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DIE CHRISTLICHE KUNST

ZWÖLFTER JAHRGANG 1915/1916

F. BRUCKMANN A.G., MÜNCHEN

DIE CHRISTLICHE KUNST

MONATSCHRIFT

FÜR ALLE GEBIETE DER CHRISTLICHEN KUNST

UND DER KUNSTWISSENSCHAFT SOWIE FÜR

DAS GESAMTE KUNSTLEBEN

ZWÖLFTER JAHRGANG 1915/1916

IN VERBINDUNG MIT DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

HERAUSGEGEBEN VON DER

GESELLSCHAFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

GMBH

MÜNCHEN

INHALT DES ZWÖLFTEN JAHRGANGES

(Die klc Abkiirzunpen hinter den Künstlern

en ZilTcrn bczeiciinen die Sciicnzablen der .Beilage. 1

:a: Arch. = Architekt; Bildh. = Bildhauer; M, = Maler; Glm. = Glasmalc:

A. LITERARISCHER TEIL

I. GRÖSSERE ABHANDLUNGEN

Seite

Dalberg, G. K. L. Huberti de', Die russische Reli- giosität in ilirer Rüclcwirkung auf die Kunst Rußlands 149, 173

Demleitner, J., Die Kirche der Taubstummenanstah in DiUingen 161

Doering, Dr. Osl<ar, Martin von Feuerstein 1

Neue Arbeiten von Augustin Fächer 217

Bildhauer Gg. Schreiner 289

Feulner, Dr. Adolf, Die neue Pfarrkirche in Milberts-

hofen und ilir Deckengemälde 109

Funke, Dr. Max R., Fremde Einflüsse in der japa- nischen Kunst 71

Georg von Hauberrisser 200

Harter-Hart, Josef, Die Wandbehänge der ehema- ligen Stiftskirche in Gaisten 296

Heihneyer, Alexander, Architekt Fritz Fuchsenberger 65 Hoche,'P., Die Bedeutung des Werkunterrichts für

Kunst und Kultur 269

Jestädt, Eine Perle des Fritzlarer Dommuseums . . 210

Kirchenbauten von Fritz Kunst 265

Lappe, Josef, Der Christusdom zu Drontheim. . . . 33 Lauscher, Dr. A., Der neue Hochaltar der Pfarr- kirche z. hl. Dionysius in Essen-Borheck 189

Levering, Gustav, Anton Pruska 211

Mader, Felix, Der Meister d..-s Kottingwörther Altars 97 Patzak, Dr. Bernhard, Die St. Ignatiuskirche zu

Görz und ihr Baumeister Christoph Tausch.... 332 Staudhamer, Seb., Der Grundgedanke von Raffaels

Bild der hl. Cäcilia 119

Steffen, Hugo, Der Christusdom zu Drontheim... 122

Oskar Hofifeld f 13'-'

Zih, Wilhelm, Rene Kuder 129

Franz Simm 3:^1

II. BERICHTE ÜBER AUSSTEL- LUNGEN (Vgl. auch IV.)

Baden-Baden, KriegsausstcUung :;i

Berlin, Ausstellung von Werken deutscher Künstler des 19. Jahrhunderts im Kunstsalon Fritz Gur- litt. Von Dr. Hans Schmidkunz ig

Berliner Sccession Herbst 1915. Von Dr. Hans Schmidkunz '.1

Die Berliner Aquarell-Ausstellung. Von Dr. Hans Schmidkunz 11

Freie Secession 1916. Von Dr. Hans Schmidkunz ;;::

Große Berliner Kunstausstellung 1915. Von

Dr. Hans Schmidkunz 25

Kriegskunst-Ausstellungen. Von Dr. Hans Schmid- kunz ■""

Wiener Kunstschau in Berlin. Von Dr. Hans Schmidkunz 22

Dresden, Ausstellung der Dresdener Künstlerver- einigung 4.i

Köln, Ausstellung neuerer Kunst aus Kölner Pri- vatbesitz. Von Dr. A. Huppertz 32

München, Ausstellung des Bundes Bayern. Von Dr. Oskar Doering ' 116

Ausstellung der Münchener Künstlergenossen- schaft. Von Dr. E. Heidegger .=>

Die Münchener Secession 17

Rene Kuder-.Ausstellung. Von Dr. Osk. Doering 21

Sommerausstellung 191 6 der Münchener Seces- sion. Von Dr. Oskar Doering 312

Wien, Die Herbstausstellung im Wiener Künsiler- haus. Von Richard Riedl 18

Wiener Kunstbrief Von Richard Riedl 40

Wiesbaden, Die Ausstellungen im Wiesbadener

Museum 31

III. KLEINERE AUFSÄTZE

Bogenrieder, Franz X., Die Wandmalereien in der > Alten Kirche« zu Garmisch 238

Doering, Dr. Oskar, Krankenanstalt des Dritten Ordens zu Nymphenburg 181

Glasgemälde in der St. Maximilianskirche zu München l-j

Eine Nachbildung der »Anbetung der Weisen«

des Hugo van der Goes ^. .

Landschaftszeichnungen Ludwig Bolgianos .... 19

Neue Werke von Thomas Buscher 21

Das Grabmal der Familie von Orterer 20

Werke von Georg Busch aus den letzten Jahren •£>

Zwei neue Altargemälde für Altötting ".0

Glasmalereien als Kriegserinnerungszeichen ... 17 Fränkel Dr. L , Von wieder aufgetauchten alten

deutschen Bildern 17

Franke Ilse, Das Sakramentshäuschen 319

Grothe, L., Bildhauer Joseph Köpf f 157

Heidegger, Dr. E., Die Kunst dem Volke 1

Herbert, M., Aus deutschem Blute 96

Der Handkuß 96

Nike von Samothrake 237

Verona 237

Die Madonnen des Michel Angelo 280

Madonna von Grünew.ald in Stuppach 280

Huppertz, Dr. Andreas, Neuer Bischofsstab 188

Riedl, Richard, Marienaltar von E. Klotz 216

Scherg, Dr. Th. J., Gedanken zum Münchener Wald-

friedliofe 15

Schwenk, Ludwig, Die neue Kirche in Straßdorf

bei Gmünd 121

Semrau-Thorn, Arthur, Kreuzigungsgruppe 216

Staudhamer, Seb., Künstler, beherziget es! 32

Religiöse Denkmale für Krieger 87

Friedhöfe und Kriegsgedenkzeichen 88

Leitsätze für Wettbewerbe 91

A. LITERARISCHER TEIL

Seile

Staudlumer, Seb., Wiederum Kriegsgedenkzeichen 170

Steffen, Hugo, August Rincklake 50

Stückelberg, E. A., Zur künstlerischen Reform der

Wallfahrtszeichen 281

Witte Robert B , Ein neues photogrammetrisches

Verfahren "1

Wörndle, Heinz von, Einem Tiroler Bildschnitzer

zum Gedenken 22

Zils, W., Karl Johann Bauer f 45

Carl Johann Bccker-Gundahl 240

Christian Unterpieringer f 320

Der hl. Kreuzweg in der Müncliener Maximilians- kirche 60

Huldigungsadresse und \\'idraungbbljtt 275

Ludwig Möckel t 271

Neue Studentenfahne 285

IV. VON KUNSTAUSSTELLUNGEN, SAMMLUNGEN, KUNSTVEREINEN,

MUSEEN

Köln, Ars Sacra. Verein zur Förderung religiöser Kunst, E. V si

Christlicher Kunstverein des Erzbistums Köln. . 8 München, Ausstellung von Malereien Alwin Ar-

neggers 286

Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst. 95, 158

Die Kuder-Ausstellung --2

Die Münchener Jahresausstellung im Kgl. Glas- palast i:'.

Galerie Eduard Schulte l"

Jahresausstellung im Glaspalast

Münchener Secession in

Sammlung von Kriegsdenkmünzen aus der Münz- prägeanstalt L. Chr. Lauer, Nürnberg in

Sommerausstellung der Münchener Secession . . SO

Vortrag über Kriegsgedenkzeichen 34

Münster, Ausstellung über Friedhofkunst und Krie- gerehrung 4:1, 47

Wien, Wiener Ausstellungen 4s

Wiener Kunstbrief ic

V.KUNSTLERISCHE WETTBEWERBE

Berlin, Preisausschreiben für kleinere Kriegs- und Kriegerdenkmäler 336

Breslau, Preisausschreiben des Schlesischen Bun- des für Heimatschutz 313

München, Preisausschreiben für den Neubau der St. Korbinianskirche 158

Wettbewerb für die künstlerische Ausmalung

der St. Maximilianskirche 188

Wettbewerb für eine Monstranz 42

Wettbewerb für Entwürfe zu einer neuen St. Kor- binianskirche in München ::n

Wettbewerb für Glasmalereien 10, 1:;

Zwei Preisausausschreiben des ^Münchner Bun- des« 344

Wien, Entscheidung des Preisgerichts im Wettbe- bewerb um Entwürfe von Denkmälern für die gefallenen österreichischen Krieger im Weltkrieg 1914/15 126

Preisausschreiben lür bildende Künstler-Schüler

der k. k. Akademie der bildenden Künste 4S

VI. MITTEILUNGEN ÜBER SONSTI- GES KUNSTSCHAFFEN

Seite

Angerniair, Hans, Bildli 128

Auer M., Stickerei i:;

Baierl, Theodor M 31 1

Baumann, Franz, Arch 128

Boßlet, A., Arch 159

Bradl, Jak., Bildh ;«;

Breitkopf Cosel, Joseph, Bildh 159

Busch, Carl, Kunstglasm 7, 4s

Busch, Georg, Bildh 128

Buscher, 'I homas, Bildh 44, 128

Colombo, Karl, Arch 2

Dietrich, Franz X., M l'.»

Eberz, Joseph, M 128

Fellermej'er, Jos., M 19

Figel, Albert, M :k

Fuge!, Gebhard, M :;s

Grässel, Prof. Arch 20

Hahn, Hermann, Bildh k;

Hartig, Ed., Bildh. und Medailleur 7

Haverkamp, W., Bildh s

Huber-Feldkirch, M 22

Hubcr-Sulzemoos, Han?, M 2;;

Kuld, Josef, Arch :k

Locher, Bonifaz, M 344

Miller, Hans, Bildh :w

Müller, Prof. A 43

Otterpohl, Franz, M 36

Fächer, Augustin, M 2

Reich, Prof. Josef, Bildh 2:!

Sand, Carl Ludwig, Bildh ifi

Schiestl, Heinz, M 43

Schildhorn, Franz, Bildh 2

Schleibner, Prof. Kaspar, M 4:',

Schmid, Anton, Bildh 36

Szoldatics, Georg, M 16

Taglang, H , Bildh 36

Voege, F., Glasm 36

VII. PERSONALNOTIZEN

Beißel, P. Stephan f 2

Bertsch, Wilhelm, Arch. 7 16

Braun, Prof. Louis 7 20

Dütsch, Eugen Kaspar, Bildh. f 16

Feuerstein, Martin v, M 159

Frische, Rudolf, M 2

Fuchs, Franz, M 10

Gehrig, Oskar, M. u. Schriftst 128

Halm Dr. Philipp Maria, Direktor 159

Hassak, Max, Regierungs- u. Baurat 16

Jarl, Otto, Bildh. j 128

Max, Gabriel von f 128

Oberländer, Adolf, M s

Schneider, Prof. Herrn., M 43

Steinhausen, Wilhelm, M 16

Wenglein, Josef, M 8

Zembrod, Anton, Bildh. f 128

Zumbusch, Kaspar R. von, Bildh. f 7

VIII. BESPROCHENE BÜCHER

Biehle, Johannes, Theorie des Kirchenbaues 2

Bornemann, Lic, Die Marktkirche zu Clausthal im

Oberharz 4

Brandt, Paul, Sehen und Erkennen 44

Burger, Dr. Fritz, Handbuch der Kunstwissen'jchart 48

Dombart, Th., Schwabing s

VI

^ A. LITERARISCHER TEIL

REPRODUKTIONEN ^

Dölger, Dr. Franz Jos., Konstantin der Große und

seine Zeit 27

Doering, Dr. Oskar, Moderne Meister christlicher

Kunst U

Eberz, Josef, Kämpfe 21

Ferretti, P. Lodovico, II sepolcro di Pio IX. in Roma neir antico nartece della Basilica di S. Lo-

renzo fuori le mura 20

Gvsi, Dr. Fritz, Die Entwicklung der kirchlichen Architektur in der deutschen Schweiz im 17. und

I S. Jahrhundert 27

Henner, Dr. Theodor, Altfränkische Bilder 1916 . 21) Kappel, Dr. Joh Ev., Der Dom des hl. Stephan zu

Passau 21

Malkowsky, Georg, Kultur- und Kunstströmungen

in deutschen Landen 2.5

Pinder, Wilhelm, Mittelalterliche Plastik Würzburgs ?,

Pionier, Der s, as^ 160

Richter, Prof. Dr. Otto, Das alte Rom v.

Rodt, Eduard von, Bernische Kirchen ::

Schierghofer, Georg, Altbayerns Umritte und Leon-

hardifahrten 4

Schlecht, Josef, Kalender Bayerischer und Schwä- bischer Kunst 1916 20

Verein »Heimat« in Kaufbeuren, Neuer deutscher

Kalender für das Jahr 1916 2.5

Weber, G. Anton, Dürers schriftlicher Nachlaß in

Übersetzung und mit Erklärungen 2.8

W'einhart, Dr. Benedikt, Das Neue Testament .... 16 Wolf, O Jilo, Tempelmaße 1

IX. VERSCHIEDENES

Alte Wandbilder 42

Berichtigung sc

Beruf der Kunst 283

Bischöfliche Bildnisse ]-5

Das Bildnis eines Knaben 10

Das Nackte in der Kunst bei den Kirchenvätern.. 15

Die Universität Würzburg 43

Dresden, Kreuzweg für die kathol. Hofkirche in

Dresden 10

Druckfehler S

Fünf Gedenkhlätter für Gefallene s

Köln, Generaldirektor für Kunst und Kunstgewerbe 35

Kunst und Krieg SC

Kunstauftrag der Stadt Wien 48

Lektüre ins Feld 15

Lichtbildervortrag über Kriegsgedenkkunst 47

Lübeck, Kriegsgedächtnishalle 23

Martin von Feuersteins Kriegsgedächtnisblatt 6

Nürnberg, Eine Kriegsgedächtniskircbe 128

Renten- und Pensionsanstalt für deutsche bildende

Künstler 43

Schliengen, Denkmal für Gefallene 36

Soldaten-Lektüre 159

Versteuerung des Kunstbesitzes 16

Vivatbänder und eiserne Medaillen 7

Wien, Bilder für die Wiener kommunale Ehrengalerie 128

Zu dem Bilde auf S. 557 341

Zu den Bildern des Heltes 11 48

B. REPRODUKTIONEN

I. KUNSTBEILAGEN:

Amerongen, Frid. L. B. von, Jesus bei Niko-

demus I\'

Feuerstein, M. von, Bella niatribus detestata III

Pietä II

St. Thomas Aquinas I

Fachsenberger, Fritz, Portal des k. Bezirks- amtsgebäudes zu Schweinfurt VI

Presbyterium der Kirche in Adelsdorf. . V Hauberrisser, Dr. Georg von, St. Paulskirche

in München XI

Huber-Sulzemoos, Hans, Malerei für einen Flügelaltar in der neuen Pfarrkirche zu

Cöln-Zollstock XXI

Kuder, Rene, Der Friede VIII

Schwere Wolken IX

Klotz, Edmund, Hochaltar der Leopoldskirche

in Wien-Floridsdorf XII

Kuolt, Karl, Hl. Sebastian XIX

Locher, B. u. Müller, Andr., Krankenheilung Vll

Moldrickx, Leo, Bischofstab X

Fächer, Aug., Bayerische Diözesanpatrone. . XIV

Maria Verkündigung XIII

Pruska, Anton, Kruzifixus XV

Madonna auf dem Throne XVI

Marienaltar in der neuen St. Annakirche

zu München XVIIl

Simm, Franz, Vor der Töpferbude XXIII

Steidle, Rieh., Von einer Studentenfahne... X\'!I

r/iom<i, /,., Hl. Blut XXII

Westjälischer Meister, Geburt Christi XX

Seite Albert-Nürnberg, P.astik an der Carl Prcihcrrl. v. Thiingenschen Grab-

k,-ipclle in Burgsiim 77

Allmann, Bildh., Neue Sludentcnfahne 285

Von einer Suidentenfahne, Sonder« beilagc . XVI

Angcrmair, Hans, Monstranz-Entwurf 48,50

I'lastik am Portal des Kgl. Beziiks- amtsgebäudes zu Schweinfurt, Sonder, beilage VI

Plastik im Presbyterium der Kirche

in Adelsdorf Sondcrbcilage V

Angermair, Jak., Hochaltar 163

Bachmann, Anton, Monstranz-Entwurf

46, 53. 55, Baierl, Theodor, Christus am Kreuz . 172

ll^r Auferstandene 175

Der Welthciland 178

IL ABBILDUNGEN IM TEXT:

Seite Baierl, Theodor, Die hl Margareta . . 179

Die klugen Jungfrauen 164

Die törichten Jungfrauen 165

I. Kreuzwegstation 161

Glasgemäldc 176, 177

Hl. Anna 174

Kreuz.ibnahme 173

Kreuzwegstalionen 171

Moses 174

Bauer, Karl Joh., Altatkreuz 60

Ehrengc-ichenke 59

Elektrische Lampe 60

Fingerhüte und Manschettenknöpfe . t>3

Fruchtschalc 63

Grablaterne 57

Halsschmuck 58

Kelche 61

Pokal 62

Seite

Bauer, Karl Joh., Standuhr 64

Baumann, Franz, Grablaterne . ... 57 Brey, H., Malerei am neuen Hochaltar

in Essen-Korbeck 194

Croissant, Malerei der prot. Kirche in

Oberlusladt 84

Eberz, Josef, Moorlandschaft 284

~ Zwei Mütter 284

Fassnacht, Josef, Familienportr.Ht Kunst-

maler Fieiwirth-Lützow 33

Feuerstein, Martin von, Anbetung der

Hirten und Konige 8

Ancilla Domini 27

Auferstehungscngel 2

Aus der Brotvermehrung 10

Aus der Mannalese 11

Ave Maria 26

Brot des hl. Antonius 13

B. REPRODUKTIONEN

VII

Seile Feuerstein, Martin von, Christus :im Kreuz 9

U:is frastmahl des Simon 5

Der HeihinJ 23

Der hl. Fridolin 16

Uie hl. Marg.irita 21

Die hl. Odilia 18

Eine Seele himmelwärts 1

Exlibris 22

Geißelung 29

Geburt Christi 28

Hl. Margerita 19

Himmelfahrt Maria 15

Maria Heimsuchung 25

Maria Verkündigung 3

Marii» Vermählung 4

Oberer Teil des Margaritabildes . . 20

Prozession •.... 7

Verehrung Maria durch die Stände . 12

Vom Kriege 30, 31

Franziskanerinnen zu Hohenwart,

Casula 218, 219

Fuchsenberger, Fritz, Dorfstraße in Adelsdorf 81

Ecke im Vorstandszimmer der Ober- postdirektion Bamberg 75

Einfriedung 66

Eingang zur kath. Pfarrkirche in Adelsdorf 65

Filialkirche Hassenbach 95

Filialkirche Kraisdorf bei Ebern 87, 88, 89

Gnadenkapellc 96

Grabmal von Orterer, Entwurf ... 208

Hausgarten im bischbll. Palast zu Speyer 94

Hochaltar der Stadtpfarrkirche in Ehingen 92, 93

Kapelle Stockheim 94

Carl Freiherrl. von Thüngensche Grab- kapelle in Burgsinn 77

Kath. Kirche in Adelsdorf . . . . 80, 81

Kirche in Burgsinn . . . . 76, 78, 79

Kircheninneres 95

Kirchenrestauration Miirsbach .... 91

Kommunionbank 77

K. Postamt Burgkunstadt 71

Oberpostdirektion Bamberg . . . 73, 74

Pfarrhaus in Vlfiesenthau 68

Portal der K. Oberpostdirektion in Bamberg 72

Prot. Kirche Oberlustadt 82. 83, 84, 85, 86

Prot. Pfarrhaus EgIoBitein 69

Prot. Pfarrhaus in Kunreuth .... 69

Schalterhalle 74

Schulhaus in Kloster Ebrach .... 70

Schulhaus in Ettleben 71

Treppenhaus ... 73

Umbau der alten Maut in Bamberg 66, 67

Zimmer des Voistandes im K. Amts- gericht Eltmann 90

Zimmer des Vorstandes im Kreisarchiv

in Bambere 75

ürasegger, Georg, Dionysiusstatue . . 192

Donatusstatue 193

Hauberrisser, Gg. von, Deutschordens- burg in Busau 202

Entwurf zu einem neuen Nalional- museum in München 201

Privathaus 206, 207

Rathaus .n St Johann-Saar 205

Rathaus in Wiesbaden 204

Rathaussaal in Ulm 203

Herkommer, Hans, Kirche in bt-aß-

dorf 124, 125, 126, 127, 128

Hoser, Franz, Monstranz-Entwurf 43, 46, 47 Huber-Sulzemoos, Hans, Blaue Berge . 319

Mädchenbildnis 313

Madonna 317

Mcorblumen 318

Kapelle 315

Rast 316

Studienzeichnung 314

Huyer, Ludwig, Medaille ; 39

Immenkamp, Wilh., Ein Feldgrauer . 188 Kau, Georg, Kapelle der Krankenanstalt

^ymph.„b^r^ 185, 186, 187

Kickton, Oberbaurat, Kaiserliche Kirche

in Cadinen 310, 311, 312

Kotarbinsky, Die Auferstehung des

Lazarus .... 180

Kuball, Christel, Glasgemälde im alten

Rathans zu Thorn 215

Kuder, Ren«, Alte Frauen . . 136, 144, 146

Alter Kirchhof 130

Kudcr, Rcni, Ausmars

Ausrufer

Auszug zur Arbeit .

Beim Schanzengrabe

Blick auf Notre Dai:

Brotvermehrung . .

Brückenbau ....

Das Abkochen . .

Das Frühstück . .

Der Jahrmarkt . . .

Di<

Male.e

. 135 . 133

Sakristeitüre 129

Essenempfang 151

Feldgrauer . . 338, 339, 340, 341, 342

Feldmesse 160

ufer

142

Marktschreier 137

Markirchertal 141

Nächtlicher Appell 155

Nebelstimnuing .140

Pferdestudien 156, 157

Polnische Flüchtlinge 158

Pont Neuf, Paris 139

Regenstimmung 140, 141

Schwieriger Transport 152

Sockenstopferin 138

Soldat 153, 154

Studie zum Jahrmarkt 134

Unter dem Schatten des Kreuzes . 337

VValdbach 131, 142

Zwanesarbeit 159

Kunst, Fritz, Herz Jesu-Kirche zu Ufen

272 273

Hochaltar in Rittel .'274

Monstranz-Entwurf 55

Rosenkranzkirche in Rittel 275

St. Bonif.atiuskirche und Pfarrhof in Hamburg-Eimsbüttel 265

St. Bonifaliuskirche in Hamburg- tims- büttel 266, 267, 268, 269, 270

Tabernakel in Rittel 276

Kuolt, Karl, Der barmherzige Sainaritan 286

Ornament zu einem Schreibtisch . . :n

Porträtbüste 287

Schreibtisch 288

Kurz, Michael, Monstranz-Entwurf . . 45 Lang, G. Joh., Monstranz-Entwurf . . 56 Lederer, Josef, Mcnstianz-Entwuif . . 56 Leyrer, Cosmas, Metallaltar in der Filial - kirche Kraisdotf 88

Marr, K. v., Deckengemälde .... 79 Neuhaus, Hermann, Exposilionskrone-

Entwurf 197

Hochaltarleuchter-Entwurf 198

Mensa des neuen Hochaltars in Borbeck 189

Monstranz-Entwürfe 50, 51, 200

Neuer Hochaltar der Kirche in Bor- beck 191

St. Josef.kapelle 199

Tabernakelleuchter-Entwurf .... 195

Tabernakelture- Entwurf 196

Nockher, Ferdinand, Aus einer

Huldigungsadressc .... 278, 279, 280

Widmungsblatt 277

Fächer, Augustin, Alba, Stola, Maripel 220

Casula 218, 219

Christus tritt die Kelter 233

David 232

Die vier Gelübde des Eenediktiner- urdens 234

Die 14 Nolhelfer 235

Entwurf zu einem Pluviale 222

Entwürfe für Dalmatika und Velum . 223

Hl. Benediktus 230

Hl. Michael 236

Jesu Tod am Kieuze 229

Kelch 224

Kelchvelum 221

Meßbucheinband 226, 227

Messe Papst Gregors d. Gr 231

Meßkannchen 225

Teller für Meßkannchen 225

Preisinger, Michael, Kriegserinnerung 216 Pruska, Anton, Christi Geburt .... 243

Der Seelenwager 247

Die Paradiesessttöme 241

Die Seligen 246

Die Verdammten 247

Früchteträger 262

Hauptportal der Neuen St. Anna- kirche in München 245

Hauseck an der Brunnstraße in München 254

Seite

Pruska, Anton, Hl. Ambrosius .... 252

Hl. Athanasius 253

Hl. Augustin 250

Hl. Barbara 244

Hl. Basilius 251

Hl. I. Chrysostomus 253

HI. Georg 249, 259

Hl. Gregor d. Gr 250

Hl. Gregor v. N 251

Hl Hieronymus 252

Hl. Katharina 244

Hl. Leonhard 260

Hl. Weudelin 260

Herz Jesu 248

Kinderfries 261

Kruzilixus 257

M,aria und Johannes unter dem Kreuz 256

Maria Verkündigung 242

Pfeilerschmuck 260

Porfatmed-Villnn 264

Saalwappen 263

Von der Hauptfassade der neuen

St. Bennokirche in München .... 255

Zwei Gewolbeträger 263

Zwei Propheten 258

Raffael, Hl. Cäcilia 121

Rank, Franz, Kapelle der Kranken- anstalt Nymphenburg 186

Reiter, Franz, Der hl. Georg ii

117

Der hl. Georg mit dem Giftbecher . 116

Der hl. Georg tauft den König. . . 115

Der hl. Georg tötet den Drachen . . 114

Deckenbild 113

Enthauptung des hl Georg .... 119

Farbige Studie zum hl. Georg ... 112

Handstudien ,117

Kopfstudien 115, 118

Studie zum hl. Georg 120

Trauernde Frai.en 118

Resch, Wilhelm S., Monstranz-Entwürf.^

44, 49, 52

Plastik in der prot. Kirche Oberlustadt 83 Rossmann, Max, Malerei in der Filial

kirche Kraisdorf 88, 89

Schmautz, J., Monstranz-Entwurf ... 47 Schmidt, Frh. von, Hochaltar in Braunau 292 Schreiner, Georg, Altar der Kaiserlichen

Kirche zu Cadinen 305

Altar in der evangel. Kirche zu Oliva 295

Altäre in Oberschneiding 303

Anbetung der Könige 294

Der zwölfjährige lesus 294

Haupt Christi 289

Hl. Barbara 290

Hl. Kath.arina 290

Hl. Paulus 297

Hochaltar Antonienhütte 293

Hochaltar Brunau 292

Hochaltar Hausham 301

Hochaltar Königshutte 299

Hochaltar Regensburg-Reinhausen . 302 ^ lesus und die weinenden Flauen . . 306

Johannes Evangelist 296

Kanzel in der Kaiserlichen Kirche zu Cadinen 309

Kommet Alle zu mir 298

Kreuzabnahme 307

Kreuzigungsgnippe 304

Orgel in der Kaiserlichen Kirche zu Cadinen 308

Pie

291

Schreiner, Georg, St. Antonius von

Padua 300

Schwarzmann, Constantin, Monstranz- Entwurf 48

Seitz, Joset, Monstranz-Entwürfe ... 54

Simm Franz, Alte Frau 327

Alter Herr 325

Frau im Pflegerinkleid 326

Frau mit Kerzenlicht 324

Kleine Gäste 321

Laufendes Mädchen 322

Madonna am Hause des Kunstlers . 323

Mann, Pfeife stopfend 329

Singender Knabe 328

Simm-Mayer, Marie, Bischof Pankratius

von Dinkel 330

Simon, M., Monstranz-Entwurf .... 44 Steidle, Richard, Neue Studentenfahnc . 285 Steinbach, Nikolaus, Altarleuchter . . 170

Modell zu einem Relief 189

Evangelienieliefs 192, 193

Steinicken, Eduard, Hochaltar ... .163

VIII

Seite Steinicken, Eduard, Hochaltarkieiiz 166

_ Scit.n»l.arkr=i,z

Strobel, Max, Kelch ":!

Meßbucheinband 226, 227

Meßkännchen . 225

Swedomskij, Die Auferstehung des La-

Thoma, Leonhardt, Kriegszeichnung . . 331

_ Monslranz-Entwurf , ' ' " ^^

üeberbacher, Heinrich, Grabmal von

ReTiefs vom Oräbma'l von Orterer . . 209 Wasnetzov/, W. M., Taufe des Grcß-

fu.sten Wladimir 181

Waupotizh, Max, Monstranz-Entwurl . ^3 ■Widmer, Prof., Plastik am Portal der

k. Oberpostdirektion Bamberg .... '^ Winker, Christian, Chrisiusfigur auf

einem Meßbucheinband Z2b

Witte, August, Expositionskrone .... 197 _ Hochaltar in Essen-Borbeck 92

Hochaltarleuchter JH»

Lämmchen und Tote 1«*

B. REPRODUKTIONEN

Witte, August, Metalltrcibarbeit am

Hochaltar in Eorbeck 189

Tabernakelleuchter 195

Tabertiakeltüre 196

Zängl, Christian, Meßbucheinband 226, 227

_ Meflkannchen 225

Zettler, Franz X., Der Auferstandene . 175

Zum Artikel von J. Demleitner, Uie

Kirche der Taubstummenanstalt in

Dillingen 161, 163, 164, 165, 166,

167, 168, 169, 170, 171

Zum Artikel von Dr. O. Doering, Kran.

kenanstalt des Dritten Ordens «i Nym-

phenbure 185, 186, 187

Zum Artikel von Dr. O. Doenng,

Wettbewerb für eine Mons'ranz . . 42 Zum Artikel von Dr. A. Lauscher- Köln, Der neue Hochaltar der Pfarr. kirche zum hl. Dionysius in Essen- Bo.beck 189, 190, 191, 192, 193, 194, 195, 196, 197, 198, 199, 200 Zum Artikel von E. A. Stückelberg, Zur künstlerischen Reform der Wall- fahrtszeichen 281, 282, 283

Illustrationen zu kunsthistorischen Aufsätzen:

Seite Bogenrieder, Franz X., Die Wandma- lereien in der »Alten Kirche zu

Garmisch 238, 239, 240

Dalberg, G. H. L. Hubert! de'. Die rus- sische Religiosität und die Kunst Rußlaidi . . . IfO, 181, 182, 183, 184 lestädt, Dechant, Eine Peile des Fritz-

laier Do.nmuseums .... 211, 212, 213 Lappe, Josef, Der Christusdom zu Droni-

heim . . 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41 Mader, Felix, Der Meiner des Kotting- wo.ther Altars 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, ' ' 109, HO, 111 Patzak, Dr. Bernhard, Die St. Ignatius- kirche zu Gbrz und ihr Baumeister Christoph Tausch .... 333, 334, 335 Steffen, Hugo, Der Christusdom zu Drontheim 122, 123

Nachbildung oder sonstige Verwertung der hier veröffentlichten Kunstwerke ist nicht gestattet.

S. Thomas Aquinas

Bens scripsisti do me, Thoma, quam recipies mercedcm? Qui respondit: Domine, non nisi Te

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^ teile; eiogcsckin möglidiur; Betraclirjni Sckfen fe fjuantitaavi lität in ger; sügen h; ffimlniipit MMsteSd fe weitere weinzelt i _ Es ist öl Künstlers e mentenseii zu SBcien, fäkriJeD io; ^»fisiesia ^gatümlici "eleu enige um so vol

MARTIN VON" FEUERSTEIN

UM. M.l.l.L IIIMIII.LW AKIS

MARTIN VON FEUERSTEIN

Von Dr. O. DÜERING Hierzu die Abbildungen dieser Nummer

Das Schaffen einesMeisters vom Range dessen, über den hier gesprochen werden soll, auf eingeschränktem Räume zu analysieren, ist nur möglicli unter weitgehendem Verzichte auf die Betrachtung seiner Werke im einzelnen. Das Schaffen Feuersteins besitzt einen Umfang, der quantitativ zu der mit Recht bewunderten Qua- lität in geradem Verhältnisse steht. Was ich zu sagen habe, vermag also nur an einzelnes anzuknüpfen, und hierfür können nur einige neueste Schöpfungen in Betracht kommen, die der weiteren Öffentlichkeit bisher weniger, ja vereinzelt noch gar nicht bekannt sind.

Es ist üblich, wenn man die Eigenart eines Künstlers erklären will, zunächst nach den Mo- menten seines Lebens und seiner Entwicklung zu suchen, welche diese Eigenart hätten ge- fährden können. Kann man dann feststellen, daß sie sich trotzdem herausgebildet und ihre eigentümlichen Wege gesucht habe, die großen Zielen entgegenführen, so kommt ihre Stärke um so voller zur Überzeugung. Also seien auch betreffs Feuersteins die Stationen dieses

Entwicklungsweges vorweg kurz gekennzeich- net. Er ist geborener Elsässer, 1856 in Barr zur Welt gekommen. Er wuchs unter dem Ein- flüsse der Kunstübung des Vaters auf, der sich als Bildhauer und Altarschnitzer auszeichnete. Seit 1875 genoß er an der Münchener Aka- demie Unterricht beiSträhuber, Löfftz und Diez, ging 1880 zu weiterer Ausbildung nach Paris und 1882 nach Italien. Ein Jahr später von dort zurückgekehrt, wandte er sich nach Mün- chen, wo er seitdem verblieben und eine der größten Künstlerpersönlichkeiten der Akade- mie geworden ist. Alle jene Lehrer mit ihren so verschiedenartigen Richtungen und Indivi- dualitäten, alle von ihm aufgesuchten Kunst- stätten mit ihren Schätzen vorbildlicher alter und verführerischer moderner Kunst, sie haben das eine bei Feuerstein fertiggebracht, die in ihm liegenden Fähigkeiten zu wecken, ihm deutlich zu machen, was für ihn das Rich- tigste sei.

In der auf solche Art gestärkten, gereiften Eigenart des mit den äußeren Ausdrucksmit-

Die christliche Kunst. XII.

^ MARTIN VON FEUERSTEIN ^

teln seines Strebens gerüsteten Künstlers lebt Wahrheit und Tiefe des Gedankens, Energie der Tat, Ruhe und feuriges Bewegen, Kraft und Zartheit, Fülle der Phantasie und Einheit des WoUens. Es überwiegt das Gemüt, die tief innerliche Empfindung. Dies alles, hat bei Feuerstein zusammengewirkt und eine Fülle hervorragender Werke der christlichen Malerei entstehen und gedeihen lassen von den ersten Anfängen seiner selbständigen Betätigung bis zum heutigen Tage von den Wandmale- reien in der Kirche von Moosweiler bei Zabern bis zu der herrlichen Beweinung Christi, deren Wiedergabe dieses Heft ziert.')

') Vgl. den mit 26 Abbildungen nach Feuerstein aus- gestatteten Aufsatz über die Ausmalung der Kirche des hl. Antonius zu Padua im III. Jahrgang dieser Zeitschrift, S. 265 tf.; ferner I. Jahrgang, S. 49 und j8; II. lahrgang, farbige Sonderbeilage; V.Jahrgang, S. 341 und farbige Sonderbeilage; außerdem mehrere Jahres- mappen der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst (1893, 1894, 1897, 1901, 190^, 1908, 191 1, 1912), in denen der Künstler mit 12 Bildern vertreten ist. D. RcJ.

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Von einem Glasgemiilde in der Hl. Ceistkirche zu München

Text S. 3

Die Glasmalerei-Entwürfe Feuersteins behandeln die Zeichnung in einer Klarheit und Ruhe, welche die seiner Gemälde fast noch übertrifft. Mit Recht ist sie doch hier die eigentliche Herrscherin, welche den in den Glas- scheiben gegebenen Farben die Flächenbegren- zung vorschreibt und zugleich mittels der Schwarzlot-Schattierung diesen Flächen Leben verleiht. Das Verhältnis zwischen Zeichnung und Farbe ist also wenigstens zum Teil ein anderes als bei derWandmalerei (mit Einschluß der Mosaik) und bei der Tafelmalerei, beson- ders der letzteren. Hier besitzt die Farbe un- behinderte Möglichkeiten des Ausdruckes und der Entfaltung feinster Übergänge. Das far- bige Glas an sich dagegen ist des ersteren überhaupt nicht fähig, der letzteren nur in eingeschränktem Maße. Es gibt Kunstgriffe, um diesem Mangel in etwas abzuhelfen. So das Atzen und Abschleifen der sogenannten Überfanggläser. Aber dergleichen widerspricht, genau betrachtet, dem Stilcharakter der Glas- malerei, nähert sie der Tafelmalerei, verwischt so ihre natürliche Art und beeinträchtigt die engen Beziehungen zwischen der Malerei des Fensters und der zugehörigen Architektur. Glasmalerei-Entwürfe werden also material- gerecht nur von einem Künstler geschaffen werden können, der ein Zeichner ersten Ranges ist; der ferner das natürliche Gefühl für die Sonderheit der dekorativen Zwecke dieses Kunstzweiges besitzt; und der alsKolorist über die Fähigkeit verfügt, die Widerspenstigkeit des farbigen Materials jenen Zwecken zu unter- werfen und es zu hohenWirkungen zu zwingen. Diese letzteren sind vielfältiger Art. Das Glas- gemälde hat zunächst den künstlerischen Zweck, das Kircheninnere zu einem in sich geschlos- senen Räume mit selbständiger Wirkung zu gestalten, dem es mit seinen kräftigen oder sanften Reflexen an Wänden, Säulen, Pfeilern und Skulpturen Leben einhaucht. Unter diesen Gesichtspunkten ist die Glasmalerei zu ihren guten Zeiten aufgefaßt und behandelt worden, seit dem frühen Mittelalter bis zur späten Gotik. In der Renaissance läßt die Fähigkeit nach, und im Barock hört sie allmählich ganz auf, im Zusammenhange mit den neuen Stil- und Raumprohlemen der Architektur.

Es lülk sich darüber streiten, ob man alte Barockkirchen heute mit gemalten Fenstern versehen darf. Die Denkmalpflege, sowie die Auffassung des Kunsthistorikers und des im Geiste alter Kunst empfindenden Ästhetikers wird diese Frage verneinen. Der Geschmack des Volkes, zumal im Süden unseres Vater- landes, wo man für die Reize der Farbe aus natürlichen und kulturellen Gründen empfang-

MARTIN VON FEUERSTEIN

lieber ist als im Norden, und wo man darum auch den Kirchenraum, in dem man betet und den man liebt, gern so prächtig wie möglich ausgeschmückt sieht jener Volkssinn küm- mert sich nicht um kunsthistorische Erwä- gungen, sondern neigt der farbigen Behand- lung von Kirciienfenstern zu. So hat denn die moderne Glasmalerei in mittelalterlichen wie in nachmittelalterlichen Kirchen neuer- dings reicblicli Gelegenheit gefunden, sich zu betätigen. Sie hat bei der Lösung dieser Auf- gaben ihre Technik nach allen Richtungen nicht nur wiedergefunden, sondern auch Wesent- liches dazu entdeckt und so eine neue Ent- wicklung erlebt, die noch lange nicht abge- schlossen sein kann. Schon darum nicht, weil jeder Fall sein Individuelles besitzt wegen der so verschiedenartigen Lage, Architektur, Aus- schmückung der Kirchen und wegen der Ab- weichungen der Volksart der Gemeinden, der flüssigen Geldmittel usw.

Zu diesen Betrachtungen sind wir durch die Glasmalerei-Entwürfe Feuersteins gebracht worden, die er mehrfach gerade für Kirchen des Barockstiles geschaff'en hat. In der Hei- liggeistkirche zu München sieht man u. a. eine Verkündigung und eine Auferstehung. Das Beiwerk zeigt Annäherung an die For- menwelt des Rokoko, ohne sich in Abhängig- keit davon zu begeben. Die Figuren sind durchaus neuzeitlich aufgefaßt, voll keuscher Innigkeit und Vergeistigung bei Maria, voll überirdischer Anmut beim Verkündigungs- boten (Abb. S. 3), voll Hoheit beim Engel der Auferstehung (Abb. S. 2). So ist der stilistische Zusammenhang mit der Umge- bung hergestellt und doch die Selbständig- keit des heutigen Künstlers gewahrt. Wäh- rend bei diesen Werken mehr der dekorative Zweck zum Ausdrucke gelangt, gehen andere mehr auf den der Belehrung und Erzählung aus. So eine Vermählung Maria (Abb. S. 4); ferner ein Bild mit der Szene der zu Füßen Christi knienden Sünderin (Abb. S. 5); end- lich eine historische Darstellung (Abb. S. 7). Die hier abgebildeten Entwürfe zu den drei letzteren Gemälden befinden sich im Besitze der Mayerschen Hofkunstanstalt zu München.

Wie Feuerstein den durch die Natur von Material und Technik gestellten Bedingungen Rechnung zu tragen versteht, beweisen außer seinen Entwürfen für Glasmalereien auch die für Mosaik. Bei solchen Werken erstrebt die Stilisierung größere Einfachheit, die Neben- dinge bleiben fort mit Rücksicht auf die Archi- tekturfläche, welcher das Bild sich einordnen muß. Daraus folgt die Notwendigkeit des Verzichtes auf alle perspektivischen Tiefen-

M. V. lEL'HKSlEIX

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Wirkungen, ferner die breite Behandlung der Farbenflächen, wahrend für die Anlage von Einzelheiten, wie Gewandungen oder der- gleichen, die Rücksicht auf ihre Herstellung aus den Ton- oder Glasstiften maßgeblich bleibt. Als Beispiele seien zwei der Bilder aus Jung St. Peter in Straßburg gezeigt eins mit der Anbetung der Weisen, eins mit dem Kruzi- tixus und den um ihn trauernden Freunden (Abb. S. 8 u. 9). Die Kompositionen sind in der Zahl der Figuren eingeschränkt, Architektur in größtem Zuge behandelt, die Hintergründe Gold, durch welches die Farben charaktervoll gehoben werden. So entsteht jener Eindruck unvergleichlicher Feierlichkeit, den die alte Kunst erreicht, und dessen Geheimnis sie der neuen hinterlassen hat.

Von den Wandgemälden der Kirche zu

Oberehnheim mögen zwei Kartonfragmente einen Be- griffgeben (Abb. S. lou. 11). Auf dem einen Blatte sieht man, wie die Israeliten das Manna sammeln und ver- zehren, auf dem andern das Wunder der Brotvermeh- rang Vorbilder der Spende des Leibes Christi. In klarer ruhiger Erzählung sind die beiden Szenen wie- dergegeben. Die Gewan- dung der Personen knüpft an jene aus der Zeit des späten Mittelalters an. Das findet sich bei Feuerstein häufig; es ist das Mittel- ding zwischen einer rein antiquarischen und rein mo- dernen Darstellungsart, es entrückt die Personen und Vorgänge ihrer eigenen Zeit und Wirklichkeit, entfernt sie zugleich aus zu großer Nähe der Gegenwart, gibt ihnen zeit- und ortlose all- gemeine Bedeutung, wäh- rend doch anderseits der Charakter der Wahrheit und Wirklichkeit sichtbar ge- wahrt bleibt. Ein Entwurf zu einem Wandbilde feiert die der hl. Jungfrau von Menschen jedes Standes, Alters und Geschlechtes ge- zollte Verehrung (Abb. S. 12). Die in eine gotische Spitzbogenfläche kompo- nierte Darstellung zeigt eine Bogenarchitektur , die sich in eine breite mittlere und zwei schmälere Seitenflächen zer- legt, also dem Bilde die Anordnung eines Tript\xhons verleiht. Innerhalb dieser drei Felder stellte der Künstler in der Mitte die hl. Jungfrau dar, mit ihrem Kinde thronend vor der Hütte, wo Jesus geboren ward; über ihr erglänzt der Stern und singen die Engel ihr Gloria; neben ihr steht St. Joseph; rechts von ihr bringen die drei Weisen ihre Gaben dar, links stehen und knien mancherlei .Men- schen voll Glauben und Vertrauen. Dieser Gruppe schließt sich auf der dort befindlichen Seitenfläche eine Schar von Trauernden an, die man aus dem Tore der Stadt heraus zu der Consolatrix afflictorum der Trösterin der Betrübten wallfahrten sieht; auf dem Teilbilde rechts erblickt man Flehende, die

MAKIA VI;KMAIII LX(

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ihr Heil bei dem Auxilium Christianorum, der Hilfe der Christenheit, suchen und finden. Was sie alle denken, fühlen und sagen, klingt wider in den Worten des Spruchbandes zu Füßen des Bildes: Sancta Mater Dei genitrix ora pro nobis. Klar ist die Komposition, fest in sich geschlossen, voll Wahrheit und Feierlichkeit. Von Altargemälden Feuersteins haben die letz- ten Jahre mehrere entstehen sehen. 1909 schuf er das Werk für die Kirche von Freiburg-Haslach: St. An- tonius von Padua, Almosen spendend (Abb. S. 13). Still schreitet der Heilige dahin, von einem Klosterbruder begleitet, der einen Korb mit Brot trägt. Die Armen und Elenden warten der Spenden und nehmen sie in Dankbarkeit hin. Jede dieser Volksfiguren ist eine Mei- sterleistung, ganz besonders der greise Bettler und die beiden Kinder zur Rechten des Heiligen. Eine ins Ideale erhobene Naturwahrheit gibt dem Bilde zugleich Le- ben und Würde. Sie wird zur Feierlichkeit gesteigert durch die Figur des hl. An- tonius, die doch dabei ganz derWirklichkeit abgelauscht zu sein scheint. Die Himmelfahrt Maria hat Feuerstein auf dem Altarbilde der Kirche zu St. Mergen in Baden dargestellt (Abb. S. 15). Man könnte versucht sein, von dem Bilde zu rühmen, es wetteifere an Innigkeit und seelischer Tiefe wie an Schönheit seiner Li- nien mit Meisterwerken der Vergangenheit, aber ich glaube, daß man es besser aner- kennt, wenn man sagt, es sei eine der voll- kommensten Gestaltungen dieses niemals alternden Gegenstandes im Geist und Formen- sinne unserer Zeit. Die schöne Leichtigkeit der Bewegung erhält ihre Grundlage und gibt dem Auge des Beschauers eine Vergleichsmög- lichkeit durch die tiefschwebende Gestalt des großen, Rosen streuenden Engels. Die St. Fridolinskirche in Mülhausen im Elsaß er- hielt ein Altarbild, das die Missionstätigkeit des Kirchenschutzheiligen feiert (Abb. S. 16).

DAS G.^SlM.'kHI, DES SIMON Text S. 3

St. Fridolin, vielleicht ein Schottenmönch, ent- faltete in der Mitte des sechsten Jahrhunderts seine folgenreiche Wirksamkeit in der Gegend des Bodensees. Demgemäß stellte Feuerstein den Heiligen dar, wie er am Ufer des Sees dem Volke predigt. Frauen, Kinder und wetter- harte Männer lauschen den begeisterten Wor- ten des Fremden, der ihnen das Kreuz Christi bringt und ihnen Lehren verkündet, ob denen ihnen die Ahnung des Heils aufgeht. In der Ferne sieht man eine im Bau begriffene Kirche. Das Bild gehört zu den erzählenden in der Art wie Feuerstein erzählt. Das historische Er- eignis ist lebendig, wahr, überzeugend dar- gestellt und doch durch die Größe der Auf- fassung zum Ideal erhoben. Die Malereien in der Kirche zu Geberschweier fanden im September 1912 mit der Vollendung der »Krö- nung Maria« ihren Abschluß. Das schöne

^ MARTIN VON FEUERSTEIN ^

Bild zeigt Jesum und die hl. Jungfrau vor einer strahlenden Sonne auf einem marmornen Throne sitzend; Maria hält die Hände ge- faltet und neigt sich demütig, um die von Edelsteinen strahlende Krone zu empfangen. Der hl. Geist schwebt über der Gruppe, und ganz oben erhebt Gottvater die segnende Hand. Die himmlischen Heerscharen aber stimmen Jubelh3'mnen an und begleiten ihre Weisen mit dem Klange von mancherlei In- strumenten. Ein Bild voll tiefer Frömmigkeit, ein Lied der innigsten Verehrung Mariens, zu den Werken eines Fra Angelico ein wür- diges Gegenstück, das unsere Zeit geschaffen hat. Das Altargemälde in der Kranken- hauskapelle der Niederbronner Schwestern zu Straßburg verherrlicht die hl.Odilia(Abb.S.i8). Wir sehen eine dieser barmherzigen Wohl- täterinnen, wie sie einem zur Erde gesunkenen, von einem jungen Mädchen gestützten Kran- ken Labung reicht. Zwei Schwestern tragen weiteren Bedarf herbei, eine wandernde arme Familie wartet im Hintergrunde. Von fern sieht man das Kloster Hohenburg. In den Lütten aber erscheint, auf Wolken kniend, die hl. Äbtissin Odilia, die Patronin des Elsaß und der Stadt Straßburg. Die Hände zur Für- bitte erhoben blickt sie auf die Gruppe drun- ten hernieder, ein Engel hält den Stab ihrer Amtswürde, ein anderer ihr Attribut, das Buch, auf dessen aufgeschlagenen Blättern zwei Augen liegen. So vereinigen sich bei diesem Werke zwei Szenen , eine irdische und eine himmlische, zu einem Einklänge von feierlicher Schönheit. Zwei Altarge- mälde schuf der Künstler 191 3 für die Kol- legiumskirche Maria Hilf in Schwyz. Das eine zeigt den hl. Thomas von Aquino vor dem Bilde des Heilandes, der dem getreuen Verkünder seiner Lehre den verdienten Lohn verspricht (Abb. s. farbige Sonderbeilage). Mit überzeugender Kraft ist die Seelenbewegung des Heiligen zum Ausdrucke gebracht, der von Dankbarkeit und Begeisterung hingerissen zu dem auf wunderbare Art lebendig gewor- denen Kruzifixe emporblickt. In der Durch- führung und Charakterisierung der Figuren, wie in der zeichnerischen und farbigen Be- handlung zeigt das Gemälde so außerordent- liche Eigenschaften, daß man dem Meister zustimmen muß, wenn er es für sein bestes Werk erklärt. Das andere Bild zeigt zwei Knaben, die von ihrem hl. Schutzengel vor dem Feuertode gerettet werden. Die Dar- stellung hat Bezug auf einen Brand, der das Kollegium schwer heimsuchte, ohne daß doch einer der Zöglinge an Leib und Leben Scha- den erlitt. Im Hintergrunde sieht man das

brennende Kolleg, vorn führt der Engel die Knaben insFreie; beide sind prächtig charakteri- siert — der eine in seiner Angst und Bestür- zung, der andere in seiner ruhigen frommen Zuversicht. Welche Lieblichkeit lebt in dem Bilde der hl. Margareta (Abb. S. 20 und 21). In waldiger Wildnis kniet sie; zu ihren Füßen liegt der Teufel, der sie in Gestalt eines Drachen oft zu schrecken und im Glau- ben irre zu machen versuchte; sie aber blieb allezeit standhaft und hielt dem Widersacher das Kreuz entgegen, vor dessen Gewalt er unterlag. Auch auf dem Gemälde Feuersteins ist dieser Zug angedeutet. Glaubensvoll, ihrer Standhaftigkeit bewußt, blickt Margareta zum Himmel empor, wo ihr in lichten Wolken thronend die hl. Jungfrau erscheint. Engel bringen ihr und dem Jesuskinde Verehrung dar; einer aber schwebt abwärts, um der hl. Margareta die himmlische Krone auf das Haupt zu setzen. Ergreifende Gestaltung fand durch die Kunst Feuersteins das Wort »Kommet her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid« (Abb. S. 23). Welche Zeit, wel- ches Menschengeschlecht hätte nicht des vom Heilande gespendeten Trostes bedurft und be- darf seiner noch? So hat unser Künstler die Angehörigen der verschiedensten Stände und Völker um Jesum versammelt, der in ihrer Mitte steht und voll Erbarmen seine Hände aufhebt, als wolle er sie alle an sein Herz ziehen. Die Großen der Welt, Papst und Kaiser, knien zu seinen Füßen, gegenüber drängen sich mancherlei Menschen fremder Zonen, eine Mutter hat sich vor Jesu nieder- geworfen und hebt ihm ihr Kindlein entgegen; den Hintergrund der Nische, vor welcher der Herr steht, erfüllt eine Menge von Personen, man erkennt einen Mönch und einen Bauer. Wirkt der Entwurf durch seinen gegenständ- lichen Inhalt stärkstens auf das Gemüt, so tut er es nicht minder für das Auge durch die Art der Komposition, in welcher sich Strenge und Freiheit vereinigen. Feuerstein hat eine allzu symmetrische Aufstellung der Gruppen vermieden, er trennt die den ^'ordergrund er- füllenden Personen nicht durch eine gerade Linie in der Richtung der Mittelaxe, sondern durch eine schräg verlaufende, löst dadurch alle Strenge und hebt die Feierlichkeit des Eindruckes, statt sie zu beeinträchtigen. Trotz des Reichtums an Einzelheiten und fremden Typen verflacht sich doch das Interesse an der Darstellung nicht am Äußerlichen, son- dern bleibt dem geistigen Inhalte des Bildes ungeschmälert erhalten, der in der schlichten Gestalt des göttlichen Heilandes seinen Mittel- punkt und seine Vollendung findet.

MARTIN VON FEUERSTEIN

PROZESSION

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MAU I l\ VON lia-EKSTEIN

AXHinrNG DHR HIKTKN UKD KON'IGE

Entwurf /,lr Mosa:k. Text S. 4

Derselbe Zug innerer Würde, welcher diesen für Monumentalzwecke bestimmten Werken eigen ist, kennzeichnet auch die übrigen Malereien Feuersteins. Zu den rein histo- rischen Darstellungen gehört sein Gemälde der Erziehung des hl. Ludwig. Erst zwölf Jahre alt, war dieser 1236 zur Königswürde gelangt; die Vormundschaft führte seine Mutter Bianca von Kastilien. An ihrer Seite sitzend, durch den Nimbus bereits als Heiliger gekennzeichnet, lauscht der lernbegierige Knabe den Lehren der Weisheit, die ein Dominikaner ihm ver- kündigt, während andere Geistliche und kirch- licheWürdenträger tief sinnend zuhören. Durch das große offene Fenster sieht man über Häuser und Dächer hinweg die Türme der Notre- Dame-Kirche eine Zutat, die für die äußere

wie für die innere Wirkung des Bildes gleich bedeutsam ist. Die Charakterisierung der Per- sonen ist bestimmt und interessereich. Be- sonders fein ist die Haltung des dozierenden Mönches, der mit Schärfe seme Beweisgründe darlegt, nicht minder die des königlichen Kna- ben, dem man recht die Spannung ansieht, womit er jedes Wort des Lehrers verfolgt. Vom koloristischen Standpunkte beachtens- wert ist die Farbenreihe rot-weiß-grün-weiß- schwarz, die durch die reiche Goldstickerei des blauen Mantels der Königin unterbrochen und durch den Goldbrokat des Thronbalda- chins kraftvoll gesteigert wird. Vorzüglich passen dazu die stilleren und doch belebten Farben der Wandfläche und des Fußteppichs. Die Stimmung und Wirkung des Raumes ist

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Entwurf für Mosaik. Tc

:t S. 4. Mit (J:nt!imigung ,ifr Verlagianstalt Benziger &-^

CIIKIS'IT'S AM KRELTZ Einsiedeln

sehrschön. »EineSeele himmelwärts« nennt der Künstler das rührende Bild eines toten jungen Mädchens, das von Engeln zur ewigen Heimat begleitet wird (Abb. S. i). Wie schlummernd liegt sie da. Zwei der himm- lischen Boten tragen sie, einer hält in seinen Händen die Krone des Lebens, einer die Palme des Sieges und Lohnes. So schweben sie em- por, und unter ihnen versinkt, was irdisch ist. Bewegungen und Ausdruck der Gestalten sind voll Lieblichkeit, Anmut und hohen Ernstes. Zu den höchsten Zierden der Martinskirche im elsässischen Kolmar gehört die köstliche »Madonna im Rosenhag« des »hübschen ; Martin Schongauer der des großen Albrecht

Dürers Lehrer war. Im ganzen Umkreise der Kunst des späten Mittelalters wird man keine Malerei finden, die mit dieser an Innigkeit der Empfindung, an echt deutscher Gemütstiefe wetteifern kann. Schönheit des Geistes sieht man in diesem Bilde vereinigt mit Lieblich- keit der Form und Farbe. Es galt, dies Juwel vor Beschädigung zu bewahren und es zu diesem Zwecke mit zwei schützenden Flügeln zu versehen. So erhielt es gleichzeitig die Art eines Klappaltärchens. Ein Sohn des Landes sollte mit der Lösung dieser Aufgabe betraut werden, und Feuerstein wurde dazu ausersehen. Man stellte den neuzeitlichen Meister dem alten an die Seite und bezeugte durch den Auftrag,

Dia chrlsüiche Kunst. XII.

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MAKIIS' VON lECHUSTEIX

Teil lies Karions

AI S DI'K HKOrVERMEHKUNG

WaudbiU in Obereltniu-i

daß man diese beiden Martine als einander ebenbürtig ansah. Wäre Feuerstein es nicht, so hätte er sich bemüht, seine Malerei der Schongaucrschen in Stil und Technik so ähn- hch wie möglich zu machen. Geschieht dies nicht unzählige Male bei Ergänzungen alter Kunstwerke.'' Und gibt es nicht immer noch

Leute genug, die derlei unfreie Arbeit gerade als das allein Richtige anschauen .' Das Künstler- tum Feuersteins war nicht gesonnen, sich in solche Abhängigkeit zu begeben. Als er die beiden Flügel malte, schuf er eine Verkündi- gungsszene von völliger äußerlicher und inner- licher Selbständigkeit, der alten Kunst aber

^ MARTIN VON FEUERSTEIN ^

MAiniN VO\ FEUERSTEIN

AUS DER MAXXALESE

Teil des Kartons zu

aide in Oiereltithe

innig verwandt durch Tiefe des Gefühls- und Glaubensinhaltes, an eigenartiger Schönheit ihr gleichwertig (Abb. S. 26 und 27). Glück- lichste Schaflensaugenblicke waren es, welche diese beiden Figuren entstehen ließen: diesen Engel, der sich auf ein Knie niedergelassen hat und die rechte Hand segnend erhebt.

während sein Auge und liebliches Antlitz sich auf die Gebenedeite richtet und seine Lippen zu dem Gruße sich öffnen; diese Jungfrau, die der himmlische Bote beim andächtigen Lesen antraf. In staunender Verwunderung und demütiger Hingabe an den göttlichen Willen erhebt sie beide Hände; das edle stille

MARTIN VON FEUKRSTEIN VEREHRUNG MARIA DURCH DIE STANDE

Entwurf zu ehitm WniulHIJ. Trxt S. 4

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13

MARTIN VON FEUERSTEIN

Altarlrild in Freiiurg-Haslach. Text S. J.

^ltvg der Verlags,

BROT UES HL. ANTONIUS statt Einziger &= Co., A.-G-, Einsiedeln

Angesicht mit den gesenkten Augen und die leise Neigung des Körpers sprechen das »Es geschehe'.. Höchste Reinheit und Schhchtheit der Empfindung atmet dieses Bild. Herrlich ist der Gegensatz der beiden Figuren. Man sehe z. B. Mariens einfaches Gewand, das als einzigen Schmuck die in den Mantelsaum ein-

gestickten Worte zeigt; Ecce ancilla Domini; daneben der Engel, von reich gemustertem Mantel umwallt, die Fittiche geschmückt mit den Augen der Pfauenfedern, so erinnernd an das uralte Symbol der Unsterblichkeit. Ferner den lockigen Kopf des Engelknaben und jenen der Jungfrau, von dem das lange

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MARTIN VON FEUERSTEIN ö^

Haar in weichen Wellen auf die Schultern herabfließt.

Alles, was des Christen Herz bewegt, findet unvergleichlichen Ausdruck in den herrlichen Gesetzen des Rosenkranzes. So umfaßt sein Inhalt auch alles, was eines Künstlers Geist sehen, seine Hand gestalten kann: Hohes und Niederes, Heiliges und Weltliches, Zartes und Herbes, Ruhe und Leidenschaft, Leben und Tod, Verdammnis und Erlösung, er findet Raum, Landschaft, Tier, Mensch, Engel und Gott. Und er wird mit seinen Farben, Formen und Gestalten ein Herold der erhabensten Lehren, die der Menschheit zuteil geworden. Ich kenne ein ganz kleines Büchlein von großer Feinheit, Gemüts- und Glaubenstiefe es ist J.M. Stillfrieds »Im Rosengarten unserer lieben Frau« es begleitet in Betrachtungen und Meinungen die Teile des Rosenkranzes; Füh- richs Zeichnungen geben den Gedanken sicht- bare Form. Ebenbürtig reihen diesen großen, tiefen, so echt deutschen Kunstwerken die Rosenkranzbilder Feuersteins sich an. Eben- bürtig, weil sie, in Auffassung und Durch- führung neu, den Glaubensinhalt in vollen- deter äußerer Schönheit und mit derselben inneren Kraft zur Geltung bringen. Zu den Mitteln dieser Wirkung gehört im beson- deren Maße die Einfachheit und die durch die kreisrunde Form stark geförderte Ge- schlossenheit der Kompositionen. Die Andeu- tung der Ortlichkeiten hält sich im größten Zuge, die Zahl der Personen ist überall auf das Notwendigste beschränkt. Die Behand- lung hält an den malerischen Grundsätzen fest und ist doch von fast reliefartiger Strenge. Diese äußere Einfachheit gibt der Charakter- schilderung um so größere Kraft. Bilder von außerordentlichster Wirkung sind dabei. So die Heimsuchung mit dem prachtvollen Kon- trast der beiden Frauengestalten ; die Anbe- tung des neugeborenen Heilandes mit der wunderbar innig empfundenen Figur der Mutter (Abb. S. 28); die Geißelung mit dem (zeichnerisch unübertrefflich gegebenen) Er- löser, der erschöpft an der Säule niederge- sunken ist und uns seinen mahnenden Blick ins Herz bohrt (Abb. S. 29); der Tod Christi; Mariens Aufnahme in den Himmel und end- lich iiire Krönung. Die Farben sind reich und voll, dabei von stiller Harmonie. Bis- weilen erheben sie sich zur Pracht; so bei der Lichtmalerei des Weihnachtsbildes; bei der Aufopferung mit der Nebeneinanderstel- lung des blauen Mantels Maria und des brau- nen Rockes Josephs und dem reichen Goid- brokatmuster des Gewandes Simeons zwischen beiden ; bei der Marienkrönung mit dem Ak-

kord des zarten Hellblau, Rosa und dem reichen Granatapfelmuster des Brokatteppichs im Hintergrunde.

Um auch einer der kleineren Arbeiten Feuersteins zu gedenken, erwähne ich ein Exlibris (Abb. S. 22). Es zeigt die sinnbild- lichen Gestalten der altklassischen Wissen- schaft und der christlichen Religion, im Hin- tergrunde erscheinen die Trümmer des alten Rom, daneben die von überirdischen Strah- len umleuchtete Kirche St. Peters. Am Fuße der Darstellung steht die Inschrift: Prope Romam semper.

Die durch die Kriegsereignisse des Jahres 1914 hervorgerufene ungeheure Erregung mußte ihren Einfluß auch auf Feuerstein aus- üben. So entstand ein Werk, welches in der ganzen Entwicklung dieses Künstlers einzig in seiner Art ist, das mit dämonischer Leiden- schaft erfüllte Bella matribus detestata die von den Müttern verwünschten Kriege (Abb. nachS. 24 u. 30 u. 51). Es ist, als fände der Mei- ster keine Grenzen für die Fülle künstlerischer Eingebungen, welche dieser Gegenstand ihm liefert nicht weniger als viermal hat er ihn gestaltet, dreimal in Entwürfen und Zeich- nungen, neuestens in einem Gemälde von überwältigender Wirkung. Verheert vom Kriege ist das weite Land, in Flammen ver- lodern die verwüsteten Wohnstätten, erschla- gen liegen die Männer, weiter ziehen die feindlichen Horden, neuen Untaten entgegen. Die Frauen und Mütter aber, heimatlos und glückberaubt, senden den Verwüstern Flüche nach; andere suchen Hilfe beim Kreuze des Herrn. Jede der vier Fassungen dieses Ge- genstandes findet neue Ausdrücke, weiß ihm neue Seiten abzugewinnen. Eine düstere, ge- waltige Poesie liegt in ihnen, die Poesie eines Mannes, der mit gleicher Stärke denkt und empfindet. Es verkündigt sich in diesen Kriegsbildern eine Leidenschaft, die man im sonstigen künstlerischen Schafften unserer Tage vergebens sucht, und die uns auch bei Feuerstein mit einer plötzlich ausbrechenden elementaren Kraft entgegenbraust; auch in seinem bisherigen Lebenswerke hat man sie noch nicht herauszufüiilen vermocht. Wer es fertig bringen konnte, die Eigenart dieses Werkes neben die seines früheren Schaffens zu stellen, den darf, den muß man als einen der größten Künstler bewundern, die unsere Zeit hervorgebracht hat. Das Kriegsbild hat auch zur Entstehung eines herrlichen reli- giösen Werkes Anlaß gegeben es ist die von uns abgebildete Piet.'i (Abb. Einschaltblatt nach S. 16). Das Bild ist entstanden aus der Gruppe des erschlagenen Kriegers mit dem

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MARTIN VON FEUERSTEIN HIMMELFAHRT MARIA

Altarbild zu St. Mergen in Baden. Text S. J Mit Genehmigung der l'erlagsanstalt Benziger tf Co-, A.-G., Einsiedeln

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MARTIN VON FEUERSTEIN DER HL FRIDOLIN

Text S.S. i'it Genehmigung der VerlagsaitsLill Beiiziger &' Co , A.-C, Einsiedeln

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^ DIE MÜNCHENER SECESSION 6SS

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über die Leiche sich wertenden Weibe ; der Vergleich der beiden Bilder läßt das leicht erkennen. Bestimmt ist es als Votivbild für glückliche Rückkehr aus dem Kriege und so hängt auch dies schöne Werk engstens mit dem Ereignisse der Gegenwart zusammen. Dasselbe tut ein Erinnerungsblatt, welches mit den Gestahen der Hll. Georg, Mauritius, Barbara und Michael geschmückt ist. Es wird bei der Gesellschaft für christliche Kunst er- scheinen.

Am 6. Januar 191 6 ist der 60. Geburtstag Martin von Feuersteins. Von Herzen hoffen und wünschen wir, daß es ihm beschieden sein möge, noch lange zu schaffen und zu wirken zur Förderung und zur Ehre der deutschen Kunst und des christlichen Geistes, welcher der ihrige bleiben soll und muß.

DIE MÜNCHENER SECESSION

Dem Umfange der heurigen Secessions- ausstellungisteine Beeinträchtigung durch den Krieg nicht anzumerken. Sie ist sogar reicher beschickt worden als manche ihrer Vorgängerinnen. In entgegenkommender Art hat sie auch diesmal einer beträchtlichen Zahl von jüngeren Kräften Zulaß gewährt und ist damit ihrer gerechtfertigten Gepflogenheit treu geblieben, nicht einseitig ältere Rich- tungen zu pflegen, sondern auch heranstre- benden die Möglichkeit zu geben, sich auf ihre Echtheit prüfen zu lassen. Daß die Aus- stellung außerdem nicht lediglich darauf herauskommt zu zeigen, in wie verschiedener Auffassung malerische, vor allem koloristische Probleme gelöst werden können, und in wel- cher Art des Vortrages die einzelnen Künstler- individualitäten sich aussprechen, sondern daß auch der Gegenstand zu seinem Rechte kommt, dafür sorgt vor allem der Krieg. Es wäre unnatürlich , wenn er nicht eine ganze Reihe von Künstlern zu kräftigem Schaffen an- regen würde. Nach zwei Richtungen kommt dies zur Geltung. Die eine ist die repro- duktive, illustrative. Ihre Erzeugnisse ent- stehen auf den Kriegsschauplätzen. Die in unendlicher Menge sich darbietenden Einzel- szenen, Ortsbilder, Soldatentypen, diePersonen der Heerführer, das alles wird, wie es sich von selbst versteht, in besonders kennzeich- nenden Situationen und Augenblicken fest- gehalten. Es bildet mitsammen ein unschätz- bares historisches Material, von dem noch fernste Zukunft Nutzen und Belehrung haben wird. Außerdem entsteht durch die beson- deren Bedingungen und Schwierigkeiten, unter denen die künstlerische Aufgabe trelöst werden

muß, eine eigenartige Kunst, die mehr als andere auf der Vereinfachung beruht, und die nur gedeihen kann unter den Händen von Zeichnern und Malern, denen es gegeben ist, mit schnellstem Blicke das Wesentlichste, den Kern der Dinge zu erkennen. Sie müssen also von vornherein eine großzügige Anlage mitbringen, finden aber hier Gelegenheit, diese Anlage zu größterEntwicklungzubringen. Auf diese Weise steigert sich das ursprüng- lich Illustrative und Reproduktive, ohne von diesen Eigenschaften einzubüßen, ins Allge- meine und Begrirt'liche. So hat Otto Bau- riedl Skizzen vom Winterfeldzuge der Baye- rischen Schneeschuhtruppe in den Vogesen geliefert. Der Dillschen Serie von zwanzig Kriegsbildern sieht man teilweise die Eile an, auchwill bei einzelnen davon nicht einleuch- ten, wie sie an Ort und Stelle entstanden sein können, da sie ihren Schauplatz auf der feindlichen Seite haben. Eine große Reihe technisch wie gegenständlich interessanter Aufnahmen in Farben wie in Bleistift hat Hans von Hayek vom westlichen Kriegsschau- platze geschickt. Man könnte bei ihm fast an eine Vorahnung glauben, die ihn kurz vor dem Kriege dazu trieb, Studien auf den bayerischen Manövergeländen zu machen und jene ausgezeichneten Arbeiten zu schaffen, die er seinerzeit in der Galerie Heinemann aus- stellte. Das war die Vorschule für die jetzige Aufgabe, und die Art, wie er diese zu lösen versteht, stellt ihn in die erste Reihe der auf gleichem Gebiet Tätigen. Er schildert Orte, um welche die Kämpfe getobt haben, zeichnet Massenansammlungen von Truppen, charak- teristische Einzelheiten, Gefechtsstellen aus den Gegenden von Lille, Arras usw. in einer Weise, "die unmittelbar überzeugend wirkt. Federzeichnungen aus den Vogesenkämpfen zeigt E. Baudrexel. H.Goebels und G. Greve- Lindaus Studien sind in Steinzeichnung, die von H. Pampel und E. Oppler in Radierung, die von E. Burmester in Holzschnitt herge- stellt worden. Eine überaus interessante und auch umfangreiche Sammlung von zumeist farbigen Zeichnungen hat der Dachauer F. Klemmer ausgestellt. Seine Vorliebe geht aut die Schilderung von Geschützen, außerdem von Ortsbildern, mit besonderem Erfolge aber auf die von prächtigen, humorvoll beobach- teten Typen baverischer Soldaten. Von anderen Kriegsschilderern verwandter Art seien noch F. Wimmer, E. Wolff-Filseck und E. Thöny genannt. Realistischer Empfindung dürfte diese Art den Krieg zu malen, mehr sagen als die zweite, die ich zuvor andeutete. Sie geht darauf aus, die Idee des Krieges zu

Die christliche Kunst.

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über die Leiche sich \ve enden Weibe ; der Vergleich der beiden Bier läßt das leicht erkennen. Bestimmt ist s als Votivbild für glückUche Rückkehr aus lem Kriege und so hängt auch dies schöne Werk engstens mit dem Ereignisse der Gegeivart zusammen. Dasselbe tut ein Erinntangsblatt, welches mit den Gestalten der H Georg, Mauritius, Barbara und Michael gescmückt ist. Es wird bei der Gesellschaft für iristhche Kunst er- scheinen.

Am 6. Januar 1916 istier 60. Geburtstag Martin von Feuersteins, on Herzen hoffen und wünschen wir, daß;s ihm beschieden sein möge, noch lange a schaffen und zu wirken zur Förderung nd zur Ehre der deutschen Kunst und des hristlichen Geistes, welcher der ihrige bleibi soll und muß.

DIE MÜNCHENEl SECESSION

Dem Umfange der hjrigen Secessions- ausstellung ist eine Be nträchtigung durch den Krieg nicht anzume en. Sie ist sogar reicher beschickt worde als manche ihrer Vorgängerinnen. In entg ;enkommender Art hat sie auch diesmal eine; leträchtlichen Zahl von jüngeren Kräften Zi ß gewährt und ist damit ihrer gerechtfert; :en Gepflogenheit treu geblieben, nicht ei seitig ältere Rich- tungen zu pflegen, sondn auch heranstre- benden die Möglichkeit i geben, sich auf ihre Echtheit prüfen zu I sen. Daß die Aus- stellung außerdem nicl lediglich darauf herauskommt zu zeigen, wie verschiedener Auffassung malerische, vc allem koloristische Probleme gelöst werden 1 nnen, und in wel- cher Art des Vortrages dicinzelnen Künstler- individualitäten sich aussp chen, sondern daß auch der Gegenstand zu se em Rechte kommt, dafür sorgt vor allem d Krieg. Es wäre unnatürlich, wenn er icht eine ganze Reihe von Künstlern zu ki'tigem Schaffen an- regen würde. Nach zvveilichtungen kommt dies zur Geltung. Die ine ist die repro- duktive, illustrative. Ihr Erzeugnisse ent- stehen auf den Kriegssciuplätzen. Die in unendlicher Menge sich irbietenden Einzel- szenen, Ortsbilder, Soldatt typen, die Personen der Heerführer, das alle wird, wie es sich von selbst versteht, in bonders kennzeich- nenden Situationen und \ugenblicken fest- gehalten. Es bildet mitsnmen ein unschätz- bares historisches Materi , von dem noch fernste Zukunft Nutzen uJ Belehrung haben wird. Außerdem entstei durch die beson- deren Bedingungen und Sc wierigkeiten, unter denen die künstlerische Aigabe gelöst werden

Die christliche Kunst, i. XII.

muß, eine eigenartige Kunst, die mehr als andere auf der Vereinfachung beruht, und die nur gedeihen kann unter den Händen von Zeichnern und Malern, denen es gegeben ist, mit schnellstem Blicke das Wesentlichste, den Kern der Dinge zu erkennen. Sie müssen also von vornherein eine großzügige Anlage mitbringen, finden aber hier Gelegenheit, diese Anlage zu größter Entwicklung zu bringen. Auf diese Weise steigert sich das ursprüng- lich Illustrative und Reproduktive, ohne von diesen Eigenschaften einzubüßen, ins Allge- meine und Begriffliche. So hat Otto Bau- riedl Skizzen vom Winterfeldzuge der Baye- rischen Schneeschuhtruppe in den Vogesen gehefert. Der Dillschen Serie von zwanzig Kriegsbildern sieht man teilweise die Eile an, auch will bei einzelnen davon nicht einleuch- ten, wie sie an Ort und Stelle entstanden sein können, da sie ihren Schauplatz auf der feindlichen Seite haben. Eine große Reihe technisch wie gegenständlich interessanter Aufnahmen in Farben wie in Bleistift hat Hans von Hayek vom westlichen Kriegsschau- platze geschickt. Man könnte bei ihm fast an eine Vorahnung glauben, die ihn kurz vor dem Kriege dazu trieb, Studien auf den bayerischen Manövergeländen zu machen und jene ausgezeichneten Arbeiten zu schaffen, die er seinerzeit in der Galerie Heinemann aus- stellte. Das war die Vorschule für die jetzige Aufgabe, und die Art, wie er diese zu lösen versteht, stellt ihn in die erste Reihe der auf gleichem Gebiet Tätigen. Er schildert Orte, um welche die Kämpfe getobt haben, zeichnet Massenansammlungen von Truppen, charak- teristische Einzelheiten, Gefechtsstellen aus den Gegenden von Lille, Arras usw. in einer Weise, "die unmittelbar überzeugend wirkt. Federzeichnungen aus den Vogesenkämp«en zeigt E. Baudre'xel. H. GoebeJs und G. Ore^e■ Lindaus Studien sind in SteinzeK-hnung. u von H. Pampel und E. Oppler in K-id'fr""f; die von E. Burmester in Holzsclini" "c^.^j stellt worden. Eine über.ius tMeres<^-'"...„^„t auch umfangreiche Sammlung von _ ; " farbigen Zeichnungen hat 4^ '^^;^, Klemmer ausgestellt. Seine \ ori' die Schilderung von Gesciwm ^ von Ortsbildern, mit hc.<ionJcrr. auf die von prächtigf". '; teten Tvpen h^tvcrisdicr^oi^- ^ Kriegsschilderern vrn.^.nj;4^^ ^

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DIE HL. ODll.IA

dir KapMe des Kra„ke,ikamtB der Niederhrontur Schwester,, zn Straßlmrg. - Text S. 0 Der untere Teil erschien im Verlag Hirmer. München

DIE MUNCIIIINER SECESSION

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versinnbildlichen und bedient sich dazu sehr verschiedenartiger Mittel der Technik wie der Sprache. Kein Zweifel, daß diese Art, wenn sie die erstrebten tiefen Gemütswirkungen erreichen will, bei ihrem vorwiegenden Ver- zichte auf die Wirklichkeit des Gegenstandes und bei der Notwendigkeit, aus einer inneren Fülle und Größe subjektive Anschauungen zu schöpfen, vor viel größeren Schwierigkeiten steht als jene erstere. Am leichtesten tun sich hier solche Künstler, welche die Dinge und Gedanken vom satiri- schen Standpunkte ansehen, wie O. Gulbransson. Doch blieb dergleichen dies- mal vereinzelt, was man bei des Krieges furchtbarem Ernste be- grüßen darf. Den letz- teren in ergreifender Art verallgemeinert zu versinn- bildlichen strebte u. a. Th. Heine, mit bedeutenderem Gelingen E. Erler, der durch diese Neuartigkeit des In- haltes seiner vorzüglich ra- dierten Blätter in Erstaunen setzt. Er hat auf diesem Ge- biet einen wirklichen Erfolg errungen, den man z. B. A. Hengelers »Kriegsfurie«, einem schreiend über eine Landschaft hineilenden Wei- be, kaum zugestehen kann. Den erheblichsten Anteil an der verallgemeinerten Betrachtung des Krieges hat die Plastik. So mit den Kriegs- undTrauermedaillen J. Gangls, den gedankenrei- chen Medaillen und Plaketten von H. Lindl, A. Zadikow, L. Gies,F. Großhans und anderen. Diese Kriegskunst verleiht der heurigen Secessionsausstellung ihr eigenes Gepräge. Mit den übrigen Darbietungen würde sie sich von denen anderer Jahre nur insoweit unter- scheiden, als sie, wie schon bemerkt, eine Reihe von Erzeugnissen allerneuester Gattung zur Schau bringt. Eine Anzahl von Malern tritt uns zum ersten Male in der Secession entgegen, die zuvor in der »Neuen Secession ; erschienen und nach meinem Empfinden dort an ihrem angemesseneren Platze gewesen sind. Die Secession fand sich bereit, die Male- reien E. Burmesters, K. Schwalbachs, J. Hüthers, die stark skizzenhaft gegebenen Arbeiten H. Völckers, A. Sohn-Rethels, M. Obermaiers, O. van Houts, H. Eberhards und andere Un-

FLUtRSTUN E„tivur/. Ig/

fertigkeiten bei sich zuzulassen. Daß unter diesen Malereien sich auch solche befinden, welche religiöse Stofl"e zum Gegenstande ihrer Versuche machen, sei erwähnt, um es grund- sätzlich zu mißbilligen. Ich berühre damit eine Sache, die zu den am wenigsten erquick- lichen gehört. Denn die Zunahme von Aus- stellungsobjekten, die nach Motiven des Glau- benslebens entstanden sind, steht leider nicht im gleichen Verhältnisse zu der Würde ihrer Auffassung. Besonders häufig erscheint der Gekreuzigte, meist unzu- länglich, zuweilen auch mit technischer Meisterschaft behandelt, aber in keinem Falle als Träger und Erreger religiöser Gefühle. Eine in Tempera ausgeführte Kreu- zigungsgruppe F. Naagers ist die umfangreichste Male- rei dieser Art. Sie zeigt, wo- hin die äußerliche Erfassung eines temperamentvollen Vorbildes ich meine den Kruzifixus von Grünewalds Isen heimer Altar führen kann. Auch die Plastik bie- tet derartiges, darunter die von W. Gerstel als Ganzakt gegebene bronzene Statu- ette eines »Propheten«, viel- leicht Jonas, der einzig für diese Auffassung paßte, aber einer würdigeren Haltung bedurfte. Von demselben Bildhauer ist ein »Toter Christus«, zu welchem der '" '^' ^'"^ Anblick der bekannten Gips- "'" ' ' ' ■' abgüssepompejanischerLei-

chcn die Anregung gege- ben zu haben scheint. Von den Malereien ähnlichen Inhaltes gedenke ich der » Mystischen Krankenheilung« und der »Kreuzigungsphan- tasie« A. von Kellers, zweier Werke, deren Technik man bewundern,und deren Inhalt man gänzlich ablehnen muß. Das gleiche giltvonder »Kreuzigung« und noch mehr von der »Kreuz- abnahme . F. von Stucks. Daß dieser Künst- ler auch zweimal die alttestamentliche Susanna geschildert hat, kann ebenfalls nur unter dem Gesichtspunkte der malerischen Vollendung anerkannt werden; die Wirkung bleibt die einer fühlbaren Sinnlichkeit. Eins seiner alten Themen in neuer Fassung behandelte Stuck auch in dem farbig delikaten Stücke »Neben- buhler«, dem Thema Krieg entrichtete er seinen Zoll in einer an blaugrünen Akten reichen Allegorie »Feinde ringsum;. Von

^ DIE MÜNCHENER SECESSION ^

MAKTix VON m:l i:Ksri:ix

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OBI-UKK lEII. DES MARCiAKll ABILDES SEITE ;i

Werken, die religiöse Gedanken in angemes- senerer Art behandeln, seien einige hervorge- hoben. So Ch. Landenbergers »Kain«, der nach vollbrachtem Brudermorde enttlieht, des- selben Künstlers Studienkopf Maria, beson- ders aber Becker-Gundahls farbige Studien zu einer Kreuzigung, R. Mauchs schöner Holz- schnitt Maria Patrona Bavariae.

Zahlreich und zum großen Teil auch quali- tätvoll sind die ausgestellten Bildnisse. Ich erwähne die Damenporträts des Grafen von Kalckreuth, Knirrs Darstellungen seiner Söhne, Pechel-Lösches Selbstbildnis mit verbunde- nem Kopf, Trübners Bildnis seines Sohnes in Rüstung, H. von Habermanns Selbstporträt, L. Corinths ausgezeichneten Gerhard Haupt- mann im Interieur, Werke von F. Strobentz, C. Hommel, I-'. Rhein, H. Spiro, H. Gröber. Obenan stehen die sechs von L.Samberger ge- zeigten Porträtwerke. Das Bildnis S.M.König Ludwigs III. scheint mir in seiner Art das be- merkenswerteste. Unter Verzicht auf jegliches Pathos, ausgehend auf die Wirklichkeit der Er- scheinung, umfaßt es die Wahrheit der in die- sem großen und tiefen Charakter sich ver-

kündenden Idee. Ein Meisterwerk ist auch jedes andere der ausgestellten Samberger- Bildnisse, besonders hervorragend das tieffar- bige des P. Aschenbrenner S. J. und das hell- tönige Hans von Haveks. Dazu kommt ein ebenfalls hellfarbiges und doch ganz anders empfundenes Porträt Emanuel von Seidels, ein in kraftvollen tiefen Tönen durchgeführtes Matthäus Schiestls, endlich das überaus cha- rakteristische von Richard Winternitz. Jedes verkündet die staunenswerte Fähigkeit Sam- bergers, seine Personen im Innersten zu be- obachten und ihr Äußeres bei sprechender Ähnlichkeit als die einzig mögliche Ausdrucks- form ihrer geistigen Eigenart klar zu machen. Mit dieser Fähigkeit steht Samberger in der ganzen neueren Kunst vereinzelt und uner- reicht da. Bedeutsames leistet auf dem Ge- biete des Porträtfaches auch dieses Mal die Plastik. Ich nenne die Büsten und Medaillen von B. Elkan, A. von Hildebrands lebensvolle Büste S. K. H. des Kronprinzen Rupprecht von Bayern, L. Kindlers Prinzregenten Luitpold, Ulfert Janssens in grüner Bronze gegebene »Witwe«, G. Kolbes charakteristisches Herren

MARTIN VON FEUERSTEIN DIE HL. MARGARITA

Altarbild für die Hnuikapelle des Frhr. v. Gezmen-WaUeck in Wien. Text S 6. Mit Genehmigung der l'irlagsanstalt

Benziger ^r' Cf> , A -G , Eiti%iedeln

^ EINEM TIROLER BILDSCHNITZER ZUM GEDENKEN ^

porträt, die vornehmen Porträtplaketten von E. Eckart, B. Rungas' u. a. E. Kurz' Büste des t Bildhauers Floßmann, H. Schwegerles Bild- nisleistungen, von denen besonders die Pla- kette Ludwigs III. hervorzuheben ist. Eine sinnige tüchtige Arbeit ist das Relief mit den Bildnissen des Kunstmalers Freiwirth Lützow und seiner Gemahlin von Joseph Faßnacht, der auch eine von S. M. dem König angekaufte Bronze »Rabe mit Eidechse« ausgestellt hat. Die Landschaft ist, wie immer, die umfang- reichste Gruppe. Felix Bürgers hat drei über- aus feine Studien ausgestellt, von denen ein Abend in den Bergen genannt sei. L. Dill bietet zwei seiner typischen Mooslandschaften, A.Faure eine nächtliche Wirtshausszene in der Campagna, starke Wirkung erreicht O. Graf mit dem Brande einer kleinen italienischen Bergstadt. A. Lamm zeigt Jura-Landschaften, W. Lehmann farbenfrische Studien aus dem Isartal, Meyer-Basel zartgegebene Motive von der Insel Reichenau zur Blütezeit und anderes. R.Pietzsch malte u.a. die Kirche von Harlachina:

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MARTIN- VOK FliUKUS FEIN

im Herbst, C. Reiser brachte Impressionen aus Florenz. So ist die Landschaft samt den mit ihr verwandten Darstellungsgebieten in beachtens- werter Qualität vertreten, freilich ohne mit irgend einer Leistung über Gewohntes hin- auszugehen. — Interieurs finden sich zum Teil von hoher Vollendung. So zwei koloristisch delikate Stücke von Ch. Vetter und ein von Wolfl-Filseck vorzüglich gemaltes Zimmer mit Lichtreflexen auf einem dunkel glasierten Ka- chelofen. J. Kühn jun. schilderte ein paar In- nenräume mit Tischen und entwickelte dabei den Reiz seines perlmutterartigen Kolorits. Nicht minder interessant ist eine Reihe von Stilleben. So malte R. Nissl einen lebhaft farbigen Blumenstrauß vor einer grauen Gar- dine und ein zweites ganz ausgezeichnetes Stück vor dem Hintergrunde eines weißen Vorhanges. Auch die Blumenstücke von C. Piepho, die Stilleben von H. Niestle dürfen nicht unerwähnt bleiben.

EINEM TIROLER BILD- SCHNITZER ZUM GEDENKEN

(Matthäus Schies tl sen.: 1834 1915)

In einer bitterkalten Februarnacht vor 53 Jah- ren war ich zum erstenmal in der altehr- würdigen Bischofsstadt gelandet ; die Nachtfahrt durch den Steigerwald von der Donau nord- wärts war frostig genug gewesen, im Hotel »Zum Schwanen« war frühmorgens das Wasser im Waschbecken eingefroren und im glitzern- den Rauhreif standen die Heiligenstatuen auf der alten Mainbrücke Würzburgs, unter deren Mauerquadern die Eisschollen knirschend vor- überttieben, auf dessen Domtürme die Zinnen der .Marienfeste im fahlen Morgenscheine her- niederschauten. Bei Meister Reublein in der alten Brombachergasse fand ich dann duartier und Bett im sonnigen Mansardenstübchen, in dessen blankes Giebelfenster der gotische Turm der lieblichen Marienkapelle herübergrüßte; nebenan und gegenüber trieb auf ähnlichen »Buden« Studentenulk seine üppigen Blüten und der biedere Gastgeb im Erdgeschosse bot gerne dem Durstigen kühlen Trank. Aber in der Mansarde wucherte nur zu bald ein Un- kräutlein — das Heimweh.

Wohl lockte dann die Februarsonne in den folgenden Wochen an manchem freien Nach- mittag zur Streife in der Umgebung, übers Käppeli hinüber nach dem Höchbergerforst, wo die ersten Frühlingsboten blühten, ins Nachbarstädtle Heidingsfeld, den Steinberg liinauf über die »Dürrbacher Steige« nach dem Weineldorado von Unterdürrbach, oder ich schaute einsam vom Galgenberg im »Letzten Hieb«, wo das »Erzherzog-Karl-Zim- mer« vom Siege des edlen Habsburgers über General Jourdan erzählt, der Sonne nach, wenn sie liinter den Mauern der Feste zur Rüste ging. Aber das Hennweh blieb und auch der »väterliche« Rat des Chefs fruchtete nicht viel: Gehn sie unter Menschen! Beim » San- derbräu« wurde der erste Versuch gemacht auf

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MARTIN VON FEUERSTEIN

EntwurJ zu

AUartildt. Text S. 6

DER HEILAND

e^ EINEM TIROLER BILDSCHNITZER ZUM GEDENKEN ^

vollgepropfter Bank mit einem Maßkrug und > Geschwol- lenen« (VV'ürsten) zwisclien ein paar Spießbürger einge- keilt. Die erste Frage an den Nachharn zur Recluen erntete kurze Ablehnung und beim Bruder zur Linken lautete die prägnante Antwon ebensovielsagend; damit hatte der Tiroleibub genug und flüchtete wieder auf seine Mansardenstube, wo das Heimweh doch halbwegs durch traute briefliche Grüße aus den Heimatbergen und aus der lieben Kaiserstadt an der Donau gemildert wurde und beim stillen Lampenhcht Bergschildereien Adolf Pichlers, Zingerles und anderer tirolischer Schriftsteller über manche bange Stunde hinweghalfen: sie gaben dazumal auch den ersten Anstoß zu »Versuchen der Feder« und so manchesmal brannte über Mitternacht hinaus die kleine Öllampe

All das und ein paar gute Kameraden sonst nur zur Schwermut stimmende Ode, bis eines Tages Gottes Fügung die Schritte hinlenkte in eine echt malerische >Rumpelkammers die offiziell als »Atelier« bezeichnet wurde. Da arbeitete zwischen Holzblöcken und allem möglichen sonstigen Materiale ein Mann im groben Ar- beitskittel, eine untersetzte, stämmige Figur, den dichten Haarwald und Vollbart bereits leicht meliert, mit klaren leuchtenden Augen, sein Stemmeisen und Hammer kräf- tig handhabend, daß die Späne nur davon stoben: der geschäftliche Auftrag war bald entrichtet, ein Wort gab das andere, man kam ins Plaudern ein tirolischer Landsmann, ein Freund war gefunden I Wohl nur all- zuschnell verflog die erste Stunde wohltuender Aus- sprache, allein solches kam nun öfter und der iMittags- tisch ward oft genug gekürzt, nur um bei dem ständig emsigen Meister ein Stündlein verplaudern zu können. Gab's doch so Manches da zu sehen und wanderten doch gemeinsam die Gedanken zurück in die fernen Tiroler- berge wo auch Matthäus Schiestl kein Fremder war unter seinen Zunftkollegen Michel Stolz, Miller, Trenkwalder und anderen Kunstjüngern.

Am schönsten aber waren doch die Abende am Main- ufer, wo die schweren Lastschiffe im Hafen schaukelten, in seiner schlichten Wohnung oder in verborgenem Win- kel iiTi Kafiee Strobl wie im Dominikaner-Kaffee usw., Letztgenanntes mir besonders wert, dieweil ich dort so ganz zufällig die Todesnachricht meines verehrten Professors von Kripp gelesen: wie so manches andere Stück Alt-Würzburg sind auch diese altgemütlichen Gast- stätten inzwischen zumeist der »Stadtverschönerung« zum Opfer gefallen und so mancher alte Straßenname hat einer moderneren Bezeichnung weichen müssen. Für die- ses Gedenken sind die alten Namen bis heutzutage erhalten geblieben. Auch in die »Union« führte er den Fremd- ling ein, wo er als katholischer Künstler gerne gesehe- ner Stammgast war : Hettinger, Stamminger, Schanz u.a.m. waren da die tonangebenden Teilnehmer der allerdings verhältnismäßig kleinen Tafelrunde. Und auf dem Heim- gang in stiller Nacht gahs dann immer noch einen froh- gemütlichen Gedankenaustausch gespickt mit Tiroler Reminiszenzen in einem der schon genannten »verschwie- genen Winkel« oft genug bis über die mitternächtige Stunde. Das ging nun so etliche Wochen fort und dieser ständige Verkehr mit einem biederen Landsmann, der freundlich und gefällig in jeder Hinsicht schon durch sein gottesfürchtiges Beispiel auf ein jugendliches Herz einwirken mußte, scheuchte allgemach die Schatten, so daß auch der Frühlingsonnenschein belebenderen Ein- druck machte trotz der braungefärbten Rebengelände und den »gugelhupfförmigen Bergen« des Maintales. Und dann kam im Märzen die Einberufung zur Militärpflicht, mit ihr das Scheiden aus der Frankenstadt und zugleich der Abschied von einer wahren Künstlerseele, einem väterlichen Freunde: nicht mehr habe ich seitdem ihn gesprochen, allein die Erinnerung an ihn ist in treuem Herzen bewahrt geblieben, denn solch edle Seele

konnte nur guten Samen ausstreuen. Die Nachricht, daß der alte Freund aus langverschwundener Zeit heimge- gangen, hat das Erinnern an stille Wochen aufs neue geweckt und Vater Schiestl, dessen kunstfleissige Söhne dazumal noch Bürschlein waren, steht wieder lebendig vor meinen Augen. Matthäus Schiestl ward am 5, August 1834 zu Obergreider bei Hippach im Zillertal (Tirol) geboren, erhielt bei Krontaler in Kufstein die erste Lehre in der Bildhauerei und zog nach verschiedenen Wander- jahren nach München, wo er bei G. Gabi, M. Schmidt u. a. vielfache Anregung empfing. 186; kam der tüch- tige Bildschnitzer, nachdem er ein paar Jährlein zu Salz- burg gesessen und dort seinem Landsmann Bildhauer Johannes Piger den Weg geebnet hatte, nach ^\'ürzburg, das ihm im Laufe der lahre zur zweiten Heimat geworden. Von dort lieferte er zahlreiche Werke seines Meiseis in alle Welt hinaus. Viele Schöpfungen aus seiner Hand schmük- ken Kapellen und Kirchen des gesamten Frankenlandes, darunter z. B. die originellen Altar- und Stationswerke der romanischen Adalberokirche in der Sanderau (Würzburg); vieles ging ins Ausland, auch nach Österreich und Ungarn. Prächtige Figuren namentlich männliche Gestalten manchmal bis zu Überlebensgroße waren sein Fach waren beredte Zeugen seiner Tüchtigkeit, wobei er zumeist mit besonderer Aufmerksamkeit auch die dezente Poly- chromierung der großen wie kleinen Figuren mit außer- ordentlicher Liebe selbst besorgte. Das Schnitzen von Krippen-Darstellungen zählte zu seinen Lieblingsbeschäf- tigungen. Er war, wie mit Recht ein Würzburger-Lokal- blatt von ihm rühmte, »der Tvp eines altbewährten tüchtigen Tiroler Holzschnitzers; namentlich seine Kir- chenkunst-Schöpfungen, z. B. Kruzifixe usw., waren Ar- beiten, die von künstlerischem Empfinden und trefllicher Tradition zeugten . Dabei scheute der Künstler keine Opfer an Zeit und Mühe, wenn es galt, irgend ein gutes Werk zu fördern und stellte sich freudig in den Dienst der christlichen Charitas; oft genug haben bei Auffüh- rungen von Oratorien und verschiedenen Wohltätigkeits- veranstaltungen von Schiestl gestellte »lebende Bilder': wesentlichen Anteil am Erfolge gehabt. Zählte er doch zu denen, für die des Evangelisten Wort galt: »Selig die Friedsamen, sie werden Kinder Gottes genannt werden«.

Unermüdlich schaffend bis ins hohe Alter lebte er nur seiner Kunst und seiner Familie, und das bereits erwälmte Würzburgerblatt bemerkt noch hiezu:»Hier war der alte Schiestl mit seinem von weißem Bart um- rahmten Charakterkopf eine allgemein bekannte Persön- lichkeit. Hochgeachtet war er wegen seines biederen, gutherzigen Charakters, seiner innigen Frömmigkeit und Schlichtheit des Wesens«. So erzog er auch seine drei Söhne, in deren Schaffen sich alttirolische Überlieferung mit fränkischer Volkskunst zu eigenartiger Vereinigung mischt; der .\lteste, Heinz ist seines Vaters Erbe, Pro- fessor Maler Matthäus Schiestl wirkt in München, Pro- fessor Rudolf Schiestl an der Kunstgewerbeschule von Nürnberg.

Erst in späteren Jahren gönnte er sich alljährlich einige Wochen der Ruhe und Erholung im gemütlichen Künstlerhäuschen seiner Söhne auf dem Schwendberg im geliebten Zillertale, wohin es ihn mit allen Fasern seines Herzens immer wieder zog; er sollte diese Be- haglichkeit nicht allzulange genießen. Im verflossenen Winter übersiedelte Schiestl zu seiner einzigen verhei- rateten Tochter nach Sendelbach a. M., wo er nach kur- zem Krankenlager am 11. März d. J. selig in Gott ver- schied; unter großer Beteiligung der dortigen Einw'ohner- schaft, zahlreicher Freunde usw. bettete man ihn hier am Ortsiriedhofe zur letzten Ruhe. Seine Werke sichern ihm ein stetes ehrendes und unvergängliches Andenken.

So seien diese kurzen Zeilen dem Heimgegangenen Gruß eines dankbaren Herzens aus der fernen Berghei- mat. R. L P. Heinz V. Wörndle, Innsbruck

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MARTIN VON FEI liKSTlilX

MAKIA lli;iMSUCHUXG

Aus d,m K.-trIm

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Von Dr. Hans Schmidkunz (Berlin-Halensee)

VY/ährend sonst der »große« Berliner Kunstmarkt die öden Räume am Lehrter Bahnhof mit kaum über- schaubaren Massen füllte, hat er sicli diesmal, kriegs- bedrängt, mit einem kleineren Vorrat in die freundlichen Gemächer der Kgl. Akademie der Künste am Pariser Platz geflüchtet und dort seine Schau nacheinander in Hälften von Mai bis Juli und von August bis Oktober gebracht.

Der Ausschluß fremdländischer Gäste legt nun wie- der die heikle Frage nahe, ob und wie hier ein Gesamt- charakter von spezifisch deutscher Kunst zu erkennen sei. Erschwert wird eine solche Erkenntnis dadurch, daß diesmal auch Deutsches außerhalb Berlins nur wenig am meisten noch aus Düsseldorf gekommen ist, und daß sich kaum etwas Abstoßendes, doch auch nur wenig Packendes eingefunden hat.

Immerhin mögen alte Kennzeichnungen wiederum versucht werden: natürlicher Gegenstandssinn an Stelle von Stilisierungskünsten, Malerei des > festen Blickes« und der kräftigen Zeichnung statt eines Auflösens in Erscheinungskünste, Naturstimmung statt Oberfiächen- kunst. Wie wenig Verlaß auf solche Angaben ist, leuch- tet bald ein. Am ehesten lenken sie zu einem Vorzug der Landschaftsmalerei sowie zu ihrer poetischen Seite;

und viel Landschaft mit mancher Märchenstimmung ist denn in der Tat vorhanden.

Für Religiöses fällt wieder nicht viel ab. Von E. von Gebhardt hatten wir hierin den letzten Jaliren genug, um ihn würdigen zu können; trotzdem überraschen die jetzt ausgestellten Gemälde von ihm die Beispiele des physiognomischen Ausdrucks wie >Das kananäische Weib« noch mehr als die der Szenenkomposition wie >Pelri Verleugnung«. Eigenartig ist der Anklang an Bibli- sches in F. Paczkas »Zwei Müttern«: eine Frau in moderner Frauenkleidung weint ihren Schmerz aus an der Brust einer anderen Frau die durch ihre Physio- gnomie und zeitlosere Kleidung als Gottesmutter gedeu- tet werden kann. Angereiht seien hier gleich zwei an- dere Bilder vom Schmerz über einen Kriegsgefallenen: das Aquarell vonO. Höppner »Der Sohn«, das in sei- ner Darstellung der an der Bahre des Gefallenen trau- ernden Eltern einen trefflichen Ausdruck von Schlicht- heit gibt, und die üppige Malerei von P. Barthel »Der Einzige«, die einen Vater im Prunkgemach zeigt, einsam versunken in Trauer vor dem Andenken an den Sohn.

Zu den religiösen Motiven zurückkehrend, finden wir zwei biblische Wanderszenen. Die »Flucht nach Ägyp- ten« von P. Harnisch, ein wenig an Böcklins »Das Maultier sucht im Nebel« usw. erinnernd, zeigt mit viel Farben- und Lichtwirkungen die lieilige Familie, wie sie, geführt von einem Engel, einen Steg über einer Schlucht überschreitet. Ebenfalls vorwiegend landschaftlich ge- dacht ist »Die Heimkehr vom Tempel« von F. Schütz. Einen guten Anlauf beeinträchtigt W. Pape in seinem

Die christliche Ku;

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M. V. TEUERSTEIX

Tixt S. 9 Mif Geitehtnigufig der l'erlaffsanstall Benziger i^ Co

AVE MARIA

A.'G,, Ehisiedetn

»Du aber bleibest« : Christus im Grab, Maria an ilim hingesunken, zu den Seiten ein Vor- hang, gehalten von einer weibhchen und einer geharnischten männlichen Gestalt, dazu Licht- wirkungen . . .

Mit der Inschrift »Emporgestiegen ist der Tod in unser Fenster, eingegangen in unsere Paläste« stellt H. Frobenius in einer Neben- einanderreihung schmerzvoller Gestalten »Die Klage« dar mehr Absicht als Wirkung. Lieber verweilt man bei den Kirchenszenen; H. Kohlscliein malt unter dem Titel »Die Moselbauern« zwei kernige Gestalten in einem Kircheninterieur, dessen Hintergrund impressio- nistische Künste zeigt; und M. Rabes entfaltet seine efiektvolle Weise im »Gottesdienst in der zerstörten Kirche in Lyck«. Ein Kruzifix gibt einer Hügellandschaft mit verstreuten Lei- chen Stimmung in H. Köckes »Nach der Schlacht«.

An Kriegsbildern war sonst nicht viel gekom- men. Unter den maritimen mag H. Bohrdts Tempera »Torpediert« erwähnt sein.

Eher als in einem Ideenporträt »Deutsche Hoffnung« von F. Burger ist deutsche Art anderswo zu finden. So etwa in A. Härtens waldig-lauschiger > Osterfeier« oder in H.H e n d- richs rotglühendem »Gralswunder aus Parsi- fal« oder in W. Firles »Torfarbeiter« oder besonders in der gut eindrucksvollen und mit Recht bereits beliebt gewordenen »Friesischen Braut« von O. H.Engel. Auch F. Stassens »Im Paradies« mag hier erwähnt sein: vor einer Mutter mit Kind spielt ein alter König die Harfe, und Engel schweben darüber herab; das Ganze in der bündig bestimmten Vortrags- weise dieses Künstlers. »Frühhng« von H. Lan- den berger verringert den gut poetischen Eindruck einer Landschaft, die durcli eine blu- mentragende weibliche Gestalt als Raumschie- ber übersclinitten wird, durch deren weniger eindrucksvollen Gesichtsausdruck; und eine räumlich analoge Koni position von J. S c h m u z- Baudiss »Bildnis« wirkt am ehesten durch saftige Farben und virtuose Farbenübergänge, an die keramische Tätigkeit des Künstlers er- innernd.

.\uch im übrigen ist mit der malerischen l'orträtkunst nicht viel los; Farbeneindrücke herrschen vor; oder man merkt wieder die Absicht wie etwa in W. Geffckens sonst gut fröhlich gestimmtem großem Gruppenbild »Aus dem Kreise der Zwanglosen«, das in kleinerem Format wohl günstiger wirken würde. Am anziehendsten ist vielleicht das Jünglingsbild- nis von H. Looschen, das mit seinen fast nur grauen Tönen doch lebhaft farbig wirkt.

Als Tierdarsteller in landschaftlichem Rah- men finden wir u. a. wieder den nun ver- storbenen O. Frenze! (»Im Herbstwald«, mit hübschen Lichtreflexen) und den jüngeren, uns seit einigen .\usstellungen sympathisch bekann- ten H. Schmidt (^Steinadlerpaar«).

Stilleben und Innenräume wiedeiholcn gleichfalls Bekanntes. Zum Verweilen laden am ehesten ein die »Antiken Gläser« eineranschei- nend jüngeren Malerin A. Herrniann und ganz besonders die »Stube in Vierlanden« des sinni- gen Altmeisters R. Eichstaedt: an diesem Hereintluten des Lichtes durch die Gardinen auf einen Eßtisch würde ein Menzel wohl seine helle Freude gehabt haben.

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Nun wieder die Fülle der Landschaften und die Hoffnung, ihnen das eigenllich Deutsche abzulauschen I Gilt es Märchenstimniung, so steht O. Modersohn mit der überzeugenden Forniensprache seines «Herbst im Moor« und seines »Im Sommer« voran; wie aus dem letz- teren Bilde vor den Schafen und Bäumen usw. die kleine Hirtin herausblickt diese Heiniat- kunst nimmt uns kein Fremder weg und ersetzt uns kein Oberflächensport. Ein Mär- chengeist waltet auch über W. Feldmanns >Der Steg« (Mondaufgang).

Die grünen Acker an den roten Häuschen inmitten welliger Hügel nennt Elsa Genest- Arndt wohl mit Recht »Deutsches Land«. Fast bis zu geometrischen Formen geht die feste Zeichnung in F. Türckes »Abend in der Rhön«: flächenhaft, mit wenigen, aber gut wirkenden Farben, zeigt sie sich im »Blick auf den Hohenstein, Franken« von W. Ter Hell; und mit einer stimmungsvollen Verbindung von Einheitlichkeit und Mannigfaltigkeit spricht sie aus dem »Kanal in Flandern« von A. Scher- ves. Stille Waldesstimmung gibt G. Hol- steins »Ruhige Waldecke am Venu« sowie O. Thieles »Agnetendorf im Riesengebirge«.

Altbekannte bringen weitere Beispiele ihres Könnens. So E. Bracht mit dem Glanz seines »Sonnenuntergangs im Winter«. So der dies- malige Austellungspräsident C.Langhammer mit seinem kräftig hellen »Maienglühen im Buchenwald«. So K. Heffner mit seiner einen Kanal darstellenden -Landschaft« ; dann G. M. Meinzolt mit einem »Hochsommer«, K. Lei- pold mit Sturmbildern aus Venedig, R. Kai- ser mit seinem vom Nahen ins Ferne führen- den Gemälde »Das Schalkenmehren-Maar in derEifel«, E. Erler mit seinem Hochalpenbild »Letzte Mahd«, E. Kolbe mit einem stini- mungsreichen »Tauenden Bachs. Die alte Weise von A. Schlabitz (Tempera »Reith in Tirol«) findet kaum irgendwo einen sie kränkenden sezessionistischen Gegensatz, etwa ausgenommen die starken Farben im »Herbst auf dem Hunsrück« von E. Rentsch. Eine frische Künstlerkraft lernen wir kennen in F.Lindau, dessen Gemälde »Am Wasser« mit einfachen lockeren Formen weite Flächen gut anscliaulich macht.

Aus Städtebildern Eindrücke zu gewinnen bemühen sich H. Hartig, der die Wucht mär- kischer Architektur mit seinem »St. Marien in Prenzlau« ausprägt, und L. Lej eune, dessen »Häuser vom Bach« wieder den Charakterzug des Festen, Bündigen tragen.

Die Architektur fehlt diesmal ganz, und die Graphik, in der sonst die Berliner von der »Großen« wohl ihr Bestes geben, kommt spärlich und fast ohne den Ehrgeiz technischer Besonderheiten. Gerade noch der farbige Holz- schnitt erweckt Aufmerksamkeit: einfach und wirkungsvoll erscheint C. A. Brendels »Der verlorene Sohn« ; daneben seien Blumenstücke von E. Consent ins und J. Metzner sowie der Schwarzweiß-Schnitt »ImZirkus« von P. Kuhfuß genannt. Zur Radierung, in der u. a. M. Fingesten ein Kriegsschauerbild »Die Pflüger« und L. Schnell ein stilles märkisches Landschaftsbild »An der krummen Lanke« bringt, kommt wieder der weiche Reiz der Kaltnadel in »Wäscherin bei der Arbeit« von Elsb. Siemers und besonders das mit

. FEUERSTEIN

.^XCII,L.\ DOMINI

I^Iit Genehjnignitg der l'eylagsajistalt Benziger ^ Co., A.-G., F.tnsiedeln

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^ GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 191 5 ®^

MARTIN VON FEUERSTEIN'

Text S. 14. Mit Gem-hmigi.

GEBURT CHRISTI

der Verlagsaiistalt Bc-nzi^

' Co., A.-G., Einsiedeln

wenigen Strichen charaliteristisch darstellende Bildnis »Der amerikanische Radierer Josef Pennell« von P. Herr- mann (der selbst in zwei tüchtigen Porträts dargestellt ist: einem gemalten von G. L. Meyn und einem plasti- schen von M. Schau ß).

Die Lithographie fällt lediglich auf in einer Mono- typie von A. Roegels »Im Park« und dann in einer achtgliederigen Serie von J.Teich mann: mit bräun- licher Tönung sind da jugendliche Mädchenkörper in Gruppen zusammengestellt, welche Ausdrucksszenen wie »Die Hingerissenen«, »Die Andächtigen« usw. vorführen verdienstlich durch ein Streben nach seelischer Sprache, doch bald durch Hinförmigkcit und Pathos ermüdend.

Aus der Plastik seien Plaketten vornweggenommen. Vor allem A. Seilers »Madonna« : Flächen und Linien, plastische und malerische Haltung vereinigen sich zu einer lieblichen Darstellung, der eine weite Aufmerksam- keh gewünscht werden darf Mit scharfer Linienführung

modelliert C. O tt eine >St. Barbara« ; Kriegsszenen kom- men von F.Schenkel mit antikisierenden und von E.Müller-Erfurt mit modernen Gestalten.

Die Großplastik ist nur in wenigen Stücken vertreten, darunter jedoch mit einer Meisterleistung der Ausdrucks- und Bewegungskunst: F. Dorrenbachs »Der Mönch Walter Dodde in der Schlacht bei Worringen«. Ein »Relief zur Erinnerung an 1914 1913. Gips-Steintönung« von B.Wendel mit der Unterschrift »Der Wille siegt« stellt in rundlicher Linienfülirung mit bündiger Ge- schlossenheit die Bezwingung eines Ungeheuers dar, das auf eine Frau mit Kind losgestürzt war. Mehr pathos- haft ist wieder das fast vollplastische Relief von J. Som- mer »Der deutsche Michel 1914« mit einer stürmenden Bewegung.

Bildnisbüsten könnten noch zum Verweilen reizen ; so R. B o e 1 1 zi gs » Herr Hans Rochus von Rochow-Reckahn « (ein Nachkomme des vielgenannten Pädagogen).

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MARTIN VON FEUERSTEIN

Text S. 14- Mit Genchn

GEISSELUNG

^iitig der Verlugsatistalt Benziga

A.-G., Einsiedebt

Die Kleinplastik enthält diesmal einige Überschrei- tungen des Tanzerinnen-und Bären -Niveaus der typi- schen Ausstellungen. Die poljxhrome Holzstatuette von A. Hoffmann »Zum Rhein« ist in der Schlichtheit, mit der sie einen marschierenden und singenden Krieger darstellt, echter gefühlt als G. Cassels unfarbige Holz- plastik »Die Fahne«. Gute Holzkunst erscheint auch in dem Liebespaar, das K. Jerman »Weltenfern« nennt; und ein gelungenes Charakterstückchen in Holz ist H. Arnheims »Stiefelputzer«. Die Bronze-Kleinkunst er- freut am ehesten in einer »Schäferin« von O. Placzek und besonders einem »Geigenspieler« von W. Schulze- T h e w i s.

Bald nach Schluß der ersten Abteilung des diesmali- gen verkleinerten Jahrmarktes der Berliner Kunst wurde seine zweite Abteilung eröffnet (15. August bis Ende Oktober). Sie bietet nicht viel Neues gegenüber den früheren Berliner »Großen« und noch weniger gegen-

über jener ersten Abteilung. So laßt sich wieder man- ches Gute übergehen, das nur eben Bekanntes fortsetzt. .-Vuch für eine spezifisch christliche Kunst fällt nament- lich in der Malerei nur wenig ab. Des altangesehenen Stuttgarters Chr. Speyer Temperabild sFlucht nach Ägypten'!, an Archaistisches aus Secessionon erinnernd, bietet hauptsächlich einen Landschaftsblick in ein Tal hinab von einer Höhe aus, auf der die heiligen Ge- stalten im Abendlicht weiterziehen. Schlicht und innig stellt O. Popp unter dem Titel »Leid« den verlorenen Sohn als Schweinehirten dar. Ein Spiel von Grün- und Rotklecksen ist W. Blankes »Prozession«. Ansichten aus Kirchengebäuden sind ausgestellt von W. Beck- mann (»Aus der Marienkirche in Lübeck«), von O. Schmidt-Cassella (»Alte Kirche auf Walcheren«) und besonders gut von \V. Lucas (»Franziskanerkirche in Paderborns) sowie von Grete Waldau (»In einer schlesischen Kitclie« :.

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MARTIX VÜ\

Um die Monumenlalmalerei einigermaßen zu retten, ist ein wandgerechtes Temperabild von O. iMarcus da: »Kosaken zerstören Scliöneberg im Siebenjährigen Kriege«; in seine etwas scharf kräftigen Züge des phv- siognomischen Ausdrucks lebt sich der Beschauer all- mählich hinein. Dem gegenwärtigen Krieg ist das Ge- mälde von A. Otto »Die beiden Brüder< gewidmet: vor einer brennenden Mühle betrauert der eine Krieger still den Gefallenen.

Unter den übrigen Szenenbildern ragt äußerlich das umfangreiche Triptychon »Der Arbeiten von W. Firle hervor; man ist aber baß verwundert, von diesem fein- sinnigen Künstler ein so sehr durch aufdringliche Ab- sicht störendes Werk zu sehen, und freut sich um so mehr einiger kleinerer und einfacherer Kompositionen: so des fast Oberländerschen Temperabildes »Beim Ein- siedler« von E. Reimer und der fast Waldmüllerschen »Wandermusikanten« von M. Schaefer.

Was wir neulicli als spezifisch deutsch zu kennzeichnen versuchten, tritt etwa in Th. Winters »Walther von der Vogelweide« hervor, allerdings abgesehen von etwas unbeholfener Zeichnung und Farbe; und es ist erfreu- lich, daß dem nämlichen Thema in ähnlicher, doch in mehr heiterer als ernster und mehr gemütlicher als

herber Weise ein Farbenholzschnitt von C.A.Brendel gilt. Die Wandmalereiweise von S. Lucius findet sich in dem Gemälde »Die Gefährten« wieder. Eine origi- nelle Auffassung hat das Temperabild sNausikaa« (mit dem verwilderten Odysseus) von A. Hoff mann von Vestenhof zu einer lebhaft bewegten Szene gemacht.

Ein hübsches »Bairisches B.iuernmädchen« von H.Groehcr leitet uns zu den bildnisähnlichen und den eigentlich porträtierenden Gemälden hinüber. Derersteren Art gehört P. Plontkes »Tischgesellschaft« an, die einen bevorzugten Platz und auch sonstige Gunst gefun- den hat; der Künstler scheint aber doch noch ein tiefergehendes Können als das in diesen vier Figuren Entfaltete zu besitzen.

Neben Bildnissen berühmter Generale von heute an denen besonders G. L. Meyn und Fr. Triebsch ihre Kunst zeigen entgeht das liebliche Porträt H. Seegers »Meine Tochter« leicht der Aufmerksamkeit. Außerdem verdienen Beachtung noch die Männerpor- träts von R. Fuhrv und Heia Peters sowie die Frauenporträls von F. Encke und W. Geffcken; das letztere gilt unter dem Titel »Porträt der Schau- spielerin Frau R. als »Zarin« eine zugleich physiogno- mische und (rot-) farbige Studie.

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MARTIN- VON FEUERSTEIN

VOM KRIEGE

Auf Reichtum und Kraft der Farben richtet sich im übrigen auch diesmal wenig Interesse, etwa ausgenom- men die üppige Interieurdarstellung P. Bartels >Die grüne Decke«, die Landschaften »Scheidende Sonne« von J. R heder und »Moor« von H. Rüter, sowie die besonders leuchtend farbigen Aquarelle »Herbst auf dem Hunsrück« und »Herbstbäume« von E. Rentsch. Ein Farbenspiel von Weiß, Blau und Grün ist R. Kohtz' »Krieger im Frühling«.

Zu den übrigen Landschaften sind auch zwei Szenen- bilder zu zählen: der Weihnachtsbesuch« vonFr. Hoff- mann-Fallersleben und die »Bergeinsamkeit« durcli einen männlichen Akt mit Pferd belebt von Fr. M ü 1 1 e r M ü n s t e r. Beide Werke führen uns gleich- falls wieder in die Kunstweise ein, der man deutsche Besonderheit nachrühmen kann. Dem norddeutschen Landschaftcharakter suchen u. a. H. Licht und P.Vor- gang gerecht zu werden: jener unter dem Titel »Nord- deutscher See am .\bend«, dieser mit einem »Märki- schen Waldsee«. Eine fast geometrisch arbeitende stim- mungsvolle Flächenkunst in dem »Bauernland« von A. Weczerzick kontrastiert mit dem Schleierhaften, das durch die Darstellung feuchter Luft über einen Wald- see gebreitet ist und von dem Künstler, K. Heffner,

als ».Adagio« bezeichnet wird. Der Zartheit dieses Bil- des treten die fast wuchtigen Nebelmassen gegenüber, die auf O. Antoines Bild »In der Höhe« einen Luft- ballon umgeben.

Die Erinnerung an die neuliche Meisterleistung in Dettmanns Kriegsbildern ist den Aquarellen und Blei- stiftzeichnungen (samt einem Ölgemälde), die K. Oenike vom westlichen Kriegsschauplatz aus Vigneulles usw. bringt, nicht günstig; sie sind sympathische, aber etwas einförmige und mehr nur reproduktive Darstellungen. Ein einzelnes kleines Aquarell von E. Lübbert »Der Mensch in Nöten lernt wieder beten!« fällt gut auf, stört aber doch wieder durch eine Forciertheit. Zwang- los und gefühlsreich ist die Ölstudie »Galizischer Bett- ler« von E. Wolfsfeld.

Die eigentliche Graphik ist diesmal wieder durch das Ungewöhnliche eines wirklichen Kupferstiches be- reichert^ durch L. Schnells »Simson und Delila«. Mag auch der vorliegende Probedruck noch kein ganz sicheres Urteil gestatten, und mag auch eine große, zu stets er- neutem Betrachten einladende Feinheit in der Einzel- durchführung beachtenswert sein : es scheint doch, daß die gegenwärtige Vorherrschaft der Radierung auch diesen Kupferstich an die Schwesterkunst so angenähert

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^ KUNSTLER, BEHERZIGET ES! ^

hat, daß der großlinige Zug, der sonst ebenso wie die Zart- heit der Striche die Grabstichelliunst auszeichnen kann, hier noch nicht wieder vollständig gefunden ist.

Unter den ausgestellten Radierungen widmen sich einige dem Thema des weiblichen Leides: »Frau im Schmerz« von Ilse Schütze-Schur und »Herzeloyde« von A.Stein. Nach Flüchenkunst strebt das »Helden- grab« von H. Gattiker, und nach figürlicher Kraft, doch mit hodlerartiger Force und wenig anziehendem Endeindruck, die >Beweinung'. von F. Fingesten.

Zu dem oben erwähnten Farbholzschnitt kommt noch ein anderer hübscher hinzu: M.Philip ps >Drei Gaukler«. Eine Steinzeichnung > Pappeln mit Mülile « stellt W. Schön aus, und Lotte Nicklass bringt mit dem Thema »Tanz- szene« eine geschnittene Silhouette (jetzt taucht für diese Technik der Name »Scherenschnitt« auf).

In der Plastik steht wieder ein Werk christlicher Kunst voran: der scharf charakterisierende und aus- drucksreiche »Johannes der Täufer« von A. Varnesi. Manches ist dem Kriegssturm und Kriegstod gewidmet: dem ersteren die große Bronzestatue eines stürmenden Trommlers,alsKriegerdenkmal für Zeitz vonW. S c h m a r j e geschaffen. Die Vollplastik eines Reiters »DeutscheWehn von A. Hußmann, kräftig wirkend durch gestraffte Haltung, das weniger kraftige hocliplastische Relief »Grabmal für einen Reiter« von R. Kübart und das Rundrelief »Grabdenkmal« vonM. Schauss sind tüch- tige Ausdruckswerke ohne künstliclies Pathos.

Bildnisbüsten erfreuen zum Teil abermals: eine in bronziertem Gips mit dem Namen »Großmutter« von V. Bour b o tt, zwei farblose von R. Boel tzig (Frauen- porträt) und von W. Palm (männhches Porträt); dazu eine Statuette (weibliches Porträt) in Holz von G. Schmidt- Cassel. Ein so recht und echt holzkünstlerisches Werk hat Meister A. Puch egger vorgefülirt: einen »Uliu , dessen markant breite Flächen mit ihrer Maserung das Tier ganz köstlich schildern. UndE. Gomanskvs Vogelbildnis »DerHerrGeheimrat« ist gleichfalls ein treffliches Humor- stück.

KÜNSTLER, BEHERZIGET ES!

Anläßlich der Besprechung einer Ausstellung schreibt Paul Westheim in der Frankfurter Zeitung (r6. April 191 5): »Will jemand be- deutende vaterländische Persönlichkeiten oder vaterländische Vorgänge darstellen, soll er mehr können als die andern. Wenn jemand Hindenburg malen will, wollen wir nicht gleich in eine selige Verzückung fallen, weil er gar .so patriotisch ist. Wir wollen ihn vielmehr fragen: Hindenburg? Du willst den Hinden- burg malen.' Holla, mein Junge, du bist nicht ängstlich! Was berechtigt dich zu einem so kühnen Unternehmen.' Wo sind die Leistun- gen, auf die du dich stützen kannst.^

Wir geben diesen gesunden Grundsatz wieder einerseits, weil er in einem Blatte stand, das andere Wege geht, als wir, anderseits, weil derselbe in noch viel höherem Maße für die religiöse Kunst gilt, als für die vaterländische. Will jemand Persönlichkeiten der heiligen Religion oder religiöse Vorgänge darstellen, soll er mehr können als die andern. Wenn jemand Christum malen will, oder die Gottes- mutter, wollen wir die Arbeit nicht schon um des Gegenstandes der Darstellung willen

gutheißen. Wir wollen ihn vielmehr fragen: Christus? Die heiligste Jungfrau? Da hast du dir die denkbar höchste Aufgabe gestellt. Was berechtigt dich zu einem so kühnen Unter- nehmen ? Würdest du Hindenburg malen, ohne den \'ersuch, dich in sein Wesen, seinen ge- waltigen Geist, seinen großen Charakter hineinzuleben? Und Christum, den Gottmen- schen, den Großen und Allerheiligen willst du malen, ohne Christum zu kennen, ohne dich in sein himmlisches Leben zu vertiefen, ohne dich in die Heilige Schrift und Glaubenslehre einzufühlen. Ihn willst du malen wie ein stupides altes Berufsmodell ? Du willst ihn malen, weil du einmal mit so etwas einiges Geld erwerben willst, aber ohne inneren Be- ruf. Du willst die Madonna malen und hast noch nie über den Englischen Gruß nachge- dacht, geschweige denn über die Laurenta- nische Litanei? Darum schrickst auch nicht da- vor zurück, an ihrer statt ein würdeloses Weib zu malen, dem du ganz zu unrecht den erhabe- nen Namen beilegst, welchen der Engel bei der Begrüßung mit heiliger Scheu aussprach. Du willst die Apostel malen, die voll des heiligen Geistes waren, die großen Heiligen, Helden der Gottes- und Nächstenliebe, und kümmerst dich nicht um ihre Taten noch darum, wie deren Wesen aus deinen Bildern spricht; du bringst es nicht über konventio- nelle Malstudien, weil dir Liebe und das heilige Feuer fehlt. Das ist nicht christliche Kunst, selbst wenn du das Handwerkliche der Male- rei noch so geschickt beherrschen würdest. Im christlichen Kunstwerk verhalten sich Tech- nik und Gestalt wie Leib und Seele: im ge- sunden Leib muß eine Seele und zwar eine gesunde Seele wohnen. Wem die Kraft oder der Wille zum Höchsten abgeht, der möge sich mit anderen Kunstzweigen begnügen. Vollen Anspruch auf das Vertrauen des gläubigen Volkes und seiner Sachwalter kann nur ein Künstler erwarten, dem es inwendig um das zu tun ist, was er darstellt. Es läßt sich nicht in Abrede stellen, daß die seit mehr als einem halben Jahrhundert vielfach zur Schau getragene Abwendung der Kunst von den christlichen Lebensgrundsätzen und die häufige Mißachtung des Klerus durch eine gewisse Kunst in letzterem eine wohlbegreif- liche Zurückhaltung vor jenen Künstlern, deren Gesinnung man nicht kannte, erzeugen mußte und daß auch diese Erscheinung mit Ursache war, wenn die Geistlichen lieber zu als religiös bekannten Unternehmern gingen. Möge die wieder aufgenommene Fühlung zwischen Klerus und Künstlerschaft nicht unlieb gestört werden ! s. st.uidh..mcr

Frid. L B. de A

Jesus dixit Nicodemo: Sicut Moyses exaltavit serpentem in deserto, ita exaltari oportet filium hominis

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JOSEPH FASSXACHT (MÜXCHEX)

Kunstausstellung 191S 'i^*' Seces^

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DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM, NORWEGEN

Von Josef Lappe, Porsgrund (Norwegen) (Hierzu die Abb. S. 33 41)

Templet saa I med de brustne buer

I det höie Kor. Endnu grä som gubben vidt det slcucr,

Taler mindets ord. Templets sprängte mur kan prägt ei däklie,

Knust er Olavs skrin. Ruinen seht ihr, seht gebrochene Bogen

In dem hohen Chor, Wie ein grauer Greis, und alte Psalmen

Ragend hoch empor, [raunend,

Hoch ob Land und Meer! Verrauscht!

[Verweht !

Zerbrochen Olavs güldner Schrein I

H. Ibsen.

Unter allen Bauwerken der weiten skandi- navischen Lande gebührt als dem historisch bedeutsamsten und architektonisch hervor- ragendsten dem Dome zu Drontheim die Palme. Norwegen, das im vorigen Jahre das hundert- jährige Jubiläum seiner politischen Wieder- geburt feierte, betrachtet seit fast einem Jahr- tausend ihn als sein köstlichstes Juwel, als sein hehres nationales Heiligtum'). »Des Landes Augapfel« hat man ihn bezeichnend genannt; denn wie man aus des Menschen Auge des Menschen Seele liest, so gibt die Kathedrale an den Ufern des Fjordes von Drontheim uns

') cfr. Norges Kirker i Middelalderen av riksantikvar Dr. Harry Fett, Cammermeyer, Kristiania. Vore Fädres Verk, Norges Kunst i middelalderen av Prof. Dr. Die- trichson, Gyldendal, Kristiania.

ein getreues Bild von des nordischen Volkes Seele, seiner politischen und kulturellen »Saga«, seiner Größe, seinem tiefen Fall und seiner Wiedergeburt zu neuer Freiheit und neuen Ehren. In der Jugendzeit des Königreichs Nor- wegen erbaut, verblieb des Domes Geschick mit dem des Landes aufs innigste verquickt. Dieser Umstand ist es, der mehr noch als des Bauwerks imponierende Dimensionen, mehr als die üppige Schönheit seiner unvergleich- lichen Klöppelarbeiten in Stein, mehr als die eindrucksvoll-wuchtigen und doch edlen Linien der romanischen Partien des Querschiftes, von des großen Eysteins Hand gezogen, mehr als die in ihrem Ruin noch entzückenden Reste der reichen Rosette der Westfassade dieser somit wesentlich historische Umstand ist es, der, wenn auch nicht allein, so doch in erster Linie die Liebe und Verehrung für die nörd- lichste Kathedrale der Welt in dem Herzen eines jeden Norwegers einen ehrenvollen Platz behaupten läßt. Der Dom von Drontheim ist eben die Geschichte Norwegens in Stein.

Am 29. Juli 1030 fiel der Held, der wie kein anderer sich um die Christianisierung Nor- wegens verdient gemacht hat, der hl. Olav, in der Schlacht bei Stiklestad, unweit Dront- heim. Mit dem Schwerte in der Hand hatte er seinen heidnischen Landsleuten die Religion

Die christliche Kunst. XII.

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DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM

des Kreuzes aufzwingen wollen. Doch die meisten von ihnen trotzten beharrlich seinen Bemühungen. Dann kam jener blutige Tag von Stiklestad. St. Olavs Tod söhnte selbst seine erbittertsten Feinde mit ihm und dem Christen- tume aus. Auf seine Fürbitte hin erfolgte Wunderzeichen umgaben seine Person mit der Gloriole des Heiligen und Olav Kyrre (1066

endgültige Stätte gefunden. An der Vigil des Festes des hl. Olav das Jahr ist nicht be- kannt, jedenfalls jedoch vor 1093 wurde die Kirche eingeweiht. Sie war, wie alle Bischofskirchen, der hl. Dreifaltigkeit geweiht. Doch nannte man sie, wie alle norwegischen Bischofskirchen, gemeiniglich Christuskirche, manchmal auch St. Olavskirche. Die -Kirche

DER llOM IN DRONTHEIM \ CR so |AHREN l'gl. AU. S.SS mid 36 oben. Text S.jsff

bis 1093) begann alsbald den Bau jener Kirche, die zugleich ein würdiges Mausoleum für den königlichen Blutzeugen werden sollte, den Christusdom im alten Nidaros (Drontheim). Eine der Hauptsorgen Olav Kyrres war die Einführung geordneter hierarchischer Verliält- nisse, wie auch die damit zusammenhängende Erbauung von Bischofskirchen. Zum Patron der im Jahre 1077 in Angriff genommenen Drontheimer Bischofskirche und zugleich zum Schutzpatron für das ganze Land erwählte Olav Kyrre den hl. Olav. Die Christuskirche in Nidaros war einschiffig mit traditioneller etwas niedrigerer und schmälerer Chorapsis am östlichen Ende des Kirchenschiffes. Ihre vor einigen Jahrzehnten aufgedeckten Grund- mauern laufen unter den Pfeilern her, die das Mittelschiff des jetzigen Langchores tragen. Sie war somit von verhältnismäßig ansehn- licher Größe. Der Hochaltar stand genau an der Stelle, wo im ersten Winter nach .St. Olavs Tod des Heiligen Leiche aufbewahrt worden war. Dort hatte nunmehr der Schrein mit den Gebeinen des könighchen Märtyrers eine

hatte kaum 80 Jahre gestanden, als die außer- ordentlich glücklich sich entwickelnden kirch-- liehen Verhältnisse und die Errichtung des Drontheimer Erzbistums einen Um- oder Neu- bau forderten. Die erste Hälfte des 12. Jahr- hunderts sah auch im übrigen Norwegen neue Kirchen, und zwar dreischiftige Basiliken, er- stehen; so z. B. die St. Halvardskirche, die Marienkirche und die Christuskirche in Bergen, die St. Svithunskirche in Stavanger und die Domkirche in Hamar. Als im Jahre 11 52 die Errichtung einer norwegisclien Kirchenprovinz beschlossen wurde, war es allen klar, daß die Stadt des hl. Olav der Sitz des Metropoliten und die Kirche des hl. Olav Metropolitankirche werden müsse. Eine Kirche, in deren Chor ein aus 24 Kanonikern bestehendes Domkapitel Platz fand und die eine entsprechende Anzahl von Altären aufwies, war jedoch Olav Kyrres Christuskirche nicht. Sie mußte somit ent- sprechend umgebaut werden.

Die Thronbesteigung des Königs Magnus Erlingssön (1164) inaugurierte eine politische Friedensepoche, die der Entwicklung der kirch-

e^ DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM e^

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liehen Verhältnisse im Lande, beson- ders auch den Arbeiten an der Dront- heimer Kathedralkirche sehr zustatten kam. Der erste norwegische Erz- bischof Reidar starb allerdings bereits auf dem Heimwege von Rom, wo er sich das Pallium geholt. Ob sein Nachfolger Jon, früher Bischof von Stavanger, die Bauarbeiten überhaupt in Angriff" nahm, steht dahin. Sicher jedoch ist. daß der eigentliche Um- resp. Neubau der Kathedrale von Drontheim das große und unsterb- liche Verdienst des in jeder Hinsicht außerordentlich her%-orragenden Erz- bischofs Eystein Erlandsön ist (1157 bis 1188). In jenen Zeiten des Schis- mas schloß Eystein sich dem recht- mäßigen Papste Alexander III. an, und erhielt aus seinen Händen das Pal- lium. Die Ungunst der Zeiten brachte es mit sich, daß Eystein erst im Jahre 1161, also nach dreijähriger Abwesen- heit, im Besitze des Palliums in sein Erzbistum im hohen Norden zurück- kehren konnte. Man geht kaum fehl in der Annahme, daß er auf seiner Reise nach und von Rom, die ihn durch Deutschland und Italien führte, mit größtem Interesse die Kirchen- bauten studiert hat, die jene Zeit ent- nc stehen sah; so z. B. den eben (1145) vollendeten Dom in Lund (Schwe- den), die Kirchen von Viborg (11 3 3) und Ribe (11 34) in Dänemark, Groß St. Martin in Köln (1141), die Abteikirche Maria Laach (11 56), den Dom von Speyer (1137) und die Dom- kirchen in Mainz und Worms; in Norditalien St. Zeno in Verona (1238), den Dom zu Pisa (1150) und San Michele in Pavia (1147). Professor Dr. Dietrichsons Annahme, daß er auch Frankreich bereist und dort mit der er- wachenden Gotik bekannt geworden sei, er- scheint mir sehr schlecht begründet. Sollte Eystein, von Avignon kommend, wirklich die frühgotischen Kirchen und Kathedralen in Clermont-Ferrand, Sens und St. Denis gesehen haben, so bleibt es unverständlich, daß es erst der etwa 20 Jahre später stattfindenden In- augenscheinnahme der Kathedrale von Canter- bury, deren Gotik doch aus Sens in Frankreich nach dort importiert worden war, bedurfte, um Eystein zu dem enragierten Förderer der Gotik zu machen, als der er sich später er- wiesen hat. Vielleicht hat weder Alexander III. noch auch Eystein Avignon je gesehen. Dietrichson scheint übrigens allen Ernstes das Schisma zur Zeit Friedrich Barbarossas mit dem

zu DRONTHEIM. OKTOGOX, LANGCHOR, VIERUNG UND QUERSCHIi-F. SEIT iwo VOLLENDET

großen abendländischen Schisma zu identifi- zieren und auf diese Annahme seine Hypothese zu bauen.

In den sechziger Jahren des 12. Jahrhunderts setzte die eigentliche Bautätigkeit an derDront- heimer Kathedrale ein. Olav Kyrres Kirche sollte, mit zwei schmalen Seitenschiffen ver- sehen, erhalten bleiben und das Chor der erweiterten Kathedralkirche abgeben, der west- liche (Fassaden-) Giebel sollte fallen und an seine Stelle ein romanisches Querschiff sich erheben, an dessen Westseite sich ein drei- schiffiges Langhaus, ebenfalls im romanischen Stile, anschlielkn sollte. Das erwähnte Quer- schiff erhielt eine (innere) Länge von 148' und eine Breite von 44' und an beiden Querarmen je eine nach Osten hin gelegene, unter präch- tigem anglonormannischem Rundbogen zum Querschiffinnern hin sich öffnende viereckige Kapelle. Die vier mächtigen Hauptpfeiler der Vierung weisen dieselbe Entfernung vonein- ander auf wie die Grundmauern der Längs- wände der Olav Kyrreschen Kirche. Jedes der vier Querschiffenden ward von einem schlanken Türmchen überbaut. Das eigentliche Längs-

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schiff der nach Westen hin zu erweiternden Kirche sollte dreischiftig und etwa loo Fuß lang werden. Wie das Querschiff, so sollte auch das zu erweiternde Längsschiff drei Etagen aufweisen: Arkaden, Triforium und Kleresto- rium und, wie das Querschiff, einen Umgang in der Triforienhöhe. Eystein leitete selbst die Bauarbeit und im Laufe von 1 8 Jahren reifte seine herrliche Idee verhältnismäßig rasch ihrer Verwirklichung und das Werk seiner Vollen-

dung entgegen. Um seinem Sohn Magnus Erlingsön den norwegischen Königsthron zu sichern, bedurfte Erling Skakke der Hilfe der geistlichen Gewalt, die er sich wahrscheinlich durch reiche Beiträge für den Bau der Dront- heimer Kathedrale zu sichern gesucht haben wird. Im Jahre 1178 stockten plötzlich die Arbeiten. Sverre Sigurdsön hatte, jung und ohne alleGefolgschaft, im Jahre 1 1 74 den Boden Norwegens betreten. Mit zwei leeren, aber

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KS DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM

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DOM 7V DROXTHEIM. AUS DHM SEIIENSCHIFl K DES LANGCHORKS

Starken Händen wollte er sich das Reich, in dem einst seine Väter geherrscht, zurückerobern, allen Gewalten zum Trotz. 1177 begann er seinen Kampf, 1 184 war er anerkannter Allein- herrscher im weiten Lande. Eystein hatte vor ihm flüchten müssen und zwar, wie eine in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in einer englischen Bibliothek aufgefundene Hand- schrift dartut, nach England, wo er im Bene-

DOM ZC DRONTHEIM. AUS DEM HOCHCHOR Tfxt S. 3S. Vgl. Alb. S. jS

diktinerkloster Bury St. Edmunds, in dessen Kirche des englischen Königs und Märtyrers Edmunds hl. Leib ruhte, gastliche Aufnahme fand. Nicht weit von St. Edmunds lag Canter- bury, wo 1 5 Jahre zuvor Erzbischof Thomas Becker von der Hand allzu königlich gesinnter Adeliger in seiner Kirche meuchlings ermordet worden war. Vier Jahre darnach brannte die Kirche ab, und nunmehr sah Eystein das erste

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^ DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM ^

DOM ZU nROXTHEIM. I .\\i,' I (HOCHCHOR

gotische Gotteshaus auf enghschem Boden über dem Grabe seines ehemaligen Amtsbruders erstehen und sich vollenden. Die Bauarbeiten leitete Guillaume de Sens, der Erbauer der Kathedrale von Sens. Hier, unter den hohen Bogen des Münsters von Canterbury, zwischen himmelanstrebenden Pillaren hat sich Eystein für die Gotik begeistert; und als ihm die Um- stände die Rückkehr nach Drontheim ermög- lichten , da hielt mit ihm die Gotik ihren Einzug in Norwegen. Dies geschah im Jahre 1183, kaum dreißig Jahre nach Vollendung der ersten gotischen Kirche in Frankreich, und nur neun Jahre nach ihrer Überführung aus Frankreich nach England.

Mit neuem Mute und neuen Ideen bereichert setzte Eystein die Verwirklichung seiner Lieb- lingsidee fort. Doch schon am 26. Januar 1 188 ereilte ihn der Tod. In der Sakristei des Domes wurde er beigesetzt. Seit dem Jahre seiner Kanonisierung (i 229) befanden sich seine sterb- hchen Überreste in einem Schreine über einem der Altäre der Domkirche. Im Jahre 1537 wanderte der Schrein in die Kgl. Münze nach Kopenhagen.

Die erste Arbeit, die Eystein nach seiner Rückkehr aus England in Angriff" hatte nehmen

lassen, war die Erbauung des unvergleich- lichen Oktogons über dem Schreine des hl.01av(Abb.S. 37). Es dürfte wenige go- tische Kirchen geben, deren Chorabschluß so rein und reich ist, wie der des Domes zu Drontheim. Das Oktogon ist seine schönste architektonische Zier und zu- gleich die herrlichste architektonische Arbeit in allen nördlichen Ländern. In- wieweit jedoch seine jetzige Fassung den Ideen Eysteins entspricht, dürfte kaum mehr festzustellen sein. Wahrschein- lich hat Eystein noch die Vollendung des Querschiffes geschaut (Abb. S. 39). Obgleich die Bauarbeiten im ersten Jahrzehnt nach Eysteins Tod nur lang- sam vonstatten gingen, so steht doch fest, daß vor 1230 die Erweiterung der Olav Kyrreschen Kirche in ein drei- schiffiges Langchor beendigt war. Gleich- zeitig war man mit dem Ausbau des längst begonnenen und für die anglo- normannischen Kirchen charakteristi- schen Hauptturmes über der Vierung beschäftigt.. Das Innere desselben zierte ein prächtiges gotisches Triforium und darüber in einer Höhe von 100' das Klerestorium, an das sich der Turm- helm anschloß.

Was jedem Beschauer des Domes auf- fallen mußte, war die verschwenderische Fülle feinster Details, eine Menge prächtiger Charakterköpfe und stilisierter Blumen an allen Ecken und Enden. Das Material, das bei der Erbauung des Domes zur Verwendung kam, war bläulich-grauer Kleberstein, der sich außer- ordentlich leicht bearbeiten ließ und überdies sehr haltbar war.

Des Domes östliche Hälfte Hochchor, Langchor und Querschiif standen in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts voll- endet da. Doch von dem im romanischen Stile begonnenen westlichenTeile, dem eigent- lichen Schiffe, standen wenig mehr als die Grundmauern. Man entschloß sich zur Weiter- führung des alten Torso im Sinne der Gotik. Im Jahre 1248, also in demselben Jahre, in dem im heiligen Köln der Grundstein zum herrlichsten deutschen Dome gelegt wurde, legte man dort, wo die Wogen des Atlanti- schen Ozeans in die des Nördlichen Eismeeres übergehen, im heiligen Nidaros, den Grund- stein zum Schiffe der norwegischen Metro- politankirche (Abb. S. 37).

Das Langhaus, dessen Erbauung und Voll- lendung in die Zeit des Erzbischofs Sigurd fällt, stand an Pracht und Reichtum den übrigen Teilen des Gotteshauses nicht nach. Zu An-

^ DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM ^^^

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fang des 14. Jahrhunderts fand die feier- liche Einweihung der fertigen Katiie- drale statt. Wie jetzt allsoninierlich ein internationales Touristenpublikum die Täler von Norwegen durchzieht, so durchzogen in alter Zeit allsomnierlich Pilger aus aller Herren Länder die nur- wegischen Lande und die Waldtäler hall- ten wider von frommen Walllahrtsge- sängen. Und mit größter Feierlichkeit und Pracht wurde alljährlich des hl. Olavs Fest Ende Juli im alten Nidaros gefeiert. Im Triumphzuge trug man den goldenen Schrein mit den Gebeinen des Heiligen zum Klange der Glocken und zu den Tönen der (unlängst aufgefundenen) herrlichen Olavssequenz durch die Stra- ßen der Stadt:

Lux illuxit laetabunda Lux illustris, lux jocunda, Lux digna preconio. In solempne gaudium Prorumpat fidelium Cincera devotio.

Gloriosus hodie Christi martir glorie

Subliniatus solio. Pro eternis brevia commutavit gaudia

Felici comniercio.

Insignis martiris insignis gloria

Dulcis est gaudii dulcis materia. Insiste canticis mater ecclesia Celesti jubilo tange celestia.

Und füllen wir die Kirche mit Bildern und Altären, mit betenden Scharen, mit wallenden Prozessionsfahnen, mit Chorgesang und Orgel- klang und weißen Weihrauchwolken unter hohen Gewölbebogen, und dem Glänze von tausend Lichtern, so haben wir ein Bild, das durch ein festhches Interieur von Notre Dame in Paris oder der Westminsterabteikirche in London kaum überboten würde.

Die Gesamtlänge der Kirche belief sich auf 103 m. Der hohe Helm überragte um ein be- deutendes die übrigen Teile der Kirche. Wenig- stens 25 Altäre wies das Innere auf, nebst kostbaren Malereien und reichen Plastiken. Von den Gemälden und den prächtigen bunten Kirchenfenstern ist leider jede Spur verschwun- den.

Wie die Westfassade ausgesehen hat, ist außerordentlich schwer zu sagen. Sie ist nur bis zur Triforienhöhe erhalten. Ein Kupfer- stich aus dem Jahre 1661 zeigt über dem Haupt- portale das Bild des Gekreuzigten zwischen Mariaundjohannes. In den zahlreichenNischen standen die Bilder der Apostel und anderer Heiliger, wovon nur noch zwei erhalten sind. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts (der Zeit der Hansa) wurde der bis dahin für die

DUM ZU DROXTHEIM. AIS DEM QUERSCHIFF

Arbeiten am Dome maßgebende englische Ein- fluß durch deutschen abgelöst, der jedoch bereits nach einigen Dezennien französischen Ein- flüssen weichen mußte. Daß französische Gotik der Westtassade in dominierender Weise ihr Gepräge gegeben haben dürfte, hat Dietrichson, wie mir scheint, überzeugend dargetan.

Bis zum Jahre 1537 befand sich der gol- dene Schrein mit den Gebeinen des hl. Olav über dem Hochaltare des Drontheimer Domes. Im genannten Jahre wurde er von den däni- schen Machthabern, die im Lande die Lehre Luthers eingeführt, nach Kopenhagen ge- bracht und dort geplündert und ein geschmolzen. 1570 führten Schweden die sterblichen Über- reste des Heiligen nach Drontheim zurück, wo er im Dome wieder beigesetzt wurde. Als man jedoch begann, ihn wieder zu ver- ehren wie in alter Zeit, veranlaßten die luthe- rischen Behörden die endgültige Entfernung der Reliquien des Heiligen, und niemand weiß, wo sie sich nunmehr linden.

Mit dem im 15. Jahrhundert einsetzenden und im 16. Jahrhundert sich vollendenden Verfall des norwegischen Reiches ging der Verfall der Kathedrale Hand in Hand. Die Restaurierungsarbeiten, die der Brand des

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DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM ©^

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KAHITEI-LE AUS DEM HOCHCHOK DES DOMES ZU DRONTHEIM

Gotteshauses im Jahre 1328 nötig gemacht hatte, wurden jäh durch den Schwarzen Tod abgebrochen. 1432 brannte die Kirche zum zweiten Male und 1531 zum dritten Male. Das früher katholische und politisch unab- hängige Norwegen hatte inzwischen seinen alten Glauben und seine Autonomie eingebüßt und der herrliche Dom in Drontheini sank in Schutt und Asche. Endlich brach im Jahre 1 814 jener lichte Maitag an, der dem Lande eine neue und freie \'erfassung brachte und Norwegen wie ein Phönix aus der Asche zu neuem Leben er- stehen sah. Zu den ersten, die für den Wiederaufbau des Domes von Dront- heim ihr gewichtiges Wort in die Wagschale legten, gehören der damals in Dresden an- sässige hervorragende Maler Professor Dahl und der Dichter Hen- rik Wergeland, der in vielbeachteten Versen als eines der Ziele, das sich des neuen Nor- wegens neues Stor- thing (Parlament) ge- setzt, die Wiederer- bauung der Haakons- halle in Bergen und der St. Olavskirche in Drontheim bezeich- nete:

>HaakonsHalog01avsKirke Reise vilde de av sinis.«

SKILPTUR AX DER WESTLICHEK LANGS-(HAUPTSCHIFF-) WAND DES DO.MES ZU DROKTHEIM

Björnstjerne Björnson plädierte sogar für die Rückgabe des Gotteshauses, das Katholiken seine Entstehung verdanke, an die Katholiken des Landes.

Seit 1872 liegen die Restaurierungsarbeiten in bewährten Händen und schon stehen Hoch- chor (Oktogon), Langchor, Querschiff, Vie- rungsturm und Sakristei wieder da in alter Pracht. Christie und Nordhagen sind die Namen jener norwegischen Architekten, die sich um den Wieder- aufbau, für den auch der Deutsche Kaiser durch einen jährlichen Beitrag von 1000 Mark sein Interesse bekun- det, in besonderer Weise verdient ge- macht haben.

Auf der am 15. Mai vorigen Jahres in der norwegischen Haupt- und Residenzstadt Kri- stiania eröffneten Ju- biläumsausstellung 1814 19 14) fand sich in einer beson- deren Abteilung der Kunsthalle eine Reihe von interessanten und auf die Drontheimer Kathedrale bezüg- lichen Zeichnungen, Piiotographien und Dokumente, u. a. auch ein großes Modell, das den St. Olavsdom pla- stisch darstellt, wie er sich nach einigen Jah- ren vollendet präsen-

DER CllRISTUSDOM ZU DRONTHEIM ^:s

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DOM ZU DKON'THEIM. KIXCANG ZUM HDCIH.IIOR

DOM /U ÜKn\llli:iM. KAI'Ul II

tieren wird zum Stolze der norwegisclien Nation und zur Freude eines von Jahr zu Jahr sich mehrenden internationalen Publikums, das auf seinen Reisen in das »Traumland des Nordens«, in das »Mitter-

nachtssonnenland« die alte norwegische Me- tropole und ihren und des Landes schön- stes Juwel, den Christus- oder Olavsdom zu schauen und zu bewundern Gelegenheit ha- ben wird.

KAPIIKI.l, AI s Kl \1 IU)i IICIIOK DES DOMIib zu DRONTHEIM

nie christliche Kunst. XII.

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WETTBEWERB PUR EINE MONSTRANZ ^

ALTAR DER KIRCHE DER VEREINIGTEN HOSPITIEN IN TRIEK, WELCHEN DIE ENTWCRFE S. 45-56 GEDACHT WAREN

WETTBEWERB FÜR EINE MONSTRANZ

(Hierzu die Abb. S. 42 56)

Kurze Zeit nach der an dieser Stelle bereits besprochenen Ausstellung der Wettbe- werbentwürfe für Kriegervereinstahnen zeigte die Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst die Ergebnisse eines von ihr ausgeschriebenen Wettbewerbes, bei dem es galt, Entwürfe für eine Monstranz zu erlangen. Sie wird von der Hospitienverwaltung Trier für den Taber- nakel des Hochaltares ihrer Kirche gewünscht. Dieser ist ein in reichem und elegantem Ba- rockstil ausgeführtes Werk. Der Tabernakel ist verhältnismäßig einfach gehalten, die 1,05 m hohe und 0,51 m breite Nische des Exposi- tionsthrones ist mit reicher Verzierung ein- gewölbt, ihre glatte Wandung durch schmale Stäbe in vertikaler und horizontaler Richtung in schlichte Rechtecksfelder zerlegt, so daß der Hintergrund die Formen des Sanktissimums nicht stört. Die rechts und links angrenzenden

Partien des Altaraufsatzes sind dafür um so schmuckvoller ausgeführt. Es wurde gewünscht, daß die neue Mon- stranz, für deren Ausführung 1900 Mark zur Verfügung stehen, zu dem ' Altare und zu der Kirche passen solle (Abb. nebenan), doch war keine stilisti- sche Abhängigkeit vorgeschrieben, vielmehr auch dem modernen Formen- empfinden Freiheit gelassen. So ist man unzweifelhaft auf dem rechten Wege, demselben, auf dem auch die Kunst der Vorzeit emporgestiegen ist und sich weiter hat entwickeln kön- nen. Nicht die Äußerlichkeit der Form macht das Kunstwerk, sondern die Echtheit der Empfindung und der künstlerische Geist, welcher sich selbst die passende und richtige Ausdrucks- form schafft. Diese aber harmoniert, eben weil sie Kunst ist, auch mit anderer Kunst und anderem äußerem Stil.

