HARVARD UNIVERSITY LIBRARY MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY u ;JL' ie eocänen Selachier vom Monte Bolca, Ein Beitrag zur Morphogenie der Wirbelthiere. Von JAN 4 1894 Dr. Otto Ja ekel, Privatdocent an bezeichnete, zurückzuführen seien. Was wenigstens die Selachier anbelangt, so ist man wohl gegenwärtig trotz mancher Einwände allgemein von jener Auffassung abgekommen, da für dieselbe weder aus der Morpho- logie noch aus der Ontogenie der Selachier Beweise, oder auch nur Wahr- scheinlichkeitsgründe erbracht werden konnten. Wenn jene Auffassung noch neuerdings von palaeontologischer Seite durch die genauere Kenntnis des Skeletbaues der Pleuracanthiden eine Stütze zu finden schien, so sind doch jene nicht unzweideutigen Thatsachen in neuester Zeit dadurch entwerthet worden, dass man bei dem älteren Cladodus keine Spur jenes ,Archipterygiums' gefunden hat*). Es erscheint im Hinblick auf die bisher bekannten Thatsachen vielmehr wahrscheinlich, dass der biseriale Flossenbau überhaupt nur eine in den einzelnen Fällen von einander un- abhängige Erwerbung uferbewohnender Knorpelfische ist**). Wenn ferner *) J. S. Xewberrv: The paleozoic fishes of North America: Monograph of the United States geological Survey. Vol. XVI. Washington 1889. pag\ 104. **) Jaekei.: Ueber Cladodus und seine Bedeutung für die Phylogenie der Extremitäten. Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. 1892. pag. 80. •■7 — 4 — (teofn-bat-r*) darin einen Uebergang zwischen Selachiern und Teleostomen erblicken wollte, dass bei ersteren gelegentlich wie bei Letzteren Flossen- strahlen unmittelbar am Schultergürtel artikulieren, so lüsst sich in diesem Falle unwiderleglich zeigen, dass es sieh nur um sehr entfernte Analogieen handeln kann. Denn diejenigen Selachier, welche jene Erscheinung aufweisen, gehören zu den jüngsten Vertretern dieses Stammes, und es Lässl sich Sehritt für Schritt nachweisen, dass jene Ausbildungsform der Brustflosse das Resultat eines selbstständigen Entwicklungsganges ist. dessen erste spuren nicht über den oberen .Iura hinaus zurück zu verfolgen sind. Von einer phyletischen Brücke zu den Teleostiern kann also bei jener Analogie nicht gesprochen werden, denn es liegt auf der Hand. dass. wenn überhaupt eine entwicklungs- geschichtliche Verbindung zwischen zwei Abtheilungen besteht, dieselbe nur bei den ältesten und ursprünglichsten Vertretern beider Abtheilungen, nicht aber bei deren jüngsten und am weitesten divergierten Endgliedern zu suchen ist. Das Hecken sowohl, wie das Beckenflossenskelet der Selachier wurden zu Vergleichen mit den übrigen Wirbelthieren herangezogen. Was man als Becken bei Selachiern bezeichnet, hat aber, wie Wiedebsheim zunächst be- hauptete, bei den Knorpel- und Knochenganoiden kein Homologon, nur bei Polypterw glaubte der genannte Anatom einige minimale unregelmässige Knorpel, welche unverkalkt vor der Symphyse der beiden Flossen- träger liegen, als Becken ansprechen zu dürfen. Neuerdings hat sich diese Auffassung bei ihm befestigt, doch sagt er hinsichtlich der betreffenden Knorpelstücke selbst**): „Im Ganzen habe ich elf Exemplare untersucht. Bei sielten derselben fand ich zwischen den vorderen Knorpelapophysen der zwei Basalia einen paarigen Knorpel; bei dreien war er unpaar, hei einem fehlte er ganz. In jenem Fall, wo es sich um einen unpaaren Knorpel handelte, war die Apophyse der anderen Seite lang ausgezogen und an ihrer Aussenseite mehr oder weniger tief eingeschnürt, als sollte es hier zur Abgliederung kommen.'- Wenn hier ein Becken erst sekundär durch Abschnürung zu Stande kommen soll, dann meine ich, könne ihm doch eine primäre phylogenetische Bedeutung kaum zukommen. Auch die indi- viduelle Variabilität der in Rede stehenden Gebilde scheint mir nicht dafür zu sprechen, dass es sich hier um ein uraltes wichtiges Erbstück handeln soll. Es scheint mir beiläufig bemerkt, dass schwimmende Wirbolthiere ein wohl entwickeltes Becken überhaupt nicht benüthigen, und dass es aus diesem Grunde bei den Teleostomen bald verschwunden ist. während die primitiven *) Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Heft 2. Die Brustflosse der Fische. Leipzig 1865. pag. 144. **) Das Gliedmaassenskelet der Wirbelthiere. Jena I89'J. pag. 76. Selachier sich dasselbe noch bewahrt haben. Hei einigen jungen Typen, bei denen die Beckentlossen zur Bewegung auf dem Boden dienen, gelang! es sogar in analoger Weise wie bei den Dipnoern wieder zu höherer Bedeutung, und bei allen Elasmobranchiern mag sein Vorhandensein jedenfalls mit beding! sein durch die denselben ausschliesslich eigenen Pterygopodien der Männchen. Hinsichtlich der Wirbelsäule der Elasmobranchior gehen die Ansichten der Forscher sehr weit auseinander. Auch hier isr die Tendenz unverkenn- bar, in den Einzelheiten des Baues möglichst Homologieen mit den höheren Wirbelthieren zu finden. Während zahlreiche Forscher noch auf diesem Standpunkte stehen, ohne sich über die prinzipiellen Fragen einigen zu können, hat neulich II. Klaatsch wenigstens die aus diesem Standpunkt sich ergebenden Schwierigkeiten klar hervorgehoben. Er sagt*) betreffs der Beurtheilung des Axenskelets der niederen Wirbelfhiere: „Die grösste Schwierigkeit setzen die Selachier einer einheitlichen Beurtheilung entgegen", und fährt, nachdem er die Chordascheidenbildung der Cyclostomen, Knorpelganoiden, Knochen- ganoiden und Teleostier besprochen hat, betreffs der Selachier fort: „Während die bisher betrachteten Formen ohne Schwierigkeit auf einen gemeinsamen Urtypus der Chordascheide und der Elastica sich beziehen lassen, gelten die Selachier noch heute zu derartigen Meimmgsdifferenzen über die betreffenden Punkte Anlass, dass ihre Rückführung auf die anderen Fische keineswegs ohne Weiteres möglich erscheint.'' Wenn auch nicht deutlich ausgesprochen, liest man das Gleiche auch aus den diesbezüglichen, unter sich vielfach sich widersprechenden Unter- suchungen von Gegenbair, Schneides, Rabl und Hasse heraus. Während die Schüdclkapsel der Selachier immer ihre charakteristischen Eigenheiten und namentlich ihre Einheitlichkeit gewahrt hat, erlangt das Ende der Wirbelsäule vielfach eine Ausbildung, welche der der älteren Teleostqmen ähnlich ist und in beiden Fällen als Heterocerkie bezeichnet wird. Von einer primären Homologie ist aber auch in dieser Hinsicht keine Rede; die gelegentlich hervortretende Analogie ist veranlasst durch die gleichen Lebensbedingungen und ermöglicht durch den ursprünglichen Bau- plan des Wirbelthierkörpers. Wenn aber auch zunächst die Organisation der Selachier mit der der höheren Wirbelthiere nur objektiv verglichen und das gegenseitige Verhält- nis in der Höhe der Entwicklung zu einander festgestellt wurde, so machte sich doch in der Regel bei diesen Vergleichen mehr und mehr das Bestreben geltend, die Organisationsverhältnisse der höheren Wirbelthiere unmittelbar von denen der Selachier abzuleiten, indem man überall Homologieen erblicken *) Morphologisches Jahrbuch. Bd. XIX. Leipzig 1892. zu müssen glaubte, wo vielfach nur äussere Aehnlichkeiten oder offenbare Bomoplasieen vorlagen. Es haben hier die Anschauungen einen ähnlichen Entwicklungsweg genommen wie bei dem Studium der Echinodermen, wo kürzlich Semos in treffender Weise die ünzulässigkeit derartiger Vorurtheile kennzeichnete. Die Organisation der Selachier und der höheren Wirbelthiere erschien auch wesentlich deshalb einander so ähnlich, weil die oft auf ganz ver- schiedenen Wegen entstandenen Gebilde beiderseits mit denselben Namen belegt worden sind. Dadurch wird vielfach die Vorstellung von echten Homologieen erweckt, wo verschiedene Bezeichnungen die verschieden ent- standenen Gebilde ohne Weiteres als solche kennzeichnen würden. Man ist aber naturgemäss nicht berechtigt, ein beliebiges Stadium aus der Entwick- lung eines Organes herauszugreifen, sondern mnss es genetisch verfolgen, um sich über seine ursprüngliche Anlage und den Differenzierungsgang eine klare Vorstellung machen zu können und Konvergenzerscheinungen als solche zu erkennen. Die äussere Ähnlichkeit zweier Formen oder Organe, besonders in verschiedenen Entwicklungsstadien, lässt sich jedenfalls nicht direkt phylogenetisch verwerthen. Hierin aber macht, wie ich meine, die ver- gleichende Anatomie vielfach einen unberechtigten Sprung, indem sie, ohne die Entwicklung historisch zu verfolgen, allein auf Grund morphologischer Ver- gleiche die Aneinanderreihung verschieden hoher Differenzierungsformen in Phylogenie umsetzt. Die eigenartige Bedeutung, welche die Selachier durch die vergleichende Anatomie und speciell durch die Arbeiten Gegenbaub's gewonnen haben, stempelt dieselben zu den heute noch lebenden Almen der höchsten Wirbel- thiere; die Beurtheilung, die viele ihrer Organe gefunden haben, basieren auf der Vorstellung, dass ein unmittelbarer phyletischer Zusammenhang zwischen ihnen und den höheren Wirbelthieren bestehe. So unzweifelhaft es ist, dass die Selachier ihrem ganzen Bau nach echte Wirbelthiere sind, so sicher ist es, dass dieselben heute noch in vielen Punkten so einfach und ursprünglich organisiert sind, wie wir es bei anderen Wirbelthieren kaum finden.*) Dass wir darum aber die bei Selachiern beob- achteten Organisationsverhältnisse immer zum Ausgangspunkt dm' Differen- zierungen höherer Wirbelthiere nehmen und beide im Einzelnen stets nach *) Von Amphioxus und von den Petromyzonten, welche wahrscheinlich einen rück- gebildeten Typus darstellen, sehe ich im Folgenden schon deshalb ab, weil wir über die . Minen dieser Thiere nie etwas zuverlässiges erfahren werden. einem gemeinsamen Schema beurtheilen, scheint mir nicht berechtigt; wenigstens sprechen zum Mindesten dagegen die Verhältnisse, welche wir an den fossilen Almen der Selachier und der höheren Wirbelthiere fchatsächlich beobachten können. Wenn man von einigen der ältesten, aber bereits im Palaeozoicum aus gestorbenen Wirbelthiertypen absieht, so finden wir unter den ältesten Ver- tretern dieser Khisse die mit einem starken Exoskelet versehenen Ganoiden. Mit diesen früher in eine Ordnung gestellt und ihnen jedenfalls nahe ver- wandt erscheinen die Dipnoer. Andererseits zweigen sich als stets echte Wasserthiere die Teleostier ab, die unter allmählicher Aufgabe des kräftigen Exoskelets ein festes Entoskelet erwerben. Wenn man auch die Abstammung der höheren Wirbelthiere, der Amphibien, Reptilien und Säugethiere, noch nicht mit unumstosslieher Sicherheit nachweisen kann, so hat sich doch jeden- falls so viel als sicher ergeben, dass die Organisation in allen drei Ab- teilungen im Allgemeinen immer einfacher wird, je weiter man in den For- mationen zurückgeht und zwar derart, dass sie sich untereinander und den oben genannten älteren Ganoiden und Dipnoern nähern. Von einer direkten Annäherung an Selachier und Chimaeriden lässt sich wenig oder nichts finden. Die Selachier und Chimaeriden, denen Verfasser als eine sie verbindende Gruppe die ausgestorbenen Trachyacanthiden zugesellte'*), werden meist als Elasmobranchii oder Chondropterygii zusammengefasst. Da dieselben aus- schliesslich Wasserthiere sind, so haben sie wie alle dem Wasserleben ange- passten Wirbelthiere einen fischförmigen Körper. Mit dem Wasserleben im Zusammenhang stehen einige Eigenthümlichkciten, welche ausser ihnen nur noch Fische besitzen, während dieselben bei Landthieren verloren gingen und auch bei späterer Rückanpassung an das Wasserleben von diesen nicht wiedergewonnen wurden. Dieselben sind primäre Eigentümlichkeiten des ganzen Wirbelthierstammes. Durch eine Reihe von absolut durchgreifenden Merkmalen entfernen sie sich aber nicht nur von allen höheren Wirbelthieren, sondern auch von den übrigen Fischen. Ihre verkalkten Hartgebilde besitzen niemals Knochenkörperchen; ihr Exoskelet besteht nur aus Dentinbildungen, ihr Innenskelet nicht aus Knochen, sondern Knorpel; letzterer verkalkt durch eine Inkrustation, welche sich bei keinen anderen Thieren wiederfindet. Ihr Gebiss zeigt ganz eigenartige Ver- hältnisse. Ihre hinteren paarigen Flossen tragen bei den Männchen ausnahms- los je ein nach hinten gerichtetes Pterygopodium, wie es keiu anderes Wirbel- fchier besitzt. *) Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. 1890. pag. 130. Ebenda 1891. pag. 115. - 8 — Der ausschliessliche Besitz der genannten .Merkmale dürfte vielleicht Manchem wenig bedeutungsvoll erscheinen, da man gewöhnt ist, viel zahl- reichere Merkmale in den Diagnosen lebender Thiergruppen, Gattungen, Familien u. s. w. zu finden. Es giebt freilich in der Gegenwart zahlreiche Thiertypen, die jetzt so isolirt dastehen, dass es nicht schwer ist, sie durch eine Reihe von Merkmalen zu diagnostizieren, die nur ihnen allein zukommen. Thierabtheilungen hingegen, die in der Gegenwart einen grossen Formen- reichthum umfassen, sind in der Regel sehen sein- schwer scharf zu definieren. Ich erinnere au den Begriff „Säugethier", dessen Definition mit der zu- nehmenden Kenntnis der lebenden Formen nacheinander die früher ihnen allein zuerkannten Merkmale oingebüsst hat. Fs wird aber in den meisten Fällen unmöglich, eine präcise Definition einer systematischen Kategorie zu geben, wenn man die fossilen Formen in die Systematik mit einbegreift. Ich nehme hier ein drastisches Beispiel von unseren Sclachiern. Die Familien der Myliobatiden und Trygoniden sind in ihren Lebenden Vertretern leicht zu unterscheiden, indem bei den Trygoniden die Brustflossen die vordere Rumpfscheibe ganz umziehen, während sich die- selben bei den Myliobatiden in vordere sogenannte Kopffiossen und seitliche flügelartige Brustflossen gliedern. Da aber ein Myliobatide aus dem älteren Tertiär (vergl. Tat' VI) noch ungetheilte Brustflossen wie ein Trygonide be- sitzt, so bekommt obiges Merkmal erst im jüngeren Tertiär Geltung; auch die übrigen Unterschiede zwischen beiden Familien verwischen sich je weiter man zurückgeht, so dass mau sagen kann, dass die Trennung der beiden Familien überhaupt erst seit der oberen Kreide beginnt und schon für tertiäre Formen nicht mehr durchführbar ist. In ähnlicher Weise macht in den meisten Fällen die Hinzuziehung des fossilen Materials es unmöglich, für eine Abtheilung des Thierreiches auch nur ein einziges, absolut durchgreifendes Merkmal ausfindig zu machen. Vom Standpunkt der Entwicklungslehre müssen wir ja überhaupt voraussetzen, dass alle phyletisch- systematischen Dirt'erenzicrangsrichtungen rückwärts in einen Punkt zusammenlaufen, alle Merkmale also nur eine zeitlich be- schränkte Bedeutung haben. Je grösser der Zeitraum ist, innerhalb dessen dies geschieht, je länger also eine Abtheilung selbstständig' ist, um so grosser wird im Allgemeinen ihre systematische Selbstständigkeit und Bedeutung sein. Unter diesen Gesichtspunkten müssen die oben für die Knorpelfische angegebenen Merkmale, schon deshalb weil sie absolut durchgreifend sind und bis zu den ältesten Vertretern der Abtheilung zurück Geltung haben, eine ganz besonders hohe Bedeutung beanspruchen. Die systematische und stammesgeschichtliche Beurtheilung eines Thier- körpers hängt aber weiter davon ab, welchen Werth wir subjektiv seinen — 9 — einzelnen Eigenschaften beimessen, welche von diesen wir zu systematisch wichtigen Merkmalen stempeln. Die Entscheidung hierüber hängt gewöhn- lich von dem besonderen Gesichtsfeld des betreffenden Forschers und von den jeweilig herrschenden Anschauungen in einer Wissenschaft ab. Danach fällt die Entscheidung auf diesem Arbeitsgebiet nach diesem auf jenem nach anderen Gesichtspunkten, heute so und morgen so. Wenn wir aber auch liier der subjektiven Auffassung den weitesten Spielraum lassen, müssen wir uns doch im Hinblick auf die zahllosen Änderungen im System über die Be- deutung dieser Fragen klar sein. Bei stammesgeschichtlichen Studien tritt die Notwendigkeit einer Stellungnahme zu diesen Fragen unabweislich an jeden Forscher heran, der bestrebt ist, die verwandtschaftlichen Beziehungen der ( Organismen zu einander objektiv zu ermitteln. Gerade hier ist ein Kriterium für die Beurtheilung der verschiedenen Eigenschaften doppelt werthvoll, weil wir besonders bei phylogenetisch isolierten Formen sonst schwer den phyletischen Werth der einzelnen Merkmale gegen einander abwägen können. Darauf kommt es aber naturgemäss bei Aufstellung einer Stammes- geschichte an, dass wir denjenigen Eigenschaften eine entscheidende Be- deutung zumessen, welche durch Generationen hindurch möglichst constant bleiben und deshalb die wahre Zugehörigkeit einer Form zu diesem oder jenem Stammtypus verrathen. Es liegt auf der Hand, dass die verschiedenen Theile bezw. Organe des Körpers in verschiedenem Maasse zu Abänderungen neigen müssen, je nach- dem sie an der Wechselwirkung zwischen dem Organismus und seiner Um- gebung Antheil nehmen und von deren Änderungen betroffen werden. Organe, wie die der Ernährung und der von dieser unmittelbar veranlassten Loko- motion und Sinnes Wahrnehmung, werden daher stets von dem Wechsel der Lebensbedingungen in erster Linie beeinhusst und infolge dessen im Allge- meinen in der phyletischen Entwicklung der Formen wenig konstant sein. Andererseits haben diejenigen Theile des Organismus, welche weder mit der äusseren Umgebung in unmittelbare Beziehung treten, noch von dem Willen iles betreffenden Individuums beeinflusst werden können, augenscheinlich keine Veranlassung zu schnellen Veränderungen. Was aber soll diesen letzteren (iesichtspunkten in höherem Maasse unterstellt sein, als die histo- logische Struktur solcher Theile, und welche unter diesen sollen weniger veränderlich sein als die Gewebsformen verkalkter Hartgebilde, welche für die ganze Lebensdauer feste Gestalt haben? Wenn wir nun sehen, dass in diesen Merkmalen die Selachier, so weit wir ihren Stammbaum zurück- verfolgen können, stets eine unerschütterliche Konstanz aufweisen, und die Hartgebilde stets in ihrem innersten Wesen verschieden waren von denen der knochentragenden Wirbelthiere, so werden wir jenen Unterschieden im — 10 - histologischen Bau die einschneidenste Bedeutung für die phyletisch-syste- matische Auffassung der Selachier nichl absprechen dürfen.