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Die Deutfchen Dokumente zum Kriegsausbruch

1914

Herausgegeben im Auftrage des Auswärtigen Amtes

Diese mit dem Reichsadler versehene Sonderausgabe wird ausschließlich für die VERTRIEBSSTELLE FÜR NATIONAL-LITERATUR in Berlin-Schöneberg, Wexstraße 2, hergestellt und allein von ihr in ihren eigenen Originaleinbänden vertrieben. Durch den Buchhandel ist diese Ausgabe nicht zu beziehen.

Die

Deutschen Dokumente

zum Kriegsausbruch

1914

Herausgegeben im Auftrage des Auswärtigen Amtes

19 2 1

DEUTSCHE VERLÄGSGESELLSCHÄFT FÜR POLITIK UND GESCHICHTE M. b. H. IN BERLIN W8

V

Erster Band

Vom Attentat in Sarajevo

bis zum Eintreffen der

serbifchen Antwortnote

. in Berlin

nebst einigen Dokumenten

aus den vorhergehenden

Wochen

19 2 1

DEUTSCHE VERLAGSGESELLSCHÄFT FÜR POLITIK UND GESCHICHTE M. b. H. IN BERLIN W8

2. Auflage 31. bis 70. Tausend

Alle Rechte, besonders das der Übersetzung vorbehalten

Für Rußland auf Grund der deutsch-russischen Übereinkunft

Amerikanisches Copyright 1919 by

Deutsche Verlagsgesellschaft für Politik und Geschichte

m.b.H. in Berlin W 8

Gedruckt in der Reichsdruckerei

^ROLD B.LEE LIBRARY

««OHAM YOUNO UNIVBWITV

PROVO. UTAH

Das vorliegende Werk bildet die vollständige Sammlung der von

Karl Kautsky

im Winter 1918/19 zusammengestellten amt- lichen Aktenstücke. Sie wurden im Auftrage des Auswärtigen Amtes nach gemeinsamer Durchsicht mit Karl Kautsky im Dezember 1919 mit einigen Ergänzungen herausgegeben von

Graf Max Montgelas und Prof. Walter Schücking

Inhaltsübersicht der vier Bände

Bandl

Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote

in Berlin nebst einigen Dokumenten aus den vorhergehenden Woclien Vorbemerkungen

Inhaltsverzeichnis und Zeittafel von Band I Aktenstücke Nr. 1 bis 278

Bandn

Vom Eintreffen der serbisclien Antwortnote in Berlin bis zum Bekannt- werden der russisclien allgemeinen Mobilmachung

Inhaltsverzeichnis und Zeittafel von Band II Aktenstücke Nr. 279 bis 479

Band 111

Vom Bekanntwerden der russischen allgemeinen Mobilmachung bis zur Kriegserklärung an Frankreich

Inhaltsverzeichnis und Zeittafel von Band lU

Aktenstücke Nr. 480 bis 734c

Band IV

Von der Kriegserklärung an Frankreich bis z u r Kriegserklärung Österreich« Ungarns an RufSland

Inhaltsverzeichnis und Zeittafel von Band IV Aktenstücke Nr. 735 bis 879

Anhang zu Band IV

Enthalt u, a. den Dreibundvertrag. den ösferreichisch-ungarisch-rumänischen Bündnisvertrag nebst deutscher Akzessionserkiärung, femer Berichte, Telegramme und Telephon- gespräche der bayrischen Gesandtschaft in Berlin

Namenverzeichnis

Nach Absendern geordnetes Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Telegrammnummern

Vorbemerkungen

I. Allgemeines

Im November 1918 erhielt Karl Kautsky von der Volksregierung den Auftrag, die auf die Vorgeschichte des Weltkrieges bezüglichen Akten des Auswärtigen Amtes zu sammeln und herauszugeben. Die Sammlung und Ordnimg des Materials wurde von Karl Kautsky mit Unterstützung von Dr. Gustav Meyer Anfang Mai 1919 abgeschlossen. Von den anderen Hilfskräften hatte einen ganz hervorragenden An- teil an der Arbeit der vom Direktorium der Staatsarchive dem Auswärtigen Amt auf dessen Ersuchen zur Verfügung gestellte Archivar beim Geheimen Staatsarchiv Dr. Hermann Meyer, dessen fachmännische Spuren der Leser überall wahrnehmen wird. Von Februar bis Mai arbeiteten noch mit Dr. Richard Wolff und Frl. Nora Stiebel, cand. bist.

Die zeitweise hinausgeschobene Publikation der Akten wurde später vom Gesamtministerium dem General Grafen Max Montgelas und Professor Dr. Walter Schücking übertragen und Anfang September ds. Js. in Angriff genommen. Die Arbeitsteilung zwischen beiden war ursprünglich so gedacht, daß Professor Schücking die Urkunden vom Morde von Sarajevo bis zur russischen Ge- samtmobilmachung, Graf Montgelas die Schriftstücke von diesem Ereignisse bis zur Kriegserklärung Englands durcharbeiten sollte. Wenn auch in der Hauptsache so verfahren wurde, so stellte sich doch heraus, daß aus inneren und äußeren Gründen eine getrennte Publikation nach verschiedenen Zeiträumen imtunhch war. Denn die diplomatischen Verhandlungen dauern noch über den Zeitpunkt der allgemeinen russischen Mobilmachung fort, auch hätte bei einer Teilung der Publikation manches Beiwerk doppelt gemacht werden müssen. Die beiden Herausgeber haben sich deshalb geeinigt, nach einheitlichen Grundsätzen die Arbeit zusammen zu veröffentlichen.

Niemand wird leugnen, daß die politischen Ereignisse der letzten Wochen vor Kriegsausbruch in engem historischen Zusammenhange mit der gesamten politischen Weltlage stehen. Infolgedessen wurde vom Kabinett Auftrag gegeben, auch die Urkunden zu sammeln, die zum Studium der entfernteren Vorgeschichte des Weltkrieges erforderlich sind. Die Unterzeichneten konnten es aber nicht für

XII

oder nach dem »Konzepte« oder nach der »Entzifferung« des Qiiffrier- büros usw., angeführt wird.

Die Unterschriften sind bei schriftlichen Berichten so wieder- gegeben, wie der Absender tatsächhch zu zeichnen pflegte, z. B. »v. Bethmann Hollweg, F. Pourtales« ; bei Telegrammen wurde jedoch nur der Familienname ohne jeden Zusatz abgedruckt.

111. Reihenfolge der Aktenstücke

Für die Reihenfolge der Aktenstücke wurde eine streng chronologische Anordnung gewählt. Für alle Nummern, bei denen die genaue Zeit der Absendimg vom Auswärtigen Amt zum Haupt- telegraphenamt oder der Ankunft im Auswärtigen Amt (Chiffrierbüro) bekannt ist, war diese Zeit maßgebend. Dabei ist freiUch zu be- rücksichtigen, daß z. B. ein Ziffemtelegramm, das ii" vorm. zum Telegraphenamt gesandt wurde, im Entwurf vielleicht schon um lo" fertiggestellt war, somit früher als ein um lo" eingehendes Ziffem- telegramm entziffert und gelesen sein konnte. Femer kann ein dringendes oder ein kurzes Zifferntelegramm, das lo" zur Station getragen wurde, später entworfen sein, als ein nicht dringendes oder langes Ziffemtelegramm, das erst lo^^ vom Auswärtigen Amt abgesandt worden ist. Endlich konnten die Bearbeiter nicht dauernd ohne jede Ruhepause im Amt tätig sein, so daß auch manche wich- tigen Eingänge stundenlang vmerledigt bleiben mußten. Eine Be- rücksichtigung aller dieser Umstände war nicht möghch; ein Versuch, darauf einzugehen, konnte die Anordnimg der Reihenfolge leicht willkürlich gestalten. Die Herausgeber haben es daher vorgezogen, schematisch die Zeiten des Eingangs im Auswärtigen Amt usw. und der Absendung von dort zur Grundlage der Reihenfolge zu wählen. Bei den Telegrammen usw. des Kaisers waren jedoch die Zeiten des Abgangs vom Hoflager oder der Ankunft dort maßgebend. Zu beachten ist noch, daß die Abgänge aus Petersburg usw. nach osteuropäischer Zeit i Stunde vor der mitteleuropäischen die aus Paris, London usw. nach westeuropäischer Zeit i Stunde nach der mitteleuropäischen angegeben sind.

Aktenstücke, die nicht Telegramme sind, werden im Auswärtigen Amt nur mit dem Eingangsvermerk »vorm.« oder »nachm.« versehen. Die Einreihung solcher Nummern ist daher, soweit sich nicht aus anderen Stücken indirekt weitere Anhaltspunkte ergeben haben, nur annähernd genau. Dazu kommt, daß gerade besonders wichtige Eingänge oft sofort bearbeitet und erst erheblich später im Journal eingetragen und mit Eingangsvermerk versehen worden sind.

XIII

IV. Anmerkungen

Der Umfang der Anmerkungen erklärt sich aus dem Bestreben, bei den dem hiesigen Auswärtigen Amt entstammenden wichtigen Schriftstücken die ursprüngliche Fassung dort anzugeben, wo es sich um materielle Änderungen auch von nur geringfügiger Bedeutung handelt. Denn für die entscheidenden Ideengänge der Urheber solcher wichtigen Schriftstücke und deren Sinnesrichtung verdient auch die ursprüngliche Fassung des Entwurfs Berücksichtigung. Die Nennung des Namens desjenigen, von dessen Hand der Entwurf eines politischen Dokuments herrührt, ist freilich nur die Feststellung einer äußerlichen Tatsache und braucht durchaus nicht zu bedeuten, daß der betreffende Beamte auch der wahre geistige Urheber des jeweiligen Schrift- stücks ist. Die Möglichkeit liegt nahe, daß, wenn es sich um eine nachgeordnete Stelle handelt, der äußere Urheber das Schriftstück nach den Weisungen entworfen hat, die ihm von anderer Seite erteilt worden waren. Der Entwurf kann aber auch der Niederschlag einer gemeinsamen Beratung imd Besprechung mehrerer beteiligter Beamten sein.

Bei Schriftstücken, die schon in früheren deutschen Weißbüchern ganz oder teilweise veröffentücht sind, wurde auf die betreffende Stelle des Weißbuchs hingewiesen. In dieser Sammlvmg sind alle Dokumente ganz wortgetreu mitgeteilt, während bei dem früheren Abdruck zur Wahrung des Chiffriergeheimnisses eine allgemein übliche Umstellung stattgefunden hatte. Auf die Bimtbücher der anderen Staaten ist jedoch nur ausnahmsweise Bezug genommen.

V. Randbemerkungen

Von Kautsky sind auch die Randglossen des Kaisers mit in den Abdruck der diplomatischen Urkunden aufgenommen worden. Welche grundsätzhche Bedeutung ihnen für den Gang der Ereignisse beizumessen ist, kann an dieser Stelle nicht untersucht werden. Ge- legentlich ergibt sich aus den Akten selbst, daß die Randverfügungen zu spät eintrafen, mn für die Entscheidung noch irgendwie verwertet werden zu können. In anderen Fällen ergeben die Akten, daß es sich um Weisungen handelt, die nicht zui Ausführung gelangt sind. Sehr häufig handelt es sich offensichtlich nur um den Ausdruck momentaner Stimmungen. Zur Erleichterung der Prüfung, welchen Einfluß irgendeine kaiserhche Meinungsäußerung gehabt haben könnte, ist regelmäßig ver- merkt, wann das betreffende Aktenstück mit den Randnoten zur amt- Uchen Stelle zurückgesandt wurde, oder wann die Noten sonst der zu- ständigen Berliner Stelle zur Kenntnis gekommen sind. Die Randbemer- kungen des Kaisers und die von ihm bei der Lektüre unterstrichenen

XIV

Worte oder Sätze sind durch abweichenden Druck in lateinischer Kursivschrift, z. B. Petersburg kenntlich gemacht, während die vom Verfasser eines Schriftstückes selbst hervorgehobenen Stellen durch Sperrdruck bezeichnet sind.

VI. Akten der Botschaften, Gesandtschaften und militärischen Stellen

Die Ende September eingeforderten Akten der deutschen Botschaft in Wien konnten wenigstens noch soweit verwertet werden, daß nach ihnen Unstimmigkeiten zwischen den Entzifferungen des Auswärtigen Amts und den Wiener Originalen berichtigt und die genauen Ankunftszeiten der von Berlin nach Wien gesandten Depeschen mitgeteilt wurden. Wichtig für den Forscher sind die Wiener Akten be- sonders deshalb, weil der damalige Botschafter mehrfach die Art der Er- ledigung der ihm von Berlin erteilten Weisungen und die Antworten des Wiener Kabinetts dazu in kurzen handschriftlichen Notizen ver- merkt hat.

Eine Übersicht der letzten Ereignisse, die von der Botschaft in Petersburg gefertigt wurde, war schon frülier von Kautsky in den Anhang aufgenommen worden.

Die von der bayerischen Gesandtschaft in Berlin den Herausgebern zur Verfügung gestellten 35 Berichte, Telegramme und Telephongespräche sind wegen ihrer Wichtigkeit im Anhang beigefügt.

Dagegen war eine Bearbeitung der Akten des früheren Kriegs- ministeriums und Reichsmarineamts sowie General- und Admiral- stabs bei der knapp bemessenen Zeit nicht mögUch,

VII. Schlußbemerhung

Die Herausgeber verschließen sich nicht der Tatsache, daß erfahrungsgemäß in den Akten nicht alles enthalten ist, was unter den beteihgten Personen verhandelt wurde. Es gehört schon in innerstaatlichen Angelegenheiten zur Routine der Verwaltimg, daß gerade besonders dehkate Angelegenheiten zunächst in Privat- briefen zwischen den beteiligten Personen besprochen werden. Dieser Brauch, den der Historiker sehr beklagen wird, dürfte aus nahehegenden Gründen auch in Angelegenheiten der auswärtigen Verwaltung eine bedeutsame Rolle gespielt haben. Solche Privat- briefe können sich in die Akten verlieren, brauchen es aber nicht. Für die vorhegende Pubhkation haben die Unterzeichneten eine Reihe von Privatbriefen in den Akten vorgefunden.

Sodann spielt heute bei der Behandlung der auswärtigen An- gelegenheiten auch das Telephongespräch eine gewisse Rolle ;

XV

vgl. hierzu Nr. 441, 465 und 468 sowie Anhang IV. Es ist jedoch nicht festzustellen, ob außerdem noch andere Telephongespräche nach auswärts geführt wurden.

Regelmäßige Aufzeichnungen über mündliche Verhandlungen, auch über solche zwischen dem Auswärtigen Amt und den fremden Diplomaten, haben nicht stattgefunden. Der Inhalt solcher Ver- handlungen spiegelt sich freilich häufig in den Weisungen und Be- nachrichtigungen an die ausländischen Vertreter Deutschlands. Auch ein eigentlicher Tagesbericht wie in dem k. u. k. IVIinisterium des Äußeren in Wien wurde in Berhn nicht geführt. Aus den dar- gelegten Gründen muß es auch dahingestellt bleiben, ob nicht die Lückenhaftigkeit der beim Auswärtigen Amt eingelaufenen mili- tari sehen Situationsberichte des Generalstabs aus den kri- tischen Tagen sich dadurch erklärt, daß der Inhalt der fehlenden Berichte mündlich vorgetragen wurde.

Abgesehen von diesen Lücken würde sich eine völlige Aufhellung aller Vorgänge nur dann erreichen lassen, wenn die ehemals feind- lichen Staaten sich entschließen könnten, mit derselben rückhaltlosen Offenheit ihre Urkunden dem Publikum der ganzen Welt vorzulegen, wie es die deutsche und die österreichische Republik getan haben.

Berhn, Anfang November 1919

Graf Max Montgelas Dr. Walter Schücking

Anhang zu den Vorbemerkungen

Der Hofzug Kaiser Wilhelms ist am 6. Juli 9 ^^ vorm. von Station Wildpark nach Kiel abgegangen. (Auswärtiges Amt A. S. 2 1 38/ 1 1. Oktober 1919 vorm.}

Das Tagebuch des Hoffouriers (Auswärtiges Amt A. 26078/1. Oktober 1919) verzeichnet weder am 5. noch am 6. Juli eine »Beratung militärischer Stellen«.

Den beiden Flügeladjutanten vom Dienst ist eine Beratung militärischer Stellen am 5. oder 6. Juli nicht bekannt (Auswärtiges Amt: A. S. 2140/1 1. Ok- tober 1919 vorm. und'A. S. 2167/17. Oktober 1919 vorm.).

Ferner berichten:

Freiherr von dem Busse he (Auswärtiges Amt A. 27230/16. Oktober 1919) »Leider kann ich mich nicht an die Quelle erinnern. Vielleicht Müller. Datum der Aufzeichnung könnte möglicherweise meine Erinnerung auffrischen. Auch denkbar, daß ich Quelle irrigerweise als zuverlässig bezeichnet habe.«

XVI

Admiral von Müller (Auswärtiges Amt A. 28205/28. Oktober 1919 nachm.)

Dem Auswärtigen Amt

Ich kann nicht der Gewährsmann des Frhr. v. d. Bussche sein. Mein Tagebuch enthält nichts über einen solchen Vortrag, der doch wohl in den Tagen vom 29. 6. bis 6. 7. 14 (Anwesenheit Sr. M. im Neuen Palais vor der Nordlandsreise) stattgefunden haben mußte. Am 6. Juli früh hat aber der von Admiral von Gapelle erwähnte Vortrag stattgefunden.«

v. Müller

Admiral von Gapelle (Auswärtiges Amt A. S. 21 39/11. Oktober 191 9)

Baden-Baden, den 8. Oktober 19 19

»Am Montag, den 6. Juli 1914, zwischen 7 und 8 Uhr morgens erhielt ich als stellvertretender Staatssekretär Großadmiral v.Tirpitz war auf Urlaub die telephonische Aufforderung, sofort zum Kaiser Wilhelm ins Neue Palais zu kommen.

Ich traf den Kaiser im Garten reisefertig zum Antritt der Nord- landreise. Der Kaiser ging mit mir noch eine kurze Zeit auf und ab und erzählte mir kurz von den Vorkommnissen am gestrigen Sonntag. Er fügte nach meiner Erinnerung dem Sinne nach un- gefähr Folgendes hinzu (private oder amtliche Aufzeichnungen hier- über aus damaliger Zeit sind wohl nicht vorhanden): Er glaube nicht an größere kriegerische Verwicklungen. Der Zar werde sich in diesem Falle nach seiner Ansicht nicht auf Seite der Prinzen- mörder sjellen. Außerdem seien Rußland und Frankreich nicht kriegsbereit. England erwähnte der Kaiser nicht. Auf Rat des Reichskanzlers werde er, um keine Beunruhigung zu schaffen, die Nordlandreise antreten. Immerhin wolle er mir von der gespannten Situation Mitteilung machen, damit ich mir das Weitere überlegen könne.

Eine Beratung militärischer Stellen hat nach Vorstehendem in Potsdam am 6. Juli nicht stattgefunden, da der Kaiser unmittelbar nach der Rücksprache mit mir die Reise nach Kiel antrat.

Admiral z. D. v. Gap eile

General der Infanterie von Bertrab

(Auswärtiges Amt A. S. 2194/22. Oktober 19 19)

Berlin, den 20. Oktober i9[i9]

Dem Auswärtigen Amt

erwidere ich sehr ergebenst, 4aß am 6. Juli 14 S. M. der leiser mich persönlich ohne Zeugen über seine Auffassung der durch die Maß- nahmen Österreichs geschafiienen Lage orientiert hat, damit ich, als damals ältester in Berün anwesender Offizier des Generalstabes

XVII

den in Karlsbad weilenden Chef des Generalstabes darüber infor- miere. Anwesend waren im Hintergrunde I. M. die Kaiserin, ein Adjutant und ein Lakai. Unmittelbar vorher sprach S. M. offen- bar zum gleichen Zwecke mit einem MarmeolHzier, ebenfalls unter 4 Augen, der sich sofort nach der Besprechung entfernte. Nachdem der Kaiser mich entlassen hatte, bestieg er sein Auto zum Antritt seiner Nordlandreise. Anordnungen wurden weder während noch im Anschluß an die Unterredung getroffen. S. M. betonte sogar, daß er es nicht für nötig erachte, bes. Anordnungen zu treffen, da er an ernste Verwickelungen aus Veranlassung des Sarajevoer Verbrechens nicht glaube.

V. B er trab. Gen. d. Int.

Generalleutnant Grat Waldersee (Auswärtiges Amt A. S. 2215/25. Oktober 1919)

Auf die Anfrage vom 23. d. M. ^^^ beehre ich mich Nach- stehendes zu erwidern:

Am Morgen des 8. Juli 1914 teilte mir Generalleutnant von Bertrab, Chef der Landesaufnahme, mit, er sei während meiner kurzen Abwesenheit vom Chef des Militärkabinetts nach Potsdam zu Sr. M. dem Kaiser befohlen worden. Dieser habe ihm zur Mit- teilung an den Chef des Generalstabes General von Moltke weilte damals in Karlsbad eröffnet, daß er, der Kaiser, dem Kaiser Franz Joseph zugesagt habe, mit_ der deutschen Macht hinter ihm zu stehen, wenn aus dem seitens Österreich-Ungarns geplanten Vor- gehen gegen Serbien Verwickelungen entstünden. Irgendwelche Befehle oder W^eisungen sind durch die Vermittelung des Generals von Bertrab nicht ergangen und auch sonst nicht in Sachen von etwaigen Kriegsvorbereitungen an den Generalstab gelangt.

Es darf hier hervorgehoben werden, daß General von Bertrab lediglich in seiner Eigenschaft als rangältester Oberquartiermeister nach Potsdam zitiert worden ist und daß er mit Mobilmachungs- arbeiten nichts zu tun hatte.

Der Kaiser hatte inzwischen seine Nordlandsreise angetreten. Für mich, der ich den General von Moltke in allen auf den Krieg bezüglichen Angelegenheiten vertrat, gab es infolge der Audienz des Generals von Bertrab in Potsdam nichts zu veranlassen. Die plan- mäßigen Mobilmachungsarbeiten waren am 31. März 19 14 abge- schlossen. Das Heer war, wie immer, bereit.

Noch am 8. Juli abends begab ich mich, nachdem ich mich über die Situation orientiert hatte, zu einem Erholungsurlaub aufs Land. Auch aus dem Kriegsministerium gingen keine Befehle für Vorbereitungen ein und der Generalstab hat weiterhin bis unmittelbar vor Kriegsbeginn keinerlei auf den Krieg hinzielende Maßregeln ge- troffen. Bald nach mir trat sogar der Chef der II. Abteilung, die unter mir die Mobilmachungsangelegenheiten bearbeitete, einen

Urlaub an.

Ich kehrte erst, als die stärkste politische Spannung eintrat, am 23. JuU nach Berlm zurück. ^^^^ Waldersee

Aktenstücke L

XVIII

Das Zentralamt des Reichswehrministeriums (Auswärtiges Amt A 27658/21. Oktober 1919) Reichswehrministerium

Zentralamt Berlin, den 16. Oktober 19 19

Nr. 165. 10. 19. Z. R. Königin-Augusta-Str. 38/42

Zu den Schreiben vom 3. und 4. Oktober 19

»Zu I. Der ehemalige Kriegsminister, jetzige General der In- fanterie z. D. V. Falkenhayn, war vom 10. bis einschließlich 24. Juli 1914 beurlaubt. Er hat Berlin in Ausführung einer Dienstreise am 8. Juli 1914 abends verlassen, im Anschluß an die Dienstreise den Urlaub angetreten und nach Rückkehr von dem mit der Familie an der Nordsee verbrachten Urlaub am 25. Juli 1914 die Amtsgeschäfte wieder übernommen. Der Urlaub ist mündlich bewilligt worden; eine Kabinettsordre ist hierüber nicht ergangen.

Zu 2. Am 5. oder 6. Juli 1914 waren keine Offiziere des preu- ßischen Kriegsministeriums zu einer dienstlichen Besprechung zum Kaiser befohlen.« Wurtzbacher

Kapitän z. S. Zenker ^Auswärtiges Amt A 29387, 12. November 1919)

Berlin, den 8. November 19 19

Ich bin am 5. Juli 19 14 nach Wildpark befohlen worden, um Befehle Sr. M. des Kaisers entgegenzunehmen. Da ich Aufzeich- nungen über denVerlauf des Immediatvortrages nicht in m einem Privat- besitz habe, so kann ich nur nach dem Gedächtnis Folgendes angeben :

S. M. der Kaiser teilten mir zur Weitergabe an meine vorge- setzte Behörde mit, daß am Mittag des 5. Juli der österreichisch- ungarische Geschäftsträger bei ihm angefragt habe, ob Deutschand im Falle eines österreichisch-ungarischen Konflikts mit Serbien und daraus vielleicht entstehenden Spannungen mit Rußland seine Bündnispflichten erfüllen würde. S. M. hätten dies zugesagt, glaubten aber nicht an ein Eintreten Rußlands für Serbien, das sich durch den Meuchelmord befleckt habe. Auch Frankreich würde es kaum zu einem Kriege kommen lassen, da ihm die schwere Artillerie des Feldheeres fehle. Wenn also auch ein Krieg gegen Rußland Frankreich nicht wahrscheinlich sei, so müsse seine Mög- lichkeit immerhin militärisch ins Auge gefaßt werden.

Jedoch solle die Hochseeflotte ihre für Mitte Juli angesetzte Reise nach Norwegen antreten, wie auch er seine Norwegenfahrt planmäßig beginnen würde.

Meine Frage, ob der auf Urlaub befindliche Chef des Admiral- stabes zurückzurufen sei, verneinten S. M.

Ich habe diese Anweisungen am 6. Juli dem stellvertretenden Chef des Admiralstabes, Vizeadmiral Behncke, gemeldet. Welche Anordnungen dieser daraufhin erteilt hat, vermag ich nicht anzu- geben, da ich als Chef der taktischen Abteilung mit operativen und Mobilmachungsangelegenheiten nichts zu tun hatte. An das Auswärtige Amt, hier. Zenker, Kapitän zur See

XIX

Inhaltsverzeichnis und Zeittafel von Band 1 '

Zeit

Zeit

Lfde.

Nr

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

15. Juni

1

Der Botschafter in Petersburg

an den Reichskanzler

vorm.

I

2

Bericht des Berliner Lokalanzeigers vom 14. Juni über einen Artikel der BirschewijaWjedomosti

16. Juni

1

3

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in London

20. Juni

3

4

Der Botschafter in Wien

an den Reichskanzler

vorm

5

27. Juni

5

Der Botschafter in London

an den Reichskanzler

vorm.

6

6

Der Unterstaatssekretär des Aus-

wärtigen an den Reichskanzler

y

1. JuU

6a

Der Generalkonsul in Sarajevo an das Auswärtige Amt

2. JuU

4'

nachm.

i)

6b

10"

vorm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien . .

_

9

7

Der Botschafter in Wien

an den Reichskanzler

_

nachm.

10

8

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

7"

nachm.

II

' Datum, Zeit des Abgangs und der Ankunft beziehen sich auf das Auswärtige Amt, bei Telegrammen usw. des Kaisers auf das Hoflager. Siehe Vor bemerkungen Abschn. III.

XX

Lfde.

Nr.

des

Zeit Abgangs

Stunde

Tageszeit

9

10

11

12

13

H

14a

15

3.S

nachm.

16

5"

nachm.

17

9-

nachm.

18

19

iga

20

Datum und Überschrift

Zeit der Ankunft

Stunde

Tageszeit

3. JuU

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

Der Gesandte in Belgrad

an den Reichskanzler

4. JuU

Der Botschafter in Wien

an den Reichskanzler

5. JuU

Der Gesandte in Belgrad

an den Reichskanzler

Der Kaiser von Österreich

an den Kaiser

Memorandum der österreichisch ungarischen Regierung

Der Botschafter in Wien

an den Reichskanzler

6. JuU

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien..

Der Reichskanzler

an den Geschäftsträger in Bu karest

Der Unterstaatssekretär des Aus wärtigen

an den Gesandten in Sofia . . .

7. JuU

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

8. JuU

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

9. JuU

Der Gesandte in Belgrad

an den Reichskanzler

Der Botschafter in London

an den Reichskanzler

nachm.

wie Nr. 13 nachm.

nachm.

nachm.

nachm.

XXI

Zeit

Zeit

Lfde.

Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch: 9. Juli

at

i*°

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen

an den Geschäftsträger in Bu- karest

42

22

i*"

nachm

Der Staatssekretär des Auswärtigen

an den Gesandten in Sofia

43

23

Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen

43

24

_

0

Der Gesandte in Athen

an das Auswärtige Amt

6"

nachm.

44

25

Der Reichskanzler

an den Kaiser

44

26

_

Der Kaiser

an den Kaiser von Österreich

45

10. JuU

27

Der Botschafter in Wien

an den Reichskanzler

vorm.

47

a8

~

Der Geschäftsträger in Bukarest an das Auswärtige Amt

340

nachm.

48

29

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

10"

nachm.

49

11. JuU

30

Der Botschafter in London

an den Reichskanzler

vorm.

5'

30a

Der Gesandte im kaiserlichen Gefolge

an das Auswärtige Amt

2'°

nachm.

52

31

2*0

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen

an den Botschafter in Wien. . .

52

3a

Der Gesandte in Belgrad

G"

nachm.

an den Reichskanzler

nachm.

53

32a

Der Staatssekretär des Auswärtigen

an den Gesandten im kaiser-

lichen Gefolge

54

33

y"

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen

an den Botschafter in Rom...

1

55

12. Juli

34

Der Gesandte in Athen

an den Reichskanzler

vorm.

56

XXII

Zeit

Zeit

Lfde.

Nr

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch: 12. Juli

35

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

12"

nachm.

56

36

gao

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in London.

_

57

37

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien...

58

38

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

13. JuU

10"

nachm.

58

39

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen

an den Botschafter in Wien und

den Ges indten in Bukarest (an

diesen am 14. JuH)

59

40

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

14. JuU

T

nachm.

60

♦^

Der Geschäftsträger in Bukarest an den Reichskanzler

vorm.

61

41a

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

_

nachm.

6s

4a

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

nachm.

67

43

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

8"

nachm.

68

44

10"

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Rom und den Geschäftsträger in Buka- rest

15. und 17. JuU

69

45

Der Staatssekretär des Auswärtigen

an die Botschafter in Wien und

Konstantinopel

15. JuU

70

46

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien . .

47

jSO

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Rom...

_

72

48

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in London.

73

xxin

Zeit

Zeit

Lfde.

Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch 15. Juli:

49

Der Botschafter in Wien

an den Reichskanzler

nachm.

74

50

Der Botschafter in Wien

an den Reichskanzler

16. Juli

nachm.

75

51

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

12'

vorm.

77

52

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

l"

vorm.

77

53

Der Botschafter in Petersburg

an den Reichskanzler

vorm.

78

54

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

I**

nachm.

81

55

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

2*

nachm.

56

6**

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Generaldirektor derHapag

82

57

8»o

nachm.

Das Auswärtige Amt

an den Reichskanzler

_

84

58

Der Reichskanzler

an den Staatssekretär für Elsaß- Lothringen

85

IT. Juli

59

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

,20

nachm.

86

60

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

4'

nachm.

87

61

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien . .

18. Juli

87

6a

Der Botschafter in London

an den Reichskanzler

vorm.

88

63

3"

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger in ßu karest

9' 9'

64

Der Botschafter in Rom

an den Reichskanzler

nachm.

65

~

Der Botschaftsrat in Wien

an den Reichskanzler

nachm.

93

XXIV

Zeit

Zeit

Lfde.

Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch: 18. JuU

66

Der Geschäftsträger in Bukarest an den Reichskanzler

nachm.

93

67

5^

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten im kaiser- lichen Gefolge

95

68

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien . .

96

69

7"

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten im kaiser- lichen Gefolge

97 97

70

9'°

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien . .

19. Juli

71

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt

2"

vorm.

98

72

Der Staatssekretär des Auswärtigen

an den Botschafter in London

(Privatbrief)

99 101

73

Der Botschafter in Rom

an den Reichskanzler

vorrn.

74

Der Oberquartiermeister I im Großen Generalstabe an den Staatssekretär des Aus- wärtigen (Privatbrief)

vorm.

102

75

Der Botschafter in Rom

an den Staatssekretär des Aus-

wärtigen

103 103

76

Der Botschafter in London

an den Reichskanzler

vorm.

77

1"

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien . .

104

78

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

2"

nachm

104

79

Der Gesandte im kaiserlichen Ge- folge

an das Auswärtige Amt

4"

nachm.

103

80

Der Gesandte im kaiserlichen Ge- folge

an das Auswärtige Amt

4"

nachm.

105

XXV

Zeit

Zeit

Lfdc. Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch: 19. JuU

81

Der Botschafter in Konstantinopel

an das Auswärtige Amt

9-

nachm.

106

20. Juli

82

Der Chef des Admiralstabs der Marine

an den Staatssekretär des Aus-

wärtigen

108

83

_

Der Staatssekretär des Auswärtigen

an den Botschafter in Wien . .

108

84

12"

nachm.

Der Reichskanzler

an den Kaiser

109

85

12»'

nachm.

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

1 10

86

Die serbische Gesandtschaft in Berlin

an das Auswärtige Amt

nachm.

I IG

87

Der Botschaftsrat in Wien

an den Staatssekretär des Aus-

wärtigen (Privatbrief)

nachm.

113

88

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

,0

t

nachm.

H5

89

8"

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien . .

115

90

9"

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten im kaiser- lichen Gefolge

1 16

91

9"

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen

an den Botschafter in Wien . .

116

92

Der Botschafter in London an das

Auswärtige Amt

10»°

nachm.

117

21. Juli

93

i"

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Peters-

burg

118

94

Der Botschafter in Wien

an den Reichskanzler

nachm.

118

95

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

nachm.

120

96

Der Admiralstab der Marine

an den Staatssekretär des Aus-

wärtigen

121

XXVI

Zeit

Zeit

Lfde.

Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

^

Noch: 21. JuU

97

6"

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien . .

122

98

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt

6*0

nachm.

122

99

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt

7*

nachm.

123

100

21. und 22. JuU

Der Reichskanzler

an die Botschafter in Peters- burg, Paris und London

21. JuU

124

101

6"

nachm.

Der Reichskanzler

an das Auswärtige Amt

_

_

126

loa

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt

7"

nachm.

126

103

~

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

9"

nachm.

127

104 105

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

Der Kaiser

an den Kronprinzen

9"

nachm.

127 128

22. JuU

106

Der Botschafter in Wien

an den Reichskanzler

_

nachm.

128

107

Entwurf eines nicht abgesandten Erlasses des Staatssekretärs des Auswärtigen

an den Geschäftsträger in Hamburg

129 130

108

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

2"

nachm.

109

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

3.«

nachm.

130

110

,

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

3"

nachm.

13'

111 11a

nachm.

Der stellvertretende Chef des Ad- miralstabs

an das Auswärtige Amt

Der Staatssekretär des Auswärtigen

an den Botschafter in Wien . .

nachm.

131

132

XXVII

Zeit

Zeit

Lfde. Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch: 22. Juli

113

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

nachm.

132

114

6"

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten in Belgrad. .

133

»15

7*

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Reichskanzler

23. Juli

'33

116

Der Reichskanzler

an das Auswärtige Amt

i"

vorm.

'34

117

Der Botschafter in Kon tantinopel an das Auswärtige Amt

,25

vorm.

'34

118

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

l"

vorm.

137

119

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

9"

vorm.

'37

120

Der Botschafter in Petersburg

an den Reichskanzler

_

vorm.

138

121

,♦0

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen

an den Kaiser

142

12a

2*°

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger in Athen

143

123

2*°

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten in Stockholm

144

124

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

3'°

nachm.

'45

»25

nachm.

Der Reichskanzler

an den Gesandten im kaiser- lichen Gefolge

'45

126

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in London

146

127

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

nachm.

'47

128

Der Botschafter in Wien

an den Reichskanzler

nachm.

148

129

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

4*0

nachm.

148

130

"

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

5"

nachm.

149

XXV III

Zeit

Zeit

Lfde.

Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch: 23. Juli

131

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

,so

nachm.

150

132

Der Kronprinz

an den Reichskanzler

15'

133

DerGesandte im kaiserlichen Gefolge an den Reichskanzler

15'

134

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

24. Juli

10'°

nachm.

152

135

Der Geschäftsträger in Bukarest an das Auswärtige Amt

l"

vorm.

153

136

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

10"

vorm.

153

137

Der Gesandte in Belgrad

an den Reichskanzler

vorm.

154

138

Der Botschafter in Wien

an den Reichskanzler

vorm.

155

139

Der Gesandte in Belgrad

an das Auswärtige Amt

1"

nachm.

156

140

1*°

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in London

_

•57

141

-—

DerGesandte im kaiserlichen Gefolge an das Auswärtige Amt

,5S

nachm.

158

142

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien . .

,58

143

3"

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Petersburg

.

159

144

6*°

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Konstan- tinopel

159

145

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Rom...

6*5

nachm.

160

146

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

f

nachm.

160

147

Der Botschafter in Kon tantinopel an das Auswärtige Amt

/

nachm.

i6i

148

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

3.0

nachm.

161

XXIK

Zeit

Zeit

Lfde.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch: 24. JuU

149

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt

8"

nachm.

162

150

9-

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien . .

IG3

151

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

9"

nachm.

164

15a

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

9"

nachm.

.65

153

nachm.

Der Unterstaatssekretär des Auswär-

tigen

an die Botschafter in Paris, London und Petersburg ....

165

154

Der Botschafter in Paris

an das Auswärtige Amt

10"

nachm.

166

155

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

25. JuU

11"

nachm.

.67

156

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

12'°

vorm.

i68

157

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

!'•

vorm.

169

158

Der Gesandte in Belgrad

an das Auswärtige Amt

I"

vorm.

172

159

Der Gesandte in Belgrad

an das Auswärtige Amt

2"

vorm.

172

160

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

3*'

vorm.

•73

161

~

"

Der Botschafter in London

an den Staatssekretär des Aus- wärtigen (Privatbrief)

_

'75

162

Der Gesandte in Sofia

an das Auswärtige Amt

11"

vorm.

177

163

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

I2*»

nachm.

.78

164

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in London

.78

165

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

l"

nachm.

179

XXX

Zeit

^

Zeit

Kfde.

Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

■Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch: 25. JuU

166

Der Botschafter in Paris

an das Auswärtige Amt

j50

nachm.

179

167

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

2'*

nachm.

180

168

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Kaiser

180

169

Der Botschafter in Paris

an das Auswärtige Amt

3"

nachm.

183

170

Der Botschafter in Paris

an das Auswärtige Amt

3S0

nachm.

.83

171

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien . .

——

184

172

Der russische Geschäftsträger

an den Staatssekretär des Aus- wärtigen

nachm.

184

173

Der Gesandte im kaiseriichen Ge- folge

an das Auswärtige Amt

4"

nachm.

186

174

nachm.

Aufzeichnung des Unterstaatssekre- tärs des Auswärtigen

186

175

Der Admiralstab

an den Staatssekretär des Aus- wärtigen

nachm.

187 187

176

Der Botschafter in Wien

an den Reichskanzler

_

nachm.

177

Der Geschäftsträger in Bukarest an den Reichskanzler

nachm. nachm.

189 189

178

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

179

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

5"

nachm.

190

180

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

5"

nachm.

19»

181

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten in Kopen- hagen

192

182

nachm.

Der Reichskanzler

an den Kaiser

IQ3

XXXI

Zeit

Zeit

Lfde.

Nr

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde Tageszeit

Noch: 25.JuU

183

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt

8"

nachm.

194

184

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt

9'

nachm.

194

185

Der Geschäftsträger in Bukarest an das Auswärtige Amt

9'

nachm.

•95

186

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

9"

nachm.

•95

187

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

9"

nachm.

196

188

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

9"

nachm.

197

189

Der Geschäftsträger in Athen

an das Auswärtige Amt

lO"

nachm.

197

igo

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

10"

nachm.

198

191

lO*»

nachm.

Der Reichskanzler

an den Kaiser

11»

nachm.

198 199

191a

Der Botschatter in London

an das Auswärtige Amt

19a

II»

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in London

26. JuU

200

193

2«»

vorm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen

an die Botschafter in Rom und

Wien

3"

vorm.

194

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

201

195

Der Geschäftsträger in Cetinje

an das Auswärtige Amt

4'

vorm.

201

196

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

4"

vorm.

202

197

l"

nachm. nachm.

Der Reichskanzler

an den Kaiser

202

198

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Petersburg

203

199

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in London

203

XXXII

Zeit

Zeit

Lfde.

Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch: 26. JuU

200

jS5

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Paris . . .

204

201

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

I'*

nachm.

204

202

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien . .

205

203

Der Botschafter in Petersburg

an den Reichskanzler

_

nachm.

205

204

Der Botschafter in Petersburg

an den Reichskanzler

_

nachm.

208

205

Der Botschafter in Petersburg

an den Reichskanzler

nachm.

210

206

Der Botschafter in Wien

an den Reichskanzler

_

nachm.

211

207

Der Marineattache in London

an das Reichsmarineamt

nachm.

211

208

Der rumänische Gesandte in Berlin an das Auswärtige Amt

nachm.

212

209

Der Staatssekretär des Auswärtigen

an die Botschafter in Wien und

Rom

212

210

4-

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien . .

213

211

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

3.0

nachm.

214

212

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

6"

nachm.

215

213

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

520

nachm.

216

214

6"

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen

an den Geschäftsträger in

Bukarest

217

215

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

T

nachm.

217

216

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

f

nachm.

218

217

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

7'

nachm.

218

XXXIU

Zeit

Zeit

Lfde.

Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch 26. Juli:

218

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

7'

nachm.

219

21g

7"

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Petersburg

220

220

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

7"

nachm.

221

221

7"

nachm.

Der Reichskanzler

an den Kaiser

221

222

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

nachm.

222

223

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

nachm.

222

224

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

nachm.

223

225

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

9"

nachm.

223

226

9*°

nachm.

Der Unterstaatssekretär des Aus- wärtigen an den Botschafter in Wien . .

224

227

9-

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Rom . .

224

228

iü°

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien . .

225

229

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

10»

nachm.

225

230

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

10»

nachm.

226

331

Der Kaiser

an das Auswärtige Amt

10"

nachm.

226

232

Der Staatssekretär für Elsaß-Loth-

rmgen an den Reichskanzler

227

233

Entwurf eines nicht abgesandten Telegramms des Kaisers

an den Zaren

228

334

Entwurf eines nicht abgesandten

Telegramms des Reichskanzlers

an die Botschafter in Paris,

London und Petersburg ....

229

/Aktenstücke 1.

XXXIV

Zeit

Zeit

Lfde.

Nr

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

27. JuU

235

Der Botschafter in Paris

an das Auswärtige Amt

12^

vorm.

230

236

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

12^

vorm.

231

237

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

12*^

vorm.

232

238

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

I2*=

vorm.

233

239

,35

vorm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Rom . . .

234

240

Der Botschafter in Paris

an das Auswärtige Amt

,55

vorm.

235

241

Der Botschafter in Paris

an das Auswärtige Amt

j5S

vorm.

235

242

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

2"

vorm.

236

243

Der König von Griechenland

an den Kaiser

f'

vorm. vorm.

237 239

244

Der Botschafter in Rom

an den Reichskanzler

245

11"

vorm.

Der Reichskanzler

an den Kaiser

240

246

jj30

vorm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien . .

241

247

1,30

vorm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Paris...

241

248

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in London .

_

241

249

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

,28

nachm.

242

250

Der Gesandte in Kopenhagen

an das Auswärtige Amt

,28

nachm.

243

251

Der Gesandte in Sofia

an das Auswärtige Amt

nachm.

243

252

Der Botschafter in Paris

an das Auswärtige Amt

3*°

nachm.

244

253

Der Botschafter in Petersburg

an den Reichskanzler

nachm.

244

XXXV

Zeit

Zeit

Ltde.

Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch: 27. Juli

254

~

"

Der Generaldirektor der Hapag an den Staatssekretär des Aus- wärligen

nachm.

246

255

Der Admiralstab

an den Staatssekretär des Aus- wärtigen

nachm.

•248

256

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt

4-

nachm.

248

257

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

4"

nachm.

249

258

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

4"

nachm.

250

259

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

5"

nachm.

251

260

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

3.S

nachm.

252

261

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

nachm.

252

262

Der Geschäftsträger in Bukarest an das Auswärtige Amt

7"

nachm.

253

363

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt

-20

/

nachm.

254

264

Der Verweser des Konsulats Kowno an das Auswärtige Amt

7*°

nachm.

254

265

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt

3*0

nachm.

254

266

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

8*°

nachm.

256

267

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien . .

257

268

'

""

i^er österreichisch-ungarische Bot- schafter

an das Auswärtige Amt

257

26g

</"

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien . .

_

258

270

9"

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Kaiser

_

259

271

Antwortnote der serbischen Regie- rung auf das österreichisch-unga- rische Ultimatum

nachm.

25g

XXXVI

Zeit

Zeit

Lfde.

Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch: 27. Juli

27a

10°

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in London

265

273

10°

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Rom . . .

265

274

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

10^°

nachm.

266

275

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

10"

nachm.

266

276

Der Generalkonsul in Warschau an das Auswärtige Amt

11°

nachm.

266

277

jjSO

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien . .

267

278

,jSO

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in London

268

Nr. I

Der Botschafter in Petersburg an den Reichskanzler'

St. Petersburg, den 13. Juni 1914"^

Ew. Exz. beehre ich mich anbei die Übersetzung eines soeben in der »Birschewija Wjedomosti« er- schienenen bemerkenswerten Artikels zu überreichen, der, wie ich höre, vom hiesigen Kriegsministerium herrührt und den deuthchen Zweck verfolgt, auf Frankreich einen Druck im Sinne der Einführung gegen uns! der dreijährigen Dienstzeit auszuüben.

Der Artikel führt unter der Überschrift »Ruß- land ist bereit, Frankreich muß es auch sein« aus, Rußland, welches eben erst zur Verstärkung seiner Wehrkraft Anstrengungen gemacht habe, wie sie noch nie von einem Staate gemacht wurden, sei berechtigt, von Frankreich zu erwarten, daß dieses ebenfalls seine Armee verstärke, was nur durch Einführimg der dreijährigen Dienstzeit mögHch sei.

F. Pourtalös

^ Nach der Ausfertigung.

2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 15. Juni vorm. Bericht lag dem Kaiser vor, von ihm am 15. Juni zurückgegeben. Gemäß kaiserlicher Randverfügung vom Chef des Militärkabinetts am 17. Juni an den General- stab, von diesem am 25. Juni dem Kriegsministerium mitgeteilt. Die Beilage des Berichts wurde dem Kaiser durch das Telegramm des Lokal- Anzeigers bekannt, siehe Nr. 2.

Nr. 2

Bericht des Berliner Lokal -Anzeigers vom 14. Juni über einen Artikel der Birschewija Wjedomosti '

Die Mahnung des Verbündeten

Das ver-

Telegr. imseres Korrespondenten v. A, ^'^"g^ ^'"<? Petersburg, 13. Juni ..^^Ant-

Der schon erwähnte Artikel der Bir- ""jj/"^ y,^'^'^'''/' schewija Wjedomosti, der die Überschrift trägt: »Rußland ist fertig, Frankreich

' Vom Kaiser am 15. Juni zurückgegeben.

muß ebenfalls fertig sein«, und der direkt vom Kriegsminister General Suchomlinow inspiriert ist, erregt allgemeines Auf- sehen. Der Artikel lautet :

»Rußland erlaubt sich nicht, sich in innere Angelegenheiten eines frem- den Staats zu mischen, kann aber während einer Krisis des befreundeten und verbündeten Staats nicht teil- nahmsloser Zuschauer bleiben. Wenn das französische Parlament sich be- rechtigt fühlt, auf innere Angelegen- heiten Rußlands, wie Kriegsbestel- lungen, hinzuweisen, die mit gewis.^en ökonomischen Vorteilen für die Auf- traggeber verbunden sind, so kann Ruß- land nicht gleichgültig gegenüber einer i-ein politischen Frage, nämlich der drei- jährigen Dienstzeit, bleiben, die den Ge- genstand eines Zerwürfnisses zwischen den Parteien des französischen Par- laments bilden.^ Für Rußland gibt es in dieser Frage keine geteilte Meinung. Rußland tat alles, wozu das Bündnis mit Frankreich es verpflichtete, es er- wartet mithin, daß sein Verbündeter ebenfalls seine Pflicht tue. Es ist allbekannt, welche kolossalen Opfer Rußland gebracht hat, um das franzö- sisch-russische Bündnis auf eine ideale Höhe zu bringen. Die Reformen des russischen Militärressorts bei der Bil- dung der russischen Streitkräfte über- treffen alles in dieser Hinsicht Da- gewesene. Das diesjährige Rekruten- kontingent ist nach dem letzten Aller- höchsten Ukas von 450 000 auf ^80 000 Mann gestiegen imd die Dienstzeit um 6 Monate verlängert worden. Dank dieser Maßregel stehen jeden Winter in Rußland vier Kon- tingente Rekruten unter Waffen, also eine Armee von 2 ^00 000 Mann. Diesen Luxus kann sich nur das große, mächtige Rußland erlauben.

'' So im Text für »bildet«.

Gott Lob!

Na ! Endlich haben die Russen die Kar- ten aufgedeckt! Wer inDeutschland jet^t noch nicht glaubt, daß von Russo - Gallien mit Hochdruck auf einen baldigen Krieg gegen uns hingearbeitet wird, und wir dement- sprechende Gegen- maßregeln er- greifen müssen, der verdient umgehend ins Irrenhaus nach Dalldorf geschickt

■{u werden ! Stramme neueSteu- ern und Monopole, und diejSooo Nicht- eingestellten sofort in die Armee und Marine hinein! W.

Deutschland verfügt über 880000, Österreich über etwa 500 000 und ItaHen über etwa 400 000 Mann. Gani natürlich also, daß Rußland von Frankreich j'jo 000 Mann entartet, wo sollen die was nur bei der dreijährigen Dienst- herkommen! \eit möglich ist. Es muß bemerkt werden, daß diese Vergrößerung der Armeen in Friedenäzeiten ausschließ- lich eine schnelle Mobilisierung er- wirken soll. Rußland schreitet dabei noch zu neuen Reformen, zum Bau eines gan^^en Netzes strategischer Bahnen, :{ur schleunigsten Konten- Mes gegen tration der Armee im Kriegsfall. Deutsch- Das rvünscht Rußland auch von Frank- l<^nd! reich, docli kann es das alles nur durchfüliren bei Wahrung der drei- jährigen Dienstzeit. Rußland und Frankreich wünschen keinen Krieg, quatsch! aber Rußland ist fertig, und Frank- reich muß es auch sein.«

Mit diesem durch Fettdruck hervor- gehobenen Satz schließt der vielerörterte Artikel, aus dem deuthch hervorgeht, daß Rußland seine kolossalen Rüstungen vor :{wei Jahren laut Abmachimgen mit was mein Frankreich begann. Generalstab

stets behaup- tet hat!

Nr. 3

Der Reichskanzler an den Botschafter in London^

Ganz vertraulich! Eigenhändig!

Berlin, den 16. Juni 1914'*

Ew. Durchlaucht wird es nicht entgangen sein, daß der, wie wir wissen, zutreffend auf den Kriegsminister General Suchomlinow zurückgeführte Artikel der »Birschewija Wjedomosti« in Deutschland beträchtliches Aufsehen erregt hat. In der Tat hat wohl noch niemals ein offiziös inspirierter Artikel die kriegerischen Tendenzen der russischen Militaristenpartei so rücksichtslos enthüllt, wie es diese Presseäußerung tut. Um den französischen Chauvinismus

^ Nach dem vom Reichskanzler niedergeschriebenen Konzept. 2 Abgegangen 16. Juni nachm.

auf die Dauer stärken zu können, ist er wohl zu plump geschrieben. Dagegen sind die Rückwirkungen auf die deutsche öffentliche Meinung unverkennbar und bedenklich.

Waren es bisher nur die extremsten Kreise unter den All- deutschen und Militaristen, welche Rußland die planvolle Vorberei- tung eines baldigen Angriffskrieges auf uns zuschoben, so beginnen sich jetzt auch ruhigere Politiker dieser Ansicht zuzuneigen. Die nächste Folge ist der Ruf nach einer abermaligen sofortigen umfang- reichen Verstärkung der Armee. Dadurch wird, wie die Dinge nun ein- mal bei uns liegen, der Wettbewerb auch der Marine wachgerufen, die niemals zu kurz kommen will, wenn etwas für die Armee geschieht. Da, wie ich ganz vertraulich bemerke, S. M. der Kaiser sich schon ganz in diese Gedankengänge eingelebt hat, besorge ich für den Sommer und Herbst den Ausbruch eines neuen Rüstungsfiebers bei ims.

So wenig sich bei der Unsicherheit der russischen Verhältnisse die wirklichen Ziele der russischen Politik mit einiger Sicherheit im voraus erkennen lassen und so sehr wir auch bei unsern poHtischen Dispositionen in Rechnung stellen müssen, daß Rußland noch am ehesten von allen europäischen Großmächten geneigt sein wird, das Risiko eines kriegerischen Abenteuers zu laufen, so glaube ich doch nicht, daß Rußland einen baldigen Krieg gegen uns plant. Wohl aber wünscht es, und man wird ihm das nicht übelnehmen können, bei einem Wiederausbruch der Balkankrisis, gedeckt durch seine umfangreichen militärischen Rüstungen, kräftiger als bei den letzten Balkanwirren auftreten zu können. Ob es alsdann zu einer europäischen Konflagration kommt, wird ausschließhch von der Haltung Deutschlands und Englands abhängen. Treten wir beide alsdann geschlossen als Garanten des europäischen Friedens auf, woran uns, sofern wir von vornherein dieses Ziel nach einem gemeinsamen Plane verfolgen, weder die Dreibunds- noch die Ententeverpflichtungen hindern, so wird sich der Krieg vermeiden lassen. Andernfalls kann ein beliebiger, auch ganz untergeordneter Interessengegensatz zwischen Rußland und Österreich-Ungarn die Kriegsfackel entzünden. Eine vorausschauende Politik muß diese Eventuahtät bei Zeiten ins Auge fassen.

Nun liegt es auf der Hand, daß eine erhöhte Tätigkeit der deutschen Chauvinisten und Rüstungsfanatiker einer solchen deutsch- englischen Kooperation ebenso hinderlich sein würde, wie eine nicht dezidierte, den französischen und russischen Chauvinismus im ge- heimen begünstigende Haltung des englischen Kabinetts. Auf einen seinem Bevölkerungszuwachs entsprechenden Ausbau seines Heeres wird Deutschland nie verzichten können. An eine Ei-weiterung des Flottengesetzes wird nicht gedacht. Wohl aber wird ganz im Rahmen des Flottengesetzes die Mehrindienststellung von Auslands- kreuzern, die Armierung und Bemannung der Schlachtschiffe usw. dauernd steigende Aufwendungen erheischen. Es ist aber ein großer

Unterschied, ob solche Maßnahmen als notwendige Folge allmählicher ruhiger Entwickelung in die Erscheinung treten, oder ob sie panik- artig unter dem Druck einer aufgeregten und von Kriegsbesorgnis erfüllten öffentlichen Meinung vorgenommen werden.

Daß Sir Edward Grey den Gerüchten von einer englisch-russi- schen Marinekonvention im Unterhause mit Entschiedenheit ent- gegengetreten ist und sein Dementi in der »Westminster Gazette« noch hat unterstreichen lassen, ist durchaus erfreulich. Hätten sich diese Gerüchte bewahrheitet, und zwar auch nur in der Form, daß die englische und russische Marine ihre Kooperation für den Fall festlegten, daß in einem zukünftigen Kriege England und Ruß- land gemeinsam gegen Deutschland fechten sollten ähnlich den Abmachungen, die England zur Zeit der Marokkokrisis mit Frank- reich getroffen hat, so wäre dadurch allerdings nicht nur der russische und französische Chauvinismus stark gereizt worden, sondern es hätte auch bei uns eine nicht unberechtigte Beunruhi- gung der öffenthchen Meinung Platz gegriffen, die ihren Ausdruck in einem navy scare und einer abermaligen Vergiftung der sich langsam bessernden Beziehungen zu England gefunden hätte. In- mitten der nervösen Spannung, in der sich Europa seit den letzten Jahren befindet, wären die weiteren Folgen unübersehbar gewesen. Jedenfalls wäre der Gedanke an eine gemeinschaftliche, den Frieden verbürgende Mission Englands und Deutschlands bei etwa auf- tauchenden Komplikationen von vornherein in verhängnisvoller Weise gefährdet worden.

Ew. Durchlaucht ersuche ich ergebenst, Sir Edward Grey meinen besonderen Dank für seine offenen und geraden Erklärungen zu sagen und daran anschließend in zwangloser und vorsichtiger Weise diejenigen allgemeinen Betrachtungen zum Ausdruck zu bringen, die ich vorstehend angedeutet habe.

Ihrem gefälligen Bericht ^ über die Aufnahme, der Sie bei Sir Edward Grey begegnen, sehe ich mit besonderem Interesse entgegen.

V. Bethmann Hol! weg

' Siehe Nr. 5.

Nr. 4

Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler^

Geheim I Wien, den 17. Juni 1914^

Graf Berchtold war nach der Abreise Sr. M. des Kaisers von S. K. u. K. Hoheit dem Erzherzog Franz Ferdinand nach Konopischt geladen worden. Der Minister erzählte mii heute, S. K. u. K. Hoheit habe sich

^ Nach der Ausfertigung.

* Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 20. Juni vorm. Bericht lag dem Kaiser vor, von ihm am 21. Juni zurückgegeben, am 22. Juni wieder im Amt

ihm gegenüber im höchsten Maße befriedigt über den Besuch S. M. des Kaisers ausgesprochen. Er habe über alle möglichen Fragen ein- gehend mit Sr. M. gesprochen imd durchweg völlige Übereinstimmung der Ansichten konstatieren können.

Der Erzherzog hat dem Grafen Berchtold auch dasjenige mit- geteilt, was er unserem Allergn ädigsten Herrn bezüglich der Politik des Grafen Tisza, besonders den nichtmagyarischen Nationalitäten gegenüber, gesagt hat. Den Rumänen gegenüber habe, wie S. K. u. K. Hoheit bemerkt hätten, Graf Tisza zwar schöne Worte gebraucht, seine Taten entsprächen aber diesen Worten nicht. Ein Fehler des ungarischen Ministerpräsidenten sei es vor allem gewesen, daß er den siebenbürgischen Rumänen nicht einige Abgeordnetenmandate mehr gegeben habe.

Graf Berchtold meinte mir gegenüber, er habe schon oft und nachdrückhch auf den Grafen Tisza zugunsten größerer Konzessionen für die Rumänen einzuwirken versucht. Seine Bemühungen seien aber vergeblich gewesen. Graf Tisza behaupte, er sei bereits so weit als irgend möglich den Rumänen entgegengekommen.

Ich werde meinerseits, wie ich dies bisher schon dem Grafen Berchtold gegenüber getan habe, der mir gewordenen hohen Vv^eisung entsprechend jeden Anlaß benutzen, um auch den ungarischen Minister- präsidenten auf die Notwendigkeit der Gewinnung der Rumänen

hinzuweisen. ' _ , . , ,

von Ischirschky

er darf durch seine innere Politik, die bei der Rumänenfrage auf die äußere des Dreibundes Einfluß hat, die letztere nicht in Frage stellen.

Nr. 5

Der Botschafter in London an den Reichskanzler^-

London, den 24. Juni 1914^^

Ich benutzte meinen heutigen Besuch, um Sir Edward Grey den Dank Ew. Exz. für seine offenen und geraden Erklärungen im Unter- hause auszusprechen, durch welche er den Gerüchten über ein an- gebhches englisch-russisches Marineabkommen entgegengetreten ist. Ich knüpfte hieran die Bemerkung, daß Ew. Exz. seine Ausführungen um so lebhafter begrüßt hätten, als dieselben nicht unwesentlich dazu beitrügen, die Befürchtungen zu zerstreuen, welche namentlich in neuester Zeit weite Kreise des deutschen Volkes hinsichtlich unserer

1 Nach der Ausferügung.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts : 27. Juni vorm.

^ Siehe Nr. 3.

auswärtigen Lage erfaßt hätten. In erster Linie sei es Rußland, welches dieser Beunruliigung und den daraus hervorgehenden Be- strebungen für eine weitere Vermehrung unserer Rüstungen Nahrung zufülire, und ich könne in dieser Hinsicht ganz besonders auf den Artikel der »Nowoje Wremja« verweisen, welcher in Deutschland unliebsames Aufsehen erregt hätte. Angesichts der Möglichkeit, daß ein Balkankrieg wiederum ausbräche und daß Rußland sich als- dann zu einer etwas aktiveren Auslandspohtik entschlösse, erschien es uns von größter Wichtigkeit, daß die intime Fühlungnahme, welche zwischen uns während der letzten Krise bestand, auch allen zukünftigen Ereignissen gegenüber aufrechterhalten bliebe, um auf Grundlage gemeinsamer Verabredung einer kriegerischen Politik er- folgreich begegnen zu können. Ich wies den Minister ferner darauf hin, daß nur durch die Aufrechterhaltung der bisherigen deutsch- britischen Intimität, gepaart mit unserer Überzeugung, daß er auch in Zukunft bestrebt sein werde, kraft seines weitreichenden Einflusses in Paris und Petersburg allen abenteuerlichen Regungen entgegen- zutreten, es der Kaiserlichen Regierung möglich sein werde, das auch bei uns zeitweise überhandnehmende Rüstungsfieber niederzuhalten und den Rahmen der bestehenden Wehrgesetze einzuhalten. Ich vermied es dabei absichtlich, auf unser Flottengesetz näher ein- zugehen, da ich dieses heikle Thema mit dem Minister seit meiner Ankunft in London noch nie berührt habe und er auch es bisher sorgsam unterlassen hat, diesen Gegenstand mit mir zu erörtern. Der Minister nahm meine Eröffnungen mit sichtlicher Befriedigung zur Kenntnis und sagte, daß es ebenso sein Bestreben sei, mit uns auch ferner Hand in Hand zu geh.en und allen auftretenden Fragen gegenüber in enger Fülüung zu bleiben. Er habe in dieser Absicht soeben mit mir die gegenwärtige orientalische Lage besprochen und glaube, daß dieser Weg für unsere beiderseitigen Ziele der geeignete sei. Was Rußland beträfe, so habe er nicht den geringsten Grund, an den friedlichen Absichten der russischen Regierung zu zweifeln. Daß Graf Benckendorff hier keine deutschfeindhche Pohtik betreibe, brauche er mich nicht erst zu versichern. Kaiser Nikolaus und Herr Sasonow sprächen sich stets in friedlichem Sinne Sir George W. Buchanan gegenüber aus; nur sei es nicht zu leugnen, daß Herr Sasonow den Wunsch hege, gewissermaßen als Gegengewicht gegen den festgefügten Block des Dreibundes den Dreiverband etwas kräftiger in die Erscheinung treten zu lassen. Was aber den Artikel der »Nowoje Wremja« beträfe, auf den ich angespielt hätte, so sei er ihm, dem Minister, f überhaupt nicht bekannt. Lacliend fügte er hinzu, er habe erst gestern abend einen heftigen Angriff des gedachten Blattes gegen Großbritannien zu Gesicht bekommen wegen des per- sischen ölab komme ns. Was aber Frankreich anlange, so wisse er aus guter Quelle und würde in dieser Auffassung auch durch fremde, z. B. amerikanische Nachrichten bestärkt, daß die Franzosen nicht die geringste Lust zu einem Kriege verspürten.

8

Es bestünden, so sagte mir Sir Edward, keine nicht veröffent- lichten Abmachungen zwischen Großbritannien und den Verbands- genossen, Er könne mir dies wiederholen, wie er es im Parlament erklärt habe, und er freue sich, hinzulügen zu können, daß von ihm aus niemals etwas geschehen werde, um diesem Verhältnis eine gegen Deutschland gerichtete Spitze zu geben. Er glaube auch, daß in den letzten Zeiten bei uns über diese Frage eine befriedigtere Auf- fassung Platz gegriffen habe. Er wolle aber mit mir ganz offen sein und wünsche nicht, daß ich mich zu irrigen Auffassungen verleiten ließe, und möchte daher die Gelegenheit benutzen, um mir zu sagen, daß trotz obiger Tatsachen sein Verhältnis zu den beiden Genossen nach wie vor ein sehr intimes sei und dasselbe nichts von seiner früheren Festigkeit eingebüßt habe. Über alle wichtigen Fragen stände er mit den betreffenden Regierungen in dauernder Fühlungnahme.

Ich dankte dem Minister für seine vertrauensvollen Eröffnungen, die er in freundschaftlich-gemütlicher Form vortrug, und erwiderte, daß für uns kein Grund vorläge, daran Anstoß zu nehmen, solange er seinen mächtigen Einfluß zugunsten des Friedens und der Mäßigung zum Ausdruck brächtet L i c h n o w s k y

* Siehe Nr. 6, Nr. 20 Anm. 3 und Nr. 30 Anm. 3.

Nr. 6

Der ünterstaatssekretär des Auswärtigen an den Reichskanzler^

Berlin, den 27. Juni 1914

Bei der Unterredung^ ist, wie zu erwarten stand, Lichnowsky wiederum völlig von Grey eingewickelt worden imd hat sich von neuem in der Auffassung bestärken lassen, daß er es mit einem ehrlichen, wahrheitsliebenden Staatsmann zu tun hat. Es wird nichts anderes übrigbleiben, als L. einige, natürlich recht vorsichtige Andeutungen über uns aus Petersburg zugehende geheime, aber unbedingt zuverlässige Nachrichten zu machen, die über das Vor- handensein fortdauernder politischer und militärischer Abmachungen zwischen England und Franki"eich und über bereits angeknüpfte, auf das gleiche Resultat hinzielende Verhandlungen zwischen England_^und Rußland keinerlei Zweifel aufkommen lassen^. ycrviroot-TnoTn»,

£j 1 IXl IliC X lli cL 11 11

' Niederschrift des Unterstaatssekretärs Zimmermann.

2 Siehe Nr. 5.

^ Am Rand die urschriftliche Rückäußerung des Reichskanzlers: »Lichnowsky kommt Montag 5 Uhr zu mir. Ich möchte vorher die Situation noch ein- mal mit Ihnen besprechen. B. H. 27.«

Nr. 6 a

Der Generalkonsul in Sarajevo an das Auswärtige Amt^

Telegramm ii Sarajevo, den i. Juli 1914^

Heute Nacht ist von Semlin als Tatsache hierher berichtet worden, daß 10 bis 12 Verschwörer aus Belgrad unabhängig einer vom anderen entsendet worden sind.

Hier in Sarajevo waren mindestens drei Mordgesellen postiert. Mein Vertrauensmann, eine unbedingt zuverlässige Persönlichkeit in ve ran tworth eher, ihn allseitig orientierender Stellung, erklärte mir auf meine bestimmte Frage als mein Freund, daß er die Reise Sr. M. des Kaisers nach Wien auf Grund seiner Kenntnis der Wiener Verhältnisse und des Systems der russisch-serbischen Gewalttäter auf das allerentschiedenste widerraten müsse. Ich persönlich trete dem nach alledem, was ich hier gehört oder beobachtet habe, be- dingungslos bei.

Die Fahrt nach Artstätte^, das rein deutsch und klein, deshalb leicht kontrollierbar sei, soll unbedenklich sein*.

Dr. Eiswaldt

^ Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Sarajevo den i. Juli i" nachm., angekommen im Aus- wärtigen Amt I.Juli, 4^ nachm. Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 1. Juli nachm.

' So in der Entzifferung für »Artstetten«.

* Siehe Nr. 6 b.

Nr. 6b

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien'

Telegramm 107 Berlin, 2. Juli 1914-

Infolge der aus Sarajevo eingegangenen Warnungen^, von denen eine erste übrigens schon aus dem April d. J. datiert, habe ich S. M. den Kaiser bitten müssen, die Reise nach Wien aufzugeben. Bestimmend war für mich, daß es sich bei dieser Reise nicht um einen Akt staatlicher oder poUtischer Notwendigkeit, sondern um eine über die Forderungen der Etikette hinausgehende freiwillige Bekundung freundschaftücher Gesinnungen handelt, daß der Frevel-

' Nach dem Konzept von des Reichskanzlers Hand. * 10^0 vorm, zum Haupttelegraphenamt gegeben » Siehe Nr. 6 a

10

tat von Sarajevo anscheinend ein weitverzweigtes Komplott zu- grunde liegt, und daß Attentate bekanntermaßen eine suggestive Wirkung auf verbrecherische Elemente ausüben. Aus diesen Er- wägungen habe ich die Verantwortung für eine nicht zwingende Exposition Sr. M. in fremdem Lande nicht übernehmen können.

Der Öffentlichkeit gegenüber wird die Aufgabe der Reise mit körperUcher Indisposition Sr. M. motiviert werden. S. M. wünschen indes, daß S. M. dem Kaiser Franz Joseph persönlich die wahre Ur- sache mitgeteilt werde. S. M. haben deshalb die nachstehende In- struktion für Ew. pp. Allerhöchst selbst niedergeschrieben:

»An H. V. Tschirschky für S. M. Kaiser Franz Joseph S. M. sind durch S. Exz. den Reichskanzler informiert worden, daß aus Sarajevo durch Vertrauensleute des deutschen Konsuls Sr. Exz. eine Warnung zugegangen sei, die von einer Reise nach Wien seitens des deutschen Kaisers abraten. S. Exz. der Reichs- kanzler haben daraufhin Sr. M. als sein verantwortlicher Ratgeber bestimmt erklärt, die Verantwortung nicht übernehmen zu können, und S. M. gebeten, die Reise zu unterlassen. S. M. haben sich den Gründen nicht verschließen können und schweren Herzens in tiefem Schmerz sich zur Aufgabe derselben entschlossen. S. M. haben den k. Botschafter beauftragt, persönUche Meldung sofort an Kaiser Franz Joseph zu machen imd auszusprechen, wie schwer der Entschluß ihm geworden sei. Einerseits, weil er als Mangel an persönlichem Mut ausgelegt werden könnte, andererseits, weil S. M. dadurch verhin- dert werde, dem Kaiser tröstend und leidmittragend zur Seite zu stehen, sowie auch dem ganzen österreichischen Volke am Tage der Trauer nahe sein zu können. Schluß.«

Ew. pp. ersuche ich ergebenst, diesen Allerhöchsten Auftrag schleunigst in geeigneter Form zur Ausführung zu bringen.

Bethmann Hollweg

Nr. 7

Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler^

Wien, den 30. Juni 1914^

Graf Berchtold sagte mir heute, alles deute darauf hin, daß die Fäden der Ver- schwörung, der der Erzherzog zum Opfer ge- fallen sei, in Belgrad zusammenliefen. Die Sache sei so wohl durchdacht worden, daß

^ Nach der Entzifferung.

2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Arats: 2. Juli nachm. Entzifferung lag dem Kaiser vor, von ihm am 4. Juli zurückgegeben.

1 1

man absichtlich ganz jugendhche Leute zur Ausführung des Verbrechens ausgesucht habe, hoffentlich nicht S^S^^ <^'^ ""^' ^^i^^ere Strafe verhängt werden

könne. Der Minister sprach sich sehr bitter über die serbischen Anzettelungen aus.

Hier höre ich, auch bei ernsten Leuten,

vielfach den Wunsch, es ynüsse einmal gründlich

jeti^t oder nie ynit den Serben abgerechnet werden. Man

müsse den Serben zunächst eine Reihe von

Forderungen stellen und falls sie diese nicht

wer hat ihn da^u ermäch- akzeptierten, energisch vorgehen. Ich benutze

tigt? das ist sehr dumm! jeden solchen Anlaß, um ruhig, aber sehr

geht ihn gar nichts an, nachdrücklich und ernst vor übereilten Schritten

s:Ä-°«T,W^" »'«'■"^"- ^- ^"^"^ ™"^=^ man sich erst fw thun gedenkt. Nachher klar darüber werden, was man wolle, denn heißt es dann, wenns schief ich. hörte bisher nur ganz unklare Gefülils- geht, Deutschland hat tiicht äußerungen. Dann solle man die Chancen fÄ,>I^Äir to" irgendeiner Aktion sorgfältig erwägen und sich sen! Mit den Serben muß vor Augen halten, daß Osterreich -Ungarn nicht aufgeräumt werden, und allein in der Welt stehe, daß es Pflicht sei,

pvar bald. neben der Rücksicht auf seine Bundesgenossen

versteht sich alles von die europäische Gesamtlage in Rechnung zu selbst, und sind Binsen- ziehen und speziell sich die Haltung Itahens

Wahrheiten. ^^ Rumäniens in allen Serbien betreffenden

Fragen vor Augen zu halten.

van Tschirschky

Nr. 8

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Ämt^

Telegramm 80 Wien, den 2. Juh 1914^

Die Blätternachricht, der zufolge hiesige Regierung eine De- marche in Belgrad gemacht habe, um von serbischer Regierung Untersuchung gegen die Attentäter zu verlangen, ist nicht richtig. Bisher sind keinerlei solche Schritte imternommen worden. Ob dies später erfolgen werde, hänge davon ab, ob hiesige Untersuchung wirkhch gravierendes Material gegen Belgrad ergeben werde.

Tschirschky

' Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Wien 6" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 7** nachm. ; Eingangsvermerk : 2. Juli nachm. Bericht vom Auswärtigen Amt am 3. Juli telegraphisch den Vertretungen in Rom, Bukarest und Belgrad mitgeteilt, io*° vorm. zum Haupttelegraphenamt.

12

Nr. 9

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Ämt^

Telegramm 8i Wien, den 2. Juli 1914^

Habe mich soeben Allerhöchsten Auftrags bei Sr. M. dem Kaiser Franz Joseph entledigt, der die Gnade hatte, mich fast eine Stunde bei sich zu behalten. S. M. der Kaiser Franz Joseph lassen Sr. M. herzHchst für die eingehende Benachrichtigung danken. So tief und aufrichtig er bedauere, S. M. nicht hier begrüßen zu können, so würdige er andererseits durchaus die zwingenden Gründe, die ein Aufgeben der Reise in diesem Augenblick geboten hätten erscheinen lassen. Es sei auch für ihn eine Erleichterung, S. M. nicht den Zufäüigkeiten einer Auslandsreise ausgesetzt zu wissen. Die War- nungen aus Sarajevo und aus Semlin, die auch hier eingelaufen seien, seien leider so ernst, daß sie unmöglich hätten unberück- sichtigt bleiben können. Freihch hätte er sehr gern S. M. jetzt bei sich gesehen, um auch so mancherlei Pohtisches mit ihm zu be- sprechen. »Denn ich sehe sehr schwarz in die Zukunft«, sagten S. M., »und die Zustände da unten werden mit jedem Tage beunruhigender. Ich weiß nicht, ob wir noch länger werden ruhig zusehen können und ich hoffe, daß auch Ihr Kaiser die Gefahr ermißt, die für die Monarchie in der serbischen Nachbarschaft liegt. Was mich ganz besonders beunruJiigt, das ist die russische Probemobilisierimg, die für den Herbst geplant ist, also gerade in einer Zeit, wo wir hier den Rekruten Wechsel haben. Herr von Hartwig ist ja der Herr in Belgrad, und Paschitsch tut nichts, ohne ihn zu fragen.«

Der Kaiser sprach dann noch eingehend über die politische Lage im allgemeinen. Ich darf mir hierüber weiter gehorsamste Berichterstattung vorbehalten.

S. M. der Kaiser Franz Joseph ersuchte mich beim Abschied noch- mals, Sr. M. seinen aufrichtigsten Dank für die durch mich erfolgte Mit- teilung zu übermitteln. S. M. könne versichert sein, daß er, so schmerz- hch ihn das Fernbleiben Sr. M. berühre, es doch als eine Beruhigung empfinde, daß der Kaiser die Reise hierher aufgegeben habe.

S. M. der Kaiser Franz Joseph sah sehr wohl aus. Höchst- derselbe meinte zwar, er habe seine Kraft noch nicht wieder in vollem Maße wiedergewonnen, doch sei der Appetit gut und er hoffe, daß die gute Luft in Ischl, wohin er sobald als möglich zurückzu- kehren gedenke voraussichtlich nächsten Montag , die letzten Spuren der überstandenen Krankheit beseitigen werde^.

Tschirschky

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Wien 2. Juli lo^ nachm.; angekommen im Auswärtigen Amt

3. Juli 12^2 vorm. Eingangsvermerk: 3. Juli vorm. ä Siehe Nr. 1 1.

13

Nr. 10

Der Gesandte in Belgrad an den Reichskanzler'

Belgrad, den 30. Juni 1914*

Das grauenhafte Attentat in Sarajevo, das hier erst in den Abendstunden des 15. /28. Juni offiziös bekanntgegeben wurde, wahrscheinlich, um der an diesem Tage dem sogenannten Widowdan, Erinnerung an die Schlacht auf dem Amselfeld am 15. Juni 1389 abgehaltenen Volksfeier kein allzu frühes Ende zu bereiten, hat einen tiefen Eindruck in Serbien gemacht. Nicht etwa in dem Sinne, daß die Nachricht in den breiten Schichten der Be- völkerung das Gefühl besonderer, aus dem Herzen kommender Trauer ausgelöst hätte. In dieser Hin- sicht kann man höchstens sagen, daß verletzende und unziemUche Kundgebungen in der Öffentlichkeit unterbheben sind. Sondern weil man hier sofort instinktiv fühlte, daß für die von Serben begangene Bluttat nicht bloß die Brüder in Bosnien, sondern jci das gan^e Serbentum die Verantwortung treffe.

Nachdem es sich herausgestellt hat, daß beide Atten- täter sich bis vor wenigen Wochen in Belgrad auf- gehalten haben, der eine, Prinzip, als Handelsschüler, der andere, Tschabrinowitsch, als Setzer in der Staatsdruckerei, nachdem letzterer offen zugegeben hat, seine Bombe, wie seinerzeit der Attentäter in Cetinje, aus Belgrad bezogen zu haben, ist die Stimmung hier eine recht gedrückte. Zwar bemüht man sich, den anstürmenden Verdächtigungen und Anklagen dadurch die Spitze abzubrechen, daß man auf das Fiasko der früher gegen Serbien in den Agramer und Fried Jungprozessen erhobenen Anwürfe hinweist und immer wieder betont, wie ungerecht es sei, eine ganze Nation für die Untaten einzelner Überspannter verantwortlich zu machen. Aber es wird schwer sein zu bestreiten, daß das Königreich Serbien imd speziell Belgrad mit seiner unge{ügelten Presse, seinen fanatischen Omladina -Vereinen und

Nach der Ausfertigung.

Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 3. Juli vorm. Bericht lag dem Kaiser vor, von ihm am 4. Juli zurückgegeben. Wurde gemäß kaiserlicher Randverfügung am 7. Juli den Vertretungen in Wien, St. Petersburg, London, Rom, Paris und Bukarest mitgeteilt.

Aktenstücke I. 4.

14

seiner wüsten großserbischen Agitation, einen unver- gleichlichen Nährboden für solche exaltierten Ge- müter abgibt.

In dieser peinlichen Situation hat die Regierung es für angebracht gehalten, vor allem in möglichst geräuschvoller und ostentativer Form ihre Verur- teilung der Tat und ihr Beileid zum Ausdruck zu bringen. Um die Attentäter wenigstens von ihren Rockschößen abzuschütteln, hat sie ein Communique veröffentlicht, worin die unseHge Tat in den schärfsten Ausdrücken verdammt wird. Ein inspirierter Ar- tikel der »Samouprawa« hebt hervor, wie schwer dieses Ereignis Serbien gerade in dem jetzigen Moment treffe, wo so vielfältige und wichtige Ver- handlimgen mit der Monarchie ihrer Lösung ent- gegengehen und wo Serbien, der fortwährenden Aufregungen müde, nichts sehnücher wünsche, als eine Periode ungestörter Ruhe.

Im Pubükum, das durch offizielle Rücksichten nicht gebunden ist, hört man freihch auch andere Stimmen. Ganz abgesehen von geschmacklosen Vergleichen, wie mit der Tat Teils und der des Serben Milosch Obilitsch, der den Sultan Bajasid auf dem Amselfeld ermordete und heute noch als Nationalheld gefeiert wird, wird darauf hingewiesen, wie unbedacht es war, in dem fanatisierten^ Bosnien* Manöver abzuhalten und vollends zu einem Zeit- punkt, wo der Widowdan empfängliche Gemüter immer von neuem mit patriotischer Erregung er- fülle. Ein erhebhcher Teil der serbischen Presse hat sich zum Echo dieser Stimmungen gemacht und spricht sogar von einer Provokation des serbischen patriotischen Gefühls^ durch die Abhaltung der Manöver. Diese Taktik bezweckt ' natürlich nichts anderes, als die Anschuldigungen zu parieren, die in der Öffentlichkeit Österreich-Ungarns gegen die planmäßig in Serbien betriebene großserbische Agitation erhoben werden.

Die nicht abzuleugnende moralische Mitschuld Serbiens an dem Attentat bedeutet eine schwere Schädigung des durch die beiden letzten Kriege kaum erst wieder gehobenen Ansehens des Landes.

^ »fanatisierten« vom Kaiser zweimal unterstrichen.

* Am Rand Fragezeichen und Ausrufungszeichen des Kaisers.

■' Am Rand Ausrufungszeichen des Kaisers.

^5

Dies empfinden auch seine wärmsten Freunde und

Gönner. So soll mein russischer Kollege auf die

erste Nachricht von der Katastrophe ausgerufen

er mußte es ja doch haben: t Esperons qiie ce ne sera pas un Serbe.«

wissen! .

V. Griesinger

Nr. II

Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler ^

Geheim ! Wien, den 2. Juli 1914^

Im Anschluß an meine anderweite Berichterstattung^ beehre ich mich, über meine heutige Audienz bei Sr. M. dem Kaiser Franz Joseph nachstehendes zu melden.

Der Kaiser kam mir bei meinem Eintritte in sein Kabinett mit elastischem Schritte entgegen und forderte mich nach Entgegennahme meines Allerhöchsten Auftrages auf, an seinem Schreibtische Platz zu nehmen. Der Kaiser sagte dann, die Zeiten seien sehr ernst. Er wisse ja nicht, wie lange ihm noch zu leben beschieden sein werde, aber er fürchte, in seinen letzten Lebenstagen würde ihm keine Ruhe vergönnt sein. Der Kaiser sprach dann über die wachsende Gefahr »da unten« und meinte, »ich sehe sehr schwaiz in die Zukunft«. Man müsse aber an die Zukunft denken und schon jetzt nach Mög- lichkeit Vorsorge treffen. Er hätte sehr gern sich mit unserem Aller- gnädigsten Herrn über alle die ihn beschäftigenden politischen Fragen ausgesprochen. Nun sei das leider für jetzt unmöglich geworden. Statt dessen werde er aber den Prinzen Hohenlohe tunlichst bald nach Berlin senden, der mit seinen Anschauungen wohl vertraut sei. Er hoffe zuversichtlich, daß mein Kaiser dem Prinzen volles Vertrauen entgegenbringen werde, »denn er verdient es«. Er habe den Prinzen beauftragt, ganz offen und rückhaltlos mit Sr. M. dem Kaiser und dessen Ratgebern zu sprechen.

Der Kaiser berührte dann die albanische Frage. In Albanien gehe es sehr schlecht. Mit den Leuten dort sei nichts zu machen : Jeder Albanese sei bestechlich, und auf keinen könne man sich ver- lassen. Prinz Wied habe gewiß den besten Willen, aber anscheinend sei er nicht der Mann für die ihm gestellte Aufgabe, wobei er aber nicht entscheiden wolle, ob ein anderer es besser gemacht haben würde. Man habe wohl die Verpflichtung, den Fürsten von Albanien so lange wie möglich zu halten und seine persönliche Sicherheit zu

^ Nach einer bei den Akten befindlichen Abschrift

* Eingangsvermerk, des Auswärtigen Amts: 4. Juli nachm. Dazu die Notiz:

11 Vom Unterstaatssekretär persönlich beantwortet«. Die Antwort ist nicht

bei den Akten. 2 Siehe Nr. 9.

4*

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garantieren. Weiter könne er aber nicht gehen. Die Albaner möchten dann sehen, wie sie untereinander fertig werden würden. Österreich interressiere nur die Integrität des albanischen Staates. Solange diese gewahrt werde, denke man hier an keine Intervention.

Turkan Pascha scheine auch ein recht übler Herr zu sein, der jetzt nun schon zum zweiten Male seinen Fürsten und sein Land im Stiche lasse. Daß man ein so übel beleumrmdetes Subjekt wie Herrn AHotti von Rom aus nach Durazzo geschickt habe, sei be- dauerlich und zeige von der Schwäche der italienischen Regierung. Doch sei Marquis di San Giuliano durchaus korrekt, und es gehe ja jetzt glücklicherweise entschieden besser im Verhältnis mit Rom.

Erfreulich sei es, daß die Beziehungen zu Griechenland wärmer geworden seien. Mit so vernünftigen Leuten wie die Herren Veniselos und Streit werde man gewiß auf diesem guten Wege weiterkommen.

Wenn er, der Kaiser, auch gewiß nichts für König Ferdinand übrig habe, so sei doch Bulgarien ein großes Land und bedeutender Entwicklung fähig. Bulgarien sei, außer vielleicht Griechenland, der einzige Balkanstaat, der gar keine widerstreitenden Interessen mit Österreich habe. Er halte es deshalb für richtig, die Beziehungen zu diesem Lande zu pflegen und fester zu gestalten.

Traurig dagegen sei das Kapitel »Rumänien«. »Ich weiß, daß Ihr Kaiser volles Vertrauen zu König Carol hat«, meinten S. M. wörtlich. »Ich habe es nicht.« Wenn der König auch versuche, sich möglichst gut mit Worten nach allen Seiten hin zu decken, so sei er, der Kaiser, doch fest überzeugt, daß der König nicht mehr die Kraft habe, sein Land zu führen, sondern er werde von der Volksstimmung geführt. Übrigens habe der König ja mit aller Deutlichkeit seinerzeit schon dem Prinzen Fürstenberg erklärt, er fühle sich nicht imstande, seinen Verpflichtungen dem Dreibunde gegenüber nachzukommen. Die von ihm oft gerühmte Politik der freien Hand werde notwendig dahin führen, daß er gegen Österreich werde marschieren müssen.

Ein Lichtblick in der sonst so trüben politischen Lage sei die Besserung der Beziehungen zwischen Berlin und London, die natur- gemäß auch eine günstige Rückwirkung auf die Beziehungen zwischen Wien und London zur Folge gehabt hätten. Sir Edward Grey habe sich im Laufe der Jahre entschieden in politischer Beziehung zu seinem Vorteil verändert, und er glaube, daß die sonst nicht gerade brillante Londoner Konferenz doch das Gute gehabt habe, Deutsch- land und auch Österreich dem Minister näherzubringen, der unsere Politik jetzt wohl richtiger beurteilt wie früher. »Wenn wir England nur ganz von seinen Freunden Frankreich und Rußland abbringen könnten«, meinte S. M. Ich bemerkte hier, daß S. M. überzeugt sein könnten, daß S. M. unser allergnädigster Kaiser, und der Herr Reichskanzler auch weiter auf dem bisher mit großer Geduld und Beharrlichkeit verfolgten Wege weiterschreiten würden, um England mehr und mehr von der Kongruenz unserer Interessen zu

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überzeugen. Ein völliges Abdrängen von seinen jetzigen Entente- freunden würde aber wohl in absehbarer Zeit kaum möglich sein. Wir müßten mit einer allmählich fortschreitenden Besserung unseres Ver- hältnisses zu England uns für jetzt zufrieden geben. Vielleicht würden einmal Ereignisse in der Welt eintreten, durc h welche unsere Bemühungen rascher zum Ziele geführt werden würden.

S. M. kam dann zum Schluß nochmals auf den serbischen Nach- bar zu sprechen. Die Belgrader Intrigen seien unerträglich. Mit den Leuten sei eben im guten nichts anzufangen. S. M. erwähnten hier die Stellung, die Herr von Hartwig in Belgrad einnehme, und die Besorgnisse, die ihm die russischen sogenannten Probemobilisierungen im Herbst, also zu einer Zeit, wo hier die Rekruten eingestellt würden und die Armee nicht vollkommen schlagfertig sei, einflößten. Er hoffe, daß mein Kaiser und die Kaiserli he Regierung die Ge- fahren ermäßen, die für die Monarchie in der serbischen Nachbar- schaft lägen. Man müsse, wie gesagt, an die Zukunft denken und die Machtstellung der im Dreibund Verbündeten waliren. Ich be- nutzte diese Bemerkung des Kai>ers, um auch Sr. M. gegenüber wie ich es in diesen Tagen dem Grafen Berchtold gegenüber sehr nachdrückUch bereits getan habe nochmals daiauf hinzuweisen, daß S. M. sicher darauf bauen könne, Deutschland geschlossen hinter der Monarchie zu finden, S(;bald es sich um die Verteidigung eines ihrer Lebensinteressen handele. Die Entscheidung darüber, wann und wo ein solches Lebensinteresse vorhege, müsse Österreich selbst überlassen bleiben. Aus Stimmungen und Wünschen heraus, wenn sie auch noch so verständhch seien, könne verantwortliche Politik nicht gemacht werden. Es müsse vor jedem entscheidenden Schritt sehr genau erwogen werden, wie weit man gehen wolle und müsse und mit welchen Mitteln das ins Auge gefaßte Ziel zu errreichen sei. In erster Linie müsse bei jedem folgenschweren Schritte die allgemeine politische Lage erwogen und die voraussichtliche Haltung der anderen Mächte und Staaten in Rücksicht gezogen und das Terrain sorgfältig vor- bereitet werden. Ich könne nur wiederholen, daß n ein Kaiser hinter jedem festen Entschlüsse Österreich -Ungarns stehen werde. S. M. stimmten diesen meinen Worten lebhaft zu und meinten, ich hätte gewiß recht.

Der Kaiser erwähnte dann noch, daß der plötzliche Tod des Generals Pollio ein herber Verlust für Italien und auch für uns sei. »Alles stirbt um mich herum,« sagte S. M., »es ist zu traurig.«

Der Kaiser sprach dann noch über seine Sommerpläne in Ischl, die Aussichten der Hirschjagd und geruhten mich nach fast ein- stündiger Audienz in gnädigster Weise zu entlassen.

Während ich diesen Bericht zwischen 12 und i Uhr nachts niederschreibe, höreich da-. Johlen und Pfeifen einer großen Menschen- menge, die eine Demonstration vor der nahe gelegenen russischen Botschaft veranstalten. Zahlreichen Schutzmannschaften ist es soeben gelungen, die Demonstranten von der russischen Botschaft abzu-

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drängen, und nach einer Ansprache, die von jemandem an die Menge gerichtet wurde, die ich aber nicht verstehen konnte, zieht die Menge soeben ab unter Absingung des »Gott erhalte« und der »Wacht am Rhein«.

von Tschi rschky

Nr. 12

Der Gesandte in Belgrad an den Reichskanzler ^

Belgrad, den 2. JuH 1914^

Wie mir der österreichisch-ungarische Geschäftsträger mitteilt, hat er gestern von sich aus an den Generalsekretär im hiesigen Auswärtigen Ministerium die Frage gerichtet, was die serbische Regierung angesichts der selbst nach den slawischen Blättern auf Serbien und Belgrad weisenden Zusammenhänge mit dem Attentat :(u deren Ermittelung angeordnet habe. Herr Gruitsch erklärte ihm darauf, daß bis jet:{t nichts geschehen sei und die Sache die serbische Regierung auch nichts anginge^, und fragte seinerseits, ob der Geschäftsträger im Namen seiner Regierung spreche. Herr von Storck ist ihm dann sehr deutlich geworden und hat ihm sein tiefstes Be- fremden darüber ausgedrückt, daß eine Regierung, die fortwährend versichere, mit ihren Nachbarn in korrekten Beziehungen leben zu wollen, eine derartige Gleichgültigkeit an den Tag lege. Die Unter- redung scheint beiderseits ungemein erregt geführt worden :{u sein und hat damit geendet, daß der Generalsekretär sofort mit dem Minister des Innern sich ins Benehmen setzte. Es verlautet nun- mehr, daß am gestrigen Abend einige Verhaftungen imd Haussuchungen in den von den Attentätern seinerzeit bewohnten Quartieren vorge- nommen wurden. Auch sollen nähere Ermittlungen darüber im Gange sein, welchen Gesellschaften und nationalistischen Vereinen die Atten- täter angehört haben, wie sie in den Besit{ der Bomben gelangt sind und woher die angeblich bei ihnen vorgefundenen Gelder stammen.

V. Griesinger

sehr bezeichnend

^ Nach der Ausfertigung.

2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 5. Juli vorm, Bericht lag dem

Kaiser vor, von ihm am 13. Juli zurückgegeben, am 16. Juli wieder im Amt.

Gemäß kaiserlicher Randverfügung am 20. Juli der Botschaft in Wien

mitgeteilt. ' Die Worte »jetzt nichts geschehen« und »nichts anginge« vom Kaiser

zweimal unterstrichen, am Rand zwei Ausrufungszeichen des Kaisers.

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Nr. 13

Der Kaiser von Österreich an den Kaiser

Handschreiben ^

Ich habe aufrichtig bedauert, daß Du genötigt warst, Deine Absicht, zur Trauerfeier nach Wien zu kommen, aufzugeben. Ich hätte Dir sehr gerne persönlich meinen herzhchen Dank für Deine wohltuende Anteilnahme an meinem schweren Kununer ausgesprochen.

Du hast mir durch Dein warmes, mitfühlendes Beileid wieder bewiesen, daß ich in Dir einen treuen verläßlichen Freund besitze und daß ich in jeder ernsten Stunde auf Dich rechnen kann.

Es wäre mir auch sehr erwünscht gewesen, die politische Lage mit Dir zu besprechen; da dies jetzt nicht möglich gewesen ist, erlaube ich mir. Dir die anruhende von meinem Minister des Äußern ausgearbeitete Denkschrift zu senden, die noch vor der furchtbaren Katastrophe in Sarajevo verfaßt wurde und jetzt nach diesem tra- gischen Ereignisse besonders beachtenswert erscheint.

Das gegen meinen armen Neffen verübte Attentat ist die direkte Folge der von den russischen imd serbischen Panslawisten betriebenen Agitation, deren einziges Ziel die Schwächung des Dreibundes und die Zertrümmerung meines Reiches ist.

Nach allen bisherigen Erhebungen hat es sich in Sarajevo nicht um die Bluttat eines einzelnen, sondern um ein wohlorganisiertes Komplott gehandelt, dessen Fäden nach Belgrad reichen, und wenn es auch vermutlich immöglich sein wird, die Komplizität der serbi- schen Regierung nachzuweisen, so kann man wohl nicht im Zweifel darüber sein, daß ihre auf die Vereinigung aller Südslawen unter serbischer Flagge gerichtete Politik solche Verbrechen fördert, und daß die Andauer dieses Zustandes eine dauernde Gefahr für mein Haus und für meine Länder bildet.

Diese Gefahr wird noch dadurch erhöht, daß auch Rumänien, trotz des bestehenden Bündnisses mit uns, sich mit Serbien eng be- freimdet hat und auch im eigenen Lande eine ebenso gehässige Agitation gegen uns duldet, wie Serbien es tut.

Es wird mir schwer, an der Treue und den guten Absichten eines so alten Freundes, wie Carl von Rumänien es ist, zu zweifeln,

^ Nach der bei den Akten befindlichen offiziellen Abschrift der k. u. k. Regierung, die nebst der unten (Nr. 14) abgedruckten Denkschrift am 5. Juli von österreichisch-ungarischer Seite dem Unterstaatssekretär Zimmermann überreicht worden war. Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 5. Juli. Am 6. Juli dem Botschafter in Wien abschriftlich mitgeteilt. Siehe außer- dem die Telegramme vom 6. Juli an die Vertretungen in Wien, Bukarest, Sofia und Rom Nr. 15, 16, 17 und 33. Siehe auch deutsches Weißbuch vom Juni 1919, Anlage V. 3.

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er selbst hat aber meinem Gesandten im Laufe der letzten Monate zweimal erklärt, daß er angesichts der erregten und uns feindüchen Stimmung seines Volkes nicht in der Lage wäre, im Ernstfalle seinen Bundespflichten nachzukommen.

Dabei fördert die gegenwärtige rumänische Regierung ganz offen die Bestrebungen der Kulturliga, begünstigt die Annäherung an Serbien und strebt mit russischer Hilfe die Gründung eines neuen Balkanbundes an, der nur gegen mein Reich gerichtet sein könnte.

Schon am Beginne der Regierungszeit Carls haben ähnliche politische Phantasien, wie sie jetzt von der Kulturliga verbreitet werden, den gesunden politischen Sinn der rumänischen Staatsmänner getrübt, und es hat die Gefahr bestanden, daß das Königreich eine Abenteurerpolitik treiben würde. Damals hat Dein seliger Großvater in energischer zielbewußter Weise durch seine Regierung eingegriffen und hat Rumänien so den Weg gewiesen, auf welchem es zu einer Vorzugsstellung in Europa und zu einer verläßlichen Stütze aller Ordnung geworden ist.

Jetzt droht dieselbe Gefa'^r dem Königreiche; ich befürchte, daß Ratschläge allein nicht mehr helfen werden und daß Rumänien nur dann dem Dreibunde erhalten werden kann, wenn wir einerseits das Entstehen eines Balkanbundes unter russischer Patronanz durch den Anschluß Bulgariens an den Dreibund unmöglich machen und andererseits in Bukarest klar und deutlich zu erkennen geben, daß die Freunde Serbiens nicht unsere Freunde sein können, und daß auch Rumänien nicht mehr mit uns als Bundesgenossen wird rechnen können, wenn es sich nicht von Serbien lossagt und die gegen den Bestand meines Reiches gerichtete Agitation in Rumänien nicht mit aller Kraft unterdrückt.

Das Bestreben meiner Regierung muß in Hinkunft auf die Isolierung und Verkleinerung Serbiens gerichtet sein. Die erste Etappe auf diesem Wege wäre in einer Stärkung der Stellung der gegenwärtigen bulgarischen Regierung zu suchen, damit Bulgarien, dessen reelle Interessen mit den unsrigen übereinstimmen, vor der Rückkehr zur RussophiUe bewahrt bleibt.

Wenn man in Bukarest erkennt, daß der Dreibund entschlossen ist, auf einen Anschluß Bulgariens nicht zu verzichten, jedoch bereit wäre, Bulgarien dazu zu veranlassen, sich mit Rumänien zu ver- binden und dessen territoriale Integrität zu garantieren, so wird man dort vielleicht von der gefähi liehen Richtung zurückkommen, in welche man durch die Freundschaft mit Serbien und die Annähe- rung an Rußland getrieben worden ist.

Wenn dies gelingt, könnte der weitere Versuch gemacht werden, Griechenland mit Bulgarien und der Türkei zu versöhnen, es würde sich dann unter der Patronanz des Dreibundes ein neuer Balkanbund bilden, dessen Ziel darin bestehen würde, dem Vordringen der pan- slawistischen Hochflut ein Ziel zu setzen und unseren Ländern den Frieden zu sichern.

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Dies wird aber nur dann möglich sein, wenn Serbien, welches gegenwärtig den Angelpunkt der panslawischen Politik bildet, als politischer Machtfaktor am Balkan ausge- ehaltet wird.

Auch Du wirst nach dem jüngsten furchtbaren Geschehnisse in Bosnien die Überzeugung haben, daß an eine Versöhnung des Gegensatzes, welcher Serbien von uns trennt, nicht mehr zu denken ist, und daß die erhaltende Friedenspolitik aller europäischen Mo- narchen bedroht sein wird, solange dieser Herd von verbrecherischer Agitation in Belgrad ungestraft fortlebt.

Nr. 14

Memorandum der österreichisch-ungarischen Regierung^

Geheim !

Nach den großen Erschütterungen der letzten zwei Jahre haben sich die Verhältnisse am Balkan so weit geklärt, daß es nun möglich ist, die Ergebnisse der Krise einigermaßen zu übersehen und fest- zustellen, inwiefern die Interc'-sen des Dreibundes, insbesondere die der beiden zentralen Kaisermächte, durch die Ereignisse tangiert wurden und welche S' hlußfolgerungen sich für die europäische und Balkanpolitik dieser Mächte ergeben.

Wenn man die heutige Situation mit jener vor der großen Krise unbefangen vergleicht, muß man konstatieren, daß das Ge- samtergebnis, vom Standpunkte Österreich-Ungarns sowie des Drei- bundes aus betrachtet, keineswegs als günstig bezeichnet werden kann.

Die Bilanz weist allerdings einige Aktivposten auf. Es ist ge langen, als Gegengewicht gegen das Vordringen Serbiens ein selb- ständiges albanesisches Staatswesen zu sei äffen, das nach einer Reihe von Jahren, wenn seine innere Organisation vollendet sein wird, immerhin auch als mihtärischer Faktor in den Kalkül des Dreibundes eingestellt werden kann. Die Beziehungen des Dreibundes zu dem erstarkten und vergrößerten griechischen Königreiche haben sich all- mählich so gestaltet, daß Griechenland trotz seines Bündnisses mit Serbien nicht unbedingt als Gegner anzusehen ist.

Hauptsächhch ist aber infolge der Entwicklung, die zum zweiten Balkankrieg gefülirt hat, Bulgarien aus der russischen Hypnose er- wacht und kann heute nicht mehr als Exponent der russischen PoHtik gelten. Die bulgarische Regierung strebt im Gegenteile an, in ein näheres Verhältnis zum Dreibund zu treten.

^ Nach der bei den Akten befindlichen offiziellen AbscMpt der österreichisch- ungarischen Regierung. Siehe auch deutsches Weißläfuch vom Juni 1910 Anlage V. 4. Mit Nr. 13 am 5. Juli überreicht.

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Diesen günstigen Momenten stehen jedoch nachteilige gegenüber, die schwerer als jene ins Gewicht fallen. Die Türkei, deren Interessen- gemeinschaft mit dem Dreibunde von selbst gegeben war, und die ein starkes Gegengewicht gegen Rußland und die Balkanstaaten dargestellt hatte, ist aus Europa fast ganz verdrängt worden und hat eine wesentliche Einbuße an ihrer Großmachtstellung erlitten Serbien, dessen Politik seit Jahren von feindlichen Tendenzen gegen Österreich -Ungarn geleitet wird, und das ganz unter russischem Ein- flüsse steht, hat einen Zuwachs an Gebiet und Bevölkerung erreicht, der die eigenen Erwartungen weit übertroffen hat ; durch die terri- toriale Nachbarschaft zu Montenegro und das allgemeine Erstarken der großserbischen Idee ist die MögHchkeit einer weiteren Vergröße- rung Serbiens im Wege der Union mit Montenegro nahegerückt. Endlich hat sich im Laufe der Krise das Verhältnis Rumäniens zum Dreibunde wesenthch geändert.

Während die Balkankrise somit zu Resultaten geführt hat, die an sich schon für den Dreibund keineswegs günstig sind und den Keim einer speziell für Österreich-Ungarn unerwünschten weiteren Entwicklung in sich schließen, sehen wir andererseits, daß die russische und französische Diplomatie eine einheitHche und plan- mäßige Aktion eingeleitet hat, um die errungenen Vorteile weiter auszugestalten und einzelne, von ihrem Standpunkte nachteilige Momente entsprechend zu modifizieren.

Ein kurzer UberbHck über die europäische Lage läßt klar er- kennen, weshalb die Triple-Entente richtiger der Zweibund, denn England hat seit der Balkankrise aus erklärlichen und sehr be zeichnenden Gründen eine reservierte Haltung eingenommen sicli mit den zu ihren Gunsten eingetretenen Verschiebungen am Balkan nicht zufrieden geben konnte.

Während die PoHtik der beiden Kaisermächte und bis zu einem gewissen Grade auch jene Italiens eine konservative ist imd der Dreibund einen rein defensiven Charakter besitzt, verfolgt die Pohtik Rußlands wie Frankreichs gewisse, gegen das Bestehende gerichtete Tendenzen und ist das russisch -französische Bündnis, als Produkt des Parallehsmus dieser Tendenzen, in letzter Linie offensiver Natur. Daß die PoHtik des Dreibundes sich bisher durchsetzen konnte und der Friede Europas vor Stönmgen durch Rußland und Frankreich bewahrt blieb, war auf die militärische Superiorität zurückzuführen, welche die Heere des Dreibundes, vor allem Österreich-Ungarns und Deutschlands, gegenüber jenen Rußlands und Frankreichs unzweifel- haft besaßen, wobei das Bündnis Rumäniens mit den Kaisermächten ein hoch zu bewertender Faktor war.

Der Gedanke, die christUchen Balkanvölker von der türkischen Herrschaft zu befreien, um sie dann als Waffe gegen Zentraleuropa zu gebrauchen, ist seit altersher der realpoHtische Hintergrund des traditionellen Interesses Rußlands für diese Völker. In neuerer Zeit hat sich hieraus die von Rußland ausgegangene, von Frank-

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reich verständnisvoll aufgenommene Idee entwickelt, die Balkan- staaten zu einem Balkanbund zu vereinigen, um auf diese Weise die militärische Superiorität des Dreibundes aus der Welt zu schaffen. Die erste Vorbedingung für die Verwirklichung dieses Planes war, daß die Türkei aus den von den christhchen Balkannationen be- wohnten Gebieten verdrängt werde, damit die Kraft dieser Staaten vermehrt und nach Westen hin frei werde. Diese Vorbedingung ist durch den letzten Krieg im großen und ganzen erfüllt worden. Da- gegen ist nach dem Ausgange der Krise eine Spaltung der Balkan - Staaten in zwei annähernd gleich starke gegnerische Gruppen, die Türkei und Bulgarien einerseits, die beiden serbischen Staaten. Griechenland und Rumänien andererseits, eingetreten.

Diese Spaltung zu beseitigen, um alle Balkanstaaten oder doch die entscheidende Mehrzahl zur Verschiebung des europäischen Ejäfteverhältnisses verwenden zu können, bildete die nächste Auf- gabe, die sich nach dem Abschluß der Krise Rußland und mit ihm Frankreich stellte.

Da zwischen Serbien und Griechenland ein Bündnis bereits be- stand und Rumänien sich mit diesen beiden Staaten wenigstens hinsichtlich der Resultate des Bukarester Friedens solidarisch erklärt hatte, handelt es sich für die Zweibundmächte im Wesen darum, den tiefen Gegensatz Bulgariens zu Griechenland und vor allem zu Serbien in der mazedonischen Frage auszugleichen ; ferner, eine Basis zu finden, auf welcher Rumänien bereit wäre, ganz ins Lager des Zweibundes abzuschwenken und selbst mit dem mißtrauisch be- obachteten Bulgarien an einer politischen Kombination teilzunehmen ; endlich, wenn möglich, eine friedliche Lösung der Inselfrage herbei- zuführen, um eine Annäherung oder den Anschluß der Türkei an die Balkan Staaten anzubahnen.

Über die Gnmdlage, auf weicher sich nach den Absichten der russischen und französischen Diplomatie die Ausgleichung dieser Gegensätze und Rivalitäten vollziehen und der neue Balkanbund aufbauen soll, kann kein Zweifel bestehen. Ein Bündnis der Balkan- staaten kann sich unter den heutigen Verhältnisssen, da eine ge- meinsame Aktion gegen die Türkei nicht mehr in Betracht kommt, nur gegen Österreich-Ungarn richten und nur auf der Basis eines Programmes zustande gebracht werden, das in letzter Linie auf Kosten der territorialen Integrität der Monarchie allen Teilnehmern durch eine staffelweise Verrückung der Grenzen von Ost nach West Gebietserweiterungen in Aussicht stellt. Eine Einigung der Balkan- staaten auf einer anderen Grundlage ist kaum denkbar, auf dieser Basis aber nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern auf bestem Wege, zur Tatsache zu werden.

Daß Serbien unter russischem Druck darauf eingehen würde' für den Eintritt Bulgariens in ein gegen die Monarchie gerichtetes auf den Erwerb Bosniens und der angrenzenden Gebiete abzielendes

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Bündnis in Mazedonien einen angemessenen Preis zu bezahlen, ist wohl nicht zu bezweifeln.

Größer sind die Schwierigkeiten in Sofia.

Rußland hat Bulgarien Vorschläge auf der eben erwähnten Basis schon vor dem zweiten Balkankrieg gemacht und sie nach dem Bukarester Frieden wiederholt. Bulgarien, das offenbar von Verein- barungen mit Serbien gründlich abgeschreckt war, hat es jedoch ab- gelehnt, auf die russischen Pläne einzugehen, und verfolgt seither eine Politik, welche auf alles eher als auf eine friedliche Verstän- digung mit Serbien unter der Ägide Rußlands abzielt. Man hat in St. Petersburg das Spiel aber keineswegs verloren gegeben. Im Innern des Landes arbeiten russische Agenten am Sturze des heutigen Regimes, und gleichzeitig ist die Zweibunddiplomatie eifrig bemüht, eine völlige Isolierung Bulgariens herbeizuführen, um es hierdurch den russischen Angeboten zugänghch zu machen.

Da Bulgarien nach dem Friedensschlüsse bei der Türkei An- lehnung gesucht und gefunden und da sich bei der Pforte anderer- seits die Neigung gezeigt hatte, ein Bündnis mit Bulgarien einzu- gehen und sich dem Dreibund zu nähern, so ist russisch-französischer Einfluß seit einiger Zeit am Bosporus eifrig am Werk, um dieser Politik der Türkei entgegenzuarbeiten, letztere zum Zweibund hin- überzuziehen und auf diese Art Bulgarien entweder durch völlige Isolierung oder durch Einwirkung der Türkei zu einer neuen Orien- tierung zu veranlassen. Meldungen aus Konstantinopel, die durch die Reise Talaat Beis nach Livadia eine gewisse Bestätigung er- fahren haben, besagen, daß diese Bemühungen, wenigstens was die Türkei betrifft, nicht ohne Erfolg geblieben sind. Es ist Rußland gelungen, durch den Hinweis auf die angeblichen, den klein asiatischen Besitzstand bedrohenden Aufteilungspläne anderer Mächte das histo- rische Mißtrauen der Türkei von sich abzulenken und mit wirksamer Unterstützung Frankreichs, das die Finanznot der Türkei auszunutzen verstand, zu erreichen, daß anstatt eines Zusammengehens mit dem Dreibimd der Gedanke einer Annäherung an die andere Mächte- gruppe von den türkischen Staatsmännern in ernste Erwägung ge- zogen wird.

Auf die Tätigkeit der russischen und französischen Diplomatie ist auch die Reise Talaat Beis nach Bukarest zurückzuführen, durch welche eine rumänische Vermittlung in der Inselfrage herbeigeführt, gleichzeitig aber auch durch die Anbahnung freimdschaftlicher Be- ziehungen zwischen Konstantinopel und Bukarest die Einkreisung Bulgariens gefördert werden sollte.

Einstweilen hat sich eine Wirkung dieser Einkreisungsbestrebungen auf die bulgarische Politik noch aicht gezeigt, vielleicht deshalb, weil man in Sofia noch keinen Anlaß hatte, gegen die Absichten der Türkei mißtrauisch zu werden. Jedenfalls ist aber die Erwartung Rußlands vollkommen gerechtfertigt, daß eine völlige Isoherung am Balkan wie in Europa Bulgarien schHeßlich nötigen würde, seine

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bisherige Politik aufzugeben und auf die Bedingungen einzugehen, die ihm Rußland für die Wiederaufnahme in seinen Schutz und Schirm auferlegen würde.

Mazedonien spielt in der inneren und äußeren Politik Bulgariens eine proeminente Rolle. Wenn es sich für die dortigen Machthaber herausstellen sollte, daß der von Rußland proponierte friedliche Ausgleich und das Bündnis mit Serbien der einzige Weg ist, wenigstens Teile Mazedoniens für die bulgarische Sache zu retten, wird trotz der erlittenen Enttäuschungen keine bulgarische Regierung es wagen können, diese Kombination zurückzuweisen. Nur eine Aktion, die Bulgarien den russischen Drohungen und Lockungen gegenüber das Rückgrat stärkt und das Land vor Isolierung bewahrt, könnte verhindern, daß Bulgarien schließlich auf die Balkanbund- pläne eingeht.

Was nun Rumänien anbelangt, so hatte dort die russisch- französische Aktion schon während der Balkankrise mit voller Intensität eingesetzt, sie hatte die öffentliche Meinung durch erstaunliche Ver- drehungskünste und durch geschickte Anfachung der unter der Oberfläche stets fortglimmenden großrumänischen Idee in eine feind- selige Stimmung gegen die Monarchie hineingetrieben und die aus- wärtige Politik Rumäniens zu einer mit seinen Bundespfiichten gegenüber Österreich-Ungarn kaum in Einklang stehenden militärischen Kooperation mit Serbien veranlaßt.

Diese Aktion ist seither keineswegs zum Stillstand gekommen, sie wurde und wird vielmehr mit allem Nachdruck und mit so ein- drucksvollen und demonstrativen Mitteln, wie dem Besuche des Zaren am rumänischen Hofe, fortgesetzt.

Parallel damit vollzog sich ein immer tiefer gehender Umschwung in der rumänischen öffentlichen Meinung, und es kann heute nicht daran gezweifelt werden, daß viele Kreise der Armee, der Intelligenz und des Volkes für eine neue Orientierung Rumäniens gewonnen sind, für eine Politik des Anschlusses an Rußland, die sich die »Befreiung der Brüder jenseits der Karpathen« zum Ziele zu setzen hätte. Es ist klar, daß damit das Terrain für den Eintritt Rumäniens in einen etwaigen künftigen Balkanbund in der wirksamsten Weise vorbereitet ist.

Das offizielle Rumänien hat bisher dem Einflüsse dieser populären Strömungen und den russisch-französischen Werbungen so weit wider- standen, daß von einem offenen Übergang ins Lager des Zweibundes und zu einer ausgesprochenen Politik gegen Österreich-Ungarn derzeit noch nicht gesprochen werden kann. Es ist aber unleugbar, daß in der auswärtigen Politik Rumäniens eine bedeutsame Schwenkung eingetreten ist, die ganz abgesehen von allen Perspektiven auf eine künftige, in gleich(r Richtung fortschreitende Entwicklung schon jetzt auf die politische und militärische Situation Österreich- Ungarns, ja des ganzen Dreibundes, in beträchtlichem Maße zurückwirkt.

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Während nämlich früher, trotz der Geheimhaltung des Allianz- verhältnisses, kein positiver Anhaltspunkt vorlag, an der Erfüllung der aus dem Akkord mit den Dreibundmächten entspringenden Ver- pflichtungen durch Rumänien zu zweifeln, haben kompetente rumänische Stellen in letzter Zeit mehrfach die öffentHche Erklärung abgegeben \vogegen die Dreibundmächte infolge der Geheimhaltungsklausel des Bündnisvertrages keine Rekriminationen erheben konnten daß der leitende Gedanke der rumänischen Politik das Prinzip der freien Hand sei. Ebenso hat König Carol mit der Offenheit, die seiner vornehmen Gesinnung entspricht, dem k. und k. Gesandten erklärt, solange er lebe, werde sein Streben zwar dahin gehen, daß die rumänische Armee gegen Österreich - Ungarn nicht ins Feld ziehe, allein gegen die öffentliche Meinung des heutigen Rumänien könne er nicht Politik machen, und es sei daher im Falle eines Angriffes Rußlands gegen die Monarchie trotz des bestehenden Bündnisses an eine Aktion Rumäniens an der Seite Österreich-Ungarns nicht zu denken. Um einen Schritt weiter ist bezeichnenderweise un- mittelbar nach dem Zarenbesuche in Constanza der rumänische Minister des Äußern gegangen, indem er in einem Interview unver- blümt zugab, daß eine Annäherung Rumäniens an Rußland erfolgt sei und daß eine Interessengemeinschaft zwischen den beiden Staaten bestehe.

Das Verhältnis Österreich-Ungarns zu Rumänien ist somit gegen- wärtig daduich charakterisiert, daß die Monarchie ganz auf dem Boden des Bündnisses steht und nach wie vor bereit ist, Rumänien, wenn der casus foederis eintreten sollte, mit ganzer Macht zu unter- stützen, daß Rumänien aber sich von den Bündnispflichten einseitig lossagt und der Monarchie lediglich eine neutrale Haltung in Aus- sicht stellt. Selbst die bloße Neutralität Rumäniens ist der Mon- archie nur dru"ch eine persönhche Zusage König Carols garantiert, die natürlich lediglich für die Dauer seiner Regierung von Wert ist, deren Einhaltung aber überdies davon abhängt, daß der König die Leitung der auswärtigen Politik stets vollkommen in der Hand behält. Daß dies in Zeiten nationaler Erregung des ganzen Landes die Kraft des Monarchen übersteigen könnte, kann um so weniger negiert werden, als König Carol sich heute schon auf die Volks- stimmung beruft, um die Unmöglichkeit der vollen Erfüllung der Bundespflichten seitens Rumäniens zu begründen. Es darf schließ- lich auch nicht übersehen werden, daß Rumänien schon heute mit dem erbittertsten Gegner der Monarchie am Balkan, mit Serbien, durch Bande der Freundschaft und Interessengemeinschaft verknüpft ist.

Die Monarchie hat sich bisher darauf beschränkt, die Schwen- kung der rumärüschen Politik in Bukarest in freundschaftlicher Weise zur Sprache zu bringen, sich im übrigen aber nicht veranlaßt gesehen, aus dieser immer deutlicheren Kursänderung Rumäniens ernste Konsequenzen zu ziehen ; das Wiener Kabinett hat sich hierzu in erster Linie dadurch bestimmen lassen, daß die deutsche Re-

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gierung die Auffassung vertrat, es handle sich um vorübergehend Schwenkungen, Folgeerscheinungen gewisser Mißverständnisse aus der Zeit der Krise, die sich automatisch zurückbilden würden, wenn man ihnen gegenüber Ruhe und Geduld bewahrt. Es hat sich aber gezeigt, daß diese Taktik ruhigen Abwartens und freundschaftlicher Vorstellungen nicht die gewünschte Wirkung hatte, daß sich der Prozeß der Entfremdung zwischen Österreich-Ungarn und Rumänien nicht zurückgebildet, sondern im Gegenteil beschleunigt hat. Daß von dieser Taktik auch für die Zukunft eine Wendung im günstigen Sinne nicht zu erwarten ist, dafür spricht schon der Umstand, daß die gegenwärtige Situation der »freien Hand« für Rumänien durch- aus vorteilhaft imd nur für die Monarchie nachteilig ist.

Es drängt sich nun die Frage auf, ob Österreich-Ungarn das Verhältnis zu Rumänien noch durch eine offene Auseinandersetzung sanieren könnte, indem es das Königreich vor die Wahl stellt, ent- weder alle Brücken zum Dreibund abzubrechen oder etwa durch Bekanntmachung seiner Zugehörigkeit zum Dreibunde ausreichende Bürgschaften dafür zu geben, daß die aus der Allianz entspringen- den Verpflichtungen auch von seiner Seite voll und ganz erfüllt werden würden. Eine solche Lösung der Frage, die eine dreißigjährige Tradition wieder aufleben ließe, würde sicherlich den Wünschen Öster- reich-Ungarns am meisten entsprechen. Unter den gegebenen Ver- hältnissen ist es aber leider wenig wahrscheinUch, daß sich König Carol oder irgendeine rumänische Regierung, selbst gegen eine even- tuelle Erweiterung des gegenwärtigen Bündnisvertrages, dazu bereit- finden würde, der herrschenden Volksstimmung zum Trotz Rumänien öffentlich als Bundesgenossen des Dreibundes hinzustellen. Ein ka- tegorisches aut-aut seitens der Monarchie könnte daher zum offenen Bruch führen. Ob es dem deutschen Kabinett durch ernste und nachdrückliche Vorstellungen, eventuell verbunden mit einem An- erbieten im obigen Sinne, gehngen würde, Rumänien zu einer Stel- lungnahme zu veranlassen, die als eine verläßhche Garantie füi seine dauernde und volle Bundestreue angesehen werden könnte, läßt sich von Wien aus nicht leicht beurteilen, erscheint aber wohl gleichfalls als zweifelhaft.

Unter diesen Umständen kann die MögHchkeit praktisch als ausgeschlossen gelten, das Bündnis mit Rumänien wieder so verläßlich imd tragfähig zu gestalten, daß es für Österreich-Ungarn das Pivot seiner Balkan politik bilden könnte.

Es wäre nicht nur zwecklos, sondern bei der politischen und militärischen Bedeutung Rumäniens eine nicht zu verantwortende Sorglosigkeit, die wichtige Interessen der Reichsverteidigung aufs Spiel setzen würde, wenn sich die Monarchie gegenüber den in Rumänien zutage getretenen Erscheinungen weiterhin mehr oder weniger passiv verhalten und nicht ohne Aufschub die erforderlichen militärischen Vorbereitungen und politischen Aktionen einleiten

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würde, um die Wirkungen der Neutralität und eventuellen Feind- seligkeit Rumäniens aufzuheben oder wenigstens abzuschwächen.

Der militärische Wert des Bündnisses mit Rumänien bestand für die Monarchie darin, daß sie im Konfliktsfalle mit Rußland gegen dieses von der rumänischen Seite her militärisch völlig freie Hand gehabt hätte, während ein ansehnhcher Teil der russischen Heeresmacht durch den Angriff der flankierenden rumänischen Armee gebunden worden wäre. Das heutige Verhältnis Rumäniens zur Monarchie hätte jedoch, würde jetzt zwischen ilir und Rußland ein bewaffneter Konflikt ausbrechen, so ziemlich das Gegenteil zur Folge. Rußland hätte nun auf keinen Fall einen Angriff Rumäniens zu befürchten und würde gegen Rumänien kaum einen Mann aufstellen müssen, während Österreich-Ungarn der rumänischen Neutralität nicht ganz sicher und deshalb gezwungen wäre, ein entsprechendes Aufgebot an Truppen gegen das jetzt an seiner Flanke befindliche Rumänien zurückzubehalten.

Die bisherigen mihtärischen Vorkehrungen Österreich -Ungarns für den Fall eines Konfliktes mit Rußland basierten auf der Voraus- setzung der Kooperation Rumäniens. Ist diese Vorraussetzimg hin- fäUig, ja nicht einmal eine absolute Sicherheit vor einer rumänischen Aggression gegeben, so muß die Monarchie für den Kriegsfall andere Dispositionen treffen und auch die Anlage von Befestigungen gegen Rumänien in Betracht ziehen.

PoUtisch handelt es sich darum, Rumänien durch Taten zu Deweisen, daß wir in der Lage sind, für die Balkanpolitik Österreich- Ungarns einen anderen Stützpunkt zu schaffen. Sachlich und zeit- lich deckt sich die zu diesem Zweck einzuleitende Aktion mit der Notwendigkeit, gegen die von den Zweibundmächten betriebene Er- richtung eines neuen Balkanbundes wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Das eine wie das andere kann bei der heutigen Lage am Balkan nur dadurch erreicht werden, daß die Monarchie auf die schon vor einem Jahre gestellten und seither mehrfach wiederholten Anerbieten Bulgariens eingeht und mit diesem in ein vertragsmäßiges Verhältnis tritt. Gleichzeitig müßte die Pohtik der Monarchie darnach trachten, ein Bündnis zwischen Bulgarien und der Türkei zustande zu bringen, wofür in beiden Staaten bis vor kurzem noch so günstige Dis- positionen herrschten, daß ein Vertragsinstrument, wenn es auch später nicht unterzeichnet wurde, bereits ausgearbeitet war. Auch in dieser Hinsicht könnte eine Fortsetzung der bisherigen abwartenden Haltung, zu welcher sich die Monarchie durch eine viel weiter- gehende Rücksichtnahme auf das Bündnis, als sie in Bukarest an den Tag gelegt wurde, bestimmen heß, von nicht wieder gut zu machendem schweren Nachteil sein. Weiteres Zuwarten und nament- lich das Unterbleiben einer Gegenaktion in Sofia würde den inten- siven und planmäßigen Bestrebungen Rußlands und Frankreichs vollkommen freies Spiel lassen. Die Haltung Rumäniens drängt die Monarchie geradezu mit Notwendigkeit dahin, Bulgarien jene An-

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lehnung, die es seit langem sucht, zu gewähren, um den sonst kaum abzuwendenden Erfolg der russischen Einkreisungspohtik zu ver- eiteln. Dies muß aber eben geschelien, solange der Weg nach Sofia und auch nach Konstantinopel noch offen steht.

Der Vertrag mit Bulgarien, dessen nähere Bestimmungen noch eingehender zu prüfen sein werden, wird im allgemeinen natürhch so abzufassen sein, daß er die Monarchie nicht in Widerstreit mit ihren vertragsmäßigen Verpflichtungen Rumänien gegenüber zu bringen vermag. Auch wäre dieser Schritt der Monarchie vor letzterem nicht geheim zu halten, da ja darin keine Feindsehgkeit gegen Rumänien gelegen ist, wohl aber eine ernste Warnung, durch die sich die maßgebenden Faktoren in Bukarest der ganzen Trag- weite einer dauernden einseitigen politischen Abhängigkeit von Rußlcind bewußt werden könnten.

Bevor Österreich-Ungarn aber an die in Rede stehende Aktion herantritt, legt es den größten Wert darauf, mit dem Deutschen Reiche ein volles Einvernehmen herzustellen, und zwar nicht nur aus Rücksichten, die der Tradition und dem engen Bundes- verhältnis entspringen, sondern vor allem deshalb, weil wichtige Interessen Deutschlands und des Dreibundes überhaupt hier mit im Spiele sind und weil eine erfolgreiche Walirung dieser in letzter Konsequenz gemeinsamen Interessen nur zu erwarten ist, wenn der einheithchen Aktion Rußlands und Frankreichs eine ebenso ein- heitHche Gegenaktion des Dreibundes, insbesondere Ost erreich- Ungarns und des Deutschen Reiches, entgegengesetzt wird.

Denn wenn Rußland, von Frankreich unterstützt, die Balkan- staaten gegen Österreich-Ungarn zu vereinigen trachtet, wenn es die bereits erreichte Trübung des Verhältnisses zu Rumänien zu ver- tiefen bestrebt ist, so richtet sich diese Feindseligkeit nicht allein gegen die Monarchie als solche, sondern nicht zuletzt gegen den Bundesgenossen des Deutschen Reiches, gegen den durch seine geo- graphische Lage und innere Struktur exponiertesten, Angriffen am meisten zugänglichen Teil des zentraleuropäischen Blocks, der Rußland den Weg zur Verwirklichung seiner weltpohtischen Pläne sperrt.

Die miÜtärische Superiorität der beiden Kaisermächte durch Hilfstruppen vom Balkan her zu brechen, ist das Ziel des Zwei- bundes, aber nicht das letzte Ziel Rußlands.

Während Frankreich die Schwächung der Monarchie anstrebt, weil es hiervon eine Förderung seiner Revanchebestrebungen erwartet, sind die Absichten des Zarenreiches noch weit mufassender.

Wenn man die Entwicklung Rußlands in den letzten zwei Jahr- hunderten, die stetige Erweiterung seines Gebietes, das enorme, alle anderen europäischen Großmächte weit überflügelnde Anwachsen seiner Volkszahl und die gewaltigen Fortschritte seiner wirtschafthchen Ressourcen und militärischen Machtmittel überbückt und bedenkt,

Aktenstücke I, 5

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daß dieses große Reich durch seine Lage und durch Verträge vom freien Meer noch immer so gut wie abgeschnitten ist, dann begreift man die Notwendigkeit des der russischen Pohtik seit jeher immanenten aggressiven Charakters.

Man kann Rußland vernünftigerweise territoriale Eroberungspläne gegen das Deutsche Reich nicht zumuten ; trotzdem sind die außer- gewöhnüchen Rüstungen und kriegerischen Vorbereitungen, der Aus- bau strategischer Bahnen gegen Westen etc. in Rußland sicherhch mehr noch gegen Deutschland als gegen Österreich-Ungarn gerichtet.

Denn Rußland hat erkannt, daß die Verwirküchung seiner, einer inneren Notwendigkeit entspringenden Pläne in Europa und Asien in erster Linie höchst wichtige Interessen Deutschlands verletzen und daher auf dessen imausweichüchen Widerstand stoßen müßte.

Die PoHtik Rußlands ist durch unveränderhche Verhältnisse bedingt und deshalb eine stetige xmd weitausbhckende.

Die manifesten Einkreisungstendenzen Rußlands gegen die Monarchie, die keine WeltpoHtik treibt, haben den Endzweck, dem Deutschen Reiche den Widerstand gegen jene letzten Ziele Rußlands und gegen seine pohtische und wirtschaftliche Suprematie unmöglich zu machen.

Aus diesen Gründen ist die Leitimg der auswärtigen Politik Österreich-Ungarns auch davon überzeugt, daß es ein gemeinscimes Interesse der Monarchie wie nicht minder Deutschlands ist, im jetzigen Stadium der Balkankrise rechtzeitig und energisch einer von Rußland planmäßig angestrebten und geförderten Entwicklung ent- gegenzutreten, die später vielleicht nicht mehr rückgängig zu machen wäre.

Die vorHegende Denkschrift war eben fertiggestellt, als die furchtbaren Ereignisse von Sarajevo eintraten.

Die ganze Tragweite der ruchlosen Mordtat läßt sich heute kaum überblicken. Jedenfalls ist aber, wenn es dessen noch bedurft hat, hierdurch der unzweifelhafte Beweis für die Unüberbrückbarkeit des Gegensatzes zwischen der Monarchie und Serbien sowie für die Gefährhchkeit und Intensität der vor nichts zurückschreckenden großserbischen Bestrebimgen erbracht worden.

Österreich-Ungarn hat es an gutem Willen und Entgegenkommen nicht fehlen lassen, um ein erträghches Verhältnis zu Serbien herbei- zuführen. Es hat sich aber neuerhch gezeigt, daß diese Bemühungen ganz vergeblich waren und daß die Monarchie auch in Zukunft mit der hartnäckigen, unversöhnhchen und aggressiven Feindschaft Serbiens zu rechnen haben wird.

Um so gebieterischer tritt an die Monarchie die Notwendigkeit heran, mit entschlossener Hand die Fäden zu zerreißen, die ihre Gegner zu einem Netze über ihrem Haupt verdichten wollen.

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Nr. 14a

Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler*

Wien, den 4. Juli 1914'

Obgleich sich das hiesige Ministerium des Äußern ernstlich be- müht, auf die Presse beruhigend einzuwirken und sie von allzu scharfen Artikeln abzuhalten, kommt die Erregung, die das ver- hängnisvolle Attentat auf den Erzherzog Thronfolger und die Her- zogin von Hohenberg zur Folge gehabt hat, immer mehr zum Durch- bruch.

Die Presse weist darauf hin, daß die Fäden der Verschwörung unzweifelhaft in Belgrad zusammenhefen, und daß den vom König- reich Serbien aus geschürten großserbischen Umtrieben in den süd- lichen Gebieten der Monarchie unbedingt ein Ende gemacht werden müsse. Die Sprache der serbischen Presse hat nicht dazu beigetra- gen, die öffentliche Meinung hier zu beruhigen. Man findet in ihr trotz sJler offiziellen Versicherungen, daß man in Serbien das Atten- tat außerordenthch bedauere, weil es die Beziehungen zur Monarchie vergifte, eine Art Zynismus zwischen den Zeilen.

Die Bemerkung der offiziösen »Samouprawao, daß das Sara- jevoer Ereignis nicht gewaltsam zu einem Streitobjekt zwischen Bel- grad und Österreich-Ungarn gemacht werden könne, weil über das Ereignis auch die übrige zivihsierte Welt urteilen werde, und daß diesem Urteil weder Serbien noch Österreich-Ungarn sich würden entziehen können, beantwortet heute das »Deutsche Volksblatt«, indem es bemerkt: »Wenn die serbische Presse glaubt, an die ge- samte europäische Öffentlichkeit als Richter zwischen uns und Ser- bien apeUieren zu müssen, so soll man sich in Belgrad gesagt sein lassen, daß wir die Ergebnisse, die die in Sarajevo geführte Unter- suchung ergeben wird, als eine Angelegenheit betrachten, die lediglich zwischen uns und Serbien zu erledigen sein wird. Wir gestehen niemand das Recht einer Einmischung in dieser Sache zu, und wir werden sie so erledigen, wie die Ehre und die Lebensinteressen der Monarchie es von uns verlangen.«

Ich möchte nicht verfehlen, darauf aufmerksam zu machen, daß ein Artikel wie der der Frankfurter Zeitung vom 3. d. M. (Nr. 182) über das Attentat in Sarajevo und die durch dasselbe hervorgerufene Spannung zwischen der Monarchie und Serbien hier leicht falsch aufgefaßt werden könnte. Die in dem Artikel enthaltenen, an sich sehr beherzigenswerten Ratschläge zur Ruhe und Besonnenheit werden in der öffenthchen Meinung hier vorläufig wenig Verständnis finden.

* Nach der Ausfertigung.

* Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts : 5. Juli nachm.

5*

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Dazu ist dieselbe, wie auch aus den allabendlichen Demonstrationen, die sich gegen Serbien und Rußland richten, hervorgeht, zu sehr in Wallung versetzt. Meines gehorsamsten Dafürhaltens sollte unsere Presse sich möghchst zurückhalten und es vermeiden, durch unerbetene Ratschläge in diesem Augenblicke hier zu froissieren.

von Tschirs ch ky

Nr. 15

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien*

Telegramm 113 Berlin, den 6. JuU 1914^

Geheim !

Zu Ew. Exz. persönhcher Orientierung.

Der österreichisch-ungarische Botschafter hat Sr. M. gestern ein geheimes Handschreiben des Kaisers Franz Joseph überreicht^ das die gegenwärtige Lage vom österreichisch-ungarischen Standpunkt dar- stellt und die seitens Wien ins Auge gefassten Maßnahmen entwickelt. Abschrift geht Ew. Exz. gleichzeitig zu.

Ich habe heute Graf Szögyeny im Allerhöchsten Auftrag er- widert, daß S. M. dem Kaiser Franz Joseph für das Schreiben danken lasse und es alsbald persönlich beantworten werde. Unverzüghch wolle S. M. indes betonen, daß auch Er sich der Gefahr nicht ver- schließe, die Österreich-Ungarn und damit dem Dreibund aus der von russischen und serbischen Panslawisten betriebenen Agitation drohe. Wenngleich S. M. zu Bulgarien und seinem Herrscher bekannt- lich kein unbedingtes Vertrauen hege und naturgemäß mehr zum alten Bundesgenossen Rumänien und seinem Hohenzollernfürsten neige, so verstehe Er doch, daß Kaiser Franz Joseph mit Rücksicht auf die Haltung* Rumäniens und die Gefahr der Gründung eines neuen Balkanbundes mit direkter Spitze gegen die Donaumonarchie einen Anschluß Bulgariens an den Dreibund herbeizuführen wünsche. S. M. werde daher Seinen Gesandten in Sofia anweisen, die hierauf gerichteten Schritte des österreichisch-imgarischen Vertreters auf dessen Wunsch zu unterstützen. S. M. werde ferner im Sinne der Anregungen des Kaisers Franz Joseph Seine Bemühungen in Bukarest einsetzen, um König Carol zur Erfüllung seiner Bündnispflichten, zur Lossagung von

^ Nach dem Konzept. Entwurf von der Hand Zimmermanns, mit einigen Änderungen des Reichskanzlers. Siehe auch deutsches Weißbuch vom Juni 19 19 Anlage IV. 5.

25" nachm. zum Haupttelegraphenamt.

3 Siehe Nr. 13 und 18 Anm. 4.

* Im Entwurf ursprünglich: „leider offenbar gewordene Unzuverlässigkeit**, vom Reichskanzler geändert in: Haltung.

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Serbien und zur Unterdrückung der rumänischen Agitation gegen Österreich-Ungarn zu bewegen.

Was endhch Serbien anlange, so könne S. M. zu den zwischen Österreich-Ungarn und diesem Lande schwebenden Fragen naturgemäß keine Stellung nehmen, da sie sich Seiner Kompetenz entzögen. Kaiser Franz Joseph könne sich aber darauf verlassen, daß S. M. im Einklang mit seinen Bündnispflichten und seiner alten Freundschaft^ treu an Seite Österreich-Ungarns stehen werde.

Bethmann Hollv^eg

^ Im Entwurf hier folgendes : „unter allen Umständen", vom Reichskanzler gestrichen.

Nr. i6

Der Reichskanzler an den Geschäftsträger in Bukarest ^

Telegramm 33 Berlin, den 6. Juli 1914^

Geheim I

Bitte bei Sr. M, dem König Audienz nachsuchen und sich Ihm gegenüber im Namen des Kaisers und Königs in folgendem Sinne zu äußern.

Der Kaiser Franz Joseph habe soeben im geheimen Handschreiben* an S. M. den Kaiser und König auf die Gefahren der von russischen imd serbischen Panslawisten betriebenen Agitation hingewiesen. Das gegen Erzherzog Franz Ferdinand verübte Attentat sei direkte Folge dieser Agitation, deren Ziel in Zertrümmerimg der Donaumonarchie und Schwächung des Dreibimdes bestehe. Die Gefahr werde, so wird in dem Handschreiben weiter ausgeführt, durch die enge Freund- schaft Rumäniens mit Serbien, durch die gehässige Agitation in Rumänien gegen Österreich -Ungarn und durch die rumänischerseits geförderten Bestrebungen Russlands zur Gründung eines neuen Balkan- bundes mit direkter Spitze gegen die Donaimionarchie erhöht. Zu- dem habe König Carol dem österreichisch-ungarischen Vertreter in letzter Zeit zweimal erklärt, daß Er im Ernstfall angesichts der erregten und feindlichen Stimmimg des rumänischen Volks gegen Österreich-Ungarn seinen Bündnispfiichten nicht werde nachkommen können. Kaiser Franz Joseph wünsche daher, Bulgarien an den Dreibund heranzuziehen. Ein eventuelles Abkommen mit Bulgarien werde er natürlich derartig abfassen lassen, daß es den vertrags- mäßigen Verpflichtungen Rumänien gegenüber nicht zuwiderlaufe.

^ Nach dem Konzept. Entwurf von der Hand Zimmermanns, mit einigen

Änderungen des Reichskanzlers. * 5^^ nachm. zum Haupttelegraphenamt. ' Siehe Nr. 13.

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S. M. der Kaiser und König sei, wie dem König Carol bekannt, stets in Wien für eine Verständigung mit Serbien eingetreten. Trotzdem hätten sich die serbisch-östeneichisch-ungarischen Beziehungen an- dauernd verschlechtert. Angesichts des Attentats in Sarajevo, das sich offenbar als wohlorganisiertes Komplott und Folge der seitens der Regierung in Belgrad geförderten Pohtik der Vereinigung aller Südslawen unter serbischer Flagge darstellt, verstehe S. M. der Kaiser und König, daß Kaiser Franz Joseph eine Verständigung mit Serbien für unmöglich halte und die gegen sein Haus und sein Reich von Serbien drohenden Gefahren durch Heranziehung Bulgariens zu paralysieren suche. S. M. habe Sich daher damit einverstanden erklärt, daß Kaiser Franz Joseph den Annäherungsversuchen Bulgariens an den Dreibund Entgegenkommen erweisen lasse.

S. M. der Kaiser und König bäten König Carol als treuen Ver- wandten, Freund und Bundesgenossen, zu erwägen, ob Er angesichts des Ernstes der Situation nicht von Serbien abrücken und auch der gegen den Bestand der Donaumonarchie gerichteten Agitation in Rumänien entgegentreten könnte. S. M. der Kaiser und König legten selbstverständhch den allergrößten Wert auf die Erhaltung der herz- lichen und vertrauensvollen Bundesbeziehungen zu Rumänien und würden, falls S. M. der König es wünscht, darauf bestehen, daß ein eventuelles Abkommen Bulgariens mit dem Dreibund nicht nur was selbstverständhch sei mit den vertragsmäßigen Ver- pflichtungen gegenüber Rumänien in Einklang stehe, sondern auch ausdrücklich die territoriale Integrität Rumäniens garantiere.

Über die Ausführung dieser Instruktion bitte ich kurz telegra- phisch und eingehend schriftlich zu berichten*.

Bethmann Hollweg

* Siehe Nr. 28 und 41.

Nr. 17

Der üntcrstaatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten

in Sofia*

Telegramm 23 Berlin, den 6. Juli 1914'

Geheim !

Österreich-Ungarn beabsichtigt, den Annäherungsversuchen der dortigen Regierung entgegenzukommen und Bulgarien tunhchst dem Dreibund anzuschließen ^. Wir haben uns hiermit einverstanden er-

^ Nach dem Konzept. Entwurf von der Hand Zimmermanns. * 9*" nachm. zum Haupttelegraphenamt. ' Siehe Nr. 13, 14 und 22

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klärt. Ew. Exz. sind ermächtigt, etwaige diesbezügliche Schritte Ihres österreichisch-ungarischen Kollegen auf dessen Wunsch zu unter- stützen.

Der Sachlage wird es entsprechen, wenn bei Betreibung der Angelegenheit besonderes Empressement seitens des Dreibunds ver- mieden und der an sich auch uns erwünschte Anschluß Bulgariens als wesenthch bulgarisches Interesse dargestellt wird.

Zimmermann

Nr. i8

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt^

Telegramm 83 Wien, den 7. Juli 1914''

Geheim !

Ich wurde heute zu einer Besprechung zwischen Graf Berchtold und den beiden Ministerpräsidenten zugezogen, in der Graf Hoyos die Berichte des Grafen Szögyeny vorlas, die dieser über die vorläufige Antwort Sr. M. nach Lektüre des kaiserlichen Handschreibens und des Promemorias sowie über die darauffolgende Besprechung mit Ew. Exz. hierher erstattet hat. Außerdem verlas Graf Hoyos eine Aufzeichnung, die er über ein Gespräch mit dem Herrn Unterstaats- sekretär in gleicher Sache aufgesetzt hat*.

Zu letzterer Aufzeichnung darf ich bemerken, daß sowohl Graf Berchtold, als insbesondere Graf Tisza ausdrückhch hervorgehoben wissen wollte, daß alles, was Graf Hoyos in dieser Besprechung mit dem Herrn Unterstaatssekretär gesagt habe, nur als dessen rein persönliche Auffassung anzusehen sei. (Diese Feststellung bezieht sich insbesondere darauf, daß Graf H. geäußert hat, es werde hier eine völhge Aufteilung Serbiens ins Auge gefaßt.)

Graf Berchtold bat mich zugleich im Namen der beiden Minister- präsidenten, Sr. M. unserm Allergn ädigsten Herrn sowie Ew. Exz. seinen aufrichtigsten Dank für die klare, dem Bundesverhältnis und der Freundschaft entsprechende SteUimgnahme zu übermitteln.

Die Berichte des Grafen Szögyöny entsprachen durchaus dem Inhalt des mir hochgeneigtest zugestellten Telegramms Ew. Exz. vom 6. d. M., Nr. 113*.

' Nach der Entzifferung.

' Aufgegeben in Wien 3^* nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 6^* nachm. Eingangsvermerk: 7. Juli nachm. Absatz i mit Ausnahme des letzten Satzes und Absatz 3 wurden am S.Juli durch Jagow an den Kaiser an Bord der »HohenzoUern« telegraphiert; zum Haupttelegraphenamt 2** nachm.

» Siehe Nr. 61.

* Siehe Nr. 15.

3^

An diese Vorbesprechung anschließend findet ein Ministerrat statt, der sich heute ausschheßlich mit dem in Bosnien und der Herzegowina zu ergreifenden Maßnahmen innerpoHtischer Natur be- fassen wird.

Tschirschky

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Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt*

Telegramm 84 Wien, den 8. Juh 1914^

Geheim 1

Nach Schluß des gestrigen offiziellen Ministerrats hat daran an- schließend eine Besprechung über die Serbien gegenüber einzimehmende Haltung stattgefunden, wobei den bei der Vorbesprechung, zu der ich zugezogen war, nicht anwesenden Ministern in großen Zügen von der von Sr. M. unserem Allergnädigsten Herrn eingetroffenen Antwort Kenntnis gegeben wurde.