Zur Verteilung von Preisen wur- den im ganzen 760 Mark verwandt. Zur Teilnahme an dem Wettbewerbe gelangten 53 Entwürfe. Von ihnen wurden sieben mit Geldpreisen, fünf mit Anerkennungen bedacht. So war auch diesmal wieder ein befriedigen- des Ergebnis festzustellen, bei dem noch wesentlich in Betracht kam, FLiR daß sich auch unter den nicht preis-

gekrönten Entwürfen eine Anzahl recht tüchtiger Leistungen befand; Arbeiten, die ihrer äußeren Form oder ihrem geistigen Gehalte nach als gänzlich verfehlt zu bezeichnen wären, kamen überhaupt nicht vor. Bemerkenswert war nicht allein die Be- reitwilligkeit, mit welcher die der Deutschen Gesellschaft angehörigen Künstler auf die ge- botene Anregung eingegangen waren, sondern besonders auch die starke Selbständigkeit, mit der sie sich der Lösung der Aufgabe angenom- men hatten. Der Geist des Barock, die in dessen Denkmälern glühende religiöse Empfindung ist es, welche diese jetzigen Werke durch- dringt. Von den Motiven der alten künst- lerischen Ausgestaltung war so viel verwandt, als zum Ausdrucke jener Gefühle, die sich im Empfinden des modernen Menschen difieren- zieren, notwendig ist. Im übrigen herrschte volle Unabhängigkeit, das Zeichen innerlicher Kraft; Werke rein imitatorischer Gestalt waren nur vereinzelt eingereicht worden. So war also auch dieser Wettbewerb ein Beweis dafür, daß die neueste christliche Kunst in einer lebendigen Entwicklung begriffen ist, die bei

WETTBEWERB FÜR EINE MONSTRANZ ^S3

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richtiger Anregung Leitung und För- derung weiter Gutes verheißt. Wenn sich die darauf gegründeten Hoft'nun- gen nicht erfüllen würden, so läge dies, wie deutlich zu sehen, nicht daran, daß es unseren Künstlern an Talent und Geistesfrische fehlte, son- dern daß ihrem Streben seitens der Besteller und Auftraggeber nicht das nötige Verständnis entgegengebracht würde. Gerade von ihnen muß erhofft werden, daß sie allmählich ihre Zu- rückhaltung gegenüber den Schöp- fungen der wirklichen, d. h. der lebendigen , nichtnachahmerischen Kunst ablegen, Vertrauen zu ihr fassen und so in ein Freundschaftsverhältnis zu ihr treten, welches nach allen Richtungen nur förderlich sein kann. Rechte Pflege der kirchlichen Kunst gehört auch mit zur Seelsorge, und zwar zu ihren sehr wichtigen und kräftigen Mitteln.

Wir überblicken kurz die mit Prei- sen und Anerkennungen ausgezeich- neten Entwürfe. An erster Stelle (200 Mark) steht der Bildhauer F. Ho- ser in München mit dem Projekt »Entzünde mein Herz«. Seine ovale, oben zugespitzte Monstranz ist für die Ausführung in Gold mit Silber und Email gedacht. Neben der von silbernem Gewölk umgebenen Glas- kapsel knien zwei Engel, darüber sieht man Gottvater mit der Weltkugel und die Taube; diese Mittelgruppe ist von blauen Trauben und silbernem Wein- laub umgeben, das ganze Gebilde er- scheint von Strahlen umleuchtet und eingefaßt. 100 Mark erhielt der Bild- hauer W. S. Resch in München für den Entwurf ;• Abendmahl«. Das höchst selbständig empfundene Werk zeigt über dem Fuße die in kräftigem breitem Relief ausgeführte Gruppe des Heilandes zwischen den zwölf Aposteln. Darüber schwebt die Kap- sel mit der Lunula, umgeben von einem zierlichen Kranze roter und grüner Steinchen. Leicht gezeichnete Strahlen um- geben diesen Mittelteil , sie werden von einem schmalen Ornamentstreifen durchzo- gen und zusammengehalten. Unterhalb der Figurengruppe hängen zwei aus Edelsteinen hergestellte Zierate. Einen weiteren 100 Mark- preis gewann der Architekt M. Simon in München für den Entwurf » Evangelisten ;<. Der Name erklärt sich aus der unter dem

ENTWURF VON BILDHAUER FRANZ HOSER (MÜNCHEN) Prtis von !oo Mark. Text nebtnan

Mittelteil angebrachten Gruppe der vier hei- ligen Männer, die in Verehrung zu dem Corpus Christi emporschauen. Der Mittelteil ist von prächtigen, abwechselnd glatten und ornamentierten Strahlen umgeben. Ein zarter Ornamentenkranzbildet die äußere Begrenzung des Ganzen. Ein Preis von 90 Mark wurde dem Architekten Michael Kurz in Augs- burg-Göggingen für das Projekt »Osten- sorium« zugebilligt. Das mit großer stilisti-

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^ WETTBEWERB FÜR EINE MONSTRANZ ^^

M01)I:M, VOX RII-DH. \V. S. RESCH (MLNCHKNI Ein Pr,-is vnn luv Mark. Text S. 43

EXTWURF VOK ARCHITEKT M. SIMON' (MÜNCHEN) Em Preis von loo Mark. Text S. 43

scher Unabhängigkeit entworfene Werl: zeigt über einem mit grünen Steinen besetzten nied- rigen Fuße eine nach oben breiter werdende, glatte elfenbeinerne Säule. Der Hauptteil der Monstranz ist zusammengesetzt aus einander durchschneidenden Halbkreisen, die mit Perlen eingefaßt, mit palniblattartigen Blättern aus- gefüllt und mit je einem grünen Stein ge- ziert sind. Der ovale Mittelteil zeigt eben- solchen Schmuck. Die Lunula ist zart orna- mentiert. Das Ganze endigt oben in der Form des Kielbogens und ist mit einem sehr klaren Geflecht dünner Metallfäden eingefaßt, zwi- schen denen Strahlen hervorbrechen, die aus Perlen zusammengesetzt sind. Die Bekrönung bildet ein grünes Kreuz. Ein 90 Markpreis wurde ferner dem Münchener Architekten J. Schmautz für »Rosenkranz« zuteil. Die sehr lebhaft und farbenprächtig wirkende Monstranz besitzt einen ganz mit Rosenlaub

überzogenen Fuß, aus dem der Knauf sanft hervortritt. Der obere ovale Teil erscheint als ein großes goldenes Rosengeranke mit darin blühenden silbernen Heckenrosen und dazwischen verteilten sechs Emailbildern. Sie stellen vor den heiligen Rochus, den Olberg, die Geißelung, die Dornenkrönung, die Kreuz- tragung, die Kreuzigung. Oben thront Gott- vater in ganzer Figur; die Bekrönung bildet ein in drei Rosen endendes Kreuz. Die ovale Mitte ist mit bunten Steinen eingefaßt, mit solchen auch die auf einem Rosenästchen an- gebrachte Lunula besetzt. Das Ganze ist poe- tisch gedacht, wirkt aber für mein Empfinden etwas überreich. Einen gleichen Preis gewann F. Hoser für »Gast der Seele«. Der Entwurf zeigt ein Gebilde aus Gold mit blauer und grüner Email. Über dem kräftig entwickelten Fuße steigt eine aus Stäben gebildete Säule auf. Die Mitte ist herzförmig, von einem

^aä GEDANKEN ZUM MUNCHENER WALDFRIEDHOFE

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emaillierten Kranze umgeben, darüber schwebt die Taube. Die Einfassung zeigt blaue Trau- ben mit silbernen Blättern, ganz oben ragt das Kreuz mit blauer Email und goldenen Strahlen. Endlich erhielt einen Preis des glei- chen Betrages der Architekt A. Bach mann in München Motto »Original«. In Wirk- lichkeit unterscheidet sich dieser Entwurf von allen übrigen durch die Art seiner Zeichnung. Sie geht auf ein architektonisches Gebilde aus, verwandt jenen altitalienischen fünfteiligen Altargemälden, welche man Ancona nennt. In der Mitte sieht man die Kapsel mit der Lunula und zwei kindlichen Engeln, in den je zwei Seitenteilen rechts und links davon die ganzen Figuren der vier Evangelisten. Oben erscheint der Ecce homo in halber Figur ; kleine Engel dienen zur Belebung, das ganze endigt in einer Krone. Anerkennungen er- hielten F. Hoser (»Mein Leib«), Bildhauer H. Angermaier in München (»Juli 1915«), der Goldschmied Konstantin Schwarz- mann in Trier (»Die gute alte Zeit 1915«), W. S. Resch (»Leib des Herrn«), der Maler Leonhard Thoma in München (»Drei- faltigkeit«). Mit Rücksicht auf den Raum müssen wir uns das nähere Eingehen aut diese in vielen Beziehungen interessanten Ent- würfe versagen. Dücrintr

GEDANKEN ZUM MÜNCHENER WALDFRIEDHOFE

Von Dr. TH. J. SCHERG, Freising

Seit der Waldfriedhof in München besteht, wurde er von dem Schreiber dieser Zeilen fast alljährlich mehrere Male besucht. Es ist etwas überaus Erquickendes, die Herrlichkeit dieser Anlage zu den verschiedenen Jahres- zeiten auf Auge und Herz wirken zu lassen und dabei das Wechselnde mit dem Be- harrenden zu vergleichen. Da wechselt die bunte Blumenpracht des Sommers mit der weichen, in der Farbe einheitlichen, doch in den Bildungen vielgestaltigen Schneedecke des Winters. Dem vogel- und sangesbeleb- ten Frühling stellt sich der stille Herbst, dem strahlend aufkeimenden Vorfrühlinge der im Goldglanze entschlummernde Spätherbst gegenüber. Aus all dem Wechsel erheben sich wie die Grundmauern und das Dach eines herrlich ausgestatteten und reich be- stellten Gebäudes als gleichbleibende und dauernde Elemente die Kunstwerke der Grab- denkmäler und die Naturkinder des immer- grünen Nadelwaldes.

Während jedoch der Wechsel der Jahres-

ENTWURF VON ARCHITEKT MICHAEL KURZ (GÖGGINGEN

BEI AUGSBURG)

Ein Preis von qo Mark. Text S. 43

Zeiten nur ein vorübergehender ist und kein vergangener Frühling seinem nächstjährigen Nachfolger das Platzrecht streitig macht, be- steht zwischen der Waldnatur und den Kunst- erzeugnissen ein stiller, aber steter Kampf, der, wenn er, wie in den verstrichenen acht Jahren, weitergeht, in Bälde zur Folge haben wird, daß der Wa Idfriedhof sich in einen Kunstpark verwandeln wird und zuletzt bei der Steife des Ziergartens anlangt, zu der andere Friedhofsanlagen, z. B. der Münchener Ostfriedhof, aus einstigen Acker- feldern heraus sich erhoben haben').

Wer zum ersten Male vom Waldfried- hofe hörte, der dachte sich, wie gewiß auch seine Gründer, als hervorstechendstes, aber

') Was hier zum Münchener Waldfriedhofe bemerlct ist, besitzt grundsatzhclie Bedeutung für alle Friedhöfe und wurde deshalb in diese Zeitschrift übernommen. D. Red.

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^9 GEDANKEN ZUM MÜNCHENER WALDFRIEDHOFE ^^

ENTWURF VON' RILDHAÜER I RA\/ HOSER (MCXCHEN) Ein Preis von qo Mark. Text S. 44

KNTWURF VO\ AUCH A\TO\ HACIIMAXN' (MUNXIIEN) Ein Preis von go Mark. Text S. 44

auch bleibendes Merkmal den Wald, und zwar den Wald in deutscher, bayerischer, Münchener Erscheinungsform, der den ganzen Friedhof zu beherrschen und dem alles zu ihm Hineingebrachte sich unterzuordnen habe: Gräber, Grabschmuck und Grabdenkmäler.

Man sah im Geiste die Grabhügel sich an die Bäume schmiegen, als hauptsächlichen Grabschmuck den Baum selbst oder höch- stens andere bodenständige Kinder des Wal- des und das Grabdenkmal in Größe und Form nur so weit hervortreten, als zur Fest- haltung der Personalien des Entschlummerten notwendig erscheinen möchte.

Anfangs war es auch so; doch schon nach kurzer Zeit änderte sich vieles, teils aus un- abweislichen Gründen, teils jedoch auch aus Umständen, die vermieden werden könnten.

Unvermeidlich wird es sein, daß Flächen für Gräbergruppen zur Verfügung gestellt

werden, wie dies auch unter möglichster Kleinhaltung dieser Flächen geschah mit dem Bemühen, sie in das Waldganze wie natür- liche Lichtungen einzubauen. Diese Not- wendigkeit ergibt sich aus dem praktischen Bedürfnis, eine starke Belegungsmöglichkeit') zu scharten.

Unabstellbar ist auch der Unterschied der Denkmäler hinsichtlich ihres Kunstwertes und vor allem ihrer Herstellungskosten. Eigent- lich widerspricht der soziale Unterschied dem Gedanken des Waldfriedhofes; denn der Wald ändert seine Erscheinung nicht, ob ein

') Der Gedanke, die Belegungsmöglichkcit etwa durch die Feuerbestattung zu erhöhen, scheidet aus, da er- fahrungsgemäß die Grabdenkmäler und Bestattungs- tlächen der Kingcäscherten einen nicht minder großen Raum beanspruchen wie die Gräber der in der Erde Ruhenden. Die Anlage von Kolumbarien oder Urnen- häusern würde aber gerade der Idee eines WaldlVied- liofes völlig widerstreiten.

GEDANKEN ZUM MÜNCHEN ER WALDFRIEDHOFE 'S3i

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ENTWURF VON ARCIL J, bCHMAUTZ (MÜN'CHEN) Ein Preis von Qo Mark. Text S. 44

ENTWLKI VON' BILDH. PKANZ HOSEK (MÜNCHEN)

Reicher oder ein Armer ihn betritt, ob der Ministersohn oder der Sohn des Taglöhners bei den Argonnenkämpfen unter den Wald- bäumen den Heldentod erleidet und das An- recht auf das Heldengrab erwirbt. So oder doch ähnlich sollte es auch im Waldfried- hofe sein. Doch wer die Menschheit und ihre Geschichte kennt, wird sich vor gewalttätiger Gleichmacherei hüten, zumal gerade diese einen Todesstoß für die Kunst bedeuten würde, gleichviel, ob sie am Prunkgrabmal des Millionärs oder am Marterlkreuz des Ar- beiters in ihrer Eigenart sich entfalten will. Indes ist es nicht zu übersehen, daß der soziale Unterschied im Waldfriedhofe mehr hervorzutreten beginnt, als es am Anlange der Fall war. Wie in den einzelnen Be- zirken desselben Vorschriften über die Größe und damit im allgemeinen auch über die Erscheinungsform und den Preis der Grab-

mäler bestehen, so dürfte auch der Wunsch nach einer nicht allzu weit gesteckten Höchst- grenze des Flächenmaßes der Ruhestätten wie der auf ihnen sich erhebenden Denk- mäler nicht als ganz unberechtigt erscheinen-

Gewiß ist es angemessen, daß die breitert Hauptwege größeren Grabanlagen vorbehalten werden, schon damit aus künstlerischen Grün- den Straße und Grab mit Denkmal sich das Gleichgewicht halten. Auch wirkt es wie ein Halt- und Grundpunkt, wenn da und dort in künstlerischer Verstreuung ein größeres Grabmal sich aus dem Geäste der Bäume erhebt.

Es bleibt jedoch zur Erwägung offen, ob der Grabfläche und der Denkmalsgröße solche Verhältnisse eingeräumt werden müssen, wie dies beispielsweise bei Paul Heyse und bei der Familie Bürkel geschehen ist. Die beiden erwähnten Grabmäler zeigen neben ihrer Aus-

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©^ GEDANKEN ZUM MUNCHENER WALDFRIEDHOFE ^

>\ l;ll IUI. IIA\S AXGKRMAIR (MLNCHEN) Atter kennung

KMW Ul;l VOK GOLI)SCHMIKI)CÜN'srA\ri\- SCHWARZ- MANN (TRIliR). Anrrktnnung

dehnung noch eine andere Eigenart, die bei der Ausdenkung und Anlegung des Wald- friedhofes wohl nicht beabsichtigt war. Sie sind niinilich für den Holzapfelkreuther Wald

und dieser ist nun einmal der Rahmen und der Boden des Münchener Waldfriedhofes

in keiner Weise bodenständig. Man ist vor ihnen veranlaßt, sich viel eher in einem griechischen Palmenhaine oder auf einer afrikanischen Wüstenfläche als im Holzapfel- kreuther Walde zu vermuten, so landfremd sind Stoff und Art: Marmor, fernländische Löwen und jonische Säulen.

Gerade hinsichtlich dieser Säulen am Heyse- grabe hatte ich jüngst ein eigenartiges Er- lebnis. Zwei Damen trefi'en mich in der Nähe des Grabmales und fragen, wo es sei. Es sei erkenntlich an den dorischen Säulen. Ich sah einst den Blumenberg auf Heyses Grab wenige Tage nach der Beisetzung und hatte

die schöne es umschließende Tannengruppe im Gedächtnisse, fand auch nach kurzer Um- schau die Stelle wieder. Jetzt aber entstan- den den Damen Zweifel; denn sie suchten dorische Säulen und hier waren jonische zu sehen. Der in großer Schritt sichtbare Name »Paul Heyse« verscheuchte alle Be- denken über die Echtheit des Grabes; nicht jedoch waren die »dorischen Säulen« aus dem Vorstellungskreise der beiden Besuche- rinnen hinauszubringen und so erklärten sie einfach: »Ach ja, das sind ja dorische Säu- len.« Mir lag es ferne, die Ruhe des Wald- friedhofes durch einen Streit über dorisch oder jonisch zu unterbrechen, doch es tat mir leid, daß die herrlichen, das Grab umsäumen- den deutschen Fichten ob der Suche nach den griechischen Säulen von den beiden Beschaue- rinnen nicht eines Blickes gewürdigt wurden. Wie traut und schön ist doch der Stuhl

^ GEDANKEN ZUM MÜNCHENER WALDFRIEDHOFE ©^

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ENTWURF VOX MALER LEOXHARI) THOMA (MÜNCHEN) Anerkennung

MODELL VON BILDHAUER \V. S. UESCH (MÜNCHEN) Anerkennung

aus Birkenholz, den man zuweilen an Grä- bern findet und der dem Vorübergehenden berichtet, daß hier ein treuer Freund zuwei- len in früher Morgen- oder stiller Abend- stunde traute Totenwache hält, um unter Waldesrauschen und Vogelsang dieVergangen- heit mit der Gegenwart zu verbinden und vom Diesseits in das jenseits hinüberzuschauen. Doch wenn ich nicht irre, werden diese Bir- kenstühle weniger oder halten in ihrer Ver- mehrung mit dem Ausbau des Friedhofes nicht gleichen Schritt; allerdings ist vor Löwenpaaren und griechischen Säulenreihen auch kein Platz für einfach gezimmerte deutsche Birkenstühle.

Wie bei den Kunstdenkmälern so ziehen auch im Pflanzenschmucke Ausländer ein und machen als fremde Gartenerzeugnisse den heimischen Waldeskindern den Boden streitig.

Im Hinblick auf die erwähnten Punkte, denen sich noch manches beifügen ließe, dürfte

die Bitte nicht unangebracht sein, zurückzu- kehren zur Einfachheit und Natürlichkeit, zu beharren bei deutscher Bodenständigkeit und bayerischer, heimischer Eigenart. Anders soll ein Waldfriedhof in Athen oder Kairo, anders einer in München sein. Hier sollen deutsche Bäume über Grabmälern rauschen, die deutsche Meister nach heimischer Art aus bodenstän- digem Materiale fertigten, und heimatliche Zierpflanzen mögen wetteifern an Farbenpracht und Formenreichtum mit dem Wohlklange des vielstimmigen Liedes, das den Kehlen der gefiederten Sänger entströmt. Ihre Anwesen- heit und ihr Gesang wahren dem Waldfried- hofe das deutlichste Merkmal des Waldes. Möge der Friedhof so waldig bleiben, daß ihre Daseinsmöglichkeit nicht vermindert wird und möge alles, was an Kunst in den Friedhof kommt, stets passen zu echten deut- schen Waldestönen.

Die christliche Kunst. XII.

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AUGUST RINCKLAKE ®^

EN'TW.V. Bll,nil. HANS AXGERMAIR (MÜNCHEN)

ENl'W. V. AKCHIIHKl' NiailAl/S (KÖLN)

AUGUST RINCKLAKE

past ganz vergessen in dem Sturme des ^ bewegten Lebens ist der aus einem alten Künstlergeschlechte stammende Kirchengoti- ker Architekt Professor August Rincklake am 19. August 191 5 gestorben. Einst wie ein leuchtender Stern am Himmel der Kunst aufgehend, verschwand er allmählich in dunk- ler Nacht.

Vor vielen anderen verdient Augusr Rinck- lake ein dauerndes Andenken nicht bloß wegen seiner hohen Begabung, sondern weit mehr wegen des heiligen Ernstes, des rast- losen Eifers und der seltenen Begeisterung, die sein ganzes Wesen durchdrang. Eines jedoch fehlte ihm, um sich unter den ge- feiertsten Namen in der heutigen Kunst einen der ersten Ehrenplätze zu erringen: das Glück, ohne welches der beste Künstler nicht zu der Höhe gelangen kann, die ihm gebührt.

Rincklake wurde am 15. Februar 1843 zu Münster in Westf. geboren, wo die Vorfahren

schon seit Menschengedenken als Künstler, namentlich als Maler und Architekten, wirk- ten. Der Großoheim war der Maler Rinck- lake, der 1764^1813 mit dem von Goethe hochgeschätzten Kreise der Fürstin Gallitzin, des Ministers Franz von Fürstenberg und des Grafen Leopold von Stollberg freundschaft- lichen Umgang hatte. Nach alter Sitte, wie es die Zeit des 19. Jahrhunderts bei Gotikern verlangte, erlernte der junge Rincklake, nach- weislich gleich seinen Vorfahren, das Stein- metzhandwerk, aus welchem Stande so viele unserer besten Meister der Kirchenbaukunst und Gotik alter und neuerer Zeit hervor- gingen. Wie einst Friedrich Schmidt in Wien neben seiner praktischen Tätigkeit am Dombau zu Köln die Steinmetzschule da- selbst besuchte, so auch Rincklake, der in diese mit 15 Jahren eintrat. Dann ging er, der Sitte gemäß, auf die Wanderschaft, oder wie der Rheinländer sagt, in die Fremde, durchzog Süddeutschland und arbeitete da und dort, bis er zu Friedrich Schmidt nach

AUGUST RINCKLAKE

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lA'TWUKl- VON' ARCH. NEUIIAIS (IvDl.N)

ENTWURF \OS' AKClin 1;K I' XEUIIALS (Kl"'l^")

Wien kam, der, aus Deutschland stammend, sich dort als Dombaumeister von St. Stephan einen Namen gemacht hatte. Als Steinmetz fand Rincklake Arbeitsgelegenheit am Dome, doch seine Sehnsucht, aufzurücken und in des Meisters Bauhütte und Baustube arbeiten zu können, wurde rasch erfüllt, da Schmidt die Fähigkeiten des jungen Künstlers er- kannte. Durch eisernen Fleiß und Besuch der Abendkurse der dortigen Fortbildungs- schulen, wo er die Lücken in seiner all- gemeinen Schulbildung auszufüllen suchte, wurde er baldigst erster Mitarbeiter Schmidts in dessen Atelier. Er betraute ihn mit der Anfertigung größerer Arbeiten, worauf er 1866 als Bauleiter Schmidtscher Entwürfe nach Düsseldorf kam. Bald machte er sich selbständig, indem er einen privaten Auftrag zum Marien -Hospital und weitere andere kirchliche Arbeiten daselbst erhielt, was nach befriedigender Vollendung dieser Bauten zur Folge hatte, daß er mit Entwürfen kleinerer Kirchenbauten und Restaurierungen alter Bau-

denkmäler sowohl am Niederrhein als auch in seiner Heimat Westfalen betraut wurde. Das ererbte handwerkliche Talent für Kunst- gewerbe kam hier durch eine Reihe glänzen- der Erzeugnisse, wie Entwürfe zu Kelchen, Altären usw., zur Geltung, die auch aus- geführt wurden. Auf der Wiener Weltaus- stellung 1873 glänzten seine mit dem i. Preise gekrönten Arbeiten und es schien ihm von nun an das Glück gewogen zu sein. Als lustiger Rheinländer wurde er auch Mitglied des Düsseldorfer Malkastens, und der kürzlich verstorbene bekannte Münchener Maler Will- roider, der Ende der achtziger Jahre in Düssel- dorf lebte, erzählte von mancherlei fröhlichen Stunden und Veranstaltungen dortselbst, an denen unser Rincklake durch allerlei künst- lerische Einfälle das Fest verschönerte. So- bald eben ein Künstler der alltäglichsten Sorgen enthoben ist und ihm Erfolg blüht, erwacht auch seine Frohnatur, deren künst- lerische Phantasie den Mitmenschen die Feste veredeln hilft.

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AUGUST RINCKLAKE ®^

MODLI L VDN BII.nHAUI-R W. S. RESCH (MÜNCHENi

MODEIL V()\ BIIDHAUER \V. S. RESCH {MÜNCHEN')

Eine glänzende Leistung, von allen bedeu- tenden Gotikern anerkannt, waren seine Ent- würfe für die Innenausstattung des Kölner Domes, die das Domkapitel als kostbaren Schatz verwahrt. Doch blieben dieselben bis heutigen Tages unausgeführt.

Durch dies starke Hervortreten seiner eigen- artigen, mittelalterlichen Kunstweise erhielt er im Jahre 1876 eine Professur an derTech- nischen Hochschule zu Braunschweig. Die alte Carola -Wilhelmina wurde in eben jener Zeit zur Hochschule erhoben und bedurfte für die Gotik eines Lehrers. Die Hoffnungen aber, die sich Rincklake in dem fast ganz protestantischen Lande hinsichtlich Aufträgen machte, waren vergebens. Auch lehrte und baute der berühmte Gotiker C. W. Hase in dem benachbarten Hannover, dem gegen Mitte der achtziger Jahre v. Jahrb. auch die Restaurierung der Burg Dankwarderode in Braunschweig übertragen wurde. Zudem stand gewissermafkn der Meister vom alten Schlage, wie Rincklake einer war, dem nun einmal

bei technischen Hochschulen ohne vorher- gehende Praxis geübten Examenstudium fremd gegenüber.

Schwere Schicksalsschläge aller Art, Miß- erfolge auf Mißerfolge bei Konkurrenzen und Aufträgen stellten sich bei dem auf der Höhe des Schaffens stehenden Meister ein. Eine Enttäuschung folgte der anderen, so daß er sich ganz von Freundeskreisen zurückzog und der Einsamkeit lebte. Nur die Freude an dem seit früher Zeit gepflegten Sammeln alter Bilder und kunstgewerblicher Schätze, der Genuß, sich in alte Kunst- und Baudenk- mäler zu vertiefen, gaben dem Meister die gehörige Spannkraft wieder. Da ihm Auf- träge versagt blieben, glaubte er aufs neue durch Beteiligung an Konkurrenzen wieder hochzukommen, doch auch diese blieben, bis auf einige Ankäufe, erfolglos. Es wäre jedoch verfehlt, zu glauben, daß unser Alt- meister der Neuzeit nicht Rechnung getragen hätte. Nein, er war in vieler Hinsicht sogar ein Bahnbrecher und Neuerer auf dem Ge-

!^® AUGUST RINCKLAKE

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ENTWURF VO\ BIIDH. MAX WAl l'OI IZII (MÜNCHEN')

ENTW. VON ARCH. ANTON HACHMANN (MÜNCHEN)

biete des Verkehrs, wie seine unausgeführten Entwürfe auf nichtkirchüchem Gebiete, wie Bahnhofsbauten, beweisen. Er hatte so treff- liche, praktische Ideen, die sich erst die Gegenwart zunutze machte. Ob es ein Fehler war, daß der vielseitige Mann der analog manchen alten Meistern, z. B. Leonardo da Vinci sich mit Dingen beschäftigte, die weit entfernt von seinem Fache lagen, wol- len wir dahingestellt sein lassen. Denn seine mit unsägHcher Beharrlichkeit und großen Opfern an Zeit und Geld fortgesetzten Ver- besserungsversuche auf dem Gebiete der Pe- troleum- und Gasbeleuchtung, des Baukon- struktionswesens usw. waren ohne Erfolg. Die Untätigkeit trieb den rastlosen, begabten Mann auf allerhand Ideen.

Durch die Erfolglosigkeit seiner Bestrebun- gen verbittert, vertauschte er 1891 seinen Aufenthalt Braunschweig mit Berlin, wo er sich als Privatarchitekt ein Arbeitsfeld suchte, und trat mit eigenartigen Entwürfen bei Konkurrenzen, wie Esseg in Ungarn und an-

dern hervor, aber die Ausführungen erhielt er nicht. Auch Berlin, wo er die Hoff"nung hegte, wieder emporzukommen, schlug fehl. Zuletzt veranlaßte ihn sein Bruder, der bis dahin in Münster als Architekt wirkte und in das Benediktinerkloster Maria -Laach ein- trat, 1897 in die Vaterstadt zurückzukehren und seine Praxis zu übernehmen. Nach mehreren Jahren verließ er auch diese Stätte wieder, denn der rührige Geist wollte sich nicht in die gedrängten Verhältnisse fügen; er spürte mit Recht noch Großes in sich. Nach vielen Wanderungen kehrte Aug. Rinck- lake gebrochen von Köln nach Berlin zurück. Infolge neuer Enttäuschungen erlitt er dort einen heftigen Schlaganfall, der den Tod des vielgeprüften Mannes verursachte. Betrauert von seiner Familie und Freunden, desgleichen von seinen wenigen Schülern, wurde er auf dem Hedwigsfriedhofe zu Berlin beerdigt. So endete sein Künstlerleben.

Was aber Rincklake trotz seiner Mißerfolge groß machte und Bewunderung erweckte.

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^ KARL JOHANN BAUER ®^

IlMIKD JOS. SKITZ (MUNXHEX)

ENTW. V. GOI.DSCHM. |OS. SEITZ (MÜNXHEN)

war die Originalität seiner geistreichen Ent- würfe, die teilweise unausgeführt blieben. Der viel verkannte Mann verfügte über einen malerischen Architektursinn, den man heut- zutage in der mittelalterlichen Architektur, mit den Errungenschaften der Neuzeit ver- bunden, nur noch selten antrifft. Die Ka- pelle in Hosterwitz für den Prinzen Georg von Sachsen, die Kultusbauten in den Rhein- landen und Westfalen, die Wohnhausbauten in Köln und Düsseldorf die malerischen Innenarchitekturen von Kirchen, wovon viele zerstreut zur Ausführung kamen, endlich die zahlreichen ausgeführten Entwürfe zu Meß- gewändern, Kelchen und sonstigen kirch- lichen Geräten haben Rincklake einen dauern- den Ehrenplatz gesichert. »Mit sicherem Blick, der Gegenwart weit vorauseilend«, sagte Zetsche an seinem Grabe, stellte er so zu Anfang der achtziger Jahre in seinen Entwürfen für den Umbau des Lübecker Bahnhofes später des BraunschweigerZentralbahnhofes schon den Grundgedanken auf, der für so

viele neuere Großbahnhöfe maßgebend ge- worden ist: Tieferlegen der Gleise in Ein- schnitte und Überführung der Bahnsteig- zugänge und Straßen in Geländehöhe. Die Zeit aber war dafür noch nicht reif

Mit August Rincklake ging ein edler Mensch, der einstmals in seiner Glanzzeit mit vollen Händen im Verborgenen gab und manches Talent förderte, ein Künstler von hoher Idealität des Strebens ins Grab. Wären ihm Erfolge beschieden gewesen, die Kunst hätte Bedeutendes von ihm erwarten dürfen.

Arch. Hugo Sterten

KARL JOHANN BAUER f

Von W. ZI LS -München (Hierzu die .\bb. S. 57 64)

Im 8. Jahrgang (191 1 12, S. 141 ff.) dieser Zeitschrift wurde von einem Kunstgewcrbler gehandelt, der, obwohl noch jung an Jahren, unser ganzes Interesse erregte. Heute, nach kaum drei Jahren, kommen wir auf denselben

KARL JOHANN BAUER ©saa

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ENTW. VON' ARCHITEKT 1 RHZ Kl XST (KOI.N)

ENTW. VON ARCH. ANT. BACHMANN (MÜNCHEN)

Münchener Goldschmied Karl Johann Bauer zurück, zurück in einem Klagelied auf seinen Heldentod.

Froh hatte Bauer am 12. September des vergangenen Jahres Frau und Kind, Werk- statt und Laden verlassen, um als Unter- oftizier der Landwehr im 17. Res. Regiment dem Vaterlande zu dienen. Tatkräftig und lebensfreudig, wie er seiner Kunst nach- gegangen war, versah er seinen Dienst. Hoch- gemut schrieb er heim, wie gut ihm Be- wegung und Soldateska bekomme. Am 6. November zog er ins Feld, am 16. traf ihn die feindliche Kugel. Nachdem die Familie in Hangen und Bangen auf Nachricht von dem Vermißtgeglaubten über ein halbes Jahr gewartet hatte, ward ihr im Juli d. Js. die bestätigende Kunde von dem Heldentode eines Vielversprechenden.

Als einen Vielversprechenden hatte die Christliche Kunst Bauer gefeiert, von einem Vielversprechenden hatte sie es damals am Schlüsse des fraglichen Artikels als wünschens-

wert erscheinen lassen, daß er die Vorzüg- lichkeit und den Ernst seiner Leistungen, seine feine Erfindungsgabe einmal der christ- lichen Kunst widme. Bauer kam diesem Wunsche nach. In seiner Werkstätte, die unter der Leitung seiner Witwe ein talen- tierter Schüler fortführt, hängt noch der Entwurf zu einer Monstranz, die, für eine Tiroler Kirche bestellt, durch den Krieg nicht zur Ausführung kam. Daß sie nach dem Kriege aus Bauers Werkstätte hervor- gehen möge, als Geist von seinem Geiste, ist unser Wunsch.

Der in der Vergangenheit der Jahrhunderte lebende Kunsthistoriker lehnt auf den ersten Blick Bauers Werke ab. Er betrachtet seine Werke und empfindet mit Wehmut zunächst das Fehlen aller äußerlichen stilistischen Merkmale der alten Art. Wir freuen uns, jenem nachahmenden Kunstgewerbe, dem nichts so sehr als der Geist der Alten man- gelte, entronnen zu sein und uns an einer neuen, den gerade im vergangenen Jahre

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^ KARL JOHANN BAUER ©^

ENTW. V. BIl.DH. G. JOH. LASG (OBEKAMMERGAU)

l-:\r\V. V. ARCII. 10:5. I KDKKI 1( (MCnCI11;\)

abermals mächtig veränderten Grundlagen des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Lebens entsprechenden Ausdrucks- kunst erfreuen zu können. Bauer war ein typischer Vertreter jener angewandten Kunst, die aufgebaut ist auf den modernen und doch so alten Forderungen der Gediegenheit des Materials, der Gründlichkeit der Ausführung, des Geistes der Erfindung, der Feinheit der Formensprache, der Harmonie der Farbe. Von diesen neu aufgestellten und wieder- erworbenen Erfordernissen finden wir in allen seinen Werken etwas. Von Zweckmäßigkeit und Materialgerechtigkeit sprechen die hier abgebildeten Gegenstände, sie erinnern aber trotzdem auch an eine alte, gute, längst ent- schwundene Zeit. In Bauers Werkstatt ist keine Maschine zu finden, auch lieferte er keine Vorlage für sie zur hundert- und tau- sendfältigen Herstellung. Auf Be.stellung oder aus eigenem Antrieb entstand ein Kelch, ein Becher, ein Geschmeide durch der Hände Arbeit, keines gleich dem Vorausgegangenen

und daher alle den Reiz der Originalität, des Persönlichen an sich tragend, bei dem die Hingebung des Augenblicks mitsprach. Wie ein Vertreter der Gotik stieg er nicht als Künstler von der Kunst zum Handwerk, sondern arbeitete sich als Handwerker zum Künstler empor.

Bei seinem Vater, einem Münchener Kupfer- schmied, lernte der im Jahre 1877 Geborene die ersten Einblicke in die Metallkunst. Seine Lehrzeit bei dem Ziseleur Stähle schloß eine mit dem Lehrlingspreis des Münchener Kunstgewerbevereins ausgezeichnete Arbeit ab. In dem von allem mittelalterlichen Reiz noch angefüllten Schwaz in Nordtirol und Kevelar, in den Münchner Werkstätten Rothmüller, Steinicken und Mayrhofer, in der gewerblichen Fortbildungsschule unter Har- rach vervollkommnete er sein Können bis zur vollen Reife, von der im Jahre 1903 erst- mals in eigener Werkstätte in Schwabing Zeugnis ablegte. Die Leitung der Ziseleur- klasse an der Schule Wilhelm von Debschitz'

KARL JOHANN BAUER

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.KABLA'IERNE

Architekt Franz Bau

gab er nach zwei Jahren (1907) auf, da seine Werkstätte, die er 1909 mit einem Laden zur Bewähigung der immer mehr anwach- senden Aufträge in der Barerstraße zusammen- legte, seine ganze Kraft erforderte. Die be- reits früher und jetzt veröffentHchten Arbeiten, ein Bruchteil seines Gesamtschaffens, sprechen von einer staunenswerten Schaffenskraft. Und doch lernte er noch stets weiter. Als Kunstgewerbler im guten, alten Sinne war er darauf bedacht, alle in sein Fach einschla- genden Techniken zu beherrschen. So er- lernte er erst vor kurzem die Kunst des Emaillierens, zu deren Ausführung er sich die Einrichtung erwarb. Noch seine letzte Arbeit, ein Ehrenaufsatz für Kommerzienrat Thannhauser (München), beweist das neue Können.

Modern im guten Sinne, dem die Origina- litätssucht fern ist, vermied es Bauer auch in

seinem Schaffen das Vorbild der Alten streng abzuweisen. Wenn er sich auch als Künstler seiner Zeit bewußt war, daß die Schönheit eines Gegenstandes in ihm hegen müsse und nicht in der Zutat, so war er doch weit da- von entfernt, z. B. jedes Ornament zurückzu- weisen, das nur an richtigen Ansatzpunkten Berechtigung habe. Wie er in dem einen der abgebildeten Kelche den achteckigen Fuß der Gotik entlieh, die Schale des Akademi- schen Seglervereins mit romanischen Buch- staben krönte, so finden sich z. B. auf den beiden rechten Fingerhüten Zeugnisse der schmückenden Tätigkeit der Kunst, wie sie uns als Bandstreifen und Quadrate, nach der neuesten Forschung, schon aus der keltischen Zeit überliefert sind. Und doch ist der Zie- rat nicht Selbstzweck, er betont dort deko- rativ, wo wir ihn nicht missen möchten. Wie Bauer seine eigenen Wege ging, so suchte

Die cbristllche Kunst. XII.

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6o ^ KREUZWEG IN DER MÜNCHENER MAXIMILIANSKIRCHE

KAKl. |. hAL KU

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KAKL K 1!AL KR

All AKKRKCZ (BKKGKRISTALK)

er eben auch im Ornament im Gegensatz zu seinen zeitgenössischen Gewerblern Ab- wechslung unter freier Anlehnung an die Ver- gangenheit. Wo er einmal, bei der elektri- schen Stehlampe, den gefaßten Gedanken wiederholt, da dient die Häufung zur Unter- streichung des Materialwertes. Auf die eigen- tümliche moderne Art der oxydierten Silber- bearbeitung, der abwechselnden belebenden Verwendung von Farbsteinen und Perlen, Elfenbein und Holz nochmals näher einzu- gehen, erübrigt sich, da das früher hier Ge- sagte dieser Tätigkeit gerecht wurde und da- her nachgelesen werden kann. Es erübrigt sich nur noch, der eigentümlichen filigran- artigen Arbeiten, die uns an dem Bergkri- stallkreuz und dem Halsschmuck begegnen, zu gedenken.

Überdenkt man die allzufrüh beendete Le- bensarbeit Karl Job. Bauers, so muß dem Be- dauern Ausdruck verliehen werden, daß der Krieg eine solch selbständige künstlerische Per- sönlichkeit von einem derartigen Reichtum an Gedanken und einer solchen Mannigfaltigkeit des künstlerischen Gefühls raubte, raubte zum Nachteil des Münchner Kunstgewerbes, dem Männer wie der Gefallene mehr aufhelfen können, als alle Gewerbeschaumärkte und ähnliches.

DER HL. KREUZWEG IN DER MÜNCHENER MAXIMILIANSKIRCHE

Cclion im 9. Bande unserer Zeitschrift, ebenso auch

in der Jahresmappe der Deutschen Gesellschaft 191 5

ist von dem hl. Kreuzwege die Rede gewesen, welchen

der Münchener Franz Hofstötter in der Maximilians-

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KREUZWEG IN DER MUNCHENER MAXIMILIANSKIRCHE ®^

KARL |OH. BAUER

der Stadt München anläßlich der Aussteilung München iqoS

kirche damals auszuführen begann. Wir kommen darauf zurück, weil jetzt das ganze Werk vollendet ist. Seinen vollen Eindruck wird es machen, wenn einmal der bestehenden Absicht oemaß die jetzt leeren, weiügelblichen Wandflächen mit Mosaik überzogen sein werden. Erst dann werden die Gemälde ihre volle Leuchtkraft ent- falten, werden die bereits mosaizierten oberen Lünetten verständlich werden und die seitlichen skulptienen Einrah- mungen keine nur einseitig vorteilhaft wirkende Existenz mehr führen. Den Beweis für das Zutreffende dieser Ver- mutungen erhält man durch den An- blick der in jener Weise bereits aus- gefiJhrten westlichen Querschiffwand. Übersieht man die 1 5 Bilder denn außer den 14 Stationen ist noch das Gebet am Olberge als Einleitung aus- geführt worden so wird man ge- wahr, dali zwischen ihnen ein gewisser stilistischer Unterschied existiert in der Weise, daß die drei ersten und die drei letzten Bilder der ganzen Reihe eine Gruppe für sich bilden, die dazwischen befindlichen neun aber eine zweite, welche sich mit jener nur als nahe verwandt erweist. Es sind Kinder des- selben Vaters, nur etwas voneinander verscliieden im Aus>ehen und in der Art, ihre geistige Begabung zu äußern. Daß dies so geworden und dadurch in den Kreuzweg ein leiser Mangel an Einheitlichkeit gekommen ist, geht auf äußere Ursaclien zurück. Sie mögen hier unerörtert bleiben, weil sie mit der Person und dem Talente des Künst- lers nichts zu tun haben. Bei den sechs älteren Bildern, die ehemals hier be- sprochen worden sind, interessiert eine bedeutendere geistige Erfassung, ein tieferer Mystizismus und Svmbolismus, im ganzen eine stärkere künstlerische Originalität. Die neueren Bilder zei- gen mehr Neigung zum Erzählen, sind aucli in den Farben nicht so bedeu- tungsreich und nicht von solchem ge- heimnisvollen Reize wie die sechs früheren Bilder. Der allgemeinen Ver- ständlichkeit unseres Publikums und mithin auch dem gegenwärtigen Ge- schmacke breiterer Kreise kommen sie dadurch entgegen, doch steht außer Frage , daß nicht hierin das höchste Ziel der Kunst zu suchen ist. Wollte ein Maler alles dergleichen berücksich- tigen — Hofstötter hat dies nicht ge- tan — so verfiele er schließlich in gänz- liche Befangenheit und käme auf jenem Punkte wieder an, von dem unsere neuere christliche Kunst sich unbedingt lossagen muß, wenn sie neben oder gar über der profanen die in diesen Dingen so äußerst widerstrebliche öffentliche Meinung für sich gewinnen will. Der Künstler hat aber sicher er- reicht, daß sein Kreuzweg unter den neuesten Werken gleichen Inhaltes als etwas durchaus Beachtenswertes und Erhebliches dasteht.

^ KREUZWEG IN DER MUNCHENER MAXIMILIANSKIRCHE ^

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K-\RL lOllANN BALI;K

FIXGERHÜTE UND MANSCHETTENKNOPFE

Die Gruppen zeigen starke und innerliclie Charal<te- risierung der Vertreter des Guten und des Schlechten, hohe Vereinfachung, die auf Nebendinge so gut wie ganz verzichtet, besonders auch die Hintergründe durch- weg liauni andeutet und statt ihrer nur symbolisch wirlcende Farbenabtönungen benutzt ; die Komposition besitzt große Linien. Alle Starke ist auf den geistigen Gehalt der Vorgänge gelegt, welcher bei den neueren Bildern in etwas realistischerer Durchführung ausge- staltet ist als bei den nervösen, zum Teil fast visionär wirkenden früheren. Diesen Schöpfungen, wie der Be- weinung des Leichnams oder dem durch halb sche- menhafte Engel verehrten Heiland im Grabe, läßt sich von den neueren kaum eine zur Seite stellen, es sei denn etwa jene der Entkleidung mit ihrer absichtlich ins Große gehenden Behandlung des Christuskörpers und des in einem rätselhaft tiefen Blau versinkenden Hintergrundes.

Wir müssen uns auf diese Andeutungen beschränken.

Doch sei nicht unerwähnt, daß der ursprüngliche De- korationsgedanke voll bewußt bei den seltsamen und tiefgründigen skulplierten Einrahmungsfiguren durchge- führt ist. Sie deuten auf die Menschheit, welche um der Nachfolge Christi willen leidet. Die Stationsbilder sind mit Wachsfarben auf Holztafcln gemah, die mit der Wand nicht bündig, sondern etwas vertieft liegen. Unterhalb sind die Mauetflächen mit Platten aus Kirch- heimer Muschelkalk belegt, der auf besondere Weise erst seiner Porosität beraubt und dann poliert ist. An sieben Stellen befindet sich gerade unterhalb der Bilder je ein einzelner, in starkem Relief gearbeiteter Kopf einer der typologischen Figuren. Man sieht Johannes den Täufer, den ägyptischen Joseph, den geduldigen Job, Tobias, Moses, den jungen David, den armen Lazarus. Außer ihrem Erbauungszwecke erfüllen die Hofstötterschen Kreuzwegbilder samt ihrer Aufmachung schon jetzt in hervorragendem Maße jenen als raumsclimückende Ele- mente. II O.

KARL JOHANN BAUER

FRUCHTSCHAI.E

Silber mit farbigen Steinen und Gla.

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KARL JOHANN' BAUER

Gehäuse Ebenlwlzt Zifferblatt Silber getrieben

STANDUHR

PRESBYTERIUM DER VON FRITZ FUCHSENBERGER ERBAUTEN KIRCHE IN ADELSDORF

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FRITZ FUCHSEXBERGER

Plastik von Prof. M'idmer-Nür

EINGANG ZLU KA 1 1 1. I'l AUKKllvClll. IN AlJLLbUUKl (lyo;) erg. Vgl. Abb. S. So und Sl. Text S. 6g

ARCHITEKT FRITZ FUCHSENBERGER

(Hierzu die Abbildungen dieses Heftes)

Obwohl die Architektur nicht etwa wie die Musik Stimmungen ausdrückt, so spricht doch aus ihr beredt der Geist der Zeiten. Am deuthchsten illustriert das die Architekturge- schichte. Im 19. Jahrhundert zur Zeit der Klas- siker in der Literatur war sie antik; zur Zeit der Romantiker wurde sie gotisch und in der Zeit des Historismus eklektisch, bis sie sich in neuerer Zeit wieder auf das Problem der Form besann und dadurch auch eine Zeitlang höchst problematisch experimentiert.

Letztere Periode konnte natürlich nur von kurzer Dauer sein. Denn die Architektur ist immer eine von praktischen Bedürfnissen ge- leitete Kunst. Und da sie unmittelbar an die Bedürfnisse der Gegenwart und an die Zweck- bestimmung gebunden ist, kann sie auch in ihrer Entwicklung keine Sprünge machen. Jede

neue Erscheinung in der Architektur kann sich daher nur auf Grund der schon vorher- gegangenen entwickeln, um nach ewigen eher- nen Gesetzen dieser Entwicklung das Neue an das Alte anzuknüpfen.

Diese Stetigkeit der Entwicklung zeigt am schönsten der Kirchenbau. Der Kultus und die kirchlichen Bedürfnisse bleiben immer die- selben und so ergibt sich auch für die archi- tektonische Neugestaltung von Kirchen eine gewisse gesetzmäßige Entwicklung der wesent- hchen oder Grundformen des Kirchenhaues. Aber dieses Prinzip, das durch alle Stilvvand- lungen hindurchgeht, hinderte keineswegs die Entfaltung größtmöglicher Mannigfaltigkeit und Vielgesfaltigkeit der Zeitstile: antik, ro- manisch, gotisch, Rokoko und Empire. Dem Architekten bleibt daher immer noch Spiel-

Die christliche Kunst. XII. 3. i. Dezember 1915.

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^ ARCHITEKT FRITZ FUCHSENBERGER ^

I-KITZ FUCHSEXBKKl.hl

räum genug für die Betätigung seines indivi- duell gearteten Formwillens, genug Freiheit, um innerhalb der durch die Zweckbestimmung gegebenen Grenzen und innerhalb der in ihren Grundzügen gegebenen Formensprache sich immer wieder in neuen überraschenden Wen- dungen und Kombinationen auszudrücken. Er wird in allen Fällen das Richtige er- greifen, wenn er in seinem Schaffen ein Kind seiner Zeit ist und sich immer der Ausdrucks- mittel bedient, welche ihm eben die Gegenwart darbietet. Gerade in der Architektur bewährt sich wie überhaupt im menschlichen Schaffen dasWort: xDerLebende hat recht!« Und beson- ders wird derjenige recht behalten, der es wie unser Künstler versteht: an das Gestrige das Heute, an das Ende den Anfang anzuknüpfen. Gleich zu Beginn seiner Laufbahn als Ar- chitekt, welche Fritz Fuchsenberger nach Ab- solvierung des Gymnasiums den üblichen Wer- degang zu den Staatsbauämtern einschlagen

1 IM KIhDl S"

lUCHSEN'UERGER

Grundriß des Obergeschosses,

ließ, bot sich unserem Künstler eine für die Entwicklung seines Ta- lentes überaus günstige Gelegenheit, daß er gleich auf den Boden seiner Heimat und mit- ten hinein in eine reich gestaltete künstlerische \'ergangenheit gestellt wurde. Damit trat an Stelle eines blutlosen akademischen Ideals so- gleich eine reiche Wirk- lichkeit, in den volks- tümlich gemütlichen künstlerischen Aus- drucksformen der frän- kischen Meisterwerke. Das künstlerische Erfas- """ sen dieser Wirklichkeit

mußte ihn mächtig för- dern, zudem er ja auch sofort Gelegenheit hatte, als Staatsbaupraktikant sich praktisch zu betätigen.

Seine Mitarbeit am Bau des Kgl. Kreisarchiv- gebäudes in Bamberg gab gleich Veranlassung, seine Geschicklichkeit in der Anpassung an die heimische Welt der Bauformen zu bekun- den (Abb. S. 66 und 75). Der im reichen Bam- berger Barockstil der Markgrafenzeit gehaltene Bau erhielt eine vornehme Ausstattung. Der prächtig gehaltenen Fassade entspricht daher auch eine reicher gestaltete, architektonisch gehaltene Einfriedigung. Diese im Stil der alten Garten- und Parkarchitektur gehaltene Einfriedigung stammt von Fuchsenberger. Bemerkenswert erscheint hier das verständnis- volle Eingehen des Zeichnerarchitekten auf die Eigenart des fränkischen Sandsteins und der dadurch bedingten dekorativen Formgebung. Fuchsenberger handhabt diese Formensprache so gut wie einer der alten markgräi liehen Ar- chitekten. Eine ebenso glückliche Lösung er- fuhren auch die anderen Aufgaben, die ihm hier übertragen waren: die Ausstattung des Stie- genhauses und die Ein- richtung und Möblie- rung verschiedener In- nenräume. Man muß hierbei besonders auf die Ausführung des De- tails achten und wissen, daß alle diese bemer- kenswerten Leistungen

UMBAU DER ALTEN MAUr IX BAMBERG Vgl. Abb. S. 67 unten

©^ ARCHITEKT FRITZ FUCHSENBERGER es^

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kunstgewerblicher Arbeiten, die sonst in großen Städten bekannte kunstgewerbliche Werkstätten ausführen, allein von dem jungen Architekten mit Bamberger Hand- werksmeistern erzielt wurden.

Auch bei kleineren Nutzbauten, denen er sich bei und neben seiner Tätigkeit als Staatsbaubeamter in der Folge zuwenden konnte, bei Schulen, Krankenhäusern, An- stalten, Postämtern gewahren wir eine be- merkenswerte Durchbildung architektoni- scher Details mit besonders glücklicher Betonung gewisser Dominanten am Bau: Giebel, Portale und dergleichen. Immer findet dabei das bodenständige Material einen sinngemäßen und durch die künst- lerische Gestaltung gesteigerten Ausdruck. Wie sich allmählich in dem durch Studium und Erlahrung gereifteren Künstler der Geist der heimischen Baukunst spiegelte und wie er es verstand, das durch die X'erhält- nisse gebotene Neue an das schon beste- hende Alte anzuknüpfen, dafür spricht viel- leicht am besten sein Umbau der alten Maut in Bamberg. Das bayerische Generalkon- servatorium äußerte sich nach Abschluß des Umbaues darüber: »daß die Lösung dieser Aufgabe, das Innere des Hauses den An- forderungen der Neuzeit und der entspre- chenden Rentabilität unter Wahrung der bestehenden Außenarchitektur anzupassen, in geradezu vortrefflicher Weise gelungen sei!« (Abb. S. 66—67.)

Seine bisher gesammelten Erfahrungen und sein an den bisher ausgeführten Bauten: Pfarrgebäude zu Wiesenthau, Egloffstein und Kunreuth in der Fränki- schen Schweiz, Pfarrgebäude in Westheim im Steigerwald, desgleichen die Schwestern- anstalten zu Burgsinn, Wernfeld, Brend- lorenzen, Pflegeanstalt Gremsdorf, Schloß- umbauten Prieger und von Grunelius und an- deren geschultes Können konnte er bald auch in den Dienst einer größeren Aufgabe stel- len. Seine Mitarbeit am Bamberger (3ber- postdirektionsgebäude erstrekte sich auf eine reiche Detailarbeit au- ßen an der Fassade, den Portalen und vor allem auf die innereAus- gestaltung : die Schalter- vorhalle, Stiegenhaus, Dienst-, Wohn- und Bu- reauräume (Abb. S. 72 bis 75).

<i« Martin Her. Text nedejiait

Die .Schaltervorhalle erhielt eine bemerkens- werte Gestaltung durch die Verbindung des gelben Jurakalksteins, mit weißen Putzflächen und mit den braun gebeizten, reich geschnitz- ten Holzeinbauten. Die architektonisch deko- rative Wirkung dieses Raumes wird noch ge- steigert durch die geschickte Anbringung der

IRITZ FLXHSENBERGER

Grundriß des Erdgescho

UMBAU DER .^l.TEN M.-VUT IN B.\MBERG Vgl- Al'b. ol'en, Text oben

ARCHITEKT FRITZ FUCHSENBERGER ^

1 RITZ FUCHSEXBERGER

I'IAIvRHAUS IN WIESENTHAU (u;os)

Lichtquellen, der Beleuchtungskörper und durch ihre gute formale Durchbildung. Bei der Ausstattung der einzelnen Innenräume, der getäfelten Zimmer, Möbel, Stoffe, Beleuch- tungs- und Heizungskörper hat der Architekt auf das Zusammen- gehen von Form und Farbe größten Wert gelegt. Durch Verwendung ge- schickt ausgewähl- ter reizvoller Ma- terialien : Glas, Me- talle, Intarsien, an Möbeln und Täfe- lungen und derglei- chen sind bemer- kenswerte dekora- tive Wirkungen er- reicht worden. Und er konnte das alles erzielen trotz der bei solchen Aufga- ben gebotenen Be- schränkungen, vor allem in der Ein- haltung der dafür angesetzten Mittel. Seine in der Ar- chitektur und Hand- ,,,„, rvam-SBmci:K werkskunst gesam- £rt,r/>nHu.

melten Erfahrungen konnte er aber erst zur vollen Entfaltung auf einem Gebiete bringen, wo die künstlerische Gestaltung weniger durch den Zweck eingeschränkt und behindert, sich freier und selbständiger geben konnte. In diesem Sinne bietet der Kirchenbau der architektonischen Gestaltung eine der reizvollsten und schönsten Aufga- ben. Dennüberdem Zwecke steht im- mer noch die ideale

Grundstimmung der Kirche selbst. Zudem bildet die Kirche gewisser- maßen eine Ver- sammlungsstätte al- ler Künste, Archi- tektur, Malerei und angewandte Kunst durchdringen sich hier, gehen inein- ander über und er- gänzen einander. Die Kirche als Ge- samikunstwerk bie- PFAURiiAusiNwiEsiMiiM- tctsomitdem Ar- ygi, „if,, chitekten eine em-

e^ ARCHITEKT FRITZ FUCHSENBERGER ^

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zige Schaffensgelegenheit, bei der er alle Register seines Talents und seiner Kunst ziehen kann. Die ersten Auf- gaben, die unser Architekt auf diesem Gebiete zu lösen hatte, waren An- und Umbauten an alten Landkirchen. Dabei kam ihm gerade seine vernünftige Wer- tung alter Stilarten, die ihn den gol- denen Mittelweg zwischen Altem und Neuem gehen hieß, sehr zustatten. Ge- rade weil ihm ein hervorragendes Ver- ständnis für das historisch Gewordene eigen ist, empfand er darin wie die Künstler der Übergangszeiten, die das Neue unbedenklich an das bereits vor- handene Alte sinngemäß angliederten. Mit der Devise »Nur keine Kopie, son- dern alles neuzeitlich und selbstän- dig«, kam er dem dringenden Bedürf- nis, der modernen angewandten Kunst und dem modernen Kunstgewerbe Raum zu gehen, entgegen.

Gleich eine seiner ersten Arbeiten, der Predigtstuhl in der Kirche zu Grafen- reinfeld und die Restauration der Pfarr- kirche zu Mürsbach, Bez. -Amt Ebern, zeigt, wie er es verstand, sowohl in der Form als auch im Materialausdruck neu und überraschend zu wirken. Und dieses Verfah- ren war im Rahmen einer Barockkirche voll- kommen gerechtfertigt. Denn gerade diese Stilrichtung äußerte sich für die damalige Zeit nicht weniger neu und überra- schend durch Anwendung neuer Mate- rialien und Ausdrucksmittel (Abb. S. 9 1 ).

Sein feinsinniges Einfühlen in den Geist dieser Tradition beweist weiter der Bau der Gnadenkapelle Erlach bei Weismain. Der hübsche Bau ist in der Formensprache des heimischen Barock im fränkischen Sandstein erbaut und in der Anpassung an die heimische Bau- kunst ein im besten Sinne bodenstän- diges Bauwerk (Abb. S. 96).

Wiederum auf eine andere Weise ist die Kirche zu Adelsdorf gestimmt; sie ist mehr in einer romanisierenden For- mensprache gehalten. Außerordentlich gelungen ist die Gestaltung jener Partie der Außenseite, welcher die Treppe mit den beiden Säulen angegliedert ist ; eine Situation, die der Architekt zur An- bringung guter Plastik in vorbildlicher Weise gewertet und ausgestaltet hat (Abb.S. 65, 80 u. 81). Das außerordent- lich schöne Presbyterium dieser Kirche mit der Plastik und Malerei von Hans Angermair ist den Mitgliedern der Deut- nurz fuchsenberger

ERITZ rUCHSEKBERGER PROT. I'FARRH.'iUS IN Kl'NREUTH (1907)

sehen Gesellschaft für christliche Kunst ja be- reits durch die Publikation in der Jahresmappe bekannt geworden (Mappe 191 1; s. Beil.).

Wie dieser Künstler als Architekt bei der Um- und Ausoestaltuna; von Kirchen die be-

PROl. I'FARKIIAL'S FGLOFFSTEIN (1904)

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ARCHITEKT FRITZ FÜCHSENBERGER ©SU

Miliz I l'Chsi:xbi:kgkk schlihals ix ki.osier hbrach (i.j,.6)

sonderen Verhältnisse wahrzunehmen versteht und zuzeiten bei Beschränkung der Mittel aus der Not eine Tugend zu machen weiß, dafür spricht vielleicht am überzeugendsten der Umbau der Kirche von Burgsinn (Abb. S. 76 -79). Hier war bei dem geringen Budget an eine reichere architektonische Ausgestaltung nicht zu denken und daher die Verwendung der Farbe als Bauelement geboten. Die Farbe sollte den Raum in dem durch die räumliche Gestaltung vorgebildeten Sinne weiter aus- gestalten und schmücken; ein Gedanke, dem durch die Ausführung des grandiosen Decken- bildes von Akademie-Prof. Karl von Marr eine glänzende Erfüllung ward. Nicht weniger wirksam erwies sich auch der farbige Schmuck der Empore und der Glasfenster durch Bilder von Prol. Pius Ferdinand Messerschmidt. Auch bei der Kirche zu Kraisdort bot sich Gelegen- heit für eine malerische Ausgestaltung, die der bekannte Münchner Maler Max Roßmann sehr glücklich auf den volkstümlichen Ton der Dorfkirche stimmte.

In weitgehendem Maße beschäftigte Fuch- senberger bei Gestaltung der Altäre, des Kirchengestühls und der Geräte das Kunst- handwerk: Beispiele für solche überaus ge- lungene, prächtige Arbeiten bieten der Hoch- altar in der Kirche von FJiingen a. D. (Abb. S. 92 93), die innere Einrichtung der Kar-

meliterkirche zu Bamberg, die Beicht- stühle, die Beleuchtungskörper und die Seitentabernakel der Pfarrkirche zu Mürsbach, die Kommunionbank, d e Kanzel, die Orgelempore der Pfarr- kirche zu Burgsinn u. a.

Daß bei aller Verwendung moderner Ausdrucksmittel und Materialien dabei doch der Charakter der fränkischen Dortkirche vollkommen gewahrt wurde, davon überzeugen unsere Bilder. So schreibt Dr. Ludwig Baur über die Orgelempore zu Burgsinn (Abb. S. 78): »Da sie sich von allen Extravaganzen freihält, wird trotz ihres modernen Cha- rakters, der religiöse Stimmungscharak- ter des Gotteshauses nicht nur nicht gestört, sondern verstärkt und unter- stützt.« Von der mit Worten schwer wiederzugebenden Intimität und Stim- mung dieser \\'irkungen geben aller- dings auch einfarbige Bilder nur einen schwachen Schein.

Es bleibt ein nicht genug anzuerken- nendes Verdienst unseres Architekten, daß er sich bei jeder dieser Aufgaben be- mühte, immer das Möglichste zu leisten und durch Heranziehung erster Kräfte auch die einfache Dorfkirche durch Kunst zu adeln.

Der Architekt ist heute mehr denn je der Mann für alles. Wie ein Organisator steht er im öffentlichen Leben und täglich kommen an ihn neue Aulgaben heran, denen er Ge- stalt und Form geben soll. Der größte Teil seiner Tätigkeit wird durch Anforderungen des nur Nützlichen und Zweckmäßigen ab- sorbiert, und es ist oftmals sehr schwer, der Geschäftigkeit des modernen Lebens gegen- über den künstlerischen Standpunkt zu wahren. Wer aber bei all diesen Aufgaben auch den künstlerischen Standpunkt vertritt und in sei- nen Arbeiten zur Geltung bringt, verdient als Künstler beachtet und gehört zu werden.

Bei all diesen Arbeiten, die wir hier be- sprochen haben, konnten wir wahrnehmen, daß unser Künstler von Anfang an bestrebt war, bei jeder ihm gewordenen Aufgabe inner- halb der Grenzen des Möglichen das Mög- lichste zu leisten. Ob es sich um den Uni- oder Neubau einer Kirche handelt, oder um den Entwurf für ein Grabmal, Möbel oder Beleuchtungskörper, immer sucht er der Auf- gabe die künstlerische Seite abzugewinnen und sie mit künstlerischen Mitteln zu lösen. und so erwuchsen ihm aus jeder Autgabe und Situation heraus neue Gedanken, kamen ihm neue Einfälle und Erfindungen. Darum

FREMDE EINFLUSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST e^

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1 KH7, 1 ICIISKN'liERGliK

sciiri.iiAi's i\ 1-71 ri.ii;i:\ UEi sciiwiaxi rui (ivns)

erscheint uns im Hinblick auf das bisher Ent- standene sein Scharten überaus reich, viel- gestaltig und fruchtbar und darum auch be- sonders aussichtsreich und wertvoll als eines Schöpfers auf dem Gebiete der christlichen Kunst. Alexander Heilmeyer

FREMDE EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST

Von Dr MAX R. FUNKE Tn den Klöstern zu Horyuji und Koyasan, * in den großen Tempeln und in den Museen zu Nara und Kyoto finden wir seltsame Überraschungen, herrlich gemeißelte Gott- heiten, einzelne interessant, manche ausge-

sprochen schön. Einige sind mit gefalteten Händen, andere kniend wie christliche Heilige abgebildet, andere wieder haben Aureolen, Lotosblumen haltend, scheinen zu träumen, Träume, die Meditationen sind. Eine Gestalt, eine Art Tiara auf dem Kopf, hat sechs Hände, zwei davon sind gefaltet und die anderen weit ausgestreckt, die wunderlichsten Gegenstände haltend, und diese Gestalt steht auf einem zu Boden gestürzten Dämon'). Eine andere Ge- stalt wieder ruht auf dem Geringel einer großen,

'j Wir veröffentlichen vorliegenden Aufsatz aus beson- derer Veranlassung, reden aber keineswegs jener über- schwenglichen Huldigung das Wort, welche vor mehreren Jahren gegenüber der ostasiatischen Kunst eingerissen und nur bei Spezialforschern zu verstehen ist. D. Red.

FRITZ FUCHSENBERGER

K. POSTAMT BURGKUKSTADT (1905)

^ FREMDE EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST ^

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FRITZ FUCHSEN'BERGER

K. OBERPOSTDIREKTIOX 1\ BAMBERG. PORTAL (1906) Plastik Prof. Widmer- Nürnberg

giftigen Schlange. Nahe dabei steht ein großer Steinblock, der auf dem oberen Teile seiner ge- meißelten Flache ein Reliefbild Buddhas, auf einem Lotos in Betrachtung versunken, dar- stellt. Ich sehe eine andere auf dem Lotos ruhende Gestalt mit dem Schwert in der Hand, von lohendem Feuer umgeben, es ist Fudo-Sama-Buddha als der Unbewegliche, der Unerschütterliche. Das Schwert bedeutet In- tellekt, das Feuer Kraft. Ein anderer Buddha daneben ist in Meditationen versunken mit dem Knäuel von Stricken in der Hand; dies sind die Stricke, welche die Leidenschaltcn und Gelüste binden. Hier ist auch ein schlum- mernder Buddha, mit dem sanften milden

Ausdruck eines Kinderantlitzes mit geschlos- senen Augen, die Wange in die Hand ge- schmiegt, in Nirvana. Hier diese feierliche Figur in sitzender Stellung, die in einer Hand eine Vase hält, die andere erklärend, wie ein Lehrer, erhebt, ist YakushiSamaBuddha, der Allheiler, der Arzt der Seelen. Und unter all den Statuen von Shaka, Amida und Yakushi sehen wir Buddha, auf dem Lotus thronend, mit halbgeschlossenen Augen, auf der Stirn das Wahrheitszeichen, in einer Ruhe und Feierlichkeit, die weder Schmerz noch Ver- gnügen ausdrückt. Viele dieser Skulpturen stellen Buddha in meditierender oder ermah- nender Stellung dar, einzelne auch in schla-

PORTAL DES KGL. BEZIRKSAMTSGEBÄUDES ZU SCHWEINFURT VON FRITZ FUCHSENBERGER

FREMDE EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST

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I KITZ 1 ICHSEXBERGER

Obeyposidirektion

IREI'PENHAUS

fender Stellung, mit dem ruhevoll träumenden Antlitz eines Kindes, eines japanischen Kin- des, das ist Nirvana. Neben den vielen, vielen gemeißelten Gottheiten sehen wir ein Bas- relief mit zahllosen Armen. Das erste Paar Hände ist gefaltet, während von der Schulter- linie unzählige Arme nach allen Richtungen herausragen, alle möglichen Dinge wesenlos, geisterhaft haltend, gleichsam Bitten erfüllend und vielleicht die Allmacht der Liebe sym- bolisierend. Dies ist nur eine der vielen For- men von Kwan-on, der milden Göttin, der Göttin der Barmherzigkeit, die der armen Menschenseelen wil- len die Ruhe Nirvana ver- schmähte. Sie selbst wird stets als schönes, heiteres japanisches Mädchen abge- bildet, meist mit vier Ar- men, aber hier erscheint sie als Senshu Kwan-on, die tausendarmige Kwan-on . Hier ist eine schöne, jung- fräuliche Gestalt, sie steht auf einer Lilie, es ist Kwan- on-Sama. Rührend ist die weiße Steingestalt des Jizo, iruz i ucihsknhei.

des Gespielen der toten Kinder. Wie ein schöner Knabe mit halbgeschlossenen Lidern, das Antlitz verklärt durch ein Lächeln, wie es nur der buddhistischen Kunst eigen ist. Er lächelt dasselbe sanfte Lächeln, archaistisch ge- heimnisvoll und sein weiches Kindergesicht ist rührend.

Andere Bosatsu, die Bodhisattva aus Indien, sehen wir geschmückt zum Unterschied des schmucklosen Buddha, weil erstere noch dem Leben angehören. Und die Rakan, die Arhat der Inder, die Schüler Buddha, kaum beklei- det, mit langen Haaren, heftig in ihren Weh- klagen, noch den menschlichen Leidenschaf- ten ergeben, von denen sich ihr Herr befreit hat, sitzen neben Bonzen, Heiligen, indischen Mönchen. Buddha, Bosatsu, Rakan und Bon- zen, diese Opfervotive, skulptiert oder gemalt, in den Klöstern von den Mönchen selbst, sind nur Repliken eines Typus, eines Aus- drucks. Seit der Einführung des Buddhismus in Japan gegen das Ende des 6. Jahrhun- derts malten und skulptierten die meisten Bonzen, d. h. sie ließen die Bilder und die Büsten von Künstlern anfertigen, und es war damals Sitte, daß ein berühmter Bonze an all den Gemälden und Statuen eine letzte Hand daran legte, indem er den Porträts so- wie den Büsten die Augen öffnete. Deshalb bezeichnete man ihn stets als Schöpfer des Kunstwerks.

Die schönsten Werke dieser buddhistischen Kunstbilder sind die Nyo-i-rin Kwan-on im Chuguin bei Horyu-ji zu Yamato (um die Wende des 7. Jahrhunderts), Kwan-on im Sang- watsudo im Todai-ji zu Nara (zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts), Shaka im Shin-Yakushi- ji bei Nara (8. oder 9. Jahrhundert), Amida Botsu im Hokai-ji zu Uji von Jocho (um die Wende des 11. Jahrhunderts), Dai-Botsu in Kama-Kura (1252), Shaka- und Yakushi, Nyo-

christUche Kunst

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©^ FREMDE EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST ^

rai , von Tori- Busshi im Horvu- ji aus der Suiko- Epoche (um die Wende des y.Jalir- hundertsjundYa- kushi imYakushi- ji zu Nara au^ der TempyoEpo che (722—748). Die japanischen Klöster sind reich an gemalten Por- träts der Rakan; so besitzt gerade das Dai-toku-ji in Kyoto deren schönste Serien. Hierher gehören auch die indi- schen Mönchs- bildnisse, besser japanische in in- disclier Tracht, wie Yuima, ein trockner Lack im Hokke-ji zu Nara,

wahrscheinlich aus dem 8. Jahrhundert und derselbe von Unkei (12. 13. Jahrhundert). Neben diesen Porträts finden wir noch in bunter Reihe gemalte Bildnisse von Shotoku- Taishi (um die Wende des 7. Jahrhunderts), Kakemonos des Tempelschatzes im Horyu ji von Shogun-Yoshimasa in Mönchstracht im Gingaku-ji zu Kyoto (15. Jahrhundert). Der Kakemonos Jit-chin im Louvrc ist trotz seiner

FR] rz rUCHSEXBERGER Erweiterungsbau.

großen Retusche ein äußerst gutes Exemplar dieser

buddhistischen Porträtkunst. Die Holzbildnisse Ro- ben aus dem Ende des 8. Jahrhun- derts im Roben- do bei Todai-ji zu Nara, sowie Kwanshin, auch aus dem 8. Jahr- hundert, im Tos- hodai-ji, stellen japanische Bon- zen dar. Vom 13. 15. Jahrhun- dert skulptierte und malte man nach Herzenslust Porträts hoher Persönlichkeiten , welche für den Buddhismus Pro- paganda mach- ten. Viele dieser Porträts sind mit einem minutiösen Realis- mus umgeben, so das Holzbildnis des fünf- ten Vize-Shogun von Kamakura, Toki3'ori Hojo im Jagdkostüm (13. Jahrhundert) und der Kakemono Minamoto Yoritomo von Fuji- wara-Takanobu (12. Jahrhundert). Auf diese Kunstform in Japan war die chinesische Kunst der T'ang nicht ohne Einfluß gewesen.

Die einstigen präbuddhistischen Kunstreli-

KIRCHE IN BURGSIXX (i Hiriß unten. Tejcl S. 70

TRITZ FfCHSEXBERGER

GRUXDRISS DER KIRCHE IX BURGSIXX

©^ FREMDE EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST ®^

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I Kiiz 1 iciisu\bi;rc,ek

KOMMLTNIONBANK IN DIK I\1RCIII£ ZU BL'KGSINK (i^.,6) Alicrl-Niiriil'trg. tgl. Abi: S. 79

quieii in Japan sind plumpe Tonliguren, welclie Menschen und Pferde darstellen. Es war da- mals eine alte Sitte, um das Grab der Mika- dos einige seiner Vasallen lebendig einzu- graben so, daß nur die Köpfe aus der Erde sahen, welche schließlich von wilden Hunden und Raben gefressen wurden. Diese barba- rische Sitte verging bald und man begrub mit dem Mikado tönerne Menschenfiguren. Das kaiserliche Museum in Tokio besitzt eine Men- ge solcher Ton- statuetten. Zwi- schen diesen und den ersten Wer- ken der buddhi- stischen Kunst besteht kein Zu- sammenhang,we- der in der Ent- lehnung noch in der Technik. So gehört Kokuzo Bosatsu im Stil Hammen im Mu- seum zu Nara als ältestes Exemplar

wahrscheinlich der SuikoEpoche (593 bis 628 n. Chr.) an undSha- ka sowie Yakushi Nyorai von Tori Busshi (607-623) im Kondo des Horyu ji. Mit dem Beginn des Jahres 1330, das ist jene Epoche der Wirr- nisse und Kämpfe zwischen beiden Höfen des We-

iRirz iLijisi:NiiKi

stens und Ostens, zwischen den zwei Kaiser- familien Ashikaya, welche siegte, und Kama- kura, die sich nach Kyoto zurückziehen mußte, ging diese Kunst nach sieben Jahrhunderten glorreichen Blühens dahin. Zwar verschwand sie nicht mit einem Schlag, sondern sie wie- derholte sich. Seit dem ii. Jahrhundert hat Jocho den Kanon der Schule geschrieben, der einzigen Schule der Bildhauerkunst, welche sich in Japan vom Vater auf den Sohn oder durch Adoption bis heu- te vererbte. Nach dem Untergang der buddhisti- schen Skulpturen haben dicjapaner das Interesse für die menschliche Darstellung nicht verloren; die Ma- ler der Schule Tosa seit dem S.Jahrhundert, die Maskenbildhauer der lyrischen Dra- men, die No im 14. Jahrhundert,

die Netsuke- Schnitzer im i6. Jahrhundert und die Farbholz- schnitzer der Volkschule vom 17. -19. Jahrhun- dert. Was die

menschlichen und tierischen Sil- houetten anbe- trifft, so sind sie keineswegs aus den Meisterwer-

KAHI I-KE1II1-K|;L, \()N rilCXGENSCHE GKABKAPELLE IX BURGSINN' (1907) 'Jon Albert-Nürnl'trg

&m FREMDE EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST

HUT/. rUCII5EXBElU,i;K

Orgelempore. Text S.

ken der Ukiyo-e, der Volksschule (vom Ende des 17. bis zur ersten Hälfte des 19. Jahr- hunderts) entlehnt. Seit dem 12 Jahrhun- dert (Makimonos von Toba Sojo) in der Zeit der buddhistischen Kunst hatten die Japaner einen freien Geschmack für die Karikatur gezeigt. Die Werke eines Iwasa Matahel (Ende des 14. Jahrhunderts), des größten Freundes der Volksschule, ähneln in vieler Be- ziehung in ihrem Sujet wie Technik gewissen Bildnissen aus der Tosa Schule (13. Jahrhun- dert), vergleiche die Wandbilder in den beiden Sälen des Schlosses zu Nagoya, Straßensze- nen aus Osaka und Kioto darstellend. Defor- mation wie Karikatur in der Bildhauerkunst gehen nicht erst von den Nctsuke (16. Jahr- hundert) aus, sondern sind schon in der Hälfte des 8. Jahrhunderts vorhanden gewesen, wie uns die Tonstatuetten, eine Gruppe des Nir- vana vorstellend, im Museum zu Nara be- weisen. Meisterhaft haben es die Japaner ver-

standen, die Karikatur auch auf das Tierleben zu übertra- gen. Da erscheinen in bunter Reihe burleske Prozessionen, in welchen Insekten in gezier- ten Posen, furchtsame Hasen, heuchlerische Füchse und zere- moniöse Frösche feierlich auf- marschieren. Berühmt sind ja die Tierkarikaturen von Toba- Sojo, die Makimonoskizzen von Kakuyin (12. Jahrhundert) im Museum zu Kioto und die karikaturenhaften Skizzen einer Fuchshochzeit von Ikkai, Ukida(erstenHälftedesi4.Jahr- hunderts) im Stil der alten Tosaschule gehalten.

Auf Innendekors der Stores, hellen Matten, der schwarzen Lackkästen, zwischen den Sim- sen der Türen bemerken wir irgend eine Gartenecke, wo Zwergbäume, Bambusstauden stehen und dazwischen über Felsen und Gestein ein sich schlängelnder Gebirgsbach rauscht. Dann die pracht- vollen Landschaftsdekore, Blu- men- und Neujahrsfeste, poeti- sche Spiele, galante Feste un- ter blühenden Kirschbäumen, Träumereien in der Dämme- rung oder im Mondenschein am Ufer eines wildwogenden Meeres, nächtliche Kahnfahr- ten, prächtig illuminiert mit Papierlaternen; unsere Verwunderungen vor den hundert Aussichten des Fuji-Yama oder den acht Schönheiten des Biwasees, blau das Meer unter einem blauen Himmel, blau die Flüsse zwischen beschneiten Ufern, blau die besternte Nacht, scharlachrot die Dämme- rungen, weiß die Kirschbäume und gelbbraun der Erdboden, hier der rote Fuji, dort der braune Fuji und dann wieder der blaue Fuji. Und in all dieser Farbenpracht bewundern wir von neuem die Frauen beim Bad, im Hause und im Freien, junge Mädchen spielen mit Katzen und lassen sich von ihren langge- schweiften Hähnen oder Liebhabern bewun- dern, in schönen Rohen, deren schmiegsame lange Linien in grüner, schwarzer oder vio- letter Harmonie widerstrahlen, sehen wir sie in harmonischer Haltung trippeln, auf Malten sitzen, in ihren graziösen Bewegun- gen des Kopfes, des Nackens und der Schul- tern, Raflinements, die unserm Auge Über-

KlKCllE IX BURGSIKX

FRHMDH EINFLÜSSE IN DER lAPANISCHEN KUNST

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KIRCHE I\ BURGSIXK (1906)

Mit dem Gemäldr des hngrl:

raschung, Erstaunen oder gar Schrecken auslösen.

Hier sehen wir junge Mädchen in ihren vollen Formen eines Moronobu, dort wieder wahre Skelette eines Harunobu, oder die schmächtigen, langaufgeschossenen Frauen- gestalten eines Utamaro. Unter einem dünnen, fast zerbrechlichen Halse strebt wie eine Blumenkrone die blauschwarze Frisur der Japanerin empor, man sieht nur drei Viertel des Gesicht, manchmal auch ein verlorenes Profil, dessen Angesicht in einem Spiegel wiedererscheinf, immer geneigt, steif, unemp- findlich, ohne Freude, ohne Schmerz, biswei- len kaum melancholisch oder ein wenig lächelnd; Physiognomien zierlicher prachtvoll gekleideter Bürgermädchen, in unbestimmter Haltung, im unpersönlichen Ausdruck, Physio- gnomien von Geishas und Kurtisanen, sche- matische Gesichtszüge, welche kaum variieren. Das sind »Frauenbilder dieser eintägigen Welt«,

sagt Moronobu, »Immergrüne Pflanzen«, meint Sukinobu von seinen Modellen.

Und nun das Nackte! Die Japaner hatten immer Gelegenheit gehabt, das Nackte zu sehen und zu studieren: die nackten Athle- ten während der Kämpfe, die nackten Beine der Yinrikishamänner und der Reispflanzer, die Nacktheit der Frauen und Männer in den öfl'entlichen Bädern, wo beide Geschlechter zusammen baden. Sie sehen das Nackte, aber sie betrachten es nicht, nicht etwa, daß sie un- fähig wären, es zu zeichnen oder zu model- lieren: die buddhistische Kunst hat uns nur den Torso zum Betrachten gelassen, wie z. B. der Torso des Nio im Kofuku-ji zu Nara (8. Jahrhundert), doch nach dem 14. Jahrhun- dert beschränkte sich das Nackte lediglich nur auf das Gesicht, auf eine leere Physiognomie.

Seit sechs Jahrhunderten, seitdem die große buddhistische Bildhauerkunst nachgelassen hat, lebt der Japaner nur noch in der Karikatur,

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S:M FKEVrOE EINPLÜSSE TV DEK TAP ANISCHEN KUNST ^M

Tgfi. JSB.. S^. äs tuidl Se.. Taxe S.- Sif

& sr airnrfei sraff cEe Tiarweßi äfcertriig.. Heuie liefet er Lami-sclrafeii, Cfeferrgs- nnd Felspartiem,, Wasserfälle, Lagimeii, See- und Golfdarstel- kraigen;. Anivingücli sind die Laadschaften dmrdi die fe-mddlustisciiem Lehrern der Zensekte EreemfinJät worden. Sie sind keine DarsteEnn- gen fä^fanöscher Szemerieii;,. sondern Nacfc- jiBirnrmgPT), ans, diinesiscfaen Werken derX ang- SiM- wnä Nord-Scmg-r der Ynan- end Ming- E^jm-astie. So' gab es Ende der Fnjiwara-Pe- ric'^ -- i ies ri. and 12. JaJiriinnderts) eir r Sdxnle der Landschaft. Bie

Ec.^- ^..:i Franen verwandten ilire Zeit

anf die fnsnma, den Papierwändett^ und anf (ä& Biabn, den Wandsch rrmen, zn den aia%e- zeicIaneteB Sprachen nnd Liedern Landschafts- stücte r™ rnalen. Diese Szenerien wnrden na;' "i-.on der Yamato-Schole ansge-

ffii " :■; zaHreicher Landschaften der

T'. - ' -- - - .Vns der Tang-

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se . . . .;.iterwerke: Ge-

bir . : "'aiistücken von Wa-

Ta.- - •; and der Wasserfall

von 7\('iü,-"Ä'ci. ^.i. Jaüiüandert). Aas der Song-

Dynastie (960 1259), sind die Ma- kemono von Mue-clii(Mokkei), von Chao-chang (Nord- Sang- Dynastie 960 1126), von Ma-Yuan (Siid- Song-Dynastie 427 1259) und von Ma-Kaei, älterem Bruder von JiLi-Yaan, vorhanden. In der Yuan (1280 1567) and Ming-DynastLe (1567 1643) kam der Kursivstil (sosho) an^ tmd die japanischen Eainstler der Higashima-Periode (iilrtte des ij. Jahrhunderts) ahm- ten mit sehr großem Geschick die kostbaren Schöpfungen eines Mu- chi und Ma-Yuan nach. Josetsu, ein chinesischer Priester der Ming- Dynastie, welcher sich später als Japaner naturalisieren ließ, führte in Japan die prachtvollen buddhisti- schen Monochrome ein ; sein Schü- ler Shubun beeinflußte Sesshtr, einen Priester der Zensekte und Schöpfer der berühmten Land- schaften der vier Jahreszeiten; Kano Masanobu gründete gegen Ende des 15. Jahrhunderts die Kano- Schnle und sein Sohn Kano Moto- nobn malte die acht berühmten Szenen in Hsiao und Hsiang, so- wie die vortreffHchen Wandge- mälde im Museum zu Kioto, jene brausenden Meereswellen über Schieferfelsen. Die japanischen Künstler, nicht zufrieden Euit den prachtvoll gelungenen Reproduktio- nen der acht berühmten chinesischen Ansich- ten in Hsiao und Hsiang an der Südküste des Tung-ting-Sees : Abendgeläute von fernem Tempel, Abend im Fischerdorf^ Angenehme Wmde im Bergdörfchen, Heimkehrende Seg- ler, Seelandschaft im Herbstmond, WUdgänse, Äbendregen, Abendschnee am Ufer, von dem Chinesen Mu chi (Sang-Dynastie) und von Japanern Soami, Shokei, und ganz besonders von Kano Motonobn meisterhaft produziert worden, japanisierten sie Ln die acht Schön- heiten des Biwa-Sees; Sonnenuntergang in Seta, der Ishuyama im Herbstmond, Winter- abend anf dem Hirayama,, Glockengeläute in MSderä, aus Yabase zurückkehrende Segel- boote, Sonnenschein in Awaza, Abendregen in Karasaki und WUdgänse über Eüatau. Ob- gleich unser Atige noch vom Buddhismus umnebelt, bewundert es von neuem Räche vsie Farbe, die während ihres tausendjährigen Bestandes von ihrer Festigkeit una Glanz nichts verloren haben. Beredsamer als diese Gemälde sind gewisse Gänen des alten Ja-

€53« rRHNtni- l-lNM.ÜSSl- IN DKR lAPANlSCHKN KUXST ßSÄ

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pans, buddhisti- sche Zutluchts- ortc, wo Eingc- weilue ihren Gottesdienst ab- halten, jene Gär- ten , welche noch heute Kyo- to berühmt ma- chen, die vom 14. Jahrhundert iuid 17. Jahr- hundert von Künstlern, wie Soami und Ko- bori Enshu für die Shoi^un und Edlen zeichne- ten, welche sich den Kopt rasie- ren lieL^en, be- deckt mit ei- nem rituellen

Schleier von der Welt Abschied nahmen und Inkyo wurden I Kinkakuji, Ginkakuji, Katsura, Daitokuji, Xanzenji, Myoshinji . . . Hier wie- der andere abgesonderte Gärten in Miniatur, umhegt von dichten Baunigruppen und um- geben von einem künstlichen ^ee, wo der Garten eine Insel bildet, in welchem man kleine Rambuskioske oder y.wischen immer- grünen Zwergbäumen kleine Häuschen aus Holz und Papier errichtete, um sich dort un- gesiön den poetitschen Übungen, den Tce- zeremonien und Blumenarrangements hinzu- geben. Der Japaner in seinem Jubel, in seiner

Freude, gewürzt mit einer Dosis

Emplindung, liebt alles das, was er nicht rweimal sehen kann. So liebt er unendlich wälirend der

Winterszeit, wenn es drau- ßen friert und schneit, und er sein Papierhäus- chen heizen muli, in seinem Zimmer einen

Holzschnitt oder einen Ka- kemono eines Wasserfalls oder einer Sommer- landschaft auf- zuhängen, während ihm in den Hundstagen ein W'interbild unendliche Freude bereitet. Auch rindet er nicht minder\'ergnügen daran, den Abend mit seinen Freunden am Golf von Tokio zu verbringen, um den Aufstieg des Mondes anzusehen. Immer ist es das Rauschen eines W^asserfolles, das Vergehen einer Jahres- zeit, das Gleiten des Mondes, klassische Bilder gewisser Eintagsfliegen, die d.is freudige \'olk von heute wie liie Aszeten von ehedem sich ge- fallen zu betrachten. Man vergleicht einen wert- vollen Farbschnitt eines Hokusai mit einem Ka- kemono eines Motonabu; die Landschaft hat

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FREMDE EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST ©^

l-KirZ HXII,stNt;hKl.hl<

i'Kl.)l. KlKl.HEM MUAU OHLRLLblALlI (PFALZ) (1911)

ihre buddhistische Ruhe, ihre Eintönigkeit, ihre Allgemeinheit, ihr Düster verloren, sie ist kein Traumgebilde mehr, sondern eine wirklich vorhandene Gegend des Tokaido, des Fuji oder des BiwaSees. Boden, Meer und Himmel erstrahlen in den lebhaftesten Farben und unter blühenden Kirschbäumen belustigt sich eine gar bunte fröhliche Menge beim Sake, oder sie schwatzt, leiht ihr Ohr dem näselnden Klang einer Laute, dem Ge- sang der Geisha, oder sie ergötzt sich damit, kleine Gedichte an Baumzweige aufzuhängen. Dieser Enthusiasmus, die Wiedererneuerung des Lebens zu feiern, finden wir ebenfalls bei Betrachtung der zitternden und brausen- den Landschaften. Hanshu Sanjin tat nicht unrecht, wenn er im Vorwort zu Hokusai- Mangua sagt: Die Handlungen und das Äu- ßere der Menschen drücken bewunderungs- würdig ihre Gefühle der Hoffnung und Täu- schung, der Leiden und Freuden aus. Aber die widerhallenden Gebirge, die brausenden Stürme, die zitternden Bäume und die Pflan- zen haben auch ihre eigenen Charakterzüge und die Vögel, die Reptilien und die Fische, sie alle sind voll von Lebenskraft und unsere Herzen erfreuen sich, eine solche Fülle von Glück und Freude der Natur zu betrachten.

Wie sie sich über die Land- schaften, über die Blumen, über die Tiere beugen ! Man kann sagen, daß befreit von einem hundert- jährigen fremden Einfluß, sie wie- der zur Natur zurückkehren, wenn auch nicht in allen Naturformen, so wenigstens in der menschlichen. In Nashi-Honvvanji zu Kyoto, in den Nekropolen der Tokugawa zu Nikko, Shiha zu Neno, in der Kunst eines Hidari Jingoro (1594 1634) und seiner Schüler, wenigstens schreibt man ihm das skulptierte Tor des Nishi Honwanji und in Nikko zwei Elefanten und eine Katze zu, gibt es keine Spur der buddhistischen Skulpturen mehr, welche als große erhaltene Arbeit die menschliche Figur darstellt, von der Architektur losgelöst, die sie beschützt, eine bewegliche Kunst, gekommen von außen, eine unbewegliche Skulptur als Basrelief, bleibt sie den Gebäuden angehängt, die sie schmückt, impressionistische Skulpturen von Wolken, Blumen, Bäumen und Tieren.

An Treppengeländern, Mauern, Hausfassaden, Toren und an den geschnitzten und bemalten Holzfüllungen se- hen wir stolze Pfaue mit langen Federschwei- fen und Finken unter Pfirsich-, Pflaumen- und Kirschenblüten zerstreut sitzen; Sumpf- vögel wiegen sich, ihre Köpfe in das Laub versunken, Seevögel fliegen strichweise zwi- schen Wolken und Meereswogen. Unter den Dachsimsen der großen Tore (Torii) erschei- nen in gar bunter Reihe Elefanten, Tiger, Affen, Katzen, Silber- und Golddrachen. Und die Vögel, Fische, Insekten, Drachen, Wolken, Wellen, Bambus, Kirschblüten und Chrysan- themen finden wir auch auf Netsuke, Lacke und Schwertscheiden, Steingut, kurz auf allen Oberflächen aus Elfenbein, Holz, Metall und Ton. Eulen, Adler, Falken, Phönixe, Hähne, schneeweiße Reiher, Nachtigallen und Stieg- litze, sammetartige Tiger, schöngefärbte Hir- sche, Affen weibchen, ihre Jungen flöhend, Rau- pen, Eidechsen, Schildkröten, Frösche, Käfer aus grüner Bronze, smaragdene Libellen: alles unvergeßliche Farbschnittsilhouetten eines Korin, Okyo, Ganku, Sesson, Hokusai, Hiroshige und sind oft wahrer und getreuer wiedergegeben, als die besten Frauengestaltcn eines Ütamaro.

Dort wieder andere Tiergestalten! DerHirsch der buddhistischen Entstehungsgeschichten

^ FREMDR EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST

FRITZ FUCHSEXBERGER

Wilhelm Resch-Miinche

l'KOT. KIRCHE OBERLlilAUr (PFALZ) (191 1) Vgl. Abb. S. S2—S6

Steht, ganz Anmut, in schneeigem Stein auf der Spitze von Toros (V'otivlaternen). Dann sehe ich ein prachtvoll gemeißeltes Bild eines Fisches, eigentlich die Idee eines Fisches, von dem Bildhauer zu grotesker Schönheitswir- kung verwendet. Er krönt den Gipfel einer Gedenksäule. Der weitgeötfnete Rachen, der eine dichte Zahnreihe zeigt, ruht auf der Spitze des Blocks, der den Namen des Verstorbenen tragt. Die Rückenflosse und der emporge- steckte Schwanz ist zu einer phantastischen Groteske ausgestaltet. Das ist ein Mokugyo, dasselbe buddhistische Emblem, jenes hohe hölzerne, golden und purpurn lackierte Ding, auf welche die Priester, während sie das Su- tra singen, mit dem umwundenen Hammer schlagen. Und an einer anderen Stelle ge- wahre ich endlich die Kitsune >Füchse«, idea- lisierte Füchse, vergeistigte Füchse, Füchse von unbeschreiblicher Anmut aus irgendeinem grauen Gestein gemeißelt. Diese geheimnis- vollen, geisterhaften Geschöpfe haben ge- schlitzte, unheimlich funkelnde Augen und sie scheinen zu knurren. Als Diener des Reis- gottes, Vasallen Inari-Samas, gehören sie nicht

zur buddhistischen Ikonographie, sondern zur Bilderwelt des Shintoismus.

Der buddhistische Glaube, in einer Zeit von sieben Jahrhunderten (7. 14. Jahrhundert) flößte den Japanern die Kunst der menschli- chen Figur ein, welche ausschließlich in der Unpersönlichkeit und Physiognomie eines Buddha und seiner Schüler dargestellt wurde. Die ersten buddhistischen Werke in Japan sind, wie schon oben erwähnt, unförmliche Menschen- und Pferdebildnisse aus Ton, welche man um die kaiserlichen Gräber als Vertreter der Vasallen begrub. Das ist eine fremde Kunst, verbunden mit einer fremden Religion. Der Buddhismus, gegen Ende des 8. Jahrhunderts aus Korea eingeführt, brachte auch die korea- nische Kunst mit nach Japan, deren Werke wir leider nicht kennen. Aber dennoch gibt es einen koreanischen Künstler, dem man eine der ältesten buddhistischen Skulpturen von Japan, die Statue, halb Lack und halb Holz, auf einer Seite geschnitzt und auf einer Seite flach im Hammen-Stil Kokuzo Bosatsu, zuschreibt, welche, wie man glaubt, der Re- gierungszeit der Kaiserin Suiko (593—628)

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e^ FREMDE HIXFr.ÜSSF, I\ DER lAPAXISCHEN KUNST ®S^

I l;HZ I LCHSENBERGHR

Miit, Landau (P/alz)

angehört und im Museum zu Nara aufbewahrt wird. Auch nimmt man an, daß der kleine tragbare Altar aus vergoldeter Bronze im Hor- yu-ji aus Korea gekommen ist, aber sicherlich ist es unrecht, wenn Doncho die gemalten Fresken der vier Paradiese an den Mauern des Kondo des Sanktuar im Horyn-ji zu Nara einem koreanischen Künstler zugeschrieben werden; denn die Fresken sind bei der Aus- besserung des Tempels im 8. Jahrhundert angefertigt worden. Nach Korea sind die buddhistische Kunst, Religion und Zivilisation von China ausgekommen und in China selbst aus Indien eingeführt. Die alte chinesische

Skulptur teilt sich in zwei Gruppen: die eine des 5. Jahrhunderts in NordShan-si, etwa 15 Kilometer westlich von Ta-T'on-fu, der Haupt- stadt im 5. Jahrhundert der nördlichenWei-Dy- nastie und die andere des 6. S.Jahrhunderts im Hohlweg des Long- men, 15 Kilometer süd- lich von Honan-fu, der Stadt, wohin die Nord- Wei im Jahre 494 ihre Hauptstadt verlegten und welche im 7. Jahr- hundert die östliche Hauptstadt der T'ang wurde. In Long-men führten die Wei im 6. Jahrhundert Skulp- turen aus, die mit jenen ihrer Vorfahren bei Ta- t'on-fu identisch sind; diese neuen Tempel schützten die Tang des 7. und 8. Jahrhun- derts. Bei Ta-t'onfu wurden ins Gefels Grot- ten und Nischen von I 30m Höhe geschla- gen und den buddhisti- schen Göttlichkeiten geweiht; die einen in Miniatur, die anderen in ungewöhnlicher Grö- ße. Die Skulpturen die- ser Sanktuars waren fromme Werke von Kaiser und Edelleuten. Fast alle diese Skulp- turen stellen wie die primitiven Skulpturen lapans den mahnenden, wie meditierenden Buddha dar.

Übrigens bemerkten wir in den Grotten von Long-men aus der Epoche der T'ang (7. und 8. Jahrhundert) zwei, manchmal auch vier Buddha, Kolosse von furchtbarem Aussehen, welche an beiden Seiten des Eingangs stehen, um die Grotte vor dem Eindringen der Dä- monen zu schützen. Diese himmlischen Könige sind aller Wahrscheinlichkeit nach Abkömm- linge des Vajrap.ini. Während der T'ang-Dyna- stie sind sie in die buddhistische Kunst auf- genommen und sie sind es, welche wir noch heute an den Eingängen der groüen buddhi-

i;ullK ÜliUULLiTADT (I'1-AI./.j

S2^ FREMDE ElNl-LÜSSn IN DER JAPANISCHEN KUNST

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stischen Tempel in China und Japan fin- den und nichts erin- nert mehr an die bei- den himmlischen Kö- nige des Tadai ji zu Nara.

Es gibt noch andere buddhistische Werke in Japan, die sich eng an die chinesische Kunst anschliessen: die vier Mahärajahs des Himmels im Hor- ju-ji, die Steinlöwen des Todai ji zu Nara, dem Chinesen Chan- Huo-Kin zugeschrie- ben. Diese buddhisti- sche Kunst in China ist eine eingeführte Kunst. Schon V'ajra pane fungierte als Schutzherr neben Buddha auf den in Gandhara im Nord- westen Indiens autge- fandenen Basreliefs und gewisse Statuen der Nord -Wei Dyna- stie (5. bis 6.Jahrhun- dert)sitzend, die Beine gekreuzt, einer hinter dem anderen, haben alle dieselbe Stellung, welche man an den Statuetten von Gan- dhara wiederfindet, dessen eine bis nach Turfan, dem heuti- gen Chinesisch -Tur-

keslan, vordrang. Hierin haben wir eine

Handhabe, daß die Kunst der Nord-Wei von der Gandhära-Kunst beeinflußt worden ist; d. h. die alte Kunst aus der Gegend des Indus hat sich durch Zentralasien bis nach Turfan erstreckt, wo die Nord-Wei, welche damals in Ost-Turkestan militärische Erfolge erziel- ten, sie kennen lernten. Also der Nord-Wei- Dynastie im 5. und 6. Jahrhundert war es beschieden, die indo-buddhistische Kunst von Turkestan nach Ta t'on-fu ins westliche China zu bringen und erst später gelangte sie in- folge Eroberung nach Ho nan-fu, wo sie unter den T'ang im 7. und 8. Jahrhundert blühte. Im Altertum bestand in Turfan eine Kultur, teils chinesisch, teils iranisch, teils hinduisch

l-RITZ I L CHSEXBERGER

l'KOr, KIRCHE ülilCRl ISTADT (l'F.^LZ) ; v/. AU. S. Sj u>nl S4

und es war vielleicht im 2. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, daß dorthin vermutlich durch Turkvölker aus Kothan der Buddhismus und die Kunst gelangte. Wenigstens zeigen uns dies die erfolgreichen E.xpeditionsresultate von Aurel Stein aus den Jahren 1900, 1901 und 1906 1908, Lecoq 1902 1903 und Paul Pelliot 1906— 1908. Etappenmäßig schritt der Buddhismus und die indische Kunst von Gandh.ira über Turkestan nach China, schließ- lich über Korea nach Japan vor. Der Han- kaiser Ming schickte im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung einen Gesandten nach Indien, welcher auf weißen Pferden nicht nur die heiligen Bücher der neuen Lehre, sondern

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^ FREMDE EINFLÜSSE IN DER JAPANISCHEN KUNST ®as

I-RII/ MCHSIiNBERGEK

I'RÜ 1 . KIRCHE OUERI.L'!

auch buddhistische Gemälde helmbrachte. Missionare aus Indien kamen nach China während der fünf und sechs ersten Jahr- hunderte unserer Zeitrechnung und predig- ten daselbst; chinesische Pilger trotzten dem Hunger, Durst, Kälte und dem Sand Turke- stans, um die heiligen buddhistischen Orte zu besuchen. Doch plötzlich im 8. Jahrhun- dert stockte dieser kulturelle Verkehr beider Länder für immer und erst viel später stellte der Islam den alten Buddhismus in Chinesisch- Turkestan wieder her.

Der direkte Einfluß der indischen Kunst auf die chinesische hörte auf. Nur der Bud- dhismus und Buddhatyp kam auf Japan über und obgleich infolge der Tradition in Japan keine Statuen nordindischen Urspungs exi- stieren, weisen viele Werke, besonders die Holzfiguren der beiden Mönche aus Gandh.'ira, Asanga und Wasubandhu, im Kofuku-ji zu Nara auf indischen Einfluß hin, ebenso die eifgesichtige Kwan-on im Hokke-ji zu Yamato, die nach einer Tradition das Werk eines bud- dhistischen Gandhära-Bildhauers sein soll, so auch die neungesichtige Kwanon im Iloryu-ji,

die Bronzefigur des Avalokitecvara im kaiserlichen Palast und die Holzstatue des tausendarmigen Avalokitecvara im Chomyo-ji und O'mi. Alles ist an ihnen indisch, selbst die Bekleidung und ihr Faltenwurf des Arya Avaloki- tecvara, der Bodhisattva an den Fres- ken des Kondo imHoryu-ji, der Glücks- göttin Sri im Joruri-ji zu Yamashiro, einer Statue aus der Tempyo-Epoche (8. Jahrhundert) und der Bonten und Teishakuten, Sangwatsudo im Todai-ji zu Nara (in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts). Vor und während der Regierung der Kaiserin Suiko (593 628) ist der Einfluß der buddhi- stischen Kunst Nordwest-Indiens meist mit chinesischen und koreanischen Elementen versetzt, denn es waren aus- schließlich chinesische und koreanische Künstler, die Fürst Shotoku Taishi nach Yamato kommen ließ, um dort zu malen und zu skulpieren. Doch während der sogenannten Tempyo-Pe- riode (722 748) und ganz besonders im 8. Jahrhundert war der indische Einfluß durch die Vermittlung der chi- nesischen Kunst der T'ang weit vor- herrschender. Man vergleiche nur Kleidung und Ausdruck des Kokuzo- ''^°' Bosatsu im Nara-Museum, des Shaka oder des Yakushi von Tori-Busshi im Horyu ji, des Akusa-Garbhaim Horyu-ji (alle aus dem Ende des 6. und 7. Jahrhunderts), die Amida- und Bodhisattva-Typen an den Fresken im Horyu-ji, an den Statuetten eben daselbst, die sich jedoch jetzt im Nara-Mu- seum befinden, den Buddha in Yakushi ji (718) der Bonten und Taishaku-ten (zweite des Hälfte 8. Jahrhunderts) im Todai-ji zu Nara. Gegen Ende des S.Jahrhunderts verschwanden die edlen indischen Formen, an deren Stelle fette plumpe Gestalten traten, Kunstregeln, die im 9. Jahrhundert der Kanon festlegte. Auf den Skulpturen von Jocho, ganz besonders der Buddha im Hokai-ji zu Uji und den Ge- mälden von Yenshin, Sodzu »Amida und die 25 Bodhisattva« im Hachimanko zu Koya-san, erscheint die menschliche Figur in wahre Fettwülste eingehüllt. In der Epoche der Ka- makura, unter dem Meißel eines Kwai-kei und Unkei (Ende des 12. und Anfang des 13. Jahr- hunderts) trat mehr Muskulatur auf, eine japa- nische Eigenheit, welche die chinesische und koreanische Kunst nicht kennen; nur Buddha in seiner indischen Gestalt bleibt unverändert bestehen.

^ RELIGIÖSE DENKMALE FÜR KRIEGER ^^^

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RELIGIÖSE DENKMALE FÜR KRIEGER

In einem Autsatz über »Krieger- denkzeichen im Felde und in der Heimat«, den Prof. F. W. Grombacliim 9. Heft der »Plastik« veröffentlichte , lesen wir auf S. 79: »Bei Veröffentlichungen über Kriegerdenkmäler und Krie- gergrabstätten ffndet man viel- fach, anscheinend absichtlich, jeden Hinweis auf Glaube und Religion vermieden; ich finde das unrichtig. Neben den an den Krieg erinnernden Attributen kann auch das S3'mbol des Glau- bens stehen, dadurch allein, meine ich, können diese Gedenkzeichen bei uns der Landbevölkerung nähergebracht werden, sie müs- sen neben der Erinnerung an die Kriegszeit, an die Gefallenen und die heil zurückkommenden Kriegsteilnehmer den einfachen Leuten auch in religiöser Hinsicht etwas sein, und werden ihnen darum, wenn dies der Fall ist, um so wertvoller und unentbehrlich «. Dem Verfasser danken wir für seine Feststellung der eigentüm- lichen, von uns längst beobachte- ten Tatsache, daß sich mit Ge- räusch hervorgetretene Publika- tionen von Entwürfen lür Kriegs- erinnerungen über alle Religion hinwegsetzen oder sie nur in dünnster Ver- dünnung zulassen. Wir danken ihm dafür, daß er von dieser traurigen Erscheinung be- kennt: »Ich finde das unrichtig«. Nur möch- ten wir seine Begründung, die bloß eine Seite der Sache berührt, bestimmter fassen. Nicht allein aus Entgegenkommen gegen die Ge- fühle der »einfachen Leute«, denen man die Denkmäler durch Rücksichtnahme auf ihre christliche Gesinnung sympathischer machen muß, sondern aus Grundsatz wollen wir an den Denkmälern den religiösen Geist nicht missen. Von allen großen Gedanken und Ge- fühlen steht an erster Stelle unsere heilige Religion. Auf ihr beruhen die Gefühle, welche die wahre Vaterlandsliebe ausmachen, als auf einer unverrückbaren Grundfeste: Treue gegen die Obrigkeit, innere Opferwilligkeit gegenüber dem Gesetze, Pflichtgefühl wegen des allerhöchsten Herrn im Himmel, Selbst- vergessenheit bis zum Tode für die Volks- genossen. Wahrhaftig, es wäre schon weit

FKrrZ FUCHSENBERGER

FILIALKIRCHE KKAISDORF BEI EBERX {1912) Vgl. Abb. S.SS und Sg

auf einer schiefen Ebene mit uns gekommen, wenn sich religiöse Gedenkzeichen an den Krieg und seine Opfer nur mehr für einfache Leute auf dem Lande, aber nicht für die so- genannten Gebildeten und die einfachen Leute in der Stadt eigneten. Gerade in den Städten, wo Auftraggeber und Künster in letzterer Zeit dem mündigen und unmündigen Pu- blikum an Plätzen und Häusern selten mehr etwas anderes vorzusetzen wußten als: nackter Mann, nackte Frau, nackte überfütterte Kin- der, wäre für Künstler und Auftraggeber eine Auffrischung ihrer Phantasie aus dem Jung- brunnen des Christentums und für die Ge- samtheit ein Hinweis auf den Ernst des dies- seitigen und jenseitigen Lebens vonnöten. Haben nicht bei Kriegsbeginn alle Volks- kreise in Stadt und Land den Herrn über Leben und Tod, den Lenker der Schlachten inbrünstig angerufen? Bekunden draußen im Felde nicht auch zahllose Krieger aus den Städten gläubigen Sinn? Erheben nicht Für-

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^ FRIEDHÖFE UND KRIEGSGEDENKZEICHEN ^

I KH7 1 l CHSKNBERGER

I IIJALKIRCHE KKAlsnORF

Malerei voti Max Koßi

sten und Vornehme, hochgebildete Männer und Frauen gemeinsam mit einfachen Leuten in den Gotteshäusern unserer Städte ihre Hände um des Alimächtigen Schutz für das Vaterland und seine Verteidiger? Soll es dann, wenn der Krieg mit Gottes Gnade hoffentlich siegreich beendet ist, auch mit dem Danke aus sein?

Der Klerus darf auf diesem Gebiete auf seiner Hut sein und möge rechtzeitig ein- greifen, wobei die gebildeten Laien ihm freu- dig zur Seite stehen sollten, sie haben allen Grund dazu. Der Blinde könnte allgemach sehen, daß die christliche Kunst nicht Stecken- pferd oder Luxus ist, der zu allerletzt kommt.

S. Staudhamer

FRIEDHÖFE UND KRIEGS- GEDENKZEICHEN

Ein Vorschlag Tn einer Zuschrift aus München wird aus- * geführt: -Zahllose Familien sahen Söhne, Gatten oder Brüder, selbst den Vater draußen auf dem Schlachtfelde fallen, die teuern Ueber- reste ruhen in fremder Erde, denn nur die

wenigsten konnten sie heimbringen lassen. Und so viele der Hinterbliebenen möchten doch eine Erinnerungsstätte an das gefallene Mitglied der Familie haben, nicht bloß an einem Denkmal mit dem Namen aller, son- dern an einem Plätzchen, das speziell ihnen geweiht ist.« Dann wird die Frage aufge- worfen, ob nicht die städtischen Behörden zu ge- winnen wären, leer gewordene Stellen imalten nördlichen Friedhof zu München, der aufge- lassen wird, abzutreten, damit dort für in der Fremde begrabene Krieger aus München Erinnerungszeichen, Kreuze, Kapellen u. dgl. errichtet werden könnten. Mit letzterer Frage haben wir uns an dieser Stelle nicht zu be- fassen ; doch glauben wir den in der Zuschrift niedergelegten Gedanken verfolgen zu sollen. In den städtischen Friedhöfen pflegen sich an alle inneren Wände der Umfassungsmauern Grabdenkmäler anzulehnen. Auch auf dem Lande geschieht vielfach das gleiche, liäutig leider noch dazu in recht unglücklicher Weise; da die EViedhöfe auf dem Lande mit niedrigen Mauern eingefaßt sind, so ragen die an ihnen angebrachten Grabsteine zur Hälfte über die Einfriedung empor und zerschneiden unschön

e^ FRIEDHOFE UND KRIEGSGEDENKZEICHEN 6^

FRITZ FUCHSENBERGER

FILIALKIRCHE KRAISDORF

til Jen ApostMildern

die Mauerlinie, der auf diese Weise alle Ruhe und der Eindruck des Umschließens genom- men ist. Wo es noch freie Stellen an der Innenseite einer Friedhofsmauer gibt, wäre die Anbringung von Epitaphien, die sich dem Gemäuer bescheiden einordnen, zu begrüßen. In Städten könnten die öden Außenwände der Gottesackermauern es sehr wohl vertragen, wenn sie durch edle Gedenktafeln für in frem-

der Erde bestattete Krieger geziert würden. Namentlich gilt das von Wänden, die dem Verkehr zugewendet sind. Auch auf dem Lande gibt es Friedhöfe, deren Ummauerung außen stellenweise zu plastischem Schmucke herausfordert, desgleichen, bei höher gelegenen Kirchen, Treppenaufgänge und Stützmauern, denen Gedenktafeln der erwähnten Art und Zweckbestimmung zur Zierde gereichen müß-

Dle christliche Kui

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TRITZ FrCHSF.KRFRGHR

/IMMHR DES VORSTAXDF.S

A'. Amtsgericht Eltmann tgog

e^ LEITSATZE FÜR WETTBEWERBE ©^

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teil. Schutzmauern an Stra- ßen- und Eisenbahnbauten böten für derartige Zeichen der Pietät ebenfalls er- wünschten Hintergrund. Von Seelsorgern und welt- lichen Behörden aufgemun- tert, sollten die Gemeinden den wohlhabenderen Ange- hörigen Gefallener oder den bessergestellten glücklich Heimgekehrten nahelegen, ihre religiöse und vaterlän- dische Gesinnung durch Errichtung würdiger Erin- nerungszeichen zum See- lenheil und zur Ehre der Ihrigen wie zur allgemei- nen Erbauung zu betätigen.

Nicht zuletzt wären die Wände der Pfarr- und Filial- kirchen und der Kapellen zur Aufnahme religiös emp- fundener und künstlerisch ausgeführter Gedenkzei- chen in Malerei und Plastik den einzelnen Ortsinsassen oder einer Gemeinsamkeit von Ortsbewohnern anzu- bieten. Auch aufgelassene Friedhöfe und solche, de- ren Auflassung bevorsteht, könnten den Gemeindean- gehörigen für private Erin- nerungszeichen und Denk- mäler, die sich auf die Kriegsteilnehmer beziehen, zur Verfügung gestellt werden. Bei einiger- maßen planmäßigem Vorgehen könnten diese ehrwürdigen Stätten, welche die Überreste von vielen Generationen der Gemeindeange- hörigen in ihrem Schöße bergen, auf dem angedeuteten Wege vor der Profanierung ge- rettet und zu heiligen Hainen umgestaltet werden, die dem ganzen Ort zu ewiger Zierde gereichen und höchst sinnige Denkmäler an unsere einzig große Zeit bilden würden.

Zur Lösung aller einschlägigen Fragen stellt die Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst jedermann ihren Rat und ihre künstlerische Beihilfe kostenlos zur \'erfügung. Wer den Seinen ein religiös empfundenes künstlerisches Erinnerungsmal an den Krieg öffentlich auf- stellt, bekennt vor aller Welt: Ich und mein Haus wollen dem Herrn und dem Vaterlande dienen ! S. Staudhamer

IKITZ I LCHSEXBERGER

KIRCHEXKESTAURATIÜX MURSBACH, B.A. EBERN Text S. 6g

LEITSÄTZE FÜR WETTBEWERBE

An manchen Orten trägt man sich mit dem Gedanken, zur Erlangung von Entwürfen lür Kriegsgedenkzeichen Wettbewerbe zu ver- anstalten, anderwärts werden Denkmalaus- schüsse auf diesem Wege folgen. Über das Wettbewerbswesen herrschen immer noch irrige Auffassungen, obgleich es an Aufklärungs- arbeit nicht mangelt und die »Christliche Kunst;: sowohl als auch »Der Pionier« jeden Anlaß benützt, um gewisse Mißstände zu be- kämpfen. Deshalb wollen wir nach dem Grund- satz: »Steter Tropfen höhlt den Stein; wieder einmal auf die Hauptpunkte hinweisen, die bei einem richtigen Wettbewerb beachtet sein müssen ■).

') Wir verweisen auch auf den i. Abschnitt im i. Heft der »Konkurrenzen der Deutschen Gesellschaft für christ- liche Kunst«, München, Verlag der Gesellschaft für christ- hche Kunst, G. m. b. H.

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s^ LEITSATZE FÜR WETTBEWERBE ©^

F. FUCHSENBERGER

SKIZZE ZUM HüCHAETARE DER STAl l'IARRKIRCHE EHINGEN a.D. (icji;

I. Das Ausschreiben. Zweck eines Künstler-Wettbewerbes ist die Erlangung von Entwürfen zu einem geplanten Werke der Kunst. Der Inhalt des Ausschreibens, auf Grund dessen die Künstler vom Wettbewerb nähere Kenntnis erhalten und das die Bedin- gungen aufzählt, muß mit aller Sorgfalt fest- gestellt werden. Dies läßt sich nur durch engste Zusammenarbeit der Veranstalter eines Wettbewerbes mit Männern erreichen, die auf dem Gebiete der Wettbewerbe Erfahrungen besitzen und mit Künstlern, welche das be- sondere Kunstgebiet, in dessen Rahmen ein Wettbewerb sich einreiht, durch eigenes Schaf- fen beherrschen. Alle Angaben müssen kurz und unzweideutig gefaßt sein, jene Forde- rungen, an welche man die Teilnehmer am Wettbewerb strenge binden will, sind genau von solchen Angaben auszuscheiden, die nur als Winke und Anregungen gemeint sind. Vorbehalte, durch welche der Zweck des Aus- schreibens nachträglich umgangen werden könnte, sind nicht zulässig. Dem V^erdacht, als könnte die Absicht bestehen, die einge- laufenen Entwürfe unter Umgehung der Ur- heber geschäftlich auszunützen, ist vorzu-

beugen. Der Zeitpunkt für die Einsen- dung der Entwürfe soll nicht zu knapp bemessen sein. Zu vermeiden sind Be- stimmungen, welche den Bewerbern größere Geldauslagen verursachen. Das Ausschreiben hat sich darüber auszu- sprechen, ob sich alle Künstler am Wett- bewerb beteiligen können, oder nur Künstler eines Landes, einer Vereinigung, eines Bezirkes, einer Stadt. Unzweck- mäßig ist es, den Kreis der Berechtigten sehr eng zu ziehen.

2. Zusammensetzung des Preis- gerichtes. — Über die Einsendungen entscheidet ein Preisgericht, das für die- sen Zweck aufgestellt wird. Seine Zu- sammensetzung ist sehr wichtig und es ist zu trachten, hervorragende Kräfte dafür zu gewinnen. Das Preisgericht hat in erster Linie die künstlerischen Rück- sichten zu wahren, weshalb die Mehrzahl der Preisrichter tüchtige ausübende Künstler sein und einige von ihnen dem- jenigen Kunstzweig angehören müssen, in welchen der Wettbewerb fällt. Die für den Eintritt in das Preisgericht in Betracht gezogenen Personen sind um ihreZustimmung zu befragen und müssen sich im Falle der Annahme ausdrücklich 'T" mit dem Wortlaut des Ausschreibens ' einverstanden erklären. Alle Preisrichter

müssen im Ausschreiben aufgeführt wer- den. Künstler, welche in das Preisgericht ein- treten, dürfen sich am Wettbewerb nicht be- teiligen.

3. Tätigkeit des Preisgerichtes. Die Namen der Urheber der eingesandten Ent- würfe bleiben dem Preisgericht und jedermann strengstens geheim, bis das Preisgericht seine Tätigkeit abgeschlossen hat. Die Entwürfe werden nach einem vom Verfasser willkürlich gewählten Kennwort (Motto) bezeichnet. Hat das Preisgericht sein Urteil gefällt und schrift- lich niedergelegt, so stellt es die Namen der Urheber der mit Auszeichnungen bedachten Entwürfe fest, während alle übrigen Konkur- renten auch nach der Entscheidung jedermann unbekannt bleiben, soweit sie nicht selbst das Geheimnis lüften. Das Preisgericht hat bei seinen Entscheidungen jene Erwägungen in die Wagschale zu werfen, von denen das Ausschreiben bestimmt war, und deshalb bei Wettbewerben zur Erlangung künstlerischer Entwürfe zunächst einzig den Maßstab der Kunst, bei Wettbewerben für r e 1 i g i ö s e Kunst- werke den Maßstab religiöser Kunst anzu- legen. Waren außer den künstlerischen Eigen- schaften der Entwürfe nach dem Ausschreiben

FRITZ FUCHSENBERGER

l'gl. Aii. S. gs. Text S. yo

HUCHALTAR IN EHINGEN a. D.

9-1

@^ LEITSATZE FÜR WETTBEWERBE ^

1 RITZ ILCHSENBERGEK

HAU.SÜAKTKN IM BISCHOFI,. PALAST ZU SPlilER (■•;I2)

auch noch andere Bestimmungen zu berück- sichtigen, wie Kostenpunkt, Aufstellungsort, Material, rein praktische Vorschriften, so hat das Preisgericht die Entwürfe auch daraufhin zu prüfen, wie es überhaupt in allem an den Wortlaut des Ausschreibens gebunden ist. Bestehen über eine Sache Zweifel, so muß sich das Preisgericht vor seinen Entscheidungen darüber durch Beratung und Abstimmung einigen.

4) Entschädigun- gen an die Teil- nehmer am We 1 1 - bewerbe. Für die besten Entwürfe wer- den Geldpreise ausge- setzt. Die für Preise bestimmte Summe muß im Ausschreiben genannt sein, sie mul.N in einem geziemenden Verhältnis zur Arbeits- leistung und zu dem für die Ausführung aufzuwendenden Be- trage stehen, sie muß restlos ausbczahltwer- den, über die Art ihrer Verteilung hat sich das Ausschreiben zu f. fuchsekberger

äußern. Je höher die Preise, desto sicherer ist der Erfolg des Wettbewerbes. Außer Preisen können noch Ankäufe von Entwürfen in Aussicht genommen sein. Tüchtige Ent- würfe, denen keine Geldpreise zuerkannt wer- den können, werden öfters durch Anerken- nungen geehrt. Es ist dahin zu trachten, daß der vom Preisgericht als beste Arbeit be- zeichnete Entwurf oder doch einer der preis- gekrönten ausgeführt und eine dahinge- hende Bestimmung in das Ausschreiben aut- genommen wird.

5. Engere Wett- bewerbe. — Werden zu einem Wettbewerb einige wenige Künst- ler persönlich einge- laden, so bezeichnet man ihn als engeren, jedem der Teilneh- mer ist in diesem Fall für sein Projekt eine in dem Einladungs- schreiben zu nennen- de bestimmte Summe zu entrichten. Auch müssen jedem Einge- KAPELLE sTocKiiEi.M tüFR.) ladcueu die Namen

^^ DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR CHRISTLICHE KUNST ^

95

der Mitbewerber bekanntgegeben wer- den. Im übrigen gilt für die engeren Wettbewerbe alles, was bei allgemei- nen Wettbewerben einzuhalten ist.

6. Erschlichene Wettbewerbe. Ein infolge gewisser Gewohnhei- ten von Unternehmern lange schon wuchernder Krebsschaden frißt immer noch weiter: man veranstaltet geheime Submissionen, durch die man sich die Vorteile eines Wettbewerbes erschlei chen will, ohne die aus einem richtigen Wettbewerb sich ergebenden Pflichten zu übernehmen. Wie das gemacht wird? Sehr einfach. Man teilt diesem und jenem und einem dritten Künst- lern und Unternehmern mit, daß die Vergebung einer Arbeit, z. B. einer Kirchenausmalung, in Aussicht steht, legt dem Adressaten nahe oder stellt ihm anheim, einen Entwurf unverbind- lich einzusenden, verschweigt aber, daß man in derselben Sache auch schon mit anderen in Verbindung getreten. Leute, welche die Kunst geschäftsmäßig betreiben, gehen ohne Bedenken darauf ein, da sie schon allerlei auf Lager haben und ihnen ihre Entwürfe nicht viel Kopfzerbrechen verursachen. Auch Künst- ler, die noch nicht hereingelegt wurden, ge- raten unschwer in die Falle. Auf diese Weise erhält der Fragesteller einige Entwürfe kosten- los zusammen; er trifft die Wahl, indem er sich ohne Beruf ein Richteramt anmaßt, an dessen Ausübung die gewiegtesten Fachleute nur mit Zagen herantreten; er ruft aber auch gerechte Erbitteruug hervor und schädigt das Ansehen seines Standes. Meistens dürfte

I KIT/. rUCHSEN'BERGER

1 ll.I.^LKIRCIIE HASSENBACH

FRITZ FUCHSENBERGER

der Billigste den Zuschlag erhalten, die übrigen können sehen, daß sie ihre Entwürfe wieder zurückerlangen, ohne auch noch an ihrem geistigen Eigentum geschädigt worden zu sein, da vielfach geglaubt wird, ein vorgelegter Ent- wurf könne nach Belieben geplündert werden. Jeder Künstler sollte, bevor er eine Skizze auf eine Aufforderung hin vorlegt, tunlichst sich klar über seine Bedingungen bzw. das, was Rechtens ist, aussprechen, nämlich daß sein Entwurf, wenn ein Auftrag nicht zustande kommt, mit einer bestimmten Summe zu ent- lohnen ist und sein volles geistiges Eigentum bleibt, d. h., daß derselbe in keiner Weise von einem andern verwendet, umgearbeitet oder sonstwie ausgenützt werden darf. Mögen unsere Leser in ihrem Kreise den Unfug erschlichener Wettbewerbe bekämpfen; ob es den Schuldigen angenehm oder unangenehm in den Ohren klingt, muß ihnen be- greiflich gemacht werden, daß sie etwas Tadelnwertes tun.

S. Staudhanicr

DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Im November wurde die Ein- ladung an die Künstler-Mitglieder versendet, Nachbildungen von Werken ihrer Hand behufs Vor- lage an die diesjährige Jury zur Auswahl für die J a h r e s m a p p e 191 6 bis zum 10. Dezember an die Geschäftsstelle (München, Karl- KiRciiENiNN'EREs Straße 6) einzusenden.

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^ AUS DEUTSCHEM BLUTE. DER HANDKUSS ©^

IKIIZ IL'CHbENBEUGER CN'AnKNKAPEI.l.E

Erlach iri H-'c-isrnnitt (igojj. Text S. 6g

Ferner erging an die Künstler-Mitglieder die Einladung, an die obige Adresse zum gleichen Termin Originalwerke zum Ankaufe für die Verlosung 1 9 1 5 gelangen zu lassen, da die Vorstandschaft beabsichtigt, die An- käufe noch vor Weihnachten vorzunehmen.

Bei der Herstellung der heurigen Jah- resmappe haben sich aus den durch den Krieg hervorgerufenen Verhältnissen Verzögerungen ergeben. Doch wird die Mappe in Bälde zur Versendung gelangen. Sie enthält vorzüg- liche Bildwerke und darf sicher auf freudige Aufnahme rechnen. Vertreten sind die Künst- ler: Bachmann, E. Endler, M. Frank, F. Zell, Fuchsenberger; Blaser, Busch, Buscher, Hoser, Kittler, Resch, Balthasar Schmitt, Uber- bacher; K. Gerhard, Huber-Sulzemoos, Fritz Kunz, Locher, Theodor Nüttgens, B. Rice, Samberger, Schumacher, Leonhard Thoma.

AUS DEUTSCHEM BLUTE

Aus deutschem Blute kam er, deutschem Mark, Der an Italiens Wände hingeschrieben Sein übermächtig Hassen und sein Lieben. All sein Bekenntnis, mutig, riesenstark.

Sein Geist Teutonengeist, den nichts be- zwingt. Er rüttelt an des Weltalls Säulenpforten, Ob sie ihn auch im Sturz begrabend morden. Frei bleibt die Seele, ewig neu beschwingt.

In diesen Tagen, da sich Wall auf Wall Zum Himmel türmt, der Völker Herz zu

scheiden Des Neides Pflüge tiefe Runen schneiden Bleibt doch sein Namen uns geliebter Schall.

Denn er ist unser. Stamm von unserm Stamm. Wie Shakespeare bis aufs letzte Wort Germane Und er bleibt unser. Seine Ruhmesfahne Soll aufrecht wehn auf unsrer Berge Kamm.')

M- Herbert

DER HANDKUSS

Ihr weißes Sterbekleid, brokatgewirkt,

Floß lang und schwer entlang des Sarges,

Borden, Ihr Antlitz einst so wegemüd und blaß Und leidvergrämt, war wieder jung geworden.

Um ihre Lippen, sonst so herb gepreßt. Flog eines Lächelns freigelass'ner Falter Im Kerzenschein. Der Strahl der Ewigkeit Nahm von ihr Lebens Bitternis und Alter.

Sie hatten ihr den Brautflor silberlicht Ob Haar und Busen züchtiglich gebreitet, Lorbeer und Rosen säumten ihr das Bett, Sie war wie eine, die zum Feste schreitet.

Und ihre Hände lagen fein und schmal, Als wollten sie das heiße Herz noch halten Gebetverschlungen auf der Brust geschränkt, Sie strahlten heller als die Seidenfalten.

So edle Hände hatte nie erschaut Buonaroti in den langen Tagen Der Lebenszeit. Er stand gebannt am Tode Sollt er die Hände ihr zu küssen wagen?

Sie bot sie immer flüchtig nur zum Gruß. Er meinte noch den leichten Druck zu spüren. Den scheu sie wie mit Mädchenfingern gab: Und nun sie mit den Lippen zu berühren?

Jedoch er tat's. Er beugte weinend sich: Du große Seele kannst es nicht versagen ! Das letzte Zeichen meiner tiefen Treu Soll deine Hand im Lichte Gottes tragen !

M. Herbert

') Michel.ingelo s;laubte von dem ghibellinischen .\delsgeschleclite der Grafen von Canossa abzustammen, dessen Stammutter eine Schwester des Kaisers Hein- rich II. war. Diese Annalime war irrig; die Dichterin aber geht in ihrem markigen Sonett davon aus, um festzulegen, daß der große Meister durch die Tiefe und Männlichl<eit seiner Kirnst dem deutschen Wesen ver- wandt und teuer ist, wie denn auch die deutsche For- schung mit großer Hingebung dem Künstler nachge- gangen ist. D. Red.

Heile mich, o Herr, so werde ich geheilt werden; hilf mir, so wird mir geholfen seini jerem. i?

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ALTARSCHREIN AUS DER KIRCHE IN KOTTINGWÖRTH BEI BEILNGRIES, DIÖZ. EICHSTÄTT l'g^l. die Abb. S. IOI I03. Ttxt S. 100

DER MEISTER DES KOTTINGWÖRTHER ALTARS

Von FELIX MADER (Hierzu die Abb. S. 97 in)

Das Gebiet des ehemaligen Hochstiftes Eich- stätt bewahrt einen reichen Schatz von mittelalterhchen Holzskulpturen. Längere Stu- dien führten mich auf die Spur eines Meisters, der von den achtziger Jahren des 15. Jahr- hunderts bis in die Frühzeit des folgenden seine Tätigkeit entfaltete. Die örtliche Ver- teilung der in Frage kommenden Schöpfungen führt zu der Vermutung, daß er nicht in Eich- stätt selber, sondern im Ostgebiet des Hoch- stiftes, in Beilngries, Berching oder Greding ansässig war. Die Kunst war eben damals nicht so an die großen Städte gebunden wie heute. Saß doch auch um 1480 in dem Dorfe Dietfurt, westlich von Eichstätt, ein Künster, der Hafner Vogel, von dem das Kloster Heidenheim im genannten Jahr die Tonfiguren der hl. drei Könige und ein Marien-

bildnis kaufte'). Auch wenn Vogel die Modelle nicht selber geschaffen haben sollte, ist die Notiz von Interesse. Der Dorfhafner lieferte sicher keine Minderwertigkeiten, sonst hätte Kloster Heidenheim nicht bei ihm gekauft.

Es steht also nichts im Weg, den Meister des Kottingwörther Altars in der romantischen Juragegend um Beilngries zu suchen^).

Seine Schöpfungen. Außerhalb der Mauern von Beilngries, am Abhang des Arzberges, liegt malerisch die Bühlkirche, ein spätgotischer Bau aus der Zeit des Eichstätter Bischofs

') A. Gümbel i. Repert. f. Kunstwissenscli., XXVIII (1905), S. 450.

=) Auch Würzburg bestellte im 17. Jahrhundert bei Bildhauern, die in Forchtenberg, Miltenberg, Windsheim wohnten. Vgl. F. Mader, Kunstdenkmäler der Stadt Würz- burg, S. 690.

Die christliche Kunst. XII.

^ DER MEISTER DES KOTTINGWORTHER ALTARS ©sas

VEKKÜN'DIGUNG UND BESCHKEIDUNG VOM SPÄTGOTISCHEN' HAUPTALTAR IN DER BÜHLKIRCHE HEI BEILNGRIES

Um 14S0. Text S. 99

;ISIL liC IILKIRCHE Bi:i Hi:n.NGRIES, DIOZ. EICHSTA I 1 Um 14S0. Ttxl S. gg

DER MEISTER DES KOTTINGWORTHER ALTARS ©aa

99

Wilhelm von Reichenau. Ein Schlußstein im Chor meldet, daß um 1476 am Chor gebaut wurde').

\'om mittelalterlichen Haupt- altar der Kirche haben sich die Flügelreliefs erhalten : Verkün- digung Mariens, Geburt und Be- schneidung Christi, Anbetung der Weisen (Abb. S. 98 99).

Wie vielfach in der Spätgotik und Renaissancezeit gebräuch- lich war, hat sich der Schnit- zer in der Komposition der Szenen teilweise an Vorbilder angelehnt. Die Darstellung der Geburt Christi und die Anbe- tung der hl. drei Könige stimmt nämlich augenfällig überein mit den Tafelbildern in der Maria- hilfkirche zuNeumarkt i.Obpf.2) Vermutlich benutzten beide, Maler und Bildschnitzer, die gleichen graphischen Vorbilder. Es gelang allerdings nicht, die- selben ausfindig zu machen, weswegen mit der Möglichkeit gerechnet werden muß, daß der Schnitzer an die Bilder sich an- lehnte. Die Möglichkeit besteht. Die Tafelbilder entstanden 1478, die Reliefs sind etwas jünger. Freilich ist der ursprüngliche Standort der Neumarkter Tafeln unbekannt. Der Kirche wurden sie im 19. Jahr- hundert geschenkt.

Die Komposition der Beilngrieser Reliefs ist also für jeden Fall beim Maler zu leihen gegangen. Nur das Beschncidungsrelief scheint auf des Schnitzers eigener Erfindung zu be- ruhen. Sie ist beträchtlich schwächer als die des Malers bezw. Stechers. Die vielen Statisten im Hintergrund der Szene stehen im primi- tivsten Nebeneinander da und scheinen sich zu langweilen. Auch sonst fehlt es nicht an formalen Schwächen. Die Darstellung des Kniens bewältigt der Schnitzer nicht völlig, das Jesuskind auf dem Relief der Geburt liegt unbeholfen da, die schreitende Bewegung des Mohrenkönigs ist nicht geglückt. Dafür ent- schädigt aber, wie bei so vielen Spätgotikern, die innere Vertiefung, die schlichte, unmittel- bare Auffassung, die gehaltvolle Charakteristik. Das Schönheitsempfinden des Meisters zeigt durchgehends einen gewissen barocken Ein-

') Kunstdenkmäler der Oberpfalz, XII, B.-.\. Beilngries, S. 18.

^) Dieselben, XVII, Tat". II.

■WBETUNG DER KUMüE. -

BLIILKIKCIIE Bi;i liElLNGRIES, DIOZ. EICHSTATT 'i 1480. Text nehettan

schlag. Leben war ihm mehr als abgeklärte Form. Man sieht das an seinem Beilngrieser Marientypus: Anmut und Würde fehlt nicht, aber gesunde Kraft spricht bestimmend mit. Eine wahre Auslese scharfgeschnittener, son- nengebräunter T)'pen bieten die Männer- gestalten. Mit hingebender Treue und Sicher- heit sind sie der Natur nachmodelliert. Der dickbackige Mohrenkönig ist gewiß realisti- scher als nötig wäre, aber Charakterköpfe wie St. Joseph und die beiden anderen Könige gehen über Durchschnittsleistungen beträcht- lich hinaus.

Der Gewandstil ist stark von der weichen Art beeinflußt, die die drei ersten Viertel des 1 5. Jahrhunderts charakterisiert. Bezeichnend ist das Beschneidungsrelief. Aber das bewegte, flutende Barock, das mit Ende der siebziger Jahre einsetzt, spricht auch schon mit, zunächst noch zahm und schüchtern. Den Reliefs ent- standen also bald nach Vollendung des Chor- baues der Kirche, um 1480.

Zwei Reliefgruppen im Diözesanmu- seum reihen sich zunächst an. Sie stammen

'3*

es^ DER MEISTER DES KOTTINGWÖRTHER ALTARS ^

SHCHS APOSTEL AUS FREYSTADT Text unten

aus Freystadt'). Freystadt gehörte allerdings zur Pfalz, lag aber an der Grenze des Hoch- stiftes und zwar in nächster Nähe des Gebietes, das die meisten Schöpfungen unseres Schnit- zers besitzt. Es handelt sich um zwei Gruppen von je drei Aposteln. Sie scheinen zu einer größeren Gruppe gehört zu haben, die den Tod Mariens darstellte. In den Gesichtszügen der Apostel malt sich nämlich durchgehends schmerzliche Ergriffenheit (Abb. oben). Die Mehrzahl schaut teilnahmsvoll aufeinen Gegen- stand bezw. auf eine Person, die in der Mitte der Gruppe sich befand, zwei erheben trauernd den Blick nach oben. Wahrscheinlich kniete Maria inmitten der versammelten Apostel, ein Typus des Marientodes, der ja öfter vor- kommt. Veit Stoß hatte kurz zuvor die Szene auf seinem Krakauer Altar so geschildert, desgleichen manch anderer Meister.

Die Köpfe der Apostel zeigen dieselbe

') Seb. Mutzl in Eichstalts Kunst, München 1901, S. 85.

scharfe, energisch durchgebildete Cha- rakteristik wie die Beilngrieser Re- liefs. Knorrige, sonnenverbrannte Gestalten, aber Gestalten voll kerni- gen inneren Lebens. Auch die knochigen Hände sind voll Ausdruck. Die Auffassung und Schnitztechnik des Meisters prägt sich aufs bestimm- teste aus, der Faltenstil ist der der Beilngrieser Reliefs.

Ich komme zu dem erhaltenen Hauptwerk des Meisters, zum Kot- tingwörther Altar.

Eine Stunde unterhalb Beilngries liegt am Altmühlufer malerisch das uralte Kottingwörth mit seiner zwei- türmigen Kirche. In der frühgoti- schen Veitskapelle des schönen Got- teshauses befand sich bis vor unge- fähr vierzig Jahren der in Frage stehende Altar. Bischof Franz Leo- pold von Leonrod erwarb ihn unter Zustimmung der in Frage kommen- den Stellen für die größere Kapelle des Bischofspalais in Eichstätt^).

Es handelt sich um einen Schrein- altar. Im Schrein befinden sich die fast lebensgroßen Statuen St. Vitus, Modestus und Kreszentia (Abb. S. 97). Die Innnenseiten der Flügel sind mit vier Reliefszenen geschmückt: Taufe des hl. Vitus, eine Kranken- heilung durch ihn, Peinigung durch die Schergen (Abb. S. 102), Martertod imOelkessel(Abb. S. 103). Die Außen- seiten schmücken gemalte Szenen aus St. Vitus' Leben, gute Bilder, die aber für uns hier nicht in Betracht kommen. Die Predella stammt von einem anderen mittelalterlichen Altar.

Der Kottingwörther Schrein strahlt jene tiefe, fesselnde Wirkung aus, wie sie allen wirklichen Kunstschöpfungen, mögen sie wel- cher Periode immer angehören, eigen ist. Der Reiz, den die lebendige Blume vor der ge- machten voraus hat, ruht auf den in goldene Gewänder gekleideten Gestalten des Altars. Zum erstenmal tritt uns hier der Meister mit seinem Können als statuarius entgegen. Und dieses Können ist bedeutend. In gerader, sicherer Haltung stehen die drei Schreinfiguren da, groß und schlank gebildet, in formen- reicher Gewandung, die die Abhängigkeit vom körperlichen Substrat folgerichtig ausdrückt. Klar und übersichtlich gruppieren sich die

=) Fr. X. Herb in Eichstätts Kunst, S. 61 f. Ueber Kottingwörth vergl. Kunstdenkmäler des B.-A. Beilngrie?,

S. 100 ff.

DER MEISTER DES KOTTINGWORTHER ALTARS ©S^ loi

HL. Mlil)l_sl l.

Schrein dfs Kcttiii^u

I i-/. AU: S. qy. Tex

III. i-, Kl .s/]-.Xll.\ ■I.» und unten

Drapierungsmotive, nur ausnahmsweise drin- gen die barocken Neigungen des Meisters und der Zeit durch. Bedeutend ist die Charakte- ristik. Ein Kopf wie der des Modestus gehört zu den Kabinettstücken der spätgotischen Plastik. Die beiden andern stehen nicht zurück. Die Charakteristik steht aber dem Künstler so hoch, bezeichnenderweise, daß er vor einer Nuance ins Genrehafte nicht zurückschreckt.

Die Hände dienen ihm dazu, die Figuren in seelischen Konnex zu bringen. Modestus und Kreszentia zeigen auf ihren Pflegling hin, auch ihre Gesamthaltung ist der Mittelfigur zugewendet. Also eine Art sacra conversazione.

Ich komme zu den Flügelreliets. Sie sind sehr figurenreich, gedrängt komponiert, und zwar oflensichtlich eigene Erfindung des

Schnitzers. Graphische Vorlagen können nicht vorausgesetzt werden. Dem Beschneidungs- relief in Beilngries gegenüber fällt der Fort- schritt in der Gruppierung auf: sie ist bewegter, flüssiger. Es fehlt auch hier nicht an formalen Schwächen, aber die übrigen Qualitäten wiegen sie weit auf, namentlich die markante Charak- teristik. Letztere bildet den kürzesten stil- kritischen Verbindungsweg mitdenBeilngrieser und Freystädter Schöpfungen : überall die gleichen sehnigen und knochigen Männer- gestalten, die gleiche Art jugendlicher Er- scheinungen. Vitus mit seinem breiten flächigen Typus gehört unbedingt in den gleichen Formenkreis wie die Beiingrieser Marienfigur und wie der Engel Gabriel auf der dortigen Verkündigungsszene (S. 98).

102 e^ DER MEISTER DES KOTTINGWORTHER ALTARS ®»

MARI VRIUM D1£S Hl,. VITLS Vgl. AH. S. gy. Text S. loo

In der Gewandung klingt die ältere weiche Art noch mehr nach als in den Schreinfiguren.

Als Entstehungszeit kommen die neunziger Jahre des Jahrhunderts in Betracht.

Derbisher gewonnene Ueberblick ermöglicht es, zwei große Einzelfiguren als Schöpfungen des begabten Meisters zu erkennen. Zunächst eine Marienstatue auf dem nördlichen Seiten- altar in der Pfarrkirche zu Großhebing (Abb. S. 104I.). Eine bedeutende Schöpfung ! Ent- standen ist sie ungefähr gleichzeitig mit den Beilngrieser Reliefs. Wie dort dokumentiert sichder Meister auch hier als begeisterter Realist. Sein Marienoriginal nahm er sich mitten aus dem Leben : eine junge Frau, stattlich, gesund und kräftig, nicht idealschön, aber eben ganz lebenswahr. Sinnend, nachdenklich wendet sie sich dem Jesuskind zu. Das Kind ist sehr schön. Den Formen des kindlichen Körpers zeigt sich der Schnitzer völlig gewachsen, die Be-

wegung ist frei und rh3-thmisch, der Ausdruck des schönen Köpfchens ungemein seelenvoll. Etwas wie Wehmut scheint aus dem Kind zu sprechen. Mit beiden Händchen hält es einen Apfel vor sich, jedenfalls den Paradies- apfel. Dieser Umstand erklärt die Stimmung bei Mutter und Kind. Also wie häufig bei den mittelalterlichen Madonnenmeistern eine sehr vertiefte Auffassung mit mystischen An- klängen.

Mit einem wahren Enthusiasmus für flutende und rauschende Formen bildete der Schnitzer die Gewandung Mariens: das Pathos der acht- ziger Jahre wollte seinen Tribut haben. Es muß sich aber dem weichen Stil anbequemen, in dem der Künstler aufgewachsen ist. Die Zugehörigkeit zum fraglichen Opus betreffend, wolle man den Typus Mariens mit der Beiln- grieser Mariendarstellung vergleichen, namen- lich am Dreikönigsrelief. Man verü;leiche ferner

DER MEISTER DES KOTTINGWORTHER ALTARS e^

103

MAklhRlOÜ DEb HL. Mll'b IM OLI\£»EL r^-l. Ali. S. 97. Tcjci S. 100

den hl. Vitus am Kottingwörther Altar. Der gleiche persönliche Stil, auch die gleichen technischen Manieren prägen sich mit der wünschenswertesten Erkennbarkeit aus.

Die zweite Figur steht jetzt in der Kirche zu Esselberg, in der Nähe von Großhebing. Es handelt sich um eine Apostelstatue, gegenwärtig durch die nicht glückliche Bei- gabe eines Lilienstengels als St. Joseph cha- rakterisiert (Abb. S. 105). Das Bildwerk befand sich früher in Großhebing in Privatbesitz, stammt also möglicherweise aus der dortigen Pfarrkirche. Die Figur ist etwas jünger als die Großhebinger Madonna und etwas älter als der Kottingwörther Altar. Die künstlerischen Qualitäten der Schreinfiguren des genannten Altars kommen auch der Esselberger Statue zu. Der Typus des vollbärtigen Apostels findet sich wieder in Beilngries auf dem Beschnei- dungsrelief und in Berching auf dem Sippen-

relief (Abb. S. 106), wovon sogleich die Rede sein wird. Die Gewandung bewegt sich in rei- chen, volltönenden Rhythmen. Das Bedingtsein durch den Körper ist aber weniger ausgedrückt als das am Kottingwörther Altar der Fall ist. Der eben erwähnte Hochaltar der altehr- würdigen Lorenzikirche in Berching gehört zweifellos unserem Meister an. Erhalten ist von der umfangreichen Anlage die Schrein- gruppe, Maria Krönung darstellend, und vier Flügelreliefs. Sie schildern die Diakonatsweihe des hl. Laurentius, sein Verhör vor dem Richter, seine Grablegung, außerdem die hl. Sippe (Abb. S. 106 und 107). Die interessanten Bildwerke sind heute einem modernromani- schen Altaraufsatz eingegüedert. Auch die Außenbilder haben sich erhalten. Sie hängen einzeln an den Wänden der Kirche"). Es sind

') Kunstdenkmäler des B.-A. Beilngries, S. 37, 40 u. Tafel Il-V.

104

^ DER MEISTER DES KOTTINGWÜRTHER ALTARS ffiSSi

.MAIUENSTATUE IK GUOSSHHBIXG Text S. IUI

MAKlEXSTATUli IX DLR I'E lEKSKlKCIlE Zu EICHSTÄTT. Text S. 106

deren acht wie am Kottingwörther Altar. Die beiden Altäre hatten also rückseits stehende gemalte Seitenflügel, die nur bei geschlossenem Schrein sichtbar wurden.

In den Visitationsprotokollen des Eichstätter Generalvikars Priefer, 1601 02 niederge- schrieben, steht die Bemerkung, der Altar sei im Jahre 1302 gemacht worden: > altare coro- nationis B. Virg. et s. patroni (i. e. s. Laurentii) magnum ex sculptis imaginibus Anno 1502 factum«'). Diese Notiz, die sich mit der

') Ordinariatsarchiv Eichstätt, Vitus Priefer, Visitations- protokolle von 1601/02, tom. II, fol. 241'- Vgl. Pasto- ralblatt 1862, S. 177.

wünschenswertesten Sicherheit auf die erhal- tenen Skulpturen bezieht, wurde von Priefer ofl^enbar auf Grund einer am Altar ange- brachten Inschrift oder Jahreszahl gemacht. Für den ersten Augenblick befremdet die Jahreszahl. Man würde die Berchinger Skulp- turen mit Rücksicht auf deren Gewandstil, der mit bayerischen Arbeiten der Renaissance- zeit Berührungspunkte zeigt, etwas später an- setzen. Dennoch dürfte die Priefersche Notiz richtig sein. Die Schreinfiguren in Berching stehen denen am Kottingwörther Altar so nahe, daß der Unterschied nur wenige Grade aus- macht. Daceaen sind die Flü"elreliefs fort-

DER MEISTER DES KOTTINGWORTHER ALTARS mm

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geschrittener im stilistischen Sinn als jene am Kottingwörther Altar. Die Beein- flussung durch den alteren weichen Stil hat völlig aufgehört. Schrein und Flügel stimmen in Berching in der stilistischen Aufmachung vollständig überein. Die jüngere Entstehungs- zeit macht diese Erscheinung ohne weiteres verständlich. Der Meister hat den Anschluß an den Zeitstil völlig gefunden; die barocken Momente, die mitsprechen, sind eine Nach- wirkung der Schule, aus welcher der Meister hervorgegangen ist, das gleiche künstlerische Empfinden wie an der Großhebinger Madonna, aber dem Zeitstil gemäß formuliert.

Der Zeit entsprechend, die von der Formen- klärung durch die Renaissance beherrscht zu werden anfängt, oder von deren Formenglätte, wenn man will, geben sich die Berchinger Figuren kultivierter als die vorausgehenden Arbeiten, wenn man deren herben Realismus in den Vordergrund stellt, mehr der typischen Konzentration zugeführt im Gegensatz zu der älteren naiven Vorliebe für reiches, selbstän- diges Detail. Sie gehören aber besimmt der gleichen Rasse an. Zweifler bitte ich die Ber- chinger Marienfigur mit dem Kottingwörther Vitus in Vergleich zu stellen, Gottvater und Gottsohn mit Modestus und dabei noch zu beachten, daß die Berchinger Figuren durch eine moderne Fassung geglättet sind. Die Schreinfiguren bilden dann das feste Bindeglied zwischen den Berchinger Flügelreliefs und den älteren Reliefarbeiten. Ohne sie wäre die Brücke schwer zu finden, das muß zugegeben werden.

Was den seelischen Charakter der Berchinger Skulpturen anbetrifft, so ruhtauf der Krönungs- gruppe eine ungewöhnlich teierliche, würde- volle Stimmung. Die überschlanken Propor- tionen bei Gottvater und Gottsohn erhöhen diesen Eindruck. Die gedrängte Gruppierung hängt offensichtlich mit der ursprünglichen Gestaltung des Schreins zusammen. Die er- haltenen drei Figuren füllten denselben nur halb. Die heutigen Nebenfiguren sind nicht zugehörig. Man muß also annehmen, daß die Krönungsgruppe ursprünglich von weiteren Figuren umgeben war, die verloren sind, ent- weder von Engeln, ähnlich dem Schaffnerschen Altar in Wettenhausen, oder zwei großen Heiligenfiguren, wie es beim Hauptaltar in Schwabach der Fall ist.

Seelenvolle Innerlichkeit spricht aus den Flügelreliefs, namentlich aus der Sippendar- stellung, die fürinnere Vertiefung ja am meisten Anhaltspunkte bot. Die Einreihung dieses Motives ist auffallend. Sie macht es wahr- scheinlich, daß im Schrein neben der Krö-

nIATLE IN' ES^ELBERO Text S. loj

nungsgruppe die Figuren St. Laurentius und St. Anna standen, also eine Schreinanordnung wie am Schwabacher Altar. Die Verehrung der hl. Anna war um die Entstehungszeit des Berchinger Altars im höchsten Flor. Auch in Berching scheint sie sehr gepflegt worden zu sein. Die zweite Kirche der Stadt, die heutige Pfarrkirche, erhielt um die fragliche Zeit einen Altar der Heiligen, woraus sich später sogar eine eigene St. Annakapelle ent- wickelte»).

Dem Berchinger Altar steht zeitlich eine Marienstatue nahe, die in der Peterskirche

I) Pastoralblatt der Diözese Eichstätt 1858, S. 108. Ueber spätgotische St. Annabildnisse im Hochstift Ei.:h- stätt vgl. meinen Aufsatz im Sammelblatt des Hist. Ver. Eichst.itt, 191 1.