*) Wie ich schon an anderer Stelle hervorhob, glaube ich auf Grund und in Konsequenz obiger Ausführungen, dass wir nich! berechtig! sind, die Knorpel- fische, E31asmobranchii,Chondropterygii,Placoidei,oder wie man sie sonst nennen mag, mir den Ganoiden, Teleostiern und anderen Fischen in eine Abtheilung, die Classe der Fische, zu stellen. Der Begriff Fisch bedeutet nichts anderes als eine äussere Körperform, die durch das Wasserleben bei einem niedrig organisirten Wirbelthiere bedingt ist, und zu welcher wenigstens zum Theil auch die bereits höher entwickelten Wirbelthiere wie die [chthyosauren und die Cetaceen wieder zurückkehren, wenn sie entgegen ihren landbewohnenden Vorfahren ihren Aufenthalt wieder dauernd in das Wasser zurückverlegen. Mit demselben Recht, mit dem man den Walfisch von den Fischen und die Blindwühler von den Schlangen getrennt hat, muss man die Selachier von ihren äusserlieh ähnlichen Lebensgenossen, den Ganoiden und Teleostiern, trennen. Ja mit noch mehr Recht, denn, wie wir sahen, stehen allem An- schein nach auch die ältesten bisher bekannten Knorpelfische in den syste- matisch wichtigsten Organisationsverhältnissen den übrigen gegenüber schon ebenso selbstständig da, wie die heut lebenden Formen. Dass auch die Knorpelfische in allert'rühester Zeit mit den anderen älteren Wirbelthieren in einen Stamm zusammenlaufen, oder besser gesagt mit ihnen eine monophyletische Abstammung haben, soll natürlich nicht bestritten werden, aber da die oben angegebenen Merkmale für alle uns bekannten Formen von Anfang an Geltung haben, so müssen wir ihnen auch im Stamm der Wirbelthiere eine möglichst selbstständige Stellung zuerkennen. Dieses thun wir, indem wir dem unter sich phyletiscli verbundenen Unter- stamm der Teleostomen, Dipnoi, Amphibia, Reptilia, Aves und Mammalia als Ossei die Placoidei oder Elasmobranchii alsAnossei gegenüberstelle n.**) ■i Auch hinsichtlich der H i>i olo.nie. namentlich der Hartgebilde, fehlt es allerdings nk'lit an Vergleichen zwischen dun Elasmobranchiern und den höheren Vertebraten. Schon Leydic versuchte den fundamentalen Gegensatz, welcher hierin auf beiden Seiten besteht, zu überbrücken, indem er meines Erachtens ohne Grund die Knorpelzellen der Elasmo- branchier für homolog den Knochenzellen der höheren Vertebraten hinzustellen suchte. Auch < ». Hertwig betral diesen Weg, indem er den Placoinschmelz der Elasmobrauchier für echten Schmelz erklärte und die aus verkalktem Bindegewebe hervorgegangene Basalplatte der Zähne und Schuppen mit dem Namen Cemenf belegte. Wie der Placoinschmelz in seinen drei fundamentalen Eigenschaften von echtem Schmelz morphologisch unterschieden ist. so hat auch die Basalplatte der Elasmobranchier-Zähne nichts gemein mit der als Cemcnt be- zeichneten Substanz höherer Vertebraten, welche eine typische Knochenausscheidung ist. (Vergl. ii. J aekel: Die Selachier ans dem oberen Muschelkalk Lothringens. Abhandlungen zur geologischen Specialkarte von Elsass-Lothringen. Strassburg 1889. pag. 293.) '') Auf die Organisation der Acanthodier komme ich an anderer Stelle zurück. — 11 — Einer solchen Auffassung der Selachier als selbstständiger Unterstamm der Wirbelthiere steht nur ein Bedenken entgegen, dass dieselben im Hin- blick auf die höheren knochentragenden Wirbelthiere nur einen geringen Formenreiehthum entwickeln, sodass ihr Umfang zu dem der höheren Wirbel- thiere in einem sehr ungleichen Verhältnis steht. Der Grund dieser Er- scheinung ist jedenfalls darin zu suchen, dass die Selachier immer in dem gleichen Medium gelebt haben und nicht wie andere Wirbelthiere ihren Aufenthalt auf das Land verlegten, wo andere und mannigfaltere Lebensver- hältnisse den Typus in mannigfacher Weise umformten. Bei der Ermittlung natürlicher Verwandschaftsverhältnisse kommt es aber naturgemäss nicht auf den Umfang, sondern auf die Verbindung oder Abzweigung der einzelnen Aste des Stammes an. Das Interesse und die stammesgeschichtliche Beurtheilung, welche die Selachier durch die vergleichende Anatomie erlangt hatten, musste auch den Embryologen ihr Studium sehr werthvoll erscheinen lassen. Ueberdies war der Kampf um einige Grundfragen in der Beurtheilung des Wirbelthier- körpers bereits auf diesem Gebiete entbrannt. Die Entstehung der paarigen Extremitäten und die Segmentierung des Körpers waren und sind noch heute die wichtigsten dieser Fragen, zu deren Lösung in erster Linie die Ontogenie der Selachier herangezogen worden ist. Tritt man nun diesen Untersuchungen näher und versucht man, den- selben ihre allgemein wichtigen Resultate zu entnehmen, so ergiebt sich zu- nächst daraus eine grosse Schwierigkeit, dass die Angaben über die ge- machten Beobachtungen untereinander in wichtigen Punkten sehr wider sprechend sind. Ferner geschieht es sehr vielfach, dass Beobachtungen, welche zunächst nur auf sehr beschränktem Materiale fussen, im weiteren Verlauf einer Arbeit so verallgemeinert werden, dass z. B. Thatsachen, die nur in einem Falle beobachtet sind, ohne Weiteres gültig für ganze Classen hingestellt werden. Das hat für Leser wie für Schreiber gleich grosse Bedenken. Ich möchte hier auf die Entstehung der paarigen Extremitäten näher eingehen, da die Beurtheilung des später zu behandelnden palaeontolo- gischen Materials eine direkte Stellungnahme zu diesen Fragen erheischt. Der Auffassung Gegenbauk's, dass die paarigen Flossen bezw. Extremi- täten der Wirbelthiere aus den Strahlen von modiricierten Kiemenbögen ent- stehen, war von Thacher die Hypothese entgegengestellt worden, dass die- - 12 — selben aus paarigen Längsflossen sich abgegliedert haben und also ursprung- lich eine einheitliche, den unpaaren Längsflossen entsprechende Flossenan- lage darstellten. Die letzteren, d. h. diese Seitenflossen sollten ursprünglich dazu gedient haben, den schwimmenden Eörper im horizontalen Gleichge- wicht zu erhalten. Die ersten embryologischen Belege für diese Auffassung brachte Balfouk, indem er an Embryonen von Torpedo eine ursprünglich ein- heitliehe paarige Flossenanlage nachweisen zu können glaubte. Nachdem die an sich geistreiche Idee einen so hervorragenden Vertreter wie Bajlfouh gefunden hatte, galt bis zum heutigen Tage die „Lateralfaltentheorie" für selbstverständlich und unanfechtbar; die älteren Theorien wurden schnell, bisweilen fast mit Gewalt ausser Kurs gesetzt, und auf der neuen Basis gründete sich eine neue Lehre, welche in der DoHnx'schon Schule ihren Aus- bau fand. Die vorsichtige Zurückhaltung, mit welcher Balfoub seine Beob- achtungen hei Torpedo-Emhvyonen zu Gunsten jener Hypothese verwerthete, steht zum Theil in auffallendem Gegensatz zu der Sicherheit, mit welcher seine Nachfolger die weiteren Schlüsse vertreten, welche sie auf jener Lehre aufbauten. F. M. Balfoub*] also glaubte gefunden zu haben, dass bei den Embryonen eines Rochen, Torpedo, die erste Anlage der paarigen Extremitäten in einer einheitlichen seitlichen Längsfalte bestehe und diese Erscheinung als palinge- netische Wiederholung der ursprünglichsten Flossenanlage der Wirbelthiere gedeutet. Bei der Untersuchung der Embryonen eines Haies, ScyUium, kam er zu keinem entsprechenden Ergebnis, wenigstens drückt er sich über die betreffenden Befunde nicht klar aus. In betreff der Haie ergaben weitere Forschungen, dass bei ihnen stets die Anlage der paarigen Extremitäten von Anfang an eine durchaus ge- trennte sei.**) Die genannten Befunde bei rorpetfo-Embryonen hingegen wurden von Balfouk's Nachfolgern bestätigt und bilden die Grundlage der „Lateralfaltentheorie". Man erklärte und glaubte es allgemein, „dass wir in der ersten Anlage der paarigen Flossen von Torpedo die primitivste Form (\cv bisher bekannten Wirbelthierextremität vor uns haben." A. Dohkn und P. Mayeb bauten auf dieser Grundlage weiter, indem sie behaupten, dass die beiderseitigen rückwärts geneigten Flossenanlagen sich hinter dem After ventral vereinigen und die AnalHosse bilden. Auf der Annahme einer ursprünglich kontinuirlichen Seitenflosse baut sich dann die weitere Hypo- *) (in die Development of the Skeleton of the Paired Fins of Elasmobranchii considered in Relation to its Bearings on the Nature of the Limbs of the Vertebrata. Proceedings of the Zoological Societj of London 1881. **) S. Mollibr: Zur Entwicklung der Selachierextremitäten. Anatomischer Anzeiger Jena 1892. jiag-. 351. C. Rabl: Theorie des Mesoderms. II. Morphologisches Jahrbuch. Bd. XIX. Leipzig 1892. - 13 - these auf, dass die Wirbelthiere von den Anneliden abzuleiten seien. Wir sehen also, dass die genannten Beobachtungen an Embryonen von Torpedo dazu berufen erschienen, die höchsten und wichtigsten Fragen über den Bau und die Stammesgeschichte der Wirbelthiere einer einfachen Lösung ent- gegenzuführen. Die enorme Bedeutung, welche in diesen Hypothesen einer einzigen Beobachtung beigelegt wird, lässt erwarten, dass diese Beobachtung seihst auf einer unwiderleglichen Thatsache beruht, und dass wenigstens die Folge- rungen, welche unmittelbar darauf basiert sind, eine verschiedene Deutung nicht zulassen. Diese Erwartung ist um so mehr berechtigt, als zugestandener Maassen die Befunde bei Haien, von denen man entsprechende Belege für die Theorie erwarten sollte, damit nicht in Einklang zu bringen waren. Nachdem nun, wie gesagt, die einheitliche Flossenanlage bei Torpedo als < Grundlage der ganzen Hypothese von verschiedenen Forschern bestätigt worden war, wies vor einigen Monaten eine Arbeit von C. Rabl's*) mit klaren dürren Worten nach, dass auch bei Torpedo, und zwar bei verschiedenen Arten dieser Gattung, von einer ursprünglichen einheitlichen An- lage der paarigen Flossen keine Rede sei. Rabl zeigte, dass sich die Brustflosse und Bauchflosse als selbstständige Ectodermfalten anlegen. Wenn die Brustflosse von Torpedo im Gegensatz zu Pristiurua und anderen Haien sich bereits als bedeutende Anlage zeigt, ist „an der eben merkbaren Anlage der hinteren Extremität noch keine Falte, wohl aber eine Ectodermverdickung erkennbar." Diese steht aber mit der der vorderen Extremität, welche nach vorn und hinten flach ausläuft, „eben- sowenig wie bei Pristiurus im Zusammenhang." Nur eine Ectodermverdickung sei nachweisbar, welche eine Verbindung der beiden Falten herstelle. Obwohl nun aber Rabl ausdrücklich hervorhebt, dass seine Beobachtungen „in schroffem Gegensatz zu den Angaben Balfoue's und Dohrn's" über die erste Anlage der Selachierflosse stehen, und er mit Hinweis auf die Un- sicherheit der Befunde bei Haien betont, dass auch auf Torpedo die bis- herigen Angaben nicht mehr zutreffend seien, „denn auch hier ist die Ectodermfalte nicht von Anfang an continuirlich, noch stellt sie die erste Anlage der Extremitäten dar," giebt er doch nicht zu, dass er damit das bisherige Fundament der Lateralfaltenhypothese vollständig untergraben hat. Denn nachdem er ausführlich nachgewiesen hat, dass die erste Anlage der Extremitätenpaare getrennt erfolgt, fährt er fort: „Bei Embryonen von I» nun Länge**) steht die Brustflosse schon wagerecht vom *) 1. c. pag. 116. **) Die Angaben über die erste Flossenanlage bezogen sich auf Embryonen von 12 und 15 Uhu Läuse. — 14 — Körper ab, die Ectodermfalte an ihrem Rande ist lang ausgezogen und lässt sich, obschon sie hinten oiedriger wird, doch ohne Unterbrechung in die Ectodermfalte der Bauchflosse verfolgen. Ks ist also jetzt*) eine eontinuir- liche Ectodermfalte vorhanden, die hinter drr Kiemenregion beginnt und bis hinter den Alter rückwärts zieht,'' Mit diesen wenigen Worten glaubt Raul die Tragweite seiner misslichen Befunde über die erste Anlage der Extremitäten entwerthen zu können, denn er führt**) als eisten Grund für die Lateralfaltenhypothese ohne weitere Erklärung an: „die Existenz einer continuirlichen Ectodermfalte bei älteren Tb^edo-Embryonen." Was soll man von einer derartigen Beweisführung halten, von welcher ihr Autor meint, dass sie „von solchem Gewicht sei. dass sie nicht ohne zwingende Gründe zurückgewiesen werden kann?" Fühlt denn Herr R.\m, wirklich nicht, dass er gerade das Gegentheil von dem bewiesen hat. was er beweisen sollte? Worauf kam es denn bei der ganzen Beweisführung an, doch lediglich darauf, dass die ursprünglichste Anlage der Wirbolthier- extremitäten bei Toledo in der ursprünglichen Anlage ihrer paarigen Flossen noch hervortritt. Wenn man den ontogenetisehen Entwicklungsgang hier in Phylogenie umsetzen will, so muss man doch unbedingt folgern, dass dem Stadium ein- heitlicher continuirlicher Seitenflossen ein Stadium von getrennten Flossen- paaren voranging. Damit kommen wir doch aber nicht an den Anfangspunkt der Entwicklung der Extremitäten, sondern drehen uns im Kreise zu dem Punkt zurück, von dem wir selbst bei der Beurtheilung ausgingen. Wie soll denn eine ontogenetisch jüngere Differenzierung einen höheren palingene- tischen Werth haben als die ontogenetisch vorangehende, zumal wenn diese ursprünglichere Differenzierung allgemein bei Selachiern zuerst auftritt, während jene sich bisher nur bei einer Gattung nachweisen Hess? Da wäre es doch in der That bequemer gewesen, statt des „vorgerückten'' Stadiums die Ausbildung des fertigen Thieres ins Auge zu fassen, bei welchem ebenfalls eine Hautfalte die Brust- und Bauchtiosse verbindet. Diese Beweisführung hätte wold auch den Vortheil gehabt, dass sie sich auf ein umfangreicheres Beweismaterial hätte stützen können als auf zwei Arten von Torpedo, da vermuthlich bei allen Selachiern. bei denen die Brustflossen sich bis nahe an die Bauchflossen ausgebreitet halten, beide durch eine Hautfalte ver- bunden sind. Dass aber solche Differenzierungen zu Vorgängen von höchster palingenetischer Bedeutuni; gestempelt werden, das wirft ein eigentüm- liches Licht auf diese phylogenetische Verwerthung embryologischer Beob- achtungen. ) Im Originaltext nicht durch stärkeren Druck hervorgehoben. ") 1. c, pag. 135. — 15 - Nachdem uns die unzweideutigen Beobachtungen Rabi/s über den That- bestand aufgeklärt haben und überdies von P. Mayeb, einem der eifrigsten Verfechter der Hypothese, bei einem entsprechenden Falle erklärt wurde, dass man nicht berechtigt sei, eine Hautfalte ohne weiteres für eine Flossen- anlage anzusehen, wird uns wohl das Faktum, dass auch bei Torpedo nielir einmal eine solche, sondern nur eine Ectodermverdickung vorliegt, davon überzeugen können, dass die Embryologie selbst sieh ihren bisherigen Beleg für die Lateralfaltenhypothese widerlegt hat. Die wichtigen Resultate Rauls können meines Erachtens auch vom rein embryologischen Standpunkte aus kaum überraschend erscheinen, wenn man die übrigen diesbezüglichen Ergebnisse im einzelnen objektiv beurtheilt und nicht stets nur auf ihren Werth für die vorgefasste Hypothese ge- prüft hätte. Wenn man die phylogenetischen (Konsequenzen aus jener Auffassung i\vi paarigen Extremitäten zog, so setzte, dieselbe voraus, dass die Differen- zierung der Flossen, namentlich des sie eonsolidierenden Skeletbaues von aussen nach innen erfolgte, während nach der GEGENBAUB'schen Auffassung die umgekehrte Entstehung anzunehmen war. Ueber diesen Punkt gaben die ontogenetischen Beobachtungen Balfoub's keinen klaren Aufschluss. Den schuldig gebliebenen Beweis suchte A. Dohrx zu erbringen, indem er in zahlreichen Schriften seine Beobachtungen über diesen Gegenstand veröffent- lichte. Es ist mir leider nicht gelungen, aus den verschiedenen Darstellungen auch nur ein einigermaassen klares Bild von diesen Entwicklungsvorgängen zu gewinnen. Das aber scheint doch aus den verschiedenen Angaben her- vorzugehen, dass am Schultergürtel als Basis des Flossenskelets ein ein- heitlicher Knorpel angelegt wird, von welchem die Flossenstrahlen als diver- gierende Knorpelstähe ausgehen. Dieser Befund in der Anlage des Skelets würde aber doch mindestens mit gleichem Recht im Sinne der Gegenbaur- schen als der BALFotR'schen Hypothese verwerthet werden können. Auch der Umstand, dass die seitlichen Längsfalten, aus welchen sich später die vordere und hintere Extremität sondern, nicht horizontal am Körper nach dem Schwanzende zu verlaufen, sondern schief von vorn nach hinten geneigt sind, hätte Bedenken erregen müssen; denn schon diese erste Anlage schliesst sich danach gar nicht dem hypothetischen Zustand einer ursprünglichen horizontalen Längsflosse an, sondern entspricht genau dem Lageverhältnis. welches die Brust- und Banchfiossen später am ausgebildeten Körper ein- nehmen. Statt dass aber eine derartige Thatsache zur Vorsicht gemahnt hätte, hat sie weitere Hypothesen im Sinne der Lateralfaltentheorie ins Leben gerufen. Dohrn brachte seine Lateralfalten nicht nur in Homologie mit den un- paaren Flossen, sondern sagt, die Dorsalflosse sei anfangs ebenfalls paarig - 16 - gewesen und später seitlich zusammengewachsen.*) Gestutzt wird diese Hypo- these durch den Hinweis darauf, dass das unter der Dorsalflosse gelegene Rückenmark, weil es, wie alle Nervenanlagen, epidermaler Natur sei, ursprüng- lich oberflächlich in der Haut Liegen musste, also da, wo sich jetzt die un- paare Flosse ansetzt. Da die letztere dem Nervenstrang nicht unmittelbar aufsitzen konnte, so müsse sie paarig zu beiden Seiten des Rückenmarkes gestanden traben. Bei dieser Kombination wird die sonderbare Voraussetzung gemacht, dass jene beiden Bildungsprocesse gleichzeitig erfolgt seien. Ist denn aber diese Annahme nothwendig, oder auch nur wahrscheinlich? Ist es nicht unendlich viel einfacher und naheliegender anzunehmen, dass das Rückenmark seine epidermale Lage längst aufgegeben hatte, als die Bildung einer Dorsalflosse begann, und der Anlage einer solchen infolge dessen durch das Rückenmark keinerlei Schwierigkeiten mehr geboten wurden? Nachdem gegenüber der Analtiossenhypothese Dohrn's und P. Mayeb's nachgewiesen ist, dass sich die Analflosse bei den verschiedensten Fischen ausnahmslos selbstständig anlegt und sich nach vorn über den After hin- aus zwischen die Lateralfalten erstreckt, kann ich nur C. Rabl beistimmen, wenn er die diesbezüglichen Einwände P. Mayeb's mit den Worten charakteri- siert: „Damals wurde einer einfachen Ectodermfalte eine grosse Bedeutung beigemessen; jetzt aber, wo eine solche Falte einer Hypothese Dohrn's in die Quere kommt, wird sie für bedeutungslos erklärt." Ein Ergebnis dieser Forschungen verdient wohl noch hervorgehoben zu werden. Nachdem man der GEGENBAUR'schen Kiemenbogentheorie den Todes- stoss damit versetzen wollte, dass sich doch unmöglich das Becken als modifleierter Kiemenbogen auffassen lasse, erklärt jetzt A. Dohrn, dass die Afteröffnung durch mediale Verwachsung zweier seitlichen Kiemenspalten entstanden sei. Dann scheint mir, hätte er doch auf dem Boden der GEGENBAUR'schen Auffassungen stehen bleiben können.**) Was bleibt aber aus allen diesen Auffassungen und Hypothesen als Kern von Thatsachen zurück? 