Es haben sich dabei in bezug auf das Vorgehen gegen Serbien zwei Strömungen geltend gemacht. Die eine, diejenige des Grafen Berchtold und des Auswärtigen Ministeriums, will den Anlaß des Vorgehens direkt aus der durch die gesamte serbische Pohtik und deren in dem letzten Attentat gipfelnden Wühlereien gegenüber der Monarchie geschaffenen Lage herleiten, wälirend die andere, vom Grafen Tisza vertreten, es für erforderlich hält, zunächst konkrete Forderungen an Serbien zu stellen. Ich habe den Eindruck, daß Graf Berchtold den Grafen Tisza als retardierendes Element be- trachtet^. Letzterer will seinen Standpunkt noch in einem Memo- randum niederlegen, welches Graf Berchtold erst heute abend kurz vor seiner Abreise nach Ischl erhalten wird. Graf Berchtold meinte, er würde seinem Kaiser, falls sich dieser der Ansicht anschheßen sollte, daß zunächst Forderungen an Serbien zu stellen seien, jeden- falls raten, die Forderungen so einzurichten, daß deren Annahme ausgeschlossen erscheint.

Graf Berchtold bemerkte noch ganz geheim, daß nach Ehr. Con- rad von Hötzendorf 16 Tage für die Mobilmachung gerechnet werden müßten. Der Generalstabschef hat, wie Graf Berchtold mir sagt,

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Wien, den 8. Juli 8^° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 10'"' nachm. Eingangsvermerk: 9. Juli vorm. Am 9. Juli durch Jagow nach Vornahme einiger Kürzungen, telegraphisch dem Kaiser und dem Reichskanzler mitgeteilt, zum Haupttelegraphenamt i^^ nachm.

' Satz »Ich habe betrachtet« fehlt in Jagows Telegrammen an Kaiser und Reichskanzler.

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nochmals auf die entscheidende Bedeutung der Haltung Rumäniens für Anordnung und Verlauf der mihtärischen Operationen hingewiesen. Der Minister bemerkte noch, er sei nach reifer Überlegung zu der Ansicht gelangt, daß es klüger wäre, das beabsichtigte Bündnis mit Bulgarien vorerst nicht abzuschheßen, besonders weil sonst Rumänien beunruhigt werden würde. Er werde im Gegenteil nach Sofia den dringenden Rat gelangen lassen, sich ruhig zu verhalten*.

Tschirschky * Siehe Nr. 21 und 22.

Nr. 19a

Der Gesandte in Belgrad an den Reichskanzler'

Belgrad, den 6. Juh 1914'

Die schicksalsvollen Ereignisse der vergangenen Wochen haben die allgemeine Aufmerksamkeit in so hohem Maße auf die Wirksam- keit der sogenannten »Narodna Odbranat (wörthch übersetzt Volkswehr hingelenkt, daß eine zusammenfassende Übersicht ihrer Entstehung, Organisation, Ziele und Mittel im gegenwärtigen Zeitpunkt von be- sonderem Interesse sein dürfte.

Das Jahr 1908, wo Serbien sich gegen die Annexion Bosniens und der Herzegowina durch die Nachbarmonarchie wild aufbäumte, aber dann, von Rußland im Stich gelassen, sich mit der Einver- leibung dieser »echt serbischen Ländero in Österreich-Ungarn ab- finden und sogar vor aller Welt erklären mußte, hierdurch »nicht beleidigt zu sein«, hatte der serbischen Volksseele eine nicht ver- narbende Wunde geschlagen. Kurz zuvor waren durch den Aus- bruch der jimgtürkischen Revolution die Hoffnungen Serbiens auf Erwerb von Mazedonien und Altserbien stark verringert worden, und die Früchte einer vieljährigen, kostspieligen und opferreichen Propa- ganda drohten verloren zu gehen. Die Pohtiker aller Parteien salien die Zukunft des Landes auf das Äußerste gefährdet ; sie waren über- zeugt, daß Serbien sich nwi mit Einsatz aller Kräfte der Umklamme- rung durch den übermächtigen Nachbarn erwehren könne. Damals begannen die radikalen Regierungen in Serbien sich ernstlich für einen Entscheidlingskampf vorzubereiten und eine Rüstungsanleihe nach der andern aufzunehmen. Im Zusammenhang damit trat die Idee der Narodna Odbrana in die Erscheinung.

1 Nach der Ausfertigung.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts : 9. Juli vorm. Lag dem Kaiser vor. Durch Randverfügung des Kaisers an Kultusminister, Minister des Innern und den Polizeipräsidenten von Berlin mitgeteilt.

Sie war gedacht als ein patriotisch-nationalistischer Geheimbund, der nicht bloß das König-reich Serbien, sondern sämtliche Länder mit serbischen Bevölkerungselementen umfassen sollte und bestimmt, das Gefühl der Zusammengehörigkeit und Stammeseinheit zu entwickeln und zu kräftigen und auf dem so vorbereiteten Boden an der realen Durchführung dieser Vereinigung mit aUen Mitteln zu arbeiten. Das Schlagwort lautete: »Arbeit an der Befreiung der unterjochten Brüder.« In die Leitung des Gebeimbundes, als dessen Ehren- präsident der General a. D. Bosidar Jankowitsch, später Komman- mandant der Ibardivision im serbisch-türkischen Kriege, fungierte, traten Männer der verschiedensten Berufsarten ein : Bccimte, Offiziere (insbesondere diejenigen aus der Gruppe der viel besprochenen iischwar^en Hand»), Abgeordnete, Kaufleute, Handwerker u. dgl. Ver- trauensmänner des Bundes wurden wie für das Innere Serbiens, so auch für Südungarn, Bosnien und die Herzegowina, Dalmatien, Alt- serbien und Mazedonien bestellt. Aber gewitzigt durch die un- angenehmen Erfahrungen, die man mit dem früheren »Jugoslowenski Klub« (Südslawischer Verein) in Serbien gemacht hatte, vermied es der neue Geheimbund, sich durch schriftliche Festsetzungen der Gefahr einer Kompromittierung auszusetzen. Insbesondere wurden weder schrifthche Statuten abgefaßt, noch über die Sitzungen schrift- liche Protokolle aufgenommen. Die Sitzungen wurden je nach Um- ständen und Verabredung bei dem einen oder andern der Vorstands- mitglieder abgehalten.

Man war sich darüber einig, daß vor allem die Jugend mit ihrer Begeisterungsfähigkeit für unklare Freiheitsideen gewonnen werden mußte. So begann die Narodna Odbrana mit der systematischen Verhet:(ung und Fanatisierung der Jugend, namenthch der Schuljugend. Im Königreich Serbien eigneten sich treffhch hierzu die Sokol- und Duschanow\i- Vereine, in denen mit der großserbischen Agitation praktische Unterweisung im Waffengebrauch verbunden wurde. In den südslawischen Ländern Österreich-Ungarns, wo derartige öffent- liche Verbindungen auf Widerstand der Behörden stießen, bildeten sich überall unter den Schülern serbischer NationaUtät geheime Konventikel die sich an der Lektüre aus Serbien eingeschmuggelter chauvinistischer und auch einheimischer großserbischer Blätter be- rauschten. Solcher großserbischer Blätter gibt es in Sarajevo, Fiume, Agram die Fülle. In letzterer Stadt ist es z. B. der »Srbobran«, ein Organ des kroatischen Landtagsabgeordneten und großserbischen Agitators Swetosar Pribitschewitsch, eines Bruders des jet^t mit dem Attentat in Sarajevo öffentlich in Verbindung ge- brachten serbischen Majors Milan Pribitschewitsch.

Ihren Zielen entsprechend wendete die Narodna Odbrana ferner dem Bandenwesen in der Türkei ihre besondere Aufmerksamkeit zu. Sie hat es zwar nicht geschaffen, denn die Komitadjis bestanden lange vor ihr, aber sie hat zu ihrer Vermehrung und besseren Ausrüstung viel beigetragen. Auf ihre Bearbeitung der Jugend ist

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es mit zurückzuführen, wenn fast täglich Schüler aus den Gymnasien und Studenten von der Universität verschwanden, um als Freischärler in Makedonien aufyiitauchen, oder wenn junge Offiziere aus der Armee austraten und, mit falschen Pässen versehen, nach Altserbien gingen. Fragt man, was aus diesen Komitadjis jetzt, nach be- endetem Krieg und erobertem Mazedonien geworden ist, so ist die Antwort : ein Teil ist vom Staat bei den verschiedensten Betrieben (Eisenbahn, Post, Monopol, Zoll, Pohzeiverwaltung) untergebracht, wo sie meistens kleine Sinekuren inne haben ; ein anderer Teil strolcht arbeitsscheu, und wahrscheinlich von der Narodna Odbrana unterstützt, umher, auf eine Gelegenheit lauernd, wieder seine wilden Instinkte !{u betätigen. Es hat nicht an warnenden Stimmen gefehlt, die auf die Gefahr hinwiesen, jene Komitadjis möchten sich, nun- mehr ihre Arbeit in der Türkei beendet war, Bosnien und Südungarn zum Feld neuer Tätigkeit aussuchen.

Was die Mittel betrifft, mit welchen die Narodna Odbrana ihre mannigfachen Ziele bestreitet, so appelhert sie in erster Reihe an freiwillige Massenbeiträge des Pubhkums. Sie geht dabei von der gewiß richtigen Ansicht aus, daß kleine Beiträge, die in Massen geleistet werden, ein ungleich ergiebigeres Erträgnis liefern, als ver- einzelte größere Spenden. Es wÄrden daher bei gewissen Gelegen- heiten und namentlich an dem auf den 15. Juni a. St. fallenden St. Veitstage (Widowdan), der der Erinnerung an den Untergang des mittelalterlichen Großserbiens in der Schlacht auf dem Amsel- feld gewidmet ist, öffentliche Sammlungen in ganz Serbien veran- staltet, die regelmäßig höchst respektable Summen einbringen. So- dann ist es Brauch geworden, bei letzt willigen Verfügungen die Narodna Odbrana mit Legaten zu bedenken, ebenso, zum Gedächtnis an verstorbene Famihenangehörige der Narodna Odbrana Beiträge zu überweisen. Doch hat es mit diesen freiwilhgen Beiträgen keines- wegs sein Bewenden. Oft genug entsendet die Narodna Odbrana ihre Vertrauensmänner zu reichen Kaufleuten, Banken usw., auch solchen, die, ohne Serben \u sein, mit Serbien in dauernder Geschäfts- verbindung stehen, oder, wie man hier zu sagen pflegt, an Serbien sverdienent und fordert Beiträge. So wurde mir erst kürzUch ein Fall erzählt, wonach ein solcher Vertrauensmann bei der hiesigen Filiale der Banque franco-serbe einen Beitrag verlangte und als ihm bemerkt wurde, daß die Bank ohne Genehmigung der Pariser Zentrale nicht über 100 Fr. beisteuern könne, ausfällig und drohend wurde. Der Staat selbst, wenn er gleich, um Verantwortlichkeiten zu ver- meiden, darauf halten muß, daß die Narodna Odbrana ihren privaten Charakter bewahre, beschränkt sich indes keineswegs auf die Rolle eines passiven Zuschauers. Unter harmlosen Titeln si?id in das Staatsbudget gewisse Positionen aufgenommen, die der Narodna Odbrana :^ugute kommen. Bezüglich der Anschaffung von Flinten für Schüler, von Revolvern für Freischärler ist es notorisch, daß der Staat sie geliefert hat. Charakteristisch ist, daß als Zentral-

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stelle für die Verausgabung von Staatsmitteln für solche Zwecke und die Abrechnung weder das Ministerium des Äußern, noch das Kriegs- ministerium, sondern dasjenige für Kultus und Unterricht mitwirkt. Mag daher die serbische Regierung noch so sehr ihren Abscheu und ihre Entrüstung über die in Sarajevo begangene Bluttat kund- geben, mag sie noch so sehr ihre Unschuld beteuern und darauf hin- weisen, wie sinn- und zwecklos dieses Verbrechen sei und wie es der Sache des Serbentums viel eher geschadet als genützt habe, eines kann sie nicht ableugnen. Sie hat die Atmosphäre geschaffen, in der solche Explosionen des blinden Fanatismus allein möglich sind. In ihrem Lande und unter den Augen ihrer Behörden sind die Elemente groß gezogen worden, die Serbien vor der ganzen gesitteten Welt bloßgestellt und auf eine Stufe wieder herabgedrückt haben, wie der verabscheuungs würdige Königsmord des Jahres 1903.

V. Griesinger sehr gut

Nr. 20

Der Botschafter in London an den Reichskanzler*

Geheiml London, den 6. Juü 1914*

Ich besuchte heute nachmittag Sir Edward Grey und nahm dabei Gelegenheit, die gesamte europäische Lage mit ihm in ver- traulichem Tone zu besprechen.

Zunächst glaubte ich ihn darauf hinweisen zu sollen, daß die österreichisch-ungarisch-serbischen Beziehungen durch die Ermordung des Thronfolgers eine nicht unbedenkliche Zuspitzung erhalten hätten. Man könne es der k. u. k. Regierung nicht verübeln, wenn sie diese neue Herausforderung angesichts der Unterstützung, die die Ver- schwörer erwiesenermaßen aus Belgrad erhalten hätten, nicht unge- sühnt lassen und von der serbischen Regierimg Genugtuxmg verlangen würde. Ob imd in welcher Form dies geschehe, sei mir zwar nicht bekannt, aber ich glaubte, daß es sich schon jetzt empfehlen würde, die Möglichkeit einer Verschärfung der Beziehungen zwischen Wien und Belgrad ins Auge zu fassen, damit er, Sir Edward, rechtzeitig in der Lage sei, seinen Einfluß in Petersburg dahin geltend zu machen, daß von dort auf Serbien im Sinne der Nachgiebigkeit gegenüber den österreichischen Forderungen gewirkt würde.

Sir Edward schien in dieser Richtung noch keinerlei Nachrichten erhalten zu haben. Er verkannte jedoch nicht die Gefahr, die die

1 Nach der Ausfertigung.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: g. Juli nachm.

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Lage mit sich bringen könnte, und schien zu begreifen, daß es für einen leitenden österreichisch-ungarischen Staatsmann schwer sei, sich auf die Dauer aller energischeren Maßnahmen zu enthalten. Er versprach mir, auch über diese Frage mit uns in Fühlung zu bleiben, enthielt sich aber vorläufig einer bestimmteren Meinungsäußerung.

Sodann erwähnte ich unter Bezugnahme auf unsere letzte Unter- haltung*, daß die gewaltigen Rüstungen Rußlands und gewisse andere Anzeichen, wie der Bau strategischer Bahnen, nach meinen letzten persönlichen Eindrücken in Berlin nicht verfehlt hätten, dort ein gewisses Unbehagen hervorzurufen. Die Stimmung Rußlands für uns und Österreich-Ungarn sei zweifellos keine freundhche. Diese Tatsachen, verbunden mit dem bosnischen Frevel, hätten bei uns eine etwas pessimistische Auffassung der auswärtigen Lage ge- zeitigt. Da wir aber überzeugt wären, daß wir uns mit der britischen Politik in dem Wunsche begegneten, den Frieden zu erhalten und die Gruppen einander zu nähern, so glaubte ich, durch eine Aus- sprache mit ihm den beiderseitigen Zwecken zu dienen.

Sir Edward wiederholte mir ungefähr dasselbe, was er mir erst kürzhch gesagt hatte, nämhch, daß ihm keine Anzeichen einer deutsch- feindlichen Stimmung in St. Petersburg bekannt seien. Noch weniger glaube er an kriegerische Absichten Rußlands, er wolle aber der Frage erneut seine Aufmerksamkeit zuwenden und mit mir gelegentlich darauf zurückkommen, da auch er den Wunsch hege, über alle Fragen der auswärtigen Politik mit uns in Fühlung zu bleiben.

Zum Schlüsse sagte ich, er müsse mir gestatten, da ich ganz offen mit ihm sein wolle und ich es für wichtig hielte, daß er über unsere Auffassimgen und Stimmungen genau unterrichtet sei, ein etwas heikles Thema in vertraulicher Weise zu berühren. Wir wüßten aus seinen Erklärungen, daß geheime Abmachungen pohtischer Natur zwischen England und Rußland nicht bestünden. Wir hätten selbstverständhch nicht den geringsten Anlaß, an der Richtigkeit seiner Worte zu zweifeln, bedauerten aber um so mehr, daß immer wieder Gerüchte auftauchten, welche von einer Flotten Verständigung zu berichten wüßten, die ein beiderseitiges Zusammenwirken gegen uns im Kriegsfalle bezwecke. Ich wäre nicht in der Lage, die Richtigkeit dieser Gerüchte zu prüfen, könne mir aber wohl denken, daß etwaige Besprechimgen der beiderseitigen Seebehörden nicht in den Rahmen politischer Abmachungen und bindender Verträge fielen, und daß sie daher mit seinen Erklärungen zu vereinbaren wären. In diesem Falle aber glaubte ich ihn darauf aufmerksam machen zu müssen, daß derartige Verabredungen notwendigerweise dazu beitragen würden, die in Rußland zweifellos bestehende natio- nahstische Strömung zu bestärken und andererseits bei uns das Ver- langen nach vermehrten Rüstungen zu fördern und der Regierimg

' Siehe Nr. 5.

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es zu erschweren, den ihm bekannten, den Rahmen der gesetzlich festgelegten Aufwendungen überschreitenden Forderungen entgegen- zutreten.

Sir Edward entgegnete, ohne auf die von mir berührte Frage eines Flottenübereinkommens näher einzugehen, daß er mir bereits vor kurzem gesagt habe, daß kein neues oder geheimes Überein- kommen bestünde, daß aber die Beziehungen zu den Verbands- genossen nichtsdestoweniger einen sehr intimen Charakter trügen. Aus seiner Zurückhaltung und der Bemerkung, daß er mit mir noch einmal auf die Angelegenheit zurückkommen wolle, konnte ich entnehmen, daß er sich die ganze Frage reifhch überlegen will, ehe er mir gegenüber zu meiner Anregung Stellung nimmt. Auf jeden Fall hat er eine Fühlungnahme der beiden Marinen für den Fall eines gemeinsamen Krieges nicht direkt in Abrede gestellt. Er betonte aber auch bei dieser Gelegenheit wieder, daß sein Bestreben dahin ginge, die beiden Gruppen einander näher zu bringen und dadurch europäischen Verwickelungen vorzubeugen und eine Ver- ständigung über alle auftauchenden Fragen zu erleichtern.

Der Minister stand sichthch unter dem Eindruck meiner Er- öffnungen und dankte mir für die offene Aussprache, die sich in gewohnter gemütlicher und freundschaftlicher Form vollzogen hatte.

Lichno wsky

Nr. 21

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger

in Bukarest '

Telegramm 34 Berlin, den 9. Juli 1914"'

Geheim !

Nach einer neueren Meldung des k. Botschafters in Wien be- absichtigt Graf Berchtold vorläufig nicht, auf den Abschluß eines Bündnisses mit Bulgarien zielende Schritte in Sofia zu tun und will dort nun zur Ruhe raten. Graf Berchtold hat sich zu dieser Haltung durch bundesfreundliche Rücksichten auf Rxmiänien und die Erwartung bestimmen lassen, daß Rumänien im Falle eines Kon- flikts seinen Bündnispflichten im vollen Umfange nachkommen wird.

Bitte vorstehendes bei Audienz Sr. M. dem König ebenfalls mitteilen.

Jagow

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Bergens Hand, letzter Satz des

Telegramms von Zimmermanns Hand beigefügt. * i*° nachm. zum Haupttelegraphenamt. ^ Siehe Nr. 19 und 28.

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Nr. 22

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten

in Sofia '

Telegramm 25 Berlin, den 9. Juli 1914 2 a

Geheim!

Zur persönlichen Information

Nach Mitteilung des k. Botschafters in Wien beabsichtigt Graf Berchtold nicht das geplante Bündnis mit Bulgarien alsbald abzu- schließen und will zunächst dort zur Ruhe raten lassen^.

Jagow

' Nach dem Konzept. Entwurf von Bergens Hand.

* i**' nachm. zum Haupttelegraphenamt. ^ Siehe Nr. 17 und 19.

* Siehe Nr. 162.

Nr. 23

Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen^

Berhn, den 9. Juli 1914

Der österreichische Botschafter sprach mir heute im Auftrag seiner Regierung den Dank für die entgegenkommende Antwort aus, die S. M. der Kaiser und König und der Herr Reichskanzler auf das vom Grafen Hoyos überbrachte Handschreiben Sr. M. Kaiser Franz Josephs und das Expose * gegeben haben. Von allen zu treffenden Ent- scheidungen würde die hiesige Regierung seinerzeit der Zeit- punkt hinge auch noch von dem Ausgang der Untersuchung in Sarajevo ab sofort in Kenntnis gesetzt werden.

Jagow

* Von Jagows Hand. Reichskanzler und Zimmermann nahmen Kenntnis von der Aufzeichnung; von letzterem am 9., von ersterem am 10. Juli zu- rückgegeben.

* Siehe Nr. 13 und 14.

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Nr. 24

Der Gesandte in Athen an das Auswärtige Amt*

Telegramm 195 Athen, den 9. Juli 1914*

Ganz streng geheim 1

Minister der auswärtigen Angelegenheiten sagt mir mit der Bitte um Geheimhaltung, griechische Regierung benutze zurzeit ihren ziem- lich bedeutenden Einfluß in Belgrad, um dort auf die Milderung Gegensätze zwischen Wien und Belgrad hinzuwirken. Auch sei es griechischer Regierung zu verdanken, wenn die Frage der Vereinigung zwischen Montenegro und Serbien mit Rücksicht auf österreichische Empfindlichkeit auf lange Zeit verschoben sei.

Quadt

' Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Athen 4" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 6^' nachm. Eingangsvermerk: 9. Juli nachm. Am 11. Juli von Jagow tele- graphisch dem Kaiser mitgeteilt, Telegramm aufgegeben in Berlin 1 nachm., angekommen im Hoflager 7^° nachm.

Nr. 25

Der Reichskanzler an den Kaiser*

Hohenfinow, den 9. Juh 1914*

Ew. M. verfehle ich nicht, in der Anlage* den befohlenen Ent- wurf zu Allerhöchstdero Antwort auf das Handschreiben Sr. M. des Kaisers Franz Joseph mit dem Anheimstellen huldvoller Vollziehung allerimtertänigst zu imterbreiten.

V. Bethmann Hollweg

' Nach dem von Jagow gezeichneten Konzept. Entwurf von der Hand

Bergens. ■^ Das Konzept ist datiert: Berlin, den 10. Juli 1914, die vom Reichskanzler

vollzogene, jetzt gleichfalls bei den Akten befindliche Ausfertigung des

Immediatberichts : Hohenfinow, den 9. Juli 1914. ^ Siehe Nr. 26.

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Nr. 26

Der Kaiser an den Kaiser von Österreich^

Baiholm, den 14. Juli 1914*

Mein teurer Freund!

Mit aufrichtiger Dankbarkeit habe ich es empfunden, daß Du in den Tagen, wo Ereignisse von erschütternder Tragik über Dich hereingebrochen waren und schwere Entscheidungen von Dir forderten. Deine Gedanken auf unsere Freundschaft gelenkt und diese zum Ausgangspunkt Deines gütigen Schreibens an mich^ gemacht hast. Ich betrachte die von Großvater und Vater auf mich überkommene enge Freundschaft zu Dir als ein kostbares Vermächtnis und er- bhcke in deren Erwiderung durch Dich das sicherste Pfand für den Schutz unserer Länder. Bei meiner verehrungsvollen Anhänglichkeit an Deine Person wirst Du ermessen können, wie schwer die Aufgabe meiner Reise nach Wien und der mir auferlegte Verzicht auf die öffentliche Bekundung meiner innigen Anteilnahme an Deinem tiefen Schmerz mich bekümmern mußte.

Durch Deinen bewährten und von mir aufrichtig geschätzten Botschafter wird Dir meine Versicherung übermittelt worden sein, daß Du auch in den Stunden des Ernstes mich und mein Reich in vollem Einklang mit unserer altbewährten Freundschaft und unseren Bündnispfiichten treu an Eurer Seite finden wirst. Dir dies an dieser Stelle zu wiederholen, ist mir eine freudige Pflicht.

Die grauenerregende Freveltat von Sarajevo hat ein grelles Schlaglicht auf das unheilvolle Treiben wahnwitziger Fanatiker und

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Bergen gezeichnet, mit Ergänzungen und Änderungen Bergens, Zimmermanns und Jagows. Siehe deutsches Weißbuch vom Juni 1919, Anlage V, 6.

^ Die bei den Akten befindlichen Konzepte sowie eine erste, nicht verwendete Reinschrift sind undatiert. Das mit dem Immediatbericht d. d. 9. Juli abge- sandte Handschreiben erhielt nach seinem Wiedereintreffen im Auswärtigen Amt das Datum, das der Kaiser auf dem es ins Hof lager begleitenden Immediat- bericht des Reichskanzlers (Nr. 25) niedergeschrieben hat: Baiholm, den 14. Juli 19 14. Die vom Kaiser vollzogene Ausfertigung des Handschreibens wurde von Jagow am 17. Juli an den Botschafter in Wien abgesandt »mit dem Ersuchen, es durch Vermittlung der dortigen Regierung an seine hohe Bestimmung gelangen zu lassen« ; zwei Abschriften des Hand- schreibens, von denen eine für den Grafen Berchtold, die andere für die Akten der Botschaft bestimmt war, wurden beigefügt.

^ Siehe Nr. 13.

Aktenstüeke I. 0

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die den staatlichen Bau bedrohende panslawistische Hetzarbeit ge- worfen. Ich muß davon absehen, zu der zwischen Deiner Regierung und Serbien schwebenden Frage Stellung zu nehmen. Ich erachte es aber nicht nur für eine moralische Pflicht aUer Kulturstaaten, sondern als ein Gebot für ihre Selbsterhaltung, der Propaganda der Tat, die sich vornehmlich das feste Gefüge der Monarchien als An- griffsobjekt ausersieht, mit allen Machtmitteln entgegenzutreten. Ich verschUeße mich auch nicht der ernsten Gefahr, die Deinen Ländern und in der Folgewirkung dem Dreibund aus der von russischen und serbischen Panslawisten betriebenen Agitation drohen, und erkenne die Notwendigkeit, die südhchen Grenzen Deiner Staaten von diesem schweren Drucke zu befreien. Ich bin daher bereit, das Bestreben Deiner Regierung, das dahin geht, die Bildung eines neuen Balkan- bundes unter russischer Patronanz und mit der Spitze gegen Öster- reich-Ungarn zu hintertreiben und als Gegengewicht*, ferner den Anschluß Bulgariens an den Dreibund herbeizuführen, nach Tun- lichkeit zu fördern. Demgemäß habe ich trotz gewisser Bedenken, die in erster Linie durch die geringe Zuverlässigkeit des bulgarischen Charakters bedingt werden, meinen Gesandten in Sofia anweisen lassen, die diesbezüghchen Schritte Deines Vertreters auf dessen Wunsch zu unterstützen.

Des weiteren habe ich meinen Geschäftsträger in Bukarest be- auftragt, sich zu König Carol im Sinne Deiner Anregungen zu äußern und unter Hinweis auf die durch die jüngsten Ereignisse neu geschaffene Lage die Notwendigkeit eines Abrückens von Serbien und einer Unterbindung der gegen Deine Länder gerichteten Agitation hervorzuheben. Ich habe gleichzeitig besonders betonen lassen, daß ich den größten Wert auf die Erhaltung der bisherigen vertrauens- vollen Bundesbeziehungen zu Rumänien lege, die auch bei einem eventuellen Anschluß Bulgariens an den Dreibund keinerlei Beein- trächtigung zu erleiden brauchen würden.

Zum Schluß darf ich dem herzhchen Wunsche Ausdruck geben, daß es Dir vergönnt sein möge, nach den schweren Tagen durch den Aufenthalt in Ischl Erholung zu finden.

In aufrichtiger Anhänglichkeit

Dein treuer Freund Wilhelm^

■* Die Worte »als Gegengewicht« im Entwurf von Zimmermann beigefügt.

^ Die Worte »In Wilhelm« waren in der abgegangenen Ausfertigung

vom Kaiser eigenhändig geschrieben.

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Nr. 27

Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler ^

Wien, den 8. Juli 1914^

Die in der gestrigen Abendnummer der »Neuen Freien Presse« (Nr. 17911) an der Spitze des Blattes erschienene Mitteilung »von besonderer Seite über die russische Auffassung von den österreichisch- ungarischen Schritten anläßlich des Attentats^« ist, wie ich von dem auf der Botschaft verkehrenden Korrespondenten der »Neuen Freien Presse« höre, von der hiesigen russischen Botschaft inspiiHert.

Er sei telephonisch auf die Botschaft zitiert worden, wo ihn ein Sekretär im Auftrage des Bot- schafters empfangen habe. Abgesehen von der vor- erwähnten Veröffentlichung sei noch bemerkt worden, daß Rußland äner Beeinträchtigung^ der politischen Selbständigkeit Serbiens nicht ruhig werde -{usehen können. Auf die Frage des Korrespondenten, ob die »Neue Freie Presse« auch diese Bemerkung aha ! bringen solle, sei ihm verneinend geantwortet worden.

Wie mir der Korrespondent weiter sagte, habe er bei Herrn Benedikt schon seinen Einfluß dahin geltend gemacht, damit die »Neue Freie Presse« nicht in das während der Balkankrise beliebte Gejammere über etwaige russische Angriffspläne verfalle. Der heutige Morgenartikel des Blattes war gemäßigt ge- halten.

Ich beehre mich, die vorerwähnte Mitteilung der Vollständigkeit halber im Ausschnitt gehorsamst beizufügen.

von Tschirschky

* Nach der Ausfertigung.

* Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 10. Juli vorm. Bericht lag dem Kaiser vor, von ihm am 13. Juli zurückgegeben, am 16. Juli wieder im Amt. Gemäß kaiserlicher Randverfügung am 21. Juli der Botschaft in St. Petersburg mitgeteilt.

' Der Artikel lautete: »Wie uns von besonderer Seite mitgeteilt wird, sind in Rußland alle Kreise einig in der Verurteilung des Attentats in Sarajevo. Die vielfach in der österreichisch-ungarischen Presse veröffentlichte An- schauung, als ob Rußland dagegen protestieren würde, wenn Österreich- Ungarn von Serbien eine Untersuchung in Belgrad verlangte, entbehrt jeglicher Begründung. Das monarchische Prinzip hat im Zarenreiche so starke Geltung, daß es ganz natürhch erscheint, daß Rußland einen solchen Schritt Österreich- Ungarns nie mißbilligen würde.«

6*

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Nr. 28

Der Geschäftsträger in Bukarest an das Auswärtige Amt '

Telegramm 37 Sinaia, den 10. Juli 1914^

Geheimen Auftrag ausgeführt^.

S. M. der König glaubt nicht, daß es möglich sein werde, mit Bul- garien in ein Bündnisverhältnis zu treten, da der König schwach sei, keine Autorität besitze und die Regierung jederzeit weggefegt werden könne. Außerdem sei kein Verlaß auf Bulgarien, und so- bald Rußland von Abmachungen Wind bekäme, würde es in Bul- garien eine Revolution anzetteln. König sprach dann über all- gemeine politische Angelegenheiten. Auf meine schheßlich gestellte Frage, wie sich S. M. zu den beiden von Sr. M. dem Kaiser und König ausgesprochenen Bitten verhalte, meinte S. M., von Ser- bien könne er wohl abrücken, an Serbien läge ihm nicht viel, auch könne er auf die Agitation gegen Österreich einwirken, es müßte aber in Ungarn Entgegenkommen für die dortigen Rumänen gezeigt werden, um ihm dies zu erleichtern. Meine Frage, ob S. M. einem Anschluß an Bulgarien abgeneigt wäre, verneinte der König, meinte jedoch, im jetzigen Augenblick könne Rumänien nicht sofort mit Bulgarien ein Bündnis schließen, vielleicht in einem Jahre; ein solches müsse jedenfalls von Österreich und Deutschland in Sofia vorbereitet werden.

Ausführlicher Bericht folgt.

Waldb urg

1 Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Sinaia 5^" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8*0 nachm. Eingangsvermerk: 11. Juli vorm. Am 1 1. Juli von Jagow mit kleinen Änderungen telegraphisch dem Kaiser und dem Botschafter in Wien mitgeteilt. Im Telegramm Jagows an Tschirschky nach Mitteilung von Waldburgs Depesche der Zusatz: »Bitte vorstehendes dem Grafen Berchtold streng vertraulich mitteilen.« Siehe Nr. 35.

^ Siehe Nr. 16 und 21.

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Nr. 29

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt '

Telegramm 85 Wien, den 10. Juli 1914^

Ganz geheim!

Über seinen gestrigen Vortrag bei Sr. M. dem Kaiser Franz Joseph in Ischl teilt mir Graf Berchtold nachstehendes mit:

S. M. der Kaiser habe mit großer Ruhe die Sach- lage besprochen. Zunächst habe er seinem lebhaften Dank Ausdruck gegeben für die Stellungnahme unseres Allergnädigsten Herrn und der kaiserlichen Regierung und geäußert, er sei ganz unserer An- da S. M. pro Memo- sieht, daß man jet:{t zu einem Entschluß kommen ria etwa 14 Tage müsse, um den unleidlichen Zuständen Serbien gegen- ^li ist, so dauert ^^^j. ^^^ ^^^^ ^u machen. Über die Tragweite

. ."", "^' eines solchen Entschlusses, fü^te Graf Berchtold

Das ist doch eigent- , . , r- ,«• ■■■,,■ 11

lieh zur Begrün- ^'^^' ^ei sich S. j\I. volhg klar.

düng des Enischlus- ^^^^ Minister hat hierauf dem Kaiser Kenntnis

ses selbst eni- gegeben von den zwei Modahtäten, die in bezug

warfen! auf das nächste Vorgehen gegen Serbien hier in

Frage stünden. S. M. hätten gemeint, es heße sich

vielleicht dieser Gegensatz überbrücken. Im ganzen

hätten aber S. M. eher der Ansicht zugeneigt, daß

aber sehr! konkrete Forderungen an Serbien zu stellen sein

und unzweideutig ! bürden. Er, der Minister, woUe auch die Vorteile eines solchen Vorgehens nicht verkennen. Es würde damit das Odium einer Überrumpelung Serbiens, das auf die Monarchie fallen würde, vermieden und Serbien ins Unrecht gesetzt werden. Auch würde dieses Vorgehen sowohl Rumänien als auch England eine wenigstens neutrale Haltung wesentlich erleich- tern. Die Formulierung geeigneter Forderungen gegen-

da^u haben sie Zeit über Serbien bildet gegenwärtig liier die Hauptsorge *, genug gehabt und Graf Berchtold sagte, er würde gern wissen,

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben inWien S^*^ nachm., angekommen imAuswärtigenAmt i o^- nachm. ; Eingangsvermerk des Amts: 11. Juli vorm. Am 11. Juli 12^^ nachm. von Jagow nach Vornahme einiger Änderungen und mit Auslassung der

Worte: Gral Berchtold »sagte, er würde gern wissen denke <

und des vorletzten Absatzes »Der Anregung alarmieren %

telegraphisch ins Kaiserliche Hoflager mitgeteilt, dortselbst eingetroffen 10° nachm., Entzifferung vom Kaiser am 12. Juli zurückgegeben, im Aus- wärtigen Amt am iG. Juli.

3 Die VVorte Tschirschkys »bildet die Hauptsorge« von Jagow

im Telegramm an den Kaiser in »wird erwogen« geiinoert;

»erwogen« vom Kaiser unterstrichen, am Rand seine Bemerkung: »dazu haben gehabt. «

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wie man in Berlin darüber denke *. Er meinte, man könne u. a. verlangen, daß in Belgrad ein Organ der österreichisch-ungarischen Regierung eingesetzt werde, um von dort aus die großserbischen Um- triebe zu überwachen, eventuell auch die Auflösung der ! von Vereinen und Entlassung einiger kompromit-

tierter Offi:{iere. Die Frist zur Beantwortung müsse möghchst kurz bemessen werden, wohl 48 Stunden. Freilich würde auch diese kurze Frist genügen, um Hartwig ist todt! sich von Belgrad aus in Petersburg Weisungen zu holen. Sollten die Serben alle gestellten Forderun- gen annehmen, so wäre das eine Lösung, die ihm »sehr unsympathisch« wäre, und er sinne noch dar- 'dann^lft^'^der^ttr!±ehi^^^ nach. Welche Forderungen man stellen könne, sofort da! den muß die Serbien eine Annahme völlig unmöglich machen

Osterreich unbedingt ... c c

sofort wiederhaben, um WUruen.

ind^Mofüafeg%l^'und ^cr Minister klagte schließhch wieder über die

das Erreichen des Mee- Haltung dcs Grafen Tisza, die ilim ein energisches

res seitens der Serben -. , oi- ^ r^ t -t^- ^

lu hindern! Vorgehen gegen Serbien erschwere. Crrai lisza be-

Mördern gegen- haupte, man müsse •ogentleman like« vorgehen, das

über nach dem, was sq{ aber, wenn es sich um so wichtige Staatsinter-

vor gefallen ist! essen handele und bssonders einem Gegner ime

Blödsinn. Serbien gegenüber schwerlich angebracht.

Der Anregung der Kaiserlichen Regierung, schon jetzt die öffentliche Meinung in England im Wege der Presse gegen Serbien zu stimmen worüber Graf Szögyeny telegraphiert hat wird der Minister gern folgen. Nur müsse dies, seiner Mei- nung nach, noch vorsichtig gemacht werden, um Serbien nicht vorzeitig zu alarmieren.

Der Kriegsminister wird morgen auf Urlaub gehen, auch Freiherr Conrad von Hötzendorf Wien zeitweilig verlassen. Es geschieht dies, wie Graf kindisch! Berchtold mir sagte, absichtlich*, nm jeder Beun-

ruhigung vorzubeugen.

Tschirschky

ungefähr wie :^ur Zeit der Schlesischen

Kriege! »Ich bin gegen die Kriegsräthe und Berathimgen, sintemalen die timidere Parthey allemal die Oberhand hat.*

Frd. d. Gr.

* Siehe Nr. 31.

^ Das »absichtlich« Tschirschkys stand in der Entzifferung des Kaiserlichen

Hoflagers verderbt als »von possumus«; am Rand dazu zwei Fragezeichen

des Kaisers.

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Nr. 30

Der Botschafter in London an den Reichskanzler^

Vertraulich! London, den 9. Juli 1914'

Sir E. Grey ließ mich heute zu sich bitten und gab mir zunächst Kenntnis von der Aufzeichnung, die er über unsere Unterredung ^ gemacht hatte, die kurz vor meiner Reise nach Berhn und Kiel stattfand. Er sagte, er habe seinen damahgen Worten auch heute nichts hinzuzufügen und könne nur wiederholen, daß geheime Ab- machungen zwischen Großbritannien einerseits und Frankreich und Rußland andererseits, welche Großbritannien im Falle eines europä- ischen Krieges Verpfhchtungen auferlegten, nicht bestünden. England wolle sich vollkommen freie Hand bewahren, um bei festländischen Verwickelungen nach eigenem Ermessen handeln zu können. Die Regierung habe gewissermaßen dem Parlament gegenüber die Ver- pflichtung übernommen, sich in keine geheimen Verbindhchkeiten einzulassen. Auf keinen Fall werde bei festländischen Verwickelungen die britische Regierung auf selten des Angreifenden zu finden sein.

Da er mich aber nicht habe irreführen wollen as I did not want to mislead you , habe er gleich hinzugefügt, daß nichts- destoweniger seine Beziehungen zu den genannten Mächten nichts von ihrer früheren Innigkeit verloren hätten. Wenn auch also keine Abmachungen bestünden, die irgendwelche Verpflichtungen auferlegten, so wolle er doch nicht in Abrede stellen, daß von Zeit zu Zeit Unterhaltungen (conversations) zwischen den beiderseitigen Marine- oder Militärbehörden stattgefunden hätten, und zwar die erste schon im Jahre 1906, dann während der Marokkokrisis, als man hier ge- glaubt habe, wie er lachend hinzufügte, daß wir die Franzosen angreifen wollten. Aber auch diese Unterhaltungen, von denen er meist nichts Näheres gewußt habe, hätten durchaus keine aggressive Spitze, da die englische Pohtik nach wie vor auf Erhaltung des Friedens gerichtet sei und in eine sehr peinliche Lage käme, wenn ein europäischer Krieg ausbräche.

Ich wiederholte dem Minister ungefähr dasselbe, was ich ihm schon neuhch gesagt hatte, und gab ihm dann zu verstehen, daß es wünschenswert wäre, daß solche militärischen Konversationen auf ein Mindestmaß beschränkt bheben, da sie sonst leicht zu uner- wünschten Folgen führen könnten.

Seit unserer letzten Unterhaltung, fügte Sir Edward hinzu, habe er sich über die Stimmung, die in Rußland uns gegenüber bestehe, eingehend erkundigt und keinen Grund zu einer beunruhigenden

^ Nach der Ausfertigung.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 11. Juii vorm.

^ Siehe Nr. 5.

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Auffassung gefunden ; er schien auch bereit zu sein, falls wir es wünschten, in irgendeiner Form auf die Haltung Rußlands einzu- wirken. Auch sei er bestrebt gewesen, für den Fall, daß das Wiener Kabinett sich genötigt sehe, infolge des Sarajevoer Mordes eine schärfere Haltung gegen Serbien einzunehmen, die russische Regierung bereits jetzt für eine ruhige Auffassung und versölmliche Haltung gegen Österreich zu gewinnen. Sehr viel würde freilich, so meinte Sir Edward, von der Art der etwa gedachten Maßnahmen abhängen, und ob dieselben nicht das slawische Gefühl in einer Weise erregten, die es Herrn Sasonow unmöglich machen würde, dabei passiv zu bleiben.

Im allgemeinen war der Minister in durchaus zuversichtlicher Stimmung und erklärte in heiterem Tone, keinen Grund zu haben zu einer pessimistischen Auffassung der Lage.

Lichnowsky

Nr. 30 a

Der Gesandte im kaiserlichen Gefolge an das Auswärtige Ämt^

Telegramm 103 Bergen, den 11. Juli 1914^

Bei Vorlage des vom Auswärtigen Amt redigierten üblichen Glückwunschtelegrammen twurfs für morgigen Geburtstag des Königs von Serbien haben S. M. mir befohlen, bei Ew. Exz. anzufragen, ob ein solches Telegramm im gegenwärtigen Augenblick notwendig imd unbedenklich erscheine^.

We d e 1

* Nach der Entzifferung.

''Aufgegeben in Bergenj 11. Juli li^'' nachm., angekommen im Auswärtigen

Amt 2^° nachm. Emgangsvermerk: 1 1. Juli nachm. ' Siehe Nr. 32 a.

Nr. 31

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in

Wien'

Telegramm 117 Berlin, den 11. Juh 1914 ^ ^

Zur Formulierung der Forderungen an Serbien können wir keine Stellung nehmen, da dies Österreichs Sache ist. Uns erscheint

^ Nach dem Konzept von Jagows Hand. ■^ Zum Haupttelegraphenamt 2*° nachm. * Siehe Nr. 29.

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es nur erwünscht, daß Wien genügend Material sammelt, um zu be- weisen, daß m Serbien eine großserbische Agitation besteht, welche Monarchie gefährdet, damit öffenthche Meinung Europas soweit als moghch vom guten Recht Österreichs überzeugt wird. Dies Material wäre am besten nicht getrennt, sondern einheithch kurz vor Stellung der Forderungen bzw. des Ultimatums an Serbien zu publizieren *.

Jagow "* Siehe Nr. 40.

Nr. 32

Der Gesandte in Belgrad an den Reichskanzler'

Belgrad, den 8. Juh 19142

Herr Paschitsch sprach sich mir gegenüber heute gelegentlich der Vorstellung des Mihtärattaches lange über das Attentat in Sarajevo und die Maß- nahmen aus, welche die serbische Regierung im Zusammenhang damit und zur Verhinderung weiterer anarchistischer Freveltaten zu ergreifen beabsichtigt^. Er begann zunächst mit Versicherungen seiner tiefsten Entrüstung und seines größten Abscheues über die Tat und hob dann hervor, daß man doch Blech.'!.'! nicht eine zivilisierte^ Regierung für die Exzesse unreifer und überspannter Burschen verantiPortlich machen dürfe. Die österreichisch-ungarische Presse schieße weit über das Ziel hinaus. Die Über- wachung der nation ah sti sehen Vereine und ihrer Verbindungen im In- und Auslande stelle der ser- bischen Regierung die schwierigsten Aufgaben; die demokratisch -freisinnige Verfassung des Landes, namenthch auf dem Gebiete des Vereinswcsens und der Presse, biete der Regierung nahezu keine Hand-

' Nach der Ausfertigung.

2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 11. Juli nachm. Bericht lag dem Kaiser vor von ihm am 20. Juli zurückgegeben, am 23. Juli wieder im Amt Kaiser befahl durch Randverfügung Mitteilung an den Botschafter in Wien die indessen tatsächlich nicht erfolgt ist. '

''beabsichtigte vom Kaiser zweimal unterstrichen. "Zivilisierte.! vom Kaiser zweimal unterstrichen.

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habe, und jeder Versuch, die Macht der Regierung zu erweitern und ihr ein energisches Durchgreifen zu ermöghchen, sei stets noch an dem Widerstand der Skupschtina gescheitert. Soweit es in seiner Macht, innerhalb der bestehenden Gesetzgebung, liege, werde er die Tätigkeit der nationahstischen Blech ! Verbindungen streng kontrollieren und alle Elemente

ausweisen, die hier einen Unterschlupf suchen. Er habe sich auch mit dem Kultusminister bereits ins Benehmen gesetzt, um durch eine schärfere Kontrolle der Schulen und der mit ihnen in Verbindung stehenden Turnvereine zu verhindern, daß unver- standene politische Theorien in diesen gelehrt und verbreitet imd die Jugend mit solchen angefüllt und verhetzt werde. Endlich solle der freie Handel und Verkehr mit Schußwaffen und Explosivstoffen eingeschränkt und strengeren Kautelen als bisher unterworfen werden. Eine gesetzliche Regelung dieser Materie liege im Projekt bereits vor, sei aber von der Skupschtina bis jetzt nicht votiert worden.

V, Gr ie sin ge r Phrasen !

Nr. 32 a

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten im kaiserlichen Gefolge*

Telegramm 77 Berlin, den 11. Juli 1914*

Da Wien noch keinerlei Schritte in Belgrad unternommen hat, würde Unterlassung des gewohnten Telegrammes zu sehr auffallen und eventuell zu frühzeitige Beunruhigung hervorrufen.

Befürworte dahei Absendung 2.

Jagow

^ Nach dem Konzept von Zimmermanns Hand. ' 6*^ nachm. zum Haupttelegraphenamt. Siehe Nr. 30a

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Nr. 33

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Rom*

Telegramm i Berlin, den ii. Juli 1914^

Ganz geheim!

Kaiser Franz Joseph hat an S. M, den Kaiser und König ein geheimes Handschreiben gerichtet*, worin die gegenwärtige Lage vom österreichisch-ungarischen Standpunkt dargestellt und die Not- wendigkeit hervorgehoben wird, energische Maßnahmen gegen die von russischen und serbischen Panslawisten betriebene Agitation zu ergreifen, die eine Zertrümmerung der Donaumonarchie sowie die Schwächimg des Dreibundes erstrebe und das Attentat in Sarajevo gezeitigt hätte.

Wir haben es der österreichisch-ungarischen Regierung überlassen, die ihr geeignet scheinenden Schritte zu tim und ihr erforderlichen- falls unsern Beistand im Sinne des Bündnisses zugesagt. Wir haben uns ferner damit einverstanden erklärt, daß Österreich-Ungarn in Verhandlungen mit Bulgarien wegen dessen Beitritt zu unserer Bündniskombination tritt.

König von Rumänien, durch uns über diese Absicht informiert, hat sich reserviert, aber nicht ablehnend verhalten.

Die Untersuchungen, zu denen das Attentat in Sarajevo Anlaß gegeben, sind noch nicht abgeschlossen. Die Wiener Regierung dürfte die weiteren Entscheidungen nach deren Ergebnis treffen.

Vorstehendes zu Ew. Exz. rein persönlicher Orientierung. Eine Information des Marquis San Giuliano dürfte sich wegen seiner Hin- neigung zu Serbien gegenwärtig nicht empfehlen, doch bitte ich, ihn auf die maßlose Sprache der serbischen Presse hinzuwei,-en und zu bemerken, daß es für Österreich -Ungarn kaum möglich sein würde, derartige Provokationen ruhig hinzunehmen. Ferner dürfte Marquis San Giuliano vorsichtig darauf vorbereitet werden, daß wir eine Annäherung an Bulgarien erwägen, wobei jedoch Gegensatz zu Rumänien vermieden werden solle* ^.

Jagow

1 Nach dem Konzept. Entwurf Bergens mit Änderungen Jagows. ^ 9^° nachm. zum Haupttelegraphenamt.

2 Siehe Nr. 13.

* Letzter Satz von Jagow dem Entwurf Bergens angefügt. 6 Siehe Nr. 38.

56

Nr. 34

Der Gesandte in Athen an den Reichskanzler ^

Streng vertraulich! Athen, den 6. Juli 1914^

Mein itahenischer Kollege teilt mir streng vertrauHch mit, der italienische Botschafter in Petersburg habe einen sehr alarmierenden Bericht nach Rom gerichtet über kriegerische Vorbereitungen Rußlands. Der Bericht sei sehr eingehend und gehe ins Detail. Erwähnt seien auch ungeheure Geldforderungen der russischen Regierung, die in einer geheimen Sitzung der Duma oder einer Kommission zu Kriegs- rüstungen bewilhgt worden seien ^.

Quadt

1 Nach der Entzifferung.

- Berliner Eingangsvermerk: 12. Juli vorm. Der Reichskanzler hat am

14. Juli von dem Stück Kenntnis genommen. 3 Jagow bemerkt dazu am Rande: »Wenn die Nachricht von Petersburg

nach Rom und von dort nach Athen gegangen ist, muß sie jedenfalls

schon etwas älteren Datums sein«.

Nr. 35

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt^

Telegramm 86 Wien, den 11. Juli 1914^

Geheim !

Da Graf Berchtold heute abend über Sonntag nach Buchlau gefahren, habe Telegramm^ Graf Forgäch ganz vertrauhch mitgeteilt. Dieser bittet mich, seinen ganz besonderen Dank Ew. Exz. für den Schritt in Bukarest und die Mitteilung zu übermitteln. Die Antwort des Königs an unseren Geschäftsträger fand Graf Forgäch über Erwarten günstig. Daß König Carol zunächst Bedenken gegen ein Bündnis mit Bulgarien geäußert habe, sei ja natürlich. Wertvoll dagegen, daß er sich nicht prinzipiell dagegen gestellt und daß er ein Ab- rücken von Serbien für tunüch bezeichnet habe.

Tschirsch ky

1 Nach der Entzifferung.

^ Datiert in Wien: 11. Juli, aufgegeben 12. Juli ii^'^ vorm., eingetroffen im Auswärtigen Amt 12. Juli 12^* nachm. Am 13. Juli von Jagow nach Vor- nahme kleiner Änderungen dem Geschäftsträger in Bukarest »zur persön- lichen Information« mitgeteilt, abgegangen 14. Juli 4*^ nachm.

ä Siehe Nr. 28, Anm. 2.

57

Nr. 36

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in London^

Telegramm 155 Berlin, den 12. Juli 1914'*

Geheim !

Die Untersuchimg des Mordes von Sarajevo läßt immer deutlicher erkennen, daß die geistigen Urheber in politischen und militärischen Kreisen Belgrads sitzen. Es besteht die Möghchkeit, daß Österreich sich infolgedessen zu ernsteren Maßnahmen gegen Serbien entschließen und diese zu allgemeinen Komplikationen führen könnten. Wir wünschen unter allen Umständen Lokalisierung des Konflikts^. Hierzu ist es nötig, daß die öffentliche Meinung in Europa es ihren Regierungen ermöglicht, der Austragung der Differenz* zwischen Österreich und Serbien ohne Parteinahme zuzusehen. Es ist daher erforderlich, daß auch in der dortigen Presse schon jetzt eine Stimmung geschaffen wird, die in dem Attentat ebenso wie seiner Zeit in der Ermordung des serbischen Königspaares den Ausfluß einer mit dem Kultur- gewissen Europas unvereinbaren politischen Verbrech er moral sieht und die es begreiflich erscheinen läßt, daß die Nachbarmonarchie sich gegen diese dauernde Bedrohung von serbischer Seite zur Wehr setzt. Bitte in diesem Sinne tunlichst ^ auf die dortige Presse ein- zuwirken, dabei aber sorgfältig alles vermeiden, was den Anschein erwecken könnte, als hetzten wir die Österreicher zum Kriege^.

Jago w

' Nach dem Konzept. Entwurf von der Hand des Vortragenden Rats im Auswärtigen Amt von Radowitz vom 7. Juli mit Änderungen Zimmermanns vom 12. Juli.

'■^ Zum Haupttelegraphenamt 6^" nachm.

^ Der Satz »Es besteht Konflikts« von Zimmermann geändert aus

Radowitz' ursprünglichem Text: »Österreich scheint entschlossen, sich diese Gelegenheit zur Abrechnung mit Serbien nicht entgehen zu lassen. Wir stehen dieser Auffassung sympathisch gegenüber, wünschen aber einen etwaigen Krieg lokalisiert zu sehen.«

* »Der Austragung der Differenz« von Zimmermann geändert aus Radowitz' ursprünglichem: »dem Kampf«.

^ »tunlichst« von Zimmermann beigefügt.

^ Siehe Nr. 43 und 48.

^

Nr. 37

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien ^

Geheim! Berlin, den 12. Juli 1914^

Zur streng vertraulichen Orientierung des Grafen Berchtold

Nach geheimen Nachrichten liegt Rußland und Serbien die vertrauliche Information vor, daß Österreich- Ungarn seine Garnisonen an serbischer und russischer Grenze unauffällig verstärkt.

Jagow

* Nach dem Konzept. Entwurf von der Hand Zimmermanns. 2 Zur Post gegeben 8*^ nachm.

Nr. 38

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 2 Fiuggi Fönte, den 12. Juli 1914^^

Marquis di San Giuliano sagt mir, daß er sofort nach Ermordung des Erzherzogs den italienischen Vertreter in Belgrad beauftragt habe, serbischer Regierung sehr dringend zur Mäßigung zu raten. Er glaube auch, daß diesem Rat entsprochen werden würde. Für Ausschrei- tungen der Presse könne in demokratischen Ländern Regierung nicht verantwortlich gemacht werden, österreichische Regierung dürfe sich darin nicht ins Unrecht setzen. Übrigens melde heute itaUenischer Botschafter in Wien, daß österreichische Regierung keine Befürchtungen wegen ernster Komphkation mit Serbien habe.

In Bulgarien sei nach Meldung italienischen Vertreters in Sofia Handstreich gegen König Ferdinand von russischer Partei zu befürchten.

Flotow

^ Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Fiuggi Fönte den 12. Juli 7*^ nachm., angekommen im Aus- wärtigen Amt 10 2^ nachm. Eingangsvermerk: 13. Juli vorm. Der letzte Absatz »In befürchten« am 13. Juli vorm. von Jagow tele- graphisch zur »rein persönlichen Information« dem Gesandten in Sofia,

die beiden ersten Sätze »Marquis würde« unter dem 13. Juli

durch Erlaß »Zur persönlichen Information« dem Gesandten in Belgrad mitgeteilt.

^ Siehe Nr. 33.

59

Nr. 39

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien und den Gesandten in Bukarest*

Geheim! Berlin, den 13. Juli 1914

Zu Ew. pp. rein persönl. Information.

Graf Szögy^ny las mir heute ein Telegramm des Grafen Czernin aus Bukarest über eine Audienz vor, die letzterer bei König Carol gehabt hat.

Der König hat danach dem Gesandten gegenüber geäußert:

1. Er sei gewiß, daß das offizielle Serbien die Mordtat von Sarajevo ebenso verdamme wie die übrige Welt, man dürfe die Mordbuben nicht mit dem offiziellen Serbien in einen Topf werfen.

2. Er sei gewiß, daß die serbische Regierung die Untersuchung gewissenhaft führen werde, würde es aber begreiflich finden, wenn Serbien die Führung der Untersuchung durch österreichische Kom- mission nicht zulassen würde.

3. Er bedauerte die Sprache der serbischen Presse, aber auch gewisse Hetzereien der österreichisch-ungarischen Zeitungen.

Der König wünsche offenbar eine friedhche Lösung der Frage, sei aber einer Äußerung über die Stellungnahme Rumäniens im Falle eines Konfhkts ausgewichen.

Im Laufe der Konversation habe der König, auf Äußerungen rumänischer Politiker: Bratianus, Marghilomans und Take Jonescus bezugnehmend, sich diese zu eigen gemacht, daß nämlich »nach Er- mordung des Thronfolgers die Zukunft Österreich-Ungarns dunkel erscheine und den Großmächten zu großem Pessimismus Anlaß geben müssea.

Graf Berchtold bittet den Grafen Szögy^ny, bei Mitteilung dieser Äußerung des Königs mich daran zu erinnern, daß König Carol sclion im Laufe des Winters dem österreichischen Gesandten einmal gesagt habe, er würde seine Pohtik nicht gegen die öffentüche Meinung seines Landes füliren können.

Graf Berchtold knüpft hieran pessimistische Ansichten über die Haltung Rumäniens, hofft aber doch, daß es noch dem Eingreifen unseres Allergnädigsten Herrn gelingen werde, Rumänien beim Drei- bimd zu halten.

* Nach dem Konzept von Jagows Hand. Abgegangen nach Wien, mit Aus- lassung des letzten Absatzes, am 13. Juli nachm.; abgegangen nach Bukarest, mit vollem Text, am 14. Juli

6o

Die Äußerungen des Königs über Österreich -Ungarn lassen sich aus dem Zusammenhang gerissen, wie Graf Czernin sie berichtet schwer beurteilen. Mit der Besorgnis, daß der Tod des Erzherzogs im jetzigen Moment für die Monarchie folgenschwer sein kann, dürfte der König nicht allein stehen. Daß aber ein so vorsichtiger Politiker wie König Carol den österreichischen Gesandten auf die Möglichkeit des Zusammenbruchs seines Vaterlandes hat hinweisen wollen, ist kaum anzunehmen. Jedenfalls läßt sich aus der Äußerung noch nicht ohne weiteres auf die zukünftige Haltung Rumäniens schließen.

Dagegen läßt sich wohl aus der Art der Berichterstattung über diese Äußerung auf einen weitgehenden diplomatischen Dilettantismus des Autors schließen.

Jagow

Nr. 40

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt ^

Telegramm Sy Wien, den 13. JuH 1914^

s

Graf Berchtold teilt durchaus die Ansicht Ew. Exz. ', daß die Ergebnisse der Untersuchung in Sarajevo nicht im einzelnen, sondern Richtung serbischer Politik und ihre Folgen zusammenfassend dar- zustellen sein werden.

Minister ist jetzt selbst überzeugt, daß schnellstes'^ Handeln geboten ist. Er hofft morgen mit Tisza über Wortlaut der an Serbien zu richtenden Note ins Reine zu kommen, würde diese dann Mittwoch, den 15. Juli, dem Kaiser in Ischl unterbreiten, worauf dann unverzüglich mithin noch vor Abreise Poincares Über- gabe in Belgrad erfolgen könnte.

Tschirschky

1 Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Wien 13. Juli 3**' nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 7** nachm. Eingangsvermerk: 14. Juli vorm. Der zweite Abschnitt von Jagow am 14. Juli 11^^ vorm. telegraphisch dem Kaiser mitgeteilt, dem die Ent- zifferung nachmittags nach 5 Uhr vorlag.

^ Siehe Nr. 31.

* Die Worte »jetzt selbst überzeugt« und »schnellstes« vom Kaiser zweimal unterstrichen.

6i

Nr. 41

Der Geschäftsträger in Bukarest an den Reichskanzler ^

Ganz geheim! Bukarest, den 11. Juli 1914 ^

S. M. der König empfing mich gestern um 12^/2 Uhr in Sinai a. Ich hatte die Ehre, hierauf zur Frühstückstatel zugezogen zu werden, nach der sich S. M. noch längere Zeit in Gegenwart des Prinzen von Rumänien mit mir über die in der Audienz schon besprochenen Fragen unterhielt.

S. M. hörte meine im Namen Sr. M. des Kaisers und Königs gemachten Ausführungen mit lebhaftem Interesse an. Bei den Stellen, die von dem Freund- schaftsverhältnis zwischen Rumänien und Serbien, sowie über die in Rumänien bestehende Agitation gegen Österreich -Ungarn handelten, machte S. M. eine zustimmende Kopfbewegung. Auch zu den Äußerungen, daß Höchstderselbe dem österreichi- schen Vertreter letzter Zeit zweimal gesagt habe. Er werde im Falle eines Krieges, mit Rücksicht auf die österreichfeindliche Stimmung in Rumänien, Höchstseinen Bundespflicliten nicht nachkommen können, und als ich davon sprach, daß S. M. der Kaiser und König in Wien stets für eine Verständi- gung mit Serbien eingetreten sei, stimmte S. M. beifällig zu. Als von den Bestrebungen Rußlands, einen neuen Balkanbund mit einer direkten Spitze gegen Österreich -Ungarn zu gründen, die Rede war, unterbrach mich Höchstderselbe mit der Bemerkung, daß ihm von einer solchen Absicht Rußlands nichts bekannt sei. ^

Am Schlüsse meiner Ausführungen bemerkte S. M. zunächst, Er glaube nicht, daß die serbische Regierung mit dem Attentat in Sarajevo in Ver-

^ Nach der Ausfertigung. Siehe Nr. 16 und 28.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 14. Juli vorm. Bericht lag dem Kaiser vor, von ihm am 20. Juli zurückgegeben, am 23. Juli wieder im Amt Kaiser befahl durch Randverfügung Muteilung an die Botschafter in Wien, Rom und Petersburg, die indessen tatsächlich nicht erfolgt ist.

^ Am Rand Fragezeichen und Ausrufungszeichen des Kaisers. Aktenstücke I. j

62

bindung gebracht werden könnte. Er habe dies auch schon dem Grafen Czernin gesagt und ihn ge- fragt, ob man denn in Wien sichere Beweise da- für besitze. *

Hierauf sprach sich S. M., wie ich schon tele- graphisch berichtet habe, über die Aussichtslosigkeit eines Bündnisses mit Bulgarien aus. Als S. M. da- von sprach, daß Rumänien nicht sofort mit Bulgari« n in ein Bündnisverhältnis treten könne, wies er auf den letzten Grenzzwischenfall, bei dem ein rumäni- scher Soldat von einem bulgarischen erschossen wurde, sowie darauf hin, daß die Stimmung in Bulgarien gegen Rumänien sehr erregt sei.

S. M. meinte weiter, die Lage sei zwar augen- blicklich ernst, doch nicht hoffnungslos. In Wien scheine man den Kopf verloren zu haben. Es wäre gut, von Berlin aus auf den Ballplatz einzuwirken, um der dort herrschenden kleinmütigen Stimmung ^ auszuhelfen. Über die politischen Fähigkeiten des Grafen Berchtold sprach sich S. M. nicht gerade schmeichelhaft aus. Der König tadelte die Organi- sation in Bosnien und meinte, man wisse tatsächlich heute noch nicht, ob Österreich oder Ungarn dort regiere.

Während S. M. früher die Mißstimmung im Lande gegen Österreich-Ungarn als eine Welle, die wieder vorübergehen werde, bezeichnet hatte, äußerte Er sich gestern dahin, daß die Agitation eine ernste sei. Höchstderselbe stimmte mir bei, als ich die Ansicht aussprach, dieselbe sei deshalb so heftig geworden, weil man hier Österreich für schwach halte, und zudem das Selbstbewußtsein in Rumänien so außerordentlich gestiegen wäre. Als ich erwähnte, daß hier vielfach der Glaube bestehe, Siebenbürgen werde in nicht zu ferner Zeit Rumänien zufallen, meinte S. M., Er trete dieser Auffassung hier scharf entgegen und habe offen ausgesprochen, daß Er sich zu einer Eroberung Siebenbürgens niemals hergeben werde. Nach der Tafel kam das Gespräch nochmals auf diese Frage, wobei der König, zum Prinzen Ferdinand gewendet, äußerte: »Wir werden das ja nicht mehr erleben. Dein Sohn vielleicht.«

Am Rand Ausrufungszeichen und Fragezeichen des Kaisers. ' Desgleichen.

63

S. M. sprach sich bezüghch Serbiens dahin aus, daß man vor allem den gexvissenlosen Preßtreibereien entgegentreten müsse; diese trügen die Hauptschuld an allem Unheil und hielten die Gemüter in steter Erregung.

Auch in Österreich müsse auf die Presse gewirkt werden, damit diese nicht allzu sehr gegen Serbien hetze. Sasonow habe Ihm gesagt, Rußland denke nicht daran, einen Krieg zu führen, weil es in diesem Falle viel zu sehr innere Unruhen befürchten müsse, aber einen Angriff Österreichs auf Serbien könne es nicht dulden. Bei einem solchen, fuhr der König weiter, habe Rumänien keine Verpflichtungen.

Über Bulgarien bemerkte der König, im Laufe des Gesprächs habe sich Sasonow Ihm gegenüber derart despektierlich ausgesprochen, daß Er förmlich als Verteidiger aufgetreten sei. Der König erörterte auch die Frage bezüghch der Stellung Griechenlands im Falle eines Bündnisses mit Bulgarien und meinte, eine Verständigung zwischen diesen beiden Staaten könne nur erfolgen, wenn Griechenland Kavalla wieder \urückgäbe.

Die pohtische Lage hält der König auch beson- ders mit Rücksicht auf Albanien für sehr bedenklich. Mit Recht Er zeigt sich sehr unzufrieden über die Haltung Italiens daselbst. Insbesondere bezeichnete Er es als unglaubhch, daß man einen Gesandten wie Aliotti dahin geschickt habe. Dieser hätte seinerzeit London wegen Falschspielens eiligst verlassen müssen. AHotti habe dem Fürsten seinerzeit geradezu gedroht, die Truppen zurückziehen zu lassen, wenn der Fürst sich nicht auf ein Schiff begebe.

Um auf die Stimmung in Serbien gegen Öster- reich möghchst wirksamen Einfluß nehmen zu können, hält S. M. für unbedingt notwendig, daß Schritte von Berlin aus in Petersburg^ in diesem Sinne gemacht werden.

Dort müsse man zu verstehen geben, daß es sich jetzt nicht mehr lediglich um Rassenstreitig- keiten, sondern um sehr wichtige dynastische In- teressen handele. Was gestern in Sarajevo geschehen sei, könne sich morgen ebenso gut in Petersburg ereignen. Man möge daher von Petersburg aus ernste Schritte in Belgrad unternehmen. Er, der

doch!

Am Rand Fragezeichen des Kaisers.

7*

64

König, sei bereit, auch seinerseits in diesem Sinne einen Druck auf Serbien auszuüben. Femer wolle Er Seinen Gesandten in Petersburg, der demnächst mit der Deputation des dem Zaren verliehenen Regimentes nach Petersburg gehen werde, dies- bezüghch Instruktionen erteilen. Der König würde großen Wert darauf legen, daß eine Demarche Deutschlands in dem gedachten Sinne in Petersburg erfolge, doch bat er. Ihn nicht als den Urheber der- selben zu bezeichnen. Höchstderselbe kamt mehrfach auf die Notwendigkeit eines derartigen Schrittes zurück und schien sich von einem solchen viel zu versprechen. Als ich nach der Frühstückstafel die Gelegenheit benutzte, um Sr. M. auftragsgemäß von der tiefen Wirkung Höchstseiner kürzlich ge- machten Demarche in Athen, die die Erhaltimg des Friedens bezweckte, zu sprechen, und dabei den Allerhöchsten Randvermerk' auf dem Bericht des Grafen Quadt zur Kenntnis brachte, zeigte sich der König sichtlich erfreut, und meinte, nun hätte S. M, der Kaiser durch eine Demarche in Petersburg Gelegenheit, ebenfalls der Sache des Friedens e^nen großen Dienst zu erweisen.

Über weitere Eindrücke, die ich aus meiner Unter- redung mit Sr. M, gewonnen habe, werde ich dem- nächst berichten.^

Waldburg

' Der Randvermerk des Kaisers findet sich auf folgendem Telegramm des stellvertretenden Staatssekretärs an den Kaiser vom 19. Juni:

Wien, Rom, Bukarest, Ew. M. Gesandter in Athen telegraphiert:

Stambul, London, Paris, ... ^ 1 i 1 r^ •«»•

Petersburg. »Kumamens Schritt, der hier nur Konig, Minister-

Der König hat uns allen Präsidenten und Minister der auswärtigen Angelegen-

einen großen Dienst er- heiten bekannt ist, hat ungeheure Wirkung gehabt, und

wiesen! Wir können -^j^ j^^j^^ Frieden, wenn Türkei weiter vorsichtig handelt,

thm alle sehr dankbar ^ . ,. , . , "

sein! VT. *'^'' Ziemlich gesichert.

der muß scharf \uge- riauptgefahr schien mir darin zu liegen, daß grie-

redet werden! chische Regierung gegenwärtige Streitfrage mit der sehr erfreulich! Türkei mit Inselfrage verquickt und hierin neue Forde- rungen betreffend Anerkennung stellen würde. Diese Absicht hat entschieden einmal bestanden, scheint aber jetzt, wie Streit mir versichert, aufgegeben.«

AUeruntertänigst

Zimmermann ^ Siehe Nr. 66

65

Nr. 41 a

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt*

Wien, den 13. Juli 1914*

Die Haltung der hiesigen Presse verfolgt sichtlich die vom Ballhausplatz inspirierte Tendenz, die öffentliche Meinung nicht vorzeitig zu beunruhigen. Zugleich wird aber durch ausführliche Reproduktion der serbischen Preßartikel für deren weiteste Ver- breitung gesorgt und darauf hingewiesen, daß Serbien durch seine Wühlereien, die in dem Attentat auf den Thronfolger gipfelten, allen Kredit in Europa verloren haben müsse. So bemerkt die heutige Wiener Sonn- und Montagszeitung, daß Europa zum Glück wisse, was es von den bewußten Entstellungen, die man jetzt von Belgrad aus über die ganze Welt zu verbreiten suche, zu halten habe. Ins- besondere werde man in England nicht an die Lüge glauben, daß die serbischen Staatsangehörigen der Monarchie in den südlichen Ländern unterdrückt worden seien. Die Serben glaubten selbst nicht mehr daran, daß das Recht auf ihrer Seite sei.

In einem anscheinend offiziösen Entrefilet bemerkt dasselbe Blatt:

»Mit Rücksicht darauf, daß die Untersuchung über das Sarajevoer Mordattentat noch nicht zum Abschlüsse gelangt ist, sind auch alle Kombinationen über Form und Inhalt einer allfälligen diplomatischen Aktion Österreich-Ungarns bei der Belgrader Re- gierung verfrüht und müßig. Die verschiedenen Meldungen, die über Ischler Audienz des Grafen Berchtold in die Welt gesetzt wurden, haben eine entschiedene Zurückweisung erfahren und sind endlich ganz verstummt. Um so gesprächiger ist man in Belgrad. Die serbischen Blätter strengen sich seit Tagen an, Beweise dafür zu erbringen, daß die Monarchie keinen Rechtstitel zu irgendwelchen Forderungen besitzt, und wehren sich heute schon gegen Zu- mutungen, die bisher niemand gestellt hat. Ein besonders voreiliger Herr in Konstantinopel, der dortige serbische Geschäftsträger, unter- nimmt sogar schon Einschüchterungsversuche für den Fall, als Österreich-Ungarn es wagen sollte, mit Serbien einen Streit anzu- fangen. Das Treiben der Herrschaften erinnert ganz an den Mann, der durch den Wald läuft und vor Angst aus Leibeskräften schreit. Er muß sich fortwährend hören, damit ihn die Furcht nicht über- wältigt.«

Die Tendenz, die Äußerungen der Presse noch in Schranken zu halten, geht auch aus einer offiziösen Budapester Korrespondenz der Wiener Sonn- und Montagszeitung hervor, in der es heißt, daß die

* Nach der Ausfertigung.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 14. Juli nachm.

66

Nachricht von der Einberufung eines neuerlichen gemeinsamen Ministerrats an maßgebender Stelle als unrichtig bezeichnet werde. Die Notwendigkeit eines neuen Ministerrats bestehe nicht, da die gemeinsame Regierung bereits über alle Eventualitäten übereinge- kommen sei. Die Meldung sei offenbar durch ein Mißverständnis entstanden. Graf Tisza beabsichtige nämlich, auf einen Tag nach Wien zu reisen, um sich über den Abschluß der Sarajevoer Unter- suchung zu informieren, nachdem die Opposition in Ungarn neuer- liche Interpellationen über die großserbische Bewegung vorbereite, und Graf Tisza seine letzte Rede, falls eine Notwendigkeit bestehen sollte, zu ergänzen beabsichtige.

Auch auf die Börse wird einzuwirken gesucht, die in den letzten Tagen sehr stark nachgegeben hatte. In der Presse wird an die Großbanken appelliert, deren Pflicht es sei, »sich in die Bresche zu stellen, wenn eine eminente Gefahr einer aller Voraussicht nach sogar ganz unmotivierten Entwertung drohe. Das Großkapital solle durch seine Haltung den Kunden und dem ganzen Markte zeigen, ein wie schlechter Berater in schweren Zeiten der Pessimismus sei.«

Die »Montags-Revue« schreibt: »Die Frage, ob und in welchem Umfange eine Mitschuld des offiziellen Serbien an der Tragödie von Sarajevo nachweisbar, kann noch nicht abschließend beantwortet werden. Gewiß ist aber, daß die Vorgänge und Kundgebungen der letzten Tage die ganze Unverfrorenheit und Tollkühnheit der ser- bischen Austrophobie enthüllen.

Man kann es nur billigen, wenn bei den Entscheidungen unserer Regierung auch weiterhin jede Voreiligkeit, jedes Nachgeben gegen Temperamentswallungen vermieden bleibe. Auch unsere öffentliche Meinung muß ihre Ruhe bewahren. Selbst dann, wenn eine diplo- matische Auseinandersetzung über das Drama von Sarajevo den gleichen Verlauf nähme, wie frühere Diskussionen, in welchen das amtliche Serbien uns vorerst durch läppische Ableugnungen ver- höhnte und uns schließlich Versprechungen erteilte, deren Ein- haltung nicht einen Augenblick ernstlich beabsichtigt war. Niemand wird bei uns so naiv sein, von einer in Belgrad veranstalteten Forschung nach Mitschuldigen der Mörder konkrete Ergebnisse zu erwarten. Auch das Eingehen des Belgrader Kabinetts auf die Forderung nach formeller Desavouierung der großserbischen Propa- ganda, nach künftiger Unterdrückung dieser Bewegung wäre ledig- lich ein diplomatischer Erfolg von sehr geringer greifbarer Be- deutung. Nur Tatsachen könnten beweisen, daß man sich in Belgrad unter der Wucht eines internationalen Verdikts zu einer Umkehr bequemt, die eine wirkliche Klärung des Verhältnisses zu Österreich-Ungarn ermöglichen würde.«

Nach der Mordtat von Sarajevo müsse das Verhältnis Öster- reich-Ungarns zu Serbien nur vom Standpunkte des nüchternsten Realismus beurteilt und geregelt werden. In Belgrad habe man Ent- scheidungen zu treffen, deren Tragweite noch über die sachliche Er-

67

wägung einer hochernsten Kontroverse hinausreiche. Es handele sich um eine letzte Erprobung der Vernunft und Einsicht der Staatslenker Serbiens. Werde die Probe nicht bestanden, so müßte die offizielle Politik der Monarchie durch das Beharren bei der bis- herigen Methode den unentbehrlichen Rückhalt verlieren. Sie würde unverständlich für die Bevölkerung Österreich-Ungarns werden.

von Tschirschky

Nr. 42

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt^

Telegramm 5 Fiuggi Ponte, den 14. Juli 1914^

Obwohl Marquis di San Giuliano immer noch erklärt, daß Be- richte des italienischen Botschafters in Wien über Serbien nicht pessi- mistisch lauten, hat er doch bereits Gutachten des Völkerrechts- kundigen Herrn Fusinato über Rechtslage eingezogen und sagt mir, nach italienischer Auffassung könne eine Regierung nur wegen Verbrechen gegen gemeines Recht, nicht wegen politischer Propaganda reklamieren, wenn diese Propaganda nicht zur Tat übergehe^. Er fürchte daher, Italien würde österreichische Reklamation nicht unter- stützen können, ohne sich in Widerspruch zu tief begründeter Über- zeugung des italienischen Volkes und zu liberalen Prinzipien zu setzen. Habe erwidert, daß man zunächst überhaupt Inhalt österreichischer Reklamation abwarten müsse, daß aber, wenn Konflikt entstehen sollte, es sich nicht mehr um juristische Fragen, sondern um politische handeln würde. Marquis di San Giuliano bestand aber darauf, daß itaüenische Regierung niemals gegen Prinzip der Nationalität an- kämpfen könne. Minister will uns anscheinend vorbereiten, daß er bei weiterer Komplikation nicht an Seite Österreichs bleiben kann, österreichische Regierung wird mit diesem Umstand rechnen müssen. Weisungsgemäß habe ich Marquis di San Giuliano in Aussprache zwischen Wien und Berlin noch nicht eingeweiht. Minister sagt mir, Rußland habe in Belgrad zu Nachgiebigkeit geraten; es werde gut sein, wenn alle Regierungen diesem Beispiel folgten.

österreichischer Botschafter sagt mir ganz geheim, daß in Wien Entschlossenheit zu aktivem Vorgehen besteht.

Floto w

* Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Fiuggi Fönte 2* nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 5*^ nachm. Eingangsvermerk: 14. Juli nachm. Unter Auslassung der Sätze

»Weisungsgemäß eingeweiht« und »Österreichischer

besteht« und unter Beifügung eingehender Erörterungen Jagows am 15. Juli dem Botschafter in Wien mitgeteilt (siehe Nr. 46).

» Siehe Nr. 64

68

Nr. 43

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt*

Telegramm 129 London, den 14. Juli 1914*

Geheim !

Ich habe bereits versucht, in diesem Sinne ^ vertraulich und vorsichtig Fühlung zu nehmen, verspreche mir aber angesichts der bekannten Unabhängigkeit der hiesigen Presse derartigen Einwir- kungen gegenüber nur wenig Erfolg. Es wird schwer halten, die gesamte serbische Nation als ein Volk von Bösewichten und Mördern zu brandmarken imd ihm dadurch, wie der Lokalanzeiger bestrebt ist, die Sympathien des gesitteten Europas zu entziehen; noch schwerer aber die Serben, wie eine amtliche Persönlichkeit dem Wiener Vertreter des Daily Telegraph gegenüber tut, auf dieselbe Stufe zu stellen mit den Arabern in Ägypten und in Marokko oder mit den Indianern in Mexiko. Es ist vielmehr anzunehmen, daß die hiesigen Sympathien sich dem Serbentiun sofort und in lebhafter Form zuwenden werden, sobald Österreich zur Gewalt greift, und daß die Ermordung des hier schon wegen seiner klerikalen Nei- gungen wenig beliebten Tronfolgers nur als ein Vorwand gelten wird, den man benutzt, um den unbequemen Nachbarn zu schädigen. Die britischen Sympathien, namentlich aber die der liberalen Partei, haben sich in Europa meist dem Nationalitätenprinzip zugewandt, bei den Kämpfen der Itahener gegen die österreichische, päpstliche oder bourbonische Herrschaft, und haben bei Balkankrisen gewöhn- lich den dortigen Slawen gegolten. Sowohl wälirend der Annexions- krisis als auch im vorigen Winter bei akuten Fragen neigte die hiesige öffentliche Meinung zur Parteinahme für Serbien und Mon- tenegro, und es wäre daher damals schwer gefallen, die britische Zustimmung zu einem energischeren Vorgehen gegen König Nikolaus zu erlangen.

So sehr man also auch eine unnachsichtige strafrechtliche Verfolgung der Mörder begreifen wird, so wenig, fürchte ich, wird die öffentliche Meinung dafür zu haben sein, daß man die An- gelegenheit auf das politische Gebiet hinüberspielt und sie zum Aus- gangspunkt militärischer Maßnahmen gegen ein Volk von Ver- brechern macht. In diesem Falle dürfte auch das durch die innere Krise bereits geschwächte gegenwärtige Kabinett kaum die Kraft

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in London 14. Juli 5»^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8*^ nachm. Eingangsvermerk: 15. Juli vorm.

3 Siehe Nr. 36.

69

besitzen, um eine Politik zu unterstützen, die sowohl den ethischen Empfindungen der Nation als der Geschmacksrichtung der (liberalen)^ Partei widersprächet

Lichnowsky

* »liberalen« fehlt in der Entzifferung, da ZifFerngruppe unverständlich, s Siehe Nr. 48.

Nr. 44

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Rom und den Geschäftsträger in Bukarest*

Telegramm 4, 36 Berlin, den 14. Juh 1914^

Geheim!

Sollten die Resultate der Untersuchung über den Mord in Sarajevo Österreich- Ungarn zu ernsteren Maßnahmen gegen Serbien veranlassen, so hätten wir ebenso wie das übrige Europa das größte Interesse daran, einen hieraus sich eventuell ergebenden Konflikt zu lokahsieren. Dies hängt davon ab, daß die öffentliche Meinung in ganz Europa es ihren Regierungen ermögHcht, der Austragung der Differenz zwischen Österreich und Serbien untätig zuzusehen. Hierzu ist es notwendig, daß auch in der dortigen Presse die Auffassung Raiun gewinnt, bei diesem Konflikt handle es sich um eine An- gelegenheit, die nur die beiden Beteiligten betrifft. Man könne es Österreich nicht verdenken, wenn es sich gegen die stete Bedrohung seines Bestandes durch Treibereien im Nachbarlande mit jedem Mittel zur Wehr setzt. Die Sympathien der gesamten Kultiu^welt müßten in diesem Kampfe auf seiner Seite sein, da es sich darum handele, eine Propaganda endgültig zu ersticken, die selbst vor Meuchelmord als Kampfmittel nicht zurückschreckt und durch die skrupellose und frivole Art ihrer Ausübung einen Schandfleck für die europäische Kultur und eine dauernde Gefahr für den europäischen Frieden bilde.

Bitte in diesem Sinne tunhchst auf die dortige Presse einzu- wirken, dabei aber sorgfältig alles zu vermeiden, was den Anschein erwecken könnte, als hetzten wir die Österreicher zum Kriege '.

Jagow

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Radowitz' Hand.

* Telegramme am 14. Juli 10'^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.

' Siehe Nr. 47 und 54.

70

Nr. 45

Der Staatssekretär des Auswärtigen an die Botschafter in Wien und Konstantinopel ^

Berlin, den 14. Juli 1914 ^ Zu Ew. Exz. vertraulichen Information:

Graf Szögyeny las mir heute einen Erlaß des Grafen Berchtold vor, wonach dieser den Markgrafen Pallavicini darüber befragt hat, ob seiner Meinung nach die Türkei zum Anschluß an die europäi- schen Zentralmächte zu gewinnen wäre. Der Botschafter hat sich ungefähr dahin ausgesprochen, daß in Konstantinopel zur Zeit eine gewisse Neigung, sich Rußland zuzuwenden, nicht zu verkennen wäre. Diese Tendenz werde durch ein reges Mißtrauen gegen Italien wegen seiner den Türken verdächtigen Aspirationen in Kleinasien noch bestärkt. Zudem seien Rußland und Frankreich in Konstand- nopel stark an der Arbeit. Am ehesten würde die Türkei an Öster- reich und den Dreibund Anlehnung suchen, wenn die Monarchie durch energisches und erfolgreiches Vorgehen gegen Serbien sich wieder eine entscheidende Stellung im Balkan sicherte. Hieran an- knüpfend, hat Graf Berchtold den Grafen Szögyeny beauftragt, meine Ansicht darüber einzuholen, ob es nicht angezeigt erscheine, die Türkei schon jetzt zum Anschluß an die Zentralmächte zu bewegen.

Ich habe erwidert, daß meiner Ansicht nach, die übrigens auch von dem k. Botschafter in Konstantinopel geteilt werde, die Türkei für die nächsten Jahre wegen ihrer schlechten Armee Verhältnisse nur als passiver Faktor angesehen werden könne. Zu einer aggressiven Haltung gegen Rußland wäre sie außerstande. Zudem würde sie, wenn wir ihr den Anschluß an unsere Gruppe vorschlügen, un- zweifelhaft auch ihrerseits Forderungen an uns stellen. Einen abso- luten Schutz gegen Angriffe Rußlands auf Armenien z. B. könnten wir ihr aber gar nicht gewähren. Ich glaubte, daß die Türkei in ihrer jetzigen Lage gar keine andere Haltung einnehmen könnte, als zwischen den Mächten hin und her zu pendeln, bzw. sich der stärkeren und erfolgreicheren Gruppe anzuschließen. Sollte Rumänien fest zum Dreibund stehen und etwa Bulgarien auch an rnisere Gruppe Anschluß suchen, so würde das zweifellos auch auf die Haltung der Türkei Einfluß üben. Jetzt eine Demarche im Sinne der Anregung des Grafen Berchtold in Konstantinopel zu machen, erschiene mir zwecklos, wenn nicht wegen der zu erwartenden und unerfüll- baren Forderung von Gegenleistungen bedenklich.

Jago w

^ Nach dem Konzept von Jagows Hand.

2 Abgegangen nach Wien am 15., nach Konstantinopel am 17. Juli.

71

Nr. 46

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in

Wien'

Geheim! Berlin, den 15. Juli 1914^

- Der k, Botschafter in Rom telegraphiert:

»Obwohl Marquis di San Giuliano diesem Bei- spiel folgten«'

So austrophob im allgemeinen die itahenische öffentliche Meinung ist, so serbophil hat sie sich bisher immer gezeigt. Es ist auch für mich kein Zweifel, daß sie bei einem österreichisch-serbischen Konflikt sich prononziert auf Seiten Serbiens stellen wird. Eine territoriale Ausbreitimg der österreichisch-ungarischen Monarchie, selbst eine Ausdehnung ihres Einflusses im Balkan wird in Italien perhorresziert und als eine Schädigung der Position Italiens daselbst angesehen. Infolge einer optischen Täuschung wird angesichts der vermeintlichen Bedrohung durch das benachbarte Österreich die in Wirkhchkeit viel größere slawische Gefahr verkannt. Ganz abgesehen davon, daß die Pohtik der Regierung in Itahen nicht unwesentlich von den Stimmungen der öffentlichen Meinung abhängt, so beherrscht die obige Auffassung doch auch die Köpfe der Mehrzahl der italienischen Staatsmänner. Ich habe bei ihnen jedesmal, wenn eine Bedrohung Serbiens durch Österreich in Frage kam, eine außerordentliche Nervosität konstatieren können. Durch eine Partei- nahme Italiens für Serbien würde fraglos die russische Aktionslust wesentlich ermutigt. In Petersburg würde man damit rechnen, daß Italien nicht nur seinen Bundespflichten nicht nachkommt, sondern sich womöglich direkt gegen Österreich- Ungarn wendet. Ein Zusammenbruch der Monarchie würde für Italien ja auch die Aus- sicht auf Gewinnung einiger langbegehrter Landesteile eröffnen.

Es ist daher m, A. nach von größter Bedeutung, daß Wien sich mit dem Kabinett von Rom über seine im Konfliktsfalle zu verfolgenden Ziele in Serbien auseinandersetzt und es auf seiner Seite oder da ein Konflikt mit Serbien allein keinen casus fcEderis bedeutet strikt neutral hält. Italien hat nach seinen Abmachungen mit Österreich bei jeder Veränderung im Balkan zugunsten der Donaumonarchie ein Recht auf Kompensationen. Diese würden also das Objekt und den Köder für dje Verhand-

^ Nach dem Konzept von Jagows Hand.

Abgegangen nach Wien: 15. Juli.

Hier ist das Telegramm Flotows vom 14. Juli (siehe Nr. 42) unter Aus- lassung der Sätze »Weisungsgemäß eingeweiht« und »Öster- reichischer besteht« eingefügt.

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lungen mit Italien bilden. Nach unseren Nachrichten würde zum Beispiel die Überlassung von Valona in Rom nicht als annehmbare Kompensation angesehen werden. Italien scheint überhaupt von dem Wunsche, sich auf der altera sponda der Adria festzusetzen, zur Zeit abgekommen zu sein.

Wie ich streng vertrauhch bemerke, dürfte als einzige voll- wertige Kompensation in Italien die Gewinnung des Trento erachtet werden. Dieser Bissen wäre allerdings so fett, daß damit auch dgr austrophoben öffenthchen Meinung der Mund gestopft werden könnte. Daß die Hergabe eines alten Landesteils der Monarchie mit den Gefühlen des Herrschers wie des Volkes in Österreich sehr schwer vereinbar wäre, läßt sich nicht verkennen. Es fragt sich aber andererseits, welchen Wert die Haltung Italiens für die österreichische Poütik hat, welchen Preis man dafür zahlen will, und ob der Preis im Verhältnis zu dem anderwärts erstrebten Gewinne steht.

Ew. Exz. bitte ich, die Haltung Italiens zum Gegenstand einer eingehenden vertrauhchen Rücksprache mit dem Grafen Berchtold zu machen und dabei eventuell auch die Frage der Kompensationen zu berühren. Ob bei diesem Gespräch die Frage des Trento erwähnt werden kann, muß ich Ihrer Beurteilung und Kenntnis der dortigen Dispositionen anheimsteUen.

Die Stellungnalime Italiens wird jedenfalls für Rußlands Haltung bei dem serbischen Konflikt von Bedeutung sein; sollte sich aus letzterem eine allgemeine Conflagration ei geben, so würde sie auch für uns von größter militärischer Wichtigkeit werden.

Zur Vermeidung von Mißverständnissen bemerke ich noch, daß wir dem römischen Kabinett keinerlei Mitteilung über die Verhand- lungen zwischen Wien und Berhn gemacht haben, imd daß folghch auch die Kompensationsfrage von ims nicht erörtert worden ist.

V. Jagow

Nr. 47

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Rom ^

Telegramm 5 Berlin, den 15. Juli 1914*

Geheim 1

Erbitte Dralitnachricht, ob Ew. Exz. zur Beeinflussung dortiger Presse Geldmittel benötigen, eventuell welche Summe?'

Jagow

1 Nach dem Konzept. Entwurf von Radowitz' Hand. ^ Zum Haupttelegraphenamt i"* nachm. ä Siehe Nr. 44 und 54.

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Nr. 48

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in

London*

Telegramm 159 Berlin, den 15. Juli 19142»

Geheim 1

Ich erinnere mit dem Anheimstellen geeigneter Verwertung an die Ermordung des Königs Alexander und der Königin Draga sowie die Haltung, die sonst öffentliche Meinung wie Regierung in England bei diesem Anlaß Serbien gegenüber eingenommen und durch Jahre aufrechterhalten haben. Dasselbe System herrscht auch jetzt noch in Serbien, dieselben Kräfte dürften auch in der großserbischen Agitation wirken*.

Es handelt sich jetzt um eine eminent politische Frage, um die vielleicht letzte Gelegenheit, dem Großserbentum unter verhältnis- mäßig günstigen Begleitumständen den Todesstoß zu versetzen. Ver- säumt Österreich diese Gelegenheit, so ist es um sein Ansehen ge- schehen, und es wird auch tür unsere Gruppe ein noch schwächerer Faktor. Da bei den Ew. Durchl. bekannten intimen Beziehungen Englands zu Rußland eine andere Orientierung unserer Politik zur Zeit ausgeschlossen erscheint, ist es für uns vitales Interesse, die Weltstellung des österreichischen Bundesgenossen zu erhalten. Ew. Durchl. ist beksinnt, von welcher Bedeutung für uns bei etwaigen weiteren Konfliktsfolgen die Haltung Englands sein wird'".

Jagow

* Nach dem Konzept. Entwurf von der Hand des Dirigenten der politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes, Gesandten von Stumm mit Änderungen und Ergänzungen Jagows.

' Zum Haupttelegraphenamt nachm. ' Siehe Nr. 36 und 43.

* Der Satz »Dasselbe wirken« von Jagow im Stummschen Ent- wurf beigefügt.

' Die drei letzten Sätze »Versäumt sein wirda von Jagow in

Stumms Entwurf beigefügt. " Siehe Nr. 52.

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Nr. 49

Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler *

Ganz Geheim! Wien, den 14. Juli 1914*

Graf Tisza suchte mich heute nach seiner Be- sprechung mit Graf Berchtold auf. Der Graf sagte, er sei bisher stets derjenige gewesen, der zur Vor- sicht ermahnt habe, aber jeder Tag habe ihn nach der Richtung hin mehr bestärkt, daß die Monarchie unbedingt zu einem energischen Entschlüsse kommen müsse^, um ihre Lebenskraft zu beweisen und den unhalt' baren * Zuständen im Südosten ein Ende zu machen. Die Sprache der serbischen Presse und der serbischen Diplomaten sei in ihrer Anmaßung gerade:{u un- erträglich. »Ich habe mich schwer entschlossen, a meinte der Minister, »zum Kriege zu raten, bin aber jetzt fest von dessen Notwendigkeit über^^eugt, und ich werde mit aller Kraft für die Größe der Monarchie einstehen.«

Glücklicherweise herrsche jetzt unter den hier maßgebenden Persönüchkeiten volles Einvernehmen und Entschlossenheit ^. S. M. Kaiser Franz Joseph beurteile, wie auch Baron Burian, der S. M. noch dieser Tage in Ischl gesprochen habe, berichte, die Lage sehr ruhig und werde sicher bis zum letzten Ende durchhalten. Graf Tisza fügte hinzu, die bedingungslose Stellungnahme Deutschlands an der Seite der Monarchie sei entschieden für die feste Haltung des Kaisers von großem Einfluß gewesen.

Die an Serbien zu richtende Note sei heute noch nicht in ihrem letzten Wortlaut festgestellt worden. Dies werde erst Sonntag geschehen. In betreff des 2^itpunktes der Übergabe an Serbien sei heute beschlossen worden, lieber bis nach der wie schade Abreise Poincar^s aus Petersburg zu warten, also bis zum 25. Dann würde aber, sofort nach Ab- lauf der Serbien gestellten Frist, falls dieses nicht unbedingt alle Forderungen annehmen sollte, die

* Nach der Ausfertigung.

* Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts : 15. Juli nachm. Bericht lag dem Kaiser vor, von ihm am 20. Juli zurückgegeben, am 23. Juli wieder im Amt. Gemäß kaiserlicher Randverfügung am 26. Juli dem Generalstab mitgeteilt.

' »Entschlüsse kommen müsse« zvpeimal vom Kaiser unterstrichen.

* »unhaltbaren« zweimal vom Kaiser unterstrichen.

^ »Entschlossenheit« zweimal vom Kaiser unterstrichen.

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Mobilmachung erfolgen. Die Note werde so abge- faßt sein, daß deren Annahme so gut wie ausge- schlossen^ sei. Es komme besonders darauf an, nicht nur Versicherungen und Versprechungen zu fordern, sondern Taten. Bei der Abfassung der Note müsse, seiner Ansicht nach, auch darauf Rück- sicht genommen werden, daß sie für das große PubHkum besonders in England verständlich sei und das Unrecht klar und deutlich Serbien zu- schiebe.

Baron Conrad habe bei der letzten Be- sprechung auf ihn einen sehr guten Eindruck ge- macht. Er habe ruhig und sehr bestimmt ge- sprochen. In nächster Zeit müsse man sich freilich darauf gefaßt machen, daß die Leute wieder darüber klagen werden, man sei hier unentschlossen und \ögernd. Es komme darauf aber wenig an, wenn man nur in Berhn wisse, daß dies nicht der Fall sei.

Zum Schluß drückte mir Graf Tisza warm die Hand und sagte : »Wir wollen nun vereint der Zu- kunft ruhig und fest ins Auge sehen.«

von Tschirschky na doch mal ein Mann !

* »ausgeschlossen« zweimal vom Kaiser unterstrichen.

Nr. 50

Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler^

Ganz Geheim! Wien, den 14. Juli 1914^

Nachdem mich Graf Tisza verlassen hatte^, bat Graf B< rchtold mich zu sich, um mir seinerseits das Ergebnis der heutigen Besprechung mitzuteilen. Zu seiner großen Freude sei allseitige Überein- stimmung über den Tenor der an Serbien zu über-

* Nach der Ausfertigung.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 15. Juli nachm. Bericht lag dem Kaiser vor, von ihm am 20. Juli zurückgegeben, am 23. Juli wieder im Amt. ' Siehe Nr. 49.

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gebenden Note erzielt worden. Graf Tisza sei seiner, des Ministers, Auffassung in erfreulicher Weise ent- gegengekommen und habe sogar in manche Punkte eine Verschärfung hineingebracht. Allerdings habe sich in technischer Beziehung die Unmöghchkeit herausgestellt, die Note schon am i6. oder i8. in Belgrad zu übergeben. Der französische Text würde nächsten Sonntag früh 9 Uhr nochmals in einer Be- sprechung der Minister definitiv geprüft werden. Er werde dann voraussichtlich Dienstag dem Kaiser die Note in Ischl unterbreiten. Er stehe dafür ein, daß S. M. seine Genehmigung dazu geben werde.

Es habe Einmütigkeit darüber in der heutigen Besprechung bestanden, daß es empfehlenswert sei, schade ! jedenfalls die Abfahrt des Herrn Poincare aus Peters-

burg abzuwarten, ehe man den Schritt in Belgrad tue *. Denn es sei wenn möglich zu vermeiden, daß in Petersburg bei Champagner stimmimg und unter dem Einfluß der Herren Poincare, Iswolsky und der Großfürsten eine Verbrüderung gefeiert werde, die dann die Stellungnahme beider Reiche beeinflussen und womöglich festlegen würde. Es sei auch gut, wenn die Toaste noch vor Übergabe der Note er- ledigt seien. Es würde also die Übergabe am 25. Juli erfolgen können* ^.

Graf Berchtold bat mich, wie dies auch Graf Tisza getan, ausdrücklich imd wiederholt, meiner Regierung gegenüber keine Zweifel darüber zu lassen, daß lediglich die Anwesenheit Poincares in Peters- burg der Grund für den Aufschub der Übergabe der Note in Belgrad sei, und daß man in Berlin vollkommen sicher sein könne, daß von einem Zö- gern oder einer Unschlüssig keit hier keine Rede sei.

Der Minister sagte schließlich, er werde nach Feststellung des Textes am Sonntag der Kaiserlichen Regierung noch vor der Unterbreitung der Note an seinen Kaiser dieselbe zu ganz vertraulicher Kennt- nisnahme unverzüghch zukommen lassen.

von Tschirschky

* Am Rand Ausrufungszeichen des Kaisers. ' Siehe Nr. 93, 96 und 108.

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Nr. 51

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 7 Fiuggi, den 15. Juli 1914*

Marquis di San Giuliano befürchtet, daß Österreich bei Kon- flikt mit Serbien territorialen Erwerb plane, den Italien nicht dulden könne. Habe erwidert, daß ich glaube, Österreich wolle einfach fortgesetzte Bedrohung durch großserbische Propaganda hindern. Minister erklärt, solche Verhinderung durch Gewalt sei unmöglich. Propaganda würde sich einfach in geheime verwandeln. Es sei dringend zu wünschen, daß Österreich sich mäßige.

Flotow

1 Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Fiuggi 15. Juli 9*" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 16. Juli 12' vorm. Eingangsvermerk: 16. Juli vorm. Am 16. Juli nachm. von Jagow telegraphisch der Botschaft in Wien mitgeteilt.

Nr. 52

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 133 London, den 15. Juli 1914' '

Geheim !

Ich habe bereits versucht, sowohl durch wiederholte Besprechungen mit Sir E. Grey, über die ich berichtet, als auch durch vorsichtige Fühlungnalime mit der hiesigen Presse für eine günstige Beurtei- lung etwaiger sich als notwendig erweisender ernsterer Maßnahmen Österreichs gegen Serbien vorzuarbeiten. Sir E. Grey sagte, alles käme darauf an, welcher Art etwaige Eingriffe sein würden, keinenfalls dürfe eine Schmälerung des serbischen Gebiets in Frage kommen. Er hat auch, wie berichtet, sich daraufhin bemüht, in Petersburg zugunsten der österreichischen Ansprüche zu wirken. Sollte aber in Rußland infolge militärischer Maßnahmen Österreichs eine gewaltig erregte Bewegung entstehen, so würde er gar nicht in der Lage sein, die russische Politik in der Hand zu behalten und wird schon mit Rücksicht auf die Mißstimmung, die gegen England augenblicldich

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in London 15. Juli 9^° nachm., angekommen im Auswärtigen

Amt 16. Juli i^^ vorm. Eingangsvermerk: 16. Juli vorm. « Siehe Nr. 48.

Aktenstücke L 8

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in Rußland herrscht, und von der Graf Pourtales zu berichten weiß, auf russische Empfindlichkeiten Rücksicht nehmen müssen. Der Minister wird jedenfalls, dessen bin ich gewiß, bei Ausbruch eines österreichisch -serbischen Streits sein mögüchstes tun, imi Rußland zurückzuhalten. Ich glaube aber nicht, daß er dort, wie etwa in Paris, in der Lage ist, das entscheidende Wort zu sprechen*.

Was aber die hiesige öffentliche Meinung betrifft, so bedauere ich, die Ausführungen meines Telegramms Nr. 129* voll aufrechter- halten und nachdrückhch vor Täuschungen warnen zu müssen. Trotz der Bomben der Mazzinisten, die in der Verfolgung ihrer poH- tischen Zwecke kaum zartfühlender waren als die Mitgheder der Ochrana und bekannthch auch vor Attentaten auf Allerhöchste und Höchste Häupter nicht zurückschreckten, wandte sich die hiesige öffentliche Meinung der itahenischen Einheitsbewegung zu, feierte Garibaldi hier in überschwenglicher Form. Es gelang damals Öster- reich ebensowenig, der itahenischen Bewegung den Todesstoß zu ver- setzen wie sich hier Sympathie zu erwerben, und ich bezweifle, daß das Serbentum zum Verzicht auf Betätigung seiner nationalen Ideale und Hoffnung außerhalb seiner amtlichen Grenzen durch Aufwerfung der Machtfrage zu bewegen sein wird.

Lichno wsky

* Am Rande die Bemerkung Zimmermanns: »Ich bin vom Gegenteil über- zeugt. « ^ Am Rande die Bemerkung Jagows: »Das ist leider alles richtig.«

Nr. 53

Der Botschafter in Petersburg an den Reichskanzler^

St. Petersburg, den 13. Juli 1914^

Das Attentat in Sarajevo hat zwar auch hier einen tiefen Eindruck gemacht, und die Verurteilung des schändlichen Verbrechens kam im ersten Augen- bhck in weiten Kreisen laut zum Ausdruck. Der hier gegen Österreich-Ungarn herrschende tiefe Haß machte sich jedoch sehr bald auch bei diesem

^ Nach der Ausfertigung.

2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 16. Juli vorm. Bericht lag dem Kaiser vor, von ihm am 20. Juli zurückgegeben, am 23. Juli wieder im Amt. Gemäß kaiserlicher Randverfügung am 26. Juli den Botschaften in Wien, London und Paris mitgeteilt, am gleichen Tage außerdem noch der Botschaft in Rom.

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traurigen Anlaß geltend, und die Entrüstung über die an den Serben in der österreichisch-ungarischen Monarchie geübte Rache übertönte schon nach wenigen Tagen alle Äußerungen der Teilnahme für den greisen Kaiser Franz Joseph und sein Reich.

Die von der hiesigen österreichisch-ungarischen

Vertretung veranstaltete Trauerfeier fand allerdings

unter zahlreicher Beteihgung der offiziellen Kreise

statt. Von Großfürsten erschienen der mit der

Vertretung des Zaren beauftragte Großfürst Nikolai

Nikolajewitsch und der Großfürst Boris Wladimiro-

witsch. Die Minister waren nahezu vollzählig und auch

die militärische Umgebung des Zaren sehr zahlreich

vertreten. Abgesehen von dieser äußeren Beteiligung

war aber von einer aufrichtige?! Teilnahme an der

Trauer des österreichischen Kaiserhauses jvenig :{ii

merken. Nicht nur in der Presse, sondern auch in der

Gesellschaft begegnete man fast nur unfreundlichen

Er wollte ja immer Urteilen über den ermordeten Er:{her^og unter

den alten 3 Kaiser- Hinweis darauf, daß Rußland in ihm einen erbitterten

bund ^ Wiederher- ^^^-^^ verloren habe. Mit Vorliebe wurden Er-

stellen. ±.r war 2ählungen verbreitet, nach welchen der Erzherzog

ußf beste AVCilTtd o ' '^

auch in seiner eigenen Heimat wenig Freunde ge- habt und selbst mit Kaiser Franz Joseph nicht gut gestanden habe.

Sogar Herr Sasonow verweilte, als ich ihn zum ersten Male nach dem Attentat sprach, nur kurz bei der Verurteilung dieses Verbrechens, während er nicht genug Worte der Kritik über das Ver- halten der österreichisch-imgarischen Behörden^, welche die Ausschreitungen gegen die Serben zuge- lassen hätten, finden konnte. Als ich den Minister darauf hinwies, daß es begreiflich ersclseine, wenn die kaisertreue Bevölkerung in der ganzen Monarchie und besonders in Sarajevo infolge der scheußlichen Bluttat in hoclsgradige Erregung geraten sei, und wenn die Polizei, welcl.e, wie schon die ungenügenden Sici.erheitsmaßregeln bewiesen, ansclieinend ihrer Aufgabe nicht gewachsen war, den Kopf verloren habe, wollte Herr Sasonow diese mildernden Um- stände nicht gelten lassen. Er gab vielmehr deut- lich zu verstehen, daß nach seiner Überzeugung die Beliörden absichtlich der Volkswut die Zügel hätten schießen lassen*. Daß es in Bosnien und der

Rußlands

' Am Rand Ausrufungszeichen des Kaisers. * Desßl.

8-

8o

Herzegowina eine nennenswerte kaisertreue Be- völkerung gebe, wollte der Minister nicht :{iigeben''. Es könne sich, wie er wegwerfend bemerkte, höch- stens um einige Muhamedaner und Katholiken Ei! Ei! handeln. Ebenso bestritt Herr Sasonow, daß, wie österreichischerseits behauptet werde, das Attentat auf ein großserbisches Komplott zurückzuführen sei. Jedenfalls sei in dieser Beziehung bis jetzt nicht das Geringste bewiesen^ und es sei im höchsten Maße ungerecht, die serbische Regierung, die sich vollkommen korrekt verhalte, für das Verbrechen verantwortlich zu machen, wie es in der österreichisch- ungarischen Presse geschehe. Mit demselben Recht hätte Rußland wiederholt die französische Regierung für Attentate, die auf französischem Boden vorbe-

warum geschah es reitet und in Rußland verübt wurden, ^ur Rechen- nicht? Schaft \iehen können.

Ich erwiderte dem Minister, man könne, wie mir scheine, doch nicht umhin zuzugeben, daß die von den Serben seit Jahren in Bosnien und der Herze- gowina betriebene und von Serbien aus geschürte antiösterreichische Agitation zum mindesten viel dazu beigetragen habe, den Plan zu dem verab- scheuungs würdigen Verbrechen zur Reife zu bringen. Herr Sasonow blieb dabei, daß es sich nur um die

sagt dasselbe wie Tat vereinzelter unreifer junger Leute handele, Pasitsch deren Verbindung mit einem weitangelegten poli-

tischen Komplott keineswegs erwiesen sei.

Ich wies ferner darauf hin, daß das Attentat eine neue ernste Mahnung an die alten Monarchien ent- halte, ihres gemeinsamen Interesses und der gemein- samen Gefahren, die sie bedrohen, eingedenk zu sein. Herr Sasonow konnte nicht umhin, dieser Bemerkung zuzustimmen, es geschah aber mit iueniger Wärme'', als ich sonst bei ihm zu finden gewohnt bin, wenn die Rede auf die monarchischen Interessen kommt. Diese Zurückhaltung ist nur durch den wiversöhn- lichen Haß des Mifiisters gegen Österreich- Utigarn richtig :rii erklären, einen Haß, der überhaupt hier mehr

und mehr jedes klare und ruhige Urteil trübt. Wir werden, wie ich glaube, mit dieser Erscheinung, die auch notwendig auf unsere Beziehungen ^m

^ Desgl.

* Am Rand zwei Ausrufungszeichen des Kaisers.

' »weniger Wärme« vom Kaiser zweimal unterstrichen, am Rand Aus- rufungszeichen.

8i

natürlich, Rußland zurückwirken muß, noch auf Jahre hin- habe ich schon, ^us ^M rechnen haben. Sie ist um so bemerkens- werter, als mit der Erbitterimg gegen Österreich eine immer xpachsende Überhebung gegenüber der habsburgischen Monarchie Hand in Hand geht. Alle Äußerungen, die man hier auch in amthchen Kl eisen über Österreich-Ungarn hört, zeugen von Hochmiith kommt einer gren:{enlosen Verachtung für die dort herr- vorm Fall! sehenden Verhältnisse.

F. Pourtales

Nr. 54

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Ämt^

Telegramm 8 Fiuggi, den i6. Juli 1914 2 3

Habe bereits innerhalb der der Botschaft mögUchen Grenzen Fühlung mit Presse genommen. Darf mir vorbehalten, wegen Geld später Antrag zu stellen, wenn nötig. Augenblicklich wegen hoch- sommerHcher Abwesenheit aller Vertrauens- und Mittelspersonen Geldverwendimg erschwert. Aufgabe überhaupt sehr schwierig, da bereits Stimmen laut werden, die mit Rücksicht auf gleichartige itahenische Geschichte Bekämpfung serbischen Nationahtätenkampfs als unmöglich bezeichnen.

F 1 o t o w

^ Nach der Entzifferung.

» Aufgegeben in Fiuggi lo^o vorm., angekommen im Auswärtigen Amt

I** nachm. Eingangsvermerk: 16. Juli vorm. (so irrig statt: nachm.). ' Siehe Nr. 44 und 47.

Nr. 55

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 134 London, den 16. Juh 19 14'

Heutige Times bringt Leitartikel über Österreich und Serbien und verurteilt auf das Schärfste herausfordernde Haltung der Bel- grader Presse, [die] der serbischen Sache die Sympathien des gebildeten

* Nach der Entziflerung.

» Aufgegeben in London ii*' vorm., angekommen im Auswärtigen Amt 2* nachm. Eingangsvermerk: 16. Juli vorm. (so irrig statt: nachm.).

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Europas entfremdete. Das Blatt erwartet bereitwilliges Entgegen- kommen serbischer Regierung zur Aufklärung des Verbrechens und Bürgschaft gegen fernere Unterstützung der revolutionären Bewegung. Gleichzeitig warnt das Blatt die Österreicher vor der Befolgung einer Politik, wie die militärischen Zeitschriften sie fordern, bei der alles zu verlieren und nichts zu gewinnen sei. Die südslawische Frage, schwierigste aller österreichisch -ungarischen Probleme, könne niemals durch Gewalt gelöst werden oder durch Drohungen. Jeder Versuch in dieser Richtung würde vielmehr den europäischen Frieden ge- fährden. Die eigene Geschichte lehrt die Monarchie, wohin es führe, wenn sie die Politik der ruhigen Selbstbeherrschung verlasse.

Ich wiederhole meine Auffassung, daß bei militärischen Maß- nahmen gegen Serbien gesamte öffentliche Meinung gegen Österreich- Ungarn Stellung nehmen wird.

Lichnowsky

Nr. 56

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Generaldirektor

der Hapag ^

Ganz geheim! Berlin, den 15. Juli 1914^

Sehr verehrter Herr Ballin!

Entschuldigen Sie, wenn ich mit diesen Zeilen Ihre Badekur störe, aber es handelt sich um eine Frage, welche auch Ihr stetes Sorgenkind ist, imsere Beziehungen zu England.

Sie werden die Veröffentlichungen des Berliner Tageblatts über gewisse maritime Abmachungen zwischen England und Rußland gelesen haben, die ja schließlich zu einer Interpellation im Unter- hause und der etwas gewundenen Inabredestellung Greys geführt haben. Ich weiß nicht, woher diese Nachricht auch auf den Re- daktionstisch Theodor Wolffs geflogen ist, ich wollte ihr zunächst auch keinen rechten Glauben schenken, weil sie mir zu sehr im Widerspruch zu unseren scheinbar gebesserten Beziehungen, als auch zur Abneigung der enghschen Pohtik gegen derai'tige Bindungen zu stehen schien. Ich bin der Sache aber natürlich nachgegangen und habe wie ich Ihnen im engsten Vertrauen mitteile inzwischen durch sehr geheime Quellen zu meinem Bedauern feststellen können, daß die Nachricht doch ihre tatsächüche Unterlage hat. Lichnowsky

^ Nach dem Konzept von Jagows Hand. ^ 16. Juli 6*^ nachm. zur Post.

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hat Grey auf das Tageblatt angeredet, und Grey hat nach einigem Zögern die Sache auch nicht ganz in Abrede gestellt. Es ist nun aber in Wirklichkeit noch mehr dahinter, als wohl Theodor Wolff selbst wissen mag und der gute Lichnowsky glauben möchte. Es wird tatsächlich zwischen London und Petersburg über ein Marine- abkommen verhandelt, bei dem dies wieder im tiefsten Ver- trauen — von russischer Seite eine weitgehende militärisch-maritime Kooperation erstrebt wird. Zum Abschluß sind diese Verhandlungen trotz russischen Drängens noch nicht gelangt, zum Teil vielleicht, weil Grey durch die Indiskretion des Tageblatts und des offenbaren Widerstands bei einem Teil der liberalen Partei in England doch etwas zögernd geworden ist. Aber die Russen scheinen sehr zu drängen, und wer weiß, was sie als Gegenleistung bieten mögen. Grey wird sich schHeßhch wohl doch dem Abschluß nicht wider- setzen, falls er nicht im Schöße der eigenen Partei oder des Kabinetts auf Widerstand stößt. Er mag sich als Pilatus vor sich selbst damit ausreden, daß die Verhandlungen nicht eigentlich zwischen den Kabinetten, sondern zwischen den Marinebehörden geführt werden. Ich lasse es auch dahingestellt, ob die Engländer mit der ihnen eigenen Casuistik mit der Reservatio mentahs verhandeln und ab- schließen, im kritischen Moment, wenn es ihnen nicht paßt, nicht eingreifen zu wollen, weil ein casus foederis voraussichthch in dem Abkommen nicht vorgesehen ist. Wenn nun auch das Abkommen nach englischer Auffassung vielleicht in der Luft schweben möchte, so würde es doch jedenfalls das Resultat haben, daß die aggressiven Tendenzen Rußlands dadurch ganz wesentlich ermutigt werden würden.

Die Bedeutung, die die Angelegenheit für uns haben würde, brauche ich nicht näher darzulegen. An eine weitere Annäherung an England wäre für uns dann kaum mehr zu denken. Es erscheint mir daher sehr wichtig, noch einmal den Versuch zu machen, die Sache zum Scheitern zu bringen. Vielleicht würde, wenn die liberale Partei nochmals alarmiert oder ein Mitghed des Kabinetts ent- schiedene Bedenken dagegen äußern würde, Grey doch noch vor dem definitiven Abschluß zurückschrecken. Mein Gedanke war nun, ob Sie durch Ihre vielfachen intimen Beziehungen zu maß- gebenden Engländern haben Sie nicht auch solche zu Lord Hai- dane? — nicht einen Warnruf über den Kanal gelangen lassen könnten. Ich denke mir die Sache etwa so: Sie schreiben, Sie hätten in Kiel erfahren, daß die Veröffenthchungen des Tageblattes doch ihre tatsächhche Unterlage hätten. Unsere Marinekreise wären darüber sehr erregt gewesen, und Sie sähen daraus einen neuen unabwendbaren und intensiven naval scare, neue weitgehende Flotten- vorlagen entstehen. Auch in der WilheLmstraße hätte man sehr lange Gesichter gemacht und sich sorgenvoll gefragt, ob das ganze mülisame Werk einer englischen Annälierung nun rettungslos in die Brüche gehen sollte. Das Gefühl, daß der eiserne Ring um uns

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sich doch immer enger schheßen sollte, könnte bei der immer drohender werdenden Erstarkung Rußlands und den immer aggressiver werdenden Tendenzen des Panslawismus schließlich doch einmal zu gefährlichen Konsequenzen führen.

Ob dieser Weg gangbar ist, ob er nützt, weiß ich nicht. Viel- leicht können Sie mir einen anderen angeben. Ich meine, man darf nichts unversucht lassen, xim die Sache zum Scheitern zu bringen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir Ihre Ansicht mitteilen wollten und eventuell, was Sie tun zu können für möglich halten. In jedem Fall wäre Eile geboten, damit inzwischen nicht der Abschluß erfolgt, auf den Herr Poincar6 in Petersburg wohl auch hinarbeitet.

Mit den besten Wünschen für eine gute Badekur bin ich

Ihr sehr ergebener

Jagow

Nachdem ich dies gestern abend geschrieben, lese ich heute früh einen neuen Artikel von Wolff im Berliner Tageblatt. Seine Ge- währsmänner scheinen die Dinge doch also auch ernster aufzufassen^ *.

»Nachdem ich dies aufzufassen«, Nachschrift Jagows in der Aus- fertigung, beigefügt am i6. Juli. Siehe Nr. 57 und 254.

Nr. 57

Das Auswärtige Amt an den Reichskanzler*

Telegramm 13 Berhn, den 16. Juli 1914*

Wien durch Erlaß an Tschirschky auf Notwendigkeit einer Ver- ständigung mit Italien über Serbien hingewiesen.^

Ballin durch Privatbrief nahegelegt, englisch -russischer Marine- konvention dturch seine englischen Beziehungen entgegenzuarbeiten. *

Stumm

^ Nach dem Konzept von Stumms Hand. Auch die Hohenfinower Ent- zifferung befindet sich jetzt bei den Akten.

* Aufgegeben in Berlin 8^° nachm., angekommen in Hohenfinow 8" nachm. ä Siehe Nr. 46.

* Siehe Nr. 56 und 254.

»5

Nr. 58

Der Reichskanzler an den Staatssekretär für Elsaß- Lothringen ^

Hohenfinow, den 16. Juli 1914'

Lieber Graf Roedern!

Sie werden schon aus der Lektüre der Zeitungen ersehen haben, daß die europäische Lage zur Zeit nicht frei von Gefahren ist. Im Fsdle eines österreichisch-serbischen Konflikts kommt es vor allem darauf an, diese Auseinandersetzung zu isolieren. Wir haben Grund anzunehmen und müssen wünschen, daß das zur Zeit mit allerlei Sorgen belastete Frankreich alles tun wird, um Rußland von einem Eingreifen abzuhalten. Diese Aufgabe wird den heutigen Macht- habern in Paris wesentlich erleichtert werden, wenn die französischen Nationalisten in den nächsten Wochen keinen Agitationsstoff zur Ausbeutung erhalten ; ich habe deshalb in Berlin veranlaßt, daß jede Preßpolemik mit Frankreich für die nächsten Wochen nach Möglichkeit abgestoppt wird, und möchte Sie bitten, in Straßburg ein gleiches zu tun. Es würde sich auch empfehlen, etwa dort geplante administrative Maßnahmen, die in Frankreich agitatorisch aufgegriffen werden könnten, um einige Wochen zu verschieben. Wenn es uns gelingt, Frankreich nicht nur selbst stille zu halten, sondern auch in Petersburg zum Frieden mahnen zu lassen, so wird das eine für ims recht günstige Rückwirkung auf das französisch- nissische Bündnis haben'.

Mit herzlichen Grüßen Ihr sehr ergebener v. Bethmann Hollweg

^ Nach dem Konzept. Im Entwurf geschrieben vom ständigen Hilfsarbeiter

im Auswärtigen Amt Legationsrat Dr. Riezler. " Abgegangen am 16. Juli. ' Siehe Nr. 232.

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Nr. 59

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt^

Telegramm 9 Fiuggi Fönte, den 17. Juli 1914^

Erfahrene Zeitungsleiter, mit welchen ich über das österreichische Vorgehen in Verbindung getreten, weisen darauf hin, daß es besser sei, in den jetzigen leidlich indifferenten Zustand der italienischen Presse nicht durch auffälliges Eintreten für Österreich vorzeitig eine Polemik zu tragen, da Widerspruch bei heutiger italienischer Stimmung gegen Österreich nicht ausbleiben würde. Gelegentlich eingestreute vorsichtige Bemerkungen zugunsten Österreichs wurden zugesagt. Es wurde mir vertraulich gesagt, daß österreichischer Botschafter selbst gewünscht, daß nur etwa laut werdenden Angriffen gegen Österreich entgegengetreten werde.

Wesentlich erscheint mir, auf die von Rom schwer zugängliche Mailänder Presse, insbesondere Corriere della Sera, einzuwirken. Stelle anheim, wie weit Einweihung und Mitwirkung k. Konsuls Mailand angezeigt.

Im Augenblick dürfte am wichtigsten sein, wenn möglich, auf die italienischen Korrespondenten in Wien, insbesondere den sehr ungünstig schreibenden Korrespondenten des Giornale d'Italia ein- zuwirken. Von dort kommen bisher die einzigen wirklich ungünstigen Äußerungen.

Flotow

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Fiuggi Fönte 1 1'° vorm., angekommen im Auswärtigen Amt 1 2*^ nachm. Eingangsvermerk: 17. Juli nachm. Am 18. Juli von Jagow der Botschaft in Wien mitgeteilt, unter Beifügung folgender einleitender Bemerkungen (Entwurf von Radowitz' Handj:» Zu Ew. Exz. Information und Vervs^ertung gegenüber Graf Berchtold: Der k. Botschafter in Rom ist, einem hier geäußerten Wunsch der österreichisch-ungarischen Re- gierung entsprechend, ebenso wie die k. Vertreter in London und Bu- karest, aufgefordert worden, auf die Presse in einem für Osterreich freund- lichen Sinne einzuwirken. Herr von Flotow meldet unter dem 17. d. M. folgendes: [folgt obenstehender Bericht unter Weglassung des zweiten Absatzes ». Erlaß nach Wien abgegangen am 18. Juli 8*' nachm.

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Nr. 60

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt^

Telegramm 10 Fiuggi, den 17. Juli 1914^

Bei rein theoretischer Erörterung des möglichen österreichisch- serbischen Konflikts denn er ist noch nicht eingeweiht äußerte Marquis di San Giuliano, eine Niederwerfung Serbiens oder gar österreichische Annexion könnte ebensowenig wie von Italien auch von Rumänien geduldet werden. Ich halte es nicht für ausgeschlos- sen, daß er gelegentlich in Bukarest eine Aussprache über den Gegen- stand herbeiführt.

Flotow

^ Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Fiuggi 2'*' nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 4** nachm. Eingangsvermerk: 17. Juli nachm. Am 18. Juli von Jagow telegraphisch der Botschaft in Wien mitgeteilt, mit Auslassung der Worte

»denn eingeweiht" und folgendem Zusätze: »Da San Giuliano über

unsere jüngste Demarche in Bukarest nicht informiert ist, habe ich Grafen Waldburg angewiesen, auf deren Geheimhaltung hinzuwirken«. Telegramm (Entwurf von Bergens Hand, mit Änderungen Stumms und Zimmermanns) 8^'" nachm. zum Haupttelegraphenämt gegeben. Betreffend Mitteilung des Flotowschen Telegramms an den Geschäftsträger in Bukarest siehe Nr. 63.

Nr. 61

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien ^

Geheim! Berlin, den 17. Juli 1914^^

Wie Ew. Exz. aus der Verlesung der Aufzeichnung des Grafen Hoyos über seine Unterredung mit dem Herrn Unterstaatssekretär bekannt ist, hat Graf Hoyos hier geäußert, Österreich müsse Serbien vöüig aufteilen*.

Graf Berchtold und Graf Tisza haben hierzu bemerkt, daß diese Außenmg nur die persönliche Ansicht des Grafen Hoyos widergäbe, haben sich also mit ihr ausdrückhch nicht identifiziert,

* Nach dem Konzept von Jagows Hand. ^ Abgegangen am 17. Juli.

3 Siehe Nr. 18.

* In Jagows Konzept ursprünglich geschriebenes »zerschlagen« von ilim in »aufteilen« geändert.

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sich aber scheinbar über ihre territorialen Pläne auch nicht weiter ausgelassen.

Für die diplomatische Behandlung des Konflikts mit Serbien wäre es von dessen Beginn an nicht unwichtig zu wissen, welches die Ideen der österreichisch-ungarischen Staatsmänner über die künftige Gestaltung Serbiens sind, da diese Frage von wesenthchem Einfluß auf die Haltung Itahens und auf die öffentliche Meinung und die Haltung Englands sein wird.

Daß die Pläne der Staatsmänner der Donaumonarchie durch den Gang der Ereignisse beeinflußt und modifiziert werden können, ist wohl als selbstverständlich anzusehen, immerhin sollte man annehmen, daß das Wiener Kabinett sich doch schon ein allgemeines Bild der zu erstrebenden Ziele auch in territorialer Hinsicht gemacht hat, Ew. Exz. wollen versuchen, im Gespräch mit dem Grafen Berchtold sich hierüber eine Aufklärung zu verschaffen, dabei aber den Ein- druck vermeiden, als wollten wir der österreichischen Aktion von vornherein hemmend in den Weg treten oder ihr gewisse Grenzen oder Ziele vorschreiben. Es wäre uns nur von Wert, einigermaßen darüber orientiert zu sein, wohin der Weg etwa führen soll.

V. Jagow

Nr. 62

Der Botschafter in London an den Reichskanzler 1

London, den i6. Juli 1914 *

Vom Standpunkt des Grafen Berchtold ist es vollkommen be- greiflich, daß er seine durch den Bukarester Frieden stark er- schütterte Stellung und den durch den Abfall Rumäniens verminderten Einfluß der Monarchie auf dem Balkan dadurch wieder zu heben gedenkt, daß er die jetzige verhältnismäßig günstige Gelegenheit zu einem Waffengange mit den Serben benutzt. Die leitenden mili- tärischen Persönlichkeiten in Österreich haben bekanntlich schon seit längerer Zeit dahin gedrängt, das Ansehen der Monarchie durch einen Krieg zu befestigen. Einmal war es Itahen, dem der Irreden- tismus ausgetrieben, ein andermal Serbien, das durch Kriegstaten k la Prinz Eugen zur Entsagung und zu besseren Sitten gezwungen werden sollte. Ich begreife, wie gesagt, diesen Standpunkt der österreichischen Staatsleiter und würde in ihrer Lage vielleicht schon früher die serbischen Win-en dazu benutzt haben, um die süd- slawische Frage im habsburgischen Sinne zu lösen.

^ Nach der Ausfertigung.

* Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts : 18. Juli vorm.

89

Die erste Voraussetzung für eine derartige Politik müßte aber ein klares Programm sein, das auf der Erkenntnis beruht, daß der heutige Staats- und völkerrechtliche Zustand innerhalb der serbo- kroatischen Völkerfamilie, der einen Teil dieser nur durch die Re- ligion, nicht aber durch die Rasse gespaltenen Nation dem öster- reichischen, einen anderen dem ungarischen Staat, einen dritten der Gesamtmonarchie und einen vierten und fünften endlich unab- hängigen Königreichen zuweist, auf die Dauer nicht haltbar ist. Denn das Bestreben, den geheihgten status quo aus Bequemlich- keitsgründen unter allen Umständen aufrechtzuerhalten, hat schon oft und so erst bei der jüngsten Balkankrise zu einem völligen Zusammenbruch des auf diesen Grundlagen erbauten politischen Kartenhauses geführt.

Zunächst bezweifle ich nun, daß in Wien ein großzügiger Plan, der allein die Grundlagen einer dauernden Regelung der südslawischen Frage bieten würde, ich meine den Trialismus mit Einschluß Serbiens, gefaßt worden ist. Nach meiner Kenntnis der dortigen Verhältnisse glaube ich auch gar nicht, daß man in der Lage ist, eine derartige staatsrechthche Umgestaltung der Monarchie in die Wege zu leiten. Denn es wäre hierzu vor allem der Widerstand Ungarns zu über- winden, das sich gegen eine Abtretung von Kroatien mit Fiume auf das Äußerste wehren würde. Zur Durchführung eines der- artigen Programms felüt es in Wien auch an der hierzu geeigneten kraftvollen Persönlichkeit. Man sucht dort vielmehr meist nur den Bedürfnissen des Augenblicks zu genügen und ist froh, wenn die vielen politischen Schwierigkeiten, die niemals aussterben, da sie sich aus der Verschiedenartigkeit der Zusammensetzung des Reiches ergeben, so weit behoben sind, daß Aussicht besteht, wieder einige Monate fortwursteln zu können.

Eine militärische Züchtigung Serb-'ens hätte daher niemals den Zweck oder das Ergebnis einer befriedigenden Lösung der so über- aus schwierigen südslawischen Frage, sondern bestenfalls den Erfolg, die mühsam beigelegte orientalische Frage von neuem ins Rollen gebracht zu haben, um Österreich eine moralische Genugtuung zu verschaffen.

Ob Rußland und Rumänien hierbei müßig zusehen und Öster- reich freie Hand lassen würden, werden Ew. Exz. besser zu beur- teilen in der Lage sein als ich. Nach meinen hiesigen Eindrücken, namentlich aber nach den vertraiilichen Unterhaltungen, die ich mit Sir Edward Grey gehabt habe, glaube ich, daß meine kürzüch in Berlin vertretenen Ansichten über die Absichten Rußlands uns gegen- über zutrafen. Sir Edward Grey versichert mir, daß man in Ruß- land nicht daran denke, mit uns Krieg führen zu wollen. Alin- liches sagt mir mein Vetter Graf Benckendorff. Eine gewisse anti- deutsche Stimmung kehre dort von Zeit zu Zeit regelmäßig wieder, das hänge mit dem slawischen Empfinden zusammen. Dieser Strömung gegenüber bestehe aber immer eine starke prodeutsche Partei. Weder der Kaiser noch irgend eine der maßgebenden Person-

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lichkeiten sei antideutsch und seit der Beilegung der Limanfrage sei keine ernste Verstimmung wieder eingetreten. Hingegen gab Graf Benckendorff oi^en zu, daß ein starkes antiösterreichisches Emp- finden in Rußland hestehe. Es denke aber dort niemand daran, Teile von Österreich, wie etwa Gahzien, erobern zu wollen.

Ob angesichts dieser Stimmung es möglich sem würde, die russische Regierung beim österreichisch-serbischen Waffengange zur passiven Assistenz zu bewegen, vermag ich nicht zu beurteilen. Was ich aber glaube, mit Bestimmtheit sagen zu können, ist, daß es nicht gelingen wird, im Kriegsfalle die offen th che hiesige Meinung zu- ungunsten Serbiens zu beeinflussen, selbst durch Heraufbeschwörung der blutigen Schatten Dragas und ihres Buhlen, deren Beseitigung vom hiesigen Publikum schon längst vergessen ist und daher zu den historischen Ereignissen gehört, mit denen, soweit außer- britische Länder in Frage kommen, man hier im allgemeinen weniger Vertrautheit besitzt, als bei uns etwa der durchschnittliche Quartaner,

Ich bin nun weit entfernt, für eine Preisgabe unserer Bundes- genossenschaft oder unseres Bundesgenossen einzutreten. Ich halte das Bündnis, das sich in dem Empfindungsleben beider Reiche ein- gelebt hat, für notwendig und schon mit Rücksicht auf die vielen in Österreich lebenden Deutschen für die natürliche Form ihrer Zugehörigkeit zu uns. Es fragt sich für mich nur, ob es sich für uns empfiehlt, unseren Genossen in einer Pohtik zu unterstützen, bzw. eine Politik zu gewährleisten, die ich als eine abenteuerliche ansehe, da sie weder zu einer radikalen Lösung des Problems noch zu einer Vernichtung der großserbischen Bewegung führen wird. Wenn die k. u. k. Polizei und die bosnischen Landesbehörden den Thronfolger durch eine »Allee von Bombenwerfem« geführt haben, so kann ich darin keinen genügenden Grund erblicken, damit wir den berühmten pommerschen Grenadier für die österreichische Pandurenpolitik aufs Spiel setzen, nur damit das österreichische Selbstbewußtsein gekräftigt werde, das in diesem Falle, wie die Ära Ährenthal gezeigt hat, sich als vornehmste Aufgabe die möglichste Befreiung von der Berlmer Bevormundung hinstellt.

Sollte aber wirklich für unsere politische Haltung die Ansicht ausschlaggebend sein, daß nach Verabreichung des »Todesstoßes« an die großserbische Bewegung das glückliche Österreich, von dieser Sorge befreit, sich uns für die geleistete Hilfe dankbar erweisen wird, so möchte ich die Frage nicht unterdrücken', ob nach Nieder- werfung des ungarischen Aufstandes durch die Hilfe des Kaisers Nikolaus und die vielseitige Inanspruchnahme des Galgens nach Bezwingung der Ungarn bei Vilägos und unter der Oberleitung des kaiserlichen Generals Haynau die nationale Bewegimg in Ungarn er- drückt wurde, und ob die rettende Tat des Zaren ein inniges und vertrauensvolles Verhältnis zwischen beiden Reichen begründet hat.

Li chno wsky

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Nr. 63

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger

in Bukarest^

Telegramm 38 Berlin, den 18. Juli 1914^

Geheim !

Zur persönlichen Information

Der k. Botschafter in Rom telegraphiert :

»Bei rein theoretischer herbeiführt'.«

Marquis San Giuliano ist weder über Brief Kaiser Franz Josephs an unsern Allergn ädigsten Herrn noch über unsere Demarche in Bukar^est informiert. Bitte daher dafür zu sorgen, daß die von Ew. H. dem König Carol übermittelten vertraulichen Mitteilungen Sr. M. des Kaisers und Königs streng geheim gehalten und auch nicht zur Kenntnis des dortigen italienischen Vertreters gebracht werden.

Jagow

1 Nach dem Konzept. Entwurf von Bergens Hand mit Änderungen Jagows.

2 3^0 nachm. zum Haupttelegraphenamt.

' Hier ist das Telegramm Flotows vom 17. Juli (Nr. 60), unter Fortlassung der Worte »denn er ist noch nicht eingeweiht«, eingefügt. Die Worte »weder über informiert« von Jagow eingefügt aus ursprünglichem »über unsere jüngste Demarche dort nicht informiert« in Bergens Entwurf.

Nr. 64

Der Botschafter in Rom an den Reichskanzler^

Fiuggi, den 16. Juli 1914 ^

Meiner anderweitigen Meldung über die Abfassung eines Rechts- gutachtens des Staatsministers Fusinato ^, betreffend den öster- reichisch-serbischen Streitfall und die Stellung des Marquis di San GiuHano dazu, möchte ich noch hinzufügen, daß der Minister mit großer Entschiedenheit den Standpunkt vertrat, Österreich dürfe nicht in Belgrad wegen der großserbischen Propaganda reklamieren, solange diese Propaganda nicht in Österreich selbst zur Tat über- gehe. Die Ermordung des Thronfolgers sei als solche nicht anzu- sehen, da sie nicht von einem serbischen Untertan begangen worden

* Nach der Ausfertigung.

* Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 18. Juli nachm. Am 19. Juli in Abschrift der Botschaft in Wien »zur gefl. vertraulichen Information und geeigneten Verwendung gegenüber Graf Berchtold« übersandt.

* Siehe Nr. 42.

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sei. Wenn Österreich beabsichtige, die serbischen Nation alitäts- bestrebungen mit Gewalt zu unterdrücken, so sei es für irgendeine italienische Regierung ganz unmöghch, ihr auf diesem Wege zu folgen; alle Traditionen^ der Nation ah tätsidee und des liberalen Prinzips zwängen Italien, sich von dieser Bahn fernzuhalten.

Wer mit der Phrasenherrschaft der lateinischen Völker vertraut ist, wird nicht verkennen, daß es in der Tat für eine italienische Regierung nicht leicht ist, eine andere Haltung einzunehmen. Be- reits werden Stimmen laut, die mit Rücksicht auf den gleichartigen geschichtlichen italienischen Nationalitätskampf die Bekämpfung der serbischen Nationalitätsbestrebungen als unmöglich bezeichnen. Die Plattform des österreichischen Vorgehens ist daher für die hiesige öffenthche Meinung durchaus ungünstig. Wenn ich den Standpunkt des Ministers ziemlich lebhaft bekämpft habe, so geschah es weniger, weil ich diesen Standpunkt nicht begriff, als weil ich wünschte, ihn indirekt zu einer Andeutung darüber zu bringen, ob er auch im Falle ernster europäischer Komplikation dem Bundesgenossen die Hilfe versagen würde. Bis zu einer abschließenden Erklärung darüber konnte der Minister schon aus dem Grunde nicht gehen, weil die österreichischen Forderungen eine Formulierung noch nicht gefunden haben. Ich habe aber den Eindruck gewonnen, daß es außerordentlich schwer, wenn nicht unmöglich sein wird, Itahen auf diesem Gebiete zur Gefolgschaft zu bringen. Es spielen in diese Angelegenheit nicht nur die vorliegende akute Frage, sondern vor allem auch die hier herrschende Stimmung gegen Österreich und auch die eigene psychologische Verfassung des Marquis di San Giuliano hinein. Noch vor einem Jahre sahen die Dinge anders aus. Aber seit den bekannten Triester Erlassen des Prinzen Hohenlohe ist die kaum latent gewordene geschichthche Abneigung gegen Österreich allmählich mehr und mehr wieder erwacht, und es ist in der Tat schwer, sich augenblickhch eine weitgehende österreichisch-italienische Kooperation praktisch vorzustellen. Der Marquis di San Giuhano, der die Pflege der Beziehungen zu Österreich als eine Art pohtischen Programms seiner Ministerschaft betrachtet hat, ist enttäuscht und fühlt sich nicht mehr von der Volksstimmung getragen. Er sagte mir noch gestern, er sehe so viele schwarze Punkte für die weitere Gestaltung des itaHenisch-österreichischen Verhältnisses, daß er fast an einer weiteren Arbeit verzweifle.

Ich habe ihm an der Hand vieler Gründe gesagt, ich sei auch heute noch überzeugt, daß für Itahen das Bundesverhältnis zu Österreich die beste PoHtik sei. Zeitweilige Störungen, wie die jetzige, müßten überwunden werden. Der Minister meinte, solange er noch da sei, wolle er ja auch in diesem Sinne wirken. Aber er arbeite ohne große Hoffnung.

Flotow

* Ausfertigung irrig: Tradition.

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Nr. 65

Der Botschaftsrat in Wien an den Reichskanzler

Geheim! Wien, den 17. Juli 1914^

Wie mir Graf Berchtold sagt, soll die Note, welche die an Serbien zu stellenden Forderungen enthält, am Donnerstag, den 23. d. M. nachmittags, in Belgrad überreicht werden '. In dem Wunsche, die Angelegenheit möghchst zu beschleunigen, habe man das Datimi um einige Tage verfrüht und den Tag der Abreise des Herrn Poincar^ aus St. Petersburg hierfür festgesetzt. Man rechnet damit, daß der Präsident sich bereits eingeschifft haben würde, wenn die Belgrader Demarche in St. Petersburg bekannt werde.

Der Wortlaut der Note, so sagt mir der Minister, ist noch nicht definitiv festgestellt, und es finden noch Verhandlungen mit Graf Tisza statt; am Mittwoch, den 22. d. M., soll sie S. M. dem Kaiser Franz Joseph zur endgültigen Genehmigung vorgelegt werden.

Graf Berchtold ließ die Hoffnung durchbhcken, daß Serbien die Forderung Österreich -Ungarns nicht annehmen werde, da ein bloßer diplomatischer Erfolg hierzulande wieder eine flaue Stimmung auslösen werde, die man absolut nicht brauchen könne.

W. Prz. Stolberg

' Nach der Ausfertigung.

' Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts 18. Juli nachm. Ausfertigung wurde am 18. Juli an den Kaiser gesandt, von ihm am 20. Juli zurück- gegeben, am 23. Juli wieder in Berlin. Abschrift am 18. Juli vom Aus- wärtigen Amt an den Reichskanzler geschickt.

» Siehe Nr. 67 und 69.

Nr. 66

Der Geschäftsträger in Bukarest an den Reichskanzler*

Geheim! Sinaia, den 14. JuH 1914*

Graf Czemin hatte, wie mir S. M. der König letzten Freitag sagte«, tags zuvor bei Höchstdemselben Audienz gehabt. Ob und welche Mitteilungen der österreichische Gesandte zu machen hatte.

' Nach der Ausfertigung.

a Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 18. Juli nachm. Am 21. Juli der

Botschaft in Wien mitgeteilt. 3 Freitag 10. Juli; siehe Nr. 41.

Aktenstücke I.

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entzieht sich meiner Kenntnis. Meinen Ausführungen gegenüber zeigte S. M. weder Überraschung noch Beunruhigung.

Ich hatte den Eindruck, daß dem Könige, auch abgesehen von Höchstdessen Auffassung, daß Bulgarien jetzt nicht bündnisfähig sei, auch der augenblickhche Zeitpunkt nicht geeignet erscheine, der- artigen bindenden Abmachungen, wie sie Kaiser Franz Joseph vorschlägt, näher zu treten. S. M. vertritt vielmehr die Ansicht, daß die Veränderungen am Balkan noch nicht zum Abschluß gelangt sind und man sich dort augenblicklich in einem Übergangsstadium be- fände, das für derartige Abmachungen, die ruhigere Zeiten erfordern, nicht vorteilhaft wäre.

Höchstderselbe hat sich auch darüber nicht spontan ausgespro- chen, ob Er von Serbien abrücken und der gegen den Bestand der Donaumonarchie gerichteten Agitation in Rumänien entgegentreten könnte. Ich hatte mich daher in der Befürchtung, die Audienz werde ihr Ende erreichen, bevor mir auf die Bitten unseres AUer- gnädigsten Herrn eine Antwort zuteil würde, veranlaßt gesehen, an S. M. die Frage zu richten, welche Stellung Sie Allerhöchstdenselben gegenüber einnehme. Aus der mir erteilten Antwort war zu ent- nehmen, daß der Monarch sowohl von Serbien abzurücken, als auch der hier im Lande herrschenden Agitation gegen Österreich-Ungarn entgegenzutreten bereit ist. Allerdings knüpft sich an die Gewäh- rung der letzteren Bitte die Erwartung, daß in Ungarn das Be- streben gezeigt wird, dem Könige diese Aufgabe dadurch zu er- leichtern, daß man den dortigen Rumänen gewisses Entgegenkom- men erweise. Es unterhegt keinem Zweifel, daß es bei der Aus- dehnung, die die österreichfeindliche Stimmung hierzulande nun einmal genommen hat, wohl eines Hinweises auf den guten Willen der Nachbarmonarchie bedürfen wird, um allmählich eine Beschwich- tigung der Gemüter herbeizuführen. Dies dürfte sich ferner schon aus dem Grunde empfehlen, weil man wohl darauf gefaßt sein darf, daß von französischer und russischer Seite alles geschehen wird, um die österreichfeindhche Agitation zu schüren, in der Absicht, Rumänien von Österreich und damit vom Dreibund loszulösen. S. M. meinte, die Agitation werde über den Sommer wohl zur Ruhe kommen, im Winter aber aufs neue entbrennen können. Graf Tisza habe einen viel versprechenden Anlauf genommen, um die Frage der ungarländischen Rumänen einer Lösung entgegenzubringen ; allein es sei leider dabei geblieben. Unterdessen habe sich aach auf un- garischer Seite, insbesondere auch in der Presse, eine Agitation gegen Rumänien gebildet, die eine Verständigung nur noch erschwere.

Tatsächlich besteht nunmehr auf beiden Seiten der Karpathen eine gereizte Stimmung, die bei jedem Anlaß in der Presse zum Ausdruck kommt. Es war sicherlich ein Fehler, daß die österreichisch- ungarischen Zeitungen die Aktion des Grafen Tisza mit solcher Emphase verkündet haben. Hierdurch sind die Erwartungen,

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die sich hier an dieselbe knüpften, nur noch gesteigert worden. Die Enttäuschung aber war eine doppelte, als das gewünschte Resultat ausblieb oder doch unbefriedigend erschien. Wenn die ungarische Regierung die Führer der Agitation etwa durch ge- schickte Verwendung im Staatsdienste mundtot zu machen ver- möchte, so würde auch nach Ansicht hiesiger leitender Persönlich- keiten viel gewonnen sein.

Von den Mitteilungen, die ich S. M. gemacht habe, wollte Höchstderselbe, wie er mir sagte, auch Herrn Bratianu Kenntnis geben.

Waldburg

Nr. 67

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten im kaiserlichen Gefolge *

Telegramm 82 Berlin, den 18. Juli 1914^

Privat, Geheim!

Bitte um genaue Angabe der Reiseroute von S. M. S. Hohen- zollem vom 23. ab. An dem Tage soll bekanntlich österreichische Demarche in Belgrad erfolgen^ beabsichtigt scheint 48-stündiges Ultimatum und es wird von der Entwicklung der Ereignisse abhängen, ob und wann Anwesenheit S. M. hier erforderlich sein dürfte. Bitte eventuell Admiral von Müller ins Vertrauen zu ziehen, S. M. aber nicht vorzeitig zu beunruhigen.