Die chrisüichc Kunst. XII.

io6

^ DER MEISTER DES KOTTINGWORTHER ALTARS ©S^

\t).M ll(.l( HAI lARi; DER LORIAV .. i_l:L _; 1;1£RCH1NG, DIÖZESE EICHSTÄTT Text S- tvj-los

in Eichstätt sich befindet (Abb. S. i04r.). Sie gehört sicher dem Kottingwörther Meister an. Seine Art, die Draperien zu gestalten, bildet eine singulare Erscheinung in der spätgotischen Plastik des Hochstiftes Eichstätt, die Verglei- chung ist deshalb leicht. Der Typus Mariens hat viel Verwandtes mit der Kreszentia des Kottingwörther Altars und mit den Frauen des Berchinger Sippenreliefs : keine weiche Schönheit, sondern Betonung des Charakte- ristischen, ja ein Stich ins Herbe, ist all diesen Frauengestalten eigen.

Die Madonna der Peterskirche gehört gleich der Großhebinger zu den zahlreichen Marien- figuren des Mittelalters, die das mariologische Problem von seiner tiefsten Seite erfassen. Würde und Ernst verkörpern sich in Maria. Entzückend schildert der Künstler wieder die Psyche des Kindes: nicht einen hübschen, liebenswürdigen Knaben schuf er, sondern ein Jesuskind, das mit sinnigem Ausdruck den Betern sich zuwendet und sie segnet. Der Gestus des Segnens scheint ursprünglich zu sein. Wenn geringer begabten Schnitzern die Uebersetzung der Natur in die überweltliche Sphäre weniger glückte, so kann das bei der Schwierigkeit der Aufgabe nicht überraschen.

Die bisher genannten Schöpfungen geben sich als Werke eines Meisters deutlich zu er-

kennen. Wir nannten ihn den Kottingwörther Meister. Ich reihe noch einige Skulpturen an, die in seine Richtung fallen, eine definitive Zuteilung jedoch nicht gestatten.

Die Kirche in Hausen bei Greding besitzt drei Apostelrelieffiguren: Petrus, Paulus und Johannes (Abb. S. io8). Die Figuren stehen ausgesprochen unter dem Einfluß der Renais- sance, die im Eichstätter Gebiet mit Loy Hering seit ca. 15 14 ihren Einzug hielt. Daß die Bildschnitzer des Hochstiftes dem Einfluß seiner Schöpfungen sich entzogen hätten, ist nicht anzunehmen, wohl aber das Gegenteil. Die Hausener Figuren zeigen das: die über- schlanken Proportionen, die sich schon teil- weise am Berchinger Altar geltend machen, die Reduktion des reichen Details in der Ge- wandung und die Charakteristik der Apostel, sind auf Rechnung der Renaissance zu setzen. Es gewährt namentlich großes Interesse, zu beobachten, wie der spätgotische Realist in der Charakterschilderung mit dem Renaissance- ideal sich abfindet. Er bleibt Charakterschil- derer, sucht aber gleichzeitig den Forderungen auf formale Schönheit, die dem Typus zustrebt, gerecht zu werden. Also ein Kompromiß, der zu etwas manierierten Gestalten geführt hat. Bezeichnend ist der Pauluskopf mit dem ge- strähnten Flachsbart. Die gezwungene Hai-

DER MEISTF.ll DES KOTTINGWOimiER ALTARS ©as

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tung der drei Figuren scheint durch den engen Raum verschuldet zu sein, in den sie hineingezwängt werden mußten.

Aus der Hausener Kirclie kam eine Sa! vatorb üs te in Privat- besitz (Abb. S. 109), Sie ist gleich- zeitig mit den Aposteltiguren viel- leicht Rest einer Standtigur; daß sie vom Meister der Apostel stammt, ist ohne weiteres klar. Es fällt aber auch die Verwandtschaft mit den Berchinger Krönungstigu- ren in die Augen. Mit ihnen hat der Hausener Christus die lange Kopfbildung gemeinsam, gleich den Aposteln, und das gleiche figürliche Ideal. Wie auf den Ber- chinger Figuren ruht auf diesem Salvator Hoheit und Würde, aber nicht unnahbar. Die benignitas et humanitas salvatoris spricht ver- trauenerweckend mit. Die Inspi- ration des Künstlers war unbedingt bedeutend. Man erinnert sich an die Inschrift des Genter Altars zu Füßen Gottvaters: »Leben ohne Tod im Haupte, Jugend ohne Alter auf der Stirne, Freude ohne Trauer zur Rechten, Sicherheit ohne Furcht zur Linken«.

Zwei Apostelfiguren in der Kirche zu Pfraundorf bei Beiln- gries fallen in die Richtung der Hausener Skulpturen. Ein hl. Se- bastian in der Kapelle zu Kai- dorf, ebenfalls bei Beilngries, könnte eine Werkstattarbeit sein'), auch ein hl. S ebas tian in Rök- kenhofen kommt, wenn die Er- innerung nicht täuscht, in Frage.

Eine Reihe von Berührungs- punkten mit den jüngeren Arbeiten des Kottingwörther Meisters hat ein Altarwerk in Burgober- bach bei Ansbach. Ich will aber nicht gesagt haben, daß es ihm wirklich angehört, das gestatten verschiedene Bedenken nicht. Für jeden Fall ist die Konstatierung von Interesse, daß in beträcht- licher Entfernung von der Zone, die die vorausgehenden Werke ber- gen, verwandte Erscheinungen auf- treten. Da Burgoberbach Besitz

BEGRÄBNIS DES HL. LAUREN TIUS KW. A/>6. S. 106

') Abbild, i. Kunstdenkmäler des B.-A. Beilngries, S. 99.

l'gl. AU. S. 106

io8

e^ DER MEISTER DES KOTTINGWÖRTHER ALTARS ^

DKKl Al'OSTIiL IX DEK KIRCHE ZU HAUSEX Bi;i GKEDIXl, (I)IOZ. HICHSTATT) Tejrt S. 106

des Hochstiftes Eichstätt war'), wäre der Zu- sammenhang ja sehr erklärlich.

Der Altar stand ursprünglich in der Leon- hardil^irche in Burgoberbach. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts versetzte man ihn in die Pfarrkirche. Bei diesem Anlaß mußte er sich starke Eingriffe in den ursprünglichen Bestand gefallen lassen. An Stelle der Mitteltigur im Schrein, St. Leonhard, trat ein moderner Nikolaus, auch die Predella ist neu. Die Gruppe der Zwölf Apostel, die darin gestanden war, ist verschollen. Erhalten sind die beiden Schreinfiguren St. Stephan und Sebastian (Abb. S. iio u. in), die Flügelreliefliguren St. Chri- stophorus und Wendelin, ferner die Außcn- bilder der Flügel mit Szenen aus Leonhards Leben. Die Statue des hl. Leonhard (Abb. S. iior.) kam in die kath. Pfarrkirche zu Absberg.

') Vgl. Bundschuh, Hist.-iopogr. Lexilion von 1-ran- ken, Ulm 1799, I, 508 tf.

Was die Burgo- berbacher Figuren mit dem Kotting- wörther Meister ver- bindet, das ist die Auswahl der Typen, das figürliche Ideal. Die drei Heiligen die Flügelreliefs sind nur dekorativ zu werten nament- lich Sebastian und Stephanus, haben jene schmalen, läng- lichen Köpfe mit manieriert behandel- tem Mund und knap- pen Knien, wie sie die Berchinger und Hausener Figuren auch zeigen. Kurz gesagt, es besteht Familien Verwandt- schaft, die leichter gesehen, als analy- siert wird. Auch die überschlanken Kör- perproportionen sind gemeinsam. Das Gefühl für pla- stische Geschlossen- heit zeigt gegenüber Berching und Hau- sen einen bestimm- ten Fortschritt, die Leonhardsfigur we- nigstens. Die Ge- stalt des Heiligen ist von innen heraus ent- wickelt, das Bedingtsein der Gewandung vom Körper klar ausgedrückt unter Zurückdrän- gung der Draperiedetails, die noch weiter geht als bei den Hausener Figuren. Das wäre also ein Wachsen des Verständnisses für den Genius der Renaissance.

Ich bemerke aber nochmals ausdrücklich, daß mir die Bedenken für eine bestimmte Zuteilung sehr wohl bekannt sind. Für Kriti- ker ist es eine wertvolle Uebung, den hl. Leonhard mit den Seitentiguren zu vergleichen. Der Kunsthistoriker, der den Leonhard dem Meister der Seitenfiguren auf stilkritischem Wege zuteilen würde, dürfte starken Bedenken begegnen. Glücklicherweise bestehen aber lokale Traditionen, die Urkundenwert haben. Das sind des Kottingwönher Meisters Werke. Seinen Namen kennen wir nicht, werden ilin voraussichtlich auch nicht kennen lernen. Er war keiner von den Geringen. Die Zeit seines

^ DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MILBERTSHOFEN ^S

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SALVATORBÜSTE AUS DER KIRCHE 1\ HAUSEX Text S. 107

Schaffens fällt in eine Periode, die innerhalb Dezennien einen raschen Wechsel von Stil- bewegungen aufweist. Welches waren die inneren treibenden Kräfte dieser Bewegung? Um die Wende des Jahrhunderts das Ein- dringen der Kenntnis italienischer Kunst, die unmittelbar oder, wie jedenfalls in unserem Fall, mittelbar wirkte. Aber was bewirkte die barocke Hochflut der achtziger Jahre? Welche innern Kräfte waren da in Tätigkeit? Man hat von »seelischer Erregtheit« gesprochen und darin eine Wegbahnung für die religiösen Umwälzungen des 16. Jahrhunderts gefunden. Das ist Täuschung. Ebbe und Flut, Ruhe und Bewegung wechseln in der Formenwelt der Kunst ständig, auch in den übrigen Jahr- hunderten, am meisten in der modernen Zeit. Auf klassische Tendenzen folgen wieder ba- rocke. Ein Beispiel : Die Hochflut des Barocks in der Spätzeit des 17. Jahrhunderts glättet sich mit Beginn des 18. Jahrhunderts immer

mehr, um mit dem feinen Laub- und Band- werk der zwanziger Jahre zur ruhigsten Aus- drucksweise überzugehen. Aber das Ansteigen beginnt sofort wieder und erhebt sich zu einer wahrhaft barocken Hochflut im Muschel- werk des Rokoko gegen die Mitte des Jahr- hunderts, um abermals in allmählich abstei- gender Bewegung in die Ebbe des Klassizismus auszulaufen. Das romanische und gotische Mittelalter unterlag den gleichen Gesetzen, nur waren die Fristen etwas länger gesteckt. Es handelt sich also um ein durchgehendes Gesetz, das dem Kunstschaff'en immanent ist. Die absolute Schönheit, die in der Kunst sich widerspiegelt, ist unerschöpflich. Keine Stil- weise kann sie annähernd genügend ausdrük- ken, auch die Gotik nicht, die man im 19. Jahr- hundert auf doktrinärem Weg zur absolut kirchlichen Kunst zu stempeln suchte. Der Ver- such führte zur traurigsten Inferiorität. Wech- sel und Vielgestaltigkeit ist ein überragendes Weltgesetz, auch in der Kunst. Daß, zunächst von der Kunst gesprochen, auch psychologische Faktoren mitwirken, die cupiditas rerum no- varum, unterliegt keinem Zweifel. Sie kann ein Uebel sein, wie die modernen Bewegungen zeigen, die keine Reife über lauter Unruhe und Modesucht aufkommen lassen, kann aber auch eine psychische Kraft sein, die vor Verknöcherung und Versumpfung bewahrt, wie ein Blick auf die romanische und gotische Misere des 19. Jahrhunderts beweist.

DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MIL- BERTSHOFEN UND IHR DECKEN- GEMÄLDE

Von DR. ADOLF FEULNER

(Hierzu die Abb. S. 112 bis 120)

\ Tun ist mit der Fertigstellung der Decken- ^ ^ maierei die neue Pfarrkirche in Milberts- hofen trotz der Ungunst der Zeiten zur Vollendung gelangt. Wenige Stücke der Ausstattung fehlen noch ; doch werden diese kaum eine Änderung des Gesamteindruckes bedingen. An dem Bau, so wie er jetzt steht, kann man das Wollen und Können unserer Zeit auf dem Gebiete ländlicher Kirchenar- chitektur gut ersehen und da die Kirche, alles in allem, zu den erfreulichsten Leistungen unserer jüngsten Künstlergeneration gehört, nehmen wir Anlaß, auch hier ausführlich dar- auf hinzuweisen.

Wir geben zunächst die wichtigsten Daten. Eine neue Kirche war in Milbertshofen schon längere Zeit geplant, der Kirchenbauverein

DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MILBERTSHOFEN

IIL. STKI'HANIS urtn von einem Altar

Burgoberbach. Hier.

IIL. li;ü\hakii

Text S. ,07 und loS

bestand schon Jahrzehnte, und mit Rücksicht auf die Nähe Münchens und die bevorstehende Einverleibung in die Stadtgemeinde hatte man anfangs einen größeren, wenig origi- nellen Bau projektiert. Er ist das Verdienst des jetzigen Stadtpfarrers Joseph Ströbl, daß schließlich ein kleineres Projekt, das sich den immerhin noch ländlichen Verhältnissen besser anpaßt, zur Ausführung kam. Ströbl hat auch mit zielbewußter Energie und sicherem Ver- ständnis die entsprechenden Kräfte unter den jüngeren Künstlern zu gewinnen verstanden und keine Mühe gescheut, um eine Kirche zu erhalten, die von den ausgetretenen Bah- nen gotischer oder romanischer Stilnachah- mung abweichend, den praktischen und ästhe- tischen Bedürfnissen unserer Zeit gerecht

wird. Am 11. September 1910 war der Grundstein zum Bau gelegt worden, am 28. April 1912 erfolgte die Einweihung. Den Entwurf zum Bau mit der gesamten Aus- stattung, zu den Altären, zu Kanzel und Gestühl hat Otho Orlando Kurz geschaffen. Die Ausführung der Bauarbeiten lag in den Händen der Architekten Eduard Herbert und Otho Orlando Kurz, die der Holzschnitzar- beiten bei Ignaz Bader und Osterrieder. Die plastischen Werke, das modern stilisierte Hochrelief des Hochaltares, die naturalistisch in der Art der Frührenaissance Donatellos behandelten Figuren, das Kruzifix über dem Südeingang und St. Johannes auf dem Schall- deckel der Kanzel sind von Karl Baur, der auch die Reliets zu den Seitenaltären fertigen

DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MILBERTSHOFEN

wird. Schöpfer der Decken- malerei, auf die wir iiernacii ausführlich zurückkommen werden, ist Franz Reiter.

Eine vollkommen neue Lösung für den katholischen Kirchenbau hat die moderne Architektur noch nicht ge- bracht. Man hat in moder- nen Architekturformen ältere Ideen überarbeitet, man hat sich im Grundriß und Aufriß an Beispiele alter Stiltormen angeschlossen, mit Vorliebe zuletzt an Formen romani- scher Kunst, weil diese dem modernen Streben nach tek- tonischer Kunst am meisten entgegenkamen. Auch Kurz hat sich an ältere Vorbilder angelehnt, an Vorbilder aus der Zeit, die in Bayern die originellsten , am meisten selbständigen Kirchenbauten geschaffen hat, an solche des späten i8. Jahrhunderts. Im südlichen Bayern zeigen die Schöpfungen der Lechtaler Architekten ähnliche Grund- rißlösungen ; auch Details, wie die Fensterfiguration sind dort zu finden, während die Formen des Turmes an alt- bayerische Zopfkirchen erin- nern. Anderes ist wieder freier und selbständig, wie man überhaupt von Nach- ahmung nicht sprechen kann. Daß das Vorbild der engeren Heimat entnommen ist, ist sicher ein Vorzug; eine Kirche in diesen mit dem Boden verwachse- nen Formen schließt sich mit größerer Selbst- verständlichkeit dem Landschaftsbilde ein. Ebenso daß Formen der ländlichen Archi- tektur gewählt wurden ; die Kirche ist nicht in ein fläusermeer eingebettet, sondern steht frei, in dem ebenen Gelände fast beherr- schend da. Die malerische Gliederung der Außenarchitektur, die Zusammengruppierung der Bauteile, von Langhaus, Turm und Sa- kristeianbauten, dazu die Formen des ge- brochenen, steilen Daches, die Figuration der Fenster, alles das zusammen bewirkt den reizvollen Eindruck. Noch ein Umstand hat vielleicht den Anschluß an die Architektur des späten i8. Jahrhunderts veranlaßt. Die Grundrißlösungen dieser Zeit kommen auch

HL. SEB. Burgoberbach.

modernen, praktischen Be- dürfnissen am meisten ent- gegen, die Zentralanlage mit dem mächtigen, hellen Schiff, an das sich in der Längs- achse Chor und Orgelvor- halle anschließen, läßt über- all den Blick auf die Altäre frei und gewährt auch der Kanzel, die in der Mitte der Nordwand angebracht ist, den prominenten Platz.

Die Durcharbeitung des Einzelnen im Innern ist eben- falls selbständig. Die Gliede- rung der Langhauswände durch Pilaster mit freiem Ro- kokokapitäl, auf welchem das abschließende strenge Gebälk ruht, die Aufteilung in Fel- der lehnt sich nur im allge- meinen an ältere Stilmuster an. Die grazile Leichtigkeit der Architektur des 1 8. Jahr- hunderts ist überall mit mo- dernem Sinn für Monumen- talität gemildert; die Gliede- rung ist schwerer, wuchtiger, sie bewegt sich in Abkür- zungen, wo der alte Stil sich frei auslebt. Manche Lösung zeigt sogar Freiheiten, die auch der originellste Zopf- architekt nicht gewagt hätte, wie den Anschluß des Chor- bogens an die Wandgliede- rung, die mit einer Voluten- endung abfällt, während das im Zwickel übrigbleibende Gebälkstück einfach durch eine Blattrosette verdeckt wird. Dann eines, was dem historisch versier- ten Beschauer am meisten auffällt, die Ver- schiedenartigkeit der Wandghederung in Chor, Schiff" und Orgelvorhalle. Der Chor mit dem dreiseitigen Schuß, dem auf Konsolen sitzen- den Kappengewölbe mit Rippen aus stukkierten Lorbeerstäben und den übrigen Stukkaturmo- tiven der süddeutschen Renaissance macht mehr den Eindruck eines Baues des 17. Jahr- hunderts, während der durch das starre, auf freien Konsolen aufruhende Gebälk abge- trennte Orgelanbau mit der ungegliederten Wand, der Kassettendecke, und der auf stämmigen, jonischen Säulen ruhenden Empore die ohne engere Verbindung in den Raum hineingestellt ist, modern gehalten ist. Das sind Lösungen, die vielleicht manchen male-

ASTIAN

Text S. 108

DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MILBERTSHOFEN

1 ARBIGE STUDIE ZUM HL. GEORG

rischen Reiz verbürgen ; ob die Zusammen- stellung dreier verschiedenartig behandelter und unter sich verbindungsloser Raumkom- partimente ästhetische Vorteile bietet, darüber läßt sich streiten.

Auch die Ornamentik geht von Vorbildern des i8. Jahrhunderts ab; sie verwendet schweren, italienisierenden Akanthus, der auch an den Seitenaltären wiederkehrt. Die har- monische Zusammenstimmung eines jeden Details mit dem Gesamtraum in der Weise, daß nirgends eine Leere entsteht, daß jedes Ornament in den Rhythmus der Architektur verflochten wird, ist das Charakteristikum von Baustilen, die natürlich aus der Kultur eines Zeitalters emporgewachsen sind, bei denen der Stilwillen bis in die kleinsten Teile hinein- sprießt. An der Ornamentik spürt man zuerst das Nachempfundene. Auch hier erscheint die Ornamentik etwas einförmig, sie hat nicht das Leben, das man bei Bauten dieser Art gewohnt ist. Etwas schwer wirkt auch die Bemalung der Wände, die Abtönung mit dunklem Ocker und starkem Grau. Da auch die an sich bewegten Altäre zu einfarbig ge-

halten sind, mit zu weitgehender Ver- wendung von Silber und kaltem Grau- grün, würde der Gesamtraum mono- ton erscheinen, wenn er nicht durch das Deckengemälde das richtige Le- ben erhielte (Abb. S. 113).

Bei der Konkurrenz um das Decken- gemälde wurde von der Jury, zu der auch V. Habermann, v. Feuerstein und V. Hackl gehörten, dem Entwurf von Franz Reiter der I. Preis zuerkannt, »weil die wohlbefriedigende Kompo- sition im vollen Einklang mit der umgebenden Architektur steht .Reiter tolgt hierin der besten Barocktradi- tion. Das Deckengemälde ist nicht als rein tektonische Dekoration behan- delt, die wie ein Teppich die Wand schmücken will man darf, um ein modernes Beispiel anzuführen, nur an Becker -Gundahls Wandgemälde in der Münchener St. Annakirche den- ken — , es verfolgt noch weiteren Zweck. Wie es der Stil erfordert, will es den Hochdrang der Architek- tur zum Ausklang bringen, es will raumerweiternd wirken. An der Decke öffnet sich gleichsam ein neuer Raum, der mit dem sonnigen, von dunkeln Wolken durchkreuzten Himmel endet. Man dachte sich im 18. Jahrhundert die Deckengemälde als Visionen, welche durch die illusionistische Be- handlung, die perspektivische Verkürzung dem Beschauer nahe gebracht worden sind. Auf die konsequente Durchführung des Illu- sionismus ist hier verzichtet, Kompromisse waren, da die gegebene Fläche stärker be- rücksichtigt werden mußte, auch hier nötig. Der Beibehaltung eines einheitlichen Flucht- punktes für das ganze Deckengemälde stand die Längsform entgegen, die zu starke Ver- kürzungen ergeben hätte ; es sind deshalb zwei Fluchtpunkte gewählt, die etwa in Höhe der großen Evangelistenfiguren liegen. Aus dem gleichen Grunde wurde auch nicht eine einheitliche, durchgehende Komposition ge- wählt, sondern die Decke aufgelöst in Ein- zelbilder mit Darstellungen der wichtigsten Episoden aus der Legende des Titularheili- gen. Darin kommt die Komposition moder- nem, tektonischem Empfinden entgegen, sie berücksichtigt moderne Bedürfnisse für eine Monumentaldekoration. Auch fehlt der Ar- chitektur die nötige ekstatische Steigerung und das Deckengemälde ist durch eine zu breite und plastisch vortretende Umrahmung abge- trennt. Die Verkürzungen treten deshalb

113

FRANZ REITER (MÜNCHEN)

Text S. 113 iis t/S

DECKENBILD IN MILBERTSHOFEN

Die christliche Kunst. XII.

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^ DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MILBERTSHOFEN ^

FRANZ REITER

DER HL. GEORG TÖTET DEN DRACHEN

K<iyt,^,:. ]'gl. Aih. S.

zurück, die perspektivischen Künsteleien, die auf Deckengemälden des i8. Jahrhunderts oft unangenehm wirken, fehlen, die einzelnen Figuren sind wie auf einem Fries aneinander gereiht. Die vier großen Szenen sind in die Hauptachsen hineingesetzt. Sie werden ge- trennt durch die großen Figuren der vier Evangelisten in den Diagonalen, die als Stein- figuren zur Architektur des Podestes gehören, auf welchem die Handlung sich abspielt. Diese Figuren wirken als deutliche Cäsuren, auch im farbigen Aufbau. Sie trennen als neutrale Töne die farbigen Pointen in den einzelnen Gruppen und bringen sie dadurch zur volle- ren Wirkung. Damit aber doch die Einheit- lichkeit gewahrt bleibt, sind Schlußbild und Anfangsbild durch die durchgehende, schmale Landschaft, die beiden übrigen Szenen durch die gemeinschaftliche Architektur verbunden. Jedes der vier Bilder ist in den so entste- henden Rahmen hineinkomponiert, die Grup- pen an den Breitseiten entfalten sich mit größerem Reichtum und steigen am Rande bei den Evangelistenfiguren wieder empor, die Gruppen in der Liingsachse sind strenger zentral disponiert.

Der Inhalt des Deckengemäldes war ge-

geben; es sind, wie gesagt, Szenen aus der Legende des hl. Georg, des Kirchenpatrones. Die Szenen sind inhaltlich in zeitlicher Folge angeordnet. Gegen Osten, dem Eintretenden zuerst sichtbar, und darum besonders wirk- sam in monumental vereinfachter Komposition: St. Georg tötet den Drachen. Der Heilige in blinkender Rüstung des i6. Jahrhunderts, das charaktervolle Haupt unbedeckt, sticht nach dem Drachen, der sich am Boden windet. Farbig liegt der Nachdruck auf der Figur des Heiligen auf dem Pferde ; das übrige tritt zurück. Es folgt (gegen Süden) ein Breitbild, die Taufe des Königs von Silena. St. Georg, der jugendliche Ritter, steht in der Mitte aut einer Treppe und gießt Taufwasser auf das Haupt des Königs, der vor ihm kniet. Der große Mantel des Königs wird von zwei Mohrenknaben aus dem Gefolge gehalten, die prächtige, großzügig erfundene Draperie füllt die ganze seitliche Fläche und bringt wirk- same Ruhe. Andere Männer des Gefolges, unter denen verschiedene Charakterköpfe aus der Münchener Künstlerschaft leicht zu erkennen sind, blicken von rückwärts her- ein. Neben dem Heiligen trägt ein Mönch das Rituale. Eine zweite Szene, St. Georg

DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MILBERTSHOFEN ®2ii

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FRANZ RKITER

,i:ORG lAUl-r DEN' KOKIG

Karton. ;>/. AI*. S.

segnet den auf Befehl des Kaisers Diokletian ihm gereichten Giftbecher, ist in den glei- chen Rahmen gesetzt, aber in der Kompo- sition durch den Taufstein davon getrennt und auch farbig mehr zurückgedrängt. Der Heilige, zum Martyrium bereit, blickt verklärt nach oben. Vor ihm steht ein Orientale im mächtigen Mantel ; der Kaiser, ebenfalls als Orientale gedacht, blickt vom Pferde herab

staunend herein. Andere Nebenfiguren schlie- ßen die Gruppe, die sich seitlich gegen die Evangelistenfigur heraufschiebt.

Die Szene in der Längsachse gegen Westen, der Heilige wird im siedenden Ol gemartert, ist wieder streng zentral angelegt und auf wenige Figuren in symmetrischer Anordnung beschränkt. In der Mitte steht der Heilige im Kessel, die Hände betend zum Himmel

STLDIEX VON IRAN/, REH EK 7UM KOPl' DES HL. GEORG UND ZU JENEM DES HINTER .ST. GEORG STEHENDEN BUCHTR.^GERS IN DER SZENE DER TAUFE DES KÖNIGS (ABB. OBEN)

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^ DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MILBERTSHOFEN ^

FRANZ REITER

DER HL. GEORG MIT DEM GIl TBECHER

l's/. Ai-/>. S. ijj

erhoben. Ein großer, dunkler Henker stößt in das Ol, ein anderer, eine besonders schöne rhythmisch gegliederte Aktfigur, legt Holz in das Feuer. Seitlich blicken über die Ba- lustrade einige Figuren herein, rechts mit be- fehlender Gebärde der Kaiser, links stehen zwei Männer des Gefolges. Wenn der Künst- ler hier sein Selbstporträt angebracht hat, folgt er auch darin alter Gewohnheit. Die Lücken zwischen den Figuren sind nur auf dem hier abgebildeten Karton sichtbar, auf dem Deckengemälde wird der Raum durch dunkelfarbige Wolken gefüllt.

Die dramatische Schlußszene, St. Georgs Enthauptung, ist in die nördliche Breitseite wieder analog dem gegenüberliegenden Breit- bild komponiert. St. Georg kniet in der Mitte am Boden und blickt gottergeben zum Himmel empor, wo im hellen Lichte ver- schwimmend die Dreifaltigkeit erscheint. Ein Knecht bindet ihm die Hände, ein herkuli- scher, in der dunkeln Silhouette machtvoll wirkender Henker holt zum Schlage aus. Schon folgt die Strafe Gottes. Vom Blitze getroffen sinkt der Kaiser vom Pferde, das sich aufbäumt und mit Mühe von einem Diener gehalten wird. Leute aus dem Ge-

folge liegen bereits getroffen am Boden. Seitlich haben sich zwei Frauen angstvoll zusammengeschmiegt. Die beiden glücklich erfundenen Figuren, die gut in die steile Dreiecksfläche hineingesetzt sind, schließen die Seite günstig ab und führen, die Kompo- sition am Rande ausgleichend, nach oben empor. Die Gruppe der Dreifaltigkeit ist nicht nach der Hauptachse des Bildes gerichtet. Für den, der an die Absichten barocker Deckengemälde gewöhnt ist, wirkt dies an- fangs störend; doch treten die Figuren zu sehr zurück.

Reiters Deckengemälde ist künstlerisch von großem Wurf und zugleich bis in die gering- sten Nebensächlichkeiten überdacht, ja mit fast ängstlicher Sorgfalt durchkomponiert. Man muß eben berücksichtigen , daß ein Deckengemälde in einer barocken Kirche sehr viele Rücksicht auf den Gesamtraum und da- mit sehr viele Verstandesarbeit erfordert; Im- provisationen verträgt der Raum nicht. Aus den hier abgebildeten Vorarbeiten, vor allem den durchgezeichneten Kartons zu den ein- zelnen Gruppen, die in Originalgröße (durch- schnittüche Länge 4 m) gehalten der Aus- führung zugrunde lagen, und mehreren Ein-

DIE NEUE PFARRKIRCHE IN MILBERTSHOFEN ©^

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FRANZ REITER

)ER HL. GEORG IM KESSEL GEMARTERT

zelstudien ersieht man den Weg von der ersten Idee bis zur Ausführung und man kann daran ermessen, welche Arbeit ein Werk von dieser Bedeutung verlangt, um allen dekora- tiven Rücksichten gerecht zu werden. Im Anschluß an die erste Ideenskizze ist jede Gruppe für sich durchgearbeitet, jede Einzel- figur, ja fast jeder Kopf und jede Hand durch Naturstudien vertieft worden. Die nötige, großzügige

stellte sich bei der Raschheit und Gewandt- heit erfordern- den Ausfüh- rung, bei der Übersetzung durch die Pin- selarbeit von selbst wieder ein. Eines kam dabei dem Ma- ler zugute; Reiter war trü- ber für die Glasmalerei

HANDSTUDIEN VON FRANZ REITER SEITE DES

tätig und hat sich bei dieser Technik in die freie, dekorative Stilistik hineingelebt. Das ganze Deckengemälde ist in Kaseinfarben Stück für Stück fertig gemalt, die Primamalerei in reinen Farben gibt dem Bilde die Frische der Freskotechnik, sie sichert auch, die Stabilität der Decke vorausgesetzt, die Dauerhaftigkeit des Werkes. In der Farbengebung selbst, in der kühlen Tonigkeit, der ausgiebigen Ver- wendung von

Ultramarin spürt man die Schule Herte- richs, der Rei- ter an der Mün- chener Aka- demie ange- hört hat.

Das Decken- gemälde inMil- bertshofen ist das erste, grö- ßere Werk, mit dem Reiter vor die Olfentlich-

ZU DEN FIGUREN AUF DER RECHTEN kClt tritt Und

OBIGEN BILDES Wir tügen des-

ii8

Din NEUE PFARRKIRCHE I\ MILBERTSHOFEN

FRANZ RILITER

TRAUERNDE FRAUEN

Karton. Vgl. Abb. S. 113

halb noch kurz einige biographische Nach- richten an. Reiter ist ein Vorarlberger, seine Heimat ist Höchst; geboren ist er 1875 i'^ Oberösterreich. Er war zuerst Glasmaler, lernte dann bei Schmid-Reutte das Aktzeichnen. Seit 1897 besuchte er an der Münchener Aka- demie die Schulen von Hackl, von Feuerstein

und Herterich. Auf der Akademie hat er sich bei einer Weihnachtskonkurrenz für den Entwurf eines Wandbildes zu einem Musiksaale den I . Preis erworben ; ferner hat er sich den Baron Bielschen Preis zur Erhaltung der Fresko- malerei geholt und so berechtigt sein bisheri- ges Schaffen zu den besten Hoffnungen.

STUDIE VON F. REH EU ZUM KOPF DER KNIENDEN yUU AUF OBIGER DARSTELLUNG

DER GRUNDGEDANKE VON RAFFAl-LS HL. CACILIA ^

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1 KA\/ REITER

1 X 1 UAL riL XG DES HE GEORG

A

DER GRUNDGEDANKE

VON RAFFAELS BILD DER

HL. CÄCILIA

(Vgl. Abb. S. 121)

uf diesem erhabenen Gemälde in der Samm- ung zu Bologna gruppieren sich um die hl. Cäcilie halbkreisförmig vier Personen : zu ihrer Rechten stehen Paulus und Johannes, links die hl. Magdalena und ein hl. Bischof, der durch kein sicheres Attribut') gekennzeich- net ist und fast allgemein für den hl. Augustin gehalten wird, während von anderer Seite an den hl. Petronius gedacht wurde. Letz- terer war der Patron der Stadt Bologna und das Bild wurde für eine Bologneser Kirche, St. Giovanni in Monte 15 16 im Auftrag des Kardinals Lorenzo Pucci di SS. Quatro ge- fertigt. Wenn der Bischof den hl. Petronius vorstellen soll, so hätten wir zur Seite Cä- ciliens die Patrone der Stadt und der Kirche. Die Wahl der hl. Johannes und Petronius wäre einer Erwägung entsprungen, die zu- nächst dem Grundgedanken der Darstellung eines Cäcilienbildes innerlich fremd wäre, und dieser Umstand müßte uns veranlassen, auch für die Wahl von Paulus und Magdalena einen äußeren, zufälligen Umstand vorauszu-

') Das Engeklien in der Krümmung des Bischofs- stabes kann als Hinweis auf den hl. Augusiin gelten.

setzen, was ja bei den sonstigen »heiligen Konversationen« der italienischen Kunst zu- zutreffen pflegt; die Entstehungsgeschichte des Bildes gibt jedoch hierfür keinerlei Finger- zeige.

Betrachter und Erklärer des Bildes ziehen es vor, für die Zusammenstellung der Ge- stalten des Cäcilienbildes eine einheitliche theologische oder philosophische Idee anzu- nehmen. Für Deutinger^) liegt die Einheit des Gedankens in der musikalischen und poeti- schen Stimmung: Cäcilia läßt beim Anhören der himmlischen Melodien die Musikinstru- mente sinken und verfällt in selige Ver- zückung. Neben ihr steht der seelenvolle Jünger der sinnigen Liebe, der Dichter und Sänger und Seher unter den Aposteln. Auf der andern Seite sehen wir Augustinus, der in seinen Retraktationen bemerkt, er habe sechs Bücher über die Musik geschrieben. An Johannes reiht sich Paulus als der erste aller spekulativen Geister des Christentums, der Töne vernommen und Dinge geschaut, die keines Menschen Zunge auszusprechen vermag. Einen Gegensatz zu dem nach innen gekehrten Weltapostel bildet auf der anderen Seite die hl. Magdalena, »das Kind der hei- teren Sinnlichkeit .... noch der Welt zu- gewendet, aber schon mit einem Anfluge

^) Bilder des Geistes in Kunst und Natur.

^ DER GRUNDGEDANKE VON RAFFAELS HL. CÄCILIA

der Rührung und jener reuigen Beklommen- heit, jenes tiefen Gefühls, das ihm lehrte, wie alle Liebe verloren sei, die sich nicht zu dem Göttlichen und Ewigen allein wendet«.

Gut ist die Bemerkung Deutingers, daß die Gegenüberstellung der Denker Paulus und Augustin und der Gefühlsmenschen Johannes und Magdalena alle Gestalten in einem geistigen Rhythmus vereinigt. Doch einen streng ge- schlossenen Bildgedanken, der die Zusammen- gehörigkeit der Gestalten begründet, fand Deutinger nicht. Jene geistig durchgebildeten Männer aber, welche Raffael bei der Zusam- menstellung der tiefsinnigen Stanzenbilder zur Seite standen, werden ihn auch in seinem übrigen Schallen beraten haben und der Kardinal, welcher das Cäcilienbild bei ihm, dem damals führenden Maler Roms, bestellte, ein Vertrauter Papst Leos X., war ohne Zweifel bestrebt, das Thema, das er gewählt hatte, nach der theologischen Seite hin zu vertiefen und auszureifen.

Ausführlich verbreitet sich Carl Justi über das Cäcilienbild in einem Aufsatz, der im XVII. Jahrgang (1904) der »Zeitschrift für christliche Kunst« (S. 131 fl) veröffentlicht ist. Justi geht von der Annahme aus, daß ein tieferer Zusammenhang zwischen der legen- darischen Hauptgestalt und ihrer Umgebung bestehe und sich mit Wahrscheinlichkeit nach- weisen lasse. Der Kern der Cäcilienlegende sei gewesen der Sieg religiöser Uberzeugunt^ über alle Beweggründe und Rücksichten der Standes- und nationalen Vorurteile, der Ehre und des Glücks. Die Christin weist den heidnischen Bräutigam von sich, zeigt ihm aber einen Weg, der die Möglichkeit einer Seelengemeinschaft eröffnet und er wird ver- möge seiner Liebe zu ihr auch Christ, die Braut verweigert das Götzenopferund empfängt für Jesus die tödlichen Streiche. So wurde, sagt Justi, die Tochter des alten Hauses der Meteller zur Heroin der himmlischen Liebe. Diese göttliche Liebe sei ein erhöhter Geistes- zustand; ihn begleite die Musik und der himmlische Hochzeitsgesang. Darauf baut Justi seine Ansicht, daß diese Idee der Liebe auf Raffaels Bild die Auswahl der um Cäcilia stehenden Heiligen geleitet habe, die Heroen dieser Idee seien, groß im Reich des Himmels durch die Liebe. Von Magdalena sagte Christus selbst: Dilexit multum (sie hat in hohem Maße geliebt); Paulus hat den Hym- nus auf die Liebe geschrieben ; Johannes hat gesprochen: »Gott ist die Liebe, wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm«; Augustinus bezeugt die natürliche Be- stimmung des menschlichen Herzens zur

Gottesliebe in dem unvergleichlichen Wort: »Du hast uns zu dir geschaffen, und unser Herz ist ruhelos, bis es in dir ruhet.«

Justi hat die Akten über das Martyrium der hl. Cäcilia und die Liturgie herangezogen; da er sich hiervon nicht rückhaltlos genug führen ließ, drang er auch nicht völlig in den geistigen Autbau des Bildes ein. Wer die Legende und das Offizium der Heiligen auf sich wirken läßt, gewinnt den Eindruck, daß dort der treibende Gedanke in der Ent- schlossenheit Cäciliens liegt, trotz allem aus Liebe zu Christus jungfräulich zu bleiben, ein Gedanke, der weiter geht, als jener, den Justi seiner Erklärung zugrunde legt.

Hier setzt die sehr ansprechende Erklärung

lAUBlGl; STUDIli VON' FR. REHER ZUM HL. (lEOKG Bl:l DER TAUFE. Vfl. AU. S. IIS

^ DER GRUNDGEDANKE VON RAFFAELS HL. CÄCILIA ^

ein, welche der auch niusikahsch durchge- bildete Stadtpfarrer Dr. Roth (Wiesensteig) jüngst in Nr. 2 des »Archiv für ciiristliche Kunst« veröffentlichte. Roth geht von dem Inhalt des Responsoriums aus : Can- tantibus organis Caecilia virgo in corde SUD soli Domino decantabat dicens: Fiat, Domine, cor meum et corpus meum im- maculatum, ut non confundar (Während die weltlichen Weisen ertönten, sang die Jungfrau Cäcilia in ihrem Herzen dem einen Gott, indem sie sprach : Möge, o Herr, mein Herz und Körper unversehrt bleiben, auf daß ich nicht zuschanden werde!). Nach Roth steht Cäcilia wie am Vorabend der Hochzeit im Festge- wande vor uns, sie weist die Hochzeits- musik von sich, denn sie verschmäht den Vollzug der Ehe, und sieht im Geiste den himmlischen Bräutigam, zu dem sie um Bewahrung ihrer Unversehrtheit betet.

Wenn diese Auffassung der Hauptfigur richtig ist, was sich kaum bezweifeln läßt, und wenn ferner zwischen Cäcilia und den Heiligen um sie inhaltlich eine Gemeinsamkeit besteht, so muß die Wahl gerade dieser vier Gestalten in erster Linie mit Rücksicht auf deren Stellung zur Jungfräulichkeit erfolgt sein. Roth nimmt das an: in Johannes und Paulus (L Kor. 7, 7. 25. 37) zur Rechten Cäciliens erblickt er zwei Vertreter der unverletzten Reinheit, links erkennt er zwei Vertreter der wiedererworbenen, nämlich Magdalena und Augustin. Zur Erhärtung seiner geistvollen neuen Auslegung weist er auf den Umstand hin, daß die Oratio super populum der Messe am Mittwoch nach dem 2. Sonntag Quadragesimae (Statio ad sanctam Caeciliam) mit den Worten beginnt: »Deus, innocentiae restitutor et amator« (»O Gott, du Wiederhersteller und Liebhaber der Un- schuld)« '). Dem Besteller und dem Künstler, die beide in Rom wirkten, sei es nahe ge- legen, den Gedanken dieses Gebetes aufzu- greifen und durch das Bild aus der römischen Cäcilienkirche in die zu Bologna befindliche zu übertragen.

In kirchenmusikalischen Kreisen liebt man das Cäcilienbild Raflaels als die vornehmste Darstellung der Patronin der heiligen Musik. Die alten Bilder enthalten keine Anspielung auf ein Verhältnis Cäcihens zur Musik. Erst

') Weder diese Worte, noch der übrige Inhalt der Oration nötigt zur Annahme, daß die Üration nicht allein die verlorene und durch Buße wiederzugewinnende, sondern auch die unversehrt bewahrte Unschuld in sich schließt, was den Beweiswert jedoch nicht schmälert.

l-FAEL HL. CÄCILIA

Pinakothek zu Bologna. Text S. /ig 122

im 15. und nainentlich seit dem i6. Jahr- hundert gab man ihr Musikinstrumente bezw. eine Orgel als Attribute ; später stempelte man sie frischweg zur Erfinderin der Orgel. Dieses geschah wohl im Hinblick auf die Stelle ihrer Märtyrerakten; »Cantantibus or- ganis .... Caecilia virgo decantabat Domino«, die man schließlich so auffaßte, daß die Heilige zur Orgel sang. Ob Raft'ael sie als Musikpatronin darstellen wollte, ist sehr frag- lich ; man möchte es verneinen, wenn man nicht Deutingers unwahrscheinliche Ausle- gung des Bildes übernehmen will. Der Meister illustrierte nur die obige Stelle aus den Mär- tyrerakten bezw. dem Offizium und die zum Teil beschädigten Instrumente am Boden be- deuten die verschmähte irdische Hochzeits- freude, die duftig gemalten Engel in den Lüften, die kompositionell bescheiden zurück- treten, sinnbilden die begeisterte Gebetsstim- mung Cäciliens, die er doch nicht seihst sin- gend darstellen durfte. Dennoch brauchen

Die christliche ICunst. XII.

^ DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM ^

sich die Freunde der Kirchenmusik die Liebe zu der herrhchen Darstellung der Musikpatro- nin nicht sclimälern zu lassen. Raffaels Genius hat vorweggenommen, was unsere Zeit von einem Bild der Musikpatronin erwartet. Eine glückliche Stunde war es, als Raftael sich infolge gedanklicher und künstlerischer Erwä- gungen entschloß, bei den Engeln von seinem früheren Entwurf abzugehen und sie nicht auf Instrumenten spielen, sondern singen zu lassen ; doch ein programmatisches Bekenntnis zur kirchlichen Vokalmusik unter Ablehnung der Instrumentalmusik lag dem Künstler fern. Hätte er eine Verherrlichung der kirchlichen Musik beabsichtigt, so hätte er sich die Ge- stalten Davids und des hl. Ambrosius nicht entgehen lassen und schwerlich an Magda- lena, auch kaum an Paulus gedacht. Die Instrumente und der Engelchor bereichern das Bild, insbesondere die Hauptfigur, ge- danklich und kompositioneil gleich glücklich und heben die hl. Cäcilia als geistigen und künstlerischen Mittelpunkt gebührend hervor, während sonst die wuchtige Gestalt des hl. Paulus und die herrlich aufgebaute hl. Magdalena zu gleichwertig, um nicht zu sagen beengend neben ihr stünden.

Sendet den Soldaten ins Feld und in die Lazarette die spottbilligen, reich illustrierten Monographien der Allgeineinen Vereinigung für christliche Kunst (München, Karlstraße 53).

DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM

Von HUGO STEFFEN, Architekt, München (Vgl. Abb. S. 122 u. 125) "Tu dem fesselnden Aufsatz »Der Christus- ^ dom zu Drontheim, Norwegen«, im 2. Hefte des laufenden Jahrgangs dieser Zeit- schrift, mögen , nebst Beigabe des Grund- risses und eines Querschnittes dieses Gottes- hauses, noch einige tachtechnische Bemer- kungen Raum finden.

Der Dom zu Drontheim trägt in seiner gesamten Anlage und Formensprache den Bautvpus der nördlichen Länder. Der lang- gestreckte Grundriß, in Form eines lateinischen Kreuzes angelegt, zeigt in konstruktiver Hin- sicht einen großzügigen, der besten Zeit der Gotik entsprungenen Baugedanken. Der Ar- chitekt hat dabei sehr sinnig dem Chor durch Ausgestaltung des Oktogons die reichste Aus- bildung zugewendet und hier, über dem Alier- heiligsten, einen sichtbaren Baukörper ge- schaffen, der äußerlich mächtig kundgibt, daß darunter das Höchste bewahrt ist. Eine kon- struktive Betonung enthält auch das Querschifl durch die Vierung, welche äußerlich den Turm- bau kennzeichnet. Der ganze Baugedanke des Grundrisses findet sinnig seinen Abschluß durch zwei Türme, die das lange Schiff nicht nur als Abschluß kennzeichnen, sondern es auch vor einem Ausbiegen schützen und ge-

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GRVNDRISS Di;S DOMUS 7.V DKOXTIIEIM. ZEICHNUNG VON HUGO STEFFEN Fgl. Aili. S. 123: feriter Abb. in lle/l 2, S. 34 und 3S. Text oben

^ DER CHRISTUSDOM ZU DRONTHEIM ^

123

wissermaßen den Schub des Lang- hauses aufnehmen. Abweichend von den meisten anderen Kirchenbauten sind diese beiden projel^tierten End- türme , die somit ein verlängertes Schiff bilden würden, nicht an der Kopfseite angelegt, sondern zu bei- den Seiten des Schiffes. Die- ser formale Gedanke ist hier sehr gut zum Ausdruck ge- bracht. Gewiß hatte der Er- bauer Wert auf eine größere Ausbildung dieser beiden Tür- me gelegt, welche, mit samt dem sich anschließenden Lang- hause, also vom Querschiff bis zu den genannten Türmen, in ihrer oberen Ausbil- dungunausgeführt blie- ben. Die Strebepfeiler des Schiffes nach dem Chore zusind äußerlich nur als eine Art Lisenen ge- dacht. In dem starken Mauer- werke sind er- stere jedoch ent- halten.

Von maleri- scher Wirkung ist die neben dem Chore an- gelegte Kapelle, ^/^Jl sog. Clemens- kirche, die im Verein mit dem Dome ein be- zauberndes Bild gibt. Diese romanische Kapelle ist der älteste Teil des jetzigen Kirchenbaues.

Der Formensprache nach zu urteilen, scheint mir, wie bei den meisten unserer Kathedralen, so auch hier, alle Jahrhunderte daran gear- beitet worden zu sein. Die Architekturformen des Maßwerkes, Nasen etc., des Triforiums vom Hochaltar, abgebildet auf Seite 37, Heft 2, gehören der spätmittelalterlichen Bauperiode an. Die Vorder- und Gesichtsseite des Acht- eckes (Oktogon) vom Hochaltar, wie sie aut Seite 38 genannten Heftes zur Darstellung gelangte, zeigt wohl ein originelles Architek- turbild, geschaffen und gebildet aus allen Jahrhunderten, entstammt aber keineswegs der besten Zeit der Gotik. Ja, selbst auch über die Schönheit des Aufbaues und der Einzel- heiten läßt sich streiten. Mir scheint, als wenn die drei unteren Bogenstellungen mit samt den Säulen und Kapitalen der besten

OKTOGON DES DOMES ZU DRONTHEIM. ZEICHNUNG VON H. STEFFEN Schnitt durch A B des Grundrisses. Text nebenan

Zeit der Gotik angehören, desgl. die zu beiden Seiten aus je drei Bögen gebildete Architektur über den unteren ögen, welche als Fortsetzung der Arkaden des Schiffes sich hier herum- ziehen und sich an das sonderbare in der Mitte über dem Hauptbogen befindliche Gebälk anlehnen. Dieses Gebälk, siehe Abb. S. 38, gehört entschieden der späte- sten Zeit an.

Im Jahre 1537 ist dort die Reformation eingetreten und damals scheint vieles an der Kirche verändert oder viel- eicht fertiggestellt worden sein. Jedenfalls datiert dieses repräsentable Gebälk, woran sich je diese drei zu beiden Seiten aufge- stellten erwähnten Bo- gen anschließen, aus dem Anfange des 16. Jahrhun- derts, denn ein leiserHauchder

Renaissance macht sich hier in der Gesamt- komposition fühlbar. Auch ein einheit- licher Rhyth- mus , wie er streng der be- sten Zeit der Gotik eigen ist, liegt nicht mehr darin. Es ist eben ein dekoratives Architek- turbild von Formen der Frühgotik bis zum Nahen der Renaissance.

Erwähnenswert sei hier noch der nach alter Sitte Kirchen und mittelalterliche Dome umgebende Friedhof welcher hervorragende Grabdenkmäler aufweist und Träger einstiger berühmter Namen nennt.

In Berichten wird die Festigkeit des alten Gebäudes und die Bindekraft des Mörtels hervorgehoben. Eine alte Inschrift sagt: »Ampla haec erat aedes calce adeo coagmen- tata, ut vix solvi posset et destrui, quo tem- pore dirui jussit Egsteinus Archiepiscopus.«

In dem geschichtlichen Aufsatze sind auf Seite 34 und 35 die Außenseiten des Domes vor und nach der Restaurierung abgebildet. Das altgewohnte, malerische Bild des Domes zu Drontheim ist jetzt ganz verändert. Ver- schwunden ist die herrliche Renaissance-

124

^ NEUE KIRCHE IN STRASSDORF BEI GMÜND ©^

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HANS HERKüMMER

KIRCHE IX STRASSDOKl-

kuppel, welche außen das Oktogon krönte. An ihre Stelle ist wie beim Vierungs- turme — ein achteckiger neugotischer Helm getreten. Was nun schöner ist, wollen wir dahingestellt sein lassen. Aber das darf ge- sagt werden : Ein selten reizvolles Architek- turbild bot der Dom vor der Restaurierung bezw. seinen Umbauten dar! Gewiß bedurfte er einer gründlichen Restaurierung, aber warum alles wieder einheitlich gotisch gestalten r Vom Standpunkte unserer heutigen deutschen Denkmalpflege denkt man darüber anders und hat in dieser Beziehung zum Glück auch Fortschritte gemacht. Gerade, daß Jahrhun- derte hindurch Generationen ihre Gedanken, also den Stempel ihrer Zeit, solchen Bau- denkmalen aufdrückten, macht diese so reich, malerisch und geschichtlich wertvoll! (Vgl. Abb. S. 123.)

Es sei mir nur gestattet vom hohen Norden aus nach Süddcutschland einen weiten Sprung

zu tun, zur Frauenkirche in München. Wem würde es wohl jetzt einfallen, das weltbe- rühmte und altgewohnte Wahrzeichen der Türme zu zerstören, weil eben die interes- santen Kuppeln nicht, wie der Bau, gotisch sind ? Zwar wollte man in den fünfziger Jahren vorigen Jahrhunderts, als bei uns in Deutschland auch wieder alles gotisch werden sollte und aus den gotischen Kirchen, so auch bei der Frauenkirche in München, alles, was nicht gotisch war, iiinausgeworfen wurde, die Hauben der Türme durch gotische Helme ersetzen, wozu Bürklein ein Projekt fertigte. Zum Glück ist aber das herrliche Wahrzei- chen von München unangetastet geblieben. Dies sei nur bei Betrachtung des Architek- turbildes, welches auf Seite 34 vorgeführt wurde, gesagt.

Der Dom zu Drontheim hoch oben im Norden bildet einen Markstein in der Kunst- geschichte, vor allem in der Kirchenbaukunst Skandinaviens, denn schon die ältesten Be- richte erschöpfen sich mit Recht einstimmig in Lobeserhebungen über diesen kunstvollen und herrlichen Bau.

Zu dem beigegebenen Grundriß soll hier noch bemerkt werden, daß der Chorbau in nicht rechtwinkeliger Form zu dem vorderen Bautrakt ausgeführt wurde.

DIE NEUE KIRCHE IN STRASSDORF BEI GMÜND

(Abb. S. 124—128) Inmitten der Liashochfläche, die sich zu den Füßen der

drei Kaiserberge Staufen, Recliberg und Stuilen er- streckt, erliebt sich die neue Kirche von StraCdorf, einem Dorf, dessen männliche Bevöll;erung hauptsäcli- lieh im nahen Schwäbisch -Gmünd beschältigt ist. Die l;leine alte Kirche, die arcliitelctonisch und landschaftlich einen ausgezeichneten Eindruck macht, erwies sich als zu klein. So entschloß man sich, nachdem der Plan einer Vergrößerung der alten Kirche wieder aufgegeben war, zum Neubau am andern Ende des Dorfes. Die alte Kirche blieb zur Freude aller Kunstverständigen und der Dorfeinwohner erhalten. Kommt man von der in einer Mulde liegenden Dorfmitte gegen den auf der Höhe liegenden Neubau, so fallt die wohlgelbrmte Turmspitze mit dem klar gehaltenen Zifferblatt dem Wanderer ins Auge. Nach einigen hundert Metern wird denn auch die ganze Kirche an der linken Straßen- seite sichtbar, ein bescheidenes, eclites Landkirchlein.

Zunächst ist der äußere und innere Eindruck auf Massenwirkung liingearbeitet, stets wird aufbauende Konstruktion und Rohstolf ehrlich gezeigt. Der Grund- riß ist einfacli, nur in der Nalie des Chores durch die Seitenaltare etwas reiclier gegliedert. Das Dach ist, ohne unschön groß zu sein, weit herab gezogen, hübsch geformte Strebepfeiler teilen sich mit einfachen Fenster- öffnungen in die maßvoll gehaltenen Mauerflachen. Der Haupteingang ist dreiteilig, über demselben ist das Bild des Schutzheiligen der Kirche, des hl. Cyriak, von Bildhauer Deibele, Gmünd gefertigt, zur Aufstellung ge- bracht.

^ NEUE KIRCHE IN STRASSDORF BEI GMÜND 6^

125

Der Architekt, Regierungsbau- meister Hans Ilerkonuner von Gmünd, erklärte dem Verfasser nach einer wiederhohen Besich- tigung auf dessen Anerkennung, daß er sich auch redhch Mülie gegeben habe. Er hatte bei meh- reren deutschen Preisausschreiben hervorragende Erfolge zu ver- zeichnen; aber mit diesem Bau- werk hat er sicher sein Bestes geleistet. Er konnte gerade noch der Weihe durch den h. H. Bi- schof V. Keppler, Rottenburg, bei- wohnen, als ihn das Vaterland an die Front in den Cheppywald rief; dort hat er schon niancli gute Nachricht über seinen wohl- verdienten Erfolg in Straßdorf hören dürfen.

Tritt man in das Innere der Kirche, so ist man überrascht von der außerordentlichen Gediegen- heit und dem liohen künstleri- schen Wert der Gesamtwirkung. Das Schiff ist als Tonnengewölbe ausgebildet und durch schön ver- teilte Balken akustisch zweckmä- ßig gebaut. Am Ende des Ton- nengewölbes zweigen rechts und links je ein Seitenaltar ab, wäh- rend der Chor in der Form eines Kugelgewölbes einen würdevol- len reichen verzierten Abschluß bildet. Stets ist auf zweckmä- ßige Materialzusammenstellungen Nachdruck gelegt: die Altäre stellen z. B. eine wohlgeformte

Harmonie von Holz- und Metallarbeiten dar, denen sich der auch für die Schallbrechung förderliche Wandtep- pich würdig anschließt. Am meisten fällt wohl die außerordentlich reiche Verwendung erstklassiger Metall- arbeiten ins Auge, die sowohl bei den Beleuchtungs- körpern als auch beim Taufstein und namentlich beim Hochaltar und den Seitenaltären in die Erscheinung treten. Der Hochaltar zeigt konzentrische Wiederholung der Gewölbelinien und steigert so seinen Platz im Brennpunkt; die Nebenaltäre lassen im Unterbau die horizontale, im Aufbau die vertikale Linienführung hervortreten. Der Hnke Seitenaltar stellt die unbefleckte Empfingnis in vortrefllich empfundener Feinheit dar, ohne in den häufigen Fehler der theatralischen Pose zu verfallen ; die Madonna ist ein Werk des Bildhauers Höfer, Dresden. Im rechten Seitenaltar steht eine aus- nehmend gut gelungene Schutzengelfigur des Münchener Bildhauers Bleeker, ausgeführt in Holz. Die Wandtep- piche dieser beiden Seitenaltäre sind das Ergebnis eines Wettbewerbs der Stuttgarter Kunstgewerbeschule. Vor dem Hochaltar ist ein Bogenfries mit dem Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen geschmückt, wäh- rend sich an der Grundlinie des Kugelgewölbes ge- malte Apostelfiguren harmonisch einfügen. Der Hoch- altar selbst läßt in wohltuendem Gegensatz zu vielen neueren Erzeugnissen eine edle Holzfarbe erkennen, wobei nur Monstranz und das Bild im Mittelfeld heraus- treten; rechts und links davon sind zwei besonders gelungene Beleuchtungskörper hervorzuheben.

Die beiden Seitenaltäre werden durch zwei Fenster

HAXS HERKOMMER (GMÜND)

KIRCHE IN STR.-\SSDORF

mit Glasmalereien belichtet ; deren Technik läßt ein er- folgreiches Streben nach Wiedergewinnung der alten Höhe dieser Technik erkennen; sie sind ein Werk der Firma Puhl &: Wagner in Heinersdorf Berlin. Das linke Fenster zeigt das Gleichnis vom Sämann, während rechts der Schlag Moses gegen den Felsen zur Darstellung gelangt ist. Wie Lichter im Räume wirken auch schon bei Tage die an Ketten aufgehängten schön gearbeiteten Beleuchtungskörper aus Duranametall, die von der Firma Hörner in Gmünd, Baizer-Waldstetten und Wörner- Stuttgart hergestellt sind.

Das Kirchengestühl hat eine gedämpft grüne Farbe; die Form ist außerordentlich wohlgelungen und prak- tisch gruppiert, durch ein neues Verfahren tritt die Maserierung der Holzlinien besonders angenehm hervor. Die zahlreichen Metallarbeiten erklären sich aus dem Hauptberuf vieler Dorfeinwohner, die als Gold- und Silberschmiede in Gmünd tätig sind. Die Bemalung der Kirche macht ihren Meistern, Schenk und Kaiser-Stutt- gart alle Ehre.

Die Orgelempore überrascht durch den reichlichen Platz und die reichliche Verteilung der Bankreihen. Die Orgel selbst läßt die konstruktiven Linien unver- hüllt hervortreten und zeigt einen ausgezeichneten Klang, der dem vorübergehenden Wanderer schon angenehm auffallt.

Man darf den Erbauer ebenso wie die Gemeinde Straßdorf zu ihrer neuen Kirche beglückwünschen, die häufig das Ziel der reichlich in die herrliche Gegend kommenden Wanderer abgeben wird. Ludwig Schwenk

126 ®» WETTBEWERB FÜR OSTERREICHISCHE KRIEGSDENKMALER ^

ENTSCHEIDUNG DES PREISGERICHTS

IM WETTBEWERB UM ENTWÜRFE VON

DENKMÄLERN FÜR DIE GEFALLENEN

OSTERREICHISCHEN KRIEGER IM

WELTKRIEG 1914/15

veranstaltet vom K. K. Ministerium für Kultus und Unterricht in Wien

Als im Februar des Jahres 191s die genannte Behörde einen Wettbewerb um Entwürfe von Denltmälern für die gefallenen österreichischen Krieger ausschrieb, war sie von der Absicht geleitet, der Künstlerschaft durch die Stellung einer großen, ebenso zeitgemäßen und des allgemeinen Interesses sicheren, wie künstlerisch ver- wertbaren Aufgabe eine erfolgverheißende Anregung zum künstlerischen Schaffen zu geben und hierdurch der in Künstlerkreisen damals vielfach bemerkbaren, geradezu lähmenden Mutlosigkeit nach Kräften entgegen- zuwirken. Anderseits sollte durch die zu gewärtigen- den Entwürfe nicht nur die Verwirklicliung der zwei- fellos unmittelbar nach Beendigung des Krieges an zahlreichen Orten der Monarchie auftauchenden Wünsche nach Errichtung derartiger Erinncrungsdenkmäler recht- zeitig künstlerisch vorbereitet, in greifbare Formen ge- bracht und dadurch günstig beeinflußt werden, sondern in vielen Fällen wohl aucli überhaupt erst die Anregung und der Ansporn zu einer solchen Denkmalsschöpfung gegeben und auf diese Weise der gesamten Künstler- schaft ein weites und reiches Arbeitsgebiet eröffnet werden. In diesem Sinne ist die in Rede stehende Maßnahme auch als eine Fürsorgeaktion anzusehen, bei der die Preise ungeachtet der relativen Höhe der hierfür bestimmten Summe neben jenem Hauptziel von um so untergeordneterer Bedeutung sind, als für derar- tige augenblickliche Abhilfe seitens der staatlichen Kunstverwaltung schon durch eine Reihe anderer Mafi-

HANS lIEKKOMMliU (GMÜND)

Orgelempore, Text S. I2J

nahmen vorgesorgt wurde und auch in Zukunft nach Bedarf vorgesorgt werden soll.

Daß eine der sonst üblichen, eng umschriebenen, ein bestimmtes Denkmal auf einem im voraus bestimm- ten Standort ins Auge fassenden Konkurrenzen zur Erreichung jenes Hauptzieles kaum beitragen würde, unterlag keinem Zweifel. Die staatliche Kunstverwaltung entschloß sich daher, nach eingehender Beratung der Angelegenheit durch die ständige Kunstkommission des Ministeriums (Sektion für bildende Kunst), welcher Vertreter aller Kunstgattungen und Ricluungen ange- hören, einen Wettbewerb auszuschreiben, in welchem den Künstlern die tunlichste Freiheit eingeräumt wurde und es ilmen überlassen blieb, sowohl den Standort, der ihnen aus künstlerischen und auch aus praktischen Erwägungen am geeignetsten erschien, als die diesem Standort angemessene Art, Form und Größe des Denk- mals selbst zu wählen, und zu welchem Werke der Architektur, der Plastik und der Malerei wie auch solche des Zusammenwirkens dieser Künste zugelassen wurden. Nur auf diese Weise war jene Fülle von Vorschlägen und Anregungen zu gewärtigen, die dann zu lohnenden Aufträgen und zur Schaffung zahlreicher Kunstwerke in den verschiedensten Orten und Gegenden Oester- reichs führen sollen, eine Erwartung, die zum Teil be- reits in Erfüllung gegangen ist, zum Teil hoffentlich noch in Erfüllung gehen wird.

Termingemäß sind zu diesem Wettbewerb 225 Ent- würfe aller Kunstgattungen eingesandt worden. Es ist nicht leicht gewesen, diese große Zahl von teilweise sehr umfangreichen Aibeiten in den verhältnismäßig beengten Ausstellungsräumen der Zedlitzhalle unterzu- bringen und aufzustellen. Ebenso ist auch die Aufgabe der Preisrichter eine außerordentlich schwierige gewe- sen; die genaue Prüfung, Sichtung, Abwägung und Beurteilung der zahlreichen und verschiedenartigen Arbeiten hat einen großen Aufwand an Zeit, Mühe, Gewissenhaftigkeit und Sachkenntnis erfordert. Das Ergebnis dieser Beratungen des Preisgerichtes liegt nun- mehr vor und läßt sich in fol- gendem zusammenfassen : in der Absicht, die Preise der Q.ualität der eingereichten Arbeiten tun- lichst anzupassen, gelangte das Preisgericht zu dem einstimmig gefaßten Beschlüsse, von dem Preisschenia der Konkur- ren zausschreibung abzuse- ilen und die für Preise zur Ver- fügung stehende Summe von 66000 Kronen wie nachstehend vermerkt zu verteilen. Es wurden zuerkannt :

Fünf Preise zu je 8000 Kro- nen. Den Entwürfen tnit den Kennworten »Die drei Künste« (Verfasser Architekt Franz Gün- ther, Maler Albert Janesch, Architekt Friedrich Pindt in Wien). Motto: A. E.J. O. M. (Ver- fasser: Architekt E. Hoppe, M. Kämmerer und O. S c li ö n t h a 1 in Wien). »Augustinerkirche« (Ver- fasser: Professor Rudolf Jett mar in Wien). >\\'eihestätte den gefallenen Helden < (Verfasser; Professor Josef Müllner in Wien) und »Leopoldsberg< (Ver- fasser: Professor Oberbaurat Friedrich Ohniann in Wien). Zwei Preise zu je 5000 Kronen. Den Entwürfen mit den

KIRCHE IN SIRASSDOKF

WETTBEWERB FÜR ÖSTERREICHISCHE KRIEGSDENKMÄLER mm 127

HANS 1II:KK0MMER (G.MUXD)

Blici au/ das Pre stylet

NEUE KIRCHE IN STRASSDORl- BEI SCHWABLSCIl (,MI Nl) ■//. Text S. I2S

Kennworten >Studien< (V'erfasser: Architekt Prolessor Artur Payr in Innsbruck und »Sursum corda« (Verfasser Architekt Baurat Karl Sei dl und Maler Karl Haßmann in Wien).

Zwei Preise zu je 4000 Kronen. Den Entwürfen >Nike« (Verfasser: Maler A. H. Schräm in Wien) und sDonau« (Verfasser Bildhauer Franz Seifert in Wien).

Acht Preise zu je 1000 Kronen. Den Entwürfen »Achilles« (Verfasser: Bildhauer Alexander Jaray in Wien). »Ehrenschuld« (Verfasser: Bildhauer Ferdi- nand Lügerth und Architekt Adolf Thomas in Wien). »Der Sieg« (Verfasser: Architekt Richard Novak in Prag). »Doppeladler« (Bildhauer Ferdinand Opitz in Wien). »Mit dem Ruhme der Gefallenen« (Verfasser: Bildhauer W. Prokop in Prag). »Kriegssaat« (Bildhauer Michael Six in Wien). »Votivkirche« (Architekt Baurat Anton Weber und Bildhauer Willy Bormann in Wien) und »Wahrzeichen« (Verfasser un- genannt). Außer diesen zuerteilten Preisen wurde noch eine Reihe von Künstlern mit »ehrender Er- wähnung« hervorgehoben.

Die preisgekrönten sowolil wie auch die übrigen Arbeiten wurden in der Zedlitzhalle, der Ausstellungs- stätte des Wirtschaftsverbandes der österreichischen Künstlerschaft, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wodurch es uns möglich ist, aus eigener Anschauung über das Gebotene zu urteilen. Wie bei den meisten künstlerischen Wettbewerben, so haben auch diesmal die Künstler durch die überaus große Beteiligung der Allgemeinheit namhafte Opfer gebracht und selbst den Preisträgern erwuchsen so bedeutende Kosten, daß diese durch den ihnen zuerkannten Preis kaum gedeckt

erscheinen. Bei einem Rundgang durch die stimmungs- voll wirkende Ausstellung fallt besonders die künstle- rische Qualität einer ganzen Reihe von Arbeiten auf. Es sind teils Schöpfungen einer hochfliegenden künst- lerischen Phantasie in Erz und Marmor gedacht, teils kleinere Arbeiten, die in beschränktem Gemeinwesen immerhin ausgeführt werden könnten. Oh mann und Schräm stellen z. B. ihr Kolossal- Weltkriegsdenkmal auf den Leopoldsberg, weithin schauend, wie ein Wahr- zeichen über das ganze Wiener Donaubecken. Schräm festlich in prunkendem Aulschwung mit überwiegend malerischer Kraft, Ohmann wieder mit dem Massen- aufgebot architektonischer Elemente, die durch die Wuclit der Erscheinung wirken und des Nachts durch die Feuerzeichen, die von der Attika des Hauptbaues flammen, in die Erscheinung treten. Seidl schuf einen schlank aufragenden Kuppelbau, von Haßmaun durch sehr schöne Mosaikentwürfe im Innern wirkungsvoll belebt, Architektur und Malerei vereinigen sich hier zum Ausdruck der Apotheose.

Einen mächtigen Eindruck macht der von den Ar- chitekten Hoppe, Kämmerer und Schönthal ge- schalTene Riesensarkophag, in einen Ringwall gestellt, ein Motiv, das auch bei dem lichterfüllten Entwurf Müllners wiederkehrt. Jettmars Bilderfries für eine Seitenwand der Augustinerkirche in Wien, der Rund- tempel des Innsbruckers Payr und der Entwurf Sei- ferts sind zweifellos ganz hervorragende Schöpfungen, denen man nur wünschen könnte, daß sie in Wirklich- keit in angepaßter Umgebung entstehen möchten.

An Kriegerdenkmalen einfacherer Art ist natürlich kein Mangel, aber nur verhältnismäßig wenige werden

128

e^ VERMISCHTE NACHRICHTEN ^

H. HERKOMMER

KIRCHE IX STRASSDOKF

rortalbau. Tfxt S. t^4

der Erwartung und Vorstellung gerecht, die man im allgemeinen von solchen Arbeiten gevvolint ist; das re- ligiöse Moment ist zu sehr vernaclilassigt, das Dekora- tive zu sehr in den Vordergrund gerückt. Nichtsdesto- weniger dürfte manches dieser Erinnerungszeichen an den großen Krieg als Andenken an die heldenhaften Opfer des Kampfes um die heimatliche Scholle zur Ausführung gelangen können. Vieles allerdings ist auch banal in der Idee und mehr oder minder dilettantisch in der Ausführung.

Es läßt sich leider nicht wegstreiten, daß das Ge- samtergebnis des Wettbewerbes, so rühmenswert seine Absicht war, ein megatives« genannt werden muß. Es geht dieser bedauerliche Umstand schon aus der Tatsache hervor, daß die Jury in ihrem Gutachten keines der Projekte zur Annahme und Ausführung in Vorschlag braclite. Der Gedanke, der das Unterrichts- ministerium bei diesem Wettbewerb leitete, durch ilm eine Fülle von Anregungen und Vorschlägen für Krieger- nionumente zu erhalten, ist ja wohl zum Teil erreicht worden, lioffen wir, daß auf Grund dieser nunmehr vorliandenen Anregungen ein reiclies Arbeitsgebiet sich vorbereite, das nach endgültigem Schluß des Welt- krieges unsern Künstlern eine Entschädigung für die harten Jahre des Darbens, dem Volke aber eine Reihe stimmungsvoller, von ernster dem Zwecke angepaßter Würde getragener, wahrhaft künstlerischer Erinnerungs- zeichen an seine gefallenen tapferen Söhne bringen

möge. Ricliard RIcdl

VERMISCHTE NACHRICHTEN

Herr Architekt Franz Baumann (München) teilt uns berichtigend mit, daß der auf S. 6i (Heft II) links

abgebildete Kelch auf einen von ihm gefertigten Ent- wurf zurückgeht.

Eine Kriegsgedächtniskirche. Zu dauernder Erinnerung an den gegenwärtigen bedeutungsvollen Ab- schnitt vaterländischer Geschichte wird in Nürnberg ein kirchlicher Monumentalbau errichtet werden. S.M.König Ludwig III. von Bayern h.at das Protektorat übernommen.

Bildhauer Anton Zembod (Hannover) erlitt am 10. September in Rußland den Heldentod für das Vaterland.

Bildhauer Professor Thomas Buscher (Mün- chen) vollendete kürzlich für ein Portal der St. Pauls- kirche in München die Statuen des hl. Heinrich und der lil. Kunigunde in Stein.

Zu den Sonderbeilagen der vorigen Num- mer. — Die Malerei und Plastik im Presbyterium der Kirche zu Adelsdorf stammen, wie auf S. 6g des Textes bemerkt ist, von Bildhauer Hans Angermair in München; desgleichen auch die plastischen Arbeiten am Portal des Kgl. Bezirksamtsgebäudes zu Schweinfurt.

Bildhauer Professor Georg Busch vollendete für die Stadtpfarrkirche zu Weilheim eine Herz jesu- Statue und eine Schutzmantel-Madonna. Im Auftrage S. K. H. des Prinzen Johann Georg von Sachsen fer- tigte er eine Holzstatuette des hl. Johann Nepomuk und im Auftrag des h. H. Bischofs Dr. Antonius von Henle in Regensburg dessen Marmorbüste für eine Anstalt.

Unser Mitarbeiter Oskar Gehrig, der seit langem im Felde stellt, wurde für seine Tätigkeit bei der Einnahme von Kowno mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet.

Gabriel von Max starb am 24. Nov. in München. Zu Prag am 23. Aug. 1840 geboren, kam er im Jahre 1865 an die Münchener Akademie zu Piloty, zu dessen glänzendsten und erfolgreichsten Scliülern er zählte. Gereizt durch die malerische und mvstische Seite der Themen malte er auch einige religiöse Stoffe in seiner zum Weichlichen neigenden Art.

Die Stadt Wiesbaden kaufte auf einer dortigen Kunstausstellung das Bild der Kreuztragung von Joseph Eberz (Stuttgart).

Bilder f ü r die Wiener kommunale Ehren- galerie. In Anbetracht der großen Notlage, in der sich gegenwärtig viele Künstler befinden, hat sich die Wiener Gemeindevertretung entschlossen, noch einige Bildnisse für die Galerie ihrer Ehrenbürger malen zu lassen. Der Stadtrat beschlo(! daher die Anfertigung weiterer zehn Bilder und genelimigte hierfür den er- forderlichen Betrag von locoo Kronen. Die Vergebung der zu malenden Bilder hat an tüchtige, nachweisbar in Notlage geratene Wiener Künstler von Fall zu Fall zu erfolgen.

Bildhauer Otto Jarl in Wien f. Einer der besten plastischen Künstler der österreichischen Haupt- und Residenzstadt, Tierbildhauer Otto Jaii, ein gebür- tiger Schwede, ist am 16. November d. J. gestorben. Seine Schöpfungen auf diesem in Wien und Oesterreich verhältnismäßig noch wenig gepflegten Gebiete, waren durchweg hervorragende Leistungen, insbesonders sein »Eisbär«, den seinerzeit Kaiser Alexander III. von Ruß- land erworben hat. Sein HackherDenkmal, eine gewal- tige Löwenfigur, auf dem Grazer Scliloßberg, zeigt die feine Beobachtung und Sicherheit, die dem Künstler bei der Schaffung seiner Gestalten zur Verfügung standen.

Für die Redaktion

iiliche Kunst, GmbH.

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Wer wird hinaulsteigen den Berg des Herrn, wer stehen an seinem heiligen Ürtef Wer scluildlose H.inde hat und ein reines Herz. Ps. 23, 3. 4.

RENE KUDER

Von \V. ZILS-München (Zu den Abbildungen dieses Heftes)

Die Freilichtmalerei, von den Deutschen »Pleinairmalerei« genannt, kam nach der Meinung aller zünftigen Kunstschriftsteller von Frankreich zu uns herein. Diejenigen, die sich heute der Vergangenheit nur ungern erinnern oder sie gar ableugnen, wobei sie ins Gegenteil fallen und eine Befruchtung der deutschen Kunst durch ihre französische Schwester mit jener Sicherheit bestreiten, mit der sie dieselbe früher betonten, setzten sich etwa vor zwanzig Jahren für eine fran- zösische Kunst in Deutschland ein. »Plein- air« mußte unter allen Umständen gemalt werden. Gewichtige Stimmen erhoben sich bereits damals und meinten, die deutsche Kunst habe schon vor dieser Entdeckung

durch die eigene Naturbeobachtung mit dem Licht- und Luftproblem gerungen, zu dessen Lösung allerdings französische Technik nicht unwesentlich beitrug.

Ein ganz bezeichnendes Schulbeispiel, wie der Künstler durch selbsttätiges Betrachten der Umwelt zur Freilichtmalerei kommt, ist Rene Kuder, mit dem wir uns im folgen- den zu beschäftigen haben. Bei einem Plau- derstündchen, in dem er uns von seinem früheren Leben und jetzigen Soldatenstand erzählte, fragten wir ihn, wo er malen ge- lernt habe. >In der Natur«, war die Antwort, »auf keiner Akademie, in keiner Galerie durch Kopieren. Was ich da draußen sah beim Herumwandern über Felder und Wiesen,

Die christliche 1

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KENi: KUDER

ALTEK KIRCHHOF

forderte mich zur hellen, lichten Farbenge- bung auf, während ich heute noch bei der Beschäftigung mit Innenraumstücken mich dunkler Farben bedienen würde.« Dieses Selbstbekenntnis des Künstlers nimmt eine Charakterisierung seines Werdegangs und seiner Werke vorweg.

Kuder, der am 23. Nov. 1882 in Weiler im Kreise Schlettstadt (Elsaß) geboren ward, kam in frühester Jugend aus eigenem Trieb zur Natur. Jm täglichen Anblick ihres Lebens offenbarte sich ihm sein künstlerischer Be- ruf und seines Wesens Art. Der Vater, der mit Geschmack Bilderbücher kolorierte, lehrte ihn die Liebe zur Natur. Von ihm

erfuhr er etwas vom Werden der Erde, von Versteinerungen und Sternbildern, Momente, die ihn veranlaßten, offenen Sinnes und schar- fen Blickes die Schönheiten seines Landes zu betrachten. Kaum war der Gedanke geboren, das, was er in Büchern sah, selbst darzu- stellen, so folgte ihm die Tat. Der junge Kuder ging noch während der Zeit des Be- suches der Volksschule seines Heimatortes in Weilers Gemarkung und zeichnete, was er vorfand. Korrektor der Bilder war der Vater. Neben ihm ist der Künstler seinem Lehrer Bittinger noch heute zu von \'erehrung getragenem Dank verpflichtet. Der einfache Volksschullehrer hatte die Anlagen

^ RENE KUDER ^^

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RENH KUDER

seines Schülers erkannt und tat sein mög- lichstes, sie zu fördern. Wenn der Vater auch von Zuneigung gegen die Kunst beseelt war, so widersetzte er sich doch mit aller Macht dem Wunsch des Sohnes, nach dem Aus- tritt aus der Schule mit 14 Jahren die Kunst- schule besuchen zu dürfen. Die Vorstellung vom »Maler im Dachstübchen« war aus- schlaggebend, Rene einem praktischen Be- ruf zuzuführen. Der Vater ließ ihm dabei so viel Zeit, daß er sich mit Farben, die er ihm selbst zutrug, und mit Büchern weiter bil- den konnte mit der Begründung, daß der Mensch nie zu viel wisse und daß man für

sich selbst zur eigenen inneren Befriedigung weiterstreben müsse. Endlich im 20. Lebens- jahr setzte Kuder den Eintritt in die Straß- burger Kunstgewerbeschule durch. Die in den Ferien mitgebrachten guten, von Können und Fortgang sprechenden Zeug- nisse brachen den letzten Widerstand des Vaters. Dem Künstler stand die Kunst offen. Das figürliche Zeichnen namentlich unter dem Lehrer Jordan fand nach dem Ver- lassen Straßburgs im Jahre 1905 an der Münchner Akademie seine Fortsetzung in dem Aktzeichnen. Seine Lehrer Feuer- stein, Löfftz und Marr förderten das

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e^ ren£ kuder ^

Talent und wiesen ihm auf Grund eines in Straßburg für einen Freund illustrierten Meß- buches mit Randzeichnungen, das ihm schon die prüfungslose Aufnahme gesichert hatte, ein Meisteratelier an. In dieser Zeit entstand u. a. vor der Natur das Aquarell Isartal (Abb. S. 142).

Ausgestattet mit der kleinen und großen Medaille anläßlich der üblichen Semesteraus- stellungen, zog Kuder unangekrSnkelt von irgend einer Richtung Einfluß in die Heimat, um zu malen, wie er wollte. Er wußte, daß er erst hier den innigen Kontakt mit der gro- ßen Natur finden und etwas werden könnte, was wir mit Fug und Recht den Heimat- künstler nennen dürfen, der für das Elsaß die Bedeutung zu gewinnen verspricht, die sich ein Thoma in der künstlerischen Durch- dringung des Schwarzwaldes vor ihm erwarb. Einer äußersten Betätigung der Individuali- tät, der das Bizarre verhaßt ist, setzte jetzt nur mehr eine Macht die Natur Schranken. Hier, in seiner bodenständigen Umgebung,

erfüllte sich Dürers Satz in den handschrift- lichen »Entwürfen zur Einleitung« : »Die Kunst des Malens wird besser durch Lieb und Lust gelernt, denn durch Zwang.« Der äußere Erfolg blieb dann auch nicht aus. Bei einem Wettbewerb für die »Woche« er- kannten ihm die Preisrichter M. Liebermann, A. Kampf, Manzel und R. Reinecke den IL Preis zu (Abb. unten).

In demselben Jahre 1912 entstanden Bilder wie »Der Friede« und »Waldbach« und »Schwere Wolken« (Abb. Sonderbeil., S. 131, 138 141), die des Künstlers stärkste Seite dartun: Die Landschaft seiner Heimat. Ihr widmet er sich seit der Rückkehr mit einer wahren Inbrunst und frischen und gesun- den Freude an den Farben. Ohne Experi- mente malt Kuder als Naturalist die Natur so, wie er sie sieht und fühlt. Nach eigenem Bekenntnis treibt ihn das Verlangen, dem Beschauer den Eindruck so zu vermitteln, wie er ihn selbst gewonnen. Die geschmack- volle Färbung gibt ihm das Tageslicht, dessen

RENE KUDER

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RENE KLIDER

DIE VERSTEIGERUNG

feine Stimmungen die leiclite mit Wasser- dämpfen staric gesättigte Luft des Elsaß, die den Himmel in voller Bläue nur selten strahlen läßt, noch intimer gestalten. Sein Pinsel ist breit, seine Farben sind duftig.

Wie auf Kuder der Besuch der Kunstge- werbeschule und Akademie ohne wesentlichen Einfluß blieb, so veränderte auch eine Stu- dienreise nach Paris im Jahre 19 12 wenig seine Farben- und Formgebung. Als den Heimatkünstler zeigt er sich in seinen künf- tigen Werken auch dort, wo er aus dem Leben seines Volkes (Frühstück, Ver- steigerung, Jahrmarkt, Abb. S. 132 135) er- zählt. Wie in der Landschaft, so tritt uns auch in diesen genrehaften Szenen der Naturalist entgegen, der selbständige, frische Beobachter, dem es auch nicht an dem nöti- gen Vorrat Phantasie und Sinn für die Schat-

tenseiten und Vorzüge seines Volkes ge- bricht. Ein Bild wie »Der Jahrmarkt« (Abb. S. 135) gewinnt bei einer längeren Betrach- tung. Trotz einer Vielheit von Begebenheiten ermüdet das Auge nicht, befällt das Gehirn keine Langeweile. Alles lebt, spricht, und erzählt, ob es nun der mit Einsetzung seiner Lungenkraft geschäftsgewandte Marktschreier oder der stillbedachte Bauer tut, der mehr mit Schläue als mit dem in der Tasche noch zu- rückgehaltenen Geldbeutel die kritisch be- trachteten Ferkel erstehen will.

Es ist nur zu klar, daß eine Individualität von der Selbständigkeit Kuders sich auch auf eigene Weise mit dem Krieg abfand. Die Kriegserklärung überraschte ihn in seinem Heimatorte. Während der Gemeindediener (Abb. S. 145) mit der Trommel durch die Stra- ßen zog, um die Mobilmachung auszurufen,

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RLSE KLDEU

STUDIE ZUM lAHRMARKT (,S. ij;) i'fiß an/gestizt€ii Lichtern

Männlein und Weiblein auf die Gassen rannten, hielt des Künstlers Stift die einzel- nen Gestalten fest. Hier (Abb. S. 144) die ent- geisterte Frau, der die Tatsache nicht so schnell bewußt wird, deren Erstaunen über das eben Gehörte, die Mienen des Antlitzes und die Bewegung der Hand bezeichnen, dort die alte Mutter (Abb. S. 146), der die Nach- richt, die Vorahnung der kommenden Schrek- ken und Nöten die Tränen aus den Augen zwingt. Als dann der Krieg ausbrach, Ka- nonendonner die Ruhe seiner Heimat er- schüttern machte, Granaten die als : Friede : bezeichnete Weide durchfurchten und auf ihr Freund und Feind im Todesschlafe ver- einigtwurden, schuf der Künstler Kriegshilder, die eine weitere und schnellere Verbrei- tung verdienten als die durchgängig unwah- ren, dabei unkünstlerischen und einen Ein- blick in das wahre Kriegsgetriebe nicht ver- mittelnden »Schlachtenbilderx, die sich mit Hilfe geschäftstüchtiger Verleger durchzu- setzen vermochten, ganz zu schweigen von dem »Kitsch« der im Atelier gestellten Sze- nen, w'ie sie die Postkartenauslagen unserer

Geschäfte aufweisen. (Einen Trost dies nur nebenbei bieten Karten aus Frank- reich, England und vor allem Italien, die das Beiwort » barbarisch < verdienen.) Den Kriegsarheiten Kuders kommt ein Wert zu, der den des Augenblicks übersteigt. Selbst noch »Zivilist«, aber zum Arbeiten einberu- fen, betrachtet er seitwärts die Arbeiterba- taillone. Arm und reich, jung und alt im Alter von 17 50 Jahren, mußten, soweit nicht wehrfähig, am i. August zur Arbeit ausziehen, Straßen bauen und Schützengräben auswerfen. Als die Franzosen vorübergehend im Elsaß einbrachen, trieben sie die Bewohner zur Zwangsarbeit (Abb. 159). Äußerst fein sind hier die weißen Uniformen der Küras- siere zur Erzielung malerischer Wirkungen ver- wendet. Das Leben und Treiben der zum Landsturm gerechneten Arbeiterbataillone ver- folgt Kuder in einer Reihe (Abb. S. 147 15 1) Federzeichnungen, die höchst elegant und schnell hingeworfen, das Charakteristische festhalten. Der eigene Diensteintritt im Fe- bruar 191 5 gab Kuder Gelegenheit zum Ab- lauschen mancher feinen Einzelheiten. Nach

^ RENIi KUDER ^

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RENE KUDER

A'/uareh, 1914. Tfxt S. 133

DER JAHRMARKT

dem Dienst war es in freien Stunden die Kunst, die oft unter den mißlichisten Um- ständen in Scheunen oder auf dem Heuboden ausgeübt, Erholung bot. Der Gegensatz zwi- schen Leben und Tod, wie ihn am schärfsten das Schlachtfeld liefert, ließ in ihm die ernste bis ins Altertum zurückgehende und nament- lich im christlichen Mittelalter gepflegte Idee des »Totentanzes« aufleben in Bildern, die im »Pionier« erscheinen werden. Ob nun Kuder das Putzen oder Tränken der Pferde (Abb. S. 146 147) oder den schwierigen Transport einer Proviantkolonne (Abb. S. 152) schildert, immer ist es die Meisterschaft der Zeichnung, das tiefe psychologische Erfassen, das wir bewundern. Er bedient sich des Bleis mit aufgehöhtem Weiß oder der Feder, deren Anwendung er besonders bevorzugt. Wenn wir uns zum Schlüsse mit den Be- ziehungen des Künstlers zur christlichen Kunst beschäftigen, so geschieht dies nicht, weil sie die geringste unter seinen Kunst- betätigungen ist. Im Gegenteil finden sich in ihr alle Vorzüge seines Schaffens vereint. Daß ein Künstler, der sich entschieden gegen das Häßlich-Gemeine wie auch gegen das

Oberflächliche in der Kunst ausspricht, seine Kunst in den Dienst der sittlichen Erziehung des Menschen stellt, ist selbstverständlich. Gerade hier, wo es sich um das Höchste, Reinste in jedermanns Leben handelt, kommt es wie in keiner Kunstgattung nicht allein auf das Was, sondern auch auf das Wie an. Eindringlich ist in Nr. i des 12. Jahrgangs der »Christlichen Künste«; auf diese Forderung hingewiesen.

Den Lesern unserer Zeitschrift ist ja Kuder kein Fremder mehr. In Heft 5 und 8 des X. Jahrgangs wurden bereits zwei farbige Blätter veröffentlicht. Die Jahresmappe 191 3 brachte die >:Ruhe auf der Flucht«, zu der Abb. S. 142 eine Aquarell -Studie bildet, de- ren Schwarz-Weiß-Wiedergabe die koloristi- schen Feinheiten ahnen läßt. Im Jahre 191 3 zeichnete Kuder für die Kirche in Meisengott bei Schlettstadt die Kartons zu 12 Fenstern, die von der Hofglasmalerei van Treeck in München ausgeführt wurden. Zwei von ihnen wurden leider Opfer des Krieges, der auch die Ausführung der Deckengemälde für dieselbe Kirche, die in der Skizze be- reits vollendet sind, hinderte. Als aufmerk-

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^ OSKAR HOSSFELD ^

samer Leser der Hl. Schrift, dessen Altes Testament ihn ob seiner markigen Sprache am stärksten anzieht, schildert der Künstler die historisch-religiösen Begebenheiten. Reiche künstlerische Phantasie entbehrt seine christ- liche Kunst ebensowenig wie seine profan erzählende. Aus dem Jahre 19 lo stammt noch ein Entwurf zu einem Supraportabild über einer Sakristei (Abb. S. 129), das leider noch der Ausführung harrt; ihre Schwierigkeit besteht vielleicht darin, daß das Bild nicht für die Kirche, sondern für die Sakristei ge-

dacht ist, die ja meist aus finanziellen Grün- den in kalter Nüchternheit gehalten wird. Welche hehre Auffassung von dem Priester- stande spricht aus dem Bilde : Nur der, der schuldlose Hände zeigen kann und ein reines Herz, trete an die Stufen des Altars. Einer wurde vom richtenden Engel für schuldig befunden und verhüllt aus Trauer und Reue den Kopf durch den Arm, da er nicht mehr wagt, den Blick zum Heiligsten zu erheben. Während diesem Bilde ein alttestamentlicher Text zugrunde liegt, dient dem Künstler in einer Vorlage zu einem Kom- munionbild (Abb. S. 14^) die wunderbare Brotvermehrung zum gestaltenden künstlerischen Stoff. Straftist die Komposition, die die hehre Gestalt Christi in plastischer Größe in die Mitte stellt, prächtig ist die Farben- gebung, einzelne Personen, wie die Mutter mit dem Kinde (Hnks vom Beschauer) und den beiden Kindern rechts, sind von entzückender Schönheit.

Auch die christlichen Dar- stellungen setzt Kuder in die freie Landschaft, nicht weil es die »Mode« verlangt, sondern weil es ihn, den Heimatkünst- ler, dazu treibt, für dessen Schaffen ein weiteres Wort Dü- rers zutrifft: »Wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur. Wer sie heraus kann reißen, der hat sie. «

OSKAR HOSSFELD f

KEXli KUDER

Zeichnung \

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Al.li; 1 RAU arit (vgl- Mb. S I3S)

Die Zahl der Meister mittel- alterlicher Baukunst wird immer geringer, einer nach dem andern geht dahin, um einem neuen Geschlechte mit anderen Zielen Platz zu ma- chen. Gerade in den letzten Jahren mußten wir eine auffal- lend lange Reihe hervorragen- der Meister der älteren Schule zur ewigen Ruhe geleiten und manchen unersetzlichen \'erlust beklagen, den die Kunst dabei erlitt. Auch der in Rede stehende Künstler, der Geh. Oberbaurat Oskar Hoßfeld, war ein Mann von ernstem Kunstwollen, nur dem Wahren, Schönen und

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RENE KUDER

MARKTSCHREIER

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•Jahrtnarkt (Abb. S. 135)

Guten nachstrebend, abhold allen krankhaften Strömungen und Versuchen in der Kunst, aber mit der Zeit gehend und redlich be- müht, das Alte mit dem Neuen in gesunden Bahnen zu vereinen. Hoßfeld war zeit seines Lebens ein Kämpfer und so blieben auch ihm, wie so vielen unserer Altmeister, manche oftmals gehässige Anfeindungen nicht erspart, die mehreremale sogar seine Stellung be- drohten.

Oskar Hoßfeld stand im 68. Lebensjahre, als er in Bad Wildungen, wo er Heilung suchte, am i6. Oktober 191 5 für immer seine Augen schloß. Er wurde am 4. Juni 1848 in Schulpforta, jener Stadt der berühmten sächsischen Fürstenschule, geboren und er- hielt auch an dieser Anstalt eine umfassende, gediegene allgemeine Bildung, die ihm zeit- lebens zu statten kam. In dem ehemaligen, alten Zisterzienserkloster, wo die Schule ihr Heim hatte, reifte auch wie er dem Schrei- ber dieses Ende der achtziger Jahre als Re- dakteur der vom preußischen Ministerium herausgegebenen Zeitschrift für Bauwesen einmal erzählte der Gedanke in ihm, Ar- chitekt zu werden und vornehmlich Archi- tekturstudien für mittelalterliche Bauweise zu

machen, um sich später darin betätigen zu können. Nach Absolvierung der Fürstenschule ging er nach Berlin zum Studium an der dortigen alten Bauakademie. Im Jahre 1872 machte er das erste Staatsexamen, wurde kgl.Regierungsbauführerund 1876 Regierungs- baumeister. Bei der für die ehemaligen Studierenden der Kgl. Bauakademie vom preußischen Staate gestifteten Konkurrenz um den Schinkelpreis ging er mit dem Entwürfe zu einer Landesbibliothek als Sieger hervor, wor- auf er, damaliger Sitte zufolge, eine längere Reise nach Italien unternahm.

Kein Geringerer als der frühere bekannte Berliner Architekt Professor Heinrich Strack hatte längst sein Augenmerk auf den jungen Künstler gerichtet und nahm ihn in sein Architekturatelier auf Strack beschäftigte sich damals mit dem Neubau der Nationalgalerie, vor allem mit der Errichtung der Siegessäule auf dem Königsplatz in Berlin und dort fand Hoßfeld durch Anfertigung von Details und Innendekorationen für ersteres Gebäude in den Jahren 1872-1876 interessante Betätigung. Später sahen wir ihn als Hofbauinspektor für die Königsschlösser Berlin und Charlotten- burg, worauf er in den preußischen engeren

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es^ OSKAR HOSSFELD ^

KliNH KfDER

Staatsdienst eintrat. 1899 wurde er als vor- tragender Rat ins Ministerium der öffentliciien Arbeiten berufen und übernahm gleichzeitig in dieser Zeit die von Tiedemann und später dann von Karl Schäfer glücklich geführte Redaktion der Zeitschrift für Bauwesen und des Zentralblattes der Bauverwaltung. Diese Tätigkeit währte bis 1900.

Nach der Pensionierung des seinerzeit in Berlin bezw. Preufkn hochangesehenen Ar- chitekten Prof. Adler, der im preußischen Bauwesen, sowie im Lehrkörper der Bau- akademie, der späteren techn. Hochschule, eine große Rolle spielte, übernahm Hoßfeld an Stelle dieses verdienten Fachmannes das Dezernat für die Museumsbauten, das Kirchen- bauwesen und die Denkmalpflege in Preußen. Diese Zeit dürfte die erfolgreichste seines

Lebens gewesen sein, obgleich ihm durch sein aktuelles, neue Bahnen betretendes Fingreifen in der Denk- malpflege manche Un- annehmlichkeiten wi- derfuhren. Jetzt hat man größtenteils aner- kannt, wie segensreich Hoßleld seinerzeit da- mit wirkte und wie glücklich er es ver- stand, bahnbrechend in alle Gebiete einzu- greifen. In den 15 Jah- ren seiner vorgenann- ten Tätigkeit hat er, namentlich was den Kirchenbau anbetraf, im Rahmen der staat- lichen Faktoren aul die Frfordernisse einer hei- matlichen, bodenstän- digen Bauweise hinge- wiesen und Ertolge erzielt. Mit der ihm eigenen, von hohen Idealen geleitetenSorg- falt widmete er auch allen, selbst den ge- ringsten Bedürfnissen des Kultusdienstes, ein- gehendste Aufmerk- samkeit. Zahlreich sind seine Schriften, die da- mals Aufsehen erreg- ten. Er scheute sich nicht, ungeachtet sei- ner hohen Stellung als preußischer hoher Staatsbeamter, aus dem Rahmen herauszutreten und, frei von allen Fesseln, die Wahrheit zu sagen, w^as ihm Ireilich wie seinerzeit Karl Schäfer oft- mals Unannehmlichkeiten bereitete. Als höchste Ehre muß ihm aber nachgerühmt werden, daß er der eigentliche Apostel war, der schon Ende der 80 er Jahre vorigen Jahrhunderts eine volkstümliche Bauweise, der jeweiligen Gegend entsprechend, laut und mächtig for- derte, ein Verlangen, das späterhin in allen Gauen unseres deutschen \'aterlandes ein- setzte. Der unvergeßliche Münchener Alt- meister Gabriel v. Seidl war es auch, der Hoßfeld vollen Beifall zollte und mit ihm in reicliem Briefwechsel und persönlichen Be- ziehungen stand.

Die preußische Staatsregierung schätzte

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RENE KUDER

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Aquarell von IQI2, Studie i^iit KasI au/ a'er Flucht nach Agypttn. Text S. 13s

S^ OSKAR HOSSFELD ^

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REXH KUDER

BROTVERMEHRUNG

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ul.ilJ. Teil S. 136

Heinrich Hoßfeld sehr hoch und berief ihn zum Mitghed der kgl. preußischen Akademie des Bauwesens. Kein Wunder, daß die Körper- schaft der technischen Hochschule zu Berlin ihm einen Lehrstuhl für baukünstlerische Ästhetik und Bauformenlehre für Ingenieure antrug, den er auch von 1890 bis 1895 übernahm.

Zahlreich sind seine trefflichen Restaurie- rungen mittelalterlicher Kirchen Mittel- und Norddeutschlands. Von diesen möge nur die Wiederherstellung der Marienkirche in Haders- leben und die der Jacobikirche in Stettin hier Erwähnung finden. Erfolgreich war er auch in Wettbewerben z. B. jenen für die Bebauung der Museumsinsel in Berlin und des Kollegienhauses der Universität Straßburg. Auch das schöne Rathaus in Lützen ist von ihm geschaffen worden. Nebenbei war er ein gesuchter Preisrichter bei Wettbewerben

nicht nur im Bauwesen, sondern auch im Kunstgewerbe und bei monumentaler Aus- stattung von Innenräumen, desgleichen für Malereien.

Denkmalpflege, Heimatschutz und vor allem Kirchenbau nach den örtlichen Verhältnissen waren seine schönsten und erfolgreichsten Bestrebungen, für die wir dem Dahinge- schiedenen nicht genug danken können. Darin war er groß, nicht nur als Künstler, sondern auch als gelehrter Architekt. Er war auch Gründer der bei Ernst & Korn in Berlin erschienenen, mit preußischen Staatsmitteln dotierten Zeitschrift »Denkmalpflege« und Mitbegründer eigentlich Gründer des segensreich wirkenden > Deutschen Bundes Heimatschutz;:, der schon oft der Entstellung schöner Gegenden und Ortschaften vorbeugte.

Der rührige, selbstschaffende Architekt und Beamte des preußischen Bauwesens war

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Die christliche Kunst. XII.

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literarisch sehr tätig. So erschien im Jahre 1915 bereits die 4. Auflage von »Stadt- und Landkirchen«, die viel Aufsehen erregte. Daran anschließend erwirkte er auch die Erlaubnis vom preußischen Staate, seine und die unter seiner Leitung entstandenen Ent- würfe und Bauausführungen zahlreicher Stadt- und Landkirchen auf der großen Berliner Kunstausstellung auszustellen. Interessant sind im oben erwähnten Buche seine zahl- reichen Bekenntnisse, von denen hier einige folgen mögen. sWie sich unser staatlicher

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Zeichnuttg von rgi4. 'ffxl S- IS4

Kirchenbau von den Verirrungen fern ge- halten hat, denen um die Wende des Jahr- hunderts weite Kreise der Bevölkerung ver- fielen, indem sie in dem Bruche mit der Überlieferung das Heft für die Fortentwick- lung erblickten, ebenso ist er jetzt, nachdem man wieder >. historischer« geworden ist, be- müht, sich vor der Modeströmung der Bieder- meierei, des bis zur kärglichsten Nüchtern- heit verwässerten Klassizismus zu hüten. So ganz leicht freilich ist dieses Bemühen nicht. Gegen Modeströmungen zu schwimmen ist schwer.« Und weiter erörtert er in dem Buche den Ziegel- steinbau. »Der Ziegelsteinbau muß, wenn er heimatlich blei- ben und seinen Ernst, seine Kraft behalten will, Anschluß an die Bausteinkunst des Mittel- alters, insbesondere der Gotik suchen.« Er klagt dann über den Verfall bezw. die Vernach- lässigung des Studiums mit- telalterlicher Kirchenbaukunst. Wirklichen Dorfkirchen be- gegne man immer noch recht selten unter den Kirchenbau- ten, die heutzutage auf unseren Dörfern entstehen und mit den kleineren Stadtkirchen verhalte es sich ebenso. Letztere Äuße- rung bezieht sich auf Mittel- und Norddeutschland, in Bayern ist es in den letzten Jahren besser geworden.

So ist denn wieder einer unserer Besten dahingegangen, der in unserer schnellebigen Zeit die vielen Auswüchse in der bildenden Kunst mit geisti- gen und künstlerischen Waffen bekämpfte. Die vielen Angriffe, die er sich infolgedessen oft- mals zuzog, hat der äußerst vor- nehme und feingebildete Mann mit Würde ertragen.

.Architekt Hugo Steffen

AUSSTELLUNG DES BUNDES »BAYERN«

Tn den Räumen des Müiichcner Kunst- vereins, welcher der Kimstlert;enos- scnschaft für die beiden an dieser Stelle besprochenen Ausstellungen Gast- freundschaft gewährte, hatte am 14. No- vember auch der Bund » Bayern < eine auf die Dauer von zwei Wochen be- rechnete Sonderschau eröffnet. Eine

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Fedtrzeichnu„g

Kiuler. Text S. 134

Anzahl von bekanntesten Münchener Künstlern gehört zu dieser Vereinigung. Ihre Leistungen schaffen für die der Gruppe im ganzen ein Wertmaß von beträchtliclier Höhe. Keines der zahlreichen Werke dieser »Bayern «-Ausstel- lung war geringen Ranges, mehreres außergewöhnlich bedeutend. Letzteres läßt sich besonders den Bildnissen nachrühmen, die auch ihrer Menge nach neben den Land- schaften die Vorherrschaft in dieser Ausstellung führten. So waren die mit Kreide gezeichneten Köpfe von Carl Bios voll Lebenswahrlieit und Kraft der Charakteristik, die um so überzeugender wirkte, je einfaclier, von allem äußerlichen Eft'ekt frei der Vortrag war. Tiefe Wirkung tat auch das von Carl von Marr in Öl gemalte Brustbild eines älteren, melancliolisch blickenden Mannes vor braunrotem Hintergrunde. Mehrere porträtistische Stu- dienzeichnungen desselben Künstlers reihten sich diesen Werken gleichwertig an. Raffael Schuster -Woldan brachte eine Anzahl von bemerkenswerten Bildniswerken. Feinen Reiz besitzt das Porträt (Kniestück) einer jungen Dame in hellblauer Seide mit weißem Schleier vor grauem Hmtergrunde, aus dem sich links ein dunkel- grüner Vorhang heraushebt, seltsam wirkt der stark grüne Farbenfleck einer in der Hand der Dame befind- lichen Feige. Der gleiche Künstler brachte ein Bildnis des Grafen H. zu Lerchenfeld-Köfering. Das 191 2 ent- standene Gemälde zeigt vor dunkelgrauem Hintergrunde den DargestelUen in Kniestück, stehend, schwarz ge- kleidet, mit einer Wendung des Körpers nach Iinl<s, das Antlitz aber geradeaus blickend. EndHch dürfen

zwei mit farbiger Kreide gezeichnete Kopfbildnisse Peter Roseggers eins in rötlichem Ton geradeaus, ein grünhches in Profil nicht vergessen werden; sie er- wiesen sich als Studien, welche dartun, daß Tiefgründig- keit nicht von der Starke äußerer Mittel abhängig ist. Gerade beim Bildnisse wird man diese Eigenschaft be- sonders schätzen ; wir wollen die Person sehen, kennen und begreifen lernen , hierzu soll des Künstlers Werk helfen, soll der Nachwelt bleibende Lebens- und Cha- rakterbilder hinterlassen, nicht aber Arbeiten von äußer- liclier Madie. Die gekennzeichneten Vorzüge finden sich auch bei dem von Georg Schuster- Woldan gemal- ten, freundlichen Bildnisse eines kleinen Mädchens in winterlicher Kleidung. Ferner bei einer Reihe von Por- trätwerken Walther Geffckens. Ich erwähne von ihm eine sitzende Dame in Weiß innerhalb eines dunkel- tönigen Raumes, ein Bildnis F. Basils in feldgrauer Uniform; das kräftig und dabei doch höclist vornehm farbige Porträt einer sitzenden älteren Dame in grauem Kleide vor hellem Hintergrund. Etwas Genrehaftes hatte die von Ernst Liebermann gegebene Gruppe zweier Damen, von denen eine in ein weißes Kostüm der Großmütterzeit, die andere in ein grünes ländliches gekleidet ist; kräftig heben sich die Gestalten von grauem Hintergrunde ab. Studien von feinem Reize waren das Brustbild einer Dame von Hermann Völker- ling, ferner die beiden in farbiger Kreide gegebenen Kinderköpfchen von Fritz Kunz. Hans Hammer por- trätierte mit lebhaftem, warmem Kolorit eine Dame in

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AUSSTELLUNG DES BUNDES »BAYERN«

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Federztichnung von Rtni Kuder. Tfxt S. 134

blaurotem Kleide vor einem helleren Hintergrunde in verwandten Tönen. Unter den szenischen Dar- stellungen fanden sich ganze zwei religiöse. Raffael Schuster-Woldan malte eine »Beweinung«, bei der ich die weibliche Gestalt allerdings nicht als die der Gottes- mutter, sondern als jene Magdalcnens ansprechen möchte; so aufgefaßt entspricht das Bild dem Gefühl des christlichen Beschauers besser. In frohen hellen Farben malte Fritz Kunz eine heilige Familie. Maria sitzt am Spinnrocken, Joseph hobelt an einem Brette, kleine liebliclie Englein holen die lockigen Hobelspäne und bringen sie dem Jesuskinde zu Spiel und Scherz das Ganze ein erfreuliches Idyll, dessen Anmut noch gesteigert wird durch den im Hintergrunde sich auftuenden Ausblick auf eine frühlingsgrüne Wiese und einen Baum in Blütenpracht. Carl von Marrs >Lux in tenebris« ist eine mit lebensgroßen Figuren gestaltete Phantasie über das Motiv: Nackte und bekleidete Figur: ein geflügeltes Mädchen, das in seinen .Armen ein lichtumflossenes Lamm trägt, naht sich einer nackten weiblichen Gestalt, sie auf das Lamm hinweisend. Aus dem dämmernden Dunkel des Bildes leuchtet der Glanz des Lammes. Das malerische Thema wird durch eine Allegorie getragen, die von Tizians »Himmlische und irdische Liebe< eingegeben sein mag. Von szenischen Bildern profanen Inhaltes erwähne ich die Kriegsfeder- zeichnungen von J. Wackerle; sie, sowie einige Werke von H. Eißfeldt waren fast das einzige, was diesmal dem zeitgemäOesten aller Gegenstände galt. Um so friedlicher

war das von feinem Humor erfüllte Gemälde »Die Schecken« von \ P. F. Messerschmidt eine rote Herr- scliaftskutsche der Rokokozeit, der .Ausfahrt der Herr- schaft harrend, innerhalb eines malerischen Kleinresi- denzbildes. Dieselbe Epoche lieferte auch für GefFcken die Motive zu zwei anmutigen Schilderungen plaudern- der Gruppen von Herren und Damen in einem Innen- raum. — Dieser letztere hatte um seiner selbst willen verschiedentlich interessante Behandlung erfaliren. So in den vornehmen, ruhigen Studien aus der Münchener Residenz von B. Bios; auch hei E. Liebermanns alter Frau, die in ihrer gewölbten sclilichten Behausung am Fenster sitzt. Von Stilleben erwähne ich eins mit antiker Bronzebüste und anderen Gegenständen, in welchem B. Bios das Problem der Harmonisierung ver- scliiedenster grüner Töne mit Glück zu lösen versucht halte. Die Landschaftsmalerei endlich bot des Wert- vollen eine Fülle, aus der nur Erlieblichstes hervorge- hoben werden kann. Hierzu rechne ich H. Urbans »Alte Brücke«, ein italienisches Motiv von heller Farbe, bei der allerdings der sonst für die Art dieses Künst- lers bezeichnende perlmulterartige Schimmer weniger auffällt; neuartig für ihn war die Ruine eines verbrannten Hauses; ein von niederem herbstlichem Walde be- grenzter flinmiernder See bot Spiegelung einiger leb- liaft roter H.iusdächer; prächtige Zeichnungen von scheinbarer Einfachheit waren nach Motiven von der italienischen felsigen Meeresküste entstanden. Eine Reihe tüchtiger .Arbeiten bot Fritz Rabending; Studien

<S2a DIR RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS mm 149

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Kene Kuder, Text S. 134

mit farbenleuchtenden Blumenplantagen, ferner kolo- ristisch und vortraglich Icraftvolle Landschaften mit Vieh in interessanten Beleuchtungen malte A. Lüderkelleve; Hafenbilder und einen gelblich daherbrausenden Wild- bach Claus Bergen; alte Architekturen E. Liebermann ; charaktervolle Hochgebirgsstudien waren u. a. von

F. Hoch und P. Bürck. Doering

DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT

in ihrer Rückwirkung auf die Kunst Rußlands.*

Als unter Großfürst Wladimir, dem Heiligen, '^ im Jahre 988 die Russen sich taufen lie- ßen, war die orientalische von der okziden- talen Kirche noch nicht endgültig geschieden. Aus dem allgemeinen Strombette wurde sie darnach in die byzantinische Trennung her-

*) Zugleich eine Fortsetzung zur Abhandlung über >Die neuere religiöse Kunst Rußlands t in Heft 10, 2. Jahrg., S. 2501". Der Aufsatz wurde im Sommer 1906 geschrieben, mußte aber wegen Raummangels bis jetzt zurückgestellt werden. D. Red.

übergezogen, wie in eine ruhige, den Stürmen unzugängliche, aber auch jedem Lebensdrang verschlossene Bucht, bedingend und bedingt durch den weichen, duldend veranlagten Volks- charakter.

Einige Formabweichungen vom »Kirchen- reglement«, z. B. eine andre Art der Hostienbe- reitung, waren im Streit mit den Päpsten seit dem Konstantinopler Patriarchen Photios zum Prinzip erhoben worden. Den Neubekehrten als Verbündeten vermachte das zerfallende By- zanz diese gesuchten Scheidungsgründe, und ihrem Kinderherzen impfte es den Haß ein gegen den ganzen Westen, dessen geschicht- liche Gestaltung eine günstigere und dessen energische Tätigkeit eine glücklichere ward. So begann für Gesamtrußland die Periode des byzantinischen Einflusses, der »byzantinischen Ordnung«, der »byzantinischen Reglementie- rung <, die bis zu den Reformen Peters währte.

Da seine Nichtbeachtung seitens der Päpste die Ursache der Zweiteilung des Christentums war, redete Byzanz dem unwissenden Volk

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A'cwt' Kitder. Text S. 134

leicht ein, daß das »Reglement«, die »Regle- mentierung;; das Hauptsächliche an der Reli- gion, das Wesen des Glaubens, die Rettung der Seele, der Weg zum Himmel sei. Scheu und Ehrfurcht ließ die gläubigen Herzen alle Kräfte anwenden, heldenhafte Anstrengungen machen, bis zum Martyrium und zur Selbst- kreuzigung, um ihr jugendliches Wesen in die erstarrenden Formen hineinzuzwängen. Mehr als ein halbes Jahrtausend wirkte das »Regle- ment« als die Hinterlassenschaft der griechi- schen Mönche, die Rußland tauften und in die Lehre nahmen. Die Form bezwingt zum Schluß auch den Geist. Rußland hat geistig sich immer mehr, immer tiefer »abtöten lassen. Der Unterschied zwischen Ruhe und Bewegung, Beschaulichkeit und Arbeit, passi- vem Dulden und aktivem Kampf gegen das Böse, das ist es, was die griechisch-ortho- doxe Kirche von dem Katholizismus trennt; und da die Religion die Seele der Nation ist, so trennen diese Gegensätze auch Rußland von den westeuropäischen Völkern.

»Ich glaube, daß das wichtigste und ursprüng- lichste seelische Bedürfnis des russischen Vol- kes — das Bedürfnis des dauernden und unstill- baren Leidens überall und in allem ist. Dieses Bedürfnis zu leiden, eignet ihm schon von Urbeginn an. Dieser Leidenszug zieht sich durch seine ganze Geschichte und hat seinen Ursprung nicht in äußeren Mißgeschik- ken und Höhen, sondern tief in dem Herzen des Volks. Das russische Volk findet selbst in seinem Glück noch immer einen Teil Leid, da ihm sonst dieses Glück nicht vollkommen schiene.« Im Tagebuch Fedor Michailowitsch Dostojewskis, des tiefsten Deuters russischer Art, stellen diese Worte. Sie geben den Schlüssel zum Verständnis über ein Hundertdreißigmil- lionenvolk, mit seinem dumpfen Fatalismus und stumpfer Ergebenheit. Nur daraus begreift man die Erscheinungen einer letzten Resi- gnation und ahnt die Schwermut, die sich in diesem Nicht-ankämpfen-wollen wider das Schicksal verbirgt. Die demütige Leidbereit- schaft spiegelt sich in all den Lebensformen

®3S DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS ea§ 1 5 1

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Retie Kuder. Text S. IS4

wider. Darauf ist die starre Ergebung zurück- zuführen, die ihre Formel in dem vielzitier- ten » Nitschewo « gefunden hat; darauf zum Teil die tiefe und bedingungslose Frömmig- keit, die bei all ihrer Intensität doch frei von Unduldsamkeit ist, das Sich-fügen Gott und dem Väterchen Zar gegenüber. Wohlver- standen: nicht beim Proletariat und der In- telligenz der Großstädte, nur dort, wo in der breiten Masse alle Eigentümlichkeiten der rus- sischen Volkspsyche sich rein bewahrt. Und möchten auch die Juden-Pogrome gegen diesen weichen Charakter sprechen: so ver- band sich hier etwas religiöser Fanatismus gegen die » Mörder Christi « mehr mit wirt- schaftlichen Argumenten gegen die Monopoli- sierung des Handels in deren Händen, wie mit slawischen Rasse-Instinkten und der Be- amten-Oligarchie paßten sie, zusammen mit der sonstigen » Reinigung « zugunsten der Orthodoxie und des Slawophilentums, in ihren politischen Machtbestrebungen.

Etwas Melancholisches und für den Fort-

schritt Verlorenes, etwas Leidendes, ja sogar Rührendes neben aller zeitweisen Raserei gibt' so dem russischen Osten seine mora- lische Physiognomie. Wie das Weinen, der Schmerz um verstorbene Verwandte, Freunde, dem Asiaten eine unverzeihliche Schwäche, ebenso würde die zornige Erregung über die Vergehen eines andern, über das Böse

einfach eine Sünde, einen Fehltritt und einen » Fall « des Heiligen bedeuten. Die rus- sischen Heiligen haben in der Tat nie jeman- den getadelt. Nur hier und da eine stille Träne, ein leiser Vorwurf, so ganz nebenbei, fast ohne Worte, beinahe nur in der Seele. So kam der hl. Theodosius, bald nach Rußlands Bekehrung, zu einem großfürstlichen Schmaus

und er stellte sich abseits und begann zu weinen. Als man ihn fragte, weshalb er weine, antwortete er: »Bruder, ich denke, wird's auch im Jenseits ebenso lustig sein.''« Fürst und Gäste wurden verlegen und hörten auf zu schwelgen. Wie der Heilige den Tadel scheute, feinfühlig, so schämte sich der Fürst seines

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RENE KUDER

SCHWIERIGER TRANSPORT

Federzeichnung von igi4- Text S. IJS

Festes beim Anblick des von Beten und Fasten Ausgemergelten und beide küßten einan- der die Hand in gegenseitiger, geheimnis- voller Unterwürfigkeit Das ist ein Beispiel des charakteristischen Benehmens der Russen. Bomben und Grausamkeiten, Überstürzung und Siedehitze bezeichnen dann häufig den Gegenpol, wie ja ein Extrem immer in das andere überschlägt. Das Leben bewegt sich und gleicht sich in solch Gegensätzen aus. Kern der russischen Religiosität ist das Er- warten oder Bangen vor den Geheimnissen des Jenseits. Der Russe hat die geheimnis- volle Schönheit des Todes nicht bloß erfaßt, er geht ihr entgegen, er versteht es zu ster- ben, er wird in der Krankheit, im Leiden schöner; besonders aber angesichts des Sarges. Das Leben ist die Nacht, der Tod der Sonnenaufgang, und der ewige Tag ist »dort«. Nur kommt ihm diese Anschauung erst im Alter, mit den Jahren. Der junge Russe besucht wenig die Kirche die Jugend begeht sogar gern Blasphemien; sie findet nichts, was ihr in Tempeln, Liturgien, Kirchen- melodien, im Sinn der Worte, die man in

den Kirchen hört, in der Kirchenmalerei zu- sagen würde. Dazu kommt, daß das Familien- leben, mit seltenen Ausnahmen bei den ge- bildeten Klassen, kein gefestigtes und sehr reizvolles oder warmes ist, ein Vorwurf, der z. B. in einem der neuesten Stücke S. Naid- jonows, in »Wanjuschins Kinder«, deutlich genug herausspricht. Um gute oder schlechte Ehe kümmert sich die Kirche nicht, gemäß der Forderung des berühmten Moskauer Metro- politen Philaret, der beinahe als heilig gilt und die erste Kirchenautorität des i8. und 19. Jahrhunderts ist. Auch in den reiferen Jahren, so lange die Kräfte des Lebens über die Todeskeime im Menschen den Sieg da- vontragen, wenn die materielle Not, die Pflicht, die Arbeit, den Geist an das wirkliche Leben schmieden, besucht der Russe nicht zu oft den Gottesdienst, spottet, leugnet. Nun aber überschreitet er das fünfzigste Jahr. Da kommen Krankheiten, Leiden in der Familie sind durchgemacht, das Vermögen oft ver- schleudert, die Kinder sind flügge geworden. In diesem Alter empfindet der Russe, wie einsam, überflüssig, unnötig er ist. Und aui

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RENE KUDER

SOLDAT, SCHIEBEND

Zeichnung von ig 14, Studie zu Abi. S. 132

Die chrlsUiche Kunst. XII.

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RENE KUDER SOLDAT

Zeiciunmg von ,qt4, Studie zu dem Bild ,, Nächtlicher Apt-c"' (Mb. S. IJS)

DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS ©SS 1 5 5

RENE KUDER

NÄCHTLICHER APPELL

Ft'derieichnung :

einmal tritt er in die Kirche und tindet dort alles, und alles ist ihm so vertraut, so verständlich, so furchtbar notwendig. Als ob sie bloß daraufgewartet hätte, daß er gebrech- lich, gebeugt, arm, von Freunden und An- gehörigen verlassen, so empfängt sie ihn mit unendlicher Sanftmut und Sorgfalt, sie verzeiht ihm sein verflossenes, ungeordnetes Leben. Der schwache Greis, der kranke, über- flüssige, hat auf einmal hier ein Vaterhaus gefunden. Er betritt freudig die Stufenleiter zur Ewigkeit. Er vergißt die Welt dem Tem- pel zuliebe. Theater, Schauspiele, Freude und Lust sind ihm ein Greuel, »das Reich des Satans«, 'der geistige Antichrist«. Er möchte Christus finden. Ihn lockt das bleiche Antlitz des Herrn, mit seinen Leichentüchern, in die ihn Joseph von Arimathäa und Mag- dalena gehüllt. Der gebrechliche Greis, die Greisin, sie bereiten für sich selbst alles zum Tode Gehörige vor. Sie legen in ein besonderes Bündel reine, eigenartig genähte, breite Wäschestücke, die ihnen als Toten- gewänder dienen sollen, dazu ein hölzernes Kreuzlein aus Zypressenholz, das man ihnen

um den Hals hängen soll, wenn sie im Sarge liegen. Dies Bündel mit dem » Sterblichen « vergessen die Russen nie, mit sich zu nehmen. Frauen waschen den Körper des Toten und legen ihn in den Sarg, mit dem zubereiteten Leichenhemd, aus dem aller Reichtum, jede Spur von Gold und Seide entfernt worden ist. Zum Sarge wird eine Nonne geholt, die die ganze Zeit vor der Beerdigung, beson- ders aber die ganze Nacht hindurch ununter- brochen die Psalmen Davids liest, das gelieb- teste russische Volksbuch. Die Kirche schickt für den Verschiedenen eine goldgewirkte Decke aus einem besonderen Brokatstoff, der nur für die Meßgewänder der Priester ver- wendet wird. Um den Toten stellt man große, brennende Wachskerzen, die in silberschim- mernden, der Kirche entnommenen Kande- labern stecken, von besonderer Form,

Für die Russen sind die Begriffe: sich dem Tode nähern« und »sich der Heiligkeit nähern« so eng mit einander verwachsen, so ein und dasselbe bedeutend, daß auch die Irreligiösen sich nicht davon freimachen können. Sogar die weltgebildetsten Menschen, wie Turgen-

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REXE KUDER

PFERDESTUDIE

jew und Herzen, Atheisten, Nihilisten emp- finden in den ernstesten Lebensmomenten diesen immer wieder auflebenden, uralten, ursprünglichen Glauben ihres Volkes daß sterben heiliger sei denn leben. Stirbt einem Bauernweib sein ein- oder zweijähriges Kind, so sagt es mit Freude: »Gott sei gelobt das Kind wird keine Sünden begehen.« Die Motivierung ist: - Leben heißt sündigen, wie in den Kirchenliedern gesungen wird: ,Der Mensch kann keinen Augenblick sündenrein verleben'. Weshalb denn weinen? Mein Kind ist bei Gott; wir (die Erwachsenen) werden es dort (jenseits) nicht so gut haben.« »Sich abtöten« wird so mehr als ein Begriff, mehr als ein Ideal. Düster und der Erde grollend, hat der » russische Glaube « so gar nichts Jugendliches. Alles Lebende, Lebendige, Ar- beitsfreudige, Menschen- und Menschheits- vertrauende ist verwischt, ausgerodet. Daher die Tendenz: aus der Religion alle mensch- lichen Eigenschaften, alles Gewöhnliche, Ir- dische, Durchschnittliche auszumerzen und nichts als das Himmlische, Göttliche, Über- natürliche übrig zu lassen. Nach dieser fest-

bestimmten Richtung konnte die Orthodoxie nicht anders als zu einer Apotheose des Todes gelangen, und daher auch manche Ten- denzen, die historische Wahrheit des Evan- geliums anders leuchten zu lassen. Wassili Rosanow in Melniks Sammelwerk > Russen über Rußland « meint sogar sagen zu können, Rußland finde selbst das irdische Leben des Heilands zu grob und reich; es hört nur mit halbgeöffnetem Ohre des Erlösers Lehren, Parabeln, Gebote. Das alles behält es im Ge- dächtnis, erfaßt es jedoch nicht mit dem Geist. Aber da hängt der Erlöser am Kreuze. Ruß- land spannt seine Aufmerksamkeit an, das Ohr öffnet sich ganz, das Herz pocht. Es durch- lebt mit Christus die ganze unsägliche Trauer von Golgatha. Christus ist tot, Rußland ist angsterfüllt. Tatsachen, lebendige und gegen- wärtige, sieht und fühlt es, es ist keine Ge- schichte. Aber das ist noch nicht alles das ist noch nicht die » Quintessenz des russischen Glaubens«. In den Evangelien ist zu lesen, wie nach der Geschichte vom Erdenwallen des Heilandes, in kurzen Kapiteln über wenige Tage seines Seins nach dem Tode und nach

^ BILDHAUER JOSEPH KOPF e^

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RENE KUUEK

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der Grablegung berichtet wird. Bald erscheint er seinen Jüngern, bald verschwindet er wieder. Die Reden sind kurz und geheimnisvoll, Reden und Erscheinungen alles trägt Zeichen des Geheimnisses vom Jenseits . . . Und an diese blassen, jenseitigen Schlußkapitel erinnert der »russische Glaube«, wie man zuweilen die orthodoxe Kirche nennt . . .

(Schluß folgt)

BILDHAUER JOSEPH KÖPF f

Am 23. Dezember versammelte sich im ^ Schwabinger neuen Friedhofe eine grö- ßere Trauergemeinde, um den Bildhauer Jo- seph Köpf zur letzten Ruhestätte zu geleiten. 1867 in Schongau geboren, begann er seine Studien in der Schnitzschule Partenkirchen und vollendete in München seine Ausbildung. Köpf arbeitete am Reichstagsbau unterProfessor Vogel, kehrte dann nach München zurück, um gemeinsam mit seinem Kollegen Müller an der plastischen Ausschmückung der Ma- ximilianskirche zu arbeiten. Nach diesem begann er sich um größere Aufträge zu be-

werben ; eine seiner ersten Arbeiten, der Brun- nen im Cafe Gaßner, sicherte ihm weitere lohnende Aufgaben, so half er die Rathaus- fassade mit figürlichem Schmucke versehen usw. Kopfs große Arbeitsfreudigkeit, sein hervorragendes Können, sowie sein feinsin- niges Zusammenarbeiten mit dem Architek- ten erwarb ihm viele Freunde, für die er andauernd beschäftigt war ; größere Arbeiten führte er noch in Fürth aus und in Augs- burg die Abschlußfiguren am Hochablaß. Seine größte Aufgabe war aber wohl die Ausschmückung des Schloßgartens für Schloß Weidenkamm, Besitz der Gräfin von Tatten- bach. Hier war Köpf von seinem langjäh- rigen Freunde Architekt Bauer-Ulm vor eine Aufgabe gestellt, wie sie selten einem Künst- ler in so gebundener Form zuteil wird, und mit ganzer Hingabe und Liebe hat er diese Aufgabe gelöst.

Wer je Gelegenheit hatte, den Menschen Köpf kennen zu lernen, der mußte ihn lieb- gewinnen, sein sprudelnder Humor, sein um- fassendes Wissen war für seine engeren Freun- de eine Quelle reinster Freude. Kopfs Tod war

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^9 MITTEILUNG VERMISCHTE NACHRICHTEN ^

die Folge eines Unglücl^sfalles ; es war, als hätte er sein Scheiden geahnt, so vollendete er noch einige Tage vor seinem Tode eine für das Schloß Weidenkamm bestimmte Gruppe. Ein tragischer Zufall fügte es, daß er auf den gleichen Tag wie sein ihm ein Jahr früher im Tode vorausgegangener bester Freund, Architekt Bauer-Ulm, aus dem Leben schied.

L. Grothe

MITTEILUNG

Deutsche Gesellschaft für christ- liche Kunst. Juryi9i6. Die Jury die- ses Jahres setzt sich aus folgenden 8 Herren zusammen: Architekten: Konservator Prof. Jakob Angermair, Hans Schurr; Bild- hauer: Franz Drexler, Franz Schildhorn ; Maler: Xaver Dietrich, Augustin Fächer; Kunstfreunde: Inspektor Peter Dörfler, Superior Johann Bapt, Pfalfenbüchler. Sämt- liche in München.

VERMISCHTE NACHRICHTEN

Preisausschreiben für den Neubau der St. Kor b inianskirche in Münclien. Die Kalho-

lische Gesaintkirclienverwaltung Münclien eröffnet unter den in München wolinenden Architeliten und Künstlern einen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für die neue St. Korbinianskirche am Gotzingerplatz. Die Unterlagen d. s. Lagcplan und Bedingungen können vom Baubureau der Kath. Gesamtkirchengemeinde Mün- clien, Nyniphenburgerstraße 38/! Seitenbau, gegen eine Gebühr von zwei Mark bezogen werden. Das Projekt umfaßt Kirche mit Sakristei, angebautem Pfarrhaus und Wohnhaus für Kirchenangestellte. Verlangt werden Grundrisse, geometrische Fassaden und Schnitte im Maßslabe i : 200 sowie eine Perspektive über das Ge- samtbild vom Gotzingerplatz aus in gleichem Maßstäbe, ferner Kostenvoransclilag nach umbautem Raum. Sämt- liche Blätter des Projektes sind als einfiiche Linien- zeichnungen (nicht farbig und nicht mit Kohle gezeich- net") einzureichen. Das Preisgericht setzt sich zusammen aus folgenden Herren: Ein Vertreter des Erzbischöflichen Ordinariats: H. Domdekan Dr. Huber. Aus der Ge- samtkirchenveiwaltung: Vorsitzender H. Geistl. Rat J.Wagner, H. Geistl. Rat Gilg, Oberregierungsrat Walser. Aus dem Kirchengemeindekollegium: Kommerzienrat Stierstorfer, Professor Bernd!. Aus den Künstlern: Prof. Freiherr von Schmidt, Professor Hocheder, Prof. und Stadt. Baurat Dr. Grässel, An Preisen werden ver- teilt: I. Preis zu Mk. 2500, II Preis zu Mk. 2000, III. Preis zu Mk. 1 500, IV. Preis zu Mk. 1000. Außerdem stehen Mk. 2000 für .Ankauf von weiteren Projekten zur Verfügung. Dem Preisgericht bleibt es vorbehalten, die Gesamtsumme auch in anderer Weise zu verteilen. Die mit Preisen bedachten oder angekauften Entwürfe gehen ins l:igentum der Kath. Gesamtkirchengemeinde

RENU KUDER

I'OLNISCIIE ILLCHTLINGE

^ SOLDATEN LEKTÜRE eas

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RENK KUDER

/<?/J. Ti:xt S. 134

ZWANGSARBEIT

München über. Die Entwürfe sind verschlossen bis spätestens 15. April 1916, abends 6 Uhr, im Baubureau der Kath. Gesamtkirchengemeinde München, Nymphen- burgerstraüe 3 8/1 Seitenbau, einzureichen.

Dr. Philipp Maria Halm, der sclion seit dem Ableben des Direktors Dr. Hans Stegmann die Ge- schalte des Kgl. Bayerischen Xationalmuseums geführt hatte, wurde zum Direktor dieser großartigen Samm- lung ernannt. Er wurde am i. Oktober 1866 in Mainz geboren.

Rheingönheim (Pfalz). Am 6. Dezember wurde die von Architekt A. Boßlet erbaute kath. Pfarrkirche eingeweiht. Die Kirche ist abgebildet im X.Jahrgang, S. 193, besprochen ebenda S. 195.

Professor Martin von Feuerstein, dem die erste Nummer des laufenden Jahrganges gewidmet ist, beging am 6. Januar den 60. Geburtstag. Die Vor- standschaft der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst beglückwünschte ihn und dankte ihm bei diesem Anlaß für seine Tätigkeit als langjähriges Vorstands- mitglied und als Juror.

Bildhauer Joseph Breitkopf- Cosel hat im Auftrag der Königl. Regierung für die Kgl. Taubstum-

menanstalt Neukölln das Hochrelief >Erleuchtung«, so- wie für das Kg!. Gymnasium Spandau die figürlichen Gruppen »Gelehrsamkeit« und >WeItkunde< geschaffen. Auch führte er dekorative Skulpturen für die Kgl. Berg- akademie (Erweiterungsbau der Kgl. Technischen Hoch- schule Berlin) und das Kgl. Polizeidienst-Gebäude Schö- neberg aus. Die eiserne Medaille >Militärische Vor- bereitung der Jugend 1915« ist ihm nach seinen Ent- würfen vom General-Kommissariat zur Ausführung über- tragen.

SOLDATEN-LEKTÜRE

Oberlehrer Joseph Gieben, der als Leutnant und Kom- pagnieführer im Felde steht, schreibt in Nr. 971 (191 5) der >Kölnischen Volkszeitung«: iWer will, bekommt eine Menge Lesestoff in den Schützengraben geschickt, ko- stenfrei oder gegen billiges Geld: Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren, Bücher. Sie sind meistens auf den Krieg zugeschnitten, politisch, patriotisch, religiös gehalten. Auch Unterlialtungsbücher, gute und schlechte, von jeder Welt- und Lebensanschauung. Aber abgesehen von illustrierten Zeitschriften und Witzblättern zweifel- haften Wertes bekommt er wohl viel zum Lesen und N;ichdenken, aber wenig oder nichts zum Anscliauen. Der Krieg macht geistig träge oder martert das Hirn durch die ewige Anspannung. Man mag oft gern lesen

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^ SOLDATEN-LEKTÜRE DER PIONIER ^

RENIi KUDER

aber viel angenehmer, beruhigender als das Denken, eine viel bessere Erholung und Abspannung gibt manch- mal das Anschauen guter Bilder. Bilder, die zum Her- zen sprechen und zum Gemüt, die durch ihre Kunst, ihre Linien und Formen und Flächen reden zum Ge- fühl, nicht sprechen oder wenigstens niclit vorerst zum Gedanken. Wir müssen die leere Einbildungskraft mit guten und zum Edlen anregenden Darstellungen füllen. Das soll gute Kunst tun. Wir müssen die ol't so grauenhaft grausamen Eindrücke des Krieges durch an- dere Bilder vertreiben. Das kann nur gute Kunst. Wir müssen die müßigen Stunden, in dentn der Win- ter uns im Schützengraben mit Sclmee eindeckt, gut ausfüllen und diese Zeit zur Saat benützen für die Zu- kunft. Die Vorstellungen, mit denen wir aus dem Kriege zur Heimat wiederkommen, werden uns im Frieden beherrschen. Darum gute Nahrung für die Phantasie. Woher sie nehmen? Da möchte ich ver- weisen auf die guten Monographien der Allgemeinen Vereinigung für christliche Kunst, München. Sie bieten lur denkbar billiges Geld (besonders bei Parliebezug) sehr viele Bilder aus der besten christlich gerichteten deutschen und ausländischen Kunst. Schon das Be- trachten der Bilder wird wie ein Jungbrunnen auf den Schützengrabensoldatcn und den Kranken und Verwun- deten im Lazarett wirken. Und wenn so das Interesse geweckt und das Gemüt vollgesogen ist von diesem Schönen und Guten, wird aucli der Text gelesen wer- den, gern gelesen werden. Ich möchte besonders alle Sammelstellen für Liebesgaben, Vereine, Rotes Kreuz, Bibliotheken, LesestoflTsammlungen usw. sowie einzelne Wohltäter dringend hierauf hinweisen.«

Die Monographien kosten pro Nummer 80 Pfg. (1 K), imAbonnement(vierHefte) 5 Mk. ('5K6oh). JevierMono- graphien bilden einen Band. Die Einbanddecke hierzu kostet I Mk. (i K 20 h). Der gebundene Jahrgang 4.50 Mk. Die Ortsgruppen ^Vereine, Schulen etc.) erhalten die Mono- graphien bei gemeinsamem, nur direktem Bezüge von der Geschäftsstelle bei Bestellung von etwa zwanzig zu dem liierfür bestimmten Vorzugspreise. Auskunft bei der Ge- scliäftsstelle, München, Karlstr. 53/0. Die Monographien eignen sich auch bestens als Festgesclienk für die Jugend.

DER PIONIER

Monatsblätter für christliche Kunst, praktische Kunst- fragen und kirchliches Kunsthandwerk. Vlll. Jahrgang, Heft I 5 (Oktober 1915 Februar 1916). Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, G. m. b. H., München (KarlstraOe 6). Preis des vollständigen Jahrganges M. 5. (portofrei M. 5.60).

Erscheint unter der gleichen Redaktion und im gleichen Fonnat, wie »Die christliche Kunst<, ist inhaltlich in sich abgeschlossen, bildet aber zugleich auch eine erwünschte Beilage und Ergänzung zur >(;hristlichen Kunst«.

Aus dem Inhalt der Hefte i 5 des laufenden Jahr- gangs: Die Hinunelfahrt Mariens von Tizian. Aus der Werkstätte des Goldschmieds : Edelsteine. Über Bau- ausführung von Kirchen : I. Einleitung, II. Baugrund und Fundierung der Gebäude. Die Beschießung der Kathe- drale von Reims. Monstranzen. Glocken und Orgel- gehäuse. — Totenschilde. Zur Darstellung des Kruzi- fixus. Religiöse Inschriften. Zahlreiche kleinere Mit- teilungen und Anregungen.

Bischofstab

Getriebene Arbeit, Email und Elfenbein,

Dem hochw. Herrn Weihbischof Dr. Petrus Lausberg gewidmet von seinen ehemaligen Alumnen im Priesterseminar zu Köln 1900 1914.

Entwurf und Ausführung von Leo Moldrickx, Köln

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Europas 2 Jet Stai;

ÜDgen DJ liauer uik Heatt no & sciiö' und viele Um§ek[ Beintiij! Zeugen ( P'ovijzsti

THEODOR BAIERL

In der Tatiishi

Ul;l i /WEGSTATIOX aintnltskirJie zu üiüingtn i igoSJ. Text S. 164

DIE KIRCHE DER TAUBSTUMMENANSTALT IN DILLINGEN

Von J. DEMLEITNER (Hierzu die Abb. S. 161 bis 173)

Als noch die Bischöfe von Augsburg im hohen Schloß zu Dillingen residierten, ihre Prälaten und Beamten in der Stadt sich vornehme Wohnungen bauten, als noch die ■weitberühmte Jesuiten-Universität viel adeli- ges und reiches Publikum aus allen Ländern Europas anzog und die Stifte und Klöster der Stadt noch über reiche Mittel verfügten, da war reges, künstlerisches Leben in Dil- lingen und die Baumeister, die Maler, Bild- hauer und Goldschmiede hatten viel zu tun. Heute noch sind die vornehme Hauptstraße, die schönen Kirchen und Studiengebäude und viele Bauten der näheren und weiteren Umgebung von Dillingen und manches Stück Kleinkunst in Museen und Kirchen lebende Zeugen der künstlerischen Tätigkeit einer Provinzstadt in früheren Zeiten. Doch die Stürme der Aufklärungszeit, die napoleoni-

schen Kriege und besonders die Säkularisa- tion haben mit einem Schlage dies künstlerische Leben zerstört. Seit vollen hundert Jahren ist in Dillingen kein Werk von künstleri- schem Wert entstanden, aber vieles vom guten Alten zerstört oder verschleppt worden oder sonstwie zugrunde gegangen. Unter solchen Umständen kann es Herrn Domka- pitular M. Niedermair in Augsburg, dem Vorstand der Wagnerschen Wohltätigkeits- anstalten in Bayern, nicht hoch genug ange- rechnet werden, in der Anstalt für taub- stumme Mädchen zu Dillingen durch Hebung und Förderung der Paramentenstickerei der Kunst wieder eine Heimstätte bereitet zu haben. Hat er schon als Stadtpfarrer von Dillingen seiner Pfarrkirche in zwei Altarge- mälden von Fugel und zwei großen getriebe- nen Engeln Werke von bedeutendem künst-

L)ie chrtslllclie Kunsl, XII. 6 I. Kurz i

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KIRCHE DER TAUBSTUMMENANSTALT IN DILLINGEN ss23

KIHCIIl-: I>1;R TAUBSTL'MMKNANSTAI.T zu DILI.IXGKX I\ SCIIWAKEN' (HAVEKX) Ttxt S. ibi ff.

lerischem Werte geschenkt, so hat er vollends durcli Heranziehung erstkhissiger Künstler und Kunsthandwerker zur Ausstattung der Taubstummenkirche diese zu einem Schatz- kästlein modernkirchlichcr Kunst gemacht.

Die jetzige Anstaltskirche ist eine Erwei- terung des alten Baues vom Jahre 1859 in nicht gerade glücklichen neuromanischen Formen, hat aber den Vorzug einseitiger Lichtzuführung. Kunstmaler Th. Baierl in

i63

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JAKOB ANGERMAIR UND EDUARD STEINICKEN

Kirche der Taubstummenanstalt i?t Dillingen. Text S. löj

HOCHALTAR

i64 e^ KIRCHE DHR TAUBSTUMMENANSTALT IN DILLINGEN ^:^

THEODOR BAIEKI.

:,/u!nt in der Taul-stuti

München, der zurzeit mit der Ausmalung des Langliauses der Herz-Jesukirciie zu Pfer- see-Augsburg beschäftigt ist, hat es verstan- den, durch geschickte Aufteilung und Tönung der Flächen die Raumwirkung wesentlich zu verbessern und hat vor allem bei der Aus- führung der Malereien auf die Größe des Raumes verständige Rücksicht genommen. Die beiden Längsseiten der Kirche schmückt der Kreuzweg, mit seiner dekorativen Um- rahmung direkt auf die Wand gemalt (Abb. S. i6i, 171). Vielleicht ist die Darstellung des Kreuzweges mit seinen 14 Stationen für einen Künstler eines der interessantesten, sicher aber eines der schwierigsten religiösen Themen und es liegt die Gefahr nahe, daß der Künstler schon in den ersten Stationen seine Kraft ausgibt und zu den letzten Statio- nen nichts Neues mehr zu sagen weiß. Baierl hat verstanden, inlialtlich und formell diesen Schwierigkeiten zu begegnen. Von Station zu Station steigert sich die Passion des Herrn. Immer ist Christus der ideelle Mittelpunkt der Szene. Das ist ein Heiland, der nicht bloß ein Kreuz trägt, der auch innerlich mitleidet, die Sündenschuld der Menschheit auf sich lasten fühlt. Es ist kaum zu glauben, mit wie wenig Mitteln Baierl

DIH KLUGEN |L"NGFRAL"EN' ■che zu PilUugcn. Vgl. Al-b. S. l6j. Text unten

auskommt. Nur ein paar Figuren braucht er, die nicht als Statisten und Raumfüller da sind, sondern wirklich am großen Drama teilnehmen. Nur wenige Farben hat seine Palette: schwarz und weiß in den verschie- denen Abstufungen herrschen vor, dazu nur wenig Rot, Grün und Gold bei dunkelvioletteni Hintergrund. Mit ungemeinem Fleiß und tiefem Durchdringen ist jede Figur gezeich- net, jeder Muskel nach seiner Funktion stu- diert, jeder Nerv belebt. Gerade diese klare zeichnerische Durcharbeitung der Figuren läßt die bunten Farben entbehren und gibt ihnen etwas ungemein Lebendiges, Wahres und Monumentales.

Noch mehr als beim Kreuzweg kommen diese charakteristischen Eigenschaften von Baierls Kunst bei den klugen und törichten Jungfrauen am Chorbogen zur Geltung. Kein überquellendes Pathos, keine süßliche Senti- mentalität, feierliche Ruhe und Würde in Haltung und Geste, wunderbarer Rh^-thmus in Linie und Farbe. Man fühlt sich hinge- rissen und beglückt von soviel Schönheit (Abb. S. 164 u. 165).

Den Höhe- und Mittelpunkt des Bilder- zyklus bildet der überlebensgroße Christus in der Chorapsis, wie er als Herr und Ge-

esaa KIRCHI: DER TAUBSTUMMENANSTALT IN DILLINGEN ©S^ 165

THEODOR HAlEUl,

Karton.

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DIE TÖRICHTEN JUNGFRAUEN Igl. Abb. S. 164. Text S. 164

Bieter des Universums in seiner überwältigen- den Majestät, von Engelflügeln getragen, aus der Unendlichkeit herabzuschweben scheint, angetan mit einem faltenreichen Goldmantel, als Gnadenbringer den einen, als Richter den andern (Abb. S. 162). Diese Engel haben wirklich Leben, diese Wolken sind in wallen- der Bewegung. Es liegt etwas von der großen Stimmung der Mosaikbilder in alt- christlichen Chorapsiden in diesem Bilde. Hier stehen wir wirklich vor Kunstwerken, eingehaucht von ernster religiöser und künst- lerischer Auffassung, ebenso weit entfernt von falschem Archaismus und unverständ- lichem Futurismus, wie von abstoßendem Realismus oder süßlich frömmelnder Senti- mentalität. Das sind keine bunten Bilder- bogen, die vielleicht auf den ersten Blick dem Laien gefallen und angenehm unter- halten mögen, hier ist ernste, hohe Kunst für ernste, denkende Menschen, die Aug' und Herz erfreut und die Größe und Er- habenheit der religiösen Wahrheiten predigt. Von den Geschichtsschreibern moderner kirchlicher Kunst dürfen diese Arbeiten Baierls nicht übersehen werden.

Zur vollen Geltung kommen diese Bilder erst, seit im vergangenen Herbst die übrige

Ausstattung der Kirche vollendet wurde. Die Altäre sind von Prof. Jak. Angermair- München entworfen und schließen sich den romanischen Stilformen an, ohne romanisch zu sein. Über den Mensen aus gelblichem Sandstein mit offener Säulenarchitektur er- heben sich einfache Retabeln (Abb. S. 163, 168 und 169). Der Choraltar ist naturgemäß reicher ausgestattet und der Überbau ganz von vergoldetem Messing mit Emailschmuck. Das Mittelstück ist als Tabernakel ausgebaut und flankiert von zwei grünen Malachit- säulen. Die Tabernakeltüren zeigen die Symbole des Altarssakramentes und zwei Strophen des Fange linqua als Schmuck. Im Dreipaß über dem Tabernakel ist eine Herz- JesuHgur als Brustbild angebracht. Den Al- tar krönt ein Kreuz aus Bergkristall. Die Seitenflügel sind dreimal kassettiert mit rei- chem wechselndem Dekor und anbetenden Engelköpfchen mit Email (entworfen von Konservator Schmuderer-München). Vielleicht wirkt die Kassettierung etwas monoton und hätten Ganzfiguren bessere Wirkung gemacht. Altarleuchter, Altarkreuze, Kanontafeln, alles sind originelle Arbeiten von prächtiger Wir- kung. Die Seitenaltäre sind wesentlich ein- facher, ganz von Sandstein und architekto-

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HOCHALTARKREUZ

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EDUARD STEINICKEN (IN FIRMA STEINICKEN & LOHR) ®®

SEITENALTARKREUZ

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KIRCHE DER TAUBSTUMMENANSTALT IN DILLINGEN fej^

nisch sich vorzüglich dem Bau ein- und unterordnend. Die vergoldeten Bronzereliefs sind von Valentin Kraus -München entwor- fen und in der Kgl. Erzgießerei von Miller ausgeführt. Bedeutende Kunstwerke, die sich auf die Schutzheiligen der Anstalt beziehen. Zur Vermittelung zwischen Malerei und Pla- stik sind über den Seitenaltären zwei ganz flach gehaltene Reliefs in Rundform, die hl. Fa- milie und den göttlichen Kinderfreund dar-

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Stellend, angebracht (von Bildhauer Hans Angermair, vgl. Abb. im XL Jahrg. S. 2-19). Sämtliche Treib-, Ziselier- und Emailarbeiten nebst den Beleuchtungskörpern und Apostel- leuchtern sind aus der Kunstwerkstätte Steinicken &: Lohr in München hervor- gegangen.

In der stehengebliebenen Chorapsis der alten Kapelle befindet sich das Grab des Gründers der Anstalt, des sei. Regens Wagner und nebenan an der Wand ein Epitaph von Frz. Hoser-München, das den einfachen großen Mann der Chari- tas in schlichter, feiner Weise ehrt (siehe Christi. Kunst, XL Jahrg., 6. Heft, Einschaltbild).

Die gelungene Ausstattung die- ser Kirche zeigt aufs neue, daß unsere Zeit wohl die Fähigkeit besitzt, schöne und erbauliche kirchliche Räume zu schaffen, ohne sklavisch frühere Stilformen nach- zuahmen. Man muß gerade in dieser Kirche einem Gottesdienste beigewohnt haben, wenn z. B. in früher, nächtlicher Morgenstunde die Klosterfrauen zur hl. Kommu- nion gehen. Wenn die zahlreichen Kerzen auf den Altären brennen und sich im Glanz des Goldes und Emails verhundertfältigen und alles flammt und glitzert und zu leben scheint wie von tausend schwe- benden Sternen erfüllt, dazu wie Engelsingen die leisen Akkorde des Harmoniums. Hier der welt- entrückte ernste Chor der Nonnen, die zum Altare schreiten, droben im Bilde die feierliche Schar der klugen Jungfrauen, die dem Bräu- tigam entgegengehen. Inmitten der eucharistische Gott im Taber- nakel, dem sich alles beugt, und drüber im Goldglanz das majestä- tische Bild des Weltenrichters. Das ist ein großartiges Regem, cui omnia vivunt, venite adoremus I ') Das ist ein Gottesdienst, dessen my- stischem Zauber sich niemand ent- ziehen kann, der einen auf die Knie zwingt, anzubeten. Hier sind Kunst und Religion schwesterlich vereint. Auch das dürfte Herrn Domkapi- tular Niedermair bewogen haben, die Anstaltskirche mit so hoher Kunst auszustatten. Die taub-

i'AiHsrrMMiA'ASSi AI r ') Den König, dem alles lebt, kommet,

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SEITENALTARWAND DER KIRCHE DER TAUBSTUMMENANSTALT IN DILLINGEN

Text S. i6s

Die christliche Kunst XII 6

170

WIEDERUM KRIEGSGEDENKZEICHEN

stummen Mädchen, welche Tag für Tag in den weiten Arbeitssälen die Nadelkunst pflegen, sollen hier nicht bloß einen Ort seelischer Erholung und Stärkung haben, diesen Armen, welche bei Vermittlung von Sinneseindrücken fast nur auf die Augen angewiesen sind, soll diese Kirche zugleich eine Hochschule edler Kunst und feinen Geschmackes sein und so fördernd auf ihre Kunsttätigkeit einwirken. So betrachtet machen sich die Aufwendungen für die Anstaltskirche in ideellem und prak- tischem Sinne reichlich bezahlt.

WIEDERUM KRIEGSGEDENK- ZEICHEN

Kaum läßt sich die Fülle der Aufsätze über- blicken, welche über Kriegergrabmäler und Kriegsgedenkzeichen veröti'entlicht wer-

den. Alle Verfasser scheinen im Namen der Kunst oder doch des Geschmacks und der Kultur sprechen zu wollen, und da wimmelt es von Entrüstung über »Schund ; und > Kitsch«, von summarischen Verdammungsurteilen ge- gen die zur Erinnerung an den siebziger Krieg entstandenen Denkmäler, von eindringlichen Ratschlägen für die Gegenwart. Gleichwohl fällt selten ein keimfähiges Korn für die Kunst ab, da man zu viel in verschwommenen, halb- poetischen, patriotischen und sozialen Stim- mungen spricht, die in der Tat für die Grab- mäler und Friedhofaniagen im Felde maß- gebend bleiben, von der hohen Kunst, die dauernde Werke schafft, jedoch absehen, um nicht zu sagen, von ihr ablenken.