1. dass die bisher untersuchten Haie sämmtlich ihre Brust- und Bauch- flossen getrennt anlegen, und zwar die später grösseren Brustflossen früher und energischer als die Bauchflossen, welche bei den Selachiern eine geringe Grösse und keine besonders wichtige Funktion haben: 2. dass bei Torpedo -- und unzweifelhaft würde sich das Gleiche bei Raja, Trygon und Myliobatis nachweisen lassen — die erste Anlage der Brustflossen auf viel breiterer Basis erfolgi als bei den Haien, während die hier noch später erfolgende Anlage der Bauchflosse im Wesentlichen dieselben Verhältnisse zeigt wie die der Haie: • i Mittheilungen der zoologischen Station in Neapel. Bd.V. 1884. pag 178. ►*) Ebendapag.176. — 17 — 3. dass also bei Rochen schon in der ersten Anlage der Gegensatz zu bemerken ist, der durch die riesige Entwicklung der Brustflosse bei dem ausgewachsenen Thiere im Gegensatz zn ihrer Bauchflosse und im Gegensatz zu der Brustflosse der Haie hervorgerufen ist. Es ist zu vermuthen, dass bei denjenigen Rochen, bei welchen die Aus bildung der Brustflossen noch erheblich weiter vorgeschritten ist als bei Torpedo, also namentlich bei Trygoniden, die Entwicklung der Brustflosse noch früher und noch intensiver erfolgt, so dass hier vielleicht noch der lang er- sehnte Zusammenhang der Brust- und Bauehfiossen bei der ersten Anlage wirklich gefunden werden könnte. Zweifellos muss sich dieses Verhältnis bei den Rochenembryonen in diesem Sinne stetig weiter ausbilden. Alle diese ontogenetischen Entwicklungsvorgänge variiren also in dem- selben Verhältnis, wie die Organisation der fertigen Thiere wechselt. Die Ontologie hat folglich in diesem Falle keine wesentlich neue Differen- zierung ans Licht gezogen, sie hat nur gezeigt, dass gewisse Unterschiede der fertigen Thiere auch bei deren Embryonen schon von Anfang an vor- handen sind. Wir haben, indem wir die Basis betrachteten, auf welcher sich die Lateralfaltenhypothese aufbaut, bisher nur die embryologischen Daten zur Beurtheilung herangezogen; gönnen wir nun auch der Palaeontologie das Wort, da deren Berechtigung in stammesgeschichtlichen Fragen mitzu- reden auch seitens der Embryologen wohl im Prinzip nicht abgeleugnet w erden wird. In der embryologischen Auffassung erscheint Torpedo hinsichtlich der Entwicklung seiner Extremitäten als die primitivste Form unter den Selachiern. Die Haie zeigen ausnahmslos eine von Anfang an dauernd getrennte An- lage der vorderen und hinteren Flossen, sie würden also in dieser Hinsicht die differenzierteren Formen darstellen, und ihre Flossenbildung müsste von der der Torpediniden ableitbar sein. Diese Annahme steht in diame- tralem Widerspruch mit den Thatsa eben der Palaeontologie, welche klar und deutlich zeigt, dass die Haie mit ihrer typischen Flossen- bildung bereits im Palaeozoicum eine reiche Entfaltung aufweisen, während die ältesten Rochen im oberen Jura auftreten. Von diesen erscheinen dort zunächst nur die sogenannten Halbrochen, die Rhinobatiden, während die sogenannten echten Rochen, welche sich im Sinne ihres Typus weiter entwickelt und von den Haien entfernt haben, erst an der Grenze der Kreide und Tertiärformation unzweideutige Vertreter aufweisen. Wie also die Haie phylogenetisch älter sind als die Rochen, so ist auch ihre Flossen- bildung ursprünglicher. Mit dieser phyletischen Entwicklung stehen die embryologischen Befunde bei sämmtlichen Haien im Einklang. Ja ekel. Selachier. 2 — 18 — Die in ihrer Basis, wie wir sahen, anhaltbare Hypothese wurde nun von Rabl durch drei weitere Belege gestützt. Dieselben beruhen auf den Beobachtungen, die der genannte Autor an der ersten Anlage der Myotome und Muskelknospen machte, und auf den Beziehungen, welche er zwischen diesen und den definitiven Flossenstrahlen zu erkennen glaubte. Hierzu l>e- merke ich zunächst im Allgemeinen, dass die Anlage und Vermehrung der Urwirbel und Myotome von vorn nach hinten erfolgt, derart, dass sieh neue Elemente am distalen Ende hinter den bereits vorhandenen ausbilden, ins die definitive Zahl der Wirbel im Rumpf erreicht ist. Diese nach Art einer Kormenbildung von einem Punkt aus vor sieh gehende Vermehrung bedingt es. dass die Anlage der Urwirbel und Myotome continuirlich von vorn nach hinten erfolgt und also auf dieser Strecke keine räumliche Unterbrechung ihrer Anlagen erleiden kann. Von dem sehr einfachen Vermehrungsproeess der Urwirbel und Myotome erfolgt nun selbstständig jederseits von zwei getrennten Centren aus die An- lage der Brust- und der Bauchflosse. Nachdem diese durch Einwuchern des Mesoderms in die Ectodermfalten eine gewisse Differenzierung erlangt halten. treten zu ihnen die Myotome mir ihren Muskelknospen in Beziehung, indem je nach <\t-r Grösse der Flossenanlage eine verschiedene Zahl von Muskel- knospen in diese eintreten. Bei den Haien ist diese Zahl verhältnismässig gering, bei den Rochen ist sie der grösseren Anlage der Brustflosse ent- sprechend sehr viel grösser. Den Hauptwerth legt Rabl nun auf die Anlage der Muskelknospen und ihr Lageverhältnis zu den Flossenanlagen. Die Muskelknospen entwickeln sieh aus den Myotonien, und zwar unter demselben Wachsthumsgesetz wie diese, indem ihre Bildung von vorn nach hinten fortschreitet, derart, dass auch hei ihnen eine räumliche Unterbrechung ihrer Anlage von vorn nach hinten nicht erfolgt. Sie fangen sich aber überhaupt erst an zu entwickeln, wenn die äusseren Extremitätenanlagen, namentlich «lie der Brustflossen sehen ziemlich weit vorgeschritten sind. Die Anlage der letzteren erfolgt hei Pristiurua in einem Stadium von 50—51 Urwirbeln. während die ersten Muskelknospen bei ()4 Urwirbeln beobachtet sind. Wenn nun folglich Rabl als zweiten Beleg für die Lateralfaltenhypo- these anführt, dass die Anlage der Myotome continuirlich im Bereich der Brust- und l!a u chf'lo ssen erfolge, so ist das hei der Art der Vermehrung dieser Theile selbstverständlich. Palingenetisch könnte also nur der dies bewirkende Process der Vermehrung selbst aufgefasst werden, und dieser würde dann nur dafür sprechen, dass die Wirbelthiere von segmen- tierten Vorfahren abstammen. Die Bildung der Muskelknospen und ihre Beziehung zu den Flossen- — 19 — anlagen unterliegt, wie gesagt, den gleichen Gesichtspunkten wie die Bildung der Myotonie und deren Beziehung zur Flossenanlage. Je nachdem die Flossen später Ausdehnung erlangen, treten mehr oder weniger Muskel- knospen zur äusseren Flossenanlage in Beziehung, und schon in der ersten Anlage der Knospen macht sich ein bedeutender Unterschied zwischen der Grösse bei Rochen und bei Haien geltend. Bei letzteren, bei denen die paarigen Extremitäten nicht zum Schwimmen, sondern nur zum Steuern dienen, sind die Muskeln ja auch am lebenden Thier sehr schwach entwickelt, während bei den Rochen die ganze Bewegung von der paarigen Flossen- muskulatur Übernommen ist. Es macht sieh also auch hierin schon bei der ersten Anlage der Gegensatz in der definitiven Ausbildung bemerkbar. Diejenigen Muskelknospen, welche in dem Zwischenraum zwischen den beiden Flossenanlagen liegen, können für die Bildung der Flossenmuskulatur niehl verwand! werden und atrophieren. Ist dieser Zwischenraum gross, wie bei ilen meisten Haien, so müssen mehr Muskelknospen atrophieren, als da, wo die Brustflossenanlage lang und <\<.'r Zwischenraum bis zur Bauchflosse kurz ist. Dass für dieses Verhältnis kein phyletiseh durchgreifendes Gesetz, sondern lediglich das definitive Formenverhältnis der betreffenden Art maass- gebend ist, geht daraus hervor, dass sich ziemlich bei jeder Art andere Zahlen ergeben, so dass seihst hei nahe verwandten Arten die Zahl der zu der ronstanter gebauten Bauchfiosse verwandten Myotonie gelegentlich um 0 schwanken kann, ja dass sogar gewöhnlich auf beiden Körperhälften die Zahlen variiren. Um zu zeigen, wie Rael hierbei zu bestimmten Zahlenverhältnissen zwischen den Myotonien und Flossenstrahlen kommt, gebe ich als Beispiel im Folgenden die Berechnung wieder, welche er bei Torpedo angestellt hat. Er sagt 1. c. pag. 120: „Bei einem Embryo von Torpedo marmorata von 15 nun Länge fand ich wieder in den ersten vier Myotonien keine Knospen; dann zählte ich im Bereich der Brustflosse 2b. im Bereich der Bauchflosse 10 Myotonie mit Knospen; das würde also 52 Knospen für die Brustflosse, 2ii für die Bauchflosse ergeben." Bei einem anderen Embryo der gleichen Art fand er annähernd die gleichen Verhältnisse. Dann sagt er: „An einem Embryo von Torpedo ocellata. von 17 nun Länge habe ich an einem Sagittal- schnitt durch die Bauchfiosse 2b Knospen gezählt. Aus dem Mitgetheilten kann man allerdings ganz sichere*) Schlüsse auf die Zahl der Myotonie, die sieh an der Bildung der Flossen betheiligen, nicht ziehen. Indessen wird man kaum sehr weit fehl gehen, wenn man die Zahl für die Brust- flosse von Torpedo marmorata auf ungefähr 2b, für die Bauchflosse auf *) Im Original sind die gesperrt gedruckten Stollen nicht hervorgehoben. 20 — etwa m veranschlagt; das würde also 52 Knospen für die Brustflosse, 20 für die Bauchflosse ergeben." Pag. 130 fährt er fort: ..An der Brustflosse eines kleinen, nur 16 cm Langen Exemplares meiner Sammlung habe ich nun in der Thal ungefähr 52 Strahlen zählen können; jedenfalls sind mehr als 50, sicher aber nicht mein- als 54 Strahlen vorhanden." Von einem anderen Exemplare weiden noch die entsprechenden Zahlen 54 und 18 angegeben. Daraufhin komml Rabl zu folgendem Schluss : „Ks hat sieh ergeben, dass die Zahl der Strahlen gleich ist der doppelten Zahl der Urwirbel, die sieh an der Bildung der Flossen betheiligen." Wie man bei einem so beschränkten Material und so vielen ..etwa", „ungefähr" etc. zu einem be- stimmten Zahlenergebnis kommen will, ist mir nicht verständlich. Auch das Verhältnis der Bauchflossen zu den Brustflossen, welches Rabl gelegentlich in Erstaunen setzt, ist sofort verständlich, wenn man sieh die physiologischen Leistungen beider Flossen am ausgebildeten Thier vor Augen führt. Die Beckenflosse ist überall da „auffallend" lang und mit vielen Flossenstrahlen versehen, wo dieselben bei abgeplatteten Formen mit wenig verbreiterter Brustflosse zur Schwimmbewegung herangezogen wird. Sie diente hier zur Verlängerung der Brustflosse nach hinten und verkürzt sich wieder, wo die Brustflosse sich nach vorn und rückwärts so ausgebreitet hat, dass sie die Bauchflosse ganz oder theilweise überdeckt. Deswegen haben nicht nur die sogenannten Halbrochen, sondern auch Squatina, die ebenso schwimmt wie jene, stark verlängerte Bauchflossen mit 30 und mehr Strahlen, während die Zahl bei Formen wie Trygon und Cyclobalis wieder auf 7 und 15 heruntersinkt. Jene Entfaltung der Bauchflossen ist also nur ein provisorisches Aus- hilfsmittel derjenigen Formen, welche mit der Änderung ihrer Lebensweise allmählich von Haien zu Rochen werden, und verschwindet wieder in dem Maasse, wie die Function dieser Flosse von der Brustflosse mit übernommen wird. Fs zeigt auch dieses Verhalten wieder recht drastisch, wie abhängig die Gestaltung des Körpers von der Gestaltung der Lebensbedingungen ist. und wie schnell und prompt die erstere auf Änderungen der letzteren reagiert. Was bei diesen denkbar einfachsten, ontogenetischen Praeformierungs- vorgängen palingenetisch sein soll, ist schwer einzusehen, und wenn Rabl daher als einen weiteren von seinen 4 Gründen anführt, ..das Vorhandensein einer grösseren Zahl von Radien bei phylogenetisch älteren Selachiern (Ckimaeia, Heptanchus) im Vergleich mit höher siehenden Formen (Pristiurus, Scyllium, Acanthias etc i, so vergisst er dabei ganz, dass sich die weitaus grössten Zahlen, auf die er sonst so grosses Gewichl legt, nicht bei den primitiven Haien, sondern bei den hoch specialisierten Kochen linden, ganz abgesehen davon, dass mit der Angabe des Zahlenverhältnisses bei einem — 21 — Nbtidaniden, zwei Scylliden und einem Spinaciden doch noch lange kein Urtheil tiber die betreffenden Verhältnisse bei Haien gewonnen ist. Der letzte der 4 Gründe, dessen phylogenetische Bedeutung wir zu prüfen haben, ist die Convergenz der Muskelknospen gegen die Flossenbasis ~/aii Zeil der Entstehung der Knospen. Rabl deutet diese Erscheinung dahin, „dass sich die Flossen früher weiter ausgedehnt haben". Nachdem wir gesehen haben, dass die Zahl iler zur Flossenbildung in Beziehung tretenden Myotome je uach der Gestall des fertigen Thieres grossen Schwankungen unterworfen ist, wird man a priori auch den Lage- verschiebungen der einzelnen Myotonie eine hohe phyletische Bedeutung kaum heiniessen können. Betrachten wir nun aber die Erscheinung selbst, so sehen wir, dass die Muskelanlagen nach der Flossenbasis, also der Stelle, wo sich bei den Haien die Flosse einschnürt, convergieren. Würde die erste Anlage der Haiflosse von einem Punkte aus erfolgen und sich erst ausser- halb des Embryorumpfes ihrer definitiven Gestalt entsprechend ausbreiten, so würde die Convergenz der Myotonie nach dem schmalen Flossenansatz selbstverständlich erscheinen. Da nun aber eine solche Anlage der Flosse mechanisch kaum denkbar ist, sondern einfacher zunächst auf breiterer Basis als eine Ausstülpung des Ectoderms und Mesoderms erfolgt, so kann die spätere Beziehung, welche zwischen der peripherischen Flossenanlage und den Myotonien besteht, hier zunächst nicht klar hervortreten. Dass eine solche alier bald entstellt, geht daraus hervor, dass die Muskelknospen bereits bei ihrer Entstellung nach der Flossenbasis convergieren. Dabei kann aller- dings der Eindruck erweckt werden, den auch Rabl davon gewann, dass die erste Flossenanlage ursprünglich breiter gewesen sei und mehr Myotome umfasst habe. Wäre diese Auffassung aber richtig, so läge bei den Rochen, die ja nach der Lateralfaltenhypothese den primitivsten Bildungszustand auf- weisen, zu einer Convergenz der Myotome nach der Flossenbasis gar keine Veranlassung vor, da ja sich hier schon die erste Anlage der Flossen fasi über den ganzen Rumpf erstreckt, und die definitiven Muskeln der Schwimm- bewegung entsprechend später einen zur Wirbelsäule annähernd senkrechten Verlauf haben. Es wird also auch in diesem ersten Entwicklungsstadium wieder nicht das in der Theorie ursprüngliche Verhältnis reproduciert, sondern dieses macht sich hier wie bei der Ausbreitung des äusseren Flossenrandes erst später geltend. Die Thatsache, class sich die Rochen eben erst in relativ junger Zeit von den Haien abgezweigt haben, macht es leicht verständlich, dass sie bei der ersten Anlage ihrer Muskulatur noch die ursprüngliche Differenzierung der Haie reproducieren, während es schwer vorzustellen war. warum sie das, was sie in einem vorgerückten Stadium haben und brauchen. — 22 — nicht sofort praeformieren sollten, wenn es ihnen als uralte Stammes- eigenthümlichkeil noch So tief im Blute steckte, wie es die Embryologie annimmt. Es schein! mir nach Alledem, dass auch die Gründe, welche Rabl zur stütze der Lateralfaltenhypothese beigebracht hat, durchaus nichl beweisend für dieselbe sind. Die von ihm herangezogenen Thatsachen stehen in bestem Einklänge mit denen der Palaeontologie und finden auf diesem Wege eine viel einfachere und ungezwungenere Erklärung, als wenn man entgegen allen sonstigen Thatsachen den einen Erscheinungen einen ausserordentlich hohen palingenetischen Werth beimisst, während man anderen entsprechenden Er- scheinungen jede Bedeutung abspricht. Zum Schluss dieser Auseinandersetzungen sei es mir gestattet zu be- merken, dass ich die Möglichkeit, dass die paarigen Extremitäten sich phylo- genetisch ans Längsfalten entwickelt haben, natürlich nicht positiv abstreiten kann, aber das dürfte sicher sein, dass die Daten, welche seitens der Embryo- logie diese Hypothese als einzig mögliche und unanfechtbare Theorie hin- stellen sollte, nichts weniger als beweisend für dieselbe sind, [ndess die an sich mögliche Hypothese erscheint aus mehreren Gründen unwahrscheinlich. Dieselbe setzt voraus, dass die Vorfahren der Wirbelthiere unter den gleichen physiologischen Bedingungen gelebt haben, wie die durch ihre zwei Extremi- tätenpaare und ihren ganzen Bauplan so selbstständig dastehenden echten Ver- treter dieses Stammes, denn die Hypothese nimmt an, dass die Lateralfalten seitliche Schwimmflossen waren. Nun sehen wir aber, dass überall die grossen und tiefgreifenden Umgestaltungen eines Organisationstypus sich vollzogen halien. wo Thiere ihre Lebensweise wechselten, wenn sie also z. B. vom Wasser auf das Land, vom Land ins Wasser oder vom Land in die Luft ihren Aufenthalt verlegten, oder wenn sie von frei schwimmenden zu sess haften 'J'hieren wurden. Auf diesen physiologischen Momenten basiert die Differenzierung der Landwirbelthiere, der Vögel, der Cetaceen, wie unter den Wirbellosen z. B. der Araehniden und Insekten. Wenn sieh dagegen Abtheilungen stets in den gleichen Lebensbedingungen, zumal im Meere, hielten, so haben sie sieh ausserordentlich wenig verändert. wie »lies unter den Wirbellosen z. B. die Brachiopoden und unter den Wirbelthieren in vorzüglicher Weise die Haie beweisen. Im Hinblick hierauf erseheint es mir wahrscheinlich, dass die eigenthümliche Differenzierung des Wirbelthiertypus durch einen tief einschneidenden Wechsel der Lebensbe dingungen herbeigeführt ist, die Stammformen der Wirbelthiere also nicht auch schon schwimmende Meeresbewohner waren. Und gesetzt, sie wären es gewesen, wie will mansichihre Bewegung mit unpaaren und mit paarigen Längsflossen zugleich vorstellen? Heide würden ihn1 Wirkung gegenseitig - 23 — aufheben; derartige Formen giebl es daher auch nicht trotz der unerschöpf- lichen Formenfülle schwimmender Meeresbewohner. Es scheint mir, dass man die Entstehung zweier Paare von Extremitäten auf anderem Wege einfacher erklären kann. Wie sich bei den Arthropoden ans dem gleichartig segmentierten, annelidenartigen Körper Formen mit 4 und mit 3 Beinpaaren als grosse Klassen entwickelten, so kann man sich auch verstellen, dass bei den Vorfahren der Wirbelthiere durch kriechende Bewegung zwei Beinpaare constant wurden. Dieser Entwicklungsprocess dürfte sich vielleicht sogar eher in der Luft, auf festem Boden als auf dem Boden des Meeres vollzogen haben. Wären die Vorfahren aber freie Schwimmer gewesen, dann hätte zum Schwimmen und Steuern, auch ein und zwar vorderständiges Extremitätenpaar genügt, wie dies die vorzüglichen Schwimmer, die Haie, beweisen, die ihre hintere Extremität dazu nicht be- nützen, ferner auch noch drastischer die Seehunde und die Cetaceen. Auch ein weiteres Moment möchte ich hier hervorheben, nämlich den Umstand, dass die ausserordentlich primitiv organisierten Selachier den Mund nicht terminal, sondern auf der Ventralseite haben. Für schwimmende Meeres- bewohner ist das unstreitig nicht vortheilhaft, diesen muss eine vorderständige Mundöffnung das Erfassen von Nahrung wesentlich bequemer gestalten; des- halb tinden wir diesen Zustand auch bei den übrigen meeresbewohnenden Wirbelthieren, ja sekundär auch bei einigen differenzierten Selachiern, wie Seiacht und Rhmoden, durchgeführt. Mit der Annahme, dass die Vorfahren der Wirbelthiere den Boden bewohnende Kriechthiere waren, würde dagegen die ventrale Stellung des Mundes ohne Weiteres in Einklang zu bringen sein: während man sich schwerlich wird vorstellen können, dass die raubgierigen Selachier