Da wir eventuellen Konflikt zwischen Österreich und Serbien zu lokalisieren wünschen, dürfen wir Welt durch verfrühte Rückkehr Sr. M. nicht alarmieren, andererseits müßte Allerhöchstderselbe er- reichbar sein, falls nicht vorherzusehende Ereignisse auch für ims wichtige Entscheidungen (Mobilmachung) benötigen sollten. Eventuell wäre an Kreuzen in der Ostsee für letzte Reisetage zu denken*.

Jagow

^ Nach dem Konzept von Jagows Hand.

"^ Abgegangen 5* nachm.

* Siehe Nr. 65.

* Siehe Nr. 79.

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Nr. 68

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien ^

Berlin, den i8. Juli 1914*

Graf Szögy^ny hat heute den in anliegender Notiz' angegebenen Auftrag ausgeführt.

Zunächst scheinen die inzwischen bereits dementierten Zeitungs- meldungen über Truppen ansammlungen in Bari der tatsächlichen Grundlage zu entbehren. Ebenso unwahrscheinhch ist es mir, daß ItaUen zu einer Aktion gegen Valona, wenn überhaupt, so ohne vor- heriges Benehmen mit Wien schreiten sollte.

Den von Graf Berchtold gewünschten Schritt in Athen zu tun, ist der k. Geschäftsträger daselbst angewiesen worden und der k. Bot- schafter in Rom davon behufs Mitteilung an Marquis San Giuhano informiert worden. Was jedoch den Vorschlag einer internationalen Flottendemonstration und die Besetzung Valonas durch Detachements mehrerer Mächte betrifft, so sprechen für mich folgende Gründe da- gegen. Falls Valona von den Aufständischen eingenommen werden sollte, so würde eine einfache Flotten demonstration kaum mehr ge- nügen, um die Räumimg der Stadt herbeizuführen, und es müßte, wie nach Graf Berchtold dies offenbar im Auge hat, zur Landung von De- tachements und eventuell zimi Kampf gegen die Aufständischen ge- schritten werden. Zur Verwendung weiterer Truppen in Albanien würden sich aber die Mächte kaum bereit finden. Die Erklärungen Sir Edward Greys lassen hierauf mit Bestimmtheit schließen, eben- sowenig dürfte auf eine Teilnahme Rußlands oder Frankreichs an einer derartigen Aktion zu rechnen sein. Wir selbst wollen unsere Truppen nicht zu Kämpfen in Albanien verwenden. Es ist mir daher zu meinem Bedauern nicht möglich, Italien eine Anregung zu sug- gerieren, der wir dann selbst keine Folge leisten könnten.

Schließlich möchte ich der Erwägung des Grafen Berchtold an- heimgeben, ob eine Beschäftigung Italiens in Valona nicht die öster- reichische Aktion gegen Serbien wesenthch erleichtern könnte. Man darf sich in Wien wie ich dies schon an anderer Stelle ausgeführt habe keiner Illusion darüber hingeben, daß ein österreichischer Angriff auf Serbien in Italien nicht nur eine sehr ungünstige Auf- nahme finden, sondern voraussichthch auf direkten Widerstand stoßen wird. Ich halte deswegen eine rechtzeitige Auseinandersetzung des

^ Nach dem Konzept von Jagows Hand. * Abgegangen am 18. Juli.

^ Das ist eine Mitteilung der k. u. k. Botschaft in Berlin betr. die eventuelle Besetzung Valonas durch Italien.

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Wiener Kabinetts mit dem römischen für dringend geboten und meine, daß diese wesentlich erleichtert werden könnte, wenn Italien mit österreichischer Zustimmung in Albanien engagiert würde.

Ew. Exz. wollen sich dem Grafen Berchtold gegenüber mit Nach- druck in diesem Sinne aussprechen.

V. Jagow

Nr. 69

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten im kaiserlichen Gefolge^

Telegramm 84 Berlin, den 18. Juli 1914* '

Zum Vortrag

Nach Mitteilung der Botschaft Wien wird österreichisch-unga- rische Demarche in Belgrad am 23. d. M. erfolgen.

Jagow

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Zimmermanns Hand.

7^ nachm. zum HaupttelegraphenamL

Siehe Nr. 65 und 80.

Nr. 70 '

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien^

Telegramm 122 Berlin, den 18. Juli I9i4*

Norddeutsche bringt morgen Bemerkungen zum österreichiscli- serbischen Streit, die mit Rücksicht auf europäische Diplomatie ab- sichtlich milde gefaßt sind. Das hochoffiziöse Blatt sollte nicht vor- zeitig alarmieren. Bitte dafür zu sorgen, daß dies nicht fälschlicher- weise als deutsches Abrücken von dortiger Entschlossenheit gedeutet wird.

J ago w

^ Nach dem Konzept. Entwurf von der Hand des ständigen Hilfsarbeiters im Auswärtigen Amt Legationsrats Esternaux mit einigen Änderungen von der Hand des vortragenden Rats im Auswärtigen Amt Wirkl. Ge- heimen Legationsrats Dr. Hammann.

'^ gl** nachm. zum Haupttelegraphenamt.

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Nr. 71

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt*

Telegramm 349 Konstantinopel, den 18. Juli 19 14*

Geheim !

Von der angekündigten, aber immer wieder hinausgeschobenen Demarche Österreichs in Belgrad wird hier bereits als von einer nicht recht ernst zu nehmenden Angelegenheit gesprochen. Namentlich in den Kreisen der Tri ple -Entente ist man fest überzeugt, daß Serbien die papierenen Forderungen Österreichs sämtüch annehmen tmd daß dann alles beim alten bleiben werde. Markgraf Pallavicini ist sich zwar der Bedeutung des Momentes für die Zukunft des Dreibundes wohl bewußt, scheint aber selbst zu bezweifeln, daß man in Wien wirklich kraftvolle Entschlüsse fassen werde. Er erhofft die Rettung Österreichs weniger von energischen Handlungen seiner Regierung als von der Anbahnung neuer Bündnisse und möchte deshalb die Türkei über Bulgarien an Österreich anschließen. Ich bekämpfe diesen Gedanken lebhaft. Die Türkei ist zweifellos heute noch vollkommen bündnisunfähig'. Sie würde ihren Verbündeten nur Lasten auferlegen, ohne ihnen die geringsten Vorteile bieten zu können. Der Anschluß der Türkei an Bulgarien würde Rußlands Gegenstoß in Armenien geradezu provozieren. Die Politik des Drei- bundes muß sein, die Türkei bei ihren * und seine Be- ziehungen zu ihr so zu gestalten, daß, falls die Türkei nach Jahren tatsächlich zu einem Machtfaktor werden sollte, die Fäden nicht abgeschnitten sind. Fürs erste kann man der Türkei nur raten, jedem politischen Abenteuer fernzubleiben und mit allen Ländern gute Beziehungen zu unterhalten. Auch die neutrale Türkei wird immer einige russische Korps an der armenischen Grenze festhalten.

Wangenheim

1 Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Konstantinopel 18. Juli 1 1" nachm., angekommen im Aus- wärtigen Amt 19. Juli 2^" vorm. Eingangsvermerk: 19. Juli vorm. Am 19. Juli teilt Jagow durch Erlaß dem Botschafter in Wien mit: »Zur Information. Der k. Botschafter in Konstantinopel, der von der Pallavicini- Berchtoldschen Anregung, die Türkei an unsere Mächtegruppe anzu- schließen, nicht unterrichtet war, schreibt in einem Bericht: ,Markgrat Pallavicini erhofft die Rettung Österreichs von der Anbahnung neuer Bündnisse und möchte festhalten'.«

» Siehe Nr. 117.

* Hier fehlen einige Ziflferngruppen ; die Worte »Die Türkei bei ihren und« hat Jagow im Schreiben an die Botschaft in Wien gestrichen.

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Nr 72

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in London (Privatbrief) ^

Berlin, den 18. Juli 19 14 Lieber Lichnowsky!

Ihr Urteil über unsere Politik, wie sie Ihr serbischer Bericht* enthält, ist mir stets wertvoll, und ich glaube, daß der Reichskanzler darüber ebenso denkt. Ich stehe auch nicht an, viele Ihrer Bemer- kungen als berechtigt anzuerkennen. Aber wir haben nun einmal ein Bündnis mit Österreich : hie Rhodus, hie salta. Auch darüber, ob wir bei dem Bündnis mit dem sich immer mehr zersetzenden Staatenge bilde an der Donau ganz auf unsere Rechnung kommen, läßt sich dis- kutieren, aber ich sage da mit dem Dichter ich glaube, es war Busch : »Wenn Dir die Gesellschaft nicht mehr paßt, such' Dir eine andere, wenn Du eine hast.« Und zu einem vollen Erfolg bietenden Verhältnis zu England sind wir leider noch immer nicht gekommen, konnten nach allem, was vorausgegangen, auch gar nicht dazu kommen wenn wir überhaupt je dazu kommen können.

Österreich, welches dmch seine mangelnde Aktionskraft mehr und mehr Einbuße an seinem Ansehen erhtten hat, zählt schon jetzt kaum mehr als vollwertige Großmacht. Die Balkankrise hat seine Stellung noch geschwächt. Durch dieses Zurückgehen der österreichischen Machtstellung ist auch unsere Bündnisgruppe ent- schieden geschwächt worden.

Österreich will sich die serbische Minierarbeit nicht mehr ge- fallen lassen, ebensowenig die fortgesetzt provokatorische Haltung des kleinen Nachbarn in Belgrad. Siehe die Sprache der serbischen Presse und Herrn Paschitschs. Es erkennt wohl, daß es viele Ge- legenheiten versäumt hat, und daß es jetzt noch handeln kann, in einigen Jahren vielleicht nicht mehr. Österreich will sich jetzt mit Serbien auseinandersetzen und hat uns dies mitgeteilt. Während der ganzen Balkankrise haben wir mit Erfolg im Sinne des Friedens vermittelt, ohne Österreich dabei in kritischen Momenten zur Passivität gezwungen zu haben. Daß wir trotzdem zu Unrecht in Öster- reich vielfach der Flaumacherei beschuldigt sind, ist mir gleichgültig. Wir haben auch jetzt Austria nicht zu seinem Entschluß getrieben. Wir können und dürfen aber ihm nicht in den Arm fallen. Wenn wir das täten, könnte Österreich (und wir selbst) uns mit Recht vorwerfen, daß wir ihm seine letzte MögUchkeit poHtischer Rehabili-

Nach einer vom Fürsten Lichnowsky zur Verfügung gestellten Abschrift in Maschinenschrift.

* Siehe Nr. 30.

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tierung verkehrt haben. Dann würde der Prozeß seines Dahin- siechens und inneren Zerfalls noch beschleunigt. Seine Stellung im Balkan wäre für immer dahin. Daß eine absolute Stabilisierung der russischen Hegemonie im Balkan indirekt auch für uns nicht admissibel ist, werden Sie mir wohl zugeben. Österreichs Erhaltung, und zwar eines möglichst starken Österreichs, ist für uns aus inneren und äußeren Gründen eine Notwendigkeit. Daß es sich nicht ewig wird erhalten lassen, will ich gern zugeben. Aber inzwischen lassen sich vielleicht Kombinationen finden.

Wir müssen sehen, den Konflikt zwischen Österreich und Serbien zu lokahsieren. Ob dies gelingen kann, wird zunächst von Rußland und in zweiter Linie von dem mäßigenden Einfluß seiner Entente- brüder abhängen. Je entschlossener sich Österreich zeigt, je energischer wir es stützen, um so eher wird Rußland still bleiben. Einiges Ge- polter in Petersburg wird zwar nicht ausbleiben, aber im Grunde ist Rußland jetzt nicht schlagfertig. Frankreich imd England werden jetzt auch den Krieg nicht wünschen. In einigen Jahren wird Rußland nach aller kompetenten Annahme schlagfertig sein. Dann erdrückt es uns durch die Zahl seiner Soldaten, dann hat es seine Ostseeflotte und seine strategischen Bahnen gebaut. Unsere Gruppe wird inzwischen immer schwächer. In Rußland weiß man es wohl, und will deshalb für einige Jahre absolut noch Ruhe. Ich glaube gern Ihrem Vetter Benckendorff, daß Rußland jetzt keinen Krieg mit uns will. Dasselbe versichert auch Sasonow, aber die Regierung in Rußland, die heute noch friedhebend und halbwegs deutsch- freundhch ist, wird immer schwächer, die Stimmung des Slawentums immer deutschfeindücher. Wie Rußland uns im Grunde behandelt, zeigt der vorige Herbst. Während der Balkankrise konnte es uns nicht genug danken für unsere beruhigende Einwirkung. Kaum war die akute Krise vorbei, begannen die Unfreundlichkeiten wegen Liman usw. Läßt sich die Lokalisierung nicht erreichen und greift Rußland Österreich an, so tritt der casus foederis ein, so können wir Österreich nicht opfern. Wir ständen dann in einer nicht gerade proud zu nennenden Isolation. Ich will keinen Präventivkrieg, aber wenn der Kampf sich bietet, dürfen wir nicht kneifen.

Ich hoffe und glaube auch heute noch, daß der Konflikt sich lokalisieren läßt. Englands Haltung wird dabei von großer Be- deutung sein. Ich bin vollständig überzeugt, daß die öffentliche Meinung dort sich nicht für Österreichs Vorgehen begeistern wird, und erkenne alle ihre Argumente in dieser Hinsicht als richtig an. Aber man muß tun, was irgend möglich ist, daß sie sicli nicht zu sehr für Serbien begeistert, denn von Sympathie und Antipathie bis zur Entfachung eines Weltbrandes ist doch noch ein weiter Weg. Sir Grey spricht immer von dem Gleichgewicht, das durch die beiden Mächte- gruppen hergestellt wird. Er muß sich daher auch klar darüber sein, daß dieses Gleichgewicht total in die Brüche ginge, wenn Österreich von uns lächiert und von Rußland zertrümmert würde,

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und daß das Gleichgewicht auch durch einen Weltbrand erheblich ins Wanken gebracht würde. Er muß daher, wenn er logisch und ehrlich ist, uns beistehen, den Konflikt zu lokahsieren. Doch nun satis superque, es ist i Uhr nachts geworden. Wenn diese Aus- führimgen über unsere Pohtik Sie vielleicht auch nicht überzeugt haben mögen, so weiß ich doch, daß Sie letztere unterstützen werden'. Mit besten Grüßen aufrichtigst der Ihre

Jagow den 19. Juh.

Eben erhalte ich Ihren Brief vom 17. Die Hauptsache ist durch obiges beantwortet. Der Urlaub zunächst eine cura posterior, wegen Kolonialabkommen antworte ich demnächst.

J.

Siehe Nr. 161.

Nr. 73.

Der Botschafter in Rom an den Reichskanzler*

Fiuggi, den 16. Juli 1914"

Der gegen Serbien geplanten diplomatischen Aktion Österreichs steht der Marquis di San Giuhano skeptisch gegenüber. Die Aktion kann nach der Ansicht des Ministers in keinem Falle zum Ziele führen. Auch wenn Serbien sich den österreichischen Ansprüchen füge, d. h. wenn es die großserbischen Gesellschaften verbiete und auflöse usw., so würde die Agitation eben aus einer öffentlichen eine geheime werden. Das werde sogar der Fall sein, wenn Österreich Belgrad besetze. Nationale Aspirationen von solcher Kraft können heutzu- tage nicht mehr mit Gewalt unterdrückt werden. Es sei der alte österreichische Irrtum, an die Allgewalt und Wirksamkeit der Pohzei in solchen nationalen Fragen zu glauben. Die itahenische Geschichte des vorigen Jahrhunderts liefere dafür ein Beispiel. Die Analogie der Lage sei eine so frappante, daß man schon aus diesem Grvmde den Italienern keine Sympathie für das österreichische Vorgehen zu- muten dürfe. Wenn die serbische Frage überhaupt innerhalb des heutigen Bestandes Österreichs gelöst werden könne, so sei es nur auf dem Wege möghch, daß den österreichischen Serben ein Interesse geschaffen würde, innerhalb Österreichs und bei Österreich zu verbleiben .

Flotow

' Nach der Ausfertigung.

" Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 19. Juli vorm.

102

Nr. 74

Der Oberquartiermeister 1 im Großen Generalstabe an den Staatssekretär des Auswärtigen (Privatbrief) ^^

Ganz vertraulich! Ivenack, den 17. Juli 1914'

Lieber Jagow!

Soeben hat mir mein Adjutant ein Schreiben Kagenecks an mich gebracht, in dem er mir auf meine Fragen wegen der militärischen Absichten in Wien so gut er kann Auskunft gibt.

Da General Conrad verreist war, hat Kageneck meine Fragen dessen Vertreter, dem General Höfer vorgelegt, den ich als ver- ständigen Mann kenne. Diesem zufolge hat man die Absicht, gegen Serbien 6 Armeekorps einzusetzen und einstweilen in Gahzien nichts zu unternehmen. Sollte Rußland eingreifen, so würde man von Serbien loslassen und alles gegen den Hauptgegner einsetzen.

Das sind vernünftige Ansichten. Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit meine persönhche Ansicht dahin aussprechen, daß wir gut tun, nicht auf eine sehr schleunige Wirkung der österreichischen Heeresmaßnahmen zu rechnen, denn :

1. haben partielle Mobihnachungen immer ihre Haken,

2. bedarf jedes Loslösen vom Gegner einer gewissen Zeit und

3. macht man sich in Wien noch keinen Vers davon, wo sich die Serben eventuell stellen werden ; geschieht dies, was leicht möghch ist, im südHchen Serbien, etwa bei Nisch, so wird die Entscheidung hinausgezögert und die weiteren Bewegungen dauern länger.

General Moltke* denkt am 25. d. M. nach Berlin zurückzukehren. Ich bleibe hier sprungbereit^; wir sind im Generalstabe fertig, einst- weilen ist von uns ja nichts zu veranlassen.

Schönsten Gruß. Immer in alter Gesinnung

der

Deine

Waldersee

1 Nach der Ausfertigung von der Hand des Grafen Waldersee.

* Von Jagow zu den Akten gegeben.

' Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 19. Juli vorm.

* Generaloberst von Moltke, Chef des Generalstabs der Armee, ab 28. Juni nach Karlsbad beurlaubt.

* Waldersee hatte ab 7. Juli Urlaub, den er am 8 Juli abends antrat

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Nr. 75

Der Botschafter in Rom an den Staatssekretär des Auswärtigen ^

Fiuggi, den i6. Juli 1914''

Besten Dank für Deinen Brief. Ich freue mich, daß Du über die Schwierigkeit der hiesigen Situation keine Illusionen hast; ich halte die letzten für hoffnungslos, wenn nicht Austria angesichts der Gefahr sich zu der klaren Erkenntnis aufrafft, daß, falls es etwa territorial irgendetwas nehmen will, es Italien entschädigen muß. Sonst fällt ihm Italien in den Rücken. Das ist eine so ernste Frage für uns, daß wir erwägen müssen, ob wir nicht be- stimmte Abmachungen mit Wien treffen müssen.

S.[an] G.[iuhano]s Stimmung ersiehst Du aus meinen Berichten usw. Es kommt mehr denn je alles auf ihn an, denn Salandra stützt ihn nicht wie GioUtti. Sal.[andra] macht kein Hehl aus seinen anti- österreichischen Gefühlen, und Merey hat ihn nicht geschickt be- handelt. S.[an] G.[iuhano] aber ist pessimistisch, gedrückt, mutlos und schwer leidend.

[Flotow^]

^ Nach einer von Jagow zu den Alcten gegebenen Abschrift aus einem Privat- brief Flotows an Jagow.

* Abschrift trägt den Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 22. Juli nachm., dürfte aber etwa 19. Juli an den Empfänger gelangt sein.

8 Unterschrift fehlt in der Abschrift ebenso wie die Anrede.

Nr. 76

Der Botschafter in London an den Reichskanzler*

London, den 17. Juh 1914^

Die heutige »Westminster Gazette« bringt den beiliegenden Leit- artikel über die europäische Lage, der sich durch die ruhige und sachliche Erörterung des österreichisch-serbischen Gegensatzes aus- zeichnet. Bei den freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Herausgeber Mr. Spender und Sir Edward Grey liegt die Annahme nicht fem, daß die Ansichten des Ministers dabei nicht ohne Einfluß

^ Nach der Ausfertigung.

* Eingangsvermerk des Ausw. Amts: ig. Juli vorm. Bericht lag dem Kaiser vor, von ihm am 27. Juli zurückgegeben.

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gewesen sind, und daß meine wiederholten Besprechungen mit ihm dazu beigetragen haben, das Recht Österreichs auf Genugtuung ^u berücksichtigen. Aber auch diese regierungsfreundhche Stimme spricht die bestimmte Erwartung aus, daß die mltima ration vermieden werde.

Li chno wsk y

Nr. 77

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien ^

Telegramm 124 Berlin, den 19. Juh 1914 '

Ew. Exz, wollen von Graf Berchtold sofortige Mitteilung Wort- lauts beabsichtigter Note nach Belgrad und sonstiger Veröffent- lichungen erbitten, sobald endgültig festgestellt zur Vorlage bei Kaiser Franz Joseph, damit wir rechtzeitig unsere Demarchen bei den anderen Mächten vorbereiten können. Vorherige Orientierung über wesentlichste Punkte beabsichtigten Vorgehens erwünscht^.

Jagow

* Nach dem Konzept. Entwurf von Stumms Hand.

* i*= nachm. zum Haupttelegraphenamt. ä Siehe Nr. 83, 88 und 103.

Nr. 78

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt^

Telegramm 11 Fiuggi Fönte, den 19. Juli 1914^

Aus der Umgebung des Marquis di San Giuliano höre ich, daß nunmehr sehr pessimistische Berichte des Herzogs von Avarna über Serbien eingelaufen sind. Aus einem Gespräch mit Herrn Luzzatti entnehme ich, daß Marquis di San Giuhano jetzt die Lage für ernst hält. Er selbst vermeidet anscheinend in diesem Augenbhck ein- gehende Gespräche mit mir über diese Frage. Die Herren des

^ Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Fiuggi Fönte 2^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt i'-'*' nachm. Eingangsvermerk: 20. Juli vorm. Unter dem 19. Juli von Jagow nach Vornahme kleiner stilistischer Änderungen telegraphisch dem Botschafter in Wien mitgeteilt, zum Haupttelegraphenamt gegeben am 20. Juli 12^° vorm.

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Ministeriums sind auf den Ton gestimmt, Österreich würde sich durch zu weit gehende Forderungen ins Unrecht setzen und könne dann nicht auf Unterstützimg rechnen.

Floto w

Nr. 79

Der Gesandte im kaiserlichen Gefolge an das Auswärtige Amt ^

Telegramm ii6 Baiholm, den 19. Juli 1914' '

Nach bisherigen Dispositionen Sr. M. soll S. M. S. Hohenzollem bis etwa den 30. d. M. in Balholm bleiben, dann eintägiger Aufent- halt in Bergen, um Kohlen zu nehmen, dann Rückfahrt Swinemünde. Werde jede Änderung melden.

Wedel

* Nach der Entzifferung. Auch das Konzept von Graf Wedels Hand be- findet sich jetzt bei den Akten.

' Aufgegeben in Balholm i^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 4'^ nachm. Eingangsvermerk: 20. Juli vorm.

' Siehe Nr. 67.

Nr. 80

Der Gesandte im Itaiserlichen Gefolge an das Auswärtige Amt '

Telegramm 117 Balhohn (»Hohenzollem«), den 19. Juli 1914*

S. M. bitten Ew. Exz. zu erwägen, ob nicht schon jetzt die Generaldirektoren der Hapag und des Norddeutschen Lloyd streng vertraulich und unter der Hand durch Gesandten in Hamburg dahin verständigt werden sollten, daß am 23. österreichisches Ultimatum zu erwarten '. Im Hinblick auf unübersehbare, vielleicht sehr rasch eintretende Folgen scheint es Sr, M. wünschenswert, daß die beiden

* Nach der Entzifferung, Auch das Konzept von Graf G. Wedels Hand be- findet sich jetzt bei den Akten.

'■' Aufgegeben in Balholm i'° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 4'^ nachm. Eingangsvermerk: 20. Juli vorm.

^ Siehe Nr. 69.

io6

großen Linien beizeiten avertiert werden, um rechtzeitig Dispositionen treffen und im Auslande befindlichen Dampfern Ordre erteilen zu können *.

Wedel

* Jagow gab unter Zustimmung des Reichskanzlers dieser Anregung Folge. In einem vom 19. Juli datierten, am 20. Juli 121" vorm. zum Haupt- telegraphenamt gegebenen Telegramm an den Reichskanzler teilt er den Inhah des Balholmer Telegramms mit und fügt bei: »Ich sehe morgen Ballin und werde ihn streng vertraulich orientieren, falls Ew. Exz. nicht anders befehlen. Generaldirektor Lloyd müßte dann durch Gesandten Ham- burg orientiert bzw. hierher zitiert werden.« Das um 6*" vorm. in Hohen- finow eingegangene Telegramm wurde in zustimmender, 11^^ vorm. ab- gesandter Depesche (»Einverstanden«) beantwortet. An den Direktor des Norddeutschen Lloyd von Plettenberg telegraphierte Jagow am 20. Juli nachm.: »Wäre dankbar, wenn Sie in wichtiger Angelegenheit mich morgen persönlich aufsuchen könnten. Staatssekretär von Jagow«; Tele- gramm 7^ nachm. zum Haupttelegraphenamt. Siehe ferner Nr. 90.

Nr. 81.

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt*

Telegramm 352 Therapia, den 19. Juli 1914^

Talaat Bei sagte mir, die türkisch-griechischen Verhandlungen nähmen guten Fortgang. Die Idee der Errichtung eines Süzeränen Fürstentums unter einem griechischen Prinzen sei aufgegeben. Dagegen sei jetzt eine Art Autonomie unter einem von der Türkei und Griechenland gemeinsam zu ernennenden Generalgouverneur geplant. Auch das militärische Besetzungsrecht solle gemeinsam ausgeübt werden

' Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Therapia 19. Juli 7^° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 9I'' nachm.; Eingangsvermerk des Amts: 20. Juli vorm. Am 20. Juli von Jagow nach Vornahme einiger Änderungen und Umstellungen und mit Auslassung des Absatzes »Prinz Said geführt worden seien« tele- graphisch dem Kaiser mitgeteilt, aufgegeben in Berlin 5' nachm., ange- kommen im Hollager \i^ nachm., Entzifferung des Hoflagers vom Kaiser zurückgegeben 21. Juli, in BerUn eingetroffen 23. JuU. Kaiser befahl durch Randverfügung Mitteilung an die Vertretung in Athen. Abschnitte »Talaat

BeY sagte mir Bündnisantrag annehme« (mit kleiner Änderung)

und »Großwesir sagte mir ohne Bündnis lösen« waren aber

schon vorher, am 20. Juli, durch Erlaß dem Geschäftsträger in Athen »zur persönlichen Information« mitgeteilt.

nach dem Vorbild des ehemaligen Regimes im Sand- schak. Griechenland bestehe auf Defensivbündnis. Er trete dafür ein, daß die Pforte den Bündnisan- trag annehme. Früher sei er für Anscliluß an Bul- garien gewesen, habe sich aber in Rumänien und durch mich überzeugen lassen, daß das Bündnis mit Griechenland vorzuziehen sei. Großwesir werde dem- nächst zwecks Finalisierung des Übereinkommens mit Veniselos in Brüssel zusammentreffen.

Falls die Türkei mit Griechenland sich verbündet und Bulgarien sich inzwischen Österreich bzw. dem Dreibimd angeschlossen hat, so könnte der Fall eintreten, daß Bulgarien gleichzeitig mit Österreich Serbien angreift, wobei Griechenland Serbien Hilfe bringen müßte, dann wäre der casus foederis für die Türkei gegeben, die ihrerseits gegen den Bundes- genossen Bulgariens Österreich, also auch gegen uns, marschieren müßte. Dazu würde sie sich aber nur entschheßen, wenn das griechisch-türkische Bündnis vorher unter den Schutz Rußlands bzw. der Triple- Entente gestellt wäre.

Ich habe heute dem Großwesir unter vorsich- tigem Hinweis auf die Möghchkeit einer ernsteren Wendung der serbisch-österreichischen Beziehimgen richtig. nahegelegt, vor Klärung der Lage keinerlei Bündnisse ^

zu finalisieren*.

Großwesir sagte mir, in der Bündnisfrage habe nicht Talaat Bei, sondern er das letzce Wort. Er werde zwar mit Veniselos demnächst zusammen- keine Einigkeit! treffen, gedenke aber nicht auf den griechischen Bündnisantrag einiugehen. Die Inselfrage lasse sich voraussichtlich auch ohne Bündnis lösen.

Prinz Said Hahm bemerkte schheßlich, daß die Verhandlungen zwischen Talaat Bei und Venise- los in letzter Zeit unter Vermittlung Herrn Dillons geführt worden seien.

Wangenheim

»Bündnisse« von Jagow im Telegramm an den Kaiser unterstrichen.

* Satz »Ich habe heute finalisieren« lautet in Jagows Telegramm an

den Kaiser: »Es wäre daher angesichts der Möglichkeit einer ernsteren Wen- dung der serbisch-österreichischen Beziehungen wohl besser, wenn vor Klärung der Lage keinerlei Bündnisse tinalisiert würden.« Dazu die obenstehende Randbemerkung des Kaisers.

io8

Nr. 82

Der Chef des Admiralstabes der Marine an den Staats- sekretär des Auswärtigen'

Telegramm (ohne Nummer) Berlin, den 20. Juli 1914

Der Kaiser haben Flotte folgenden Befehl direkt telegraphisch zugehen lassen :

Baiestrand, von »HohenzoUern«, den 19. Juli 1914"

»Der Kaiser befehlen Zusammenhalten in Flotte bis zu 25. Juli dergestalt, daß sie Befehl zum Abbruch der Reise schnell ausführen kann. Einlaufen Norwegen Hafen soll erfolgen dann erst auf be- sondere bei dem Kaiser direkt einzuholende Erlaubnis.« Bestätigen. Schluß. Auswärtiges Amt von dort benachrichtigen. Bestätigen.'

von Mueller

U(rschriftlich) dem Staatssekretär des Auswärtigen Amts zur gefälligen Kenntnisnahme sehr ergebenst übersandt.

F. d. beurl(aubten) Ch(ef) d(es) Admiralst(abes) d(er) M(arine) Paul Behncke

* Nach der vom Admiralstab übersandten Abschrift

"Telegramm in Baiestrand abgesandt 19. Juli 11" nachm.; Abschrift am

20. Juli zum Auswärtigen Amt. Eingangsvermerk 20. Juli nachm. ' Siehe Nr. loi.

Nr. 83

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien*

Geheim! Berlin, den 20. Juü 1914'

Ich nehme an, daß gleichzeitig mit der beabsichtigten Demarche in Belgrad eine amtUche Publikation, betreffend den Inhalt der Note, das Ergebnis der Untersuchung usw. in Wien erfolgt.

Für die Behandlung unserer öffentHchkeit wäre es für uns von größtem Wert, nicht niu- über den Inhalt, sondern auch über Tag und Stunde der Publikation vorher genau informiert zu werden. Ew. Exz. ersuche ich eventuell um Drahtbericht '.

v. J a g o w

* Nach dem Konzept von Jagows Hand.

* Abgegangen am 20. Juli.

^ Siehe Nr. 77, 88 und Nr. 103.

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Nr. 84

Der Reichskanzler an den Kaiser ^

Telegramm (ohne Nummer) Hohenfinow, 20. Juli 1914*

Ew. M. muß ich alleruntertänigst melden, daß Seine Kaiserliche Hoheit der Kronprinz entgegen den Höchstdemselben erteilten und von ihm auch akzeptierten Ratschlägen neuerdings wieder mit tele- graphischen Kundgebungen an die Öffentlichkeit zu treten beginnt. So hat Seine Kaiserliche Hoheit in der letzten Woche sehr warme Zustimmungstelegramme an den Oberstleutnant a. D. Frobenius zu der von diesem verfaßten Broschüre »Des Reiches Schicksalsstimde a und an den Professor Buchholz in Posen zu einer von diesem in Broschürenform vertriebenen Bismarckrede gerichtet. Frobenius weist zutreffend auf die schwierige Lage Deutschlands hin, gefällt sich aber gleichzeitig in alldeutschen kriegshetzenden Übertreibungen. Buchholz benutzt eine von glühendem Patriotismus getragene Huldi- gimg vor dem großen Kanzler zu heftigen Angriffen auf die Männer, denen Ew. M. verantwortungsvolle Ämter übertragen haben. Beide Telegramme sind in der Presse veröffenthcht. Insonderheit dasjenige an Frobenius ist von der engüschen, russischen und französischen Presse als Zeichen dafür angesehen worden, daß der Kronprinz sich in einem Gegensatz zu der PoHtik Ew. M. stelle, und daß er zum Kriege treibe. Aus zuverlässiger Quelle weiß ich aber auch, daß in den Regierungskreisen der Triple-Entente dieses Hervortreten des Kronprinzen als ein bedenkhches Symptom ernste Beachtung findet.

Ich habe mir erlaubt, Seine K. Hoheit in einem längeren Briefe dringend zu bitten, von derartigen Kundgebungen abzusehen, die ohne Kenntnis der momentanen politischen Situation imd der diplo- matischen Zusammenhänge abgefsißt, nur geeignet seien, die Pohtik Ew. M. zu kompromittieren und zu kontrekarrieren. Dabei habe ich auf die momentane gespannte Lage ausdrücküch hingewiesen. Ich habe keinerlei Sicherheit dafür, daß Seine K. Hoheit diese Bitte erfüllt, besorge vielmehr ernstlich, daß Höchstderselbe, wenn jetzt das österreichische Ultimatum an Serbien bekannt wird, mit Kundgebungen hervortreten möchte, die nach aUem Vorangegangenen von unseren Gegnern als gewollte Kriegstreiberei angesehen werden, während es doch nach Ew. M. Weisungen unsere Aufgabe ist, den österreichisch- serbischen Konflikt zu lokalisieren. Die Lösung dieser Aufgabe ist schon an sich so schwierig, daß auch kleine Zwischenfälle den Aus-

Nach dem Konzept. Vom Reichskanzler eigenhändig entworfen.

^ Aufgegeben am 20. Juli 12*^ nachm.

^ Dazu am Rande der Vermerk der Reichskanzlei: »s. Sehr, des Graf Wedel

vom 21. 7. er. mit d. Telegr. Sr. Maj. an d. Kronprinzen V. 21. 7. er. s. Tel.

Sr. KsL H. des Kronprinzen vom 23. 7. 14.« (Nr. 105, 132, 133.)

Aktenstucke I. I O

HO

schlag geben können. Ich wage deshalb die alleruntertänigste Bitte auszusprechen, Ew. M. möchten Sr. K. Hoheit durch einen alsbaldigen telegraphischen Befehl jegliches pohtisches Hervortreten huldvollst untersagen.

Alleruntertänigst

V. Bethmann Hollweg

Nr. 85

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 138 London, den 20. Juh 1914 ^

Graf Benckendorff, mit dem ich gestern das Weekend bei Lord Lansdowne verbrachte, sagte mir, er kenne mich versichern, daß seine mir neulich mitgeteilten Ansichten über unser Verhältnis zu Rußland vollkommen den Auffassungen des Herrn Sasonow ent- sprächen. Man empfinde es sogar als eine Unbequemhchkeit, daß gerade jetzt der Besuch des Herrn Poincare erfolge, habe ihm aber nicht abwinken können. In Rußland denke niemand an Krieg, die Rüstungen seien ledigHch eine Folge aller übrigen imd der gebesserten Finanzen. Es sei daher sehr bedauerhch, daß Miß- stimmungen, die völlig unberechtigt seien und wohl nur auf Klatsch und falschen Nachrichten beruhten, entstehen könnten. Eine offene Aussprache würde wohl am ehesten zum Ziel führen. In Belgrad werde nach Möglichkeit abgewiegelt.

Lichnowsky

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in London 12=^ nachm., Eingangsvermerk des Amts: 20. Juli nachm.

Nr. 86

Die serbische Gesandtschaft in Berlin an das Auswärtige Amt^

Berün, den 20. JuH 1914 "

Gleich nach dem verabscheuungswürdigen Attentat in Sarajevo begann die österreichisch-ungarische Presse die Schuld an dem Ver-

* Nicht unterfertigte Aufzeichnung der serbischen Gesandtschaft in Berlin. ^ Eingangsvermerk des Ausvrärtigen Amts: 20. Juli nachm.

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brechen Serbien und den großserbischen Ideen zuzuschreiben. So- wohl die k. Regierung als auch die öffentliche Meinung haben dieses Verbrechen auf das Schärfste verurteilt und deutlich ihrem Abscheu Ausdruck verliehen. Alle Feste an dem Tage des Attentats wurden abgesagt. Die Presse in Österreich-Ungarn hörte jedoch nicht auf, schwere Anklagen und Beschuldigungen gegen Serbien und großserbische Ideen zu erheben und ganz tendenziöse Nachrichten in die Welt zu streuen, wodurch die serbische Presse herausgefordert wurde. Die k. Regierung versuchte durch Rat- schläge an die serbische Presse dieselbe zur ruhigen Verhaltung und nur zu einer notwendigen Abwehr gegenüber den ganz tenden- ziösen Nachrichten zu bestimmen. Diese Ratschläge wurden von einigen serbischen Blättern, die gar keine Bedeutung besitzen, nicht befolgt, da dieselben durch die Verbreitung der unglaublichsten Nachrichten und die Tendenz in den Blättern Österreich-Ungarns, das Verbrechen politisch gegen Serbien und das serbische Volk aus- zunützen, neue Nahrung erfuhren. Die Polemik, die zwischen der serbischen und österreichisch-ungarischen Presse entstand, wurde durch den Umstand verschärft, daß die österreichisch-ungarische Presse gewisse Stellen aus den ganz bedeutungslosen serbischen Zeitungen herausgriff und dazu noch verschärfte und der Öffentlichkeit über- gab mit der Tendenz, die öffentliche Meinung in Europa zu alar- mieren. Die k. Regierung besaß gar keine Handhabe, die Pole- mik in der serbischen Presse, die durch die Haltung der öster- reichisch-ungarischen Presse hervorgerufen wurde, zum Stillschweigen zu bringen, da in Serbien die Pressefreiheit durch die Verfassimg garan- tiert ist.

Die k. Regierung hat sofort die Bereitwilligkeit ausge- sprochen, jeden serbischen Untertan, für den die Beweise für die Mitschuld an dem Verbrechen in Sarajevo gegeben ^vürden, gericht- lich zu belangen.

Die österreichisch -ungarische Regierung hat bis zu dem heutigen Tage der k. Regierung keine Forderungen übermittelt bezüglich der Untersuchung und gerichtlichen Belangung irgendwelcher Persönlichkeiten. Es wurden nur Angaben über Aufenthaltsorte einiger aus dem Priesterseminar in Paveratz relegierten Studenten verlangt, welchem Verlangen auch ohne weiteres stattgegeben wurde.

Die öffentliche Meinung in Österreich-Ungarn und Europa wird noch immer durch die Presse-Kampagne gegen Serbien gereizt, und wie groß die Erregung ist, geht deutlich aus den Interpellationen einiger ungarischer Parteichefs im ungarischen Parlament und der Antwort des ungarischen Ministerpräsidenten hervor. Aus den Diskussionen ersieht man, daß die Monarchie bei der k. Regienmg Schritte zu unternehmen beabsichtigt, in welchem Sinne und in welcher Form ist nicht angedeutet. Wenn man die Erregung der öffentlichen Meinung und alles, was geschehen ist und noch geschieht, in Betracht zieht, so kann man sich der Befürchtung nicht ver

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schließen, daß nicht vielleicht ein Schritt vorbereitet wird, der schlechte Folgen für die nachbarschaftlichen Beziehungen Serbiens und Österreich-Ungjirns haben könnte. Diese Befürchtung wird noch durch die Diskussionen im ungarischen Parlament bekräftigt. Die k. Regierung hat durch ihre Haltung und ihre Arbeit Be- weise gegeben, daß sie alles tut, was zur Beruhigung der Ge- müter beitragen kann, und was im Interesse der Ruhe imd der guten Beziehungen zu allen Nachbarn liegt.

Besonders war die Sorge der k. Regierung darauf ge- richtet, die Beziehungen zu der Nachbarmonarchie, die infolge der letzten Kriege kälter geworden sind, zu bessern und inniger zu gestalten. Die k. Regierung ist fest davon überzeugt, daß die Lebens - interessen Serbiens verlangen, daß der Frieden und die Ruhe auf dem Balkan je mehr und länger aufrechterhalten werden, und läßt sich nur durch einen solchen Wunsch und solche PoUtik leiten. Die k. Regierung befürchtet, daß die erregte öffenthche Meinung in Österreich-Ungarn nicht vielleicht einen Anlaß biete, damit die österreichisch-ungarische Regierung einen Schritt unternimmt, welcher auf eine Erniedrigung Serbiens abzielen würde, welche man seitens Serbiens nicht annehmen könnte.

Die k. Regierung bietet^ daher die k. Regierung, den auf- richtigen Willen und Wunsch Serbiens, mit der Nachbarmonarchie freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten und jedem Versuch auf dem serbischen Territorium, der darauf abzielen würde, die Ruhe imd Sicherheit in der Nachbarmonarchie zu stören, ener- gisch entgegenzutreten, zur Kenntnis nehmen zu wollen. Ebenso ist die k. Regierung geneigt, den Forderungen Österreich-Ungarns, die sie an die k. Regierung stellen sollte bezüglich der gerichtlichen Ver- folgung der Mitschuldigen, wenn es solche geben sollte, entgegenzu- konmien.

Die k. Regierung könnte nur solche Forderungen nicht erfüllen, die auch jeder andere Staat, der auf seine Würde und Un- abhängigkeit bedacht ist, nicht erfüllen könnte.

Indem die k. Regierung aufrichtig bestrebt ist, die Situation besser zu gestalten und gutnachbarschaftliche Beziehungen mit der Nachbarmonarchie zu sichern und zu befestigen, bittet sie die ihr freundschafthch gesinnte k. Regierung, diese Er- klärungen gütigst zur Kenntnis nehmen und im Sinne der Ver- söhnUchkeit, sollte es sich Gelegenheit dazu bieten, gefälligst wirken zu wollen*.

' So im Original für »bittet«. * Siehe Nr. 91 und 93.

Nr. 87

Der Botschaftsrat in Wien an den Staatssekretär des Auswärtigen (Privatbrief) *

Wien, den 18. Juli 1914" Hochverehrter Herr Staatssekretär!

Gestern war ich bei Berchtold, der mir sagte, daß die bewußte Note am 23. d. M. in Belgrad überreicht werden soll. Wie ich gestern berichtet habt;, hofft Berchtold, daß die österreichischen Forderungen, über die er sich im einzelnen nicht ausließ, von Serbien nicht angenommen werden, ganz sicher ist er aber nicht, und ich habe aus seinen wie aus Äußerungen von Hoyos den Ein- druck, daß Serbien die Forderungen annehmen kann. Auf meine Frage, was denn geschehen soUe, wenn die Sache auf diese Weise wieder im Sande verlaufe, meinte Berchtold, man müsse dann bei der praktischen Durchführung der einzelnen Postulate eine weit- gehende Ingerenz ausüben. Will man hier wirklich eine endgültige Klärung des Verhältnisses zu Serbien, wie sie auch Graf Tisza in seiner Rede kürzlich als unabweislich bezeichnet hat, so wäre es allerdings unerfindlich, warum man nicht solche Forderungen auf- gestellt haben sollte, die einen Bruch unvermeidlich machen. Ver- läuft die Aktion wieder wie das Hornberger Schießen, und bleibt es bei einem sogenannten diplomatischen Erfolge, so wird damit die hierzulande schon vorherrschende Anschauung, daß die Monarchie zu keiner Kraftäußerung mehr fähig ist, bedenklich befestigt. Die Folgen, die dies nach innen und außen haben würde, liegen ja auf der Hand.

Ich habe Berchtold auch gefragt, ob er vor einer eventuellen Aktion gegen Serbien mit Itahen Fühlung zu nehmen gedenke, worauf er mir sagte, er habe bisher noch kein Wort verlauten lassen und beabsichtige auch, die itahenische Regierung vor ein fait accompli zu stellen, da sie ihm in puncto Verschwiegenheit nicht ganz sicher sei und bei ihrer serbophilen Haltung leicht in Belgrad etwas durch- sickern lassen könne. Hierin habe man auch in Berlin Hoyos, mit dem dieser Punkt besprochen worden sei, recht gegeben. Dies wurde mir auch von Hoyos selbst bestätigt. Darauf habe ich dem Minister im Sinne des Geheimen Erlasses vom 15. d. M. Nr. 911 ^ eindringlich auseinandergesetzt, wie ungeh(.;uer wichtig es uns erscheine, daß man sich hier mit Rom über die im Konfliktsfall zu verfol-

* Nach der Ausfertigung von Stolbergs Hand.

* Das Schreiben ging v. Jagow persönlich zu, der es schon am 20. Juli nachm. beantwortete (siehe Nr. 89) und es erst dann im Amt journalisieren ließ, so daß es den Eingangsvermerk vom 21. Juli nachm. trägt.

' Siehe Nr. 46.

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genden Ziele auseinandersetzt und es auf seiner Seite zu halten sucht. Berchtold entwickelte einen großen Optimismus und meinte, so niederträchtig könnte doch Itahen als Bundesgenosse nicht sein und sich gegen die Monarchie wenden. Ich habe ihm darauf er- widert, daß bei einem vorläufigen Konflikt mit Serbien allein das Bündnis nicht in Frage komme und Italien sich sehr wohl, wenn auch vielleicht nur moralisch, auf Serbiens Seite stellen könnte, daß aber dies schon für die Festigkeit des Dreibundes verhängnisvoll werden könnte und zweifellos die Aktionslust Rußlands stärken würde. Dies leuchtete dem Minister entschieden ein, doch kam er von sich aus nicht auf etwaige Kompensationen zu sprechen; auch auf die von dem hinzugezogenen Hoyos getane Äußerung, man müsse erst jedenfalls den Italienern etwas geben, ging er nicht weiter ein. Da der Botschafter schon morgen früh zurückkommt, habe ich es für richtiger gehalten, in Details dieser Frage, die doch jedenfalls eine Reihe eingehender Unterhaltungen nötig machen wird, von mir aus [nicht]* näher einzugehen.

Dagegen habe ich gleich darauf mit Hoyos ein längeres Ge- spräch gehabt, wobei er von sich aus auf die Frage des Trento zu sprechen kam und mich fragte, ob man bei uns an diese Kompen- sation dächte, was ich bejahte. Er wies dies diurchaus nicht ab, verschloß sich vor allen Dingen nicht den Argumenten, daß damit der Irredentismus aus der Welt geschafft werden würde. Ich habe ilim auch gesagt, daß es sich ja gegebenen Falles um das verhält- nismäßig kleine Gebiet des Bistums Trient zu handeln brauche. Er nahm alles freundschaftUchst an, erwähnte dann noch als etwaige Kompensation für Italien, daß man ihm den Dodekanesos ver- schaffen könnte^. Übrigens vertrat er den Standpunkt, daß Italien an sich kein Recht auf Kompensationen aus dem Abkommen her- leiten könne, da dieses sich nur auf die Türkei bezieht. Ich habe ihm aber entgegengehalten, daß in diesem Fall nicht von recht- lichen, sondern nur von politischen Gesichtspunkten die Rede sein könne, und daß Österreich mit Rücksicht auf das Bundesverhältnis alles tun müsse, um Italien um jeden Preis bei der Stange zu halten. Schließlich riet ich ihm, sie sollten bei etwaigem Ausbruch des Konflikts mit Serbien in Rom erklären, daß sie gar keinen Territorialerwerb beabsichtigten, daß sie aber, falls die Ereignisse einen solchen nötig machen sollten, Italien in der weitgehendsten Weise entschädigen würden.

Soeben war ich wieder bei Berchtold, der mir sagte, daß morgen die Note mit Tisza endgültig festgestellt werden solle, und daß sie immer noch je nach den Tagesereignissen (Interview Paschitsch, Artikel der »Samouprawa« etc.) modifiziert werde. Hoyos sagt mir eben, daß die Forderungen doch derart seien, daß ein

* »Nicht« fehlt in der Ausfertigung. " Siehe Nr. So

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Staat, der noch etwas Selbstbewußtsein und Würde habe, sie eigent- hch unmögüch annehmen könne.

Übrigens ist zwischen dem Botschafter und verschiedenen hiesigen Politikern wie Körber, Bacquehem etc. bereits früher öfter die Frage des Trento berührt worden, die sich alle sehr verständnis- voll gezeigt haben. Auch im Gespräch mit Berchtold ist schon einmal das Wort gefallen.

In aufrichtiger Verehrung

Ew. Exz.

gehorsamer W. Stolberg

Nr. 88

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 90 Wien, den 20. Juli 1914*'

Graf Berchtold, der erst morgen abend Ischl fahren wollte, wird sich bereits heute abend dorthin begeben und Note, die heute ge- schrieben wird, Kaiser vorlegen. Um möghchst schnelle Mitteilung nach Berlin zu ermöglichen, wird er sofort nach Audienz Ministerium in Wien telegraphisch anweisen, mir Note zuzustellen, so daß sie noch morgen abend nach Berün gehen kann.

Tschirschky

' Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Wien i'^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt

4" nachm.; Eingangsvermerk: 20. Juli nachm. * Siehe Nr. 77, 83 und 103.

Nr. 89

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien'

Telegramm 126 Berün, den 20. Juli 1914'

Geheim !

Auf Privatbrief von Prinz Stolberg*. Endgültiger Überlassung des Dodekanes würde sich England stets widersetzen. Diese Schwierig- keit ist auch in Rom bekannt. Daher würde dort die österreichische Zustimmung zur Überlassung der Inseln allein als vollwertige Kompensation kaum erachtet werden.

J ag o w

' Nach dem Konzept von Jagows Hand. ' 8'^ nachm. zum Haupttelegraphenamt. ä Siehe Nr. 87.

ii6

Nr. 90

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten im kaiserlichen Gefolge^

Telegramm 85 Berlin, den 20. Juli 1914**

Habe heute zufällig hier anwesenden Ballin vertraulich ver- ständigt und Direktor des Norddeutschen Lloyd ersucht, mich morgen hier aufzusuchen.

Jagow

1 Nach dem Konzept von Jagows Hand.

'^ Aufgegeben in Berlin 9^^ nachm., in Balholm angekommen ii** nachm.;

am 2 1 . Juli erstattete G. Wedel dem Kaiser Meldung. ^ Siehe Nr. 80.

Nr. 91

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien^

Telegramm 127 Berlin, dejn 20. Juli 1914^

Der serbische Geschäftsträger suchte mich heute auf*, um mir zu sagen, die serbische Regierung werde alles tun, um die Bezie- hungen zu Österreich-Ungarn zu bessern und zu befestigen, sie werde jedem Versuch auf serbischem Territorium, der darauf abzielen würde, die Ruhe und Sicherheit der Nachbarmonarchie zu stören, energisch entgegentreten und den Forderungen der k. u. k. Regierung betreffend Verfolgung der Mitschuldigen am Attentat von Sarajevo, wenn solche festgestellt werden sollten, entgegenkommen. Sie würde nur solche Forderimgen, die gegen die Würde und Unabhängigkeit des serbischen Staates gingen, nicht erfüllen können. Die serbische Regierung bäte ims, in Wien im Sinne der Versöhnlichkeit zu wirken.

Ich habe mich darauf beschränkt zu erwidern, daß ich die Demarche des Geschäftsträgers in Wien zur Kenntnis bringen würde. Im übrigen habe ich den Geschäftsträger darauf aufmerksam ge- macht, daß die serbische Regierung bisher, trotz der Langmut und der versöhnlichen tmd friedlichen Haltung Österreich-Ungarns während der Balkankrise und trotz unserer fortgesetzten dahm-

' Nach dem Konzept von Jagows Hand. - 9'^ nachm. zum Haupttelegraphenamt. ^ Siehe Nr. 86 und 95.

117

gehenden Ratschläge, nichts getan habe, um ihr Verhältnis zur benachbarten Monarchie zu bessern, und daß ich es wohl begreifen könne, wenn man jetzt dort energischere Saiten aufzöge. Die Forderungen, die Österreich-Ungarn stellen wolle, seien mir nicht bekannt.

Die Demarche des Geschäftsträgers erfolgte offenbar auf Grund eines Zirkularerlasses seiner Regierimg,

Jago w

Nr. 92

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt *

Telegramm 143 London, den 20. Juli 1914 *

Bei meinem heutigen Besuch entnahm ich den Äußerungen Sir E. Grej^, daß er den österreichisch -serbischen Zwist vorläufig noch optimistisch beurteilt und an eine friedliche Lösung der Frage glaube. Er sagte, er habe keine Nachrichten erhalten, die auf das Gegenteil hindeuteten. Ich wiederholte bei dieser Gelegenheit, daß ich über- zeugt sei, Graf Berchtold werde nach genauer Untersuchung aller Vorgänge und an der Hand überzeugenden Materials sich genötigt sehen, Genugtuung von Serbien zu verlangen und Bürgschaft für die Zukunft, und daß ich hoffte, es werde dem Einfluß Rußlands und Englands gehngen, Serbien zur Erfüllung dieser berechtigten Forde- rungen zu veranlassen. Er entgegnete, daß alles darauf ankomme, welche Form von Genugtuung verlangt werde, und ob dies mit Mäßigung geschehe, namenthch aber auch, ob die gegen Serbien er- hobenen Klagen auf beweiskräftiger Grundlage geltend gemacht wür- den. Auf diese Weise hoffe er, daß der Streit sich werde beilegen und begrenzen lassen, denn der Gedanke an einen Krieg zwischen europäischen Großmächten müsse unter allen Umständen zurück- gewiesen werden.

Der Minister hat übrigens in Wien erklären lassen, daß der neuliche Artikel der »Westminster Gazettea, über den ich berichtet habe, nicht von ihm veranlaßt worden sei, da er in Erfahrung ge- bracht, daß man ihn dort als Ermutigung z\mi Losschlagen auffasse.

Li ch n o wsky

' Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in London 20. Juli 8^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 10^ nachm. Eingangsvermerk: 21. Juli vorm. Am 21. JuH tele- graphisch dem Kaiser mitgeteilt, Telegramm aufgegeben in Berlin 12** nachm., angekommen in Balholm 7^' nachm., Entzifferung am gleichen Tage vom Kaiser zurückgegeben. Inhalt durch Erlaß vom 21. Juli nachm. auch den Botschaftern in Wien und Rom mitgeteilt.

ii8

Nr. 93

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Petersburg '

Telegramm ii6 Berlin, den 21. Juli 1914*

Geheim !

Um wieviel Uhr ist am Donnerstag Abfahrt des Präsidenten von Kronstadt vorgesehen? Drahtantwort^.

Jagow

1 Konzept von Jagows Hand.

2 i^^ nachm. zum Haupttelegraphenamt. ' Siehe Nr. 50, 96 und 108.

Nr. 94

Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler ^

Geheim! Wien, den 20. Juli 1914^

Ich habe sämtliches mir in bezug auf die Haltung Itahens zum österreichisch -serbischen Konflikt zur Verfügung gestelltes Material heute in eingehender vertrauhcher Unterredung mit Graf Berchtold verwertet und besonders dabei nachdrückUch auf die Wichtigkeit hingewiesen, sich über eventuelle Kompensationsansprüche Italiens klar zu werden. Dabei habe ich noch besonders betont, daß wir bisher in Rom keinerlei Mitteilung über unsere Verhandlungen mit Wien ge- macht und selbst verständhch auch die Kompensationsfrage dort nicht erörtert haben, welche Bemerkung Graf Berchtold dankend zur Kenntnis nahm.

Ich führte weiter aus, daß es für die künftige Haltung Italiens und die dortige öffentliche Meinung wie auch die Haltung Englands von ausschlaggebender Bedeutung sein werde, welches die Ideen der österreichisch -ungarischen Staatsmänner über die zukünftige Ge- staltung Serbiens sind. Wir hätten natürlich als Partner das drin- gendste Interesse, hierüber orientiert zu werden. Graf Berchtold stimmte dem durchaus bei und sagte, seiner Ansicht nach würde,

^ Nach der Ausfertigung.

2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 21. Juli nachm. Durch Erlaß vom 21. Juli dem Botschafter in Rom zur »streng vertraulichen Infor- mation« mitgeteilt.

119

wie die Dinge lägen, die Kompensationsfrage jetzt überhaupt nicht aktuell werden ; in der gestrigen Besprechung sei, besonders auf Drängen des Grafen Tisza, der hervorgehoben habe, weder ihm noch irgendeiner imgarischen Regierung könne eine Stärkung des sla- wischen Elementes innerhalb der Monarchie durch Angliederung serbischer Gebietsteile zugemutet werden, beschlossen worden, von jeder dauernden Einverleibung fremden Gebietes abzusehen. Hiermit würde dann jeder irgendwie stichhaltige Grund für Itaiien, Kompen- sationen zu fordern, wegfallen. Auf meine Bemerkung, daß seitens Itahens selbst schon die Niederwerfung Serbiens und die damit ver- bundene Ausdehnung des Einflusses der Monarchie am Balkan als eine Schädigung seiner Position angesehen und möglicherweise zu Reklamationen führen würde, meinte der Minister, dieser Standpunkt stehe im Widerspruch mit den wiederholten Erklärungen des Marquis di San GiuHano, daß Itaüen ein starkes Österreich brauche, schon als Schutzwall gegen die slawische Flut. Im übrigen läge bei der Operation gegen Serbien der springende Pimkt nicht darin, daß Österreich einen Machtzuwachs am Balkan, sondern ledighch ein Zurückweisen des slawischen Vorstoßes nach Westen hin in das Ge- biet der Monarchie damit beabsichtige. Dies den Itahenem klar zu machen, werde wohl gelingen, um so mehr als Itaüen unmöghch bei dieser Sachlage einen Grund zu feindlicher Stellungnahme gegenüber Österreich werde finden können. Wenn Marquis di San GiuHano sage, daß Itahen die österreichischen Reklamationen gegen Serbien nicht unterstützen könne, weil sie im Widerspruch ständen mit den Nationalitäten- und den liberalen Regierungsprinzipien, so läge doch die Sache so, daß eben eine hberale Regierungsmethode in den von Serben bewohnten österreichischen Provinzen, die unter österreichischer Herrschaft alle Attribute des liberalen konstitutionellen Staates ver- liehen bekommen hätten, durch die großserbische Propaganda un- möghch gemacht würde. Daß übrigens Itahen das Nation ahtäten- prinzip selbst nicht befolge und dessen Hochhaltimg nur von anderen verlange, gehe klar aus der Besetzung Libyens hervor, die im direkten Gegensatz zu diesem Prinzip als reine Machtfrage die Unterjochung einer fremden Nation zum Ziele hatte. Wenn man sich übrigens in Rom augenblickhch eine weitgehende österreichisch- itahenische Kooperation praktisch nicht vorstellen könne, so läge durchaus kein Anlaß zu einer solchen Kooperation vor; Österreich verlange weder eine Kooperation noch eine Unterstützung, sondern ledighch Enthaltung feindlichen Vorgehens gegen den Bundesgenossen.

Er werde jedenfalls alles tun, um soweit irgend möglich italienische Empfindlichkeiten zu schonen, und er habe schon daran gedacht, den Italienern irgend etwas hier im Innern zur Beruhigung zu geben. Den letzteren Gedanken habe ich auf das Lebhafteste unterstützt und dem Minister zu weiterer Ausgestaltung empfohien.

Graf Berchtold teilte mir weiter mit, daß auch Herr von Merey, der es strikt vermieden habe, mit Marquis di San Giuliano über

I20

die serbische Sache zu sprechen, weil er sicher sei, daß jede, auch die geringste Andeutung italienischerseits sofort nach Rußland weitergegeben und zu Gegenaktionen und Kompensationsansprüchen ausgenutzt werden würde, sich über die antiösterreichische und pro- serbische Stimmung San Giuhanos und der Itahener keinen Illusionen hingebe, aber fest davon überzeugt sei, daß Itahen militärisch und innerpolitisch kaum daran denken könne, aktiv einzugreifen. Herr von M6rey glaube, und er, der Minister, halte diese Ansicht für be- gründet, daß es San Giuliano hauptsächhch darauf ankomme, Öster- reich zu bluffen und für sich Schutz vor der öffentlichen Meinung Itahens zu suchen. Er habe Anzeichen dafür, daß San Giuliano selbst seine russischen Verbindungen in dieser Absicht auszunutzen bestrebt sei.

Herr von M6rey hat vorgeschlagen, aus Rücksicht für Italien, damit man dort die Note nicht erst aus den Zeitimgen erfalire, diese durch ihn dem Marquis di San Giuhano am gleichen Tage wie in Belgrad zur Kermtnis bringen zu lassen; er, der Minister, werde diesem Rate folgen. Bei der Wichtigkeit, Italien die Stellung- nahme an der Seite Österreichs zu ermöglichen und gleich von vornherein jedes Mißverständnis auszuschließen, werde er gleichzeitig mit der Übergabe der Note in Rom erklären lassen, daß Österreich- Ungarn bei seiner Aktion gegen Serbien keinerlei Gebietszuwachs für sich beabsichtige.

von Tschirschky

Nr. 95

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt *

Telegramm 91 Wien, den 21. Juli 1914"*

Graf Forgäch, der heute den Minister vertritt, bittet mich, Ew. Exz. den Dank der k. u. k. Regierung für die freundliche Mit- teilung sowie besonders für die Sprache auszudrücken, die Ew. Exz. dem serbischen Geschäftsträger gegenüber geführt haben.

Tschirschky

' Nach der Entzifferung.

' Aufgegeben in Wien 4* nachm Eingangsvermerk des Amts: ai. Jak

nachm. 3 Siehe Nr. 86 und qi

121

Nr. 96

Der Ädmiralstab der Marine an den Staatssekretär des Auswärtigen*

Berlin, den 21. Juli 1914^

Ew. Exz. beehre ich mich unter Bezugnahme auf die gestrige Unterredung den Reiseplan des Präsidenten Poincar6 an Bord des Linienschiffes »France« zu übersenden^.

Plan

Am 15. Juli Einschiffung des Präsidenten auf »Franceo in Cherbourg.

,\nkunft

Hafen

Abfahrt

Cherbourg

15-

Juli 7^ na

20.

Juli 2^ nachm.

Kronstadt

23-

10 h

25-

10^/2*^ vorm.

Stockholm

25-

abends

27.

i^ nachm.

Kopenhagen

28.

,, nachm.

29.

,, 10^/2'^ vorm.

Kristiania

29.

,, nachts

31-

4*^ nachm.

Dunkerque.

Meine gestrigen mündHchen Angaben berichtigend, bemerke ich, daß S. M. Yacht »Hohenzollem« von Balholm bei möglichster Abkürzung des Aufenthaltes in Bergen zum Kohlennehmen je nach den Verhältnissen Wilhelmshaven oder Cuxhaven bereits in 1^/2 bis 2 Tagen, Kiel in etwa 2 Tagen erreichen kann.

F[ür] d[en] b[eurlaubten] Ch[ef] d[es] Adm[iral]st[abes] d[er] Mfarine]

Paul Behn cke

' Nach der Ausfertigung.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 21. Juli.

' Siehe Nr. 50, 93 und 108.

122

Nr. 97

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien ^

Telegramm 129 Berlin, den 21. Juli 1914 ^ '

Ew. Exz. bitte ich, der dortigen Regierung Einwirkung auf die italienische Presse mit Geld aufzulegen. Sie wollen ferner darauf hinweisen, daß es sich empfehlen wird, nach erfolgter Demarche in der Presse die nationalen Gefühle der eigenen serbischen Staats- angehörigen zu schonen und auf diese Weise zu versuchen, sie für eine Lösung der serbischen Frage im österreichischen Sinne zu ge- winnen.

Jagow

1 Nach dem Konzept. Entwurf von Stumms Hand.

2 620 nachm. zum Haupttelegraphenamt. * Siehe Nr. 128.

Nr. 98

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 356 Konstantinopel, den 21. Juli 1914*

Ganz geheim!

Meinem österreichischen Kollegen ist bereits eine geheime In- struktion zugegangen, wie er sich bei Ausbruch eines Krieges der Türkei gegenüber zu verhalten habe.

Wange nheim

' Nach der Entzifferung.

•^ Aufgegeben in Konstantinopel 5 Uhr nachm., angekommen im Auswärtigen

Amt 6*** nachm. Eingangsvermerk: 21. Juli nachm., durch Erlaß vom 22. Juli

dem Botschafter in Wien mitgeteilt.

123

Nr. 99

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt^

Telegramm 354 Therapia, den 21. Juli 19 142

Großwesir, Talaat Bei und Enver haben meinem österreichischen Kollegen gestern übereinstimmend gesagt, es sei jetzt für Österreich der letzte Moment gekommen, wo es die durch den Balkan- krieg erhttenen Einbußen wieder aus- gleichen und sein Ansehen als Großmacht bei den Balkanvölkem und bei der Türkei wiederherstellen könne. Nicht nur Bul- garien, sondern auch Rumänien imd die na? Türkei würden sich rückhaltlos auf die wir wollen die

Seite des Dreibundes stellen^, wenn öster- Herren :^ur be- das gebe der reich Serbien eine gehörige Lektion gebe, treffenden Stun- Himmel. Die Türkei sei im Begriff gewesen, auf ^^ ^''^''" ^^- Wunsch Deutschlands und Rumäniens Innern

gegen ihre bessere Überzeugung mit Griechenland ein Bündnis zu schließen. Dieses Bündnis werde nicht zustande kommen, wenn Österreich durch ener- gisches Auftreten Bulgarien an sich kette.

Markgraf Pallavicini hat aus den Gesprächen mit türkischen Ministem den Eindruck gewonnen, daß die Triple-En- tente, namentlich Rußland, jetzt für das griechisch-türkische Bündnis arbeitet.

Wangenheim

* Nach der Entzifferung.

■'' Aufgegeben in Therapia ^^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt f nachm. Eingangsvermerk: 21. Juli nachm. Am 22. Juli nachm. wurde

der Abschnitt »Großwesir Lektion gebe« telegraphisch dem Kaiser

mitgeteilt, dem am gleichen Tage Entzifferung vorlag. Kaiser befahl durch Randverfügung Mitteilung an die Botschaft in Wien. Abschnitt »Groß- wesir Lektion gebe« wurde am 22. Juli telegraphisch dem Bot- schafterin Rom mitgeteilt. Telegramm 10" nachm. zum Haupttelegraphen- amt. Derselbe Abschnitt wurde am 22. Juli auch dem Botschafter in Wien mitgeteilt.

' Am Rand Fragezeichen des Kaisers. Der Randvermerk »wir wollen

erinnern« steht über den Worten »rückhaltlos auf . .

124

Nr. loo

Der Reichskanzler an die Botschafter in Petersburg, Paris und London^

Berlin, den 21. Juli 1914^

Die Veröffentlichungen der österreichisch-ungarischen Re- gierung über die Umstände, unter denen das Attentat auf den österreichischen Thronfolger und seine Gemahlin stattgefunden hat, enthüllen offen die Ziele, die sich die großserbische Propa- ganda gesetzt hat, und die Mittel, deren sie sich zur Verwirk- lichung derselben bedient. Auch müssen durch die bekannt- gegebenen Tatsachen die letzten Zweifel darüber schwinden, daß das Aktionszentrum der Bestrebungen, die auf Loslösung der süd- slawischen Provinzen von der österreichisch-ungarischen Monar- chie und deren Vereinigung mit dem serbischen Königreich hinaus- laufen, in Belgrad zu suchen ist, und dort zum mindesten mit der Konnivenz von Angehörigen der Regierung und Armee seine Tätig- keit entfaltet.

Die serbischen Treibereien gehen auf eine lange Reihe von Jahren zurück. In besonders markanter Form trat der groß- serbische Chauvinismus während der bosnischen Krisis in die Er- scheinung. Nur der weitgehenden Selbstbeherrschung und Mäßi- gung der österreichisch-ungarischen Regierung und dem energischen Einschreiten der Großmächte war es zuzuschreiben, wenn die Provokationen, welchen Österreich-Ungarn in dieser Zeit von selten Serbiens ausgesetzt war, nicht zum Konflikt führten. Die Zusiche- rung künftigen Wohlverhaltens, die die serbische Regierung damals gegeben hat, hat sie nicht eingehalten. Unter den Augen, zum mindesten unter stillschweigender Duldung des amtlichen Serbiens, hat die großserbische Propaganda inzwischen fortgesetzt an Aus- dehnung und Intensität zugenommen; auf ihr Konto ist das jüngste Verbrechen zu setzen, dessen Fäden nach Belgrad führen. Es hat sich in unzweideutiger Weise kundgetan, daß es weder mit der Würde noch mit der Selbsterhaltung der österreichisch-ungarischen Monarchie vereinbar sein würde, dem Treiben jenseits der Grenze noch länger tatenlos zuzusehen, durch das die Sicherheit und Integri- tät ihrer Gebiete dauernd bedroht wird. Bei dieser Sachlage können das Vorgehen sowie die Forderungen der österreichisch- ungarischen Regierung nur als billig und maßvoll angesehen werden. Trotzdem schließt die Haltung, die die öffentliche Meinung sowohl als auch die Regierung in Serbien in letzter Zeit eingenommen hat, die Befürchtung nicht aus^, daß die serbische Regierung es ablehnen wird, diesen Forderungen zu entsprechen, und daß sie sich zu einer provokatorischen Haltung Österreich-Ungarn gegenüber hinreißen

125

läßt. Es würde der österreichisch-ungarischen Regierung, will sie nicht auf ihre Stellung als Großmacht endgültig Verzicht leisten, alsdann nichts anderes übrig bleiben, als ihre Forderungen bei der serbischen Regierung durch einen starken Druck und nötigenfalls unter der Ergreifung militärischer Maßnahmen durchzusetzen, wobei ihr die Wahl der Mittel überlassen bleiben muß.

Ew. pp. beehre ich mich zu ersuchen, sich in vorstehendem Sinne Herrn Sasonow* gegenüber auszusprechen und dabei ins- besondere der Anschauung nachdrücklich Ausdruck zu verleihen, daß es sich in der vorliegenden Frage um eine lediglich zwischen Öster- reich-Ungarn und Serbien zum Austrag zu bringende Angelegen- heit handele, die auf die beiden direkt Beteiligten zu beschränken das ernste Bestreben der Mächte sein müsse. Wir wünschen drin- gend die Lokalisierung des Konflikts, weil jedes Eingreifen einer anderen Macht infolge der verschiedenen Bündnisverpflichtungen unabsehbare Konsequenzen nach sich ziehen würde.

Ew. pp. wollen Herrn Sasonow ferner auf die ernsten Folgen aufmerksam machen, die es für den monarchischen Gedanken haben müßte, wenn sich im vorliegenden Falle die monarchischen Mächte unter Hintansetzung etwaiger nationaler Sympathien und politischer Gesichtspunkte nicht geschlossen auf die Seite Österreich-Ungarns stellen sollten, da es gilt, dem vor Verbrechen auch an Angehörigen des eigenen Herrscherhauses nicht zurückschreckenden politischen Radikalismus, der in Serbien die Zügel führt, einen vernichtenden Streich zu versetzen. An dieser Aufgabe ist Rußland in gleichem Maße wie Deutschland interessiert. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß Herr Sasonow sich dieser Tatsache nicht verschließen wird.

Einem gefälligen telegraphischen Bericht über den Verlauf Ihrer Unterredung werde ich mit Interesse entgegensehen'.

v. Bethmann Hollweg

' Runderlaü des Reichskanzlers, gezeichnet von v. Jagow, an die Botschafter in Paris, London und Petersburg. Nach dem Konzept. In Maschinen- schrift vorliegender Entwurf zuerst von Stumm paraphiert, mit einer formalen Ergänzung von der Hand des Vortragenden Rats im Auswärtigen Amt Wirklichen Legationsrats Frhn. Langwerth von Simmern und Änderungen

des Reichskanzlers. Der Abschnitt »Ew. Exz. wollen Herrn Sasonow

verschließen wird« ging nur dem Botschafter in Petersburg zu. Dieser Abschnitt fehlt auch in dem Abdruck des Runderlasses im deutschen Weißbuch vom Mai 1915 S. 24, Nr. i, wo der Erlaß vom 23. Juli datiert ist.

'^ Nach Petersburg am 21. Juli, nach Paris und London am 22. Juli abge- gangen.

•* »schließt die Befürchtung nicht aus« ist vom Kanzler aus >däßt

befürchten« des Entwurfs geändert.

* Im Erlaß an Lichnowsky: "Sir E. Grey« im Erlaß an Schoen: »dem der- zeitigen Vertreter des Herrn Viviani«.

' Siehe Nr. 154, 157, lüo.

Aktenstücke 1. l

126

Nr. loi

Der Reichskanzler an das Auswärtige Amt ^

Telegramm (ohne Nimimer) Hohenfinow, den 21. Juli 1 914''

Befehl Sr. M. wegen Zusammenhaltens der Flotte^ bis 25. läßt mich besorgen, daß, wenn alsdann Ultimatum abgelehnt ist, auf- fälhge Flottenbewegungen vorzeitig von Balholm aus befohlen werden könnten. Auf der andern Seite könnte im Falle einer Krisis falscher Standort der Flotte verhängnisvoll werden. Da ich die Frage militärisch nicht beurteilen kann, wäre wohl Rücksprache mit Admiralstab empfehlenswert, um danach durch Graf Wedel ent- sprechenden, neben den militärischen auch die politischen Momente berücksichtigenden Vortrag bei Sr. M. halten lassen zu können.

Erbitte Drahtantwort über Ansicht Admiralstabs.

Bethmann Hollweg

^ Nach dem Konzept von der Hand des Kanzlers.

* Aufgegeben in Hohenfinow 21. Juli ö'"*' nachm., angekommen im Aus- wärtigen Amt 7'''^ nachm. Eingangsvermerk: 22. Juli vorm. ^ Siehe Nr. 82, iii und 115. -

Nr. 102

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt *

Telegramm 355 Therapia, den 21. Juh 1914^^

Geheim !

Großwesir ließ den bulgarischen Gesandten zu sich rufen, um ihm vertraulich mitzuteilen, daß er demnächst eine Zusammenkunft mit Veniselos haben werde, wobei auch über ein Bündnis verhandelt werden sollte. Er sei entschlossen, sich auf kein Bündnis einzulassen, möchte aber vor seiner Abreise noch wissen, wie sich Bulgarien beim Ausbruch eines österreichisch-serbischen Krieges verhalten werde.

Wangenheim

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Therapia 2 1 . Juli 5" nachm., angekommen im Auswärtigen

Amt y''^ nachm. Eingangsvermerk: 22. Juli vorm. ' Siehe Nr. 147.

127

Nr, 103

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt*

Telegramm 92 Wien, den 21. Juli 1914* ^

Geheim 1

An Serbien zu richtende Note nebst kurzer Zusammenfassung des Ergebnisses der Untersuchung in Sarajevo geht heute abend nach Berlin ab. Note wird Donnerstag nachmittag in Belgrad übergeben und wird Freitag in den hiesigen Morgenblättern publiziert.

Die österreichisch -ungarischen Vertreter bei den Signatarmächten werden Freitag vormittag den betreffenden Regierungen eine Note übergeben, welche Wortlaut der an Serbien gerichteten Note und einen Kommentar enthält. Diese an die Mächte gerichtete Note nebst Kommentar wird Freitag nachmittag oder Sonnabend früh

P^^^^^^^i- Tschirschky

1 Nach der Entzitierung.

* Aufgegeben in Wien 2 1 . Juli 7^° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt

92» nachm. Eingangsvermerk: 22. Juli vorm. ' Siehe Nr. 77, 83 und 88.

Nr. 104

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt*

Telegramm 93 Wien, den 21. Juli 19 14*

Geheim!

Gestern nachmittag, nach meiner Unterredung mit Graf Berchtold,

ist Herr von Merey, um möghchstes Entgegenkommen gegen Italien

zu zeigen, autorisiert worden, dem Marquis di San Giuliano schon

jetzt im allgemeinen Mitteilung zu machen über die hiesigen Pläne

Serbien gegenüber und insbesondere anzudeuten, daß die Monarchie

für sich keinerlei Gebietszuwachs anstrebt. t- u 1. 1

Tschirschky

^ Nach der Entzitterung.

' Aufgegeben in Wien, 21. Juli 7^° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt g^^ nachm.; Eingangsvermerk: 22. Juli vorm. Am 22. Juli i^» nachm. von Jagow telegraphisch dem Kaiser mitgeteih, mit Auslassung der Worte »nach meiner Berchtold«, und mit folgendem Zusatz: »Bericht- lich mddet Herr von Tschirschky ferner, daß Graf Berchtold ihm gesagt habe, Österreich-Ungarn erstrebe keinerlei serbisches Gebiet, da Graf Tisza bestimmt erklärt hätte, daß Ungarn einen weiteren Zuwachs an serbischer Bevölkerung nicht vertragen könne« (nach dem Konzept von Jagows Hand). Entzifferung dieses Telegramms, das j^ nachm. im Hoflager ankam, lag dem Kaiser noch am 22. Juli vor. Telegramm Tschirschkys von Jagow

am 22. Juli mit Auslassung der Worte »nach meiner Berchtold«

telegraphisch auch dem Botschafter in Rom mitgeteilt, lo"'" vorm. zum Telegraphenamt.

128

Nr. 105

Der Kaiser an den Kronprinzen*

Telegramm (ohne Nummer) Baiholm, den 21. Juli 1914

Ich erhalte soeben vom Reichskanzler folgendes Telegramm 2 :

»Ew. M. muß ich huldvollst untersagen.

AUeruntertänigst von Bethmann Hollweg«

Ich appelliere an dein Verständnis dafür, wie außerordentlich pein- lich und schmerzlich es Mir sein muß, daß Du trotz Deiner Mir gegebenen Versprechungen schon wieder durch Dein Verhalten den Reichskanzler zwingst, Mir eine solche Bitte vorzutragen. Ich appelliere ferner an Dein Pflicht- und Ehrgefühl als preußischer Offizier, der gegebene Ver- sprechen unbedingt zu halten hat, und erwarte mit aller Bestimmt- heit, daß Du Dich besonders jetzt bei der Spannung der Lage sowie hinfort überhaupt jeglicher politischer Äußerung Dritten gegenüber, die nur geeignet sind. Meine und Meiner verantwortlichen Ratgeber Politik zu stören, ein für alle Mal enthalten wirst.

Papa Wilhelm

1 Von Wedel mit kurzem Begleitschreiben an den Reichskanzler abge- sandt. Eingangsvermerk der Reichskanzlei: 25. Juli.

* Einzufügen wie Nr. 84; siehe Nr. 132, 133.

Nr. 106

Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler'

Geheim! Wien, den 21. Juli 1914"^

Ew. Exz. beehre ich mich, in der Anlage ein Exemplar der von der k. u. k. Regierung für die Signatarmächte bestimmten Note vor- zulegen 3. Die Note enthält im Wortlaut die am Donnerstag nach- mittag in Belgrad zu übergebende österreichisch -ungarische Note nebst einem Kommentar. Gleichzeitig hält die k. u. k. Regierung zur Verfügung der betreffenden Regierungen eine kurze Zusammen- stellung des Ergebnisses der Untersuchung in Sarajevo.

Bei Übersendung vorstehender Schriftstücke bittet Graf Forgäch ausdrücklich, diese als nur zur persönlichen streng vertraulichen Kenntnisnahme Ew. Exz. bestimmt zu betrachten, da die kaiserliche Genehmigung noch ausstehe, für die allerdings kein Zweifel bestehe'*.

von Tschirschky

^ Nach der Ausfertigung.

2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 22. Juli nachm.

' Übersetzung der in französischer Ausfertigung übersandten Note siehe

Anhang I. * Siehe Nr. 113

129

Nr. 107

Entwurf eines nicht abgesandten Erlasses des Staatssekretärs des Auswärtigen an den Geschäftsträger

in Hamburg ^

Ganz vertraulich! Berlin, den 22. Juli 1914

Angesichts des Ausbruchs einer österreichisch-serbischen Krisis ist es dringend erwünscht, daß die deutsche Presse rechtzeitig die unseren Interessen entsprechende Haltung einnimmt. Das nächste Ziel der deutschen Politik würde, wie die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« am Sonntag früh angedeutet hat, die Lokalisierung des Streites sein. Diese ist zu erwarten, wenn Serbien gegenüber den zu erwartenden Forderungen Österreich-Ungarns alsbald einlenkt. Andernfalls ist eine Verschärfung der Krisis in Aussicht. Kommt es dazu , so müßte unsere Presse zweierlei vermeiden. Es darf weder der Eindruck entstehen, daß wir zum Kriege treiben, weshalb auch unfreundliche Artikel gegen die Zweibundstaaten möglichst zu vermeiden sind, noch daß wir beim Eintritt von Verwicklungen Österreich-Ungarn im Stich lassen werden. Unsere mit der Er- haltung des Friedens verknüpften großen wirtschaftlichen Interessen werden hier nicht außer acht gelassen. Es gibt aber kein besseres Mittel, den Krieg zu vermeiden, als daß wir von vornherein unseren Platz ruhig und fest an der Seite Österreich-Ungarns nehmen. Wenn die öffentliche Meinung in Rußland und in Frankreich sich vor die Notwendigkeit gestellt sieht, unter den gegenwärtigen, nicht günstigen Umständen den Kampf gegen das Deutsche Reich aufzunehmen, so wird es den Regierungen in St. Petersburg und Paris erschwert werden, sich in einen österreichisch-serbischen Konflikt zum Nach- teil Österreich-Ungarns und des Dreibundes einzumischen.

Ew. Hochw. ersuche ich ergebenst, am nächsten Freitag vormittag, unter Hervorhebung dieses Auftrages, die Lage im vorstehenden Sinne mit den Chefredakteuren der Hamburger Nach- richten, des Korrespondenten und des Fremdenblatts vertraulich, aber nachdrücklich zu besprechen.

v. Jagow

Nach dem Konzept. Entwurf von der Hand des ständigen Hilfsarbeiters im Auswärtigen Amt, Legationsrats Esternaux, datiert vom 20. Juli, mit Änderungen und Ergänzungen Hammanns und v. Jagows. Bericht wurde indessen kassiert und ging nicht ab. Konzept trägt die Bemerkung Langwerths von Simmern vom 22. Juli. »Erl(edigt). Cessat. Wird weisungsgemäß von mir mündl. erledigt werden.«

130

Nr. io8

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt *

Telegramm 144 - Petersburg, den 22. Juli 1914^'

Abfahrt des Herrn Poincar6 aus Kronstadt ist für Donnerstag abend 11 Uhr vorgesehen.

Pourtales

1 Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Petersburg 12^ nachm., angekommen im Auswärtigen

Amt 2^1 nachm.; Eingangsvermerk: 22. Juli nachm. ' Siehe Nr. 93, 96 und 112.

Nr. 109

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt*

Telegramm 16 Fiuggi, den 22. Juli 1914^

Aus Rom, wohin er sich zur Besprechung mit Ministerpräsiden tem Salandra begeben hat, telephoniert mir Marquis di San Giuliano, nach erhaltenen Nachrichten betrachte er Lage als äußerst ernst. Er werde daher mit Herrn Salandra morgen abend hier wieder eintreffen, um Lage mit mir zu beraten. Sollten sich neue Momente ergeben haben, die in Diskussion zu verwerten, so darf ich Mitteilung anheimstellen, da Gelegenheit zu weiteren Besprechungen mit Ministern wegen deren Reisedispositionen in nächsten Tagen unsicher.

Flotow

1 Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Fiuggi 2" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 3" nachm. Eingangsvermerk: 22. Juli nachm.

Nr. HO

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 94 Wien, den 22. Juli 19 14 *

Geheim !

Angesichts der Abreise des Herrn Paschitsch von Belgrad ist Baron Giesl angewiesen worden, dort mitzuteilen, daß er Donnerstag nachmittag eine wichtige Eröffnimg zu machen haben werde. Sollte Paschitsch trotzdem nicht nach Belgrad zurückgekehrt sein, so hat Baron Giesl Auftrag, Note dem nächstältesten Minister zu übergeben. Baron Giesl ist ferner angewiesen, faUs Antwort nicht befriedigend und nicht rechtzeitig erfolgt, sofort mit ganzem Personal Belgrad zu verlassen. Hiesiger serbischer Vertreter würde ebenfalls eingeladen werden, Wien zu verlassen'.

Tschirschky

' Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben im Wien 1" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 3^*

nachm.; Eingangsvermerk: 22. Juli nachm. ' Siehe Nr. 114.

Nr. III

Der stellvertretende Chef des Admiralstabs an das Auswärtige Ämt^

Berlin, den 22. Juli 1914^8

Wenn mit der Möglichkeit einer unmittelbar bevorstehenden Kriegserklärung Englands gerechnet werden muß, so ist vom mih- tärischen Standpunkt aus auch mit Sicherheit mit einem Überfall unserer Flotte durch die englische Flotte zu rechnen.

Unsere Flotte darf bei ihrer großen numerischen Unterlegenheit dieser Möglichkeit keinesfalls ausgesetzt werden.

Sobald mit der Möglichkeit des Ausbruchs eines Krieges mit England innerhalb von jeweilig 6 Tagen zu rechnen ist, muß daher die Flotte zurückgerufen werden.

Behncke Konteradmiral

' Nach der Ausfertigung von Behnckes Hand.

Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 22. JuH nachm. Am 22. Juli tele- graphisch dem Reichskanzler mitgeteilt (siehe Nr. 115), am 23. JuH tele- graphisch auch an den Gesandten im kaiserlichen Gefolge gegeben (siehe Nr. 125).

' Siehe Nr. 82 und loi.

132

Nr, 112

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien^

Telegramm 130 Berlin, den 22. Juli 1914^

Zur schleunigen Verwertung

Hatte Graf Pourtales nach Programm des Besuches Poincare befragt. Derselbe meldet, daß Präsident Donnerstag abend 11 Uhr von Kronstadt abfährt. Dies wäre nach mitteleuropäischer Zeit 9 1/2 Uhr. Wenn Demarche in Belgrad morgen nachmittag 5 Uhr gemacht wird, würde sie also noch während Anwesenheit Poincares in Petersburg bekannt werden^.

Jagow

' Nach dem Konzept von Jagows Hand. 2 6^ nachm. zum Haupttelegraphenamt. ^ Siehe Nr. 50, 93, 96, 108 und 127.

Nr. 113

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt*

Telegramm 95 Wien, den 22. Juli 1914^

Geheim !

Die an Serbien zu richtende Note ist unverändert von Sr. M. Kaiser Franz Joseph sanktioniert worden 3.

Tschirschky

' Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Wien 3^" nachm., angekommen im Auswärtigen Ami

6^^ nachm. Eingangsvermerk: 22. Juli nachm. ' Siehe Nr. 106

133

Nr. 114

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten

in Belgrad^

Telegramm 26 Berlin, den 22. Juli 1914**

Geheim 1

Wenn österreichischer Gesandter Belgrad verläßt, wollen Ew. Exz. Geschäfte und Schutz österreichisch -ungarischer Untertanen über- nehmen.

Jagow

^ Nach dem Konzept von Jagovs Hand.

2 6" nachm. zum Haupttelegraphenamt.

3 Siehe Nr. no.

Nr. 115

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Reichskanzler '

Telegramm 18 Berlin, den 22. Juli 1914 ' '

Admiralstab ist folgender Ansicht :

»Wenn mit der Möglichkeit zurückgerufen werden*.«

Daß England sich zu sofortigem Überfall auf uns ent- schließen und daß überhaupt europäische Kriegsfrage sich so schnell entscheidet, ist sehr unwahrscheinlich. Englische Flotte soll laut Mitteilung Admiralstabs am 27. d. M. auseinandergehen und Heimat- häfen aufsuchen. Falls unsere Flotte vorzeitig ziuückgerufen würde, würde England die seinige zusammenhalten.

Jagow

1 Nach dem Konzept von Jagows Hand.

' Aufgegeben in Berlin 7' nachm., angekommen in Hohenfinow 8** nachm.

' Siehe Nr. loi.

* Hier ist die Mitteilung Behnckes vom 22. Juli (Nr. in) wörtlich eingefügt.

134

Nr. ii6

Der Reichskanzler an das Auswärtige Amt^

Telegramm 3 Hohenfinow, den 22. Juli 1914 '

Ew. Exz. Beurteilung der Gesamtlage, die wohl auch schon den mir bisher nicht bekannten Wortlaut der österreichischen Note be- rücksichtigt, pflichte ich bei. Ich würde deshalb eine vorzeitige Rückberufung unserer Flotte für einen schweren Fehler halten und einen entsprechenden Vortrag bei Sr. M. durch Graf Wedel als empfehlenswert ansehen. Wofern Sie keine Bedenken haben, bitte ich, entsprechendes Telegramm an diesen, eventuell in meinem Namen, zu richten. Jedenfeills darf vor dem 27., dem Datum des geplanten Auseinandergehens der engUschen Flotte, unsere Flotte keinerlei auffällige Bewegungen vornehmen, es sei denn, daß inzwischen un- vorhergesehene Ereignisse eintreten*.

Bethmann Hollweg

1 Nach dem jetzt bei den Akten befindlichen Konzept von des Kanzlers Hand.

* Aufgegeben in Hohenfinow 22. JuU 11*° nachm., angekommen im Aus- wärtigen Amt 23. Juli 1 2^ vorm. Eingangsvermerk: 23. Juli vorm.

* Siehe Nr. 1 15.

* Siehe Nr. 125.

Nr. 117

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt*

Telegramm 362 Konstantinopel, den 22. Juli 1914^ '

Enver Pascha sagte mir, ich hätte dem Groß- wesir auseinandergesetzt*, daß die Türkei bis zur Vollendung ihrer militärischen und administrativen kann sie nicht! Reorganisation sich auf keinerlei Bündnis einlassen Blech! dürfe. Theoretisch sei meine Auffassung durchaus

* Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Konstantinopel 22. Juli 5^^ nachm., angekommen im Aus- wärtigen Amt 23. Juli 1^5 vorm.; Eingangsvermerk: 23. Juli vorm. Am 23. Juli nachm. von Jagow nach Vornahme einiger Änderungen und mit Auslassung der Sätze »als die Staaten schwächeren seien« und »Der Groß- wesir werde mit Veniselos Rumänien zu Österreich« telegra- phisch ins kaiserliche Hoflager mitgeteilt, dortselbst angekommen ii^ nachm., Entzifferung des Hoflagers mit den Randbemerkungen des Kaisers am 27. Juli in Berlin eingetroffen.

* Siehe Nr. 71.

* »ich auseinandergesetzt« von Jagow im Telegramm an den

Kaiser geändert in: »der Groswesir neige der Ansicht zu.«

135

richtig. In der Praxis ergebe sich aber für die Türkei die Schwierigkeit, daß sie nur dann in Ruhe und Gründlichkeit im Innern reformieren könne, wenn sie gegen Angriffe von außen geschützt sei! richtig Dazu bedürfe sie des Rückhalts an einer der Groß-

mächtegruppen. Eine kleine Minorität im Komitee sei für ein Bündnis mit Rußland und Frankreich, weil ein solches der Türkei schon insofern Sicher- heit gewähre, als die Staaten des Dreibunds im Mittelmeer die schwächeren seien. Die Majorität des Komitees, an der Spitze der Großwesir mit Talaat Bei, Halil und ihm selbst, wünschten da- und Frankreichs gegen nicht Vasallen Rußlands zu werden und seien überzeugt, daß der Dreibund militärisch stärker sei als die Entente und bei einem Weltkriege obsiegen werde. Er könne mithin erklären, daß die jetzige türkische Regierung den Anschluß an den Dreibund dringend wünsche und nur, wenn sie von uns zu- rückgewiesen werde, schweren Herzens sich zu einem Pakt mit der Tripie-Entente entschließen werde. Nun sehe das Kabinett sehr wohl ein, daß die Türkei gegenwärtig den Großmächten gegenüber nicht bündnisfähig sei. Sie verlange daher auch nur den Schutz der betreffenden Mächtegruppe für ein Bündnis, welches sie selbst mit einem kleineren Staate schheße. Zur Zeit beständen für die Türkei zwei Möglichkeiten sekundärer Bündnisse : DieAlhanz mit Griechenland, die zur Tripie-Entente hinüber- leite, und die Alhanz mit Bulgarien, die zum Drei- bund führe. Das Kabinett sei daher geneigt, mit Bulgarien unter der Bedingung abzuschheßen, daß das Bündnis vom Dreibund, mindestens aber von einer Dreibundmacht, patronisiert werde. Mit Bulgarien sei

na also hatten wir ein Bündnisvertrag mit allen Details bereits früher doch richtig vereinbart und nur deshalb nicht unterzeichnet gerochen. worden, weil Bulgarien ohne Patronan^ des Drei, bunds sich nicht dazu habe entschließen können- Nunmehr sei infolge der österreichisch -serbischen Spannung die Lage kritisch geworden. Der Groß- wesir werde mit Veniselos über ein Bündnis ver- handeln. Eine Ablehnung des griechischen Antrages werde ihm erleichtert werden, wenn für die Türkei und Bulgarien die Aussicht bestehe, als Block zu dem Dreibund in ein ähnliches Verhältnis zu treten [wie] 6 früher Rumänien zu Österreich. Auf den Aus-

bruch eines Krieges am Balkan könne die Pforte

» Hinter »treten« ist in der Entzifferung das Wort »wie« ausgeblieben.

136

nicht erst warten. Die gemeinsamen militärischen

Vorbereitungen müßten sofort getrogen werden.

Ich erwiderte Enver, daß er mich von der

Theoreth. richtig Notwendigkeit von Bündnissen für die Türkei nicht

aber im jetzigen überzeugt habe. Schon die wirtschaftUche Genesung

Augenblick falsch! ^^^ Türkei werde durch ein Bündnis in Frage ^e-

mGewinnun ^'t- ^^^^^^' bürden Rußland und Frankreich die Akkords

Jer Büchse d'e auf ^^^^^^^> wenn die Türkei dem Dreibund beitrete ?

dem Balkan bereit Schwerer wögen die politischen Bedenken. Als

ist für Österreich Dreibundmitghed werde die Türkei mit der offenen

gegen die Slawen Feindschaft Rußlands rechnen müssen. Die türkische

loszugehen, daher Ostgrenze werde dann der schwächste Punkt der

ist ein Turko-Bulg. strategischen Aufstellung des Dreibunds und der

Bündnis mit An- natürhche Angriffspunkt Rußlands sein. Die Drei-

Schluß an Oster- bundregierungen würden voraussichthch zögern, sich

reich wohl j" ac- ^^ pflichten zu belasten, für welche die Türkei

ceptieren ! Das ist , 1 ^ 1 j /- 1 ^

Ovvortunitätsvoli- ^^"^^ noch keine entsprechenden Gegenleistungen

tik die muß hier (^niubieten habe. Auch die Türkei und Bulgarien

getrieben werden, als Block seien dem Dreibund gegenüber kaum

bündnisfähig. Etwas anderes wäre es, wenn dem

Block auch noch Rumänien beiträte, wofür aber

zur Zeit wenig Aussicht vorhanden sei.

Enver Pascha hörte aufmerksam zu, betonte aber immer wieder, daß, wenn der Dreibund das bulgarisch- türkische Bündnis verhindere, die Triple-Entente- Freunde im Komitee Oberwasser bekommen würden. Die augenbhckliche kritische Stimmimg macht es wenig wahrscheinMch, daß in Brüssel* ein Bündnis geschlossen wird. Die Türkei dürfte zunächst ver- faute de mieux mit- gyj^^^^Q^^ Bulgarien zu einer Allianz auch ohne ^unehmm, solange Sanktion durch den Dreibund zu bewegen. Wird Teite uTe^htm Bulgarien in den österreichisch-serbischen Konflikt bereit sind hineingezogen, so ist es beinahe sicher, daß die Türkei nicht neutral bleiben, sondern versuchen wird, über West-Thrazien nach Griechenland vorzudringen.'

Wangenheim

Einverstanden. Wenn es nicht anders geht, und Stambul absolut Bündnis schließen will nunter Patronan:( des Dreibundes oder einer Macht desselben«, so soll es doch ruhig versuchen, Rumänien und Bulgarien ^usammem^ukriegen und sich Österreich !(ur Verfügung stellen. Ich habe nichts dagegen. Das ist immer noch besser, als aus theoreth. Bedenken die Türkei jur sple Entente drängen.

« Wegen Zusammenkunft des Großwesirs mit Veniselos in Brüssel siehe

Wangenheims Telegramm 352 vom 19. Juli, Nr. 81. ' Siehe Nr. 141 und 144.

^37

Nr. ii8

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt '

Telegramm 145 London, den 22. Juli 1914-

Sir Edward Grey wird, wie ich vertraulich erfahre, dem Grafen Mensdorff morgen erklären, die britische Regierung werde sich be- mühen^, ihren Einfluß dahin zur Geltung zu bringen, daß die öster- reichisch-ungarischen Forderungen, falls sie gemäßigt seien und sich mit der Selbständigkeit des serbischen Staates vereinbaren ließen, von der serbischen Regierung angenommen würden. In ähnlichem

Sinne mit Sir Maurice de Bunsen über die serbische

Frage zu sprechen**^.

Lichnowsky

' Nach der Enuifferung.

2 Aufgegeben in London, 22. Juli 9" nachm., angekommen im Auswär- tigen Amt 23. Juli i^^ vorm.; Eingangsvermerk: 23. Juli vorm. Lichnowskys Telegramm wurde von Jagow telegraphisch dem Botschafter in Wien mitgeteilt mit dem Zusatz: »Fürst Lichnowsky erhält Instruktion zur

Regelung zuständen« (siehe Schlußsatz des Telegramms an den

Kaiser Nr. 121). Am 23. Juli i* nachm. zum Haupttelegraphenamt.

" Die Worte »werde sich bemühen« fehlen in der Entzifferung; sie sind aus den Akten der Deutschen Botschaft in London oben ergänzt.

' Siehe den vollen Wortlaut des Lichnowskyschen Telegramms unter Nr. 121.

* Siehe Nr. 126 und 140.

Nr. 119

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt *

Telegramm 17 Fiuggi, den 23. Juli 1914-

Nach Äußerung San Giulianos hat österreichischer Botschafter ihm im allgemeinen österreichische Absichten, gegen Serbien vorzu- gehen, mitgeteilt. Note werde hier sofort nach definitiver Fertig- stellung mitgeteilt werden. Österreich habe gegenwärtig nicht Ab- sicht, Territorium zu erwerben oder Lowtschen zu besetzen. Minister nimmt diese Erklärung nicht als dauernde Verpflichtung und ist

' Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Fiuggi 7*' vorm., angekommen im Auswärtigen Amt 9^ vorm. Eingangsvermerk: 23. Juli vorm. Am 23. Juli von Jagow tele- graphisch dem Botschafter in Wien mitgeteilt, Telegramm 2^'^ nachm. zum Haupttelegraphenamt gegeben, 8 Uhr abends angekommen auf der Deut- schen Botschaft in Wien.

138

daher über diesen Punkt nicht ganz beruliigt. Weiterer Erörterung wich er anscheinend aus mit der Bemerkung, Ministerpräsident Salandra wünsche am Freitag, 24. d. M., die eingetretene Lage in seinem des Marquis di San Giuliano Beisein mit mir zu erörtern. Der Ernst der Situation für Deutschland und Itahen verlange eine solche Aussprache. San Giuhano konnte seine Besorgnisse vor übertriebenen Forderungen Österreichs nicht verhehlen, die ganz Europa und auch italienische öffentliche Meinung gegen Österreich aufbringen würden. Er hält das Vorgehen nach wie vor für zwecklos, da man serbische nationale Bestrebungen nicht unterdrücken könne. Floto

Nr. 120

Der Botschafter in Petersburg an den Reichskanzler*

St. Petersburg, den 21. Juli 1914^ Herr Sasonow, der in der vorigen Woche mehrere Tage auf seinem Landgut im Gouvernement Grodno verbracht hatte, ist seit seiner Rückkehr von dort recht nervös wegen der Beziehungen zwischen Öster- reich-Ungarn und Serbien. Er erzählte mir, daß er sehr alarmierende Berichte aus London, Paris und Rom erhalten habe, wo überall die Haltung Öster- reich-Ungarns wachsende Besorgnis einflöße. Auch Herr Schebeko, der im allgemeinen ein ruhiger Be- obachter sei, melde, daß die Stimmung in Wien gegen Serbien immer schlechter werde.

Der Minister ergriff die Gelegenheit, um seinem Groll gegen die österreichisch -ungarische Politik wieder in gewohnter Weise freien Lauf zu lassen. Daß Kaiser Franz Joseph und auch Graf Berchtold friedliebend wären, wollte Herr Sasonow zwar zugeben, es seien aber sehr mächtige und gefährliche Einflüsse an der Arbeit, die in beiden Reichshälften immer mehr an Boden gewännen und die vor dem Gedanken nicht zurückscheuten, Österreich in einen Krieg zu stüi-zen, selbst auf die Gefahr hin, einen allgemeinen Weltbrand zu entfesseln. Man müsse sich mit Be- das Bild paßt viel sorgnis fragen, ob der greise Monarch und sein besser auf Peters- schwacher Minister des Äußern diesen Einflüssen ^"^g-' gegenüber auf die Dauer die nötige Widerstands-

kraft finden würden.

' Nach der Ausfertigung.

* Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 23. Juli vorm. Bericht lag dem Kaiser vor, von ihm am 27. Juli zurückgegeben. Gemäß k. Randverfügung am 30. Juli durch Erlaß den Botschaften in Wien, Rom, London und Paris mitgeteilt.

139

Früher hätten kriegslustige Elemente, bei denen besonders auch klerikale Intrigen eine große Rolle spielten, ihre Hoffnungen auf den verstorbenen Erzherzog Franz Ferdinand gesetzt. Der Tod des Erzherzogs habe sie keineswegs entmutigt, sie seien vielmehr diejenigen, welche die gefährhche Pohtik, die Österreich-Ungarn gegenwärtig treibe, inspi- rierten ^ Die eigentüchen Leiter dieser Pohtik seien besonders zwei Männer, deren zunehmender Einfluß im höchsten Maße bedenkhch erscheine, nämüch Graf Forgäch, der »ein Intrigant der Narr selber Herr schlimmsten Sorte« und Graf Tisza, der »em halber Sa^onoffü! Narrn sei.

Ich entgegnete Herrn Sasonow, seine maßlosen, gegen die österreichisch -ungarische Pohtik gerichteten Vorwürfe schienen mir durch seine allzu großen Sympathien für die Serben stark beeinflußt und in keiner Weise gerechtfertigt. Man könne billiger- weise nicht lunhin, die von dem Wiener Kabinett seit dem Attentat in Sarajevo beobachtete maß- volle Zurückhaltung anzuerkennen. Es scheine mir überhaupt verfrüht, schon jetzt, bevor das Ergebnis der Untersuchung über das Attentat vorhege, dar- über zu urteilen, inwieweit Österreich-Ungarn be- rechtigt sei, die serbische Regienmg für die groß- serbische Agitation verantworthch zu machen. Nach allem aber, was schon jetzt bekannt sei, könne man kaum daran zweifeln, daß die großserbische Agitation von Serbien aus unter den Augen der i^ serbischen Regierung geschürt werde, und daß

auch das schändliche Attentat in Serbien vorbereitet worden sei. Ein großer Staat könne aber auf die Dauer unmöghch an seinen Grenzen eine Propa- richiig ganda dulden, durch die seine Sicherheit direkt be-

droht werde. Sollten daher, wie es allerdings den , Anschein habe, durch den Prozeß gegen die Ur- heber des Attentates wirkhch Fäden aufgedeckt werden, welche von Serbien ausgingen, und sollte bewiesen werden, daß die serbische Regierrmg gegenüber den gegen Österreich gerichteten Machen- schaften eine bedauerhche Konnivenz gezeigt habe, so sei die österreichisch -ungarische Regierung zweifel- j^ los berechtigt, in Belgrad eine ernste Sprache zu führen.

Ich könnte mir nicht denken, daß in diesem Falle g^t solclie Vorstellungen des Wiener Kabinetts bei der

Am Rand Ausrufungszeichen des Kaisers.

140

serbischen Regierung dem Widerspruch irgendeiner Macht begegnen könnten.

Der Minister hielt diesen Ausführungen gegen- über aufrecht, daß eine Unterstützung der groß- serbischen Propaganda in Österreich-Ungarn von Serbien aus oder gar von der serbischen Regierung keineswegs erwiesen sei*. Man könne für die Taten echt Russisch Einzelner nicht ein ganzes Land verantwortlich machen. Der Mörder des Erzherzogs sei überdies nicht einmal serbischer Untertan. Eine ^roß- serbische Propaganda gäbe es allerdings in Öster- reich, sie sei aber die Folge der schlechten Re« gierungsmethode, durch die Österreich sich von jeher ausgezeichnet habe. Ebenso wie es eine groß- serbische Agitation gebe, höre man auch von der italienischen Irredenta und von der Los-von-Rom- Bewegung sprechen. Das Wiener Kabinett habe nicht den geringsten Grund, sich über die Haltung der serbischen Regierung zu baklagen, diese be- Donnerwetter! nehme sich vielmehr vollständig korrekt.

Ich warf hier ein, es genüge wohl nicht, daß die Mitglieder der serbischen Regierung selbst sich der Teilnahme an der antiösterreichischen Pro- paganda enthielten. Österreich-Ungarn sei vielmehr berechtigt, zu verlangen, daß von Seiten der serbischen Behörden aktiv gegen die österreich- feindhche Propaganda vorgegangen werde, denn die richtig Regierung könne sich unmöglich jeder Verantwortung

für das, was im Lande vor sich gehe, entziehen.

Nach diesem Prinzip, entgegnete Herr Sasonow,

müßte Rußland auch die schwedische Regierung

und Rußland für für die atttirussische Agitation, die seit etwa

seine Spione, die anderthalb Jahren in Schweden betrieben werde,

überall auf- verantworthch machen.

gegriffen werden i

wäre auch das Beste !

Ich wies darauf hin, daß es sich in Schweden nur um eine pohtische Agitation und nicht wie in Serbien um eine Propaganda der Tat handele.

Herr Sasonow bemerkte darauf, daß diejenigen, welche in Österreich einem Vorgehen gegen Serbien das Wort redeten, sich anscheinend nicht mit Vor- stellungen in Belgrad begnügen wollten, sondern daß ihr Ziel die Vernichtung Serbiens sei. Ich er- widerte, daß ich immer nur von einem Ziele hätte reden hören, nämhch: der »Klärung« des Verhält- nisses Österreich -Ungarns zu Serbien.

* Am Rand zwei Ausrufungszeichen des Kaisers.

nein! Rußland ja! als den Thäter und Vertreter des Für- stenmordes ! ! !

richtig

ist bereits da!

er irrt i

141

Der Minister fuhr erregt fort, auf jeden Fall dürfe Österreich-Ungarn, wenn es durchaus den Frieden stören wolle, nicht vergessen, daß es in diesem Falle mit Europa :[u rechnen habe. Rußland würde seinem Schritt in Belgrad, der auf eine Er- niedrigung Serbien[s]5 absehe, nicht gleichgültig zu- sehen können. Ich bemerkte, ich vermöchte in ernsten Vorstellungen, in welchen Serbien an seine völkerrechthchen Pflichten erinnert würde, noch keine Erniedrigung [{t^^ erblicken. Herr Sasonow erwiderte, es komme darauf an, wie dieser Schritt erfolge, auf jeden Fall dürfe von einem Ultimatum nicht die Rede sein'.

Der Minister wies im Laufe des Gesprächs wiederholt darauf hin, daß nach den ihm vorliegen- den Nachrichten die Lage auch in Paris und London ernst angesehen werde, er war dabei sichtlich be- strebt, bei mir den Eindruck zu erwecken, daß auch in England die Haltung Österreich-Ungarns sehr gemißbilligt werde. Am Schluß der Unterhaltung frug ich Herrn

Sasonow, was nach seiner Ansicht an dem in der letzten Zeit in der Presse viel erörterten angeblichen Plan einer Vereinigung von Serbien und Montenegro wäre. Der Minister bemerkte, eine solche Vereini- gung werde nur von Montenegro gewünscht, welches auch den größten Vorteil dabei haben würde. In Serbien denke man gar nicht an diese Vereinigung, was der verstorbene Herr von Hartwig noch in einem seiner letzten Berichte besonders hervor- gehoben habe. Höchstens wünsche man auf wirt- schaftlichem Gebiet ein engeres Verhältnis mit Montenegro, von einer Personalunion wolle man aber nichts wissen.

Herr Sasonow hat seinen Besorgnissen wegen der österreichisch-serbischen Spannung auch meinem italienischen Kollegen gegenüber Ausdruck gegeben und dabei bemerkt, Rußland würde es nicht dulden können, daß Österreich -Ungarn Serbien gegenüber qm vivra verra! eine drohende Sprache führe oder militärische Maß- regeln treffe. »La pohtique de la Russie«, hat Herr Sasonow gesagt, »est pacifique, mais pas passivet.

F. Pourtalös

' Ausfertigung irrig: Serbien.

' In Ausfertigung fehlt irrig: zu.

' »Ulümatum nicht die Rede« vom Kaiser zweimal unterstrichen.

Aktenstücke L

142

Nr. 121

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Kaiser^

Telegramm 132 Berlin, den 23. Juli 1914"

Ew. M. Botschafter in London telegraphiert :

»Sir Edward Grey wird, wie ich vertraulich er- fahre, dem Grafen Mensdorff morgen erklären, die britische Regierung werde ihren Einfluß dahin zur Geltung bringen, daß die österreichisch-ungarischen darüber ^^u befinden Forderungen, falls sie gemäßigt seien und sich mit steht ihm nicht pi, d^y Selbständigkeit des serbischen Staats vereinbaren das ist Sache S. M. Hgßßn, von der serbischen RegieruBg angenommen des Kaisers Frani bürden. In ähnhchem Sinne glaube er auch, daß ^* Sasonow seinen Einfluß in Belgrad geltend machen

werde. Voraussetzung für diese Haltung sei aber, daß von Wien aus keine unbewiesenen Anklagen ä la Friedjung vorgebracht würden, und daß die österreichisch -ungarische Regierung in der Lage sei, den Zusammenhang zwischen dem ]\Iord von Sarajevo ist ihre Sache! mit den politischen Kreisen Belgrads unzweideutig festzustellen. Alles hängt von der Art ab, wie man in Wien die Note gestalte und von den Ergebnissen was ist leichtfertig? der bisherigen Untersuchung. Auf Grund leicht- Wie kann Grey so Jertiger Behauptungen sei es jedoch unmöglich, in ein Wort über den ßgigrad Vorstellungen zu machen. Ich bemühe mich Herrn ''ZTufhen" ^"t^^^^ssen, hier dahin zu wirken, daß man mit g r uc i. ;^^(.]^5j(.J^^ g^^f ^j^g berechtigte Verlangen Österreichs nach einer Genugtuung und endhchen Einstellung der dauernden Beunruhigungen für eine bedingungs- lose Annahme der österreichischen Forderungen ein- gibt es nicht! tritt, selbst wenn sie der nationalen Würde Serbiens nicht vollauf Rechnung tragen sollten. Ich begegne Wie käme ich da^u! hierbei der Erwartung, daß es unserem Einfluß in was heißninerfütibar? Wien gelungen ist, unerfüllbare Forderungen zu üon^it%otd%^&n unterdrücken. Man rechnet mit Bestimmtheit da- und müssen^geduckt mit, daß wir mit Forderungen, die ofienkundig den Zweck haben, den Krieg herbeizuführen, uns nicht

^ Nach dem Konzept von Jagows Hand und der Entzifferung des Hof- lagers.

* Aufgegeben in Berlin i*° nachm., angekommen im Hoflager 8^° nachm. Entzifferung des Hoflagers traf am 27. Juli im Auswärtigen Amt ein. Gleiches Telegramm ging i*° nachm. nach Wien, Ankunft nachm. (nach Akten der Deutschen Botschaft in Wien).

143

Das ist eine unge- identifizieren würden, und daß wir keine Politik heuerliche Britische unterstützen, die den Sarajevoer Mord nur als Vor- Unverschiimiheit. ^^and benutzt für österreichische Balkanwünsche und Ich bin nicht be- ^^^ ^jg Vernichtung des Friedens von Bukarest. 5"{v? demKcdser ^^ übrigen hat mir Sir Edward Grey auch heute Vorschriften ^über wieder sagen lassen, daß er in Petersburg bestrebt die Wahr un^r seiner i^t, im Sinne des österreichischen Standpunkts zu Ehre zu machen! wrken. Es hat aber hier nicht angenehm berührt, daß Graf Berchtold es bisher ganz auffallend ver- mieden hat, mit Sir Maurice de Bunsen über die serbische Frage zu sprechen.«

Ew. M. Botschafter in London erhält Instruk- tion zur Regelung seiner Sprache, daß wir öster- richtig! Das soll reichische Forderungen nicht kannten, sie aber als Grey aber recht interne Frage Österreich-Ungarns betrachteten^, ernst und deutlich ^^f ^j-^ ^^^ Einwirkung nicht zustände. *

gesagt werden ! Damit er sieht, daß Alleruntertänigst

ich keinen Spaß

verstehe. Grey be- J a g o w

geht den Fehler, daß er Serbien mit

Österreich und anderen Großmächten auf eine Stuf e stellt! Das ist unerhört! Serbien ist eine Räuberbande, die für Verbrechen gefaßt werden muß! Ich werde mich in nichts einmischen, was der Kaiser ^u beurtheilen allein befugt ist! Ich habe diese Depesche erwartet und sie überrascht mich nicht! Echt Brit. Denkweise und herablassend befehlende Art, die ich abgewiesen haben will!^

Wilhelm, L R.

^ Entzitlerung des Hoflagers: betrachten.

* Siehe Nr. ii8 und 140.

* Die Randvermerke des Kaisers »Wie käme ich dazu! Ehre zu

machen« und »richtig! Das soll abgewiesen haben will« wurden

dem Auswärtigen Amt noch unter dem 23. Juli von Wedel telegraphisch mitgeteilt, Telegramme aufgegeben in Baiholm 24. Juli 12^ vorm., ange- kommen im Auswärtigen Amt 5^^ vorm. Eingangsvermerk: 24. Juli vorm.

Nr. 122

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger

in Athen ^

Telegramm 99 Berlin, den 23. Juli 1914^

Geheim !

Zur streng vertraulichen Verwertung. Spannung zwischen Österreich und Serbien schließt mili- tärischen Konflikt nicht aus. Bei einem solchen würde Bulgarien

* Nach dem Konzept von Jagows Hand.

* 2*** nachm. zum Haupttelegraphenamt.

144

Gelegenheit zum Angriff auf Serbien kaum vorübergehen lassen. Wie weit Türkei dann ruhig bleiben würde, ist fraglich. Unser Standpunkt muß notwendig auf Seiten des verbündeten Österreichs sein. Rechtzeitiges Abrücken Griechenlands von Serbien ratsam, damit Griechenland nicht in Konflikt hineinbezogen wird. Unter genannten Umständen scheint Abschluß eines griechisch-türkischen Bündnisses zur Zeit sehr zweifelhaft. Arrangement auf anderer Basis, eventuell Vereinbarung über Neutralität daher zu- nächst empfehlenswert ^.

Jagow

» Siehe Nr 189.

Nr. 123

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten in Stockholm^

Telegramm 15 Berlin, den 23. Juli 1914*

Geheim !

Zur Regelung Ihrer Sprache. Allem Anschein nach soll* Österreich-Ungarn, welches sich durch die großserbische Agitation in seiner Existenz bedroht fühlt, sehr ernste Forderungen in Belgrad stellen. Dieselben sind uns nicht bekannt, wir betrachten sie als interne Angelegenheit Österreich-Ungarns, auf welche uns Einwir- wirkung auch nicht zustehen würde. Falls Serbien Annahme der Forderungen verweigert, dürfte ein austro-serbischer Konflikt be- vorstehen. Wir wünschen dringend, daß derselbe lokalisiert bleibt. Dies wird in erster Linie von Rußland abhängen. Ein Eingreifen Rußlands, d. h. ein Angriff desselben auf Österreich würde, wie bekannt, für uns casus foederis bedeuten. Sollte es trotz unserer auf Lokalisierung gerichteten Bemühungen zur allgemeinen Kon- flagration kommen, hoffen wir, daß sich Schweden darüber klar wird, welche ernste Stunde auch für sein Schicksal geschlagen hat.

Jagow

' Nach dem Konzept von Jagows Hand. 2 2'**' nachm. zum Haupttelegraphenamt.

* Das gleichfalls bei den Akten befindliche Reinkonzept schreibt irrig »soll« anstatt des ursprünglich von Jagow niedergeschriebenen »will«

M5

Nr. 124

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 146 London, den 23. Juli 1914^^

Mein italienischer Kollege sagte mir im Laufe einer längeren vertraulichen Unterhaltung, es würde für jede italienische Regierung außerordentlich schwer sein, dem Lande gegenüber die Teilnahme an einem Kriege zu vertreten, welcher etwa die Eroberung oder Austriazisierung Serbiens bezwecke. Italien unterhalte lebhafte Handelsbeziehungen mit Serbien und habe gar kein Interesse daran, diese durch Österreich vernichtet zu sehen. Der Krieg würde also dem italienischen Interesse direkt zuwiderlaufen und wäre daher nur zu führen, wenn Österreich entsprechende Gegenleistungen in Aussicht stellte.

Ich möchte bitten, diese Äußerungen als streng vertrauliche behandeln zu wollen.

Lichnowsky

^ Nach der Entzifferung.

' Aufgegeben in London i^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt

3*° nachm.; Eingangsvermerk: 23. Juli nachm. Am 24. Juli S'* nachm.

von Jagow durch Erlaß dem Botschafter in Wien mitgeteilt.

Nr. 125

Der Reichskanzler an den Gesandten im kaiserlichen Gefolge^

Telegramm 89 Berlin, den 23. Juli 1914^*

österreichisch-ungarische Note soll heute nachmittag bzw. abend in Belgrad übergeben, morgen früh in Wien publiziert werden. Ultimatum würde somit den 25., abends, ablaufen. Unsere Haltung wird zunächst sein, daß es sich um eine Auseinandersetzung

* Nach dem von Jagow niedergeschriebenen und gezeichneten Konzept. Telegramm wurde im Namen des Kanzlers von Jagow abgesandt.

* Aufgegeben in Berlin 3^" nachm., angekommen in Baiholm 9^" nachm. Die jetzt bei den Akten befindliche Entzifferung des Hoflagers trügt den Vermerk von Wedels Hand: »S. M. entspr. Vortrag gehalten. Baiholm, 23. 7. 14.« Text des Telegramms an Wedel wurde Reichskanzler von Jagow telegraphisch nach Hohenfinow mitgeteilt, Telegramm 23. Juli 3" nachm. zum Hapttelegraphenamt.

' Siehe Nr. iii, 115, 116.

146

handle, welche nur Österreich und Serbien etwas angeht. Erst Eingreifen anderer Macht würde uns in Konflikt einbeziehen. Daß dies sofort geschieht, namentlich, daß England sich gleich zum Eingreifen entschließt, ist nicht anzunehmen. Schon die Reise des Präsidenten Poincare, der heute abend Kronstadt verläßt, den 25. Stockholm, den 27. Kopenhagen, den 29. Kristiania besucht und den 31. Dunkerque eintrifft, dürfte alle Entschlüsse verzögern*.

Englische Flotte soll nach Mitteilung des Admiralstabes den 27. auseinandergehen und Heimatshäfen aufsuchen. Etwaige vor- zeitige Rückberufung unserer Flotte könnte allgemeine Beunruhi- gung hervorrufen und namentlich in England als verdächtig er- achtet werden,

Bitte nach Rücksprache mit Admiral von Müller Sr. M. in diesem Sinne Vortrag zu halten. Bemerke hierzu, daß Admiralstab folgendes Gutachten abgibt:

»Wenn mit der Möglichkeit einer unmittelbar bevorstehenden Kriegserklärung Englands gerechnet werden muß, so ist vom mili- tärischen Standpunkt aus auch mit Sicherheit mit einem Überfall unserer Flotte durch die englische Flotte zu rechnen. Unsere Flotte darf bei ihrer^ numerischen Unterlegenheit dieser Möglichkeit keinenfalls ausgesetzt werden. Sobald mit der Möglichkeit des Ausbruchs eines Krieges mit England innerhalb von jeweilig 6 Tagen zu rechnen ist, muß daher die Flotte zurückgerufen werden«. B e t h m a n n H o 1 1 w e g

* Siehe Nr. 50, 93, 96, 108, 112.

* Das in Behnckes Bericht auf »ihrer« folgende Wort »großen« von Jagow hier fortgelassen, siehe Nr. in.

Nr. 126

Dar Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in London ^

Telegramm 167 Berlin, den 23. Juli 1914 ^ 3

Die österreichischen Forderungen sind uns nicht bekannt*. Wir betrachten die Regelung des österreichisch -serbischen Zwischenfalls als eine ausschließhch zwischen den beiden Beteiligten

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Stamms Hand mit Änderungen Jagows. Das Telegramm ging gleichzeitig, gekürzt um den ersten Satz »Die bekannt«, auch an den Botschafter in Paris.

2 Telegramm, wie auch das an den Botschafter in Paris, 4^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.

3 Siehe Nr. u«.

* Satz »Die bekannt« von Jagow im Stummschen Entwurf

beigefügt.

H7

zum Austrag zu bringende interne^ Angelegenheit, auf die uns keinerlei Einwirkung zusteht, und haben daher auch keinerlei Einfluß auf die Entschließungen des Wiener Kabinetts ausgeübt.

Ew. Durchl. wollen daher auch Ausführung des gestern abend dorthin abgegangenen Erlasses^ erst vornehmen, nachdem der Wort- laut der österreichischen Note an die serbische Regierung durch die Presse bekannt geworden ist. Anderenfalls könnte der Eindruck dort entstehen, als ob uns derselbe vorher bekannt gewesen wäre.

J ago w

* »interne« von Jagow im Stummschen Entwurf beigefügt. ^ Siehe Nr. loo.

Nr. 127

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt^

Telegramm 96 Wien, den 23. Juli 1914^

Information. I 5 zu verschieben

Tschirsch ky

K. u. k. Regierung dankt wärmstens für Information. Baron Giesl ist angewiesen, Übergabe lun eine Stunde zu verschieben ^.

«_i Nach der Entzifferung.

'^ Aufgegeben in Wien i^*' nachm., angekommen im Auswärtigen Amt

4" nachm. Eingangsvermerk: 23. Juli nachm. ^ Siehe Nr. 1 12

Nr. 128

Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler ^

Geheim! Wien, den 22. Juli 191423

Habe heute mit Graf Forgäch Notwendigkeit Einwirkung auf fremde Presse eingehend besprochen. Was Italien anlange, so hat Herr von Merey Vollmacht, jede Summe, die ihm erforderhch erscheinen sollte, zu verwenden. Botschafter vertritt bisl;erigen Standpunkt, daß es äußerst gefährlich sein würde, jetzt plötzlich

^ Nach der Entzifferung.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 23. Juli nachm. Abs. i »Habe

machen« am 25. Juli nachm. durch Erlaß dem Botschafter in

Rom »zur Information« mitgeteilt. ^ Siehe Nr. 97.

148

mit großen Mitteln an italienische Presse heranzutreten. Dies würde, wie er glaubt, dort Mißtrauen erwecken und womöglich gegenteihgen Effekt haben. Er ist aber nochmals angewiesen worden, Versuche zur Einwirkung auf dortige Presse zu machen und jedenfalls nach erfolgtem Schritt in Belgrad alles, und mit allen Mitteln, daran zu setzen, daß die leitenden Zeitungen die hier gewünschte neutrale Stellung der itahenischen Regierung nicht unmöglich machen.

Graf Czernm in Bukarest hat gleichfalls iilimitierte Summen zur Verfügung. Er soll es insbesondere versuchen, den »Adeverul« zu kaufen.

Auch Graf Szäpäry hat gleiche Vollmacht. Er hat aber wenig Fühlung mit dortiger Presse, und es würde hier mit besonderem Dank erkannt werden, wenn Graf v. Pourtales ihm bei Ausfindig- machung von Mittelsleuten an die Hand gehen könnte ^.

In England sei mit Geld nichts zu machen, dort müsse man versuchen, durch sachliche Erörterungen zu wiiken. Graf Mensdorff habe auch schon mit Mr. Steed von Times Fühlung genommen, der aber leider, nach Momenten besserer Einsicht wieder in seine Austrophobie verfallen zu sein scheine. In nächster Zeit würden aber von Professor Lammasch, Professor Redlich und Graf v. Lützow Artikel in den englischen Zeitungen erscheinen.

Auf die französische Presse mit Geld einzuwirken, halte man hier für aussichtslos.

Einwirkung auf hiesige Presse, um nach Demarche die nationalen Gefühle der eigenen Serben zu schonen, habe ich Graf Forgäch warm ans Herz gelegt. Er wird alles mögliche in dieser Richtung tun imd ist der tatkräftigen Mitwirkung des Grafen Tisza in dieser Be- ziehung sicher. ' ^on Tschirschky

* Siehe Nr. 143.

Nr. 129

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 147 London, den 23. Juh 1914^

Der ehemalige rumänische Minister Take Jonescu, der augen- blicklich hier weilt und mir von meiner Bukarester Zeit her bekannt ist, erzählte mir, Herr Sasonow habe dem König Karl bei seinem kürzhchen Besuch die bündigsten Erklärungen hinsichtlich der russischen Friedensliebe abgegeben. Auch habe der russische Minister sich jeder Anregung hinsichtlich eines engeren Einvernehmens mit

^ Nach der Entzifferung.

ä Aufgegeben in London 1^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 4*" nachm.; Eingangsvermerk: 23. Juli nachm.

149

Rumänien enthalten. Herr Sasonow habe aber in bestimmter Form erklärt, daß Rußland einen Angriff Österreichs auf Serbien nicht dulden könne. Herr Take Jonescu meint, daß Rußland, falls Öster- reich serbisches Gebiet betrete, sich genötigt sehen weide, selbst auf die Gefahr einer Niederlage hin, militärisch einzugreifen. Aus Äußerungen des kürzlich, und zwar vor dem Attentat in Sarajevo in Bukaiest gewesenen Botschafters Markgrafen Pallavicini will der rumäniscle Staatsmann entnommen haben, daß Österreich schon vor der Ermordung den Krieg gewünscht und auf eine passende Gelegenheit gewartet habe, um seine durch die Politik des Grafen Berchtold verlorengegangene Stellung auf dem Balkan wiederlier- zustellen. Auch er betrachtet die Lage als überaus ernst und gab mir zu verstehen, daß Rumänien bei einem neuen Balkankriege nicht gleichgültig bleiben könne und den Bukarester Frieden erhalten wissen wolle.

Das Verhältnis zu Österreich bezeichnete Herr Take Jonescu als schlecht, der russische Besuch sei dem König CaroP daher unge- legen gekommen, er habe ihn aber nicht abweisen können.

Noch vor 14 Tagen sei Rumänien bereit gewesen, eine größere Truppenmacht nach Albanien zu senden, falls jede der Großmächte auch nur 100 Mann hinschicken wollte. Ob diese Bereitwilligkeit heute noch bestehe, könne er mir nicht sagen. Er glaube nicht, daß die aufständische Bewegung in Albanien von serbischer oder griechischer Seite genährt werde, sie sei vielmehr von den Jungtürken ausgegangen, die glaubten, daß bei neuen Verwicklungen wieder etwas für sie abfallen könne. Serbien wisse genau, daß man es nicht nach Nordalbanien lassen werde, und ihm sei der Fürst Wilhelm lieber wie eine österreichisch-itahenische Besetzung.

Lichnowsky

' Entzifferung schreibt zuerst »Karl«, dann »Carol«.

Nr. 130

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 146 St. Petersburg, den 23. JuU 1914^

Die kühle Aufnahme, die Präsident Poincare bei seinem hiesigen Besuche gefunden hat, fällt all- gemein auf. Die große Teilnahmslosigkeit des

^ Nach der Entzifferung.

' Aufgcf^eben in Petersburg 2" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 5''» nachm.; Eingangsvermerk: 23. Juli nachm. Am 23. Juli von Jagow telegraphisch dem Kaiser mitgeteilt, aufgenommen in Berlin 23. Juli i !•'* nachm., angekommen im Hoflager 24. Juli 7" vorm.; Entzifferung des Hoflagers vom Kaiser am 24. Juli zurückgegeben, am 27. Juli ins Amt zurückgelangt.

150

Publikums ist wohl teilweise auf die Arbeiterstreiks zurückzuführen, die in letzten Tagen große Aus- delinung genommen haben. Über die Hälfte hiesiger Arbeiter haben Arbeit niedergelegt. Eine Anzahl bravo! Zeitungen konnte wegen Buchdruckerstreik während

Besuchs Poincares nicht erscheinen. Dabei ist es zu bedenklichen Ausschreitungen gekommen, bei denen Polizei und Kosaken einschreiten mußten. Heute nacht fand auf Wyborger Seite, wo Arbeitet Barri- kaden errichtet hatten, ernster Zusammenstoß statt, bei welchem es, wie offiziell zugegeben wird, 5 Tote und 8 Verwundete gab.

Es wird, wie ich höre, beabsichtigt, gleich nach Abreise Poincares gegen Arbeiter schärfer vorzugehen.

Außer in Petersburg finden gegenwärtig auch in anderen größeren Städten Rußlands Streiks statt. Sie verdienen als Symptom der in russischen Arbeiter- kreisen herrschenden erbitterten Stimmung ernste Beobachtung, wenn ihnen auch vorläufig größere Tragweite nicht zuzusprechen ist. Im Falle äußerer ja Verxuickhmg kö?inten sie immerhin für Regierung

schwierige Lage schafJen.

Pour t ales

Nr. 131

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt*

Telegramm 97 Wien, den 23. Juli 1914^

Graf Szäpary meldet, Präsident Poincare habe ihm gegenüber bei neulichem Diplomatenempfang nachdrücklich darauf hinge- wiesen, daß Serbien Freunde habe, die es nicht im Stiche lassen würden. Diese Sprache sei, wie man mir hier sagt, nicht im Ein- klang mit Haltung Herrn Sasonows, der sich sehr ruhig und zu- rückhaltend über serbische Angelegenheit ausgesprochen habe.

Herr Dumaine war gestern im Ministerium. Er hat in den düstersten Farben die Gefahren eines Krieges mit Serbien geschil- dert, der ein Guerillakrieg von unabsehbarer Dauer werden müsse. Dabei hat der französische Botschafter aber betont, Rußland werde

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Wien i^° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 5^" nachm. Eingangsvermerk: 23. Juli nachm. Am 24. Juli von Jagow telegraphisch dem Botschafter in Rom mitgeteilt, Telegramm 6** nachm. zum Haupttelegraphenamt.

Serbien selbstverständlich seine moralische Unterstützung zuteil werden lassen.

Herr Schebeko ist auf Urlaub abgereist. Bei seinem Ab- schiedsbesuch bei Graf Berchtold hat er serbische Angelegenheit nicht berührt.

In heutigen Morgenblättern telegraphisch avisierter Artikel der Westminster Gazette, der von Aufrüttelung des slawischen Sentiments Rußlands und von »Attackierung eines orthodoxen Slawenstaates« seitens der Monarchie spricht, hat hier unangenehm berührt.

Man ist hier fest entschlossen, sich durch alle Einschüchte- rungsversuche nicht irre machen zu lassen.

Tschirschky

Nr. 132

Der Kronprinz an den Reichskanzler*

Telegramm (ohne Nummer) Zoppot, 23. Juli 1914^'

Der Inhalt des Telegramms, welches Ew. Exzellenz in der be- wußten Angelegenheit an S. M. gesandt haben, hat mich sehr interessiert.

Wilhelm

^ Nach einer in der Reichskanzlei gefertigten Abschrift.

^ Abgesandt Zoppot 23. Juli. Stunde des Abgangs in Zoppot und Zeit des

Eingangs in Hohenfinow nicht bekannt. ' Siehe Nr. 84, 105 und 133.

Nr. 133

Der Gesandte im kaiserlichen Gefolge an den Reichskanzler*

Balholm, den 23. Juh 1914 - ^

Ew. Exz. beehre ich mich im Anschluß an meinen gehorsamsten Bericht vom 21. d. M. zu melden, daß soeben folgendes Telegramm bei Sr. M. dem Kaiser und Könige eingegcuigen ist: »Befehle werden ausgeführt. Wilhelm Kronprinz.«

Graf G. Wedel

^ Nach einer Abschrift der bei den Akten der Reichskanzlei betindlichen

Ausfertigung. ^ Abgesandt Balholm 23. Juli. Zeit des Eingangs in Hohenfinow nicht bekannt * Siehe Nr. 84, 105 und 132.

»52

Nr. 134

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt^

Telegramm 147 St. Petersburg, den 23. Juli 1914''

Graf Szäpäry erzählt mir, daß bei dem Empfang des diplo- matischen Korps durch Präsidenten der französischen Republik Herr Poincare ihn auf die österreichisch-serbische Spannung ange- redet habe. Präsident habe dabei eine Sprache geführt, die in An- betracht des Umstandes, daß er sich an einen Diplomaten in einem Lande, in dem er selbst Gast war, wandte, Befremden erregen mußte. Graf Szäpäry hat daher den Ausführungen des Präsi- denten gegenüber kühle Zurückhaltung beobachtet. Poincare hat unter Aufwand großer Beredsamkeit Botschafter gegenüber Stand- punkt vertreten, daß es nicht angängig sei, eine Regierung für Ver- brechen einzelner verantwortlich zu machen. Präsident hat ferner bemerkt, er wolle zwar nicht insinuieren, daß Österreich-Ungarn nach einem Vorwand suche, um über Serbien herzufallen, er hoffe aber, daß Österreich nicht zu schroff gegen diesen Nachbar, »der auch Freunde habe«, vorgehen werde. Poincare hat auch taktlose Anspielung auf negatives Ergebnis des Prohaskaprozesses ge- macht, was Graf Szäpäry zu der Erwiderung veranlaßt hat, daß Präsident über die fraglichen Vorgänge nicht unterrichtet scheine. Mein österreichisch-ungarischer Kollege glaubt, daß Herr Poincare hier zu Konflikt gegen Dreibund hetzt; ich möchte vielmehr an- nehmen, daß Äußerungen des Präsidenten auf Anstiften des Herrn Sasonow erfolgt sind, der es mit Politik des Bluffs versuchen möchte. Jedenfalls hat sich Herr Poincare österreichisch-un- garischem Botschafter gegenüber genau derselben Argumente be- dient, die Herr Sasonow mir gegenüber in letzten Unterredungen gebraucht hat.

Pourtales

^ Nach der Entziflerung.

Aufgegeben in Petersburg, 23. Juli 5' nachm., angekommen im Aus- wärtigen Amt iqI" nachm.; Eingangsvermerk: 24. Juli vorm. Am 24. Juli 4" nachm. von Jagow, nach Vornahme einiger stilistischer Änderungen, den Botschaftern in Wien, Rom und Paris mitgeteilt.

153

Nr. 135

Der Geschäftsträger in Bukarest an das Auswärtige Amt^

Telegramm 41 Bukarest, den 23. Juli 1914^

Geheim !

Vom Minister der auswärtigen Angelegenheiten, mit dem ich von Sinaia hierher reiste, erfahre ich vertraulich, italienischer Gesandter habe heute Audienz bei Sr. M. dem König. Italiens Auf- fassung gehe nach Baron Fasciotti dahin, daß Österreich Serbien unannehmbare Forderungen stellen werde, um nach Ablehnung der- selben zum Krieg übergehen zu können. Italienische Regierung wünscht, Rumänien möge in Wien vorstellig werden, um zu er- reichen, daß österreichische Forderungen für Serbien annehmbar gemacht würden. Rumänische Regierung ist, wie Herr Porumbaro mir sagte, schon in Belgrad vorstellig geworden und hat eindring- lichst zur Nachgiebigkeit Österreich-Ungarn gegenüber gemahnt.

Waldburg

* Nach der Entzifferung.

' Aufgegeben in Bukarest 23. Juli y'^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 24. Juli 1'* vorm.; Eingangsvermerk: 24. Juli vorm. Am 24. Juli nachmittags von Jagow telegraphisch, nach Vornahme kleiner Änderungen, dem Botschafter in Rom mitgeteilt.

Nr. 136

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt^

Telegramm 19 Fiuggi Fönte, den 24. Juli 1914^

Für erkrankten österreichischen Botschafter hat Botschaftsrat hier heute mitgeteilt, daß Note Belgrad übergeben sei und daß sie außer Forderung der Unterdrückung panserbischer Bestrebungen Frist von 48 Stunden enthalte. Einzelheiten sind nicht mitgeteilt. Marquis di San Giuliano hat geantwortet, daß er auf eine so wenig eingehende Mitteilung sich nicht äußern könne'.

^ Nach der Entzifferung.

' Aufgegeben in Fiuggi Fönte 7^° vorm., angekommen im Ausvv'ärtigen Amt 10^' vorm.; Eingangsvermerk: 24. Juli nachm. Am 24. Juli von Jagow telegraphisch dem Botschafter in Wien mitgeteilt, mit folgendem Zusatz Jagows: »Das Wiener Kabinett hat demnach die Ew^. Exz. gemachte Zu- sage nicht innegehalten« (nach dem Konzept von Jagows Hand]; Tele- gramm an Tschirschky 6*^ nachm. zum Haupttelegraphenamt. Siehe Nr. 187.

' Siehe Nr. 145

154

Mir sagte Minister, er fürchte schlechten Eindruck der Frist- bestimmung und habe noch in der Nacht durch Ministerpräsidenten alle Präfekten anweisen lassen, antiösterreichische Demonstrationen zu unterdrücken und Anwerbung etwaiger Freiwilliger zum Kampfe für Serbien zu verhindern. Er findet es gegen Geist des Dreibunds, in solche Aktion einzutreten, ohne Verbündeten vorher zu befragen.

F 1 o t o w

Nr. 137

Der Gesandte in Belgrad an den Reichskanzler*

Belgrad, den 21. Juli 1914^

Die Erregung in der hiesigen Bevölkerung hält an, da man noch immer nicht weiß, welche Schritte die österreichisch-unga- rische Regierung in der Attentatsaffäre gegen Serbien unternehmen wird. Vorläufig hat sich diese nervöse Stimmung in heftigen An- griffen der serbischen Presse gegen Baron von Giesl entladen. In unqualifizierbarer Weise wird der Gesandte beschuldigt, die am 12. d. M. in der hiesigen österreichisch-ungarischen Kolonie aus- gebrochene Panik selbst heraufbeschworen zu haben, um Serbien vor Europa zu kompromittieren. Das mindeste, was diese Presse als Genugtuung verlangt, ist sofortige Abberufung, da Baron Giesl für Serbien noch gefährlicher sei als der »jesuitische« Graf Forgäch. Zum Belege betuft man sich auf ein angebliches Interview, das Baron Giesl einem Mitarbeiter des Budapester Blattes »A Nap« gewährt haben soll und worin er erklärt, daß alle Vorbereitungen zum Massacre der österreichisch-ungarischen Kolonie und zur Zer- störung des Gesandtschaftsgebäudes tatsächlich getroffen waren und es nur seinem energischen Einschreiten zu verdanken sei, daß die Ausführung des höllischen Planes unterblieb.

Einen besonderen Eindruck hat hier die Haltung der reichs- deutschen Presse gemacht durch ihre warme Unterstützung Öster- reich-Ungarns und die einmütige Forderung von serbischerseits zu gewährenden Garantien gegen die Gefahren der großserbischen Agitation. Man scheint in dieser Hinsicht etwas ähnliches wie bei den österreichischen Revisionsbestrebungen des Bukarester Ver- trages von Deutschland erwartet zu haben und sieht sich nun unan- genehm enttäuscht.

Angesichts der allgemeinen Entrüstung, die sich in der Presse aller Kulturnationen kundgibt und insbesondere im Hinblick auf

1 Nach der Ausfertigung.

* Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 24. Juli vorm.

155

die deutliche und ernste Sprache, welche die englische Presse neuer- dings führt, wird Herr Paschitsch es auf keinen Konflikt mit der Nachbarmcnarchie ankommen lassen und zu allen Versprechungen bereit sein. Seine Stellung ist allerdings wegen der bevorstehenden Wahlen und der im Lande entfesselten Agitation eine äußerst schwierige. Jedes Entgegenkommen gegenüber der Nachbar- monarchie wird ihm von der vereinigten Opposition als Schwäche ausgelegt. Dazu kommt, daß die in ihrem Größenwahn und Chau- vinismus verblendeten Militärkreise ihn zu Schrofifheiten nötigen, die seiner konzilianten Natur sonst ganz entgegengesetzt sind. Darauf möchte ich auch das dem Berichterstatter der »Leipziger Neuesten Nachrichten« gewährte Interview zurückführen, das nur aus innerpolitischen Motiven erklärlich ist. Es soll mittlerweile zwar dementiert worden sein, hat aber tatsächlich, wie ich aus sicherer Quelle weiß, stattgefunden.

Je länger Österreich-Ungarn zum Abschluß der Unter- suchung über das Attentat in Sarajevo braucht, je länger es zögert, mit positiven Forderungen an Serbien heranzutreten, desto mehr werden sich die beiderseitigen Beziehungen durch die uner- müdliche Preßhetze und die vor nichts zurückschreckende Wahl- agitation im Innern des Landes vergiften und desto schwerer wird es Herrn Paschitsch werden, sich zu behaupten.

v. Griesinger

Nr. 138

Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler^

Geheim! Wien, den 22. Juli igi4'

Baron Macchio bittet mich, nachstehendes Ew. Exz. zu unterbreiten:

Nach den Haager Beschlüssen würde die Monarchie gehalten sein, evtl. an Serbien eine förmliche Kriegserklärung zu richten. Diese Kriegserklärung würde nach vollendeter Mobilmachung, un- mittelbar vor dem Beginn der militärischen Operationen, zu erfolgen haben. Nachdem der k. u. k. Vertreter in Serbien Be- fehl erhalten hat, bei ungenügender Beantwortung der Note mit dem gesamten Personal sofort Belgrad zu verlassen, würde die Monarchie später, zur Zeit der Kriegserklärung, kein offizielles Organ haben, um diese in einwandfreier und sicherer Weise zur Kenntnis der sei bischen Regierung zu bringen. Man müßte auch

^ Nach der Ausfertigung. ^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 24. Juli vorm.

156

damit rechnen, daß zu dieser Zeit die telegraphische Verbindung zwischen Österreich-Ungarn und Serbien unterbrochen sein könnte; auch eine Beförderung durch die Post sei unsicher, und der richtige Empfang der Kriegserklärung könnte serbischerseits bestritten werden. Desgleichen würde sich die Übergabe der Kriegserklärung in Belgrad durch einen besonders zu entsendenden Beamten kaum ermöglichen lassen, da die Serben einen solchen kaum über die Grenze lassen würden und die Sendung eines »Par- lamentärs« vor der eigentlichen Kriegserklärung völkerrechtlich nicht statthaft ist.

Die k. u. k. Regierung fragt deshalb bei Ew. Exz. an, ob die k. Regierung es eventuell übernehmen würde, die von Graf Berch- told unterfertigte Kriegserklärung von Berlin aus durch den deut- schen Gesandten der serbischen Regierung zu übermitteln. Sollte die k. Regierung jedoch Bedenken tragen, diese Übermittelung zu übernehmen, so müßte irgendein anderer sicherer Weg ausfindig ge- macht werden'.

von Tschirschky

ä Siehe Nr. 142.

Nr. 139

Der Gesandte in Belgrad an das Auswärtige Amt*

Telegramm 30 Belgrad, den 24. Juli 19 14^

Der österreichische Gesandte hat gestern abend 6 Uhr dem Finanzminister Patschu, der den auf Wahlreisen abwesenden Ministerpräsidenten Paschitsch vertritt, die Note wegen des Atten- tats in Sarajevo übergeben. Sie ist mit 48 Stunden befristet. Der Finanzminister nahm die Note, ohne sie zu lesen, entgegen und versprach, den Ministerrat heute zusammenzuberufen. Die heutige Morgenpresse bezeichnet die Note als sehr scharf und rät der Re- gierung zu ablehnender Haltung.

Griesinger

* Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Belgrad 12" mittags, angekommen im Auswärtigen Amt i3» nachm. Eingangsvermerk: 24. Juli nachm. Am 24. Juli von Jagow telegraphisch dem Kaiser mitgeteilt, unter Fortlassung der Worte »wegen Sarajevo« und »Sie ist befristet«; Telegramm aufge- geben in Berlin -j'^ nachm., angekommen im Hoflager 10=» nachm. Ent- zifferung lag noch am gleichen Tage dem Kaiser vor.

157

Nr. 140

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in London^

Telegramm 168 Berlin, den 24. Juli 1914- '

S. M. der Kaiser haben zu Ew. Durchl. Telegramm Nr. 145 zu

»Ich begegne hierbei der Erwartung Frieden von

Bukarest"^

zu bemerken geruht:

"Wie käme ich dazu! Ehre zu machen«*.

Zu meiner Meldung, Ew. Durchl. erhielten Instruktion, wir betrachteten Angelegenheit als interne Frage Österreich-Ungarns, auf die uns Einwirkung nicht zustünde, haben S. M. bemerkt: »richtig! abgewiesen haben will«*.

Ew. Durchl. werden in Ihren Unterredungen mit Sir E. Grey noch darauf hinweisen können, daß die dauernden Beunruhigungen, denen Österreich-Ungarn nun schon seit Jahren an seiner Ost- grenze ausgesetzt sei, schon wegen der Ungeheuern damit ver- knüpften finanziellen Lasten einen Zustand schufen, den auf die Dauer von einem kleinen Staate wie Serbien zu ertragen niemand einer Großmacht zumuten könne. Diese Verhältnisse seien eine direkte Folge der Ermutigung, die Serbien stets bei Rußland, ins- besondere bei dessen jüngst verstorbenem Vertreter, gefunden habe®.

Jago w

' Nach dem Konzept. Entwurt von Stumms Hand. '■* i""* nachm. zum Haupttelegraphenamt. ^ Siehe Nr. 1 18 und 121.

* Hier ist die Randbemerkung des Kaisers (Nr. 121J eingefügt; nur ist stan »geduckt« das Wort »gestraft« gewählt und statt »dem Kaiser« »dem Kaiser Franz Joseph« gesagt.

* Hier ist die Randbemerkung des Kaisers (Nr. 121), unter Fortlassung des Satzes »Serbien ist gefaßt werden muß«, eingefügt.

* Siehe Nr. 163

Aktenstücke!. i?

158

Nr. 141

Der Gesandte im kaiserlichen Gefolge an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 128 Baiestrand (»Hohenzollern«), den 24. Juli 1914'

S. M, der Kaiser und König hält zwar die Ausführungen des Frhn. von Wangenheim theoretisch für richtig, ist aber der An- sicht, daß im gegenwärtigen Augenblick aus Opportunitätsgründen die Geneigtheit der Türkei zu Dreibundanschluß benutzt werden muß».

Wenn daher Stambul absolut Bündnis schließen wolle »unter Patronage des Dreibunds oder einer Macht desselben«, so solle es doch richtig versuchen, Rumänien und Bulgarien zusammenzu- kriegen und sich Österreich zur Verfügung stellen. In diesem Sinne soll Wangenheim in Konstantinopel einwirken'.

Wedel

^ Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Baiestrand (»Hohenzollern«) 11^ vorm., angekommen im Auswärtigen Amt i^** nachm.; Eingangsvermerk: 24. Juli nachm.

3 Siehe Nr. 117, 144 und 149, Anm. 2.

Nr. 142

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien ^

Telegramm 134 Berlin, den 24. Juli 1914^'

Es wäre uns erwünscht, wenn Kriegserklärung an Serbien auf direktem Wege und nicht durch unsere Gesandtschaft erfolgte. Unser Standpunkt muß sein, daß Auseinandersetzung mit Serbien interne österreichisch-ungarische Angelegenheit sei, in die uns ebenso- wenig wie anderen eine Einmischung zustände, daß wir deshalb daher für Lokalisierung des Konflikts eintreten. Erst wenn Ruß- land sich einmischen sollte, würden wir in Konflikt hineinbezogen. Kriegserklärung durch unsere Gesandtschaft würde aber in der Öffentlichkeit, namentlich bei dem mit diplomatischen Gebräuchen nicht vertrauten Publikum, Anschein erwecken, als hätten wir Österreich-Ungarn in den Krieg gehetzt*.

J a g o w

^ Nach dem Konzept von Jagows Hand.

- 2' nachm. zum Haupttelegraphenamt, auf der Botschaft in Wien 6'^ nachm.

angekommen. ' Siäie Nr. 138

* Siehe Nr. 206.

159

Nr. 143

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in

Petersburg ^

Telegramm 120 Berlin, den 24. Juli 1914*

Auf Wunsch österreichisch -ungarischer Regierung^ bitte ich, Graf Szäpary bei Auffindung von Mittelsleuten behufs finanzieller Einwirkung auf dortige Presse behilflich zu sein.

Jagow

' Nach dem Konzept. Entwurf von Stumms Hand. a ^ss nachm. zum Haupttelegraphenamt. 3 Siehe Nr. 128.

Nr. 144

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in

Konstantinopel ^

Telegramm 268 Berlin, den 24. Juli 1914^

Gesandter Graf Wedel telegraphiert, daß S. M. trotz bestehender Zweifel über die Bündnisfähigkeit der Türkei der Ansicht sei ^, daß im gegenwältigen Augenblick aus Opportunitätsgründen die Geneigt- heit der Türkei zum Dreibund -Anschluß benutzt werden könne.

Wenn daher Stambul absolut Bündnis schließen wolle »unter Patronage des Dreibimds oder einer Macht desselben«, so solle es doch richtig versuchen, Rumänien und Bulgarien zusammen zukriegen und sich Österreich zur Verfügung stellen.

In diesem Sinne sollten Ew. Exz. in Konstantinopel einwirken. Bemerke hierzu, daß es sich zunächst um Bündnis ad hoc handeln würde imd wir natürlich, wie auch Ew. Exz. ausgeführt haben, jetzt weitgehende Verpflichtungen nicht übernehmen könnten.

Jagow

^ Nach dem Konzept von Jagows Hand. ^ 6*" nachm. zum Haupttelegraphenamt. ' Siehe Nr. 117 und Nr 141.

i6o

Nr. 145

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Rom^

Telegramm 126 Berlin, den 24. Juli 1914 ^ ^

Anheimstelle, Marquis di San Giuliano zu sagen, daß auch wir über österreichische Note nicht näher informiert worden sind und dies auch nicht sein wollten, weil wir Angelegenheit als interne österreichisch-ungarische betrachten. Auch Italien hat seine Bundes- genossen bei Anfang des hbyschen Krieges nicht informiert, sondern vor fait accompli gestellt. Taeow

^ Nach dem Konzept von v. Jagows Hand. ■'' 6*^ nachm. zum Haupttelegraphenamt. ä Siehe Nr. 136.

Nr. 146

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 99 Wien, den 24. Juli 1914 ^

Dem König von Montenegro ist von hier aus gesagt worden, Österreichs Vorgehen gegen Serbien richte sich in keiner Weise gegen Montenegro. Man sei im Gegenteil davon durchdrungen, daß die poHtische Haltung Montenegros gegenüber der Monarchie nicht auf eine Reihe mit der Serbiens zu stellen sei. Montenegro habe zweifellos gleiches Interesse wie die Monarchie, daß den politischen Intrigen und Verschwörungen in Belgrad Einhalt getan werde, und man appelliere an seine, des Königs, oft bewährte Weisheit. Der König hat die hiesigen Eröffnungen sehr gut aufgenommen und Hoffnung ausgesprochen, es werde eine neue Ära guter Beziehungen mit der Monarchie anbrechen.

Man glaubt hier mihtärischerseits jedenfalls nicht mit Monte- negro werden rechnen zu müssen. Tschirschkv

1 Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Wien 5^" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 7^ nachm. Eingangsvermerk: 24. Juli nachm. Am 25. Juli von Jagow nach Vornahme kleiner stilistischer Änderungen telegraphisch dem Kaiser und dem Botschafter in Rom mitgeteüt, beide Telegramme am 25. Juli ii*" vorm. zum Haupttelegraphenamt, Entzifferung des Hoflagers lag noch am 25. JuU abends dem Kaiser vor. Durch Erlaß vom ^5. Juli wurde Tschirschkys Telegramm im vollen Wortlaut dem Gesandten in Getinje mitgeteilt.

i6i

Nr. 147

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt '

Telegramm 365 Pera, den 24. Juli 191423

Bulgarische Regierung hat auf die türkische Anfrage geant- wortet, daß im Falle eines österreichisch-serbischen Konflikts Bul- garien nicht eingreifen würde, ohne sich vorher mit der Türkei ver- ständigt zu haben. ,,. , . =* vVangenheim

1 Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Pera 2-' nachm., angekommen im Auswärtigen Amt j*" nachm. Eingangsvermerk: 24. Juli nachm. Am 25. Juli von Jagow tele- graphisch, nach Vornahme kleiner stilistischer Änderungen, dem Kaiser mitgeteilt, Telegramm aufgegeben in Berlin 12*'' nachm., angekommen im Hoflager lo-* nachm., Entzifferung des Hoflagers lag noch am gleichen Tage dem Kaiser vor. Wangenheims Telegramm am 25. Juli telegraphisch auch den Vertretungen in Wien und Sofia mitgeteilt, 4^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.

^ Siehe Nr. 102.

Nr. 148

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt^

Telegramm 148 Petersburg, den 24. Juh 1914 2

Graf Szapäry hat heute bei Mitteilung der gestern in Belgrad übergebenen österreichischen Note Herrn Maske! Sasonow verhältnismäßig ruhig gefunden. Minister

hat zunächst offenbar vermeiden wollen, russische Regierung nach irgendeiner Richtimg festzulegen. Herr Sasonow hat hauptsächhch auf Eindruck hin- gewiesen, den Note nicht nur hier, sondern auch Paris, London sowie sonst in Eiuopa machen werde. Bei Besprechimg einzelner Punkte der Note hat Minister Serbiens Standpunkt verteidigt und u. a.

' Nach der EntziflTerung.

" Aufgegeben in Petersburg ö'" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8^" nachm. Eingangsvermerk: 24. Juli vorm. ^so irrig statt »nachm.»). Von Jagow telegraphisch dem Kaiser mitgeteilt, unter Fortlassung des

Satzes "Der Hinw^eis nichts zu tun«; Jagows Telegramm,

datiert vom 24. Juli, in Berlin aufgegeben 25. Juli 12*2 vorm., angekommen im Hoflager 25. JuU 9=* vorm. Entzifferung des Hoflagers am 27. Juli in Berlin eingetroffen. Pourtales' Telegramm von Jagow telegraphisch auch dem Botschafter in London mitgeteilt, unter Fordassung des letzten

Absatzes »Nach Besuch rufen lassen«; Jagows Telegramm,

datiert vom 24. Juli, gleichzeitig mit dem an den Kaiser, 24. Juli 1 1 ^ nachm. zum Haupttelegiaphenamt.

l62

wenn Rußland es geäußert, die Forderung einer Auflösung der Na- nicht will! Sonst rodna Odbrana werde Serbien unter keinen Um- wohl lieber als ständen annehmen. Der Hinweis des Bot-^chafters einen Krieg! ^^j ^jg gemeinsamen monarchischen Interessen der konservativen Mächte sowie der Appell an das mon- archische Gefühl des Ministers fanden bei Herrn Sasonow keinen Widerhall. Das monarchische Prin- zip, erwiderte der Minister, habe mit der vorliegenden Frage durchaus nichts zu tun.

Nach Besuch österreichisch - ungarischen Bot- schafters versammelte sich Ministerrat. Herr Saso- now hat mir daher sagen lassen, daß er mich nach demselben werde sehen können. Da Ministeirat hoffentlich wird jetzt, 5 Uhr nachmittags, noch tagt, erscheint es Pourtal\es] klar, fraglich, ob mich Herr Sasonow noch heute wird ernst und gan^ rufen lassen. . + . 1 A c

fest sprechen \ ^ Pourtales

•* Diese Randbemerkung des Kaisers wurde bereits am 25. Juli telegraphisch von Wedel dem Auswärtigen Amt mitgeteilt; Telegramm Wedels auf- gegeben in Baiestrand (»Hohenzollern«) 12'° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 3"* nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli nachm.

Nr. 149

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt^

Telegramm 364 Therapia, den 23. Juli 19 14* '

Markgraf Pallavicini war von seiner Regierung beauftragt worden, den Großwesir vor dem Abschluß

^ Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Therapia 28. Juli 5 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8 *^ nachm. ; Eingangsvermerk: 24. Juli vorm. Am 24. Juli von Jagow nach Vornahme kleiner stilistischer Änderungen und unter Fortlassung

der Sätze » Markgraf Pallavicini war schiefe Lage bringen« und

»Großwesir bemerkte verlange« telegraphisch dem Kaiser mit- geteilt, aufgegeben in Berlin 2''' nachm., angekommen im Hoflager y^nachm., Entzifferung des Hoflagers mit den Randbemerkungen des Kaisers vom 24. Juli traf am 27. Juli in Berlin ein. Noch am 24. Juli aber telegra- phierte Wedel dem Auswärtigen Amt die oben am Rand wiedergegebenen Verfügungen des Kaisers »Eine Ablehnung oder Brusquirung Um- ständen abweisen«, Telegramm aufgegeben in Baiestrand (»Hohenzollern«) am 24. Juli 9^*nachm, angekommen im Auswärtigen Amt 11** nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli vorm. Am 25. Juli teilte daraufhin Jagow dem Botschafter in Konstantinopel telegraphisch, unter Fortlassung der Worte »unbedingt klar« und »gar«, die Randverfügungen des Kaisers mit, Telegramm 1" nachm. zum Haupttelegraphenamt. Die vom Kaiser durch Randverfügung angeordnete Mittteilung von Wangenheims Tele- gramm an die Vertretungen in Wien, Sofia und Athen ist unterblieben.

Siehe Nr. 117, 141 und 144.

163

eines Bündnisses mit Griechenland zu warnen. Ein solches Bündnis werde die Türkei mit Rücksicht auf die bevorstehende Änderung des Verhältnisses Österreichs zu Bulgarien in eine schiefe Lage bringen. Der Großweäir erklärte meinem österreichischen Kollegen aufs Bestimmteste, daß er mit Herrn Veniselos kein Bündnis verabreden werde, und daß Österreich im Kriegsfalle mit derselben Sicherheit nous verrons auf die Türkei wie auf Bulgarien rechnen könne, hoffentlich Auch Rumänien werde sich nach dei ersten energi- schen Handlung wieder dem Dreibund zuwenden. Schließlich wiederholte Großwesir dem mir gestern von Enver Pascha geäußerten Wunsch, es möge der Türkei der förmliche Eintritt in den Dreibund er- möglicht werden. Markgraf Pallavicini, der inzwischen die Frage mit mir besprochen hatte, entgegnete, Quatsch daß ein Bündnis mit der Türkei dem Dreibund

er soll sie doch erst vorläufig noch :{U große Lasten auferlege. Der mal angliedern, das Dreibund könne die Türkei nicht gegen jedermann andere findet sich! verteidigen. Großwesir bemerkte hierzu, daß Türkei von dem Dreibund ausschließÜch Schutz gegen Ruß- land, nicht aber gegen Frankreich imd England verlange. Wangenheim

Sie bietet sich ja direkt an HI Eine Ab- lehnung oder Brusquirung wäre gleich- bedeutend mit Übergang derselben ifu Riisso - Gallien, und unser Einßuß ist

ein für allemal dahin ! Wangenheim soll den Türken sich in Be^ig auf Anschluß an j Bund unbe- dingt klar entgegenkommend äußern imd ihre Wünsche entgegennehmen und

melden ! Wir dürfen sie unter gar keinen Um- ständen abweisen. -ty

Nr. 150

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien ^

Telegremim 136 Berlin, den 24. Juh 1914^

Italienischer Botschafter mitteilt mir soeben Standpunkt seiner Regierung: Itahen will, unter Vorbehalt für Wahrung seiner Aktions-

' Nach dem Konzept von Jagows Hand.

■^ qi' nachm. zum Haupttelegraphenamt gegeben, angekommen auf der Botschaft in Wien am 25. Juli 4* vorm.

164

freiheit und seiner Interessen auf Grund des Artikels VII des Drei- bundvertrages, eine möglichst wohlwollende und freundschaftliche Haltung für Österreich einnehmen und ihm keine Schwierigkeiten bereiten. Italien will übereinstimmende PoHtik in allen Balkan- fragen mit seinen Alliierten machen, dies wäre ilim aber nur möglich, wenn es über Interpretation des Artikels VII Gewißheit erhielte. Sonst müßte italienische Pohtik auf Verhinderung einer territorialen Vergrößerung Österreich -Ungarns gerichtet sein.

Herr Bollati sagt mir, daß österreichischer Botschafter in Rom mitgeteilt habe, Österreich Ungarn erstrebe keine territoriale Ver- größerung, könne sich aber diesetwegen nicht binden.

Nur zu Ew. Exz. persönlicher Information: Streng vertraulich sagt mir Herr Bollati, daß ItaHen für den Fall österreichischer Ge- bietserweiterung als Kompensation Trento fordern würde, und wenn Österreich einen Teil Albaniens nähme, Valona. Letzteres wünsche Italien nicht.

Artikel VII spricht von Regions des Balkans; österreichische Interpretation, daß nur türkisches Gebiet in Frage komme, erscheint uns daher nicht zutreffend. Außerdem erscheinen mir theoretische Streitigkeiten über Vertragsauslegung jetzt deplaciert. Pohtisch zweck- mäßige Entschlüsse sind angezeigt. Bitte Ew. Exz., sich in diesem Sinne auszusprechen.

Jagow

Nr. 151

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt '

Telegramm 100 Wien, den 24. Juh 1914^

Graf Berchtold fährt morgen Mittag nach Ischl, um bei Sr. M. anwesend zu sein bei Eintreffen serbischer Antwort.

Tschirschky

1 Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Wien 7*5 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt Q'^ nachm. Eingangsvermerk: 24 Juli vorm (so irrig statt »nachm.«). Am 24. Juli von Jagow telegraphisch dem Kaiser mitgeteilt, 11° nachm. zum Haupttelegraphenamt, angekommen im Hoflager 25. Juli 8'^ vorm.

^^5

Nr. 152

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 150 London, den 24. Juli 1914^

Graf Benckendorff suchte mich auf und sagte mir streng ver- traulich, er halte es für kaum möglich, der serbischen Regierung, falls sie nicht zu einem Vasallen Österreichs herabsinken solle, die Annahme derartiger Bedingungen zu raten. Er glaube nicht, daß Rußland hierzu in der Lage sei. Es hieße doch so viel, wie die Serben bedingungslos in die Hände Österreichs ausliefern. Das würde die öffentliche Meinung in Rußland nicht vertragen. Eine solche Note schreibe doch nur eine Regierung, die den Krieg wolle; das sei nicht der Ton des Friedens. Sir E. Grey hat bisher nicht mit ihm gesprochen.

Li chnowsky

' Nach der Entzifferung.

'•' Aufgegeben in London 24. Juli 6*^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 9^ nachm.; Eingangsvermerk: 25. Juli vorm.

Nr. 153

Der Unterstaatssekretär des Auswärtigen an die Botschafter in Paris, London und Petersburg^

Telegramm 162, 169, 122 Berhn, den 24. Juhi9i4-

In hiesigen diplomatischen Kreisen ist Ansicht verbreitet, daß wir Österreich-Ungarn zu scharfer Note an Serbien veranlaßt und ims an deren Abfassung beteiligt haben. Gerücht scheint von Cambon auszugehen. Bitte ihm nötigenfalls dort entgegenzutreten. Wir haben keinerlei Einfluß auf Inhalt der Note geübt und ebensowenig wie andere Mächte Gelegenheit gehabt, dazu vor Publikation in irgend- einer Weise Stellung zu nehmen. Daß wir, nachdem sich Österreich- Ungarn aus eigener Initiative zu scharfer Sprache entschlossen hat, jetzt nicht Wien zum Zurückweichen raten können, ist selbst ver- ständhch. Österreich-Ungarns Prestige nach Innen und Außen wäre im Falle des Zurückweichens endgültig erledigt ^.

Zimmermann

^ Nach dem Konzept von Zimmermanns Hand. ^ Telegramm 9*^ nachm. zum Haupttelegraphenamt. ' Siehe Nr. 163, 166, 180.

i66

Nr. 154

Der Botschafter in Paris an das Auswärtige Amt'

Telegramm 210

Qiiatsch

Paris, den 24. Juli 1914^

Der den Ministerpräsidenten vertre- tende Justizminister, bei dem ich mich im Sinne Erlasses 918' aussprach, war sichtlich erleichtert von unserer Auf- fassung, daß österreichisch -serbischer Konflikt lediglich zwischen den beiden Beteiligten zum Austrag zu bringen. Französische Regierung teile aufrichtig Wunsch, daß Konflikt lokalisiert bleibe, und werde sich in diesem Sinne im In- teresse der Erhaltung des europäischen Friedens bemühen. Sie verhehle sicli dabei freihch nicht, daß es einer Macht wie Rußland, die mit panslawistischer Strömung zu rechnen habe, niclit leicht fallen könnte, sich vollständig zu des- interessieren, namentlich dann, wenn Österreich -Ungarn auf sofortiger Erfül- lung aller Forderungen bestehen sollte, auch solchen, welche mit serbischer Souveränität schwer vereinbar oder ma- teriell nicht sogleich ausführbar. Fran- zösische Regierung finde es selbstver- ständlich, daß Serbien in überzeugender Weise Genugtuung geben und Bestra- fung von Verbrechern und Verhinderung von Verschwörungen gegen Österreich- Ungarn zusichern müsse. Man habe hier auch den Serben geraten, so weit wie irgend möglich nachzugeben. Man sei hier aber auch der Ansicht, daß öster-

* Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Paris 24. Juli 8' nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 10^^ nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli vorm. Am 25. Juli von Jagow, mit

Auslassung des Satzes »bei dem aussprach«, telegraphisch dem

Kaiser sowie den Botschaftern in St. Petersburg, London, Rom und Wien mitgeteilt, Telegramme 11** vorm. zum Hauptteiegraphenamt; auf Bot- schaft in Wien angekommen &^ nachm. Telegramm an den Kaiser traf am 25. Juli 11''^ nachm. im Hoflager ein; Entzifferung vom Kaiser am 26. Juli zurückgegeben, am 27. Juli in Berlin angekommen.

^ Siehe Nr. 100.

167

reich-Ungarn gut tue, falls etwa Serbien

nicht alle Fordeningen sofort erfülle,

Ultimata erfüllt sondern über einzelne Punkte ^u diskutieren

man uäer nicht! wünsche, diese Wünsche nicht ohne wei-

aber man diskutier t teres abzuweisen, vorausgesetzt, daß im

nicht mehr! uatier ganzen der gute Wille Serbiens nicht

der Name! ^j^ei/elhaft. das ist er!*

Schoen

Verklausuliertes Blech I * Dies steht auf der linken Seite.

Nr. 155

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt*

Telegramm loi Wien, den 24. Juli 1914*

gänzlich überßüsstß! Um Rußland gegenüber seine guten Disposi-

wird Emdruck der , P ^ , /- r tt u^ u i5 j.

Schwäche erwecken und tionen ^u dokumentieren, hat Lrrai rJerchtola heute ^^«r^erwS/i^'S^ vormittag den russischen Geschäftsträger zu sich Rußilnd sesenüber un- cTQiyf.^Q^ u^ jh^i eingehend den Standpunkt öster-

bedintit falsch ist, und ^ .,xt ,-,• -i j

vermieden werden muß. reich-Ungams Serbien gegenüber auseinanderzusetzen. ^l'7Gä.Ä/£r- Nach Rekapitulierung der historischen Entwicklung auf hin den Schritt ^e- (jej- letzten Tahre habe er betont, daß es der Mon-

than, nun kann er nicht , ., , , , r- i ••!_ <•

hinterher quasi \ur Dis- ditcmt fern liege, erobernd Serbien gegenüber aut- ^ussion gestellt wer den ! ^^^^^^^^ Österreich Werde keinerlei serbisches

Esel! Den Sand- Territorium beanspruchen. In gleicher Weise sei

schak muß es in der an Serbien gerichteten Note sorgsam jede

wiedernenmen, Demütigung Serbiens vermieden worden. Österreich

sonst kommen die halte strikt daran fest, daß der Schritt lediglich

Serben an die Adria. ej^g defensive Maßregel gegenüber den serbischen

Wühlereien zum Ziel habe, müsse aber notgedrungen

Garantien für ein weiteres freundschafthches Ver-

' Nach der Entzifferung. Siehe auch deutsches Weißbuch vom Mai 191 3, S. 27 Nr. 3.

"'' Aufgegeben in Wien 24. Juli 8'^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 1 1'*'* nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli vorm. Am 25. Juli von Jagow, nach Vornahme kleiner Änderungen, unter Fortlassung des Satzes »Ich

habe Vorstehendes Wirkung versprach«, telegraphisch dem Kaiser

sowie den Botschaftern in Rom, Petersburg, London und Paris mitge- teilt. Telegramm an den Kaiser 12*' nachm., die übrigen Telegramme 11" vorm. zum Haupttelegraphenamt. Telegramm an den Kaiser 26. Juli i2*'> nachm. im Hoflager angekommen, Entzifferung am 26. Juli vom Kaiser zurückgegeben, am 27. in Berlin eingetroffen.

i68

halten Serbiens der Monarchie gegenüber verlangen.

die kommt gan^ Es liege ihm weiter fern, eine Verschiebung der

von selbst und muß bestehenden Machtverhältnisse am Balkan und in

kommen [.] Osler- Europa herbeiführen zu wollen. Im Gegenteil be-

reich muß auf dem trachte er den unangetasteten Bestand Rußlands«

Balkan prdponder- ^j^ notwendigen Faktor der europäischen Politik.

ant werdenden An- -r^ * ^^. ^ ■, j o n

deren kleineren se- ^^ ^^^^^^ glauben, daß es im allgememen euro-

genüber auf Kosten päischen Interesse liege, den, die Ruhe Europas

Rußlands- sonst fortgesetzt störenden, serbischen Wühlereien Einhalt

giebts keine Ruhe, zu tun, und besonders die europäischen monarchistisch^

regierten Staaten sollten sich in der Zurückweisung

der serbischen, mit Revolver und Bomben geführten

Politik solidarisch zusammenfinden,

Fürst Kudaschew, der noch keinerlei Weisung aus Petersburg erhalten hatte, hat die Ausführungen des Ministers ad referendrun genommen mit der Zusage, sie sofort Sasonow zu unterbreiten.

Ich habe Vorstehendes dem Herzog von Avama mitgeteilt, der diesen Schritt des Grafen Berchtold Rußland gegenüber ausgezeichnet fand und sich davon bei Marquis di San GiuHano eine besonders gute Wirkung versprach.

Tschirschky schwächlich !

2 Zu »Rußlands« die Randbemerkung Jagows: »muß das Rußland heißen? Wenn ja, ist das Wort besser auszulassen«. Nachprüfung ergab die Richtigkeit der Entzifferung »Rußland«, Wort wurde daher bei der Weiter- gabe des Telegramms ausgelassen. Auch im eigenhändigen Konzept Tschirschkys in den Akten der Botschaft in Wien steht »Rußlands«.

* Nach den Akten der Botschaft in Wien ist »Er« zu lesen.

* Nach den Akten der Botschaft in Wien: »monarchisch«.

Nr. 156

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt^

Telegramm 20 Fiuggi, den 24. Juli 1914^

In mehrstündiger ziemlich erregter Konferenz mit Minister- präsidentem Salandra und Marquis di San Giuliano führte letzterer

1 Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Fiuggi 24. Juli ^^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 25. Juli i2i°vorm. Eingangsvermerk: 25. Juli vorm. Flotows Telegramm am 25. Juli von Jagow, nach Vornahme kleiner Änderungen und unter Fortlassung der Sätze »Botschaftsrat nicht sehen kann« tele- graphisch dem Botschafter in Wien mitgeteilt, 11^ vorm. zum Haupt- telegraphenamt. Betr. Mitteilung des Flotowschen Telegramms an den Kaiser siehe Nr. 168.

169

aus, daß der Geist des Dreibundvertrags bei einem so folgenreichen aggressiven Schritt Österreichs verlangt hätte, sich vorher mit den Bundesgenossen ins Einvernehmen zu setzen. Da dies bei Italien nicht geschehen sei, so könne sich Italien bei weiteren Folgen aus diesem Schritt nicht für engagiert halten.

Außerdem verlange Artikel 7 des Dreibundvertrags (den ich hier nicht habe), daß bei Veränderungen auf dem Balkan die Kontra- henten sich vorher verständigten und daß, wenn einer der Kontra- henten territoriale Veränderung herbeiführe, der andere entschädigt würde.

Auf meine Bemerkung^ Lebensinteressen Österreichs

vorliegen. Meine Aufgabe ist dadurch sehr erschwert, daß öster- reichischer Botschafter krank im Bett. Botschaftsrat unfähig.

Marquis di San Giuhano verläßt voraussichtlich 27. nachmittags Fiuggi. Erbitte etwaige Mitteilung für ihn für 27. früh, da ich ihn dann für 2 bis 3 Tage vielleicht nicht sehen kann.

Floto w

' Hier folgte der im Telegramm Jagows an den Kaiser (Nr. 168) wieder- gegebene Abschnitt »Auf meine Bemerkung Lebensinteressen

Österreichs vorliegen«.

Nr. 157

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 151 London, den 24. JuH 1914^

Sir E. Grey heß mich soeben zu sich bitten. Der Minister war sichtlich stark unter Eindruck der österreichischen Note, die seiner Ansicht nach alles

* Nach der Entzifferung.

* Autgegeben in London 24. Juli 912 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 25. Juli i^*'vorm., Eingangsvermerk: 25. Juli vorm. Am 25. Juli von Jagow nach Vornahme kleiner Änderungen und unter Fortlassung der

Sätze »wie Ew. Exz betonen« und »Auch will man

der Angriffe«, telegraphisch dem Kaiser mitgeteilt, zum Haupttelegraphen- amt 25. Juli nachm., angekommen im Hoflager 26. Juli 3*= nachm. Ent- zifferung des Hof lagers am 26. Juli vom Kaiser zurückgegeben, war am 27. Juli im Auswärtigen Amt. Desgleichen am 25. Juli von Jagow unter

Fortlassung der Sätze »wie Ew. Exz betonen« und «Von anderer

Seite der Angriffe« telegraphisch den Botschaftern in Rom, St.

Petersburg und Paris mitgeteilt, Telegramme 4*^ nachm. zum Haupttele- graphenamt. Über gleichzeitige Mitteilung an den Botschafter in Wien siehe Nr. 171.

überträfe, was er bisher in dieser Art jemals^ ge- sehen habe. Er sagte, er habe bisher keine Nach- richt aus Petersburg und wisse daher nicht, wie man dort die Sache auffasse. Er bezweifelt aber sehr, daß es der russischen Regierung mögUch sein werde, der serbischen [Regierung] * die bedingungs- lose Annahme der österreichischen Forderungen anzuempfehlen. Ein Staat, der so etwas annehme, das wäre sehr er- höre doch eigenthch auf, als selbständiger Staat zu wünscht. Es ist kein zählen. Es sei für ihn, Sir E. Grey, auch schwer, Staat im Eiirop. -^^ diesem Augenblick in Petersburg irgendwelche ^'"muberbande'"' Ratschläge zu geben. Er könne nur fw/Jen, daß dort eine milde ^ und ruhige Auffassung der Lage Platz greife. Solange es sich um einen, wie Ew. Exz in dem von mir Sir E. Gray gegenüber ver- werteten Erlaß 1055* betonen, lokahsierten Streit zwischen Österreich [und]' Serbien handele, ginge richtig ihn, Sir E. Grey, die Sache nichts an, anders würde

die Frage aber, wenn die öffentUche Meinung in Rußland die Regierung zwinge, gegen Österreich vorzugehen.

Auf meine Bemerkung, daß man die Balkan-

richiig Völker nicht mit demselben Maßstabe messen dürfe

sind eben keine! wie europäische Kulturvölker, und daß man daher

ihnen gegenüber, das habe schon die barbarische

richtig Art ihrer Kriegführung gezeigt, eine andere Sprache

führen müsse, wie etwa gegen Briten und Deutsche,

entgegnete der, Minister, daß, wenn auch er diese

dann sind die Auffassung vielleicht teilen [könne,] ^ er doch nicht

Russeneben auch glaube, daß sie in Rußland geteilt werde. Die

nicht besser Gefahr eines europäischen Krieges sei, falls Österreich

das wird sicher serbischen Boden betrete, in nächste Nähe gerückt.

kommen Die Folgen eines solchen Kriegs zu vier, er betonte

ausdrücklich die Zahl vier, und meinte damit

er vergißt Italien Rußland, Österreich-Ungarn, Deutschland und

Frankreich, seien vollkommen* unabsehbar. Wie

auch immer die Sache verlaufe, eines sei sicher,

daß nämlich eine gänzliche Erschöpfung und Ver-

armmig Platz greife, Industrie und Handel ver-

^ »jemals« von Jagow im Telegramm an den Kaiser fortgelassen.

* Zifferngruppe fehlt, von Jagow sinngemäß ergänzt.

* Am Rand Ausrufungszeichen des Kaisers. ^ Siehe Nr. 100.

'' Zifferngruppe fehlt, von Jagow sinngemäß ergänzt.

* Zifferngruppe verstümmelt, von Jagow sinngemäß ergänzt.

' »vollkommen« von Jagow im Telegramm an den Kaiser fortgelassen.

171

nichtet und die Kapitalkraft zerstört würde. Revo- lutionäre Bewegungen wie im Jahre 1848 infolge der damiederliegenden Erwerbstätigkeit würden die Folge sein^°. Was Sir E. Grey am meisten beklagt, neben dem Ton der Note, ist die kurze Befristung, die den Krieg beinahe unvermeidlich mache. Er sagte mir, er würde bereit sein, mit uns zusammen ^^ nutzlos im Sinne einer Fristverlängerung in Wien vorstellig

zu werden, da sich dann vielleicht ein Anstieg ^'^ finden lasse. Er bat mich, diesen Vorschlag Ew. Exz. zu übermitteln. Femer regte er an, daß für den Fall einer gefährüchen Spannung zwischen Rußland und Österreich, die vier nicht unmittelbar beteihgten Staaten England, Deutschland, Frankreich und Italien ist überflüssig ! Da zwischen Rußland und Ost erreich- Ungarn die Ver- Österreich Ruß- mittlung übernehmen sollen. Auch diesen Vorschlag land schon orien- bat er mich, Ew. Exz. zu unterbreiten. ttert hat, und Grey -r^ ,,. •,,-,, , ,,

ja nichts anderes ^^^ Mmister ist sichtlich bestrebt, alles zu tun,

vorschlagen kann, um einer europäischen Verwicklung vorzubeugen, Ich tue nicht mit, und konnte sein lebhaftes Bedauern über den heraus- nur wenn Oster- fordernden Ton der österreichischen Note und die drücklicT daTum ^^^^^ Befristung nicht verhehlen. bittet, was nicht Von anderer Seite wird mir im Foreign Office

wahrscheinlich^\In gesagt, daß man Grund zur Annahme habe, daß tMren- wxdvitcuen Österreich die Widerstandskraft Serbiens sehr unter- Fragen konsultiert , ..^ t- 1 r 1 t- n 1

mati Andere nicht. Schatze. Es werde auf jeden I'all ein langwieriger,

erbitterter Kampf werden, der Österreich ungemein Unsinn schwächen und an dem es sich verbluten werde.

Auch will man wissen, daß die Haltung Rumäniens er kann England mehr als ungewiß sei, und daß man in Bukarest Persien bringen erklärt hätte, man würde gegen jeden sein, der

angriffe.

Lichnowsky

'" Am Rand Ausrufungszeichen des Kaisers.

'• Die Worte »mit uns zusammen 1 von Jagow im Telegramm an den Kaiser fortgelassen.

^^ Am Rand Fragezeichen und 2 Ausrufungszeichen des Kaisers.

'' Der Satz: »Ich tue nicht mit wahrscheinlich« wurde bereits am

26. Juli von G. Wedel durch Funkspruch über Norddeich dem Auswärtigen Amt mitgeteilt; Telegramm abgelassen von Bord der »Hohenzollern 26. Juli 1 1'"-* nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 27. Juli 12^ vorm. ; Eingangsvermerk des Amts: 27, Juli vorm.

172

Nr. 158

Der Gesandte in Belgrad an das Auswärtige Amt'

Telegramm 32 Belgrad, den 24. Juli 1914-

Italienischer Geschäftsträger hat soeben vertraulich erzählt, der Kronprinz habe in größerer^ Aufregung seine Vermittlung in Anspruch genommen für ein Telegramm an die Königin von Italien, worin Höchstdie:^elbe um Hilfe für die Dynastie gebeten wird.

Die Militärs fordern kategorisch die Ablehnung der Note und Krieg.

Die Mobilisierung ist bereits in vollem Gange.

Griesinger

1 Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Belgrad 24. Juli u^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 25. Juli i*^ vorm.; Eingangsvermerk: 25. Juli vorm. Am 25. Juli von Jagow telegraphisch dem Kaiser mit Telegramm 127 mitgeteilt, aufgegeben in Berlin 1 1" vorm., angekommen im Hoflager 3^^ nachm.; Entzifferung lag noch am gleichen Tage dem Kaiser vor. Am 25. Juli desgleichen teW- graphisch den Botschaftern in Wien und Rom mitgeteilt, Telegramme i^o nachm. zum Haupttelegraphenamt; auf der Botschaft in Wien an- gekommen 9^^ nachm. Von den beiden letzten Abschnitten »Die

Militärs vollem Gange« am 25. Juli auch dem Generalstab

Kenntnis gegeben; iMitteilung 8^ nachm. durch Boten abgesandt.

ä So in der Entzifferung.

Nr. 159

Der Gesandte in Belgrad an das Auswärtige Amt'

Telegramm 31 Belgrad, den 24. Juli 1914*

Der energische Ton und die präzisen Forde- rungen der österreichischen Note sind der serbischen

1 Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Belgrad 24. Juli 9*^ nachm., angekommen im Ausv?ärtigen Amt 25. Juli 2^^ vorm. Eingangsvermerk: 25. JuU vorm. Am 25. Juli von V. Jagow telegraphisch dem Kaiser mitgeteilt, aufgegeben in Berlin 1 1" vorm., angekommen im Hoflager 2^" nachm. Entziff"erung des Hotlagers, vom Kaiser am 25. Juli zurückgegeben, war am 27. Juli in Berlin. Desgleichen dem Botschafter in Wien mitgeteilt, Telegramm i*** nachm. zum Haupt- telegraphenamt, angekommen 7^^ abds.

173

travo ! man hatte es den Regierung vollständig Unerwartet gekommen. Seil "etraut)^"^ ^ w^»-?«- j^^^^g ^^^^ j.g^g^ ^^^ Ministerrat unter dem Vorsitz es scheint S. M. des Kronprinz-Regenten, kann aber ^u keinem Ent- hüben sich ge- Schluß kommen. Es wird als unmöglich bezeichnet, drückt! innerhalb 48 Stunden die gestellten Bedingungen zu

Die stolzen Slaven! erfüllen, insbesondere die Punkte 2, 4, 5, 6 Absatz 2. in denen eine direkte Einmischung in die Souveräni- tät Serbiens erblickt wird. Im Falle des Erlasses des Tagesbefehls wird eine militärische Erhebung befürchtet.

Wie ich höre, wird die Verlegung der Regierung nach Nisch erwogen.

Griesinger

Wie hohl ^eigt sich der gan^e soß. Ser- bische Großstaat, so ist es mit allen Slavischen Staaten beschaffen ! Nur feste auf die Füße des Gesindels getreten!

Nr. 160

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 149 St. Petersburg, den 25. Juh 1914

:iit

Hatte eben lange UnteiTedung mit Sasonow, in der ich Inhalt Erlasses 592 ^ eingehend ver- wertet. Minister, der sehr erregt war und sich

' Nach der Entzifferung. Siehe auch deutsches Weißbuch vom Mai 19 15, S. 27, Nr. 4.

'^ Aufgegeben in Petersburg i** vorm., angekommen im Auswärtigen Amt 3*» vorm. Eingangsvermerk: 25. Juli vorm. Am 25. Juli von Jagow nach Vornahme kleiner stilistischer Änderungen und unter Fortlassung der Worte »in der ich Inhalt verwertet. Minister« und »aber unter Ver- meidung scheinen könnte« telegraphisch dem Kaiser mitgeteilt,

zum Haupttelegraphenamt 25. Juli 1'^ nachm., im Hoflager angekommen 26. Juli 5^ nachm. Entzifferung des Hoflagers, vom Kaiser am 26. Juli zurückgegeben, war am 27. Juli in Berlin. Pourtales' Bericht am 25. Juli desgleichen von Jagow, nach Vornahme stilistischer Änderungen und

unter Fortlassung der Worte »in der ich Inhalt verwertet. Minister«,

»und auf welche anspielt», »falls die behaupteten

erwiesen seien« und »aber unter Vermeidung scheinen könnte«

den Botschaftern in Wien, Rom, Paris und London mitgeteilt, Telegramme 2*^ nachm. zum Haupttelegraphenamt; auf der Botschaft in Wien 8'^ nachm. eingetroffen.

^ Siehe Nr. 100.

Aktenstücke I. 14

174

Blech.'

Das ist Ansichts- sache !

nicht ^u trennen

richtig panslavistischen

gan^ bestimmt nicht !

bravo ! gut gesagt

Seit seiner Ver- brüderung mit der fran^^ös. So^ialre- pub-lik nicht mehr!

in maßlosen Anklagen gegen Österreich-Ungarn er- geht, erklärte auf das bestimmteste, Rußland könne unmöglich zulassen , daß österreichisch - serbische Differenz zwischen beiden Beteiligten allein ausge- tragen werde. Die Verpflichtungen, die Serbien nach der bosnischen Krisis übernommen habe und auf welche österreichische Note anspielt, seien Europa gegenüber übernommen worden, folglich sei die An- gelegenheit eine europäische, und es sei an Europa, :{u untersuchen *, ob Serbien diesen Verpflichtungen nachgekommen sei. Er beantragt daher, daß das Dossier über die Untersuchung den Kabinetten der sechs Mächte vorgelegt werde ^. Österreich könne nicht in eigener Sache Richter und Ankläger sein. Sasonow erklärte,, die von Österreich - Ungarn in der Note behaupteten Tatsachen könne er in keiner Weise als bewiesen ansehen, die enquete flößt ihm vielmehr das größste [Mißtrauen] * ein. Er fuhr fort, in der rein rechtlichen Frage könne Serbien, fplls die behaupteten Tatsachen erwiesen seien, Österreich Satisfaktion geben, in den Forderungen politischer Art dagegen nicht. Ich weise darauf hin, daß es unmöghch sei, die rechtliche von der politischen Seite des Falles zu trennen, da das Attentat mit der großserbischen Propaganda unzer- trennlich verbunden sei.

Ich versprach, seine Auffassung meiner Re- gienmg zu übermitteln, glaubte aber nicht, daß wir unserem Verbündeten zumuten würden, das Resultat der von ihm geführten Untersuchung noch einem europäischen Areopag vorzulegen. Österreich werde sich gegen diese Zumutung ebenso wehren, wie jede Großmacht es ablehnen müsse , sich einem Schiedsgericht zu unterwerfen, wo ihre vitalen Inter- essen in Frage ständen.

Mein Hinweis auf das monarchische Prinzip machte auf den Minister wenig Eindruck. Rußland wisse, was es dem monarchischen Prinzip schuldet, um das es sich hier eben gar nicht handle. Ich habe Sasonow sehr ernst, aber unter Vermeidung alles, was als Drohung scheinen könnte, gebeten, sich von seinem Haß gegen Österreich nicht hinreißen zu

* Jagow stilisiert im Telegramm an den Kaiser: »und Europa untersuchen«; Kaiser unterstreicht die vier letzten Worte.

* Am Rand Rufzeichen des Kaisers.

* Zifferngruppe fehlt, Wort von Jagow ergänzt.

habe zu

175

Fürstenmord lassen und nkeine schlechte Sache :{ii verteidigen*. Rußland könne sich unmöglich zum Anwalt von sehr gut Königsmördern machen.

Im Laufe des Gesprächs rief Sasonow aus:

»Wenn Österreich-Ungarn Serbien verschlingt, werden

na denn ^ii! vvir n-.it ihm den Krieg führen«; hieraus läßt sich

\'ielleicht schließen, daß Rußland erst in dem Fall

zu den Waffen greifen würde, daß Österreich auf

daswillesjascheinis Kosten Serbiens territoriale Erwerbungen machen

nicht wollte. Auch der Wunsch einer Europäisierung der

richtig Frage scheint darauf hinzuweisen, daß ein sofortiges

Einschreiten von Rußland nicht zu erwarten ist.

Pourtales

Nr. i6i

Der Botschafter in London an den Staatssekretär des Auswärtigen (Privatbrief) ^

London, den 23. Juli 1914^ Lieber Jagow!

Vielen Dank für Ihren Brief vom 18., der mich aber leider nicht ganz hat überzeugen können'.

Allerdings haben wir ein Bündnis mit Österreich, und ich möchte gleich wiederholen, daß ich dasselbe für nützlich und sogar für notwendig halte, wenn es auch vielleicht den Voraussetzungen nicht mehr vollständig entspricht, unter denen Bismarck es abge- schlossen hat. B. stand unter dem Eindruck der Gefahr eines Revanchekrieges mit russischer Hilfe. Diese Gefahr besteht aus bekannten Gründen heute für uns nicht mehr in demselben Maße wie damals. Rußlands Interessengebiet hat sich nach Osten ver- schoben, wo immer neue Gebiete der russischen Machtentfaltung erschlossen werden und immer wieder Fragen auftauchen, die die russische Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Ich glaube nicht an den russischen Krieg, und zwar schon deshalb nicht, weil es doch ganz klar ist, daß Frankreich nur so lange der Vasall Ruß- lands bleiben wird und auch England nur so lange anderthalb Augen über das russische Vordringen in Asien schließen wird, als wir die Aufmerksamkeit beider in erster Linie in Anspruch nehmen. Welches Interesse hätte denn Rußland, um den Krieg zumachen? Solange ich mich entsinnen kann, d. h. solange ich mit der Diplo-

' Nach dem bei den Akten befindlichen Konzept. Niederschrift nach dem

Diktat des Fürsten Lichnowsky mit Änderungen von seiner Hand. - Abgegangen am 23. Juli, Zeit des Eintreffens nicht bekannt. ' Siehe Nr 72.

14*

176

matie in Fühlung stehe, und das sind nun beinahe 30 Jahre, kann ich mich erinnern, daß es hieß, Rußland sei nicht fertig, werde aber in einigen Jahren fertig sein, und daß der Generalstab beun- ruhigt sei. Und immer war es nicht fertig, wenn diese Jahre herankamen, und so wird es auch wohl in Zukunft sein. Ebenso habe ich immer wieder die Frage des sogenannten prophylaktischen Kriegs erörtern hören. Schon Bismarck stand diesem Gedanken sehr skeptisch gegenüber und sagte zu Waldersee und anderen Herren Militärs, die ihm die Notwendigkeit des prophylaktischen Krieges klar machen wollten, er könne sich ohne Beweise nicht überzeugen lassen, und Beweise konnte niemand ihm liefern. Ich glaube auch heute nicht, daß wir mit Rußland einen Krieg werden fähren müssen, wenn unsere Politik geschickt geleitet wird, am allerwenigsten aber glaube ich, daß durch einen prophylaktischen Krieg etwas anderes zu erreichen wäre, als daß wir uns bestenfalls einen zweiten Nachbarn zum unversöhnlichen Feind gemacht hätten.

Ich möchte aber nicht dahin verstanden werden, als ob ich etwa für eine Preisgabe Österreichs oder des österreichischen Bündnisses etwa zugunsten einer russischen odet gar einer eng- lischen Freundschaft eintreten wollte. Nichts liegt mir ferner. Die Erhaltung Österreichs ist für uns von größter Wichtigkeit, nur müssen wir bei dem Bündnis der leitende, nicht aber der leidende Teil sein. Das Bündnis war doch als eine gegen- seitige Versicherung gedacht gegen politische Wetterschäden, nicht aber als ein Zusammenschluß zu einer gemeinsamen poli- tischen Firma. Wir müssen Österreich zwar schützen, es liegt aber nicht in unserem Interesse, es bei einer aktiven Balkan- politik zu unterstützen, bei der wir alles zu verlieren und absolut nichts zu gewinnen haben. Welche Vorteile ver- sprechen Sie sich denn für uns davon, daß das österreichische Ansehen auf dem Balkan und sonstwo gestärkt werde? Österreichs Bundeswert beruht doch vor allem auf seiner militä- rischen Leistungsfähigkeit, nicht aber auf seinem auswärtigen Prestige, und unsere Machtstellung ist groß genug, um der Drei- bundgruppe auch trotz der diplomatischen Niederlagen des Grafen Berchtold Einfluß zu verschaffen. Was würden Sie dazu sagen, wenn England oder Rußland die Franzosen zur Wiederbelebung ihres doch tatsächlich sehr gesunkenen Ansehens zu einer aktiven und gefährlichen Auslandspolitik ermutigte? Gerade die verhält- nismäßige Schwäche Frankreichs und die Angst vor uns sind die Faktoren, die es veranlassen, sich an England und Rußland anzu- schmiegen und sich willfährig zu erweisen. Ähnlich ist es mit Österreich; ich will nicht sagen das geschwächte, wohl aber das geängstigte Österreich ist für uns ein bequemer Bundesgenosse, das Zurückgehen des österreichischen Einflusses auf dem Balkan hat sich bisher in sehr vorteilhafter Weise für unsere dortigen wirt-

1/7

schaftlichen Interessen geltend gemacht. Wirtschaftlich sind wir und Österreich auf dem Balkan Rivalen, und überall tritt dort immer mehr und mehr, wie mir erst kürzlich ein leitender Wiener Finanzmann klagte, der deutsche Handel in die Stellung ein, die früher der österreichische inne hatte.

Ob man uns in Wien der Flaumacherei beschuldigt, ist doch vollkommen gleichgültig; geschimpft wird über uns dort stets, und mit der berühmten Nibelungentreue werden wir nachträglich doch nur ausgelacht. An den baldigen Zerfall Österreichs glaube ich aber ebensowenig wie an die Möglichkeit, der inneren Schwierig- keiten durch eine aktive Auslandspolitik Herr zu werden. Das südslawische Nationalgefühl und das Bedürfnis, sich zusammenzu- schließen, kann durch einen Krieg nicht vernichtet werden und wird vielleicht nur umso heftiger in die Erscheinung treten. Durch ein aktives Vorgehen Österreichs aber werden gerade die Balkan- staaten noch mehr der russischen Hegemonie in die Arme ge- trieben, während sie sonst, wie das Beispiel von Rumänien und auch von Bulgarien zeigt, die Tendenz haben, sich auf eigene Füße zu stellen.

Was schließlich die Lokalisierung des Streits anlangt, so werden Sie mir zugeben, daß sie, falls es zu einem Waffengange mit Serbien kommt, dem Gebiete der frommen Wünsche angehört. Es scheint mir also alles darauf anzukommen, daß die österreichi- schen Forderungen so formuliert werden, daß sie mit einigem Druck aus Petersburg und London in Belgrad annehmbar sind, nicht aber, daß sie notwendigerweise zu einem Kriege führen ad majorem illustrissimi comitis de Berchtold gloriam.

Lichnowsky Nr. 162

Der Gesandte in Sofia an das Auswärtige Amt^

Telegramm 36 Sofia, den 25. Juli 1914 » »

Geheim !

Ministerpräsident sprach mir nach Abschluß der Anleihe davon, daß Regierung jetzt gefestigt sei und daran gehen könnte, eine eigene politische

' Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Sofia 12° (ohne nähere Angabe), angekommen im Aus- wärtigen Amt 11^^ vorm. Eingangsvermerk: 25. Juli nachm. Am 25. Jul von Jagow telegraphisch dem Kaiser mitgeteilt, 3" nachm. zum Haupt- telegraphenamt, im Hoflager angekommen 11'" nachm. Entzifferung des Hoflagers, am 26. Juli vom Kaiser zurückgegeben, war am 27. Juli im Auswärtigen Amt.

^ Siehe Nr. 22.

lyS

dann man schnell! Richtschnur zu verfolgen, indem sie Anschluß an den Dreibund suche. Ich habe ihm geraten, einen konkreten Vorschlag zu machen, worauf er zunächst das glaube ich dem König Vortrag gehalten hat, der sehr erfreut gewesen ist und ihn beauftragte, ein Projekt aus- zuarbeiten.

Michahelles

Nr. 163

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt *

Telegramm 152 London, den 25. Juli 1914^'

Werde mich entsprechend äußern. Auch hier Auffassung verbreitet, daß uns zum mindesten moralische Mitverantwortung trifft, da ohne unsere Erm.utigung derartige Note undenkbar wäre. Graf Mensdorff weiß auch von entsprechenden Äußerungen Sr. M. des Kaisers und Königs und des Herrn Reichskanzlers zu be- richten. Gesamteindruck hier geradezu vernichtend, ohne Beteili- gung an vermittelnder Aktion wird das Vertrauen in uns und unsere Friedensliebe hier endgültig erschüttert sein.

Lichnowsky

1 Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in London 10*^ vorm., angekommen im Auswärtigen Amt 12** nachm.; Eingangsvermerk: 25. Juli nachm.

^ Siehe Nr. 140 und 153.

Nr. 164

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in London ^

Telegramm 174 BerHn, den 25. Juli 1914*

Habe Vorschläge Sir E. Greys Wien mitgeteilt. Da Ultimatum heute schon abläuft und Graf Berchtold nach Zeitungsnachrichten in Ischl ist, glaube ich, daß Fristverlängerung nicht mehr möglich sein wird.

Jagow

1 Nach dem Konzept von Jagows Hand.

2 1*' nachm. zum Haupttelegraphenamt.

179

Nr. 165

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 153 London, den 25. Juli 1914^

Möchte dringend raten, Vorschlag Sir E. Greys betreffend Fristverlängerung nicht abzuweisen, da uns sonst Vorwurf hier treffen wird, nicht alles zur Erhaltung Friedens unversucht ge- lassen zu haben. Ablehnende Haltung könnte für spätere Stel- lungnahme Englands von großem Einfluß sein*.

Heutige Morning Post, führendes konservatives Blatt, sagt be- reits am Schluß eines, Österreichs Vorgehen verurteilenden Arti- kels, Note sei Herausforderung Dreiverbands und wolle England zwingen sich zu entscheiden, ob es weiterhin an europäischer Poli- tik teilnehmen wolle. Trotz häuslicher Zwiste, die britische Nation bewegten, werde dieselbe geschlossen hinter Regierung stehen und ihren Kurs unterstützen, welcher Art dieser auch sei.

Lichnowsky

' Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in London 11*" vorm., angekommen im Auswärtigen Amt

i*"' nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli nachm. ^ Siehe Nr. 157.

Nr. 166

Der Botschafter in Paris an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 212 Paris, den 25. Juli 1914^»

Habe gestern bei hiesiger Regierung mit aller Deutlichkeit be- tont, daß wir in keiner Weise an österreichisch-ungarischer Note an Serbien beteiligt gewesen, wenn wir auch nach deren öffent- lichem Bekanntwerden die Forderungen für berechtigt halten. Ich hatte auch Gelegenheit, in diesem Sinne auf Presse einzuwirken, und bleibe weiter bemüht.

S cho en

' Nach der Entzifferung.

^Aufgegeben in Paris ii^* vorm., angekommen im Auswärtigen Amt i'

nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli nachm. ' Siehe Nr. 153.

i8o

Nr. 167

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt*

Telegramm 21 Fiuggi, den 25. Juli 1914*

Obwohl Endergebnis gestriger Unterredung mit Ministerpräsi- denten und Marquis di San Giuliano schließlich nicht allzu ungünstig ist, habe ich hier doch große Enttäuschung und vorwurfsvolle Haltung gezeigt und möchte glauben, daß gleiche Haltung auch Herrn Bollati gegenüber angezeigt. Es würde mir Aufgabe erleichtern, die an sich, durch gänzliches Versagen österreichischer Botschaft, ohnehin schwer. Botschaft ist seit 14 Tagen so gut wie ohne Kontakt mit hier weilen- dem Minister. In der Presse ist von ihr absolut nichts geschehen. Erst vorgestern hat Botschafter von Wien 300000 Fr. erbeten und erhalten. Trotzdem bitte ich, hiervon in Wien nichts zu sagen, da Unfrieden mit erkranktem österreichischen Botschafter in diesem Augenbhck verhängnisvoll wirken könnte.

Kann ich, falls Einfluß auf große Blätter möglich, auf 30 bis 40 000 M. rechnen ? *

Flotow

1 Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Fiuggi 12'"' nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 2^* nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli nachm.

' Auf diese Frage ergeht an Flotow am 25. Juli 8^ nachm. telegraphisch Jagows bejahende Antwort: »Zum Schlußsatz: ja«.

Nr. 168

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Kaiser^

Telegramm 134 Berlin, den 25. Juli 19142

Ew. M. Botschafter in Rom telegraphiert : »In mehrstündiger, ziemHch erregter Unterhal- tung mit Ministerpräsidenten Salandra und Marquis di San Giuliano führte letzterer aus, daß der Geist des Dreibundvertrages bei einem so folgenreichen

^ Nach der von Jagow abgeänderten und ergänzten Entzifferung des Tele- gramms Flotows (Nr. 156J und der jetzt gleichfalls bd den Akten befind- lichen Entzifferung des Hoflagers.

■^ Zum Haupttelegraphenamt 25. Juli nachm., angekommen im Hoflager 26. Juli nachm., Entzifferung des Hoflagers am 27. Juli vom Kaiser zurückgegeben und am gleichen Tage im Auswärtigen Amt eingetroffen.

i8i

aggressiven Schritt Österreichs verlangt hätte, sich vorher mit den Bundesgenossen ins Einvernehmen zu setzen. Da dies bei Italien nicht geschehen sei, so könne sich Italien bei weiteren Folgen aus diesem Schiitt nicht für engagiert halten.

Außerdem verlange Artikel 7 des Dreibund- vertrags, daß bei Veränderungen auf dem Balkan die Kontrahenten sich vorher verständigten und wenn einer von ihnen' daselbst einen Gebiets- zuwachs erhielte, der andere entschädigt würde.

Auf meine Bemerkung, daß, soviel ich wisse, Österreich ei klärt habe, territoriale Erwerbungen nicht zu beabsichtigen, sagte der Minister, daß eine solche Erklärung nur sehr bedingt abgegeben worden sei. Österreich habe vielmehr erklärt, territoriale Erwerbungen jetzt nicht zu beabsichtigen, vorbehaltlich später etwa notwendig werdender anderer Entschlüsse. Der Minister meinte, man werde es ihm daher nicht verdenken, wenn er recht- zeitig Vorsichtsmaßregeln treffe. es hat in Albanien Der Text der österreichischen Note sei so*

still mausen wollen aggressiv und ungeschickt abgefaßt, daß die ^ und das hat Oster- öffentliche Meinung- Europas und auch die Italiens reich verpurrt gegen Österreich sein würden, dagegen könne keine Blech! itgtlienische Regierung ankämpfen.

Nachdem Marquis di San Giuliano an der Hand des Dreibund Vertrages mit Energie ausführte, daß der Vertrag zum Defensivkrieg verpflichte, daß aber Österreich jetzt aggressiv vorgehe, und daß dalier Itahen auch im Falle russischer Intervention nicht ausgiebig* engagiert sein würde', habe ich diesen Standpunkt lebhaft bekämpft und nach längerer Diskussion die Erklärung erreicht, daß es sich hier wie bei den obigen Erklärungen des also Eitelkeit Marquis di San Giuliano nur um prm:^2p/e//e T^a/2rwn^ seines Standpunkts handle, die anderweitige Ent- schlüsse der itahenischen Regierung nicht aus-

' »von ihnen« in der Entzifferung des Hoflagers sinngemäß ergänzt an Stelle

des dortselbst fehlenden »der Kontrahenten« des Jagowschen Konzepts. * Hinter »so« in Flotows Telegramm folgendes »unerhört« ist von Jagow

im Telegramm an den Kaiser fortgelassen. '" Hinter »die« in Flotows Telegramm folgendes »gesamte» ist von Jagow im

Telegramm an den Kaiser fortgelassen. ^ »nicht weiter« des Flotowschen und demgemäß des Jagowschen Telegramms

in der Entzifferung des Hoflagers in »nicht ausgiebig« verderbt. ' Am Rand Ausrufungszeichen des Kaisers.

l82

schließe. Ich habe ausgeführt, daß es in diesem Stadium nicht darauf ankomme, was später etwa ^u ^geschehen habe, sondern darauf, im Augenblick richtig der Welt die Geschlossenheit und Einheitlichkeit^

des Dreibundes :{u :{eigen und alles zu vermeiden, was Rußland und Frankreich zu der Annahme der inneren Uneinigkeit der Verbündeten führen könne. Ich müsse daher dringend bitten, auch auf die Presse in diesem Sinne zu wirken. Österreich fordere keine Antwort ; man sei also zunächst der Verlegenheit überhoben, ihm eine solche zu geben. Ich habe schließlich die Zustimmung hierzu erlangt.

Nach meinem Eindruck ist die einzige Mög-

der kl. Dieb muß lichkeit, Italien festzuhalten, die, ihm rechtzeitig^

eben immer was Kompensationen \u versprechen, wenn Österreich terri-

mitschlucken toriale Besitznahme oder Besetzung des Lowtschen

vornehme.

Ich fand Herrn Salandra einigermaßen ver- ständig. Er begriff, daß Lebensinteressen Österreichs vorliegen. Meine Aufgabe ist dadurch ^'^ sehr er- schwert, daß ^^«

Herr Bollati hat mir im Auftrage seiner Re- gierung erklärt, Italien werde eine möglichst wohl- wollende Haltung Österreich-Ungarn gegenüber ein- nehmen und ihm keine Schwierigkeiten bereiten, müsse aber auf Grund des Artikels VII des Drei- bundvertrages Vorbehalt wegen Wahrnehmung seiner Albanien Interessen {Kompensationen) und evtl. Aktions-

freiheit machen. Andernfalls müsse seine Politik darauf gerichtet sein, eine österreichische Gebiets- erweiterung zu verhindern suchen.

AUeruntertänigst

Jagow

Das ist lauter Qiiatsch und wird sich schon von selbst geben, im Lauf der Ereignisse

* Entzifferung des Hoflagers hat »Einheitlichkeit« an Stelle von »Einheit« des Flotowschen und demgemäß des Jagowschen Telegramms.

^ »rechtzeitig« von Jagow im Telegramm an den Kaiser gesetzt an Stelle von Flotows »zu rechter Zeit«.

»dadurch« von Jagow im Telegramm an den Kaiser beigefügt.

11 Hinter »daß« im Flotowschen und demgemäß im Jagowschen Telegramm folgendes: »österreichischer Botschafter krank im Bett. Botschaftsrat un- fähig« fehlt in der Entzifferung des Hoflagers, da die entsprechende Ziffern- gruppe unverständlich war. Siehe Nr. 136.

■83

Nr. 169

Der Botschafter in Paris an das Auswärtige Amt *

Telegramm 213 Paris, den 25. Juli 1914'^

Hiesige Presse verurteilt fast einmütig österreichische Note und erklärt vielfach, daß Österreich-Ungarn offenbar Krieg wolle. Es handle sich wohl um eine zwischen Wien und Berlin abgekartete Sache. Dabei Hinweis auf gegenwärtige Schwierigkeiten der Triple- Entente -Mächte : Ulsterkrise, Arbeiteiunruhen in Rußland, Enthüllun- gen im französischen Senat über Rüstungslücken, Abwesenheit von Poincar6 und Viviani.

Unsere Erklärung über Lokalisierung des Konflikts hat großen Eindruck gemacht.

Schoe n

' Nach der Entzifferung. Aufgegeben in Paris i^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 3-* nachm. Eingangsvermerk : 25. Juli nachm.

Nr. 170

Der Botschafter in Paris an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 214 Paris, den 25. JuH 19 14 *

Echo de Paris bringt wesenthchen Teil meiner gestrigen Eröff- nung an hiesige Regierung teils zutreffend, teils entstellt, indem es meiner Warnung vor Intervention anderer Mächte einen drohenden Charakter gibt.

Quai d'Orsay, bei dem ich wegen Indiskretion und Entstellung protestierte, versicliert, an beiden Nachrichten unbeteiUgt zu sein und will für Richtigstellung Sorge tragen.

Ich hatte Gelegenheit, mich zu überzeugen, daß Minister gestern wesentlich meine Eröffnung zutreffend aufgeschrieben hatte.

Bin bei Presse weiterhin der Legende entgegengetreten, daß österreichisch -ungarische Demarche zwischen Wien und Berlin ver- einbart.

S c h o e n

* Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Paris i'*» nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 3^ nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli nachm.

184

Nr. 171

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien ^

Telegramm 140 Berlin, den 25. Juli 1914^

Der k. Botschafter in London telegraphiert:

»Sir E. Grey ließ mich nicht verhehlen« ^

Habe in London erwidert, daß ich Sir E. Greys Vorschläge Wien mitteilen würde. Da aber Ultimatum heute abläuft und Graf Berchtold in Ischl ist, glaube ich nicht, daß Fristverlängerung möglich wäre.

Jage w

' Nach dem Konzept von Jagows Hand.

^ 4*^. nachm. zum Haupttelegraphenamt.

ä Hier ist das Telegramm Lichnowskys vom 24. Juli (Nr. 1 57) unter Fort- lassung der Sätze »wie Ew. Exz betonen« und »Von anderer

Seite der angriffe« eingefügt.

Nr. 172

Der russische Geschäftsträger an den Staatssekretär des

Auswärtigen ^

Tres-confidentiel! Berlin, le 12/25 juillet 1914'

Monsieur le Secretaire d'Etat!

Comme la demarche que j'ai ä faire aupres de Votre Excel- lence revet un caractere d'urgence exceptionnelle, je me decide, mal- gre l'obligeance que Vous aurez de me recevoir ä 4 h. 50 m., de Vous en soumettre la teneur par ces lignes.

La note de l'Autriche-Hongrie aux Puissances a suivi d'une demi-journee sa demarche ä Beigrade; ceci ote aux Puissances la possibilite de deployer tous leurs efTorts pour l'aplanissement des difficultes. Aussi, pour faire ce qui est humainement possible afin d'eviter les suites incalculables que peuvent avoir en l'occurence des actes precipites, le Gouvernement Imperial considere que le Gouver- nement de Vienne pourrait avant tout prolonger le terme fixe potu^

^ Nach der Ausfertigung.

2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 25. Juli nachm. (zum Journal am 29. Juli).

i85

la reponse serbe. II semble, entre autre, que le Gouvernement Imperial et Royal, ayant declare etre dispose a mettre ä la dis- position des Puissances les donnees sur lesquelies il fonde son accusation, il y aurait Heu de donner ä ces dernieres le temps d'en prendre connaissance ce qui leur permettrait, une fois convaincus de la justesse de certaines accusations, de donner ä Beigrade les conseils necessaires. Le refus de l'Autriche-Hongrie de mettre les Puissances ä meme de se faire une opinion raisonnee et fondee sur les donnees de l'accusation enleverait ä la communication faite hier aux Puissances toute veritable signification.

Le Gouvernement Imperial ayant prescrit au Charge d'Affai- res de Russie ä Vienne d'exposer ä S. E. le Comte de Berchtold les considerations qui precedent, me charge d'en informer d'urgence le Gouvernement Imperial d'Allemagne, esperant que ce dernier saura apprecier les motifs qui ont inspire cette demarche et ne refusera pas de donner ä Son Representant ä Vienne les instruc- tions necessaires pour obtenir la Prolongation du delai dont il s'agit.

Veuillez agreer, Monsieur le Secretaire d'Etat, l'assurance de ma tres-haute consideration.

A. de Bronewsky

Übersetzung Sehr vertraulich!

Herr Staatssekretär!

Da der Schritt, den ich bei Ew. Exz. zu unternehmen habe, außerge- wöhnlich dringender Art ist, entschließe ich mich dazu, trotz Ihrer Freund- lichkeit, mich um 4^ zu empfangen, Ihnen schriftlich zu unterbreiten, worum es sich handelt.

Die Note Österreich-Ungarns an die Mächte ist einen halben Tag nach dem in Belgrad unternommenen Schritt ergangen. Das nimmt den Mächten die Möglichkeit, alles aufzubieten, um die Schwierigkeiten beizulegen. Damit das Menschenmögliche zur Verhütung der unberechenbaren Folgen geschehe, die übereilte Handlungen unter den gegenwärtigen Umständen haben können, ist die k. Regierung daher der Ansicht, daß die Wiener Regierung vor allem die für die serbische Antwort gestellte Frist verlängern könnte. Da ferner die k. u. k. Regierung sich bereit erklärt hat, den Mächten die Unterlagen zur Verfügung zu stellen, worauf sie ihre Anklagen stützt, wäre es angezeigt, daß den Mächten die Zeit gegeben würde, von diesen Unterlagen Kenntnis zu nehmen und ihnen dadurch zu gestatten, wenn sie einmal von der Richtig- keit gewisser Anklagen überzeugt sind, in Belgrad die nötigen Ratschläge zu erteilen. Die Weigerung Österreich-Ungarns, die Mächte in den Stand zu setzen, sich eine wohlbegründete Meinung über die Unterlagen der Anklage zu bilden, würde der gestern den Mächten gemachten tteilung jede wirk- liche Bedeutung nehmen.

Die k. Regierung hat den russischen Geschäftsträger in Wien angewiesen, Sr. Exz. dem Grafen Berchtold die vorstehenden Erwägungen darzulegen und beauftragt mich, die k. deutsche Regierung dringend davon in Kenntnis zu setzen, in der Hoffnung, daß diese die Beweggründe, die diesen Schritt ver-

i86

anlaßt haben, zu würdigen wissen und es nicht ablehnen werde, ihrem Ver- treter in Wien die nötigen Anweisungen zu geben, um eine Verlängerung der in Rede stehenden Frist zu erlangen.

Genehmigen Sie, Herr Staatssekretär, die Versicherung meiner vor- züglichen Hochachtung.

Nr. 173

Der Gesandte im kaiserlichen Gefolge an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 131 Baiestrand (»Hohenzollern«), den 25.Juli 1914*

Im Falle einer Verschärfung der Lage und zunehmender Spannung zwischen Rußland und uns wünschen S. M. der Kaiser und König, daß sofort Vertrauensfrage' an Dänemark und Schweden gerichtet wird, und lassen ersuchen, das hierzu Erfor- derliche vorzubereiten.

[G.] V^edel

^ Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Baiestrand (»Hohenzollern«) 12^^ nachm., angekommen im Auswärtigem Amt 4" nachm.; Eingangsvermerk: 25. Juli nachm.

^ »Vertrauensfrage« (so Wedels Konzept) fehlte, da Gruppe unverständlich in der Entzifferung des Auswärtigen Amts, wurde aber im Amt sinn- gemäß ergänzt.

Nr. 174

Aufzeichnung des ünterstaatssekretärs des Auswärtigen ^

Berlin, den 25. Juli 19 14

Auf Grund Wolff Nachricht haben S. M. folgenden Befehl erteilt an Flotte heute morgen 9,30:

»Kohlenübernahme beschleunigen, Flotte klarhalten zum Aus- laufen.« Victoria Louise und Hansa (Schulschiff, z. Z. in Nor- wegen) haben folgenden Befehl erhalten:

»Seeklarmachen, Dampf ruf für Heimreise. Befehl geheim- halten.«

A [uswärtiges] A[mt] benachrichtigen v. Mueller.

* Nach Zimmermanns Niederschrift. Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 25. Juli nachm.

187

Adm. Stab hat an S. M. fol[gende] N [achricht] gegeben: Vertrauensmann Portsmouth meldet heute 12 Uhr mittags, daß 2. und 3. englische Flotte Besatzung reduziere bzw. außer Dienst stelle.

Marine-Attache London berichtet: »Dislokation planmäßig, soweit ihm bekannt, keine auffälligen Bewegungen«.

Vorstehendes geht jetzt 6I/2 P- ni. ab an S. M,

Zimmermann

Nr. 175

Der Ädmiralstab an den Staatssekretär des Auswärtigen *

Ganz geheim! Berlin, den 24. Juli 1914^

Ew. Exz. beehre ich mich von nachstehendem Telegramm sehr ergebenst Kenntnis zu geben:

»Admiral Berlin von HohenzoUern, Baiestrand

An Flotte ist folgender Befehl gegangen: »Einlaufen Flotte Allerhöchst genehmigt.« [in Norwegen] »Beurlaubungen in Nor- wegen einrichten auf Möglichkeit der Verkürzung des Aufent- haltes. Schluß. Auswärtiges Amt benachrichtigen.

von Mueller«

F. d. beurl[aubten] Ch[ef] d[es] Admiralst[abes]

i.A.

V o n B ü 1 o w

Kapitän zur See

^ Nach der Ausfertigung.

'■' Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 25. Juli nachm.

Nr. 176

Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler '

Wien, den 24. Juh 1914 ^

Graf Berchtold las mir die telegraphische Meldung vor, die Baron Giesl über seine Besprechung

* Nach der Ausfertigung.

* Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 25. Juli nachm. Bericht lag dem Kaiser vor, von ihm am 27. Juli zurückgegeben.

i88

mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Patschu behufs Übergabe der Note gehabt hat. Die Unter- ledung sei ihm erst nach einigem Zögern seitens des Herrn Patschu gewährt worden, der versucht habe, ihm mit Rücksicht auf die Abwesenheit des Herrn Paschitsch auszuweichen. Sie habe dann punkt 6 Uhr in Anwesenheit des Generalsekretärs des Ministeriums des Auswärtigen stattgefunden, da Herr Patschu nicht französisch spreche. Baron Giesl hat die Note nicht vei lesen, sondern sich auf deren Übergabe und auf die Bemerkung beschränkt, daß die öster- reichische Regierung binnen 48 Stunden eine Ant- wort verlange und daß, im Falle diese nicht unbe- dingt zustimmend erfolge, er angewiesen sei, mit dem gesamten Personal der Gesandtschaft Belgrad zu verlassen. Herr Patschu hat gemeint, es würde für die serbische Regierung physisch immöglich sein, den Ministerrat zusammenzurufen und eine Antwort in so kurzer Zeit zu erteilen. Baron Giesl hat diese Ausflucht im Zeitalter des Telegraphen gilt und des Telephons und angesichts der Größenver-

hältnisse des serbischen Königreichs nicht gelten lassen. Übrigens war, wie Baron Giesl bekannt, der Ministerrat bereits um ^ Ulir in Belgrad j^m- sammengetreten ^.

Graf Berchtold sagt mir noch, Herr Dillon, der politische Sturmvogel, der überall erscheine, wo poH tische Gewitter im Anzüge seien, habe ihn eben besucht. Auch bei Graf Hoyos sei er gewesen. Man habe ihm sehr eingehend den hiesigen Stand- pimkt und die hiesigen Absichten dargelegt, und Herr Dillon scheine für letztere gewonnen zu sein. Im Anfang habe er allerdings versucht, sich als Vermittler zwischen Österreich und Serbien anzu- bieten. Darauf sei er, der Minister, aber nicht eingegangen, denn er sei fest entschlossen, sich auf keinen Handel einiulassen.

von Tschirsch ky

Am Rand Ausrufungszeichen des Kaisers.

i89

Nr. 177

Der Geschäftsträger in Bukarest an den Reichskanzler *

Sinaia, den 20. Juli 1914^

Der italienische Gesandte sprach sich mir gegenüber sehr auf- geregt über die Haltung aus, die Österreich Serbien gegenüber einnehmen werde. Er meinte, es lohne sich für niemanden, einen Krieg, der in einen Weltkrieg ausarten könne, heraufzube- schwören. Es sei begreiflich, daß Österreich gegebenenfalls in Belgrad Genugtuung fordere, allein dieselbe müsse so beschaffen sein, daß sie für Serbien annehmbar sei. Sollten kriegerische Verwickelungen zwischen Österreich und Serbien ausbrechen, so werde Rußland denselben nicht ruhig zusehen können; denn die offiziellen Kreise würden durch panslawistische Strömungen zu aktiver Teilnahme an denselben gedrängt werden. Italien befände sich augenblicklich finanziell nicht in der Lage, einen Krieg zu führen. Baron Fasciotti suchte mich immer wieder davon zu überzeugen, daß der Schritt Österreichs in solche [n]' Formen gehalten werden müsse, daß aus demselben keine Komplikationen entstehen könnten.

W al d b u r g

^ Nach der Ausfertigung.

' Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 25. Juli nachm. Am 28. Juli zu- folge Randverfügung Jagows durch Erlaß dem Botschafter in Rom mit- geteilt.

' So in der Anfertigung für »solchen«.

Nr. 178

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt^

Telegramm 102 Wien, den 25. Juli 19 14'

Der russische Geschäftsträger ist heute bei Baron Macchio erschienen, um ihn im Auftrage seiner Regierung um Verlänge- rung der Serbien gestellten 48stündigen Frist zu ersuchen. Fürst Kudaschew hat dieses Ansuchen damit motiviert, daß in der Note

* Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Wien 2'" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli nachm. Am 25. Juli von Jagow telegraphisch dem Kaiser mitgeteilt, 25. Juli 8' nachm. zum Haupttele- graphenamt, im Hoflager angekommnn 26. Juli 7" nachm. Entzifferung des Hoflagers M-urde vom Kaiser am 26. Juli zurückgegeben.

AJitenstficke I. 13

verschiedene Angaben enthalten seien, die einer eingehenden Prüfung bedürften, und daß insbesondere den Mächten Zeit ge- lassen werden müsse, das in Aussicht gestellte Dossier zu studieren. Baron Macchio hat erwidert, er werde dem Grafen Berchtold sofort von dieser Mitteilung Kenntnis geben. Er könne ihm aber schon von sich aus sagen, daß eine Fristerstreckung ausgeschlossen sei. Diese Bestimmung sei nach reiflichster Überlegung und infolge gründlicher Kenntnis der stets von Serbien beobachteten Ver- schleppungstaktik getroffen worden. Eine Verschiebung bis nach Studium des Dossiers würde eine Verschiebung sine die bedeuten. Außerdem habe es der k. u. k. Regierung fern gelegen, die An- gelegenheit zwischen der Monarchie und Serbien dem europäischen Areopag zur Entscheidung vorzulegen. Die Information der übrigen Mächte sei lediglich als ein Akt der Courtoisie gegenüber diesen anzusehen.

Tschirschky

Nr. 179

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 155 London, den 25. Juli 1914^

Privat für Staatssekretär v, Jagow

Ich möchte Sie nochmals auf die Bedeutung des Grey'schen Vorschlags der Vermittelung zu vieren zwischen Österreich und Rußland hinweisen'. Ich erblicke hierin die einzige Möglich- keit, einen Weltkrieg zu vermeiden, bei dem für uns alles auf dem Spiele steht und nichts zu gewinnen ist. Ablehnen wir, so wird auch Grey sich nicht mehr rühren. Solange wir noch nicht mobili- siert, ist die Vermittelung immer noch möglich und eine Beilegung des Streites, die für Österreich annehmbar ist. Unsere Ablehnung aber würde hier sehr verstimmen, und ich glaube nicht, daß, falls Frankreich hineingezogen wird, England gleichgültig bleiben dürfte. Ich rate noch einmal dringend dazu, den englischen Vor- schlag anzunehmen und dies in Wien und Petersburg bekanntzu- geben.

Lichnowsky

1 Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in London iP nachm., angekommen im Auswärtigen Amt

5^1 nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli nachm.

Siehe Nr. 157,

igi

Nr. i8o

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 154 London, den 25. Juli 19 14'

Habe soeben Sir E, Grey gesehen und Inhalt Telegramms Nr. 169' verwertet. Der Minister nahm meine Erklärungen mit vollem Verständnis für unseren Standpunkt entgegen. Ohne jede Gereiztheit oder Verstimmung und mit großer Ruhe besprach er mit mir* abermals die gesamte Lage und schien wieder hoffnungs- voller zu sein als gestern, da Graf Mensdorff ihm im Auftrage seiner Regierung mitgeteilt hat, daß Österreich nach Ablehnung seiner Forderungen zunächst nicht beabsichtige, die serbische Grenze zu überschreiten, sondern nur zu mobilisieren. Sir E. Grey ist vorläufig noch ohne Nachricht über die in Petersburg gefaßten Beschlüsse, rechnet aber mit Bestimmtheit darauf, daß der öster- reichischen Mobilisierung die russische folgen werde. Alsdann sei seiner Ansicht nach der Augenblick gekommen, um im Verein mit uns, Frankreich und Italien eine Vermittelung zwischen Öster- reich und Rußland eintreten zu lassen. Ohne unsere Mitwirkung, meinte er, sei jede Vermittelung aussichtslos, und könne er allein nicht an Russen und Österreicher herantreten. Ob Frankreich mit- machen wolle, wisse er noch nicht. Er habe mit Herrn Camben gesprochen, aber noch keine Antwort erhalten, und ihm dabei ge- sagt, daß er mir den gleichen Vorschlag gemacht habe. Er rechnet bestimmt auf die Zusage Frankreichs, obwohl er nicht weiß, wie weit dieses schon mit Petersburg verpflichtet ist.

Der Minister unterscheidet scharf, wie er mir wiederholte, zwischen dem österreichisch-serbischen und österreichisch-russi- schen Streit. In ersteren wolle er sich nicht mischen, da er ihn nichts angehe. Der österreichisch-russische Streit aber bedeute unter Umständen den Weltkrieg, den wir im vorigen Jahre durch die Botschafterkonferenzen gemeinsam hätten verhindern wollen. Europäische Verwickelungen aber seien auch für Großbritannien nicht gleichgültig, obwohl es durch keinerlei bindende Abmachungen verpflichtet wäre.

^ Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in London 2^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 5^2 nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli nachm.

' Siehe Nr. 153.

* Das Gespräch ist inhaltlich auch niedergelegt in einer Verbalnote, die der englische Geschäftsträger Sir H. Rumbold am 25. Juli auf Grund eines Telegramms Sir E. Greys im Auswärtigen Amt überreichte; vgl. auch das englische Blaubuch von 19 14, Nr. 11.

15*

192

Er wolle daher mit uns zusammen wie bisher, so auch jetzt, im Sinne der Erhaltung des europäischen Friedens Hand in Hand vorgehen, und er hoffe von unserer beiderseitigen Vermittelung, der sich wohl auch Frankreich und Italien anschließen würden, die Verhütung eines österreichisch-russischen Krieges.

Was die österreichische Note betreffe, so erkenne er das be- rechtigte Verlangen Österreichs nach Genugtuung vollkommen an, ebenso das Begehren nach Bestrafung aller mit dem Morde in Ver- bindung stehenden Personen, auf Einzelheiten der Note ließ er sich nicht ein, schien aber zu hoffen, daß es unserer Vermittelung gelingen werde, eine Einigung auch hierüber zu erzielen.

Ich erachte es als meine Pflicht, Ew. Exz. darauf hinzu- weisen, daß die hiesige Regierung meiner Überzeugung nach so lange bestrebt sein wird, eine uns freundschaftliche und möglichst unparteiische Haltung einzunehmen, als sie an unsere aufrichtige Friedensliebe glaubt und an unser Bestreben, Hand in Hand mit England an der Abwendung des aufsteigenden, europäischen Ge- witters mitzuwirken. Die Zurückweisung seines Vorschlages aber, zwischen Österreich und Rußland zu vermitteln, oder eine schroffe Haltung, die zu der Annahme berechtigen könnte, daß wir den Krieg mit Rußland herbeiwünschen, würde wahrscheinlich zur Folge haben, England bedingungslos auf die Seite Frankreichs und Rußlands zu treiben.

Lichnowsky

Nr. i8i

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten in

Kopenhagen^

Telegramm 25 Berlin, den 25. JuH 19 14''

Geheim !

Falls etwa Besuch Poincares abgesagt werden sollte, bitte sofort dringend drahten^.

Jagow

1 Nach dem Konzept von Stumms Hand. * 8" nachm. zum Haupttelegraphenamt. ' Siehe Nr. 250.

193

Nr. 182

Der Reichskanzler an den Kaiser*

Telegramm 139 Berlin, den 25. Juli 1914^

Unglaubliche ^ Zumu- Der Chef des Admiralstabes der

""^' Marine teilt mir mit, daß Ew. M. mit

unerhört!* ist mir gar- j^ücksicht auf ein Wolfftelegramm^ der 1^M^S^gl::l!Js gI Flotte Befehl zur schleunigen Vorbereitung iondten von der Mobil- der Heimreise erteilt haben *. Admiral

machung in Belgrad! ^^^ p^^^ ^^f^g £^ jyj inzwischen ^ die Diese kann Mobil- ,,,, _ ,,,, . . ^ , -r

machungT^ißiandsnach Meldungen Ew.M. Marme-Attaches m Lon- sich liehen ; wird Mobil- don uud des Vertrauensmannes der Marine machung Österreichs ^^ Portsmouth Unterbreitet haben, wonach

nach steh stehen! In die- ,. , •»» . i /•/• ,,• t l

scm Fall muß ich meine die euglischc Marme keinerlei auffällige ''raucht sie

Streitmacht lu Lande^ Maßnahmen trifft, viehnehr' die" früher 5,^ 'üt'^bereiu

Zlmln habTn.^'^lnlTr "^^^S^^^^^^^ Dislokationen planmäßig « Kriegsbereit, ^-^^^^ -f'Vi 4- ^'^ "'^ Revue

Ostsee ist kein einziges aUSIUiirt. eben gezeigt hat

Schiff!! Ich pflege im Da auch die bisherigen Meldungen w„<f L/ mo*~

übrigen militärische t^ -kii -n x ^ ta -ti i -»i.

Maßnahmen nicht nach Ew. M. Botschafters m Loudou erkennen «<?"•'• einem Woiffteiegramm lassen, daß Sir E. Grey vorläufig wenig- lu treffen, sondern nach ^^^^^ ^^ gjj^g direkte Teihiahme Englands

der Allgememen Lage . ■^ -fr a

und die hat der Civil- an emem eventuellen europäischen Krieg* kandier noch nicht be- nicht denkt imd auf tunUchst[e] Lokaü- ^^•"^^- sierung des österreichisch-ungarisch-ser-

bischen Konflikts hinwirken will, wage ich alleruntertänigst zu befürworten, daß wenn Rußland woW g^v. M. Vorläufig keine Verfrühte" Heim-

macht muß meine Flotte . . t^, , , ^ r i ■> lo

schon in Ostsee sein reise der Flotte befehlen ^^.

also fähr t sie nachHaus! -r-. . i tt 1 1

Beth mann -Holl weg

1 Nach dem Konzept. Entwurf von Zimmermanns Hand.

^ 25. Juli 8^^ nachm. zum Haupttelegraphenamt, angekommen im Hoflager

26. Juli vorm. Entziflferung vom Kaiser am 26. Juli zurückgegeben, war

am 2. August in Berlin. ' Die Worte »ein« und »-telegramm« vom Kaiser zweimal unterstrichen.

* »unerhört!« ist über »Wolfftelegramm« stehende Interlinearnotiz. Am Rand daneben zwei Rufzeichen des Kaisers.

* »inzwischen« fehlt in der Entzifferung des Hoflagers. ' Stand am linken Rand.

' »vielmehr« fehlt in der Entzifferung des Hoflagers.

ä » Dislokationen planmäßig« in der Entzifferung des Hoflagers in »Dislokations- pläne« verderbt.

* »europäischen« fehlt in der Entzifferung des Hoflagers, statt »Krieg« steht dort »Verfahren«.

1' »tunlichste« fehlt in der Entzifferung des Hoflagers. " »verfrühte« fehlt in der Entzifferung des Hoflagers. ^^ Siehe Nr. 221.

194

Nr. 183

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt *

Telegramm 368 Therapia, den 25. Juli 1914^

Geheim 1

Markgraf Pallavicini zeigte mir vertraulich ein Telegramm seiner Regierung, betreffend Äußerungen des bulgarischen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten zu Graf Tarnowski, aus denen man schließen konnte, daß Bulgarien vorläufig nur seine Neutralität in Aussicht stellt. Mein österreichischer Kollege und ich sind der Ansicht, daß, solange Bulgarien sich Österreich gegenüber nicht formell verpflichtet hat, im Falle Eingreifens einer dritten Macht, Österreich Waffenfolge zu leisten, ein etwaiges bulgarisch-türkisches Bündnis vollkommen wertlos sein würde.

Wangenheim

1 Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Therapia 6^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8^^ nachm.; Eingangsvermerk: 25. Juli nachm. Von Jagow telegraphisch dem Kaiser mitgeteilt, zum Haupttelegraphenamt 26. Juli i*" vorm., an- gekommen im Hoflager 27. Juli 7^0 vorm., Entzifferung lag noch am 27. Juli dem Kaiser vor. Wangenheims Telegramm am 26. Juli von Jagow durch Erlaß dem Botschafter in Wien, nur zu dessen persönlicher Information, mitgeteilt, abgesandt durch die Post nachm., unter Fort- lassung des Satzes »Mein österreichischer wertlos sein würde.«

telegraphisch auch dem Gesandten in Sofia, gleichfalls nur zu dessen per- sönlicher Information, mitgeteilt, 26. Juli i*" vorm. zum Haupttelegraphen- amt.

Nr. 184

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt*

Telegramm 367 Therapia, den 25. Julii9i42

Herr von Giers, den ich im Vorzimmer des Großwesirs traf, sagte mir, die österreichischen Forderungen an Serbien seien, wenn nicht berechtigt, so doch begreifUch, mit Ausnalime derjenigen, welche eine Tätigkeit österreichischer Kontrollbeamter in Serbien vorsehen. Diese Forderung bedeute einen Eingriff in die Souveränität Serbiens.

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Therapia 6'^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 9^ nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli nachm. Am 26. Juli von Zimmermann telegraphisch den Botschaftern in Petersburg und Wien mitgeteilt. Telegramme 5^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.

195

Die Situation sei deshalb ernst. Die Sprache meines Kollegen war ruhig und enthielt keine Drohungen. Zum Großwesir hat er kurz darauf in einer Weise gesprochen, welche bei ersterem den bestimmten Eindruck hervorrief, daß Rußland sich nicht einmischen werde.

Wangenheim

Nr. 185

Der Geschäftsträger in Bukarest an das Auswärtige Amt*

Telegramm 42 Bukarest, den 25. Juli 1914*

Serbischer Geschäftsträger hat hier im Auftrage seiner Regierung angefragt, wie sich Rumänien im Falle eines Konflikts zwischen Serbien und Österreich -Ungarn verhalten würde. Wie mir Minister der auswärtigen Angelegenheiten mitteilt, hat dieser geantwortet, Rumänien betrachte Differenzen als lediglich Serbien und Österreich- Ungarn angehende und ratet' Serbien, den österreichischen Forderungen nachzugeben. Waldburg

' Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Bukarest 8^° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 9' nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli nachm. Am 26. Juli von Jagow telegraphisch dem Kaiser mitgeteilt, aufgenommen in Berlin 26. Juli i"* vorm., angekommen im Hoflager 27. Juli vorm. Entzifferung lag noch am 27. Juli dem Kaiser vor. Waldburgs Telegramm von Jagow desgleichen telegraphisch den Botschaftern in Wien und Rom mitgeteilt, Telegramme 26. Juli i^ vorm. zum Haupttelegraphenamt.

' Schreibversehen für »rät«.

Nr. 186

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt*

Telegramm 156 London, den 25. JuH 1914'

Erhalte soeben folgenden eigenhändigen Brief Sir Edward Greys : "I enclose a forecast that I have just received of the Servian reply'.

^ Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in London 6^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 9^*^ nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli nachm. Am 26. Juli teilte Jagow dem Botschafter in Wien telegraphisch den Wortlaut des Grey'schen Briefes mit, i' vorm. zum Haupttelegraphenamt. Am 26. Juli vermerkt Zimmer- mann am Rand der Entzifferung : »Der englische Geschäftsträger ist davon unterrichtet worden, daß wir die Mitteilung Sir E. Greys nach Wien weitergegeben haben«.

* Dem Telegramm beigefügt ist der Wortlaut des Telegramms des englischen Vertreters in Belgrad Crackanthorpe an Sir Eklward Grey vom 25. Juli, Nr. 21 des englischen Blaubuchs von 1914.

196

It seems to me that it ought to produce a favourable Impression at Vienna, but it is difficult for anybody but an ally to suggest to the Austrian Government what view they should take of it.

I hope that if the Servian reply when received at Vienna corres- ponds to this forecast, the German Government may feel able to influence the Austrian Government to take a favourable view of it."

Lichnowsky

Übersetzung

Anbei den voraussichtlichen Inhalt der serbischen Antwort, der mir so- eben mitgeteilt worden ist. Es scheint mir, daß er einen günstigen Eindruck in Wien machen müßte, aber es ist schwer für jeden, der nicht Verbündeter ist, der österreichischen Regierung nahe zu legen, wie sie diese Antwort auffassen solle.

Ich hoffe, daß, wenn die serbische Antwort bei ihrem Eintreffen in Wien diesem voraussichtlichen Inhalt entspricht, die deutsche Regierung es für möglich erachten wird, die österreichische Regierung dahin zu beeinflussen, daß sie diese Antwort günstig auffaßt.

Nr. 187

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Ämt^

Telegramm 103 Wien, den 25. Juli 1914^

Ich habe Baron Macchio heute sehr nachdrücklich darüber zur Rede gestellt, warum die mir gegebene Zusage, dem Marquis di San Giuliano die Note vor* deren Übergabe in Belgrad durch Herrn von Merey mitzuteilen und den österreichisch -ungarischen Stand- punkt dabei ausführlich Idarzulegen, nicht eingehalten worden sei.

Der erste Sektionschef erklärte mir hierauf, der, wie er selbst zugeben müsse, »nicht glückliche« Verlauf dieser Sache sei die Folge eines Mißverständnisses seitens des Herrn von Merey. Dieser habe Nachricht erhalten gehabt, daß Marquis di San GiuHano von Fiuggi nach Rom kommen werde, imd habe danach beabsichtigt, dem Mi- nister die Note in Rom mitzuteilen. Nun sei der Marquis aller- dings nach Rom gekommen, sei aber schon wieder abgereist gewesen, als der Botschalter ihn sprechen wollte. Herr von Merey sei dann plötzlich erkrankt und habe dann am folgenden Tage erst den Bot- schaftsrat nach Fiuggi senden können. So sei die Mitteilimg um einen Tag verspätet und nicht durch den Botschafter selbst erfolgt, was er, Baron Macchio, lebhaft bedauere.

Tschirschky

1 Nach der Entzifferung.

■^ Aufgegeben in Wien 6^0 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt g^^ nachm.; Eingangsvermerk: 25. Juli nachm. Von Jagow, nach Vornahme kleiner stilistischer Änderungen, dem Botschafter in Rom mitgeteilt, 26. Juli 2^* vorm. zum Haupttelegraphenamt.

* Siehe Nr. 136 Anm. 2.

197

Nr. i88

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt^

Telegramm 104 Wien, den 25. Juli 1914^

Baron Macchio teilt mir telephonisch mit : Da in der serbischen Antwort mehrere Punkte unbefriedigend, ist Baron Giesl abgereist. Seit 3 Uhr nachmittags soll bereits allgemeine Mobilisierung in Serbien stattfinden.

Tschirschky

1 Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Wien 7^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt g"' nachm.; Eingangsvermerk: 25. Juli nachm.

Nr. 189

Der Geschäftsträger in Athen an das Auswärtige Amt '

Telegramm 213 Athen, den 25. Juli 1914^ ^

Streng vertraulich!

Minister der auswärtigen Angelegenheiten bittet mich, auf- richtigen Dank für die hier stets gern aufgenommenen Ratschläge zu übermitteln. Diese seien ernstlich mit Sr. M. dem König be- sprochen imd an den heute in München weilenden Herrn Veniselos telegraphiert worden, von dem jedoch Antwort noch aussteht.

Herr Streit sagt mir, daß Griechenland an einem österreicliisch- serbischen Konflikt sich nicht beteiligen werde. Er werde dies auch in Belgrad erklären, wo Griechenland nicht aufhöre, dringend für den Frieden zu wirken.

Über Haltimg Griechenleuids bei einem eventuellen Eingreifen Bulgariens oder der Türkei glaubt Herr Streit sich heute noch nicht äußern zu sollen, da diese zu sehr von den Umständen abhänge, unter denen dies Eingreifen erfolge. Für Griechenland sei die Er- haltung des Bukarester Friedens eine Kardinalfrage; es könne sich daher Serbien gegenüber diesbezüglich durch keine Erklärungen bloßstellen, die ihm die serbische Freimdschaft kosten könnten.

' Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Athen 5^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 10^ nachm.; Eingangsvermerk: 25. Juli nachm.

* Siehe Nr. 122.

198

Griechenlands Hauptbestreben sei die Erhaltung des Friedens; es werde alles tun, um nicht in einen Konflikt hineingezogen zu werden. Streit hat in diesem Sinne heute auch mit türkischem Gesandten gesprochen. Ich habe Eindruck, daß man hier der an- geregten Vereinbarung über Neutralität, im Hinblick auf die mög- liche Gefährdung des Bukarester Vertrags durch Bulgarien, nicht wird näher treten wollen.

Bassewitz

Nr. 190

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt^

Telegramm 152 Petersburg, den 25. Juli 1914^

Wie ich von meinem itahenischen Kollegen höre, hat er bis jetzt noch keine Instruktionen erhalten, die Forderungen der österreichischen Note an Serbien zu unterstützen.

Pourtales

' Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Petersburg 6^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 10^ nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli nachm. Von Jagow telegra- phisch dem Botschafter in Rom »streng vertraulich« mitgeteilt, 26. Juli 12" vorm. zum Haupttelegraphenamt.

Nr. 191

Der Reichskanzler an den Kaiser^

Telegramm 140 Berlin, den 25. JuH 1914^

Nach Wiener Nachrichten haben die serbische Regierung, König Peter und die Behörden, heute nachmittag ^/gS Uhr Belgrad verlassen und sich nach dem Süden zurückgezogen. Da die um 6 Uhr überreichte Antwort der serbischen Regierung den öster- reichischen Forderungen nicht genügt, hat der Gesandte Baron Giesl Belgrad verlassen.

' Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand. Der Satz »In Paris und London Konflikts« im Entwurf von der Hand des Reichs- kanzlers beigefügt.

* Zum Haupttelegraphenamt 25. Juli 10*^ nachm., angekommen im Hoflager 26. Juli ii*'* nachm., Entzifferung vom Kaiser am 27. Juli zurückgegeben.

199

Präsident Poincare ist heute in Stockholm, eine Änderung seiner weiteren Besuchspläne ist bisher nicht bekanntgeworden. In Paris und London arbeitet man eifrig auf Lokahsierung des Konflikts.

Alleruntertänigst

Bethmann Hollweg.

Nr. 191a

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt '

Telegramm 157 London, den 25. JuH 1914''

Im Anschluß an Telegramm Nr. 156

Anlage zum Brief Sir E. Greys:

"Telegram from Mr. Crackanthorpe Beigrade July 25, 1914

Council of Ministers is now drawing up reply to Austrian note. I am informed by Under-Secretary of State for Foreign Affairs that it will be drawn up in most concihatory terms and will, in as large a measure as possible, meet Austrian demands. Under-Secretary gave me a brief summary of projected reply in advance. Consent of Servian Government is given in it to the pubhcation of declaration in "Official Gazette", and they accept the ten points witli reserves. They consent to the dismissal and prosecuting of those officiers who can be clearly proved to be guilty, and they have already arrested officer mentioned in the Austrian note. They agree to suppress Narodna Odbrana. They declare themselves ready to agree to mixed commission of enquiry provided that it can be proved that it is in accordance with international usage that such a commission should be appointed. "

Li chn o wsky

Übersetzung »Telegramm von Hr. Crackanthoq^e Belgrad, 25. Juli 1914 Der Ministerrat entwirft jetzt dieAntwort auf die österreichische Note. Ich erfahre vom Unterstaatssekretär des Auswärtigen, daß sie in versöhnlicher Form gehalten sein und soweit als möglich den österreichischen Forderungen ent- gegenkommen wird. Der Unterstaatssekretär gab mir im voraus eine kurze Inhaltsangabe der beabsichtigten Erwiderung. Die serbische Regierung stimmt darin der VeröfTentlichung einer Erklärung in ihrem offiziellen Organ zu und nimmt die zehn Punkte unter Vorbehalten an. Sie stimmt der Entlassung und gerichtlichen Verfolgung der Beamten zu, deren Schuld klar nachgewiesen

* Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in London 6'° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 11° nachm. Eingangsvermerk: 25. Juli nachm.

200

werden kann, und sie hat schon den in der österreichischen Note bezeich- neten Offizier verhaften lassen. Sie erklärt sich bereit, eine gemischte Unter- suchungskommission zuzugestehen, vorausgesetzt, djiß nachgewiesen werden kann, daß die Einsetzung einer solchen Kommission mit dem internationalen Brauch in Übereinstimmung steht.«

Nr. 192

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in

London^

Telegramm 176 Berlin, den 25. Juli 1914 ^

Unterscheidung Sir E. Greys zwischen österreichisch-serbischem und österreichisch-russischem Konflikt vollständig zutreffend. In ersteren wollen wir uns ebensowenig wie England mischen und ver- treten nach wie vor Standpunkt, daß Frage durch Enthaltung aller Mächte lokalisiert bleiben muß. Wir hoffen deswegen dringend, daß Rußland, bewußt des Ernstes der Situation und seiner Ver- antwortung, sich jeden aktiven Eingriffs enthält. Sollte österreichisch- russischer Streit entstehen, so sind wir, vorbehaltlich unserer be- kannten Bündnispflichten, bereit, mit den anderen Großmächten Vermittlung zwischen Österreich und Rußland eintreten zu lassen.

Jagow

^ Nach dem Konzept von Jagows Hand. Vgl. deutsches Weißbuch

vom Mai 1915, S. 30 Nr. 15. * 11^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.

Nr. 193

Der Staatssekretär des Auswärtigen an die Botschafter in

Rom und Wien^

Telegramm 19, 148 Berlin, den 26. Juli 1914 "

Der soeben zurückgekehrte rumänische Gesandte sagte mir, König Carol werde seine Pohtik zum Dreibund nicht ändern. Aller- dings hat Gesandter den König noch vor Ausbruch österreichischer Demarche in Belgrad gesehen ^.

Jagow

1 Nach dem Konzept von Jagows Hand.

2 2" vorm. zum Haupttelegraphenamt. * Siehe Nr. 208 210.

201

Nr. 194

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt*

Telegramm 153 Petersburg, den 25. Juli 1914'

General von Chelius meldet für S. M. :

»Die Truppenübungen im Krasnojelager wurden heute plötzlich abgebrochen, die Regimenter kehren sofort in ihre Garnisonen zu- rück; Manöver sind abgesagt, die Kriegsschüler wurden heute zu Offizieren befördert, statt im Herbst. Im Hauptquartier herrscht große Erregung über das Vorgehen Österreichs, habe den Eindruck, daß man alle Vorbereitungen zur Mobilmachung gegen Österreich trifft.«

Pourtalös

' Nach der Entzifferung. Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 19 15, S. 28 Nr. 6.

2 Datiert: Petersburg, den 25. Juli, aufgegeben daselbst 26. Juli 12*' vorm., angekommen im Auswärtigen Amt 32» vorm., Eingangsvermerk: 26. Juli vorm. Am 26. Juli vom Reichskanzler durch Funkspruch dem Kaiser mitgeteilt, in Berlin zum Haupttelegraphenamt 26. Juli 12^ nachm., an- gekommen im Hof lager 27. Juli vorm.; Entzifferung des Hof lagers vom Kaiser am 27. Juli im Auswärtigen Amt zurückgelangt.

Nr. 195

Der Geschäftsträger in Cetinje an das Auswärtige Amt*

Telegramm 17 Cetinje, den 25. Juli 1914 *

Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten erklärt mir, infolge Abwesenheit Ministerpräsidenten sei über die Haltimg Montenegros im Falle eines österreichisch-serbischen Krieges keine Entscheidung getroffen. Als Privatansicht äußerte er, daß König und Regienmg, auch wenn sie neutral zu bleiben wünschten, wohl von der öffenthchen Meinung gezwungen werden vvöirden, einzugreifen, sobald Österreich in Serbien einmarschiert. Ähnhch soll sich auch der König ausgesprochen haben. Stadt und Bevölkerung ruhig.

Zech

' Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Cetinje 25. Juli lo^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 26. Juli 4* vorm. Eingangsvermerk: 26. Juli vorm. Am 26. Juli von Jagow telegraphisch dem Botschafter in Wien mitgeteilt, Telegramm 3*" nachm. zum Haupttelegraphenamt.

202

Nr, 196

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 23 Fiuggi Fönte, den 25. Juli 1914^

Bei der Bedeutung, welche die hiesige öffentliche Meinung Berliner Telegrammen gerade jetzt beimißt, dürfte es angezeigt sein, wenn es poHtisch möglich ist, durch Berliner Nachrichten hiesige Presse darauf hinzuweisen, daß Österreichs Aktion nicht Territorial- erwerb, welcher italienische Interessen an der Adiia gefährden könnte, bezweckt, sondern in erster Linie endgültige Klärung des Verhältnisses zu Serbien aus innerpolitischen Gründen'.

Flotow

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Fiuggi Fönte, 25. Juli 11^ nachm., angekommen im Aus- wärtigen Amt 26. Juli 420 vorm. Eingangsvermerk: 26. Juli vorm.

' Randbemerkung Hammanns: »Wolff angewiesen, solche Stimmen an Agenzia Stefani zu geben.«

Nr. 197

Der Reichskanzler an den Kaiser*

Telegramm 146 Berlin, den 26. Juli 1914^

Außer der von General von Chelius gemachten Meldung' Hegen über russische Haltung noch keine verbürgten Nachrichten vor. Sollte Rußland sich zum Konflikt mit Österreich anschicken, beabsichtigt Eng- land Vermittelung * zu versuchen und erhofit dabei französische Unterstützung. Solange Rußland keinen feindlichen Akt vornimmt, glaube ich, daß unsere auf eine Lokalisierung^ gerichtete Haltung auch

^ Nach dem Konzept von des Reichskanzlers Hand.

^ Durch Funkspruch über Norddeich: In Berlin 26. Juli i Uhr nachm. zum Haupttelegraphenamt, angekommen im Hoflager 27. Juli 4 Uhr vorm. Ent- zifferung am 27 Juli vom Kaiser zurückgegeben, am gleichen Tage ins Aus- wärtige Amt gelangt.

' Siehe Nr. 194.

' Die Worte »Österreich anschicken, beabsichtigt Unterstützung«

lauten in der Entzifferung des Hoflagers verstümmelt und irreführend: »Österreich (folgt Lücke) Baron Fredericks beabsichtigt Englands Ver- mittlung zu versuchen, und er hofft auf französische Unterstützung«. Das Wort »Fredericks« hat der Kaiser unterstrichen und am Rand vermerkt; »welcher?«

* Am Rand Ausrufungszeichen des Kaisers.

203

Ruhe ist die erste eine ruhige bleiben muß. General von Moltke ist Bürgerpflicht .' Nur heute aus Karlsbad zurückgekehrt und teilt diese Ruhe, immer mir Ansicht

^"^^JJ u-^'"\^"' Erbitte alleruntertänigst Mitteilung, wo und

hige Mobilmachung t- n/r r j ^ « j -^ i -r- »r

ist eben auch was ^^"^ ^^' ^- ^ ^^^^ steigen «, damit ich Ew. M. Neues. ^^^ ^^^"^ Vortrag erwarten darf.

Alleruntertänigst

Bethmann Hollweg

Er soll mich in Berlin erwarten; ich komme dorthin, oder Wildpark.

* Am Rand 2 Ausrufungszeichen des Kaisers.

Nr. 198

Der Reichskanzler an den Botschafter in Petersburg*

Telegramm 126 Berlin, den 26. Juli 1914^

Nachdem Graf Berchtold Rußland erklärt hat, daß Österreich keinen territorialen Gewinn in Serbien beabsichtige, sondern nur Ruhe schaffen wolle, hängt Erhaltung europäischen Friedens allein von Rußland ab. Wir vertrauen auf Friedensliebe Rußlands und unsere altbewährten guten Beziehungen, daß es keinen Schritt un- ternimmt, welcher den europäischen Frieden ernstlich gefährden

würde. _

Bethmann Hollweg

^ Nach dem Konzept von des Reichskanzlers Hand. Vgl. deutsches

Weißbuch vom Mai 19 15, S. 29 Nr. 12. ^ i^* nachm. zum Haupttelegraphenamt.

Nr. 199

Der Reichskanzler an den Botschafter in London*

Telegramm 178 Berlin, den 26. Juli 19 14 ^

Dringend !

Österreich hat Rußland offiziell erklärt, daß es keinen territo- rialen Gewinn in Serbien beabsichtige und seinerseits Bestand des Königreichs nicht antasten, sondern nur Ruhe schaffen wolle. Nach hier von vertrauenswürdiger Seite eingelangten, aUerdings noch nicht

* Nach dem Konzept von des Reichskanzlers Hand. Vgl. deutsches

Weißbuch vom Mai 1915, S. 29 Nr. 10. ^ i^^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.

204

verbürgten Nachrichten steht in Rußland Einberufung mehrerer Reservistenjahrgänge unmittelbar bevor, was einer Mobilisierung auch gegen uns gleichkommen würde. Sollten sich diese Nachrichten bewahrheiten, so würden wir gegen unseren Wunsch zu Gegenmaß- regeln gezwungen werden. Unser Streben geht auch heute dahin, den Konflikt zu lokalisieren und den europäischen Frieden zu er- halten. Wir bitten daher Sir Edward Grey, in diesem Sinne in Petersburg zu wirkend Bethmann Hollweg

ä Siehe Nr. 21 8.

Nr. 200

Der Reichskanzler an den Botschafter in Paris ^

Telegramm 167 Berhn, den 26. Juli 1914^

Österreich hat Rußland offiziell erklärt, daß es keinen terri- torialen Gewinn in Serbien beabsichtige und seinerseits Bestand des Königreichs nicht antasten, sondern nur Ruhe schaffen wolJe^. Die Entscheidung, ob ein europäischer Krieg entstehen soll, hängt momentan nur bei Rußland. Wir vertrauen auf Frankreich, mit dem wir uns in dem Wunsche der Erhaltung des europäischen Friedens eins wissen, daß es in Petersburg seinen Einfluß in be- ruhigendem Sinne geltend machen wird.

Bethmann Hollweg

^ Nach dem Konzept von des Reichskanzlers Hand.

2 i^^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.

3 Gleichlautend wie Nr. 199.

Nr. 201

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt*

Telegramm 159 London, den 26. Juli 1914^

Prinz Heinrich bittet mich, Ew. Exz. zu melden, S. M. der König habe ihm den lebhaften Wunsch zu erkennen gegeben, daß es der britisch-deutschen Gemeinschaft unter Zutritt Frankreichs und Italiens gelingen möge, der so überaus ernsten Lage im Sinne des Friedens Herr zu werden. Lichnowsky

1 Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in London ii*^ vorm., angekommen im Auswärtigen Amt i*^ nachm. Eingangsvermerk: 26. Juli nachm. Am 26. Juli von Jagow tele- graphisch dem Kaiser mitgeteilt, aufgegeben in Berlin, den 26. Juli 7*^ nachm., angekommen im Hoflager 27. Juli 7^° vorm., Entzifferung lag noch am 27. Juli dem Kaiser vor.

205

Nr. 202

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien*

Telegramm 150 Berlin, den 26. Juli 1914*

Auch der Chef des Generalstabs hält es für dringend erforder- lich, daß Italien fest beim Dreibund gehalten wird. Eine Verstän- digung Wiens mit Rom ist daher nötig. Wien darf derselben nicht mit fraglichen Vertragsdeutungen ausweichen, sondern muß dem Ernst der Lage entsprechend seine Entschlüsse fassen.

Bethmann Hollweg

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand.

' 3" nachm. zum Haupttelegraphenamt gegeben, 7^" nachm. auf der Bot- schaft in Wien angekommen.

Nr. 203

Der Botschafter in Petersburg an den Reichskanzler*

St. Petersburg, den 24. JuH 1914^

Nach der Parade in Krasnoje Selo und einem Diner auf der »France« hat der Präsident der französischen Repubhk die Kronstädter Reede gestern abend wieder verlassen. Die Herrn Poincare hier zuteil gewordene Aufnahme war, wie nicht anders zu erwarten stand, eine sehr freundhche. Die offiziellen Veran- staltungen zeugten von dem Wimsche, dem Staatschef der verbündeten Repubhk ganz besondere äußerhche Ehren zu er- weisen, die offenbar auch darauf be- rechnet waren, seiner persönlichen Eitel- keit lu schmeicheln. Bei dem Besuch zum Beispiel, den Herrn Poincarö von Peterhof aus in St. Petersburg machte, wurde er nicht allein bei seiner Fahrt von Newa-Quai zum Winterpalais, sondern

' Nach der Ausfertigung.

* Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts : 26. Juli nachm. Ausfertigung wurde dem Kaiser zugeleitet, der durch Randverfügung Mitteilung an den Botschafter in Paris anordnete; vom Kaiser am 28. Juli ins Amt zurück- gelangt. Bericht wurde am 30. Juli dem Botschafter in Paris mitgeteilt. Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 191 5.

Aktenstücke L l6

206

auch bei allen seinen Ausfahrten von einer Schwadron Kosaken eskortiert, die zu diesem Zwecke ihre scharlachrote Uniform, die sonst im Sommer selbst bei Paraden nicht angelegt wird, trugen.

Abgesehen von diesen äußerlichen Ehrenbezeugungen, läßt sich nicht sagen, daß die dem französischem Gaste hier zuteil gewordene Aufnalime eine besonders warme gewesen ist. Wer lediglich die hiesigen nationalistischen Blätter und die überschwenghchen Festberichte der sehr zahlreich hier erschienenen franzö- sischen Journalisten liest, wird ein sehr falsches Bild von der Stimmung gewinnen, die während der Tage des Präsidenten- besuches hier geherrscht hat. Jeder un- parteiische Beobachter muß die auffallende Gleichgültigkeit, welche die große Masse des Pubhkums dem Besuche gegenüber zeigte, konstatiert haben. Selbst an dem Tage, an welchem Herr Poincar6 der Resi- denz selbst seinen Besuch abstattete, und trotz des bei diesem Besuch aufgebotenen großen Apparates war von einer besonders regenTeilnahme des Publikums ,geschweige denn von irgend welcher Begeisterung nichts zu merken. Bei der Ankunft des Präsidenten und seiner Fahrt die Newa- Quais entlang bis zum Winter-Palais hatte sich trotz des schönen Wetters verhältnismäßig wenig Publikum einge- funden, das Herrn Poincar6 nicht nur keine Ovationen bereitete, sondern über- haupt kaum grüßte. Die auf polizeiliche Anordnung dekorierten, aber keineswegs besonders reich beflaggten Straßen, durch welche der Präsident mit seiner Eskorte und einem zahlreichen Gefolge am Nach- mittag eine Rundfahrt machte, waren durchaus nicht besonders belebt,und nur an den Straßenecken erwarteten einige Schau- lustige die Vorbeifahrt des Cortege^.

Am meisten Leben zeigte sich noch am Newski-Prospekt, als der Präsident

' Hinter »Cortege« Ausrufungszeichen des Kaisers.

207

das kommt vom Bunde der Abso- luten Monarchie und der Absoluten Sojialistischen- Sanscuiotten Republik !

nach den heutigen Meldungen des Marin eattaches,

nach Aussage des Russ. Afjrin"-

attac/ies, isi iie im Werden !

sich am Abend nach dem Diner auf der französischen Botschaft nach der Stadt- Duma begab.

Wie ich bereits anderweitig hervor- gehoben habe, ist die große Teilnahm- losigkeit der Bewohner der Hauptstadt während des Besuchs des Herrn Poincare ni( ht zum geringsten auf die Arbeiter- streiks :{urückiuj Uhren, die während der Anwesenheit der französischen Gäste zu ernsten Zusammenstößen mit der Poh'zei und der Truppe geführt haben. Man muß es als eine Ironie des Schicksals empfinden, daß zu der gleiclien Zeit, zu welcher im Lager von Krasnoje Selo die russischen Garden den Ga>t des Zaren mit den Klängen der nMarseillaisei<* be- grüßten, in den Vorstädten Petersburgs die Kosaken auf die Arbeiter einhieben, welche dieselbe Marseillaise sangen.

Als sich gelegenth( h meiner Unter- haltungen mit Herrn Sasonow das Ge- spräch dem Besuch des Herrn Poincare zuwandte, hob der Minister den fried- fertigen Ton der gewechselten Trink- sprüche hervor. Ich konnte nicht umhin, Herrn Sasonow darauf aufmerksam zu machen, daß nicht die bei derartigen Be- suchen ausgetauschten Toaste, sondern die daran geknüpften Preßkommentare den Stoff zur Beunruhigung geliefert hätten. Derartige Kommentare seien auch diesmal ni( ht ausgebUeben, wotei sogar die Nachricht des angeblichen Ab- schlusses einer russisc h-englischen Marine- konvention verbreitet worden sei. Herr Sasonow griff die' en Satz auf und meinte unwilhg, eine solc:he Marinekonvention existiere nur »in der Idee des »BerUner heute noch! Tageblattes c( und im Mond«. ^^^'*

Das von der rus^i'^clien Regierung ^^r^^" über den Besuch des Herrn Poincare in der Presse veröffentlichte Communique ist in der Anlage gehorsamst beigefügt. F. Pourtal^s

* »Marseillaise« zweimal vom Kaiser unterstrichen.

i6*

208

Nr. 204

Der Botschafter in Petersburg an den Reichskanzler ^

St. Petersburg, den 25. Juli 1914^

Die Unterredung, die ich gestern abend mit Herrn Sasonow hatte, und über die ich anderweitig schon zu berichten die Ehre hatte', drehte sich, nachdem ich dem Minister den Standpunkt der k. Regierung entwickelt hatte, zunächst hauptsächUch um die Frage der vom Minister befürworteten europäischen Enquete über die Konnivenz der serbischen Regierung gegenüber den Treibereien der groß-serbischen Propaganda. Herr Sasonow vertrat den Stand- punkt, daß die Frage eine europäische sei, da Serbien nach der bosnischen Krisis Europa gegenüber Verpflichtungen übernommen habe, und daß Europa Serbien nicht der Vergewahigung durch seinen mächtigen Nachbarn preisgeben dürfe.

Ich versuchte, dem Minister zu beweisen, daß es im Interesse der dringend erwünschten Vermeidung aller etwaiger weiterer Kompli- kationen durchaus geboten erscheine, den österreichisch-serbischen Konflikt zu lokalisieren. Ich wies ferner darauf hin, daß nach meiner Überzeugung Österreich-Ungarn auf die Zumutung, die Untersuchung gegen die Urheber des Attentats von Sarajevo einer Superrevision der Mächte zu unterwerfen, niemals eingehen werde und auch nicht eingehen könne, wenn es nicht auf seine Stellung als Großmacht verzichten wolle.

Ich machte endlich darauf aufmerksam, daß mir der ganze Vor- schlag, die Angelegenheit vor einen europäischen Areopag zu bringen, auch abgesehen von der zweifellos zu gewärtigenden österreichischen Ablehnung, auch durchaus unpraktisch erscheine, da unbedingt zu erwarten sei, daß der allgemeine politische Standpunkt der ver- schiedenen Mächte und Mächtegruppen bei der Stellungnahme zu der Frage der ausschlaggebende sein werde. Was aber habe ein solches »Gerichtsverfahren« für einen praktischen Zweck, wenn sich »die politischen Freunde« Österreich-Ungarns auf seine Seite und die Gegner auf die Gegenseite stellten? Wer solle in diesem Falle die Entscheidung fällen?

Herr Sasonow war durch diese Argumente nicht von seiner Idee abzubringen und bat mich dringend, sie meiner Regierung zu über- mitteln. Ich entgegnete, es sei natürlich meine Pflicht, meiner Regierung über seine Stellungnahme zu berichten, ich könnte ihm aber nicht die geringste Aussicht machen, daß Ew. Exz. diesen, nach

^ Nach der Ausfertigung.

* Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 26. Juli nachm. Randnotiz des Reichskanzlers: »S. M. vorgetragen: v. B. H. 27. a

* Siehe Nr. 160.

209

meiner Ansicht ganz unpraktischen und auch für Österreich demütigenden Vorschlag überhaupt als diskutabel anerkennen würde. Herr Sasonow erwiderte sehr verstimmt, er merke allerdings schon seit mehreren Tagen, daß wir in der Frage voreingenommen seien und unsere Stellungnahme bereits in einer bestimmten Richtung fest- gelegt hätten.

Ich bemerkte darauf, unser Standpunkt sei ein durchaus klarer und loyaler. Er werde uns nicht allein durch unsere Pflichten gegen unseren Verbündeten, sondern auch durch unser Gerechtigkeitsgefühl und vor allem durch unser treues Festhalten an dem monarchischen Prinzip diktiert.

Der Appell an das monarchische Prinzip war Herrn Sasonow sichtlich unangenehm. Er stellte sich auf den Standpunkt, daß es sich hier in keiner Weise um die Verteidigung monarchischer Interessen handele. Rußland, fügte er ärgerlich hinzu, brauche sich gewiß, was die Heilighaltung des monarchischen Prinzips betreife, keine Lehren erteilen zu lassen. »Und doch«, erwiderte ich, »sollten Sie ernstlich prüfen, ob Sie nicht im vorliegenden Falle eine schlechte Sache vertreten. Rußland kann unmöglich die Sache des Fürsten- mordes verteidigen.«

Herr Sasonow, der bei diesem Teil des Gespräches immer nervöser und gereizter wurde, suchte von diesem Thema abzulenken und unter Berufung auf frühere Attentate wieder den Standpunkt zu vertreten, daß noch nie Regierungen und Völker für die Taten einzelner verantwortlich gemacht worden seien. Ich bemerkte darauf, daß es in der neueren Geschichte wohl auch kaum ein Beispiel gäbe, daß ein Staat eine verbrecherische Propaganda gegen den Nachbarn, wie dies jetzt in Serbien nachgewiesenermaßen geschehen sei, ge- duldet habe.

Herr Sasonow gab darauf zu verstehen, daß ihn die von Öster- reich-Ungarn vorgebrachten, »Beweise« in keiner Weise überzeugten; er erging sich dabei in den maßlosesten Anklagen und Verdäch- tigungen gegen die österreichisch-ungarische Regierung. Diesen in größter Erregung vorgebrachten Ausfällen gegenüber konnte ich nicht umhin, dem Minister die Befürchtung auszusprechen, daß er sich ganz unter der Herrschaft seines unversöhnlichen blinden Hasses gegen Österreich befinde, der ihn leider anscheinend für alle anderen ruhigen Erwägungen unzugänglich mache. »Haß entspricht nicht meinem Charakter,« erwiderte der Minister, »ich hege daher auch keinen Haß gegen Österreich, aber Verachtung.«

Herr Sasonow führte dann aus, daß Österreich-Ungarn nach seiner Überzeugung nur nach einem Vorwand suche, um Serbien zu »verschlingen« (avaler). »In diesem Falle aber«, fügte der Minister hinzu, »wird Rußland mit Österreich Krieg führen.« Es war das einzige Mal, daß Herr Sasonow, der sich sonst in seinen Äußerungen wenig Zwang auferlegte, eine Anspielung auf die Möglichkeit eines bewaffneten Einschreitens Rußlands machte. Ich möchte daraus

210

schließen, daß übereilte Schritte in dieser Richtung, trotz der zweifel- los in hiesigen Regierungskreisen herrschenden großen Erregung, vorläufig nicht zu gewärtigen sind.

Ich habe dem Minister meine Überzeugung dahin ausgesprochen, daß es sich im äußersten Falle nur um eine Strafexpedition Öster- reichs gegen Serbien handeln werde, und daß Österreich weit davon entfernt sei, an territoriale Erwerbungen zu denken. Herr Sasonow schüttelte zu diesen Ausführungen ungläubig den Kopf und sprach von weitgehenden Plänen, die Österreich habe. Erst solle Serbien verspeist werden, dann werde Bulgarien darankommen und dann »werden wir sie am Schwarzen Meer haben«.

Ich bemerkte hierauf, solche phantastischen Übertreibungen schienen mir überhaupt einer ernsten Diskussion nicht wert.

Mein Gesamteindruck ist der, daß trotz der sehr erregten Stim- mung, in der sich Herr Sasonow befindet, er doch vor allem zu temporisieren wünscht, und daß dieser Wunsch seinem Vorschlag, die Angelegenheit vor den Richterstuhl Europas zu bringen, in erster Linie zugrunde liegt. Ein gefährliches Moment der hiesigen Situation ist allerdings der leidenschaftliche nationale und besonders auch religiöse Haß des Ministers gegen Österreich-Ungarn.

Die hiesige öffentliche Meinung hat sich bis jetzt dem öster- reichisch-serbischen Konflikt gegenüber merkwürdig gleichgültig ge- zeigt. Dies dürfte sich allerdings, wie schon die heutige Presse zeigt, in den nächsten Tagen ändern.

F. Pourtales

Nr. 205

Der Botschafter in Petersburg an den Reichskanzler^

St. Petersburg, den 25. Juli 1914*

Aus zuverlässiger Quelle höre ich, daß im gestrigen hiesigen Ministerrat in erster Linie die Frage besprochen worden sein soll, ob die gegenwärtige innere Lnge Rußl.inds derart sei, daß das Land äußeren Verwickelungen ohne Beunruhigung in dieser Richtung ent- gegensehen könne. Die Mehrzahl der anwesenden Minister soll sich in dem Sinne geäußert haben, daß Rußland wegen der inneren Lage derartige Verwickelungen nicht zu scheuen brauche.

F. Pourtales

* Nach der Ausfertigung.

' Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 26. Juli nachm. Randnotiz des Reichskanzlers: »S. M. vorgetragen, B. H. 27«.

21 I

Nr. 206

Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler'

Wien, den 25. Juli 19142«

Man wird Kriegserklärung gegebenenfalls serbischer Regierung telegraphisch oder durch die Post zustellen, zugleich aber davon allen Mächten Mitteilung machen, um serbischer Regierung jeden Vorwand zu nehmen, nicht unterrichtet worden zu sein.

von Tschirschky

1 Nach der Entzifferung.

' Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 26. Juli nachm.

Siehe Nr. 142, die 24. Juli 6'^ nachm. auf der Botschaft in Wien eintraf.

Nr. 207

Der Marineattache in London an das Reichsmarineamt *

Telegramm (ohne Nummer) London, den 26. Juli 19 14'

Ganz geheim !

England beabsichtigt gemeinschaftliche Aktion Deutschland, Frankreich, Italien zur Beruhigung Rußland, Österreich-Ungarn. König von Großbritannien äußerte zum Prinzen Heinrich von Preußen, England würde sich neutral verhalten, falls Krieg aus- brechen sollte zwischen Kontinentalmächten. Flotte hat Reser- visten entlassen und Mannschaften beurlaubt programmäßig.

Marineattache

' Nach einer vom Kapitän von ßülow vom Admiralstab am 26. Juli nachm. im Auswärtigen Amt überreichten Abschrift. Zimmermann vermerkt dazu noch am 26. Juli: »Der Herr Reichskanzler hat bereits direkt durch H. V. B[ülow] davon Kenntnis«.

Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 26. Juli nachm.

2J2

Nr. 208

Der rumänische Gesandte in Berlin an das Auswärtige Amt ^

Geheim! Berlin, den 1 3. /26. Juli 1914^

Die k. rumänische Regierung, welche durch die sich überstürzenden Ereignisse in die Lage kommen kann, ihre Bünd- nispflichten zu erfüllen, legt den größten Wert darauf, im engsten Einvernehmen mit dem Deutschen Reich rechtzeitig derart unter- richtet zu werden, daß sie ihrerseits die notwendigen politischen und militärischen Maßnahmen treffen, insbesondere die öffentliche Meinung des Landes auf die eventuell zu fassenden Entschlüsse von größter Tragweite für Rumänien vorbereiten kann.

In diesem Sinne hat sowohl S. M. der König, als auch der Ministerpräsident Bratianu den Unterzeichneten instruiert, wenn es auch bei seiner Abreise von Rumänien noch nicht ersichtlich war, daß wir so nahe vor dieser Entscheidung standen.

A. B e 1 d i m a n

1 Nach der Ausfertigung.

2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 26. Juli nachm. Die Mitteilung muß jedoch vor Absendung von Nr. 193 erfolgt sein. Siehe auch Nr. 209 und 210.

Nr. 209

Der Staatssekretär des Auswärtigen an die Botschafter in Wien und Rom^

Geheim I BerHn, den 26. Juli 19 14* "

Der rumänische Gesandte, der soeben aus Heimaturlaub zu- rückgekehrt ist und vor wenig Tagen König Carol gesehen hatte, sagte mir im Auftrage des letzteren, er werde seine Politik dem Dreibund gegenüber nicht ändern. Allerdings hatte Herr Beldiman seinen Souverän noch vor der österreichischen Demarche in Bel- grad gesprochen, und König Carol hatte ihm gesagt, er bäte, vor Eintritt einer kritischen Lage rechtzeitig informiert zu werden, damit Er Sich darauf einrichten könne. Herr Beldiman ist aber der Ansicht, daß Rumänien, im Falle einer Konflagration, zweifel- los seinen Vertragsverpflichtungen nachkommen würde.

1 Nach dem Konzept von Jagows Hand. ^ Abgegangen am 26. Juli. 3 Siehe Nr. 193, 208, 210.

213

Trotz der starken, in Rumänien bestehenden Verstimmung gegen Österreich-Ungarn wäre das Mißtrauen gegen Rußland doch noch stärker, viele einflußreiche Landsleute hätten sich zu ihm in dem Sinne geäußert. Das russische Heiratsprojekt sei zunächst vertagt, da Prinz Carol dem Gedanken, jetzt schon eine Ehe einzugehen, sehr abgeneigt sei.

Was das Verhältnis zu Bulgarien anlangt, sagte der Gesandte, der Haß gegen Rumänien sei in Bulgarien, namentlich in Armee- kreisen, zu stark, um jetzt schon eine Besserung der Beziehungen bzw. einen Anschluß zu ermöglichen. Die militärischen Grenz- konflikte seien wesentlich auf die rumänenfeindliche Stimmung des bulgarischen Offizierkorps zurückzuführen.

J a g o w

Nr. 2IO

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien^

Telegramm 152 Berlin, den 26. Juli 1914^'

Hiesiger rumänischer Gesandter hat im Auftrage des Königs Carol und im Einverständnis mit Bratianu Bitte ausgesprochen, behufs Erfüllung Bündnispflichten rechtzeitig derart unterrichtet zu werden, daß rumänische Regierung die erforderlichen politischen und militärischen Maßnahmen treflfen, auch öffentliche Meinung auf die zu treffenden Entschlüsse beizeiten vorbereiten kann.

Bratianu hat die hier nicht bekannte Nachricht erhalten, daß Bulgarien Reservisten einberuft und Truppen an rumänischer Grenze zusammenzieht. Rumänische Regierung legt naturgemäß größten Wert darauf, dafür Garantie zu erhalten, daß von bul- garischer Seite nichts zu befürchten, um mit ganzer Macht gegen Rußland marschieren zu können.

Bitte vorstehendes Grafen Berchtold mitteilen und darauf hinwirken, daß Rumänien die gewünschten Garantien erhält.

Jago w

1 Nach dem Konzept. Entwurf von Bergens Hand mit Änderungen von der Hand Stumms und Zimmermanns.

* 4'^ nachm. zum HaupttelegraphenamL

* Siehe Nr. 193, 208, 209.

214

Nr. 211

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt*

Telegramm 24 Fiuggi Fönte, den 26. Juli 19 14*

Marquis di San Giuliano fährt fort, mir zu sagen, daß das Vorgehen Österreichs für Italien höchst bedenklich sei, da Öster- reich morgen wegen der Irredenta dasselbe Vorgehen gegen Italien richten könne. Zu solchen Schritten könne Italien daher nicht Zu- stimmung geben. Nach vertraulichen Nachrichten aus Bukarest »ei S. M. der König von Rumänien der gleichen Ansicht wegen der in Ungarn lebenden Rumänen*. Ich habe dem Minister gesagt, daß er nicht Fälle konstruieren möge, die gar nicht vorlägen.

Den österreichischen Versicherungen, kein serbisches Terri- torium zu beanspruchen, glaubt der Minister immer noch nicht. Er hält es daher für nötig, Österreich schon bald auf Italiens Kompensationsansprüche vorzubereiten. Mit Wien könne er aber schwerlich darüber direkt verhandeln. Weder Baron von Merey hier, noch der Herzog von Avarna in Wien seien dazu geeignet. Überhaupt m.ache das bestehende Mißtrauen zwischen Wien und Rom solche Verhandlungen schwierig. Der einzige gangbare Weg führte über Berlin. Ich habe ihm gesagt, ich wisse nicht, wie meine Regierung darüber denke. Im Augenblick scheine es mir noch zu früh zu sein. Der Minister deutete wieder an, ohne Kompensation sei Italien gezwungen »Österreich in den Weg zu treten«.

Marquis di San Giuliano gab mir ein Telegramm des Herrn Bollati, wonach der Herr Staatssekretär der auswärtigen Ange- legenheiten sich durch die Erklärungen als befriedigt gezeigt habe.

In vertraulichem Gespräch sagte der Minister, es scheine ihm, als wenn die k. Regierung Österreich zu sehr ermutige. Ich habe das bestritten und ihm gesagt, wir beschränkten uns darauf, unsere Bundespflichten zu erfüllen.

Überhaupt Presse noch relativ günstig, mit Ausnahme des Berliner Korrespondenten des Messagero. Corriere della Sera hat abgelehnt, für Österreich einzutreten.

F 1 o t o w

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Fiuggi Fönte 3*° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 5'° nachm. Emgangsvermerk: 26. Juli nachm. Auf der Entzifferung der noch am 26. oder 27. Juli geschriebene Vermerk Jagows: »Mit Herrn Bollati besprochen«.

' Dazu die Randbemerkung Zimmermanns: »Fasciotti!« Siehe Nr. 239.

215

Nr. 212

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt*

Telegramm io6 Wien, den 26. Juli 1914'

Herzog von Avarna hat gestern hier im Auftrage seiner Regierung eine Erklärung in nachstehendem Sinne abgegeben. Italien müsse sich selbst bei provisorischer Besetzung serbischen Gebiets sein Recht auf Kompensationen im Sinne des Artikels 7 vorbehalten. Im übrigen beabsichtigt die italienische Regierung in dem evfentuellen bewaffneten Konflikt zwischen Österreich- Ungarn und Serbien eine freundschaftliche und den Bündnis- pflichten entsprechende Haltung der Monarchie gegenüber einzu- nehmen.

Graf Berchtold begrüßte diese Erklärung Italiens, bemerkte aber, daß man kriegerische Operationen auf serbischem Gebiet selbstverständlich nicht als provisorische Besetzung ansehen könne. Den ganzen Komplex der mit den italienischen Kompensations- forderungen zusammenhängenden Fragen erörtere ich fortlaufend mit Baron Macchio und Graf Berchtold und darf mir demnächstige Berichterstattung vorbehalten. Ich bemühe mich dabei in erster Linie, die hiesigen Stellen dazu zu bringen, die nutzlosen theoretischen Erörterungen über Interpretation des Artikels 7 fallen zu lassen, wobei mich General Freiherr Conrad von Hötzendorf, in dessen Gegenwart ich heute wieder mit Graf Berchtold die Ange- legenheit eingehend besprach, unterstützte. Ich betonte, daß es darauf ankommt, einen praktisch gangbaren Weg zu finden, zumal es keinem Zweifel unterliegt, daß Italien gegebenenfalls doch mit Kompensationsforderungen kommen werde. Graf Berchtold ver- hielt sich nicht ablehnend, meint aber, die Italiener hätten bereits vorweg durch die Besetzung der Inseln, die, mit Ausnahme von Rhodos und den ganz dicht daran liegenden Inseln, im Ägäischen Meer lägen, eine Kompensation in Händen.

Tschirschky

' Nach der Entzifferung.

Aufgegeben in Wien 4"* nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 6'^ nachm. Eingangsvermerk: 26. Juli nachm. Am 26. Juli von Jagow nach Vornahme kleiner Änderungen und mit Fortlassung des Satzes:

»zumal es keinem kommen werde«, telegraphisch dem Botschafter

in Rom mitgeteilt, 27. Juli 12*" vorm. zum Haupttelegraphenamt.

2l6

Nr. 213

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt^

Telegramm 105 Wien, den 26. Juli 19 14'

Geheim !

Graf Berchtold las mir Telegramm des Grafen Szögyeny vor, in welchem dieser meldet, daß man in Berlin, um die' Gefahr der Ein- mischung dritter tunlichst vorzubeugen, größte Schnelligkeit in militärischen Operationen und baldigste Kriegserklärung für nütz- lich hielte. Der Minister hatte zur Besprechung über diesen Punkt bereits Freiherrn von Hötzendorf zu sich gebeten, der v^ährend memer Anwesenheit beim Minister erschien. Ich unterstützte warm unseren Standpunkt, der von Graf Berchtold durchaus geteilt wurde, beim Generalstabschef. Freiherr von Hötzendorf führte aus, es müsse vor allem vermieden werden, mit unzulänglichen Kräften den Feldzug zu beginnen. Die ungarischen Korps an serbischer Nord- grenze würden ja binnen kurzer Zeit marschbereit sein. Die öster- reichische Aufstellung an serbischer Westgrenze werde aber mangels genügender Kommunikationsmittel längere Zeit in Anspruch nehmen, solange müsse unbedingt gewartet werden. Er rechne darauf, un- gefähr am 12. August den allgemeinen Vormarsch beginnen zu können. Übrigens würde sich wohl eine formelle Kriegserklärung erübrigen, da, wie er sicher annehme, schon in den nächsten Tagen feindliche Einbrüche Serbiens an der bosnischen Grenze erfolgen würden.

Tschirschky

^ Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Wien 4^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 6^ nachm. Eingangsvermerk: 26. Juli nachm. Auf einer Abschrift der Entzifferung der Vermerk des Reichskanzlers: »S.M. vorgetragen. B. H. 27.« Jagow verfügt Mitteilung der in Tschirschkys Telegramm gemeldeten Ausführungen Conrads von Hötzendorf an Generalstab und Admiralstab; Conrads Bemerkungen werden nach Vornahme stilistischer Änderungen von Zimmermann am 27. Juli diesen Dienststellen und dem Kriegsminister mitgeteilt. Mitteilungen 9" nachm. durch Boten abgesandt.

* So irrig tur »der«.

217 Nr. 214

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger

in Bukarest ^

Telegramm 42 Berlin, den 26. Juli 1914'

Geheim !

Zur Mitteilung. Österreich hat Rußland erklärt, daß es keinen Gebietsgewinn in Serbien erstrebe, sondern dort nur Ruhe herstellen wolle. Verantwortung für eventuelle Ausdehnung des Konfliktes und Störung des europäischen Friedens würde daher allein Rußland zufallen, wenn dieses gegen Österreich vorgehen sollte. Wir sind ebenso wie England fortgesetzt um Lokalisierung des Konfliktes be- müht. Vorgehen Rußlands gegen Österreich würde aber für uns die bekannten Konsequenzen haben, wobei wir auf Rumäniens Loyalität rechnen.

Nachrichten aus Rußland lauten ziemlich beunruhigend.

J a g o w

1 Nach dem Konzept von Jagows Hand. * 6^5 nachm. zum HaupUelegraphenamt.

Nr. 215

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 159 St. Petersburg, den 26. Juli 1914'

Von Kollegen erfahre ich, daß Herr Paleologue sich hier dahin geäußert, Deutschland treibe zum Konflikt, es handele sich schon jetzt nicht mehr um austro-serbischen, sondern um russisch-deutschen Konflikt. Habe daher nunmehr durch hiesiges Informationsbureau nach Vereinbarung mit meinem österreichischen Kollegen veröffent- lichen lassen, daß Nachricht, wonach Österreich von Deutschland ge- schoben werde und deutsche Regierung Inhalt österreichischer Note gekannt habe, unwahr.

Pourtales

' Nach der EntzitFerung.

2 Aufgegeben in Petersburg 3*^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt nachm. Eingangsvermerk: 26. Juli nachm. Unter dem 26. Juli von Jagow telegraphisch dem Botschafter in Paris mitgeteilt, 27. Juli i^^vorm. zum Haupttelegraphenamt.

2l8

Nr. 216

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt* '

Telegramm 158 St. Petersburg, den 26. Juli 1914^

Militär-Attache bittet mich, nachstehende Meldung Generalstab zu übermitteln:

Halte für sicher, daß Mobilmachung für Kiew und Odessa befohlen. Warschau und Moskau fraglich, die anderen wohl noch nicht.

Pourtales

* Nach der Entzifferung. Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 1915, S. 28 Nr. 7.

^ Aufgegeben in Petersburg 3*^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 71 nachm. Eingangsvermerk: 26. JuU nachm. Randbemerkung des Reichs- kanzlers vom 27. Juli: »S. M. vorgetragen. B. H. 27.« Pourtales' Telegramm am 26. Juli 8^° nachm. dem Generalstab mitgeteilt.

Nr. 217

Der Botsciiafter in Petersburg an das Auswärtige Amt*

Telegramm 157 St. Petersburg, den 26. Juli 1914^

Habe Sasonow, mit dem ich eben wieder lange Unterredung hatte, heute viel ruhiger und versöhnlicher gefunden. Er betont mit der größten Wärme, daß Rußland nichts ferner liege, als Krieg zu wünschen, daß es vielmehr bereit sei, alle Mittel zu erschöpfen, um denselben zu vermeiden, man müsse durchaus, und er bäte uns dringend, dabei zu helfen, eine Brücke finden, um einerseits den österreichischen Forderungen, deren Berechtigung er, soweit sie sich direkt auf die Verfolgung der Urheber des Attentats bezögen, aner-

^ Nach der Entzifferung.

' Aufgegeben in Petersburg 3^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 7^ nachm. Eingangsvermerk: 26. Juli nachm. Unter dem 26. Juli von

Jagow, unter Fortlassung der Sätze: »Ich habe Ministers

beizutragen«, telegraphisch dem Botschafter in Wien mitgeteilt, Telegramm am 27. Juli 12* vorm. zum Haupttelegraphenamt gegeben. Auf einer Abschrift der Entzifferung der Randvermerk des Reichskanzlers vom 27. Juli: »S. M, vorgetragen. B. H. 27.«

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kenne, Genugtuung zu verschaffen*. Einige Forderungen jedoch*, welche direkt Angriffe gegen serbische Souveränität bedeuteten, müßten abgeschwächt werden, und er bitte im Interesse des Friedens dringend um Mitwirkung aller Mächte, auch Deutschlands, um Wiener Kabinett zu einer Milderung einiger Punkte zu bewegen, es sei falsch, zu glauben, daß hiesige Politik sich lediglich durch »Sympathien« leiten lasse. Für Rußland sei aber das Gleichgewicht auf dem Balkan Lebensfrage, und es könne daher eine Herab- drückung Serbiens zu Vasallenstaat Österreichs unmöglich dulden. Von Vorschlägen über Revision österreichischer Untersuchung durch Europa war nicht mehr die Rede. Dagegen scheint Minister Idee einer Vermittelung vorzuschweben, bei der Deutschland und Italien Rolle spielen könnten.

Ich habe Sasonow gegenüber besonders betont, daß, wenn Öster- reich wirklich, wie er glaube, nach Vorwand suche, um über Serbien herzufallen, man jetzt bereits von Beginn österreichischer Aktion höre'*.

Dieser Hinweis schien zur Beruhigung des Ministers beizu- tragen.

Pourtales

^ In besonderem Telegramm vom 26. Juli, aufgegeben in Petersburg 26. Juli 5^^^ nachm., Eingangsvermerk des Amts: 27. Juli vorm., bittet Pourtales, in dem obenstehenden Telegramm hinter »Genugtuung zu verschaffen« die Worte einzuschalten: »Andererseits ihre Annahme serbischerseits überhaupt möglich zu machen«.

* In dem berichtigenden Telegramm vom 26. Juli (siehe Anm. 3I bittet Pourtales, das Wort »jedoch« zu streichen. Die Änderungen Pourtales' sind in dem Telegramm nach Wien und in der dem Reichskanzler vor- gelegten Abschrift der Entzifferung (siehe oben Anm. 2) noch nicht berücksichtigt.

So in der Entzifferung.

Nr. 218

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 160 London, den 26. Juli 1914*

Heute Sonntag niemand im Foreign Office zu sprechen, kann daher Auftrag' vor morgen nicht ausrichten. Bezweifle, daß Sir E. Grey in der Lage, in Rußland in gedachtem Sinne zu wirken, da nach Erscheinen österreichischer Forderungen hier niemand mehr

^ Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in London 4" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 7' nachm. Eingangsvermerk: 26. Juli nachm.

Siehe Nr. 199.

220 '

an Möglichkeit glaubt, Konflikt zu lokalisieren. Daß aus der- artigem Vorgehen Österreichs Weltkrieg hervorgehen muß, hat hier niemand bezweifelt. Halte Augenblick für gekommen, Vermitte- lung im Sinne Sir E. Greys eintreten zu lassen, was allerdings wohl zur Voraussetzung hätte, daß Österreich bereit, auf weitere Lorbeeren zu verzichten.

Lichnowsky

Nr. 219

Der Reichskanzler an den Botschafter in Petersburg*

Telegramm 128 Berlin, den 26. Juli 1914*

Dringend !

Wie bereits in Telegramm Nr. 126' angedeutet, würden vorbe- reitende militärische Maßnahmen Rußlands, die irgendwie eine Spitze gegen uns hätten, uns zu Gegenmaßregeln zwingen, die in der Mobilisierung der Armee bestehen müßten. Die Mobilisierung aber bedeutete den Krieg und würde überdies gegen Rußland und Frankreich zugleich gerichtet sein müssen, da uns Frankreichs Ver- pflichtungen gegenüber Rußland ja bekannt sind. Wir können nicht annehmen, daß Rußland einen solchen europäischen Krieg entfesseln will. Angesichts der territorialen Desinteressierung Österreichs geben wir uns vielmehr der Ansicht hin, daß Rußland der Auseinandersetzung zwischen Österreich-Ungarn und Serbien gegenüber eine abwartende Stellung einnehmen kann. Den Wunsch Rußlands, den Bestand des serbischen Königreichs nicht in Frage stellen zu lassen, werden wir umso eher unterstützen können, als Österreich-Ungarn erklärt hat, diesen Bestand gar nicht in Frage stellen zu wollen. Eine gemeinsame Basis der Verständigung dürfte sich hierdurch auch im weiteren Verlaufe der Angelegenheit finden lassen*.

Ew. Exz. ersuche ich, sich Herrn Sasonow gegenüber in vor- stehendem Sinne auszusprechen.

Bethmann Hollweg

^ Nach dem Konzept von der Hand des Reichskanzlers. Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 191 5, S. 5.

2 71^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.

3 Siehe Nr. 198.

* Hier im Konzept des Kanzlers ursprünglich folgendes: »und dann dazu beitragen, einer Spannung ein Ende zu machen, die den wahren, auf gute Beziehungen angewiesenen Interessen Deutschlands und Rußlands widerspricht« von ihm nachträglich gestrichen.

221

Nr. 220

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt^

Telegramm 26 Fiuggi Fönte, den 26. Juli 19 14»

Kronprinz von Serbien hat an S. M. den König von Italien geschrieben, hat aber nur eine höfliche, nichtssagende Antwort erhalten.

F 1 o to w

1 iNach der Entzifferung.

» Aufgegeben in Fiuggi Fönte 4' nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 7** nachm. Eingangsvermerk: 26. Juli nachm. Randvermerk des Reichs- kanzlers vom 27. Juli: »S. M. vorgetragen B. H. 27«. Flotows Telegramm am 27. Juli 7*° nachm. von Jagow telegraphisch dem Botschafter in Wien mitgeteilt.

Nr. 221

Der Reichskanzler an den Kaiser *

Telegramm 150 Berlin, den 26. Juli 1914 "

Wie Ew. M. soeben durch den Ad- miralstab gemeldet wird, hat Marine- EsgiebteineRuss. Flotte! attache London berichtet, daß englische rfer o^f5ey wd^yey p^Q^^e Reservisten entläßt, Mannschaften '^nfenTRus^- To7pe/o- programmiiQ'ig beurlaubt 3. Im Einklang bootsflotiiien, welche hiermit wage ich Ew. M. alle runtertän igst T'sutlen'tr'^fn vorzuschlagen. die Hochseeflotte anzu- Beiten stehen und die- weisen, Vorläufig in Norwegen zu bleiben*, ?otrAr;;:ö/!;f';»:ida dies England seine geplante Ver- Lehre sein! A/«;ie mittlungsaktiou in Petersburg, das er-

Flotte hatMarsch Ordre ^l^j^fH^-jj schwankend^ ist, wesentÜch er- Woher ist dat nach Kiel und dahin ,.,,.. j entnehmen?

fährt sie! w. leichtem wurde. ^,„ j^^ ^.^

Alleruntertänigst vorgelegten

Material nicht*

Bethmann Hollweg

' Nach dem Konzept von des Reichskanzlers Hand. Notiz des Kanzlers für Zimmermann: »Bitte dies Telegramm, falls Sie und Exz. v. Jagow keine Bedenken haben, abgehen zu lassen. Eventuell bitte ich um Vor- lage eines andern Entwurfs. B. H. 26.« Dazu Zimmermann: »Keine Be- denken. Das Tel. ist sofort abzulassen. Z. 26. 7.«

' Abgegangen durch Funkspruch über Norddeich, aufgegeben in Berlin 26. Juli 7»* nachm., angekommen in Hoflager 27. Juh vorm.

' Siehe Nr. 182.

* Am Rand Ausrufungszeichen des Kaisers,

' »schwankend« vom Kaiser zweimal unterstrichen; am Rand seine Be- merkung.

Steht im Original auf der linken Seite.

Aktenstücke!. >7

222

Nr. 222

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt*

Telegramm 107 Wien, den 26. Juli 1914^

Aus den Meldungen des Grafen Szäpäxy hat man hier den Eindruck, daß Herr Sasonow* bei Besprechung des österreichisch- ungarischen Vorgehens gegen Serbien ängsthch jede Stellungnahme Rußlands vermieden, vielmehr nur auf Eindruck in England, Frank- reich und Europa hingewiesen hat. Auch der Ausruf Sasonows: Wenn Österreich Serbien verschhnge, werde Rußland mit ihm Krieg führen, deutet darauf hin, daß Rußland nicht über diplomatische Aktion hinausgehen werde.

Tschirschky

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Wien G^° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8"

nachm. Eingangsvermerk: 26. Juli nachm. ' »Herr Sasonow« im Auswärtigen Amt aus ursprünglichem irrigen »Graf

Szäpäry« der Entzifferung korrigiert

Nr. 223

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt*

Telegramm 108 Wien, den 26. Juli 1914^

Graf Sz^csen meldet über Unterredung mit Herrn Pichon u. a. folgendes :

Herr Pichon habe gefragt, ob man in Berhn sehr kriegerisch gesinnt sei; wenn man in Berlin keinen Krieg wolle, so werde Frieden bleiben. Rußland wolle nicht Krieg. Graf Szecsen hat betont, daß Deutschland den Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien nur als eine, diese beiden Staaten allein angehende Sache betrachten und sich von dem Streit fernhalten werde, so- lange kein Dritter sich eimnischt.

Tschirschky

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Wien 6^° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8" nachm. Eingangsvermerk: 26. Juli nachm.

223

Nr. 224

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt'

Telegramm 109 Wien, den 26. Juli 1914^

Graf Czernin meldet, daß der König von Rumänien ihm gegen- über bei Besprechung der serbischen Note einzelne Punkte kritisiert habe. Die im Laufe der Unterredung seitens des Grafen Czernin zweimal mit Nachdruck gemachte Bemerkung, daß der Dreibund mit Riunänien immer stärker sei als seine Gegner, hat der König beide Male widerspruchslos entgegengenommen.

Tschirschky

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Wien G''* nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8** nachm. Eingangsvermerk: 26. Juli nachm.

Nr. 225

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt^

Telegramm 25 Fiuggi Fönte, den 26. Juli 1914^

Marquis di San Giuliano sagte mir mit Beziehung auf den Vor- schlag Sir E. Greys zur Vermittelung bei Gefahr eines Konflikts zwischen Rußland und Österreich, man müsse ych hüten, etwaige Vermittelungsvorschläge Sir E. Greys kurz zruückzu weisen. Nach seinem Charakter würde ihn das entmutigen imd auf die andere Seite treiben, während seine Mitwirkung jetzt kostbar sei.

Flotow

* Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Fiuggi Fönte 4^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 9*" nachm. Eingangsvermerk: 26. JuH nachm.

•7*

224

Nr, 226

Der ünterstaatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien ^

Telegramm 156 Berlin, den 26. Juli 1914*

Zwecks eventueller Verwertung in London wäre Mitteilung er- wünscht, in welchen wesentlichen Punkten serbische Antwort auf Wiener Note unbefriedigend ausgefallen ist.

Zimmermann

^ Nach dem Konzept von Zimmermanns Hand.

* g^ nachm. zum Haupttelegraphenamt, von dort abgesandt 12*' Mitternacht, auf der Botschaft in Wien angekommen am 27. JuU 3^" vorm. Antwort der Botschaft in Wien »Mitteilung wird erfolgen« Wien ab 27. Juli 320 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 4^2 nachm.

Nr. 227

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Rom ^

Telegramm 20 Berlin, den 26. Juli 1914^

Wie Ew. Exz. bekannt, will Rumänien seinen Pflichten nach- kommen. Wie mir rumänischer Gesandter vertrauhch sagt, wird nur Herr Bratianu immer wieder etwas schwankend durch Sprache des itahenischen Gesandten, der sagt, Italien könne sich an Konflikt nicht beteihgen und jetzt überhaupt keinen Krieg führen. Es ist erwünscht, daß Marquis San Giuliano dem Gesandten Instruktion zu korrekter Haltung erteilt. Auch rimiänischer Gesandter in Rom muß über ItaUens einwandsfreie Haltung aufgeklärt werden.

Jagow

1 Nach dem Konzept von Jagows Hand. ■^ 9*° nachm. zum Haupttelegraphenamt.

225

Nr. 228

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien ^

Telegramm 157 Berlin, den 26. Juli 1914'

Es wäre mir erwünscht zu wissen, wie weit Verhandlungen zwischen Wien und Sofia wegen Einbeziehung Bulgariens in den Dreibund gediehen sind und ob Abmachungen wegen eventuellen Eingreifens Bulgariens für den Fall der Ausdehnung des Konflikts bestehen. Drahtantwort ^.

Jagow

1 Nach dem Konzept. Entwurf von Bergens Hand.

' 10" nachm. zum Haupttelegraphenamt gegeben, dort abgefertigt um Mitter- nacht, auf der Botschaft in Wien angekommen am 27. Juli 3*' vorm. Siehe Nr. 259.

Nr. 229

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 162 St. Petersburg, den 26. Juli 1914*

Wie mir Generalleutnant von Chelius mitteilt, sieht man in Kreisen dem Frieden geneigter, monarchisch gesinnter höherer Offi- ziere der Umgebung des Zaren als bestes Mittel, Frieden zwischen den Großmächten zu erhalten, Telegranmi Sr. M. des Kaisers und Königs an Kaiser Nikolaus an^ Dieses Telegramm müßte an monarchisches Gefühl des Zaren appellieren und auf schweren Stoß, den monarchischer Gedanke durch Mord in Sarajevo erhtten hat, sowie auf die den Monarchien im Falle allgemeiner europäischer Konflagration drohenden Gefahren hinweisen.

Pourtalös

* Nach der Entzifferung.

' Aufgegeben in Petersburg 8^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt IG* nachm. Eingangsvermerk: 26. Juli nachm.

Siehe den Entwurf eines solchen Telegramms Nr. 233. Es ging tatsäch- lich nicht ab. Randbemerkung des Reichskanzlers vom 27. Juli zu Pourtales' Telegramm: »S. M. will einstweilen keine Depesche an den Zaren schicken. B. H. 27.«

226

Nr. 230

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 164 St. Petersburg, den 26. Juli 1914^

Habe Herrn Sasonow auf die in Kreisen hiesiger fremder Militärattaches verbreitete Nachricht angeredet, wonach angeblich an mehrere russische Armeekorps der Westgrenze Mobilmachungs- order ergangen sei. Ich habe dabei auf große Gefahr solcher Maß- regel, die leicht Gegenmaßregeln hervorrufen könnte, hingewiesen. Minister erwiderte, er könne mir garantieren, daß keinerlei Mobil- machungsorder ergangen, vielmehr im Ministerrat beschlossen worden sei, mit einer solchen zu warten, bis Österreich -Ungarn feindliche Haltung gegen Rußland einnehme. Daß »gewisse militärische Vor- bereitungen, um nicht überrascht zu werden«, schon jetzt getroffen würden, gab Herr Sasonow zu.

PourtaHs

' Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Petersburg g'** nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 10^ nachm. Eingangsvermerk: 26. Juli nachm. Randbemerkung des Reichskanzlers vom 27. Juli: »S. M. vorgetragen. B. H. 27.« v. Jagow ver- fügte Mitteilung an den Generalstab. Pourtales' Telegramm, nach Vor- nahme stilistischer Änderungen, unter dem 27. Juli dem Kriegsminister und dem Chef des Generalstabs mitgeteilt, abgesandt durch Boten am 28. Juli 1 1^*' vorm.

Nr. 231

Der Kaiser an das Auswärtige Amt^

Telegramm 134 An Bord Hohenzollem, den 26. Juli 1914^

Den Befehl an Flotte zur schleunigen Vorbereitung der Heim- reise^ habe Ich nicht auf Grtmd eines Wolfftelegramms erteilt, sondern in Berücksichtigung der allgemeinen Lage und möglicher Eventuali- täten. Ich war hierzu um so mehr gezvmngen, als Mir ein Situations- bericht des Auswärtigen Amtes nicht vorlag, und Ich sogar den Inhalt des österreichischen Ultimatimis durch Zeitungsdienst von Norddeich und^nicht auf dem Dienstwege erfahren habe.

* Nach der Entzifferung des Auswärtigen Amts und dem jetzt bei den Akten befindlichen von Wedel niedergeschriebenen und vom Kaiser persönlich unterfertigten Konzept, das am 2. August in das Auswärtige Amt gelangte.

* Aufgegeben in Neumünster 7^° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt lo^^ nachm.

' Siehe Nr. 182 und 221.

227

Abgesehen davon, daß die englische Marine gar keine weiteren Maßnahmen mehr zu treffen braucht, da sie, wie die Revue eben gezeigt hat, bereits kriegsbereit in ihren Heimatshäfen Hegt, haben wir mit russischer Flotte zu rechnen, die, im Falle Rußland gegen Österreich mobilisiert, schon allein mit ihren jetzt im Dienst befind- lichen Schiffen binnen kürzester Zeit vor unseren Ostseehäfen er- scheinen kann.

Um der möghchen Gefahr zu begegnen, daß Meine in norwegischen Häfen weit verstreute Flotte fern von ihrer Basis vom Kriege über- rascht werden könnte, habe Ich gestern nachmittag, nachdem Ich aus Telegramm 127* erfuhr, daß serbische Mobilmachung bereits im vollen Gange sei, Befehl gegeben, daß Flotte nach Beendigung der notwendigen Kohlenübernahme sich zusammenziehe und Heimreise antrete 5.

Wilhelm LR.

* Siehe Nr. 158, Anm. 2.

* »der notwendigen antrete« in der Entzifferung des Auswärtigen

Amts verstümmelt in: »der Kohlenübernahme baldig Heimreise antrete«

Nr. 232

Der Staatssekretär für Elsaß-Lothringen an den Reichskanzler ^

Straßburg, den 24. Juli 1914 ^

Der Weisung vom 16. d. M.^ entsprechend ist die Straßburger Post dahin verständigt worden, daß sie in nächster Zeit Polemik gegen Frankreich nicht treiben sollte. Für andere Zeitungen bedarf es hier einer derartigen Mahnung kaum.

Die Affären Hansi und Knüpfler waren bereits erledigt und der

Erlaß betr. die Rekruten, die Warnung wegen der französischen

Farben und die vom Auswärtigen Amte gewünschte Mahnung in der

Straßburger Post an die französischen Offiziere wegen der in letzter

Zeit häufig vorgekommenen Grenzüberschreitungen waren erfolgt,

als Ew. Exz. gütiges Schreiben einging. Ich möchte daher annehmen,

daß für absehbare Zeit keine administrativen Maßregeln erforderlich

sein werden, die jenseits der Grenze stark interessieren. Sollte

irgend etwas Neues kommen, soll die gewünschte entsprechende

Verlangsamung des Tempos bei der Verfolgung der Angelegenheit

eintreten. _

Graf Reedern

* Nach der Ausfertigung.

2 Eingegangen in der Reichskanzlei am 26. Juli.

» Siehe Nr. 58.

228

Nr. 233

Entwurf eines nicht abgesandten Telegramms des Kaisers

an den Zaren ^

I am confident you will agiee with me that the Austro-Servian conflict concerns only Austria and Servia and that they should be left alone to settle it between themselves. The unscrupulous agi- tation that has been going on in Servia for years, has resulted in the outrageous crime to which Franz Ferdinand feil a victim, It is a common interest of me and you and in fact of all monarchs that this crime and all that are morally responsible for it, should receive the punishment it deserves. Austria must be allowed a free band to take the evil by the root and to wipe out the revolutionary movement in Servia which may, by spreading over other countries one day threaten your throne as well as mine. The spirit of the people that murdered their own king and his wife still governs the country. It would be folly and suicidal on our part to do anything to spare them the penalty they have incurred^.

Übersetzung

Du wirst sicher mit mir darin übereinstimmen, daß der österreichisch- serbische Konflikt nur Österreich und Serbien angeht, und daß man es beiden Ländern überlassen solhe, diese Angelegenheit unter sich zu regeln. Die in Serbien seit Jahren betriebene gewissenlose Agitation hat zu dem abscheulichen Verbrechen geführt, dem Franz Ferdinand zum Opfer gefallen ist. Es ist mein und Dein und überhaupt aller Monarchen gemeinsames Interesse, daß dieses Verbrechen und alle Personen, die moralisch dafür ver- antwortlich sind, die verdiente Strafe erhalten. Österreich muß freie Hand gewährt werden, das Übel bei der Wurzel zu fassen und die revolutionäre Bewegung in Serbien zu ersticken, die auf andere Länder übergreifen und eines Tages Deinen wie meinen Thron gefährden kann. Der Geist, der die Serben ihren eigenen König und seine Gemahlin morden ließ, herrscht immer noch im Lande. Es wäre unsererseits Torheit und Selbstmord, ihnen irgendwie die verwirkte Strafe zu ersparen.

^ Überschrift des in Maschinenschrift vorliegenden Stückes von der Hand Stumms: »Entwurf für eine eventuelle Depesche an den Zaren«. Der EntAvurf trägt kein Datum ; er ist natürlich nach Eingang von Pourtales' Telegramm (Nr. 229) in den späten Abendstunden des 26. oder erst am 27. JuU niedergeschrieben worden. Abgegangen ist die Depesche nicht,, siehe Nr. 229, Anm. 3.

' Vgl. dazu Nr. 335.

229

Nr. 234

Entwurf eines nicht abgesandten Telegramms des Reichskanzlers an die Botschafter in Paris» London und

Petersburg ^

Berlin, den 26. Juli 1914

Einzelne russische Stimmen betrachten es als selbstverständliches Recht und als die Aufgabe Rußlands, in dem Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien aktiv für Serbien Partei zu ergreifen. Für die aus einem solchen Schritte Rußlands resultierende, europäische Konflagration glaubt die »Nowoje Wremja« sogar Deutschland ver- antwortlich machen zu dürfen, wofern es nicht Österreich-Ungarn zum Nachgeben veranlaßt. Die russische Presse stellt hiermit die Verhältnisse auf den Kopf. Nicht Österreich- Ungarn hat den Konflikt mit Serbien hervorgerufen, sondern Serbien ist es gewesen, das durch eine skrupellose Begünstigung großserbischer Aspirationen, auch in Teilen der österreichisch-ungarischen Monarchie, diese selbst in ihrer Existenz gefährdet und Zustände geschaffen hat, die schließlich in der frevelhaften Tat von Sarajevo ihren Ausdruck gefunden haben. Wehrt sich Österreich-Ungarn dagegen, so handelt es lediglich aus dem berechtigten Triebe der Selbsterhaltung. Wenn Rußland in diesem Konflikt für Serbien eintreten zu müssen glaubt, so ist das an sich gewiß sein gutes Recht. Es muß sich aber darüber klar sein, daß es damit die serbischen Bestrebungen auf Unterhöhlung der Existenzbedingungen der österreichisch-ungarischen Monarchie zu den seinigen macht, und daß es allein die Verantwortung dafür trägt, wenn aus dem österreichisch-serbischen Handel, den alle übrigen Großmächte zu lokalisieren wünschen, ein europäischer Krieg entsteht. Diese Verantwortung Rußlands liegt klar zu Tage und wiegt um so schwerer, als Graf Berchtold Rußland offiziell erklärt hat, es beabsichtige weder serbische Gebietsteile zu erwerben, noch

^ Entwurf von der Hand des Reichskanzlers. Auf dem Entwurf des nicht- abgegangenen Telegramms die Notiz von Stumms Hand: »Cessat«. Dem Entwurf folgt, gleichfalls von der Hand des Kanzlers, der Entwurf eines Telegramms, das den Botschaftern in Wien, Rom und Konstantinopel den vorstehenden telegraphischen Runderlaß im Falle seiner Absendung mitgeteilt hätte. Weiter folgt der von Stumm niedergeschriebene nicht gezeichnete Entwurf zu dem telegraphischen Erlaß nach London: Was ein Sieg Rußlands in einem etwaigen Konflikt und ein allgemeines Vor- dringen des Slawentums für das europäische Gleichgewicht sowie für die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen ganz Westeuropas bedeuten würde, darüber wird sich die englische Regierung hoffentlich nicht im Unklaren sein.

230

den Bestand des serbischen Königreichs anzutasten, sondern wolle ledigUch Ruhe vor den, seine Existenz gefährdenden, serbischen Umtrieben haben.

Deutschlands Stellung in dieser Krisis ist klar vorgezeichnet. Den Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien betrachten wir als eine Angelegenheit, die diese beiden Staaten allein angeht und die deshalb lokalisiert bleiben muß 2. Da Österreich- Ungarn bei seinem Vorgehen vitale Interessen wahrt, ist eine Ingerenz des verbündeten Deutschlands ausgeschlossen. Sollte ein akuter Gegen- satz zwischen Österreich-Ungarn und Rußland entstehen, so werden wir alle Bestrebungen anderer Großmächte auf Vermittelung dieses Gegensatzes tatkräftig unterstützen, getreu den Richtlinien derjenigen Politik, die wir seit nunmehr 44 Jahren im Interesse der Aufrecht- erhaltung des europäischen Friedens mit Erfolg durchgeführt haben. Nur gezwungen werden wir zum Schwert greifen, dann aber in dem ruhigen Bewußtsein, daß wir an dem namenlosen Unheil keine Schuld tragen, das ein Krieg über Europas Völker bringen müßte.

Ew. pp. ersuche ich ergebenst, bei ihren Unterhaltungen mit den dortigen Staatsmännern den Grundton vorstehender Erwägungen festzuhalten.

Bethmann Hollweg

2 »Den Konflikt bleiben muß« vom Kanzler geändert aus dem

ursprünglich von ihm Niedergeschriebenen: »Gerade weil wir mit allen Kräften bestrebt sind, den Konflikt zu lokalisieren, halten wir uns von einer Ingerenz auf die Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Serbien, die diese beiden Staaten allein angehen, fern-.

Nr. 235

Der Botschafter in Paris an das Auswärtige Amt^

Telegramm 220 Paris, den 26. Juli 1914^

Der stellvertretende Minister der auswärtigen Angelegenheiten versicherte mir, daß unser Appell an Solidarität des Bestrebens um Friedenserhaltung hier ungemein wohltuend berühre und gebührend

1 Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Paris 26. Juli 7^° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 27. Juli 12'' vorm.; Eingangsvermerk: 27. JuH vorm. In der vom Reichs- kanzler für den Vortrag beim Kaiser benutzten Abschrift ist der Abschnitt »Herr Bienvenu Martin gab ausgegangen« fortgelassen. Rand- vermerk des Kanzlers auf dieser Abschrift vom 27. Juli: »S. M. vorge- tragen. B.H. 27.« Schoens Telegramm am 27. Juli von Jagow telegraphisch den Botschaftern in Wien und Rom mitgeteilt, 8^ nachm. zum Haupt- telegraphenamt

231

beachtet werde. Er für seine Person sei gern bereit, in Petersburg beruhigend einwirken zu lassen, nachdem durch österreichisch- ungarische Versicherung, daß keine Annexion beabsichtigt, Vorbe- dingung geschaffen sei. Er könne mir allerdings noch nicht förm- liche Erklärung namens der französischen Regierung über Modus der Einwirkung geben, da er zunächst mit abwesendem Ministerpräsidenten in Benehmen treten müsse. ^

Der Minister warf persönlichen Gedanken ein, ob nicht auch beruhigende Einwirkung in Wien in Frage kommen könne, nachdem Serbien anscheinend in den meisten Punkten nachgegeben habe und somit Raum für Verhandlungen gegeben. Ich erwiderte, daß mir etwaige gemeinschaftliche Vorstellungen der Mächte in Wien mit unserer Auffassung, daß Österreich-Ungarn und Serbien allein zu lassen, nicht vereinbar scheine. Der Punkt für Einwirkung sei Petersburg.

Herr Bienvenu Martin gab im Laufe des Gespräches vertraulich zu, daß der Gedanke Sasonows, wonach nur Gesamtheit der Mächte Verhalten Serbiens aburteilen könne, juristisch schwer haltbar sei. Minister sprach mir Bedauern aus, daß meine erste Demarche hier von Presse vielfach mißdeutet worden, und versicherte, daß Indiskretion nicht von Quai d'Orsay ausgegangen.

Schoen

Nr. 236

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 161 London, den 26. Juli 1914^

Habe soeben Sir A. Nicolson und Sir W, Tyrrell gesprochen. Nach hier vorliegenden Nachrichten steht allgemeine Einberufung russischer Reservisten nicht bevor, sondern nur partielle Mobili- sierung fern unseren Grenzen, Beide Herren erblicken im Vorschlage Sir E. Greys, hier Konferenz zu vier abzuhalten, einzige Möglich- keit, allgemeinen Krieg zu vermeiden und hoffen, daß es hierbei geUngen werde, Österreich volle Genugtuung zu verschaffen, da

^ Nach der Entzifferung. Siehe Nr. 248.

* Aufgegeben in London 26. Juli 8^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 27. Juli 12" vorm.; Eingangsvermerk: 27. Juli vorm. In der vom Reichs- kanzler für den Vortrag beim Kaiser benutzten Entzifl'erung sind die

Sätze »und sich in deren Drohungen Österreichs«, »denn

keine russische verlustig gehen wollte« und »Ich möchte

dringend zu verlieren hat« gestrichen. Randvermerk des

Kanzlers vom 27 Juli: »S. M. vorgetragen. S. M. mißbilligten den Standpunkt Lichnowskys. B. H. 27.«

232

Serbien eher geneigt sein würde, dem Druck der Mächte zu weichen und sich in deren vereinten Willen zu fügen als den Drohungen Österreichs. Unbedingte Voraussetzung sei aber für Gelingen der Konferenz und für Erhaltung Friedens, daß alle militärischen Be- wegungen unterblieben. Sei erst serbische Grenze überschritten, so wäre alles verloren, denn keine russische Regierung würde dies dulden können und zum Angiiff gegen Österreich zu schreiten ge- zwungen sein, falls sie nicht ihrer Stellung bei den Balkanstaaten für immer verlustig gehen wollte. Sir W. T5n:rell, der Sir E. Grey noch gestern abend gesehen hat und von dessen Ansichten genau unterrichtet ist, wies mich wiederholt imd mit Nachdruck auf die imgeheure Wichtigkeit hin, daß bis zur Erledigung der Konferenz- frage serbisches Gebiet nicht berührt werde, da sonst alle Bemühun- gen vergebhch und der Weltkrieg unabwendbar sei. Die in Berlin erhoffte Lokalisierung des Konflikts sei vollkommen unmöglich und müsse aus der praktischen Politik ausscheiden. Gelänge uns beiden, Sr. M. dem Kaiser bzw. dessen Regierimg und Vertretern im Verein mit Sir E. Grey, den europäischen Frieden zu retten, so seien die deutsch -englischen Beziehungen für immerwährende Zeiten auf eine sichere Grimdlage gestellt. Gelänge dies nicht, so stehe alles in Frage.

Ich möchte diingend davor warnen, an die Möglichkeit der Lokalisierung auch fernerhin zu glauben, und die gehorsamste Bitte aussprechen, unsere Haltung einzig und allein von der Notwendigkeit leiten zu lassen, dem deutschen Volke einen Kampf zu ersparen, bei dem es nichts zu gewinnen und alles zu verüeren hat.

Sir E. Grey kehrt heute abend zurück.

Lichnowsky

Nr; 237

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt*

Telegramm 162 London, den 26. Juli 1914*

Wie ich im Foreign Office vertraulich höre, ist die Stimmung in Italien nach den dort vorliegenden Nachrichten derart gegen eine Beteiligung am Kriege, daß die Regierung es nicht wagen

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in London 26. Juli 8^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 27. Juli 12" vorm. Eingangsvermerk: 27. Juli vorm. Betr. Mitteilung von Lichnowskys Telegramm nach Rom siehe Nr. 273.

233

würde, aktiv einzugreifen. Die von Wien aus verbreitete Nachricht, Itahen habe seine Zustimmung ausgesprochen und bundesgemäße Zusagen gemacht, entspräche nicht den Tatsachen^.

Lichnowsky

' Dazu die Randbemerkung Zimmermanns: »Was geht den Botschafter Itahen an!«

Nr. 238

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt*

Telegramm 163 St. Petersburg, den 26. JuH 1914 '

Graf Szäpary hatte heute nachmittag längere Unterredung mit Sasonow. Beide Beteiligte, die ich nachher sprach, hatten von derselben befriedigenden Eindruck. Die Versicherung des Botschafters, daß Österreich -Ungarn keine Eroberungspläne habe und nur endhch an seinen Grenzen Rulie halten wolle, hat Minister sichthch beruhigt. Zwischen Sasonow und Graf Szapäry ist österreichische Note ruhig durchgesprochen worden. Es hat sich dabei herausgestellt, daß Sasonow gegen eine Reihe von Punkten keine Bedenken hatte. Über einige andere Punkte, sagte mir der Minister, könnte man sich vielleicht durch Änderung der Formen der Forderung einigen. Es handele sich vielleicht nur um Worte. Österreich stelle einige Zu- mutungen, die die serbische Regierung tatsächUch nicht erfüllen könne, ohne seine Verfassung zu ändern, was in diesem Augenblick nicht möghch. Vielleicht ließe sich aber doch ein Modus finden, imi Österreich zu befriedigen, ohne die scharfe Forderung dem Buch-

1 Nach der Entzifferung. Vgl. deutsches Weißbuch Mai 191 5, S. 27 Nr. 5.

2 Aufgegeben in Petersburg 26. Juli 10 nachm., angekommen im Aus- wärtigen Amt 27. Juli 12" vorm.; Eingangsvermerk: 27. Juli vorm. In dem vom Reichskanzler für den Vortrag beim Kaiser benutzten Exemplar sind, abgesehen von kleinen stilistischen Änderungen, der Satz »Sollte dabei wissen zu lassen« und die Worte »im Sinne meines Vor- schlages« fortgelassen. Randvermerk des Kanzlers vom 27. Juli : S. M. vorgetragen, v. B. H. 27. Pourtales' Telegramm am 27. Juli von Jagow nach Vornahme kleiner stilistischer Änderungen und unter Fortlassung der Worte »im Sinne meines Vorschlages« sowie der Sätze »Sollte

dabei wissen zu lassen« und »Minister bat dasselbe hier

zu tun« telegraphisch dem Botschafter in London, desgleichen, nach Vornahme kleiner stilistischer Änderungen und unter Fortlassung der Sätze

»Sollte dabei wissen zu lassen« und »Ich habe Eindruck

dasselbe hier zu tun« telegraphisch dem Botschafter in Wien mitgeteilt, Telegramm 180 nach London \2^^ nachm., Telegramm 161 nach Wien 4^^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.

234

Stäben nach zu erfüllen. Sasonow ist meinem österreichischen Kollegen gegenüber auch auf Vermittelungsgedanken gekommen und hat Vermittelung des Königs von ItaUen und Englands angeregt. Der Minister bat mich dringend, ihm zu sagen, ob ich nicht auch irgendeinen Vorschlag machen könnte. Ich erwiderte unter Betonung, daß ich zu keinen Vorschlägen ermächtigt sei und daher nur meine eigenen Gedanken aussprechen könnte, der folgende Weg schiene mir vielleicht gangbar. Falls, wie es nach den Äußerungen des Grafen Szapäry nicht ganz ausgeschlossen erscheine, das Wiener Kabinett darauf einginge, seine Forderungen in der Form etwas zu mildem, wäre vielleicht der Versuch zu machen, mit Österreich- Ungarn zu diesem Zweck unverzüglich Fühlung zu nehmen. Sollte

dabei eine Einigung erfolgen, so ^ Serbien durch Rußland

geraten werden, die österreichischen Forderungen auf der zwischen Österreich und Rußland vereinbarten Basis anzunehmen und dies die österreichische Regierung durch Vermittelung dritter Macht wissen zu lassen. Sasonow, den ich nochmals dringend darauf aufmerksam machte, daß ich nicht im Namen meiner Regierung spräche, erklärte, er wolle sofort im Sinne meines Vorschlages an russischen Botschafter in Wien telegraphieren.

Ich habe Eindruck, daß Sasonow, vielleicht infolge von Nach- richten aus Paris und London, etwas die Nerven verloren hat und jetzt nach Auswegen sucht. Minister bat dringend, daß deutsche Presse tunUchst beruhigt werden möchte. Er versprach, dasselbe hier zu tun.

Pourtales

ä Hier fehlt eine Zifferngruppe.

Nr. 239

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Rom^

Telegiamm 22 Berlin, den 26. Juh 19 1422

Ansicht über Rumänien irrtümlich, beruht offenbar auf tendenziöser Berichterstattung des dortigen italienischen Gesandten.

Wegen Kompensationen muß ItaHen in Wien selbst verhandeln.

Jagow

^ Nach dem Konzept von Jagows Hand.

* 27. Juli i^^ vorm. zum Haupttelegraphenamt.

* Siehe Nr. 211.

235

Nr. 240

Der Botschafter in Paris an das Auswärtige Amt *

Telegramm 222 Paris, den 26. Juli 1914^

Quai d'Orsay scheint aus Umstand, daß Wiener Kabinett sich mit serbischer Antwort, obwohl diese weit entgegenkommend, nicht begnügt hat, Argwohn zu schöpfen, daß wir treibend hinter Österreich- Ungarn stehen und Krieg wünschen.

Ich bin dieser Meinung nachdrücklich entgegengetreten.

Schoen

1 Nach der Entzifferung.

" Aufgegeben in Paris 26. Juli 9"* nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 27. Juli i^° vorm. Eingangsvermerk: 27. Juli vorm. Randvermerk des Reichskanzlers vom 27. Juli: »S. M. vorgetragen. B. H. 27.«

Nr. 241

Der Botschafter in Paris an das Auswärtige Amt^

Telegramm 221 Paris, den 26. Juli 1914^

Aus vertraulicher Rücksprache mit stellvertretendem poHtischen Direktor habe bestimmten Eindruck, daß Antwort Viviani lauten wird, er sei zu beruhigender Einwirkimg in St. Petersburg bereit, falls wir bereit, in Wien, nachdem Serbien fast alle Forderungen erfüllt hatte, zu Mäßigung zu raten.

Schoen

* Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Paris 26. Juli 9^° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 27. Juli 1^^ vorm. Eingangsvermerk: 27. Juli vorm. Am 27. Juli von Zimmermann telegraphisch dem Botschafter in Wien mitgeteilt, 7^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.

336

Nr. 242

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt *

Telegramm 165 St. Petersburg, den 27. Juli 1914'

Militärattache meldet über Gespräch mit Kriegsminister : Sasonow hat ihn gebeten, mich über mihtärische Lage aufzuklären. Der Kriegsminister gab mir sein Ehrenwort, daß noch keinerlei Mobil- machungsorder ergangen sei. Vorläufig würden lediglich Vorbereitimgs- maßnahmen getroffen, kein Pferd ausgehoben, kein Reservist einge- zogen. Wenn Österreich serbische Grenze überschreitet, werden auf Österreich gerichtete Militärbezirke Kiew, Odessa, Moskau, Kasan mobilisiert. Unter keinen Umständen an deutscher Front Warschau, Wilna, Petersburg. Man wünsche dringend Frieden mit Deutschland. Auf meine Frage, zu welchem Zweck Mobilmachung gegen Österreich, Achselzucken und Hinweis auf Diplomaten. Sprach dem Minister aus, daß man bei uns Würdigung für freundschaftliche Absichten zeige, aber auch Mobilmachung gegen Österreich allein als sehr be- drohhch ansehen werde. Minister betonte nachdrücklichst imd wieder- holt dringendes Bedürfnis und Wimsch nach Frieden. Hatte Ein- druck großer Nervosität und Besorgnis. Halte Wunsch auf Frieden für aufrichtig, militärische Angaben insoweit für zutreffend, daß völlige Mobilmachung wohl nicht angeordnet, vorbereitende Maß- nahmen aber sehr weitgehend. Man ist sichtlich bestrebt, Zeit zu gewinnen zu neuen Verhandlungen und Fortsetzimg der Rüstungen. Auch verursacht innere Lage unverkennbar schwere Besorgnis. Gnmd- zug der Stimmimg, Hoffnung auf Deutschland und Vermittelung Sr. M.

Pourtales

1 Nach der Entzifferung. Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 191 5, S. 30 Nr. 13.

2 Aufgegeben in Petersburg i" vorm., angekommen im Auswärtigen Amt 2^^ vorm.; Eingangsvermerk: 27. Juli vorm. Randvermerk des Reichs- kanzlers vom 27. Juli: »S. M. vorgetragen v. B. H. 27.« Pourtales' Tele- gramm am 27. Juli von Jagow telegraphisch dem Botschafter in Wien mitgeteilt, 9^ nachm. zum Haupttelegraphenamt; am 28. Juli auch dem Generalstab, dem Kriegsminister und dem Admiralstab mitgeteilt, abge- sandt durch Boten ii^'* vorm.

237

Nr. 243

Der König von Griechenland an den Kaiser

(Obermittelt durch den Geschäftsträger in Athen an das Auswärtige Amt)'

Telegramm 218 Athen, den 27. Juli 1914*

S. M. übergab mir folgendes für S. M. den Kaiser imd König bestimmtes Telegramm mit der Bitte, es an die Allerhöchste Stelle gelangen zu lassen :

»Ich danke für das Telegramm Ew. M., welches mir die Gelegenheit gibt, falsche Beschuldigungen, die gegen mein Land, ergo auch gegen mich erhoben werden, abzu- weisen. Unsere Friedfertigkeit ist nicht scheinbar, und ich glaube, daß wir in letzter Zeit dies namenthch der Türkei gegenüber genugsam bewiesen haben. Die Kriegs Vorräte, die wir in unseren Häfen aufstapeln sollen, sind die Vor- räte, die wir für den Fall einer Mobihsation brauchen, die immer bereit hegen sollten. Durch den Abgang nach den Kriegen und durch die Verdreifachung meiner Armee sind die Bedürfnisse sehr erhebhch gestiegen. Der Generalstab, nach der Bearbeitung des Mobihsationsplanes, dringt seit Oktober v. J, auf Ergänzung alles Nötigen. Das Ministerium hatte es bis vor drei Monaten versäumt, dann sind aber alle Bestellungen gemacht, mit Termin, wenn möghch bis Oktober. Außerdem kommen seit Februar die Geschütze zur Ergänzung von Feld- und Bergartillerie mit ihrer Munition, Gewehre, und dieser Tage sind Festungsgeschütze für die Befestigungen von Saloniki, Kavalla imd die Grenzen bei Krupp bestellt worden. Daß wir Krankenschwestern zurückberufen haben, ist vollständig aus der Luft gegriffen. Wenn feurige Patrioten Briefe an griechische Ottomanen schrieben mid ihnen Freiheit verheißen, kann ich nicht dafür verantworthch gemacht werden, und ich weiß auch nichts davon. An einen Angriff gegen die Dardanellen oder sonstwo haben wir nie gedacht. Eine abenteuerliche Pohtik hegt mir und meiner Regierung ganz fern. Die Regierung hat letzte Zeit Beweise ilires Solidaritätsgefühls mit euro-

' Nach der Entzifferung.

''■ Aufgegeben in Athen i'** vorm., angekommen im Auswärtigen Amt 73» vorm.; Eingangsvermerk: 27. Juli vorm. Am Rand der Vermerk des Reichskanzlers: »S. M. vorgetragen. S. M. wünschen Prüfung, ob demnächst Antwort erforderlich isL v. B. H. 27.« Betr. Miueilung von König Konstanüns Telegramm an den Botschafter in Konstantinopel siehe Nr. 354.

Aktenstücke I. l8

238

päischen Interessen gegeben und sinnt nur auf Frieden mit Ehren, den das Land notwendig braucht. Was wir erworben, wollen wir wahren und entwickeln. Wir wollen keinen Krieg und haben es in der letzten schweren Krise bewiesen trotz der furchtbaren Mißhandlungen von Hundert- tausenden unserer Konnationalen in Kleinasien. Wir wollen nichts von der Türkei. Die Türkei fühlt sich im Gegen- satz zu uns wegen der Inselfrage. Wir waren fast zu einer Verständigung gekommen, als beinahe alles verdorben wurde durch ihre Kniffe. Veniselos soll sich dieser Tage in Brüssel mit dem Großwesir treffen, um über den Vor- schlag zu verhandeln, den ich vor einigen Tagen Ew. M. telegraphierte und den Ew. M. durch meine persönlichen Mitteilungen an den Grafen von Quadt kennen. Wir können aber nicht mehr als das konzedieren. Die Bitte um Unterstützung in dieser Sache wiederhole ich no,ch- mals an Ew. M. Wenn diese Frage gelöst ist, wird uns nichts mehr von der Türkei trennen, wenn letztere es ehrlich meint. Serbien hatten wir Ratschläge erteilt, seine Handlungsweise zu mildern.

Jch kann nicht einsehen, wie die Türkei Österreich helfen kann, ohne sich mit Bulgarien zu verbinden. Wenn aber Bulgarien sich einmischt, dann entsteht ein Machtzu- wachs eines anderen Slawenstaats auf dem Balkan, der der Türkei und den nichtslawischen Staaten besonders gefähr- lich ist, was den Bukarester Frieden und das Gleichge- wicht auf dem Balkan umstürzen würde. Dies wäre unseren Interessen sehr gefährlich, ich denke, es \vürde auch den deutschen Interessen im Orient widersprechen, und in diesem Falle würde ich nicht auf Seite Österreichs gegen die Slawen stehen, wie es im Telegramm Ew. M. steht.

Zum Schluß bitte ich Ew. M., an meine vollste Loyali- tät zu glauben als Herrscher, als Kollege und als Mensch, und daß ich immer reinen Wein eingeschenkt habe und so fortfahren werde. Die anderen müssen mich aber ebenso aufrichtig behandeln wie ich sie, namentlich die Türkei.

Constantina ^

Basse witz

* Siehe Nr. 466.

239

Nr. 244

Der Botschafter in Rom an den Reichskanzler*

Fiuggi, den 25. Juli 19142

Bei gestriger Diskussion mit Herrn Salandra und Marquis di San Giuliano^, die wiederholt zu scharfen Zusammenstößen zwischen dem Marquis di San Giuliano und mir führte, schienen sich auf italienischer Seite drei Punkte abzuzeichnen. Erstens Furcht vor der öffentlichen Meinung Italiens, zweitens das Bewußtsein militäri- scher Schwäche und drittens der Wunsch, bei dieser Gelegenheit etwas für Italien herauszuschlagen, wenn möglich das Trentino.

Die Möglichkeit, daß Italien sich eventuell auch gegen Öster- reich wenden könnte, sprach Marquis di San Giuliano nicht direkt aus, sie klang nur in leisen Andeutungen durch. Ich habe diese Andeutungen nicht aufgegriffen, weil ich es für richtig hielt, eine solche Möglichkeit überhaupt gar nicht zuzulassen. Ich habe den Eindruck, daß auch die Besetzung rein serbischen Territoriums ein derartiges Vorgehen Italiens noch nicht ohne weiteres auslösen würde. Es würde nur die an sich schon nicht unverdächtigen Beziehungen Italiens zu Rußland verdichten. Dagegen würde ich es für außer- ordentlich erwünscht halten, wenn Österreich die Besetzung des Lowtschen, namentlicli zunächst, vermeiden könnte. Ist das nicht möglich, so muß Österreich vorher hier Kompensationsanerbietungen machen. Denn die Besetzung des Lowtschen wird tatsächlich ganz Italien alannieren und die Regierung unter Umständen weiter drängen als sie will. Man muß bei allen diesen Dingen im Auge behalten, daß dieses Kabinett weit weniger stark und daher weit weniger widerstandsfähig ist als das Ministerium Giolitti.

S. M. der König wird nach Lage der hiesigen parlamentarischen und demokratischen Verhältnisse nicht in der Lage sein, einen aus- schlaggebenden Einfluß auszuüben.

Wie schon gemeldet, vertrat Marquis di San Giuliano auf Grund der Fassung der österreichischen Note mit Nachdruck die These, daß das Vorgehen Österreichs gegen Serbien ein aggressives sei, daß daher auch alle sich etwa ergebenden Einmischungen Rußlands und Frank- reichs den Krieg nicht zu einem defensiven machen würden, und

* Nach der Ausfertigung.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts : 27. Juli vorm. Randvermerk des Reichskanzlers vom 27. Juli: »S. M. vorgetragen B. H. 27.«, darunter der Vermerk des Kanzlers vom gleichen Tage: »S. M. hält es für unbedingt erforderlich, daß sich Österreich mit Italien rechtzeitig wegen der Kom- pensationsfrage verständigt. Das soll Herrn von Tschirschky zur Weiter- gabe an Graf Berchtold im ausdrücklichen Auftrage S. M. mitgeteih werden. B. H. 27." Siehe Nr. 267.

^ Siehe Nr. 156.

18*

240

daß damit der casus foederis nicht gegeben sei. Ich habe diesen Standpunkt schon aus taktischen Gründen lebhaft bekämpft. Vor- aussichtlich wird aber Italien an dieser Möglichkeit, zu entschlüpfen, festhalten.

Das Gesamtresultat ist also : Auf eine aktive Hilfe Itahens in einem etwa entstehenden europäischen Konflikt wird man schwer- Uch rechnen können. Eine direkt feindliche Haltung Italiens gegen Österreich dürfte sich, soweit sich heute übersehen läßt, durch ein kluges Verhalten Österreichs verhindern lassen.

Flotow

Nr. 245

Der Reichskanzler an den Kaiser^

Telegramm 151 Berhn, den 27. Juü 1914^

Österreich scheint erst am 12. August in kriegerische Aktion eintreten zu können, Serbien sich lediglich auf Defensive beschränken zu wollen. Serbiens Antwort auf Ultimatum, deren Wortlaut noch nicht zu erhalten war, soll beinahe alle Punkte, auch Bestraf img aller Offiziere, annehmen, außer Armeebefehl; Kollaboration nur unter gewissen Reserven. Die diplomatische Lage nicht völlig ge- klärt. England und Frankreich wünschen Frieden, Italien gleich- falls, da Streitfrage unpopulär und angeblich italienische Interessen benachteihgt. Rußland scheint nach den neusten Nachrichten noch nicht zu mobilisieren und mit Wien Verhandlungen über mäßige Modifikation^ der von Serbien noch nicht befriedigten Forderungen anknüpfen zu wollen. Wiens Haltung hierzu noch unbekannt. Ich habe bei allen Kabinetten sagen lassen, daß wir österreichisch- serbischen Konflikt als Angelegenheit betrachten, die ledighch diese beiden Staaten angeht, und Rußland auf die Folgen jeder miü- tärischen Maßregel, die sich irgendwie gegen uns richtete, mit allem Nachdruck aufmerksam gemacht. Die letzten eingegangenen Depeschen werde ich Ew. M. auf Station Wildpark überreichen.

Alleruntertänigst

Bethmann Hollweg

* Nach dem Konzept von der Hand des Reichskanzlers.

'^ Randvermerk des Kanzlers: »Wohl am zweckmäßigsten S. M. bei der Durchfahrt durch Wittenberge zuzustellen, falls Hofzug dort hält. Sonst auf derjenigen Station, wo letzteres der Fall.« Telegramm aufgegeben in Berlin 1 1'^ vorm., angekommen im Hof lager i^ nachm. EntziflFerung vom Kaiser am 27. Juli zurückgegeben.

' In Entzifferung des Hoflagers »mäßige Modifikation« verderbt in: » Mäßigung, Modifikationen . <.

241

Nr. 246

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in

Wien'

Telegramm 160 Berlin, den 27. Juli 19 14''

Bitte umgehend Text der serbischen Antwort drahten*.

Jagow

' Nach dem Konzept von Jagows Hand.

* 11** vorm. zum Haupttelegraphenamt, auf der Botschaft in Wien ange- kommen 4^ nachm. ' Siehe Nr. 280.

Nr. 247

Der Reichskanzler an den Botschafter in Paris*

Telegramm 170 Berlin, den 27. Juli 1914^

Wir müssen daran festhalten, daß österreichisch -serbischer Kon- flikt lediglich diese beiden Staaten angeht. Wir können dai.er in dem Konflikt zwischen Österreich und Serbien nicht vermitteln, wohl aber eventuell zwischen Österreich und Rußland.

Bethmann Hollweg

* Nach dem Konzept von der Hand des Reichskanzlers. ^ ii*> vorm. zum Haupttelegraphenamt.

Nr. 248

Der Reichskanzler an den Botschafter in London*

Telegramm 179 Berlin, den 27. Juh 1914*

Von dem Vorschlage Sir E. Greys, dort Konferenz zu vieren ab- zuhalten, hier bisher nichts bekannt*. An einer solchen Konferenz könnten wir uns nicht beteiligen, da wir Österreich in seinem Serben-

* Nach dem Konzept von der Hand des Reichskanzlers. Vgl deutsches Weißbuch vom Mai 19 15, S. 30 Nr. 14.

* nachm. zum HaupttelegraphenamL ' Siehe Nr. 236

242

handel nicht vor ein europäisches Gericht ziehen können. Sir Ed. Grey scheidet, wie Ew. pp. ausdrücklich gemeldet haben, scharf zwischen österreichisch-serbischem und österreichisch-russischem Konflikt * und kümmert sich um ersteren ebensowenig, wie wir es tun. Unsere Vermittlungstätigkeit muß sich auf eventuellen österreichisch -russischen Konflikt beschränken^. In serbisch-österreichischem Konflikt scheint mir der in Telegramm Nr. [163] « aus Petersburg angegebene Weg direkter Verständigung zwischen Petersburg und Wien gangbar. Ich bitte deshalb dringend, dort die Notwendigkeit und Möglichkeit der Lokalisierung zu vertreten.

Bethmann Hollweg

Siehe Nr. 180 Abs. 2.

Hinter »beschränken« ursprünglich geschriebenes »Ew. pp. Annahme,

daß Lokalisierung unmöglich sei, ist noch nicht erwiesen« vom Kanzler

nachher gestrichen.

Siehe Nr. 238.

Nr. 249

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt*

Telegramm 29 Fiuggi Fönte, den 27. Juli 1914^

Marquis di San Giuüano äußert einige Hoffnung, daß es noch möghch sei, Konflikt zu verhindern. Nach seinen Nachrichten Näheres gibt er nicht an wäre Serbien bereit, die öäterreichischen For-

Quatsch! derungen anzunehmen, wenn sie von Europa ge-

stellt würden. Andererseits viürde Rußland nur eingreifen, wenn Österreich serbisches Territorium dauernd besetzte. Sir Edward Grey wolle die ich lasse mich auf Botschafter von Deutschland, Frankreich, Italien

nichts ein ^nd Rußland zu einer Aktion im Sinne des Friedens vereinigen. Hiesige Verlegenheit und Besorgnis ist groß, daher unablässige Friedensbemühungen.

F 1 o t o w

' Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Fiuggi Fönte 11^ vorm., angekommen im Auswärtigen Amt

1^* nachm. Eingangsvermerk: 27. Juli nachm. Entzifferung dem Kaiser

vorgelegt, von ihm am 28. Juli zurückgegeben.

243

Nr. 250

Der Gesandte in Kopenhagen an das Auswärtige Amt^

Telegramm 32 Kopenhagen, den 27. Juli 191423

Besuch Poincarös ist soeben, zwei Stunden bevor die Ankunft erwartet wurde, offiziell abgesagt worden.

Ran t zau

' Nach der Entzifferung.

- Aufgegeben in Kopenhagen 12*^ nachm., angekommen im Auswärtigen

Amt I ^'^ nachm. Eingangsvermerk: 27. JuU nachm. Entzifferung dem

Kaiser vorgelegt, von ihm am 28. Juli zurückgegeben. ' Siehe Nr. 18 1.

Nr. 251

Der Gesandte in Sofia an das Auswärtige Amt'

Telegramm 37 Sofia, den 27. Juli 1914^

Ministerpräsident bestätigt mir seine aus Konstantinopel ge- meldete Antwort auf türkische Anfrage und erklärt jedermann, daß Bulgarien bis auf weiteres strikt neutral bleibt.

Alle etwaigen Meldungen über Truppen Verschiebungen in Bulgarien oder sonstige Vorbereitungen zu einer Mobilisierung sind falsch' und, wenn sie aus Bukarest kommen, tendenziös, da rumänischer Kollege bei seiner Regierung gegen Bulgarien hetzt.

Michahelles

Nach der Entzifferung.

Aufgegeben in Sofia 1 1 *" vorm., angekommen im Auswärtigen Amt nachni . Eingangsvermerk: 27. Juli nachm. Dem Kaiser vorgelegt, der durch Rand- verfügung Mitteilung an die Vertretungen in Wien, Bukarest, Konstanti- nopel und Athen anordnete. Entzifferung vom Kaiser am 28. Juli zurück- gegeben. Michahelles' Telegramm wurde von Zimmermann am 29. Juli

dem Botschafter in Wien, der Abschnitt »Ministerpräsident neutral

bleibt« dem Botschafter in Konstantinopel und dem Gesandten in Athen mitgeteilt; Telegramm nach Wien i''^ nachm., Telegramm nach Konstanti- nopel und Athen 7°'* nachm. zum Haupttelegraphenamt. Betr. Mitteilung an den Geschäftsträger in Bukarest siehe Nr. 321.

244

Nr. 252

Der Botschafter in Paris an das Auswärtige Amt*

Telegramm 223 Paris, den 27. Juli 1914*

Stimmung hiesiger Presse und Geschäftswelt heute etwas hoffnurgs voller, hauptsächlich infolge diskreter offiziöser Notiz über meine gestrige Unter- redung über Mittel zur Erhaltung europäischen Friedens. Presse zwar noch mißtrauisch gegen uns, beschuldigt uns aber nicht mehr offen des Treibens zum Kriege. Entscheidung über Krieg oder Frieden Nein! Allein bei liege jetzt wesentlich bei Berlin. Wenn Deutsch- Petersburg! land in Wien, Frankreich in Peteisburg mäßigend wirken, könnte Friede erhalten werden.

Schoen

' Nach der Entzifferung.

'^ Aufgegeben in Paris 1^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 3^'' nachm. Eingangsvermerk: 27. Juli nachm. Zufolge Randverfügung Jagows in Abschrift, unter Fortlassung der Worte »hauptsächlich euro- päischen Friedens«, dem Kaiser vorgelegt, von ihm am 28. Juli ins Amt zurückgelangt

Nr. 253

Der Botschafter in Petersburg an den Reichskanzler *

St. Petersburg, den 22. Juli 1914'

In einem vertraulichen Gespräch mit meinem italienischen Kollegen, der mir von Beginn seiner hiesigen Tätigkeit an stets sehr offen gegenübergetreten ist, brachte ich den Marquis Carlotti vor kurzem auf die gewaltige Vermehrung der russischen Streit- kräfte und frug ihn, ob er es für angezeigt gehalten habe, bezüglich der Ziele, die Rußland bei seinen Rüstungen verfolge, seiner Re- gierung gegenüber Besorgnisse zum Ausdruck zu bringen.

' Nach der Ausfertigung.

■^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 27. Juli nachm

245

Der Botschafter antwortete darauf, er habe über die Frage der russischen Armeevermehrung seiner Regierung überhaupt keinen ausführlichen Bericht geschickt, sondern sich darauf beschränkt, die in der letzten Zeit bekannt gewordenen ZilTern der in Angriff genommenen Armee- und Flotten-Vermehrung sowie der zu diesem Zwecke von der Duma bewilligten Gelder telegraphisch zu melden. Er habe dabei, ebenfalls an der Hand der bekannt gewordenen Zif- fern, auch darauf hingewiesen, wie sich die Präsenzstärke der russischen Armee in drei Jahren gestalten werde, wenn bis dahin alle jetzt in Aussicht genommenen Maßregeln zur Durchführung gelangt sein würden. Ausführlichere Kommentare habe er an diese Meldung nicht geknüpft.

Die dem k. Gesandten in Athen von seinem italienischen Kollegen gemachten Mitteilungen über alarmistische Berichte des Marquis Carlotti dürften meines gehorsamen Erachtens auf obige Meldung des Botschafters zurückzuführen sein. Viel- leicht waren die von Marquis Carlotti genannten Zififern dem italie- nischen Vertreter in Athen vorher nicht bekannt, und ist er durch die Höhe derselben frappiert gewesen. In dem Umstände, daß Marquis Carlotti über diesen Gegenstand einen telegraphischen Be- richt erstattet hat, dürfte auch etwas Außergewöhnliches nicht zu erblicken sein, da mein italienischer Kollege, wie er mir selbst sagt, und wie es, soviel mir bekannt ist, im italienischen diplomatischen Dienst sehr viel geschieht, seine Meldungen meist telegraphisch schickt und nur ausnahmsweise schriftlich berichtet.

Bezüglich seiner Ansichten über die russischen Rüstungen sagte mir Marquis Carlotti, er glaube nicht, daß Rußland mit iigendwelchen Plänen umginge, die dahin gerichtet wären, etwa in drei Jahren einen Offensivkrieg zu führen. Dagegen gewinne nach seiner Ansicht die Überzeugung hier immer mehr an Boden, daß der nicht mehr aufzuhaltende Prozeß des weiteren Zerfalls der Türkei sehr bald eine neue Orientkrisis herbeiführen werde. Für den Eintritt dieser Eventualität wolle Rußland stark gerüstet sein, um bei der bevorstehenden Regelung der durch eine solche Krisis entstehenden Fragen ein stärkeres Gewicht als bisher in die Wag- schale werfen zu können.

Diese Ansicht meines italienischen Kollegen deckt sich voll- kommen mit der meinigen. Ich möchte nur noch hinzufügen, daß ich allerdings nicht umhin kann, in der Verbindung der in der Tat sehr bedeutenden Vermehrung der russischen Streitkräfte mit dem sich immer mehr zuspitzenden russisch-österreichischen Gegensatz eine nicht zu unterschätzende zunehmende Gefahr für den euro- päischen Frieden zu erblicken.

F. Pourtales

246

Nr. 254

Der Generaldirektor der Hapag an den Staatssekretär des Auswärtigen ^

Geheim! Z. Zt. London (Ritz Hotel), den 24. Juli 1914''

Hochverehrte Exzellenz!

Ich habe also gestern abend bei Haidane mit Sir Edward Grey gegessen und habe nach dem Diner Gelegenheit genommen, den Herren zu sagen, daß mich die durch die Presse gegangene Nach- richt über anglo-russische Flottenverhandlungen insofern unangenehm berührt hätte, als ich fürchten müßte, daß die Bestätigung oder auch nur die fortgesetzte Verbreitung solcher Nachricht die freundlichen Beziehungen zwischen England und Deutschland aufs neue trüben könnte, indem man deutscherseits sich vielleicht gezwungen sähe, solche neue Situation in Form vermehrter Kriegsschiffbauten zu kompensieren. Mich interessiere natürlich intensiv die Frage, ob auf die freundschaftlichen Beziehungen, zu deren Herbeiführung ich selbst ein Geringes habe tun dürfen, ein Schatten gefallen sei, und nicht minder natürlich fühlte ich mich versucht, die indiskrete Frage Grey vorzulegen, ob und in welchem Umfange die Nachrich- ten über diese anglo-russischen Verhandlungen zutreffend seien; er spräche ja nur mit einem Privatmanne und brauche deshalb nicht nach einer diplomatischen Abwehr dieser Frage zu suchen; er könne die Frage unbeantwortet lassen, wenn sie ihm nicht passe.

Das Ergebnis meiner Unterhaltung mit Grey und Haidane darf ich in folgenden Notizen zusammenfassen:

I. Grey erklärt, daß die freundlichen Beziehungen, welche als ein Ergebnis der damaligen Haidaneschen Mission zu betrachten seien, nicht nur im ganzen Umfange un- getrübt geblieben, sondern durch die Kooperation von Deutschland und England während der Balkanschwierig- keiten und durch die anderen inzwischen gepflogenen Verhandlungen noch verstärkt seien.

' Nach der Ausfertigung.

'^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 27. Juli nachm., zum Journal

2g. Juli. ^ Siehe Nr. 56 und 57.

247

2. Die politische Situation habe sich im Laufe des letzten Jahrzehnts ja so gestaltet, daß auch England einer Gruppe angehöre, und es sei natürlich, daß von Mit- gliedern dieser Gruppe Fragen zur Diskussion gestellt würden, deren Verhandlung man nicht ohne weiteres ablehnen könne. Wie es England in dieser Beziehung mit Frankreich und Rußland gehe, so würde es wohl Deutschland innerhalb seiner Gruppe mit Österreich und Italien gehen.

3. Das wolle er mir aber gern erklären, daß keine solche Flottenkonvention bestehe, und daß es nicht in Englands Absicht läge, in eine derartige Konvention zu willigen.

Haidane, der sich dem Herrn Reichskanzler herzlich empfehlen läßt, unterstrich die Greyschen Erklärungen noch ganz besonders, als ich mit ihm noch einige Zeit, nachdem Grey gegangen war, zu- sammensaß, und deutete mir an, daß die unruhigen französischen Freunde sehr oft aus Gründen interner Natur Fragen in die Öffent- lichkeit würfen, die ernsthaft nicht zu diskutieren wären, Grey glaubt, daß die Kräfteverteilung, wie sie sich in den beiden Gruppen ergeben habe, die glücklichste Garantie für die Erhaltung des Weltfriedens oder jedenfalls doch des Friedens zwischen den Großmächten bilde. Auf der Hand läge es, daß die starken Rüstungen Deutschlands auch die anderen Mächte zu großen Ausgaben und Anstrengungen auf dem Gebiet der Rüstungen führen. Das sei natürlich höchst be- dauerlich und zweifellos eine starke Belastungsprobe für ein fried- liches Zusammenarbeiten.

Die österreichische Note an Serbien wird hier sehr milde be- urteilt. Das hängt zum Teil wohl zusammen mit der gegenwärtigen Situation, denn die Ulster-Frage beherrscht die Stunde. Die Herren waren gestern abend ganz außerordentlich pessimistisch gestimmt.

Ich esse heute abend mit Winston Churchill und denke Montag nach Cöln zu reisen, wo am 29. und 30. Juli Konferenzen der nord- atlantischen Schiffahrtsgesellschaften stattfinden.

Ich bin, hochverehrte Exzellenz, mit den verbindlichsten Grüßen

Ihr aufrichtig ergebener Ballin

248

Nr. 255

Der Admiralstab an den Staatssekretär des Auswärtigen '

Ganz Geheim! Berlin, den 27. Juli 1914»

1. Nach vertrauenswürdigen Quellen aus Hüll und dem Med- way-Gebiet werden dort keine Maßnahmen getroffen, die auf Kriegsvorbereitungen schließen lassen.

2. Ein Agent, dessen Zuverlässigkeit zwar noch nicht erprobt ist, der aber einen sehr guten Eindruck macht (Deutscher), meldet:

Vom Gehilfen des Petersburger Bezirkskommandos ist mir fol- gendes bekannt:

Rußland mobilisiert im stillen, um Serbien gegebenenfalls zu unterstützen.

In Petersburg waren vor ca. 10 Tagen auf dem Bezirkskom- mando die Einberufungen für ca. 300 000 Mann und 20 000 Offiziere fertig.

Die Stimmung in Militärkreisen ist nicht für einen Krieg mit Deutschland, aber durchaus für einen Krieg gegen Österreich.

Im Auftrage I sendahl

' Nach der Ausfertigung.

■^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 27. Juli nachm.

Nr. 256

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt '

Telegramm 371 Therapia, den 27. Juli 1914^

Geheim!

Privat für den Staatssekretär

Türkischer Bündnisantrag ist dadurch zustandegekommen, daß ich die Bedenken, welche ich bisher dem Großwesir dagegen geltend gemacht habe, entsprechend dem peremtorischen Befehl habe fallen lassen. Bulgarien ist der Türkei bisher nur mit Redens- arten gekommen, ohne positive Vorschläge zu machen. Rußland und Frankreich haben sich von ihrer Betäubung noch nicht erholt.

' Nach der Entzifferung.

' Aufgegeben in Therapia 1 *^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 4 ^^ nachm., Eingangsvermerk : 27. Juli nachm.

249

Es ist aber vorauszusehen, daß von beiden sehr bald energische Versuche einsetzen werden, die türkische Regierung einzuschüch- tern und sie auf den Anschluß an Griechenland unter Schutz der Triple-Entente zu verweisen. Wenn der Türkei kein positiver Schutz gegen Rußland gewährt wird, so braucht deshalb die Türkei nicht unbedingt an die Triple-Entente verloren zu gehen, obwohl die Versuchung, sich unter russischen Schutz zu stellen, dann natürlich für die Türken sehr groß wird. Ich glaube aber, daß nach unserer Ablehnung die Bulgaren und Türken sich zusammen- finden werden, um ä conto des beschäftigten Serbiens mit Griechen- land abzurechnen. Damit würde das allgemeine declanchement beginnen. Wir haben das Interesse, Bulgarien und die Jungtürken festzuhalten, solange der österreichisch-serbische Konflikt lokali- siert bleibt.

Mein Urteil über die Bündnisfähigkeit der Türkei müßte ich natürlich berichtigen, wenn die türkische Armee tatsächlich von deutschen Offizieren kommandiert wird. Ihr militärischer Wert würde sich damit verdreifachen. General Liman sagt mir heute, er ....^ sich stark als Führer der sofort ins . . . .* zu stellenden 5 türkischen Armeekorps unter allen Umständen jed.

" stark zu schlagen. Das deutsche Kommando würde

auch den unschätzbaren Wert haben, daß die Türkei im Kriegsfall die übernommenen Verpflichtungen ausführen müßte.

Wangenheim

' Zifferngruppe fehlt; im Auswärtigen Amt sinngemäß ergänzt: mache. * Zifferngruppe fehlt; im Auswärtigen Amt sinngemäß ergänzt: Feld. ^ Zifferngruppe unverständlich.

Nr. 257

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt *

Telegramm 113 Wien, den 27. Juli 19 14*

Man hat hier beschlossen, morgen, spätestens übermorgen, offi- zielle Kriegserklärung zu erlassen, hauptsächlich, um jedem Inter- ventionsverst:ch den Boden zu entziehen.

Tschirschky

' Nach der Entzifferung.

'■* Aufgegeben in Wien 3*^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 4''' nachm. Eingangsvermerk: 27. Juli nachm. Ein Exemplar der Entzifferung wurde am 27. Juli an den Kaiser geschickt. Tschirschkys Telegramm wurde am 28. Juli auch dem Generalstab, Kriegsministerium, Admiralstab und Reichsmarineamt mitgeteilt; abgesandt durch Boten 11*' vorm.

250

Nr. 258

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt '

Telegramm 164 London, den 27. Juli 1914=^

Sir E. Grey ließ mich soeben kommen und bat mich, Ew. Exz. nachstehendes zu übermitteln.

Der serbische Geschäftsträger habe ihm soeben den Wortlaut der serbischen Antwort auf die österreichische Note übermittelt^ Aus derselben gehe hervor, daß Serbien den österreichischen For- derungen in einem Umfange entgegengekommen sei, wie er es nie- mals für möglich gehalten habe ; bis auf einen Punkt, der Teilnahme österreichischer Beamter an den gerichtlichen Untersuchungen, habe Serbien tatsächHch in alles eingewilligt, was von ihm ver- langt worden sei. Es sei klar, daß diese Nachgiebigkeit Serbiens lediglich auf einen Druck von Petersburg zurückzuführen sei*.

Begnüge sich Österreich nicht mit dieser Antwort, bzw. werde diese Antwort in Wien nicht als Grundlage für friedliche Unter- handlungen betrachtet, oder gehe Österreich gar zur Besetzung von Belgrad vor, das vollkommen wehrlos daliegt, so sei es vollkommen klar, daß Österreich nur nach einem Vorwand suche, um Serbien zu erdrücken. In Serbien solle aber alsdann Rußland getroffen werden und der russische Einfluß auf dem Balkan. Es sei klar, daß Rußland dem nicht gleichgültig zusehen könne und es als eine direkte Herausforderung auffassen müsse. Daraus würde der fürchterlichste Krieg entstehen, den Europa jemals gesehen habe, und niemand wisse, wohin ein solcher Krieg führen könne.

Wir hätten uns, so meinte der Minister, wiederholt und so noch gestern^ mit der Bitte an ihn gewandt, in Petersburg in mäßi- gendem Sinne vorstellig zu werden. Er habe diesen Bitten stets gern entsprochen und sich während der letzten Krise Vorwürfe aus Rußland zugezogen, daß er sich zu sehr auf unsere und zu wenig auf ihre Seite stelle. Nun wende er sich mit der Bitte an uns, unseren Einfluß in Wien dahin zur Geltung zu bringen, daß man die Antwort aus Belgrad entweder als genügend betrachte oder aber als Grundlage für Besprechungen. Er sei überzeugt, daß es in unserer Hand liege, durch entsprechende Vorstellungen die Sache zu erledigen, und er betrachte es als eine gute Vorbedeutung für die Zukunft, wenn es ims beiden abermals gelänge, durch unseren beiderseitigen Einßuß auf unsere Verbündeten den Frieden Europas gesichert zu haben.

Ich fand den Minister zum ersten Male verstimmt. Er sprach mit großem Ernst und schien von uns auf das Bestimmteste zu erwarten, daß es unserem Einfluß gelingen möge, die Frage beizu- legen. Er wird auch heute ein Statement im House of Commons machen, worin er seinen Standpunkt zum Ausdruck bringt. Auf

jeden Fall bin ich der Überzeugung, daß, falls es jetzt doch noch zum Kriege käme, wir mit den englischen Sympathien und der britischen Unterstützung nicht mehr zu rechnen hätten, da man in dem Vorgehen Österreichs alle Zeichen üblen Willens erblicken würde. Auch ist hier alle Welt davon überzeugt, und ich höre es auch aus dem Munde meiner Kollegen, daß der Schlüssel der Lage in Berlin liegt und, falls man dort den Frieden ernstlich will, Öster- reich davon abzuhalten sein wird, eine, wie Sir E. Grey sich aus- drückt, tollkühne Politik zu treiben«. Lichnowsky

' Nach der Entzifferung.

'^ Aufgegeben in London i '* nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 4''

nachm. Eingangsvermerk: 27. Juli nachm. Betr. Mitteilung von

Lichnowskys Telegramm an den Kaiser und den Botschafter in Wien

siehe Nr. 283 und 277. ^ Abgedruckt im österreichisch-ungarischen Rotbuch I Nr. 25. Französischen

Text siehe auch Nr. 271. ^ In der dem Kaiser vorgelegten Abschrift am Rand Fragezeichen des Kaisers. » Siehe Nr. 199 und 218. " Siehe Nr. 265, 277 und 278.

Nr. 259

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt^

Telegramm 114 Wien, den 27. Juh 19142^

Bulgarien hat hier wissen lassen, daß es nichts unternehmen würde, ohne sich vorher mit Österreich- Ungarn ^^ii verständigen. Von hier aus ist Bulgarien energisch bedeutet worden, sich strikt neutral zu halten, keine Aktion gegen Rumänien und auch in Ma- zedonien zu unternehmen. Rumänische Nachricht, der zufolge Bul- garien an rumänischer Grenze Truppen zusammenzieht, hält man hier für falsch, sie stammt augenscheinlich von dem rumänischen Vertreter in Sofia, Deriissi, der bekanntlich ein schlechtes Element sei. Man werde weiter Bulgarien * soviel als irgend- möglich Ruhe halten, um Rumänien nicht zu reizen.

* Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Wien 4" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 5^^ nachm. ; Eingangsvermerk: 27. Juli nachm. Entzifferung am 28. Juli an den Kaiser gesandt, der durch Randverfügung Mitteilung nach Bukarest und Sofia anordnete, vom Kaiser noch am 28. Juli ins Amt zurückgelangt. Am 28. Juli wurde Tschirschkys Telegramm von Jagow den Vertretern in Sofia, Bukarest und Konstantinopel »zur vertraulichen Information« tele- graphisch mitgeteilt. Telegramme lo'-'^ vorm. zum Haupttelegraphenamt.

^ Siehe Nr. 210 und 228.

* Chiffrierbüro hat hier vermerkt: «Gruppe fehlt" Nach den Akten der deutschen Botschaft in Wien fehlt jedoch nichts, indes ist anstatt »Ruhe- »ruhig« zu lesen.

252

Herr Bratianu hat auch hier ersucht, kalmieiend auf Bulgarien einzuwirken, worauf ihm energische Einwirkung in diesem Sinne zu- gesagt worden ist.

Graf Berchtold hat Herrn Bratianu sagen lassen, daß, falls irgend jemand Rumänien angreifen würde, Österreich- Ungarn sofort erklären würde, daß es als Bundesgenosse Rumäniens hinter diesem stehe.

Tschirschky

Nr. 260

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 31 Fiuggi Fönte, den 27. Juli 1914*

Habe bis jetzt liier keinerlei Mitteilung oder Andeutung ge- macht, daß wir Italiens Kompensationsansprüche in Wien unter- stützen oder vorbereiten'. Sobald es zulässig, darf ich Weisung er- bitten, da es hier taktisch zur Festhaltung Itahens von Wert.

Flotow

* Nach der Entzifferung,

'^ Aufgegeben in Fiuggi Fönte 5'' nachm., angekommen im Auswärtigen

Amt 5" nachm.; Eingangsvermerk: 27. Juli nachm. ^ Siehe Nr. 211, 267 und 287.

Nr. 261

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt*

Telegramm 30 Fiuggi Fönte, den 27. Juh 1914^

Marquis San Giuhano hat Gesandten Bukarest angewiesen : i. Ru- mänische Regierung aufzufordern, in Belgrad zur Nachgiebigkeit zu raten, 2. sich mit rumänischer Regierung darüber auszusprechen, daß

'■ Nach der Entzifferung.

■^ Aufgegeben in Fiuggi Fönte 2^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 6 8 nachm. Eingangsvermerk: 27. Juli nachm. Am 29. Juli von

Zimmermann, unter Fortlassung des Satzes »Ich darf warnen <•

telegraphisch dem Geschäftsträger in Bukarest mitgeteilt, 2*° nachm zum Haupttelegraphenamt.

253

sowohl Italien als Rumänien ein Interesse daran hätten, daß Serbien nicht vöüig erdrückt werde. Wenn darüber hinaus Gesandter erklärt habe, »Italien könne sich nicht am Konflikt beteihgen« etc., so habe er Instruktion überschritten, und er werde ihn zurechtweisen.

Ich habe den Minister darauf aufmer4csam gemacht, daß mir schon Punkt 2 in diesem Augenblick in Bukarest ein bedenkhches Gesprächsthema erscheine, das besser unterbliebe. Minister bestand aber darauf, daß der Bestand Serbiens für Itahen ein unbedingtes Erfordernis sei. Diese Barriere gegen Österreich dürfe nicht ver- schwinden. Ich habe im allgemeinen noch einmal Minister gewarnt, durch seine Sprache irgendwo Zweifel an der Festigkeit des Drei- bunds aufkommen zu lassen ; seinem Zweck, den Frieden zu erhalten, würde dadurch nur entgegengearbeitet. Ich darf anheimstellen, auch Boilati zu warnen.

Flotow

Nr. 262

Der Geschäftsträger in Bukarest an das Auswärtige Amt*

Telegramm 43 Bukarest, den 26. Juli 1914^

Minister der auswärtigen Angelegenheiten sagte mir soeben, Rumänien werde, falls durch öster- reichisch-serbischen Konflikt Bukarester Frieden ver- letzt würde, mit Griechenland gemeinsam dagegen nur nicht so große Einspruch erheben. Ferner könne Rumänien nicht Worte machen! zulassen, daß Bulgarien irgendwie die Rulie störe.

Waldburg

* Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Bukarest 26. Juli 9'" (ob vorm. oder nachm., ist nicht an- gegeben), angekommen im Auswärtigen Amt 27. Juli y'^ nachm. Ein- gangsvermerk: 27. Juli nachm. Entzifferung wurde am 28. Juli an den Kaiser gesandt, der durch Randverfügung Mitteilung an die Vertretungen in Wien und Sofia anordnete, und gelangte noch am gleichen Tage ins Amt zurück. Die Mitteilung nach Wien erfolgte durch lagow am 28 Juli, Telegramm 9*** vorm. zum Haupttelegraphenamt; Mitteilung nach Sofia unterblieb.

Aktenstücke L 19

254

Nr. 263

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 373 Konstantinopel, den 27. Juli 1914^

Griechischer Gesandter hat soeben dem Großwesir mitgeteilt, Veniselos sei durch den Ernst der Lage gezwungen, sofort nach Athen zurückzukehren, hoffe aber bald einen neuen Zeitpunkt für die Begegnung bezeichnen zu können, Prinz Said Hahm hat er- widert, daß er Herrn Veniselos jederzeit zur Verfügung stehe.

Wangenheim

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Konstantinopel 4^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 7'* nachm. Eingangsvermerk: 27. Juli nachm. Entzifferung am 28. Juli an den Kaiser gesandt, der durch Randverfügung Mitteilung an die Gesandtschaft in Athen anordnete; von ihm am 28. Juli ins Amt zu- rückgelangt. Am 28. Juli wurde Wangenheims Telegramm in Postziffern dem Geschäftsträger in Athen mitgeteilt, abgegangen nachm.

Nr. 264

Der Verweser des Konsulats Kowno an das Auswärtige Amt*

Telegramm 3 Eydtkuhnen, den 27. Juli 1914*

Kowno in Kriegszustand versetzt. Bericht folgt.

Bülow

' Nach der Entzifferung.

■^ Aufgegeben in Eydtkuhnen 27. Juli 5^^ nachm., angekommen im Aus- wärtigen Amt 27. Juli y*° nachm. Eingangsvermerk: 27. Juli nachm. Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 19 15, S. 28, Nr. 8.

Nr. 265

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 166 London, den 27. Juli 1914*

Im Anschluß an mein heutiges Telegramm Nr. 164' möchte ich hervorheben, daß von dem Erfolge dieses Schrittes Sir Edward Greys unsere gesamten zukünftigen Beziehungen zu England ab-

255

hängen. Gelingt es dem Minister in diesem bedeutsamen Augen- blick, in dem zweifellos trotz aller inneren Spaltungen die gesamte britische Nation hinter ihm steht, durch unser Eingehen auf sein Bitten eine weitere Zuspitzung der Lage zu verhindern, so stehe ich dafür ein, daß unsere Beziehungen zu Großbritannien auf unabseh- bare Zeit den vertrauensvollen und intimen Charakter tragen wer- den, der sie seit anderthalb lahren kennzeichnet. Die britische Re- gierung, ob liberal oder konservativ, sieht in der Erhaltung des europäischen Friedens auf Grundlage des Gleichgewichts der Grup- pen ihr vornehmstes Interesse*, und die Überzeugung, daß es ledig- lich von uns abhängt, ob Österreich durch eine hartnäckige Prestige- politik den europäischen Frieden gefährdet, bringt es mit sich, daß jede entgegenkommende Haltung Österreichs als ein Beweis unseres aufrichtigen Wunsches, mit Großbritannien vereint einen europäischen Krieg zu verhindern, zugunsten unserer Freundschaft mit England und unserer Friedensliebe gedeutet werden wird.

Sollten wir hingegen unseren Sympathien für Österreich und der Korrektheit unserer Bundesverpflichtungen eine so weitgehende Auffassung zugrunde legen, daß alle übrigen Gesichtspunkte dagegen zurücktreten, und sogar den wichtigsten Punkt unserer Auslands- politik — unser Verhältnis zu England den Sonderinteressen unseres Bundesgenossen unterordnen, so glaube ich, daß es niemals mehr möglich sein wird, diejenigen Fäden wieder anzuknüpfen, welche in der letzten Zeit uns verbunden haben.

Der Eindruck greift hier immer mehr Platz, und das habe ich aus meiner Unterredung mit Sir Edward Grey deutlich entnommen, daß die ganze serbische Frage sich auf eine Kraftprobe zwischen Dreibund und Dreiverband zuspitzt. Sollte daher die Absicht Österreichs, den gegenwärtigen Anlaß zu benutzen, um Serbien niederzuwerfen (to crush Servia, wie Sir E. Grey sich ausdrückte), immer offenkundiger in Erscheinung treten, so wird England, dessen bin ich gewiß, sich unbedingt auf Seite Frankreichs und Rußlands stellen, um zu zeigen, daß es nicht gewillt ist, eine moralische oder gar militärische Niederlage seiner Gruppe zu dulden. Kommt es unter diesen Umständen zum Krieg, so werden wir England gegen uns haben. Denn die Empfindung, daß der Krieg angesichts des weitgehenden Entgegenkommens der serbischen Regierung sich hätte vermeiden lassen, wird für die Haltung der britischen Regierung von ausschlaggebender Bedeutung sein.

Lichnowsky

' Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in London 27. Juli 5* nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8*° nachm. Eingangsvermerk: 28. Juli vorm.

' Siehe Nr. 258.

* Am Rand der Entzifferung die Bemerkung Zimmermanns: »Wo bleibt das Gleichgewicht, wenn Österreich-Ungarn zurückweicht!«

'9*

256

Nr. 266

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt '

Telegramm 165 London, den 27. Juli 1914'

Allerdings unterscheidet der Minister scharf zwischen öster- reichisch-serbischem und österreichisch-russischem Konflikt', d.h. er wollte sich in den österreichisch-serbischen so lange nicht ein- mischen, als aus demselben sich nicht ein österreichisch-russischer entwickelt hatte. Solange es ein österreichisch-serbischer bliebe, hielte er sich zurück. Jetzt aber sieht er sich genötigt einzugreifen, da daraus ein österreichisch-russischer und somit ein europäischer zu werden droht. Der österreichisch-russische läßt sich demnach vom österreichisch-serbischen gar nicht trennen, da ersterer auf letzterem beruht, und in diesem Sinne sprach auch der Minister mit mir. Eine Verständigung zwischen Österreich und Rußland beruht auf Beilegung des österreichisch-serbischen Zwistes. Ohne diese Beilegung erscheint nach hiesiger Auffassung jeder Vermitt- lungsversuch ganz aussichtslos. Wie soll ich für Lokalisierung des Konflikts eintreten, wenn hier niemand daran zweifelt, daß durch das Vorgehen Österreich-Ungarns ernste russische Interessen auf dem Spiele stehen, und daß Rußland sich, falls von uns aus kein Druck auf Österreich ausgeübt wird, selbst gegen seinen Wunsch zum Einschreiten genötigt sehen wird? Ich errege damit nur hei- teres Achselzucken.

Sollte sich Einigung zwischen Wien und Petersburg nach Tele- gramm Nr. 180* auf Grundlage der österreichischen Note erzielen lassen unter Vermeidung militärischer Maßnahmen gegen Serbien, so wäre alles erreicht, was Sir E. Grey erstrebt. Was er vermeiden möchte, ist Österreichs WaflFengang gegen Serbien, weil er von diesem Störung europäischen Friedens befürchtet.

Er bestätigt mir übrigens heute, daß keine russische Einberu- fung der Reserven stattfinde.

Lichnowsky

^ Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in London 6" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8*° nachm. Eingangsvermerk: 27. Juli nachm.

* Siehe Nr. 248.

* Siehe Nr. 238, Anmerkung 2.

257

Nr. 267

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien^

Telegramm 168 Berlin, den 27. Juli 1914^

S. M. der Kaiser hält es für unbedingt erforderlich, daß Öster- reich sich mit Italien rechtzeitig über Art. 7 und Kompen- sationsfrage verständigt. S. M. haben ausdrücklich befohlen, dies Ew. Exz. zur Weitergabe an Graf Berchtold mitzuteilen*.

J a go w

* Nach dem Konzept von Jagows Hand. ' 9" nachm. zum Haupttelegraphenamt.

* Siehe Nr. 168 und 244 Anm. 2.

Nr. 268

Der österreichisch-ungarische Botschafter an das Auswärtige Amt^

Memorandum

Berlin, den 27. Juli 1914'

Die k. serbische Regierung hat es abgelehnt, die Forderungen, welche wir zur dauernden Sicherung der von ihr bedrohten vitalsten Interessen an sie stellen mußten, zu erfüllen, und so bewiesen, daß sie ihre subversiven, auf die stete Beunruhigung einiger unserer Grenzländer und deren schließliche Lostrennung aus dem Gefüge der Monarchie gerichteten Bestrebungen nicht willens ist aufzu- geben. Wir sind dadurch zu unserem Bedauern und sehr gegen unseren Willen gezwungen worden, Serbien durch die schärfsten Mittel zu einer grundsätzlichen Änderung seiner bisherigen feind- seligen Haltung zu zwingen. Daß uns hierbei aggressive Tendenzen ferneliegen und daß es ein Akt der Selbstverteidigung ist, wenn wir

' Nach der nicht unterzeichneten Ausfertigung.

* Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 27. Juli. Vom Reichskanzler am 28. Juli zurück.

258

uns nach Jahren der Duldung endh'ch entschließen, den groß- serbischen Wühlereien auch mit dem Schwerte entgegenzutreten, ist der k. deutschen Regierung wohl bekannt.

Es gereicht uns zur aufrichtigen Genugtuung, daß wir bei der k. deutschen Regierung und bei dem ganzen deutschen Volke volles Verständnis dafür finden, daß das nach den Ergebnissen der Untersuchung in Belgrad vorbereitete und von dortigen Sendungen ausgeführte Attentat von Sarajevo unsere Langmut erschöpfen mußte, und daß wir jetzt bestrebt sein müssen, uns mit allen Mit- teln Garantien gegen die Fortdauer der gegenwärtigen unleidlichen Verhältnisse an unserer südöstlichen Grenze zu verschaffen.

Wir hoffen zuversichtlich, daß unsere bevorstehende Ausein- andersetzung mit Serbien zu keinen weiteren Komplikationen Anlaß geben wird; für den Fall, als dies aber dennoch eintreten sollte, stellen wir mit Dankbarkeit fest, daß Deutschland in oft erprobter Treue seiner Bundespflicht eingedenk sein und uns in einem uns auf- gezwungenen Kampf gegen einen anderen Gegner unterstützen wird.

Nr. 269

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Wien ^

Telegramm 167. - Berhn, den 27. Juli 1914^ .

Marquis San Giuhano sehr besorgt, weil Graf Berchtold auf Erklärung des Herzogs Avama wohl bezüglich wohlwollender Haltung Italiens seine Befriedigung ausgesprochen, aber wegen Artikel VII und Kompensation nichts geäußert hat^. Italienischer Botschafter gab mir Kenntnis von Inhalt eines Erlasses, wonach Marquis San Giuliano Erörterung über Artikel VII und Kompensation (wenigstens im Prinzip) als Vorbedingung für Haltung Italiens hinstellt. Letztere könnte sonst direkt antiösterreichisch werden. Halte daher schleu- nige Aussprache zwischen Graf Berchtold und Herzog Avarna für dringend erforderlich.

Vertraulich höre ich, daß Italien auch sehr Besetzung des Lowtschen befürchtet.

Jagow

1 Nach dem Konzept von Jagows Hand.

2 9'" nachm. zum Haupuelegraphenamt. ' Siehe Nr. 168 und 267.

259

Nr. 270

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Kaiser*

^ Berlin, den 27. Juli 1914^

Ew. k. u. k. M. verfehle ich nicht, in der Anlage Abdruck der mir soeben vom hiesigen serbischen Geschäftsträger überreichten Antwort seiner Regierung auf das österreichisch-ungarische Ultimatum^ alleruntertänigst zu unterbreiten.

Jagow

' Nach dem Konzept von Zimmermanns Hand.

2 Abgesandt durch Boten g^*^ nachm. Auf der gleichfalls bei den Akten befindlichen von Jagow vollzogenen Ausfertigung der Vermerk von des Kaisers Hand: »28. VII. 14«.

' Das bei der serbischen Gesandtschaft in Berlin eingegangene, die Note übermittelnde Telegramm Belgrad ab 25. Juli j*^ tzu ergänzen nachm.), sehr dringend, aufgenommen im Berliner Haupttelegraphenamt 26. Juli 8^* nachm. ist bei den Akten des Auswärtigen Amts. Das schlecht leser- liche Telegramm wurde vom serbischen Geschäftsträger mit kurzem Begleitschreiben im Laufe des 27. Juli die genaue Stunde hat sich nicht feststellen lassen übergeben und im Amt vervielfältigt. Ein Abdruck lag dem Kaiser vor; siehe Nr. 271. Wegen Übersendung der serbischen Antwortnote durch Tschirschky siehe Nr. 347.

Nr. 271

Antwortnote der serbischen Regierung auf das österreichisch -ungarische Ultimatum*

Le Gouvernement royal serbe a re^u la com- munication du Gouvernement imperial et royal du 10^ de ce mois et il est persuadö que sa r^ponse eloignera tout malentendu qui menace de gäter les

' Nach der vom serbischen Geschäftsträger Dr. M. Jowanowitsch dem Aus- wärtigen Amt im Original mit kurzem Begleitschreiben (Eingangsvermerk des Ausw. Amts 27 Juli nachm.) überreichten Telegrammausfertigung siehe Nr. 270) und der jetzt gleichfalls bei den Akten befindlichen dem Kaiser zugesandten Abschrift. Der Text des serbischen Blaubuches ist zum Vergleich herangezogen. Eine Reihe klemer Verschiedenheiten ist jedoch nicht berücksichtigt.

Das an die serbische Gesandtschaft in Berlin gerichtete, vom 25. Juli datierte Telegramm wurde am 26. Juli 8^ nachm. im Berliner Haupt- telegraphenamt aufgenommen. Auf der Abschrift oben der Randvermerk des Kaisers: »gelesen N. Pal. 28/VII 19 14. W.«

2 Serbisches Blaubuch: »10/23«.

200

bons rapports de voisinage entre la Monarchie hon- groise^ et le Royaume de Serbie. Le Gouvernement royal est conscient* que les protestations qui ont apparu tant ä la tribune de la Skoupchtina nationale que dans les d6clarations et les actes de[s] repr6sen- tants responsables de l'Etat, protestations qui furent coupees court^ par la declaration du Gouvernement Serbe faite le i8' mars 1909, ne se sont plus renou- velees vis-ä-vis' la grande Monarchie voisine en aucune occasion et que, depuis ce temps, autant de la part des Gouvernements royaux qui se sont suc- ced6 que de la part de leurs organes, aucune ten- tative n'a 6t6 faite dans le but de changer l'^tat de choses politique et juridique cr66 en Bosnie- Herzegovine,

Le Gouvernement royal constate que sous ce rapport le Gouvernement imperial et royal n'a fait aucune repr^sentation, sauf en ce qui con- cerne un livre scolaire et^ au sujet de laquelle* le Gouvernement imperial et royal a re9u une expli- cation entierement satisfaisante.

La Serbie a de nombreuses fois donn6 des preuves de sa politique pacifiste^" et mod€v6e pendant la dur6e de la crise balcanique, et c'est gräce k la Serbie et aux sacrifices qu'elle a fait[s] dans l'interet exclusif de la paix europ^enne que cette paix a 6t6 preservee.

Le Gouvernement royal ne peut pas ßtre rendu responsable pour des manifestations d'un caractere priv^ telle[s] que les articles des journaux et le travail paisible des societes, manifestations qui se produi- sent dans presque tous les pays comme une chose ordinaire et qui echappent en regle g6n6rale au contröle officiel, d'autant moins que le Gouvernement royal, lors de la Solution de toute une s6rie de questions qui se sont presentees entre la Serbie et l'Autriche-Hongrie, a montrö une grande prevenance

' Serbisches Blaubuch: »austro-hongroise«.

* Serbisches Blaubuch: »a conscience«.

' Für »qui furent coupees court par la declarationa im serbischen Blaubuch: »auxquelles coupa court la declaration«.

* Serbisches Blaubuch: »18/31«.

' Serbisches Blaubuch: »vis-a-vis de«.

* Nach serbischem Blaubuch ist »et« zu streichen.

' Nach serbischem Blaubuch das Wort: »representation« einzuschalten. ^'^ Serbisches ßlaubuch: »pacifique«.

201

et a r^ussi, de cette fa9on, ä en regier le plus grand nombre au profit du progres de[s] deux pays voisins. C'est pourquoi le Gouvernement royal a 6t6 p^nible- ment surpris par les affirmations d'aprös lesquelles des personnes *^ du Royaume de Serbie auraient parti- cipe ä la pr^paration de l'attentat commis ä Sara- jevo. II s'attendait ä ce qu'il soit^^ invit6 ä colla- borer ä la recherche de tout ce qui se rapporte ä ce crime et il 6tait pret, pour prouver par des actes sonentiere correction, äagir contre toutesles personnes k r6gard desquelles des Communications lui seraient faites.

Se rendant donc au desir du Gouvernement imperial et royal, le Gouvernement royal est dispos^ ä remettre au tribunal tout sujet serbe sans 6gard ä sa Situation et ä son rang^^ pour la complicit6 duquel, dans le crime de Sarajevo, des preuves lui seraient foumies, et sp^cialement il s'engage^* ä faire publier k la premiere page du «Journal officiel» en data du 13/26 [juilletjrenonciation suivante :

«Le Gouvernement royal de Serbie condamne toute propagande qui serait dirigöe contre l'Autriche- Hongrie, c'est -ä-dire l'ensemble des tendances qui aspirent en dernier lieu k d^tacher de la Monarchie au.[stro]-liongroise de[s] territoires qui en fönt partie et il deplore sincerement les consequences funestes de ces agissements criminels.

Le Gouvernement royal regrette que certains officierset fonctionnaires serbes aient particip^,d'apr6s la communication du Gouvernement imp. et royal, k la propagande susmentionn6e et compromis par \k les relations de bon voisinage auxquelles le Gouverne- ment royal s'6tait solennellement engag6 par sa declaration du 31^* mars 1909.

Le Gouvernement qui d^sapprouve et r^fute** toute id^e ou tentative dune immixtion dans les destin^es des habitants de quelque partie de l'Au- triche-Hongrie que ce soit, considere^' de son devoir

" Serbisches Blaubuch: »sujets«.

12 Für »ä ce qu'il soit« serbisches Blaubuch: »ä etrea.

" Satzstellung nach serbischem Blaubuch: »sans egard son rang,

tout sujet Serbe«. " Serbisches Blaubuch: Neuer Absatz, beginnend: «II s'engage specialement

ä faire publier »

" Serbisches Blaubuch: »18/31«.

" Telegramm: »refudie«, Abschrift »refute«; serbisches Blaubuch: »repudie«.

" Serbisches Blaubuch: »considere qu'il est de son devoir«.

202

d'avertir formellement les officiers, les fonctionnaires et toute la population du Royaume que dor^navant il procedera avec la derniere rigueur contre les personn es qui se rendraient coupables de pareils agissements qu'il mettra tous ses efforts ä pr^venir et k reprimer.»

Cette enonciation sera portee ä la connaissance de l'armee royale par un ordre du jour, au nom de Sa Majeste le Roi par S. A. R. le Prince h^ritier Alexandre, et sera publice dans le prochain «Bulletin officiel de F Armee».

Le Gouvernement royal s'engage, en outre :

d'introduire des la premiere convocation re- guliere de la Skoupchtina une disposition dans la loi de la presse par laquelle sera punie de la maniere la plus severe la provocation ä la haine et au mepris de la Monarchie a.-hongroise ainsi que contre toute publication dont la tendance generale serait dirig^e contre l'integrite territoriale de l'Autriche-Hongrie.

II se Charge, lors de la revision de la Constitution qui est prochaine, ä faire introduire dans l'article 22 de la Constitution, un amendement de teile sorte que les publications ci-dessus puissent etre cohfisqu6es ce qui, actuellement, aux termes categoriques de l'article 22 de la Constitution, est impossible.

Le Gouvernement ne possede aucune preuve et la note du Gouvernement imperial et royal ne lui en fournit non plus aucune que la societ6 «Na- rodna Odbrana» et autres societes similaires aient commis jusqu'ä ce jour quelque acte criminel de ce genre par le fait d'un de leurs membres. N^an- moins, le Gouvernement royal acceptera la demande du Gouvernement imperial et royai et dissoudra la societe Narodna Odbrana et toute autre societe qui agirait contre TAutriche-Hongrie.

Le Gouvernement royal serbe s'engage ä eiiminer sans delai de l'instruction publique en Serbie tout ce qui sert ou pourrait servir k fer- menter la propagande contre rAutriche-Hongrie, quand le Gouvernement imperial et royal lui four- nira des faits et des preuves de cette propagande.

Le Gouvernement royal acceptera de meme ä eloigner du service militaire^^ l'enquete judiciaire aura prouve qu'ils sont coupables d'actes dirig6s

'* Hier nach serbischem Blaubuch zu ergänzen: »ceux dont«.

263

contre Tinldgrit^ du territoire de la Monarchie a.- hongroise et il attend que le Gouvernement imperial et royal lui communique ulterieurement les noms et les faits de ces officiers et fonctionnaires aux fins de la procedure qui doit s'ensuivre.

Le Gouvernement royal doit avouer qu'il ne se rend pas clairement compte du sens et de la port6e de la demande du Gouvernement imperial et royal [tendant k ce] que la Serbie s'engage ä accepter sur son territoire la collaboration des organes du Gou- vernement imperial et royal, mais il declare qu'il admettra la ^" collaboration qui r^pondrait aux prin- cipes du droit international et ä la procedure criminelle ainsi qu'aux bons rapports de voisinage. Le Gouvernement royal, cela va de soi, consid^re de son devoir d'ouvrir une enquete contre tous ceux qui sont ou qui, eventuellement, auraient €t€ mel^s au complot du 1520 jum et qui se trouveraient sur le territoire du Royaume. Quant St la participation de^^ cette enquete des agents des autorit^s au.-hongroises qui seraient delegues ä cet effet par le Gouvernement imperial et royal, le Gouvernement royal ne peut pas l'accepter, car ce serait une violation de la Constitution et de la loi sur die Gesandtschaft la procedure criminelle. Cependant, dans des cas kann ja mit Con- concr^tes ^^ des Communications sur les r6sultats de trolle beauftragt l'instruction en question pourraient etre donnees werden! aux organes a.-hongrois.

Le Gouvernement royal a fait proc^der, dös le soir meme de la remise de la note, ä l'arrestation du commandant Voislav Tankositsch; quant ä Milan Ciganowitsch qui est sujet de la Monarchie a.-hongroise et qui, jusqu'au 15/20 juin, 6tait tmp'oy^ (comme aspirant) ä la direction des chemins de fer, il n'a pas pu encore etre pris. Le Gouvernement imperial et royal est prie de vouloir bien, dans la forme accoutumee, faire connaitre le plus tot pos- sible les pre^omptions de culpabilit^ ainsi que les preuves Eventuelles de leur culpabilitE qui ont 6t6 recueillies jusqu'ä ce jour par 1 'enquete ä Sarajevo aux fins d'enquete[s] ult6rieure[s].

S** Le Gouvernement serbe renforcera et 6tendra les mesures prises pour empecher le trafic illicite

" Serbisches Blaubuch: »toute collaboraüon«.

^ Serbisches Blaubuch: «15/28».

" Anstatt »ä«.

** Anstatt »concrets«.

264

d'armes et d'explosifs ä travers la fronti^re; il va de soi qu'il ordonnera de suite une enquete et punira severement les fonctionnaires des fronti^res sur la ligne Schabatz Losnitza qui ont manqu6 ä leur devoir et laisser passer les auteurs du crime de Sarajevo.

Le Gouvernement royal donnera, volontiere des explications sur les propos que ses fonctionnaires, tant en Serbie qu'ä l'etranger, ont eu[s] apr^ l'atten- tat dans des entrevues et qui, d'apres l'affirmation du Gouvernement imp. et royal, ont €te hostiles envers la Monarchie, d^ que le Gouvernement imp, et royal lui aura [communiqu6] les passages en question de ce[s] propos, et des qu'il aura d^montrö que les propos employes ont en effet 6te tenu[s] par les 10*" fonctionnaires, [propos] au sujet de quoi^* le Gouver- nement royal lui-meme aura soin de recueillir des preuves et convictions.

10°. Le Gouvernement royal informera le Gouver- nement imp. et royal de l'ex^cution de[s] mesures comprises dans les points prec^dents en tant que cela n'a pas it6 d^jä fait par la presente^* note,*' aussitöt que chaque mesure aura 6t6 ordonn^e et execut^e.2'

Dans le cas le Gouvernement imp, et royal ne serait pas satisfait de cette r^ponse, le Gouverne- ment royal serbe, considerant qu'il est de l'interet commun de ne pas pr^cipiter la Solution de ces questions, est pret, comme toujours, d'accepter une entente pacifique, soit en remettant cette question ä la decision du tribunal international de la Haye, soit aux grandes Puissances qui ont pris part k l'^laboration de la declaration que le Gou- vernement Serbe a faite le 18/31 mars 1909.

Eine brillante Leistung für eine Frist von Mos 48 Stunden Das ist mehr als man erwarten konnte! Ein großer moralischer Erfolg für Wien; aber damit fällt jeder Kriegs grund fort, und Giesl hätte ruhig in Belgrad bleiben sollen ! Daraufhin hätte ich niemals Mobilmachung befohlen! W^

*^ So irrig für »dits«.

'* Anstatt »desquels«.

" Anstatt »precedente«,

** Punkt statt Komma, mit folgendem neuen Satze.

" Statt Punkt steht hier Komma und die folgenden Sätze sind im Serb

Blaubuch unmittelbar angeschlossen. •* Siehe Handschreiben des Kaisers vom 28. Juli 10" vorm, [Nr. 293].

265

Nr. 272

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in London*

Telegramm 182 Berlin, den 27. Juli 1914*

Italienische Regierung hat in Wien bundesfreundliche Haltung zugesagt und hier entsprechende Mitteilung gemacht.

Jagow

* Nach dem Konzept Entwurf von Bergens Hand.

* 10° nachm. zum Haupttelegraphenamt.

Nr. 273

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Rom*

Telegramm 24 Berlin, den 27. Juli 1914*

Fürst Lichnowsky telegraphiert:

•Wie ich im Foreign Office entspräche nicht den

den Tatsachen«'.

Bitte dort immer aufs neue darauf hinweisen, daß gerade in der Geschlossenheit des Dreibunds nach außen sicherste Gewähr für eine seinen Interessen entsprechende Lösimg der Kxisis hegt.

Jagow

* Nach dem Konzept. Entwurf von Bergens Hand.

* 10° nachm. zum Haupttelegraphenamt

* Hier ist Lichnowskys Telegramm vom a6. Juli (Nr. 237) eingefügt.

266

Nr. 274

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt*

Telegramm 169 Petersburg, den 27. Juli 1914^

Militärattache meldet: Schwedischer Konsul Riga berichtet: Düna-Münde ist von Minen gesperrt. Im Gebiet von Riga werden alle Waggons entladen und der Militärverwaltung zur Verfügung gestellt.

Pourtalds

1 Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Petersburg 27. Juli 7^' nachm., angekommen im Aus- wärtigen Amt io^° nachm.; Eingangsvermerk: 28. Juli vorm. Am 28. Juli dem Generalstab, Admiralstab, Reichsmarineamt und Kriegsministerium mitgeteilt; abgesandt durch Boten 11** vorm.

Nr. 275

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt*

Telegramm 170 Petersburg, den 27. Juli 1914^

Konsul Kiew meldet, heute nacht Artillerie in westlicher Richtung abmarschiert, Kommandeur 11. Kavallerie-Division nach Garnisonort Dubno abgereist. Börse stark beunruhigt, sonst öffentliche Meinung nicht besonders erregt, die Presse gemäßigt, Streikagitation im Gange, Konsulatschutz verstärkt. Pourtal^s

^ Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Petersburg 27. Juli 7*^ nachm., angekommen im Aus- wärtigen Amt io^° nachm.; Eingangsvermerk: 28. Juli vorm. Am 28. Juli dem Generalstab, Admiralstab, Reichsmarineamt und Kriegsministerium mitgeteilt, abgesandt durch Boten 11" vorm. Entzifferung am 28. Juli ein den Kaiser gesandt.

Nr. 276

Der Generalkonsul in Warschau an das Auswärtige Amt*

Telegramm 13 Warschau, den 27. Juli 1914^

Alle Truppen sind aus den Manövern zurückberufen worden; viel Infanterie, außerdem Ulanen auf dem Brester Bahnhof angeblich nach Lublin und Kowel verladen ; während der ganzen Nacht auf der Brest -Litowsk-Chaussee verkehren hunderte von Militärautomobilen; bisher sind keine Reservisten einberufen; gestern flog das Geschoß- magazin bei der Zitadelle in die Luft, Brück

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Warschau 27. Juli 3*^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 11° nachm.; Eingangsvermerk: 28. Juli vorm. Am 28. Juli gemäß Randverfügung Zimmermanns dem Generalstab, Admiralstab, Reichsmarine- amt, Kriegsministerium mitgeteilt, abgesandt durch Boten 11" vorm.

267

Nr. 277

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien*

Telegramm 169 Berlin, den 27. Juli 1914^

Fürst Lichnowsky telegraphiert soeben ' :

Sir E. Grey ließ mich soeben kommen und bat mich, Ew. Exz. nachstehendes zu übermitteln.

Der serbische Geschäftsträger habe ihm soeben den Wortlaut der serbischen Antwort auf die österreichische Note übermittelt*. Aus derselben gehe hervor, daß Serbien den österreichischen Forderungen in einem Umfange entgegengekommen sei, wie er es niemals für möglich gehalten habe; bis auf einen Punkt, der Teil- nahme österreichischer Beamter an den gerichtlichen Unter- suchungen, habe Serbien tatsächlich in alles eingewilligt, was von ihm verlangt worden sei. Es sei klar, daß diese Nachgiebigkeit Serbiens lediglich auf einen Druck von Petersburg :^urück- ^uf Uhren sei^.

Begnüge sich Österreich nicht mit dieser Antwort, bzw. werde diese Antwort in Wien nicht als Grundlage für friedliche Unterhandlungen betrachtet, oder gehe Österreich gar zur Besetzung von Belgrad vor, das vollkommen wehrlos daliegt, so sei es voll- kommen klar, daß Österreich nur nach einem Vorwand suche, um Serbien zu erdrücken. In Serbien solle aber alsdann Rußland getroffen werden und der russische Einfluß auf dem Balkan. Es sei klar, daß Rußland dem nicht gleichgültig zusehen könne und es als eine direkte Herausforderung auffassen müsse. Daraus würde der fürchterlichste Krieg entstehen, den Europa jemals gesehen habe, und niemand wisse, wohin ein solcher Krieg führen könne.

Wir hätten uns, so meinte der Minister, wiederholt und so noch gestern^ mit der Bitte an ihn gewandt, in Petersburg in mäßigendem Sinne vorstellig ^u werden. Er habe diesen Bitten stets gern entsprochen und sich während der letzten Krise Vor- würfe aus Rußland zugezogen, daß er sich zu sehr auf unsere und zu wenig auf ihre Seite stelle. Nun wende er sich mit der Bitte an uns, unseren Einfluß in Wien dahin zur Geltung zu bnngen, daß man die Antwort aus Belgrad entweder als genügend betrachte oder aber als Grundlage für Besprechungen. Er sei überzeugt, daß es in unserer Hand liege, durch entsprechende Vorstellungen

* Nach dem Konzept von der Hand des Reichskanzlers.

* 11"^ nachm. zum Haupttelegraphenamt, dort abgefertigt 28. Juli 12" vorm., auf der Botschaft in Wien angekommen 5^ vorm.

' Siehe Nr. 258 und 258 Anm. 2.

* Abgedruckt im österreichisch-ungarischen Rotbuch I Nr. 25. Französischen Text siehe auch Nr. 271.

' In der dem Kaiser vorgelegten Abschrift am Rand Fragezeichen des Kaisers. ^ Siehe Nr. 199 und 218.

268

die Sache zu erledigen, und er betrachte es als eine gute Vor- bedeutung für die Zukunft, wenn es uns beiden abermals gelänge, durch unseren beiderseitigen Einfluß auf unsere Verbündeten den Frieden Europas gesichert :^u haben''.

Ich fand den Minister zum ersten Male verstimmt. Er sprach mit großem Ernst und schien von uns auf das Bestimmteste zu erwarten, daß es unserem Emfluß gelingen möge, die Frage beizu- legen. Er wird auch heute ein Statement im House of Commons machen, worin er seinen Standpunkt zum Ausdruck bringt. Auf jeden Fall bin ich der Überzeugung, daß, falls es jetzt doch noch zum Kriege käme, wir mit den englischen Sympathien und der britischen Unterstützung nicht mehr zu rechnen hätten, da man in dem Vorgehen Österreichs alle Zeichen üblen Willens erblicken würde. Nachdem wir bereits einen englischen Konferenzvcrschlag ab- gelehnt haben, ist es uns unmöglich, auch diese englische Anregung a limine abzuweisen. Durch eine Ablehnung jeder Vermittelungs- aktion würden wir von der ganzen Welt für die Konflagration ver- antwortlich gemacht und als die eigenthchen Treiber zum Kriege hingestellt werden. Das würde auch imsere eigene Stellimg im Lande immöglich machen, wo wir als die zum Kriege Gezwungenen dastehen müssen. Unsere Situation ist um so schwieriger, als Serbien scheinbar sehr weit nachgegeben hat. Wir können daher die Rolle des Vermittlers nicht abweisen und müssen den englischen Vorschlag dem Wiener Kabinett zur Erwägung unterbreiten, zimial London und Paris fortgesetzt auf Petersburg einwirken. Erbitte Graf Berchtolds Ansicht über die englische Anregung, ebenso wie über Wunsch Herrn Sasonows, mit Wien direkt zu verhandeln®.

Bethmann Hollweg

' Siehe Nr. 265 und 278.

* Siehe Nr. 4JOO.

Nr. 278

Der Reichskanzler an den Botschafter in London^

Telegramm 183 Berlin, den 27. Juh 19142»

In dem von Sir Edward Grey gewünschten Sinne haben wir Ver- mittelungsaktion in Wien sofort eingeleitet. Außer dieser englischen Anregtmg haben wir überdies Graf Berchtold auch den Wunsch Sasonows auf direkte Aussprache mit Wien imterbreitet.

Bethmann Hollweg

^ Nach dem Konzept von der Hand des Reichskanzlers. Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 1915, S 31, Nr. 15.

* 1 1^° nachm. zum Haupttelegraphenamt.

* Siehe Nr. 258 und 277.

Reichsdruckerei, Berlin.

3524. 21. IIa 3

Zweiter Band

Zweiter Band:

Vom Eintreffen der

serbischen Antwortnote in Berlin

bis zum Bekanntwerden der

russischen allgemeinen

Mobilmachung

19 2 1

DEUTSCHE VERLAGSGESELLSCHAFT FÜR POLITIK UND GESCHICHTE M. b. H. IN BERLIN

2. Auflage 31. bis 70. Tausend

Alle Rechte, besonders das der Übersetzung vorbehalten

Für Rußland auf Grund der deutsch-russischen Obereinkunft

Amerikanisches Copyright 1919 by

Deutsche Verlagsgesellschaft für Politik und Geschichte

m. b. H. in Berlin W 8

Gedruckt in der Reichsdruckerei

Inhaltsverzeichnis und Zeittafel von Band II '

Zeit

Zeit

I.fde.

Nr

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

28. Juli

379

vorm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in London

I

280

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

4"

vorm.

2

281

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

vorm.

3

282

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

4-

vorm.

4

283

vorm.

Der Reichskanzler

an den Kaiser

5

284

Der Geschäftsträger in Cetinje

an das Auswärtige Amt

7'

vorm.

6

285

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt

7"

vorm

7

286

Der Gesandte in Kristiania

an das Auswärtige Amt

330

vorm.

7

287

9-

vorm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Rom...

8

288

Der Botschafter in Petersburg

an den Reichskanzler

vorm.

8

a8g

Der Botschafter in Petersburg

nn Acn Rfirhskanzler

vorm.

1 1

290

Anlage zum Bericht des Botschafters in Petersburg vom 26. Juli:

wie

Nr.28q

12

291

Der Militärbevollmächtigte am russi- schen Hofe

vorm.

•3

» Datum, Zeit des Abgangs und der Ankunft beziehen sich auf das Auswärtige Amt, bei Telegrammen usw. des Kaisern auf das Huflager. Siehe Vor- bemerkungen Abschnitt III.

VI

Zeit

Zeit

l.fde.

Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seile

stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch : 28. Juli

292

Der Botschafter in Paris

vorm.

16

293

10°

vorm.

Der Kaiser

an den Staatssekretär des Aus- wärtigen

18

294

Das Konsulat in Riga

an das Auswärtige Amt

11"

vorm.

'9

295

Der Verweser des Generalkonsulats in Moskau

an das Auswärtige Amt

ll'"

nachm.

'9

296

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

1*

nachm.

20

297

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

nachm.

20

298

Der Geschäftsträger in Bukarest an das Auswärtige Amt

3*"

n;achm.

21

299

3"

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien . .

22

300

33s

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Petersburg

;

22

301

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

34s

n'achm.

23

30a

Der Botschafter in Wien

an den Reichskanzler

nachm.

24

303

Der preußische Gesandte in Karls- ruhe

an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten (Reichs- kanzler)

nachm.

24

304

Der englische Botschafter

an den Staatssekretär des Aus- wärtigen

nachm.

25

305

Die österreichisch-ungarische Bot- schaft

an das Auswärtige Amt

nachm.

26

306

Die österreichisch-ungarische Bot- schaft

an das Auswärtige Amt

nachm.

27

VII

Zeit des Abgangs

tunde Tageszeit

Datum und Überschrift

Zeit der Ankunft

tunde Tageszeit

nachm.

nachm.

8*° nachm.

nachm.

nachm.

nachm.

9"

nachm.

9"

nachm.

9"

nachm.

9"*

nachm.

lO"

nachm.

Noch: 28. Juli

Der Reichskanzler

an die preußischen Gesandten bei den Bundesregierungen .

Der Reichskanzler

an den Kaiser

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien . .

Der Botschafter in Paris

an das Auswärtige Amt

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

Der Reichskanzler

an den Botschafter in London

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Petersburg

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger in Bu- karest

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger in Bu- karest

Der Gesandte in Sofia

an das Auswärtige Amt

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten in Stockholm

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Konstan- tinopel

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger in Bu- karest

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger in Ceimje

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien . .

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

nachm nachm nachm.

nachm.

nachm.

nachm

^7 29

30 31 32

32

33 34

34

35 35 36

36

37

38

38 40

VIII

Zeit

Zeit

Lfde.

Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch: 28. JuU

325

U36

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Rom...

41

326

Der Botschafter in Wien

an den Staatssekretär des Aus- wärtigen (Privatbrief)

29. Juli

41

327

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

12^

vorm.

45

328

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

12«

vorm.

45

329

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

12^°

vorm.

46

330

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

12"

vorm.

47

331

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

12"

vorm.

47

332

Der Zar

an den Kaiser

vorm. vorm.

48 49

333

Der Verweser des Generalkonsulats in Moskau

an das Auswärtige Amt

334

l"

vorm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Peters- bure

50 50

52

335

I*»

vorm.

Der Kaiser

an den Zaren

vorm.

335a

Der Generalkonsul in Warschau an das Auswärtige Amt

336

Der Geschäftsträger in Athen

an das Auswärtige Amt

2*«

vorm.

52

337

Der Militärbevollmächtigte am russi- schen Hofe

an das Auswärtige Amt

vorm.

53

338

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

6"

vorm.

55

339

Der Botschafter in Petersburg

an den Reichskanzler

56 58

340

Der Reichskanzler

an den Staatssekretär des Aus- wärtigen

IX

Zeit

Zeit

L(de. Nr

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch: 29. Juli

341

12"

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Paris...

_

_

59

342

12"

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschaher in Petersburg

_

59

343

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

2"

nachm.

60

344

"

DerMüitärbevollmächtigte am russi- schen Hofe

an das Auswärtige Amt

3.S

nachm.

61

345

Der Botschafter in Paris

an das Auswärtige Amt

333

nachm.

62

346

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

3"

nachm.

62

347

Der Botschafter in Wien

an den Reichskanzler

_

nachm.

63

348

Der österreichisch -ungarische Ge- neralkonsul in Warschau an. das Wiener Ministerium des Äußeren

narhm

64 65

349

Der Große Generalstab

an den Reichskanzler

350

Der Botschafter in Paris

an den Reichskanzler

_

nachm.

67

351

Der Vortragende Rat im Auswär- tigen Amt von Bergen

an den Staatssekretär des Aus- wärtigen

nachm

69 69

352

Die österreichisch -ungarische Bot- schaft

an das Auswärtige Amt

nachm.

353

Der englische Botschafter

an den Reichskanzler

_

_

71

354

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Konstan-

355

tinopel

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

4"

nachm.

72 72

356

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

5'

nachm.

73

357

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

5'

nachm.

74

X

Zeit

Lfde.

des Abgangs

IVJr

-tunde

Tageszeit

358

359

630

nachm.

360

361

nachm.

362

363

364

365

365a

366

367

368

369

370

371

nachm.

37a

373

abends

374

375

Datum und Überschrift

Zeit der Ankunft

Stunde Tageszeit

Noch: 29. Juli Der Geschäftsträger in Cetinje

an das Auswärtige Amt

Der Kaiser

an den Zaren

Der Geschäftsträger in Athen

an das Auswärtige Amt

Der Reichsl<anzler

an den Botschafter in Wien . .

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt

Der Zar

an den Kaiser

Der Botschafter in Paris

an das Auswärtige Amt

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

Der Verweser des Generalkonsulats in Moskau

an das Auswärtige Amt

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten in Kopenhagen

Der Große Generalstab

an das Auswärtige Amt

Der Reichskanzler

an den englischen Botschafter

Prinz Heinrich von Preußen

an den Kaiser

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten in Brüssel..

nachm.

nachm.

nachm. nachm. nachm. nachm. nachm. nachm. nachm. nachm.

nachm. nachm.

nachm.

XI

Zeit

Zeit

Lfde.

Nr

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

>tuncle

Tageszeit

-»tunde

Tageszeit

Noch: 29. Juü

376

wie

Nr. 375

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten in Brüssel

98

376a

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

10'*

nachm.

100

377

lO"

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien . .

101

378

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

10"

nachm.

101

379

Der Geschäftsträger in Bukarest an das Auswärtige Amt

11°

nachm.

102

380

11»

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Petersburg

103

381

Der Geschäftsträger in Athen

an das Auswärtige Amt

11"

nachm.

104

382

Zwei Artikel des »Daily Chronicle- vom 29. JuH 1914 mit Randbemer- kungen des Kaisers

104

30. Juli

383

12"

vorm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien . .

116

384

12"

vorm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien . .

117

385

12"

vorm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien . .

117

386

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

12*°

vorm.

118

387

,.,50

vorm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Petersburg

119

388

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

,30

vorm.

119

389

1"

vorm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger in Bu- karest

I**

vorm.

120

390

Der Zar

an den Kaiser

121

391

2**

vorm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Petersburg

122

392

2"

vorm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Petersburg

122

XII

Zeit

Zeit

Lfde.

Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch : 30. Juli

393

2"

vorm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in London

123

394

Der Geschäftsträger in Cetinje

an das Auswärtige Amt

2"

vorm.

123

395

2"

vorm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien . .

124

396

vorm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien . .

125

397

3^

vorm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Petersburg

126

398

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt

3.0

vorm.

127

399

vorm.

Der Reichskanzler

an den Kaiser

128

400

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

6"

vorm.

129

401

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

7'°

vorm.

130

402

vorm.

Randbemerkungen des Kaisers vom 30. Juli vorm. zum Artikel der »Morning Post« vom 28. Juli 19 14: „Efforts towards Peace"

133

403

Der Gesandte in Brüssel

an den Reichskanzler

vorm

134

404

Der Verweser des Konsulats in Kowno an das Auswärtige Amt

vorm.

135

405

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt

10*'»

vorm.

136

406

11°

vorm.

Der Reichskanzler

9n den Gesandten in Stockholm

136

407

11.5

vorm.

Der Reichskanzler

an den Kaiser

_

137

408

II"

vorm.

Der Reichskanzler

an den Kaiser

138 139

409

II"

vorm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in London

_

410

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

11"

vorm.

140

XIU

Zeit

Zeit

Lfde.

Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch: 30. Juü

411

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt

11"

vorm.

140

412

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

12"

nachm.

141

413

I2*°

naciim.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Petersburg

142

414

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

12'«

nachm.

142

415

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

l"

nachm.

'43

416

Der Gesandte in Belgrad (z. Z. in Nisch)

an das Auswärtige Amt

2^

nachm.

143

417

2"

nachm.

Prinz Heinrich von Preußen

an den König von England. . .

144

418

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

3'°

nachm.

'45

419

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

3,0

nachm.

146

420

330

nachm

Der Kaiser

an den Zaren

'47

421

~

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

3"

nachm.

.48

422

Der Generalkonsul in Warschau an den Reichskanzler

nachm.

149

423

Der Staatssekretär des Auswärtigen an eine Reihe deutscher diplo- matischer Vertreter im Aus- lande (abgesandt am 30. und

150 152

424

Der Große Generalstab

an das Auswärtige Amt

nachm.

425

Aufzeichnung des Unterstaatssekre-

•53 '54

426

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten im Haag...

427

"

Die österreichisch-ungarische Bot- schaft

an das Auswärtige Amt

nachm.

'55

XIV

Zeit

Zeit

Lfde. Nr.

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeil

stunde

Tageszeit

Noch: 30. Juli

428

Die österreichisch-ungarische Bot- schaft

an das Auswärtige Amt

nachm.

,56

429

Autzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen für den .Reichskanzler

157

430

Der Botschafter in Paris

an das Auswärtige Amt

43»

nachm.

158

431

4*'

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Konstan- tinopel . . .

158

432

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

5"

nachm.

159

433

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

5"

nachm.

'59

434

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

5"

nachm

161

435

Der Botsch;ifter in London

an das Auswärtige Amt

5"

nachm.

161

436

Der Geschäftsträger in Athen

an das Auswärtige Amt

6"

nachm.

162

437

7"

nachm.

Der Kaiser

an den Kaiser von Österreich. .

162

438

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

8"

nachm.

163

439

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

8"

nachm.

.63

440

8"

nachm.

Der Reichskanzler

an den Kaiser

164 164

441

9"

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien . .

442

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien . .

_

166

443

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

9"

nachm.

166

444

9-

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in London

167

445

Der Militärbevollmächtigte am rus- sischen Hofe

an das Auswärtige Amt

10»

nachm.

167

XV

Zeit

Zeit

Lfde. Nr

des Abgangs

Datum und Überschrift

der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

Noch: 30. Juli

446

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

10»

nachm.

l6(f

447

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

10"

nachm.

170

448

Der Botschafter in Wien

an das Auswärtige Amt

10"

nachm.

170

449

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

II»

nachm.

171

450

u"

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien . .

_

172

451

~

"

Entwurf eines nicht abgesandten Telegramms des Reichskanzlers an den Botschafter in Wien . .

172

452

.

Der König von England

an Prinz Heinrich von Preußen

11'°

nachm.

'73

453

,,so

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger in Athen

_

'74

454

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

!2°

mitter-

455

Der Botschafter in Paris

an das Auswärtige Amt

12»

nachts mitter-

•74

456

Protokoll der Sitzung des k. preu- ßischen Staatsministeriums am

nachts

'75

30 Juli 1914

'75

31. Juli

457

1 2** vorm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Rom...

180

458

1

Der Botschafter in Rom

an das Auswärtige Amt

12"

vorm.

180

459

_

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

12"

vorm.

181

460

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

12"

vorm.

181

461

,30

vorm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Paris...

182

46a

vorm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Petersburg

183

463

~

~

Der Geschäftsträger in Bukarest an das Auswärtige Amt

vorm.

183

XVI

Lfde. Nr.

Zeit

des Abgangs

Datum und Überschrift

Zeit der Ankunft

Seite

Stunde

Tageszeit

Stunde

Tageszeit

464

2*'

vorm."

Noch: 31. Juli

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien . .

184

465

Der Botschafter in Wien

an das Ausv^^ärtige Amt

433

vorm.

184

466

6"

vorm.

Der Reichskanzler

an den Kaiser

186

467

Der Generalkonsul in Antwerpen

vorm.

t88

468

Aufzeichnung des Dirigenten der politischen Abteilung im Aus- wärtigen Amt

vorm.

188

469

Der Botschafter in London

an das Auswärtige Amt

10=

vorm.

189

470

Die Fürstin Pleß

an den Kaiser

10"

vorm.

189

471

Nicht verwendeter Entwurf eines Telegramms des Kaisers

an den König von Rumänien . .

190

472

10"

vorm.

Der Kaiser

an den König von Rumänien. .

191

473

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

,j40

vorm.

191

474

12°

mittags

Der Kaiser

an das Reichsmarineamt und den Admiralstab

192 194

475

12"

nachm.

Der Staatssekretär des Auswärtigen

an den Geschäftsträger in

Bukarest

476

Der Geschäftsträger in Cetinje

an das Auswärtige Amt

12=°

nachm.

194

477

12"

nachm.

Der Kaiser

an den König von England...

196

478

Der Botschafter in Petersburg

an das Auswärtige Amt

j35

nachm.

197

479

I"

nachm.

Der Reichskanzler

an den Botschafter in Wien . .

198

Nr. 279

Der Reichskanzler an den Botschafter in London*

Telegramm 184 Berlin, den 28. Juli 1914^

Sir Edw. Grey hat ausdrücklich und wiederholt erklärt, daß ihn der österreichisch -serbische Konflikt nichts angehe, daß er dagegen in einem österreichisch -russischen Konflikt zu vermitteln bereit sei und dabei auf unsere Älithilfe rechne. Mit diesem Stand- punkt hatten wir uns vollkommen einverstanden erklärt. Jetzt hat Sir Edward diesen Standpunkt verlassen und unsere Vermittlungs- aktion dahin erbeten, daß Österreich die serbische Antwort als ge- nügend oder doch wenigstens als Grundlage für weitere Besprechun- gen ansehen möchte^. «

Das erstere petitum ist unerfüllbar. Wir können Wien im- möghch* anraten, die serbische Antwort, die es sofort, und ohne daß sie zu unserer Kenntnis gekommen wäre, als ungenügend zurückge- wiesen hat, nachträglich zu sanktionieren. Wir sind England sehr weit entgegengekommen, wenn wir bezüglich des zweiten petitums die Vermittlungsaktion übernommen haben ^. Ich rechne mit Be- stimmtheit darauf, daß England diesen unsern entgegenkommenden Schritt gebührend einschätzen wird. Ob die serbische Antwort bis an die Grenze des Möglichen geht, habe ich noch nicht nachprüfen können, da sie erst soeben in meine Hände gelangt ist. Verdächtig ist die Tatsache, daß Serbien, noch bevor es seine Antwort übergab, mobilisiert hat. Das läßt auf ein schlechtes Gewissen schließen.

' Nach dem Konzept von der Hand des Reichskanzlers. Ursprünglich vom Kanzler geschriebenes Datum 27. Juli, nachher in 28. Juli geändert.

^ 28. Juli 2*' vorm. zum Haupttelegraphenamt.

^ Siehe Nr. 258.

■• »unmöglich« vom Kanzler aus »nicht« geändert.

° »bezüglich übernommen haben« vom Kanzler geändert aus dem

ursprünglich von ihm niedergeschriebenen: »in Adaptierung dem veränder- ten Standpunkt Sir Edwards folgend, eine Vermittlungsaktion dahin über- nommen haben, daß wir Wien den englischen Wunsch, die serbische Antwort als Grundlage für Besprechungen anzusehen, zur Erwägung vor- gelegt haben.«

Aktenstücke II. 2

Die Annahme Sir Edwards, daß es Österreich auf eine Nieder- werfung Serbiens abgesehen habe, kann ich um so weniger als zu- treffend ansehen, als es Rußland ausdrücklich erklärt hat, es strebe keinerlei Territorialerwerb an oder wolle den Bestand des serbischen Königreichs antasten, eine Erklärung, die auf Rußland ihren Ein- druck nicht verfehlt hat. Österreich will und dazu hat es nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht Sicherheit dagegen haben, daß nicht seine Existenz durch die großserbische Agitation, die schließlich in der Freveltat von Sarajevo ihren Ausdruck gefunden hat, immer weiter unterhöhlt wird. Das hat mit Prestigepolitik oder mit einem Ausspielen des Dreibundes gegen die Triple-Entente schlechterdings nichts zu tun •.

So sehr wir in vöUiger Übereinstimmung mit England und hoffentlich in fortgeseztem Zusammenwirken mit ihm nach allen Richtungen bestrebt sind, den europäischen Frieden aufrechtzuer- halten, so wenig können wir ein Recht Rußlands oder gar der Triple-Entente anerkennen, für die serbisclien Umtriebe gegen Öster- reich einzutreten.

Ew. pp. ersuche ich ergebenst, nach diesen Gesichtspunkten Ihre Sprache zu regeln.

Bethmann Hollweg

Der hier ursprünglich folgende Satz; «Ein Recht Rußlands oder gar der Triple-Entente, für die serbischen Umtriebe gegen Österreich einzutreten, können wir nicht anerkennen« ist vom Kanzler wieder gestrichen.

Nr. 280

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt'

Telegramm 116 Wien, den 27. Juli 1914^

Habe sofort persönlich dringend Text der serbischen Note erbeten^. Baron Macchio teilte mir darauf mit, daß bei Überbürdung der Bureaus es nicht möghch sei, Kopie der umfangreichen Note so schnell herzustellen. Immerhin würde das möghchste geschehen, um mir noch heute abend Note zuzustellen.

^ Nach der Entzifferung.

^ Telegramm, datiert vom 27. Juli, autgegeben in Wien 28. Juli i*» vorm., angekommen im AuswärtigenAmt4'' vorm. Eingangsvermerk: 28. Juli vorm. ^ Siehe Nr. 246.

Soeben einhalb zwölf Uhr nachts geht mir Note mit erläuternden Bemerkungen österreichisch - ungarischer Regierung gedruckt zu. Da Note nebst Bemerkungen heute abend Presse mit- geteilt wird, habe ich, auch mit Rücksicht auf deren Umfang fast sechs Druckseiten , von deren telegraphischer Übermittelung absehen zu sollen geglaubt.

T s c h i r s c h k y

Nr. 281

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt'

Telegramm 115 Wien, den 27. JuH 1914-

Graf Berchtold suchte mich heute spät abends auf, um mir nachstehendes zu melden :

Hier ist Telegramm von Graf Szäpäry auf Grund Meldung Militärattaches eingetroffen, daß Nachrichten sich verdichten, wonach Militärbezirke Kiew, Warschau, Odessa, Moskau Mobilisierungsbefehl erhielten bei gleichzeitigem Einziehen von Reservisten. Bezirke Petersburg und Wilna, wahrscheinlich auch Kasan, hätten Befehl zur Vorbereitung Mobilisierung, jedoch ohne Reservisten.

Chef des Generalstabs ist der Ansicht, daß Moment gekommen wäre, falls Bestätigung über russische mihtärische Maßnahmen Berlin vorliegt, mit Rücksicht auf wünschenswerte Klarstellung militärischer Lage in Petersburg zu erklären, daß in dieser Mobilisierung derartige Bedrohung an Süd- und Westgrenze Rußlands vorliegt, daß ent- sprechende Gegenmaßregeln ergriffen werden müßten.

Freiherr Conrad von Hötzendorf ist weiter der Ansicht, daß \oii einer solchen Erklärung in Petersburg Rumänien sofort verständigt und gegebenenfalls aufgefordert werden sollte, sich der Erklärung anzuschließen. Vielleicht wäre dies auch gegebener Augenblick für Publizierung Bündnisvertrags mit Rumänien, nachdem Herr Beldiman Graf von Szäpäry gegenüber erwähnt hat, daß leitende Kreise in Rumänien infolge der jüngsten Ereignisse Mittel und Wege suchen zur Veröffentlichung des Vertrags.

Tschirschky

* Nach der Entzifferung.

' Telegramm, datiert vom 27. Juli, aufgegeben in Wien, 28. Juli i" vorm.,

angekommen im Auswärtigen Amt 28. Juli vorm. Eingangsvermerk

28. Juli vorm.

Nr. 282

Der Botscliafter in Petersburg an das Auswärtige Amt*

Telegramm 167 St. Petersburg, den 27. Juli 1914^

Habe eben Sasonow Kenntnis von Inhalt der Telegramme Nr. 126 und 128^ gegeben. Minister bat mich, Ew. Exz. für beide Mitteilungen, die ihm einen sehr guten Eindruck machten, zu danken und dabei zu versichern, daß der Appell an unsere altbewährten guten Beziehungen warmen Widerhall bei ihm findet und ihn tief rührt. Ew. Exz. könnten versichert sein, daß Rußland das Ver- trauen in seine Friedensliebe nicht täuschen werde. Er sei bereit, in seinem Entgegenkommen gegen Österreich bis zur Grenze zu gehen und alle Mittel zu erschöpfen, um Krisis friedlicher Lösung entgegenzuführen.

Nachdem Österreich sein Territorial-Desinteressement erklärt und noch keinen feindhchen Schritt gegen Serbien unternommen habe, sei nach seiner Ansicht der Augenblick gekommen, durch Gedankenaustausch zwischen den Mächten Mittel zu suchen, um Österreich »goldene Brücken zu bauen« ; welcher Weg zur Erreichung dieses Ziels eingeschlagen werde, sei ihm gleich. Der Wunsch, Österreich zu demütigen, liege ihm gänzlich fern. Er bitte aber dringend, zu bedenken, daß, wenn diejenigen österreichischen For- derungen, die serbische Souveränitätsrechte antasten, erfüllt würden, ein revolutionäres Regime ans Ruder kommen werde, das noch schlimmer als jetziges sein werde. Ich entgegnete, Serbien werde auf jeden Fall einige sehr bittere Pillen schlucken müssen. Auf faule Proteste werde sich Österreich wohl nicht einlassen, ob for- melle Milderung einiger Punkte möglich, entzieht sich meiner Beur- teilung. Auf jeden Fall müsse den Provokationen Serbiens, durch welche Europa nun schon zum dritten Male innerhalb fünf Jahren

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Petersburg 27. Juli 8'" nachm., angekommen im Ausw. Amt 28. Juli 4^" vorm. Eingangsvermerk: 28. Juli vorm. Randnotiz des Reichskanzlers vom 28. Juli: «S. M. vorgetragen v. B. H. 28. 7.« Auf einem der Entzifferung angehefteten Blatt bemerkt der Kanzler zu Pourtales' Telegramm: »Es ist mir doch zweifelhaft, ob wir Lichnowsky das Sasonowsche Telegramm in extenso mitteilen dürfen. Er erzählt alles an Sir Edward in ungeschickter Weise, und dieser könnte noch nachgiebiger gegen Rußland werden, wenn er so offenkundig sieht, daß der Draht zwischen Berlin und Petersburg durchaus nicht abgerissen ist. Wenigstens ist diese Wirkung möglich. Es wird also sehr auf die Form ankommen, in der Lichnowskv instruiert wird und in der er mit Sir Edward spricht. V. B. H. 28.«

^ Siehe Nr. 198 und 219.

vor Schwelle des Krieges gebracht wurde, ein für alle Mal Ende bereitet werden, da jetziger Zustand nachgerade für Europa uner- träglich geworden sei. Daher sollte auch Europa Österreich bei seiner Auseinandersetzung mit Serbien nicht in den Arm fallen. Sasonow wollte Hoffnung nicht aufgeben, daß Milderung einiger Punkte der an Serbien gestellten Forderungen von Österreich werde erreicht werden können. Er bat dringend um unsere Mitwirkung in diesem Sinne. Es müsse sich ein Weg finden lassen, imi Serbien unter Schonung seiner Souveiänitätsrechte verdiente Lektion* zu erteilen. Ich bemerkte dazu, es müßte aber auch für die Zukunft Garantie geschaffen werden, daß Serbien sich seinen übernommenen Verpflichtungen nicht wieder entziehe. Wenn Serbien als gleich- berechtigtes Mitglied europäischer Staatenfamilie behandelt werden wolle, mü>se es sich auch als Kulturstaat verhalten. Die Einwen- dungen des Ministers gegen diese an Serbien geübte Kritik waren heute viel schwächer als vor zwei Tagen, Sprache des Ministers die- selbe versöhnliche wie gestern. Mit Bezug auf ersten Teil Telegramms Nr. 128 verwies Sasonow auf gestrige Unterredung Majors Eggeling mit Kriegsminister^.

Pourtales

* Siehe Nr. 323.

* Siehe Nr. 242; siehe ferner Nr. 300.

Nr. 283

Der Reichskanzler an den Kaiser^

Berhn, den 27. Juli 1914^^

Ew. M. unterbreite ich anbei alleruntertänigst ein soeben ein- gelaufenes Telegramm des Fürsten Lichnowsky^. Entsprechend den Befehlen Ew. M. habe ich die Anregimg Sir Edward Greys dem Grafen Berchtold unterbreitet*. Österreichs Sache wird es sein, dazu Stellung zu nehmen. Wollten wir jede Vermittlerrolle a limine abweisen, zumal da London und Paris fortgesetzt auf Petersburg einwirken, so würden wir vor England und der ganzen Welt als verantwortlich für die Konflagration und als eigentliche Kriegstreiber

' Nach dem Konzept von der Hand des Reichskanzlers.

^ Randbemerkung des Kanzlers: »Morgen früh mit Boten nach dem Neuen

Palais«; abgegangen durch Boten 28. JuH 'vorm. ^ Siehe Nr. 258. Jagov? hatte in einer für den Kanzler bestimmten Notiz

gefragt: »Soll das Telegramm S. M. vorgelegt werden? Es dürfte S. M.

wohl kaum vorzuenthalten sein?« * Siehe Nr. 277.

6

dastehen. Das würde uns einerseits unmöglich machen, im eigenen Lande die jetzige gute Stimmung aufrechtzuerhalten, andererseits aber auch England von seiner Neutralität abbringen.

Aller untertänigst V. Bethmann Hollweg'

Nr. 284

Der Geschäftsträger in Cetinje an das Auswärtige Amt*

Telegramm 18 Cetinje, den 27. Juli 1914^

Dringend !

österreichische Behörden in Cattaro haben heute früh sämtliche dort befindlichen Montenegriner ausgewiesen. Hiesiger Ministerrat hat es als Gegen - maßregel beschlossen, alle in Montenegro lebenden Österreicher auszuweisen. Von österreichischen Küstenorten werden starke Truppenhäufungen ge- meldet. Regierung fürchtet österreichischen Hand- streich gegen Lowtschen. König hat österreichischem kann er garnicht! Militärattache gesagt, er^ jperde alles tun, um Das glaube ihm der Krieg mit Österreich ^u vermeiden. Erregung in Deibel Cetinje im Wachsen. Post- und Telegraphen-

verbindung mit Cattaro vorläufig unterbrochen, österreichischer Gesandter bittet Wien zu benach- richtigen, daß die Telegraphenverbindung Cetinje— Cattaro unterbrochen, und zwar angeblich durch österreichische Behörden. Da Montenegro ihn ver- hindert, Boten zur Post nach Cattaro zu schicken, könne er keine Verbindung mit Wien herstellen.

Zech

1 Nach der Entzifferung.

- Aufgegeben in Cetinje 27. Juli 11^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 28. Juli 7= vorm. Eingangsvermerk: 28. Juli vorm. Entzifferung lag dem Kaiser vor, der durch Randverfügung Mitteilung an den Botschafter in Wien anordnete; von ihm am 28. Juli zurückgegeben. Zechs Tele- gramm am 28. Juli von Jagov^r dem Botschafter in Wien mitgeteilt, io^° vorm. zum Haupttelegraphenamt gegeben.

"^ »er« vom Kaiser zweimal unterstrichen.

7

Nr. 285

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt*

Telegramm 370 Konstantinopel, den 28. Juli 1914 ^

Ganz Geheim!

Großwesir ließ mich soeben zu sich rufen und bat mich, Sr. M. dem Kaiser Bitte seines Souveräns zu unterbreiten, Deutschland möge mit der Türkei auf kurze Zeit ein geheimes Schutz- und Trutzbündnis gegen Rußland schließen und der Türkei damit den Eintritt in den Dreibund ermöglichen. Casus soll eintreten, wenn Rußland Türkei oder Deutschland bzw. österreicli -Ungarn angreift, oder wenn Deutschland bezw. der Dreibund zum Angriff gegen Rußland schreitet. Gegen andere Länder als Rußland verlangt die Türkei keinen Schutz. In allen internationalen Fragen wie Kapi- tulationen, Dette etc. soll alles beim alten bleiben. Türkische Be- dingung wäre, daß S. M. der Kaiser die Militärmission im Kriegs- fall der Türkei beläßt. Dagegen würde sich die Türkei verpflichten, eine Form zu finden, unter der die Oberleitung der türkischen Armee und das tatsächliche Kommando V4 Armee beim Ausbruch des Kriegs der Militärmission übertragen wird.

Die Verhandlungen sollen streng geheim geführt werden, auch vor den türkischen Ministern. Großwesir bittet mich, mit keinem meiner Kollegen vorläufig davon zu sprechen und bezeichnete es als »indispensable«, daß auch Mahmud Muchtar Pascha nicht eingeweiht würde.

Wangenheim

' Nach der Entziti'erung.

- Aufgegeben in Konstantinopel 28. Juli i*= vorm., angekommen im Aus- wärtigen Amt 7-" vorm., Eingangsvermerk: 28. Juli nachm.

Nr. 286

Der Gesandte in Kristiania an das Auswärtige Amt*

Telegramm 17 Kristiania, den 27. Juli 1914^

Besuch französischen Präsidenten Kristiania heute abgesagt.

Oberndorff

1 Nach der Entzirt'erung.-

Aufgegeben in Kristiania 27. Juli ii** nachm., angekommen im .Aus- wärtigen Amt 28. Juli 8^ vorm. Eingangsvermerk: 28. Juli vorm. Tele- gramm lag dem Kaiser vor, von ihm am 29. Juli zurückgegeben.

8

Nr. 287

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Rom^

Telegramm 25 Berlin, den 28. Juli 1914^

Bitte sagen, daß wir italienische Wünsche betreffend Kompen- sation insoweit unterstützen, als wir Wien auf Notwendigkeit einer Verständigung mit Itahen bereits hingewiesen haben und weiter hinweisen ^.

Jagow

'■ Nach dem Konzept von Jagows Hand. 2 g3o vorm. zum Haupttelegraphenamt. ^ Siehe Nr. 260 und 267.

Nr. 288

Der Botschafter in Petersburg an den Reichskanzler^

St. Petersburg, den 26. Juli 1914'^

Alle hiesigen Blätter besprechen in eingehenden Ausführungen den Ernst der durch die Ablehnung des österreichischen Ultimatums von Serbien ge- schaffenen Lage.

Der gegenwärtigen Situation widmet die heutige »Nowoje Wremja« drei Artikel. Der erste, die »österreichische Depesche« überschriebene Artikel sucht die in der österreichischen Note enthaltenen Hinweise auf die verbrecherische Tätigkeit serbischer Offiziere und Beamte zu diskreditieren, und ver- gleicht sie mit dem Friedjung- Prozeß. Das Vor- gehen Österreichs beweise nur eins, nämlich die Absicht, Serbien zu vernichten. Weiter heißt es dann, Österreich werde sich ohne das Einverständnis j .,, Deutschlands nie da^u entschließen, eine neue und

öffentliche Verletzung des Völkerrechts ^u begehen. Der deutsche Kaiser brauche nur jjjref Worte \u sagen, und Österreich werde seine Note \u-

» Nach der Ausfertigung.

'^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 28. Juli vorm. Bericht lag dem Kaiser vor, von ihm am 30. Juli zurückgegeben.

Nein das war mir riicknehmen^. Dem Kaiser sei bekannt, daß nicht bekannt! Rußland Serbien mit seiner ganzen militärischen Ich konnte nicht ^acht unterstützen werde, daß der Überfall auf 7e7''zaTTich auf ^^^'^^^^ ^^" ^'"^'^^ ""'^ Rußland bedeute, sowie, daß sZtenZn Banditen ^^''^'■'^^^'''^ und Frankreich dann in den Krieg und Königsmör- hmemgezogen werden wurden.

dem stellen würde, Die moralische Verantwortung für die drohende

selbst auf die Ge- Vernichtung der eiiropäischen Zivilisation falle auf fahr hin einenEurop.Denischla.nd und seinen erhabenen Führer. Krieg pi entfesseln. «Frieden oder Krieg« lautet die Überschrift

fS^^ft/n gT ^^^ zweiten Artikels. Das Vorgehen Österreichs wird '■^ ^5!" ^." darin als Raubzug dargestellt, mit dem zugleich Ts^^^Slavisch^'oda- ^^^^' ^^'^ 'i^opi Serbiens hinweg das Schwert gegen Lateinisch. Rußland gerichtet sei ; Rußland wisse, daß die Her-

ausforderung ihm gelte ; Rußland habe das Kriegs- gewitter nicht geweckt, es werde aber voll und ganz für seine Ehre eintreten.

Noch habe Österreich Zeit, sich zu besinnen, noch habe es Zeit, dem Blutgerichte zu entrinnen. Den, der den Krieg beginne, strafe Gott!

Der dritte Artikel heißt: »Die gegenwärtige Lage«.

Die Antwort auf die Frage, ob wir uns am Vorabend eines europäischen Krieges befinden, müsse man in Berlin suchen. Wenn Deutschland be- schlossen habe, daß es unvorteilhaft sei, weitere Kräftevermehrungen des Zweibundes, insbesondere Rußlands, abzuwarten, und es für erforderlich halte, den Krieg jetzt schon herbeizuführen, würden alle Bemühungen der Mächte erfolglos sein. In dem Falle sei es zweifellos, daß die unerhörte öster- reichische Note unter Mitwirkung Deutschlands zustande gekommen sei, daß dieser Schritt, den Krieg zu provozieren und Rußland und Frankreich darin zu verwickeln, von Deutschland ausgehe. Die dies- bezüglichen Nachrichten in diplomatischen Kreisen seien aber unbestimmt. Jedenfalls sei, wenn es sich um einen Bluff gehandelt habe, die Absicht nicht gelungen. Weiter heißt es dann: »Ein fried- licher Ausgang ist nur dann möglich, wenn hinter dem Rücken Österreichs nicht Deutschland steht, das sich entschlossen hat, Krieg zu führen. Dann ist alles vergeblich und die Stunde des europäischen Kriegs nicht mehr abzuwehren.«

Am Rand Ausrufungszeichen des Kaisers.

IG

Gestützt auf seine Macht und das unerschütter- liche Bündnis mit Frankreich sehe Rußland den Ereignissen ruhig entgegen. Die Friedensliebe Ruß- lands sei bekannt, aber Rußland erkenne seine historische Aufgabe und sei bereit, auch die ent- scheidendsten Schritte zu tun, die die Ereignisse er- fordern sollten.

Im Gegensatz zur »Nowoje Wremja« steht die »Semschtschina«. Sie verurteilt das Ultimatum, schreibt aber dann, es sei fern von ihr, Serbien auf- zuhetzen. Die russische Regierung sei verpflichtet, nach Möglichkeit Serbien zurückzuhalten sowie gleichzeitig auf Österreich einzuwirken. Offenbar sei die Regierung auch in dieser Richtung tätig. Sollte Österreich es auf einen Krieg abgesehen haben, so müsse man Maßnahmen ergreifen, um denselben zu verhindern, ohne dabei Europa in den Krieg zu verv/ickeln. Durch Deutschland oder Italien müsse man auf Österreich einwirken.

Bei einem «allgemeinen Schlachten« würde Rußland auch in einen Krieg mit Deutschland ver- wickelt werden, den weder Rußland noch die Deutschen wollten. »Bis jetzt bestehen zwischen uns noch gute Beziehungen, warum sollen die zur Er- haltung des Friedens nicht ausgenutzt werden ? « Über die Äußerung Suchomlinows, daß alles bereit sei, könne man sich ja freuen, aber darum würde man in Deutschland vielleicht noch eher auf unsere Stimme, Österreich zu beeinflussen, hören.

Die Nachricht von der ablehnenden Haltung Österreichs gegenüber der serbischen Antwort bedeute noch nicht, daß Österreich den Einwirkungen Deutschlands unzugänglich sein werde.

Ähnlich betrachtet die »Rjetsch« die Situation. »Es scheint,« schreibt das Blatt, »daß ungeachtet der Provokation der ,Nowo je Wremja' die äußersten Maßnalimen von Deutschland noch nicht beabsichtigt sind. Daß die Hoffnung auf einen friedlichen Aus- gang oder im äußersten Falle auf eine Lokalisierung des Konflikts noch nicht verloren ist, kann man aus den von uns wiedergegebenen Nachrichten einiger Londoner Handelskreise schließen, welche die von England einzimehmende Stellung betreffen. England beabsichtige, seine Vermittelung anzubieten, deren Zweck darin besteht, die österreichische Note in zwei Teile zu teilen, nämlich einen politischen, der Gegenstand der Verhandlungen der Mächte sein

II

muß und den anderen über die sarajevosche An- gelegenheit, die zwischen Österreich und Serbien verhandelt werden soll. In diesem Falle handele es sich nicht um Verschuldungen Serbiens, es liege ein .Präventiv -Krieg' vor, und dies nicht be- merken — heiße den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen«.

»Es ist Zeit, ein Ende zu machen«, schreibt der »Petersburgski Kurjer«, Für Rußland sei es ein Lebensinteresse, daß die slawischen Staaten, die eine Seitendeckung für Rußland auf dem Wege nach den Dardanellen gegen den »Drang nach dem Osten« bilden, nicht unter fremden Einfluß geraten. Ein Krieg gegen Österreich und Deutschland würde auch unter der russischen Intelligenz populär sein, die in Deutschland die verkörperte Reaktion und die Wiege des Militarismus sehe.

Der »Swjet« verlangt die »unverzügliche Mobil- machung der russischen Armee«.

Die »Birshewija Wjedomosti« stellen fest, daß Rußlands Antwort auf die »schreiend drohende« österreichische Note eine einmütige Unterstützung in der ganzen russischen Presse gefunden habe. Das Verhalten der russischen Regierung habe gezeigt, daß Diplomatie und öffentliche Meinung einen Anschlag Österreichs auf das Territorium und die Unabhängig- keit Serbiens für durchaus unzulässig halten,

F. Pourtalds

Nr. 289

Der Botschafter in Petersburg an den Reichskanzler*

St. Petersburg, den 26. Juli 1914^

Die am heutigen Sonntag ausnahmsweise erschienene »Wetschernoje Wremja« bringt den in Übersetzung gehorsamst beigefügten Artikel. Nach den mir seitens eines befreundeten Kollegen mitgeteilten Äußerungen des Herrn Paleologue dürfte es keinem Zweifel tmter- liegen, daß hinter der »hochautoritativen Person hchkeit« der hiesige Französische Botschafter zu suchen ist,

F, PourtaRs

* Nach der Ausfertigung.

- Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 28. Juli vorm. Bericht lag mit der Anlage (Nr. 290) dem Kaiser vor, der durch Randverfügung Mitteilung an den Botschafter in Paris anordnete, die indessen unterblieben ist; vom Kaiser am 30. Juli ins Amt zurückgelangt.

12

Nr. 290

Anlage zum Bericht des Botschafters in Petersburg vom 26, Juli 1914

was denn? Wie denn? Dann hätte der Zar nicht an

mich appellieren brauchen !

an die Fürsten- mörder

Mobilmachung

leider nein wenn sie

so fortfahren wie

bisher

Wetschernoje Wremja, den 13./26. Juli 1914

Wir hatten heute Gelegenheit, uns mit einer hochautoritativen Persönlichkeit zu unterhalten.

Von russischer Seite ivar alles gemacht worden, damit der Konflikt ^wischen Serbien und Österreich keinen großen Umfang annehmen sollte, aber die Wiener Regierung hat es nicht für nötig befunden, auf die Stimme der Gerechtigkeit zu hören, und hat sich anscheinend entschlossen, die Sache unbedingt bis zum Kriege zu bringen.

Die diplomatische Rolle Rußlands Österreich gegenüber kann man als abgeschlossen betrachten, da das Wiener Kabinett auf die gestern vom Fürsten Kudaschew dem österreichischen Minister des Äußern überreichte Note negativ geantwortet hat.

Bei einer solchen Sachlage sind meiner Ansicht nach die Chancen für einen Krieg erheblich gestiegen, und wir befinden uns am Vorabend großer Ereig- nisse.

Die österreichischen Truppen können jede Stunde die serbische Grenze überschreiten, und dann erscheint die Rolle Rußlands völlig bestimmt und klar im Sinne der Erweisung der notwendigen militärischen Hilfe.

Auf Anordnung des Kriegsministers Suchomlinow sind gestern die zur Verhütung irgendeiner Kata- strophe notwendigen Maßnahmen ergriffen worden. Jedenfalls werden unsere Feinde uns nicht über- raschen können.

Was unseren Verbündeten Frankreich und unseren Freund England betrifft, so hat es sich nach dem erfolgten Meinungsaustausch erwiesen, daß wir völlig solidarisch handeln und Hand in Hand ein und dieselbe Aufgabe verfolgend vor- gehen werden. Es ist möglich, daß die Lage im letzten Augenblick durch die Einmischung des Königs von Italien gerettet werden kann, aber dafür ist nur eine schwache Hoffnung vorhanden. Man muß nicht vergessen, daß hinter den Kulissen der

13

Schwein! vorsieh gehenden Ereignisse Deutschland steht, das

augenscheinlich den gegenwärtigen Moment für sehr geeignet hält, um mit Frankreich abzurechnen. Die Berliner leitenden Kreise erklären offen, daß sie mit dem empörenden Betragen Österreichs vöUig sym- pathisieren. Ohne eine solche Sympathie würde die Wiener Regierung sich nie zu einem Vorgehen ent- schließen, das durch keinerlei Tatsachen gerecht- fertigt erscheint.

also der Fürstenmord ist eine Bagatelle

Nr. 291

Der Militärbevollmächtigte am russischen Hofe an den Kaiser^

St. Petersburg, den 13/26. Juli 1914^

ivleinem Telegramm von heute nacht^ lasse ich nachstehendes alleruntertänigst folgen:

Gestern war der Kaiser mit der ganzen Suite von morgens bis abends zu Besichtigungen in Krasnoje. Der Inhalt der öster- reichischen Note war durch die Zeitungen gerade bekannt geworden und hat durch den scharfen Ton und zu detaillierten Inhalt große Entrüstung hervorgerufen. Im Ministerrat tags zuvor war be- schlossen, eine Verlängerung der Frist von Wien zu erbitten. Die ablehnende Antwort Berchtolds traf vormittags in Krasnoje ein. Bis dahin war die Stimmung im Hauptquartier ernst und unruhig. Nach dem Frühstück schlug sie in tiefgehendste Empörung gegen Österreich um. Der Kriegsminister, Großfürst Nikolai, General- stabschef etc. wurden zum Kaiser gerufen, und es entstand eine Unruhe im Lager, die auf wichtige Beschlüsse hindeutete. Bei der Nachmittagsbesichtigung wurde bekannt, daß die Lagerübungen abends ihren Abschluß finden, die Manöver abgesagt sind und alle Truppen zurückkehren. General Adlerberg, der Gouverneur von St. Petersburg, verschnappte sich hierbei und sagte zur »Mobilisie- rung«. Baron Grünwald, der Oberstallmeister, ein sehr deutsch- freundlich gesinnter Herr, saß neben mir beim Diner und sagte, »die

' Der Chef des Militärkabinetts übersandte das Original des Cheliusschen Berichtes dem Auswärtigen Amt; auf Verfügung des Reichskanzlers vom 28. Juli wurde der Bericht am 31. Juli an den Chef des Militär- kabinetts zurückgeschickt.

■■' Nach einer bei den Akten befindlichen Abschrift des Berichts.

■' Siehe Nr. 194.

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Lage ist sehr ernst; was heute mittag beschlossen ist, darf ich Ihnen nicht sagen, Sie werden es wohl selbst bald erfahren ; nehmen Sie aber an, daß es sehr ernst aussieht.« Er stieß mit mir noch an mit den Worten: »Hoffentlich sehen wir uns in besseren Zeiten wieder.« Nach dem Essen kamen drei Herren der Suite einzeln zu mir, ver- mutlich im höheren Auftrage, um zu erfahren, ob man in Berlin die österreichische Note wohl gekannt und vor Überreichung in Belgrad gebilligt habe. Ich konnte nur antworten, daß wohl hierzu kaum Zeit vorhanden gewesen sei. Von der Abend-Theatervorstellung bin ich fern geblieben, was insofern gut war, als der Kaiser eine lange, demonstrative Ovation bekam, die vom Großfürsten Nikolai vor- bereitet war. Der Kaiser war sonst ungemein ruhig und ließ von einer Erregung nichts merken. S. M. begrüßte mich zweimal mit Händedruck ungemein freundlich, aber ohne ein Wort zu sagen. Vor Tisch hielt S. M. die beifolgende Ansprache* an die Kriegs- schüler und beförderte sie zu Offizieren, was als Ausnahmemaß- regel angesehen werden muß, da die Beförderung, wie alljährlich, erst später erfolgen sollte.

Im Lager wurde die Kunde von der Mobilisierung der an der österreichischen Grenze stehenden Militärbezirke Kiew und Odessa verbreitet. Wenn dies auch unbestätigt ist und durch die strenge Zensur, die über die militärischen Maßnahmen verhängt wurde, kaum vor einigen Tagen zu erfahren sein wird, hatte man den bestimmten Eindruck, daß eine Mobilisierung angeordnet ist. Dies haben wohl folgende Umstände veranlaßt: Erstens der Ton der Note, Ruß- land fühlt sich hierdurch schwer verletzt; noch nie habe ein Staat gegen einen schwächeren eine solche Sprache geführt; Rußland müsse seinen Stammesgenossen beistehen und könne nicht dulden, daß Serbien zermalmt werde. »Was daraus entsteht, ist uns ganz gleich, wir würden mit unserer Geschichte brechen, wenn wir hier

* Text der Ansprache des Zaren (nach der bei den Akten befindlichen Abschrift): »Ich wollte Euch sehen und befahl, Euch zu versammeln, um Euch vor dem Euch bevorstehenden Dienste einige Worte zu sagen. Gedenket Meines Gebotes: Glaubt an Gott, sowie an die Größe und den Ruhm Unseres Vaterlandes. Trachtet ihm und Mir aus allen Kräften zu dienen und Euere Pflicht zu erfüllen, in welcher Lage Ihr auch wäret und welche Stelle Ihr einnehmen solltet. Begegnet Eueren Vorgesetzten mit Ehrerbietung und seid kameradschaftlich gegeneinander, welcher Truppe Ihr auch angehören möget, dessen eingedenk, daß jeder von Euch als ein Teil Unserer großen Armee einem Vaterlande und seinem Herr- scher dient. Verhaltet Euch streng, jedoch gerecht gegen die Euch unter- stellten Mannschaften und seid bemüht, ihnen in allem als Vorbild zu dienen, sowohl im als außerhalb des Dienstes. Ich wünsche Euch von Herzen in allem Erfolg und bin überzeugt, daß jeder von Euch sich unter allen Verhältnissen als würdiger Nachkomme Unserer Vorfahren erweisen sowie Mir und Rußland ehrenhaft dienen wird. Ich gratuliere Euch zur Beförderung als Offizier.«

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einfach gleichgültig zusehen. Österreich hätte Rußland von einer solchen Note verständigen müssen ; so aber ist es eine Beleidigung einer Großmacht, welche mit Serbien befreundet ist und dieses nicht der Willkür Österreichs preisgeben kann.« Dies die Ansicht des Kriegsministers.

Zweitens die Ablehnung einer Fristverlängerung.

»Rußland hat den guten Willen gezeigt, noch vor Ablauf der Frist vermittelnd einzugreifen; die Ablehnung ist ein unerhörter Affront Österreichs, das uns behandelt, als wenn wir nicht da wären. Unter Anerkennung aller Empörung in Österreich über das Atten- tat in Sarajevo durfte es nicht in einer Weise handeln, die allen diplomatischen Gepflogenheiten widerspricht. Ein Krieg zwischen Österreich und Serbien ist Krieg mit Rußland.« Dies die Ansicht der Umgebung des Kaisers. Alle Einwendungen prallten ab, da diese Parole ausgegeben war.

Drittens die Ansicht, daß man in Berlin von der Note Kenntnis gehabt und sie gebilligt habe. Letzteres wurde bereits dementiert, aber die Annahme hat den Eindruck hervorgerufen, daß nach dem Besuch von Poincare, der ein festeres Zusammenschließen Rußlands und Frankreichs erzielt habe, vom Dreibund aus der russischen Monarchie ein Schlag mit der Faust ins Gesicht versetzt werden sollte, und dazu habe man das unglückliche Serbien gewählt, um es mit einem Fuß zu zertreten und den Ententemächten die Stirn zu bieten.

Diese drei Faktoren haben eine ungeheure Erregung entfacht. Auf der anderen Seite erhoffen die älteren Herrn, wie General Fredericksz, der großen Einfluß beim Kaiser hat, eine Vermittlung Englands, dessen Desinteressement nach den Erklärungen der »Westminster Gazette« ihnen nicht sehr willkommen, aber doch in diesem Falle praktisch erscheint.

Die Besorgnis, einen Krieg führen zu müssen, während in ganz Rußland der Aufruhr der Arbeitermassen brennt, steht doch manchem höher als das Interesse an Serbien, denn man fürchtet, daß die Demonstrationen von mehreren hunderttausend Arbeitern, die besonders in Petersburg beinahe revolutionären Charakter trugen, auch der Mobilmachung dadurch Eintrag tun könnten, daß man in allen großen Städten starke Truppenkontingente zurücklassen muß.

Gestern abend 6 Uhr lief die Frist der Note in Belgrad ab. Ein General der Suite, mit dem ich gerade in Krasnoje im Gespräch war, sah nach der Uhr und sagte: »Nun werden wohl die Kanonen auf der Donau mit dem Feuer begonnen haben, denn eine solche Note kann man doch nur dann absenden, wenn die Kanonen geladen sind.«

Dies ist jedoch nicht geschehen, und Österreich scheint abzu- warten. Damit ist wohl die Krisis vorüber, und der Vermittlung

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sind die Tore geöffnet. Sasonow freut sich, denn die Arbeit der Diplomaten, die beinahe aufgehört hätte, kann nun von neuem be- ginnen. Hätte Österreich noch gestern abend Belgrad besetzt, wäre die Welt vor ein Fait accompli gestellt worden. Ein Tropfen serbisches Blut konnte als Sühne angesehen werden, Österreich hatte es in der Hand, weiteres Blutvergießen zu vermeiden und in Ver- mittlungsvorschläge einzutreten. Die Meinung Rußlands »l'Autriche aboie mais ne mord pas« wird nun von neuem Nahrung erhalten. Zum Besuch Poincares bemerke ich noch alleruntertänigst, daß der Kaiser, so oft ich es beobachten konnte, ihn sehr kühl und von oben herab behandelte, was auch in der ganzen Umgebung auf- gefallen ist. Unter den alten Herren im Hauptquartier will man überhaupt von der Entente mit Frankreich wenig wissen und neigt vielmehr zum Monarchenbund mit Deutschland hin. Dem Kaiser selbst ist, wie mir Baron Grünwald sagte, die ganze Franzosen- freundschaft unsympathisch, was S. M. oft geäußert haben soll. Der Tod des alten Fürsten Meschtschersky, des Herausgebers des »Grash- danin«, den S. M. täglich liest, bedeutet hierfür einen großen Ver- lust, und die deutschfreundliche Presse hat mit ihm eine ihrer wenigen Stützen verloren. In der jetzigen Krisis hätte er ein kräftiges Wort gesprochen.

von C h e 1 i u s Generalleutnant und General ä la suite

Nr. 292

Der Botschafter in Paris an den Reichskanzler^

Paris, den 24. Juli 1914^

Bei meiner Unterredung mit dem den Ministerpräsidenten und Minister des Äußern vertretenden Justizminister Herrn Bienvenu- Martin über den österreichisch-serbischen Konflikt habe ich mit be- sonderem Nachdruck hervorgehoben, daß die k. Regierung den Streit als eine ausschließlich zwischen den beiden Beteiligten auszutragende Sache betrachte und sich der Hoffnung hingebe, daß wie sie selbst, so auch die Regierungen anderer Mächte, aufs ernsteste für Lokalisierung des Konfliktes bemüht sein werden.

Die hiesige Auffassung nach den ersten Eindrücken ist Ew. Exz. bereits bekannt eigener Wille zur Nichteinmischung, aber dieser

* Nach der Ausfertigung.

■'' Abgegangen 26. Juli; Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 28. Juli vorm

Wille, wie stets in Balkanfragen, durch Rücksichtnahme auf Ruß- land beeinträchtigt. Man hat hier zwar Verständnis dafür, daß das' Wiener Kabinett sich durch die serbischen Umtriebe zu einem energischen Vorstoß gedrängt gesehen hat, meint aber, daß die Form eine unnötig scharfe sei und daß die Forderungen in einzelnen Punkten so weit gehen, daß ihre Annahme mit der Souveränität und der Würde eines selbständigen Staates nicht vereinbar erscheine. In diesem Übermaß der Forderungen liege ein der Erhaltung des Friedens nicht günstiges Moment, denn es sei nicht anzunehmen, daß Rußland einer derartigen Demütigung eines Slawenstaates gegenüber gleichgültig bleiben könne.

Ich habe meine rein persönliche Meinung geäußert, ich fände es begreiflich, daß Österreich-Ungarn nach den mit Serbien seit Jahren und in letzter Zeit besonders gemachten schlimmen Erfah- rungen die Würde dieses Staates nicht mit dem gleichen Maßstabe messe wie diejenige anderer Staaten. Österreich-Ungarn, weit ent- fernt, das Feuer an Europa legen zu wollen, erwerbe sich meiner Ansicht nach geradezu ein Verdienst um Erhaltung des Friedens, wenn es, nachdem vielfache Appelle an die Anstandspflichten des serbischen Nachbarn erfolglos geblieben, nun dazu schreite, mit starker Hand den nicht nur für seine Integrität, sondern auch für den allgemeinen Frieden überaus gefährlichen Brandherd zu er- sticken. Im übrigen könne ich nur betonen, daß uns das Wiener Kabinett nicht um Rat befragt habe, und daß wir noch weniger es zu dem scharfen Schritt in Belgrad veranlaßt haben. Aber nachdem seine Forderungen zur öffentlichen Kenntnis gelangt, könnten wir sie nur für durchaus berechtigt halten.

Herr Bienvenu-Martin, der mit auswärtigen Dingen wenig ver- traut ist, ließ noch den stellvertretenden politischen Direktor Ber- thelot an der Unterredung teilnehmen. Beide suchten von mir zu erfahren, ob die österreichisch-ungarische Demarche in Belgrad nur als eine ernste Mahnung oder aber als ein Ultimatum aufzufassen sei, und ob demgemäß noch Platz für Verhandlungen über einzelne der Forderungen, die Serbien schwerlich annehmen könne, bleibe oder nicht.

Ich habe es vermieden, über diesen Punkt auch nur eine per- sönliche Meinung zu äußern und nur erneut darauf hingewiesen, daß es sich für andere Mächte dringend empfehle, sich jeder Ein- mischung zu enthalten, da ein Heraustreten aus neutraler Haltung bei dem »jeu des alliances« unabsehbare Folgen haben müßte.

V. S ch oe n

Aktenstücke II

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Nr. 293

Der Kaiser an den Staatssekretär des Auswärtigen^

Neues Palais, 28. VII. 14 10 Uhr V. M.^ Ew. Exzellenz

Nach Durchlesung der Serbischen Antwort, die ich heute Morgen erhielt, bin ich der Überzeugung, daß im Großen und Ganzen die Wünsche der Donaumonarchie erfüllt sind. Die paar Reserven, welche Serbien zu einzelnen Punkten macht, können M. Er. nach durch Verhandlungen wohl geklärt werden. Aber die Kapitulation demüthigster Art liegt darin orbi et urbi verkündet, und durch sie entfällt jeder Grund zum Kriege.

Dennoch ist dem Stück Papier, wie seinem Inhalt nur be- schränkter Werth beizumessen, solange er nicht in die T h a t umge- setzt wird. Die Serben sind Orientalen, daher verlogen, falsch und Meister im Verschleppen. Damit diese Schönen Versprechungen Wahrheit und Thatsache werden, muß eine douce violence geübt werden. Das würde dergestalt zu machen sein, daß Österreich ein Faustpfand (Belgrad) für die Erzwingung und Durcliführung der Versprechungen, besetzte und solange behielte bis t h a t - sächlich die petita durchgeführt sind. Das ist auch nothwen- dig um der zum ßten Male umsonst mobilisierten Armee eine äußere satisfaction d'honneur zu geben den Schein eines Erfolges dem Ausland gegenüber, und das Bewußtsein wenigstens auf frem- dem Boden gestanden zu haben ihr zu ermöglichen. Ohne dem dürfte bei Unterbleiben eines Feldzuges eine sehr üble Stimmung gegen die Dynastie aufkommen die höchst bedenklich wäre. Falls Ew. Exz. diese meine Auffassung theilen, so würde Ich vor- schlagen: Österreich zu sagen: Der Rückzug Serbiens in sehr demüthigender Form sei erzwungen, und man g^:atuliere dazu. Natürlich sei damit ein Kriegs grund nicht mehr vor- handen. Wohl aber eine Garantie nöthig, daß die Ver- sprechungen ausgeführt würden. Das würde durch die mili- tärische vorübergehende Besetzung eines Theils von Serbien wohl erreichbar sein. Ähnlich wie wir 1871 in Frankreich Truppen stehen ließen bis die Milliarden gezahlt waren. Auf dieser Basis bin Ich bereit, den Frieden in Österreich zu vermit- teln. Dagegenlaufende Vorschläge oder Proteste anderer Staaten würde ich unbedingt abweisen, umsomehr als alle mehr oder weni- ger offen an Mich appellieren den Frieden erhalten zu helfen. Das werde ich thun auf Meine Manier, und so schonend für das öster-

^ Nach dem bei den Akten befindlichen Originalhandschreiben des Kaisers.

Vgl. dazu die Randbemerkung zur serbischen Antwormote Nr. 271. 2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts : 29. Juli nachm.

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reich. Nationalgefühl und für die Waffenehre seiner Armee als möglich. Denn an letztere ist schon bereits seitens des obersten Kriegsherrn appelliert worden, und sie ist dabei dem Appell zu folgen. Also muß sie unbedingt eine sichtbare satisfac- tion d'honneur haben ; das ist Vorbedingung für meine Ver- mittlung. Daher wollen Ew. Exz. in dem skizzierten Sinne einen Vorschlag Mir unterbreiten; der nach Wien mitgetheilt werden solP. Ich habe im obigen Sinne an Chef Generalstabes durch Plessen schreiben lassen, der ganz meine Ansicht theilt.

Wilhelm LR^

ä Siehe Nr. 308 und 323.

Nr. 294

Das Konsulat in Riga an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 2 Riga, den 28. Juli 1914^

Gestern war Einfahrt Hafen wegen Legun^ Kontaktminen bis Nachmittag gesperrt, nachher wurde Stettiner Dampfer Regina eingelassen. Die Leuchtfeuer sind gelöscht, die Eisenbahnbrücken militärisch besetzt, die Truppen aus dem Lager bei KurtenhofT aus- gerückt, die Eisbrecher Peter der Große und Zar Michael nach Petersburg beordert. Frachtwaggons werden Privaten ver- weigert.

Konsulat

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Riga 28. Juli, angekommen im Auswärtigen Amt 28. Juli 11»^ vorm. Eingangsvermerk: 28. Juli nachm. Am 28. Juli dem General- stab, Admiralstab, Reichsmarineamt und dem Kriegsministerium mit- geteilt, abgesandt durch Boten 5" nachm.

Nr. 295

Der Verweser des Generalkonsulats in Moskau an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 4 Moskau, den 27. Juli 1914^

Dringend!

Spät abends Mobilmachung angeblich im Gange. Es heißt in Kiew, Warschau, Wilna. Es reisen fortgesetzt Offiziere aller

1 Nach der Entzifferung.

2 Datiert vom 27. Juli, aufgegeben in Moskau 28. Juli 12^" vorm., ange- kommen im Auswärtigen Amt 12'° nachm.; Eingangsvermerk: 28. Juli nachm. Am 28. Juli gemäß Randverfügung Zimmermanns dem General- stab, Admiralstab, Reichsmarineamt und Kriegsministerium mitgeteilt, abgesandt durch Boten nachm.

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Waffengattungen vom Alexander- (Moskau-Brester-) Bahnhof ab. Hier wurden gestern Nacht Reservisten erster Husaren einberufen. Hiesige Twer-Dragoner haben Befehl, sofort zur Truppe zu stoßen; wenn diese abgegangen, nachfolgen. Es heißt, daß hier im ganzen drei Regimenter mobilisiert sind. Vermutlich noch die hiesigen Kosaken. Siebente Grenadiere noch hier. Stimmung äußerlich ganz ruhig, keinesfalls feindselig. Geheimkommission hoher Offi- ziere aus Petersburg hat in Erfahrung gebracht, daß Arbeiter äußerst feindselig gegen Mobilisierung und entschlossen, diese wo- möglich zu verhindern. Diese F.eststellung soll sehr starken Ein- druck gemacht haben. Bauern ausschließlich an Ernte interessiert, Kaufmannschaft nicht kriegslustig. Polizei hier gilt nicht als ganz zuverlässig gegenüber etwaigen Arbeiterunruhen. Truppen von Arbeitern streng getrennt gehalten. Botschaft benachrichtigt.

H a u s ch i 1 d Nr. 296

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 172 St. Petersburg, den 28. Juli 1914^

Odessa meldet am 27. d.M.: Einziehung vieler Reserveoffi- ziere und angebliche Zusammenziehung von sehr viel Artillerie im Lager.

Pourtales

^ Nach der Entzifferung.

■'' Aufgegeben in St. Petersburg 12" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt I* nachm. Eingangsvermerk: 28. Juli nachm. Am 28. Juli dem Generalstab, Admiralstab, Reichsmarineamt und Kriegsministerium mit- geteilt, abgesandt durch Boten 5'' nachm

Nr. 297

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt *

Telegramm 173 St. Petersburg, den 28. Juli 1914^

Die Sprache, welche mein italienischer Kollege mir gegenüber führt, läßt erkennen, daß man in Rom keineswegs über die Ab-

1 Nach der Entzifferung.

^Aufgegeben in Petersburg i^i nachm, angekommen im Auswärtigen Amt 2'-*^ nachm.; Eingangsvermerk: 28. Juli nachm. Am 28. Juli von Jagow nach Vornahme kleiner Änderungen telegraphisch den Botschaftern in Rom (136) und Wien (177J mitgeteilt, Telegramme 9" nachm. zum Haupttelegraphenamt, dort abgefertigt ii^-'^ nachm., auf der Botschaft in Wien angekommen 29. Juli 6<> vorm.

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sichten Österreichs beruhigt, vielmehr sehr mißtrauisch ist, daß Österreich doch an territoriale Erwerbungen denke. Marquis Car- lotti behauptet, Wiener Kabinett habe bisher vermieden, in dieser Beziehung kühne^ Erklärungen abzugeben, die geeignet wären, Be- sorgnisse Italiens zu zerstreuen. Bin aufrichtig bemüht, Miß- trauen meines italienischen Kollegen, welches vermutlich hier stark genährt wird, zu bekämpfen.

Pourtales

^ »kühne« der Entzifferung von Jagow in den Mitteilungen nach Rom und Wien in »keine« geändert; in Wien entziffert »bündige«.

Nr. 298

Der Geschäftsträger in Bukarest an das Auswärtige Amt^

Telegramm 44 Sinaia, den 27. Juli 1914^

S. M. der König hat Graf Hutten-Czapski zwei Telegramme ausi Petersburg und Paris lesen lassen. Nach rumänischem Ge- sandten Petersburg hat man dort den Eindruck, daß in Berlin krie- gerische Stimmung herrsche. Sasonow wolle Frieden, Kaiser unter- stütze ihn bis jetzt, aber einflußreiche panslawistische und serbo- phile Partei sei so stark, daß man befürchte, der Monarch könnte umgestimmt werden.

Pariser Gesandter telegraphiert, er habe Eindruck, Regierung wünsche für den Augenblick keinen Krieg.

König sagte ferner dem Grafen, russischer Gesandte habe drei- mal dem König gegenüber betont, Mobilisierung Rußlands er- strecke sich nur auf österreichische, nicht auf deutsche Grenze. König annehme, daß Poklewski ihn dieser Tage amtlich fragen werde, was Rumänien tun werde, falls Rußland Österreich angreifen würde. König will Gegenfrage stellen, ob Rußland Österreich an- greifen werde.

W a 1 d b u r g

* Nach der Entzifferung.

' Aufgegeben in Sinaia 27. Juli, angekommen im Auswärtigen Amt 28. Juli 3^^ nachm., Eingangsvermerk: 28. Juli nachm.

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Nr. 299

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien^

Telegramm 173 Berlin, den 28. Juli 1914^

Geheim !

Militärische Nachrichten über Rußland bisher auch hier nur als Gerüchte bekannt und noch nicht bestätigt.

Auch nach Ansicht Generals von Moltke dürfte kategorische Erklärung in Petersburg heute noch verfrüht erscheinen. Doch könnte vielleicht Graf Szäpäry unter Vermeidung jeder drohenden Form dortige Regierung auf Gerüchte anreden und Konsequenzen andeuten.

Herr Beldiman sagte bei Rückkehr aus Rumänien, daß Ver- öffentlichung des Geheimvertrages ohne vorherige Vorbereitung des Landes unmöglich schiene.

Rumänien müsse sich auch, solange Würfel nicht gefallen, jeder Provokation Rußlands enthalten.

Bethmann Hollweg

1 Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand.

2 320 nachm. zum Haupttelegraphenamt, auf der Botschaft in Wien ange- kommen 6° nachm

Nr. 300

Der Reichskanzler an den Botschafter in Petersburg^

Telegramm 130 Berlin, den 28. JuH 1914^

Zustimme durchaus Ew. Exz. Sprache^

Bitte Herrn Sasonow sagen, daß ich ihm für seine Mitteilung und versöhnlichen Geist derselben dankbar bin und weiter hoffte, daß territoriale Desinteressements-Erklärung Österreichs Rußland genügen und als Basis für weitere Verständigung dienen würde.

Bethmann Hollweg

' Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand.

2 335 nachm. zum Haupttelegraphenamt.

3 Siehe Nr. 282.

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Nr. 301

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 171 London, den 28. Juli 1914^

Die Mitglieder der hiesigen österreichischen Botschaft, einschließ - Uch des Grafen Mensdorff, haben in ihren Gesprächen mit den Mit- gliedern der Botschaft und mit mir nie das geringste Hehl daraus gemacht, daß es Österreich lediglich auf NiederAA'crfung Serbiens ankomme, und daß die Note absichtlich so gefaßt wurde, daß sie abgelehnt werden mußte. Als die Nachricht am Sonnabend Abend hier von der »Central News« verbreitet wurde, Serbien habe nach- gegeben, waren die genannten Herren geradezu niedergeschmettert. Graf Mensdorff sagte mir gestern noch vertraulich, man wolle in Wien unbedingt den Krieg, da Serbien »niedergebegelt« werden solle. Auch erzählten die genannten Herren, man beabsichtige, Teile von Serbien an Bulgarien (und vermuthch auch an Albanien) zu ver- schenken^. Ich möchte aber dringend bitten, diese Äußerungen nicht in Wien zu verwerten, da ich meine freundschaftlichen Beziehungen zu Graf Mensdorff nicht aufs Spiel setzen will. Ob die Herren sich auch anderen Personen gegenüber in ihren Gesprächen ähnlich äußerten, weiß ich nicht, die Annahme dürfte aber nicht unberechtigt sein, daß es sich nicht bloß um so harmlose, pädagogische Monita handeln sollte, zu denen die mangelhafte Vigilanz des polnischen Schwätzers Bilinski den Anstoß gab.

Ich bin hier stets energisch für den österreichischen Standpunkt eingetreten und habe den Herren Sir E. Grey und Sir W. Tyrrell aus- einandergesetzt, daß schon der Selbsterhaltungstrieb den Grafen Berchtold veranlassen müßte, eine aktive Tätigkeit zu entfalten, da er und Österreich sonst in eine unhaltbare Stellung gerieten. Das haben sie auch eingesehen, und ich glaube, daß die bisherige objektive Haltung der hiesigen Regierung nicht zum geringsten Teil auf unseren vertrauensvollen Beziehungen beruht.

Lichnowsky

' Nach der Entzifferung. Siehe Nr. 361.

■•' Aufgegeben in London 12*^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 3''^ nachm. Eingangsvermerk: 28. Juli nachm.

2 Dazu die Randbemerkung des Reichskanzlers vom 28. Juli: »Diese Zwei- deutigkeit Österreichs ist unerträglich. Uns verweigern sie Auskunft über ihr Programm, sagen ausdrücklich, daß die Ausführungen des Grafen Hoyos, welche auf eine Zerstückelung Serbiens hinausliefen, rein private gewesen seien, in Petersburg sind sie die Lämmer, die nichts Böses im Schilde führen, und in London spricht ihre Botschaft von Verschenkung serbischer Gebietsteile an Bulgarien und Albanien.«

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Nr. 302

Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler *

Wien, den 27. Juli 1914''

Gestern abend fanden vor hiesiger italienischer Botschaft leb- hafte Kundgebungen für Italien statt. Bei den in später Nacht- stunde vor dem Rathaus erfolgten Kundgebungen der Menge wurde neben österreichischen und deutschen patriotischen Liedern auch die italienische Hymne Marcia Reale gesungen. Wie mir Graf Stürgkh vertraulich mitteilt, sind diese Kundgebungen für Italien von ihm veranlaßt worden.

Bei der Gelegenheit habe ich den Ministerpräsidenten gefragt, ob er der Idee nähergetreten wäre, Italien eine Freundlichkeit in der hiesigen inneren Politik zu erweisen. Graf Stürgkh sagte mir, er sei dabei zu prüfen, auf welchem Wege die italienische Universi- tät baldmöglichst aktiviert werden könne.

von Tschirschky

^ Nach der Entzifferung.

* Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 28. Juli nachm. Am 31. Juli nach Vornahme kleiner Änderungen dem Botschafter in Rom mitgeteilt.

Nr. 303

Der preußische Gesandte in Karlsruhe an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten (Reichskanzler) ^

Karlsruhe, den 27. Juli 19 14"

Angesichts der bedrohlichen politischen Lage erlaubte ich mir, telegraphisch den vorläufigen Verzicht auf meinen Urlaub nach Cowes zu melden.

Sollten Ew. Exz. meine Anwesenheit in England indessen für erwünscht halten, weil ich dort durch viele einflußreiche Freunde vielleicht nützlich wirken könnte, so wäre ich jederzeit bereit abzu- reisen.

Von der Haltung Englands hängt es jetzt zweifellos vornehm- lich ab, ob der Krieg lokalisiert bleibt. Ergeht von London eine entschiedene Warnung nach Petersburg und Paris, so wird man sich dort kaum in das Abenteuer eines großen Krieges stürzen.

^ Nach der Ausfertigung.

' Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 28. Juli nachm.

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Es rächt sich bitter, daß unsere Politik in der Vergangenheit die guten Beziehungen zum Britischen Reiche nicht zu wahren wußte und seit dem Frieden von Schimonoseki das englische Miß- trauen oft geradezu hervorgerufen hat. Das war unbedingt zu ver- meiden, unsere früheren verantwortlichen Staatsmänner tragen eine schwere Verantwortung in dieser Beziehung. Wir hatten es meines Erachtens in der Hand, die Entente mit den Zweibund- mächten zu verhüten und uns und dem Dreibund die Freundschaft, zum mindesten die wohlwollende Neutralität der Briten, zu er- halten,

Straßendemonstrationen provokatorischer Art sind hier bis jetzt nicht vorgekommen. Vor einigen Zeitungsredaktionen und KafTeehäusern haben radaulustige Leute die Wacht am Rhein und Deutschland über alles gesungen, aber von einer gerüchtweise aus Mannheim gemeldeten feindlichen Kundgebung vor dem dortigen russischen Konsulat ist dem Minister des Innern nichts bekannt. Die Großherzogliche Regierung wird solche aufreizenden Kund- gebungen mit aller Energie verhindern.

Fast die gesamte Presse und öffentliche Meinung tritt dafür ein, daß wir gegebenenfalls verpflichtet sind, Österreich unsere Hilfe zu gewähren, aber ehrliche Begeisterung für einen Krieg zum Schutze des beinahe halbslawischen Bundesgenossen besteht nach meinen Wahrnehmungen nicht.

Auf Italiens tatkräftige Unterstützung rechnet im Grunde hier niemand.

V. Eisendecher

Nr. 304

Der englische Botschafter an den Staatssekretär des Auswärtigen^

Berlin, July 27, 1914^^ Aide Memoire

Sir Edward Goschen has been instructed by Sir Edward Grey to ask His Excellency Herr von Jagow whether he would be disposed to instruct the German Representative in London to join with the Representatives of Italy and France and Sir Edward Grey in a Con- ference to be held in London at once in Order to endeavour to find an issue to the present complications. With this view, the Represen-

^ Nach der Ausfertigung.

' Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 28. Juli nachm.

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tatives at Vienna, St. Petersburgh and Beigrade should, in Sir Edward Grey's opinion, be authorised, in informing the Government to which they are accredited of the above Suggestion, to request that, pending the results of the Conference, all active military Operations should be suspended.

Übersetzung

Notiz

Sir Edward Goschen ist von Sir Edward Grey beauftragt worden, S. Exz. Herrn von Jagow zu fragen, ob er geneigt wäre, den deutschen Vertreter in London anzuweisen, mit den Vertretern Italiens und Frank- reichs und Sir Edward Grey an einer Konferenz teilzunehmen, die sofort in London abzuhalten wäre und danach trachten müßte, einen Ausweg aus der gegenwärtigen verwickelten Lage zu finden. Zu diesem Zweck sollten nach Ansicht Sir Edward Greys die Vertreter in Wien, St. Petersburg und Belgrad ermächtigt werden, die Regierung, bei der sie beglaubigt sind, von der obigen Anregung zu benachrichtigen und zu beantragen, daß alle aktiven militärischen Operationen aufgeschoben werden, bis ein Ergebnis der Kon- ferenz vorliegt.

Nr. 305

Die österreichisch-ungarische Botschaft an das Auswärtige Amt^

[Berlin, den 28. Juli 1914^]

Graf Berchtold hat die bündigsten Versicherungen seitens der bulgarischen Regierung erhalten, daß Bulgarien sich unbedingt neu- tral verhalten werde. Trotzdem Graf Berchtold dies S. M. König Carol und die rumänische Regierung wissen ließ, kommt sowohl S. M. wie Herr Bratianu dem Grafen Czernin gegenüber immer wieder darauf zurück, daß, den ihnen zugehenden Nachrichten zu- folge, Bulgarien aggressive Tendenzen verfolge, was ganz aus- geschlossen ist.

Nachdem Graf Berchtold überzeugt ist, daß der deutsche Ge- sandte in Sofia auch in der Lage ist, seiner Regierung zu melden, daß die bulgarische Regierung sich ruhig verhalten werde, so er- sucht mich Graf Berchtold, dem Herrn Staatssekretär anheim- zugeben, ob nicht auch er in diesem Sinne beruhigend bei Sr. M. König Carol und Herrn Bratianu einwirken möchte^.

1 Nach der Ausfertigung. Nicht unterzeichnet.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigem Amts: 28. Juli nachm.

^ Siehe Nr. 316

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Nr. 306

Die österreichisch-ungarische Botschaft an das Auswärtige Amt'

[Berlin, den 28. Juli 1914^]

Graf Berchtold hat aus Sofia die Meldung erhalten, der bul- garische Ministerpräsident habe unserem Gesandten gesagt, bul- garischer Gesandter in Belgrad telegraphiere, montenegrinischer Vertreter hätte diesem gegenüber geäußert, Montenegro würde mit Serbien kooperieren.

Auftragsgemäß beehrt sich die k. u. k. Botschaft die k. deutsche Regierung neuerlich zu ersuchen, nach Tunlichkeit auf König Nikolaus und die montenegrinische Regierung wegen Beob- achtung Neutralität einwirken zu lassen.

Es wäre dankenswert, wenn deutscher Vertreter hierbei auf unsere Geneigtheit hinweisen würde, daß wir bereit seien, den auf die Festigung seiner Dynastie und die Wohlfahrt seines Landes zielenden Wünschen des Königs Entgegenkommen zu bekunden'.

' Nach der Ausfertigung. Nicht unterzeichnet.

2 Am 28. Juli von Baron Haymerle im Auswärtigen Amt überreicht. Ein- gangsvermerk des Amts: 28. Juli nachm. ^ Siehe Nr. 322.

Nr. 307

Der Reichskanzler an die preußischen Gesandten bei den deutschen Bundesregierungen ^

Vertraulich! Berlin, den 28. Juli 1914^

Euer pp. wollen der Regierung, bei der Sie beglaubigt sind, folgende Mitteilung machen:

Angesichts der Tatsachen, die die österreichisch-ungarische Re- gierung in ihrer Note an die serbische Regierung bekanntgegeben hat, müssen die letzten Zweifel darüber schwinden, daß das Attentat, dem der österreichisch-ungarische Thronfolger und seine Gemahlin zum Opfer gefallen sind, in Serbien zum mindesten mit der Kon-

^ Nach dem in Maschinenschrift vorliegenden Konzept mit handschrifüichen Änderungen Jagows. Siehe deutsches Weißbuch vom Mai 1915, S. 25, Nr. 2.

"^ Am 28. Juli auf verschiedene Weise den Gesandtschaften in Darmstadt, Karlsruhe, München, Stuttgart, Dresden, Weimar, Oldenburg und Hamburg übermittelt. Am 30. Juli auch den auswärtigen Missionen mit Aus- nahme von Paris, London und Petersburg »zur Regelung Ihrer Sprache« unter Weglassung des ersten und letzten Satzes mitgeteilt.

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nivenz von Angehörigen der serbischen Regierung und Armee vor- bereitet worden ist. Es ist ein Produkt der großserbischen Be- strebungen, die seit einer Reihe von Jahren eine Quelle dauernder Beunruhigungen für die österreichisch-ungarische Monarchie und für ganz Europa geworden sind.

In besonders markanter Form trat der großserbische Chau- vinismus während der bosnischen Krisis in die Erscheinung. Nur der weitgehenden Selbstbeherrschung und Mäßigung der öster- reichisch-ungarischen Regierung und dem energischen Einschreiten der Großmächte war es zuzuschreiben, wenn die Provokationen, welchen Österreich-Ungarn in dieser Zeit von Seiten Serbiens aus- gesetzt war, nicht zum Konflikt führten. Die Zusicherung künftigen Wohlverhaltens, die die serbische Regierung damals gegeben ' hat, hat sie nicht eingehalten. Unter den Augen, zum mindesten unter stillschweigender Duldung des amtlichen Serbiens, hat die groß- serbische Propaganda inzwischen fortgesetzt an Ausdehnung und Intensität zugenommen. Es würde weder mit der Würde noch mit ihrem Recht auf Selbsterhaltung vereinbar sein, wollte die öster- reichisch-ungarische Regierung dem Treiben jenseits der Grenze noch länger tatenlos zusehen, durch das die Sicherheit und die In- tegrität ihrer Gebiete dauernd bedroht wird. Bei dieser Sachlage müssen das Vorgehen sowie die Forderungen der österreichisch- ungarischen Regierung als gerechtfertigt angesehen werden.

Die Antwort der serbischen Regierung auf die Forderungen, welche die österreichisch-ungarische Regierung am 23. d. M. durch ihren Vertreter in Belgrad hat stellen lassen, läßt indessen erkennen, daß die maßgebenden Faktoren in Serbien nicht gesonnen sind, ihre bisherige Politik und agitatorische Tätigkeit aufzugeben. Der öster- reichisch-ungarischen Regierung wird demnach, will sie nicht auf ihre Stellung als Großmacht endgültig Verzicht leisten, nichts anderes übrig bleiben, als ihre Forderungen durch einen starken Druck und nötigenfalls unter der Ergreifung militärischer Maß- nahmen durchzusetzen.

Einzelne russische Stimmen betrachten es als selbstverständ- liches Recht und als die Aufgabe Rußlands, in dem Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien aktiv für Serbien Partei zu er- greifen. Für die aus einem solchen Schritte Rußlands resultierende europäische Konflagration glaubt die Nowoje Wremja sogar Deutsch- land verantwortlich machen zu dürfen, wofern es nicht Österreich- Ungarn zum Nachgeben veranlaßt. Die russische Presse stellt hier- mit die Verhältnisse auf den Kopf. Nicht Österreich-Ungarn hat den Konflikt mit Serbien hervorgerufen, sondern Serbien ist es ge- wesen, das durch eine skrupellose Begünstigung großserbischer Aspirationen auch in Teilen der österreichisch-ungarischen Monarchie diese selbst in ihrer Existenz gefährdet und Zustände geschaffen hat, die schließlich in der frevelhaften Tat von Sarajevo ihren Aus- druck gefunden haben. Wenn Rußland in diesem Konflikt für

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Serbien eintreten zu müssen glaubt, so ist das an sich gewiß sein gutes Recht. Es muß sich aber darüber klar sein, daß es damit die serbischen Bestrebungen auf Unterhöhlung der Existenzbedingungen der österreichisch-ungarischen Monarchie zu den seinigen macht, und daß es allein die Verantwortung dafür trägt, wenn aus dem österreichisch-serbischen Handel, den alle übrigen Großmächte zu lokalisieren wünschen, ein europäischer Krieg entsteht. Diese Ver- antwortung Rußlands liegt klar zutage und wiegt um so schwerer, als Graf Berchtold Rußland offiziell erklärt hat, es beabsichtige, weder serbische Gebietsteile zu erwerben noch den Bestand des ser- bischen Königreichs anzutasten, sondern wolle lediglich Ruhe vor den seine Existenz gefährdenden serbischen Umtrieben haben.

Die Haltung der k. Regierung in dieser Frage ist deutlich vorgezeichnet. Die von den Panslawisten gegen Österreich- Ungarn betriebene Agitation erstrebt in ihrem Endziel, mittels der Zertrümmerung der Donaumonarchie, die Sprengung oder Schwächung des Dreibundes und in ihrer Folgewirkung eine völlige Isolierung des Deutschen Reiches. Unser eigenstes Interesse ruft uns demnach an die Seite Österreich-Ungarns. Die Pflicht, Europa, wenn irgend möglich, vor einem allgemeinen Kriege zu bewahren, weist uns gleichzeitig darauf hin, diejenigen Bestrebungen zu unter- stützen, die auf die Lokalisierung des Konfliktes hinzielen, getreu den Richtlinien derjenigen Politik, die wir seit nunmehr 44 Jahren im Interesse der Aufrechterhaltung des europäischen Friedens mit Erfolg durchgeführt haben. Sollte indes wider Erhoffen durch ein Eingreifen Rußlands der Brandherd eine Erweiterung erfahren, so würden wir, getreu unserer Bundespflicht, mit der ganzen Macht des Reiches die Nachbarmonarchie zu unterstützen haben. Nur ge- zwungen werden wir zum Schwerte greifen, dann aber in dem ruhigen Bewußtsein, daß wir an dem Unheil keine Schuld tragen, das ein Krieg über Europas Völker bringen müßte.

V. Bethmann Hollweg

Nr. 30S

Der Reichskanzler an den Kaiser^

Berlin, den 28. Juli 1914^ Ew. M. melde ich alleruntertänigst, daß ich die befohlene Demarche^ in Wien telegraphisch habe machen

' Nach der Ausfertigung von der Hand des Reichskanzlers.

'^ Auf dem oberen Rand die Bemerkung des Kaisers vom gleichen Tage:

»Einverstanden, irß'- N.-M. 28. VII. iqi4. W.« ^ Siehe Nr. 293 und Nr. 323, die offenbar vor Nr. 308 entworfen war.

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müssen, da es keine regelmäßige Zugverbindung mit Wien mehr gibt.

Dieser Demarche wird es nach meinem ehr- furchtsvollen Dafürhalten entsprechen, wenn Ew. M. nunmehr doch die Gnade haben wollten, ein Telegramm an S. M. den Zaren zu richten. Ein solches Telegramm würde, wenn es dann doch noch zum Kriege kommen sollte, die Schuld Rußlands in das hellste Licht setzen. Einen -Entwurf dazu wage ich alleruntertänigst anzuschließen*. Graf Pourtales ist angewiesen, Herrn Sasonow zu sagen, daß Ew. M. bestrebt seien, Wien zu einer offenen Aussprache mit Petersburg mit dem Ziele zu ver- anlassen, Zweck und Umfang des österreichischen gut Vorgehens in Serbien in unzweideutiger und hoffent-

lich Rußland befriedigender Weise klarzulegen. Die inzwischen erfolgte Kriegserklärung ändere daran nichts^.

Alleruntertänigst

V. Bethmann Hollweg

* Siehe Nr. 335. ^ Siehe Nr. 315.

Nr. 309

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien^

Telegramm 172 BerUn, den 28. Juli 1914^

Hatte Graf Pourtales angewiesen, Herrn Sasonow auf unaus- bleibhche Konseqnenzen feindlicher russischer Maßnahmen gegen uns aufmerksam zu machen, andrerseits ihn aber auch darauf hin- zuweisen, daß die, vom Grafen Berchtold an russischen Geschäfts- träger abgegebene Erklärung über territoriales Desinteressement Rußland genügen und es von Eingreifen abhalten müsse. Wir glaubten, daß damit Basis für Verständigung gefunden sei, und hofften auch im Hinblick auf unsere traditionellen Beziehungen, daß Krieg erspart bhebe. Hierauf telegraphiert Pourtales:

»Habe Sasonow Kennmis von Inhalt der Telegramme gegeben. Minister versöhnliche vsrie gestern'.«

V. Bethmann Hollweg

^ Nach dem Konzept. Entwurt von Jagows Hand.

^ 4^° nachm. zum Haupttelegraphenamt, aut der Botschaft in Wien um

7^5 nachm. angekommen ' Hier ist Pourtales' Telegramm vom 27. Juli (Nr. 282) mit Fortlassung des

Satzes »Mit Bezug Kriegsminister « eingefügt.

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Nr. 310

Der Botschafter in Paris an das Auswärtige Amt^

Telegramm 227 Paris, den 28. Juli 19142

Hatte gestern dem Unterstaatssekretär Ferry eröffnet, daß wir nur zwischen Wien und Petersburg vermitteln können. Ferry warf Gedankenvermittlung der vier nicht unmittelbar beteiligten Mächte ein. Ich gab rein persönlicher Ansicht Ausdruck, daß dabei jede Art von Druck auf Wien sowie förmhche Konferenz zu vermeiden wäre.

Heute Unterredung mit stellvertretendem Minister, der mir sagte, Frankreich habe Vorschlag Sir Edward Greys zugestimmt, Ew. Exz. hätten im Prinzip angenommen, aber bezüglich Form Vor- behalte ähnHcher Art gemacht wie ich gestern persönlich. Minister meint, über diese Formfragen sei leicht hinwegzukommen. Haupt- sache sei der erfreulicherweise allseitig vorhandene gute Wille und schleimiges Handeln. Hier denkt man sich als erste Etappe der Vermittlungsaktion, Österreich-Ungarn zu Mäßigung bei militärischen Operationen zu raten und Garantien der Mächte für Sühne und Wohlverhalten Serbiens zu bieten. Ich habe erneut persönlich an- empfohlen, den berechtigten Bedürfnissen und Empfindlichkeiten Österreich-Ungarns gebührend Rechnung zu tragen.

Schoen

' Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Paris 2* nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 4^° nachm. Eingangsvermerk: 28. Juli nachm. Am 29. Juli von Zimmer- mann telegraphisch den Botschaftern in London, Petersburg, Wien und Rom mitgeteilt, Telegramme (187, 138, 182, 140) 8^'° nachm. zum Haupt- telegraphenamt, auf der Botschaft in Wien angekommen 29. Juli ö"* vorm.

Nr. 311

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt*

Telegramm 118 Wien, den 28. Juli 1914^

Kriegserldärung ist heute 11 Uhr telegraphisch an serbisches Ministerium des Auswärtigen abgegangen.

Tschirschky

' Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Wien 4'" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 6^^ nachm. Eingangsvermerk: 28. Juli nachm. Ein Exemplar der Ent- zifferung am 28. Juli an den Kaiser gesandt.

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Nr. 312

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt*

Telegramm 119 Wien, den 28. Juli 1914^

Graf Berchtold bittet mich, auch mit Bezug auf Schlußsatz dortigen Telegramms 167 ^, Ew. Exz. nochmals nachdrücklichst zu versichern, daß Österreich-Ungarn keinerlei Absicht habe, Lowtschen zu besetzen, falls Montenegro nicht Neutralität gegenüber Monarchie verletzt. ^ Tschirschky

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Wien 4*^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt

yi'* nachm. Eingangsvermerk: 28. Juli nachm. ' Siehe Nr. 269

Nr. 313

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt^

Telegramm 120 . Wien, den 28. Juh 1914^ ''

Geheim !

Graf Berchtold dankt Ew. Exz. verbindlichst für Mitteilung englischen Vermittelungsvorschlags und wird demnächst der k. Re- gierung Antwort zukommen lassen. Der Minister bemerkt schon jetzt, daß, nach Eröffnung der Feindsehgkeiten seitens Serbiens und der inzwischen erfolgten Kriegserklärung, er den Schritt Englands als zu spät erfolgt ansehe.

Tschirschky

1 Nach der Entzifferung. Vergleiche deutsches Weißbuch vom Mai 19 15, S. 31 Nr. 18.

2 Aufgegeben in Wien 4^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 72» nachm. Eingangsvermerk: 28. JuH nachm. Telegramm lag dem Kaiser vor, von ihm am 29. Juli zurückgegeben. Die durch k. Randverfügung angeordnete Mitteilung an den Botschafter in London ist unterblieben

•^ Siehe Nr. 277

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Nr. 314

Der Reichskanzler an den Botschafter in London'

Telegramm 185 Berlin, den 28. Juli 1914*

Wenn die britische Regierung in der Erhaltung de? europäischen Friedens auf Grundlage des Gleichgewichts der Gruppen ihr vor- nehmstes Interesse erblickt, so wird sie uns nicht zumuten können, in imserer vermittelnden Tätigkeit so weit zu gehen, daß wir Österreich- Ungarn direkt zur Nachgiebigkeit gegenüber Serbien zu zwingen^ suchen. Wir würden damit zur Untergrabung der Großmachtstellung Österreich-Ungarns und zur Verändenmg des europäischen Gleich- gewichts zuungunsten des Dreibxmdes beitragen. Wir sind aber weit entfernt, in dem österreichisch-serbischen Konflikt eine Kraftprobe zwischen den beiden europäischen Gruppen zu sehen. Wir betrachten das österreichisch-ungarische Vorgehen ledighch £l1s Mittel, die uner- träglich gewordenen serbischen Provokationen, die innerhalb von fünf Jaliren bereits zum dritten Mal den Frieden Europas emsthch ge- fäJirden, endgültig zu beseitigen. Hieran ist unseres Erachtens Europa gleichmäßig interessiert * .

Wü: setzen übrigens auch in St. Petersburg nachdrücklich unsere Vermittelungsbemühungen fort und hoffen auf Erfolg. Zu Ew. Durchl. hege ich das Vertrauen, daß Sie Sir Edward Grey unsern Stand- punkt verständlich machen werden.

Bethmann Hollweg

' Nach dem Konzept. Entwurf Zimmermanns mit einer Änderung Jagows.

2 8*" nachm. zum Haupttelegraphenamt.

' »zwingen« von Jagow aus Zimmermanns ursprünglichem »bewegen« geändert.

* Hinter »interessiert« ursprünglich von Zimmermann niedergeschriebenes: »Im übrigen beabsichtigt Österreich-Ungarn keineswegs Serbien nieder- zuwerfen, es vill nicht seinen Bestand antasten, sondern ihm nur die wohlverdiente Lektion erteilen und sich Garantien für seine eigene Ruhe für die Zukunft verschaffen« nachträglich von ihm selbst wieder ge- strichen.

Aktenstücke II.

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Nr. 315

Der Reichskanzler an den Botschafter in Petersburg^

Telegramm 131 Berlin, den 28. Juli 1914''

Wir sind fortgesetzt bemüht, Wien zu einer offenen Aussprache mit Petersburg mit dem Ziel zu veranlassen, Zweck und Umfang des österreichischen Vorgehens in Serbien in unanfechtbarer und hoffent- lich Rußland befriedigender Weise klarzulegen. Die inzwischen er- folgte Kriegserklärung ändert hieran nichts 3.

Bethmann Hollweg

1 Nach dem Konzept von der Hand des Reichskanzlers. Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 19(5, S. 31 Nr. 16. Siehe Nr. 343, 345 und 357.

* 90 nachm. zum Haupttelegraphenamt. In gleichzeitig abgesandten Tele- grammen teilt der Kanzler den Botschaftern in Wien (176), London (186) und Paris (171) sein Telegramm an Pourtales im Wortlaut mit. Auf der Botschaft in Wien angekommen am 29. Juli 6" vorm.

* Nachträglich vom Kanzler hier angefügter Zusatz: »Absehen von russischer Mobilmachung würde unsere Bemühungen wesentlich erleichtern« ist nachher von ihm wieder gestrichen worden.

Nr. 316

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger

in Bukarest^

Telegramm 45 Berlin, den 28. Juli 1914*

Herr Beldiman hat hier Besorgnis rumänischer Regierimg ztmi Ausdruck gebracht, daß Rmnänien in voller Erfüllung Bündnispflichten durch aggressives Vorgehen Bulgariens behindert werden könnte.

Bitte König Carol und Herrn Bratianu mitteilen, daß die bulgarische Regierung dem Grafen Berchtold die bündigste Ver- sichervmg gegeben hat', sich unbedingt neutral verhalten zu wollen. Buch nach den Berichten des k. Gesandten in Sofia bestehen in Bulgarien keine gegen Rumänien gerichteten Tendenzen. Zu Be- unruhigungen dürfte demnach in dieser Hinsicht kein Anlaß vorliegen.

Jagow

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Bergens Hand. * 9** nachm. zum Haupttelegraphenamt. ' Siehe Nr. 305.

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Nr. 317

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger

in Bukarest'

Telegramm 44 Berlin, den 28. Juli 1914^

Bitte über Haltung dortiger Presse gegenüber Konflikt zwischen Österreich - Ungarn und Serbien fortlautend evtl. telegraphisch be- richten und insbesondere beobacliten, ob Abrücken von Rußland erkennbar.

Jagow

' Nach dem Konzept. Entwurf von Bergens Hand. 2 nachm zum Haupttelegraphenamt

Nr. 318

Der Gesandte in Sofia an das Auswärtige Amt*

Telegramm 39 Sofia, den 28. Juli 1914^

Hiesige Regierung hat keinerlei schriftliche Neutralitätserklärnng abgegeben. Der Minister- präsident hat meinem serbischen Kollegen ebenso wie mir mündhch erklärt, Bulgarien werde neutral bleiben.

Gestern hat russischer Gesandter dem Minister- präsidenten vorgeschligen, alle Balkanstaaten müßten einen neuen Balkanbund schließen, um Serbien zu

Nach der Entzifferung.

Aufgegeben in Sofia nachm., angekommen im Auswärtigen Ami g^^ nachm.; Eingangsvermerk: 28. Juli nachm. Entzifferung lag dem Kaiser vor, der durch Randverfügung Mitteilung an die Vertretungen in Wien, Athen und Konstantinopel anordnete. Das dem Kaiser vorgelegte Exemplar der Entzifferung gelangte am 29. Juli ins Amt zurück. Bereits am 28. Juli war Michahelles' Bericht den Vertretungen in Wien, Konstantinopel und Bukarest telegraphisch mitgeteilt worden (Telegramme (178, 276, 47) 11*" nachm. zum Hauptteiegnphenamt); am 29. Juli wurde er auch dem Bot- schafter in Rom mitgeteilt (139); 8" nachm. zum Haupttelegraphenamt.

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unterstützen. Der Ministerpräsident hat kur:{ ab- gut gelehnt und bemerkt, Bulgarien werde zugunsten

Serbiens keinen Finger rühren.

Griechischer Kollege hat dem Ministerpräsi- denten erklärt, sein Land brauche Ruhe, könne daher Serbien nicht helfen und halte sich trotz gut seines Bündnisvertrags für nicht verpflichtet dazu.

Mi chahelles

Nr. 319

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten in Stockholm ^

Tel^ramm 18 Berlin, den 28. Juh 1914^

Geheim !

Schwedische Neutralitätserklärung würde voraussichtlich etwaige anderweite Stellungnalime Schwedens später erschweren.

Jagow

1 Nach dem Konzept von Jagows Hand.

2 9'^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.

Nr. 320

Der Reichskanzler an den Botschafter in Konstantinopel *

Telegramm 275 Berlin, den 28. Juli 1914 ^

Geheim !

S. M. ist mit Vorschlag des Großwesirs einverstanden. Der Ver- trag wäre auf folgender Grundlage abzuschließen :

1. Beide Mächte verpflichten sich zur Beobachtung strenger Neutrahtät in dem gegenwärtigen Konflikt zwischen Österreich- Ungarn und Serbien.

2. Sollte Rußland in den Ejrieg aktiv militärisch eingreifen tmd damit für Deutschland der casus foederis gegenüber Österreich -Ungarn gegeben sein, so tritt auch für die Türkei der casus foederis ein.

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Zimmermanns Hand. 2 ^30 nachm. zum Haupttelegraphenamt.

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3- Deutschland beläßt die Militärmission im Kriegsfall der Türkei. Die Türkei stellt die tatsächliche Ausübung des Oberkommandos durch die Militärmission sicher'.

4. Deutschland garantiert der Türkei gegenüber Rußland ihren gegenwärtigen Besitzstand.

5. Der Vertrag gilt für den gegenwärtigen österreichisch-ungarisch- serbischen Konflikt und die sich daraus eventuell ergebenden inter- nationalen Verwicklungen. Er tritt, falls es aus Anlaß dieses Kon- flikts nicht zu einem Krieg zwischen Deutschland und Rußland kommt, ohne weiteres außer Kraft.

Ich ermächtige Ew. Exz. entsprechende Verhandlungen mit Groß- wesir einzuleiten. Über Ihre bisherigen Unterredungen mit Groß- wesir hat Markgraf Pallavicini eingehend nach Wien berichtet. Um strengste Diskretion in Zukunft sicherzustellen, bitte ich, auch Ihrem österreichisch-ungarischen Kollegen gegenüber vorläufig nichts über Ihre Verhandlungen mit Großwesir verlauten zu lassen*.

Bethmann Hollweg

In dem von Zimmermanns Hand geschriebenen Entwurf eines nicht abgegangenen Immediatberichtes (des Kanzlers) an den Kaiser, der die Artikel des vorgesehenen Vertrages mit der Türkei im allgemeinen wie obenstehend autlührt, lautete Artikel 3: »Für die Dauer des Krieges über- nimmt die deutsche Militärmission das Oberkommando über die türkische Armee«. Am Rande dieses Entwurfes der Vermerk des Reichskanzlers vom 28. Juli: »S. M. ist mit der hierneben entworfenen Grundlage ein- verstanden, — Mir ist zweifelhaft, ob Nr. 3, so apodiktisch gefaßt, für die Türkei annehmbar ist. Vielleicht genügt eine Formel, die die tal- säch liehe Ausübung des Oberkommandos durch die Militärmission sicherstellt«. Zimmermann änderte daraufhin für den Entwurf des Er- lasses an Wangenheim den Artikel wie obenstehend ab. Siehe Nr. 411 und 508.

Nr. 321

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger

in Bukarest ^

Telegramm 46 Berlin, den 28. Juli 1914 ^

Zur Verwertung.

Herr Beldiman hatte mir Herrn Bratianu zugegangene Nach- richten mitgeteilt, denen zufolge Bulgarien Reservisten einberufe und Truppen an rumänischer Grenze zusanunenzöge.

' Nach dem Konzept. Entwurf von Bergens Hand. ' 9^0 nachm. zum Haupttelegraphenamt.

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Hierzu telegraphiert Herr Michahelles :

»Alle etwaigen falsch und tendenziös '.«

In gleichem Sinne berichtet der k. Botschatter in Wien.

Jagow

^ Hier ist der zweite Abschnitt von Michahelles' Telegramm vom 27. Juli (Nr. 251) bis zum Worte »falsch« unter Beifügung der Worte »und ten- denziös« hinter »falsch« eingefügt.

Nr. 322

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger

in Cetinje ^

Telegramm 15 Berlin, den 28. Juli 19142

Äußerungen des montenegrinischen Vertreters in Belgrad zufolge soll Montenegro eine Kooperation mit Serbien beabsichtigen^,

Bitte unter Geheimhaltung der Herkunft dieser Nachricht, aber anknüpfend an diesbezügliches Gerücht dem Könige und dortiger Regierung Unterstützung unserer auf Lokalisierung des Konflikts gerichteten Bestrebungen sowie Neutralität dringend anempfehlen. Ew. Hochw. wollen hinzufügen, daß Österreich-Ungarn bereit ist, den auf die Festigung seiner Dynastie und die Wohlfahrt seines Landes hinzielenden Wünschen des Königs entgegenzukommen,

Österreich-Ungarn hat Mächten erklärt, daß es keine territo- rialen Erwerbungen in Serbien erstrebe*,

Jagow

' Nach dem Konzept. Entwurf von Bergens Hand. ' 9*° nachm. zum Haupttelegraphenamt. ' Siehe Nr. 306,

* Siehe Nr. 198, 199, 200 und 476,

Nr. 323

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien ^

Telegramm 174 Berlin, den 28. Juli 1914^ ^

Dringend !

Die österreichisch-ungarische Regierung hat Rußland bestiimnt erklärt, daß sie an territoriale Erwerbungen in Serb.en nicht denkt*.

' Nach dem Konzept. Entwurf von Stumm diktiert und von ihm hand- schriftlich korrigiert.

^ 10*^ nachm. zum Haupttelegraphenamt. Auf der Botschaft in Wien ange- kommen am 29. Juli 4^" vorm.

* Siehe Nr. 293 und 308.

* Siehe Nr. 198—200.

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Dies stimmt mit der Meldung Ew. Exz. überein, daß weder die österr. noch die ungarischen Staatsmänner die Vermehrung des slawischen Elements in der Monarchie für wünschenswert halten. Hiervon abgesehen hat uns die österreichisch-ungarische Regierung trotz wiederholter Anfragen über ihre Absichten im Unklaren ge- lassen. Die nunmehr vorliegende Antwort der serbischen Regierung auf das österreichische Ultimatum läßt erkennen, daß Serbien den österreichischen Forderungen doch in so weitgehendem Maße ent- gegengekommen ist, daß bei einer völlig intransigenten Haltung der österreichisch-ungarischen Regierung mit einer allmählichen Abkehr der öffentlichen Meinung von ihr in ganz Europa gerechnet werden muß. Nach den Angaben des österreichischen Generalstabs wird ein aktives militärisches Vorgehen gegen Serbien erst am 12. August möglich sein. Die k. Regierung kommt infolgedessen in die außerordentlich schwierige Lage, daß sie in der Zwischenzeit den Vermittlungs- und Konferenzvorschlägen der anderen Kabinette ausgesetzt bleibt, und wenn sie weiter an ihrer bisherigen Zurück- haltung solchen Vorschlägen gegenüber festhält, das Odium, einen Weltkrieg verschuldet zu haben, schließlich auch in den Augen des deutschen Volkes auf sie zurückfällt. Auf einer solchen Basis aber läßt sich ein erfolgreicher Krieg nach drei Fronten nicht einleiten und führen. Es ist eine gebieterische Notwendigkeit, daß die Ver- antwortung für das eventuelle Übergreifen des Konflikts auf die nicht unmittelbar Beteihg^en unter allen Umständen Rußland trifft. In der letzten Unterredung Herrn Sasonows mit dem Grafen Pourtales hat der Minister bereits zugegeben, daß Serbien die »ver- diente Lektion« erhalten müsse^. Der Minister stand überhaupt dem österreichisclien Standpunkt nicht mehr so bedingungslos ab- lehnend gegenüber wie früher. Es liegt hiemach die Schlußfolgenmg nicht fem, daß die russische Regiemng sich auch der Erkenntnis nicht verschließen wird, daß, nachdem einmal die Mobilisierung der österreichisch-ungarischen Armee begonnen hat, schon die Waffen- ehre den Einmarsch in Serbien erfordert. Sie wird sich aber mit diesem Gedanken umsomehr abzufinden wissen, wenn das Wiener Kabinett in Petersburg die bestimmte Erklärung wiederholt, daß ihr" territoriale Erwerbungen in Serbien durchaus fernliegen, und daß ihre militärischen Maßnahmen lediglich eine vorübergehende Besetzung von Belgrad und anderen bestimmten Punkten des serbischen Gebietes bezwecken, um die serbische Regierung zu vöUiger Erfüllung ihrer Forderungen und zur Schaffung von Garan- tien für künftiges Wohlverhalten zu zwingen, auf die Österreich- Ungarn nach den mit Serbien gemachten Erfahrungen unbedingt Anspruch hat. Die Besetzimg sei gedacht wie die deutsche Okku- pation in Frankreich nach dem Frankfurter Frieden zur Sicher-

' Siehe Nr. 282.

® So im Konzept für »ihm«

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Stellung der Forderung auf Kriegsentschädigung. Sobald die öster- reichischen Forderungen erfüllt seien, werde die Räumung erfolgen. Erkennt die russische Regierung die Berechtigung dieses Stand- punktes nicht an, so wird sie die öffentliche Meinung ganz Europas gegen sich haben, die im Begriffe steht, sich von Österreich abzu- wenden. Als eine weitere Folge wird sich die allgemeine diplo- matische und wahrscheinlich auch die militärische Lage sehr wesent- lich zugunsten Österreich-Ungarns und seiner Verbündeten verschieben. Ew. pp. wollen sich umgehend in diesem Sinne dem Grafen Berchtold gegenüber nachdrücklich aussprechen und eine entsprechende Demarche in St. Petersburg anregen. Sie werden es dabei sorgfältig zu vermeiden haben, daß der Eindruck entsteht, als wünschten wir Österreich zurückzuhalten. Es handelt sich lediglich darum, einen Modus zu finden, der die VerwirkHchung des von Österreich-Ungarn erstrebten Ziels, der großserbischen Propaganda den Lebensnerv zu unterbinden, ermöglicht, ohne gleichzeitig einen Weltkrieg zu ent- fesseln, und wenn dieser schließlich nicht zu vermeiden ist, die Bedingungen, unter denen er zu führen ist, für uns nach Tvmlich- keit zu verbessern.

Drahtbericht.' Bethmann Hollweg

' Siehe Nr. 377 und 388.

Nr. 324

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige AmtV

Telegramm 121 Wien, den 28. Juli 1914^

Graf Berchtold bittet mich nachstehendes zu Ew. Exz. Kenntnis zu bringen :

»Nachdem dem seitens Sr. M. unseres Allergnä- digsten Herrn ausgedrü( kten Wunsch.e entsprechend Graf Szögyeny noch bis über den 18. August auf seinem Posten in Berlin belassen worden ist, und Graf von Szögyeny selbst um Urlaub vom 19. August an gebeten hat, würde dessen Nachfolger Prinz Hohenlohe am 20. August in Berlin zur Übernahme

^ Nach der Entzifferung.

* Wien ab 6^* nachm., Auswärtiges Amt an 28. Juli 10'° nachm. Eingangs- vermerk: 29. Juli vorm. Entzifferung lag dem Kaiser vor, von ihm am 29. ans Amt zurück. Der Unterstaatssekretär telegraphierte am 30. Juli nach Wien: »Auf Telegramm Nr. 121. Dispositionen Sr. M. genehm. Zimmermann.« (Telegramm Berlin 199.)

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des Postens eintreffen. Der Minister bittet dies ja Sr. M. dem Kaiser und König alleruntertänigst unter-

breiten und anfragen zu wollen, ob diese Dispo- sitionen AllerLöchstdemselben genehm sein würden.«

Tschirschky

Nr. 325

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Bottchafter

in Rom^

Telegramm 137 Berlin, den 28. Juli 1914«

Der k. Botschafter telegraphiert :

»Graf Berchtold bittet mich Ew. Exz. nochmals

verletzt«^. Wir suchen in Montenegro auf Neutralität hinzuwirken, auch Wien hat uns hierum dringend gebeten.

Jagow

1 Nach dem Konzept von Jagows Hand. 3 1 1^5 nachm. zum Haupttelegraphenamt. 3 Hier ist das Telegramm Tschirschkys vom 28. Juli (Nr. 312) eingefügt.

Nr. 326

Der Botschafter in Wien an den Staatssekretär des Auswärtigen (Privatbrief) '

Geheim! Wien, den 26. Juh 1914^

Lieber Herr v. Jagow 1 Besten Dank für Ihr freundliches Seh reiben von gestern, betreffend die itahenische Kompensationsfrage. Ich kann Sie versichern, daß niemand mehr als ich von der absoluten Notwendigkeit überzeugt ist, Italien

.2

i Nach der Ausfertigung von Tschirschkys Hand.

a Zeit des Eingangs in Berlin nicht bekannt, zum Zentralbüro des Aus- wärtigen Amis gelangt erst am 9. Februar 1915.

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fest beim Dreibund zu halten, und daß ich mit Beharrlichkeit und äußerster Festigkeit alles nur Mögliche tue, um die Leute hier zu bewegen, aus ihrem unnützen Streit mit Italien über die Au'^legung des Artikels VII heraus und zu praktischen Entschlüssen zu bringen. Aber die Österreicher werden immer Österreicher bleiben. Hochmut und Leichtsinn gepaart sind nicht leicht und nicht schnell zu über- winden! Ich kenne sie genau. Sie haben mein heutiges Telegramm^ erhalten, wonach Avarna hier erklärt hat, die italienische Regierung werde in dem eventuellen bewaffneten Konflikte zwischen der Monarchie und Serbien eine freundschafthche und den Bündnispflich- ten entsprechende* Haltung einnehmen. Avarna hat mir das heute selbst bestätigt und mich versichert, Itahen denke nicht daran, vom Dreibund abzuspringen. Ich habe dieses Thema auch wegen der Kompensationen wiederholt und eingehend ganz vertraulich mit meinem guten Freunde Avarna durchgesprochen, der ja von San Giuliano über alle Gespräche mit Flotow auf dem laufenden erhalten wird. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren und ich habe Grund zu der Annahme, daß Avama den gleichen Eindruck hat daß San Giuliano durch die Sprache, die er Flotow und Berlin gegenüber führt, versucht, auf dem Wege über Berlin seine neutrale Haltung im österreichisch -serbischen Konflikte möglichst teuer zu verwerten. Das, was Avama aus Rom erhält, klingt immer viel ruhiger als das, was uns gesagt wird, und die letzte, oben angeführte Erklärung des römischen Kabinetts ist ein neuer Beweis dafür. So ist es zu er- klären, daß man in Berlin über die günstige^ Haltung Italiens über- rascht ist.

Das hindert nun allerdings keineswegs, daß mit allen Mitteln, besonders auch in unserem Interesse, dahin gearbeitet werden muß, endlich in der Kompensationsfrage zu einem praktisch gangbaren Auswege zu gelangen. Ich habe gestern auf Grund des Telegramms Nr. 136* zunächst Baron Macchio bearbeitet, um auch durch diesen auf Berchtold zu wirken. Ich habe ihm vorgehalten, daß es San Giuliano nicht zu verdenken sei, wenn er sich mit der österreichischen Erklärung, keinen Gebietszuwachs zu beabsichtigen, nicht beruhigt, da diese in nicht bindender Weise erfolgt sei. Österreich solle end- lich den theoretischen Streit über die Auslegung des Artikels VII fallen lassen. Übrigens gäbe ich ihm zu bedenken, daß Deutsrhland nicht die hiesige Auffassung teile. Es müßten praktische Entschlüsse gefaßt werden, denn man kann doch hier nicht im Zweifel sein, daß Italien gegebenenfalls sicher mit Kompensationsforderungen kommen werde, wenn man auch hier theoretisch deren ernsthche Begründung leugne. Baron Macchio war auch so weit zuzugeben, daß die Er-

' Siehe Nr. 212.

* Am Rand Fragezeichen Jagows.

^ Desgleichen.

® Siehe Nr. 150.

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örterungen über die Auslegung des Artikels VII zu nichts führen. Auch darüber sei er sich klar, daß Österreich Kompensationen an Italien werde geben müssen, wenn es selbst sein Gebiet erweitere. »Nur können die Italiener nicht verlangen, daß wir die Kompensationen aus unserem eigenen Fleische schneident fügte er hinzu. Das Trentino wird der alte Kaiser und auch die Militärs wohl niemals her- geben. Eine Möglichkeit könnte ich mir nur nach einem großen siegreichen Kriege denken, falls Österreich völlig carte blanche am Balkan erhalten sollte. Wenn die Italiener glauben, das Trento gegen eine kleine Gebietserweiterung Österreichs am Balkan einzu- tauschen, und womöglich noch Valona das sie ja allerdings, wie ich glaube, ehrlich rücht gern haben woUen zu bekommen, so täuschen sie sich, und wir sollten, wie mir scheint, diese Illusionen in Rom zerstören. Stolberg, den ich in der Kompensationsfrage auch bei Hoyos vorgeschickt habe, der zur Zeit den größten Einfluß bei Berchtold bat, hat aus seinen Besprechungen ganz den gleichen Ein- druck erhalten.

Ich habe, wie Sie aus meinem heutigen Telegramm' ersehen haben, heute auch mit Berchtold und General von Conrad diese Frage besprochen, und meine sehr bestimmte Erklärung, daß man in der Auslegungsfrage Deutschland hier nicht auf seiner Seite habe, machte besonders auf Conrad ernsten Eindruck. Das Schlimme ist, daß die hiesige Lesart betreffend ArtikelVII noch vom sogenannten »großen« Aehrenthal herstammt, der ganze Bände von Rechtsgutachten zu ihrer Begründung hat verfassen lassen *, und Berchtold sich scheut, dieses »Vermächtnis« seines berühmten Vorgängers preiszugeben. Conrad, der solche Skrupel nicht hat, sah auch ein, daß man den Italienern etwas geben müsse, und er bemerkte ganz vertraulich, er habe nichts dagegen, wenn man die Itahener einlüde, Montenegro zu besetzen. Ich habe diese Bemerkung in mein amtliches Telegramm nicht aufgenommen, weil sie ihm so in der Unterhaltung entfuhr, und er wohl nicht darauf festgenagelt zu werden wünschte.

Sowohl Maccliio als Berchtold und Conrad habe ich als rein persönhche Ansicht den Vorschlag gemacht, sie sollten Italien gegen- über erklären und zwar ohne Berufung auf Artikel VII, um iliren theoretischen Standpunkt nicht aufgeben zu müssen daß Öster- reich das Recht Italiens auf Kompensationen für den Fall anerkenne, daß die Monarchie ihr Gebiet am Balkan erweitere. Auch Avama fand diesen Ausweg gut. Mehr kann Italien nicht verlangen, denn im Dreibundvertrag steht meines Wissens nichts darüber, wo diese Kompensationen liegen sollen oder wie groß sie sein müssen. Das müssen die Verhandlungen dann ergeben. Übrigens hat Avarna jetzt Instruktion, mit Berchtold die Kompensationsfrage direkt zu besprechen. Ich würde es für sehr nützhch halten, wenn Österreich

' Siehe Nr. 212.

^ Am Rand Ausrutungszeichen Jagows.

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schon vorher obige Erklärung abgeben würde, denn auch in Rom scheut man sich vor direkten Verhandlungen, weil man eine Einigung in der Frage der Auslegung des Artikels VII für ausgeschlossen hält und nur Verschärfung der Reibungen erwartet.

28. Juli. Ich habe ge-.tern erneut i^/gstündige Unterredung mit Graf Berchtold und Graf Forgäch über die Frage gehabt, wobei ich so entschieden gesprochen habe, wie es überhaupt nur möglich ist. Zum Schlüsse rief Graf Berchtold aus: »Ich sehe die Situation ganz klar, ich bin Shylock, der auf seinem ScJiein besteht und doch nichts ausrichtet«. Ich glaube in dieser Unter.edung erreicht zu haben, daß man hier jetzt die Initiative zu einer Besprechung mit Italien ergreifen wird.

Als ich nach Hause kam, besuchte mich Avarna. Dieser machte mir, unter Berufung auf unsere persönliche Freundschaft und mit der dringenden Bitte ihn nicht zu verraten, nachstehende Mitteilung. Er habe die Instruktion erhalten gehabt, die Kom- pensationsfrage hier zur Sprache zu bringen, sei aber heute ange- wiesen worden, dies nicht zu tun, weii man in Rom dadurch ledigUch Reibungen befürchte, die man vermeidt-n wolle. Gleichzeitig hat er durch San Giuliano ein Telegramm an BoUati zur Kenntnis erhalten, worin dieser beauftragt wird, in Berlin darauf zu dringen, daß die Kompensationsfrage in Wien durch uns betrieben werde. Ich habe Avarna gesagt, daß ich auf Befehl meiner Regierung mit allen möglichen Mitteln die Lösung der Frage in italienischem Sinne hier betriebe.

Heute frühstückten Graf Berchtold und Graf Forgäch bei mir. Letzterer sagte mir, nach meiner gestrigen Unterredung mit Graf Berchtold und ihm sei beschlossen worden, unseren Vorstellungen Rechnung zu tragen^. Inzwisch- n habe eine Unterredung zwischen Ew. Exz. und Graf Szögyeny stattgefunden, in welcher Ew. Exz. einen inhalthch ganz gleichen Vorschlag für eine hier abzugebende Erklärung gemacht hätten wie ich neulich^". Man habe diesen Vorschlag nunmehr angenommsfu- Am heutigen Nachmittag las mir Graf Forgäch den Erlaß vor, den er in die>er Sache an Graf Szögyeny richtet, und der den ganzen Hergang der Verhandlungen eingehend schildert. Graf Szögyeny wird diesen Erlaß Ihnen vorlesen. Hoffent- lich wird die hiesige Erklärung nun den Italienern genügen ! Wie mir Graf Forgäch sagte, hat sich Herr von Merey bis zum letzten Moment gegen jedes Eingehen auf die italienischen Forderungen gewehrt^^, die er als chantage bezeichne. Die Hauptsache ist, daß die Sache mit einer Überklebung des Risses zwischen Wien und Rom durch uns für jetzt beigelegt ist hoffentlich wenigstens und daß der Dreibund intakt dasteht.

9 Siehe Nr. 328.

Dazu die Randbemerkung Jagows: »Unsinn!« ** Am Rand Jagow: »na ja!«

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Verzeihen Sie die Länge dieses Schreibens. Es war nicht in diesem Ausmaße mtentioniert ; es hat sich »historisch« in die Länge gezogen. ^^-^ herzlichen Grüßen

stets Ihr aufrichtigst ergebener von Tschirschky

Graf Berchtold ist in sehr guter Stimmung und stolz auf die zahlreif hen Glückwunsch -Telegramme, die ihm aus allen Teilen Deutschlands zugehen I

Nr. 327

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt^

Telegramm 123 Wien, den 28. Juli 1914'

österreichisches Generalkonsulat Odessa meldet: Mobili- sierungsbefehl für Militärbezirk Odessa, Kiew, Warschau er- gangen, aber noch nicht publiziert.

Tschirschky

' Nach der Entzifferung.

^ Aut^gegeben in VVien 28. Juli 9*^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 2y. .lull 12^ vorm. Eingangsvermerk: 29. Juli vorm. Gemäß Rand- verfügung Zimmermanns am 29. Juli dem Generalstab, Admiralstab, Reichs- marineamt und Kriegsministerium mitgeteilt, abgesandt durch Boten 10'* vorm.

Nr. 328

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt *

Telegramm 122 Wien, den 28. Juli 1914^

Habe Allerhöchsten Auftrag' sofort zur Kenntnis des Grafen Bercbtold gebracht.

Iniolge meiner noch gestern in anderthalb- stündiger sehr ernster Unterredung mit Graf Berchtold

' Nach der Entzifferung.

'^ Aulgegeben in Wien 28. Juli 9'" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 29. Juli i.i'-* vorm. Eingangsvermerk: 29. Juli vorm. Ent- zifferung lag noch am 29. Juli dem Kaiser vor, gelangte am gleichen Tage von ihm ins Amt zurück. Vermerk des Reichskanzlers vom 30. Juli nach Kenntnisnahme der Randbemerkungen des Kaisers: »sehr merk- würdiger Inhalt des Randvermerks S. M. v. B. H.« Abschnitt »Infolge

meiner beibehalten m erde« von Tschirschkys Telegramm wurde

nach Vornahme kleiner Änderungen am 29. Juli von Jagow telegraphisch dem Botschafter in Rom mitgeteilt, 1 1" vorm. zum Haupttelegraphenanit gegeben.

^ Siehe Nr. 267.

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und Graf Forgäch gemachten dringenden Vor- stellungen sind beide zu der Überzeugung ge- kommen, daß diesen Rechnung getragen werden müsse. Graf von Szögyeny erhält heute ausführ- lichen Erlaß, in welchem nachstehender Auftrag an Baron von Merey zur Kenntnis Ew. Exz. mitge- teilt wird:

»Wie bereits Herzog von Avarna gegen- über erklärt, liegen territoriale Erwer- bungen durchaus nicht in unserer Absicht. Sollten wir uns aber dennoch wider Erwarten gezwungen sehen, zu einer nicht als nur vorübergend anzusehenden Okku- pation serbischen Gebiets zu schreiten, so sollen sie doch o-leich sind wir bereit, für diesen Fall mit Itahen

machen.' in einen Meinungsaustausch zu treten.

Auf der anderen Seite erwarten wir von ItaHen, daß das Königreich den Ver- bündeten in den zur Erreichung seiner Ziele nötigen Aktionen nicht hindert, viel- mehr uns gegenüber die in Aussicht ge- stellte bundesfreundüche Haltung unent- wegt beibehalten werde.« Graf Forgäch las mir den ganzen Erlaß vor, den Graf von Szögy6ny Ew. Exz. gleichfalls in extenso zur Kenntnis bringen soll.

Tschirschky

Admiral Haus Österr. Ob. Comd. der Flotte hat meinem Marine Attache als gan^ geheim mitgetheüt, daß ihm von Wien aus eröffnet worden sei, man habe mit Italien sich dahin verständigt, daß es Österreich jreie Hand in Serbien lassen solle und Italien dafür in Albanien freie Hand erhalte.

W.

Nr. 329

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt*

Telegramm 125 Wien, den 28. Julii9i4»

Graf Szecsen berichtet, englischer Botschafter Sir Francis Bertie habe ihm gesagt:

1 Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Wien 28. Juli 10" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 29. Juli i2"> vorm.; Eingangsvermerk: 29. Juli vorm. Ein Exemplar der Entzifferung wurde am 29. Juli an den Kaiser gesandt.

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Aktives Eingreifen Rußlands würde Teilnahme Deutschlands und Frankreichs zur Folge haben.

England würde zusehen, müßte aber, wenn Frankreich von Vernichtung bedroht, eingreifen.

Tschirschky Nr. 330

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt^

Telegramm 124 Wien, den 28. Juli 1914*

österreichisches Generalkonsulat Kiew meldet am 27.: Auf den südöstlichen Bahnen wurde Zustand außerordentlichen Schutzes verkündigt und Einstellung des Güterverkehrs von morgen an vor- gesehen, aber noch nicht verordnet. Kiew Militärlager vollkommen geräumt. Truppen teils in die Winterquartiere eingerückt, teils am Bahnhof bereitgestellt.

Tschirschky

Nach der Entzifferung.

Aufgegeben in Wien 28. Juli 9*^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 29. Juli 12^ vorm. Eingangsvermerk: 29. Juli vorm. Gemäß Rand- verfügung Zimmermanns am 29. Juli dem Generalslab, Admiralstab, Reichs- marineamt und Kriegsministerium» mitgeteilt, abgesandt durch Boten lo'* vorm.

Nr. 331

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt*

Telegramm 126 Wien, den 28. Juli 1914'

österreichisch-ungarischer Militärattache Petersburg meldet am 27.: Vorbereitende Mobilisierungsmaßnahmen im europäischen Rußland werden ähnlich wie Kriegsminister gestern Kollegen gegenüber erwähnte, jedoch ohne spezielle Ausnahme gegenüber deutscher Grenze.

Tschirschky

' Nach der Entzifierung.

"Aufgegeben in Wien 28. Juli 10*' nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 29. Juli 12^ vorm. Eingangsvermerk: 29. Juli vorm. Gemäß Rand- verfügung Zimmermanns am 29. Juli dem Generalstab, Admiralstab, Rcichs- marineamt und Kriegsministenum mitgeteilt, abgesandt durch Boten 10" vorm.

48

Nr. 332

Der Zar an den Kaiser *

Telegramm (ohne Nummer) Peterhof Palais, den 29. Juli 1914*

Sa Majeft6 l'Empereur

Neues Palais

Am glad you are back. In this most serious moment I appeal to you to help me. An ignoble^ war has been declared to a weak country. The Indignation in Russia shared fully hy me is enormous*. I foresee that very soon I shall be overwhelmed by the pressure brought upon me and be forced to take extreme measures which will lead to war. To try and avoid such a calamity as a European war I beg you in the name of our old friendship to do what you can to stop worin besteht your allies^ from going too far. ally!

Nicky

Eingeständnis der Schwäche seiner selbst, und Versuch die Verantwortung mir :fu-

^uschieben. Das Telegramm enthält eine versteckte Drohung! und einem Befehl ähnliche Aufforderung dem Allierten in den Arm ^u fallen. Falls

Ew. Ex^. mein Telegramm gestern Abend abgesandt haben, muß es sich mit diesem gekreuzt haben. Wir werden nun sehen, wie das meine wirkt. Der Ausdruck »ignoble war« läßt nicht auf monarchisches Solidaritätsgefühl

beim Zaren schließen, sondern auf eine panslawische Auffassuvrg; d. h. die Sorge vor einer cap- itis diminutio auf dem Balkan im Falle Osterr. Erfolge. Diese könnten ruhig in ihrer Gesamtwirkung erst abgewartet werden. Es ist später immer noch Zeit

^ Nach der Niederschrift des Telegraphenamts. Hat sich gekreuzt mit Nr. 335.

^ Aufgegeben in Peterhof, Palais 29. Juli vorm., aufgenommen im Telegraphenamt des Neuen Palais 29. Juli i^'' vorm. Auf dem Telegramnni die Bemerkung des Kaisers: »N. Pal. 29. VII. 1914 7^" vorm.«

* »ignoble« vom Kaiser zweimal unterstrichen, dahinter Ausrufungszeichen des Kaisers.

* »enormous« vom Kaiser zvi'eimal unterstrichen.

* »allies« vom Kaiser dreimal unterstrichen.

" Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 191 5, S. 34, Nr. 22 II. Antwort siehe Nr. 359.

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!^iim Verhandeln und eventl. :[wn Mobilmachen, wo^u jet^t gar kein Grund für Rußland ist. Statt uns die Sommation fM stellen, den Alliierten ^u stoppen, sollte S. M. sich an den Kaiser Fran:( Josef wenden und mit ihm verhandeln, um die Absichten S. M. kennen lernen. Sollten wir nicht Copien der beiden Telegramme an S. M. den König nach London ^ur Information gesandt werden ? Die So^^en machen Antimilit. Umtriebe in den

Straßen, das darf nicht geduldet werden, Jet^t auf keinen Fall; im Wieder- holungsfalle werde ich Belagerungszustand proklamieren und die Führer

samt und sonders tutti quanti einsperren lassen. Loebell und Jagow dahin instruieren. Wir können iet^t keine Soj. Propa- ganda mehr dulden !

Wilhelm.

Übersetzung

Ich bin froh, daß Du zurück bist. In diesem äußerst ernsten Augenblick wende ich mich an Dich um Hilfe. Ein unwürdiger Krieg ist an ein schwaches Land erklärt worden. Die Entrüstung in Rußland, die ich völlig teile, ist ungeheuer. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald dem auf mich ausgeübten Druck erliegen und ge^^wungen sein werde, äußerste Maßnahmen zu ergreifen, die ^{wn Kriege führen werden. Um ein solches Unheil wie einen euro- päischen Krieg zu verhüten, bitte ich Dich im Namen unserer alten Freundschaft, alles Dir Mögliche zu tun, um Deinen Bundesgenossen davon ^urück^^uhalten, ;fM weit ju

worin besteht das?

gehen.

Bundesgenosse! W.

Nr. 333

Der Verweser des Generalkonsulats in Moskau an das Auswärtige Amt^

Telegramm 5 Petersburg, den 28. Juli 1914^

Nachmittags Mobilisierung lortschreitet.

Von vielen Seiten Werden Einberufungen gemeldet. Zwei Quellen melden Truppentransporte von der Wolga speziell Kasan. Wolga- schiifahrt stark damit befaßt. Nach Gerüchten werden auch vom Kaukasus Truppen nach Westen vorgenommen. Frachtverkehr von Moskau westlich amtlich auf die Hälfte beschränkt. Jaroslawler'

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Petersburg 28. Juli 7^° nachm., angekommen im Aus- wärtigen Amt 29. Juü i^^ vorm. Eingangsvermerk: 29. Juli vorm. Auf An- ordnung Bergens vom 2g. Juli am 30. Juli dem Generalstab, Admiral- stab, Reichsmarineamt und Kriegsministerium mitgeteilt, abgesandt durch Boten vorm.

' In der Entzifferung irrig »Jaroslowler«.

Aktenstücke II. 5

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Regiment hierher verlegt, Flieger hier mobilisiert. 1500 Mann und 352 Pferde (Artillerie)? werden in den nächsten Tagen erwartet. Botschaft benachrichtigt. Empfangsbestätigung wäre wertvoll*.

Hauschild

* Telegraphische Empfangsbestätigung an Generalkonsulat Moskau, am 29. Juli nachm. zum Haupttelegraphenamt.

Nr. 334

Der Reichskanzler an den Botschafter in Petersburg ^

Telegramm 132 Berlin, den 28. Juli 1914'

Bitte nachstehendes Telegramm Sr. M. des Kaisers an den Zaren auf schnellstem Wege an seine Adresse zu befördern.

Bethmann Hollweg

Folgt die Anlage.'

1 Nach dem Konzept von der Hand des Reichskanzlers.

2 29. Juli 1*^ vorm. zum Haupttelegraphenamt. ^ Siehe Nr. 335.

Nr. 335

Der Kaiser an den Zaren

Telegramm (ohne Nummer) Berlin, den 28. Juli 1914^

It is with the gravest concern that I hear of the impression which the action^ of Austria against Servia is creating* in your country. The unscrupulous agitation that has been going on in Servia for years has resulted in the outrageous crime, to which archduke^ Franz Ferdinand feil a victim. The spirit that led Servians to murder"

^ Nach dem Konzept. Entv^^urf von Stumms Hand; darauf der Vermerk des Reichskanzlers: »Erbitte sofortige Abschrift an mich (für S. M.) v. B. H. 28.« Diese, gleichfalls bei den Akten befindliche Abschrift des Stummschen Ent- wurfs erfuhr zahlreiche Änderungen von des Kaisers Hand. Auf dem oberen Rand die Bemerkung des Kaisers: »28. VII. 10 h. 45 m. N. M.« Hat sich gekreuzt mit Nr. 332, Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 191 5 Seite 33, Nr. 22 I. Vgl. femer Nr. 233.

2 Zum Haupttelegraphenamt am 29. Juli !'••• vorm., siehe Nr. 334 Anm. 2.

^ »action« vom Kaiser aus »proceedings« des Stummschen Entwurfs geändert.

* Kaiser: »is creating« statt Stumms »are producing«.

^ »archduke« vom Kaiser beigefügt.

^ «that murder« vom Kaiser geändert aus »of the people that

murdered« Stumms.

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their own king and his wife still dominates' the country. You will doubtless agree with me that \ve both, you and me, have a common interest as well as all Sovereigns to insist that all tlie persons morally responsible for the dastardly murder should receive their deserved punishment. In this case politics play no part at all.

On the otlier hand I fully understand how difficult it is for you and your Government to face the drift of your public opinion. There- fore, with regard to the hearty and tender friendship which binds us both from long ago with firm ties, I am exerting my utmost influence to induce the Austrians to deal straightly to arrive to a satisfactory understanding with you^, I confidently hope you will help me in my efJorts to smoothe^ over difficulties that may stiU arise.

Your very sincere and devoted friend and cousin

Willy

Übersetzung Mit der größten Beunruhigung höre ich von dem Eindruck, den das Vorgehen Österreichs gegen Serbien in Deinem Lande hervorruft. Die ge- wissenlose Wühlarbeit, die seit Jahren in Serbien am Werke war, hat schließ- lich zu dem abscheulichen Verbrechen geführt, dem Erzherzog Franz Ferdi- nand zum Opfer gefallen ist. Der Geist, der die Serben zu Mördern ihres eigenen Königs und seiner Gemahlin machte, herrscht noch im Lande. Du stimmst sicher mit mir darin überein, daß wir beide, Du und ich, sowie alle Souveräne ein gemeinsames Interesse daran haben, darauf zu bestehen, daß alle für diesen feigen Mord moralisch verantwortlichen Personen ihre ver- diente Strafe erhalten. In diesem Falle spielt die Politik keinerlei Rolle. Andererseits verstehe ich vollkommen, wie schwierig es für Dich und Deine Regierung ist, den Strömungen Eurer öffentlichen Meinung entgegen- zutreten. Im Hinblick auf die herzliche und innige Freundschaft, die uns beide seit langem mit festem Bande verbindet, biete ich daher meinen ganzen Einfluß auf, um Osterreich zu veranlassen, durch sofortiges Handeln zu einer befriedigenden Verständigung mit Dir zu kommen. Ich hoffe zuversichtlich, daß Du mich in meinen Bemühungen unterstützen wirst, die Schwierigkeiten, die noch entstehen können, zu beseitigen.

Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter

Willy

Kaiser: »dominates« statt Stumms »rules«.

*" "You will doubtless understanding with you" vom Kaiser ge- ändert aus Stumms : "I have no doubt you will agree witli me that it is a common interest of you and me and, in fact, of all monarchs, that all that are morally responsible for the outrage should receive the deserved punishment. Politics ought to be left out entirely in this case. But I quite understand the difficulty of your position and your Government in the face of your public opinion and considering the ties of heartiest and tenderest friendship that bind us together, I am doing my utmost to get Austria to come to a straight and piain understanding with you."

' Kaiser: »to smoothe« statt Stumms: "by smoothing«. ^" »Willy« vom Kaiser beigefügt.

5*

32

335 a

Der Generalkonsul in Warschau an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 14 Warschau, den 28. Juli 1914^

Reichsbank wegschafft Goldvorrat, entgegennimmt Wechsel auf polnische Plätze nur unter Vorbehalt. Bahnen stehen unter mili- tärischer Leitung, Truppentransport fortdauert. Intendantur weg- schafft Vorräte.

Brueck

1 Nach der Entzifferung.

■^ Aufgegeben in Warschau 6^" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt

29. Juli vorm. Am 29. Juli i*^ nachm. dem Generalstab, Admiralstab

Reichsmarineamt und Kriegsministerium mitgeteilt.

Nr. 336

Der Geschäftsträger in Athen an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 220 Athen, den 28. Juli 1914^

Erfahre, daß bulgarischer Gesandter Herrn Streit erklärt hat, Bulgarien werde im österreichisch-serbischen Konflikt neutral bleiben^.

Bassewitz

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Athen 28. Juli 9" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 29. Juli 2*^ vorm.; Eingangsvermerk: 29. Juli vorm. Am 29. Juli von Jagow telegraphisch dem Geschäftsträger in Bukarest mitgeteilt, 10'"' vorm. zum Haupttelegraphenamt.

* Siehe Nr. 381.

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Nr. 337

Der Militärbevollmächtigtc am russischen Hofe an das Auswärtige Amt*

Telegramm 174

das war :u erwarten

kann sich Öster- reich nicht darauf einlassen

das ist die Sorge, die mich erfüllte nach Durchlesung der Serbischen Ant- wort

Königs- u.Fürsten- mörder !

St. Petersburg, den 28. Juli 1914^

Für S. M.

Fürst Trubetzkoi aus der Umgebung des Kaisers äußerte sich heute zu mir wie folgt : Nachdem nunmehr die Antwort Serbiens veröffentlicht ist, muß man den guten Willen Serbiens anerkennen, den Wünschen Österreichs voll und ganz nach- zukommen, sonst hätte Serbien nicht in so freundnachbarHchem Ton die unerhört scharfe Note Österreichs beantwortet,

sondern sie einfach ' Die

beiden strittigen Punkte konnte Serbien nicht einfach annehmen ohne Gefahr einer Revolution imd will sie einem Schiedsspruch* unterbreiten. Dies ist durchaus loyal, und Österreich würde eine schwere Verantwortung auf sich nehmen, durch eine Nichtanerkennung dieser Haltimg Serbiens einen euro- päischen Konflikt heraufzubeschwören. Als ich erwiderte, die Verantwortung fiele auf Rußland^, welches doch außer- richii" halb des Konfliktes stände, sagte Fürst Trubetzkoi : Wir lieben die Serben gar nicht, aber sie sind unsere ständischen ^ Stammesgenossen und wir können unsere

1 Nach dem für den Kaiser hergestellten und von ihm am 29. Juli an das Auswärtige Amt zurückgesandten Exemplar der Entzifferung.

2 Aufgegeben Petersburg 28. Juli, angekommen im Auswärtigen Amt 29. Juli 3'^ vorm.

^ Ziflferngruppe unverständlich.

'' Dazu am Rand Fragezeichen und Ausrufungszeichen des Kaisers.

° »richtig« steht im Original am rechten Rand.

^ »slawischen II dreimal vom Kaiser unterstrichen.

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nnll es nicht.' Brüder"^ nicht im Stiche lassen, wenn es ihnen schlecht geht. Österreich kann sie vernichten, und das können wir nicht zugeben. Ich erwiderte, daß Österreich keinen Strich Landes erwerben, sondern nur Ruhe vor ihnen haben wolle. Er antwortete, Krieg ist Krieg, und die Übermacht Österreichs kann es zer- malmen, was nachher kommt, ist doch nicht abzusehen. Wir hoffen bestimmt, daß es nicht zu dem furchtbaren, auto- matisch folgenden Zusammenstoß der Großmächte kommen wird, wobei Ozeane von Blut vergossen werden, sondern aas sind Phrasen glauben, daß der Deutsche Kaiser dem um die Veraut- verbündeten Osterreich einen wohl- wortung auf mich meinenden Rat geben wird, den Bogen ^Hf schieben das ^-^j^^ ^^ überspannen, den guten Willen Serbiens mit den gegebenen Ver- sprechungen anzuerkennen und die Mächte Blödsinn oder den Haager Schiedsspruch ^ die

strittigen Punkte entscheiden zu lassen. Die politische Leitung in Österreich be- dürfe des Rates, denn der Kaiser sei zu alt, um solchen Moment noch klar zu beurteilen, der Thronfolger zu un- erfahren, und Graf Berchtolds Schwäche habe man hier in Petersburg zur Genüge kennengelernt. Er fügte noch hinzu: Der größere Freimdschaftsdienst ist oft- mals der gute Rat, eine Sache nicht zu tun. Die Rückkehr Ihres Kaisers hat uns alle sehr beruhigt, denn wir vertrauen Sr. M. und wollen keinen Krieg, auch Kaiser Nikolaus nicht. Es wäre gut, ist erfolgt! wenn sich die beiden Monarchen ein- Ob eine Verstän- Ynal telegraphisch verständigen, digung erfolgt, ist j^-^g jgt die Ansicht emes der ein-

mtr pveifelhaft fl^ßj-eichsten Männer des Hauptquartiers und wohl die Ansicht der ganzen Um- gebung.

C h e 1 i u s

■^ »Brüder« zweimal vom Kaiser unterstrichen.

" "Haager Schiedsspruch« zweimal vom Kaiser unterstrichen.

55

Nr. 338

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt^

Telegramm 177 St. Petersburg, den 28. Juli 1914*

Sasonovv versuchte heute, mich davon zu überzeugen, daß Serbiens Antwortnote tatsächlich alles enthalte, was Österreich von Serbien verlangen könne. Wenn daher Österreich die Note als unbefriedigend erkläre, so beweise es, daß es Krieg unter allen Um- ständen wolle. Ich lehnte Diskussion über Note freundlich, aber entschieden ab, unter Hinweis auf bekannten deutschen Stand- punkt, daß Angelegenheit ausschließlich austro-serbisch sei. Mi- nister appellierte dann wieder an meine Mitwirkung, um k. Regierung zur Teilnahme an Vermittelungsaktion zu bewegen. Ich entgegnete, alles für etwaige Entschließungen meiner Regierung in dieser Richtung wichtige Material hätte ich Ew. Exz. bereits übermittelt, insbesondere über den Wunsch Sasonows berichtet, einen Weg zu finden, um unter tunlichster Schonung serbischer Souveränitätsrechte berechtigten österreichischen Forderungen Ge- nugtuung zu verschaffen. Mehr könnte ich nicht tun. Ob meine Regierung den Sir E. Greyschen Vorschlag wegen Konversationen zu vieren annimmt, wüßte ich nicht, sicher aber sei, daß das schlechteste Mittel, Deutschland zur Teilnahme an Mediation zu bewegen, das von der hiesigen Presse eingeschlagene eines Ver- hetzungsversuchs zwischen Österreich und Deutschland sei. Alle plumpen Manöver, um zwischen uns und Österreich Mißtrauen zu säen, seien von vornherein zum Scheitern verurteilt und könnten der Sache des Friedens nur schaden. Minister werde daher gut daran tun, solchem Vornehmen zu steuern. Habe Minister ferner auf uns zugegangene zuverlässige Nachrichten hingewiesen, die keinen Zweifel ließen, daß militärische Vorbereitungen im Gange sind, die über das hinausgehen, was Kriegsminister unserem Militär- attache gesagt habe. Ich könne mir dies nur dadurch erklären, daß Chefs der Militärbezirke in den von ihnen angeordneten Maß- nahmen vielleicht weitergingen, als hier beabsichtigt werde. Jeden- falls sehe ich mich genötigt, von neuem mit dem allergrößten Ernst auf die Gefahr hinzuweisen, die im gegenwärtigen kritischen Augen- blick daraus entstehen könnte, daß weitgehende militärische Vor- bereitungen getroffen würden. Auf meine Bitte haben sich mein italienischer und englischer Kollege bereit erklärt, Sasonow eben- falls diese Gefahr vor Augen zu halten.

Pourtal^s

* Nach der Entzitl'erung.

•* Aufgegeben in Petersburg 28. Juli 8^'^ nachm., angekommen im Aus- wartigen Amt 29. Juli 6^^ vorm. Eingangsvermerk: 29. Juli vorm.

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Nr. 339

Der Botschafter in Petersburg an den Reichskanzler^

St. Petersburg, den 27. Juli 1914^

Auf dringenden Wunsch des Militärattach6s, Majors von Eggeling, welcher ausführhche Meldungen über die militärische Lage möglichst bald nach Berün gelangen lassen möchte, schicke ich heute abend den Feldjäger an die Grenze mit der Weisung, sofort hierher zurückzukehren.

Da mir bis zum Schluß der Expedition nur wenig freie Zeit übrig bleibt, muß ich mich darauf beschränken, Ew. Exz. kurz über die hiesige Situation und Stimmung zu berichten.

Seit gestern ist in der Haltung des Herrn Sasonow eine ganz auffallende Änderung eingetreten, die auch von meinen Kollegen konstatiert wird. Die Erklärung, daß Österreich-Ungarn keine territorialen Erwerbungen beabsichtigt und unsere entschiedene Zurückweisung der Insinuation, als hätten wir in der Absicht, einen Konflikt heraufzubeschwören, Österreich-Ungarn angestiftet, hat hier eine sicht- dann muß dieMobil- liehe Beruhigung- hervorgerufen. machwig eingestellt Ebenso atmet man erleichtert auf, daß bereits

werden. beinahe 48 Stunden vergangen sind, seitdem die un-

befriedigende Antwort Serbiens an Österreich- Ungarn erfolgte, ohne daß man von einem Einrücken Öster- reichs in Serbien gehört hat. Man hatte hier offen- bar bestimmt damit gerechnet, daß eine Weigerung Serbiens, die Forderungen Österreichs zu erfüllen, den unmittelbaren Ausbruch der Feindseligkeiten zur Folge haben werde.

Herr Sasonow ist jetzt sichtlich bemüht, einen Ausweg zu finden. Er erkennt neuerdings sogar die Berechtigung des österreichischen Vorgehens gegen Serbien im Prin:{ip an, gibt sich aber immer noch

^ Nach der Ausfertigung.

2 Abgegangen am 27. Juli, Eingangsvermerk des Ausv/ärtigen Amts: 29. Juli. Am 30. Juli an den Kaiser gesandt, der durch Randverfügung Mitteilung nach Wien, London und Paris anordnete, die indessen unterblieben ist; vom Kaiser am 31. Juli ins Amt zurückgelangt.

Nein !

das war selbstver- ständlich wie kindisch!

sehr bezeichnend und richtig!

gut

bl

der Hoffnung hin, daß Österreich-Ungarn sich bereit finden könnte, seine Forderungen in der Form ettuas lu mäßigen. Ich habe dem Minister gesagt, ich könnte ihm in dieser Hinsicht gar keine Aussichten eröffnen und ihm nur raten, falls er aus seinen Kon- versationen mit Graf Szäpäry Hoffnungen zu schöpfen glaube, sich direkt nach Wien ^u wenden.

Seit der gestrigen Unterredung des Ministers mit meinem österreichisch-ungarischen Kollegen ist die hiesige Regierung offenbar bestrebt, die Situation als gebessert hinzustellen und im Sinne der Beruhigung zu wirken. Die Presse hat offenbaj das mot d'ordre erhalten, unsere Erklärung, daß wir Österreich- Ungarn nicht angestiftet hätten, als beruhigendes Symptom \u besprechen.

Aus Bankkreisen erfaiire ich, daß die deutliche Besserimg in der Stimmung der heutigen Börse auf Einwirkung der Regierung zurückzuführen ist. Reichs- bank und Finanzministerium haben zu diesem Zwecke bei der Börse interveniert.

Die Unterredung, zu welcher der Kriegsminister den Militärattache, Major von Eggeüng, gestern abend eingeladen hat, sollte ebenfalls offenbar dem Zwecke der Beruhigtmg dienen.

Im allgemeinen ist von Kriegsbegeisterung hier wenig \u merken, und der Regierung dürfte es in diesem Augenblick schwer^ werden, \u behaupten, daß sie von der öffentlichen Meinung debordiert ^ werde.

Der Durchmarsch der aus dem Lager von Krasnoje Selo zurückberufenen Truppen durch die Straßen wird, wie ich mich selbst überzeugt habe, vom Publikum mit der größten Teilnahmslosigkeit betrachtet, ohne daß jemand auch nur daran denkt, dem Militär Ovationen zu bringen.

Spät in der Nacht soll es allerdings zu einigen nationaHstischen Manifestationen auf dem Newski Prospekt gekommen sein. Im allgemeinen aber ge- winnt man den Eindruck, daß die Stimmung ge- drückt ist.

3 »schwer« vom Kaiser zweimal unterstrichen. * »debordiert" vom Kaiser zweimal unterstrichen.

Heute nacht ist es auch anscheinend wieder zu Zusammenstößen mit der Arbeiterbevölkerung ge- kommen. Etwas Bestimmtes darüber zu erfahren, ist schwierig, da keine Nachrichten über diese Vor- gänge mehr veröffentlicht werden dürfen. Es war aber deutlich zu hören, daß in einem vom Zentrum der Stadt entfernten Viertel längere Zeit hindurch geschossen ypurde.

F. Pourtales

Nr. 340

Der Reichskanzler an den Staatssekretär des Auswärtigen *

Berlin, den 29. Juli 19 14

Ist nicht doch noch ein Telegramm nach Wien notwendig, in dem wir scharf erklären, daß wir die Art, wie Wien die Kompen- sationsfrage mit Rom behandelt, für absolut ungenügend ansehen und die Verantwortung, welche sich daraus für die Haltung Italiens in einem etwaigen Kriege ergibt, voll Wien zuschieben? Wenn an dem Vorabend einer möglichen europäischen Konflagration Wien in dieser Weise den Dreibund zu sprengen droht, gerät das eesamte Bündnis ins Wanken. Die Erklärung Wiens, daß es sich im Falle dauernder Besetzung serbischer Gebietsteile mit Italien benehmen werde, steht überdies im Gegensatz zu seiner [-en] in Petersburg bezüglich seines territorialen Desinteressements abgegebenen Ver- sicherungen. Die in Rom abgegebenen Erklärungen werden mit Sicherheit in Petersburg bekannt. Eine Politik mit doppeltem Boden können wir als Bundesgenossen nicht unterstützen.

Ich halte das für notwendig. Sonst können wir in Petersburg nicht weiter vermitteln und geraten gänzlich ins Schlepptau Wiens. Das will ich nicht, auch nicht auf die Gefahr, des Flaumachens be- schuldigt zu werden.

Falls keine Bedenken Ihrerseits, bitte ich um schleunige Vor- legung eines entsprechenden Telegramms 2.

V. Bethmann Holl weg

' Bei den Akten befindliche Aufzeichnung von der Hand des Reichskanzlers. ^ Siehe. Nr. 361.

59

Nr. 341

Der Reichskanzler an den Botschafter in Paris ^

Telegramm 172 Berlin, den 29. Juli 1914^

Dringend !

Nachrichten über französische Kriegsvorbereitungen mehren sich'. Bitte dortige Regierung darauf anreden und darauf aufmerk- sam machen, daß wir uns durch derartige Maßnahmen zu Schutz- maßregeln gezwungen sehen würden. Wir müßten »Kriegsgefahr« proklamieren, was zwar noch nicht Mobilisierung und keine Einbe- rufungen bedeute, aber immerhin Spannung erhöhen würde. Wir hofften fortgesetzt auf Erhaltung des Friedens.

Bethmann Holl weg

' Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand. Vgl. deutsches Weiß- buch vom Mai 19 15, Seite 32 Nr. 19.

''■ \i^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.

^ Von den Situationsberichten, die der Große Generalstab vom 27. Juli bis I.August 1914 täglich erstellt hat, sind die Berichte vom 27. und 28. Juli nicht in den Akten des Auswärtigen Amts. Vgl. hierzu deutsches Weiß- buch vom Juni 1919, Anlage II, kleine Ausgabe Seite 73 und 74, große Ausgabe Seite 52; Situationsbericht vom 29. Juli siehe Nr. 372. Außerdem war am 27. Juli eine telegraphische Meldung des Gesandten in Bern ein- getroffen (Bern ab 27. Juli i*° nachm., Berlin Auswärtiges Amt an 3" nachm.), »daß französisches 14. Korps Manöver abgebrochen und Garnison zurückgekehrt. Romberg.« Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 1915, Seite 28 Nr. 9.

Nr. 342

Der Reichskanzler an den Botschafter in Petersburg '

Telegramm 134 Berlin, den 29. Juli 1914*

Bitte Herrn Sasonow sehr ernst darauf hinweisen, daß weiteres Fortschreiten russischer Mobilisierungsmaßnahmen uns zur Mobil- machung zwingen würde, und daß dann europäischer Krieg kaum noch aufzuhalten sein werde'.

Bethmann Holl weg

' Nach dem Konzept. Entwurf von Stumms Hand. " 12"* nachm. zum Haupttelegraphenamt. •' Siehe Nr. 378 und 401.

6o

Nr. 343

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt *

Telegramm 183 St. Petersburg, den 29. Juli 1914^

Dringend!

Inhalt der Telegramme Nr. 130 und 131* soeben bei Sasonow verwertet. Sie machten sichtlich guten Eindruck. Minister be- merkte aber, es seien leider bis jetzt keine Anzeichen vorhanden, daß Wien darauf eingehe, Weg direkten Gedankenaustausches mit St. Petersburg zu beschreiten.* Herr Schebeko, der in diesem Sinne Weisungen erhalten habe, melde noch nichts von Unterredungen mit maßgebenden Persönlichkeiten, ebenso erkläre Graf Szäpäry, keine Instruktionen zu haben. Es müsse daher an gutem Willen Öster- reichs gezweifelt werden.

Überdies habe Österreich acht Korps mobilisiert, und diese Maßregel müsse als zum Teil gegen Rußland gerichtet angesehen werden. Daher sehe sich Rußland ebenfalls zur Mobilmachung der Militärbezirke an österreichischer Grenze genötigt. Der betreffende Befehl werde heute gegeben werden. Als ich gegen diese Maß- regeln die allerernstesten Bedenken erhob, suchte mich Minister davon zu überzeugen, daß in Rußland Mobilmachung noch lange nicht wie in westeuropäischen Staaten Krieg bedeute, russische Armee würde eventuell Wochen hindurch Gewehr bei Fuß stehen können, ohne Grenze zu überschreiten. Rußland wolle, wenn irgend möglich, Krieg vermeiden. Ich erwiderte, diese Erklärungen be- ruhigten mich nicht. Die Gefahr jeder militärischen Maßregel liege in Gegenmaßregeln der anderen Seite. Der Gedanke liegt nahe, daß die Generalstäbe der eventuellen Gegner Rußlands die Karte des großen Vorsprunges über Rußland in Mobilmachung nicht würden aufgeben wollen und auf Gegenmaßregeln drängten. Ich bitte dringend, diese Gefahr zu bedenken, Herr Sasonow beteuerte noch- mals feierlich, daß gegen uns nicht das Geringste geschehe. Ich er- widerte unter Betonung, daß mir jede Drohung fernliegt, unsere Bündnisverpflichtungen gegen Österreich seien ihm bekannt.

Pourtales

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Petersburg, 2g. Juli, i^^ nachm., angekommen im Aus- wärtigen Amt 29. Juli, 2^^ nachm.; Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Betr. Mitteilung an den Kaiser siehe Nr. 39g. In der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung« vom 26. Februar 1916 ist Pourtales' Telegramm irrig vom 28. Juli datiert.

^ Siehe Nr. 300 und 315.

* Siehe hierzu und zum Folgenden auch Nr. 385.

6i

Nr. 344

Der Militärbevollmächtigte am russischen Hofe an das Auswärtige Amt^

Telegramm 184 St. Petersburg, den 29. Juli 1914^

Für S. M.

In Umgebung Kaisers war man noch

gestern voller Hoffnung auf friedliche

Lösung, heute nach der Kriegserklärung

hält man einen allgemeinen Krieg für

fast unvermeidlich, während man vor

Erscheinen der Antwortnote Serbiens für

den Gedanken Verständnis zeigte, daß

Österreich berechtigt sei, von Serbien

Genugtuung zu verlangen, ist man nun-

diese Auslegung mehr nach Ablehnung der nach hiesiger

war ^u befürch- j^nsicht sehr entgegenkommenden Ant-

'^"- wort Serbiens der Überzeugimg, daß

Österreich mala fide gehandelt hat, den

Krieg sucht und will.

Dies hat die Stimmung sehr zu- gunsten Serbiens gehoben, welches gegen das schroffe und ungerechte Vorgehet! Österreichs zu schütten, Rußland für seine Pßicht halte, ungeachtet der schweren Folgen, welche hierdurch einti-eten wer- wie ist das mög- den. Man mll keinen Kriegt und möchte ^'^^h ^i'^"" '"f" ihn noch vermeiden und bedauert, daß entschlossen ist doch wir l^ es keiner Macht gelungen ist, öster- '^. '^" . ^^^^" reich von dem gefahrvollen Schritt ab- , . , , ^ ^ \uh alten. ^

Chelius

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Petersburg 2^" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 3'° nachm. Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Entzifferung lag dem Kaiser vor, von ihm am 30, Juli ins Amt zurückgelangt.

* »will keinen Krieg« vom Kaiser zweimal unterstrichen.

* Im Original auf der linken Seite.

* »doch wir!« vom Kaiser zweimal unterstrichen.

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Nr. 345

Der Botschafter in Paris an das Auswärtige Amt^

Telegramm 228 Paris, den 29. Juli 1914*

Der stellvertretende Minister der auswärtigen Angelegenheiten, dem ich vertraulich von unseren Bemühungen Kenntnis gab, von Wien Äußerung zu erlangen, die zur Beruhigung von St. Petersburg benutzt werden könnte*, erblickt hierin erfreulichen Beweis unseres guten Willens zur Vermeidung der Erweiterung des, Konflikts, Er meinte, es wäre gut, wenn wegen erregender Rückwirkung in Ruß- land blutige Ereignisse in Serbien vermieden werden könnten. Rußland habe eben deshalb Serbien geraten, Belgrad zu räumen. Ich erwiderte, wir könnten Österreich nicht in den Arm fallen. Auf die Frage des Ministers, ob für späteren Zeitpunkt Zurückkommen auf Gedanken von Sir E. Grey möglich, antwortete ich ausweichend.

Minister wäre dankbar, über Erfolg unserer Bemühungen auf laufendem gehalten zu werden, um eventuell an Beruhigung von St. Petersburg teilnehmen zu können.

S ch o en

' Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Paris i*° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 333 nachm. Eingangsvermerk: 29. Juli nachm.

3 Siehe Nr. 315, Anm. 2.

Nr. 346

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt^

Telegramm 127 Wien, den 29. Juli 1914*

Graf Berchtold hatte heute eine längere, sehr freundschaftliche Unterredung mit Herrn de Bunsen. Letzterer hat betont, daß England lediglich Interesse an Aufrechterhaltung europäischen Friedens

' Nach der Entzifferung.

•^ Aufgegeben in Wien 1^ nachm., angekommen im Auswärtigen ' Amt 33« nachm. Eingangsvermerk: 29. Juli nachm.

63

habe und selbstverständlich alles versucht, um diesen zu erhalten. An Serbien habe England keinerlei Interesse, auch keine Sympathien für die Serben.

Graf Berchtold hat dem britischen Botschafter eingehend aus- einandergesetzt, daß es gerade Serbien sei, das mit seiner unver- antwortlichen Politik den dauernden Frieden Europas gefährdet, und daß es im eigensten Interesse Europas liege, daß der Störenfried Serbien einmal gründlich zur Ruhe verwiesen werde. Er, der Bot- schafter, sei zwar noch nicht lange hier, aber er würde doch schon genügenden Einblick in hiesige Verhältnisse erhalten haben, um beurteilen zu können, daß sich die Monarchie im Stande der Ver- teidigung gegen die serbischen Wühlereien befinde, und daß die treibenden Kräfte für die österreichische Aktion viel tiefer lägen als in der einen oder anderen Forderung der Note. Er, der Minister, bitte ihn, dies seiner Regierung möglichst klar darzulegen.

Irgendwelche bestimmten Vorschläge hat de Bunsen nicht ge- macht. Die Unterhaltung habe sich ganz allgemein gehalten, und der Botschafter habe mit sichtlichem Verständnis seine, des Ministers, Ausführung angehört.

Tschirsch ky

Nr. 347

Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler ^

Wien, den 28. Juli 1914''

Ew. Exz. beehre ich mich, unter Bezugnahme auf Vorgänge anliegend den Text der serbischen Antwortnote' nebst Anmerkungen zur geneigten Kenntnisnahme gehorsamst zu unterbreiten.

von Tschirschky

Nach der Ausfertigung.

Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 29. Juli nachm. Die Übersetzung der Note mit dem Kommentar der Wiener Regierung liegt den Akten bei, sie ist wiederholt veröffentlicht: »Norddeutsche All- gemeine Zeitung« vom 29. Juli 1914, deutsche Weißbücher vom August 1914 und Mai 1915 S. 14 21. Französischen Text ohne Kommentar siehe Nr. 271.

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Nr. 348

Der österreichisch-ungarische Generalkonsul in Warschau an das Wiener Ministerium des Äußern^

Telegramm Szczakowa, 27. Juli 1914^

Wegen Unsicherheit des Telegraphen sende hiermit Duplikat meines vormittägigen Telegramms Nr. 6 durch sichere Person.

Im Laufe des gestrigen Tages vollzog sich Abbruch der Manöver und Zusammenziehung sämtlicher Truppen in der Stadt sowie große militärische Konferenz unter Teilnahme sämtlicher Generale. Abends wurde größeres Artilleriekontingent, wie es heißt eine Brigade, auf dem Wiener Bahnhof einwaggoniert. Vom glei- chen Bahnhof gingen nachts sieben Züge hauptsächlich mit Sappeuren zur Bewachung der Brücken usw. ab. Bisher hat, wie ich aus Stichproben konstatiere, Einberufung von hiesigen Reservisten noch nicht stattgefunden, was allerdings auch im russisch- japanischen Krieg erst später geschehen ist.

Diese Nacht erfolgte Explosion von einem oder mehreren Pulvermagazinen auf der Zitadelle. Brand währte über fünf Stunden, mehrere Menschenopfer. Schaden sehr bedeutend, je- doch nach Umfang der Verwüstungen in Umgebung zuerst gemeldete Explosion sämtlicher Pulverkammern unwahrscheinlich. Offiziell wird als Ursache Blitzschlag angegeben.

Soeben erhalte ich Nachricht, daß auf der Hauptpost Bomben- explosion. Mehrere Verwundete, Urheber unbekannt.

Soeben erfahre, daß heute morgen litauisches und wol- hynisches Regiment am Wiener Bahnhof einwaggoniert.

Baron A n d r i a n

Nach der Entzifferung.

Dem deutschen Botschafter in Wien von der dortigen Regierung zur Verfügung gestellt und von ihm am 28. Juli mit Depeschenkasten übersandt. Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 29. Juli nachm. Das Telegramm ist in Szczakowa am 27. Juli 10"* nachm. abgegangen und in Wien am 28. Juli 9" vorm. eingetroffen.

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Nr. 349

Der Große Gcneralstab an den Reichskanzler^

Berlin, den 29. Juli 1914' Zur Beurteilung der politischen Lage

Es ist ohne Frage, daß kein Staat Europas dem Konflikt zwischen Österreich und Serbien mit einem anderen als wie menschlichen Interesse gegenüberstehen würde, wenn in ihn nicht die Gefahr einer allgemeinen politischen Verwickelung hineinge- tragen wäre, die heute bereits droht, einen Weltkrieg zu entfesseln. Seit mehr als fünf Jahren ist Serbien die Ursache einer europäischen Spannung, die mit nachgerade unerträglich werdendem Druck auf dem politischen und wirtschaftlichen Leben der Völker lastet. Mit einer bis zur Schwäche gehenden Langmut hat Österreich bisher die dauernden Provokationen und die auf Zersetzung seines staat- lichen Bestandes gerichtete politische Wühlarbeit eines Volkes er- tragen, das vom Königsmord im eigenen zum Fürstenmord im Nachbarlande geschritten ist. Erst nach dem letzten scheußlichen Verbrechen hat es zum äußersten Mittel gegriffen, um mit glühen- dem Eisen ein Geschwür auszubrennen, das fortwährend den Körper Europas zu vergiften drohte. Man sollte meinen, daß ganz Europa ihm hätte Dank wissen müssen. Ganz Europa würde auf- geatmet haben, wenn sein Störenfried in gebührender Weise ge- züchtigt und damit Ruhe und Ordnung auf dem Balkan hergestellt worden wäre, aber Rußland stellte sich auf die Seite des verbreche- rischen Landes. Erst damit wurde die österreichisch-serbische An- gelegenheit zu der Wetterwolke, die sich jeden Augenblick über Europa entladen kann.

Österreich hat den europäischen Kabinetten erklärt, daß es weder territoriale Erwerbungen auf Kosten Serbiens anstreben noch den Bestand dieses Staates antasten wolle, es wolle den un- ruhigen Nachbar nur zwingen, die Bedingungen anzunehmen, die es für ein weiteres Nebeneinanderleben für nötig hält, und die Serbien, wie die Erfahrung gezeigt hat, trotz feierlicher Versprechungen ungezwungen niemals halten würde. Die österreichisch-serbische Angelegenheit ist eine rein private Auseinandersetzung, für die, wie gesagt, kein Mensch in Europa ein tiefergehendes Interesse haben würde, das in keiner Weise den europäischen Frieden be- drohen, sondern im Gegenteil ihn festigen würde, wenn nicht Ruß-

Randvermerk des Reichskanzlers : » Vom Generalstab übergeben v. B. H. 29.« Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 29. Juli,

Aktenstücke II. 6

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land sich eingemischt hätte. Das erst hat der Sache den bedroh- lichen Charakter gegeben.

Österreich hat nur einen Teil seiner Streitkräfte, acht Armee- korps, gegen Serbien mobilisiert. Gerade genug, um seine Straf- expedition durchführen zu können. Demgegenüber trifft Rußland alle Vorbereitungen, um die Armeekorps der Militärbezirke Kiew und Odessa und Moskau, in Summa zwölf Armeekorps, in kürzester Zeit mobilisieren zu können und verfügt ähnliche vorbereitende Maßnahmen auch im Norden, der deutschen Grenze gegenüber und an der Ostsee. Es erklärt, mobilisieren zu wollen, wenn Österreich in Serbien einrückt, da es eine Zertrümmerung Serbiens durch Österreich nicht zugeben könne, obgleich Österreich erklärt hat, daß es an eine solche nicht denke.

Was wird und muß die weitere Folge sein? Österreich wird, wenn es in Serbien einrückt, nicht nur der serbischen Armee, son- dern auch einer starken russischen Überlegenheit gegenüberstehen, es wird also den Krieg gegen Serbien nicht durchführen können, ohne sich gegen ein russisches Eingreifen zu sichern. Das heißt, es wird gezwungen sein, auch die andere Hälfte seines Heeres mobil zu machen, denn es kann sich unmöglich auf Gnade und Un- gnade einem kriegsbereiten Rußland ausliefern. Mit dem Augen- blick aber, wo Österreich sein ganzes Heer mobil macht, wird der Zusammenstoß zwischen ihm und Rußland unvermeidlich werden. Das aber ist für Deutschland der casus foederis. Will Deutschland nicht wortbrüchig werden und seinen Bundesgenossen der Ver- nichtung durch die russische Übermacht verfallen lassen, so muß es auch seinerseits mobil machen. Das wird auch die Mobilisierung der übrigen Militärbezirke Rußlands zur Folge haben. Dann aber wird Rußland sagen können, ich werde von Deutschland ange- griffen, und damit wird es sich die Unterstützung Frankreichs sichern, das vertragsmäßig verpflichtet ist, an dem Kriege teilzu- nehmen, wenn sein Bundesgenosse Rußland angegriffen wird. Das so oft als reines Defensivbündnis gepriesene französisch-russische Abkommen, das nur geschaffen sein soll, um Angriffsplänen Deutschlands begegnen zu können, ist damit wirksam geworden, und die gegenseitige Zerfleischung der europäischen Kulturstaaten wird beginnen.

Man kann nicht leugnen, daß die Sache von Seiten Rußlands geschickt inszeniert ist. Unter fortwährenden Versicherungen, daß es noch nicht »mobil« mache, sondern nur »für alle Fälle« Vor- bereitungen treffe, daß es »bisher« keine Reservisten einberufen habe, macht es sich soweit kriegsbereit, daß es, wenn es die Mobil- machung wirklich ausspricht, in wenigen Tagen zum Vormarsch fertig sein kann. Damit bringt es Österreich in eine verzweifelte Lage und schiebt ihm die Verantwortung zu, indem es doch Öster- reich zwingt, sich gegen eine russische Überraschung zu sichern. Es wird sagen: Du Österreich machst gegen uns mobil. Du willst

67

also den Krieg mit uns. Gegen Deutschland versichert Rußland, nichts unternehmen zu wollen, es weiß aber ganz genau, daß Deutschland einem kriegerischen Zusammenstoß zwischen seinem Bundesgenossen und Rußland nicht untätig zusehen kann. Auch Deutschland wird gezwungen werden, mobil zu machen, und wieder- um wird Rußland der Welt gegenüber sagen können: »Ich habe den Krieg nicht gewollt, aber Deutschland hat ihn herbeigeführt.c So werden und müssen die Dinge sich entwickeln, wenn nicht, fast möchte man sagen, ein Wunder geschieht, um noch in letzter Stunde einen Krieg zu verhindern, der die Kultur fast des gesamten Europas auf Jahrzehnte hinaus vernichten wird.

Deutschland will diesen schrecklichen Krieg nicht herbei- führen. Die deutsche Regierung weiß aber, daß es die tiefge- wurzelten Gefühle der Bundestreue, eines der schönsten Züge deut- schen Gemütslebens, in verhängnisvoller Weise verletzen und sich in Widerspruch mit allen Empfindungen ihres Volkes setzen würde, wenn sie ihrem Bundesgenossen in einem Augenblick nicht zu Hilfe kommen wollte, der über dessen Existenz entscheiden muß.

Nach den vorliegenden Nachrichten scheint auch Frankreich vorbereitende Maßnahmen für eine eventuelle spätere Mobilmachung zu treffen. Es ist augenscheinlich, daß Rußland und Frankreich in ihren Maßnahmen Hand in Hand gehen.

Deutschland wird also, wenn der Zusammenstoß zwischen Österreich und Rußland unvermeidlich ist. mobil machen und bereit sein, den Kampf nach zwei Fronten aufzunehmen.

Für die eintretendenfalls von uns beabsichtigten militärischen Maßnahmen ist es von größter Wichtigkeit, möglichst bald Klarheit darüber zu erhalten, ob Rußland und Frankreich gewillt sind, es auf einen Krieg mit Deutschland ankommen zu lassen. Je weiter die Vorbereitungen unserer Nachbarn fortschreiten, um so schneller werden sie ihre Mobilmachung beendigen können. Die militärische Lage wird dadurch für uns von Tag zu Tag ungünstiger und kann, wenn unsere voraussichtlichen Gegner sich weiter in aller Ruhe vorbereiten, zu verhängnisvollen Folgen für uns führen.

Nr. 350

Der Botschafter in Paris an den Reichskanzler'

Paris, den 28. Juli 1914'

Im Laufe einer Unterredung mit dem stellvertretenden Minister des Äußern habe ich einfließen lassen, es sei befremdend, daß der Ge-

* Nach der Ausfertigung.

' Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 29. Juli nachm.

6*

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danke, daß wir treibend hinter Österreich-Ungarn stehen und damit verantwortlich würden, wenn aus dem österreichisch-serbischen ein allgemeiner Konflikt werden sollte, nicht nur in der französischen Presse zum Ausdruck komme, sondern auch in den Köpfen von hoch- stehenden Persönlichkeiten zu spuken scheine, die besser belehrt sein sollten, und in deren Munde derartige Insinuationen unheilvoll wirken können. Ich wollte nicht deutlicher werden, glaube aber, daß Herr Bienvenu-Martin mich verstanden hat. Er meinte, die Presse beschuldige uns nicht, Österreich-Ungarn direkt vorwärts zu schieben, sondern nur, unseren Verbündeten nicht zurückzuhalten. Es sei eben schwer anzunehmen, daß Österreich-Ungarn so vorge- gangen, wie geschehen, wenn es nicht unseres, Rückhaltes sicher ge- wesen, womit er selbstverständlich nicht andeuten wolle, daß unserer Versicherung, daß wir von dem Wortlaut der österreichischen Note nicht vorherige Kenntnis gehabt, nicht unbedingter Glaube beizu- messen sei. Aber Tatsache sei, daß wir von vornherein erklärt, daß wir das Vorgehen und die Forderungen Österreich-Ungarns billigten, und jetzt auch nicht geneigt schienen, unseren Verbündeten auf dem beschrittenen Wege, der zu schweren Komplikationen führen könne, aufzuhalten. Ein maßvolles Verhalten Österreich-Ungarns sei aber Vorbedingung für eine erfolgreiche Vermittelungsaktion. Das beste Mittel zur Vermeidung eines allgemeinen Krieges sei die Ver- hinderung eines lokalen. Er meine daher, daß sich die Vermittelung zunächst das letztere Ziel setzen und Österreich-Ungarn durch die Zusicherung von Bürgschaften für Serbiens Sühne und künftiges Wohlverhalten zu beruhigen suchen sollte.

Ich habe dem Minister erwidert, wir könnten nach alledem, was Serbien seit seinem Versprechen vom Jahre 1909 gegen die Doppelmonarchie unternommen habe, ohne von derjenigen Macht zurückgehalten zu werden, die das Prinzip der europäischen Auf- sicht aufstelle, nur verständlich finden, daß Österreich-Ungarn sich jetzt Recht und Ruhe, die ihm nicht gegeben worden, erzwinge. Wir hätten uns in seinen Streit mit Serbien nicht eingemischt, keinerlei Einfluß auf seine Entschließungen genommen und könnten dies auch jetzt nicht tun. Weiteren gefährlichen Folgen des Konfliktes wäre vorgebeugt, wenn alle Mächte sich zu gleicher Haltung wie wir entschließen wollten. Wir hätten von vornherein erklärt, daß die Lokalisierung des Konfliktes das ernste Bestreben der Mächte sein müsse. Demgemäß würden wir uns an Bemühungen zur Ver- hinderung einer allgemeinen Konflagration beteiligen, vorausgesetzt, daß sie nicht darauf abzielen, Österreich-Ungarn gegen seinen Willen an der Verfolgung seiner nur zu sehr berechtigten Forderungen zu hindern.

V. S c h o e n

69

Nr. 351

Der vortragende Rat im Auswärtigen Amt von Bergen an den Staatssekretär des Auswärtigen^

Berlin, den 29. Juli 1914*

Herr Beldiman, den ich möglichst auf dem laufenden halte, er- suchte mich heute, Ew. Exz. die dringende Bitte zu wiederholen, seine Regierung rechtzeitig zu informieren, wenn die Ereignisse zum Kriege drängen sollten. Seine Regierung braucht unbedingt einige Tage, um die Parteiführer und die öffentliche Meinung auf eine Aktion gegen Rußland vorzubereiten.

V. B[ergen]

* Aufzeichnung in Maschinenschrift, paraphiert von Bergen. ^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 29. Juli nachm. Jagow nahm von der Mitteilung noch am 29. Juli Kennmis.

Nr. 352

Die österreichisch -ungarische Botschaft an das Auswärtige Amt^

Berlin, den 29. Juli 1914^

Obwohl Herr Sasonow ebenso wie der russische Kriegs- minister unter Ehrenwort versichert hat, daß eine Mobilisierung in Rußland bisher nicht angeordnet wurde, trifft Rußland dennoch nach übereinstimmenden Nachrichten aus Petersburg, Kiew, War- schau, Moskau und Odessa umfangreiche militärische Vorberei- tungen. Auch hat der russische Kriegsminister dem k. deut- schen Militärattache gegenüber bemerkt, daß die gegen Öster- reich-Ungarn gelegenen russischen Militärbezirke (Kiew, Odessa, Moskau und Kasan) in dem Falle mobilisiert werden würden, als unsere Truppen die serbische Grenze überschritten.

Der Chef des k. und k. Generalstabes hält es nun für unbe- dingt geboten, ohne Verzug Klarheit darüber zu gewinnen,

* Nach der Ausfertigung. Ohne Unterschrift.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts : 29. Juli nachm. Am Rand ver- merkt Jagow, daß der Reichskanzler Kenntnis gehabt hat.

70

ob wir mit starken Kräften gegen Serbien marschieren können oder unsere Hauptmacht gegen Rußland zu verwenden haben werden. Die Entscheidung dieser Frage bedingt die ganze Anlage des Feldzuges gegen Serbien. Wenn Rußland die erwähnten militärischen Bezirke tatsächlich mobilisiert, wäre es unerläßlich (schon mit Rücksicht auf die große Bedeutung des Zeitgewinnes für Rußland), daß sowohl Österreich-Ungarn als der ganzen Situation nach auch Deutschland sofortige weitestgehende Gegenmaßregeln ergreifen.

Baron Conrads Ansicht erscheint Grafen Berchtold höchst beachtenswert, und derselbe glaubt daher, das Berliner Kabinett dringend ersuchen zu müssen, dem Gedanken näherzutreten, ob nicht Rußland in freundschaftlicher Weise aufmerksam gemacht werden sollte, daß die Mobilisierung obiger Bezirke einer Drohung gleichkomme und, falls sie zur Tat werde, sowohl seitens der Monarchie als vom verbündeten Deutschen Reich notwendigerweise weitestgehende militärische Gegenmaßregeln herausfordere.

Graf Berchtold ist der Ansicht, daß ein solcher Schritt, um Rußland das eventuelle Einlenken zu erleichtern, vorerst allein von Deutschland unternommen werden sollte; doch wären wir natürlich auch bereit, den Schritt zu zweien zu machen.

Eine deutliche Sprache erschiene Grafen Berchtold in diesem Augenblick als das wirksamste Mittel, um Rußland die ganze Trag- weite eines drohenden Verhaltens zum Bewußtsein zu bringen.

Da ferner nach den dem Berliner Kabinett zugekommenen Nachrichten aus Bukarest in Rumänien günstige Dispositionen be- stehen, wären dieselben vielleicht zu benützen, um auch von Ru- mänien her einen Druck auf Rußland auszuüben.

Zu diesem Zweck, meint die k. u. k. Regierung, sollten der Österreich-ungarische und der k. deutsche Gesandte in Buka- rest unverzüglich angewiesen werden, an König Carol mit dem Er- suchen heranzutreten, sei es durch eine von Rumänien auszufüh- rende Demarche in Petersburg (eventuell auch durch ein geheimes Telegramm des Königs Carol an Kaiser Nikolaus) oder durch öffentliche Bekanntgabe des Bündnisses offen zu erklären, daß im Falle einer europäischen Konflagration Rumänien an der Seite des Dreibundes gegen Rußland kämpfen wird.

Um ihrem Zweck zu entsprechen, müßte diese Klarstellung bis spätestens i. August erfolgen.

Die k. u. k. Regierung glaubt bestimmt annehmen zu dürfen, daß die maßgebenden Faktoren des Deutschen Reiches angesichts des für beide Reiche bedrohenden Verhaltens Rußlands diesen Vorschlägen ihre Zustimmung nicht versagen werden.

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Nr. 353

Der englische Botschafter an den Reichskanzler^

Sir Edward Goschen has been instructed by Sir Edward Grey to express to the Imperial Chancellor bis thanks for the confidence which His Excellency has shown, a confidence which Sir Edward Grey much appreciates and will respect in accordance with the Chan- cellor's wishes. If the Imperial Chancellor can succeed in inducing the Austro-Hungarian Government to give the Russian Government assurances which will satisfy the latter and to abstain from going so far as to come into collision with Russia "we shall all join together in gratitude that the peace of Europe has been preserved". The Chancellor may rely upon His Majesty's Government continuing to omit no opportunity of working for peace.

Übersetzung

Sir Edward Goschen ist von Sir Edward Grey beauftragt worden, dem Reichskanzler seinen Dank für das Vertrauen auszudrücken, daß S. Exz. bewiesen hat. Sir Edward Grey schätzt dieses Vertrauen hoch und wird dementsprechend die Wünsche des Kanzlers berücksichtigen. Wenn es dem Reichskanzler gelingt, die österreichisch-ungarische Regierung zu bewegen, daß sie der russischen Regierung Zusicherungen gibt, die diese letztere befrie- digen, und daß sie weitgehende Schritte vermeidet, die zu einem Konflikt mit Rußland führen, »werden wir alle vereint dafür Dank sagen, daß der Friede Europas erhalten wurde«. Der Kanzler möge sich darauf verlassen, daß Sr. M. Regierung fortfahren wird, keine Gelegenheit vorübergehen zu lassen, um für den Frieden zu arbeiten.

' Nach der Ausfertigung. Ohne Datum, aber offenbar die Ausrichtung des Auftrages im englischen Blaubuch Nr. 77 vom 29. Juli. Der Reichskanzler hat noch am 29. Juli Kenntnis genommen. Am 30. Juli vnarde die Mit- teilung von Zimmermann ans Zentralbureau zurückgegeben, nachdem auch Jagow sie gelesen hatte. Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 30. Juli nachm.

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Nr. 354

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in KonstantinopeP

Berlin, den 29. Juli 1914*

Ew. Exz. gefl. telegraphischer Bericht betr. griechische Rüstungen gegen die Türkei ist auf AUerh. Befehl unter Geheimhaltung der Quelle teilweise zur Kenntnis Sr. M. des Königs von Griechenland gebracht worden. Dieser hat hierauf nachstehendes Telegramm, das ich Ew. pp. zur gefälhgen persönhchen Information mitteile, an S. M. den Kaiser gerichtet:

»Ich danke für das Telegramm wenn letztere es

ehrlich meint !^«

V. Jagow

^ Nach dem Konzept.

^ Abgegangen am 29. Juli.

' Hier ist der Abschnitt »Ich danke für wenn letztere es ehrlich

meint« von König Konstantins Telegramm (Nr. 243) nach Vornahme kleiner Änderungen und unter Fortlassung des Satzes »Die Bitte um Unterstützung nochmals an Ew. M.« eingefügt.

Nr. 355

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 176 London, den 29. Juli 1914^

Bei meinem heutigen Besuch auf dem Foreign Office hatte ich eine kurze Unterredung mit Sir W. Tyrrell, der nach Sir E. Grey und angesichts der geringen Bedeutung Sir A. Nicolsons heute zweifellos

1 Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in London 2^" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 4^* nachm., Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Am 29. Juli von Jagow, nach Vornahme stilistischer Änderungen und unter Fortlassung der Worte

»und angesichts Nicolsons«, telegraphisch dem Botschafter in

Rom (141) mitgeteilt, g^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.

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die einflußreichste und unterrichtetste Persönlichkeit dort ist. Er gab mir wiederum zu verstehen, daß nach ihren Nachrichten der Dreibund die Probe eines Weltkriegs nicht bestehen würde. Er wisse, daß Italien sich an einem wegen Serbien ausgebrochenen Weltkrieg nicht beteiligen würde, und wir sollten uns durch anders lautende amtliche Nachrichten nicht täuschen lassen. Ich vermute, daß diese Auffassung auf der Berichterstattung Sir Renel Rodds be- ruht, und ich hatte nicht den Eindruck, daß Sir W. T5n:rell sie er- funden hat, um uns einzuschüchtern.

Lichnowsky Nr. 356

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt'

Telegramm 128 Wien, den 29. JuH 1914^

Über seine heutige Unterredung mit Schebeko teilte mir Graf Berchtold mit, daß der russische Botschafter sehr konzihant in der Form gewesen, innerüch aber scheinbar ziemhch erregt gewesen sei, denn er sei kreideweiß gewesen. Der russische Botschafter hat ungefähr die gleiche Sprache geführt wie Sasonow dem Grafen Szäpary gegenüber, er hat davon geredet, daß sich wohl noch ein Modus finden Heße, imi beide Teile, Österreich und Serbien, zu be- friedigen. Der Minister hat dem freundschafthch entgegengehalten, er, der Botschafter, werde wohl in den letzten Tagen die Stimmimg der Bevölkerung in Wien und in der Monarchie beobachtet haben imd daraus ersehen haben, daß ein weiteres Paktieren mit Serbien für jede österreichisch-ungarische Regierung ganz unmöglich geworden sei, sie würde einfach hinweggefegt werden. Schebeko habe dann noch weiter, aber mit wenig innerer Überzeugung, mit dem Be- merken, daß er die Stimmung hier ja begreife, den Faden des Versuchs weiterer Pourparlers mit Serbien weiter gesponnen, ohne aber bestimmte Anträge oder Wünsche zu äußern. Die ganze Unterhaltung sei in freimdschaithchem Ton geführt worden.

Tschirschky

^ Nach der Entzifierung.

^ Aufgegeben in Wien 2" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 5'nachm., Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Für die Mitteilung an den Botschafter in Petersburg lag Entwurf Bergens vom 29. Juli vor, Mitteilung ist dann aber nicht erfolgt.

74

Nr. 357

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt'

Telegramm 174 London, den 29. Juli 1914*

Habe soeben mit Sir E. Grey gesprochen, der die Lage überaus ernst beurteilt. Den unangenehmsten Eindruck hat auf ihn ein gestriges Telegramm Sir Maurice de Bunsens gemacht, wonach Graf Berchtold Vorschlag Sasonows, Graf Szäpäry zu ermächtigen, mit ihm in Besprechungen des serbisch-österreichischen Streits einzu- gehen, unbedingt abgelehnt habe. Minister betrachtet auch heutigen direkten Gedankenaustausch zwischen Wien und Petersburg für den gangbarsten Weg, fragte mich aber, was geschehen soll, wenn, wie es nach dem Wiener Telegramm den Anschein habe, die Besprechun- gen zusammenbrechen. Ob wir alsdann in der Lage seien, irgend- einen Vorschlag zu machen? Er habe die Konferenz der hiesigen Botschafter angeregt, die uns nicht als gangbar erscheine, wir hätten die Vermittlung zu vieren aber angenommen, und er würde froh sein, wenn wir in der Lage wären, irgendeinen Vorschlag zu machen. Ich sagte, wir betrachteten den österreichisch-serbischen Zwist als eine Angelegenheit, in die wir uns nicht hineinmischen wollten, wir könnten auch Österreich keine Demütigungen zumuten. Österreich tue nur das, was es tun müsse, um an seiner Grenze Ruhe und Ord- nung zu schaffen. Das sei auch gleichzeitig ein Interesse des euro- päischen Friedens. Auch beabsichtige Österreich keinen territorialen Erwerb, sondern nur die Herstellung erträglichen Zustandes.

Er entgegnete, er begreife vollkommen, daß Österreich nicht gedemütigt werden dürfe, davon könne nicht die Rede sein. Er hoffe, daß sich ein Ausweg finden lasse, der es Österreich ermögliche, volle Genugtuung zu bekommen, ohne daß es Rußland zumute, ruhig zuzusehen, bis Österreich an das äußerste Ende seiner kriegerischen Unternehmungen gelangt sei. Das wäre gleichbedeutend mit einer Demütigung Rußlands, die letzteres unmöglich hinnehmen könne.

' Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in London nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 5' nachm.; Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Betr. Mitteilung von Lichnowskys Telegramm an den Botschafter in Wien siehe Nr. 384.

75

Ich entgegnete, daß eigentlich Serbien Rußland direkt nichts an- ginge, und Rußland um so weniger Anlaß habe, sich in diesen grenz- nachbarlichen Streit einzumischen, als Österreich Serbien nicht zu annektieren beabsichtige.

Er entgegnete, daß es ohne Annexion auch eine Form gebe, die Serbien in einen Vasallenstaat Österreichs verwandeln würde. Das könne und werde Rußland niemals mit ansehen. Rußlands Stellung bei der orthodoxen Christenheit stände auf dem Spiel. Er ließ hier- bei den Gedanken fallen, ob es denn nicht möglich sei, über die Ausdehnungen der militärischen Operationen Österreichs und über die Forderungen der Monarchie eine Verständigung herbeizuführen ?

Aus den heutigen Ausführungen des Ministers entnahm ich von neuem, daß man hier fest davon überzeugt ist, wie ich mich wiederholt beehrt habe, Ew. Exz. zu berichten, daß ohne die Bereit- willigkeit Österreichs, in eine Erörterung der serbischen Frage ein- zutreten, der Weltkrieg unvermeidlich sein wird.

Sir E. Grey ließ hierbei halb im Scherz die Bemerkung fallen,

man könne nie wissen, welche Häuser bei einem derartigen Brand

unversehrt bleiben würden, jetzt rüste sogar schon das kleine Holland.

Der Minister war sichtlich erfreut über meine Mitteilung, daß Ew. Exz. bisher mit gutem Erfolg bestrebt gewesen sind, zwischen Wien und Petersburg zu vermitteln' und erklärte sich zu jeder Be- teiligung bereit, die Aussicht auf Erfolg verspräche.

Ich bat den Minister von neuem, in Petersburg vor übereilten Entschlüssen zu warnen und namentlich zu verhindern, daß dort eine allgemeine Mobilmachung Platz greife, die auch unsere Grenze berühren würde. Die Folgen müßten unabsehbar sein. Der Mi- nister versprach mir wiederum, in diesem Sinne zu wirken und dafür zu sorgen, daß die Köpfe möglichst kühl bleiben.

Schließlich teilte mir der Minister mit, daß der serbische Ge- schäftsträger in Rom dem Marquis di San Giuliano erklärt habe, daß, unter der Voraussetzung gewisser Erläuterung der Art der Be- teiligung österreichischer Agenten, Serbien geneigt sein würde, auch die Artikel 5 und 6 der österreichischen Note, mithin also alle For- derungen, zu schlucken. Da nicht anzunehmen wäre, daß Österreich sich in direkte Unterhandlungen mit Serbien einlassen würde, könnte die Sache durch Vermittelung der Großmächte als Rat an Serbien gelangen. Marquis di San Giuliano meint, daß auf dieser Grundlage sich eine Einigung erzielen lassen könne. Vor allem aber wünsche der Minister die unverzügliche Aufnahme der Bespre-

' Siehe Nr. 314; vgl. auch Nr. 323.

76

chung. Sir E. Grey hat Marquis di San Giuliano an die Wiener und Berliner Kabinette verweisen lassen, da er ohne deren Zustimmung nicht in der Lage sei, Besprechungen aufzunehmen.

Schließlich teilte mir der Minister ein Telegramm Sir George Buchanans mit, wonach russisches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten den fremden Preßvertretern mitgeteilt haben soll, daß, da Unterhandlungen zwischen Wien und Petersburg ergebnis- los verlaufen seien, Rußland sich genötigt sehe, Betreten serbischen Bodens durch österreichische Truppen als Kriegsfall zu betrachten.

Lichnowsky

Nr. 358

Der Geschäftsträger in Cetinje an das Auswärtige Amt^

Telegramm 19 Cattaro, den 28. Juli 1914^

Höre aus sicherer Quelle, daß gestriger Ministerrat folgendes beschlossen hat : Die Ausweisung der Montenegriner Cattaro, die dort erfolgte Beschlagnahme montenegrinischen Privateigentums sowie die Sperre der Telegraphenünien durch die Österreicher bedeuteten Maß- nahmen, gegen die Montenegro, solange der Krieg nicht erklärt sei, protestieren müsse. Sollte Österreich Serbien trotz hier für ausrei- chend erachteter Antwort Krieg erklären, würden dem österreichi- schen Gesandten seine Pässe zugestellt werden. In diesem Falle würde Montenegro Verteidigungsstellung einnehmen, eventuell ser- bischer Armee zu Hilfe kommen. Lowtschen-Garnison ist verstärkte

Zech

1 Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Cattaro 28. Juli, angekommen im Auswärtigen Amt 29. Juli 5" nachm. Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Am 30. Juli von Jagow, nach Vornahme kleiner stilistischer Änderungen, telegraphisch dem Botschafter in Wien mitgeteilt, 10** vorm. zum Haupttelegraphenamt, 11*" vorm. ab- gefertigt, um 3*^ nachm. auf der Botschaft in Wien eingetroffen.

3 Siehe Nr. 394.

/ /

Nr. 359

Der Kaiser an den Zaren ^

Telegramm (ohne Nummer) Berlin, den 29. Juli 19 14*

I received your telegram^ and share your wish that peace should be maintained. But as I told you in my first telegram*, I cannot consider Austria's^ action against Servia an "ignoble" war". Austria knows by experience that Servian promises on paper are whoUy unreüable. I understand its action must be judged as tren- ding to get füll guarantee that the Servian promises shall become real facts. This my reasoning is borne out' by the Statement of the Austrian cabinet that Austria does not want to make any terri- torial conquests at the expense of Servia. I therefore suggest that^

* Der deutsche Entwurf von Jagows Hand, der dann in englischer Über- setzung dem Kaiser vorgelegt wurde, lautet: »Habe Dein Telegramm er- halten und teile mit Dir den Wunsch nach Frieden. Aber wie ich schon in meinem ersten Telegramm ausführte, kann ich in der österreichischen Aktion gegen Serbien nicht einen ,ignoble war', sondern nur eine ge- rechte Strafexpedition erblicken. Daß sie nicht mehr ist, beweist die von dem Wiener Kabinett Deiner Regierung abgegebene Zusicherung, daß Österreich keinen territorialen Gewinn in Serbien anstrebt. Ich glaube deshalb, daß es Dir unter dieser Garantie möglich sein wird, dem ser- bisch-österreichischen Konflikt zuzuschauen, ohne die Welt in einen der fürchterlichsten Kriege zu stürzen. Eine direkte Verständigung zwischen Dir und Wien halte ich für möglich und erwünscht, und will ich sie gern unterstützen. Russische Mobilisierungsmaßregeln gegen Österreich könnten aber set the house in flame und müßten auch mich in die schwierigste Lage bringen.« Den englischen Entwurf hat der Kaiser wesentlich ge- ändert und ergänzt.

* Auf dem vom Kaiser geänderten englischen Entwurf oben der Rand- vermerk von des Kaisers Hand: »N. Pal. 29. VII. 14 6^° N.M.« Das Tele- gramm wurde dann von Potsdam aus offen abgesandt.

' Siehe Nr. 332.

* Siehe Nr. 335.

^ »Austria's« vom Kaiser aus »the Austria« des Entwurfs geändert.

® Hier folgendes »Austria knows real facts« vom Kaiser beigefügt.

Das hinter »facts« zunächst von ihm Niedergeschriebene hat er wieder ge- strichen, ebenso das im Entwurf hinter »ignoble war« zunächst folgende: »It is an expedition in order to punish Servia. «

' »This out« vom Kaiser aus ursprünglichem »That it is not

more is clearly proved« des Entwurfs geändert.

^ »I therefore suggest that« vom Kaiser aus ursprünglichem »I think that given this guarantee« des Entwurfs geändert.

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it would be quite* possible for Russia^° to remain a spectator of ^* the austro-servian conflict without involving^^ Europe in^' the most horrible war she ever witnessed. I think a direct understanding between your Government^* and Vienna possible and desirable and as I already telegraphed to you, my Government is continuing its exertions to promote it. Of course military measures on the part of Russia which would be looked upon by Austria as threatening would precipitate a calamity we both wish to avoid and jeopardize my Position as mediator which I readily accepted on your appeal to my friendship and my help^*.

Willy"

Übersetzung

Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch nach Er- haltung des Friedens. Allein, wie ich Dir in meinem ersten Telegramm ge- sagt habe, kann ich Österreichs Vorgehen gegen Serbien nicht als einen unwürdigen Krieg ansehen. Österreich weiß aus Erfahrung, daß serbische Versprechungen auf dem Papier gänzlich unzuverlässig sind. Meiner Ansicht nach ist Österreichs Aktion dahin zu beurteilen, daß sie volle Bürgschaft da- für zu schaffen anstrebt, daß die serbischen Versprechungen auch wirklich zur Tat werden.

Diese meine Auffassung wird bestätigt durch die Erklärung des öster- reichischen Kabinetts, daß Österreich nicht beabsichtigt, irgendwelche terri- torialen Eroberungen auf Kosten Serbiens zu machen.

Ich rege daher an, daß es für Rußland durchaus möglich wäre, bei dem österreichisch-serbischen Konflikt in der Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den entsetzlichsten Krieg zu verwickeln, den es je gesehen hat.

Ich halte eine direkte Verständigung zwischen Deiner Regierung und Wien für möglich und wünschenswert und, wie ich Dir schon telegraphiert habe, setzt meine Regierung ihre Bemühungen fort, diese Verständigung zu fördern. Natürlich würden militärische Maßnahmen von selten Rußlands, die Österreich als Drohungen ansehen würde, ein Unheil beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen, und meine Stellung als Vermittler gefährden die ich auf Deinen Appell an meine Freundschaft und meinen Beistand bereit- willig übernommen habe.

^ »quite« vom Kaiser eingefügt.

»Russia« vom Kaiser aus »you« des Entwurfs geändert.

11 »of« vom Kaiser aus »in« des Entwurfs geändert.

12 »involving« aus »driving« des Entwurfs geändert.

1^ »in« vom Kaiser aus »into« des Entwurfs geändert.

1* »your Government« vom Kaiser aus »you« des Entwurfs geändert

1^ »and as I already my help« vom Kaiser geändert aus ursprüng-

lichemText des Entwurfs »and am quite ready to promote it. But mobilisation

of your army against Austria could set the house on fire and would

bring myself into the most difficult position«. 1^ Vgl. Deutsches Weißbuch vom Mai 1915 S. 34 Nr. 22. III. Siehe auch

Nr. 366.

79

Nr. 360

Der Geschäftsträger in Athen an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 221 Athen, den 29. Juli 1914^

Streng vertraulich!

Minister Streit hat anscheinend aus französischer Quelle stammende Nachrichten, daß Österreich in Unterhandlungen mit Bulgarien und der Türkei stehe ^. Er zweifelt jedoch an der Richtigkeit derselben, da dies der deutschen Pohtik entgegengesetzt wäre, und da Österreich erst vorgestern Griechenland eine Sympathieerklärung abgegeben habe.

Bassewitz

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Athen 2^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 6*° nachm. Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Der erste Satz des Telegramms von Jagow »geheim« dem Botschafter in Konstantinopel mitgeteilt, 30. Juli, 9*^ vorm. zum Haupttelegraphenamt.

' Siehe Nr. 512.

Nr. 361

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien ^

Telegramm 181 Berlin, den 29. Juh 1914^

Fürst Lichnowsky telegraphiert:

»»Die Mitglieder unberechtigt sein«^

Diese Äußerungen der österreichischen Diplomaten müssen als Reflexe neuerer Wünsche und Aspirationen erscheinen. Ich betrachte die Haltung der dortigen Regierung und ihr tmgleichartiges Vor- gehen bei den verschiedenen Regierungen mit wachsendem Befremden.

* Nach dem Konzept. Entwurf von Bergens Hand mit Änderungen von

der Hand Stumms und Jagows. Siehe Nr. 340. " 8*^ nachm. zum Haupttelegraphenamt gegeben. ' Hier ist Lichnowskys Telegramm vom 28. Juli (Nr. 301) mit kleinen

Änderungen und unter Fortlassung der Sätze »Als die Nachricht

niedergeschmettert« und »daß es sich nicht bloß Beziehungen

beruht« eingefügt.

8o

In Petersburg erklärt sie territoriales Desinteressement, uns läßt sie ganz im unklaren über ihr Programm, Rom speist sie mit nichts- sagenden Redensarten über die Kompensationsfrage ab*, in London verschenkt Graf Mensdorff Teile Serbiens an Bulgarien und Albanien und setzt sich in Gegensatz zu den feierhchen Erklärungen Wiens in Petersburg^. Aus diesen Widersprüchen muß ich den Schluß ziehen, daß die in Telegramm Nr. 83* mitgeteilte Desavouierung des Grafen Hoyos für die Galerie bestimmt war, und daß die dortige Regierung sich mit Plänen trägt, deren Geheimhaltung vor uns sie für angezeigt hält, um sich auf alle Fälle der deutschen Unter- stützung zu versichern und nicht durch offene Bekanntgabe einem eventuellen Refus auszusetzen.

Vorstehende Bemerkungen sind zunächst' zu Ew. Exz. persön- licher Orientierung bestimmt. Den Grafen Berchtold bitte ich nur darauf hinzuweisen, daß es sich empfehlen würde, einem Mißtrauen gegen seine über die ® Integrität Serbiens den Mächten ® abgegebenen Erklärungen vorzubeugen. Ich bitte ihn auch darauf aufmerksam zu machen, daß die Instruktion an Baron Merey ItaHen kaum be- friedigen kann ^**.

Bethmann Hollweg

* Der Abschniu »In Petersburg Kompensationsfrage ab« lautete

im Bergenschen Entwurf: »In Petersburg wird die Friedensschalmei ge- blasen, den Bundesgenossen gegenüber glaubt die österreichisch-ungarische Regierung sich verschlossen zeigen zu müssen; uns verweigert sie jede Auskunft über ihr Programm, Rom eine Antwort auf die berechtigte Frage nach der Interpretation des Art. VII des Dreibundvertrags«. Mit den Ände- rungen Stumms lautete er kürzer: »In Petersburg wird die Friedens- schalmei geblasen; uns läßt sie ganz im unklaren über ihr Programm, Rom speist sie mit nichtssagenden Redensarten über die Kompensations- frage ab«. Daraus entstand dann der endgültige Entwurf Jagows.

^ »in Petersburg« von Jagow beigefügt; ursprünglich hinter »Wiens« fol- gendes »die territoriale Integrität Serbiens wahren zu wollen« des Bergenschen Entwurfes von Jagow gestrichen.

6 Siehe Nr. 18.

^ »zunächst« von Stumm aus ursprünglichem »lediglich« Bergens geändert, vom Reichskanzler unterstrichen, das Wort fehlt in der Entzifferung der Wiener Botschaft. Dagegen sind dort die Worte »zu Ew. Exz. persön- licher Orientierung« unterstrichen.

^ »einem Mißtrauen gegen seine über die« von Jagow aus ursprünglichem »einer Umdeutung seiner bezüglich der« Bergens geändert.

' »den Mächten« von Jagow beigefügt.

»Ich bitte befriedigen kann« von Jagow beigefügt.

8i

Nr, 362

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 179 London, den 29. Juli 1914*

Aus Journalistenkxeisen höre ich, daß angeblich ein Einver- nehmen zwischen England und Itahen erzielt worden sei, wonach Italien versprochen habe, im Falle eines europäischen Krieges nichts gegen England zu unternehmen und umgekehrt^.

Lichnowsky

' Nach der Entzitferung.

' Aufgegeben in London 5" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8'^ nachm. Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Unter dem 29. Juli von Jagow telegraphisch de n Botschafter in Rom mitgeteilt, 30. Juli 3*' vorm zum Haupttelegraphenamt.

3 Siehe Nr. 458.

Nr. 363

Der Botsciiafter in Rom an das Auswärtige Amt^

Telegramm 149 Rom, den 29. Juli 1914^^

Auf weitere Vorhaltungen sagte mir Marquis di San Giuliano heute ziemlich ernst, Österreichs Vorgehen sei gegen Italiens Inter- essen, solange Österreich nicht Artikel sieben Dreibundvertrags als fortbestehend anerkenne^, solange Österreich nicht Kompensationen für Fall territorialer Besitznahme in Serbien gewähre. Solange könne Italien daher auch nicht an Österreich volle* diplomatische Unter- stützung gewähren. Hinsichtlich der Kompensation halte er an An- sicht fest, daß direkte Verhandlungen mit Wien zum Bruch führen würden. Es sei daher nötig, daß Berlin diese Verhandlungen wenig- stens einleite. Auf jeden Fall lehne er ab, mit Baron von Merey darüber zu verhandeln. Das sei sicherer Bruch. Er habe auf meine dringenden Vorhaltungen bis jetzt alles vermieden, was eine direkte Stellungnahme gegen das die italienischen Interessen vertretende^

* Nach der Entzifferung.

''■ Aufgegeben in Rom 6^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8" nachm.; Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Die zwei ersten Abschnitte

»Auf weitere Besetzung herbeizuführen«, und die drei letzten

Sätze »Zwischen Baron v. Merey Sinne einzuwirken« von

Jagow nach Vornahme kleiner Änderungen am 29. Juli dem Botschafter in Wien mitgeteilt, 30. Juli, 9*^ vorm. zum Haupttelegraphenamt.

* Siehe Nr. 150, 156, 168, 212, 326.

* »volle« im Telegramm Jagows an den Botschafter in Wien gestrichen. ' So in der Entzifferung

Aktenstücke II. 7

82

Vorgehen Österreichs sei, aber die Zeit dränge sehr, denn es nahe der Moment, wo man sich hier entscheiden müsse, ob man diplo- matisch für oder gegen Österreich gehen wolle.

Hinsichtlich des Lowtschen sehe er schwarz. Die österreichische Militärpartei wolle absolut den Berg haben und werde jeden Zwi- schenfall als Vorwand benutzen, um die Besetzung herbeizuführen.

Ich habe in Gemäßheit Telegramms Nr. 25* geantwortet, daß wir Italiens Wünsche in Wien schon unterstützten, und den Minister nochmals sehr dringend gewarnt, nicht in diesem Augenblick eine Uneinigkeit des Dreibunds zu enthalten ', die Rußland zur Ein- mischung veranlassen könne. Minister meint, Rußland werde nicht sowohl durch Italien als wie durch eventuelles zu weit gehendes Vor- gehen gegen Serbien bestimmt werden. Ich habe hier nach Kräften und ohne österreichische Unterstützung Presse bisher zurückgehal- ten, glaube aber gleichfalls, daß klare österreichisch-italienische Aus- sprache auf die Dauer unumgänglich ist. Ich möchte auch glauben, daß wir gewisse Dienste dabei leisten müssen. Zwischen Baron V. Merey und Marquis di San Giuliano geht es schlecht. Beide sind krank und überreizt.

österreichischer Botschafter ist sehr heftig gegen Kompen- sationen an Italien und sucht auf Graf Berchtold in diesem Sinne einzuwirken.

Fl otow

^ Siehe Nr. 287.

' So in der Entzifferung.

Nr. 364

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt^

Telegramm 379 Therapia, den 29. Juli 1914^

Türkischer Botschafter Rom meldet:

Italien bleibt aus innerpolitischen Gründen vorläufig unent- schieden. Deutschland wünscht absolut den Krieg.

Wangenheim

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Therapia i'^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8^* nachm. Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Von Jagow telegraphisch dem Botschafter in Rom mitgeteilt, 30. Juli 10^" vorm. zum Haupttele- graphenamt.

83

Nr. 365

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt^

Telegramm 185 St. Petersburg, den 29. Juli 1914^

Sasonow, der mich eben zu sich bitten ließ, mitteilte mir, daß das Wiener Kabinett auf den ihm von hier aus geäußerten Wunsch, in direkte Besprechungen einzutreten, mit kategorischer Ablehnung geantwortet habe*. Es bleibe somit jetzt nichts anderes übrig, als auf Sir E. Greyschen Vorschlag von Konversation zu vieren zu- rückzukommen. Minister betont von sich aus, daß ihm dabei def Gedanke, Österreich-Ungarn zuzumuten, sich einer Art von euro- päischem Schiedsgericht zu unterwerfen, fernliegt, er suche nur nach Mitteln, um aus gegenwärtiger Schwierigkeit herauszukommen, und klammere sich dabei an jeden Strohhalm. Ich habe erneut er- widert, daß mir Stellungnahme meiner Regierung zu Sir E. Greyschen Vorschlag nicht bekannt sei, daß ich aber nicht umhin könne, russischen Mobilmachungsbefehl, falls derselbe wirklich un- mittelbar bevorstehe, für schweren Fehler zu halten, solange hier er- klärt werde, daß man wirklich den ernstlichen Wunsch habe, fried- liche Lösung zu finden. Sasonow stellte unmittelbar bevorstehende Mobilmachung nicht in Abrede, meinte daraufhin, daß Rußland zu diesem Schritt von Österreich gezwungen sei, daß aber Mobil- machung noch lange kein[en] Krieg bedeute.

Pourtales

* Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Petersburg 6^° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8" nachm. Eingangsvermerk: 29. Juli. Betr. Mitteilung von Pour- tales' Telegramm an den Botschafter in Wien siehe Nr. 396.

^ Siehe Nr. 397.

Nr. 365 a

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt *

Telegranmi 380 Therapia, den 29. JuH 19 14'

Von Militärmission:

Türkischer Mihtärattach^ Petersburg meldet russische Mobili- sierung.

Bezirk Warschau : 6., 14., 15., 19., 23. Korps.

Moskau: Grenadierkorps, 5., 13., 17., 25. Korps.

Kiew : 9., 10., 11., 12., 21. Korps.

Odessa: 7., 8. Korps.

* Nach der Entzifferung.

' Aufgegeben in Therapia i^° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8*" nachm. Am 29. Juli lo" nachm. dem Generalstab, Admiralstab, Reichs- marineamt und Kriegsministerium mitgeteilt.

7*

84

Für diese vier Bezirke wird Mobilisierung mit Reservisten- einziehung vorbereitet. Für Militärbezirk Wilna und Petersburg Mobilmachungsvorbereitung ohne Reservisteneinziehung.

Türkischer Konsul Batum telegraphiert: Hier Belagerungs- zustand. Gouverneur hat mohamedanischem Chef erklärt, Krieg sei mögHch, Mobilmachungsorder für Kaukasuskorps noch nicht ergangen.

Türkischer Mihtärattache Paris und türkischer Konsul Rostow melden übereinstimmend, daß Kaukasuskorps im Kriegsfalle an rassischer Westgrenze verwendet werden würden. In Aserbeidschan stehen zur Zeit lo ooo Mann russischer Truppen, welche im Kriegs- falle gegen die Türkei südüch von Urmia gehen sollen.

Wangenheim

Nr. 366

Der Zar an den Kaiser^

Telegramm (ohne Nummer) Peterhof Palais, den 29. Juli 1914 ^

Thcinks for your telegram conciliatory and friendly. Whereas official message presented to- day by your ambassador to my minister was con- veyed in a very different tone^, Begj^ow to explain Nanu!

this divergencjr. It would be right to give over the Austro-servian problem to the Hague Confe- rence'^. Trust in your wisdom and friendship.

Your loving Nicky^ Danke gleichfalls

Übersetzung Danke für Dein versöhnliches und freundschaftliches Telegramm. Dagegen war die heute von Deinem Bot- schafter meinem Minister übergebene offizielle Mitteilung in einem ganz anderen Ton gehalten. Bitte Dich, diese Verschiedenheit auf^^uklären. Es würde sich empfehlen, Nanu!

das österreichisch-serbische Problem der Haager Konferenz vorzulegen. Vertraue auf Deine Weisheit und Freundschaft.

Dein Dich liebender Nicky Danke gleichfalls

' Nach der Niederschrift des Telegraphenamts. Siehe Nr. 359.

* Aufgegeben in Peterhof Palais 8^ nachm., aufgenommen im Neuen Palais 8*2 nachm.

3 Siehe Nr. 342 und 378.

* Am Rand rechts Ausrufungszeichen des Kaisers.

' Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 191 5, S. 35, Nr. 22, IV. Weiteres Tele- gramm siehe Nr 390.

85

Nr 367

Der Botschafter in Paris an das Auswärtige Amt^

Telegramm 229 Paris, den 2g. Juli 1914^

Herr Viviani stellt militärische Vorsichtsmaß- regeln^ nicht in Abrede, betont aber geringen Um- kindischa fang und ganz diskrete Ausführung. Von Mobil- machung sei man weit entfernt. Er würde es nicht beunruhigend finden, wenn unsererseits gleiches ge- schieht. BedauerHch würden allerdings * Maßnahmen unsererseits sein wegen alarmierender Wirkung auf öffentliche Meinung. Das beste Mittel, um dem wenn er doch Wien vorzubeugen, würde er in möglichst beschleunigter ^um Antworten Betreibung der Vermittelungsaktion sehen, gleichviel bringen wollte jn welcher Form. Auch Viviani will Hoffnung auf Erhaltung des Friedens, den man hier aufrichtig wünschte, nicht aufgeben.

Schoen

1 Nach der Entzifferung.

'^ Aufgegeben in Paris G^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 9'* nachm., Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Randvermerk des Reichskanzlers vom 30. Juli »Kriegsminister und Generalstab müssen wohl benachrichtigt vperden. v. B H. 30«, daraufhin, auf Anordnung Jagows, diesen Stellen am 30. Juli mitgeteilt, abgesandt durch Boten 4^'^ nachm. Abschrift der Ent- zifferung von Schoens Telegramm am 30. Juli an den Kaiser gesandt, am I.August ins Amt zurückgelangt.

3 Dazu am Rand Fragezeichen des Kaisers.

* Dazu der Vermerk Jagows: "fehlt offenbar ein Wort wie weitergehende«. Auf Jagows Anordnung wurde dieser Vermerk auch den oben (Anm. 2) genannten militärischen Stellen mitgeteilt. In der für den Kaiser herge- stellten Abschrift ist direkt »weitergehende« beigefügt.

86

Nr. 368

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt*

Telegramm 178 London, den 29. Juli 1914*

Das stärkste und Sir E. Grey ließ mich soeben noch-

unerhörteste Stück ^als^ zu sich bitten. Der Minister war Engl. Pharisäer- vollkommen ruhig, aber sehr ernst, und thums dasichjege- ^^ ^ ^nj^h mit den Worten, daß die sehen! Mit solchen x i_ i. -j. o

Hallunken mache ^^ge sich immer mehr zuspitze. Sasonow ich nie ein Flotten- ^abe erklärt, nach der Knegserklarung

~äbkommcn! nicht mehr in der Lage zu sein, mit trot^ Appells Österreich direkt zu unterhandeln und ^^^ Zaren damit bin ich außer hier ^ bitten lassen, die Vermittelung ^" "^'^ä.'* Cours geset^^t. wieder^ anzunehmen. Als Voraussetzung für diese Vermittelung betrachtet die russische Regierung die vorläufige Ein- stellung der Feindsehgkeiten.

Sir E. Grey wiederholte seine bereits gemeldete Anregung, daß wir uns an einer solchen Vermittelung zu vieren, die wir grundsätzlich bereits angenommen hätten', beteihgen sollten. Ihm persön- lich schiene eine geeignete Grundlage für gut eine Vermittelimg, daß Österreich etwa

nach Besetzung von Belgrad oder anderer haben wir seit Ta- WöXze seine Bedingungen kundgäbe 8. gen bereits ^w er- Sollten Ew. Exz. jedoch die Vermittelung reichen versucht übernehmen, wie ich heute früh in Aus- umsonst!

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in London 6^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 9^2 nachm. Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Abschrift der Entzifferung lag dem Kaiser vor, der darauf vermerkte: » ^o. VII. 14 i Uhr N. M.« Die

Abschnitte »Sir E. Grey Feindseligkeiten« und »Sodann

sagte Verständigung gewählt« am 30. Juli dem Generalstab,

Admiralstab, Reichsmarineamt und Kriegsministerium mitgeteilt. Siehe Nr. 407.

ä Siehe Nr. 357.

* »Steht im Original links am Rand«.

^ »hier« vom Kaiser zweimal unterstrichen.

® »wieder« vom Kaiser zweimal unterstrichen.

' Der Satz »die wir hätten« fehlt in der dem Kaiser vorgelegten

Abschrift von Lichnowskys Telegramm.

8 Vgl. 293, 323 und 439.

87

sieht stellen konnte', so wäre ihm das Anstatt der Ver- natürlich ebenso recht. Aber eine Ver- mittelg. ein ernstes mittelung schiene ihm nunmehr dringend Wort an Peters- geboten, falls es nicht zu einer euro- burg u. Paris, daß päischen Katastrophe kommen sollte. England ihnen nicht

hilft würde die Si- Sodann sagte mir Sir E. Grey, er

tuation sofort be- hätte mir eine freundschafthche und ruhigen. private Mitteilung zu machen, er wünsche

nämhch nicht, daß unsere so herzlichen persönhchen Beziehungen und unser intimer Gedankenaustausch über alle poli- tischen Fragen mich irreführten und er aha! Der gemeine möchte sich für später den Vorwurf ^^^ bleibt/ Täuscher.'.' [der]^*^ Unaufrichtigkeit ersparen. Die britische Regierung wünsche nach wie vor d. h. wir sollen mit uns die bisherige Freundschaft zu Osterreich sitzen pflegen und sie könne, solange der Kon- lassen urgemein flikt sich auf Österreich und Rußland be- und mephistophe- schränke, abseits stehen. Würden u^ir^^ lisch! aber recht ^Ij^j. j^^^ Frankreich hineingezogen, so "^"^* sei die Lage sofort eine andere und die

britische Regierung würde unter Uni' sind schon gefaßt ständen sich \u schnellen Entschlüssen ge- drängt sehen. In diesem Falle lyürde es d. h. sie werden uns nicht angehen, lange abseits :^u stehen anfallen und ^u warten, »if war breaks out, it

will be the greatest catastrophe that the World ever has seem. Es hege ihm fern, irgendeine Drohung aussprechen zu wollen, er habe mich nur vor Täuschungen und "Zr-^'S/ fah% '''^' "'°' ^^"^ Vorxmtrfder Unaufrichtig- ^än^n^k trotjdem gewesen ^^^^ bewahren wollen und daher die Form mißglückt bis in seine let^^te einer privaten Verständigung gewählt ^2.

Sir E. Grey fügt noch hinzu, die

wir auch! Regierung müsse auch mit der öffent-

neukreierten!^^ liehen Meinung rechnen; bisher sei die-

" Der Satz »wie ich konnte« fehlt in der dem Kaiser vorgelegten

Abschrift des Telegramms. 10 »der« fehlt in der Entzifferung des Auswärtigen Amts, ii »wir« vom Kaiser zweimal unterstrichen. " Siehe die Randbemerkungen des Kaisers zu Nr. 382 und 401 sowie den

kaiserhchen Brief Nr. 474. '* Interlinearbemerkung, über »öffentlichen« stehend.

88

wenn sie will kann selbe im allgemeinen für Österreich günstig sie die öffentliche gewesen, da man die Berechtigung einer Meinuns wenden . ^ . i a. >

und dirigieren, da gewissen Genugtuung anerkenne, jetzt

ihr die Presse un- aber fange sie an, infolge der öster- bedingt gehorch\i\ reichischen Hartnäckigkeit vollkommen^^

umzuschlagen. mit Hilfe der

Meinem italienischen Kollegen, der ° " mich soeben verläßt, hat Sir E. Grey ge- sagt, er glaube, falls die Vermittelung angenommen werde, Österreich jede mög- liche Genugtuung verschaffen zu können, ein demütigendes Zurückweichen Öster- reichs käme gar nicht mehr in Frage, da die Serben auf alle Fälle gezüchtigt imd unter der Zustimmung Rußlands genötigt werden würden, sich den österreichischen Wünschen unterzuordnen. Österreich könne also auch ohne einen Krieg, der den europäischen Frieden in Frage stelle, Bürgschaften für die Zukunft erlangen.

Lichnowsky

England dekouvriert sich im Moment wo es der Ansicht ist, daß

wir im Lappjagen eingestellt sind und so ^u sagen erledigt!

Das gemeine Krämergesindel hat uns mit Diners und Reden

^u täuschen versucht. Die gröbste Täuschung, die Worte des Königs

für mich an Heinrich : » We shall remain neutral and try

to keep out of this as long as possiblen Grey straft den König

lügen, und diese Worte an Lichnowsky sind der Ausfluß des bösen

Gewissens, daß er eben das Gefühl gehabt hat uns getäuscht ^u haben.

Zudem ist es tatsächlich eine Drohung mit Bluff verbunden, um

uns von Osterreich loszulösen und an der Mobilmachung :^u hindern

und die Schuld am Kriege zuzuschieben. Er weiß ganz genau, daß

wenn er nur ein einziges, ernstes, scharfes abmahnendes Wort in Paris

und Petersburg spricht und sie zur Neutralität ermahnt, beide sofort

stille bleiben werden. Aber er hütet sich das Wort auszusprechen, sondern

droht uns statt dessen! Gemeiner Hundsfott! England allein trägt

die Verantwortung für Krieg und Frieden nicht wir mehr! Das muß auch

öffentlich klargestellt werden.

W.

^* Am Rand Fragezeichen des Kaisers.

89

Nr. 369

Der Verweser des Generalkonsulats in Moskau an das Auswärtige Amt^

Telegramm 6 Moskau, den 29. Juli 1914^

Eigentliche Mobilmachung nach eingehenden Informationen anscheinend bisher hier nicht erfolgt. Erhalte Nachrichten durch Mittelsperson von Flügeladjutanten Swetschin, daß Moskau in den nächsten Tagen mobilisiert werden soll. Dieselbe Quelle mitteilt nach Angabe Sekretärs Mobilisierungsabteilung Moskau -Kursk- Bahn, daß diese Waggons für Transporte der Jahrgänge 1905 bis 1908 bereit halten soll. Gestern abend soll Mobilmachungsorder gegeben sein. Gerüchte treten sehr bestimmt auf. Auch anderer zuverlässiger Gewährsmann hat Mitteilung von Absicht der Mobil- machung für nächste Tage erhalten. Man spricht schon von morgen. Anscheinend aber allgemeine Nervosität wegen Verhaltens der Ar- beiter; Botschaft benachrichtigt. Sehr gute Quelle bestätigt soeben Mobilmachung für morgen. H a u s c h i 1 d

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Moskau 5^* nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 9'" nachm., Eingangsvermerk: 20 Juli nachm. Am 29. Juli 10^" nachm. dem Generalstab, Admiralstab, Reichsmarineamt und Kriegsministerium mit- geteilt.

Nr. 370

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt^

Telegramm 186 St. Petersburg, den 29. Juli 1914^

Militärattache meldet auch für Generalstab: Generalstabschef bat mich zu sich und eröffnete mir, er komme soeben von S. M., Kriegsminister habe ihn beauftragt, mir noch- mals zu bestätigen, daß alles geblieben sei, wie Minister mir vor zwei Tagen mitgeteilt. Er gab mir in feierlichster Form Ehren- wort und bot schriftliche Bestätigung an, daß bis zur Stunde drei Uhr nachmittags nirgends Mobilmachung, d. h. Einziehung eines einzigen Mannes oder Pferdes erfolgt sei. Er könne sich für Zu- kunft nicht verbürgen, aber nachdrücklichst bestätigen, daß S. M. in den atrf unsere Grenze gerichteten Fronten nach wie vor keine Mobilisierung wünscht.

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Petersburg 29. Juli 7" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 9*^ nachm.; Eingangsvermerk: 30. Juli vorm. Am 29. Juli dem Generalstab, Kriegsministerium, Admiralstab und Reichsmarineamt mitgeteilt.

90

Hier liegen vielfache Nachrichten über erfolgte Einziehung von Reservisten in verschiedenen Reichsteilen, auch Warschau und Wilna, vor. Bei hiesigen Truppenteilen sollen nach glaubwürdigen Nachrichten Pferde eingestellt sein. Ich hielt deshalb dem General vor, daß seine Eröffnungen mich vor ein Rätsel stellen. Er erwi- derte auf Offiziersparcle, daß solche Nachrichten unrichtig seien, allenfalls hie und da falscher Alarm.

General gab Truppenverschiebungen zu Grenzschutz zu. Das seien Maßnahmen, die nicht von ihm ressortierten und lediglich aus Vorsicht getroffen würden.

Er unterstrich nochmals strenge Scheidelinie zwischen den gegen Österreich und gegen Deutschland gerichteten Bezirken und nahm von den ersteren ausdrücklich den Kaukasus aus.

Bei nochmaliger Betonung der Friedensliebe (?) ließ General durchblicken, als ob man auch im Falle eines Krieges keine Offen- sive (?) beabsichtige.

In Anbetracht der zahlreichen und positiven Nachrichten über erfolgte Einziehungen muß ich das Gespräch als Versuch der Irre- führung über Umfang der bisherigen Maßnahmen halten. Odessa meldet 28. nachmittags: Dortige Truppen sollen zum großen Teil an österreichische Grenze gesandt sein, ebenso drei Regimenter aus Kischinew. Rumänische Grenze entblößt.

Kiew meldet heute mittag: 8. Eisenbahnbataillon dem 7. ge- folgt mit Feldbahnmaterial, Infanterieregiment 166 vorgerückt. Von Artillerie soll nur eine kriegsstarke Batterie zurückgeblieben sein. Mobilisierung militärischer Bezirke Kiews dort heute erwartet.

27. abends 16. Husaren von Riga nach Libau abbefördert.

Pourtales

Nr. 371

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten in Kopenhagen ^

Telegramm 26 Berlin, den 29. Juli 1914*

Geheim!

Zur Information und Regelung Ihrer Sprache für den Fall eines Kriegsausbruchs.

Wir haben von Anfang an Konflikt zwischen östÄreich und Serbien als Angelegenheit aufgefaßt, welche ni:r diese beiden Staaten

^ Nach dem von Jagow gezeichneten Konzept. Randvermerk des Reichs- kanzlers vom 27. Juli: »S. M. ist mit nebenstehender Instruktion einver- standen, hält aber ihre Absendung nicht für dringlich«. B. H. 27.

* Erst am 29. Juli 9** nachm. zum Haupttelegraphenamt.

91

angeht. Unsere Bemühungen sind daher fortgesetzt auf die Lokali- sierung des Konflikts gerichtet. Sollte jedoch Rußland für Serbien Partei nehmen und Österreich angreifen, so wäre für uns der casus foederis gegeben und eine allgemeine Konflagration unvermeidlich. Die Frage der Erhaltung des Friedens hängt daher allein von Ruß- land ab.

Bei einer europäischen Konflagration haben wir keinerlei Ab- sichten, den Bestand des dänischen Staates zu gefährden. Die Kriegsereignisse könnten aber ohne unser Wollen und Zutun ein Übergreifen der Operationen in die dänischen Gewässer zur Folge haben. Dänemark muß sich des Ernstes der Situation bewußt werden und darauf gefaßt sein, welche Stellung es gegebenen lalls ein- nehmen will.

Jagow

Nr. 372

Der Große Generalstab an das Auswärtige Amt*

Berhn, den 29. Juli 1914*

3. Bericht

Nachrichten bis 29. Juli 4" nachm.

Österreich

Den Oberbefehl gegen Serbien hat der Erzherzog Friedrich über- nommen. Gegen Serbien werden i. Kav.-Div. (Temesvar) zu 36 Esks. imd 10. Kav.-Div. (Budapest) zu 30 Esks. mobil gemacht. Die gesamte Mobilmachung verläuft fast ohne Störung, nur ein Mangel an Landfuhrwerk soll sich bei Aufstellung der Trains im Bezirk des Vn. A.-K. (Temesvar) fühlbar machen. Das III. A.-K. wird mit nur

* Nach der vom Generalstab übersandten Vervielfältigung. Der i. und 2. Bericht vom 27. und 28. Juli sind nicht bei den Akten des Auswärtigen Amts. Siehe Anmerkung 3 zu Nr. 341.

* Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Hat Zimmermann, Jagow und dem Reichskanzler vorgelegen, vom Reichskanzler am 31. zurück.

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39 Batl. aufgestellt, die Gesamtstärke der Armee wird sich nun- mehr auf rund 400000 Mann ermäßigen. Der Mitrowitzer Save- übergang soll ohne Kampf in österreichische Hände gefallen sein. Die Donaimionitore stehen versammelt bei Neusatz. Die Flotte liegt bei Sebenico vereinigt. Landsturm ist bei sämtlichen acht Armee- korps aufgerufen.

Serbien und Montenegro

Soweit aus der Presse ersichtÜch, Lage wie folgt : Die Truppen südhch Semendria gehen morawaaufwärts zurück, an der Donau ver- bleiben nur schwächere Kräfte, darunter Landsturm. An der unteren Drina bei Lesnitza und südhch sind starke Freiwilligenabteilungen in der Bildung begriffen. Kleinere Feuergefechte entwickelten sich an beiden Flüssen. Die Hauptgruppen der serbischen Westfront bei Valjevo nnd Uschitze werden verstärkt. Von Novibasar her sollen Teile der neugebildeten Ibar-Division zum Lim marschieren und Teile bis Priboj an die Grenze vorgeschoben haben. Dieser linke serbische Flügel hat Verbindung mit dem rechten Flügel der Montenegriner, der in Stärke einer Brigade mit Artillerie in Gegend Plevlje gemeldet wird. Je ein bis zwei weitere Brigaden sollen am Rjegos und bei Grahovo versammelt sein. Der Lowtschen wird weiter verstärkt. Die montenegrinischen Hauptkräfte scheinen um Niksitsch versammelt zu werden. König und Regierung begaben sich nach Podgoritza, wo ein höherer serbischer Offizier eintraf. Das serbische Haupt- quartier scheint zunächst in Nisch zu bleiben. Der serbische General- stabschef soll entgegen den Pressemeldungen nicht freigelassen sein. Über Wien werden lunfangreiche Desertionen serbischer Soldaten ge- meldet, die mit ihren Waffen auf ungarischem Gebiet ankommen und über mangelhafte Verpflegung klagen sollen. Nach einer Äußerung des bulgarischen Gesandten soll auch in Nisch Mangel an Nahrungs- mitteln herrschen.

Griechenland

Es wird bekannt, daß Bündnisvertrag sich nicht auf Unter- stützung Serbiens gegen Österreich bezieht. Griechenland will neutral bleiben. Presse und Bevölkerung gegen Österreich gesinnt.

Rumänien, Bulgarien

Nichts Neues.

Türkei

Türkei will Neutralität zunächst wahren, fürchtet aber Anfang August einen griechischen Flottenüberfall (??).

93

Belgien

Armee wird durch Einziehung von drei Jahrgängen von 55 000 auf IOC 000 Mann gebracht. Einziehung dieser Reserven ist befohlen. Grenzdienst soll verschärft werden. Belgien will Einfall der Franzosen wie Deutschen verhindern ; entsprechende Maßnahmen : Armierung der Werke, Vorbereiten der Kunstbauten zur Sprengung usw.

Holland

Die Mobilmachung wird vorbereitet, die wichtigsten Maas- und Yssel-Übergänge miHtärisch besetzt. Forts werden besetzt und armiert, Verpflegung anscheinend reichhch.

Frankreich

1. Grenzgebiet. Grenzschutzübungen. Erhöhte Tätigkeit. Kraftwagen sollen bei Audun, Longuyon vmd Longwy bereitstehen. Mihtärischer Bahnschutz durchgeführt. Arbeit an Rampen. Tele- phonverkehr zwischen Paris und Deutschland heute stellenweise unter- brochen. Eisenbahnmaterial zurückgeführt. In Toul und Epinal keine Waggons für Handel mehr hergegeben. Armierung der Bel- forter Forts im Gange.

2. Im Innern. An Strecke Paris-Herbesthal Bahnbewachung imd Abstellung zahlreicher leerer Züge festgestellt. Auf Kasernen - höfen in Paris 28. Juli Feldfahrzeuge bemerkt. Keine allgemeine Reservisteneinziehung. Höchstens Einziehung jüngsten Jahrgangs möghch. Oberstl. Dupont, Chef 2. Abt. Genst., sprach Verwun- denmg über geringe Schutzmaßregeln Deutschlands aus. Nur bei Metz seien Vorbereitungen festgestellt, die von denen seitens der Franzosen weit übertroffen würden. Kriegsbegeisterung im Lande nicht vorhanden. Flotte bleibt bei Toulon. Französische Presse ergeht sich teilweise in Schmähungen über Deutschland. Eine Störung der telephonischen Verbindung mit der Feste Kaiserin bei Metz wird auf äußere Einwirkung zurückgeführt.

England

Offiziere und Mannschaften vom Urlaub zurückbeordert, eine Maßregel, die bei geringster politischer Spannung einsetzt. Die I. Flotte nahm Kriegsmaterial auf bei Portland. Eine U-Boot- Flottille ist unbekannt ausgelaufen. Die 2. Flotte, in den Heimat- häfen, füllt ihre Mannschaftsbestände auf. Marineschulen sind ge- schlossen. Die Probemobilmachung der 2. Division Aldershot war schon längere Zeit in Aussicht genommen.

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Italien

Ist durch Eisenbahnerstreik, die lybischen und albanischen An- gelegenheiten stark in Anspruch genommen, hofft aber, die Eisen- bahner befriedigen zu können, sichert Österreich freie Hand in Serbien zu, verlangt dafür freie Hand in Albanien. Die Haltung der nord- italienischen Presse war heute etwas serbenfreundlich.

Rußland

Zur Verstärkung der überall mobilisierten Grenzwache sind Truppen verschiedener Waffengattungen herangezogen worden, an einzelnen Stellen, z. B. Tschenstochau, Alexandrowo, Wirballen, auch Pioniere, anscheinend Sprengkommandos. Der militärische Grenz- und Bahnschutz scheint im ganzen Grenzgebiet durchgeführt. Der Ausspruch der Mobilisierung im Militärbezirk Wilna und Warschau immer noch nicht bestätigt. Reservisten noch nicht in größerer Zahl einberufen. Pässe nach einzelnen Meldungen nicht mehr erteilt. Anweisung an die Reservisten, sich bereitzuhalten, soll ergangen sein. Pferde aushebungen von einzelnen Stellen an der Grenze ge- meldet. (Es kann Sicherheitsmaßnahme oder Requisition für die Mobilisierung der Grenzwache sein.) Rollendes Material wird überall bereitgestellt. Güter wurden an der ganzen preußisch-russischen Grenze nicht mehr angenommen.

Im besonderen : Infanterie -Regimenter iio und iii mit Artillerie und einem Dragoner- Regiment stehen bei Wirballen, Grenze von westlich Suwalki bis Scliirwindt stark besetzt. Truppen gemeldet : in Ratschki (alle Waffen, ohne Stärkeangabe) ; bei Schtschutschin Kavallerie und Infanterie ; von Ostrolenka im Marsch zur Grenze (ohne Stärke- angabe); in Mlawa (Teile des Infanterie-Regiments 8 und 29 aus Warschau) ; bei Bschetz (südwestlich Wlozlawek) alle Waffen, mehrere Regimenter (?).

Minensperre Dünamünde wird bestätigt, zweimalige Öffnung täglich, Leuchtfeuer gelöscht. Die Schären, zwischen Helsingfors und Hangö für Handelsschiffe gesperrt, Leuchtfeuer gelöscht, Bojen ent- fernt. Schiffahrt nach Petersburg ungehindert.

Die offiziöse Presse hält serbische Antwort für ausreichend, glaubt Rumänien auf Seite des Dreibimdes suchen zu müssen.

gez. V. Griesheim Für die Richtigkeit:

V. Bartenwerffer, Major

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Nr. 373

Der Reichskanzler an den englischen Botschafter^ (mündlich)

Berlin, den 29. Juli 1914*

Unsere Bemühungen gehen fortgesetzt auf Erhaltung des Friedens. Sollte durch einen russischen Angriff auf Österreich und die hieraus für uns resultierenden Bündnispflichten zu unserem größten Bedauern doch eine europäische Konflagration unvermeid- lich werden, so hoflfen wir, daß England Zuschauer bleiben wird. Soweit wir die englische Politik beurteilen können, würde sie mit Rücksicht auf das europäische Gleichgewicht eine Zerschmetterung Frankreichs nicht zulassen wollen. Letztere wird aber von uns keineswegs beabsichtigt. Wir können dem englischen Kabinett voraussätzlich dessen neutraler Haltung versichern, daß wir selbst im Falle eines siegreichen Krieges keine territoriale Bereicherung auf Kosten Frankreichs in Europa anstreben. Wir können ihm ferner zusichern, daß wir die Neutralität und Integri- tät Hollands so lange respektieren werden, als diese von unseren Gegnern respektiert wird. Was Belgien betrifft, so wissen wir nicht, zu welchen Gegenoperationen uns die Aktion Frankreichs in einem etwaigen Kriege nötigen könnte. Aber vorausgesetzt, daß Belgien nicht gegen uns Partei nimmt, würden wir auch für diesen Fall uns zu einer Versicherung bereit finden, wonach Belgiens Inte- grität nach Beendigung des Krieges nicht angetastet werden darf.

Diese eventuellen Zusicherungen erschienen uns als geeignete Grundlagen für eine weitere Verständigung mit England, an der unsere Politik bisher dauernd gearbeitet hat. Die Zusicherung einer neutralen Haltung Englands im gegenwärtigen Konflikt would enable me to a general neutral ity agreement in the future of which it would be premature to discuss the details at the present moment*.

^ In Maschinenschrift vorliegender, von Jagow paraphierter Entwurf mit handschriftlichen Änderungen des Reichskanzlers; vgl. engl. Blaubuch 1914 Nr. 85, siehe ferner Nr. 497.

Randvermerk des Reichskanzlers vom 31. Juli: »Nebenstehende Er- klärung habe ich am 29. Juli dem Botschafter Sir Edward Goschen münd- lich gemacht, v. B. H. 31. 7. 14.« Die Erklärung wurde nach dem englischen Blaubuch spät abends gemacht.

Im Entwurf folgte hinter »Konflikt«: »und die Inaussichtnahme eines all- gemeinen Neutralitätsvertrages für die Zukunft würden wir mit einer Flottenverständigung beantworten können«. Der Reichskanzler strich das und schrieb dafür: »würde uns die Möglichkeit schaffen, einen allge- meinen Neutralitätsvertrag für die Zukunft in Aussicht zu nehmen. Ich kann mich über die Details und die Basis eines solchen Vertrages natür- lich heute nicht näher äußern, da ja England dabei sich über die ganze Frage äußern würde.« Auch dieses strich dann der Kanzler und wählte den englischen Text »would enable moment«.

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Nr. 374

Prinz Heinrich von Preui^en an den Kaiser^

Kiel, den 28. Juli 1914

Mein lieber Wilhelm!

Anliegend übersende ich Dir einen Brief von Sophie, den sie mich bat. Dir mit sehr herzlichen Grüßen zuzustellen; ich traf sie und Mossy am vergangenen Sonntag bei Zander Münster in Mairs- field.

Als die Pressenachrichten reichlich alarmierend lauteten, und ich die Bestätigung Deiner Heimreise erlangte, entschloß ich mich kurzer Hand meinen Aufenthalt in England abzubrechen, um auf meine hiesige Basis zurückzukehren, auf welcher ich mich, wie Dir bereits telegraphiert, zu Deiner Verfügung halte, bis die Ereignisse sich geklärt haben.

Vor meiner Abreise von London, und zwar am Sonntag morgen hatte ich, auf mein Ansuchen, eine kurze Unterredung mit Georgie, welcher sich über den Ernst der augenblicklichen Lage vollkommen im Klaren war und versicherte, er und seine Regierung würden nichts unversucht lassen, um den Kampf zwischen Öster- reich und Serbien zu lokalisieren, deshalb habe seine Regierung den Vorschlag gemacht, Deutschland, England, Frankreich und Italien, wie Du längst weißt, möchten intervenieren, um zu versuchen, Ruß- land im Zaume zu halten, er hoffe, daß Deutschland in der Lage sein werde, trotz seines Bündnisverhältnisses zu Österreich, diesem Vorschlag beizutreten, um den europäischen Krieg zu vermeiden, dem wir, wie er sagte, näher seien als je zuvor; er sagte weiter wörtlich "we shall try all we can to keep out of this and shall remain neutral." Daß diese Äußerung ernst gemeint war, davon bin ich überzeugt, ebenso wie davon, daß England anfangs auch neutral bleiben wird, ob es dies jedoch auf die Dauer wird können, darüber kann ich nicht urteilen, hege aber meine Bedenken, wegen des Verhältnisses zu Frankreich.

Georgie war sehr ernst gestimmt, folgerte logisch und hatte das ernsteste und aufrichtigste Bestreben, dem eventuellen Welt- brand vorzubeugen, wobei er stark auf Deine Mithilfe rechnete. Den Inhalt der Unterredung teilte ich Lichnowsky mit, mit der Bitte, diesen dem Kanzler zu übermitteln. Wie ich jetzt durch Karpf erfahre, hat sich das in London zur Freude vieler verbreitete Gerücht, wonach Du den französischen Präsidenten auf Deiner Heimfahrt gesprochen haben solltest, nicht bestätigt; man war be-

' Nach der Ausfertigung; zum Bureau des Auswärtigen Amts gelangte sie erst im Januar 1919.

97

reits geneigt, eine solche Begegnung als Friedensgarantie hinzu- nehmen. Im übrigen war von einer Erregung im öffentlichen Leben in London nichts zu spüren, was wohl dem Umstände zuzusprechen sein dürfte, daß der »weckend« seine Rolle spielte, den sich ein Land, welches geographisch so günstig gelegen ist wie England, wohl leisten kann.

Lichnowsky, mit dem ich noch am Sonntag zusammen war, hat mich der loyalen und aufrichtigen Gesinnungen Sir Edward Greys, gelegentlich der augenblicklichen Krise, des neuen versichert.

Hierüber hinaus kann ich nichts berichten, da mein Aufenhalt in England nur von Sonnabend früh bis Montag früh dauerte.

In Gedanken in dieser sorgenvollen Zeit bei Dir, Verbleibe ich mit herzlichem Gruß,

Dein treu gehorsamer Bruder

Heinrich

Nr. 375

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten

in Brüssel

Berlin, den 29. Juli 1914'

Die diesem Erlaß beigefügte Anlage ersuche ich Ew. Hoch- wohlgeb. ergebenst, sicher verschlossen aufzubewahren und erst zu eröffnen, wenn Sie telegraphisch von hier aus dazu angewiesen werden.

Den Empfang dieses Erlasses und der Anlage wollen Sie mir telegraphisch bestätigen ^.

V. Jagow

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Stumms Hand, am 29. Juli von Stumm und Zimmermann paraphiert.

' Am 29. Juli mit einem verschlossenen Kuvert als Anlage (siehe Nr. 376) durch Feldjäger abgesandt. Das Schreiben Nr. 375 ist als Erlaß 88, die Anlage Nr. 376 als Erlaß 87 bezeichnet.

* Der Gesandte in Brüssel bestätigt den Empfang am 30. Juli in einem Telegramm an das Auswärtige Amt, aufgenommen im Berliner Haupt- telegraphenamt 30. Juli 2" nachm., präsentiert im Auswärtigen Amt 3'* nachm.

Aktenstücke H. ö

g8

Nr. 376

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten

in BrüsseP

Berlin, 29. Juli 1914^

Der k. Regierung liegen zuverlässige Nachrichten vor über den beabsichtigten Aufmarsch französischer Streitkräfte an der Maasstrecke Givet-Namur. Sie lassen keinen Zweifel über die Absicht Frankreichs^ durch belgisches Gebiet gegen Deutschland vorzugehen.

Die k. Regierung kann sich der Besorgnis nicht erwehren, daß Belgien trotz besten Willens nicht imstande sein wird, ohne Hilfe einen französischen* Vormarsch mit so großer Aussicht auf Erfolg abzuwehren, daß darin eine ausreichende Sicherheit gegen die Bedrohung Deutschlands gefunden^ werden kann. Es ist ein Gebot der Selbsterhaltung für Deutschland, dem feindlichen Angriff zuvorzukommen. Mit dem größten Bedauern würde es daher« die deutsche Regierung erfüllen, wenn Belgien einen Akt der Feindselig-

^ Nach dem Konzept. Der Chef des Generalstabs v. Moltke übersandte dem Auswärtigen Amt unter dem Datum des 26. Juli den von ihm selbst nieder- geschriebenen »Entwurf zu einem Schreiben an die belgische Regierung« (Eingangsvermerk: 29. Juli nachm.). Der Entwurf wurde von Stumm ge- ändert und mit einem Nachtrag versehen, das Ganze wurde nicht als Mit- teilung an die belgische Regierung, sondern als Erlaß an den Gesandten in Brüssel gerichtet. Konzept ist von Stumm, Zimmermann und dem Kanzler paraphiert, das Mundum wurde von Jagow unterzeichnet. Be- züglich der vom Gesandten in Brüssel auf Anweisung Jagows später am Text vorgenommenen Änderungen siehe Nr. 648. Siehe auch Nr. 375.

'^ Auf dem Konzept der Vermerk von Stumms Hand: »Mundiert v. Gf. Mirbach. Ab 29. abends durch k. Feldj. [äger].« In einer gleichfalls bei den Akten befindlichen Abschrift ist das Datum von Stumm geändert in 2. August; darunter der Vermerk von Stumms Hand: (»Veröffentlichung am 8. August durch Wolffbureau«).

2 Hinter »Frankreichs« im Entwurf des Generalstabs in Klammer folgendes (»nach Vereinigung mit einem englischen Expeditionskorps«) von Stumm gestrichen.

* »französischen« aus »französisch-(englischen)« des Generalstabs von Stumm geändert.

^ Generalstab hatte »erblickt« statt »gefunden«.

^ Daher »statt« des Generalstabs: »aber«.

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keit gegen sich darin erblicken würde, daß die Maßnahmen seiner Gegner Deutschland zwingen, zur Gegenwehr auch seinerseits belgisches Gebiet zu betreten.

Um jede Mißdeutung auszuschließen, erklärt die k. Regierung das Folgende:

1. Deutschland beabsichtigt keinerlei Feindseligkeiten gegen Belgien. Ist Belgien gewillt, in dem bevorstehenden Kriege Deutsch- land gegenüber eine wohlwollende Neutrahtät einzunehmen ', so ver- pflichtet sich die deutsche Regierung beim Friedensschluß® nicht nur Besitzstand und Unabhängigkeit des Königreichs in vollem Um- fang zu garantieren, sie ist sogar bereit, etwaigen territorialen^ Kom- pensationsansprüchen des Königreichs auf Kosten Frankreichs^" in wohlwollendster Weise entgegenzukommen.

2. Deutschland verpflichtet sich unter obiger Voraussetzung das Gebiet des Königreichs wieder zu räumen, sobald der Friede ge- schlossen ist.

3. Bei einer freundschafthchen ^^ Haltung Belgiens ist Deutsch- land bereit, im Einvernehmen mit den k. Belgischen Behörden alle Bedürfnisse seiner Truppen gegen Barzahlung anzukaufen und jeden Schaden zu ersetzen, der etwa durch deutsche Truppen ver- ursacht werden könnte.

Sollte Belgien den deutschen Truppen feindhch entgegentreten, insbesondere ihrem Vorgehen durch Widerstand der Maasbefestigungen oder durch Zerstörungen von Eisenbahnen, Straßen, Tunneln oder sonstigen Kunstbauten Schwierigkeiten bereiten, so wird Deutschland zu seinem Bedauern gezwungen sein, das Königreich als Feind zu betrachten. In diesem Falle würde Deutschland dem Königreich gegen- über keine Vei pflichtungen übernehmen können, sondern müßte die spätere Regelung des Verhältnisses beider Staaten zueinander der Ent- scheidung der Waffen überlassen.

Die k. Regierung gibt sich der bestimmten Hoffnung hin, daß diese Eventualität nicht eintreten, und daß die k. Belgische Regierung die geeigneten Maßnahmen zu treffen wissen wird, um zu verhin- dern, daß Vorkommnisse wie die vorstehend erwähnten sich ereignen. In diesem Falle würden die freundschaftlichen Bande, die beide

^ »Deutschland gegenüber einzunehmen« von Stumm geändert

aus ursprünglichem »auf die Seite Deutschlands zu treten«.

* Die Worte »beim Friedensschluß« von Stumms Hand beigefügt.

' »territorialen« von Stumms Hand beigefügt.

»auf Kosten Frankreichs« von Stumm beigefügt an Stelle von »auf territorialem Gebiet« des Generalstabs.

^* Hinter »freundschaftlichen« im Entwurf in Klammer folgendes : »[oder einer wohlwollend neutralen]«, später gestrichen.

8*

100

Nachbarstaaten verbinden, eine weitere und dauernde Festigung erfahren ^^.

Ew. Hochwohlgeb. wollen umgehend der k. Belgischen Regierung hiervon streng vertraulich Mitteilung machen und sie um Erteilung einer im zweideutigen Antwort binnen 24 Stunden ersuchen ^^ Von der Aufnahme, welche Ihre Eröffnungen dort finden werden, und der definitiven Antwort der k. Belgischen Regierung wollen Ew. Hochwohlgeb. mir umgehend telegi^aphische Meldung zugehen lassen ".

V. Jagow

*^ Der Abschnitt »Die k. Regierung erfahren« lautete im Ent- wurf des Generalstabs: »Die deutsche Regierung gibt sich der Hoffnung hin, daß die k. Belgische Regierung alle letzterwähnten Vorkomm- nisse im eigenen Interesse zu verhindern wissen wird. Die gegenwärtige Krisis würde dann dazu beitragen, die altbewährten freundschaftlichen Beziehungen beider Nachbarstaaten dauernd zu befestigen«.

" Der Generalstab hatte unter dem Entwurf die Bemerkung beigefügt: »Eine unzweideutige Antwort auf dieses Schreiben muß innerhalb 24 Stunden nach Überreichung erfolgen, widrigenfalls die Feindseligkeiten sofort eröffnet werden«.

" Der Satz: »Von der Aufnahme zugehen lassen« im Konzept

von Stumms Hand nachträglich mit Bleistift beigefügt.

Nr, 376 a

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt'

Telegramm 180 Petersburg, den 29. Juh 1914^

Folgendes hier nicht entzifferbares Telegramm, um dessen Ent- zifferung und Mitteilung hierher gebeten wird, aus Warschau hier eingegangen :

Alle Truppen aus Manöver zurückberufen, teilweise an öster- reichische Grenze abgegangen.

Pourtalös

^ Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Petersburg 'y^s vorm., angekommen im Auswärtigen Amt 10'* nachm. Vom Chiffrierbureau nach Peterburg weitergegeben. Am 30. Juli 8^ vorm. dem Generalstab, Kriegsministerium, Admiralstab und Reichsmarineamt mitgeteilt.

lOI

Nr. 377

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien^

Telegramm 189 Berlin, den 29. Juli 1914*

Erwarte umgehende Erledigung des Erlasses Nr. 174 '.

Bethmann Hollweg

1 Nach dem Konzept von der Hand des Reichskanzlers.

* lo** nachm. zum Haupttelegraphenamt, dort abgefertigt 11" nachm.; an- gekommen auf der Botschaft in Wien 30. Juli 6^ vorm.

' Siehe Nr. 323. Schon vorher war f.m 29. Juli lo^* nachm. an die Botschaft inWien offen ( 186] telegraphiert worden : » Sofort Drahtantwort, ob Telegramm Nr. 174 von gestern dort angekommen. Auswärtiges Amt.« Dieses Tele- gramm ist nur bei den Akten der Botschaft in Wien. Siehe ferner Nr. 388.

Nr. 378

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt *

Telegramm 187 Petersburg, den 29. Juli 1914*

Habe soeben Herrn Sasonow befohlene Mitteilung gemacht' imd dabei betont, daß es sich nicht um eine Drohung, sondern um freundschaftliche ]\Ieinung handele. Minister, der Mitteilung sehr erregt entgegennahm, erwiderte, er werde Sr. M. dem Kaiser Nikolaus Meldung erstatten.

Dem Grafen Szäpary hat Herr Sasonow zugegeben, daß Mobil- machung bevorstehe, imd hinzugefügt, es werde mit Mobilmachimgs- befehl »note explicative« veröffentlicht werden, die darauf hinweisen werde, daß Mobilmachung nicht als Absicht russischer Regienmg, Krieg zu führen, aufzufassen sei, sie vielmehr nur Zustand bewaff- neter Neutralität herbeiführen solle.

Pourtales

' Nach der Entzifferung.

* Aufgegehen in Petersburg nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 10" nachm. Eingangsvermerk: 29. Juli nachm.

* Siehe Nr. 342.

I02

Nr. 379

Der Geschäftsträger in Bukarest an das Auswärtige Amt^

Telegramm 49 Sinaia, den 29. Juli 1914 ^

Geheim!

S. M. der König empfing mich heute morgen, sogleich nachdem ich um Audienz gebeten hatte. Höchst derselbe wiederholte die mir gestern gemachten Mitteilungen und fügte hinzu, es sei wohl mög- lich, daß jetzige Regierung in Bulgarien ruhig bleiben würde, allein im Augenblick eines Konflikts würde diese von Rußland weggefegt werden, und Bulgarien ginge dann sofort ins russische Lager über. König wies nochmals darauf hin, daß Bulgarien gut gerüstet sei und die Stimmung hier im Lande eine Unterstützung Österreichs sehr er- schweren werde. Inwieweit man auf Zuverlässigkeit Bulgariens bauen kann, entzieht sich natürhch meiner Kenntnis. Ich habe Sr. M. gegenüber geäußert, es könnte doch darauf hingewirkt werden, die öffentliche Meinung in Österreich freundlichem Sinne zu beeinflussen. Die Lage des Königs wird gegebenenfalls eine sehr schwierige sein. Daher geht sein Wunsch dahin, Österreich möge den Krieg rasch beendigen und maßvoll sein. Er meint, Deutschland könne in diesem Sinne auf Österreich einwirken, wie er es schon getan habe. In einem Telegramm, das König heute an Kaiser Franz Joseph, der ihm Kriegserklärung angezeigt hatte, gesandt hat, heißt es : »Ich hege den Wunsch, daß das von meinem Lande mit so viel Opfern erworbene Gleichgewicht auf der Balkanhalbinsel unberührt bleiben möge.«

Kaiser von Rußland hat heute König Telegramm gesandt als Antwort auf sein Telegramm, in dem er für freundhche Aufnahme der Deputation des rumänischen Regiments dem Zaren dankt. Das- selbe enthält folgenden Passus : »Je ne doute pas que notre amitie personnelle facilitera notre coUaboration pour saufgarder^ si possible la paix ä cette heure grave.« Von beiden Telegrammen hat S. M. der König mir vertraulich Kenntnis gegeben.

Waldburg

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Sinaia 29. Juli 7" nachm., angekommen im Auswärügen

Amt 11" nachm.; Eingangsvermerk: 30. Juli vorm. ^ So in der Entzifferung für »sauvegarder«.

103

Nr. 380

Der Reichskanzler an den Botschafter in Petersburg^

Telegramm 139 Berlin, den 29. Juli 1914*

Dringend!

Russische Mobilmachung an österreichischer Grenze wird, wie ich annehme, entsprechende österreichische Maßregel zur Folge haben. Wieweit dann die rollenden Steine noch aufzuhalten sind, ist schwer zu sagen, und ich fürchte, daß friedhche Absichten Herrn Sasonows dann nicht mehr verwirklicht werden können^. Um, wenn möglich, drohende Katastrophe noch* abzuwenden, wirken wir in Wien darauf- hin, daß die österreichisch -ungarische Regierung in Bestätigung ihrer früheren Versicherung^ Rußland noch einmal formell erklärt, daß ihr territoriale Erwerbungen in Serbien fernliegen und ihre militärischen Maßnahmen lediglich eine vorübergehende Besetzung bezwecken, lun Serbien * zur Schaffung von Garantien für künftiges Wohlverhalten zu zwingen.

Gibt Österreich-Ungarn eine solche Erklärung ab, so hat Ruß- land alles erreicht, was es will. Denn daß Serbien die »verdiente Lektione erhalten müsse, hat Herr Sasonow Ew. Exz. gegenüber selbst zugegeben.

Wir erwarten daher, daß Rußland, falls unser Schritt in Wien Erfolg hat, keinen kriegerischen Konflikt mit Österreich herbeiführt'.

Ew. Exz. wollen Sich in vorstehendem Sinne eingehend Herrn Sasonow gegenüber aussprechen.

Drahtbericht 8. Bethmann Hollweg

1 Nach dem Konzept. Entwurf von Rosenbergs Hand mit Änderungen von der Hand Jagows. Siehe Nr. 343.

2 II* nachm. zum Haupttelegraphenamt.

3 »Russische verwirklicht werden können« von Jagow geändert

aus Rosenbergs ursprünglichem: »Der russische Botschafter hat hier heute mitgeteilt, daß Rußland morgen gegen Österreich mobilisieren wird. Wie Ew. Exz. und dem dortigen Kabinett bekannt, würde ein derartiger russischer Schritt von uns alsbald mit entsprechenden Mobilmachungs- maßnahmen beantwortet werden müssen.«

* So Jagow anstatt Rosenbergs: »Um die dann wohl unvermeidliche Katastrophe wenn möglich noch in letzter Stunde.«

* Jagow: »früheren Versicherung« anstatt Rosenbergs »bereits vorliegenden Versicherungen nicht nur uns, sondern auch.«

* Hier zunächst folgendes »zur Erfüllung der österreichischen Forderungen und« von Jagow gestrichen.

' »keinen herbeiführt« von Jagow aus Rosenbergs ursprüng- lichem »die geplante Mobilisierung unterläßt« geändert. Rosenbergs hinter »unterläßt« folgender Satz: »Die Verantwortung für die Folgen einer trotzdem vorgenommenen Mobilmachung würde ausschließlich Rußland treffen« von Jagow getilgt.

* Siehe Nr. 421.

■■ra

104

Nr. 381

Der Geschäftsträger in Athen an das Auswärtige Amt *

Telegramm 222 Athen, den 29, Juli 1914*

Vertraulich !

Gemeldete Erklärung^ des bulgarischen Gesandten ist nicht in offizieller Weise erfolgt, doch hat Herr Streit davon Akt genommen.

Griechische Regierung will Nachricht von einem Bericht des bulgai-ischen Generalstabs an die bulgarische Regierung haben, der feststellt, daß Bulgarien stark genug sei, imi mit seiner Armee gegen Rumänien zu kämpfen und gegen serbische und griechische Banden Kample zu organisieren.

Bassewitz

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Athen 29. Juli 8" nachm., angekommen im Auswärtigen

Amt 11" nachm.; Eingangsvermerk: 30. Juli vorm. ^ Siehe Nr. 336.

Nr. 382

Zwei Artikel des >^ Daily Chronicle« vom 29. Juli 1914 mit Randbemerkungen des Kaisers^

What War Will Mean.

The real danger for Gt. Britain. beides in unserer

By Sir Harrv Johnston, G. C. M. G. ^''^^^^ ^^^^ ^ö-

bend besprechen

At the time these lines are being unter Abdruck

written the fate of all Europe, of the

British Empire, of Asia, and of Africa

hangs in the balance. Is a quarrel between

Austria-Hungary and Servia to spread

rapidly into a war between Germany and

Austria on the one band, and Russia on

the other, with the Balkan States taking

this side er that? And, more terrible

1 Zeitungsausschnitt vom Auswärtigen Amt dem Kaiser zugesandt, Eingangs- vermerk des Amts: 20. Juli; vom Kaiser am 31. Juli ins Amt zurück- gelangt.

105

still for US across the British Channel, is this war to involve the longfthreatened revenge of France for her defeats in 1870, the invasion of Belgium and Luxemburg, and, perhaps, Holland, and, finally, a world-war of the British against the German Empire and its allies?

The least blunder of our diplomacy and statecraft, the least persistence in any miscalculation of forces which may have taken place may involve our peoples in a struggle by sea, land, and air out of which, even if we come victorious, we shall be incredibly maimed and im- poverished. Moreover, our very victory as the Partisans of Teuton or of Slav, or the ally of France (and consequently of Russia) may upset the balance of power in Europe or Asia to our great disadvantage.

How Britain is Situated.

As things stand we have no interests at stake in this clash of ambitions between the Powers of Central and of Eastern Europe. We are friends with both with, I should say, all parties. The prosperity of Russia stimulates British commerce ; the prosperity of Ger- many and of Austria-Hungary, similarly, is good for British and for British Im- perial trade. Our commercial dealings with Servia are on the up-grade. We should like to see all participants in the great renaissance of Eastern Europe happy and contented and satisfied as to their ambitions. But if they are not, and are about to resort to the arbitrament of arms to ad just their claims, well, it should be no concern of ours provided it did not lead to two developments-the aggrandisement of Russia in Europe or the defeat of France by Germany, with a consequent German irruption into Bel- gium and Holland.

io6

What has provoked the present crisis? The intrigues of Russia with res

Servia. Russia, in her unfaltering determination to gain free access to the Mediterranean, has intrigued with Ru- mania and, above all, with Servia and Montenegro for the last 20 years, in Order to stay the southward march of the Austrian Empire. Bulgaria she now regards as a negligible quantity; Ru- mania, Servia, Montenegro and Albania constitute the chain of vassal States she would like to bring within her sphere of influenae as an effectual barrier to any eastward advance of Teutonic authority. With these brought under her financial and diplomatic control, any German plans of raihvay or colonial adventure in Asia Minor and Mesopotamia would wither like a limb separated from its main arteries by a tight ligament.

Intervention of France. Where does danger for Great Britain lie in this Teutonic conüict with the forces of Slavdom? In the intervention richtig of France. France, like every other gut

Power, ourselves included, is perfectly selßsh in her policy. Her thoughts are concentrated mainly on revenge for 1 870-1 and the recovery of Alsace-Lor- raine. That is the only reason she has allied herseif with Russia. If she can yes

take Germany at a disadvantage she may recover all or part of her lost provinces. She is indifferent to the other consequences of a German defeat endlich ein ehr- (and in all this talk about Austria-Hun- so habe ich es lieber Brite! g^ry, Germany is the protagonist we all ^^^^^ aufgefaßt have in view), careless as to whether or not it may mean a Russian advance through Lapland to the North Sea and an enfeeblement of Sweden, a Russian annexation of Asia Minor, and an advance to the Persian Gulf.

Supposing France gets the worst of a struggle with Germany. It will mean

107

a German control over Belgium and Holland, and a disastrous Strategie aha!

Position for Great Britain on the shores of the North Sea. Or if France is victorious, and consequently Russia likewise, a dangerous elimination of Teutonia from the balance of power, and yes

an ultimate dnel between Britain and Russia for the control of Asia. The real danger in this medley of problems is the Franco-Russian Alliance. But for bravo .' that unhappy fact there really might have been a Franco-British Alliance; shecan! but will there may yet be if our diplomacy can, at they the last critical moment detach France

from the ambitions of Russia, and leave that Power entirely to herseif, to decide whether she has more to gain in fighting a coalition of Sweden, Germany, Italy, hervorragend! Austria, and Bulgaria (with Turkey possibljy superadded), or in disinter- esting herseif from the affairs of the Balkan Peninsula, resting content with the enormous share of Europe she already po-sesses, and applying her energies, warlike and administrative, to the control and colonisation of half Asia.

Britain's First Line of D e f e n c e.

In that last capacity, as this civil iser of Armenia, Northern Persia, Tur- kestan, Mongolia, Siberia and Man- churia she has already gained over the Virtual concurrence of Great Britain; and her efforts there and their already patent results (especially in Central Asia) have won from British travellers and writers emphatic praise.

The safety, integrity, and prosperity of France, the independence of Belgium, Holland, and Luxemburg constitute British interests of the first order. They are our first line of defence. This is why the Franco-Russian Alliance is an object of intense dislike and uneasy richtig suspicion to all far-seeing men and

io8

women on this side of the English Channel; for its provisions may at any moment drag France and hehind her, Britain into quarreis between Slav, Teuton and Magyar in the Near East which do not concern either the French sehr richtig or ourselves; except that both Powers ausgezeichnet would suffer grievously in their interests if Russia seated herseif on the Byzantine throne.

Duty of Avoiding European Conüict. By Francis W. Hirst.

I notice that the Yellow Press is screaming for war. It says that if France and Russia mobilise we ought to mobilise too. If they fight we ought to fight too. Parliament has been solemnly informed that we are under no obliga- but Grey has in- tion of a military or naval kind either formed us that to Russia or to France. No British (/" ^^ ^elp our int er est is involved. It is difficult even -^^^'^^> England to fix our individual sympathies. y^iU attack usü

If the Afghans had been seeking a greater Afghanistan at the expense of India, and had assassinated a Prince and Princess of Wales in the streets of Peshawur, I am not sure that the vocal part of the British nation would not have called for a march to Candahar. And I am quite certain that in that case Austria would have raised no protest. Then what, I would ask, is Mr. Churchill doingf What possible ground can bravo! there be for a mobilisation of the ßeetf Was it a mere outburst of meddlesome Chauvinismf

This is not Our Quarrel. certainly not

My object in writing to you at this moment is to urge the prime duty of maintaining right throughout this awful crisis an attitude of strict neutrality. This is not our quarrel; nor would the entrance into it of Russia, Germany, France or any other State give any British Government any moral right to

I09

Spill British blood or to spend British gut

treasure in a war whose only intelligible purpose would be the destruction of civilisation in Western Europe. If four millions of Russians and Servians are to be flung against four millions of Germans and Austrians that should be enough. If the military furies drag fifteen hundred thousand Frenchmen and an equal number of Italians into the conflict that would supply three million gut

more reasons why Britain should remain at peace.

In the City one is glad to learn and I believe the same is true of business men all over the contry that one opinion prevails. "It is no concern of ours" is richtig the general cry. The greatest of British interests is peace. The folly and wickedness of fighting for Russia against Germany are not less clear than aha!

the folly and wickedness of fighting for Germany against France.

Ten Millions a Day.

In any case we shall suffer. The X^^-

appalling losses of such a war which might cost in wealth alone anything up to ten millions Sterling a day will be spread over the whoie world, and will fall heavily enough upon London, which Supports the delicate fabric of international credit.

The main hope just now as a great banker said to me a day or two ago is the dearth of money. Every great Continental State is living on capital or credit. The extreme ünancial weakness of Russia and France may give their rulers pause, may save them from ruin and bankruptcy.

But the empty treasuries of Vienna and Beigrade have not prevailed over the war fever. Financial prudence has not been able to restrain racial feuds or the cravings of military ambition. We, too, must beware. All the members of

HO

our ruling classes are not responsible

and sober-minded people. The makers

of war material are far more powerful

than most of us suspect. A cunning

and unscrupulous Press is at work on yes

behalf of war. All that Cobden and

Morley have taught is in danger of

being forgotten. If the war spreads and

we are entangled, great finance houses,

great merchants and manufacturers will

go down like ninepins. Capital will

perish. Mills will dose. Shops will

empty. Orders for advertisements will

cease.

Employment will drop and wages

fall. Then insurance funds will run dry

in a few weeks or months, and perhaps

(who knows?) the working classes, das sind also die

hitherto so loyal and patriotic, will turn Stimmen der

savagely against the powers that be. Let öffentlichenMei-

ausge^eichnet us all, whatever our party, stand """J ^1^ ^'"^-^

tosether and do what we can to avert ^ r- / i , ? . , •. Lichnowsky

this crowning calamity. getrieben!

bravo! Das ist ja das

genaue Gegen- teil! Entweder hat er geblufft oder grob ge- logen !

Übersetzung

Was ein Krieg bedeuten wird. Die wirkliche Gefahr für Großbritannien. Beides in unserer

Von Sir Harry Johnston, G. C. M. G. ■P''"*^ *^'"' 'o6e«rf

besprechen unter

Während des Schreibens dieser Zeilen Abdruck.

hängt das Schicksal ganz Europas, des bri- tischen Reichs, Asiens und Afrikas in der Schwebe. Soll ein Streit zwischen Österreich- Ungarn und Serbien sich rasch zu einem Krieg zwischen Deutschland und Österreich auf der einen und Rußland auf der anderen Seite erweitern, während die Balkanstaaten diese oder jene Partei ergreifen? Und was für uns diesseits des britischen Kanals noch furcht- barer ist, soll dieser Krieg die seit langem angedrohte Rache Frankreichs für seine Nieder- lagen im Jahre 1870, soll er den Einfall in Belgien und Luxemburg und vielleicht in

II I

Holland und schließlich einen Weltkrieg des britischen Reichs gegen das deutsche Reich und dessen Verbündeten nach sich ziehen?

Der geringste Fehler unserer Diplomatie und Staatskunst, das geringste Festhalten an irgend einer vielleicht angestellten falschen Bewertung der Kräfte, kann unsere Völker in einen Krieg zur See, zu Lande und in den Lüften verwickeln, aus dem wir selbst wenn wir die Sieger bleiben unsagbar j^

geschwächt und verarmt hervorgehen werden. Zudem könnte gerade unser Süg als Bundes- genosse des Teutonen oder Slawen oder als Verbündeter Frankreichs (und folglich Ruß- lands) das Gleichgewicht der Mächte in Europa j^, oder Asien i^u unserm großen Nachteil stören.

Die Lage, in der sich England befindet.

Wie die Dinge liegen, stehen bei diesem Zusammenprall ehrgeiziger Bestrebungen der Mächte Zentral- und Osteuropas keine Inter- essen unsererseits auf dem Spiel. Wir sind mit beiden ich möchte sagen mit allen Parteien befreundet. Der Wohlstand Ruß- lands fördert den britischen Handel; der Wohlstand Deutschlands und Österreich- Ungarns ist gleichfalls günstig für den Handel von Großbritannien und den des britischen Reiches. Unsere Handelsbeziehungen mit Serbien sind im Aufstieg begriffen.

Wir würden es gerne sehen, daß alle, die an der großen Wiedergeburt von Ost- europa teilnehmen, glücklich und zufrieden sind, und daß die Wünsche ihres Strebens erfüllt werden. Wenn das jedoch nicht der Fall ist, und wenn diese Völker sich an- schicken, ihre Forderungen mit Waffengewalt durchzusetzen, nun, so ginge uns dies nichts an, vorausgesetzt, daß es nicht zu den fol- genden zwei Entwickelungen führen würde: zur Vergrößerung Rußlands in Europa oder zur Niederlage Frankreichs durch Deutsch- land mit einem darauf folgenden deutschen Einbruch in Belgien und Holland.

Was hat die gegenwärtige Krise hervor- gerufen? Die Intrigen Rußlands mit Serbien: J'^ Rußland hat in seinem nicht wankenden Ent- schlüsse, einen freien Zutritt zum Mittelländi- schen Meer zu erlangen, während der letzten 20 Jahre mit Rumänien und vor allem mit Serbien und Montenegro intrigiert, um das

112

Vordringen des österreichischen Kaiserreichs nach Süden zu verhindern. Es betrachtet Bulgarien jetzt als völlig bedeutungslos. Rumänien, Serbien, Montenegro und Albanien bilden die Kette von Vasallenstaaten, die es als wirksame Schutzwehr gegen ein Vordrin- gen teutonischer Macht nach Osten in seine Einflußsphäre bringen möchte. Wenn diese Balkanstaaten in finanzielle und diplomatische Abhängigkeit von Rußland gebracht wären, so würden alle deutschen Pläne, Kolonial- unternehmen in Kleinasien und Mesopotamien absterben wie ein Glied, das durch einen fest- gespannten Verband von seiner Lebensader abgeschnürt ist.

Die Einmischung Frankreichs

Wo liegt bei diesem teutonischen Konflikt mit den slawischen Mächten die Gefahr für Großbritannien? In der Einmischung Frank- richtig.

reichs. Wie jede andere Macht, wir selbst mit eingeschlossen, ist Frankreich in seiner Politik vollkommen selbstsüchtig. Seine Ge- ^w^-

danken konzentrieren sich hauptsächlich auf die Rache für 1870/71 und auf die Wieder- gewinnung von Elsaß- Lothringen. Dies ist der einzige Grund, warum es sich mit Ruß- land verbündet hat. Wenn es ihm gelingt, Deutschland in eine ungünstige Lage ^u bringen, ,a

so kann es vielleicht seine verlorenen Pro- vinzen ganz oder teilweise wiedererlangen. Die anderen Folgen einer deutschen Nieder- lage sind ihm gleichgültig {und in all diesem endHchem ehrlicher ganzen Gerede über Österreich-Ungarn ist

Brite! Deutschland der Hauptfaktor, den wir alle so habe ich es stets

im Auge haben), mag nun diese Niederlage aufgefaßt. einen russischen Vormarsch durch Lappland nach der Nordsee und eine Schwächung Schwedens, eine russische Annexion Klein- asiens und einen Vormarsch :[um persischen Golf bedeuten.

Nehmen wir an, daß Frankreich in einem Kampf mit Deutschland den kürzeren ziehe. Dies würde eine deutsche Vorherrschaft über aha!

Belgien und Holland und eine unheilvolle strategische Lage für Großbritannien an der Nordseeküste bedeuten. Oder wenn Frank- reich und folglich auch Rußland Sieger bleiben, eine gefährliche Beseitigung deutschen Ein- flusses aus dem Gleichgewicht der Mächte ja und letzten Endes einen Zweikampf ^wischen Großbritannien und Rußland um die Herr-

113

Schaft über Asien. In diesem Gemisch von Problemen liegt die wahre Gefahr in dem französisch-russischen Bündnis. Ohne diese bravo!

unglückselige Tatsache wäre vielleicht ein französisch-britisches Bündnis wirklich zu- stande gekommen; es kann noch jetzt zu- stande kommen, wenn unsere Diplomatie in diesem letzten kritischen Moment Frankreich sie kann! aber will von den ehrgeizigen Bestrebungen Rußlands *•* loslösen kann, so daß die letztere Macht voll-

ständig auf sich selbst angewiesen bleibt und zu entscheiden hat, ob es von größerem Vorteil für sie ist, wenn sie gegen eine Ko- hervorragend! alition von Schweden, Deutschland, Italien, Österreich und Bulgarien (zu der möglicher- weise die Türkei noch hinzukommt) den Kampf aufnimmt, oder wenn sie sich von den Angelegenheiten der Balkanhalbinsel fem hält, sich mit dem ungeheuer großen Teil Europas, den sie schon besitzt, zufrieden gibt und ihre kriegerische und administrative Tatkraft der Beherrschung und Kolonisierung halb Asiens widmet.

Englands erste Verteidigungslinie In der Eigenschaft als Kulturträger in Armenien, Nordpersien, Turkestan, Sibirien, in der Mongolei und Mandschurei hat Ruß- land sich die Mitwirkung Großbritanniens im Prinzip schon gesichert, und Rußlands Be- strebungen auf diesem Gebiet und deren schon offenkundige Ergebnisse (besonders in Zentral- asien) sind von britischen Reisenden und Schriftstellern äußerst lobend hervorgehoben worden.

Die Sicherheit, Integrität und Wohlfahrt Frankreichs, die Unabhängigkeit Belgiens, Hollands und Luxemburgs stellen britische Interessen von allererster Wichtigkeit dar. Sie sind unsere erste Verteidigungslinie. Aus diesem Grunde empfinden alle weitblickenden Männer und Frauen auf dieser Seite des Kanals gegen das französisch-russische Bünd- nis eine intensive Abneigung und betrachten es mit argwöhnischem Unbehagen, denn seine Bestimmungen können in einem beliebigen Augenblick Frankreich und nach ihm Eng- land — in Streitigkeiten zwischen dem Slawen, Teutonen und Magyaren imnahenOstenh\nem- reißen, die weder Frankreich noch uns etwas sehr richtig angehen, außer insofern als die Interessen ausgezeichnet! beider Mächte schwer geschädigt würden, wenn Rußland den Thron von By^'^nz bestiege.

Aktenstücke IL 9

114

Die Pflicht, einen europäischen Konflikt

fM vermeiden.

Von Francis W. Hirst

Ich bemerke, daß die gelbe Presse nach Krieg schreit. Sie behauptet, daß, wenn Frankreich und Rußland mobil machen, wir auch mobil machen müssen. Wenn diese Mächte kämpfen, müßten wir auch kämpfen. Dem Parlament ist feierlich gesagt worden, daß unsererseits keine das Heer oder die Grey hat unsjeaock Marine betreffende Verpflichtung «;^^er /?u^--g^2f aÄ;! land noch Frankreich gegenüber besteht. Es ^,y^^ ^^„„ ^,y „„_ stehen keine britischen Interessen auf dem seren Verbündeten Spiel. Es ist sogar schwer zu sagen, welcher helfen!.' Partei die Sympathien des einzelnen gehören.

Wenn es die Afghanen nach einem Großafghanistan auf Kosten Indiens gelüstet hätte, und wenn sie einen englischen Thron- folger und seine Gemahlin in den Straßen von Peshawur ermordet hätten, so weiß ich nicht, ob die Schreier im britischen Volke nicht einen Vormarsch nach Candahar ge- fordert hätten.^^ Und ich weiß sicher, daß in diesem Falle Österreich keinen Widerspruch erhoben hätte. Ich frage also, was tut Mr. Churchill? Welcher mögliche Grund kann bravo! für die Mobilmachung der Flotte bestehen? War es ein bloßer Ausbruch von überge- schäftigem Chauvinismus ?

Dies ist nicht unser Streit. gewiß nicht

Wenn ich in diesem Augenblick schreibe, so bezwecke ich damit, auf die vornehmste Pflicht: die Aufrechterhaltung strenger Neu- tralität während der ganzen Krise, dringend hinzuweisen. Dies ist nicht unser Streit, auch das Eingreifen Rußlands, Deutschlands, Frank- reichs oder irgendeines anderen Staates würde keiner britischen Regierung irgendein gut

moralisches Recht geben, englisches Blut ^u vergießen oder englisches Gut in einem Kriege i^u verschleudern, dessen einziger erkenn- barer Zweck die Vernichtung der Kultur von Westeuropa sein würde. Wenn vier Millionen Russen und Serben gegen vier Millionen Deutsche und Österreicher losge- lassen werden, so sollte dies genügen. Wenn die Kriegsfurien i 500 000 Franzosen und eine gleiche Anzahl von Italienern in den Konflikt hineinziehen, so würde das weitere gut

115

drei Millionen Gründe abgeben, warum Eng- land Frieden halten sollte.

In der City und ich glaube, daß das- selbe von allen Geschäftsleuten im ganzen Lande gilt vernimmt man mit Freuden, daß nur eine Meinung vorherrscht. Der all- gemeine Ruf ist: «Das geht uns nichts an.» richtig Das größte der englischen Interessen ist der Friede. Es ist ebenso wahnsinnig und frevel- haft für Rußland gegen Deutschland :^u kämp- aha fett, wie für Deutschland gegen Frankreich.

Zehn Millionen täglich

In jedem Fall werden wir leiden. Die fa

erschreckenden Verluste eines solchen Krieges, der allein an Geld bis zu lo Millionen Pfund Sterling täglich kosten kann, werden die ganze Welt umfassen und schwer genug auf London lasten, welches das ^arte Gefüge des inter- nationalen Kredits stützt.

Wie mir ein großer Bankier neulich sagte, setzt man seine Hoffnung jetzt hauptsächlich auf die Geldknappheit. Jeder große Staat des Kontinents lebt von Kapital oder Kredit. Die ungeheuer große finanzielle Schwäche Ruß- lands und Frankreichs kann vielleicht die Herrscher dieser Länder zurückhalten und sie vor Ruin und Bankerott retten.

Jedoch die leeren Kassen von Wien und Belgrad konnten das Kriegsfieber nicht be- siegen. Finanzielle Klugheit war nicht im- stande, Rassenfehden und die Begehrlichkeiten militärischen Ehrgeizes zu hemmen. Auch wir müssen auf der Hut sein. Nicht alle Angehörigen unserer herrschenden Klassen sind Leute, die sich ihrer Verantwortung bewußt sind und nüchtern denken. Die Unternehmer der Kriegsindustrie sind weit mächtiger als die meisten von uns argwöhnen.

Eine hinterlistige und gewissenlose Presse ja

ist am Werke im Interesse des Krieges. Alle Lehren Cobdens und Morleys sind in Gefahr vergessen zu werden. Wenn der Krieg sich ausbreitet und wir in ihn ver- wickelt werden, so werden große Finanz- häuser, Großkaufleute und Industrielle wie die Kegel fallen. Das Kapital wird :[u- grunde gehen, die Fabriken den Betrieb ein- stellen, die Läden leer stehen, die Aufträge für Annoncen aufhören.

Die Arbeitslosigkeit wird zunehmen und die Löhne fallen. Dann werden auch die Fonds

9*

ii6

der Versicherungsgesellschaften in wenigen

Wochen oder Monaten aufgebraucht sein und

vielleicht werden dann (wer kann es wissen?) Das sind also die

die arbeitenden Klassen, die bisher so loyal Stimmen der öffent-

und patriotisch waren, sich in wilder Wut ^'^''^T ^"«""S'' ^'^

\jT6Y XU Cl€f

gegen die jetzigen Machthaber wenden. Drohung an Lieh-

Laßt uns alle, welcher Partei wir auch nowsky getrieben, ausgezeichnet angehören, !{iisammenstehen und unser Mög- ^^^"JqI l^teü^ liebstes tun, diese größte aller Kalamitäten Entweder hat er abzuwehren. geblufft oder grob

gelogen, bravo !

Nr. 383

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien*

Telegramm 188 Berlin, den 29. Juli 1914^

Zu Ihrer Information imd Verwertung.

S. M. der Kaiser hat gestern abend das nachstehende Tele- gramm an den Zaren gerichtet:

"It is with friend and cousin Willy 3."

Mit diesem Telegramm hat sich ein Telegramm* des Zaren ge- kreuzt, in dem dieser die Vermittelung Sr. M. anruft. Auf dieses Telegramm hat S. M. heute abend mit nachfolgender Depesche ge- antwortet :

"I received my help, Willy V

Bethmann Hollweg

* Nach dem Konzept von des Reichskanzlers Hand.

* 30. Juli 1210 vorm. zum Haupttelegraphenamt.

* Hier ist Nr. 335 eingefügt.

* Siehe Nr. 332.

' Hier ist Nr. 359 eingefügt.

117

Nr. 384

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien*

Telegramm 190 Berlin, den 29. Juli 1914*

Fürst Lichnowsky telegraphiert :

»Habe soeben zusammenbrechen« »Sir E. Grey

teihe mir ferner mit, daß der serbische Besprechungen

aufzunehmen« '.

Bitte Grafen Berchtold vorstehendes sofort * mitteilen und* hin- zufügen, daß wir ein derartiges Nachgeben Serbiens als geeignete Basis für Verhandlungen ansehen* auf Grund einer Besetzung ser- bischen Gebietsteils als Faustpfand.

Bethmann Hollweg

1 Nach dem Konzept. Entwurf von Bergens Hand mit Ergänzungen und Änderungen Jagows und des Reichskanzlers. Siehe Nr. 432

8 30. Juli 1 2^ vorm. zum Haupttelegraphenamt. Angekommen auf der Bot- schaft in Wien 30. Juli »früh« (ohne Angabe der Stunde).

' Hier sind die zwei Abschnitte aus Lichnowskys Telegramm vom 29. Juli (Nr. 357) mit kleinen Änderungen eingefügt.

* »sofort« vom Kanzler in Bergens Entwurf beigefügt.

6 »und Faustpfand« von Jagow dem Bergschen Entwurf angefügt.

* »daß wir ansehen« vom Kanzler aus ursprünglichem »daß

erschiene« Jagows geändert.

Nr. 385

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien*

Telegramm 187 Berlin, den 29. Juli 1914'

Rußland hat mitgeteilt, daß es Kasan, Kiew, Moskau, Odessa mobilisiert, weil Österreich 8 Korps mobilisiert habe, und diese Maß- regel zum Teil als gegen Rußland gerichtet angesehen werden müsse '.

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand. Ein erster von Rosenberg geschriebener Entwurf war von Jagow gestrichen worden. Rosenbergs Entwurf hatte gelautet: »Der russische Botschafter hat hier heute mit- geteilt, daß Rußland morgen gegen Österreich mobilisieren wird. Um Rußland mit einer derartigen Maßnahme vor aller Welt ins Unrecht zu setzen, erscheint es uns dringend geboten, daß das dortige Kabinett ohne Verzug in Petersburg und bei den übrigen Großmächten die von uns empfohlene Erklärung abgibt. Unser Rat bezweckt kein Flaumachen, sondern lediglich eine Verbesserung unserer moralischen Position vor der öffentlichen Meinung Europas.« * 30. Juli 12^ vorm. zum Haupttelegraphenamt, abgefertigt 4^° vorm., an- gekommen auf der Botschaft in Wien vorm. ' Siehe Nr. 343.

ii8

Russische Mobilisation bedeute aber noch keineswegs wie in Westeuropa den Krieg, russische Armee könne lange Zeit Gewehr bei Fuß stehen, ohne Grenze zu überschreiten, Beziehungen zu Wien seien nicht abgebrochen, und Rußland wolle, wenn irgend möghch, Krieg vermeiden. Wir haben Petersburg darauf aufmerksam gemacht, daß Mobilisation wahrscheinhch österreichische Gegenmaßregel hervor- rufen würde und Stein dadurch ins Rollen kommen könnte.

Rußland beschwert sich, daß Unterhaltungen weder durch Herrn Schebeko noch durch Graf Szäpäry Fortlauf genommen hätten. Wir müssen daher, um allgemeine Katastrophe aufzuhalten oder jeden- falls doch Rußland ins Unrecht zu setzen, dringend wünschen, daß Wien Konversationen gemäß Telegramm Nr. 174* beginnt und fortsetzt.

Bethmann Hollweg * Siehe Nr. 323.

Nr. 386

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt*

Telegramm 130 Wien, den 29. Juli 1914^

Mein russischer Kollege besuchte mich soeben. Er sagte, die Situation sei sehr kompliziert. Car la Russie se voit dans la necessitd de mobiliser. 4 Militärbezirke er glaube Moskau, Odessa, Kiew, Kasan würden mobilisiert. Das, was er mir sage, sei offiziell und werde übrigens auch in Berlin mitgeteilt.

Seinen sonstigen Ausführungen war noch zu entnehmen, daß seiner Ansicht nach eine Lokalisierung des österreichisch- serbischen Konfhkts unmöghch erscheine. Rußland fühle sich in seiner Stellung als Großmacht bedroht, infolge des Vorgehens Öster- reichs gegen Serbien.

Ich habe mich im Sinne der Telegramme Nr. 172 ' und Nr. 176 * ausgesprochen und besonders auf das von Österreich erklärte terri- toriale Desinteressement hingewiesen. Herr von Schebeko meinte aber, so eine Erklärung habe gar keinen Wert.

Mein französischer Kollege besuchte mich hierauf. Wie dieser mir sagte, hat Herr von Schebeko ihm kurz vorher die gleiche Mit-

* Nach der Entziflferung.

2 Aufgegeben in Wien 29. Juli 7 ^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt

30. Juli i2*<* vorm.; Eingangsvermerk: 30. Juli vorm. ' Siehe Nr. 309.

* Siehe Nr. 315 Anm. 2.

119

teilung gemacht, die ihn einigermaßen befremdet habe, da Herr von Schebeko 24 Stunden vorher eine ganz andere Sprache geführt habe. Rußland, meinte er, habe eine kriegerische Aktion Österreichs gegen Serbien überhaupt verhindern wollen. Nachdem diese jetzt nicht mehr zu verhüten sei, antworte es mit der Mobilisierung. Eine Lokalisierung halte er jetzt nicht mehr für durchführbar, wenn man auch sicherlich weiter für dieses Ziel arbeiten müsse.

Tschirschky

Nr. 387

Der Reichskanzler an den Botschafter in Petersburg*

Telegramm 140 Berlin, den 29. Juli 1914*

Mit dem gestern durch Ew. pp. vermittelten Telegramm Sr. M.^ an den Zaren hat sich das nachfolgende Telegramm des Zaren gekreuzt :

»Am glad too far. Nicky«.*

Dieses Telegramm hat S. M. heute abend durch folgendes direkt abgeschicktes offenes Telegiramm beantwortet :

»I received my help. Willy«. ^

Bethmann Hollweg

^ Nach dem Konzept von des Reichskanzlers Hand.

* 30. Juli 12^ vorm. zum Haupttelegraphenamt. ' Siehe Nr. 335.

* Hier ist das Telegramm des Zaren an den Kaiser vom 29. Juli (Nr. 332) eingefügt.

* Hier ist das Telegramm des Kaisers an den Zaren vom 29. Juli (Nr. 359) eingefügt.

Nr. 388

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt'

Telegramm 133 Wien, den 29. Juli 1914*

Auftrag ausgeführt'. Graf Berchtold dankt für Anregung. Minister ist bereit, Erklärung wegen territorialen Desinteressements,

1 Nach der Entzifferung.

Aufgegeben in Wien 29. Juli u"" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt

30. Juli i^ vorm.; Eingangsvermerk: 30. Juli vorm ' Siehe Nr. 323 und 377.

120

die er bereits in Petersburg und durch hiesigen russischen Vertreter abgegeben hat, nochmals zu wiederholen. Was die weitere Erklärung bezüghch militärischer Maßnahmen anlangt, erklärte sich Graf Berchtold außerstande, mir sofort Antwort erteilen zu können.

Trotz Vorstellung über Dringlichkeit der Sache habe ich bis heute abend keine weitere Mitteilung erhalten*.

Tschirschky

* Siehe Nr. 407.

Nr. 389

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäftsträger

in Bukarest^

Telegramm 51 Berün, den 29. Juli 1914^

Geheim!

Dinge spitzen sich dadurch zu, daß Rußland heute Mobilisierung von Kasan, Kiew, Moskau, Odessa angeordnet hat. Österreich wird kaum umhinkönnen, hierauf seinerseits auch gegen Rußland zu mobi- lisieren. Vielleicht wäre Konflikt noch durch Schritt Rumäniens in Petersburg, eventuell direktes Telegramm des Königs Carol an Kaiser von Rußland aufzuhalten, in welchem rumänische Verpflichtung klar- gelegt wird'.

Freundschaftliche Telegramme zwischen Sr. M. dem Kaiser und Kaiser Nikolaus sind gewechselt worden, bisher aber ohne posi- tives Ergebnis.

Jagow

^ Nach dem Konzept von Jagows Hand.

* 30. Juli i*^ vorm. zum Haupttelegraphenamt.

' Siehe Nr. 463.

121

Nr. 390

Der Zar an den Kaiser*

Telegramm (ohne Nummer) Peterhof, Palais, den 30. Juli 1914*

A Sa Maiest6 l'Empereur

Neues Palais

Thank you heartily for your quick answer. Am sending Tatischtschew this evening with instruc- tions. The military measures which have noiu^ come

*) into force^ were decided ßve days^ ago for reasons

of defence* ort account of Austrias'' preparations^. I hope from all my heart that these measures ivont in any way interfere with yoiu: part as mediator which I greatly value. We need your strong pres-

no! sure on Austria * to come to an understanding tyith us.

Nicky nein davon ist gar keine Rede!!!

*)Österreich hat ja nur im Süden gegen Serbien eine

Theilmobilmachung gemacht. Daraufhin hat der Zar wie hier von ihm offen '~~~~ zugegeben

yvi[r\d milit. Measures, which have now come into force, gegen Osterreich

und uns getroffen und ![war schon vor 5^° Tagen. Es ist uns also um fast eine Woche voraus. ~ Und diese

Maßregeln seien !{ur Vertheidigung gegen Austria, das ihn gar nicht an- greift!!! Ich kann mich nicht auf Mediation mehr einlassen, da der Zar der sie anrief zugleich heimlich mobilgemacht hat, hinter meinem Rücken. Es ist nur ein

Manöver y um uns hin:(uhalten imd den schon gewonnenen Vorsprung ^u vergrößern.

Mein Amt ist aus\ W.

* Nach der Ausfertigung des Telegraphenamts im Neuen Palais. Vgl. deutsches Weißbuch im Mai 1915 Seite 35, Nr. 22 VI. Dort ist das Telegramm von i" nachm. datiert. Siehe auch Nr. 359 und 366. Siehe ferner Nr. 413.

* Aufgegeben in Peterhof Palais i^o vorm., aufgenommen im Telegraphenamt des Neuen Palais i** vorm. Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 30. Juli nachm.

' »now« vom Kaiser zweimal unterstrichen.

* »force« zweimal vom Kaiser unterstrichen.

' »five« dreimal, »days« zweimal vom Kaiser unterstrichen.

* »defence« zweimal vom Kaiser unterstrichen. ' »Austria« zweimal vom Kaiser unterstrichen.

^ Am Rand links Ausrufungszeichen des Kaisers.

' Die Worte »strong Austria« zweimal vom Kaiser unterstrichen.

10 »5« zweimal vom Kaiser unterstrichen.

122

Übersetzung

Danke Dir herzlich für Deine schnelle Antwort. Sende heute abend Tatischtschew mit Instruktionen. Die militärischen Maßnahmen, die jet^t in Kraft getreten sind, wurden vor 5 Tagen zum Zwecke der Verteidigung wegen der Vorbereitungen Österreichs getroffen. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß diese Maßnahmen in keiner Weise Dein Amt als Vermittler stören werden, das ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken Druck auf Österreich, damit dieses zu einer Verständigung mit uns kommt.

Nr. 391

Der Reichskanzler an den Botschafter in Petersburg*

Telegramm 141 Berlin, den 29. Juli 1914*

Auf das durch Ew. Exz. Vermittelung dem Zaren zugestellte Telegramm^ hat der Zar folgende Antwort erteilt:

"Thanks for your friendship.

Your loving Nicky*"

Bitte Ew. pp. durch sofortige Aussprache mit Herrn Sasonow angebhchen Widerspruch zwischen Ihrer Sprache und dem Telegramm Sr. M. aufzuklären. Der Gedanke der Haager Konferenz wird natür- lich in diesem Fcdle ausgeschlossen sein.

Bethmann Hollweg

1 Nach dem Konzept von der Hand des Reichskanzlers.

2 30. Juli 2*^ vorm. zum Haupttelegraphenamt.

3 Siehe Nr. 387.

* Hier ist das Telegramm des Zaren an den Kaiser vom 29. Juli (Nr. 366) eingefügt.

Nr. 392

Der Reichskanzler an den Botschafter in Petersburg*

Telegramm 142 Berlin, den 30. Juh 1914^

Bitte Herrn Sasonow sagen, daß wir weiter vermitteln ; Voraus- setzung ist jedoch einstweiliges Unterbleiben jeder FeindseUgkeit gegen Österreich seitens Rußlands.

Bethmann Hollweg

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand, a 265 vorm. zum Haupttelegraphenamt.

123

Nr. 393

Der Reichskanzler an den Botschafter in London*

Telegramm i88 Berlin, den 30. Juli 1914^ '

Bitte Sir E. Grey für seine offene Erklärung danken und ihm sagen, daß wir in Wien weiter vermitteln und dringend zur Annahme seiner Vorschläge raten.

Bethmann Hollweg

* Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand. 2 2^5 vorm. zum Haupttelegraphenamt. ' Siehe Nr. 368 und 418.

Nr. 394

Der Geschäftsträger in Cetinje an das Auswärtige Amt^

Telegramm 20 Cattaro, den 29. Juli 1914^ '

Im gestrigen Ministerrat scheint ruhigere Richtung Oberhand gewonnen zu haben. Minister der auswärtigen Angelegenheiten hat italienischem Kollegen gesagt, trotz Nachricht über Beginn der Feind- seligkeit[en] in Serbien würde Regierung vorläufig den Gang der Er- eignisse abwarten und in ihren Beziehungen zu Österreich keine Änderung eintreten lassen, auch bis auf weiteres dem Gesandten seine Pässe nicht zurückstellen*. Allgemeine Mobilisierung angeordnet.

Zech

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Cattaro 29. Juli nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 30. Juli 2^* vorm.; Eingangsvermerk: 30. Juli vorm. Am 30. Juli dem Generalstab, Admiralstab, Reichsmarineamt und Kriegsministerium mit- geteilt.

8 Siehe Nr. 358.

* So in der Entzifferung.

124

Nr. 395

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien*

Telegramm 192 Berlin, den 30. Juli 1914*

Dringend !

Der k. Botschafter in London telegraphiert*:

»Sir E. Grey ließ mich soeben nochmals zu sich bitten. Der Minister war vollkommen ruhig, aber sehr ernst, und empfing mich mit den Worten, daß die Lage sich immer mehr zuspitze. Sasonow habe erklärt, nach der Kriegserklärung nicht mehr in der Lage zu sein, mit Österreich direkt zu unterhandeln und hier bitten lassen, die Vermittelung wieder aufzunehmen. Als Voraussetzung für diese Vermittelung betrachtet die russische Regierung die vorläufige Ein- stellung der Feindseligkeiten.

Sir E. Grey wiederholte seine bereits gemeldete Anregung, daß wir uns an einer solchen Vermittelung zu vieren, die wir grundsätzlich bereits angenommen hätten, beteiligen sollten. Ihm persönlich schiene eine geeignete Grundlage für eine Vermittelung, daß Osterreich etwa nach Besetzung von Belgrad oder anderer Plätze seine Bedingungen kundgäbe. Sollten Ew. Exz. jedoch die Vermittelung übernehmen, wie ich heute früh in Aussicht stellen konnte, so wäre ihm das natürlich ebenso recht. Aber eine Vermittelung schiene ihm nunmehr dringend geboten, falls es nicht zu einer europäischen Katastrophe kommen sollte.

Sodann sagte mir Sir E. Grey, er hätte mir eine freundschaft- liche und private Mitteilung zu machen, er wünsche nämlich nicht, daß unsere so herzlichen persönlichen Beziehungen und unser intimer Gedankenaustausch über alle politischen Fragen mich irreführten und er möchte sich für später den Vorwurf [der] Un- aufrichtigkeit ersparen. Die britische Regierung wünsche nach wie vor mit uns die bisherige Freundschaft zu pflegen und sie könne, solange der Konflikt sich auf Osterreich und Rußland beschränke, abseits stehen. Würden wir aber und Frankreich hineingezogen, so sei die Lage sofort eine andere und die britische Regierung würde unter Umständen sich i^u schnellen Entschlüssen gedrängt sehen. In diesem Falle würde es nicht angehen, lange abseits fu stehen und ^^i warten, »if war breaks out, it will be the greatest catastrophe that the world ever has seenv. Es liege ihm fern, irgendeine Drohung aussprechen zu wollen, er habe mich nur vor Täuschungen und sich vor dem Vorwurf der Unaufrichtigkeit bewahren wollen und daher die Form einer privaten Verständigung gewählt. «

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand. Vgl. Bethmanns Rede im Reichstagsausschuß am 9. November 1916 (Nordd. Allg. Ztg. 10. No- vember 1916).

2 265 vorm. zum Haupttelegraphenamt, auf der Botschaft in Wien »mittags t angekommen.

3 Siehe Nr. 368.

125

Wir stehen somit, falls Österreich jede Vermittelung ablehnt, vor einer Conflagration, bei der England gegen uns, Italien und Ru- mänien nach allen Anzeichen nicht mit uns gehen würden und wir 2 gegen 4 Großmächte ständen. Deutschland fiele durch Gegnerschaft Englands das Hauptgewicht des Kampfes zu. Österreichs poütisches Prestige, die Waffenehre seiner Armee, sowie seine berechtigten An- sprüche Serbien gegenüber, könnten durch Besetzung Belgrads oder anderer Plätze hinreichend gewahrt werden. Es würde durch De- mütigung Serbiens seine Stellung im Balkan wie Rußland gegenüber wieder stark machen. Unter diesen Umständen müssen wir der Er- wägung des Wiener Kabinetts dringend und nachdrücklich anheim- stellen, die Vermittlung zu den angegebenen ehrenvollen Bedingungen anzunehmen. Die Verantwortung für die sonst eintretenden Folgen wäre für Österreich und uns eine imgemein schwere*.

Bethmann Hollweg * Siehe Nr. 434, 437, 440, 441, 450, 464, 465, 468 und 482.

Nr. 396

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien ^

Telegramm 193 Berlin, den 30. Juli 1914^

Graf Pourtal^ telegraphiert:

»Sasonow mitteilte mir Krieg bedeute« '.

Diese Meldung steht nicht im Einklang mit der Darstellung, die Ew. pp. in dem Verlauf der Unterredung des Grafen Berchtold mit Herrn Schebeko gegeben haben. Anscheinend Hegt Mißver- ständnis vor, das ich aufzuklären bitte. Wir können Österreich- Ungarn nicht zumuten, mit Serbien zu verhandeln, mit dem es im Kriegszustand begriffen ist. Die Verweigerung jeden Meinungsaus- tausches mit Petersburg aber würde schwerer Fehler sein, da er

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Stumms Hand, mit Änderungen und Ergänzungen Jagows und des Reichskanzlers. Vergl. Bethmanns Rede im Reichstag am 19. August 1915.

vorm. zum Haupttelegraphenamt, abgefertigt 4*** vorm., aut der Bot- schaft in Wien angekommen lo Uhr vorm.

' Hier ist Pourtales' Telegramm vom 29. Juli (Nr. 365) nach Vornahme einiger Kürzungen, insbesondere Fortlassung der Worte »und klammere

Strohhalm«, »daß mir Stellungnahme bekannt sei«

und »falls derselbe bevorstehe«, eingefügt.

126

kriegerisches Eingreifen Rußlands gradezu provoziert, das zu ver- meiden Österreich-Ungarn in erster Linie interessiert ist*.

Wir sind zwar bereit, unsere Bündnispflicht zu erfüllen, müssen es aber ablehnen, uns von Wien leichtfertig und ohne Beachtung unserer Ratschläge in einen Weltbrand hineinziehen zu lassen. Auch in itaüenischer Frage scheint Wien unsere Ratschläge zu mißachten*.

Bitte sich gegen Graf Berchtold sofort mit allem Nachdruck und großem Ernst aussprechen*'.

Bethmann Hollweg

* Hier folgte in Stumms Entwurf zunächst der Satz: »Bitte sich gegen Graf Berchtold mit allem Nachdruck in diesem Sinne aussprechen«. Der Satz, in dem Jagows Hand hinter »Nachdruck« noch die Worte »und großem Ernst« einfügte, wurde dann wieder getilgt. (Siehe aber unten Anm. 6.)

^ Abschnitt »Wir sind mißachten« im Entwurf von Jagows Hand

beigefügt.

* Der letzte Satz lautete zuerst, von Jagow geschrieben: »Bitte sofortige Ausführung«. Der Reichskanzler strich die beiden letzten Worte und schrieb dafür »sich gegen aussprechen«. (Siehe auch oben Anm.4).

' Siehe Nr. 448; dazu auch Nr. 433.

Nr. 397

Der Reichskanzler an den Botschafter in Petersburg*

Telegramm 143 Berlin, den 30. Juli 1914 *

Ablehnimg Wiens, in Besprechimgen einzutreten, muß vor imserer letzten Demarche in Wien erfolgt sein, über deren Erfolg Meldung hier noch aussteht*.

Bethmann Hollweg

1 Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand.

2 36 vorm. zum Haupttelegraphenamt. ä Siehe Nr. 365 und 449.

127

Nr. 398

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt *

Telegramm 382 Therapia, den 29. Juli 1914^

Seit Beginn der Krisis hat Markgraf Pallavicmi mir die ge- heimsten Aus- und Eingänge seiner Botschaft selbst Telegramme mit Vermerk »selbst entziffern« mitgeteilt. In der Bündnisfrage war Zusammenarbeit schon dadurch geboten, daß Großwesir, abge- sehen von seinen letzten Positionen, selbst immer mit uns beiden verhandelte. Ich glaube nicht, daß ein Bündnis ohne Beteiligung Österreichs zustande kommen kann, denn die Pforte wird sich auf eine Allianz bloß für die Dauer der jetzigen Krisis keinenfalls ein- lassen. Es wäre der Fall denkbar, daß Rußland nicht Österreich, sondern die Türkei angreift^, in welchem Falle wir Rußland den Krieg erklären müßten, ohne daß für Österreich casus foederis ein- träte. Es ist daher nicht unbedenklich, Österreich von jetzt an ganz im Dunkeln zu lassen. Markgraf Pallavicini würde mir mein Schweigen übelnehmen, besonders wenn er auf anderem Wege etwa durch den Großwesir erfährt, daß ich hier verhandele. Sobald eine Basis zwischen Großwesir und uns gefunden ist, würde ich bitten, mich zu einer vertraulichen Mitteilung an Pallavicini zu ermächtigen *.

Beginn der Verhandlungen voraussichtlich heute abend.

Wangenheim

* Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Therapia 29. Juli, 7* nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 30. Juli, 5*" vorm. Eingangsvermerk: 30. Juli vorm.

' Dazu der Randvermerk des Reichskanzlers: »richtig. Auch ich hatte schon darauf aufmerksam gemacht.«

* Siehe Nr. 320, 411 und 431.

128

Nr. 399

Der Reichskanzler an den Kaiser *

Demnachhat der Zar mit seinem Berlin, den 29. JuÜ 1914=^

Appell an meine Hilfe einfach Co- ■««■ -i-, r^

mödie gespielt und uns angeführt! Ew. K. U. K. M. Botschafter in St. PetCtS-

Jn^AfX'ftS^SaTii^^S bürg meldet in dem alleruntertänigst beige- mobiimacht! w. fügten Telegramm ^^ daß Herr Sasonow ihm

Darauf muß ^ich^ auch mobil yon einer Mobilisierung Rußlands gegen die schon am 24ivh begonnen Österreich Mitteilung gemacht hat. Dem- '^ entsprechend hat auch der hiesige russische

Botschafter heute hier mitgeteilt, daß Ruß- die Garden auch vermuthiich land Kieu^, Kasan, Odessa und Moskau * mo- bilisiere, dies aber keineswegs den Krieg be- deute, die diplomatischen Beziehungen zu Österreich auch nicht abgebrochen würden. Gegen Deutschland wäre keinerlei Mobilisation erfolgt ^.

Ich habe sofort Ew. M. Botschafter in Petersburg telegraphisch angewiesen, den russi- sie ist nach dem Telegramm schcu Minister auf die wahrscheinüchen Konse- Tragen 7efohV'7iVamq"en^en dieser Mobilisierung gegen Öster- 24ten gleich nach überrei- reich hinzuweisen Und ihn zu ersuchen, so- S.^ Aho il^e^ehl der Zar lange die Verhandlungen mit Wien, bei denen to? ^^?£teÄ? "^E^h^'bei ^'^ vermittelten, forthefen, jeden kriegeri- seinem ersten Telegramm aus- schen * Konflikt mit Österreich zu vermeiden.

drücklich gesagt, er werde vor- aussichtlich gezwungen werden

Maßregeln ergreifen :iu müssen y. BcthmanU HollwCg

die ^u einem Europ. Kriege o

führen würden. Also damit nimmt er die Schuld auf sich. In Wirklichkeit waren die Maß- regeln aber schon in vollem Gang und er hat mich einfach belogen. Die Sendung Tatischeffs und der Wunsch ich möge mich durch seine Mobilmachungsmaßregeln nicht in meiner Mediator- Rolle stören lassen sind kindisch, und lediglich darauf berechnet uns auf den Gänsedreck if« führen ! Ich sehe meine Vermittelungsaktion als gescheitert an, da der Zar statt ihre Wirkung loyal abzuwarten hinter meinem Rücken, ohne mir eine Andeutung ^u machen bereits mobilisiert hatte! W.

^ Nach dem Konzept (Entwurf von Jagows Hand) und der jetzt gleichfalls bei den Akten befindlichen Ausfertigung des Immediatberichts.

* Abgesandt durch Boten 30. Juli 6<^ vorm. zur sofortigen Vorlage. Kaiser- liche Randbemerkung auf der Ausfertigung: »N. Pal. 30. VII. 14 7 Uhr V. M.« Ausfertigung noch am 30. Juli vom Kaiser in das Auswärtige Amt zurückgelangt, wo am gleichen Tage der Reichskanzler, Jagow und Zimmermann von den Randbemerkungen des Kaisers Kenntnis nahmen.

' Siehe Nr. 343.

* »Moskau« vom Kaiser zweimal unterstrichen.

' Am Rand Fragezeichen und Ausrufungszeichen des Kaisers.

* Unter »kriegerischen« drei Ausrufungszeichen des Kaisers.

129

Nr. 400

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt »

lelegramm 132 Wien, den 29. Juli 1914*'

Soeben geht mir Erklärung der k. u. k. Regierung folgenden Inhalts zu:

Zu englischem Ersuchen, k. Regierung möge ihren Ein- fluß beim Wiener Kabinett dahin geltend machen, damit dieses die Antwort aus Belgrad entweder als genügend betrachte oder aber als Grundlage für Besprechungen annehme, macht k. u. k. Re- gierung zunächst darauf aufmerksam, daß serbische Antwortnote keines- wegs, wie Sir E. Grey anzunehmen scheine, eine Zustimmung zu allen hiesigen Forderungen mit emer einzigen Ausnahme impliziere, daß vielmehr in den meisten Punkten Vorbehalte formuliert seien, welche Wert der Zugeständnisse wesentlich heratxirücken. Ablehnung be- treffe aber gerade jene Punkte, welche einige Garantie für faktische Erreichung des angestrebten Zweckes enthielten.

Die k. u. k. Regierung könne ihre Überraschung über die An- nahme nicht unterdrücken, als ob ihre Aktion gegen Serbien Ruß- land imd den russischen Einfluß am Balkan treffen wolle, denn dies hätte zur Vorraussetzung, daß die gegen die Monarchie gerichtete Propaganda nicht allein serbischen, sondern russischen Ursprungs sei. Österreich-Ungarn sei bisher vielmehr von der Auffassung aus- gegangen, daß das offizielle Rußland diesen der Monarchie feindlichen Tendenzen fern stehe, und richte sich seine gegenwärtige Aktion aus- schließhch gegen Serbien, wälirend seine Gefühle für Rußland, wie Graf Berchtüld Sir E. Grey versichern könne, durchaus freund- schaithch seien.

Im übrigen müsse k. u. k. Regierung darauf hinweisen, daß .^ie zu ihrem lebhaften Bedauern nicht mehr in der Lage sei, zu der serbischen Antwortnote im Sinne der englischen Anregung Stellung zu nehmen, da im Laufe des hier gemachten Schrittes Kriegszustand zwischen der Monarchie imd Serbien bereits einge- treten und serbische Antwortnote demnach durch Ereignisse bereits überholt gewesen sei.

Die k. u. k. Regierung macht weiter darauf aufmerksam, daß serbische Regierung noch vor Erteilung ihrer Antwort mit Mobih- sierung vorgegangen ist, und daß sie auch nachher drei Tage ver-

' Nach der Entzifferung.

■•' Datiert vom 29. Juli, aufgegeben in Wien 30. Juli ß** vorm., angekommen im Auswärtigen Amt 30. Juli 6"" vorm.; Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. ' Siehe Nr. 277.

Aktenstücke 0.

130

streichen ließ, ohne Geneigtheit kundzugeben, Standpunkt ihrer Antwortnote zu verlassen, worauf österreichischerseits die Kriegs- erklärung erfolgte.

Wenn im übrigen das englische Kabinett seinen Einfluß auf die russische Regierung im Sinne der Erhaltung des Friedens zwischen den Großmächten und der Lokalisierung des Österreich- Ungarn durch die jahrelangen serbischen Umtriebe aufgezwungenen Krieges geltend zu machen bereit sei, so könne dies die k. u. k. Regierung nur begrüßen.

Tschirschky

Nr. 401

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt '

Telegramm 189 Petersburg, den 30. Juli 1914^

Dringend!

Hatte eben mit Sasonow, der mich um Mitter- nacht rufen ließ, i72Stündige Unterredung. Zweck des Ministers war, mich zu überreden, bei meiner Regierung Teilnahme an Konversation zu vieren zu befürworten, um Mittel ausfindig zu machen, ist die Russ. Mobil- Österreich auf freundschaftlichem^ Wege zu he- machung ein wegen, die Souveränität Serbiens antastenden For- freiindschaftlicher derungen fallen zu lassen*. Ich habe lediglich Weg?! Wiedergabe der Unterredung zugesagt und mich

auf den Standpunkt gestellt, daß mir jeder Ge- dankenaustausch sehr schwierig, wenn nicht im- möglich scheine, seitdem sich Rußland zu dem ver- richtig hängnisvollen Schritt der Mohilmachung ent- schlossen habe. Rußland verlange von uns Öster- reich gegenüber dasjenige zu tun, was Österreich Serbien gegenüber vorgeworfen werde, nämlich sehr gut Eingriff in seine Souveränitätsrechte. Nachdem

' Nach der Entzifferung. Teilweise veröffentlicht im deutschen Weißbuch vom Jahre 1915 S. 7.

2 Aufgegeben in St. Petersburg 4^'^ vorm., angekommen im Auswärtigen Amt 7'° vorm. Eingangsvermerk: 30. Juli vorm. Abschrift der Entziffe- rung, unter Fortlassung des Abschnitts »Habe aus Äußerungen fest- bleibt«, am 30 JuH an den Kaiser gesandt, der auf dem Rand oben ver- merkt: »7 h. abds.« Abschrift am i. August ms Amt zurückgelangt, Reichs- kanzler, Jagow und Zimmermann nahmen am i. August von den Rand bemerkungen des Kaisers Kenntnis.

^ »freundschaftlichen« vom Kaiser zweimal unterstrichen.

* Am Rand Ausrufungszeichen und Fragezeichen des Kaisers.

Österreich durch Erklärung seines territorialen Desinteressements, welches seitens eines im Kriege befindlichen Staats sehr viel bedeute, versprochen habe, auf russische Interessen Rücksicht zu nehmen, gut! sollte man die österreichisch-ungarische Monarchie

jetzt ihre Regelung mit Serbien allein regeln lassen. Beim Friedensschluß werde immer noch Zeit sein, auf Schonung serbischer Souveränität zurückzukommen. Ich habe sehr ernst hinzuge- fügt, daß die ganze austro-serbische Angelegenheit augenblicklich gegenüber der Gefahr europäischer ja. Konßagration in den Hintergrund trete. Ich habe

mir alle Mühe gegeben, die Größe dieser Gefahr dem Minister vor Augen zu führen. Sasonow war Blödsinn! Diese nicht davon abzubringen, daß Rußland Serbien Sorte von Politik nicht im Stich lassen könne. Keine Regierung birgt die ernstesten würde ohne ernste Gefahren für die Monarchie eine Gefahren filr den solche Politik hier führen können. Zaren in Sich! ^^ ^^ufe der Unterredung wollte Sasonow

Widerspruch zwischen Telegramm Sr. M. des Kai- aha! Wie ich es sers und Königs an den Zaren^ und Ew. Exz. tele- schon vermuthete! graphischer Weisung Nr. 134° konstruieren. Ich bin dem bestimmt entgegengetreten und habe darauf hingewiesen, daß, selbst wenn wir schon noch nichts erfolgt mobil gemacht hätten, der Appell meines Aller- gnädigsten Herrn an die gemeinsamen Interessen richtig der Monarchen mit dieser Maßregel nicht in

Widerspruch stehen würde. Die Mitteilung, die ich ihm heute nachmittag'' im Auftrage Ew. Exz. gemacht hätte, sei keine Drohung gewesen, sondern eine freundschaftliche Warnung unter Hinweis auf die automatische Wirkung, die hiesige Mobil- maclumg infolge deutsch-österreichischen Bünd- nisses bei uns hervorrufen tnüsse. Sasonow er- klärte, daß Rückgängigmachung des Mobil- machungsbefehls nicht mehr möglich^ sei, und daß Das war eine Theil- österreichische Mobilmachung daran schuld sei. mobilmachung von Habe aus Äußerungen Sasonows Eindruck, daß 6 Corps pi be- Allerhöchstes Telegramm Wirkung auf Zaren grem^,tem Zweck! ^-^^^^ verfehlt hat, fürchte aber, daß der Minister eifrig bemüht ist, daran zu arbeiten, daß Zar fest- bleibt. D * 1 '

Pourtales

^ Siehe Nr. 359.

^ Siehe Nr. 342.

^ Gemeint ist der 29. Juli. Siehe Nr. 378.

' »nicht mehr möglich« vom Kaiser dreimal unterstrichen.

132

Wenn Mobilmachung nicht mehr rückgängig zu machen ist was nicht wahr ist , warum hat dann überhaupt der Zar meine Vermitt- luim S Tage nachher angerufen ohne die ErLassung des Mobilmachungs- befehles zu erwähnen?! Das zeigt doch klar, daß die Mobilmachung ihm selbst übereilt erschienen ist und er hinterher zur Beruhigung seines erwachten Gewissens pro Forma diesen Schritt bei uns that, obwohl er wußte, daß er zu nichts mehr nutze sei, da er sich nicht stark genug fühlt, die Mobilisierung zu stoppen. Leichtsinn und Schwäche sollen die Welt in den furchtbarsten krieg stürzen, der auf den Untergang Deutsch- lands schließlich abzielt. Denn das läßt jetzt für mich keinen Zweifel mehr zu: England, Rußland u. Frankreich haben sich verabredet unter zu Grunde Legung des casus foederis für uns Osterreich gegenüber den österreichisch-Serb. Konflikt zum Vorwaad nehmend gegen uns den VervichtuTigskrieg zu führen. Daher Gregs zynische Bemerkung an Ltchaowsky »solange der Krieg auf Rußland und Österreich beschränkt bleibe würde England still sitzen, erst wenn loir uns und Frankreich hln- einmischten würde er gezwungen sein aktiv gegen uns zu werden [«j. D. h entweder wir sollen unseren Bundesgenossen schnöde verrathen und Rußland preisgeben damit den SBund sprengen oder für unsere Bundes- treue von der spel Entente gemeinsam überfallen und bestraft werden, wo- bei ihrem Neid endlich Befriedigung wird uns gemeinsam total zu rui- nieren. Das ist in nuce die wahre nackte Situation, die langsam und, sicher durch Edward VII. eingefädelt, fortgeführt, durch abgeleugnete Be- sprechungen Englands mit Paris und Petersburg, systematisch ausge- baut; schließlich durch Georg V. zum Abschluß gebracht und ins Werk gesetzt wird. Dabei wird uns die Dummheit und Ungeschicklichkeit unseres Verbündeten zum Fallstrick gemacht. Also die berühmte »Ein- kreisung4( Deutschlands ist nun doch endlich zur vollsten Thatsache ge- woiden, trotz aller Versuche unsrer Politiker und Diplomaten sie zu hindern. Das Netz ist uns plötzlich über dem Kopf zugezogen und ho[h]n- lächelnd hat England den glänzendsten Erfolg seiner beharrlich durch- geführten pure antideutschen Weltpolltlk, gegen die wir uns machtlos erwiesen haben, indem es uns isnllrt ivi Netze zappelnd aus unserer. Bundestreue zu Österreich den Strick zu unserer Politischen und öko- nomischen Vernichtung dreht. Eine großartige Leistung, die Bewunde- rung erweckt, selbst bei dem,, der durch sie zu Grunde geht! Edward VII. ist nach seinem Tode noch stärker als Ich, der ich lebe! Und da hat es Leute gegeben[,] die geglaubt haben, man könnte England gewinnen oder beruhigen, durch diese oder jene kleinen Maßregeln!!! Unablässig, un- nachgiebig hat es sein Ziel verfolgt, mit Noten, Feiertagsvorschlägen, scares, Haidane etc. bis es soweit war. Und wir sind Ins Garn gelaufen und haben sogar das Einertempo im Schiffbau eingeführt in rührendet Hoffnung England damit zu beruhigen! ! ! Alle Warnungen, alle Bitten meinerseits sind nutzlos verhallt. Jetzt kommt der Engl. sog. Dank dafür! Aus dem Dilemma der Bundestreue gegen den ehrwürdigen, alten Kaiser wird uns die Situation geschaffen, die England den erwünschten Vorwand giebt uns zu vernichten, mit dem heuchlerischen Schein des Rechtes, nämlich Frankreich zu helfen wegen Aufrechterhaltung der berüchtigten balance of Power in Europa, d. h. Ausspielung aller Europ. Staaten zu Englands Gunsten gegen uns! Jetzt muß dieses ganze Getriebe schonungs- los aufgedeckt und Ihm öffentlich die Maske christlicher Friedfertigkeit in der Öffentlichkeit schroff abgerissen werden und die Pharisäische

133

Friedensheuchelei an den Pranger gestellt werden!! Und unsere Consuln in Türkei und Indien, Agenten etc. müßen die ganze Mohamedan. Welt gegen dieses verhaßte, verlogene, gewissenlose Krämervolk zum wilden Aufstände entflammen; denn wenn wir uns verbluten sollen, dann soll England wenigstens Indien verlieren.

W.

Nr. 402

Randbemerkungen des Kaisers vom 30. Juli vorm.

zum Artikel der "Morning Posf ' vom 28. Juli 1914:

"Efforts towards Peace" ^

The only possible way to ensure or enforce peace is that England must teil Paris and Petersburg its allies to remain quiet, i. e. neutral to the Austro-Servian conflict, then Germany can remain quiet too. But if England continues to remain silent or to give lukewarm assurances of neutrality; that would mean encou- ragement to its allies to attack Austro-Germany. Berlin has tried to mediate between Petersburg & Vienna on the appeal of the Zar. But H. M. silently had already mobilised before the appeal; so that the mediator Germany is placed "en demeure" & his work becomes illusory. Now only England alone can stop the catastrophe by restraining its allies, by clearly intimating that as Sir E. Grey declared it had nothing to do with the Austro-Servian conflict, & that if one of its allies took an active part in the strife it could not reckon on the help of England. That would put a stop to all war. King George has communicated Englands intention to remain neutral to me by Prince Henry. On the other band the Naval StafiF have this morning 30. VII. received a telegram frora the German Military attache in London, that Sir E. Grey in a pri- vate conversation with Prince Lichnowsky, declared, that if Ger- many made war on France, England would immediately attack Ger- many with its fleet! Consequently Sir E. Grey says the direct con- trary to what his Sovereign communicated to nie through my brother & places his King in the position of a double tongued liar vis-ä-vis to me.

William I. R.

The whole war is plainly arranged between England, France and Russia for the annihilation of Germany, lastly through the con- versations with Poincar^ in Paris and Petersburg, & the Austro-

' Zeitungsausschnitt vom Auswärtigen Amt dem Kaiser zugesandt, der seine Randbemerkungen am 30. Juli vorm. niederschrieb, von dort ins Amt zurückgelangt. Reichskanzler und Jagow nahmen am 30. Juli von den Randbemerkungen des Kaisers Kenntnis.

»34

Servian strife is only an excuse to fall upon us! God help us in this fight for our existence, brought about by falseness, lies and poiso- nous envy!

Übersetzung

Die einzige Möglichkeit den Frieden zu sichern oder sogar zu er- zwingen, besteht darin, daß England seinen Verbündeten, Paris und Peters- burg, sagen muß. sich ruhig, das heißt neutral gegenüber dem österreichisch- serbischen Konflikt zu verhalten. Dann kann auch Deutschland ruhig bleiben. Fährt England )edoch fort, Stillschweigen zu beobachten oder lauwarme Neutralitätsversicherungen zu geben, so würde das heißen, daß es seine Ver- bündeten ermutigt, Österreich-Deutschland anzugreifen. Auf die Aufforderung des Zaren hat Berhn versucht, zwischen Petersburg und Wien zu vermitteln. Doch schon vor seiner Autforderung hatte S. M. in der Stille mobil gemacht, so daß der Vermittler Deutschland »en demeure« versetzt und seine Aufgabe illusorisch wird. Jetzt kann nur England allein die Katastrophe aufhalten, indem es seine Verbündeten zurückhält und ihnen deutlich zu verstehen gibt, daß es, wie Sir E. Grey erklärte, mit dem österreichisch- serbischen Konflikt nichts zu tun hat und daß, im Falle einer seiner Verbündeten sich aktiv an dem Kampf beteiligte, er nicht auf Englands Hilfe rechnen könnte. Dies würde jeden Krieg verhindern. König Georg hat mir Englands Absicht, neutral zu bleiben, durch Prinz Heinrich übermittelt. Da- gegen hat der Admiralstab heute morgen 30. VII. ein Telegramm von dem deutschen Militärattache in London erhalten, daß Sir E. Grey in einer pri- vaten Unterredung mit Fürst Lichnowsky geäußert habe, daß, wenn Deutsch- land gegen Frankreich Krieg begänne, England sofort mit seiner Flotte Deutschland angreifen würde. Folglich sagt Sir E. Grey genau das Gegen- teil von dem, was sein Herrscher mir durch memen Bruder mitteilte, und versetzt dadurch seinen König mir gegenüber in die Lage eines doppel- züngigen Lügners.

Der ganze Krieg ist offensichtlich zwischen England, Frankreich und Rußland zur Vernichtung Deutschlands abgemacht worden. Zuletzt durch die Besprechungen mit Poincare in Paris und Petersburg, und der österreichisch- serbische Konflikt dient nur als Entschuldigung, um über uns herzufallen! Gott helfe uns in diesem Kampf um unsere Existenz, der durch Trug und Lug und giftigen Neid zustande gebracht worden ist.

Nr. 403

Der Gesandte in Brüssel an den Reichskanzler^

Brüssel, den 28. Juli 1914^

Der österreichisch -serbische Konflikt hat die öffentliche Mei- nung hier stark beunruhigt, und nur der Umstand, daß es bisher zu offenen Feindseligkeiten zwischen den Streitenden nicht ge-

^ Nach der Entzifferung.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 30 Juli vorm. Bericht lag dem Kaiser vor, der durch Randverfügung Mitteilung an Generalstab an- ordnete; vom Kaiser über Generalstab am i. August ins Amt zurück- gelangt.

135

kommen, läßt die Hoffnung zu, daß weitere den europäischen Frieden ernstlich gefährdende Konsequenzen vermieden werden können.

In offiziellen Kreisen verhält man sich ruhig abwartend, wie ich aus einer Unterhaltung mit Herrn Davignon entnehmen konnte, und rechnet mit der Möglichkeit, daß es dem Einfluß Deutschlands und Frankreichs in Wien bzw. St. Petersburg vielleicht gelingen werde, die erhitzten Gemüter zu beruhigen.

Irgendwelche nennenswerte Vorbereitungen für eine Mobilisierung der belgischen Armee sind bisher noch nicht getroffen worden, außer daß die Urlaubsbewilligungen an Offiziere imd Mannschaften rück- gängig gemacht worden sind. Unter der Hand wird man allerdings wohl aUe Vorbereitungen treffen, damit im Notfalle die Mobili- sierung glatt vonstatten geht.

von Below

Nr. 404

Der Verweser des Konsulats in Kowno an das Auswärtige Amt^

Kowno, den 29. Juh 1914

Die Garnison von Kowno, die vor der Krise zum größten Teil im Lager von Murawjow bei Kowno lag, hat dieses verlassen. Die Infanterieregimenter 109, iio und iii sind nach der deutschen Grenze zu abmarschiert. Wo sie ihre Quartiere genommen haben, habe ich nicht ermitteln können. Die dritten Dragoner sind nach Georgen bürg verlegt. Somit steht zur Zeit nur Artillerie in der Festung Kowno.

Der Festungskommandant Grigorjew hat seinen Urlaub unter- brochen und ist am Montag, den 27. d. M., hierher zurückgekehrt. Die Kommandantur hat die Verwaltung des Elektrizitätswerkes über- nommen.

Die Fabriken setzen ihre Arbeit fort.

Von Streikunruhen ist hier nichts bemerkt worden. Bei einem soeben bei der hiesigen Filiale der Unionbank gemachten Versuch, 2 000 Mark Vorschuß für die Konsulatskiisse zu erheben , wurde dem Konsulatsbeamten mitgeteilt, daß sie gegen Quittungen auf die Legationskasse, wie überhaupt auf derartige Quittungen, keine Aus- zahlungen mehr leiste. Ich habe daher den Beamten, der diesen Bericht nach Eydtkuhnen bringt, beauftragt, 3000 Mark bei einem dortigen Bankhause zu erheben.

' Nach der Ausfertigung.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 30. Juli vorm. Am 31. Juli dem (ieneralstab und Kriegsministerium mitgeteilt.

136

Ich beehre mich, gehorsamst zu bitten, die Legationskasse hier- von zu verständigen.

Die k. Botschaft in St. Petersburg ist von dem Inhalt dieses Berichts kurz telegraphisch verständigt worden. Eine Abschrift des Berichts für diese Behörde füge ich mit dem Anheimstellen der gelegentlichen Übermittelung gehorsamst bei.

von Bülow

Nr. 405

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt*

Telegramm 386 Therapia, den 30. Juli 1914'

Großwesir sagte mir, der griechische Gesandte habe ihm soeben die Bitte Veniselos vorgetragen, die abgesagte Zusammenkimft nun doch stattfinden zu lassen. Er habe München als Ort der Be- gegnung gewählt und werde am 31. d. M. über Triest dorthin ab- reisen. Über das Bündnis könne während seiner Abwesenheit mit Talaat Bei" weiter verhandelt werden.

Wangenheim

1 Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Therapia 12-'^ vorm., angekommen im Auswärtigen Amt 10** vorm. Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. EntzilTerung am 30. Juli an den Kaiser gesandt, am i . August ins Amt zurückgelangt.

Nr. 40'S

Der Reichskanzler an den Gesandten in Stockholm^

Telegramm 20 Berhn, den 30. Juh 1914^

Ganz vertraulich

Wir haben Anlaß zu der Annahme, daß sich England sehr schnell auf Seiten des Zweibundes an Krieg beteiligen wird. Vor- behalt der Bewegungsfreiheit in schwedischer Neutrahtätserklänmg für den Fall englischen Eingreifens daher dringend erforderüch.

Bethmann Hollweg

* Nach dem Konzept von des Reichskanzlers Hand.

* ii** vorm. zum Haupttelegraphenamt.

137

Nr. 407

Der Reichskanzler an den Kaiser*

Berlin, den 30. Juli 1914^

Von Ew. M. Botschafter in London traf diese Nacht das alleruntertänigst beigefügte Telegramm^ ein*. Ew. M. Botschafter in Wien hat gleichfalls diese Nacht gemeldet, daß er den Vermittelungs- auftrag Ew. M. bei Graf Berchtold ausgerichtet, trotz Drängens aber bis Mitternacht keine definitive Ant- wort erhalten habe^. Ich habe ihn unter Hinweis auf die vermutliche englische, italienische und rumä- nische Haltung angewiesen, eine sofortige Erklärung des Graten Berchtold zu verlangen *, damit diese Episode in der einen oder anderen Form abge- schlossen werden könne. Dabei habe ich darauf auf- merksam gemacht, daß jede Erklärimg Wiens an Petersburg über Zweck und Umfang der österreichi- natürlich ja sehen Aktion gegen Serbien die Schuld Rußlands nur vergrößern und vor der gesamten Welt öffentlich dokumentieren würde. Die im Telegrarrmi des Fürsten Lichnowsky wiedergegebenen englischen Vor- schlage habe ich dem Grafen Berchtold zur ernsten Erwägung unterbreitet.

' Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand mit Änderungen des Reichskanzlers. Auch die an den Kaiser gesandte Ausfertigung befindet sich jetzt bei den Akten.

■■* Ausfertigung 1 1 " vornn. zur Unterschrift an den Kanzler abgegangen, um von dort aus durch Automobil an den Kaiser gesandt zu werden ; Rand- vermerk des Kaisers auf der Ausfertigung: »Abgang 1.30 M. V. M. 30. VII. 14 W.u (»V.M.« irrig statt »nachm.«). Ausfertigung gelangte am 30. Juli an den Kanzler zurück, der wie auch Jagow und Zimmermann noch am 30. Juli von den k. Randbemerkungen Kenntnis nahm.

■' Siehe Nr. 368.

* Von dem Jagowschen Entwurf hat der Kanzler nur den ersten Satz stehen lassen, alles andere gestrichen und dafür die Sätze »Ew. M. Bot- schafter« bis zum Schluß des Berichts beigefügt. In Jagows Entwurf war auf »Telegramm ein« gefolgt: »Ich habe darauf sofort das gleichfalls ehr- erbietigst angeschlossene Telegramm an Ew. M. Botschafter in Wien abgesandt und Ew. M. Botschafter in London beauftragt, Sir E. Grey (für seine Offenheil zu danken und ihm) zu sagen, daß wir in Wien weiter vermitteln und zur Annahme seiner Vorschläge geraten haben.«

6 Siehe Nr. 388.

* Siehe Nr. 395.

138

Sollte England sich stark machen, Österreich die von ihm in Aussicht gestellten Erfolge'' zu sichern, so würde darin eine mögliche Satisfaktion Österreichs Hegen.

Alleruntertänigst

V. Bethmann Hollweg

Inzwischen ist heute Morgen ein Telegramm des Marine Attaches in

London eingelaufen, in dem mitgetheilt wird, daß Sir E.

Grey an Lichnowsky im Privatgespräch gesagt habe, daß, falls wir gegen

Frankreich :;um Kriege kämen, England uns umgehend, sofort ^ur See mit seiner Flotte angreifen werde t.r für der Liehe Gegenmaßregeln, soweit sie unauf- fällig gemacht werden können gegen Überfälle pp. (a la Port Arthur) sind bereits im Gange. Ich wundere mich, daß Lichnowsky noch nichts gemeldet hat. W.

^ »Erfolge« vom Kaiser unterstrichen, am Rand Fragezeichen des Kaisers.

Nr. 408

Der Reichskanzler an den Kaiser^

Berlin, den 30-. Juli 1914^

Ew. M. darf ich für die Übersendung des Telegramms Sr. M. des Kaisers von Rußland' meinen ehrerbietigsten Dank aussprechen. Gleichzeitig wage ich Ew. M. vorzusch agen, noch ein Telegramm folgenden Inhalts an den Zaren zu senden :

»Dein Telegramm habe ich mit Dank erhalten, die Sprache meines Botschafters kann nicht im Widerspruch mit dem Inhalt meines Telegramms gestanden haben. Graf Pourtales sollte Deine Regierung auf die Gefahren und schweren Konsequenzen einer Mobih- sierung aufmerksam machen, das gleiche habe ich Du in memem Telegramm gesagt. Österreich hat nur gegen Serbien mobibsiert, wenn Rußland, wie es jetzt geschehen, gegen östei reich mobil macht,

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand. Auch die wieder ins Auswärtige Amt zurückgelangte Ausfertigung befindet sich jetzt bei den Akten.

2 Abgesandt am 30. Juli 11*^ vorm. In der Ausfertigung oben der Rand- vermerk des Kaisers: 30. VII. 14 i Uhr V. M. W. (gemeint ist nachm.), links am Rand der von ihm niedergeschriebene englische Text des Tele- gramms (Nr. 420J.

' Siehe Nr. 390. Siehe aber auch Nr. 366.

^39

so wird die Mediatorrolle, die ich auf Deine Bitte übernommen hatte, gefährdet, wenn nicht unmöglich gemacht. Bei Dir allein liegt augenblicklich die Schwere der Entscheidung.«

Da auch dieses Telegramm ein besonders wichtiges Dokument für die Geschichte werden wird, so möchte ich alleruntertänigst empfehlen, daß Ew. M. in demselben solange die Wiener Ent- scheidung aussteht noch nicht zum Ausdruck bringen, daß Aller- liöchstdero Mediatorrolle bereits aus ist.

Alleruntertänigst

V. Bethmann Hollweg

Nr. 409

Der Reichskanzler an den Botschafter in London ^

Telegramm 191 Berlin, den 30. Juh 1914^

Meine Hoffnung, daß auf Grund Grey'scher Vorschläge Ver- mittelimg noch möglich ist, wird aufs ernsteste durch russische Mobilisation gegen Österreich und französische Kriegsvorbereitungen in Frage gestellt. Österreich wird schwerlich umhinkönnen, russische Mobilisierung mit entsprechender Maßnahme zu beantworten. Unsere Lage wird dadurch und insonderheit durch die französischen Rüstungen äußerst kritisch. Aufforderung von uns an Frankreich Vorbereitungen einzustellen, könnte kaum anders als in Form Ultimatums gestellt werden. Das könnte nur vermieden werden, wenn es Grey gelingt, Freinkreich zu bewegen, mit seinen Maß- nahmen sofort einzuhalten. Grey müßte sich ferner stark machen, bei Rußland Annahme der Bedingungen seines Vorschlags durch- zusetzen, ferner russischen Aufmarsch gegen österreichische Grenze zu verhindern^.

Bethmann Hollweg

1 Nach dem Konzept von des Reichskanzlers Hand.

2 ii3o vorm. zum Haupttelegraphenamt. ' Siehe Nr. 435.

140

Nr. 410

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 191 Petersburg, den 30. Juli 1914^

Dringend !

Mobilmachung umfaßt Militärbezirke Kiew, Odessa, Moskau, Kasan, Kosakenheere Don, Kuban, Terek, Astrachan, Orenburg, Ural.

Außer für die Mobilmachung der Flotte sind für die Militär- bezirke Warschau, Wilna, Petersburg keine Einberufungen befohlen

Pourtales

' Nach der Entzifferung.

"^ Aufgegeben in Petersburg 1 1" vorm., angekommen im Auswärtigen Amt 11«) vorm. Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. Telegramm wurde dem Generalstab, Admiralstab, Reichsmarineamt und Kriegsministerium mit- geteilt.

Nr. 411

Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt '

Telegramm 385 Therapia, den 30. Juh 1914^^

Großwesir nimmt Punkt i bis 4 an, bezeichnet aber Punkt 5 als völüg uneinnehmbar. Zunächst sei es unmögüch, den Zeitpunkt zu fixieren, zu welchem Sicherheit dafür eingetreten sei, daß es aus Anlaß des österreichisch-serbischen Konflikts nicht zu einem Kriege zwischen Deutschland und Rußland kommen werde. Ein solcher Krieg könnte als Nachwirkung eines österreichischen Erfolges über Serbien auch nach i bis 2 Jahren eintreten. Es sei von der Türkei nicht zu verlangen, daß sie sich jetzt für Deutschland engagiere,

1 Nach der Entzifferung.

'^ Angekommen im Auswärtigen Amt 11^" vorm.; Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. Am Rand ist am 30. Juli von Zimmermanns Hand vermerkt: »Falls wir den Türken im gegenwärtigen Augenblick nicht entgegenkommen, treiben wir sie m. E. in die Arme der Gegner. Ich glaube, daß wir unter den gegebenen ernsten Verhältnissen uns auf eine Vertragsdauer bis 1918 Ende der Mission Liman einlassen, in diesem Falle aber unbedingt auch Österreich-Ungarn als zweite Vertragsmacht zum Abschluß zuziehen sollten.«

■^ Siehe Nr. 320 und 508.

141

dann aber, wenn Rußland sich an der Türkei für ihre dreibund- freundhche Haltung rächen wolle, auf sich selbst angewiesen bleibe. Wir müßten die Türkei auch vor den möglichen Konsequenzen ihres Anschlusses an Deutschland schützen. Wenn er früher von einer kürzeren Dauer des Vertragsverhältnisses gesprochen habe, so sei damit gemeint gewesen, daß nicht ein ewiger Vertrag oder ein solcher von sehr langer Dauer geschlossen werde. Beide Mächte müßten den Wert des Veitragsverhältnisses natürlich zunächst inner- halb eines kürzeren Zeitraums ausprobieren. Er habe an eine 7 jährige Dauer gedacht, sei aber äußersten Falles bereit, den Vertrag mit dem Kontrakt General Limans, also bis Ende 1918 laufen zu lassen. Es sei nur logisch, wenn er darauf bestehe, daß Deutsch- land, welches mit der Mission Limans Vorschub mihlärischer Reformen wolle, die Garantie dafür überneiime, daß die Tätigkeit Limans nicht durch einen russischen Angriff unterbrochen werde.

Wangenheim

Nr. 412

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt^

Telegramm 190 Petersburg, den 30. Juli 1914*

Bei der Unterredung von heute nacht' kam Sasonow immer wieder darauf zurück, wir seien die einzigen, die Österreich jetzt noch aufhalten könnten. S. M. der Kaiser und König braucht nur ein Wort zu sagen, und man werde auf ihn hören. Ich habe darauf erwidert, daß es äußerst heikel sei, einer Großmacht, die sich ent- schlossen habe, für eine gerechte Sache zu den Waffen zu greifen, in den Arm zu fallen. Wir würden dabei riskieren, unsere Be- ziehungen zu unserem Nachbarn ernstlich zu trüben und seine für uns selbst äußerst wertvolle Stellung als Großmacht zu untergraben. Eine solche Politik könne man Deutschland angesichts allgemeiner Lage nicht zumuten. Daß S. M, der Kaiser und König und Aller- höchstseine Regierung es in Wien an guten Ratschlägen nicht hat fehlen lassen, sei bekannt. Es sei jetzt an Rußland, die ihm durch die Erklärung auf diese Weise diskret gebaute Brücke zu betreten. Herr Sasonow erwiderte schroff: »Diese Erklärung kann uns nicht genügen.«

' Nach der Entzifferung.

■■' Autgegeben in Petersburg g*' vorm., angekommen im Auswärtigen Amt

12" nachm., Eingangsvermerk des Amts: 30. Juli nachm. * Siehe Nr. 401.

142

Rußlands vitale Interessen verlangten nicht nur Schonung territorialer Integrität Serbiens, sondern auch, daß Serbien nicht durch Annahme der seine Souveränitätsrechte antastenden öster- reichischen Forderungen zu Vasallenstaat Österreichs herabsinke Serbien dürfe kein Buchara werden.

Pourtales

Nr. 413

Der Reichskanzler an den Botschafter in Petersburg ^

Telegramm 146 Berlin, den 30. Juli 1914'

Diese Nacht ist bei Sr. M. das nachstehende Telegramm des Zaren eingetroffen:

"Thank you hearlily understanding with us. Nicky •^"

S, M. bekunden mir fortgesetzt seine lebhafte Anerkennung der Festigkeit und des Geschicks, mit der Ew. pp. in der gegen- wärtigen Krisis agieren.

Bethmann Hollweg

^ Nach dem Konzept von des Reichskanzlers Hand. 2 12*° nachm. zum Haupttelegraphenamt.

' Hier ist das Telegramm des Zaren an den Kaiser vom 30. Juli (Nr. 390 eingefügt.

Nr. 414

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 152 Rom, den 30. Juli 1914^

Marquis di San Giuliano erklärt fortgesetzt zu wissen, daß bei Ausbruch eines allgemeinen europäischen Krieges England am Krieg teilnehmen und auf Seite Rußlands und Frankreichs stehen werde.

F 1 o t o w

1 Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Rom 11" vorm., angekommen im Auswärtigen Amt 12' nachm. Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. Am 30. Juli dem Generalstab, Admiralstab, Reichsmarineamt und Kriegsministerium mitgeteilt.

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Nr. 415

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 134 Wien, den 30. Juli 1914^

Herr Dumaine hat dem hiesigen Vertreter der Agence Havas gesagt, Cambon habe seinerzeit aus Berlin nach Paris gemeldet, daß Deutschland Österreich-Ungarn zum Krieg gedrängt habe. Diese Meldung sei während der Anwesenheit des Herrn Poincare in Petersburg von Paris aus dorthin weitergegeben worden.

Tschirschky

1 Nach der Entzifferung.

'^Aufgegeben in Wien 11^ vorm., angekommen im Auswärtigen Amt i" nachm. Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. Am 31. Juli von Zimmer- mann telegraphisch den Botschaftern in Paris und Petersburg mitgeteih, io2s vorm. zum Haupttelegraphenamt.

Nr. 416.

Der Gesandte in Belgrad (z. Z. in Nisch) an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 7 Nisch, den 28. Juli 1914''

Für Generalstab

Die österreichische Kriegserklärung Dienstag* nachmittag in Nisch bekanntgemacht. Stimmung im Heere und Volke gedrückt. Die Mobilmachung im vollen Gange, sehr langsam, da Serbien durch- aus unvorbereitet. Empfindlicher Gewehrmangel. Oberbefehlshaber und Hauptquartier noch nicht bekannt. Als Armeeführer werden genannt Misitsch, Stephan Stephanowitsch, Bojowitsch. Popo- witsch.

Böhm Griesinger

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Nisch 2S. Juli 7'" nachm , angekommen im Auswärtiger

Amt 30. Juli 2*45achm. Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. Ein Exempl:.

der Entzifferung wurde sofort an den Generalstab gesandt. 3 28. Juli.

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Nr. 417

Prinz Heinrich von Preußen an den König von England*

Telegramm (ohne Nummer) Berlin, den 30. Juli 1914*

His Majesty the King, Buckingham Palace London

Am here since yesterday, have informed William of what you kindly told me at Buckingham Palace last Sunday who gratefully received your message.

William, much preoccupied, is trying his utmost to fulfiU Nickys appeal to him to work for maintenance of peace and is in constant telegraphic communication with Nicky who to-day con- firms news that military measures have been ordered by him equal to mobilisation, measures which have been taken already five days ago.

We are furthermore informed that France is making military preparations, whereas we have taken no measures, but may be forced to do so any moment, should our neighbours continue which then would mean a European war.

If you really and earnestly wish to prevent this terrible disaster, may I suggest you using your influence on France and also Russia to keep neutral, which seems to me would be most useful.

This 1 consider a very good, perhaps the only chance to main- tain the peace of Europe.

I may add that now more than ever Germany and England should lend each other mutual help to prevent a terrible cata- strophy, which otherwise seems unavoidable.

Believe me that William is most sincere in his endeavours to maintain peace, but that the military preparations of his two neighbours may at last force him to follow their example for the safety of his own country which otherwise would remain defenceless.

1 have informed William of my telegram to you and hope you will receive my informations in the same spirit of friendship which suggested them.

Henry

' Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 1915, S. 44; siehe auch Nr. 452.

* Das auf Telegrammformular geschriebene und von der Hand des Prinzen Heinrich unterzeichnete Telegramm lag dem Kaiser vor, der darauf ver- merkte: »Gelesen. W. 30. VII. 14. 12 h 15 min.« Telegramm ging dann dem Reichskanzler zu, der sofortige offene Absendung verfügte; Telegramm 2^° nachm. zum Haupttelegraphenamt.

145

Übersetzung

Bin seit gestern hier, habe das, was Du mir so freundlich in Buckingham Palace am vorigen Sonntag gesagt, Wilhelm mitgeteilt, der Deine Botschaft dankbar entgegennahm.

Wilhelm, der sehr besorgt ist, tut sein Äußerstes, um der Bitte Nickys nachzukommen, für die Erhaltung des Friedens zu wirken. Er steht in dauerndem telegraphischen Verkehr mit Nicky, der heute die Nachricht be- stätigt, daß er militärische Maßnahmen angeordnet hat, die einer Mobilmachung gleichkommen, und daß diese Maßnahmen schon vor fünf Tagen getroffen wurden.

Außerdem erhalten wir Nachrichten, daß Frankreich militärische Vor- bereitungen trifft, während wir keinerlei Maßnahmen verfügt haben, wozu wir indessen jeden Augenblick gezwungen sein können, wenn unsere Nach- barn damit fortfahren sollten. Das würde dann einen europäischen Krieg bedeuten.

Wenn Du wirklich und ernstlich wünschest, dieses furchtbare Unheil zu verhindern, darf ich Dir dann vorschlagen. Deinen Einfluß auf Frankreich und auch auf Rußland dahin auszuüben, daß sie neutral bleiben. Das würde meiner Ansicht nach von größtem Nutzen sein?

Ich halte dies für eine sichere und vielleicht die einzige Möglichkeit, den Frieden Europas zu wahren.

Ich darf hinzufügen, daß jetzt mehr denn je Deutschland und England sich gegenseitig unterstützen sollten, um eine furchtbare Katastrophe zu ver- hindern, die sonst unabwendbar erscheint.

Glaube mir, daß Wilhelm in seinen Bestrebungen um die Aufrechterhal- tung des Friedens von der größten Aufrichtigkeit ist. Aber die militärischen Vorbereitungen seiner beiden Nachbarn können ihn schließlich zwingen, zur Sicherheit seines eigenen Landes, das sonst wehrlos bleiben würde, ihrem Beispiel zu folgen.

Ich habe Wilhelm von meinem Telegramm an Dich unterrichtet und hoffe. Du wirst meine Mitteilungen in demselben freundschaftlichen Geiste entgegennehmen, der sie veranlaßt hat.

Heinrich

Nr. 418

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 183 London, den 30. Juli 1914^

Habe Sir E. Grey sofort brieflich verständigt'. Halte Berlin für geeigneter als London zur Vermittelung einer Einigung zwischen Wien und Petersburg, da Sir E. Grey weniger mit ganzer Frage vertraut, auch weniger Einfluß in Wien besitzt und ich lang-

' Nach der Entzifferung.

■■* Aufgegeben in London 11" vorm., angekommen im Auswärtigen Amt

3'° nachm.; Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. ^ Siehe Nr. 393.

Aktenstücke II.

146

wierige Verhandlungen hier voraussehe, namentlich falls Bot- schafterkonferenz stattfinden sollte. Graf Mensdorflf auch zu ängstlich und ohne Einfluß in Wien oder eigene Initiative. Des- halb könnten doch Greysche Anregungen als Unterlage dienen.

Lichnowsky

Nr. 419

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt^

Telegramm 154 Rom, den 30. Juli 1914^^

Wie Ew. Exz. bekannt, macht Marquis di San Giuliano kein Hehl daraus, daß er das Vorgehen Österreichs gegen Serbien als Angriffskrieg betrachtet, und daß Italien daher nach Dreibundver- trag nicht verpflichtet sei, an einem sich aus diesem Krieg ergeben- den allgemeinen Weltkrieg teilzunehmen. Auch die Verletzung des Artikels 7 des Dreibundvertrags entbinde Italien von der Pflicht der Gefolgschaft. Auf meine Bekämpfung dieses Standpunktes erwiderte er stets beharrlich: »Ich sage nicht, daß Italien schließ- lich nicht teilnehmen wird; ich konstatiere nur, daß es nicht verpflichtet ist teilzunehmen.« Es wird immer klarer, daß die italienische Absicht dahin geht, bei dieser Gelegenheit etwas für Italien zu erreichen, und es ist also die Frage zu prüfen, ob es bei der augenblicklichen Lage politisch zweckmäßig erscheint, ihm einen Vorteil in Aussicht zu stellen. Alle italienischen Deduk- tionen über Artikel 7 des Dreibundvertrags laufen m. E. auch auf dieses Ziel hinaus. Die Entscheidung wird bei Österreich liegen. Leider ist der österreichische Botschafter heftig gegen jede Kon- zession an Italien und hat gestern eine scharfe Aussprache mit Marquis di San Giuliano gehabt^.

F 1 o t o w

1 Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Rom 11" vorm., angekommen im Auswärtigen Amt 3*

nachm.; Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. ^ Vgl. Nr. 363 und 428.

147

Nr. 420

Der Kaiser an den Zaren ^

Telegramm (ohne Nummer) Berlin, den 30. Juli 1914^

Best thanks for telegram^. It is quite out of the question that my ambassadors language could have been in contradiction with the tenor of my telegram. Count Pourtal^s was instructed to draw the attention of your government to the danger & grave conse- quences involved by a mobilisation; I said the same in my telegram to you. Austria has only mobilised against S e r v i a & only a p a r t of her army. If, as it is now the case, according to the communication by you & your Government, Russia mobilises against Austria, my role as mediator you kindly intrusted me with, & which I accepted at you[r] express prayer, will be endangered if not ruined. The whole weight of the decision lies solely on you[r] Shoulders now, who have to bear the responsibility for Peace or War.

Willy

Übersetzung

Besten Dank für Telegramm. Es ist ganz ausgeschlossen, daß die Sprache meines Botschafters mit dem Inhalt meines Telegramms in Widerspruch ge- standen haben könnte. Graf Pourtales war angewiesen, Deine Regierung auf die Gefahr und die ernsten Folgen einer Mobilmachung aufmerksam zu machen. Das gleiche sagte ich in meinem Telegramm an Dich. Österreich hat nur gegen Serbien mobil gemacht und nur einen Teil seines Heeres. Wenn, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mitteilung der Fall ist, Rußland gegen Österreich mobil macht, so wird meine Vermittlerrolle, mit der Du mich gütigerweise betraut hast, und die ich auf Deine ausdrückliche Bitte übernommen habe, gefährdet, wenn nicht unmöglich gemacht werden. Das ganze Gewicht der Entscheidung ruht jetzt ausschließlich auf Deinen Schultern, sie haben die Verantwortung für Krieg oder Frieden zu tragen

^ Nach dem vom Kaiser niedergeschriebenen Konzept. Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 191 5, Seite Nr. 22, V. Siehe Nr. 408.

2 Das vom Kaiser niedergeschriebene Konzept gelangte an den Reichs- kanzler, der nach Kenntnisnahme sofortige offene Absendung des kaiser- lichen Telegramms an den Zaren in Peterhof Palais verfügte. Von der erfolgten Absendung an den Zaren machte er dem Kaiser telegraphisch Mitteilung und teilte den Wortlaut des kaiserlichen Telegramms an den Zaren auch dem Botschafter in Petersburg telegraphisch mit; Telegramm des Kaisers an den Zaren und Telegramm des Kanzlers an den Kaiser 3^ nachm., Telegramm (148J an Pourtales 5'° nachm. zum Haupttele- graphenamt.

* Siehe Nr. 366 und 390.

148

Nr. 421

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt^

Telegramm 192 Petersburg, den 30. Juli 1914^

Eben mit Sasonow gemäß Weisung Telegramms Nr. 139^ ge- sprochen. Minister wiederholte seine Erklärung von heute nacht*, daß Versicherung des territorialen Desinteressements Österreich- Ungarns Rußland nicht genügen könne. Andere Politik könne er jetzt nicht vertreten, ohne Leben des Zaren zu gefährden. Ich bat Sasonow, indem ich vorausschickte, daß ich Erfüllung seiner Wünsche durch Österreich für aussichtslos hielte, mir dieselbe [n] nochmals selbst schriftlich zu formuheren und dabei im Auge zu behalten, daß, wenn überhaupt noch Aussicht auf friedliche Lösiulg bleiben sollte, er sich durchaus auf irgendein Kompromiß einlassen müsse. Minister schrieb darauf folgendes nieder:

»Si l'Autriche d6clare qu'en reconnaissant que son conflit avec la Serbie a assume le caractere d'une question d'interet europeen, se d^clare prete ä 61iminer de son Ultimatum les points qui portent atteinte aux droits souverains de la Serbie, la Russie s'engage ä cesser tous preparatifs militaires^.«

Wenn auch diese Forderungen kaum annehmbar sein dürften, so doch bemerkenswert, daß Sasonows Niederschrift kein Wort von dem Verlangen sofortiger Einstellung österreichischer Strafexpedition enthalte. Auf meinen Vorschlag aber, daß Rußland sich vielleicht zufrieden erklären könnte, wenn Österreich gewisse Zusicherungen in dem hier gewünschten Sinne für den Friedensschluß abgebe, wollte Minister nicht eingehen.

Pourtal^s

' Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Petersburg i^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 3^2 nachm. Randvermerk von der Hand des Reichskanzlers vom 30. Juli: »Welche Punkte des österreichischen Ultimatums hat Serbien überhaupt abgelehnt? Meines Wissens doch nur die Teilnahme öster- reichischer Beamter an den Gerichtsverhandlungen. Österreich könnte auf diese Teilnahme verzichten unter der Bedingung, daß es bis zur Be- endigung der Verhandlungen Teile Serbiens mit seinen Truppen besetzt hält.« Darunter Zimmermanns Aktennotiz: »Durch mündlichen Vortrag erledigt.«

3 Siehe Nr. 380. ■* Siehe Nr. 412.

s Der Wortlaut stimmt mit dem von Grat Pourtales in seiner Schrift »Am Scheidewege zwischen Krieg und Frieden« S. 52 mit geteilten Fak- simile überein. Siehe dazu auch Nr. 469 zweiter Absatz.

149

Übersetzung der Formel Sasonows [Möglichst wörtlich]

Wenn Österreich erklärt, daß es in Anerkennung des Umstandes, daß sein Streitfall mit Serbien den Charakter einer Frage von europäischem In- teresse angenommen hat, sich bereit erklärt, aus seinem Ultimatum die Punkte zu entfernen, die den Souveränitätsrechten Serbiens zu nahe treten, so verpflichtet sich Rußland, alle militärischen Vorbereitungen einzustellen.

Nr. 422

Der Generalkonsul in Warschau an den Reichskanzler *

Warschau, den 29. Juli 1914*

Rußland befindet sich bereits in vollständiger Vorbereitung zum Kriege. Aus dem, was bisher bekannt geworden ist, geht mit ziemlicher Klarheit hervor, daß Polen nach dem alten Plan von den russischen Truppen geräumt wird, sogar die mit solcher Hast ausgebauten Festungen Nowogeorgiewsk und Segrsche, ferner Pul- tusk und Ostrolenka. Die gegen Deutschland operierenden Truppen versammeln sich zwischen Lomscha und Kowno den Njemen entlang, während die gegen Österreich bestimmten Truppen sich bei Lublin und Kowel versammeln. Daneben besteht noch eine Truppenansamm- lung bei dem Lager von Skierniewitsche, anscheinend als Deckung für die Truppen, die längs der nach Deutschland führenden Linien aufgestellt sind. Die Kalischer Linie und die Warschau-Wiener Bahn sind ganz mit Infanterie und Sappeuren besetzt, die unter dem Bahnkörper Minen legen. Anscheinend sollen alle nach dem Innern führenden Linien zerstört werden.

Auch die anderen Linien stehen unter militärischer Leitung; sämtliche Bahnbeamte mußten sich schriftlich verpflichten, ihren Posten nicht zu verlassen. Die Weichselbahn soll morgen mobili- siert und der Frachtverkehr auf der Bahn vollständig eingestellt werden.

Die Bestände der Intendantur sind bereits vollständig ver- packt und sollen demnächst nach Smolensk abgehen. Die Offiziers- damen sind bereits gestern großenteils abgereist.

Die Reichsbank hat mit wenigen Ausnahmen die Diskontierung von auf Polen lautenden Privatwechseln eingestellt, nur die Wechsel der Banken und einiger größerer Institute werden noch

' Nach der Ausfertigung.

2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 30. Juli nachm. Bericht am 31. Juli unter Rückerbittung dem Generalstab übersandt, der Kenntnis- nahme unter dem i. August vermerkte, am 2. August ins Amt zurück- gelangt.

150

angenommen. Wenn diese Maßregel wegen des skrupellosen jüdi- schen Elements, das auf jede Weise Geld zu machen versucht, eine gewisse Berechtigung hat, so ist doch ein vollständiger Zusammen- bruch des hiesigen Handels vorauszusehen. Schon jetzt finden im weiten Umfang Zahlungsverweigerungen statt. So hat einer der größten Eisenhändler, der auf drei Millionen geschätzt wird, dem Eisensyndikat »Prodameta« erklärt, daß er alle Bestellungen annulliere und nicht zahlen werde.

Brück

Nr. 423

Der Staatssekretär des Auswärtigen an eine Reihe deutscher diplomatischer Vertreter im Ausland^

Vertraulich! Berlin, den 30. Juli 1914''

Angesichts der Tatsachen, die die österreichisch-ungarische Regierung in ihrer Note an die serbische Regierung bekanntgegeben hat, müssen die letzten Zweifel darüber schwinden, daß das Atten- tat, dem der österreichisch-ungarische Thronfolger und seine Gemahlin zum Opfer gefallen sind, in Serbien zum mindesten mit der Konnivenz von Angehörigen der serbischen Regierung und Armee vorbereitet worden ist. Es ist ein Produkt der groß- serbrschen Bestrebungen, die seit einer Reihe von Jahren eine Quelle dauernder Beunruhigungen für die österreichisch-ungarische Mon- archie und für ganz Europa geworden sind.

In besonders markanter Form trat der großserbische Chauvi- nismus während der bosnischen Krisis in die Erscheinung. Nur der weitgehenden Selbstbeherrschung und Mäßigung der österreichisch- ungarischen Regierung und dem energischen Einschreiten der Großmächte war es zuzuschreiben, wenn die Provokationen, welchen Österreich-Ungarn in dieser Zeit von seiten Serbiens aus-

1 Nach dem bei den Akten befindlichen, am i. August nach Tanger ab- gesandten, am 17. August aber als unbestellbar zurückgekommenen metallo- graphierten Erlaß an den Geschäftsträger in Tanger. Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 191 5, S. 25, Nr. 2.

2 Der Erlaß wurde gesandt am 30. Juli nach Rom (Botschaft), Brüssel, Haag, Sofia und Mexiko, am 31. Juli nach Konstantinopel, Madrid, Washington, Athen, Bern, Bukarest, Kopenhagen, Kristiania, Lissabon, Luxemburg, Stockholm, Bogota, Caracas, Havanna, Lima, Port au Prince, Santiago, La Paz, Teheran, Bangkok und Kairo. Das für Guatemala bestimmte Exemplar des Erlasses ging am 1 1 . August nach Washington ab. Be- züglich des Inhalts des Erlasses vgl. auch Nr. 100.

gesetzt war, nicht zum Konflikt führten. Die Zusicherung künfti- gen Wohlverhaltens, die die serbische Regierung damals gegeben hat, hat sie nicht eingehalten. Unter den Augen, zum mindesten unter stillschweigender Duldung des amtlichen Serbiens, hat die großserbische Propaganda inzwischen fortgesetzt an Ausdehnung und Intensität zugenommen. Es würde weder mit der Würde noch mit ihrem Recht auf Selbsterhaltung vereinbar sein, wollte die österreichisch-ungarische Regierung dem Treiben jenseits der Grenze noch länger tatenlos zusehen, durch das die Sicherheit und die Integrität ihrer Gebiete dauernd bedroht wird. Bei dieser Sachlage müssen das Vorgehen sowie die Forderungen der öster- reichisch-ungarischen Regierung als gerechtfertigt angesehen werden.

Die Antwort der serbischen Regierung auf die Forderungen, welche die österreichisch-ungarische Regierung am 23. d. M. durch ihren Vertreter in Belgrad hat stellen lassen, läßt indessen er- kennen, daß die maßgebenden Faktoren in Serbien nicht gesonnen sind, ihre bisherige Politik und agitatorische Tätigkeit aufzugeben. Der österreichisch-ungarischen Regierung wird demnach, will sie nicht auf ihre Stellung als Großmacht endgültig Verzicht leisten, nichts anderes übrig bleiben, als ihre Forderungen durch einen starken Druck und nötigenfalls unter der Ergreifung militärischer Maßnahmen durchzusetzen.

Einzelne russische Stimmen betrachten es als selbstverständ- liches Recht und als die Aufgabe Rußlands, in dem Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien aktiv für Serbien Partei zu ergreifen. Für die aus einem solchen Schritte Rußlands resul- tierende europäische Konflagration glaubt die »Nowoje Wremja« sogar, Deutschland verantwortlich machen zu dürfen, wofern es nicht Österreich-Ungarn zum Nachgeben veranlaßt. Die russische Presse stellt hiermit die Verhältnisse auf den Kopf. Nicht Österreich-Un- garn hat den Konflikt mit Serbien hervorgerufen, sondern Serbien ist es gewesen, das durch eine skrupellose Begünstigung groß- serbischer Aspirationen, auch in Teilen der österreichisch-ungari- schen Monarchie, diese selbst in ihrer Existenz gefährdet und Zu- stände geschaffen hat, die schließlich in der frevelhaften Tat von Sarajevo ihren Ausdruck gefunden haben. Wenn Rußland in diesem Konflikt für Serbien eintreten zu müssen glaubt, so ist das an sich gewiß sein gutes Recht, Es muß sich aber darüber klar sein, daß es damit die serbischen Bestrebungen auf Unterhöhlung der Existenzbedingungen der österreichisch-ungarischen Monarchie zu den seinigen macht, und daß es allein die Verantwortung dafür trägt, wenn aus dem österreichisch-serbischen Handel, den alle übrigen Großmächte zu lokalisieren wünschen, ein europäischer Krieg entsteht. Diese Verantwortung Rußlands liegt klar zutage und wiegt um so schwerer, als Graf Berchtold Rußland offiziell er- klärt hat, es beabsichtige weder serbische Gebietsteile zu erwerben

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noch den Bestand des serbischen Königreichs anzutasten, sondern wolle lediglich Ruhe vor den seine Existenz gefährdenden serbischen Umtrieben haben.

Die Haltung der k. Regierung in dieser Frage ist deutlich vorgezeichnet. Die von den Panslawisten gegen Österreich- Ungarn betriebene Agitation erstrebt in ihrem Endziel mit- tels der Zertrümmerung der Donaumonarchie die Sprengung oder Schwächung des Deibundes und in ihrer Folgewirkung eine völlige Isolierung des Deutschen Reiches. Unser eigenstes Interesse ruft uns demnach an die Seite Österreich-Ungarns. Die Pflicht, Europa, wenn irgend möglich, vor einem allgemeinen Kriege zu bewahren, weist uns gleichzeitig darauf hin, diejenigen Bestrebungen zu unterstützen, die auf die Lokalisierung des Konflikts hinzielen, ge- treu den Richtlinien derjenigen Politik, die wir seit nunmehr 44 Jahren im Interesse der Aufrechterhaltung des europäischen Friedens mit Erfolg durchgeführt haben. Sollte indes wider Er- hoffen durch ein Eingreifen Rußlands der Brandherd eine Erweite- rung erfahren, so würden wir getreu unserer Bundespflicht mit der ganzen Macht des Reichs die Nachbarmonarchie zu unterstützen haben.

Ew. pp. bitte ich, vorstehende Mitteilungen zur Regelung

Ihrer Sprache zu benutzen,

V. J a g o w

Nr. 424

Der Große Generalstab an das Auswärtige Amt^

Meldung des Militärattaches Paris, ab 9^2 vormittags Gestern abend und jetzt in Paris Ruhe. Meldung Janensch und hiesige Eindrücke bestätigen 29. 7. nachm. schon gemeldete Auf- fassung, daß in militärischen Maßnahmen vorläufig Abschluß und keine Steigerung, örtliche Sicherung der Kunstbauten je nach An- ordnung der örtlichen Behörden verschieden umfangreich, in und um Paris anscheinend aus Angst vor Sabotage besonders stark. In Paris Reservisten nicht einberufen. Kürassierregimenter in Kasernen. Güterverkehr mindestens teilweise im Gange. Gestern erteilte Antwort von Viviani an Botschafter scheint im ganzen richtig. Gemeldete Äußerung des Oberstleutnants Dupont vom

28. 7.2 ist wohl Großtuerei. _ ^ . , .

gez. V. Griesheim

Für die Richtigkeit.

von B a r t e n w e r f f e r

Major

^ Generalstab übersandte Abschrift der Meldung des Militärattaches in Paris.

Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 30. Juli nachm. ' Vermutlich ist die Äußerung in Nr. 372 (Frankreich 2. Im Innern) gemeint.

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Nr. 425

Aufzeichnung des ünterstaatssekretärs des Auswärtigen*

Berlin, den 30. Julii9i4 2

Mitteilung des österreichisch-ungarischen Botschafters

Graf Szäpary hat Instruktion über Aussprache mit Herrn Sasonow erhalten, die sich dahin zusammenfassen läßt, daß Weni bei seiner Aktion gegen Serbien keinerlei territorialen Erwerb beab- sichtigt und auch die selbständige Existenz des Königreichs keines- wegs vernichten' will. Das Wiener Vorgehen richte sich überhaupt nicht gegen das Serben tum, sondern die Wien bedrohende von Belgrad ausgehende subversive Propaganda.

Die Mobilisierung der acht Korps habe selbstverständlich keine feindliche Absicht gegen Rußland, sondern sei natürlich einem Gegner wie Serbien gegenüber, das 400 000 Mann ins Feld stellen kann.

Schebeko ist in gleichem Sinne von Graf Berchtold informiert. Wien bittet, daß auch Graf Pourtales sich in diesem Sinne gegenüber Sasonow äußern möge.

Zimmermann

^ Von Zimmermanns Hand.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 30. Juli nachm. Am Rand der Vermerk von Zimmermanns Hand: »Ersuchen um Mitteilung nach Peters- burg erledigt durch Verfügung zu A. 15239. Z. 30/7.« Siehe Nr. 433 Anm. 2 und Nr. 444 Anm. 2.

' »vernichten« von Stumm durchstrichen, darüber geschrieben von seiner Hand: »in Frage stellen«.

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Nr. 426

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Gesandten

im Haag^

Ganz Geheim Berlin, den 30. Juli 1914^

Ew. Exz. ersuche ich ergebenst, die Anlage^ dieses Erlasses ver- schlossen sicher aufzubewahren und erst zu eröffnen, wenn Sie hierzu besondere Weisung erhalten.

Den Empfang dieses Erlasses bitte ich mir telegraphisch zu bestätigen*.

Jagow

1 Nach dem Konzept. Entwurf von Stumms Hand am 29. Juli nieder- geschrieben.

2 Am 30. Juli mit einem verschlossenen Kuvert als Anlage durch Feld- jäger abgesandt. Vgl. Nr. 375.

ä D. i. Abschrift von Jagovi's Erlaß an den Gesandten in Brüssel vom 29. Juli (Nr. 376). In dem vom Generalstabschef v. Moltke eingereichten, von ihm selbst niedergeschriebenen Entwurf einer Mitteilung an die belgische Regierung (siehe Nr. 376, Anm. i) steht unter dem Entwurf der Ver- merk von Moltkes Hand: »Abschrift an die Regierung der Niederlande mit Begleitschreiben (Anlage).« Die von Moltke beigefügte gleichfalls von ihm selbst niedergeschriebene Anlage lautet: »An die niederländische Regierung. Die deutsche Regierung beehrt sich, der k. niederländischen Regierung in der Anlage Kenntnis von einem Schreiben zu geben, das von hier aus an die k. belgische Regierung gerichtet worden ist.

Gleichzeitig erklärt die deutsche Regierung, daß in dem bevorstehenden Kriege die Neutralität der Niederlande in vollem Umfange deutscherseits gewahrt werden wird. Sollten aus dem südlichen Teile der Provinz Limburg Grenzüberschreitungen gemeldet werden, so wolle die k. Regierung versichert sein, daß es sich nur um Versehen kleinerer Ab- teilungen handeln kann, denen deutscherseits sofort entgegengetreten werden wird.

Die k. Regierung glaubt sich der Hoffnung hingeben zu dürfen, daß das Königreich der Niederlande eine Deutschland wohlwollende Neutra- lität bewahren und damit die nahen freundschaftlichen Beziehungen beider stamm- und blutsverwandter Länder neu befestigen wird.« Da- runter der Bleistiftvermerk von Moltkes Hand: »Würde erst abzuschicken sein, nachdem die Antwort Belgiens eingetroffen ist. v.M.« * Telegraphische Empfangsbestätigung durch den Gesandten im Haag vom Berliner Haupttelegraphenamt aufgenommen 31. JuU 9^° nachm., präsen- tiert im Auswärtigen Amt 10^° nachm.

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Nr. 427

Die österreichisch -ungarische Botschaft an das Auswärtige Amt^

Berlin, den 30. Juli 1914* Notiz

Graf Berchtold hat soeben von Herrn von Tschirschky die Mit- teilung erhalten, daß derselbe vom russischen Botschafter erfahren hätte, daß die Militärbezirke von Kiew, Odessa, Moskau und Kasan mobilisiert würden. Rußland fühle sich in seiner Ehre als Groß- macht gekränkt und zur Ergreifung entsprechender Maßnahmen ge- nötigt. Auch unsere galizischen Korpskommanden bestätigen die russische Mobilisierung, und dieselbe wurde auch, wie der k. u. k. Militärattache meldet, von Herrn Sasonow dem k. deutschen Bot- schafter gegenüber nicht mehr geleugnet.

Graf Berchtold, welcher die k. u. k. Botschaft beauftragt hat, dies zur Kenntnis der k. deutschen Regierung zu bringen, setzt hinzu, daß, wenn die russischen Mobilisierungsmaßnahmen nicht unverzüglich eingestellt werden, unsere allgemeine Mobilisierung aus militärischen Gründen unverzüglich veranlaßt werden muß.

Die k. u. k. Regierung hielte es als letzten Versuch zur Hintan- haltung eines europäischen Krieges für wünschenswert, daß unser und der k. deutsche Vertreter in Petersburg, eventuell auch in Paris, ungesäumt angewiesen werden, in freundschaftlicher Weise den dortigen Regierungen zu erklären, daß eine Fortsetzung der russischen Mobilisierung in Deutschland und Österreich von Gegen- maßregeln gefolgt sein müßte, welche unausbleiblich ernste Konse- quenzen nach sich ziehen würden.

Selbstverständlich wird sich die k. u. k. Regierung in ihrer kriegerischen Aktion gegen Serbien nicht beirren lassen.

Unter Einem ergeht Weisung an die k. u. k. Botschafter in Petersburg und Paris, die vorerwähnte Erklärung abzugeben, sobald ihre deutschen Kollegen analoge Instruktionen erhalten haben werden'.

Die k. u. k. Regierung meint, es der k. deutschen Regierung überlassen zu sollen, ob Italien von diesem Schritt zu ver- ständigen wäre. Der k. u. k. Botschafter in Rom hat für alle Fälle eine Abschrift unserer bezüglichen Weisung erhalten, um, sobald an den k. deutschen Botschafter ein gegenständlicher Auftrag ergehen sollte, die italienische Regierung zu informieren.

1 Nach der nicht unterzeichneten Ausfertigung.

2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Annts: 30. Juli nachm. ^ Siehe Nr. 429.

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Nr. 428

Die österreichisch-ungarische Botschaft an das Auswärtige Amt^

Berlin, den 30. Juli 1914^

Notiz

Auszug aus einer Weisung des Grafen Berchtold an Herrn von Merey in Rom ddo. 28. Juli :

»Ich habe dem italienischen Botschafter erwidert, daß unser Streitfall mit Serbien nur dieses und uns angehe, daß wir an keine territorialen Erwerbungen dächten, eine Be- setzung serbischen Gebietes daher nicht in Frage komme.

Auf den Wunsch Herzogs von Avarna, hierüber eine bindende Erklärung zu erhalten, entgegnete ich, dies sei aus dem Grunde nicht möglich, weil derzeit natürlich nicht vor- auszusehen sei, ob wir nicht gegen unseren Willen durch den Verlauf der Kriegsereignisse gezwungen werden würden, serbisches Territorium okkupiert zu halten. Bei normaler Abwickelung sei dies allerdings nicht zu er- warten, da wir absolut kein Interesse hätten, die Zahl unserer serbischen Untertanen noch zu vermehren.

Ew. Exz. wollen hiervon Marquis di San Giidiano Mit- teilung machen und hinsichtlich der auf Art. VII des Drei- bundvertrages abgeleiteten Kompensationsansprüche noch bemerken:

Wie bereits Herzog von Avarna gegenüber hervor- gehoben, liegt die Erwerbung von serbischem Territorium durchaus nicht in unseren Absichten, sollten wir uns aber dennoch gezwungen sehen, zu einer nicht als nur vorüber- gehend anzusehenden Besetzung serbischen Gebietes zu schreiten, so sind wir bereit, für diesen Fall mit Italien in einen Meinungsaustausch über eine Kompensation einzu- treten.

Andererseits müssen wir von Italien erwarten, daß es den Verbündeten in seiner Aktion nicht behindern, vielmehr seine in Aussicht gestellte bundesfreundliche Haltung uns gegenüber unentwegt beibehalten werde.

1 Nach der nicht unterzeichneten Ausfertigung.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 30. Juli nachm.

157

Für Ew. Exz. persönliche Kenntnisnahme füge ich hinzu, daß ich mich zu diesem Entgegenkommen ent- schlossen habe, weil es sich gegenwärtig um ein großes Spiel handelt, welches an sich mit bedeutenden Schwierig- ' keiten verbunden und ohne festen Zusammenhalt der Drei- bundmächte gänzlich undurchführbar wäre.

Vorstehendes auch zur entsprechenden Verwertung gegenüber Ihren Kollegen vom Dreibunde.«

Graf Berchtold, welcher diese k. u. k. Botschaft beauftragt hat, vorstehendes zur Kenntnis der k. deutschen Regierung zu bringen, hat den Eindruck, daß an manchen Stellen in Itahen [an] Kom- pensationen auf Kosten unserer Gebiete mit italienischer Bevöl- kerung, speziell etwa des Trentino, gedacht werde.

Graf Berchtold erklärt demgegenüber auf das ausdrücklichste, daß die Frage einer Loslösung irgendeines Teiles der Monarchie nicht einmal zur Diskussion gestellt werden dürfe".

Vgl. Nr. 419.

Nr. 429

Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen für den

Reichskanzler^

Berlin, den 30. Juli 1914^

Der österreichische Botschafter teilt mir im Auftrag seiner Re- gierung soeben 3 mit, daß, wenn die russischen Mobilmachungsmaß- regeln nicht ungesäumt eingestellt würden, Österreich-Ungarn unver- züglich zur allgemeinen Mobilmachung schreiten müsse. Als letzten Schritt, um den Frieden Europas zu erhalten, schlage Graf Berchtold vor, daß der deutsche und österreichische Vertreter in St. Petersburg und evtl. auch in Paris angewiesen würden, dort in freundschaftUcher Weise zu erklären, daß die Fortsetzung der russischen Mobilmachimg Gegenmaßregeln in Deutschland und Österreich-Ungarn zur Folge

' Niederschrift von Jagows Hand.

'^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 30. Juli nachm. Am Rand der Nachtragsvermerk von Jagows Hand: »Dem Grafen Szögyeny habe ich mitgeteilt, daß wir den Schritt in Petersburg nicht mitmachen könnten, da wir in den letzten Tagen schon in dem genannten Sinne »freund- schaftlich« gesprochen hätten und dies nicht wiederholen könnten. Eine erneute Aussprache unsererseits könnte nur ein Ultimatum sein. Österreich müsse den Schritt allein tun.«

^ Siehe Nr. 427. *

158

haben würde, die zu ernsten Konsequenzen führen müßten. Die k. u. k. Botschafter in Petersburg und Paris erhalten Weisung, eine diesbezüghche Erklärung abzugeben, sobald ihre deutschen Kollegen die entsprechende Weisung erhalten haben.

Graf Berchtold stellt anheim, ob Itaüen eine diesbezügliche Mit- teilung gemacht werden soll*. Ich habe dem Grafen Szögyeny ge- antwortet, daß ich erst Ew. Exz. sprechen müßte, ehe ich ihm Be- scheid geben könnte.

J[agow]

* Siehe Nr. 442.

Nr. 430

Der Botschafter in Paris an das Auswärtige Amt^

Telegramm 231 Paris, den 30. Juli 1914^

Ton hiesiger Presse heute selbstbewußt infolge Überzeugung, daß im Kriegsfall bestimmt auf englische Hilfe zu rechnen. Delcasse soll geäußert haben, englische Flotte könne Deutschland aushungern. Presse meint vielfach, Friedenschancen liegen jetzt wesentlich darin, daß angesichts festen Zusammenhaltens der Triple- entente Krieg für Deutschland zu gewagtes Spiel.

S c h o e n

1 Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Paris nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 4^5 nachm. Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. Gemäß Randverfügung Jagows am 30. Juli dem Admiralstab mitgeteilt, abgesandt durch Boten 9^^ nachm.

Nr. 431

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Konstantinopel^

Telegramm 284 Berlin, den 30. Juli 1914^

Mit streng vertraulicher Mitteilung an Markgraf Pallavicini einverstanden, sobald Ew. Exz. aus Unterhandlung mit Großwesir Überzeugung gewonnen haben, daß Türkei auf skizzierten Vorschlag im wesentlichen eingeht*.

Jagow

1 Nach dem Konzept. Entwurf von Zimmermanns Hand.

2 4*5 nachm. zum Haupttelegraphenamt. ^ Siehe J>Ir. 398.

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Nr. 432 Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Ämt^

Telegramm 136 Wien, den 30. Juli 19 14''

Auftrag ausgeführt'. Graf Berchtold hat de Bunsen gegenüber nur Besprechung serbisch-österreichischen Streites mit Rußland ab- gelehnt, ist aber, wie anderweit gemeldet, bereit, alle Österreich und Rußland direkt tangierenden Fragen mit letzterem zu besprechen.

Daß mit Annahme Artikel 5 und 6 der österreichischen Note diese dann in ihrer Gänze angenommen sei, sei ein Irrtum, da Serbien auch in verschiedenen anderen Punkten Vorbehalte gemacht habe. Die integrale Annahme der Forderungen der Note sei für hier, solange friedliche Austragung des Konfliktes zwischen Serbien und Monarchie noch in Frage stand, genügend gewesen. Jetzt, nach Ein- tritt des Kriegszustandes, müßten die Bedingungen Österreichs natur- gemäß anders lauten.

Tschirschky

^ Nach der Entzifferung

" Aufgegeben in Wien 3^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt

5^'* nachm. Eingangsvermerk : 30. Juli nachm. ' Siehe Nr. 384.

Nr. 433

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt^

Im Hinblick auf die Jelegramm 135 Wien, den 30. Juli 1914''

kolossalenjet^t ver- öffentlichten russi- Berchtold und Graf Forgäch' haben gebeten, sehen Rüstungs- nachstehendes mitzuteilen: Infolge unserer mit maßnahmen ist das j^^nk aufgenommenen gestrigen Anregung* ist an es, /^'"^y„^ ' ^' Qj-af Szäpäry Instruktion ergangen, Konversation

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegebenin Wien 2^° nachm., angekommen imAuswärtigenAmt5^^ nachm. Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. Lag dem Kaiser vor, von ihm am 31. JuU ins Amt zurück. Von den Randvermerken des Kaisers nahmen Jagow und Zimmermann am 31. Juli, der Reichskanzler am i. August Kennt- nis. Tschirschkys Telegramm vpurde am 30. Juli nach Vornahme kleiner Änderungen von Jagovp den Botschaftern in London und Petersburg mit- geteilt, 9*0 nachm. zum Haupttelegraphenamt. Siehe Nr. 444 und dortige Anm. 3.

^ Die Worte »und Graf Forgäch« hat Jagow in den Mitteilungen des Tele- gramms nach Petersburg und London fortgelassen.

* Siehe Nr. 323 und 377. Dazu auch Nr. 396.

i6o

jetift erst! mit Herrn Sasonow zu beginnen. Graf Szdpary ist ermächtigt, die Note an Serbien, die allerdings durch Kriegszustand überliolt sei, dem russischen Minister gegenüber zu erläutern und jede Anregung, die weiter noch von russischer Seite erfolgen sollte, entgegenzunehmen sowie über alle, direkt die gut österreichisch-russischen Beziehungen tangierenden

Fragen mit Sasonow zu besprechen^.

Wenn russische Regierung Aufstellung von 8 Korps als für den serbischen Feldzug militärisch zu weitgehende Maßregeln bemängeln zu sollen glaube, so habe Graf Szapäry den Auftrag, falls Sasonow von sich aus" hierauf zu sprechen käme, zu sagen, daß diese Truppenstärke gegenüber einer serbischen Armee von 400 000 Mann hiesiger militärischer Auffassung entspräche.

Graf Berchtold wird heute Schebeko zu sich bitten und ihn im gleichen Sinne sprechen. Außer- dem wird der Minister dem russischen Botschafter sagen und zwar hat sich Graf Berchtold in meiner Gegenwart die betreffenden folgenden Punkte notiert , daß der Monarchie Territorialerwerbungen in Serbien durchaus fern lägen, und daß sie nach wann soll der ein- Friedensschluß lediglich vorübergehende Besetzung treten? serbischen Gebiets bezwecke, um die serbische Re-

Faustpfand gierung zur völUgen Erfüllvmg ihrer Forderungen und zur Schaffung von Garantien für künftiges Wohlverhalten zu zwingen. Au für et k mesure Serbien die Friedensbedingungen erfülle, würde Räu- mung serbischen Gebiets durch Monarchie erfolgen.

Tschirschky

Also so ziemlich mein Vorschlag

akzeptiert und so gehandelt, wie ich es dem Zaren als meineAnsicht tele- graphiert habe, gut

Vgl. auch Nr. 448, das Antwort auf Nr. 396 ist.

i6i

Nr. 434

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt*

Telegramm 137 Wien, den 30. Juli 1914^

Auftrag nachdrücklichst ausgeführt^. Graf Berchtold wird nach Einholung der Befehle des Kaisers Franz Joseph umgehend Antwort erteilen *.

Tschirschky

' Nach der Entzifferung.

'^ Aufgegeben in Wien 5^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 5*®

nachm.; Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. ' Siehe Nr. 395. * Siehe Nr. 437, 440, 441, 450, 464, 465, 468 und 482.

Nr. 435

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 184 London, den 30. Juli 1914^

Habe soeben mit Sir E. Grey in obigem ^ Sinne gesprochen. Er sagt, er könne mir versichern, daß die Franzosen ihren ganzen Einfluß in Petersburg im Sinne einer friedlichen Entwicklung geltend machten. Auch sei nach hiesigen Nachrichten bisher lediglich die Einberufung der Urlauber an der deutschen Grenze erfolgt. Eigent- liche Kriegsvorbereitungen, wie Einberufung der Reservisten, seien nicht erfolgt. Er wird übrigens heute nachmittag mit Cambon sprechen und hat mich nochmals zu sich bestellt, um mir das Er- gebnis mitzuteilen.

Was die russischen Rüstungen betrifft, so wird er versuchen, im gewünschten Sinne durch Graf Benckendorff heute noch zu wirken.

Der Minister hofft zuversichtlich, daß es der vermittelnden Tätigkeit Ew. Exz. gelingen werde, eine Einigung herbeizuführen, und will auch in Petersburg im Sinne seines Vorschlages wirken. Zu einem Vertrauten hatte er heute früh gesagt, daß, wenn es dem

' Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in London 4*^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 5^° nachm. Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. Nach Vornahme kleiner

Änderungen und unter Fortlassung der Sätze »Er wird übrigens

mitzuteilen« und »Zu einem Vertrauten zu verhindern,« dem

Generalstabe, Admiralstabe, Kriegsministerium und Reichsmarineamt mit- geteilt, abgesandt 31. Juli i^^ vorm.

* Siehe Nr. 409.

Aktenstücke II. 12

l62

deutsch -englischen Zusammenwirken diesmal gelänge, den Frieden zu retten, so glaube er, daß unsere Beziehungen für alle Zeiten sichergestellt seien, und daß es ihm in Zukunft glücken werde, durch entsprechenden Einfluß auf seine Genossen die Wiederholung ähnlicher Krisen zu verhindern.

Lichnowsky

Nr. 436

Der Geschäftsträger in Athen an das Auswärtige Amt*

Telegramm 223 Athen, den 30. Juli 1914*

Bulgarischer Gesandter hat hier heute offizielle Neutrahtäts- erklärung Bulgariens abgegeben.

Basse wit z

1 Nach der Entzifferung.

' Aufgegeben in Athen nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 6*' nachm., Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. Entzifferung lag dem Kaiser vor, der durch Randverfügung Mitteilung an die Vertretungen in Wien, Bukarest und Belgrad (Nisch) anordnete, am 31. Juli ins Amt zurückgelangt. Bassewitz' Telegramm am i. August 10* nachm. telegraphisch den Ver- tretungen in Wien, Bukarest und Belgrad mitgeteilt; der Gesandtschaft in Bukarest war es von Jagow außerdem bereits am 30. Juli nachm. tele- graphisch mitgeteilt worden. Siehe Nr. 453.

Nr. 437

Der Kaiser an den Kaiser von Österreich *

Telegramm (ohne Nummer) Neues Palais, den 30. Juli 1914 *

Die persönliche' Bitte des Zaren, einen Vermittlungsversueh zur Abwendung eines Weltenbrandes und* Erhaltimg des Welt- friedens zu unternehmen, habe ich nicht ablehnen zu können ge-

* Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand. In der dem Kaiser vorgelegten Abschrift dieses Entwurfs Ergänzungen von des Kaisers Hand.

* Reichskanzler sandte »den befohlenen Entwurf« mit Immediatbericht an den Kaiser und schlug direkte Absendung vom Neuen Palais aus vor. Bei der jetzt bei den Akten befindlichen Ausfertigung des Immediatbe- richts von der Hand des Kaisers der Vermerk: »N. P. 30. VII. 14 empfangen 7 h. N. M. Telegramm 7.15 Min. N.M. abgesandt. W.«, auf dem Entwurf von seiner Hand der Vermerk: »30. VII. 14. 7 h. 15 Min. abgesandt. W.«

' »persönliche« von der Hand des Kaisers beigefügt.

* »Abwendung eines Weltenbrandes u[nd]« vom Kaiser beigefügt.

163

glaubt und Deiner Regierung durch meinen Botschafter gestern und heute Vorschläge unterbreiten lassen. Sie gehen unter anderem da- hin, daß Österreich nach Besetzung von Belgrad oder anderer Plätze seine Bedingungen kundgäbe. Ich wäre Dir zu aufrichtigem Dank verpflichtet, wenn Du mir Deine Entscheidung möglichst bald zu- gehen lassen wolltest^.

In treuer Freundschaft

Wilhelm

' Siehe Nr. 395, 434, 440, 441, 450, 464, 465, 468 und 482.

Nr. 438

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 187 London, den 30. JuH 1914'

Sir E. Grey sagt mir soeben, britische Flotte sei die Ostküste entlang gegen Norden in die schottischen Häfen gefahren. Das jeder Mobilmachung vorausgehende vom Foreign Office ausgehende strained relations sei noch nicht erfolgt'. Solange wir nicht mobil machten, würden es auch die Franzosen nicht tun, auch nicht England. Cambon habe ihm versichert, die Franzosen machten auch nicht mehr wie wir es täten ; es würden lediglich gewisse Vorsichtsmaß- regeln getroffen.

Lichno wsky

' Nach der Entzifferung.

■^ Aufgegeben in London 5" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8** nachm.; Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. Dem Generalstab, Kriegs- ministerium, Admiralstab und Reichsmarineamt mitgeteilt, abgesandt durch Boten 31. Juli 12" vorm.

» Siehe Nr. 484.

Nr. 439

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 189 London, den 30. Juh 1914^

Sir E. Grey zeigte mir soeben Telegramm an Sir George Buchanan', worin er ihn anweist, imsere Anregung zu imterstützen, in Be- sprechungen über Verständigung sich einzulassen, falls Osterreich

* Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in London 6'° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 8*' nachm.; Eingangsvermerk: 30. Juli nachm.

* Siehe Nr. 460.

164

einwillige, nach Besetzung gewisser Grenzorte Feindseligkeiten einzu- stellen. Auf meinen Wunsch ist hierin vom österreichischen Ulti- matum überhaupt nicht mehr die Rede, sondern lediglich von Unter- handlungen über die Serbien aufzuerlegenden Lasten und Ver- pflichtungen. Die dem Grafen Pourtales erteilte und vom Grafen Benckendorff hier übermittelte Antwort des Herrn Sasonow über Umwandlung des Ultimatums bezeichnete ich dem Minister als un- annehmbar und hielte es daher für praktischer, das Wort Ultimatum überhaupt nicht mehr zu erwähnen.

Der Minister war vollkommen ruhig und schien noch nicht alle Hoffnung aufgegeben zu haben.

Lichnowsky

Nr. 440

Der Reichskanzler an den Kaiser^

Telegramm (ohne Nummer) Berlin, den 30. Juh 1914^

Antwort aus Wien wird frühestens morgen mittag hier sein, da Graf Tisza erst morgen früh in Wien eintrifft^.

Alleruntertänigst V. Bethmann Hollweg

1 Konzept von des Reichskanzlers Hand. Dazu auf angefügtem Blatt der Vermerk des Kanzlers vom 30. Juli: »Es ist wohl notwendig, daß ich an- liegendes Telegramm an S. M. sende? Wenn keine Bedenken, bitte ich es expedieren zu lassen.«

2 8^^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.

3 Siehe Nr. 395, 434, 437, 441, 450, 464» 465» 468 und 482 Reise Tisza's siehe Nr. 465 Abs. 4.

Nr. 441

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien'

Telegramm 200

Dringend! Berhn, den 30. Juli 1914^

Wenn Wien, wie nach dem telephonischen Gespräch Ew. Exz. mit Herrn von Stumm anzunehmen, jedes Einlenken, insonderheit den letzten Grey 'sehen Vorschlag (Telegramm Nr, 192) ^ ablehnt, ist

^ Nach dem Konzept von des Reichskanzlers Hand.

2 90 nachm. zum Haupttelegraphenamt gegeben, am 31. JuH früh in Wien.

* Siehe Nr. 395.

165

es kaum mehr möglich, Rußland die Schuld an der ausbrechenden europäischen Konflagration zuzuschieben*. S. M. hat auf Bitten des Zaren die Intervention in Wien übernommen, weil er sie nicht ab- lehnen konnte, ohne den unwiderlegHchen Verdacht zu erzeugen, daß wir den Krieg wollten. Das Gelingen dieser Intervention ist aller- dings erschwert^, dadurch daß Rußland gegen Österreich mobilisiert hat. Dies haben wir heute England' mit dem Hinzufügen mitge- teilt, daß wir eine Aufhaltung der russischen und französischen Kriegsmaßnahmen in Petersbiu-g und Paris bereits in freundUcher Form angeregt hätten, einen neuen Schritt in dieser Richtung also nur durch ein Ultimatum tun könnten, das den Krieg bedeuten würde. Wir haben deshalb Sir Edward Grey nahegelegt, seinerseits nachdrücklich in diesem Sinne in Paris und Petersburg zu wirken, und erhalten soeben seine entsprechende Zusicherung durch Lich- nowsky'. Glücken England diese Bestrebungen, während Wien alles ablehnt, so dokumentiert Wien, daß es unbedingt einen Krieg will, in den wir hineingezogen sind, während Rußland schuldfrei bleibt. Das ergibt für uns der eigenen Nation gegenüber eine ganz unhalt- bare Situation. Wir können deshalb nur dringend empfehlen, daß Österreich den Greyschen Vorschlag annimmt, der seine Position in jeder Beziehung wahrt.

Ew. Exz. wollen sich sofort nachdrücklichst in diesem Sinne Graf Berchtold, eventuell auch Graf Tisza gegenüber äußern.

S. M. hat heute abend nachstehendes Telegramm an den Kaiser Franz Joseph gerichtet :

»Die persönliche Bitte des Zaren lassen wolltest«*.

V. Bethmann Hollweg

* Im Entwurf des Kanzlers folgte hinter »zuzuschieben« zunächst: »Dann aber kommen wir der eigenen Nation gegenüber in eine unhaltbare Lage«; der Kanzler hat den Satz dann gestrichen, um ihn weiter unten in ähn- licher Form aufzunehmen.

^ Vor »erschwert« zunächst vom Kanzler niedergeschriebenes »aufs Äußerste», hinter »erschwert« zunächst niedergeschriebenes »wenn nicht gefährdet«, von ihm wieder gestrichen.

* Siehe Nr. 409. ' Siehe Nr. 435.

* Hier ist das Telegramm des Kaisers an den Kaiser Franz Joseph vom 30. Juli (Nr. 437J eingefügt. Siehe auch Nr. 434, 440, 450, 451, 464, 465, 468 und 482.

i66

Nr. 442

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in

Wien'

Telegramm 201 Berlin, den 30. Juli 1914^

Graf Szögyeny hat hier gemeinsame Demarche in Petersburg und Paris beantragt, in der unsere Botschafter freimdschaftlich auf Folgen der russischen Mobilmachung hinweisen sollten. Habe Graf Szögyeny erwidert, daß, nachdem wir in den letzten Tagen bereits entsprechend in Petersburg und Paris gesprochen hätten, wir nicht nochmals gleichen Schritt tun könnten'. Wir bäten daher Österreich, Demarche allein zu machen. Wir raten auch Rom zu informieren.

Jagow

i Nach dem Konzept von Jagows Hand. * 9" nachm. zum Haupttelegraphenamt. ^ Siehe Nr. 427 und 429.

Nr. 443

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt'

Telegramm 139 Wien, den 30. Juü 1914^

Zur Frage des Verhaltens hiesiger Regierung gegenüber unseren Vorstellungen wegen itahenischer Kompensationsansprüche war mir seinerzeit gesagt worden, die Formulierung der nach Rom gegebenen Instruktion sei auf Grund in Berlin gewährter Aussprache erfolgt. Ich habe nicht unterlassen, der Sache auf den Grund zu gehen und erhielt auf meine bezügliche Frage Einsicht in Telegramm des Grafen Szögyeny vom 27. d. M., das nachstehenden Wortlaut hat :

»Herr v. Jagow ist mit der von Ew. pp. italienischem Bot- schafter erteilten Antwort (Ew. Exz. Telegramm von gestern) völlig einverstanden und findet es ganz angezeigt, daß Hochdieselben vorerst über die Interpretation des Artikels VII in keine Ausein- andersetzungen eingegangen seien. Trotzdem ist Staatssekretär der Meinung, daß Hochdieselben schon jetzt, und zwar ohne Berufung auf Artikel VII ausdrücklich der italienischen Regierung erklären sollten, falls eine, nicht als nur vorübergehend anzusehende Okku- pation serbischen Gebiets gegen unseren Willen doch als unver- meidliche Verfügung erachtet würde, würden Ew. Exz. mit einer Kompensation (ohne irgendwelche Angabe über ihren Umfang) an Italien einverstanden sein.

'■ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Wien 7^0 nachm., angekonamen im Auswärtigen Amt 9^ nachm.; Eingangsvermerk; 30. Juü nachm.

167

Herrv. Jagow meinte, ebenso wie auch Herr Zimmermann, durch eine derartige Erklärung würde Italien, das fortwährend in diesem Sinne hier Vorstellungen macht, beruhigt werden.«

Tschirschky Nr. 444

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in

London*

Telegramm 192 Berlin, den 30. Juli 1914^

Zur vertraulichen Mitteilung

Der k. Botschafter in Wien telegraphiert :

»Berchthold hat gebeten erfolgen »^

Das Telegramm bezieht sich auf unsere frühere Anregung direkter Besprechungen zwischen Wien und Petersburg und zeigt so viel Entgegenkommen Wiens, daß wir hoffen, daß England in Petersburg auf gleiches Entgegenkommen und namentlich auf Ein- stellung seiner Kriegsmaßnahmen wirken wird.

Jagow

* Nach dem Konzept von Jagows Hand.

2 9^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.

^ Hier ist das Telegramm Tschirschkys vom 30. Juli nach Vornahme kleiner Änderungen (vgl. Nr. 433) eingefügt Siehe ferner Nr. 323, 377, 388, 448, 489. Gleichzeitig wurde das Telegramm (als 149) an den Botschafter in Petersburg mitgeteilt.

Nr. 445

Der Militärbevollmächtigte am russischen Hofe an das Auswärtige Amt^

Telegramm 195 Petersburg, den 30. Juli 1914*

Für S. M. : Fürst Trubetzkoi sagte mir gestern, als er die sofortige Übermittelung des Telegramms Ew. M. an Kaiser Nikolaus veranlaßte : »Gottlob ein Tele-

' Nach der Entzifferung. Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 191 5, S. 32, Nr. 20.

■^ Aufgegeben in Petersburg 5*'' nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 10* nachm. Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. Entzifferung lag dem Kaiser vor, am 31. Juli ins Amt zurückgelangt. Reichskanzler, Jagow und Zimmermann nahmen am 31. Juli von den kaiserlichen Randbemer- kungen Kenntnis. Zu Absatz 2 siehe auch Nr. 505.

i68

gramm Ihres Kaisers, aber ich fürchte, es ist zu spät.« Soeben sagte er mir, daß das Telegramm tiefen Eindruck auf den Kaiser gemacht habe, aber er könnte leider nichts mehr ändern, denn die Mobilisierung gegen Österreich war befohlen, und Sasonow hat wohl S. M. davon überzeugt, daß ein Zurückweichen nicht mehr möglich sei. Ich sagte ihm, diese frühzeitige Mobilisierung gegen Österreich in einem lokalen Kriege desselben mit Serbien trage nunmehr die Schuld an unabsehbaren Folgen, denn die Antwort Deutschlands hierauf sei wohl gegeben, und Rußland trägt die Verantwortung trotz der Zusicherung Österreichs, keinerlei territoriale Er- werbungen in Serbien zu beabsichtigen. Als er Quatsch! Unver- meinte, solchen Zusicherungen Österreichs /rönwe wrt« schämtheit hier nicht mehr glauben, entgegnete ich, dann sei später Zeit, mit Österreich darüber abzurechnen. Österreich habe nicht gegen Rußland, sondern gegen Serbien mobilisiert, und es sei kein Grund für Ruß- land, hier sofort einzugreifen. Ferner sagte ich, die Redensart Rußlands, wir können unsere Brüder in Serbien nicht im Stich lassen, versteht man in Deutschland ?2icht mehr nach dem furchtbaren Ver- brechen V071 Sarajevo. Er führte schließlich als aha! Auf alle Fälle einzigen Grund noch die langsame Mobilmachung Zeit gewinnen und in Rußland an, ich hatte aber den Eindruck, daß fertig vor uns sein ! er im Grunde überzeugt war, daß Rußland zu eilig gehandelt habe. Als ich ihm sagte, er möge sich das erwartet er nicht wundern, wenn die deutsche Streitmacht mo- nichtü? bihsiert werde, brach er entsetzt ab und sagte, er müsse sofort nach Peterhof.

Großfürst Nikolai Michailowitsch sagte mir im Klub, er habe Nachrichten, die belgische Armee Blech! sei mobilisiert, denn Belgien habe einen Bündnis-

vertrag mit Frankreich; ich führe es an, obgleich der Großfürst viel redet, was er nicht verantworten kann. Die Stadt Petersburg ist mit Ausnahme einiger Demonstrationen ruhig, da starke polizeiliche Vorkehrungen getroffen sind bei der österreichischen und deutschen Botschaft.

In Kreisen ^, wo man durchaus

freundlich gesinnt ist, erhofft man eine Einigung Deutschlands mit Rußland auf Grund von Gar an -

3 Lücke in der Entzifferung. Nach einer Abschrift bei den Akten der deutschen Botschaft in Petersburg ist zu lesen: »des Klubs«.

169

hat ja Osterreich tien Deutschlands gegen eine Vergrößerung öster- bereits erklärt reichs nach dem Krieg mit Serbien bzw. gegen ein völliges Zertrümmern des letzteren, was ich ohne Kommentar wiedergebe.

Bezüglich der Mobilmachung sagten mir höhere Offiziere im Klub, daß ein Eingreifen oder Auf- halten derselben in Rußland bei den enormen Ent- fernungen unausführbar sei und nur Verwirrung hervorrufe ; außerdem sei in Rußland iivischen dem Beginn der Mobilisierung und dem Anfang des Krieges noch ein großer Schritt, der noch immer zur friedlichen Auseinandersetzung benutzt werden könnte.

Ich habe den Eindruck, daß man hier ans Angst vor kommenden Ereignissen mobilisiert hat

richtig so ist es ohne aggressive Absichten und nun erschreckt ist darüber, rvas man angerichtet hat.

Chelius

Nr. 446

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt *

Telegramm 156 Rom, den 30. Juli 1914^

Marquis di San GiuHano ist sehr alarmiert über Nachricht, daß die direkten Verhandlungen zwischen Österreich und Rußland abge- brochen seien. Es sei keine Frage mehr, daß Rußland zt:m Krieg bereit sei, und daß England an ihm teilnehmen werde. SachHche Differenz zwischen Rußland und Österreich sei aber ganz gering, nachdem Österreich erklärt habe, keine Absichten, Territorium zu erwerben, zu haben. Es handelte sich darum zu wissen, was denn eigentlich nun Österreich wolle, imd dann in Petersburg anzufragen, ob Rußland österreichische Absichten zulassen könne. Es sei absolut nötig, daß die k. Regienmg mit Wien in Verbindung trete, nicht um Österreich zur Nachgiebigkeit zu bewegen, sondern nur, um die österreichischen Absichten und Forderungen festzustellen*. Dann könnten die anderen Mächte, hauptsächhch England, aber auch Italien, auf dieser Basis in Petersburg verhandeln, um euro- päischen Krieg zu vermeiden.

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in Rom 7^° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 10*

nachm.; Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. ' Siehe Nr. 457.

Habe erwidert, daß russisch-österreichischer Abbruch wahr- scheinlich durch russische MobiHsierung herbeigeführt und mir be- greiflich scheine. Minister meinte, das schUeße weitere Verhand- lungen nicht aus.

Vertraulich. Herr BoUati berichtete, kais. Regierung habe sich entgegen ihrer früheren Annahme überzeugt, daß Ruß- land und England am Krieg teilnehmen würden.

Floto w

Nr. 447

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 191 London, den 30. Juli 1914*

Einziger friedhcher Ausweg hegt nach meiner und hiesiger Auf- fassung darin, daß Graf Berchtold durch uns veranlaßt wird, zu erklären, er sei mit Rücksicht auf europäischen Frieden und die Wünsche seiner Verbündeten bereit, sich mit bisherigen Erfolgen vorläufig zu begnügen, miÜtärische Operationen einstweilen einzu- stellen und sich durch unsere Vermittlung mit Sasonow über Serbien aufzuerlegende Bedingungen zu unterhalten, falls russische Regierung weitere Rüstungen an österreichischer Grenze unterläßt. Habe in diesem Sinne auch mit österreichisch-ungarischem Kollegen gesprochen.

Lichnowsky

Nach der Entzifferung. 2 Aufgegeben in London 7*^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 10^5 nachm., Eingangsvermerk: 30. Juli nachm.

Nr. 448

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt^

Telegramm 141 Wien, den 30. JuH 1914^

Habe Graf Berchtold wegen des Widerspruchs zwischen meiner und Herrn Schebekos Meldung über des letzteren Unterredung mit dem Minister interpelhert^. Graf Berchtold bemerkte, es hege in

1 Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Wien 8**> nachm. , angekommen im Auswärtigen Amt t o^* nachm. Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. Am 31. JuU, nach Vornahme kleiner Änderungen, von Jagow telegraphisch dem Botschafter in London »zur Verwertung« mitgeteit, 2'^ vorml. Zum HaupttelegraphenamL

' Siehe Nr. 396.

171

der Tat, wie Ew. Exz. annehmen, ein Mißverständnis, und zwar au russischer Seite vor. Herr von Schebeko sei davon ausgegangen, daß Graf Szäpäry mit Sasonow eine freundschafthche Unterredung gehabt habe, auch über die Note an Serbien, und habe daran an- knüpfend geäußert: »ce serait utile de continuer cette conversation«. Hier habe er, der Minister, allerdings bemerkt, daß Graf Szäpäry wohl ermächtigt gewesen sei, »Erläuterungen« zu der Note zu geben, daß er es aber bestimmt ablehnen müsse, über die einzelnen Punkte der Note an Serbien deren Berechtigung usw. zu diskutieren. Hieraus habe Herr Schebeko wohl abgeleitet, daß Österreich über- haupt nicht mit Rußland reden wolle.

Diese Folgerung sei um so weniger berechtigt gewesen, als Herr Schebeko dann im Laufe der Unterhaltung weiter geäußert habe: »nous pourrions aussi causer de nos propres affaires«, und er, der Minister, sich dieser Anregung gegenüber durchaus nicht ab- lehnend verhalten habe.

Nachdem er, Graf Berchtold, auch schon durch Graf Szäpäry von diesem Mißverständnis Meldung erhalten und gleichzeitig imsere dringende Anregung erfolgt sei, in Konversation mit Rußland einzu- treten, habe er Graf Szäpäry sofort entsprechende Instruktion erteilt (chiffr. Telegramm Nr. 135)*.

Tschirsch ky

* Siehe Nr. 433.

Nr. 449

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt *

Telegramm 197 Petersburg, den 30. Juli 19 14 2

Telegramme 142^ und 143* eben bei Sasonow verwertet, Minister sagte zu, daß Rußland sich einscweilen jeder Feindseligkeit gegen Österreich enthalten wolle, falls es nicht von Österreich provoziert werde.

Im übrigen konnte ich nur feststellen, daß Sasonow sich nach wie vor weigert, von dem Ew. Exz. durch meine letzten Meldungen bekannten Standpunkt abzugehen.

Pourtales

* Nach der Entzifferung.

* Aufgegeben in Petersburg 9^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 11^ nachm. Eingangsvermerk: 30. Juli.

' Siehe Nr. 392.

* Siehe Nr. 397.

172

Nr. 450

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien ^

Telegramm 202 Berlin, den 30. Juli 1914^

Dringend !

Bitte Instruktion Nr. 200^ vorläufig nicht ausführen*.

Bethmann Hollweg

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Zimmermanns Hand. ^ Offen abgesandt, 11 nachm. zum Haupttelegraphenamt. ^ Siehe Nr. 441. * Siehe Nr. 464.

Nr. 451

Entwurf eines nicht abgesandten Telegramms des Reichskanzlers an den Botschafter in Wien^

Berlin, den 30. Juli 1914''

Ich habe Ausführung der Instruktion Nr. 200^ sistiert, weil mir Generalstab soeben mitteilt, daß militärische Vorbereitungen unserer Nachbarn, namentlich im Osten, zu schleuniger Entscheidung drän- gen, wenn wir uns nicht Überraschungen aussetzen wollen. General- stab wünscht dringend, über dortige Entschließungen, namentlich über diejenigen militärischer Art, in definitiver Weise möglichst unver- züglich unterrichtet zu werden. Bitte dringend vorstellig werden, daß wir Antwort morgen erhalten.

Bethmann Hollweg

* Nach dem Konzept. Entwurf von Zimmermanns Hand.

^ Eingangsvermerk : 30. Juli nachm. Auf beigeheftetem Blatt der Vermerk vom 30. Juli: »Soll auf telephonische Anordnung des Herrn U[nter] St[aats]S[ekretärs] vorläufig nicht abgehen.« Telegramm ist tatsächlich nicht abgegangen. Siehe Nr. 464.

^ Siehe Nr. 441.

173

Nr. 452

Der König von England an Prinz Heinrich von Preußen '

Telegramm (ohne Nummer)

London, den 30. Juli 1914'

Prince Henry of Prussia

Berlin

Faustpfand^

Thanks for your telegram. So pleased to hear of Williams efforts to concert with Nicky to main- tain peace. Indeed I am earnestly desirous that such an irreparable disaster as a European war should be averted. My Government is doing its utmost suggesting to Russia and France to suspend further miÜtary preparations, if Austria will consent to be satisfied with occupation of Beigrade and neigh- bouring Servian territory as a hostage for satis- factory settlement of her demands other countries meanwhile suspending their war preparations. Trust . , . . William will use his great influence to induce Austria ^mln'g madethe to accept this proposal thus proving that Germany same proposals^ and England are working together to prevent what would be an international catastrophe. Pray assure WilHam I am doing and shall continue to do all that lies in my power to preserve peace of Europe^.

George

Übersetzung Dank für Dein Telegramm, So erfreut von Wilhelms Bemühungen zu hören, sich mit Nicky über die Erhaltung des Friedens zu verständigen. Ich habe fürwahr den ernsten Wunsch, daß so ein nicht wieder gutzumachendes Unheil wie ein europäischer Krieg abgewendet werde. Meine Regierung tut das Äußerste, um Rußland und Frankreich

1 Nach dem auf Telegrammformular geschriebenen Text unter Ergänzung der Interpunktion. Siehe Nr. 417.

''■ Aufgegeben in London 8»* nachm., aufgenommen im Berliner Haupttele- graphenamt II* nachm. Das Telegramm lag dem Kaiser vor, der Inter- linearbemerkungen beifügte; Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 30. Juli nachm. Dem Kaiser lag außerdem noch eine von Prinz Heinrich persönlich am 31. Juli beglaubigte Abschrift des Telegramms vor; auf dieser Abschrift der Randvermerk des Kaisers: »30. VII. 14 11^ N. M.«

' Interlinearvermerk des Kaisers, über »hostage« stehend.

* Interlinearbemerkung des Kaisers, über «accept this proposal« stehend.

Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 1915, S. 45.

174

nahezulegen, weitere militärische Vorbereitungen aufzu- schieben, falls Österreich einwilligt, sich mit der Besetzung von Belgrad und angrenzendem serbischen Gebiet als taustpfand Pfand für eine zufriedenstellende Regelung seiner Forde-

rungen zu begnügen, während inzwischen die anderen Länder ihre Kriegsvorbereitungen einstellen. Ich vertraue darauf, daß Wilhelm seinen großen Einfluß aufbieten öl (erreich hat heute wird, um Österreich zu veranlassen, diesen Vorschlag an- Abend die gleichen runehmen und um zu beweisen, daß Deutschland und Vorschlage gemacht J-, , , , . i i

England zusammenarbeiten, um zu verhindern, was eme

internationale Katastrophe sein würde. Bitte versichere Wilhelm, daß ich alles tue und weiterhin alles tun werde, was in meiner Macht steht, um den europäischen Frieden zu erhalten.

Nr. 453

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäfts- träger in Athen ^

Telegramm 102 Berlin, den 30. Juli 1914 ^ '

Bitte nähere Inhaltsangabe der Neutralitätserklärung drahten.

Jagow

* Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand. 2 II 50 nachm. zum Haupttelegraphenamt.

' Siehe Nr. 436.

Nr. 454

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 193 London, den 30. Juli 1914^

Sir Edvi^ard Grey und Mr. Asquith gaben heute im Unterhaus Erklärungen ab, in denen sie grossen Ernst der Lage betonten. Ersterer teilte mit, daß England nach wie vor das eine große Ziel der Wahrung des Friedens verfolge. Asquith ließ amendment bill von Tagesordnung fallen, da Parteistreit augenblicklich nicht am Platze und England, das selbst nicht direkt interessiert sei, geeinte Front darbieten müsse. Er hoffe, daß der Patriotismus aller Parteien dazu beitragen werde, das drohende Verhängnis, wenn nicht ab- zuwenden, so doch wenigstens zu umgrenzen.

Lichn o ws ky

^ Nach einer Abschrift des Auswärtigen Amts.

* Aufgegeben in London 30. Juli 9^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 12° mitternacht; Eingangsvermerk: 31. Juli vorm.

175

Nr. 455

Der Botschafter in Paris an das Auswärtige Amt^

Telegramm 233 Paris, den 30. Juli 1914^

Botschaft und Generalkonsulat werden von Deutschen um Rat bestürmt, ob Abreise angezeigt. Wir halten in Hinsicht auf Mög- lichkeit, daß französische Regierung bei Kriegsausbruch deutsche Waffenfähige internieren oder nach Spanien abschieben würde, unauffäUige Heimreise von Wehrpflichtigen für ratsam. Sonstige ansässige Deutsche könnten abwarten, soweit sie nicht aus Dienst- stellung entlassen, was bis jetzt selten.

Sind Ew. Exz. einverstanden?

Schoen

* Nach der Entzifferung.

' Aufgegeben in Paris 30. Juli 8*^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 12" mitternacht; siehe Nr. 461.

Nr. 456

Protokoll der Sitzung des k. preußischen Staats- ministeriums am 30. Juli 1914^

Berlin, den 30. Juli 19 14 Anwesend : Der Präsident des Staatsministeriums Dr. v. Bethmann Hollweg, die Staatsminister

v. Tirpitz, Dr. Frhr. v. Schorlemer,

Dr. Delbrück, Dr. Lentze,

Dr. Beseler, v. Falkenha5m,

V. Breitenbach, v. Loebell,

Dr. Sydow, Kühn;

D. Dr. von Trott zu Solz, Exzellenz v. Jagow war verhindert.

Als Kommissar des Reichskanzlers der Unterstaatssekretär Wahnschafife. Der Unterstaatssekretär Heinrichs.

Das Staatsministerium trat heute zu einer Sitzung zusammen ,^ in der folgendes verhandelt wurde:

' Nach einer vom preußischen Staatsministerium zur Verfügung gestellten Abschrift.

176

I. Der Herr Ministerpräsident teilte mit, er habe die Herren Staatsminister zu der heutigen Sitzung gebeten, um ihnen einen Überbhck über die augenblickliche pohtische Lage zu geben, soweit dies möglich sei. Die Situation schwanke von Stunde zu Stunde und sei auch jetzt bei den unsicheren Faktoren der Entwicklung noch zweifelhaft.

a) S. M. habe eine Verständigung zwischen der Wiener und der Petersburger Regierung versucht. Die Wiener Re-

,^ierung habe in Petersburg nach der serbischen Ablehnung ihrer Forderungen erklärt, keine territorialen Erwerbungen anzustreben und an dem Bestand des serbischen Staates nicht rütteln zu wollen. Seitens der deutschen Regienmg sei der Wiener Regierung nahe- gelegt, in Petersburg zu erklären: Serbien habe nur teilweise die Erfüllung der Wiener Wünsche zugesagt, zudem sei es in hohem Maße zweifelhaft, ob es die gegebenen Zusagen halten werde. Die Wiener Regierung bezwecke daher, sich durch die temporäre Be- sitznahme eine Garantie für ihre Forderungen und für das Wohl- verhalten der serbischen Regierung zu verschaffen. Diese gestrige Demarche sei heute noch nicht beantwortet. Maßgebend für diese Haltung Deutschlands in dem gegenwärtigen Konflikte seien folgende Gründe: Es müßte der größte Wert darauf gelegt werden, Rußland als den schuldigen Teil hinzustellen, und das würde durch eine solche österreichisch-ungarische Erklärung erreicht werden, welche die Be- hauptungen der russischen Regierung ad absurdum führe; sodann sei zu berücksichtigen, daß die serbische Antwort bis auf geringe Punkte den österreichisch-ungarischen Desiderien tatsächlich zu- gestimmt habe.

b) Neben diesen Verhandlungen mit Wien laufe ein Depeschen- wechsel zwischen Sr. M. und dem Zaren. Der Zar habe in seinem Telegramm den österreichischen Angriff auf Serbien als einen un- würdigen Krieg bezeichnet und an die Hilfe des Kaisers appelliert, um einen europäischen Krieg zu vermeiden. Der Kaiser habe in seinem Telegramm an den Zaren hervorgehoben, daß alle mon- archischen Staaten ein Interesse daran hätten, sich gegen die in Serbien gezüchteten, in Königsmord und Revolution gipfelnden de- struktiven Tendenzen zu schützen. Diese Depeschen hätten sich gekreuzt. Der weitere Telegrammwechsel sei noch nicht erledigt, was umso schwieriger sei, als die russische Mobilisation dazwischen gekommen sei ; die nach Wien gerichteten Vorschläge seien dadurch mehr oder weniger illusorisch gemacht.

c) Endlich kämen noch die Vorschläge des englischen Staats- sekretärs Grey in Betracht, welche dahin gingen, daß Österreich in Petersburg ähnliche Erklärungen abgeben möge, wie sie deutscher- seits empfohlen seien. Diese Verhandlungen seien auch noch nicht zu Ende geführt.

d) Deutschland und England hätten alle Schritte getan, um einen europäischen Krieg zu vermeiden. Die

177

Mobilisierung Rußlands sei zwar erklärt, seine Mobilisierungs- maßnahmen seien mit den westeuropäischen nicht zu vergleichen. Die russischen Truppen könnten in diesem Mobilisierungszustande wochenlang stehen bleiben. Rußland beabsichtige auch keinen Krieg, sondern sei zu seinen Maßnahmen nur durch Österreich ge- zwungen. Demgegenüber sei jedoch zu betonen, daß die vier im Süden der Monarchie mobilisierten österreichisch -ungarischen Korps keine Spitze gegen Rußland hätten und auch die im Norden, in Böhmen, mobilisierten Korps angesichts der zweifelhaften pohtischen Haltung der Tschechen in erster Linie wohl mehr lokalen Gründen gälten.

S. M. sei damit einverstanden, daß vor weiteren Ent- schlüssen zunächst die oben dargelegte Aktion in Wien zum Abschluß gebracht werden sollte. Mihtärische Maß- nahmen : Erklärung der drohenden Kriegsgefahr bedeute die I\Iobil- machung und diese unter unseren Verhältnissen Mobilmachung nach beiden Seiten den Krieg. Man könne aber füghch nicht politische und mihtärische Aktionen gleichzeitig betreiben. Wahr- scheinhch werde heute die Entscheidung in Wien über die deutschen und enghschen Vorschläge fallen.

Was die Haltung der anderen Nationen anlange, so sei die Hoffnung auf England gleich Null. England werde wohl Partei für den Zweibund nehmen. Italiens Haltung sei nicht ganz durch- sichtig. Der österreichisch-serbische Konflikt sei in Itahen unpopulär, weil man dadurch die itahenischen Interessen auf dem Balkan ge- fährdet glaube. Italien fürchte, die schriftlich zugesicherte Hilfe- leistung nicht in vollem Umfange innehalten zu können. Er habe auf Österreich dahin eingewirkt, daß es sich mit Itahen verstän- digen solle, dies sei aber bisher noch nicht geschehen, wie über- haupt Österreich in der Führung seiner Politik sehr schwierig sei. Auf Rumäniens Hilfe sei nicht zu rechnen, desgleichen nicht auf Bulgarien, weil die gegenwärtige Regierung wahrscheinhch gestürzt und durch eine russenfreundliche ersetzt werden würde.

f)2 Die in Rußland wie in Frankreich getroffenen militärischen Maßnahmen glichen etwa der »Erklärung der drohenden Kriegsgefahr« bei uns. In Rußland seien, was die deutsche Grenze beträfe, die Grenzwachen verstärkt, und für das Gouvernement Kowno sei der Kriegszustand erklärt. An der Ostsee seien die Leuchtfeuer gelöscht und die funken telegraphischen Stationen gesperrt. Im übrigen habe Rußland noch heute früh versichert, daß keine Mobilmachung gegen Deutschland erfolgt sei.

Frankreich habe den Kriegszustand erklärt, aber nur vor- bereitende defensive Maßnahmen zugestanden. Die sonstigen Gerüchte seien unkontrolüerbar.

■'* Buchstabe e) irrtümlich ausgelassen.

Aktenstücke II. 1 3

178

g) Der Herr Ministerpräsident betonte zum Schluß, daß alle Regierungen einschließlich Rußlands und die große Mehrheit der Völker an sich friedfertig seien, aber es sei die Direktion ver- loren und der Stein ins Rollen geraten. Als Politiker gäbe er jedoch, solange seine Demarche in Wien noch nicht abgeschlagen sei, die Hoffnungen und Bemühungen auf Erhaltung des Friedens noch nicht auf. Die Entscheidung könne in kurzer Zeit erfolgen, dann werde eine andere Marschroute eingeschlagen. Die allgemeine Stimmung sei in Deutschland gut (was allseitig be- stätigt wurde). Auch von der Sozialdemokratie und dem sozial- demokratischen Part ei vorstände sei nichts Besonderes zu befürchten, wie er aus Verhandlungen mit dem Reichstagsabgeordneten Südekum glaube schheßen zu können. Von einem Generalstreik oder Partial- streik oder Sabotage werde keine Rede sein.

2. Herr Staatsminister v. Tirpitz führte hierauf aus, daß im Falle drohender Kriegsgefahr von Sr. M. für die Marineverwaltung die »Sicherung« angeordnet werden müsse, um für die Sicherung der Häfen, des Kaiser -Wilhelm-Ksinals, die Flußmündung der Nordsee, für die Überwachung des Schiffsverkehrs usw. die erforderlichen Vorsichtsmaßregeln treffen zu können. Die hauptsächlichsten Maß- nahmen könne er zwar auch auf eigene Faust veranlassen, dies werde zwar weniger Aufsehen erregen, aber nicht so vollständig wirken.

Der Herr Ministerpräsident betonte, daß miütärischerseits der Wunsch geäußert sei, die »drohende Kriegsgefahr« auszusprechen, er habe jedoch seinen oben dargelegten abweichenden Standpunkt Sr. M. gegenüber erfolgreich vertreten, und man habe sich auf den militärischen Bahnschutz beschränkt.

Die Herren Staatsminister v. Tirpitz und v. Falkenhayn betonten demgegenüber, daß die »drohende Kriegsgefahr« schon wegen Ein- berufung der Reserven weitergehe als die »Sicherung«, letztere auch nicht veröffentlicht werde.

Nachdem auch der Herr Staatsminister v. Breitenbach hervor- gehoben hatte, daß die »Sicherung« etwa den getroffenen Landmaß- nahmen entsprechen würde, erklärte der Herr Ministerpräsident, daß er gegen die »Sicherung« als einer rein defensiven Maßnahme keine Bedenken habe, und überließ dem Herrn Staatsminister v. Tirpitz, einen entsprechenden Antrag bei Sr. M. zu stellen.

3. Auf Anfrage des Herrn Justizministers wurde es für zweck- mäßig gehalten, die schwebenden Verhandlungen, betr. die Straf- verfolgung der Redner, welche zum Massenstreik aufgefordert hätten, einstweilen ihren Gang gehen zu lassen.

Bei den folgenden Verhandlungen hatten sich der Herr Minister- präsident und die Herren Staatsminister v. Tirpitz und v. Falken- hayn entfernt und der Herr Staatsminister Dr. Delbrück den Vorsitz übernommen.

179

4- Von dem Herrn Staatsminister Dr. Freiherrn v. Schorlemer wurde die Frage angeregt, ob ein Getreideausfuhrverbot zu erlassen sei.

Der Herr Staatsminister v. Breitenbach teilte mit, daß er be- reits die östlichen Eisenbahndirektionen angewiesen habe, Getreide- transporte mid Automobile an der Grenze anzuhalten ; diese Maß- nahmen könnten auf alle Bezirke ausgedehnt werden.

Der Herr Staatsminister Dr. Delbrück hob hervor, daß ein gene- relles Ausfuhrverbot der Zustimmung des Bundesrats bedürfe, welche morgen beschafft werden könnte.

Der Herr Staatsminister Dr. Sydow legte Wert auf ein gene- relles formgerechtes Ausfuhrverbot, welches automatisch auch gegen Österreich wirke. Transporte nach bestimmten Ländern, wie z. B. nach der Schweiz, welche nach Mitteilung des Herrn Staatsministers Dr. Delbrück nicht beanstandet würden, könnten dann durch be- sondere Anordnung des Herrn Reichskanzlers genehmigt werden.

Nach weiteren Erörterungen, welche sich insbesondere auch auf die Frage der Viehausfuhr bezogen, faßte der Herr Staatsminister Dr. Delbrück das Ergebnis der Verhandlungen dahin zusammen, daß das Staatsministerium mit dem Erlaß eines Aus- und Durchfuhr- verbotes für landwirtschaftliche und gärtnerische Erzeugnisse, mit einzelnen noch näher zu bestimmenden Ausnahmen, sowie mit einem Aus- und Durchfuhrverbot für Automobile und für Pferde ein- verstanden sei.

5. Der Herr Staatsminister Dr. Delbrück machte Mitteilung von den in der Anlage bezeichneten 25 Entwürfen von Gesetzen und Ver- ordnungen, welche im Falle der Mobilmachung erlassen werden müssen und durch den Bundesrat vorgelegt werden sollten.

Dieselben wurden einer Erörterung unterzogen, bei welcher der Herr Staatsminister Dr. Beseler Bedenken äußerte, ob bei der Ein- berufung des gesamten Landsturms, auch des zweiten Aufgebots, die Justizpflege ordnungsmäßig aufrechterhalten werden könne, worauf von anderer Seite auf den Weg der Reklamation hin- gewiesen wurde.

Im übrigen wurden gegen die Entwürfe Bedenken nicht erhoben.

Der Herr Staatsminister v. Loebell fragte an, ob im Falle der Kriegserklärung die Einberufung des Landtags beabsichtigt sei. Seinerseits seien zwar für diesen Fall keine Gesetzesvorlagen zu machen, indessen glaube er in der Einberufung eine eindrucksvolle Rücksichtnahme auf den Landtag erbhcken zu sollen.

Die Beschlußfassung wurde ausgesetzt.

gez. V. Bethmann Hollweg v. Loebell

V. Breitenbach Delbrück

V. Schorlemer v. Trott zu Solz

V. Tirpitz v. Falkenlia5nn

Sydow Kühn

Lentze _ , ,

Gelesen : v. Jagow

•3'

i8o

Nr. 457

Der Reichskanzler an den Botschafter in Rom^

Telegramm 147 Berlin, den 31. Juli 1914^

Wir haben fortgesetzt, sowohl durch direkten Depeschenwechsel Sr. M. des Kaisers mit dem Zaren, sowie im Benehmen mit Sir E. Grey zwischen Rußland und Österreich vermittelt. Alle Be- mühungen sind durch Mobilisierung Rußlands sehr erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Auch waren Rußlands Forderungen bis- her inakzeptabel. Rußland trifft nach allen unseren Nachrichten trotz beruhigender Versicherungen auch gegen uns so weitgehende Maßnahmen, daß Lage immer bedrohlicher wird.

Bethmann Hollweg

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand. Vgl. deutsches Weiß- buch vom Mai 1915, S. 33. Nr. 21. Siehe Nr. 446. 2 12^^ vorm. zum Haupttelegraphenamt.

Nr. 458

Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 158 Rom, den 30. JuH 1914^

Marquis di San Giuliano sagt mir, er versichere mir auf das bestimmteste, daß die Nachricht von einem Abkommen Itahens mit England, wonach beide Länder im Kriegsfalle nichts gegeneinander unternehmen sollten, eine haltlose Erfindung sei 3, Er sei überzeugt, daß England am Krieg teilnehmen würde. Schon das genüge, um heimliche Abkommen mit England in diesem Augenblick für die italienische Regierung auszuschließen.

F 1 o t o w

^ Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Rom 30. Juli 9'° nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 31. Juli 12^2 vorm.; Eingangsvermerk: 31. Juli vorm. Am 31. Juli dem Generalstab, Kriegsministerium, Admiralstab und Reichsmarineamt mitgeteilt, abgesandt durch Boten 11*^ vorm.

^ Siehe Nr. 362.

i8i

Nr. 459

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt^

Telegramm 196 Petersburg, den 30. Juli 1 914 ^

Sasonow behauptet, von Marineminister Mitteilung erhalten zu haben, daß deutsche Flotte in mobilisiertem Zustande vor Danzig liegt. Rußland müsse dalier Gegenmaßregeln treffen. Bin ich er- mächtigt, diese Nachricht in Abrede zu stellen?

Pourt aHs

' Nach der Entziti'erung.

'^ Aufgegeben in Petersburg 30. Juli 8*" nachm., angekommen im Auswärtigen

Amt 31. Juli 12" vorm.; Eingangsvermerk: 31. Juli vorm. ' Siehe Nr. 462.

Nr. 460

Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt^

Telegramm 192 London, den 30. Juli 1914^

Telegramm an Sir G. Buchanan Petersburg^

"German Ambassador informs me that German Government would endeavour to influence Austria, after taking Beigrade and Servian territory in region of frontier, to promise not to advance further, while Powers endeavoured to arrange that Servia should give satis- faction sufficient to pacify Austria. Territory occupied would of course be evacuated when Austria was satisfied. I suggested this yesterday a possible [rehelj* to the Situation, and, if it can be obtained, I would eamestly hope that it might be agreed to suspend further military preparations on all sides.

The Russian Ambassador has told me of condition laid down by Sasonow, as quoted in your telegram Nr. 155 and fears it cannot be modified; but if Austrian advance were stopped after occupation of Beigrade, I think the Russian Minister for Foreign Affairs' formula might be changed to read that the Powers would examine how Servia could fuUy satisfy Austria without impairing Servian sovereign rights or independence.

' Nach der Entzillerung. Siehe Nr. 439.

■■* Aufgegeben in London, 30. Juli, 9^^ nachm., angekommen im Auswärtigen

Amt 3i. Juli 12" vorm.; Eingangsvermerk: 31. Juli vorm. ' Vgl. englisches Blaubuch Nr. 103. * Lücke in der Entzifferung, im Auswärtigen Amt sinngemäß ergänzt.

l82

If Austria, having occupied Beigrade and neighbouring Servian territory, declares herseif ready in the interest of European peace to cease her advance and to discuss how a complete settlement can be arrived at, I hope that Russia would also consent to discussion and Suspension of further military preparatives^ provided that other Powers did the same."

Lichnowsky Übersetzung Telegramm an Sir G. Buchanan, Petersburg

Deutscher Botschafter teilt mir mit, daß deutsche Regierung sich be- mühen würde, Österreich zu beeinflussen, daß es nach der Besetzung von Belgrad und serbischem Grenzgebiet verspricht, nicht weiter vorzurücken, während Mächte sich bemühen zu erreichen, daß Serbien hinreichende Ge- nugtuung gibt, um Österreich zu beruhigen. Besetztes Gebiet würde natür- lich geräumt werden, wenn Österreich befriedigt ist. Ich schlug das gestern als mögliche Erleichterung der Lage vor, und falls es erreicht werden kann, hoffe ich fest, daß man übereinkommt, weitere militärische Vorbereitungen auf allen Seiten einzustellen.

Der russische Botschafter sprach mir von Bedingung, die Sasonow ge- stellt, wie in Ihrem Telegramm Nr. 155 angeführt, und fürchtet, sie könne nicht abgeändert werden, aber, wenn der österreichische Vormarsch nach der Einnahme von Belgrad zum Stehen kommt, denke ich, die Formel des russischen Ministers des Auswärtigen könnte dahin geändert werden, daß sie lautet, die Mächte würden prüfen, wie Serbien ohne Beeinträchtigung seiner Hoheitsrechte oder seiner Unabhängigkeit Österreich volle Genugtuung geben könnte.

Wenn Österreich nach Besetzung von Belgrad und angrenzendem serbischen Gebiet sich bereit erklärt, im Interesse des europäischen Friedens seinen Vormarsch einzustellen und zu erörtern, wie eine vollständige Rege- lung erzielt werden kann, hoffe ich, daß Rußland sich auch zu einer Erörterung und zur Einstellung weiterer militärischer Vorbereitungen bereit erklären wird, vorausgesetzt, daß andere Mächte das Gleiche tun.

* So für »preparations« des englischen Blaubuchs.

Nr. 461

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Paris ^

Telegramm 175 Berlin, den 31. Juli 1914**

Abreise Deutscher ratsam.

Jagow

^ Nach dem Konzept von Jagows Hand. « jso vorm. zum Haupttelegraphenamt. » Siehe Nr. 455.

'83

Nr. 462

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter

in Petersburg*

Telegramm 150 Berlin, den 31. Juli 1914*

Nachricht erfunden'. Bitte sie energisch zu dementieren.

Jagow

^ Nach dem Konzept von Jagows Hand. ' i" vorm. zum Haupttelegraphenamt. ' Siehe Nr. 459.

Nr. 463

Der Geschäftsträger in Bukarest an das Auswärtige Amt*

Telegramm 52 Sinaia, den 30. Juli 1914*'

Geheim

S. M, der König, der mich soeben empfing, hält russische Teil- mobilisierung als eine ziun Zw^eck der Befriedigung der öffentlichen Meinung erfolgte Maßregel. Auf Vorschlag zu einem Schritt Ru- mäniens in Petersburg oder ein Telegramm an Kaiser von Rußland meinte S. M., es wäre schwierig für ihn, ein solches abzusenden. Ich kam noch ein zweites Mal darauf zurück, aber gleichfalls ohne Erfolg. König sprach wieder von beunruhigenden Nachrichten aus Bulgarien und gab mir von einem Telegramm Kenntnis, wonach England im Falle eines Angriffs unsererseits auf Rußland nicht in- different bleiben werde. Er hat in Belgrad geraten, sogleich erst entscheidende Bedingungen Österreich-Ungarns unter allen Umständen anzunehmen. König äußerte sich dahin, er suche öffentliche Meinung hier für eventuellen Krieg gegen Rußland vorzubereiten, wies aber irruner wieder auf die großen Schwierigkeiten hin, seinen Bündnis- pflichten nachzukommen.

Waldburg

* Nach der Entzifferung.

' Aufgegeben in Sinaia 30. Juli 10* nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 31. Juli 2" vorm.; Eingangsvermerk: 31. Juli vorm.

Siehe Nr. 389.

i84

Nr. 464

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien *

Telegramm 203 Berlin, den 31. Juli 1914^

Ich habe Ausführung der Instruktion Nr. 200 sistiert ^ mit Rück- sicht auf folgendes Telegramm des Königs von England an Prinz Heinrich :

»Thanks for your telegram peace of Europe*.«

Ew. Exz. wollen das Telegramm unverzüghch Graf Berchtold mitteilen und ihm auf Wunsch Kopie zur eventuellen Verwertung gegenüber Kaiser Franz Joseph überlassen.

Eine definitive Entscheidung Wiens im Laufe des heutigen Tages

ist dringend erwünscht.

Bethmann Hollweg

^ Nach dem Konzept. Entwurf von Zimmermanns Hand, Schlußsatz («Eine

definitive erwünscht«) von des Reichskanzlers Hand beigefügt.

2 2*5 vorm. zum Haupttelegraphenamt. Botschaft Wien an g" vorm.

* Siehe Nr. 441 und 450, ferner 451.

* Siehe Nr. 452.

Nr. 465

Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt^

Telegramm 142 Wien, den 30. JuH 1914^

Das mittags eingetroffene Telegramm 192^ wurde mir sofort nach Dechiffrierung in das Ministerium der Auswärtigen Angelegen- heiten überbracht, während ich bei Graf Berchtold frühstückte. Sofort nach Aufhebung der Tafel habe ich den darin enthaltenen Auftrag bei Graf Berchtold in Anwesenheit des Grafen Forgäch

' Nach der Entzifferung.

^ Datiert vom 30. Juli, aufgegeben in Wien 31. Juli i^^vorm., angekommen

im Auswärtigen Amt 4^" vorm. ; Eingangsvermerk: 31. Juli vorm. ^ Siehe Nr. 395.

■85

ausgeführt. Der Minister, der bleich und schweigend der zweimaligen Vorlesung zuhörte Graf Forgäch machte Notizen äußerte zum Schluß, er werde sofort seinem Kaiser darüber Vortrag halten.

Ich lenkte die Aufmerksamkeit des Ministers noch besonders darauf hin, daß die berechtigten Ansprüche Österreich-Ungarns durch eine Züchtigung Serbiens unter Garantieschaffung für dessen weiteres Wohlverhalten durch Annahme des Vermittelungsvorschlags voll gewahrt schienen und damit der von der Monarchie von Anfang an erklärte Zweck der ganzen Aktion gegen Serbien ohne Entfesselung des Weltkriegs erreicht werden würde. Unter diesen Umständen scheine mir eine völlige Ablehnung der Vermittelung ausgeschlossen. Der Waffenehre werde durch Besetzung serbischen Gebiets durch österreichisch-ungarische Truppen Genüge geleistet. Daß diese militärische Besetzung serbischen Gebiets unter ausdrücklicher Zu- stimmung Rußlands geschehen solle, bedeute unstreitig eine wertvolle Stärkung des österreichischen Einflusses gegenüber Rußland und am Balkan. Ich bat die beiden Herren, die unberechenbaren Konse- quenzen einer Ablehnung der Vermittelung sich vor Augen zu halten.

Als Graf Berchtold das Zimmer verlassen hatte, um sich zur Audienz beim Kaiser umzukleiden, habe ich dann noch Graf Forgäch allein sehr ernst ins Gewissen geredet, der auch seine Ansicht dahin äußerte, daß er ein Eingehen auf die Vermittelung für geboten halte. Allerdings scheine ihm eine Einschränkung der im Gange befindlichen militärischen Operationen kaiun möglich.

Heute nachmittag vor und nach dem Telephongespräch mit Herrn von Stumm habe ich Gelegenheit genommen, erneut mit Graf Forgäch und Graf Hoyos sehr ernst in unserem Sinne Rücksprache zu nehmen. Sie versicherten mir beide, daß mit Rücksicht auf die Stimmung in Armee und im Volke Einschränkung der militärischen Operationen ihrer Ansicht nach ausgeschlossen sei. Morgen früh werde Graf Tisza in Wien erscheinen, dessen Ansicht bei dieser weit- tragenden Entscheidung eingeholt werden müsse.

Conrad von Hötzendorf sollte heute abend dem Kaiser die

Order für allgemeine Mobilisierung als Antwort

* auf die russischerseits bereits getroffenen

Maßnalunen unterbreiten. Man war sich darüber nicht im klaren, ob bei jetziger Sachlage die Mobilisierung noch geboten wäre*.

Tschirschky

* Lücke in der Entzifferung; Vermerk des Chiffrierbüros dazu : »gekommen ist: , Baron von Berckheim allgemein'.« Nach den Akten der Wiener Bot- schaft fehlt zwischen >- Antwort« und »auf« kein Wort.

' Siehe auch Nr. 434, 437, 440, 441, 450, 464, 468 und 482.

i86

Nr. 466

Der Reichskanzler an den Kaiser^

Berlin, den 30. Juli 1914*

Erwarte Vorlage Ew. k. u. k. M. wage ich nachstehende Antwort

eines Antwort- an S. M. den König Konstantin auf das hier telegramms an alleruntertänigst wiederbeigefügte Telegramm vom

Königvon England ^y -^^Yi in tiefster Ehrfurcht vorzuschlagen: und einer eventl.Mit- theilung an S. M. »Von Herzen danke Ich Dir für Dein Mir durch

den Zaren, über Graf Bassewitz übermitteltes Telegramm, das Mich Englische u. außerordenthch beruhigt hat. Auch Ich halte eine Wiener Vorschläge Verständigung zwischen Griechenland und der die steh ja mit Xürkei nach wie vor für eine gute ^ PoHtik und meinen fast gan^ werde sie zu fördern auch weiterhin nach Kräften decken. , ..,.

ry bemuht sem.

Solange der Konflikt sich auf Österreich und Serbien beschränkt, wird selbstverständüch weder der Türkei noch Bulgarien ein Eingreifen gestattet werden. Kommt es zur allgemeinen europäischen Konflagration, so werden nicht nur diese, sondern alle Staaten des Balkans zu optieren haben. Ich betrachte es als selbstverständlich, daß schon das Andenken Deines von Mörderhand gefallenen Vaters Dich imd Griechenland abhalten wird, gegen Meine Person und den Dreibund für die serbischen Meuchel- mörder Partei zu ergreifen. Aber auch vom reinen

1 Nach dem Konzept. Entwurf von Rosenbergs mit Änderungen von anderer Hand. Ausfertigung mit den oben wiedergegebenen Rand- bemerkungen des Kaisers befindet sich jetzt bei den Akten. Auf der Ausfertigung oben der Randvermerk von des Kaisers Hand: »N. Pal. 31. VII 14 6.45 V.M. W.« Siehe Nr. 243 und 504.

^ Auf dem Konzept der Vermerk von der Hand des Reichskanzlers: »Noch heute Mundum. v. B. H. 30.« Ausfertigung wurde am 31. Juli vorm. durch Boten abgesandt.

* »eine gute« von anderer Hand aus dem zunächst von Rosenberg nieder- geschriebenen »die einzig richtige« geändert.

187

Nützlichkeitsstandpunkt des griechischen Interesses scheint Mir für Dein Land und Deine Dynastie der Platz an der Seite des Dreibundes der gegebene zu sein. Selbst Serbien, das auch durch eine griechi- sche Unterstützung vor seinem Schicksal nicht be- wahrt werden kann, wird einsehen, daß es force majeure ist, die Griechenlands Haltung bestimmt. Niemand hat Griechenlands bewunderungswürdigen Aufstieg unter Deiner Führung mit scheeleren Augen angesehen als Rußland. Nie wird sich für Griechen- land eine bessere Gelegenheit als jetzt, unter dem mächtigen Schirm des Dreibunds, bieten, um die Vormundschaft, die Rußland über den Balkan an- strebt, abzuschütteln*.

Solltest Du Dich wider Meine zuversichtliche Erwartung auf die gegnerische Seite legen, so wird Griechenland dem sofortigen Angriff Italiens, Bul- gariens und der Türkei ausgesetzt, und auch Unsere persönlichen Beziehungen würden darunter wohl für immer leiden müssen^.

Ich habe aufrichtig gesprochen und bitte Dich, Mir mit der gleichen rücksichtslosen Aufrichtigkeit Wilhelm Deine Entschheßung ohne Verzug mitzuteilen.«

Nach Lage der Dinge dürfte es sich empfehlen, den k. Geschäftsträger in Athen vorläufig nur zur mündhchen Verlesung, nicht zur schriftUchen Mit- teilung des Telegrammes zu ermächtigen.

V. Bethmann Hollweg

« Hier zunächst von Rosenberg im Entwurf niedergeschriebenes »und im serbischen Hinterland von Saloniki reichen Siegespreis zu finden. Eine gerechte Verteilung der serbischen Beute zwischen unseren Mitstreitern sicherzustellen, wird meine Sorge sein«, ist wieder getilgt worden.

6 »und auch leiden müssen« im Entwurf aus ursprünglich von

Rosenberg niedergeschriebenem »sondern auch zwischen Mir und Dir das Tischtuch für alle Zukunft zerschnitten sein« geändert.

i88

Nr. 467

Der Generalkonsul in Antwerpen an den Reichskanzler^

Antwerpen, den 30. Juli 1914 ^

Der österreichisch - serbische Konflikt scheint die belgische Handels- und Bankwelt vollständig überrascht zu haben. Die Be- sorgnisse über die wirtschaftlichen Konsequenzen für das Land wurden gesteigert durch Gerüchte über ein schroffes Vorgehen der Banque nationale de Belgique, die, wie verlautete, selbst die Dis- kontierung von Handelstratten ablehnen wolle. Nach den von mir eingezogenen Erkundigungen ist es richtig, daß Ziehungen vom Aus- lande (Banken, Großindustrien, Handelshäuser) auf belgische Banken bis auf weiteres von der Banque nationale nicht diskontiert werden, ebensowenig Ziehimgen von belgischen Banken und belgischen Privat- leuten auf belgische Banken, dagegen werden Ziehungen belgischer Handelshäuser und Industrien auf belgische Banken in unveränderter Weise diskontiert.

Abschrift erhält die k. Gesandtschaft in Brüssel.

V. Schnitzler

^ Nach der Ausfertigung.

^ Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 31. Juli vorm. Am 2. August dem Reichsschatzamt, Finanzministerium, der Reichsbank und der See- handlung mitgeteilt.

Nr. 468

Aufzeichnung des Dirigenten der politischen Abteilung im Auswärtigen Amt^

Beriin, den 31. Juli 1914*

Herr von Tschirschky telephoniert, daß Österreich die allgemeine Mobilisation angeordnet und in Petersburg erklärt hat, es handele sich lediglich um Gegenmaßregel gegen die russische Mobilisierung,

Soweit ich H. v. Tschirschky verstanden habe, wird die Antwort auf unseren Vorschlag voraussichtlich nicht unbedingt ablehnend lauten^.

^ Von Stumms Hand.

'''Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 31. Juli vorm. Reichskanzler, Jagow, Zimmermann nahmen am 31. Juli von der Aufzeichnung Kenntnis. 3 Siehe Nr. 395, 434, 437, 440, 441, 450, 464. 465 und 482.

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Nr. 469

Der Botschafter in London an das Auswärtige Ämt^

Telegramm 194 London, den 31. Juli 1914^

Wäre nicht Allerhöchstes Telegramm an Zaren gangbarer Weg, worin S. M. im Interesse europäischen Friedens Einstellung rus- sischer Rüstungen vorschlägt, falls Österreich Operationen gegen Serbien einstellt, und Aufnahme Vermittlung durch Ew. Exz. über Lösung serbischer Frage?

Hinsichtlich der von Sasonow dem Grafen Pourtales gestellten beiden Bedingungen^ könnte vielleicht gesagt werden, die erste sei durch die Tatsache erfüllt, daß Graf Berchtold bereit sei, mit ihm durch Ew. Exz. in Gedankenaustausch einzutreten, und bezüglich des Ultimatums sei er bereit, auch andere Garantie in Berücksichtigung zu ziehen und zu besprechen.

Lichnowskv

^ Nach der Entzifferung.

^ Aufgegeben in London 7^** vorm., angekommen im Auswärtigen Amt

10* vorm., Eingangsvermerk: 31. Juli nachm. ^ Siehe Nr. 421.

Nr. 470

Die Fürstin Pleß an den Kaiser^

Telegramm (Ohne Nummer) London, den 31. Juli 1914

His Majesty the Emperor, Neues Palais

Beigrade has fallen, Servia is punished, let Austria return now so that the peace of Europe is assured. Only your Majesty can influence this and hold Russia back, otherwise under such conditions I fear for Germany. God be with your Majesty now and always.

D a i s y

Übersetzung Belgrad ist gefallen, Serbien bestraft, veranlassen Sie jetzt Österreich einzulenken, damit der Friede Europa gesichert ist. Nur Ew. M. können dies bewirken und Rußland zurückhalten, sonst fürchte ich unter diesen Umständen für Deutschland. Gott sei mit Ew. M. jetzt und immerdar.

* Aufgegeben in London S'-** vorm., aufgenommen im Telegraphenamt des Neuen Palais 10" vorm., vom Kaiser am 31. Juli ins Auswärtige Amt gelangt. Eingangsvermerk: 31. Juli nachm.

[QO

Nr. 471

Nicht verwendeter Entwurf eines Telegramms des Kaisers an den König von Rumänien^

Dem erschütternden Attentat in Sarajevo haben sich Ereig- nisse angereiht, deren weiterer Entwicklung ich mit ernsten Befürch- tungen entgegensehe. In vorbildlicher Sorge um das Wohl seiner Völker hat unser ehrwürdiger Freund und Bundesgenosse Kaiser Franz Joseph von Serbien Sühne für den fürchterlichen Mord seines Neffen und Abkehr von der gegen Österreich-Ungarn gerichteten Mordpolitik geheischt. Wir durften Erfüllung dieser berechtigten Forderung durch Serbien sowie deren moralische Unterstützung durch die Monarchen Europas und alle Kulturnationen erwarten. Der Panslawismus glaubt indes die schützende Hand über Serbien halten zu sollen. Rußland tritt an die Seite Serbiens und macht dadurch die serbischen Bestrebungen auf Unterhöhlung der Existenz- bedingungen der österreichisch-ungarischen Monarchie zu den seinigen. Ich verschließe mich nicht der Einsicht, daß die von den Panslawisten gegen Österreich-Ungarn betriebene Agitation in ihrem Endziel mittels der Zertrümmerung der Donaumonarchie die Schwächung oder Sprengung des Dreibundes und in der Folgewir- kung die Isolierung meines Reiches erstrebt, um dann ungehindert ihre Herrschaft über den Südosten Europas aufrichten zu können. Bündnispflicht, Ehre und Selbsterhaltung weisen mich somit an die Seite Österreich-Ungarns. In dieser schicksalsschweren Stunde lenke ich meine Gedanken zu Dir, der Du an Europas Ostmark Deine segensreiche Regierungstätigkeit staatserhaltender Kulturarbeit und dem Bau des festen Außendamms gegen die steigende slawische Flut gewidmet hast. Ich weiß, daß Du als fürsorglicher Herr Deiner Lande und als Hohenzollernfürst in der* Stunde des Ernstes treu zum Freunde halten wirst.

1 Nichtdatierter, mit Schreibmaschine geschriebener, nicht paraphierter Entwurf mit Änderungen von Bergens Hand. Eingangsvermerk des Aus- wärtigen Amts : 30. Juli nachm. Abgegangen ist das Telegramm nicht mit dem Text dieses Entwurfs, sondern in der (Nr. 472) mitgeteilten Form.

ä Entwurf hatte ursprünglich: »Lande, als Hohenzollernfürst und Offizier auch in der.«

191

Nr. 472

Der Kaiser an den König von Rumänien^

Berlin, den 31. Juli 1914*

Nach der ruchlosen Tat von Sarajevo hat unser ehrwürdiger Freund und Bundesgenosse Kaiser Franz Joseph Sühne von Serbien gefordert. Rußland, das eine Hegemonie über den Balkan bean- sprucht, macht durch sein Eintreten für Serbien dessen Bestrebun- gen auf Untergrabung der österreichischen Monarchie zu den seinigen. Ich kann mich auch nicht der Erkenntnis verschließen, daß die panslawistischen Tendenzen mit der Zertrümmerung der Donau- monarchie die Sprengung des Dreibunds und die Isolierung und Schwächung Deutschlands bezwecken und die Herrschaft Rußlands über den ganzen Südosten Europas stabilieren wollen. Bündnis- treue, Ehre und Selbsterhaltung weisen mich an die Seite Österreichs. In dieser ernsten Stunde eilen meine Gedanken zu Dir, der Du an Europas Ostmark einen Kulturstaat geschaffen und damit einen Damm gegen die slawische Flut aufgerichtet hast. Ich vertraue, daß Du als König und Hohenzoller treu zu Deinen Freunden halten wirst und unbedingt Deinen Bündnispflichten nachkommst*.

Wilhelm

' Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand mit einem Zusatz von der Hand des Kaisers, dem der Reichskanzler am 30. Juli mit Immediat- bericht Jagows Entwurf zugehen ließ. Randvermerk des Kaisers auf der Ausfertigung des Immediatberichts: »31. VII. 14. j*^ W. M.W. Ein- verstanden.« Telegramm wurde am 31. Juli vom Kanzler telegraphisch der Gesandtschaft in Bukarest übermittelt mit dem Ersuchen, es un- verzüglich an den König gelangen zu lassen. 10»* zum HaupttelegraphenamL

2 »und unbedingt nachkommst« vom Kaiser beigefügt. SieheNr.471.

Nr. 473

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt ^

Telegramm 199 Petersburg, den 31. Juli 1914^

Allgemeine Mobilisierung Armee und Flotte befohlen. Erster Mobilmachungstag 31. Juli.

Pourtales

' Nach der Entzifferung.

2 Aufgegeben in Petersburg 10* vorm., angekommen im Auswärtigen Amt ii*° vorm.; Eingangsvermerk: 31. Juli nachm. Am 31. Juli dem Gene- ralstab, Kriegsministerium, Admiralstab und Reichsmarineamt mitgeteilt.

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Nr. 474

Der Kaiser an das Reichsmarineamt und den Admiralstab ^

Zur Orientierung für R. M. A. und Adm.-Stab.

Secretissime! 31/VII 14 12 h. Mittags

Nachdem mir gestern 30. VII. Chef Adm. Stabes Kennt- nis des Telegramms des Marineattaches aus London gegeben hatte, die Unterhaltung Sir E. Greys mit Fürst Lichnowsky betreffend, in welcher Deutschland zu verstehen gegeben wurde, daß nur das Ver- rathen seines Bundesgenossen durch Nichttheilnahme am Kriege gegen Rußland uns vor einem sofortigen Englischen Angriff bewahren könnte, traf bald darauf die Meldung des Botschafters über dieses Gespräch als Bestätigung ein, vom Ausw. Amt kommentarlos ein- gesandt*. Es war mir klar, daß hierdurch Sir E. Grey seinen eigenen König, der mir eben durch Prinz Heinrich eine klare Neutralitäts- erklärung offiziell hatte zugehen lassen* am 29. mündlich über- bracht — , mir gegenüber als unwahrhaft darstellte. Da ich nun der Überzeugung bin, daß die ganze Krisis nur allein durch England veranlaßt und nur allein durch England gelöst werden kann (durch Druck auf die verbündeten Russen und Gallier), so entschloß ich mich zu einem Telegramm privater Natur an den König, der anschei- nend sich seiner Rolle und Verantwortung in der Krisis in keiner Weise klar ist. Durch den Prinzen Heinrich ließ ich folgendes etwa telegraphieren^: Ich sei Sr. M. sehr zu Dank verpflichtet für seine Neutralitätserklärung, die mir der Prinz in seinem Auftrage über- brachte. Ich sei über die Lage sehr präoccupiert und in angestrengter Arbeit, sie zu lösen. Andauernder telegr. Meinungsaustausch zwi- schen Zaren und mir finde statt, da derselbe an mich appelliert habe, zwischen ihm und Wien zu vermitteln, was ich bereitwilligst über-

1 Nach der eigenhändigen Niederschrift des Kaisers.

"^ Am 31. Juli vom Chef des Marinekabinetts urschriftlich unter Rücker- bittung zunächst an den Staatssekretär des Reichsmarineamts gesandt, der die Kenntnisnahme 2^^ (nachm.) bestätigt, von dort direkt an den Chef des Admiralstabs weitergegeben, der 2^ (nachm.) Kenntnis nahm. Müller ließ das Schreiben dann urschriftlich auch dem Chef des Generalstabs zugehen, der die Kenntnisnahme 8^ nachm. bescheinigt und es an den Kriegsminister weiterleitet, welch letzterer 8'° nachm. Kenntnis nahm. Das Schreiben gelangte erst Januar 1919 zum Auswärtigen Amt. Der Kaiser verfügte durch Zusatzbemerkung über dem Schreiben noch: ^Abschrift an Chef des Generalstabs und Kriegsminister.«

3 Siehe Nr. 368.

* Siehe Nr. 374.

^ Siehe Nr. 417.

193

nommen habe. Leider habe mir erst am 29*<'° der Zar mitgeteilt, daß er mobil gemacht habe, wobei aus dem Datum hervorgehe, daß er 3 Tage vor dem Appell an mich die Mobilmachung befohlen hatte, ohne mich davon zu informieren*. Ich hätte den Zaren darauf auf- merksam gemacht, daß durch diese unerwartete Maßregel er meine Stellung als Vermittler illusorisch mache', Österreich veranlasse, das als Drohung aufzufassen, und somit eine ungeheure Verantwortung auf seine Schultern nehme für einen Weltenbrand. Ich sei der An- sicht, daß nunmehr die einzige Möglichkeit, einen Weltenbrand zu hindern, den England auch nicht wünschen könne, in London läge, nicht in Berlin. Anstatt Vorschläge für Conferenzen pp. zu machen, möge S. M. der König klipp und klar Russen und Galliern gleichzeitig anbefehlen lassen es seien ja seine Alliierte um- gehend ihre Mobilmachungen einzustellen, neutral zu bleiben und die Vorschläge Österreichs abzuwarten, die ich so- fort weitergeben werde, sobald sie mir mitgeteilt seien. Die volle Verantwortung für den entsetzlichsten Weltbrand, der je getobt habe, falle unbedingt auf seine Schultern, und er werde von Welt und Geschichte dafür mal verurteilt werden. Ich könne nichts direkt mehr machen; es sei an ihm, nunmehr einzu- greifen und die Ehrlichkeit englischer Friedensliebe zu beweisen. Mei- ner loyalen und regsten Unterstützung könne er versichert sein. An- liegendes Telegramm des Königs ist die Antwort*. Seine Vorschläge decken sich mit meinen, die ich dem Wiener Kabinett, das uns seit 6 Tagen ohne Antwort läßt, suggeriert habe®, und die gleichfalls gestern abend als solche von Wien uns telegraphiert wurden. Ich habe sie nach London weitergegeben" und des Königs Antwort an Wien^^. Zwischen Wien und Peterhof sind diplomatische Besprechun- gen endlich begonnen worden, auch hat Peterhof auch London um Vermittlung angefleht. In Petersburg nach heutiger Meldung des Bot- schafters^^ absolut gar keine Kriegsbegeisterung, im Gegenteil ge- drückte Stimmung, da gestern abend wieder heftige Straßenkämpfe zwischen Revolutionären und Truppen und Katerstimmung bei Hof und Militär, da sie wieder zur Besinnung kommend einen Schreck bekommen über das, was sie mit ihrer vorzeitigen Mobilmachung angerichtet und noch anrichten könnten.

Wilhelm LR.

* Gemeint ist das Telegramm vom 30. Juli Nr. 390. ■^ Siehe Nr. 420. •* Siehe Nr. 452.

' Siehe Nr. 323, ferner Nr. 395 und die dort angeführten Nummern. »0 Siehe Nr. 477. " Siehe Nr. 464.

" Siehe Nr. 339; Meldung ist vom 27. Juli, traf am 29. ein und wurde am 30. an den Kaiser gesandt.

Aktenstücken. 14

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Nr. 475

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Geschäfts- träger in Bukarest*

Telegramm 55 Berlin, den 31. Juli 1914*

Bitte drahten, ob Nachricht zutreffend, daß allgemeine Stim- mung dort immer mehr österreichfeindlich wird.

J ago w

* Nach dem Konzept. Entwurf von Bergens Hand.

* 12^^ nachm. zum Haupttelegraphenamt.

Nr. 476

Der Geschäftsträger in Cetinje an das Auswärtige Amt'

Telegramm 22 - Cattaro, den 30. Juli 1914'

Minister der Auswärtigen Angelegenheiten, den ich sofort nach Empfang Ew. Exz. Telegramms' aufgesucht habe, erklärt mir, die

1 Nach der Entzifferung.

ä Aufgegeben in Cattaro 30. Juli lo^*^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 31. Juli i2^'> nachm.; Eingangsvermerk: 31. Juli nachm. Am 31. Juli von Jagow, nach Vornahme kleiner Änderungen und unter Fortlassung des Schlußsatzes mit Telegramm 210 dem Botschafter in Wien mitgeteilt, 8* nachm. zum Haupttelegraphenamt. Desgleichen am 31. Juli auf An- ordnung Jagows, nach Vornahme kleiner Änderungen und unter Fort- lassung des letzten Satzes dem Generalstab, Kriegsministerium, Admiral- stab und Reichsmarineamt mitgeteilt, abgesandt durch Boten 8" nachm. Auszugsweise am 31. Juli von Bergen auch dem Legationssekretär der österreichisch-ungarischen Botschaft Grafen Khuen mitgeteilt.

' Siehe Nr. 322.

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allgemeine Mobilisierung trage nur den Charakter einer

Präventivmaßregel. Montenegro habe nicht die Absicht, Österreich anzugreifen, habe jedoch mobilisieren müssen, da es jeden Augen- blick auf einen Angriff der Österreicher gefaßt sein müsse. Auf meine Erwiderung, daß ich nicht den Grund sehe, warum Öster- reich Montenegro angreifen solle, erwiderte der Minister, das offizielle Österreich und Graf Berchtold führten vielleicht nichts gegen sein Land im Schilde. Die Vorgänge in Cattaro hätten jedoch gezeigt, daß in der Monarchie augenblicklich das Militär allein tonangebend sei, und von diesen Herren könne man jeden Tag einen Überfall erwarten. Auf die Versprechungen Österreichs gebe er nichts; diese seien ihnen seit 35 [Jahren] gemacht, jedoch nie ge- halten worden. Daß Österreich mit nötigen Versprechungen im gegen- wärtigen Moment besonders freigebig sei, sei kein Wunder. Es müsse der Monarchie unter den gegebenen Umständen besonders un- angenehm sein, auch mit Montenegro in einen Krieg verwickelt zu werden, denn bei einem Kampfe Österreichs gegen zwei slawische Völker könne Rußland nicht ruhig zusehen. Übrigens habe er gehört, daß Rußland bereits in Galizien eingerückt sei, und daß die slawischen Regimenter sich weigerten zu marschieren. Ich habe den Minister gewarnt, solch unbestätigter Meldung zu großen Glauben zu schenken und sich persönlich . .* zu einem unüberlegten Schritte hin- reißen zu lassen.

Der Minister erklärte weiter, keinenfalls könnte Montenegro ruhig mitansehen, daß Serbien zerstückelt würde. Auf allen Seiten von Österreich umgeben, sei Montenegro dem Untergang geweiht. Ich erwiderte, ich glaubte nicht, daß Österreich diese Absicht habe und habe dem Minister vorgehalten, daß unter den gegebenen Umständen ein Krieg mit der Monarchie aussichtslos sei. Darauf erklärte der Minister nochmals, daß Montenegro vorläufig keinen Angriff auf

Österreich beabsichtige, einen Überfall ^ aber bis aufs

äußerste abwehren würde.

erklärt zu sehr in Anspruch genommen zu sein, um

Diplomaten zu empfangen, soll sich jedoch vor einigen Tagen in gleichem Sinne geäußert haben.

Zech

* Zifferngruppe unverständlich. ' Wie Anm. 4.

* Zifferngruppe fehlt.

196

Nr. 477

Der Kaiser an den König von England*

Telegramm (ohne Nummer) Neues Palais, den 31. Juli 1914*

H. M. the King, Buckingham Palace, London

Many thanks for kind telegram*. Your proposals coincide wiüi my ideas and with the Statements I got this night from Vienna which I have had forwarded to London. I just receiv^ed news from chancellor that official notification has just reached him that this night Nicky has ordered the mobilization of his whole army and fleet. He has not even awaited the results of the mediation I am working at and left me without any news. I am off for Berlin to take measures for ensuring safety of my eastern frontiers where streng Russian troops are already posted.

Willy

Übersetzung

Vielen Dank für freundliches Telegramm. Deine VorschUige decken sich mit meinen Gedanken und mit den Nachrichten, die ich heute nacht aus Wien erhielt und die ich nach London habe weitergeben lassen. Gerade erhielt ich Nachricht vom Kanzler, es sei ihm soeben die offizielle Meldung zugegangen, daß Nicky heute nacht die Mobilmachung seiner ganzen Armee und Flotte angeordnet hat. Er hat nicht einmal die Ergebnisse der Ver- m ttlung abgewartet, an der ich arbeite, und mich ohne jede Nachricht gelassen. Ich fahre nach Berlin, um Maßnahmen für die Sicherheit meiner östlichen Grenzen zu treffen, wo schon starke russische Truppen Aufstellung genommen haben.

Nach der Niederschrift des Berliner Haupttelegraphenamts (siehe unter Anm. 2). Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 1915, S. 45. Das Telegramm wurde 12** nachm. vom Telegraphenamt im Neuen Palais aus an den König von England abgesandt. Auf Befehl des Kaisers wurde es vom Neuen Palais dem Reichskanzler und dem Auswärtigen Amt zur Kenntnis telegraphisch mitgeteilt (Telegramme aufgenommen im Berliner Haupttelegraphenamt i'' nachm., Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 31. Juli nachm.). Auf daraufhin erfolgte Rückfrage des Auswärtigen Amts teilte das Telegraphenamt im Neuen Palais dem Auswärtigen Amt den Hergang (wie oben angegeben) mit Siehe Nr. 452.

197

Nr. 478

Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt^

Telegramm 198 Petersburg, den 30. Juli 19 14*

Militärattache meldet auch für Generalstab:

Aus zuverlässiger Quelle verlautet, daß entgegen vielfachen Ge- rüchten bisher keine Truppen aus Militärbezirk Petersburg abbe- fördert sind.

I, Armeekorps soll 29. nachmittags Mobilmachungsbefehl erhalten haben, der eine Stunde später aufgehoben wurde. Von bulgarischen Offizieren, die in einem Regiment der 37. Division* stehen, verlautet, daß diese Division heute nachmittag Mobil- machungsbefehl erhalten habe. Nachricht wird morgen zuverlässig nachgeprüft. Es verlautet, Garde würde eintretendenfalls an VVest- grenze verwendet. Statt dessen nach Petersburg Orenburger Kosaken.

Alle bisher eingelaufenen Nachrichten über Verschiebung immobiler Truppen gegen Grenze erwecken Eindruck, daß vorzeitig nervöse Grenzschutzmaßregeln befohlen wurden, wodurch der Gang der Mobilmachung beeinflußt werden dürfte.

In Ergänzung der Meldung über Rückbeförderung von Mu- nition und Material aus Warschau verlautet aus verläßlicher Quelle, daß wegen Nichtvollendung neuer Arbeiten in Nowogeorgiewsk Räumung dieser Festung beschlossen und bereits begonnen worden sein soll.

Flotte soll bis 29. bei Sweaborg stehen und Mobilmachungs- befehl 30. um 2 Uhr morgens erhalten haben. Flotte Reval und Kronstadt offenbar in nervöser Streitbereitschaft. Damit Befehl zu erklären, auf jedes in russischen Gewässern erscheinende deutsche Kriegsschiff sofort Feuer zu eröffnen.

Pourtales

* Nach der Entziflerung.

^ Datiert vom 30. Juli, autgegeben in Petersburg 31. Juli 9*" vorm., an- gekommen im Auswärtigen Amt 31. Juli i'* nachm.; Eingangsvermerk: 31. Juli nachm. Am 31. Juli dem Generalstab, Kriegsminisierium, Admi- ralstab und Reichsmarineamt mitgeteilt.

' Die Stiibe des I.Armeekorps und der zum 18. Armeekorps gehörenden 37. Division standen in Petersburg.

1

igS

Nr. 479

Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien ^

Telegramm 204 Berlin, den 31. Juli 19 14'

Nach der russischen Gesamtmobilmachung haben wir drohende Kriegsgefahr verfügt, derselben wird voraussichtlich binnen 48 Stun- den Mobilmachung folgen. Diese bedeutet unvermeidlich Krieg. Wir erwarten von Österreich sofortige tätige Teilnahme am Krieg gegen Rußland.

Bethmann Hollweg

' Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand.

■^ i*^ nachm. zum Haupttelegraplienamt, auf der Botschaft in Wien 4* nachni angekommen. .

8624. 21 Ux 3.

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