Gleichwohl können Erörterungen über ethische und allgemein menschliche Werte anläßlich der Frage der Festhaltung des Krie-

EDUARD STEIKICKEN (IN FIRMA STEINMCKEN S: LOHR)

Kirckf der Tauhstuii

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THEODOR BAIERL

KREUZWEGSTATIONEN

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ges durch die Kunst dieser letzteren Nutzen bringen, wenn sie in der Künstlerschaft die Erkenntnis vertiefen, daß die Kunst aus dem Geistesleben der Zeit herauswachsen, es be- fruchten, verklären, der Zukunft erhalten muß und daß sie sich andernfalls abseits des frucht- baren Bodens und der erfrischenden Quellen stellt, Luxus wird, verweichlicht, verdorrt. Das Spiel kühl formaler Lösungen oder sym- bolistischer Allerweltsgedanken kann weder

die Gegenwart noch die Zukunft befriedigen, bleibt dem Herzen der Gesündesten im Volke fremd. Die Kunstwerke, die wir brauchen, müssen aus den Tiefen einer mit dem Volke fühlenden, aber stärker und klarer, als dieses, empfindenden Künstlerseele geboren sein. Nur jener Künstler vermag unserer großen Zeit zu genügen und ihre heiligsten Ange- legenheiten der Nachwelt geziemend zu über- liefern, der mit den Besten seines Volkes

THEODOR BAJERL

KREUZWEGSTATIONEN

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trauert und kämpft und leidet, opfert und jubelt. Kann einer das, so mag er sehen, wie er die jeweilige Aufgabe, die Vaterlands- liebe, Religion und Familiensinn ihm stellen, im Bilde gestalten kann : jetzt bescheiden und schlicht, dann feierlich und erhaben, in be- sonderen Fällen mit Schwung und Macht, hier in Anlehnung an die freie Natur, in Hag und Hain, dort im Friedhofe, an Haus und Kirche, oder aber an öffentlichen Plätzen der Städte. Der Besteller wird mit dem Künstler unaufdringlich die Möglichkeiten des gedanklichen Inhalts beraten, dann jedoch soll der Künstler allein gestalten.

Von mancher Seite wird zum Abwarten gemahnt, denn es sei noch lange nicht die Zeit für Denkmäler. Zu allgemeinen Denk- mälern, das ist richtig, hat es immerhin noch gute Weile, aber es ist jedermanns heiliges Recht, Erinnerungsmale an Familienangehö- rige schon jetzt errichten zu lassen, und des- halb darf mit Mahnungen und Warnungen nicht zugewartet werden, bis es zu spät ist. Die Geschäfte warten ja auch nicht bis nach dem Kriege und da sie an das Publikum

herantreten, bleiben sie weit im Vorteil ge- genüber den Künstlern, die allerdings ab- warten müssen, ob man überhaupt zu ihnen kommt. Man sagt: Wartet die Rückkehr der im Felde stehenden Künstler ab, die sind es, welche die Kriegserinnerungen schaffen sol- len, sie allein werden es vermögen. Es ist gewiß zu wünschen und zu hoflen, daß der Krieg die Künstler draußen läutert und mensch- lich größer macht; allein man darf doch den Daheimgebliebenen nicht die Fähigkeit ab- sprechen, mit den Brüdern im Felde mitzu- fühlen und ihre Taten in Ehrfurcht auf sich einwirken zu lassen. Wenn es gelingt, einer innerlich reifer gewordenen Kunst schon jetzt den Boden zu bereiten, dann wird nach dem Krieg für alle Künstler ein fruchtbares Arbeits- feld bereit stehen; gelingt das nicht, so werden die vom Kampfe heimgekehrten Künst- ler sich nicht ehrenvoll auszuwirken vermö- gen, sie werden darben gleich den anderen. Denn nach wie vor haben die Künstler mit der eisernen Tatsache zu rechnen, daß sie von der Volksverfassung abhängen und der Auftraggeber entscheidet. s. Staudliamer

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KREUZABNAHME (n;o.S)

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DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT

in ihrer Rückwirkung a u f d i e Kunst

Rußlands

(Schluß)

Wie so die ganze russische Religiosität eigentlich auf das Jenseits des Grabes gerich- tet ist, auf ein Sich-Abtöten, wie ihr etwas Melancholisches, ja Trauriges anhaftet; wie die orthodoxe Kirche nicht nur aus der »Menschwerdungdes Gottessohnes« das »Leib- liche « ausgeschaltet hat, sondern auch in- different allem Lebenden, der ganzen realen Welt gegenübersteht und so dem religiösen Licht den Weg zu den menschlichen Be- ziehungen versperrt: so zeigtauch die religiöse Kunst Rußlands aufs deutlichste den Geist einer, ich möchte sagen, nervenlosen Aszese, der Verneinung der sichtbaren Welt, der Feind- schaft gegen alles Körperliche.

Wie die Kirchenmelodien sind die russischen Kirchenmalereien »geistig«, in strenger Über- einstimmung mit dem allgemeinen Bau der Kirche. So wird, gegen das historische Wort, die Mutter Gottes nie in zartem Alter, nie so jugendlich dargestellt, wie sie tatsachlich

zur Zeit der Geburt Christi war. Sie wird immer ah alte oder alternde Frau gemalt, im Alter von ungefähr 40 Jahren, und sieht des- halb auf den Bildern, wo sie den (verhüllten) Jesus auf den Knien hält, eher wie eine Amme, die irgend ein unglückliches und fremdes Kind pflegt, als wie die glückliche Mutter aus. Ihr Gesicht ist immer schmerzerfüllt, und nicht selten wird sie mit einer Träne, die aus dem Auge quillt, abgebildet. Überhaupt ist, im Gegensatz zu unserer Auflassung, Golgatha bereits nach Bethlehem übertragen und dort alles Frohe, Verheißende, Hoflende ausge- rodet.

unbekleidete kindliche Figuren, wie auf unsern klassischen Bildern, oder Maria, die das Kind Jesus an Herz und Busen drückt wären unmöglich in einem russischen Gottes haus. Auch werden in der orthodo.xen Malerei in der eigenartigen und ursprünglichen so wohl wie in der überall verbreiteten Kunst nie Tiere um die Krippe gemalt, Kühe Esel, sogar die Hirten fehlen gänzlich. Alles Animalische ist eben von der Orthodoxie energisch zurückgewiesen worden. Sie verab- scheut das Hineintragen des »Gewöhnlichen« in die Religion und setzt an Stelle eines

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DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS

MOSES

VON TH. BAIERL,

IN PFERSEE

menschlichen Ereignisses ver- schleiernd gerne ein rein ver- bales, rein begriffliches, auch wenn sie dabei, entgegen dem Text des Evangeliums, jeden Tropfen Lebensblut auspreßt. Man muß all dies als ehrlicher Beschauer um so schärfer her- vorheben, weil die okzidentale Art und Kunst seit der byzan- tinischen Trennung sich weit lebendiger, poesievoller, be- weglicher bewährt hat. Mögen doch die Kritiker des Katholi- zismus und seiner Kunst ein- mal solch unbefangene Ver- gleiche ziehen ! Das Resultat wird sie jedenfalls in Erstaunen setzen.

Diesem Wesen des »russi- schen Glaubens«, der außer- dem den Geheimnissen des Jenseits besonders entgegen- drängt, entspricht es, daß im Gegensatz zu der Fleischwerdung des Gottesworts, zur Ge- burt und Jugend Christi, im Gegensatz zur Mijtterlichkeit Marias, vor allem die Himmel- fahrt der heiligen Jungfrau und die Krönung Marias in der Orthodoxie grell unterstrichen sind. In Rußland gibt es eine Menge Kir- chen zur »Assumption« ; die russischen Kaiser werden in Moskau in der Assumptionskirche gekrönt (Abb. S. 184); das strengste zwei- wöchige Fasten ist das vom i. bis zum 15. Au- gust, und »Maria Himmelfahrts-Tag« ist eines der größten Jahresfeste. Auch das Fest der Epiphanie Marias (i. Oktober) ist sehr beliebt und häufig werden Kirchen diesem Tag zu Ehren erbaut. Indessen ist die Unterlage dieses Festes eines der Wunder, das einst im 10. Jahr- hundert in Konstantinopel bei der Versenkung von Marias Gewand ins Meer geschehen sein soll. Als die Schiffe der noch heidnischen Russen sich der Stadt von der Seeseite näher- ten und die Bewohner keine Rettung mehr sahen, versenkten diese das wundertätige Ge- wand der Mutter Gottes ins Meer. Ein un- geheurer Seesturm entstand und zerstreute die feindlichen Schiffe. Das russische Herz erfaßt überhaupt mit Kraft das Wunder. Alles Menschliche, Gewöhnliche, nicht Übernatür- liche bedeutet nichts, verdient nicht Beach- tung, aber das Wunder, wie die Verwerfung des Irdischen, ist mit großer Tiefe und Zärt- lichkeit von der russischen Empfindung und Phantasie konzipiert und verherrlicht worden. Infolge dieses Überschwangs, und es ist dies wieder charakteristisch, berauscht sich

HL ANNA

VON TH. BAIERI.,

IN PFERSEE

der Russe in der religiösen Kunsttradition gerne an einer leisen Ekstase. Im goldenen Glanz der altertümlichen Kunst, auch der prächtigen, starken und willensfesten, er- scheint ihm das Heiligenbild immer als etwas Überirdi- sches, als eine lebendige Ver- heißung des Zukünftigen. So ist ihm die in der bj-zantini- schen Ikonographie soge- nannte »Oranta« (d. h. das kolossale Heiligenbild aus Mo- saik, das auf der Altarwand der hl. Sophia-Kathedrale zu Kiew aus dem 11. Jahrhun- dert aufbewahrt geblieben und im Volke und in der Literatur unter dem Namen »Die un- zerstörbare Wand« bekannt ist, und das man als eine Art Grundtypus bezeichnen darf): das Symbol der irdischen Kirche, das Symbol der Menschheit, die nur in ihrem Bunde mit dem Himmel unzerstörbar ist. Die heilige Jungfrau, auch hier beinahe als Greisin dargestellt und ohne lesuskind, im blauen Rock, unter dem auf rhombischer Standfläche die roten Schuhe hervortreten, erhebt betend ihre Arme gen Himmel. Im wesentlichen bis heute verkörperte das Bild der Gottesmutter den alten, spezifisch russischen, religiösen Kunstge- schmack, und auch in den meisten modernen Weiterbildungen schwingen ähnliche Töne mit, bei allem Tasten nach Entwicklung und Originalität.

Dies alles findet seinen Widerhall auch in dem Äußeren der Kirche, den Formalitäten im Kirchen-Ritus, den Äußerungen der Reli- giosität im öffentlichen Leben. So entfalten bekanntlich die Oster-Prozessionen besonders ein großes Gepränge. Unter Beteiligung der ganzen Stadt, der Spitzen der Behörden, des Militärs, unter den Klängen der Musikkapellen, dem Krachen der Böller finden sie statt, ein endloser Triumphzug bewegt sich durch die Straßen, überall erschallt der Ostergruß und die Osterantwort: »Christus ist erstanden. Er ist wahrhaft auferstanden. « Menschen- scheu ist, wo es sich um Ausübung religiöser Akte handelt, unbekannt. Wie der Grieche macht der Russe oft das Kreuzzeichen, nament- lich wenn geläutet wird oder wenn er an einer Kirche vorübergeht. Bei Prozessionen, öffentlichen Weihungen u. dgl., bei denen der orthodoxe Priester in kirchlichen Gewän- dern erscheint, beten alle Anwesenden mit

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THEODOR BAIERL

DER AUFERSTANDENE

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GLASüEMALDE

entblößtem Haupte; nie lindet dabei eine Störung statt. Man hätte seinerzeit, mehr als geschehen, beachten müssen, daß bei der Er- öffnung der Reichsduma, mit der das Zaren- reich in die Reihe der modernen Staatsver- fassungen einrücken wollte, ein altes religiöses Moment aus der Feier hervorstach: In der Mitte des Georgs-Thronsaales im Winterpalais war das berühmte Heiligenbild aus dem Peter- häuschen aufgestellt, das Peter der Große auf allen seinen Reisen mitgeführt hat. Zur Seite dieses Heiligenbildes nun standen die Mit- glieder der Duma, und vor ihm machte der Zar mit der Zarin und der Zarin-Mutter halt, als er zum Thron schritt, um die Begrüßungs- ansprache an die Erwählten des Volkes zu richten. Der Metropolit, der dem Zaren vor-

ausging, grüßte mit dem Kreuz in der Hand das Bild, und daran schloß sich ein kurzer Gottesdienst. Dann erst vollzog sich der eigent- liche politische Akt.

Trotzdem wäre es gänzlich falsch, der Kirche in Rußland etwa einen maßgebenden oder gar entscheidenden EinflulJ auf die Gesell- schaft zuzusprechen, oder auf die große um- wälzende Bewegung, die das ganze Reich jetzt erschüttert. Versteinertes byzantinisches Erbe, aus Eigennutz dem Wunderglauben Vor- schub leistend, in ihren oft ungebildeten (Gliedern beim \'olke nicht geachtet, hat die Orthodo.xie, trotz der großen Menge von Gotteshäusern, trotz der Unzahl von Priestern, Mönchen und Nonnen, trotz des ungeheuren, in Kirchen und Klöstern aufgehäuften Reich-

^a DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS ©SS 177

TH. BAIEKL GLASGEMALDE

Kath. Kirchf in Sch-.viin/urt

tums, den man auf 20 Milliarden Franken schätzt, jeden sozialen Einfluß auf das Volk längst verloren. Das russische Volk betrach- tet den Geistlichen nur als einen von ihm bezahlten Diener, der in seinem Auftrag den komplizierten Zeremonialdienst ausübt. Und wenn man den Russen in der Kirche sieht, sich weder um Anfang noch Endfe des Gottes- dienstes kümmernd, kommend und gehend, wann es ihm beliebt, hat man oft den Ein- druck, als sei er nur gekommen, um sich zu überzeugen, ob die Aufträge auch ordnungs- mäßig verrichtet werden. Der Mann aus dem Volk begnügt sich damit, seine Kopfbedeckung abzunehmen, sein Kreuz zu schlagen, nieder- zuknien und die Stirn bis auf den Boden zu beugen, Heiligenbilder zu küssen und schlanke

Lichtchen vor ihnen aufzustecken. Er tut das mit einer schönen Würde und einem Ernst, selbst mitten auf dem belebten Gehsteig vor einer der zahlreichen Kapellen oder einem an der Wand eines Hauses befestigten Heili- genbild — , der den Spott des Andersgläubigen gar nicht aufkommen läßt. Gerade Andersgläu- bige stellen der russischen Geistlichkeit das Zeugnis aus, daß sie Meister eines solchen Zere- monialdienstes ist, und daß sie ihm, in großen Kirchen wenigstens, eine Weihe und Feierhch- keit von grandioser Wirkung zu geben weiß, mit rein äußerlichen, aber künstlerisch ange- wandten Mitteln. So schrieb jüngst P. v. Szcze- panski, als er einem solchen Gottesdienst zum erstenmal beiwohnte, in der Erlöserkirche in Moskau, es sei dies für ihn ein Ereignis gewesen, dem er keine andere künstlerische Sensation an die Seite zu stellen wüßte. Ein riesiger Bau in Kreuzform, von einer Kuppel gekrönt, ein Koloß, der Moskaus Häusermeer überragt, ist diese Dankeskirche, die zum An- denken an den Untergang der Napoleonischen Armee errichtet wurde (Abb.S. 182 u. 183). Da ist während einer Abendandacht der Raum nur durch Kerzen erleuchtet. Ihr Schein reicht hinauf bis ungefähr zwei Zimmer Höhe, flackert über Heihgenbilder, goldene Rahmen, kostbares Gestein. Darüber verschwimmt aUes im Halbdunkel. Man ahnt nur, daß oben eine Kuppel sich wölbt, hoch wie der Himmel. Das vergoldete Gitterwerk vor dem Allerheiligsten blinkert, rechts und links davor sind zwei Sängerchöre in Nischen aufgestellt. Sie sind in schwarze Talare mit roten Seidenärmeln gekleidet. Die brennende Kerze, die jeder Sänger neben dem Notenblatt hält, beleuchtet grell hier ein weißes Blatt, dort einen roten Är- mel, da ein charakteristisches Profil. Im Mit- telraum davor stehen die Andächtigen die russische Kirche kennt keine Sitzplätze. Der Boden ist mit dickem Teppich belegt, trotz des fortwährenden Kommens und Gehens hört man keinen Schritt. Vor dem goldenen Gitterwerk schreiten Priester in brokatenen Ge- wändern, verschwinden in den Seitentürchen rechts, kommen nach kurzer Zeit aus dem Sei- tentürchen links wieder zum Vorschein .... Und die beiden Chöre singen, Männer- und Knabenchöre, ohne Instrumentalbegleitung. Unerhört schöne Stimmen, die Bässe beson- ders — gewaltig wie eine Urkraft und ver- hallend wie der Ton einer sonoren Kirchen- glocke. Einfache, fast eintönige, strenge Me- lodien, in denen das »Herr, erbarme Dich« immer wieder erklingt bittend, flehend, im- mer inbrünstiger, zuletzt mit dem Schrei der Verzweiflung. Und endfich geschieht das

Die christliche Kunst. XII.

178 e^ DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS ^

THEODOR BAIERL

Karton für Riedau (tgijj

DER WELTHEILAXD

Wunder! Jubelnd fallen die Knabenchöre wie Engelstinimen ein, geräuschlos, wie von einer höheren Macht bewegt, schlagen die beiden Flügel der Haupttüre zum AUerheiligsten zu- rück, man sieht hinein in eine durch geschickte Lichteranordnung suggerierte Unendlichkeit; man sieht die verschwimmenden Umrisse eines Priesters in goldbrokateneni Gewand, der et- was Geheimnisvolles vornimmt das alles nur Sekunden , und lautlos schlagen die Türflügel zum AUerheiligsten zu. Wer das zum erstenmal erlebte, fühlt sich von mysti- schem Schauer überrieselt. Anders ist die Szene: ohne den großen künstlerisch dirigier-

ten Apparat, etwa in einem der alten Klöster Moskaus. Da psalmodieren junge Mönche mit Haaren, die ihnen bis über den Gürtel fielen, der ihre Kutte über den Hüften zu- sammenhält — gut gepflegte, mit dem Lok- kenstock gewellte Haare , vor dem Altar, und die im offenen Viereck davor aufgestell- ten älteren Mönche unterhalten sich während dessen ganz ungeniert, brechen mitten in ihrem Schwätzen ab, um mit dem Herr, erbarme Dich« einzufallen . . . Mögen die zehn oder zwölf anwesenden armen Leute keinen An- stoß daran nehmen: es stört, ist indignierend, läßt den Andersgläubigen spötteln, und diese

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THEODOR BAIERL

Altarliitd in Aiterhof«

DIE HL. MARGARETA

i8o ^ DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS ^

Weltlichkeit macht es erklärlich, wenn der Russe diese Geistlichen gering achtet und seinen Respekt für die Heiligen aufspart . . . Eine an Heiligenbildern und Gotteshäusern reichere Stadt als Moskau gibt es sicher nicht. Der Fremde, der im Eilzug durch die einför- migen Gegenden dahinfliegt, vorbei an Hüt- ten, Kornfeldern, Sümpfen und Wäldern, staunt schon über die Zahllosigkeit der Kirchen links und rechts, die mit ihren Mauern, im Sonnen- licht freudig funkelnden Kuppeln und dem goldenen byzantinischen Kreuz in den Him- mel hineingreifen. Je mehr er sich Moskau nähert, um so öfter wird ihm dieser Anblick, bis plötzlich ein einziges gleißendes Goldmeer am Horizont ihm verkündet, daß man sich be- reits dem ehrwürdigen Mütterchen, der Stadt mit dem goldenen Haupt und den weißen Mauern nähere. Gleich einem unübersehbaren Walde, dessen Bäume aus Gold sind, erhebt sich über den geschwungenen Kuppeln die Menge der in der Sonne brennenden Kreuze. Vierzig mal vierzig Kirchen und Kapellen sind es, die so ihren frommen Gruß auf Meilen

DIE AUIERSIEllUNG DES L.'iZARUS Cemiilde von Kotarbinskij und Swedomskij in der Wladin Kathedrale zu Kiew. Vgl. II. Jgg., S. 231

hinaus dem Nahenden entgegensenden, und demütig fällt der russische »Pilger«, sobald er am Horizont die ersten Kreuze des heiligen Moskau auftauchen sieht, nieder und küßt die Erde. Etwas Sonderbares: diese Barfüßler, in ihrer rastlosen Wanderschaft wie sie der russische Maler Perow im Bild festgehalten hat! Tausende von Meilen werden von die- sen Pilgern zu Fuß zurückgelegt, hunderte von berühmten Wallfahrtsorten besucht, von Kloster zu Kloster, um fromme Gebete zu verrichten und für das Seelenheil zu beten. Von dem Solovez-Kloster, das hoch im eisigen Norden, initten im Weißen Meer liegt, pilgern sie nach dem Berg Athos ewige rastlose Wanderer, Fanatiker eines glühenden Glau- bens. Die Städte scheuen sie in der Regel. Furcht vor Polizistenränken, denen sich der ^Landstreicher« (das lieblose Wort ersetzt bei den Behörden den Begriff' »Pilger«), der Paß- lose, aussetzt, hält sie ferne. Nur beim heiligen Mütterchen Moskau mit den weißen Mauern und goldenen Kuppeln machen sie eine Aus- nahme. Um den Heiligtümern des Kreml ihre Verehrung zu erweisen, scheuen sie selbst die Berührung mit der Polizei nicht. Noch mehr Verehrung genießt dort das Bild der iberi- schen Mutter Gottes, obwohl es nur die Ko- pie eines Bildes in einem der Klöster auf dem Berg Athos ist. Es thront in einer kleinen Kapelle, die sich an die iberische Pforte an- lehnt. Viele Wunder berichtet die Legende über Alter, Ursprung und Besonderheiten. Nur eines sei hier nacherzählt: Zuerst war das Bild auf dem Altar in der Kirche aufgestellt am nächsten Morgen schwebte es über der Außen- pforte des Klosters; und das wiederholte sich so lange, bis die Mönche begriffen hatten, daß das Bild sich selbst seinen Platz zu wählen wünsche, und es über der Außenpiorte an einen Nagel hingen, wo es denn auch bis heute geblieben ist.

Unzähliges wäre zu berichten, wollte man einzeln allem Kirchlichen und Religiösen nach- gehen in diesem an Wunderglauben aller Art (siehe Johann von Kronstadt) noch lieute überreichen Land, und über jedes Gottes- haus berichten, hinüber bis zur letzten Kapelle im äußersten Sibirien und hinunter bis zum alten LawraKloster im Süden. »Eine Pro- vinz Gottes« nannte es einmal ein Dichter; und nach der Meinung des schöngeistigen Priesters Petrow in Moskau gibt es kein Volk, das in einem so persimlichen \'erhältnis zu seinem Gott stünde, wie die Russen; deshalb mag es in der Gewitterwolke, die in den letz- ten Jahren über ihm schwebt, wohl untuittel- bar Gottes Hand sehen. Bei der Unmög-

W. M. WASNETZOW TAUFE DES GROSSFURSTEN WLADIMIR

Gemälde in der Wladimir-Kathedrale zu Kieiv. l'gl. IL Jahrgang (igosioö), S. 232

DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS

INNENANSICHT EINES TEILS DER ERLÖSERKIRCHE IN MOSKAU

Text s. m

lichkeit der Einzelnaufführung sei nur noch das wichtigste aus der Hauptstadt hier genannt statt einer vollständigen Aufzahlung aller Kir- chen und Kapellen," die die Ihrigen mit un- aufhörlichem Geläute zur Andacht rufen Da ist zunächst rechts des großen Peterhofer Lust- schlosses die von Rastretti erbaute Kirche deren vergoldete fünf Kuppeln jedermann auffallen müssen. Im Innern erinnern die goldenen Schüsseln von Taschk(^nt und Chokand daran daß die Bewohner dieser Länder 1865 und 66 den Russen durch das Überreichen von Salz und Brot ihre Unterwürfigkeit bezeugten.

In der Residenz seihst: das Ssmolnykloster, das zuerst ein Findelhaus begründete; die Is- mailow-Kathedrale; diePovitzkikirche, die mit ihren fünf hellblau schimmernden Kuppeln schon von weitem zu erkennen ist; und alle an Pracht und Reichtum überragend, die Ka- sanische Kathedrale, die sich in ähnlicher Weise an der Peterskirche in Rom als Vorbild an- lehnt, wie es die Isaakskirche mit dem Pan- theon tut. Es ist zwar die unnachahmliche Größe der Originale in beiden Lallen bei weitem nicht erreicht worden, aber die halb- kreisförmige Kolonnade mit den 132 kenn-

^ DIE RUSSISCHE RELIGIOSITÄT UND DIE KUNST RUSSLANDS ^ 183

ERLOSERKlRCIli; IN MUSICAL" . Ttxt S. 177

KAI'LI IKNAKIHjLK IIUJXOSIAS

thischen Säulen, die bronzene Kuppel mit dem Kreuz, sowie im Innern das mit Gold und Edelsteinen geschmückte wundertätige Muttergottesbild, und die an den Wänden hän- genden eroberten feindlichen Fahnen stempeln das Haus der Kasanschen Mutter Gottes doch zu einem der charakteristischsten in Petersburg. Wie dielsaakskirche derSchauplatz der höch- sten Kirchenfeste ist, so gleicht der Newsky- Prospekt, die schönste und längste Petersburger Straße, einer Bühne, auf der sich in tausend wechselnden Gestalten das weltliche Leben ab-

spielt, das die wunderlichsten Gegensätze ruhig nebeneinander erblicken läßt: eine deutsche Buchhandlung, ein chinesischer Teeladen, ein russisches Restaurant, ein Bäckerladen, ein Palast, ein Modemagazin, eine Apotheke, die holländische, die armenische, die lutherische Peters-, die katholische Katharinen-Kirche in derselben Straßenfront, außer der Kasan- schen Kathedrale. Wenn hier die Andäch- tigen vor einem Heiligenbilde in die Knie sinken und mit der Stirn die Erde berühren, wird kaum zehn Schritte davon um fünf Ko-

KRANKENANSTALT DES DRITTEN ORDENS ZU NYMPHENBURG

bau der Kathedrale der heili- gen Dreieinigkeit mit den zwei viereckigen Türmen zur Seite, und die Kirche der Verkün- digung Maria mit dem Grab des Feldmarschalls Suwarow. Wir betreten den Kirchhof des Klosters, wo die vornehmsten Geschlechter Rußlands, Feld- marschälle, Gouverneure, Erz- bischöt'e, Senatoren u. a. die ewige Ruhestatte gefunden haben; auch Dostojewski, der Dichter des : Raskolnikow« hat hier ein kostbares Grab- mal. So wild in dieser stol- zen und berauschenden Stadt die Weltkinder von Genuß zu Genuß durchs Leben jagen, so ruhig und ernst geht es unter den Bäumen des Kirchhofs, in den Hallen dieses Klosters zu . . . Weltlust und Entsa- gung . . . Leben und Tod . . . Wo und für wen gälte der Goethesche Satz nicht: »Zwi- schen Sinnenglück und See- lenfrieden — bleibt dem Menschen nur die bange WahL?

Dr. G, K. L. Huberti de' Dalberg

INXKKE ANSICHT DliR K A I HEÜKAI.I

l)l-.l< HIMMELFAHRT MARIAE IK MÜSKAL' <t S. ,74

peken mit einer Heftigkeit gefeilscht, als handle es sich dabei um ein Vermögen; dazwischen ein Durcheinander von Straßenverkäufern, Bettlern, Arbeitern, Kutschern, vornehmen Damen, Generälen und Soldaten, Schülern, Studenten, Beamten, einer aus den ver- schiedensten Elementen und cfen fremdesten Völkern (Perser, Tataren, Kaukasier, Chi- nesen) gemischten Menge. Fast fünf Kilo- meter lang, endigt der Prospekt bei einem Komplex von Gebäuden, Kirchen und Kapel- len, welcher das AIexander-Newsk}'-Kloster bildet und nächst den in Moskau und Kiew befindlichen mit zu den höchsten Heiligtümern zäiilt. Noch brandet der Lärm der Straße mit den tausendfältigen Regungen des Ehrgeizes und der Genußsucht in den Ohren, und schon umfängt uns hier auf Schritt und Tritt ein Friede, der die Frage nahelegt, ob die vor- nehmen Herren und Damen, die in ihren Schlitten vorbeisausen, oder die stillen Klo- sterleute, die vergnügt und selbstzufrieden um sich blicken, die beneidenswertere glücklichere Existenz führen. Wir betrachten den Kuppel-

KRANKENANSTALT DES DRITTEN ORDENS ZU NYMPHENBURG

Tm Jahre 1912 erhielt die dicht beim Botanischen Garten in München belegene Krankenanstalt des Dritten Or- dens eine notwendige Ergänzung durch den Bau einer Kapelle. Der Architelit, Professor Franz Rank, wählte die Formen eines modern aufgefaßten Barock und trug damit gleichzeitig den Münchener historischen Über- lieferungen und den Ansprüchen der Gegenwart wie der speziellen Bestimmung dieses Raumes Rechnung. Dem Milteltrakte des hufeisenförmigen Krankenhaus- gebäudes rechtwinklig angefügt, besteht der Bau aus zwei Teilen übereinander: der untere, gleich hoch wie das Erdgeschoß des Hauses, dient Wirtschaftszwecken, der obere ist die Kapelle; sie hat gleiche Firsthöhe wie das Hauptgebäude, die Höhe ihres Innenraumes ent- spricht also der von zwei Stockwerken bei jenem. Über- höht wird sie durcli einen runden Dachreiter mit flacli- gedrückter, zwiebellörmiger Kuppel. Die Kapelle ist einschiltig: ihr Grundriß zeigt in der Achsenrichtung nacheinander folgend zwei Rechtecke, dann ein Oval, an welches sich der Halbkreisraum der Altarnische an- setzt. Der erste der beiden rechteckigen Räume ist die Vorhalle, die mit dem Kirchenschiffe durch eine breite Tür in unbehinderter Verbindung steht. Die Belichtung der Kapelle erfolgt von den beiden Längsseiten her durch je zwei gröliexe längliche und ein kleines kreisrundes Fenster, außerdem durch die Fensterreihe des Dach-

KRANKENANSTALTSKAPELLE IN NYMPHENBURG ©^

reitertambours. Infolge Zahl uiui Größe der Lichtötlnungen ist der Innenrauni sehr hell, und durch die weiße Farbe der Wandflächen im Schiffe wird dies noch gesteigert.

Daß wir erst jetzt genauer auf diese Kapelle zu spreclien kommen, liegt daran, daß ihre Ausschmückung bisher noch nicht fertig war. Nun, da dies seit Anfang Juni der Fall ist, kann sie erst als ein Ganzes beurteilt werden. Der Abschluß der Arbeiten erfolgte durch die Vollendung der Apsidenausmalung. Ehe von ihr die Rede ist, möge die sonstige künstlerische Ausstattung betrachtet werden.

Die Fenster zeigen Glasmalereien. Die Entwürfe dazu w-urden von dem M.üer Augustin Fächer geliefert, die

Ausführung erfolgte in der Glasmalcreianstalt von Bock- horni. Jedes Fenster zeigt auf farblosem Grunde je eine Figur. Man sieht den hl. Bischof Arnulf, den hl. Fran- ziskus, die hl. Elisabetli als Patronin der Kapelle und ein zweites Mal als Schützerin der Kranken (vgl. Abb. S. 187). Die Gewander sind in kräftigen Farben gehalten und die Figuren besitzen daher eine beträchtliche Leucht- kraft. Es läßt sich darüber streiten, ob farbige Fenster dem Barockstile entsprechen. Würde es sich um einen Bau aus alter Zeit handeln, so täten sie es nicht. Das Barock hat derlei Glasmalerei nicht mehr ausgeführt, dafür aber mit seinen bescheidenen Schwarz- und Weiß- Zeiclmungen, in die allenfalls hier und da ein Wappen-

EMPORENSEITE DER KAPELLE DER KRANKEXAXSTALT DES IIL OKDKN'S 1\ ML NCllLN \ 's .MIHENBURG

Tixt S. 1S4—1SS

Die diristliche Kunst. XH. 6.

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KRANKENANSTALTSKAPELLE IN NYMPHENBURG

KAPELLE DER KRANKENANSTALT DES IIL ORDENS IN MÜNCHEN-NYMPHENBLRG, ERBAU T \ OX FRANZ RANK, AUSGEMALT VON GEORG KAU I. |. 191;

scheibclien oder dergleichen eingelassen wurde, oder mit seinen völlig farblosen Fenstern sehr feine Stim- mungen erzeugt. Es wäre nach meinem Empfinden vielleicht auch für die Wirkung des Innern der Elisa- bethenkapelle von Vorteil gewesen, die Fenster in gleicher Art zu behandeln.

Der zwischen zwei rundbogigen Seitendurchgängen aufgestellte Altar mit seinem Aufsatze ist von Professor Rank entworfen, die daran befindlichen Schnitzereien wurden ausgeführt durch den Bildhauer Joseph Huber (Abb. oben). Der Stipes des Ahares besteht aus rotem Marmor, die Leuchterstufe bis jetzt aus grau angestri- chenem Holz. Der von Strahlen umgebene, von zwei kleinen Engeln flankierte Tabernakel mit dem Exposi- tionsthrone erglänzt in prachtvoller Vergoldung. In der Rundbogennische des letzteren steht für gewöhnlich ein silbernes Altarkreuz (Entwurf von Rank, Ausführung von Hofgoldarbeiter Harrach & Sohn). Da es sich, wie nocli mehr dasSanktissimum, von dem goldglänzenden Hinter- grunde für das Auge nicht deutlich genug abhebt, so hat man die Hinterwand mit einem weißseidenen Be- hänge versehen. Der Altaraufsatz besteht aus zwei, auf zwei kleinen Säulenpaaren ruhenden Füllhörnern. Wo sie sich mit ihren spitzen Enden zu einem flachen Bogen vereinigen, tragen sie einen Sockel, auf dem sich eine große bildhauerische Gruppe erhebt. Sie besteht aus der edlen Gestalt der hl. Elisabeth, welche einen Kranken labt; ein anmutiges Englein sitzt Mandoline spielend daneben. Die Figuren sind polychrom behandelt; ein veredelter Naturalismus beherrscht die Auffassung, die lineare wie die koloristische Durchführung. Schon f^rüher, noch mehr jetzt, nachdem die Wandmalerei der Apsis- nische fertig geworden, mußte dafür gesorgt sein, daß die Gruppe sich aus ihrer Umgebung klar heraushob.

Dies wurde erreicht, indem man sie mit einem Rahmen umgab, innerhalb dessen sie frei dasteht. Er ist nach Rankschem Entwürfe (Ausführung von Hofschlosser Hock) in Schmiedeeisen gearbeitet und vergoldet. Er zeigt die Form einer Rosengirlande; die Blumen dienen als elek- trische Lampen. Die Durchgänge rechts und links vom Altare sind oben mit den Monogrammen Christi und Maria geschmückt. Die Farbenwirkung des Altares ist beim unteren Teile auf den Zusammenklang von Grau und Gold gestimmt, belebend wirkt das milde Rot des Stipes. Die beiden Türöffnungen hat man mit Vorhängen aus schwerem goldfarbigem Seidenstoffe geschlossen.

Quer über die Altarnische zieht sich die Horizontale des Triumphbalkens; er besteht aus Eisen, weil er nicht nur als Schmuck dient, sondern vor allem auch zu dem Zwecke, den Druck der Gewolbespannung auszugleichen. Auf diesem Balken ist ein schon und lebenswahr ge- schnitzter und bemalter Kruzifixus aufgestellt.

Die von der Decke der Kapelle hernieder hängenden sechs Lüster sind zierlich aus Scluiiiedeeiscn oearbeitet und farbig behandelt; sie sind vom Kunstschlosser Hier! gefertigt, die Entwürfe stammen von Professor Rank. Von diesem sind auch die Rahmen zu den Kreuzweg- stationen, sowie die Apo.stelleuchter. Man sieht die ersteren Stahlstiche nacli Führich in hölzernen Einrah- mungen von erlesen vornehmer Form und Bemalung (grün, grau, schwarz und gold). Ausgeführt wurden die Ralimen vom Bildhauer Scheel. Die schmiedeeisernen Wandleuchter (gearbeitet von Hock) entsprechen in ihrer Färbung jenen Bilderrahmen.

Vornehm und wirkungsvoll heben sich diese Stücke von den weißen Wandflächen des Kirchenschiffes ab. Im übrigen sind diese nur durch schmale Rankenorna- mente eingerahmt, die sich auch um die Fensteröffnungen

e^i KRANKEN ANSTALTSKAPl'LLE IN NYMPHEN BURG ^

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APSIS DER KAPELLE DER KRAXKENANSTALT DES IIL ORDENS IN MUNCflEN (Text unten)

herumziehen, ferner durch schlicht geschriebene Sprüche oberhalb der letzteren. An den Emporenbrüstungen sieht man altchristliche Symbole gemalt: den eucharistischen Brotkorb mit dem Fische, die Taube mit dem Ölzweige, den Hirsch an der Quelle, den Brunnen des Lebens usw. (Abb. S. 186).

Schaut nun von der Tür der Vorhalle in die Kapelle hinein, so haftet der Blick vor allem auf der Ausmalung der Apsisnische (Abb. S. 186 und 187). Für diese Arbeit wurde im Jahre 1914 durch die Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst ein Wettbewerb ausgeschrieben, dessen nähere Bedingungen damals in dieser Zeitschrift veröffenthcht worden sind. Zur Ausführung wurde der Entwurf von Georg Kau bestimmt. Seine Idee verband mit der Erfüllung des dekorativen Zweckes die eines dreifachen geistigen: die Verherrlichung der hl.EHsabeth, der Patronin dieser Kapelle; die des Dritten Ordens in einer Anzahl auserlesener Persönlichkeiten, die ihm an- gehört und zur Zierde gereicht haben; endlich die des Gottesreiches. Seine Ehre zu feiern, ist der gesamte künstlerische Schmuck dieser Kapelle bestimmt. Mit mächtiger Schrift am Triumphbalken verkündigt sich dieser Gedanke in den Gebetworten: »Zukomme uns dein Reich <. Er erklingt in den Fenster- und Emporen- bildern, er kommt am stärksten zum Ausdrucke auch in dem Preise des Dritten Ordens, der sich ja um die Ausbreitung des Reiches Gottes so hohe Verdienste er- worben hat. Nebeneinander stehen acht überlebensgroße Personen als Verkörperungen der vom Herrn in seiner Predigt am Berge gepriesenen acht Seligkeiten. Die

Reihe wird eröffnet durch den Stifter des Dritten Ordens, den hl. Franziskus, den Vertreter der Armen im Geiste; die Sanftmut lebt in der Person des sei. Johann Baptist Vianney, die Trauer in der der hl. Margareta von Cor- tona. In der Majestät königlicher Würde und dabei hungernd und dürstend nach Gerechtigkeit erscheint der französische König Ludwig IX., der Heilige. Es lolgen die hl. Elisabeth, die Patronin des dritten Ordens und der Patron der Pestkranken St. Rochus als Vorbilder der Barmherzigkeit. Die Reinheit des Herzens wird verkörpert durch die sei. Kreszentia von Kauf beuten, die Friedfertig- keit durch die hl. Elisabeth von Ponugal. Den Schluß macht ein jugendlicher Japaner; er trägt ein Kreuz und erinnert so an die blutige Christenverfolgung zu Nanga- saki im Jahre 1630; er ist der Vertreter jener, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden. Den Hinter- grund zu diesen Figuren bildet die Wand einer herrlichen Rosenlaube, in welcher Vöglein und Schmetterlinge schweben. Das streng und doch in leichter Anmut ge- zeichnete Stabwerk endet oben in einem Kranze. Reich ist das Laub und üppig der Schmuck der unzähligen Rosen; sie erinnern an die wunderbare Verwandlung des Brotes, welches EHsabeth den Kranken und Armen bringen wollte. Am vorderen Rande des Bildes, nächst der Wand des Kirchenschiffes, schweben kleine Engel mit roten Flügeln. Das tiefe Rot der Rosen ist zart und gedämpft, das Laub dunkel blaugrün, dazu kommt zartes Blau und Weiß von Himmel und Wolken. Die Färbung der acht Figuren ist abwechslungsreich und dabei doch zurückhaltend man sieht braun, weiß, gelblich, der

S4*

^ NEUER BISCHOFSSTAB. WETTBEWERB ^

WILHELM LMMENKAMP (MÜN'CHEN)

König trägt weißes Untergewand mit Golddeltor, dar- über einen gelben Mantel mit blauem Futter, Elisabeili ein zart grünliches Kleid, roten Mantel mit Hermelin. Alles in allem ein edel stilisiertes Kolorit von großer stiller Wirkung. Sie ist besonders anzuerl;ennen in An- betracht der schwierigen Beleuchtungsverhältnisse der Kapelle, die wiederholt zu Änderungen zwangen. An- zuerkennen ist, wie der Künstler es verstanden hat, trotz der fortwährenden Wiederkehr der gleichen wenigen Pllanzenmotive alle Einförmigkeit zu vermeiden, und obgleich er ein reich belebtes Bild schuf, diesem doch vollständige Ruhe des Eindruckes zu wahren. Die Vorstandscliaft der Krankenanstalt des Dritten Ordens in München-Nymphenburg hat durch den Wettbewerb nicht nur zahlreichen Künstlern Gelegenheit gegeben, sich an der Lösung einer immerhin bedeutenden dekorativen Aufgabe zu versuchen, sondern hat auch veranlaßt, daß München um ein schönes, in hohem Grade beachtens- wertes Kunstwerk reicher geworden ist. Docrins

NEUER BISCHOFSSTAB

(Abb. Sonderbeilage)

T")as zweite Heft des XI. Jahrgangs brachte die in Silber getriebene und mit Goldtauschierung ver- zierte Madonna von Leo Mol- drickx (Köln). Eine gleichzeitig gearbeitete, hervorragende Lei- stung ist sein Bischofsstab für den neuen Kölner Weih bischof Dr. Pe- ter Lausherg, welchen ihm, dem bisherigen Präses desPriesiersemi- nars, seine früheren Seminaristen widmeten. Moldrickx geht hier von dem beliebten Schema eines architektonischen Aufbaus der Krümme ab und kehrt zur Grund- form des gekrümmten Hirten- stabes zurück. Diesen umgibt er oben mit Bandgeflecht, welches zunächst am Knaule vier Elfen- beinreliefs und Steine umschließt. Die Reliefs sind kräftig, aber doch weich aus dem Materiale heraus- gearbeitet, so daß sie nicht, wie so oft Elfenbeinreliefs in Verbin- dung mit Goldschmiedearbeiten, flau wirken. Die Reliefs enthal- ten Darstellungen aus dem Leben des hl. Petrus, des Namenspatro- nes des Bischofs. Über dem Knaufe sind in den Schaft vier weitere Reliefs getrieben; sie zei- gen Heilige, welche zu den bis- herigen Wirkungskreisen des Bi- schofs in Beziehung stehen, wie auch die vier Wappen in Email. Im übrigen sind die Flächen zwischen den Bändern mit größe- ren, mattblauen Emailplatten, die durch leine Goldstege in Felder geteilt und belebt werden, sowie mit kleineren Emails und Steinen gefüllt. Die Emails zeichnen sich durch saubere und akkurate, der wenig erhöhten Umrahmung sorgfältig angepaßte Ausführung und durch ihre recht vornehm zum Golde gestimmten Farben aus. Als Füllung der Krümme sehen wir die in Silber getriebene Figur des Guten Hirten. Durch Mattierung und Häramerung des Metalls ist erreicht, daß das Auge den Stab in seiner wirklichen Stärke sieht, während die sonst übliche Poli- tur einen Stab je nach dem Einfallen des Lichtes dünner erscheinen läßt. Mit Freude verzeichnen wir auch diese originelle .\rbeit des Meisters in Erwartung weiterer

Leistungen. Dr. Huppertz CKöln)

WETTBEWERB

Über den in Aussicht genommenen Wett- bewerb Für die künstlerische Ausmalung der St. Maximilianskirche in München wer- den wir berichten, sobald sich darüber Sicheres sagen läßt.

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MENSA DES NEUEN HOCHALTARS IN BORBECK lon Atig. Witte. Text S. iqi

DER NEUE HOCHALTAR DER PFARRKIRCHE ZUM HL. DIONYSIUS

IN ESSEN-BORBECK

(Hierzu die Abbildungen S. 189 bis 200)

eine der schönsten und dankbarsten, freilich *— auch der schwierigsten und verantwor- tungsreichsten Autgaben, an welchen die kirchliche Kunst der Gegenwart ihr Können zu erproben hat, stellt unzweifelhaft das Al- tarproblem. Wenigstens dann, wenn es sich um den Sakramentsaltar handelt, der in den allermeisten Fällen zugleich der Hochaltar ist. Das Mittelalter pflegte das Allerheiligste in ein Wandtabernakel einzuschließen, und war damit der Notwendigkeit, das heilige Gezelt organisch in den Altar einzugliedern, für ge- wöhnlich überhoben ; eines Expositoriums be- durfte es noch weniger. Später erlassene kirchliche Bestimmungen schufen hierin durch- greifenden Wandel. Die Aufbewahrung des Allerheiligsten auf dem Altare wurde vorge- schrieben, die von der Spätgotik so reizvoll ausgestalteten »Sakramentshäuschen j verloren ihre Bedeutung. Die damit dem Altarbau gestellte Aufgabe löste die Barockperiode mit anerkennenswertem Geschick , jedoch blieb

zu beklagen, daß Tabernakel und Thronus von dem mächtigen Fassadenbau des Auf- satzes nicht selten erdrückt wurden. Neue Lösungsversuche brachte die im vorigen Jahr- hundert proklamierte Rückkehr zu den mittel- alterlichen Stilformen. Inzwischen hat der Kult der heiligen Eucharistie eine außerordent- liche Steigerung erfahren, das Geheimnis des Altares ist nachdrücklicher als je zuvor in den Mittelpunkt des religiösen und gottes- dienstlichen Lebens getreten, die Aussetzung des Allerheiligsten ist weit häufiger gewor- den — alles Momente, die für die moderne Altarkunst bedeutsame Aufgaben und Forde- rungen in sich bergen. Sie lassen sich kurz dahin präzisieren, daß der Altar in seiner ganzen Ausgestaltung die Idee des Gottes- zelts und Gottesthrons zu ebenso deutlichem wie künstlerisch vollendetem Ausdruck zu bringen hat.

Auf eine glanzvolle Umrahmung des eucha- ristischen Mittel- und Brennpunktes der Litur-

Die chrfstllche Ku:

190 ^ NEUER HOCHALTAR DER DIONYSIUSKIRCHE IN BORBECK ©SS

gie wie der privaten Andacht kann und darf Tat eine locis.ende Aufgabe, diese tiefsinnige natürlich nicht verzichtet werden. Aber sie Symbolik in die Sprache der Kunst zu über-

darf nicht selbstsüchtig und selbstherrlich Auge und Auf- merksamkeit in ihren Bann zwingen. Hin zum Allerheilig- sten, nicht von ihm weg muß sie führen, sie darf nicht zen- trifugal wirken. Die liebens- würdige Redseligkeit des goti- schen Altarwerks mit seiner Fülle unterhaltsamer Schilde- rungen in Bild und Bildnerei gerät mit dieser Forderung leicht in Konflikt, nicht min- der auch die imponierende Wucht des mächtigen Barock- altars mit seinem Bilder- und Statuenschmuck. Am besten wird ihr jedenfalls entspro- chen, wenn eine einheitliche Idee, die sich mit dem eucha- ristischen Geheimnisse inner- lich berührt, das Ganze be- herrscht und zusammen- schließt.

In dem neuen Hochaltar der Pfarrkirche zu Borbeck ist dieses Postulat in einer Weise verwirklicht, die eine Würdi- gung dieserinmitten derKriegs- wirren vollendeten Schöpfung rheinischer Kunst an die- ser Stelle wohl rechtfertigen dürfte.

Als Leitmotiv für das ge- plante Altarwerk bestimmte Herr Pfarrer Hamm eis- Bor- beck die Johanneische Vision des himmlischen Jerusalems (Apok. 21,2 bis 22,3): »Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, vom Himmel her, von Gott, her- niedersteigen, geziert wie eine Braut, die für ihren Bräutigam sich geschiuückt hat. Und ich hörte vom Throne her eine starke Stimme rufen: Siehe die Wohnung Gottes unter den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er, Gott selber, wird unter ihnen sein als ihr Gott« (Apok. 21,2 und 3). Es bedarf keiner gewag- ten Deutungskünste, um diese Stelle auf das Geheimnis der heiligen Eucharistie zu bezie- hen. Die sehr ins einzelne gehende Schilde- rung der Gottesstadt, wie sie der Seher von Patmos weiterhin entwickelt, bot der künst- lerischen Gestaltung der schönen Idee feste Richtlinien und eine schier unerschöpfliche Fülle dankbarer Einzelmotive. Es war in der

SCHNITT DES NEUEN" HOCHALTARS

DER KIRCHE IN ESSEN-BORBECK

l'gl. Abb. S, iqi

setzen !

Aber freilich so schön die Aufgabe war, ebenso schwierig war sie auch. Es sollte etwas Neues geschaffen, nicht eine Anleihe bei der ^'ergangenheit gemacht wer- den. Im Rheinland bedeutet es ein kleines Wagnis, wenn Besteller und Künstler sich entschließen, moderner Kunst den Weg ins Heiligtum zu bahnen ; die Tradition ist einstweilen noch in bevor- rechtetem Besitzstande. In Borbeck fand man erfreulicher- weise den Mut zu diesem Wagnisse, obschon mancher- lei Schwierigkeiten hervortra- ten, deren Bewältigung keine leichte Sache war. Die Raum- verhältnisse waren nicht gün- stig. Das Innere der neu- gotischen Borbecker Pfarr- kirche, eine langgestreckte, dreischiffige Halle mit viel zu niedrigem Mittelschiff" und da- durch bedingtem starkem Miß- verhältnisse der Höhe zur Länge und Breite, stellt sicher- lich kein ideales Raumbild dar. Der Eindruck des Dump- fen, Seh werfälligen. Lastenden, den das weiträumige Schiff macht, forderte gebieterisch einen klaren festen Raumab- schluß nach Osten hin, wo bis- her die tiefherabreichenden Fenster der Ap- sis mit ihren großfigurigen Glasgemälden das Gegenteil eines solchen erzielt hatten. Dem neuen Hochaltar mußte also eine Lei- stung aufgebürdet werden, ähnlich derjeni- gen, die im Mittelalter der Lettner übernahm, der das Schiff gegen den Chor abgrenzte und so dem ersteren die Wirkung des geschlosse- nes Raumes sicherte. Dabei drohte ihm aber eine Gefahr, die dem Lettner erspart blieb, von der rückseitigen Belichtung durch die bedenklich nahen Riesenfenster der Apsis, deren mißHche l'olge die Verdunkelung seiner Schauseite sein mußte.

Begreiflich, daß nicht gleich der erste Wurt gelang. Aber man ließ sich nicht entmuti- gen. Der Kölner Architekt B. D. A. Herm. Neu haus, in dessen Hand das Projekt ge- legt worden war, ruhte nicht, bis eine Lö-

NEUER HOCHALTAR DER DIONYSIUSKIRCHE IN BORBECK ©:2a 191

HERMANN NEUHAUS

\i-ui;k imciiAi,! ai; dir InIkchk i\ i;okbeck

sung gefunden war, die diesen Namen voll- auf verdiente und auch den Beifall der maß- gebenden Stellen fand. Der Ausbruch des Krieges, der die Ateliers der schaffenden Künstler entvölkerte und auch Herrn Neu- haus selber zu den Fahnen rief, brachte neue Hindernisse. Aber auch sie wurden glück- lich überwunden, und in verhältnismäßig kur- zer Zeit stand das prächtige Werk vollen- det da.

Die Mensa des früheren Hochaltares ist bei- behalten (Abb. S. 189). Sie wurde mit tief- rotem französischem Marmor umkleidet, der in Platten von 2 cm Stärke auf Beton- grund versetzt wurde. Die Ausführung in massiven Marmorblöcken widerriet sich schon wegen der Kostspieligkeit des ausgesucht

edlen Materials, aber auch wegen der starken Niederschläge, die an massiven Marmorkon- struktionen bei feuchter Witterung aufzu- treten pflegen. Für die Altarstufen wurde grüner griechischer Marmor (Vert de Tinos) gewählt, der mit dem satten Rot der Mensa prachtvoll zusammenklingt. Dem Aufsatz des Altares wurde die Form einer nach dem Schiffe hin in mächtigem Spitzbogen sich öffnenden Concha gegeben, welche in Rabitz ausgeführt wurde und in ihrem etwas rauh gelassenen Verputz einen vortrefflichen Mal- grund darbot. Mit den Chorwänden ist der Aufbau durch zwei Durchgänge mit brücken- artiger Überdachung verbunden, so daß ein vollständiger Raumabschluß in ähnlicherWeise, wie ihn die Kunst des Barock herzustellen

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VOM NEUEN HOCHALTAR IN ESSENBORBECK

Die Evangelistenreli^fs entivor/en von Bildhauer Nikolaus Steinbach in Köln,

in Treibarbeit ausgeführt von Aug. IViite in Aachen. Die Dionysiusstatue

von Georg Grasegger in Köln

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VOM NEUEN HOCHALTAR IN ESSEN BORBECK

DU Evang,lnte„rdu-/s .nf.vor/en von Bildhauer Nikolaus SUinbach in Köln,

in Treibarbeit a,.see/i'hrt von A.gust Witte in Aachen. - Die Donatusstatue

von Georg Crasegger in Köln

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VOM NEUEN HOCHALTAR IN ESSEN BORBECK

Malerei: H. Brey, Geldern, Ldmmchen und Tore: l^iHe, Aachen

NEUER HOCHALTAR DER DIONYSIUSKIRCHE IN BORBECK

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liebte, gewonnen wurde. Mit Aus- nahme der eigentlichen Concha wurde der gesamte Aufbau des Al- tares in gelbem spanischem Broka- tellomarmor ausgeführt. Den Spitz- bogen umsäumt ein in Kupfer getriebener, vergoldeter Kamm, des- sen Trauben- und Ahrenmotiv sinn- voll auf die eucharistischen Gestalten hindeutet; über die Durchgänge hin spinnt er sich als prächtige Ro- sengirlande mit Blättern, Knospen und vollerschlossenen Blüten zu den Chorwänden fort. Im Interesse der stärkeren plastiscken Wirkung ist der Kamm nicht aus der Platte ge- trieben, sondern in einzeln getrie- benen Ranken ausgeführt, die dann ineinander verflochten wurden und ein ungemein reizvoll durchbro- chenes, luftiges Flechtwerk darstel- len. Den krönenden Abschluß des Aufbaus bildet das in eine Gold- strahlen entsendende Sonne hinein- gestellte Monogramm Christi.

Dem mächtigen marmornen Kör- per des Hochaltars galt es nun Seele und Leben einzuhauchen, eine Auf- gabe, in deren Lösung sich Maler und Goldschmied zu teilen hatten. Im engsten Anschlüsse an die jo- hanneische Schilderung des himmli- schen Jerusalem zeigt die Concha die hohe Mauer der Gottesstadt mit zwölf geöffneten Toren (Apok.21, 12), deren messinggetriebene ver- goldete Füllungen die strahlende Pracht der heiligen Stadt wenig- stens ahnen lassen. Die heilige Zwölfzahl beherrscht auch das Fun- dament der Mauer (Apok. 21, 14 und 19); auf zwölf Grundsteinen ruht sie, die bezeichnet sind mit den Namen der zwölf Apostel des Lammes (V. 14) und geschmückt mit allerlei köstlichen Edelsteinen ; sie werden (V. 19 und 20) im ein- zelnen aufgezählt. Der Künstler ist dem heiligen Text treulich gefolgt, nur daß statt der bloßen Namen der Apostel in Anlehnung an früh- christliche Vorbilder beiderseits sechs nach der Mitte hin schrei- tende Lämmer, in vergoldeter Bronze gearbeitet, den zwölfteiligen Mauersockel beleben. An oder viel- mehr über den Toren halten Engel- gestalten Wache; ihre farbenpräch-

TABERNAKELLEUCHTER « H. Meuhaus, Aus/nhruttg ;

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NEUER HOCHALTAR DER DIONYSIUSKIRCHE IN BORBECK

tige Gewandung hebt sich wirkungsvoll ab von dem leuchtenden Goldgrund. In der Höhe er- scheint das göttliche Lamm, von dem gol- dene Strahlen ausgehen und herniedergleiten auf die heilige Stadt, die > nicht der Sonne bedarf und nicht des Mondes, daß sie in ihr scheinen, denn ihre Leuchte ist das Lamm« (V. 23).

Gezelt und Thron des Gotteslammes das und nichts anderes will der Altar sein. Darum steht das Tabernakel völlig frei, durch nichts verdeckt und eingeengt, vor der schim- mernden Pracht der Concha. Es dient zu- gleich als Thronus für die Exposition des AUerheiligsten. Der übliche säulengetragene Baldachin fehlt ; ganz frei soll sich das Sank-

TABERN.'^KELTORE des neuen HOCHALTARS H. Ntuhaus, Auf/, in Trtiklcchiiik und Email von

tissimum den frommen Blicken der anbeten- den Gemeinde zeigen. Dafür schwebt von der Höhe des überwölbenden Spitzbogens eine prachtvolle Krone (Abb. S. 197) in köstlicher Treibarbeit mit grünem Emailschmuck hernie- der; auf ihrer knaufartig gestalteten Spitze er- scheint die Taube, das Symbol des hl. Geistes, dessen gnadenspendendes Walten in der heili- gen Eucharistie seine schönsten Triumphe feiert. Vom Gnadensegen des hl. Sakraments erzählt in sinnvoller Symbolik der Schmuck der Tabernakeltür (Abb. unten). Inhaltlich be- stimmte ihn derAnfang des 22. Kapitels, wo der hl. Seher erzählt; »Und er (der Engel) zeigte mir den Strom des Wassers des Lebens, der hell war wie Kristall und herkam vom Throne Gottes und des Lam- mes. Inmitten der Straße beiderseits des Lebensstromes stand der Baum des Lebens, der zwölferlei Früchte trägt und für jeden Monat seine Frucht bringt, und die Blätter des Baumes sind zur Heilung der Völker« (22, I und 2). Ge- sclückte Künstlerhand hat das reizvolle Mo- tiv mit feinstem Ge- schmack und bewun- derungswürdiger technischer Vollen- dung auszuschöpfen verstau den. DerGrund ist in blauem Email gehalten, die Blätter sind in Mattgold ge- trieben, die köstlichen I'rüchte durch Edel- steine angedeutet; für die klare Flut des Le- bensstromes ist ein lichter Emailton ge- wählt. Das Ganze verschmilzt zu einem Farbenakkord von entzückender Schön- heit. — Der sonstige Schmuck des Altar- werks hält sich in ziemlich enggezoge- nen Grenzen. Jede Überladung, alles was die ruhige Geschlos- ivT u,^PDI^r-I• senheit des Gesamt-

IN BORBEClv . r 1 J

Aug. witu. - T,xi r..bf„au euidrucks gefährden

197

FREIHÄNGENDE EXPOSITIONSKRONE

über dem Tnternakd des ne

von H. Neuhnus in Köln, y

von Aug. Witte

en .Altars in Essen-Borbick. Eni-diurj is/uhrung in Treibarbeit mit Email 1 .-iachen. Text S. iqb

Die christliche Kunst. XII, 7

198

NEUER HOCHALTAR DER DIONYSIUSKIRCHE IN BORBECK ©S^

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Ellt'.viir/ rv« //. .\V;,/'l.j;,i, Au!/ukr:i,ig Aug. Wittt

für den iieutii Altar in llorbeck

würde, ist sorglich vermieden. Die Schauseite der Mensa zeigt in der Mitte eine treft hohe Treib- arbeit, den Lebensbrunnen, an dem zwei fein modelherte Hirsche ihren Durst loschen Bilder der Seelen, die aus der eucharistischen Gnadenquelle Hinimelskraft schöpfen ; seit- lich in quadratischer Fläche je eine Vase mit daraus hervorquellendem Rankenwerk (Abb. S. 189). Die Brückenbedachungen der beiden

seitlichen Durchgänge, die mit Teppichen in der jeweiligen Festzeit entsprechenden Farben geschlossen sind, empfingen einen passenden Schmuck durch die quadratisch umrahmten, in Kupfer getriebenen und vergoldeten Me- daillons der vier Evangelisten mit dem A und Q, die auf die ewige Gottheit des eucha- ristischen Heilandes hindeuten (Apok. 21, 6).

Von erheblicher Bedeutung für die Ge- samtwirkung sind die den Aufbau flankieren- den, prachtvoll modellierten Statuen des Pfarrpatrons, des heiligen Bischofs und Blut- zeugen Dionysius, und des Soldatenmärtyrers St. Donatus, deren lebendig bewegte Silhouette den strengen Ernst des Aufbaues mildert und belebt. Einstweilen sind es noch erst Mo- delle, doch hat sich für die Ausführung be- reits ein gebefreudiger Stifter gefunden (Abb. S. 192 und 193).

Zusammenfassend darf gesagt werden, daß der neue Borbecker Hochaltar in der Reihe neuerer und neuester Lösungsversuche des Altarproblems einen ehrenvollen Platz bean- spruchen darf Klare und straff geschlossene Komposition, Einheitlichkeit und lichtvolle Durchführung der dem Ganzen zugrunde lie- genden Jdee, Verzicht auf alles und jedes Beiwerk, das lediglich als Zutat und Dekor erscheinen würde, vorbildliche Sorgfalt der technischen Ausführung und endlich die außerordentlich glückliche farbige Wirkung, das alles macht den Altar zu einem Meister- werk, zu welchem man den Meister, der es entwarf, die Künstler, die es ausführten, und die Gemeinde die es besitzt, beglückwünschen darf Es wird noch wesentlich an eindrucks- voller Wirkung gewinnen, w-enn einmal die störende Bemalung des Chores beseitigt und das untere Drittel der Apsisfenster, wenn nicht entfernt, dann wenigstens so stark ver- dunkelt sein wird, daß der Altar einen Hinter- grund, von dem er sich abheben kann, und bessere Belichtung gewinnt.

Die Kosten beliefen sich aut insgesamt 32 500 Mark.

Gleichzeitig mit der Ausführung des Hoch- altars wurde die an der Südseite des Chores gelegene vormalige Taufkapelle in eine Jo- sephskapelle umgewandelt und durch einen dreiteiligen Mauerdurchbruch mit dem Kir- cheninnern verbunden. Der kleine Raum birgt einen einfach gehaltenen Marmoraltar mit sitzender Statue des hl. Joseph und macht mit seiner geschmackvollen Bemalung und seiner in freundlichwarmem Ton gehaltenen Marmorverkleidung einen recht anheimelnden Eindruck (Abb. S. 199).

Es erübrigt noch, derjenigen ehrenvoll zu

NEUER HOCHALTAR DER DIONYSIUSKIRCHE IN BORBECK ^S 199

HER.MAXX XtLllALi

Gesamtbild des Dttrchbritchs zu

ST. JOSEPHS-KAPELLE Kapelle der F/arrkircke in Borbeck. Text S. igS

gedenken, die ihre Kräfte in den Dienst des schönen Werkes gestellt haben. Der Ge- samtentwurf wie auch die sämtlichen Detail- zeichnungen zu den Marmor- und Metäll- arbeiten lieferte Architekt B. D. A. Hermann Neuhaus-Köln, der auch bereits für das Altarkreuz und die Monstranz vorläufige Ent- würfe vorgelegt hat (Abb. S. 200). Ihm war auch die Leitung und Überwachung der ge- samten Arbeiten anvertraut. Die Marmor- arbeiten führte die Firma]. P. Rader m acher- Aachen, Hoflief. Sr. Maj. des Kaisers, aus. Die sämtlichen Metall- und Goldschmiedearbeiten entstammen dem rühmlichst bekannten Ate-

liers des Hof- und Stiftsgoldschmieds Aug. Witte-Aachen, Kunstmaler Heinrich Brey- Geldern lieferte die Kartons und führte die Bemalung der Concha und der Josephskapelle aus. Die Modelle zu dem Hirschrelief der Mensa, den Evangelistenmedaillons und der Josephsgruppe lieferte Bildhauer Jos. Stein- bach-Köln, diejenigen der beiden freistehen- den Figuren der Pfarrpatrone Bildhauer Prof. Georg Grasegger, Lehrer an der Kunst- gewerbeschule in. Köln.

Als sachkundiger Berater machte sich Kon- servator Dr. Fritz Witte-Köln um das Werk besonders verdient. Dr. A. Lauscher-Köln

GEORG VON HAUBERRISSER

ENTWURF ZU EINER MONSTRANZ FÜR ESSEN- BORBECK Text S. tgc)

GEORG VON HAUBERRISSER

Hierzu Abb. S. 201—207 "'tI '• Sonderbeilage

In treuer Verehrung für den Altmeister A mittelalterlicher Baukunst, Georg v. Hauber- risser, der, seit kurzem 75 Jahre alt, auf eine reiche baukünstlerische Tätigkeit sowohl in Deutschland als auch in Österreich zurück- blicken kann und in voller Frische, wie ein Jugendlicher, weiterschafft, soll dieser Artikel geschrieben sein.

Einiger Vertreter mittelalterlicher Baukunst in den letzten Dezennien vorigen Jahrhun- derts: Ungewitter, Hase, Friedr. Schmidt, Meckel, Schäfer und Hehl haben wir in Heft 7, Jahrgang 191 2 und S. 97 ff. des Jahr- gangs 1904 in Ehren gedacht, einen Lorbeer diesen Kämpfern und Helden gewunden, die sich, der eine mehr, der andere weniger, trotz

allerhand Mißgeschick durchge- arbeitet haben, herrliche Werke schufen und einen Kreis Schüler bildeten, von denen Georg Hauber- risser als fruchtbarster an erster Stelle steht.

Der Münchener Meister, ein Schüler des berühmten Gotikers Friedrich Schmidt in Wien, hält in unserer hastigen, schnellebigen Zeit, die Neuerungen auf Neue- rungen in der Kunst auftauchen und oftmals auch rasch wieder- verschwinden läßt, das Banner der mittelalterlichen Kunst hoch. Wie ein großer Schatzmeister einer mächtigen Kunstperiode der Ver- gangenheit, so steht er vor uns, ein Epigone, der noch einmal den Geist einer verschwundenen Kul- tur aufbauen läßt und diese mit der neuen Zeit und deren tech- nischen Anforderungen zu verbin- den strebt. Nicht rechts und links schauend, geht er geradeaus seine Wege, unbekümmert, wie An- dersdenkende sein Schaffen kriti- sieren. Das Barett auf dem Kopfe, wie ein echter mittelalterlicher Meister, treffen wir ihn in seiner )Bauhütte«, dem Atelier an, lä- chelnd über solche Urteile, als wenn er sagen wollte : Macht's besser !

Und welch guten Humor ent- faltet der immer liebenswürdige Künstler, wenn er nach getaner Arbeit die Künstlervereinigung der »Geselligen« aufsucht und dort als einer der Senioren an den "Aposteltisch« in- mitten seiner lieben Altersgenossen bekann- ten Malern, Bildhauern und Architekten den gewohnten Platz einnimmt, alle durch seinen Frohsinn und manch guten Witz erheiternd. Ja, in seiner lieben »Geselligen« im großen Künstlerkreise von Freunden alten Schlages weilt er am liebsten, denn da ist gut sein und Anregung beseelt das Künstlerherz zum Schaffen für den kommenden Tag. Dort ist der inzwischen Ehrenmitglied gewordene Meister aus Anlaß seines 60. bezw. 70. Ge- burtstages hoch gefeiert worden. Zu ersterem hatten seine alten Getreuen unverhofft ein köstlich Festspiel vorbereitet, in welchem Meister Jörg Ganghofer, der Erbauer der Münchener Frauenkirche, auf der Bühne er- schien und seinem Kollegen aus neuer Zeit gratulierte und in humorvoller Rede feierte.

^ GEORG VON HAUBERRISSER ES^

Der inzwisclien verstorbene, damals bald Sojährige bekannte Kunstmaler Julius Frank stellte meisterhaft, im Gewand des 15. Jahr- hunderts, den Ganghofer dar und gab ihm ganz den charakteristischen Typus des Bau- meisters aus alter Zeit, wie es wohl kein Jüngerer besser verstanden hätte. Meister Ganghofer hatte es sich nicht nehmen lassen, zu dem Geburtstage seines um vier Jahrhunderte später geborenen Kollegen Hauberrisser vom Himmel herunterzusteigen und dabei gleich- zeitig sein liebes München von heute zu be- trachten. Er wandelt einsam in den Straßen, schaut und prüft die Häuser und das jetzige Leben, wobei er sich mancherlei treffender, satirischer Seitenhiebe nicht enthalten kann. Doch als er am Marienplatze ankam und Hauberrissers Rathausbauten, vor allem die damals im Bau begriffene St. Paulskirche auf der Theresienwiese sah, da zog er seine Mütze, da hatte er Respekt und begrüßte und feierte den Jubilar, wobei alle die Mit- glieder aus innerer Überzeugung und von ganzem Herzen in das Urteil Ganghofers (Franks) einstimmten.

Dies sei nur ein kleines Beispiel, wie be- liebt Hauberrisser bei seinen zahlreichen Künst- lerfreunden aller Gattungen ist, die ihn als wahren Freund und Künstler zu achten und zu schätzen wissen.

»Was ein Häkchen werden will, krümmt

sich bei Zeiten.« Früh sehen wir ihn schon zum künftigen Beruf vorbereitet, doch sein Vater, ein angesehener Fachmann, ahnte wohl damals nicht, was der Sohn später als Baukünstler für eine Rolle spielen sollte. Bei der 1865 ausgeschriebenen Rathauskon- kurrenz in München beteiligte er sich in jungen Jahren, und trat mit einem gotischen Entwurf hervor, was für ihn ausschlaggebend war. Trotzdem der gotische Stil gemäß dem Konkurrenzprogramme damals aus- geschlossen sein sollte, erregte Hauberrissers prächtiger Entwurf bei den Stadtvätern Auf- sehen und wurde, trotz der Klausel, zur Aus- führung gewählt.

»Glück habe ich auch gehabt«, sagte er einmal zu mir. Nach meinem Dafürhalten ist dieser Ausspruch ein nicht zu unter- schätzender, schöner Zug unseres Künstlers, worin er freimütig anerkannte, was nur zu oft andere Meister nicht Wort haben wollen. Doch wissen wir ja alle aus eigener Erfahrung, daß zu dem gröfJten Können auch ein Teil- chen Glück nicht fehlen darf!

In Graz als Sohn eines aus den Rhein- landen nach Österreich eingewanderten, an- gesehenen Baumeisters am 19. März 1841 geboren, besuchte Hauberrisser das Tech- nikum, die heutige Technische Hochschule in Graz, worauf er 1862 nach München ging und daselbst an der Akademie unter Neu-

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DR. GEORG VON HAUBERRISSER

ENTWURF zu EINEM NEUEN N.^TIONALMUSEUM IN MÜNCHEN Text S. 204

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DR. GEORG VON HAUBERRISSER

reuther, Ziebland und Lange seine Studien fortsetzte. Der damalige Ruf der Bauakade- mie in Berlin, wo Namen wie Strack und Böttcher eine große Anziehungskraft auf junge Architekten ausübten, zog auch Hauber- risser an, weshalb er zur weiteren Ausbil- dung nach Berlin ging. Um sich jedoch in der mittelalterlichen Bauweise zu vervoll- kommnen, vollendete er seine Studien an der Akademie der Künste in Wien, wo der große Gotiker Friedrich Schmidt wirkte. Wir sehen hieraus, daß Hauberrisser eine vielseitige und gute Ausbildung als Architekt sich aneignen konnte.

Von entscheidendem Einfluß für Hauber- rissers ganzes Leben war die Schule Wiens unter dem Gotiker Friedrich Schmidt. Kurz nach seinem Weggange von dort beteiligte er sich an der schon erwähnten Rathaus- konkurrenz in München mit Erfolg, erhielt die Ausführung und seitdem wurde er für die späteren An- und Neubauten der Rat- hausarchitekt der bayerischen Hauptstadt. Dadurch zu Namen gekommen, baute er das Rathaus zu Kaufbeuren, dann jenes in Wiesbaden (Abb. S. 204) und St. Johann an der Saar, Bauten, in denen er den Stil der Spätzeit deutscher Gotik bezw. deutscher

203

204

e^ü GEORG VON HAUBERRISSER ^

DK. GKORG VON HAUBERRISSER

RATHAUS IX WIESBADEN

Renaissance zur Anwendung brachte. Her- vorragend ist seine Tätigkeit in kirchlichen Bauten; so schuf er zwischen 1881 91 die Herz-Jesu- Kirche im Osten, im Stadtteil Leon- hard, an der Naglergasse zu Graz. Endlich 1892 1906 baute er die ansehnliche, präch- tige, in den reichen Formen der Gotik gehal- tene St. Paulskirche auf der Theresienwiese in München, auf die wir später eingehen werden (vgl. I. Sonderheilage).

Beim Wettbewerb zum Rathaus in Wies- baden, 1882, erhielt Hauberrisser die Aus- führung. Es folgt sodann der Bau des Kaul- bachmuseums in München, dem in und um München und anderwärts eine Reihe von städtischen und ländlichen Wohnhäusern folgten, unter ihnen die Häuser Defregger und Hailcr in München (Abb. S. 206 u. 207), sowie Schloß Näher bei Lindau. Eines der umfangreichsten Werke des Meisters ist die Wiederherstellung der Deutsch-Ordensburg Busau im ncirdlichen Mähren für den Erz- herzog Eugen von Österreich. Die Hochburg aus drei Stilepochen : Gotik, Frührenaissance und Renaissance des 17. Jahrhunderts, ist aut einem ziemlich steilen Berg gelegen, weithin .sichtbar und gewährt prachtvolle Aussicht

auf die Sudeten. Die noch vorhandenen Mauern der früheren Burganlage wurden teil- weise benutzt. (Abb. S. 202.)

Offenbar in Anlehnung an die Wirkung der reichen Rathäuser in Belgien ist das neue Rathaus in München entstanden. Um dem Grade des Reichtums vom neuen Teile zu folgen, mußte sich der ältere Teil eine Um- gestaltung gefallen lassen, so daß nunmehr eine einheitliche Baugruppe mit mächtigem Turm den Marienplatz ziert und hier ein Städtebild geschaffen ist, das an manches schöne Städtebild in Belgien erinnert (Abb. Jahrgang VII, Seite 238 240).

Bekannt ist sein glänzendes Projekt für das neue Nationalmuseum in München (Abb. S. 201), wozu seinerzeit eine engere Konkur- renz veranstaltet wurde, worauf Professor Ga- briel v. Seidls Entwurf zur Ausführung kam. Einen sehr bedeutenden Teil der Tätigkeit Hauberrissers nehmen die Wiederherstel- lungsbauten ein : die Wiederherstellung der Rathäuser in Ulm (Abb. S. 203) und Lands- hut, dann der Sebalduskirche in Nürnberg, die er in Gemeinschaft mit seinem Schüler Prof. Schmitz in Nürnberg durchführte, u. a. mehr. Soweit die Lebensbeschreibung und

©S^ GEORG VON HAUBERRISSER ^^

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GEORG VON HAUBERRISSER

RATHAUS IN ST. [OHANN A. D. SAAR

die Bautätigkeit in Umrissen. Es soll nun auf einige Werke des Meisters näher einge- gangen werden.

Durchwandern wir das Münchener feine Villenviertel nach derTheresienwiese zu, dort, wo alljährlich das Oktoberfest abgehalten wird, so überrascht uns als Abschluß des Platzes ein prachtvoller gotischer Kirchenbau, der auf den ersten Blick seinen Schöpfer als

vollendeten Meister der Gotik erkennen läßt. Es ist die St. Paulskirche von Hauberrisser, welcher bei der vom Pfarramt für die ge- samte deutsche Architektenwelt ausgeschrie- benen Konkurrenz einen Preis erwarb und später, nach Umarbeitung seines Konkurrenz- planes, auch die Ausführung erhielt. Im Juli 1892 erfolgte die feierliche Grundsteinlegung und 1904 war die Kirche bis auf einen Teil

Die christliche Kunst. XII. 7.

206

GEORG VON HAUBERRISSER

GEORG VON HAUHERRISSEK

PRIVATHAUS HAILER, MÜNCHEN

der inneren Ausstattung vollendet (Abb. Son- derbeilage, ferner im I. Jahrg. S. 97 107). Der Grundriß der Kirche zeigt eine drei- schiffige Anlage von 76 m Länge und 27 m Breite mit Querschiff und einem nach Osten liegenden Chor. Für die äußere Architektur wählte Hauberrisser die malerische Frühgotik und stellte, da die nach der Stadt zu liegende Chorseite besonders berücksichtigt werden sollte, den mächtigen Hauptturm auf die Mauern des Vorchores, flankierte aber auch die entgegengesetzte westliche Front mit zwei schlanken Seitentürmen, zwischen denen der Mittelgiebel emporstrebt. Besonders

malerisch wirken die verschiede- nen Portale mit ihren Vorhallen, vor allem das Hauptportal durch den diskreten Farbenschmuck nebst matterVergoldung des spitz- bogigen Tympanons, einer Bild- hauerarbeit Professor Waderes in München, eines gebürtigen El- sässers.

Die beiden schlanken Türme der Westseite, die sich oberhalb der Galerien aus dem Viereck ins Sechseck verjüngen, erreichen mit ihren Streben, Fialen, Turm- giebeln und spitzen Helmen die Höhe von 76 m und flankieren den mit freistehendem Pfosten- werk schattig gegliederten West- giebel. Darunter durchbricht ein mächtiges Radfenster von 10 m Durchmesser die Firstwand, deren Hauptportal ein schlichter Vorbau ist, aus dessen Giebelnische die Figur des Kirchenpatrons hernie- derschaut. Der Haupteingang selbst mit obigem spitzbogigem Tympanon zeigt Christus als Weltenrichter in schimmernder Mandorla, umgeben von den Symbolen der vier Evangelisten und über den Reihen der Apo- stel, die seitlich der sitzenden Muttergottes angeordnet sind. Die einfach massigen Seiten- fassaden ohne Galerien, aber von zwei- und dreiteiligen Fen- stern mit reichen, mannigfal- tigen Maßwerkbildungen durch- brochen, sind nurdurch die schwe- ren Strebepfeiler gegliedert, deren Schwibbogen über die Verda- chung der Seitenschiffe zu den 28,75 hohen Mauern des Mit- telschiffes herübergreifen. Den westlichen Abschluß bilden die Giebel der Kreuzarme, die mit Rücksicht auf die Wirkung des Hauptturms und der ganzen Baugruppe, so- wie als Folge der inneren Ausgestaltung nicht zur Höhe des Hauptschiffs emporgeführt wurden. Ihre Fassaden, mit reichen Portal- An- und Vorbauten, werden von seitlichen Strebepfeilern gestützt, von breiten, fünfge- teilten Maßwerkfenstern durchbrochen und im steilen, halenbegrenzten Giebel aus der Südseite durch schmale Nischen gegliedert. Schlank emporstrebende Treppentürmchen, oben achteckig, mit spitzen Dachhelmen sind jeweils östlich angebaut und vermitteln den

^ GEORG VON HAUßERRISSER ^

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DR. GEORG VON HALBERRISSER

PRIVATHAUS

Übergang einerseits zu der Marienkapelle, anderseits zu der zweigeschossigen Sakristei mit reizvoller Eingangshalle. Dahinter schließt sich der aus fünf Seiten des Achtecks gebil- dete Hochchor an mit schlanken Strebe- pfeilern, hohen, zweiteiligen Maßwerkfenstern, einer spitzbogigen Zwerggalerie und dem kräftigen Hauptgesims.

Über all diesen Bauteilen erhebt sich, von mächtigen Streben gestützt, die gewaltig im- ponierende Masse des Hauptturmes, der hier nicht, wie sonst üblich, auf den Pfeilern der Vierung aufruht, sondern auf zwei starken elliptischen, die, im Innern nicht sichtbar,

über dem Chorgewölbe den Druck auf die verstärkten seitlichen Chormauern und Strebe- pfeiler übertragen.

Das Ganze ist ein geniales konstruktives Kunststück, das als äußerst kühn, aber auch als vollkommen zweckentsprechend und wirkungsvoll bezeichnet werden muß. Über einer Zwerggalerie löst sich die Masse des Turms allmählich leicht aus dem Viereck ins Achteck, wird umringt und flankiert von Fialen und Türmchen und weiter oben noch- mals von einer auf Konsolen aufruhenden Galerie horizontal gegliedert. Dann aber streben die von schmalen Maßwerkfenstern

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e^ GEORG VON HAUBERRISSER €^

durchbrochenen Mauern unaufhaltsam empor bis zu den hohen Giebeln mit Maßwerk- füllungen, hinter denen sich die krabbenge- zierten Gräten der bleigedeckten Kuppel in schlankem Anstieg zur Laterne erheben. Diese, von Streben und Fialen gestützt und umgeben, endigt in einem reich gegliederten Riesen , der von weithin schimmerndem Kreuze bekrönt wird. So klingt das ganze Kirchengebäude in mächtigem Akkorde in diesem logisch und wirksam aufgebauten Hauptturm aus, der noch dadurch erhöhte

GR.\DMAL VON' ORTERER

Entwurf von F. Fuchsenberger^ Plastiken von Heinrich L'berbacher Ausge/iihrt igi4

Bedeutung besitzt, weil er, über dem idealen Mittelpunkte des Ganzen, dem Chorhause, aufgebaut, diese heihgste Stätte weithin sicht- bar bezeichnet.

Das 12,60 m breite Hauptschiff, das sich in acht breiten, auf derbkräftigen Rundsäulen aufruhenden Spitzbogenarkaden nach den Seitenschiffen zu öffnet, ist von Kreuzge- wölben überspannt, deren Rippen aus figu- ralen Konsolen herauswachsen. Darunter gliedern schlanke, auf den Kapitalen der Arkadeiisäulen aufstehende Dreiviertelsäulchen mit Triforiengalerien die Wandflächen, während darüber schmale Fenster die weit- räumige Halle belichten. Der Hochaltar ist ein reich spätgotischer Baldachinaltar mit Figuren von Gg. Busch und unter dem Baldachin steht ein Metallaltar mit Reliefs von Albertshofer, ausgeführt von Harrach & Sohn. Im Westen schließt über tiefan- setzenden Spitzbogen eine Orgelempore mit zierlicher Brüstung und kleinem Kanzel- ausbau die drei Schiffe ab und östlich ist ein Querhaus dem Chor vorgeschoben, dessen Vierung von zvlindrischen Pfeilern mit vorgelegten Diensten getragen wird. Im linken Querschiftarm, zu dessen Em- pore eine reizvolle, nach der Kirche zu offene Wendelstiege emporführt, steht der St. Josephsaltar, ein reich geschnitztes und vergoldetes Schreinwerk auf steinerner Mensa, das aus Entwürfen Professor von Hauberrissers hervorgegangen ist und seinen farbig gefaßten figürlichen Schmuck von der Hand des Bildhauers Prof Buscher erhielt. Ihm entspricht in der an das süd- liche Querschiff angebauten schmalen Ma- rienkapelle ein stimmungsvoller Flügelaltar, der gleichfalls nach Zeichnungen Hauber- rissers in den Werkstätten von Ritzler an- gefertigt und mit Gemälden von Professor Gabriel v. Hackl sowie Skulpturen von Prof Busch geziert wurde. Nach der Mitte des Querschiffes öffnet sich in reich pro- filiertem Triumphbogen das verschmälerte und etwas erhöhte Chorhaus, an dessen rechter Seite in der Art eines hochragen- den Sakramentshäuschens die Verkleidung der Wendeltreppe eingebaut ist, auf der man zum Hauptturm emporsteigt. Ihr gegenüber belebt über der Sakristeipforte eine schmale Galerie mit Maßwerkbrüstung auf kräftigen Kragsteinen die Wandfläche, wälirend die Mauern der Chorendigung, des Altarraumes, neben den hohen Maß- werkfenstern von fein profilierten Gewölbe- diensten durchzogen werden. Im rechten Seitenschiff steht der von Hauberrisser in

5^3 GEORG VON HAUBERRISSER e^

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HEINRICH Oberbacher

RELIEFS VOM GRAÜMAL \(JN elKTEKI-K (i^i,)

Grundriß und Autbau im Übergangsstil zur Re- naissance frei erfundeneGeorgsaltar mit Figuren von Albertshofer. Die Architel^tur- bezw.Struk- turteile im Innern der Kirche sind aus gelbgrau- em Sandstein hergestellt, während die Wand- flächen einen einfachen Mauerverputz zeigen und später hoffentlich einmal bemalt werden.

Besonderes Augenmerk richtete der Erbauer, welcher übrigens der Gewohnheit seiner mittelalterlichen Kollegen treu bleibend, alle kleinsten Details selbst entwarf, auf das zum Bau verwendete Material, das an der präch- tigen Wirkung des Gotteshauses großen An- teil hat. Die Ausführung des Ornamentalen mit Figürlichem und der Wasserspeier lag in den Händen des Bildhauers Simon Korn. Der ganze Bau macht eine erhebende Wir- kung. Mitsamt der Innenausstattung betrug die Kostensumme dieser prächtigen Kirche zirka 1,700000 Mark, was zum Teil durch Stiftungen und Lotterie aufgebracht wurde.

Die bedeutendste Bauaufgabe, das Lebens- werk Hauberrissers, ist jedoch das Rathaus zu München. Am 4. Juni 1867 wurde mit dem Bau begonnen, doch niemand ahnte damals, daß er später eine so durchgreifende Erweiterung erfahren sollte. Am i. August 1874 fand die Übergabe des schönen Baues am Marienplatze, Ecke Dienerstraße, statt, welcher wie aus einem Gusse, abgeschlossen

vor uns steht und den gelungensten Teil des Ganzen bildet.

Schon in dem ersten Dezennium seines Bestandes erwies sich das Gebäude als viel zu klein und es wurden nach der Diener- und Burgstraße zu Erweiterungen vorgenom- men, wozu der Rat einige Häuser angekauft hatte. Die Stadt wuchs aber gewissermaßen dem Rathaus über den Kopf, bis sich endlich der Magistrat entschloß, auch die übrigen Häuser des Blockes gegen Ende des 19. Jahr- hunderts anzukaufen, abzubrechen und die Grundstücke sämtlich zu Rathauszwecken zu verwenden. Professor Hauberrisser wurde nun mit der vollständigen Bebauung beauf- tragt. Das neue Rathaus erhielt nach dem Marienplatze zu einen Turm und schon am 29. November 1905 konnte mit dem in Kupfer getriebenen Münchener Kindl die Spitze des neuen Rathausturmes bekrönt werden. Zur Jahreswende 1908/09 waren fast alle Räume des gesamten Rathauskomplexes bezogen. Bis zu jenem Zeitpunkte haben die Ausgaben für Münchens neues Rathaus, inkl. Grunderwerb 15 507794 Mk. betragen.

Der ganze im gotischen Stil errichtete Monumentalbau bildet nun in seiner Grund- fläche ein unregelmäßiges Viereck von 9159 m^ Flächeninhalt mit einer Frontlänge von 98,5 m am Marienplatze.

EINE PERLE DES FRITZLARER DOMMUSEUMS ®^

Die im Anfang der siebziger Jahre errichtete Fassade nach dem Marienplatze zu ist in Backsteinrohbau mit Sandsteinarchitektur aus- geführt, die übrigen jetzt vollendeten Teile nach dieser Seite und in der Weinstraße durchwegs in Kelheimer Kalkstein. Höchst dekorativ sind die zahlreichen, auf die Ge- schichte Bayerns und Münchens bezugneh- menden Skulpturen. In der Mitte der Front, unter einem gotischen Baldachin, ist die Reiterstatue des f Prinzregenten Luitpold von Ferdinand von Miller in vergoldeter Bronze aufgestellt. Der Rathausturm erhielt im Früh- renaissance-Stil einen Spielwerkserker, aus Kupfer getrieben, woraus täglich 1 1 Uhr vor- mittags das Glockenspiel ertönt und ver- schiedene mechanische Figuren erscheinen.

Bekanntlich haben die meisten unserer deutschen Marktplätze durch die Verände- rungen der Neuzeit ihr charakteristisches und anheimelndes Bild verloren. So war auch der Marktplatz bezw. Marienplatz in München, den einstens mit Laubengängen versehene, erkergeschmückte Giebelbauten des altdeutschen Bürgertums umrahmten, ein stummer, aber doch vielsagender Zeuge einer entlegenen Vergangenheit. Meister Hauber- risser hat nun der alten und neuen Zeit Rechnung getragen und die Laubengänge, die einstens die Fronten des Marienplatzes belebten, bei seinen Rathausbauten in neuer Gestalt wieder aufleben lassen. Er hat in den neuen Rathausbauten ein Bild von äußerst malerischer Wirkung geschaffen. Manche Unannehmlichkeiten mußte er erfahren und viele oftmals gehässige Kritiken über sich ergehen lassen. Doch das ist nun einmal das Los der Künstler und vor allem der Architekten. »Wer will bauen auf der Gassen, muß sich vieles gefallen lassen«, sagt ein alter Spruch des 17. Jahrhunderts. Jetzt, da der Bau vollendet, wird namentlich auch vom Aus- lande anerkannt, daß Meister Hauberrissers Rathaus ein künstlerisch vollendetes Werk ist, das dem Marienplatze und der Stadt München zur Zierde gereicht.

An zahlreichen Anerkennungen und Aus- zeichnungen hat es unserem Meister nicht gefehlt. Er ist Ehrendoktor der Technischen Hochschule in Graz und die Akademie in München ernannte ihn zum Ehrenmitgliede. Gleiche Auszeichnungen erwies ihm die Aka- demie zu Wien, sowie die Society of Architects in London. Von seinen Orden und Auszeich- nungen soll hier nur der Maximiliansorden iur Kunst und Wissenschaft, sowie der bayerische Kronenorden, mit dem der persönliche Adel verbunden ist, erwähnt sein. Die geistige

und körperliche Frische aber, welcher sich unser Altmeister mittelalterlicher Baukunst im 8. Jahrzehnt seines Lebens erfreut, läßt hoffen, daß noch manches Werk von ihm erstehen wird. Mit Freuden kann er zurück- blicken auf ein Leben, welches an Mühe und Arbeit reich, aber ebenso groß an Erfolg war.

EINE PERLE DES FRITZLARER DOMMUSEUMS

Von Dechant JESTADT, Fritzlar FAer Fritzlarer Domschatz ist besonders durch L^ die kunsthistorische Ausstellung zu Düssel- dorf im Jahre 1902 weiten Kreisen bekannt geworden. Weniger bekannt ist das im Herbst 1912 errichtete Fritzlarer Dommuseum, und doch birgt auch dieses kostbare Schätze. Mit einem derselben möchten diese Zeilen die deutsche Kunstwelt bekannt machen, mit der Fritzlarer Pietä (Abb. S. 211).

Nicht bloß Bücher, auch Kunstwerke haben ihre Geschicke und Geschichte. Unsere Pietä hat früheren frommen Geschlechtern im Dome zu Fritzlar Jahrhunderte hindurch zur Erbau- ung gedient. Da mag gar manches schwere und leidkranke Herz hier vor der Schmerzens- mutter im stillen Dämmer des Domes sein Weh geklagt und ausgeweint haben, um ge- tröstet und gestärkt von dannen zu gehen. Aber dann kam eine andere Zeit und mit ihr andere Menschen. Für sie war unsere Pietä ein Fremdling geworden, ein Prediger in der Wüste, ein Ärgernis. Ihnen redete diese Schmerzensmutter eine fremde, unbe- kannte Sprache. Sie erbaute nicht mehr, sie schreckte förmlich ab, denn sie schien den neuen Menschen so grausig und gräßlich. Geringschätzig kehrten sie ihr den Rücken, um ihre Liebe und Verehrung neueren, ober- flächlichen, süßlichen Darstellungen zuzuwen- den, und es entsprach ganz ihrem Empfinden und Wunsche, als schließlich die alte Pietä, um weiteren Anstoß zu vermeiden, der Oifentlichkeit und dem Kult entzogen und in einer unzugänglichen, dunkeln Turmecke des Fritzlarer Domes untergebracht wurde. Wie lange sie da ein Leben der Verbannung geführt hat, entzieht sich der Kenntnis, aber vor sechs Jahren wurde sie hier wieder ent- deckt, um nun im Dommuseum einen Ehren- platz einzunehmen.

Die Fritzlarer Pietä hatte sich im Laufe der Jahrhunderte gewiß nicht geändert, sie war dieselbe geblieben wie trüber, groß und stark, voll gewaltiger Kraft und Emptindung. Aber die Menschen waren mit der Zeit klein und schwachnervig geworden. Großes, star-

EINE PERLE DES FRITZLARER DOMMUSEUMS ^S3

kes Emptinden konnten sie nicht mehr ver- ilim. Ganz eingetaucht ist er in ein Meer

stehen und ertragen. Das erhob sie nicht voll herzkrampfenden Leides, melir, das erdrückte sie. Nun ist aber wieder Lange genug hat Maria heldenhaft gegen

eine große Zeit angebrochen, und Herz und die Tränen angekämpft. Aber nun, da sie

Auge sind wieder mehr eingestellt worden den Leichnam ihres Sohnes auf ihrem Schöße

für das Große. Nun werden wir wohl wie- trägt und die klaffenden, grausamen Wunden

der besser das Große verstehen lernen, an in der Nähe sieht, da tritt die Natur in ihre

dem wir früher achtlos und verächtlich vor- Rechte, da durchbrechen die verhaltenen und

übergegangen sind. Auch die Fritzlarer Pietä wird in ihrer

überragenden Größe von allen großen und

hochgemuten Seelen wieder die rechte Wür- digung erfah- ren.

Aus Eichen- holz ohne Sok- kel 1,25 m hoch, ist sie mit ihrer alten Bemalung noch gut er- halten.Dererste Eindruck, den man von ihr empfängt, ist der: Hier tritt leise auf und stehe still, hier ist Offenbarung einer großen, heiigen Kunst. Die Pietä packt und ergreift mit jener Unmittel- barkeit, wie sie nurhoherKunst eigen ist. Hier hat der Schmerz, der Schmerz des

PIETA IM DOMMUSEUM ZU FRITZLAR Zu dem Aufsatz S. 2lo ff.

angestauten Tränenströme gewaltsam die Schleusen der Augen und rin- nen schwer und bitter über die vollen Wangen hernieder. Und mit den Augen klagt sein Weh der leise geöff- nete Mund, den von der Nase her tiefe Kum- merfalten um- ziehen. Und tiefe Kummer- falten haben sich eingegra- ben über dem Nasenbein zwi- schen den hoch- gezogenen Brauen. Aber all dieser düster wogende und

stürmende Schmerz wird zusammenge- halten und ver- klärt von einer Gloriole offe- nen goldnen Haares, das in reichen Wellen-

göttlichen Dulders und der 'seiner heiligen linien über Kopf, Hals und Nacken fließt. Mutter, von großer Künstlerseele mit star- Der Kopf wird getragen von einem kräf- kem Wirklichkeitssinn und gewaltiger Emp- tigen, faltigen Halse, der herauswächst aus findungs- und Gestaltungskraft einen from- breiter Schulter und aus breiter, ruhiger und men, ergreifenden Ausdruck gefunden. flacher Brust. Diese Partie erinnert noch Maria sitzt auf einer Brüstung, die in rot- stark an die romanischen Kopfreliquiare aus goldner Fassung den ernstschlichten Farben- Edelmetall, die, dem harten Metallcharakter tönen des unteren Teiles der Gruppe einen entsprechend, glatt gearbeitet waren und feierlichen Abschluß und Hintergrund gibt, weder Bruch noch Falte zeigten. Ihr Kopf, nach rechts dem Haupte des auf Maria ist angetan mit Kleid und Mantel, ihrem Schöße ruhenden Leichnam ihres Der Mantel ist an Hals und Brust weit ge- Sohnes zugewendet, erscheint dem Beschauer öffnet und in Ehrfurcht über die Kniee ge- in Halbprofil. Aber was für ein Marienkopf! legt zur Unterlage für den heiligen Leib. Eine ganze Welt voll Empfindung liegt in Unter diesem rauschen Mantel und Kleid in

^ EINE PERLE DES FRITZLARER DOMMUSEUMS es^

schönen Vertikalfalten zu den sichtbaren Füßen nieder.

Eine Falte, die diagonal vom rechten Knie abwärts zum linken Fuß zieht, setzt die Oberkörperlinie des Heilandes großzügig bis hinunter auf den Boden fort und teilt zu- gleich die ganze untere Gewandpartie verti- kal in zwei Zonen. Sie ist sachlich dadurch begründet, daß fast die ganze Last des heiligen Leibes mehr auf dem rechten Knie Mariens ruht, das dadurch wegen des größeren Druk- kes gegen das linke etwas gebeugt wird. Horizontal wird die untere Gewandung durch das Mantel- ende gegliedert, das wellenlinig über das Kleid hinläuit und in Wellen- und Schnek- kenfalten schwer von der Brüstung, auf der Maria sitzt, herniederfällt. So zeigt die ganze Ge- wandung horizontal und vertikal eine schöne rhythmische Gliederung und Be- wegung. Kleid und Mantel Mariens tra- gen wie das Lenden- tuch Jesu eine schwere und breite, durch Stuck aufge- tragene Goldborte. Die Bemalung der ganzen Gewandung in Dunkelblau und Grau erhöht den er- greifendenEindruck.

Von rechts nach links, quer über den Schoß Mariens gelagert, ruht der Leichnam des Heilandes. Gegenüber der Mutter ist er zu klein. Aber es war von jeher ein schwieri- ges Problem, das Problem der Pietä, das dem Künstler die Aufgabe stellt, den Leichnam eines Mannes, ruhend auf dem Schöße seiner Mutter, glaubhaft und befriedigend darzu- stellen. Die Künstler haben es verschieden zu lösen gesucht. Michel Angelo bildet seine Maria übergroß. Auf ihrem Schöße ist der Heiland fest und sicher gebettet. Andere lassen nur das Haupt oder, wie Rogier van

riETA L\I PROVIN'ZIAL Vgl. Abb. S. 211 „<i,i .

der Weyden, den Oberkörper auf Mariens Schoß ruhen. Das Mittelalter löst das Problem öfters so, daß es, um das Gefühl der Ruh- sicherheit zu erwecken, den Leib des Herrn etwas verkleinert. So auch unser Meister.

Der Christuskopf von mächtig ergreifen- dem Realismus ist trotz des namenlosen, eben überstandenen Schmerzes, der noch aus ihm spricht, schön und edel. Mariens Kopf ist Kampf Christi Kopf ist überstandener KampfMariens Kopf ist Empfindung und Leben, Christi Kopt ist Abendruhe und Todesfrieden nach schwerem Tag und leidvollem Leben. Die Augen sind ge- schlossen. Der lech- zende Mund ist halb geöffnet, als habe er eben noch gerufen: Mich dürstet!« und »Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist

Der hagere, ge- marterte Leib mit dem stark hervor- tretenden Brustkorb liegt hart und starr quer über der Mutter Schoß, hart und starr wie ein Schwert, das ihre Seele durch- drungen. Selbst das Lendentuch macht die Leichenstarre mit. Sein langer Zipfel hängt nicht frei und lose herunter,um nicht den schönen Faltenwurf zu verdecken. Schweiß- und blut- durchtränkt, hart und starr unterstreicht und betont es die ergreifende Diagonale des Leichnams. Das aus den fünf Wundmalen gesickerte Blut ist geronnen und hat sich in langen, breiten Klumpen traubenförmig zu- sammengeballt. Die fünf Wundmale selbst leuchten wie fünfblättrige Rosen. Manus eins tornatilcs, clavorum cuspide terebratae . . . quasi hyacinthis refertae. Brev. rom. fest, septum dolorum*). Neben der Seitenwunde

•) Seine Hände sind durchbohrt, von der Nägel Spitze durchstochen . . wie voller Hyazinthen (rötlicher Edelstein).

MUSELM ZU BONN'

./?. - r,-j-/ s. 2,s

EDMUND KLOTZ (WIEN) MADONNA MIT HERZOG LEOPOLD UND SEINER GEMAHLIN

Hochaltar der Leopoldskirche in Wien-Floridsdorf

EINE PERLE DES FRITZLARER DOMMUSEUMS

213

zeigt sich eine rautenförmige Ötlnung, die das Bürgertum, iiat sich zu Macht und An- wohl früher ReHquien barg. Und unzählige sehen emporgeschwungen. Die Ordensstifter Blutspritzer kurz lang kurz laufen als Franziskus und Dominikus, die Mystiker dekoratives Motiv wie eine laute, erschütternde Heinrich Suso und Johannes Tauler haben Totenklage über den ganzen Leib. das religiöse Leben vertieft und verinnerlicht Mächtige Herbigkeit durchzieht das ganze und den »Schmerzensmanns und die »Schmer- Werk, jene Herbigkeit, die um so mehr be- zensmutterx in den Mittelpunkt der Andacht friedigt, je öfter man sie verkostet. und Verehrung gestellt. Und das Volk, heim-

Welchcr Zeit ^ hört die Fritzlarer Pietä an und wel- cher Schule? Sti- listische Gründe verweisen sie in die Mitte des 14. Jahr- hunderts und in die Kölner Schule. We- nigstens schreibt Lübbecke in sei- nem orientieren- den Werke : Die gotische Kölner Plastik des 14. Jahr- hunderts S. loSfi'., XXXVII, I, die mit unsrer Pieta nahe verwandte Bonner Pietä der Kölner Schule zu. Der Meister unserer Pieta ist unbekannt. Daß der Dom in Fritzlar ein hervor- ragendes Werk der Kölner Schule be- sitzt, befremdet nicht, da Fritzlar durch sein früheres Franziskanerklo- ster, das der Köl- nischen Minoriten- Ordensprovinz an- gehörte, mit Köln in naher Beziehung stand. Auch scheint

der Dom in Fritzlar, nach zwei Reliquien- kästen zu urteilen, die gleichfalls das Museum aufbewahrt, einen ganzen Kölner Reliquien- altar, ähnlich dem berühmten Marienstatter, besessen zu haben.

Wenn aber die Kunst die edelste Blüte der Kultur ist, dann müssen wir in unserer Pieta gleichsam den Niederschlag der Kuhur des 14. Jahrhunderts sehen. Und wirklich, die Pieta sagt uns, daß die unnahbare, über- weltliche Majestät der romanischen Zeit vor- über ist, vorüber auch die adelig-höfische Zeit des 13. Jahrhunderts. Der dritte Stand,

PIETA IM DOM ZU WETZLAR Tfxt S. 214

gesucht vom harten Weh des schwar- zen Todes, eilte in Scharen zu den Bil- dern des Schmer- zesund suchte dort gern und gierig Trostund Zuflucht. Aus dieser Sum- me geistigen Mate- rials schöpfte der Meister der Fritz- larer Pietä und schuf mit ihr ein Werk aus der Zeit für die Zeit. In der Pieta herrscht Rea- lismus, der Realis- mus des mystisch vertieften und ver- innerlichten Bür- gertums. Maria ist eine Bürgersfrau, breit und stark. Breit ist ihrGesicht, breit der Hals, der Nacken, die Hand. Ehrlich und na- turwahr ist ihr Schmerz geschil- dert, ehrlich und naturwahrder eben überstandene, mar- tervolle Tod ihres göttlichen Sohnes. ''■f Da ist keine Zim-

perlichkeit und kei- ne Ziererei, kein vornehmes Zurückhalten und Beschränken , da ist alles offene, unge- schminkte, kräftige, volkstümliche Sprache. Da ist alles Wahrheit, aufrichtige, fromme, von kindlichreligiösem Gemüte tief und inner- lich erfaßte Wahrheit, aber darum auch über- zeugende, überwältigende, bannende Kraft. Außer der Fritzlarer Piet.'i stammt wohl von derselben Werkstatt, vielleich von demselben Meister noch die bereits oben erwähnte Pietä im Bonner Provinzialmuseum Nr. 1 1 700 (Abb. S. 2 12), früher in der Sammlung Röttgen (s. Giemen : Kunstdenkmäler der Rheinprovinz

214

EINE PERLE DES FRITZLARER DOMMUSEUMS

V 3, S. 215, Nr. 18, Fig. 142 und Giemen: Zeitschrift für bildende Kunst 1903 S. 105). Die Familienähnlichkeit dieser beiden Figuren ist offensichtlich und handgreiflich. Noch eine dritte Pietä, die im Dom zu Wetzlar, ist, wenn nicht demselben Meister, so doch wenig- stens derselben Schule und Richtung zuzu- schreiben (Abb. S. 213). Derselbe gesteigerte Realismus, die Haltung und Form der Arme und Hände, die Behandlung der Wunden und des Brustkorbes des Heilandes, die Behand- lung der Gewandung Mariens, die Brüstung, auf der Maria sitzt, die Rosetten am Sockel, die Bemalung all das bringt die Wetz- larer Pietä in enge Verwandtschaft mit der Bonner und Fritzlarer Pieta. Meines Er- achtens folgen die drei zeitlich und künstle- risch in der Reihenfolge: Bonn Fritzlar Wetzlar. Die Bonner Pieta, 90 cm groß, also beträchtlich kleiner als die Fritzlarer, geht in der Schilderung des Grausigen bis an die Grenze des Erträglichen. Freilich, offen und ehrlich, rückhaltlos, aber auch rücksichtslos läßt der Meister seine Schmer- zensmutter mit frontal zugewandtem Antlitz ihren Schmerz dem Beschauer direkt ins Gesicht hinein klagen. Der blutüberströmte Leichnam des Heilandes ist abgemagert zum Skelett. Sein Haupt sinkt wie eine geknickte Blume kraft- und haltlos nach hinten. Der Zipfel des Lendentuches fällt vorn über der Mutter Schoß. Die Gruppe zeigt noch einen auffallenden Mangel an sicheren Proportionen. Vor allem stört die übermäßige Betonung der Köpfe, auch ist der Faltenwurf ohne be- sonderen Reiz und Rhythmus.

Der Urheber dieser Gruppe mag durch diese schonungslose Darstellung des Schmerzes auf die Dauer selber nicht befriedigt gewesen sein, daher versuchte er in der Fritzlarer lebensgroßen Pieta eine versöhnendere und befriedigendere Lösung. Zugleich bemühte er sich, die Verhältnisse besser zu gestalten. So wird die Fritzlarer Pieta zu einem reiferen Werke. Der schmerzbewegte Kopf Mariens, wie bei der Bonner in offenem Haar ohne Kopftuch, ist nicht frontal, sondern, da er teilnehmend und mitleidsvoll dem Haupte des Heilandes sich zuneigt, mehr in Halb- profil dem Beschauer zugewendet. Mit dieser einfachen Kopfwendung ist viel gewonnen. Einmal ist damit die Beziehung zwischen Mutter und Sohn, zwischen Schmerz und Grund des Schmerzes, zum Ausdruck ge- bracht. Dann aber wird damit die Schilde- rung des Schmerzes schonender, erträglicher. Der Beschauer sieht auch jetzt noch den Schmerz, aber es wird ihm erspart, ihn in

seiner ganzen Schrecklichkeit zu sehen. Er wird ergriffen davon, aber nicht abgestoßen. Zudem haben die Köpfe der Gruppe glück- lichere Verhältnisse. Das Haupt des Heilan- des ist schöner und edler, umrahmt von einem vierfach geteilten Bart. Sein Leib ist kein bloßes Knochengerüst mehr, die ganze Haltung desselben ist wie die der Arme na- türlicher. Die Beine des Leichnams hängen nicht an der Seite der Mutter schlaff herunter, sondern setzen in Todesstarre die straffe Diagonale des Oberkörpers fort. Die Be- malung der Fritzlarer Pieta ist die gleiche wie bei der Bonner; auch das aus den Wund- malen gesickerte und geronnene Blut, sowie die Blutspritzer wiederholen sich. Selbst der Rosettenschmuck am Sockel fehlt nicht. An der Bonner drei große vielblättrige, an der Fritzlarer neun fünfblättrige Rosen.

Die Palme scheint mir der Wetzlarer Pieta zu gebühren. Ist die Fritzlarer einheitlicher, bewegter, interessanter, rassiger, so hat die Wetzlarer bei allem Realismus einen Zug zum Idealismus, sie ist ruhiger, vornehmer, verklärter. Die Fritzlarer ist lebensgroß, die Wetzlarer überlebensgroß, ein Werk von überwältigender Wirkung. Die Neigung des Kopfes zum Haupt des Heilandes hin ist wie bei der Fritzlarer Schmerzensmutter ge- blieben, aber das freie, reiche, goldene Haar ist geschwunden. Der Kontrast zwischen dem schrillen Schmerze des Gesichtes und dem festlichen Sonnengold des Haares scheint als zu grell empfunden worden zu sein. Was geschieht? Die strahlende Fülle des golde- nen Haares wird diskret verborgen und be- deckt mit einem dichten Kopfschleier. In schlichter Fassung gehalten, gibt er dem Kopte eine stimmungsvolle Umrahmung und dämpft zugleich den Schmerz. Und dieser Schmerz in diesem edlen, feinen, vornehmen Kopfe ist edler, feiner, verhaltener, gotter- gebener als in der Bonner und Fritzlarer Pieta. Und versöhnende Sonnenwärme und verklärendes Sonnenlicht fehlt auch nicht in diesem schmerzbewegtem Gesichte. Im Fritz- larer Marienkopf wirkt die goldene Haarfülle schmerzverklärend. Ein sinnliches Mittel. In der Wetzlarer hat der Meister ein höheres, geistiges gewählt. Es ist die Mutterliebe, die wie verklärender Sonnenschein aus diesem weinenden Mutterleid herausleuchtet.

Auch der Christus der Wetzlarer Pietä zeigt gegen den Fritzlarer einige Abweich- ungen. Der Fritzlarer Christus ist wie der Bonner zu klein, in der Wetzlarer sollte der Fehler beseitigt werden. Leider fällt dabei der Meister ins andere Extrem. Er betont

215

Glasgemiilde im alten Ratha zu Thorn. Text S. 216

CHRISTEL KUBALL KREUZIGUNGSGRUPPE

2l6

mm KREUZIGUNGSGRUPPE. MARIENALTAR ^

MICHAEL PREISINGER

KRIEGSERIXNERUN'G

F.nHi;,,/

Christus zu sehr und macht ihn zu groß ; auch sind insbesondere Hände und Füße reichHch groß und kräftig ausgefallen. Die langen Beine fallen wie bei der Bonner Pietä an der linken Seite Mariens herunter. Das Lendentuch, das in der Fritzlarer Gruppe eine unnatürliche Starrheit und Steilheit an- genommen hatte, schmiegt sich in der Wetz- larer natürlich an den Körper an. Der nur sanft nach hinten geneigte Christuskopf der Wetzlarer Figur erreicht indessen die künsr- lerische Höhe des Fritzlarer nicht.

Am Sockel kehren die neun fünfblätterigen Rosen wieder.

Im übrigen ist die Fassung der Wetzlarer Pietä dieselbe wie bei der Bonner und Fritz- larer, nur scheint sie mir nicht mehr durch- weg die alte zu sein. Ein späterer empfind- samer Pinsel scheint die mittelalterliche, kräftig-naturalistische Darstellung des Schmer- zes, um sie dem modernen Empfinden näher zu bringen, übermalt und gedämpft zu haben.

KREUZIGUNGSGRUPPE

Glasgemälde nach einem Entwürfe von Christel Kuball.

(Vgl. Abb. S. 215) P)ie Firma Gebr. Kuball-Hamburg hat nach einem Ent- würfe von Christel Kuball ein Glasgemälde mit der Darstellung der Kreuzigungsgruppe für eine Ausstellung im Städtischen .Museum zu Thorn gefertigt. Die Kompo- sition hat sicli in geschickter \Veise der gegebenen Hensterteilung angepaßt. Der dargestellte Vorgang be- darf keiner Erläuterung. Die Stellung der Figuren ist so gewählt, daß die senkrechte Teilung der Geschlos- senheit des Bildes keinen Eintrag tut. Eine feierlich ernste Stimmung ist über den Vorgang verbreitet. Es ist nichts in dem Bilde, das die Gedanken nach außen lenkt, sondern die ganze Stimmung bleibt in dem auf sich gestellten Vorgange beschlossen. Ein wunderbar zusammengestelltes Farbenspiel gibt dem Bilde einen besonders hohen Reiz. Grüne Stralilen von kräftiger und matter Tönung fallen schräge auf die Christusge- stalt, die in ein faliles Grün getaucht ist. Auch das Gewand der Maria Magdalena schimmert mattgrün, während das rötliclibraune Haar zu den satten Farben der anderen Bildliälfte hinüberleitet. Gegen den dunkeln Hintergrund des Schächerkreuzes heben sich die Ge- stalten Maria und des Johannes ab. Maria trägt ein graues Gewand. Über ihr rotschimmerndes Haar, das in langen Strähnen herabfällt, legt sich ein leuchtend blauer Schleier. Johannes trägt über einem mattgrünen Gewände einen rotlila Mantel. Alle über das Bild aus- gegossenen Farben wirken zur schönsten Harmonie zu- sammen. Man kann wohl sagen, daß die leuchtenden Farben hinter der Wirkung der mittelalterlichen Glas- malerei nicht zurückstehen, wie wir sie hier aus dem 14. Jahrhundert kennen. Das Glasgemälde fügt sich glücklich in die tiefe Fensternisclie des alten Rathauses. Man kann sich denken, wie sehr die Wirkung des Glas- gemäldes noch erhöht würde, wenn es in den feier- lichen Raum einer Kapelle oder Sakristei gefügt würde.

Prof. Arthur Semiau-Thorn.

MARIENALTAR VON E. KLOTZ

(Zur Sonderbeilage nach S. 212) Daß sich die erhabene Schöpferkraft menschlichen Geistes nirgends leuchtender offenbart als in Kunst und Religion vereint, davon gibt ein plastisches Kunstwerk des Wie- ners Edmund Klotz wieder beredtes Zeugnis. Es ist eine Mariengruppe für den Hauptaltar der Sankt Leopolds- kirche in WienFloridsdorf, im gewaltigen Ausmaße ge- scharten, eine sogenannte Retable, welche die (lOttes- mutter mit dem Jesuskinde darstellt, zu beiden Seiten als Adoranten die Gründer des Stiftes Klosterneuburg, den frommen Herzog Leopold und dessen Gemahlin Agnes. Es entspricht dieses Kunstwerk wohl so ganz den Absichten, die der kunstverständige Biscliof von Regensburg erst jüngst in seinem Hirtenbrief über kirch- liche Kunst ausführlich dargelegt hat, die in der Haupt- sache daliin gellen, daß für ein kirchliches Kunstwerk vor allem anderen die Vollkommenheit der äußeren Darstellung in engster Verbindung mit dem .Ausdruck eines eclit religiösen Geistes erlorderlich sei. Die Gruppe ist aus getriebenem Kupfer liergestellt und feuervergoldet, die L'mrahmung in Tombak getrieben. .Abgesehen von dem überraschend schönen GesamtEindruck, kommen auch die einzelnen Teile aufs vornehmste zur Geltung.

Richard RieJI

MARIA VE RKUNDieU

MALKREl AUF PERQAMT':NT FÜR EM" MISSALE

PC ,. .

Von eineir. Casüli, eine deck mi t fisbeietstin matiti, im Hankktie ' von den eii nnnen zn H a knstvoile; PliiBtidi-Xii ireißemMoir; iviemilGoliil; Die Stoia ist : je einem p[ k Fransen 1: linjliclie Kö' Sohne, Hoi^c Ttessen-fiki zeigt in der lialt eines jr figni der M McdaiEon di

tarbige Flü| sireiien. De goldenen F Voluten äte der Evanst diranttr t, Buclstakt igemeines gesetzte Sei

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Maltigtai

NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER

Von Dr. O. DOERIN'G (Hierzu die Abb. S. 217 bis 236)

Die Pachersche Kunst wurde schon früher in dieser Zeitschrift (durch Konrad Weiß im 4. Jahrg. S. 145 ff.) eingehend gewürdigt, und zwar damals vorwiegend nach der Seite der Glasmalerei. In einer Anzahl neuerdings fertiggestellter Werke zeigt sie sich nach Rich- tungen, die damals nur zum geringeren Teile, überwiegend gar nicht betrachtet werden konnten.

Von einem igroßen Ornate« ist bisher eine Casula, eine Stola, eine Alba, eine Kelch- decke und eine Bursa ausgeführt worden. Bisher erst in Entwürfen existieren eine Dal- matika, zwei Pluvialien, ein Velum, Schuhe, Handschuhe und Mitra. Die Stickereien sind von den ehrwürdigen Frauen Franziskane- rinnen zu Hohenwarth bei Schrobenhausen in kunstvoller Weise ausgeführt worden. Die Plattstich -Nadelmalerei ist auf herrlichem weißem Moircestoff in vielfarbiger Seide, so- wie mit Goldfäden und dergleichen gearbeitet. Die Stola ist außerdem an beiden Enden mit je einem großen Amethj'sten besetzt. Statt der Fransen hiingen mit Gold übersponnene längliche Körper daran (von Wiedemann Söhne, Hofgold- und Silberdrahtgespinst- und Tressen-Fabrik^). Die Casula (Abb. S. 2 1 8 u. 2 1 9) zeigt in der Mitte ihrer Rückenfläche inner- halb eines grün abgetönten Kranzes die Halb- figur der Madonna mit dem Kinde. Dieses Medaillon dient als Mittelpunkt für ein großes goldgesticktes Kreuz. In seinen Wmkeln sieht man je drei Cherubim, deren bunt- farbige Flügel strahlenförmig auseinander- streben. Der weiße Seitenfond ist mit feinen goldenen Ranken und schneckenförmigen Voluten überzogen. Unten sind die Symbole der Evangelisten, das Cluniacenserwappen, darunter ein Benediktinerwappen mit den Buchstaben ^^ I. O. G. D. und ein solches als allgemeines Ordenswappen. Die entgegen- gesetzte Seite der Casel zeigt durchaus ähn- liche Anordnung, nur in anderer Farbenge- bung; innerhalb des Kranzes ist die allerh. Dreifaltigkeit durch drei verschlungene Ringe

') Sämtliche hier genannten kunstgewerblichen Fir- men befinden sich in München.

symbolisiert. Um den Hals steht der Segens- spruch Benedicat vos omnipotens deus usw. Unten prangt das heutige Wappen von Klo- ster Scheyern. Die Casula ist mit einfarbiger grüner Seide gefüttert. Die Alba (Abb. S. 220) ist unten mit einem Streifen geschmückt, der innerhalb romanischen Rankenwerkes die Na- men der zwölf Apostel nebst ihren Symbolen aufweist; die Schilder, innerhalb deren die letzteren stehen, sind abwechselnd rot und blau, die Linien in Altgold gestickt. Die kost- baren Stoße für die sämtlichen ausgeführten Stücke sind vom Hoflieferanten Gg. Gerdeis- sen, Firma Schreibmayr.

Die erst entworfenen Teile stimmen nach dem beabsichtigten Material, wie in ihrer stilistischen Behandlung genauestens zu den übrigen. Die Dalmatika (Abb. S. 223 links) ist außer mit dem Benediktinerkreuze mit den Medaillonbildern von vier großen Benedik- tinerheiligen geschmückt, nämlich des S. Mau- ritius, Placidus, Rupertus und Corbinianus. Der erste hebt sich von dem Fond eines rot abschattierten Schuppenmusters ab, Rupertus von einem ebensolchen blauen. Die Hinter- gründe für Placidus und Corbinian sind schlicht blau, beziehungsweise pfirsichfarben. Auf vier grauen Schildern sieht man die Symbole der vier benediktinischen Gelübde: Armut, Ge- horsam, Kasteiung, Beharrlichkeit. Die Ach- seln sind ebenfalls mit vier kleinen Schildchen belegt; sie zeigen die Namenszüge der Evan- gelisten, sowie die Anfangsbuchstaben des Spruches In Omnibus Glorificetur Deus. Von den zwei Pluvialien ist das eine an seinen zwei senkrechten Rändern mit zwie- fachen Streifen besetzt; in jedem sieht man je sechs Symbole der Tugenden. Der Doppel- streifen des anderen Pluviales (Abb. S. 222) zeigt statt dessen Sinnbilder der zwölf bene- diktinischen Regeln. Die rote Schrift befindet sich hier auf spiralig gezeichneten breiten Bändern; ihre Rückseiten sind mit abwech- selnd blauer und grüner Ornamentierung an- gedeutet. Auch die Schließen zeigen symbo- lischen Schmuck. Die Kappen der Pluvialien sind nicht, wie neuerdings sonst üblich, als feste Platten gebildet, sondern ihrem ursprüng-

■■ chtlsUlche Kunst. XII.

2l8

NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER

AUGUSTIX I'ACIIF.R

! :u lloh.n-.varth i-ri Schr,4inhaus

CASILA (HLCKSEITK)

liehen Sinne gemäß wirklich als Kapuzen. Der Fond ist hier, wie es auch bei den Sticke- reien der Casula und auch bei der Dalniatika der Fall ist, mit stilisierten weiß-silbernen Wolken bedeckt. Innerhalb ihrer bilden grüne Ranken vier kreisrunde Medaillons. Das mittelste enthält bei der einen Cappa das Brustbild des hl. Benedikt, bei der andern das des hl. Gregor des Großen. Der letztere steht auf tiefblauem Schuppenfond (dieses Blau gehört mit zu den schönsten Farben der Pacherschen Skala), während der erstere

von ebenso behandeltem rotem Fond sich abhebt. Die drei anderen Medaillons sind mit Blattornamenten gefüllt, ihre rote oder blaue Farbe ist der des mittleren Medaillons entgegengesetzt. Beide Kappen sollen mit hellgrüner Seide gefüttert werden. Das Veium (Abb. 223 rechts) besitzt Stickereien an seinen beiden Enden, sowie in der Mitte. Hier sieht man das Lamm Gottes innerhalb eines grünen geflochtenen Kranzes. Ihn umgeben wieder jene stilisierten Wolken, die mit roten Blümchen belebt sind; nach auOen verlaufen

NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER ^^

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AUGUSTIN FÄCHER

r^/. AU. S. llS. Text S. 217

CASULA (VORDERSEITE)

goldene Strahlen. An beiden Enden des Velums ist je ein grünes Geranke gezeichnet. Es bildet je sechs Medaillons, und in einem jeden ist eins der Leidenswerkzeuge des Herrn dargestellt. Mehrere sind eigentümlich, in der älteren Kunst selten nachzuweisen. Hier- her gehört das Medaillon mit den dreißig Silberlingen, ferner der zum Fesseln des Herrn dienende Strick, in welchem man kleine eiserne Haken eingeflochten sieht ein Mo- tiv, welches sich einmal in Venedig findet. Die Rute ist vom Künstler nicht als gebun-

den, sondern aufgelöst gezeichnet, weil man sie sonst auf einige Entfernung nicht mehr erkennen kann. Die Mitra zeigt auf ihrer Vorderseite ein an seinen Enden mit Perlen besetztes Doppelkreuz, welches von rot ge- flügelten Engeln gehalten wird. Die Binde ist in Vierecksflächen geteilt, die abwechselnd mit gesticktem Ornament und mit Ferien geschmückt sind. Die herabhängenden Bänder zeigen die Gesetzestafeln des alten Bundes, sowie je ein Klosterwappen. Die Hand- schuhe sind weiß; ihre Oberseite zeigt je ein

^ NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER

Kreuz innerhalb einer roten Wolke, die breiten Stulpen der Handschuhe sind mit Blattornamenten geschmückt. Endlich ist der weiße Seidenfond der Schuhe wieder mit den an der Casula usw. beobachteten gol- denen Ranken- und Schneckenlinien belebt, während sich bunte Streifen über die obere Fläche hinziehen.

Die gesamte Farbengebung dieses teils fer-

tigen, teils entworfenen großen Ornates ver- bindet Pracht und Lebendigkeit mit höchster \'ornehmheit. Das Weiß des Fonds läßt alle reiche Koloristik erst recht zu ihrer Kraft gelangen, alles leuchtet in festlicher Herrlich- keit. Die Stärke der angeschlagenen Töne ergibt sich aus zweierlei künstlerischen Er- wägungen. Erstens entspricht sie dem Cha- rakter der dem Meister vorbildlichen primitiven

ALGUSTIN I'ACHER

ALBA, STOLA, MANIPEL

NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER

AUGUSTIN FÄCHER

.\. Jff-, S. r^S, die dazugeho

und romanischen Kunst; hierüber wird unten noch ein Wort zu sagen sein. Zweitens war die Rücksicht auf kraftvolle, nicht leicht zu überwindende Fernwirkung maßgeblich. Hier- aus folgte auch die Einfachheit sowohl der Hauptlinien, wie im einzelnen die der Ab- schattierungen. So sind z. B. bei den Ge- sichtern die Lichter und Schatten kräftig und flächig voneinander abgesetzt, und fließen nicht etwa sanft ineinander über. Sie behalten auf die Art eine charaktervolle Herbigkeit. Übrigens kommt dies auch der Technik bei der Ausführung entgegen. Zu begrüßen ist es, daß der kirchlichen Stickereikunst ein-

mal eine Aufgabe von solchem Umfange und Werte geboten wird. Die Wirkungen dürften nicht ausbleiben.

Zeigt sich mit diesen Dingen Fächer als Beherrscher der Faramentik'), so tritt er uns mit den nunmehr zu betrachtenden Werken als bedeutsamer Meister auf dem Gebiete der Juwelierkunst entgegen. Wir sehen einen Kelch, eine Platte mit zwei Meßkännchen und ein Meßbuch. Das letztere wird uns den Künst- ler auch als Miniaturmaler ersten Ranges wür- digen lassen.

') Vgl. die .\bh. im X. Jahrg. S. 142 ff.

^ NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER ^

AÜGUSTIX FÄCHER

ENTWURF ZU EINEM PLUVIALE

Der Kelch (Abb. S. 224) ist 0,23 m hoch, hat oben einen Durchmesser von 0,14, am Fuße von 0,17 m. Er besitzt die schlichte Grund- form der Kelche romanischer Zeiten, also einen kreisrunden Fuß, der über einen Sockel- reifen mit starker Verjüngung emporstrebt, und eine halbkugelige Kuppa. Zwischen bei- den befindet sich der kugelförmige Nodus. Die beiden ersteren Teile sind aus vergol- detem Silber, der letztere besteht aus einem Stücke Rosenquarz, die Verbindung mit Fuß und Kuppa ist durch Metallbänder hergestellt, die oben und unten von je einem Perlstabe begrenzt sind. Die belebenden Ornamente der Kuppa zeigen Formen in der zuvor cha- rakterisierten Art. Die aufsteigende Fläche des Fußes ist durch senkrechte Streifen in drei Abschnitte geteilt, deren Relief- und Edel- steinschmuck zur Symbolisierung von Glaube, Hoffnung und Liebe dienen. Der erstere wird charakterisiert durch die Halbfigur des

hl. Benedikt, zur Zierde dienen Amethyste ; als Symbol der Hoffnung erblicken wir die hl. Maria, als Schmuck sind Malachite ver- wandt; die Liebe verkörpert sich in Christus und in der Reinheit von Opalschmuck. Um den Sockelreifen läuft eine Inschrift. Eine weitere Inschrift ist auf einer Silherplatte an- gebracht, welche innerhalb des Fußes einge- lassen ist und verhindert, daß man in diesen, wie sonst so gewöhnlich und so häßlich, gleich- sam als in einen Trichter hineinschauen kann. Das Wasser- und das Weinkännchen sind aus Stücken von Elefantenzähnen gearbeitet, die in vergoldetes Silber gefaßt sind (Abb. S. 225). Die Oberfläche des Elfenbeines ist un- gebleicht geblieben, und erfreut darum durch zarten warmen Ton, mit dem die Goldfarbe des Metalls prachtvoll harmoniert. Das letztere zeigt Bearbeitung in höchst selbständig emp- funden Formen voll tiefer Bedeutung. Der Deckel erinnert an eine Rundkirche mit Ap-

e^i NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER ®2a

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AUGUSTIN FÄCHER

ENTWÜRFE PUR DALMATIKA UND VELUM

TeAt S. ziy und 21S

siden und hochstrebender Kuppel; die Dächer dieser Architektur zeigen Falten, ähnlich jenen bei dem großen Reliquiar des Weifenschatzes, bei diesen Kännchen aber gemäß dem kleinen Maßstabe des Gegenstandes zahlreicher und zierlicher. Am merkwürdigsten sind die Henkel, welche in der stilisierten Form eines Elefanten-

kopfes mit langem, unten schneckenförmig aufgerolltem Rüssel gezeichnet sind. Diese Henkel, wie auch die elfenbeinernen Körper der Kannen, deuten auf die mittelalterliche Anschauung, welche in dem Elefanten das Symbol der Reinheit und Stärke erblickte. Das Elefantenmotiv kehrt auch an den Griffen

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NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER mm

AÜGLSTIN rACHliR

Aussf/iilirt van M.ix Str„hel ( Firi„a Sank/j,'!i<i„,iserJ . -

der Schale wieder, auf welcher die Kännchen stehen. Sie besteht aus vergoldetem Silber, die Ränder sind mit Rauchtopasen und Kaizen- augensteinen geschmückt.

Das Meßbuch (Abb. S. 226 fT.) besitzt eine Höhe von 0,42 m bei einer Breite von 0,32 m. Der Deckel besteht aus weißem Schweinsleder und zeigt vorn und hinten reichsten Sclimuck. Er überdeckt die Vorderseite vollständig; die Rückseite zeigt ein groß durchbrochenes geo- metrisches Motiv, welches für die Wirkung des Leders um fangreiche Flächen freiläßt. Dieser Schmuck besteht aus vergoldetem Silber, das wieder aufs feinste bildnerisch ausgearbeitet ist. Die Vorderseite zeigt in der Mitte ein vertieftes längliches Achteck, innerhalb dessen

Jesus als Weltrichter aut dem Regenbogen thront, während die Erde seiner Füße Schemel ist. Unten bildet der Sternhimmel, oben strahlendes Licht den Hintergrund. In den Zwik- keln des Deckelvierecks be- finden sich die S3-mbole der vier Evangelisten, getrennt durch ebenso viele Recht- ecke. Die Namen stehen in der Leibung des Acht- ecks. Die Rechtecke sind mit Edelsteinen besetzt, in der Mitte jedesmal mit einem Lapislazuli, ringsum Amethyste und Chryso- prase. Auf den Flügeln der vier apokalyptischen Wesen sind augenartig je neun Opale mit einem in je- den eingeschliffenen Blut- stein verstreut. Außerdem schmücken die Vorderseite des Deckels noch Smaragde, Mondsteine, Rubine, Bril- lanten. Der Regenbogen besteht aus translucidem Zellenschmelz in feinen Sil- berfäden , das Meer aus kleinen Stückchen Malachit. Die Heilandhgur hat der Bildhauer Christian Winker nach Pacherschen Entwür- fen modelliert und in Elfen- bein geschnitten. Die Rück- seite des Deckels zeigt in ihren vier Winkeln je ein Rechteck, besetzt mit einem von Strahlen umgebenen Amethysten. Zwischen die- sen Flächen und den Mittelpunkten der vier Seiten sind Verbindungslinien durch flache zweiteilige Stäbe hergestellt. Ein ovaler Kranz in der Mitte umgibt den Namen Christi. Bei allen hier beschriebenen Stücken ist die Metall- arbeit außerordentlich fein, bis in die zartesten Einzelnheiten ist alles mit größter Delikatesse ausgearbeitet. Man sehe z. B. die Elefanten- rüssel, die Flügelfedern der apokalvptischen Tiere, die Lichtstrahlen hinter Christus, über- haupt alles, was subtile Arbeit erfordert und dabei doch des großen Zuges nicht entbehren darf. Diese Metallarbeiten sind von MaxStrobel, Inhaber der Hotgoldschmiedehrma Sanktjo- hannser und dem Bildhauer und Ziseleur Florian Zängl. Schläg-t man den Codex

NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER S^

225

auf, welcher durcli den

Buchbindermeister Heinrich Hutmacher gebunden ist, so findet man statt des Vorsatz- papieres graue Moir6- seide. Innen bewun- dert man eine Anzahl von Pergamentblät- tern, die mit kunst- vollen Handmalereien bedeckt sind. Zum Schutze der Miniatu- ren dient jedesmal ein Stück glatten grauen Seidenstoffes. Aus grauer Seide sind auch die sechs Bänder, die als Lesezeichen die- nen und unten mit je einer kleinen Edel- steinkugel in den symbolischen Farben von Glaube, Liebe und HoiTnung besetzt sind. Die IMehrzahl der Buchblätter be- steht aus Fapier; sie sind mit den zur hl. Messe gehörigen

Texten bedruckt und zwar unter Benutzung großformiger Lettern, bei denen es keinen Unterschied feiner und starker Linien gibt, und die also auch von einem Kurzsichtigen

AÜGUSTIN r'A< III Ausgr/Ühr

leicht gelesen werden können. Den gedruck- ten Textblättern fehlt es nicht an Handma- lereien, außerdem ist jede wichtige Initiale, jeder Schlußstrich usw. mit der Hand gemalt und keins wie das andere.

Von den erwähnten ganzseitigen Miniatu- ren schildert die erste

die Verkündigung (Abb. I, Sonderbei- lage). Die Wohnung Mariens ist nur ange- deutet; der Hinter- grund des Bildes ist ganz erlüllt durch die unendliche Menge der Strahlen, welche von dem Verkündigungs- engel ausgehen. Über

seinem Haupte schwebt die Taube des Hl. Geistes. Um den Hals trägt er einen kreuzförmigen Schmuck, bestehend aus den Symbolen der allerheiligsten Drei- ialtigkeit und einem Perlengehänge. Am Fuße des Bildes verbreiten sich die Äste des Apfel- baumes, von dessen Früchten das Llreltern-

MESSKANNCHEX roiel und Chr. Zävgl

AUGÜSTIX FÄCHER

TELLER ZU DEN MESSKANXCHEN

Die christliche Kunst. XII.

226

AUGUSTIN FÄCHER

Die Chrhtutßgiir atisge/uhrt 7

on Christin)

Ifiitker. ,/„s iihige vnn Text S. 224

MESSBUCHEINBAKD (VORDERSEITE)

Max Slrol,tl uii.l Christian Ziiiigl (MimchinJ

AUGUSTIN FÄCHER

A,.sg,/Ührt vnn Max Strotel, /„/,. d. Fi,,„a Sankijohan Text S. 224

MESSBUCilElXHAXlJ (RLCKSEITE)

nd Christmn Zangl (MünchenJ

228

^ NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER ©^

paar im Paradiese, Gottes Gebote zuwider, aß. Man sieht die beiden entfliehen, während ein Unwetter die Blätter des Baumes abreißt, und um seine Wurzel und durch den zer- borstenen Stamm die Schlange sich windet. Schön gezeichnet ist die Einrahmung des Bildes, anmutig der scheinbar plastische Fi- gurenschmuck daran, auch die Reihe der oben überschauenden Engelköpfchen. Die \'erkün- digung, wie jedes der folgenden Bilder, ist auf eine hauptsächliche Farbenwirkung ge- stimmt. Bei dem ersten überwiegt das Grün der Hoffnung, es leuchtet in den Strahlen, die von dem Engel ausgehen; die Taube schwebt in violettem Lichte, während Marias Kleid fein abgetöntes Hellblau zeigt.

Durchaus abweichend wirkt das zweite Bild, die Kreuzigung (Abb. S. 229). Der Künstler ist dabei einer Anregung gefolgt, die er durch die Visionen der Katharina Emmerich er- halten hat. Sie berichtet, bei der Kreuzigung sei die Luft von einem rötlichen Nebel er- füllt gewesen. Fächer hat das dankbare Motiv für sich benutzt und durch die Zusammen- stellung von Rot und Schwarz eine seltsame koloristische Wirkung erreicht, welche durch ihren mystischen Zauber tiefen Eindruck auf das Gemüt ausübt. Die Auffassung der Figuren ist völlig anders als bei der Verkündigung. Dort Milde und Lieblichkeit, hier eine Herb- heit, welche jener der Grünwaldschen Kreu- zigung am Isenheimer Altare verwandt ist, aber für unser Empfinden noch darüber hinaus- geht. Mit rücksichtslosem Naturalismus ist der Christuskörper geschildert; der Künstler scheute sich nicht vor geradezu grausamer Wiedergabe des von den Wunden nieder- strömenden Blutes, der vom Blutgerinsel rot gefärbten Haare, des abgezehrten, schmählich mißhandelten Körpers, der zusammenge- krampften Finger. Und doch schwebt über dem Ganzen die Hoheit, die künstlerische \'erklärung, welche den Gekreuzigten nicht als Menschen, sondern als Gottmenschen er- kennen läßt. Seine Figur allein tritt mit völ- liger Klarheit hervor. Etwas weniger deut- lich sind Maria und Johannes, noch weniger Magdalena, während der Hauptmann schon vom rötlichen Nebel umwoben ist, und die l-'iguren der Feinde Christi sich darin nur noch mit Mühe erkennen lassen. In der Umrah- mung wiederholt sich das schon bei den Meßkännchen beobachtete Elefantenmotiv. Oben knien zwei Engel, welche den Anblick des Sterbens Christi nicht ertragen können und ihr Antlitz abwenden.

Das dritte Blatt gilt der Verherrlichung der Erzdiözese MünchenFreising (Abb. Sonder-

beil, nach S. 232). Oberhalb der Wappen der Erzdiözese (mit dem Mohren), sowie der Bis- tümer Augsburg (links vom Beschauer), Passau (mit dem Wolfe) und Regensburg (rechts) thront der Diözesanheilige St. Korbinian. Hinter ihm, oberhalb des Kapitals einer Säule erscheint die Himmelskönigin mit dem Kinde. Der große Baum, welcher hier den Hintergrund bildet, ist eine Erinnerung an jene Linde in Freising, welche St. Korbinian, der Hauptpatron der Erzdiözese, selbst gepflanzt haben soll, und die vor jetzt etwa zehn Jahren durch frev- lerische Hände in Brand gesteckt wurde. Das Bild des hl. Korbinian ist der Mittelpunkt eines hufeisenförmigen Rahmens, der unten breit ist und oben sich schmal zwischen dem Laube des Baumes verliert. Dieser Rahmen umschließt in sechs Medaillons Büsten von fünf Heiligen, den weiteren Patronen der Erz- diözese, und einem Engel. Den letzteren sieht man links oben, unter ihm folgen St. Nonno- sus und St. Alexander; rechts sieht man von oben nach unten St. Justinus, St. Sigismun- dus und St. Lambertus. In der von diesem Rahmen freigelassenen Fläche unter und hinter dem Baume sieht man links Freising, dabei unten den Bären des hl. Korbinian, rechts München mit den Türmen der Frauenkirche und der Kirche St. Peter. Die unterhalb des ganzen Bildes befindliche Inschrift ist in dem- selben Charakter gehalten wie die Druckschrift des Buches.

Es folgt das »Benediktusblatt« (Abb. S. 230). Der Heilige, ein ehrwürdiger Greis mit lang- wallendem Barte, steht in seinem schwarzen Gewände hoch aufgerichtet. Während er in der Linken den eigentümlichen Benediktus- stab hält, breitet er beide Arme über die Wap- pen der zehn bayerischen Benediktinerklöster. Über jedem Wappen sieht man die Halbfigur eines Mönches, dessen Beschäftigung jene ankündigt, welche für das betreffende Kloster vorzugsweise bezeichnend ist: für Scheyern ist es die Malerei, für Augsburg der Unter- richt, für Weltenburg die Landwirtschaft, für München die Seelsorge, für Ettal die Wissen- schaft, für Metten der Gesang, für Ottobeuren die Kunst, für Schäftlarn der Unterricht, für Andechs die Zwangserziehung, fürPlankstetten die Frömmigkeit. Alle diese Wappen und Figuren stehen vor einem Hintergrunde von goldenen Früchten, den Sinnbildern der Ar- beitserfolge des Benediktinerordens. Unten erblickt man rechts und links von dem Ordens- wappen das Kloster Scheyern, wie es ehemals aussah, nach einem alten Stiche gemalt.

Von den nunmehr sich anschließenden gedruckten Blättern (ausgeführt von der

229

AUGUSTIN FÄCHER

JESU TOD AM KREUZE

Mnleni an/ P,rga„„„t im Missale. Tejt S. 22S

230

AUGUSTIN FÄCHER

HL. BENEDIKTUS

Malerei au/ rtrgamcnt im Atissalt. Ttxt S. 22S

231

Ordinarivm miss/e.

Sacerdos paratus cum ingreditur ad Altare, facta illi debita reverentia, fignat le (igno Crucis a fronte ad pectus, & Clara voce dielt:

|n nomine Patris, & Filii, & Spiritus fancti, Amen. Deinde iunctis manibus ante pectus, incipit Antiphonam. Introibo ad altare Dei.

Ministri R. Ad Deum qui laetificat juventutem

meam.

PoRea alternatim cum miniflris dicit fequentem Pfal- mum.

Judica me Deus, & difcerne caufam meam de gente non lancta: ab Nomine iniquo & dololo erue me:

Ouia tu es Deus fortitudo mea: quare me repulilli, & quare triflis incedo, dum affligit me inimicus?

AUGUSTIN FÄCHER

.Valen! a,,/ Pa/.!,

MESSE PAPST GREGORS D. GR.

der Messe. - Text S. 232

232

^ NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER

PR/EFA>UmTIONES.

Sequens Praefatio cum suo cantu dicitur a NatlvitatC Domifli usquc ad Epiph. (praeterquam in die Octav. S. Joannis Apost.) & in Purificatione B. Mariao, & in Festo Corporis Christi, & per Octavam, nisi in ea occurrat Fcstum, quod propriam Praefationem habeat. Item in Transfiguratione Domini, 4 in _Fe^tO Sanctissimi Nominis Jesu.

Per

omni

a (ae-cu-la (ae-cu-lo-rum. R. A-men.

AUGÜSTIN I'ACllER

Jcr Prii/atUmcn.

Hübschmannschen Hofbuchdruckerei, Inhaber H. Schrödl) ist das erste mit einer zum In- troitus passenden gemahen Vignette ge- schmückt, welche in der schönen Farbenstim- mung rot und zart hia die Messe Gregors d.Gr. darstellt (Abb. S. 231). Die Fraefationen wer- den eingeleitet durch David, welcher vor Gott die Harfe spielt; die Farbendominante ist Blau (Abb. oben). Als Eingangsbild des Canon Missae dient die Darstellung Christi als Keltertreter; Engel fangen das aus der Kelter strömende Blut auf (Abb. S. 233). Als Schlußvignette schuf der Künstler ein Sinnbild der vier Gelübde des Benediktinerordens (Abb. S. 234). Auf grau

und schwarz behandelten Wappenschildern ist angedeutet der Gehorsam durch einen Mönch mit einem Joche, die Armut durch ein leeres Füllhorn, die Keuschheit durch Geißel und Bußgürtel, die Beharrlichkeit durch eine Fyra- mide, welche von Stürmen angeblasen wird. Als bedeutungsvolle Zierde der Vignette dient ein Kranz aus einem Distelzweige als Svmbol der Entsagung.

Wiederum erscheint ein großes, ganzseitig bemaltes Pergamentblatt (Abb. S.235). In völlig herrschender grüner Farbenstimmung ist ein Engel gemalt, dessen Flügel gleich einem leich- ten Gespinste sich ausbreiten. Er hält einen

i'UMISLRiS.HiRE FOVLHFLEBILES.

AUGUSTIN FÄCHER

BAYKRISCHF, DlOZESATsTPATRONE

MALEREI AUF PERGAMENT FÜR EIN MISSALE

253

r/«S!»J«s^

Canon

lll^iä^llK«»ll^SSi'

MISS/E.

Sacerdosextendens.elevans&jungens

manus, elevans ad coelum oculos, &

ftatim demittens, profunde inclinatus

ante Altare, manibus fuper eo politis,

K dicit:

e igitur, clementiüime Pater, per Jefum Chri- flum Filium tuum Do- minum noftrum, fup-

plices rogamus, ac

, petimus.Oscuiatur Altare, uti accepta habeas, & benedicas, Jungit manus,

delnde (ignat tcr luper oblata, haec i'

dona, haec i munera, haec i (ancta facrificia illibata, Extcniis

manibus prolequitur: in primis, quae

tibi offerimus pro Ecclelia tua lancta catholica: quam pacificare, cuflodire, adunare, & regere dig- neris toto orbe terrarum: una cum famulo tuo Papa noflro N. & Antiftite noflro N. & omnibus orthodoxis, atque catholicae, & apodolicae fidei cultoribus.

AUGUSTIN FÄCHER

Malerei zu Beginn des Ka

CHRISTUS TRITT DIE KELTER

Text S 231

Die christliche Kunst. Xlt. 8.

i34

^ NEUE ARBEITEN VON AUGUSTIN FÄCHER

AUGUSTIN FÄCHER

DIE VIER GELÜBDE DES BENEDIKTINERORDENS Schluß der Messe. Text S. 232

Baum, in dessen Ästen die Köpfe der hl. vierzehn Nothelfer, ein jeder in einem Medaillon, mit höchster Zierlichkeit gemalt sind. Unten sieht man das Benediktuskreuz. Den Beschluß bil- det ein Blatt mit einer Textschrift und der Darstellung des hl. Michael, in prachtvollem Kolorit von oben nach unten aus tiefem Blau bis in zartes Grün übergehend (Abb. S. 235).

Wir haben die Überschau über die neuesten Pacherschen Werke beendet, mögen aber nicht davon scheiden, ohne uns über ihre künstlerische Art und Bedeutung Rechenschaft zu geben.

Die neuen Paramenten Entwürfe Pachers bewähren die alten Vorzüge bei noch weiter gehendem Reichtum. Bei ihnen, wie bei den Metallgegenständen und bei den Miniaturen geht der Künstler auf die Erreichung durch- aus verschiedenartiger Zwecke aus; für einen jeden davon hat er seinen eigenen Stil, in welchem gewisse Grundgedanken zwar wieder- kehren, während doch die Durchführung schon mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Ma- terialien jedesmal durchaus individuell bleibt. Er weiß den Bedingungen der Textilkunst ebenso vollkonmien und in hohem Grade selbständig gerecht zu werden, wie jenen der

Metalltechnik und der Kleinmalerei. Bei der letzteren hat er sich vollkommenste Freiheit bewahren können, bei den beiden anderen war er durch die traditionelle Form der zu schaffenden Gegenstände bis zu einem ge- wissen Grade gebunden, aber nur so weit, wie ein Künstler dieser Art sich eben binden läßt. Innerhalb der gegebenen Grenzen be- wahrt er sich völlige Unabhängigkeit. So sind bei dem Ornate die Stickereientwürfe durchaus neuartig, nur für den flüchtigen Bück älterer Art ähnlich. Hier, wie bei allen Gelegenheiten, wo es auf die Bewältigung dekorativer Aufgaben ankommt, folgt Fächer der Auffassung, zu der er sich durch ein- gehendes Studium durchgearbeitet hat. Er erkennt in den Ornamenten unserer roma- nischen Epoche Gedanken, welche unmittelbar aus dem natürlichen Stilempfinden primitiver Zeiten und Völker in das der Kulturwelt sich hinübergerettet haben, einer Kulturwelt, die sich trotz des Hochstandes ihrer geistigen Ent- wicklung doch ursprüngliches, natürliches Empfinden zu bewahren verstanden hatte. Die Ornamentik der sogenannten Naturvölker bietet ihm also nicht nur Parallelen zu dem, was die romanische Kunst zu zeichnen liebte,

235

AUGUSTiN FÄCHER DIE H NOTHELFER

Malerei auf Ptrgamiut im Missale. Text S. 234

236

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OMINE SANCTAE ET INDIVIDVAE TRINITATIS AD LAVDEM ET CLOR I AM B.M.V NEC NON ALMAE CRVCIS

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AUGUSTIN FÄCHER

HL. MICHAEL

NIKE VON SAMOTHRAKE.

VERONA

'37

sondern außerdem eine Unmenge von Moti- ven, vvekiie von jenen mittelalterlichen Künst- lern ohne weiteres, als ihrem Geiste zusagend, übernommen worden wären. Mit jenemSchatze, der weite Möglichkeiten eröffnet, waltet Fächer in vollkommen freier Art, er verwendet ihn, modelt ihn, durchdringt ihn mit neuem Geiste, so wie die jeweilige Aufgabe es wünschens- wert erscheinen läßt. So beweist er, daß seine Kunst, die er im 20. Jahrhundert übt, ihre Wurzeln in jenem Boden echter Ürsprünglich- keit stecken hat, aus dem allein Neues, Lebens- fähiges sich entwickeln kann. Die technische Durchführung aller Werke, die wir betrach- teten, erwies sich uns als staunenswert fein. Ganz besonders gilt dies von der Technik der Miniaturen. Die in allen diesen Arbeiten le- bende und wirkende reiche Phantasie geht ihre eigenen Wege, die keine Abwege sind, denn sie führen dorthin, wo seelische Ver- tiefung, wo lyrische, dramatische Stimmungen und wo die Innigkeit echter Religiosität da- heim sind. Mit seiner Vorliebe für S3"mboli- sierung erreicht Fächer, daß er auch feinste Gedanken auszusprechen vermag, die sich der eigentlichen bildlich-gegenständlichen Wieder- gabe entziehen. Hier helfen ganz wesentlich die geheimnisvollen Ornamente, die Farben, die Edelsteine, die Wahl der Materialien über- haupt. Nichts ist bei ihm unnütz, nichts wird geformt oder gemalt, ohne daß es etwas Be- stimmtes aussprechen soll. Bei dem Missale, welches unter den betrachteten Gegenständen die größte Vielseitigkeit besitzt, ist auf diese Art jeglicher Zweck erreicht, der erzählende, der lehrende, der erhebende, der mystisch- andeutende. Bei Fächers Miniaturen wird niemand daraufkommen, kunstgeschichtliche \'ergleichungen anstellen zu wollen; in der Auffassung, wie in der Ausführung könnte man sie als Anfänge eines neuen Miniatur- stiles ansehen, wenn die persönliche Art, aus der sie hervorgegangen, die Vererbung und Weiterentwicklung nicht vorweg unwahr- scheinlich machte.

NIKE VON SAMOTHRAKE

Tn ihren Flügeln rauscht der kühne Sieg, A Der Sturm des Ozeans, der Braus der

Schlachten. Und weit ausschreitend preist sie laut den Mut, Den Stolz der Taten und das Todverachten. Hell kündet sie mit der Fosaune Stoß Vom hohen Fels, warum es wert zu leben, Ihr windzerpeitschtes, flatterndes Gewand, Scheint in des Himmels Wolken sie zu heben,

M. Herbert

VERONA

I.

r^ie Gärten von Verona sind versteckt, *-^Des Marmors Wunden heilen Rosenfluten An Bild und Säule üppig aufgereckt Die Furpurkelche ihren Traum vergluten. Neptun, der seinen rost'gen Dreizack hält, Thront über dem geborst'nen Wasserbecken. Olvmpisch Lachen aus versunkner Welt, WennschlankeNymphen dieTritonen wecken. Lorbeergesträuch sich mit Zypressen eint Und flicht dem toten Ruhme dunkle Kronen. Im Grasgeschling die blut'ge Träne weint Ein Buschen liebesroter Anemonen. Gemäuer unter Eppichs Schutz verträumt! Ist hier die Laute Romeos erklungen? Und wo der Mandelbauniin Jugend schäumt. Ward alter Haß durch selge Lieb bezwungen r

II. Verwittert der Falazzi weiße Fracht, \'or Säulenfenstern rohe Bretterladen, Im goldnen Saale brütet schwere Nacht, Die Trauer wandert unter den Arkaden. Die von der Scala heben trotzig hoch Befehlend ihres Monuments Fialen, Als sollte alles ^'olk der Nachwelt noch In Ehrfurcht zitternd ihnen Steuer zahlen, Und Bilder leben in der Dämmerung Uralter Kirchen ihren Rausch der Farben. Sie blieben wie die Morgenröte jung. Ob auch Geschlechter kamen und verdarben. Auf seinem Sockel steht Firenzes Sohn, Der in \'eronas Mauern Gast gewesen, Auf fremden Treppen O, wie lange schon, Ist er von seiner Fremdheit Qual genesen.

III. Mich treibt es hin zu Fra Giocondos Bau, Der stolzen Linien edles Spiel zu grüßen Und meine enge Seele treibt die Schau So strenger Kunst zu Alighieris Füßen. Ward je ein Tor so wunderbar geziert Als des Palastes schöne Eingangspforte? Hier bebt die Heil'ge, die den Herrn gebiert. In sich gebeugt vor dem ^'erkündgungswerk, Die fromme Jungfrau, die ihr Antlitz neigt, Befehle des Gebieters zu empfangen. Derweil die Scham des jungen Mädchens steigt In ihre weichen zuchtgewohnten Wangen. Du hehrer Engel Paradieses Traum Dir naht mein Herz, derBotschaftHeil zu hören. Herabgetragen in der Erde Raum Verwehter Klang aus Cherubinenchören. Maria, Mutter Jungfrau benedeit Inmitten aller Weiber du die eine, Ganz eingetaucht in Himmelsseligkeit, Ganz überstrahlt von deines Gottes Reine.