ihre unvortheilhafte Mundstellung sekundär erwarben. Auch die vielbesprochene dorsale Lage des Nervensystems giebt in diesem Sinne zu denken. Wir sahen eben, dass die terminal gestellten uu- paaren Flossen das wesentlichste und primitivste Bewegungsorgan wasser- bewohnender Wirbelthiere sind, wir werden es daher für phylogenetisch sehr alt halten müssen. Als das dorsale Nervensystem noch seine ursprünglich epidermale Lage hatte, konnten die Formen keine dorsale Flosse haben, und daraus ergiebt sich meines Erachtens auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Vorfahren der Wirbelthiere, als sie ihr Nervensystem so anlegten, wie wir es bei allen Vertebraten kennen, nicht im freien Wasser, sondern auf dem Boden lebten, wo sie einer Dorsalflosse nicht bedurften. Unter den im Vorstehenden aufgestellten Gesichtspunkten würde ich l'i\v meine Person der GEGENBAUB'schen Auflassung der Extremitäten unter den bisherigen Hypothesen den Vorzug geben. Aber Hypothesen werden solche Speculationen immer bleiben und sich schwerlich einmal zum Range einer - 24 — Theorie erheben, da, wie es scheint, weder die Palaeontologie noch die Embryologie jemals die Mittel haben wird, uns hier aus dein Labyrinthe der Möglichkeiten einen Ausweg zu eröffnen. Die Betrachtungen, zu denen uns hier ein Gebiel der Embryologie Ver- anlassunggab, rechtfertigen vielleicht einige allgemeinere Bemerkungen über diesen Wissenszweig, der seinen Zwecken nach der Palaeontologie so nahe verwandt ist und mir derselben doch so selten in Beziehung gebracht wird. Die höchste Aufgabe der Embryologie, welche auch stets von ihren Vertretern als letztes Ziel ins Auge gefasst wurde, bildet die Feststellung der Stammesgesel lichte der Organismen. Dieses Ziel wird ermöglicht auf Grund der Beobachtung, dass das einzelne Individuum bei seiner ontogene- tischen Entwicklung Phasen durchläuft, welche der Kreis stammverwandter Formen phylogenetisch durchlaufen haben muss. Auf der Treue der Wieder- holung dieses Entwicklungsganges beruht die wichtigste Verwerthung embryo- logischer Beobachtungen Ist nun diese Treue wirklich so gross, wie man im allgemeinen annimmt, so gross, dass alle die weitgehenden Schlüsse gerechtfertigt erscheinen, welche sich auf rein embryologischer Grundlage aufbauen? Beruhen Ergeb- nisse, wie wir sie oben als unrichtig hinstellen mussten, nur auf vereinzelten Missdeutungen, oder liegen diesen Erscheinungen allgemeinere, tiefere Ur- sachen zu Grunde? Um zu dieser Frage Stellung nehmen zu können, müssen wir einen Blick auf das Material werfen, welches der Embryologie vorliegt. Wie alles in der organischen Welt nicht plötzlich geschaffen und fertig in seine Umgebung hineingesetzt wird, sondern sich aus sich selbst heraus entwickelt hat, so wird auch das einzelne Individuum erst durch einen inneren Hntwicklungsprocess allmählich zu dem, was es als fertiger Organis- mus ist. Wie und warum aus dieser Eizelle nur dieser und aus jener nur ein ganz bestimmter anderer Organismus hervorgellt, das zu verfolgen und zu beurtheilen ist unseren Sinnesorganen nicht möglich, aber wir wissen doch soviel sicher, dass organische Molecularverbindungen enorm compliciert sein können, und dass dieselben deshalb auch schon in einem winzig kleinen Zell- raum die compliciertesten Mischungen und Dispositionen enthalten können. Chemie und Physik dürften liier jedenfalls mit allen ihren Gesetzen, die in ihren einfachsten Ausdrucksformen in der anorganischen Welt unseren Sinnen zum Theil verständlich werden, in compliciertester Weise in einander greifen. Das dürfen wir wohl sicher annehmen, ebenso wahrscheinlich dürfte dann — 25 - aber auch die Annahme sein, dass unsere Sinnesorgane und erschienene Ittiolitologia Veronese. In diesem, mit prächtigen Tafeln geziertem Werke sind einige Selachier bereits so vortrefflich abgebildet, dass der Identitätsnachweis der beschriebenen Arten keinerlei Schwierigkeit bereitet. Leider entsprechen die Bezeichnungen und Beschreibungen naturgemäss unseren heutigen systematischen Anforde- rungen nicht vollständig, so dass diese ersten Benennungen der Formen in der Nomenclatur zum Theil keine Berücksichtigung finden konnten. Schon hierdurch war der erste Anlass zu verwirrender Synonymie gegeben, zumal die späteren Autoren sich meist damit begnügten, die VoLTA'schen Bezeich- nungen durch andere zu ersetzen, ohne neuere Beschreibungen oder gar Ab- bildungen der betreffenden Formen zu geben. De Blainville*i beschrieb vom Monte Bolca unter anderen auch einige Selachier und später gab L. Agassiz**) ein Verzeichnis der Fische des Monte Bolca ohne aber seine neuen Namen zu begründen. Die Autorität des letzt genannten Autors in palaeontologisch-ichthyologischen Dingen hat aber jenen Namen Agassiz's in die Litteratur Eingang verschafft, obwohl dieselben nach den Hegeln der Nomenclatur auf Geltung keinen Anspruch haben können. Sie finden sich citiert bei Giebel, Pictet und anderen und sind später auch zum Theil von Ziono übernommen worden. Kinige sehr werthvolle Beiträge zur genaueren Kenntnis unserer Fische lieferte der Wiener Zoologe und ausgezeichnete Kenner der lebenden Fisch- fauna •'. IIeckel.***) Im Jahre 1851 besprach er in einem Reisebericht die Sammlungen von Fischen des Monte Bolca und berichtete über einen Besuch der Fundstelle. Dieser anschauliche und bisweilen mit liebenswürdigem *) Nouveau Dictionnaire d'Histoire naturelle. Vol. XXVII. 1818. (Ichthyologie pag. 32.) **) L. Agassiz: Pois>ons fossile-. III. pag. 382. IV. pag. 38. ***) Sitzungsberichte der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classeder k. k. Academie der Wissenschaften. Wien 1851. Bd. VII. pag. '281 luv.«, pag-. 316. — 38 — Humor gewürzte Berichl entheb! den Verfasser der Verpflichtung, auf seinen eigenen Besuch der Fundstelle venu .Monte I'.olea und der Sammlungen in Verona und Padua einzugehen, da sich an den von ELeckel geschilderten Verhältnissen so gut wie nichts geändert hat. Wori für Wort könnte ich jenen Bericht Heckel's als den meinigen ausgeben, wenn ich hinzufüge, dass sein damaliger Führer, Berr Massalongo, mich nielit nach Bolca begleitete, und der Herr Marquese di Canossa mir die Ehre u\n\ Freude bereitete, seine werthvollen Schätze persönlich zu zeigen. Leider hat Heikel über die Formen, die er damals in den Sammlungen studiert hatte, nur einige kurze Bemerkungen veröffentlicht, die mehr zu Missverständnissen als zu einer Klärung führten. Einige Jahre daraui aber beschrieb er eingehend zwei Rochen, welche in einer grösseren Sammlung dem Hofmuseum in Wien von Barone de Zigno überwiesen worden waren. Leider waren diesen Beschrei- bungen keine Abbildungen beigegeben, so dass die [dentificierung der be- treffenden Arten mit anderen Exemplaren erst nach dem Studium der be- treffenden Originale, möglich war. Den gleichen, zuletzt genannten Mangel besitzen die Beschreibungen einiger Selachier vom Monte Bolca seitens Raph. Molin's, des damaligen Directors jener Sammlungen in Padua, welcher die Beschreibung ver- schiedener Rochen und Haie gab und unter Anderem auch mehrere neue Genera auf Grund von Exemplaren des Monte Bolca aufstellte.**) Bis in die neueste Zeit hinein hat dann der kürzlich verstorbene Barone de Zigno eine Reihe interessanter Beiträge zur Litteratur über die Fische vom Monte Bolca geliefert und namentlich eine Anzahl Rochen beschrieben und abgebildet.***) Leider standen ihm nicht die zoologischen Kenntnisse zu Gebote, welche die Arbeiten der vorher genannten Autoren aus- *) 1. c. 1853. Bd. XI, pag. 122. **) Primitiae Musei Archigymnasii patavini. Sitzungsberichte der mathematisch- naturwissenschaftlichen Classe der k. k. Academie der Wissenschaften. Wien 1860. Bd. \X.\X, pag. 582. — De Rajidis tribus bolcanis. Ebenda 1861. Bd. XXXXII. pag. 576. A. de Zigno: Annotazioni paleontologiche. Pesci fossili nuovi del calcare eoceno dei Moni i Bolca e Postale. Memorie del Et. [stitmto veneto di science, lettere ed arti. Vol. XVIII. 1874. paas Kopfskelet der Selachier. pag-. 120. ttt' Ebenda, pag. 31. Jaekel. Selachier + - 50 — sich eng anlagert und mir ihm durch Bindegewebe zusammenhängt. Ausser der medianen Occipito-Vertebralverbindung hat sich somit noch eine laterale entwickelt, die bei Scymnvs, Galeus, Sphyrna, Mustelus und Scyttium sogar eine grössere Ausdehnung gewinnt. Der erste Zustand dieser sekundären Ver bindung kann noch nicht als Gelenk bezeichnet weiden, aber er führt zur Artikulation. Bei Scymnus, wo beide an einander gelagerte Flächen, die occipitale und die vertebrale, noch eben sind, finde ich eine Continuitäts- trennung. Zwischen beiden Flächen besteht ein Hohlraum. <[cr als Gelenk- höhle angesehen werden kann.- Eine echte Gelenkung bildet sich dagegen in zwei Fällen aus, und zwar in beiden auf verschiedene Weise. Die voll- kommenste Gelenkung, welche augenscheinlich eine allseitige Bewegung des Kopfes ermöglicht, findet sich in Gestall zweier halbmondförmiger Condyli occipitales bei Pristiophorus und bei Pristis, Formen, deren Kopf zum Gebrauch der langen Säge eine möglichst freie Beweglichkeit erlangen muss. Eine weniger vollkommene Gelenkung besitzen die scheibenförmigen Selachier, bei denen die seitlichen Gelenkhöcker mehr oder weniger deutlieh in Form wagerechter Leisten entwickelt sind. Hierdurch wird wesentlich nur eine vertikale Bewegung des Kopfes ermöglicht. Eine andere ist auch bei der seitlichen Verwachsung des Kopfes mit den Brustflossen ausgeschlossen. Eine gewisse Beweglichkeit in dorsoventraler Richtung erscheint aber schon zur Nahrungsaufnahme nothwendig, und eine echte Gelenkung muss sich hierbei deshalb ausbilden, weil der vordere Theil der Wirbelsäule sich in ein starres Rohr umgebildet hat. Auch diese Differenzierungen sprechen sonach nicht für eine Eintheilung der .Selachier in Haie und Rochen, sondern stellen sich in verschiedener Weise als sekundäre Folgeerscheinungen anderer Differenzierungen sowohl bei Haien wie bei Rochen ein. Während wir in dem vorderen Abschnitt l\ov Wirbelsäule bei den Rochen erhebliche Differenzierungen vorfanden, sehen wir in dem hinteren Abschnitt des Axialskelets die primären Verhältnisse der Squaliden sehr viel weniger modificiert. Hier erhalten sich die sanduhrförmigen Wirbel völlig diskret, und auch die Verhältnisse der oberen und unteren Bögen bleiben im Wesent- lichen dieselben wie bei den Haien. Nur ein Unterschied macht sich in den verkalkten Skelettheilen geltend, dass nämlich die Wirbelkörper durch con- centrische Kalkablagerungen zwischen den Wänden des Doppelkegels kräftiger verkalken. Da dieser Umstand indess dazu verwerthet wurde, den Wirbelbau der Rochen in Gegensatz zu dem der Haie zu bringen, so müssen wir diese Verhältnisse etwas eingehender betrachten. Hasse unterschied bekanntlich nach dem Ran der Wirbelsäule vier Gruppen von Selachiern: I. Plagiostomi diplospondyli {Notidanidae), bei welchen von einer Ausbildung verkalkender Wirheikörper noch keine Rede ist; — 51 — 2. Plagioatomi cyclospondyli (Spinaeidae), bei welchen sich verkalkte Wirbelkörper von sanduhrfürmiger Gestalt ausbilden; '.\ Plmjioatomi aateroapondyli (die übrigen Haie ausser Squotina und Priatiophoma), bei welchen der Wirbel im Querschnitt ein sternförmiges Aussehen erhält; 4. Plagioatomi tectoapondyli (die Rochen mit Einschluss von Squatina und Priatiophorua), bei denen aussen zwischen den Doppelkegeln (..der Sanduhr") concentrische Kalklamellen das Wirbelcentrum umschliessen. Dass die Resultate Hasse's vom Standpunkte der vergleichenden Anatomie richtig sind, soll zunächst zugegeben sein, aber es will mir scheinen, dass die Art und Weise wie Hasse phylogenetische Resultate aus seinen Unter- suchungen zog, im Princip zu bekämpfen sei. Dass die Notidaniden und in ähnlicher Weise die Spinaciden in mehrfacher Hinsicht einen charakte- ristischen Bau ihrer Wirbel aufweisen, ist nicht zu bestreiten, aber es fragt sich, ob es gerechtfertigt ist. die l nterschiede, die sie zeigen, ohne Weiteres den höchsten systematischen Trennungen zu Grunde zu legen. Wenn man sagt, die Selachier zerfallen in 4 Abtheilungen. Diploapondyli, Cycloapondyli etc., so zerlegt man doch damit die Selachier in 4 phylogenetisch von einander geschiedene Stämme. Man spricht damit jedem dieser 4 Stämme eine ent- wicklungsgeschichtliche Selbstständigkeit zu auf Grund der Voraussetzung, dass das der Trennung zu Grunde gelegte Organ eine Differenzierung nach 4 verschiedenen Richtungen erfahren hatte. Dass man nun jene 4 Aus- bildungsformen der Wirbelsäule nicht als divergierende Differenzierungen auf- fassen kann, darüber, glaube ich. kann doch wohl auf keiner Seite ein Zweifel bestehen. Wenn man sich den Verkalkungsprocess der Wirbelsäule bei den Selachiern phylogenetisch vor Augen stellt, so muss man annehmen, dass die asterospondylen und die tectospondylen Wirbel zuerst das Ent- wicklungsstadium der Notidaniden und danach das der Spinaciden durch- laufen haben. Wenn nun aber die diplospondyle und cyclospondyle Aus- bildungsform der Wirbelsäule nur perennierende Durchgangsstadien der weiter differenzierten Asterospondylie und Tectospondylie sind, dann können sie eine phylogenetische Selbstständigkeit ihrer Träger gegen- über den weiter entwickelten Formen erst von dem Zeitpunkt an invol- vieren, in welchem sich die Aateroapondyli und Tectoapondyli von ihnen abge- zweigt haben. Wenn also Hasse jene verschiedenen 4 Wirbeltypen einander vergleichend anatomisch gegenüberstellt und die einzelnen als charakteristisch für gewisse Formenkreise bezeichnet, so ist das an sich unanfechtbar, und Hasse hat auch dadurch, dass er dies in vorzüglich gründlicher Weise durchgeführt hat, zur Kenntnis der Selachier und ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen ausserordentlich werthvolle Beiträge geliefert. AVenu aber die Selachier - 52 - lediglich nach den anatomischen Verschiedenheiten im Bau ihrer Wirbel in Diplospondyli, Gyclospondyli, Asterospondyli und Tectispondyli zerlegl werden, so basiert diese Eintheilung nicht auf phylogenetischen Principien. A. Smith Woodv. \im> hob in seiner Eintheilung der Selachier*) hervor, dass die Persistenz der Chorda nicht nur für die Notidaniden charakteristisch sei, sondern auch für die liasische Gattung Hybodus; da letztere aber in die Nähe des asterospondylen Cestracion zu stellen sei, so könne er der Diplo- spondylie keine systematische Bedeutung zuerkennen. Er stellte unter diesen Gesichtspunkten die Notidaniden zu den Asterospondyli, indem er diesen damit einen weiteren Umfang als H\sse gab. Andererseits erkannte er. dass der cyclospondyle Bau bei den Spinaciden nur ein Durchgangsstadium der starker verkalkten Asterospondyli und Tectospondyli sei. ordnete aber in Rücksicht auf andere Organisationsverhältnisse die Spinaciden den Tectospondylt unter. Er tlieilte sonach alle Selachier nach Abzug der in sieh ganz heterogen zu- sammengesetzten Gruppe der Tchthyotomi Cope's ( Pleuracanthidai und ( 'ladodontidae) in Asterospondyli und Tectospondylt ein. Da eine Verkalkung der Wirbelkörper bei Selachiern überhaupt erst im unteren Jura eintritt, und die später verkalkenden Formen ein cyclospondyles Stadium durchlaufen, so hat Smith Woodwakd Recht, wenn er die Diplospondyli und Gyclospondyli nicht phylogenetiseh-systematisch verwerthen will. Auf der anderen Seite aber kann ich es nicht für richtig halten, wenn er nun alle Selachier in Asterospondyli und Tectospondylt zerlegt. Denn indem er auf diese nicht nur die Diplospondyli und Gyclospondyli, sondern alle älteren sich diesem Kriterium vollkommen entziehenden Formen mit unverkauften Wirbeln vertheilt, entzieht er den Begriffen der Asterospondylie und Tectospondylie auch den morphologischen Werth, den ihnen Hasse durchaus correct vom vergleichend-anatomischen Standpunkt aus gegeben hatte. Denn einen morphologischen Werth kann man Smith Woodwakd's Asterospondylie und Tectospondylie nichi mehr zuerkennen, besonders da man nicht weiss, ob die Entwicklung zahlreicher, noch indifferenter, fossiler Formen später nach der asterospondylen oder nach der tectospondylen Seite erfolgen, oder erfolgt sein würde. Andererseits lässt sich freilich im Hinblick auf den Hau der Schwanzwirbel von Heptanchus und einige später heranzuziehende Punkte nicht leugnen, dass der Eintheilung Smith Woodwakd's einiges Wahre zu Grunde liegt, doch müsste dann in Consequenz des oben Gesagten die Fassung der Begriffe wesentlich modificierl werden. Den besprochenen Ansichten gegenüber habe ich kürzlich**) versucht. ' i Catalogue ofthe fossil fishes in the British Museum. Parti. London 1889. pag. X.W II ■ j Über die systematische Stellung und über fossile Reste der Gattung Pristiophorum 1. c. pag. III. — 53 eine andere Auffassung der Wirbelsäule und des systematischen Werthes ihrer Differenzierungen geltend zu machen. Von dem allgemeinen Gesichts- punkt ausgehend, dass man die einzelnen Phasen eines einheitlichen Ent- wicklungsganges nicht als Grundlage für die höchste systematische Ein- theilung verwerthen könne, fasste ich die Differenzierungen der Wirbelkörper, wie sie die Notidaniden und Spinaciden aufweisen, nur als indifferente Ent- wicklungsstadien auf, welche auch die Asterospondyli und Tectospondyli Hasse's einmal durchlaufen haben müssen. Eine entschiedene Divergenz konnte Ich unter den Haien erst bei der weiteren Differenzierung erkennen, welche der cyclospondyle (sand- uhrförmige) Wirbeltypus bei ver- schiedenen Gruppen der Selachier eiluhr. Es zeigte sich, dass zwischen den zum Ansatz der oberen und unteren Bögen dienenden Längs- einstülpungen, welche punktiert gezeichnet sind, in einem Falle radiale Längsleisten auftraten (actinospondyler Typus*), oder einfach con- centrisch Kalk abgelagert wurde (sclerospondyler Typus). Den actinospondylen Typus zeigen unter den Haien sämmt liehe Lam- niden. Scylliolamniden und Cestracioniden, während sich der sklerospondyle Typus bei Scylliden schwach entwickelt und bei den Carchariden seine höchste Ausbildung erreicht. Die Notidaniden treten, wie gesagt, in diese Differenzierungsrichtungen nicht ein, und auch innerhalb der .Spinaciden ist die Verkalkuni;' noch sehr gering, so dass sich z. B. Ec7iinorhipus noch auf dem Xotidanidenstadium erhält. Bei einem jüngeren hochentwickelten Spina- ciden, Pristiophorus, scheint die Differenzierungsrichtung nach der sklerospon- dylen Seite hinzuneigen, wenigstens zeigt diese Form, welche ich 1. c. als einen mit einer Rostralsäge bewaffneten Spinaciden charakterisiert habe, eine Ausbildung der Wirbel im sklerospondylen Sinne etwa bis zu dem Entwick- lungsstadium der Scylliden. Andere als die hier geschilderten Entwicklungs- richtungen machen sich bei den spindelförmigen Selachiern, soweit sie darauf- hin untersucht sind, meines Erachtens nicht geltend. Fig. 2. Schematische Querschnitte durch einen actinospondylen und einen sklerospondylen Wirheikörper. *) Ich hatte diesen actinospondylen Typus in meiner citierten Schrift als asterospondyl bezeichnet, damit aher dein HASSE'schen Namen eine andere engere Umgrenzung gegeben. Da hieraus leicht Missverständnisse erwachsen könnten, so folge ich gern der Anregung, welche mir Herr Gelieimrath Hasse gab, dem von mir eingeführten Begriff einen neuen Xanten zu geben. Das Wort actinospondy] besagt im Wesentlichen dasselbe, in dem es auf die strahlige Zeichnung des Querschnitts hinweist. - 54 - Da eine solche höhere Differenzierung aber überhaupt ersi von der obersten Trias an eingetreten zu sein scheint, - wenigstens kennen wir aus älteren Schichten keine verkalkten Selachierwirbel — so lässt sieh der Bau der Wirbelsäule auch nur für die jüngeren Formen systematisch verwerthen. In älterer Zeit waren alle, wie noch heute die der Xotidanidon, indifferent und deshalb wegen der mangelnden Festigkeit nicht erhaltungsfähig. Gehen wir nun zur Betrachtung der Tectospondyli Hasse's über. Ver- gleichen wir die Organisation der Wirbelkörper der Rochen mit der der Haie, so ist zunächst hinsichtlieh des histologischen Aufbaues der Elemente zu be- merken*), dass sich die Entwicklung der Wirbelkörpermasse im Allgemeinen nicht über die Stufe des Faserknorpels erhebt, die Rochen also in diesem Punkte sich an die primitiven Haitypen anschliessen. Im übrigen hebt Hasse 1. c. bei Besprechung seiner Tectospondyli von vornherein hervor, dass ihm diese Abtheilung bei weitem nicht so einheitlich und sicher begründet erscheine, als seine Diplospondyli, Gyclospondyli und Asterospondylt. Da Hasse fast sämmtliche lebenden Rochen und zahlreiche fossile Vertreter derselben untersucht hatte, so ist die Ursache seiner Bedenken wohl weniger in der Lückenhaftigkeit seines Untersuchungsmaterials als in dem Begriff der Tecto- spondylie selbst zu suchen. Schon der Umstand, dass sich Hasse genöthigt sah, zu seinen Tecto- spondyli auch Squatina und Pristiophorus zu ziehen, muss Bedenken über den systematischen Werth seiner Abtheilung erwecken. Wenn er, ich möchte sagen, zur Entschuldigung dieser Consequenzen seines Systems bemerkt, dass man Squatina ja stets als eine Zwischenform zwischen Haien und Rochen betrachtet habe, so gilt das wohl von der äusseren Gestalt, dein biologischen Habitus, wenn man so sagen darf, aber von der Annahme eines phylogene- tischen Zusammenhanges von Squatina zu den Rochen ist man mehr und mehr abgekommen, je genauer man die Organisation beider kennen lernte. Und nur auf eine phyletische Beziehung beider käme es doch hierbei an. Wenn er feiner Pristiophorus und Squaloraja als ältere Verwandte der Rhino- batiden und Pristiden betrachtete, so beruhte das auf einer vollständigen Verkennung von deren phyletisch systematischer Stellung. Squaloraja ist. wie später erwähnt werden wird, ein liolocephale, Pristiophorus ein Spinacide. Auch im Verfolg seiner Auffassungen über die Beziehungen seiner 7- ■■>■•■ spondyli unter einander wird man bisweilen stutzig. Wenn er**) z. B. in Betreff der Myliobatiden sagt: „über deren Stellung im natürlichen Systeme ich auch jetzt noch durchaus nicht vollkommen klar bin, und die ich als (ianzes nur 'i II\>m:: Das natürliche System der Elasmobranchier auf Grundlage des Baues und der Entwicklung ihrer Wirbelsäule. Allgemeiner Theil. Jena 1879. pag. -45. **) 1. e. pag. 47. zu den Trygonen hinüberziehe, weil sie aach meinen Untersuchungen sich an keiner anderen Stelle unterbringen lässt", so ersieht man daraus, dass der Bau der Wirbelsäule wenigstens in der Auffassung Hasse's die verwandtschaftlichen Beziehungen nicht klar zum Ausdruck bringen kann, da unzweifelhaft die Myliobatiden mit den Trygoniden auf das Engste phyletisch verknüpft sind. Wenn Hasse an anderer Stelle*) auf Grund seiner Auffassungen zu dem Resultat kommt, dass Narcint wegen des Baues ihrer Wirbelsäule den Rhino- batiden ferner stehe als Astrape und Torpedo und deshalb überhaupt als der jüngste Zitterroche zu betrachten sei, so widerspricht dieser Befund ganz entschieden den phyletischen Beziehungen von Narrine, welche schon J. IIenle sofort richtig als Uebergangsform von Rhinobatus zu Torpedo erkannt hatte.**) Bei Besprechung eines fossilen Wirbels, welcher denen von Narcint brasilimsis durchaus gleichstehend sei, bemerkt Hasse am Schlüsse seines Kapitels über die Plagiostomi tectospondyli Folgendes: ..Das Bild ist nicht zu verkennen, und dennoch wird man sich zu hüten haben, dass keine Ver- wechslungen mit Wirbeln vorkommen, welche den ScyUiolamniden angehören. Um diese zu vermeiden, müssen die allgemeinen Formverhältnisse, muss das Vorquellen der Wirbeloberfläche, muss der Breitenunterschied des Wirbels dorsal und ventral in Betracht gezogen werden.1'***) Hasse giebt also in diesem Falle direct zu, dass sich ein tectospondyler Wirbel eines echten Rochen von einem typisch asterospondylen Wirbel nur durch rein äusser- liche Formverhältnisse unterscheide, während doch, wenn die tiefgehende systematische Trennung beider berechtigt wäre, immer die entscheidenden Charaktere der Tectospondylität und Asterospondylität vorhanden und nach- weisbar sein müssten. Im Hinblick auf solche Punkte wird man doch unbe- dingt zu der Auffassung gedrängt, dass die Tectospondylität im Sinne Hasse's kein klarer morphologischer Begriff ist, die Rochen also mit anderen Worten im histologischen Bau ihrer Wirbelsäule sich nicht als eine phyletisch selbst- ständige Gruppe erweisen. Es würde selbstverständlich nur durch ebenso eingehende wie um- fassende Specialstudien möglich sein, eine erneute Darstellung der Differen- zierungen der Wirbelsäule zu geben, eine Aufgabe, an deren Erfüllung im Rahmen dieser Arbeil nicht zu denken ist. Einige positive Gesichtspunkte lassen sich aber doch wohl für die Beurtheilung der Wirbelsäule der Rochen finden. Ich meine dass man zunächst die Frage zu erörtern hat, ob nicht *) Das natürliche System der Elasmobranchier auf Grundlage des Baues und der Entwicklung ihrer Wirbelsäule. Besonderer Theil (IV). pag. 17. **) Hasse beruff sich bei seiner Auffassung noch auf das Verhalten der Zähne von Narcine, worauf ich später eingehen werde. -■•> 1. c. Besonderer Theil (IV). pag. 179. — 56 - auch der hintere, sozusagen normale Theil der Wirbelsäule iici den Rochen durch Lebensweise und Correlationsverhältnisse sekundär beeinfiussl ist. Ist dieses der Fall, und können wir also eine Anzahl von Eigentümlich- keiten im Bau der Wirbelsäule der Rochen als sekundäre Folgeerscheinungen anderer Rochencharaktere erkennen, dann verlieren jene Eigentümlichkeiten naturgemäss ihren phyletischen Werth, weil wir bei ihrer Beurtheilung die Möglichkeil orten lassen müssen, dass besondere Ausbildungsformen nur auf Homoplasien beruhen und keine nähere Verwandtschaft ihrer Träger be weisen. Wir sahen, dass der vordere Theil der Wirbelsäule eine sehr weit- gehende Umgestaltung- erfuhr, in dem er sieh in ein starres, ungegliedertes Rohr umwandelte. Die Ursachen, weiche diese Erscheinung hervorriefen, wirken auf den hinteren Theil der Wirbelsäule nicht, hier können sieb also die ursprünglichen Organisationsverhältnisse der Wirbelsäule klarer erhalten: dass aber jene tiefgreifende Umgestaltung der einen Hälfte der Wirbelsäule ganz ohne Einfluss auf die Ausbildung des hinteren Abschnittes geblieben sei, ist doch schon a priori kaum anzunehmen. Der Umbildungsprocess des vorderen Abschnittes beruhte im Wesentlichen auf einer verfestigenden Erstarrung. Wenn wir die Ausbildung der Wirbel bei den älteren Rochen mit (lei- der Cyclospondyli vergleichen, welcher sie entschieden am nächsten steht, so beruht der wesentliche Unterschied im Wirbelbau jener gegenüber dem der letztgenannten Formen zunächst darin, dass der centrale Doppelkegel sich consolidiert, so dass besonders die Aussenränder der Kegel sehr verdickt und ..aufgeworfen" erscheinen. Ferner verstärkt sich der Wirbel dadurch, dass sich zwischen den Wänden des Doppelkegels von aussen concentrisch Kalk ablagert. Diese beiden Differenzierungen machen sich bereits bei den ältesten Rhinobatiden mil voller Klarheit geltend, während sie bei einigen jüngeren Formenkreisen von Rochen weniger deutlich hervortreten. Wir werden also bei dem Versuch einer Erklärung jener Umbildungsprocesse zweckmässig von den primitiveren Rhinobatiden ausgehen müssen. Bei denselben hat. wie oben gezeigt wurde, der Verschmelzungsprocess des vorderen Wirbelsäulen- abschnittes schon begonnen, gleichzeitig tritt alier bei dieser heteronomen Differenzierung der einzelnen Abschnitte ih'r Wirbelsäule auch der hintere Abschnitt in ein anderes Verhältnis zum Gesammtorganismus. Bei den spindelförmigen Haien linden wir eine ausserordentlich stark entwickelte Längsmuskulatur, um den Körper zu bewegen. Indem nun bei den Rhino- batiden die Bewegungsaction auf die Brustflossen übergeht, verkümmert die Längsmuskulatur, und der postpectorale Alischnitt des Körpers verliert damit - 57 - die gleichmässige Festigkeit, welche er vorher in allen seinen Theilen zu dem Rumpf besass. Als Stütze des postpectoralen Körpers, namentlich des Schwanzes und der Rückenflossen, bleibt aber die Wirbelsäule bestellen und erlangt, wie mir scheint, nun im Anschluss an die Verfestigung des intrapectoralen Abschnittes eine erhöhte Bedeutung als Stützorgan des ganzen Kolliers. In Konsequenz dieser Auffassung müsste dann bei Formen, bei denen der Schwanz und die Dorsalflossen mehr und mehr verkümmern, die Bedeutung' des hinteren Wirbelsäulenabschnittes geringer werden, anderenfalls aber, wenn diesem Abschnitt eine neue Function zufällt, sich verstärken, die Verfestigung der Wirbel also in einem Falle Mieder ab-, im anderen weiter zunehmen. Die Verhältnisse, welche wir nun in dieser Hinsieht bei den später auftretenden Familien der Rochen finden, widersprechen diesen Auf- fassungen nicht. Bei den Rajiden und Torpediniden, bei denen der Schwanz und seine Flossen in functioneller und morphologischer Rückbildung begriffen sind, treten die tectospondylen Charaktere in der Wirbelsäule zurück, während bei den Pristiden, bei denen der Schwanz wieder als Bewegungsorgan dient, oder bei den Centrobatiden, bei denen er sehr verlängert wird und zum Ue- brauch der Hauptwaffe, des Stachels, eine neue Bedeutung erhält, die Tecto- spondylität ihre extreme Ausbildung erfährt. Die morphologische Ähnlichkeit, welche hierbei die Wirbel bei Pristis und andererseits namentlich bei den Myliobatiden erlangen, würde danach als Homoplasie aufzufassen sein und ein Kriterium für die Phylogenie ihrer Träger nicht mehr abgeben. — Die vor- stehende Auffassung der Wirbelsäule der Rochen ist selbstverständlich nur von hypothetischem Werthe und müsste im Einzelnen sehr genau geprüft werden; da sie aber, wie ich meine, mit den Thatsachen im Einklang steht und diese letzteren in einen verständlichen historischen Zusammenhang bringt, so hielt ich mich für berechtigt, dieselbe aufzustellen, auch ohne eine erneute Darstellung der einschlägigen Verhältnisse im Einzelnen zu geben. Wenn wir zu einer Betrachtung des Visceralskeletes übergehen, so hat man den Bau des Kiemengerüstes im Interesse einer Eintheilung in Haie und Rochen zu verwerthen gesucht: namentlich hat man dem Mangel äusserer Kiemenbögen bei Rochen eine systematische Bedeutung beigelegt.*) Ein solcher ist indess, wie schon Gegenbaur**) hervorgehoben hat, nicht zu ver- zeichnen, da soavoIiI bei Ehynchoiatus wie bei Trygon Reste desselben vor- handen sind; und da auf der anderen Seite jene Stücke auch bei verschiedenen Haien sehr unvollkommen entwickelt sind, oder, wie es bei älteren Formen *) Haswell: Studies on the elasmobranch skeleton. Proceedings of the Linnean Society of New South Wales. Vol. IX. 1884. Das Kopfskelet der Selachier. pag. 166. — 58 — scheint, ganz fehlen, so kann ein Gegensatz zwischen Haien und Rochen in diesem Punkte nicht existieren. Dass die äusseren Bogenstücke bei den Kurilen verkümmert sind, erklärl sich im üebrigen sehr einlach daraus, dass der ganze Kiemenapparat durch die Umwachsung der Brustflossen in die Körperscheibe rückt und besonderer Stützelemente an seiner Aussenseite nicht mehr bedarf. Nicht unerheblich sind die Umgestaltungen des Kieferbogens. Dadurch, dass das Maul der Kochen in der flachen Unterseite liegt, können sieh die Kiet'ei'iiste an der Symphyse nicht mehr vorstrecken, wie dies ursprünglich bei Selachiern der Fall ist, sondern werden durch das Auflegen des Mundes auf dem Boden in die Körperscheibe hineingedrängt. Diesem Druck können dieselben im normalen, d. h. geschlossenen Zustande nur in der Weise nach- geben, dass sie sich in die Breite strecken. Indem dabei die beiderseitigen Kieferäste in eine Linie rücken, fällt den Theilen derselben die gleiche Arbeit bei der Nahrungsaufnahme zu. Infolge dessen hört eine besondere Differen- zierung der Symphysenregion auf, und alle Zähne werden gleichartig, abge- sehen von den seitlichsten Zähnen, denen aaturgemäss in den Mundwinkeln eine geringere Arbeit beim Kauen oder Fassen der Nahrung zufällt. Es ist sehr bezeichnend, dass bei den jüngsten Myliobatiden, bei denen infolge der Reduction des procephalen Flossenabschnittes das Gebiss wieder an den Vorderrand der Rumpfscheibe rückt, auch jener Zustand des Gebisses wieder verlassen wird, indem der Unterkiefer von Aetobatis sich wieder in der Symphyse vorstreckt. Er dient nun wie eine Schaufel zum Aufheben der Nahrung, während i\o- Oberkiefer, der noch durch die Kopfflosse zum Theil liedeckt wird, an dieser sekundären Vorstreckung keinen Antheil nimmt. Diese Differenzierung führt nun aber zu dem Umgekehrten der sonst üblichen Ausbildung, da bei den älteren, frei schwimmenden Selachiern der Oberkiefer gewöhnlich zum Erfassen der Beute stärker vorgezogen ist als der Unterkiefer. Ich möchte glauben, dass diese durch die Lebensweise herbeigeführten Differenzierungen des Gebisses zum grossen Theil die ver- schiedenen Differenzierungen im Kopfskelel <\r\- Rochen erklären; aber ein mechanischer Nachweis wird freilich im einzelnen Falle hier schwer zu er- bringen sein. Das Verhalten, welches uns Torpedo hinsichtlich der Verdünnung und Vorbiegung seiner Kieferbogen aufweist, hat sich entschieden erst wieder sekundär herausgebildet. Das eigentliche Hautskelet der Rochen zeigt gegenüber den Haien keinerlei principielle Gegensätze. Wie wir bei den Haien Formen haben, denen Hautschuppen vollkommen fehlen (P/euracanthidae, Mesiteia sahel-almae), so linden wir auch bei Rochen glatte Haut, wie namentlich bei den Torpedi- niden. Andererseits erlangen einige Rochen ein sehr entwickeltes Haut- - 59 - skelet, wie z. F>. Urogymnus asperrimus, der geradezu in einem Panzer starrt. Eine solche Koncentration des Hautskelets in grössere Platten und Stachel- schuppen findet sich aber auch z. B. bei Echinorhinus unter den Haien. Dass dieselbe aber bei den Rochen eine allgemeinere Verbreitung und höhere Differenzierung erlangt, erklärt sich sehr einfach aus dem Leben dieser Formen. Alle Thiere, welche sich der Lebensweise auf dem Boden anpassen, verlieren einen Theil ihrer Aktivität, indem sie sich nach einer Seite hin ihrer Freiheit begeben. In dieser Beschränkung liegt aber der Vortheil, dass sie für den Schutz ihrer Unterseite keine Ausgaben zu machen brauchen. Indem sie für dieselbe die Vortheile der Unterlage ausnutzen, werden sie in ihrer Lebensthätigkeit zu einer gewissen Passivität gedrängt. Die Organe, mit denen sie ihrer Umgebung gegenüber treten, werden mehr zu Schutz- als zu Angriffsmitteln. Die an exponierten Körperstellen ver- theilten Stachelschuppen der Rajiden, die bisweilen gleichmässige Panzerung der Trygoniden, der Schwanzstachel der Centrobatiden und die elektrischen < Irgane der Zitterrochen liefern hierfür sehr charakteristische Belege. Auch die Hautbewaffnung von Menaspis armata liesse sich hier als Analogon aus einem anderen Formenkreise der Elasmobranchier anführen. Man kann wohl überhaupt sagen, dass im Allgemeinen das Hautskelet (vom Gebiss abge- sehen) den passiven Lebensfunctionen entspricht, während das Innenskelet den activen dient. Auch in histologischer Hinsicht besteht keinerlei principieller Gegensatz im Hautskelet von Rochen und Haien, dagegen werden wir später sehen, dass sich in den Besonderheiten der histologischen ebenso wie der morpho- logischen Form der Hartgebilde der Rochen sich zwei, unter einander sehr scharf geschiedene Differenzierungen geltend machen. Die Rhinorajiden zi ■igen in ihren Hartgebilden Pulpodentin, die Centrobatiden Vasodentin. Gemeinsame Charakterzüge treten uns aber entgegen in der Morphologie der Gebisse. Da die spindelförmigen Haie ihre Nahrung in der freien Bewegung er- haschen, so sind ihre Zähne im Allgemeinen als scharfe Reiss- oder Schneide- zähne entwickelt. Die auf dem Boden lebenden, platten Rochen fangen ihre Nahrung, indem sie sich mit dem breiten Körper auf dieselbe stürzen und die gefangene Beute dann zwischen ihren Kiefern zermalmen. Dement- sprechend bilden die Zähne der Rochen ein zum Kauen und Zermalmen ge- eignetes, mehr oder weniger ebenes Pflaster, an dessen Bildung stets eine grössere Zahl von Längsreihen Antheil nimmt, während bei Haien nicht selten nur eine Längsreihe von Schneide- oder Reisszähnen gleichzeitig im Gebrauch ist (Nbtidanus, Spinaciden, Garcharodon, Carchariden). Die Form der Zähne passt sich ebenfalls dem gleichen Zwecke an. 60 Spitze Reisszähne, wie bei den Scylliden, sind bei den abgeplatteten Formen selten und treten dann meist als atavistische Erscheinung nur unter bestimmten Umständen ein, wir /.. 11. bei den Männchen der Rajiden. Im Allgemeinen herrschen stumpfe Zähne vor, die eine oder mehrere Längs- leisten (in der Richtung des .Mundes gerechnet) besitzen {Rhynchobatus\ oder glatl sind {Rhinobatidae, Rajidae), «»der eine Grube und Runzeln auf ihrer Ober- seite tragen (Trygonidae), oder zu grösseren Zähnen verschmelzen [Mylio- liaiidac). Infolge der engen Zusammendrängung erhalten die Wurzeln hierbei eine sehr charakteristische Form, indem dieselben durch Mangel an Raum in ihrer Grössenentwieklung beschränk! sind, und die bei Haien meist über- stehenden Wurzelflüge] zu kleinen Zapfen oder Leisten reduciert werden. Da die Morphologie und Terminologie dieser merkwürdig geformten Zahngebilde bisher wenig berücksichtigt wurde, so möchte ich hier mit einigen Worten auf dieselbe eingehen. Die einzelnen Zähne der Selachier sind bekanntlich nicht in den Kiefern eingekeilt oder auf denselben ange- wachsen, sondern liegen in einer zähen Haut, auf welcher sie selbst und unter einander durch Rindegewebe fest verbunden sind. Während man daher einen einzelnen Zahn schwer aus dem Gebiss eines Selachiers heraus reissen kann, lässt sich das nur lose auf den Kiet'er- knorpeln aufliegende ganze Gebiss mit Leich- tigkeit von den Kiefern loslösen, besonders bei eingetretener Verwesung. Ein solches vom Ober- oder Unterkiefer losgelöstes (iebiss nennt man eine Zahnbinde. Die Umbildung von Zähnen, der Zahnersatz, erfolgt dadurch, dass sich in einer Hautfalte an der Innenseite der Kiefer zu gleicher Zeit eine ganze Reihe von neuen Zähnen bildet, deren jeder einem an derselben Stelle vor ihm gebildeten und nun nach aussen vor ihm stehenden Zahne entspricht. Dadurch ent- stehen zweierlei Reihen von Zähnen: 1. Längsreihen der zu gleicher Zeit ent- wickelten Zähne; 2. soviel Querreihen an derselben Stelle entwickelter Zähne, als neben einander im Gebiss stehen. Dies wird aus beistehender Figur 3 ersichtlich sein, wo die zu gleicher Zeit gebildeten Zähne (5) schraffiert sind und eine Längsreihe bilden, die nach einander an der gleichen Stelle entwickelten Zähne Querreihen (I, II, III u. s. w.) dar- stellen. Die Anzahl der nach einander im Leben eines Selachiers entwickelten CDOCDOO / CDCDCDCDO- CD OOOOJ CD CD CD OO v dHJ> CUP «ED 5 1 TL TE N V Fig. 3. Sehern itische Darstellung dei- I.ängsreihen (1-5) und Querreihen (I V) eines Selachiergebisses. i n m w v vi vn mrx Fig. 3a. nie seitliche Zusammendrängung der alternierenden Querreihen i>ci den (.«■bissen der Kochen. - 61 — Längsreihen von Zähnen dürfte viel grösser sein, als man wohl gewöhnlich glaubt. Man kann dies natürlich, da directe Beobachtungen hierüber schwerlich jemals gemacht werden dürften, nur aus zwei Factoren berechnen, erstens aus dem Winkel der Grössenzunahrae der älteren und jüngeren Zähne der Querreihen eines Gebisses, und zweitens aus den absoluten Grössenunter- schieden von Zähnen bezw. Zahnbinden sehr junger und sehr alter Individuen derselben Art. Eine hierauf begründete Berechnung an Gebissen von Aeto- batis ergab z. B., dass bei dem ältesten vorliegenden Individuum dieser Form sich etwa 800—900 Zahnreihen nach einander gebildet haben mussten. Es würde, nebenbei bemerkt, natürlich von höchstem Interesse sein zu erfahren, wie schnell in solchem Falle der Zahnersatz vor sich geht, weil man daraus dann unmittelbar das Lebensalter der Individuen berechnen könnte. Ich glaube Grund zu der Annahme zu haben, dass Riesenexemplare, wie sie namentlich bei Myliobatiden vorkommen, hunderte von Jahren alt sind. Die Querreihen sind einander um so mehr genähert, je stumpfer die Zähne sind, und je mehr sie zum Kauen und Zermalmen der Nahrung' dienen. Von einem Hai wie Chlamydoselache, bei welcher die Querreihen von ein- ander durch breite Zwischenräume getrennt sind, lassen sich alle Übergänge verfolgen zu Formen, bei denen die Zähne der benachbarten Querreihen ein- ander so genähert sind, dass dieselben alternierend ineinander greifen und schliesslich zu einer Form wie bei Aetobatis, bei welcher Querreihen überhaupt nicht mehr vorhanden sind, sondern der ganze zu gleicher Zeit erfolgte Zahnersatz, also eine Längsreihe, durch einen einzigen langgestreckten Zahn repräsentiert wird, führen. Während also das Verhältnis der Zähne zweier Querreihen je nach den Functionen des Gebisses ausserordentlich wechselt, zeigen die Zähne einer Querreihe zu einander ein sehr konstantes Verhalten. Hier greift immer der jüngere Zahn mit seiner Krone über die Wurzel der zwei vor ihm stehenden nächstälteren über und bewirkt dadurch die feste Verbindung dieser Zähne unter einander. Der Grad und die Art und Weise dieses Übergreifens ist allerdings auch sehr mannigfaltig und bietet mit der Verschiedenheit in der Stellung der Querreihen werthvolle systematische Unterschiede zwischen den später zu besprechenden Familien. Aus der engen Zusammendrängung der Zähne resultieren gemeinsame Eigentümlichkeiten der normalen Rochenzähne. Die auffallendste derselben ist die Reduction der Wurzel, welcher bei den Haien ausschliesslich die Be- festigung der Zähne auf der bindegewebigen Unterlage zufällt. Bei den Rochen wird dagegen eine Verbindung der Zahnkronen unter einander herbei- geführt, indem dieselben mit flachen Zapfen und Gruben ineinander greifen. Dadurch bekommen die Zähne solcher Gebisse (das Gleiche gilt also auch - 62 - für Mvstelus) einen bestimmten Habitus im Gegensatz zu den Zahnformen der Haie. Als Schema eines Kochenzahnes könnte nebenstehendes Bild gelten. Krone und Wurzel sind stets scharf von einander geschieden; die letzteren sind zweiflügelig, und die Flügel lagen nach innen unter .. r ^S i\ der Zahnkrone vor. Wenn eine Längskante über den Kr l J urL V. \s\ Zahn verläuft, so ist dieselbe >\>')- Innenseite des Zahnes ^--/ : V-^ genähert; ieli bezeichnete eine solche als „Längskante" •fc (LK): dieselbe kann sieh median zu einer einwärts gerich- Y\'i 4. Schema eines Rochen- zahnes, derselbe von innen teten Spitze erheben, wie bei Rajiden und Torpediniden. gesehen. Kr- Krone, ir Wurzel, u- = Langskante, Wenn in der Richtung der Querreihen eine Kante aut dem Zahne entsteht, so ist dieselbe stets auf die Innen- seile beschränkt, also eine ..Innenkante'-, welche bisweilen an der Basis in einen Zapfen, den „Innenzapfen", ausläuft. Diese Kantenbildung entsteht durch das Übergreifen je zweier Zähne über den aussen vor ihnen stehenden. Wenngleich wir auch bei Haien {Muatelns) den gleichen Zahnbau finden und demselben also keine primäre Bedeutung in phylogenetischer Hinsicht beimessen dürfen, sind doch die Verschiedenheiten im Bau der Rochenzähne, und namentlich ihrer von dem Wechsel der Lebensweise wenig beeinflussten Wurzeln, für die einzelnen Familien sehr charakteristisch. Die Systematik und Stammesgeschichte der Rochen. Joh. Müller und Henle hatten in ihrer klassischen Monographie der lebenden Plagiostonien*) die erste durchgreifende Eintheilung der Rochen gegeben. Dieselbe ist in ihren wesentlichen Punkten von den späteren Autoren beibehalten, indess in manchen Einzelheiten durch neuere Forschungen tiefer begründet und modificiert worden. A. Günther, dessen Catalog der Fische des British .Museum wohl gegen- wärtig als Ausdruck der Anschauungen über die Systematik der lebenden Selachier gilt, ordnet und definiert die Familien der Rochen in folgender Weise: 1. Familie: Pristidae. Die Schnauze sehr verlängert, sägeförmig mit seitlichen Zähnen besetzt. Einzige Gattung: Pristis. 2. Familie: Rhinobatidae. Der Rumpf allmählich in den kräftigen Schwanz übergehend, welcher Systematische Beschreibung der Plagiostomen, Berlin 1841. 63 - zwei Rücken- und eine Schwanzflosse trägt. Die Brustflossen nicht bis zur Schnauze ausgedehnt. ( Gattungen: Rhyncliobntus, Rhinobatus, Trygonorhina. 3. Familie: Torpedinidae. Rumpf eine breite glatte Scheibe bildend. Gestrahlte Rücken- und Schwanzflossen meist vorhanden. Ein electrisches Organ. Gattungen: Torpedo, Narcine, Hypnus, Discopyge, Aslrape, Temera. 4. Familie: Rajidae. Scheibe breit rhombisch nieist rauh: Schwanz mit einer Längsfalte an jeder Seite. Brustflossen bis zur Schnauze ausgedehnt. Kein electrisches i Irgan. Kein gezähnelter Schwanzstachel. Gattungen: Roja, Psammobatis} Sympterygia, Platyrhina. 5. Familie: Trygonidae. Brustflossen ununterbrochen vor dem Kopf zusammenstossend. Schwanz ohne seitliche Längsfalten. Gattungen: Urogymnus, Ellipesitrus, Trygon, Taeniura, Uroloplms, Pteroplatea. 6. Familie: Myliobatidae. Die Seiten des Kopfes frei von Brustflossen. Ein Paar gesonderter Kopfflossen an der Schnauze. A. Myliobat ina: Gattungen: Myliobatis, Aetobatis, Rhinoptera. B. Ceratopterina: Gattungen: Dicerohatis, Ceratoptera. Wenn wir von einer von einzelnen Autoren vorgeschlagenen Zusammen- fassung der Pristiden und Rhinobatiden absehen, so sind die älteren Ein- theilungen der Rochen dadurch gekennzeichnet, dass die einzelnen Familien als gleichwertig einander coordiniert erscheinen. Indessen wurde in der Reihenfolge der einzelnen Familien — gewöhnlich stillschweigend — zum Aus- druck gebracht, dass in den letzten Familien die eigenthümlichen Merkmale der Rochen schärfer zum Ausdruck kommen, als bei den ersteren; dass die an den Schluss gestellten Familien in ihrer Organisation den Haien ferner stehen, als die Pristiden und Rhinobatiden, die in ihrer gestreckteren Körper- form und der geringeren Verbreiterung ihrer Rumpfscheibe sich den spindel- förmigen Haien nähern. Besonders tritt dies da hervor, wo die Gattung Pi-istiophorus an den Schluss der Haie gestellt ist, um den Übergang von diesen zu Pristis und den echten Rochen zu bilden. - 64 - Durch die vergleichend anatomischen Arbeiten winde die Kenntnis der Organisation jener Formen in vielen Punkten vertieft: da jedoch in diesen Arbeiten die einzelnen Organe, nicht aber die ganzen Organismen nach ihrem anatomischen Bau mir einander verglichen wurden, so wurde die Systematik und Stammesgeschichte der Rochen dabei nicht unmittelbar berührt. Haswell*) stellte zwar die systematisch wichtigen Resultate seiner vergleichenden Studien über den skelethan der Plagiostomen in anschaulicher Weise zu- sammen, änderte dabei aber die bisherige Ordnung und Auffassung der einzelnen Familien nicht. Dass von Seiten verschiedener Palaeontologen unvollkommen bekannte Plagiostomenreste den Rochen zugezählt winden, änderte weder die systematische mich die phylogenetische Auffassung der genannten Familien. Der erste Autor, welcher der Frage nach der Stammesgeschichte der Rochen energisch näher trat, war Hasse,**) der durch seine umfassenden Studien über die Wirbelsäule der Selachier auch viel Material zu phylogenetischen Be- trachtungen dieser Formen gewann. Leider ist gerade bei den Kuchen die palaeontologische Grundlage, auf welcher sich die oft sehr weitgehenden Schlüsse aufbauen, eine sehr unzuverlässige gewesen, so dass der von ihm geschaffene Stammbaum der Selachier mindestens in diesem Theile sehr wesentlicher Änderungen bedarf. Wenn wir uns hier auf das beschränken, was Hasse über die Stammesgeschichte der Rochen sagte, so sind zunächst einige Irrthümer zu berichtigen, durch welche er veranlasst wurde. Formen in die Stammesgeschichte der Rochen zu verflechten, welche unzweifelhaft nicht in diese Abtheilung gehören und in derselben am allerwenigsten als Aus- gangsformen und Stammtypen zu verwerthen sind. Wenn wir von den älteren „Stammformen" von Onchus, der doch wohl zu den Acanthodiern zu stellen ist, ferner von Oracantlvus und Qyracanthus, die sicher nicht zu den typischen Selachiern gehören, absehen, so gilt Obiges namentlich von Xena- canthtis, Sphenonchus^ Sqvtaloraja, Janassa und Pristiophorus. Der Kopfstachel der Xenacanthiden, welchen Hasse mit den Schwanz- stacheln einiger Rochen {Centrohati m.) in nähere Beziehung brachte, erweist sich schon histologisch als eine zu heterogene Bildung, als das er den Stacheln der Trygoniden und Myliobatiden homolog sein könnte, ganz abge- sehen davon, dass die Xenacanthiden im Perm aussterben, und die eisten Cmtrobati erst aus der obersten Kreide bekannt sind. ;i Stmlirs im the elasmobrauch skeleton. Proceediiigs of the Linnean Societj of New Smith Wales Vol. IX. 1884. ••i ('. Hasse: l»as uatürliche System der Elasmobranchier auf Grundlage e provisonally fcermed the Batoidei veri, as distinguished t'rom the Torpedinidae or Batoidei um, veri.u Diese von den bisherigen Anschauungen durchaus abweichende Auffassung stützt sich lediglich darauf, dass bei den Rochen die Flossen- strahlen in verschiedener Weise an den Schultergürtel herantreten. Schon Gegenbaub hatte auf diese Thatsache aufmerksam gemacht**) und daran folgende Schlussfolgerung geknüpft: „In der Thatsache, dass auch periphe- rische Elemente, wie die Radien, in die Basalreihe eintreten, und so dem Schultergürtel sich unmittelbar verbinden können, liegt das Fundament für die Erklärung der Brustflosse der Teleostier, wie von den Ganoiden aus nachgewiesen werden soll." Da nun aber die genannte Erscheinung unter den Selachiern erst bei deren jüngsten und am Weitesten differenzierten Typen hervortritt, den älteren, primitiveren Formen aber vollkommen fremd Proceedings of the Zoological Societj of London 1890. ]>;i$i'. 675—683. **) Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Heft -■ Brustflosse iler Fische. Leipzig 1865. pag. 14+ Dil - 67 — ist, so kann sie füglich nicht als Brücke zu den Teleostiern verwendet werden, die doch höchstens mit den ältesten, nicht aber mit den jüngsten Selachiern in phyletischem Connex stehen können. Es handelt sich in jener Ausbildungsform der Rochenflosse lediglich um eine Neuerwerbung, die durch die Ausdehnung der Brustflosse nach vorn und hinten veranlasst wurde. Naturgemäss stehen denn auch die verschiedenen Familien von Rochen in dem genannten Punkte auf sehr verschiedenen Stadien der Differenzierung, je nachdem mit der Ausdehnung der Flosse ihr Flossenskelet auseinander gezerrt ist. Bei Rajiden und Trygoniden ist dies im höchsten Grade der Fall, und bei diesen treten denn auch zahlreiche Flossenstrahlen unmittelbar oder unter Vermittelung neu gebildeter Basalknorpel an den Schultergürtel heran. Bei den älteren Rochen ist eine solche Differenzierung aber nur im Entstehen, wie bei den Rhinobatiden, oder wieder im Abnehmen begriffen, wenn die Ausdehnung der Brustflosse sekundär wieder abnahm, wie bei den Pristiden und Torpediniden. Die ganze Erscheinung dokumentiert sich sonach lediglich als eine Folge der Ausdehnung der Brustflossen. Da wir nun sehen, dass diese in verschiedenen Familien in analoger Weise fortschreitet bezw. rückgebildet wird, so darf den von Hosves herangezogenen Differenzierungen noch weniger phyletische Bedeutung zugemessen werden als der absoluten Ausbreitung der Brustflossen an sich. Schon die Thatsache, dass nach jenen Principien die Pristiden ganz von den Rhinobatiden und die Ceratopterinen weit von ihren unmittelbaren Verwandten, den Myliobatiden, entfernt werden, muss uns davon überzeugen, dass jene Eintheilung der Rochen deren natürlichen Verwandtschaftsverhältnissen in keiner Weise Rechnung trägt. Wenn man bei einer Eintheilung der Rochen, wie dies naturgemäss zu- nächst geschah, wesentlich nur die Morphologie der lebenden Formen berück- sichtigt, so mag die bisher übliche Systematik noch gerechtfertigt erscheinen. Eine Familie, wie z. B. die Torpedinidae, besitzt in dem electrischen Organ eine so charakteristische Eigenthümlichkeit, die überdies auch weitere Eigen- schaften zur Folge hat, dass die lebenden Mitglieder dieser Familie einen wohl umgrenzten Formenkreis darstellen. Das Gleiche gilt von der Gattung Pristis, deren auffällige „Säge1- und einige andere Eigenthümlichkeiten die Sonderstellung der Pristiden in eine eigene Familie zu bedingen scheinen. Bei anderen Familien erschwert das Vorhandensein lebender Zwischenformen eine klare Definition bisweilen schon beträchtlich. Obiges Verhältnis ändert sich ausserdem sehr wesentlich, wenn wir nicht nur die Individuen einer Entwicklungsphase - die lebenden Formen — ins Auge fassen, sondern auch deren fossilen Vorfahren bei Aufstellung der Systematik voll berücksichtigen. Indem ich dies im vorliegenden Falle versuchte und dabei neben der Morpho- logie und Histologie der Skelettheile möglichst auch deren biologische Funk- - 68 tioncn zur Erklärung von Analogieen heranzog, ergab sich, wie zu erwarten stand, dass die bisher als wohlbegründet erkannten Formenkreise im Wesent- lichen als solche beizubehalten sind, dass aber deren bisherige Auffassung in Rücksicht auf unzweideutige Beziehungen der einzelnen Familien zu ein- ander zu modificieren ist. Es zeigte sieh, dass von den Rhinobatiden, als den ältesten echten Rochen, die Pristiden sowohl wie die Torpediniden und die Rajiden abzuleiten sind, dass diese drei letztgenannten Familien von den Rhinobatiden aus verschiedene Differenzierungsrichtungen eingeschlagen haben, mit diesen aber einen durch zahlreiche Eigentümlichkeiten scharf charakterisierten Formenkreis bilden, den ich mit dem Namen Bhinoraji be- legt habe. Mit derselben Klarheit erschien zunächst als negatives Ergebniss die Unmöglichkeit, die Trygoniden und Myliobatiden von diesem Formen- kreise abzuleiten. Im Gegentheil ergab sich dann, dass diese Familien eben- falls wie die Bhinoraji einen in sich geschlossenen Formenkreis bilden, der sieh nach dem heutigen Stand unserer Kenntnisse erst in der oberen Kreide- periode in divergierende Zweige gespalten hat. Für die naheliegende und bisher gültige Annahme, dass diese beiden Formenreihen in früheren Perioden monophyletisch zusammenlaufen, Hessen sich weder aus der vergleichenden Morphologie noch aus der Histologie dieser Formen positive Anhaltspunkte linden. Denn so weit wir die Verhältnisse jetzt übersehen können, zeigen die älteren Centrobatiden die charakteristischen Eigenthümlichkeiten ihrer lebenden Nachkommen schon in voller Schärfe und darin keinerlei Annäherung an die Rhinorajiden, welche zur Zeit des Auftretens der Centrobatiden bereits in die heutigen Differenzierungsrichtungen gespalten sind. Eine Form dürfte vielleicht berufen sein, bei diesen Fragen noch eine wichtige Rolle zu spielen, es ist dies die Soi den Haien die Brustflossen gebaut sind, so zeigt doch kein Hai im Geringsten eine Annäherung an das Verhalten, wie es uns bei Pristia entgegentritt. Dieses kann nur verständlich werden durch eine Lebensweise auf dem Boden, wie sie eben die anderen Rochen haben. Die ventrale Lage der Kiemenspalten ist, wie ich an anderer Stelle*) nachzuweisen versuchte, eine Folgeerscheinung jener Ausbreitung der Brustflossen nach vorn und unter- liegt also derselben Beurtheilung wie diese. Ähnlich liegt der Fall hinsicht- lich des Mangels der äusseren Ciemenbögen und der Verschmelzung der vorderen Wirbel. Diese Verhältnisse bleiben unverständlich, sc Lange wir annehmen, dass die Vorfahren der Pristiden immer die Spindelform der Haie hatten, sie erklären sich aber in der natür- lichsten Weise, sobald wir annehmen, dass die Vorfahren der Pristiden auf dem Boden lebten wie die anderen Rochen. Während wir also die Organisation der Pristiden nicht in Einklang bringen können mit der der Haie, passt sie, von der haiähnlichen Gestalt und der Säge altgesehen, in allen Stücken vorzüglich zu der Organisation gewisser Kochen, namentlich der Rhinobatiden. Der fast absolut gleiche Bau der Brust- und Beckenflossen, die Form des Beckens mit den kurzen seitlichen Stützfortsätzen, die Zahl, Stellung und innere Organisation der Kückenflossen, die Form des Schwanzes und seiner Flosse fallen sofort in die Augen. Nimmt man dazu die vielfachen Beziehungen, welche nach Gegenbauk im Kopfskelet beider Familien existieren, so wird man zugeben müssen, dass der Skeletbau von Pi-istis in auffälligster Weise dem der Rhino- batiden gleicht. Auf einige Punkte möchte ich hier noch specieller eingehen, da dieselben, wie mir scheint, bisher noch keine Beachtung gefunden haben. icdi meine die Gebisse und das histologische Verhalten der Zähne. Was zunächst die letzteren anbetrifft, so ist schon die Form derselben \Tir die hier zusammengefassten Formenkreise sehr charakteristisch. In nebenstehenden Textfiguren habe ich Zähne von Rhynchobatus (Fig. 7), Ehinobatu8 (Fig. !! und Pristia (Fig. <)) dargestellt. Der erstere (Fig. 7), eine neue Art aus dem Mitteleocän Belgiens repräsentierend, steht im Zahnbau dem lebenden Rhynchobatus djeddensis sehr nahe, unterscheidet sich aber von diesem durch stärkere Aufwölbung der Krone und kräftigeren Bau im Allgemeinen. Um ihn speeifisch zu fixieren, nenne ich ihn Rhynchobatus Vincenti n. sp., zu Ehren des Herrn Vincent *) Über die. Kiemenstellung und die Systematik der Selachier. 1. c. pag. 54. — 77 wie der nachher zu besprechenden Der Zahn isi hier von aussen abgebildet Fig. 7. Zahn von Rhyncho- batvs Vincent/ n sp. aus dem F.ocän (Bruxellien) von Woluwe St. Lambert bei Brüssel. Die obere Figur von innen, die untere von unten auf die Wurzel gesehen. 7 mal vergrossert Original in Coli. Jaekel. in Brüssel, «fleher mir Zähne diese] Art in liberalster Weise Uberliess. und lässt die gewölbte Krone mit einer flachen, vorderen Kante und einem schwach entwickelten, vorderen Zapfen, sowie die Form der Wurzel deutlich erkennen. Die Zähne des lebenden Ehynchobatus ancylostoma sind durch zahlreiche Querwurzeln auf der Oberseite dir Krone von diesem Typus unterschieden. Fit;-. !'. stellt ebenfalls einen Zahn aus dem mittleren Eocän von Brüssel dar und ist seiner Form nach der Gattung Rhinobatus unterzuordnen. Da er sich, abge- sehen von kleineren Unterschieden, durch die starke Ent- wicklung seitlicher, nach vorn verlaufender Zapfen der Krone von den übrigens untereinander wenig ver- schiedenen Zähnen der lebenden Arten unterscheidet, möchte ich ihn ebenfalls mit einem besonderen Namen Rhinobatus bruxeUiemis n. sp. kennzeichnen. Der dritte Zahn (Fig. 9) gehört der lebenden Gattung Pristis und zwar Pristis antiquorum an. Ich bemerke hier- bei, dass mir fossile Zähne von Pristis nicht bekannt geworden sind und solche wegen ihrer ausserordentlichen Kleinheit auch wahrscheinlich isoliert immer dem Auge des Sammlers entgehen werden. Diejenigen Zähne aus dem Miocän von Baltringen, welche von Probst* i zti Pristis gestellt wurden, gehören zu Rhynchobatus und zwar wahrscheinlich zu einer einzigen Art. Dass ein so vor- züglicher Beobachter wie Peobst sich hierin täuschte, ist der beste Beweis, wie ähnlich die Zähne beider Gattun- gen sind. Das Gemeinsame der besprochenen und allgebildeten drei Zahntypen beruht ausser ihrer Übereinstimmung im histologischen Bau, namentlich in der Form der Wurzel, welche viertheilig erscheint, indem sich an den grossen seitlichen Gefässlöchern Einstülpungen bilden, welche die beiden Flügel der Wurzel theilen und zweitens in der Form des gerundeten, median nach aussen auf der Wurzel ruhenden Zapfens. In diesen Eigenthümlichkeiten stehen sich die Zähne der drei Gattungen ausserordentlich nahe und sind daran von den übrigen Rochen- zähnen, besonders denen der Trygoniden, sofort zu unterscheiden. Auch bei *) Beiträge zur Kenntnis der fossilen Fische aus dem Molasse vom Baltringen. II. Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg. 1877. pag. 90. Fig. 8. Zahn von Rhino- batus hntxellitnsis n. sp. aus dem Eocän (Bruxellien) von Woluwe St. Lambert, von innen. 9 mal ver- grossert. Original in Coli. •Iaekf.i.. Fig. 9. Zahn von Pristis antiguorum . von innen. 12 mal vergrossert Ori- ginal in Coli. .Iaf.kel. — 78 — Torpediniden. namentlich bei Narcine und Discopygi macht sich dieser Innen- zapfen noch etwas bemerkbar. Darin nun. dass die Pristiden als die nächsten Verwandten der Rhino- batiden aufzufassen sind, stimmen die Ansichten der Forscher, mit Ausnahme von Howes*), Uberein. Die weitere hier vertretene Auffassung, dass die Pristiden als jüngere)' Seitenzweig «ler Ethinobatiden betrachtet werden müssen, steht aber nicht nur mit den Organisationsverhältnissen beider Familien, sondern auch, wie wir sehen weiden, mit der palaeontologischen Entwicklung ihrer Vertreter im besten Einklang-. Die ältere Auflassung, dass die Pristiden Zwischenformen zwischen Haien und Hhinoliatiden seien, die sich nur auf die äussere Körpergestalt der Pristiden stützte, hat allerdings Hasse'**) auf Grund des Baues ihrer Wirhei- säule zu stützen gesucht. In seinen diesbezüglichen Studien äussert er sich zunächst über die phyletischc Stellung von Pristis***) wie folgt: „Im Baue der "Wirbel zeigt sich Pristis jünger als die Rhinobatiden." Als besonders nahe verwandt von den letzteren fühlt er den Bhinobatus Thouini an, den er als einen alten Typus von Rhinobatiden betrachtet. Im Gegensatz hierzu stellt nun aber Hasse an anderer Stelle die Pristiden als Zwischenformen zwischen seinen Squatinorqjae und den Rhinobatiden hin. Wenn er indess als Grund für diese Autfassung das haiartige Aussehen von Pristis und dessen Säge anführt, welche auf das Lebhafteste an die von Pristiophorus erinnere, so müssen wir diesen Combinationen gegenüber an der Thatsache festhalten, dass die Organisation von Squatina und Squalorqja, sowie im besonderen die Sägen- bildung des Pristiophorus keine Verwandtschaft ihrer Träger mit Pristis in- volvieren. Indem H\sse obige Auffassung', dass Bhinobatus älter, Pristis dagegen jünger sei. mit histologischen Belegen stützt, schliesst er doch auch selbst die Möglichkeit aus. dass Pristis die echten Rochen, die Rhinobatiden, mit liai artigen Vorfahren der Rochen verbinde. Man fühlt aber auch aus anderen Stellen des HAssE'schen Werkes den Wunsch heraus, Pristis dem System entsprechend als eine Zwischenform zwischen Haien und Rhinobatiden hin- zustellen. So sagt erf) nach Besprechung der Wirbel von Aellopus elongatus aus den oberjurassischen, lithographischen Schiefern von Solenhofen, der sich inzwischen als ein Schwanz von Bhinobatus herausgestellt hat, Folgendes: *) Vergl. oben pag. 66. 'i l. r. Besonderer TheiJ (IV), pag. 104. ***) I. c. pag. 104. f) 1. c. pag. 106. — 79 — „Betrachtet man die. wie Agassiz richtig bemerkt, fast ebenso hohen wie langen Wirbel, so fallen einem vor allen die dicken, aufgewulsteten Enden in die Augen, welche, abhängig von der Massenentwicklung des cen- tralen Doppelkegels, den Pristiophoriden durchaus fehlen, dagegen einzelnen fossilen Rhinobatiden, vor allem aber den Pristiden, ausserdem allerdings auch bei den Myliobatiden eigenthümlich sind. Dieses Verhältniss erscheint mir insofern interessant, als .lei solchen Formen erfolgt ist, welche auf sandigem Boden leben, wie es die Rajiden llnin, während in einem weichen, schlammigen Boden eine Bewegung der Körperscheibe nur durch Wellenbewegungen von Flossenflächen erfolgen kann. Letzteres würde für die Torpediniden gelten und vielleicht er- fig. 12. Bauchflossenskelel von Cyclobatia ohjgo- daetylus Egertox. Fig. 13. Bauchtlosscnskclet von Potamotrygon nach einem Exemplar des k. k. Hofmuseums in Wien. klären, dass bei diesen Lauffinger fehlen. Hierüber würden wohl Beob- achtungen der Lebensweise dieser Thiere leicht interessante Aufschlüsse verschaffen. Somit ist die Deutung jener auffallenden Skelettheile von Oyclobotis ge- geben. A. Smith Woodwakd hatte das Beckenskelet dieser Form insofern nicht richtig dargestellt, als er die Gelenkung der Lauffinger und des rückwärts gerichteten Basalknorpels der Flosse am Beckenknorpel über- sah und also alle diese Stücke als einen ungetheilten Knorpel darstellte: <;. Howes hatte dabei 1. c. die Ansicht geäussert, dass die Lauffinger zur Stutze der Metapterygien der Brustflosse gedient haben könnten, während J. W. Davis-) sie als basale Stücke des Begattungsorganes deutete. Da uns. wie gesagt, die lebenden Rajiden über diese Verhältnisse vollkommen auf- klären, so brauche ich auf die genannten Erklärungsversuche nicht weiter einzugehen. Bei der von mir vertretenen**) phylogenetischen Auffassung der Selachier gegenüber den höheren, knochentragenden Wirbelthieren brauche ich auch kaum zu bemerken, dass ich es nicht für gerechtfertigt halte, die Stützfort- sätze des Beckens der Rajiden als „Praepubicalfortsätze" und die Lauffinger als „Iliacalfortsätze" anzusprechen, da, wie ich glaube, keinerlei Homologieen *) 1. C. pag. 492. "i l'licr Menaspis armata und die systematische Stellung der Elasinobranchier. Sitzungsberichte der Gesellschaft uaturforschender Freunde zu Berlin. 1890. 90 zwischen jenen Neubildungen so junger Selachier wie der Rajiden und dein Iliuni und < »s pubis der höchsten Wirbelthiere denkbar sind. Das sehr Bedenkliche derartiger Homologisierungen wird uns gerade hier sein' drastisch vor Augen geführt durch eine EJublication 1'. Albrecht's, welche auf dein hier besprochenen Beekenflossenskelet der Rajiden fusst.*) Genannter Autor glaubt für die Spaltung des menschlichen Penis die Erklärung in dem Flossenbau der Selachier und zwar der Raja clavata zu finden und will beweisen, dass der Penis bezw. die Clitoris der höheren Wirbelthiere aus einer Verschmelzung der Laufspangen von Raja hervorgegangen sei. Um seiner eigenartigen Beweisführung jeden Boden zu entziehen, genügt es, darauf hinzuweisen, dass jene Laufspangen, die bei Albrecht ihrer zukünftigen Bedeutung wegen den vielversprechenden Namen „Hemipenifemoralia" erhalten, eben nur bei Rajiden, also erst bei einer der jüngsten und dift'erenzirtesten Gruppe der Selachier auftreten. Wenn man sich aber vorstellen soll, dass eine Raja clavata ihre eben erworbenen Lauf- spangen mit einer auf alle Vorfahren rückwirkenden Kraft nach vorn zu- sammenschlägt, um den Penis der höheren Vertebraten zu bilden, so möchte man doch wirklich glauben, dass der Schöpfer dieser Theorie nur in humor- voller Weise zeigen wollte, w eiche Früchte unter Umständen das Bestreben zeitigen kann, sännntliehe Organisationsverhältnisse der höchsten Wirbel- thiere unmittelbar von denen irgend eines Selachiers abzuleiten. Kehren wir zu den Rhinorajiden zurück, so finden wir schliesslich bei ihnen auch eine selbstständige Differenzirung in histologischer Hinsicht, indem die Hartgcbilde der Haut sich mehr und mehr und schliesslich vollständig (Cyclobatis, Raja) aus Pulpodentin aufbauen, während sich bei den Rhinobatiden und Pristiden wenigstens in grösseren Verkalkungen der Haut, wie grösseren Schuppen und Stacheln, noch Vasodentin an dem Aufbau betheiligt. Es vollzieht sich in dieser Hinsicht derselbe Uebergang, wie z. B. innerhalb der spinaeiden oder von den Scylliden zu Carchariden, während, wie mehrfach hervorgehoben wurde, die Hartgebilde der Centrobatiden ausnahmslos aus typischem Vasodentin bestehen. Hiervon hängt auch die äussere Form der Hautschuppen ab, die namentlich bei Raja und Cyclobatis immer in eine feine, meist stark rückwärts gekrümmte Spitze ausgezogen sind, während sie bei den älteren Rhinobatiden mehr kegel- und höckerförmig sind. Nebenstehend habe ich Zähne einer männlichen Raja oxyrhynchus (Fig. 14 oben) und einer weiblichen Raja clavata (Fig. 14 unten) abgebildet. Man sieht an den Seitenansichten, dass die Krone (Kr) am Aussenrand stark überspringt und eine scharf vortretende Aussenkante (a K) bildet, während die Wurzel (w) *) P. Albrecht: Über die morphologische Bedeutung der IVnischisis, Epi- und Hypospadie des Menschen. Biologisches Centralblatt. Band VI, No. 7. 1886. pag. 204. - 91 w Fi auf der Innenseite noch über die Innenkante der Krone (ik) vorspringt. Die Längskante (irrthümlich mit ok bezeichnet) zeigt bei den unteren Zähnen etwa denselben Verlauf wie die entsprechende Kante der Rhino- batidenzähne, wahrend sie sich bei den Zähnen der oberen Männchen in eine scharfe Spitze erhebt. Während bei diesen sozusagen typischen Raja - Zähnen die Beziehung zu den Rhinobatidenzähnen sehr zurücktritt, ist dieselbe bei den Zähnen anderer Rajidenarten noch unverkennbar. So ist z. B. bei Zähnen weiblicher Indivi- duen von Raja oxyrhynchus der für die Rhiuobatiden charakte- ristische Innenzapfen als sol- cher erkennbar, und auch die allgemeine Form der Krone er- innert hier und namentlich auch z. B. bei Sympterygia Bonapartii noch an die der Rhinobatiden- zähne. Die Wurzelzapfen der Rajidenzähne bleiben stets nie- drig, sockelartig und seitlich comprimirt, wenn sie auch die Theilung an den Seitenflächen nur selten deutlich erkennen lassen. An dem rechts oben gezeichneten Zahn sind die- selben immerhin am Aussenrande noch eingebogen, und bei Zähnen von Raja oxyrhynchus ist der Nerveneintritt und die seitliche Einkerbung der Wurzelfiügel kaum weniger deutlich als bei Rhinobatiden. Die Zähne der Trygoniden sind, wie wir sehen werden, wesentlich anders gebaut. Das was man bisher von isolierten Hartgebilden zu Raja gestellt hat, gehört grösstentheils nicht hierher, und die Geschichte dieser Beschreibungen bildet gerade kein rühmliches Blatt in der Palaeontologie. Die angebliche Schuppe, welehe Graf zu Münster als Raja spiralis beschrieb, stellte sich bei genauerer Betrachtung als ein harmloser Glasknopf heraus, Raja Phüippii desselben Autors gehört zwar wenigstens in das Gebiet der Palaeontologie, dürfte aber eine abgeriebene Hälfte des Doppelkegels eines Selachierwirbels sein, und schliesslich begegnete einem unserer ersten Ichthyologen noch kürz- lich das Missgeschick, einen Otolithen von Artus mit einer iüq/a-Schuppe zu verwechseln. Von sonstigen isolierten Rochenresten möchte ich nur folgende den Ra- 14. Oben Zahn einer männlichen Raja oxyrhynchus L., links von der Seite, rechts von unten. Unten Zahn einer weihlichen Raja clavata L„ links von innen, rechts von der Seite. — 92 - jiden zurechnen. Aus dein Miocän des Wiener Beckens besitze ich ein iso- liertes Zähnchen, welches in der Form dem einer männlichen Raja bafis nahe steht. Aus dem Pliocän von Orciano, Toscana, beschrieb I!. Lawley*) ein Zähnchen als Baja suboxyrhynchus. Von grösseren Hautschuppen beschrieb A. Smidi Wooowbd**) solche aus dem Pliocän von Norfolk, Suffolk und Toscana, welche der Lebenden Raja clavata angehören dürften. Isolierte Wirbel wurden von Hasse***) aus dem Senon von Antwerpen, aus dem Miocän von Baltringen und dem Pliocän von Antwerpen f), von NoETUNGfiO aus dem Eocän des Samlandes beschrieben. Ich möchte Wirbel in meiner Sammlung aus dem Türen von Saratow und dem Senon von Ciply der Gattung Baja zurechnen. Durch eine Anzahl vollständiger fossiler Skelete sind wir Übrigens über die stammesgeschichtliche Entwicklung der Rajiden einigermassen unter- richtet. Eine Form aus den oberen Kreideschichten von Hakel im Libanon, welche von J. W. Davis fft) unter dem Namen Bhinobatus expansus oberfläch- lich beschrieben wurde, verdient besonderes Interesse. Dieselbe zeigt im Hau ihrer Brustflossen schon alle Charaktere von Baja klar ausgeprägt. Die Flossen sind sehr ausgebreitet, seitlich zugespitzt, mit sehr zahlreichen dünnen Flossenstrahlen versehen, welche durch eine Anzahl wenigstens etwas einspringender Gliederungslinien gleichmässig gegliedert sind. Auch der Bau des Schultergürtels ist durchaus //»/(/-artig, er ist sehr wenig in die Breite gezogen, und 'der hintere, zum Ansatz des Metapterygiums dienende Seitenflügel ist stark nach hinten verlängert und bildet mit dem stärker auswärts gekrümmten Metapterygium an dessen Gelenkung einen einsprin- genden Winkel. In diesen Verhältnissen schliesst sich diese Form entschieden den Rajiden an. Von den typischen Vertretern dieser Familie unterscheidet sie sich aber in mehreren Organisationsverhältnissen, welche für ihre nahe Beziehung zu den Rhinobatiden sprechen. Zunächst fällt in dieser Hinsicht die starke Ent- wicklung der Rippen auf, welche bei den jüngeren Arten von Raja sehr ver- kümmert sind. Was als Unterscheidungsmerkmal von diesen systematisch besonders ins Gewicht fallen würde, ist die Ausbildung der Beckenflossen, welche nach der Darstellung von J.W. Davis keine, an sich doch leicht erhaltungs- *) Nuovi studi sopra ai jiesei eil oltri vertebrati fossile delle colliue toscane 1876. pag. 43. Taf. II Fig. 2, 5. Catalogue of the fossil tishes in fche British Museum. Pari I. London 1889. pag. 87. ■i I. c. Besonderer Theil (IV). pag. 167. t) I. c. pag. 170. ff) Die Fauna des samländischen Tertiärs. Abhandlungen zur geologischen Special- karte von Preussen aus den Thüringischen Staaten. 1885. Bd. VI. pag. 3. , | \) The fossil tishes of the Chalk of Mount Lebanon in Syria, Scientific Transactions oi' the Royal Dublin Society. Vol. IIb Ser. 2. Dublin 1887. pag. 487. Taf. XVIII. — 93 - fähigen Lauffinger besitzen, sondern den allgemeinen Habitus der Rhino- batiden aufweisen. Audi der Schwanz ist etwas dicker, als dies gewöhnlich bei Rqja der Fall ist. dagegen können die Rückenflossen - das Ende des Schwanzes ist leider nicht erhalten — nicht die Stellung wie bei Rhinobatiden gehabt haben, sondern müssten bereits wie bei Ttaja auf das Ende des Schwanzes gerückt sein. Unter diesen Umständen stimme ich A. Smith Wooward*) der die Form mit Vorbehalt zu Rqja stellte, insofern bei, als ich dieselbe jedenfalls den Rajiden zuzählen muss. Wenn man aber unter diesen Sympterygia Bonapartii lediglich deshalb zum Typus einer besonderen Gattung macht, weil die Haut an ihren Beckenflossen äusserlich keinen ein- springenden Winkel bildet, obwohl sich ihr Flossenskelet nicht von dem von Rqja unterscheidet, dann muss man. die Richtigkeit der ÜAvis'schen Dar- stellung vorausgesetzt, seine Art entschieden zum Typus einer neuen Gattung machen, für welche ich den Namen Rajorhina vorschlage. Höchst wahr- scheinlich muss man der gleichen Art Rajorhina expansa Davis sp. auch das Exemplar zurechnen, welches A. Smith Woodward unter dem Namen Rqja prt7narmata 1. c. Taf. IV Fig. '1 (non Fig. I) von Sahel Alma im Libanon abge- bildet hat. Dasjenige Fossil aber, welches dieser Autor zum Typus jener Art gemacht und 1. c. Taf. IV Fig. I abgebildet hat, unterscheidet sich so auf- fällig von dem genannten, dass es mir schwer verständlich ist. wie ein Ichthyologe diese beiden Formen in einer Art vereinigen konnte. Der 1. c. Fig. I abgebildete Roche ist ein echter Rhinobatide, wie der Bau der schmalen lirustflossen und ihrer Gliederungslinien, sowie die Dicke des Schwanzes auf den ersten Blick erkennen lassen. Ein sehr kleiner Roche ist ferner von .T. W. Davis, ebenfalls aus der oberen Kreide von Sahel Alma, als Rqja minor beschrieben worden. Leider lässt die Abbildung und Beschreibung über die entscheidenden Organisations- verhältnisse im Unklaren, sodass ich mir ein abschliessendes Urthcil über diese Form nicht gestatten möchte. Auch über Asterodermus platypterus Ag. aus dem oberen Jura von Kehlheini in Bayern, der der genannten Form viel- leicht am nächsten steht, scheinen mir die Akten noch nicht geschlossen; jedenfalls möchte ich, ohne erneute eigene Untersuchung dieser Form, auf dieselbe keine phylogenetischen Schlüsse basieren. Wenn wir nach den zuverlässigen und nicht misszudeutenden Daten noch einen kurzen Blick auf die phyletische Entwicklung der Rhinorajiden werfen, so würden wir also als Ausgangspunkt die Rhinobatiden-Gattungen 85. — 04 - Wiinobatua und Belemnobatia auffassen. Noch innerhalb dieses Familienkreises würde man die Gattungen Trygonorhina, Platyrhina und Ehynchoiatus stellen dürfen, allerdings mit dem Hinzufügen, dass jeder dieser drei Typen eine eigene Differenzirungsrichtung eingeschlagen hat, welche ihre Vertreter z. Th. nicht unerheblich von den typischen Rhinobatiden entfernt. Wesentlich selbstständiger, und deshalb im höheren Range, erscheinen die Pristiden und Torpediniden, deren Absonderung von den typischen Rhino- batiden aber nicht vor der oberen Kreidezeit erfolgt zu sein scheint. Am Schnellsten und wahrscheinlich auch Frühesten isolieren sich die Rajiden, deren Eigenthümlichkeiten gegenüber den Rhinobatiden auch in Platyrhina angebahnt erscheinen. Innerhalb der Rajiden machen sich dann wieder zwei Differenzirungsrichtungen geltend, deren eine in der Organisation der typischen Rajiden — Raja, Sympterygia und Uraptera — zum Ausdruck kommt, während die andere durch den Typus von Gydqbatü und Vsammobatis repräsen- tiert wird. Wenn wir die ursprünglichen Stammescharaktere dieser ganzen Fonnen- kreise ermitteln wollen, so werden wir dieselben einerseits aus den typischen Eigenschaften des ganzen Kreises herauslesen und andererseits in den Eigenthümlichkeiten der ältesten Stammesvertreter zu suchen haben. Unter den gemeinsamen typischen Eigenschaften des ganzen Kreises besitzen besonders einige, scheinbar sehr nebensächliche, eine er- höhte Bedeutung, weil sie den Lebensbedingungen und ihrem Wechsel augen- scheinlich sehr fern stehen und sieb deshalb als alte Erbstücke lange er- halten konnten. In erster Linie spielen hier die histologischen Structurver- hältnisse eine Rolle, aber auch in der Morphologie treten eine Anzahl auf- fälliger Uebereinstimmungen hervor. Eine solche Eigentbümlichkeit , die physiologisch so unwichtig ist, dass sie sogar von dem Reductionsprocess des Schwanzes kaum beeinfiusst wird, sind die seitlichen Längskiele an demselben, welche mit geringen Modificationen allen Formenkreisen erhalten bleiben. Die Centrobatiden weisen nichts derart auf, wir finden aber entsprechende Längskiele bei verschiedenen Familien der Haie, sodass die Rhinorajiden sich auch in diesem Punkte direct den Haien nähern. Die Form der Schwanzflosse bleibt überall da sehr charakteristisch, wo sie nicht überhaupt verschwindet, wie bei den Rajiden. Es rindet sich sonst immer über der kurz abgestutzten und am Ende wenig oder gar nicht auf- gebogenen Wirbelsäule ein oberes grösseres und ein unteres kleineres Flossensegel. Dieser charakteristische Bau des Schwanzes ist deshalb besonders be- merkenswerth, weil er nicht primitiv ist und dadurch diesen ganzen Formen- kreis an bestimmte, in dieser Hinsicht gleichartig organisierte Haie an- - 95 — schliesst, nämlich die Spinaeiden. Primitiver ist jedenfalls am Schwänzende ein Langer dorsoventraler Flossensaum, wie ihn die Notidaniden, Scylliden, primitive Lamniden und die älteren Centrobatiden wie Scapanorhynchus besitzen. Bei den höher entwickelten Haien leitet sich dann hiervon der Zustand ab, dass sich ein unteres Schwanzsegel ausbildet, und die Wirbelsäule in die Spitze des oberen Segels ausläuft. Das Vorhandensein von zwei Dorsalflossen ist zwar auch für die Haie durchaus normal, unterscheidet aber die Rhinorajiden in sehr bemerkens- werther Weise von den Centrobatiden, bei denen wie bei den Notidaniden nur eine Rückenflosse auftritt. Sehr wichtig ist ferner eine Eigenthümlichkeit der älteren Rhinobatiden, der Besitz typischer Flossenstacheln vor den beiden Dorsalen, deren Bau durchaus dem der typischen Spinaeiden entspricht. Wenn auch bei allen bisher bekannten Formen schon in Rückbildung begriffen, sind diese Stacheln doch bei Belemnobatis noch sehr deutlich ent- wickelt, während ich sie bei Rhinobatus bugesiacus nur einmal noch mit leid- licher Deutlichkeit bei einem Exemplar des Lyoner Museums beobachtet habe. Aber auch das entsprechende Verhalten von Asterodermus ist hier in Betracht zu ziehen. Auch im Bau des Rostrum sind alle Rhinorajiden einheitlich organisiert, wenn dasselbe auch bei den Torpediniden und bei denjenigen Formen, bei welchen sieh die Brustflossen vor dem Kopf vereinigen, Rückbildungen erfährt. Aber das normale Vorhandensein eines Rostrums unterscheidet diesen Kreis nicht nur von den Centrobatiden, sondern schliesst durch dessen besondere Eigenschaften die Rhinorajiden an einen bestimmten Kreis von Haien an, und zwar wieder an die Spinaeiden. Mit diesen stimmen die Rhinorajiden hinsichtlich dieses Punktes in sehr auffälliger Weise überein, und dies ist um so wichtiger, weil wir sonst entweder gar keine Rostralbildung finden, wie bei den Cestracioniden, Squatina und den Centrobatiden, oder aber dasselbe in der sehr charakteristischen Gestalt der dreistieligen Pyramide antreffen {Lamnidae, Seijlliolamnidae, Scyllidae, Carcharidae)*). Diese genannten Beziehungen der Rhinorajiden zu den Spinaeiden halte ich für äusserst wichtig für die Frage, von welchem Formenkreis von Haien sich die Rhinorajiden abgezweigt haben. Dein Umstände, den C. Hasse in gleichem Sinne anführt, dass den Spinaeiden wie den Rochen eine Analflosse fehle, möchte ich deshalb geringere Bedeutung beilegen, weil ich glaube, dass bei Formen, welche auf dem Boden leben, eine Analflosse so überflüssig und unbequem ist, dass sie jedenfalls sehr bald verschwunden sein würde, wenn sie auch vorher vorhanden war. *) Auch die. Anwesenheit von Lippenknorpeln bei Narcine wird in dieser Hinsieht Beachtung' verdienen. - 96 — Ich wollte die Gelegenheit nicht umgehen, hier auf diese Verhältnisse hinzuweisen, möchte mich aber für jetzt nicht weiter auf das Gebiet un- sicherer Speculationen begeben, sondern derartige Schlüsse von weiteren Funden und Untersuchungen abhängig machen. Bei Besprechung der Centro- batiden müssen wir ohnehin noch auf einige dieser Verhältnisse zurück- kommen» Ich gehe nun zu einer Besprechung- der in Bolca gefundenen Rhino- rajiden über. Dieselben vertheilen sich nur auf die beiden Familien der Rhinobatiden und Torpediniden. Rhinobatus Bloch et Schneider. Rhinobatus de Zignii Heckel sp. Trygonorhina de Zignii Jac. Heckel: Bericht über die vom Herrn Cavaliere Aciiii.i.e de Zicnii hier angelangte Sammlung fossiler Fische. Sitzungsberichte der mathe- matisch-naturwissenschaftlichen (lasse der k. k. Academie der Wissenschaften. Wien 1853. Bd. XI. pag. 12+. Trygonorhina de Zignii A. in-; Zigno: Catalogo raggionato dei pesci fossili del calcare eoeeno di M. Bolca e M. Postale. Venezia 1874. pag. 177. Die Geschichte der vorliegenden Art ist kurz und einfach. Sie ist auf Grund eines Exemplares des k. k. Hofniuseums in Wien von .T. Heckel als Trygonorhina beschrieben worden. Da nur das eine Exemplar bekannt ist, und der HECKEi/schen Beschreibung eine Abbildung fehlt, so ist diese Art weder mehrfach beschrieben noch bei systematischen Bestimmungen anderer Autoren in Rechnung gezogen worden. Auffällig ist nur, dass sie von Heikel der Gattung Tri/gonorhina zugerechnet wurde. Er begründet seine Bestimmung lediglich damit, dass er die für Trygonorhina charakteris- tische Form der Nasenklappe an dem Stück sicher beobachten zu können glaubte, giebt aber im übrigen zu, dass seine sonstige Gestalt mit Rhinobatus übereinstimme und namentlich dem lebenden Rhinobatus Horkelii ähnlich sähe. Ganz abgesehen davon, dass es a priori unwahrscheinlich ist, dass ein so wenig festes und relativ dünn beschupptes Organ, wie die Nasenklappe, an einem fossilen Object, an welchem alle verkalkten Theile des Aussen- und Innenskelets auf und in einander gedrückt sind, noch sicher in seiner Gestalt erkennbar sein sollte, habe ich mich an dem Originalexemplar von der diesbezüglichen Angabe Heckel's nicht überzeugen können. Da das Fossil auf der Ventralseite liegt und also die Rückenseite dem Beschauer — 97 — zuwendet, halte ich überhaupt jede Beobachtung über die Form der Nasen- klappe an diesem Stück für ausgeschlossen, ja es möchte mir scheinen, dass Heckel die Lage der Nasenlöcher gar nicht erkannt hat. Seine Angabe, dass dieselben von der Nasenspitze, d. h. dem vorderen Ende des Rostrums 4 Zoll () Linien entfernt seien, passt wohl auf die beiden dunklen Ringe, welche sich auf Tafel I deutlich markieren, nicht aber auf die Nasenöffnungen, welche schräg und seitlich vor ihnen liegen. Dieselben sind zwar wenig- deutlich, aber nach Umrandung und Stellung doch, wie ich glaube, sicher als Nasenöffnungen zu erkennen. Ausser ihrer sehr charakteristischen ovalen Gestalt und schiefen Stellung zur Längsachse des Thieres zeigen sie auch die bei Rhinobatiden stets scharf markierte Mittelkante angedeutet, welche die Nasenhöhlung in der Längsachse theilt. Die dunkel hervor- tretenden Ringe in der Kopfregion sind die Umgrenzungen der Augen, unter denen quer und senkrecht zur Längsachse des Thieres die Kieferknorpel liegen. Da sich diese vermöge ihrer kräftigen Verkalkungen und der Be- zahnung leicht im Skelet kenntlich machen, so kann man die Innenränder der Kieferknorpel unter den Schädelpartien deutlich erkennen. Hierdurch wird nun allerdings ein Bild hervorgerufen, welches an die Umrandung der Nasenklappe von Trygonorhina erinnert, zumal die an einander gelegten Kiefer- ränder seitlich in den Augenhöhlen eine Mittelleiste zu bilden scheinen, wie sie in den Nasenöffnungen der Rhinobatiden hervortritt. Hiernach dürfte die Zurechnung unserer Form zur Gattung Rhinobatus keine Bedenken mehr erregen. Ihre allgemeine Form stimmt, wie schon Heckel hervorgehoben hatte, durch- aus zu Bhinobatus. Namentlich in Betracht kommt hierbei die Entwicklung der Brustflossen. Dieselben sind schmal und nach vorn wenig ausgebreitet, so dass sie schon in der Höhe der Nasenöffnungen endigen. Ihre Gliederungs- linien sind nicht eingebogen und im Gegensatz zu Trygonorhina wenig zahlreich. Das Beckenflossenskelet ist unter den Resten des Aussenskelets im Detail kaum zu erkennen. Auch die dorsalen Flossen des Schwanzes sind ihrer Lage nach mehr zu vermuthen als klar zu beobachten, so dass ich mich hierüber keinen Combinationen hingeben möchte. Das Gleiche gilt von der Schwanzflosse. Die Wirbelsäule liess keine besonderen Eigenthümlichkeiten erkennen. Die Wirbel sind übrigens gut erhalten, so dass vielleicht ihre mikroscopische Untersuchung noch phylogenetisch interessante Einzelheiten an's Licht bringen könnte. Die Rippen sind sehr deutlich zu erkennen und namentlich in der Becken- gegend von beträchtlicher Länge. Das Kiemengerüst ist wenigstens in soweit gut erhalten, als man jeder- Jaekel. Selaebier. 7 - 98 seits die 5 Bügen deutlich erkennt und sieht, dass dieselben ziemlieh recht- winkelig gegen die Wirbelsäule gestelll sind. Dass der vorderste Abschnitt des Thieres nicht frei von nachträglichen Verbesserungen g< blieben ist. geht schon aus der eigenthümlich dunkelen Färbung hervor, welche auf der Photographie viel schärfer hervortritt als bei einfacher Betrachtung des Objectes. Dass hier Leim und andere Sub- stanzen in überreichem Maasse vorhanden waren, davon hatte ich mich allerdings schon selbst in Wien überzeugt, in wie weit aber in der gegen- wärtigen Umrandung die ursprünglichen Formverhältnisse gewahrt sind, dar- über wage ich nichts Bestimmtes zu äussern. Da es mir in dankenswerther Weise gestattet war, den Objecten ein kleines Fragment des Hautskelets zu entnehmen, so kann ich über das letztere genauen' Angaben machen. Wie bei lebenden Rhinobatiden, so ist auch die Unterseite nur mit kleinen Schüppchen gleichmässig überzogen, während die Oberseite grösserentheils mit kräftigeren Schuppen gepanzert ist. Letztere sind namentlich auf dem Rückenfirst und über dem Schultergürtel kräftiger entwickelt. Einige herausgesprengte Fragmente Hessen sowohl die Panzerung der Oberseite wie der Unterseite mit dazwischen liegenden in- krustierten Knorpelresten erkennen. Ein Schliff, den ich davon anfertigte, gab über den histologischen Bau dieser Theile in ausgedehnter Weise Aus- schluss. Der mikroskopische Befund wird durch beistehende Textfigur veran- schaulicht. Dieselbe zeigt oben 5 grosse Hautschuppen oder Tuberkeln, von denen die beiden äusseren und die mittlere ihre Schmelz- und Dentinschicht nach oben rich- ten, während die zwei darunter liegenden Schuppen Schmelz und Dentin nach unten gerichtet zeigen. Die letzteren sind also unzweifelhaft neue Ersatzschup- pen, welche unter und zwischen den älteren entstehen und beim Ersatz jener eine Drehung um 180° erfahren, so dass sie dann el enfalls die schmelzbedeckte Krone nach oben wenden. Bei einigen dieser müssen Schuppen ist die Pulpa durch den Schnitt getroffen, so dass man deutlich von ihr die verästelten Dentinröhrchen ausgehen sieht, bei anderen lag die Pulpa ausserhalb der Schliffebene, so dass wir dann nur Dentin- röhrchen nach der Mitte der Schuppe convergiereu sehen. Die Leisten auf Fig. 15. Vertikalschliff durch das Kautskelel der Oberseite, das zusammengepresste [nnenskelel und die Beschuppung der Unter- seite von Tryg rhina ät Zignii Hxcksl sp. in 50facher Ver- erung. _ 99 .__ der Krone geben der Oberfläche dieser Schuppen im Querschnitt ein zackiges Aussehen. Die Zone des Placoiiisclnnelzes ist für Selachier relativ scharf abgegrenzt, indem sie selbst ganz ungefärbt blieb im Gegensatz zu dem hier dunkel-gelbbraunen Dentin, und indem die Dentinröhrchen nur den inneren Theil dieser .Schicht durchdringen. Sehr deutlich markiert sich an diesen ganz wunderbar schön erhaltenen Hautschuppen die concentrische Schich- tung im Dentin, auf welche ich an der Hand dieses Präparates an anderer Stelle näher eingehen werde. Unter den besprochenen grösseren Schuppen liegen die Kalkkrümel des inkrustierten Innenskelets. Dieselben sind von zahlreichen Hohlräumen durchsetzt, welche hier auf den ersten Blick wie Knochenzellen aussehen, aber keineswegs als solche zu betrachten sind, wie pag. 102 auseinander gesetzt ist. An der Unterseite des Präparates sieht man die kleinen Schüppchen, welche die Unterseite des Thieres gleichmässig überzogen. Dieselben sind rückwärts schuppenförmig Ubergebogen, zeigen aussen den farblosen Plaeoinschmelz, welcher nahezu frei von Dentinkanälchen erscheint, und innen einen baumartig verästelten Dentinstamm. Auch hier tritt die con- centrische Schichtung im Dentin deutlich hervor. Eine derartige Beschuppung, wie die hier geschilderte, findet sich nicht bei Trygonorhina, wohl aber bei Rhinobatus und unter den Arten dieser Gattung in ganz gleicher Entwicklung, z. B. bei Rhinobatus obtusus, sehr ähnlich auch bei Rhinobatus Ralavi. Mit den letztgenannten stimmt auch die sonstige Ge- stalt unserer fossilen Form gut überein, so dass es an besonderen Be- rührungspunkten der fossilen Art mit den lebenden Vertretern der Gattung Rhinobatus nicht fehlt. Das Original stammt vom Monte Postale bei Bolca und befindet sich, wie gesagt, in der palaeontologischen Sammlung des k. k. Hofmuseums in Wien. Rhinobatus primaevus DE Zigno. Rhinobatus primaevus A. de Zigno: Catalogo raggionato dei pesci fossili dpi calcare eoceno di M. Bolca e M. Postale. Venezia 1874. pag. 176 imd: Annotazioni paleontologiche. Ag'giunte alla ittiolog'ia dell' epoca eocena. Memorie dell R. Istituto veneto di scieuce, lettere ed arti. Vol. XX. 1878. pag. 8. Taf. II. Über dieses in der Collection de Zigno in Padua befindliche Exemplar ist wenig zu sagen. Es ist zu ungünstig erhalten, um phylogenetisch wichtigere Einzelheiten erkennen zu lassen. Es scheint ein echter Rhinobatus von massiger Grösse zu sein. Die Länge der Rumpfscheibe vom Rostrum bis 7* — too — zum Rocken beträgt 20 cm; dahinter ist noch die linksseitige Beckenflosse und die erste, rechts gedrehte Dorsalis zu erkennen. Das Rostruni ist von mittlerer Länge, etwa 6 cm. Die etwas schräg gestellten Nasenlöcher sind deutlich zu sehen, auch die mittlere Querleiste in ihrer Längsachse markiert sich noch schwach. Die Umrandung des Schädels und der Kiefer ist schwer zu verfolgen, dagegen sind die 5 Kiemen- bögen ziemlich sicher zu zählen. Die Wirbel sind kurz und also zahlreich: vom Schultergürtel an treten die oberen Dornfortsätze kräftig hervor und zwischen Schultergürte] und Beckenknorpel sind auch die langen, gekrüminten Rippen zum Theil erhalten. Die Brustflossen sind, falls sie vollständig er- halten sind, schmal, nach vorn etwa bis zur Nasenregion ausgedehnt und durch 12, also verhältnismässig zahlreiche Gliederungslinien ausgezeichnet. Die eine erhaltene Dorsalis ist hoch und an ihrem Vorderrand stark gebogen. Der Schwanz fehlt. Nach Alledem kann man nur sagen, dass die Form allem Anscheine nach mit Recht zu Bkinobatus gestellt ist; ein besonderes Interesse, namentlich in phylogenetischer Hinsicht, dürfte sie indess kaum beanspruchen. Im Hinblick auf die wesentlich älteren, seit lange bekannten Formen aus Jura und Kreideformation erscheint der Name primaevus recht unzweckmässig gewählt. Platyrhina M. et H. Platyrhina Egertoni DE ZlGNO sp. Torpedo Egertoni, A. de Zigno: Annotazione paleontologiche. Aggiiinte alla ittiologia dell" epoca eocena. Memorie del R. Istituto veneto di science, lettere ed arti. Vol. XX. 1878. pag. 10. Taf. III. Die vorliegende Art, von welcher sich das Original in der Sammlung ihres Autors, ein anderes von de Zigno bestimmtes Exemplar in der Sammlung des Herrn Marchese ni Canossa in Verona befindet, wurde im Jahre I878 von dk Zigno unter dem Namen Torpedo Egertoni beschrieben und abgebildet. Was de Zigno veranlasste, die vorliegende Art zu Torpedo zu stellen, ist kaum ersichtlich; er begründet seine Gattungsbestimmung nur mit den Worten: .. l'ero dalla forma generale del disco, e dalla niancanza d'aeuleo nella coda, si puö trarre argomento per ritenerlo appartenente al genere Torpedo." Es ist diese Bestimmung' um so auffallender, als schon die allgemeine Form und die Beschuppung der Haut gar nicht zu Torpedo passen, und der Mangel eines Schwanzstachels doch in keiner Weise für die Zugehörigkeit der Form zu Heu Torpediniden beweisend ist. HM — Die Abbildung, Tafel II, stellt das de ZiGNo'sche Originalexemplar der Sammlung des Marchese in Canossa in Verona, dar, auf das gleiche Stück stützt sich die nachstehende Beschreibung. Die allgemeine Form des Fossils ist aus dieser Abbildung ersichtlich. