnehmsten, wichtigsten nnd dazu die geheimesten Ar tick el dieses Fürstenthumbs geistlicher und welt- licher Sachen begriffen, welche Wir in Unsern Lebzeiten in hoher Ge- heimniss gehalten und allein sonder vertrauten und dazu bestellten ge- öffnet, derwegen ist an Irer der Vormünder Liebden unser . . . etc. etc.' (v. Spittler a. a. O., S. 288).
3 In einem Beamtenverzeichnisse von 1569 werden die vier obbezeichneten Beamten an erster Stelle unter der Rubrik ,In dem Geheimen Rath' auf- geführt. Vgl. v. Spittler a. a. O., S. 294, 297.
4 S. 299 ff.
5 Er wurde aus dem Landhofmeister, dem Vicekanzler und zwei gelehrten Oberräthen bestellt. Vgl. v. Spittler a. a. O., S. 332.
90
1629 die Existenz eines geheimen Rathscollegiums für alle Zeiten sichert. Dieses wurde dadurch ein verfassungsmässig gewährleistetes Glied des württembergischen Behördenorganis- mus.1 Das Organisationsrecht der Krone fand an dieser Behörde, auf deren Existenz die Land'stände eia Recht hatten, eine Schranke. Neu war, dass das geheime Rathscollegium nicht nur auf den Nutzen der Herrschaft, sondern auch der Landschaft verpflichtet werden sollte.2 Die Competcnz:) des geheimen Raths wurde ge- regelt durch die neunte Kanzleiordnung von 1660, welche über- haupt erst die Verfassung des Collegiums feststellte.
Nicht anders wie in den übrigen Territorien zeigt sich der Entwicklungsgang des geheimen Raths im Kurfürstenthum Sachsen. Auch hier ist dieses Collegium aus dem Schoosse des Hofraths (der Regierung) hervorgegangen. In der Regiments- ordnung von 1548 bestimmte Kurfürst Moriz zwei der Hof- räthe neben dem Hofmeister ,zu unseren eigenen und geheimen Sachen', wahrte aber den Zusammenhang dieser drei durch das besondere Vertrauen des Landes herrn ausgezeichneten Räthe mit dem Hofrathscollegium, welchem sie angehörten, durch die Anordnung, dass, wenn so wichtige Sachen zur Entscheidung vorlägen, dass sie mehrerer Leute Raths bedürftig, sie solche den anderen Hofräthen zur Beratschlagung übergeben sollten.4
Ein weiterer Schritt in der Richtung der Abschliessung des geheimen Rathscollegiums erfolgte unter Kurfürst August, dessen Raths- und Kanzleiordnung vom 21. März 1556 schon einige geheime Räthe auf kurfürstlichen Befehl ausserhalb des gemeinen Raths zu Berathungen in einem besonderen Local
1 H. Schulze, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, I., S. 290 betont mit Recht, dass in Württemberg' am frühesten constitutionelle Gedanken ein- wirkten.
2 v. S pittler a. a O., S. 337.
3 Der geheime Rath soll namentlich die hohen Reichsregalia und alle dem Herzog als einem Reichsfürsten zustehenden Rechte verwalten, den Nutzen des Herzogs und seines Hauses, sowie der Kammerintraden, und endlich die Aufrechterhaltung der Landtagsabsehiede überwachen. Er ist die höchste Centrahtelle, welcher alle übrigen Collegien untergeordnet sind. Vgl. Fricker und v. Gessler, Geschichte der Verfassung Württembergs, Stuttgart 1869, S. 104.
4 Kanzleiordnungen von 1500 — 1683, Nr. 10061 im königl. sächsischen Hauptstaatsarcliiv zu Dresden. Ich danke an dieser Stelle dem Herrn Director und den Herren Beamten dieses Archivs für ihre freundliche Unterstützung.
91
zusammentreten lässt. ' Hier sind alle Keime zur collegialen Verfassung gegeben, es fehlt nur die Stetigkeit, die Regel- mässigkeit der Sitzungen, denn bis jetzt bedarf es immer noch eines ausdrücklichen Befehls des Kurfürsten, um die Activität der geheimen Räthe zu veranlassen. Am 15. April 1574 er- folgte die Formirung des geheimen Raths zu einem eigenen Collegium. Leider ist die an diesem Tage erlassene Instruction nicht mehr vorhanden,2 dagegen sind aber die Protokolle der geheimen Rathsverhandlungen3 in stattlicher Anzahl erhalten, welche die Amtswirksamkeit des geheimen Raths dieser Behörde in den übrigen Territorien analog erscheinen lassen.1
Eine auffallende Aehulichkeit weist der weitere Ent- wicklungsgang mit dem des württembergischen geheimen Raths auf, indem hier wie dort eine Rückbildung eintritt. Christian I. zieht nämlich 1589 die geheimen und Hofräthe wieder in einen Rath zusammen/ Welche Motive für diese Wiederaufhebung der collegialen Verfassung des geheimen Rathes vorlagen, ist
1 ,Da wir aber etzlichen unsern geheimbten Rethen je zu Zeiten befehlen werden, etzliche Sachen, Schriften und Händel ausserhalb des gemeinen Raths zu Landein und zu berathschlagen, das soll in des H. v. P's. Ge- mach fürgenommen werden.'
2 Ein eigener Unstern waltete über den ersten Instructionen für den ge- heimen Rath in den deutschen Staaten. Trotz eingehender Recherchen in den Archiven zu Wien, München und Dresden gelang es nicht, eine geheime Rathsinstruction aus dem 16. Jahrhundert aufzufinden.
3 , Bedenken des geheimen Raths' von 1574— 1589 (Nr. 10048—10053 ibid.).
4 Die Raths- und Kanzleiordnung vom 28. Mai 158(3 sagt hierüber unter der Rubrik: ,Was für Sachen und Briefe vor unsre gehaime Räte ver- möge unsrer ihnen zugestellten Instruction gehörig': ,Durch unsre ge- haimen Räthe sollen alle kaiserlichen, königlichen, auch churfürstlichen und fürstlichen Briefe, so nicht die Justiciam oder Sachen, die wir andern unsern Dienern insonderheit befohlen, desgleichen die Instructiones auf Reichs-, Deputations-, Kreis- und dergleichen Versammlungen und Zu- sammenschickungen der Kurfürsten und Fürsten; item die Landsgrenzen und Sachen, darinnen die Landräthe beschrieben werden, kaiserliche Commissionssachen, der rechtliche Process der Mannsfeldischen Seque- strationsgrafen und ihren Gläubigern, Kammergerichtssachen, Canonicate und geistliche Lehen, Legationes, so wir abfertigen, Bestellung der Aka- demien und Schulen, Superintendenten und Professoren, auch der beiden Hofgerichte und Schöppenstühle zu Leipzig und Wittenberg, ". fremder Gesandten Abfertigung und andre unsre vertraute Sachen, so wir ihnen befehlen, verrichtet werden.'
5 Nachtrag zur Kanzleiordnung von 1587, ddo. 1. Juni 1589.
92
mir nicht bekannt. Natürlich dauerte die Notwendigkeit, ver- traute und geheime Sachen der Plenarb erathuag der Regierung zu entziehen, fort. Deshalb niusste der Kanzler über den Einlauf solcher zur Kategorie der geheimen Sachen gehörigen Ange- legenheiten dem Kurfürsten Bericht erstatten und sich Bescheid erholen, wer zur Berathung neben ihm zu gebrauchen sei.' An Stelle des permanenten Collegiums trat also eine Zusammensetzung ad hoc aus dem Kreise der Hofräthe. Es war also nichts Anderes wie eine Commission der Regierung, welche jedesmal für solche vertraute Sachen gebildet wurde. Darauf, dass diese von den übrigen zur Behandlung in pleno geeigneten Geschäften getrennt blieben, wurde strenge gesehen, denn sie sollten auch in der- selben Stube, ,so bisher unsere geheimen Räthe inne gehabt, erledigt werden'. Man unterband also die Existenz des geheimen Raths und schraubte die Verhältnisse einfach auf den Zustand von 1556 zurück.
Nicht lange dauerte diese Reaction, denn nach dem Tode Christians I. stellten der Administrator Friedrich Wilhelm und Kurfürst Christian IL das geheime Rathscollegium wieder auf dem alten Fusse her. Die collegiale Verfassung des geheimen Raths erhielt und festigte sich immer mehr, und dieses geheime Consilium blieb die höchste Centralbehörde, für dessen unver- sehrten Bestand sich auch die Stände lebhaft interessirten, so dass ihnen 1705 ausdrücklich zugesichert wurde, dass die Bundessachen stets vor dem gesammten geheimen Consilium tractirt werden sollten.
Diese wenigen Bemerkungen über die Anfangsstadien der Organisation des geheimen Raths in den grösseren deutschen Territorien dürften darthun, dass die hochwichtigen politischen Fragen, welche im Zeitalter der Reformation an den Terri- torialfürsten stand herantraten, den Anstoss zur Gründung des geheimen Raths gaben. In solcher gährender Zeit, wo der kirchen- politische Streit die Fürsten in einen ernsten Kampf um Dasein und Macht ihres Staatswesens verwickelte, tauchten eine Fülle von Fragen auf, die ebenso gründliche Berathung als strenge
1 ,Und weil billig bei uns steht, wen wir zu unseren vertrauten Sachen nach Gelegenheit derselben verordnen wollen und wir uns hierin aus Ursachen, dass wir nicht wissen, was für Händel künftig vorfallen mögen, itzo nicht resolviren können, so wollen wir auf unsers Kanzlers An- regen . . .'
93
Geheimhaltung erheischten, die also nicht einer grösseren Col- legialbehörde (Hofrath) unterbreitet werden durften. Ergab sich so aus den gleichartigen politischen Verhältnissen überall ein ähnlicher Entwicklungsprocess, so wurde Ziel und Richtung des- selben doch bestimmt durch die Institution im Staate des Kaisers, welche aus denselben Verhältnissen hervorgegangen und den gleichen Zweck zu erfüllen berufen war. Die Ausgestaltung und collegiale Verfassung des geheimen Raths der Fürsten wurde nach dem Vorbilde des geheimen Rathscollegiums des Kaisers eingerichtet. In allen grösseren Staaten wurde im 16. und 17. Jahrhundert1 die hierarchische Gliederung des Behördensystems gekrönt durch den geheimen Rath als höchste Centralstelle, welcher alle Behörden des Landes unterstellt wurden. Dieser geheime Rath ist der Vorläufer unseres Staatsraths und des Ge- sammtministeriurus, hatte daneben aber vorzugsweise die heute dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten und dem des fürstlichen Hauses übertragenen Functionen zu versehen.
3. Die Hofkanzlei.
Die Darstellung der Verhältnisse der Hofkanzlei kann nicht das ganze technische Detail des Kanzleiwesens in ihren Kreis ziehen, sie muss sich begnügen, die Stellung der Kanzlei oder besser des Kanzlers im Organismus des neuen Behörden- wesens aufzuzeigen.
Als seit dem 15. Jahrhundert sich das Schreibwesen in der Verwaltung der deutschen Territorien und Städte immer mehr verbreitet hatte, war mit diesem Schriftthum das wesent- lichste Werkzeug des modernen Beamtenstandes geschaffeu, denn auf ihm beruht, wie mit Recht betont wurde,2 zum grossen Theil die moderne Verwaltung. Mit diesem Ueberhandnehmen des Schreiberwesens ging dann natürlich die steigende Bedeu- tung des Kanzleramts, das sich zum einflussreichsten in der Regierung aufgeschwungen hatte, Hand in Hand.
Der Wirkungskreis der österreichischen Hofkanzlei ist nur scharf erkennbar, wenn man ihre Verbindung und Trennung von den Kanzleigeschäften des Reiches ins Auge fasst.
1 Der brandenburgische geheime Rath wurde 1604 errichtet.
2 Seh moller, Strassburg zur Zeit der Zunftkämpfe, Strassburg 1875, S. 72.
1)4
Der Reichskanzler Berthold von Mainz, die Seele der Reichsreformen unter Maximilian I.,1 suchte bald auf der ihm eigenen Domäne bessernd einzugreifen, und so brachte schon das Jahr 1494 eine Ordnung der königlichen Kanzlei,2 welche ihn zum Verfasser hat. Maximilian selbst schritt dann 1498 zur Erlassung einer Reichskanzleiordnung,3 auf die wir hier eingehen, da sie bisher noch nicht beachtet wurde.1 Sie regelt im Gegensatz zur Kanzleiordnung Bertholds nicht die inneren Verhältnisse und die Geschäftsordnung detaillirt, sondern sie bezweckt mehr eine Competenzabgrenzuug der römischen und der österreichischen Kanzlei, um den aus der bisherigen Vermischung dem heil. Reiche und den Erblanden entstandenen Nachtheil für die Zukunft zu verhüten — ,als bisher in unsern canzleien baide römisch und auch oesterreichisch hendel und Sachen undereinander vermischt und ausgegangen'. Ein Haupt- grandsatz der neuen Ordnung war: Es sollen .dheinerlai brieve von unsern als röm. königs wegen in das h. reich geschrieben werden dann in unser römischen cauzlei'. Dann, und das wird zur Motivirung hervorgehoben , werden sie in derselben re- gistrirt und so dem Vorstand, dem Erzkanzler, die Möglichkeit gewährt, sich stets über alle Geschäfte des Reichs zu orientiren, um gegebenen Falls über auftauchende Zweifel Auskunft geben zu können. Man geht nicht fehl, wenn man den Erlass dieser Anordnung auf Bertholds Anregung zurückführt, dessen Eifer für die Anbahnung von Reformen in der Reichsverwaltung sich in der Tendenz einer schärferen Sonderung der erbländischen von den Reichsgeschäften bewegte. Alle Urkunden fürs Reich, die vom Erzkanzler oder dem Unterkanzler unterzeichnet werden
1 Vgl. über ihn Ulmann, S. 294 ff. und S. 293 über die Kanzleiordnung von 1494.
2 lieber den Kampf um das Reichskanzleramt in der deutschen Geschichte vgl. O. Lorenz, Reichskanzler und Reichskanzlei in Deutschland (Drei Bücher Geschichte und Politik, Berlin 1879, S. 52 ff.).
3 ,Ordenung der römischen reichscanzlei durch kunig M. furgenomen d. d. Mömpelgard, Mittwoch nach u. 1. Frauentag zu nativitatis nach Christi Geburt 14Ü8.' Diese, sowie die Kanzleiordnung vom 3. October 1494 (Haus-, Hof- und Staatsarchiv), hat mir Herr Haus- und Staatsarchivar Dr. G. Winter mit grösster Liebenswürdigkeit in der von ihm zur Edition hergerichteten Abschrift zur Benützung überlassen.
4 Auch Adler hat sie merkwürdigerweise übersehen und handelt nur von der als Am: . des Reichsraths von 1495 geplanten Reichskauzlei.
95
mussten,1 durften nur mit den beiden Reichssiegeln2 und mit keinem anderen gefertigt werden, während die Besiegelung der österreichischen und burgundischen wieder mit besonderen Siegeln und Secret zu erfolgen hatte. Strenge Bewahrung des Amts- geheimnisses war dem Kanzleipersonal eingeschärft, auch vor Bestechung ward es eindringlich verwarnt. Ueber die Mannig- faltigkeit der in der Kanzlei zur Erledigung kommenden Arbeiten3 gibt die Kanzleiordnung Aufschluss. Da auch Gegenstände finan- zieller Natur in dieser gefertigt wurden, ward den Taxatoren ans Herz gelegt darüber zu wachen, dass kein Schuldbrief, keine Quittung und keine Geld oder Finanz betreffende Urkunde hinausgehe ohne Wissen oder Geschäfte derer, so über das Geld gesetzt seien. In der späteren Fassung wird auf die dies- bezüglichen Vorschriften der Hofkammerordnung hingewiesen. Auch der Organisation der österreichischen Hofkauzlei widmete Max seine Aufmerksamkeit.4 Ihr Vorstand ist der Hof-
1 Berthold beschwert sich in einem Schreiben an den König energisch über das nicht gehaltene Abkommen, da ihm Briefe des Königs ohne seine Subscription vorgekommen seien. Vgl. Ulmann, S. 293.
2 , Unser gross sigel, so . . . unser neve von Meintz itz praucht, und das missifsigl.' Der Erzkanzler allein hatte die Schlüssel -zum Lädl, in welchem diese Reichssiegel aufbewahrt wurden. Das Personal der Kanzlei be- stand aus Secretarien, Kegistrator, Taxator, Schreibern und Dienern, welche sowohl dem König als dem Erzkanzler Treue und Gehorsam ge- lobten. Für sich und die Besoldung des Personals bezog der Erzkanzler jährlich 80.000 fl. rh. Hierfür waren ihm alle Gefälle an Taxen u. s. w. aus der Eeichskammergerichts-Kanzlei angewiesen, so dass er den etwaigen Ueberschuss dem König abzuliefern hatte, während ihm ein Mindererlös von der Hofkammer ersetzt wurde.
3 ,ltem, der kun. mt. und alle andere nottige sacken der man gedechtnus haben muss, sonderlich die versigelt verschreibung, es sei umb dinst, pflege, leben, gäbe, provision, leibgeding, Verzeihung, Privilegien, be- stettigung, presentatz, nominatz. wapenbrief und dergleichen Sachen so auss seiner mt. selbs person und bevelh vlissen auch Instruction umb merglich sachen, so man den botschaften je zu zeiten anhenkt vleissig- lich und trewlich zu verwaren. — item, alle provision, aufgenomen diner, rete und amptleuth mit vleis in ein sonder register zu zeichen; des- gleichen ein sunder register zu haben, darin die tagsatzung, auch die geleith, landschuldigung oder passbrief oder wie lang die geben sein, verzeichnet. — Und sol auch alweg einer auss den Schreibern verordent werden der an die tagsatzung mane, damit man Ordnung geben möge die partheien zu boren oder wie sich geburt zu fertigen.'
4 Vgl. Adler, S. 48 ff. und die daselbst S. 511 abgedruckte Instruction für den Hof kanzler (1407 ad 1498), auf die hier verwiesen werden muss.
96
kanzler, welcher zugleich als Mitglied des Hofraths fungirt. Der Einlauf gelangt an ihn und er erstattet dem Hofrath über denselben Bericht oder lässt ihn durch einen Secretär verlesen. Er kann nicht selbstständige Befehle in der Kanzlei fertigen lassen, sondern nur auf Befehl des Königs oder Beschluss des Hofraths. Alle Ausfertigungen der Kanzlei bedürfen seiner Unter- schrift, welche die Legalität derselben verbürgt. Bei seinem Amtseide hattet er dafür, dass kein Brief, Geschäft oder Ver- schreibung der Schatzkammerordnung oder der Länder Freiheiten und Gewohnheiten zuwiderlaufend ausgefertigt werde. Er hat auch darüber zu wachen, dass kein Erlass mit Umgehung der zuständigen Mittelbehörden (Regierung der Ländergruppen) sich direct an deren Unterbeamte wende. Eine selbstständige obrig- keitliche Entscheidungsgewalt war dem Hofkanzler nicht ver- liehen , seine Wirksamkeit erstreckte sich auf die Controle, dass die Ausfertigungen der Kanzlei einerseits den Befehlen des Königs, beziehungsweise des Hofraths entsprechen, und dass ihr Inhalt anderseits im Einklänge stehe mit den allgemeinen gesetzlichen Normen und dem anerkannten Gewohnheitsrechte.1 Eine vollständige Trennung der Kanzleigeschäfte Oester- reichs und des Reichs Hess sich nicht scharf durchführen. Am Ende der Maximilianischen Epoche spiegelt das Innsbrucker Libell den Zustand der Dinge ab. Der österreichische Kanzler war jetzt mit der Verwaltung der Kanzlei des Reiches und der Erb- monarchie betraut, d. h. es gab nur eine Kanzlei, welche in drei Abtheilungen zerfiel,^ für das Reich, für die niederösterreichi- schen und für die oberösterreichischen Lande.3 Jeder derselben
1 Auch das mit dem Kanzleiwesen in Verbindung stehende Archivwesen wurde zuerst unter Max in zweckentsprechender Weise geordnet. Vgl. Schönherr, Die Archive in Tirol (Mittheilungen der k. k. Centralcom- mission zur Erforschung der Kunst- und historischen Denkmäler, Neue Folge XI., S. 45 ff.).
2 In den Ausschussverhandluugen ward die Einrichtung zweier Kanzleien, einer römischen und einer erbländischen, beantragt. Beide Kanzleien, mit getrennter Registratur, sollten dem Hoflianzier unterstellt sein. Vgl. Zeibig, S. 228.
3 , Unser Cantzley sollen und wollen wir bestellen, das Unser Cantzler beyde dess Reichs und der Oesterreichischen Land sachen unterbanden haben, dazu drey geschickt redlich Secretarien als Verwalter . . . der einem die Reichischen, dem andern die Nirter Oesterreichischen und dem dritten die Ober Oesterreichischen Sachen zu Expediern und zufertigen' (Steyr. Laudhaudf., S. 52).
97
stand ein Secretär vor, welchem eine Anzahl von Schreibern unterstellt war; in jeder Abtheilung wurden nur die das betref- fende Land berührenden Urkunden ausgefertigt und expedirt. '
Als Ferdinand seine Aufmerksamkeit der Kanzlei widmete, führteer die Reorganisation nicht nach so einfachen Grundsätzen durch. Viel verwickelter ward jetzt die Eintheilung in verschie- dene Sekretariate, zu den territorialen Gesichtspunkten der Ein- theilung kamen noch sachliche hinzu. Die Reichssachen traten in den Hintergrund, wenn sie auch des kaiserlichen Statthaltern mts halben,2 welches Ferdinand für seinen kaiserlichen Bruder führte, berücksichtigt werden mussten. Auch jetzt bildete der Hof kanzler3 die Spitze der Hofkanzlei. Als ihr Chef trug er die volle Verant- wortlichkeit für die gesammte Amtsführung des Kanzleipersonals. Alle in der Kanzlei gefertigten Urkunden und Schreiben bedurf- ten deshalb seiner Unterschrift, bevor die des Herrschers erholt wurde.4 Hierauf erfolgte erst die ßesieglung derselben.
Die Kanzlei zerfiel in mehrere Abtheilungen,"' an deren Spitze je ein Secretär6 stand. Ein Secretär besorgte die Ex-
1 Für jede Abtheilung gab es auch ein besonderes Siegel. Vgl. über diese verschiedenen Siegel a. a. O., S. 53. Für des Kaisers eigene und geheime Händel wurde ausserdem die erforderliche Zahl von Secretären angestellt.
2 Auf dem Reichstage zu Worms von 1521 wurde Ferdinand von Karl V. zum Statthalter des Reichsregiments ernannt. Vgl. v. Bucholtz a. a. O , I., S. 135.
3 Eine Ordnung der Kauzlei bildet einen Bestandtheil des kaiserlichen Hofstaats vom 1. Januar 1527 (Staatsarchiv Wien). Ich konnte eine mir von Herrn Archivar Dr. Winter freundlichst überlassene Abschrift be- nützen. Eine ausführliche Kanzleiordnung, ddo. Gran, 12. Februar 1528, befindet sich in einer Abschrift aus dem 17. Jahrhundert im Archiv des Ministeriums des Innern (1 ex 1528 n. ö\).
4 Ueber die Ausfertigungsformeln vergleiche v. Krones, Die landesfürst- lichen und landschaftlichen Patente . . . 1493 — 1564 in den Beiträgen zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen, Graz 1882, XVIII., S. 130 ff.
5 ,Dieweil wir,' sagt die Kanzleiordnuug von 1528, ,von Gott mit vielen trefflichen Königreichen, Fürstenthümern und Landen begabt sind, die unterschiedliche Regierungen haben, von denen aus, desgleichen des kaiserlichen Statthalteramts aus dem römischen Reich täglich Sachen, dieselben zu erledigen zukommen, auf die förderlich Bescheid folgen muss . . . ., damit nun solches richtiger, schleuniger und mit der wenigsten Beschwerung beschehe, wollen wir derselben unsrer Land Sachen unter- schiedlich durch unsre verordneten Secretari bandeln lassen.'
6 Diesem waren Copisten und Ingmssisten unterstellt. Ferner gehörte noch ein Taxator und Registratur zum Kanzleipersonal.
Archiv. Bd. LXIX. I. Hälfte. 7
98
pedition der Reichshändel und der Sachen aus dun ober- und vorderösterreichischen Landen (auch aus Württemberg, dem schwäbischen Bund und der Eidgenossenschaft), ein anderer die niederösterreichischen Sachen. Diese territoriale Eintheilung war aber keine durchschlagende, denn alle aus diesen Ländern einlaufenden Parteihändel wurden nicht durch diese beiden, sondern durch einen dritten Secretär erledigt, welchem alle Parteisachen, so Justitiam betreffen, sie seien aus dem Reich oder den Erblanden, ausschliesslich übertragen waren, damit so eine rasche Abfertigung der armen Parteien ermöglicht würde. Ferner war je ein Secretär für die französischen, bur- gundischen und zwei für die spanischen Angelegenheiten und ebenso ein böhmischer und ein ungarischer Secretär1 angestellt. Später war dann ein ungarischer Vicekanzler und ein böh- mischer Vicekanzler mit einem Stellvertreter zur Erledigung der ungarischen und böhmischen Angelegenheiten in der Hof- kanzlei thätig. Ausserdem ist noch ein lateinischer Secretür vorhanden, der alle in lateinischer Sprache abzufassenden Schriftstücke, gleichviel welches Land sie berührten, fertigt, also ein dritter Gesichtspunkt für die Theilung der Kanzlei- geschäfte. Vollständig getrennt von der Hofkanzlei war die Kanzlei der Hofkammer, welche nur in Verbindung mit dieser stand.
Diese Organisation der Hofkanzlei2 erhielt sich während der ganzen Ferdinandeischen Epoche.3 Man hat in dieser Hofkanzlei ,eine Art Ministerium des Innern' erblickt.4 Darin liegt eine starke Ueberschätzung der Bedeutung dieser Stelle. Es fehlte ihr die Möglichkeit einer sachlichen Einwirkung auf die Erledigung der Staatsgeschäfte, sie hatte weder Berathungs- befugniss noch Entscheidungsgewalt. Ihre Aufgabe bestand einzig und allein in der formell technischen Fertigung der von anderen
1 Vergleiche über diese Bidermann, S. 12 f., 64 f.
2 Unter dem Befehle des Kanzlers stand auch der Postmeister, welcher ihm alle einlaufenden Postsendungen zu überantworten hat. Er darf auch ohne Wissen des Kanzlers keine Post abgehen lassen. Der Kanzler führt die Aufsicht über die Posten, verordnet, wo sie liegen, damit sie in schlechten Sachen nicht gebraucht und sonst nicht unordentlich gehalten werden.
3 Vergleiche die früher erwähnten Hofstaatsverzeichnisse.
4 v. Krones a. a. O., S. 131.
99
Organen l der Staatsgewalt gefassten Beschlüsse. Sie war nichts Anderes als das Schreiborgan des Monarchen,2 des geheimen Raths und des Hofraths, also Cabinetssecretariat und Kanzlei der beiden Behörden. 3 Nur die Hof kammer besass damals ihr eigenes Bureau, eine Folge der Sonderung des Finanzwesens von den übrigen Verwaltungsgebieten, während heute jeder Be- hörde eine besondere Kanzlei beigegeben ist. In dieser Centra- lisierung aller schriftlichen Ausfertigungen der höchsten Re- gierungs- und Justizbehörden in der Hof kanzlei lag aber gerade die politische Bedeutung derselben, indem hier ein neuer Mittel- punkt gegeben war für die heterogenen Bestandteile der Fer- dinandeischen Länder. Mehr noch als die Hofkanzlei war es ihr Vorstand, der oberste Hofkanzler,4 in welchem sich die ganze Geschäftsführung concentrirte und der in seiner Person in gewissem Sinne die Einheit der Monarchie repräsentirte. Wenn auch factisch sein Einfluss ein sehr grosser war, indem der ganze Geschäftsverkehr durch seine Hand ging, der ge- sammte Einlauf durch ihn an die zuständige Stelle übermittelt wurde und der gesammte Auslauf seiner Unterschrift zur Gil- tigkeit bedurfte, so lag der Schwerpunkt seines Amtes nicht in der Kanzlei, sondern im geheimen Rath und im Hofrath. Als Mitglied dieser Behörden konnte er das ganze Gewicht seiner Stellung als eines der einflussreichsten Rathgeber der Krone zur Geltung bringen. In der Eigenschaft als Mitglied
1 ,Und weihe supplication durch ine nit furbracht werden, soll canzler ausserhalb kuniglicher maiestat selbs bevelh keinen brief darauf nit ausgeen lassen oder fertigen' (Kanzleiordnung von 1527, wiederholt 1528).
2 Den Ausfertigungen, welche aus der Erschliessung des Monarchen allein hervorgingen, entsprach die Ausfertigungsformel: ,Ad mandatum Sere- nissimi principis (archiducis)', später ,regis' und ,imperatoris proprium'. Die Form für die den Beschlüssen des geheimen Rathes und des Hof- rathes entstammenden Ausfertigungen war: ,Ad mandatum serenissimi domini principis (regis, imperatoris) in consilio'. Vgl. v. Krön es a. a. O., S. 130 f.
3 ,Was aber in unserm geheimen oder dem Hofrath beschlossen wird,' sagt die Kauzleiordnung von 1528, ,das soll jeder Zeit nach Gelegenheit der Sachen, soviel möglich ist, fürderlich in unsrer Kanzlei durch die Secre- täre und Kanzleischreiber gefertigt und jeder Brief, ehe er uns fürge- bracht wird, durch den Kanzler übersehen und mit seiner Hand unter- schrieben werden.'
4 Diesen Titel gab ihm erst die Kanzleiordnung von 1528-, in der von 1527 ward er einfach , Kanzler' genannt.
7*
100
dieser Behörden nahm er tliei] an der Ausübung- obrigkeitlicher Befugnisse, hier konnte er materiell einwirken auf die Leitung der Staatsgeschäfte, in der bureaumässig organisirten Hofkanzlei, die ihm unterstellt war, hatte er nur die formell richtige schrift- liche Ausführung der Entscheidungen des Monarchen und der Beschlüsse dieser beiden Behörden zu überwachen. Durch seine Unterschrift unter den in der Kanzlei ausgestellten Urkunden und Briefen übernahm er nur die Verantwortung für die sach- liche Uebereinstimmung des Inhalts dieser Urkunden mit den Beschlüssen der zur Fassung solcher berufenen Organe, * also die Garantie dafür, dass die Kanzlei nicht willkürlich ändernd in die Entscheidungen dieser Träger der Staatsgewalt eingriff, sondern nur als deren Werkzeug ihren Befehlen Folge leistete. Diese Verantwortlichkeit2 trug der Kanzler aber einzig und allein seinem Herrn, dem Monarchen gegenüber.
Die Gefahr einer vollständigen Vermischung der öster- reichischen Hofkanzlei mit der Reichskanzlei lag nahe erst dann, als Ferdinand die Kaiserwürde erlangt hatte. Er suchte dieser Gefahr vorzubeugen durch eine auf dem Reichstag zu Augsburg 1559 erlassene Reichskanzleiordnung.n In derselben wurde das
1 Diese Aufgabe ward ilim wesentlich erleichtert durch die aus der Maxi- milianisehen Kanzleiverfassuno; von Ferdinand wenigstens für die wich- tigen Sachen übernommene Vorschrift (1528), dass die schriftlichen Aus- fertigungen der Hofrathsbeschlüsse vor dem Hofmarschall oder seinem Vertreter und wenigstens drei Rätheu, welche bei der Beschlussfassung anwesend gewesen, abgehört würden und erst, falls sie den gefassten Rathsehlägen gemäss, dem Kanzler zur Unterschrift vorgelegt werden sollten.
2 Diese Verantwortlichkeit cessirte, auch wenn Urkunden aus der Kamraer- kanzlei mit dem grossen ihm anvertrauten Siegel versehen wurden. , Wie- wohl,' sagt die Kanzleiordnung von 1528, ,in unsrer Hofkauzlei täglich viele Briefe unter unserm Titel gefertigt werden, von denselben Sachen unser obrister Kanzler kein Wissen hat, so wollen wir doch, dass alle Briefe, so mit dem grossen Siegel zu fertigen sind, wenn ihm die durch den Kammerkauzleitaxator fürbracht werden und die sie durch unsern Schatzmeistergeneral unterschrieben sein, mit demselben unserm grossen Siegel besiegeln lassen, darum er gegen uns oder gegen jemand Andern keine fernere Verantwortung haben soll.'
3 Ihr Inhalt ist ersichtlich aus einem Schreiben Maximilians II. an den Reichskanzler vom 3. Januar 1565, welches in einer Abschrift des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs vorliegt. Dagegen ist die von Uffen- bach (Maut. III., S. 3 ff.) publicirte Reichshof kanzleiordnung Ferdinands I. von 1559 nicht diesem, sondern Maximilian II. zuzuschreiben, wie aus
101
Princip der Trennung der Angelegenheiten des Reiches und der Erblande anerkannt und namentlich betont, dass die Königreiche Ungarn und Böhmen wie bisher auch fernerhin ihr besonderes Personal und besonderen Raum haben, da ihre Sachen mit der Reichskanzlei oder Expedition nichts zu thun hätten. Aber auch die österreichischen Handlungen sollten ihre eigenen Secretäre und Expeditionen in abgesonderten Zimmern haben. Die Tren- nung war hier aber keine vollständige, denn Taxator, Registrator und Kanzleischreiber durften sowohl in der Reichs- als in der österreichischen Hofkanzlei gebraucht werden. Dies sollte ge- schehen, um grössere Unkosten zu ersparen, da nach dem Stand- orte des kaiserlichen Hoflagers bald die aus dem Reiche, bald die aus den Erblanden einlaufenden Sachen überwogen.
An der Spitze der Reichskanzlei stand der Reichsvice- kanzler, welcher die Geschäfte derselben leitete und den Ein- lauf an die zuständige Stelle übermittelte. Er, der berathende Minister des Kaisers in Reichssachen, wurde nicht von diesem, sondern vom Erzkanzler des Reiches, dem Kurfürsten von Mainz ernannt — darauf hatte sich die Thätigkeit des Erzkanzlers ausserhalb des Reiches beschränkt. Diese Anomalie frommte weder der kaiserlichen Autorität, noch den Interessen des Reiches, denn weder den Ständen noch dem Kaiser gegenüber besass der Vicekanzler eine kräftige Gewalt.1
So war also am Ende der Regierungszeit Ferdinands im Allgemeinen dasselbe Princip der Trennung der Reichskanzlei von der österreichischen Hofkanzlei zur Anerkennung gebracht, welches schon die Kanzleiordnungen aus dem Anfange der Maximilianischen Epoche beherrscht hatte.
4. Die Hofkaiuiuer.
Bei dem innigen Zusammenhange, in welchem der Zustand des Finanzwesens mit der gedeihlichen Entwieklung des Staates steht, ergibt sich von selbst die hervorragende Bedeutung der Organisation der Finanzverwaltung nicht nur für die Staatswirth- schaft, sondern für den Staat überhaupt. Von eminenter Trag- neueren Gründen mit Bestimmtheit zu constatiren ist. Zudem ist sie bei Uffenbach selbst von 1570 datirt und von Maximilian II. unterzeichnet, stimmt auch fast wörtlich mit der (a. a. O., S. 16 ff.) veröffentlichten Reichshofkanzleiordnung vom 1'2. November 1570. 1 Vgl. Lorenz a. a. 0., S. 84.
102
weite für den Entwicklungsprocess des modernen Staates er- scheint daher jene Centralisation des Finanzdienstes, welche Kaiser Maximilian ins Leben rief. Weit über Oesterreichs Grenzen hinaus ragt die Wirkung der grossartigen Organisations- versuche und Pläne des Kaisers, nicht nur weil der von ihm geschaffene Verwaltungskörper auch dem dürftigen Beamten- apparat des Reichs neue Kräfte zuführte, nein, es handelt sich hier um Institutionen, die vorbildlich für die Verfassung der deutschen Territorien wurden. Was Maximilian auf diesem Gebiete angeregt und geschaffen hat, wurde von ihm zwar nicht mit zäher Consequenz festgehalten und mit starrer Energie aus- gebaut, aber die Keime, die er ausgestreut, waren hinlänglich triebkräftig, so dass sein Enkel Ferdinand sie ausgestalten konnte, um auf dem von seinem grossen Ahnherrn gelegten Fundament den festgefügten Bau eines modernen Behörden- systems aufzuführen, welches sich als ein machtvoller Factor erwies für die Anbahnung des Gesammtstaates, für die engere staatliche Zusammenschliessung der seinem Scepter unter- worfenen, nur lose verbundenen Ländercomplexe. Der nach einem genial durchdachten Plane construirte Organismus bildete die Basis der bis in unsere Zeit fortdauernden Finanzbehörden. Von der österreichischen Erbmonarchie wanderten diese In- stitutionen hinaus in die deutschen Territorien l und gaben hier den Anstoss zu ähnlichen , den concreten staatlichen Bedürfnissen angepassten Bildungen.
Wie auf dem Gebiete des Privatrechts im Laufe des 16. Jahr- hunderts die Keception des römischen Rechts zum Abschluss kam, so vollzog sich im 16. und 17. Jahrhundert auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts eine Reception fremder Einrichtungen, welcher die Forschung bislang noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat, und doch müsste die Klarlegung dieses Receptions- processes im Einzelnen nicht geringes Interesse erregen. Wie reizvoll müsste sich eine Schilderung gestalten, die den merk- würdigen Wanderzug verfolgen würde, welchen jene Organisation zurücklegte, seitdem das erstarkende Königthum der Capetinger
1 Obwohl Eichhorn (Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, Göttingen 1844) IV., S. 370 schon vor mehr als 40 Jahren auf die österreichische Behördenorganisatioii als auf das Vorbild der deutschen Behörden hin- gewiesen hatte, wurde dieselbe erst in neuester Zeit zum Gegenstande specieller Forschung gemacht.
103
durch umfassende Centralisationen seine absolute Gewalt be- gründete durch Niederkämpfung der entgegenstehenden Mächte des Feudalismus, und die sodann darlegte, wie diese franzö- sischen Einrichtungen auf niederländisch-burgundischen Boden ' verpflanzt wurden und von da ihren Wanderzug in die habs- burgische Monarchie und dann weiter in die deutschen Terri- torien fortsetzten.
Für das Verständniss der Verwaltungsgeschichte Europas ist die Kenntniss der Entwicklung der französischen Verwaltungs- organisation nothwendige Voraussetzung. Je mehr sich die Forschung der Aufhellung des Entwicklungsprocesses der Ver- waltung zuwendet, um so mehr wird allenthalben dieser fran- zösische Einfluss ans Licht treten.
So hat neuerdings L. von Stein 2 die Aufmerksamkeit der Fachgenossen auf die Publication einer Ordonnance des Grafen von Savoyen ,sur le faict des comptes' vom Jahre 1351 gelenkt, in welcher so ausführliche Normen über das Rechnungs- wesen (der camera computorum), über die Aufgaben und Competenzen der einzelnen Rechnungsführer aufgestellt sind, dass sie nach Stein's Meinung unseren heutigen au Genauigkeit und Klarheit wenig nachgeben.
Gewiss haben wir es auch hier mit einer Nachbildung der Institutionen des benachbarten Frankreichs zu thun.3 Er-
1 Der zur Thronfolge in Flandern berufene Philipp der Kühne war am französischen Hofe erzogen und kannte deshalb die Organisationen des- selben. Er errichtete nach diesem Muster Behörden in Flandern, wie sie in Burgund schon bestanden. Da er dieselbe Organisation wie in Paris und Dijon einführen wollte, liess er von jeder dieser Kammern je einen Rath zur Einrichtung konimei). Gachard, Inventaires des archives des chambres des comptes, Bruxelles 1837, I., p. 3, 5. Die der Urkunden- edition vorausgeschickte Notice liistorique sur les anciennes chambres des comptes de la Belgique gibt ein anschauliches Bild der Entwicklung dieser bewunderungswürdigen Beliördeneinrichtung. Auf ihr ruhen auch die Ausführungen Adler's, S. 15 ff.
2 Zur Geschichte der deutschen Finanzvvissenschaft im 17. Jahrhundert in Schanz, Finanzarchiv, I., S. 8. Es ist die Abhandlung von Cesare Nani in den Mem. d. Reale Accad. delle Scienze di Toriiio, t. XXXIV, über die Statuti dell'anno 1379 di Amadeo VI, Grafen von Savoyen, ,1 primi statuti sopra la camera dei conti nella monarchia di Savoia', in welcher sich auch die Ordonnance von 1351 befindet.
3 Dass in Savoyen eine Nachahmung der Institutionen der französischen Könige stattgefunden hat, erwähnt bezüglich der Theiluug des supremo
104
wähnung mag hier nocli der Unistand finden, dass nach Gneist's ' Ausführung die Wanderung des normannischen Echiquier2 mit Wilhelm dem Eroberer nach England wahrscheinlich ist,3 so dass also das englische Schatzamt (Exchequer) nach den Einrichtungen der Normandie gebildet worden wäre.1 Durch seine Vermählung mit Maria von Burgund lernte Maximilian die vortrefflichen Verwaltungseinrichtungen dieses blühenden Landes kennen, 5 und als er nach dem Tode Friedrichs III. zur Regierung über die habsburgische Monarchie berufen worden war, setzte er alsbald eine umfassende Verwaltungsreform in seinen Erbländern ins Werk und nahm hierbei die reich gegliederten, bewundernswürdigen Behördeneinrichtungen des Staates Karls des Kühnen zum Vorbild. 6 Dem staatsmännischen Ansehen des ritterlichen Kaisers kann es keinen Abbruch thun, dass diese Institutionen in Anlehnung an die erprobten Ver- waltungseinrichtungen fremder Länder, den heimischen histo- rischen Verhältnissen angepasst, ins Leben gerufen wurden, denn es ist nicht die Aufgabe eines genialen Staatsmannes, mit freier Schöpfungskraft neue Gebilde zu erzeugen, deren Lebensfähigkeit sich erst noch zu bewähren hätte; nicht das Originelle, das Zweckmässige hat er anzustreben. Das Ver- ständniss des Politikers für die realen Bedürfnisse des Staats- lebens wird sich gerade darin bekunden, dass er nicht nach abstracten Principien neue Institutionen ins Dasein ruft, sondern
consiglio in zwei Behörden (durch den Grafen Odoardo) Pertile, Storia del diritto italiauo, Padova 1880, II., p. 299.
1 Englische Verfassungsgeschichte, Berlin 1882, S. 177.
2 Brunner, Entstehung der Schwurgerichte, S. 156.
3 Gneist a. a. O., S. 179 f., führt für die Uebertragung aus der Nor- mandie das Zeugniss des Dialogus de Scaccario au: ,ab ipsa regni Con- quisitione per Regem Wilhelmum facta coepisse dicitur sumpta tarnen ipsius ratione a Scaccario transmarino' (Dialogus I, 4), sowie die roma- nische Terminologie des Exchequer.
4 Ueber das Echiquier, das höchste Gericht und die oberste Verwaltungs- behörde der Normandie, vgl. Schaffner, Geschichte der Rechtsverfassuug Frankreichs, Frankfurt a. M. 1849, IL, S. 408 f.
5 Vgl. Luschiu v. Ebengreuth, Geschichte des älteren Gerichtswesens in Oesterreich, S. 275.
6 E. Löning (Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts, Leipzig 1884, S. 40) hat dies mit dankenswerthem Hinweise auf Gachard u. A. be- sonders betont.
105
die vorhandenen Elemente ' weiter entwickelt oder unter Berück- sichtio-un<r der Eigenart des heimischen Staatswesens dessen Ein- richtungen umgestaltet, indem er gute ausländische Institutionen auf heimischen Boden verpflanzt und so die praktischen Er- fahrungen anderer Länder für die Reformen im eigenen Territo- rium verwerthet. Maximilians Individualität war wie geschaffen zu solchem Werke, denn als ein echtes Kind der Renaissance 2 liebte er es, fremdartige Vorstellungen in sich aufzunehmen, suchte aber jede zu bewältigen. Wie jede Reception, soferne sie sich nicht gewaltsam und unter Missachtung der nationalen Eigen- thümlichkeiten vollzieht, als ein Culturfortschritt zu begrüssen ist, so ist auch diese Aufnahme altfranzösischer Einrichtungen als eine dem deutschen Staatsleben heilsame Massnahme zu betrachten. Sie übermittelte uns das Product einer mehr- hundertjährigen Culturarbeit eines Volkes, das dank seiner glücklicheren politischen Entwicklung auch seine Verwaltung auf eine hohe Stufe der Vollkommenheit gebracht hatte. Wenn sich auch nach dieser Richtung hin das Wort Sohm's3 bestätigt, dass Deutschland das Land der Reception gewesen und dass neben Italien auch Frankreich eine Grossmacht für die deutsche Rechtsgeschichte sei, so hat man keinen Grund, selbst vom nationalen Standpunkte aus, dies zu beklagen. Denn , durch die geistige Verarbeitung des fremden Stoffes und die Ver- bindung, in welche derselbe mit dem ursprünglich Eigenen gebracht wird, entsteht ein nationales Gut, nicht minder national wie das in der Abgeschlossenheit der Vorzeit Geschaffene*. 4 Aber auch daran darf erinnert werden, dass in Frankreich nur jene Keime einer centralisir enden Amts Verfassung zur Ent- wicklung gebracht wurden, welche Karl der Grosse dereinst in seiner Universalmonarchie, zu der auch Deutschland gehörte, ausgestreut hat.
1 In der hochentwickelten Verwaltung, welche Max beim Antritt seiner Regierung in Tirol (vgl. über diese Adler, 8. oll ff.) antraf, landen sich schätzbare Elemente für die Ausbildung des Verwaltungskörpers, deshalb wurde Tirol Ausgangspunkt der Reformen.
2 Gothein, Politische und religiöse Volksbewegung vor der Reformation, Breslau 1878, 8. 54.
3 Fränkisches Recht und römisches Rocht (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abtheilung, Weimar 1880, I., S. 83 ff.).
4 Muther, Zur Geschichte der Rechtswissenschaft (römisches und canonisches Recht), Jena 1876, S. 34 ff.
106
Es ist ein glänzendes Blatt, welches Maximilian seinem strahlenden Ruhmeskranze durch die erwähnten Reformen ein- gefügt hat.1 Er war nicht nur der österreichische Fürst, welcher so die verschiedenen lose zusammenhängenden Theile zu einem einheitlichen Staate zu vereinigen versuchte,2 auch um den modernen Staat hat er sich das grösste Verdient erworben, in- dem er die Grundlage für eine gesunde, entwicklungsfähige Verwaltung geschaffen hat.
Mit der Erweiterung der Aufgaben des Staates wuchsen auch die Anforderungen, die an seine finanzielle Leistungskraft gestellt wurden. Die Notwendigkeit einer Regelung des Staats- haushalts machte sich geltend. Diese führte zu einer Loslösung der Finanzverwaltung von der gesammten Administration des Landes, mit welcher sie bis jetzt verknüpft war, und seit dem 14. Jahrhundert bildeten sich in den deutschen Territorien be- sondere Organe der Finanzverwaltung aus. Während früher der Kämmerer am Hofe des Landesherrn neben anderen Angelegen- heiten auch solche finanzieller Natur besorgen musste,3 hatte der Kammermeister später die ausschliessliche Leitung des Ein- nahmen- und Ausgabenwesens eines Landes übernommen. Ueber die Obliegenheiten des Kammermeisters in Oesterreich sind wir nicht näher unterrichtet, doch dürfte der Geschäftskreis desselben sich mit dem des Kammermeisters anderer Länder gedeckt haben.
Erst Maximilian griff reformirend ein und ernannte noch bei Lebzeiten seines Vaters einen Schatzmeister-General für die Leitung des Finanzwesens des heiligen römischen Reiches und seiner Erblande (August 1491), 4 welchem er im darauffolgenden Jahre einen , obersten Aufseher und Gegenschreiber für Oester- reich ob und unter der Enns und für Gmunden" beiordnete.5
1 Ulmann erwarb sich ein grosses Verdienst, indem er in seinem Werke: Kaiser Maximilian I., Stuttgart 1884, L, S. 822 ff., in lichtvoller Weise auch diese Seite der Thätigkeit des Kaisers gewürdigt hat.
- Huber, Geschichte der österreichischen Verwaltungsorgauisation bis zum Ausgange des 18. Jahrhunderts. Rectoratsrede, Innsbruck 1884, S. 6.
3 Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, Kiel 1876, VII., S. 311; 1878, VIII., 221.
4 Die Bestallungsurkunde abgedruckt bei Adler, S. 507 ff.: ,ine zue unserm general Schatzmeister allenthalben in dem heil. Reiche und unsern fursten- tumben und landen'.
5 Birk-Lichnowsky, Regesten zur Geschichte des Hauses Habsburg, Wien 1844, VIII. und 1821.
107
Der Titel weist offenbar auf das niederländische Vorbild hin.1 Schon eine der ersten Regierungshandlungen des Königs in den Erblanden bahnt, wie man sieht, jene Verwaltungsreformen an, die ihn durch alle Verwicklungen der auswärtigen Politik bis an sein Lebensende so stark in Anspruch nahmen.
Dieser erste Verwaltungsact ist von grosser Tragweite darum, weil sich in ihm eine Erstarkung des modernen Staats- gedankens kundgibt. Die FinaDzverwaltung, die sich früher zumeist in den Händen von Hofbeamten, besonders in denen des Kammermeisters'2 und auch des Hofmeisters befand, wird auf eigene Füsse gestellt und einem hiezu besonders ernannten Staatsbeamten anvertraut. Eine analoge Entwicklung lässt sich auch in anderen Ländern nachweisen, es sei hier namentlich an Frankreich 3 erinnert.
Die weitere Ausbildung der Finanzbehörden vollzog sich auf dem Wege der Specialisirung. Der Kreis der Staatsaufgaben erweitert sich intensiv und extensiv. Während bisher alle Auf- gaben von einer Behörde, dem Regiment (Statthalter und Räthen) bewältigt werden konnten, macht sich allmälig das Bedürfniss einer Abzweigung einzelner Aufgaben geltend. Bei der grossen Bedeutung der Finanzen ist es dieser Zweig der Verwaltung, welcher zuerst verselbstständigt wird, eine Verselbstständigung, welche in der Errichtung besonderer Finanzbehörden zum Aus- druck kommt, geradezu aus dem Schoosse der alten (einzigen) Regierungsbehörde hervor, indem aus dem Kreise der Regiments- mitglieder vermuthlich diejenigen, welche am besten hiezu qua- lificirt waren, ausschieden und mit anderen zu der neuen Finanz- behörde ernannt wurden.
Diese Lostrennung der Finanzen von der Gesammtver- waltung bildet den Grundzug der Maximilianischen Verwaltungs-
1 Ein Berniter mit diesem Titel war dort nicht bekannt, aber es gab einen Keceveur general des finances und tresoriers. Dagegen hatte die fran- zösische Chambre des comptes trois generaux tresoriers de France, eine Amtsbezeichnung, welche der österreichischen entspricht.
2 Vgl. über die Functionen des brandenburgischen Kammermeisters Isaac- sohn, Geschichte des preussischen Beamtentliums, Berlin 1874, I., S. 9 f. Auch in kleinen Territorien war die Stellung des Kammermeisters die gleiche. Vgl. z. B. E. Löning, Lehrbuch des deutschen Verwaltungs- rechts, S. 39.
3 M. C. Dareste de la Chavanue, Histoire de l'administration en France, Paris 1848, I., p. 334.
108
politik. Uebrigena drängt die Macht der Verhältnisse auf eine solche Errichtung1 von Finanzhehörden hin, und wie gleichmässig die neu auftretenden staatlichen Bedürfnisse in dieser Weise zur Geltung- kamen, zeigt sich in den analogen Vorgängen bei allen Culturvölkern. Ueberall bemerken wir den gleichen auf dem Principe der Arbeitsteilung beruhenden Entwicklungs- process der allmäligen Differenzirung der Behörden. In Frank- reich hatte sich die alte curia regis in drei Sectionen für die Erledigung allgemeiner Regierungsangelegenheiten, für die Ent- scheidung von Rechtsstreitigkeiten und für die Administration des Finanzwesens getheilt. Diese Sectionen wurden nach und nach selbstständige Behörden,1 die seit dem 13. Jahrhundert als Conseil du roi, Parlement und Chambre des comptes2 segens- reich in die Geschicke ihres Landes eingriffen. — In Flandern wiederholte sich der nämliche Process; 1409 zweigt Herzog Johann von der Chambre du conseil die Chambre des comptes ab, die von nun an zwei selbstständige Behörden 3 bildeten. Auch in England entwickelte sich aus der alten Curia regis das Schatz- amt und das Hofgericht.4
Maximilian hat nun bei der Loslösung der Finanzgeschäfte von der übrigen Staatsverwaltung das Realsystem in beschränktem Umfange zur Anerkennung gebracht, gleichzeitig damit aber auch das Centralisationsprincip in den Organismus der deutschen Verwaltung fest eingefügt.
Ihre Realisirung fanden diese Verwaltungsmaximen auf finanziellem Gebiete in der allgemeinen österreichischen Schatz- kammer5 zu Innsbruck, welcher die Finanzverwaltung aller Erb- länder übertragen ward, mehr noch durch die Gründung der
1 Pardessus, Essai historique sur l'orgaiiisation judiciaire, Paris 1851, p. 133 s.
2 Unter Philipp dem Schönen bildeten die geus des comptes, ohne deshalb ihre Eigenschaft als Bestandtheil des Parlaments zu verlieren, eine be- sondere Kammer, chambre des deniers (camera denariorum), die aber 1319 eine unabhängige Organisation als chambre des comptes (camera computorum) erhielt und sich nach und nach vollständig vom Conseil d'Etat trennte. Vgl. R. Dareste, La justice administrative en France, Paris 1862, p. 8.
3 Gachard, p. 7.
4 Gneist, Englische Verfassungsgeschichte, 8. 179, 228 f.
5 Vgl. über sie Adler, S. 349 ff.
109
Hofkammer (1498),1 die gleichzeitig mit dem Hofrathe ins Leben trat; nachdem die Schatzkammer in ihrer bisherigen Gestalt sich nicht als lebensfähig bewährt hatte. Das gesammte Finanz- wesen der Erblande und des Reiches sollte in der Hof kammer concentrirt erscheinen. Alle Einnahmen liefen hier zusammen, wie auch die Ueberwachung der Ausgaben durch die Hofkammer bethätigt wurde.» Die Erhaltung des Gleichgewichts im Staats- haushalt, die Verhütung von Deficits war ihr zur Aufgabe ge- setzt. Die Behörde war gegründet worden, um Ordnung in den zerrütteten Hof- und Staatshaushalt zu bringen. Mit ernstem Eifer war der König ans Werk gegangen, und es erscheint von der grössten Tragweite, dass Max behufs Erreichung des ge- steckten Zieles in weiser Selbstbeschränkung sich selbst die Hände band und keine Geldanweisung zu unterschreiben versprach, die nicht in der angeordneten Form von der Hofkammer aus- gestellt worden war. Wir erkennen hier die Anfänge des mo- dernen finanziellen Anweisungsrechtes. Leider war diese im Interesse eines geordneten Haushalts unentbehrliche Selbst- beschränkung des Königs nicht von langer Dauer, er zerriss bald die Fesseln, die er im Augenblick kluger Voraussicht sich selbst angelegt hatte.
Der Hofkammer, welche ebenso wie der Hofrath und die Hofkanzlei dem jeweiligen Hoflager des Königs folgte, ward die Innsbrucker Schatzkammer untergeordnet. Diese war jetzt wesentlich umgestaltet worden.2 Wenn sie auch mit der Verwaltung des Kammerguts in der österreichischen Monarchie betraut blieb, so lag ihre Hauptbedeutung in der ihr zugewiesenen Function einer Centralcontrolstelle, einer Rechnungsrevisions- behörde, vergleichbar unseren heutigen Oberrechnungskammern. Dass auf ihre Organisation die chambre des cumptes von Ein- fluss war, unterliegt keinem Zweifel.
In dieser Eigenschaft als Controlbehörde erstreckte sie ihre Competenz auch auf die niederösterreichischen Länder, selbst
1 Die Hofkammerordnuug ist bei Lünig, Codex Germaniae diplom., Frank- furt und Leipzig 1732, I., S. 474 ff. gedruckt. Ueber die Geschichte und Organisation der Hofkammer vgl. Adler, S. 71 ff.
2 , Ordnung der Schatzcamer zu Ynnsprugg' (Eritag vor St. Valentin 1498), war also unter dem gleichen Datum wie die Hofkammerinstruction er- lassen. Abschrift im Wiener Staatsarchiv abgedruckt bei Adler, S. 515 ff.
110
nachdem sie Ende 1499 in eine Raitkammer verwandelt ward,1 aber nicht lange, denn seit 1500 sinkt sie zu einer oberöster- reichischen Behörde herab. - Ueberall bietet sich uns dasselbe Schauspiel genial entworfener Organisationen, die aber mangels eines sie mit zäher Energie und Folgerichtigkeit leitenden Willens entweder bald dahinsiechen oder im raschen Wechsel die mannigfaltigsten Veränderungen ihres örtlichen und sach- lichen Wirkungskreises erleiden. Auch die Hofkammer entging diesem Schicksale nicht. Die mit hohem, weitblickenden poli- tischen Sinne concipirte Schöpfung entfaltet nur wenige Jahre eine volle Wirksamkeit, schon 1507 ist Maximilian genöthigt, an eine Reorganisation zu denken, ,als jetzt eine gute Zeit her unsere voraufgerichtete Hofkammerordnung in Ruhe ge- standen ist'. 3 Von einer continuirlichen Thätigkeit der wieder- aufgerichteten Hofkammer ist aber jedenfalls seit 1511 keine Rede mehr. Zwar hatte des Kaisers ruheloser Organisationstrieb auch der Finanzverwaltung wiederholt seine thatkräftige Auf- merksamkeitgeschenkt, das Schatzmeisteramt reorganisirt (1512), die Buchhaltung umfassend geregelt (1514), aber von der Existenz eines besondern Hofkammercollegiums haben wir seit 1514 bis zu des Kaisers Tod kein quellenmässiges Zeugniss, und es ist wahrscheinlich, dass die Functionen *der Hofkammer mit denen des Hofraths verbunden waren, also eine Reaction, welche die Dinge wieder auf jenen Punkt zurückführt, auf welchem sie sich befanden, als der jugendliche König seine verheissungsvollen Verwaltungsreformen in Angriff nahm.
Als daher Maximilian von dem Innsbrucker Gesammt- landtage 1518 Hilfe in seiner Geldbedrängniss, insbesondere Auslösung des versetzten Kammergutes verlangt, stellen die Stände die Forderung der Einrichtung einer Hofkammer4 mit 'bleibendem Sitze in den Erblanden auf. Dieser sei sämmt- liches Einkommen zu unterstellen und Vicedome und andere Amtleute haben vor ihr jährlich Rechnung zu legen. Der
1 Regimentsordnimg, beil. Weihnachtsabend von 1499 bei Rapp, Ueber das vaterländische Statutenwesen (Zeitschrift für Tirol und. Vorarlberg, V., S. 163).
2 Adler, S. 382; vgl. aber auch S. 419 ff.
3 Adler, S. 127 ff., stellt den Gang der Weiterentwicklung ausführlich dar.
4 Aus einem Schatzmeister, vier erbländischenRäthen, einem Kammerschreiber und einem Buchhalter bestehend. Zeibig, S. 229.
111
Kaiser lehnt dies Begehren der Stände rundweg ab, indem er auf die gute Ordnung seines Schatz- und Kammermeisteramtes bei Hof hinweist. Er verspricht noch die Zutheilung eines Gegenschreibers zu diesen Organen und die Errichtung einer ordentlichen Registratur, vermag aber das Bedürfniss nach Gründang einer Hofkammer nicht einzusehen, denn es habe ,bisher mer das gelt dann dy Ordnung geprochen, das man bisher nit Ordnung hat halten mugen'. * Die Stände vermögen ihre Forderung nicht durchzusetzen, sie halten nicht einmal ihre Wünsche bezüglich der Schatz- und Kammermeisterämter aufrecht,2 nachdem der Kaiser auf die vor drei Jahren für diese Aemter erlassene gute Ordnung verwiesen und auseinander- gesetzt hatte, dass die Unordnung des Kammergutes nicht diesen Organen, sondern den Kriegsläufen, wegen welcher die Ordnung nicht leicht hätte eingehalten werden können, zur Last falle. 3 Mit der Erklärung, dass, wenn Frieden im Lande herrsche, die Aemter ihre Schuldigkeit thun würden, beruhigten sich die Ausschüsse. In den Verhandlungen erklärte Maximilian, dass die 18 Hofräthe nicht nur die Justiz- und Parteisachen, sondern auch aller ,hawshaben und hoffhalten' des Kaisers verhandeln, den Voranschlag für Staat und Hof entwerfen, ,alle finanz ubungen und forderungen contentirn und abschaiden, auch nach K. Mt. beschaid die ausgab und underhalltung ordinari und extraordinari auff K. M. auch Irer Mt. tochter hoff durch den Cammermeister und Einnemergeneral verordnen/ sollen.1
In dieser Ausführlichkeit fand die finanzielle Competenz- erweiterung zwar keine Aufnahme in den Innsbrucker Landtags- abschied, man begnügte sich mit der Entscheidung, die, Forderung zu unserem Kammergut' unter den Aufgaben des Hofraths her- vorzuheben, aber es kann nicht bezweifelt werden, dass, nachdem auch der Kammermeister seine Stellung im Hofrathspersonal findet, Maximilian am Ende seiner Regierung die rückläufige Bahn ganz durchmessen und selbst das Hauptwerk seines Lebens, jene rationelle Verwaltungsorganisation, in wesentlichen Punkten durchlöchert hatte, indem er das Princip der Centrali- sirung des Finanzwesens in einer Collegialbehörde selbst hart-
1 Zeibig, S. 273 f.
2 Zeibig, S. 298.
3 Zeibig, S. 296. * Zeibig, S. 273.
L12
aäckig bekämpfte. Allerdings eine höchste Regierungsbehörde ward wieder collegialiter organisirt, der Hofrath; er vereinigte aber wieder die Ausübung aller Iloheitsrechte des Monarchen in seiner Hand wie ehedem der landesfürstliche Rath.
Als Ferdinand I. die Regierung der österreichischen Erb- lande antrat, fehlte es also an einer Centralfinanzbehörde. Nicht sogleich, aber bald schuf er einen solchen Mittelpunkt für die Finanzverwaltung seiner Länder. Die Errichtung der Hof- kammer1 fällt in den Anfang des Jahres 1527. Es fand also wohl gleichzeitig eine Organisation der Centralbehörden : des Hofraths, der Hofkanzlei und der Hofkammer statt. In der Hofstaatsordnung vom 1. Januar 1527 (in dem Abschnitte über die Ordnung der Kanzlei) begegnet schon eine Sonderung der Finanzgeschäfte von den übrigen, indem angeordnet wird, dass die Befehle oder Supplicationen, welche Kammersachen berühren, gewöhnlich vom Kanzler dem Schatzmeister zugestellt werden sollen, damit dieser sie kaiserlicher Majestät oder im Hofkammer- rathe vorbringe. Dieser war also schon formirt und trat ver- muthlich gleichzeitig mit dieser Ordnung in Wirksamkeit. Sie stellt sich dar als eine hochpolitische That von grösster Be- deutung, denn sie trat ins Leben erst, nachdem Böhmen und Ungarn der Herrschergewalt Ferdinands unterworfen waren, und war gedacht als ein wirkungsvolles Bindemittel für die Verschmelzung der verschiedenen alten und neuerworbenen Länder. Auch sie sollte wie die übrigen Centralbehörden ein wichtiges Instrument der Einheitspolitik werden.
Von diesem Gesichtspunkte aus war es von unschätzbarem Werthe für die Realisirung der österreichischen Gesammtstaats- idee, dass in der Hofkamnier die Einheit der Finanzverwaltung des ganzen Reiches verkörpert war, und dass auch die böhmische und ungarische Kammer in derselben ihr Haupt anerkennen musste. Das wurde freilich nicht ohne Kämpfe durchgesetzt. Als beispielsweise die böhmischen Stände verlangten, dass der König in böhmischen Angelegenheiten nur auf einheimische Räthe angewiesen sein sollte, machte Ferdinand mit Erfolg hiegegen Opposition, indem er den Ständen auseinandersetzte, dass es Sachen gebe, welche gerade so in Böhmen wie in
1 In einem Erlasse ddo. Prag, 27. Mai 1527 wird die Errichtung' der Hof- kaminer als jüngsthin' erfolgt bezeichnet. Vgl. Biderrnann, S. 16.
113
anderen seinen Ländern vorkommen, wie Verwaltung- der Berg- werke, Regalien, der königlichen Kammer u. s. w. und dieselben dann am besten gemeinschaftlich verwaltet werden könnten.1 Dem Könige wurde die Verwendung fremder Räthe in Regalien gestattet, nachdem er die Stände darauf hingewiesen hatte, wie unzweckmässig es sei, wenn sie einer Gesammtverwaltung der ihm in Böhmen und in anderen Ländern zustehenden Regalien widersprechen würden, indem dann auch die Böhmen aus dem königlichen Rathe ausgeschlossen würden, wenn der König zu grösseren Ehren gelangen sollte.2
Die durch die Noth der Türkenkriege hervorgerufenen Geldverlegenheiten zwangen Ferdinand, dem zerrütteten Kammer- gut seine Aufmerksamkeit zu widmen. Wie jede Errichtung oder Reorganisation einer Finanzbehörde aus solchem Bestreben her- vorgeht, das Finanzwesen zu fördern durch das specielle Organ, das sich diesem ausschliesslich zu widmen hat, so weist auch die Hofkammerordnung darauf hin, dass die Erschöpfung des Kammerguts die Veranlassung gegeben habe, auf Mittel und Wege zur Ordnung desselben zu sinnen , wie aber dieses landesväterliche Streben durch die beständigen kriegerischen Ereignisse in den Hintergrund gedrängt worden und dies 7die Verhinderung gebracht, dass wir uns', wie der Eingang der Hof- kammerordnung von 1537 sagt, ,in keine beständige oder frucht- bare Ordnung, dazu wir jedesmal begierig und geneigt gewesen, begeben haben können'. Auf die frühere Hofkammer wird kein Bezug genommen, sondern nur darauf hingewiesen, dass die am 1. Januar 1537 erlassene Hofordnung als einen Hauptpunkt die ordentliche Verwaltung und Mehrung des Kammerguts bezeichne. Alle Erwägungen hierüber hätten aber kein wirksameres Mittel zur Erreichung des Zweckes erkennen lassen als die Errichtung einer ordentlichen Kammer am Hofe, welche mit trefflichen Räthen und geschicktem Personale zu besetzen und mit ent- sprechenden Ordnungen zu versehen sei. Die Hofkammer- instruction wurde am 1. September 1537 zu Prag erlassen.3 Sie
1 Rezek, Geschichte der Regierung Ferdinands I. in Böhmen, Prag 1878, S. 136.
2 Rezek a. a. O.
3 Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Das Exemplar ist ohne Unterschrift und Siegel. Die Instruction ist aber wohl in dieser Fassung vollzogen worden, denn ein gleichlautendes corrigirtes Concept findet sich ebenfalls in den Acten.
Archiv. Bd. LXIX I. Hälfte. 8
114
muss die Grundlage der Darstellung bilden, da die zehn Jahre früher erlassene Instruction nieht mehr erhalten ist. Da auf die Vorgängerin in der Instruction von 1537 kein Bezug genommen wird, auch sonst wenig Hinweise auf die Thätigkeit der alten Bofkammer vorhanden sind, die Errichtung der Hofkammer jetzt als eine Neuschöpfung und nicht als Reorganisation be- handelt wird, so ist es wahrscheinlich, dass die alte Hofkammer durch die Bedrängniss der Türkennoth bald nach ihrer Errich- tung zu traurigem Stillstande verurtheilt wurde.
An der Spitze der als Collegium constituirten Hofkammer steht als Rath und Superintendent1 der Hochmeister des St. Georgiordens, W. Prandtner, dem vier Räthe2 beigegeben sind. Das Unterpersonal setzt sich zusammen aus zwei Hofkammer- secretarien mit der erforderlichen Anzahl von Kanzleischreibern, einem Hofzahlmeister und einem Registrator (zugleich Taxator).3 Um die Mitglieder der Hofkammer ausschliesslich dem Interesse ihres Landesherrn zu sichern, war ihnen untersagt, ohne dessen Wissen von irgend einem anderen Fürsten oder einer Stadt Provision oder Dienstgeld anzunehmen,4 auch an Handelsgesell- schaften durften sie sich nicht betheiligen, Handel und Gewerbe nicht betreiben.5 Dagegen war die Bewirthschaftung der pfleg- und bestandweise verliehenen Herrschaften, welche fremden Fürsten gehörten, ebenso wie die Betheiligung an Bergwerken gestattet. Selbstverständlich konnten sie aber au der Beschluss-
1 Dieser Amtstitel, welcher, allerdings nicht zur Bezeichnung der Präsidenten- würde, schon in der Iiofkammerordnung von 1498 vorkommt, ist offenbar den burgundischen Einrichtungen entlehnt.
2 Einer der Räthe, M. Meichsner, ist zugleich Vicedom von Steier.
3 Die Hof kammerkanzlei blieb stets vollständig getrennt von der allgemeinen Hofkanzlei.
4 Steht im Einklänge mit einer Bestimmung des Innsbrucker Libells. Vgl. Zeibig, S. 314.
5 Auf dem Innsbrucker Ausschusstage von 1518 hatten die Stände eine dahinzielende Forderung aufgestellt. Der Kaiser verstand sich aber nur zur Aufstellung des Verbotes, dass ein Amtmann, der kaiserliche Güter einzunehmen und zu verrechnen habe, damit kein Gewerbe treiben dürfe; aber was er sonst , Gewerb treibt K. Mt. dem Land und Leuten an Schaden', das glaubte er nicht verbieten zu können (Zeibig, S. 314). Das Inns- brucker Libell präcisirt dies Verbot auf Münze und Gewerbe, ,so uns an unserm Silber- und Kupferkauf oder im andern Wege zum Nachtheil dienen möchten'. Siehe Landhandvest des Hertzogthumbs Steyer, Grätz 1697, S. 52.
115
fassung über derartige Verhältnisse, wenn sie einer Entscheidung der Kammer unterlagen, nicht theilnehmen, da sie doch nicht Richter in eigener Sache sein durften.
Wenn auch jede Behördenbildung von selbst die Selbst- herrlichkeit des Landesherrn in engere Grenzen bannt, so war doch der landesfürstliche Absolutismus noch nicht zur Aner- kennung einer lediglich nach Massgabe der Gesetze zu führen- den Verwaltung vorgedrungen. Und doch zeigten sich schon Anläufe zu einer Entwicklung nach dieser Richtung des mo- dernen Rechtsstaates, indem der Monarch wenigstens für ein enges, aber bedeutungsvolles Gebiet seiner eigenen Machtvoll- kommenheit enge Grenzen zieht und im Voraus die Behörden anweist, seinen gegen bestimmte Punkte ihrer Instruction ver- stossenden Befehlen, die er etwa aus Versehen erlassen sollte,1 die Vollziehung zu weigern.2 Er desavouirt sich selbst, indem er seine Verfügungen, soweit sie die von ihm selbst errichtete Grundlage verlassen , von vorneherein annullirt. In diese Kategorie gehören alle Acte, welche den Bestand des Kammer- guts, Kriegsfall ausgenommen, angreifen, denn eine Gesundung des Staatshaushalts war nur denkbar, wenn an dem Grundsatze der Unangreifbarkeit des Kammerguts unverbrüchlich festge- halten wurde. Dem Könige war es aber sehr ernst damit. Eine Reihe von Cautelen setzte er fest, die eine Gewähr dafür bieten konnten, dass ein solcher Eingriff ins Kammergut nur durch den Drang der Noth gerechtfertigt sei. Für den Fall einer plötzlich eintretenden Kriegsgefahr versprach der König, einen solchen Schritt sich nicht zu gestatten, bevor er nicht mit der Hofkammer über die Existenz der Nothlage berathschlagt hätte. Ja, er ging noch weiter und versprach eventuell noch einige Hofräthe, welche in dem von der Gefahr zunächst bedrohten Lande beheimatet, zu dieser Berathung beizuziehen und, so-
1 ,Und ob aber durch uns aus übersehen ichtes bei den Ordnungen zuwider angeschaffen und bevolhen wurde, so sollen dieselbigen unser hof und der land camer rate soliches zu volziehen nit schuldig sein und sich auch derhalb bei uns kainer ungnad versehen.'
2 Schon in einer Instruction Philipps des Kühnen für die charabre des comptes von Lille (Ende des 14. Jahrhunderts) wird diese ermächtigt, einem Be- fehle, welchen der Herzog par importunite im Widerspruch mit der In- struction erlassen, nicht zu gehorchen, sondern die Sache nochmals dem Herzoge vorzutragen, um seine neuen Befehle zu erholen (Gachard, p. 6).
8*
in;
ferne es Zeit und Umstände erlaubten, sogar noch die Regie- rungen und Kammern und einige Ständemitglieder aus der am meisten gefährdeten Ländergruppe mit ihrem Gutachten zu hören. Auf Grund des von der Mehrheit als den Interessen von Land und Leuten dienlich Bezeichneten wollte der König erst seine Entschliessungen fassen. Auch in der tirolischen Kammerordnung von 1536 war dieses Princip der Unantastbarkeit des Karnmer- guts besonders ausgedrückt und waren zugleich für den Nothfall kriegerischer Ereignisse dieselben Cautelen vorgesehen worden.1 Die Mitwirkung des Königs war für die Erledigung einer Reihe von Angelegenheiten, welche zur Competenz der Hof- kammer gehörten, principiell vorgesehen. Nur minder wichtige Sachen blieben der Hof kammer zur selbstständigen Verfügung überlassen. Diese konnte auch in Angelegenheiten dieser Art, falls ihr deren Erledigung aussergewöhnlich schwierig er- schien, sich an den König wenden, der dieselben dann mit ihr gemeinschaftlich entschied.2 Auch dann, wenn im Col- legium keine Einigung über eine concrete Sache erzielt werden konnte — ,so dieselbige unsere rate der Sachen, die im hof- cammerrat fürkomen, spaltig werden und sich zu völligem be- schluss mit einander nit vergleichen mögen' — war Bericht an den König zu erstatten, welcher die endgiltige Entscheidung zu treffen hatte.3 Damit die förderliche Erledigung solcher Angelegenheiten, die nothwendig an den König gebracht werden
1 ,Und ob sich dann zuetrueg, das wir aus zuesteenden unversehenlichen kriegsleufen zu rettung, schütz und schürmb landen und leuten, so aber uuser vorbeschehen gnedig erbieten in unser camergueter nit zu greifen gedrungen wurden und solches nit umbgeen mechten, so wellen wir doch solches für uns selbst kainesweegs thuen, sonder zuvor die obligend not bei uns selbs und mit unsern hofeamerräten bedenken . . .' Falls der Krieg Tirol oder die Vorlande betrifft, sollten dann einige Mitglieder der Innsbrucker Regierung zu dieser Berathung beigezogen und, wenn es die Zeit gestatte, sogar noch Regierung und Kammer von Tirol gutachtlich gehört werden.
2 ,Was dann denselben unsern hofeamerräten jederzeit nach gelegenheit der leuf und gestalt der Sachen fürfeit, das obgescliribner Ordnung nach inen zu volziehen zu schwär sein wurde und des an uns gelangen lassen, wellen wir samb inen zu verrer und notdurftiger fursehung weitere be- ratschlagung fürnemen und sovil müglich ist, an uns nichts erwinden lassen.'
3 Diese Einrichtung erinnert au das sogenannte votum ad imperatorem. Siehe Ö. "cl.
117
mussten, nicht verzögert würde, sollte womöglich mindestens an zwei Tagen allwöchentlich den Hofkammerräthen Audienz ertheilt werden und mindestens zwei derselben beim Vortrage zugegen sein. ' Die Selbstständigkeit der Hof kammer war durch- wegs anerkannt. Alle das Kammergut betreffende Schreiben, welche an den König zu Händen der Hof kammer zu adressiren waren, mussten, auch wenn sie vom Hofkanzler eröffnet wurden, sofort dem Superintendenten überantwortet werden. Auch wenn in den ausschliesslich an die königliche Majestät und nicht an die Hofkammer adressirten Schreiben Fragen, das Kammergut betreffend, berührt waren, versprach der König, nicht eigen- mächtig eine Verfügung zu treffen, sondern er wollte dieselben entweder mit dem Plenum der Kammer berathen oder, wenn er daran verhindert war, sie demselben behufs gutachtlicher Aeus- serung eventuell zur definitiven Erledigung zustellen lassen. 2 Alles, was in irgend einem Zusammenhange mit dem Staats- haushalte stand, sollte durch die Hand der Hofkammer laufen. Selbst über Kriegssachen versprach der König mit der Kammer zu verhandeln, damit sie über Aufbringung des Geldbedarfs u. s. w. die geeigneten Massnahmen in Erwägung ziehen könnte. 3 Alle zur Hofkammer ressortirenden Sachen durften nur in pleno verhandelt und beschlossen werden. Diese Bestimmung verfolgte den Zweck, der Behörde Kenntniss zu verschaffen von dem jeweiligen Stande des Kammerguts. Nichts, weder das Kleinste noch das Grösste, was sich auf das Einkommen
1 ,Und damit unser aigen auch der partei Sachen, so camerguet heruereud und in gedachtem hofcamerrat furgenomen und gehandlet und die not- turft ervordert an uns zu bringen, sovil erledigt und beschlossen werden, so wellen wir zu anbringung und erledigung der beratschlagten Sachen in der wochen zum wenigisten zwen tag audienz geben und also zum beschluss derselben sach förderlich handlung phlegen.'
2 , Darüber sollen si alsdann ratschlagen und sambentlich oder ir etlich uns denselben iren ratschlag sambt irem guetbedunken widerumb für- bringen oder sonst was die notturft ist darinnen handien und das nützlich ist fürnemen.1
3 Noch in einer andern Beziehung hatte sich die Hofkammer mit Kriegs- sachen zu befassen. In Folge bedrohlicher Nachbarschaft schwebte die Gefahr eines Angriffs beständig über Ferdinands Reich. Es war daher den befestigten Grenzplätzen fortwährend Aufmerksamkeit zu schenken. Der Hofkaminer ward diese Aufsicht über den Zustand, besonders über Ausrüstung solcher Orte übertragen, wie sie auch für Bezahlung und Verproviantirung der Besatzungsdieustleute Sorge zu tragen hatte.
118
der Königreiche und Lande beziehe, sollte ihrer Wissenschaft entzogen sein, besonders über die Auslösungen der Verpfän- dungen sollte sie auf dem Laufenden erhalten werden, denn dieser Einblick in die gesammte Bewegung des Kammerguts war die nothwendige Voraussetzung einer gedeihlichen Wirk- samkeit — , damit (sie) unser und unsers camerguets furderung desto statlicher und erspriesslicher ratschlagen und fürnemen mügen'. In dieser Centralstelle sollten alle Fäden der Finanz- verwaltung zusammenlaufen. Nur wenn von Einem Punkte aus ein Ueberblick über den gesammten Umfang des Finanz- wesens der ganzen Monarchie möglich war, konnte eine scharfe Controle über diesen Geschäftszweig geübt und so die bessernde Hand an jeder wunden Stelle selbst im entferntesten Theile des Ländercomplexes angelegt werden. Dieser Ueberblick wurde aber der Hofkammer dadurch gewährt, dass bei den einzelnen Raitkammern Bücher und Register angelegt wurden, in welchen das Einkommen des Kammerguts des betreffenden Gebietes auf- gezeichnet wurde. ' Ebenso führten diese Kammern auch Ver- zeichnisse der Schulden und Gegenschulden und ein Register über die geistlichen Lehenschaften, Pfarreien und Beneficien und deren jährliche Erträgnisse. Sobald ein concreter Anlass vorhanden war, Hess sich die Centralstelle das zur vollständigen Orientirung erforderliche Register einsenden und hatte nun für ihre Verfügungen eine solide und sichere Grundlage.
Diese Inventarisirung reichte natürlich nicht aus für das ins Auge gefasste Ziel. Sollte die Kenntniss des ganzen Finanzwesens der Centralstelle stets zur Seite stehen, so musste sie über die Bewegung der Staatsfinanzen in sämmtlichen Theilen der Monarchie stets unterrichtet werden. Zu diesem Zwecke mussten von allen mit der Cassenverwaltung betrauten Behörden periodische Berichte über den Stand der Einnahmen und Aus- gaben an die Centralstelle erstattet werden. Die Landes- kammern, denen die Kammermeister incorporirt waren, hatten diese alljährlich, der Hofzahlmeister quartaliter einzusenden.
, — und soliche puecher und register ervordern, damit si sich jeder zeit in fürfallender notturft mugen ersehen und desto grundlicher von Sachen wissen zu reden und unsern nutz zu bedenken oder aber schaden und nachtl verbieten und wenden, und es sollen uns in unser hand von solichen registern auch copeien zugestelt werden.'
119
Durch die Centralisirung dieses wichtigsten aller Verwal- tungszweige wurde aber keineswegs eine Uniformirung der Ge- schäftsführung bewirkt, denn für die Rücksichtnahme auf die berechtigte Eigenthüinlichkeit einer Ländergruppe auf diesem Gebiete hatten die vier Rechnungskammern zu Wien, Innsbruck, Prag und Pressburg zu sorgen. Die Centralisation war höchst zweckmässig auf das Unerlässliche beschränkt. Es genügte, wenn von dem leitenden Mittelpunkte aus die Oberaufsicht über das ganze Finanzwesen der Monarchie geführt wurde, während die eigentliche Finanzverwaltung zum grössten Theile von den Landeskammern bethätigt ward. Diese hatten so beispielsweise auch die Rechnungsrevision in ihren Ländern abzunehmen und die Centralstelle hatte nur die pünktliche Durchführung der- selben zu überwachen.1 Ein Centralorgan für die Rechnungs- controle, wie ein solches in der Innsbrucker Schatzkammer 1498 geschaffen worden war, gab es nicht mehr, diese Decen- tralisirung der Rechnungscontrole ist als ein Rückschritt zu betrachten. Dass die Centralisation nicht allzu straff durchge- führt war, bekundet die Einrichtung, dass wichtige Angelegen- heiten, welche der König zu entscheiden hatte, auf dessen be- sonderen Befehl der Kammer, in deren Sprengel sie gehört oder den sie betrifft, zur Berathschlagung überwiesen wurde. Solche Beschlüsse wurden aber ebenso wie die Bewilligungen von Aemtern, Pflegen u. dgl. nicht von der Centralstelle, sondern von der betreffenden Landeskammer urkundlich vollzogen.
Die Hofkammer als Centralstelle war natürlich die den vier Kammern der Königreiche Böhmen und Ungarn, der ober- und niederösterreichischen Lande übergeordnete Aufsichtsbe- hörde. Der Inhalt der Instruction der Centralstelle wurde in Einklang gebracht mit den Ordnungen und Instructionen der Landeskammern und dadurch das Ineinandergreifen des Räder- werks des Finanzbehördenmechanismus der Monarchie herbei- geführt. Als Aufsichtsbehörde hatte sie in beständiger Corre- spondenz mit den vier Kammern zu stehen, die von denselben einlaufenden Berichte zu berathschlagen und über dieselben dem König behufs Erlangung seines Bescheids zu referiren. Insbesondere war es der Hof kammer zur Pflicht gemacht, dar-
1 Nur die Rechnung des Hofzahlmeisters ward von der Hofkammer revidirt.
I
E' .iE'
km
120
über zu wachen, dass die Landeskami uro die Controle der Rechnungen aller ihnen unterstellten Beaten pünktlich durch- führten und keine Verzögerung hierin aintrete , welche eine Schädigung des Kammerguts im Gefolg haben könnte.
Da eine Trennung des Staatsvermi ei - vom persönlichen Vermögen des Landesherrn damals n< b nicht durchgeführt war,1 so musste sieh die Thätigkeit d< Hofkammer auf die Beschallung und Verwendung von Mitte zur Befriedigung der Bedürfnisse des Staates, des Monarchenund seines Hofes er- strecken. Auf diese wird sogar beson wicht gelegt, wie dies in den Motiven, die zur Gründung dt Hofkammer führten, zum Ausdruck kommt, indem Ferdinad in der Hofkammer- ordnung betont, dass die Erwägungen, i unser camergueter und derselben einkommen una selbs. liebsten ^emahl und kindern, auch unsern kunigreichen landen und li iten zu frucht nutz und gnetem trosl und alle wolfart ordenlich ge- handlet', es am fürträglichsten hätt< äsen, aui Hofe eine Kammer aufzurichten.
Wenn man mit 1 ,, v. Stein2 das noderne Finanzwesen eist beginnen läset mit jenem Pi in welchem ich die beiden Elemente, das Vermögen irhaupts und die Leistungen des Volkes, zu einem ein mten Verfassung und Verwaltung unterworfenen einheil >hen wirthschaftlichen Ganzen verschmolzen, bo musa schon milian, der über- haupt das Mittelalter abschliesst und « perung Oesterreich den üebergang vom I.. tenstaat vollzieht,3 die Epoche des Lehenstinan ichli gelten, denn seli. m bei seinem • in der Finanzverwaltung, der Schaffung des < I irs, ver- pflichtet er diesen zur Vereinnahmung ahr ihm aus I m Reiche und den Erbländern zukommenden 1.. Steuern und Anschläge. In der Hofkammerordnng von 1498 wird so- dann der Schatzmeister für die Empfarmal \ traordi-
nari-Einnahmen aus Steuern, Anschlägn u. dgl. an die Mit- wirkung eines Rathes und des Regi der Hofkammer
1 Ueber .li.- Gestaltung der Rechtsverhälti I Dominiuma
Bpeciell in Deutschland vgl. A. W 8. Al.ih.
Leipzig and Heidelbi rg 1883 I., 8. 515 ff.
- A. a. O. (Schanz, Finanzarchr
3 Vgl. Luschin v. Ebengreuth, Gericht«
t0t * •
•; '. mm i-vH « ■
}&(*?****
JÜ« !*■;.•», ■ ,
ÜtaM -.
121
te|^
•
MMMtlP
gebunden.1 Ferdinid verfolgt diese Richtung einfach weiter und weist der M ammer die ihm nach Erschöpfung der Kammergüter von - n Ständen der Erblande auf sechs Jahre bewilligte Hilfe unrBteuer2 zur Verwaltung zu, denn der sub- sidiäre Charakter Ar Steuern, die nur bei Insuffizienz des Kammerguts gefordrt werden durften/5 erhält sieh als ein die Finanzreehtsgeschiele der deutschen Territorien beherrschen- des Principe
In diesem Fal dürfte BOgar die ständische Bewilligung den Anlass zur Reagan isation gegeben haben, denn die Hof- kammerordnung soll wie es am Schlüsse heisst, auf die sechs- jährige Dauer dei den Königreichen und Landen bewilligten Hilfe gelten und danmoch ein Jahr — ,aber zu ausgang solicher 7 jar soll in unsern gefallen Bteen dieselbig nach gelegenhait unsers wesens zu midern, zu nieren oder in ander notturftig weeg zu Btellen*. Erden Normen der Hofkammerordnung soll den Ständen eine '.. intie für die geregelte Leitung des Staats- haushalts geboten wden. Das war die Voraussetzung für die Bewilligung der Stade. Der König begibt sich der Ausübung des wichtigen Kronßchta der Aemterorganisation zu Gunsten der Stände. Lisi ü. Ablauf der siebenjährigen Periode lebt seine Organisationsgrad wieder voll und ganz auf. Wenn auch wohl die Grundzüge er Organisation nachher nur geringe Ver- änderungen erlitten aben, B0 bietet die Bestimmung wieder einen eharakteristisd n Beleg für die Macht der Stände, deren Kintluss in jeder l'Lse der Verwaltungsgeschichte aufs Neue hervortritt und sich elbst einem Herrscher wie Ferdinand I. gegenüber geltend n sht, der, vom Bewusstsein seiner Macht-
1 Hofkammerordnung, ritag vor St. Valentinstag 14138 bei Lünig, Codex Germ&niae diplomatics, Frankfurt und Leipzig 1732, I., S. 174 f.
- Kim' tabellarisi ersieht der von den Ständen Niederösterreichs
von 1496 1599 hewiigten Gelder gibt Oberleitner, Die Finanzlage Niederösterreichs im . Jahrhundert (Archiv f. Kunde österr. Geschiehts- quellen, XXX.. S. -1 ).
3 H. Schulze, Lehrbuedes deutschen Staatsrechts, Leipzig 1881, I., S. 580.
4 Auch der tirolisehen ammer war (1536) die Verwaltung der von der Tiroler Landschaft aufechs Jahre bewilligten Hilfe von 30.000 fl. alljähr- lich übertragen, deren srwendung aber gemäss der dem Landtag ertheilten Zusage zu nichts Andrem diente als zur Unterhaltung des prinzlichen Hofstaats, der _. der Kammer und des Bergwerks zu Schwaz, ,in welchem disem lai nach der justitia zum hechsten gelegen sein will'.
M
m
120
über zu wachen, dass die Landeskammern die Controle der Rechnungen aller ihnen unterstellten Beamten pünktlich durch- führten und keine Verzögerung hierin eintrete , welche eine Schädigung des Kammerguts im Gefolge haben könnte.
Da eine Trennung- des Staatsvermögens vom persönlichen Vermögen des Landesherrn damals noch nicht durchgeführt war,1 so musste sich die Thätigkeit der Hofkammer auf die Beschaffung und Verwendung von Mitteln zur Befriedigung der Bedürfnisse des Staates, des Monarchen und seines Hofes er- strecken. Auf diese wird sogar besonderes Gewicht gelegt, wie dies in den Motiven, die zur Gründung der Hofkammer führten, zum Ausdruck kommt, indem Ferdinand, in der Hofkammer- ordnung betont, dass die Erwägungen, ,wie unser camergueter und derselben einkommen uns selbs, unserer liebsten gemahl und kindern, auch unsern kunigreichen, landen und leuten zu frucht nutz und guetem trost und aller wolfart ordenlich ge- handlet', es am fürträglichsten hätten erscheinen lassen, am Hofe eine Kammer aufzurichten.
Wenn man mit L. v. Stein2 das moderne Finanzwesen erst beginnen lässt mit jenem Processe, in welchem sich die beiden Elemente, das Vermögen des Staatsoberhaupts und die Leistungen des Volkes, zu einem einer bestimmten Verfassung und Verwaltung unterworfenen einheitlichen wirtschaftlichen Ganzen verschmolzen, so muss schon seit Maximilian, der über- haupt das Mittelalter abschliesst und während dessen Regierung Oesterreich den Uebergang vom Lehens- zum Beamtenstaat vollzieht,3 die Epoche des Lehensfinanzwesens als abgeschlossen gelten, denn schon bei seinem ersten Organisationsacte in der Finanzverwaltung, der Schaffung des Generalschatzmeisters, ver- pflichtet er diesen zur Vereinnahmung aller ihm aus dem Reiche und den Erbländern zukommenden Einkünfte, auch der Steuern und Anschläge. In der Hofkammerordnung von 1498 wird so- dann der Schatzmeister für die Empfangnahme von Extraordi- nari-Einnahmen aus Steuern, Anschlägen u. dgl. an die Mit- wirkung eines Rathes und des Registrators der Hofkammer
1 Ueber die Gestaltung der Rechtsverhältnisse des älteren Dominium 8 speciell in Deutschland vgl. A. Wagner, Finanzwissenschaft, 3. Abth. Leipzig und Heidelberg 1883, I., S. 515 ff.
2 A. a. O. (Schanz, Finanzarchiv), S. 5.
3 Vgl. Luschin v. Ebengreuth, Gerichtswesen, S. 273 ff.
121
gebunden.1 Ferdinand verfolgt diese Richtung einfach weiter und weist der Hofkammer die ihm nach Erschöpfung der Kammergüter von den Ständen der Erblande auf sechs Jahre bewilligte Hilfe und Steuer2 zur Verwaltung zu, denn der sub- sidiäre Charakter der Steuern, die nur bei Insuffizienz des Kammerguts gefordert werden durften,3 erhält sich als ein die Finanzrechtsgeschichte der deutschen Territorien beherrschen- des Princip.4
In diesem Falle dürfte sogar die ständische Bewilligung den Anlass zur Reorganisation gegeben haben, denn die Hof- kammerordnung soll, wie es am Schlüsse heisst, auf die sechs- jährige Dauer der von den Königreichen und Landen bewilligten Hilfe gelten und dann noch ein Jahr — ,aber zu ausgang solicher 7 jar soll in unserm gefallen steen dieselbig nach gelegenhait unsers wesens zu mindern, zu meren oder in ander notturftig weeg zu stellen'. In den Normen der Hofkammerordnung soll den Ständen eine Garantie für die geregelte Leitung des Staats- haushalts geboten werden. Das war die Voraussetzung für die Bewilligung der Stände. Der König begibt sich der Ausübung des wichtigen Kronrechts der Aemterorganisation zu Gunsten der Stände. Erst nach Ablauf der siebenjährigen Periode lebt seine Organisationsgewalt wieder voll und ganz auf. Wenn auch wohl die Grundzüge der Organisation nachher nur geringe Ver- änderungen erlitten haben, so bietet die Bestimmung wieder einen charakteristischen Beleg für die Macht der Stände, deren Einfluss in jeder Phase der Verwaltungsgeschichte aufs Neue hervortritt und sich selbst einem Herrscher wie Ferdinand I. gegenüber geltend macht, der, vom Bewusstsein seiner Macht-
1 Hofkammerordnung, Eritag vor 8t. Valentinstag 1498 bei Lünig, Codex Germaniae diplomaticus, Frankfurt und Leipzig 1732, I., S. 474 f.
2 Eine tabellarische Uebersicht der von den Ständen Niederösterreichs von 1496—1599 bewilligten Gelder gibt Ober leitner, Die Finanzlage Niederösterreichs im 16. Jahrhundert (Archiv f. Kunde österr. Geschichts- quellen, XXX., S. 81 f.).
3 H. Schulze, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, Leipzig 1881, I., S. 580.
4 Auch der tirolischen Kammer war (1536) die Verwaltung der von der Tiroler Landschaft auf sechs Jahre bewilligten Hilfe von 30.000 fl. alljähr- lich übertragen, deren Verwendung aber gemäss der dem Landtag ertheilten Zusage zu nichts Anderem diente als zur Unterhaltung des prinzlichen Hofstaats, der Regierung, der Kammer und des Bergwerks zu Schwaz, ,an welchem disem land nach der justitia zum hechsten gelegen sein will'.
122
Vollkommenheit stark durchdrungen, ständischen Uebergriffen jederzeit seinen unbeugsamen Herrscherwillen entgegenzu- setzen wusste.
Ferdinand konnte sich zu einer solchen Concession um so eher herbeilassen, als den österreichischen Ständen das Recht der Errichtung besonderer landständischen Steuercassen nicht eingeräumt war. Während in fast allen deutschen Territorien jener Dualismus des Cassenwesens bestand, welcher nur das Kammergut landesfürstlichen Behörden überliess, die von den Ständen bewilligten Steuern aber der ständischen Verwaltung unterstellte, war diese Cassentrennung, welche in einzelnen Staaten bis in unser Jahrhundert fortbestand, hier nicht durch- geführt. In Oesterreich war also schon im 16. Jahrhundert jene Einheit der Finanzverwaltung vorhanden, welche die Herrscher anderer Staaten erst in schweren Kämpfen ihren Stän- den abgerungen haben.1
Auch die von den Ständen aufgebrachten Steuern wurden also vereinnahmt durch den Hofzahlmeister, welcher als Mit- glied der Hofkammer mit der speciellen Aufgabe eines Central- staatscassiers im heutigen Sinne betraut war. Wir erkennen hier schon die Anfänge einer Trennung der Cassengebarung von der verwaltenden Thätigkeit der Finanzbehörde, denn ob- wohl Mitglied der Hofkammer, geuiesst er doch eine, allerdings höchst begrenzte Selbstständigkeit und seine Functionen sind von denen der Käthe scharf getrennt. Diese Institution ist auch nicht neu; sie entwickelt sich in ähnlicher Weise schon früher.
In Frankreich bilden ebenfalls ursprünglich die tresoriers de France einen Bestandtheil der chambre des comptes. Als ein tresorier nicht mehr ausreichte für die Perception der in den königlichen Schatz fliessenden Gefälle, wurde die Mehrheit der tresoriers (seit 1359), deren Zahl sich später auf vier fixirte, zu einer chambre du tresor vereinigt.2 Diese chambre du tresor bildete aber immer noch einen Annex3 der chambre des comptes
1 Vergleiche über ilie Cassentrennung im deutschen territorialen Finanz- wesen A. Wagner a. a. O., S. 198 11'.
2 Pardessus, p. 225 s.
s In Frankreich war die auch in den meisten deutschen Territorien durch- geführte Trennung der Verwaltung des Kammerguts von der Verwaltung der Steuern, welche, durch die generaux des finances bethätigt wurde, dem Königthum von den Ständen abgerungen worden. Vgl. R. Dar est e, p. 23 s.
123
und blieb in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnisse von derselben.1
In Oesterreich hat schon die von Maximilian 1498 errich- tete Hofkammer unter ihrem Personal den Reichsschatzmeister, welcher einer der fünf Statthalter der Kammer ist, daneben aber auch den Schatzmeister der österreichischen Erblande, welcher diesen beigesellt ist. 2 Dieser wird auch in der Schatz- kammerordnung von 1498 als dasjenige Organ bezeichnet, an welchen die Vicedome und Kammermeister aus allen Gebieten der Erblande die von ihnen vereinnahmten Zinsen, 3 Renten, Gülten, Steuern, Hilfsgelder, kurz alle Einnahmen jeglicher Art alljährlich abzuführen haben. Die Verbindung mit der Hofkammer zeigt sich aber darin, dass die diesen Beamten auszustellenden Quittungen nicht vom Schatzmeister allein unter- schrieben, sondern auch noch von einem der Hofkammerräthe gegengezeichnet werden mussten, so dass dieses als Control- organ des Schatzmeisters fungirte. Der Hofkammer ist dadurch die Beaufsichtigung des gesammten Einnahmewesens übertragen, da alle Einnahmen der Erblande beim obersten Schatzmeister zusammenfliessen. Aus den hier zusammenströmenden Summen bestreitet er dann die Ausgaben, aber nur auf Grund der Zahlungsanweisungen, welche zu ihrer Giltigkeit nicht nur des Königs Unterschrift, sondern auch die eines Statthalters und des Registrators der Hofkammer bedürfen.
Damit war der Hofkammer auch die Beaufsichtigung des ganzen Ausgabendienstes gewahrt. Dies Collegium bildete also das Auge des Königs, welches die Finanzgebahrung des
1 1473 bildete Karl der Kühne in Mecheln eine aus zwei tresoriers bestehende chambre du tresor neben der chambre des comptes, zugleich auch eine chambre des generaux des aides, das französische Muster wurde also voll- ständig nachgeahmt. V<.1. Gachard, p. 110.
2 Hofkammerordnung von 1498 bei Lünig a. a. O.
3 Schatzkammerordnung v. n 1498: .So sol dem benannten unserm obristen schatzmaister jerlich dur« h unser vitztumb und camermaister . . . alle und igliche unser zins ratt nutz gult torttal steurn hilfgelt errunggelt [den gemainen pfening] haimgevallen guter ligend und varend und all ander nutzung und zufal klain und gros wie die genannt und gehaissen sind nichts ausgenomen, so uns von fron und wexl aller und iglicher unser perkwerch auch unsern pflegen, steten, merkten, gerichten, meutten, zollen aufsiegen und andern unsern embtern oder in ander weg in unsern o. und n. österr. erblichen furstentumben und landen . . . gevallen.'
124
Reiches und der Erbmonarchie aufs Schärfste überwachen konnte, da ohne ihr Wissen weder ein Betrag vereinnahmt, noch verausgabt werden konnte. Während das Schatzmeisteramt so zwar nur in Verbindung' mit der Hofkammer seine Thätig- keit entfalten konnte, aber immerhin derselben nur coordinirt war, tritt hierin 1499 eine Aenderung ein, denn durch eine Verordnung ' wird ausdrücklich ausgesprochen, dass es nun- mehr der Hofkammer ,incorporirt' werde. Diese wohl mit der gleichzeitig erfolgten Umwandlung der Innsbrucker Schatz- kammer in eine Raitkammer2 in Verbindung stehende Mass- nahme verhinderte den gleichen Entwicklungsgang wie in Frankreich, die Abzweigung der Schatzmeister und ihre Er- hebung zu einem besonderen Collegium. Denn die Leitung der Finanzverwaltung erfolgte durch die Hofkammer, deren Mit- glieder die Schatzmeister waren,3 sie übte also die Functionen der chambre du tresor aus, während die Innsbrucker Schatz- kammer die ganze Rechnungscontrole des Reiches und Oester- reichs concentrirte.
Die Schwankungen in der Thätigkeit der Hofkammer mussten natürlich auf die centrale Leitung der Cassengeschäfte zurückwirken. Die Geldverlegenheiten des Kaisers Hessen es zu einer stetigen Weiterbildung seiner Organisationen nicht kommen, und auch, das Schatzmeisteramt hatte unter ihrem Drucke manche Umbildung zu erfahren, denn als J. Villinger 1512 zum Tresorier4 (Schatzmeister, später erscheint er als Generalschatzmeister) ernannt ward, wurde ihm die Grenze seiner Zuständigkeit so weit gezogen, dass das Auweisungsrecht,
1 Vom 22. December 1499 bei Schalk, Oesterreichs Finanzverwaltung unter Berthold von Mangeu (Blätter für Landeskunde Niederösterreichs, Neue Folge, XV., S. 298).
2 ,Und als wir in versehiener Zeit eine Schatzkammer zu I. aufgerichtet haben, die haben wir in e. Raitkammer gewendt und benent' (heil. Weih- nachtsabend 1499). Vgl. Rapp, Vaterländisches Statutenwesen a. a. O., S. 170.
3 Auch J. Bontemps, Schatzmeister von Burgund, wird als Mitglied der Hofkammer genannt.
4 Vgl. Adler, S. 131 ff. und 547 ff., woselbst die Schatzmeister- und Ein- nehmerordnung vom 14. August 1514 abgedruckt ist. Villinger konnte sich durch einen Zahlmeister vertreten lassen. 1514 wird ihm sogar die Ernennung der Beamten, des , Einnehmers des Schatzmeisteramts' und eines Gegenschreibers, welche die eigentliche Cassengeschäftsfiihrung besorgten, eingeräumt.
125
welches Max früher unter Einschränkung seiner eigenen Macht- vollkommenheit aufgestellt hatte, wesentlich durchbrochen wurde. Villinger genoss eben das Vertrauen seines Fürsten und war ihm, da er nicht nur seine Creditoperationen bewerkstelligte, sondern ihm selbst grosse Beträge vorstreckte, ' unentbehrlich. Der Persönlichkeit zu Liebe ward die Amtssphäre umgewandelt, eine Erscheinung, die typisch ist für die geringe Ausdauer und mangelnde Stetigkeit, mit welcher Maximilian seine vortrefflichen Pläne wieder aufgab und so über beständiges Experimentiren und Herumtasten in seinen Organisationen nicht herauskam. Der von ihm entworfene Grundriss, das war das Bleibende im Wechsel der Erscheinungen.
Es wurde schon hervorgehoben, dass die Hofkammer in den letzten Regierungsjahren Maximilians nicht mehr func- tionirt und dass der Hofrath sich auch wieder wie ehedem mit finanziellen Geschäften abgegeben haben dürfte. Der Schwerpunkt der Finanzverwaltung lag aber im Schatzmeister- amte mit seinen Annexen. Das bezeugen die Verhandlungen auf dem Ausschusslandtag von 1518, wo der Kaiser den For- derungen der Stände auf Einsetzung einer Hofkammer nicht nachgibt und ihnen durch Hinweisung auf sein Schatzmeister- amt die Spitze abbricht. So blieb die Finanzverwaltimg nicht mehr einem speciellen Collegium, sondern Einzelbeamten über- tragen. Der Innsbrucker Landtagsabschied fixirt im Allgemeinen nur den bisherigen Zustand, gewährt aber ein architektonisch abgerundetes Bild. An der Spitze steht der Schatzmeister mit seinem Einnehmergeneral, in dessen Händen alle Einkünfte der Kammergüter des Hauses Oesterreich, alle ordinari und extra- ordinari Gefälle zusammenfliessen. Am Hofe bleibt dann noch der schon früher eingesetzte Pfennigmeister,2 welcher auf des Schatzmeisters Befehl alle Ausgaben für den Hof bestreitet mit dem ihm vom Einnehmergeneral übergebenen Gelde.
In den oberösterreiehischen und niederösterreichischen Ländern concentrirt dann wieder je ein Kammermeister die
1 Ihm waren viele Einnahmen verpfändet.
2 Dieser Pfennigmeister kommt mit dem ,Controlorl zuerst vor, seitdem die Verträge mit Gossembrot von 1501 und 1502 eine neue Ordnung ein- geführt hatten. Vermutlilich war die französische Institution der chambre aux deniers mit ihrem Maitre und Controlcur Vorbild. (Vgl. Adler, S. 105, 108 f.)
126
aus diesem Lande fliessenden Einkünfte und bringt sie zur Verwendung. ' Dieser Zustand erhielt sich in den ersten Re- gierungsjahren Ferdinands. Sein allmächtiger Günstling Gabriel von Salamanca2 bekleidete -das Amt eines Schatzmeistergenerals. Aller österreichischen Fürstenthümer und Länder Einkommen hatte er zu vereinnahmen und die entsprechenden Ausgaben zu leisten. Zur Prüfung seiner Rechnung wurde eine besondere Commission von Räthen ernannt. 3 Eine Neuordnung des Schatz- meisteramtes fand im September 1525 4 statt, als Salamanca die Urlaubsreise nach Spanien antrat,5 die seinem Sturze voran- ging. Er sollte sein Aufsehen haben, dass das Kammergut
1 Das Innsbrucker Libell (Steh-. Landhandfeste, S. 53) besagt im Artikel ,Cammergut': ,Die\veil Wir aber hievor ein auffrichtige gute Ordnung ains Schatzmaisters auch Einnemers Generals und Pfennigmaisters am Hof auffgeriebt haben, die auch der Ausschluss Rathschlag nit ungemäss ist, so lassen Wir solche Aembter in berürter Unser Ordnung beleiben. Und nemblich das Wir einen Schatzmaister und neben jme einen Einnemer General haben, In desselben Einnemer General banden alle unsers Hauss Oesterreich Cammergütter einkommen, und Gefäll, Ordinari, und Extra- ordinari kommen, und von dannen vviderumb aussgebeu werden, innhalt gedachter Unser Ordnung. Wir wollen auch sonderlich ainen Cammer- maister, Unser Nider Oesterreichischeu Lande, wie wir in den Obern Landen haben, verordnen, dem alle Unser Nider Oesterreichische Vitz- tumb, und Exempt Amptleut, jhr einnehmen unn Empfang zuhanden antworten, der auch daneben au ff alle dieselben Amptleut sein auffsehen haben, und solchen empfang zu banden des Einnemer Generals raichen soll. Darzu haben Wir einen Pfennigmaister an Unserm Hoff, der von gemeltem Einnemer General auff dess Schatzmaisters Ordinantz und be- velch seinen empfeng thun und alle Unser Hoff aussgab handien, dieselben Einnehme, General, auch Cammermaister und Pfennigmaister, Vitztumb, und Exempt, Amptleuth, all Ir handluug vor der gemeinen Unser Rait- cammer verraitten sollen.'
2 Ueber ihn und Hofmann siehe v. Krones, Handbuch der Geschichte Oesterreichs, Berlin 1879, III., S. 263.
3 Seine Rechnung vom 1. September 1522 bis 30. September 1523 ergibt ein Remanet von 109.564 fl. 19 kr., welches ihm Ferdinand schuldig blieb. Zur Prüfung der ferneren Rechnung über drei Monate werden Herberstein und zwei andere Räthe zu Raiträthen ernannt und dem Sala- manca ein Raittag festgesetzt (Reichsfiuanzarchiv, Hofstaat 1500 — 1700).
* Geschäft vom Hof, 1525, September 18., S. 111 (Innsbrucker Statthalterei- Archiv). Salamanca wurde von Neuem als oberster Schatzmeister und Superintendent verordnet.
5 Bidermanu, S. 71.
127
ordentlich gehandelt und verwaltet werde, und des Schatz- meisteramts Einnahmen und Ausgaben wurden auf den Pfennig- meister Löble gewandt, also mit anderen Worten, Salamanca wurde noch im Besitze der Würden und Bezüge des Amtes ge- lassen, die eigentliche Function desselben aber auf den Pfennig- meister übertragen und so die neue Entwicklung angebahnt, denn den Pfennigmeister löste der Hofzahlmeister in diesem Wirkungskreise ab. Nach Salamancas Sturz wurde Hofmann zum Schatzmeister ernannt und bei Errichtung der Hofkammer von 1527 derselben als Vorstand vorgesetzt.
Mit der Organisation einer Centralbehörde für das Finanz- wesen waren auch die bisher dem höchsten Finanzbeamten übertragenen Functionen auf das neue Collegium übergegangen. Die Cassengeschäfte wurden jetzt unter der Oberaufsicht der Hofkammer allerdings durch einen ausschliesslich für deren Erledigung bestellten, ihr untergebenen Beamten besorgt. Dieser, der Hofzahlmeister, nimmt, wie gesagt, die Steuern, welche von den Ständen bewilligt und erhoben werden, in Empfang. Dabei ist zu betonen, dass auch die Steuern und Hilfsgelder der König- reiche Böhmen und Ungarn in die Hände des Hofzahlmeisters fliessen. Jene Centralisirung des Finanzwesens, die überhaupt in der Hofkammer, welcher ja auch die Kammern dieser der habsburgischen Monarchie nur angegliederten Königreiche sub- ordinirt sind, zur Erscheinung kommt, erstreckt sich also auch auf die Cassengeschäfte wenigstens nach dieser Richtung. Denn aus den auf diese Weise in der Hand des Hofzahlmeisters zu- sammenfliessenden ständischen Hilfsgeldern hat dieser vor Allem jene Ausgaben zu bestreiten, welche als Centralausgaben bezeichnet werden können, den Hofstaat im weitesten Sinne. In der Person des Herrschers war nämlich vorzugsweise der die verschiedenen Theile der Monarchie einigende Mittelpunkt gegeben. Die für seine und seines Hofes Bedürfnisse er- wachsenen Ausgaben mussten also in erster Reihe als solche gelten, welche die ganze Monarchie gleichmässig angingen und daher von den Leistungen aller Theile derselben zu decken waren. Ausser den Steuern hatte der Hofzahlmeister auch alle übrigen Einkünfte, wie aus Anlehen u. dgl., insbesondere auch die nicht aus dem Kammergute herrührenden Einnahmen in Empfang zu nehmen. Nicht nur auf die in baarem Gelde einlaufenden Einkünfte, sondern auch auf die Empfangnahme
L28
von Waaren1 in Wolle und Seide, in Gold und Silber,2 soweit er mit derselben beauftragt ward, erstreckte sieb seine Thätigkeit.
Obwohl man das System der Naturalwirtschaft über- wunden hatte, konnte doch auf verschiedene Weise eine An- sammlung- von Waaren in den Händen des Hofzahlmeisters bewirkt werden. Vor Allem waren es Creditoperationen, bei welchen die Uebernahme von Waaren im Interesse des Hof- und Staatshaushalts gelegen sein konnte. In diesem Falle er- hielt der Zahlmeister von der Hofkammer eine besondere In- struction, welche Mass gab, ,wie er dieselbige waar ausgeben und mit unserm nutz verrichten soll, damit uns der gwin in solichen waaren allain zuestee und ordenlich verrait werde'. Ferner wurden für die Bedürfnisse der Person des Königs und des Marstalls, auch für Geschenke an die Botschafter, die an den königlichen Hof kamen, goldenes und silbernes Tuch, seidene und wollene Gewänder in Italien und anderen Orten durch die Hofkammer bestellt und an das Hofzahlmeisteramt abgeliefert, damit es nie an einem ordentlichen Vorrath mangle. Von diesem wurde dann stets das für die Kleidung des Königs erforderliche Material dem obersten Kämmerer zugestellt. Diese Massregel des directen Einkaufs von der ersten Bezugsquelle wurde getroffen, weil die bisherigen Erfahrungen lehrten, dass die Qualität der bisher bezogenen Waaren viel zu wünschen übrig Hess und durchaus nicht den dafür gezahlten Preisen entsprach. Diese Waaren sollten deshalb keinesfalls von den Hofkrämern bezogen werden, da bei ihnen selten gute Waare oder ein ziemlicher gleicher Kauf zu finden sei.
Ausserdem war eine Ansammlung von Waaren noch möglich, falls dem König, was auf seinen Reisen häufiger zu geschehen pflegte, Geschenke an Silbergeschirr, Nahrungsmitteln oder Futter überreicht wurden. Auch hiervon versprach der
1 ,Vcrrer ordnen wir dan unser hofzalinaister alles gelt, sovil inie von unsern einkornen unserer kunigreiche und erblichen landen, auch von anleheu, bewilligungen, unser lande, finanzen, es sei gelt, wullen tuech, seiden und gülden waar und silbergeschierr oder anders nichts ausgenomen zu empfahen bevolchen werdet . . .'
2 In schwerer Kriegsnoth wurden von den Ständen auch Gold- und Silber- geräthe beigesteuert. Vergleiche zum Beispiel den Ausweis über das 1526 von den Städten, Kirchen und Klöstern zur Bestreitung der Kriegs- kosteu für den Türkenkrieg abgelieferte Gold und Silber bei Ober- leitner, Finanzlage, a. a. O., S. 49 ff.
129
König1 der Hofkammer Anzeige zu erstatten. Sie sollte eben in der Lage sein, auch jedes Detail der Einnahmen übersehen zu können. Sie hatte dann anzuordnen, ob die Silbergeräthe an den Kämmerer oder an den Hofzahlmeister behufs Verwahrung überantwortet werden sollten, während die Victualien etc. an die Hofküchen-, Keller- oder Stallmeister abgeführt und von diesen ordentlich in Ausgabe gestellt werden sollten.
Die Unterscheidung zwischen Ordinari- und Extraordinari- einnahmen, die schon in der Maximilianischen Epoche sich als ein bedeutsamer Fortschritt in der Finanzverwaltung darstellte, wurde natürlich strenge beibehalten.
Zu einem ganz selbstständigen Organismus hatte sich das Cassenwesen aber noch nicht durchgerungen ; wenn auch in dem Amte des Hofzahlmeisters dieser Zweig des Finanzwesens sich ein eigenes Organ geschaffen hatte, dieser ' konnte doch nur in Verbindung mit der Hofkammer seines Amtes walten. Die Vereinnahmungen hatten zu erfolgen nur mit Wissen der Hofkammerräthe, in deren Gegenwart sie durch den Hofzahl- meister eingeschrieben und quittirt werden mussten. Diese Be- aufsichtigung des Einnahmewesens durch das ganze Kammer- collegium war schon durch die Hofkammerordnung von 1498 angeordnet, welche vorschrieb, dass keine Quittung von einem Mitgliede desselben unterschrieben werden dürfe, dieselbe sei denn vorher im Hofkammerräthe zugegeben und angeschafft. Jede Quittung war dann ausserdem noch mit der Unterschrift seines Controlorganes, des Buchhalters, zu versehen, ,der in disem desselben unsers zalmaisters gegenschreiber sein soll-', und in ein Buch zu registriren. Ein Verzeichniss aller Einnahmen, vom Zahlmeister und zwei Kammerräthen unterzeichnet, wurde dem König zugestellt, so dass nicht nur die Hofkammer, sondern auch der König von dem jeweiligen Stande der Einnahmen unter- richtet waren. Für den Ausgabedienst war die Unterscheidung von Ordinari- und Extraordinariausgaben von hervorragender Be- deutung. Er konnte sich auf die Ausgabenvoranschläge stützen, die ihm als Grundlage dienten.2 Nachdem schon unter Maxi-
1 Der Hofzahlmeister war ein Subalterubeamter, welcher im Hofstatus erst nach den Hofkammersecretären rangirte.
2 Im Inusbrucker Statthaltereiarchiv (Maximiliaua XIII., 284) ist ein solcher Etat , Schatzkammer-Ausgaben von 1497' erhalten (abgedruckt bei Adler, S. 355).
Archiv. Bd. LXIX. I. Hälfte. 9
130
milian jener ungeheure Fortschritt in der Staatswirthschaft ge- macht wurde, welcher sich nicht mit der einfachen Abrechnung der Einnahmen und Ausgaben am Schlüsse einer Periode be- gnügt, sondern die Berechnung des Bedarfes der Zahlung vor- hergehen lässt, ' hatte man unter Ferdinand an der Einrichtung solcher planmässiger Ausgabenvoranschläge festgehalten. An solche Etats darf freilich nicht der Massstab unserer fein ent- wickelten Technik des Etatswesens gelegt werden, aber sie gewährten immerhin eine Grundlage des jährlichen Bedarfs für die Finanzverwaltung, um im voraus Fürsorge zu treffen für die erforderliche Deckung desselben. Solche Vorausberech- nungen sind namentlich für die Centralausgaben erhalten unter der Bezeichnung , Königlicher Hofstaat'. 2 In denselben erscheinen nicht nur die Personalexigenzen für das Hofgesinde, sondern auch die Besoldungen der Mitglieder der Behörden, welche am Hofe ihren Sitz haben, also des geheimen Rathes, der Hof- kammer mit der Hofkammerkanzlei, des Hofraths und des Hofkanzleipersonals als Ausgabepositionen des Hofstaats. Da diese Verzeichnisse die Grundlage für die Auszahlungen bildeten, war der Hofkammer der Auftrag ertheilt, dieselben stets evident zu halten und deshalb vor jeder Quartalauszahlung den Hof- staat durch den obersten Hofmeister und Hofmarschall revi- diren zu lassen durch Streichung der abgegangenen und Hin- zufügung der neu aufgenommenen Personen. In Betreff der Extraordinariausgaben, unter welchen die Kosten für Zehrung und Verehrung der Botschafter hervorgehoben werden, enthielt die Hofkammerordnung die Bestimmung, dass der König über solche mit den Hofkammerräthen eingehende Berathung halten und auf Grund derselben erst Entschlüsse gefasst werden sollten. Während die ordentlichen Ausgaben im Hofstaat verzeichnet waren und auf Grund ihrer Aufnahme in diesen jede Position ausbezahlt werden konnte, indem diese als allgemeiner Zahlungs-
1 v. Stein, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, Leipzig 1878, L, S. 52.
2 Publicirt ist, wie erwähnt, von Firn h aber ,Ordinari Hofstatt Rom. Ku. Mt. Räte Officier Diener und Hofgesindt mit iren pherden auch was ain yeder monatlich Besoldung Livergelt und Pesserung hat, angezaigt . . . Anno 155-4' im Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen, XXVI. Ferner von Oberleitner, Ein Hofstaat zwischen 1543 und 1546, Band XXII daselbst.
131
auftrug1 betrachtet wurde,2 galt hinsichtlich der ausserordent- lichen Ausgaben jener Grundsatz, den schon Maximilian in das österreichische und Reichsfinanzrecht eingeführt hatte, dass eine Zahlung nur auf Grund einer ordnungsgemässen Zahlungsan- weisung erfolgen dürfe, ein Princip, das schon viel früher in England,3 in Frankreich4 und in den Niederlanden5 zur An- erkennung gebracht worden war. Jene für das finanzielle An- weisungsrecht so bedeutungsvolle Bestimmung der Hofkammer- ordnung von 1498, wonach nur solche an den obersten Schatz- meister gerichtete Zahlungsanweisungen für giltig angesehen wurden, welche ausser der Unterschrift des Königs noch die eines Statthalters und eines Registrators der Hof kammer trugen, wurde zwar von dem durch stete Geldverlegenheit bedrängten König in der Praxis bald wieder fallen gelassen, aber der Keim dieser In- stitution erhielt sich doch triebkräftig wie so mancher andere, den der geniale Organisator auf dem Throne in seine Lande gesenkt hatte, um erst nach Decennien zu vollkräftiger und dauernder Entfaltung zu kommen. Uns interessirt hier noch besonders eine für das Innsbrucker Regiment erlassene Verordnung von 1500, (i welche das Anweisungsrecht für die oberösterreichischen Lande in der Weise regelt, dass nur die auf einen Betrag von
1 Für das moderne Finanzrecht gilt auch der Satz, dass alle Zahlungen entweder nach allgemeinen Zahlungsaufträgen oder nach bestimmten An- weisungen erfolgen, und dass sich die ersteren auf die regelmässigen Zahlungen für die systemirten Ausgaben des Staatsdienstes beziehen. Vgl. v. Stein, Finanzwissenschaft, I., S. 95. Also auch in dieser Be- ziehung lassen sich die Ausgangspunkte des heutigen Finanzrechts weit zurück verfolgen.
2 In diesem Sinne verfügte die Schatzkarnmerordnung von 1498, dass der Hofstaat in gleicher Weise wie die übrigen , Geschäfte' (Zahlungsordres) unterzeichnet werden müsste.
3 Vergleiche über die königlichen Zablungsordres und die auf Grund der- selben von dem Treasurer oder einem Mitgliede des Schatzcollegiums erlassenen Zahlungsrescripte : Gneist, Englische Verfassungsgeschichte, S. 180.
4 Durch eine Ordonnance von 1318 ward den tresoriers befohlen ,de n'acquitter des depenses que sur des lettres du roi ou avec l'autorisation du premier tresorier (Dareste de la Chavanne, I., S. 336).
5 Vergleiche das Decret Karls des Kühnen für die Chambre des comptes ä Malines von 1473 (Gachard, p. 110, piece Justine. XXVIII).
6 Montag nach St. Pauli conv. bei Rapp a. a. O. (Zeitschrift des Ferdinan deums, 1829, V., S. 172).
9*
132
wenigstens 10Ü Gulden lautenden Anweisungen vom König und der Hofkammer unterzeichnet werden mussten, während die letztere allein anweisungsberechtigt war, sobald es sich um einen 100 Gulden nicht erreichenden Betrag handelte. Merk- würdigerweise war man 1537 kleinlicher geworden, indem man 10 Gulden jetzt als Maximalsumme betrachtete, bis zu welcher die Hofkammer allein Anweisungen ausstellen konnte, 1 alle auf mehr als 10 Gulden lautenden Anweisungen mussten ausser mit der Unterschrift des Superintendenten und eines Hofkammer- raths noch mit der des Königs versehen sein.
Eine Erleichterung war insoferne eingetreten, als der Hofzahlmeister eine solche Anweisung honoriren durfte, auch wenn demselben das königliche Handzeichen noch fehlte, allein ein solcher noch unvollkommener Befehlzettel musste dem König behufs Unterzeichnung in acht, längstens vierzehn Tagen zu- gestellt werden, widrigenfalls der betreffende Ausgabeposten bei der Abrechnung beanstandet wurde.2
Am Schlüsse eines jeden Quartals hatte der Zahlmeister ein Verzeichniss der Einnahmen und Ausgaben an die Hof- kammer zu liefern und zu Weihnachten die Jahresrechnung zu schliessen, deren Revision dieser Stelle übertragen war.
Unter den für die Geschäftsführung des Zahlmeisters durch die Hofkammerordnung3 aufgestellten Normen ist hervorzuheben die im Einklänge mit der Hofordnung von 1537 4 erlassene
1 ,Was aber ausgaben 10 oder ander 10 gülden sein, dieselben sollen allain auf obgemelter zwaier personen underschriben zetl, doch alles mit gemainer hofcamerrat, sovil der zu jeder zeit an unserin hof sein, vorwissen und bevelch bescbehen.'
2 , — so unserm hofzalmaister zetln, die von uns underschriben werden sollen, von gemeltem hochmaister und ainem unserm hofcamerrate under- schriben zuekomen, so mag er die ausgab darauf wol thuen, doch soll er aber allwegen zu 8 oder zum lengisten in 14 tagen dieselbige ver- schieben zetl uns auch zuverzaichnen fürbriugen, wann sonst soll dem- selben unserm hofzalmaister kain ausgab über die 10 fl. gestelt in seinen raitungen nit passiert werden.'
3 Die in derselben erwähnte Hofzahlmeisterinstruction ist nicht mehr vor- handen.
4 In ,Der Rom. k. mt. Ordnung und Instruction derselben hohen und nider hofembter' 1. L, 1537 (Archiv des Ministeriums des Innern) heisst es in dem Artikel über das oberste Hofmarschallamt: ,Und wenn zu unserm Hofgesind einem oder mehr um Schuld bei ihm verklagt oder Ersuchung gethau würde und er unser Hofmarschall bei unserm Hofzahlmeister
133
Vorschrift, dass wegen Schulden eines Hofdieners seitens der Gläubiger eine Beschlagnahme seines Gehalts bewirkt werden könne. Die Klage war bei dem Hofmarschall, welchem die Juris- dictionsgewalt über das Hofgesinde zustand, einzureichen und von ihm ward, sobald er dieselbe für begründet erachtet, die Arrestirung des Gehalts angeordnet. Der Zahlmeister hatte dieser Beschlagnahme zu entsprechen , sobald er die dahin- zielende Aufforderung der Hofkammer erhalten hatte. Man sieht, es ist nur ein geringer Grad von Selbstständigkeit, welche dem Hofzahlmeister eingeräumt ist. In allen Punkten tritt seine Unterordnung unter die Hofkammer hervor und seine Action ist stets bedingt durch einen Befehl derselben; erst durch ihre Berührung wird das Räderwerk des Cassenwesens in Bewegung gesetzt.1 Und trotz dieser innigen Verbindung der Hofkammer und des Zahlmeisters ist doch das Princip der Trennung der anweisenden und auszahlenden Behörden, wie wir sehen, streng durchgeführt, ebenso wie der Hauptzweck der Institution der Hofkammer bei allen Detailvorschriften bewahrt wird, der, von Einem Punkte aus das gesammte Finanzwesen der Monarchie zu überwachen und zu leiten.
So macht sich bereits in den Anfängen der modernen Verwaltung jene Anschauung geltend, welche auch in unseren Tagen die Cassen nur als vollziehende Hilfsorgane betrachtet, welche ohne specielle Aufträge der eigentlichen Finanzverwal- tungsbehörden weder Empfänge noch Ausgaben vollziehen dürfen.2
demselben Hofgesind seine geordnete Bezahlung zu empfangen inhibirt und verbeut, soll der Hofzahlmeister demselben Verbot zu gehorsamen schuldig sein und dieselben nicht verfolgen zu lassen, er wisse denn, dass der Gläubiger, so die Anklage gethau zufrieden gestellt sei oder dass ihm derhalben unser Marschall wiederum Befehl und solcher Arrestation Relaxierung thue.' — In der Hofkammerordnung wird für diesen Fall gesagt: ,so sollen unser hofcamerräte bei unserm hofzalmaister Verordnung thuen, das derselben unsers hofmarschalchs gebot gelebt . . . und fürnemblich sovil die schuld betrifft an der beruerten besoldung inen gehalten und dardurch die gläubiger zufriden gestellt werden'.
1 Es rnuss hier noch die Bestimmung der Hof kammerordnung Erwähnung finden, welche dem Hofzahlmeister untersagte, einem Hofgesinde ohne Genehmigung der Hof kammer etwas fürzuleihen. Diese konnte auch nur die Vorausbezahlung eines Monatsgehalts gestatten. Sollte eine Präuu- merirung für mehrere Monate /.. B. bei Absendung zu Botschaften statt- finden, so war die königliche Bewilligung hiefür einzuholen.
2 Dessary, Grundzüge der österr. Finanzgesetzkunde, Wien 1855, Ö. 257.
134
Auch sonst zeigt sich bei Betrachtung des Cassenwesens der Ferdinandeischen Epoche1 eine auffallende Aehnlichkeit mit der Structur des modernen Cassenwesens, dessen Grund- formen offenbar bis in jene Zeit zurückzuverfolgen sind. Mit Recht bringt A. Wagner2 die Centralisation des Cassenwesens in Verbindung mit dem mächtigeren Aufleben des Gedankens der Staatseinheit, denn auch in Oesterreich ist sie eine Wirkung jener allgemeinen Centralisationsbestrebungen , die eine ziel- bewusste Politik schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erfolgreich durchführte, während man selbst das Streben nach einer solchen Cassencentralisation allgemein erst in das Ende des 17. und 18. Jahrhunderts setzt.3
Betrachten wir die hierarchische Gliederung des einheit- lichen Staatscassensystems des modernen Staates, so können wir auch eine ganz auffallende Uebereinstimmung mit dem Bilde des von uns hier geschilderten und noch zu schildernden Cassen- wesens, denn wir dürfen wohl diese Bezeichnung auf alle Ein- nahme- und Ausgabeorgane anwenden, constatiren. Die nach der Function, der Ausdehnung des territorialen Wirkungskreises und der gliedlichen Stellung der einzelnen Cassen von der heutigen Finanzwissenschaft4 unterschiedenen drei typischen Arten von Cassen, Unter- oder Local-, Mittel- oder Bezirks- (Provinzial-) und Ober- oder Hauptcassen kennt schon die öster- reichische Verwaltung im 16. Jahrhundert. Der Hauptcasse entspricht das Hofzahlmeisteramt, als Provinzialcasseu können wir im gewissen Sinne die Kammermeisterämter der vier Länder- gruppen bezeichnen, was sich in der Darstellung der Organisation dieser vier Länderrechnungskamrnern ergeben wird. Der unteren
1 Ich will von der inaximilianischeu Zeit, die nicht zu bleibenden Organi- sationen kam, hier absehen.
2 Finanzwissenschaft, S. 272.
3 In Folge der nach Ferdinands I. Tod eintretenden Theilung der Monarchie und durch Schaffung besonderer Cassen für das Kriegswesen (Hofkriegs- zahlmeisteramt, Feldkriegszahlmeisteramt etc.) war das Cassenwesen im 17. Jahrhundert derart zersplittert, dass Graf Jörger die Einrichtung einer Generalcasse in Vorschlag brachte (1690). Vgl. A. Wolf, Die Hofkammer unter Kaiser Leopold I. (Sitzungsber. d. phil.-hist. Classe d. kais. Akad. ct. Wissensch., XI. Bd. (1853), S. 44G.
4 A. Wagner a. a. O., S. 275.
135
Classe der Mittelcassen, den modernen Kreiscassen, ' dürften die Aemter der niederösterreichischen Vicedome zu vergleichen sein, während die mit Einnahme- und Ausgabegeschäften be- trauten Pfleger und Amtsleute'2 allerdings neben anderen Func- tionen solche unserer Localcassen versehen haben. Noch mehr muss es unsere Bewunderung erregen, wenn wir bemerken, wie die heutzutage für ein rationelles Cassensystem aufgestellten Grundsätze schon vor mehr als 300 Jahren in Geltung waren. Ausser dem erwähnten Princip der Vertheilung der Cassen entsprechend dem Verhältnisse zur administrativen Eintheilnng des Landes und der Organisirung der Einheit des Cassenwesens sei noch hingewiesen auf das Princip der Verbindung der Ein- nahme- und Ausgabecassen und die für die Cassenbewegung im Staatshaushalte aufgestellten Grundsätze.3
Wenden wir uns nun zur Kategorie der Geschäfte der eigentlichen Finanzverwaltung, welche der Hofkammer über- tragen war, so ist vor Allem der Thätigkeit zu gedenken, welche die Fürsorge für die Bedürfnisse des Königs und seines Hofes betrifft. Die Grösse des Hofstaats wurde durch die Hofordnung (1537) bestimmt, zugleich ein Fixum für dessen Unterhalt aus- geworfen.4 Für den Fall, dass die hiefür quartaliter zu ent- richtenden Beträge aus den Hilfsgeldern nicht zur Stelle sind, war es Sache der Hof kammer, ,den Abgang von anderen Orten darauf zu anticipiren und aufzubringen'. Um jeden Preis sollte es vermieden werden, die Gehaltsauszahlung der Räthe und Hof beamten zu verzögern, damit, wie motivirend beigefügt wird, desto besser Gehorsam und Mannszucht am Hofe erhalten werde. Eine Communication der Hofkammer mit einzelnen Hofbeamten war ausser in Betreff der dem Könige gemachten Geschenke, wovon schon gesprochen wurde, erforderlich vor dem Antritte
1 A. Wagner, S. 277.
2 Schon nach der Schatzkammerordnung von 1498 hatte jeder Vicedom mit den Pflegern und Amtleuten seiner Verwaltung alljährlich abzurechnen auf Grund der Urbarbücher. Ausgaben wurden von diesen Unterbeamten nicht geleistet. Die Berechtigung hiezu begann erst mit dem Vicedomamt, welches für den Ausgabedienst das unterste Cassaorgan bildete.
3 v. Stein a. a. O., S. 90.
4 Eine bestimmte Summe wurde zur unvermeidlichen Nothdurft des Königs quartaliter in die Leibkammer verabfolgt, deren Verausgabung durch den Kämmerer nur nach den Verfügungen des Königs erfolgen durfte (Hof- kammerordnung).
136
einer königlichen Reise.1 Hier sollte das Collegiuni vorher mit dem Hofmarschall und Stallmeister über das für Fuhren u. dgl. Erforderliche berathschlagen und alle nothwendigen Anord- nungen treffen. Auf allen. Gebieten macht sich, wie erwähnt, die Thatsache geltend, dass, obwohl der moderne Staatsgedanke sich schon durchringt, die Ausgaben für die Bedürfnisse des Königs und des Staates in buntem Gemenge ungeschieden blieben. Wenn die Hofkammer daher auch das Finanzwesen vorwiegend als einen staatlichen Verwaltungszweig führte, musste sie doch zugleich als Hofbehörde betrachtet werden.
In ihrer Eigenschaft als Centralstelle konnte die Hof- kammer die Besorgung der laufenden Finanzverwaltungsgeschäfte zumeist den Landeskammern überlassen, während sie selbst die Leitung und Ueberwachung der ganzen Finanzwirthschaft der Monarchie übernahm. Als Vorgängerin des heutigen Finanz- ministeriums theilte sie mit diesem, wenigstens im Allgemeinen, einen gleichen Wirkungskreis. Ihre Hauptaufgabe war nicht nur, Ordnung in den zerrütteten Finanzzustand zu bringen, son- dern auf jede Weise eine Hebung der Staats wirthschaft in An- griff zu nehmen. Voraussetzung einer solchen Förderungsthätig- keit war aber genaue Kenntniss derjenigen früheren Massnahmen der Finanz Verwaltung, welche den Niedergang herbeigeführt hatten. Zu diesen zählten unstreitig die zahllosen Veräusserungen und Verpfändungen des Kammerguts in erster Reihe. Der Hof- kammer wurde deshalb vom König aufgetragen, eingehende Nachforschungen nach den unter seinen Vorgängern Friedrich und Maximilian und den im Anfange seiner Regierung statt- gehabten Veräusserungen und Verpfändungen der Kammergüter,2
1 Da die Erfahrung- lehrte, dass mit Verlegung- des Hoflag-ers in eine der drei Städte Prag, Wien und Innsbruck, ,da gewöndlich und am maisten unser beharrliche hofhaltung ist und kuuftiglich sein wierdet', eine Preis- steigerung des Proviants eintrat, wurde den Landkammern eingeschärft, das ganze Jahr hindurch Vorräthe von Wein, Getreide und Futter in Magazinen aufzuspeichern. Die Hofkammer sollte diese gute Hauswirth- schaft ins Werk zu setzen helfen und die Kammer zeitig von der be- absichtigten Verlegung des Hoflagers in Kenntniss setzen, damit diese auch andere Nahrungsmittel vorher ankaufe.
2 Eine historische Parallele drängt sich auch hier auf. Als Philipp der Kühne 1386 eine chambre des comptes für Flandern errichtete, schärfte er gleichfalls den Räthen derselben ein, den Einnehmern im Lande zu befehlen, ,qu'ils s'efforcassent de retablir le domaine du prince, qui etait
137
sowie Bewilligungen von Gnadengaben anzustellen. Diese sollten entweder direct oder durch Absendung eigener Commissäre, auch durch Requisition der Landeskammern ins Werk gesetzt wer- den. Insbesondere wurden diese sehr stark für diese Consta- tirungen ' in Anspruch genommen. Das Ergebniss dieser Unter- suchung hatte die Hofkammer in einem Verzeichnisse an den Monarchen zusammenzufassen unter Aufnahme aller für die Be- urtheilung dieser Acte ins Gewicht fallenden Momente, wie Name des Käufers, Pfandgläubigers oder des Begnadeten, wirklicher Werth des Objects und Kauf- oder Pfandsumme. Wo solche Veräusserungen u. s. w. nicht ordnungsgemäss oder unter Be- dingungen erfolgt waren, welche sich in hohem Grade als nach- theilig erweisen, musste dies dem Landesherrn besonders be- richtet werden, damit Mittel und Wege zur Rückgängigmachung solch beschwerlicher Rechtsgeschäfte2 ins Auge gefasst wer- den konnten.3
grandement diminue par les guerres' (Gachard, p. -4). Selbstverständlich kann hier wie in so manchen andern Punkten durchaus nicht an eine bewusste Nachahmung gedacht werden. Interessant ist aber die Erscheinung, dass die gleichen Ursachen hier wie dort die gleichen Institutionen ins Leben gerufen haben.
1 Ueberall, auch in den neu erworbenen Königreichen, zeigt sich dasselbe Bild einer zerrütteten Finanzlage. Die böhmische Kammerorduung be- gründet die Notwendigkeit solcher Nachforschung mit dem Hinweise, dass das ordinari Kammergut Ferdinands als eines Königs zu Behaim hoch verpfändet, versetzt, verkümmert und wenig frei, sondern Alles sich in fremden Händen befinde. Die ungarische Kainmerordnung führt die einzelnen Gattungen der verpfändeten königlichen Einkünfte auf.
2 ,dardurch wir der beschwerlichen verphandungen, verkaufuugen und gnadengabeu mit recht und billichait wider entladen werden und zue dem, das uns rechtlich zuegehört, komen mögen.'
3 Die Landeskammern waren deshalb angewiesen worden, die Originale der Verschreibungen von den Landleuten und Pfandschaftern zu erfordern und Copien derselben an die Hofkammer einzuschicken, nachdem sie dieselben einer gründlichen Prüfung (an tales inscriptiones fundamento subsistant et sint efficaces, wie die ungarische Kammerordnung betont) unbeschadet der Rechte der Pfandschaftsiuhaber unterworfen hatten. Sobald die Prüfung zu irgend einem Zweifel Anlass gab, wenn Briefe vorkämen, die nicht glaubwürdig, aufrecht oder sonst mangelhaft, sollte die Kammer den Parteien die eruirten Mängel vorhalten, sie auf die un- genügende Fundamentirung ihrer vermeintlichen Gerechtigkeiten auf- merksam machen und gütlich zur Abtretung der in ihrem Besitze be- findlichen Kammergüter ermahnen (böhmische, ungarische Kammer- ordnung).
138
Da man mit aller Energie dem vorgesteckten Ziele einer Hebung der Finanzen entgegenstrebte, griff man auch auf frühere Anordnungen zurück, um sie rücksichtlich ihrer Ausführung einer Prüfung zu unterwerfen. Nachdem im Anfang der Regierung Ferdinands eine Visitation und Reformation der Kammergüter der niederösterreichischen Lande vorgenommen worden, ward die Hofkammer nun angewiesen, durch Erkun- digung bei der niederösterreichischen Kammer und wo sonst nöthig sich zu vergewissern, ob etwa einige Artikel dieser Reformation, die dem Kammergute zum Nutzen gedeihen möchten, nicht vollzogen wären, um dann im Einvernehmen mit der Landeskammer das Erforderliche anzuordnen und ins Werk zu setzen. Ferner sollte sie mit der oberösterreichischen Kammer in Unterhandlung treten , um eine Bereitung der Kammergüter der gefürsteten Grafschaft Tirol vornehmen zu lassen, damit man vom Zustande derselben genaue Kenntniss erlangte und dann alle vorgefundenen Schäden ausbessern konnte.
Alle diese Massregeln Ferdinandeischer Finanzpolitik ver- rathen einen weiten, auf die Zukunft gerichteten vorsorglichen Blick. Nirgends treten Anordnungen auf, welche, in der Noth des Augenblicks getroffen, nur für die Bedürfnisse des Tages be- rechnet waren. Ferdinands staatswirthschaftliche Pläne gingen dahin, die sechsjährige Periode der ständischen Hilfsgelder nach allen Seiten auszunützen, sie nicht einzig für die Hof- unterhaltung zu verwenden, sondern durch Auslösung der ver- pfändeten Stücke und Einkünfte der Kammergüter einen Baar- vorrath für die Zukunft zu sammeln,1 welchem auch die neuen Einkommenszweige, welche die sachkundige Berathung er- schliessen würde, zugeführt werden sollten. Dieser Staats- schatz würde Land und Leuten zu hohem Tröste gereichen
1 Ferdinand hatte sich in der Hofkannuerordiiuiig über die Verwendung der ständischen Hilfsgelder ausgelassen, wie folgt: , — so seien wir dahin bedacht und entschlossen, das wir derselben unserer kunigreich und land- hülfen anderer ort nit, dann zu underhaltung gedachts unsers hofstats und zu notturft der camern, so weit sich die erstrecken, gebrauchen und sover noch darüber ainicher bevor stand angezeigter hülfen sein würde, denselben zu ablödigung unserer verphendten camergueter oder zusanimen- bringung aines Vorrats wie sich soliches alles der gelegenhait und not- turft nach jedes lands zuetragen wirdet, wenden sollen und wellen.'
139
und in Zeiten der Noth besonders bei kriegerischen Verwick- lungen erspriessliche Verwendung finden. Mit ausdauernder Willenskraft sollte dies Ziel stets im Auge behalten und ge- fördert werden, und deshalb wurde der Hofkanimer zur Pflicht gemacht, mindestens zweimal wöchentlich darüber zu berat- schlagen und nachzudenken, ,wie mit ainichem erhöblichem flieg neue einkomen gemacht und also unser camer in dem und anderm wog zu ainem aufnemen gebracht werden mög'.
Einige Directiven zur Erzielung einer Einnahmenerhöhung gab die Hofkammerordnung selbst. So wies sie beispielsweise die Hofkammer an, bei Erledigung von Zoll- und Mauthämtern in Erwägung zu ziehen, ob nicht eine Verpachtung vorteil- hafter erscheine, durch welche die durch die Besoldung der Beamten und für die Abrechnung erwachsenden Kosten erspart würden.
Die angestrebte Blüthe des Staatshaushalts konnte aber, da der Erschliessung neuer Einkommenquellen immer eine Grenze gezogen war, hauptsächlich durch eine durch und durch rationelle Verwaltung und durch entschiedene Betonung des Sparsamkeitsprincips in derselben erreicht werden. Von diesem Geiste getragen waren einige Detailvorschriften der Finanz- verwaltung, welche die Hofkammeiordnung als Richtschnur für die Centralstelle aufstellte. In diese Kategorie gehört die An- ordnung, dass alle die Provisionen, Verschreibungen und Er- höhungen der Beamtenbesoldungen, welche sich bei einer vor- zunehmenden Untersuchung als ohne königliche Genehmigung zugebilligt erweisen, gestrichen werden sollen. Ferner sollte die Hofkammer von den Landeskammern Status aller in ihrem Sprengel von den früheren Herrschern auf Zeit oder lebens- länglich bewilligten Provisionen, Besoldungen und Dienstgelder erfordern, dieselben eingehend prüfen und falls sich Ersparungen ,uns zu nutz, doch niemanden zu unbillichem nachtl' nach ihrer Ansicht erzielen Hessen, über die Art ihrer Durchführbarkeit an den König gutachtlich berichten.1 Ferner sollten Bewerbungen um erledigte Provisionen von der Hofkammer rundweg ab-
1 In dem correspondirenden Artikel der Tiroler Kammerordnung wird be- tont, die Kammer brauche bei diesen Berichten keine Scheu zu tragen, denn die Hofkammer wolle bei ihren auf Grund des vertraulichen Berichts zu erlassenden Anordnungen sie unvermeldet lassen, damit sie bei Niemanden darob Unwillen erregen möchten.
140
geschlagen werden im Gegensätze zu dem bisherigen Brauche, wonach man solche durch Todesfall vacante Provisionen ein- fach anderen sieh um sie beweibenden Dienern verlieh. Nur verdienten und bedürftigen Bewerbern gegenüber sollte eine Ausnahme gemacht, die Begnadigung aber durch die Kammer vollzogen werden. Ueberhaupt sollten künftighin ausschliess- lich nur wenig ertragreiche, in Folge Confiscation oder Todes- fall heimgefallene Lehen und Provisionen zur Dotation treuer Diener verwendet werden. Ueber Einziehung und Weiterver- leihung von Lehen und Gerechtigkeiten, Oonfiseationen1 und Pönfälle sollte nur in der Hofkammer Beschluss gefasst, die Lehensbriefe aber von der betreffenden Regierung ausgefertigt werden. Damit bei wechselnden Verhältnissen der Verwaltung nicht die Hände gebunden wären, wurde der Grundsatz auf- gestellt, dass künftig keine Verleihung als eine vererbliche er- folgen und Kammergüter nicht als Lehen verliehen werden dürften. Ueberhaupt sollten Verleihungen jeglicher Art, auch von Pflegen und Aemtern auf Lebenszeit oder selbst nur auf eine grössere Reihe von Jahren nach Thunlichkeit vermieden werden.
Ausserordentlich zweckentsprechend war die Bestimmung, dass jede Vermehrung des Beamtenpersonals ebenso wie Be- soldungserhöhungen, wenn nicht triftige Gründe hiefür vorlägen, unterbleiben müssen. War aber eine solche Vermehrung, be- ziehungsweise Erhöhung nach Lage der Verhältnisse nicht zu umgehen, so sollte sie nur mit Ruth und Vorwissen der Hof- und der Landeskammer verfügt werden. Ueberall wurde der Grundsatz festgehalten, dass der Monarch in der Ausübung seiner Hoheitsrechte sich Beschränkungen unterwerfen und stets nur in Verbindung mit den von ihm eingesetzten Behörden handeln wolle, damit diese in der Lage wären, alle in ihr Ressort einschlagenden Regierungshandlurigen zu kennen und die ganze Verwaltung nach einheitlichen Gesiehtspunkten führen zu hissen.
1 lieber alle ansehnlichen Confiscationen und Fälligkeiten an Provision, Lohn u. dgl. hatte die Kammer an die Hof kämm er Bericht zu erstatten, unter Angabe des Werths und des königlichen Rechtsanspruchs, unter gutachtlicher Aeusserung über den wohlfeilsten Modus der Einziehung-, welche die Grundlage für die Verfügung der Hof kaminer abgeben konnte (Tiroler Kammerordnung von lö3(5).
141
Nachdem im Allgemeinen die Decentralisation der Rech- nungsrevision durchgeführt ist und dieser Gegenstand vornehm- lich zum Wirkungskreise der Landeskammern gehörte, wird er auch bei diesen zur Erörterung gelangen.
Der Hofkammer war nur die Revision der Rechnungen des Hofzahlmeisters übertragen, doch konnte sie auch diese durch eine der Landeskammern bethätigen lassen, besonders wenn der König gerade an dem Sitze einer derselben Hof hielt. Immer konnte aber das für diese Prüfung erforderliche Personal von einer Landeskammer requirirt werden, da dieses wegen seiner Erfahrung in solchen Geschäften vornehmlich hierzu qua- lificirt erschien.
Sonst wird die Hofkammer für die Functionen der Super- revision 1 derjenigen Rechnungen herangezogen, bei welchen sich grosse Mängel herausgestellt hatten oder deren Bemänge- lung die betreffenden Rechnungsleger nicht anerkennen wollten. Die Hofkammer als die der revidirenden Landeskaminer vor- gesetzte Stelle hatte dann durch einen Detinitiventscheid die Differenzen zu beseitigen.
Ausserdem mussten dann die Rechnungen der wichtigsten Aemter2 an sie eingeschickt werden, wie sie auch den Bericht über den Stand der Einnahmen und Ausgaben erhielt, welchen die vier Kammern auf Grund der durchgeführten Rechnungs- prüfung zusammenstellte.
Die Hofkammer beschränkte sich aber nicht auf Func- tionen der Finanzverwaltung, sondern auch als rechtsprechende Behörde in Finanzsachen kommt sie in Betracht. Nicht als ein neues Element erscheint diese Finanzjurisdiction unter den Attributen der Hofkammer. Ueberall entwickelt die neuorga- nisirte Centralfinanzbehörde eine jurisdictionelle Thätigkeit. In England hält der Exchequer seine Schatzgerichtstage ab, und in seinen Entscheidungen haben wir die älteste Gestaltung einer
1 Die eigentliche Revision der Rechnungen hatte hier der Hofbuchhalter zu besorgen. ,AlleRaitungen an unserru Hof zu Händen unsrer Hof kammer- räth geschickt, soll dem Buchhalter zu verificiren und übersehen zugestellt weiden, die sollen durch ihn gerait werden; Mängel soll er den Hof- kammerräthen anzeigen,' besagt die Hofbuchhalterinstruction von 1530 (K. k. Finanzarchiv: Niederösterreichische Herrschaftsacten, lit. H 14).
2 Tirol. Kammerordnung.
142
Administrativjustiz.1 In Frankreich war die chambre des comptes im 14. Jahrhundert die höchste Verwaltungsgerichtsbehörde des Königsreichs,2 sie übte insbesondere eine Jurisdiction bezüglich der Regalien aus.3 Als Maximilian seine Hofkammer 1498 er- richtete, nahm er in den Kreis ihrer Amtswirksamkeit auch diese Functionen auf, indem er ihr die Entscheidung aller fisca- lischen Beschwerden der Unterthanen überwies.1 Durch diese Functionen, die nicht leicht aus der Vermischung mit anderen zu erkennen waren, waren die Anfänge einer Verwaltungsrecht- sprechung auf deutschem Boden gegeben. Sogar der Instanzen- zug war im Interesse des Publicums geregelt, indem es den durch ein Erkenntniss der Hofkammer sich beschwert fühlen- den Parteien ermöglicht wurde, durch Supplication zum Hofrath von diesem eine Abänderung des beschwerenden Erkenntnisses zu erlangen. Der Hofrath als die höchste Centralbehörde war also die letzte für die Rechtsmittel der Partei erschlossene In- stanz.5 Die Ferdinandeische Organisation schritt nur in dieser Richtung weiter, wenn sie die Entscheidung der , Parteisachen, welche das königliche und fürstliche Kammergut unmittelbar anlangten', der Hof kammer übertrug. Ihre Competenz auf diesem Gebiete war nur in dieser allgemeinen Form umschrieben und erhielt ihre nähere Umgrenzung durch die Zuständigkeits- regulirung der Landeskammern im Hinblick auf die Parteisachen. Jedenfalls fehlte eine scharfe Competenzabgrenzung, da nur generell von den Parteisachen, 7die für si komen', gesprochen wird. Unter diesen Begriff fallen nicht ausschliesslich die erst einer urtheilsmässigen Feststellung bedürfenden Leistungsver- pflichtungen der Unterthanen gegenüber dem Kammergut. Alle Beschwerden der Unterthanen finanzieller Natur, ja Ansprüche
1 Gneist, Englische Verfassungsgeschichte, S. 185.
2 R. Dareste, La justice adm., p. 11.
3 M. Ad. Vuitry, Etudes sur le regime fiuancier de la France avant la revolution de 1789, Paris 1883, L, p. 286.
4 In den Geschäftskreis der Hof kammer fiel auch die Berathung und Er- ledigung der ihr vom König oder Hofrath zugewiesenen Supplicationen der Parteien.
5 Der vom Hofrath gegebene ,endliche Abschied' musste aber respectirt werden und jede weitere Belästigung des Königs oder des Hofraths (,on eehaft not') wurde mit Gefänguiss geahndet. Vgl. Hofkammerordnung von 1498 bei Lünig, S. 478.
143
Privater an den König-,1 beziehungsweise an die Staatscasse sind hierher zu rechnen und sind, sobald die Competenz einer Landeskammer nicht gegeben ist, der Entscheidung der Hof- kammer unterstellt, welcher aber die königliche Genehmigung nicht fehlen durfte.2
Der Kammer ward eingeschärft, die Parteien glimpflich und anständig zu behandeln und die Erledigung ihrer Ansuchen nach Thunlichkeit zu fördern, um ihnen Unkosten zu ersparen.
Die Verselbstständigung des Finanzwesens war vollständig durchgeführt. Der Hofrath durfte keine das Kammergut betref- fende Angelegenheit, wenn sie auch an ihn gebracht ward, ent- scheiden. Alle Competenzübergriffe zwischen Hofrath und Hof- kammer sollten hintangehalten werden. Der Begriff der das Kammergut berührenden Sache bildete die Grenze der posi- tiven und negativen Zuständigkeit der Hofkammer, denn auch dieser ward eingeschärft, ,sachen, die für si komen und das camerguet nit berueren', an den Hofrath zu verweisen.
Durch die nach Ferdinands I. Tod eintretende Trennung der oberösterreichischen und niederösterreichischen Länder von den übrigen war natürlich auch eine Decentralisation der Finanz- verwaltung erforderlich, so dass die allgemeine Hofkammer nur für das Erzherzogthum Oesterreich, ausserdem noch für Ungarn und Böhmen Centralstelle blieb. Nachdem im 18. Jahr- hundert mannigfache Specialbehörden aus der Hofkammer her- vorgegangen waren, 3 wurde sie 1802 wieder für die Verwaltung aller Staatswirthschaftszweige organisirt. Sie behielt die Central- leitung des gesammten Finanzwesens, bis 1848 auch Oesterreich in die Bahnen des Constitutionalismus einlenkte, wo sie dem
1 ,so parteien umb schulden, die wir inen zu thuen schuldig wären . . .' Solche Supplicationen wegen Forderungen waren auch gewöhnlich durch das Plenum der Kammer zu erledigen. Nie sollte Ein Mitglied der Kammer mit den Parteien separat verhandeln. Ausnahmsweise, wenn durch solche Specialunterhandlungen eine Förderung der Sache erzielt werden könnte, sollten zwei Mitglieder hierzu deputirt werden.
2 ,Unser hofcamerräte sollen auch all parteisachen, so unser kuniglich und fürstlich camerguet an mitl belangt oder denselben anhengig sein, die für si komen, notturftiglich erwegen, beratschlagen und darinnen die notturft und billichkait handien, doch mit uuserm vorwissen und willen verabschaiden.'
3 Vgl. Ulrich, Lehrbuch des österreichischen Staatsrechts, ßerlin 1882, S. 42.
144
modernen Finanzministerium weichen musste. x Wie auf anderen Gebieten des Staatswesens trat auch hier an Stelle der colle- gialen Centralbehörde ein Ministerium mit bureaumässiger Or- ganisation.2
5. Der Hofkriegsrat h.
Die jüngste unter den von Ferdinand organisirten Behörden ist die Centralstelle für die Militärverwaltung — der Hofkriegs- rath. Der Errichtung von Specialbehörden pflegt stets voraus- zugehen die Absonderung der auf das betreffende Specialgebiet bezüglichen Angelegenheiten aus dem grossen Kreise der Ver- waltungsgeschäfte zu einer besonderen Kategorie, die, wenn sie auch noch von der allgemeinen Verwaltungsbehörde besorgt wird, doch in mannigfacher Beziehung als selbstständige Gruppe auftritt. Derselbe Entwicklungprocess, den wir bezüglich der Abzweigung der Finanzgeschäfte von der allgemeinen Verwal- tung in dem Abschnitte über die Hofkammer kennen gelernt haben, spielt sich auch ab bei der Verselbstständigung der Kriegs- sachen zu einem eigenen Ressort.3 Diese gehörten wie die Rechtsstreitigkeiten und die übrigen Verwaltungsaufgaben zur Competenz der Regierung, doch wurde wegen der finanziellen Bedeutung aller Kriegssachen eine Mitwirkung der Kammer in Anspruch genommen. Die Instructionen 4 für die nieder- österreichische und die oberösterreichische Regierung von 1532 befehlen so der Regierung, bei der Behandlung von Kriegs- sachen ein bis zwei Räthe der Raitkammer beizuziehen, und falls dieselben von hervorragender Wichtigkeit seien, eine
1 Aeusserlich zeigt sich diese Continuität darin, dass z. B. das Gebäude des k. k. Reichs-Finanzarchivs heute noch die Aufschrift ,Hofkamrner- archiv' trägt.
2 G. Meyer, Die Behördenorganisation der Verwaltung des Innern (Schön- berg, Handbuch der politischen Oekonomie, Tübingen 1885, III., S. 756).
3 Maximilian war auch in dieser Richtung experimentirend vorgegangen und hatte für die Militärverwaltung eine Kriegskammer gegründet (1502), die aber nur ein vorübergehendes Dasein führte. Vgl. Adler. S. 113, 247.
4 Die niederösterreichische Regierungsinstruction von 1532 und 1545; die oberösterreichische von 1536 sagt nur allgemein, die Regierung müsse solche Kriogssachen mit und neben der Kammer berathschlagen und darüber berichten.
145
gemeinsame Berathung mit dem Plenum der Raitkammer i vor- zunehmen. Die Kategorie der Kriegssachen wird zu den drin- gendsten2 und wichtigsten Angelegenheiten gerechnet, bei deren Berathung der Statthalter der Regierung gewöhnlich zugegen sein soll.3 Ansätze zu einem besonderen Collegium enthcält die niederösterreichische Regierungsinstruction von 1532, indem hier von einem Kriegsrath gesprochen wird, der erforderlichen Falls aus Räthen der Regierung und Raitkammer zusammen- gesetzt wird, es ist also nur eine ad hoc gebildete Commission dieser beiden Behörden.4 Nachdem frühere Versuche der Er- richtung eines beständigen Kriegsraths gescheitert waren, :> dürfte ein neuer Impuls hierzu durch die Bitte der nieder- österreichischen Regierung gegeben worden sein, wegen ihrer Geschäftsüberhäufung sie wenigstens von den Kriegssachen durch Gründung eines eigenen Kriegsraths zu entlasten, damit sie zu einer schleunigeren Expedition der Appellationen und Parteisachen, vor Allem aber der eigenen kaiserlichen Sachen
1 Ueber die Thätigkeit der Hof kammer in Kriegssachen, welcher die Auf- sicht über den Zustand der befestigten Grenzplätze übertragen war, ver- gleiche den Abschnitt über die Hofkammer.
2 Die Kanzleiordnung von 1528 zählt dieselben zu den notwendigsten, vor allen anderen zu erledigenden Sachen.
3 In gleicher Weise hatte Ferdinand in den ersten Jahren seiner Regierung auch zwei Mitglieder der oberösterreichischen Regierung und zwei der oberösterreichischen Raitkammer (Landleute) neben dem Statthalter ver- ordnet, welche in allen , fürfallenden Kriegsläufen, was zu Errettung Land und Leut, auch Erhaltung eines beständigen Landfriedens uothwendig-, in seiner Abwesenheit zu handeln Gewalt haben sollen. Doch falls die Geschäfte sehr wichtig würden, sollten die übrigen Räthe .der Regierung auch beigezogen werden. Vgl. v. Brandis, Geschichte der Landes- hauptleute von Tirol, Innsbruck 1851, S. 542.
4 Ein oberster Verwalter des Kriegswesens (Graf Niklas von Salm der Aeltere) wird bei der Regierung der niederösterreichischen Lande von 1527, aber nur vorübergehend, für die Dauer der Abwesenheit Ferdinands in Böhmen ernannt. Vgl. Firnhaber, Oesterreichs Finanzen und Kriegs- wesen unter Ferdinand I. (Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen, XXII., S. 32).
5 Schon im Januar 1529 wurde hierüber berathen; auch ,soll' eine Instruction ddo. Linz, 26. Februar 1531 über die Obliegenheiten der vier Rätlie, welche bei dieser Stelle zu creiren sind, vorhanden sein. So Firn h ab er, Zur Geschichte des österreichischen Militärwesens (Archiv für österr. Ge- schichtsquellen, XXX., S. 96).
Archiv. Bd. LXIX. I. Hälfte. 10
146
gelangen könnten.1 Ausserdem dürfte ein Hauptmoment zur endlichen energischen Durchführung des Projects in drohenden kriegerischen Gefahren gelegen sein. Nicht leicht war es, die erforderliche Besetzung der neuen Behörde zu erzielen, denn die Verhandlungen mit geeigneten Persönlichkeiten rückten nicht von der Stelle, so dass der König in einem Schreiben2 an seinen Sohn Maximilian constatiren musste, dass er von allen Seiten Ablehnung der angebotenen Kriegsrathsstellen bekommen habe. Nachdem der König nach den bisherigen schlimmen Erfahrungen beschlossen hatte, von den Landleuten abzusehen und ausserhalb des Kreises derselben nach Quali- ficirten Umschau halten zu lassen, gelang die Constituirung des Hofkriegsraths, für welchen am 17. November 1556 eine Instruction ausgefertigt wurde. 3 Das Collegium wurde gebildet aus fünf Mitgliedern,4 von welchen eines mit. den Präsidial- funetionen betraut war und welches nicht nur die Abstim- mungen zu leiten, sondei'n auch über alles Erforderliche dem König zu referiren hatte. Täglich wurden Sitzungen abgehalten, und zwar am jeweiligen königlichen Hoflager.5
Zum Wirkungskreise 6 des Collegiums gehörten alle Ge- schäfte der Militärverwaltung, deren Gegenstand wie heute
1 Siehe Decret Ferdinands an die niederösterreichische Regierung vom 9. Mai 1556 bei Firnhaber, Zur Geschichte des österreichischen Militär- wesens, S. 124 (Beilage VI).
2 8. Mai 1556 bei Firnhaber a. a. O., S. 123 (Beilage V): ,das aber yetzernennte unnsere Landtleutt, alls die in unserm Fürstenthumb Steyr. zu Kriegss Räten für geschickht erfarn und tauglich angesehen . . . sich ge- brauchen zu lassen waigern, dann auch von den anndern unnsern Lannden Noch khainer der sich hierinn gebrauchen lassen wollte . . . das haben wir umb sovil meer jetzo dieweil sich die Leuffe ye lennger ye sorglicher und beschwärlicher erzaigen, nit gern gehört. Dieweil dann je die un- vermeidlich notturft ervordert, das ain Kriegss Rat zum fürderlichesten verordnet und auffgericht werde . . .' Vgl. auch Beilage VI.
3 A. a. O., S. 129 ff. (Beilage IX).
4 G. Freiherr zu Thanhausen, E. v. Khungesperg (Präsident des Kriegs- raths), G. v. Wildenstain, G. Welzer und S. Böller.
5 Das sollte sich nur auf Wien und Umgegend beziehen.
6 Die Kriegsräthe sollten berathsclilagen ,von wegen unnsers Khriegswösens im veldt, und der Befestigungen allenthalben, Ess sey mit Profiandt, Ge- schütz, Munition, Gebeue, bezallung sambt andern Articln solchem Kbriegs- wösen anhengig, wie und wöleher gestaldt solches versorgt und wie die Mangl gebessert und erstatt werden mögen'.
147
,die Herstellung- der Vorbedingungen und Mittel für die mili- tärische Action' bildete.1 Im Einzelnen sind demnach zu den zur Competenz des Hofkriegsraths gehörigen Militärverwaltungs- angelegenheiten zu zählen :
1. Beschaffung des Kriegsvolkes; Bestellung, Entlassung und Anordnung der Musterungen.
2. Sorge für die Ausrüstung des Heeres, also Aufsicht über den guten Zustand des Arsenals, der Schiffbrücken und ?all Armada sachen'. Einige der Kriegsräthe sollten die Vor- räthe der Zeughäuser,2 besonders die Munition in den Grenz- flecken im Auge haben, damit im Bedarfsfall kein Mangel vor- handen sei.
3. Ueberwachung der Befestigungen und Gebäude na- mentlich an den Grenzplätzen durch Erkundigungen bei den Superintendenten der Gebäude und Baumeister. Bei der Wich- tigkeit der Fortificationen war dem Kriegsrath die Beaufsich- tigung pünktlicher Ausführung der hierauf bezüglichen Anord- nungen auf das Nachdrücklichste eingeschärft.
4. Sorge für die Naturalverpflegung. Diese kam zum Ausdruck durch Befehle an die hiefür bestellten Organe, die Proviantmeister, über die Art des Ankaufs und der Aufspei- cherung des Proviants an den Hauptorten. Der Kriegsrath sollte sein Augenmerk vorzugsweise darauf lenken, dass die äussersten und bedrohten Ortschaften mit einem hinreichenden Proviantvorrath versehen seien , damit die Verpflegung des Heeres in keiner Weise Mangel leide.
Alle in den bisher genannten Ressorts der Militärver- waltung angestellten Unterbeamten wie der oberste Zeugmeister, der Verwalter des Arsenals und der Armada, Muster-, Schiff-, Proviant- und Baumeister (auch die bei den Befestigungen ver- wendeten) waren dem Kriegsrath untergeordnet und hatten die Directiven für ihre Amtsführung von diesem zu erholen.3
1 G. Meyer, Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts, II., S. 58.
2 Obwohl in Niederosterreich ein obrister Zeugmeister bestellt war, wurde diese Materie doch dem Kriegsräthe übertragen. — Die Inventare der Zeughäuser sollten von der Hofkammer erfordert werden. Wo solche fehlten, sollten sie namentlich bezüglich der äussersten Ortsflecken durch Bereitung seitens tauglicher Commissäre beschafft werden.
3 Firn ha her a. a. O., S. 138 f. (Beilage XIV).
10*
148
Was nun endlich 5. die Finanzgeschäfte der Militärver- waltung anlangt, welche bisher von der Hofkammer besorgt wurden, so wurden diese nur zum Theil auf den Kriegsrath über- trafen, obwohl die Hof kammer urn Entlastung in dieser Richtung gebeten hatte, da sie ,bei den vielfältigen Kriegssachen, so nun etliche Jahre her in der Hofkarnmer Expedition gekommen, die Hofkammersachen der Nothdurft nach und ohne grosse Verabsäumung nicht ordentlich handeln' könnte. ' Die In- struction ermächtigte den Kriegsratli, nur Ausgaben bis zum Betrage von 150 Gulden selbstständig auf den Kriegszahlmeister anzuweisen, Ausgaben, welche diesen Betrag überstiegen, durften bis auf Weiteres nur durch die Hofkammer, welcher sie ange- zeigt werden mussten, erledigt wTerden. Um hierwegen keine Weitläufigkeiten wegen des geschäftlichen Verkehrs mit der Hofkammer entstehen zu lassen,2 wurde ein Hofkammerrath dem Kriegsrathscollegium zugeordnet, welcher, so oft es nöthig erschien, dessen Sitzungen beiwohnte und der im Anfange auch über Alles gut informiren sollte.3
Der Kriegsrath begann auf dieser Basis seine Thätigkeit. Die Ordnung einer besonderen Hof kriegskanzlei erfolgte erst
1 Firnhaber a. a. O., S. 133 ff. (Beilage X). In ihren Vorschlägen war die Hof kammer von dem Gedanken geleitet, wegen der Ausgaben Verordnung zu thun, damit die Hofkammer mit dem Kriegswesen nicht wieder con- fundirt würde und nicht doppelte Arbeit wie jetzt dadurch entstünde, dass die Vollziehung jeder im Kriegsrath beschlossenen Ausgabe erst der Hof kammer befohlen werden müsse. Deshalb wurde vorgeschlagen, alle für das Kriegswesen von den Ständen bewilligten oder verordneten Summen direct an den Kriegszahlmeister abzuführen, den für Gebäude bestimmten Betrag aber dem Bauzahlmeister einzuhändigen, welche Beiden dann alle Zahlungen auf Grund der Anweisungen des Kriegsraths zu leisten hätten. Allwöchentlich sollten sie sodann über den Stand der Einnahmen und Ausgaben ihrer beiden Aerater dem Kriegsrath berichten, welcher sich desto besser nach diesem Stande in Ausübung seines An- weisungsrechts richten konnte.
2 , Damit dan sy unnser khriegsräth in allen Sachen, sonnderlich jeczo im anfanng desto bessere bericht empfangen und waz die mehrern aussgaben belanget ohne sonnder Ir bemühung bey unnser Hoff Camer anbracht und richtig gemacht werden, wellen wür Ihnen ainen auss unnsern Hoff Camer Räthen zueordnen, welcher bey Ihnen so offt es vonnöthen im Rath erscheinen und Ihnen guetten bericht geben auch was vonnötten bey der Hoff Camer anbringen und fördern solle' (Instruction).
3 Auszüge über Ausstände des Kriegsvolks, Bezahlung, Besatzung, Provian- t innig u.s.w. sollten dem Kriegsrath zu seiner Information zugestellt werden.
149
durch Maximilian II. 1564, i während eine neue und viel aus- führlichere Instruction dem Hofkriegsrath erst durch Kaiser Mathias 1615 ausgearbeitet wurde.2
Auch diese jüngste Behördenschöpfung Ferdinands, deren Wirkungskreis im Allgemeinen sich mit dem des modernen Kriegsministeriums decken dürfte, hat in ihren Grundzügen die Jahrhunderte überdauert. :! Die Einheitlichkeit des Militär- wesens war in diesem Hofkriegsrath verkörpert, welcher als Centralbehörde 4 seine Competenz auf alle Theile der Mon- archie erstreckte 5 und so sich als ein neues wirksames Glied einfügte in die Kette der von Ferdinand gegründeten Central- stellen, der bedeutungsvollsten Werkzeuge für die Realisirung der österreichischen Gesammtstaatsidee.
Die Mittelbehörden.
1. Die Regierungen. (i
Ein segensreicher Fortschritt der modernen Verwaltungs- organisation besteht in der Errichtung von Mittelbehörden mit collegialer Verfassung. Auch dieser Fortschritt führt zurück
1 Fimhaber a. a. O., S. UO ff. (Beilage XVI).
2 Ibid. S. 147 ff. (Beilage XVII).
3 Ibid. S. 98 ff. eine kurze Skizze der Weiterentwicklung des Hofkriegs- ratlis.
4 Ueber die Ausdehnung auf Ungarn vergleiche den Auftrag ex consilio regio 3t. December 1556 (Firnhaber a. a. O., 8. 139, Beilage XV), wonach der Kriegszahlmeister in Ungarn beauftragt wird, Berichte über Besatzung, Bezahlung etc. an den Kriegsrath einzusenden. Ferner ver- gleiche die Erklärung Ferdinands an die ungarischen Stände 1556, er werde die administratio rerum bellicarum einem seiner Söhne übertragen, ,qui cum consilio et deliberacione Majestatis suae consiliariorum., quos illi Regia ejus Mtas. ex Hungarica etiam natione adjunget, defensioni ac tutelae Regni ac fidelium suorum subditorum sollicite . . . invigilet' (Bidermann, S. 63).
5 Ueber die Thätigkeit des Hofkriegsraths spricht sich der venetianische Gesandte Michele 1563 (Fontes rer. Austr. XXX, p. 212) also aus: ,Nel Conseglio della guerra entrano di tutti li stati di Sua Maestä et trattano sopra il modo d'esseguire le deliberationi giä fatte da sua Maestä in materia di tutte le cose appartenenti ä soldati, fortezze, monitioni, arti- gliaria, viveri et altre cose appartenenti alla guerra.'
G Die oberösterreichische und die niederösterreichische Regierung führten bis 1527 den Titel: oberösterreichischer (niederösterreichischer) Hofrath.
150
auf die Zeiten Maximilians I. und Ferdinands I., welche nicht nur für die allgemeine Landes- und Justizverwaltung die Re- gierungen beziehungsweise Hofräthe der einzelnen Länder- gruppen collegialiter organisirten, sondern in derselben Form den wichtigen Zweig des Finanzwesens für jede Ländergruppe in besondern Raitkammern selbstständig gestalteten.
Was die Regierungen speciell anlangt, so zeigt sich in Oesterreich die in der territorialen Entwicklungsgeschichte ver- schiedener Staaten sich wiederholende Erscheinung, dass bei der Verbindung mehrerer grösserer bisher selbstständiger Ge- bietstheile zu einem Staatsganzen die für erstem bestehenden Behörden forterhalten werden. ' Freilich erleiden sie dann zu- meist eine Rangminderung, indem sie den Charakter einer Centralbehörde verlieren und diesen mit dem Range einer Mittel- behörde vertauschen. Durch die Errichtung dieser Mittelbe- hörden war nach dem Vorbilde der Gerichtsverfassung der dreifache Instanzenzug auch für die Verwaltung erschlossen. Sie sind für Staaten von grösserer Ausdehnung unentbehrliche Institutionen, indem sie den Centralstellen die erforderliche Arbeitsentlastung gewähren und die nothwendige Ueberwackung der Amtsführung der Unterbehörden ermöglichen, da sie den Personen und Verhältnissen näher stehen, sie viel besser zu würdigen in der Lage sind als das weitentfernte Centralorgan. Den Interessen der Unterthanen ist dadurch auch viel besser Rechnung getragen, als wenn sie gezwungen wären, bei Be- schwerden die kostspielige Reise zum Sitze der Central-
1 So wurde zum Beispiel mehreren Landschaften bei ihrer Vereinigung mit der Krone Frankreichs die Fortdauer ihrer Parlamente zugesagt. Auf diese Weise entstanden neben dem Pariser Parlamente eine Reihe von Parlamenten oder souveränen Höfen, deren Zuständigkeit sich an die alten Territorialgrenzen anleimte. Vgl. Schaffner, Geschichte der Rechtsverfassung Frankreichs, II., S. 404 ff. Ebenso -haben sich auch in den Niederlanden, die in den früher selbstständigen Gebietstheilen existiren- den Räthe als Mittelbehörden erhalten. Vgl. z. B. Pinchart, Histoire du conseil souverain de Hainaut, Bruxelles 1857, p. 4 ss.; De Bavay, Le' conseil souverain de Brabant, Bruxelles 1849, p. 2, ;"» ss. In gleicher Weise wurden auch in Preussen die Verwaltungsbehörden der neu- erworbenen Gebiete unter Berücksichtigung der historisch überkommenen Verhältnisse erhalten oder umgestaltet. Vergleiche den Abschnitt über die Organisation der Verwaltungsbehörden in den einzelnen Provinzen bei Bornhak, Geschichte des preussischen Verwaltungsrechts, Berlin 1884, I., ft. 2G7 ff.
151
regierung zu unternehmen. Es ist also kein geringes Verdienst dieser Ferdinandeischen Verwaltungsreform, die Mittelbehörden in planvoller Gliederung- zuerst in Deutschland zu ei-nem dauernden Gliede der staatlichen Verwaltungsorganisation gemacht zu haben.
In Tirol, das sich schon vor und unter Sigmund eines reichgegliederten und wohlgeordneten Verwaltungsorganismus erfreute, wurde dieser nach der Erwerbung Tirols durch Maxi- milian nicht nur weiter ausgebaut, sondern auch für Verwaltungs- einrichtungen der niederösterreichischen Länder vorbildlich ver- werthet.
Schon 1493 wurde ein Regiment für die niederösterrei- chischen Länder eingesetzt, aber nur bis zur Rückkehr des Königs. Das Organisationsstatut von 1501 l bekundet einen grossen Fortschritt, indem die Behörden nicht nur für die Dauer der Abwesenheit des Königs eingesetzt wurden, sondern auch bei seiner Anwesenheit im Lande weiter fungiren sollten. Die Behörden waren also hier zu dauernden Institutionen ge- worden. Durch diese Verordnung mit ihrer systematisch reichen Gliederung des Behördenapparates wTar das für die niederösterreichischen Länder eingesetzte Regiment gegenüber der Folgezeit in seinem Wirkungskreise beschränkt, indem die Rechtsprechung dem Hofgericht übertragen und ausserdem ein niederösterreichischer Hofrath mit der Aufsicht über alle Behörden dieser Ländergruppe betraut wurde. Schon das fol- gende Jahr 2 brachte eine Reorganisation des Regiments unter theilweise wörtlicher Uebernahme von Bestimmungen aus der tirolischen Regimentsordnung von 1499. 3 Jetzt, 1502, waren also auch für die niederösterreichische Regierung wie 1499 schon für die oberösterreichische4 die Grundlinien der späteren Verfassung festgestellt, welche auch Ferdinand beibehielt und sie weiter ausgestaltend in den Rahmen seines Verwaltungs- werkes einführte.
1 21. April bei Harpprecht, II., S. 423 ff.
2 25. Februar 1502 in Kaltenbäek's Oesterr. Zeitschrift für Geschichts- und Staatskunde, 1837, S. 231 ff.
3 Rapp, Das vaterländische Statutenwesen (Zeitschrift des Ferdinandeums, 1829, V., S. 163 ff.).
4 Die beiden Regierungen hatten im Gegensatze zu den dem jeweiligen Hoflager folgenden Centralbeh Orden einen festen Sitz, die oberöster- reichische zu Innsbruck, die niederösterreichische zu Enns, dann zu Linz.
152
Die Regierung1 war ein Organ zur Ausübung der ver- schiedensten staatlichen Hoheitsrechte. Sie war Regierungs- und Gerichtsbehörde mit ausgedehnter Competenz.2 Insbeson- dere hatte sie die Amtsausführung der unteren Organe zu be- aufsichtigen; die Verleihung der Lehen gehörte zu ihren Auf- gaben und auch auf dem Gebiete des Finanzwesens blieb ihr durch das für gewisse Fälle vorgeschriebene Zusammenwirken mit den Kammern eine Einwirkung gewahrt. Als höchster Gerichtshof des Gebiets wurde die niederösterreichische Re- gierung erst durch das Augsburger Libell von 1510 3 anerkannt, während für die Innsbrucker Regierung durch die Ordnung von 1499 der bisherige Zustand sanetionirt ward, so dass sie ihre gerichtlichen Geschäfte in Quartalssessionen erledigte. Auf dem Innsbrucker Ausschusslandtage von 1518 hatten nur die niederösterreichischen Stände Grund zu Beschwerden. Sie verlangten bezüglich ihrer Regierung im Wesentlichen nur die Erfüllung der Versprechungen des Augsburger Libells. Der Kaiser versprach die Mehrzahl der Regimentsmitglieder aus den Landleuten zu nehmen4 und die erledigten Stellen nach Rath der Ausschüsse zu besetzen, lehnte aber die gewünschte Ernennung von Angehörigen der Städte ab.5
So konnte das die Ergebnisse der Verhandlung fixirende Innsbrucker Libell im Ganzen nur die Regierungen 6 in der Orga- nisation und Zuständigkeit, wie sie bisher bestanden, bestätigen. "
1 Ueber die Einzelheiten der Organisation und dieGeschichte der Regierungen unter Max I. vgl. Adler, S. 223 ff. und 381 ff.
2 So sollten nach der tirolischen Regimentsordnung von 1499 Statthalter und Regenten alle Händel, Sachen und Supplicationen, so ihnen zufallen, sie berühren uns oder unser Land und Leute und Parteien verhören, berathen und am besten bandeln.
3 Die Landschaft trat in Augsburg 1510 mit warmen Worten für die Auf- richtung eines guten Regiments ein; nichts sei fürträglicher, erspriess- licher und nützlicher, nichts den Feinden widerwärtiger und erschreck- licher (Steyr. Landhandfeste, S. 34). Der Kaiser machte dem ständischen Einflüsse die Concession, dass bei eintretender Vacanz das neue Mitglied aus dem Stande und Lande des abgegangeneu bestellt werden soll.
4 Zeibig, S. 283, 297, 301 (Max meinte nur, es sei nothwendig und gut, auch einige Ausländer aufzunehmen).
5 Zeibig, S. 255, 304.
0 Auch die Regierung von Ensisheim wurde besonders erwähnt. 7 Sie sollten besonders Justitia- und Parteisachen fördern. Von der nieder- österreichischen Regierung wird speciell betont, dass sie Gewalt haben
153
Kaum hatte Maximilian die Augen geschlossen, als die eben versöhnten Interessengegensätze der ständischen und landes- fürstlichen Gewalt in wuchtigem Anpralle aufeinander stiessen. Sechs Tage vor seinem Tode, also am 6. Januar 151i>, hatte er in einer Clausel zu seinem Testamente 1 angeordnet, dass die Erbprovinzen der alten Regierung bis zur Ankunft des neuen Landesherrn gehorsam sein sollten. Die niederösterrei- chischen Stände, schon lange erzürnt über die Corruption einiger Mitglieder dieser ihrer alten Regierung, glaubten, dass durch diese dem todtkranken Kaiser die Clausel abgerungen worden sei, und versagten ihr deshalb die Anerkennung. Ihr Wider- stand stützte sich auf die unerwiesenen Behauptungen des Her- kommens, dass beim Tode des Fürsten bis zur Ankunft seines Nachfolgers den Ständen die Regierung zustände und dass erst nach Bestätigung der Landesfreiheiten durch den neuen Landes- herrn diesem die Huldigung zu leisten sei.2 Ständischerseits ward also dem Herrscher das Recht einer dauernden, über sein Leben hinaus die Unterthanen verbindenden Behörden- organisation bestritten. Die Stände hielten das Organisations- recht des Herrschers erst für wirksam mit dem Momente des ihre Gehorsamspflicht begründenden Actes der Privilegien - confirmation und Huldigung. Die alte Regierung galt ihnen also nicht als zu Recht bestehend. Wenig stichhaltig war diese Argumentation der Stände; das Herkommen, auf welches sie sich beriefen, existirte nicht.3 Wenn es auch für die Ge- schichte des Behördenwesens bedeutsam erscheint, dass der erste
soll in der Justitia, Regierung1 und allen Sachen nach Inhalt des Augs- burger Libells. Der Kaiser behielt sich als Zeichen seiner Souveränität jährlich die Annahme einer Supplication zur persönlichen Entscheidung vor. Den Regierungen wurde dann namentlich auch in Stellvertretung des Kaisers die Execution von Urtheilen der Regimente und Landrechte unter Zuhilfenahme der unteren landesherrlichen und ständischen Beamten übertragen (Z ei big, S. 283, Steyr, Landhandfeste, S. 55).
1 Buch ol tz, I., S. 481, Anhang.
2 v. Kraus, Zur Geschichte Oesterreichs unter Ferdinand I. 1510 — 1522, Wien 1873, S. 13 f.
3 Ueber diese Argumente sind zu vergleichen die höchst interessanten, subjectiv gefärbten Deductionen der Stände und Ferdinands II. (1619) über diese Vorgänge beim Tode Max I. Mitgetheilt durch v. Kraus a. a. O., IV. Exe, S. 103 ff. Bemerkenswerth ist die Berufung beider Theile auf das Augsburger und Iunsbrucker Libell betreffs der strittigen Frage.
154
Versuch der Einsetzung einer dauernden, vom Leben des Herrschers
unabhängigen Behörde bestritten wurde, so verliert dieser Vorgang doch hier an Interesse dadurch, dass der Widerstand formell wohl durch principielle Gründe beschönigt, in Wirklichkeit aber nur durch factische Verhältnisse (Unbeliebtheit der alten Regierung, Abwesenheit der neuen Fürsten) hervorgerufen und ermöglicht wurde. Die Stände setzten der landesfürstlichen (alten) Regierung eine rein ständische Behörde entgegen (die Landräthe) und erlaubten sich selbst Eingriffe in das Kammer- gut. Wir können hier von einer Schilderung der einzelnen Stadien dieser Bewegung Umgang nehmen, nachdem diese durch die erwähnte Monographie von v. Kraus eine eingehende acten- mässige Darstellung erfahren haben. Ausserdem haben auch die Kämpfe dieser Jahre, so bedeutsam für die politische Ge- schichte des Landes, keine dauernden Institutionen gezeitigt, deren Entwicklung uns hier vornehmlich interessirt.1
Das in Augsburg unter Vorsitz des Bischofs Matthaeus von Salzburg eingesetzte kaiserliche Regiment, die sogenannte oberste Regierung, welcher bis zur Ankunft Karls und Ferdinands die Regierung der Erblande mit sehr weitgehender Competenz übertragen war, verstand es, durch geschickte diplomatische Behandlung die Lösung der Frage wegen Errichtung eines Regi- ments hinauszuziehen.'2
Nachdem Karl V. die an seinem Hoflager weilenden Ge- sandten der Stände mit dem Versprechen entlassen hatte, alsbald eine gute niederösterreichische Regierung unter thunlichster Berücksichtigung der ständischen Interessen zu errichten,3 wurde auf dem Landtage zu Krems und Linz (März 1521) nochmals über die Bildung dieses niederösterreichischen Hof- raths verhandelt. Im Gegensatz zu den Bestimmungen des Innsbrucker Libells wurde aber durch die kaiserlichen Com- missäre nur concedirt, dass fünf unter eilf Hofräthen den nieder- österreichischen Ländern angehören sollten , während sechs, also die Mehrheit, nach Gutdünken des Kaisers ernannt werden
1 Denn wenn auch die alte Regierung, um sieli grösseren Anhang unter den »Stünden zu verschaffen, die Concession maehte, sich aus den Reihen der Stände v.n verstärken, so konnte sich diese gemischte Regierung ebensowenig wie der reichsständische Landrath erhalten.
2 Vgl. v. Kraus, S. 51 ff., 40.
3 v. Kraus, S. 63.
155
konnten. Die Landschaft erklärte ihre Unzufriedenheit mit dieser Zusammensetzung. J
Unterdessen hatte Karl am 29. April 1521 die fünf nieder- österreichischen Erbprovinzen an seinen Bruder Ferdinand ab- getreten. Dieser nahm sogleich die Errichtung des niederöster- reichischen Hofraths in Angriff.2 Er war entschlossen, mit starker Hand die landesfürstliche Autorität gegenüber den ständischen Ansprüchen zu wahren. Mit verletzender Rück- sichtslosigkeit ging er über die Wünsche der Stände bei der Zusammensetzung des niederösterreichischen Hofraths hinweg, indem er ihren Gesandten einfach eine Liste der Hofrathsmit- glieder überreichen und, als sie über dieselbe deliberirten, er- klären Hess, ,sie sollten nicht lange grübeln, er wolle es so und nicht anders haben'.3
Ferdinand erklärte auch in der ersten Instruction für den niederösterreichischen Hofrath (Graz, 15. October 1521), dass ihm als Landesherrn stets das Recht zustehe, Räthe aus und in den Hofrath zu verordnen ,nach unserm wolgefallen, wie wir als regirender landesfurst thun mugen und deshalben ganz frei und unverpunden sein'. Auf das Nachdrücklichste wahren die letzten Worte die fürstliche Souveränität gegenüber den ständischen Tendenzen. Mit grosser Energie betont hier Ferdinand, dass er nicht gewillt sei, das ihm als Landesherrn zustehende Beamtenernennungsrecht sich durch die Stände irgend schmälern zu lassen. Die Ständekämpfe in Niederöster- reich hatten also durch die Errichtung des Hofraths mit einem durchgreifenden Siege der landesherrlichen Gewalt geendet, welche ein blutiges Strafgericht über die Urheber der stän- dischen Empörung hielt.1
In Tirol hingegen wurde nicht wie hier in den nieder- österreichischen Erbprovinzen die Continuität der Entwicklung
1 v. Kraus, S. 65, G7. Hier sind zum ersten Male die Verhandlungen des Kremser Landtags mitgetheilt.
2 Er verhandelte mit den Ständen auf dem Landtage zu Ybbs hierüber, wo namentlich die Oester reich er unter der Enns eine starke Berück- sichtigung des einheimischen Elements bei der Zusammensetzung des Hofraths forderten und dem Erzherzog eine Präsentationsliste aus dem Herren- und Bitterstande unterbreiteten (v. Kraus, S. 69).
:; v. Kraus, S. (3!>, 71.
4 Am 9. und 11. August 1522 wurden einige Häupter der ständischen Be- wegung hingerichtet. Vgl. v. Kraus, S. 78 ff.
156
durch den Thronwechsel unterbrochen. Die Innsbrucker Re- gierung konnte dem Befehle, bis zur Ankunft des Landesherrn ihres Amtes zu walten, ohne Anfechtung der Stände nachkommen. Von ihr selbst gingen sogar Vorschläge über die künftige Ge- staltung der Regierung an den Kaiser.1 In einem Gutachten an Karl V.2 ward vor Allem daraufhingewiesen, dass ausser der in Augsburg residirenden obersten Regierung ein Regiment im Lande erförderlich sei schon im Hinblick auf die Gerichtssachen, da die österreichischen Erblande gefreit seien, dass keine Appel- lation ausser Landes gehe. Die Regierung erheische eine starke Besetzung, da der territoriale Bezirk ein sehr grosser sei, indem nicht allein die Grafschaft Tirol, sondern auch die vorderen Erblande, als Elsass, Breisgau u. s. w. dazu gehören und ausser- dem der Geschäftsumfang höchst beträchtlich sei.3 Ferner wurde betont, dass bei den weithingestreckten Grenzen der oberösterreichischen Lande täglich Grenzstreitigkeiten und Ein- griffe gegen Nachbarn vorfielen, deren Begleichung Augenschein- nahme an Ort und Stelle oder Zusammenkünfte mit den Ge- sandten der Nachbarstaaten erheischten. Zu diesem Behufe müssten stets einige aus dem Regiment verordnet werden, so dass täglich einige Räthe den laufenden Geschäften entzogen würden. 4
1 Karl war, wie aus einem Schreiben Wolkenstein's und Serntein's an das Innsbrucker Regiment vom 25. November 1520 hervorgeht, gesonnen, gleich bei seiner Ankunft in Deutschland sich mit der Ordnung der Regierung und der Raitkammer zu Innsbruck zu befassen. ,Dieweil nun die Notdurft erfordere, dass s. Maj. vorhin darin lauterer und klarer Unterricht gethan werde', wurde die Regierung beauftragt, , Kopie des Gewalts, so Kaiser Max dein Regiment gegeben, und Copie der Kammer- ordnung einzusenden (Innsbr. Statthaltereiarchiv: ,Missiven und bevelh von hof anno 19 — 22').
2 Innsbr. Statthaltereiarchiv (Missiven von Kaiser Karl von 1519 — 1521, S. 63, ddo. 1520, 21. Juli).
3 So gehören nicht allein die Appellationen für obgemeldetes Regiment zu Innsbruck, sondern auch viele andere Sachen in der ersten Instanz, als um alle Lehen in der fürstlichen Grafschaft Tirol, dergleichen um Kammer- gut würde Alles in der ersten Instanz vor dem Regiment zu Innsbruck gerechtfertigt. Die zur Zeit das grösste Einkommen abwerfenden Berg- werke bedürfen täglichen Zusehens, die Irrungen der Bergleute vertragen keinen Aufschub. Das Regiment wird auch von den Unterthanen mit Supplicationen in grossen und kleinen Händeln und mit Beschwerden über Hauptleute, Pfleger und Richter überlaufen.
4 In einem Berichte an Erzherzog Ferdinand, October 1522, werden folgende Gründe für eine zahlreiche Regierung in Innsbruck angeführt: Viele
157
Aus diesen und andern trefflichen Ursachen werde es für gut angesehen, wenn die kaiserliche Majestät in den oberöster- reichischen Landen ein tapferes und ansehnliches Regiment (bis an die 18 Personen) aufrichte. Eine Besetzung in solcher Höhe war schon wegen der grossen Kosten unthunlich.
Nachdem Ferdinand als seines Bruders Karl Grubernator der inneren und vordem oberösterreichischen Lande die Zügel der Regierung in denselben ergriffen hatte, errichtete er 1523 * für diese zu Innsbruck auch eine Regierung unter dem Titel eines Hofraths, welcher wie in Niederösterreich 1527 dem beschei- deneren Titel , Regierung' weichen musste.2 Eine wichtige Aenderung trat bei der oberösterreichischen Regierung 1533 ein, indem Regierung und Kammer in Ein Wesen gezogen wurde. Diese Verschmelzung der beiden Behörden in eine einzige dauerte aber nur drei Jahre, denn 1536 wurde sowohl
Personen seien seit Maximilians Tod aus dem Regiment gestorben. So sei bei allen Fürsten von Oesterreich ein grosses Wesen und Regierung in Innsbruck gewesen aus Ursachen und Gelegenheit des Landes, daran viele treffliche Fürsten und Communen stossen, als Venedig, Schweiz, Graubünden, Lothringen u. A., mit denen täglich Grenzstreitigkeiten entstehen, so dass man für und für Botschaften und Herren aus dieser Regierung dahin schicken muss. So muss man fast das ganze Jahr eine Person aus dem Regiment auf den schwäbischen Bundestagen halten. In Bergwerksirrungen müsse man ferner unverzüglich Recht ergehen lassen. Auch haben sich die vordem Lande, die stets unter diese Regierung gehört, vermehrt. Deshalb sei es nothwendig ein treffliches Regiment zu haben, damit Alles ordentlich gehandelt und regiert werde und daran nicht Mangel erscheine in Ansehung, dass solches bisher dem Landes- fürsten eine grosse Reputation gemacht, auch alle Anstösser darauf viel Aufsehen gehabt, welches dann dem Hause Oesterreich in Kriegsläufen und in anderer Weise erspriesslich sein würde (Innsbrucker Statthalterei- Archiv: Von und an fürstl. Durchlaucht 1521, 1522, S. 286).
1 Die Instruction aus diesem Jahre ist nicht erhalten. Abschriften der Instructionen der oberösterreichischen Regierung von 1536 (Trient, 18. September) und 1551 (Wien, 8. Mai), welche im Wesentlichen mit der von 1536 übereinstimmen, befinden sich im Archiv des Ministeriums des Innern und im Innsbrucker Statthalterei-Archiv.
2 Die Instruction von 1536 sagt hierüber: ,Als durch Uns . . . als Unsres Bruders Gubernator . . . der Regierung der Titel eines Hofraths gegeben, oder hernach als durch andre Handlung zwischen kais. Maj. und Uns beschehen angezeigte Lande in unsre als regierenden Herrn und Landes- fürsten aller niederösterreichischen und oberösterreichischen Lande freie Regierung gekommen und gewachsen seien, verändert und der Titel eines Hofraths in ein Regiment verwendt und gestellt ist . . .'
158
die Regierung als die Kammer mil eigenen Instructionen ver- sehen, da sich das Bedürfniss herausgestellt hatte Erläuterung zu
thun, in was Sachen Regierung und Kammer gemeinschaftlich handeln und in was Sachen gesondert sein sollten. ' Die Son- derung war aber auch jetzt keine vollständige, indem der Kreis der Gegenstände, für welche ein Zusammenwirken von Regierung und Kammer vorgeschrieben war,2 viel weiter ge- zogen ward als für die niederösterreichische Regierung. Wenn auch die erste Instruction von 1523 nicht erhalten ist, so genügt doch ein Blick in die im Innsbrucker Archiv ver- wahrten Copialbücher der Regierung, um zu wissen, dass die Zuständigkeit der Behörde auf Grund der Maximilianischen Organisation geregelt wurde,3 so dass im Grossen und Ganzen Uebereinstimmung mit der Verfassung und Competenz der nieder- österreichischen Regierung besteht, wie auch die Wirksamkeit der Innsbrucker Behörde im ersten Decennium ihres Bestehens keine wesentliche Verschiedenheit aufweist gegenüber der Folge- zeit unter Ferdinand.
Im Anschlüsse an die oberösterreichische Regierung ist hier noch kurz der Regierung zu Ensisheim zu gedenken. Eine Veränderung ihrer Stellung gegenüber der vorigen Periode war nicht beabsichtigt. Sie sollte auch jetzt die Verwaltung und Rechtspflege in den gesammten vorderrheinischen Be- sitzungen des Hauses Habsburg, den sogenannten vorderen Erb- landen führen. Ihr war aber nicht die Selbstständigkeit wie der niederösterreichischen und oberösterreichischen Regierung ein- geräumt, denn sie war durchwegs eine der letzteren unter- geordnete Behörde und wurde als ein Bestandteil derselben betrachtet.1 , Unser Regiment zu Ensisheim soll unserer tiro-
1 Oberösterreichische Regierungsinstruction von 1536. - Siehe den Abschnitt über die Raitkammer.
3 Das erwähnte an Kaiser Karl erstattete Gutachten (1520) nimmt ausdrück- lich Bezug auf die von Max der Innsbrucker Regierung ertheilte Vollmacht.
4 Dieses Verbältuiss wird wiederholt als ein seit langer Zeit bestehendes bezeichnet, z. B. in einer Verordnung Ferdinands vom 7. August 1523: .dieweil aber aine regierung der vordem osterr. erbland herrschaften und gepiet allweg und je der hieigen indem regierung zu Ynspr. incorporiert gewesen und ir aufsehen auf dieselbe gehabt' (Innsbrucker Statthalterci- Archiv: Causae domini 1523 — 1526, S. 16). Ebenso auch in den angeführten Gutachten über die Organisation der oberösterreichischen Regierung von 1521 und 1522.
159
tischen Regierung einverleibt und sein Aufsehen auf dasselbe Regiment haben/ lautet die in den Instructionen1 wiederkehrende Kennzeichnung der Stellung dieser Behörde. Ihr Charakter ist ein eigentümlicher, sie hat ein Doppelwesen. Einerseits ist sie ein Theii der Innsbrucker Regierung, der gewisser- massen nur exponirt ist, weil wegen der räumlichen Entfernung der vorderösterreichischen Lande von Innsbruck die laufenden Geschäfte von hier aus nicht erledigt werden konnten. So war ihre Verfassung2 und ihre Wirksamkeit als Gericht3 und als Verwaltungsbehörde der der Wiener und Innsbrucker Behörde sehr ähnlich. Die Befugnisse des obersten Hauptmanns waren sehr weitgehende, indem diesem als einem Repräsentanten des Landesherrn die Ausübung der wichtigsten landesfürstlichen Hoheitsrechte übertragen war.4 Anderseits ist das Eusisheimer Regiment in steter Abhängigkeit von der Innsbrucker Regie- rung, ohne deren Genehmigung keine schwierige Angelegenheit
1 Oberösterreicliische Instruction von 1536 unter Verweisung auf einen Artikel der Instruction des Regiments zu Ensisheim.
2 An der Spitze stand der oberste Hauptmann oder Landvogt, sie hatte einen Kanzler und unter ihren Räthen auch Doctores.
3 In einer Instruction für die vorderösterreichische Regierung von 1574, die sich als eine erneuerte und gebesserte der (nicht erhaltenen) von 1523 bezeichnet, heisst es: ,Sie (Landvogt und Räthe) sollen Gewalt haben in allem, was die Justitia und unsre landesfürstl. Obrigkeit und Regierung betrifft, in allen Sachen und Supplicationen, es belang Eigen, Lehen, Bergwerk oder anderes, sie berühren uns oder unser Land, Leute oder andre Parteien . . . dem Recht und der Billigkeit nach zu handeln . . . Zwietracht zu verhören, gütlich hinzulegen . . . auf unsers Kammer- procurators und der Parteien Anrufen unverzüglich Recht ergehen lassen, Urteil sprechen, alle Appellationes und Geding erledigen und Expedition thun, wo anders davon, wie von Alter herkommen ist, an uns als regierenden Herrn und Landesfürst oder an unser o.'ö. Regiment zu Innsbr., das wir uns hierin vorbehalten, nicht appelliert worden' (Abschrift dieser Instruction im Archiv des k. k. Ministeriums des Innern).
4 In der Bestallung des Ulrich Grafen zu Montfort zum Landvogt im Elsass ddo. Innsbruck, 7. August 1563 (Innsbrucker Statthalterei-Archiv, soge- nanntes Pestarchiv) heisst es: ,. . er soll unser Land und Herrschaften, Schlösser und Weiler, auch Unterthanen darin in unserm (des Kaisers) Namen und an unser statt als unser oberster Hauptmann und Landvogt inne haben und versorgen, unsre Obrigkeiten, Eehaften, Herrlichkeiten, Gerechtigkeiten und Gewaltsam in Bergwerken, Schätzen, Geleit, Forst, Wildbann, Gejaid, Fischweiden und allen andern Obrigkeiten und Ge- rechtigkeiten, so uns als Landesfürsten von Recht und Gewohnheit zu- gehören.'
160
erledigt werden kann. Die letztere als die vorgesetzte Dienstes- stelle kann natürlich zu jeder Zeit in die Geschäftssphäre der vorderländischen Behörde eingreifen, da es an einer scharfen Zu- ständigkeitsabgrenzung fehlte. Jedenfalls ging der Rechtszug stets zur Innsbrucker Regierung, denn es wird wiederholt als ein alter Gebrauch ' hervorgehoben, dass alle Appellationen dahin gegangen seien.2 So kann man im Allgemeinen das Regiment zu Ensisheim als eine Zwischenbehörde charakterisiren, welche als Verbindungsglied zwischen der Mittelbehörde zu Innsbruck und den vorderösterreichischen Unterbeamten fungirte. —
Die Zusammensetzung der beiden Regierungen, zu welchen wir nun zurückkehren, behält die von Maximilian vorgezeich- neten Umrisse bei. An der Spitze steht ein Statthalter,3 nach ihm ist die wichtigste Persönlichkeit der Kanzler. Er gehört ebenso wie einige der Räthe dem Juristenstande an. Die Zahl der übrigen zumeist dem Adel angehörigen Regierungsmitglieder ist eine wechselnde.4 Jede Regierung hat eine unter der Leitung des Kanzlers stehende organisirte Kanzlei, welche die Ausfer- tigung der Regierungsbeschlüsse zu besorgen hat.
Der alte jeder Behördenbildung zu Grunde liegende Ge- danke, dass die Behörde nur für die Dauer der Abwesenheit des Landesherrn functioniren dürfe, gelangt auch jetzt bei der Organisation der niederösterreichischen 5 und der oberöster-
1 In dem citirten Gutachten über die oberösterreichische Regierung (1520) wird gesagt: ,So gehen dieselben Appellationen von demselben Regiment zu Ensisheim. auch nach altem Gebrauch für das Regiment gen Innsbruck und hat in andern zufallenden Händeln auch ihr Aufsehen auf die Re- gierung zu Innsbruck'.
2 Den Parteien in den Vorlanden war also dadurch noch eine weitere Instanz erschlossen, da der Ensisheimer Regierung selbst die Entscheidung von Appellationen zustand.
3 Nur 1521 setzt Ferdinand der niederösterreichischen Regierung seine Gemahlin Anna als Statthalterin und Regiererin vor; der Kanzler Peter Bischof von Triest wird als Haupt des Hofrathes bezeichnet, das ist er aucli 1522 als Grosskanzler; 1523 ein Statthalter (Chr. von Puechstain), 1524 wieder ein Vicestatthalter (L. von Harracb). Die Regel war es, dass der Vorstand der Regierung den Titel Statthalter führte (auch bei der Innsbrucker Regierung).
4 Ein Verzeichniss der Mitglieder der niederösterreichischen Regierung und Kammer gibt Oberleitner, Oesterreiclis Finanzen, im Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen, XXII, S. 221 ff.
;' Folgende Instructionen für die niederösterreichische Regierung liegen im Archiv des k. k. Ministeriums des Innern: Die älteste ddo. Graz,
161
reichischen1 Regierung unter Ferdinand noch zum Durchbruch. In den Instructionen kommt wenigstens stets als Motiv der Einrichtung der Regierung die Abwesenheit des Landesherrn2 zum Vorschein. Man konnte sich von der Fiction nur schwer losmachen, dass der anwesende Landesherr mit seinen Räthen alle Regierungsgeschäfte erledige und deshalb jede dauernde Behörde durch seine persönliche Thätigkeit überflüssig mache. Und doch konnte selbst die Aufrechterhaltung dieser Fiction der Errichtung permanenter Behörden nicht entgegenwirken, indem der Herrscher jetzt selbst zu der Einsicht kommen musste, dass die Ausdehnung der Monarchie3 und das damit verbun-
15. October 1521 ist die kürzeste, die zweite ddo. Neustadt, 18. August 1522 ist viel umfangreicher, sie bildet die Gruudlage der folgenden, die nur Ergänzungen und nicht wesentliche Veränderungen derselben ent- halten. Es sind dies die ddo. Wien. 5. November 1523 und ddo. Wien, 8. November 1524, die ddo. Regensburg, 14. April 1532 und ddo. Wien, 28. December 1545; die beiden letzten sind nur abschriftlich vorhanden, alle wurden für die Darstellung verwerthet.
1 Daselbst und im Statthaltereiarchiv zu Innsbruck sind auch Abschriften der oberösterreichischen Regierungsinstruction ddo. Trient, 18. September 1536 — die Instruction von 1523 ist nicht mehr vorhanden.
2 So sagt Ferdinand zum Beispiel in dem für den niederösterreichischen Hofrath am 8. November 1524 ausgestellten Gewaltbrief (Original im Archiv des Ministeriums des Innern) von der früheren Errichtung eines Hofraths ausgehend, nachdem er jet/.t abermals aus trefflichen Ursachen aus den niederösterreichischen Ländern ziehen müsse, habe er zum Hof- rath ernannt (folgen die Namen), , damit unser Regierung und Handlung nicht desto minder in gutem Wesen und steter Uebung bleibe und mänig- lich in Justitia- und anderen Handlungen und zufallenden Sachen noth- dürftiglich gefördert und in unserm Abwesen Niemand in Erfolgung des Rechtens und der Billigkeit verhindert werde, sondern die Recht für und für ohne Verhinderung einem Jeden mitgetheilt und in unserm Hofrath in solcher Handlung und Regierung kein Abgang noch Zerrüttung be- schehe und alle gute Ordnung und nothdürftige Regierung in unseren fünf niederösterreichischeu Landen gehalten werde . . .'
3 Die oberösterreichische Instruction von 1536 sagt so : ,Nachdem wir von Gott seit Eingang unserer Regierung der nieder- und oberösterreichischen Lande nicht allein mit trefflichen Königreichen und Landen gnädiglich versehen und begabt, damit wir dann unser Haus Oesterreich hoch er- weitert haben, sondern auch seither zu der Erhöhung und Verwaltung des heiligen Reichs als römischer König gekommen, dadurch viel treff- licher hoher Sachen auf uns gewachsen, die uns nicht wenig angelegen sein und gemeiner Christenheit, auch unserm Land und Leuten zu gutem von uns getrieben werden muss, also dass wir mit stetem Wesen in diesen
Archiv. Bd. LXIX. I.Hälfte. 11
162
dene Anwachsen der Geschäftslast einen längeren Aufenthalt in einer Provinz nicht gestatte. Ans der Notwendigkeit, für die fast regelmässige Abwesenheit des Herrschers der einzelnen Ländergruppe den Segen der continuirlichen Rechtspflege und ununterbrochenen Verwaltung nicht zu entziehen, erwachs die permanente Behörde. Man war unter Ferdinand wohl nicht hinter die Verordnung von 1501 zurückgegangen, die Regierung ward nicht nur für die Dauer der Abwesenheit Ferdinands, sondern nur ,bis auf weiteren Befehl' eingesetzt. Ihre Amts- gewalt war also eine jederzeit widerrufliche.1 In Wirklichkeit war aber damit, dass die Wirksamkeit der Behörde nicht mit der Rückkehr des Herrschers erlosch, der wichtige Schritt in der Richtung der permanenten Behörde gethan, wenn auch principiell in Instructionen und Gewaltbriefen der provisorische Charakter betont wurde, lediglich in der Absicht, der Amtshoheit des Herrschers in keiner Weise präjudiciren zu lassen.
Die Einsetzung von Behörden enthielt die Delegation der dem Landesherrn zustehenden Hoheitsrechte der Ausübung nach an die von ihm zu Mitgliedern dieser Behörde ernannten Per- sonen. Diese Bevollmächtigung kam nicht nur in den In- structionen, sondern auch in besonderen ausgestellten Gewalt- briefen zum scharfen Ausdruck. So wenn es in der Instruction von 1521 heisst, dass die Hofräthe ,von unser wegen und an unser stat in unser fürstlichen regierung unser niederösterrei- chischen lande handien und volstrecken sollen'.2
oberösterreichischen Landen nicht verharren mögen, damit dann in unserm Abwesen . . . Regierung nicht Mangel habe, sondern Friede und Recht gehalten werde . . .'
1 Instruction von 1521: ,Wir Hessen sie (die Hofräthe) hinfür biß auf unser Wohlgefallen bleiben'; Instruction von 1524: ,bis auf unsre Wiederkunft oder weitern unsern Befehl'.
2 Theilweise ausführlicher noch 1522: ,und derselben unserer 1. ge- mahel, auch gem. unsern grosscanzler und hofrat unsern volkumen macht und gwalt gegeben an unser stat und in unserm namen bis auf unser widerkuuft oder unsern weitern bevelh zu regiern und zu handien...' Ebenso heisst es auch in der oberösterreichischen Instruction von 1536: ,Wir haben dem W. Graf zu Montfort u. s. w. (folgen die übrigen Mit- glieder) und denen, so wir weiter von Neuem verordnen Macht gegeben au unser statt und von unser wegen bis auf unser Wohlgefallen zu regieren, in allen Sachen der Justitia, auch Friede und Recht zu halten, unsre Obrigkeit zu handhaben, Bann und Acht, wie sich gebührt zu ver- leihen, die Freiheiten und Privilegien zu bestätigen . . .'
163
Die Vollmacht der Regierung- war keine unbeschränkte, sie blieb in ihrer Amtsführung- gebunden an den Inhalt der Instruction, welche vielfach nur die allgemeinen Directiven auf- stellen konnte, bezüglich der Details aber dem Ermessen der Regierung grossen Spielraum Hess. Ihre Selbstständigkeit war auch innerhalb des durch die Instruction gezogenen Rahmens keine allzu grosse, denn in keiner wichtigen Sache sollte die Regierung selbst entscheiden; eine solche durfte nicht erledigt werden, ohne dass die Regierung eingehend hierüber an den Landesherrn berichtet und dessen EntSchliessung abgewartet hätte.1 Die Instruction von 1522 trug, von praktischem Takte geleitet, den Bedürfnissen des staatlichen Lebens besser Rech- nung, indem sie die Regierung ermächtigte, in solchen Fällen, welche einer unverzüglichen Regelung bedürften, eine Ent- scheidung durch das Plenum zu fällen. In diesem Jahre wurde nämlich beim niederösterreichischen Hofrath eine Theilung in zwei Sectionen durchgeführt, eine Zweitheilung, welche in gleicher Weise auch beim oberösterreichischen Hofrath 2 einge- führt ward. Die eine der beiden Abtheilungen war als Gerichts- hof gedacht, während die andere unter Vorsitz des Statthalters alle laufenden Regierungsgeschäfte besorgte - — ,all supplica- ciones und ander furfallend Sachen unser fürstliche regierung betreffend'. Diese Einrichtung der zwei Abtheilungen gibt schon in allgemeinen Umrissen ein Bild der Competenz der Regierung, zu deren Erörterung wir uns nun wenden.
Die Regierung war vor Allem oberster Gerichtshof des betreffenden Sprengeis.3 Gleiches Gericht und Recht zu fördern, Niemand wider Recht und Billigkeit beschweren zu lassen,4 erschien als ihre Hauptaufgabe. Alle Streitigkeiten, 5 um deren
1 Instruction von 1521, auch in den folgenden Instructionen für die nicht dringlichen wichtigen Angelegenheiten festgehalten.
2 Instruction von 1536. In einer Erläuterung der Instruction vorn 15. October 1555 wird gesagt, dass Statthalter und Räthe unserer Regierung unserer oberösterreichischen Länder hinfür alle Tag zwei unterschiedliche Räthe an zwei unterschiedlichen Plätzen halten.
3 Instruction von 1521: ,am ersten sollen si volkumenlichen macht und gwalt haben in allem dem, was justicia betrifft'.
4 Gewaltbrief für die niederösterreichische Regierung von 1524.
5 Die oberösterreichische Instruction von 1536 sagt in diesem Punkte vom Statthalter und den Räthen, dass sie .Macht haben nicht allein in Justitia- sachen der Parteien und was unser fürstlich Obrigkeit betrifft, sondern
11*
164
Schlichtung1 die Regierung angegangen wurde, hatte sie, sobald nicht die Zuständigkeit eines untern Gerichts gegeben war, nach erfolgtem Verhör zu entscheiden, namentlich aber in allen Appellationen gegen Entscheidungen der Untergerichte Urtheil zu fällen und für die Execution der gefällten Erkennt- nisse zu sorgen. Auch in denjenigen Rechtssachen, in welchen der Kammerprocurator als fürstlicher Vertreter des Kammer- gutes auftrat, war die Stellung der Regierung als Gerichtshof eine selbstständige. Eine Cabinetsjustiz war aber nicht voll- ständig ausgeschlossen, denn die gegen den Landesherrn er- lassenen Urtheile mussten vor ihrer Publication diesem zur Ge- nehmigung vorgelegt werden. ' Die Cabinetsjustiz wurde schon beseitigt durch die niederösterreichische Instruction von 1523 in Processen, ,so wir gegen ainer parteien im rechten steen'. Für diesen Fall wurde nämlich verfügt, dass der niederöster- reichische Hofrath, nachdem er sich aus den Acten die Ueber- zeugung verschafft hat, dass der Anspruch unbegründet sei, mit der Partei, welche voraussichtlich im Processe unterliegen würde, einen wiederholten Sühneversuch anstellen soll. Erst wenn der zweite Versuch einer gütlichen Beilegung misslungen, soll das Recht seinen Fortgang nehmen. Eine Vorlage des Urtheils an den Monarchen wird nicht verlangt. 2
Die gerichtliche Section, welche im Interesse einer prompten Handhabung der Rechtspflege täglich Sitzungen hielt und nur ausnahmsweise zu anderen als gerichtlichen Functionen ver- wendet werden sollte, hatte die Processe nicht endgiltig zu
auch alle Händel, Sachen und Supplication, sie betreffen Eigen, Lehen, Bergwerk oder anders, sie berühren uns oder unser Land oder andere Parteien, ihrem besten Verständnisse, der Billigkeit, der innern oder vordem Lande Gewohnheit nach zu handeln, alle Irrungen abzustellen, solche Späne zu verhören, gütlich hinzulegen und darin zu vertragen, darin Entscheid zu thun, auch in allen rechtlichen Handlungen, die uns oder unsre Unterthanen berühren . . . unverzüglich Recht ergehen lassen, Urtheil sprechen, alle Appellationen und Geding erledigen, darauf un- verzüglich Execution thun und verschaffen und alle Justitiasachen ge- stracks handeln'.
1 Instruction von 1521 : ,so sollen si dieselben entschid und urtl so lang nit eröffnen, bis si uns dieselben klar und lauter underrichten und von uns darauf bevelh haben, was si weiter darin handien sollen'. Aehnlich Instruction von 1522.
2 In gleicher Weise durch die oberösterreichische Instruction von 1536 geregelt.
165
entscheiden. In minder wichtigen Streitsachen hatte sie das Urtheil nur vorzubereiten, dieses selbst musste im Plenum ge- fällt werden. ' In wichtigen Processen dagegen durfte auch die Verhandlung nur im Plenum des Hofraths vor sich gehen, welches erforderlichen Falls noch einige Räthe der Raitkammer beiziehen konnte — ,so aber ain grosse und tapfere urtl vor äugen ist, so sol der ganz hofrat über dieselben acter sitzen und wo von nöten sein wil ainen oder mer rät aus unser rait- camer darzue erfordern und dieselbn urtl mit besameltem rat mit ainander besliessen' (1522). Ueberhaupt war es die Regel, dass, wenn die gerichtlichen Räthe sich über die Entscheidung einer Rechtssache nicht einigen konnten,2 der Streitpunkt den übrigen Räthen mitgetheilt werden und so im Plenum ein Aus- gleich der divergirenden Meinungen bewirkt werden sollte. Auch das Plenum' musste an drei Wochentagen offene Verhör- und Rechtstage abhalten 3 und die Rechte unverhindert offen in seinem Gang halten.4 So war sowohl durch die Theilung des
1 Dieses Princip war auch bei der oberösterreicbischen Regierung anerkannt, indem die Instruction von 1536 vorschrieb: ,doch in Schöpfung der Urtheile sollen unsre Räthe alle oder so viele in der Zeit vorhanden bei einander sein . . .' Ferner: ,doch Schöpfung oder Eröffnung der Urteil soll allweg irn Beisein der ganzen Regierung oder aber auf das wenigste in Gegen- wart von sieben aus der Regierung besehenen; wenn aber anderer Ge- schäfte halber sieben in der Regierung nicht anheim, soll die Anzahl der sieben von unsern Räthen der tirolischen Raitkammer zu solcher der Urtheil Schöpfung ervordert werden' (die Zahl von sieben Richtern war durch die tirolische Landesordnung von 1532 vorgeschrieben). Durch eine , Erläuterung' der oberösterreichischen Regierungsinstruction vom 20. October 1561 wurde die Bestimmung der Landesordnung, dass stets sieben Räthe auf dem einen Platze, wo die gerichtlichen Sachen gehandelt werden, zugegen sein sollen, dahin erläutert, dass diese Sieben allein zur Verfassung der Endurtheile erfordert und die Beiurtheile durch vier, fünf oder sechs, nachdem dieselben gross oder wichtig, die Supplicationen aber und Taxationen oder Expensen, auch andere schlechte Bescheide durch drei oder vier Räthe erledigt und geschöpft werden mögen.
2 , einer Urteil stössig und ungleich würden' (1524).
3 1523, nach Instruction von 1524 wenigstens zwei Rechtstage wöchentlich.
4 Processuale Vorschriften enthält namentlich die oberösterreichische In- struction von 1536. Ich hebe aus dieser folgende hervor: ,Zur Förderung der Parteien ordnen wir, dass die Parteien, wo sie wollen, vor unserer Regierung schriftlich procediren, jeder Theil drei Schriften einlege und dann mündlich beschlossen werde, sonderlich in grösseren und tapferen Sachen, damit die Parteien durch mündliches Fürbringen desto weniger
166
Collegiums, ;ils durch die regelmässigen Rechtstage des Plenums nach jeder Richtung für eine zuverlässige und schleunige Hand- habung der Rechtspflege Fürsorge getroffen und einer Schä- digung des rechtsuchenden Publicums durch Verschleppung der Processe nach Thunlichkeit durch diese organischen Ein- richtungen vorgebeugt. *
Gegen das Urtheil der Regierung gab es, wenigstens in den niederösterreichischen Ländern, ein weiteres Rechts- mittel, die 1523 eingeführte Supplication, indem den Parteien, welche sich durch ein Erkenntniss der Regierung beschwert erachteten, das Recht eingeräumt ward, sich mit ihren Be- schwerden supplicationsweise an den Landesherrn zu wenden. Dieser und ,die Räthe an unserm Hofe' konnten auf Grund einer Prüfung der von der Regierung einzuschickenden Acten deren Urtheil bestätigen, abändern oder ganz aufheben.2 Um aber jeder missbräuchlichen Anwendung dieses Rechtsmittels seitens der Parteien zu begegnen, wurde der unterliegenden 3 eine nach dem Werthe des Streitobjects bemessene Succumbenz- busse von 1000, resp. 500 Gulden angedroht. Für die Ent- scheidung der Supplicationen ward also nicht gleich eine dem niederösterreichischen Hofrath übergeordnete Centraljustizstelle eingerichtet. Dies war erst mit Gründung des österreichischen Hofrath s (1527) der Fall. Interessant ist die Motivirung der Zulassung dieses Rechtsmittels in der Instruction von 1523 — , damit unser Statthalter und Hofräthe in ihren Handlungen desto grösseren Fleiss gebrauchen und durch ihre Urtheile Niemand an seiner Gerechtigkeit verkürzt werde '. Es soll also in der Eröffnung der Möglichkeit einer Revision der Urtheile des niederösterreichischen Hofraths für diesen ein Sporn zur gewissenhaften Pflichterfüllung liegen, eine Warnung, dass er
verkürzt und unsere Regierung desto gründlicher und sicherer in solchen Sachen handle. Welcher Partei aber solch schriftlich Procediren nicht füglich sein wollte, soll ihr das mündliche Procediren zugelassen werden.' .
1 Der Gedanke, eine Benachtheiligung der Rechtsuchenden zu verhindern, begegnet wiederholt. So auch in der Vorschrift der Instruction von 1532 die Zuziehung von sachverständigen Bergleuten zur Berathung und Entscheidung von Bergwerkssacheu, damit die Parteien nicht ans Un- wissenheit der Bergsachen in Nachtheil geführt würden.
2 Instruction von 1523.
:! ,wo ain partei unbillicher weis von unsers Statthalters und hofrats urtl supplicirn und solher supplicirung Sachen nit fueg haben wurnV
167
es mit seiner Aufgabe nicht leicht nehme. Ganz die gleiche Begründung gibt der Reichsabschied von 1532 (t. III, §. 17) für die Zulässigkeit der Supplication an den Kaiser gegen die Urtheile des Reichskammergerichts. '
In die Sphäre der Justiz- und Verwaltungsthätigkeit des Hofraths fällt auch die ihm zugewiesene Aufgabe, den Be- schwerden der Unterthanen gegen einander abzuhelfen und den processsüchtigen Parteien, welche ungeachtet der auf ihre Be- schwerden ergangenen Entscheidungen der Regierungen sich nicht beruhigen, energisch zu Leibe zu gehen. Es handelte sich hier um Wahrung der landesfürstlichen Autorität, 2 da auf solche Beschwerden oftmals mehrere Bescheide der Regierung er- gingen, ohne dass sie Beachtung fanden oder ohne dass auch nur die Parteien die von ihnen verlangte Rechtfertigung, warum sie denselben nicht nachkämen, einreichten. Auch der Gesichts- punkt, den armen Leuten unnütze Kosten zu ersparen waltete vor und gab noch Anlass zu der Auflage an die Regierung, denjenigen, der seine Widerpartei muth willig herumführe, zu verhören, der Sache auf den Grund zu gehen und nach Con- statirung seines Ungehorsams auf Klage des Kammerprocurators gegen denselben mit Strafe vorzugehen.
Als höchste Regierungsbehörde der Ländergruppe con- centrirte die Regierung die gesammte Verwaltung derselben 3 und war mit der Ausübung der wichtigsten landesherrlichen Hoheitsrechte betraut. So hatte, um Einzelnes hervorzuheben, die Regierung oder der Statthalter in Gegenwart des Collegiums
1 ,Und damit unser Camnierrichter und Beisitzer desto fleissiger seyen . . . und Niemanden an unserm Cammergericht Unrecht geschehe' (Wetzeil, Lehrbuch des Civilprocesses, Leipzig 1878, S. 776).
2 Instruction von 1521: ,und ainer dannocht seines unbilliehen furnemen nit abstet, auch dhain underricht nit thuet, sonder für und für in seinem unzimblichen furnemen verharrt, dardurch wir als herr und landsfurst von unsern underthanen grosslich veracht werden und uns daraus in unsern bevelhen und geboten grosse ungehorsam erwechst'. Die späteren niederösterreichischen Instructionen enthalten ebenso wie die oberöster- reichische von 1536 diese Vorschrift.
3 Ein .Zeitgenosse, W. Lazius (Rerum Viennensium Commentarii, Basileae 1514, p. 118), spricht sich über die Competenz der Regierung kurz, so aus: ,Summum senatum constituere quem a nmnere regimen et regimentum vocarunt, qui . . . sunnnam tenet ac tarn privatas incolanim quam publicas provinciarum causas tractat.'
168
Bann und Acht im Namen und anstatt des Landesherrn * zu verleihen und die Urkunden über die vollzogene Verleihung nach dem herkömmlichen Stilus durch die Regierungskanzlei ausfertigen zu lassen. Der niederösterreichischen Regierung stand dieses Verleihungsrecht nur für das Erzherzogthum Oester- reich unter der Enns und das Land ob der Enns zu.2 In Steiermark, Kärnten und Krain dagegen war diese Befugniss an die Landeshauptleute übertragen, um zu verhindern, dass untaugliche Personen hiermit beliehen würden, in Ansehung, dass das Gericht über das menschliche Blut das höchste ist. Die Regierung ward sodann zur Bestätigung der von Kaiser Max confirinirten Privilegien 3 ermächtigt. Besondere Aufmerksamkeit war der niederösterreichischen Regierung an- empfohlen bei Prüfung der Privilegien des Bisthums, der Stadt und der Universität Wien. Diese Prüfung sollte sich bei Vor- lage der Originalien hauptsächlich darauf erstrecken, ob nicht einige Artikel zu Irrungen Anlass geben könnten, in welchem Falle sich dann eine Mehrung oder Minderung der betreffenden Freiheitsbriefe zur Verhütung künftiger Irrungen empfehlen würde. Hierüber, sowie über die Frage, ob die Städte ihre Privilegien in dem gewährten Umfange gebrauchten, war ein Gutachten zu erstatten.4
1 Oberösterreichische Instruction von 1536.
2 Ferdinand nahm nach der Instruction von 1532 an, dass der Wiener Regierung Verhältnisse und Personen von Richtern und Amtleuten in den beiden Ländern hinlänglich bekannt seien, um jeden Missgriff zu ver- meiden.
3 Niederösterreichische Instruction von 1521. In der von 1523 heisst es: ,so sollen unser grosscanzler und hofrat dieselben haubtbrief und original von inen annemen und mit vleiss übersehen und all artikel aigentlich bewegen, welher artikl irrung mache und ob diselben freihaitn dermassen zu bestäten oder zu mindern oder zu meren, dardurch künftig irrung oder nachtail verhuet möcht werden'. Die oberösterreichische Instruction von 1536 ermächtigt die Regierung zur Bestätigung der von Kaiser Max und Karl confirmirten Freiheiten mit dem Vorbehalte in den alten Con- firmationen begriffen, nur wenn zuvor rechte Hauptbriefe der Regierung vorgelegt würden.
4 Die Instruction von 1523 befahl dem niederösterreichischen Hofrath, wohl auf Grund des inzwischen erstatteten Berichts, vorderhand von der Be- stätigung der angeführten Privilegien abzusehen wegen der hierüber in Aussicht stehenden Streitigkeiten.
169
Zu den Aufgaben der Regierung gehörte ferner die Ver- leihung der Lehen und die Ausfertigung der Lehenbriefe. Eine Ausnahme war nur statuirt bezüglich der geistlichen Lehen, deren Verleihung sich der Landesherr selbst vorbehielt. l
Eine der Regierung nur vorübergehend übertragene Thätig- keit war hervorgerufen durch die Landplage des Strassenraubes, welche in der ersten Regierungszeit Ferdinands die niederöster- reichischen Länder2 heimsuchte und nachhaltige Repressivmass- regeln herausforderte. Dem niederösterreichischen Hofrathe ward deshalb schon 1521 eingeschärft, mit aller Energie Mass- nahmen zur Ausrottung dieses Uebels anzuordnen. Unnach- sichtlich sollte gegen die Strassenräuber und ihre Hehler ohne Ansehung der Person 3 eingeschritten werden, eine Mahnung, die um so mehr am Platze war, als Personen aus den höheren Ständen vielfach in so schmählicher Weise die öffentliche Sicher- heit gefährdeten. Der niederösterreichische Hofrath fungirte hier gewissermassen als Standgericht; die Nothlage erforderte jene aussergewöhnlichen Massregeln. Seine Jurisdiction 4 sollte erst da eintreten, wo die unteren Gerichte, welchen die Be-
1 Oberösterreichische Instruction von 1536. Nach der niederösterreichischen Instruction von 1522 ward der Hofrath auch zur Verleihung der jährlich bis 25 fl. Absent tragenden Pfarreien und Beneficien ermächtigt. Die niederösterreichische Instruction von 1523 bestimmte, dass die Verleihung in Gegenwart derRäthe derRaitkammer und des Kammerprocurators geschehe.
2 Deshalb beschäftigen sich alle niederösterreichischen Instructionen mit diesem Gegenstande.
3 ,und nit ansehen noch sich verhindern lassen, ob etlich personen, gross herren oder ainer grossen freundschaft weren oder sich etlich des adls beholfen wollten, sonder si sollen gegen denselben . . . dermassen furnemeu und handien lassen als gegen den allerwenigisten.'
A Mit dieser Jurisdiction steht auch im Zusammenhange die dem nieder- österreichischen Hofrath übertragene Strafgewalt gegen alle Uebertreter der gegen die Ausrottung der Strassenräuberei erlassenen Mandate. Insbesondere war eine allgemeine Verfolgung der Strassenräuber durch die Bewohner des Orts angeordnet, in dessen Umgebung das Verbrechen begangen wurde, die sich bis zum nächsten Flecken zu erstrecken hatte. Von hier an hatten sodann die Einwohner dieses Fleckens die Verfolgung zu übernehmen, bis der Verbrecher ergriffen war. Diesen Mandaten wurde nur in sehr lauer Weise entsprochen. Gegen die Ungehorsamen sollte der niederösterreichische Hofrath stets durch den Kammerprocurator die Anklage erheben lassen; sie sollten wegen ihres Ungehorsams nicht nur zum Ersatz des Schadens verpflichtet sein, sondern auch noch mit einer Strafe belegt werden. Schliesslich wurde noch eine Art von Gensdarmerie
170
strafung der Strassenräuber oblag, ihre Pflicht vernachlässigten. So sollte auch gegen alle Gerichtsbeamten, welche des Strassen- raubes beschuldigte Personen ausliessen und nicht nach der Strenge des Gesetzes eingriffen, durch den Kammerprocurator Klage erhoben werden. Auch dem Hofrathe war es untersagt, einem solchen Uebelthäter Gnade zu erzeigen.
In anderer Richtung war die polizeiliche Thätigkeit der niederösterreichischen Regierung in Anspruch genommen durch die Bewegung der Gegenreformation mit ihren Vorkehrungen zur Unterdrückung der neuen Lehre. Erst die Instruction von 1524 bediente sich des niederösterreichischen Hofraths als eines Organs zur Ausführung der gegen die eindringenden lutherischen Bücher und Prediger erlassenen Anordnungen. So sollte der Plofrath, wenn die der neuen Lehre verdächtigen Prediger sich auf Aufforderung den Officialen behufs Exarni- nirung nicht stellten, durch die dem Verdächtigen unmittelbar vorgesetzten Gerichte und Obrigkeiten dessen Verhaftung und Gestellung vor die Examinatores zu Wien anordnen. ' Da
organisirt, indem ein Profos mit zwölf Pferden dem niederösterreichischen Hofrath unterstellt wurde, damit dieser gegen die Strassenräuber und andere Uebelthäter tapfer handeln lassen möge. Er sollte die tüchtige Dieustverrichtung des Profosen in Bereitung der Strassen u. A. beauf- sichtigen, damit der Zweck der Ausrottung der Strassenräuber erreicht würde (Instruction von 1523). 1 Niederösterreichische Instruction von 1524: /Weiter so ist unser ernst- lich mainung, das in unsern niederösterreichischen landen die lutterischen puecher niemands verkauf noch fail hab, das auch kain lutterischer prediger gelitten werde und den officialn zu bevelhen, das si ir vleissig aufmerken haben und nachvorschen, wo si aines solhen predigers erindert werden, den für si citiern und examinirn. finden si ine gerecht, des geniess er; finden si ine ungerecht, handien darinen wie sich geburt. wo aber ain solcher citierter prediger nicht erscheinen wollt, solichs unserm vice- stathalter und hofrat anzaigen, die sollen alsdann dem gericht und obrigkait schreiben solhen prediger venklichen für die examinatores zu Wienn dazue verordent zu stellen, das er daselb sein sach verantwort und dieselben examinatores darin handien, was das recht vermag, wo aber solich gericht oder obrigkait auf das erst schreiben ungehorsam erscheinen wurde, alsdann in obgeschriben mainung bei ainem ernstlichen peenfall zupieten und wo si auf ir ungehorsam verharren, den camerprocurator darumb on Verzug summarie et deplano handien lassen, doch solle der hofrat in allieg sein aufmerken haben, wo sich deshalb die sach zu ainer aufrar schicken wollt, die sacken furderlich mit allem vleiss berat- slagen und demselben onverzug mit der that zubegegnen.'
171
unter diesen Obrigkeiten selbst Hinneigung zu den reformato- rischen Anschauungen vorhanden war, konnte man sich ihrer- seits keiner grossen Geneigtheit in Bezug auf die Durchführung derartiger Strafmandate versehen. Deshalb wurde für den Fall, dass die Obrigkeit ungeachtet erfolgter Mahnung eine Straf- einschreitung nicht veranlasse, die Erhebung einer Strafklage gegen die ungehorsamen Beamten durch den Kammerprocurator angeordnet. Der niederösterreichische Hofrath musste dann gemäss seiner Eigenschaft als Polizeibehörde solchen Verhält- nissen scharfe Aufmerksamkeit widmen und falls eine ein- gehende Prüfung die Gefahr eines Aufruhrs befürchten Hesse, dieser Gefahr mit allen zu Gebote stehenden Mitteln energisch begegnen. Auch die Instruction von 1532 mahnte aufs Nach- drücklichste die Regierung zur Bekämpfung der vielen irrigen Secten, der verführerischen und ketzerischen Lehren, die sich seit einigen Jahren durch Schriften , Druckwerke und Pre- digten verbreiteten, durch welche das gemeine Volk verführt würde. Die Aufmerksamkeit der Regierung wurde namentlich auf die Secte der Wiedertäufer gelenkt. Die Mittel, welche die Behörde zur Ausrottung der Secten und zur Bestrafung der Schuldigen anzuwenden hatte, waren ebenso wie die Art des Verfahrens nicht verschieden von den Bestimmungen der Instruction von 1524.
So sehen wir die Regierung ihre Thätigkeit auf den ver- schiedensten Gebieten polizeilicher Fürsorge und Repression entfalten. Ihre Hauptaufgabe bestand aber nicht darin, die einzelnen Zweige staatlicher Verwaltung selbst zu bethätigen, sondern die Amtsführung der Unterbehörden zu beaufsichtigen und darüber zu wachen, dass die vom Centrum ausgehenden staatlichen Anordungen an allen Stellen der Peripherie zu pünktlichem Vollzuge gebracht würden.
Schliesslich ist noch der ständischen Bestrebungen die Fremden von der Regierung auszuschliessen, zu gedenken. Dieser particularistische Kampf gegen das Eindringen von Aus- ländern in die Beamtenstellen, welcher nicht nur in allen Stadien der Reformen Maximilians, sondern in allen Territorien in gleicher Weise zur Erscheinung' kommt, gelangt auch unter Ferdinand nie zum Stillstand. Immer aufs Neue ' ertönen
1 So 1526, 1544, 1546, 1548. Vgl. Niederösterreichische ständische gra- vamina 1420 — 1657 im niederösterreichischen Landesarchiy zu Wien.
172
Beschwerden und Bitten der niederösterreichischen Stände, die Regierungs- und Hofrathsstellen mit österreichischen Landleuten zu besetzen. Ferdinand gibt den Ständen zu verstehen, dass zu Klagen kein Anlass vorhanden sei, dass er nach wie vor die Landleute vor Andern zu Aemtern befördern werde, dass aber auch andere gelehrte und verständige Personen benöthigt werden. ' Als die Klagen kein Ende nahmen, weist sie der König mit aller Schärfe als Eingriff in seine Prärogative zu- rück. Mit Entschiedenheit betont er in seinen Antworten auf die ständischen Eingaben, dass die Besetzung der Regierungs- und Hofrathsstellen Ihrer Majestät allein als Herrn und Landes- fürsten zustehe und Sie durch kein Privileg gehalten seien, blos Landleute zu solchen Stellen zu befördern. 2 Nichtsdesto- weniger sagt Ferdinand zu, er wolle auf Landleute Rücksicht nehmen. So sehen wir Ferdinand in allen Stadien seiner Re- gierung mit gleichmässigem Nachdruck seine landesfürstliche Autorität wahren gegen Eingriffe jeglicher Art.
2. Die ßaitkainmern.
Während für eine organische Regelung der Centralver- waltung des Finanzwesens einfach die von Maximilian gewiesene, nur nicht mit consequenter Beharrlichkeit eingehaltene Bahn weiter gewandelt werden konnte, Hess sich die Gestaltung der Mittelfinanzbehörden nicht gleich unmittelbar an die Verwaltungs- errungenschaften der Maximilianischen Epoche anknüpfen.
Schon 1496 hatte Max die Schatzkammer zu Innsbruck ins Leben gerufen, indem er dem 1491 eingesetzten Schatz- meistergeneral einige andere Räthe beigesellte. 3 Dem so neu errichteten Collegium war nicht nur die Leitung des ober-, sondern auch die des niederösterreichischen Finanzwesens über- tragen worden. In der Schatzkammer, welche 1498 mit einer eingehenden Ordnung versehen ward, war eine Centralstelle für die Verwaltung aller Finanzgeschäfte der österreichischen Monarchie geschaffen, die aber in Unterordnung unter der Hof-
» 1526.
2 1546, 21. Februar: Schon 1544 hat er in ähnlicher Weise sein un- beschränktes Ernennungsrecht betont.
3 Bidermann, Geschichte der landesfürstlichen Behörden in und für Tirol, 1867, S. 8.
173
karnmer fungirte. Diese centralisirende Tendenz, welche, da die österreichische Schatzkammer in Innsbruck ihren Sitz be- hielt, dazu führte, dass das niederösterreichische Finanzwesen nun ausserhalb des Landes geleitet wurde, empfand der Parti- cularismus der Niederösterreicher als einen schroffen Eingriff in ihre Selbstständigkeit, denn noch standen sie der oberöster- reichischen Ländergruppe fremd gegenüber. ' In diesem parti- cularistischen Widerstreben haben wir wohl die Ursache dafür zu suchen, dass die Organisation der Finanzverwaltung in der niederösterreichischen Ländergruppe mehr als zwei Decennien hindurch den Charakter des Unfertigen und Schwankenden zur Schau trug.
Von Anfang an war das Verhältniss der Schatzkammer zu den oberösterreichischen Ländern ein anderes als zu den niederösterreichischen, wo für die einzelnen Landestheile Vice- dome als Organe für die Einziehung und Ueberwachung des landesfürstlichen Einkommens bestellt waren. Hier trat die Schatzkammer in die Functionen einer Aufsichtsbehörde. In Oberösterreich dagegen, wo Vicedome nicht von altersher exi- stirten, 2 musste die Schatzkammer die Verwaltung des landes- herrlichen Einkommens direct besorgen, wenn sie es nicht vorzog, besondere Beamte mit der Vornahme solcher Verrich- tungen zu betrauen. 3 Dieser Charakter der Schatzkammer als Controlbehörde trat noch schärfer hervor mit ihrer 1499 er- folgten Umwandlung in eine ,Raitkammer'.4 Schon zwei Jahre
1 Adler, S. 196 ff.
2 ,Und nachdem wir in all unsern landen vitztumben und ander ambtleute, so den vitztumben nit underworfen sein alles emphang all unser rant, gult, Steuer etc. verordent, so haben wir doch in unser grafschaft Tyrol kainen vitztumb furgenomen, angesehen das unser camermaister B. Kasler solh vitztumbambt verwist und verwalt . . .' Schatzkammerordnung von 1498 im Wiener Staatsarchiv (Maxim iliana, Fase. 4). Nun abgedruckt bei Adler, S. 515 ff.
3 ,Zum andern, daz dieselben unser Verwalter und raete (der Schatzkammer) all und iglich Sachen was unser slosser, embter, perkwerch, landsteuer etc. etc. und ander unser nutzung und zufall, nemlichen in unsern ober- osterreichischen landen durch sich selbs und die, so si darzu bestellen und dann in unsern niderosterreichischen landen durch unser vitztumb und landraet von unsern wegen handeln . . .' A. a. 0.
4 Vergleiche die Ordnung für das neue Regiment der vorder- und ober- österreichischen Lande bei Rapp, Beiträge zur Geschichte von Tirol, 1829, S. 170.
174
später hatte der ruhelose Organisationstrieb Maximilians sieh einer weiteren Ausbildung des niederösterreichiseben Behörden- apparates zugewendet. Durch die niederösterreichische Regi- mentsordnung vom 21. April 1501 ' winde; eine Hofkammer
zu Wien errichtet, welche ,;ille Sachen, so unser Kammergut, Renten, Nutzungen, Gült in unsern niederösterreiehischen Fürsten- thümern betreffen', handeln sollte. In der Errichtung- dieser nieder- österreichischen Finanzbehörde gelangt, wie erwähnt, eines der Hauptprincipien der Muximilianischen Verwaltungsorganisatinn. die Loslösung" der Finanzgeschäfte von der übrigen Verwaltung, auch für die niederösterreichischen Länder zur Durchführung. Da auch für die Finanzcontrole eine Rechenkammer zu Wien bestand, 2 so war die Selbstständigkeit der niederösterreichischen Ländergruppe bezüglich der Finanzverwaltung vollendet und der Innsbrucker Raitkaminer jeder Einfluss auf dieselbe entzogen. Max selbst hatte durch diese Verordnung der mit so viel Geschick durchgeführten Centralisation der Behörden einen empfindlichen Stoss versetzt. Vom Standpunkte der österreichischen Gesannnt- staatsidee aus ist diese erste Etappe einer rückläufigen Be- wegung jedenfalls zu beklagen, und dies um so tiefer, als schon 1502 durch den Vertrag mit Gossembrot, 3 welchen die Geldnoth dem König abgerungen hatte, diesem die Verein- nahmung und Verausgabung der niederösterreichischen Ein- künfte übertragen ward. Auf diese Weise sollte Ordnung in den Staatshaushalt gebracht werden, doch wurde der kaum geschaffene Organismus aufs Gründlichste umgestaltet. Der eben errichteten Hofkammer zu Wien blieb kein Raum für ihre Wirksamkeit und sie verschwand. Nur die Rechenkammer fristete daneben noch ihr Dasein, doch fliessen die Quellen über ihre Weiterentwicklung spärlich. Ihr Wirkungskreis scheint durch den des Vicedoms von Oesterreich unter der Euns stark modificirt worden zu sein, besonders seit L. Saurer, ein Günst- ling des Kaisers, diesen Posten bekleidete. So war ihr der Boden für eine entsprechende Thätigkeit entzogen, zumal die Revision der Rechnungen der niederösterreichischen Beamten
1 Harpprecht, IL, S. 423 ff. Eine gute kurze Analyse dieser Verordnung gibt Luschin v. Ebengreuth, S. 279 f.
2 Adler, S. 232; daselbst S. 192, 197 über das Vorkommen der Bezeich- nungen , Schatzkammer, Rechenkammer zu Wien' seit 1494.
. 3 Vgl. über diesen Adler, S. 238 ff.
175
auch durch die Innsbrucker Rechnungskammer weggenommen wurde. '
Als auf dem berühmten Innsbrucker Ausschusslandtag von 1518 Hand ans Werk einer Reform der Verwaltung an Haupt und Gliedern gelegt wurde, da verlangten die Ausschüsse der fünf niederösterreichischen Lande die Errichtung einer niederösterreichischen Raitkammer mit einem Rentmeister, dem die Vicedome der fünf Länder die jeweiligen Ueberschüsse einbezahlen und verrechnen sollten.2 Diese Forderung1 der Stände bezeugt aufs Klarste, dass die Wiener Rechnungs- kammer allmälig dahingesiecht und vollständig verschwunden ist. Ständischerseits verharrte man gegenüber einer ablehnenden Antwort des Kaisers bezüglich der Errichtung einer zweiten Raitkammer auf dieser Forderung (, bitten auch darbey Ir Raitkamer zu underhaltung desselben stats gnedigclich auff- zurichten'). 3 Der Kaiser Hess sich aber nicht überzeugen, sondern meinte sogar, es wäre schimpflich, über die kaiserlichen Lande mehr als eine Raitkammer aufzustellen, da es doch viel grössere Königreiche mit grösserem Einkommen als die österreichischen Lande gebe, die nicht mehr als eine Raitkammer hätten. Nur zu einer Verstärkung des Personals der Innsbrucker Raitkammer unter Berücksichtigung des niederösterreichischen Elements er- klärte er sich bereit.4 Das schlägt durch und die Ausschüsse bekehren sich zu des Kaisers Ansicht. 5
Erst Erzherzog Ferdinand gründete im Sinne der stän- dischen Wünsche eine Raitkammer zu Wien. In dem Gutachten eines Beamten über die niederösterreichischen Aemter war er auf diese Massregel verwiesen worden.'1 Denn der Umstand, dass nur zu Innsbruck eine Raitkammer bestanden, habe grosse Nachtheile im Gefolge gehabt. Jedermann wisse, dass man in Innsbruck die Aemter und Eigenschaften des Kammerguts nicht
» Adler, S. 277 ff., 419.
2 Z ei big, Der Ausschuss-Landtag der gesaunnten österreichischen Erblande zu Innsbruck von 1518 (Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen, XIII., S. 234).
3 Zeibig, S. 278. * Zeibig, S. 281.
5 Zeibig, S. 287.
6 Dasselbe rührt wahrscheinlich aus dem Jahre 1521. (Reiehs-Finanzarchiv, niederösterreichische Herrschaftsacte, Vicedomamt, Lit. V.)
176
so gut kenne als die, welche dabei verwendet seien.1 Und wie immer, wenn tiefgreifende Aenderungen in der Organisation der Finanzbehörden eintraten, die Absicht, Ordnung in den Staatshaushalt zu bringen, den Anstoss gab, so herrscht auch jetzt, als Ferdinand 1522 2 die niederösterreicliischc Kaitkammer ins Leben rief, grosse Unordnung und Zerrüttung der Finanzen namentlich in Folge der langwierigen Kriege Maximilians. Der neugeschaffenen, beziehungsweise wieder aufgerichteten Behörde war die Aufgabe gestellt, ,das Kammergut durch gute Ordnung wiederum zu gutem Wesen zu bringen*. Ferdinand sagt, weil er nicht alle Zeit bei seinen Erblanden bleiben könne, habe er zur Erhebung des Kammerguts eine Kaitkammer in den niederösterreichischen Ländern aufgerichtet. 3 Dieses Motiv bestimmt auch die Zuständigkeitsgrenze der Kammer. Sie ist zugleich Finanzausführungs- und Revisionsorgan. Sie soll handeln in allen auf das Kammergut bezüglichen Angelegenheiten, von allen Vicedomen und Amtleuten Rechnung aufnehmen, die Aemter reformiren und in gute Ordnung bringen lassen und Alles thun, was zum Nutzen des Kammergutes dienen kann. Nur so viel vermögen wir dem Gewaltbrief der Raitkammer über die ihr gesteckten Aufgaben zu entnehmen. Leider ist die Instruction, auf welche verwiesen wird, ebenso wie die von 1527 nicht mehr vorhanden, und so müssen wir uns über Verfassung und Geschäftsverfahren direct durch die Instruction von 1539 4 unterrichten lassen, die wohl trotz mancher Erwei- terungen in ihren Grundzügen den Inhalt ihrer Vorgängerinnen
1 Der Vicedom Sauer wird in boshafter Weise als Ursache denuncirt, dass die Reell nunge n von den Ländern hinauf (nach Innsbruck) gekommen seien. ,Er habe schier alle Länder unter sich, also oben gut raiteu gehabt.'
2 ,Raitcamer Gewalt' ddo. Neustadt, 18. August 1522 (Reichs-Finanzarchiv). Dieselbe sollte ihre Thätigkeit mit Neujahr 1523 beginnen (Missiven . . . von hof 1519—1522, Verordnung vom 30. December 1522).
3 Zu Mitgliedern derselben werden ernannt: G. von Rotall, F. v. Petschach, H. Hofmann, Treitzsaurwein, als Verweser der niederösterreichischen Kanzlei. Diesen wird der Buchhalter Ostenuair beigesellt und die Er- nennung weiterer Mitglieder vorbehalten.
4 , Instruction und Ordnung unserer n. ö. raiteamer' (Reichs-Finanzarchiv, Gedenkbuch, Nr. 20 D). Der reiche Inhalt dieses Gedenkbuches ist eine werthvolle Fundgrube für die österreichische Wirthschaftsgeschichte und verdiente auch nach dieser Richtung Bearbeitung. Die folgende Dar- stellung fusst auf den Eintragungen dieses Gedenkbuches, das, wenn auch nur Copie, einen Einblick gewährt in die Finauzgebahruug dieser Behörde.
177
wiederspiegeln dürfte, wie dies der Eingang bezüglich der In- struction von 1527 besonders hervorhebt. J Ist letztere auch nicht erhalten, so dürfte man doch nicht fehlgehen, wenn man ihren Inhalt als übereinstimmend mit dem der Instruction annimmt, welche für die böhmische Kammer von 1527 (25. März, Prag)2 erlassen wurde, umsomehr, als die in lateinischer Sprache abge- fasste Instruction für die ungarische Kammer, welche auf Sehloss Gran am 8. Januar 1528 3 ausgefertigt war, fast eine wörtliche Uebersetzung der böhmischen ist. Wo anders als in der Wiener Hofkammer sollte der Text dieser Ordnungen festgestellt worden sein? fragt Bi der mann4 mit Recht. So hatte Ferdinands ziel- bewusste Energie, kurz nachdem er in Folge des Todes des Ja- gellonenkönigs Ludwig II. 1526 die Königreiche Böhmen und Ungarn5 seiner Herrschergewalt unterworfen hatte^ auch die Aus- dehnung österreichischer Verwaltungseinrichtungen auf diese neuerworbenen Reiche ins Auge gefasst. Der Zerrüttung der Finanzen, die er hier vorfand, konnte er nicht zweckmassiger entgegenarbeiten, als wenn er für die Verwaltung des tiefver- schuldeten Kammergutes sofort eine feste Bahn wies und die Regelung des unter seinen Vorgängern in tiefste Unordnung gerathenen böhmischen0 und ungarischen Staatshaushalts einer
1 Nachdem sich die Sachlage durch Tod des Persouals und sonst nach Gelegenheit der Zeitläufe verändert, habe man die Instruction von 1527 wieder vorgenommen, ihren Inhalt übersehen und folgende Veränderung, Mehrung und Neuerung gethan.
2 ,Der Camer in Behaim Instruction und Ordnung' (Reichs-Finanzarchiv, Gedenkbuch Böhmen, Nr. 300, Fol. 7), siehe Beilage V. Ihr Geschäftskreis erstreckte sich auf das Königreich Böhmen, die Markgrafschaft Mähren, das Fürstenthum Schlesien, die Markgrafschaft Ober- und Niederlausitz und andere der Krone Böhmen zugehörige Lande, Ortschaften und Flecken. Mitglieder dieser Raitkammer des Königreichs Böhmen waren: Joh. von Wartenburg, oberster Rath, S. von der Weitmull, H. Plosko v. Lampach, W. Plankner zu Königberg und A. Geudersfer.
3 ,Instructio camere regni Hungariae' (Reichs-Finanzarchiv, Ungarn 1528). An der Spitze der Kammer steht der Bischof von Siebenbürgen Nie. von Gherendy als ungarischer Schatzmeister. Ihm sind als Räthe beigeordnet: St. Nadasdy, Burggraf von Ofen, St. Remphlinger, provisor zu Ofen, O. Inbrik und St. Török.
4 Gesammtstaatsidee, S. 16.
5 Vgl. über die staatsrechtlichen Verhältnisse Böhmens und Ungarns: Ulbrich, Lehrbuch des österr. Staatsrechts, 1882, S. 18 ff.
6 Der eben erwähnten kurzen Kammerordnung von 1527 folgten für Böhmen noch zwei ausführlichere, die eine ddo. Linz, 24. April 1530, die andere
Archiv. Bd. LXIX. I. Hälfte. 12
178
besondern Behörde anvertraute. Ferdinand war nicht der Mann, der Bich eine Verkümmerung seiner Herrscherrechte durcfa den unter seinen schwachen Vorgängern Wladislaw und Ludwig1 über- mächtig gewordenen Eierrenstand hätte gefallen lassen. Seiner Zähigkeit gelang es, gegenüber den Forderungen der böhmischen Stände die Beschränkung seiner Amtshoheit abzuwehren und die Fesseln, welche man ihm in Bezug- auf die Ernennung und Absetzung der Beamten anlegen wollte, abzuschütteln.1 Auch setzte Ferdinand es durch, dass die Stände nicht auf ihrer Forderung ausschliesslicher Verwendung einheimischer böh- mischer Räthe beharrten.
Da ihm auch die Verwendung fremder Räthe bei der Ver- waltung der Regalien zugestanden ward, hatte er die böhmische Kammer dem Einflüsse der böhmischen Stände entzogen, indem er nur treue Anhänger zu Mitgliedern derselben ernannte.2
Wenn wir uns jetzt der Betrachtung der Zuständigkeit der vier :; für die einzelnen Ländergruppen gebildeten Finanz- behörden zuwenden, müssen wir uns zum Bewusstsein bringen, dass für jene Zeit die Loslösung der Finanzverwaltung von der
ddo. Wien, 8. August 1548 (Copien im Reichs-Finanzarchiv, Böhmen, April 1530 und die zweite im Gedenkbuch Böhmen, Nr. 304 f.,S. 237 ff.). Ich wurde erst nach Fertigstellung des Abschnittes auf diese beiden Kammer- orduuugen aufmerksam gemacht. Eine Verwerthung im Texte lag ausser- halb des Planes der Arbeit, da die Entwicklung des böhmischen und angari- schen Kammerwesens nicht zur Darstellung gebracht werden sollte. Da- gegen war die böhmische und ungarische Kammerordnung von 1527 wegen des vermuthlich gleichen oder ähnlichen Inhalts mit der nicht mehr vorhan- denen niederösterreichischen Kammerordnung von 1527 zu berücksichtigen.
1 Die Stände verweigerten dem Könige das Recht, einen Landesbeamten seines Amtes zu entsetzen ohne Zustimmung: seiner Räthe und der obersten Landesbeamten. Ferdinand bezeichnete diesen Artikel als dem Rechte des Landes und des Königs gefährlich, wenn die Beamten im Bewusstsein ihrer Unabsetzbarkeit ihr Amt schlecht verwalten würden. Nur das wollte der König bewilligen, ,dass bei Lebzeiten eines Heamten nicht um dessen Stelle gebeten werden dürfe'. Die Stände beruhigten sich hierbei. Rezek, Geschichte der Regierung Ferdinands I. in Böhmen, Prag 1878, S. 135.
2 d'Elvert, Zur österr. Verwaltungsgeschichte mit besonderer Rücksicht auf die böhmischen Länder (Schriften der hist.-stat. Section der mähr.- schles. Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues etc. etc., Brunn 1880), XXIV., S. 52.
3 Denn auch in Tirol, wo 1523 Regierung und Kammer in Ein Wesen zusammengezogen wurde, trat die Raitkammer seit, 1536 wieder als selbst- ständige Behörde hervor.
179
übrigen Verwaltung eine politische That von eminenter Wichtig- keit war. Durch die Verselbstständigung der Staatswirthschafts- geschäfte, die in der Schaffung eigener Finanzorgane zum Aus- druck kam, war die Bahn gewiesen, welche der moderne Staat wandeln musste. Natürlieh lagen jetzt noch die verschiedenen Elemente der eigentlichen Finanzgebahrung, der Cassengeschäfte, der Controle und der Fiuanzjurisdiction ungeschieden bei ein- ander, die im Laufe der Zeit einen weiteren Scheidungsprocess durchmachten und die Basis für neue, sich abzweigende Behörden bildeten. Inwieweit für die Ferdinandeische Vervvaltungs Orga- nisation die vorhandenen von Maximilian ausgestreuten Keime zu lebenskräftigen Organismen ausgestaltet wurden, wird sich im Einzelnen herausstellen. Jedenfalls bleibt es das Verdienst Ferdinands 1., an Stelle des Sporadischen und Experimentirens seines Grossvaters dauernde Institutionen geschaffen zu haben, welche aus seinen Erblanden sich in die übrigen deutschen Territorien verpflanzten. Wenn wir die Thatsache der Ver- selbstständigung der Finanzverwaltung als ein wichtiges Moment der Verwaltungsgeschichte wiederholt betonen, so ist doch auch wieder hervorzuheben, dass diese nicht auf Kosten des not- wendigen Zusammenhanges aller Verwaltungszweige erfolgte. Im Geg'entheil, der Entwicklungsprocess der Losschälung der Finanzgeschäfte aus der Hauptgruppe der allgemeinen Ver- waltungsgeschäfte, wie sie bei der Regierung vereinigt war, spiegelt sich ab in einigen Einrichtungen der neuen Organisation, welche eine gemeinschaftliche Thätigkeit von Regierung und Kammer bezweckten. Trotz entsprechender Durchführung der Arbeitstheilung ward so das beide Behörden verbindende Ele- ment nicht aus den Augen verloren und die Einheit des Staates, dessen Interessen zu fördern die Aufgabe beider Behörden war, kam in der Zusammenziehung derselben zu gemeinsamer Be- rathung zur Erscheinung.
In Tirol, wo 1523 Kammer und Regierung in Ein Wesen gezogen wurden, war durch die Kammerordnung von 1536 aus- drücklich hervorgehoben, dass auch fernerhin Regierung und Kammer als Theile eines höheren Ganzen betrachtet werden und sich gegenseitig unterstützen sollten l in Förderung der
1 Schon die tirolische Regimentsordnung von 1499 (bei Rapp a. a. O., S. 171) sagte, dass Regierung und Raitkammer sicli gegenseitig helfen sollen, da- mit der Nutzen des Königs betrachtet und die Parteien gefördert würden.
12*
180
Interessen des staatlichen Gemeinwesens. Aber auch in Nieder- österreich, wo eine solche Verschmelzung nie stattgefunden hatte, wurde diese Corporation für so unentbehrlich erachtet, dass man sie zu einer organischen Einrichtung machte, indem all- wöchentlich 1 — 2 Tage für die Abhaltung dieser gemeinsamen Sitzungen bestimmt wurden. ' Der Grundgedanke dieses Zu- sammenwirkens war der aus der Natur der Dinge erwachsende, dass es überall da platzzugreifen habe, wo es sich um Regierungsangelegenheiten handle, die auch in das finanzielle Gebiet eingriffen. Bei solchen Sachen, die Justitia und doch daneben das Kammergut berühren, z. B. Confirmation der Lehen, wurden zur Regierung zwei Kammerräthe beigezogen,2 ebenso wenn ausserordentliche Ausgaben für die Absendung von Botschaften und Gesandten erforderlich wurden. Da beide Collegien in ihrer Verbindung erst die Hauptzweige staatlicher Thätigkeit repräsentirten , so erschien bei allen Fragen von hervorragender Wichtigkeit ihre gemeinschaftliche Berathung angezeigt. So wenn das von der Landschaft bewilligte Hilfs- geld zu anderen Extraordinariausgaben verwendet werden sollte :i oder im Falle einer Kriegsgefahr, bevor mau das Princip der Unantastbarkeit des Kammerguts verlässt. 4 Die niederöster- reichische Kammer- (auch Regierungs-) instruetion sprach diesen Grundsatz ganz allgemein aus: ,so sollen Sachen, die etwas gross und schwär auch je zwifeltig, also daz zum tail unser regierung und handhabung der land und daneben desselben volziehung betrifft oder sonst inen von uns bevolhen ist, so sollen unser regiment und camerrat als von beden tailen unsere diener getreulich und vleissig, wie wir uns des ungezweifelt versehen, darin handien'. Zugleich wurde aber der Regierung
1 Artikel aus der Instruction der niederösterreichischen Regierung in der niederösterreichischen Kainmerordnung\
2 Tiroler Kammerordnung von 1Ö36, siehe Heilage VI. Wenn Verhöre noth- wendig wurden in solchen das Kammergut betreffenden Supplicationen, sollten auch einige Raiträthe in der Sitzung der Regierung anwesend sein (niederösterreichische Kammerorduung).
3 , — das si von solchem unserer landschaft bewilligten gelt in kainem weeg kain extra ordinari ausgab nit thueu, allain es beschehe zu des lands unvermeidlichen hochen und grossen notturft und ob solches nit. umb- gangen werden mechte, solle doch solches alweeg mit unserer regierung beratsch lagung und vorwissen beschechen.' (Tiroler Kammerordnung.)
4 Tiroler Kammerordnung.
181
bedeutet, sich nicht zu viel in Kammersachen einzulassen; es durfte doch die Grenze zwischen den beiderseitigen Functionen nicht vollständig ins Schwanken gerathen, wenn anders nicht der Dienst eines jeden der beiden Collegien darunter leiden sollte.
Die tirolische Kammerordnung ebenso wie die tirolische Regierungsinstruction von 1536 führte noch eine Reihe von Materien an, bei welchen ein solches Zusammenwirken von Kammer und Regierung stattzufinden hatte.1 Darin zeigte sich wohl der Niederschlag jener Zusammenziehung in Ein Wesen, welche die Instruction von 1523 aus beweglichen Ur- sachen eingeführt hatte. Bei Streitigkeiten zwischen Amtleuten und Unterthanen der oberösterreichischen Lande einerseits und der Kammer anderseits wurde der Regierung das Amt einer Vermittlungsinstanz übertragen. Den beiden Collegien wurde überhaupt ans Herz gelegt, sich erforderlichen Falls gegenseitig mit Hilfe und Rath zu unterstützen.2
An der Spitze einer jeden Rechnungskammer stand ein Präsident,3 welcher, als , oberster Rath* in den Instructionen bezeichnet, die Leitung der Geschäfte der Kammer führte und im Verhinderungsfalle durch einen der übrigen Räthe vertreten wurde. Zu den Präsidialgeschäften gehörte insbesondere die Anberaumung der Sitzungen und Ladung der Räthe zu den- selben, sowie die Leitung der Abstimmung, denn alle Beschlüsse wurden mit Stimmenmehrheit gefasst.
1 Daliin gehören: die Besetzung und Veränderung der Aemter, Vorschläge über Meinung des Kammerguts und Berathung von Kriegssachen (über die wegen derselben erwachsenden Ausgaben, z. B. für Kundschafter, be- rieth der Statthalter mit zwei Räthen der Regierung und zwei von der Kammer). Zur Revision der Bergwerksrechnungen wurden auch einige im Bergfache erfahrene Regierungsräthe zugezogen, um Blüthe oder Niedergang der Bergwerke und dessen Ursachen behufs Abstellung zu erforschen u. dgl. m.
2 Tiroler Kammerordnung: ,0b Sachen dermassen trefflich fiirfielen, also das unser camer unserer regierung oder hinwiderumb unser regierung unserer camer hilf, rath, underricht oder beistände notdürftig sein und ain tail derhalb den andern ersuechen wurde, so sollen si solch ersuechen an- einander treulich helfen, ratlien und beisteen und sich gegen einander trostlich und freundlich erzaigen.'
3 Präsident wird der Vorsitzende erst genannt in einem Decrete von 1557 (19. August) ,wie es mit Verrichtung des Präsidentenamts im Abwesen des von FTerberstein und des v. M. gehalten werden soll*.
182
m
Jeder Kammer war zur Besorgung der Schreibgeschäfte eine Kanzlei beigegeben, die sich zusammensetzte aus einem Secretär als Kanzleivorstand, dem Buchhalter und der erforder- lichen Anzahl von Schreibern. Der Secretär, manchmal sogar ein Rath, hatte die Ausfertigung und Expedition der Urkunden über alle Sachen und Händel, die in den Sitzungen der Kammer berathschlagt und beschlossen wurden, zu überwachen. ' Zu dem Behufe war er verpflichtet, den Sitzungen persönlich an- zuwohnen, um die Beschlüsse gründlich und rasch im Sinne der Majorität coneipiren zu können. Die Aufrechthaltung der Ordnung der Kammerkanzlei und die Aufsicht über die Re- gistratur war seine Sache; nur die Rechnungsregistratur war dem Buchhalter übertragen.
Unter den der Rechnungskammer gestellten Aufgaben lassen sich folgende Hauptkategorien unterscheiden:
1. Die Verwaltung des Kammergutes im eigentlichen Sinne mit dem Zahlungswesen,
2. die Rechnungscontrole,
3. die finanzielle Rechtsprechung.2
Für das Zahlungswesen war ein eigenes Organ bestellt, der Kammermeister (magister camere, Einnehmer, Einnehmer- generalamt in Niederösterreich). Dieser war Mitglied der Rechenkammer, hatte aber in und neben derselben eine eigen- artige Stellung.
In Folge der historischen Entwicklung schob sich in Niederösterreich zwischen der Landeskammer und den (Local-) Amtleuten ein Organ, der Vicedom, ein.3 Dieser hatte die landesfürstlichen Einkünfte jeglicher Art von den Amtleuten
1 Alle unter des Königs Titel ausgehenden Decrete sollten durch zwei Raiträthe und den Secretär unterzeichnet und durch den (niederöster- reichischen) Kauzler mit seinem Handzeichen und dem königlichen Siegel gefertigt sein. (Instruction von 1539.)
2 Instruction von 1539: , — alles das unserm camerguet der n. ö. lande zu gueter Ordnung und zimlicher merung dienstlich ist, wie auch dasselb bei gueten wirden und weesen erhalten, gefurdert und gehandhabt werden soll . . . und darinnen nach notdurft und gelegenhait gehandlt, Ordnung und bevelh gegeben werden solle, was si für billich, notturftig, nuz und guet ansehen wirdet, desgleichen all partheisach en, so unser camer- guet on mite beruren, sollen . . . unsere raiträt auch notturftiglich er- wegen, beratslagen und . . . handln und beschaid geben.'
3 Sechs Vicedome gab es, in Steier, Kram. Kärnten, Cilli, Oesterreicli ober der Enns und Oesterreicli unter der Enns.
18a
in seinem Sprengel zu vereinnahmen und fuhrt den nach Abzug der geleisteten Ausgaben verbleibenden Betrag an den Ein- uehmergeneral ab. Der Vicedom begegnet dann ausserdem noch als Organ der Rechnungscontrole und der finanziellen Rechtsprechung.
In Niederösterreich war der Vicedom in Oesterreich anter der Enns zugleich Einnehmergeneral. Diese Verbindung der Aemter wurde 1539 wieder eingeführt, nachdem vorher ein besonderer Kammermeister aufgestellt war, weil man der An- sicht war, dass ganz gut die Functionen der beiden Stellen durch eine Person besorgt werden könnten.1 Er sollte aber nicht mehr wie früher Mitglied der Kaitkammer sein, ,nit als ein ordinari camerrat' gebraucht werden. Das hatte nur die Bedeutung, dass er, um ihm eine Arbeitsüberbürdung zu er- sparen, nicht verpflichtet war, an den Kammersitzungen theil- zunehmen. Dagegen kennte er zu diesen stets erfordert werden, sobald Kammersachen zur Berathung standen, für die sein Gutachten nothwendig erschien. Den Titel eines Ruths führte er und blieb auch stets der Aufsicht der Kammer unterstellt.2
Das Cassenwesen hat sich also in Oesterreich in Fort- bildung der Maximilianischen Einrichtungen, und zwar nicht
1 Niederösterreichische Kammerordnung von 1539: , Nachdem auch ver- schinen jar unser einnemergeneralambt durch ainen unsern vitzdomb in Oesterreich u. d. E. neben dem vitzdombambt gehandlt und volgends aiu sondere person, der ain camermaister genenf darzue verordent und
auch ain zeit lang also gehandlt worden ist, dieweil wir aber bedacht und befunden, das ainem vitzdomb solch ainemergeneral oder camer- maisterambt. neben dem vitzdombambt zu bandlen anbeswärlich und mit kainer mne beschehen mag len wir das solche /.wai ämbter hinfur
wie jetzo auch beschiecht durch ain person, das ist durch unser vitzdomb in Oesterreich, wer der jeder zeit sein wirdet gehandlt und versehen werden, der soll auch alle emphang und extraordinari zuefallend ausgaben in unsern n. ö. landen, inmassen vor ain einnemergeneral gethan, iiandlen und nemblic-li .seine, emphang und mit geburlichen bevelhen,
die wir oder unsere n. 8. camerrät irne verfertigt oder an ine ausgeen lassen werden auch mit der partheien genuegsamen quitangen in seiner raitang jnstificiern. doch soll er die quitung amb seine emphang berurts einnemergeneral oder camermaist.erambts albeg durch unsern n. ö. camer- puechhalter auch underzaichen und certificiern lassen.' - , — es sollen aucli unsere raiträte ir guet aufmerken haben, damit ge- melter vitzdomb -einem ambt vleissig auswart und unser nachtail er- huet werde.'
182
Jeder Kammer war zur Besorgung- der Sehreibgeschäfte eine Kanzlei beigegeben, die sich zusammensetzte aus einem Secretär als Kanzleivorstand, dem Buchhalter und der erforder- lichen Anzahl von Schreibern. Der Secretär, manchmal sogar ein Rath, hatte die Ausfertigung und Expedition der Urkunden über alle Sachen und Händel, die in den Sitzungen der Kammer berathschlagt und beschlossen wurden, zu überwachen. ' Zu dem Behüte war er verpflichtet, den Sitzungen persönlich an- zuwohnen, um die Beschlüsse gründlich und rasch im Sinne der Majorität coneipiren zu können. Die Aufrechthaltung der Ordnung der Kammerkanzlei und die Aufsicht über die Re- gistratur war seine Sache; nur die Rechnungsregistratur war dem Buchhalter übertragen.
Unter den der Rechnungskammer gestellten Aufgaben lassen sich folgende Hauptkategorien unterscheiden:
1. Die Verwaltung des Kammergutes im eigentlichen Sinne mit dem Zahlungswesen,
2. die Rechnungscontrole,
3. die finanzielle Rechtsprechung.2
Für das Zahlungswesen war ein eigenes Organ bestellt, der Kammermeister (magister camere, Einnehmer, Einnehmer- generalamt in Niederösterreich). Dieser war Mitglied der Rechenkammer, hatte aber in und neben derselben eine eigen- artige Stellung.
In Folge der historischen Entwicklung schob sich in Niederösterreich zwischen der Landeskammer und den (Local-) Amtleuten ein Organ, der Vicedom, ein.3 Dieser hatte die landesfürstlichen Einkünfte jeglicher Art von den Amtleuten
1 Alle unter des Königs Titel ausgehenden Decrete sollten durch zwei Kaiträthe und den Secretär unterzeichnet und durch den (niederöster- reichischen) Kanzler mit seinem Handzeichen und dem königlichen Siegel gefertigt sein. (Instruction von 1539.)
2 Instruction von 1539: , — alles das unserm camerguet der n. ö. lande zu gueter Ordnung und zimlicher merung dienstlich ist, wie auch dasselb bei gueten wirden und weesen erhalten, gefurdert und gehandhabt werden soll . . . und darinnen nach notdurft und gelegenhait gehandlt, Ordnung und bevelh gegeben werden solle, was si für billich, notturftig, nuz und guet ansehen wirdet, desgleichen all parthei Sachen, so unser camer- guet on mite beruren, sollen . . . unsere raiträt auch notturftiglich er- wegen, beratslagen und . . . handln und beschaid geben.'
?i Sechs Vicedome gab es, in Steier, Krain, Kärnten. Cilli. Oesterreich ober der Enns und Oesterreich unter der Enns.
183
in seinem Sprengel zu vereinnahmen und führt den nach Abzug- der geleisteten Ausgaben verbleibenden Betrag an den Ein- nehmergeneral ab. Der Vicedom begegnet dann ausserdem noch als Organ der Rechnungscontrole und der finanziellen Rechtsprechung.
In Niederösterreich war der Vicedom in Oesterreich unter der Enns zugleich Einnehmergeneral. Diese Verbindung der Aemter wurde 1539 wieder eingeführt, nachdem vorher ein besonderer Kammermeister aufgestellt war, weil man der An- sicht war, dass ganz gut die Functionen der beiden Stellen durch eine Person besorgt werden könnten. { Er sollte aber nicht mehr wie früher Mitglied der Raitkammer sein, ,nit als ein ordinari camerrat' gebraucht werden. Das hatte nur die Bedeutung, dass er, um ihm eine Arbeitsüberbürdung zu er- sparen, nicht verpflichtet war, an den Kammersitzungen theil- zunehmen. Dagegen konnte er zu diesen stets erfordert werden, sobald Kammersachen zur Berathung standen, für die sein Gutachten nothwendig erschien. Den Titel eines Raths führte er und blieb auch stets der Aufsicht der Kammer unterstellt.2
Das Cassenwesen hat sich also in Oesterreich in Fort- bildung der Maximilianischen Einrichtungen, und zwar nicht
1 Niederösterreichische Kammerordnung von 1539: ,NacIidem auch ver- seliinen jar unser einnemergeneralambt durch ainen unsern vitzdomb in Oesterreich u. d. E. neben dem vitzdombainbt gehandlt und volgends ain sondere person, der ain camennaister genent, darzue verordent und aucli ain zeit lang also gehandlt worden ist, dieweil wir aber bedacht und befunden, das ainern vitzdomb solch ainemergeneral oder carner- maisterambt neben dem vitzdombambt zu handien unbeswärlich und mit kainer mue besehenen mag, so wellen wir das solche zwai ämbter hinfur wie jetzo auch beschiecht durch ain person, das ist durch unser vitzdomb in Oesterreich, wer der jeder zeit sein wirdet gehandlt und versehen werden, der soll auch alle emphang und extraordinari zuefallend ausgaben in unsern n. ö. landen, iumassen vor ain einnemergeneral gethan, handien und nemblich seine emphang und ausgaben mit geburlichen bevelhen, die wir oder unsere n. ö. camerrät ime verfertigt oder an ine ausgeen lassen werden auch mit der partheien genuegsamen quitungen in seiner raitung justificiern. doch soll er die quitung umb seine emphang berurts einnemergeneral oder camermaisterambts albeg durch unsern n. ö. camer- puechhalter auch underzaichen und certificiern lassen.'
2 , — es sollen auch unsere raiträte ir guet aufmerken haben, damit ge- melter vitzdomb seinem ambt vleissig auswart und unser nachtail ver- huet werde.'
184
in enger Verbindung mit dun Staatseinnahmen und deren Gattungen,1 sondern in Anlehung an die territoriale und ad- ministrative Eintheilung2 der Monarchie entwickelt. Schon seit Maximilian war jener Zustand einer Zersplitterung des Cassen- wesens überwunden, dessen Fortdauer bis ins 17. oder 18. Jahr- hundert allgemein angenommen wird.
Alle Ordinari- und Extraordinari - Einnahmen und Ge- falle (Steuern und Hilfsgelder), alle Ueberschüsse der einzelnen Beamten des Landes nimmt der Kammermeister gegen Quittung in Empfang. 3 In diesem Eincassirungsgeschäfte braucht er sich
1 Vgl. A. Wagner, Finanzwissensrchaft, S. 269.
2 So blieben auch in Niederösterreich die Vicedome für die Perception der landesfürstlichen Einnahmen, gewissermassen als Gehilfen des Ein- nehmergenerals in Thätigkeit.
3 Böhmische Kammerordnung: ,So verordnen wir den gestrengen unsern getreuen lieben N. H. von Choden zu unserm camermaister und ein- nember aller jetzt gefallenden steurn und hilf gelt, auch ordinari und extraordinari gefell und einkumben bemeltes unsers kunigreichs Behaim, bis auf unser widerrueffen, also das er bei der raiteamer sein und all ordinari und extraordinari empheng und ausgaben sovil wir solcher em- pheng bei seiner ainbtsverwaltung in der eron Beheim haben oder da- gegen ausgaben thun werden, handeln und nemblicli sein empheng und ausgaben mit geburlichen bevelhen, die wir oder unser camerret des kunigreichs Beheim ime verfertigen oder an ine ausgeen lassen werden, auch mit der partheien genuegsamen Quittung in seiner raitung justi- ficirn und alweg nach ausgang aines jedn jars von obberurtem camer- maister ambt obgenannten unsern camer reten, oder wem wir solches bevelhen wurden, raitung thun, wie sich geburt. darzue auch, so vil er seines camermaister ambts geschefft halben, dabei sein kau und mag, die camer hendel neben andern unsern camerreten, wie ain ander rat zu ratslagen und zuverfertigen verhelfen '
Timler Kammerordnung von 1536: ,Verrer haben wir unsern ge- treuen lieben Gr. Maschwander zum Verwalter unsers camermaisterambts und einnember aller unserer Ordinarien und extraordinarien gefell und einkomen bemelter grafschaft Tirol bis auf unser widerrueffen fürge- nomeu und geordent, also das er bei unser raiteamer sein und austat unser von allen und jegliclien obern und undern ambtleuten bemelter grafschaft auch unserer hinein und vorder o. ö. lande, so bisher in die tirolich camer gehört haben, kain ausgenomen, alles gelt, so in die ämbter irer Verwesung gefeit, zu ieder zeit nach Ordnung der camer, doch on unser camerräte und meniglich eintrag und irrnng erfordern, einnemben, si darumben quittieren und solch gelt auf unser oder unserer camerräte schriftlich bevelch aufgeben, auch alle jar und aines jeden besonder von solchem seinem empfang und ausgab auf der tirolischen raiteamer raitung thnen, er soll sich auch daneben nach glegenhait der gescheft
185
keinen Eingriff irgend einer Person oder Kammer gefallen zu lassen — ,doch on unser camerräthe und meniglieh eintrug und irrung erfordern' (Tirol. Kammerordnung von 1536). Die Instruction von 1539 führte dann nach dem Vorbilde der fin- den Hofzahlmeister erlassenen Vorschrift die Controlmassregel für den Empfang des Verwalters des Einnehmergeneralamts ein, dass alle über den Empfang von Geldern ausgestellten Quittungen durch den Buchhalter der Kammer unterzeichnet und in die Bücher eingetragen werden müssen. Dieses Con- trolprincip beherrschte die ganze Finanzverwaltung von oben nach unten, soweit es sich um Einnahmeorgane handelte. Denn auch die Vereinnahmungen der Vicedome und Exemtamtleute sollten so durch die ihnen zugeordneten Gegenschreiber con- trolirt werden. Aus den hier zusammenfliessenden Geldern wurden dann die Hof- und Staatsausgaben bestritten, welche auf Grund des bestehenden Anweisungsrechts hier zur Aus- zahlung angewiesen waren. Nur der Herrscher selbst oder die Rechnungskammer war berechtigt zur Erlassung einer solchen Zahlungsanweisung — ,auf unser oder unser camerräthe schriftlich bevelch'. Auch ausserordentliche Ausgaben, die durch augen- blickliche Bedrängniss, besonders kriegerische Ereignisse plötzlich nofh wendig wurden, ' z. B. für Artillerie, Kundschafter, Boten- lohn u. dgl., konnten durch die Raitkammer auf das Einnehmer- generalamt, eventuell auch auf andere Aemter angewiesen werden. Solche Anweisungen waren unter königlichem Titel oder Namen zu fertigen und durch zwei Raitkammerräthe zu unterschreiben. Nur die in dieser Weise ausgestellten Zahlungsbefehle passirten bei der Rechnungscontrole, die sich selbstverständlich auch auf die Kammermeister erstreckte. Sie konnten eine Decharge nur erlangen durch Vorlage der Zahlungsanweisung und der Quittung der Parteien.2
seines ambts und sonst in allen sachen und bändln in der tirolischen raiteamer, es sei zu raitung oder anderm auf unser camerrät begern und erfordern guetwillig gebraueben lassen und zufürdern verhelfen.'
1 ,so die Notdurft erfordert und niebt umgangen werden können.' (In- struction von 1539: ,Umb extraordinari ausgaben in die ämbter zu schaffen.')
- So heisst es beispielsweise in der ungarischen Kammerordnung: , — libros- que computorum bene ordinatos et digestos habeat et teneat ita, quod in fine uniuseujusque anni aut quando nos voluerimus in camera nostra vel cui nos boc commiserimus semper bonam et legalem rationem et
186
Die Hauptaufgabe der Kammer, die Verwaltung des Kammergutes, verlangte vor Allem eine gehörige Aufsieht über alle Finanzunterbeamten des Landes (Kammerbezirkes). Diese schien um so notwendiger, als sieh Ferdinand veranlasst sah, nach der Erwerbung der böhmischen und ungarischen Krone in den Instructionen für die Rechnungskammern dieser Länder geradezu auszusprechen, ,dass das Kammergut in seinen Erb- landen nicht in kleinen Nachtheil gekommen sei von wegen etlicher der Amtleute böser und unfleissiger Handlung, dadurch sie in grosse Schulden erwachsen, die sie zu bezahlen nicht vermochten'. Deshalb sollten bei eintretenden Vacanzen von Finanzämtern dieselben nur mit tauglichen Personen besetzt werden. Die Kammer hatte dem Herrscher eine Reihe von qualificirten Leuten in Vorschlag zu bringen, aus welchen dieser Einen ernannte,1 ohne übrigens an diese Vorschlagsliste ge- bunden zu sein. Weiter ging die Macht der niederösterreichischen Raiträthe,2 welchen die Befugniss eingeräumt ward, bei Abwesen- heit des Königs die Absetzung fauler und gefährlicher Beamten selbst anzuordnen, aber nur wenn die Sache nicht vorher an den König gelangen konnte. Die Kammer konnte je nach Lage des Falles auch zur Verhängung einer Gefängnissstrafe schreiten oder eine Bürgschaftsverschreibung verlangen, falls der betreffende Beamte vorher keine Bürgschaft geleistet hatte, denn die Stellung von Amtscautionen — und darin stimmen die verschiedenen Kammerordnungen überein — wird jetzt allgemein als Voraussetzung des Amtsantrittes anerkannt3 für alle Be- amten, welche öffentliche Einnahmen zu verwalten haben. Diese
computum reddat cum exhibicione sufficientium commissionum, certifica- tionum et quietanciarum, ut premittitur.' Aehnlich in den anderen In- structionen.
1 Niederösterreichische, böhmische und ungarische Kammerordnung: ,ut . . . nos consiliarii camere nostrae de aliis quibusdam personis ad hec officia vacantia idoneis protinus in scriptis admoneant, et quam ex Ulis vel si aliam personam ad ea nominabimus et eis denunciabimus' . . .
2 Niederösterreichische Kammerordnung von 1539.
3 ,Unsere Kammerräthe sollen nach Gelegenheit eines jeden solchen Amts Bürgschaft nehmen und sie sonst ausserhalb der Bürgschaft in die Aemter nicht kommen lassen' (niederösterreichische Kammerordnung). Gleich- lautende Bestimmung in der böhmischen, ungarischen und tirolischen Kammerordnung.
187
Cautionspflicht beherrschte seit dieser Zeit das deutsche Staats- dienerrecht und wird auch im modernen Staatsrecht allgemein als Vorbedingung' für die Erlangung eines Amtes anerkannt,1 wenn mit demselben die Verwaltung staatlicher Vermögens- objeete verknüpft ist. — Die schlimmen Erfahrungen, welche Ferdinand zur Einführung dieser Cautionspflicht veranlassten, verhinderten aber nicht die Zulassung von Ausnahmen. Eine solche Befreiung von der Cautionspflicht sollte nur durch schriftlichen Befehl des Herrschers selbst erfolgen,2 doch wurden auch die Kammern selbst ermächtigt, von dieser Regel Aus- nahmen zu gestatten ; am weitesten hierin ging die tirolische Kammerordnung. Dies war nöthig besonders im Hinblick auf solche Aemter, welche sehr beträchtliche Einnahmen zu perci- piren hatten. Strenges Festhalten an dem Erfordernisse einer , genügsamen purgschaft nach gelegenhait irer enibter', also im Verhältnisse zu der Höhe der Amtseinkünfte würde hier einen Census eingeführt haben, der auf Kosten der Tüchtigkeit der Amtsbewerber nur deren Wohlhabenheit hätte ausschlaggebend erscheinen lassen. Dass die Interessen des Dienstes durch solche Schranken nicht gefördert worden wären, liegt auf der Hand. Von der ursprünglich aufgestellten Norm, dass die Grösse der Caution dem Betrage der Jahreseinnahme des Amtes zu ent- sprechen habe, 3 musste man auch abgehen und das Ermessen
1 G. Meyer, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, 2. Auflage, 1885, S. 418.
2 So die böhmische und ungarische Kammerordnung: ,eandem (personam) ad hec officia pervenire permittant, recepta tarnen ab ea omnibusque aliis officialibus nostris, qui data presentium de cetero officiis nostris preficientur iuxta uniuscuiusque officii qualitatem cautione idonea, quas sine tali cautione nullo modo similibus officiis preesse paciantur, nisi expresse remiserimus cautionem personarum talium, ut prefertur, consi- liariique camere nostre de huiusmodi remissione literarum nostrarum testi- raonio fuerint edocti. verum si introitus officiorum tanti momenti et emo- lumenti essent, ut pro introitibus illis idonea cautio difficulter haberi posset, debet ab officialibus fidejubeiü plena summa, quam officium illud, quod novus officialis geret, per annum unum importare potest, vel quod fidejussio datur pro residuo, in quo officialis per rationem suam debitor remanere posset indifferenter.' Dieser Passus fehlt in der böhmischen Kammer- ordnung.
3 In einer Instruction Philipps des Kühnen für die chambre des comptes in Lille aus dem Ende des 14. Jahrhunderts kommt eine Caution in dieser Höhe schon als ältere Uebung vor. (,I1 maintient l'usage, qui
188
dm- Rechnungskammer in dieser Richtung entscheiden lassen. Wo von den Amtleuten die Bürgschaft ihrem Einkommen ge- mäss hart zu erlangen wäre, sollte sie deshalb, wie die nieder- österreichische Kamnierordnung bestimmte, , etliche statthatte Personen, die für sieh selbst eines ansehnlichen Vermögens oder guten Glaubens und Trauens, auch zu solchem Amte geschickt, tauglich und bei denen sich keiner nachtheiligen Handlung unseres Kammergutes zu versehen, dem Könige an- zeigen, damit er sie zu diesem Amte ernenne'. Statt einer Realcaution konnte also die Kammer auch die moralische Bürgschaft für ausreichend anerkennen, die in den Charakter- eigenschaften des Beamten lagen. '
Es sind eben die Anfangsstadien des in der Bildung be- griffenen neuen Verwaltungsrechtes. Alles war noch im Flusse begriffen, der Willkür der Behörden musste noch ein grösserer Spielraum der Bethätigung gewährt werden, da die Erfahrungen noch fehlten, welche feste, unverrückbare Grenzen der Ver- waltungsnorm eil zu ziehen gestattet hätten. Erst am Ende dieses
s'etait observe jusque-lä, de prendre de chaque receveur une caution egale au revenu d'une annee de sa recette.') Gachard, p. 5. 1 Tiroler Kammerordnung von 1536: ,Und als wir vormals gleichwol ge- ordnet haben, das kain ambtman in unsern vordem österreichischen landen angenomen werden solle, er hab dann zuvor pürgschaft gethan auf das wenigist umb sovil gelts, als vil dasselb ambt darein er komen soll, un- geverlich in ainem jar ertragen mag, so stellen wir es doch, dis articls halben, auf disen weeg und nemblich zu unserer Statthalter und camer- räth messigung und guet bedunken, darin mit oder one pürgschaft fur- sehung zuthun, angesehen das wir bedacht, das etliche ämbter villeicht ain jar sovil nit ertragen als der ambtman aigens guets vermag, der- halben von demselben der pürgschaft unnot. so sein etlich, die sovil nit vermügen, als etlich unser ansehnliche ämbter irer Verwaltung ain jar ertragen, derhalben si villeicht die pürgschaft nit gehaben mugen und aber dannocht sovil trauens und glaubens haben und darzue teuglich und annemblich sein, alles nach glegenhait der person und ambts. doch sollen unser Statthalter und camerräthe, wie hie oben auch inen eingebunden ist, bedacht sein mit der ambtleut raitungen über endung des jars nit zuverziehen und auch achtung zu haben, damit si das gelt, so von solchen unsern ämbtern gefeit, nit zu irem nuz gebrauchen, sonder unserm Ver- walter des camermaisterambts zuestellen. und ob si aber in solchem bei den ambtleuten ausziig oder saumbnus befinden, si zu solchen raitungen anhalten, dardurch sein wir sovil weniger verlusts gewertig und ist auch der obgemelten pürgschaft nit not,'
189
Entwicklungsprocesses konnte der moderne Rechtsstaat die Ver- waltung auf die unverrückbare Grundlage bestimmter Satzungen stellen und so den Kreis der Zweckmässigkeitserwägungen immer mehr einengen.
Was die Verleihung der Aemter selbst anlangt, so erfolgte dieselbe in den zwei Formen ,auf Bestand oder auf Raitung', also Verpachtung oder Selbstregie unter Verantwortlichkeit der betreffenden Beamten. Diese erste rein privatrechtliche Form der Amtsverwaltung entspricht ganz der patrimonialen Staats- auffassung und weicht zurück, je mehr die moderne Staatsidee zum Durchbruche kommt, erhält sich aber sogar noch nach dem vollständigen Siege derselben. Nicht nur die zum fürstlichen Do- mänialgut gehörigen landwirtschaftlichen Besitzungen wurden bestandweise verliehen, auch Regalien, wie Zölle und Ungeld. Eine Scheidung zwischen dem rein privaten Besitz der landes- herrlichen Familien und den übrigen Zweigen des ,Kammer- guts', dessen öffentlich rechtliche Natur sich schon aus dem Wesen des betreffenden Einkommenzweiges ergab, sollte sich noch lange nicht vollziehen.
Alle Einnahmequellen, die Erträgnisse des Kammerguts ebenso wie die von den Landständen bewilligten Steuern wurden für die Hof- und Staatsbedürfnisse verwendet und deshalb unterschiedslos von den Kammern als landesherrlichen Finanz- behörden verwaltet und verrechnet. Diesen war es daher auch anheimgegeben, über die Form der Verwaltung, ob Verpachtung oder Selbstregie, Verfügung zu treffen. ' Ins Gewicht fallend für die Wahl war natürlich nur der finanzielle Ertrag, also die Frage, durch welche Form eine Erhöhung des Kammergut- ertrages erzielt werden konnte. Man war aber doch schon so weit in den wirthschaftlichen Anschauungen vorgeschritten, dass man da, wo man den Entschliessungen der Kammer mit einigen Fingerzeigen unter die Arme greifen wollte, nicht den einseitigen rein fiscalischen Gesichtspunkt walten Hess, sondern allgemeinen volkswirthschaftlichen Rücksichten Raum gab. Es
1 1540 (23. März) schreibt Ferdinand an die uiederösterreichische Kammer, er erwarte das Ergebniss ihrer Beratschlagung, ob die Aemter, so noch auf Raitung gehandelt, nützlicher im Bestand zu verlassen seien, und sehe der Einsendung ihres gutachtlichen Berichts hierüber entgegen. (Reichs-Finanzarchiv, Gedenkbuch, Nr. 20 D.)
190
wird so in der tirolischen Kammerordnung ' — - und diese allein gibt solche Directiven — betont, dass der Pachtschilling der Aeniter nicht derart erhöht werden dürfe, dass den Unter- thanen Schaden aus solcher Steigerung entstände, und dass bei den Verpachtungen besonders darauf Rücksicht zu nehmen sei, dass die , Aeniter' in gutem Stande erhalten und nicht dete- riorirt würden.
Die Instructionen der Landeskaniinern, welche die Ver- waltung der Finanzen in ihrem Sprengel zu besorgen hatten, mussten sich natürlich mit einzelnen Vorschriften der Hof- kammerordnung decken, denn das Ziel einer Hebung der Finanz- lage konnte doch nur erreicht werden, wenn derselbe Geist das Haupt und die zur Ausführung berufenen Glieder gleich- massig beherrschte. So linden sich nahezu gleichlautende Vor- schriften bezüglich der C'onstatirungen der verpfändeten Kammer- güter und der Möglichkeit ihrer Auslösung, der Einziehung der heimgefallenen Lehen und Provisionen, der Ersparung von Besoldungen 2 und Dienstgeldern, der Vermeidung einer Er- höhung der Beamtenzahl und der Inspection der Kammergüter.'' Entsprechend der Tendenz, positiv durch Erschliessung neuer Einkoramenquellen und negativ durch Ersparung überflüssiger Ausgaben für die Gesundung des Staatshaushalts zu sorgen,
1 , Weiter ist unser mainung und bevelli, das unsere änibter, als ungelt, maut, zoll, städl, gärten, griind, pauhöf und dergleichen, so mit fueg bstandweis verlassen werden mügen, nun hinfiiron nach jedes ambts ge- legenliait durch unser Statthalter und camerräth uns zu nuz zum hechsten und besten verlassen und was daraus zubringen ist, gebracht werde, doch ist unser gemuet nit, das solch bestand dermassen gestaigert werden, das unsere underthonen des ain billige besehwerd oder nachthail leiden, doch darin auch ain solcher weg und Ordnung gehalten werde, das bemelte ämbter durch unordenlichen hinlass und bestand nit zu abfal gedeien, sonder allain im aufnemben bleiben.
2 Eine an die uiederösterreichische Kammer gerichtete königliche Verfügung (1541) verordnet unter Hinweis an eine gleiche am Hofe und anderen Re- gierungen und Kammern vorhandene Uebung auch den niederösterrei- chischen Käthen und Dienern, wenn sie eine Zeit lang von ihrem Dienste abwesend waren, ihre Besoldung pro rata derselben Zeit abzuziehen und zu defalciren.
3 Namentlich die tirolische Kammerordnung enthält ausführliche Vorschriften über diese Punkte. Die Kammer hatte der Centralstelle nicht nur das Material für derartige Finauzmassnahmen zu verschaffen, sondern auch solche in ihrem Sprengel zu vollziehen.
191
ward z. B. der tirolischen Kammer eingeschärft, in Verbindung mit der Regierung- zu rathschlagen, ,wie neue Einkommen in diesem Lande zu Nutz und Mehrung unsers Kammerguts ge- pflanzt und in das Werk gebracht werden mögen und mit allem Fleiss die Unordnung und Ueberfluss des Status bei Regierung und Kammer abzuwenden* durch Streichung der unnöthigen Stellen und Ausgaben.
Insbesondere sollte die Kammer ihre Aufmerksamkeit richten auf Schlösser, Flecken und Behausungen, die einen geringen Ertrag abwürfen, dagegen noch mehr an Sold und Burghut verschlängen und über die hierbei zu erzielenden Er- sparungen an den Hof berichten. Nicht minder sollte sie darauf sehen, dass, bei der grossen Wichtigkeit, die solche Schlösser und Flecken gerade in Tirol wegen der gefährlichen Nachbar- schaft hatten, diese stets mit tauglichem und redlichem Personal besetzt seien; eine Veränderung desselben durfte aber nur mit königlicher Genehmigung erfolgen. In Verbindung hiermit stand die Beaufsichtigung des Mobiliars der Schlösser und Aemter (Hauptmann schaften , Pflegen, Vogteien, Zeughäuser und anderer Aemter), wobei ein Hauptgewicht auf die Munition gelegt ward. Abschriften der Inventarien waren den Kammern zur Registrirung einzusenden, jeder Zu- und Abgang von Ge- schütz, Pulver, Kugeln und Hausrath war durch die Kammer einzuschreiben und zu ratificiren.1 Der oberösterreichischen und der niederösterreichischen Kammer war je ein oberster Zeugmeister unterstellt, der mindestens einmal im Jahre die Zeughäuser inspiciren und über die vorgefundenen Mängel und Gebrechen seiner Kammer berichten musste, welche alsdann die Abstellung derselben zu verfügen hatte.
Ausser den Steuern und Domänen bildeten die Regalien eine wichtige Einnahmequelle der Landesherren. Sie unter- standen in Oesterreich der Aufsicht der Landeskammern, nicht aber deren unmittelbarer Verwaltung, denn diese ward geführt durch eigene Beamte (Fisch-, Jäger-, Forst- und Münzmeister), welche von ihrer Kammer abhängig waren.2
1 Tiroler und niederösterreichische Kammerorduung.
2 Tiroler Kammerordnung: ,Was müntzmaisterei, zeugmaisterei, vischerei, Jägerei und vorst antreffen, soll damit gehandlt werden inhalt der .stät derhalben aufgericht. doch in albeg sollen die vischmeister, jäger-, vorst-, zeug- und müntzmaister ir aufsehen haben auf unser Statthalter und rait-
192
Nicht unter einem finanziellen Gesichtspunkte wurde be- trachtet das Jagdregal. x Obwohl hier die Waidmanuslust des Monarchen als das ausschlaggebende Moment erschien, waren es doch die Landeskaminern, welchen der Befehl ertheilt ward, darob zu sein, dass Gejaid, Forst- und Wildbann, namentlich in den genau bezeichneten Gegenden, wo der König voraus- sichtlich am meisten Lust haben würde zu jagen, gehegt und verhütet würde, dass das Wildpret in demselben geschädigt und vertrieben würde. 2
Dagegen wurde das Fischereirecht ausschliesslich als Ein- nahmequelle geschätzt — , davon uns auch uit ain clainer nuz in die camer kumben mag'.3 Die böhmische und ungarische Kammer, welcher nicht wie der Tiroler ein eigenes Organ (Fisch- meister) zur Verfügung stand, musste daher besondere Personen abordnen zur Besichtigung der Teiche, der Art und des Ertrages des Fischereibetriebes. Auf Grund des von diesem erstatteten Gutachtens trat dann die Kammer in Berathung über das zur Erhöhung des Ertrages Dienliche.
Die hervorragendste Bedeutung unter den Einnahme- quellen hatten unstreitig die Bergwerke. Diesen hatten daher die Landeskammern vorzugsweise ihre Aufmerksamkeit zu widmen, um durch Ordnung und regelmässige Hebung der
camer.' Auch ein oberster Baumeister war iu Tirol der Kammer unter- geordnet, welchem auf Bericht ein Mitglied derselben oder ein Sach- verständiger zur Besichtigung der Baustelle beigegeben ward. Die Kammer wies auch die nöthigen Baukosten an, nur über grosse Bauten war an den König Meldung zu erstatten.
1 Schon das sogenannte Privilegium malus schrieb dem Herzoge den ban- num silvestrium et ferinarum piscine et nemora — jure feodali zu. (Vgl. Berchtold, Die Landeshoheit Oesterreichs, München 1862, S. 185, 189 ff.) Erst später bildete sich in Oesterreich das Jagdrecht zum Jagd- regal aus. (Vgl. Ulbrich, S. 13.) Der Begriff des landesherrlichen Jagdregals wurde in Deutschland erst im 16. Jahrhundert ausgebildet. Vgl. G. Meyer, Verwaltungsrecht, I., S. 334.
2 Uebereinstimmeud in der böhmischen, ungarischen und niederösterreichi- scheii Kammerordnung. Während die ungarische und böhmische Kammer ihre diesbezüglichen Befehle an die allgemeinen Beamten richten musste, scheint in Niederösterreich die Forstorgauisation bereits durchgeführt ge- wesen zu sein, denn der Kammer war hier wie in Tirol ein oberster Jägermeister unterstellt, der wieder an die Forstmeister und Forstknechte seine Verfügungen erliess.
r' Böhmische (und ungarische) Kammerordnung.
193
unterirdischen Schätze eine dauernde Ertragssteigerung- zu erzielen, die mehr wie jedes andere Mittel geeignet war, eine Mehrung der Staatseinnahmen herbeizuführen.
In Böhmen vornehmlich, das mit vielen vortrefflichen Bergwerken gesegnet war, handelte es sich darum, der bei denselben eingerissenen Misswirthschaft und Unordnung zu be- gegnen, durch welche viele in Verfall geriethen. Der König war gesonnen, wie er überhaupt mit aller Energie gleich nach dem Regierungsantritte in Böhmen daran ging, die zerrütteten Fi- nanzen dieses Königreiches zu heben, ' die berührten Mängel und Gebrechen,2 besonders die ungenügende Besetzung mit Bergbeamten abzustellen.
Eine so eingreifende Reformirung konnte nur auf Grund einer sorgfältigen Visitation ins Werk gesetzt werden. Die Kammer sollte Zeit, Ordnung und Verfahren dieser Visitation anordnen und eine eigene Commission zur Vornahme derselben ernennen,3 der König wollte einige treffliche Bergwerksverstän- dige aus seinen Erblanden hierzu delegiren, also dass die In- und Ausländer mit einander die Visitation thun. Das Ergebniss dieser Visitation sollte der Kammer in einem schriftlichen Be- richt übermittelt werden, damit mit Vorwissen des Königs eine
1 Vgl. Bucholtz, GescLichte der Regierung Ferdinands I., Wien 1833, IV., S. 497 ff.
2 Auch die Einnahmen aus Ungeld, sogenannte Dacien, Zoll und Mauth, die den früheren Trägern der Wenzelskrone nach der böhmischen Kammer- ordnung sehr reichlich zuflössen, , davon es aber villeicht aus Unordnung und nachlessigkait kumben sein möcht', sollten wieder auf die frühere Höhe gebracht werden. Die Kammer sollte deshalb nachforschen, wo diese Abgaben früher erhoben wurden, warum die jetzt nicht gereicht und wer die zuvor eingenommen und wie diese abgekommen seien. Wo sich herausstellte, dass dieselben wieder eingeführt werden könnten, ohne irgend welche Rechte zu verletzen, sollten dieselben unter Zustimmung der Stände zur Erhaltung der Wege und Mehrung des Kammergutes wieder auf- gerichtet werden. Aehnlich in Ungarn.
3 Selbst eine Art von Enquete wurde angeordnet, die Jedermann Gelegen- heit bieten sollte, seine Meinung zu äussern über das zur Förderung des betreffenden Bergwerks Zweckdienliche: , — das bei ainem jeden perk- werch, daran die visitacion beschehn soll, zuvoran berueft werde, das ainem jeden frei sei von desselben perkwerchs gelegenhait, nuz, er- hebung, wolfart und aufnemben zereden und ain jeder sein gutbedunken, dahin ine sein verstand weisen wirdt anzuzaigen on alle vorcht und scheihung.'
Archiv. Bd. LXIX. I. Hälfte. 13
194
den Bedürfnissen dos Bergbaues entsprechende Ordnung durch- geführt würde.
Da auch Ungarn bedeutende Erträge aus Salz- und Metall- bergwerken bezog, sollte die dortige Kammer sich über die Verhältnisse derselben informiren, die Möglichkeit einer Er- tragssteigerung ins Auge fassen und alle vorgefundenen Miss- stände beseitigen.
Der Tiroler Kammer ward in Anbetracht, dass an den Gottesgaben der Bergwerke und zur Erhaltung derselben an geschickten Personen nicht wenig gelegen, eingeschärft, Sorge zu tragen, dass ausser den vorhandenen Bergleuten noch andere tüchtige als Reserve angestellt werden, so dass ein Rückgang des Bergwerksbetriebes verhütet werde.
Auch die niederösterreichische Kammerordnung enthielt nur Vorschriften über eine Reformation des Bergwerkes bei Leoben und gegen die Zulassung neuer Eisenhämmer, welche den alten Schaden brächten.
So sind es mit Ausnahme der Anordnungen über die Revision der Bergwerksrechnungen nicht nur Directiven über den regelmässigen Betrieb der Bergwerke, welche den ver- schiedenen Kammern gegeben werden, denn dieser war durch die organisirte technische Bergverwaltung zu leiten, sondern Vorschriften, welche vorübergehende Massnahmen, allerdings von tiefeingreifender Wichtigkeit, zum Gegenstande hatten, wie sie eben dem Charakter einer Aufsichtsbehörde entsprachen.
Einen besonders wichtigen Zweig der Thätigkeit der Landeskammern bildete die Prüfung der Rechnungen aller mit der Vereinnahmung von Gefällen betrauten Beamten ihres Sprengeis. Die Auffassung, dass erst mit dem constitutionellen Staate der Gegenwart eine Controle der Verwaltung durch Rechnungsrevision eingeführt worden, dürfte wohl jetzt all- gemein der Einsicht gewichen sein, dass die absoluten Fürsten dasselbe Interesse an der richtigen Verwendung der Staatsgelder gehabt wie die constitutionellen Monarchien der Neuzeit und demzufolge die zu einer Controle der Verwaltung erforderlichen Einrichtungen getroffen haben. 1
1 Vgl. Vocke, Deutsche und englische Finanzverwaltung (G. Schanz. Finanzarchiv, 1884, I., S. 186).
L95
Der Exchcquer ! iu England2 und die französische chambre des comptes3 hatten schon im 12., beziehungsweise 13. Jahr- hundert eine Rechnungscoutrole ausgebildet, welche mit diesen Behörden in die anderen Länder verpflanzt wurde und auch in den Niederlanden4 die sorgsamste Normirung erfahren hatte, von wo sie Maximilian mit der gesammten Organisation für seine Erbländer übernommen hatte.
Neu war für die österreichische Monarchie die planmässige Regelung der Rechnungsrevision, ihre Uebertragung an eine collegiale Behörde. Der Gedanke einer Rechnungsprüfung ward aber keineswegs erst durch Max dem österreichischen »Staats- rechte bekannt. Schon in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts kommt eine solche Abrechnung der österreichischen Amtleute vor, die in Gegenwart des Herzogs vor einer Commission von Räthen-5 stattfindet. Eine Instruction Albrechts III. (1392) verlangt, dass der an der Spitze des Finanzwesens stehende ;Amtmann' eine nach den Einnahmen und Ausgaben jeder Einnahmsquelle abgetheilte Rechnung vorlege ,; und die publicirten Hubmeister- rechnungen (1412 — 1440) ' belegen, dass auch im 15. Jahrhundert dieser mit der Leitung der Finanzen in Oesterreich ober und unter der Enns betraute Beamte periodisch vor einer zu diesem
1 In der Normandie legten die vicecomites und praepositi schon im 11. Jahr- hundert in der curia ducis Rechnung über die Einnahmen und Ausgaben ihrer Verwaltung. Vgl. Brunner, Entstehung der Schwurgerichte. Berlin 1871, S. 148.
2 Gneist, Englische Verfassungsgeschichte, S. 181.
3 Schon eine ordonnance von 1256 erwähnt die gentes, quae ad compotos deputantur, also Mitglieder der cour du roi, welche ausschliesslich mit dieser Rechnungsrevision betraut waren, die sich 1309 zu einer eigenen Behörde, camera computorum, ziisammenschlossen. Vgl. Pardessus, p. 211, 214; Vuitry, I., p. 278 s.
4 Gachard, p. 4, 7, 9, 74 ff. Die Instruction Philipp des Kühnen für die chambre des comptes von Lille (1385) ist, wie Gachard mit Recht hervor- hebt, eine so staunenswerthe Leistung voll Weisheit und Voraussicht, dass der Fortschritt der Verwaltung und der öffentlichen Wirtrischaft im Verlaufe der Zeit nur- das Bedürfniss einiger leichten Aenderungen her- vorgerufen hat.
■J Chmel, Zur österr. Finanzgeschichte in der ersten Hälfte des 14. Jahr- hunderts (Der österr. Geschichtsforscher, 1838) I., S. 42. 6 Aus der ungedruckten Instruction mitgetheilt von Adler. S. 172 f.
" Schalk a. a. O., S. 277 ff.
13*
196
Zwecke zusammengesetzten Commission herzoglicher Käthe (Hofmeister, Marschall, Kanzler u. A.) Rechnung zu legen hatte.
Natürlich hatte auch die reichentwickelte Verwaltung Tirols ein ausgebildetes Rechnungswesen, von welchem der stattliche Bestand (des Innsbrucker Archivs) an Raitbüchern ein beredtes Zeugniss gibt.
Unter Erzherzog Sigismund ' hatte der , oberste Amtmann' als der Vorstand der gesammten Finanzverwaltung ebenfalls einer vom Erzherzoge gebildeten Commission Rechnung zu stellen, während dieser in Gegenwart eines zweiten Beamten die Rechnungen aller Amtleute, des Hofgesindes u. s. w. prüfte. 2
Das waren die historisch gegebenen Elemente, durch deren organische Zusammenfassung und Fortbildung Maximilian auch auf dem Gebiete des Controlwesens seinen Ländern eine feste Bahn wies.
Interessant ist es, zu beobachten, wie gleichheitlich sich auch hier die Entwicklung in den verschiedenen Ländern vollzieht, gleich als ob der Werdeprocess politischer Organe ebenso wie der natürlicher unabänderlichen Gesetzen unter- worfen wäre. In Frankreich sind die in einer ordonnance des heil. Ludwig (1256) erwähnten ,gentes, quae ad nostros com- potos deputantur' auch nichts Anderes als Mitglieder des könig- lichen Rathes, die ad hoc zu einer Commission vereinigt werden.3 Während aber in Frankreich dank der Stärke des auf Con- solidirung des Staatswesens bedachten Königthums und seiner erfolgreichen Centralisirungstendenz schon 1309 4 diese ad hoc eingesetzte Commission sich in eine permanente Behörde, camera
1 Adler, S. 312 ff., besonders 321.
2 Dass auch im Königreich Böhmen eine Rechnungsievision eingeführt war, geht aus den Bestimmungen der böhmischen Kammerordnung hervor, nach welcher ,die Personen was Stands die seiu, so bei König Wladislaus oder König Ludwigs Zeiten nit Raitung gethan und doch Raitung zu thun schuldig gewest oder mit gebührlichen Raitbriefen nit versehen', immer die ältesten zuerst der Reihe nach von der Kammer zur Abrechnung befohlen werden sollen.
3 Pardessus, p. 211: Ces mots, quae ad n. comp. . . . ne peuvent s'en- tendre que d'une commission prise dans la cour du roi. Les membres de cette comissiou . . . participaient aux autres travaux de la cour, lors- qu'ils avaient termine ce qui concernait l'objet de leur delegatiou parti- culiere.
4 Ueber die Entwicklung in der Zwischenzeit vgl. Vuitry, L, 278 ss.
197
coinputorum,1 verwandelt hatte, vollzieht sich der Entwicklungs- gang1 in Oesterreich in viel langsamerem Tempo. Von dem ersten Vorkommen einer Commission für Rechnungsrevision (1326 bis 1338) bis zur Uebertragung dieser Aufgabe an die Schatzkammer (1496) verstreichen fast zwei Jahrhunderte. Politische Ver- hältnisse und der Mangel einer energisch durchgreifenden Per- sönlichkeit auf dem Throne oder in dessen Umgebung hindern eine raschere Reife der ausgestreuten Keime. Man sieht, dass für das Wachsthum staatlicher Organisationen so viele unbe- rechenbare Factoren von Einfluss sind, dass es nicht möglich sein dürfte, ihre Bildungsgesetze mit annähernder Sicherheit voraus zu bestimmen.
Die Centralisirung der Rechnungscontrole, - welche Maxi- milian an der Innsbrucker Schatzkammer (1498) geschaffen hatte, war nicht von langer Dauer, indem die in eine Raitkammer ver- wandelte Behörde schon seit 1500 ihre Revisionsthätigkeit auf Tirol und Vorderösterreich beschränkte; allein immer von Neuem machte er den Versuch, diese Centralisirung wieder aufzunehmen. Nicht mit zäher Ausdauer verfolgte er dies Ziel, aber sporadisch treten viele Verfügungen im Dienste dieser Tendenz auf, welche niederösterreichischen Beamten die Abrechnung bei der Inns- brucker Schatzkammer befehlen, Massnahmen, welche, wie er- wähnt wurde, der stetigen Entwicklung der niederösterreichischen Rechenkammer in hohem Grade hinderlich waren.3 Dass Stände und Beamte Niederösterreichs gegen dieses Ziehen der Rech- nungen ausser Landes Opposition machten, begreift sich leicht bei dem scharf ausgeprägten Particularismus der Zeit, aber auch die Innsbrucker Kammer war wenig erbaut von dieser starken Erhöhung ihrer Arbeitslast. Sie berief sich nicht nur auf den Mangel an Arbeitspersonal, sondern machte auch geltend,
1 In einer königlichen Verordnung- vom 20. April 1309 heisst es: ,per gentes nostras in camera computorum' (Pardessus, p. -214).
2 Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass auch für diese Materie die Kenntniss der feinentwickelten Technik des französisch-niederländischen Rechnungswesens, wenigstens in den Plauptgrundzügen, den Impuls und die Richtung der Maximilianischen Reform bestimmt hat. Welche hohe Stufe der Vollkommenheit die Rechnungsinstruction Philipp des Kühnen (Gachard, Piece justif., III.) erreicht hatte, wurde schon wiederholt er- wähnt.
3 Vergleiche üher diese Verhältnisse Adler, S. 419 ff., dann 218 f.
198
dassihr die Ordnungen und Gebräuche der niederösterreichischen Kammer fremd wären. Diesen persönlichen und sachlichen Be- denken wurde entsprochen durch die Zuziehung niederöster- reichischer Käthe zu der Revision niederösterreichischer Rech- nungen. '
Am Ende seiner Regierung erreichte Maximilian das Ziel, denn wie bereits hervorgehoben wurde, gelang es dem Ausschuss- landtag 1518 nicht, mit seiner Forderung der Errichtung einer zweiten Raitkammer für die niederösterreichischen Länder durchzudringen. Die verlangte zweite Raitkammer erschien dem Kaiser ganz unnöthig, kostspielig und beschwerlich. Den Be- sorgnissen der Stände, dass durch eine einzige Raitkammer die niederösterreichischen Einkünfte gegen Innsbruck gezogen würden, begegnet er mit der Bemerkung, dass die Raitkammer nichts mit Empfang und Ausgabe zu thun, sondern nur die Amtleute zu überwachen und die Richtigkeit der von ihnen gelegten Rechnungen zu prüfen habe. Ueberdies flössen die niederösterreichischen Einkünfte in die Hände der Vicedome und von diesen aus , pillich an des landesfürsten hoff'. 2 Die Stände gaben nach, besonders nachdem der Kaiser die Ver- stärkung der Innsbrucker Kammer durch niederösterreichische Käthe versprochen hatte. Es blieb also bei der Einen Rait- kammer, und Maximilians Centralisationstendenz hatte hier wieder einen Sieg errungen und gegenüber der particularistischen Strebung der Stände die Einheit der staatlichen Rechnungs- controle durchgesetzt.
Erzherzog Ferdinand, welcher diesen von seinem Gross- vater hartnäckig abgelehnten Wunsch der Stände aus freien Stücken erfüllte, hatte durch diese Gründung einer niederöster- reichischen Kammer, zu welcher dann später die böhmische und ungarische hinzukam, die Decentralisation der Finanzcontrole
1 Vorher hatte Maximilian schon die Tendenz verfolgt, die Innshrucker Kammer zu einer allgemeinen Centralrevisionsstelle zu gestalten, indem er ihr die Controle der Rechnungen des Reichskammergerichts und des hurgundischen Schatzmeisters (1505, 1507) zuwies. Die Innsbrucker Be- hörde widerstrebte auch dieser Aufgabe, indem sie auf ihre Unkenutniss der Taxgebräuche des Kammergerichts und der französischen und vlämi- schen Sprache, in welcher die hurgundischen Rechnung-on ubgefasst waren, hinwies (Adler, S. 425).
2 Zeibig, S. 281.
199
durchgeführt. l Es lässt sich nicht behaupten, dass dieses Auf- geben des Centralisationsprincipes in dieser einen Richtung als wesentlicher Rückschritt zu betrachten ist, denn vom politischen Standpunkte aus kam ja die Einheit der Finanzverwaltung in der Hofkammer zur Erscheinung, während rein sachlich auf- gefasst, die Decentralisation der Controle auch neuerdings wieder von fachkundiger Seite als Vorzug gerühmt wird, 2 wie auch noch im modernen Finanzrechte die Revision Mittelbehörden anvertraut ist. Eine solche Uebertragung der Revision an die den verrechnenden Beamten nächstvorgesetzte Behörde (Mittel- stellen) hat entschieden mannigfache Zweckmässigkeitsgründe für sich. Die Mittelstelle steht den rechnungstellenden Beamten näher, kennt also die für die Prüfung in Betracht kommenden Verhältnisse eher als die entfernte Centralstelle. Bei dieser würde das Revisionswerk auch viel kostspieliger sein. Dazu kommt, dass die Revision bei der Centralstelle den Instanzenzug abschneidet, so dass dem rechnungstellenden Beamten jedes Rechtsmittel abgeschnitten ist, falls er die Entscheidung der Revisionsbehörde nicht als richtig, ihre Erinnerungen nicht als begründet anerkennen kann. Um jede Schädigung der Interessen der Finanzbeamten abzuhalten, muss die Möglichkeit eines Berufungsweges gegeben sein, und zwar kann diese letztinstan- zielle Entscheidung nur durch die Centralbehörde gefällt werden. Eine solche Verbindung der Revision durch die Mittelbehörde mit der Superrevision durch die Centralstelle war unter Fer- dinand für die wichtigsten Aemter (Kammermeister-, Salz- maieramt, Wechsel, Silber und Münze) eingerichtet, deren
1 Auch in Frankreich vollzog sich eine Decentralisation der Rechnungs- controle, indem die Rechnungshöfe der Vasallen (vgl. Schaffner, II., S. 484 f.) in königliche verwandelt wurden. Diesen Provinzialreehnungs- kammern, deren Organisation vom 14. bis zum 18. Jahrhundert sich voll- zogen hatte, war dann unter Unterordnung unter die Pariser charnbre des comptes die Revision der Rechnungen (wenigstens die provisorische) ihrer Provinz übertragen worden. Vgl. R. Dareste, p. 18 s., Vuitry, IL, p. 582 s.
2 Ueber den Rechnungshof mit besonderer Rücksicht auf das deutsche Reich (anonym) in: (Tübinger) Zeitschi', für die gesammte Staatswissenschaft, Bd. 32, S. 484 f. ; Bd. 33, S. 70. In Baiern zum Beispiel liegt die Revision in den Händen der Mittelbehörde (Kreisregierung), an deren Sitz dann allerdings noch eine Superrevision durch ein Mitglied des obersten Rech- nungshofes stattfindet. Vergleiche noch über die Heranziehung der Mittel- behörden zur Revision A.Wagner, S. 307, 320.
200
Rechnungen oder wenigstens Auszüge oder Berichte über die- selben an die Hof kammer zur Prüfung eingeschickt werden. ' Ihr Entscheid blieb dann für die ihr untergebene Kammer massgebend, denn diese durfte solchen Aemtern nicht selbstständig Decharge ertheilen. Dass die Kammern sich nicht ausschliesslich mit den Revisionsgeschäften abgaben, dass also die Finanz- verwaltung, resp. die Beaufsichtigung derselben von der Con- trole nicht vollständig getrennt war, kann allerdings nicht als zweckmässig bezeichnet werden. Anderseits ist auch zu erwägen, dass die ermüdende Einseitigkeit der formalen Revisionsthätigkeit den Gesichtskreis der Revidenten eingeengt und auf den rech- nerischen Theil beschränkt haben würde, während eine Behörde, die mitten im Strome der laufenden Verwaltung stand, sich auch den grossen Zielpunkten der Revision nicht verschlossen und aus der rein ziffermässigen Betrachtung der Rechnungs- ergebnisse mit sicherm Blicke die Schäden des Staatshaushalts erkannt und die Mittel zu deren Heilung herausgefunden haben dürfte.
Dem Missstande einer Verbindung von Verwaltung und Controle in derselben Stelle konnte nur dadurch die Spitze ab- gebrochen werden, dass wenigstens die Vereinnahmung und Verausgabung von Staatsgeldern nicht unmittelbar durch die controlirende Behörde bewirkt wurde.2 In der That war ja auch das mit den Cassengeschäften betraute Organ, der Kammer- meister, der Kammer nur adjungirt und musste durch diese seine Rechnung prüfen lassen, die dann ausserdem noch der Superrevision der Hofkammer unterstellt ward. Uebrigens war auch die Centralrevisionsstelle Maximilians, die Innsbrucker Schatzkammer, nicht ausschliesslich Revisionsbehörde, sondern leitete und beaufsichtigte die Finanzverwaltung der oberöster- reichischen Länder ebenso wie unter seinem Nachfolger.3
In Niederösterreich wurde auch das Vicedomamt für die Organisation der Rechnungscontrole fruchtbar gemacht. In
1 Tiroler Kammerordnung.
2 Dies war allerdings bei dem mit der Perception von Staatseinkünften be- trauten Vicedom nicbt der Fall.
3 Bei dem englischen Exchequer und der französischen chambre des comptes war ursprünglich auch eine Verbindung von Verwaltung und Controle der Finanzen durchgeführt.
201
jedem Vicedomamte hatten die Unteramtleute1 vor ihrem Vice- dom Rechnung zu stellen, nur die Amtleute des Vicedomamts Oesterreich unter der Enns sollten direct vor der Kammer, die im Spreugel dieses Vicedomamtes ihren Sitz hatte, Rechnung legen im Beisein ihres Vicedoms. Motiv dieser Massregel war die Ersparung von Unkosten, die dadurch erwuchsen, dass vom Hofe oder von der niederösterreichischen Kammer zu dieser Rechnungsprüfung der Vicedome verschiedene Personen'2 zu- geordnet wurden,3 was bei der Revision der Kammer in Weg- fall kam. Es war also hier ein Element der Selbstverwaltung gleich beim Ausgange des Mittelalters in die Finanzverwaltung eingeführt worden. Diese Personen aus dem Lande hatten auch mit dem Vicedom über die Ursachen einer etwaigen Minderung des Kammergutes und über Mittel zur Hebung desselben zu berathschlagen. Die Revision der Vicedome war keine defini- tive, falls dieselbe Anstände ergab. Wenn die Rechnungsbelege nicht für genügend und glaubwürdig erachtet wurden, mussten die Vicedome vor Schliessung der Rechnung an die Kammer berichten und deren Bescheid erwarten. Die Vicedome hatten dann für ihre Einnahmen ebenso wie die Exemtamtleute4 und Kammermeister alljährlich vor ihrer Kammer Rechnung zu legen. Nachdrücklich wird den Kammern die Einhaltung der Rechnungs-
1 , Pfleger, Richter, Amtleute und andere, so uns zu verraiten haben.'
2 Niederösterreichische Kammerordnung von 1539.
3 Die Einrichtung war schon von Maximilian in der Schatzkammerordnung von 1498 eingeführt worden. ,Item so sol ain jeder vitztumb aines jeden jars alle phleger und amhtleut, so in sein Verwaltung gehorn, für sich in raitung erfordern und 2, 3 oder 4 geschickt, erbere mann von adel und ander, so in derselben seiner Verwaltung sitzen und im am gelegensten und mit den minnsten costen zu erlangen sein [so inen unser Verwalter unser camer zu Ynsprug oder unser regenten zu Wyennn benennen oder zuordnen werden] zu im nemen und von ainem jedem derselben pflegern und ambtleuten nach laut der urbarpuecher raitung nemen und emphahen.' Diese Einrichtung fand sich auch in Baiern, wo bei der Rechnungsrevision des Rentmeisters Bin-ger als Beisitzer herangezogen wurden. Vgl. Rent- meisterinstruetion von 1470 und 1512 bei Krenner, Bairische Landtags- handlungen, VII., S. 245 und XVIII., S. 314.
4 Unter diesen sind die den Vicedomen nicht unterworfenen, sondern un- mittelbar unter der Kamm er stell enden niederösterreichischen Finanzbeamten zu verstehen, wie die des FTalamtes Gmunden und Aussee, des obristen Bergmeisteramtes u. s. w.
202
aufnähme in jedem Jahre eingeschärft, ' damit jeder Benach- theiligung des Kammergutes wirksam begegnet werde.
Die zur Rechnungsablage verpflichteten Beamten wurden hierzu der Reihe nach von der Kammer auf einen bestimmten Termin vorgeladen, 2 und zwar war der Termin so zu bestimmen, dass die Abrechnung sofort beginnen konnte, damit ein Amtmann auf den anderen nicht mit vergebener Kostung liege und auf Raitung warte.
Die Hauptarbeit der Rechnungsprüfung ruhte, wie dies auch heute der Fall ist, auf den Schultern von Subalternbeamten. Ein Buchhalter3 (und ein Kammerschreiber)4 waren für diese Geschäfte einer jeden Kammer beigegeben.5 Diesen Subaltern-
1 Die niederösterreichische Kammerordnung verfügt, dass alle zwei Jahre, und zwar vor Ausgang des letzten die Rechnung aufgenommen werden soll, so dass nie zwei Jahresrechnungen zusammenkommen, damit, wie motivirend beigefügt wird, die Unkosten wegen der überhäuften Rechnungen, die mit Erforderung mehrerer Räthe und Amtleute aufgehen, erspart werden.
2 Der der Vorladung nicht Folge leistende Beamte wurde bestraft und über seinen Ungehorsam dem König berichtet.
3 In der böhmischen und ungarischen Kammerordnuug ist von dem Schreiber nicht die Rede. Die ungarische bezeichnet den Buchhalter geradezu als custodem librorum seu magistrum computorum.
4 In der Folge waren dem Buchhalter eine grössere Anzahl von Raitpersonen beigeordnet worden, wie sich aus der Buchhalteroi'dnung von 1558 ergibt. Durch ein Decret von 1562 (9. September) ordnete Ferdinand an, dass die Buchhalter an drei Plätzen die Raitungen von den Amtleuten auf- nehmen sollten, so dass au jedem Platze zwei Personen über Raitungen sässen.
5 Die niederösterreichische Kammer hat am 3. Februar 1558 (Wien) eine neue Buchhaltersordnung aufgerichtet folgenden Inhalts : Die zwei Buchhalter sollen die Raitungen in zwei Theile theilen. Der oberste Buchhalter soll die ordinari Raitungen in den uiederösterreichischeu Ländern, darunter aber auch einige extraordinari sammt den ihm zu- getheilten Personen handeln, der zweite Buchhalter alle andern Extra- ordinariraitungen, so zu der Kammer kommen, aufnehmen.
,Die Ordinari-Raitungen, so Steyrer als der älter und oberst buch- halter künftig raiten und expedirn soll:'
1. Die Vicedomämter in den niederösterreichischen Ländern, Salz- amt Wien, Gmunden und Aussee, Amt im innern Eisenerz und im Vordem Berg bei Leoben, Aufschlagamt an der Kremsbrücke, desgleichen zu Laibach, Einnehmeramt an der obern und untern Tarvis, desgleichen zu Triest, Waldmeisteramt in Friaul, Isterreich und Karst, Reut und Zahl- meisteramt in Friaul, das Amt und die Mauth zu Görz, oberstes Berg- meisteraint, Waldmeisteramt in Oesterreich etc., Meran Amt, Kastenamt,
203
beamten wurde aber natürlich die Revision nicht allein über- lassen,1 sondern es niussten mindestens ein bis zwei Raiträthe dieser Aufnahme der Rechnungen beiwohnen, 2 da man dem
Kelleramt und Stadtgericht Wien, Taxe der niederösterreichischen Kanzlei, Münzmeister-, Wechsel-, Ungelder-, Zehent-, Saliterverwahreraint Wien, Fischmeisteramt in Oesterreich, Mauth auf dem Mauthhause zu Wien, Schwechat Mauth, Mauthamt hei dem Eothen Thurm zu Wien, Mauth zu Stain, zu Ybbs, zu Linz, Aufschlag zu Vöcklabruck, zu Engelhartszell, allerlei Baurechnungen, so von den Pfandschaftern und andern in den niederösterreichischen Ländern auf die Kammer übersandt werden und sonst insgemein alle Extraordinariraitungen, die sicli in den niederöster- reichischen Ländern zutragen.
Dem Steyrer wurden zugeordnet: zwei Raiträthe, sechs Raitpersonen und Raitschreiber.
, Voigt was Preu als der andre Buchhalter für Extraordinariraitungen zu raiten und expedirn hat:'
Hofzahlmeister-, Kriegszahlmeister-, Hofpostmeisteramt; Kriegszahl- meisteramt in den windischen und crabatischen Grenzen, Schiffmeister-, Zeugmeister-, oberstes Proviantmeisteramt, das Proviantverwalteramt in Hungern, item in den windischen und crabatischen Ländern, Proviant- kastenamt zu Wien, des Kupferhandels in Neusol Raitungen, Kammer- grafenamt auf Kremnitz und Schemnitz, ,item alle Dreissigstämter in Hungern und Windischland, der Burggrafen auf Wiglesch und Lisch und des zu Komorn Raitungen und was sonst von den Herrschaften, Pflegern und dergleichen extraordinari Raitungen ausserhalb der niederöster- reichischen Lande fürfallen.'
Dem Preu werden zugeordent zwei Raiträthe, sechs Raitpersonen und Schreiber. Jeder Buchhalter soll künftig seine besondere Registratur haben. Jeder soll Gewalt haben, die schlichten Mängel zu rechtfertigen, zu passiren oder gar auszuthun; wo ihnen aber so dringende Posten vor- kommen, die sie sich ausser unser Vorwissen zu erledigen nicht getrauen, die sollen durch den betreffenden Buchhalter und Raiträthe, die ob solchen Raitungen gesessen, zu Erledigung für uns gebracht werden. Die Amt- leute müssen persönlich zur Aufnahme der Raitungen erscheinen, auf dass in den irrigen Posten der erforderliche Bericht allsogleich genommen werden kann. Wenn sich ansehnliche Mängel zutragen Tind die Amtleute können nicht genügsamen Bericht haben, können sie dieselben wieder erfordern. Raitbriefe, die Steyrer aufnimmt, soll dieser als der ältere allein-, die von Preu aufgenommenen sollen durch beide Buchhalter unter- schrieben werden (Reichs-Finanzarohiv, Gedenkbuch Nr. 20 D).
1 Auch heute muss der (subalterne) Revisor die von ihm festgestellten Bemängelungen dem vorgesetzton Beamten (Rath) mit den Rechnungen zur Superrevision unterbreiten. Vgl. A. Wagner, S. 310.
2 Als die niederösterreichische Kammer sieh au den König wandte mit der Bitte, sie in Rücksicht auf ihre Verpflichtung, der Rechnungsaufnahme beizuwohnen, mit anderen Geschäften, die sie hieran verhinderten, nicht
204
Buchhalter und seinem Schreiber doch nicht das Vertrauen schenken wollte, dass die Kammer ausschliesslich auf ihr Re- ferat hin dem Rechnungsleger Decharge ertheilte oder versagte, , sonder das unser camerrät oder etlich oder doch albeg zum wenigisten ain person aus inen albeg gegenwürtig sein ze sechen, wie und von wann solch mengl ausgezogen, mit was grund si herfliessen, das auch in ausziechung solcher mengl und in treffen- lichen raitungen sovil weniger übersehen l werde'. 2
Die Controle war vor Allem eine rechnerische. Die ein- zelnen Posten in Empfang und Ausgabe waren auf die Richtig- keit des Calculs zu prüfen, zugleich war aber zu untersuchen — und dies bot die Hauptschwierigkeit'5 — ob keine Vereinnahmung in der Rechnung nicht gebucht war. Solche verschwiegene Empfänge in vorgethanen Raitungen sollten durch die Revisions- behörde an den König berichtet werden.4 Sehr wichtig war die Durchprüfung der die Richtigkeit der einzelnen Posten er- härtenden Belege (Quittungen, Anweisungen),5 ,ob stät bevelh,
zu beladen, antwortete er (1540), die Kammer sei mit so viel mehr Per- sonen besetzt, damit der Amtleute Rechnungen gefördert würden. 1554 bewilligt aber der König wegen der Geschäftsüberhäufung eine Vermehrung der Rathsstellen, damit stets 1 — 2 bei der Rechnungsaufnahme sein können.
1 Tiroler Kammerordnung und wörtlich gleichlautend in der niederöster- reichischen Kammerordnung.
2 Damit das Revisionswerk durch momentane Anhäufung unrevidirter Rechnungen keine Verzögerung erlitt, wurden den Kammern zur Erledigung von Extraordinari-Rechnungen, also wenn etwa in Folge kriegerischer Ereignisse sich eine Ueberhäufung mit Rechnungen ergab, so dass das gewöhnliche Kammerpersonal zur Bewältigung der Arbeit nicht ausreichte, Extraordinari-Personen zu den Rechnungen auf die Kammern verordnet, damit desto schleuniger darin gehandelt, die Amtleute nicht lange auf- gehalten, sondern fürderlich wieder zu ihren Aemtern und ohne sonderliche Kosten abgefertigt werden. Ausser der durch besondere Ereignisse her- vorgerufenen Verzögerung der Abrechnung gab es bei den Kammern über- haupt alte, nicht aufgearbeitete Rechnungsbestände, die sich seit vielen Jahren aufgethürmt hatten. Sie aufzuarbeiten war die dringendste Auf- gabe, damit die Erledigung der laufenden neueren keine Stockung erlitte. Nur bis zur Bewältigung dieser Rückstände an Rechnungen sollte die Ver- mehrung des Personals dauern (niederösterreichische und oberösterreichische Kammerordnung).
3 Vgl. A. Wagner, S. 310.
4 Niederösterreichische Kammerordnung.
5 Daselbst: Wenn ein Amtmann ausserhalb seines Gegenschreibers Wissen mit Empfang oder Ausgaben, darum er nicht genugsam Geschäft, Quittung
205
quittungen und ander genuegsamer schein, wie sich zu gueter ordenlicher raitung geburt, darumben verhanden sein'.1 Diese Kritik konnte sich nicht auf die Echtheit und Glaubwürdigkeit2 der Docuinente beschränken, sie erhebt sich, da sie das For- melle und Materielle des Inhaltes dieser Rechnungsurkunden umfasst, von der blossen Rechnungscontrole zur Verwaltungs- controle. Sie hat die Legalität der Belege ins Auge zu fassen, zu prüfen, ob die Anweisungen von der Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit erlassen sind und ob, was sich aus einer Vergleichung der entsprechenden Quittung ergibt, die bestimmungsgernässe Verausgabung des Betrages confonn mit der Anweisung stattgefunden hat.
Die vom Buchhalter und seinem Personal gefundenen Mängel und Irrungen der Rechnungen wurden in einem Bericht für die Raitkammer zusammengefasst,3 damit sie Aufklärung oder Erledigung der Anstände von den Rechnungslegern fordern könnte, bevor sie denselben Decharge ertheilte. In höchst zweckmässiger Weise war in Niederösterreich das Laienelement für die Aufhellung der bei der Revision sich ergebenden An- stände herangezogen worden. Es wurde nämlich eine Art von Enquete veranstaltet, indem die Kammer ,zur gründlichen Er- kundigung einen Landmann oder andere glaubhaftige Personen des Landes, daraus derselbe Amtmann ist, und seiner Handlung und Thuens am meisten Wissen haben möchten, zu sich er-
oder Certificatioii darthuu, oder sonst wider seiue Ordnung gehandelt, die sollen ihm nicht passiert werden und die von der Kammer sollen dies unsern Vicedomen und Exeuitamtleuteu waruungsweise verkünden und dass diese gleicher Weise ihre Unteramtleute das erinnern.
1 Niederösterreichische Kammerordnuug. Die ungarische Kammerordnung hatte über diesen Punkt folgende Norm gegeben: ,Computa ... in posterum a talibus officialibus sumenda hoc modo fiant, ut receptiones et erogationes officialium, qui contrascribas habeant, semper cum libro contrascribe con- ferantur et revideautur. que si libro sint conformes ex tunc officiales Uli, hoc idem sufficientibus commissiouibus, certificationibus et quietantiis demonstrent, alii vero, qui officia habent sine contrascribis, correspon- dentiam receptionum et expositionum cum sufficiencia commissionum certificationum et quietantiarum pariter ostendant.'
2 Die Schatzkammerordnung von 1498 schärfte schon allen Rechnungslegern ein, ,daz si kain quittung anders noch mit grosser summen in iren raitungen einlegen dann si an parm gelt ausgeben und bezalt haben'.
3 Ebenso beute in dem sogenannten Notaten- oder Revisionsprotokoll. Vgl. Wagner, S. 310.
201 i
fordern oder ihnen um Unterricht schreiben' musste. Nicht um einen einzelnen Rechnungsposten allein konnte es sich hier handeln, sondern um eine Constatirung «1er Amtsführung des Beamten, bei dem sich Anstände ergeben hatten, im Allgemeinen. Wurden die Beanstandungen durch diese Erkundigung gehoben oder vorher schon durch genügende Aufklärung des Beamten oder durch sein Versprechen, die Mängel zu beseitigen,1 dann konnte die Rechnung beschlossen, das Absolutorium ertheilt werden in der Form der Ausstellung eines Raitbriefes. Dies konnte auch geschehen, falls die Revision zu keiner Bemängelung Anlass ge- funden hatte. Wurden aber die Revisionserinnerungen nicht in genügender Weise beantwortet, der gerügte Mangel nicht beseitigt oder wurden sie seitens des Rechners nicht als richtig anerkannt, so gestaltete sich das Verfahren mit beiderseits ,hin und wieder gegebenen Schriften und Repliciren' oft recht langwierig, so dass der Beschluss der Rechnungen sehr verzögert wurde. Gegen eine solche Verschleppung, die auch eine Verletzung der Interessen des Staatshaushalts im Gefolge hatte, richtete sich eine königliche Verordnung,2 welche das schriftliche Ver- fahren abstellte und der Kammer 3 einschärfte, auf dem Wege mündlicher Verhandlung mit den Rechnungslegern eine Ver- einbarung zu erzielen, welche eine schleunige Beschliessung der Rechnungen ermöglichte. Kam ein solches Eiuverständniss nicht zu Stande und fühlte sich der Rechner durch die Bean- standungen der Kammer beschwert, so stand ihm der Recursweg zur Hofkammer offen, welche durch einen Definitiventscheid
1 Es soll mit keinem Amtmann die Rechuung beschlossen oder Raitbrief gefertigt werden, er hab dann zuvor die ausgezogenen Mängel seiner Raitung erledigt, oder das zu thun versichert oder verschrieben (Nieder- österreichische Kammerordnung). Diese Entlastung entspricht der ,Decharge mit Vorbehalt' des heutigen Finanzrechts. Vgl. Wagner, S. 311.
2 Auch einer Beschwerde des Amtmannes zur Hofkammer, dass ihm die Mängel unbillig ausgestellt seien, ward kein Suspensiveft'ect zuerkannt, denn, wenn wir dieselbe annehmen, mögen ihm die an seiner nächsten Raitung gelegt und passirt werden, sagt die Verordnung ddo. Prag, 23. Januar 1544 (Reichs-Finanzarchiv, Gedenkbuch 20 D).
3 Nach der Tiroler Kammerordnuug (1536) sollten solche Irrungen durch die Kammer und die Regierung gemeinschaftlich gehandelt und verglichen werden. Kam der Vergleich nicht zu Stande, so wurde über den Fall — ,mit erinnerung alles grunds' — an den Hof berichtet und von diesem (Hofkammer) ein Bescheid ertheilt.
207
die Sache erledigte. ' Dieser Entscheid hat den Charakter eines Urtheilspruches, 2 welcher die zwischen der Revisionsbehörde und dem Reclmungsleger entstandene Differenz schlichtet. Die höchste Instanz übt hier Functionen der Superrevision aus. Eine solche tritt von selbst, wie erwähnt, nur bei den Rech- nungen der wichtigsten Aernter, sonst nur auf Anrufen der Parteien ein, während beim Nichtvorhandensein oder der Aus- gleichung von Differenzen die (Landes-) Kammer als Revisions- behörde ermächtigt ist, die Controle durch Fertigung des Rait- briefes zu beendigen.3 Nicht zuständig war die Kammer zum Nachlasse des Restes der Rechnungen. Nur mit Vorwissen des Königs konnte ein solcher Nachlass den Amtleuten bewilligt werden. Die Einbringung der von den Amtleuten geschuldeten Reste machte grosse Schwierigkeiten und wiederholt mussten auf dem Verordnungswege Mittel zur Abstellung dieses Unfugs bezeichnet werden.4 Für die Controle der Landesverwaltung erscheint die Rechnungsrevision um deswillen von einschnei- dender Bedeutung, weil das in der Rechnung abgeschlossene
1 ,Wo sich dann . . . die partheien solcher unser erledigung und beschaids beschwern wurden und wir des von der regieruug und camer bericht werden, wellen wir weiter mit irern rath darin entliche erledigung thuen' (Tiroler Kammerordnung).
2 Die Franzosen bezeichnen diese Thätigkeit auch als Jurisdiction des comptes.
3 Der Artikel der niederösterreichischen Kammerordnung von 1539: .Die rät sollen die raitungen nit zu besluss handien, auch nit nachlass thuen', führte in seiner stricten Handhabung zur Verzögerung, weshalb die Kammer, da auch durch das Hin- und Herschicken grosse Unkosten entstanden, vorschlug, sie zum Abschlüsse der Rechnungen zu ermächtigen, wo die- selben richtig oder nur wenige und sehr kleine Mängel gefunden würden. Der König resolvirt (1540, 23. März), die Meinung der Instruction sei nicht dahin zu verstehen, dass, wo ein Amtmann richtige und lautere Rechnung habe, mit ihm nicht zu scliliessen sei.
4 Nachdem eine königliche Verordnung von 15. September 1526 verfügt hatte, dass der Hofkammer jährlich ein Verzeichniss der Reste, welche ein Amtmann von seiner Amtsverwaltung schuldig geblieben, geliefert werden soll, bezeichnet eine weitere Verordnung vom 12. Februar 1557 als das beste Mittel zur Verhütung von Resten die Anschaffung von Truhen. Wenn Amtleute Reste machten und rechtmässige Ursachen an- führten, sollte Termin zur Richtigmachung bestimmt werden; bei Ueber- schreitung desselben sollten sie vorgefordert und gegen sie mit Arrestirung vorgegangen, eventuell gegen die Bürger die Forderung geltend gemacht werden.
208
Ergebniss der Staatswirthschaft den Gegenstand derselben bildet. ; Mit der Controle des Zustandes der Verwaltung in der Ver- gangenheit hat sie aber nicht ihren Zweck vollständig erfüllt. Darüber hinaus muss sie auch für die Finanzpolitik der Zukunft nutzbar gemacht werden. Deshalb musste die Rechnungsrevision den Landeskammern erst das Material liefern für die von ihnen jährlich an die Hofkammer zu richtenden Auszüge über Ein- kommen, Empfang und Ausgaben aller Aemter. In ihrer Zu- sammenfassung boten diese Berichte der Centralstelle erst die Grundlage einer genauen Kenntniss des jeweiligen Standes des Staatshaushaltes und damit die Möglichkeit, an dem einen und andern Punkte reformirend vorzugehen im Interesse der Er- haltung und Vermehrung des Kammergutes.2 Für besonders wichtige Einkommenzweige sollte die Kammer gleich bei der Rechnungsprüfung die durch die Ziffern beleuchtete materielle Seite kritisch betrachten. Aus diesem Grunde verlangt auch die Tiroler Kammerordnung die Zuziehung von Mitgliedern der Regierung zur Prüfung der Bergwerksrechnungen von Schwaz — jdardurch kann albeg des perkwerchs glegenhait zue- oder abfaal und ursach desselben sovil stattlicher abgenomen und gespürt werden'.
So zeigt diese Skizze über die Rechnungsrevision diesen Zweig der staatlichen Controle auf einer hohen Stufe der Ent- wicklung in einer Periode, in welcher in anderen deutschen Territorien solch umfassende Organisationen einer Rechnungs- controle nicht vorhanden sind. Haben wir auch nicht so de- taillirte Normen für das Verfahren der Rechnungsprüfung kennen gelernt, wie solche in den entsprechenden Ordonnanzen der romanischen Staaten vorlagen, so ist der Grund hierfür der, dass die Tradition über die Abrechnungsart im Einzelnen für hinreichend stark gehalten wurde, um der schriftlichen Reglementirung entrathen zu können.3
1 Vgl. Tübinger Zeitschrift a. a. O., Bd. 32, S. 48U.
2 Diese Principien bildeten auch die Directive für die Gebaliruug der 1762 gegründeten Hofrechenkammer unter Maria Theresia (d'Elvert, S. 386, 388). Auch heute hat der oberste Rechnungshof in Oesterreich die Frage einer Erhöhung des Staatseinkommens durch zweckmässige Ein- richtung neben der formellen Rechnungscontrole ins Auge zu fassen (vgl. Tübinger Zeitschrift, Bd. 33, S. 54 f.).
3 Nicht nur die Schatzkammerordnung von 1498 befahl die Raitung ab- zunehmen nach Ordnung, Gewohnheit und Gebrauch unserer Kammer
209
In der Ertheiluug des Absolutoriums an die einzelnen rechnungsiegenden Beamten haben wir eine Art jurisdictioneller Thätigkeit der Kammern kennen gelernt. Wie in England und Frankreich die Rechnungskaminer aus einer Rechnungs- revisionsbehörde zu einem Gerichtshof für Finanzsachen ' wurde, so wird auch in Oesterreich den vermöge der hier durch- geführten Decentralisirung der Rechnungsrevision mit dieser betrauten Landeskammern eine finanzielle Jurisdiction über- tragen. Aber die Kammern waren es nicht allein, sondern neben ihnen die Regierung und unter ihnen die Vicedome und Landeshauptleute, welche mit der Entscheidung solcher Streitig- keiten betraut waren, die irgendwie mit finanziellen Rechten des Königs in Verbindung standen. Auch in solchen Fällen, wo ein Recht dieser nicht streitig war, sondern wo in einem Verwaltungsacte (der Verleihung oder Bestätigung) eine Ent- scheidung darüber lag, dass dem Verliehenen das verliehene oder bestätigte Recht zustehe, war eine Mitwirkung der Kammer zu der Entscheidung der Regierung erforderlich. Die Tiroler Kammerordnung bezeichnet diese Kategorie als , Sachen die justitia und doch darneben das camerguet betreffen, (es seien confirmation, lehen oder anders)' und ordnet an, dass zu der Beratschlagung und Handlung solcher Angelegenheiten durch Statthalter und Regenten stets zwei Kammerräthe beigezogen und die betreffenden urkundlichen Ausfertigungen ausser mit der Unterschrift von Statthalter und Kanzler auch mit der eines Kammerraths versehen sein müssten.2
Unter den in das Gebiet der finanziellen Rechtsprechung fallenden Gegenständen nahmen vorzüglich in Niederösterreich die stets wiederkehrenden Beschwerden der Unterthanen gegen die Hauptleute , Pfleger, Pfandschafter und Amtleute wegen Bedrängung, besonders wegen Forderung ungebührlich hoher Zinsen, Dienste, Robot, Steuern und dergleichen Leistungen einen breiten Raum ein. Die Instructionen für den niederöster- reichischen Hofrath beschäftigten sich schon früher mit All-
zu Innsbruck, auch 1536 berief sich die tirolische Kammerordnung noch auf diese Gebräuche.
1 E. Löning, Die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit (Hartmann, Zeit- schrift für Gesetzgebung und Praxis auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts, Berlin 1879), Bd. V, S. 338.
2 Auch sollten solche Urkunden bei der Kammer registrirt werden. Archiv. Bd. LXIX. I. Hälfte. 14
210
Ordnungen zur Beseitigung solcher Missbräuche. Ferdinand betrachtet es als eine Pflicht seines landesväterlichen Berufs, den bedrückten Grundholden beizuspringen. ' Seine Bestre- bungen, diesen Bedrängten die kräftige Stütze einer geordneten Rechtshilfe zu gewähren, waren getragen von der gesunden socialpolitischen Werthschätzung eines tüchtigen Bauernstandes. Als ein wirksames Mittel ordnete die niederösterreichische Hofrathsinstruction von 1522 die Delegirung von Commissären durch die niederösterreichische Raitkammer an, welche sich an Ort und Stelle über die Richtigkeit der eingelaufenen Be- schwerden unterrichten sollten. Zu diesem Behufe diente die Einsichtnahme der Urbarbücher und Register der einzelnen Aemter durch diese Commissäre, welche dann den Bauern den Umfang ihrer Leistungsverpflichtungen auf Grund der Ein- tragungen in die Urbarbücher verkündeten. Und wie die Bauern ermahnt wurden, in allen durch diese urkundliche Grundlage tixirten Zinsen und Diensten ihren Hauptleuten u. s. w. ge- horsam zu sein und ihren Verpflichtungen pünktlich nachzu- kommen, ebenso wurde auch diesen eingeschärft, die armen Leute ihrer Verwesung in keiner Weise über ihre Leistungs- pflicht hinaus zu bedrängen.2 Um dieser Mahnung auch nach- haltige Vollziehung zu sichern, wurde die Anordnung getroffen, dass ungefähr alle zwei Jahre Commissäre die Hauptmanu- schaften, Pflegen, Aemter und Pfandschaften bereisen sollten behufs Untersuchung und Entscheidung der Beschwerden der Bauern, denn auch eine Entscheidungsgewalt war diesen Com- missären ausdrücklich eingeräumt. Nur in sehr verwickelten
1 Niedertfsterreichische Hofrathsinstruction von 1522: ,so sein wir als herr und landsfurst von angeborner guetigkait genaigt und des gnedigen willens diselben vor beswarung, unbillichem drang und unrechten gne- diclichen zu entheben, schirmen und handzuhaben . . .'
2 Instruction von 1522: ,Und daneben den haubtleuten, phlegern, ambt- leuten und andern phandschaftern in unserm namen mit sönderm ernst und bei Vermeidung unser swären ungnad und straf bevelhen und ein- pinden, das si di armen Ieut, so unter ihren Verwesungen gehören über die gewondlichen zins, rent, gult, robot und ander dienstperkait, aucli sonst mit unpillichen steurn, straf oder in ander weg hinfuro nit dringen, bekumern noch beswSren, sonder bei aufweisung der urbarbuecher und bei der pillichait beleiben lassen, damit sich unser arm leut dest stat- licher erneren und bei inen, iren weib, kind, haus und hof beleiben inugen.'
211
Fällen, deren Entscheidung den Corninissären zu schwer, waren die Acten an den niederösterreichischen Hofrath zu senden, welcher die Entscheidung fällte, deren Execution gegen den Strafmässigen Sache der Raitkamrner war. '
Das Institut einer in wiederkehrenden Zeitabschnitten fungirenden Commission kam nicht zur Einführung, denn die Instruction für den niederösterreichischen Hofrath von 1523 spricht nur von der Abordnung von Commissären zu füglicher und gelegener Zeit. Diesen war aber jede Entscheidungs- befugniss entzogen, und sie blieben darauf beschränkt, über das Ergebniss ihrer Nachforschungen über die den Beschwerden zu Grunde liegenden Thatumstände gutachtlich an den nieder- österreichischen Hofrath zu berichten, welchem die ausschliess- liche Entscheidungsgewalt gewahrt wurde.
Die Instruction von 1524 stellte sodann das Princip auf, dass künftig einzig der niederösterreichische Hofrath zur Ab- haltung von Verhören competent sein soll,2 auch in solchen das Kammergut berührenden Angelegenheiten. Die Zustän- digkeit der Raitkamrner für solche Verhöre ward aufgehoben, dagegen eine Mitwirkung der Raitkamrner für die Behandlung dieser Kategorie von Rechtssachen nach wie vor beibehalten.
1 Die Instruction von 1522 bestimmte, dass der Hauptmann, Pfleger u. s. w., welcher einen Holden unbilliger Weise um Geld gestraft habe, der nieder- österreichischen Raitkamrner den siebenfachen Betrag zur Strafe und ausserdem dem Geschädigten den von ihm genommenen Betrag entrichten müsse. Lag Zuerkennung einer widerrechtlichen Leibesstrafe vor, so hatten die Commissäre oder der Hofrath die Strafe nach Lage der Sache zu bemessen. Waren widerrechtlich Dienstleistungen beansprucht, so war nicht nur Ersatz zu leisten, sondern den Schuldigen traf noch eine Strafe und es konnte sogar auf Entsetzung von der Hauptmannschaft, Pfleger- schaft u. s. w. erkannt werden.
2 Instruction für den niederösterreichischen Hofrath von 1524 (wiederholt in der Instruction von 1532): ,Item als bisher unser rate unser rait- camer zwischen den phandherrn, phlegern und unsern urbarleuten und in andern Sachen zwischen unsern underthanen unser camergut betreffend verhör gehalten, nun ist entlich unser mainung, das unser vicestathalter und hofrat hinfuran alle verhör halten und was supplicatiou in unsern hofrat kumen, die unser camergut betreffen, sollen in unser raitcamer geschickt werden, damit si der notturft nach darin handien, soverr aber in denselben sachen verhör not sein wirdet, sollen unser raitrete dieselb sach widerumb in unsern hofrat senden, das si verhörtag für si ansetzen und handien, was sich geburt.'
14*
•!rfc
V
210
Ordnungen zur Beseitigung solcher Missbräuche. Ferdinand betrachtet es als eine Pflicht seines landesväterlichen Berufs, den bedrückten Grundholden beizuspringen. ' Seine Bestre- bungen, diesen Bedrängten die kräftige Stütze einer geordneten Rechtshilfe zu gewähren, waren getragen von der gesunden socialpolitischen Werthschätzung eines tüchtigen Bauernstandes. Als ein wirksames Mittel ordnete die niederösterreichische Hofrathsinstruction von 1522 die Delegirung von Commissären durch die niederösterreichische Raitkammer an, welche sich an Ort und Stelle über die Richtigkeit der eingelaufenen Be- schwerden unterrichten sollten. Zu diesem Behufe diente die Einsichtnahme der Urbarbücher und Register der einzelnen Aemter durch diese Commissäre. welche dann den Bauern den Umfang ihrer Leistungsverpflichtungen auf Grund der Ein- tragungen in die Urbarbücher verkündeten. Und wie die Bauern ermahnt wurden, in allen durch diese urkundliche Grundlage fixirten Zinsen und Diensten ihren Hauptleuten u. s. w. ge- horsam zu sein und ihren Verpflichtungen pünktlich nachzu- kommen, ebenso wurde auch diesen eingeschärft, die armen Leute ihrer Verwesung in keiner Weise über ihre Leistungs- pflicht hinaus zu bedrängen.2 Um dieser Mahnung auch nach- haltige Vollziehung zu sichern, wurde die Anordnung getroffen, dass ungefähr alle zwei Jahre Commissäre die Hauptmann- schaften, Pflegen, Aemter und Pfandschaften bereisen sollten behufs Untersuchung und Entscheidung der Beschwerden der Bauern, denn auch eine Entscheidungsgewalt war diesen Com- missären ausdrücklich eingeräumt. Nur in sehr verwickelten
1 Niederösterreichische Hofrathsinstruction von 1522: ,so sein wir als herr und landsfurst von angeborner guetigkait genaigt und des gnedigen willens diselben vor beswarung, unbillichem drang und unrechten gne- diclichen zu entheben, schirmen und liandzuliaben . . .'
2 Instruction von 1522: ,Und daneben den haubtleuten, phlegern, ambt- leuten und andern phandschaftern in unserm namen mit sonderm ernst und bei Vermeidung unser swären ungnad und straf bevelhen und ein- pinden, das si di armen leut, so unter ihren Verwesungen gehören über die gewondlichen zins, rent, gult, robot und ander dienstperkait, auch sonst mit unpillichen steurn, straf oder in ander weg hinfuro nit dringen, bekumern noch beswären, sonder bei aufweisung der urbarbuecher und bei der pillichait beleihen lassen, damit sich unser arm leut dest stat- licher erneren und bei inen, iren weib, kind, haus und hof beleiben mugen.'
Fallen.
.
211
Fällen, deren Entscheidung den Cominissären zu schwer, waren die Acten an den niederösterreichischen Hofrath zu senden, welcher die Entscheidung- fällte, deren Execution gegen den Strafmässigen Sache der Raitkaniiner war. '
Das Institut einer in wiederkehrenden Zeitabschnitten fungirenden Commission kam nicht zur Einführung, denn die Instruction für den niederösterreichischen Hofrath von 1523 spricht nur von der Abordnung von Commissären zu füglicher und gelegener Zeit. Diesen war aber jede Entscheidungs- befugniss entzogen, und sie blieben darauf beschränkt, über das Ergebniss ihrer Nachforschungen über die den Beschwerden zu Grunde liegenden Thatumstände gutachtlich an den nieder- österreichischen Hofrath zu berichten, welchem die ausschliess- liche Entscheidungsgewalt gewahrt wurde.
Die Instruction von 1524 stellte sodann das Princip auf, dass künftig einzig der niederösterreichische Hofrath zur Ab- haltung von Verhören competent sein soll,2 auch in solchen das Kammergut berührenden Angelegenheiten. Die Zustän- digkeit der Raitkammer für solche Verhöre ward aufgehoben, dagegen eine Mitwirkung der Raitkammer für die Behandlung dieser Kategorie von Rechtssachen nach wie vor beibehalten.
1 Die Instruction von 1522 bestimmte, dass der Hauptmann, Pfleger u. s. w., welcher einen Holden unbilliger Weise um Geld gestraft habe, der nieder- österreichischen Raitkammer den siebenfachen Betrag zur Strafe und ausserdem dem Geschädigten den von ihm genommenen Betrag entrichten müsse. Lag Zuerkennung einer widerrechtlichen Leibesstrafe vor, so hatten die Commissäre oder der Hofrath die Strafe nach Lage der Sache zu bemessen. Waren widerrechtlich Dienstleistungen beansprucht, so war nicht nur Ersatz zu leisten, sondern den Schuldigen traf noch eine Strafe und es konnte sogar auf Entsetzung von der Hauptmannschaft, Pfleger- schaft u. s. w. erkannt werden.
2 Instruction für den niederösterreichischen Hofrath von 1524 (wiederholt in der Instruction von 1532): ,Item als bisher unser rate unser rait- camer zwischen den phandherrn, phlegern und unsern urbarleuten und in andern Sachen zwischen unsern undertlianen unser camergut betreffend verhör gehalten, nun ist entlich unser mainung, das unser vicestathalter und hofrat hinfuran alle verhör halten und was supplicatiou in unsern hofrat kumen, die unser camergut betreffen, sollen in unser raitcamer geschickt werden, damit si der notturft nach darin handien, soverr aber in denselben sachen verhör not sein wirdet, sollen unser raitrete dieselb sach widerumb in unsern hofrat senden, das si verhörtag für si ansetzen und haiidlen, was sich geburt.'
14*
212
Erst die niederösterreichisehe Hofrathsordnung von L532 über- trägt die Zuständigkeit zur Entscheidung solcher Beschwerden
auf andere Organe, auf den Landmarschall, die Landeshaupt- leute, Landesverweser und Vicedotne. Die Kegel bildet also jetzt Entscheidung durch einen Einzelbeamten. Nur wenn es sich um Urbargut handelt, soll ausser einem der erstgenannten Be- amten noch der Vicedom zur Entscheidung- herangezogen werden. Die Regierung wird mit diesen Beschwerden jetzt nur noch befasst, falls die vorgenannten Organe die Saehe verschleppen oder wenn die Klagen der Unterthanen gegen sie selbst ge- richtet sind.1
Die Instruction für die niederösterreichisehe Raitkammer von 1539,2 welche in detaillirter Weise diese Competenzfragen regelte, bewegte sich im Allgemeinen in der eben beschriebenen Bahn. Der Vicedom wird für zuständig erklärt für die Ent- scheidung der Beschwerden der Unterthanen wegen ungebühr- licher Inanspruchnahme von Leistungen. Unter den oben an- geführten zwei Voraussetzungen entsteht erst die Competenz der Regierung und der Raitkammer, welche dann gemeinschaftlich
1 Wird ein Amtmann für strafmässig befunden, gegen den soll durch Er- kenntniss der Regierung unter Zuziehung eines Rathes der Raitkammer eingeschritten werden.
2 ,Nachdem uns von unsern armen leuten und underthanen über unser haubtleut, phleger, phandschafter und ambtleut, denen si uuderworfen sein, vil clag und beswarung furkumen, uns aber nicht gemaint, das die- selben unser haubtleut, phleger, phandschafter und ambtleut unsere under- thanen und holdeu irer Verwesung und phandschaft hinfuro über die gewond- lichen zinse, dienst, robot, steur und sonst wider die billichait dringen und bewären sollen, demnach ist unser mainung, wo dergleichen beswärungen unsern underthanen in unsern fürstenthumben Steyr, Kherndtn, Crain und Görtz durch die ambtleut zuegefuegt wurden, das si sich derselben vor unsern geordenten vitzdomben jedes lands, darinnen die underthanen und ambtleut sitzen, darnach die Sachen, es sei unser urbarguet oder justicia oder ir sonder beswär wider die phandschafter und ambtleut antrifft, bc- clagen mögen, derselb unser vitzdomb in demselben land soll in solher beswarung geburlich handln und einsehen thuen. wo aber ain vitzdomb darin verzuglich oder sonst dermasseu handlet, das die underthanen des beswär betten oder die sach ine selbs anträft', so sollen unser underthanen im selben faal bei unser n. ö. .regierung und camer ir beswär anbringen und umb Wendung ansuechen, welche auch alsdann auf solh anruefen forderlich die billichait verfliegen oder die sach mit recht entschaiden, auch was sich gegen den vitzdomben von wegen ihrer nachlässigkait gehurt, haudien sollen.'
213
ein rechtliches Erkenntniss fällen, wenn der Weg des gütlichen Ausgleichs vergeblich beschritten worden war. Die nämlichen Orgaue waren auch competent, wenn Pfleger, Hauptleute u. s. w. gegen Unterthanen zu klagen hatten. Ebenso stand auch dem Vicedom die Cognition zu in Klagen (Beschwerden oder An- forderungen) der niederösterreichischen Landleute gegen die Pfleger, Pfandschafter oder Käufer auf Wiederverkauf ,umb sachen, so gewaltig oder ander eingriff, täglich handlung oder ains des andern einziehung der gueter, neurung oder ander personlich spruch, die unser camerguet beträffen'. Waren aber die Landleute nicht Kläger, sondern Beklagte, so hatten Vice- dome mit den Landeshauptleuten ' die Entscheidung zu fällen. Das Appellationsurtheil war auch hier von der Regierung und Kammer auf Anrufen einer Partei zu erlassen. Nur in Oester- reich unter der Enns fiel die Jurisdiction des Vicedoms hinweg. Dagegen soll in Sachen, welche Hoheit und Obrigkeit, Eigen- thum, Grund und Boden der königlichen Kammergüter berühren, sobald sie noch nicht auf den ordentlichen Processgang ge- leitet, von Regierung und Kammer (,in guetlichen verhörn und ausserhalb gerichtlicher process') verhandelt werden. Dagegen war die Regierung allein zuständig, sobald die Klage im Wege des Civilprocesses geltend gemacht wurde — ,was in ordinari rechten ist, (soll) vor unsrer niederösterreichischen regierung gerechtfertigt werden'. Wenn die Pfändschaftsinhaber oder Amtleute gegenüber solchen Ansprüchen wegen Eigen- thums, Grund und Bodens der Kammergüter oder deren Per- tinentien glaubwürdig nachwiesen, dass ihnen das Kammergut in dem Umfange überantwortet oder dass es von seinem Vor- gänger in gleicher Weise innegehabt, war es Sache des Eigen- thümers, also des Königs, sein Eigenthumsrecht zur Anerkennung zu bringen und für die Besitzer einzutreten, die zur Verant- wortung der Sache nicht gedrungen werden sollen. Die Klage ist hier unmittelbar an die Regierung zu verweisen. Die Kammer war hierbei nur insoweit betheiligt, als sie die genaue Beob- achtung dieser Vorschriften zu überwachen und jede Zuwider-
' Der Landeshauptmann und dessen Stellvertreter, der Landesverweser, hatten eine Doppelstellung, sie waren Vertreter der Landschaft und zu- gleich in mehrfacher Beziehung landesfürstliche Beamte. Vgl. v. Krones, Die landesfürstlichen Patente 14D3 — 1564. (Beiträge zur Kunde steier- märkischer Geschichtsquellen, 1882, XVIII., S. 145.)
214
handlung seitens der Landeshauptleute, Landesverweser und Vicedome rückgängig zu machen hatte.
Aus diesem Gewirre der Vorschriften und Competenz- abgrenzung lässt sich nur. schwer eine principielle Grundlage erkennen. Beschwerden gegen Beamte und Klagen gegen den Fiscus werden unterschiedslos neben einander gestellt, * doch handelt es sich stets um Domänialstreitigkeiten. Es ist im Grossen und Ganzen die Domänenjurisdiction, die in diesen Normen ihre Regelung findet. Alles war noch im Flusse begriffen, man war noch nicht zu einer vollständigen Scheidung der rein privatrechtlichen Streitigkeiten des Fiscus von den Ansprüchen öffentlichrechtlicher Natur durchgedrungen. Die Ansätze einer solchen Unterscheidung treten aber schon in der Regelung hervor, welche diesen aus dem Domänenbesitz fliessenden An- sprüchen zutheil wird. Es ist keine Jurisdiction über öffent- liches Recht und deshalb ist die Cognition auch nicht der Kammer allein überwiesen. Der Combinirung der privatrecht- lichen Streitigkeit und des königlichen Interesses wird Rechnung getragen dadurch, dass Regierung und Kammer gemeinschaftlich zur Jurisdiction in zweiter Instanz berufen werden. In erster Instanz wird allerdings das finanzielle Interesse in den Vorder- grund gerückt, indem die Entscheidung dem Vicedom, also einem Beamten der Finanzverwaltung und diesem in Gemein- schaft mit dem Landeshauptmann für solche Fälle übertragen wird, wo eine Partei den Ständen angehörte. Hier sollte dann der Landeshauptmann als Vertreter der ständischen Interessen fungiren gegenüber dem Repräsentanten des landesfürstlichen Kammergutes. Dass die beiden zuerst angeführten Gattungen von Streitigkeiten, die über Art und Umfang der Zinsen und Leistungen und über Eingriffe und persönliche Ansprüche gegen das Kammergut, dem bürgerlichen Rechte angehören und also die Competenz der Gerichte für sie gegeben war, ist unserer modernen Auffassung wohl ganz geläufig; damals erschien ihr Zusammenhang mit dem Finanzwesen aber so wesentlich, dass der Vicedom in erster Instanz das forum speciale causae für sie bildete und in zweiter Instanz die Kammer, welcher die Beaufsichtigung der Domänenverwaltung zukam, welche also
' ,darnach die Sachen, es sei unser urbarguet oder justicia oder ir sonder beswär wider die . . . ambtleut.'
215
auch die beste Kenntniss von der Grundlage der einschlägigen Rechtsverhältnisse hatte, zur Regierung herangezogen ward, um dieselben zu entscheiden.
In aller Folgerichtigkeit ward der Gesichtspunkt des Civil- rechtsstreites festgehalten bei allen Eigenthumsklagen, welche im Hinblick auf Domänen angestellt wurden. ' Das für solche Eigenthumsstreitigkeiten regelmässig zuständige Gericht, die Regierung, war ausschliesslich befugt, derartige Eigenthums- processe (,in ordinari rechten') zu schlichten. Nur so lange Ver- handlungen zur gütlichen Beilegung der Strittigkeiten schwebten, wurde auch die Kammer von der Regierung beigezogen zur Führung derselben wegen der ihr beiwohnenden besonderen Sachkenntniss.
Die Betheiligung der Kammer an der Rechtspflege, wie sie durch die niederösterreichische Kammerordnung vorgeschrieben ward, stellt sich also nicht sowohl als eine besondere Art der Finanzjurisdiction dar, sondern als eine Unterstützung des Organes für Rechtspflege, der Regierung, in allen Rechtsangelegen- heiten, in denen es sich um das Interesse des Kammergutes handelt.
3. Der Kamiuerprocurator.
In Verbindung mit der Regierung und Kammer stand das Amt des Kammerprocurators.
Aus dem Bedürfnisse nach einem Organe für die Ver- tretung der finanziellen Interessen von Kaiser und Reich er- wuchs das Amt des Fiscals. 2 Bei der innigen Verbindung, in welcher jede staatliche Thätigkeit, insbesondere die Gerichts- barkeit wegen der Bussen und Confiscationen mit den Finanzen stand, erweiterte sich sein Wirkungskreis, und schon unter Friedrich III. liegt ihm die Verfolgung aller Uebertretung königlicher Gebote, Freiheiten und Urtheile ob und er wird
1 In Frankreich, wo die Könige darnach strebten, diese Processe an die Rechnungskammer zu bringen, gelang es nicht, dieselben der Zustän- digkeit der Parlamente zu entziehen. Vgl. R. Dareste, p. 244.
2 Tomaschek, Die höchste Gerichtsbarkeit des deutschen Königs und Reiches (Abdruck aus den Sitzungsber. der Wiener Akad., phil.-hist. Cl., Bd. 49, Wien 1885, S. 87, 89). Solche Reichsfiscalprocuratoren kommen seit 1427 vor.
216
zum öffentlichen Ankläger beim Kammergericht, welcher im Namen des Kaisers die Klage zu erheben hatte, ,dem heiligen Reiche zugute, dem Recht und Frieden zur Förderung und Handhabung, den Unterthanen zur Bewahrung vor unbilligen Schäden und Beschwerungen dienen sollte', wie Friedrich III. bei Bestellung eines Fiscals am Kammergerichte (1489) be- merkte.1 Mit der Gründung des Reichskammergerichts (1495) wurde dann der Reichsfiscal dauernd unter das Personal dieses Gerichtshofes aufgenommen. In den Territorien2 wurden die seit dem 15. Jahrhundert vorkommenden Fiscale im Laufe des 16. nach dem obigen Vorbilde reorganisirt.
Die Identität des Herrschers im Reiche und in Oester- reich hatte unter Max manche gemeinsame Organe für beide Herrschaftsgebiete entstehen lassen. Zu diesen dürfte auch der Fiscal gehören, welcher in der angeführten Bestallungs- urkunde des Generalschatzmeisters 1491 erwähnt wird. Ihm wird die Aufgabe zuertheilt, diejenigen, welche sich weigerten, ihre Leistungsverpflichtungen (Anschläge, Steuer, Schätzung) zu erfüllen, mit Recht vorzunehmen. Bald finden wir aber auch einen österreichischen Fiscal erwähnt (1500). Er erscheint als Vertreter der Interessen des Kammergutes, welcher Jeden, welcher Kammergut, als Ungeld, Zins, Rent oder Anderes dem Landesherrn vorenthielte, vor Hauptmann, Statthalter und Re- genten zu Wien zu Recht fordern und citiren lassen muss. 3
Auch die Räthe, welche Schuldbriefe geben und nicht be- zahlen, auch die Zahlung verzögerten und so das Kammergut vorhielten, sollten dort durch ihn zur processualen Verant- wortung gezogen werden.4
1 Franklin, Das Reichshofgericht im Mittelalter, Weimar 1869, IL, S. 176, 180.
2 Schon 1417 kommt ein procurator fisealis in Kurmainz vor, 1468 in Brandenburg. Vgl. Ortloff, Die öffentliche Anklage in Deutschland in Zeitschrift für deutsches Recht, XVI., S. 293, 297, 309 ff. (Geschichte des Reichsfiscalats.) In Böhmen seit 1416 (d'Elvert, p. 106).
3 Innsbrucker Statthaltereiarchiv, Embieten und bevelh 1500, S. 233: Schreiben Maximilians (1500, Dreikönig) an Dr. Gwörlich unsern Fiscal in Oesterreich. In demselben wird auf eine schriftliche Unterrichtung in Sachen des Fiscalamts in Oesterreich an die Innsbrucker Schatzkammer hingewiesen. Leider scheint diese nicht erhalten zu sein.
4 Reichsfinanzarchiv (Herrschaftsacten), Instruction für die Wiener Hof- kammer von 1500.
217
Das Fiscalamt ist nach der niederösterreichischen Regi- mentsordnung von 1501 dem Hofrath und der Hofkammer gleich- massig unterstellt und von beiden Behörden empfängt der Fiscal Befehle über seine Amtsführung. 1 Diese war aber den nieder- österreichischen Ständen höchst unbequem; wahrscheinlich wal- teten sie mit unerbittlicher Strenge ihres Amtes und wurden durch das Streben, jeglichen fiscalischen Anspruch zur Geltung zu bringen, verhasst. Die ständischen Ausschüsse2 baten den Kaiser zu Augsburg (1510), , dieses Land mit dem Fiscal, welcher Name ihnen unbekannt, nicht mehr zu beladen'. Der Kaiser willfahrte den Ständen formell, indem er versprach den Namen Fiscal abzuthun und denselben füran Kammerprocurator3 zu nennen, , nachdem ihre Majestät einen haben muss, der ihrer Gnaden im Rechten und sonst Handel nehmen lassen'.4 Der anstössige Name wurde also preisgegeben 5
Die immer mehr durchdringende Reception des römischen Rechts führte auch die privilegia fisci in das deutsche Rechts- leben ein. Das betrachteten die Stände als einen schweren Ein- griff in ihre Rechtssphäre und widersetzten sich dem mit Zähig- keit. Unablässig ertönten auf dem Innsbrucker Ausschusslandtage von 1518 die Beschwerden über diese Verletzung des Herkommens. Der Kaiser, so lautet die Bitte der Stände, möge keinem Fiscal ein gerichtliches Auftreten , schein der viscalischen freyheiten'
1 Harpprecht, Staatsarchiv des Reichskammergerichts, IL, S. 428.
2 Schon 1502 erhoben die steirischeu Stände Beschwerde über den Fiscal und dessen beschwerliche ,newe funde wider alt herkömen1 und ver- langten die Abschaffung dieser unerhörten Neuerung (Krones, Vorar- beiten zur Quellenkunde und Geschichte des Landtagswesens in Steier- mark in Beiträge zur Kunde steiermärkischer Gesehichtsquellen, VI., S. 80).
3 Dieser Name kommt schon 1509 vor in einem Decrete (Gent, 4. März), in welchem Max auf eiue Beschwerde der Landschaft unter der Enns, dass bei Ansprüchen gegen den Kaiser das Recht verweigert werde, ver- fügt, dass das Regiment künftig auf das Begehren dessen, der Spruch und Forderung gegen ihn zu haben vermeine, Ladung auf unsern Kammer- procurator an unser statt geben und ausgehen lasse. Vgl. Z eibig, S. 326.
4 Augsburger Libell von 1510 (Steirische Landhandfeste, S. 37 f.).
5 Ueber die Behandlung der Klagen der Unterthanen gegen den Landes- herrn vergleiche Luschin, Gerichtswesen, S. 285. Solche Klagen waren vor dem Regiment anzubringen, welches, falls einzelne Räthe parteiisch wären, durch einige unparteiische an ihrer Stelle ergänzt werden sollten. Siehe Steirische Landhnndfeste, S. 39.
218
gestatten, sondern solche Sachen in seinem Namen vor dem ordentlichen Gerichte eines jeden Landmannes nach gemeinem Landesbrauche einleiten und es nicht dulden, dass fortan Jemand durch den Kammerprocurator ,iui rechten umbgefürt' werde, da im Lande Oesterreich nach altem Herkommen weder Fiscus noch fiscalische Rechte Platz haben. ' Der Kaiser berief sich darauf, dass er in den Erblanden bisher einen Fiscal gehabt habe nicht von Reichswegen, sondern in seiner Eigenschaft als Erzherzog von Oesterreich, und dass kein Land bezüglich eines solchen Fiscals gefreit sei. Wenn er auch damit einverstanden sei, dass die Bezeichnung Fiscal gemäss dem Augsburger Libell wegfalle, und dass die Processe nicht mehr fiscalische genannt werden, so könne er doch eines solchen Kammerprocurators nicht entrathen, ,für die seine Person, Ehre und Gut betreffenden Angelegenheiten, um dieselben vor dem Regiment nach Gebühr durchzufechten, einzuklagen und zu vertheidigen, durch welches sich die Ausschüsse nicht beschwert erachten könnten'.2
Im Innsbrucker Libell 3 wurde bezüglich der niederöster- reichischen Länder auf das Augsburger Libell verwiesen, für die oberösterreichischen und vorderösterreichischen Länder eine Erklärung des bisherigen Gebrauches vorgenommen in der Richtung, dass Klagen gegen den Landesherrn vor den Regi- menten auszutragen seien. Ansprüche des Landesfürsten gegen Landleute und Unterthanen sollten in erster Instanz vor dem ordentlichen Gerichte durch den Kammerprocurator oder einen anderen Bevollmächtigten, ,doch nicht in Schein fiscalischer Freiheit' geltend gemacht werden. Von diesen gewöhnlichen Ansprüchen waren zu unterscheiden solche, welche des Landes- herrn Person betrafen, die unmittelbar vor den Hofrath ge- bracht wurden, oder solche Händel, so Hoheit, Obrigkeiten, Herrlichkeiten, Pfandschaften und Aemter berührten, welche vor dem Hofrath oder dem Regiment gerechtfertigt werden mussten. Dieser Unterscheidung lag der Gedanke einer Trennung der civilrechtlichen Ansprüche von denen öffentlich rechtlicher Natur zu Grunde, welcher aber nicht in voller Schärfe durch- geführt war.
1 Zeibig, S. 238, 252.
2 Zeibig, S. 294, 308.
3 Steirische Landhandfeste, S. 48.
219
Bei der durchgreifenden Behördenorganisation, welche Fer- dinand, gleich nachdem er als Gubernator die Erblande betreten hatte, vornahm, fand auch das Amt des Kammerprocurators l seine Regelung. Bei dem regen Streben nach Hebung des Kammergutes ergab es sich von selbst, auf Grundlage der über- kommenen Elemente das Organ, welches zur Wahrnehmung der finanziellen Interessen des Landesherrn berufen war, fester und wirkungsvoller in den Rahmen der Verwaltungseinrichtungen einzufügen. In Angliederung an die beiden Raitkammern wurden deshalb sowohl für die niederösterreichischen als auch für die oberösterreichischen Länder, zu welch letzteren in verwaltungs- rechtlicher Beziehung stets die vorderösterreichischen Gebiets- theile gezählt wurden, je ein Kammerprocurator bestellt, welcher der Raitkammer untergeben und von dieser Behörde in Ver- waltung seines Amtes abhängig war.2 Daneben stand er aber auch in Beziehungen zur Regierung, und die niederösterreichischen Hofrathsinstructionen von 1521 ff. ordneten seine Verwendung in diesem Collegium gleich anderen Räthen an, wenn er nicht mit anderen wichtigen Geschäften beladen wäre.3 Auch die Tiroler Kammerordnung von 1536, welche ausdrücklich sagte, dass er nicht im Rathe bei der Regierung sitzen soll, legte ihm die
1 Wie unter Maximilian wurde aucb jetzt nur ein Doctor juris zu dieser Stellung ernannt. Ausser Kammerprocurator kommt auch Fiscalkammer- procurator (z. B. Hofrathsordnung von 1523 und 1524) vor. Auch be- gegnet seit 1522 ein Advocat des Fiscalkammerprocurators.
2 So durfte er nach der niederösterreichischen Kammerordnung von 1539 ohne Zustimmung der Raitkammer keinen Vergleich abschliessen und diese musste hierzu erst die Genehmigung des Königs erholen. Ueber- haupt sollte die Raitkammer ,zur Verhütung Schimpfs und Unlusts, so uns nicht allein bei den Partheien, sondern auch sonst daraus entstehen möcht' sorgsam erwägen , dass kein Process durch den Kammerprocu- rator angestrengt werde, wenn nicht das Fundament der Klage ,wohl gegründet und zu Recht genugsam gefasst' sei. Diese Bestimmung knüpft an an die Verhandlungen des Innsbrucker Ausschusslandtags von 1518, wo Maximilian dem Verlangen der Stände, dass auch der sachfällige Fiscus zur Tragung der Kosten verurtheilt werde, mit dem Zugeständ- nisse begegnete, dass, um künftig unbegründete und muthwillige Klagen seitens des Fiscus zu verhindern, keine Vorladung durch Kaiser und Regiment ergehen dürfe, wenn nicht vorher durch dasselbe erwogen worden, ob die Sache begründet und ,der Clag zum visco' würdig sei. Vgl. Zeibig, S. 294.
3 ,so solle Statthalter und hofrath ine in den gerichtlichen handlungen und andern sachen, wie es die notdurft ervordert, brauchen.'
220
Verpflichtung auf, in der Regierung auf Befehl des Statthalters zu erscheinen und sich verwenden zu lassen, sei es zur Bericht- erstattung oder zu anderen Handlungen,' sofern dieselben nicht mit einer Rechtfertigung des Kammeigutes zusammenhingen. Denn hier, wo er als Parteivertreter zu fungiren hatte, durfte er nicht selbst an der Urtheilsfällung sich betheiligen.2 Seine Hauptaufgabe bestand nämlich in der processualen Vertretung des Landesherrn in allen seinen finanziellen Ansprüchen ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund derselben. ,Als solcher sollte er an unsrer statt3 und von unsern wegen in allen unser Sachen, Klagen, Sprüchen und Forderungen, die wir haben oder ge- winnen werden, es berühre unsere Obrigkeiten, Herrlichkeiten, Gerechtigkeiten, Witthum, Forst, Wildbann, Gejaid, Fischweiden, Strafen, Bussen, Zinsen, Renten, Nutzungen, Gülten, Zehent, Stift-, Urbargüter, Confiscationen, Schulden oder andre unsre Kammergüter, die seien Lehen oder Eigen, liegend oder fahrend, nichts ausgenommen, gütlich und rechtlich handeln und die
1 Die niederösterreichische Kammerordnung von 1539 lässt im Gegensatz zur niederösterreichischen Hofrathsinstruction von 1521 den Kainmerpro- curator nicht zu den Sitzungen des Hofraths, sondern zu denen der Raitkammer zuziehen, falls seine Anwesenheit bei den Berathungen von Kammergutsangelegenheiten für wünschenswerth erachtet würde; er soll aber nicht wie ein ordinari Raitrath gehalten werden, hebt sie besonders hervor.
2 Der Kammerprocurator soll von den Verhören ausgeschlossen sein, be- stimmt der aus der Regierungsinstruction in die niederösterreichische Raitkammerordnung übernommene Artikel. In der oberösterreichischen Re- gierungsinstruction von 1536 wird dagegen bestimmt: Nachdem Beschwerde darüber geführt wird, dass ein Kammerprocurator bei der Regierung im Rathe sitze, von wegen der Rechtfertigung, die er etwa von des Kammer- gutes wegen gegen Parteien führen muss, so wollen wir, dass er hinfür nicht mehr bei der Regierung im Rathe, sondern bei der tirolischen Kammer sein und untere Kammersachen, Confiscationen, Pönfäll, Lehn- fälligkeiten u. dgl. handle, doch soll er in der Regierung erscheinen, wenn man seiner bedarf, in Sachen, die nicht Rechtfertigung des Kammer- gutes berühren.
3 Dr. J. Frankfurters Camerprocurators gwalt (Reichsfinanzarchiv, Gedenk- buch 19, p. 198, ddo. Innsbruck 1523, Juni, 1): ,Wir Ferdinand, das wir unsern rat Dr. Frankfurter zu unserm camerprocurator viscal in unsern innern und vordem oberöst. landen aufgenommen . . .' Dieser Dr. Frank- furter war der Verfasser der revidirten tirolischen Landesordnung von 1532. Vgl. Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Braun- schweig 1864, II., S. 404.
221
von allen Personen zu fordern, welche uns solche auszurichten nicht vermeinen, gegen solche oder auch gegen ungehorsame Amtleute das Recht vor unserm Statthalter und Hofräthen suchen.'
Aus der Aufzählung dieser Bestallungsurkunde ersieht man, dass der Kammerprocurator als ein Hilfsorgan der zur Wahrung der Interessen des Kammerguts berufenen Raitkammer überall da einzutreten hatte, wo eine Schmälerung der landes- fürstlichen Einkünfte nur zu verhüten war durch Anstrengung eines Processes gegen diejenigen, welche in Erfüllung irgend einer ihnen obliegenden Leistungspflicht gegen das Aerar säumig waren. Der Katalog der aufgeführten Gegenstände ist ein höchst mannigfaltiger; auf dem öffentlichen Rechte fussende Einkünfte stehen hier in buntem Gemenge neben rein privat- rechtlichen. Es kam nur darauf an, dass der Ertrag in die königliche Kammer floss, und die Zuständigkeit des Kammer- procurators war gegeben.
Aber mit dieser Thätigkeit eines advocatus fisci waren seine Functionen nicht erschöpft. Da die Kammerprocuratur jeder Verminderung des Kammergutes vorzubeugen bestimmt war, erstreckte sich seine Pflicht auch darauf, alle von Pflegern, Amtleuten und Piändherren wegen Verkaufs, Versetzung, Thei- lung oder Veränderung der Stiftgüter oder Nachlass und Ver- änderung der Zinse ausgestellten Urkunden, überhaupt solche, welche dem Kammergut und Eigenthum des Landesherrn zum Nachtheil oder Abbruch gereichten, zu widerrufen oder für kraftlos erklären zu lassen. 1 Selbstverständlich musste ein solcher Widerruf unter Umständen auf gerichtlichem Wege durchgeführt werden, jedenfalls hatte aber der Kammerprocu- rator die Verpflichtung, sofort einzuschreiten, um jeder benach- teiligenden Wirkung einer solchen Urkunde zuvorzukommen, sei es durch Verhandlung und Vereinbarung mit den Parteien oder durch Klageerhebung.
Nicht allein activ, sondern auch passiv hatte er aber den Fürsten zu vertreten und allen Ansprüchen , welche gegen diesen, sein Kammergut und Eigenthum geltend gemacht würden, gütlich oder rechtlich Rede zu stehen. Seine processuale und ausserprocessuale Vertretung des Landesherrn, sofern sich die- selbe innerhalb der durch die Landesbräuche und Kammer-
1 Vergleiche die oben citirte Vollmacht des Dr. Frankfurter.
222
ordnung gezogenen Schranken bewegte, verpflichtete seinen Auftraggeber in jeglicher Beziehung, und seine Verpflichtungen wurden im voraus von diesem anerkannt.
In der Reihe der zur Zuständigkeit des Kammerprocu- rators gehörigen Gegenstände deutet die Erwähnung der Strafen, Bussen und Confiscationen den Punkt an, von welchem aus sich eine Umbildung und Erweiterung dieses Amtes in strafproces- sualer Hinsicht vollziehen sollte. War es ursprünglich der Ge- danke der Fürsorge für die pecuniären Erträgnisse der Straf- rechtspflege, welche den Kammerprocurator mit der Function der öffentlichen Klageerhebung ausgerüstet hatte, so war doch allmälig auch die Auffassung zum Durchbruche gelangt, dass neben den privaten auch die öffentlichen Interessen des Staates Vertretung erheischten. Der Gedanke lag nahe, dasselbe staat- liche Organ, welches zur Vertretung des Fiscus in Privatrechts- streitigkeiten bestellt war, auch mit der Wahrnehmung der öffentlichen Interessen zu betrauen. '
Insbesondere wird der Kammerprocurator zum Kläger von Amtswegen bestellt für solche Fälle, in welchen sich die Miss- achtung der fürstlichen Autorität in dem Ungehorsam gegen die landesherrlichen Befehle zeigte. Einige Fälle des Unge- horsams2 werden in den niederösterreichischen Hofrathsord-
1 Vgl. Risch, Fiscalbeamte (Bluutschli-Brater , Deutsches Staatswörter- buch, III., S. 536).
2 Zur Ausrottung der Strassenräuber war eine Verfolgung derselben durch die Ortsinsassen angeordnet (vergleiche S. 169, Anmerkung 4). Dieser Befehl wurde vielfach übertreten, deshalb bestimmte die niederöster- reichische Hofrathsordnung von 1521 : , — so solle unser hofrat nicht warten bis über dieselben klag komen, sonder unserm camerprocurator bevelhen, das er dieselben als die ungehorsamen von stund an furneme, damit denen, die beraubt worden sein, von inen ain benuegen beschehe.'
Ebenso in den Hofrathsordnungen von 1522, 1523 und 1524. Auch gegen solche, welche den auf Grund von Beschwerden ergangenen Hof- rathsbefehlen den Gehorsam weigerten und die Gegenpartei muthwillig herumzögen, sollte der Kammerprocurator klagend einschreiten: , — so soll derselb umb solh sein ungehorsam durch unsern camerprocurator furgenomen und darauf von wegen derselben ungehorsam gehandlt werden wie sich gepurt und pillichen ist.' (Vgl. auch oberösterreichische Re- gierungsinstruction von 1536.) Nach der niederösterreichischen Hofraths- instruction von 1524 musste der Kammerprocurator auch gegen solche Gerichte und Obrigkeiten summarie et de piano handeln lassen, welche trotz Mahnung die Gefangennahme lutherischer Prediger nicht bethätigten.
223
nungen besonders hervorgehoben und dem Karnmerprocurator die Erhebung der Klage gegen die Ungehorsamen zur Pflicht gemacht. Diese Aufzählung will aber keine erschöpfende sein, denn an einer anderen Stelle, wo generell die Competenz des Kammerprocurators geregelt wird, geschieht seiner Verpflichtung zur Erhebung einer öffentlichen Anklage wegen Verbrechen über- haupt Erwähnung — , derselbe solle von unsern wegen und an unser stat in allen rechtfertigungen, Sachen und handlungen, die unser camerguet auch unser underthanen ungehorsam, strass- rauberei und ander pöss strafmessig Sachen betreffend handien'. ' In ununterbrochener Reihenfolge2 haben sich die Kammer- procuratoren erhalten, und nachdem durch die Errichtung der Staatsanwaltschaft besondere Organe für die Erhebung der öffentlichen Anklage bestellt sind, entspricht die Stellung und die Aufgabe der österreichischen Finanzprocuratoren im heutigen Recht3 in den wesentlichen Grundzügen der Ferdinandeischen Kammerprocuratur. Sie bildet auch in ihrer heutigen Gestaltung, wie Stein sagt, die amtliche Rechtsanwaltschaft des Staates, und ihre Hauptaufgabe besteht (neben der Abgabe von Rechts- gutachten für die Finanzverwaltung) in der rechtlichen Ver- tretung des Fiscus und des Staatsvermögens in seinen einzelnen Zweigen.
S c h 1 u s s.
Die merkwürdige Erscheinung der Verpflanzung der Or- ganisation Maximilians und Ferdinands in andere deutsche Territorien hoffe ich an anderer Stelle ausführlich erörtern zu können. Hier mögen nur einige Beispiele der Reception der österreichischen Verwaltungseinrichtungen in Kürze hervor- gehoben werden. Die mannigfachen Berührungen der Fürsten mit dem deutschen Kaiser gaben den fürstlichen Vertretern Gelegenheit, die österreichische Behördenorganisation kennen und wegen ihrer Zweckmässigkeit schätzen zu lernen. So kam es, dass sie bei der Ausbildung des modernen Staatslebens im
1 Niederösterreichische Hofrathsordnungen von 1521 — 1524.
2 Vergleiche besonders für Mähren d'Elvert, S. 297 ff., 695 ff.
3 Vergleiche über die Verordnung von 1855 (16. Februar) v. Stein, I., S. 475.
224 ■
16. Jahrhundert vielfach in deutschen Territorien Nachahmung
landen.1 Die landesfürstlichen Agenten am kaiserlichen Hofe erstatteten über die Organisation Bericht an ihre fürstlichen Herren.2 Ausserdem waren es auch persönliche Einflüsse, welche die Uebertragung bewirkten, z. B. die Anstellung eines österreichischen Beamten im Dienste eines deutsehen Fürsten. In Baiern wurden die österreichischen Collegialbehörden am treuesten nachgebildet. Herzog Albrecht V., vermählt mit Anna, einer Schwester Kaiser Ferdinands L, hatte kurz nach seinem Regierungsantritte mit der Bildung von Collegialbehörden be- gonnen und am 15. October 1550 eine Hofkammer und am
17. April 1551 den Hofrath organisirt. Gegen Ende des 16. Jahr- hunderts folgte dann die Einrichtung des geheimen Raths und des Kriegs raths. '■>
In dem Fürstenthum Baireuth war es der aus österrei- chischem Dienste als Bergmeister übernommene Gendorf, der 1528 den Entwurf einer Kammer-, Kanzlei-, Hof- und Haus- ordnung4 nach dem Muster der ihm bekannten niederöster- r eichischen Verfassung gemacht hat, welche drei Jahre später zur Einführung kam.5
1 Vergleiche aucli v. Maurer, Geschickte der Fronköfe, Erlangen 1862, IL, S. 247 f.
2 Einen solchen Bericht an Herzog Albrecht IV. von Baiern bewahrt das bairische geheime Staatsarchiv in München (Reichstagshaudlungen de anno 1495 — 1504), S. 169. Der Bericht ist von M. Schmidl, ddo. Inns- bruck, Freitag vor invoeavit 1498 an ,s. furstl. gnaden zu aygen kenden' gericktet: , — aus inligender schrift wirdet eur f. gn. ettlich artikl der newen Ordnungen halben, die itz eröffent sind, bericht, was gestalt furo- hin gehandlt werden sollt und wer dieselben sein.' In der Anlage sind die Namen der Mitglieder der Collegieu und eine Verordnung Maximi- lians I. über die neue Organisation angefügt.
3 Demnächst hofft Verfasser in einer Geschichte der bairischen Geriehts- und Behördenorganisation diese Verhältnisse an der Hand urkundlichen Materials klarzulegen.
4 Erricktet wurde ein in zwei Senate getkeilter Hofratk und eine Kammer- deputation, welcker die Rentmeisterei (Hauptcasse) und ein Recknungsratk (Commission zur Prüfung der Recknungeu) untergeben war. Der Kammer- deputation stand Gendorf selbst als Kammermeister vor. Vgl. Lang, Neuere Gesckickte des Fürstentkuins Baireuth, Göttingen 1798, IL, S. 82 ff.
5 Auch im Fürstenthum Ansbach wurde 1578 ein Hofrath, eine Hofkammer, eine Bekörde für die gekeimen und Sondersacken, also ein geheimer Ratk und eine Bekörde für die preussiseken Sacken gegründet. Vgl. Lang a. a. O., III., S. 25 f.
225
In welch merkwürdiger Weise die Organisationen ihren Wanderzug selbst bis zur entlegenen Ostgrenze Deutschlands fort- setzten, dafür bietet die Geschichte Preussens ein bisher noch nicht genügend gewürdigtes interessantes Beispiel. Georg Friedrich von Ansbach, welcher durch Erbschaft auch Baireuth mit seinem Stammlande vereinigt hatte, wurde 1578 Curator seines Vetters, des Herzogs Albrecht Friedrich von Preussen und suchte mit Energie das ständische Regiment umzubilden und eine moderne landesfürstliche Verwaltung einzuführen. Justiz, Verwaltung und Finanzwesen wurden eigenen Behörden zur selbstständigen Lei- tung übertragen und besonders die Verwaltung der Domänen und Regalien durch Errichtung eines zumeist aus fränkischen Beamten gebildeten ,Kammerrathsn auf neuem Fusse geordnet.2 Auch das Hofgericht wurde der Leitung eines fränkischen Vice- kanzlers unterstellt. Der glückliche Versuch einer geordneten staatlichen Verwaltung konnte sich auf die Dauer nicht halten gegenüber dem Widerstreben der Stände, welche durch den polnischen Lehensherrn in ihrem Widerstände eine Stütze fanden,3 bis der grosse Kurfürst endlich den modernen Staat auch hier begründet.
Da die brandenburgisch-preussische Verwaltungsordnung, welche erst mit der Gründung des geheimen Raths 1604 einen Aufschwung nimmt, ihren Höhepunkt aber erst im 18. Jahr- hundert unter König Friedrich Wilhelm I. ersteigt, sich in eigenen, von der österreichischen unabhängige Bahnen vollzieht, können wir dieselbe ausser Betracht lassen und uns wieder südwärts wenden.
Sehr früh ging man schon im Staate des Reichserzkanzlers an eine Nachahmung der Einrichtungen der kaiserlichen 'Erb- lande. Der Cardinal Albrecht von Brandenburg, Erzbischof
1 Vgl. Isaaksohn, IL, S. 13 ff. Ibid. S. 15 wird die Uebertragung des bis zur Virtuosität durchgebildeten fränkischen Systems der Buchführung hervorgehoben.
2 Ausser dem Kammerrath ward durch die Hofordnung ein ,Hof- und Gerichtsrath' zur Verwaltung der Justiz-, geistlichen Lehen- und Unter- richtssachen und Erledigung der Suppliken errichtet. Die eigentliche Regierung blieb in den Händen der ständischen Regimentsräthe, jetzt .Oberräthe' genannt, die durch drei fränkische .Juristen verstärkt wurden.
3 Bornhak, Geschichte des preussischen Verwaltungsrechts, Berlin 1884, I., S. 302.
Archiv. Bd. LXIX. I. Hälfte. 15
226
von Mainz (1514 — 1545), hatte hier nicht nur ein Hofgericht neu bestellt, sondern auch einen Hofrath und eine Rentkainmer (für Domänen und Gefälle) eingerichtet.1
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts folgte erst das be- nachbarte Erzstift Cöln.- 1597 wurde ein Hofrath, mit dem auch das Hofgericht vereinigt wurde, gegründet. Die seit 1587 ein- geleiteten Schritte zur Trennung des Kammerwesens von den übrigen Regierungsgeschäften führte erst 1610 zur Errichtung einer aus fünf Räthen gebildeten Hofkammer.
Im Hochstift Bamberg wurde ebenfalls ein Hofraths- collegium (später Regierung genannt) als höchste Justiz- und Regierungsstelle und für die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben eine Hofkammer (Rentkammer) eingerichtet. Auch ein Hofkriegsrath wurde für die Ueberwachung der Kriegs- anstalten, besonders als Gerichtsstelle für den Soldatenstand ausgebildet. 3
Wenden wir uns zu den weltlichen Territorien zurück, so sehen wir in der Landgrafschaft Hessen , Statthalter, Kanzler und Räthe' zu Kassel (seit 1586 auch Land- oder Hofräthe genannt) Justiz- und Staatssachen behandeln.
Mit der Verwaltung der Finanzen war eine Rentkammer betraut und seit der Mitte des 17. Jahrhunderts erscheint auch ein Geheimrathscollegium. Die Zusammensetzung (Präsident, Kanzler, Laien und Doctores) und Competenz dieser Collegien entspricht im Ganzen dem Vorbilde. 4
Im Kurfürstenthum Sachsen errichtete Kurfürst Moriz 1547 auf Betreiben der Stände einen Hofrath ^Landesregierung') zur Erledigung der Justitien- und Regierungssachen. 5 Einige Räthe dieses Collegiums wurden vom Kurfürst August als
1 Bodraann, Rheingäuische Alterthümer, Mainz 1819, I., 2G6, 268.
2 Walter, Das alte Erzstift und die Reichsstadt Cöln, Bonn 1866, S. 85 ff., 90 f., 153 ff.
3 Schuber th, Historischer Versuch über die Staats- und Gerichtsverfassung des Hochstiftes Bamberg, Erlangen 1790, S. 108, 112 ff.
4 Kopp, Ausführliche Nachricht von der Verfassung der geistlichen und Civilgerichte in den Hessen-Casselischen Landen, Cassel 1769, I., 292 f.
5 1631 wurde eine Kriegskanzlei, 1684 ein geheimer Kriegsrath bestellt.
227
Kammerräthe bestellt, die zu einem förmlichen Kammercolle- gium erst durch Christian I. (1589) organisirt wurden. '
Wir wollen den Kreis der Beispiele nicht erweitern. Die angeführten, welche Staaten verschiedener Grösse aus allen Gegenden des deutschen Reiches umschliessen, genügen zur Erhärtung der Thatsache der Reception der Ferdinandeischen Organisation in einem grossen Theile Deutschlands und recht- fertigen wohl damit den Versuch einer speciellen Bearbeitung derselben.
1 Lobe, Die oberste Finanzcontrole im Königreich Sachsen (G. Schanz Finanzarchiv, Jahrg. 2, Bd. II, S. 27, 30).
15*
BEILAGEN.
I. Oesterreichisclie Hofrathsordnung von 1541
(1. Januar, Neustadt). (Original im Archiv des k. k. Ministeriums dos Innern zu Wien 4 ex 1541.)
Ferdinand etc.
Ordnung und Instruction, nach welcher unser kunig- licher hofrath gehalten werden soll etc.
Nachdem wir die vilvaltige beschwerliche obligen, damit wir von des hailigen reichs, auch unsrer kunigreich und erb- land wegen beladen, dessgeleichen auch die gevärlichait gegen- wurtiger leuff und zeiten zue gemuet fueren und bei uns selbs bewegen, wie hoch und gross von nöten, denselben allenthalben statlieh auszewarten, damit sollich obligen und leuff jederzeit nach dem willen und wolgevallen des allmechtigen, auch fur- nämblich zu seinem lob, eer und preiss und dann gemainer christenhait dem heiligen reich, unsern kunigreichen , land und leuten zue guet, trost und wolfart gelaitet, gebändelt und verrichtet werden, inmasseu wir uns des von anfang unsrer regierung und in ch rafft unsers obligenden kunig- lichen ampts unserm vermugen nach bisher getreulich be- flissen, uns auch hinfuran dhain muehe noch arbait, daran be- taurn zelassen gedenken, hierumb und damit wir nun solh unser christlich und kuniglich vorhaben, sovil mer in wurkung bringen und gemainer christenhait, auch unsern des heiligen reichs, unsrer kunigreich land und leut, hochen, schwären ob- ligenden haubtsachen dest beruebter und fruchtbarlicher nach- gedenken und denselben statlieh vorsein und auswarten und dannocht daneben meniglichem, so uns umb hilf und handhabung
1 Herr Dr. phil. Arthur Goldmann in Wien hat mich durch Hesorgung der Collationirung und Revision der Beilagen vor und während der Druck- legung zu grösstem Danke verpflichtet.
229
ansuechen, ordenlichs, aufrichtigs, fürdeflicha und bestendigs recht und expedition mittaüen und dessen verhelfen möchten, so haben wir bis anher zue furderung und Vernichtung der justicia und parteiensachen unsern kuniglichen hofrathe erhalten, wellichen wir auch hinfuran gleich er massen erhalten und der notturft nach mit noch mer ansehenlichen erbarn frommen ge- schickten und gelerten personen aus dem reich und unsern nider- und oberösterreichischen landen ersezen und all justici und parteien händl (ausserhalb deren, so vinanzsachen und unser chamerguet belangen) für beruerten unsern hofrathe zu erledigen remittiern und weisen wellen.
Und damit sollicher unser hofrathe jeder zeit uns zu eern und reputation ansehenlich gehalten werd, so ordnen und wellen wir, das unser obrister hofmarschalk unsers hofraths vorgeer sein und die umbfrag haben und an jedem ort, da wir ain zeit lang unser beharrlich leger haben, Verordnung thun, damit jeder zeit zu haltung sollichs unsers hofraths in unsern herbergen, oder so es der zimmer halber nit sein kan, an andern ge- legnen nachenden orten dabei ain eerlich zimmer und gemach verordnet und darinn all furvallend justici und parteiensachen gehandelt, auch dasselb zimmer durch den hofrath diener oder thurhueter (wellicher sein aufsehen auf bemelten unsern hof- marschalk haben soll) verwart und sauber gehalten werde.
Ob auch je bei weilen unser obrister hofmarschalk von unserm hove raisen und abwesend sein wurde, wellen wir all- wegen ainen aus unsern hofräthen furnemen, so ine die zeit seins abwesens in unserm hofrath vertreten.
Und sollen unsere hofrath all unserm hofmarschalcli oder in abwesen seinem Verwalter in hofratsachen gehorsam suin und auf ervordern allzeit guetwillig erscheinen und sich ge- brauchen lassen, auch kainer über die angesetzt stund aus- beleiben wellicher aber sollichs on erlaubnuss thuen und seumig sein wurde, der soll von unserm hofmarschalk derhalben an- gesprochen, auch von ime die Ursachen seins ausbeleibens ver- nomen, damit verrer unser notturft nach einsehen beschelicn und gehandelt werden muge.
Ob auch ainer oder mer unsrer hofräthn ansuechen wur- den, inen ain zeit lang von unserm hove zesein zuerlauben, soll sollichs on vorwissen unsers hofmarschalks und der canzlei nit besehenen, sonder zuvor die gelegenhait der zeit, auch die
230
anzal gegenwärtiger räthe, dessgleichen ob die sachn so selbiger zeit zuerledigen seien , sollich der hofräth abreiten erleiden mugen oder nit, vleisslich bedacht werden.
Damit auch die justici und parteien Sachen und zuvorderst die armen leut, so uns etw'o aus not und zum tail aus ainfalt aus dem reich und unsern erblanden verre weg nachraisen, umb sovil mer gefurdert und vor langem aufhalten und be- schwerlichem unchosten verhuettet, auch armuet halb unser ge- purlich hilf, handhabung und furderung niemand verzigen noch verlengert werde, so ordnen und wellen wir, das unser hofräthe täglich zue morgens, so wir nach volbrachtem kirchgang zue rat geen, auch in ir ausgezaigten ratstuben ordinarie zusamen komen und die Sachen, so jeder zeit furfallen und verhanden sein werden, in unserm namen und an unser stat furnemen und die nit übereilen, sonder statlich und mit höchstem vleiss hörn, beratschlagen und erledigen, auch unser hofmarschalk beschliessen und die merer stim ihren f urgang haben und ge- mainlich in allen handlungen meniglichem gleichs götlichs rechtens und abschids, auch furderlicher abfertigung aus unserm hofrath oder wo not bei uns treulich verhelfen, alles nach irem besten verstand und vermugen.
Ob dann unsern hofräthen Sachen und beschwerungen furkämen, darin je zu zeiten die parteien ir nächst ordenlich obrigkait und gericht, auch unser furgesetzt landfurstliche regierungen überschritten und umbgangen, sollen unser hofräth dieselben parteien erstlich für bemelt ir ordenlich obrigkaiten, gericht oder regierungen, wohin si dann gehören zu gepurlicher expedicion weisen, es wäre dann das sollich Sachen und be- schwerungen die ordenliche obrigkaiten, gericht oder regierun- gen derselben irer ämpter halber selbs beruerten oder sonst beweglich Ursachen verhanden wären, die Sachen in unserm hofrath anzenemen, darauf sollen und mugen unsere hofräth nach gelegenhait der parteien und Sachen wie sich geburt, handien und erledigung thun.
Wo auch in unserm hofrath Sachen furkomen, darin sich unsere hofräth nit vergleichen möchten oder die sonst an inen selbs so hochwichtig, dapfer und ansehenlich wären, das si er- ledigung bei uns bedurften, die sollen uns jederweil mit iren verzaichneten rätlichen bedenken durch der saehen secretarien oder wo von nöten unsern hofmarschalch und ettlich der räthe
231
selbs furgebracht werden, darauf wir volgends solliche Sachen erledigen oder nach unserm willen und gevallen in ander wege der gepür nach zugescheen bevelhen wellen.
Was sachen dann in vermeltern unserm hofrath auch nach unser erledigung wie obsteet beschlossen, darauf brief ver- fertigt werden, sollen derselben sachen secretari sollich brief wie oblaut mit höchstem vleiss zierlich und verstentlich copieren und ingrossiern lassen.
Und insonderhait mainen und wellen wir, das die beschluss, beschaid und decreta unserer hofräthn alsbald nach berat- schlagung ainer jeden suplication und sachen verzaichnet und abgehört werden, damit volgends die vertigung der brief oder muntlich verabschidung der parteien dest ordenlicher, richtiger und gewisser ervolgen muge, es wäre dann, das je bei weilen unsrer hofräthen deliberation und ratschlag ain statliche aus- fuerung erforderten, dieselben von unsern secretarien furderlich verfasst und vor weitrer vertigung in nachstvolgendem hof- rathe oder zum wenigisten unserm hofmarschalk in gegenwurtig- kait zwaier oder dreier hofräthe, so bei selbigem rathschlag ge- wesen, abzehören furgebracht werden.
Gleichergestalt sollen unsere secretarien ir jedes copeien und minuten in allen ausehenlichen sachen, so zeitlicher vor- betrachtung bedürfen, vor und ehe si mundiert werden, ab- hören lassen.
Wir wellen auch unserm obristen hofmarschalk und hof- räthen hiemit ernstlich aufgelegt und bevolhen haben, das si nach oder neben Verrichtung der gemainen justici und parteien- sachen täglich (man halt rat oder nit) zusamen komen und ain zeitlich vleissigs nachgedenken haben allkunftig hoch, schwär und gehaimbsachen und geverlichaiten nach gelegenhait der furvallenden leuff und zeit zubewegen, namblich wie und was mit frembden potentaten zu practiciern, wie frembden practiken zefurkomen, auch wie beschwerlich zeruttungen und zuefall abzelainen seien und gemainlich alles das embsiglich zube- trachten, das zuerhaltung und fridlicher regierung gemainer christenhait des heiligen reichs auch unser kuniglichen und fürstlichen hochait land und leut aufnemen, frumen und wol- fart raichen mag und je allwegen in fridlichen und kriegszeiten die notturft ervordern will, darin wir unsern hofrätten dhain ausgedrukten bevelh geben mugen, in ansehung das die an-
232
zal causarum Status unergruntlich und derselben fursehung nach gelegenhait der zeitleuff und frömbdcr potentaten practiken reguliert und betracht werden soll und muess und was benielte unsere hofräth jeder zeit für nuz7 not und guetbedenken uns in schrifft gehorsamblich zuestellen und übergeben, uns verrer unser gelegenhait und notturft nach darüber haben zuentschliessen, daran geschieht unser ernstlicher will und mainung.
Und wir behalten uns bevor obbeschribne Ordnung jeder- zeit unserm gnedigisten ansehen willen und gevallen nach zemindern, zemeren und zuverendern. geben in unser stat Newstat den 1. tag des monats januarii auno etc. im 41., unsrer reiche des römischen im 10. und der andern im 15.
Ferdinand m. p. Ad mandatuni
domini regis proprium. Spuren des abgerissenen Siegels.
II.
Hofkainmerordiiung von 1537
(1. September, Prag). (Copie im k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien.)
Wir Ferdinand von gottes genaden etc. bekennen für uns und unser erben öffentlich mit disem brief und thuen kuud allermeniglich, wiewol wir zu eingang unser regierung und hernach alwegen unsern gnedigen willen und ge- muet dahin gericht, wie wir auch in rat gefunden die bürde söllicher unser regierung mit gueter aufrichtiger Ordnung auf uns zu nemen und furnemblich darinnen die notturft unsers camerguets, des wir zu an fang derselben unser regierung wie offenbar ist, nit wenig beschwärdt und erschöpft gefunden, zu betrachten, wie solliches in guete nuzliche Ordnung bracht wer- den, dardurch dasselbig unser camerguet von den verphandungen erlödigt und wir unsern künigreichen, landen und leuten zu nuz trost und guetem zu ainem vorrath in unser camerguet komen möchten, so sein wir doch an söllichem durch die beschwärliche beharliche krieg, die sich gleich zu eintretung unserer regierung als meniglich bewust ist, angefengt und ain guete zeit gewert nit wenig verhindert, angesehen das wir als ain getreuer vater,
233
herr und landsfurst unseren erblichen kunigreich und land nitallain zu entschüttung befridung, scliuz und scherm unserer getreuen underthonen unser vermugen leibs und guets dargestreckt, sonder auch behärige vleissige handlung, darinnen unsers camerguets nit verschont hat werden mugen, geuebt und gebraucht, durch wölliche unser handlung angelegten grossen treflichen uncosten, auch unserer bemüeung und arbait unser haus Osterreich, wie vor äugen ist, mit weillendt unsers lieben brueders und Schwa- gers kunig Ludwigen zu Hungern verlassen kunigreich und landen trefflich erweitert und damit unser camerguet nit wenig gemert, darauf uns auch, damit wir anderer grosser haubter und fursten practi eiern, so auch darnach gestelt und tracht, ab- gewendt und dieselbige kunigreich und land zu merer befridung unserer erbland erlangt trefflichen uncosten gelitten haben, aus wellicher erlangung auch demselben unserm haus Osterreich nit klaine eher, höhe und grosse reputation unserer erhöhung, in dem das wir neben der römischen kaiserlichen Maiestät unsers lieben bruedern und herren zu der regierung des heiligen römi- schen reichs komen sein, gewachsen und ervolgt ist. wölliche verloffen handlungen, auch vill erstanden geferliche leuff, die uns und unsern kunigreichen, furstenthumben und landen ge- horsamen underthonen in merkliche ausgab getrungen, bisheer Verhinderung gebracht hat, das wir uns in kain bestendige oder fruchtpare Ordnung, darzue wir jedes mals begierig und genaigt gewesen sein, begeben haben können, damit nur unsere gehor- samen und getreuen underthanen unsern begierigen und ge- naigten willen, den wir als obsteet zu anfang unserer regierung zu Ordnung allwegen getragen, in dem werck spüeren und er- kennen, so haben wir uns jezo nach zeitigem guetem rat ainer hofordnung entschlossen, furgenomen und aufgericht, in wöl- licher des höchst und gnettigist haubtpunet gestelt und gesezt ist, das unser camergüeter ordenlich gehandlet und alles das zu merung derselben irner dienstlich ist und sein mag, bedacht furgenomen und in Wirkung gebracht werden solle.
Und als wir aber nun bei uns in unserm gehalten rath ermessen und erwögen, wie bemelte unser camergüeter und der- selben einkonien uns selbs, unserer liebsten gemahl und kindern, auch unsern kunigreichen, landen und leuten zu frucht, nuz, guetem trost und alles wolfart ordenlich gehandlet, haben wir zu sollichem für das notturftigist und furtraglichist bedacht,
234
bei uns an unser m lief ain ordenliehe camer mit geschickten teuglichen personen aufzurichten und dieselben mit instructionen und Ordnungen zu fürsehen, wölliche mit den vier unsern camern in unsern kunigreichen Hungern, Behaim und unsern nidern und oberösterreichischen landen gueten verstand und corres- pondenz halten werden und derhalben solliche hofcamer und derselben Ordnungen, ob wölicher wir gnediglieh halten, dar- wider nichts handien noch fürnemen oder des jemants anderm zuthuen gestatten wellen, aufgericht und geordnet, die auch mit trefflichen räthen und geschickten verstendigen personen besezt und versehen, inmassen wie hernach volgt.
Hofcamerräth, secretari, hofzalmaister, buechhalter
registrator.
Von erst sezen und ordnen wir zu sollicher unser hofcamer nemblich den erwierdigen unsern fürsten und lieben andäch- tigen Wolfganngen Pranndtner, hochmaister sant Georgenordens als unsern rathe und Superintendenten und zu ime noch vier unserer räthe als Achazien Schrotten von Khindperg, Reymun- den von Dornberg, Johann Zotten von Pernegg und Michelln Meichsner unsern vizdomb in Steyer, zu hofcamersecretarien Hannsen Hoffman und Andreen Lindawer, die mit notturftigen und nit uberflissigen canzleischreibern versehen werden sollen, zu hofzalmaister Hannsen Angerer, zu puechhalter . . . , zu taxator und registrator Sebastian Tünckhl, die sollen all in ire ambter tretten und handien wie hernach meidung beschiecht.
Hofcam er personen aidsphlicht.
Anfenglichen sollen all obgemelt unser räthe und per- sonen uns von neuem seh wem und aidsphlicht thuen, das si die Ordnung diser unser hofcamer in allen articln und puneten mit irem höchsten vleiss halten und sonst auch alles das thuen sollen und wellen, das inen von ambts wegen zuthuen gebürt, doch ob wir in ainem oder mer articln diser unser hofeamer- ordnung zuwider denselben unsern hofeammerräthen etwas zu volziehen auflegen wurden oder was inen den camerräthen in den articln hernach begriffen unerheblich oder zu volziehen unmüglich sein wierdet, solle si sölliche ir phlicht in demselben nit binden, si auch derhalb weder von uns noch jemants an-
235
derm mit nichten angezogen werden, angesehen das niemants kain untregliche purde aufgelegt werden, sonder dieselbigen carnerräthe sollen in sollichem handien und volziehen das, so inen rnüglich und erhöblich ist. solliche phlicht solle auch die- selben räthe und personen, inmassen wie all ander unser räthe dahin binden, das si von niemants kain miet, gab oder der- gleichen Verehrung in Sachen ir ambts handlung betreffend noch auch an unser vorwissen und zuelassen von andern fürstlichen herrn oder stetten kain provision noch dienstgelt nemen, si auch mit niemants in gesell schafft, kaufmannsgewerb, handtie- rungen und münzhandlung begeben und so ainer oder mer dar- innen wäre, sich derselben entschlagen, daraus thuen und ver- lassen, doch so ainer oder mer perkwerchs tail oder Verwaltung und herrschaften in unsern landen von fremden oder andern fursten phlegs oder bestandsweis inen hette, mag er dieselbige behalten, auch woll dergleichen perkwerchtail und phlegen an- nemben, aber so in gedachtem unserm hofcamerrath von Sachen gehandlet wierdet, perkwerch oder die phlegen und Verwaltung, damit dieselbigen unsere räthe und ander personen unserer hof- camer verordnet sein, betreffendt, so sollen dieselbigen rethe und personen abtretten und nit darbei sein, doch ist unser ge- muet und mainung nit, das solliche phlicht unsern camerräthen und den andern personen die Verehrung, so inen von ehrn und nit sonders geniess wegen an vischen, wildpreten, wein und dergleichen beschechen abstricken solle, darinnen sich dann ain jeder auch woll zu halten wissen wierdet.
Aufrichtung und underhaltung des hofstats.
Und nachdem wir uns in obgemelter unser hofordnung aines hofstats, den wir nach gelegenheit unserer kunigreiche land und leut thuen und wesen zum geringisten eingezogen und von wegen menig unserer kunigreiche und land nit woll anders sein hat mügen entschlossen haben, wöllicher diser zeit
auf tausent gülden gestelt ist, daran dann unser person
und allem unserm wesen , damit derselbig hofstat ordenlich und wesentlich underhalten vil gelegen ist, haben wir nach embsiger handlung, nachdem wir aus den oben eingefuerten Ursachen unserer camergueter in erschöpfung komen 'sein, unsere getreuen und gehorsamen underthonen unserer nider- und oberösterreichischen land umb ain sechssjärige hülf und
236
Steuer mit derselben unserm hofstat und wesen zuhelfen und in söllicher zeit auch unsere camergueter zum tail damit zu- ledigen und uns wiederumb ain ordenlich einkomen zumachen angelangt, darauf uns dann von denselben unsern erblanden durch jedes land insonderhait ain hülfgelt auf sechs jähr ver- willigt ist und getrosten uns derselben gleicherweise von unsern kunigreichen und derselben zuegehörigen landen, angesehen das si woll zuermessen und zu bedenken haben, das unser camerguet nit durch unser verschulden oder nachsehen in solliche erschöpfung komen ist 7 sonder das wir dieselbig zu eintrettung unser regierung zu gueter mals also emplöst und darneben trefflich schulden, die den merer tail von uns bezalt sein, gefunden, wölliches darzue auch die beschwärlichen kriegsleuff zu denen auch dem, das wir unsers haus Österreichs erhöchung gefürdert, bemelt unser camerguet gepraucht ist, angezaigte erschöffung verursacht hat, so seien wir entlieh dahin bedacht und ent- schlossen, das wir derselben unserer kunigreich und landhülfen anderer ort nit, dann zu underhaltung gedachts unsers hof- stats und zu notturft der camern so weit sich die erströcken, gebrauchen und sover noch darüber ainicher bevor stand an- gezaigter hülfen sein würde, denselben zu ablödigung unserer verphendten camergueter oder zusamenbringung aines Vorrats wie sich solliches alles der gelegenhait und notturft nach jedes lands zuetragen wirdet, wenden sollen und wellen, derhalben so ordnen, sezen und wellen wir, legen auch den gedachten unsern hofeamerräthen hiemit auf ernstlich bevelhend, das si der erbland bewilligte sechssjärigen hülfen und die so noch hernach von den kunigreich und derselben zuegehörigen land bewilligt wierdet, mit pester Ordnung durch unsern hofzalmaister einnemen und emphahen lassen, davon zu quottemer zeiten oder jeder zeit nach gelegenhait derselben gefell die bezalung auf unsern hofstat verordnen, dieselb auch durch denselben unsern hofzalmaister ordenlich thuen lassen, dardurch ain jeder unser räthe und diener seinem stand und wesen gemäs des statlicher gerüst und mit pherden versehen dienen und uns zu allen aufprüchen unverhindert nachvolgen mügen, das wirdet zu hoher fruchtperkait aller fürfallender Sachen, es sei in kriegs- leuffe'n oder andern handlungen, auch landen und leuten zu nuz und wolfart raichen.
237
Gelt in küniglich rnajestät aigen camer zu verordnen.
Von söllichem unserer künigreiche und lande hülf und Steuer gelt solle auch jedes quartall ain suma gelts in unser leibcamer verfolgen und dasselbig zu nicht anderem dann der unvermeidenlichsn notturft auf unser anschaffen durch unsern camerer ausgeben und widerumb ordenlichen wie sich gebüit verrait werden.
Anticipierung auf den abgang der quartal bezalung.
Und ob sich aber begäbe, das zu jeder zeit wie obsteet die völlig bezalung unsers hofstats von und aus obgemelten hülfen und gefeilen aus zuefallenden Verhinderung nit bei der band wäre, so sollen gedacht unser hofcamerräthe sovil an inen ist, bedacht sein den abgang von andern orten darauf zu anti- cipiern und aufzubringen, bis das gelt zu entrichtung obgemelts unsers hofstats von unsern landschaften gefalt und eingebracht, damit also jeder zeit unsere räthe, diener und hofgesind sovil müglich bezahlt, gebraucht und dest pessere gehorsam und manzucht an sollichem unserm hof erhalten werden möge.
Römischer küniglicher majestät bewilligung in die camergueter nit zugreiffen.
Und nachdem wir uns aus der notturft jetzo dahin be- geben, das auf einkomen unserer exempt ämbter und andere gefeil, so im sibenden jar gefallen, anticipiert und gelt auf- bracht werden soll, so sein wir verner dahin gnediglich ent- schlossen, das wir nit allain wie obsteet in dem sechsten und sibenden jar, sonder hinfuro desselben unsers camerguets gnediglich verschonen und darein on merklich und trefflich Ursachen oder zuefallundt kriegsleuff, darzue wir doch nit ursach geben, nit greiffen und so aber sölliches aus der notturft je besehenen müeste, dasselbig mit zeitigem guetem rath thuen und wellen uns solliche sechss jar obgemelter unserer kunig- reich und lande hülf betragen, unsern hofstat davon underhalten und das uberig zu notturft der camern zusamen bringen, ains Vorrats und ablädigung der verphendung als obsteet, wenden, und ob aber durch uns aus übersehen ichtes bei unser hofeamer oder andern unsern camern in landen den Ordnungen zuwider angeschaffen und bevolhen wurde, so sollen dieselbigen unser
238
hof und der land camerräthe solliches zu volziehcn nit schuldig' sein und sich auch derhalb bei uns kainer ungnad versehen.
Extra ordinari ausgaben.
Wir wellen auch alle und jede extraordinari ausgaben, die aufzörung und Verehrung der potschaft oder in ander weeg besehehen müessen, allwegen mit unser hofeamerräthen not- turftiglich bedenken und nach genuegsamer beratschlagung dar- innen beschliessen.
Von zusamenbringen ains Vorrats.
Und zu erschiesslicher hauswiertschaft, damit auch unser camergueter verer nit geschmelert werden, sollen unser hof- camerräthe on underlass vleissigs und getreues nachgedenken haben, inmassen wir selbst auch nit underlassen wellen, wie nit allain die sechss jar durch unserer künigreich und land hülf sovil möglich und soverr sich dieselben hülf über unser hievor angezaigt hofunderhaltung und ausgaben so weit er- strecken, sonder auch hinach, so die hülf gar gelaist und ver- richt ist, die nuzlichiste verphendte stück und einkomen unserer camergueter zum maisten erledigt mit gueten nuzlichen neuen einkomen, wölliche aus etlicher unserer verordneten räthe berat- schlagung genomen, gemert, gepessert und dardurch landen und leuten zu hohem trost ain Vorrat zusamen gebracht und der in der zeit der not, es sei in kriegsleuffen oder sonst nüzlich an- gelegt und gebraucht werden mug.
Zu beratschlagen, wie neue einkomen gemacht und camergueter gemert werden mögen.
Es sollen aber die zeit hinumb der sechs jar Und hinnach nichts weniger ermeldt unser hofeamerräthe zum wenigisten in der wochen zwaimal mit allem vleiss handien und beratschlagen und vleissiglich nachgedenken, wie mit ainichem erhöblichem fueg neue einkomen gemacht und also unser camer in dem und anderm wog zu ainem aufnemen gebracht werden mög.
Von der hofeamer correspondenz und handlung mit den vier camern in kunigreichen und erblanden.
Und nachdem, wie als obsteet, in unsern kunigreichen Hungern und Behaim, auch nider und oberösterreichischen landen
23!)
vier camern haben, der jede mit ainer sondern Instruction ver- sehen ist, wie unser hofcamerräthe davon copeien haben werden und under anderm ain articl gestelt und gemelt ist, das die- selbige unsere vier camern mit unserer hofcamer und dieselb unser hofcamer hinwider mit den vier camern gueten verstand und correspondenz halten sollen, darauf ordnen und wellen wir, das die gedachten unser hofcamerräthe unangesehen das den gemelten unsern vier camern in iren Instruction aufgelegt ist, dass sie mit höchstem vleiss zu merung und einziehung unsers camerguets nit feiern, mit inen in sollichem auch guete corres- pondenz halten und anweisung, sovil die glegenhait leiden will, jeder zeit geben und was uns von denselben camern ge- schriben wierdet, dasselbig eröffnen, verneinen, berathschlagen und bewegen und uns jeder zeit mit irer relation und guetbedunken fürbringen, so wellen wir allwegen mit zeitigem guetem rath gne- dige erlödigung thuen und uns daran nichts verhindern lassen.
Von handlung, wan kriegsleuf und not fürfielen.
Ob sich dann zuetrüeg, das wir aus zuesteenden unver- sehenlichen kriegsleuffen zu rettung, schuz und scherm landen und leuten je über unser vorbeschehen gnedig erbieten in unser camergueter zugreifen gedrungen wurden, und solliches nichts umbgeen möchten, so wellen wir doch solliches für uns selbst kains weegs nit thuen, sonder zuvor die obligundt not bei uns selbst und mit unsern hofcamerräthen bedenken und so von nöten ist, etliche personen aus unsern hofräthen, so aus den landen sein, wölliche die zuefallendt geverlichait betrifft, unserm gevallen nach darzue ervordern, derselben auch volgunds, so es die weil und zeit erleiden mag unsern regierungen und camern in den landen und darzue etlich landleuth aus den landen, wölliches dann den krieg am maisten betreffen wierdt, rath und guetbedunken verneinen und was also mit den merern, das landen und leuten zu nuz und guetem raichen kan, be- dacht wierdet, bei uns beschliessen und volgundts dieselbigen camern in landen berichten, damit verrer durch si die notturft verriebt und gehandlet werden mög.
Für sehung Zenng.
Aber unsern camerräthen wellen wir hiemit vleissig ein- gebunden und aufgelegt haben, nachdem wir und unser land
240
und leut bei jetzo schwebenden geferlichen leuffen mit selzamer nachtperschaft beladen, darauf jeder zeit guet aufsehen und achtung zu haben, die notturft grösslich ervordert und uns dann und ermelten unsern landen au dem ortflecken Zenng trefflich und hoch gelegen und derselbig flecken, sovil müg- lich ist, nit in geverlichait gesteh werde, sollen unser hof- camerräthe jeder zeit auf dieselbige ir vleissiges aufmerken haben und sovil der dienstleuth, so wir darin halten, bezalung und profantierung halben an si gelangt, gedacht sein, bei uns vleissig vermanung thuen, damit Zenng und ander ortflecken sovil müglich ist, deshalb versehen werden und in sollichem sovil an inen ist, nichts underlassen.
Wie in partheiensachen das camerguet betreffend ge- handlet werden soll.
Die gemelten unser hofcamerräthe sollen auch all parthei- sachen, so unser kuniglich und fürstlich camerguet an mitl be- langt oder denselben auhengig sein, die für si komen notturf- tiglich erwegen, berathschlagen und darinnen die notturft und billichkait handien, doch mit unserm vorwissen und willen ver- abschaiden.
Von emphahung, eröffnung. fürbringen der posten und wer die umbfrag in dem camerrath haben soll.
Und zu dest statlicher handlung und fürderung der Sachen in allem dem wie obsteet sollen alle und jede posten und Sachen unser camergueter berüerendt von unsern regierungen, camer und ambtleuten aus allen unsern kunigreichen und landen an uns zuhanden unser hofcamer überschreiben werden und so pald sollich posten, missiven, brieflich Urkunden oder sonst sujtplicationen und ander dergleichen Sachen an unserm hof komen oder sonst überantworten zuestandt und unverzogenlich gedachtem hochmaister sant Georgenordens alssupperintendenten unserer hofcamer zuegestelt und übergeben werden, der solche alspald eröffnen, übersehen und alsdann alweg der secretari ainem zuestellen. der soll aus sollichem die gnettigisten so nit lang Verzug erleiden kennen am ersten, darnach die eltisten zuberatschlagen fürbringen und vorgenanter hochmaister im rath die umbfrag thuen und so dieselbige unsere räthe der Sachen, die im hofcamerrath fürkomen spaltig weiden und sich zu völ-
241
ligem beschluss mit einander nit vergleiehen mögen, so sollen die räthschleg durch den secretari aigentlich aufgeschriben und fürter uns darinn entlichen zuschliessen fürpracht werden, doch wellen wir, so die posten erstlich an unsern hof komen und unserm obristem hofcanzler zueröffnen zuegebracht und er brief an uns zuhanden derselben unser hofeamer überschriben dabei rinden wurde, das er dieselbigen eröffnen und ersöhen mög und si nachmalen vonstundan bemeltem hochmaister zueschicken und unüberantworten lassen solle.
Wie mit den camersachen, so bei k. Mt. etc. in abwesen der camerrat fürkomen, gehandlet werden sollen.
Dergleichen wollen wir all Sachen, so in unserm rathe durch andre schreiben an uns gelangen, die nit an unser hof- eamer überschriben sein und camerguet beruerendt in unserer hofeamerräthe aller gegenwiert berathschlagen oder wo sölliches etwann anderer unserer geschafft halben nit sein mag, dieselbige Sachen aufschreiben oder inen die brief gar zuestellen lassen, darüber sollen si als dann rathschlagen und sambentlich oder ir etlich uns derselben iren rathschlag sambt irem guetbedunken widerumb fürbringen oder sonst was die notturft ist, darinnen handien, das nüzlichist fürnemen.
Den camerräthen jeder zeit die kriegsachen anzu-
zaigen.
Neben dem sollen und wellen wir inen jeder zeit die krieg- sachen sovil von noten ist, auch nit verhalten, darüber ir ge- treues nachgedenken zehaben wie denselben mit gelt oder in ander weeg zu begegnen sei.
Verledigung der lehen und confiscationen.
Dann so haben wir uns entlich fürgenomen all ansehlich gross confiscationen in unser selbst camer zu unserm nuz und notturften einzuziehen und zubehalten, demnach so bemelten unsern camerräthen confiscationen und völligkait an provisionen, lehen oder anderm, ehe dann wir desselben erindert, fürbracht oder anzaigt werden, sollen si uns desselben alles berichten, damit wir alsdann zu einziehung derselben grossen confiscationen Verordnung zuthuen wissen, was aber ciain und schlecht völlig-
Archiv. Bd. LXIX. I. Hfilfte. Iß
242
kaiten sein, dieselben wellen wir nit änderst oder ehr dann nach zeitigem guetem rath verwenden, auch ain solliche Ord- nung und mass damit halten, das wir etwann von ainer völlig- kaiten mer dann ainen diener versehen und begnaden mügen und es sollen derhalben unser hofeamerräthe bei uns insonder- hait umb dergleichen confiscationen und völligkait, die zu ver- geben ausser raths samentlich oder ad partem nit ansuechen oder handien noch auch inen selbs umb dieselbigen ausser raths procuriern, sonder in obbemelten unsern rath komen lassen, daselbst soll dann beschlossen und volgundts die brief darüber gefertigt werden mit der beschaidenhait, so bei unsern regie- rungen in landen, lehen gerechtigkait und uns völlig werden oder das uns sonst confiscationes und peenfall, die durch die- selbige unser regierung oder an unserm hof durch unser hof- räth uns zuerkendt oder erclärt werden und wir die zu unsern handen einziehen oder weiter vergeben, so wellen wir solliches in beisein und mit rath derselben unser hofeamerräth thuen und dann so sollen über die völligkaiten der lehen die brief bei derselben unsern regierungen und in ander confiscation und peenfallsachen die brief bei unser hofeamer gefertigt werden und darwider änderst nicht ausgeen.
Nichts erblichs zu vergeben.
So wir dann auch bei uns entschlossen sein hinfüron nichts erblichs zu vergeben, noch auch unser camergueter zu lehen zu- machen, demselben nach legen wir hiemit bemelten unsern hof- camerräthen auf und wellen, wann wir oder si obgemelter massen von partheien umb begnadung angelangt werden, das si es dann gestracks waigern und auch kaines weegs fürbringen und aber bedacht sein, so je bei uns in unserm rath umb begnadung, Verleihung, phleg und ämbter angesucht wierdet, das solliche auf leben lang oder vil jar zuverschreiben, sovil imer umb- gangen werden kan, nit bewilligt wTerde.
Camersachen in gehaim ze halten.
Damit wir auch von partheien, von wegen ausbitung der phlegen, ämbter, völligkaiten oder anders dergleichen sovil mer ansuechens erlassen, fürnemblich auch unser camersachen in gueter Ordnung und gehaimb gehalten werden, so wellen wir in- sonderhait berttrter unser hofeamer Superintendenten und den
243
andern unsern hofcamerräthen auch den secretarien, zalmaister, puechhalter, registrator, taxator, cauzleischreibern und andern verordneten der hofcamer hiemit ernstlich aufgelegt und be- volhen haben, das si unser camersachen, wie dieselbigen ge- staldt sein in höchster gehaimb halten, den partheien von ob- gemelten felligkaiten, ob der vil oder wenig an si gelangen, si seien oder werden künftig ledig-, nichts anzaigen, ir kainer auch weder aus unser hofcamercanzlei noch derselben registratur weder auszüg, copeien oder anders nichts ervordern noch aus- schreiben lassen, noch dasselbig selbst nit thuen, es beschähe dann durch unser Verordnung oder es werde in gemainem hofcamer- rath beschlossen, bewilligt und bevolchen, das auch ir kainer die Schriften unser camersachen und händl betreffend, die im in zeit seines dienens vertraut werden, von hof und seinen handen nit schicke und so er von hof abreit, die ausser bevelch und unser notturft kains weegs mit im frier, sonder zu der hofcamer- canzlei antwort, alles bei den phlichten und aid, so uns gemelter Superintendenten die andern unsere hofcamerrete, secretari, zal- maister, puechhalter, registrator und die andern verordneten unserer hofcamer gethan haben.
Der hofcamerrät phlicht sol auch auf ander der k. Mt. rath und canzleien verstanden werden.
Und wie obgemelt articl betreffendt begnadung, freiung der lehen, erbliche Vergebung, confiscationen und dergleichen, auch das procuriern auf unser hofcamer rath und canzlei ge- steh ist, also sollen si auch auf all ander unser rate bei uns und auch bei den land regierungen und camern und allen unsern canzleien verstanden werden und dieselbigen personen begriffen.
Ehrclaider sollen hinfür nit mer gegeben werden.
Und nachdem wir jetzo in übersehen der hievor beschehnen ausgaben befinden, das sich ain grosse und tapfere suma gelts allain auf ehrclaider, an seiden waar und tuech geloffen hat, sein wir entschlossen sollichen costen hinfür sovil umbgangen werden mag, abzuschneiden und zuersparen, darauf sollen die gedachten unser räthe bedacht sein, wann derhalb hinfür von jemants umb ehrclaider angesuecht wierdet, das si in sollichem von unsern wegen waigern thuen und on unser vorwissen nicht
bewilligen.
IG*
244
Kay nier potten und kundtschafter abfertigung betreffen dt.
Wir lassen und geben auch hiemit zue, wann unser obrister canzler oder ain anderer unser räthe vun uns bevclch hat, potten oder kundtschafter abzufertigen in gehaimen unsern sachen und deren namen nit genennt sein oder das ires hin- schickens vil personen wissen haben sollen und ir ainer ain zetl derhalb an unser hofeamerräthe fertigt oder inen selbst mündlich anzaigt zu iren banden ain gelt zuantworten, so sollen dieselbigen unser hofeamerräthe macht haben solliches bei unsern hofzahnaistern anzuschaffen und zuverordnen.
War in finanzen begriffen auch Wechsel betreffendt.
Neben dem sollen dieselbigen unser hofeamerräth auch zum besten bedacht sein, wo nach zeitigem guetem rathe je nit umbgangen werden mag zu finanzen und so dann finanzen fürkomen, in den waar begriffen ist, das dieselbige mit dem wenigisten schaden erlangt werden, so auch von landen oder frembden orten gelt durch wechsl an unserm hof gemacht werden sollen, das dann dieselbigen mit. wenigistem unserm nachtail erlangt und verricht werden.
Waarordnung dem zalmaister zugeben.
So dann finanzen also wie obsteet in waar beschlossen werden, sollen unser hofeamerräthe unserm hofzalmaister ain guete Ordnung aufrichten, wie er dieselbige waar ausgeben und mit unserm nuz verrichten soll, damit uns der gwin in sollichen waaren allain zuestee und ordenlich verrait werde.
Von bekomung und bestellung allerlai tuech in seinem
wert.
Und nachdem bisheer gülden und silbern tuech, seiden auch wullen gewandt zu unser selbst beclaidung und notturft unsers stalls, auch zu Verehrungen den potschaften, die je zu Zeiten an unsern hof komen mit etwas unstatten, auch in hoher bezalung neben dem, das die waar an ir selbst nit zum pesten oder des gelts darumben si bestelt, nit wert gewest ist, sollen unser verordnet hofeamerräth ain vleissigs nachgedenken haben, alweg mit gueter Ordnung und zeitlich, ehe man der waar not-
245
turftig wierdet, gülden und silberiu tuech, seiden und wullen
gewandt, soverr si sollichs gelts oder Verweisung halben be- komen mögen, für unser selbs person und zu notturft unsers stalls in Italien oder andern orten zubestellen und solliche waar in unser hofzalmaisterambt an pares gelt stat zuordnen, damit allweeg ain zimblieher vorrat von gueter waar und zeug bei der band seie und in alweeg sollen unser hofcauierräthe bedacht sein, das von den hofcramern nicht genomen, sonder irer hand- lung durchaus miessig gestanden werde , angesehen das bei inen selten guete waar oder ain zimblicher gleicher kauf zu fänden ist.
All gülden, silbern und seiden waar auf k. Mt. claidung dem obristen c am er er zuezust eilen.
Es sollen auch unser hofcamerräth bedacht sein, darinn auch bei unserm hofzalmaister Verordnung thuen, das alle gülden und silberin tuech, seiden und rauchwaar, so auf unser person und zu unser claidung in unser camer pillich körnen soll sovil wir jeder zeit bedürftig, fürter ainem jeden gegen- wiertigen und künftigen obristen camerer zu seinen banden gesteh und geantwoit und kainem unserm handwercher wie etwo besehenen sein meehte, gegeben werden, angesehen das unser obrister camerer umb sollichen emphang allain quittiern und verrer ordenliche rechen schaft dar umb en thuen und geben muess.
Zuestandt gelt aus der camer.
Ob sich dann begebe, das uns je zuzeiten gelt nit von unserm camerguet herruerend zuestuende, wie sich das zuetra- gen möcht, wellen wir dasselbig unsern hofeamerräthen auch anzaigen in ordenlichen unsers hofzalmaisters emphang kommen lassen und mit irem vorwissen damit handlen.
Der hofcamerräth verschreiben und obligiern betreffendt.
Und soverr unser Superintendent und hofeamerräthe sich je zuzeiten von wegen unsers hofstats underhaltung, so mit er- lögung des gelts von landen verzogen uns zu gnädigem gefallen, zu aufbringung gelts verschreiben und verobligiern wurden, so wellen wir uns jeder zeit hinwiderumben gegen inen mit Ver- weisungen und gnuegsamen Versicherung wie die notturft
246
ervordert und die glegenhait des aufbringena erleiden will, dennasseu halten und erzaigen, das es denselben unsern camer- räthen on nachtail und schaden sein soll.
Das sich der hofrath .der camer und hinwider hof- camerrath des hofraths sachen entschlagen.
Nachdem auch je zu zeiten unsern hofräthen sachen unser camergüeter belangend fürkomen, haben wir verordnet und ist auch unser will und mainung, das sollich sachen durch si zu handien nit angenomen, sonder es seien unser aigen oder partheisachen für unser hofcamerräthe gewisen und daselbst gehandelt werden, dessgleichen auch unser hofcamerräth in sachen, die für si komen and das camerguet nit berüeren auch thuen sollen.
Wie erkondigung der verphendtung beschehen soll.
Und als wir bericht werden, das durch wreilendt unser vorfordern fürsten von Österreich und sonderlich kaiser Fridrich und kaiser Maximilian unser ur und anherrn löblichister gedecht- nus, auch nachmalen durch uns von eingang unserer regierung vil phandtung auch verkaufung unserer camergüeter auch gnaden- gaben beschehen, das wir bisheer in kain gründliche erfarung komen mögen, wollen wir, das sich dieselben unser hofcamer- räth zu füeglicher und gelegner zeit und sovil und alspald müglich ist, für sich selbst oder durch die camern in landen oder sunst durch commissari aller obgemelter verphandtungen, verkaufung und gnadengaben mit. allem vleiss erkonden und wo si befinden das etwo die verphendtung und verkaufung auch gnadengabe mit sonderm unscrm nachtail und auch unordenlich beschehen und auspracht wären, uns solliches fürbringen, da- mit wir dargegen unser notturft beratschlagen und fürnemen und dardurch wir der beschwerlichen verphandtungen, ver- kaufungen und gnadengaben mit recht und billichait wider entladen werden und zu dem, das uns rechtlich zuegehürt, komen mögen.
Erclärung der vorgehandleten Visitation und refor-
mation.
Und nachdem bald nach eingang unser regierung in unsern niderösterreichischen erblanden ain Visitation und revormation
247
unserer camergüeter beschelien ist, sollen sich unser hofeamer- räth derselben bei der niderösterreichischen camer und wo sonst von noten ist, aigentlich und gründlich erkundigen, dieselbig übersehen und so si articln darinnen befinden, die zu nuz und guetem unserrn camerguet gedeien möchten und aber nit vol- zogen worden sein, alsdann mit gedachter unser nideröster- reichischen camer handlang fürnemen und Verordnung thuen, das dieselbige articl in das werck bracht und volzogen werden.
Auszug der Verpfandungen k. Mt. zuezestellen.
Und damit wir unserer camergüeter verkaufung, verphen- dung, gnaden und gaben lautern bericht emphahen, so sollen gedacht unser hofcamerrete uns ain gründlichen und lauttern auszug, wem sollich verkaufung, verphendung und gnadengaben beschehen und wie hoch jedes stuck verphendt und was es wert ist, alspald si sich desselben erindern mögen zuestellen.
Bereitung und erkundigung in Tirol fürzunemen.
Gleicherweiss sollen bemelt unser hofcamerräth mit unser camer der oberösterreichischen land auch handluug phlegen und auf niitl und weeg geen, das mit der zeit die bereitung in unser fürstlichen graveschaft Tirol wie zu vil mal für guet und nuz angesehen ist, in unsern camerguetern fürgenomen werde.
Provision, dienstgelt oder besserung der besoldung durch die camern on vorwissen k. Mt. etc. verschreiben
abzustellen.
Es soll auch erkondigung allenthalben bei den camern beschehen, ob dieselbige ausser unsers vorwissens provisionen verschreiben oder in ämbteru mit den besoldungen besserung gethon hetten, das dann dieselbige aufgehöbt und abgekönndt und einsehen beschehen, das die besoldungen weiter nit ge- staigert werden.
Von abkündung und ersparung der provisionstat und auszug der k. mt. zuezustellen.
Verrer sollen gedacht unser hofcamerräth von allen unseren cameren in unsern künigreichen und landen stat aller provi- sionen, besoldungen, auch dienstgelt nichts ausgenomen, was
248
derhalb durch unsere vorvordern auf jar oder leben lang ver- schriben in unserem namen ervordern, dieselben stät, woll und nach vleiss übersehen und so si befinden, das uns zu nuz, doch niemandem zu unbillichem nachtl ichtes zuersparen wäre, darüber ir guetbedunken, wie solliches zuthuen seie, stellen und uns fürbringen und nach unserni beschluss alsdann solliches mit dem pesten füegen fürnemen und verrichten und uns von sollichen statten, darinnen die provision, besoldung und dienstgelt be- griffen sein, copeien in unser hand stellen und so oft aine oder mer provision, besoldung oder dienstgelt ledig wierdet, uns des- selben berichten.
Verledigt provision sollen verrer nit verschriben
werden.
Und nachdem bisheer vil abgestorbene Provisionen auf verfolgen und ansuechen von uns andern unsern dienern auch widerumb verschriben worden , sein wir entschlossen sollich Vergebung und verschreibung angezaigter Provisionen weiter nit zu thuen. die bemelten unser hofeamerräthe sollen auch, so darumb angesuecht würde, dasselbig von unserntwegen wai- gern und abschlagen, wo aber verdient personen oder an den die notturft erkent wierdet umb fürsehung mit provisionen bei uns ansuechen und mit rath beschlossen und befunden wierdet, dieselbige zubedenken, so solle sollich unser begnadung auf unser ordinari camer verweisen und geschafft werden.
Es sollen der ambtleut und dien er besoldung nicht erhöhet werden.
Und neben dem wollen wir auch verhüeten die anzal unser ambtleut und diener in allen unsern kunigreichen und landen one merkliche und gnuegsame Ursachen nit zu vermeren noch auch die besoldungen nit erhöhern noch mit den ambt- leuten Veränderung oder so sich ain fall begibt, neue fürsehung thuen lassen, sonder wo indert aus notturft ainer merung der ämbter und diener und auch ainer erhöhung der besoldungen und fürsehung der ambter not sein wierdet, wollen wir solliches mit derselben unser hof und der land ordinari camern rathe und vorwissen thuen.
249
Profantordnung in den 3 haubtlegern zu Prag1, Wienn und Ynsprugg fürzunemen.
Und nachdem in unser hofordnung von dreien platzen, da gewündlieh und am maisten unser beharrliche hofhaltung- ist und kunftiglich sein wierdet meldung beschieoht, als in unsern stetten Prag, Wienn und Insprugg und aus erfarnhait befunden, das alweg zu unsern ankonft in der leger einem alle provant in hoherm wert dann vor unser ankonft gewesen, ge- stigen ist, haben wir in jede der land urdinari camer Instruction ain articl stellen lassen, das unsere rethe und Verwalter bei denselben camern solliche hauswiertschafft fürnemen, damit man durch das jar mit ainem vorrath an wein, traid und fuetter ge- fast sei, zu sollichem werden die kästen und küchen ämbter, so stattliche einkomen haben, vor andern zu ledigen und zu lesen sein, demnach so sollen unser hofcamerräth bei den andern camern mit embsigem vleiss anhalten und verfolgen , auch darinn ir hülf und fürderung erzaigen, damit obgemelter massen die guet hauswiertschafft in das werk pracht und gericht werde und bedacht sein, so wir ainen aus den dreien legem ver- andern und in ainen der beharlich sein soll, raisen und wir inen solliches zuwissen thuen, das si dann solliches zeitlich unser camer derselben ort berichten, damit zu dem gemachten vorrat an wein, traid und fuetter, durch si die verrer notturft zu unser hofhaltung als visch, fleisch; gewiirz und dergleichen in rechten und leidlichen kauf bestelt werden mag.
Von vereerungen, die k. Mt. beschechen an silber, flaisch, wein, fisch und fueter.
So uns dann an unserm hin und wider raisen Verehrungen an silbergeschier, wein, fleisch, fuetter und dergleichen be- schiecht, wellen wir die angezaigten Verehrungen unsern hof- camerräthen anzaigen, die sollen volgundts dieselbigen, sonder- lich was silber ist, auf unsern bevelch in unser selbst camer volgen oder unserm hofzalmaister zuestellcn lassen, damit er desselben silbergeschiers wert in emphang nemen und verrer zu der notturft auf unsern bevelch ausgeben mög, aber der ver- ehrt wein, fleisch und fueter soll ordenlich in unsern keler, kuchen und stall den ambtleuten Überantwort und durch si weiter auch in ordenliche ausgab gestelt werden, darumben so haben
250
wir verordnet, das monathlieh mit allen officiern durch unsern obristen hofmaister und marschalch in gegenwurt aines unsers hofcamerraths, so darzue von dem hofmaister ervordert, gerait und dieselben raitung beschlossen werden sollen, damit mügen dieselbige hofcamerräth wissen, wollichermassen sich die hauss- wiertschaft in Ordnung und guetem wesen erhalt.
Wann ausserhalb des ganzen hofcamerrata mit den partheien ze handien sei.
Und so indert partheien umb schulden, die wir inen zu- thuen wären, bei uns ansuechen thuen und wir si auf unser hofcamerräte weisen oder dieselben partheien bei den gedachten unsern hofcamerräthen selbs umb bezalung suppliciern wurden, so sollen söllich anvorderungen durch dieselben unser hofcamer- räth samentlich gehört und durch si gehandlet werden und in- sonderhait sich kainer allein in handlung gegen denselben par- theien einlassen, so aber umb fürderung willen der sachen für guet angesehen wierdt mit den partheien ausser des ganzen hof- camerraths zu handien, so mag derselbig unser hofcamerräth zwen aus inen mit den partheien zu handien verordnen.
Von aufnembung der raitung über die ausgaben, so bei den camern und hofzalmaisterambt beschehen.
Und damit wir jeder zeit aller emphang und ausgaben, so durch unsere camern in allen unsern kunigreichen und landen, auch durch unsern hofzalmaister beschehen, ain wissen haben mögen, so sollen unser hofcamerräthe von unsern camern wie obsteet alle jar ires ganzen emphangs und aller ausgab, aber von unserm hofzalmaister alle viertl jar lautern auszug er- vordern, uns dieselbigen zuestellen und davon glaubwiertig copeien bei unser hofcamer canzlei behalten, dieselbige auszüg sollen auch neben ainem unserm hofcamerräthe durch unsern verordneten puechhalter als den, so des zalmaisters emphang justificiert und wissen hat, underschriben werden.
Von volziehung der k. Mt. bevelch bei den camern.
Was wir dann sonst den andern unsern camern in unsern kunigreichen und landen durch unser gefertigte instruction zu- handlen und in das werk zubringen auflegen, das sollen ob- gemelt unser camerräthe mit pestem vleiss bei denselben camern
251
verfolgen, jeder zeit notturftig bericht erfordern und was inen von denselben camern zuegeschriben und anzaigt wirdet, das zu merung unsers camerguets dienstlich ist und bei uns er- lödigung bedarf, dasselbig uns jeder zeit fürbringen, so wellen wir uns abermalen nach guetem zeitigem rath entschliessen und verrer denselben camern notturftigen beschaid geben lassen.
Die hofcamerhandlung, so nit zertailt, sonder laut der Ordnung in gemainem hofcamerrath besehenen.
Verrer ordnen und wellen wir, das unser hofeamersachen nicht gespalten werden, sonder all und jede camerhändl, si sein gross oder ciain im camerrath mit der Ordnung wie obsteet und sonst ninderst anderstvvo gehandlet undberathschlagt werden, damit unser hofeamerräthe aller sachen unsers camerguets in allen unsern künigreichen und landen einkomen, vermügens und unvermügens von dem höchsten bis zum wenigisten wissen tragen und durch, solliche lautere wissenhait von losungen der ver- phendtungen und dergleichen unser und unsers camerguets fürderung desto statlicher und erspriesslicher ratschlagen und fürn einen mügen.
Aufrichtung neuer büecher, bei hofcainer behalten werden sollen.
Und damit die obgemelten unser camersachen mit sovil mererm grund, auch desto fürderlicher gehandlet werden mögen, so sollen gedacht unser hofcamerrath bei allen unsern rait- camern puecher und register aufrichten lassen, darinnen die einkomen und glegenhait unsers camerguets in ainer jeden raiteamer Verwaltung gehörent kurz und sumarie begriffen sein, dergleichen auch püecher aller und jeder schulden und gegen- schulden, mer ain ordenlich register, in dem aller unser künig- reich und land geistliche lehenschaften, parren und beneficien, wie si mit namen haissen, was jedes järlichs einkoinens hat und davon in absenti geben wierdt begriffen seien und solliche püecher und register ervordern, damit si sich jeder zeit in für- fallender notturft mugen ersehen und desto gründlicher von sachen wissen zu reden und unsern nuz zu bedenken oder aber schaden und nachtl verhüeten und wenden und es sollen uns in unser hand von sollichen registern auch copeien zuegestelt werden.
252
Von audienz der hofcamerräth fürbringens.
Und damit unser aigen auch der partheisachen, so camer- guet beruerent und in gedachten unserm hofcamerräth für- genomen und gehandlet lind die notturft ervordert an uns zu- bringen, sovil er erledigt und beschlossen worden, so wellen wir unsern hofcamerreten, so oft die notturft ervordert und uns grossere geschäft daran nit verhindern, zu anbringung und er- lödigung der beratschlagten Sachen in der wochen zum weni- gisten zwen tag gnedige audienz geben und also zu besehluss derselben sach fürderliche handlung phlegen und sollen ir unserer camerräth bei sollicher referierung zum wenigisten al- wegen zwen gegenwiertig sein.
Ordnung des hofzalmaisters1 emphang wie der be- sehenen soll.
Verrer ordnen und wellen wir, das nun hinfüron unser hofzalmaister alles gelt, sovil ime von unsern einkomen unserer künigreiche und erblichen landen, auch von anlehen, bewilli- gungen unserer lande finanzen, es sei gelt, wullen tuech, seiden und gülden waar und silbergeschier oder anders nichts ausge- nomen zuemphahen bevolchen und verordnet wierdet, mit vor- wissen unser hofeamerräthe in seinen emphang nemen und den- selben emphang alzeit in dem ordinari camerrathe einschreiben, durch ine darumb quitiert und dieselbig quitung durch unsern verordneten buechhalter, der in disem desselben unsers zal- maisters gegenschreiber sein soll, mit aigner hand und namen underschriben und dann in ain ordenlich puech einregistriert und uns jedesmals vom selben emphang ain glaubwierdige auf- zaichnus under genants unsers hofzalmaisters und zwaier unser camerrathe handschrift zuegestelt werden, damit wir,2 auch dieselbige unser hofcamerräth der emphang allzeit wissen tragen und wir, auch si uns in den handlungen desto pas zeberichten haben.
1 Am Rande steht: Pueclihalter soll des hofzalmaisters gegenschreiber sein, was den emphang betrifft.
2 Hs. : Damit wir, auch dieselbige unser hofcamerräth bandschriften zuege- stellt werden, damit wir auch dieselbige unser hofcamerräth der emphang allzeit u. s. w.
253
Der hofzalmaister soll all ausgaben mit vorwissen der
hofeamerräth thuen und zetl darurab von k. Mt. und
zwaien rathn underschriben seiu.
Dann mit den ausgaben soll es also gehalten werden, der genannt unser hofzalmaister soll all extraordinär! ausgaben mit vorwissen unser hofeamerrethe inhalt unserer instruction; die wir ime deshalben aufgerieht und zuestellen lassen thuen, also was ausgaben sein, die sich über zehen gülden erströcken, die- selbigen sollen auf bevelchzetln, die am ersten durch ernenten hochmaister und ainen andern unsern hofeamerräth und dar- nach von uns selbs underschriben werden, besehenen, und nach- dem aber nit alwegen die gelegenhait geben kan, das zuvor und ehe die angeschaften extraordinari ausgaben beschehen, die zetln von uns underschriben werden mügen, demnach ist unser mainung, so demselben unserm hofzalmaister zetln, die von uns underschriben wTerden sollen, von gemeltem hochmaister und ainem unserm hofeamerrathe underschriben zuekomen, so mag er die ausgab darauf woll thuen, doch soll er aber alwegen zu acht oder zum lengisten in vierzehen tagen dieselbige verschriben zetl uns auch zuverzaichnen fürbringen, wann sonst soll dem- selben unserm hofzalmaister kain ausgab über die zehen gülden gestelt in seinen raitungen nit passiert werden.
Umb ausgaben, die sich under zehen gülden laufen haben die hofeamerräth zetel zufertigen.
Was aber ausgaben zehen oder under zehen gülden sein, dieselben sollen allain auf obgemelter zwaier personen under- schriben zetl, doch alles mit gemainer hofeamerräth sovil der zu jeder zeit an unserm hof sein, vorwissen und bevelch be- schehen. und gedachter unser hofzalmaister solle denselben unsern hofeamerräthen alle viert! jar ainen lautern auszug seines emphangs und ausgab mit seiner hand underschriben zuestellen und dann zu ausgang aines jeden jars auf weichnechten sein raittung beschliessen. dieselben unser hofeamerräth sollen auch nach ausgang aines jeden jars demselben unserm hofzalmaister ainen fürderlichen raittag benennen, er darauf gehorsamblich und gefast erscheinen, so wellen wir, so wir bei den camern in unsern erblanden sein oder ob wir gleichwoll zu derselben zeit nicht dabei sein wurden, alwegen von denselben camern
254
etliche räthe, sovil not ist, zu sollicher unsers zalraaisters raitung verordnen oder beschreiben lassen, und damit dann sollich des zalmaisters raitung alle jar beschlossen werden, so legen wir unser hofcamer auf, das si konftiglich in bemelts zalmaisters Ordnung fürsehen, das er hinfür dem hofgesind kain schuldbrief umb ire auständige besoldung gebe und dagegen quittung em- phach, sonder mit Schliessung seiner jarraitung, ob gleich be- melt hofgesind nit gar bezalt ist, furgee und sovil verrait, als er jeder zeit par ausgericht und bezalt hat.
Das die arrestierung der hofbesöldung schulden halben würchung haben sollen.
Und dieweil auch unser gemuet und mainung ist, das jeder- man von unserm hofgesind aller gemachten schulden, zerung und anders bezalung emphach und darinn nicht zu nachtl ge- füert werde, so haben wir unserm hofmarschalch aufgelegt und bevolchen, wann jemants über unser hofgesind ausstendiger schulden halben clagt und kainer bezalung bekomen mag, das er mit arrestierung der hofzalung bei jedem unserm hofzal- maister oder in ander weg die billichkait handien und ver- schaffen müge. demnach wo sich zuetrueg, das von ermeltem unserm hofmarschalch unserm hofgesind ainem ausstendiger schulden halben, die mit grund fürgetragen werden, sein be- soldung, sovil sich dieselbe schuld erlauft bei unserm hofzalmaister arrestiert und verpoten wurde, so sollen unser hofcamerräth bei unserm hofzalmaister Verordnung thuen, das denselben unsers hofmai'schalchs gebot gelebt, in wirchung beleih und komb und fürnemblich, sovil die schuld betrifft an der berüerten besol- dung inen gehalten und dardurch die gläubiger zufriden ge- stellt werden.
Das der hofzalmaister one der hofcamerräth vorwissen kainem hofgesind nichts fürleihen.
Unser will und mainung ist auch, das unser hofzalmaister hinfüro on unser hofcamer vorwissen kainem hofgesind nichts fürleihe, • so dann aber dieselbig unser hofcamer daneben er- suecht wierdt, soll si ausser unser ainen monat solt zube- willigen haben, ob aber ain parthei mer begert, also das die- selbig in potschaft zuraisen verordnet wurde, solle dasselbig
255
uns anbracht und darüber volgundts nach unserm willen Ver- ordnung beschehen.
Das jarlich von arnbtleuten raitung aufgenonien werde.
Die gedachten unser hofcamerräthe sollen auch mit son- dern! vleiss bei den andern camern in landen darob sein, das si von den arnbtleuten järliche raitung aufheulen und in das ander jar kains weegs ansteen lassen, damit durch solliches unser und unsers camerguets schaden und nachtall sovil mer verhüet und fürkomen werde, wölliches durch sollichen weg beschehen mag, nämblich so ain jar verscheint, wölliches durch die ambtleut verrait werden soll, in nechstem jar darnach vor ausgang desselben mit inen allen gerait und dann zu eingang des andern jars uns alwegen ain lauterer auszug wie obsteet übersendt werden.
Ob die meut und zoll mit bessern) k. Mt. etc. nuz hin- zelassen seien nachzugedenken.
Si sollen auch bedacht sein, wann etlich unser ambter als meut und zoll in ledigung der darauf beschehnen Verweisungen komen, ob dieselben nit mit höherm und pesserm unserm nuz in bestand auszulassen wären, damit wurde der costen s.o auf ambtleut, auch volgundts auf die raitung lauft, damit auch vil zeit verschliessen und ander vortl und nuz gebraucht werden mag abgestelt und verhüet und was si im selben faal bei inen für nuz und guets bedenken und aus erfarung befinden, das- selbig uns jedesmals fürtragen.
Zu den unerledigten raitungen sonder personen zuver- ordnen.
Und nachdem wir bericht sein, das etlicher unser ambt- leut raitung von vil jaren unübersehen und beschlossen auf unsern camern ligen, damit nun die neuen unserer ambtleut für- komen raitung gefördert und zu dem bracht, das jedes jars mit denselben unsern arnbtleuten ordenlich und one aufzug von unsern ordinari camerräthen gerait werden mög, so wellen wir zu solhen alten raitungen etlich sonder personen verordnen, die solle solhe für sich nemen, übersehen, raiten und dann durch dieselben unser ordinari camerräth bis auf uns beschlossen wer- den, demnach so sollen unser hofcamerrethe sollichen articl
256
das der obgemelter müssen verricht werde, bei uns und ge- dachten unsern camern bestem vleiss verfolgen und treiben.
All quartal soll der hofstat verneuet werden.
Und als sich unser hofstat mit den personen und besol- dungen je zuzeiten verändert, so legen wir unsern hofeamer- räten hiemit auf und wellen, das si jedes quartal zu der bezalung den hofstat für unsern obristen hofmaister und hof- marschalch bringen und in irem beisein gegen Veränderung der personen verneuen und dann gedacht hofmaister und hofmar- schalch baid oder in aines abwesen den andern underschreiben lassen, damit jeder zeit die bezalung nach sollichem hofstat richtig besehenen mög.
Zu beratschlagen, was auf die raisen von nöten sein
werde.
Und wann sich mit unserm hof aufbrach zuetregt, sollen die hofeamerräth alwegen mit unserm hofmarschalch und stall- maister zuvor ain etlich tag zusamen komen und nach gelegen - hait der vorhabunden raiss beratschlagen, was ungeverlich für fuer und anders von noten ist, damit die notturft zeitlich be- stelt .und sonderlich der fuer halben, was von inen für unver- meidenlich zugebrauchen bedacht und angesehen wierdt durch unsern stallmaister fürsehung besehenen müg, dem wir dann solliches insonderhait wol eingebunden und aufgelegt haben.
Von expedition der hofeamer und canzleisachen.
Dann unserer hofeamer canzlei und derselben expedition halber ist unser mainung, das die gemelten unser hofeamer secretari die Sachen, so wie obsteet, berathschlagt worden, aus dem rath zu iren handen und verwarung nemen, was dann auf mündlich beschaidt gestelt ist, die partheien oder wen die be- treffen möchten in der canzlei zu ainer gedechtnus und künf- tigen bericht einschreiben lassen, wölliche händl aber brieflicher oder schriftlicher expedition bedürfen, das dieselbige nach ver- mög der rathschleg in unser hofeamer canzlei durch die secre- tarien und nit durch die partheien wie etwo besehenen sein m lieht, vleissig copiert und gestelt und die grossen haubtsachen und Versehreibungen, sovil derselbigeu au unserm hof gefertigt werden, sollen zuvor in unserm hofeamerrathe und dann die
257
missif, daran dann zuzeiten auch gelegen ist, wo nit durch völligen hofcamerrathe, doch aufs wenigist durch ir zwen aus inen und, so die sach so gar gross ist, in unser selbst gegenwiertigkait ab- gehört und volgundts in der canzlei geschriben und ingrossiert, nachmalen ehe uns dieselben expediert brieflich handl zu under- schreiben fürpracht, durch gemelten hochmaister und ainen an- dern aus unsern hofcamerräthen underschriben und volgundts uns zuverzaichnen fürbracht werden, und so nun sollich brief durch uns underschriben, alsdann under der hofcamer secre- tari handzaichen und soverr es handl sein, zu registriern durch den registrator registriert und mit wort „registrata" underschriben und dann mit dem secret, das ain hofcamersecretari hat, an die stat verfertigt werden.
Bartheien glümpflich abschaiden und förderlich
vertigen.
Gemelt unser hofcamerräthe , dergleichen die camer- secretari sollen sich auch befleissen die partheien auf glümpf- lichist und mit gueten Worten anzureden, abzuschaiden und sovil müglich ist, mit fürderung abfertigen, damit si nicht in ver- saumbnus und uncosten gebracht werden.
Was für Sachen bei der landcamern gevertigt werden
sollen.
Was aber für gross Sachen, die bei unsern camern in landen auf unsern bevelch beratschlagt und bei uns beschlossen werden, vor uns fürkomen oder so wir sonst jemants nach zeitigem rathe und gnuegsamer erkondigung ambter, pklegen oder dergleichen bewilligen, so wellen wir verordnen, das die brief bei den camern in landen, darein die fürkomen sach ge- hört oder dasselbig land antrifft, gevertigt werden sollen.
Von besiglung der pergamenen brief.
Was dann pergamenen brief sein, die mit dem grossen insigl angehangen werden müessen , die soll der hofcamer- canzlei registrator, der dann auch taxator ist, mit dem wachs durch den canzleidiener anhengen lassen, nachmals unserm obristen hofcanzler oder Verwalter desselben hofcanzlerambts zuetragen und so er die mit unserm und zwaier unser hof- camerräth handzaichen underschriben und also des inhalts befindet,
Archiv. Bd. LXIX. I. Hälfte. 17
258
das die sachn in sollichen brieten begriffen an ir selbs diser unser hofcamerordnung nit zuwider gefertigt ist, darumben und zubericht wir auch gedachtem unserm hofcanzler ain copei von sollicher unserer Ordnung zuestellen lassen, alsdann und sonst nit sollen dieselbige brief mit bemeltem unserm insigl verfertigt werden, so aber gedachter unser canzler ainichen mangl diser unser Ordnung zuwider in briefen befunde, solle er die besiglung anstellen und uns der Sachen berichten, als- dann wellen wir dargegen in ander weeg gebürlich einsehen haben.
Von taxierung der brief.
Dann der tax halben umb die brief, so bei unser hof- camercanzlei gefertigt und hinaus gegeben werden, wollen wir, das dieselben brief doch ausserhalb der gemainen misiven und bevelch, so denen partheien gefertigt füron durch unser hof- camerräthe taxiert und dieselbig tax mit der Ordnung wie si bei unsern canzleien in landen gehalten werden, aber mit den gemainen bevelchen soll es wie bisher gehalten werden, und sonst sollen die gedachten unsere hofcamerräthe in allen ob- gemelten und andern fürfallenden unsern camersachen jederzeit mit höchstem irem vleiss unserm gnedigen und hochen vertrauen nach handien, dardurch unser frumen und nuz gefördert, schaden und nachtaill, sovil müglich ist, verhüet und fürkomen werden, wie wir dann des ain sonder gnedigs und hochs vertrauen in si setzen und solliches in gnaden und allem guetem gegen inen samentlich und sonderlich erkennen und bedenken wellen, was dann derselben unsern hofcamerräthen jederzeit nach glegen- hait der leuf und gestalt der Sachen fürfeit, das obgeschribner Ordnung nach inen zuvolziehen zuschwär sein wrurde und des an uns gelangen lassen, wellen wir samb inen zu verer und notdurftiger fui-sehung weitere beratschlagung fürnemen und sovil müglich ist, an uns nichts erwinden lassen.
Die hofcamerordnung soll siben jar nacheinander und verer auf k. M't. wolgefallen weren.
Und diese obgeschribne unser hofcamerordnung solle also in irem inhalt die sechs jar in »Ich uns von unsern künigreichen und landen die hülf und Steuer volgt und dann das sibent jar darnach aufrecht besteen, von uns, unsern hofcamerräthen,
259
secretarien, zahnaistern, puechhaltern, registrator und andern unsern dienern, die solliche Ordnung- betrifft, sovil imer müglich ist, steet, vest und unzerbrochen gehalten und darwider mit dem wenigisten nit gehandlet werden, aber zu ausgang sollicher siben jar soll in unserm gefallen steen, dieselbig nach gelegen- hait unsers wesens zumindern, zu meren oder in ander notturftig weeg zustellen, des wir dann jeder zeit mit woll erwegnem rath fürnemen, handien und schliessen sollen und wellen, wo wir aber alles obsteet bemelten unsern hofcamerräthen in ainem oder mer articl in dieser unser Ordnung etwas zu schwer auf- gelegt betten oder was inen unsern hofcamerräthen in denen articln wie oben begriffen, zu volziehen unerhöblich sein wierdet oder ob dise unser Ordnung aus fürfallunden kriegsobligen oder andern ehaften Ursachen in ainem oder mer articl nit ge- halten oder volzogen werden möchte, so solle si ir phlicht in demselben nicht binden, si auch derhalben von uns, noch jemants anderm nicht angezogen werden ungeverlich. besiglt mit unserm anhangunden insigl. geben und besehenen auf unserm küniglichen schloss zu Prag den 1. tag September anno 1537. unserer reiche des romischen im 7. und der andern im ll.i
III. Instruction des niederösterreichischen Hofraths 1521
(15. October, Graz). (Original im Archiv des k. k. Ministeriums des Innern zu Wien.)
Ferdinand von gots genaden .... Prinz in Hispanien, Erzherzog zu Osterreich, Herzog zu Burgundi etc.
Instruction was und welhermassen die erwirdigen edlen ersamen gelerten unser andächtig und lieben getreuen Peter bischof zu Triest als unser grosscanzler und obrist haubt unsers hofrats der niderösterreichischen lande, Ciriackh freiherr zu Polhaim und Wartenburg , Georg v. Seysenegkh freiherr zu Weitenegkh, Lienhart Harracher, Phillipp v. Wuxenstain., Doctor
1 Ein zweites Exemplar <lcr Hofkainmerordnung, Entwurf mit Correcturen, betinilet. sich auch bei den Acten am gleichen Lagerort.
17*
260
Johann Kauffman, Doctor Georg Manndl, die wir zu unser rate in unseren hoffrat unser niderösterreiehischen lande verordent haben von unseren wegen und an unser stat in unser furst- liehen regirung unser bemelten niderösterreiehischen lande hand- len und volstrecken sullen wie hernach volgt.
Und als unserm getreuen lieben Marxen Treitzsaurwein unserem rat und secretarien anstat unsers getreuen lieben Ga- brielen de Salamanca unsers rats, obristen secretarien und schatz- maisters die Verwesung unser niderösterreiehischen canzlei zue- gestellt und bevolhen worden ist, so solle derselb Treitzsaur- wein auch als unser rat in unserem hofrat und als verweser anstat des gedachten Salamanca im hofrat sein und im hofrat die stim und stand dermassen haben, wie sich von desselben ambts wegen gepurt.
Und als wir den ersamen gelerten unseren getreuen lieben doctor Georgen Pesserer zu unserem camerprocurator verordent und aufgenomen haben, derselb camerprocurator solle von un- seren wegen und an unser stat in allen rechtfertigungeD, sachen und haudlungen, die unser camerguet, auch unser underthanen ungehorsam, strassrauberei und ander pöss straffmässig sachen betreffend handien und insonderhait solle der camerprocurator sein aufsehen auf unser raiteamer haben, darzue alle recht- fertigungen, sachen und handlungen mit unser raiteamer wissen und rat handien laut unsers bestellbriefs und gewalt ime des- halben gegeben und zu weihen Zeiten derselb unser camerpro- curator nit mit sonderen treffenlichen sachen und handlungen beladen ist, so solle er in unserem hofrat wie ander unser rate sizen und gepraucht werden.
Weiter lassen wir den vorgemelten unseren hofrat in allen den eeren und wirden, darein wir si dann vormalen gesezt, hinfuro bis auf unser wolgefallen beleiben, und so wir si dann für ander personen darzue furgenomen und erkiest haben und in si unser sonder vertrauen sezen, so wellen wir nit zweifljen] auch si hiemit ermant haben, si werden in unserem hofrat und sonst allenthalben unseren nuz und fromben furnemen und fordern, unseren nachtail und schaden nach irem vermugen wenden und uns darinnen warnen auch als unser rät und diener wie si uns dann gelobt und gesworen sein, handien und sich dermassen stät mit aufrichtiger erber redlicher gleicher und gerechter handlung dem armen als dem reichen, dem reichen
261
als dem armen halten, als frumben wolgebornen eerlichen leuten der gerechtigkait und eeren nach gezimbt und inen zue auf- enthaltung der gerechtigkait und warhait, zu undertrukung der ungerechtigkait und posshait, zu hail iren seelen und iren schul- digen und verpunten phlichten nach zu thun gepurt. und da- mit si ain lauter und gruntlich wissen tragen, was gewalt si von uns haben, auch wie und was si aus unserem gewalt inen gegeben von unseren wegen handien sollen imd mugen und denselben unseren gewalt in iren handlungen nit übertreten, so sezen und bestimben wir die Sachen, darinnen si zu handien haben, mit klaren artiklen und Worten wie hernach vernomen wurdt.
Am ersten sollen si volkumenlichen macht und gewalt haben laut unsers gewaltbriefs in allem dem, was justicia be- trifft, nemblichen alle irrungen, zwitrachten und spän, darumb si ersuecht werden, abstellen, desshalben bevelh ausgeen lassen wo es die notdurft erfordert, dieselben irrung, zwitracht und spän selbs verhören, darinnen entschid thuen, in allen recht- lichen handlungen, was uns auch unser underlhanen berurend auf unsers camerprocurators und der partheien anrueffen unver- zogenlichen und furderlichen recht ergeen lassen, urtail spre- chen, alle appellacion erledigen, darauf unverzogenliche execu- cion und volstreckung thun und verschaffen und alle justicia und Sachen gestracks handien, darinnen niemands dhain un- gehorsam gestatten, doch mit der ausgenomen beschaidenhait, wan si entschid oder urtl verfassen, die wider uns im rechten sein wurden, so sollen si dieselben entschid und urtl so lang nit eröffnen, bis si uns dieselben klar und lauter underrichten und von uns darauf bevelh haben, was si weiter darin handien sollen.
Zum andern so sollen und mugen si in unserem namen und an unser stat pan und acht aus unser fürstlichen obrigkait auch die lehen, so von unserem lieben herren und anherren kaiser Maximilian hochlöblicher gedechtnus zu lehen emphangen sein, mit vorbehält uns und meniglichen an unseren und iren rechten und gerechtikaiten unvergriffen verleihen und auch alle freihaiten, bestattungen, confirmacion, die von gedachtem kaiser Maximilian bestatt und confirmirt sein, auch bestäten und con- firmiren mit disem artiklen was wir von recht daran bestatten mugen und des ain jeder in geprauch ist und darzue in iren freihaiten, darumb si in ansprach und rechtfertigung steen,
2ß2
unvergriffen und on nachtail. und in sonderhait so sollen si auf dhain vidimus dhain lehen leihen noch ainicherlai freihalten
und confirmacion darauf bestatten noch die lehen und bestätt- brief geschrieben werden, es seien dann die rechten haubtbrief im rat zuvor furgebracht und in die canzlei geantwurt.
Zum dritten, wann der bischof von Wienn und die univer- sitet alda, auch burgermeister und rat daselbst zu Wienn und die zwo stet Krembs und Stain mit iren freihalten und rechten haubtbriefen und originalen für unseren hofrat kernen werden, inen solh ir freihaiten zu confirmiren und zu bestatten, so sollen si dieselben haubtbrief und original von inen annemen und mit vleis übersehen und alle artikl aigentlichen bewegen, weihe artikl irrung machen, und ob dieselben freihaiten der- massen zu bestatten oder zu minderen oder zu meren sein, dar- durch künftig irrung und nachtail verhüet möcht werden, und ob si ire freihaiten in massen, wie inen die gegeben sein wen- den, gepraucht haben oder nit und solichs alles in schrift ver- fassen und uns dieselben artikl irer freihaiten und ir erkundi- gung alle mitsampt irem rat und guetbedunken in lateinischer schrift berichten.
Zum vierten, nachdem in unsern niderösterreichischen lauden ain zeit her vil strasrauberei getriben worden und noch getriben werden, das wir dann in dhainen weg gedulden noch gestatten wellen, sonder uns entlichen entslossen .haben nit allain die strassrauber, sonder auch die, dabei si bisher ir aufenthal- tung in unseren landen gehabt und hinfuro haben möchten, aus- zureiten und die strassrauber und ire wirt wie obgemelt ist, in gleicher mass an iren leiben, wo si aber entwichen, an iren gueteren nach dem rechten zu strafen zulassen. Und darumb so wellen wir unseren hofrat hiemit insonderhait auf das aller- ernstlichist eingepunden haben, das si gegen den strassraubern und gegen denen personen, so die strassrauber aufgehalten und dabei si ir zu und abreiten gehabt, gestracks handien und nit ansehen, noch sich verhinderen lassen, ob etlich personen gross herren oder ainer grossen freundsehaft weren oder sich etlich des adls behelfen wollten, sonder si sollen gegen denselben in aller der massen furnemen und handlen lassen als gegen dem aller wenigisten. Dann wir wellen gleich gericht und recht und unser land vor solhen strassraubern und iren aufenthaltern in frid und rue halten.
2ß?>
Zum fünften, als wir vormalen in unseren niderösterreiehi- schen landen offen general und ernstlieh gepot ausgeen haben lassen, an weihen orten ainer beraubt wirdt, das die leut, so in dem negsten fleek sizen, dabei sollieh beraubung beschicht, zu stund an aufsein und den strassraubern nachvolgen sollen bis zu dem anderen negsten fleck und also für und für bis die strassrauber begriffen werden, aber solh unser gepot ist bisher von unseren landleuten und underthanen nit angesehen worden, wann seither vil strassraub besehenen sein und denselben strass- raubern nach unserem gepot nit nachgefolgt worden, des wir uns nit unpillich beswären, das unser inandat und gepot, die unseren landen und leuten zu frid und Sicherung besehenen, also veracht werden und mugen solhe ungehorsam als regirender herr und landsfurst dhains wegs gestatten und zu ainem uber- flus wellen wir jetzo noch ain mal sollich general und gepot der strassrauberei ausgeen lassen, darauf soll unser hofrat streng- lich dermassen handien, ob sich hinfuro weiter begebe, das in unseren landen ainer oder mer beraubt wurden und das die leut in dem negsten flek denselben strassrauberen nit nach- volgten oder ob dieselben nachvolgten und das die leut in den anderen flecken unser gepot verachten und nit nachvolgen wurden, so solle unser hofrat nicht warten, bis über dieselben klag komen, sonder unserem camerprocurator bevelhen, das er dieselben als die ungehorsamen von stundan furneme, damit denen, die beraubt worden sein, von inen ain benuegen be- sehene und umb ir ungehorsam in unser straff wie recht ist, erkennt werden.
Zum sechsten, so solle unser hofrat dhainen strassrauber noch ubltäter dhain genad noch furderung beweisen, sonder si sollen denselben gestracks recht ergeen lassen und ob etlich statrichter und Landrichter oder ander amptleut die ubltäter auslassen und nit gegen inen handien wurden, wie sich dem rechten nach gepurt, so sollen dieselben lichter durch unseren camerprocurator von stundan furgenomen und gegen denselben richter gehandelt werden wie recht ist.
Zum sibenden, nachdem in unserem hofrat vil merklicher beswärung furkumen, darauf bevolhen wirdt soferr dem also ist, das derselb solher beswärung absteen solle und aber in solhen beswärungen oft mer als ain bevelh ausgeet und ainer dannoch seines unpillichen furnemen nit absteet, sonder für und für in
264
seinem unzimlichen furnemen verharret, dardureh wir als herr und landsfurst von unseren underthanen groslichen veracht werden und aus daraus iu unseren bevelhen und gepoten grosse ungehorsam erwaxt, auch desshalben die armen leut in vil un- pillich unnuz und übrige costung gefurt werden, darein wir als regirender herr und landsfurst der merklichen notturft nach pillichen zu sehen haben und damit solh ungehorsam abgestellt und unsere underthanen vor unnuzen costen und verderben verhuet werden, auch unsere bevelh und gepot bei unseren underthanen ain ansehen haben, so geben wir in dem die Ord- nung wann unser hofrat bevelh ausgeen lassen, das ainer seines unpillichen furnemen absteen oder anderen sachen nachkomen oder ain benuegen thun solle, das dann derselb auf solh unser bevelh zuthun schuldig were und aber unseren ersten bevelh veracht und ungehorsam erscheint und sein widerparthei also muetwillig umbfuret und aufzug, so solle unser hofrat dieselb person und sein widerparthei erfordern, die sach aigentlichen verhören und sich darinnen gruntlichen erkundigen und wirdt erfunden, das derselb über unseren bevelh sein widerparthei unpillichen umbgetriben und sich auf unseren bevelh also un- gehorsam gehalten het, so solle derselb umb solh sein ungehor- sam durch unseren camerprocurator furgenomen und darauf von wegen derselben ungehorsam gehandlt werden wie sich gepurt und pillichen ist.
Zum achten , so soll und mag unser hofrat auf pot- schafter, gesandten, poten, kundtschafter, die si in unseren sachen ausschicken und prauchen werden, auch auf geraisig und fuessknecht wider die strassrauber mit vorwissen unser raitcamer aus unser camer gelt verordnen, wie dann sollichs die notturft erforderen wirdt.
Zum neunten, ob in unseren landen ander notturft fur- fallen wurden, die uns und unsere land betreffent, so sollen si in denselben furfallenden sachen, was die ausgab und unser camerguet betrifft, nit anders dann mit willen, wissen und rat unser raitcamer handien, wie dann vor auch gemelt ist.
Zum zehendten, ob über solich furfallend Sachen merer und grösser notturft und sachen furfallen wurden, die sollen si zuvor uns klerlichen und gruntlichen berichten, dann wir haben bewegen, das dhain sach zu disen zeiten so gross und so eilends furfallen möcht, unser hofrat muge uns dieselb gross
265
sack forderlichen und bei gueter zeit berichten und darauf unsers verreren besclnüds und bevelh erwarten und was wir inen alsdann auf dieselb ir underrieht bevelhen werden, dem sollen si nachkonien.
Zum aindleften, so wellen wir, das unser raiträte derselben unser raitcamer frei sein also, das si unser raitcamer auswarten und handien sollen, wie wir inen dann darinnen Ordnung' geben und in derselben unser raitcamer sonst niemands nichts zu schaffen und zu handien haben dann wir selbs, wann wir uns unser camerguet und raitcamer bevor behalten, und nachdem unser raiträte von uns in bevelh haben werden, kain grosse sach an unsers hofrats rat und guetbedunken zuesliessen, auf das als offt unser raiträte ain treffenliche und grosse sach in unserem hofrat furbringen, so solle unser hofrat die- selb sach aufs allervleissigist bewegen, was uns darinnen am nutzlichisten und pesten sei und darauf iren rat und guet- bedunken besliessen und unseren raitraten unser raitcamer anzaigen.
Zum zwölften, so werden auch unser raiträte unser rait- camer in bevelh haben, so si mit unseren vitzthumben und ambtleuten raitten, das si ainen rat aus unserem hofrat zu inen nemen sullen, der aus dem land ist, darinnen derselb vitzthumb oder amptman sein Verwesung hat und der uns derselben vitzthumb und amptleut handlung ainen wissen hab oder ob inen sunst Sachen furfallen, darzue si ains rats oder mer aus unserem hofrat notturftig wurden, darauf ist unser mainung und bevelh, das unser hofrat unseren raitraten auf ir begeren albegen ainen oder mer unserer rät aus unserem hofrat zu inen verordnen und damit zu hilf kumen , dardurch unsers camerguets halben dester statlicher unser notturft nach ge- handlt muge werden,
Zum dreizehenden, so mugen unser hofrät mitsambt unser raitcamer die ambter, so ledig werden und in zwenunddreissig guldin nutzung tragen tauglichen personen von unseren wegen verleihen, doch so sollen si darauf gedacht sein, wo alt tauglich diener oder provisoner verhanden weren , das dieselben vor anderen damit fursehen und dardurch die provison geledigt werden.
Zum vierzehenden, so sollen alle confirmacion, ladungen, lehen, commission, bevelh, mandat und alle ander notturftige
266
briet', nichts ausgenomen, die zu solher unser fürstlichen regi- rung und zu volziehung der justicia und aller rechtfertigungen notturftig sein, aus unserem hofrat ausgeen under unserem naraen, titl, insigl, secret und under unser liehen gemahl handgeschrift, damit si sich an unser stät also per principem Annam under- schreiben, auch des erwirdigen unsers lieben andächtigen Petern bischoffen zu Triest unsers grosscanzlers und haubts unsers hofrats zaichen, so sein andacht am ort ausserhalb der schritt derselben brief machen und under unsers rats und secretarien Marxen Treitzsaurweins handzaichen , damit er sich in un- serem abwesen anstat unsers rats obristen secretarien und schatzmaisters Gabrielen de Salamanca auch underschreiben sollen.
Zum funfzehenden. alle die vorgemelten brief, so in un- serem hofrat beslossen und durch unseren vorgemelten gross- canzler und obrist haubt unsers hofrats mit seinem zaichen verzaich'ent werden, dieselben brief alle solle unser liebe gemahel underschreiben und weder ir lieb hofmaister noch hofgesind in solhem nit widersprechen noch in kainerlai weise nichts darinnen zu veränderen noch zu verwandten noch sich underwinden, umb dieselben brief ainicherlai wissen zu haben, und wir wellen, das sollichs stet und kreftig be- leiben solle.
Zum sechzehenden, so ist unser sonder ernstlicher will und bevelh, so unser hofräte im rat sitzen, das niemands ander eingelassen werde noch stim haben, dann die benannten unser rate unsers hofrats, wie wir in diser unser Instruction klerlichen austrucken oder weihe personen wir kunftiglichen in unseren hofrat verordnen wurden, dann uns als herren und landsfursten steet uns allwegen bevor, rate aus und in denselben unseren hofrat zu thun nach unserem wolgefallen, wie wir als regiren- der landsfurst thun mugen und deshalben ganz frei und un- verpunden sein.
In solhen vorbestimbten sachen und handlungen hat unser hofrat von uns genuegsamen gewalt nach ausweisung der vor- gemelten artiklen, wie die klerlichen in sich halten, nach in- halt unsers gewaltbriefs volkumenlichen zu handien, darinnen si als unser getreu rate allen muglichen vleis furkeren sollen und wir inen getrauen als dann sollichs vor in ainem artikl klerlichen anzaigt ist, denselben artikl wir jetzo hiemit aber
267
verneueo und melden und uns sollichs zu inen ungezweifelt
versehen wellen, das ist unser ernstliche mainung.
Geben in unser stat Gratz am 15. tag des monats octobris
anno etc. im 21.
Ad mand. sermi dorn, principis
Ferdinand. archiducis proprium.
Salamanca. Registr. Treitzsaurwein.
IV. Instruction des niederösterreicliischen Hofraths 1523
(5. November, Wien). (Original im Archiv des k. k. Ministeriums des Innern zu Wien.)
Ferdinand von gots gnaden prinz und infant in Hispanien, erz- herzog zu Osterreich, herzog zu Burgundien etc.
Instruction unsers hofrats, unser regirung in unsern niderösterreichischen landen, wie hernach volgt.
Nachdem wir in anfang unserer ersten zuekunft in unser erbliche niderösterreichische lande, dieweil wir anderer merk- lichen Sachen halben in denselben unsern niderösterreichischen landen nit stätiglich beleiben haben mugen, mit zeitigem rate und wolbedächtlich ainen hofrate aufgerricht und unser frountliche liebe gemachel an unser stat zu stathalterin und regirerin und den erwirdigen unsern lieben andechtigen Petern bischoven zu Triest unsern rat zu unserm grosscanzler in denselben unsern hofrat gesezt und verordent, und derselben unser lieben ge- machl auch gemelten unsern grosscanzler und hofrat, unsern vollmechtigen macht und gwalt gegeben an unserer stat und in unserm namen bis auf unser widerkunft oder weitern unsern bevelh zu regiren und zu handien, pan und acht aus unser fürstlichen obiikait, auch die lehen mit vorbehält unserer spruch und gerechtichait, so wir oder etwo anderer derselben lehen ains oder mer haben möchten, zu verleihen, alle freiheiten und privi- legia, die ain jeder in gebrauch ist, zu bestatten und alles an- ders zu handien, darauf unser liebe gemachel und nachmalen obberurter unser grosscanzler in unserm abwesen mit allem vleiss in allen sachen nach inhalt unsers gwalts und bevelhs
26*
getreulichen geregirt und gehandlef haben, darob wir sonder gnedigs gevallen tragen.
Verrer das wir uns uunials cntslosson, unser regirung in unsern funff niderösterreichischeo landen hinfuro unzher bis auf unser weiter wolgevallen in unser stat Newstat in Osterreich under der Enns zu halten und ainen stathalter an des grosscanzlers stat zuverordnen und nachdem wir anderer trefflicher geschefft halben, daran nit allain uns und unsern niderösterreichischen landen, sonder der ganzen cristenheit zu widerstand der Türken merklichen und gross gelegen, wie dann meniclich offenbar ist, diser zeit auch nit steticlichen in unsern niderösterreichischen landen noch bei unserm hofrat beleiben mugen und damit aber die regirung und handlung in unserem hofrat in steter uebung beleih und die recht dem armen als dem reichen, dem reichen als dem armen für und für on ver- hindrung gefurdert und in unserm hofrat in solher handlung und regirung dhain Zerrüttung beschehe, auch als ettlich per- sonen aus demselben unserm hofrat komen sein, die wir dann in andern unsern Sachen, daran uns gelegen ist, zugebrauchen furgenomen, das aber unser hofrat mit tapfer verstendigen per- sonen und ainer gnugsamen anzal besezt werde, so haben wir den edlen unsern lieben getreuen Sigmunden von Dietrichstain, freiherrn zu Hollenburg und Vingkenstain zu unserm stathalter desselben unsers hofrats, auch den edlen unsern lieben getreuen Cristoffen von Puechaim, freiherrn zu Rabs und Krumpach und erbdruchsessen in Österreich under der Enns zu unserm rate in denselben unsern hofrat von neuem aufgenomen mitsambt den hernachvolgenden personen und so vormals in demselben unserm hofrat gewesen sein und die wir noch darin beleiben lassen nemb- lich die edlen ersamen gelerten und unser lieb getreu Hannsen von Lamberg, herrn zuSaunstain, Wolfgangen Jörger zu Tollet, Leon- hart von Harrach, Philippen von Wuchsenstain, Sigmunden von Herberstain, Marxen Treitzsaurwein, Erasmen Dorenberger, doctor Johann Kaufman, doctor Jörgen Mandl und doctor Jörgen Pessrer advocaten unsers camerprocurators , dieselben obbe- melten personen als unser stathalter und hofrat sollen hinfuran von unsern wegen und an unser stat in unser fürstlichen regi- rungen unser bemelten niderösterreichischen lande handien nach inhalt unser gwaltsbrief inen deshalben von neuem gegeben und nach ausweisung diser unser Instruction wie hernach volgt.
269
Anfenclich sol vorgemeltcr Marx Treitzsaurwein unser rate und als unser secretari anstat des edlen unsers lieben getreuen Gabrielen von Salamanca, freiherrn zu Freystain und Karlspach unsers rats und schatzmaister general die Verwesung unserer niderösterreichischen canzlei nach seinem höchsten und pesten vleis verwalten und versehen und dieselb unser niderösterreichi- sche canzlei in gueter Ordnung uns zu eeren und nuz halten wie sich ime als ainem Verwalter zethuen geburt.
Weiter nachdem entlich unser mainung und gemuet ist, das al Sachen gefurdert und unverzogenlichen gehandlt und die recht steticlich mit vleissiger handlang volzogen werden, so haben wir unserm hofrat die hernach bestimbt Ordnung fur- genomen, beslossen und gemacht.
Am ersten sol gedachter unser stathalter Sigmund von Dietrichstain auch die bemelten Hanns von Lamberg, herrn zu Saunstain, Wolfgang Jörger zu Tollet, Leonhart von Harrach und Marx Treitzsaurwein teglichen fertigen und handien all supplicacionen und ander furfallend Sachen unser fürstlich regi- rung betreffend, aber was kriegshandlung betrifft sol Felician von Betschach als unser raitrate dabei sein, auch was Sachen inen furfielen, das unser fürstliche regiiung betrifft, die inen zu swer sein wurden, die sollen unser stathalter auch Hanns von Lamberg, Wolfgang Jörger, Leonhart von Harrach und der Treitzsaurwein in der versamblung des ganzen hofrats fur- bringen und darinnen besliessen.
Dann die Sachen die kriegshandl berurend und daran ge- legen wil sein, sollen si dieselben kriegssachen mitsambt unsern raiträten besliessen wie hernach in ainem artikl lauter angezaigt wirdet und den vorbestimbten handlungen und sachen unserer fürstlichen regirung mit allem vleiss auswarten.
Und der Treitzsaurwein solle zu ime in disen rat zur furdrung aller Sachen aus der canzlei seiner Verwesung albegen ainen secretari nemen, der tauglich und frumb sei.
Zum andern sollen Cristoff von Puchaim, Philipp von Wuchsenstain, Sigmund von Herberstain, Erasm Doremberger, doctor Johann Kaufman, doctor Jörg Mandl und doctor Jörg Pessrer teglichen handien in den gerichtlichen Sachen für und für, furdern und erledigen, sich darin nichts verhindern lassen, doch das alle urtl, so si nach irem guetbedunken und versteen verfassen in dem ganzen hofrate, so derselben zeit bei einander
270
sein, beslossen und geöffent und so aber ain grosse und tapfere urtl vor äugen ist, so soll der ganz hofrat über dieselben acta sizen und wo von nöten sein wil, ainen oder mer rät aus unser raitcamer darzue erfordern und dieselben urtl mit besameltem rat mit ainander besliessen.
Und zu derselben gerichtlichen Sachen solle der Treitz- saurwein den Hanns Oder niderösterreichischen taxator ver- ordnen und brauchen und gerichtlicher secretari sein.
Ferrer so sollen unser stathalter und hofrath unsers ganzen hofrats sovil der zu jeder zeit bei unserm hofrat sein, in jeder wochen, wo es änderst der grossen vest und der geboten veirtag halben sein mag, drei tag am mantag, mitwoch und freitag albegen offen verhör und rechtag sizen und das recht unver- hindert offen in seinem gang halten, ob sie aber der grossen vest und geboten veirtag halben in ainer wochn die 3 rechtag nit besizen mochten, so sollen si doch nichts dest minder nach gelegenheit der tag in derselben wochen ainen oder zwen rechtag halten und in albeg das recht furdern.
Unser hofrat sollen im surner vor mittag umb sechs ur im rat sein und umb 9 ur aus dem rat, nach mittag umb ain ur widerumb im rat sein und umb vier ur daraus und im winter vormittag umb siben ur darein und umb zehen ur daraus; nach mittag auch umb ain ur im rat und umb vier ur wider- umb aus dem rat geen. und weihe hofrät zu solhen gesezten uren in den hofrat nit komen, die sol der Treitzsaurwein oder der secretari. dem er solhs bevilht in ain register aufschreiben, denselben hofräten sollen albegen dieselben tag nach inhalt des registers an iren sölden aufgebebt werden.
Weiher hofrat aber je zu zeiten in seinen Sachen zu schaffen hette oder swach und krank were, das er nit in den hofrat komen möcht, solle er solhs dem stathalter ansagen und mit seinem willen und zuegeben ausbeleiben und sonst nit, doch sol solhs dem Treitzsaurwein auch anzaigt werden, wo aber solhs nit besehene, sol der Treitzsaurwein dieselbn nicht dest minder in das register schreiben.
Weiter damit in unserm hofrat, in unser fürstlichen re- girung, darzue in den gerichtlichen Sachen ordenlich gehandlt und gefurdert werden, so solle der Treitzsaurwein teglichen in dem rat unser fürstlichen regirung unserm stathalter die gnötigstn sachen, die eingelegt sein und gehandlet muessen
271
werden, anzaigen. so solle Hanns Oder die gerichtlichen Sachen auch nach Ordnung alle tag furbringen, darauf sollen dieselben Sachen furgenomen und erledigt werden.
Unser stathalter und die vier verordenten rät sollen albegen die kriegshändl, supplicacion und ander Sachen unserer fürstlichen regirung, was jeglichs tags eingelegt und in denselben rat fur- kommen am ersten fertigen und nit die Sachen herfur nemen, so hernach den andern tage eingelegt oder furbracht und zu ainer mer Ordnung, so sollen siben seck nach der wochen zu jedem tag ain sunderer sack gemacht und darein alle supplicacion und ander Sachen gelegt und also alle Sachen nach den tagen gefertigt und in dem guete Ordnung halten, damit die Sachen also aus den secken nach den tagen gehandelt und gefertigt und die armen leut, auch unser aigen Sachen mit solher Ord- nung gefurdert werden und der Treitzsaurwein als verweser der canzlei solle dise Ordnung in guetem wesen behalten.
Und was in unserm hofrat furgenomen und beslossen wirdet, das sol also gevertigt und gehandelt werden und dabei beleiben, auch dawider weiter nichts ausgeen lassen, noch darin ainicherlai verändrung machen, dann unser mainung ist entlich, haben uns also auch entslossen, das aus unserm hofrat nit widerwertig brief noch handlung ausgeen noch beschehen sollen, sonder es sol in unserm hofrate mit tapferkeit und gerechtikeit und mit einem bestendigen gemuet gehandlt und regirt werden.
Und damit als Sachen dest aufrichtiger, bestendiger und gewisser durch unsern hofrat gehandelt und verfertigt werden, geben wir darin dise Ordnung, wann Marx Treitzsaurwein oder der secretari ainer unsers hofrats ratslag und beslus in schrift verfasst hat, so sol alsdann solher Verfasser ratslag und be- slus durch gemeltn Treuzsaurwein oder secretari, der zu jeder- zeit dabei ist, vor dem ganzen hofrat widerumb gelesen und damit darin nit geirt, von neuem abgehört und corrigirt werden.
Verrer so sollen alle partheien, weihe vor dem hofrat ab- geschaiden in die canzlei urab ir abfertigung beschielen und sonst durch niemands den partheien die ratsieg oder abschied geoffent werden.
Unser stathalter und hofrat haben auch von uns laut unsers gwaltsbriefs volkomen macht und gwalt in allem dem, was justicia und was unser fürstlich regirung betrifft, zu hand- ien, nemblichen alle irrungen, zwitracht und speen, darumben
272
si ersuecht werden abzustellen, deshalben bevelh ausgeen zu lassen, wo es die notdurft ervordert dieselben irrung, zwitrecht und spen selbst zu verhören, darin entschied zu thuen, in allen rechtlichen handlungen, was uns, auch unser underthanen be- ruerend auf unsers camerprocurators und der partheien an- rueffen unverzogenlich und furderlich recht ergeen zu lassen, urtl zu sprechen, all appellacion zu erledigen, darauf unver- zogenlich execucion zethuen und zu verschaffen und alle justi- cia und Sachen gestragks zu handln und darinnen niemands dhain ungehorsam zugestatten, doch mit der beschaidenheit, so wir gegen ainer partheien im rechten steen und unser stat- halter und hofrat aus den eingelegten schriftn und acta ver- nemben, welher tail verlustig sein wirdet, es sei unser camer- procurator oder die widerparthey, sollen unser stathalter und hofrat denselben partheien die guetigkeit furslagen und ain unbeswerlich zeit bestimben, darin zu versuechen dieselb Sachen in der guetigkeit hinzulegen, wo aber die guetigkeit in der- selben bestimbten zeit bei den partheien nit stat habn wolt, so sollen alsdann die partheien zum andern mal ermant werden, sich in ainen guetlichen vertrag einzulassen, wo aber die guetig- keit zum andern mal nit stat habn möcht, nachmals erst das recht sein furgang haben on alles hinder sich bringen an uns und darinnen on verhindrung aller geverlichen auszug, wie recht ist, procedirt werden.
Und damit unser stathalter und hofrath in iren handluu- gen dest grossem vleiss gebrauchen und durch ire urtlen nie- mands an seiner gerechtikeit verkürzt werde, behalten wir uns hierinnen bevor, das wir auf der partheien (die sich solher unsers stathalters und hofrats urtln beswern möchten) anlangen, ir beswärungen supplicacionweis annemben mugen und darauf die acta und process baider partheien von unserm hofrat er- vördern und von neuem darüber lassen sizen, erkennen, nach- mals solh urtl zu krefften sprechen, declarirn, verandern, un- creftig machen oder ganz abschaffen, wie sich solhs zuthuen ge- burn und durch uns und unser rete am hof zu recht erfunden wurd on unsers stathalters, hofrats und meniclichs irrung und widersprechen, doch mit der beschaidenheit und vorgeding, wo ain parthei unbillicher weis von unsers stathalters und hofrats urtl, supplicirn und solher supplicirung Sachen nit fueg haben wurd, die Sachen darumben die urtl ergangen ist und die partheien
273
supplicirt, bis in die 1000 guldin oder darunder wert, so sol die parthei, die also unbillicher weis supplicirt, halben taile desselben werts zu straff unableslich verfallen sein, wo aber die Sachen, darumb die urtl gangen und die parthei suplicirt, ob 1000 guldin wert oder aber nit zu schätzen war als ain ernhandl und dergleichen Sachen, so sol die parthei, die also suplicirt, 1000 guldin peen zubezalen schuldig sein und dieselben peen all in 3 tail gewendt, nemblich uns in unser camer ain drittail, unserni stathalter und hofrat der ander drittail und seiner widerparthei, die also durch die supplicirung unbilliger weis umbgefuert der drit tail bezalt werden, soverr aber der- selben parthei vermugen nit war, die obangezaigt peen und straff zubezalen, so sol si dafür an irem leib on alle gnad, wie sich geburt, ir straff emphahen.
Und nachdem uns von unsern armen leuten und under- thanen über unser haubtleut., phleger, phandschafter und ambt- leut, denen si underworfen sein, vil clag und beswerungen fur- kumen, uns aber nit gernaint, das dieselben unser haubtleut, phleger, phandschafter und ambtleut unser underthanen und holden irer Verwesung und phandschaft hinfuran über die ge- wondlichen zins, dinst, robatt, steur und sonst wider die billicheit dringen und beswärn solten, demnach wellen wir zu fueglicher und uns gelegner zeit etlich verstendig comissari verordnen und durch dieselben comissari in unsern haubtm an Schäften, phlegen, ämbtern und phandschafften der armen leut beswerun- gen halben erkundigung thuen lassen mit bevelh, was si in solher erkundigung für drangnus der armen leut befinden, die- selben all unserm hofrat unsrer niderösterreichischen lande sambt irem rat und gutbedunken zuezuschicken, darauf unser hofrat furderlichen die billicheit handien oder wie recht ist, entschaiden sol, und weih er unser haubtman, phleger, ambtman oder phand- herr also ungerecht und strafmessig befunden wurd, gegen den- selben sol durch die rät unser niderösterreichischen raitcamer nach erkantnus und messigung des hofrats straf exequucion beschehen.
Unser hofrät sollen auch in unserm namen und an unser stat in unsern fünf niderösterreichischen landen pan und acht aus unserer fürstlichen obercheit, auch die lehen, so von unserm lieben herrn und anherrn kaiser Maximilian hochlöblicher ge- dechtnus emphangen sein, mit disem gewondlichen artikl was wir von recht daran zu verleihen haben und solh lehen al-
Archiv. Bd. LXIX. I. Hälfte. 18
274
begen in beiwesen unserer rät der niderösterreichischen camer und unsers niderösterreichischen camerprocurators gegen wurt bewilligt und verlihen, auch aller vleis und aufmerkung ge- hebt, damit nieinands, der solh lehen verworcht het oder in was gestalt die vermont und billichen uns haimkomen sein mochten, gelihen werden, auch alle freiheiten, bestattung und confirmacion die von gedachtem kaiser Maximilian bestätt und contirmirt sein, auch in unserm namen bestetten und confirmirn, auch mit disem gewondlichen artikl, was wir von recht daran bestetten mugen und insonderheit sollen si auf dhain vidimus dhain lehen leihen noch dhainerlei freiheit noch confirmacion darauf bestatten, noch die lehen und bestettbrief geschriben werden, es seien dann die rechten haubtbrief zuvor unserm stathalter und den bemelten verordenten dreien hofräten fur- gebracht und in die canzlei geantwort.
Aber den von Steir und dem land Crain sollen die lands- freiheiten, die wir uns verwilligt haben, bestätt werden in aller- mass wi kaiser Maximilian etc. inen die bestätt hat.
Dann der Steirerischen lehen halben, die von kaiser Maximilian nit emphangen sein worden, haben wir uns ver- willigt, was kaiser Friedrich derselben lehen verlihen, darinen dhain irrung ist oder damit mit verkaufung oder in ander wege dhain geverlicheit gebraucht worden , das wider lehenrecht oder unser fürstlich obercheit were, das unser stathalter und hofrat dieselbigen richtigen lehen von unsern wegen und in unserm namen verleihen sollen.
Dieweil in des bisthumbs zu Wienn, auch der von der universitet daselbst, auch der stat Wienn und der zwaier stet Krembs und Stain freiheiten irrung vor äugen sein, des- halben wir in handlung steen, dieselben irrung hinzulegen und guet Ordnung aufzurichten, so sol unser stathalter und hofrat dieselben obgemelten freiheiten ausserhalben unsers sondern bevelhs nit confirmiren noch bestatten.
Weiter als dann in unserm hofrat teglichen vil merclich beswerung, so unser underthanen an einander zuefuegen, fur- komen, darauf aus unserm hofrat bevolhen wirdet, soverr dem also nit, das derselb solher handlung und beswerung absteen oder aber furderlich underricht thuen sol, waruinb ime solhem bevelh zugeleben nit gezimbt oder nachzukomen nit schuldig sei und aber in solhen Sachen oft mer als ain bevelh ausgeet
275
und ainer dannocht seines unbillichen furnemen nit abstet, auch dhain underricht nit thuet, sonder für und für in seinem un- zimblichen furnemen verharrt, dardurch wir als herr und lands- furst von unsern underthanen groslichen veracht werden und uns daraus in unsern bevelhen und geboten grosse ungehorsam erwechst, auch deshalben die armen leut in vil unbillich unnuz und übrige costung gefurt werden, darein wir als regirender herr und landsfurst der merclichen notdurft nach billichen zue- sehen haben und damit solh ungehorsam abgestellt und unser underthanen und die armen leut vor unnuzen costen und ver- derben verhuett, auch unsere bevelh und gebot hinfuran bei unsern unterthanen ansehen haben , so geben wir in dem dise Ordnung, wann unser hofrät bevelh ausgeen lassen, das ainer seines unbillichen furnembens absteen oder andern Sachen nach- komen oder ain benuegen tuen solle, das dann derselb auf solh bevelh zuthuen schuldig were und aber unsern ersten bevelh veracht und ungehorsam erscheint oder aber ainen unbillichen bericht thuet und also sein widerparthei muetwilliclich umbfurt und aufzeucht, so sol unser hofrat dieselb person und sein widerparthei erfordern, die sach aigentlich verhören und sich darinen gruntlichen erkundigen und wurde erfunden, das der- selb wider unsern bevelh sein widerparthei unbillichen umb- getriben und sich auf unsern bevelh also ungehorsam gehalten hette, so solle derselb umb sein ungehorsam durch unsern camerprocurator im fuesstaphen auf solh genuegsam erkundigung vor unserm hofrat beclagt und darauf on allen verzug von wegen derselben ungehorsam gegen denselben gehandelt werden wie sich geburt und billich ist.
Weiter nachdem wir zu furdrung unserer fürstlichen regi- rung und des rechten unsern hofrat in zwen tail getailt, nemblich das der ain tail nichts anders handien solle dann den gericht- lichen Sachen auszuwarten und der ander tail in allen suppli- cationen und andern Sachen die fürstlich regirung auch die kriegssachen betreffend zu handien wie vorgemelt ist, so sollen gedachter stathalter Sigmund von Dietrichstain, Hans von Lam- berg, Wolfganng Jörger, Leonhart von Harrach, Felician von Betschach und Marx Treitzsaurwein, die wir dann zu solher handlung unser fürstlichen regirung und kriegshandlungen ver- ordent haben, in den hernach volgenden sachen auch insonder- heit und mit vleiss handien.
18*
276
Nemblichen nachdem in unsorn nideröstcrreichischen lan- den ain zeit hero vil strassrauberei getriben werden mochten, das wir dann in dhainerlai weg gedulden noch gestatten wellen und uns auch in solhem entlichen entslossen haben nit allain die strassrauber, sonder auch die, dabei si bisher ir aufenthaltung in unsern landen gehabt und hinfur anhaben möchten, auszereiten und die strassrauber und ire wirt wie vorgemelt ist in gleicher weise an iren leiben, wo si aber entwichen an iren guetern nach dem rechten strafen ze lassen und darumb wellen wir den vorgemelten unsern stathalter und den vier personen unsern hof- und raiträten hiemit insonderhait auf das aller ernstlichist ein- gebunden haben, das si gegen den strassraubern und gegen denen personen, so die strassrauber aufgehalten und noch aufhalten möchten und dabei si ir zue und abreiten gehabt und noch haben, gestracks handien und nicht ansehen noch sich verhindern lassen, ob etlich personen,, gross herrn oder ainer grossen vruntschaft weren oder sich des adels behelfen wolten, sonder si sollen gegen denselben in aller dermassen furnemben und handien lassen als gegen dem aller wenigisten, dann wir wellen gleich gericht und recht und unsere lande vor solhen strassraubern und iren aufhaltern in frid und rue halten.
Als wir auch vormalen in unsern niderösterreichischen landen offen general und ernstlich gebot ausgeen haben lassen, an weihen orten ainer beraubt wirdet, das die leut, so in dem negsten flecken sizen, dabei solh beraubung beschiecht zustundan aufsein uud denselben strassraubern nachvolgen sollen bis zu dem andern nechsten flecken und also ain fleck nach dem an- deren für und für nachvolgen, bis die strassrauber begriffen werden, aber solh gebot ist bisher von unsern landleuten und underthanen nit angesehen, wann bishere vil strassrauberei be- sehenen sein und denselben strassraubern nach unserm gebot nit nachgevolgt worden, das wir uns nit unbillich besweren, das unser mandat und gebot, die unsern landen und leuten zu frid und Sicherung beschehen, also veracht werden und mugen solh ungehorsam als regirender herr und landsfurst dhains wegs gestatten und zu ainem uberflus wellen wir jetzo noch ain mal solh general und gebot der strassrauberei halben ausgeen lassen, darauf sollen die vier gemelten unser stathalter und hofrat ßtrenglich dermassen haudien, ob sich hinfuran weiter begab, das in unsern landen ainer oder mer beraubt wurden und das
277
si die leut in dem nechsten fleck denselben strassraubern nit nachvolgen oder ob dieselben nachvolgten nnd das die andern fleck unser gebot verachten und nit nachvolgen wurden, so sollen die vorgemelten vier person unser stathalter und hofrat nit warten, bis über dieselben clage kumben, sonder unserm camerprocurator bevelken, das er dieselben als die ungehor- samen von stundan furnembe und gegen inen umb ir ungehor- sam mit straff wie recht ist gehandlt werden, wo aber lautter und clar befunden wurde, das die nacheilung aus plosser ver- ächtlicher ungehorsam und unfieis underlassen oder die strass- rauber muetwilliclich hingelassen wurden, dieselben ungehor- samen sollen nit allain als obangezaigt wie recht ist gestraft, sonder auch den berurten personen von inen des raubs und nam halben benuegen beschehen.
Es sollen auch gedacht unser stathalter und die vier ver- ordenten rate, noch die ganz versamblung unsers hofrats kainen strassrauber noch ubelteter dhain gnad noch furdrung beweisen, sonder si sollen denselben stracks recht ergeen lassen und ob etlich gerichtsherrn, phleger, statrichter, landrichter oder an- der ambtleut ublteter auslassen und nit gegen inen handien wurden, wie sich dem rechten nach geburt, so sollen dieselben gerichtsherrn, phleger, statrichter, landrichter und ander ambt- leut durch unsern camerprocurator von stundan furgenomen und gegen denselben gehandlt werden wie recht ist.
Und damit si gegen den strassraubern und andern ubl- tätern tapfer handien lassen inugen, so haben wir inen ainen profosen mit zwelf pherden zuegeordent, der die Strassen be- reiten und gegen den strassraubern und Übeltätern handien solle, wie si ime bevelhen, solhem nach sollen si guet Ordnung halten und bei dem profosen darob sein, das er der notdurft nach mit allem vleiss handl, dardurch die Strassen gesichert und die strassrauber und ubeltäter gestraft und ausgereutt werden.
Und nachdem sich in solher regirung teglichen zuetregt in unsern Sachen, daran uns gelegen ist botschaften, comissari oder gesandten auszuschicken, auch in strassrauberei und an- dern Sachen kuntschaft zu halten, auch je zu zeiten wider die strassrauber auch wider die entsagten des lands volk zu ross und fuess zugebrauchen not thuen wirdet, so sollen unser stathalter und die vier verordenten rate solhes was ausgaben betrifft mit- sambt unsern raten unserer raitcamer handien und beratslagen,
278
die werden alsdann das gelt darauf, was die notturft erfordert, verordnen.
Und ob in unsern niderösterreichischen landen ander not- durft furf allen wurden, die uns und unsere land betreffen und darein eilunds zusehen not sein wil und ettlich zimblich aus- gaben darauf not thuen, also das solh saehen und notdurften dhainen verzug erleiden und unsers berichts nit erbeiten und durch solh ausgaben dieselben saehen abgestellt oder schaden verhuett möchten werden, so sollen die vorgemelten unser stat- halter und die vier person unser hof und raiträte in denselben furfallenden saehen was die ausgab und unser camerguet betrifft, mit allen unsern raiträten bemelter unser raiteamer ratslagen und mit irem willen, wissen und rat darinn handlen.
Ferrer ob über solh furfallend saehen merer und grösser notdurft und handlungen, die bit erleiden möchten fürfallen wurden, die sollen si uns zuvor clerlichen und grundlichen berichten und darauf unsers ferrern beschaids und bevelhs er- warten und was wir inen alsdann auf dieselb ir underricht bevelhen werden, demselben sollen si. nachkomen.
Und ob sich begeben wurde, das unser veinde sich em- pörten in unsere lande zufallen, deshalben in eil die gross notdurft eraischen wurde aufbot zuthuen, so solle solhs in dem ganzen hofrate und in beiwesen der raiträte gehandlt und beslossen werden.
Wir wellen auch und haben geordent, das unser raiträte unser bemelten niderösterreichischen raiteamer frei sein, also das si unser raiteamer auswarten und handlen sollen wie wir inen dann darinnen Ordnung und bevelh geben und in derselben unser raiteamer sonst niemands nichts zuschaffen noch zu handlen haben dann wir selbst, wann wir uns unser camerguet und rait- eamer genzlich frei vorhalten.
Weiter so sollen alle confirmacion, lehenbrieve, ladungen, commission, bevelh, mandat, urtl und all ander notdurftig brief, nichts ausgenomen, die zu solher unser fürstlichen regierung und zuvolziehung der justicia und aller rechtfertigung notturftig sein, ausgeen under unserm namen, titl, insigel und secret, inmassen wie hernach anzaigt ist.
Nemblichen alle brief und sonderlich die in pergemen sollen in unserm hofrat in gegenwurt der rät, so dieselben saehen beratslagt haben, aigentlich und mit vleiss abgehört
279
werden und weihe briet' also im hofrat vleissiclich überlesen und gerecht sein, sol unser stathalter in dieselben briet* ausser- halb der sehrift sein zaichen inachen, wo aber gemelter unser stathalter nit vorhanden oder anderer gescheft halben solh sein verzaichnen nit thuen möcht, alsdann sol ain anderer unser hofrät, dem er solh verzaichnung bevelhen wirdet, alle brief an seiner stat verzaichnen.
Und so dieselben brief also abgehört und verzaichent sein, so sollen alsdann dieselben brief als bevelh und mandat, so nit under unserm grossen sigel ausgeen, aus unserm hofrat durch zwen oder drei unser rate mit iren handzaichen und mit unserm secret und alle confirmacion, leben, urtail und all ander pergamenen brief, die mit unserm grossen sigil zu fertigen sein, mit unserm grossen sigil besigelt und dieselben brief durch unsern ganzen hofrat oder durch den maisten tail, der zu jeder- zeit bei einander sein, underschriben und gefertigt werden.
Und unser rat und secretari Marx Treitzsaurwein solle auch in unserm abwesen anstat unsers rats und obersten schatz- maisters general Gabrielen von Salamanca als verweser unser niderösterreichischen canzlei alle brief, so in unsern hofrat und raitcamer geratslagt und gefertigt werden under unserm namen und titl ausgeen, insonderhait mit seinem namen underschreiben wie ime als unserm secretari und verweser derselben unser niderösterreichischen canzlei von uns hiemit bevolhen ist.
So solle vorgemelter Sigmund von Dietrichstain, freiherr zu Hollenburg und Vinckenstain als unser stathalter unser gross sigil in seiner verwarung und darzue ain slussl und Marx Treutzsaurwein als Verwalter unserer niderösterreichischen canzlei den andern slussl, doch mit verkerten und ungleichen slössern haben und so mit demselben siglbrief besigelt werden, so sol dasselb sigil in unsers stathalters und des Treutzsaurweins bei- wesen mit beiden slusseln aufgethan, auch alles mit irer baider betschadt widerumb verpetschadt werden.
Und gedachter Treutzsaurwein als unser secretari und verweser unser niderösterreichischen canzlei sol anstat des vor- gemelten unsers rats und obersten schatzmaister general unser secret in seiner verwarung und bei seinen handen haben, wie dann solhs vormals gehalten worden ist.
So haben wir den ersamen gelertn unsern getreuen lieben doctor Marxen Beckhen zu unserm viscal camerprocurator ver-
280
ordent und aufgenomen, derselb unser camerprocurator viscal sol von unsern wegen und an unser stat in allen rechtfertigungen, Sachen und Handlungen, die unser camerguot, auch unser under- thanen ungehorsam, strassrauberei und ander bös strafmessig sachen betreffend mit allem vleiss handien und insonderheit sein aufsehen auf unser raiteamer haben, darzue all recht- vertigung, sachen und Handlungen mit unser raiteamer wissen und rat handien laut unsers bestellbriefs und gwalts ime des- halben gegeben, und zu weihen zeiten derselb unser fiscal camerprocurator nit mit sondern treflichen sachen und Hand- lungen beladen ist, so sol unser stathalter und hofrat ine in den gerichtlichen handlungen und andern sachen, wie es die notdurft ervordert, brauchen.
Wir behalten uns auch hierinnen bevor, das wir zu jeder zeit unsern hofrat mit den personen mindern oder meren mugen nach unserm gevallen.
Und nachdem wir unsern hofrat zu furdrung aller Hand- lung in zwen tail getailt und ob je zu zeiten der ain tail mit iren handlungen muessig weren, so sollen sie alsdann in den andern rat, darinnen die maist handlung vor äugen ist, geen und in demselben helfen handien und ratslagen nach allem irem vleis und unser hofrat in solher mass aneinander hilflich sein.
Wir wellen auch dhainswegs, das unser stathalter und hofrat ganz dhain schankung noch anders von dhainer parthei nemben, das gonst und gueten willen machen, dardurch die partheien in iren sachen in unserm hofrat, iren widerpartheien zu nachtail mit dhainen recht, sonder aus gonst derselben gab oder schankung gevertigt oder verholfen werden mochten, das wir also unsern stathalter und hofräten hiemit in den aid und phlicht, so si uns gethan bei unserer swern straf genzlich einpinden.
Und so wir dann vorbemelt unser stathalter und hofrät für ander personen zu unserer regierung in unsern nideröster- reichischen landen furgenomen und erkiest Haben und in si unser sonder vertrauen sezen, so wellen wir nit zweiflen, auch si hiemit ermant haben, si werden in unserm hofrat in der tailnng, Ordnung und versamblung wievor elerlichen anzaigt und sonst allenthalben unsern nuz und fromben furnemen und furdern, unsern nachtail und schaden nach irem vermugen wenden und uns darinnen warnen, auch als unser stathalter,
281
hof'rat und diener, wie si uns dann gelobt und gesworn sein, treulichen handien und sich dennassen stat mit aufrichtiger, erberer, redlicher, geleicher und gerechter handlung dem armen als dem reichen und dem reichen als dem armen als wolge- bornen, frumben, erlichen leuten der gerechtikeit und eren nach gezimbt und inen zu aufenthaltung der gerechtikeit und warheit, zu under druckung der ungerechtikeit und posheit, zu hail iren seelen und iren schuldigen und verpunden phlichten nach zethuen geburt.
Und in solhen vorbestimbten Sachen und handlungen haben unser stathalter und hofrat von uns gnugsamen gewalt nach ausweisung der vorgemelten artikl wie die clerlich in sich halten und nach inhalt unsers gewaltsbrieves inen gegeben volkumenlich zu handien, darinnen si als unser getreu rate allen iren muglichen vleiss furkeren solten und wir inen ge- trauen, inmassen solhs vor hierinnen begriffen, das ist unser ernstliche mainung.
Geben in unser stat Wienn am 5. tag des monats novem- bris anno etc. im 23.
Ad mand. serml dorn111 principis
Ferdinand. archiducis proprium.
N. Raben ha übt. Siegel. Registr. Lingkmoser.
V. Böhmische Raitkamiuerordiiuiig 1527
(25. März, Prag). (Copie im Reiclis-Finanzarchiv, Gedenkbuch Böhmen, Nr. 300, f. 7.)
Der camer in Behaim Instruction und Ordnung. Ferdinand etc.
Instruction, welchermassen wir unser raitcamer in unser in kunigreich Behaim doch auf wolgefallen furgenomen, geordent und aufgericht und auf die wolgebornen, gestrengen und vesten, unser lieben getreuen Johann von Wartenburg zu der Aich, Sebastian von der Weitmull zu Chumothaw, Hainrichen Plossko
282
von Lampach, Wolfen Plannkhner zu Kunigsperg und Oristo- phen Genndorffer als unser camerret gestellt haben, auch in was Sachen und in was gestallt dieselben unser verordenten camerret und die hernach benanten zuegeordenten personen derselben unserer raitcamef handeln sollen.
Erstlichen soll gedachter Johann von Wartenberg, unser oberster rat, in derselben raitcamer sein, die andern unser camerret, in rat ansagen und zuerfordern, auch die umbfrag der stimben darin haben und die ratsieg besliessen, wann er aber nit gegenwurtig were, alsdann der nechst unser camerrat, so nach ime in diser unser instruction benennt und zu der- selben zeit gegenwurtig sein wurdt, des alles wie obstet in ab- wesen bemeltes von Wartenberg zethun fueg und macht haben und also mergedachter von Wartenberg und in seinem abwesen der nechst nach ime wie obgemelt mit den andern, unsern reten samentlich, oder ob ainer oder mer anderer unserer ge- scheft oder nothafter Ursachen halben nit vorhanden sein möch- ten, alsdann mit den andern alles das unserm camergut in diser cron Behaim, marggrafschaft Merhern, furstenthumb Slesy und marggrafschaft Ober- und Nider-Lausniz und andern be- melter cron zuegehorigen landen, orten und flekhen, zu guter Ordnung und zimblicher merung dienstlich ist. wie auch das- selb bei gutem wirden und wesen erhalten, gefurdert und ge- handhabt werden soll und mug in alweg treulichen und vleissig- lichen bedenkhen und darin nach notturft und gelegenhait han- deln, Ordnung und bevelch geben, was si für pillich, notturftig, nuz und gut ansehen wirdt.
Und wiewol wir der registrirten schulden halben, deren wir die stend enthebt und auf unserer ret und gesandten bot- schaften zuesagen selbst zubezalen angenomen numals Ordnung und fursehung gethan, in was weg dieselben schulden entricht und bezalt werden sollen, wie dann die gedachten unser camer- ret derhalben ain sondern beschaid von uns haben, dieweil aber nit alain dieselben registrirten, sonder auch ander als gnadengaben und dergleichen extraordinari schulden von wei- lundt kunig Wladislawen und kunig Ludwigen löblicher ge- dechtnus herruerundt vorhanden, demnach, wann die und der- gleichen anforderungen für unser camerret auf unsern beschaid oder sunst kumben werden, sollen si solch der partheien an- forderungen aigentlich vernemen, erwegen und bedenken, ob
283
dieselben ir antbrderungen gegrundt, ob wir die in crafft der succession als ain nachkumender kunig zu Beheim zubezalen schuldig, ob die verschreibungen oder obligacion so si furbringen werden, den freihaiten, rechten und Ordnungen der cron Behairn gemess und der kunig von Behaim aidt und verschreibungen den stenden gegeben nit widerwertig sein, sonder für aufrecht, wurklich und genuegsam angenomen werden mugen, und so si also in ain oder andern weg aufrichtig schulden und an- forderungen befinden, alsdann mit den partheien umb nachlass oder abbruch, auch erstrekung der zil und termin, so vil mug- lich mit vleiss handeln und sich mit inen obberurter anforde- rungen und schulden halben an unserer stat der gelegenhait und pilligkait nach guetlich vertragen, doch wo solche hand- lung ain ansehenliche suma gelts betreff, darinnen nit gar be- sliessen, sonder vor besluss oder ainichem zuesagen uns derselben Sachen und schuld clar und lauter berichten sambt irem rat und gutbedunken, darzue auch wo inen anfordrungen furkemben, die si nit für gegrundt ansehen, oder die uns zubezalen nit zuestuenden und doch die partheien auf irer anfordrung ver- harren und sich nit abweisen lassen wolten, sollen si uns ge- stalltsam der Sachen gleicherweiss an hof berichten, aber fur- nemblich bedacht sein, sich in kain handlung oder anfordrung einzulassen, die uns als ainen kunig von Hungern und nit als ain kunig zu Behaim belangen möcht, sonder solch hungerisch schulden und vordrungen mit guten glimphlichen worten auf uns an unsern hof beschaiden, angesehn, das unsern camer- reten hiemit darin zehandeln nichts aufgelegt noch bevolhen ist. Und nachdem unser als aines kunigs zu Behaim ordinari camergut wie obstet hoch verphendt, versezt, verkumbert und wir desselben wenig und clainscheinig frei, sonder alles in frömbder hand und gewaltsam befunden, deshalben unser not- turft ervordert, uns in deren, so solch unser kuniglich camer- gueter in handen haben, gerechtigkait und mit was titel si dieselben unsere gueter in handen haben zuerkundigen. Dem- nach sollen unser camerret nach gelegenhait und unbeswert der partheien die nechsten und fueglichisten weg so zu erfarung solcher verschreibungen si am dienstlichisten ansehen wirdt, furnemben, und so si in solcher erfarenhait aines oder andern stuks, des wir mit nuz und gutem fueg ablösen oder zu unsern handen erfordern und bringen möchten, befinden werden, als-
284
dann darin unser und unsers camerguts notturft handeln und ob von nöten uns desselben auch berichten, damit wir zu solcher lösung hilf und furdrung zethun wessten.
Wo inen aber brief furkemben, die nit glaubwirdig, auf- recht oder sunst mangelheftig weren, sollen si den partheien solch mengel und gebrechen die si darin finden, furhalten und die partheien mit gutem glimph und fueg erinnern, das soleh ir brieflich urkund und vermainte gerechtigkait nit creftig oder genuegsamb und demnach mit der guete daran weisen, das si solcher irer vermainten gerechtigkait absteen und die camer- gueter so si innhaben zu unsern banden abdreten.
Und wiewol uns vil berichts furkumbt wie dits unser kunigreich von dem Almechtigen mit vil treffenlichen perk- werchen begabt und versehen, die vor äugen und etlich noch zuerweken sein, dabei dann treffenlicher nuz erscheint und sich an etlichen orten nit weniger hoffenlich erzaigt, so vernemben wir doch dagegen, das bei denselben perkwerchen wenig Ord- nung vor äugen, darzue die perkwerch mit verstendigen perk- maistern, perkrichtern und andern dergleichen ofliciern ubl versehen und dardurch an gwerchen und leuten nit ciain mangel haben.
Aus den und andern Ursachen derselben perkwerch bisher etlich in abfal kumben und etlich nit erhebt werden haben mugen, die wir aber durch gute Ordnung und erstattung der mengel und gebrechen, so bisher dabei gewest und noch sein, widerumben zuerheben entslossen, als der kunig, so in seinen erblanden der teutschen nacion mer als an ainem ort auch treffenlich nambhaft perkwerch hat und mit perkwerch ver- stendigen leuten und Ordnungen statlich versehen, welch unser furnemben wir aber ausserhalb ainer visitacion nit wol noch fruchtperlich volbringen mugen, sonder vor allen dingen die visitacion und perkwerch besichtung am ersten beschehen inuess. demnach sollen unser camerrete solch visitacion bei allen perkwerchen diser unserer cron Behaim uns zuegehörig für sich nemben und davon ratslagen, welcher gestallt und mit was Ordnung, zu was zeit und durch welch personen in diesem kunigreich dieselb am fueglichisten und nuzlichisten beschehen mug und in sonderhait bedacht sein, das bei ainem jeden perkwerch, daran die visitacion beschehen soll, zuvoran berueft werde, das ainem jeden frei sei von desselben perk-
285
werchs gelegenhait, nuz, erhebung, wolfart und aufnemben zereden und ain jeder sein gutbedunken, dahin ine sein ver- stand weisen wirdt, anzuzaigen on alle vorcht und scheihung und so unser camerret also ain ratslag werden verfassen und sich entsliessen, auf was zeit solche visitacion, in welcher gestallt und mit was Ordnung an ainem oder anderm ort besehenen, soll uns dasselb an hof berichten, damit wir aus obbemelten unsern erblanden auch etlich treffenlich der perk- werch verstendig darzue verordnen und schiken, also das die in und auslender mit ainander die visitacion thun und nach beschehner visitacion die Sachen und perkwerchs notturften aigentlich erkundigen, erlernen, die be'ratslagen und was si besliessen, dasselb vleissig in schrift verfassen lassen und auf unser verordenten camer genuegsamen bericht thun, damit darüber sambt unserm vorwissen und bevelh ferrer die notturft und Ordnung mit gutem grund furgenomen und gehandelt werden Hinge.
Und nachdem wir in disem unserm kunigreich vil treffen- licher teicht und teichtstet haben, davon uns auch nit ain clainer nuz in die camer kumben mag, demnach sollen unser camerret ain oder mer personen, die der teicht wesen, gelegen- hait und nuz erkennen, verordnen solch unser teicht, wie si versehen, besezt oder gefischt werden, was nuz wir davon ge- haben mugen und anders aigentlich besichtigen und erlernen und wie si die Sachen gestallt befinden, desselben unser camer- ret sambt irem gutbedunken berichten, darüber unser camerret ferrer ratslagen und unser notturft und nuz darauf furnemben und verschaffen, wie si die gelegenhait und ir verstand lernen wirdt.
Wir verneinen auch wie bei unserer vorfordern zu Beheim Zeiten an vil orten und enden in disem kunigreich treffenlich gross einkumben von den dacien so man behamisch den un- gelt nennt, in die kuniglich camer gefallen, dergleichen auch an vil orten zu land und wasser vil meut und zoll ainem kunig gegeben worden sein, davon es aber villeicht aus Unordnung und nachlessigkait kumben sein möcht, demnach sollen unser camerret mit allem vleiss sich erkundigen, wo solch dacien, ungelt, meut und zoll gegeben worden, warumben die jezt nicht geraicht werden, wer die vor eingenomen, wie es davon komen sei und wo si in solcher vleissiger erkundigung befunden,
286
das wir f'ueg und recht haben solche abkumben dacien widerumben aufzerichten und damit niemandts unrecht thuen oder wider die pilligkait besweren, so sollen unser ret die- selben dacien zuerhaltung, weg und steg, auch merung unsers camerguts widerumben aufrichten, doch nit änderst dann mit der stend rat, darüber si in ainer versamblung zu den dreien quattembern im jar oder sunst die stend ersuchen sollen und wann si zu solcher der dacien aufrichtung unserer hilf oder furdrung notturftig sein werden, uns derhalben ersuechn, so wellen wir inen zu jeder zeit verholfen und- furdersam er- scheinen und si bei iren pillichn handlungen genediglich schuzen und band haben.
Si sollen auch bedacht sein sich anderer unserer kunig- lichen rentgult und einkumben und in sonderhait die Wein- garten perkrecht so uns rechtlichen zuesteen möchten mit vleiss zuerkundigen und dieselben widerumb zu unserm nuz wenden und bringen nach irem höchsten verstand und ungespart ainicher irer mue und arbait.
Die gemelten unser camerret sollen auch die partheien- sachen, so unser camergut on mitl belangen oder demselben anhengig sein, die für si kumben, auch notturftiglich erwegen, beratslagen und darin abschied geben, wo inen aber je zu zeiten ausserhalb der Sachen davon in obberurten artikeln meidung beschiecht unsers camerguts obligen oder der partheien Sachen so treffenlich begegnen, das inen darin zu handeln zu swär sein wurde, sollen si uns derselben, so ferr die on unsern nachtail so langen verzug erleiden mugen, mit irem rat und gutbedunken furderlich und grundlich schriftlich in teutscher sprach berichten und dann nach unserm bevelch und beschaid, den wir darüber geben werden, handeln.
So verordnen wir den gestrengen unsern getreuen lieben Niclasen Hisserle von Choden zu unserm camermaister und einnember aller jetzt gefallenden steurn und hilfgelt, auch or- dinari und extraordinari gefell und einkumben bemeltes unsers kunigreichs Behaim bis auf unser widerrueffen, also das er bei der raitcamer sein und all ordinari und extraordinari em- pheng und ausgaben sovil wir solcher empheng bei seiner ambts- verwaltung in der cron Beheim haben oder dagegen ausgaben thun werden, handeln und nemblich sein empheng und ausgaben mit geburlichen bevelhen, die wir oder unser camerret des
287
kunigreichs Beheim ime verfertigen oder an ine ausgeen lassen werden, auch mit der partheien genuegsamen quittung in seiner raitung justificirn und alweg nach ausgang aines jeden jars von obberurtern camermaisterambt obgenanten unsern camerreten oder wem wir solches bevelhen wurden, raitung thun wie sich gebart, darzue auch, so vil er seines camermaisterambts ge- schefft halben dabei sein kau und mag, die camerhendel neben andern unsern camerreten wie ain ander rat zu ratslagen und zuverfertigen verhelfe ü.
So soll Jörg Zabkha von Limberg unser rat und secretari bei bemelter unser behamischen camer sein, die brief und schritten ober all hendel und sachen die im camerrat berat- slagt und beslossen werden, so vil not und die expedicion be- trifft mit vleiss fertigen und bei den handlungen und ratsiegen der camersachen sein, dieselben hören und verfassen, damit die hendel aus solchem guten verstand dester gründlicher, for-mb- licher und sleuniger gefertigt werden mugen. das er auch die registraturen und ander Schriften aller camerhendel ausserhalb der, so raitungen betreffen und ainem buechhalter ze handeln und zu ver waren geburen und dergleichen camersachen orden- lich und bewarlich auch derselben unserer camercanzlei gute Ordnung gehalten und er vleissig aufsehen hab, das die berat- slagten hendel notturftiglich verfasst, wol und recht geschriben und was not ist ordenlich geregistrirt werde und daneben sovil ime muglich die registraturen und ander Schriften seiner Ver- waltung oft und vleissig obersehe und was er darin befindt, das uns zu nuz oder nachtail kumben mag, oder darinnen ferrer zuhandeln ist, solches gedachten unsern verordenten camerreten fürbring, damit unser notturft darin bedacht und gehandelt wer- den mug und damit er des alles so obstet und ainem secretari zuthun geburt, des statlicher verrichten mug, so haben wir ime drei canzleipersonen als gehilfen zuegeben und auf dieselben ime die underhaltung verordent.
Was also bei unsers behamischen camerrats canzlei für brief ausgeen, sollen all ander unsern namen und tittl gestellt werden, dergestallt, was zuegethan oder offen brief sein, die- selben durch zwen unser camerret und den secretari under- schriben und dann mit unserm secret, das wir unsern camer- reten zuegestellt, verfertigt, was aber offen pergomenen urkund sein möchten, dieselben gleicher weise durch zwen unser camer-
288
ret und den secretari underschriben, doch an unsern hof ge- sehikt, dasselbs mit unserm kuniglichen sigill gesigelt und wider- umben der camer zuegesandt werden.
Dann betreffend ver warung des secrets bei unserer camer, soll dasselb unser secret in ain truliel behalten und zu solchem truhlein zwai underschidliche slössel gemacht werden, zu dem ain der von Wartenberg ain slussl und zu dem andern sloss genannter Jörg Zapka unser secretari, den andern slussl haben und also, wann das secret gebraucht werden muss, durch si bed das secret herausgenomen und in irem beiwesen die brief ver- secretirt, nachmals das secret durch si bed widerumben in das truhel beslossen werden, wo aber der von Wartenberg nit gegen- wurtig, sonder verriten wer, alsdann sein slussel zum secret dem nechsten unserm camerrat nach ime bevelhen.
Weiter so verordnen wir Micheln Meichsner zu unserm puchhalter, also das er bei allen raitungen, so auf der berurten unserer raitcamer beschehen, gegenwurtig sein soll und das puechhalterambt mit vleiss und treulichen versehen, das die raitpuecher vleissig laterirt, sumirt und beslossen, auch ordent- lich auszug darüber gemacht, die raitbrief oder auszug so dar- über gefertigt, lauter geschrieben und dann alles ordenlichen registrirt und das auch solch raitungen und ander unser camer- hendel so ime in sein Verwaltung bevolhen, in guter Ordnung gehalten werden und in sonderhait soll bemelter unser puech- halter die raitpuecher und quittungen, so die ambtleut furbringen und einlegen werden, für sich selbst in sumen, laterirungen und quittungen, ob die gerecht und nit mangelhaftig sein mit vleiss und aigentlich übersehen und wo er jchts gebrechenhaftigs darin befind, solches den camerreten furtragen.
Und dieweil dann die raitungen, so von den einnembern obberurter vorigen und künftigen landsteurn , auch andern ambtleuten, so unser heri schaften, slosser und embter in banden haben, aufzenemben nit die wenigist handlung bei unserer raitcamer in Behaim sein wirdet, demnach so sollen unser camerret die personen, was Stands die sein, so bei kunig Wla- dislawen oder kunig Ludwigs zeiten nit raitung gethan und doch raitung zethun schuldig gewest oder mit geburlichen rait- briefen nit versehen sein, alwegen die eltisten nacheinander also underschidlich ervordern, das mit dem, der auf solche er- forderung ankumbt, gleich zu stund an on Verzug gerait werde,
289
damit ainer auf den andern nit mit vergeblicher zerung und eostung ligen und auf raitung warten bedurf, welch aber auf solch erfordern, so durch die camerret in unserm namen be- sehenen soll, sich raitung zu thun verwidern und ein red da- wider zu haben vermainten, so sollen unser camerret si in solcher irer einred notturftiglich hören und darüber ratslagen, ob si derselben einred fueg oder grund haben oder nit und dieselb ir einred sambt unserer camerrete ratslag und gut- bedunken an unsern hol' schicken, dergleichen auch ob etlich auf solch ir erfordern ungehorsamblich ausbeleiben wurden, uns dasselb verkünden und darüber unsers ferreren beschaids erwarten, aber diser zeit mit kainem sein raitung nit sliessen, sonder uns oder unserm schazmaister general und hofeamer- reten, wann wir im land sein, solch raitung furbringen. wann wir aber ausser lands, ain sumarie auszug und underricht davon zuschiken, damit die zu vor an unserm hof auch übersehen und si darin unsers beschaids erwarten und was wir inen dar- auf bevelhen, demselben nachkumben, und wiewol wir genaigt weren, solches auch die notturft hoch erfordert, das wir unsern reten Ordnung geben, welcher gestallt si von den partheien und ambtleuten raitung aufnemben und ire empheng und ausgaben verificirn sollten, dieweil wir aber gelegenhait der embter, auch der bevelch, so ain jeder derselben ambtman gehebt, nit wissen tragen oder ainicherlai erfarenhait haben, demnach so sollen unser camerret die raitungen aufnemben, nach gelegenhait der Sachen und wie si ir verstand am pessten und sicheristen ausweist.
Und in gleichermass von unserm camermaister alle jar jer- lich und dann von andern künftigen unsern ambtleuten nach gelegenhait der embter und gescheft raitung wie obstet, auf- nemben und wann si also die raitung für aufrichtig befunden und uns furgebracht oder davon an unsern hof auszug zuge- schikt, darüber unsern beschaid emphangen, das wir inen solch raitung zu besliessen bevelhen. alsdann sollen si den partheien oder ambtleuten notturftig raitbrief aufrichten und dieselben durch zwen unser camerret und den secretari underschriben, an unsern hof zu verzaichnen und mit dem sigil zu verfertigen zuesenden, wie dann bei andern unsern camern auch also der- selb prauch gehalten wirdet.
Wo si aber bei ainer oder mer personen unformblich oder unordentlich zweiflich oder mangelhaftig raitung in ainem oder
Archiv. Bd. LXLX. I. Hälfte. 19
290
mer artikln fanden, dermassen, das si nit vermählten, das die-
selb anzenemben sei, alsdann solches mangels, so si darin haben wurden, sollen si uns nach lengs an unsern hof berichten.
Und nachdem wir in unsern erblanden von wegen etlicher unserer ambtleut pöser und unfleissiger handlung dardurch si in gross schulden, die si zu bezalen nit vermugen, erwachsen, nit in ciain nachtail unsers camerguts komen, sein wir ent- slossen und wellen, wann unserer camer embter in der cron Behaim ains ledig werde, das alsdann unser camerrete etlich ander personen zu solchem ledigen ambt teuglich, schriftlich anzaigen und wen wir daraus oder ain andere person, die wir darzue benennen und inen verkünden werden, dieselben zu solchem ambt kumben lassen, doch von demselben und allen unsern ambtleuten, die von dato furterhin an unsere embter kumben werden, nach gelegenhait jedes solches ambts purg- schaft aufnemben und si sunst, ausserhalb der purgschaft in die embter nit kumben lassen, nur allain wir erlassen dann solchen personen der purgschaft wie obstet und unser camer- ret derselben erlassung von uns schriftlichen schein emphahen.
Weiter sollen unser camerret sovil an inen ist mit vleiss darob sein, das unser gejaid, vorst und wildpan in Beheim, Merhern und Slesy besonder an enden da wir zuversichtlich am maisten lust gehaben mugen, gehait, damit das wildpret in denselben vorsten und wildpan nit geschedigt und vertriben werde und sonderlich zum Purglass, zum Zebrakh, zum Toz- nikh, Deirtschaw, Podiebrad, Hradischt und neinblich solches bei unsern phlegern, phandschaftern und ambtleuten, mit vleiss und ernst handeln und verfuegen und dann bei andern, so ire freie gejaid haben, solches pitlich ersuchen und mit gutem glimphlichem willen zuerlangen sich befleissen und darin das pesst thun.
Die bemelten unser ret sollen auch bei unsern haubtleuten, phlegern und phandschaftern, die unser slösser und heuser son- derlich daran uns gelegen ist, innhaben, darob sein, das si die- selben unsere slösser und heuser wesenlich und unwuestlich bei pau halten und die notwendigen gepeu zu verhuetung merers Schadens und abfals zu pessern und derhalben ain clainen un- costen nit ansehen.
Und damit wir auch zu jeder zeit ain wissen oder un- geferlichen verstand unserer camer in der cron Beheim gelegen-
291
hait, verrnuglichait und unvermuglichait gehaben mugen, so soll uns durch unser camerret von allen emphengen und ausgaben, die auf benielter unser camer oder andern unsern ambtern in der cron Beheim oder den zuegehorigen landen beschehen und gehandelt und sonderlich unsers camermaisters handlungen alle jar jerlich sumarie auszug an hof geschikt werden.
Und beslieslieh, dieweil wir an unserm hof ain ordenliche hofcamer aufgericht haben, ist unser ernstliche mainung und bevelch, das die gedachten unser behamischen camerrete auf die berurt unser hofcamer ir aufsehen haben, sich nach der- selben richten, vergleichen und zu jeder zeit der notturft nach corespondirn und nemblich was über das so obbegriffen uns oder unserm schazmaister general und hofcamerreten zu wissen oder beschaid von uns zehaben von nöten erkennen wurden, uns desselben zu jeder zeit und nach gelegenhait der Sachen sambt irem rat und gutbedunken bei der post berichten und die brief zu unsers schazmaisters general handen, überschreiben und zueschiken, hinwiderumben so wellen wir auch verfuegen, das auf die brief und sachen, so unser camerret im kunigreich Behaim uns an hof schiken, durch uns oder unserm schazmaister general und hofcamerrat zu jeder zeit widerumben sleiniger beschaid und antburt zuegeschriben werden soll.
In dem allem und jedem sollen unser camerret und ander unser raitcamer officier sambt iren zugeordenten personen iren getreuen muglichen vleiss furwenden, unsern frumben und nuz bedenken und furdern, schaden warnen, wenden und furkumben, wie si uns solches aus treuen und phlichten schuldig und ver- punden sein, wir uns auch des in genedigem vertrauen zu inen versehen und verlassen, daran thun si unser ernstliche mainung.
Geben zu Prag am 25. tag Marcij Ao. etc. Im 27.
VI. Tirolische Kauimerordnung von 1536
(18. September, Trient). (Copie im k. k. Statthaltereiarchiv zu Innsbruck, Catt. 728.)
Wir Ferdinand von gottes genaden römischer könig, zu allen Zeiten mehrer des reichs in Germanien, zu Hungern und Beheim, Dalmatien, Croatien etc. könig, Infant in Hispanien,
19*
292
erzherzog zu Osterreich, herzog zu Burgundi und Württem- berg etc., grave zu Tirol etc. bekennen offenlich mit disem brief und thuen kundt aller meniglieh, als hievor gleichwol in dem 1523. jar, durch uns als derselben zeit unsers lieben bruder und Herrn, der röm. k. Mt. etc. gubernator aller indem und vordem oberösterreichischen lande, unserer tirolischen raitcamer Instruction, Ordnung und gewalt, gefertigt und zue- gestelt, welchermassen wir dieselb fürgenomen, geordent und äufgericht haben, auch in was sachen und gestalt dieselb unser raiträthe und die zuegeordneten personen derselben unser rait- camer handien sollen, wie dann dieselb unser Ordnung nach lengs in sich helt, und bisheer dieselb unser tirolisch camer nach dem inhalt solcher irer empfangnen instruction auch auf das wir hernach im 33. jar aus beweglichen Ursachen dieselbig unser tirolisch camer und regierung in ain wesen gezogen und erleüterung gethon, in was sachen die regierung und camer samentlich handien oder gesondert sein sollen zu unserm wol- gefallen gehandlt. und wir uns aber vergangen wiinter aus unsern niderösterreichischen erblanden hieheer zu unsem ober- österreichischen landen begeben und bisheer uns, unser liebsten gemahel und kinder, auch unsern königreichen, landen und leüten zu nuz und guetem und aller wolfart gnedigs nach- gedenken gehabt und auch daneben unserer trefflichen räthe getreuen rat gepflogen, wie wir alles unser thuen und wesen in guete bestendige Ordnung bringen und erhalten, dardurch unser camerguet (an dem wir bisheer durch die beschwerlichen kriegsleuff, die sich gleich zu eintrettung unser regierung, als meniglieh bewist ist, angefangt und ain guete zeit gewerth, darinn wir als ain getreuer vatter, herr und landsfürst allain von befürderung wegen derselben unserer land und leüt unsers camerguets noch anders nit verschont, gehündert, erledigt, gemehrt und daneben in unsern königreichen, fürstenthumben und landen frid und recht gefurdert und gehandhabt werde und aber fümemblich das unsere camergüeter ordenlich gehandlt und alles, das zu mehrung derselben immer dienstlich sein kan oder mag, fürgenomen und in wirkung gebracht werde, und erstlich für alles anders not sein bedacht und erwegen nit allain in unserm hofwesen, auch bei unserer tirolischen camer Ordnung aufzurichten, das wesen einzeziehen und allen überfluss abzestellen, auch darauf der sachen ainen anfane-
293
gemacht und weiter fürgenomen der camergefell und einkomen auf seehs oder siben jarlang die negsten unbeschwerdt zelassen, damit sich die in solcher zeit von den beschwerlichen ver- sazungen selbst abledigen mögen, bei welcher unser fürgenomnen Ordnung wir entlich zubleiben gedenken und in derselben kainen einpruch zethuen oder zemachen, es forder dann solches unser oder des lands hoche und unvermeidliche notturft und das solches dannocht mit rath, wissen und bewilligung ainer land- schaft beschech. nachdem aber neben dem unser notturft er- fordert hat, mitlerzeit und vor ausgang angeregter sechs oder siben jar den stat unsers königlichen hofs, dergleichen unser geliebten königlichen kinder, auch unserer regierungen und camern zuerhalten und derhalben ain gewiss einkomen zu- machen, welches wir aber neben ledigmachung unsers versezten camerguets on unserer getreuen landschaften darthuen und hilfen nit volstrecken mögen, haben wir ain ersame unser landschaft unserer fürstlichen graffschaft Tirol in jeztgehaltnem landtag zu Botzen aus sonderer gnedigen naigung, lieb und vertrauen, so wir zu inen tragen, gnedigist ersuecht, uns auf die bemelten sechs oder siben jar, zu erhaltung bemelter un- serer kinder hofs, der dann gleicherweiss wie unser hofwesen geringert und eingezogen, aller unnotwendiger uncosten abgethan, auch auf den statt der regierung und camer in unser graff- schaft Tirol zu volstreckung der justitia, gerichts und rechtens und fürnemblich zu erhaltung des perkwerchs zu Schwatz, an welchem disem land, nach der justitia zum hechsten gelegen sein will, ir underthenigist gehorsam hilf zuthuen und zube- weisen, auf welchen unsern gnedigisten fürtrag, ersuechen und erbieten uns ain landschaft gehorsambliche bewilligung gethon, nemblich das si uns die negsten sechs jar, jedes jars und damit auf Galli schierist konftigs sibenunddreissigisten jars anzeraiten dreissigtaussend gülden reinisch zustatten und hilf zekomen, doch das wir unserm selbst gnedigisten erbieten nach in solch bewilligt hilf nit greiffen, sonder dieselb auch insonders, was uns von unsern vordem österreichischen landen gefeit, ver- volgen und zu nichte anderm gebrauchen lassen, denn zu unser liebsten kinder der regierung und camer statt, auch perkwerchs underhaltung, wie dann solches ir landtags antwurt ausweist, seien wir, wie hie oben gemelt, je entlich dahin entschlossen uns des auch gegen ainer landschaft gnediglich bewilligt, solch
294
ir gehorsam bewilligung nindert änderst wohin, dann zu obver- melter notwendigkait zugebrauchen und verfolgen zulassen und darbei zubleiben und handhabung zuthuen, als wir dann nit änderst achten, dann gemelte unser tirolische camer mög mit solcher unser tirolischen landschaft bewilligung, auch dem, so aus unsern vordem österreichischen landen gefeit, und was noch für einkomen zu derselben unser camer vorhanden sein und auch mitlerweil ledig werden mag, auf Verrichtung obge- melter puncten statlich und wol volgen und über das alles verrer obgemelter unserer tirolischen Statthalter und camer- räthe Instruction und Ordnung und darüber beschehen erleüte- rung, die si bisheer von uns gehabt, für uns genomen, dieselbig ires inhalts übersehen und darinnen verenderung, mehrung und neuerung gethon, wie hernach volgt.
Anfenglich sezen wir in bemelter unser tirolischen camer zu obristem unserm stathalter den hochwürdigen in got vatter herrn Bernharden der heiligen römischen kirchen des titeis sancti Steffani in Celio Monte priester cardinaln, bischoffen zu Triendt, unsern lieben freund, forsten, präsidenten unsers ge- haimen raths und obristen canzler und in seiner lieb abwesen zu unserm vicestatthalter den wolgebornen unsern lieben ge- treuen Wolfen grafen zu Montfort und Rotenfelss und den er- samen gelerten und unsere getreuen lieben Wilhelmen Schurffen, unsern pfleger zu Ambrass Reinbrechten von Pairsperg, doctor Jacoben Franckhfurter unsern camerprocurator, Erasmen Haiden- reich, Gregorien Masch wander, unsern camermaister, und Michaeln Zoppl unsern camersecretarien , zu unsern camerräten. die- selben sollen nach irem höchsten und besten verstand und fleiss unserm camerrath vorsein und in dem, was zuerhaltung unsers camerguets dienstlich und nuzlich ist, guet Ordnung, unserm gegeben gwalt und diser instruction gemess fürnemen, halten und alzeit unser ehr, nuz und wolfart vor äugen haben und bedenken, und gedachter unser stathalter soll in dem rath bei gedachter unser camer die umbfrag haben und in abwesen sein, der vicestatthalter und wo aber der kainer verhanden, unser rath Wilhelm Schurff und aber die nit nach den stenden oder heerkomen, sonder nach glegenheit der händl und erfarnhait der personen thuen und das etwann mit ainer person, die sich des erstens anfragens nit versieht, an- fachen.
295
Weiter "geben wir unserm tirolischen Statthalter und rait- eamer dise Ordnung, das si im sornmer vor mittag umb sechs uhr im rath sein und umb neun uhr aus dem rath, nachmittag umb ain uhr widerumb im rath sein und umb vier uhr daraus und im wünter vormittag umb siben uhr darein und umb zehen uhr daraus, nachmittag auch umb ain uhr im rath und umb vier uhr widerumb daraas geeu sollen, und welcher unser camer- räth zu solchen gesezten uhrn oder ungeverlich ain viertlstund darnach in den camerrath nit komen wurde, so soll unser Statt- halter als obrister, der vicestatthalter oder in irem abwesen Wilhelm Schurff denselben rath anreden und undersagen die stund zehalten, und so ainer oder mer derselben unser räth über beschechen anreden, zu der gewondlichen stund nit erscheinen, so soll uns dasselbig anzaigt werden, darmit wir dargegen ge- bürliche handlung fürnemen mögen, es ist auch unser mainung, ob unser camerrath in ainer handlung säss, die gleich in der stund, so inen aus dem rath zegeen gegeben ist, nit vollendt, sonder ungeverlich ain viertl stund oder etwas mer über die gesezt zeit solche handlung bedürfen wurde, so sollen unser räth nit ausgeen, si haben dann denselben angefangen handl zuvor expediert.
Ob sich dann begebe, das aus unserm camerrath ainer oder mer unserer räthe schwach wem oder in seinen sachen zethuen hete, das er nit zu der gewondlichen stund in rath komen mechte, soll er solches albeg unserm Statthalter oder in abwesen sein Wilhelmen Schurffen anzaigen lassen und mit seinem willen und zuegeben aussen bleiben und sonst nit. welcher aber mit wissen und zuegeben des Statthalters nit krankhait oder schwachhait, sonder anderer seiner aigen geschefft halben aussen bleiben oder ausreüten wurde, dem soll die zeit seines ausbleibens gerechent und dieselbig an seinem sold abzogen und rodiert werden, damit aber bemelte unsere stathalter und camerräthe neben Verwaltung ires diensts, iren aigen sachen und notturften auch auswarten mügen, so lassen wir jedem der- selben unsern räthen zue, das er in ainem ganzen jar vier wochen volkomenlich seiner notturft nach bei seinem haimb- wesen sein mag, zu welchem seinem haimbwesen zuraisen und widerumb zu unser regierung zukomen, sollen im jeden tag dar- zwischen er nit stilligen soll, fünf meil zuraisen aufgelegt werden und merer tag von gedachtem unserm camerrath nit ausbleiben.
296
und es soll durch den Statthalter oder Schurffen diso besehaiden- hait im erlauben nach glegenhait fürfallender genöttigergeschefft, gebraucht und gehalten werden, das von unsern räthen bei unser camer über ainen auf einmal zuverreitten nit vergont werde.
Neben dem bewilligen wir auch gedachtem unserm Statt- halter und camerräthen zu gnaden, das si hinfüro an sambs- tägen und den vier hohen festen feirabend nach tisch nit zu- samenkomen dürfen, sonder iren aigen notturften und Sachen auswarten mügen, doch wo Sachen fürfielen, die ainichen Ver- zug nit erleiden mechten, so sollen si an den sambstägen und den vier hochen festen feierabend zu morgens umb ain stund früeer zusamen komen, also das si vormittag vier uhr nach- einander im rath und bei den handlungen seien, was aber perk- werchs händl sein, die nit anstand erleiden mechten, die sollen zu aller zeit gehandlt und nit angestelt werden.
So verordnen wir Micheln Zoppein als rath und secre- tarien derselben unser tirolischen raitcamer, der soll all und sonderlich die gnöttigisten händl, so durch unser ober- österreichische raithräthe beratschlagt und beschlossen werden, copiern und darob sein, das dieselben brief, wie sich gebürt, nach Ordnung der canzlei gefertigt werden und sonst alles an- ders thuen, so ime als unserm rath und camersecretari wol an- steet und zu dest statlicher Verrichtung solcher unser camer- canzl eisachen und damit auch der Zoppl, wo der handl sovil und beschwerlich fürfielen, ain ersezung hab, so haben wir Hainrichen Linnss als ain camersecretari, Georgen Kumpff, Iheronimusen liuepprecht, Mathiasen Scherl, Hannsen Schauber, Pauln Uschall und Leonharden Tilger verordent und zuegeben, also das dieselben ime dem Zoppl mit copiern und schreiben verhelfen und darneben der registratur auch auswarten und uns verpflicht sein sollen und auf unser camerräthe unserer tirolischen camer ir aufsechen haben sollen.
Weiter so verordnen wir Joachim Straussen zu unserm puechhalter und Joachim Tescher zu unserm camerschreiber, die sollen also baid aller unser ambtleüt und dienstleüt rai- tungen, so in derselben unser tirolischen camer beschechen, auch ander Sachen, die darum gehandlt werden, einschreiben und alles was den zwaien obbestimbten puechhaltern und camer- schreiberämtern zuesteet und bisheero der gebrauch und Ord- nung gewest, getreulichen vorsein und auswarten.
297
Wir wellen aber, das unser Statthalter und camerräthe, wo nit all doch aufs wenigist ir zwen oder ainer aus inen bei aufnembung aller raitungen von hochen und andern ämbtern sein sollen, dann bei uns nit allain gnueg angesehen, das durch unsern puechhalter und camerschreiber allain die mengl, was si in den raitungen befunden, unsern camerräthen fürgetragen und allain das vertrauen in so wichtigen sachen in si gestelt sei, sonder das unser camerräth oder etlich oder doch albeg zum wenigisten ain person aus inen albeg gegenwürtig sein zesechen, wie und von wann solch mengl ausgezogen, mit was grund si herfliessen, das auch in ausziechung solcher mengl und in treffenlichen raitungen sovil weniger übersehen werde, damit alsdann der Ordnung nach dest stattlicher handlung und erledigung darüber beschechen müg, so lassen wir gnediglichen zue, das dem camerschreibern der junger mit namen Hanns Castner zu kurzlicher aller ambtleüt raitungen beschreibung und erclerung der camersachen, also wann der camerschreiber vor ime tods abgieng, das man ainen andern der camerrait- sachen erfaren an desselben stat gehaben müg, gehalten werde.
Und nachdem bisheer zu den extraordinari raitungen sondere personen gebraucht und denselben solch extraordinari raitungen zuegestelt werden, also das dieselben personen die raitungen probiert, übersehen und die mengl darin befinden ausgezogen und unserm stathalter und camerräthen zu verrer erledigung und beratschlagung übergeben, wie dann dieselben extraordinari personen insonders derhalben ir Ordnung haben, so lassen wir es von befürderung solcher raitsachen wegen bis auf unser wolgefallen und so lang man dem notturftig ist und nit entpern mag, nochmals darbei verbleiben und nachdem aber zu solchen extraordinari personen diser zeit nit mer als aine verhanden, so wellen wir die andern personen ersezen also das die bestimbtermass die extraordinari raitung auf Ver- ordnung unserer camerräthe für die hand nemben, übersehen, probiern und wie si die befunden, verrer unsern camerräthen f üi bringen, doch wo befunden, das solcher personen und der costen, so darauf lauft, umbgangen werden mecht, das solche, durch Verordnung unsere camerräthe auch bescheche.
Verrer haben wir unsern getreuen lieben Gregorien Masch- wander zum Verwalter unsers camermaisterambts und einnember aller unserer Ordinarien und extraordinarien gefell und ein-
298
komen bemelter graffschaft Tirol bis auf unser widerruefFen fürgenomen und geordent, also das er bei unser raitcamer sein und anstat unser von allen und jeglichen obern und undern ambtleüten bemelter grafFschaft, auch unserer innern und vorder oberösterreichischen lande,' so bisheer in die tirolisch camer gehört haben, kain ausgenomen, alles gelt, so in die ämbter irer Verwesung gefeit, zu jedeizeit nach Ordnung der camer, doch on unser camerräthe und meniglich eintrag und irrung erfordern, einnemben, si darumben quittiern und solch gelt auf unser oder unserer camerräthe schriftlich bevelch ausgeben, auch alle jar und aines jeden besonder von solchem seinem empfang und ausgab auf der tirolischen raitcamer raitung thuen, er soll sich auch daneben nach glegenhait der geschefft seines ambts und sonst in allen Sachen und händin in der tirolischen rait- camer, es sei zu raitung oder anderm auf unser camerräth begern und erfordern guetwillig gebrauchen lassen und zufür- dern verhelfen.
Er soll auch alle monat das zornal auf die camer unsern camerräthen überantwurten, nochmaln dasselb überschlagen und daraus durch den puechhalter die einschreibung geton werden, item gemelter Maschwander soll kain quittungen den ambtleüten umb gelt zuestellen, si seien dann zuvor durch unsern camer- schreiber underschriben und registriert, und dieweil wir dann bisheer befunden, das weilend unsere camermaister uns an iren raitungen albeg ainen rest zuthuen schuldig bliben, und wir aber in solchem faal sovil weniger nachthailn gewertig sein, so wellen wir gedachten unsern camerräthen eingepunden haben, das si von unserm camermaister das zornal, wie vorsteet, alle monat erfordern und genzlich empfachen und dasselb nit allain durch unsern puechhalter, sonder auch durch unsern camer- schreiber underschreiben und registriern lassen mit diser Ord- nung, dann unsere camerräth alle monat beileüfig unsers canier- maisters empfang und ausgab und wie alle Sachen seiner ambts- handlung halben gestalt sein, ain wissen tragen und mit solchem unser und sein nachthail dessto mer fürkomen und verhüet wirdet.
Weiter die ofternenten unser Statthalter und camerräthe sollen mit gemeltem Verwalter unsers camermaisterambts von seinem einnemben alle jar und mit den andern unsern grossen und clainen ambtleüten unserer oberösterreichischen lande, so
299
in die tirolisch unser camer gehörn, zu glegner zeit raiten und dieselben ambtleüt dermassen nacheinander erfordern, damit albeg von stund an mit dem, der auf solch erforderung an- kombt, gerait müg werden und nit ainer auf den andern mit vergebner costung ligen und auf raitung warten, es sollen auch camerräthe alle raitungen bis zu end und beschluss handien und raiten. und ob sich der ambtleüt raitungen mit des camer- maisters handlung vergleichen, aigentlich erwegen, doch mit den trefflichisten ambtleüten und ämbtern, nemblich camer- maisterambt, salzmairambt, wexl, silber und münz nit schliessen, sonder uns solch raitungen zuvor fürbringen oder aber ainen summari auszug und underricht davon zueschicken, damit die zuvor gnuegsamblich übersehen und si darinnen unsers be- schaids erwarten und was wir inen darauf bevelhen demselben nachkomen. und sonderlich geben wir dise Ordnung, das hin- füron all unser ambtleüt allain auf unser tirolischen raitcamer ir raitung thuen, doch mit aufnembung solcher raitung sollen unsere camerräthe den brauch haben, wie der bisheer auf der camer gehalten worden, welche aber unser pfleger oder ambt- leüt on ehehaft not auf solch unser raiträth erfordern auf den angesezten tag in raitung nit erscheinen wurden , so sollen unser camerräthe gegen denselben mit straf, wie sich gebürt, verfarn und nicht destminder uns solcher ungehorsam halben auch berichten.
Unser Statthalter und räthe sollen auch bedacht sein, das si von ermelten ambtleüten jerlich raitung aufnemben und inen das ander jar kainesweegs ansteen lassen, damit durch solches unser und unsers camerguets schaden und nachthail sovil mer verhüet und fürkomen werde.
Und dieweil wir dann für notturft erwegen, das wir al- begen glegenhait unserer ämbter, einkomen, wie sich dieselben im einkomen mehrn oder ringern, ain lauters wissen haben, so ist unser mainung, ordnen und wellen, das albeg, so ain jar verscheint, welches durch die ambtleüt verrait werden soll, im negsten jar darnach vor ausgang desselben mit inen unsern ambtleüten allen gerait und dann zu eingang des andern jars uns albeg ain lauterer auszug zuegeschickt werde.
So wellen wir auch zu fürderung solher Sachen und lurnemblich, damit die alten raitung von vil jarn beer auch fürgenomcn und doch dardurch die neuen unserer ambtleüt für-
300
komen raitung nit gehindert, sonder im gang bleiben und ge- fördert und durch unser camerräth ordenlich und on aufzug mit inen gerait werden müg, wie obsteet, noch zwo sonder personen verordnen, die sollen solche für sich nemben, über- sehen, raiten und dann durch dieselbig unser ordinari camer- räth bis auf uns beschlossen werden.
Weiter ist unser mainung und bevelch, das unsere äuibter als ungelt, maut, zoll, städl, gärten, gründ, pauhöf und der- gleichen, so mit fueg bstandtsweis verlassen werden mügen, nun hinfüron nach jedes ambts glegenhait durch unser statt- halter und camerräth uns zu nuz, zum hechsten und besten verlassen, und was daraus zebringen ist, gebracht werde, doch ist unser gemüeth nit, das solch bestand dermassen gestaigert werden, das unsere underthonen des ain billige beschwerd oder nachthail leiden , doch darinn auch ain solcher weeg und Ordnung gehalten werde, das bemelte ämbter durch unorden- lichen hinlass und bestand nit zu abfaal gedeien, sonder allain im aufnemben bleiben.
Item unser Statthalter und camerräthe und Verwalter unsers camermaisterambts sollen auch ir fleissig aufmerken haben auf alle ämbter und ambtleüt, damit in solchen ämbtern getreulich mit fleiss gehandlt und uns zu nachthail nichts ver- nachlast oder verwarlost werde, und ob sich ain ambtman nit teugenlich oder das er sein ambt nit treulich versehe befunden, ist unser mainung , das si über solches , sonderlich was die verkerung , besezung oder entsezung betrifft , mit unserer regierung handien und rathschlagen. und was si samentlich in rath befunden, darüber die notturft verrichten und verordnen sollen.
Und als wir vormals gleichwol geordent haben, das kain ambtman in unsern vordem österreichischen landen angenomen werden solle, er hab dann zuvor pürgschaft gethan auf das wenigist umb sovil gelts, als vil dasselb ambt, darein er komen soll ungeverlich in ainem jar ertragen mag, so stellen wir es doch, diss articls halben, auf disen weeg und nemblich zu unserer Statthalter und camerräth messigung und guetbedüncken, darin mit oder one pürgschaft fürsehung zethuen, angesehen, das wir bedacht, das etliche ämbter villeicht ain jar sovil nit ertragen, als der ambtman aigens guets vermag, derhalben von demselben der pürgschaft unnot. so sein etlich, die sovil nit
301
vermügen, als etlich unser ansehenliche ämbter irer Verwaltung ain jar ertragen, derhalben si villeicht die pürgschaft nit ge- haben mugen, und aber dannocht sovil trauens und glaubens haben und darzue teuglich und annemblich sein, alles nach glegenhait der person und ambts. doch sollen unser Statthalter und carnerräthe, wie hieoben auch inen eingebunden ist, be- dacht sein, mit der ambtleüt raitungen über endung des jars nit zuverziehen und auch achtung zehaben, damit si das gelt, so von solchen unsern ämbtern gefeit, nit zu irern nuz gebrauchen, sonder unserm Verwalter des cainermaisterambts zuestellen, und ob si aber in solchem bei den ambtleüten auszüg oder saumbnus befinden, si zu solchen raitungen anhalten, dardurch sein wir sovil weniger verlusts gewertig und ist auch der obgemelten pürgschaft nit not.
Dann betreifend fron, wexl und ander der alten verlegnen oder neu erfunden perkwerch, freiungen, wo unser Statthalter und camerräth derhalben ersuecht wurden, sollen si uns solches zu jederzeit an hof mit guetem bericht, auch irem rath und guetbedunken zueschreiben, uns verrer darauf wissen zuent- schliessen.
Item sover unser Statthalter und camerräthe in unsern oberösterreichischen landen unser Schlösser, flecken und be- hausung funden, davon wir kainen nuz haben, sonder burghuet oder sold vergebenlich hinzue geben müessen, und mer schaden, dann nuz bringen, derhalben sollen si zu ersparung unnot- turftigen uncostens auf solches ir fleissigs nachgedenken und erfarung haben und uns jederzeit darüber was zuersparen und zuerhalten ist, ir erinnerung sambt irem rath und guetbedun- ken thuen.
Und nachdem uns an besazung und stattlicher fürsehung unserer Schlösser und besonderbar der ortfleckcn in unsern ober- österreichischen landen vil gelegen, sollen unser Statthalter und camerräth bedacht und verholfen sein, das dieselben durch auf- recht, redlich und teuglich personen besezt und bewart und in kainen weeg in solchem faal in sorg oder geferlichait gestelt werden, doch albeg, dass solch verenderung der person und fürsehung mit unserm wissen bescheche und was si hierinn zu jederzeit not sein, erfaren uns desselben auch berichten.
Item nachdem wir bevelch auf unser stathalter und camer- räth irer Verwaltung, schulden und dergleichen Verweisung
302
halben ausgeen haben lassen, und noeh über kurz oder lang geben m echten, ist unser mainung, das albeg die eitern beveleh, schulden und Verweisungen mit der bezalung vorgeen und exe- quiert werden sollen.
Und nachdem unsern haubtleüten, pflegern, vögten, zeug- maistern, zeugwarten und andern ambtleüten in eingebung irer haubtmanschaften, pflegen, vogteien, zeugheüsern und andern ämbtern, etlicher hausrath und ander des haus oder ambts notturften laut der inventari zuegestelt und eingegeben werden, ist unser mainung, das aller derselben inventarien glaubwürdig abschritten unserm Statthalter und camerräthen zuegeschickt, damit die auch ordenlich registriert werden mügen. was auch aus obbestimbten unsern zeugheüsern, schlossern oder ämbtern für geschüz, püxen, pulver, kugln, hausrath oder dergleichen varende haab, so in den inventarien begriffen, genomen, ge- endert, ausgewexlt oder an ain ander ort gefüert, oder aber mer geschüz, püxen, pulver, hausrath oder varende haab in dieselben zeugheüser, Schlösser oder ärnbter gekauft oder ge- than, das soll alles bei unser tirolischen eamer aigentlich und mit fleiss eingeschoben und durch dieselb unser camer ratifi- ciert und gerechtfertigt und sonderlich das nach vorgehaltnen gebrauch albeg drei in gleichem laut durch die commissari, die man darzue verordent, gefertigt und albeg ainer unser camer, der ander den abgestandnen pflegern, Inhabern oder erben und das drit dem, so aufzeucht, under der commissari petschaft und handzaichen gegeben werde.
Es soll auch unser obrister zeugmaister Veit von Wehing die bestimbten unsere zeugheüser in unsern oberösterreichi- schen landen alle jar ainnial bereuten, ersehen und beschrei- ben, was mangl und gebrechens bei jedem am zeug oder an- derer notturft sei und dieselb unsern Statthalter und camer- räthen übersenden, die sollen dann daran sein, das solches durch unsern obristen zeugmaister besehene und die mengl fürderlich erstatt, auch die zeugheüser mit aller notturft wol versehen werden.
Dann was münzmaisterei, zeugmaisterei, vischerei, Jägerei und vorsst antreffen, soll damit gehandlt werden, inhalt der statt derhalben aufgericht. doch in albeg sollen die vischmaister, jägermaister, vorstmaister, zeugmaister und münzmaister ir auf- sechen haben auf unser Statthalter und raiteamer.
303
Dergleichen unser obrister paumaister soll sein aufsechen haben auf unser Statthalter und camerräthe, und was zepauen sein würdet, solches unsern Statthalter und camerräthen an- zaigen, damit si ime noch ainen aus ireni rnitl oder jemands andern verstendigen solch gepeu und notturft zubesichtigen, zuezeordnen und nachmaln, was sich gebürt, pauen oder bessern, auch die ausgab darauf zethuen, zubestellen wissen, doch was grosse gepeu sein mechten, die sollen si alzeit an uns zuvor gelangen lassen.
Item all schulden, Verweisung und bezalung, so auf unser tirolische camer durch uns verwisen, underschriben, auch aller unserer regierung und diener besoldungen, es sein gross oder ciain, sollen beschehen und entricht werden inhalt der statt unserm Statthalter und camerräth zuegestelt, und vor allem sezen und ordnen wir, das unser Statthalter und camerräth vor allen dingen die bezalung auf obgemelt drei haubtpuncten, darauf fürnemblich unser fürtrag in gehaltnem landtag und dann ainer ersamen unser landschaft unserer fürstlich graff- schaft Tirol antwurt und beschliessliche bewilligung gestalt ist, von derselben unser landschaft vorgemelter bewilligung und andern unserer tirolischen camersgefellen als nemblich unserer königlichen künder, auch der regierung und camerstatts und sovil si mag, davon die hilf des perkwerchs thuen und solches jederzeit hindannen zerichten in guetem bedenken haben.
Und ob sich aber begeb, das zu jedem quartal die völlig bezalung gemelter unser königlichen kinder, auch der regierung und camer statts sambt der angeregten hilf zu dem perkwerch nit bei der hand were, so sollen gedacht unser Statthalter und camerräthe bedacht sein, den abgang von andern orten zu anticipiern und aufzebringen, bis das gelt zu entrichtung obge- melter puncten von unsern landschaften gefallet, damit also jederzeit das weesen unserer lieben königlichen kinder der regierung und camer und auch das perkwerch erhalten werden müg. unser Statthalter und camerräthe sollen auch ir fleissig gedenken haben, das si von solchem unserer landschaft be- willigten gelt in kainem weeg kain extra ordinari ausgab nit thuen, allain es bescheche zu des lands unvermeidlichen hochen und grossen notturft. und ob solches, wie gemelt, nit umb- gangen werden mechte, solle doch solches alweeg mit unserer regierung beratschlagung und vorwissen beschechen, wie dann
304
in diser unser Ordnung von disem articl merer meidung be- Schicht.
Dann so haben wir uns entlieh fürgenomen, all ansehen- lieli confiscationen in unser selbst camer nuz und notturften einzeziechen und zubehalten', demnaeh so bemelten unsern camer- räthen confiscationen und völligkaiten an provision, lehen oder anderm, ehe dann wir desselbigen erinnert, fürbracht oder an- zaigt werden, sollen si uns dasselbig alles zuhanden unserer hofcarner beriehten mit gueter ausfierung der gerechtigkait und zuegang, so wir zu solcher völligkait haben, auch derselben werdts und sonderlich irem guetbedunken, wie wir mit geringe- stem costen solch völligkait einziehen mechten, damit wir als- dann zur einziehung derselben confiscationen der notturft Ver- ordnung zethuen wissen, dieselben wellen wir änderst oder eher, dann nach zeitigem guetem rath verwenden, auch ain solche Ordnung und mass damit halten, das wir etwan von ainer völlig- kaiten nier dann ainen unsern diener versehen und begnaden mügen. und es sollen derhalben unser Statthalter und camer- räthe bei uns insonderhait umb dergleichen confiscationen und völligkaiten, die zuvergeben ausser raths samentlich oder ad partem nit ansuechen oder handien, noch inen selbst umb die- selbig oder in andern iren Sachen ausser rats procuriern, son- der in obgemelten unsern rath komen lassen, daselbst soll dann beschlossen und volgents die brief darüber gefertigt werden.
Und als wir bericht werden, das durch weiland unser vor- fordern fürsten von Österreich und sonderlich kaiser Fridrich und kaiser Maximilian, unser ur- und anherrn loblicher ge- dechtnus, auch damalen durch uns, von eingang unserer regie- rung in unserer fürstlichen graffschaf't Tirol vil verpfendtung, auch verkaufung unserer camergüeter, aueh gnadengaben be- schechen, der wir bisheer in kain gründliche erfarung bringen mögen, wellen wir, das sich unser Statthalter und camerräthe zu füeglicher zeit und sovil und alsbald müglichen ist, nit allain aller obgemelter Verhandlungen, verkaufungen, gnaden und gaben erkundigen, sonder die originalia der verschreibungen von unsern landleüten und pfandtsehaftern, welche anders der- selben vormalen nit fürbracht haben, zu iren banden erfordern, und dieselben notturftiglich ersehen und uns davon glaubwür- dige abschrift zuhanden unserer hofcarner schieken, damit wir uns darinn aigentlich ersechen und die notturft dargegen fürze-
305
nernen wissen, doch soll solche unsern landsleüten oder pfandt- schaftern an irer gerechtigkait kainen nachthail bringen.
Gleichervveiss sollen unser Statthalter und camerräthe auch handluug pflegen und auf ruitl und weeg gedenken, das mitler- weil die bereütung in unserer fr. graffschaft Tirol, wie zu vil- malen für guet und nuz angesehen ist, in unsern camergüetern fürgenomen werde, es sollen auch gedacht unser Statthalter und camerräthe bei unser tirolischen camer die statt aller Provi- sionen, besoldungen, auch dienstgelt, nichts ausgenomen, was derhalben durch uns und unser vorfordern auf jar oder leben- lang verschriben, fleissig durchsechen und ob si befunden, das darinnen ainich ersparung oder einziechung beschechen mecht, darüber uns ir guetbedunken, wie solches füeglich zethuen sei, anzaigen und fürnemblich uns berichten, welch provision und auf was personen si für beschwerlich, also das dieselben wol abgethan oder aufs wenigist zemiltern wären, angesehen und darinn kainen scheuchen tragen, dann wir darinn von hof aus notturftig Verordnung thuen und si in solchem irem anzaigen und gehorsamen vertraulichen bericht, damit si bei jemands amichen Unwillen erlangen mechten, ganz unvermeldet lassen wellen, und nachdem bisheer vil abgestorbner provisionen auf vervolgen und ansuechen von uns andern unsern dienern auch widerumb verschriben worden, sein wir entschlossen, solch Ver- gebung und verschreibung angeregter provisionen verrer nit zethuen, es sollen auch wider dis unser fürnemen unser stat- halter und camerräth in kain weeg procuriern oder rathen, auch sonst ad partem bei uns nit sollicitiern oder practiciern, jemands pflegen, provisionen, dienstgelt oder anders auf mer jar oder mer leib zuverschreiben, sonder vilmer sich dahin ze- handlen befleissen, damit wir bei diser unser fürgenomen Ord- nung bleiben und darwider nicht fürnemben. wo aber verdient personen, an den die notturft erkent würdet, umb fürsehung mit provision bei uns ansuechen, und solches im rath beschlos- sen und befunden würdet, dieselbigen zubedenken, so wellen wir, was derselben in unser graffschaft erledigt werden, an unser stathalter und camerräthe weisen und verschaffen.
Es soll auch hinfür bei unserm Statthalter und camerräthen verhüet werden, das die anzaal unserer ambtleüt und dienet-, noch auch die besoldungen on sonder merklich und gnuegsam Ursachen nit gemehrt oder erhüchert werden, sonder wo indert
Archiv. Bd. LXIX. I. Hälfte. 20
306
aus notturf't ainer mehrung der ämbter und diener und auch ainer erhöchung der besoldung und fürsehung der ämbter not sein wurde, sollen uns unser camer räthe desselben berichten, wellen wir darinn mit verrenn irem vorwissen notturftig Ver- ordnung thuen.
Und nachdem in unser hofordnuug von dreien pläzen, da gewondlich und am meisten unsere beharrige hofhaltung ist und konftiglich sein würdet, meidung beschicht, als in unsern stetten Prag, Wienn und zu Ynsprugg und wir aber aus erfarnheit be- funden, das albeg zu unserer ankonft in der leger ainem alle proviant in höherm wert, dann vor unser ankonft gewesen, ge- stigen ist, sollen unser Statthalter und camerräthe zuverhüetung und abstellung desselben solche hauswürtschaft fürnemben, da- mit man durch das jähr mit ainem vorrath an wein, getraid und fuetter gefasst seie, zu solchem dann die ledigung unserer ver- pfendten cästen und kuchenämbter, so statliche einkomen haben, die auch für anders fürgenomen werden solle, dienstlich und nuzlich sein werden, und solten also unser Statthalter und camerräthe gedacht sein, damit gemeltermass, die guet haus- würtschaft in das werk gebracht und gericht und so si ver- neinen werden, das wir auf Ynsprugg und daselbst ain Zeitlang bleiben, sollen si fürsechung thuen, das zu dem gemachten vorrath an wein, getraid und fuetter durch si die verrer not- turft zu unser hofhaltung als visch, fleisch, gewürz und der- gleichen in rechtem und leidlichem kauf bestelt werden mügen.
Unser Statthalter und camerräthe sollen auch Verordnung thuen, das traideästen aufgericht und auf weeg bedacht sein, das dieselben nach notturft versechen werden, also das man albeg bis in die zehentausend stär körn und in die zehentausend stär habern und so es sein mag, ain merer und trefflicher an- zal nach glegenhait der Sachen darauf gefunden werden mage, und so inen aber in solchem ainicher mangl oder irrung, das si solche fürsehung nit thuen mechten, begegnet, uns desselben berichten und umb hilf und weudung ansuechen, wellen wir in solchem faal in bedenken des lands notturft unser gnedi- giste mügliche hilf mitthailen und darzue gnediglich beweisen und zu solcher stattlichen fürsehung an uns nichts erwünden lassen, inmassen wir uns dann gegen ainer ersamen unser land- schaft in Tirol auch gnediglich erboten haben.
307
Dergleichen als wir in vil weeg ain grosse notturft be- dacht, das unser graffschaft Tirol und in nötten, auch die vor- dem lande mit ainer »tätlichen anzal pulfer versechen sei, sollen demnach unser Statthalter und camerräth Verordnung thuen und gedenken, das alle jar ain vorrath von saliter, es sei aus dem königreich Neapolis oder aus dem land Merchern, wo der- selbe zum geringesten zubekoinen, bestelt und in gemelte unser grafschaft gelegt und gebracht werde, damit der mitler zeit zu pulfer gemacht und das land jederzeit mit ainem vorrath ge- fasst und an pulfer im land nit mangl sei.
Daneben so ordnen wir, das unser Statthalter und ainer unser räth von der camer, den der Statthalter seinem guet an- sehen nach albeg zu ime beschaiden mag, mitsambt andern dreien räthen von unserer regierung mit höchstem irem fleiss den Sachen und händin nachgedenken, wie das wesen der regierung unserer land und leut erhalten, wie auch geferlichen Sachen begegent, nachthailiger schaden bei zeiten fürkomen und fürnemblich unser camerguet in aufnembung und mehrung gebracht werden müg, und was si also bei inen in solchem und dergleichen notwendi- gen Sachen bewegen und gedenken, uns desselben jederzeit be- richten und unsers verrern beschaids darüber erwarten.
Und als diser unser fürstlichen grafschaft Tirol an den gotsgaben der perkwerch und zu erhaltung derselben an geschick- ten personell nit wenig gelegen ist, demnach so legen wir ge- dachtem unserm Statthalter und camerräthen auf hiemit und wellen, das si auf weeg und mitl geen, wie neben den versten- digen perkleüten, so noch vorhanden sein, mer geschickt perk- leüt aufgezüglt und erhalten wrerden, damit ainer den andern erseze und in fürfallenden notturften in ämbtern und in ander- weeg gebraucht werden mügen und also der abfaal des metall und des salzperkwerchs verhüet werde, wir wellen auch, das zu jederzeit, so die perkwerchsraitungen zu Schwatz fürgenomen, das dann neben unserm stathalter und camerräthen etlich per- sonen aus unser tirolischen regierung darzue dienstlich geschickt und ausserhalb derselben solch raitung nit aufgenomen. dardurch kann albeg des perkwerchs glegenhait, zue- oder abfaal und ur- sach desselben sovil stattlicher abgenomen und gespürt werden. Und ob sich dann zuetrüeg, das wir aus zuesteenden unversehenlichen kriegsleüfen zu rettung, schuz und schürmb landen und leüten, so aber unser vorbeschechen gnedig erbieten
20*
308
in unser camergüeter nit zugreifen gedrungen wurden und solches nit umbgeen mechten, so wellen wir doch solches für uns selbst kainesweegs thuen, sonder zuvor die obligend not bei uns selbs und mit unsern hofcamerräthen bedenken und so vonnetten ist, etliche pefsonen aus unser regierung, so aus unser fr. grafschaft Tirol, so änderst die grafschaft oder die vordem lande die not betrifft, unserm gefallen nach darzue erfordern, derselben not auch volgents, so es die weil und zeit erleiden, unser regierung und camer unserer grafschaft Tirol, sover dieselb grafschaft den krieg antreffen thuet, berichten und darüber ir rat und guetbedunken verneinen, und was also hierinnen, das landen und leüten zu beschüzung, nuz und guetem raichen kan, bedacht wirdet, bei uns beschliessen, volgents die- selbig unser camer berichten, damit verrer durch si die not- turft verriebt und gehandlt werden müg und so nun inhalt desselbigen obgeschriben articls die kriegssachen bei unser regierung beratschlagt werden sollen, so wellen wir, das zu jederzeit, wann wir den gedachter unser regierung von für- fallenden kriegssachen anzaigen thuen, das unser camer solch kriegssachen mit und neben derselben unser regierung not- turftiglich beratschlagen und erwegen und uns alsdann desselben lauter inschrif't berichten, wo sich aber unversehenlich hand- lungen zuetrüegen, konftigen krieg belangend und darauf aus- gaben als auf kundtschaften oder anders bis die handlung, wie obsteet, beratschlagt werden, beschechen müessen, so geben wir darin diese Ordnung, das unser Statthalter mit zwaien unsern räthen von der regierung und zwaien räthen der camer, die ine darzue teuglich ansehen werden, solche fürfallende sachen handien, beratschlagen und fürsehung thuen, welche zwen räth aus unser camer sich in solchem faal auf des Statthalters beruefen und sonst in der fürsehung guetwillig und gehorsam halten sollen.
Und nachdem sich in unser regierung teglich zuetregt, das in unsern sachen daran uns gelegen ist, potschaften, comissari oder gesandten auszuschicken und dergleichen notturftig extra- ordinari ausgaben zethuen vonnötten ist, und wir derhalben unserm Statthalter und regierung in irer Instruction aufgelegt, solches was ausgaben betrifft, mit und in beisein zwaier unser räthe unserer tirolischen raiteamer handien und beratschlagen, solten dieselben zwen räthe aus unser camer in solcher
309
berathschlagung albeg gegenwürtig sein und was für notturftig unvermeidlich ausgab befunden, das gelt darauf verordnen, doch sollen solch ausgaben, in ainem oder den andern weeg, nit gesteh sein, dann das dieselben der jetzigen landtags- handlungon in unser graffschaft Tirol nit entgegen, sonder gleichfermig und gemess sei, allain ausgeschlossen etlich faal, so notwendig und des lands unvermeidlich notturften be- langen thuen.
Und ob in oberösterreichischen landen ander notturft ausserhalb kriegssachen fürfallen wurden-, die uns oder die lande diser regierung underwürfig betreffen und darein eilends zesechen und etlich zimblich ausgaben darauf zethuen not sein wolt, also das solch sachen und notturften kainen Verzug er- leiden, noch unsers berichts erpeiten und durch solch ausgaben dieselben sachen abgestelt oder schaden verhüet werden mech- ten, so sollen die bemelten unser tirolischen camerrüth sament- lich in denselben fürfallenden sachen, was die ausgab und unser camerguet betrifft, mit unserm Statthalter und regenten ratschlagen und mit irem wissen und rath darin handien, sover aber solch fürfallend sachen merer und grösser notdurft und handlungen, die disen unsern gwalt und instruction übertreffen und fürkomen wurden und bit erleiden mechten, dieselben si uns zuvor clerlichen und gründlichen berichten, und was wir inen verrer darauf bevelhen werden, demselben sollen si nach- komen, inmassen wir unserm Statthalter und regenten in irer Ordnung auch aufgelegt haben.
Und ob sich begeb, das zwischen der camer und unsern dienern, ambtleüten und underthonen der oberösterreichischen landen, in was würden, Stands oder wesens die weren, irrung und spän fürfielen, ordnen und sezen wir, das unser Statthalter und regenten macht haben, zuversuechen die güetlich zuver- tragen und hinzulegen, ob aber sachen dermassen trefflich für- fielen, also das unser camer unserer regierung oder hinwider- umb unser regierung unserer camer hilf, rath, underricht oder beistands notdürftig sein und ain thail derhalb den andern er- suechen wurden, so sollen si solch ersuechen aneinander treulich helfen, rathen und beisteen und sich gegeneinander trostlich und freundlich erzaigen.
Und was sachen die justitia und doch darneben das camer- guet betreffen, fürfallen, es seien confirmation , lehen oder
310
anders, darüber durch unserer Statthalter und regenten handlung und beratschlagung gethon würdet, denselbigen sachen sollen albeg zwen unser camerräthe beiwesig sein und helfen mit rat- schlagen, es sollen auch die brief darüber nit allain durch die Statthalter und canzler, sonder auch durch ainen unsern rath von der raiteamer auch verzeichent und bei unser camer füron auch registriert werden.
Wir behalten uns auch hierin bevor, das wir zu jederzeit unser camer mit den personen mündern oder mehren mügen nach unserm wolgefallen, dergleichen hinwiderumb die personen unser regierung auch nach irer glegenhait Urlaub nemben und begern mügen, darauf wir inen auch mit gnaden erlauben und derhalb kain ungnad tragen wellen.
Weiter verordnen wir, das hinfüro unser camerprocurator ordinari bei unser regirung im rath nit sizen, sonder auf unser tirolischen camer sein und denselben unsern camersachen, con- fiscationen, peenfäl, lehen, völligkaiten und dergleichen zue- stenden, treulich und mit allem fleiss niemands zu lieb oder laid handien und auswarten thue. doch so in gedachter unser regierung sachen fürkomen, darinnen dieselbig seines berichts oder sonst sein in handlungen, die kain rechtfertigung unsers camerguets auf ime tragen zugebrauchen notturftig sein, soll er auf unsers Statthalters erfordern darauf gehorsamblich erscheinen.
Und so wir dann obbemelt unsere camerräthe für ander personen zu handlung solches unsers camerguets fürgenomen und erküest haben und in si unser sonder vertrauen sezen, so wellen wir nit zweifeln, auch si ermant haben, si werden in allen dingen diser unser Ordnung nachgeen und sonst allent- halben unsern nuz und frumen nach irem besten verstand für- nemen und fürdern , unsern nachtl und schaden nach irem vermügen wenden und uns darin warnen, auch als unsere camer- räthe und diener unser camersachen, wie si uns dann gelobt und geschworn haben, unangesehen ainicherlai freundschaft oder feindschaft oder ander verwandtnus treulichen handien und in summa nichts, das zu erhaltung, aufnembung und meh- rung unsers camerguets müglich ist, underlassen, wie inen dann, als wolgebornen, fromen, erlichen leüten iren schuldigen pflichten nach zethuen gebürt und wol ansteet.
Und ;ils wir hievor, wie im eingang diser unser Ordnung gemelt ist, im 33. jar aus hohen trefflichen und beweglichen
311
Ursachen unser regierang und camer liie zukamen in ain wesen gezogen und gestelt haben, ist unser will und mainung, das es noch bei demselben also bleib, unser regimentsräth unsern camer- räthen und hinwider unser camerräthe unsern regimentsräthen vorgemelter und nachvolgender weiss und inass zuegethan und beieinander sein sollen, also dieweil die geferliehen und be- schwerlichen leüf allenthalben vor äugen, das si samentlich und miteinander jederzeit in solchem fleissig den Sachen nachge- denken, davon reden und ratschlagen und dann alles, das si darinnen und dargegen notturftig ansehen, fürnemen und ver- richten sollen, und geben hiemit in craft dis briefs obgemeltem unserm Statthalter, regenten und camerräthen volkomen macht und gwalt, das si so oft und vil die unvermeidlich hoch not- turft ervordert, es sei in frids- oder krie^szeüten und sachen zu fürsechung des wesens in fürfallender widerwertigkait und zu beschüzung des lands all unser tirolisch rent und einkomen finanzen machen und gelt aufbringen, darüber auch und dar- umben in unserm namen verschreibungen aufrichten, fertigen, geben und guet Versicherung thuen sollen und mügen, allermass als ob wir solches selbs gethon heten, das si uns desselbigen alsdann auch underrichten und das auch solches, wie vorsteet, allain zu des lands hochen und unvermeidlichen notturften be- schechen und das es der landtagshandlung und bewilligung nit zu entgegen sei. wo aber die not nit so gross und hoch wer und ainiche bit zuerleiden on sondern schaden möglich were, solch vorhabend finanzhandlung und geltaufbringung zuvor an uns gelangen lassen und unsers beschaids darüber erwarten, si sollen auch darüber bedacht sein, das si der land ausschüss so- vil zu umbgeen in diesem faal müglich ist, on unser vorwissen und bewilligen nit zusamen berueffen oder erfordern.
Und wiewol unser gemüeth ist, das bei unserm Statthalter und regiment auch oftgemelter unser raiteamer hiniüro wie bisheer, wie wir des hiemit nochmalen ordnen, underschidlich rath erhalten werden und die canzleien gesondert sein sollen, so ist doch verrer unser mainung und Ordnung, was wir hin- füron laut unser hofeamerordnung an si unser bevelch in nach- volgenden oder andern Sachen werden lassen ausgeen, es sei in finanzen oder in confiscationen und von ausgaben und der- gleichen sachen, wann auch mit unsern pHegern oder ämbtern ainich verkherung, besezung oder entsezung zethuen ist, all
312
perkwerchsachen samentlich zuhandlen, die brief, was und so- vil derselbigen in solchen Sachen aufzerichten sein wurden, der- gleichen all bevelch an unsern tirolischen camermaister, auch ander bevelch und missiven, die umb gelt an unser pfleger und ambtleüt ausgeen, darZue pfleg- und ambtbrief und ander dergleichen verschreibung, die unser camersachen antreffen, bei der camer, wievor aufgericht, geschriben, registriert, durch unsern tirolischen camersecretari gefertigt, aber zusambt unserni Statthalter und camersecretari noch durch zwen unser räthe, ainen von unser regierung, den andern von unser camer under- schriben und verzaichnet werden.
Was dann von unsern hochen und nidern ambtraitungen zethuen fürfallen, so sollen solche durch unser camerräthe allain, wie vormaln beschechen ist, fürgenomen und darin gehandlt werden und alle die, darin nit irrung oder mangl befunden werden, beschliessen, darüber raitbrief und was not ist, orden- lich fertigen und geben, aber si sollen in kainen weeg kainein ambtman kainen nachlass in den resten oder in anderweeg ausserhalb unsers vorwissens und bewilligung zethuen macht haben.
Wo aber in solchen ordinari und extraordinari raitungen sonst irrungen fürfielen, so sollen dieselbig durch unser regierung und camer samentlich gehandlt und vergleicht werden, was aber nit vergleicht werden mecht, sollen si uns dasselbig mit erinnerung alles grunds an unsern hof berichten, darüber wir fürderliche erledigung thuen und beschaid geben wellen, wo sich dann nachmals die partheien solcher unser erledigung und beschaids beschwern wurden und wir des von der regierung und camer bericht werden, wellen wir weiter mit irem rath darin entliche erledigung thuen, doch das albeg, was die nach- lass der rest und fürgefallen irrung betrifft, bestimbtermass mit unserm vorwissen gehandlt werde.
Dann so soll mit Verfertigung der raitbrief die Ordnung, wie oben von andern verschreibungen gestelt ist, gehalten, auch die gemainen auszüg, die von jar zu jar gegeben, also durch ainen von unser regierung und ainen von unser camer sambt camerschreibem oder puechhaltern, wie von alter beschechen ist, underschrieben werden.
Wir wellen auch darumben nun hinfür all bevelch, die wir je zuzeiten in allerlai obbemelten Sachen und handlungeu
313
an unserm hof werden ausgeen lassen, an unsern Statthalter, regenten und camerräth samentlich und nit auf unser camer insonders stellen und fertigen lassen, was aber pur lauter camersachen sein, wellen wir dannocht von fürderlicher und schieiniger handlung wegen nach der Überschrift stellen lassen zuhanden unserer tirolischen camer, was aber nit pur lauter camersachen sein, sonder neben der camer justitia oder anders betreffen, sollen dieselben brief, si komen von uns oder andern orten und sonderlich von uns, darunder zuhanden der camer nit gestelt ist, unser Statthalter eröffnen und aber fürderlich handlung darauf fürnemben, damit nicht verabsaumbt oder die partheien verlengert und in zerung und costen gebracht werden.
Und damit wir auch jederzeit und gestalt und glegenhait unserer camer wissen haben mügen, sollen uns Statthalter, regenten und camerräthe jerlichen und alle jar aller ämbter einkomen, empfang und ausgaben, welche oder sovil derselben ordinari und nit auf sonder bevelch beschechen, dergleichen auch von den raitungen der fürnemblichisten unsern ämbtern als camermaister, salzmair, wexlambt, silber und münz, so die beschlossen sein, ausrichtigen lautern auszug an unsern hof schicken, auch gedacht sein, das von gemelten unsern ambt- leüten die raitung nit angestelt, sonder dermassen gefürdert, das die jerlichen aufgenomen werden , wie dann hievor in ainem articl 13. Übersendung der auszüg halben, auch davon meidung beschicht.
Dann so legen wir auch gemelten unsern camerräthen hiemit auf und wellen, das si bedacht sein und jederzeit mit unser regierung davon ratschlagen und handien, wie neue ein- komen in disem land zu nuz und mehrung unsers camerguets gepflanzt und in das werk gebracht werden mügen, das si auch mit allem fleiss die Unordnung und überfluss des stats bei unser regierung und camer sovil immer erhalten werden mag, abwenden und zum genahisten einziehen.
Und nachdem hievor in vergangen emperungen in diser unser fr. graffschaft Tirol etlich surna gelts, auch clainot und silbergschirr von etlichen gotsheüsern und prälaten anlehens- weis aufbracht worden, die denselben gotsheüsern und pre- laten jerlich aus unsern ämbtern verzinst werden, wellen wir hiemit unserm Statthalter und camerräthen aufgelegt haben, das si zu füeglicher zeit Verordnung thuen, ob das gefallen züusgelt
814
durch die geistlichen auf clainoter mit angelegt were, das solches zünsgelt auch konftig die hauptouma, so die bezalt würdet, wiederumb den kirchen und prelaten, au kirehenclainotern und silbergschirr angelegt, damit durch solch anlegung des gelts der schaz der kirchenclaiuoter zu ainem vorrath wieder- umb geniert werde.
Und dieweiln bei unser, regierung auch unser cainer in fürfallenden unsern Sachen und gescheften ainspennig und fuess- poten gehalten werden, so sollen nun hinfür die geschwornen reitenden und fuesspoten, auf unsern Statthalter und camer- maister, aber die ainspennigen auf unser Statthalter und regenten ir aufsechen haben und so si gebraucht und ausgeschickt wer- den, ir ausziechen und widerankonft jederzeit unserm camer- maister ansagen.
Und was potenzedl in unsern camersachen ausgeen, die sollen durch unsern camersecretarien verzaichnet und under- schriben werden.
Was also in dem allem erstgemelt unser camer mit sambt unser regierung auf disen unsern gevvalt für uns, unser land und leüt nach irem getreuisten fleiss und verstand, samentlich veraintlich miteinander oder die maisten aus inen fürnemben, handien und thuen, das alles soll unser will und mainung sein, wir sollen und wellen uns das auch guediglich und wol gefallen lassen, darwider nichts hau dien noch thuen, sonder gnediglich und gleicherweis halten und vollziehen als ob wir des selbs gehandlt und gethon hetten.
Und ob nun aus Übersechen oder in anderweeg von uns ainicherlei über und wider dise unser Ordnung und der laud- tagshandlung und bevvilligung zuwider ausgieng, des doch bei unser hofeamercanzlei zum besten verhüet werden solt und wir desselben von unsern camerräthen bericht und erinnert werden, wellen wir dasselbig gestracks abschaffen und an- gezaigte ordnuug in irem wesen bleiben und nach derselben die Sachen handien lassen.
Und obgemelten unsern Statthalter, camerräthe, camer- secretari, puechhalter, camerkanzleischreiber unserer raiteamer sollen ire pflicht, die ain jeder uns gethon hat uiid konftiglich thuet, dahin pinden, das si von niemands kain muet oder gab oder dergleichen Verehrungen noch auch on unser vorwisseu und zuelassen von andern fürsten, herrn oder stetten, kain
315
Provision noch dieustgelt nemben, sich auch mit niernands in gsellschaft der kaufmansgwerb, haudtierung uud inünzhandlung begeben, und so ainer oder mer darin were, sich derselben entschlagen, daraus thuen uud verlassen, doch so ainer oder mer perkwerehsthail oder Verwaltung und herrschalten in unsern landen pilegs- oder bestandsweis innen hette, mag er dieselben behalten, auch wol dergleichen perkwerehsthail und pflegen annemen, aber so bei gedachter unser camer von Sachen ge- handlt wurdt, perkwerch oder die pflegen und Verwaltung, damit dieselbig unsere räthe und diener verwondt sein be- treffend, so sollen dieselben räthe und personen abtretten und nit darbei sein.
Und in solchen vorbestimbten Sachen haben unser camer- räthe gnuegsamen gwalt nach ausweisung der vorgemelten artiel, wie die clerlichen in sich halten, darin si als unser ge- treu räthe und diener, allen müglichen fleiss fürkeren sollen.
Und damit aber diser unser Ordnung und Instruction in allen punkten dest stattlicher nachgehandlt und gelebt werde, so wellen wir oftgemelten unsern camerräthen hiemit bei iren pflichten aufgelegt und eingebunden haben, das si dieselb zu jedem quartal für die band nemben und fleissig übersechen und lesen, damit inen die sovil mer in gedechtnus darnach zehandlen und nichts darin nachzesehen bleib, doch wellen wir uns vor- behalten, dise unser Instruction in ainem oder den andern weeg, wie sich die notturft und glegenhait zuetragen mecht, zemindern, zu mehren und zuverändern, doch soll solche verkerung der angeregten landtagsbewilligung und unserm gnedigisten erbieten nit zugegen sein.
Auf das alles also unsere cammerräthe laut diser unser gesezten Ordnung in allen und jeden punkten und articlu mit bestem und getreuistem fleiss zehandlen wissen, wie wir inen dann genediglich vertrauen ungeverlich mit urkund dits briefs. geben zu Triendt den 18. tag des monats septembris anno 3(5, unserer reiche des römischen im 6. und der andern im 10.
Ferdinand. Ad ruandatum domini
regis proprium.
H. Neuner.
.".Ir-
in h a 1 1.
Seite
Vorwort 53
Die Centralbeh örden.
1. Der Hofrath 55
2. Der geheime Rath 80
3. Die Hofkanzlei 93
4. Die Hofkammer 101
5. Der Hofkriegsrath 144
Die Mittelbehörden.
1. Die Regierungen 149
2. Die Raitkammern 172
3. Der Kammerprocurator 215
Schluss 223
Beilagen.
I. Oesterreichische Hofrathsordnung von 1541 228
II. Ilofkammerordnung von 1537 232
III. Instruction des niederösterreichischen Hofraths 1521 259
IV. Instruction des niederösterreichischen Hofraths 1523 267
V. Böhmische Raitkammerordnung 1527 281
VI. Tirolische Kammerordnung von 1536 291
Berichtigungen.
Seite 56, Anm. 3, ergänze zu Pardessus: „Essai historigue sur l'organisation judiciaire." „ 57, Anm., ergänze zu Gachard: „Inventaires des archives des chambres dos courpte»." „ GS, Anm. 4, ist beizufügen: „im Arcliiv des k. k. Ministeriums des Innern zu Wien." „ 7G, Anm. 1, ist beizufügen: „Vergleiche 0. F. Moser, Pragmatische Geschichte der
Reichsbofrathsordnung, S. 11." „ 82, Zeile H von oben, lies: „1528" statt: 1527. „ 177, Anm. 2, lies: „Cr. Genndorffei" statt: A. Geudersfer. „ 2Sl*Zeile 23. Die Unterschrift des Rogistrators ist wogen der verzierten Initiale nnsicher.
University of British Columbia Library DUE DATE |
|
FORM 310 |
UNIVERSITY OF B.C. LIBRARY
3 9424 01234 1340
1SCARD
fei |
1 *1 |
r?l1 |
m |
\ _ L |
vu |
&i 1 1 |
ti*
1?
'■
•L
o
,- . ■ s-m