M. Herbert

238

WANDMALEREIEN IN DER ALTEN KIRCHE ZU GARMISCH

NEUALTGEDECKTE WANDMALEREI IN DER ALTEN KlKCHh ZL GAKMISi II rtjtt 7i,iten

DIE WANDMALEREIEN IN DER > ALTEN KIRCHE« ZU GARMISCH

Von FRANZ X. BOGENRIEDER, Garmisch Mit drei Originalaufnahmen von A. Adam, Buchdruckereihesitzer in Garmisch')

\Tach einem Umlauf von zwei Jahren hat ^ ^ die Garmischer »alte Kirche« im September vorigen Jahres neuerdings ein großes Stück des farbenreichen Kleides vorgekehrt, das sie in vergangenen Jahrhunderten trug.

Diesmal wurden die Flächen an der Ost- wand (links und rechts vom Chorbogen über den beiden Seitenaltären) sowie rückwärts unter der Empore an der Westwand der Kirche bloßgelegt. Auch hier kamen reiche Male- reien aus der Früh- und Hochgotik und aus der Frührenaissance ans Licht.

Teile von Fresken aus den Jahren 1330 1350 hatten sich schon vor Jahrhunderten hinter den rechten Seitenaltar geflüchtet und sind dort jeder Ubermalung glücklich entronnen: Christus am Kreuze, zu seiner Seite in früh- gotischen, primitiven Schreinen St. Magda- lena und St. Margaret.

In die gleiche Zeit gehört der frühgotische Wimperg, der im Gewände des hl. Andreas um eine Schicht von einem Zentimeter tiefer als die erste Apostelserie zutage getreten ist.

') Vergl. dazu Christi. Kunst X, 3,S. 731T.

D e m n a c h w a r wohl d i e g a n z e O s t w a n d bereits in der ersten Hälfte des 14. Jahr- hunderts bemalt worden und jene Kreuzi- gungsgruppe ersetzte augenscheinlich einen Altaraufbau.

In den Jahren 1420 1440 ist darüber die frühere der beiden Aposielserien entstanden, der dann 100 Jahre später die zweite in an- brechender Renaissanceart folgte.

Während die Malereien an der Epistelseite noch sehr gut erhalten sind (Abb. S. 239) zeigt die Evangelienseite durch den Versuch, von der zweiten Malperiode möglichst viele Farben zu retten, ein dem Laien vielfach un- verständliches Bild (Abb. S. 238).

Die Vorwürfe beider Perioden sind einfach und für jene Zeit gewohnt: der richtende Christus sitzt inmitten seiner Apostel. Diese stehen in dunkel grundierten Nischen, die durch eine gefällige Architektur zu einem Säulengang verbunden sind. Ihr Gesicht mit den großen Augen ist ausdrucksvoll, das Ge- wand, das in schlanker Schönheit an ihren Gestalten niederfließt, reichgemustert.

WANDMALEREIEN IN DER ALTEN KIRCHE ZU GARMISCH

239

NEU ALI üLlltCKTE W ANUMALhKEI IN DER ALTEN KIRCHE ZU GARMISCH Text S. 23s und iintni

Bewegter sind die Bilder zu ihren Füßen: Auferstehung und Gericht, die Erfüllung der Heilandsworte bei Matth. 25, 34. 41.

Rechts vom Richter die Auferstehung der Guten und ihr Einzug in das Reich der Seligen. Petrus öffnet die Himmelspforte, hinter der Sonne, Mond und Sterne strahlen. Unter der Türe stehend schaut er rückwärts gegen den Chorbogen, wo die Seligen unter ihnen ein Geräderter vom Todesschlafe sich erheben und von einem Engel geleitet freudig zur himmlischen Heimat ziehen.

Links vom Richter die Auferstehung der Bösen und ihre Verwerfung. Mit flammendem Schwert treibt sie ein Gesandter Gottes dem ewigen Schicksal und Verderben entgegen: dem weit geöffneten Höllenrachen, aus dem lange Reihen zermalmender Zähne und heiße Flammen glühenden Feuers Vergeltung und Strafe drohen.

Diese Malereien zogen sich ursprünglich über dem niederen schmalen Chorbogen hin. Als dieser 1462 erhöht und erweitert wurde und dabei die Bilder des hl. Johannes und des hl. Petrus empfindliche Beschädigungen erlitten, nahm der Meister, der in dieser Zeit den Chor ausmalte, (in der Schrägung des neuen Bogens) eine vorläufige, primitive Er- gänzung vor. Die Einwölbung des Lang-

hauses 1522 vernichtete abermals zwei Bilder, die beiden äußersten. Das gab Anlaß, die ganze Wand im Geschmacke der beginnenden Renaissance neu zu bemalen. Die Uneben- heiten der ersten Malereien (u. a. die er- haben gearbeiteten und in reichem Gold ge- haltenen Nimben der Apostel) wurden in roher, zerstörender Weise entfernt und die neuen Malereien unmittelbar auf die alten aufgetragen, die Bilder der Apostel kleiner angelegt, zwei weibliche Figuren eingefügt und die Auferstehung und das Gericht erhöht.

Ein Wappen im südlichen Scheidebogen, weist uns auf den kunstliebenden Freisinger Fürstbischof Philipp, Pfalzgraf bei Rhein, unter dessen Regierung (1499 1541) die letztgenannte Arbeit zur Ausführung kam-).

In das Jahr 1522 gehört auch das stimmungs- volle Bild an der Empore am Westausgang der Kirche: das Schweißtuch Veronikas (Abb. S. 240) mit auffallenden Reminiszenzen an Dürer. Die beiden Ecken an der Turmseite und an der Nordwand füllen Blumen- und Fruchtmotive.

Inzwischen haben im Chor der Kirche Hammer und Spachtel schon wieder neue Felder mit reichen Malereien aus den Jahre 1462

^) Die Grafschaft Werdenfels mit dem Hauptort Gar- misch war bekanntlich ein Freisingisches Besitztum.

240

CARL lOHANN BECKER-GUNDAHL ^^

angebrochen. Mögen immerhin noch einige Jahre verrinnen, bis die Mittel flüssig sind, daß auch diese Auferstehung feiern dürfen, schon heute fühlt sich jeder Besucher zu höhrer Andacht <jezwungen und der reiche

Schatz, den er schaut und die Weihe, die hier zu ihm spricht, läßt ihn die Glaubens- innigkeit jener Zeit ahnen und ihren tiefen Sinn für das Heilandswort: »Mein Haus ist ein Bethaus« (Luc. 19, ^6).

CARL JOHANN BECKER-GUNDAHL

Zum 60. Geburtstag

/^arl Job. Becker Guiidalil trat am 4 April in das öo.Lebens- , jähr als aufrechter, den einmal beschrittenen Weg nicht verlassender Künstler, dessen Schaffen trotz ver- schiedenartiger Widerstände als Gemeingut der Kunst- geschichte die Jetztzeit überleben wird. Becker Gundahls Kunst fand an dieser Stelle, im Maiheft des 2. Jahrgangs (1905), genauere Würdigung. Die Winterausstellung 1905/06 der Secession, von der weg der bayerische Staat für die Neue Pinakolliek das »Elternglück« erwarb, lenkte dann besonders die Aufmerksamkeit auf den Künstler. Seitdem sind 10 Jahre verflossen, die der inneren und äußeren Kämpfe nicht entbehrten.

Becker Gundahl hat sich gefunden, eine gesunde Kunst erstand wieder, die auf eigene Weise das in der Natur Geschaute malerisch übersetzt. Es geht in diesem Sinne z. Zt. das Hochaltarbild Die Taufe Christi im Jordan für die Sollner Pfarrkirche der \'ol!endung entgegen. Damit endigt eine Periode im Künstlerschaflen, wrr können sie die zweite nennen, die abgelöst werden soll von einer dritten, die für das nächste Jahrzehnt viel ver- spricht.

Überschauen wir die seit der genannten VerötTent- lichung erschienenen Werke. Nachdem die Bemalung des Pavillons im Stadt. Ausstellungspark (Monatsbilder) Gelegenheit zur Übung im Umgehen mit nassem Kalk geboten hatte, erwuchs auf Grund der Sammel.iusstellung von 1905/06 in den beiden folgenden Jaliren mit den in Anordnung und .-Ausführung gleich eigenartigen Bildern »Kommunion der Apostel« und »Hochzeit zu Kana« in dem Querschifle der neuen St. Annakirche in München erstmals die Aufgabe, sich mit der eigent- lichen Freskomalerei abzufinden. BeckerGundahl müßte nicht der Künstler sein, der er ist, wenn er nicht diese Technik, in der sich die besten Meister der Zeiten

und Länder versuchten, liebgewonnen hätte. Zu ihrer Bewältigung gab 1909 der durch eine Konkurrenz er- rungene Aultrag, die Apside der Feuchter Kirche bei Nürnberg auszumalen, Gelegenheit. Seitdem hat sich der Künstler in der Wandmalerei, die bei dem monu- mentalen Charakter seiner Kunst sein ureigenstes Gebiet zu werden versprach, nicht mehr betätigen können. Gleich bedauerlich ist die Ruhe des Grifitls, mit dem er in der Schwarzweißkunst gediegene Proben ablegte. Bis die Buchillustration den Weg zu den Beherrschern der Zeichnung gefunden hat, müssen wir uns mit den von Zeit zu Zeit auf den Secessionsausstellungen er- scheinenden Studien begnügen.

In den letzten Jahren schuf BeckerGundahl, der seit dem Oktober 1910 als Nachfolger seines Freundes und Gönners Rudolf Seitz dessen Fach der dekorativen Malerei an der Münchner Akademie der bildenden Künste vertritt, verscliiedene Kreuzigungen. Eine, deren Abbil- dung im Mittelstück unsere Zeitschrift brachte (V. Jg., S. 330), wurde auf Aufforderung hin für die Große Deutsche Ausstellung in Stuttgart erweitert. Sie schmückt heute die dortige Staatsgalei'ie. Eine zweite Kreuzigung, von der die Kupferstichsammlung mehrere Studien erwarb, liängt zum größten Teil fertig im Atelier. Sie führt über zu der mit dem vollendeten Lebensabschnitt einsetzenden neuen Arbeitsperiode, die der Künstler seihst charakterisierte mit den Worten: »Von der Natur ausgehend, in engerer Anlehnung an sie zu ihr zurück.« Als Künstler, dem sich die Ausübung der christlichen Malerei als Ausfluß des Heizensbedürfnisses ergibt, dür- fen wir der Kreuzigung, auf der sich der Meister mit seiner Familie in der Ait alter Votivbilder darstellt, mit Spannung entgegensehen.

\V. Zils-München

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VERONIKABILD Trxi S. 239

ANTON PRUSKA

KRUZIFIXUS

Hauskapelle der Villa des Professors Wilhelm von Miller in Murnau. Text S. 256

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AXION" PRLSKA

DIE PARADIESESSTROME

Bfkro

nitng des Brunnfii^ z

0, dir St. Ann

ikirchi

n München

Text S. 24g. -

- Vgl. IX. Jg.

S.247

ANTON PRUSKA

Zu seinem 70. Geburtstage

Von GUSTAV LEVERIXG

(Mit 38 Abbildungen)

AUS dem bedauerlichen Tiefstand, in den die Münchener Kunst nach der Hochblüte unter König Ludwig I. um die Mitte des letzten Jahrhunderts gesunken war, erhob sie sich und in ihrem Gefolge die gesamte deutsche Kunst in den siebziger Jahren unter dem alles belebenden Einfluß des eben glorreich beendeten Deutsch-Französischen Krieges, zu neuem, raschem und mächtigem Aufschwung, dessen Kurve seitdem, wenn auch unter man- cherlei Schwankungen, eine unverkennbar auf- steigende Richtung innegehalten hat.

Die Künstler, welche diesen rettenden Um- schwung unter der Führung des Bildhauer- Architekten Lorenz Gedon, des genialen Por- trätisten Franz von Lenbach, des Erzgießers Ferdinand von Miller und des erfindungs-

reichen Malers und Zeichners Franz von Seitz mit zielbewußter Energie einleiteten, fanden sich bezeichnenderweise auf dem Boden des Kunstgewerbes zusammen. Der Münchener Kunstgewerbeverein, der, schon in den fünf- ziger Jahren gegründet, bis dahin nur kümmer- lich vegetiert hatte, wurde der fruchtbare Boden, aus dem diese Neubelebung der Mün- chener Kunst und zugleich des Kunstgewerbes hervorsproßte. Bildete so dieser Verein ge- wissermaßen die Werkstätte, in der sich diese aufstrebende Künstlergruppe zu realer Betäti- gung ihrer idealen Ziele vereinigte, so war der seitdem weithin berühmt gewordene Künstler- klub »Allotria« das Feld, auf dem, unter der Pflege einer edlen Geselligkeit, in geistvollen, oft von sprudelndem Humor gewürzten Ge-

nie christliche Ku

242

ANTON PRUSKA

ANTON PRUSKA

An der Wand des südliche

Teiles des Querschiffes in St. Ann

MARIA VERKÜNDIGUNG (München). Text S. !S4

sprächen, ein lebendiger Austausch über künst- lerische Fragen und Ideen stattfand, derüberaus fördernd und befruchtend auf die Entwick- lung der neuen Kunstrichtung einwirkte. Den Bestrebungen der Urheber dieser Bewegung schlössen sich bald eine große Zahl jüngerer Kräfte an, wie der spätere Altmeister echt bave- risch-deutscher Baukunst, Gabriel von Seidl, der geniale und vielseitige Maler Rudolf von Seitz, der jüngere Ferdinand von Miller, Fritz August von Kaulbach, Baumeister Romeis und viele andere; sie setzten das von den älteren Meistern begonnene Werk mit jugend- lichem Mut, unermüdlicher Tatkraft, zäher Ausdauer und glücklichstem Erfolg fort. Den ersten sichtbaren Markstein der neuen Ära bildete die große Münchener Kunstge- werbeausstellung des Jahres 1876; sie war gewissermaßen der Auftakt zu dem glänzen- den Siegeslauf, den die Münchener Kunst und das Münchener Kunstgewerbe von da an genommen hat.

Unter den Künstlern dieses Kreises befand sich ein junger Bildhauer, Anton Pruska, der sich mit Feuereifer der neuen Bewegung an- schloß und sein ganzes Streben, seine Kraft

und sein Können einsetzte, um an der Lösung der großen Aufgabe mitzuwirken, und ihm gebührt unzweifelhaft ein bedeutender Anteil daran, daß das Ziel so ruhmvoll erreicht wurde.

Pruska ist, wie so mancher unserer be- deutenden Künstler, aus einfachsten ländlichen Verhältnissen hervorgegangen. Er wurde am I.Juni 1846 in dem kleinen deutsch-böhmi- schen Ortchen Goldbrunn geboren, als der Sohn des Pächters des dortigen, im Besitz des Kaisers von Österreich befindlichen Mineralbades. Schon früh zeigte der Knabe einen unbezwinglichen Drang und ein un- verkennbares Geschick, aus Holz oder Ton allerlei Figuren zu schnitzen und zu formen. Ein regelmäßig nach Goldbrunn wiederkeh- render Badegast, der K. u. K. Oberstlandes- gerichtspräsident, Freiherr von Hennet, be- obachtete das Treiben des aufgeweckten Knaben, faßte Interesse für ihn und veran- laßte den Vater, seinen Sohn in eine Gold- schmiedewcrkstätte zu geben, um zu erproben, ob das gezeigte Talent sich als echt bewähre. So kam der 1 2 jährige Anton nach Karlsbad in die Werkstätte des eines gewissen Rufes

ANTON PRUSKA

243

ANTON PRÜSKA

An der Wand des südliche

Teiles des Querschiffei

CHRISTI GEBURT in St. Amia (München). Text S. ij4

als geschickter Goldschmied genießenden Meisters Barton; in seiner Werkstatt wurden alle Arten feinerer Metallarbeiten von dem einfachsten Kettchen bis zu kunstvoll gear- beiteten, meist kirchlichen Geräten und Figuren verfertigt. Hier übte der junge Pruska sich fleißig im Schnitzen kleinerer figürlicher Gegen- stände; zugleich beobachtete er, so jung er noch war, das ganze kunstgewerbliche Han- tieren des vielseitigen Betriebes mit ofli"enen Augen. Er lernte den Nutzen einer tüchtigen handwerksmäßigen Schulung kennen, die schließlich doch die unentbehrliche Grund- lage alles künstlerischen Schaff"ens bildet, die Bedeutung des Materials für die Eigenart eines Kunstwerks würdigen und den Wert einer exakten Ausführung schätzen. Wenn Pruska in seinem späteren künstlerischen Schaffen eine ausgesprochene Vorliebe für kunstgewerbliche Arbeiten behielt und schließ- lich auf diesem Gebiet eine so außerordent- lich ersprießhche Lehrtätigkeit entfaltete, so mag dies nicht zum wenigsten auf die Er- fahrungen während seines Aufenthaltes in der schlichten Goldschmiedewerkstätte zurück- zuführen sein. Seinem Drang nach Höherem

konnten indessen die immerhin primitiven Verhältnisse hier auf die Dauer nicht genügen. So nahm er denn den Vorschlag seines Gönners, des Freiherrn von Hennet, der ihm zeitlebens in väterlicher Freundschaft zugetan blieb, in das Atelier des renommierten Bild- hauers Emanuel von Max in Prag als Lehr- ling einzutreten, dankbar an. Dieser tüchtige Meister übrigens ein Onkel unseres Ga- briel von Max der sich des Rufes eines der bedeutendsten zeitgenössischen böhmi- schen Künstler erfreute, und der u. a. der Schöpfer der berühmten Gruppe der beiden Heiligen Kyrill und Methodus in der Tein- kirche zu Prag ist, führte Pruska in die Grund- elemente der Bildhauerkunst ein; auch hier wurde vor allem das Handwerksmäßige betont; er lernte modellieren und die Bearbeitung des Steins mit Meißel und Hammer gründ- lich kennen. Auch bildete sich sein Auge für harmonische Verhältnisse und für die Gruppierung der Massen an dem gegebenen Material; doch blieb die Ausbildung insofern etwas einseitig und lückenhaft, als verschie- dene Zweige der Bildhauerkunst fast gar nicht gepflegt wurden, z. B. die Ornamentik,

244

^ ANTON PRUSKA eas

AXTON PRUSKA

A'i der Wand des nördlichen Teiles des Querschiffei

DIE HEILIGEN BARBARA UKD KATHARINA St. Anna (München). Text S. IS 4

die bei den damals herrschenden Anschau- ungen vernachlässigt, ja verächtlich behandelt wurde. Desto eifriger gab sich der angehende Kunstjünger auf der Prager Akademie dem Studium der Antike hin und hier war es auch, wo er durch unablässig fleißiges Zeich- nen nach dem lebenden Modell den Grund legte zu seinereminenten Kenntnisdes mensch- lichen Körpers, die seine späteren Arbeiten so hervorragend auszeichnet.

In dem Herzen des ideal angelegten Jüng- lings lebte jedoch eine stille Sehnsucht nach der als Eldorado gepriesenen Kunststadt München und ihrer Akademie, deren Ruf schon damals

in alle Welt gedrungen war. Sobald er durch exemplarische Sparsamkeit die ihm erforder- lich scheinenden Mittel zusammengebracht hatte, wanderte er im Jahre 1868 wohlgemut und erwartungsvoll über den Bayerischen Wald nach dem schönen Isarathen. Nach Ablegung einer strengen Prüfung, die er mit Auszeich- nung bestand, wurde er auf der Akademie willkommen geheißen und in das Atelier des Professors Max Wiedenmann, eines ehemaligen Schwanthaler-Schülers, aufgenommen. Hier machte er eine streng systematische Schulung durch. Auf der Münchener Kunstakademie herrschte damals ein gewisser Doktrinarismus,

245

HAUPTPORTAL DER NEUEN ST. ANNAKIRCHE IN MÜNCHEN

MIT DEN TYMPANON- UND KAPITÄLSKULPTUREN

VON ANTON PRUSKA

V^l. die AU: S. 246 n,td 247. - Text S. 24q

246

ANTON PRUSKA

ANTON I'RUSUA

DIE SELIGEN (191;) Rtchten Christi. Muschelkalk. kgl. S. 243

der einer freien Entfaltung künstlerischer Ideen und persönlicher Eigenart nicht allzu günstig war. Man hielt sich streng an die Werke der antiken Kunst und war noch stark in den Traditionen des Klassizismus befangen, dessen Meister, besonders Schwanthaler, als unerreichbare Vorbilder gepriesen wurden. Demgegenüber mußte dem aufstrebenden Kunstjünger das frisch pulsierende Leben, das sich gerade damals in dem Kreise der Künstler des Kunstgewerbevereins zu regen begann, besonders reizvoll erscheinen und ihm weit mehr Förderung seiner künstleri- schen Ziele versprechen als der etwas pedan- tische Lehrgang der Akademie. So lockerten sich, obwohl Pruska stets eine unbegrenzte Verehrung für seine Lehrer an dieser Hoch- schule und besonders für den ihm väterlich wohlgesinnten Altmeister Moritz von Schwind bewahrte, allmählich seine Beziehungen zu der Akademie und als nun seine Ersparnisse zu Ende gingen und er gezwungen war, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, da wandte er sich entschlossen praktischen Arbeiten zu. Er trat in das Atelier des Professors Johann Hirth ein, wo er reichlich Gelegenheit hatte, sich in den verschiedensten Zweigen und Tech- niken der bildenden Kunst und des Kunst- gewerbes auszubilden und sich an dem ver- schiedenartigsten Material zu üben. Hirth war damals stark mit Arbeiten figürlicher und ornamentaler Natur für die Schloßbauten König Ludwigs IL, namentlich fürden »Linder- hof« beschäftigt und Pruska hat an einem großen Teil dieser prunkvollen dekorativen Ausstattungskunst mitgearbeitet.

Eine entscheidende Wendung in dem künst- lerischen Werden Anton Pruskas brachte das

Jahr 1873. Lorenz Gedon, der geniale Führer der neuen Kunstrichtung, hatte den jungen Künstler schon längere Zeit beobachtet und ihn auch wegen seiner liebenswürdigen per- sönlichen Eigenschaften schätzen gelernt. Er ersuchte Pruska, in sein Bildhaueratelier ein- zutreten und dieser fand sich mit Freuden dazu bereit. Gedon war damals mit der Aus- führung des Baues der Schackgalerie beschäf- tigt, jener Schöpfung, die mit einem Schlag einen vollständigen Umschwung in der Mün- chener Architektur hervorrief, eines Renais- sancebaues, nicht nach der hergebrachten italienischen Schablone, sondern mit neuem Leben von echt deutschem Charakter erfüllt. Man hat später, als sich diese neue Bauart eingebürgert hatte, nichts Außerordentliches mehr an diesem Bau gefunden ; ja man hat ihn in der Folge, wohl nicht ganz mit Un- recht, hauptsächlich wegen seiner unruhigen Silhouette, stark kritisiert; damals aber be- deutete er eine befreiende Tat, die der Ode der Bauten jener Zeit ein rasches Ende be- reitete und die in ihren Folgen von epoche- machender Bedeutung war. Der Bau erfor- derte an der Außenseite und im Innern reichen plastischen Schmuck. Gedon übertrug einen Teil sowohl der figürlichen als der ornamen- talen Arbeiten an Pruska, der es ausgezeichnet verstand, sich in die Ideen und Gedanken des Meisters einzuleben und ihnen, unter Waiirung seiner persönlichen Eigenart, tref- fenden Ausdruck zu geben. So ist Pruska einer der verdienstvollsten Mitarbeiter an die- sem originellen Bau geworden. Auch an den späteren Bauten Gedons, die sich immer mehr vervollkommneten, hat l^ruska, ebenso wie an seinen rein bildhauerischen Arbeiten, den

e^«:! ANTON PRUSKA ^S

247

ANTON PRUSKA

Fries am Hauplporlal von i/. A'in.i

Dil; \i:kijamm'ii;x (1913)

zur Linken Christi. Muschelkalk. Vgl. S. ^4S

tätigsten Anteil genommen. Die große Viel- seitigkeit, die Pruska, besonders auf kunst- gewerblichem Gebiet, auszeichnet und die ihn für seine spätere Lehrtätigkeit an der Kunst- gewerbeschule so hervorragend geeignet er- scheinen ließ, hat er sich im wesentlichen in Gedons Atelier erworben.

So war Pruska durch sei- nen Eintritt in dieses Atelier mit einemmal mitten in die neue Kunstströmung hinein- gezogen; denn Gedons Ate- lier bildete den Mittelpunkt für Münchens neues künst- lerisches Leben. Hier trafen sich die führenden Meister; hier wurden alle Fragen über Kunstprobleme auf das leb- hafteste erörtert, neue Pläne geschmiedet und große Ent- würfe ausgearbeitet. Man kann sich denken, welchen Eindruck dieser geistige Aus- tausch auf den jungen Künst- ler machte und welch tiefe Wirkung er auf seine ganze Auffassung der Kunst aus- übte. Hier hat er alle Phasen der stürmischen Entwicklung Kunst mitgemacht und mitgekämpft. So reifte Pruska in dem Atelier Gedons zum fertigen, in sich abgeschlossenen und sich seiner Kraft und Eigenart bewußt gewordenen Meister heran. Zehn Jahre lang, bis zum Tode Ge- dons (1883), blieb er des verehrten Meisters treuester Mitarbeiter. So innig und freund- schaftlich hatte sich das Verhältnis zwischen

. PRUSKA, DER SEELEN WAGER, 19

In der Mitte zivischen obigen Gruppen

Vgl. S. 24S

der Münchener

beiden gestaltet, daß Pruska sich berufen fühlte, nach dem Hingang des Meisters dessen unfertig hinterlassene Werke im Sinne des Verblichenen pietätvoll zu vollenden.

Dann machte sich Pruska selbständig; er gründete ein eigenes Atelier und entfaltete eine ausge- breitete rastlose Tätigkeit, hauptsächlich auf dem Ge- biete des Kunstgewerbes. Mit Vorliebe machte er Entwürfe zu Metallarbeiten, die ihn wieder seinen ersten künst- lerischen Versuchen in der Goldschmiedewerkstätte nä- her brachten. Seine Modelle in Beleuchtungskörpern, die meist in der schon damals Weltruf genießenden Bronze- warenfabrik von L. A. Rie- dinger in Augsburg ausge- führt wurden, machten auf mehreren Ausstellungen, auch in München, berechtig- tes Aufsehen und trugen ihm staatliche Auszeichnungen ein. In diese Zeit fällt die Ausführung der prachtvollen Bismarck-Adresse der Stadt München, die Pruska nach einem Entwurf des ihm nahe befreundeten Professors Ru- dolf von Seitz anfertigte und die die leb- hafte Anerkennung des Eisernen Kanzlers fand. Nebenher aber gingen immer größere archi- tekturplastische Arbeiten. So schuf er für das von Professor Romeis erbaute Liebig-Palais in Frankfurt a. M. mehrere dekorative Plastiken, inbesondere einen reizenden Kaminaufsatz, an

24S

ANTON PRUSKA HERZ JESU

Am Christiisallar in St. Anna zu München. Ttxt S- 2S4

ANTON PRUSKA MADONNA AUF DEM THRONE

Hauptfigur des Marienaltares in der St. Annakirche zu IVlünchen. Text S. 254

^a ANTON PRUSKA ©aa

249

dem auch Pruskas humoristische Ader zur Geltung gehängte (Abb. S. 261).

Im Jahre 1892 erhielt Pruska ein höchst ehrenvolles Anerbieten. Geheimrat Wallot, der für die Durchführung des riesenhaften Baus des Reichstagsgebäudes kongeniale künst- lerische Mitarbeiter brauchte und der den Münchener Künstler Anton Pruska, dessen Ruf schon über die Grenzen Bayerns hinaus gedrun- gen war, hochschätzte, bot ihm an, einen größeren Teil des plastischen Schmucks des R.eichstagsgebäudes auszuführen. Pruska hätte sich auf wenigstens drei Jahre verpflichten und seinen Wohnsitz nach Berlin verlegen müssen. So verlockend und auszeichnend dieser Vorschlag für unseren Meister war, so konnte er sich doch nicht entschließen, München, seine ihm teuer gewordene zweite Heimat, zu verlassen und sich aus dem Kreise seiner Genossen und Freunde und von den Arbeiten loszulösen, mit denen er damals geradezu überhäuft war und die ihm ihrer Natur nach S3mipathischer sein mochten, als die Aufgaben für das Reichstagsgebäude; trotz- dem hat Pruska für diesen Bau eine Reihe dekorativer Arbeiten geliefert: die plastische Ausstattung des stimmungsvollen kleinen Restaurationssaales z. B. ist ausschließlich von seiner Hand.

In Gedons Atelier hatte Pruska den fast gleichalterigen Baumeister Gab rielSeidl kennen gelernt. Beide Männer, von gleichem Streben erfüllt und denselben künstlerischen Ideen huldigend, fanden sich rasch. Seidl, der sich auf der Kunstgewerbeausstellung von 1876 mit seinem »altdeutschen Zimmer« die ersten Sporen verdient hatte und der inzwischen durch seine epochemachenden Bauten schon ein berühmter Architekt geworden war, erkannte in Pruska die Persönlichkeit, welche geeignet war, seinen architektonischen Schöp- fungen durch die Plastik die letzte Weihe und Vollendung zu geben. Der neue, von Seidl ins Leben gerufene Baustil, der die deutsche Renaissance und besonders das baye- rische Barock wieder zu Ehren brachte, er- forderte reichlichen plastischen, sowohl figür- lichen als ornamentalen Schmuck und zu keiner Zeit waren vielleicht Architektur und Plastik so sehr zu gemeinschaftlichem Zu- sammenarbeiten aufeinander angewiesen, wie in den beiden letzten Dezennien des vergan- genen Jahrhunderts. Das erste große Bauwerk, für das Seidl Anton Pruska zur Mitarbeit ge- wann, war die romanische St. Annakirche in München. Für Pruska war dieser Stil bisher ziemlich fremd gewesen und es erforderte ein intensives Studium, um sich in seinen

A\ ILIX l'KL'M^A

ll-'ü A/il: S. i44

Formen einzuleben und sie zugleich mit dem Geist der neuen Zeit zu erfüllen. Wie glück- lich dies Pruska gelungen ist, beweist die vollendete Harmonie, zu der sich seine pla- stischen Schöpfungen mit der Architektur des Baues vereinigen. Wie hebt z. B. das Tym- panon über dem Hauptportal mit Christus als Weltenrichter und der sich unter ihm hinziehende Fries des Jüngsten Gerichts den Eindruck der machtvollen Fassade, wie stim- mungsvoll fügt sich der Brunnen vor der Westseite mit den symbolischen Gestalten der vier Flüsse des Paradieses dem Ganzen ein! Auch die figürliche und ornamentale

Die christliche Kui

250

A. PRUSKA, HL. AUGUSTIN

A. l'KUSKA, HL. ÜRLGUR ü. GR. St. Annakirche in München

251

A. i'KL^KA, IIL. BASILIUS

A. PRUSKA, HL. GREGOR V. N. St, Annakirche In MUmhen

232

A. PRUSKA, HL. HIERONVMUS

A. PRUSKA, HL. A.MBROSllS Si. Annakirche in München

253

A. PRUMvA, IIL. i. ^.i^Kl^o^,lO.\IL;s

A. PRUSKA, HI . ATHAXAMLS Sl. Antiakirche in München

2S4

<srM ANTON l'KUSKA G;.M

V, fKV\l\\, H\VA>-A N

VN l'tK «Kl. NNMK VV.t

Ausstattung ck-s linu-in wiinU- l'iiislwi last {;anz übertr.if.fii. I'r ist ilcr SclmplLT der Plastiken des lloclialtars, des Ciliristusaltars, lies ergreifenden Kriizilixns über dem Joscphs- ;iliai inul der sicr lieiligenliguren, welche du- W'.uui d.iiiilHi in M) meisterhafter Weise j'Jii'ilern; ebenso siiul die griißen Medaillons der aeht Kirchenväter an den Wanden des Mitielschilfs von seiner Hand. Das Meister- werk l'rnskas in diesem (icnteshaus ist jedoch A\c ihroneiule Madonna mit dem Kinde am Maiunaltai, die ims in ihrer ernsten I.ieb- hvhkcii nni andachtsvoller lihrfiircht erfüllt (Abb S .'ji bis .'>;; und 2. Sonderbeilage)'). \\ iini uns m ilem luu bgewi'ijbten Innern dei St. Annakirche eine weihevolle Stimmung ergreilt, so beiiiht dies nicht zinii wenigsten anl dei\ von tiefer Religiosität erfidlten Ge- stalten l'rnskas. Noch heute ist dieser Meister nut l'ri>iekten fiU' die weitere plastische Atis- gestalinng des Innern dieser Kirche beschäftigt; so plant er die Ausschntückung der Nische des Josephsaltars mit den Statuen von acht l'ri>nhetcn, die sich zwischen einer jonisclien Sänlcnstelhmg gruppieren sollen,

Puich seine .\rbeiten an der St. Annakirche kam Tiiiska in nähere Hei-iehungen lu der kirchlichen Kin»st, die von ihm wahrend der gaui^en Dauer seines künstlerischen SchatVens mit Liebe imd Hingebung gepflegt wurde. AulJtT i-ahlreichen kleinplastischeu Arbeiten in ver- schiedenstem Material, wie Kruzifixen, Heili- genfiguren, vitualen Geräten usw. in der kunst- gewerblichen Art, .scluif er in einer stattlichen Reihe itevier oder in der WiederherslcUung be- grirtVuer Kirchen grC^liere selbstätxdige Kunst- werke, Hierbei kau» ihn\ .seine intime Kcnnt- ni.s der früheren Stilavten trertlich zustatten; sie helähigte ihn, Kirchen der verschiedensten Haufinn\en mit der ihrem architektoinischen (Charakter entsprechenden Plastik ausaustatten, li\ München hat JVuska außer der St. Anna- kirche noch mehrere Gotteshäuser, entweder an der AuL'enseite oder im Innern, mit onu- mentalem und tigürlichetu Schtuuck versehen. Uer l'assade der von lVv>fessor Romeis er- batvten, ebenfalls r\>mauischen St. Hennokirche gibt iVuskas viberlebensgt\>lV Kreuzigung?;- gruppe in> Giebelfeld einen erhabenen und erhebenden Abschluß (Abb. S, 25 %). Für den Hochaltar der twj v<>n Gabriel v<>n Seidl er- bauten Rupertviskirv^he schuf IVuska die kolost- sale sitaende Statue dieses gr\>l»»eu Missionars der Havert\ ; sie ist in Oberamn^evgatt aus dem Stamm einer n\ehr als tausendiaht igen l tnde geschnitist wwden, detfu erates Wachstum

I

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256

©^ ANTON PRUSKA ®^

korinthischen Säulen flankierte Nischen. Die mittlere, breitere Nische zeigt das Reiterstand- bild des heiligen Georg, wie er den Dra- chen tötet, in außerordentlicher Lebendigkeit und Naturtreue und doch streng in dem durch die Architektur der Kirche gebotenen Stil (Abb. S. 259). Die beiden Heiligen der Seitennischen, der heilige Ludovicus und der heilige Ernestus, ergänzen das Mittelstück in der glücklichsten Weise. Für die Hauskapelle der Villa des verstorbenen Professors Wilh. von Miller in Murnau schuf Pruska einen ergrei- fenden und doch überraschend naturalistisch aufgefaßten Christus am Kreuz, der auch für den bereits erwähnten Kruzihxus über dem Josephsaltar der St. Annakirche als Modell diente (vgl. i. Sonderbeil.). Auch außerhalb Münchens verfertigte unser Meister bildne- rischen Schmuck für mehrere Gotteshäuser. So sind die in Sandstein ausgeführten fünf

Relieftafeln der gotischen Alexanderkirche in Zweibrücken, die in ergreifender Weise Szenen aus der Leidensgeschichte des Herrn darstellen, Werke seiner Hand. Auch die Kirche in Schweinfurt erhielt durch Pruskas Statuen von fünf Patriarchen eine hervorragende Berei- cherung.

Nahe verwandt und fast ebenso reich wie seine Leistungen in der kirchlichen Kunst ist Pruskas Tätigkeit auf dem Gebiete der Grabmalkunst. Hier verstand es der Meister stets vortrefflich, das Kunstwerk in Form und Material der Stimmung der Umgebung auf das glücklichste anzupassen. Unter den zahlreichen Grabmonumenten Pruskas ist in erster Linie die Madonna mit dem Kind an dem von Gabriel von Seidl erbauten Familien- grab des Großgärtners Buchner auf dem Süd- lichen Friedhof in München zu nennen. Die in der Erzgießerei von Miller gegossene, über-

ANTON PRUSKA

iMAlUA UKD lOHAXN'ES UN'TKR DEM KREUZ

^ ANTON PRUSKA ^

257

ANTON PRUSKA

TonmodeU :

der St. Bennokirclie

Vgl. Aii. S. 2JJ ,md !J6.

KRUZIFIXUS tt S. 254

lebensgroße Bronzefigur der Gottesmutter im Strahlenkranz auf der Mondsichel, steht auf einer von einem reich geschmückten Kapitell gekrönten Säule in ernster Hoheit, das ganze Monument überragend. Der überaus lieb- liche und doch tiefernste Gesichtsausdruck der Himmelskönigin wirkt zugleich tröstlich und erhebend. Bemerkenswert ist auch die Wappentafel in Bronze, von Pruska nach

einem Entwurf von Professor Hupp model- liert, für das ebenfalls von Gabriel von Seidl erbaute Grabmal des Freiherrn von Hörn im Nördlichen Friedhof. Eines der eindrucksvoll- sten Werke Pruskas ist die Pieta an dem Grab- mal für die Eltern Professor Theodor Fischers in Schweinfurt. In den engen Raum einer nie- drigen, langgestreckten Nische, die von einer von Professor Fischer selbst entworfenen Um-

Dle christlich.; Kunst. XII.

258

^ ANTON PRUSKA ©^

AXTON PRUSKA

ZWEI PROPHETEX (HOLZ, 1909)

rahmung aus gotischem Maßwerk umschlos- sen wird, ist die Gruppe der von zwei knienden Engeln am Kopf- und Fußende gehaltene, liegende, in vorzüglicher Anatomie ausgeführte Leichnam des Herrn und die hinter ihm kniende, in Schmerz aufgelöste Gottesmutter mit größter Meisterschaft hineinkomponiert. Ein überaus stimmungs- volles, wie ein Genrebild anmutendes Relief ist die Halbfigur der Madonna mit dem Kinde an einem Grabmonument imMünchenerWald- friedhof

Kehren wir zur profanen Kunst zurück, so stoßen wir zunächst wieder auf ein Bauwerk Gabriel von Seidls, zu dessen monumentaler Wirkung die Mitarbeit Pruskas wesentlich beiträgt: das Künstlerhaus in München. An

der dem Lenbachplatz zugekehrten Front des Hauptbaues sind drei von Pruska entworfene, in Ton gebrannte, mächtige Kartuschen an- gebracht: das in eine, feinste Übereinstim- mung mit der Barockarchitektur des Hauses zeigende Umrahmung eingesetzte, von vier Putten gehaltene, große Künstlerwappen und zwei, die Musik und die frohe Geselligkeit symbolisierende, reich umrahmte Schilder. In dem großen Saal, diesem schönsten Fest- saal Münchens, hat Pruska mehrere der die Decke und die Balustrade tragenden Karya- tiden, sowie die Plastik der monumentalen Uhr modelliert.

Der Höhepunkt des gemeinsamen künst- lerischen Schaffens der beiden kongenialen Meister ist an dem Neubau des National-

^^ ANTON PRUSKA ^;^

259

AXION TKUSKA

Anttelteil ,

Seitenaltars eier lilargaretJtejtkircke .

HL. GEORG (MODELL) ','Sendling. Text S. 2j6

museums erreicht worden, der um die Wende des 19. Jahrhunders vollendet wurde. Hier ergänzen sich Architektur und Plastik zu voll- endeter Harmonie. Der Architekt, vor dessen geistigem Auge das fertige Bild eines Baues steht, wird in seinen Entwürfen auch in all- gemeinen Grundzügen die plastischen Werke festlegen, die er zur harmonischen Gestaltung des Bauwerkes für notwendig erachtet. Die schwierige Kunst des Architekturplasti- kers besteht darin, sich auf das intimste in

die Absichten des Baumeisters einzufühlen und doch seine eigene Art kräftig zu be- wahren. Diese versteht Pruska in geradezu vorbildlicher Weise. Niemals wirkt seine Plastik störend; im Gegenteil: sie hebt stets den Gesamteindruck des Ganzen; und doch sind seine Schöpfungen selbständige Kunst- werke, die in ihrer derben und doch gra- ziösen, von echt deutschem Geist durchdrun- genen Eigenart, den freischaffenden Meister bekunden. Betrachten wir in diesem Sinne

26o

^ ANTON PRUSKA

"~ 'TTiiiiianiwhiiiriiiiiiiiiririiiMinnniiiiiiTMirriMnimfi

ANTON PRUSKA

DIE HEll.lGhN WENDELIN UND LtOXllAKD (TERKAKÜ ITA) P/eiUrrt'lief für ein Okono))iiegebdude des Schlosses Klingeiiberg

die Fassade des Mittelbaues des National- museums'), der die überragende Dominante des ganzen Bauwerks bildet, so wird man gestehen müssen, daß gerade hier die Plastik die unentbehrliche Ergänzung der Architektur ist und ihr erst zur vollen Wirkung verhilft. Nennt man die beiden Hauptschöpfer des Nationalmuseums, Gabriel von Seidl und Rudolf von Seitz, so darf der Name Anton Pruskas, als des Dritten im Bunde, nicht ver- gessen werden.

Noch an vielen anderen monumentalen und Privatbauten Gabriel von Seidls hat Pruska mitgearbeitet; in allerneuesterZeit hat er für den Rathausbau in Bremen(Abb. S. 263),

dessen Vollendung Seidl nicht mehr erle- ben durfte, zahlreiche ornamentale und figür- liche Arbeiten geliefert. Auch für andere, ja man darf sagen, für die mei- sten der großen Bau- meister Münchens, hat Pruska an ihren bedeu- tendsten Bauten mitge- arbeitet: Für Professor Romeis, mit dem er eng befreundet war, schuf er u. a. ein gro- ßes Relief am Liebig- Haus in Frankfurt a. M. ;

') Abb. im IX. Jahrg., S. 268, z. T. auch im I. Jahrg.

für Professor Emanuel von Seidl mehrere ornamentale Plastiken an dem Hohenzollern- schloß bei Hechingen in Sigmaringen; für Pro- fessor Friedrich von Thiersch, neben vielem anderen, interessante Masken als Schlußsteine an den Fensterumrahmungen des Ergänzungs- baues der Technischen Hochschule; für Pro- fessor Hocheder am Neubau des Verkehrs- ministeriums die beiden reizenden Früchte- träger über dem Hauptportal an der Mars- straße (Abb. S. 262). Besondere Erwähnung verdient noch Pruskas Mitarbeit an den Schloß- bauten des Architekten Max Ostenrieder; z. B. an dem grandio- sen Schloß Hohen- aschau des Freiherrn von Cramer-Klett und vor allem an dem Neu- bau des Großherzog- lichen Schlosses Col- mar-Berg in Luxem- burg; an letzterem ist ein großer Teil der Außenplastik und der Innenausstattung der prachtvollen Säle von Pruskas Hand, u. a. die reichstukkierte Decke des Empfangssaales, de- ren Mittelstück eine freie Nachbildung des Reichssiegcls Kaiser Adolfs von Nassau dar- stellt. Eine der rei- zendsten Arbeiten Prus- kas ist die Madonna

I'FEII.ERSCH.MUCK

ANTON PRUSKA ®^

261

ANTON PRUSKA

nrelie/ im Liebigpaln

nk/urt a. M. Text S. 24g

KINDERFRIES

mit dem Kinde in der Krone eines stilisierten Apfelbaumes, der den Eckpfeiler eines Privat- hauses in der Brunnstraße in München bildet (Abb. S. 254). Der Mittelbau des von Ober- baurat von Mellinger erbauten Armeemuseums hat durch die vier mächtigen, von Pruska mo- dellierten Waffentrophäen der Attika einen imposanten Abschluß erhalten. Die Liste der architektur- und der freiplastischen Werke Pruskas ließe sich leicht noch verlängern.

Mit dieser, fast die Leistungsfähigkeit eines Menschenlebens übersteigenden Tätigkeit ist das Wirken Anton Pruskas keineswegs er- schöpft. Eine der verdienstvollsten Seiten seines Lebenswerks ist seine, von außerordent- lichem Erfolg begleitete, fast 20 Jahre währende Lehrtätigkeit an der K. Kunstgewerbeschuie in München. So ungern der vielbeschäftigte Meister seine freie Künstlertätigkeit aufgab, so entschloß er sich doch nach längerem Zögern, dem Drängen seines Freundes Romeis, der selbst als Lehrer an dieser Anstalt wirkte, und der das ungewöhnliche Lehrtalent Pruskas erkannt hatte, nachzugeben und den ihm an- gebotenen Lehrstuhl anzunehmen. Im Jahre 1895 wurde Anton Pruska zum Professor an der K. Kunstgewerbeschule ernannt und ihm die »Abteilung der dekorativen Plastik« über- tragen. Die außerordentliche Vielseitigkeit und die Beherrschung der verschiedenartig- sten Techniken, die sich Pruska im Laufe der Jahre auf kunstgewerblichem Gebiet er- worben, bildeten jetzt einen kostbaren Schatz für seinen Lehrberuf In seiner Klasse, die stets stark frequentiert war, wurde in Ton modelliert, in Holz geschnitzt, in Stein ge-

meißelt und die verschiedensten Arten der Metallbearbeitung gelehrt. Pruska verstand es vorzüglich, die verschiedenen Techniken klar und deutlich zu demonstrieren und vor den Augen des Schülers selbst auszuführen, was ihm eine entschiedene Autorität ver- schaffte. Vor allem wußte Pruska zu indivi- dualisieren und das dem Eleven Eigenartige aus ihm herauszuholen. Bei aller Strenge erwarb er sich durch Unparteilichkeit und seine mit Wohlwollen gepaarte Liebenswür- digkeit die Liebe und Verehrung seiner Schüler. Im Laufe der Jahre ist aus seiner Schule eine große Zahl trefflicher Meister hervorgegangen, die des verehrten Lehrers dankbar gedenken ; es ließen sich leicht eine Reihe von Namen nennen, die guten Klang haben; hier sei nur erwähnt: Professor Wackerle, der ausgezeich- nete Keramiker, heute an leitender Stelle an der Kunstgewerbeschule in Berlin; Professor Seidler, heute ein gesuchter Lehrer der Bild- hauerkunst an der Akademie der Künste in München und Pruskas Lieblingsschüler, Caspar Ruppert, der bis heute sein treuester Mitar- beiter geblieben ist und der an einer Reihe trefflicher, aus Pruskas Atelier stammender Ar- beiten selbstschöpferischen Anteil hat; so ist der prachtvolle Bischofsthron, den das Dom- kapitel von Bamberg dem f Erzbischof von Schork zu seinem fünfundzwanzigjährigen Bischofsjubiläum als Ehrengabe darbrachte, und der durch seine stilvolle Gediegenheit seiner Zeit berechtigtes Aufsehen machte, auf einen Entwurf Rupperts zurückzuführen.')

') Abbildungen nach Werken Pruskas finden sich mit Erläuterungen in folgenden Jahresmappen der D.

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^ ANTON PRUSKA ©2S

ANTOX PRUSKA

I RUCHTETRAGER in MuHclun. Text S. ibo

Mit großer Befriedigung darf Professor Pruska, dem auch äußere Ehren und Aus- zeiciinungen in reichem Maße zufielen, jetzt, nachdem er von seinem Lehramt zurückge- treten ist, auf diese segensreiche Tätigkeit zurückbhcken.

Ges. f. Christi. Kunst: 1898 (Kruziri.\us) ; 1905 (Ma- ricnaltar der bt. Annakirche in München, hl. Wendelin, hl. Leonliard); 1905 (Josephsaltar in der St. Anna- kirche in München, St. Georgsrclief, Madonna, thro- nender Christus, hl. Barbara, lil. Katharina); 1909 (die Hl. Chrysostomus, Athanasius, Gregor, Verkündigung).

Aber noch kennt der Meister, der am i. Juni das 70. lahr vollendet, keine Ermüdung. Noch heute, wie vor fast einem halben Jahrhundert, steht Pruska vom frühen Morgen an, mit jugendlicher Elastizität erfindend, entwerfend und ausführend in seinem Atelier. Wünschen wir von ganzem Herzen, daß seine Schaffens- freudigkeit noch recht lange erhalten bleiben möge, zum Nutzen der bildenden Kunst und des Kunstgewerbes.

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ANTON PRÜSKA

Jüithaus in Leipzig Ttxt S. l6o

ZWEI GEWÖLBETRÄGER (1908)

ANTON PRUSKA

SAALWAPPEN

Rathaus i,t Brei. Text S. 260

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ANTON PRUSKA

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FRITZ KUNST (KÖLN'-LINDEXTHAL)

ST. BOXIFATIUSKIKCHE L'ND PFARRHOF IX HAMBURG-EIMSBÜTTFL Gesamtalllage. Text S. 266 uiirl zöS

KIRCHENBAUTEN VON FRITZ KUNST

(Hierzu die Ahblldiingen S. 265 276)

Seit den neunziger Jahren vorigen Jahrhun- derts setzte in Norddeutschland auf dem Gebiete des kathohschen und protestantischen Kirchenbaues eine rege Tätigiteit ein. Archi- tekten, darunter Kirchenbaumeister von Na- men, hatten dort Gelegenheit, ihr reiches Können zur Geltung zu bringen. Es entstan- den aber auch gerade in diesen Gegenden, wo einstmals von den Altvordern die Ziegel- steinbauweise zu höchster Blüte gebracht wurde, neben schönen Gotteshäusern Werke, die äußerlich schon durch ihre geschmack- losen grellroten oder knallgelben Ziegelstein- fassaden Kunde gaben, daß sie auch im In- nern nicht zu den besten gehörten. Derartige

Fälle sind aber zum Glück in den letzten Jahren immer seltener geworden. Neben prächtigen, in historischen Stilen gehaltenen Kirchenbauten entstanden auch moderne Werke, die in ihrer Gesamtanlage und äuße- ren Erscheinung, in Ziegel-, Sandstein- oder Putztassaden, vornehm und als sehr gelungen zu bezeichnen sind und dabei allen sonsti- gen Anforderungen entsprechen. Auch der Architekt Fritz Kunst in Köln a. Rh. trat neuestens in Norddeutschland durch drei katholische Kirchenbauten, ein Gotteshaus in Hamburg und zwei andere im westpreußi- schen Gebiete hervor, die Beachtung verdie- nen und hier gewürdigt sein sollen.

Die chrtstllchc Ku:

266

^ KIRCHENBAUTEN VON FRITZ KUNST ^^

FRITZ KL'XST (KOI.X-LINDENTHAL)

>T. BONIFATIUSKIRCHE IX HAMBURG-EIMSBUTTEL

Text S. 26b und söS

Von den drei Kirchen ist die St. Bonifatius- kirche in Hamburg (Abb. S. 265 270) die- jenige, welche besonders zur Beachtung nö- tigt. Diese Kirche, von drei Seiten einge- baut, Hegt am Weiher 29, in der Nähe schö- ner Anlagen und mit ihrer Nordseite an der Straße. Ein nach der Westseite zu projektiertes Pfarrhaus soll nächstens zur Ausführung kom- men. Dann erst wird man ein geschlossenes Bild von der Anlage erhalten. Ausgeführt ist schon eine Kapelle für die Schwestern an der Ostseite gegen den Schulhof

Die Kirche, aus einem Wettbewerb der D. Gesellschaft für christliche Kunst hervor- gegangen, ist eine dreischiffige Basilika. Die Sakristei mit darüber betindlichem Paramen- tenraum liegt an der Westseite. Auch für Zentralheizung und elektrische Beleuchtung des Kirchenraumes ist gesorgt; ebenso kann das Geläute und die Orgel durch elektrische Kraft in Betrieb gesetzt werden, eine Maß- nahme, die Beachtung verdient. Der Altar, welcher nicht recht glücklich wirkt, ist von einem anderen Künstler entworfen. Die Orgel stammt aus einem Konzertsaale und fand hier Aufstellung wie sie war; sie will sich nicht recht einfügen. Zu bemerken ist noch, daß

die Dächer in Schiefer, der Turm in Kupfer gedeckt wurden.

Der Architekt griff zu dem Ziegelbau, der dem norddeutschen Boden entspricht und im Mittelalter dortselbst zur höchsten Vollen- dung gelangte. Er versuchte diesen, nament- lich außen, mit modernen Motiven zu ver- schmelzen. Der ornamentale Schmuck, wie Maßwerke und Gewände, besteht gleichfalls aus Ziegelsteinen. Diese haben das für Mittel- und Norddeutschland übliche Reichsformat.

Die Kirche macht durch den an der Ein- gangsseite liegenden mächtigen Turm nebst dem Giebel des Kirchenschiffes und der Vor- halle mit Freitreppe einen stattlichen Ein- druck nach althergebrachter Tradition. Von Interesse ist die Ausbildung der Strukturteile im Kirchenraume (Abb. S. 270). So sind die Schichten der Mauersteine an den Bogen- stellungen und Rippenprofilen der Gewölbe usw. sichtbar zum Ausdruck gebracht, wäh- rend die Wände verputzt sind. Es ist jene innere Wandbclebung, die wir an mittelalter- lichen Kirchen Norddeutschlands, wie in Lübeck an der hl. Geist-Spitalkirche, an han- noverschen und märkischen Kirchen vorfin- den, wo an den unverputzten, stumpfroten

^ KIRCHENBAUTEN VON FRITZ KUNST es«

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FRITZ KUNST (KÖLN-LIN'DENTHAL)

ST. BOXIFATIUSKIRCHE IX HAMRURG-EIMSBUTTEL Tixt S. 2b6 und lös

gemauerten Pfeilern die Fugen in dicker weißer Tünche markiert sind und leuchtend hervortreten, während die Leibungen der Bo- genstellungen und die Ansätze der Gewölbe gemalt wurden. Diese bodenständige Aus- drucksweise hat Kunst hier wieder ins Leben gerufen.

Entgegengesetzt zu diesem mittelalterlichen Ziegelsteinbau steht die Rosenkranzkirche zu Kittel in Westpr., einer waldreichen Gegend in der Nähe von Konitz (Abb. S. 274 276). Hier hat der Architekt den Putzbau angewendet, um mit dem Grün des Waldes einen harmo- nischen Zusammenklang zu scharten. Der einschiffige Grundriß enthält 450 Sitzplätze. Der Turm befindet sich gegen Ost über dem Altare. Ein Unterrichtssaal mit Garderobe ist angegliedert. Das Innere zeigt Decken- bilder, die Geheimnisse des hl. Rosenkranzes darstellend. Die Ausmalung der Kirche ge- schah durch Maler Silbernagel aus München- Bozen. In barocken, heiteren Formen zeigt sich die Ausstattung des Innern der Kirche und kommt dem Wesen des polnischen Volks-

charakters, dem ein Sinn für lebhafte Schön- heit zu eigen ist, damit entgegen. Die De- tails und Einzelheiten der Architektur dürften hier und da an süddeutsche Motive erinnern. Durch den Bau der Herz-Jesukirche in Ofen (Abb. S. 272 und 273), gleichfalls im westpreußischen Gebiete, fiel dem Künstler die dankenswerte Aufgabe zu, auf einer An- höhe in landschaftlich schöner Gegend ein Gotteshaus, flankiert durch ein Nebengebäude, in malerischen, trauten Formen zu schaffen, was ihm auch durch den am Bergesabhange angelegten Chor der Kirche mit Turm und Pfarrhaus wohl gelungen ist. Der Grundriß zeigt eine dreischiffige Anlage mit 500 Sitz- plätzen. Beim Presbyterium ist rechts eine Beichtkapelle und links die Sakristei mit dar- über befindlicher Paramentenkammer ange- legt. Links beim Haupteingange wurde eine Kapelle zur schwarzen Muttergottes (Czen- stochauer Gnadenbild) eingerichtet. Das Äußere, in Putz mit weißer Tünche, das rote Ziegeldach, der Turm mit Dachreiter in Kupfer gedeckt, harmonieren gut in der Farbe. Die

268

KIRCHENBAUTEN VON FRITZ KUNST ©^

FRITZ KUNST (KOLN-LIXDENTUAL), BONIFATIUSKIRCHE HAMBURG-EIMSUC TTEl Tixt S. 266 und itS

Pfeiler im Innern sind auf Kämpferhöhe mit rotglasierten Ziegelsteinplättchen verkleidet. Es soll durch diese Verkleidung ein Schutz gegen Verschmutzen geboten sein und dem Abstoßen der Ecken vorgebeugt werden. Die Malerei ist nach Angaben des Architekten von dem oben genannten Maler Job. Silber- nagel (Schüler von Feuerstein und Gröber) ausgeführt. Außer einfacher Linien- und Flä- chenbehandlung wurden nur einzelne Stellen und zwar absichtlich in ansehnlicher Größe, besonders betont. Der Altar nach Entwürfen des Architekten von dem Bildhauer Job. Schnitzer in Frankfurt a. M. gefertigt, ist mit der buntbemalten Holzdecke in Einklang ge- bracht. Kunst zeichnete hierzu alle Einzel- heiten und der Bauherr, Pfarrer Dr. Krefft in Höchstüblau, hatte in jeder Weise dem Architekten freie Hand gelassen. Die Kirche samt Pfarrhaus mit vollständigem Innenaus-

bau hat die verhältnismäßig geringe Summe von M. 90000 erfordert.

Das ernste Streben des Ar- chitekten, diese Kirchenbau- ten der ortsüblichen Gegend anzupassen, verdient Beach- tung. Ob nun ein Künstler streng historisch arbeitet, der andere wieder mehr sich der modernen Richtung hingibt, ist für den Kunstwert an sich gleich. Sehr schwierig ist es, die alten Formen mit den neuzeitlichen zu verbinden. Welche Wege ein Architekt auch gehen mag, er ist im Rechte, wenn er Schönes, Harmonisches, Würdiges, An- heimelndes zuwege bringt. Darüber vor einem Bauwerk prüfend nachzugrübeln, ge- währt Genuß, erweitert den Blick, schärft das Urteil. Bei der St. Bonifatiuskirche in Hamburg ist Turm und Gie- belseite gut zusammenge- stimmt; nur der Turm- abschluß wirkt durch das schlanke Höhenmotiv der Lisenen fast allzu knapp, wobei nicht gesagt sein soll, daß etwa ein hoher Helm den Turm krönen sollte. Die langgestreckten Lisenen wie- derholen sich auch an den beiderseitigen Wandflächen der Eingangsvor- halle; hier bilden sie ein verbindendes Element für Turm und Front. Die Vorhalle besitzt ein schönes Spitzbogenportal. Daß der Künstler in Einzelheiten mit der alten Weise brach und neuzeitliche Ideen in An- wendung brachte, ist sehr zu begrüßen. Er hatte den Mut, individuell zu arbeiten und dem Bauwerke den Steiupel des zwanzigsten Jahrhunderts aufzudrücken.

Schön und harmonisch wirkt das Innere der Kirche durch die erwähnte Wiederbe- lebung der dort im Mittelalter geübten Weise der sichtbaren Mauersteinstrukturen. Ein stimmungsvoller, feierlicher Zug liegt darin ! Fritz Kunst besuchte die Bauschule in Karls- ruhe, später die dortige Hochschule und war längere Zeit bei Curiel & Moser, dann im Atelier des Architekten Weiße in Mainz

BEDEUTUNG DES WERKUNTERRICHTS FÜR KUNST UND KULTUR 269

DIE BEDEUTUNG DES

WERKUNTERRICHTS FÜR

KUNST UND KULTUR

Es kann nicht geleugnet werden, daß dem Prinzip des neuen Werk- oderdes Handfertigkeitsunter- richts eine hohe Bedeutung inne- wohnt. Es ist bekannt, daß dieser Unterricht das Kind vom Beginne bis zum Ende der Schule auch praktisch beschäftigen will mit Aus- schneiden, Zeichnen, Flechten, For- men, Modellieren, durch Beschäfti- gung mit dem verschiedensten Ma- terial wie Papier, Ton, Holz, Metall. Freudig ist dieser Unterricht schon deshalb zu begrüßen, weil er eine wohltuende Ergänzung unserer aus- geprägt geistigen Kultur, zur bloßen Wort- und Gedankenbildung schaflt. Er führt das herbei, was dem her- gebrachten Schulunterrichte so oft fehlt, nämlich praktisches Handeln. Und gerade dadurch werden wieder eine Menge Werte in der Persön- lichkeit des Kindes ausgelöst. Zu- nächst kann man wohl behaupten, daß bei den meisten Kindern für die praktische Beschäftigung eine starke Teilnahme vorhanden sein wird, jene Teilnahme, die im Wort- unterricht leider so oft fehlt und dadurch den Erfolg des ganzen Un- terrichts so oft in Frage stellt. Was Bogumil Holz in seinem ; Buche der Kindheit« erzählt, daß ihm die Beschäftigung mit aller- lei Holzarbeiten eine so reiche Freude be- reitet habe, das trifft wohl auf alle Kinder zu. Das Arbeiten aber, das mit Herz und Hand geschieht, in dem wir leben und we- ben, birgt viel Wertvolles in sich.

Auch das wird jeder zugeben müssen, daß im Werkunterricht Auge und Hand ganz bedeutend geschult werden. Es tut aber ganz besonders not, daß unser geschwächtes Auge wieder unbefangen und genau sehen lernt, daß unsere Hand wieder die Geschicklichkeit erlangt, die jeder Mensch schon zu seinen täglichen Verrichturigen nötig hat. Daß da- durch eine eingehende Kenntnis des Materials erzeugt wird, auch der ästhetische Sinn reiche Nahrung erhält, soll ebenfalls nicht unerwähnt bleiben. Hierin liegt vielleicht mit sein wesentlichster Vorteil. Denn die künstlerische Kultur der Massen zeigt durch- weg noch einen bedenklichen Tiefstand. Man

IZ KLNST, BONIFATIUSKIRCHE IN HAMBURG-EIMSBÜTTEL Text S. 266 icnd 268

wird das zugeben, wenn man einmal an gewisse Erscheinungen denkt, z. B. an das Kapitel Klein- oder Volkskunst, ferner an die Geschenkindustrie unserer Tage. Macht sich nicht auch hier die allgemeine Sucht unserer Zeit nach einer billigen Vornehmtuerei und Effekthascherei bemerkbar? Wieviel von dem, was dem notwendigen Gebrauche wie dem Schmucke des Lebens dient, ist für künst- lerisches Empfinden einwandfrei? Wieviele Gegenstände gibt es, bei denen das Material so lange gepreßt, gefärbt, geglättet wurde, bis es etwas anderes, natürlich Besseres, Vor- nehmeres darstellt oder vielmehr vortäuscht, als es in Wirklichkeit ist. Wie oft findet man, daß bei solchen Kunstgegenständen nicht nur die Wahrheit, sondern auch der Geschmack beleidigt wird, wo, wie bei den praktischen Gebrauchsgegenständen, das Or- nament, das doch oft Nebensache oder gar überflüssig ist, zur Hauptsache gemacht wird oder sinnlos ausgeführt ist. Man mustere

2-0 BEDEUTUNG DES WERKUNTERRICHTS FÜR KUNST UND KULTUR

nur einmal daraufhin unsere Läden, man gehe einmal aufmerksamen Blickes die Woh- nungen durch, und man wird zu seiner Überraschung wahrnehmen, wieviel Unkultur in unserm Leben noch vorherrscht, wie wir noch viel mehr Geschmack im Alltag zeigen müssen.

Für eine bessere Geschmacksbildung ist nun gerade vom Handfertigkeitsunterrichte manches zu erwarten. Denn hier lernt schon das Kind Wohlgefallen finden an natürlichen Formen und Farben; hier lenkt es unter auf- klärender Führung des Lehrers auch seine Blicke auf das Material, das es gerade in seinen Händen hat; es lernt gar bald die nachgemachten Stoffe von den echten unter- scheiden. Es merkt an der eigenen Arbeit, daß der Stoff Wahrheit verlangt, daß schlichte Wahrheit hier immer schöner ist als vor- nehm tuende Nachahmerei. Es kommt ihm der Hauptgrundsatz zum Bewußtsein, daß Festigkeit, Haltbarkeit, Gediegenheit unerläß- liche Erfordernisse für seine Schöpfungen bil-

IKITZ KUXSr, BON'IIATRSKIRCIIK ZU H.\MnfRG-KIMSHL- Blick nach Jtm I'rcsl>ytcrii,m. T,xt S. 266

den, daß ferner Sachlichkeit und Zweckdien- lichkeit stets eher zu verlangen sind als jede Verzierung. Sind das nicht alles höchst wert- volle Anregungen für die Geschmacksbildung des heranwachsenden Geschlechts.'' Und liegt nicht ein besonderer Vorzug darin, daß das Kind diese Wahrheiten nicht bloß durch ab- strakte Belehrungen erfährt, sondern im prak- tischen Tun selbst erlebt? So dürfen wir wohl erwarten, daß der Handfertigkeitsunter- richt, wenn er erst auf der ganzen Linie an- erkannt ist, unter anderm auch wieder zum Erwachen einer neuen, frischen Volkskunst führen wird. Was diese Kunst aber an echten Werten für jedes Haus, auch für die Familie des kleinen Mannes zu schaffen imstande ist, das darf durchaus nicht gering angeschlagen werden, das bringt Sonnenschein in die Häu- ser, das weckt schlummernde Kräfte und hebt die gesamte Volksbildung.

Das deutsche Volk läßt sich an Tüchtig- keit von keinem Volke der Erde übertreffen. Daher rühren seine Erfolge. Es wird nicht stille stehen und besonders in den Dingen des guten Geschmacks muß es noch fortschreiten. Manch schlechter Geschmack bekundet sich gerade jetzt in der Kriegszeit. In kleinlicher Weise wird von geldhungrigen Köpfen an unsern Gebrauchs- und Schmuckgegen- ständen der »Geist der Zeit« zu verbildlichen gesucht. Fast alles im Schaufenster muß kriegerisch anmuten. Muß dieser Schmuck wahllos aufs kleinste freie Fleck- chen kommen? Abgeschmackt ist es, den Hindenburg aufs Ta- schentuch zu drucken, Streichhöl- zer in einem Luttschiffchen, Kon- fekt in einem Schrapnell aufzu- bewahren : Von solcher Spielerei müssen wir uns befreien. Nach dem Kriege, wo ein sch'werer wirtschaftlicher Kampf droht, müs- sen wir aus kulturellen und wirt- schaftlichen Gründen würdige Aus-' drucksformen für unser Leben suchen, wir müssen in jeder Be- ziehung die bessere Ware her- stellen. Zur Lösung dieser Auf- gabe wird der Werkunterricht nach dem Kriege neben tüchtiger Gei- stes- und Herzensbildung mit be- rufen sein.

Aber auch das darf zugegeben werden, daß in dieser körperlichen Betätigung »ein Heilmittel für

e^ LUDWIG MÖCKEL ^

271

die immer mehr zunehmende Nervosität un- serer Tage liegt«. Die einseitige Beschäfti- gung mit geistiger Arbeit macht die Nerven zuletzt krankhaft reizbar; liier aber kann der Geist im gewissen Sinne ausruhen, hier rücken währenddessen andere Kräfte ins 1-eld und machen eine mehr harmonische Bildung möglich.

Man hat der bloßen »Lernschule« den Vorwurf gemacht, daß sie zu sehr unifor- miere, daß der Klassenlehrer zu sehr darauf bedacht sein müsse, gleichmäßig geförderte Schüler weiterzugeben. Die Begabten bleiben so in einem Durchschnittsmaße stecken, wäh- rend die Beschränkten zu dieser Stufe empor- gehoben werden. Beim Werkunterrichte ist ein Ausgleich möglich, denn hier hat jeder oft seine besondere Arbeit vor sich ; hier kann des- halb jeder nach seiner besonderen Neigung und Begabung schaffen. Hier kann der Lehrer der Individualität des Kindes nachgehen. Und dann ist es von großem Werte, wenn der Lehrer öfter merkt, daß es verschiedene Be- gabungstypen gibt, wenn er sieht, daß Schüler, die es in der rein geistigen Arbeit zu nichts bringen, doch eine technische Geschicklich- keit, einen praktischen Sinn, ein offenes Auge besitzen. Und auch diese Gabe ist nicht zu unterschätzen ; obwohl sich die Schule oft hochmütig über diese Befähigung hinweg- setzt, wird sie im wirklichen Leben doch zu einer entscheidenden Mitgabe der Natur. Nicht der geringste Vorteil des Werkunter- richts ist es überhaupt, daß er die Handar- beit wieder mehr zu Ehren bringt. In unser Denken hat sich heute der Irrtum einge- schlichen, als sei die ausgeprägt geistige Kultur allein Bildung, und die bloße körperliche Tä- tigkeit gilt daher nicht viel im Kurse der Meinungen. Daher das Zuströmen in alle sogenannten geistigen Berufe, daher der Mangel an tüchtigen Anwärtern in allen Ständen, die auf Handarbeit angewiesen sind. Kommt es nicht vor, daß selbst der, der nur mecha- nisch Abschreiberdienste tut, hochmütig auf den Handwerker herabsieht, der doch in sei- nem Beruf ein wahrer Denker und Künstler sein kann? Es kann daher nur frommen, wenn auch die Ansicht wieder zu ihrem Rechte kommt, die den Wert der Handarbeit ins helle Licht rückt, zumal sie in der Gegen- wart für unser ringendes deutsches Volk auf dem Wirtschaftsmarkte recht ausschlag- gebend wird. Die hohe Bedeutung des Werk- unterrichtes für die Charakterbildung Fleiß, Mut, Ausdauer, Freude des Erfolges dürfte kaum von jemand bezweifelt werden. Ob die Handarbeit wirklich mehr als der Wort-

unterricht imstande ist, sittlich zu beeinflussen, das möge dahingestellt bleiben. Es mag hier nur nebenbei bemerkt werden, daß der schwedische Pädagoge Palmgren den höheren ethischen Wert der Hausfrau mit darin be- gründet sieht, daß sie in ihrem Beruf so viel mit den Händen zu schaffen hat.

Der Handarbeitsunterricht hat jedenfalls auch das Gute für sich, daß er bei manchem Schüler, der in der Lernschule vielleicht nichts leistet und als unbrauchbar gilt, die Begabung für die praktische Arbeit zeigt und damit auch wertvolle Fingerzeige für die Be- rufswahl gibt. Man denke sich aus, was es für das persönliche Glück des einzelnen wie für die Gesamtheit ausmacht, wenn jeder den Beruf treiben kann, in dem sich die persön- liche Begabung auswirken kann.

Es ist das Eigenartige an allen Reformge- danken, die bisher aufgetaucht sind, daß sie zwei feindliche Lager schufen, aus denen heraus man für das Alte oder Neue kämpfte. Und meist wird dabei mit einer Schärfe gestritten, die oftmals für das Wahre blind macht und auf beiden Seiten in Extreme führt. Wir wollen nicht auf der Handarbeit die gesamte Erziehung aufbauen, aber wir wollen den Werkunterricht doch als Ergän- zung zu unserer Lernschule mit ihrer geisti- gen Bildung willkommen heißen. p. Hoche

LUDWIG MOCKELf.

Am 26. Oktober 191 5 verschied in Doberan ^ der Großherzoglich Mecklenburgische Ge- heime Hofbaurat Gotthilf Ludwig Möckel, einer der nur noch wenigen lebenden Schüler des um die Mitte des vorigen Jahrhunderts be- rühmten Gotikers Ungewitter.

Möckel war ein Kämpfer, der erst nach vielem Ringen und Ausharren in späterem Alter die ihm gebührende Ehre und An- erkennung fand. Vom Privatarchitekten ar- beitete er sich empor, bis er, ein Verfechter mittelalterlicher Baukunst, als glänzenderStern am Kunsthimmel prangte und den Geist dieser großen kirchlichen Bauweise wie ein Schatzmeister hütete. Als Epigone setzte er noch einmal mit mächtigen Akkorden ein, Kirchen zu bauen, welche das deutsche Bau- wesen vergangener Jahrhunderte aufleuchten ließen.

Möckel war ein Sachse und wurde am 22. Juli 1838 zu Zwickau geboren. Nach vorheriger praktischer Betätigung am Bau, wie es in damaliger Zeit Übung war, besuchte er die Chemnitzer Baugewerkschule, die sich später zu einer höheren Lehranstalt Sachsens

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LUDWIG MOCKEL mm

FRITZ KUN'ST (KÜL\.LI\DEXTH AL)

Jiiici- auf ,/as Dorf.

HERZ-JESUKIRCHE ZU OFEN IN WESTPR. Text S. 267

entwickelte. Ausgerüstet mit diesen techni- schen \'orkenntnissen ging er nun zur eigent- Hchen Baukunst bezw. Architektur über und wählte sich zurWeiter- bildung das Polytech- nikum in Kassel, wo damals als Lehrer mittelalterlicher Bau- kunst Meister Unge- witter wirkte, der für angehende Gotiker eine mächtige Anzie- hungskraft ausübte. Als Ungewitter 1864 starb , vertauschte Möckel das Kasseler Polytechnikum mit jenem zu Hannover, woselbst er unter Kon- rad Wilhelm Hase, dem hervorragenden Kollegen Ungewitters, seine Studien vollen- dete. Im Jahre 1866 ließ er sich in seiner Vaterstadt Zwickau als Privatarchitekt nie- der und baute dort- selbst wie in anderen sächsischen Städten eine Anzahl Wohn- häuser, restaurierte auch gleichzeitig meh- rere katholische mit- telalterliche Kirchen des sächsischen Lan-

des, wodurch er als Gotiker und Kirchenarchi- tekt bekannt wurde. Anfang der siebzigerJahre V. Jahrh. erhielt er einen größeren Bau- auftrag in der Ent- wurfsbearbeitung für die evangelische Kir- che zu Planitz bei Zwickau, die er 1872 bis 1876 zur Ausfüh- rung brachte. Es ist dies eine Basiliken- kirche mit Westturm in frühgotischer For- mensprache. Infolge weiterer Aufträge auf mehrere sächsische Kirchenbauten , dar- unter in Dresden, ver- tauschte er seinen Geburtsort Zwickau mit der Landeshaupt- stadt und machte sich 1875 daselbst ansäßig. Im Jahre 1878 vollen- dete er die Johannes- kirche, eines der be- sten neueren Got- teshäuser Dresdens, gleichfalls in frühgo- tischem Stil , mit reichem ornamenta- lem und tigürlichein Schmucke, worauf in der dortigen Vorstadt inuz-iFsiMKciiK IN oi EN Stricseu ^die Erlöser- ,/,i,^,. kirche, eine dreischif-

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MARIENALTAR IN DER NEUEN ST. ANNAKIRCHE ZU MÜNCHEN VON ANTON

PRUSKA

LUDWIG MOCKEL

273

fige, frühgotische Hallenkir- che mit Emporen und reizen- der Choranlage folgte, welche 18S0 beendet wurde. Der große Wettbewerb um Er- langung von Entwürfen für die St.-Petri-Kirche in Leip- zig, an dem sich Möckel mit einem großzügigen Entwürfe beteiligte, fiel auch in diese Zeit. Der Künstler wählte die Grundform eines Sechs- eckes, das er an allen Seiten durch Apsiden erweiterte und um das Chorpolygon legte er einen Kapellenkranz. Leider kam der schöne Ent- wurf nicht zur Ausführung. Sein Ruf als Kirchenbau- meister drang aber bald über die Grenzen des Sachsen- landes hinaus. Möckel wurde mit den Wiederherstellungs- arbeiten der 1332 bis 1350 errichteten gotischen Kirche zu Doberan in Mecklenburg- Schwerin betraut. Bald folg- ten weitere Wiederherstel- lungen, so u. a. der Grab- kirche der Fürsten des meck- lenburgischen Landes, wor- auf der dortige Landesfürst Großherzog Friedrich III. 18S5 Möckel nach Mecklenburg zu dauerndem Aufenthalte be- rief

Welche Unannehmlichkeiten Möckel bis zu dieser Berufung auszuhalten hatte, ist den Ein- geweihten bekannt. Als tech- nischer und künstlerischer Bei- rat fungierte er nun im Meck- lenburgischen Staatsministe- rium. Seinen Aufenthalt nahm er jedoch in dem von ihm ge- liebten historischen Städtchen Doberan in der Nähe der Ost- see. Trotzdem er Staatsbeamter war, wurde ihm vom Groß- herzog seine bisherige freie Tä- tigkeit als Architekt weiterhin zugesichert und so baute er von dort aus zahlreiche Schlös- ser und Villen in Hannover usw. Bemerkenswert sind aus jener Zeit die Schloßbauten Gelben- sande bei Rostock, sowie die Schlösser Klemzig in der Mark

I RITZ KUN'ST (KOLN-LINDENTHAL) l'gl. jmttiistehetni.

HERZ-IESUKIRCHE IN OFEN

GRUXnRlSS DER HERZ-lESUKIRCHE IN OFEN

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^^ LUDWIG MÖCKEL ©^

Brandenburg und Preyl bei Königsberg. Auch brachte er in dem Mecl:lenburgisch-Schwe- riner Lande eine Reihe Dorfivirchen zur Aus- führung. Das letzte und größte Werk Möcivels war die kathoHsche Kirche in Rostock, die jetzt, nach ihrer Vollendung, eine Zierde der alten, malerischen und historisch bedeutsamen Universitätsstadt ist.

Der inzwischen hochbetagte Meister hatte sich in den letzten Jahren ein Leiden zu- gezogen und am i. Oktober 19 15 trat er, zurückblickend auf eine reiche und ehren- volle Schaft'enstätigkeit seines Lebens, in seinem 78. Jahre in den Ruhestand. Aber nur wenige Tage sollte er die endgültige

FRITZ KUKST

HOCIl.U.TAR IN RITTEL

Ruhe genießen. In seinem geliebten Doberan schloß er schon am 26. Oktober gleichen Jahres seine Augen. Mit hohen Ehren und Auszeichnungen, die er sich auch durch sein rastloses Streben und großes Können verdient hatte, war er von seinem Landesherrn, dem Großherzog, bedacht worden. Albert Hof- mann sagt über ihn, daß die frühesten Ar- beiten Möckels noch unter dem Einfluß Un- gewitters stehen, namentlich die Johannes- Kirche in Dresden. Doch hätte der Ver- storbene sich in späteren Jahren zu einer durch persönlichen Charakter ausgezeichneten Kunstauffassung durchgesetzt. Auch mit Otzen besaß Möckel Ähnlichkeit, indem beide ihre Kunst zunächst auf kon- struktiven Erwägungen aufbauten und aus einer solchen Anschauung heraus im protestantischen Got- teshaus in erster Linie den Ort für das Wort und erst in zwei- ter Linie eine Kirche im über- kommenen Sinne erblickten. Es war nicht die Art Möckels, in der Öftentüchkeit viel von sich spre- chen zu machen ; seine Bedeu- tung ist daher auch oft unter- schätzt worden. Wer jedoch nicht restlos baukünstlerischem Fana- tismus verfallen ist, wird die ge- wissenhafte, aus einer strengen Schule gekommene Art des Ver- storbenen, die einem großen Teil der Baukunst des letzten halben Jahrhunderts ihr Gepräge verlie- hen hat, zu würdigen und als Glied in die Entwicklung unserer Kunst einzureihen wissen.

Ein Schöpfer großer Baudenk- male sank mit ihm in den Staub. Wie die Kunstbauten der alten Welt zerfallen sind, wie im letzten Grunde doch alle irdischen Werke dem Zelte gleichen, das wieder abgebrochen wird, so werden auch seine Werke dereinst dahin- sinken. Bleiben aber wird, was echt war in ihm, sein Ringen und Streben nach derVollkommenheit, seine Sehnsucht nach der eigent- lichen, unvergänglichen Behau- sung seines Geistes, seine Liebe, mit der er seine Kunst als seinen von Gott gegebenen Beruf und seine Mitmenschen als von Gott bestimmte Mitstrebende umfaßte !

HULDIGUNGSADRESSE UND WIDMUNGSBLATT

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FRITZ KUNST (KÖLN-LINDENTHAL)

VS-I. Aii. S. 174

IROSEN'KRANZKIRCHE IX RITTEL Text S. 177

HULDIGUNGSADRESSE UND WIDMUNGSBLATT

(Zu den Abb. S. 277 280)

Kriegsnot und Opferwilligkeit gehen seit den ersten Tagen der folgenschweren Schicksalsfügung so beharrlich Hand in Hand, daß wir uns fortgesetzt über die Mannig- faltigkeit der Form freuen dürfen, die den Geist der Hingebung unserer Vaterlands- freunde bekundet. Bei der Beschaffung neuer Geldmittel rechnet das Landeskomitee vom Roten Kreuz die offizielle Postkarte zu den wichtigen Hilfsfaktoren und verfügt dem- gemäß über ausgiebiges Material. Eine Neu- erscheinung bildet die Spende einer Auflage, die der Verfasser des Gedichtes: »Wie arm sind wir doch gegen Euch«, dem vaterländi- schen Unternehmen jüngst zuführte. An- erkennung, Verehrung und Dankbarkeit für unsere Helden kommen in den stimmungs- vollen Versen zum Ausdruck, die Leo Fried- rich Bergdolt an Allerseelen 191 5, in einem

künstlerischen Gewände, König Ludwig III. von Bayern widmete ; lag es doch in der Absicht des Autors und Stifters, auch der deutschen Kunst eine fördernde Aufgabe zu stellen.

Nach einem Entwürfe von Ferdinand Nockher- Altenbeuern fertigte Buchbinder- meister Löv, München, eine Mappe aus echtem Schweinsleder mit einer Saffian-Leder- applikation in Form des Roten Kreuzes, so- wie einer Goldprägung mittels eines eigens gefertigten Stempels (Abb. S. 280 unten). Den Hinweis auf die selbstlose Gabe vertritt darin der Pelikan, mit Bezugnahme auf dessen sagenverklärte Jungenliebe; ein ornamentaler Kranz trägt rechts und links je eine Kerze, als Zeichen des Totenfestes, während sich die Initialen »Seiner Majestät König Lud- wig III. ;< der Balkenform des Kreuzes anpassen. Lichte Moireeseide, mit einer schmalen Ein- fassung in Goldprägung, bildet als Vorsatz den Übergang von dem kräftigen Deckel zu dem Pergamentdoppelblatt, das durch eine Seidenschnur gehalten wird. Die Titelseite

276

^ HULDIGUNGSADRESSE UND WIDMUNGSBLATT ^

IKIIV. KL'N'Sl

(Abb. S. 278) enthält die Widmung, die deko- rative Umrahmung trägt den Charakter der Huldigung. Von einem Dornengeranke ge- halten, vereinigt die Herzform in einem stumpfen Rot mit goldenen Strahlen die Tugenden: Glaube, Liebe, Hoffnung; die Wappenschilder rechts und links enthalten die heraldischen Zeichen Bayerns und der Stadt München, außerdem kennzeichnet eine Enzian- girlande mit ihrem satten Blau das ba3'eri- sche Hochland. Ein kupfernes Flammen- becken bringt die Wärme der Gefühle zum Ausdruck, während stilisierte Rosenzweige der bayerischen Kcinigskrone zustreben ; die Schrift ist deutsch gotisch.

Die zweite Seite entspricht in der Anord- nung der dritten und trägt in strenggeglieder- tem Satzbilde den Widmungstext an S. M. den König mit einer Initiale, die auf die per-

sönliche Intention des Antragstellers in in- niger Form Bezug nimmt. Die Umrahmung, herbsttarbenes Eichenlaub auf lichtgelbem Grunde, ist den beiden Innenseiten zur Ver- einheitlichung gemeinsam, ebenso natürlich der Schriftduktus. Das Gedicht erfuhr künst- lerisch eine besonders liebevolle Ausstattung (Abb. S. 279); eine Kopfleiste enthält in der Mitte das deutsche Reichswappen mit einem Schwert, darüber erscheint, verklärt, die Friedenstaube, den Ölzweig im Schnabel; links betindet sich der Löwe, das Symbol von Mut und Kraft, als Sternzeichen gleich- zeitig im Zusammenhange mit dem Monat August, dem Kriegsbeginn. Der Adler aut dem zackigen Blitze versinnbildlicht die deutsche Intelligenz und Umsicht, ent- sprechend dem Ansehen und der Bedeutung, die ihm bereits im Germanentum und bei kriegerischen wie heraldischen Abzeichen eigen ist; ein Lorbeergewinde preist das Heldentum. Die untere Leiste mit der Ähren- garbe in der Mitte, der Eule als Emblem der Wissenschaft und dem Künstlerwappen gegen- über, ist den Segnungen friedlicher Kultur- arbeit gewidmet.

Endlich auf der vierten und letzten Seite findet sich als Schlußstück (Abb. S. 280 oben) ein Oval zwischen den unvergeßlichen Zahlen 19 14/15, das Original für die Postkarten- reproduktion. Der Künstler hat es vermieden, eine konventionelle Illustration zu schaffen, er wollte vielmehr, daß Text und Bild eine gewisse unabhängige Selbständigkeit wahren, und doch in inniger Beziehung ihrem Zwecke dienen, das Andenken an unsere gefallenen Brüder zu ehren. Dieser Absicht entspricht die kleine Inschrift auf dem Marterl: »Wer ausharrt bis an das Ende, der wird selig sein«, indes das Vöglein im Gezweig der Trauer- weide die Auferstehung verkündet.

Die vollfarbige Postkarte ist in buchgewerb- lichem Stile ausgeführt, sie trägt den Perga- mentton, das Signet mit dem Marterl und darunter den Text des Gedichtes in Kocht3'pe mit roten Initialen.

Hin Blumenstück, »Weiße Rosen«, gemalt von F. Nockher, gab indirekt die Anregung zu dem Gedichte auf S. 277 ; es diente dem Verfasser L. F. Bergdolt als Namenstagsspende für I. M. die Königin Therese von Bayern, die das Bild, seiner Bestimmung gemäß, dem Mutterhause der Rote-Kreuz-Schwestern in München zum Schmucke ihres Heimes überwies.

Das Rosenbild erhielt als Geleite die poeti- sche Widmung, wie sie Ferd. Nockher in eine künstlerisch dekorative Form kleidete.

^ HULDIGUNGSADRESSE UND WIDMUNGSBLATT ^

277

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FERDINAND NOCKHER (ALTENBEUERN)

A«/ i-r,

WIDML'NGSBLATT

! Karion gt-mnlt. Text S.

Gleichsam zu einer Pforte vereinigen sich zwei Rosenbäumchen, um das rote Kreuz als Ehrenzeichen auf weißen Rosen zu tragen. Drei große Initialen nehmen jeweils Bezug auf den Inhalt der zugehörigen Strophen, wie auf den Schluß des Gedichtes die Melodie von Mozarts Agnus Dei, die das Lamm und seine Fahne umgibt. Ein Kranz von goldenen Rosenblättern kennzeichnet die sturmreiche Herbstzeit und bildet gleichzeitig den Über-

gang von der flächigen Dekoration zu der Goldrahme, in der die Tafel ruht. Die Farben sind auf eine geringe Zahl beschränkt; das I^ot des Kreuzes wiederholt sich in dem Fond der ersten Initiale und formt die beiden übrigen E und W sowie die kleine Fahne. Die weißen Rosen werden durch ein grünes Laub zusammengehalten, während ein lichtes Graugrün die Basis der Komposition und den Untergrund des Liedes darbietet. Eine tem-

278

Veineiyjlajeöföf

TOnig Ludinißiir^ ^

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üon Ceo^riedndjtBcffldolhmjJlünrf^en jjlooember ,^^i%-^ ^. 9 ^ S

FERO-NOtKMtR.

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AUS EINER HULDIGUNGSADRESSE FÜR S. M. KÖNIG LUDWIG III. VON BAYERN

Au/ Pergament gemalt von Ferä!n<tnä Nockher in Altenbeuern. Text S. 2~6

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.{Die arm emd xmv dorb n^fl^n €iid| "

lie armöintl w\v dort) geflm<Eucl).

1 0\c Ciehe.Ciib und Ceben Und <5nt undSlut für dputedies Keif Fj Jn i^cU ggm ^ampf gcflgbgn-

CDip reich 6eid Jbi*. ein ictler sdjoa '^üQt ^tvtJtjiend eine «rone wuf blut'ger s^tirne - (Bo^es €o\}n für echioere <f rdea-^rone-

He ^irnenglanj im'IJlorgenlicfjt' ^omnit' <E^ufb derfierr enf(jcgm, CDennö nodjtet'imd das-^uge nriftit", ^yricf)t €r <£"ucb »Steinen »5 Cfien:

„Die treu bpbQrrc>^ bis ans (Tnd, Dcis war $uV letj^e^ Ceiden Und leuchtend em dem ^irmtiment j5u<Bott die^gt gt?n ^ctimtm-

tD ie arm ^ind toir doch ^egen^Eucb Tlocb kleben lüir ftm^taube, Öo ßib'* f^ucb uns in<5ofte$ftei(ti: Die 4 reue und der ^Inubg-

Tp uneben , ^Ucrscclrn ^9^5

tfScrQdolt:

AUS EINER HULDIGUNGSADRESSE AN S. M. KÖNIG LUDWIG UI. VON BAYERN

Auf Pergament gemalt von Ferdinand Xockfur m Altenbtuem. Text S. syö

28o DIE MADONNEN DES MICHELANGELO. MADONNA VON GRUNEWALD

Aus einer HalJigungsaJresse für S. M. König Ludwig III.

von Biyern

Gemalt von F. Xockher. Text S. 276

peramentvolle Belebung erfährt der naturgraue Ton des Malkartons durch ein leuchtendes Smaragdgrün, das wie von Sonne ertüllt durch das Spruchband hindurchleuchtet. Eine Repro- duktion als Postkarte erhielten die Schwestern zum Verkauf innerhalb ihres Verbandes zu- gunsten ihrer Altersversorgung gleichfalls aus der Hand von Herrn L. F. Bergdolt.

DIE MADONNEN DES MICHEL ANGELO

M. Herbert

Sie tragen all die Züge der Sibyllen, Ob sie ihr Kindlein pflegen voller Wonnen, Ob sie versunken in der Schmerzen Bronnen, Ihr Leid aufopfern deinem ew'gen Willen. Auf ihrem Antlitz sind die Feierstillen Der Menschenseele, die der Welt entronnen, Im Rettungshafen sichre Statt gewonnen Und siegend gleitet auf den ew'gen Zillen. Es sind die heiigen Überwundenheiten, Es sind die Blicke in die Gottesferne, Es sind die ungeheuren Einsamkeiten Gebetversunkner und der Himmelssterne.

MADONNA VON GRÜNEWALD IN STUPACH

M. Herbert

Des alten Meisters süße Gottesbraut Wohnt einsam in dem waldumspannten Tale. Sie wählte nicht die stolze Kathedrale, Ein stilles Kirchlein ward um sie gebaut.

Dort thront sie in so großer Herrlichkeit, Daß wir von weiter Ferne zu ihr wallen. Ehrfürchtig nah'n wir, ihrer Huld Vasallen, Und wir vergessen vor ihr Raum und Zeit.

So traut bekannt blickt uns die Jungfrau an. Als hätt sie schon ein tief verborgnes Leben In uns geführt, und würd' uns nun gegeben, Erfüllter Wunsch, den unser Herz ersann.

Die glauben und nicht glauben, grüßen sie. Die fromme Himmelsmagd, die Benedeite. Es strömt ihr Haar wie lichtgewebte Seide Und lächelnd spielt das Kind auf ihrem Knie.

Ihr Antlitz ist so wunderbar gefaßt. Als trüg' es in sich alles Überwinden. Es ist auf Erden einmal nur zu finden. Voll Demut ist es und voll tiefer Rast.

Und die es schauten, werden lebenslang Das Sonnenbild im dunklen Herzen wahren, Wie man behält nach sturmvoll bangen Jahren Noch einen heil'gen Palestrinasang').

Vom liinband einer Ilulaigungsadresse für S. M. KS Ludwig III. von Ii..ycrn Entw. von F. Neckher. Text S. 27J

') Das Geni.ilde i.st im IV. Jg. nach S. 192 abgebil- det. Text dazu von Dr. Max Sclierniann.

KARL KUOLT

HL. SEBASTIAN (1910)

e^ ZUR KUNSTLERISCHEN REFORM DER WALLFAHRTSZEICHEN S^ 281

ZUR KÜNSTLERISCHEN REFORM DER WALLFAHRTSZEICHEN

Von E. A. STÜCKELBERG, Basel Vgl. Abb. S. 281—283 Im Jahre 1914 hat der Verfasser in Wien ein ^ paar Zeilen veröffenthcht, um das Interesse an der künstlerischen Hebung eines weitver- breiteten kleinen Gegenstandes zu wecken'). Seither sind ihm aus verschiedenen Ländern und Kreisen von Forschern, Sammlern und Künstlern Zuschriften in zustimmendem Sinne zugekommen. Er glaubte daher, der Einladung der Redaktion dieser Zeit- schrift folgend, auch an dieser Stelle auf die Sache zurückkommen zu dürfen.

Seit bald zweitausend Jahren kann sich die Kunst in unbeengter Weise mit der Herstellung von Wall- fahrtszeichen befassen. Keine Größe, keine Form, Dicke, Stärke des Reliefs, kein Stoff, Gewicht, keine Technik, kein Thema der Darstellung oder des Schmuckes ist vorge- schrieben. Die größte Freiheit hat zu allen Zei- ten in der Wahl aller Herstellungsarten und Be- arbeitungen des Pilger- zeichens oder der Wall- Figur i. - fahrtsmedaille geherrscht, und trotzdem ist der Kunstwert dieser kleinen Gegenstände mehr und mehr gesunken, ist seit einigen Jahrzehnten auf einem Tiefstand angelangt, der nach Reform ruft^).

Kein Stoff wurde verschmäht, um derartige fromme Andenken herzustellen und keine Gegend der christlichen Welt verzichtete dar- auf, solche Zeichen zu erzeugen und zu ver- wenden. Gegossen oder geprägt, gestanzt, getrieben oder graviert, aus edelem oder gemeinem Metall, aus Muschel, Bein, Hörn oder Papier 3) wurden Tausende von Pilger- zeichen hervorgebracht. Am Kleid oder am Hut trug der Pilger einst diese Zeugnisse für vollbrachte Wallfahrten ; heute trägt er sie am

') Miit. der Österreich. Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde X, 1914, p. 1 15 114.

=) Vgl. die zahlreichen Abbildungen von Wallfahrts- zeichen des 2. 19. Jahrhunderts im Annuaire Pontifical Catholique 1905, p. 412—451.

3) Exemplare aus allen diesen Stoffen in der Samm- lung des Verfassers.

Rosenkranz, am Buchzeichen oder an der Uhr- kette, die Frau an der Halskette oder als Brustschließe. Auch alle Arten von Umrah- mungen der Wallfahrtzeichen waren möglich; entweder umgab man das kleine Kunstwerk mit schützendem Ring (Fig. 6) oder mit schmückendem Rahmen (Fig. 3). Im erstercn Fall pflegen außen nur ein paar perlartige Kugeln angesetzt zu sein, im letzteren ist der Rahmen vielfältig durchbrochen, bald durch Guß, bald durch Lötung von Metallblättchen, Streifen und Drähten (Fig. 4 und 5); oder aber man unterlegte durchbro- chene Wallfahrtszeichen mit buntem Papier oder Gewebe (Fig. 3 und 9). Phantasie, Geschmack und Kunstfertigkeit ver- einigten sich, um die man- nigfaltigsten kleinen Ge- bilde herzustellen, cha- rakteristische Erinnerun- gen und aufbewahrungs- werte Denkzeichen zu schaffen. Heute ist es lei- der anders geworden: Die billige Massenfabrikation hat sich des Gegenstan- des bemächtigt und pro- duziert in gewaltigen Men- gen größtenteils wertlose kleine Metallplättchen von langweiligster Eintönig- keit. Es genügt, einen ev, unten Blick auf clue Sammlung

von alten und eine Kollek- tion von neuen Wallfahrtszeichen zu werfen, um den gewaltigen Rückschritt zu erkennen der auf diesem Gebiet zu verzeichnen und zu beklagen ist. Ausnahmen abgerechnet.

Unsere Illustrationen veranschaulichen ei- nige der vielen sich zur Darstellung bietenden künstlerischen Möglichkeiten: das Gehäuse, d. h. die fassadenähnliche Umrahmung der mittelalterlichen Zeichen, wie sie z. B. in Einsiedeln, St. Beaten im Berner Oberland, Niedermünster im Elsaß usw. tausendfach gegossen wurden. Fig. i stellt ein unver- öffentlichtes Pilgerzeichen eines Wallfahrts- ortes im Kanton Bern dar; es zeigt in archi- tektonischer Umrahmung gotischen Stils das Gnadenbild der betreffenden Kirche von Ober- büren, darunter den Berner Wappenschild und die Inschrift. Vier Ösen am Rand dienten dazu, das Gebilde, das sich einst silberweiß und glänzend von der Unterlage abhob, am Rock oder Mantel zu befestigen. Fig. 2 zeigt ein spanisches Pilgerzeichen aus Bronze, einst

Die christliche Ku:

282 ^ ZUR KUNSTLERISCHEN REFORM DER WALLFAHRTSZEICHEN ^

mit Grubenschmelz verziert (gegossen und graviert). Auf achteckiger Platte ist darge- stellt ein Arm (Reliquiar?) über einem Höllenrachen, zwischen zwei Pflanzen. Dar- über auf Bandrolle die In- schrift; am Oberende des Gebildes ein Henkel zum Anhängen. Fig. 3 gibt die Vorderseite eines durchbro- chenen Wallfahrtszeichens von Einsiedeln wieder, es ist zweiteilig, d. h. es besteht aus zwei ähnlichen Bleigüs- sen, zwischen welche ein buntes Papierbättchen gelegt ist und das oben durch eine kleine Seidenmasche zusam- mengehalten wird. In rei- chem Rahmen von Barock- ornamentik ist in der Mitte die Madonna von Einsiedeln dargestellt; in der unteren Öse hing einst ein kleines, an unse-

cher Filigranschmuckstücke existieren heute noch; sie werden an vielen Orten, die freilich heute nicht mehr können namhaft gemacht werden, hergestellt. Die dem Verfasser vor Augen gekom- menen Stücke stammen aus- nahmslos aus dem 17. und 18. Jahrhundert.

Fig. 6 zeigt eine ovale, ver- goldete Messingmedaille mit der Darstellung des heiligen Blutes von Weingarten, d. h. mit dem edelsteinbesetzten romanischen Reliquiar, das die heiligen Partikel um- schloß. Die einfache Fas- sung schützt das Relief der Prägung vor Abschleifen.

Fig. 7 gibt ein achteckiges Messinggepräge mit dem Bild der heiligen Treppe in Rom, auf welcher drei Pilger auf den Knien sich emporbewegen,

rig. 3-

Flg. .,.— Tex

rem Exemplar abgefallenes Kreuzchen. Fig. 4 und 5 geben die Reproduktion von kleineren Wallfahrtszeichen mit Filigranumrahmungen wieder; das kleinere Medaillon zeigt vorne das Brustbild der Ma- donna, hinten des heili- gen Johannes Nepo- muk. Das größere Zei- chen (beschädigt) trägt auf der Vorderseite das Brustbild des heiligen Dominikus, auf der Rückseite den Heiland am Kreuz. Unzählige verschiedene Arten sol-

wieder ; man beachte, daß der Künstler für das architektonische Bild den geradlinigen, nicht einen ovalen Rahmen wählte (Datum: 1700). Fig. 8 reproduziert eine ovale Messing- medaille, die in kräfti- gem Relief die Madonna vom Berge Karmel in Rom darstellt.

Fig. 9 stellt die eine Seite der ovalen Mes- singmedaille von Säk- kingen dar, auf wel- cher St. Fridolin, der Patron der Stiftskirche daselbst, abgebildet ist.

ZUR KUNSTLERISCHIZN REFORM DER WALLFAHRTSZEICHEN ®2S 285

läge, die gleich einem Malteserkreuz ausge- schnitten ist, aufgenäht. Es stammt von Saint- Brieuc und ein Stern mit zwei Ankern er- innerte die Seeleute und Küstenbewohner an die himmlische Schützerin und Retterin in Seege- fahr.

Noch unzählige an- dere Typen von Wall- fahrtszeichen heßen sich anführen; wir beschrän- ken uns auf die beschrie- benen Stücke, möchten aber nicht schließen ohne an alle, die sich mit der Herstellung von solchen Andenken zu befassen haben, ein paar Bitten zu richten:

I. Überlassen Sie nie- mals die Aufgabe ledig-

Neben ihm steht der auterweckte Ursus, der zum Attribut der Fri- dolinsdarsteüun- gen geworden ist. Fig. 10 gibt ein bretonisclies

Wallfahrtszei- chen wieder; nach alter Art ist es aus Blei gebildet,

durchbrochen und auf bunte Wollstoft'- Unter-

lich dem Graveur oder Fabrikanten.

2. Ziehen Sie einen Kunst-, Geschichts- oder Medaillenver- ständigen zu Rate.

3. Lassen Sie nie allzu viel verschie- dene Gegenstände auf dem kleinen Ge- bilde darstellen.

4. Beschränken Sie das Bild auf einen typischen Ge- genstand.

F.K- 9. Text S. 282

5. Bild und Schrift sei deutlich und so groß wie möglich.

6. Das Bild sei nicht konventionell und inter- national, sondern boden- ständig.

7. Das Relief sei nicht flach, sondern kräftig.

8. Das Wallfahrtszei- chen sei nicht allzu klein').

9. Bietet sich kein bes- seres Projekt, so lehne man sich an das schönste der alten Vorbilder an-).

') Unsere sämtlichen Ab- bildungen geben die Original- größe der mitgeteilten Exem- plare wieder.

') Zu diesem Behufe wende man sich an diejenigen öffent- lichen Münzkabinette, welche eine Abteilung Gnadenpfen- nige oder Wallfahrtszeichen besitzen.

BERUF DER KUNST

L Vom Grabe eines Malers in Luzern : IL Ein Ausspruch Führichs:

»Dem echten Schönen ist wahre Kunst »Die Kunst ist eine Blume, zu duften vor

geweiht, dem Herrn,

Sie wird in Gott Genuß und Seligkeit.- Ein Licht, zu leuchten vor dem Herrn.«

Diese zwei sinnreichen Bekenntnisse wurden uns von Sr. Königl. Hoheit Prinz Johann Georg von Sachsen huldvollst mitgeteilt.

37*

284

lOSEF EHKKZ (ML I IGAKT)

MOÜRLANlibCHAlT

^^':Mim^^'^'^''*^

lOSF.F F.BERZ (STUTTGART) ZWEI MÜTTER

Aus ,/rm Zyklus „Kiimp/e'' . OrlghutUithogyapkir. Vgl. Text Beilagr S. 24

€SS NEUE STUDENTENFAHNE es^

NEUE STUDENTENFAHNE, NACH DEM ENTWURF VON ARCHITEKT RICHARD STEIDLE (MÜNCHEN) AUSGEFÜHRT VON HERRN UND FRAU BILDHAUER ALLMANN (MÜNCHEN)

NEUE STUDENTENFAHNE

(Vgl. Abb. oben und farbige Sonderbeilage)

Der katholische Studentenverein Erwinia an der Technischen Hochschule zu München beabsichtigte die Anschaffung einer neuen Fahne. Mit dem Entwürfe hierfür wurde der Philister dieser Korporation, Architekt Richard Steidle, betraut. Es bestand nun für ihn die Aufgabe, ein Stück zu schaffen, das sich von der üblichen Schablone freihielt und eine modern empfundene Lösung anstrebte. Bei Studentenfahnen sieht man bis heute noch Dinge, die sich eigentlich schon längst über- lebt haben sollten, so Renaissancewappen mit wallenden Federbüschen und Helmdecken, allegorische Figuren in peinlichster Nadel- malerei, als Hintergrund eine groteske Land- schaft, und ähnliche unerfreuliche Sachen. Man könnte unwillkürlich jene Periode der Glas- oder Wandmalerei zum Vergleich heran- ziehen, wo man ohne Bedenken irgend ein Tafelgemälde auf die Fläche übertrug. Ebenso falsch ist es bei einer Fahne, die hoch im Winde flattert, mit Stickereien zu arbeiten, die nur in der Nähe deutlich erkennbar sind

und welche etwa bei Sophakissen, bei Tisch- decken u. s. w. wohl am Platze sein können. Bei einer Fahne wird man, wie bei einem guten Glasgemälde, das Hauptaugenmerk auf eine ausgeglichene Stilisierung, auf Flächen- wirkung und klare Anordnung in Zeichnung und Farbe richten. Aus diesem Bestreben heraus ist der vorliegende Entwurf entstanden. Wie die Abbildung zeigt, sind ganz moderne Töne angeschlagen; die Farben sind durch keinerlei Schattenwirkung oder sonst übliche Mittel gebrochen, sondern stehen in tiefer Leuchtkraft neben einander. Das Ornament ist breit und flächig behandelt. Sämtliche Stickereien wurden mit der Kurbelmaschine ausgeführt. Dieser Technik ist eine unserem deutschen Empfinden entsprechende Uneben- heit und altmeisterliche Derbheit eigen. Die Arbeiten wurden in vollendeter Weise von Frau Bildhauer AUman angefertigt, wobei ihr jetzt im Felde stehender Gemahl besonders bei der Detailausführung ihr mit Rat und Tat zur Seite stand.

286

AUSSTELLUNG VON MALEREIEN ALWIN ARNEGGERS

KARL KUOLT

DER BARMHERZIGE SAMARITAN

AUSSTELLUNG VON MALEREIEN ALWIN ARNEGGERS

Am 26. April dieses Jahres ist Alwin Arnegger ge- storben, nachdem er am 6. Februar erst 53 Jahre alt geworden war. Ein Künstler ist uns verloren ge- gangen, von dem in der Öffentlichkeit bisher nicht viel die Rede war. Er stammte aus Hohenweiler bei Bregenz, studierte Germanistili und wandte sich erst dann in München der Malerei zu. Sein Lehrer war 1906 7 Professor von Marr. Freunde des Hingeschie- denen veranstalteten im Mai eine Ausstellung zahlrei- cher Arbeiten von ihm. Bei den 75, größtenteils dem Nachlasse des Künstlers entnommenen Werken sah man hauptsächlich Bildnisse, Postkarten und Sinnbilder der Jahreszeiten. Schon diese kurzen Angaben zeigen, daß eine Vielseitigkeit nach gegenstdndliclier Richtung nicht vorliegt. Um so intensiver ist die Darbietung, und zwar bei den Bildnissen vor allem nach der kolo- ristischen Seite hin. Arnegger legte auf diese beson- deren Wert. Mit lebhafter Neigung für starke Wir- kungen wählte er Farben von ausgesprochener Energie, ohne doch in Härten zu verfallen. Er liebte es nur, deutlich herauszuarbeiten, was er für richtig hielt, und was seinen künstlerischen Eingebungen entsprach. Die in vollem Lichte und in ihrer durch die Atmosphäre bedingten Art entwickelten kraftvollen Töne stellte er so zusammen, daß sie interessante und vornehme

Harmonien bildeten. So wenn er bei dem in gan- zer Figur gegebenen Bildnisse einer Dame diese in sehr helles Grün gekleidet gegen den Hintergrund einer zart geblümten Tapete oder vor einer solchen grün ge- streiften eine Dame in Weiß malte, oder eine ältere Dame in Schwarz gegen dunkelblauem Hintergrund, oder wenn er die Gestalt eines Herrn in blauer Uni- form von grünem landschaftlichem Hintergrund ab- stechen ließ. Häufig gab ihm auch die Darstellung von Studenten Gelegenheit, seiner Farbenfreudigkeit genug zu tun. Die Wahl des Kolorits diente bei Arnegger aber auch sehr wesentlich den Zwecken geistiger Ver- tiefung, der Charakterisierung der Personen. Weit ent- fernt war er indes davon, dieses Ziel nur mit Hilfe des Farbenvortrages und mit der seines nicht minder ent- wickelten plastischen Sinnes zu erstreben. Die Art, wie er den Ausdruck der Gesichter schilderte, beweist vielmehr, daß er die geistige Eigenart eines jeden zu durchdringen wußte und auf ihre überzeugende Inter- pretation ausging. Zu den besten Werken Arneggers nach dieser Riditung hin gehört z. B. das Bildnis Prof. Ph. Schumachers, das der Frau Schmitt, das Bildnis Riedner. Bei den Landschaften interessiert die Ruhe der Farbe, bei der grüne Töne vorherrschen, die gute Massenverteilung, die stimmungsvolle Erfassung der schlichten Motive. Die Ausstellung ließ das frühe Hin- scheiden dieses Künstlers lebhaft bedauern, dem eine bedeutende Laufbahn hätte beschieden sein können.

aSy

KARL KUOLT, PORTRÄTBÜSTE

Holz, vollendet jgtj

288

KARL KUOLT, SCHREIBTISCH

Vgl. AU. S lS7 und Beilage S. S7

Artifex 6uestf.

Galerle 315-1

lES. F. CHR. K., MCHN.

6L0RIA IN EXCELSIS DEO, ET IN TERRA PAX HOMINIBUS BONAE VOLUNTATIS

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G. SCHREINER

HAUPT CHRISTI

Dtlail. Vgl. Abb. S. 304

BILDHAUER GEORG SCHREINER

(Hierzu die Abbildungen S. 289 309)

r^er Deutsche Kaiser hat für den Altar der L-^ prächtigen neuen Kirche seines bekannten westpreußischen Besitzes Cadinen einen reich geschnitzten dreiteiligen Aufsatz anfertigen lassen, und dieser Auftrag ist dem Regens- burger Bildhauer Georg Schreiner zuteil ge- worden.

Schreiner wurde 1871 zu Regensburg gebo- ren. Er lernte 3 Jahre lang bei Prof Ruemann in München und arbeitete dann zum Teil selb- ständig, bis er sich 1907 endgültig in seiner Geburtsstadt niederließ. Zwei Arbeiten von ihm, eine Holzstatue der hl. Barbara und eine der hl. Katharina, beide zu dem Hochaltare der katholischen Kirche zu Teisnach gehörig, entstanden im Jahre 1900 und sind in der Jahresmappe der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst 1903 abgebildet (Abb. S. 290). Es sind Figuren von selbständiger Erfassung, kräftig und schön in Umriß und Durchfüh- rung; die deutsche Kunst der Renaissance macht sich als Vorbild fühlbar, ohne daß Eigenartigkeit und Neuheit darunter verloren

gingen. Im Jahre darnach schuf Schreiner eine Pieta für S. Eminenz den Kardinal Grafen Schönborn in Prag. Die Gruppe zeigt gute Geschlossenheit, die bei solchen Werken oft störende Härte, mit welcher die Linien der beiden Gestalten sich durchschneiden, ist mit Glück vermieden, der Christusakt gut beob- achtet und durchgearbeitet; die Charakteri- sierung atmet Feierlichkeit bei überzeugender Lebenswahrheit (Abb. S. 291). Die größte Ar- beit aus Schreiners früherer Zeit ist der ge- schnitzte Hochaltar der katholischen Pfarrkirche zuBraunau(Abb.S.292). Für dieses Werk ist die Idee bereits viel älter; sie stammt nicht von Schreiner, sondern von dem Dombaumeister Heinrich Freiherrn von Schmidt, der sie 1865 gefaßt hat. Der in den reichen Formen der aus- gehenden Gotik gehaltene Altaraufsatz trat an die Stelle eines vor Schreiners Zeiten bereits beseitigten Barockaltars. Man sieht ein zwei- flügeliges Werk: im Mittelschreine rechts und links vom Thronus die unter reichen Balda- chinen stehenden Figuren des hl. Petrus und

Die chilstllcbe Kunst. XII.

290

^3 GEORG SCHREINER e^

GEORG SCHREINER, DIE HL. BARBARA UND KATHARINA Am Hochaltar in der Kirche zu Teisnach. Höh. Text S. 3Sc)

Paulus, in den Flügeln je zwei in Reliet ge- gebene Szenen aus dem Leben des hl. Ste- phanus. Die Gestalt dieses letzteren und die von zwei weiblichen Heiligen stehen, rund gearbeitet, auch in der reichen Bekrönung des Altares. Das Ganze bot dem Künstler Gelegenheit, besonders auch das Talent zu beweisen, das er für die Erfindung und wir- kungsreiche Ausführung des Ornamentes be- sitzt. Man sieht dabei, wie er sich mit Ver- ständnis in die Denkart der alten deutschen Gotiker eingelebt hat.

Seit der Zeit seiner äußeren Selbständig- keit hat Schreiner eine stattliche Zahl bedeu- tender Arbeiten geliefert, von denen hier nur einige erwähnt werden können. 1907 schut

er ein mit einer schönen Engeltigur geschmück- tes Grabdenkmal für den Friedhof von Rein- hausen. Eine Probe seiner Fähigkeit zur Her- stellung älterer Kunstwerke legte er 1908 beim Hochaltar zu Stadtkemnath ab. Dasselbe Jahr brachte die Ausstattung der Josephskirche zu Königshütte (Abb. S. 299). Der 1909 enstan- dene Aufsatz des Hochaltares zu Antonien- hütte (Oberschlesien) ist wieder ein nach spät- gotischen \'orbiIdern entworfenes reich ge- schnitztes Triptychon (Abb. S. 293). Die Mitte enthält eucharistische Szenen, in den Flügeln sieht man je zwei Reliefs mit Darstellungen aus dem Leben des hl. Laurentius. Bemerkens- wert ist namentlich die Lösung der bei sol- chen gotischen Altären nicht geringen Schwie-

^ GEORG SCHREINER ^

291

GEORG SCHREINER

Im Besitze Sr. Etniiie.

des Kardinals Sdünbcr.

rigkeit, Tabernakel und Thronus künstlerisch befriedigend unterzubringen. Sciireiner hat dies in einer Weise versucht, der man nicht bestreiten kann, daß sie neuartig und zugleich im Sinne der alten Kunst gelegen ist. Er teilte nämlich den Mittelschrein in zwei ver- tikal getrennte Hälften, ebenso die Predella und schob dazwischen ein prachtvoll ge- schnitztes Sakramentshäuschen ein. Mit dem Sockel, dem Tabernakel, steht es auf den Leuchterstufen, darüber folgt der von zwei Statuetten flankierte Thronus, der die Form einer gotischen Kirchenapsis hat, im oberen Geschosse sieht man die Halbfigur des seg- nenden Gottvaters; endlich erhebt sich der zierliche, klar durchbrochene Turm über die Oberkante des ganzen Altaraufbaus. Und da nun das Sakramentsgehäuse auch noch vor den lediglich bildlichen Teilen des Aufbaus

hervortritt, und reich vergoldet ist, so cha- rakterisiert es sich als das, was es ist, als das wichtigste des Ganzen. Der Altar von An- tonienhütte gehört zu den wertvollsten Wer- ken, die Schreiner bisher geschaflen hat. Seine Neigung, im Sinne der alten großen Gotiker zu arbeiten, macht sich auch bei der 1911 entstandenen Kanzel und dem Hoch- altare der neuen katholischen Kirche von Langfuhr (bei Danzig) geltend. Der letztere ist wieder ein Triptychon (Abb. S. 294). Bei der Kanzel führte wohl die freie Erinnerung an die Syrlinschen Halbfiguren des Ulmer Domes zur Entstehung der vortrefflichen Halbfigurenreliefs der vier Evangelisten. Ent- wurf und Personenschilderung sind voll Kraft und in die Tiefe gehender Einfachheit (Abb. S. 296).

Ein »außerhalb der Linie, stehendes Werk

292

GEORG SCHREINER HOCHALTAR IN BRAUNAU

K'itwurf von Dombaumfistcr l-rh, v. Schmidt in Wien, lS6j Tcxl S. 2Sg

e^ GEORG SCHREINER ^3

293

schuf Schreiner 19 12 für den Hochaltar der Kirche von Rol;ittnitz in Oberschlesien (Abb. S.298). Die hier abgebildete Gruppe ist lebens- groß; sie hehndet sich innerhalb einer etwas schweren und dunkeln Architektur, deren Ent- wurf von dem Dresdener Architekten, Pro- fessor Kühn stammt. Der Gedanke »Kommet alle zu mir ; ist hier in einer Weise verbild- licht worden, die eine ganze Reihe von An- spielungen auf die Bevölkerungs- und Berufs- verhältnisse der dortigen Einwohnerschaft ent- hält. Die in schlichter Idealisierung gegebene Figur Christi hebt sich von den realistischen Gruppen der herzudrängenden Menschen be- deutungsvoll ab, ohne daß innerer oder äußerer Zwiespalt dadurch entstände. Die Charakteri- sierung der Personen ist vorzüglich. In dem Werke lebt starkes neuzeitliches Empfinden, dabei tiete Stimmung. 1 9 1 3 ist das Entstehungs- iahr eines Hochaltars für die neue St. Carolus-

kirche zu Breslau. Das Abendmahl relief ist von hoher Feierlichkeit erfüllt, die edlen Köpfe voll lebendigen Ausdrucks. In demselben Jahre entstand auch der Altar der neuen Evange- lischen Pauluskirche in Breslau. 1912 und 191 3 arbeitete Schreiner auch einen Hochaltar für die Kirche von Hausham in Oberbayern (Abb. S. 301). Von der Tüchtigkeit des Wer- kes legen die beiden hier abgebildeten Grup- pen Zeugnis ab. Die eine zeigt den auf Wol- ken sitzenden hl. Antonius mit dem Jesus- kinde, die andere den auf der Weltkugel thronenden Gottvater, der in lebhafter Bewe- gung die Rechte segnend erhebt. Die Stil- auffassung ist die des späten Barock; ihr folgte der Künstler auch mit der Darstellung der unbekleideten Engel. Die Gruppen fügen sich mit der Größe ihrer Linien und Flä- chen der Architektur des Altarwerks volltönig und harmonisch ein. Eine Arbeit von

GEORG SCHREINER

Der obere Teil fehlt.

H0CHALT.\R IX .■WTONIENHCTTE (SCHLESIEN') Text S. zqo

294

^:a GEORG SCHREINER ^

GEORG SCHREINER, ANBETUNG DER KONIGE UND DER Z\VÖLF|ÄHRIGE |ESUS Neue katholische Kirche in Dattz'g. Text S. 2QI

großer Selbständigkeit ist der 1914 begonnene, 191 5 vollendete Altar der neuen protestanti- schen Kirche zu Oliva in Westpreußen (Abb. S. 295). Der Kruzifixus, zu dessen Füßen der Sündenfall dargestellt ist, hebt sich höchst wirksam von einer aus durchbrochenem Laub- werk gebildeten Wand ab; Spruchbänder durch- ziehen sie; unter und an ihr sind die Ge- stalten der vier Evangelisten, sowie des hl. Petrus und Paulus verteilt. Die Arbeit zeugt von kräftiger Durchdringung des Geistes der späten Gotik. 1 9 1 5 entstand ferner ein Hoch- altar für Oberschneiding und wurde die Ge- samtrestaurierung dieser Kirche nach Schrei- ners Entwürfen durchgeführt.

Endlich brachte der Schluß des Jahres die Vollendung eines der bedeutendsten Werke des Künstlers, nämlich des zu Anfang er- wähnten dreiteiligen Altaraufsatzes für die Kirche in Cadinen nach dem Entwürfe ihres

Erbauers, des Geheimen Baurats Kickton in Potsdam (Abb. S. 304 507, vgl. S. 310 312). Der Mittelschrein ist quadratisch (3,80:4,50 m). Hier sieht man in der Hauptgruppe den von seinen Freunden und Feinden umgebenen gekreuzigten Heiland. Zu seiner Rechten steht Maria. Sie streckt die Hände nach ihrem Sohne aus; der Schmerz will sie überwältigen, aber Johannes stützt sie und bewahrt sie vor dem Umsinken. In Trauer, Liebe und Zuversicht blickt er eine der schönsten Figuren, welche Schreiner geschaffen hat auf seinen gött- lichen Herrn und Meister. Seitwärts steht der römische Hauptmann. Links vom Kreuze er- blickt man die Widersacher, verkörpert in den Gestalten von drei alten Israeliten; ihre Leiden- schalt ist temperamentvoll und doch mit künst- lerischerZurückhaltung geschildert. Den Über- gang von einer Gruppe zur andern vermittelt Magdalena, die am Fuße des Kreuzes in die

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GEORG SCHREINER ALTAR IN DER EVANGELISCHEN KIRCHE ZU OLIVA BEI DANZIG

Vollendet iqis, Text S. zg4

296

^ DIE WANDBEHÄNGE DER STIFTSKIRCHE IN GARSTEN ®S^

GG. SCHREINER

An der Kanzel dt->

•u kath. Kin Text S. 2qt

JOHANNES EVANG Lang/uhr-Danzig

Knie gesunken ist. Von den Flügeln zeigt der reciits die Kreuztragung des Herrn, wel- ciier die weinenden Frauen ermahnt; der links die Abnahme vom Kreuze. Die Predella ent- hält die Reliefs der Evangelistensymbole. Die Auswahl sämtlicher darzustellenden plasti- schen Werke ist durch S. M. den Kaiser selbst erfolgt. Auch die Kompositionen der Flügel- reliefs sind klar, ruhig und schön. Die Linien- führung der Figuren ist einlach, die Auflas- sung verwandt jener von spätgotischen Altar- werken des deutschen Südens, doch voll von jener innerlichen Unabhängigkeit, welche der Schreinerschen Kunst zur Auszeichnung dient. Das gilt durchweg, und so bei dem Cadiner Altare auch wieder von dem ornamentalen Beiwerke, welches reich und schön gezeichnet und mit verständnisvoller Technik ausgeführt ist. Das ganze Werk ist in seiner Wirkung außerordentlich gesteigert durch die farbige

Fassung und die reiche, festlich wir- kende Vergoldung; sie ist zumeist matt, einzelne Partien leuchten im Glanzgold. Der Cadiner Kirche, welche nach den Wünschen des Kaisers im Charakter der Ordensbaukunst in Preußen als mit- telalterlicher Backsteinbau in reichen Formen errichtet wurde, und bei deren Ausführung sich das Allerhöchste Inter- esse auf alle Einzelheiten erstreckte, wird das Schreinersche Altarwerk zur Zierde gereichen. S. M. der Kaiser hat sich in hervorragend anerkennender Weise über dassselbe ausgesprochen. Auch S. Exz. der Herr Bischof von Regensburg war davon hochbefriedigt. Doering

DIE WANDBEHÄNGE DER

EHEMALIGEN STIFTSKIRCHE

IN GARSTEN

Von JOSEF HARTER- H.-\RT, Steyr

r^ie Gobelins der prächtig stukkierten *~^ früheren Stiftskirche in Garsten bil- den ähnlich jenen des Kaisersaales der Benediktinerabtei Kremsmünster, welche das Leben des mongolischen Großkönigs Timur (Timor Lenk) schildern, einen geschlossenen Zyklus. Der große über zehn Meter lange, an der Evangelienseite hängende Garstener Gobelin verbildlicht die Vermählungsfeier Alexanders des Großen mit der schönen Roxane, Toch- ter des baktrischen Fürsten Oxyartes, am Hof zu Susa (Frühjahr 324 v.Chr.) im Kreise seiner Feldherren, welche sich gleich ihrem König mit Perserinnen ver- lobten. Der gegenüber befindliche, sieben Meter lange, veranschaulicht Alexanders Einzug in Babylon, eine Darstellung, die in der Kom- position einzelner Partien an den in der könig- lichen Gobelinmanufaktur in Paris nach Charle.s Le Bruns Karton angefertigten Alexandergo- belin erinnert. Durch ein reichgegliederres, vonden Allegorien des Alten und Neuen Testa- mentes geschmücktes Marmorportal getrennt, ist um den mächtigen, Presbvterium und SchitI scheidenden Pilaster jener, welcher aus drei Teilen besteht, deren zwei schmale Abschieds- oder Begrüßungsszenen verbildlichen, in denen Roxane und ihr \'ater Oxyartes erscheinen. Die größere Partie veranschaulicht eine Krö- nung, wahrscheinlich die bildliche Erwählung Alexanders zum Sohn Amnions, als er anfangs 331 v.Chr. durch die Libysche Wüste zu des Zeus Heiligtum zog. Anschließend an den großen der Evangelienseite ist ein vollständiger, welcher

DIE WANDBEHANGE DER STIFTSKIRCHE IN GARSTEN

297

eine Sterbeszene verbildlicht. Ein vornehmer, schvververwundeter Krieger wird zum reiten- den Sieger getragen, indes ein Reiter einen Jüngling zu Tode schleilt. Verbildlicht ist da- rin die Begebenheit, wie (Juli 350 v. Chr.) der sterbende Perserkönig DareioslII. Codumannus von makedonischen Kriegern zu Alexander ge- bracht wird, da der Perser auf der Flucht nach Ekbatana in Medien von dem baktrischen Satrapen Bessusund dessen Mitverschworenen Barsaentes von Arachosien und Narberzanes nächst Hekatompylos in Parthien tödlich ver- wundet und hilflos auf seinem Streitwagen liegen gelassen wurde, bis ihn Alexanders Krieger fanden. Der zu Tode geschleifte Jüng- ling dürfte einer der Edelknaben sein, die zu Anfang 327 v. Chr. zu Baktra eine Verschwö- rung anzettelten, die jedoch entdeckt und deren Anstifter zum Tode verurteilt wurden. Aus dem Zeitunterschied kann ebenso eine andere Hinrichtung ersehen werden, obgleich auch die Meister des Barokko zur reicheren Drama- tisierung ihrer Gemälde dem Anachronismus huldigten, falls derselbe die Wirkung ihrer Szenen förderte. Der an gleicher Wand gegen den Hochaltar gespannte Gobelin stellt eine Gartenszene dar, in welcher der in den Bild- webereien verherrlichte Held schlicht kostü- miert ist und den vom nebenstehenden Mohren- pageo erhaltenen Brief liest. Ihm zur Seite steht vertraut ein älterer, welcher das Schreiben hält. In diesem Webgemälde ist jene Episode aus Alexanders reichbewegtem Leben veran- schaulicht, wie der große Makedonier die Ant- wort seiner Aufforderung an Fürst Porus er- hält, daß ihn dieser an der Spitze seines Heeres empfangen werde. Alexander hatte ihm die Botschaft gesandt, sich zu unterwerfen. Doch Porus schickte ihm die stolze Antwort, wor- auf der Makedonier, nachdem er im Früh- jahr 326 V. Chr. den Indus überschritten hatte und in König Taxilies' Reich gedrungen war, der sich mit seiner Hauptstadt freiwillig unter- warf, unterstützt von diesem und anderen indischen Fürsten (Mai 326 v. Chr.) an den Hydapses zog. Der Fluß trennte die Gegner. Es kam zur entscheidenden Schlacht, in welcher Porus Heer und Reich verlor und verwundet wurde. Alexander setzte ihn in sein Reich. Derrechtsseits stehende Krieger ist Alexanders vielgeliebter Freund Hephästion , Amyntos Sohn aus Pella, welcher ihn bei sämtlichen Feldzügen begleitete und von Jugend seine vertrauteste Gesellschaft bildete. Beide hatten bei Aristoteles im Hain zu Mieza gemeinsamen Unterricht genossen und seit dieser Zeit ver- band sie bis zu Hephästions Tod eine wahr- haft klassische Freundschaft. Als dieser im

Spätsommer 324 v. Chr. zu Ekbatana starb, ließ ihn sein Freund im Mai 323 v. Chr. zu Babylon mit königlicher Pracht bestatten und durch Amnions Spruch zum Halbgott erklären. Kaum ein Jahr betrauerte Alexander seinen Freund, denn am 13. Juni 323 v. Chr. starb auch er.

Jeder Wandteppich birgt inmitten der oberen Blumen- und Fruchtbordüre ein Wappen, das mit jenem des kurkölnischen Adelgeschlechtes der Dünewald identisch ist. Stammherr des längst erloschenen Geschlechtes war Johann Heinrich von Dünewald, welcher um 1620 im Kurkölnischen, angeblich in Cleve bei Köln, geboren war. Wegen ausgezeichneter militä-

GEORG SCHREINER

Hausham in Obirbaye

HL. P.^ULUS

Die christliche Kunst. XII.

298

e^ DIE WANDBEHÄNGE DER STIFTSKIRCHE IN GARSTEN mm

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GEORG SCHREIXER

KOMMET ALLE ZU MIR

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Rokiltnitz. - Vgl. Abb. unten

rischer Leistungen wurde er am 15. November 1675 vom Kaiser Leopold I. in den Reichs- grafenstand erhoben und zum General der Kavallerie befördert, nachdem ersieh am 4 Okto- ber 1674 unter Bournonville im Kriege gegen KönigLudwigXIV.vonFrankreich im mörderi- schen Tretfen von Enzheim nächst Straßburg

hervorragend beteiligt hatte und bei Mühlheim gefangen, später ausgewechselt worden war. Wiederholt leistete er Österreich gegen den Erbfeind der Christen ausgezeichnete Dienste, so verteidigte er, als Wien 1683 von den Türken belagert wurde, die Stadt Krems an der Donau und schlug dortselbst eine türkische

GEORG SCHREINER

KOMMET ALLE ZU MIR

Vom Altar in Rokiltnitz, l'gL Abb. obin

DIE WANDBEHÄNGE DER STIFTSKIRCHE IN GARSTEN es^ 299

GEORG SCHREINER

Katk. St. Josephskirch.

Heeresabteilung. Er zog gegen Wien vor und nahm am Entsatz trefilichen Anteil. Als die türkische Armee bei Parkany geschlagen worden war, verfolgte er diese. Im nächsten Jahre führte er die schwäbischen Hilfstruppen zur ersten Belagerung Ofens und schlug 1686 bei

der zweiten ein türkisches Entsatzheer. 1687 führte er nach der Schlacht bei Mohacz ein Korps gegen Esseg, woselbst eine türkische Reserve zurückgeblieben war und drängte diese nach Belgrad. Hierauf unterwarf er ganz Slawonien und alle dortigen Festungen. Als

es^ DIE WANDBEHANGE DER STIFTSKIRCHE IN GARSTEN ®^

1689 Ludwig XIV. abermals in Deutschland einfiel, rückte er gegen den Rhein vor und entsetzte Heidelberg. Wieder gegen die Türken zu ziehen befehligt, kämpfte er 1690 und 1691 bei Slankammen und trug vornehm- lich am letzten Siege bei. Er wurde beim österreichischen Hof verdächtigt, Bestechun-

Besteller der Wandteppichewarund diese nach 1675, dem Jahr seines Erhebens in den Reichs- grafenstand, angefertigt wurden. Wie sie in den Klosterbesitz von Garsten gelangten, ist gegenwärtig noch unaufgeklärt. Allgemein wird angenommen, daß sie durch Gelegen- heitskauf, vielleicht vom kunstsinnigen und

GEORG SCHREINER

ST. ANTONIUS VON P.-\DU.\

,•)/// llcichallar der Kirche

gen angenommen zu haben, und war im Be- griffe, nach Wien zu reisen, um sich zu recht- fertigen, als er auf der Hinreise zu Esseg am 31. August 1691 starb. Angeblich soll er sich vergiftet haben, um der Rechenschaft zu ent- gehen. Die gesamte abendländische Kultur hat in ihm einen der tapfersten Kämpfer und Osterreich einen seiner besten Feldherren ver- loren.

Nach dem eingewebten Dünewaldschen Wappen ist anzunehmen, daß dieses Gesciilecht

hochgelehrten Abt Anselm Angerer (1683 1715) erworben wurden, da sich aus ver- schiedenen Testamenten der Düne walde große Geldschwierigkeiten ergaben, selbst Rückstände von Sold an die Dienerschaft verzeichnet sind. Von ihrem Geschlecht ist bekannt, daß es von 1678 bis zum Aussterben 17 18 die Herrschatt Saabor in Preußisch-Schlesien besaß und daß es mit Ludwig erlosch.

Die gigantischen Pilaster des Schiffes um- hüllen gemalte Tcppiche, welche auf den am

301

GEORG SCHREINER

HOCHALTAR DER KATH. KIRCHE IN HAUSHAM (OBERBAYERN>

Text S 2q3

302

^ DIE WANDBEHÄNGE DER STIFTSKIRCHE IN GARSTEN ^

13. Jänner 1735 verstorbenen Garstener Hof- maler Johann Karl von Reselfeld zurückgeführt werden. Unverkenntlich dürfte mit denselben jenes >>Spalier« gemeint sein, von dem Abt Anselms Zeitgenossen sprechen und welches bei dessen vierzigjährigem Priesterjubiläum die Wände der Kirche bekleidete. Nach Aufzeich- nung des Garstener Ex-Konventualen P. Ernst Koch (gestorben 18 17) ließ der letzte Garstener Abt Maurus Gordon (gestorben 1786) diese Teppichmalereien »unter der Direktion des berühmten Mahlers zu Krems, Herrn von Schmidt, frischen«.

Auf grober Leinwand in bunten Farben gemalt, umsäumt von Blumen- und Frucht- bordüren, erzählen sie in Bruchstücken die Geschichte der Makkabäer, jener jüdischen Heldenfamilie, welche Judas Makkabäus zum Ahnen hat. Schon sein Vater Mattathias war das Haupt der Aufständigen gegen die Syrier.

GliÜRG SCHRlilNIiR

In Rfgrn ü n ly- Kel„ Im iisiii.

Durch die Unterdrückung des jüdischen Glau- bens und den Abfall von Volksgenossen zum Heidentum erbittert, sammelte er eine Schar mutiger Glaubensgenossen um sich, um sein Volk von syrischer Herrschaft zu befreien. Mit seinen Söhnen Joannes Gaddis, Simon Thasi, Eleazar Abaron und Jonathan Apphus vollendete Judas das väterliche Werk die Wiederherstellung des jüdischen Staates (135 v.Chr.). UnterThasis Sohnjoannes Hyrkanusl. erreichte jener den Höhepunkt. Sein Sohn Aristobul I. nahm 105 den Königspurpur. Nach kurzer Regentschaft folgte ihm sein Bruder Alexander Jamäus von 104 bis 78, welcher die widerspenstige Partei der Phari- säer zugehe. Unter seinem Sohn Hyrkanus IL, der ihm auf den Thron folgte, machte sich bereits Roms Einfluß geltend. Herodes der Große schloß mit Mariamne, Hyrkanus' II. Enkelin, eine Ehe. Um die Herrschaft ihrem Mann zu sichern, ließ sie die männ- lichen Nachkommen ihrer Familie ermorden.

Die Makkabäer-Kämpfe waren die begeisternden Vorbilder jener Zeit, in welcher der damalige Feind der Christen niedergerungen wurde. Die riesigen Fresken des Musikchores gleicher Kirche bezeugen die flam- mende Begeisterung über die Siege christlicher Waffen.

Eine der Teppichmalereien schil- dert das Opfer zu Modein (I. Makk. 2, 23 24). In dieser Stadt, in welcher Mattathias mit seinen Söhnen lebte, wollte ein Jude auf königlichen Be- fehl dem Götzen opfern. Als Mat- tathias dies sah, übermannte ihn der heilige Zorn und er tötete den Abtrünnigen am Altar.

Ein anderer Teppich erzählt Helio- dors Vertreibung durch Engel und einen geflügelten Reiter aus dem Tempel zu Jerusalem (IL Makk. 3, 25 26). Nach biblischem Bericht war Apollinus, dem Statthalter von Gölesyrien und Phönizien, durch Simon, den Vorsteher des Tempels zu Jerusalem, angezeigt worden, daß in diesem bedeutende Summen hin- terlegt seien. Als König Seleukos Philopator hieven erfuhr, beorderte er Heliodor, das Geld zu beheben. Der Hohepriester Onias empflng ihn freundlich und bedeutete ihm, daß das aus 400 Pfund Silber und 200 Pfund Gold bestehende Vermögen zum Unterhalt der Witwen und

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DIE WANDBEHÄNGE DER STIFTSKIRCHE I\ GARSTEN

303

GEORG SCHREINER

ALTAKE IN OBER$(;llNEIDIN( ; HEI STRAUBING

Waisen bestimmt sei und ein bedeutender Teil Hirkanus, einem vornehmen Reichen, gehöre. Der Gesandte ließ trotz eindring- licher Bitte des Hohenpriesters nicht ab, und bestimmte einen Tag, an welchen er mit seinen Soldaten das Vermögen behebe. Als er in der Schatzkammer war, betete der Hohepriester samt dem Volk. Da er- schien ein goldener Reiter, dessen Pferd den Heliodor zu Boden trat. Außerdem er- schienen zwei geflügelte Jünglinge, die mit Ruten auf ihn einhieben und ihn zum Tempel hinausstießen.

Der Pilastermantel unterhalb der Kanzel schildert, wie auf des Antiochus IV. Epiphanes Auftrag Fürst Apollinus mit 22000 Soldaten am Sabbat die Juden zu Jerusalem hinmet- zelte (II. Makk. 5, 26).

Der vierte Teppich stellt Antiochus' IV. grauenvollen Tod dar (II. Makk. 9, 28 29'. Nachdem dieser bei Persepolis eine große Niederlage erlitten hatte, wollte er seinen Zorn an den Juden kühlen. In seiner Erre- gung hörte er in Ekbaktana, daß Nikanor und Timotheus samt ihren Truppen von den Juden geschlagen worden waren. Da schwor er, daß er Jerusalem zur Totenstätte der Juden machen wolle. Kaum hatte er den Schwur

gemacht, verspürte er unsägliche Schmerzen im Leibe. Trotzdem zog er in Eilmärschen gegen Judas Grenze. Nach einigen Tagen nahm die Krankheit derart zu, daß er in einer Sänfte zu reisen genötigt war. Die Fäulnis war so weit vorgeschritten, daß stückweise das Fleisch vom Körper fiel und Maden hervor- kamen. Da gelobte er seinen Schwur zurück- zunehmen, er wollte sogar Jude werden. Um- sonst war sein Flehen. Unter entsetzlichen Schmerzen starb er. Reselfeld hat sein grau- siges Ende lebhaft geschildert. Würmer krie- chen aus dem Munde und Soldaten halten sich die Nase vor dem Gestank zu.

Auf entgegengesetzter Seite ist der geheim- nisvolle Heerführer der Juden gegen Lysias' Streitmacht verbildlicht. Hierüber berichtet der achte Vers des elften Kapitels im zweiten Makkabäer-Buch. Da die Juden Timotheus, seinen Bruder Chäreas und ApoUophanes er- schlagen hatten, zog Lysias, der Reichsver- weser und Verwandte des Königs Eupator, mit 80000 Mann, der Reiterei und 80 Ele- phanten gegen die Juden. Als Judas Makka- bäus hörte, daß Lysias die bei Jerusalem ge- legene Stadt Bethsura belagerte, eilte er mit seinem Aufgebot hin. Als er Jerusalem ver- lassen hatte, erschien ein weißgekleideter Reiter

304 ^ DIE WANDBEHÄNGE DER STIFTSKIRCHE IN GARSTEN

GEORG SCHREINER

KREUZIGUKGSGRUPPE

Schreinrelief im Altar der Kaisertichen Kirche zu Cadinetu l'gl, Abb. S. joj

mit goldenem Harnisch, der einen Spieß Das sechste und letzte Bild schildert, wie

schwang und neben ihnen herzog. Judas Judas Makkabäus nach Rückeroberung Jerusa-

Makkabäus errang über den mehrfach über- lems Götzentempel und -statuen zerstören

legenen Gegner einen glänzenden Sieg. ließ (II. Makk. lo, i 2).

305

GEORG SCHREINER

ALTAR DER KAISERLICHEN KIRCHE ZU CADINEN

Im Auftrag Sr. Majestät des Deutschen Kaisers. Text S. 2()4

Die christliche Kunst. XU.

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GEORG SCHREINI-R JESUS UND DIE WEINENDEN FRAUEN

Ftügtlrelief am Allar in Cadtnen. Vgl- Abb. S. 3<-'S

307

GEORG SCHREINER KREUZABNAHME

FliigelriUtJ am Altar in Cadinen. Vgl. Abi. S. 30J

3o8

GEORG SCHREINER ORGEL IN DER KAISERLICHEN KIRCHE ZU CADINEN

Vi'l. Text S. zqt und Abt. S. 312

309

GEORG SCHREINER KANZEL IN DER KAISERLICHEN KIRCHE ZU CADINEN

Vgl. Text S. 2g6 und AH. S. 311

OBERBAURAT KICKTON (BERLIN)

AUSSENANSICHT DER KAIS. KIRCHE IN CADINEN Text S. igi

3"

OBERBAURAT KICKTON (BERLIN)

F^l. AU. S. 30J.

INNERES DER KAIS. KIRCHE IN CADINEN

Trxt S. 2g6

312 ©^ SOMMERAUSSTELLUNG DER MUNCHENER SECESSION

OBERBAURAT KICKTOX (BERLIN')

KAISERLICHE KIRCHE IX CADINEN

B/iik tiack der Empn

Vgl. Ati. S. Jto und jn

SOMMERAUSSTELLUNG 191 6 DER MUNCHENER SECESSION

An äußerem Umfange ist die heurige Sommer- '»■ ausstellung ihren Vorgängerinnen gleich sie umfaßt gegen 700, aus einer bedeutenden Menge des Angebotenen ausgewähhe Wert:e der Plastik, der Graphik, der zeichnenden Künste und vor allem der Malerei. Mit den künstlerischen Leistungen ihrer Darbietungen erreicht sie das Durchschnittsmaß. Einer An- zahl bedeutender Leistungen schließt sich die große Mehrheit mittlerer an, von auffälligen Tüfteleien der Technik, von Unklarheiten oder Häßlichkeiten des Gegenstandes hält man sich im allgemeinen frei, wodurch etliche Aus- nahmen um so störender wirken. Das Gute und das Brauchbare stehen auf demselben Standpunkte, den sich die zumeist wohlbe- kannten Verfasser gesichert haben, freilich geben ihre Werke dem Ganzen den festen Halt. Die Plastik bietet besonders beim Bildnis

und bei der Medaille Bemerkenswertes. Aus der ersteren Gruppe nenne ich Fritz Behns charakteristische Porträtbüsten Sr. Majestät König Ludwigs III. und Sr. K. H. des Kron- prinzen Rupprecht von Bayern; jene ist für Ausführung in Eisen, Bronze oder Stein, diese für Bronzeguß geformt. Edler Realismus spricht aus A. v. Hildebrands Bildnis I. K. H. der Herzogin Karl Theodor, sowie aus dem einer älteren Dame. Vornehm ist die Porträt- studie von Ch. Jaeckle. Die Bronzebüsten von O. Ebbinghaus und ein Holzbildnis von Th. Georgii dürfen endlich nicht unerwähnt bleiben. Die Gruppe der Medaillen und Plaketten verdankt ihre ungewöhnliche Reich- haltigkeit den durch den Krieg gegebenen Anregungen. Darauf komme ich weiterhin noch zurück. Hier erwähne ich zunächst die Porträtmünzen, Zier- und Schmuckplaketten von L. Eckart, charaktervolle Arbeiten voll feinen Reizes und poetischer Auffassung; die zierlichen Medaillen und Anhänger von

e^i SOMMERAUSSTELLUNG DER MÜNCHENER SECESSION ©^

313

HANS HUBER-SULZEMOOS (MÜN'CHEX)

MÄDCHEXBILDXIS (PASTELL)

J. Gangl und J. Koken; die in Eisen oder Silber geschnittenen Plaketten meist mytho- logischen Inhaltes von H. Lindl; die silbernen Porträtmedaillen von A. Zadikow, die eiser- nen und bronzenen von H. Schwegerle und A. Rothenburger. Es ist bezeichnend, wie die Vorliebe für diese Kleingebilde im Zunehmen begriffen ist, und ein Gebiet eröffnet, auf dem das Verständnis für die Sprache der Plastik sich auszubilden und zur Entwicklung eines

näheren Verhältnisses zu der Schönheit dieser Kunst zu führen vermag, die an Denken und Abstraktionsfähigkeit ungleich höhere An- sprüche stellt als die Malerei mit den ihr benachbarten Künsten. Kleinbronzen (Bü- sten, Statuetten) von feiner Vollendung schut J. Zeitler; L. Penz sandte zwei in seiner be- kannten kräftigen und humorvollen Art ge- schnitzte und gefärbte Tiroler Bauerntigürchen. Als Tierbildner interessieren R. Sintenis,

Die christliche Kunsl

314

SOMMERAUSSTELLUNG DER MUNCHENER SECESSION ^^

C. Bauer und W. Zügel Aktstudien seien er- wähnt von K. Albiker, A. Kraus, E. Wenck. Hierher gehört auch das zierliche Brunnen- hgürchen eines Fischers von Ebbinghaus. Die Monumentalplastik ist nur durch ein Werk vertreten, die Figur eines jugendlichen Schu- sters für einen Brunnen zu Pirmasens von G. Müller, eine Arbeit von ruhiger guter Linie und gesunder Auffassung, in der Idealis- mus und Realismus sich trefflich vereinigen und einander die Wage halten.

Aus der kleinen Gruppe der Graphik er- wähne ich A. Hennigs ergreifend wirkende Reihe von Steinzeichnungen über das Thema »Die Bedrängten ;, sowie O. Wirschings Holz- schnittfolge »Vom Totentanz«, Blätter voll lebenswahren, mit düsterer Poesie erfaßten Inhaltes, der mit herber Unerbittlichkeit vor- getragen wird. Wertvolle farbige Holzschnitte

HANS IIL lil-.K SLLZEMOOS

mit Vogelstudien schuf L. H. Jungnikel, Land- schaftslithographien E. Kirchner.

Wir kommen zur Malerei und Zeich- nung. Von den Blumenstilleben fesseln durch schöne Komposition und frischen Vortrag u. a. die von Th. Hummel und C. Piepho; vornehm wirken die in tiefer Stimmung gegebenen Stiefmütterchen von F. Strobentz. Ein Still- leben seltenen Gegenstandes zeigt A. Jank: zwei Sättel, ein dunkler und ein heller von delikater Farbe und feiner Charakterisierung. Die Malerei von Innenräumen lieferte tretTliche Kolorit-, Licht- und Luftstudien. So schilderte Ch. Vetter den Reiz des mit alten Gobelins geschmückten Goldenen Saales in der Münchener Residenz, Wolf-Filseck eine Stube in einem alten Tiroler Schlosse; J. Kühn jun. malte einen roten Salon, zu dessen Farbe die eines grauen Damengewandes einen voll- tönigen Gegensatz und zugleich die in- nere Ergänzung bie- tet. R. Winternitz läßt die »Maisonne« einen Gartensalon mit Licht durchflu- ten, das teils durch eine weiße Gardine gedämpft wird, und sich so auf einer Tischplatte spiegelt, teils ungehindert aus dem Garten herein- bricht. Das Problem der verschiedenen Beleuchtung ist glücklich gelöst. Daß dort draußen eine Dame sitzt, muß man freilich nicht ohne Schwierigkeit erra- ten. — Einige Tier- schilderungen ver- mögen zu interessie- ren. Ch. Landen- berger hat eine in ihrem warmen gelb- lichen Kolorit und ihrer Wesensschilde- rung treff"liche Stu- die mehrerer Ziegen ausgestellt; beson- ders gut beobachtet ist die Wirkung im Stallraume. A.Jank schildert mit be- kannter Virtuosität .--iinii.N/hi^H.NLNo das Pferd bei einer

SOMMERAUSSTELLUNG DER MUKCHENER SECESSION ^äS

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HANS HUBER-SULZEMOüS

lebhaft bewegten Fuchsjagd und in zwei an- deren Gemälden ; R. von Hang wählt das gleiche Thema für die Darstellung der »Rast« eines Militärtransportes; R. Engels malte gut beobachtetes Vieh auf der Weide mit groß- zügiger Behandlung des landschaftlichen Ele- mentes. — Die Landschaft ist wie immer reichlich und zum Teil sehr gut vertreten. Einen stillen Vorfrühling malte C. Vinnen, W. L. Lehmann eine : Abendsonne«, die ihre Strahlen über eine flache Gegend und ein mit Getreidegarben besetztes Feld im Vordergrunde wirft. Von den Landschaften F. Bürgers zeichnet sich namentlich ein ver- schneiter Friedhof durch feine Stimmung aus. R. Pietzsch schildert u. a. den Frühling in oberbayerischer sanft bewegter Landschaft mit Blick auf ferne Berge. F. Reiser holt mehrere seiner Motive diesmal aus Florenz. Eine Frühlingsstimmung bei einer Kirche der Dachauer Gegend gibt P. Crodel. Den Mün- chener Englischen Garten mit dem ihn er- füllenden Menschengewühl charakterisiert eine Impression von R. Schramm-Zittau. Die Studien menschlicher Gestalten treten in zahl-

reichen Fällen als Akte auf, zumeist in genre- hafter Darstellung, die den Bildern etwas reichlich Unerquickliches gibt und sie zur öffentlichen Ausstellung nicht geeignet macht. Auch in dieser Beziehung wäre es unbedingt anzuraten, daß man sich von französischen Gepflogenheiten endlich frei machte. Vom rein malerischen und zeichnerischen Stand- punkte aus ist auch manches abzulehnen, wie des langweiligen C. Schwalbach >Tröstende« oder F. Reinhards »Amazonen«. J. Kitzlers »Herbst« läßt die innerliche Abhängigkeit von Gauguin zu sehr empfinden. Unerquick- liche Wirkung übt Stucks Fangspiel«, rich- tige Verkaufsware, noch mehr Habermanns affektiertes Bild »Misericordia«. Interessante Zeichnung und Farbengebung vermögen für den Mangel an tieferschürfendem Geist nicht zu entschädigen. An klarer Verständlichkeit fehlt es auch mehreren an sich schön gegebenen Szenen A. von Kellers: seinem »Erwachen«, seiner »Mondnacht«. Zwei Kopfstudien von ihm sind von großer Feinheit. Edel in Ge- danken und Vortrag wirkt eine »Heuerin« von H. Groeber, wohl ein porträtistisches

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SOMMERAUSSTELLUMG DER MUNCHENER SECESSION

HANS iani;K-SLLZi;.\ii

Werk. Unter den Bildnissen ist eine ganze Reihe von bedeutenden, zum Teil hervor- ragend wertvollen. Ich nenne H. Niestles Portrat eines Offiziers; ein in feinem Hell- gelb gegen weißen Hintergrund gesetztes Damenbild von C. H. Schrader-Velgen; das charakteristische Bildnis des Professors Kirch- ner von F. Strobentz. Als bemerkenswerte Gaben, welche die Ausstellung auf porträti- stischem Gebiete darreicht, hebe ich Trübners Damenbild, sowie M. Liebermanns Porträt des Malers Krohn (1873) hervor, beides Lei- stungen voll Leben, äußerlich so verschieden wie möglich, jedes in seiner Art zwingend und überzeugend. Der Glanzpunkt der Bild- nisgruppe sind wie immer die Werke Leo Sambergers. Es sind ihrer fünf, von denen nicht gesagt zu werden braucht, daß sie Meisterwerke tiefster Charakterisierungskunst

und genialer Malerei sind. Jedes in seiner Art ist so individuell wie die dargestellte Persönlichkeit, deren Eigenart in Haltung, Blick, Farbe und Vortrag interpretiert wird. Als Leistung seltener Art hebe ich das an- mutige Kinderbildnis »Marianne Sambergerv; hervor. Die Monumentalkunst hüllte sich, trotz der Anregungen dieser Kriegszeit fast gänzlich in Stillschweigen! Nur eine Aus- nahme habe ich bemerkt: ist ist der Zyklus von zehn dekorativen flüchtigen Entwürfen, in denen A. Henselmann das Leben und Wirken des hl. Bonifatius leiert. Man fühlt sich förmlich beruhigt, wenn man dank dieser Arbeiten die Möglichkeit hat, doch etwas zum Lobe dessen zu sagen, was sich in dieser Ausstellung mit dem Thema ^Religion, be- schäftigt. Denn freilich ist dies noch von einer ganzen Anzahl von Malern benutzt wor-

e^ SOMMERAUSSTELLUNG DER MUNCHENER SECESSION ?^ 317

HANS IlL-BEK-bULZFMOl

den, aber leider in einer Weise, die des Gegenstandes durchaus unwürdig ist! So von J. Seche, der in einer figurenreiciien Radie- rung die Kreuzigung des Herrn zum Vor- wande kulturkämpferischer Karikatur miß- braucht; von Th. Esser, der Potiphars Weib, E. Graeser, der Christus und die Ehebrecherin, J. Hüther, der die alttestamentliche Susanna darstellt alles in Auffassungen, die dem religiösen Empfinden widersprechen und bei dem Gegenstande äußere und innere Häßlich- keit konstruieren. Auch die Beweinung von P. Roloff ergeht sich bei der Schilderung des heiligen Ereignisses in einem Vortrage, der lediglich abstoßend wirkt.

Der Einfluß, den der große Gegenstand unserer Tage, der Krieg, auf die deutsche Kunst übt, braucht zum Glück nicht nach

den Darbietungen der Secession allein beur- teilt zu werden. Man käme sonst zu ganz einseitigen Auffassungen. Gerade das Wich- tigste, was er anregen soll, das Monument, fehlt ganz; man müßte denn die in gezwun- gener Bewegung dastehende Aktfigur eines schwertschwingenden Mannes (»Feinde rings- um«) von Stuck dafür nehmen wollen. Kriegs- und Kriegerdenkmal, Grabmal und Verwand- tes im Zusammenhange mit dem Kriege sind in keinem einzigen Beispiel anzutreffen. Besser steht es um Kriegserinnerungszeichen. Aber auch hierfür bietet die Ausstellung nur einen Typ, diesen freilich reichlich und gut, näm- lich Medaillen und Plaketten. Eine große Anzahl solcher schuf L. Eckart, der dabei mit erfreulicher Ausführlichkeit und mit war- mem Empfinden das stille Heldentum der

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SOMMERAUSSTELLUNG DER MUNCHENER SECESSION

Daheimgebliebenen verherrlicht. \'ereinzeh wurde dies Thema auch von anderen behan- delt; so von Gangl, Koken und L. Gies in ihren reichhaltigen Sammlungen von Plaketten ; im übrigen hat Gies sich mit besonderem In- teresse den Schicksalen Ostpreußens zuge- wandt, die er mit großartiger Einfachheit des Ausdruckes ergreifend zum Bewußtsein bringt. Lindl feiert vorzugsweise die Taten der Krie- ger. Zadikow schuf eine Erinnerungsplakette für ein bayerisches Feldartillerieregiment. In- teressant ist es, den in den bildlichen Dar- stellungen dieser Kleinwerke bei stärkster Vereinfachung doch kraftvoll waltenden ge- sunden Realismus und dessen Brauchbarkeit für die Aussprache des Abstrakten zu be- obachten, und daran zu ermessen, wie nichts- sagend doch im Grunde viele von jenen land- läufigen allegorischen Figuren und sonstigen Sinnbildern sind, die vermeintlich dazu dienen sollen, tiefste Gedanken zu verkörpern. Die Malerei behandelt das Kriegsthema fast lediglich in einer nicht geringen Zahl von Bildnissen, sowie in einigen illustrativen

Stücken; genannt seien hiervon die »farbigen Engländer« von Th. Baumgartner, sowie das schlichte, eindrucksvolle Bild »Kampf« (zwei Soldaten tragen einen Verwundeten fort) von R. Klein. Monumental ist nur ein Werk dieser Gruppe, der »Totentanz« von Egger Lienz, das in einfachster Farbengebung (blau, weiß, rotbraun) und mit nur fünf Gestalten ver- körperte Schicksal des Heldenvolkes, das füi Heimat und Vaterland das Leben hingibt. Gegenüber der früheren Fassung zeigt das jetzige Bild noch größere Vereinfachung, be- sonders im Landschaftlichen. J. Diez malte einen nicht sehr glücklich verbildlichten Ge- danken, einen über die Länder vernichtend sich hinwälzenden »Heerwurm«. O. Graf schuf innerhalb einer Reihe gegenständlich bedeutend erfaßter, technisch vorzüglicher Kriegsradierungen zwei allegorische Bilder. Im übrigen findet man farbige und schwarz- weiße Zeichnungen mit illustrativen Darstel- lungen von Szenen, T3'pen und Ortlichkei- ten. Von den Künstlern seien F. Klemmer, H. von Hayek, Graf, R, Pietzsch, E. Grasser

HANS HL'llliK SULZIiMOOS

MOÜKKI l MEN

SOMMERAUSSTELLUNG.

DAS SAKRAMENTSHAUSCHEN

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1

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HANS HUBER SULZEMOOS

BLAUE BERGE

herausgegriffen. So Interessantes die Gruppe der vom Kriege angeregten Kunst in gegen- ständlicher wie technischer Beziehung vielfach bietet, so bleibt sie doch unendlich viel von dem schuldig, was wir an innerer Vertiefung hoffen möchten. Mir schwebt ein schönes Wort vor, das ich gehört habe, es heißt : »Die große Zeit lehre uns groß zu sein.« Auch über den Pforten unserer Kunstpaläste müßte es in goldenen Buchstaben angeschrie- ben stehen, wenn die Kunst eine Trägerin des Geistes der Nation und Vertreterin ihrer Kultur werden will. Doerinf

DAS SAKRAMENTSHÄUSCHEN

(Nürnberg, Lorenzkirche)

Die Steine singen und die Steine blühn, Es jauchzt der Geist, aus starrem Stoff

entbunden. O Meisterhand, wie gnadenstark und kühn. Daß du den steilsten Weg zu Gott gefunden. Den Zeiten trotzt dein steinernes Gedicht, Zu dem dein Meißel Reim um Reim geschlagen. In seinen Strophen schläft das ewige Licht, Um tausend Seelen durch die Nacht zu tragen.

Ilse Franke.

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^ CHRISTIAN UNTERPIERINGER f ©SS

CHRISTIAN UNTERPIERINGER t

Im Jahre 190S ist der Name Unterpieringer zum ersten Male in unserer Zeitschrift ge- nannt worden. Im damaligen Dezemberhette wurde eine Anzahl von Grabmalskizzen ab- gebildet, Entwürfe junger Studierender der Münchener Akademie. Christian Unterpie- ringer gehörte zu ihnen. Er hatte eine schmale, aufrecht stehende Platte entworfen , deren oberer Teil mit einem ovalen Relief der Mut- tergottes geschmückt war. Damals war Un- terpieringer erst 22 Jahre alt und war doch bereits imstande, eine Leistung von schöner Abgeklärtheit zu zeigen, eine Studie, die klar bewies, daß man es hier mit einem kräftigen Talente zu tun hatte, das für die Zukunft Bedeutendes erwarten ließ. Er war am 4. Mai 1886 als Sohn eines Bildhauers in München geboren, genoß seit 1900 in der Modellier- klasse der Gewerbeschule die Unterweisung des Professors Bernauer, wurde dann an der Münchener Akademie Schüler von Professor Balthasar Schmitt und war endlich vier Jahre lang Gehilfe bei Professor Jakob Bradl. Die Werkstatt dieses Meisters verließ er, um sich selbständig zu machen. Seit 1910 war er Mit- glied der Deutschen Gesellschaft für christ- liche Kunst. Im Oktober 191 3 vermählte sich Unterpieringer. Im März 191 5 wurde er zu den Fahnen gerufen, konnte aber wegen eines Unfalls längere Zeit nicht ins Feld rücken. Dies geschah erst im Mai 1916. Im Felde ward ihm der Auftrag zuteil, für gefallene Kameraden ein Grabdenkmal zu schaffen. Bei einem Patrouillengange am 18. Juni be- nutzte er die Gelegenheit, von einer zer- schossenen Kirche Steine für dieses Denkmal auszuwählen. Auf dem Rückwege tötete ihn ein ieindliches Geschoß. Anfang und Ende seiner künstlerischen Laufbahn ist durch je ein Grabdenkmal bezeichnet!

Unterpieringers Kunst war voll tiefen Ern- stes; sie war von echt christlichem Geiste durchdrungen; ihr Ziel war die Verherrlichung des göttlichen Erlösers und der Heiligen. Die Formensprache Unterpieringers war gutes, kräftiges Deutsch mit unverfälschtem Mün- chener Tonfall. Manches klang wohl ein wenig an Bradl an kein Wunder bei einem noch so jungen Künstler, der vier Jahre lang unter dem Einflüsse eines Vorbildes von sol-

cher Eigenart stand aber es darf nicht be- zweifelt werden, daß das Talent des Gehilfen stark genug war, um sich mit der Zeit dem Meister gegenüber völlig unabhängig zu machen. Ein innerlich Abhängiger, einer, der genötigt ist, auf andere zu lauschen, um selbst etwas sagen zu können, bringt solche Arbeiten nicht fertig, wie die Unterpieringer- schen es sind.

Zum zweiten Male erschien er in dieser Zeitschrift, als er 19 15 bei dem großen Wett- bewerbe der Deutschen Gesellschaft für christ- liche Kunst zwei Anerkennungen errungen hatte. Die beiden Arbeiten sind in Heft 7, Seite IG und 15 abgebildet; die eine ist eine Grabtafel mit kreisrundem Relief, worin eine von Engeln umschwebte hl. Barbara thront; die andere ein achteckiger Ehrenschild, oben darauf ein in spätgotischer Auffassung gege- bener stehender hl. Georg. Auch bei anderen Wettbewerben hat der Künstler Auszeichnung und Anerkennung geerntet. So mit einem auferstehenden Heilande für den Münchener Ostfriedhof, mit einer Bischofshalbfigur für einen Brunnen usw. Von seinen ausgeführten Arbeiten mögen mehrere erwähnt werden. So zwei überlebensgroße Madonnen, eine in Terrakotta, die andere Tonmodell, die für die Ma3'ersche Kunstanstalt geliefert wurden ; eine Lourdesmadonna in Holz für Moor- winkel; eine hl. Katharina von Siena und ein hl. Dominikus, gleichfalls beide in Holz ge- schnitzt, i'/2 m hoch, für Buchloe; eine höl- zerne, fast lebensgroße Madonna, im Stil etwas ans Barock anklingend, tür die »Rote-Kreuz«- Kapelle in Neuhausen. Eins seiner bestgelun- genen Werke ist eine in Hartguß hergestellte, recht volksmäßig empfundene Weihnachts- krippe, die von der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst zweimal zur \'erlosung angekauft wurde. Diesen Werken reihen sich weitere Einzelfiguren, Grabmäler und andere an. Zwei anmutige Weihwasser- becken sind unvollendet geblieben. Mehr- fach erschienen Abbildungen von Arbeiten des Künstlers im »Pionier«.

Der Tod hat den Künstler abberufen, der Tod fürs Vaterland, gleichzeitig der Tod in seinem Berufe. Und unsere Zeitschrift er- wähnt Christian Unterpieringer zum dritten Male, um zu sprechen: Ehre sei seinem Ge- dächtnisse.

Pange lingua glorios! Corporis mysterium, Sanguinisque pnetiosi,

Quem in mundi pretium Fructus ventris gloriosi, Rex effudit gentium.

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FRANZ SIMM

KLEINE GASTE

yiijt^sfes Ge»iatd€ des Künstlers

FRANZ SIMM

Von W. ZILS-München (Hierzu die Abb. S. 321 330)

eine Würdigung, die geschrieben sein sollte ^- am 24. Juni 191 3, dem 60. Wiegenfeste des Künstlers, dann aber aus rein äußerlichen Gründen zurückgestellt werden mußte, ent- behrt jetzt nicht des zeitgemäßen Interesses. Rief uns doch die Kriegszeit, wie in politi- schen und volkswirtschaftlichen Dingen, so in künstlerischen Fragen ein Halt zu, ein »Quousque tandenu zur Selbstbesinnung und zum Überlegen über den in Deutschland schlummernden Kunstsinn und -wert. Künst- ler, denen früher von der Tageskritik, die die Schnelligkeit ihres Berufes nur zu leicht zum Übersehen der großen Zusammenhänge verführt, volle Anerkennung zuteil wurde.

mußten in dem Auslandsrausch, der uns er- faßt hatte, zurücktreten. Sie waren zu gegen- ständlich, sie zeichneten bloß und »malten« nicht. Solches und ähnliches hörten wir in den letzten 20 Jahren bis kurz vor Kriegs- beginn ja nur zu oft. Plötzlich merkte man wieder, daß es möglich ist, zu malen und gleichzeitig dem Beschauer etwas zu sagen. Mit anderen Worten, man geht wieder an dem Gegenstand, der bisher nur »Mittel zum Zweck« war, nicht mehr achtlos vorbei. Der Gegenstandsmaler ist wieder wenn auch vorläulig nur als »Kriegsmaler« zu Ehren gekommen, eine Tatsache, die für die religiöse Kunst von Nutzen werden kann,

Die chilstllLl

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FRANZ SIMM mm

Bihl tu den „FlUittidcn BLttlern"

für sie, die ihr hehrer geistiger Inhah bindet, ist die Malerei in erster Linie Zweckmittel. Aus diesen Erwägungen heraus kann Franz Simm an dieser Stelle mit vollem Rechte Würdigung finden. Simm ist zwar das Was seiner Darstellung zunächst die kleinere Sorge. Das künstlerische Wie, das auch von den Vertretern der christlichen Kunst zur höch- sten Vollendung herausgearbeitet werden muß, tritt in den Vordergrund. Einen größe- ren Fehler gibt es daher nicht als den, Simm der landläufigen Genrekunst einzuordnen. Er will nicht in erster Linie Novellen erzählen, sondern malen mit allem Reiz der Form.

Sein Pinsel führt ihn aber dann nicht zum gegenstandslosen Experi- mentieren. Davor bewahrt ihn die Ausgeglichenheit seiner Kunst, die sich der Forderung des sittlichen Kunsternstes bewußt ist. Mit einem klaren Ziel vor Augen ist Simm einer der wenigen Künstler älterer Richtung, die sich zur bewußten Nachahmung herrschender Kunst- moden nicht verleiten ließen, son- dern bei allen wechselnden Tages- anschauungen sich und ihrer Veran- lagung und Überzeugung entspre- chender Kunst treu blieben. Er machte zwar auch Wandlungen durch und erfährt sie heute noch, wie die Bilder der Jetztzeit erhellen bis er durch einen Zufall zu dem ihm ureigensten Gebiet kam, das ihm Anerkennung und Lohn brachte und zu dem ihn seine Geburtsstadt vorherbestimmt zu haben schien. Wie so viele Künstler, erlebte Simm seine ersten künstlerischen Anregungen im Elternhause. Sein Vater, ein geschätzter Kirchenma- ler'), weckte die künstlerischen Nei- gungen durch Eigenkunst und eine kleine, aber auserwählte Sammlung von Kupferstichen. Die öftere Er- fahrung, daß der Künstler- Vater bei seinem Sohn zunächst das Erlernen einer positiven Grundlage fordert, erscheint auch hier. Simm mußte die Mittelschule besuchen. Der Tod des Ernährers stellte an den Idealis- mus des erst Fünfzehnjährigen große Anforderungen. Das Kunststudium mußte durch Stundengeben und Malen sogenannter Heihgenbilder erkauft werden. Eiserner Fleiß brachte es zu Stipendien und diese ermöglichten ein sorgenfreieres Stu- dium an der Wiener Akademie, an der damals wie überall das Hauptgewicht auf das Zeich- nen, auf gründliches Formenstudium gelegt und die koloristische Seite der Malerei ver- nachlässigt wurde. Die nach Absolvierung der allgemeinen Malerschule auftauchende Frage, welcher Malerschule im besonderen sich anzuvertrauen?, schien eine Reise nach München zu beantworten. Feuerbachs Bilder in der Schackgalerie begeisterten den jungen Akademiker durch ihre große Anschauung

') Josef Simin, geb. 1811 in Reichenau in Nordböli- men, gest. 1868 zu Wien.

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FRANZ SIMM

MADONNA AM HAUSE DES KÜNSTLERS

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FRANZ SIMM ^

und das an die Venezianer gemahnende Kolorit derart, daß er sich i<urzerhand entschloß, zu Feuerbach zu gehen. Drei Monate hielt er es in dessen Klasse aus, um darauf Kunst- schüler Ed. V. Engerths zu werden, der die Eigenart jedes seiner Schüler zu erkennen und zu pflegen sich bemühte. Wenn der Künstler selbst seine Unzufriedenheit mit dem Lehrer Feuerbach auf das fehlende enge Ver- hältnis von Lehrer und Schüler zurückführt und auf des ersteren unruhiges, widerspruchs- volles Wesen, in welchem sich schon damals eine große Nervenüberreizung aussprach, so darf hierbei Feuerbachs Unzufriedenheit mit den Wiener Verhältnissen nicht vergessen werden. Haack ') weist daraufhin, wie freudig Feuerbach einem Ruf nach der österreichi- schen Hauptstadt Folge leistete, wie hilflos er, der ernste, träumerische Schwärmer, dann aber dem lachenden, jubelnden und tanzenden Wien eines Makart gegenüberstand. Mehr als Feuerbach hat denn auchMakart autSimm, wenn auch unbewußt und ungewollt Einfluß

') Lübke- Haack, Grundriß der Kunstgeschichte V (1909) S. 265.

Zeichnung. Studie /iir

ausgeübt. \'on Bedeutung für die Akademie war damals noch Jos. v. Führich, der mit zittern- der Hand die letzten und reifsten seiner tief empfundenen Schöpfungen »Der bethlehenii- tisciie Weg« und »Thomas von Kenipis« zeichnete. Seine Beschränkung auf einfache künstlerische Ausdrucksmittel bricht gelegent- lich auch bei Simm durch. Durch die Ver- mittlung seines Schülers Eisenmenger hat umgekehrt Rahl mit der Fülle seiner Erschei- nungen und dem Glanz seiner Farben dem Künstler nicht unbedeutende Anregungen ge- geben. Auch der als Lehrer hervorragende Akademieprofessor Albert Zimmermann ver- dient hier Erwähnung.

Wenn wir diese »Beeinflussungen« hier aufzählen, so geschieht dies, um der Pflicht des Chronologen zu genügen und darzutun, aus welchem Kreise Simm herauswuchs. Wie bereits angedeutet, ist bei Simm von jedes Lehrers Eigenart gelegentlich etwas zu spüren. Im allgemeinen aber ist seine Kunst originell, selbständig. Um es bis zu dieser Höhe zu bringen, hatten die damaligen Wiener Ver- hältnisse nicht genügt. Es gehörte ein weiterer »Horizont« dazu, den ihm auf Grund seiner tüchtigen Leistungen das große Reisestipendium, der Rompreis, verschaflte. In Venedig, Florenz und Rom studierte der junge Künst- ler nicht allein durch An- legen von Farbenskizzen die Technik der alten Mei- ster, er ging auch, wie Skiz- zen aus dieser Zeit bewei- sen, offenen Auges durch die Straßen der Stadt, um reizvolle Erscheinungen des Volkslebens, Architekturen u. a. m. in sich aufzuneh- men und Freilichtmalerei zu treiben. Er erhielt den größten, für das Leben hal- tenden Eindruck. Der Blick wurde auf das Große ge- richtet und schweifte nicht ab von den erfrischend wir- kenden fremden Nationen. Namentlich zwei Vertreter, Fortunv und Michetti mit seinen kleinen sonnigen Bildern sind hier zu nennen. Das letzte der in Rom nach Ablauf der zweijährigen Sti- pendienzeit noch verlebten drei Jahre brachte einen Wendepunkt im Leben und

FRAU MIT Ki;UZEKI.lCin ,/,« ,,Flirgciuh-n Blättern '

FRANZ SIMM

Ziicknung. Studie für ebt Bild in den „Fliegenden BUili

ALTER HERR

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FRANZ SIMM FRAU IM PFLEGERINKLEID

Zeichnung. Studie für ein Bild in den „Fliegende« lUiitlern"

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FRANZ SIMM

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nung. Studie /ür ein Bild 1

den „Fliegenden Blattern"

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es^ FRANZ SIMM 6S^

I I;AN/ SIMM

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M\"Gi;\liER IvNAHR / ,/,•« ,,/•/. iV."

SchafFen Simms. Er lernte seine künftige Gattin, die talentierte Bozener Malerin Marie Mayer'), kennen. Frau Marie sollte für über 30 Jahre die treue Helferin und geschmack- volle Beraterin in manchen, namentlich Kostüm- fragen werden, sie wies aber auch indirekt ihrem Künstlergemahl den Weg, den er einige Jahre später einschlagen sollte, durch die noch aus der Hmpirezeit in ihrem Besitz befind- lichen Mädchenkleider. Als diese Simm in die Hände fielen, erwachte das künstlerische Interesse für die Zopfzeit, das sich nicht allein

') Gemälde lijiigcn im Bozencr und Imisbrucl>er Museum. Vgl auch Abb. S. 550.

aut die malerischen Kostüme erstreckte, son- dern sich, genährt durch literarische Studien, auf den geistigen Gehalt und die seelische Stimmung der vielgelästerten Zeit auswuchs. Bevor sich der Meister diesem künftigen Reiche widmete, galt es andere Aufgaben zu erfüllen. Der Auftrag, das Stiegenhaus des dortigen Museums mit mythologischen Bildern (aus der Jasonsage u. a. griechischen Mythengestalten) zu schmücken , führte das junge Paar^) nach Tiflis. Kohlestudien zu den Wandbildern sowie eine Farbenskizze3) veranschaulichen die für einen 28jährigen im Gedanken, der Komposition und der Zeich- nung doppelt hervorragende Arbeit. Sie ver- raten ein eingehendes Naturstudium und einen neuen Weg in der geschichtlichen Darstel- lung, wie er kurz vorher von Makart etwa in seinem Einzug Karls V. betreten worden war. Das Museum ist jetzt verbrannt, einige der Gemälde konnten gerettet werden. Nach gemeinsamer Arbeit und weiterem Studien- aufenthalt in der völkergemischten Stadt Klein- asiens kehrte das Ehepaar nach Wien zurück, nicht, um sich hier für dauernd niederzulassen, sondern um nach München überzusiedeln. Dem nach der Schulung auf klassische Motive Verwiesenen erwuchsen durch die Gründung des Hausstandes abermals neue Aufgaben, die auf die Illustration hinlenkten. Was Simm als Illustrator bedeutet, weiß jeder, der noch heute zu den 'Fliegenden Blättern:- greift. Hier verdiente er sich außer in der Illustrierung größerer Prachtwerke4), deren Glanzzeit die achtziger Jahre bedeuteten, bei den »Fliegenden Blättern« die ersten Sporen. Das in Wien in- tensiv betriebene feine Federzeichnen kam Simm zugute, der zahlreiche feingesehene und sehr gut gegebene Stimmungsbilder lieferte, die uns den 'Fext vertiefen helfen und einen reizvollen und wirksamen, den Eindruck des Buches durchaus nicht zerstörenden Buch- schmuck bildeten. In der Illustration, von der sich bei der damals aufkommenden malerischen Auffassung die besten Kräfte fernhielten, fand Simm als wirklicher Künstler den richtigen Weg. Seine Illustrationen in den »Fliegenden Blättern;, zu deren geschätzten Mitarbeitern er über 30 Jahre gehört, sind geistreiche An- spielungen auf den Inhalt des Textes, den er tief erfaßt und persönlich wendet. Fein schaut von Zeit zu Zeit der gemütliche, nie ver- letzende Humor des Wieners hervor. Neben einem eminenten zeichnerischen Können ver- fügt er über eine Empfindsamkeit, die als

=) Verehelicht 1881 zu Bozen. 3) Jasons Ankunft in Kolchis. ■•) Ilallbergs Goetlieausgabc u. a.

FRANZ SIMM

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Mittel ebenso niitielalteiliclie Ritter wie das moderne Luftsciiitf benutzt.

Bevor wir zu dem eigentlichen Gebiet der Kunstbetätigung übergehen, unter deren Flagge heute des Künstlers Ruhm segelt, müssen wir noch einiger Mcnui- mentalarbeiten gedenken. Abermals mit seiner Frau schuf er das für Leipzig bestimmte Dioramabild »Haremleben« und im Jahre 1888 ein reich kompo- niertes Bild »Tod Kaiser Wilhelms«, das uns heute weniger zu sagen weiß. Noch einmal führte der Aultrag, die Decke des Saales X im Kunsthistorischen Museum in Wien mit sechs Frauengestal- ten ') zu schmücken, die die verschiede- nen Gattungen der Altertumskunde per- sonifizieren, zur Antike. Die aus allen Arbeiten sprechende Anmut und trefl- sichere Charakterisierungsgabe sind die Vorzüge. Mit diesen Monumentalarbei- ten hängt eng Simms Tätigkeit als reli- giöser Maler zusammen.

Daß ein Künstler mit der Tiefe der feinschwingenden Empfindung Simms an der christlichen Kunst nicht achtlos vorübergeht, bedarf keiner besonderen Erwähnung. Der altbayerischen Sitte folgend, schmückte er 1885 die Ostseite seines Künstlerheimes, das als der we- nigen eins der Großstadtbewegung nicht p^^, zum Opfer fiel und noch heute von Alt-Schwabinger Poesie erzählt, mit einer Madonna^). Er begnügte sich nicht mit einer Gestalt, sondern gab der Himmels- königin eine stolze Umrahmung (Abb. S. 323). Die Gottesmutter steht, das Kind emporhal- tend, unter dem Baldachin des Thrones. Zu Füßen sitzt der Knabe Johannes. Das beste Stück des Ateliers, der Perserteppich, auf dem die Figuren angebracht sind, war dem Künst- ler, dessen Wappen die Mittellinie betont, gerade gut genug, um dem Ganzen einen feierlichen Anstrich zu geben. Aus dem Bilde spricht der Geist der Renaissance ganz un- zweifelhaft zu uns, abgewogen ist die Kom- position. Derselbe religiöse Geist, der das Ganze verklärt, spricht aus einer Madonna zu uns, die erst flüchtig hingeworfen, der Voll- endung an dem Simmschen Sommerhaus in Klobenstein harrt und einem kleinformati- schen Madonnenkopf, den der Künstler für sein Atelier als Tafelbild malte. Den Be- schauer erfüllt beim Anblick ein tiefes Bedauern, daß Simms Pinsel sich nicht des öfteren des

') Die Einwürfe hierzu befinden sich in der Kunst- histo ischen Sammking des Kaiserhauses in Wien. ') Aquarellentwurf in der Wiener Akademie.

' SIMM M WN', PFEIFE STOPFEND

Zehhming. Studie für ,in Bild in den ,,F1. Bl.''

religiösen Vorwurfs bediente. Daß sein reiches Können es ermöglicht, bewies er im Jahre 1884 bei einem vom Bayerischen Kultusmini- sterium ausgeschriebenen Wettbewerb für ein Altarbild der prot. Kirche in Wunsiedel. Sein segnender Christus erhielt den Preis, dem Meister wurde die Ausführung anvertraut.

Der Skizze zur Klobensteiner Madonna liegt neben der Anmut eine gewisse Grazie zu- grunde, die den kirchlichen Vorwurf zu ver- weltlichen scheint, wenn man den Empire- maler Simm nicht zuvor gewürdigt hat. Wenn auch die Kinder dieser Kunstbegabung von einer anmutigen Daseinsfreude, einem sorgen- losen, schönen Leben erzählen, so mangelt ihnen doch nicht die Herzlichkeit der mensch- lichen Auffassung, die poetische Empfindung, der tiefe, ernste Sinn des Malers, der gelernt hat, über die Erscheinungen der Welt und Ge- schichte nachzudenken. Wenn auch zugege- ben werden muß, daß sich der Künstler mit größeren sozialen oder politischen Problemen nicht beschäftigt, so erzählen die Bilder doch Bände der Kulturgeschichte von einer Zeit,

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©S^ FRANZ SIMM mm

MARIE SIMM-MAVEK

BISCHOF PAXKRATIUS VON DINKEL

in der mit dem Wiener Kongreß nochmals eine Icurzlebige ^»Galante Zeit« wiedererstellen sollte. Es sind keine Geschichtsbilder schlecht- hin, es sind die Me m oiren werke der Kunst, oft mit einem leisen ironischen Zug im Unter- ton. Wir müssen es uns versagen, hier ein- zelne Bilder, die schon des öfteren veröffent- licht, nochmals wiederzugeben') oder im ein- zelnen zu besprechen.

') Um einen ungefähren Überblick über die reiche Tätigkeit Sininis zu geben, führe ich hier eine Anzahl Bilder, soweit ich deren Enstehungsjahr noch feststellen konnte, und soweit sie nicht schon erwähnt sind, auf: 1890 Duett (Nalionalgalerie Berlin), 1892 Liebhaber- konzert (Galerie Weimar), 1S96 Radfalirerin (Tochter), 1897 Musikpause, 1899 Die Malstundc (Alte Piuakotliek), 1900 Besuch in der Loge, 1902 Vornelime Kundschaft,

1903 Empfang bei Napoleon in St. Cloud, Demaskiert,

1904 Am Stickrahmen, 1905 Porträt der Großfürstin Kyrill, 1906 An der Schwester Hand, 1907 Der Empfang, Ankunft, 1908 duartettpause, 1909 Bergfahrt, Abfalirt

Überblickt man heute diese >genre- artige« Kunst Simms, so läßt sie sich bereits gliedern in jene Bilder, die mit einer Fülle von Figuren aus- gestattet, bei aller Genauigkeit der Ausführung einheitlich und reizvoll wirken. In den letzteren Jahren kehrt Simm mehr zum Renaissance- ideal zurück. Es beschränkt sich auf einige Figuren und stellt diese in das Freie. Seine Kunst hat hier- durch um einen pikanten Reiz mehr gewonnen. Äußerst fein findet sich Simm mit den Lichtreflexen ab, die meist den Blätterwald der Bäume durchdringen oder sich im Dunkel brechen. Daß er hierbei mit der- selben Künstlerliebe jede kleinste Faser des Gewandes, das geringste Ornament nicht vernachlässigt, dient dem Meister zum besonderen Lob. Wie Thoma lebt eben auch Simm unbekümmert um andere sei- ner Kunst. Wir aber erfreuen uns an seiner Originalität.

Als Simm durch einen Zufall auf die Zopfzeit kam, übertrug er die kleine präzise Wiedergabe der Zeich- nung auf die Ölmalerei. Der Ge- genstand gewinnt nur da Bedeu- tung, wo er eine malerische Dar- stellung ermöglicht. Seine Gemälde bleiben auch malerisch reizvoll und interessant, wenn ihnen der kultur- geschichtliche Gegenstand ganz ge- nommen ist. Der Inhalt ruft keinen selbständigen Eindruck hervor, ob- wohl wir das Stilvolle einer inter- essanten Zeit, die er lebendig werden ließ, mitempfinden. Das Mißverhältnis der Malerei zum Gegenstand, das uns bei zahlreichen Genremalern stört, fällt bei der Unter- und Einordnung des Gegenstandes trotz liebevoller Detaildurchbildung unter eine große einfache Hauptform nicht auf. Obwohl Simm sich durch eingehendes Studium ein großes historisches Verständnis erwarb, sind seine Werke keine bloße Nachahinung, sondern lebensvolle, von schöpferischer Phantasie bedingte Bilder, deren originelle Seite der Gefühlsausdruck seiner Gestalten ist. Auf diesen legt er nach sorg- fältigen Studien den größten Nachdruck. Kurz, seine Bilder sind keine Gewaltakte.

Das scharfe Charakterisierungsmoment kommt bei den Porträts, die das Wesent-

zum Fest, 1910 Der Kardinal, 1912 Die Gratulanten, 1913/16 In der Sommerfrische, Vor der Töpferbude, Trödlerin, Kleine Gäste.

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Darum ist ergrimmt der Zorn des Herrn tdi: dersein Volk, er streckt die Haad dawider aus und sdüagtes. daß die Berge beben, und

ihre Leichen mie Koth. ia den Gassen liegen. Und bei ail dem roendel sieh sein. Zorn nicht alj sondern seine Hand bleibt noch, ausgestreckte

LEONHARD THOMA (MÜNCHEN)

Zeichnung.

l'gl. dazu Isaiiis _$, 20— SJ

KRIEGSBILD 43*

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DIE IGNATIUSKIRCHE ZU GORZ UND IHR BAUMEISTER

liehe der Erscheinung klar und groß fest- halten, zum Durchbruch.

In die Werkstatt des Künstlers führen bis- her unveröffentlichte Studien. Man sieht, wie er sich bemüht, aus jeder Gestalt, vor allen den Köpfen, das Beste herauszuholen. Feder und Stift hatte Simm bis zu Kriegsbeginn nur mehr in den Dienst der »Fliegenden Blätter« gestellt. Einen willkommenen Anlaß, sich der liebgewordenen Griftelkunst zu bedienen, bot der Auftrag für das Armee Oberkommando 6 eine Osternkarte zu zeichnen. Welche Stim- mung, welches tiefinnige Gemüt spricht aus dem mit dem gut geschauten Pferd eine Ein- heit bildenden Ulanen, der das Wegkreuz mit einem Büschel der ersten Frühlingsboten schmückt. Ein echter Simm in seinem ovalen Rahmen, aus dem die Trommel leise hervor- ragt, ist die im Auftrag des Bayer. Landes- komitees für freiwillige Krankenpflege im Kriege gemalte Postkarte. »Jung-Deutschland« marschiert vor für eine gesunde, herzerfri- schende deutsche Kunst, als deren tüchtiger Vertreter Franz Simm galt, ehe der Krieg uns wachrüttelte, und weitergelten wird.

DIE ST. IGNATIUSKIRCHE ZU

GORZ UND IHR BAUMEISTER

CHRISTOPH TAUSCH

Kunstliistorisclie Studie

von Professor Dr. BEKXH.\RD PATZAK (Breslau)

(Vgl. die Abb. S. 335-5^5)

"Vu den bedeutendsten Kunstbauten, welche ^ jüngst unter der rücksichtslosen, vanda- lischen Beschießung durch die Italiener in Trümmer sanken, zählt auch leider die monu- mentale Jesuitenkirche des hl. Ignatius (Abb. S. 3 3 3 oben) auf der Piazza grande zu Görz. Sie gehörte zu den vortrefflichsten Barockschöp- fungen der Pozzoschule auf österreichischem Boden, und sie verdient eine kunsthistorische Würdigung.

Ziemlich spät nach ihrer Niederlassung (1615) in Görz begannen die Jesuiten im Jahre 1654 den Bau ihrer Ordenskirche neben dem schon stehenden schlichten Kollegiat- gebäude. Im folgenden Jahre stürzten je- doch die Mauern ein, und der unbekannte erste Baumeister mußte sich vor Gericht verantworten und das Gebäude von neuem auf eigene Kosten autiühren. Im Jahre 1680 wurde am Hochaltare und an dem wunder- vollen Marmortabernakel (Abb. S. 335) gear- beitet. Die zweite Bauperiode des Gottes- hauses begann im Jahre 1721 ').

') Vgl. Czoernig : D.is Land Görz und (iradisca, Band I (1873;, Seite 914, Anmerkung 2. l'erncr;

In den von G. D. Della Bona-) ohne nähere Quellenangabe veröftentlichten Zitaten aus den Annalen der Görzer Jesuiten, die vermutlich aus der in der Privatbibliothek des Grafen Coroninio) aufbewahrten »Litterae annuae« stammen, heißt es in wörtlicher Übersetzung folgendermaßen: »172 1. Er- richtet wurden in diesem Jahre über die Hälfte die Kirchenwände, welche die Stirn- giebel und die Flanken der äußeren Kirche bilden ; fertig gestellt wurden die vier ge- waltigen runden Säulen mit ihren von kunst- fertigem Meißel vortrefflich und sorgfältig zu erhabener und glanzvoller Wirkung ausge- arbeiteten Kapitellen aus wohlgeglättetem Stein ; ferner wurden mehrere andere äußere Zieraten mit Bekrönungen und Kapitellen von vornehmer Arbeit vollendet. Zugleich erhielt unser Tempel hinter dem prachtvollen mar- mornen Tabernakel unseres Altares ein von der unteren Wand bis ans Gewölbe des Gotteshauses sich ausdehnendes Gemälde, das einen von acht Säulen gestützten Hochaltar, inmitten aber den gottseligen Stifter (gemeint ist St. Ig- natius), von Engeln in den Himmel er- hoben, überdies aber die heiligste Drei- faltigkeit darstellt, von sehr elegan- tem Pinsel einer kunstfertigen Hand, das Werk eines gewissen unserer Brü- der Coadjutoren, nicht ohne außerordent- liche Bewunderung von den Pilgern betrach- tet, von den Kennern auf über 1000 Reichs- taler abgeschätzt. Auf alles dies wurden insgesamt 3393 rheinische Goldgulden auf- gewendet.«

Aus dieseiu Ordensbericht erhellt zunächst klar und deutlich, daß der erwähnte da- malige »Coadjutor« des Görzer Jesuitenkol- legiums im Jahre 1721 jene Scheinarchitek- tur des Hochaltares malte -i), über die Lem- men 5) folgendes bemerkt: »Er (Andrea del

Planiscig im »Forum Julii«, II (1911}, Seile 53 39, (ohne Quellenangabe).

=) Osservazioni ed aggiunte di G. D. Della Bona sopra alcuni passi delllstoria della Contea di Gorizia di Carlo Morelli, Band IV, Seite 232 ff. 1-olgendes \Veil<, d.is über die Görzer Kirche weitere Auskunl't geben dürfte, war mir niclit zugänglich: Mons. Dott. de Pavissich, Genesi della Chicsa e parrocchia di S. Ig- nazio in Gorizia. In: La Messa d'oro o il Giubileo saccrdotale di Don. F. Zoratti. Ricordo dei suoi vene- ratori. Gorizia i8g8.

3) \'gl. B. Duhr: Geschichte der Jesuiten, II, Seite 348.

■t) Hiernach ist zu berichtigen die Angabe bei : L. Burgemeistcr, Die Jesuitenbauten in Breslau, insbeson- dere die Mathiaskirche und das L'niversitätsgebäude, Breslau 1901, Seite 2.( : » . . . . zwischendurch 1722 in Görz«.

5) (I.emmen :) Tirolisches Künstlerlexikon . . . von einem \'erchrer der Künste, Innsbruck 1850, Seite 196.

e^ DIE IGNATIUSKIRCHE ZU GORZ UND IHR BAUMEISTER ?^3

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IGNATIUSKIRCHE ZU GORZ VON CHR. TAUSCH Text S. 33' ff-

Pozzo) hatte unter andern auch einen Jesuiten- Laienbruder Christoph Tauscii zum Scho- laren, von weichem zu Görz in der Jesuiten- iiirche der Hochaltar sammt dem Blatte an der Mauer sehr künstlich gemahlt worden ist« (Abb. S. 334).

Leider hatte das offenbar al fresco aus- geführte Gemälde schon vor seiner bedauerns- werten Vernichtung stark gelitten. Die Schein- architektur, die, beiläufig bemerkt, an den von Pozzo in der römischen Ordenskirche Sant' Ignazio geschaiTenen Marienaltar •), der ersten dieser perspektivischen Gattung -), er- innerte, war beträchtlich verwischt. Unter dem dichten Staubüberzuge erkannte man den

') Vgl. Pozzo: Perspectivae pictorum atque architec- torum, II. Pars. Augsburg 1709, Figura 67: Ein gemahl- ter Altar in der Ignatius-Kirclie zu Rom.

") Vgl. C. Gurlltl : Geschichte des Barockstiles in Ita- lien, V, Stuttgart 1887, Seite 465.

auf Wolken knieenden, von Engeln getra- genen hl. Ignatius. Betend blickte er zu Gottvater und Christus empor, über deren Häuptern rechterhand oben der heilige Geist in Gestalt einer Taube schwebte. Diesen Scheinaltar der Görzer Jesuitenkirche hat dann Tausch später (1722 24) mit einigen unwesentlichen Abänderungen in seinem kraftvoll majestätischen Hochaltare der Bres- lauer Namen-Jesukirche in die Wirklichkeit übertragen.

Warnun Christoph Tausch jenerim betreffen- den Ordensbericht erwähnte > Coadjutor«, der die Görzer Ignazkirche mit jenem Scheinaltar in der Art Pozzos schmückte, so war er als gelernter Architekt zweifellos auch der Ur- heber des Entwurfes für den gleichzeitigen (!), im Jahre 1721 ausgeführten Bau der in den »Liiterae annuae« erwähnten Schmuckfassade des Gotteshauses; oder er errichtete sie nach

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iWERlii I)I;R IGS'ATIUSKIRCHE IN COR/

i'e'- s-sss

einem früheren Entwurf seines Lehrers. Das hatte denn auch bereits Albert Ilg ') ver- mutet, der sich in seinen »Reisenotizen aus Krain, Kärnten und dem Görzischen« folgen- dermaßen äußerte: ^ Auf der Rückfahrt von Italien nach Weißenfels kam ich durch Görz, wo mich die imposante Fassade der ehe- maligen Jesuitenkirche auf der piazza grande entzückte. Schade, daß die dorf kirchen- mäßigen Zwiebeln der beiden Türme diesen großartigen Bau verunstalten. Er ist eine der vornehmsten Barock-Fassaden, echt italie- nischen Charakters, in Osterreich; gleich- wohl bleibt uns die Literatur in dem Falle alle Auskunft schuldig. Die Mittelpartie mit den vier mächtigen korinthischen Halbsäulen, den verkröpften Gesimsen, dem Balkon da- zwischen, darüber das Tympanon, die flan- kierenden Türme, mit ihren Stockwerken

') In : Mitteilungen der K. K. Zcntrall<ommission N. F.Wien 1890, XVI. Jahrgang, Seite 121; vgl. hierzu: A. Ilg, Kunstgeschichtliche Charakterbilder aus Öster- reich-Ungarn, Prag 1893, Seite 277.

und flachen Wandpilastern, der Statuenschmuck und das Portal mit gebrochenem Bogengiebel, alles das in wahrhaft grandiosen ^'erhältnissen, hat einen Gesamt- charakter, der bald an Lorenzo Bernini, bald an Carlo Rainaldi erinnert. Das Chronostikon der Portal-Inschrift gibt aber erst das Jahr 1721 (?) an 2). Das Innere entspricht zwar in architektoni- scher Hinsicht der prachtvollen Fassade, bietet aber in der Ein- richtung, Altären und Gemälden, wenig Hervorragendes. Interes- sant ist nur der von dem Je- suiten-Laienbruder Christoph Tausch, einem Schüler des be- rühmten Andrea Pozzo, ent- worfene Hochaltar (Tschisch- ka, Kunst und Altertum . . . , Wien 1836, pag. 178). Ob er etwa auch der Architekt der gan- zen Kirche sei, weiß ich nicht, doch wäre es nicht unmög- lich«.

Ganz in der Art Pozzos war in der Tat die plastische Durch- formung des Mittelrisalites (vgl. Abb. S. 333) vermittels Halbsäulen mit verkröpftem Gebälk und Kon- solen unter dem Kranzgesims durchgeführt, auf dem als Aus- klänge der tragenden Stützen um- gekehrte, also mit ihren Schnek- ken nach unten gestellte, langgezogene Vo- lutenkonsolen3) aufsetzen. Sie sind für die Pozzoschule typisch geworden und treten im Schafli"enswerk des Frater Christof Tausch im- merund immer wieder auf Besonders charakte- ristisch war ferner an den Turniecken der Görzer Kirchenfassade die durch die dreiteili- gen, flachen Pilasterbündel entstehende starke Verkröpfung des Gebälkes, wodurch ein rhyth- mischbewegtes Linienspiel von einander durch- kreuzenden Horizontalen und Vertikalen und hiermit ein im bildmalerischen Sinne höchst wirkungsvoller Kontrast von lichtbestrahlten Flächen und pikanten Zierschatten erzeugt wurde. Typisch waren endlich die geknick- ten Fenstervcrdachungen des dritten Stock-

=) Die Inschrift l.iutet: >DIVo IgnaTIo De LoJoLa SoCIetatls JesV fVndatorl«. Daraus ergibt sich nicht die Jahrcszalil 1721, sondern 1723.

3) Vgl. z. B. Pozzos »Theatrum sacrunn für Sant' Ignazio zu Rom in: Pozzo, Perspectivae pictonmi atque architectorum, I. Pars (Ausgabe von Joh. Boxbarth) Augsburg 1706, Figura 71.

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TABERXAKEL AUF DEM HOCHALTAR DER IGXATIÜSKIRCHE 1\' Text S. 3Ji

Werkes, die, wie ich an anderer Stelle zeigen werde, Tausch auch weiterhin gern ver- wendet hat. Ein Blick auf die Innenarchi- tektur des nunmehr zerstörten Gotteshauses belehrte ohne weiteres den Kenner des Tauschwerkes, daß sie ebenfalls ein Werk dieses von der kunsthistorischen Forschung bisher noch zu wenig gewürdigten '), be-

') Völlig unzureichend ist die dürftige Biographie bei L. Burgemeister, a. a. O. Seite 23 24 (I). Ab- gesehen davon, dalJ Verfasser das SchafFenswerk des

deutenden Maler-Architekten gewesen sein muß. Es kehrte nämlich hier im Grunde genommen dasselbe, nur ins Monumentale gesteigerte Dekorationsprinzip wie in seinen Jesuitenkirchen zu Trentschin (1712 171 5,

Meisters, mit Ausnahme seiner Breslauer Namen-Jesu- kirche, gar nicht kannte, beruhen seine Mitteilungen lediglich auf einigen rein biographischen Notizen, die P. Bernhard Duhr S. J. aus den Ordenskatalogen für ihn mühsam ermittelt und zu bequemer Benützung zu- sammengestellt hatte.

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PREISAUSSCHREIBEN FÜR KRIEGS- UXD KRIEGERDENKMÄLER

nicht 1714/15, wie L. Burgemeister ') fälsch- lich angibt) und in Erlau {1716 1719) in Ungarn wieder: Die in Görz wie in Erlau der Kanneluren ermangelnden Pilaster, die Kapitelle und verkröpften Gebälke waren wuchtiger geworden und luden infolgedessen mehr aus wie dort. Man merkte an der Innendekoration der Görzer Kirche, daß der Künstler den italienischen Barockstil, insbe- sondere den römischen, den er bisher nur aus der theoretischen Unterweisung Pozzos kannte, nunmehr an der Quelle studiert hatte. Erst im Jahre 1720, also unmittelbar vor seiner Berufung nach Görz, hatte Christoph Tausch in Rom geweilt ^).

Wohl kaum mehr nach dem Entwurf des Frater Tausch wurden dann schließlich laut dem erwähnten Ordensbericht in den Jahren 1722/23 die von Ilg getadelten, wie die »Litterae annuae« besagen, provisorischen Turmhauben, ferner die Kischenstatuen und das Portal fertig gestellt. Die Beendigung dieser Arbeiten hat der vielbegehrte Künstler nicht mehr abgewartet. Denn noch im Jahre 17223) begegnen wir ihm, wie ich in meiner Tauschbiographie 4) eingehend aus- geführt habe, in Schlesien in vielseitigste Tätigkeit vertieft, wohin er von dem kunst- sinnigen Breslauer Fürstbischof Franz Lud- wig, dem Ptalzgrafen von Neuburg, berufen worden war 5).

Jedenfalls bildete der nunmehr bedauer-

') Ebenda, Seite 25. Das richtige Datum ergibt sich vielmehr aus den von mir in der Königlich Unga- rischen Universitätsbibliothek zu Budapest entdeckten > Annuae Collegii et Domus probationis trenchinensis< (Sign. A. b. 115, Seite 102 ff).

-') Zu berichtigen bei L. Burgemeister, a. a. O. Seite 24 : »Tausch hatte mit seinem Meister Pozzo sieben Jahre in Ita- lien als Maler und Architekt gearbeitet «. —Der im Jahre 1 702 von Leopold I. nach Wien berufene Maler- Architekt Pozzo verließ um diese Zeit, wie die authentische Biographie von Francesco Baldinucci (Atti della I. R. .Accaderaia di scienze lettere ed arti degli Agiati in Rovereto, I, Anno 1912, Seite 231: Lavita del Padre Andrea Pozzo scritta da Francesco Baldinucci. Studio del Socio Prof. Dott. E. Benvenuti) ausdrücklich betont, Italien, »um es nie mehr wieder zu sehen«. An den italienischen Arbeiten seines Lehrers Pozzo (f 1709) konnte also Tausch nicht mehr mitarbeiten.

3) Nicht erst 1725 wie bei L. Burgemeister, a. a. O. Seite 24.

<) Diese wird demnächst in meinem Werke : »Die Jesuitenbauten zu Breslau und ihre Architekten, ein Beitrag zur Geschichte des Barockstiles in Deutschland« erscheinen.

5) Vgl. Wien, Bibl. Pal, Vind. Cod. 123 16. Annuae Literae Provinciae Bohemiae Societatis JESU Nissae ad annum 175 1, Seite 82: » ... donec ejusdera Romae annutu Serenissimi Principis, ac Episcopi nostri postu- lato, ac obsequiis concessus, ipsos octo annos Archi- tecli munere functus, anis suae insignia exstruxit monu- menta, quae hodiedum etiam Exteris admirationi sunt«.

licherweise zugrunde gegangene herrliche Bau der Görzer Jesuitenkirche des hl. Igna- tius einen entwicklungsgeschichtlich wichti- gen Markstein in seinem künstlerischen Werdegange.

PREISAUSSCHREIBEN FÜR KLEINERE KRIEGS- UND KRIEGERDENKMALER

P)em großen Kriege sowohl wie seinen Toten werden berechtigterweise voraussichtlich zahlreiche Denk- mäler erstehen. Der Bund deutscher Gelehrter und Künstler (Kulturbund) will für seinen Teil versuchen, mit dazu beizutragen, daß diese Werke, die das Bild unserer öffentlichen Kunstpflege wesentlich beeinflussen, in einem künstlerischen Sinne geschaffen werden, der sie würdig ersclieinen läßt, als sichtbarer Ausdruck für die Taten unseres Volkes zu gelten.

Der Bund will nicht nur schlechte und übereilte Mo- numente verhindern, sondern mithelfen, gute zu schaffen. Als besonders wichtig erscheint die künstlerische Lösung kleinerer Aufgaben, denn kleinere Denkmäler werden naturgemäß besonders zahlreich geschaffen werden und der Träger des Kunstgedankens für wei- teste Schichten des Volkes iu den kleinen Städten und auf dem flachen Lande sein.

Da dieser wichtige Teil unserer Kunst bisher fast überwiegend unzulänglichen künstlerischen Kräften und einer schlechten Kunstindustrie überlassen blieb, so er- geht hiermit an die reichsdeutschen Künstler ein Preis- ausschreiben zur Erlangung von Entwürfen solcher kleinen Denkmalsgebilde.

Dieser Wettbewerb soll einmal ein Ansporn für unsere Künstler sein, ihre Kunst diesen Aufgaben zu- zuwenden, zum andern bezweckt der Bund, sich mit seinen Mitteln dafür einzusetzen, daß den Schöpfern hers'orragender Entwürfe im gegebenen Falle Gelegen- heit zur Betätigung werde.

Die Herausgabe eines Werkes mit den aus- gezeichneten Arbeiten ist ins -Auge gefaßt.

Es werden folgende Aufgaben gestellt: Entwürfe für: I. Grabsteine und Grabkreuze für gefallene Krieger in der Heimat; 2. Gedenktafeln, sowohl plastische wie gemalte; 3. einfache Monumente, deren Herstellung die Summe von 5000 Mark nicht überschreiten soll; 4. Bild- stöcke; 5. Gedächtniskapellen für Gefallene, Ausfüh- rungssumme nicht über 12000 Mark. Zu den einzelnen Aufgaben ist folgendes zu bemerken :

Zu I: Grabsteine und Grabkreuze. Wetter- festes Material ist Vorbedingung. Kunststein, Eisen oder dergleichen sind nicht ausgeschlossen. Die Bild- größe des dargestellten Werkes soll nicht unter 20 cm sein und nicht 40 cm übersteigen. Ein Maßstab und eine Maßstabsfigur sind miteinzuzeichnen. Die Art der Zeichnung, ob geometrische Zeichnung, Schaubild oder Photographie nach .Modell, ist freigestellt.

Zu 2: Gedenktafeln. Diese Tafeln sind für das Innere oder Äußere öffentlicher Gebäude wie Rathäuser, Kirchen. Schulen usw. gedacht, sie sind als plastische Gebilde für .Metall, Holz, Stein und gebrannten Ton oder für kleine Kirchgemeinden als bemalte Holztafeln zu entwerfen. Besonders erwünscht sind solche Tafeln, die eine gute Lösung für die Anordnung zahlreicher Namen erbringen. Auf gute und lesbare Schrift soll besonders geachtet werden. Verlangt werden für die plastischen Tafeln Photographien nach einem plasti- schen Modell nicht unter 20 cm und nicht über 40 cm, für die bemalten Tafeln farbige Darstellungen in glei- cher Größe. Die Hauptmaße sind einzuschreiben. Ver- langt wird die Beigabe einer Schriftprobe in natürlicher Größe, in Photographie oder Zeichnung.

PREISAUSSCHREIBEN PCR KRIEGS- UND KRIEGERDENKMÄLER

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RENE KUDER

Zu 3: Einfache Monumente. Erinnerungsmale fiir die Gefallenen von Ortschaften, Körperschaften oder Truppenteilen. Auch kleine Brunnen und Brunnen- häuschen mit einem passenden Hinweis auf den Krieg oder die Gefallenen sind nicht ausgeschlossen. A\'ener- fesngkeit ist auch hier Bedingung. Verlangt wird ein Blatt mit einer geometrischen Zeichnung der Hanptan- sicht im Maßstab 1 : 10 und der Nebenansichten in kleinerem Maßstabe, femer ein zvseites Blatt mit einem Schaubude im Maßstabe i : 10 oder sta- dessen eine

gute Photographie nach einem plastischen Modell im Slaßstab 1:10. Die letztere Fonn ist besonders er- wünscht. Eine Maßstabsfigur ist mitzozeichnen.

Zu 4: Bildstöcke. Es soll der Versuch gemacht werden, den BUdstockgedanken, wie er jetzt lediglich religiösen Zwecken dient, der Kriegerehrung nutzbar zu "machen. Dabei ist für katholische Gegenden die Verbindung nüt Darstellungen religiösen Charakters er- wünscht, für protestantische Gegenden nicht unbedingt erforderlich. Für protestantische Gegenden wird über-

dsziscüche Kaist. XO. jz.

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RENE KUDER

FELDGRAUER (ZEICHNUNG, 1916)

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FELDGRAUER (ZEICHNUNG, 1916)

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FELDGRAUER (ZEICHNUNG, 1916)

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FELDGRAUER (ZEICHNUNG, 1916)

PREISAUSSCHREIBEN

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haupt mehr Wert darauf gelegt, daß älinlich den Bild- stöcken und Walllahrtszeichen der katholischen Lande, wie sie an Wegekreuzungen oder anderen charakteri- stischen Stellen der Landschaft aufgestellt sind, ein- prägsame kleine Gebilde erfunden werden, die den Ge- danken des süddeutschen Bildstocks schöpferisch er- weitern. Die Art der Zeichnung, ob geometrische Zeich- nung, Schaubild oder Photographie nach Modell, ist freigestellt. Bildgröße des Werkes nicht unter 20 cm und nicht über 40 cm. Maßstab und Maßstabsfigur sind mitzuzeichnen.

Zu 5: Gedächtniskapellen. Gleich den Bild- stöcken eignen sich auch Kapellen in der Art der heu- tigen Andachts- und Walllahrtskapellen zur Ehrung unserer Gefallenen und zu Gedächtniszeichen für die große Zeit. Auch diese Aufgabe ist für katholische und protestantische Gegenden verschieden zu lösen. Die Baukosten sollen 12000 Mark nicht übersteigen. Es ist kenntlich zu machen, wie die Umgebung ge- dacht ist. Verlangt werden Zeichnungen im Maßstab I : 20, Grundriß, Schnitt und Aufriß i : 50, sowie Schau- bild oder Aufnahme nach plastischem Modell. Maß- stabsfigur ist einzuzeichnen.

Sämtliche Zeichnungen sind ungerahmt einzureichen. Die einzelne Blattgröße darf das Maß 50 : 70 nicht überschreiten. Um diese Größe einzuhalten, können die vorgeschriebenen Maßstäbe im Notfall verkleinert werden. Die genauen Preise für die Gesamtherstellung ohne Fundament, aber mit Honorar, sind anzugeben.

Neben der künstlerisch selbständigen Verwendung hi- storischer Sinnbilder sollen insbesondere gute Ausdrucks- formen für das moderne Kriegsgerät angestrebt werden.

Zur Verteilung gelangen Preise im Gesamtbetrage von 15000 Mark, und zwar 5 Preise zu 1000 Mark, IG Preise zu 500 Mark, 25 Preise zu 200 Mark.

Diese 40 Preise sollen unter allen Umständen zur Verteilung kommen, und zwar für alle Aufgaben mög- lichst gleichmäßig. Eine andere Verteilung behält sich jedoch das Preisgericht vor. Die preisgekrönten Ent- würfe werden Eigentum des Bundes deutscher Gelehrter und Künstler. Auch von den übrigen Arbeiten soll eine Anzahl angekauft werden. Außerdem kann auf »ehrenvolle Erwähnung« erkannt werden.

Das Preisgericht besteht aus den Herren: Amers- dorffer (Berlin), Behrens (Neubabelsberg), Billing (Karlsrühe), Blunck (Berlin), Graul (Leipzig), Hahn (München), Hosaeus (Berlin), Hul^er - Feldkirch (Düsseldorf), Kutschmann (Berlin), Manzel (Berlin), Meier-Graefe (Berlin), Poelzi g (Dresden), Schaper (Berlin), Seeck (Berlin), Tuaillon (Berlin).

Die Arbeiten müssen bis zum 25. Oktober an die Geschäftsstelle des Bundes deutscher Gelehrter und Künstler (Kulturbund), Berlin, Unter den Linden 38, gelangt oder bis zu diesem Tage bei der Post einge- liefert sein. Jeder Entwurf ist mit einem Kennwort zu versehen, Name und genaue Adresse des Einsenders sind in einem geschlossenen Umschlag mit demselben Kennwort beizufügen, auch ist eine Adresse für die Rücksendung anzugeben. Die Entwürfe werden öffent- lich ausgestellt. Entwürfe, die dem Programm nicht entsprechen, werden von der Beurteilung ausgeschlos- sen. Der Teilnehmer am Wettbewerb erklärt sich mit den Bedingungen einverstanden und auch damit, daß seine Arbeiten ausgestellt sowie in dem vom Kultur- bund geplanten Sammelwerk veröflentlicht werden.

Die Beteiligung an dem Wettbev.-erb unter Einhal- tung der angeführten Bedingungen ist jedem reichs- deutschen Künstler freigestellt. Es ist jedoch gestattet, außerhalb des Wettbewerbes Arbeiten unter Namens- nennung einzureichen. Diese Arbeiten kommen für die Zuei kennung eines Preises nicht in Frage, werden aber unter der Bezeichnung »außer Wettbewerb« mit öfFent-

licli ausgestellt. Sie sollen aucn gleich den preisge- krönten Arbeiten für die Veröfl'entlichung durch das Sammelwerk in Aussicht genommen wie auch gegebe- nenfalls zur Ausführung empfohlen werden.

PREISAUSSCHREIBEN

Der Vorstand des Schlesischen Bundes für Heimat- schutz ruft zu einem Wettbewerb auf zur Einsendung von Entwürfen zu Kriegergrabmalen und Kriegergedenk- tafeln, die zur Ausführung in schlesischem Marmor be- stimmt sind und dieses Gestein in seinen verschiedenen Behandlungsarten charaktenslisch zum Ausdruck bringen. Das Marmorwerk W. Thust, Gnadenfrei i. Schles., stellt uns zur Preisverteilung 1600 Mark zur Verfügung. Es werden verlangt : Gruppe I: Kriegergrabmale für Reihen- gräber und bevorzugte Grabstätten, wie Randgräber, Oftiziersgrabstätten, Grabansaramlungen (Ehrenfriedhöfe) und dergleichen. Gruppe 11: Kriegergedenksteine zur freien Aufstellung auf Friedhöfen, an Kirchen usw. und Wandgedenktafeln für Friedhofsmauern , innere und äußere Kirchenwände, an Hauswände und dergleichen. Gedacht ist an Gedenksteine und Tafeln, die den Kirchen- gemeinden zur Erhaltung des Gedächtnisses auch derjeni- gen gefallenen Gemeindemitglieder dienen sollen, die nicht innerhalb des Gemeindefriedliofes beerdigt sind. Auf den Steinen wären außer der Widmungsschrift die Na- men der gefallenen Gemeindemitglieder anzubringen. Es wird sich häufig empfehlen, statt einer Gedenk- tafel besondere kleine Schrifttafeln, für jeden Gefalle- nen eine, mit einem gemeinsamen Widmungsstein zu- sammenzufassen. Die Anwendung des Einzelstückes im Gesamtrahmen ist anzugeben. Bei frei auizustellen- den Gedenksteinen ist der Charakter des Friedhofes unbedingt zu vermeiden.

Durch den Wettbewerb werden Entwürfe für Grab- male und Gedenktafeln zur Ausführung in mehrfachen Verhältnissen gewünscht, besonders reiche Entwürfe (rei- cher bildhauerischer Schmuck) sind zu vermeiden. Die Entwürfe werden auf Blättern von 30:40 cm erbeten. Sie müssen maßstäblich gezeichnet sein unter Angabe des Maßstabes. Die Art der Flächenbehandlung des Ganzen oder einzelner Teile ist anzugeben. Jedes Blatt ist mit einem Kennwort und der Gruppenbezeichnung zu versehen. Die Verfassernamen und genauen Adressen sind den Entwürfen in verschlossenem Briefumschlag, der das Kennwort trägt, beizulegen. Jeder Teilnehmer erklärt sich damit einverstanden, daß die Entwürfe öfient- lich ausgestellt und d.e ausgezeichneten und angekauften unter Mitwirkung des -Sclilesischen Bundes für Heimat- schutz« veröff'entlicht werden.

Als Preise werden ausgesetzt : für Gruppe 1 : i erster Preis von 200 Mark, i zweiter Preis von 150 Mark, 6 Preise von je 75 Mark; für Gruppe 11: i erster Preis von 200 Mark, i zweiter Preis von 150 Mark, 6 Preise von je 75 Mark. Die Firma W. Thust beabsichtigt den Ankauf weiterer Entwürfe nicht unter 50 Mark; sie er- wirbt für sich das Ausführungsrecht für die mit Preisen ausgezeichneten und angekauften Entwürfe.

Als Preisrichter werden wirken : Provinzialkonser- vator, Regierungs- und liaurat Dr. Burgemeister, Archi- tekt Effenberger, Königlicher Gartenbaudirektor Erbe, Bildhauer Professor von Gosen, Architekt Königlicher Baurat Grosser, Konsistorialrat Hain, Fürstbischöflicher Rat Dr. Jensch, Techniker Georg Müller, als Vertreter der Firma W. Tliust, Gnadenfrei, Vorsitzender des Scliles. Bundes für Heimatschutz, Univers.-Professor Dr. Siebs, W. Thust, Inhaber der Firma W. Thust, Gnadenfrei, Stellvertretender Direktor der Königlichen Kunstakademie Breslau, Maler Prof. Wislicenus.

Zur Teilnahme am Wettbewerb sind alle Künstler berechtigt, die ihren Wohnsitz in den Provinzen Schle-

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VERMISCHTE NACHRICHTEN ^

RENE KÜDER

AUSMARSCH

sien, Posen, Ost- und Westpreußen und den besetzten russischen Gebieten haben. Die Entwürfe sind porto- und bestellgeldfrei bis zum 6. Oktober an das Sekre- tariat der Königl. Akademie für Kunst und Kunstge- werbe, Breslau, Kaiserin-Augusta-Platz 5, einzureichen. Die Sendungen sind außen als zum Wettbewerb des Schlesischen Bundes für Heimatschutz gehörig zu be- zeichnen. Auskunft erteilt der Geschäftsfülirer des Schlesischen Bundes für Heimatschutz, Architekt EHen- berger, Breslau XVI, .\uenstraße 20.

VERMISCHTE NACHRICHTEN

Zu dem auf S. 337 abgebildeten Gemälde nahm der Künstler die Anregung von einem durch einen Fried- hof gezogenen Schützengraben.

Zwei Preisausschreiben. Der >Münchner Bund« erLißt zwei Preisausschreiben für alle Künstler Deutscli- lands. Das eine Preisausschreiben betrifi't einen Wett- bewerb um ganzseitige Illustrationen in Scliwarzweiß oder mehrfarbig für eine Weihnachtsnummer der neuen Monatsschrift »Unser Vaterland«, die Graf von Both- mer herausgibt und die bei J. F. Lehmann in Mün- chen erscheint. Als i. Preis wurden 500 M., als 2. Preise je 250 M. ausgesetzt. Der zweite Wettbewerb

betrifft Kopfleisten, Schlußstücke und Zierstücke für die gleiche Monatsschrift. Dafür wurde ein i. Preis zu 100 M. und zwei 2. Preise zu je 75 M. ausgesetzt. Für beide Wettbewerbe behält sich die Scliriftleitung den Ankauf anderer nicht preisgekrönter Arbeiten vor. Die näheren Wettbewerbsbedingungen sind beim Münchner Bund, München, Elisenstraße 3 und beim Herausgeber zu erfahren. Der Schlußtermin beider Wettbewerbe ist der 10. September.

Bonifa z Locher. Die Wallfahrtskirche zu Gai- mersheim erhielt einen neuen Deckenschmuck in drei Gemälden, die Bonifaz Locher (München) kürzlich voll- endet hat. Das Werk verdankt sein Entstehen dem dortigen Pfärrherrn und es ist besonders erfreulich, daß es trotz dem Kriege entstand. Als Darsiellungsgegen- stände wurden gewählt: Maria Opferung, die hl. Familie und Maria in der Verklärung.

Eine neue Fahne erhielt auf \'eranlassung des Herrn Stadtpfarrers Madiener die Stadtpfarrkirche in Monheira (Schwaben). Der Entwurf stammt von Kunst- tnaler Theodor Baierl. Die Ausführung geschah zum Teil in Batik, zum Teil in Stickerei. Die Batikarbeiten wurden an der Kunstgewerbeschule in München ausge- führt, die Stickerei von den Franziskanerinnen in Dillingen.

Für die Redaktion

Gesellschaft für christliche Kanst, GmbH.

BEILAGE

DIE KUNST DEM VOLKE

DIE KUNST DEM VOLKE.

r)ie zunehmende Vertiefung des sozialen Emplindens unserer Zeit hat mit innerer Notwendigkeit dazu geführt, daß dem VoII<e die Tore immer weiter geötl'net werden, welche ihm lange versperrt waren, jene Tore, durch welche der Weg zum Verständnisse wahrer Kunst geht. Ist doch über ihren W'ert als mächtiges Hills- mittel der Volkserziehung jetzt jeder Zweifel behoben, sind doch auch die bereits erreichten Erfolge nicht mehr zu verkennen. Daß die Durchdringung der Volksseele mit einem sittigenden Kunstgefühl nicht mit einem Schlage niöghch ist, darüber kann man sich freilich nicht täusclien und darf es auch niclit, muß vielmehr aus dieser Überzeugung das Gebot ableiten, unermüd- lich weiterzuarbeiten und vor allem dabei die heran- wachsende Generation im Auge zu behalten. Beim Anfange des Krieges ist ein schönes Wort gesprochen worden: »Wir wollen kämpfen, damit unsere Kinder es einmal besser haben als wir.« Dieser Ausspruch paßt auch auf die hier in Rede stehenden Bestrebungen. Dem Volke mul3 unter Aufbietung aller Kraft ein Besitz wieder erkämpft werden, dessen es sich ehemals erfreut und mit dessen Hilfe es Vorbildliches geschaffen hat. Es muß allmählich jenes künstlerische Feingefühl und damit jene moraUschen Eigenschaften wiedergewinnen ; dieser einstige Besitz muß wieder in der Volksseele seinen Platz erhalten wie in alten Zeiten, wo Kunst und Kunstgefühl einen selbstverständlichen Teil des Daseins bildete. Die neueren Bestrebungen >die Kunst dem Volke< zugänglich, vertraut, lieb und notwendig zu machen, reichen bereits einige Jalirzehnte zurück; ihres Zieles vollbewußt und systematisch sind sie aber eigent- lich erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit geworden.

DienAllgemeine Vereinigung für christliche Kunst« ist es, welche sich dieser Aufgabe mit Eifer angenommen und in wenigen Jahren erreicht hat, daß ihr Streben als erfolgreich anerkannt werden muß. Im sechsten Jahrgange befinden sich jetzt jene trefflichen Monographien, die sie unter dem programmatischen Gesamttitel >Die Kunst dem Volke« herausgibt. Jährlich erscheinen vier Hefte zu dem überaus billigen Preise von 80 (im Jahresabonnement 75) Pfennigen; zurzeit liegt das zweiundzwanzigste vor. Auf 2'/2 Bogen großen Oktavformates bietet jedes 50 bis 60 vorzüglich ausgeführte Abbildungen von Kunstwerken ersten Ranges, dabei durchweg von solchen, welche für die Bildung des Auges und Gemütes von Nutzen sein und jeglichem rein empfindenden Beschauer zu wahrhalter Freude ge- reichen müssen. Dieser Zweck desästhetisclien Genusses und der daraus sich ergebenden Folgen für die Ge- schmacks- und Geistesbildung ist es, worauf es ankommt; nicht etwa darauf, eine Nation von Kunsthistorikern und Kunstkritikern heranzubilden. Den in den einzelnen Heften nach bestimmten Thematen vereinigten Gruppen geht jedesmal ein Text zur Seite, der aus der Feder eines anerkannten Kenners des betrefl'enden Gebietes stammt; Grundsatz ist klare Gemeinverständlichkeit bei eigenem wissenschaftlichem Wert, Fernhalten von lach- gelehrsamen Auseinandersetzungen nebst der zugehörigen Terminologie, sowie von jeglicher Polemik wissenschaft- licher, politischer, konfessioneller oder sonstiger Art. Ist somit dafür gesorgt, daß der Genuß am Kunstwerke und die Vertiefung in dessen Eigenart und Scliönheit durch nichts beeinträchtigt, vielmehr kräftig gefördert wird, so ist gleichzeitiges Ziel, den Blick auch zu er- weitern. Die modernste Kunst, über deren Wert die Akten noch nicht geschlossen sind, ist absiclitlich niclit in den Bereich der Betrachtung gezogen worden, dafür aber die ältere aus sehr verschiedenen Epochen und Be- zirken des christhchen Kunstschafiens.

Den weitesten Raum nimmt bisher die Malerei ein.

weil sie dem erst zu schulenden Geiste am leichtesten zugänglich ist. Doch ist einmal auch das scliwierigere Gebiet der Plastik und in mehreren Fällen das der monumentalen Baukunst betreten worden. Einige Hefte geben ikonographische Überblicke, eins übernimmt die Führung zu den Schätzen einer der berühmtesten Kunst- stätten der Welt, dem Vatikan. Das Verdienst hier- bei den Führer zu machen, erwarb sich der Rektor des deutschen Canipo Santo in Rom, Msgr. Anton de Waal. Hefte ikonograp hischen Inhaltes sind »Weih- nachten in der Malerei« von Dr. Joh. Damrich und »Die Madonna in der Malerei« von P. M. C. Nieuwbarn O. P. Drei Monographien beschäftigten sich mit Meisterwerken der Architektur. Alle drei schrieb Dr. Oskar Doering. In zweien betrachtete er die berühmtesten Kathedralen der verschiedensten Länder eine gedrängte Einfüh- rung in das Wesen vorbildlichen Kirclienbaus, und eine Darlegung, wie dessen Ideal je nach der Mannigfaltig- keit zeitlicher und örtlicher Bedingungen verschieden- artig angestrebt worden ist. Das dritte dieser Baukunst- hefte bespricht ein Thema, welches gerade jetzt beson- deres Interesse erregen muß, »Die deutsche Burg«. Jedem von uns muß das Herz aufgehen beim Anblicke dieser ehrwürdigen Reste. Ist es doch, als sprächen sie zu uns:

»von heleden lobebaeren, von grözer arebeit, von freude unt hochgeziten, von weinen unde klagen, von kuener recken striten.«

Das Plastikheft (Text gleichfalls von Dr. Doering) macht mit der herrlichen Feinheit der Arbeiten bekannt, die dem Luca della Robbia und seinem Kreise ihre Entstehung verdanken. Von jenen Monographien, die sich mit der Malerei beschäftigen, sind zwei der Betrachtung wichtiger alter Malschulen gewidmet. Dr. Damrich bearbeitete »Die altschwäbische Malerei«, Dr. Andreas Huppertz- Köln »Die altkölnische Maler- si-hule«. Beide Hefte bieten Bilder, deren echt deutsche An und Gemütstiefe einen unwideistehlichen Zauber ausüben. Die übrigen Malereihefte sind durchweg bio- graphischer Art. Man findet Murillo (Doppelheft von Dr. Adolf Fäh), Peter. Paul Rubens (von Dr. Walter Rothes) ; von italienischen Malern wurden bisher Beato Angelico und Domenico Ghirlandajo gewürdigt, ersterer durch P. Fr. Innocenz M. Strunk O. P., letzterer durch Dr. Walter Bombe. Bei weitem die meisten Mono- graphien dieser Gruppe aber gelten deutschen Künstlern, und zwar zumeist neueren. Die ältere Zeit kam mit Albrecht Dürer und dem jungem Hans Holbein zu ihrem Recht ; über beide schrieb Dr. Damrich. Zahl- reiclie Meister der Malerei erwählte man aus dem 19. Jahrhundert. In den Werken von Ludwig Richter und Moritz von Schwind (beide Monographien von Dr. Hyazinth Holland), in denen Joseph von Führichs (ilin schilderte Heinrich von VVörndle) waltet jegliche Tiefe echt deutschen Empfindens. Zu den Höhen ge- waltigster Kunst erhebt es sich in den Schöpfungen des großen Peter von Cornelius, dessen Monographie von Max Fürst stammt. Waffen klirren in den pracht- vollen Schlachtenmalereien des Theodor Horschelt. Das von Dr. Holland über diesen letzteren verfaßte Heft bildet einen der schönsten Beiträge zu der Kriegslite- ratur, auf die jetzt aller Augen gerichtet sind. Noch dazu lernt das deutsche Volk hier einen Künstler würdigen, der viel zu wenig bekannt ist- Auf Grund aller dieser Monographien sind auch Lichtbilder- vorträge hergestellt worden ; die Bezugsbedingungen teilt die Allgemeine Vereinigung für chtistliche Kunst (München, Karlstraße 55) mit. Dem vielseitigen Streben der Vereinigung, welches in der »Kunst dem Volke« sich kundgibt, und in dem sie rühmlicher- weise auch unter jetzigen schwierigen Verhältnissen

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nicht nachläßt, darf von Herzen auch fernerhin jener Erfolg gewünscht werden, den es vollauf verdient.

Dr. E. Heidegger.

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Maler Rudolf Frische, ein geborner Osnahrücker, hat sich vor einiger Zeit in seiner Heimatstadt nieder- gelassen. Frische lebt fast ausschheßlich der kirchlichen Kunst und hat schon vieles auf diesem Gebiete geschaffen.

Die St. Johanneskirche in München-Haid- hausen erhielt ein neues gemaltes Fenster, das den lil. Märtyrern gewidmet ist. Der Entwurf stammt von Augustin Fächer und wurde von der Kirchmairschen Glasmalerei in Haidhausen ausgeführt.

Bildhauer Franz Schildhorn hat im Auftrage des Herrn Stadipfarrers Hellmair in Landsberg am Lech eine HerzJesu-Statue gefertigt.

Dem gelehrten Kunsthistoriker P.Stephan Beißel, dessen Ableben wir in der vorigen Nummer berichteten, widmete P. Joseph Braun in den »Stimmen der Zeitc (6. Heft des 89. Bandes) einen Nachruf, auf den wir die vielen Verehrer des Heimgegangenen hin- weisen.

Gelsenkirchen inW. In Anwesenheit von Ver- tretern der staatlichen, städtischen und geistlichen Be- hörden wurde vergangenen März das Liebfrauenstift der Sl. Georgs-Pfarrei mit einer dem Ernst der Zeit entspre- chenden schlichten Einweihungsfeier seiner Bestimmung übergeben. Die nach den Plänen des Architekten Karl Colombo-Köln geschaffenen Anlagen zeigen eine groß- zügige und praktische Lösung eines wirklich modernen Heinis für erwerbstätige Mädchen und eines zu Ge- meindezwecken dienenden Saalbaues. Das Liebfrauen- stift enthält u. a. Festsaal für 800 Personen mit Bühne etc., kleinere Sitzungs- und Vereins-Säle, Hauskapelle, Speisesaal nebst Erholungsräumen und Heim für über 100 erwerbstätige Mädchen und Dienstmädchen. Haus- haltungs-, Koch- und Näh-Schulen werden von Schwe- stern geleitet. Die der St. Georgs-Pfarre angegliederten Jünglings- und anderen Vereine finden eine schöne Stätte im Liebfrauenstift.

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Theorie des Kirchenbaues vom Standpunkte des Kirchenmusikers und des Redners, raiteinerGlocken- kunde in ihrer Beziehung zum Kirchenbau mit 14 Ab- bildungen und 2 Tabellen. Von Johannes Biehle, Kir- chenmusikdirektor in Bautzen. (A. Ziemsen Verlag, Wittenberg, 191 3.)

In dem von Dr. Th. Scheffer herausgegebenen Werke »Die Bücher der Kirche« ist ein zweiter Band über die Theorie des Kirchenbaues, Raumbildungen der Orgel- empore und Aufstellung des Sängerchores, kurz über die neuesten Anforderungen einer Kirche bezüglich ihrer Akustik erschienen, welchen der Kirchenmusikdirektor Johannes Biehle in Bautzen bearbeitet hat. Wenn auch schon über dieses Thema zahlreiche Abhandlungen in den verschiedenen Fachzeitschriften veröffentlicht wur- den und mancherlei Mängel daraufhin in letzter Zeit Beseitigung fanden, so gingen die Anregungen dazu doch immer von Architekten aus. Es ist nun interessant und wohl zum ersten Male der Fall, daß ein Kirchen- musikdirektor die Feder ergriff und auf Grund seiner langjährigen faclimännischen Erfalirungen den Architek- ten und Gemeinden, die im Begrifi'e stehen, eine neue

Kirche zu erbauen, zahlreiche Winke und treffliche Rat- schläge gibt, die er in seiner langjährigen Praxis gesam- melt hat.

Es ist bekanntlich unmöglich, daß der Techniker bezw. Architekt von heute den vielverzweigten Anforderungen, die man an ihn auf allen Gebieten stellt, bis auf Einzel- heiten gerecht werden kann. Für die vollständige Kennt- nis der zahlreichen, hier in Betracht kommenden Berufe reichten ja kaum mehrere Lebensalter aus I Ich erinnere nur an das große Spezialgebiet der Heizung, Lüftung usw. Einmal hat der Architekt eine Kirche zu bauen, das andere Mal ein Theater, später zeitgemäße Stallun- gen, einen Bahnhof, Schulen usw. Wenn er auch im großen ganzen was ja die Hauptsache ist die ver- schiedenen Objekte beherrschen muß, so ist es doch sehr notwendig, auch die Ansichten von Spezialfach- leuten der diesbezüglichen Gewerbe anzuhören; denn nur Hand in Hand mit diesen kann etwas Vollkommenes geschaffen werden.

Schon einer der bekanntesten Kirchenbaumeister, Bau- rat Gräbner in Dresden, hat bei Errichtung von Kirchen auf die Notwendigkeit der praktischen Anlage von Sän- geremporen unter Zugrundelegung der Ratschläge eines Kirchenmusikers hingewiesen.

Nach der Orgelstärke ist auch die Zahl der zu ver- wendenden Sänger bezw. Musiker zu berechnen, aber auch die Orgelstärke und die Sängerempore nach der Größe und dem Umfange einer Kirche zu bestimmen, welch' letzteres nicht immer der Fall ist. Denn oft ist schon nach Fertigstellung eines Gotteshauses bei dem der Architekt seine Tätigkeit aus Mangel an Geldmitteln für die innere Einrichtung beenden mußte, nachträglich eine Orgel aufgestellt worden, die viel zu gewaltig für die mittlere beziehungsweise kleine Kirche war.

Das vorliegende interessante Buch behandelt nun eine allgemeine Begründung der baulichen Forderungen einer Kirche, die Bestimmung der Orgelgröße, des Klangwertes der Orgel nach Einheiten, dann ihre Beziehungen zu anderen Klangkörpern und die bauliche Anlage des Chor- raumes, endhch die Stellung des Spieltisches. Auch der Beleuchtung wurde gedacht, was eine Notwendigkeit ist. Weiter behandelt Biehle die Gruppierungsmöglichkeiten des Altarraumes zu Chor und Orgel und deren Einord- nung im Grundriß der Kirche. Von weiterem Interesse sind die Erfahrungen des Autors über die Orgelaufstel- lung: wenn der Chorraum an der Südseite, die Orgel an der Westseite liegt und umgekehrt, wenn letztere an der Südseite aufgestellt wird oder die Orgel mit dem Altarraum verbunden ist.

Vom confessionellen Standpunkte aus sind die Urteile manchmal einseitig, im allgemeinen jedoch treffend.' Mit dem vorgeschlagenen Kirchenbausystem erinnert er uns an manche protestantischen Kirchen des 18. Jahrhunderts. Weiter ordnet Biehle geeignete Nebenräume für Kirchen- musik an. Auch der Raumakustik gedachte er und geht auf die physikalischen Vorörterungen über, sowie auf Größe der Grundrißgestahung nach akustischen Gesichts- punkten, wobei freilich seine Theorie manchmal von der Wirklichkeit abweicht. Mittel für eine gute Akustik sind wolil bekannt. Die von Biehle erwähnten Kork- platten und Korkkörner, welche in Kirchen zur Erzeu- gung einer guten Akustik zur Anwendung gelangten, sind erfahrungsgemäß nicht immer zuverlässig, auch ist oftmals ihre Anbringung viel zu umständlich. Das beste Material für eine treffliche Schallwirkung ist immer Holz, was Verfasser des Buches aucli zugibt. Wir haben seiner Zeit im »Pionier« einen Artikel darüber gebracht. Da nun die Kirchen immer mehr in Beton und Eisenbeton zur Ausführung gelangen, ein Material, welches bekanntlich die schlecliteste Akustik ergibt, so wären vielleicht hier auch einige Winke darüber am Platze gewesen. Denn wie ungünstig Musik und Gesang, desgleichen Predigten

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in solchen Kirchen mit gewölbten Eisenbetondecken wirken, ist bekannt.

Zum Schlüsse bringt der Verfasser eine fesselnde Stu- die über Glockeiikunde in Berücksichtigung ihrer Be- ziehung zum Kirchen- und Städtebau. Er bespriclit die Piiysik der Glocke und die Metliodc der akustischen Un- tersuchung und gibt in Tabellen und Formeln die Er- gebnisse an, geht dann zum Schluß auf die Bewertung von Glocken und auf praktische Fragen, über Bronze- und Gußstahl-Glocken über.

Es ist hochinteressant, über all diese Fragen einen praktischen Kirchenmusiker, wie Biehle einer ist, zu hören und wir müssen seine wertvollen Erfihrungen, die er in seinem ausgezeichneten Werke niederlegte, Anerken- nung zollen. Jedem Architekten für Kirchenbau, des- gleichen baulustigen Kirchengemeinden sei daher dieses Buch bestens empfohlen. Steilen

Wilhelm Finder, Mittelalterliche Plastik Würzburgs. Würzburg 191 1. Curt Kabitzsch(A. Stubers Verlag). Preis ungeb. :2M.

Die Kunstgeschichte der Würzburger Zone war, wie teil- weise auch die anderer Gebiete, lange ein Aschenbrödel ge- wesen. Außer Rienienschneider kannte man keinen Künst- ler bezw, keine Epoche näher. Henners Altfränkische Bilder machten weite Kreise auf den reichen Kunstbesitz Frankens aufmerksam. Kellers Bahhasar Neumann eröff- nete dann den Reigen der monographischen Arbeiten.

Einen wertvollen Beitrag zur Erforschung der unter- fränkischen Kunstgeschichte bedeutet die vorliegende Arbeit Pinders über Würzburgs mittelalterliche Plastik. Für die Geschichte der Würzburger Plastik bildet sie den Sockelbau. Die Untersuchungen erstrecken sich über die plastischen Erscheinungen der Würzburger Zone vom Ende des 13. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts. Was von da ab bis zu den achtziger Jahren folgt, betrachtet Pinder als Vorbereitung auf Riemenschneider. Pinder be- ginnt, wie bemerkt, mit dem Ende des 13. Jahrhunderts. Die Zeit voraus ist nämhch, von dem Grabstein des Bischofs Gottfried von Spitzenberg (fiigo) und orna- mentaler Bauplastik abgesehen, in Würzburg nicht ver- treten. An der großen plastischen Epoche des I3.jalir- hunderts liatte Würzburg keinen Anteil, wenigstens sind keine Denkmäler erhalten. Nur das Epitaph des Bischofs Mangold von Neuenburg (f 1305) bezeichnet einen Nach- klang der Epoche. Die Untersuchung beginnt also mit dem Schluß des 15. Jahrhunders. Um diese Zeit ent- stand die Deutscliordenskirche mit ihrer bisher wenig bekannten sehr bedeutenden Bauplastik. Groß ist der Bestand im 14. Jahrhundert, der Mehrzahl nach Grab- denkmäler. Im 1 5. Jahrhundert kommen dazu die wert- vollen Portalskulpturen der Marienkapelle.

Mit gewissenhaftester Sorgfalt hat Pinder den gan- zen Bestand aufgesucht und mit tiefem Verständnis ge- schichthch und kunstgeschichtlich geordnet. Manche bis- herige Irrtümer werden dabei korrigiert, die inneren Zusammenhänge aufgesucht. Den methodischen Apparat beherrscht der Verfasser vollständig. In Detailfragen mögen ja abweichende Meinungen gelegentlich mög- lich sein. Die Beiziehung der Siegel z. B. zur Bestim- mung der lokalen Entwicklung setzt den Beweis voraus, daß sie wirklich in Würzburg angefertigt wurden, was eben nicht sicher ist.

Die Ausstattung des Bandes ist tadellos; 56 Tafeln mit Autotypien illustrieren die Darstellung. Wir nannten die Pindersche Monographie den Sockelbau für die Ge- schichte der Würzburger Plastik. Inzwischen ist bereits die nachriemenschneidersche Zeit durch L. Bruhns be- handelt worden. Wir hoffen, daß sich weitere Arbeiten über die reiche Epoche unter Fürstbischof Julius und über das nicht minder reiche 18. Jahrhundert anreihen werden. F. Mader

Schwabing. Briefliche Plaudereien von Th. Dombart. Mit 92 Abbildungen. 1913 Bayerland- verlag G. m. b. H. zu München. VIII und 150 Seiten 8". Brosch. M. 2.50, geb. M. 3.50.

Die Behandlung eines spröden historischen Stoffes in Briefform ist namentlich in der bayerischen Literatur keine Seltenheit. Sie war vor loo Jahren sehr beliebt. Es braucht in diesem Falle nur an von übernbergs > Reisen durch Bayern < erinnert zu werden. Jetzt taucht, wie alles im Leben, so auch in der Literatur diese Art des populärwissenschafthchen Essayisten wieder auf. Der Historiker wird sich mit ihr nur schwer abfinden. Bietet sie doch oft dem tatsächlichen Nichtwisser einen willkommenen Deckmantel fürobeillächliches Geschwätz. Dieser Vorwurf trifft allerdings auf Dombarts Plaudereien nicht zu. Mit großer Liebe und bewundernswertem Fleiß, von dem die am Schlüsse des ^\'erkes angegebene Fülle der durchgearbeiteten Literatur und Akten zeugt, trug er zusammen, was er über seinen Heimatsort finden konnte. Ja einige Kaphel bieten fast des Guten zu viel, so daß es schwer fällt, sich durch die Unmenge von Namen durchzulesen, die in erster Linie die Kenner Scliwabinger Verhältnisse angeht. In den einzelnen Kapiteln, welche der Geschichte der »Künstlerstadt« von ihrer Gründung um 500 bis zur Einverleibung Milbeils- hofens (1913), über das im Jahrgang 1911/12 der »Christlichen Kunst< gehandelt wurde, nachgehen, finden sich auch wertvolle Angaben allgemeiner, volk-skund- licher und kunsthistorischer Art. In letzterer Beziehung ist namentlich das reiche Abbildungsmaterial interessant. So bilden die Votivbilder und Bilder aus der alten Nikolaikirche und das Schidersche Gemälde vom Chi- nesischen Turm aus der öffentlichen Kunstsammlung zu Basel für den Künstler und Kunsthistoriker wahre Kabinettstücke. w. ziis

Eduard von Rodt, Bernische Kirchen. Ein Beitrag zu ihrer Geschichte. Mit 100 Illustrationen. Bern, Francke, 1912.

Wohl der beste Kenner der bernischen Kunstgeschichte, der Architekt Ed. v. Rodt hat die Bundeshauptstadt be- reits in sechs Bänden behandelt, in denen er je ein Jahrhundert seiner Heimat kulturhistorisch und kunst- geschichtlich beleuchtete. Von den bernischen Burgen wandte er sich nun den Kirchen des Kantons zu. Es handelt sich im Rodtschen Werke keineswegs um eine lokale Kunstgeschichte im engen Sinne, sondern um die geschichtliche Verfolgung der Kirchen des Landes, in der das kunsthistorische Interesse und die Vorliebe für Volkskunde deutlich hervortreten. Aus den sagen- haften Spuren des römischen Christentums in der Schweiz tritt die Wirksamkeit der irischen Glaubensboten hervor, mit dem 8. Jahrhundert eröffnen sich die historischen Quellen und 1050 begegnet uns die erste Klosterstif- tung in Rüeggisberg. Reiches kirchliches Leben ent- wickelt sich nun in der Entstehung von Gotteshäusern und Klöstern, deren Einkünfte ihre besondere Berück- sichtigung fanden. Damit sind die Grundlagen für einen kirchengeschichtlichen Rückblick bis zum 16. Jahrhun- dert gelegt. Man muß bekennen, daß der Nichtkatholik sich auf dem ihm fremden Gebiete mit ernster Objek- tivität bewegt. Ein wehmutsvolles Kapitel ist über- schrieben : Die Reformation und das Schicksal der Gottes- häuser. Was vom Münster in Bern gesagt wird: »also wurden in disem grülichen Sturm in der lütkilchen 25 altär und das sacramenthus geschhssen, die götzen zerschlagen und in des kilchhofs schütte vergraben«, gilt für das ganze Land. Die Kirchenorganisation nach der Reformation führt in etwas auffallender Weise zum Kirchenbau vor derselben, in welchem v. Rodt mit dem Interesse der Archäologen die Bauten stilkritisch zu Gruppen ordnet, aber auch den Glasgemälden, selbst

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der Ausstellung war Hermanns kleines Bildchen »Gassen- schenke«: ein in zerstreutem Lichte stehender Raum mit bläulicher Wandfarbe, darin der Schenktisch, hinten durch eine olVene Tür Ausblick in das helle Licht des Gartens, dieses Licht auf dem nassen Boden des Innen- raumes sich spiegelnd. Etwas konstruiert schien August Riepers »Freundinnen«, zwei junge Mädchen in Volks- tracht in einem bäuerlichen Wohnräume vor einem geöffneten brandroten Schranke. Stille Wirkung tat P. FelgentretTs »Oberbayerische Bauernstube« mit ihrer braunen Holztäfelung und dem durch rotverhängte Fenster eindringenden Lichte. Überaus delikate Farben- wirkung übte das zartblaue Rokoko-Interieur, welches FI. Rumpelt im Uphagenhause zu Danzig beobachtete. Bei dem Bilde »In der blauen Stube« von L. Blume- Siebert war das zarte Blaugrau der Wand der inter- essante Gegensatz zu den im übrigen herrschenden warmen Tönen der Ausstattung und der Personen. Starkfarbig war eine Bauernstube von Müller -Wischin.

Auch diesmal fesselte die Gruppe der Stilleben- malerei durch einen Reichtum klar beobachteter und vorzüghch wiedergegebener Motive. In erster Linie möchte ich dabei der Werke von August Hermann- AUgäu gedenken, seiner warmtönigen Mispeln, seines Wildstillebens, eines anderen mit Nußhähern und der- gleichen. Marie A\'eger malte ein dunkeltöniges Bild mit Steinpilzen, G. Thoma-Höfele ein lebhaft farbiges mit Porzellan und Silber. Stark dekorativ war ein Still- leben von L. AdamKunz, farbig und technisch inter- essant »Die blaue Vase« von A. de Bouche. Tüchtige Blumenstücke waren u. a. von Meyer-Waldeck, Franz Frankl, Franz Guillery. Miniaturhafte Feinheit besaß F. Simms »Trödlerin«, deren eigene Gestalt allerdings innerhalb ihres bunten Krams reichlich ideahsiert er- schien.

Die rein um ihrer selbst willen behandelte Land- schaft fand sich in einer verhältnismäßig nur geringen Zahl von Werken, deren durchweg bedeutende dualität hervorzuheben ist. In großzügigem Vortrage, cliarakter- voUeni Kolorit und hellem Lichte behandelte Ludwig Bolgiano Motive aus dem Chiemgau und aus Traun- stein. Eine Leistung von feinem Reize war Alb.Wenks unter saftgrünen Bäumen dahinströmender Gebirgsbach. Derselbe Künstler brachte auch eine wohl etwas allzu lichte Studie aus der Partnachklamni. Zwei Föhn- stimmungen mit prachtvollem Gegensatze grauen Him- mels und stilltönigen Landes gegen tiefblaue Berge malte Alb. Stagura. Mit fein graubraunen Tönen und großer Linie erweckte August Finks »Herbst im Moos« Erinnerung an die Auffassungen der älteren Münchener Landschaftsschule. Durch treffliche Schneemalerei zeich- neten sich ü. a. Werke von H. Klalt, Otto Rau, C Keßler, Müller-Landeck aus. Eine Brücke in Eichstätt malte Voß mit feinsilbriger Spiegelung, M. Landschreiber einen sonnigen Abend am Ammersee und einen Durch- blick durch herbstliche Bäume auf eine hohe Felswand, in Maienblüte stehende Bäume M. ünterwalder. Eine feine Morgenstimmung aus dem Herzogspark mit Bir- ken und blühenden Disteln bot Jos. Schoverer. An den Chiemsee führte Joh. Friedr. Engels delikat ge- raalter Einbaum, H. Kochs fein- poetischer »Kloster- friede« (Studie von Frauenchiemsee). Zu den ausge- zeichnetsten Darbietungen der Ausstellung gehörte Josef Woplhers »Fischfang am Chiemsee«, ein wegen der lebendigen Schilderung des Vorganges, wie wegen der Behandlung der Landschaft gleich hervorragendes \\'erk. Leopold Schönchen malte ein in grauer Stinmiung ge- hahenes Meeresbild, ferner einen Kutter auf leicht be- wegtem Wasser mit feiner Zusammenstellung weißer, grauer und bläulicher Töne, sowie mit schönen Lüften. Großen Reiz gaben namentlich die letzteren auch einem mit Bevorzugung von Blau durchgeführten Hochsee-

bilde desselben Meisters. Kraftvoll war ein Meer bei aufziehendem Gewitter von Alf. Bachmann.

Von Graphiken gab es sehr wenig. P. Götz- Rächnitz behandelte in zwei Holzschnitten mit alle- gorischer Auffassung das Thema »Das Kriegsziel«. Paul Geißler zeigte mehrere von jenen feinen, selbst gedruck- ten Radierungen, zu welchen ihm Architekturgruppen aus unseren alten deutschen Städten die dankbaren Motive liefern.

Unter den Plastiken zeichnete sich Alois Stehles lebensgroße Marmorbüste des Fürsten von HohenzoUern ebenso sehr durch die Pracht ihres Materials wie durch ihre trotz des etwas pathetischen Vortrages überzeugende Lebensechtheit aus. Innerlich empl'unden und anmutig war die bronzene Statuette eines Landmädchens, wel- ches betend dasteht, von Emil Maniquet. Treulich beobachtete Dackln hatte Emil Wünsche in Bronze dargestellt. Adolf Daumiller zeigte eine Anzahl von Medaillen mit Bildnissen, Allegorien und dergleichen, Ar- beiten, die trotz ihrer Kleinheit durch die Kraft ihres Vortrages bedeutend wirkten. Porträtplaketten, sowie umfängliche Medaillen in Eisen und Bronze, die bei großzügiger Stilisierung doch voller Leben waren, brachte Eduard Beyrer als Bestandteil einer etwas größe- ren Auswahl seiner Plastiken. Endlich sei eines von Richard Aigner ausgestellten, in Gips geformten Knaben- kopfes gedacht, der sich durch trefThche Schilderung eines in dem Gesichte sich aussprechenden kindlichen Eigensinnes auszeichnete. Dr. i£. Hei.icf.'i:cr

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M. von Feuersteins Kriegsgedächtnisblatt. Am Schlüsse des Aufsatzes über Martin von Feuerstein (im ersten Hefte des neuen [ahrganges der „Christlichen Kunst") wurde kurz auf ein von diesem Meister ge- schafienes Erinnerungsblatt hingewiesen, welches im Verlage der Gesellschaft für christliche Kunst erscheinen würde. Das Werk hat die Bestimmung, dem Ehren- gedächtnisse gefallener, wie auch am Leben gebliebener sowohl deutscher, wie österreichischer Kriegsteilnehmer zu dienen. Das Erinnerungsblatt liegt nunmehr vor und zwar in zwei verschieden großen Ausg.tben (52 : 23 bezw. 42 : 30,5 cmi. Man sieht in der Mitte eine hoch- rechteckige, am Fuße derselben eine schmälere quer- laufende graue Fläche, für die Erinnerungsinschritten. Die erstere zeigt außerdem einen Spruch oder Vers; mehrere alte und neue Fassungen sind dafür gewählt worden, so daß jeder Erwerber eines solchen Blattes iinden dürfte, was ihm zusagt. Während die untere leere Inschriftiläche nur einfach eingelaßt ist, prangt die obere in herrlichem Schmucke. Ein breiter, in edeln schlichten Linien gehaltener Rahmen umgibt sie. Er ist mit Blumen- und l'ruclitgirlanden geziert, zwischen ihnen hängen Täfelchen mit den |ahreszahlen 1914 und 1915, zwei leer gebliebene Täfelchen können noch weitere Jahreszahlen aufnehmen. Links oben hängen über- einander die Wappen Deutschlands und t)sterreich- Ungarns. Dieser Rahmen bildet eine plortenartige Ar- chitektur. Von der Unterkante der großen Inschrilt- lläche senken sich zwei breite Stufen nach vorn ; auf diesen ist eine der schönsten Figurengruppen angeordnet, welche Feuerstein geschafTen hat sie gehört zu den prachtvollen Eingebungen, welche dem Geiste des Künst- lers durch die gewaltigen Eindrücke und ]->regungen dieser Kriegszeit zu teil geworden sind. Beieinander erblickt man die vier großen Schutzpatrone des Kricger- •standes. Ganz vorn links steht St. Mauritius als römischer Legionssoldat; er hält die Hände um die Stange des Adlerfeldzeichens gelaltet und blickt betend empor. Hinter ilim steht ein deutsches Feldgeschütz, zu seinen

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Füßen liegt neben modernen Waffen und Aiisrüstungs- gegenständen eine schwarz-weilS-rote 1-alnie. Hinter dem Geschütze ragt auf prachtvollem schwarjem Rosse die ritterliche Gestalt des hl. Georg in blinkender Stahl- rüstung ohne Helm. Neben dem Geschütze rechts kniet die gekrönte St. Barbara; sie halt einen Palmzweig in der Hand und schaut betend mit begeistertem Ausdrucke gen Himmel. Hinzein steht auf der rechten Seite der hl. Erzengel Michael. Seine Rechte stützt sich auf den mächtigen Flamberg, die Linke schwingt einen goldenen Schild aufwärts, auf dem die Worte Deo et patriae ge- schrieben stehen. Die Anordnung der Figuren ist voll Ruhe und Erhabenheit. Ausdrucks- und bedeutungsvoll sind die Gesichter. Vergeistigt erscheinen auch die Farben, und doch sind sie voller Leben und größter Mannigfaltigkeit. Bewunderungswürdig ist die \'er- quickung der rein phanta.stischen Elemente mit antiken, mittelalterlichen und modernen, des überirdischen Idealis- mus mit dem Realismus, der höchsten Poesie mit der Wirklichkeit. Das schöne Erinnerungsblatt darf als eine der bedeutendsten Erscheinungen seiner Art begrüßt werden.

Erzherzog- Friedrich - Medaille von dem akademischen Bildhauer und Medailleur F^duard Hartig in Wien. Zugunsten der ofl'iziellen Kriegsfürsorge hat der auf dem Gebiete der Medaillen- kunde bestbekannte Wiener Künstler eine Gedenk- medaille mit dem Bildnis des Oberkommandierenden der österreichisch-ungarischen Armee geschaffen. Das in Bronze hergestellte Werk zeigt die Züge des so rasch populär gewordenen Erzherzogs in überaus lebendiger und charakteristischer Ausführung. Die Rück- seite ziert die Gestalt der Pallas Athene als Kriegsgöttin, die sich mit der Linken auf eine Ehrentafel mit den Namen der siegreichen V'oifahren des Feldmarschalls, der Erzherzöge Karl und Albrecht, stützt. Die Tafel selbst ist mit einem aus Lorheer gewundenen Sieges- kranze geschmückt. In der Rechten hält die Kriegs- göttin Speer und Schild. Die Umschrift lautet: «Dem Oberkommandierenden unserer siegreichen Armeen.<

K.

Vivatbänder und eiserne Medaillen. Die Sitte, das Andenken an die Ereignisse eines Krieges, an siegreiche Schlachten und Heerführer durch bunte, nach künstlerischen Entwürfen liergestellte Seidenbänder, sogenannte Vivatbänder zu ehren, hat sich nun auch in Osterreich, speziell in Wien mit großem Erfolge ein- gebürgert. Schon im Siebenjährigen Kriege, in den Kriegen Friedrichs des Großen und der Kaiserin Maria Theresia waren solche Vivatbänder im Verkehr und dem gegen- wärtigen gemeinsamen Waffengang der deutschen und österreichischen Armee war es vorbehalten, diesen schönen Brauch neu erstehen zu sehen. Die künst- lerischen Entwürfe stammen von hervorragenden öster- reichischen Malern, wie Otto Friedrich, Professor Rudolf Jett mar, Max Liebenwein, Dachauer, Offner und anderen. Einige der schönsten Vivat- bänder sind: tVivat die Bundes treue», «Vivat die Bezwinger von Warschau und Iwangorod», das «Deutschmeisterband», die Bänder für «Erz- herzog Friedrich», «Conrad von Hötzendorf>, die Bänder zu Ehren der «Helden von Tirol».

Eine zweite künstlerische Aktion zugunsten der Kriegs- fürsorge bildet die Einführung von Kriegserinnerungs- Medaillen aus Eisen und Zink an Stelle der für Militärzwecke benötigten Bronze. Diese Medaillen sind dazu bestimmt; ein dauerndes Zeichen der Er- innerung an unsere große eiserne Zeit zu bilden, ähn- Uch jenem eisernen Schmuck und den eisernen Me- daillen, wie sie aus gleichen Beweggründen vor hun- dert Jahren zur Zeit der Freiheitskriege geschaffen

wurden und die heute bei Sammlern und Kunstfreunden sich größter Wertschätzung erfreuen. Die Entwürfe stammen sämtlich von bekannten österreichischen Bilii- hauern. .Ms die drei ersten Medaillen sind zu nennen : «Die Kaiserhuldigungs-Medaille» zur Erinnerung an den i8. August 191 5 von Bildhauer Hejde, die «U-Boot-Medaille» von H. Zite, eine durch ihre originelle Komposition sehr interessante Schöpfung, und die zur .Anerkennung der Leistungen unserer Ar- tillerie hergestellte «50,5-Zentimeter - Mörser Me- daille», eine prächtige Gabe Meister Hans Schwa- thes. .Alles in allem sind die Wiener Künstler bestrebt, ihr Teil dazu beizutragen, das Los der vom Kriege Betroffenen nach Kräften zu mildern, möge aber auch die Allgemeinheit ihr Bestes tun, den von den Begleit- erscheinungen der gegenwärtigen großen aber schweren Zeit hart bedrängten Künstlern gleiches mit gleichem zu vergelten. u.

Zum Wiederaufbau Ostpreußens. Für die Wiederaufbauung der Stadt und des Kreises Orteisburg hat bekanntlich die Stadt BerHn die Patenstelle über- nommen und sind die Schäden wiederliolt von Ver- tretern Berlins besichtigt worden. Die große katholische Pfarrkirche zu Orteisburg, welche besonders stark ge- litten hat, soll, um einen würdigen Gottesdienst nicht zu stören, schon jetzt wieder hergestellt werden. Die wertvollen alten Glasfenster müssen vor allem zum Teil ganz neu angefertigt werden, zum Teil restauriert bezw. ergänzt werden. Eigenartig ist, daß ein großer Teil der Fenster weniger durch Kanonenkugeln, als durch den Brand des danebenstehenden, jetzt vollständig ab- gebrannten Pfarrhauses in Mitleidenschaft gezogen wur- den. Die verbindenden Bleisprossen sind durch die Glut direkt zu Klumpen geschmolzen. Mit der kunst- vollen Herstellung der zerstörten Kirchenfenster hat man nunmehr den Kunstglasmaler C. Busch, Berlin- Südende betraut.

Kaspar R. von Zumbuschf- In Rimsting in Bayern ist in der Nacht des 27. September einer von den Großen gestorben, einer, dessen ganzes Lehen nur Arbeit bedeutete, Arbeit allerdings, die auch von einem nur selten erreichten glänzenden Erfolg begleitet und gekrönt war. Kaspar Ritter von Zumbusch, wir Wiener dürfen ihn als einen der unsrigen bezeichnen, war volle vierzig Jahre hindurch der sozusagen offizielle Plastiker, dem, last mühelos die ehrenvollsten und lohnendsten öffentlichen Aufträge zufielen. Zumbusch war am 23. November 1850 in Herzebrock in Westfalen geboren und studierte in München unter Professor Halbig. Nachdem er seine Studien in Rom beendet hatte, kehrte er nach München zurück, wo er zuerst durch seinen Sieg in der Konkurrenz um das König Ma:-;-Denkm al bekannt wurde. Das Modell dieses Denkmals, das auf der Wiener Weltausstellung im Jahre 1873 großes Auf- sehen erregte, war die unmittelbare Anregung zu einer Berufung des Künstlers nach Wien als Lehrer an die .Akademie der bildenden Künste, wo die Bildhauerschule zeitweise verwaist war. Hans Gasser war tot, Tilgner, Hellmer, unsere nachmaligen großen Meister, erst im Werden. Zumbusch kam mit dem größten Auftrag nach Wien, der seit Jahrzehnten bei uns vergeben worden war, mit dem für das Maria Theresien-Denkmal. In welch hervorragender Weise er seiner künstlerischen Aufgabe gerecht wurde, ist jedem Wiener bekannt. Außer dem Maria Theresia Denkmal schuf Zumbusch für Wien noch das herrUche Beethoven-Denkmal, die beiden Reiterstandbilder Radetzkys und des Erzherzogs Albrecht, die Kolossalstatue Kaiser Franz Josefs in der Universität, das große Relief mit dem Reiterbild des Kaisers am

VERMISCHTE NACHRICHTEN

Wiener Rathausturm, sowie überaus zahlreiche Büsten und Grabdenkmäler.

Während seiner Wirksamkeit in Wien erhielt der Künstler auch ehrenvolle, große Aufträge aus Deutsch- land, so wurde ihm die Ausführung der Kolossal- Statue Kaiser Wilhelms I. auf dem Wittekind- berge übertragen. Eine seiner schönsten Büsten ist die des jugendlichen Königs Lud wi g II., für den er später noch sechs Marmorstatuetten, die Helden - gestaltenderOpernRic ha rd Wagners darstellend, ausgeführt hat, die sich im Schloli Linderhof be- finden. Als weitere hervorragende Schöpfungen des berülimten Meisters gelten noch: die Mariensäule in Paderborn, die Statue des Grafen Rumford in München, das Siegesdenkmal in Augsburg sowie eine ganze Reihe von Statuen und Fi- gurenschmuck für eine große Anzahl katho- lischer Kirchen. Zumbusch erreichte ein Alter von fast 85 Jahren und hinterläßt einen Sohn, den Maler Ludwig von Zumbusch in München, der auch in Wien kein Fremder mehr ist. Richard Ricdi

Der „Christliche Kunstverein des Erzbistums Köln" veröffentlicht soeben seinen ständigen Jahres- bericht für 1914 im üblichen anziehenden Gewände. Diese mit Recht anerkannte und beliebte [ahresüber- sicht stellt fest, daß der Ernst der langdauernden Kriegszeit auf manchen Gebieten Rückkehr zum Ein- fachen, Gesunden und Natürlichen anbahnt und das unsere deutsche Eigenart verunstaltende Fremdländische wegfegt. Daran anknüpfend, nimmt sie gegen das neu- zeitliche Bestreben, unser Kunstleben vom heimischen Nährboden loszureißen, Stellung, verurteilt das selbst- zufriedene Beharren beim einmal Erreichten sowie das fieberhafte Voranpeitschen zu ganz neuen Kunstformen und verficht ruhige, besonnene Weiterentwicklung im Anschluß an die echt künstlerisch durchgebildete Kunst- sprache unserer Vorfahren, aber unter verständnisvoller Berücksichtigung der berechtigten Erfordernisse der Gegenwart. Der Bericht bringt zum 100 jährigen Ge- burtstage des Mitbegründers des Vereines, Dr. jur. Chri- stian Hermann Vosen (geboren zu Köln 9. Juli 1815), dessen ausführliche Lebensbeschreibung nebst einem sprechenden Bildnis des hochverdienten Mannes. Aus den Neuerwerbungen des mit dem Verein verbun- denen ErzbischölHchen Diözesanmuseums sind erwähnens- wert: die Denkmünze des Marschalls des Konklave für die Papstwahl 19 14; ein aus dem Nachlasse des Kar- dinalerzbischofs von Köln Dr. Philippus Krementz her- rührendes Gemälde altdeutscher Schule von ca. isoo: die heiligen Fabian und Sebastian ; eine Bingener Gold- münze des Mainzer Erzbischofs Johannes II. (1597 1419). Aus dem Schatze der mittelalterlichen Holzgebilde des Diözesanmuseums wird eine aus dem 14. Jahrhundert stammende Sitzfigur des heiligen Nikolaus, bemerkens- wert durch die Miniaturmalereien des Sockels, in Wort und Bild vorgeführt, desgleichen ein Schmerzensmann aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Den Entwurf einer Kriegergedenkkapelle für die Gemeinde Niederzier von Diözesanbaumeistcr Heinrich Renard vergegenwärtigt eine gute Wiedergabe. Die ständige Ausstellung neuer Kunstwerke im Kölner Diözesanmuseum bestand das ganze Kriegsjahr fort, von 25 Künstlern beschickt und in der Tagespresse regelmäßig anerkennend ge- würdigt. Der Verein zählt jetzt 1 179 Mitglieder gegen 1174 im Vorjahre und besitzt außer dem Museums- gebäude und den Sammlungen ein Vermögen von 15 1 15 Mark. 11.

In unserem Bericht über die Ausstellung der Ber- liner Akademie der Künste, Frühjahr 1915 (XI/io), war eine „Madonna" von W. H AVER KAMP er-

wähnt, mit einer- Andeutung des Bedauerns, daß das Werk nur erst in unedlem Material und geringer Größe vorlag. Nachträglich wurde uns bekannt, daß es bereits in der neuen katholischen Marienkirche zu Berlin- Friedenau (Laubacherstraße) einen Platz auf einem Seiten- altar gefunden hat, und zwar in großer polychromer Ausführung. Der Gesamteindruck bestätigt und erhöht noch die liebliche Wirkung, welche das Werk in der unfarbigen kleinen Gestalt ausgeübt hat. Die bunte Färbung ist von einer bei Polvchromien so seltenen \'orsicht und Zartheit, wenn auch, etwa auf den Hän- den der Mutter, das dabei wohl Schwierigste, das In- karnat, nicht überall mit so voller Warme gelungen ist, daß der Eindruck des „Wächsernen" gänzlich über- wunden scheint, jedenfalls empfielilt sich für jeden Kunstfreund ein Besuch dieser gut stimmungsvollen Liebfrauendarstellung und der sie beherbergenden Kirche, die mit neuromanischen Formen auch archi- tektonisch durch Grundriß und Auiliau Beachtung ver- dient. H. Sjhm.

Adolf Oberländer beging am i. Oktober seinen 70. Geburtstag. Der Künstler ist jedermann aus den Fliegenden Blättern vertraut.

Joseph Wenglein, der ausgezeichnete Münchener Landschaftsmaler, feierte seinen 70. Geburtstag am 5. Oktober.

Fünf Gedenkblätter für Gefallene aus einem Preisausschreiben des Dürerbundes sind im Verlag von Georg D. W. Callwey (München) erschienen. Das Bild von K. Lipus stellt drei Feldgraue beim Abschied vom Grabe eines Kameraden in schlichter Weise und wahrer Empfindung dar. Bruno Bielefeld! stellt ein mit dem Holzkreuz gesclmiücktes Kriegergrab vor eine von den Strahlen der Sonne übergossene Ideallandschaft, die >verklärte« Heimat. Unter dem Titel »Durch Todesnacht bricht ew'ges Morgenrott zeigt R. Budzinski einen tot hingestreckten Krieger, dessen Kopf ausdrucksvoll durchgezeichnet ist, während vom Körper (bis gegen die Mitte) und der über ihm gesenkten Fahne nur fluch- tige Andeutungen gegeben sind; ein Lichtstrora über- flutet das Antlitz des Entschlafenen. Das primitive Bild von Berta Schmitz »Einer für alle alle für einen« ist symbolisch : über den dunklen Erdboden hin, auf dem sich ein schlichtes Kreuz erhebt, lodert ein Flam- menbündel zum düsteren Himmel empor. Betende Lan- zenträger knien unter dem Sternenhimmel in gebirgiger Gegend auf dem farbigen Steindruck (die andern Blätter sind schwarz-weiß) von Hugo Grimm. Aus dem Gesagten geht hervor, daß die fünf schön ausgeführten Bilder einer allgemein menschlichen Würde und Weihe nicht entbehren. l?ei dreien bildet das Kreuz den geistigen Mittelpunkt; die Darstellung von Rudoph Lipus wird der katholischen Empfindungsweise am besten gerecht.

DER PIONIER

Monatsblätter für christliche Kunst, praktische Kunst- fragen und kirchliches Kunsthandwerk. VIII. Jahr- gang, I. Heft, Oktober 191 5. Verlag der Gesellschaft lür christliche Kunst, GmbH, München, Karlstr. 6. Der vollständige Jahrgang M ?. (portofrei M 3.60).

Aus dem Inhalt des i. Heftes: Die Himmelfahrt Ma- rieiis von Tizian in Venedig. Aus der Werkstätte des Goldschmieds. Edelsteine. Mitteilungen und Anre- gungen. — 8 Abbildungen.

Druckfehler. In der letzten Nummer, S. 32, rechte Spalte lies in Zeile 19: Lauretanische (statt: Lau- rentanische), ferner in Zeile 36: Gehalt (statt: Gestalt).

BEILAGE

BERLINER SECESSION HERBST 191 5

BERLINER SECESSION HERBST 191 5

Von Dr. Hans Schmidkunz (BerlinHalensee)

V/tan wird allmählich älter und behäbiger, kauft sich ein Häuschen und sieht gern Gäste aber beileibe keine ungeberdigen bei sich. So hat sich jetzt die alte, die Slamm-Secession nahe ihrem früheren Heim den Gartentrakt eines Berliner Mietshauses gebaut, mit einem für Plastikzicr geeigneten Gärtchen, alles klein, aber mit der Absicht mehrerer Ausstellungen im Jahr und auch einer sonstigen Hergabe der Räume für künst- lerisches Leben mehrfacher Art.

Die erste eigene, in der Gesamtzählung 27. Ausstellung fand hier vom Oktober bis Dezember 191 5 statt. Retro- spektiv war sie in doppeltem Sinn : einerseits wieder durch eine Zusammenstellung alter Meister, andererseits durch das Ueberwiegen eines mit der Zeit von selbst kom- menden konservativen Zuges, sowie durch das Fehlen einer Schicht neuester Opposition, das ja schon durch das Zurücktreten des Auslandes erklärlicher wird. Man hatte das Gefühl, die Ergebnisse der gesamten Secessions- arbeit wie ein abgesclilossenes Kapitel der Kunstgeschichte überblicken zu können.

Die eigentlich retrospektive Abteilung brachte vor allem neben Bildnissen von W. Leibl eine Ergänzung seines »Kreises« durch Franz Schider: dessen »Dame mit Kind« ist alte Kunst im guten Sinne des Wortes; wenn aber dessen »Weihnachten bei Leibl« als eine Parodie oder Karikatur oder wenigstens Entwurfsskizze vorgeführt wäre, so würde man es wohl gerne so hin- nehmen. Die mehreren Bilder von Ad. Menzel sind bei dem hier mit ihm getriebenen Kult keine Ausgrabung, erfreuen jedoch immer wieder durch scharfen Situations- ausdruck, beispielsweise in der Darstellung von Mini- stranten, die sich an einem Altare zu schaffen machen, oder in der des Arztes mit seiner ängstlichen Patientin. Aus H. V. Maries spricht weniger als aus A. Feuer- bachs »Mädchen mit totem Vogel« und seiner »Grab- legung Alarichs I.«, die der Künstler wohl nur als Skizze betrachtet hat, während sie von einem Heutigen voraus- sichtlich als fertiges Reduktionswerk ausgegeben werden würde.

Auch in der Gegenwarts-Abteilung muten einige wie retrospektiv und hiemit als historisch gesichert an. Was aber A. A. Oberländer dem bäuerlichen Leben abgewinnt, mutet zugleich als frischeste Jugend an- Neben einem echten rechten Sommergemälde H. Thomas stehen zwei Bilder von C. Strathmann, die diesen vordem vielleicht verblüffendsten Secessionisten als einen Meister lieblicher und subtiler Durcharbeitung der Pflanzennatur zeigen: sein »Frühling« von 191 5 und seine »Vase mit Feldblumen« könnenden radikalsten wie den traditionell- sten Geschmack befriedigen. Und wenn man L. Ury bereits für ein Inventarstück aus den Anfängen der Moderne halten konnte, so mag man es vielleicht vor dem verschwimmenden Gelb und Grün seiner Gemälde »Holländische Mühlen« und »Bei Rotterdam« bestätigt finden; allein seine »Sintflut« (von 1906) dringt darüber zu einer neuen Monumentalkraft vor.

In der Bildnismalerei hebt sich neben der Benützung des Porträts für Formeneigensinn eine Kunst sowohl der sorgfältigeren Durcharbeitung wie auch der seelischen Vertiefung heraus. In ersterer Hinsicht fällt H. Reiffer- scheids Bildnis einer an einem Spiegeltisch sitzenden Dame auf man möchte meinen, ein neues Verfaliren farbiger Graphik vor sich zu haben. In letzteier Hinsicht ragen L. v. Königs Bildnisse mit ihrer fahlen (besonders für das »einer gelähmten Dame« passenden) Farbe hervor; und das frischflotte »Herrenporträt« J. Oppenheimers wird durch ein ähnhch anmutendes Stilleben desselben, »Feuerlihen«, ergänzt.

Vielleicht darf man als das Hauptergebnis der ganzen

Sezessionsgeschichte eine Kunst der markant charakteri- stischen Vereinfachung bezeichnen. Nicht nur das Ganze wird auf wenige Formelemente zurückgeführt, wie z. B. in W. Röhrichts »Damenporträt« ; auch reichliche Einzelheiten werden auf Einfachstes und auf so Gleich- artiges reduziert, daß dann die Gesamtwirkung, wie wenig reizvoll sie auch sonst sein mag, doch gut »zu- sammengeht«. Dies gilt besonders von F. Heckendorfs »Berliner Vorortlandschaft« und noch mehr von seinem vielleicht berühmt werdenden Kriegsbild »Notbrücke. Uebergang über die Angerapp«. Auch auf die über B. Beckers »Günzburg« liegende einheitliche Blässe darf hingewiesen werden.

Das Markante wird hier allerdings manchmal bis zur Unerquicklichkeit derb naturalistisch. Nicht immer ver- söhnt damit eine Kraft der Charakterisierung, am ehesten noch in den Gemälden des jetzigen Vorsitzenden L. Corinth. Neben Stilleben, für die jedoch seine Kunst wahrlich nicht still genug ist, bringt er ein gut sprechendes Doppelporträt zweier Sezessionisten und als ein Haupt- stück der Ausstellung sein »Weib Potiphars«. Auch hier würde man wohl noch befriedigter sein, wenn man diese Gegenüberstellung des üppigen Frauenaktes und des mönchsartigen Joseph eher als eine burleske Kapuzinade betrachten dürfte. Verwunderlicher aber ist, daß Frau Corinth (C. Berend) ihrem weniger kraftmeinernden Geschmack doch einen solchen gräßlichen »Menschen- salat« abgewinnen konnte, wie es ihre »Steinigung« ist. Wieder erträglicher wirkt die Schärfe einer markanten Naturalistik in H. Krayns »Großstadt« ; käme noch mehr Innigkeit dazu, so könnte man beinahe an den Belgier E. Laermans denken.

An ruhigerer, leiserer, anmutigerer, intimerer Kunst fehlt es nun auch nicht. Selbst T. T. Heine »Eine Brücke bei München« wird zart und fein. Dem stillen Leid des »Polnischen Flüchtlings« von H. Struck ist im Grunde verwandt die anspruchslose Freude, die M. A. Stremel mit seiner »Walfischgasse in Ulm im Siegesschmuck« (mitten rückwärts der Münsterturm) kündet. Auch Landschaften erfreuen in ähnlicher Weise; so die Frühhngs- und Sommerlyriken von P. Franck; so E. Bischolf-Culms »Abend am Kurischen Haff« (eine rechte Freiluft). Und der frühverstorbene Kölner E. Altmann prägte in seinem »Spaziergang« eindrucks- voll die Einfügung eines Wanderers in eine Wind- und Wetter-Landschaft aus.

Spezifische Darstellungstechniken stehen reichlich zur Auswahl da. Mit Flecken wird nach wie vor gespielt in V. Friedemanns »Felsiger Insel« oder in einem Offiziersporträt E. Spiros; E. Kuithan aber kann doch Wertvolleres leisten als seine »Sonne«. Anderswo wer- den die Flecken wieder mal zu Nudeln in H. Gersons »Flucht« und »Der Morgen« (Arbeitergang zur Fabrik); dann steigert sich der Nudelstil zu einem Holzscheitstil in M. Caspar-Filsers »Vorstadtgärtnerei«. Was in der Ateliersprache »Schmiß« heißt, fehlt am wenig- sten und wird dort am interessantesten, wo es im klei- nen zur Geltung kommt; aus solchen Elementen setzen sich etwa P.Bachs »Großstadt« und O.Erichs »Turm- bau« (in einer Gegend von Laubenkolonien) zusammen, und das einheitliclie Lila des >Ziegen«-Bildes von A. E. Herstein ist das zartere Resultat einer heftigeren Tech- nik. Eine flockigere Flottheit und Zartheit, klar in den Gesichts- und wirrer in anderen Partien, fast eine Ver- bindung von Rokoko und Radikalismus, liegt in R. F. K. Scholtz' »Bildnis einer jungen Dame«. Wer das Inein- anderweben von Lokal- und Reflexfarben studieren will, dem hilft wohl W.Jordans blaugrüne »Rast im Walde«. Und die gelbgrünen Flächen mit weißer Mitte aus M. Melzers früherer Großgraphik finden sich wieder in »Schwere Artillerie in Przemysl«.

Graphik selbst fehlt diesmal um so eher, als ihr bald

VERMISCHTE NACHRICHTEN

Wiener Rat hausturm, sowie überaus zahlreiche Büsten und Grabdenkmäler.

Während seiner Wirksamkeit in Wien erhieh der Künstler auch ehrenvolle, große Aufträge aus Deutsch- land, so wurde ihm die Ausführung der Kolossal- Statue Kaiser Wilhelms I. auf dem Wittekind- berge überiragen. Eine seiner schönsten Büsten ist die des jugendlichen Königs Ludwig II., für den er später noch sechs Marmorstatuetten, die Helden- gestalten der Opern Richard Wagners darstellend, ausgeführt hat, die sich im Schloß Linderhof be- linden. Als weitere hervorragende Schöpfungen des berühmten Meisters gelten noch: die Mariensäule in Paderborn, die Statue des Grafen Rumford in München, das Siegesdenkmal in Augsburg sowie eine ganze Reihe von Statuen und Fi- gurenschmuck für eine große Anzahl katho- lischer Kirchen. Zumbusch erreichte ein Alter von fast 85 Jahren und hinterläßt einen Sohn, den Maler Ludwig von Zumbusch in München, der auch in Wien kein Fremder mehr ist. Richard Riedi

Der „Christliche Kunstverein des Erzbistums Köln" veröffentlicht soeben seinen ständigen Jahres- bericht für 1914 im üblichen anziehenden Gewände. Diese mit Recht anerkannte und beliebte Jahresüber- sicht stellt fest, daß der Ernst der langdauemden Kriegszeit auf manchen Gebieten Rückkehr zum Ein- fachen, Gesunden und Natürlichen anbahnt und das unsere deutsche Eigenart verunstaltende Fremdländische wegfegt. Daran anknüpfend, nimmt sie gegen das neu- zeitliche Bestreben, unser Kunstleben vom heimischen Nährboden loszureißen, Stellung, verurteilt das selbst- zufriedene Beharren beim einmal Erreichten sowie das fieberhafte Voranpeiischen zu ganz neuen Kunstformen und verficht ruhige, besonnene Weiterentwicklung im Anschluß an die echt künstlerisch durchgebildete Kunst- sprache unserer Vorfahren, aber unter verständnisvoller Berücksichtigung der berechtigten Erfordernisse der Gegenwart. Der Bericht bringt zum 1 00 jährigen Ge- burtstage des Mitbegründers des Vereines, Dr. jur. Chri- stian Hermann Vosen (geboren zu Köln 9. Juli 1815), dessen ausführliche Lebensbeschreibung nebst einem sprechenden Bildnis des hochverdienten Mannes. Aus den Neuerwerbungen des mit dem Verein verbun- denen Erzbischöllichen Diözesanmuseums sind erwähnens- wert: die Denkmünze des Marschalls des Konklave für die Papstwahl 1914; ein aus dem Nachlasse des Kar- dinalerzbischofs von Köln Dr. Philippus Krementz her- rührendes Gemälde altdeutscher Schule von ca. 1500: die heiligen Fabian und Sebastian ; eine Bingener Gold- münze des Mainzer Erzbischofs Johannes II. (1397 1419). Aus dem Schatze der mittelalterlichen Holzgebilde des Diözesanmuseums wird eine aus dem 14. Jahrhundert stammende Sitzfigur des heiligen Nikolaus, bemerkens- wert durch die Miniaturmalereien des Sockels, in Wort und Bild vorgeführt, desgleichen ein Schmerzensmann aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Den Entwurf einer Kriegergedenkkapelle für die Gemeinde Niederzier von Diözesanbaumeister Heinrich Renard vergegenwärtigt eine gute Wiedergabe. Die ständige Ausstellung neuer Kunstwerke im Kölner Diözesanmuseum bestand das ganze Kriegsjahr fort, von 2? Künstlern beschickt und in der Tagespresse regelmäßig anerkennend ge- würdigt. Der Verein zählt jetzt 1 179 Mitglieder gegen 1174 im Vorjahre und besitzt außer dem Museums- gebäude und den Sammlungen ein \'ermügen von 15115 Mark. 11.

In unserem Bericht über die Ausstellung der Ber- liner Akademie der Künste, Frühjahr 1915 (XI 10), war eine „Madonna" von W. HA\'ERK.\.\IP er-

wähnt, mit einer- Andeutung des Bedauerns, daß das Werk nur erst in unedlem .Material und geringer Größe vorlag. Nachträglich wurde uns bekannt, daß es bereits in der neuen katholischen Marienkirclie zu Berlin- Friedenau (Laubacherstraße) einen Platz auf einem Seiten- altar gelunden hat, und zwar in großer polvchromer .Ausführung. Der Gesamteindruck bestätigt und erhöht noch die liebliche Wirkung, welche das Werk in der unfarbigen kleinen Gestalt ausgeübt hat. Die bunte Färbung ist von einer bei Polvchromien so seltenen \'orsicht und Zartheit, wenn auch, etwa auf den Hän- den der Mutter, das dabei wohl Schwierigste, das In- karnat, nicht überall mit so voller Wärme gelungen ist, daß der Eindruck des „Wächsernen" gänzlich über- wunden scheint, ledenfalls empfiehlt sich für jeden Kunstfreund ein Besuch dieser gut stimmungsvollen Liebfrauendarstellung und der sie beherbergenden Kirche, die mit neuromanischen Formen auch archi- tektonisch durch Grundriß und Aufbau Beachtung ver- dient. H. S;hm.

Adolf Oberländer beging am i. Oktober seinen 70. Geburtstag. Der Künstler ist jedermann aus den Fliegenden Blättern vertraut.

Joseph W englein, der ausgezeichnete Münchener Landschaftsmaler, feierte seinen 70. Geburtstag am 5. Oktober.

Fünf Gedenkblätter für Gefallene aus einem Preisausschreiben des Dürerbundes sind im Verlag von Georg D. W. Callwey (München) erschienen. Das Bild von R. Lipus stellt drei Feldgraue beim Abschied vom Grabe eines K.tmeraden in schlichter Weise und wahrer Empfindung dar. Bruno Biele fei dt stellt ein mit dem Holzkreuz geschmücktes Kriegergrab vor eine von den Strahlen der Sonne übergossene Ideallandschaft, die »verklärte« Heimat. Unter dem Titel »Durch Todesnacht bricht ew'ges Morgenrot< zeigt R. Budzinski einen tot hingestreckten Krieger, dessen Kopf ausdrucksvoll durchgezeichnet ist, während vom Körper (bis gegen die Mitte) und der über ihm gesenkten Fahne nur flüch- tige Andeutungen gegeben sind; ein Lichtstrom über- flutet das Antlitz des Entschlafenen. Das primitive Bild von Berta Schmitz »Einer für alle alle für einen« ist symbolisch : über den dunklen Erdboden hin, auf dem sich ein schlichtes Kreuz erhebt, lodert ein Flam- menbündel zum düsteren Himmel empor. Betende Lan- zenträger knien unter dem Sternenhimmel in gebirgiger Gegend auf dem farbigen Steindruck (die andern Blätter sind schwarz- weiß) von Hugo Grimm. Aus dem Gesagten geht hervor, daß die fünf schön ausgeführten Bilder einer allgemein menschlichen Würde und Weihe nicht entbehren. Bei dreien bildet das Kreuz den geistigen Mittelpunkt; die Darstellung von Rudoph Lipus wird der katholischen Einpfindungswcise am besten gerecht.

DER PIONIER

Monatsblätter für christliche Kunst, praktische Kunst- fragen und kirchliches Kunstliandwerk. VIII. Jahr- gang, I. Heft, Oktober 191 5. Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, GmbH, München, Karlstr. 6. Der vollständige Jahrgang M 3.— (portofrei M 3.60).

.•\us dem Inhalt des l. Heftes: Die Himmelfahrt Ma- riens von Tizian in Venedig. Aus der Werkstätte des Goldschmieds. Edelsteine. Mitteilungen und Anre- gungen. — 8 Abbildungen.

Druckfehler. In der letzten Nummer, S. 32, rechte Spalte lies in Zeile 19: Lauretanische (statt: Lau- rentanische), ferner in Zeile 36: Gehalt (statt: Gestalt).

Für die Redaktion vtrintwonlich : S. Slaudhimer (Promcniidcpbti 3); Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, G. Dmclc von F. Brtickmann A.G. Sümtliche in München.

BEILAGE

BERLINER SECESSION HERBST 191 5

BERLINER SECESSION HERBST 191 5

Von Dr. Hans Schmidkiinz (Berlin-Halensee)

Man wird allmählich älter und behäbiger, kauft sich ein Häuschen und sieht gern Gäste aber beileibe keine ungeberdigen bei sich. So hat sich jetzt die alte, die Stamm-Secession nahe ihrem früheren Heim den Gartentrakt eines Berliner Mietshauses gebaut, mit einem für Plastikzier geeigneten Gärtchen, alles klein, aber mit der Absicht mehrerer Ausstellungen im Jahr und auch einer sonstigen Hergabe der Räume für künst- lerisches Leben mehrfacher Art.

Die erste eigene, in der Gesamtzählung 27. Ausstellung fand hier vom Oktober bis Dezember 191 5 statt. Retro- spektiv war sie in doppeltem Sinn ; einerseits wieder durch eine Zusammenstellung alter Meister, andererseits durch das Ueberwiegen eines mit der Zeit von selbst kom- menden konservativen Zuges, sowie durcli das Fehlen einer Schicht neuester Opposition, das ja schon durch das Zurücktreten des Auslandes erklärlicher wird. Man hatte das Gefühl, die Ergebnisse der gesamten Secessions- arbeit wie ein abgeschlossenes Kapitel der Kunstgeschichte überblicken zu können.

Die eigentlich retrospektive Abteilung brachte vor allem neben Bildnissen von W. Leibl eine Ergänzung seines »Kreises« durch Franz Schi d er : dessen >Dame mit Kind« ist alte Kunst im guten Sinne des Wortes; wenn aber dessen »Weihnachten bei Leibl« als eine Parodie oder Karikatur oder wenigstens Entwurfsskizze vorgeführt wäre, so würde man es wohl gerne so hin- nehmen. Die mehreren Bilder von Ad. Menzel sind bei dem hier mit ihm getriebenen Kult keine Ausgrabung, erfreuen jedoch immer wieder durch scharfen Situations- ausdruck, beispielsweise in der Darstellung von Mini- stranten, die sich an einem Altare zu schaffen machen, oder in der des Arztes mit seiner ängstliclien Patientin. Aus H. V. Maries spricht weniger als aus A. Feuer- bachs >Mädchen mit totem Vogel« und seiner »Grab- legung Alarichs I.«, die der Künstler wohl nur als Skizze betrachtet hat, während sie von einem Heutigen voraus- sichtlich als fertiges Reduktionswerk ausgegeben werden würde.

Auch in der Gegenwarts-Abteilung muten einige wie retrospektiv und hiemit als historisch gesichert an. Was aber A. A. Oberländer dem bäuerlichen Leben abgewinnt, mutet zugleich als frischeste Jugend an. Neben einem echten rechten Sommergemälde H. Thomas stehen zwei Bilder von C. Strathmann, die diesen vordem vielleicht verblüffendsten Secessionisten als einen Meister lieblicher und subtiler Durcharbeitung der Pflanzennatur zeigen: sein »Frühling« von 191; und seine »Vase mit Feldblumen« können den radikalsten wie den traditionell- sten Geschmack befriedigen. Und wenn man L. Ury bereits für ein Inventarstück aus den Anfängen der Moderne halten konnte, so mag man es vielleicht vor dem verschwimmenden Gelb und Grün seiner Gemälde »Holländische Mühlen« und »Bei Rotterdam« bestätigt finden; allein seine »Sintflut« (von 1906) dringt darüber zu einer neuen Monumentalkraft vor.

In der Bildnismalerei hebt sich neben der Benützung des Porträts für Formeneigensinn eine Kunst sowohl der sorgfältigeren Durcharbeitung wie auch der seelischen Vertiefung heraus. In ersterer Hinsicht föllt H. Reiffer- scheid s Bildnis einer an einem Spiegeltisch sitzenden Dame auf man möchte meinen, ein neues Verfahren farbiger Graphik vor sich zu haben. In letzteier Hinsicht ragen L. v. Königs Bildnisse mit ihrer fahlen (besonders für das »einer gelähmten Dame« passenden) Farbe hervor; und das frischflotte »Herrenporträt« J. Oppenheimers wird durch ein ähnlich anmutendes Stilleben desselben, »Feuerlilien«, ergänzt.

Vielleicht darf man als das Hauptergebnis der ganzen

Sezessionsgeschichte eine Kunst der markant charakteri- stischen Vereinfachung bezeichnen. Nicht nur das Ganze wird auf v/enige Formelemente zurückgeführt, wie z. B. in W.Röhrichts »Damenporträt«: auch reichliche Einzelheiten werden auf Einfachstes und auf so Gleich- artiges reduziert, daß dann die Gesamtwirkung, wie wenig reizvoll sie auch sonst sein mag, doch gut »zu- sammengeht«. Dies gilt besonders von F. Heckendorfs »Berliner Vorortlandschaft« und noch mehr von seinem vielleicht berühmt werdenden Kriegsbild »Notbrücke. Uebergang über die Angerapp«. Auch auf die über B. Beckers »Günzburg« liegende einheitliche Blässe darf hingewiesen werden.

Das Markante wird hier allerdings manchmal bis zur Unerquicklichkeit derb naturalistisch. Nicht immer ver- söhnt damit eine Kraft der Charakterisierung, am ehesten noch in den Gemälden des jetzigen Vorsitzenden L. Corinth. Neben Stilleben, für die jedoch seine Kunst wahrlich nicht still genug ist, bringt er ein gut sprechendes Doppelporträt zweier Sezessionisten und als ein Haupt- stück der Ausstellung sein »Weib Potiphars«. Auch hier würde man wohl noch befriedigter sein, wenn man diese Gegenüberstellung des üppigen Frauenaktes und des mönchsartigen Joseph eher als eine burleske Kapuzinade betrachten dürfte. Verwunderlicher aber ist, daß Frau Corinth (C. Berend) ihrem weniger kraftmeinernden Geschmack doch einen solchen gräßliclien »Menschen- salat« abgewinnen konnte, wie es ihre »Steinigung« ist. Wieder erträglicher wirkt die Schärfe einer markanten Naturalistik in H. Krayns »Großstadt«; käme noch mehr Innigkeit dazu, so könnte man beinahe an den Belgier E. Laermans denken.

An ruhigerer, leiserer, anmutigerer, intimerer Kunst fehlt es nun auch nicht. Selbst T. T. Heine »Eine Brücke bei München« wird zart und fein. Dem stillen Leid des »Polnischen Flüchtlings« von H. Struck ist im Grunde verwandt die anspruchslose Freude, die M. A. Stremel mit seiner »Walfischgasse in Ulm im Siegesschmuck« (mitten rückwärts der Münsterturm) kündet. Auch Landschaften erfreuen in ähnlicher Weise; so die Frühlings- und Sommerlyriken von P. Franck; so E. Bischof f-Culms »Abend am Kurischen Haff« (eine rechte Freiluft). Und der frühverstorbene Kölner £. Altmann prägte in seinem »Spaziergang« eindrucks- voll die Einfügung eines Wanderers in eine Wind- und Wetter-Landschaft aus.

Spezifische Darstellungstechniken stehen reichlich zur Auswahl da. Mit Flecken wird nach wie vor gespielt in V. Friedemanns »Felsiger Insel« oder in einem Olfiziersporträt E. Spiros; E. Kuithan aber kann doch Wertvolleres leisten als seine »Sonne«. Anderswo wer- den die Flecken wieder mal zu Nudeln in H. Gersons »Flucht« und »Der Morgen« (Arbeitergang zur Fabrik); dann steigert sich der Nudelstil zu einem Holzscheitstil in M. Caspar-Filsers »Vorstadtgärtnerei«. Was in der Ateliersprachc »Schmiß« heißt, fehlt am wenig- sten und wird dort am interessantesten, wo es im klei- nen zur Geltung kommt; aus solchen Elementen setzen sich etwa P.Bachs »Großstadt« und O.Erichs »Turm- bau« (in einer Gegend von Laubenkolonien) zusammen, und das einheitliche Lila des »Ziegen«-Bi!des von A. E. Herstein ist das zartere Resultat einer heftigeren Tech- nik. Eine flockigere Flottheit und Zartheit, klar in den Gesichts- und wirrer in anderen Partien, fast eine Ver- bindung von Rokoko und Radikalismus, liegt in R. F. K. Scholtz' »Bildnis einer jungen Dame«. Wer das Inein- anderweben von Lokal- und Reflexfarben studieren will, dem hilft wohl W.Jordans blaugrüne »Rastim Walde«. Und die gelbgrünen Flächen mit weißer Mitte aus M. Melzers früherer Großgraphik finden sich wieder in »Schwere Artillerie in Przemysl«.

Graphik selbst fehlt diesmal um so eher, als ihr bald

WETTBEWERB FÜR GLASMALEREIEN

wieder eine Sonderausstellung gewidmet werden soll Die Litliographien >Krieg und Kunst« von mehreren der Aus- steller bieten über den Typus sezessionistischer Graphik hinaus nichts wesentlich Neues. Hervorragend: Bischoff Culms zerstörtes Gehöft mit trauernder Frauengestalt; E. Büttners Wagen mit Kriegsfurie stimmt besser als sein »Sputj-Gemälde; E. Opplers gefangene Russen sind ein beredter Ausdruck.

Bei all dem bleibt für eine christliche Kunst in anderem als bloß stofflichem Sinn kaum etwas übrig. Immerhin findet sich etwas wie eine religiöse Innigkeit in zwei Bildern von E, Klossowskv, der bisher am ehesten durch Buchwerke über französische Künstler be- kannt war, und zwar besonders in seinem »St. Hubertus«. Der »St. Georg« mit ebenso unnötig kleinem Format, wie andere Modernitäten eine Kleinigkeit in Überformat bringen leidet auch unter Unklarheit; soweit man durch sie hindurchdringt, kann man an der betenden Frauengestalt im Hintergrund und wenn wir nicht mißverstehen an der den Ritter auf dem Pferde he- gleitenden Madonna Gefallen finden. Die »Prozession in Bagni di Lucca« von B. Becker mag erwähnt, W. Jaeckels »St. Sebastian« trotz eines modischen Rotgelb als Aktbewegungs-Studie hervorgehoben sein. Des nämlichen Künstlers »Sturmangriff« ist wuchtig und läßt die Darstellung glaubhaft .erscheinen; allmäh- lich aber möchte man von so »Transitorischem« doch wieder befreit sein.

In der plastischen Abteilung führt sich ein Neu- ling, F. Huf, recht günstig durch einen Akt »Stehen- des Mädchen« ein (der überhaupt nachlässige Katalog nennt das nämliche Werk als Illustration »Gehende Frau«). Wäre das Werk in dauernderem Material aus- geführt, so würde seine, durch einen Leidenszug im Gesicht noch gesteigerte Bedeutung wohl verstärkt sein. Als eine »Studie in Holz« mag auch der kleine weib- liche Akt von 1. A. Mu r m ann erwähnt werden, K. Geld- machers »Eva«-Statuete aber doch nur als Beispie! für eine Forcierung von Seltsamkeit.

Was sonst in diesen Ausstellungen E. Barlach leistete, leistet diesmal F. Metzner: leidensvolle Frauengestalten in architektonisch vereinfaclicnden Formen und anderes worunter aber die Gartenplastiken doch wenig locken. Monumentaler ist E. Wencks umfangreiches »Modell zum Eugen-Richter-Denkmal in Berlin«, das den Parlamentarier in der Situation eines wuchtigen Auftretens zeigt.

Reich an technischen Verschiedenheiten und zum Teil auch an seelischem Ausdruck waren plastische Bildnisse. Gegenüber dem glatt ausgeglichenen von V. H. Zwinz zeigen die von E. Wenck und besonders von M.Müller eine Fleckentechnik; in einem Frauen- porträt des letzteren tritt sie auf der Mittelpartie des Gesichtes zugunsten einer ruhigeren Ausgeglichenheit zurück. Sodann steht dem scharfmarkigen Bronzebildnis H. Schaefers die gleichsam verschleierte Büste von L. L. Wulf gegenüber. Wer sich in die exotischen Künstlichkeiten modernster Plastik hineingelebt hat, mag an J. Schiffners » Aegyptischem Kopf« und mit mehr Recht an G. Kochs »Masken« Gefallen finden. Daß A. V. Hildebrand mit seiner »Büste Ihrer Kgl. Hoheit der Herzogin Karl Theodor von Bayern« (Bronze) eine Meisterleistung an in doppeltem Sinn adeligem Ausdruck geschaffen hat, ist begreiflich.

Spezialliebhaber konnten an den in älterer Weise kräftig plastischen Plaketten von W. Lohbach und an dem reichlichen farbig glasierten Steinzeug mit Porzellan-Einlagen, allerlei Getier darstellend, von E. Pottner mannigfaches Gefallen finden.

WETTBEWERB FÜR GLASMALEREIEN

Dei dem Wettbewerbe, den heuer die Deutsche Gesell- schaft für christliche Kunst veranstaltete und dessen Ergebnisse im März ausgestellt waren (vgl. Heft 7 dieses Jalirgangs) gab es auch eine Gruppe von Glasmalerei- Entwürfen. Mit Fug waren sie mitberücksichtigt worden, sind doch die Erzeugnisse dieser Kunst vermöge ihrer starken dekorativen Eigenschaften, welche das Auge in Anspruch nehmen und die Aufmerksamkeit auf die in dieser Weise ausgeführten figürlichen Darstellungen, In- schriften usw. lenken, in hervorragendem Maße befähigt, für die Zwecke der Kriegserinneruiigen verwandt zu werden. Aus derselben Erwägung heraus wurde seitens des Verbandes deutscher Glasmalereien heuer ein Wett- bewerb ausgeschrieben. Er sollte ursprünglich schon im Mai zum Austrag gebracht werden, doch verursachten die Ereignisse des Krieges Störung und Verzögerung, Erst jetzt ist man imstande, die eingereichten Entwürfe beim Kunstvereine zu München der Öffentlichkeit zu zeigen.

Wie angedeutet, ist der Zweck des Wettbewerbes der, Entwürfe für Glasmalereien zu erlangen, um dadurch die Erinnerung an die Ruhmes- und Heldentaten unserer Krieger festlialten zu helfen. Die Werke sollen zur Ver- wendung teils in weltlichen, teils in kirchlichen Gebäuden geeignet sein. Als selbstverständliche Bedingung galt, daß die Entwürfe künstlerisch und technisch einwand- frei wären. Zur Beteiligung waren alle Künstler deutscher und österreichisch-ungarischer Staatsangehörigkeit, auch wenn sie in neutralen Staaten leben, eingeladen. Inhaltlich hatten sich die Entwürfe auf den Weltkrieg zu beziehen; sie sollten kriegerische Taten oder denkwürdige Ereig- nisse verherrlichen, durften aber auch dem Andenken einzelner Gefillener gewidmet sein. Zwei Gruppen waren ins Auge gefaßt. Die eine sollte Glasscheiben mit welt- lichen Darstellungen, sogenannte Kabinettscheiben, die andere kirchliche Gemäldefenster umfassen. Das Preis- gericht war zusammengesetzt aus Vertretern des Ver- bandes deutscher Ginsmalerei, Architekten und einzelnen Glasmalern. Preise gab es in Höhe von 500, 300 und 2üO Mark, außerdem standen 100 Mark für Ankäufe zur Verfügung. Die Verteilung der Gesamtsumme ist schließ- lich, wie es öfter geht, auf andere Weise erfolgt. Die erste Gruppe erhielt vier Preise (250, 200 und zweimal 100 Mark), die zweite drei (zu je 150 Mark). Bedenkt man die große Zahl der zur Beteiligung eingeladenen Künstler, so muß die Menge der eingereichten Wettbe- werbentwürfe verhältnismäßig gering erscheinen, beson- ders aber dann, wenn man sich des entsprechenden Verliältnisses bei dem Wettbewerbe der Deutschen Ge- sellschaft erinnert. Was eingereicht wurde, entspricht im allgemeinen den gestellten Bedingungen. Docli fehlt es nicht an Werken, die künstlerisch wie technisch zu Ein- wänden Anlaß geben. Nach der ersteren Richtung un- zulänglich sind mehrere Entwürfe von futuristischer Auf- fassung. Bei einer .'\nzahl vermag die Zeichnung der Figuren nicht zu befriedigen, die nach expressionkstischen Grundsätzen angelegt sind. Im ganzen scheint mir frei- lich, daß bei der von der Glasmalerei erforderten flächigen Behandlung und vorwiegend dekorativen Wirkung der Malerei, bei welchen es auf Modellierung weniger an- kommt als auf starkes Kolorit, jene expressionistische Art nicht unbedingt auszuschließen wäre. Damit soll allerdings nichts zur Entschuldigung der Absichtlichkeit mancher groben Zeichenfehler gesagt sein. Die Technik, soweit sie sich besonders bei den in kleinem Maßstabe gegebenen Entwürfen für die Kirchenfenster beurteilen läßt, entspricht im allgemeinen der bewährten traditio- nellen. Willkürliche, die Farbenzusammenhange un- natürlich durchschneidende kommen wenig vor, eben- so nichtssagend regelmäßige. Was für Gläser verwandt

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werden sollen, ist aus den Entwürfen nur mit Schwie- rigkeit zu erkennen, Joch scheinen auch nach dieser Richtung hin die Grundsatze des gujen Geschmackes zu walten, also wesentlich die edel wirkenden Antik- gläser, nicht aber Üpaleszent-, Kathcdral- und ähnliche nicht empfelilenswerte Gattungen ins Auge gefaßt zu sein. Der Stil der entworfenen Glasmalereien entspriclit mit wenigen Ausnahmen der Tatsaclie, daß das farbige Glasgemälde eine mosaikartige Zusammensetzung ver- schiedenfarbiger Gläser ist und zur Erhaltung seiner Natur auch bleiben muß. Nur gelegentlich kommt ein- mal ein Stück vor, welches nach .\rt der Tafelmalerei mit aufgetragenen Schmelzfarben und daher ohne Ver- wendung der Bleiruten gearbeitet ist. Kann somit das Ergebnis nach der künstlerischen und technischen Seite hin als günstig bezeichnet werden, so ist dies im großen Ganzen auch noch der des geistigen Inhaltes der Fall. Man darf anerkennen, daß die ausgesprochenen Ge- danken, mögen sie auch nicht durchweg sonderlich neu oder tief sein, doch meistens eines schönen Sclivvunges des Vortrages nicht entbehren. Platte illustrative oder geradhin geschmacklose Werke sind nur in sehr ge- ringer Zahl vorhanden.

Wir betrachten die prämiierten Entwürfe. In der Gruppe A (Kabinettscheiben) erhielt den ersten Preis Regierungsbaumeister Dar r- H anno v er (Motto >Tod und Siegt). Die von ihm gezeichnete Scheibe besitzt hochovale Form. Um ein in der Mitte derselben kon- zentrisch angebrachtes Oval sind acht Felder gruppiert. In dem obersten befindet sich wieder eine kreisrunde Fläche. Auf ihr ist die Insclirift zu lesen »Der l'od ist verschlungen in den Sieg 19 14 15«. Da jedes der Felder eine in sich abgeschlossene Darstellung enthält, so ist die Einteilung streng geometrisch ; innerhalb die- ser Bildflächen sind die Gläser mittels schmälerer Blei- ruten zusammengefügt. Die Figuren sind heroisch und allegorisch, woraus der Künstler die Wahl überwiegend nackter Gestalten abgeleitet hat. Das Mitteloval zeigt ihrer zwei, die mit Schwertern in den Händen zum Kampfe gehen. Die Felder ringsum enthalten trauernd Dasitzende in Frontal- und Profilansiclit, unten befindet sich die pietiartige Gruppe eines Toten, der von einer Frau beklagt wird. Die Färbung ist fast durchgängig hell, die Umrisse sind stark gezeichnet, kräftige Farben bieten nur die vereinzelt vorkommenden Gewänder. Die Wirkung der Scheibe ist tief, sowohl nach der künstlerischen wie nach der inhaltlichen Seite hin. Den zweiten Preis erhielt Frau Erna Raabe, geb. Freiin von Holzhausen (Motto »Nach der Schlacht«). Eine einfache, auf sehr wenige Figuren eingeschränkte Darstellung weist einige Gefallene, über ihnen drei sich aufbäumende Rosse. Die Scheibe ist quadratisch. Von Farben sind nur Blau und Braun zur Verwendung ge- langt. DieZeiclmung hat etwas Expressionistisches, ohne auszuarten. Vielmehr übt das Werk mit der Melancholie seines Kolorits und der Strenge seiner Komposition gute Wirkung. Dritter Preisträger ist Wilhelm Wunder- wald-Düsseldorf (Motto »Weltbrand«). Fr bietet eine länglich achteckige Scheibe in einer reinen, nicht wie bei Darr mit einzelnen Farbenflecken durchsetzten Grisaillemalerei. In der Mitte sieht man die Erdkugel. Links von ihr schreitet ein deutscher Soldat an der Seite vines österreichischen zum Sturm, im Vordergrunde unten lauert ein Türke mit Krummsäbel, ein mächtiger Adler breitet seine Schwingen über dieser Gruppe aus. Auf der anderen Seite bemühen sich Vertreter der ver- schiedenen feindlichen Völker, die Erdkugel ins Rollen zu bringen, um ihre Gegner zu erdrücken. Rauch und Flammen umwallen diese Darstellung von allen Seiten. Die Linien der Verbleiung sind frei geführt und .schlie- ßen sich den Umrissen der Figuren im großen Ganzen n. Die mit dem vierten Pi-eise bedachte Scheibe von

Richard M auck- Mün chen (Motto »Landsturm«) ist kreisrund. Sie vertritt jene zuvor gekennzeichnete Art der ohne Verbleiung ausgeführten Schmelzmalerei. Die anmutige Darstellung schildert vor der im Hintergrunde sichtbaren, an den Türmen der Frauenkirche kenntlichen Stadt München den Ausmarsch zweier Landstürmer. Der eine von ihnen nimmt Abschied von seiner Frau und seinem Kinde, die herzugeeilt kommen. Die Far- ben sind mannigfaltig und lebhaft und dürften im Ver- ein mit der sympathischen Szene diesem Entwürfe zahl- reiche Freunde gewinnen. Auch von den nicht mit Auszeichnungen bedachten Entwürfen der Gruppe A möchte ich einige mitervvähnen. Zweimal wiederholt sich das Motto >Heldengrab«. Die betrefl'enden Werke stammen ersichtlich von ganz verschiedenen Künstlern, von denen ein jeder auf seine Art tiefgehende Wir- kungen zu erreichen wußte. Der eine zeichnete ein aus Birkenästen hergerichtetes Kreuz, an welchem ein Kranz hängt. Unten legt ein Adler einen Lorbeerzweig auf den Helm und Mantel des Gefallenen; der mit starker Einfachheit stilisierte landschaftliche Hintergrund ist von unten nach oben aus Dunkelviolett in Gelbgrau abge- tönt. — Der andere viereckige Entwurf zeigt zwischen zwei als Seiteneinrahmung dienenden niedrigen Säulen ein lockiges kleines Mädchen; es steht an einem Grabe, auf diesem ist ein aus Baumästen gebildetes einfaches Kreuz aufgestellt, der Helm des Gefallenen hängt oben darauf. Der Hintergrund ist damaszieit. Über dieser Darstellung sieht man in der Mitte ein Medaillon mn dem Kruzifixus, die Flächen rechts und Hnks davon sind mit modern aufgefaßten Kriegsszenen erfüllt. Am unteren Rande des Bildes liest man auf einer Tafel ein kleines Gebet in Versen. Das Werk gehört für mich zu den sympathischsten der Ausstellung; echt deutsche Poesie in münchenerischer Auffassung lebt darin. Der Entwurf »Heimkehr« zeigt zwei mit Blumen geschmückte Feldgraue vor einem warmtönigen Hintergrunde. Von vier kleinen Einzelblättern, die von einer und derselben Hand gezeichnet sind, erwähne ich den schlichten und eindrucksvollen »Abschied von der Heimat« und das in bedeutender Auffassung entworfene »Kriegsbanner«, welches in den Händen eines nackten Reiters weht. Noch erwähnt sei »Dreieinigkeit«, ein Entwurl mit den Wappen der Zentralmächte und der Türkei; unter ihnen befinden sich drei längliche, auf der Spitze stehende Dreiecke ; in zweien sieht man je ein Schwert, in dem mittleren eine Fackel, alle umwunden mit Lorbeer- zweigen. Den Fonds bilden Querstreifen in den Far- ben Schwarz, Weiß, Rot, Blau und Gelb.

(Schluß folgt)

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Moderne Meister christlicher Kunst. Plastiker, Band I: Georg Busch. Von Dr. Oskar Docring 96S. in groß 8°. Mit 88 Abbildungen im Text und 6 Tafeln. \'erlagsanstalt Glaube und Kunst (Parcus & Co.) Mün- chen 1916. Preis geb. M. 6. .

Die kunstwissenschaftliche Literatur ist reich an M'er- ken über Erscheinungen und Leistungen früherer Zeiten, beschäftigt sich auch in zahlreichen Schriften mit noch lebenden Meistern profaner Kunst, aber leider sehr spär- lich sind bisher die Vertreter der religiösen Malerei und Plastik fortgekommen. Ein Unternehmen, welches -dar- auf ausgeht, die in letzterer Richtung fühlbare Lücke auszufüllen, der ÖfTentlichkeit sine ira et studio zu zei- gen, was wir an unseren großen Meistern neuester christ- licher Kunst haben und von ihnen erwarten dürfen, verdient daher als zeitgemäß begrüßt zu werden. Es ist die Münchener Verlagsanstalt Glaube und Kunst (Parcus & Co.), die den Wagemut besitzt, inmitten der

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Kriegszeit mit der Herausgabe einer Reihe solcher Ein- zelschriften zu beginnen. Eine Doppelreihe ist beabsich- tigt; die eine soll Maler, die andere Plastiker behandeln. Ein erstes Heft sollte das Schaffen Gebhard Fugeis schildern; der Krieg hat den Autor P. Ansgar Pöllmann an der Durchführung seiner Arbeit vorläufig behindert. So wurde denn mit der Plastikergruppe begonnen.

Das erste überhaupt erschienene Heft der neuen Monographien hat und erfüllt die Aufgabe, die Tätig- keit Georg Buschs zu schildern. Dr. Oskar Doering be- gründet seine Darlegungen auf eine kurze Betraclitung über moderne cliristhche Kunst im allgemeinen, erzählt dann von Georg Buschs Jugend, künstlerischer Erziehung und in großen skizzenhaften Zügen von dem späteren Leben des Künstlers, um sich darauf zunächst derjenigen Richtung von Buschs Lebensarbeit zuzuwenden, die für die christliche Kunst, ihre Vertreter und ilire Populari- sierung so wichtig ist der organisatorischen. Man darf hofTen, daß durch die eingeliende Schilderung dieser Dinge, wofür der Verfasser auch eigene Aufzeichnungen Buschs im Wortlaute wiedergibt, die Öffentlichkeit noch mehr denn bisher auf die Bedeutung der durch seine Initiative ins Leben gerufenen Einrichtungen aufmerksam werden, von ihrem Nutzen sich überzeugen und sich bereit finden wird, sich nehmend und gebend daran zu beteiligen. Für die Hebung des Wertzustandes der christ- lichen Kunst, für die Besserung der wirtschaftlichen und damit auch der sozialen Lage der christlichen Künstler sind Buschs Gründungen; der Albrecht Dürer- Verein, die »Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst«, die »Gesellschaft für christliche Kunst, GmbH, und die künstlerisch wertvolle, dabei volksiüniliche und billige Monographienreihe: »Die Kunst dem Vo!ke< (herausge- geben von der »Allgemeinen Vereinigung für christ- liche Kunst«) von einer Bedeutung, deren Tragweite sich vorläufig nur ahnen läßt.

Hätte Georg Busch nichts anderes geleistet, als alle diese Dinge ins Leben zu rufen, so verdiente er schon als eine der auf dem Gebiete der Kunst und Kunstfür- sorge erhebliclisten Personen anerkannt zu werden. Nun ist er doch aber vor allem selbst schaffender Künstler, und zwar der I5esten einer. Ihn als solchen zu wür- digen, seine Werke zu prüfen, zu ordnen, zu schildern, ist der Zweck, welchen das Doeringsche Buch in erster Linie zu verfolgen unternimmt. Dem Verfasser kam es darauf an, die in Buschs künstlerischer Wirksamkeit ent- haltenen und ausgedrückten Gedanken klar zu legen und zu erweisen, in welcher Art und nacli welchen Rich- tungen diese Gedanken wirksam und fruchtbar geworden sind. Doering sieht also von chronologischer Erzählung ab und ordnet Buschs Werke nach inhaltliclien Gruppen. Um aber dennoch die zeitliche Reihenfolge niclit aus den Augen zu verlieren und auch dem nacliprüfenden Blicke die im Laufe der Zeit sicli äußernden Stilver- schieJenheiten und Entwicklungsphasen zugängliclier zu machen, ist nicht allein jeder Abbildung eines Kunst Werkes die Jahreszalil seiner Entstehung hinzugefügt, sondern anhangsweise dem Buche auch noch ein nach der zeitlichen Reihenfolge geordnetes Verzeiclinis der abgebildeten Werke beigegeben worden. So erfüllt der Text alle äußeren und inneren Anforderungen.

Die Reihe der von Busch gestalteten Gedanken und Motive wird, wie es bei einem Künstler der christlichen Richtung sinngemäß ist, durch die Betrachtung seiner religiösen Werke eröffnet. Man sieht die von ihm ge-

schafTenen Altäre, so den in romanischem Stil gehaltenen Hroznata-AItar zu Tepl, den Altar zu Homburg, man bewundert den in ausführlichen Darlegungen geschil- derten herrlichen" Kreuzweg der Münchener St. Pauls- kirche, dem sich jener der Ludwigshafener Dreifaltigkeits- kirche als schlichteres, aber an künstlerischen Quali- täten nicht geringeres Seitenstück anschließt. Gleich danach folgt ein wichtigstes Stück der Kunst Georg Buschs, das 1912 entstandene Begräbnis Christi, jenes Gruppenwerk, welches die Vorzüge der Freiplastik mit denen des Reliefs vereinigt, den geschilderten Vorgang mi: außerordentlicher Tiefe der Charakterisierung und Empfindung erfaßt und zugleich ein Meisterwerk der Bronzetechnik ist. Von hier ergibt sich von selbst der Übergang zu den Grabmälern. Ausgezeichnete sind darunter, wie das Matthäus MüUersche in Eltville, das Frhr. von Hertlingsche in München, das Abelsche in Dießen. Reich an Schönheit und erfüllt von majestä- tischer Hoheit sind besonders die auf diesen Grabmälern erscheinenden Heilandsgestalien. Mit ihnen wetteifern, ergreifend durch Innigkeit und himmlische Erhabenheit Buschs Madonnen. Zu den schönsten gehört die in ihrer Form gotisch anmutende aus DeutschKrawarn, ferner eine aus dem Besitze des Prinzen Johann Georg von Sachsen ; zart und hold ist die jugendliche Mater amabilis. An die Verkörperungen Christi und Maria schließen sich diejenigen zahlreicher Heiligen. Hier begrüßen wir außer manchem schon Bekannten (z. B. Antonius, Hubertus, Augustin mit seiner Mutter Monika, Paulus und andere mehr) auch verschiedene neuere. Erst 1914 entstanden ist eine für Bamberg bestimmte Gruppe des Kaisers Heinrich II. mit seiner Gemahlin Kunigunde, ein Werk voll prächtiger Personenschilderung und starker, edler Wirkung der Formen.

Mit entsprechendem Übergänge kommt das Buch all- mählich auf die Darstellungen von Personen neuer Zeit. Hierbei bleibt es mit der Schilderung der großen, von Buscli geschafi'enen Bischofsgrabmäler noch auf jenem Grenzbezirke religiöser Kunst, wo diese sich mit der des Profanbildnisses berührt, um dann ganz auf dieses Gebiet überzulenken. Niemand wird ohne Bewunderung sehen, welcher ausgezeichnet naturwahren Charakter- schilderung dieser Künster fähig ist. Bildnisse wie die der Bischöfe Haffner, Leonrod, Riedel, Stein usw., der Emilie von Ringseis, Martin Greifs, des Grafen Preysing stellen ihren Anfertiger mit in die erste Reihe der Porträtbildliauer. Als feinen Beobachter des Lebens hat er sich von Anfang lier bewiesen z. B. mit dem »Verlorenen Sohn«,, ganz besonders auch mit seinen Kinderstudien: dem »Betenden Mädchen«, dem »Vater- unser«, dem etwas realistischen »Schreihals« usw. Aus diesem Reiche der Wirklichkeit führt Doerings Mono- graphie d.mn wieder hinaus in das der profanen Alle- gorie. Hierher gehört der Augsburger Herkulesbrunnen, vor allem aber das ausgezeichnete Fricdensdenkmal, wel- ches Busch 1911 in Gioß-Steinheim aulstellen durfte, der Stadt, wo er seine Jugend verlebt liat. Die Illu- strationen genügen durch ihre beträchtliche Zahl auch weitgellenden Ansprüchen, interessieren durch viele bis- her nicht veröfl^entlichte Stücke, erfreuen durch aus- nahmslos vorzügliclie technische Ausiührung. Die Ver- lagsanstalt hat das Buch vornehm ausgestattet. Man darf nach dieser ersten Probe auf die folgenden Bände gespannt sein.

Dr. Martin Hilgenroth

Für die Redaktion

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BEILAGE

NEUE GLASGEMÄLDE. WETTBEWERB

GLASGEMÄLDE IN DER ST. MAXI- MILIANSKIRCHE ZU MÜNCHEN

r^ie künstlerische Verglasung der dreizehn Fenster in den beiden Seitenschiffen des Langhauses der Mün- chener St. Maximilianskirche ist nun vollendet. Entworfen und auch ausgeführt sind diese Werke von Franz Hof- stötter. Die schmale, holie Form der Fenster mit dem rundbogigen Schluß eröfi'nete für die Wahl figürlicher Darstellungen nur die Möglichkeit, in jedem der Fen- ster je eine aufrechtstehende Gestalt unterzubringen. Also jenen Gedanken aufzunehmen, dessen Ausfülirung sich in den ältesten erhaltenen figürlichen Glasmalereien Deutschlands (im .'Vugsburger Dome) findet. Gleich- zeitig mußte darauf Bedacht genommen werden, die Belichtung der Kirche, die später durch die beabsich- tigte Mosaizierung noch an Helligkeit einbüßen dürfte, so wenig als möglich durch die farbigen Malereien zu beeinträchtigen. Jede Darstellung ist also von einem hellen Rande umgeben, eine Anordnung, die jenem Zwecke genügt, überdies dazu dient, die Bilder kraftvoll hervortreten zu lassen. Man sieht die Reihe der hei- ligen Apostel. Von ihnen befinden sich in den sechs Fenstern der westlichen Längswand (vom Hauptein- gange aus gezählt) Matthias, ludas Taddäus, Simon, Matthäus, Bartholomäus und Philippus. In den sieben Fenstern der östlichen Wand sieht man die hll. Petrus, Paulus, Andreas, Jakobus major, Johannes, Thomas und Jakobus minor. Aufgefaßt sind sie als Fürsten des Geistes und Glaubens, und demgemäß ist ihre Haltung und Gebärde, sowie ihre Gewandung charakterisiert worden. Jeder steht vor einer rechteckigen, durch schmale, gemalte Architektur eingefaßten ÖfTnung, durch welche man die als Hintergrund dienende Landschaft erbhckt. Diese ist keineswegs naturalistisch, sondern in größtem Zuge stilisiert. Über Andeutungen von Ge- lände und Pflanzenwuchs, mit starker Bevorzugung leb- haft grüner Töne, erhebt sich klarer Himmel; er ist zart gefärbt, gelegentlich durch wenige Wolken oder durch die grünen Zweige eines stilisierten Baumes unter- brochen. Dieses Rechteck ist dann von dem zuvor erwähnten Rande eingefaßt. Er besteht aus ungleich großen, viereckigen, undurchsichtigen Scheiben; sie haben weißliche, hellgraue, grünliche oder bläuliche Färbung. Alle diese schwachen oder neutralen Töne dienen dazu, die gewaltigen Farbenakkorde der Figuren erst recht zur Geltung zu bringen. Der Entwurf der Gewänder nähert sich vereinzelt, z. B. bei Matthäus, den Formen des 13. Jahrhunderts, paßt sich also in solchem Falle dem Zeitcharakter der Kirchenarchitektur an. Doch ist trotzdem von irgendwelchen Einschränkungen histo- rischer Art nicht im mindesten die Rede. Die Durch- führung der Fenster wahrt sich vielmehr die gleiche völlige Selbständigkeit, welche zu den wesentlichsten Vorzügen der sämtHchen Hofstötterschen Werke inner- halb dieser Kirche gehört. Die Untergewänder, Gürtel, Mäntel usw. prangen in den reichsten und vielfältigsten Farben, Rot in mannigfachsten Abstufungen herrscht vor, und die weißen, blauen und sonstigen kalten Töne werden von den warmen mit solcher Energie um- schlossen, daß alles sich zu starken Harmonien ver- einigt. Ebenso zwingt die Größe der Hauptlinien die Masse der bewegten kleineren zur Ruhe. Erheblich trägt hierzu die Art der Verbleiung bei. Breite und energische Bleiruten führen die Herrschaft, Linien von untergeordneter Bedeutung sind durch schmale Bleiruten gebildet. Sehr reichhche Verwendung fanden Über- fanggläser, und zwar vielfach solche, die mehr als eine Farbe aufweisen. Sie ermöghchten die Verwendung größerer, zusammenhängender Glasflächen, was der ruhigen Wirkung der Bilder zu statten kommt. Mag

Die christliche Kunst. XII. 6. i. März 1916

diese Technik auch nicht inehr der ursprünglichen Na- tur der reinen mosaikartigen Zusatnmenfügung der Lokalfarben entsprechen, wie dies bei den alten Vor- bildern der Fall ist, so ist zu bedenken, daß hier eben neuartige Probleme gelöst werden; die modernste Tech- nik will und darf zeigen, daß auch sie das Recht der Existenz und der Entfaltung ihrer Kräfte besitzt. Ihre imposante Wirkung verdanken die dreizehn Ge- stalten aber nicht nur dem Feuer ihres Kolorits und der Größe ihrer Zeichnung. Sic wird verinnerlicht durch die Erhabenheit der Haltung, durch die könig- liche Ruhe, mit welcher die Apostel zu dem Beschauer hernieder-, vor sich hin- oder aufwäitsblicken. Mit wenigen Ausnahmen (Simon, Taddäus, Petrus, Johannes) rein frontal aufgestellt, sind sie Verkörperungen jener unendlichen geistigen Überlegenheit, welche ihnen auf Erden durch den Auftrag Christi und durch den Empfang des Heiligen Geistes zuteil geworden ist. Die Köpfe sind durchweg stark und schlicht modelliert und im höchsten Grade ausdrucksvoll. In der Weise, wie der Künstler die Apostel aufgefaßt hat, gehören sie aber nicht mehr dieser Welt an, sondern der himmlischen, in welcher sie zur Seite des Heilandes über die Kirche und den Glauben ihre herrschende und schützende Macht ausüben. Dieser überirdische Charakter spricht sich auch in dem fast gänzlichen Mangel an äußerer Handlung und Bewegung aus. Dennoch ist ein jeder (außer durch die Äußerlichkeit seines Attributes) inner- lich und kraftvoll charakterisiert. Zu den schönsten Gestahen in dieser Beziehung gehören Matthäus, Pe- trus, der herrliche ältere Jakobus, der jugendliche Jo- hannes, der in Begeisterung den Kelch emporhebt. Stärkere- Gemütsäußerungen zeigen sich selten, so bei dem lebhaften Matthias und bei Thomas; bei letzterem hat das Nachsinnen und das halb zweifelnde Suchen bewunderungswürdigen Ausdruck gefunden. Auch diese dreizehn neuen Fenster tragen dazu bei, die Mün- chener Maximilianskirche als eine der merkwürdigsten modernen Erscheinungen zu kennzeichnen.

Dr. O. Doering

WETTBEWERB FÜR GLASMALEREI

(Schluß)

In der Gruppe B (Geraäldefenster für Kirchen usw.) erhielt einen Preis der Entwurf von Hildegard Dockal- Walniceck-München, zwei Preise erlangte der Mün- chener Albert FigeL Das Figelsche Projekt mit dem Motto >Flammenzeichen< besitzt kreisrunde Form. Auf einem Schlachtfelde steht der Tod als Ritter; er trägt eine goldene Rüstung und einen flatternden dunkel- blauen Mantel, mit einem blutigroten Schwerte holt er zum Schlage aus; im Hintergrunde erkennt man eine brennende Stadt. Das Kolorit bewegt sich in vollen roten, gelben, blauen und helleren grünen Tönen. Für ein hohes schmales Kirchenfenster gedacht ist Figels zweiter Entwurf (Motto >Heldenmut«). Die Bildfläche ist in eine breitere mittlere und zwei schmälere seit- liche Bahnen geteilt. Die Mitte der Komposition nimmt die Figur des auf dem rotbraunen Drachen stehenden hl. Georg ein. Auch er erglänzt in goldenem Harnisch, um den ein grüner Mantel flattert, seine Hand hält ein stählernes Schwert mit blutiger Spitze, die Linke den braunen Schild. Ein wenig unterhalb, zu den Seiten des HeiHgen stehen zwei kleine Engel in blauen Ge- wändern, einer hat das Eiserne Kreuz, der andere einen goldenen Kranz in seinen Händen. Unten sieht man einen sitzenden, von einem Spruchband umgebenen gelben Löwen, über dem Heiligen einen Adler in einem goldenen Kranze. Der ganze obere Teil des Fensters ist eingefaßt von einer grünen Girlande, an der kleine

DIE BERLINER AaUARELLAUSSTELLUNG

Wappen angebracht sind. Alle diese farbigen Bestand- teile heben sich mit energischer Wirksamkeit von einem damaszierten Grisaillefonds ab. Der Dockalsche Ent- wurf (Motto >Die Schutzpatrone«) zeichnet sich durch lebhafte Farbenwirkung aus. Sie wird hauptsächlich durch das Rot fortlaufender Rosengirlanden herbeige- führt, welche sämtliche Bilderflächen einrahmen. Von letzterem ist die mittlere, die das Ganze beherrscht, mit der Darstellung des über den gefesselten nackten Teufel siegreich sich erhebenden Kruzifixus geschmückt. Rechts und links von ihm befinden sich je drei viereckige Dar- stellungen. Sie zeigen je einen Krieger der Land- und Seemacht, der bei seinem Kampfe, Marsche oder Ge- bete den Beistand eines Heiligen genießt, nämlich S- Michaels, Georgs, Josephs, Petrus', Mauritius', sowie der hl. Barl^ara. Die Landschaften sind nur angedeutet, der Hintergrund ist ein etwas weichliches Blau. Ebenso der für den oben zwischen Sonne und Mond auf dem Regenbogen segnend sitzenden Gottvater. Ganz unten sieht man eine Berglandschaft mit einem Dorfe, im ■Vordergründe betend kniende männliche und weibliche Personen, unter letzteren eine Braut. Auch diesem Ent- würfe, der sich wegen seiner stark individuellen Art am besten für einen Chorabschluß eignen würde, dürfte es wegen seiner poetischen Auffassung und seiner schö- nen Lichtwirkung an Beifall nicht fehlen. Von be- deutenderen nichtprämiierten Leistungen der Gruppe B erwähne ich noch das Projekt »Ehrung« wegen der vornehmen Durchführung des blauen ornamentierten Fonds seiner Bildfiäche (S. Georg). Sie ist ganz nach unten gerückt, wie man es ähnlich auch z. B. bei den alten Fenstern der Münchener Frauenkirche beobachten kann, während die obere Hälfte lediglich Grisaillever- glasung besitzt eine Anordnung, die darum praktisch ist, weil dadurch die Bildmalerei besser im Sehbereiche des Beschauers bleibt. Docring

DIE BERLINER AQUARELL- AUSSTELLUNG

Von Dr. Hans Schmidkunz (Berlin-Halensee)

r)em Zentralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz überließ der Kaiser eine Auswahl (zirka 700: 3600) aus seiner Aquarell-Sammlung für eine, durcli andere solche Schätze ergänzte, Ausstellung im Berliner Kunstgewerbemuseum. Die Sammlung stammt haupt- sächlich von Friedrich-Wilhelm IV., der sich durch sie, neben der Förderung sehr verschiedenartiger Künstler, die Erinnerung an Liebhngsgegenden, an eigene Bauten usw. sichern wollte. Damit stehen wir bereits in einem Stück vom Wesen des Aquarells, und die vorliegende Ausstellung fördert dessen Verständnis weiter.

Die Wasserfarbenmalerei bietet durch ihre Bequem- lichkeit eine Unabhängigkeit vom Atelier, durch ihre Einfichheit eine ebensolche von Traditionen der »Gale- rie« : an die Stelle von überlieferten Farbentönen, von Sondermethoden, von Verführungen zum Großtun treten Helligkeit und Luftigkeit, Beweglichkeit und Frische, ümstandslosigkeit, Unmittelbarkeit und Natür- lichkeit. Das macht das Aquarell zur Reisemalerei, aber auch zur Inhalts- und Reproduktionskunst, sowie zur Technik für Amateure und zum Teil von ihnen. So recht etwas für reisende Engländer! Ob wirklich deren Interessen den Ausgang der Aquarellmalerei Ende des 18. Jahrhunderts bildeten, bedarf noch einer Ueberprüfung; eine nachforschende und vergleichende Ausstellung würde sich um so mehr lohnen, als die jetzige und sonstige bisherige Aquarell-Zusammen- stellungen sicli örtlich oder zeitlich bescliränken.

Die Regierungszeit jenes »Romantikers« (1840— 1861)

führt uns in die dem Empire folgenden Richtungen des Biedermeiers und einer Romantik, die freilich nur teilweis echt war. Schinkel starb zu Beginn jener Zeit (1841); seine Schüler, zumal Persius und Stüler, setzten seine Berliner und Potsdamer Bautätigkeit fort; der gotisch erneuerte Rhein und die beständigeren Überlieferungen der süddeutschen Länder interessierten in weiteren Kreisen. So bot sich dem schon von vornherein geringeren Wert des WasserfarbenbilJes für eine künstlerisch individuelle Formensprache wenig Gelegenheit zur Steigerung; die getreulich abpinselnden Zeichnungskünstler standen im Vordergrund. Um so mehr interessiert das, was neben ihnen doch noch an Eigensprache auftritt. Auch die Farbenmöglichkeiten des Aquarells helfen dazu. Für eine Zeit, die noch an Farbenscheu und an Brüchen der malerischen Tradition litt, war es von Vorteil, daß jener König den jungen E. Hildebrandt (1818 1868") in ferne Gegenden ent- sendete ; nun sehen wir wieder die koloristischen Er- gebnisse dieser Reisen vor uns, einschließlich besonders hübscher Bilder aus dem Harz.

Doch auch die eigenartigeren Aquarellisten scheiden sich : die einen erliegen den Gefahren der Weichlich- keit und Süßlichkeit, die anderen wagen Kräftigeres, Herberes. Zu den ersteren gehört Frdr. Eibner (1826 bis 1877), zu den letzteren Stan. Grafv. Kalckreuth (1821 1894). Wirkliche Größe liegt in seinen aller- dings ungewohnt dunklen Berglandschaften aus Oberbayern und Östereich. Lieblich, zierlich sind Eibners Darstellungen süddeutscher Kirchen. Aber nun vergleiche man mit seinen .Vquarellen der Dome zu Freiburg i. B., zu Bamberg (1842), zu Straßburg (1857) die des Freiburgers und die einer äußeren Seitenpartie des Kölners (1853) von Franz Alt (geb. 1821), und sehe, was da an Realismus im guten Wortsinn und beinahe an Wucht erscheint! Überhaupt kann dieser Bruder eines Größeren hier geradezu eine »Entdeckung« bekommen. Rudolf Alt (1812 1905) bleibt mit seinen Wiener und anderen Architektur-Ansichten freilich ein einzigartiger Meister, trotz oder wegen seiner eindring- lichen Detailarbeit, die doch immer wieder zu einem einhehlichen Ganzen zusammengeht. Aber wenn uns der Bruder Franz die Innsbrucker Frauenkirche (1844) oder die Vorhalle von San Marco in Venedig (1852) vorführt, so freut man sich doch über eine besondere Wärme, die von dieser Darstellungsweise ausstrahlt.

Kommt man dann zu dem damaligen Berliner Haupt- künstler der Architekturmalerei, zu C. Graeb (1816 bis 1884), so steht man meist wieder vor der korrekten Abzeichnung, im.merhin dankbar für das Interesse, das z. B. die nach altchristlichen Formen gebildete Pots- damer Friedenskirche (1845 1850) in mehreren Dar- stellungen bietet. Dazu kommen sonstige Kirchen aus jener Gegend und Zeit; unter ihnen ist die Charlotten- burger Schloßkapelle doch etwas eigenartiger wieder- gegeben. Nennen wir noch F. W. Kloß, der mehre- ren Berliner Kirchen Abbildungen gewidmet hat, und springen wir dann abermals in eine andere Sphäre! Erinnerungen an die Schack-Galerie und an die spe- zifischen Interessen ihres Schöpfers steigen auf, wenn wir vor Franz Catel (1778 1856) und vor E N. Neu- reut her (1806 1882) stehen I Jener gibt eine Ansicht von Rom (1820), dieser eine vom »Wurmsee« und seiner Umgebung; aber beide verstehen es, ihre Veduten so farbig zu halten und ihnen so den Eindruck von Kompositionen zu verleihen, daß einem wirklich etwas romantisch zumute wird.

Es ist schwerlich Zufall, daß diese beiden Stücke auf derselben Tafel mit ein paar Proben aus den »Berliner Nazarenern« vereinigt sind. Unberühmte Namen treten hervor: in Zeichnungen stellt P. Mila die »Anbetung der Könige« sowie die »Ankunft der Rebekka im Hause

LEKTÜRE INS FELD. VERMISCHTE NACHRICHTEN

Abrahams« und P. Rittig die >Ankunft der Sarah bei den Ehern des Tobias< dar; dazu ein H. %■. Hess >Gegrüßet seist du, Maria<.

Einen breiten Raum nehmen Bilder von ahen rheini- schen Kirchen ein; Ad. Wcgelin war da eigens be- auftragt und besonders lleißig (die Künstlernamen sind dabei nicht deutlich genug verzeichnet). Ist's eine Ein- sicht in eine partielle Überschätzung des Kölner Domes oder eine etwas langweilige Wiedeigabe, daß uns Dar- stellungen von anderen, mindestens im Grundriß inter- essanteren Kirchen Kölns noch mehr anziehen? Sankt Maria im Kapitol, wovon hier ein Querschift" zu sehen, und eine Partie von Sankt Gereon reizen auch durch sehr wirkungsvolle, gut weiche Darstellungen; dazu der Kreuzgang von Sankt Severin, die Krypta von Sankt Cäcilia u. a.

Weniger Freude bietet die gekünstelte Gotik bei- spielsweise der rheinischen Burg Stolzenfels in der Wiedergabe durch den Düsseldorfer K. J. Scheuren (1810 1887). Im Verhältnis dazu sind Innenausstattun- gen von Berliner und anderen Schlössern in Bildern von verschiedenen naturgemäßer, schon infolge näheren Anschlusses an Barock- und spätere Über- lieferungen ; neben pathetischen Großräumen zeigen namentlich Interieurs für weibliche Bewohner manche natürliche Anmut.

Auch ferneres Deutsche und Ausländische lockt in verschiedenen Darstellungen, nicht zuletzt Danzig mit mehreren Aufnahmen seiner Marienkirche und mit an- deren dortigen Kirchen (J. K. Schultz 1801 1875 u. a.), sowie Warschau und Benachbartes (Gregorovius). Nach Venedig führen wieder E. Gerhardt mit der Taufkapelle von San Marco (1846), C. Werner mit zwei flott gemalten Portalen, von Heiligenstatuen um- geben, aus San Giorgio (1851).

Schließen wir mit den zahlreichen Erinnerungen an Oberbayern und besonders München (F. Eibner, K. A. Lebscliee, F. Zeiß u.a.), so fesseln uns am ehesten Münchencr Stadtansichten von H. Doli: ihre lockere, flockige Art weist doch schon aus Biedermeier in eine Zukunft.

LEKTÜRE INS FELD

Wir berichteten in der letzten Nummer, S. 159, über die Empfehlung, die Oberlehrer Joseph Gieben für die Hefte >Die Kunst dem Volke« (Verlag der Allgemei- nen Vereinigung für christliche Kunst, München, Karl- straße 53) veröffentlicht hat. Nochmals weisen wir dringend darauf hin.

Bisher sind folgende Monographien erschienen: I. Albrecht Dürer, von Dr. Joh. Damrich, mit 60 Ab- bildungen. 2. Ludwig Richter, von Dr. Hyazinth Holland, mit 66 Abbildungen. 3. Weihnachten in der Malerei, von Dr. Joh. Damrich, mh 48 Abbil- dungen. 4. Beato Angelico, von P. Fr. Innozenz M.Strunk, O. P., mit 65 Abbildungen. 5. Berühmte Kathedralen des Mittelalters, von Dr. Oscar Doering Dachau, mit 61 Abbildungen. 6. Joseph Rit- tervonFührich, seinLeben und seineKunst, von Heinrich von Wörndle, mit 64 Abbildungen. 7. Moritz von Schwind, von Dr. Hyazinth Holland, mit 56 Abbildungen. 8. Berühmte Kathedralen der nachmittelalterlichen Zeit, von Dr. Oscar Doering-Dachau, mit 50 Abbildungen. 9. Hans Hol- bein d. J., von Dr. Joh. Damrich, mit 55 Abbildungen. lO./il. Murillo, von Dr. Adolf Fäh, mit 83 Abbil- dungen. 12. Die Madonna in der Malerei, von P. M. C. Nieuwbarn, O. P., mit 63 Abbildungen. 13. Ein Besuch im Vatikan, von Anton de Waal, mit 58 Abbildungen. 14. Die Künstlerfamilie della Robbia, von Dr. Oscar Doering-Dachau, mit

60 Abbildungen. 15. Die Altschwäbische Ma- lerei, von Dr. Joh. Damrich, mit 50 Abbildungen. 16. Peter Paul Rubens, von Dr. Walter Rothes, mit 55 .Abbildungen. 17/18. Die Altkölnische Malerschule, von Dr. Andreas Huppertz, Köln, mit 105 .Abbildungen. 19. Domenico Ghirlandajo, von Dr. Walter Bombe, mit 53 Abbildungen 20. Theo- dor Horschelt, Schlachtenmaler, von Dr. Hyazinth Holland, mit 64 Abbildungen. 21. Die deutsche Burg, von Dr. O. Doering, mit 69 Abbildungen. 22. Peter von Cornelius, von Max Fürst, mit 56 Abbildungen. 23/24. Schlachtenmaler Albrecht Adam und seine Familie, von Dr. Hyazinth Hol- land, mit 108 Abbildungen.

VERMISCHTE NACHRICHTEN

Das Nackte in der Kunst bei den Kirchen- vätern. — In der Katholischen Kirchenzeitung, Nr. 47, 191 5 (Verlag A. Pustet in Salzburg) behandelt Prof Dr. Gottfried Brunner dieses Thema und trägt damit zur besseren Beurteilung der Frage nach der Zulässig- keit der bildnerischen Darstellung des nackten mensch- lichen Körpers in schätzenswerter Weise bei. Diese Frage selbst wird, wie der Verfasser zutreffend bemerkt, wohl nie aus dem Meinufigsstreit der Kulturmenschen verschwinden. In der Praxis wird man auf Kompro- misse angewiesen bleiben.

Die alten Kirchenschriftsteller haben das Thema nicht um seiner selbst willen, von Berufs wegen, be- handelt, sondern streiften es nur nebenbei und selten. Prof Brunner versäumt nicht, bei seiner Untersuchung die sehr wichtige Unterscheidung zu machen: Wie stellen sich die angezogenen Schriftsteller zum Nackten in der Natur, wie zum Nackten in der Kunst? Zur ersten Frage kommen zum Wort: Cj'prian, Am- brosius, Hieronymus, Chrysostomus, die Apostol. Kon- stitutionen, auch auf Clemens Alexandrinus und Ter- tullian wird hingewiesen. Das Ergebnis faßt Prof B. in das Urteil zusammen: »So sehr die Väter auf Ehr- barkeit und Schamhaftigkeit dringen, so sehen sie doch im menschlichen Leib ein herrliches Werk Gottes. Nicht finsterer Naturhaß spricht aus ihren Worten, son- dern einerseits Bewunderung der Weisheit des Schöpfers, andererseits die aus der Erfahrung geschöpfte Besorg- nis über die Gefahren, die der Anblick des nackten Körpers für die große Mehrzahl der schwachen Men- schen mit sich bringt.«

Über die Frage des Nackten in der Kunst finden sich Äußerungen bei Justin, Tatian, Clemens von Ale- xandrien, Arnobius, Eusebius von Cäsarea, Zeno von Verona, Theodoret, Sidonius ApoUinaris, Isidor von Pelusium. Aus diesen Stimmen kann geschlossen wer- den : »Wo die Väter gegen die Darstellung des Nackten im Bilde eifern, da tun sie es nur, insoferne dasselbe im ganzen Zusammenhang der dargestellten Handlung und Persönlichkeit (Venus) die Vorstellung unsittlicher Handlungen hervorrufen muß, oder wo das Bildwerk zur Verherrlichung unsittlicher (historischer oder mytho- logischer Persönlichkeiten dient. Außerhalb dieses Falles verwerfen sie die künstlerische Darstellung des Nackten nicht. Ihr Schweigen hierüber ist mehr als beredt, und der einzige Isidor von Pelusium kann mit Fug und Recht als Vertreter von vielen gelten.« Letz- terer tritt ausdrücklich für die Berechtigung des Nackten in der bildenden Kunst ein.

Bischöfliche Bildnisse. Der Petrus Veriag in Trier gab ein farbiges Blatt mit dem Bildnisse des großen Mainzer Bischofs Wilhelm Emanuel Freiherr von Ketteier heraus, das der Darmstädier Maler Pro-

VERMISCHTE NACHRICHTEN. BÜCHERSCHAU

fessor Noack 1851 malte, ferner ein gleichfalls farbiges Bildnis des Herrn Bischofs Dr. Michael Felix Korum von Trier.

Das Bildnis eines Knaben (wohl der Ivleine Titus) von Rembrandt ging aus dem Besitze des Lord Spencer für 700000 Mark in andere Hände über.

Georg Szoldatics, ein ungarischer Künstler und Schüler von Ludwig Seitz in Rom, malte nach dem Leben ein Bildnis Benedikts XV., das die zarte und doch sehr eindrucksvolle Gestalt des Papstes glücklich wiedergibt. Das Gemälde wurde bei Benziger & Co. in Einsiedeln farbig reproduziert.

Bildhauer Eugen Kaspar Dütsch (München) fiel am 29. Januar infolge eines Halsschusses, nachdem ihm sein Bruder (ebenfalls Bildhauer) bereits im Helden- tod vorangegangen war. Er stand im 28. Lebensjahre.

Maler Franz Fuchs, der als österreichischer Major im Felde steht, erhielt >für tapferes Verhalten vor dem Feinde« das Signum laudis am Bande der Tapferkeits-Medaille.

Wilhelm Stein hausen (Frankfurt a. M.) beging am 2. Februar den 70. Geburtstag. Sein jüngstes Werk sind die soeben vollendeten Fresken in der prot. Lukas- kirche zu Frankfurt.

In München starb am 8. Februar Stadtbaurat Ar- chitekt Wilhelm Bert seh, der Vorstand der Hochbau- abteilung des Städtischen Bauamtes. Baurat Bertsch, ein geborener (1865) Münchner, verhalf bei den Aus- stellungshallen im Stadt. Ausstellungspark, dessen Ge- samtanlage (1907/08) ihm anvertraut war, dem Eisen- beton zu seiner vollen ästhetischen Anerkennung. Von seinen Schulbauten ist vor allem die Volksschule an der Versaillersstral3e zu nennen, bei der der Grundriß eines zweireihigen Gebäudes mit quergestelltem ein- reihigem Anbau interessant gelöst ist und die Verbin- dung von romanischen und Renaissancemotiven be- friedigt.

Professor Hermann Hahn (München) erhielt von der Stadt Wiesbaden den Auftrag, für dessen Museum eine Goethe-Figur zu schaffen. Der Künstler will das Denkmal, das zwischen den antiken vier Säulen zu stehen kommt, in klassischem Stil mit Goethe als Ju- piter auf Wolken thronend darstellen.

Versteuerung des Kunstbesitzes. Nachdem in der Tagespresse die Frage eingehend besprochen wurde, ob es angängig und möglich sei, den Kunstbe- sitz zu versteuern, stellt sich heraus, daß eine solche Steuer nicht in Aussicht genommen ist.

Kriegsdenkmünzen. Die Münzprägeanstalt L. Chr. L a u e r (Nürnberg) liat dem K. Kriegsarchiv inMünchen eine Sammlung der von ihr geprägten Kriegsdenkmünzen ge- geschenkt, die später noch erweitert werden soll und im Kuppelsaal des Armeemuseums als Leihgabe >für ewige Zeiten« zur Aufstellung kam. Sämtliche Stempel für Taler, Medaillen und Plaketten und Entwürfe hierzu sind aus dem Kunstatelier der Firma hervorgegangen. Die Modelle der Porträts stammen teils von auswärtigen Künstlern, teils von solchen der Firma und wurden durch Verkleinerung auf der Gravier- und Reduziermaschine in den verschie- denen Größen in Stahl geschnitten. Von den entwer- fenden Künstlern nennen wir O. Hoppe, A.Hummel, Bildhauer Wolf, E. Wrede, A. Hennig, Ferd. Lieber- mann, Fr.König, Professor Seh wabe und Bildhauer

Ziegler. Die Erinnerungsmünzen zeichnen sich vor ähn- lichen Stücken, wie sie auch aus der bayerischen Münze bei Geldstücken aus praktisclien Gesichtspunkten der schnellen Abnützung im täglichen Verkehr hervorge- hen, vor allem durch ihre erliabene Arbeit gegenüber der sonst üblichen Flachprägung aus. In sauberer Ar- beit zeigen sie in feiner Bronzemischung oder in Silber die Brustbilder der deutschen Bundesfürsten, des öster- reichischen Kaisers, von Staatsmännern, Heerführern und Helden zur See. Künstlerischen vorbildlichen Charakter tragen die Münzen mit Sinnbildern wie der besonders gelungene Titanenkampf Otto Hoppes und die deutsch- österre'che Bündnismünze, deren Vorderseite ein schön ausgefülltes, harmonisches Ganzes bildet. Die christ- liche Kunst ist mit einem hl. Georg auf einer Anhänge- münze vertreten. Eigenartig ist Wolfs Brotvertei- lungsmünze. Volkskundlichen Wert besitzen die Spottmünzen, wie sie uns ähnlich aus den ältesten Zeiten überliefert sind, mit dem einen Franzosen und Russen darstellenden Vexierkopf und dem Volkswitz von

den »unzertrennlichen« friedlichen Heerfülirern -= -

rre[nch Es ist nur zu wünschen, daß die Anstalt sich ihre Stoffe auch mehr aus der christlichen Kunst nimmt. z.

Regierungs- und Baurat Max Hasak, Privatdozent an der Technischen Hochschule in Berlin, beging am 15. Februar seinen 60. Geburtstag.

Neues Werk von Bildhauer Carl Ludwig Sand in München. In Elbersroth (Mittelfranken) wurde kürzlich ein Denkstein (»Marterl«) aufgestellt, das der angeseliene Bildhauer Karl Ludwig Sand aus- führte. Es ist 3'/2 Meter hoch, aus blauem Muschel- kalkstein, mit einem Christus am Kreuz bekrönt und fügt sich als prächtige Zier schön dem Dorfbilde ein. Pfarrer Ludwig Heumann, der im vorigen Jahre die Preise zu dem sehr anregenden Wettbewerb für Krie- gervereinsfahnen bezahlte, ließ das Denkmal zur Er- innerung an unsere große Zeit errichten. Er gab da- mit allen Stellen und Personen, die etwas für die Kunst tun können und sollen, ein leuchtendes Beispiel, sich, den Künstlern und seiner Gemeinde zur Ehre. Wer schon jetzt einen Auftrag zu verwirklichen ver- mag, spreche nicht: »Später nach dem Krieg!« son- dern helle sogleich die Lage erleichtern. Für das »später« lasse er die Zukunft sorgen. Über C. L. Sand vgl. Heft 4 des vor. Jgg., S. 99 fF.

Münchener Secession. Die Sommerausstellung der Münchner Secession wird wie bisher auch in die- sem Jahre im K. Kunstausstellungsgebäude am Königs- platz abgehalten werden. An dieser Ausstellung kön- nen sich auch diesmal wieder Nichtmitglieder beteiligen. Die Ausstellungspapiere gelangen Ende März zum Ver- sand. Nähere Auskunft erteilt die Geschäftsstelle der Secession, München, Königsplatz i.

BÜCHERSCHAU

Das Neue Testament. Nach der Vulgata über- setzt von Dr. Benedikt Weinhart. Illustr. Taschenaus- gabe. Mit 40 Bildern nach Friedrich Overbeck und 4 Kärtchen. Herder in Freiburg. Preis in Leinen M. 2.20.

Ich finde die Ausgabe textlich sehr wertvoll und begrüße namentlich auch die Beigabe der herrlichen Overbeckschen Bilder. So klein das Format ist, so vorzüglich sind doch trotzdem die Wiedergaben. Sie werden sicher dazu beitragen, dieser Ausgabe der hei- ligen Schriften weite Verbreitung zu sichern.

Für die Redaktio

BEILAGE

VON WIEDER AUFGETAUCHTEN ALTEN BILDERN

VON WIEDER AUFGETAUCHTEN ALTEN DEUTSCHEN BILDERN

Von Professor Dr. L. Frankel

I. Am 9. August v.Js. fand die erste gründliche wissen- schaftliche Besichtigung des alten Deutschordenshauses zu Franlifurt a. M. mit den Kunstwerken und Bildern der Kirche, der Sal^ristei, des imposanten Stiegenhauses, des Rittersaales und der andern historiscli oder künst- lerisch bemerkenswerten Räume stau. Professor Dr. Julius Hülsen führte und gab dazu in übersichtlicher .Anschaulichkeit einen Umriß der Entstehung des erin- nerungsreichen Baus und der vielgestaltigen Vergangen- heit des Hauses selbst und der Kirche insbesondere. »Heute, wo jeder Tag ein Blatt in der Weltgeschichte füllt, weht dem Beschauer auch ein frischerer Zug aus alten Dokumenten entgegen. Ein solcher Zeuge, ein solches Dokument ist das Deutschordenshaus. Hier spricht aus jedem Stein von Kirche und Haus die Ge- schichte.« Urkundlich erscheint zuerst 1193 an diesem Platz ein Hospital mit kleiner Kapelle, dann ging das Besitztum an die Deutschmeister über, und Hospital nebst Kirche blieben eng mit dem Geschick Frankfurts verbunden, so besonders im Schmalkadischen Krieg, wo sie arg litten. Im Dreißigjährigen Krieg schenkte Gustav Adolf das Besitztum den Protestanten ; nach dem West- fälischen Frieden bekam es der Orden zurück. Napo- leon I. säkularisierte den Orden und zog sein Besitztum ein. Der Wiener Kongreß sprach es Österreich zu, dieses gab Kirche und Palast 1856 den Deutschmeistern, die 1881 den Gesamtbesitz an die katholische Gemeinde verkauften. Der Neuhau der heutigen Kirche begann im 14. Jahrliundert, trotz ihrer geringen Ausmaße eines der schönsten gotischen Bauwerke Frankfurts, wurde 1750 in Barock umgebaut und mit neuer Fassade ver- sehen und 1885 von Kirchenbaumeister Meckel in der ursprünglichen Form wieder hergestellt. Die beim Ent- fernen der Stuckatur aufgedeckten alten Wandbilder bil- den einen wesentlichen Schmuck der Kirche; sie sind teilweise aufgelVischt. Die interessantesten Ausführungen des Redners waren die über das große und großartige Altarbild »Die Himmelfahrt iMariä« des berühmten Meisters Giovanni Battista Piazetta (geboren 1682 zu Venedig), ein wahrhaft monumentales Kunstwerk von neun Meter Hohe und fünf Meter Breite, 1756 vom kunst- freundlichen ^\■ittelshacher Clemens August hergeschenkt. Französische Plünderer haben es unter General Kleber im Jahre 1796 aus der Deutschordenskirche geraubt und die französische Konsularregierung 1801 der Stadt Lille geschenkt. Die Einnahme letzlerer 19 14 brachte Deutsch- land wieder sein rechtmäßiges Eigentum. Das Bild be- findet sich jetzt in Berlin. Durch Granatsplitter leicht beschädigt, hat es doch an Aussehen und Wert keinerlei Einbuße erlitten. Wie über das Kunstwerk weiter verfügt wird, weiß man heute noch nicht sicher. In Frankfurt a.M., dessen Stadtverwaltung und katholische Gemeinde ent- sprechende und, wie es soeben heißt, erfolgreiche Schritte getan haben, erhofft man allerdings, daß das Bild den alten Platz in der Deutschordenskirche bekäme. Be- sondere Verdienste in der Saciie erwarb sich ein kunst- sinniger Frankfurter Bürger, Nikolaus Manskopf. Die- ser zeigte den Anwesenden ein lehrreiches Bild, eine Photographie eines alten Gemäldes, das, in Fürstlich reußischem Besitze, einen Ahnherrn dieses Geschlechts darstellt, wie er in der Frankfurter Kirche zum Deutsch- ordensritter geschlagen wird. Übrigens liegt das Deutsch- ordenshaus mit der Kirche in einem Teile der links- mainischen Vorstadt Frankfurts, Sachsenhausens, der in nächster Zukunft einschneidenden baulichen Verände- rungen unterworfen und dessen Gesamteindruck groß- zügig und prächtig werden soll. Dann wird das ehr-

Die christliche Kunst. Xll 7. 1. April 1016

würdige Deutschordenshaus mit der Kirche in neuem Gewand und Rahmen ein eclites Schmuckstück des neuen Südviettels der alten Reiclisstadt bilden.

IL Die neuentdeckten Werke des Meisters Franc ke. Jüngst ist es gelungen, von einem der größten altdeutschen Künstler, dem Hamburger Meister Francke, den der vor einiger Zeit verstorbene Alfred Lichtwarck, der Direktor der Hamburger Kunsthalle, wieder entdeckt hatte, außer seinen Gemälden, dem Stolz des eben genannten Museums, auch Bildhauerwerke nachzuweisen. Wie nämlich die meisten altdeutschen Künstler, stellte Francke in seiner Werkstatt beiderlei Dinge für Altarwerke her. Nun wies Viktor C. Habicht in der „Zeitsclirift für bildende Kunst" soeben nach, wie die von ihm als Schöpfungen Franckes erkannten Schnitzereien des Altars in der katholischen Kirche zu Schiede hausen bei Osnabrück so starke Ver- wandtschaft mit den entsprechenden Darstellungen auf dem Hamburger Altar —- Geburt Christi und Anbetung der Könige zeigen, daß an der gleichen Herkunft nicht zu zweifeln ist. Ein Engel, der bei der Geburt des Jesuskindes ein Tuch am Feuer wärmt, so- wie ein Page, der bei der Anbetung der Heiligen drei Könige einem alten König die Sporen löst, gehören zu den schönsten Erfindungen dieses vergessen ge- wesenen Genius. Verfolgt man die Spuren des Bild- hauers Francke weiter, so wie kürzlich zu Nykyrko in Finnland ein Altar aus seiner Werkstatt mit Ge- mälden und Plastiken ans Licht kam, so bekommt seine noch längst nicht nach Gebühr gewürdigte Per- sönlichkeit ein deutlicher ausgeprägtes Meistergesicht.

III. Gnesener Fresken. Wertvolle künstlerische Funde erbrachten die Wiederherstellungsarbeiten der ka- tholischen St. Johanniskirche zu Gnesen. Bei den Innenarbeiten an diesem im Jahre 1243 erbauten Gottes- hause wurden im Chorraum, in den Nischen und hinter dem Hauptaltar acht große Freskogemälde frei- gelegt, die jahrhundertelang unter Verputz versteckt ge- legen. Die Bromberger Königliche Regierung ordnete sofort eine eigene Kommission ab, um das Weitere lür Schutz und Restaurierung zu veranlassen. Unter den 10 Gotteshäusern des nur 25 000 Einwohner zählenden Stadtchens Gnesen steht natürlich der an Kunstschätzen reiche, fast 1000 Jahre alte Dom an erster Stelle. Je- doch steht seit einiger Zeit eben die namentlich in architektonischer Beziehung beachtenswerte Kirche zu St. Johannis, die auf eine 700jährige Vergangenheit zu- rückblickt und der katholischen Schulgemeinde gehört, mehr als sonst im Vordergrunde des Interesses. Bei jenen auf staatliche Veranlassung jetzt ausgeführten durch- greifenden Erneuerungsarbeiten nämlich wurden durch Zufall im Innern die großen Freskogemälde unter dicker Tüncherschichte aufgedeckt. Diese Bilder, von denen besonders die an der Wand hinter dem Altar aufge- fundenen bedeutenden Kunstwert zu besitzen scheinen, sollen nach Möglichkeit in ihrer ehemaligen Farben- pracht wiederhergestellt werden. Die zuständige Be- hörde der Posener Staatsregierung hat bereits die dazu erforderlichen Maßnahmen ergriffen.

IV. Das Altarwerk Scorels vor Kriegsgefahr gesichert. Zu Obervellach (Kärnten) befindet sich ein herrliches Altarwerk (1520) Jan van Scorels, je- nes hervorragenden Holländers, der für Wendung der niederländischen Kunst zum Italianismus bedeutsam ge- wirkt hat. 1881 ward es von Obervellach nach Wien gebracht, wo es von Karl Scliellein, dem Restaurator der Belvedere-Galerie, einer gründlichen Reinigung unter- zogen wurde ; es hat dann die Obervellacher Ortskirche seit seiner Heimkehr bis jetzt nicht mehr verlassen. Nun-

AUSSTELLUNG IM WIENER KÜNSTLERHAUS

mehr im Sommer 191 5 haben sich jedoch die zustän- d^en Behörden veranlagt gesehen, diesen kostbaren Kunstschatz in Sicherheit zu bringen, weil er an seinem Standort infolge der Nähe der italienischen Angrifisfront allzusehr der Boinbengefahr ausgesetzt war. Daher ist der Altar neuerdings auf Veranlassung der österreichi- schen k. k. Zentralkommission für Denkmalspflege nach Wien t'eschafft worden, woselbst er in den Aufbe- wahrungsräumen der Staatsgalerie untergebracht ist und neu in den allgemeinen Gesichtskreis tritt. Mit zwei auf beiden Seiten bemalten Flügeln stellt er die heilige Sippe dar.

DIE HERBSTAUSSTELLUNG IM WIENER KUNSTLERHAUS

T/^aum daß die bereits mehrfach erwähnte Kriegsbilder- ^ Ausstellung ihre Pforten geschlossen hatte, wurde die alljährliche Herbstausstellung im Wiener Künstler- haus, von dessen Dach noch immer die Rote-Kreuz- Fahne weht, eröffnet. Diesmal konnte nur das Ober- geschoß seinem ursprünglichen Zwecke zugänglich ge- macht werden, da ja die großen Säle im Erdgeschoß unseren verwundeten und erkrankten Kriegern einge- räumt sind. Die Ausstellung ist infolgedessen natürlich nicht so umfangreich, wie es ihre Vorgängerinnen in Friedenszeit zu sein pflegen, ersetzt aber glücklicher- weise an Qualität, was ihr an Quantität diesmal ab- geht. Übrigens sind woiil sämthche bekannte Namen der Wiener Künstlerschaft vertreten und das Erfreulichste mit an der gegenwärtigen Ausstellung ist der Um- stand, daß der Vermerk >Angekauft« recht häufig zu bemerken ist.

Wenn auch in den Wiener Ausstellungen das reli- giöse Moment im allgemeinen gerade nicht sonderlich bevorzugt wird, so läßt sich dieses Mal mit Genug- tuung feststellen, daß einige Bilder mit mehr oder minder religiösem Einschlag vorhanden sind. Am meisten in die .\ugen fallend ist Temples >Festmesse im Künst- lerhaus«, das einen Gottesdienst im Lazarett dieses Hauses darstellt. Es ist von tiefer Wirkung, von aus- gezeichneter Komposition. Das viele Weiß in den Meßgewändern und den Trachten der Pflegerinnen, die gedämpfte Farbe dazwischen von Uniformen, von Ver- wundeten, die auf ihrem fahrbaren Lager unter den Andächtigen Platz gefunden haben, ist in meisterhafter Weise verteilt, nicht zu vergessen die charakteristischen Köpfe, die sämtlich Porträts sind. Vorzüglich in Kompo- sition wie Ausführung ist auch das religiöse Genrebild : »Bittgang im Gebirge« von Rudolf Glotz, der in diesetn Temperabild eine hochanerkennenswerte Leistung bietet. Ueber Alpenmatten schreiten einige knochige Bauern- gestalten, eckige schwer daherstapfende Männer und Frauen, die uns den Rücken kehren. Die nachhaltige und eindrucksvolle Wirkung dieses Bildes dürfte sich bei einer Ausführung im Großen noch steigern. Recht stinmiungsvoll hat Julius von Blaas eine Szene »Bitt für uns« gemalt: einen vor einem Bildstock andächtig beten- den Landmann. Eichhorns Bild »Am Kircheneingang« ist aus dem ruthenischen ^'olksleben geschöpft, eine ebenso schöne wie fleißige Arbeit. Eigenartig aber durchaus vornehm in der Empfindung wirkt Currj's »Christus am Brunnen«, das sowohl im Figürlichen wie Landschaftlichen einen seine besonderen Wege gehen- den denkenden Künstler verrät. J. Kinzl stellt eine an- sehnliclie Studie »Das Kreuz; aus (vermutlich aus dem Kircheneingang zu Weissenkirchen in der Wachau\ be- merkenswert durch das prächtige Licht, das durch die Lücken der alten Holztüre hereindringt und um das Kruzifix in Streifen aufflitzt. Eine treffliche Architektur i;t auch Graners »Christusfigur« in der Mauernische

zwischen den Strebepfeilern an der Apsis der Stefans kirche, die durch ihre Einfachheit und Sicherheit ange- nehm auffällt; auch des gleichen Künstlers »Blick auf die Karlskirche« zeigt große Vorzüge.

Profanes Genrebild und Landschaft sind wie auch sonst wieder sehr zahlreich vertreten und es dürfte wohl genügen, das Wesentlichste hiervon kurz zu skiz- zieren. Zuerst Schachingers > Kirchweihfest«, ein leben- diger Farbenrhnhmus, mit großer koloristischer Feinheit ausgeführt. Tom von Dreger bringt eine ausgezeichnete Porträtstudie »Der Talmudisf-, Lanvie ein »Zigeuner- mädchen« und köstliche »Wiener Vorstadtbuben«, Karl von Probst ein feines Bild »Kleine Gäste«, Gsur eine »Glasbläserei«, Duxas »In der Scheune«, Viktor Scharf »Lesendes Mädchen«, Helene Wörndle »Im Garten«, Isidor Epstein »Auf einer \'eranda«, Windhager »Der erste Schultag«. Bei den Landschalten fesselt J. Kauf- manns »Flüchtling aus Zboro« durch seine sinnig charak- teristische ,\usführung. Goltz »Abend an der Reichs- brücke in Wien« besticht durch seine vorzügliche Farben- technik. Gellers Studien aus der Wachau Weißen- kirchen — fesseln den Beschauer durch ihre große Natur- wahrheit und geschickte .Ausführung nicht minder seine malerischen Hof-Interieurs. David Kohn zeigt einen alten polnischen Flüchtling in beredter Rötelkunst. O Lynch of Town, der Steirer mit dem englischen Namen, hat die »Kar wendelspitze vom Kreuzberg« aus gemalt und zwar in einer selten gesehenen Pracht, Kasparides stellt einen > Herbstabend' aus, an dem die au<;gezeichnete Modellierung und Tonreinheit besonders wirkungsvoll in die Erscheinung tritt. Brunners »Bergplateau«, Dar- nauts «Stubentorbrücke«, Hans Massmanns »Das einsame Haus«, Adolf Kaufmanns »Heranziehendes Gewitter«, Tomees »Wienerwald', Ranzonis »Winterbilder«, Zofls »Yserkanal bei Ypern«, Charlemonts ».\lra< müssen un- bedingt erwähnt werden. Sehr bedeutend ist auch die »Atelierecke« des eben erwähnten Meisters. Ein reizen- des Stilleben Marionetten mit viel Fleiß und Ver ständnis gemalt, bringt Charlemonts Tochter Lilly. Die Altniederländischen Trachtenbilder Hans Hampas sollen ihres ausnehmend prächtigen Kolorits wegen aufgeführt werden; auch das Stilleben Hörwariers findet viele Beachtung.

An Porträts sind es hauptsächlich solche von Fer- raris (Frau Jeritza und Alfred Grünfeld). Temple (des Künstlers Gattin). Rauchinger, Stalzer, Nine Zarkowich und Anderen, von den früheren Ausstellungen her Be- kannte, die uns auftauen. Auch Altmeister .Angeli bringt wieder einige Herren- und Damenporträts zur Ausstellung. Bei den Porträts möchten wir nicht das Damenbildnis von Fritz Zerritsch vergessen, das seiner vielseitigen Vor- züge in malerischer wie zeichnerischer Hinsicht wegen Bewunderung findet. Sehr gediegene Studienköpfe findet man von Krestvn, L. Mayer und Ernst Peyer, dessen »Oberösterreicherin« geradezu erfrischt. In der Gra- phik ist es wieder Fritz Zerritsch, der besonders auf- fällt. Er glänzt mit einer Kohlenzeichnung, ein Amateur- quartett darstellend, das in gutem Sinne natürlich an Schnitzers Joachim -Quartett anklingt und erinnert. Recht hübsche und wertvolle Radierungen sind von Ciold, Hradil, Emma Hrnczyrz, Herta Gobany-Czoernig und Raimund Wolf ausgestellt. Die Plastik ist in sehr beschränktem Umfange vertreten. Hier sind es in erster Linie die Büsten von Alfonso Canziani, dem Scliöpter des geistvollen Dante-Denkmals, die wohltuend hervor- ragen. Auch Sendls lustitia ungewohnterweise ohne Binde , aus Holz geschnitzt, ist eine tüchtige Leistung. Sonst sind meist nur noch Werke der Kleinplastik vor- handen, so Gorniks lebensvoll »Attakierender Dragoner«. Kirschs und Hackstocks »Porträtplaketten«. Anmutig ausgeführt ist eine kleine Keramik Schwerdtners, die Porzellanfigur einer »Schwester vom Roten Kreuz.

VAN DER GOES. - L. BOLGIANü. - VERMISCHTE NACHRICHTEN

Ehe dieser Bericht zum Schlüsse gelangt, sollen auch noch einige Kunstwerke genannt werden, die Augen- blicksbilder des gewaltigen Ringens der Nationen zum Vorwurf haben. Adolf Schwarz stellt (neben einigen sehr hübschen Stimmungen von der dalmatinischen Küste) ein vorzüglich gemaltes Bild »Die Kaperung eines italienischen Dampfers durch ein österreichisch- ungarisches Unterseeboot« aus, Julius von Blaas eine Bäuerin am Pflug, betitelt >Sein braves \Veib<, der verwundete Bauer schreitet nebenher. Windhagers > 191 5 «, die frischen Farbenskizzen Fahringers und die feinen Zeichnungen Breidwiesers sind in der Hauptsache die Schöpfungen, die uns vom Kriege in anschaulicher Ge- staltung erzählen. ' Riclurd RieJl

EINE NACHBILDUNG DER »ANBETUNG

DER WEISEN« DES HUGO VAN DER

GOES

Im >Pionier< (Septemberheft des Jahrganges 1914— 15) habe ich die vom Berliner Kaiser Friedrich-Museum jüngst aus Spanien erworbene Anbetung der Weisen des Flamen Hugo van der Goes (f 1482) einer Be- sprechung unterzogen. Von dem herrlichen Gemälde liegt jetzt eine in reinem Farbenlichtdruck liergestellte Nachbildung vor. Sie besitzt eine Bildgröße von 66:40,2 cm, ist also nur auf etwa ein Viertel der Originalgröße reduziert worden, wodurch es möglich war, jede zeichnerische und koloristische Feinheit des Vorbildes klar und gleichwertig wiederzugeben. Die Reproduktion ist in dem rührahch bekannten Verlag >Vereinigte Kunstinstitute A.-G. vormals Otto Troitzsch, Berlin-Schöneberg« erschienen, der sich seit langen Jahren um die Vervielfältigung erster Meisterwerke alter und moderner Malerei verdient macht. Auch das hier in Rede stehende Blatt ist eine technische Leistung vorzüglichsten Ranges; es wird die Ansprüche und Wünsche des Sammlers, Historikers und Kunstliebhabers befriedigen; ganz besonders ist es zum erlesenen Wandschmucke von Wohnungen und Kapellen geeignet. Das Original stammt aus der Blütezeit älterer flandrischer Kunst; ich vermute, daß es bald nach seiner Entstehung nach Spanien gekom- men ist, welches damals mit den Niederlanden in engem politischem und kulturellem Zusammenhange sich befand; in den letzten Jahren des 16. Jalirhunderts wurde es dann, vielleicht weil es den veränderten Kunstauffassungen nicht mehr zu entsprechen schien, dem damals gegründeten Kloster Monforte (in Nord- spanien) überwiesen, und dort dürfte es meines Er- achtens gewesen sein, wo man, um seine Aufstellung zu ermöglichen, es seines oberen Aufsatzes und seiner Flügel beraubt hat. Der Verlust ist sicher höchlich zu bedauern; aber was uns übrig geblieben, ist gleichwohl ein Kunstwerk von ausgezeichnetsten Eigenschaften. Die Charakterisierung der Personen geht großenteils in Tiefen, welche nur dem mit Seherblick begnadeten Künstlergenius ergründbar sind. Von wundervoller Feinheit ist die Ausführung jeglicher Einzelheit selbst der scheinbar unbedeutendsten, wie des valenzianischen und des kölnischen Gefäßes in der Nische oben, oder der Blumen und Gräser; daneben sehe man die Male- rei der herrlichen Gewandstoffe aus Venedig, der ver- schiedenen Pelzsorten usw. Wie die Nachbildung keiner dieser Feinheiten etwas schuldig bleibt, so auch keiner Nuance der Färbung. Sie ist lebhaft viel- leicht war ursprüngUch das Bild für einen ungünstig beleuchteten Raum bestimmt und doch voll herr- licher Harmonie und Vornehmheit. Der älteste der Weisen mit seinem tiefroten Mantel bildet den Mittel- punkt, um ihn gruppieren sich andere Schattierungen

von Rot, dann folgt Blau, Violett, goldig getöntes Gelb usw. Die Gesamtwirkung der Reproduktion komtnt der des Originals so nahe, als es mit Hilfe neuester Tech- nik nur möglich ist. Der Preis des Blattes ist auf Feinpapier 20 M., auf imitiert Japanpapier 50 M.

LANDSCHAFTSZEICHNUNGEN LUDWIG BOLGIANOS

pine kleine Kollektion von Zeichnungen des Professors Ludwig Bolgiano, die während zweier Oktober- wochen beim Münchener Kunstverein ausgestellt war, gewährte interessanten Einblick in das Schaffen dieses ausgezeichneten Landschafters. Sie gab die Möglichkeit, sein Talent nach einer Seite zu würdigen, die man im allgemeinen weniger bei ihm kennt, während sie doch charakteristisch für ihn ist. In den Ausstellungen des Glaspalastes, Kunstvereins usw. erscheint Bolgiano für gewöhnlich mit Gemälden von breiter Pinselführung und kraftvollem Kolorit ; er erreicht damit Wirkungen, die sich des Beschauers ohne weiteres bemächtigen. Viel schwerer ist dies für die Zeichnung, sie ist in ihren Ausdrucksmöglichkeiten von vornherein eingeschränkt und muß somit innerliche Eigenschaften besitzen, die, um gewürdigt werden zu können, wieder vorzugs- weise auf innerliches Verständnis und größere Abstrak- tionsfähigkeit des Beschauers angewiesen sind. Bolgianos jetzt in die Öffentlichkeit gebrachte Landschaftszeich- nungen sind während der letzten zehn Jahre entstanden; Motive aus Bayern und Tirol überwiegen, einige stam- men von Rügen, auch aus Norwegen. Am liebsten sucht Bolgiano solche, bei denen sich Landschaft und Architektur vereinen ; er fand sie z. B. in Regensburg, Nördlingen, Rothenburg, Tittmoning, Donauwörth, Riedenburg, Eichstätt, Burghausen, Wasserburg, Sterzing, Riva usw. Landschaft ohne Belebung durch Menschen- werk erscheint in Bolgianos Studien aus dem Wörnitz- tale, Rügen usf. Ausgezeichnete Kunst der Verein- fachung kennzeichnet diese Werke; zum Vorzüglich- sten gehört auf vielen von ihnen die Schilderung von Wasserspiegelungen. Ausgeführt sind die Studien mit Tusche, Kreide oder Bleistift. Daß der Kolorist auf farbige Reize nicht völlig verzichten mochte, ist erklär- lich. Also hat er vieles auf getöntem Fonds gezeich- net und auch manclies mit leichten Farben angelegt. Dennoch befleißigte er sich größter Zurückhahung, der- art, daß er sich vielfach darauf beschränkte, nur mit Weiß zu höhen. Gelegenthch, wie bei einer Zeich- nung der Eichstätter Willibaldsburg einem Blatte von prachtvoller Einfachheit ist auch hiervon abge- sehen. Jedes Blatt wirkt als in sich abgeschlossenes, vollendetes Gemälde, sicher und tiefgründig in seiner Charakterisierung, still und doch lebensvoll. Doenng

VERMISCHTE NACHRICHTEN

Dresden. Die katholische Hofkirche in Dresden soll einen Kreuzweg erhalten. Eine Kommission, deren Sitzung S.Kgl. Hoheit Prinz Johann Georg beiwohnte, be- schloß über" die Platzfrage, Ausführungsart und Wahl eines Künstlers. Man entschied sich für Malerei, die Ausführung wurde auf Vorschlag S. K. H. des Prinzen dem Maler Franz Xaver Dietrich (München) über- tragen, nachdem sich die Kommission von der hohen Begabung des Künstlers überzeugt hatte, dessen letztes großes Werk, das Hochaltarbild der Himmelfahrt Maria für die Kirche in Neustift bei Freising war.

Das Grabmal des Rechnungsrates Ch. Übelacker und seiner Tochter Maria im Waldfriedhof zu München

BÜCHERSCHAU

wurde von dem Maler Jos. Fellermeyer in Berlin mit einem Bilde »Caritas« geschmückt, das die Züge von Frl. Marie Übelacker festhält.

Am 19. Januir verstarb zu München Professor Louis Braun im Aller von 80 Jahren. Der Verstorbene, dessen Namen einst in der Entwicklungsgeschichte der Schlach- tenmalerei, der er sich nach dem Kriege 70/71 mit be- sonderer Hingabe widmete, einen guten Klang haben wird, widmete sich seit den achziger Jahren aucn der Landschafts- und Genrekunst. Zwei stimmungsvolle Ge- mälde in seinem Atelier zeugen noch von dieser Kunstbe- tätigung. In dem künstlerischen Nachlasse Brauns, eines nie Rastenden, befinden sich einige Kohle- und Bleistift- skizzen, die wie der Einzug Prinz Leopolds in Warschau, ein Kirkisen- und Tatarenlager an der Grenze und kriegs- gefangene Franzosen beim Hopfenzupfen beweisen, wie sich der Künstler noch kurz vor seinem Hinscheiden mit den Eindrücken dieses Krieges auf seine Art abfand. Wenig gewürdigt wird Brauns Kompositionstalent, das ihn zur Bewältigung der figurenreichen Schlachten- und Panoramabilder befähigte. Seine treffsichere Zeichen- kunst, die er mit Leichtigkeit ausführte, stellte er in früheren Jahren auch in den Dienst der Illustration.

Stadtbaurat Professor Dr. Grass el vollendete Modell und Pläne zu einer neuen protestantischen Kirche in München, die am Valleyplalz als Friedenskirche ent- stehen soll. Der Architekt lebte sich ganz ein in den Stil der altprotestantischen Saalkirchen. Unter Verzicht- leistung auf eine Chornische stellt er hinter den Altar an die schrägabgeschnittene Wand die als Schmuckstück gedachte reichgeschnitzte Kanzel. Um nach außen den für uns gewohnten Kirchencharakter zu bewahren, be- nutzt er einen chorähnlichen Anbau zur Unterbringung des Konfirmandensaals und der karitativen Zwecken dienenden Räumlichkeiten. Das Innere, ein Rechteck mit abgeschrägten Ecken, erhält durch seine Schachtel- form, die Kassettendecke, die verzierten Zwickel zwischen den Pfeilern und die Fassungen einen warmen Ton.

BÜCHERSCHAU

Kalender Bayerischer und Schwäbischer Kunst 1916 von Joseph Schlecht. München, Gesell- schaft für christliche Kunst G. m. b. H. (F. Bruck- mann A -G.)

Wiederum zieht Joseph Schlechts «Kalender Bayerischer und Schwäbischer Kunst« in die Lande und erobert sich die Herzen jener, die mit ganzer Seele an heimathcher Kunst und heimatlichem Boden hängen. Heuer ganz besonders ! Nicht bloß, weil der gegenüber anderen Jahren vermehrte Umfang und rei- chere Bilderschmuck die ungels ochene Spannkraft des deutschen Geisteslebens auch nach dieser Richtung. hin zum Ausdruck bringt, sondern vor allem deshalb, weil es die Absicht des verdienten Herausgebers ist, »künftig auch die Volkskünste mehr als dies bisher geschah, zu berücksichtigen. Unsere Wohnhäuser mi Gebirge wie im Flachlande, unsere altbayerischen und schwäbischen Landkirchen, unsere kleinen Museen und Sammlungen bieten Stoff genug hierfür« (S. 22). Möchten die für dieses Mal noch etwas schüchternen Versuche, auch die Volkskunst in Schlechts Kunstkalender heimisch zu machen, von selten der Fachleute tatkräftige Unter- stützung finden! Schade, daß Max Hoefler nicht mehr lebt, er hätte dem Herausgeber für diesen trefflichen Gedanken mit beiden Händen gedankt und ihm für diesen Plan die ganze Liebe seines Herzens und die

ganze Kraft seines Geistes geliehen. Ein dankenswertes Objekt für solche Bestrebungen wäre z. B. die meines Wissens nach dieser Hinsicht noch nicht ausf^ebeutete reichhaltige Kunstsammlung des im vergangenen Jahre verstorbenen Bezirksgeometers Staudinger in Tölz. Unter den Beiträgen nennen wir im einzelnen den aus Phil. M. Halms Feder stammenden Artikel »Aus Belgien« (S.5— 5), der den Spuren des Kunstsinns Max Ema- nuels in dem nunmehr eroberten Belgien nachgeht. Von Hans Karlinger stammt »Ein romanisches Wand- gemälde aus Kloster Prülening« (S. 5- 7), von Otto H artig »Der Ehrenspiegel des Hauses Österreich« (S. 8 - 9). Unser ganz besonderes Interesse erregt Richard Wiebel mit seinem Aufsatz über »Irsee« (S. 12 14). Wer je einmal die Kanzel der Irseer Klosterkiiche in ihrem originellen Aufbau gesehen hat, in dem wird der Wunsch lebhaft werden, es möchte doch auch in unseren modernen Kanzelbau etwas mehr Geist hineinfahren. Die Kanzel ist doch mehr als Kiste und Deckel ! Wenn übrigens der Besucher Irsees seinen Weg nicht über Leinau, sondern die alte Reichs- stadt Kaufbeuren nimmt, dann entdeckt er in dem sonst an alten Kunstschätzen nicht gerade reichen Städtchen doch auch ein Kleinod : die in ihrer baulichen Anlage wie in ihrem Bilderschmuck gleich originelle Blasius- kirche. Vielleicht bringt sie der »Kalender« im näch- sten Jahre!? Vom Herausgeber selbst stammen die beiden Abhandlungen »Bernhard Strigel und Hans zu Schwaz« (S. 9 11) und »Roman Anton Boos«(S.2i). Von der in ihrer Anlage sehr alten Kirche »St. Kassian in Regensburg« (S. 19 21) berichiet J. A. Endres. Felix Mader verfolgt die Tätigkeit des »Dominikus Zimmermann in Würzburg« (S. 14 16). Ad. Feul- ner berichtet über die prachtvolle Klosterkirche von »Zwiefalten« (S. 16 19), ein Werk des Johann Michael Fischer. Auf wenig Seiten viel Genuß ! Das ist das beste, was man von Kunstpublikationen sagen kann.

Bamberg. Ludwig Fischer

Altf änkische Bilder 1916 mit erläuterndem Text von Dr. Theodor Henner. Herausgegeben und ge- druckt in der Kgl. Universitätsdruckerei H. Stürtz A.-G., Würzburg.

Im 22. Jahrgang liegt der »Altfränkische Kalender« unter welchem Namen sich die »Altfränkischen Bilder« weit über Frankens Gauen Freunde erwarben, vor, trotz allen durch den Krieg gebotenen Hemmnissen und dem Tod seines Begründers, ^^'ie der Herausgeber im Vor- wort, so gedenken auch wir schmerzlich des Todes (29. Juni 191 5) des Geh. Kommerzienrats Dr. Heinr. Stürtz, der mit dem Kalender eine vorbildliche Einrich- tung schuf, ohne dabei, wie es bei ähnlichen Unter- nehmungen meist der Fall zu sein pflegt, die geschäft- lichen Interessen in den Vordergrund zu stellen. Wir freuen uns daher, die »Bilder« trotz dem Tode des Be- gründers durch das Verdienst Dr. Henners im alten Rahmen begrüßen zu können. Die Umschlagbilder nehmen unauffällig und doch wirksam auf die rauhe Jetztzeit Bezug in den »Segnungen des Friedens«, wie sie der Einband der Beurkundung über die letztvoll- zogene Wahl eines AX'ürzburger Fürstbischofs (1795) enthalten, und einem Landsturm-Reitersmann von Anno 1814. Von dem eigentlichen Inhalt und reichen kunst- und kulturgeschichtlich interessanten Bildermaterial mögen wir vor allem auf das »ostfränkische Herzogs- schwert« von ungefähr 1460 sowie die Artikel »Bay- reuth« und »Creußen« verweisen. In »Aug. Geist« tauchen die Erinnerungen an die Zeit König Ludwigs 1. auf, unter dessen Einfluß auch dieser Landschaftsmaler stand. w. z.

Für die Redakti

-rlich ; S, Staodhai

BEILAGE

WERKE VON TH. BUSCHER. KUDERAUSSTELLUNG

NEUE WERKE VON THOMAS BUSCHER

r^as kleinere Portal der Nordfront der Mün- '-^ ebener St. Paulskirche hat durch zwei, im Dezember vorigen Jahres aufgestellte lebens- große Statuen, die Professor Thomas Buscher angefertigt hat, eine hervorragende Zierde erhalten. Dargestellt sind Kaiser Heinrich II. und seine Gemahlin Kunigunde. Des ersteren Antlitz ist mit freier Aultassung jenem ange- ähnelt, welches die Statue des Kaisers am Portale des Bamberger Domes zeigt, jedoch individueller; die Augen haben einen etwas müden Ausdruck, wie die jemandes, der schwere Gedankenarbeit verrichtet. Vom Schei- tel fließt das lockige Haar hernieder, der Bart ist kurz und leicht gelockt. Der Kaiser steht, wie auch die Kaiserin, in ruhiger Haltung da. Auf dem Haupte trägt er die Krone, über dem Untergewande den schweren, in ruhigen, schönen Falten fließenden Mantel, der am Halse durch eine Schnur zusammengehalten wird und über den Armen prächtig drapiert ist. Die rechte Hand hält das Szepter schräge vor der Brust, die Linke den Reichsapfel. Das Antlitz der hl. Kunigunde, die auf der (vom Beschauer) rechten Seite des Portalvor- baus steht, ist des Künstlers freie Eingebung; es zeigt frauenhaften, reinen und edlen Aus- druck. Das Haar ist in zwei dicken Flechten angeordnet, die wulstig die Ohren bedecken. Mit beiden Händen hält die Kaiserin das Modell des Bamberger Domes. Auch sie ist gekrönt. Über dem Untergewande trägt sie eine ärmellose Jacke, deren längliche, unten zugespitzte Form dazudient, die Figur schlanker erscheinen zu lassen; außerdem einen Mantel, der aufgeraff't und unter dem rechten Arm eingeklemmt ist, während über dem linken Arm ein Bausch hängt; die Anordnung be- wirkt, daß der Stoft' vor der Mittelpartie eine schöne Biegung macht. Überhaupt zeichnet sich die, Figur durch einen Linienschwung aus, der bei aller monumentalen Ruhe leichte Anmut besitzt und zu der größeren Wucht der Kaisergestalt gleichzeitig den Gegensatz und die Ergänzung liefert. Die Formengebung entspricht dem Stil der Kirche, deren Gotik sich der des 14. Jahrhunderts anschließt. Das Material ist Sandstein. Er zeigt leichte hellgelbliche Tönung und die Figuren wirken daher warm vor dem grauen Hintergrund der Architektur. In der Nähe betrachtet, er- weisen sie sich als zart polychromiert, wie es etwa solche älteren Statuen sind, deren ursprüngliche Bemalung seit langer Zeit atmo-

Die clitistliclie Kunst. XII. 8. t. Mai I916

sphärischen Einflüssen ausgesetzt war. An den Gewändern findet sich grünlicher und rötlicher Anhauch, die Lippen und Augen sind ganz leicht gefärbt, ebenso des Kaisers Haare; die der Kaiserin sind zart vergoldet, auch das Szepter, der Reichsapfel, die Kronen, die gestickten und befransten Gewandsäume. Der Eindruck ist vornehm und wohltuend. Die Sockelkonsolen sind aus grauem Kalk- stein und mit je einem musizierenden Manns- figürchen geschmückt, welches nach mittel- alterlicher Auffassung ein sinnbildliches, profan scheinendes Gebilde ist.- ^'.Doering

ren£ kuder-ausstellung;

Jn den Räumen der Gesellschaft" für christliche Kunst wurde am 14. Februar eine für einige Wochen be- rechnete Ausstellung von Werken Rene Kuders eröffnet. Unsere Zeitschrift hat die Persönlichkeit und das Schaffen dieses Künstlers im heurigen Februarhefte besprochen und eine Anzahl Kuderscher Arbeiten abgebildet, auch auf frühere Gelegenheiten hingewiesen, wo Wort und Bild ihm gegolten haben. So ist für den Leser dieser Zeilen eine Grundlage geschaffen, um sich von der Aus- stellung einen Begriff' machen zu können. Natürlich kann durch jene Dinge die Anschauung der Originale nicht ersetzt werden. Erst sie geben die rechten Auf- schlüsse, erst ihre Anzahl vermittelt auch eine Vorstel- lung von dem Fleiße und der äußeren künstlerischen Leistungsfähigkeit dieses jungen Mannes, der als fertiger Meister an die Oeffbntlichkeit zu treten vermochte, als ein Künstler,dessen Talente solche Könner wie Arthur Kampf und Max Liebermann gleich auf die erste Probe hin Aner- kennung zollten. Seine Ausstellung war geeignet, die Vermutung zu rechtfertigen, man werde ihn jenen Meistern einst gleich schätzen müssen. Schon jetzt dürfen wir sagen, daß wir an ihm einen der ganz Bedeutenden unter den Modernen besitzen. Gehoben von Lebhaftigkeit unbefangenen Empfindens; darauf be- dacht, dies frisch, aufnähme- und ausdrucksfähig zu er- halten; belebt von Wärme des Gefühls; ausgerüstet mit Schärfe eindringlicher Beobachtungsgabe und mit der Fähigkeit, und dabei mit der Gewissenhaftigkeit, seine Beobachtungen kennzeichnend, treffend, überzeugend wiederzugeben ; erfüllt von der Begeisterung für die Schönheit und von Ehrfurcht vor der Wahrheit so er- greift Kuder seine Gegenstände, so zeichnet und malt er sie. Die Ausstellung zeigte ihre Fülle, und auch die eine starke Wurzel, aus der diese erwächst: das Natur- gesetz. Indem Kuder diesem nachgeht, es in den Er- scheinungen zu ergründen sucht, gelangt er dazu, es zu verstehen und auszulegen. So läßt er den Geist der Landschaft in einfacher, stiller, ergreifend großer Sprache zu uns reden. Auf kleinem Räume mächtige Linien und Flächen, redende Farben. Und noch eins: Der Heimatsgedanke I Er erfüllt diese Werke für uns mit Leben und Wahrheit; das verbürgt, daß er es auch für andere Zeiten und Menschen tun wird. Man denke an die Heimatkunst der alten Niederländer. L^eberhaupt : jede echte Kunst ist Heimatkunst. Wörtlich genommen wählt Kuder für seine .Landschaften die Motive seiner Heimat, das Elsaß stammt er doch aus der Gegend von Schlettstadt. Die Bearbeitung dieser Motive ist in seinen Bildern teils Selbstzweck, teils dient sie zur Ge- staltung der Oertlichkeiten und Hintergründe für figür- liche Darstellungen. Die Landschaften von Kuder sind für mich fast das Schönste von allem, was er bietet.

WIENER KUNSTSCHAU IN BERLIN. VERMISCHTE NACHRICHTEN

Und doch unterliegt keinem Zweifel, daß die figürlichen Werke diesen ebenbürtig sind. Ich verweise bei allem, was ich hier mit Hinblick auf die Ausstellung sage, auf die Abbildungen des Hebruarheftes ; die Vorbilder zu ihnen waren sämtlich dort zu sehen. An manchen figürlichen Werken zürn Teil auch anderen möchte man Anflug französischen Wesens bemerken. Das liegt am Gegenstande, der in Frankreich gefunden worden ist, am Tvp des dortigen Volkes und seines »MiUeus«. Kuder fesselten Gestalten, Gruppen, Vorgänge in Paris, er sah einen Jahrmarkt, eine Versteigerung und der- gleichen dort; er ließ die Straßen- und Uferbilder auf sich wirken; und dies alles hielt er mit der ihm eignen Wahrheitsliebe fest, charakteristisch durch und durch. Das Verständnis für die französischen Motive war ihm, dem Elsässer, leichter erreichbar, als mancher andere es sich aneignen könnte. Wo Kuder deutsche Anregungen benutzt, zeigt sich sofort, daß jener fremde Anflug nur Aeußerlichkeit ist. Schon seine Landschaften können hierüber völHg beruhigen. Wem sie in dieser Hinsicht nicht genügen, der betrachte die Zeichnungen, die Kuder gegenwärtig selbst Soldat inmitten des Kriegs- getümmels zu schaffen imstande ist. Sie lehren, wie er mit innerlichster .Anteilnahme die Regungen des deut- schen Gemütes mitfühlt, sie als seine eigenen erkennt und so ihnen Form gibt. Sie lehren auch, daß Kuder ein Zeichner ist und was für einer I und daß die Farbe, so hoch er sie einschätzt, ihm doch weder be- rechneter, noch seinen künstlerischen Willen benebeln- der Hauptzweck ist. Auf dem Zeichnen zu beruhen, war aber allzeit eins der Merkmale deutschen Kunst- schaffens. Ganz und gar deutsch endlich ist die Art seiner religiösen Bilder. Seiner Bergpredigt zum Bei- spiel, oder seiner Brotvermehrung. Nur wer deutsch fühlt, schildert Menschen in dieser Art, malt den Hei- land so göttlich-menschlich zugleich, so erhaben und dabei einfach, ohne Pose und gibt dem Vorgange unbe- fangen den Hintergrund, aus dem der Berg der Hoch- königsburg aufragt. Doering

D

WIENER KUNSTSCHAU IN BERLIN

Von Dr. Hans Schmidkunz (Berlin-Halensee)

as neue Haus der Berliner Secession beherbergte im Januar und Februar d. J. eine kleine Ausstellung von Gemälden und Zeichnungen wienerischer Künstler. Dem örtlichen Kenner sagte sie schwerlich Neues. Der >Pompfineber«-Stil, den der Umschlag des Kataloges zeigt, wiederholt sich allerdings nicht sehr in den Kunst- werken selbst, die ja diesmal kaum etwas eigenthch Dekoratives enthalten. Hofl'entlich aber meint niemand, hier eine die große Kunststätte kennzeichnende Gesamt- ühersicht zu finden : einige erfolgreiclie Schöpfer von Atelier-Spezialitäten machen noch kein Wien.

G. Klimts Lokalruhm ist nun durch den des jüngeren O. Kokoschka ergänzt. Der Typus, den jener durch seine schmuckartigen Phantasien geschaffen hat, wieder- holt sich jetzt durch Gemälde wie »Der Tod und die Liebe« ; ein Kinderbildnis scheint uns das Beste zu sein; von seinen Zeichnungen enthalten viele nicht viel mehr, als was ein unreifer Pubertätsdrang auf verschwiegenen Wänden phantasiert. An diesen Virtuosen eines Damen- spieles erinnert u. a. durch die gehäufte Komposition M. Kurzweils >Der traurige Prinz<, doch trotz einiger Künstelungen mit reicherem seelischem Gehalt. Kokoschkas Geschicklichkeit der Herausarbeitung von Formen eines Trauer-.Ausdruckes aus Grundlinien von leise geometrischer (z. B. rautenförmiger) .'\rt bewährt sich in seinem Gemälde »Heimsuchung«; ein Portr.ät unter seinen Zeichnungen ist erfreuliclier als seine ge- malten Bildnisse mit den überforcierten Händen. Auch

ihm tritt ein weniger künstelnder Aehnhcher zur Seite, der hier wohl neue A. Kolig; ein Gemälde »Frau mit Blumen« fällt günstig auf.

Gleichfalls ein Neuer ist A. Faistauer. Er besitzt eine braune Farbenart nicht die brühige der Epigontn des Altdeutschen, vielmehr eine mehr in's einzelne durch- arbeitende, die seine Akte, Stilleben usw. zu einem be- merkenswerten Gegensatz gegen die moderne Hellmalerei macht. Zwei Landschaften von ihm gelten dem Donau - Städtchen Dürnstein; und dieses sowie überhaupt die stets beliebter werdende altschöne Wachau hat es auch anderen Künstlern angetan: einem B. Löffler und einem C. Moll, der (in einem analogen Verhältnis, wie es anderswo zwischen Leistikow und seinen Genossen besteht) mit still sinnigen Landschaften dem sonstigen Forte des Sezessionswesens ein Piano gegenüberstellt. Die verspreizte Dekorationsweise K. Mosers tritt in ein paar darstellenden Gemälden wohl nicht nach jeder- manns Geschmack hervor, in einigen Landschaften ge- schmackvoller zurück.

Denken wir uns mehrere der bisher angedeuteten Künstelungen so zusammengehäuft, daß man wieder »Weniger wäre mehr« rufen möchte und man hat die wahrlich nicht sehr motiviert erscheinenden Gemälde »Entschwebung« u. dgl. von E. Schiele. Zu dem, was man ein gynäkologisches Malheur nennen möchte, trägt H. Fischer bei; unter seinen Zeiclmungen sind zum Teil gute Porträts.

Wer sich für weitere moderne Malkniffe interessiert, wird etwas Besonderes vielleicht nicht an den Gelbbraun- Studien F. Andris, wohl aber an dem finden, was »Schwellf.irben« heißen mag und diesmal von P. Gü- tersloh vertreten wird: auf je einem Flächenstück fängt die Farbe am Rand mit geringer Sättigung an und steigert sich gegen die Mitte zu crescendo, decrescendo. Gütersloh bringt aiich eine Madonna, in Formen, als wäre sie aus dem Stein eines Kreuz- ganges herausgewachsen.

Wieder eine andere Koloritweise ist eine Art Auf- lösung und EntSättigung der Farben bei F. A. Harta, einem gleichfalls noch kaum Bekannten. »Der Krieg« und an das erinnernd, was oben zu Schiele be- merkt wurde eine »Vision« werden vielleicht noch berühmt; eher möchte man's dem Gem.älde »Jakob ringt mit dem Engel« gönnen. Unter Hartas Zeichnungen usw. befindet sich eine Radierung, Christus am Kreuz mit Maria und Johannes darstellend, die das heute .so beliebte Formenspiel kräftiger Strahlungen benützt. Reichhahige Graphiken, teils Tiere, teils Kinder vom Balkan u. dgl. darstellend, zeigt L. Jungnickel, von dem auch ein Gemälde jUeberschwemmung« auffällt; und E. Lang gibt in Holzschnitten mit Weiß_ auf Schwarz Architekturen sowie Svmbolistisches.

VERMISCHTE NACHRICHTEN

Mosaik von Joseph Huber-Feldkirch. Am 4. März wurden die in den vorhergegangenen Wochen eingesetzten Mos.aikbildcr der Chorapsis der Pfarrkirche St. Mechtern zu Köln-Ehrcnfeld der Kirche feierlich über- geben. Sie sind im Auftrage des Kunstvercins für Rheinland und Westfalen unter Mitwirkung der Ge- meinde entstanden. Den oberen Teil der Apsis nimmt das Brustbild Christi ein, im mittleren Teil zieht sich ein Streifen heiliger Märtyrer hin.

Die Kuder-Ausstellung im Ausstellungsraum der D. Gesellschaft für christliche Kunst in München wurde von S. M. dem König Ludwig und von S. K. II. Prinz Johann Georg von Sachsen besucht.

VERMISCHTE NACHRICHTEN

Lübeck. Museumsdirektor Dr. Schäfer schlug in den »Lübeckschen Blättern« vor, die nicht mehr für den Gottesdienst verwendete Katharinenkirche in eine Kriegsgedächtni.shalle umzuwandeln. An der Stelle, wo ehemals der Hauptaltar gestanden sein mag, solle ein kirchlich gestimmtes Werk der Plastik errichtet werden, das den Opfermut der Zeit zum Ausdruck bringe. Die Fenster sollten Glasmalereien, die Wände und Pfeiler plastische Bildwerke, Gemälde und Wappen- tafeln erhalten. Also eine Idee, deren Verwirklichung seit langem für die neue Maximilianskirche in München geplant ist.

Hans Huber-Sulzetnoos hat ein Altargemälde für die neue katholische Pfarrkirche von Köln-Zollstock vollendet; das Werk ist für einen der Seitenaltäre be- stimmt. Es ist als Triptychon gestaltet ; in der Höhe erhebt es sich mit seiner geschnitzten Bekrönung bis zum Gewölbe. Der Mittelteil zeigt die hl. Familie in Nazareth. St. Josef ist im Freien damit beschäftigt, einen B.ilken mit der Säge zu bearbeiten, der Jesusknabe hilft dem Nährvater rüstig dabei. Im Hintergrund sieht man Maria aus dem Hause hervortreten, um den Arbeiten- den Früchte zur Erquickung zu bringen. Das landschaft- liclie Element kommt besonders stark zur Geltung: Ein grolier Apfelbaum mit schon herbstlich vergilbendem Laube spendet im Vordergrunde Schatten; weiter hinten überblickt man grüne Wiesen und Hügel ; blaue Berg- ketten bilden den Abschluß in der Ferne. Der Hinter- grund des Mittelbildes setzt sich in beiden Flügeln fort, rechts mit der Berglandschaft, links mit dem Hause; auch der bearbeitete Balken ragt noch ein Stück weit in das rechte Flügelbild hinein. In jedem Flügel sieht man die Figur eines stehenden Engels, welcher, der Gruppe des Mittelbildes zugewandt, mit dieser in stiller und inniger Beziehung steht. Der Engel des linken Flügels spielt Geige, der des rechten verharrt in Be- wunderung und Verehrung. Bei aller Feierlichkeit fehlt doch beiden Engeln ein hieratischer Zug; so wird die Einheitlichkeit der Auffassung gewahrt, und das gesamte Werk behält etwas menschlich Ansprechendes nach der Art, die in alter deutsclier Kunst Cranach, Altdorfer u. a. und auch bei neueren (L. Richter) so freund- liche Wirkungen ausübt. Die Außenseiten der Flügel zeigen Bemalung mit üppig blühenden Tulpen, Mai- blumen und stilisierten wilden Rosen vor dem Hinter- grunde blauen Himmels. Die Ausführung ist in Tempera und Ol erfolgt. Die Farben zeigen reiche und harmo- nische Skala ; besonders das lichte Kolorit der Gewänder und Flügel der Engel hat etwas überraschend Zartes, Lyrisches. Beherrschend wirkt das lebhafte Rot des Josefsgewandes. Es dient vor allem dazu, dem Bilde eine kräftige Fernwirkung zu sichern. Die Sorgfalt der Zeiclinung tritt überall hervor. Das Werk zeigt Rahmung in Natureiche; es besitzt eine niedere Predella mit 'geschnitzten und vergoldeten Zierden und einen Aufsatz von ebenso behandeltem Weinlaub ; in einem von Strahlen umgebenen Medaillon erscheint die Halb- figur Gottvaters. noering

Ein Denkmal des Weltkrieges in Österreich. Während die mancherlei .Ausstellungen der jüngsten Zeit sich mit mehr oder weniger Erfolg meist leider das letztere die Aufgabe stellten, Entwürfe von Denk- mälern und Gedenksteinen für die gelallenen heimat- lichen Helden des großen Krieges sowie Zeichnungen machtvoller Erinnerungsbauten der Allgemeinheit ver- traut zu machen, hat der Wiener Künstler Professor Josef Reich in monatelanger Arbeit ein Denkmal des Weltkriegs geschaffen, in dem Gotteshause der kleinen Stadt Mistelbach in Niederösterreich. Die Bilder führen die Geschehnisse des gegenwärtigen Weltkrieges

in allegorischer Form vor Augen. Wir geben hier den gedanklichen Inhalt von zweien dieser vielfigurigen Kompositionen. Das erste iNot und Hilfe< wird von drei Gruppen gebildet. Rechts die martialischen, dü- steren, haßerlüllten Physiognomien der Feinde, deren Gestalten meist den wilden Hilfsvölkern ferner Gestade entnommen scheinen. Links eine flüchtende Familie, von der besonders die Figur der Mutter mit ihrem um Hilfe zum Himmel flehenden Blick warm und lebens- wahr empfunden ist. Über diesen beiden Gruppen erblickt man die Schar der Erzengel darunter Sankt Michael und den heiligen Martin (den Patron der Mistel- bacher Kirche), welche sich mit flammenden Schwertern den Feinden entgegenwerfen. Ein Engel trägt das Me- daillon mit den Bildnissen der beiden Kaiser Franz Josefund Wilhelms II. , zwei weitere Engel beschützen die Wappen Deutschlands und Österreich-Ungarns. Ganz links erblickt man den Friedensengel mit lang herab- wallendem Schleier, welch letzterer sich fürsorglich um die Gestalten der Flüchtlinge breitet. Das zweite Gemälde zeigt in seinem großen Figurenreichtum »Mär- tyrer und Opfer.« Im Mittelgrunde tlu'ont Maria, die Königin der Märtyrer, mit Rosen geschmückt, über ihr schwebt ein Dornenkranz, umgeben von einer Reihe kleiner Engel. Zur Linken Marias kniet das ermordete Thronfolgerpaar. Die Herzogin von Hohenburg hält ihr jüngstes Kind in Händen und weist einen sterbenden Krieger, der von einer Pflegerin betreut wird, auf die Gottesmutter mit ilirem überirdisch verklärten Schmerz hin. Der linke Teil des Bildes zeigt eine Anzahl kniender Kriegtr: einen alten Tiroler Schützen, einen gereiften Mann und eitren Jüngling, der in seinen Armen eine Fahne hält. Überragt wird diese Gruppe von der ehr- würdigen Gestalt Pius X., der segnend seine Hände über sie breitet. In Mitte des Bildes huldigen junge Mädchen der Gottesmutter, im Hintergrunde spielt eine Scliar kleiner, herziger Kindergestalten als Symbohk für den bethlehemitischen Kindermord. Wieweit es dem Künstler gelungen ist, die Überfülle literarischer Ge- danken über den Illustrationsstil hinaus zu monumentaler Gestaltung zu bringen, wird erst eine etwas fernere

Zukunft feststellen. Richard Riedl.

Ars Sacra. Verein zurFörderung religiöser Kunst, E.V., Köln. Der Verein Ars sacra, der den Lesern dieser Zeitschrift durch seine Ausstellung in der Dorf kirche der Deutschen Werkbundausstellung Köln 1 9 14 bekannt ist (vgl. XI. Jahrgang Seite 49 57), hielt am 7. Februar in der Kölner Bürgergesellschaft seine Jahres- haupt versam ml ung ab, welche von Geistlichen, Künstlern und sonstigen Kunstfreunden gut besucht war. Der Vorsitzende Dr. Huppertz gab einen Bericht über das verflossene Vereinsjahr, dem wir folgendes entnehmen. Im Zeichen des Weltkrieges ist der Verein in das Jahr 191 5 eingetreten, und in demselben Zeichen hat er leider auch dieses Jahr, das vierte Vereinsjahr, beschließen inüssen. Bedeutet der Krieg nun auch für die Kunst einen beklagenswerten Schlag, so hat er sie doch anderseits vor eine besondere Aufgabe ge- stellt, und diese Aufgabe hat ausschließlich die Tätig- keit des Vereins Ars sacra im verflossenen Vereinsjahre bestimmt, nämlich die Schaff'ung künstlerischer und in unserem Falle auch, den Zielen des Vereins entsprechend, religiöser, christlicher Kriegsgedenkzeichen. Nach Vor- beratungen noch im Jahre 1914 wurde in der ersten Versammlung des Jahres 191 5 eine Ausstellung christlicher Kriegsgedenkzeichen beschlossen. Die Ausstellung wurde am i. Juni im Lichthofe des Kölner Kunstgewerbemuseums mit einer zweckentspre- chenden Ansprache des Vorsitzenden an die erschiene- nen Geistlichen, Künstler und andere Kunstfreunde er- öfl'net. Vorher waren an rund 2400 Geistliche der

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Erzdiözese Köln Einladungen zur Eröffnung bezw. Be- sichtigung der Ausstellung nebst einem reich illustrier- ten und einem vom Vorsitzenden verfaßten Aufsatze >Der Krieg und die christliche Kunst« versandt worden. Da ein wesentlicher Teil der 'dem Verein angehörigen Künstler zum Heeresdienst einberufen war, wurde die Ausstellung von nur i6 Künstlern, jedoch mit über 1 50 Entwürfen zu liünstlerischen Kriegsgedenkzeichen aller Art beschickt. Nach Inhalt und Anordnung war sie sehr gefällig und anregend. Zweck der Ausstellung war in erster Linie, die Geistlichkeit von einer über- eilten Beschaffung unkünstlerisclier Erinnerungsmale für gefallene Krieger zurückzuhalten und ihre Aufmerksam- keit auf echt künstlerisches Schaffen zu lenken. Eigent- liche Auftrage wurden, wie es auch im Vorwort zum Prospekte hieß, auch im Interesse der im Felde stehen- den Mitglieder, erst nach Friedensscliluß erwartet. Dennoch sind als Wirkung der Ausstellung schon an- sehnliche, unerwartete Aufträge erteilt, weitere in Aus- sicht gestellt worden, und zwar auf Gedächtniskapellen, Kapelleneinbauten in Kirchen, Denkmäler und Gedenk- tafeln, Wandmalereien, Mosaiken und Glasgemälde, ferner auch Aufträge auf andere, nicht auf den Krieg bezügliche Werke der christlichen Kunst, vor allem an solche Künstler, welche die Ausstellung gut und reich beschickt und den Prospekt mit Illustrationen ausge- stattet hatten. Diese Tatsache zeigt deutlich, welcher Wert Ausstellungen und illustrierten Publikationen bei- zumessen ist. Die Ausstellung wurde am 15. Septem- ber geschlossen. Es liegt nahe, dieselbe nach hoffent- lich baldigetn Friedensschlüsse in vermelirter und ver- besserter Auflage zu wiederholen.

Noch eine erfreuliche Wirkung der Ausstellung ist der Beitritt vieler neuer Mitglieder zum Verein. Ein Verlust von Mitgliedern infolge des Krieges ist bisher nicht zu verzeichnen; dagegen starb, am 3. Juli Bild- hauer Hubert Menniken, der an der Berliner Aka- demie ein Meisteratelier innehalte. Schon allein die Arbeit, welche er in der Dorfkirche der Werkbund- ausstellung zeigte, eine Pietä in Bronze (Abb. a. a. O. Seite 56), genügt zu der Feststellung, daß wir den Tod Mennikens als eines tüclnigen christlichen Künstlers beklagen dürfen. Er entstammte der aus der Blüte der Raerener Steinzeugkunst bekannten Künstlerfamilie Menneken. Ehre seinem Andenken ! Für das neue Vereinsjahr wurde durch Zuruf der bisherige Vorstand wiedergewählt; ihm gehören an Dr. A. Huppertz, Geistl. Rektor, Vorsitzender, Heinrich Renard, Architekt B.D. A., Erzdiözesanbaumeister, stellvertr. Vorsitzender, Jos. Klee- fisch, Kgl. Hofgoldschmied, Kassenwart, Simon Kirsch- baum, Bildhauer, Schriftführer, Prof. Georg Grasegger, Bildhauer, Johannes Osten, akad. Maler, Theodor Roß, Architekt B. D. A., Stadtverordneter. Für Herbst 1916 wurde die Veranstaltung einer Ausstellung'fch ri st- licher Kunst in Köln beschlossen.

Bücherschau;

Kämpfe. 15 Originallithographien von Josef Eberz, Druck der graph. Kunstanstalt Haufler und Wiest, Stutt- gart. Das Titelblatt zeigt unter den ausgebreiteten Fittigen des deutschen und des österreichischen Adlers die Grtrppe eines gefallenen Kriegers und einer Trauernden. Dann folgen die Blätter: i?wei .Mütter, Schrecken, Verband- platz, Neue Gräber, Sterbender Krieger, Klagende Frauen, Vereint, Trauernde, Heimatlos, Einsames Sterben, Ka- meraden, Pflegerinnen, Betender Soldat, Geschändet, Die Eltern. Die Blätter sind aus tiefer Empfindung geboren. Wie bei seinen sonstigen .-Xtbeitcn bedient sicli der Künstler auch hier der expressionistischen Ausdriicks- weise, die dazu dienen soll, durch Vernachlässigung der

Einzelformen, durch Steigerung der Gebärdensprache und Einhaltung gewisser enggezogener Regeln für die Linienführung den geistigen Gehalt allein herauszuarbeiten. Auf diesem Wege unterliegt man jedoch der Gefahr, unverständlich zu werden, den Eindruck gesuchten oder unvermögenden Stammeins zu erwecken und all- mählich in Eintönigkeit, in eine formale und geistige Zwangsjacke, vielleicht in Verwilderung zu verfallen. Trotz den aus der »Richtung« hervorgehenden Be- engungen, von denen sich auch vorliegende Blätter nicht frei halten, weiß Eberz vermöge seiner persönlichen Be- gabung einen starken Eindruck zu vermitteln und wird jenen Beschauern zu Herzen sprechen, die sich geduldig in seine Auffassung hineinleben. Die Technik der Litliographie ist für expressionistische Impressionen sehr günstig und wurde aucli von Eberz gewählt. s. St.

Der Dom des hl. Stephan zu Passau. In Ver- gangenheit und Gegenwart. Ein Beitrag zur Kunstge- schichte Süddeutschlands. Mit Originalzeichnungen des Verfassers. Von Dr. Joh. Ev. Kappel. Lex.-S". (VIT, 193 S.) Preis brosch. in auffallendem Umschlag M. 4.80.

Unsere gewiß nicht literaturarme Zeit ist an gedie- genen Kunstmonographien nicht so ersprießlich, als man es bei der großen allgemeinen Buchproduktivität an- nehmen sollte. Die Spaltung in der Kunstwissenschaft braclite es mit sich, daß entweder historische, das künst- lerische Eingehen auf den Gegenstand vermissende Ar- beiten entstanden, oder rein analytische Abhandlungen, die mit stolzer Verachtung an der geschichtlichen Hilfs- wissenschaft vorübergingen. Eine den Durchschnitt kunstliistorischer Bücher übertreffende, von ebenso großem Forscherfleiß als künstlerischer Einfühlung zeu- gende Arbeit lieferte Dr. Kappel in dem oben aufge- führten Werli, das nach den beiden skizzierten Rich- tungen hin vollauf Genüge tut. Der Verfasser stellt mit Recht die Charakteristik des neuen Domes, dem sein jetziger Baucharakter in der Zeitfolge den Platz hinter die acht bayerischen Schwestern, die Marksteine in der Baukunstentwicklung der deutschen Bischofsstädte, anweist, an den Schluß. Er gewinnt hierdurch einen breiten Raum für die auf Grund eingehender Studien in den Archiven zu Passau, München und Landsliut und nach persönlichen Forschungen im Innenraum, über den ausgedelmten Gewölbeanlagen, sich ergebende bauge- schichtliche Darstellung, die auch nicht versäumt, inter- essante Streillichter auf die Ortsgeschichte zu werfen und diese mit der Landesgeschichte in Einklang zu bringen.

Der Passauer Dom stammt in seiner heutigen Ge- staltung aus jener Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg, als auf die profane sowohl wie sakrale Baukunst des katholisclien Südens Italien befruchtend einwirkte. Neben der Theatinerhofkirche in München (1663/75), St. Florian bei Linz (1686/ 1708) u. a. nimmt die Dom- kirche in Passau eine völlig gleichberechtigte Stelle ein. Die erste Nachricht vom ersten Bau stammt aus der Lebensbeschreibung des hl. Severin von Eu- gippius um 511. Daß die altchristliche Kirche zu Batavis auf dem granitnen Felsplateau der schmalen Halbinsel zwischen Donau und Inn auf dem Prätorium des römischen Lagers stand, nimmt Kappel als selbst- verständlich an. Unter Tassilo III. fand um 768 eine Erweiterung der Basilika in bescheidenen Ausmaßen statt, deren Fundamente noch erhalten sein könn'en. Nach dem wütenden Stadtbrand vom 21. Mai ti8i begann sofort die Wiedererhebung des ausgebrannten Domes, dessen Hauptanlage sich wie später im 17. Jalir- hundert erhalten hatte. Mit längeren durch kircliliche und politische Verhältnisse bedingten Unterbrechungen erstreckte sich die Erweiterung, für die das Jahr 1254 einen Wendepunkt bedeutete, auf das 14. Jahriiundert, in dem die ausgedehnte Anlage der jetzigen Kirche

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erwuchs. Die zweite Veränderung brachte kein Natur- ereignis, sondern die seit der Wende des 15. Jahr- hunderts in Deutschhmd eindringende Gotik, die im 15. Jahrhundert ihren Siegeseinzug in l'assau hielt. 1407 wurde durch Georg von Hohenlohe der Grund- stein zum Neuhau gelegt, den Hans der Krunienauer als Baumeister leitete. Ohne vollendet zu werden, zog sich der Bau an die 150 Jahre hin. Nähere bau- geschichtliche Einzelheiten bei dem allmählichen Wandel der Katliedrale in den spätgotischen Dom lassen sich nur vermutungsweise angeben. Sicher steht fest, daß die ursprüngliche Anlage mit dem erhöliten Mittelschiff" und den niedrigen schmalen Seitenschiffen beibehalten wurde. Der in der Geschichte anderer Städte nur selten in diesem Umfang zu verzeichnenden Brandkata- strophe von 1662 fiel der Prachtbau bis auf das Mauer- werk zum Opfer, das am Fronleichnamstag desselben Jahres größtenteils unter donnerndem Getöse einstürzte. Mit großer Umsicln trug das Domkapitel das über es gekommene Leid. Der Chorbruder Graf von Khuen ließ als Dombaumeister unter den schwierigsten finan- ziellen Verhältnissen die Räumungsarbeiten vornehmen, die vornehmlich der Baumeister M. Wolf Sakra besorgte, der auch unter dem Leiter des neuen Barockdomes Lurago mitarbeitete. Obwohl das Domkapitel, allen Schwierigkeiten trotzend die Wiedererhebung der Kathe- drale in Angriff" genommen hatte, konnte diese doch erst nach einheithchem Plan und Leitung des Fürstbi- schofs (seit 1664) Wenzeslaus Graf von Thun vor sich gehen. .\ls ehemaliger Propst in Scamozzis und Solaris Salzburger Dom berief er" die besten künstle- rischen Kräfte, wie den Baumeister des Thunschen Palastes in Prag Carlo Lurago, die Stukkaturen und Freskomaler Carlone, de AUio, Solati, mit denen Münch- ner, Salzburger und Wiener Meister wetteiferten. Die Dombauhilfe, mit der am 10. Mai 1662 eingesetzt worden war, und eine kurfürstliche Bausteuer brachten es zustande, daß der Fürstbischof mit Lurago, der nicht 167g sondern am 12. Oktober 16S4 zu Passau starb, das erste Geding abschließen konnte. Bereits vor dem abermaligen Brand am 29. Juli 1680, der den Neubau zur Ruine maclite, wurde an der Innenausstattung ge- arbeitet. Stukkateur war Giovanni Battista, nicht sein Verwandter Carlo Antonio Carlone. Unter denkbar ungünstigen Verhältnissen, wie sie allein schon der Türkeneinfall ergab, wurde die Fortsetzung des Baues wieder aufgenommen, so daß dieser am Todestag Luragos soweit seiner Vollendung entgegengeführt war, daß keine neue Oberleitung ernannt zu werden brauchte. Nachdem das Jahr 1803 mit der Säkularisation die Plün- derung der Kirchengeräte, das Jahr 1813 die Nieder- reißung des Kreuzganges gebracht hatte, wurde der Dom von 1840/70 innen und aul3en unter Bevorzugung wirkungsvoller Effekte nach dem damaligen Geschmack >restauriert<. Wie bei der Münchner Frauenkirche ge- meinsam ist, um nur eins zu nennen, die Entfernung des mächtigen kunstgeschmiedeten Eisengitters kamen uns heute barbarisch erscheinende Änderungen vor. In den Jahren 1896/97 setzte Prof Frhr. H. von Schmidt den beiden Türmen ein abschließendes Stockwerk mit Kuppeldachung, entsprechend dem Kuppelmotiv über dem Achtecksaufbau der Vierungskuppel, auf Dieselbe Zeit gab dem Äußern in anderer Beziehung seinen Barock- charakter wieder, der ihm seine Stelle in der Kunst- geschichte angewiesen hatte. Studiert man Kappeis für eine Einzeldarstellung umfangreiches Werk durch, so wird man am Schlüsse doppelt ungern ein Namens- und Sachregister sowie eiri Verzeichnis des reichen Bildermaterials vermissen. W. Zils München

>Neuer deutscher Kalender für das Jahr 1916.« Vom Verein >Heimat« in Kaufbeuren, Preis M. i. .

Die Bedeutung, die dem künstlerischen Wandkalen- der in Bezug auf die Förderung der Geschmackskultur zukommt, ist bedauerlicherweise allzulange verkannt worden, um so mehr dürfen wir uns nunmehr von Jahr zu Jalir über die Zunahme des Interesses auf diesem Gebiete erfreuen. Der Heimat Bund, tier von Kaufbeuren aus seine grünen Hefte ^Deutsche Gaue« verbreitet, und sich unermüdlich bestrebt zeigt, das Verständnis und die Liebe für deutsches, bodenständiges Wesen in Volkskunst, Sitten und Gebräuchen zu er- halten und neu zu beleben, gibt auch alljährlich einen Wandkalender heraus, der ihm als Gabe an seine Mit- glieder dient und im übrigen für M. i. erhältlich ist. >Dem deutschen Volke gewidmet von MaximiHan Liebenwein dem Maler und Christian Frank, dem Schreiber«, heißt es in der Überschrift, und wir können uns alsbald überzeugen, daß wir diesem Zusammen- wirken ein sehr glückliches Ergebnis verdanken. Lieben- wein hat, wie im vergangenen Jahre so auch für 1916, ein stimmungsvolles Titelbild, und zwar diesmal eine Szene aus dem deutschen Freiheitskriege 181 3 beige- steuert, das der opferreichen Gegenwart vorzüglich an- gepaßt erscheint. Die kraftvollen Darstellungen der Sternzeichen für die einzelnen Monate bilden gleich- zeitig die Teilung des Kalendariums in zwei Halbjahre. Außerdem ist das Blatt reich geschmückt durch kleine Signets, die in lapidarem Stile auf die verschiedenen Feiertage des kirchlichen Jahres und historische Bege- benheiten Bezug nehmen.

Christian Frank führt uns innerhalb des Kalendariums die wichtigsten Ereignisse des ersten erfolgreichen Kriegsjahres vor Augen, und schafft dadurch eine Über- sichtlichkeit, die uns bei der raschen Folge bedeutungs- voller Ereignisse ganz besonders willkommen und not- wendig erscheint. Dem schmucken, dekorativ wirksamen Kalenderblatt wäre die weiteste Verbreitung, insbeson- dere auch auf dem mit minderwertigen Erzeugnissen überschwemmten Lande, zu wünschen. Den beiden Autoren gebülirt herzlicher Dank für ihr verdienstvolles,

gemeinsames Werk. FerJ. Nockhcr-AIienbcuem

Kultur- und Kunstströmungen in deutschen Landen. Von Georg Malkowsky. Verlag von George Westermann. Braunschweig und Berlin 191 3. I. Schle- sien in Wort und Bild. Preis kart. M. 6. .

Die früliere Kunstgeschichte hat sich auf ihr eigent- lichstes Gebiet beschränkt und den kulturgeschichtlichen Hintergrund des künstlerisclien Scliaft'ens in ihre Dar- stellung nicht aufgenommen. Sache anderer Kräfte war es, den Kulturerscheinungen auf den Grund zu gehen und jene Methode vorbereiten zu helfen, die inzwischen mit Recht beliebt wurde: die Betrachtung des künst- lerischen Lebens im Zusammenhang mit der Gesamt- kultur. Besonders fruchtbar wird diese Methode bei der Behandlung bestimmter Bezirke. Unentbehrlich ist sie in Publikationen, die als Monographien erscheinen und als solche ein größeres Leserpublikum für sich gewinnen wollen. Sie wurde denn auch für das vorliegende Unter- nehmen gewählt. An erster Stelle wird die schlesische Ostmark behandelt, »weil sie eine deutsclie Kulturgrenze gegen rasseverschiedene Nachbarnationen zu bewahren von jeher berufen war«. Alle deutschen Bundesstaaten sollen folgen.

Wie bei allen derartigen Einzeldarstellungen muß man bei Lesung des vorliegenden Buches bereits eine gewisse zusammenfassende Kenntnis im Gebiete der Kunstge- schiclrte besitzen, um mit Nutzen und tieferem Interesse folgen zu können. Nur dann werden die gebotenen lehrreichen Einzelzüge tiefere Spuren im Leser hinter- lassen. Es läul"t neben der Lokalgeschichte jene der ört- lichen Kunst parallel, aber den schwer in Worte zu fassenden tieferen geistigen Zusammenhang zwischen

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beiden muß der Leser selbst herausfinden, und das wird wenigen gelingen. Einen Anlauf nach dieser Richtung könnte man in den Bemerkungen über den Barockstil vermuten, die aber nicht zutreffen. Wie früher in Kunst- geschichten, so jetzt noch in populären Büchern üblich, wird d.is aus Italien gekommene Barock ohne weiteres für ein Erzeugnis der Gegenreformation, des Jesuitismus, angesehen, eine Darstellung, die manchen Kreisen na- mentlich solange sehr willkommen sein mußte, als man dem Barockstil alle Schlechtigkeiten zuschrieb. Der Barockstil wollte keine triumphierende Fanfare gegen den Protestantismus sein und war es nicht. Hat man nicht gleichzeitig mit Kirchen aucli Schlösser und Pa- läste jeder Art in denselben Formen und mit ähnlichem Schwung und Prunk gebaut? Das reich illustrierte Buch ist geeignet, durch die Abbildungen die Kenntnis eines in künstlerischer Beziehung noch viel zu wenig beachteten und doch so reichen Landes zu verbreiten und in den Schlesiern die Liebe zu ihrer Heimat zu steigern. Der Text ist weniger zuverlässig und nicht von Irrtümern frei. S. Siaudhamer

Das alte Rom. Von Prof. Dr. Otto Richter, Geh. Regierungsrat. Mit einem Bilderanhang und vier Plänen (Preis M 125). Druck und Verlag von B. G. Teubner in Leipzig-Berlin, 191 5.

»Aus Natur- und Geisteswelt, Sammlung wissen- schaftlich-gemeinverständlicher Darstellungen« Dieser Sammlung ist ein Ideines Büchlein entsprungen, das den Titel >Das alte Rom< führt. Ein Spezial- bezw. Fach- buch für Künstler oder Gelehrte soll das Büchlein nicht sein, deren gibt es genügend in dickbändigen Werken mit reicliem Bilder- und Rekonstruktionsmaterial. Nicht leicht war es aber bisher, ein kurzgefaßtes Büchlein über das alte Rom zu finden, welches man beim Stu- dium an Ort und Stelle bequem in der Hand halten kann, um darin nachzuschlagen. Unsere bekannten Füh- rer behandeln alles gemeinsam. Sie geleiten die Frem- den durch die Stadt und beschreiben diese im allge- meinen, ohne auf spezielle Sehenswürdigkeiten, wie z. B. auf die Schätze des antiken Rom, mit sachlicher Gründlichkeit einzugehen. Deshalb ist es zu begrüßen, daß Professor Richter mit einem leicht mitzuführenden Büclilein an uns herantrat, welches uns iäst nur das antike Rom schildert und zur Darstellung bringt.

Das kleine Werk führt uns in Lage und Bodenge- staltung des alten Rom ein, die der Autor mit großer Sachlichkeit aus allen ihm zur Verfügung stehenden Hilfsquellen, bezw. auf Grund eigener Studien und Kri- tik schildert ; dann in die Entwicklungs- und Zerstörungs- geschichte. Er beschreibt das Zentrum Roms, seine Kaiserfora und den Kapitolinischen Hügel. Hier dürfte das Werk vielleicht auf Kosten der etwas zu weit ausgedehnten Geschichtsschilderungen und zwar im Zusammenhang mit dem Forum Romanum die Schön- heit, die architektonische Gruppierung der Tempel- und Bauwerke beleuchten, denn es ist gewiß nicht von Schaden, wenn auch Laien und kunstsinnige Besucher auf den eigenartigen Städtebau Roms, die malerische Lage und Stellung seiner antiken Baudenkmäler zu einem Vergleich mit der Periode des reichgestalteten 16. Jahr- hunderts angeleitet werden. Sehr richtig bemerkt der Autor, daß der Kapitolinische Hügel einst mit Privat- häusern bebaut war. Eingehend beleuchtet er den Pa- latin und beschreibt trefflich alle Einzelheiten, doch auch den Resten der einstigen Monumentalmalereien in den Ruinen, die in ihrer eindrucksvollen Originalität von hervorragender Bedeutung sind, dürfte der Autor einige Worte schenken. Sacra via und Velia sind treff- lich geschildert. Er kommt dann auf die Stadtteile am Tiber zu sprechen, welche gegenwärtig aktuell sind, da viele Änderungen dort vor sich gehen sollen. Weiter

bespricht er die Vorstädte im Süden des Marsfeldes, dann das Marsfeld selbst, namentlich seinen südlichen Teil, wobei er mit großer Liebe das berühmte Pantheon eingehend schildert. Dieses ist in allen seinen Phasen, unter Zugrundelegung der Geschichtsquellen, bis ins 17. Jahrhundert hinein beleuchtet, wobei Richter manche Irrtümer bloßlegte, z. B. jenen über die vergoldeten Erz- balken der Vorhalle, die Urban VIII. abgedeckt und zur Herstellung des Tabernakels in St. Peter verwendet haben sollte. Weiter beschreibt er den nördlichen Teil des Marsfeldes, dann die siebente Region (Via lata), Trans Tiberim, die Tiberinsel, den Osten Roms mit Quirinal und die langgestreckte Bergzunge des Caelius, sowie die Vorstädte an der Via Appia mit den Bau- und Grab- denkmälern.

Dem ausgezeichneten Buche würde es zugute kom- men, wenn das Abbildungsmaterial des alten Rom in einer allenfallsigen späteren Auflage noch vervollstän- digt werden konnte, z. B. an guten und sicheren Rekon- struktionen der Ansichten des Kolosseums und mancher anderer Bilder klassischer Baudenkmäler Roms. Dadurch würde das vorzügliche, leichte und faßliche Buch nicht beschwert, wenn zumal die zahlreichen Schlußblätter, die die vom Verlag herausgegebenen Werke ankündigen, in Wegfall kämen, bezw. verkürzt würden, und an deren Stelle weiteres Abbildungsmaterial treten könnte.

Das Werk empfehlen wir nicht nur allen Reisenden, sondern auch Künstlern und Gelehrten, desgl. Kunst- und Geschichtsliebhabern, die daheim studieren wollen, da es in klarer Übersicht das alte Rom beleuchtet.

Steflen

Ferretti, P. Lodovico, dei Pred., II sepolcro di Pio IX in Roma nell' antico nartece della Basilica di S. Lorenzo fuori le mura. Monografia illustrata. gr. (II u. 116 S.) L. 2.50, Firenze 191 5, Tipogr. Do- menicana.

Kein Rompilger wird, wenn irgend möglich, ver- säumen, das vor den Toren gelegene Heiligtum von S. Lorenzo zu besuchen. Denn dort draußen erwartet ihn in zypressendüsterer Einsamkeit eine Basilika ebenso ehrwürdiger Traditionen, wie wundervoller Innenkunst, dort tritt er in die einzigschöne weihevolle Grabkapelle Pius' IX. Welche Stimmung senkt sich auf den Be- sucher, wenn er niedersteigt zur Krypta vor den schlicht- ernsten, formenfeinen Marmorsarkophag des im Rufe der Heiligkeit verstorbenen Papstes, wenn er dann, um sich blickend, gewahr wird, was Cattaneos und Seitzens Kunst aus diesem einst verschütteten, konstantinischen Raum geschaffen hat I Die herrlichen Mosaiken unseres römisch-münchnerischen Landsmannes Seitz, eine gran- diose Fortsetzung der kostbaren enkaustischen Decken- bilder der Galleria dei Candelabri im \'atikan, die schim- mernden Mosaiktapeteinvände mit Hunderten von klei- nen Wappenschildern, lauter Stiftungsdenkmäler edler Spender, unter ihnen, zu unserer größten Genugtuung, zahlreiche deutsche Namen. Wahrlich, ein weilie- voUer Raum, ein Heiligtum für sich, das über fromme Pilgerneugier hinaus unser tiefstes Interesse erweckt und beansprucht.

Diesem Interesse kommt vorliegende Monographie des gelehrten Dominikaners am römischen CoUegio An- gelico in hohem Grade entgegen. Ohne weitschweifig zu werden, erfahren wir in klarer, warmer Sprache die Baugeschichte der Krypta bis zu ihrer Restauration durch Pius IX., ilire Ausgestaltung durch Catianeo und Seitz, insbesondere erhalten wir eine sehr eingehende Be- schreibung und Erklärung des Heiligtums in der erst- maligen und späteren jetzigen Fassung. Ein ausführ- licher Anhang behandelt biographisch Cattaneo als Ar- chitekten, Seitz als Maler, gibt die Korrespondenz mit dem großen Förderer der Sache, dem Grafen Aquaderni wieder und enthält die Inschriften der bis jetzt vor-

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handenen 640 Spender-Wappenscliilde. Unterstützt wird die Arbeit durch ^3 sehr schöne Abbildungen, 11 davon auf eigenen Hinsch.ilttafehi und das Titelblatt in farben- ph(3\ographischer Wiedergabe. Der niedrige Preis steht zur hohen textlichen wie buchtechnisclien Leistung in keinem Verhältnis. G. Gichtd

Dr. Fritz Gysi. Die Entwicklung der kirch- lichen Architektur in der deutschen Schweiz im 17. und 18. Jahrhundert. Trüb & Cie., Aarau und Zürich 1914.

Seitdem Dr. R. Rahn in seiner »Geschichte der bilden- den Künste in der Schweiz«, 1876, die heimischen Mo- numente bis zum Schlüsse des Mittelalters mit voller fachmännischer Tüchtigkeit und Stoffbeherrschung be- handelt hat, ist für die Epoche der Renaissance und Neuzeit die Fortsetzung der schweizerischen Kunstge- schichte auf der Rahnschen Grundlage nicht möglicli gewesen. Es fehlte bisher an den unumgänglich not- wendigen Vorarbeiten, welche der Scharfsinn des Zür- cher Gelehrten zusammenfassen und in ihrer Entwick- lung hätte darstellen können. Dr. Gysi leistet in seiner Entwicklung der schweizerischen Architektur im 17. und 18. Jahrhundert einen wertvollen Beitrag hierzu, den er auf die kirchliche Baukunst und mit Recht nur auf die deutschen Kantone beschränkte. Merkwürdig zeichnet der Autor den Hintergrund der »großartigen Bautätig- keit« dieser Epoche: »Die Geistlichkeit heirschte im Lande und machte sich zum Hüter aller Kultur und Gelehrsamkeit. Dem Glanz und der Macht der Kirche wurde alles geopfert das Volk aber ließ man in der tiefsten Unwissenheit.« Letztere Beliauptung bedarf der Beweise, die nicht leicht zu erbringen sind. Nach einer Übersicht über die Architekten der Epoche berührt der Autor die merkwürdige Tatsache, daß die Spätgotik in der Scliweiz, von spärlichen Ausnahmen abgesehen, un- mittelbar zum Barock übergehl, dessen einschiffige und dreischiffige Kirchen wie die Zentralbauten besprochen werden, um die Umbauten der Barockzeit kurz zu streifen. In ähnlicher Weise wird das 18. Jahrhundert behandelt. Den weitaus interessantesten Teil der Arbeit bildet die Besprechung der einzelnen Bauglieder, der man ent- nehmen muß, daß der Verfasser seinen Stoff bis in alle Details vollständig beherrscht. In der Würdigung der plastischen Dekoration ist in der farbigen Tönung die Restaurationswut des 19. Jalirhunderts mit ihrer Vorliebe für Gold und weiche Wirkung nicht berücksichtigt, da die ursprüngliche Hervorhebung des Stuck aus dem weißen Grunde nur unbedeutende Varianteir aufwies. In den Registern müssen wir die Vollständigkeit der Aufnahme einer lokalgeschichilich sehr zerstreuten Lite- ratur anerkennen. Einzig Hiller: »Au im Bregenzer- wald« wurde übersehen, die fleißige Jubiläumsschrift, der wir die Tatsache entnehmen, daß sich daselbst die Zunft der Maurer, Zimmerleute und Steinhauer bis 1865 erhalten hat. Den Schluß der Arbeit bilden 56 Tafeln, in denen jedocli leider jeder Grundriß ausgeschlossen ist. Nur Innenräume und Außenansichten nach photo- graphischen Aufnahmen begegnen uns, auf welche im Texte hingewiesen wird. Für den wertvollen Beitrag zur schweizerischen Kunstgeschichte des 17. und 18. Jahr- hunderts sind wir F. Gj'si aufrichtig dankbar. Die künf- tige Forschung findet hier ein reiches Material in über- sichthcher Anordnung, eine Frucht ernster Studien und mühevoller Arbeit. Dr. .\do!f Fäh

Konstantin der Große und seine Zeit. Ge- sammelte Studien. In Verbindung mit Freunden des deutschen Campo Santo in Rom herausgegeben von Dr. Franz Jos. Dölger. Mit 22 Tafeln und 7 Abbil- dungen im Text. (XIX. Supplementheft der Römischen

Quartalschrift). Lex. 8°. XII und 448 Seiten. Freiburg 191 3. Herderschc Verlagshandlung. M. 20. .

Das vorliegende Buch verdankt seine Entstehung zwei festlichen Veranlassungen: einer wehgeschicht- lichen, dem Konstantins-Jubiläum 1913, und einer privaten, dem goldenen Priesterjubiläum des Rektors des deutschen Campo Santo in Rom, Mgr. Dr. A. de Waal (11. Oktober 1912). Diesen beiden Anlässen entsprechend zeigt sich das Buch inhaltlich als Be- trachtung der Person und der Zeit jenes Kaisers, wel- chem die christliche Kirche ihre staatliche Anerkennung verdankt; in der Art der Behandlung dieses umfassen- den Themas erweist es sich als Leistung von Reich- haltigkeit und wissenschaftlicher Strenge. Nicht aus einer Feder stammt der Text, sondern er ist die Zu- sammenstellung von 19 Einzelstudien, deren Verfasser zu dem Campo .Santo und seinem hochverdienten Rektor in engeren Beziehungen stehen. Die Heraus- gabe besorgte Dr. F. J. Dölger, Professor für allgemeine Religionsgeschichte und vergleichende Religionswissen- schaft an der Universität Münster i. W. ; von ihm ist die letzte der 19 Studien, behandelnd »Die Taufe Kon- stantins und ihre Probleme«. Die Absicht war-, die Pei'- sönlichkeit Konstantins aus der religiösen Bewegung der Zeit zu erklären. Dazu waren Untersuchungen ge- schichtlicher wie kunstgeschichtlicher Art notwendig. Bei der Vielheit der Verlasser, die durchaus unabhängig von einander arbeiteten, lag nun die Gefahr nahe, daß eine Zersplitterung der allgemeinen Auffassung eintreten könnte. Umsomehr darf man Anerkennung dafür zol- len, daß trotzdem ein einheitliches Bild erreicht worden ist, und man kann diese Tatsache als bedeutsames Zei- chen dafür ansehen, in wieweitgehender Art sich die Auffassungen über die Persönlichkeit Konstantins ab- geklärt haben. Von den Studien geschichtlichen In- teresses erwähne ich außer der Dölgerschen eine von E. Krebs über »Die Religionen im Römerreiche zu Be- ginn des 4. Jahrhunderts; eine über »Das Toleranz- reskript 313« von J. Wittig; die andern historischen Beiträge sind von A. Müller, F. Bulicz, J. M. Pfättisch, A. Wikenhauser, K. von Landmann, J. P. Kirsch. Wir haben unsere Aufmerksamkeit hier vor allem den kunstgfschichtlichen Beiträgen zuzuwenden. Sie be- ginnen mit einer Untersuchung von E. Becker über den »Protest gegen den Kaiserkult und die Verherrlichung des Sieges am Pons Milvius in der altchristlichen Kunst der konstantinischen Zeit«. Hingewiesen wird auf den Einfluß, welchen gerade die Ablehnung der den Impe- ratoren gezollten göttlichefi Verehrung auf das Schick- sal der ersten Christen übte, die hierdurch in Menge zum Martyrium gelangten. Typologische Vorbilder fand die altchristhche Kunst in den Nebukadnezar- und He- rodes-Szenen der heiligen Schriften ; sie stellte jene auf Sarkophagen, Lampen und Goldgläsern dar. Diesem, wie den übrigen kunstv/issenschaftlichen Aufsätzen des Buches dienen gut ausgeführte Abbildungen zur Er- läuterung. In dem zweiten Aufsatze schildert J. Leuf- kens den »Triumphbogen Konstantins« nach seinen Hauptzügen. Zu erinnern wäre die Einzelheit, daß im Colosseum Christen als Märtyrer niclit geendigt sind. A. Baumstark betrachtet »Konstantiniana aus sy- rischer Kunst und Liturgie«. Befinden sich doch gerade in Syrien bedeutungsvollste Denkn^äler syrischer Kunst, die mit dem Namen jenes Kaisers verknüpft sind. Die Frage, wie die Liturgie und Kunst gerade jener Gegend das Andenken des Kaisers in Ehren gehaUen habe, wird erörtert an der Federzeichnung eines jakobitischen Homiliars und der mutmaßlichen Apsismosaik der kon- stantinischen Martyrions-Basilika zu Jerusalem, am Kon-- stantinszyklus eines illustrierten nestorianischen Evan- geliars und am Kirchengesangbuch des Severus von Antiochia. Wie »Konstantin der Große und die hl. He-

BÜCHERSCHAU.

DER PIONIER

lena in der Kunst des chrisilichen Orients« gemeinsam dargestellt worden sind, schildert nach sehr merkwür- digen Denkmälern eigenen Besitzes Johann Georg, Her- zog zu Sachsen. F. Witte unterzieht »Die Kolossal- statue Konstantins des Großen in der Vorhalle von S. Giovanni in Laterano« einer genauen Betraclitung. Er kommt zu dem Ergebnisse, das Werk etwa auf das Jahr 520 zu datieren; höchstwahrscheinlich ist ihm, daß die Statue ein getreues Porträt des Kaisers sei, während sie stilistisch ihm als ein Denkmal jener »verfallenden, verfaulenden« Römerkunst erscheint, »die nur einem dekadenten, entnervten Volke eigen sein konnte.« Eine Studie von H. Swoboda prüft, in welchem Verhältnisse das »Bronzemonogramm Christi aus Aquileja« zu dem Original-Labarum stehe und kommt zu dem Ergebnis, daß das durch einen glücklichen Umstand erhalten ge- bliebene Stück kein Legionslabarum gewesen sei, und dem leider verschollenen Urbilde sehr nahe stehe, wenn es ihm auch nicht unmittelbar gleiche. J. Wilpeit be- schreibt und untersucht »Die Malereien der Grabkam- mer des Trebius Justus aus dem Ende der konslanti- nischen Zeit«. Die künstlerisch höchst beachtenswerten, gegenständlich einzigartigen Fresken wurden 1910 in einem Cömeterium an der Via Latina entdeckt. Die Zugehörigkeit der dargestellten Personen zu einer christ- lichen häretischen Sekte deutet Wilpert an, und eine italienisch geschriebene Studie von 0. Marucchi gelangt dazu, für diese Sekte ägyptische Herkunft nachzuweisen. M. Schwarz bietet eine entwicklungsgeschichtliche Studie über »Das Stilprinzip der altchristhchen Architektur«. Die Eigenart der Ursprünge des altchristhchen Baustils wird an den römischen Denkmälern untersucht und als Ergebnis festgesteUt, daß hier nicht der Geist des Chri- stentums einen neuen Stil geschaffen habe, sondern daß dies durch Künstler erfolgt sei, welche befähigt waren, »in der handwerklichen Errungenschaft des Ge- wölbebaus, der Arkade und dem Rundbogenfenster ein Stilprinzip für die Durchbildung der flächenhaft ver- laufenden Mauer« zu erkennen und auszunützen. Ein Standpunkt, dem man mit Einschränkung zu gunsten des Christentums sich anschließen darf. Endlich spricht J. Strzygowski weitblickend von der »Bedeutung der Gründung Konstantinopels für die Entwicklung der christlichen Kunst«. Unsere notgedrungen ganz kurzen Angaben müssen genügen. Sie dürften von der Viel- seitigkeit wertvoller Anregungen und Belehrungen, welche das Buch als eine in Wahrheit würdige Fest- gabe über alle Zweige der konstantinischen bildenden Kunst des Occidents und Orients bietet, eine Vorstel- lung geben. Doerlng

Weber, G. Anton, Dürers Schriftlicher Nachlaß in Übersetzung und mit Erklärungen. Regensburg und Rom 1912. Verlag von Friedrich Pustet. 8°, 220 Seiten, brosch. M. 3. , in Leinwandband M. 4. .

Der schriftstellernde Künstler gehört der Neuzeit an. Es erklärt sich dies wohl vielfach daraus, daß viele der mo- dernsten Werke der schriftlichen Erläuterung bedürfen: »Was hat sich der Künstler gedacht?« Für die Auffas- sung, die Künstler schlechthin vom Schreiben haben, sei auf die Aussprüche zweier bedeutender Münchner Künstler, darunter des Präsidenten und Führers einer großen Künstlergruppe, hingewiesen. Der eine, der den glanzvollen Namen einer alten Künstlerfamilic hoch- hält, sagte mir; Zum Schreiben habe ich keine Zeit. Und was von mir schriftlich vorhanden ist, bleibt in meinem Schreibtisch bis nacli meinem Tode. Der andere bat mich, nach seinem Diktat seine Lebensbe- ■schreibung aufzuzeichnen, seine Finger seien des Schrei- bens so ungewohnt. In der Tat, wenn der Künstler seiner Mitwelt was zu sagen hat, greift er zu Pinsel

und Palette, zu Meißel und Hammer und doch hat es lange vor den »protestierenden« und reklamebedürfti- gcn Künstlern der Neuzeit zu allen Zeiten Künstler ge- geben, die es zum Schreiben drängte, sei es um Er- fahrungen, die sie bei langjähriger Kunstausübung ge- sammelt hatten, niederzulegen, sei es um Erklärungen zu Bildern zu geben. Mit welcher Scheu dies oft ge- schah, dafür ist Lionardo da Vinci der beste Beweis, der bekanntlich seine Geheimnisse durch die Spiegel- schrift zu verhe'mlichen suchte. Den »gedruckten« Künstler finden wir infolgedessen selten. Zu den Künst- lern, die noch zu Lebzeiten einen Verleger suchten und fanden, gehört Albrecht Dürer.") Drängte es den Künst- ler, in diesen Werken seine gesammelten Erfahrungen zu Nutz und Frommen der deutschen Kunst kom- menden Künstlergeschlechtern mitzuteilen, so hat er uns auch Schriftliches hinterlassen, von dem wir an- nehmen dürfen, daß es nicht für die Öffentlichkeit be- stimmt war. Es ist der sogenannte schriftliche Nach- laß Dürers, den 1893 K. Lange und F. Fuße in Halle herausgaben und der jetzt abermals von dem Verfasser der Lebensbeschreibung Dürers G. A. Weber in unsere heutige Sprache übertragen und mit wertvollen Anmer- kungen versehen, vorliegt. Die Einleitung bildet Dürers Familienchronik, die mit den Nachrichten über seinen Vater beginnen, die er vier Jahre vor seinem Toäe aus dessen Schriften niederschrieb. Die .\nhäng- lichkeit an seine Eltern, die in großer Gottesfurcht der großen Familie vorstanden, spricht sich auch aus dem Gedenkbuch aus, das uns außerdem noch von wirt- schaftlichen Sorgen des Künstlers erzälilt, von denen auch in den Briefen, so im Neujahrsglückwunschbrief an Willibald Pirkheimer die Rede ist. Die Briefe aus Italien sprechen davon, daß dem deutschen Meister die iialienischen Maler sehr abhold waren. Gelegentlich beschwert sich Dürer, daß ihm die Italiener seine Kup- ferstiche und Holzschnitte, von deren \'erkauf er lebte, nachmachten. Auch sonst zeigen uns die Briefe, daß das Leben Dürers nicht frei war von den kleinlichen Sorgen, die einen Künstler meist bis zum Ende dieses Lebens begleiten. Sie v/erfen auch charakteristische Schlaglichter auf des Künstlers Schaffen. Interessant ist namentlich auch die technische Seite. In den Ge- dichten, die in die Jahre 1509 und 10 fallen und denen in ihrer mangelhaften Form und in den gequäl- ten Reimen kein literarisch-ästhetischer Wert zukommt, tritt uns ein tiefes religiöses Gefühl (namentlich in den 7 Tagzeiten) entgegen. Von besonderem Wert für die Beurteilung des Entwicklungsganges ist das Tagebuch der Reise in die Niederlande, während die Auf- zeichnungen verschiedenen Inhalts wertvolle, allerdings bereits von der Kunstgeschichte benutzte Auf- klärungen über Gemälde und Zeichnungen geben. Et- was Übel flüssig erscheint bei der besprochenen Neu- ausgabe von Dürers schriftUchem Nachlaß der Anhang mit Auszügen aus den gedruckten Lehrschriften. Wer diese heute noch benötigt, wird zu einer Gesamtaus- gabe greifen müssen. w. /il'

DER PIONIER

Monatsblätter für christliche Kunst, praktische Kunst- fragen und kirchliches Kunsthandwerk. Gesellschaft für Christi. Kunst, München, Karlstr. 6. Preis des voll- ständigen Jahrgangs M 3.—, portofrei M 3.60. Reich illustriert. Format der vorliegenden Zeitschrift, zu welcher der Pionier eine Ergänzung bildet.

>) 1525 Unterweisung der Messune mit Zirkel und Richtscheit,

1527 Unterricht zur Befestigung der Städte, Schlösser und Flecken,

1528 Vier Bücher von menschlicher Proportion.

: 3) ; Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, Gn - Sämtliche in Miincben.

BEILAGE

GRABMAL V. ORTERER. WERKE VON G. BUSCH

DAS GRABMAL DER FAMILIE VON ORTERER

(Zu den Abbildungen S. 208 und 209)

P)as hier in Rede stehende Werk ist im Aprilhefte des gegenwärtigen Jahrganges dieser Zeitsclirift ab- gebildet. Seine Eigenschaften rechtfeitigen eine ge- nauere Betrachtung. Zwei bewährte Künstler, der Architel<t Professor Fuchsenberger und der Bildhauer Heinrich Uberbacher, haben sich vereinigt, um dieses Kunstwerk zu scharten, das 1914 seinen Platz auf dem Münchener Ostfriedhofe erhalten hat. Es ist drei Meter hoch und besteht aus Untersberger Marmor. Formen- empfmdung der Antike vereinigt sich in diesem Grab- mal mit Gedankeiiinhalt des Christentums. Die Gestalt ist die der altgriechischen Stelen, zeigt mithin eine hochrechteckige Steintafel, die mit einem Giebeldreieck bekrönt ist. Der formale Unterschied gegen jene Grab- raäler des Altertums besteht wesentlich in dem größe- ren Maßstabe des neuen Werkes, ferner darin, daß die ganze Hälfte des Steines der Inschrift vorbelialten ist, die bei den antiken Denkmälern allerkürzeste Fassung zeigt und nebenlier angebracht wird; endlich darin, daß die Bildfläche zum Teil in den Stein vertieft ist, eine Nische darin bildet. Der Architekt behandelte den oberen Teil des Grabmales kapellenartig: zwei Pfeiler tragen scheinbar den Giebel, die Mittelpartie wurde zurückge- schoben. Dem Bildhauer blielj die Ausschmückung der kraftvoll gegliederten Fläche überlassen, die von vornherein mit starker Licht- und Schattenwirkung be- gabt war. Die drei Flächen mit ihren Reliefs fügen sich ähnlich einem Altartriptychon zusammen : ein Mit- telbild mit szenischer Darstellung, zwei Flügel mit je einer Einzelfigur. Das Mittelrelief zeigt die Beweinung Christi. Stille Trauer waltet in der Gruppe, tief in sich gekehrte Empfindung, die sich nicht durch laute und heftige Bewegung Luft zu machen sucht. Dem- entsprechend zeigen die Antlitze der Personen den Aus- druck frommen Nachsinnens über das große Geheimnis des Todes, dem der Stachel genommen ist. In der Behandlung des Christusaktes, der Flächen, der Gewand- falten usw., auch des Hintergrundes, klingt dieser Grundgedanke der Zurückhaltung und des Ausschlusses alles Irdischen und Kleinlichen nach. Die Seitenflächen zeigen in sanflen Vertiefungen die Relieffiguren der beiden Namenspatrone des von Ortererschen Ehepaares, den hl. Georg und die hl. Rosa von Lima beide aufrecht stehend und auf die Art kräftige lineare Gegen- sätze gegen die unter dem starken Einfluß der Hori- zontale des Christuskörpers stehende Mittelgruppe. Der ornamentale Schmuck des Grabmals beschränkt sich fast nur auf umrahmende und abgrenzende Eier-, Perl- und Blätterstäbe. Doering

WERKE VON GEORG BUSCH AUS DEN LETZTEN JAHREN

Tn den Ausstellungsräumen der Gesellschaft für christ- liche Kunst waren kurze Zeit vier neue Werke von Professor Georg Busch zu sehen, zwei größere kirch- liche dekorative Skulpturen, eine Statuette und eine Porträtbüste.

Die letztere stellt den Bischof von Regensburg, Ex- zellenz Dr. Antonius von Henle, dar. Das für eine An- stalt ausgeführte Werk ist aus edlem Laaser Marmor gemeißelt. In den Zügen des Bischofes spricht sich Güte und Strenge, Milde und Ernst aus, man begreift die Begeisterung, Teilnahme und Tatkraft, welche er den realen wie den idealen Dingen der Welt und Überwelt zuwendet.

Die christliche Kunst. XII. 9. i. Juni 1916

Für den Prinzen Johann Georg von Sachsen hat Busch eine etwa zwei Drittel Meter hohe Statuette des hl. Johannes Nepomuk in Holz geschnitzt. Der in ganzer Figur dargestellte Heilige steht in jener ruhigen, mit nur leiser Bewegung viel sagenden Haltung da, welche auch anderen derartigen Werken Georg Busch's das Interesse sichert. Die Joliannesstatuette zeigt den Heiligen in priesterlichem Chorgewande. Mit leise ge- senktem Haupte, die Augen zu Boden gerichtet, drückt er mit beiden Händen ein schlichtes Kreuz an seine Brust. Wir sehen, daß er in Treue zum Kreuze das Martyrium auf sich nimmt, um das Geheimnis der hl. Beichte zu wahren. Die Schnitzerei geht in Einzel- heiten ein, ohne doch in Kleinlichkeit zu verfallen. Mit feiner Kunst der Oberflächenbehandlung sind die Stofte geschildert. Färbung ist erfolgt, aber in so zu- rücklialtender Weise, daß trotzdem das Holz seine na- türliche Schönheit fast durchweg zur Geltung bringt. Die Statuette steht auf einer dunklen hölzernen Säule; ihr Kapital ladet breit aus und bildet eine auf drei Bögen ruhende Brücke. Zur Andeutung der Legende dient der über dem Wasser schwebende goldene Hei- ligenschein mit den fünf Sternen.

Die größeren Skulpturen beide sind polychro- mierte Holzschnitzereien sind Stiftungen für die Pl'arrkirche zu Weilheim, die eine ist als Votivgabe um die glückliche Rückkehr eines Kriegers bestimmt. Dies ^\'erk ist eine Herz Jesu-Statue, bei welcher Busch den Gedanken gestaltet hat, den Heiland als Friedensfürsten zu verherrlichen. Die Verkörperung der Idee ist neu- artig, das Motiv der Figur mit dem des großen Zeit- ereignisses verschmolzen und in Form und Vortrag zum Ausdrucke gebracht. Die Pfarrkirche von Weilheim ist ein Renaissancebau, verwandt der Münchener Micliaels- kirche, die Ausstattung barock. Dem entsprechend hat Busch für die Herz-Jesu Figur und auch für die andere, ein Schutzmantelbild, freie Anlehnung an den Barock- stil gewählt. Doch betrifft dies wesentlich nur die dekorativen und ornamentalen Elemente, einschließlich der Bemalung. Die Figuren zeigen schlichte, leicht bewegte Haltung, Maria breitet mit beiden Armen den schützenden Maritel aus, Jesus hält mit der rechten Hand die Falten des Übergewandes zusammen, so daß über der Brust das von Strahlen umflossene Herz sichtbar wird, mit der Linken hebt er den friedenverkündenden Ölzweig empor. Maria zeigt den blauen Sternenmantel und ein weißes Unterkleid, geschmückt mit dem alten, sinnvollen Motive goldener Ähren. Die starke dekora- tive Wirkung beider Skulpturen erhöht ihr Hintergrund, der aus goldenen Strahlen besteht. Diese sieht man beim Schutzmantelbilde durchzogen von einem Kreise silbernen Gewölkes; aus ihm schauen zw'ölf geflügelte Engelköpfchen auf die Madonna hin, welche auf diese Art festlich eingerahmt wird.

Diesen Werken schheßen sich zwei an, welche im März 1916 zur Ausführung gelangt sind. Das eine ist die große Gruppe des hl. Heinrich II. mit seiner Ge- mahlin, der hl. Kunigunde. Im Modell ist die Arbeit schon seit 191 5 vollendet; Beschreibung und Abbildung konnten daher bereits in meinem Buche über Georg Busch gegeben werden. Die beiden Heiligen thronen, lebensgroß dargestellt, nebeneinander; Heinrich in ernstem Selbstbewußtsein und erfüllt von der Bedeutung seiner Aufgabe als Stifter des Bamberger Bistums ; Kunigunde blickt, an ihn sich schmiegend, voll inniger Frömmigkeit zum Himmel empor. Für den Kopf des Kaisers hat jener der berühmten frühgotischen Statue an der Adamspforte des Bamberger Domes den Leit- gedanken hergegeben, das Antlitj der Kaiserin ist frei erfunden und von vergeistigter Schönheit. Bestimmt ist das eindrucksvolle Altarwerk für die neue St. Otto- kirche zu Bamberg. Sie kann sich, falls die Grundsätze

WERKE VON K. SCHLEIBNER UND L. THOMA

für ihre Ausschmückung weiterhin die gleichen bleiben, zu einer bemerkenswerten Stätte neuer christHcher Kunst entwickeln. Besitzt sie doch auch schon eine marmorne Madonna von Balth. Schmitt. Ausgeführt wurde die von Busch geschaffene Gruppe in rotem Uniersberger Mar- mor, dessen Farbe die Gestalten mit warmem Leben erfüllt. Die Gewänder sind poliert, die Gesichter leicht gefärbt. Polychrome Behandlung mit reichlicher Verwendung von Gold zeigen die Kronen, sowie das Kreuz, welches Kunigunde in den Händen hält. Zu dem Altarwerke gehören ferner zwei Reliefs; das eine zeigt die hl. Kunigunde, die zum Beweise ihrer Unschuld über glühende Pflugscharen schreitet; das andere den Tod Heinrichs und seinen Abschied von der jungfräulichen Gemahlin. Die Gruppen sind streng und trotzdem lebensvoll gezeichnet. In Material und technischer Behandlung entsprechen die Rehefs der Hauptgruppe. Das neueste Werk von Georg Busch ist eine Figur des hl. Aloysius, der am Betpulte kniet. Sie verdankt ihre Entstehung dem Wunsche eines Eltern- paares, dem vor dem Feinde gefallenen Sohne ein Zeichen frommer Erinnerung zu widmen. Der Be- stimmungsort der Figur ist die St. josepliskirche zu Spever; dort wird sie an einem der Pfeiler ihren Platz finden. Die halblebensgroße Figur ist aus Holz ge- schnitzt und, ähnlich wie zuvor beim hl. Johannes Nepomuk beschrieben, verschiedenartig leicht getönt. Die Haltung des durcli schöne ruhige Linie ausgezeich- neten Werke.':, das Antlitz, die zusammengelegten, sehr schön gearbeiteten Hände, alles ist der Ausdruck tiefster, religiöser Ergriffenheit. Die Figur ruht auf einer Kon- sole, die vergoldet, mit stilisierten Lilien geschmückt und mit Inschriften versehen ist. Doering

ZWEI NEUE ALTARGEMÄLDE FÜR ALTÖTTING

p"ür einen Seitenaltar der St. Anna-Basilika von Alt- ötting hat Prof. Schleibner ein Gemälde vollendet, während er an dem für einen anderen dortigen Altar bestimmten Seitenstücke dazu noch beschäftigt ist. Das letzte Werk gilt der Ehre der hl. vierzehn Nothelfer, die sich um die hl. Jungfrau scharen. Die Entwürfe sind da, die Ausführung des Gemäldes ist begonnen. Als Gegenstand des ersteren, nunmehr fertigen Werkes, war der hl. Rupertus ausersehen, die Wahl der Dar- stellung aber freigestellt. Rupertus lebte am Ende des 7. Jahrhunderts und kam, von Herzog Theodo IL her- beigerufen, um 696 nacli Bayern. Seine Wirksamkeit galt hier besonders dem Stifte Regensburg; die Über- lieferung schreibt ihm auch die Stiftung der Altöttinger Wallfahrt zu. Als für Bayern besonders folgenreiches, überdies geschichtlich beglaubigtes Ereignis aus detn Leben des hl. Rupert erwählte Prof. Schleibner die zu Regensburg vollzogene Taufe jenes Herzogs und ver- band damit eine Hindeutung auf die legendenhafte Wall- fahrtstifiung durch Anbringung des Gnadenbildes, das von über der Taufszene schwebenden Engeln getragen wird. Die Taufe erfolgt innerhalb einer Taufkapelle. Vor dem Halbrund des Bauwerkes steht auf Stufen der steinerne Taufkessel. Vorn kniet der Herzog mit ent- blößtem Oberkörper, indem er seinen Mantel mit dem rechten Arm am Hinuntersinken hindert. In demütiger Haltung und doch mit fürstlicher Hoheit empfängt er den Guß des Taufwassers, das der hl. Bischof aus einer flachen Schale über das Haupt des Herzogs ausschüttet. Mehrere geistliche und weltliche Würdenträger wohnen der hl. Handlung als Zeugen bei. Außer einem ideal aufgefaßten greisen Könige sieht man mehrere bildnis- ähnlich geschilderte Personen, unter ihnen den Regensbur- ger Bischof von Senestrej-. Von zwei anderen hält der eine

ein prächtiges Vortragkreuz, ein anderer eine Fahne Das Vorbild der letzteren befindet sich im Münchener Armeemuseum ; sie ist mit dem Wappen der bayeri- schen Herzöge und dem darüber schwebenden Auge Gottes geschmückt. Ein ganz vorn rechts knieender Page hält das Schwert Theodos. Die Charakterisierung der Personen ist bei den frei gestalteten tief und feier- lich, naturgemäß individuell bei den bildnisähnlichen; beides schließt sich zwanglos zusammen, und das Ge- mälde zeigt sich dadurch mit Idealismus und Lebens- echtheit zugleich erfüllt. Sehr anmutig sind die Gestal- ten der schwebenden Engel. Die Komposition ist klar und einfach, die größte Kraft der Formen und Farben auf den unteren Teil des Bildes, die Leichtigkeit und Anmut auf den oberen gelegt. Mit den Einzelheiten schaltete der Künstler mit Recht nach freier Eingebung. Die Farben sind voll Leuchtkraft und Fülle, besonders schön das herrliche Blau des Herzogsmantels. Die Wahl der Technik Tempera mit Öl war der farbigen Wirkung besonders förderlich.

Tm Asamsaale zu München war vom 25. 31. März die große Malerei ausgestellt, welche seither den Hochaltar der St. Anna-Basilika zu Altötiing schmückt. Das Wirken des Künstlers, Leonhard Thoma, ist den Lesern der >Christlichen Kunst« im Jahrgang 1915 vorgefülirt worden, eins seiner Werke findet sich auch in der Jahresmappe 191 5 der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst beschrieben und abgebildet. Die neueste Schöpfung des Künstlers schließt sich seinen früheren, von denen in der Ausstellung zahlreiche Ab- bildungen und Entwürfe mit zu sehen waren, würdig an. Der Altöttinger Hochaltar gilt der Ehre der Schutz- patronin der Kirche St. Anna. In der Anordnung lehnt er sich an die großen Altarwerke des Barock an: ein Aufbau mit drei übereinander befindlichen .Abteilungen. Zu Unterst das gewaltige Hauptbild, darüber ein kleine- res, zu oberst eine Schnitzerei, die gegenständlich zu den zwei Gemälden gehört. Im Hauptbilde sieht man die hl. Anna mit der jugendlichen Maria. Auf einem marmornen Sockel sitzt die erstere, an ihrer linken Seite steht Maria. Diese schaut voll Güte und Liebe zu zwei Gruppen von Personen hernieder, die sich rechts und links von dem Sockel versammelt haben. Die Gruppe rechts von ihr zeigt den im vollen Schmucke seines heiligen Amtes knienden Papst Pius X.; er hält die Urkunde in der Hand, in welcher er der Kirche St. Anna den Charakter der Basilika verliehen hat. Das Modell der Kirche steht vor ilmi am Boden. Neben dem Papste ragt die erhabene Gestalt des Prinzregenten Luitpold als Stifter des Altöttinger Altares, ihm zur Seite der allzu früh verstorbene junge Prinz Luitpold. Ganz rechts erscheint ein Kapuziner. Die Gruppe links von Maria zeigt eine Anzahl von Wallfahrern. Sehr schön ist eine Mutter mit ihrer kranken Tochter; ein Krieger in feldgrauer Uniform und eine hinter ihm stehende junge Witwe deuten auf die Entstehungszeit der Ma- lerei. An dem Sockel sieht man die als Relief gemalte Bundeslade, das Symbol der Unbefleckten Empfängnis. Zur Rechten der beiden Mittelfiguren steht neben einer Säulenarchitektur St. Joseph. Der andächtige Blick der hl. Anna geht zum Himmel hinauf, von welchem Engel herniederschweben und Blumen streuen, und wo die allerheiligste Dreifaltigkeit in Majestät wohnt. Ihre drei Personen sind in beiden oberen Abteilungen des .'Mtares verteilt, in der Weise, daß Gottvater und Jesus gemalt das obere Bildfeld einnehmen , während die Taube ganz oben in Schnitzerei ausgefülirt ist. Die Farben des mächtigen Werkes sind voll Kraft und Fülle, und geeignet, in der Kirche vorzügliche dekorative Wir- kung zu tun. Gehoben wird diese durch den archi-

ZUR PHOTOGRAMMETRIE.

AUSSTELLUNGEN WIESBADEN UND BADEN 15ADEN

tektonisclien Aufbau und die Einrahmung der Bilder, aus welcher das bayerische Königswappen bedeutungs- voll hervortritt. Doerins

EIN NEUES PHOTOGRAMMETRISCHES VERFAHREN

Tm Verlage F. C. W. Vogel, Leipzig, ist soeben ein neues

Werk (Photogranimetrie ohne Spezialkamera, 26 Abb., 2 Beilg. Preis 3 Markl des bekannten Polizeifachmannes Dr. Heindl erschienen, das insbesondere die Aufmerk- samkeit aller derer, die sich mit Denkmalpflege befassen, erregen muß. Bislang war es immer nur mit großer Umrechnung verknüpft, aus einer Photographie die Län- gen- und Höhenmaße eines Bauwerkes oder Innenrau- mes und deren Details zu bestimmen. Ganz genaue Maße konnten aber nicht festgestellt werden. In vielen Fällen ist eine Aufmessung nicht möglich, sei es, daß man infolge der Entfernung nicht mehr nachmessen kann, sei es, daß eine Berührung des Objektes verboten oder eine Beschädigung zu fürchten ist.

Photogrammetrische Aufnahmen, die vor allem für Archive der Denkmalpflege notwendig sind, sind schon im 18. Jahrhundert von S. H. Lambert (1728— 1777) ver- sucht, aber nicht praktisch ausgenutzt worden. Der In- genieur Beautemps-Beaupre war der erste, der bei durch- geführten geometrischen Aufnahmen auf einer Weltreise (1791- i793)perspektivischeBilder anwendete. A. Lausse- dat brachte 1850 die camera lucida von Wellaston zur Anwendung. Spätere Reisende wie der Geonieter Dr. Jordan benutzten immer nocli in sehr komplizierter Weise gewöhnliche Photographien. Der bekannte Kri- minalist Bertillon schlug eine Spezialmethode für poli- zeiliche Zwecke vor. Sein hier angewendetes Ver- fahren der photogrammetrischen Aufnahmen teilt uns erst- malig Dr. Heindl in seiner Broschüre mit. Bei Bertillons Methode werden als Maßstäbe weiße Papierstreifen von 1 m Länge und 5 10 cm Breite, auf denen die Dezi- meter aufgezeichnet sind, mögUchst zahlreich an den Wänden des aufzunehmenden Raumes angebracht. Ein- fach ist das Verfahren nicht und hat den Nachteil, daß jene Gegenstände, die nicht gerade zufällig sicli in der Bildebene eines dieser Zettel befinden, nicht genau ge- messen werden können.

Heindlbenötigt nun für seine Messungen weiternichts, als eine quadratische 50 cm große Platte, die auf dem Boden gelegt und niitphotographiert wird. Die Tafel enthält am unteren Rande eine Zentiraetersl;ala. Ferner ist eine Diagonale aufgezeichnet und ein Halbkreis mit den Graden i 180. Als einzige Regel ist zu beachten: Die Tafel muß so gelegt werden, daß sie auf der Matt- scheibe und dem photographischen Bild wagrecht er- scheint.

An Hand einer großen Anzahl von Beispielen zeigt uns der Verfasser, wie überaus einfach die Be- rechnung der Maße und Winkel und die Umrechnung der Ansicht in einen Grundriß ist. In einem besonderen Abschnitt sind die Beweise zu den aufgestellten Berech- nungen zusammengestellt. Das Buch wird sich jeden- falls, obwohl in der Hauptsache für Kriminalisten ge- schrieben, unter Architekten und Kunsthistorikern viele Freunde erwerben. Robert B. Witte

DIE AUSSTELLUNGEN ZU WIESBADEN UND BADEN-BADEN

jV/rit einer angenehmen Sachlichkeit hat Theodor Fischer den Neubau des Wiesbadener Museums ausgestattet; als ein edler Zweckbau steht diese Ver- bindung zweier einfacher Baublocks durch eine Kuppel-

halle in der mit Luxusbauten mehr als genug geseg- neten Fremdenstadt. Der äußeren Sachlichkeit ent- spricht die innere Gliederung, die in der einen Raum- hälfte die Galerie, in der andern die Ausstellungen moderner Kunst unterbringt. Die ziemlich unbekannte, docli mit solidem Geschmack aus der Sammlung Pa- gen stech er, der des Nassauischen Kunstvereins und der Wiesbadener Kunstgesellschaft gebildete Sammlung birgt neben einer Repräsentation der Malkunst des ig. Jalirhunderts und verschiedenen weniger in ihrer Einzelheit bedeutenden, als eben allgemeine Begrifl'e vermittelnden Werken der italienischen, niederiändischen und altdeutschen Malerei eine kleine Trübner-Samm- lung, die wirklich nicht im verborgenen zu blühen brauchte. Diese Sammlungen allein rechtfertigen schon den Bau eines Museums ; hierzu kam das Bedürfnis, an diesem Brennpunkt des Verkehrs eine Ausstellungs- und Kaufvermittlungsstelle zu unterhalten. Daß der Gedanke fruchtbar war, beweist die überraschend gute Verkaufszahl der Eröffnungs-Ausstellung.

Diese selbst als Richtunggeber für weitere Veran- staltungen zu nehmen, geht nicht an, weil Kücksichten lokaler Natur manches Durchschnittliche zuließen. Den Hauptraum nehmen die älteren Führer der Moderne ein: Liebermann, Corinth, Slevogt. Lieber- manns zur Technik gewordene Flüchtigkeit und Co- rinths ungebändigtes Draufgängertum verwischen sich völlig vor der nie genug zu rühmenden Malkultur Trübners; ein männlicher Kopf aus den siebziger Jahren und die Bilder von Stift Neuburg geben Auf- takt und Ausklang eines respektablen Stückes deutscher Malkunst. Bei den Münchnern sind die Jugendillustra- toren gänzlich vermieden mit Ausnahme Weisger- bers. Mit Wehmut steht man vor dem Ende dieses Schaffens, das kein Abschluß hatte werden sollen. Der kühne Illustrator stand eben im Anfang einer Monu- mentalität, von der diese groß gesehenen Darstellungen die schönsten Hoffnungen hatten erwecken können.

Die graphische Abteilung läßt angenehm eine ziem- liche Sichtung fühlen. Man hat so dem einzelnen die Möghchkeit einer wirklichen Aussprache gegeben. Zu nennen sind >Lithographien aus dem Krieg« von Ed- win Scharff, die lebendigen Holzschnitte Wilhelm Laages, neben der zarten Liniensprache Orliks und Carl H ofe rs.

Der Plastik verschaffen zwei Sonderräume mehr als sonst Geltung und abgegrenzte Wirkung. Antes, El- kan und Fritz Huf bestreiten den ersten Raum, wäh- rend die acht Wände des weiteren Sonderraumes von der Rhythmik der gesteigerten Bewegung Lehm bruclc- scher Figuren harmonisch belebt werden. Die Mitte bildet die Gestalt einer »Trauernden« von Karl Albiker.

T Tber die diesjährige zweite Kriegsausstellung läßt sich ^ wieder nicht allzuviel Neues sagen, doch haben einige jüngere Künstler Werke geschickt, die eine Erwähnung verdienen. Wie im Vorjahr beherrschen die Ausstellung alte Gäste; der badische Malerkreis mit Thoma, Trüb- ner, Dill, Feld, Bethmann, Schönleber hat der Ausstellung den gewohnten Rahmen gegeben und ihre meist schon gesehenen Werke bilden den Maßstab und Hort der künstlerischen Tradition. Von einer neuen Seite lernt man Ludwig Dill kennen. Er ist unter die Kriegsmaler gegangen, nicht im Sinn der allzuvielen, ermüdend wirkenden Illustratoren, die auch hier eine Unmenge ihrer nichtssagenden Lebensausschnitte aus Etappe und Reservestellungen bringen, sondern in einer weit monumentaleren Erfassung des W'esentlichen. War schon der Landschafter Dill weit entfernt von jedem realistischen Leben der Natur und der Landschaft, so entrückt Dill die großen Kriegsgeschehnisse in eine

AUSSTELLUNG AUS KÖLNER PRIVATBESITZ

zeitlos-monumentale Unwirklichkeit, der kein Eindruck von Gesehenem, wirklich Geschehenem anhaftet, deren Wesen visionär zu nennen ist. Diese technisch breit und starkfarbig gemalten kleinen Ausschnitte einer großen Erscheinung baut Dill mit einer sicheren Struk- tur von Bäumen, Brücken, zerschossenen Häusern auf, die die Ereignisse in schönem Rhythmus organisch ent- wickeln helfen. Mit den schlichtesten Mitteln inhalts- schwerer Gebärdensprache weiß er die Vision des ge- waltigen Ringens ungeheurer Massen hervorzubringen und es ist eine Freude, den reifen Meister diesen V^'eg reinster expressionistischer Gestaltung schreiten zu sehen. Der kleine Dill-Saal gibt einen Maßstab, an dem man unzufrieden Vieles in den Räumen der Malerei mißt. Von den jüngeren sieht man daneben mit Freuden den Trübnerschüler Hans Spung, der nach langen koloristischen Versuchen wieder zu seinem echtesten Können, dem Porträt, zurückkehrt. Es hängen von ihm Arbeiten da, die in unserer Zeit soviel bedeuten wie die Bildniskunst des jungen Trübner damals. Drei junge Graphiker dürften die beste Ausbeute aus der reichen graphischen Sammlung darstellen; Wilhelm O esterle, Artur RiederundHansNadler. Vieles ist bei ihnen noch im Werden, aber erstaunlich bei allen die Wahl des Inhaltlichen und seine technische Bewältigung. Große Stofie (biblische und soziale Themen) werden in kleinformatigen Radierungen von Oesterle versucht, sein Bemühen um klare Komposition schei- tert in manchen Stücken an der Figurenfülle. Nadler erschöpft die wenigen Figuren seiner sozialen Kunst in Ausdruck und Komposition. Graphik solcher Art gibt uns gerade heute mehr als alle reichlich wuchernde Kriegsillustration. Die Plastik sonst immer gut vertreten in Baden bietet kaum Bedeutendes. Die Nennenswerten, Elkan und P. P. Pfeiffer, sind ge- nügend bekannt. h, l. m.

AUSSTELLUNG NEUERER KUNST AUS KÖLNER PRIVATBESITZ

Jahraus, jahrein bringen unsere Kunstzeitschriften Be- richte und Besprechungen von Kunstausstellungen. Wir vernehmen immer wieder, was gemacht, gezeigt und geboten wird ; doch erfahren wir nicht oder nur selten, wo die Kunstwerke bleiben, oder besser, wir bemerken wenig von einer greifbaren Wirkung all die- ser Veranstaltungen. Gewiß die Künstler und andere Kenner des Kunstlebens wissen es, daß wohl weitaus das meiste Ausstellungsgut, wenn es nicht zunächst eine Wanderung zu anderen Ausstellungen oder in den Kunsthandel antritt, wieder in seine Geburtsstätte, ins AteHer des Künstlers, zurückwandert und daselbst an den Wanden oder in dunklen Gelassen längere oder kürzere Zeit sein Dasein fristet, um endUch vielleicht einmal einen Liebhaber zu finden. Wohl zieht auch in den Ausstellungen das manchem Werke angeheftete Zettelchen mit dem inhaltreichen Wort »Verkauft« die Blicke und vielleicht erst dadurch überhaupt die Auf- merksamkeit und Beachtung vieler Besucher auf sich. Aber wohin das Werk wandert, welche Rolle es von nun an als Kulturfaktor spielt, wie es weiterliin die eigentliche Aufgabe des Kunstwerks erfüllt, bleibt uns zumeist verborgen. Da auch nur verhältnismäßig wenige Kunstwerke den \\'eg in ein Museum finden, darf nach dem vorhin Gesagten eine Ausstellung aus Privatbesitz von vornherein mit dem lebhaften Interesse der Kunst- freunde, abgesehen von der leicht begreiflichen Neu- gierde der Menge, rechnen. Eine solche Ausstellung gibt uns Kenntnis von dem Geschmack und von be- sonderen Neigungen des einzelnen Sammlers, ferner von der Bedeumng eines Ortes für das Kunstleben, und

endlich erlaubt sie auch ein allerdings mehr oder min- der zutreffendes Urteil über den Wert einer Kunstrich- tung, insofern sich eine praktische Beurteilung derselben aus der größeren oder geringeren Zahl erworbener Werke überhaupt oder aus dem Umstände, ob die Werke einer bestimmten Kunstrichtung in den Besitz von Sammlern mit anerkanntem Geschmack und Urteil gelangt sind, ergibt.

Solche Ausstellungen hat der Kölnische Kunst- verein bereits vor einigen Jahren veranstaltet ; eine der- selben umfaßte nur Werke der alten Zeit, eine andere zeigte Porträts, eine dritte nur neuere Werke, wobei den meisten Besuchern die Überraschung wurde, daß unter anderen das aus vielen Reproduktionen bekannte, Angelus genannte Bild von Segantini, die Überfahrt einer Scliafherde beim Aveläuten, sich im Besitz einer Kölner Dame befindet. Nun hat der Kölnische Kunst- verein wiederum eine Ausstellung von Kunst in Köl- ner Privatbesitz, und zwar zunächst wieder von neue- ren, damals nicht gezeigten bezw. noch nicht existie- renden \\'erken veranstaltet. Wie eigentlich zu erwarten ist, läßt eine Kritik sich in die Worte zusammenfassen : Über Geschmackssachen läßt sich nicht streiten. Doch muß anerkannt werden, daß man die Ausstellungsräume mit einem vorwiegenden Gefühl der Freude und des Genusses durchwandert und wiederholt durchwandern kann. Denn manches Stück begegnet uns da, das un- bestreitbaren Geschmack des Besitzers verrät und auch in einem guten Museum seinen Platz haben dürfte. Es ist hier nicht möglich, alle ausgestellten Arbeilen ein- zeln auch nur zu nennen.

Die vorhin ausgesprochene Anerkennung gilt vor allem den Werken solcher Meister, die wir fast als Klassiker der neueren Zeit ansprechen möchten, zunächst Ansei m Feuerbach mit einem sehr frühen Bildchen »Rokokodamen am Wassere, dann Wilhelm Leibl mit einem Kinderköpfchen, das allerdings nicht zu sei- nen höchsten Leistungen zählt, und Leibls Freunde Johann Sperl mit dem wonnig im Waldesgrün ein- gebetteten Häuschen Leibls in Aibling und Karl Schuch mit einem seiner köstlichen Obststilleben. Dazu kommt Hans Thoma mit drei guten Arbeiten, einem alt- meisterlich gemalten, schwer tragenden Apfelbaum vom Jahre 1878, einem Kinderbildnis von 1S8S und einer Landschaft am Gardasee in der Dämmerung, Oswald Achenbach mit einem Bilde vom Niederrhein »Heim- kehr von der Kirmes < in welchem wir seine Hand wahrhaftig kaum erkennen ; diese Arbeit mutet uns mehr an als seine italienischen Bilder. Weiter Eduard von Gebhardt, Fritz von Uhde und Wilhelm Trüb- ner, dieser mit mehreren teils seiir, teils weniger un- serm Geschmack zusagenden Arbeiten, Karl Hage- m eistet mit einer schon 1880 geschaff'enen, farben- frischen Freilichtlandschaft vom Schwielowsee in der Mark, eins der besten Bilder der Ausstellung, Max Liebermann gefällt uns in seinen früheren Bildern, denen wir gern in guten Museen begegnen, immer noch weitaus besser als in recht vielen seiner neueren Arbeiten, von denen eine größere Anzahl, vor allem sattsam bekannte Strandbilder, gezeigt werden. Der neueste Liebermann hat in Köln eine Gemeinde ge- funden. Einen ganz anderen Geschmack bekunden die beiden Besitzer mehrerer figürlichen und landschaft- lichen Bilder von Karl Haider, einer hl. Familie, eines >Entsagung< benannten Frauenbildnisses sowie von zwei der bekannten oberbayerischen Landschaften.

Von sehr verschiedenem Werte sind die ausgestellten Werke der Künstler, die wir nur noch nennen können, der Rheinländer Juhus Bretz, Felix Bürgers (Am Wasser), Max Ciarenbach, Ernst Hardt, Gerhard Janssen, August Neven Du Mont (Diner), Max Stern (Viehmarkt am Niederrhein', Fritz Westendorp, der

FREIE SECESSION BERLIN 191 6

Münchener Hugo von Habermaiin, Franz von Stuck, Adolf Hengeler (Im Bergwirtshaus), Albert Weiß- gerber, Heinrich von Zügel (V^ehtreiber) und Angelo Jank, ferner Ulrich Hübner (Lübecker Hafen bei Morgensonne), \\'alter Leistikow, Leopold von Kalck- reuth (Bildnis eines Jagers), Arthur Kampf (Aus Sevilla), Gotthardt Kühl und Emil Nolde. Auch aller- modernste Maler sind mit einigen Arbeiten vertreten. Um solchen Gesclimack abzugewinnen, dürfte mancher zu früh geboren sein. Das Ausland tritt diesmal, den Zeitumständen entsprechend, zurück. Ausgestellt sind einige Werke von Albert AndrO, Gustave Courbet, Pablo Picasso, Camille Pissarro, Auguste Renoir, Eduard Vuillard, Ferdinand Hodler und Jozef Israels. Damit haben wir wohl die nennenswerteren Maler aufgeführt.

Die Plastik scheint, nach den wenigen ausgestellten Arbeiten zu urteilen, von denen keine besonders erwähnens- wert ist, in Köln etwas stiefmütterlich behandelt zu werden. Nun aber reiht sich den Werken der Malerei und Plastik eine sehr bemerkenswerte, von nur einem einzigen Be- sitzer mit anerkennenswertem Geschmack gesammelte große Anzahl von Originalgraphiken an, fast durch- weg hervorragende Arbeiten u. a. von Bone, Brangwvn, Cameron, Corot, Isabey, Israels, Klinger, Legros, Lie- bermann, Manet, Meryon, MiUet, Munch, Rops, Shan- non, Stauffer-Bern, Strang, Whistler und Zorn. Endlich seien noch zum Teil guten Geschmack verratende Er- zeugnisse des Kunstgewerbes der neuesten Zeit: Gläser, Keramiken, Emails, Bucheinbände usw. erwähnt. Ausdrücklich aber hiüssen wir Arbeiten wie eine das Kind anbetende Madonna in Emailtechnik als wenig würdig und die als verzerrte Karikatur in Keramik ge- gebenen hl. Drei Könige entschieden ablehnen.

Übersieht man nun alle die genannten und ange- deuteten Kunstwerke und ihre Zahl (über 100 Gemälde) und zieht in Betracht, daß wohl die meisten in den letzten Jahren erworben wurden wer Ausstellungen bereist hat, dem dürften manche Erinnerungen kom- men — , so kann man bequem den Schluß ziehen, w-elche Bedeutung der Stadt Köln für Kunst und Künst- ler der neueren Zeit zukommt. HinsichtHch der Samm- ler läßt diese Ausstellung, was auffallen mag, darauf schließen, daß die Erwerbungen durchaus nicht dem Eifer entsprechen, mit welchem Köln zum deutschen V^orort der allerneuesten Kunst gemacht worden ist; vielmehr hat in den Kreisen der Sammler Vorsicht und Zurückhaltung und ein gewisser, am guten Alten gebil- deter Konservatismus anscheinend durchaus die Vor- herrschaft. — Eine Erweiterung des Urteils über Köln als Kunststadt werden zwei weitere Veranstaltungen des Kunstvereins, wieder eine Porträtausstellung und eine Ausstellung von ebenfalls noch nicht gezeigten Werken alter Kunst aus Privatbesitz ermöglichen.

Dr. A. Huppertz, Köln

FREIE SECESSION BERLIN 1916

Von Dr. Hans Schmidkunz (Berlin-Halensee)

r)ie ältere, aber sezessionierte Sezessionsgruppe kennen wir aus unserem Sammelbericht von Juli 1914 (in X. 10). Es sind die um Liebermann, mit Slevogt usw. Nun haben sie sich zum zweitenmal gezeigt, in dem vorher von def jüngeren Gruppe benützten Haus, vom 5. Februar bis 5. April. Die (gelinde gesagt) große Verschiedenheit der Richtungen und Q.ualitäten, die hier Anblick und Urteil erschwert, scheint dem Publikum zu gefallen : Es ist auffallend viel verkauft.

Natürlich wurde auch eine Rückschau zur Erhöhung des eigenen Beständigkeitswertes gemacht, jedoch nur zum Teil abgesondert, zum Teil hineingemischt. Sie reicht zurück bis auf ein sympathisches Bild >Adam und

Eva< von L. Cranach d. J., geht über eine helle, na- turalistische und doch zugleich etwas heroische > Land- schaft mit Stierherde und Figuren< von F. de Goya, über ein eindrucksvolles weibliclies Bildnis von O.Runge, über eine »Studie zum Grafen von Gleichen« M. v. Schwinds und über zwei Bilder bekannter Art von K. Spitz weg (dem gleichzeitig bei Scliulte eine Son- derausstellung gewidmet wurde) zu A. Böcklin, dessen »Kämpfende Zentauren« gut bewegte Gesichter zeigen, sowie zu H. V. Marc es, dessen Eigenart in einem weib- lichen Akt »Unschuld« und in anderem günstiger als sonst zur Geltung kommt. Auch mehrere freundliche Schöpfungen A. A. O berlän d ers und H.Thomas lassen sich hier anreihen.

In des Letzteren außerordentlich stimmungsvollem »Maria Himmelfahrtstag« liegt wohl eher etwas Reli- giöses als in den nicht wenigen Gemälden Modernster, die biblische Stoffe sagen wir; traktieren. Voran darf dabei wohl die Erinnerung an den verstorbenen Präsidenten der Münchener »Neuen Secession«, A. Weis- gerber, stehen: sein bei kräftiger Natürlichkeit doch phantasiereicher »Absalon« sowie Bildnisse usw. worunter sein Selbstbildnis hervorragt scheinen all- gemein zu gefallen. Sodann gibt es eine »Verkündigung« von H. V. Hab ermann, die leidlich sein würde, wenn nicht ein Dummheitsausdruck abstieße; ein »Abendmahl« von O. Hettner, dessen Vorzug einer kräftig bewegten Darstellung von Andacht und Hingabe doch auch ge- stört wird durch die skizzige, etwas gliederpuppige Zeichnung, ein »Idyll« desselben Künstlers fällt durch rautenförmige Grundzüge auf; eine Madonna (mit hl. Jo- seph und mit Gott in den Wolken) von dem unsererseits mehrmals gekennzeichneten M. Melzer; eine anschau- liche, doch gut bürgerliche Naturphantasie »Geist Gottes schwebte über dem Wasser« von Chr. Rohlfs; eine lebhaft erregte, grünfahl gehaltene Darstellung Christi mit den Jüngern im Schiff »O ihr Kleingläubigen« von E. Waske. Auch der jetzt nicht seltene Typus von Stilleben mit Heiligenliguren ist vertreten: H.Müller zeigt einen solchen »St. Andreas« anscheinend wieder mit besonderem Interesse an einem komischen Gesicht.

Drei Verstorbene, die den jüngeren Kreisen anzuge- hören scheinen, hinterlassen ein verhältnismäßig gutes Andenken. Von dem Kölner E.Alt mann sind u.a. schwedische Landschaften zu sehen, mit großzügiger Naturhingabe bei sorgloser, improvisierender Strich- weise. Auch A.Meister (u. a. mit einem Pariser Stadt- blick) und K. Wieck (von dem besonders kleine ein- fache Stilleben u. dgl. auffallen) finden ein beifälliges Andenken.

Im ganzen herrscht Impressionistisches, oder sagen wir: Improvisionistisches, oder nennen wirs gleich: Nurnichtakademisches ; und die Zeichnung tritt meist wieder hinter die Farbe zurück. Manchmal ist sie prä- ziser; so in landschaftlichen Darstellungen aus Kolberg von E. Matthes; so in den lebhaften Bewegungen, welche die Bäume usw. auf W. Röslers Landschaften zeigen; so in den wirbelnden Linien von Fr. Schuhes Dorf- und Strandbildern. Ein Straßenbild von Lene Schneider-Kainer ist skizzig, aber wenigstens nicht tapetenflächig. Auch perspektivische Spässe kommen vor; so in einem Zirkusstück und einer Straßenszene von E.L.Kirchner und »Das Caft^haus« des uns in den letzten Jahren durch charakteristische Szenen be- kannt gewordenen Kl. Richter ist gute Witzblatt- zeichnung. Der diesem Künstler ähnliche M. Zeller zeigt eine kräftige Darstellung »Krankenbett«. Die Flecken als malerische Elemente weichen größeren Flächen oder sind wenigstens, wie bei W. R o s a m (»Heimarbeiterin«), ausgeglichener.

Zahlreich sind die Farben-Besonderheiten, vom Glü- hendsten bis zum Mattesten. Wieder finden sich die

VORTRAG ÜBER KRIEGSGEDENKZEICHEN

Schwellfarben, die vom Rand einer Fläche gegen die Mitte zu satter oder dunkler werderi; so bei M. Reell- ste in, nur mit weniger stetigen Übergängen, als sie sonst vorkommen. Wie dessen >Herbstlandschaft< eine Gelbbraunglut zeigt, so kelirt das jetzt beliebte Motiv der radialen Sonnenfluten in dem >Mann am Fenster« von Br. Krauskopf wieder, der gleichfalls mit Schwell- farben arbeitet (seine >Landschaft« möchte man für eine Darstellung fressender Pflanzen halten). Das Loh- farbige mit der Strahlen- und Ringsonne findet sicli auch in H.Heusers >Abend bei Darmstadti. Beson- ders beliebt scheint eine Pfirsichfarbe zu werden ; so bei dem obenerwähnten Altmann (neben einem röt- lichen Hellbraun), bei O. Beyer (»Abend in Vieville«) und mit einem besonderen Glühen bei E. Gotzmann (>Dorfteich<). Daneben gibt es ein Rosa in den Akten auf A. Degners »Bacchanal«, mit dem Typus der »dummen Gesichter«. Dann geht es durch die Oliv- reflexe aufL. v. Hofmanns nicht mehr neuem »Schma- lem Ufer« zu dem (sonst noch häufigeren) Gelb der »Gefangenen Frauen« von K.Tuch (gleichfalls schon typisch) und zu dem Seitenstück dazu in Graubraun, den »Frauen am Meer« von K. Hofer. Bald sind wir bei dem fahlen Licht der Reiterfiguren angelangt, welche W. Kohlhoff als »Kampf« zeigt, dann bei dem ganz blassen der »Ruhenden Reiterin« von O. Th. W.Stein und endlich bei der fast völligen Farblosigkeit des Bildes »Der Trauernde« von E. R. Weiß, dessen Bild- nisse usw. dem für expressionistische, impressionistische und sonstige Wandlungen eines Künstlers Interessierten wohl näher zu tun geben können. Wer sonst noch Lust zum Beobachten moderner Malnuancen hat, mag bei dem Schwimmerigen des »Bailokales« von W. Bau- gerter oder bei den zwar schütteren, aber nicht dürf- tigen Farben auf den Landschaften von W. Klemm oder bei den Farbenphantasien von W. Röhricht (»Sommerabend« u. a.) verweilen.

Mit solchen Besonderheiten ist durchschnittlich die künstlerische Bedeutung solcher Werke erschöpft. Nun kommen natürhch auch die Überkünstler, voran die Gauguinisten: R. Janthur (»Landschaft« u. a ) und L. Kainer (»Garten in Ceylon« u. a.), sowie ein noch mauligeres und extremitätigeres »Ruhendes Mädchen« von O. Müller; auch der Bergsee, den E. Heckel »Gläserner Tag« nennt, oder selbst ein »Stilleben« von O. Moll befreit den Beschauer kaum aus seinen Schmer- zen. Wo dieser sich beruhigen kann, •dort waltet häu- fig ein Zug zur Graphik; so bei einem Musikerbildnis Ida Gerhardis, bei Gartenbildern E. Orliks (das nämliche Objekt mal vor dem Regen, mal im Winter), bei einem Mädchenbildnis B. Pankoks, bei Fr. Rhein (»Gärtnerei« u. a.), etwa auch bei den gut anschaulichen »Kreidefelsen auf Rügen« von O. Ipotaczyk. Hübsch oder nett sind E. Gablers »Hauswand mit Blumen«, M. Gieseckes »Fliegende Fische«, Dora Hitz' »Halle eines alten Palastes«, R. Sewalds »Kreuzgang« und eine jedenfalls reich durchgearbeitete »Berglandschaft« neben zarten »Herbstblumen« von Maria Slavona. D.1S Kriegsthema ist kaum öfter als einmal ver- wertet, nämlich in R. Sterls »Kameraden« (die einen Verwundeten aus dem Schützengraben tragen).

Den Liebhabern von alten bekannten Secessions- namen mag noch gedient sein durch die Aufzälilung einiger Künstler mit Fortsetzungen ihres Früheren. So finden wir wieder: H. Baluschek (»Kupferhütte«),

B. Bern eis (»Komposition« mit Darstellung eines luzi- ferartigen männlichen Aktes, der innerhalb der Umrisse eines Gebirges emporblickt), W. Bondy (dessen Bild- nisse ihn wieder als einen Gegensatz zur Gewaltsam- keit des sonstigen Sezessionistischen zeigen), Th. v. Brockhusen (»Frühlingssonne«, auch wieder radial),

C. Herrmann (der einen Herbstmorgen und einen

Herbstnachmittag aus den Münchener Isaranlagen bringt). U. Hübner (mit der bewegten Regenstimmung seines »Hamburg«), L. v. Kalckreuth (»Interieur, Blick auf den Garten«), M. Liebermann (unter dessen Bildern ein »Vorraum mit Tonne« hervorgehoben sei), M. Sle- vogt (mit einem so recht impressionistischen »Bauern- jäger in der Pfalz«), und neben W. Trübner (u. a. ein lauschiges »Schloß Lichtenberg«), Alice Trübner f (deren »Schneelandschaft«, »Schloß Hemsbach« u. a. manchen vielleicht wenigstens milder anmuten als W. Trübners Art).

In der sezessionistischen Plastik fordern die ausge- renkten und zerquetschten, puppigen und ruppigen Fratzen, von den langen, häufig kropfigen Monstren bis herab zu den Knetpüppchen, immer mehr auch ent- gegenkommende Kritiker heraus. Die »Jünglinge« und dgl. von E. de Fiori und von W. Lehm brück sowie die »Badende» u.a. von R. Sintenis und W. Ste- gers »Mädchenfigur« sind Hauptbeispiele dafür. Die zwei Erstgenannten malen auch; speziell de Fiori bringt neben einer Fleckenskizze »Reiter« eine »Prome- nade«, die etwa als das Modejournal des Uberkünstlers gelten kann. Umgekehrt erscheint diesmal die Gra- phikerin K. Kollwitz plastisch, und zwar mit einem in Flächen spielenden »Liebespaar«. Gruppen im Ty- pus der zwei Menschen oder dgl. treten hinter Einzel- figuren zurück (W. Steger, »Gruppe«, die vielleicht als eine eigens »rhythmische« Leistung gedacht ist, analog dem Gemälde »Gruppe« von E. Scharff). Die tupfige Darstellungsweise erscheint' in dem umfangrei- clien Relief der »Grablegung« von H. Krückeberg (deren Komposition wohl besser ist als ihre Gesichter), in schwer erttäglichen weiblichen Figuren von G. Lesch- nitzer, in ausdrucksvollen Büsten von Marg. Moll, deren »Wasserträgerin« hinwieder zum schwer Erträg- lichen gehört. Weicher, glatter ist diese Tupfenart bei K.Schäfer, noch glatter bei E. Honig (männliche Bildnisbüste). Dann zeigen sich wieder E. Barlach (be- sonders mit einem »Hunger«), C. Ebbinghaus (mit vielerlei, darunter markanten Bildnisbüsten), B. Frydag (ein »Holzträger« und ein Steinrelief »Eseltreiber« sind hervorragend), A.Gaul (»Laufende Bären«), W.Gerstel (mit bald kräftigen, bald eigenartig affektierten Darstel- lungen »Amazone» u.a.), H. Haller (»Stehendes Mäd- chen«). Fr. Klimsch, G. Kolbe und A. Kraus bringen mancherlei bemerkenswerte Bildnisse, und an netten Kinderporträts (Georgi u. a.) fehlts auch nicht. Zwei Bildnisbüsten A. v. Hildebrands überragen sehr vieles.

VORTRAG ÜBER KRIEGSGEDENK- ZEICHEN

Am Abend des i. Mai hielt Domdekan Dr. S. Huber im großen Saale des Hotel Union zu München vor einer zahlreichen Versammlung einen Vortrag über Kriegsgedenkzeichen. Der Zweck der Veranstaltung war, auf die Bedeutung des 191 5 von der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst mit dem bekannten ausgezeichneten Erfolge durchgeführten Wettbewerbes hinzuweisen und für die Förderung der dabei verfolg- ten Absichten einzutreten. Dementsprechend wurden auch die damals mit Preisen und Anerkennungen aus- gezeichneten Entwürfe in Lichtbildern vorgeführt. Ein- leitende Worte sprach S. Exzellenz Dr. Wilhelm von Haiß, der I. Präsident der D. Gesellschaft für christliche Kunst, welche Veranstalterin des Vortrags war. Nach- drücklicli betonte er die Wichtigkeit jenes Wettbewer- bes. Durch diesen ist es ermöglicht, für Stadt und Land Kriegsgedenkzeichen zu schaffen, die in ihrer künstlerischen Vollendung und mit ihrem tiefen geisti-

VERMISCHTE NACHRICHTEN

gen Gehalte den hohen Zwecken der Deutschen Ge- sellschaft entsprechen. Es kommt darauf an, immer weitere Kreise für diese Aufgabe zu gewinnen. Der nach dieser Einfülirung folgende V'ortrag war so anre- gend, daß man von ihm wohl eine Förderung jener Absicht erhoffen darf. Dr. Huber begann mit dem Hin- weise auf einen früher an anderer Stelle von ihm ge- haltenen Vortrag über Krieg und Kunst. Die damals von ilmi gezeigten Bilder aus verschiedensten Zeiten haben vor Augen geführt, welch reiche Anregungen der Krieg für die Kunst zu liefern vermag. So sei man berechtigt, auch von dem jetzigen Kriege derartiges zu erwarten. Schöne Ansätze seien bereits vorhanden, an weiteren ersprießlichen Folgen werde es nicht fehlen. Die großen Ereignisse verlangen auch künstlerische Dar- stellung, die Persönlichkeiten großer Manner Würdigung ihrer dauernden Wichtigkeit in Gestalt von Denkmalen. Der Wille des durch die gewaltigen Ereignisse in sei- nem tii.tsten Bewußtsein ergrifl'enen Volkes werde ver- langen, daß die Kunst diesem Bewußtsein Ausdruck verleihe. Zu den- Erfüllungen dieses Erwartens gehöre der von der Deutschen Gesellschal't für christliche Kunst veranstaltete Wettbewerb ; er gebe zugleich den daheim- gebliebenen Künstlern die Möglichkeit zur Entfaltung ihres Talentes und zur Aussprache lioher Gedanken. Sehr beherzigenswert waren die Ausführungen des Redners über die Notwendigkeit des religiösen Ein- schlages auch bei der Kunst des Krieges ; zumal bei solchen ^^'erken, die dem Ehrengedächtnisse der ge- fallenen Helden gewidmet seien. Dankbarkeit und Trauer erheischen die Errichtung würdiger Denkmale, die ihrer Aufgabe nur dann gerecht werden, wenn sie vom Geiste der Religion erfüllt seien. Gerade darum finde der Wettbewerb der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst so lebhafte Teilnahme. Zwei Haupt- gruppen von Denkmalen seien gesucht: erstens solche für gefallene Krieger, anzubringen in oder an Kirchen, an Häusern oder auch im Freien ; zweitens Erinnerungs- zeichen. Die bei dem Wettbewerbe vorgelegten Ent- würfe besäßen nur skizzenhafte Form, die aber genüge, die Verschiedenartigkeit der brauchbaren Formen und Ideen klar zu stellen. An diese allgemeinen Betrach- tungen schloß sich die Besprechung jener Entwürfe im einzelnen. Der Redner hatte sich das reiche Material in der Art angeordnet, daß er die Entwicklung des Denkm.ilgedankens von den einfacheren Lösungen zu den schmuckvollen durchführte. Er begann die Unter- suchung der Epitaphien mit der jener schlichten vier- eckigen Platten, die vorzugsweise für die Aufnahme von Namensinschriften bestimmt sind. Entwürfe von deir Antonio, Burger und Grasegger lieferten Stoff zur Erklärung des harmonischen Verhältnisses von Höhe und Breite und des Gr.ides der Wichtigkeit, die das dabei sparsam angewandte Ornament in Anspruch nimmt. Großzügigen, einfachen, figürlichen Schmuck voll tiefen Sinnes zeigt eine Tafel von Resch, mannig- fache Auff;issung, von bedeutenden dekorativen und geistigen Wirkungen eine Anzahl von Denktafeln in Formen des Rokoko (Auer, Blaser u. a.). Die Anpas- sung an den Stil der Kirchengebäude wird bei allen diesen Dingen bestens erreicht werden. Gerade die Verbreitung der einfachen Gedenkplatten sei lebhaft zu empfehlen. Hiernach ließ der Vortragende solche mit reicherer Gliederung und stärker betontem Figuren- schmucke folgen, wies auf die Schönheit der Maßver- hältnisse, der Einteilung der Kompositionen, des Linien- spiels hin, erläuterte, in welcher Weise die Figuren eine beherrschende Rolle spielen und untersuchte die Bedingungen der Verwendbarkeit der einzelnen Ent- würfe innerhalb bestimmter Umgebung im Interesse der von den Künstlern beabsichtigten Wirkungen. Zur Sprache kamen dabei Arbeiten von Ruppert, Unter-

pieringer, Grasegger, Resch, Altmann, Kopp, Kuolt, Überbaclicr, Cleve, Guntermann, Köpf, Kraus und an- deren. — Eine Sonderbetrachtung galt den gemalten Gedenktafeln von Fuchs, Lechner, Selzer, Gerhard, Baumhauer; besonders der Entwurf des letzteren fand eingehende Würdigung. Dann wieder der Plastik sich zuwendend besprach der Redner solche Werke, bei denen das Hauptaugenmerk auf das figürliche Ele- ment gewandt ist und die Inschrift weniger in Betracht kommt, also besonders Bildwerke an Hausecken, an Mauern, in Straßen, auf Plätzen (Hans Miller, Hoser, Selzer u. a.), ferner den St. Barbaraaltar von Wallisch und Erb. Von da kam Dr. Huber auf die Kleinarchi- tekturen, zuerst auf die mehr künstlichen (Bachmann), weiterhin auf jene, die sich mit natürlicher Schlichtheit dem Charakter des Orts- und Landschaftsbildes ein- fügen, also auf die Kapellen (u. a. Steidle, Simon, Ho- ser), Bildstöcke uud Betsäulen (Hoser, Kraus, Miller) ; die Vorzüge dieser poesievollen, volkstümlichen Werke, deren Herstellung noch dazu nicht durch große Kost- spieligkeit erschwert wird, die sich also gerade zu recht weiter Verbreitung eignen, fanden beredte Würdigung. Die Lichtbilder dürften zur Empfehlung aller dieser Plastiken, Bauten und Malereien noch wesentlich bei- getragen haben; geradezu überraschend ist, wie durch die starke Vergrößerung der Bilder, welche den Lesern der >Christlichen Kunst« aus Heft 7 des Jahrganges 191 5 bekannt sind, die monumentalen Eigenschaften der Entwürfe erst recht zum Bewußtsein gebracht wur- den. Dasselbe war auch mit den Fahnen (Lorch, Alb- recht, Kiesgen, Heimckes), hängenden Zierden (Oster- mann, Simon), Glasmalereien (H. Schiestl, Figel)> Leuchtern (Miller) usw. der Fall. Auf die Gruppe der Etinnerungszeichen eingehend besprach Dr. Huber die Gedenkblätter (M. Schiestl, Lechner, Daringer, Alb- rechtskirchinger, Resch, Wirnhier, Kunst u. a.), die Me- daillen, Plaketten und Anhänger (Ostertag, Ruppert, Daumiller, Waupotizch, Grasegger). Die Bilder von Huber-Sulzemoos machten den stimmungsvollen Be- schluß.

VERMISCHTE NACHRICHTEN

Köln. Eine Neuerung, welche für das Kunstleben in Köln von besonderer Bedeutung werden kann, ist die Schaffung der Stellung eines städtischen General- direktors für Kunst und Kunstgewerbe. Die- ser ist nicht als Nachfolger des verstorbenen Ersten Direktors des Wallraf-Richartz- Museums gedacht, er soll überhaupt mit der Leitung der Museen nichts zu tun haben ; vielmehr wird ihm die Aufgabe gestellt sein, auswärts wieder größeres Interesse für den rei- chen Kunstbesitz der Stadt zu wecken, die Interessen der Künstlerschaft tatkräftig zu fördern, die Sammel- tätigkeit noch mehr anzuregen und in gute Bahnen zu lenken, für die Hebung des Kunstgewerbes zu wirken und besonders auch sich für die stärkere Belebung des Kölner Kunsthandels einzusetzen. Der Oberbürger- meister ist seitens der Stadtverordnetenversammlung ermächtigt worden, nach dem Kriege auf diesen Posten Prof. Dr. Georg Biermann in Darmstadt zu berufen. Gegen diese in geheimen Sitzungen getroffene Neue- rung hat sich in einem Teile der Presse und in Krei- sen der Bürgerschaft lebhafter Widerspruch erhoben. Abgesehen von der Person des in Aussicht Genomme- nen weist man hin auf die Kostspieligkeit, besonders aber auf andere, wichtigere Aufgaben, welche der Stadt nach dem Kriege und infolge desselben erwachsen, dann auch auf die beträchtlichen Summen, welche die Stadt bisher schon für die Kunst aufgebracht hat bezw. noch abträgt, vor allem auf den Millionenzuschuß zur

VERMISCHTE NACHRICHTEN

Werkbundausstellung (ob der Staat infolge des Kriegs- ausbruchs entschädigend eintreten wird?), und auf die hohe Kaufsumme für die Erwerbung der Leiblsamm- lung. Wenn man allerdings bedenl<t, daß, wie jetzt bekannt wird, die Möglichkeit bestand, die Sammlungfür die Stadt mit 800000 Mark zu erwerben, und schließlich 1V4 Mil- lionen bezahlt wurden, welche Summe durch die Amortisation auf über i'/^ Millionen anwachsen wird; wenn man ferner erwägt, daß die Rückgängigmachung der unter der letzten Direktion eingeleiteten Erwerbung einer größeren Anzahl von Gemälden neuester Zeit, deren Wert man bestreitet, nur zum Teil gelungen ist, von Werken, die wahrscheinlich nie ausgestellt werden, dann wird ein auf Unwillen und Vorsicht gegründetes Widerstreben gegen den Plan jener großen Aktion be- greiflich. Dazu kann man sich auch nicht der Empfin- dung erwehren, daß es sich darum handelt, auch der Kunst, wie anderen lokalpolitischen Faktoren, die Rolle einer Dienerin kommunaler Politik zur Hebung lokalen Ansehens im Wettbewerb mit anderen Kunststätten anzuweisen, womit aber das Vorhandensein auch ideale- rer Beweggründe nicht angezweifelt wird. Immerhin darf jedermann wünschen, daß der Stadt Köln die historisch berechtigte Bedeutung als hervorragende Pflege- stätte der Kunst gewahrt bezw. wiedererworben werde, daß es jedoch mit richtigen Mitteln geschehe, und daß letzthin vor allem der Kunst gedient werde. b.

München. Die Jahres-Ausstellung im Glaspalast beginnt am i.Juli und dauert bis spätestens Ende Ok- tober. Anmeldunsen haben bis spätestens 31. Mai ein- schließlich zu erfolgen. Schluß der Einsendungen: 31. Mai, 5 Uhr abends.

In Schliengen (Baden) wurde die Vorhalle (Läute- raum) der Pfarrkirche unter Verwendung einer alten Madonnenstatue als Denkmal für die Gefallenen aus- gestaltet.

Kriegskunst in der Dorfkirche. Für die Decke der »Kapelle bei der Eich« unweit Ellwangen schuf Professor Gebhard Fugel ein Gemälde, das dem Kriegsjahr 1914/1 5 gewidmetist. Unter den Figuren des Bildes sind die in der Gegend» Gefallenen verewigt.

In der St. Ludwigskirche in Ludwigs- hafen a. Rhein, welche Anfang des vorigen Jahr- hunderts von dem berühmten Architekten Hübsch in Karlsruhe erbaut wurde, sind in den letzten zwei Jah- ren unter der Oberleitung des .Architekten Joseph Kuld in Mannheim verschiedene Arbeiten ausge- führt worden. Neben einer ZirkuLitionsLufiheizung durch die Firma Wagner in Ludwigshafen, war es na- mentlich die Malerei der Chorapsis (die von dem Maler Süßmaier, einem Schüler Schraudolphs seinerzeit bemalt wurde), die jetzt einer Renovation unterzogen werden mußte. Den figürlichen Teil hatte der Kunstmaler Franz Otterpohl aus München, den dekorativen die Firma Acker & Wolf in Ludwigshafen aus- geführt. Gleichzeitig sind die Chor- und die Seiten- schiffenster erneuert worden. Erstere erhielten Dar- stellungen, die auf das hl. Altarsakrament Bezug haben, während in letzteren die 15 Geheimnisse des Rosen- kranzes dargestellt sind, Diese Fenster sind aus dem Atelier der Glasmalerei F. Voege in Mannheim hervorgegangen. Als Schluß des Ganzen hat nun un- längst eine Pietii Aufstellung gefunden, die von dem Bildhauer H. Taglang in Mannheim ausgeführt wurde.

Ansbach. Der Ausschuß für die Errichtung eines Kriegs Wahrzeichens in Ansbach hat einen Ent- wurf des Professors und Direktors Bradl in Ober- ammergau als in jeder Beziehung geeignet anerkannt und dem Professor Bradl die Ausführung des Wahr- zeichens übertragen. Es kommt in der Nordostecke des Rathauses zur Aufstellung und stellt eine Säule mit figürlicher Bekrönung dar.

Bildhauer Hans Miller (München) modellierte für die beiden Port.ile der Ostseite der St. Bennokirche in München je ein Tympanonrelief, die von Bildhauer Anton Schmid ausgeführt wurden. Die Darstellungen nehmen auf die gegenwärtige Kriegszeit Bezug. Die eine schildert Judas Makkabäus im Kampfe und trägt die Inschrift: »Nicht die Größe des Heeres, sondern der Himmel verleiht den Sieg.« Die andere zeigt Kaiser Konstantin d. Gr. zu Pferd mit dem Kreuzzeichen und der Inschrift: »In diesem Zeichen wirst du siegen.«

Maler Albert Figel (München) vollendete die Kar- tons für die Kriegsfenster der Kirche in Mergentheim (Württemberg).

Die Sommerausstellung der Münchener Se- cession wurde am 20. Mai feierlich eröffnet.

Erledigung eines Wettbewerbes. Anläßlich des Wettbewerbes für Entwürfe zu einer neuen St. Kor- binianskirche in München liefen 104 Projekte ein. Das Preisgericht bestand aus den Herren: Prof Hocheder, Architekt, Stadt. Baurat Prof. Dr. Hans Grässel, Professor Richard Berndl, Architekt, Korn- merzienrat Stierstorfer, Domdekan Dr. Seb. Hu- ber, — Oberregierungsrat Walser, Stadtpfarrer g. R. Wagner, Stadtpfarrer g. R. Gilg. Den I. Preis erhielt ein Entwurf von Prof. Herm. Buchert, den II. jener des Architekten Ant. Hatzi jun., den 111. der Entwurf des Dipl.-Ing. Hans Atzenbeck, den IV. jener des städt. Ingenieurs F. X. Knöpfle. Zum An- kauf wurden empfohlen je ein Entwurf von Hans Brühl, Griesemer, K. Höpfel, Jos. Buchert.

Kunst und Krieg. Unter der allgemeinen Preis- steigerung leiden natürlich auch unsere Künstler und dies ganz besonders, wenn sie wieder abhängig sind von Geschäftsleuten. Ganz unverständlich ist daher das Vorgehen einer Kirchenverwaltung, die einem nam- haften Künstler die durch die Preissteigerung im Stein- metzbetriebe und vermehrte Nebenkosten infolge des Krieges wohl begründete Melirforderung glatt ablehnt und sich hierbei auf den Vertrag stützen will, der zu Beginn bezw. knapp vor dem Kriege abgeschlossen wurde. In billiger Erkenntnis der bitteren Zeit zahlt man für jede Arbeit, jeden Gegenstand, (ür alle Lebens- mittel mehr, nur die Kunst soll vogelfrei bleiben kein Wunder, wenn das Vorgehen der Kirchenverwal- tung in Künstlerkreisen bittere Verstimmung hervorruft und als Mißachtung und geringwertige Einschätzung unserer Künstler empfunden wird. f. Fuchsenbergcr

Berichtigung. Der in Heft 7 auf S. 203 abge- bildete Saal ist nicht der Rathaussaal in Ulm, sondern der Festsaal in dem von Prof. Dr. Georg von Hauber- risser erbauten und auf S. 205 wiedergegebenen Rat- hause zu St. Johann a. Saar.

iiliche Kunsl, GmbH.

BEILAGE

KRIEGSKUNSTAUSSTELLUNGEN IN BERLIN

KRIEGSKUNST-AUSSTELLUNGEN IN BERLIN

Von Dr. Hans Schmidkunz (Berlin-Halensee)i

pinen Überblick über das, >\vas unsere deutschen

Künstler in der Darstellung des Weltkrieges bisher geleistet haben«, wollte die Kgl. Akademie der Künste in ihrer K riegsbilder- Ausstellung Fe- bruar bis April 191 6 geben. Sie hat eine auffallend große Zahl von Künstlern, meist aus Berlin, zusammen- gebracht; und zwar sind es teils Kriegsmaler, die der Stellvertretende Geiieralstab von Kriegsbeginn an nach allen Kriegsschauplatzen entsendet hat, teils Mitkämpfer, die »in den Stunden der Ruhe ihre Kunst in der Dar- stellung des Krieges geübt haben«. Schon die Früh- jahrsausstellung 191 5 der Akademie (siehe unser Heft Xl/io) hatte einige Gruppen von Kriegsbildern gebracht; und die Eindrücke von damals kehren auch im jetzigen größeren Rahmen wieder.

Hauptsache: wir sind im großen ganzen von den Riesenschinken, von der bloßen Spielart des Land- schaftsbildes, von der bloßen Optik der Eflfektszenen und von der wohlpräparierten Tugend erlöst, sind in die Intimität der Einzelhandlungen, der Einzelzustände und der örtlichen Stimmungen hineingeführt, mit aus- gesprochener »Gegenständlichkeit« und mit vorwiegend mehr linearer als flächiger und punktiger Formgebung. Allerdings muß man dabei absehen von dem Umstände, daü sich auch hier schließlich »alles« findet, vom Um- fangreichsten bis zum Kleinsten, vom künstlerisch In- nigsten bis herab zu jenen illustrativen Zeichnungen, vor deren Fixigkeit man »paff'« sein kann. Das typische Großbild, das im ersten Saal ungefähr jeder Ausstellung oder Galerie dem Besucher die für das Auffinden der meist weit hinten versteckten unscheinbaren Verdienste nötige Zeit verkürzt, ist diesmal H. Kohlscheins »Aus- zug der kriegsgefangenen Besatzung von Maubeuge« wirklich gute Düsseldorfer Malkunst.

Ähnlich steht es mit den vielen Bildnissen von Heer- führern usw. Man könnte sagen: die einen Porträts ragen hervor, und die anderen werden hervorgeragt. Zu den letzteren gehört jedenfalls das Gemälde, mit welchem H.Vogel das Zusammenarbeiten Hinden- burgs und Ludendorffs verewigt. Zu den ersteren gehören jedenfalls Porträts von Fritz Reusing (Prinz Leopold v. B., General v. Below u. a.), sowie das eine (Admir. v. Schröder) Frz. Eichhorsts, der zu- gleich in mehreren Einzelszenen, zum Teil von der Nationalgalerie angekauft, den günstigen Eindruck von früheren Ausstellungen her fortsetzt. Auch Fritz Erler erfreut durch ein Kronprinzenbild und überhaupt durch eine Steigerung seiner dekorativ-stilisierenden Kunst, die bisher manchen mindestens kühl lassen konnte, zu einer gut geistigen Darstellung («Die Stunde des Sturms« u.a.); wir konnten ihn derart schon vorher in einer Sonder- ausstellung bei Schulte kennen lernen (»Wo kommst du her in dem roten Kleid« u. a.). Gute Porträts sind noch eines von OttmarBegas und viele von A.Busch. Neben den schier unzähligen Generälen ist der Franzis- kanerpater Raymundus (Prof. Dr. Dreiling) von H. Wislicenus in eindrucksvoller Weise porträtiert.

Als Toter ist anscheinend von allen nur P. duente zu beklagen, der übrigens auch als Forscher und Pfleger der Heimat gerühmt als Kriegsfreiwilliger am Hartmannsweilerkopf fiel. In zwei zarten schlichten Blei- stiftzeichnungen, die in irgend einem rückwärtigen Aus- stellungswinkel hingen, schildert er Ausbhcke von jenem Berg.

Bleistiftzeichnungen entfalteten diesmal überhaupt mancherlei intimere Kunst. Die von O. Heichert, zum Teil farbig, mehrere von der Nationalgalerie an-

Dl« christliche KuDst XII. lo. i. Juli 1016

gekauft, dürfen wohl voranstehen. So besonders sein »Kircheninneres«, etwa auch »Die Beichte« (ein Geist- licher im Lazarett); Sturmszenen (aber eben nicht »stürmisch«) und Ruheszenen (z. B. »Der Mundharmo- nikaspieler« im Schützengraben) usw. geben die an- schaulichsten Bilder. Virtuoseste und doch klarste sind wieder von Rieh. Müller da, besonders in Darstel- lungen zerschossener Gebäude u. dgl. wie z. B. des Treppenhauses der ausgebrannten Universitätsbibliothek zu Löwen. Dazu mehrere Bleistiftskizzen von H. L. Braune und ein reichhaltiges, aber doch über Schemata wenigstens einigermaßen hinausgehendes Gedenkblatt »Den gefallenen Kameraden« von H.Arnold.

Dem Werte nach im Mittelpunkte steht wohl wieder, wie schon vorm Jahre, L. Dettmann, z. T. mit be- rechtigter Wiederholung des früheren Materials. Was wir damals über dieses gesagt, bestätigt sich uns auch jetzt. Wie da seine russische Bäuerin über ein Schlacht- feld geht, oder wie er einem alten polnisch-htauischen Kirchhof seine Eigenstimmung abgewinnt u. dgl. m., das wird womöghch noch überboten durch seine »Kriegs- freiwilligen« : wie sind diese paar andächtigen jungen Gestalten in der Kirche individuell verschieden und doch hinwider gleichmäßig zusammengehalten durch das sie gemeinsam beseelende Gefühl !

Wie schon damals, so hat jetzt neben Dettmann die Reihe der Darstellungen von Fritz Rhein einen schweren Stand, etwa ein Generalsporträt ausgenommen. Eine gewisse Zartheit, eine geschickte Leichtigkeit bei- spielsweise in dem Guaschebild »Posten«, das hebt über

ORNAMLM ,L LIM.M i^llKLIL: 1 ISlU VON' KAIU, KL'OLT Iff/. Abb. S, 2SS

KRIEGSKUNSTAUSSTELLÜNGEN IN BERLIN

einen kühlen und nicht eben ins Große oder Tiefe gehenden Eindruck kaum hinaus.

So sehr man in Sezessionsausstellungen das Ausgeben des Skizzenhaften für Vollendetes bedauern kann; hier lebt man sich in die anspruchslose Flüchtigkeit von >Studien< bald anerkennend hinein, sei's nun die >Weg- nähme einer russischen Batterie« von E. Mattschaß oder C. Saltzmanns >Tsingtau«. An verweilenderen Ausführungen fehlt es gleichfalls nicht, wie beispiels- weise bei den die fliegende Maasbrücke überschreiten- den Kolonnen von A. Obst.

Schwerer als bei sonstigen Ausstellungen wird dem Referenten hier das Dilemma, ob er mehr für viele verdienstvolle Einzelleistungen oder mehr für den Schutz des Lesers vor knappen Aufzählungen von Namen und Titeln sorgen soll. Diesmal rufen noch gar viele nach Beachtung. So jedenfalls M. Fabian mit seiner in Graugrün und Gelbbraun gehaltenen >Kathedrale von Roye<, mit dem >Soldatenkirchhof in Bolimow<, mit einem lUnterstandsbau«. So P. Folkerts mit »Gottes- dienst in der Höhle von Vassens«. So J. Goossens mit einem gut malerischen > Dankgebet« (am Eingang der zerschossenen Kirche von Hattonchatel). So C. Heß- mert mit seiner »Burg der vier Haimonskinder in den Ardennen«. So G. Lebrecht: >Erstürmung von Di.\- muiden« und >KiHd Bahr (Dardanellen)«, wo das Schwarz und das Hell gut hervortreten. So der diesmal malerisch und zeichnerisch kommende Bildhauer L. Manzel mit russischen Gefangenen usw., mit einer massenkräftigen >Einnahme von Kowno« und besonders einem hinwider mehr detailscharfen >Übergang nach Olita«. So H. Me\'er-Kassel mit einem Schützengraben, W. Mo- risse mit einem russischen Kirchhof, H. Peters mit einer Schlachtfeldrast und einer »Krankenschwester«, P. Rieth mit französischen Infanteristen, W. Schreuer mit einem Stadt-Regenbild »Aus der Champagne« und einem zart hellen »Am Narew«, A. Sohn-Rethel mit einem Stimmungsbild von französischen Gefangenen und einem »Einrücken der Reserven, Argonnen«, F. Spiegel mit einer »Zerschossenen Kirche in Radymnow« u. dgl., R. Sterl mit feinen Einzeldarstellungen und be- sonders einer stimmungsvollen »Höhe lo8«, E. Voll- behr mit einem dreifachen Vogesen-Schlachtbild vom 12. Okt. 1915 (das vom Hauptmann als getreu bestätigt ist), P. G. Vowe mit einer Batterie in den Vogesen, endlich C. Ziegra mit Darstellungen aus Serbien (»Ver- senkte Donaudampfer« u. a.).

Bei dem Vorwiegen der farblosen oder leichtfarbigen Zeichnung tritt hier die eigentliche Graphik wenig deutlich hervor. Und doch ist vor allem in Holz- schnitten Wertvolles geleistet durch den Viererzyklus »Aus der Offenbarung Johannis« von H. Lietzmann (als Fünferzyklus veröffentlicht) und besonders durch eine Siebenerreihe von J. Weiss; diese trägt Titel wie »Gott mit den Deutschen«, und auf einem Triptychon »Die Leiden, Weltkrieg, Der Friede«. In beiden Zyklen lohnt sich besonders eine Aufmerksamkeit auf die Ver- wendung und Behandlung schwarzer Flächen. Radie- rungen sind nicht häufig; einige von O. Graf gelten dem »Klosterhof von Messines«, den „Arbeitern des Krieges u. a.; die von E. Oppler stellen Bilder aus Lille und aus den Karpathen dar, darunter eine Ruthenen- hütte, die außerdem auch malerisch behandelt ist. Etwas häuliger sind Lithographien: von E.Feyerabend »Bei Ripont«, von H. Kaiser Straßenkämpfe im Westen, von C. Kappstein einiges Stimmungsvolle aus dem Osten, von G. Tippel »Panik« u. a. Die Plastik kommt am ehesten in Betracht durch Portrat- büsten von A. Kraus und durch Plaketten von K. K o w a 1 c z e w s k i .

Zwei Künstler aus dieser Akademie-Ausstellung haben wir trotz Erwähnungswürdigkeit noch nicht genannt.

Der eine ist W. Georgi. Noch besser als durch ein dort ausgestelltes Generalsporträt u. a. konnte man die- sen Karlsruher kennen lernen durch eine größere Samm- lung von Bildern aus dem Westkriege, die bei Schulte ausgestelh waren. Er kommt der kriegsdarstellenden Kunst D e 1 1 m a n n s nahe, immerhin mit geringerer Tiefe der geistigen und Stiramungskraft. Denkt man bei jenem kaum an die Darstellungsweise, so macht sich bei Georgi die geschickte Zeichnungskunst, in größeren Formen als dort, direkter fühlbar. Jedenfalls zeigt er viel Ergreifendes in seiner Charakteristik von verlorenen Heimen u. dgl. m. Wie neben Dettmann Rhein etwas zurücktritt, so neben Georgi der gleichzeitig mit ihm durch eine größere Kriegsbildersamralung ver- tretene Münchener H. v. Hayek.

Der andere im vorigen noch übergangene Künstler ist R. Pfaehler V. Othegraven. NamentHch Stellungen und Auffahrten von Geschützen, aber auch ein »Vor- marsch in Rußland«, sind das Thema für seine kräftig bewegte Zeichnung- Weitere Beispiele davon befinden sich in einer Ausstellung »Die Kunst im Kriege«, welche vom Hagener »Museum für Kunst im Handel und Gewerbe«, unterstützt durch mehrere künstlerische und soziale Verbände, auf Wanderung ge- sendet ist und zu Berlin im Hause der (alten) »Seces- sion« Unterkunft gefunden hat. In ihr spielen die Malerei und ihre Nächstverwandten nicht die Hauptrolle; die wenigen Gemälde sind mindestens nicht erwähnens- wert, die zumeist im Feld entstandenen Zeich- nungen sind spärhch ; in der Graphik fallen günstig auf: eine Radierung von E. Bischoff-Culm, Kaiser Wil- helm II. in lebhaftem Dahinschreiten darstellend, und mehreres Originelle aus der Münchener Schule F. H. Ehmckes, das kurz als »Beschießungsphantasien« be- zeichnet werden kann. Von der gegenwärtigen Ent- faltung der Glasmalerei gibt Zeugnis ein bei Heiners- dorf f hergestelltes Werk von H. Ben gen, zwei Krieger mit Fahnenschwur darstellend.

Hauptsächlich aber gilt die Ausstellung jenes Mu- seums der Kunstpflege im Sinne des Streitens für Ge- schmack, Vernunft, Zusammenklang und soziale För- derung. Schade, daß die Gegenbeispiele »Kriegsgreuel« nicht noch umfassender zusammengebracht worden sind (eine Mundharmonika »U läßt ahnen, was es da noch alles gibt), und daß manch anderes auf dieser Ausstellung, samt ihrem Plakat und einigen Schriftformen, selber nicht weit vom Gegenbeispiel entfernt istl Freude machen sodann die aus Invalidenkursen hervorgegange- nen Arbeiten, »gesammelt unter dem Gesichtspunkt der Geschmacksbildung in der Erholungszeit« ; neben einer Verwundetenschule in Düsseldorf ist in Hagen selbst dafür gesorgt worden. Der Leidenschaft des Benageins wurde durch Entwürfe für solche »Nagelfiguren« ent- gegengekommen, die dazu taugen ; da gibt es einen Flam- menbaum, eine Flamniensäule usw., sowie eine Spruchsäule mit der Inschrift, die vier lotrechte Reihen faßt: »Dank dir Gott mit Herz und Hand Schlag Fluch Spott dem Feinde Bund Schlag ihrem Haß, Schlag ilirem Neid Gott uns laß den Sieg im Streit«. Kunstgewerblich fallen hübsche Kriegstruhen sowie eiserner Kriegsschmuck auf; manche Posamentarbeiten usw. stammen aus dem Österreicliischen Museum für Kunst und Industrie. Auch Plakate und Drucksachen gibt es; letztere sind zum Teil in behördlichen Erlassen aus Westfalen verwendet. Schaumünzen und Gedenk- medaillcn hahen sich hier an eine scharf plastische Formgebung.

Weiterhin werden Erholungsheime (z. B. eines von A. EndcU für ein Seebad^) vorgeführt; ebenso Pläne für Ostpreußen, bei denen allerdings die hervorstechende Rechteckigkeit eine Geschmacksfrage sein mag; sodann Denkmäler. Unter diesen dürften die überreichen

KRIEGSKUNSTAUSSTELLUNGEN IN BERLIN

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LUDWIG HÜYER (WIEN) MEDAILLE AUF DEN PROTEKTOR DER ALLGEMEINEN FRÜH|AHRS-AUSSTELLUNG WIEN

modernen Entwürfe von R. v. Miller trotz ihrer Inter- essantheit doch hinter den schlichten Leistungen aus dem Kampfgebiet zurückstehen ; ein Modell von H. Hahn für das Bismarck-Denkmal am Bodensee läßt sich in der gegebenen Vorführung nicht leicht beurteilen; und Metznersche Entwürfe sind von bekannter Art. Dazu kommen historische Beispiele in Photos: >Das Grabmal der Vergangenheit«, ebenso »Das Denkmal« und »Der Friedhof«. In einer besonderen Blätterfolge ist die Einordnung des Denkmals in die Architektur und ins Stadtbild, überhaupt der Standort des Denk- males, sowie die Raumgestaltung gezeigt; neben »ein- gebauten Denkmälern« kommt »die freisilhouettierende Aufstellung der Renaissance- und Barockzeit im Sinne einer raumkünstlerischen Gesamtgestaltung«.

Für Ehrenfriedhöfe und Soldatengräber wird unter- schieden zwischen Friedhöfen auf dem Schlachtfeld, Ehrenfriedhöfen in Städten und Einzelgräbern; mehrere Künstler und öffentliche Stellen haben hier Vorschläge und Ausführungen zustande gebracht. Am eigenartigsten ist dabei wohl Br. Evere vorgegangen: jedes Grab ist ein Blumenbeet, und für die Reihen sind die Blumen so ausgewählt, daß zusammenhängende Farbeneindrücke entstehen, die sich jedoch wieder nach den drei gärt- nerischen Jahreszeiten abstufen.

Dem Gesamtprogramm der Ausstellung: »Vergleichs- und Studienmaterial zu den Problemen künstlerischer Natur beizubringen, die der Krieg aufrollt«, dient schließ- lich auch oder erstlich eine Abteilung »Siedelungen«. Sie beschäftigt sich mit dem plötzlichen Anwachsen von Städten und der Entstehung neuer Ortschaften. Bei diesen Darstellungen unter denen die Metzendorf- Kolonie Margaretenhöhe bei Essen hervorgehoben sei werden auch durch die moderne Vorhebe für groß- linige Formen günstige Wirkungen hervorgebracht; und gut schlicht ist Br. Tauts Entwurf eines Invalidenheims mit Werkstatt für Falkenberg.

Das Berliner Kunstgewerbemuseum hat sich an dem Getriebe der Kriegsausstellungen durch zwei Veranstaltungen beteiligt. Die eine sollte eine sonst blühende, jetzt begreiflicherweise im Erfolg eingeschränkte Kunstindustrie der weiteren Welt in Erinnerung bringen. So kam dort eine Ausstellung böhmischer Kunst- und Glaserzeugnisse zustande. Auch wenn man diese österreichische Knnstproduktion bereits aus Literatur

und Museen hochscnätzen gelernt hat, kann man hier doch voll neuer Bewunderung stehen, namentlich in Hinsicht der geschmackvollen Besonnenheit, mit der da uralte Überlieferungen in gut fortschrittlicher Weise fortgeführt sind, und die doch vor energischen Wir- kungen in vielfältigen Formen und Farben (mit man- nigfachen blassen Zartheiten, aber auch mit viel Schwarz und Weiß) nicht zurückschreckt. Eine ganze Menge von Glasfabriken vertreten samt den dortigen Fach- schulen den Ruhm der Orte Haida und Steinschönau und weichen, soweit unsere Erinnerung reicht, keinem Ausland höchstens vielleicht französische Vasen- phantasien ausgenommen.

Die andere Veranstaltung des Kunstgewerbemuseums war eine, in Berlin 19. März bis 16. April beginnende Wanderausstellung »Kriegergrabmal und Krieger- denkmal«, zusammengestellt von der Städtischen Kunst halle in Mannheim mit Hilfe des dortigen Bundes zur Einbürgerung der bildenden Kunst. Aus- gangspunkt: das Verlangen nach dem tiefen Ernst und der schlichten Würde, die allein der stillen Größe der toten Helden gemäß seien, nach einer besonnenen Kunst, die durch Sachlichkeit und Selbstbeherrschung den mannhaften Geist der schweren Zeit ausdrücke. Im Gegensatze zu den Grabmälern sei für die neuen Denk- mäler Zeit nötig. Wir seien es unseren Kämpfern schuldig, auf ihre Rückkehr zu warten, ehe wir uns für die Dauer entscheiden. »Sie werden, so hoffen wir, aus ihren ergreifenden Erlebnissen den Haß gegen die große Geste und das leere Pathos heimbringen und dazu helfen, daß die künstlerische Gesinnung des deutschen Volkes sich einstelle auf innerliche, wahrhaftige Einfalt und Größe.«

Beginnen wir den Einblick in diese Ausstellung von rückwärts, so finden wir ebenso wie in der Hagener eine, allerdings auf das Kriegerische beschränkte, Samm- lung älterer Kriegergrabmäler und -denkmäler von der Vorzeit bis zu »den edlen Schöpfungen aus der Zeit des Klassizismus, die in Gehalt und Form den Geist der Freiheitskriege atmen«, und deren Gesinnung, »das Be- scheidene, Vornehme, Innerliche, und die Reife ihrer bildnerischen und architektonischen Gest.ilt«, unseren Künstlern und Bestellern Maßstab, Hilfe, Ziel werden sollte. In dieser Abteilung »Kriegergrabmäler 1790 bis 1850« steht voran der Lehrer Schinkels, der Erbauer

WIENER KUNSTBRIEF

des hierzulande beliebten Schlosses Paretz: Friedrich Gilly (1771 1800); Werke von K. F. Schinkel selbst fehlen natürlich nicht. In der Abteilung »Denkmäler der Befreiungskriege« überraschen als ganz besonders eigenartig die von C. D. Friedrich (1774 1840), dem hier seit einiger Zeit wiedererweckten pommerschen Landschaftsmaler.

lieginnen wir den Ausstellungsbesuch von vorne, so bekommen wir zuerst mit Photos vorhandener Grab- miler zu tun, teils aus dem inneren Land (z. B. vom Münchener Waldfriedhof mit seiner reichen Abwechs- lung von Formen), teils aus dem Kampfgebiet. Hier komme alles darauf an, daß man >nur das Notwendige in möglichst bodenständigen Baustoffen und guten Ver- hältnissen für die Dauer herrichte«, eingefügt in die Landschaft, mit Vermeidung der gefährlichen Unkunst des Kleinlichen, Lauten, Bunten, der »Riesenmotive im Zwergenformat«. Bei diesem Material mögen die Arten von Kreuzen interessieren. Hier wie auch bei den Ent- würfen herrscht die einfachste Kreuzesform vor. Dann aber erscheint häufig das »Eiserne«, d. h. die von Schinkel geprägte, aus dem alten Malteserkreuz ab- leitbare Gestalt mit den nach außen verbreiterten Armen, häufig in der Mitte oder hinter den Armen einen Kreis tragend. Außerdem zeigt sich als beliebt die Endigung der Arme in Kleeblättern, also die Grundform des Patriarchenkreuzes, mit zwei oder auch drei Querarmen, von denen nicht selten der unterste schräg steht (von links oben nach rechts unten). Auch die kreuzförmigen Flugzeugflügel kommen zwischen den Kreuzen vor.

Die Hauptmasse der Ausstellung bilden neue Ent- würfe, Vorschläge usw. Von den Aufnahmen aus dem Felde selbst sind sie nicht durchgehends geschieden oder unterscheidbar. So in der Sonderabteilung aus dem Arbeitsgebiete des K. K. Militärkommandobereiches Krakau. Merkwürdig, wie einem beim Eintritt in diese österreichisch-ungarische Abteilung eine Stimmung des Farbenfreudigen oder gleichsam des Melodiösen umfaßt! Unter den Aufnahmen des Vorhandenen fällt hier ein Feldkreuz auf (Kote 402 bei Tarnöw Mai 191 5), dessen Christusbild durch feindliche Granaten teilweise zerstört wurde, und dem der Sinnspruch »Sicut dolor vester sie est dolor meus« beigegeben ist. Unter den Pro- jekten erwähnen wir solche für einen neuen Helden- friedhof bei Limanowa.

Objektaufnahmen und Entwürfe verbinden sich in den Ausführungen eines Auftrages des preußischen Kriegsministeriums im Einvernehmen mit dem Kultus- ministerium: Architekten und Bildhauer samt Garten- künstlern bereisten die Kriegsgebiete und machten auf Grund der Befunde bestimmte Vorschläge zur Vervoll- kommnung und Erhaltung, die zugleich als Beispiele für ähnliche Fälle dienen können. Von den hier ausge- stellten Beispielen dafür, meist nur in knappen Skizzen, seien neben denen von Br. Paul und L. Manzel für Suwaiki und von H. Poelzig für Grodno die von U. Janssen (Stuttgart) für Bjelostok-Slonim als besonders gut angepaßt und als im besten Sinn elementar gerühmt. Im übrigen ist an Entwürfen noch viel Mannigfaltiges der Anerkennung wert. So die Rundanlagen von H. Maß in Lübeck; so Entwürfe von W. Kreis in Düssel- dorf; solche von O. Bartning in Berlin u.a.; die Wiener Kunstgewerbeschule zeigt die von dort bekannten zart aparten, manchmal auch sehr reichen Gestaltungen.

Mit Recht ist darauf hingewiesen, daß sich Ideal- entwürfe ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Verhält- nisse nicht verwerten lassen, daß endgültige Lösungen nur jeweilig für den einzelnen Fall, den Standort, die Umgebung ausgeprobt werden können und daß sie unter berufener Leitung langsam reifen sollten. Immerhin gibt es doch auch »ortlose« Weisungen. So die, daß beieinander stehende Grabzeichen in größerer Anzahl

stets aus gleichem Stoff, in gleicher Größe und in mög- lichst gleichen Formen sein sollten. So auch die War- nung vor »kleinlichen Motiven gefälliger Parkkunst«, welche »die ruhigen Linien wahrer Größe verzärteln«, und vor den »völlig unwirksamen Ziergärtchen in der Einöde der Schlachtfelder«. Von neu zu pflanzenden »Heldenliainen« ist natürlich abgesehen worden, dagegen auf Anschluß an vorhandene Naturobjekte wie Hügel oder Baumgruppen Bedacht genommen. Wir möchten noch als eine gleichfalls ort- (und zeit-) lose Bitte die hinzufügen, neben so würdigen und überschaubaren Schriftformen, wie sie hier (z. B. aus der Schule W. Haverkamps in Berlin) vorkommen, etwas zurück- haltender gegen solche zu sein, die fast in mutwilliger Weise schwer leserlich gehalten sind und ebenso gegen derart geschmacklose Verwendungen des doch künstlerisch nicht widerspenstigen Rohziegelmateriales, wie sie aus der Hand eines berühmten Berliner Modernen ausgestellt sind.

Freude macht schließlich auch der Eifer von zuge- hörigen Vereinen usw. Preise waren ausgeschrieben vom Verein deutscher Granitwerke ; den ersten erhielt der Münchener H. Haas. Gut ländlich arbeitet die Bayerische Landesgewerbeanstalt zu Nürnberg ; auch der Bayerische Verein für Volkskunst und Volkskunde fällt gut auf; und unter den bayerischen Künstlern ragt 0.0. Kurz hervor. Ein sächsischer und ein steirischer Bund für Heimatschutz tragen das Ihrige bei. Unschein- bar, aber gut eigenartig sind endlich die Entwürfe der Warmbrunner Holzschnitzschule.

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Aquarell-Ausstellung im Künstlerhaus. Dürerbund-Ausstellung Ausstellung der Vereinigung bildender Künstlerinnen. Kunst- Auktion im Dorotheum. VY7enn es zu Beginn des Krieges und auch noch einige Zeit nachher den Anschein hatte, als würde das Wiener Kunstleben, soweit die bildenden Künste in Be- tracht kommen, vollständig erstarren, so ist jetzt nach mehr als zwanzigmonatlicher Dauer des ungeheueren Ringens nichts mehr davon zu spüren und auch die Kauflust des Pubhkums, besonders einzelner Gönner das Kaiserliche Haus und die Gemeinde Wien gehen meist mit gutem Beispiel voraus , zeugt von einer erfreuUchen Regsamkeit.

Kaum, daß die alljährliche Herbst-Ausstellung im Künstlerhause geschlossen war, kommt der Aquarelli- sten-Klub, um sich den kunstliebenden Kreisen Wiens vorzustellen. Aber nicht allein auf Aquarelle, die der Ausstellung ihren Namen gegeben, beschränkt sich die diesmalige Kunstschau, sie vereinigt in ihrem Rahmen auch Tempera, Pastell, Radierungen und Zeichnungen, selbst die Kleinplastik hat bei ihr freundliche Unterkunft gefunden. Was aber bei allen neueren Ausstellungen der Wiener Künstlerschaft unerfreulich auffällt, ist die Vernachlässigung der »religiösen« Kunst, die angesichts ihrer Bedeutung bedauerlicherweise viel zu sehr bei- seite geschoben wird. Diesmal ist es A. D. Goltz ganz allein, der das rehgiöse Motiv zur Geltung bringt. In sechs stiminungsvollen Bildern eine Aquarellen- folge — bringt der Künstler ein Stück Marienleben, mit vieler Feinheit illustriert.

Unter den der kriegerischen Atmosphäre entrückten ausgestellten Schöpfungen, welchen wir zuerst unsere Aufmerksamkeit zuwenden wollen, ist manches sehr Beachtenswertes zu verzeichnen. Besonders Landschaft und Genre herrschen, wie auch sonst meist, hier vor. Hugo Darnauts Nachmittagssonne sowie sein farben- sattes Wienerwaldbild bestechen durch ihr leuchtendes

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Kolorit und den Stimmungsgehalt, der aus ihnen spricht. Karl Duxa bringt wertvolle westfälische Interieurs, Kar pell US einen fröhlichen AlraLMirausch, Hugo Char- lemont ein Stilleben, Rothaug neben einer Dryade einen kraftvollen Bergfrühling, Kinzel ein Idyll aus alten Tagen. Etwas sehr Feines stellt Kasparides in seinem Bild >Reif< aus, dessen vielseitige Vorzüge sich auch in seinem zweiten Bild > Spätabend am See« offen- sichtlich geltend machen. Ranzoni bringt vorzüg- lich gemalte Guaschen: »Marienkirche in Bud weis« und »Regensburg« und »Ulm«, Tomec solche aus der rebenumkränzten Wachau, welch letztere für unsere heimisclien Künstler ein unerschöpflicher Quell bleibt; Hlavacek führt uns in einer der prächtigen Gärten in Döbling, Maria Egners mit >Arabba«in die Bergwelt der Doiomitenstraße, Julius von Blaas zeigt eine realistisch gemalte Schotterfuhr mit einem feinen land- schaftlichen Hintergrund. Des weiteren sieht man von Max Suppan tschitsch ein Aquarell Osterstimmung, von Leitner ein paar Temperabilder aus der Türmitzer Gegend »Das stille Tal« und »Der Hohlweg«, von Grill gleichfalls eine Ansicht von Regensburg und von Wilt einen Herbstflor aus dem Mirabellgarten in Salzburg. Prachtvoll ist das Tempera Gemälde »Tauernpaßi von Anton Kaiser, einem unserer besten Radierer. Ed. Zetterle, der getreueste Pfleger der Aquarelltechnik, glänzt mit einigen landschaftlichen Motiven, außerdem durch ein Blumenstück »Spätherbst«. Karl Pippichs Alter Schloßhof in Eppan bei Bozen löst eine gute dekorative Wirkung aus. Mit ehrlich gemalten, gut beobachteten Genrebildern tun sich hervor: Delitz mit seinen »Russischen Bäuerinnen«, Germela mit »Leuten von Zeeland«, Onken mit den Bildern von Abbazia und vom Gardasee, Liesel Kingel mit dem Verlassenen Garten, Therese Schachner mit einem Angbacher (Wachauer) Motiv, Fischer-Köy Strand mit seinem prahlerisch-prunkenden »Landsknecht« wie mit »Sere- nissimus und die Höckerin«, Ferdinand Brunner mit seinem »Einsamen Dörfchen». Eine starke koloristi- sche Wirkung erzielt auch Ameseder mit seinem Klosterhof, der auch durch seine Architektur angenehm fesselt. Die Architektur an sich ist in der gegenwärtigen Ausstellung nicht übermäßig zahlreich, aber durchweg mit guten Arbeiten vertreten. Aus dem mehrfach vor- handenen Mittelwert ragen hervor: Graners Wiener Studien, von diesen wieder der alte Wiener Univer- sitätsplatz, von Straka einige Alt- Wiener Höfe, von Johanna Kaserer ein hübscher Blick über alte Dächer in Struden. Kanopa ist nach Bayern gegangen und überrascht uns mit dem Augsburger Rathausplatz. Bei den Porträts treten Klemens von Pausinger und Rauchinger mit einigen sehr bemerkenswerten Pastells hervor, auch Viktor Scharfs weibliche Bildnisstudie in Kohle, Hessl's Studienkopf sowie die Porträt- zeichnungen von Wind hager, Stössel, Granitsch, Curry, Grill, die Miniaturen von Annie Zarko- witsch, die Pastellstudie Michaleks, Kanopas Frauenbildnis und die Aquarellbildnisse Ludwig Kochs, letztere meist Porträts hoher militärischer Würdenträger, sind tüchtige Leistungen.

Von den Radierern haben sich Thuma, Raimund Wolf und Stössel, alle alte Bekannte, eingefunden; zu diesen tritt diesmal noch ein Neuling, Stephan Eggeier, hinzu, der sich mit seinen »Vagabunden«, zwei Schabkunstblättern, und einem Selbstporträt vorteilhaft ein- führt. Die vorzüglichen Zeichnungen Veiths aus seinen Skizzenbüchern sollen noch besondershervorgehoben sein.

Unter den mannigfachen Darbietungen der dem gegen- wärtigen Weltkriege entnommenen Motive ist es 1. N. Geller, der durch hohe malerische Q.ualität seiner Arbeiten auffällt. Es sind etwa zwei Dutzend mit farbiger Kreide gehöhte Federzeichnungen, von denen

die beiden Studien »Eine von den Russen verwüstete Stadt« und eine »Zerstörte Kirche« aus der Gegend von Lubhn, sich durch Stimmungsgehalt und Größe der Auffassung auszeichnen. Gsurs Feldmesse der Deutschmeister könnte nicht würdiger zur Darstellung gebracht werden. Karlinskys Bilder vom Korps Hoff- mann, Adolf Schwarz, das Auslaufen der Eskader aus Pola, Karl Pippichs kolorierte Zeichnungen insbesondere sein Trainlager bei Mondschein , die interessanten Schilderungen Fahringers, die von Stacheldraht durchzogenen Gebirgsmassiven von Prinz, Hans Larwins marschierende drei Soldaten, die charak- teristischen Typen von John Cluincy Adams, Schu- ster, Klein und anderen sind durchwegs bemerkens- werte Leistungen aus den großen Geschehnissen des Ringens der Völker.

Wie schon eingangs dieser Zeilen erwähnt, ist auch die Kleinplastik lobenswert vertreten. Die Groß- plastik fehlt, da zur Zeit für diese keine Aufträge vor- handen sind. Der Hauptauftraggeber, der Staat, hat jetzt für statuarische Werke kein Geld übrig. Unter den Kleinplastikern sind es C. M. Seh werd tner, der Urheber des so volkstümlich gewordenen Schwarz- Gelben Kreuzes, mit drei kleinen fein durchgearbeiteten Bronzen: »Berittener Tiroler Landesschütze auf Wache«, der Handgran.itenwerfer und die >Schleichpatrouille<, Zeleznys Held, Perls Löwengruppe, Cancianis aus- drucksvoller Arljeiter, Lewandowskis Porträt-Relief des Grafen Dzieduszycki und die Bronze-Medaille »Auf dem Felde der Ehre«, die auf der Reversseite das Bild der Madonna von Czenstochau trägt ferner Endstorfers Kinderköpfchen, die sich anspruchslos, aber mit Ge- schmack der Ausstellung eingefügt haben.

Im Kunstsalon Wawra hat der »Dürerbund« diesmal seine Kunstschau veranstaltet, die sehr gewählt ist und neben einer Kollektivausstellung des im Felde weilenden Oberleutnants Hayd, im ganzen ungefähr 150 Nummern umfassen dürfte. Viele dieser Objekte hätten gewiß auch die Jury der älteren Künstlerver- einigungen befriedigt und würden zweifellos Zierden jeder größeren Ausstellung sein, so z. B. die mit hohem Verständnis und bedeutendem Können geschaffenen Flottenbilder von Frhr. von Ehrmanns. Zwei aus- gezeichnete Bilder bringt Hans Grötzinger, ein Inte- rieur »In meinem Heim« und «Die Kirche im Erdberg«. Besonders interessant sind die Aquarelle von Fritz Lach. Die »Kartoffelernte«, auch im figürlichen Teil wertvoll, wird viel beachtet, doch sind die landschaft- hch-architektonischen Stoffe von dem Künstler bevor- zugt. Für das Bild »Die Kartoffelernte« erhielt Fritz Lach den Preis der Stadt Wien. Gute Raumverteilung und großzügige Beliandlung sind den Bildern von Erich Lamm eigen. Hans Schachingers Kirch- gang zeigt ein lebhaft feines Kolorit, Karl Lorenz Sonnige Mühle in Mergenstetten besitzt neben großem Stimmungsgehalt viele technische Vorzüge. Von mehreren Bildern Drahs ragt eine Partie bei Tülle ausdrucks- voll hervor; auch August Aichberger und Ernst Stifler lassen einige recht hübsche landschaftliche Motive in gewandter Ausführung und durchweg poesie- voll gedacht in der Ausstellung sehen. Als feinfühliger Künstler aus der Rumpier Schule gibt Paul Hansa einige Werke von zarter Technik und schlichter Ein- facliheit. Weitere beachtenswerte Arbeiten finden sich noch von Alfred Wesemann, Franz Schütz, Alexander Scherba, Leop. Widlizka, Anton Fikulka, Josef Rausnitz, Karl Probst, Theodor von Lindenau, Elsa Schwarz, R. Kiemer, Emma Löwenstamm und F. Körberl. Mit den frischen Karikaturen unseres heimatlichen Hans Kaplan sei nunmehr der Bericht über die gegenwärtige Ausstellung des Dürerbundes beendet.

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Gänzlich unter dem Zeichen der Jurylosigkeit steht die Ausstellung der Vereinigung bildender Künstlerinnen. Wenn in den früheren Ausstellungen dieser Vereinigung sich manches Revolutionäre und Hypermodernisierende etwas übermäßig breit gemacht hatte, so ist diesmal eine Wandlung zum Besseren ein- getreten. Natürlich sind es Genre und Landschaft, die das Ganze beherrschen, aber auch an hübschen und fleißig gemalten Porträtstudien ist kein Mangel. Maria Frimbergers Himmelpfortslegende, Jsa Jechls Wiener Typen, Anka von Löwenthals Hannakin, auch Olga von Wisinger ist mit einer prächtigen Herbstlandschaft vertreten, Maria Egner mit Trut- hähnen aus dem Odenwald, Frau Neumann-Pisling und Dora Kiefel mit feinen Stilleben, ferner Agate Adler, Baronin Kraus, Ella Rother und manche andere, die wegen Mangel eines Katalogs zu schwer festzustellen sind, haben manches Gute gebracht. An »Zeichnungen« ist viel des Trefflichen zu sehen. Von Frau von Murad-Michalkowska: Die Kanzel der Stephanskirche und der AndromedaBrunnen Raphael Donners. Bei den Porträts bringt Jose f ine Swoboda eine ganze Kollektion Miniaturbildnisse und Studien- köpfe. Minna Löbel hat ein Frauenbildnis in ganzer Figur ausgestellt, Marianne Hausmann ein Porträt von Professor Grünhut, Theresa von Mor eine hüb- sche farbige Zeichnung. Mit Bildnisstudien stellten sich auch noch Angela Adler und Frau Baronin Brand- Krieghammer ein. Über Erwarten zahlreich und gut ist die Radierung vertreten durch eine Reihe Blätter. Die Skizzen aus Paris und London von Tanna Hörne s- Kasimir verraten eine glückliche Hand, aber auch die Blätter von Maria Adler, Fanni Faber, Magda von Lere h, AdaSchweinburg, Mariska Augustin, Blanke Glossy und Mitzi Merbach sind lobenswert. Mit originellen Holzschnitten hat sich Ella Tornquist ein starkes Talent eingefunden. Die Plastik wird hauptsächlich durch Josefine Ch risten, Johanna Meier-Michl und M. von Horsetzky vertreten, in kleineren keramischen Kunstwerken durch Frau Schwartz-Lehmann, Sitte, Neuwirth und John. In der modernen Abteilung sind die Radierungen von Helene von Kulczyczka, >Aus der Geschichte eines un- glücklichen Volkes«, die in Käthe Kollwitz ihr unver- kennbares Vorbild haben, zu nennen, von Henriette Goldenberg das Triptvchon Aschenbrödel, von Elsa Ohjen-Kasimir ein Strandbild, von Johanna Freund eine Studie; auch Frau Luise Fraenkel Hahns Blumenvase zählt mit zu den besten Leistungen. Ihre individuell ausgeprägte Richtung oder Stellung zeigen die Symbo- listin Pecival-Chalupek, die ihre hohe dekorative Be- gabung zeigende Carola Nahovska, ferner Frau Edith von Krafft-Granström und Minna Podhajska. Auch Spitzen, Stickereien und Handarbeiten verschiedenster Art schließt diese über Erwarten reichhaltige Ausstellung ein, doch würde es selbstverständlich zu weit führen, auch hierüber zu berichten.

Mit der neuesten Bilder-Auktionim>Dorotheum« wollen wir unseren Kunstbrief aus der Kaiserstadt an der Donau beschließen. Nach nahezu anderthalbjähriger Kriegsdauer wagte man es zum ersten Male wieder, eine größere Versteigerung von Gemälden zu veran- stalten, doch war man über ihren pekuniären Erfolg sehr im Zweifel. Und nun geschah das Unerwartete. Am Schlüsse der Auktion waren für nicht weniger als 3 50 ooo Kronen Gemälde verkauft, ein Ertrag, der selbst in Friedenszeiten nicht häufig erreicht wurde. In der Hauptsache war es der künst- lerische Nachlaß des verstorbenen Direktors der Länder- bank. Palmer, dem man noch eine Anzahl weiterer Bilder angliederte. Richard Ricdl

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Alte Wandbilder. Die Wiederauffindung älte- rer W'andmalereien ist seit etlicher Zeit an der Tages- ordnung. Sehr oft stellt sich dabei heraus, daß die mit beträchtlichem Aufwände von Mühe und Kosten der Vergessenheit entrissenen Reste besser hätten un- entdeckt bleiben dürfen; nur bisweilen zeigen sie sich als Denkmäler höheren Wertes. Dies letztere darf man bis zu einem gewissen Grade auch von zwei Wand- malerei-Fragmenten anerkennen, die ein Zufall bei den im Jahre 1912 in der alten Augustinerkirche zu München in Gange befindlichen Arbeiten bekannt werden ließ. Sie fanden sich bei der Eröffnung eines seit 1805 vermauert gewesenen kleinen Raumes, und zwar nicht, wie sonst so häufig, unter einer Tünche, sondern wohlerhalten wenn man diesen Ausdruck gegenüber dem Umstände gebrauchen darf, daß die eine Figur zu Hälfte vernichtet ist. Ich will nur sagen, daß die Malereireste sich in ihrer völligen farbigen Frische erhalten haben. Der Raum enthält einige Stu- fen einer Wendeltreppe, die in alter Zeit zur Orgel- empore und zum Dachspeicher emporführte und später außer Gebrauch gesetzt worden ist. Dieser Raum bil- det im Grundrisse ein Quadrat von 1,60 m und ist annähernd 2'/a m hoch. Innerhalb dieses Raumes (er liegt im ersten Geschosse des Polizeigebäudes in den jetzigen Büros des Münchener Adreßbuchamtes und ist nur mittelst einer Leiter zugänglich) sieht man an zwei Wänden je eine Malerei. Die Zeit ihrer Entstehung ist auf der einen angegeben: 1494; die beiden 4 sind schon in heutiger Form, nicht mehr in der gotischen (als halbe 8) geschrieben. Beide Malereien stammen ersichtlich aus derselben Zeit und von derselben Hand. Leider hat später ein Wändebekritzler seinen Namen, einen Schnörkel und die Jahreszahl 1650 mit einem spitzen Instrument in die eine Wand eingeschrieben; so ist der Irrtum erregt worden, dies sei die Entste- hungszeit des nicht datierten Bildes und jener Unnütze gar dessen Maler. Vielleicht war er es auch, der mit einer Kerze ein schwarzes Kreuz auf das Bild geräu- chert hat. Die datierte Malerei zeigt den kreuztragen- den Heiland, die nicht datierte das Schweißtuch der hl. Veronika. Die erstere Gestalt schreitet nach (vom Beschauer) links, also stiegenabwärts. Die Figur ist Profil, das ausdrucksvolle Gesicht ist nach vorn gerich- tet. Leider ist die vordere Mitte der Figur zerstört, von dem herabhängenden linken Arm sieht man nur etwas mehr als die breite, mit Blut besprenkelte Hand. Das Schweißtuch ist (abgesehen von der Anräuche- rung) tadellos erhalten. Das Tuch ist weiß, die Fal- ten und Schatten sind mit grünlicher Farbe ausgeführt. Der Kopf ist von einem in drei Strahlen verlaufenden roten Nimbus umgeben. Die Strahlen zeigen die Form gotischer Lilien. Da für den senkrecht aufsteigenden Strahl auf dem Tuche nicht mehr Platz genug war, so geht er einfach ein Stück weit darüber hinaus. Das ganz von vorn gesehene Antlitz zeigt kräftige gesunde Farbe (so auch beim Kreuzträger, während dessen Hand leichenfarbig ist), derbe Form, etwas schwere Augen- deckel. Der Blick geht abwärts mit leichter Wendung nach rechts. Selir sorgfältig ist die Malerei des dunkeln, herunterhängenden, leicht lockigen Haares. Der Aus- druck des Antlitzes ist voll Schwermut. Blutige Tropfen fallen von ihm hernieder. Beide Malereien sind als Werke eines nicht eben bedeutenden M.ilcrs anzusehen, aber als die eines solchen, der unter dem Einflüsse guter Schultradition stand. Die Münchener .-^rt jener Zeit ist in Form und Farbe unverkennbar. Was der Anlaß gewesen ist, das enge Gehäuse dieser Wendel- stiege also zu schmücken, ist nicht mehr erkennbar, übrigens auch nebensächlich. Dagegen bleibt bei der

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fragmentarischen Art dieser Malereien die Frage z\i er- wägen, ob nicht, was mir wahrscheinlich vorl<omnit, sie zwei Teile einer ganzen Reihe von Passionsbildern gewesen sind. Diese würde, der Gelirichtung des kreuztragenden Christus entsprecliend, von oben nach unten verlaufen sein. Etwas Entscheidendes l.ißt sich aber über alle diese Dinge nicht sagen. Docring

Die unter dem Protektorat Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Sachsen stehende Renten- und Pensionsanstalt für deutsche bil- dende Künstler (Maler, Bildhauer, Arclütekten, Kunst- gewerbler, Zeichner, Kupferstecher usw.) mit dem Sitze in Weimar hat soeben den Bericht für das 22. Ge- schäftsjahr erscheinen lassen. Bei der Anstalt haben sich die Folgen des Krieges nur in einem gegenüber früheren Jahren wesentlich geringeren Zugang an Mitgliedern und in einer Erhöhung der Beitragsrückstände fühlbar ge- macht, ^^'irku^gen, die nur vorübergehend und daher bedeutungslos sind. Das mündelsicher angelegte Ver- mögen der Anstalt beträgt 1499957,02 M. Außerdem besitzen die Ortsverbände ein eigenes Veimögen von 106 865,59 M., dessen Zinsertrag die Beitragszahlung ihrer Mitglieder erleichtern soll. An 89 Rentner wurden im verflossenen Jahre 23932,07 M. ausbezahlt. Jeder Rentner erhält neben den durch die Beitragsleistung selbst erworbenen, versicherungstechnisch bereclineten Renten einen Zuschuß, der gegenwärtig 80 M. jährlich beträgt und 27'/s% der gesamten Renten ausmacht. Außerdem werden den in Not geratenen Mitgliedern aus einer besonderen Hilfskasse sowie aus den Erträgen ver- schiedener Stiftungen Beihilfen gewährt. Die Ortsver- bandsvorstände in den Städten Berlin, Darmstadt, Dessau, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt, Ham- burg, Hannover, Karlsruhe, Königsberg i. F., Leipzig, München, Nürnberg, Posen, Stuttgart und Weimar geben bereitwilligst nähere Auskunft über die Bestimmungen der Satzung. Auch durch die Ge- schäftsstelle in Weimar wird der Jahresbericht und die Satzung auf V\'unsch kostenlos zugesandt und jede ge- wünschte Auskunft erteilt.

Eine Ausstellung über Friedhofskunst und Kriegerehrung veranstaltet der Westfälische Hei- matbund Anfang Juli im Kreuzgang des Domes zu Münster. In dieser Ausstellung, über die der Komman- dierende General des Stellvertretenden Generalkomman- dos des VII. Armeekorps, Exzellenz Freiherr von Gayl, und der Oberpräsident der Provinz Westfalen, Se. Durch- laucht Dr. Carl Prinz zu Ratibor und Corvey, das Pro- tektorat übernommen haben, sollen neben vorbildlichen alten Schöpfungen auf dem Gebiete der Friedhofkunst und Kriegerehrung vornehmlich auch neuere ausgeführte Arbeiten und Planungen von Ehrenfriedhöfen und Einzel- gräbern aus der Provinz Westfalen, dem Fürstentum Lippe-Detmold und dem Osnabrücker Land gezeigt werden. Es ist in Aussicht genommen, die besten der eingelieferten Arbeiten im Modell herstellen zu lassen. Die Ausstellung wird später auch in andere Städte der genannten Landesteile wandern.

Die Münchener Jahresausstellung im Kgl. Glaspalast. Die Ausstellung wird am i.Juli eröff- net. Seine Majestät der König und Ihre Majestät die Königin haben Ihr Erscheinen dabei zugesagt. Nach- dem die Vorarbeiten in der Hauptsache beendet sind, läßt sich nunmehr ein Überblick über die Gestaltung der Ausstellung gewinnen und es ist zu erwarten, daß dieselbe hinter denen der letzten Friedensjahre nicht zurückbleibe, sondern daß sie vielmehr durch ihre Reich- haltigkeit und die Mannigfahigkeit der künstlerischen Eindrücke das Interesse der Besucher in erhöhtem Maße

in Ansprucli nehmen werde. Dafür dürften schon meh- rere wertvolle, eigens erbetene Kollektionen bürgen, aus deren Anzahl das graphische Kriegswerk Dettmanns sowie eine gewählte Sammlung des bekannten Land- schafters llagemeister besonders hervorzuheben sind. Unter den Münchener Kollektionen ist eine dem An- denken des früheren Präsidenten v. Petersen gewidmet. Die Teilnahme der Luitpold-Gruppe, der Bayern, des Bundes und der sonst auch vertretenen künstlerischen Fachverbände ist ebenfalls gesichert, so daß diese Jah- resausstellung trotz der Kriegszeit das gewohnte Bild, aber in einer vielfach nach neuen künstlerischen Ge- sichtspunkten getrotfenen Anordnung, zeigen wird.

Die Galerie Eduard Schulte eröffnete am IG. Juni ihre neue Ausstellung mit einer Sonderausstel- lung von 60 Werken des Aussteller- Verb an des Münchener Künstler. Gleichzeitig sind neu ausge- stellt: Anselm Feuerbach »Versuchung des heiligen Antonius <, Prof. Dr. Hans Thoma »Wiesenbächlein«, Kriegsbilder »Vor Verdun« von Martin Frost- Lichter- felde, Hochgebirgslandschaften von Carl Reiser-Mün- chen, Innenräume und Städtebilder von Julius Schräg- München, Landschaften von Hans Strohbach-Dres- den und Marinebilder von Albert Wenk- München.

Die Universität Würzburg sendete ihren Stu- denten heuer einen schönen und erhebenden Oster- gruß: auf feinem Karton zwei Dichtungen und drei Bilder, letztere von Heinz Seh lest 1.

Ein neuer Traghimmel nach einem Entwurf von Prof. A. Müller wurde von der Stickerei M. Auer für Pfaffing bei Wasserburg (Oberbayern) ausgeführt.

Professor Kaspar Seh leibner vollendete ein Familien-Votivbild für den im vorigen Herbst verstor- benen Reichsarchivdirektor Geheimrat von Baumann. Das Gemälde schmückt das St. Primuskirchlein in Bad Adel- holzen (Oberbay.), wo Dr. von Baumann begraben liegt.

Professor Hermann Schneider, der künstlerische Schriftleiter der »Fliegenden Blätter<, feierte am 15. Juni sein 70. Wiegenfest. Ehe Schneiders Wirksamkeit die Schriftleitung restlos ausfüllte, war er selbst als ausübender Künstler tätig. Die gute Schule eines Dyk an der Kunstgewerbeschule in München, Moritz von Schwinds und (seit 1866) Pilotys an der Akademie der bildenden Künste spricht aus jenen Bildern, wie sie bis vor 20 Jahren von der Kritik und dem kaufkräftigen Publikum wohlgefällig aufgenommen, entstanden. Bis vor kurzem hielt man dafür, über die Piloty-Schule zur Tagesordnung übergehen zu können. Bei der jetzigen Selbstbesinnung und der einsetzenden Berechtigungs- anerkennung des Gegenstandes in der Kunst erinnert man sich der Piloty-Schüler und ihrer Werke mit freu- digem Genuß. Auch Schneider schuf nach der Rück- kehr von der italienischen Studienreise in jenem Geist, der einst (mit Wirkungen auf den heutigen Tag) eine große Künstlerschaft beseelte: Historienbilder großen Stils, Kostümbilder, Szenen aus der Antike. Bei allen diesen Werken, die in ihrer Gesamtheit aufzuführen zu weit ginge, fällt neben der straffen Komposition, der erreichten Stimmungskraft die ausgezeichnete Zeichnungs-' gäbe auf, die der Sohn des Mitbegründers der »Fliegen- den« Gelegenheit hatte in deren Dienst zu stellen. Die Verdienste, die sich Hermann Schneider seit über 20 Jahren in der Leitung des deutschen Witzblattes von internationalem Ruf erwarb, beruhen einmal in dessen Gediegenheit hinsichtlich des künstlerischen wie in- haltlichen Ausdrucks. Das gute Alte zulassen und dem Modernen, soweit das Bereclrtigungsdasein aus ihm spricht.

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nicht die Tore verschließen, scheint der erste Grundsatz seiner Leitung in langen, nieinungswechselnden Jahren gewesen zu sein. Schneider eignet noch ein zweites Verdienst, auf das in der jetzigen Zeit hingewiesen werden muß! Die »Fliegenden Blätter< sind das ein- zige größere deutsche Witzblatt künstlerischen Stils, das sein eigenes Volk nicht verspottend, den Feinden Deutschlands in diesem Weltkrieg keinen Stoff zum höhnenden Gelächter bot!

Ein neugotischer Schnitzaltar. Realistik und eine auf die (arbige Wirkung gotischer Kirchen berech- nete Farbenfreudigkeit sind es, die gemeinsam mit ein oder zwei Flügelpaaren den Charakter der gotischen holzgeschnitzten Flügelaltäre ausmachen, wie sie um die Mitte des 14. Jahrhunderts in Deutschland heimisch wurden, um dann gegen Ende des 15. Jahrhunderts eine dominierende Beherrschung im Raumbild der Kir- chen einzunehmen. Ohne sich von sklavischer Nach- ahmung leiten zu lassen, drang Professor Thomas Buscher (München) in diesen Geist der Spätgotik und Frührenaissance ein mit seinem neuesten Werk, das für die Stadtpfarrkirche St. Martin zu Tauberbischofs- heim in Baden bestimmt, in der letzten Maiwoche zur Besichtigung ausgestellt war.

Der Altar mit zwei Flügelpaaren hat seinen Mittel- punkt im Mittelschrein, in (dem Holzschnittfiguren auf- gestellt bezw. Hochreliefs auf den Flügeln angebracht sind. Die Mitte nimmt die Vollfigur des auf dem Sessel sitzenden Kirchenpatrons in Lebensgröße ein. Neben dem hl. Martin stehen ebenfalls in Rundplastik die hl. Lioba, die Gründerin der Stadt Tauberbischofs- heim, und der hl. Sebastian, der Schutzheilige der Stadt. Die beiden äußeren Flügel erzählen ebenso wie die inneren von dem Leben des römischen Kriegers und späteren Bischofs. Auf den erstgenannten Flügeln ist dargestellt, wie der Soldat zur Spätherbstzeit mit einem nackten Armen seinen Mantel teilt. Es ist nicht Amiens, vor dessen Toren sich die Begebenheit abspielte, son- dern Homburg, der von dem Bestimmungsort des Altars nur zwei Stunden entfernte Heimatort des Künstlers. Eine Äußerlichkeit, die uns einen Fingerzeig gibt, wie sehr und warum der Meister mit inniger Liebe an sei- nem Werke hing, das eine kleine Lebensarbeit repräsen- tiert sowohl in der künstlerischen Durchbildung des Gedankens als der Ausführung bis ins kleinste Detail. Die liebevolle Plinneigung zum Gegenstand spricht auch aus dem rechten äußeren Flügel mit der Darstellung der Heilung eines Kindes durch den heiligen Bischof, zu dem die Großmutter in der Gestalt der Künstler- Mutter in der um die Heilung ihres Enkelkindes bangen- den Besorgnis emporblickt. Der Realismus, der sich in dem herben Antlitz der alten Frau ausdrückt, hat sein Gegenstück in den zwei inneren Flügeln mit der Darstellung der Klostergründung und des Beistandes, den der Heilige als Bischof dem hl. Liborius in der Sterbestunde leistete. Die Personen, vor allem der Lector und der sich vordrängende Kirchendiener, die hier zur Füllung dienen, sind keine herkömmlichen wesenlosen Personen, sondern Typen, die uns an die Schaffensart der Alten erinnern, die solange suchten, bis sie das ihnen am geeignetsten erschienene Modell gefunden.

Noch mehr offenbart sich die Charakterisierungs- gabe Buschers in den vier Brustbildern der EvangeHsten an der Predella über dem Altartisch. Diese ausgepräg- ten klaren Männerköpfe wirken auch ohne jeden süß- lichen Heiligencharakter überzeugend als Verkünder des Gotteswortes. Daß der Künstler sich selbst als hl. Lukas

verewigte, zeugt davon, wie er sich in den Sinn und Gebrauch der alten Meister einlebte.

Wenn uns der Schrein mit seinen Flügeln als der Mittelpunkt für die Modellierungsgabe des menschlichen Körpeis gilt, so steigert sich die Kunst bis zur Meister- schaft in dem Tabernakel. Als wichtigstes Ausdrucks- mittel diente dem Künstler hier wie in dem Aufbau mit der Kreuzigungsgruppe das duchbrochene Ranken- motiv. Den Tabernakelbaldachin bilden Rebenstöcke, zwischen denen Engel hindurchblicken und zur Anbe- tung des Allerheiligsten in ungezwungener Art auffor- dern. Das vorzüglich aus einem Stück geschnittene Werk beleben Vögel, die auf den Blättern sitzen oder an den Beeren picken. Luftig und leicht wie der Bal- dachin ist der durch ein kräftiges Gesims getrennte, sich allmählich in die Fialen verjüngende Aufbau mit der Kreuzigungsgruppe in der Mitte. Blätter, Blüten und Früchte wechseln bunt miteinander ab, kein Orna- ment wiederholt sich. Zu der Kreuzigungsgruppe leiten in den Tagen der stillen Woche, in denen der Altar geschlossen wird, gedanklich die dann sichtbaren, seit- lich angebrachten Randfiguren der Heiligen Ludwig und Veronika über.

Alles ist gedanklich fein durchdacht, in der Ausfüh- rung klug abgemessen und erwogen, so daß ein Monu- mentalwerk mit einzigartiger Gesarat- und Einzelwirkung zustande kam, zu dem sich seit langem kein Künstler mehr die Zeit in dieser ausführlichen Vollendung nahm.

W. Zili-MBncheo

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Sehen und Erkennen. Eine Anleitung zu ver- gleichender Kunstbetrachtung von Paul Brandt. 272 S. 8°. Mit 414 Abbildungen und einer farbigen Tafel. Verlag Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig. 191 1. Preis geb. M. 5. .

Dieses Buch verdient unter den vielen Führern zur Kunst einen hervorragenden Platz. Zur Begründung bedarf es wohl nur der Bemerkung, daß der Verfasser sich in geschickter Weise die Methode Heinrich Wölff- lins zunutze macht. Im besonderen ist das Buch so angeordnet, daß auf zwei gegenüberliegenden Seiten zwei oder mehr Abbildungen von Werken der Archi- tektur, der Plastik oder der Malerei zusammengesteOt sind, welche ihrem Gegenstande oder ihrer formalen Behandlung nach Vergleichspunkte bieten. An Hand solcher ausgezeichnet reproduzierter Werke und des darunter stehenden, jedesmal in sich abgeschlossenen Textes wird der Leser durch die Geschichte der Kunst, angefangen vom Hünengrab und der ägyptischen Grab- malkunst bis zur Kunst der neuesten Zeit geführt unter Berücksichtigung sowohl historischer Entwicklungen wie vor allem des künstlerischen Gehaltes. So erfüllt das Buch sein im Titel > Sehen und Erkennen« gege- benes Verspreclien in ausgezeiclineter Weise und weckt dazu noch ein gutes Empfinden für die Kunstformen. Der Preis ist in Anbetracht des Gebotenen und der sehr guten Ausstattung auffallend billig zu nennen. Der Wert des Buches wird nicht herabgemindert, wenn z. B. S. 148 von den Mönchen, welche an der Leiche des hl. Franz von Assisi das Libera singen, gesagt wird, daß sie die Totenmesse zelebrieren, oder wenn es S. 187 heißt, daß die mittelalterliche Kirche die Evan- gelistensymbole entwickelt habe, die in Wiiklichkeit aber schon in der altchristlichen Kunst voll ausgeprägt sind. Vgl. z. B. das Mosaik am Triumphbogen von S. ApoUinare in Classe in Ravenna und zahlreiche an- dere Darstellungen bis hinauf ins 4. Jahrhundert.

Dr. A. Huppertz, Köln

Fttr die Rediklion vcnniwonlich : S. Suadbimcr (Promenadeplatz 3) : Verlag der Gesellschaft für cbrisilicbe Konst, GmbH. Dnick von F. Brnckmann A. G. Sämtlicbe in München.

BEILAGE

AUSSTELLUNG DER DRESDENER KÜNSTLERVEREINIGUNG

AUSSTELLUNG DER DRESDENER KÜNSTLERVEREINIGUNG

Tn der sächsischen Hauptstadt lagen leider bisheran die Verhältnisse für ständig sich wiederholende kleinere Kunstausstellungen sehr im argen. Die beiden Kunst- handlungen Arnold (Gutbier) und Richter halten für Ausstellungen einer Künstlergemeinschaft unzureichende Räume. Der Kunstverein auf der »Terrasse« lionntc keinem Verein Räume dauernd zur Verfügung stellen. Das Ausstellungsgebäude am Großen Garten kann nur für sehr große Darbietungen in Frage kommen. Der älteste Dresdener Künstlerverein, Die Kunstgenossenschaft, hat in der Grunaerstraße ihr eigenes Heim. Im Laui'c der Jahre hat sie die Führung, trotzdem tüchiige Künst- ler zu ihren Mitgliedern zählen, vollständig verloren. Architekten und Kunstgewerbler, die sich für die im Jahre 191 6 in Dresden stattgefundene Kunstgewerbe- ausstellung fanden, gründeten die Zunft, der sich später die Elbier anschlössen. Aus diesem Zusammenschluß entstand die Künstlervereinigung, die heute über 90 Mit- glieder, darunter Architekten, Bildhauer und Maler an- erkannten Rufes, zählt.

Es ist wohl kein bloßer Zufall, wenn der verstorbene Stadtbaurat Hans Erl wein, der langjährige Vorsitzende dieser Vereinigung, im Auftrag der Stadt Dresden einen neuen Ausstellungsbau schuf, der der Dresdener Künst- lervereinigung auf die Dauer von vorläufig fünf Jahren für ihre Ausstellungen überlassen werden soll. Erlwein verlegte ihn draußen an der Lenn&traße unmittelbar vor dem großen .Ausstellungsgebäude. In klassisch strenger Formensprache stellte er einen größeren Mittel- pavillon auf quadratischem Grundriß hin, der durcli Gänge mit 2 seitlichen Pavillons verbunden ist. Den durch Säulen aufgeteilten Mittelbau wird eine Reiter- gruppe von Professor Wrba, die in der Ausstellung zu sehen ist, krönen. Infolge der Beschlagnahme der Bronze kann an den Guß dieser Gruppe vorderhand nicht gedacht werden. Die .Außenseiten der Verbindungsgänge haben Nischen erhalten, die im Laufe der Zeit Piastiken aufnehmen sollen. Mit Ausnahme der gut im Maßstab gehaltenen, hochgezogenen Eingangshalle, die reiche Stuckverzierungen zeigt, sind alle anderen Ausstellungs- räume, ihrem Zweck entsprechend, einfach gehalten. In diese neue Kunsthalle ist nunmehr die Künstler- vereinigung Dresden eingezogen, um uns alljährlich in mehteren Ausstellungen mit ihren Arbeiten bekannt zu machen. Die erste Ausstellung wirkt vielverheißend. Anerkennungswert ist, daß auch die junge Künstler- schaft zu Wort kommen durfte. Die Hängekommission hat in vorbildhcher Weise gearbeitet.

In der Eingangshalle selber, die in ihrer formvoll- endeten Architektur die sorgsame Hand der letzten Jahre Erlweins erkennen läßt, sehen wir nur Plastiken. Eine stilistisch prachtvolle Arbeit ist der Negerkopf von Heinrichjobst, der in allen Einzelheiten durchstudiert und im Ton der Bronze glänzend gelungen ist. Von Ulfert Janssen stehen 2 Büsten dort, die im .Aufbau renaissancistisch gehalten sind, aber nicht heranreichen an die seinerzeit so prächtig gelungene Büste des Malers Koppen, die in der Münchener Glyptothek zu sehen ist. W. Lehmbruck, der lange Zeit in Paris weilte, zeigt uns mehrere seiner charakteristischen Arbeiten, die mit unserer .Ansicht über Plastik garnicht übereinstimmen wollen. Nicht allein das äußerste Betonen des inneren Erlebens auf Kosten der plastischen Durcharbeit, sondern auch das mehr originell als schön wirkende Abschneiden des Werkes so ist eine Büste unterhalb der Brust, eine sitzende Figur mit halbem oder viertel Bein dar- gestellt — hebt allzusehr das Malerische in den Vorder- grund. Und doch fühlt man immer wieder, welch tüchtiger Plastiker Lehmbruck sein könnte.

Die cliristliche Kunst. Xll ii. i. August 1916

Der durch einen schmalen Verbindungsgang an- hängende Plasiiksaal ist leider so weiß und so klein gehalten, daß größere Werke nicht zur Geltung kommen. Wir hören, daß der Saal neu getönt werden soll. In diesem Kaum fesselt zunächst Wrbas formvollendete Reitergruppe, die demnächst das .Ausstellungsgebäude krönen soll. Auf einem ruhig dahinschreitenden Pferd thront eine weibliche Gestalt. Streng im Stil, praclitvoll in der geschlossenen Komposition klingt die ganze Gruppe zusammen. Auch die beiden Figuren vom MönckebergBrunnen in Hamburg, sowie die Seiten- figur für das Lahmann Denkmal auf dem Weißen Hirsch zeigen dieselbe feine Hand für Stilisierung und Form. Wir sehen noch die flott modellierte und charakteristisch getroffene Büste des \'aters des Meisters.

Robert Diez zeigt drei etwas konventionell ge- haltene Büsten und einen Teil eines Denkmals, eine Pietä, die in der Auflassung interessant, in der Kompo- sition weniger gut gelungen erscheint. In starkem Re- lief gehalten liegt Christi Leichnam auf einem vor der Wand vorspringenden Sockel, die Mutter Gottes im Hintergrund hält voller Innigkeit mit der linken Hand das Haupt Christi, und legt die andere Hand auf seine Brust. Es ist eine religiös tief empfundene Arbeit. Selmar Werner hat diesmal eine größere Bronze- arbeit— Mutter und Kind eingesandt; eine herbe, streng empfundene Frauengestalt, die ihr Kind an der Brust hält. August Schreitmüller stellt eine weniger be- friedigende Arbeit in Bronze »Erwachen« aus. Seine Büsten, besonders die seiner Frau, sind charakteristischer für seine Schaffensart. Sehr gut empfunden ist der Christus von Pöppelmann ein fein durchgearbei- tetes, voller Empfindung gezeichnetes Werk. Arthur Lange, von dem auch die im Vorsaal stehende Diana stammt, stellt zwei kleinere Plastiken aus, Delphin und .Morgen. Gut vertreten sind auswärtige Künstler wie Max Klinger mit der vornehm einfacli gehaltenen Marmorbüste Professor Wundts. Hugo Lederer mit dem Marmorkopf Heinrich Heines ein Fragment des Hamburger Heine-Denkmals; Fritz Huf mit dem fast ins Ornamentale gezogenen Schädel des Dichters Reiner .Maria Rilke und Ernst Barlach, den man wieder gerne sieht, mit dem ruhenden Wanderer, eine seiner typischen Holzschnitzereien. Kleine Plastiken sind in den übrigen Räumen verteilt.

Von den älteren Dresdener Malern zeigt EugenBracht zwei kleinere, fein empfundene Bilder: Kastanienallee und Gutshof Rheinsberg; das größere Bild: der Pflüger hat nicht die gleiche Wärme trotz der Eigenart der Auf- fassung und des großen Zuges. Otto Guß mann ist mit einer Reihe Bildnisse vertreten, die wiederum das reiche Können und die farbige Palette des Meisters zeigen. Das. Blumenstilleben ist tonisch sehr schön gehalten und ganz aus der Farbe herausgemalt. Robert Sterl gibt vor allem in den Schiffsziehern an der Wolga ein pracht- voll ausgeglichenes Stück von hohem malerischem Reiz und straffster Komposition; es gehört mit zu den besten seiner Steinbruchbilder. Wohl als inneres Erlebnis seiner Reise an die Front sind die beiden Bilder: Kameraden und Grablegung anzusprechen. Beide im goldigen Ton, bei einfachster Farbengebung gehalten, sind sie voller Ruhe und wirken durch die Unmittelbarkeit und Ein- fachheit, mit der Sterl den Vorgang darstellt. Ganz Farbe ist das Bildnis von Schuch am Dirigentenpult, voll von stärkstem Licht und Rasse. Charakteristische Bilder für die einmal eingeschlagene Bahn sehen wir von Bantzer, Claudius und Emanuel Hegen barth. Von jüngeren Künstlern bringt uns eine Überraschung Paul Rössler, der mit drei Temperabilder in breiter Art heruntergemalt, wie alte kostbare Glasfenster schim- mernd, vertreten ist. Vor allem zeigt die Aktstudie feines Empfinden und hohes zeichnerisches Können.

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WIENER KUNSTBRIEF. AUSSTELLUNG GURLITT IN BERLIN

Von H. Nadler sehen wir zwei größere Bilder: Familien- bild und Schmerz, das letztere vor allem durch die Schlichtheit der Darstellung und Ruhe in den tonischen Abstimmung bemerkenswert.

Starlc in Farbe, besonders auch durch die Gegen- sätze wirlcend, fallen die Bilder von Cilio-Jensen auf; vor allem das Bildnis der Frau Lange und das der Mutterrait Kind. Er wähnens wert sind noch F r i t z B e c k e r t, Ernst Richard Dietze vor allem in seinem Bildnis vom verstorbenen Maler Wilhelm Claus, weniger gut in dem Frauenbildnis; Josef Hegenbanh, Meyer-Buch- wald mit seinen kraftvoll heruntergemalten Bildnissen, Johannes Ufer, Paul Wilhelm u. a. Überraschend gut wirkt das Damenbildnis von Walter Kurau und das Herrenbildnis von Fritz Stolz sowie die kleinen Porträts der beiden Sohne Wrbas von Paul Perks.

Von den Malern jüngster Richtung, die sich laut und eindringlich gebärden, ist der interessanteste Felix Müller, der mit großem Ernst an seine Arbeit heran- geht, ohne indes irgendwie Ausgeglichenes geben zu können. August Boeckstiegel arbeitet in derselben Richtung. Ganz enttäuscht Richard Dreher, der gegen- über seinen früheren Bildern und Zeichnungen, voll- kommen versagt. Es ist schade, daß Dreher, der ge- rade in der Malerei so große Zukunft liatte, eine Rich- tung genommen hat, die mit Malerei kaum mehr etwas zu tun hat.

Von auswärtigen Malern sehen wir durchweg Ar- beiten bester Art; vor allem ist da Stuck zu nennen, der mit seiner Amazone und Kentaur, das in der Idee aus zwei seiner Plastiken hervorgegangen ist, sein Können zeigt. Louis C o r i n t h zeigt sein ganzes Können in zwei breitgemalten Bildern: Liebeskampf und Geschlachtetes Schwein. Wilhelm Trübner hat das lebensgroße Bild- nis seines Sohnes in Rüstung geschickt; Schramm Zittau die Meute unter Bäumen; Slevogt die südliche Land- schaft Taormina; Von Hofmann Am Berge Gibad und Schmales Ufer, zwei in der Bewegung prachtvoll ge- zeichnete Akte. Robert Breyer, der seine Berufung als Lehrer für die Dresdener Akademie leider abgesagt hat, zeigt ein vornehmes Stilleben von hellrot und blauem Kaffeegeschirr. Max Klinger sandte ein älteres Bild der Frau Asenijeff; Von Habermann ein Damenporträt. Die Abendlandschaft vonW a 1 d e m a r R ö sl e r ist vielleicht, be- dingt durch ihre Größe, nicht ganz zusammen gebracht. Die Aktstudie von Weisgerber ist malerisch von höch- stem Reiz; Pech st ein interessiert vor allem in seinem stark farbigen Stilleben.

Jedenfalls ist die Kunstausstellung eine der besten, die wir seit langem hier in Dresden gesehen haben, wenn auch nicht zu leugnen ist, daß sie durch die Be- teiligung auswäriiger Künstler wertvoller geworden ist.

WIENER KUNSTBRIEF

Die Amerling- Auktion. Nach viertägiger Dauer ist in den Räumen des Dorolheums die Versteigerung des künstlerischen Nachlasses Meister Amerlings been- det worden. Sie galt einem wohltätigen Zweck,, denn Amerlings Witwe, die nachmalige Gräfin Marie Hoyos, hatte im Sinne des Künstlers vor ihrem Ableben testa- mentarisch verfügt, d.iß die Wiener Künstlergenossen- schaft als Erbin eingesetzt würde und zwar unter der Be- dingung, daß aus dem Ergebnis der zu versteigernden Sammlung ein Friedrich- und Marie-Amerling-Fonds zur Unterstützung bedürftiger Künstler geschaffen werde. Dieses Ergebnis war nun erfreulicherweise ein überaus günstiges, es brachte die gewaltige Summe von 835000 Kronen ein, so daß diese Stiftung in ihrer Wirkung für die Künstlcrschaft und die österreichische Kunst ge- wiß eine sehr segensreiche sein wird.

Die Sammlung, von Amerling mit feinstem künst- lerischem Geschmack angelegt, vermehrt und gepflegt, wies nicht weniger als tausend Nummern auf und es spricht für den Wert derselben schon der Umstand, daß bereits vor der öffentlichen Versteigerung für diesen Schatz der Betrag von einer halben Million von privater Seite geboten wurde. Aus dem reichen Nach- laß sieht man unter den Gemälden alter Meister vor allem die herrliche Karfreitagsprozession von Magnasco, dann einen Brueghel den Alteren und viele hervorra- gend schöne Werke aus den italienischen, veneziani- schen und niederländischen Schulen. Unter den alten Handzeichnungen findet man einen Dürer, einen Greuze ; nicht weniger als 70 Arbeiten geben von der Kunst alter deutscherund österreichischer Silberschmiede Kunde. Unter anderen findet sich das Prachtwerk einer monu- mentalen astronomischen Uhr in Gestalt einer Mon- stranz mit zahlreichen allegorischen Darstellungen, fer- ner durchwegs kunstwertige Stücke von Arbeiten in Eisen, in Glas, Stein und Elfenbein, Musikinstrumente, Waffen und Silberschmiede-Arbeiten, MajoHken und Fayencen, Arbeiten in Holz, Bronze, Kupfer, Messing und Zinn usw., nicht zu vergessen die wundervolle Kunstmöbel-Sammlung und die eigenartig schönen Ge- genstande österreichischer Volkskunst. Ein Teil der Kunstwerke wurde für das Ausland die Schweiz und Holland erworben, ein großer Teil natürlich für das deutsche Reich, das wir in Österreich heute nicht mehr zum Ausland zählen. Die Absicht der Stifter, durch ihr Vermächtnis bedürftigen Künstern in Zeiten der Not beistehen und helfen zu können, hat sich jedenfalls in glänzendster Weise erfüllt. Richard RieJl

DEUTSCHE KUNSTLER DES 19. JAHR- HUNDERTS

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bwohl wir sonst die Alltags-Ausstellungen der Kunst- salons möglichst in einem zusammenfassenden Kunst- brief unterzubringen versuchen, drängt doch eine Ein- zelerscheinung zu einem Sonderbericht. Seit der Jahr- hundertausstellung in der Berliner Nationalgalerie ist der neueren deutschen Kunstgeschichte selten ein so lehrreicher Rückblick gewidmet worden, wie es zum Besten der Kriegshilfe für bildende Künstler die Sammlung von Werken deutscher Künstler des 19. Jahrhunderts war, die der Kunstsalon Fritz Gurlitt zu Berlin im Frühjahr 191 6 zeigte. Zwar ist es nichts Besonderes, daß man sich wieder mal an Schöpfungen Allbekannter freuen konnte: u.a. an einer Wolkenstudie und dergleichen des alten J. C. C. Dahl, an >Mutter und Kind« und sonstigen Bildnissen A- Feuerbachs, an intensiv sinnvollen, wenn auch we niger dem .Vnschauungssinn entgegenkommenden Land- schaften K. Rottinanns, an Spitz weg-Sinnigkeiten, an Steff eckschen Porträts, an einem Kinderkopf li. J. v. Steinles, endlich an Bddern H.Thomas und be- sonders an Radierungen nach ihm von F. A. Born er, die vielleicht manclien noch mehr interessieren können als die Vorlagen. Aber daß eine nicht geringe Zahl minderbekannter Künstler und Kunstwerke zum Vor- schein kommen, und daß wir da in ein Streben hinein- blicken, das von Sinn und Sache, von Halt und Ge- stalt spricht, aucli wenn's nur erst die Zeit der Kulisse und noch nicht die der Tapete war: das lohnt ein \'erweilcn, das läßt Erinnerungen von anno Sc hack aufsteigen und an eine Zukunft denken, die festhalten wird, was heute noch lebendig wirkt. Wir wählen auch nur das aus, was uns besonders auffiel, in zeit- licher Anreihung.

J. H. W. Tischbein (1751 1829), der Goetlie-

AUSSTELLUNG GURLITT: DEUTSCHE KÜNSTLER DES 19. JAHRHUNDERTS

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Po'trätist, zeigt in farbigen Zeichnungen (> Mutter und Kind«, >Winzerfest« u.a.). wie sicli ilini in kl.tssizistisclie Formen gut Rcalistisclies liineindrängte, und wie aucli damals dekorative Entwüil'e (mit spiingenden Tieren) eine Raunil<unst sucliten. Dann jener oberfränlcisclie J. C. Reinliart (i 761 1847), der lange in Rom eine Rolle mit heroischen Land.sclialten spielte und in dem hier zu sehenden Bild die Atalanta den Zentauren töten läßt, mit steifen Figürchen unter riesenhaften Bäumen wohl ein Vorgeschmack nächstjähriger Secessions- ausstellungen. Auch der Dresdener G. v. Kügelgen (1772 1820), der Vater des >alten Mannes«, kommt mit einem seiner Bildnisse. Was eine frühere Zeit an historischen Idealen in die italienische Landschaft hinein- legte, sagt uns F. Catel (1778 1856) in seiner damals erfolgreichen Manier, mit Rosa in Rosa und Grün in Grün. Das Familienhaupt der Wiener Stadtbild-Künst- ler und Lelirer seiner Söhne Rudolf und Franz, J. Alt (17S9 1872), huldigt dem (Seradheits- und Steif- heitsideal durch ein »Scliönbrunn« ; wie gut läßt es sich mit Späterem vergleichen ! An die beiden Tier- maler J. Deiker (1822 189$) und K. F. Deiker (1856 bis 1892) ist die Erinnerung wohl nocli aufrecht, kaum jedoch an deren Vater in Wetzlar F. Deiker (1792 bis 1843), von dem hier trefi'liche Bildnisse zum Vorschein kommen. Auch der Blechen-Schüler und Italien- landschafter unter Catelschem Einfluß F. A. Elsasser (1810 1845) ragt hervor. Der Dresdener Dahl-Schü- 1er, Reiseschilderer und Künstlerpatriarch K. R. Kum- mer (1810 1889) erfreut durch eine »Gebirgsland- straße« und von 1885 eine Postkutsche. Das rich- tige gute alte Genre aus München bringt K. v. Enhuber (1811 1867). Der vielgereiste Landschafter L. Gurlitt aus Altona (1812 1897), Vater des Architekturhisto- rikers, fällt durch holsteinische Landschaften auf Der Schweriner Th. Fischer (1817 1875) ist durch ein Bildnis vertreten. Fast Böcklinisch, nur spitziger ge- malt, ist der >Gebirgsbach« des, unserem Gedächtnis anscheinend entschwundenen, Düsseldorfers K. Jung- heim (1S30 1880). Aber noch lebt wohl der Rhein- pfilzer und Münchener K. Mathes (1842 oder 1843) und hat mit seinem »Interieur« die Kunst des Grau in Grau so bewährt, dal! sie auch von heute sein könnte ; die Lindenschmit-Schule scheint lange vorzuhalten. Vertrauter klingt der Name des frühe gut vorgeschritte- nen A. Stabil aus Winterthur (1842 1901), dessen 'Landschaft« gut auffällt. Auch E.Jettel (1845 1901) scheint inzwischen in die >retrospektive« Liebe aufge- nommen zu sein ; ein Chieniseebild rechtfertigt es. Der Ansbacher Th. Alt (1846), Mitschüler Lei bis, hier mit einem Porträt seiner Mutter vertreten, zählt auch noch zu den Lebenden.

Merkwürdig gering ist die religiöse Kunst vorhanden, obwohl ihr Kügelgen und Mathes und gar Steinle nahestanden, und obwohl wir uns da in den Zeiten der Nazarener, der Alt-Düsseldorfer und der Idealisten vom ApoUinarisberg bewegen. Gerade noch der »Studien- köpf eines Mönches« erinnert an solclie Interessen und an einen der würdigsten, seelischesten Darsteller von Religiösem: an den Hanauer G. Cornicelius (1825 bis 1898).

Hcrlin-Halcnsee Dr. ILiils SchmidliUnz

GLASMALEREIEN ALS KRIEGSERINNE- RUNGSZEICHEN

pur die katholische Pfarrkirche von Mergentheim hat Albert Figel zwei Glasmalereien geschaffen, die in der Zettlerschen Anstalt ausgeführt worden sind. Ihren Platz werden sie im Chore der Kirche be- kommen. Vier Fenster sind daselbst vorhanden, von

denen zwei, damit der Raum nicht zu sehr verdunkelt werde, helle \erglasung behalten sollen. Die Figel- sehen Fenster sind Kriegserinnerungszeichen ; die Kir- chengemeinde verdient Anerkennung dafür, daß sie das Gedächtnis ihrer gefallenen und die Ehre ihrer heim- gekehrten Helden auf solche Art zu feiern beschlossen hat. Die Bilder, von denen jedes 10 Meter lioch ist, werden miteinander verbunden durch ihren ge- danklichen Inhalt, äußerlich durch die Gleichmäßig- keit ihrer Anordnung, auch durch die in zwei Teile zerlegte Schrift »Durch Kampf« »Zum Sieg«. Ein jedes zeigt unten eine größere Fläche zur Unterbringung der Namen von Gefallenen, dabei in einem Bilde das Eiserne Kreuz, in dem andern das Kreuz des Deutsch- ordens, dem die Kirche von Mergentheim ihre Entste- hung verdankt. Darüber erheben sicli, umgeben von streng aufgeftßtem Ornamentschmucke, die in je fünf Flächen untergebrachten figürlichen Darstellungen. Das Fenster links ehrt die Gefallenen. Hier sieht man von unten nach oben : den Abschied eines Kriegers von Weib und Kind ; seinen Tod auf dem Schlacht- felde, bei ihm eine Krankenschwester, im Hintergrunde eine brennende Ortschaft ; endlich sein Grab, das von einem Kinde mit einem Rosenkranze geschmückt wird. Darüber, von den erwähnten Bildern durch einen Schrift- streifen getrennt, thront eine in ergreifender Weise dar- gestellte Pietä, und oberhalb dieser sieht man zwei weinende Engel. Das Fenster rechts gedenkt der Heimgekehrten, gleichfalls in drei Darstellungen : das Wiedersehen von \'ater und Sohn in der irdischen Hei- mat; das Dankgebet des Kriegers an einem Feldkreuze; die himmlische Belohnung durch den göttlichen Hei- land, der dem Helden einen Lorbeerkranz aufs Haupt setzt. Auch hier folgt ein querlaufender Streifen mit einem Spruche. Darüber erblickt man die fürbittende Muttergottes in einer Strahlenglorie, ganz oben zwei Engel, die über dem Haupte der hl. Jungfrau eine Krone halten. In kleineren Seitenflächen, die zwischen dem Ornamente ausgespart sind, wurden in jedem Fenster vier Wappen angebracht: das deutsche, österreichischunga- rische, bulgarische, türkische ; das preußische, baye- rische, württembergische und sächsische. Der Stil der Zeichnungen paßt sich dem frühgotischen der Kirche an, doch sind die szenischen Darstellungen mit voller Naturwahrheit gegeben, dabei ruhig und groß stilisiert. Die Farben sind, wie bei Figel gewohnt, tief und stark, voller Leuchtkraft, die geschickt angeordnete Verbleiung der Gläser trägt wesentlich zur Lebendigkeit der Wir- kung bei. Docring

VERMISCHTE NACHRICHTEN

Die Ausstellung über Fried hofskunst und Krieger eh rung, die der Westfälisclie Heimat- bund für Anfang Juli im Kreuzgang des Domes zu Münster plante, ist bis September verschoben worden. Die Eröffnung ist nunmelir auf den 12. September fest- gesetzt. Der Westfälische Heimatbund kommt mit dieser Verlegung der Eröffnung einem aus Künstlerkreisen geäußerten Wunsclie entgegen. Die Scliwierigkeit, ent- sprechende Arbeitskräfte zu beschaflen, stellte die Fertig- stellung einer Reihe interessanter Ausstellungsstücke in Frage. Deshalb ist die Einlieferungsfrist nunmehr bis zum 20. August verlängert worden.

Kriegsgedenkzeichen. Am 20. März 1916 wurde in der zahlreich besuchten sozialen Priesterkon- ferenz zu Altötting ein Lichtbilder-Vortrag über Kriegs- gedenkkunst abgehalten. Referent war H. H. Dr. Kappel, Maler und Kunsthistoriker aus München. Unter Hinweis auf die auch staatlicherseits in allen Teilen unseres

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BUCHERSCHAU

deutschen Landes einsetzenden Bestrebungen zur För- derung echter, guter Kriegsgedächtniskunst, verbreitete sich der Vortragende eingehend über den im Vorjahr von der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst ver- anstalteten Wettbewerb an der Hand der von dieser Gesellschaft lierausgegebenen ausgezeichneten Licht- bilderserie. Die vielfachen Vorschlage über die Art und Weise der künstlerischen Gestaltung von Kriegsgedenk- zeichen durch die Baukunst, Bildnerei, Malerei und durch das Kunstgewerbe wurden allseits mit größtem Interesse aufgenommen. Es besteht die wohlbcgründete Hoffnung, daß die begrüßenswerten Anregungen der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst nach dem Kriege recht viel praktisches Leben gewinnen. a.V.

Herr Edwin Graf von Henckel-Donnersmarck, der bekannte schlesische Magnat und Rennstallbesitzer, z. Z. im Felde, dessen Rennstall sich in Hoppegarten befindet, hat anläßlich des für uns glücklichen Fort- ganges des Weltkrieges für die Kirche daselbst ein Kriegsgedenkfenster gestiftet und den Kunst- und Glas- maler Carl Busch, Berlin-Südende, nach dessen Ent- wurf, mit der Herstellung betraut.

Preisausschreiben für bildende Künstler- Schüler der k- k. Akademie der bildenden Künste in Wien. In der k. k. Akademie der bilden- den Künste in Wien gelangen in diesem Jahre sechs >Hof-« oder sogenannte »Kaiserpreise« zur Vergebung und zwar drei Preise erster Klasse (goldene Medaillen im Gewichte von sechzig Dukaten) und drei Preise zweiter Klasse (silberne Medaille in der Größe der gol- denen nebst sechs Dukaten). Es sind jedoch nur im matrikulierte, in einem der im Reichsrate vertretenen Länder heimatberechtigter Schüler der Akademie, deren Ausbildung schon die Fähigkeit höherer Kunstrichtung in sich schließt, berechtigt, sich an dieser Preisbewer- bung zu beteiligen. Die Arbeiten müssen zur Zeit der AkademieSchulausstcUung abgeliefert werden. Das akademische Professoren-Kollegium hat folgende Kon- kurrenzaufgaben festgestellt: i. Malerei: Aus den sieben Werken der Barmherzigkeit, Nummer sechs; Die Ge- fangenen erlö.en. 2. Bildhauerei : Aeneas verläßt Troja, seinen Vater Anchises am Rücken tragend und seinen kleinen Sohn Askanios führend. 5. Architektur: Ent- wurf für ein Museum zur Unterbringung von Erinne- rungen an den Weltkrieg. r.

Kunstauftrag der Stadt Wien. Der Wiener Stadtrat hat die Anfertigung eines Bildes, Bürgermeister Dr. Vv'eiskirchner unter den Truppen an der Isonzo- front darstellend, mit den Kosten von 5000 Kronen genehmigt. Ferner hat der Stadtrat 15000 Kronen zur Erteilung von Notstandsaufträgen an Wiener Bildhauer bewilligt.

Wiener Ausstellungen. Seit unserem jüngsten Ausstellungsbcricht hat nunmehr auch die Wiener Früh- jahr Sausstellung, die wie auch sonst, außerordent- lich reichhaltig beschickt war, ihre Pforten geschlossen. I{s genügt zu sagen, daß neben einigen neueren Talen- ten in der Hauptsache wieder die wohlbekannten Wie- ner Meister vertreten waren und zwar durchweg in recht würdiger und anerkennenswerter Weise. Die Ausstellung ließ uns aber auch, wie die meisten ilirer Vorgängerinnen, das religiöse Motiv fast ganz vermis- sen; außer Cancianis prächtiger »Pietas« Christus schmerzerfüllt auf einem mit Totenschädeln bestreuten Wege wandelnd und Zeleznys ergreifender »Mater dolorosa« haben wir keine größere religiöse Ar-

beit bemerkt. Zimmermanns >Lasset die Klei- nen zu mir kommen«, ist ein sehr hübsches Bild, gehört aber doch schon in ein anderes Gebiet. Sonst ist im allgemeinen ziemlich viel Raum von den Schöp- fungen mit Motiven aus dem Vv'elikrieg eingenommen, die aber mehr oder minder den schon früher bespro- chenen ähnlich sind. Von sonstigen Ausstellungen, an denen in Wien nachgerade etwas zu viel des Guten getan wird, sind zu erwähnen: Die >Dezenniums- ausstellung des österreichischen Künstler- bundes«, die »Ausstellung des Wirtschaftsver- bandes bildender Künstler«, die Kollektivaus- stellungen Uriel Birnbaum (Kunstsalon Heller), Ludwig Michalek (Kunstsalon Halm & Goldniann), die Kollektion der Brüder Goncourt, die Samm- lung von Hofrat Professor Emil Zuckerkand! mit prachtvollen Stücken .\ltwiener Porzellans hatte sich mit Recht die Bewunderung distinguierter Kunstkreise in hohem Grade erworben und selbstversändlich auch einen glänzenden materiellen Erfolg aufzuweisen. R.

BÜCHERSCHAU

Handbuch der Kunstwissenschaft. Heraus- gegeben von Dr. Fritz Burger in München in Verbin- dung mit den Universitäls-Professoren Curtius-Erlangen, Egger-Graz, Hartmann-Straßburg, Herzfeld und Wulfi- Berlin, Neuwirth-Leipzig, Weese-Bern, Willich und Ober- bibliothekar Leidinger-München. Mit ca. 5000 Abbil- dungen. In Lieferungen ä M. 1.50 (Akademische Ver- lagsgesellschaft, Neubabelsberg), Lieferung n 28.

Seit unserer letzten Besprechung dieses großen, ori- ginellen und sehr gediegenen Unternehmens erschie- nen die Lieferungen 15 28 in rascher Aufeinander- folge, alle nicht minder reichhaltig und schön ausge- stattet als die früheren. Mit Lieferung 1 3 beginnt Dr. Ludwig Curtius den Abschnitt »Die antike Kunst«. Die Malerei und Plastik des Mittülalters wird im 16. Heft von Dr. Georg Graf Vitztum in Angriff genommen. Dr. Wilhelm Pinder bearbeitet, beginnend mit Liefe- rung 1 7, die deutsche Plastik vom ausgehenden Mittel- alter bis zum Ende der Renaissance. In der 18. Liefe- rung eröffnet Dr. Ing. Hans Willich den .\bschnitt über die Baukunst der Renaissance bis zum Tode Michel- angelos. In den anderen Lieferungen werden die frü- her begonnenen Abschnitte weiter geführt. Für jetzt nur dieser Hinweis, gesonderte Besprechungen der ein- zelnen Partien folgen.

Am 22. Mai ist der Herausgeber Dr. Fritz Burger vor Verdun gefallen. Für die Fortführung der Arbeiten des Herausgebers wurde Prof. Dr. Brinckirrann gewonnen. Eine weitere Arbeitsteilung unter Beiziehung einiger neuer Mitarbeiter ist vorgesehen, um das Erscheinen des Handbuches nicht ins Stocken kommen zu lassen, da eine Anzahl der alten Mitarbeiter im Felde steht. s.Si.

ZU DEN BILDERN DIESES HEFTES

Die farbige Sonderbeilage gibt ein Gemälde wieder, welches sich in der Kgl. Alten Pinakothek zu München befindet. Das Original, von einem westfälischen Maler, stammt aus der Zeit um 1450 1460.

Das Einschaltblatt nach S. 312, ein Altargemälde zu Köln-Zollstock von Johann Huber-Sulzemoos, w-urde in der Beilage zum 8. Hefte, S. 25, ausführlicli besprochen. Von dem genannten Künstler stammen die Originale zu den Abb. S. 511 519. Huber Sulzenioos ist am 21. März 1875 zu Sulzemoos geboren.

die Redaktion

licfa : S. Suudha

istliche Kunst, GmbH.

N Die Christliche Kunst 7810

C48 Jg. 12

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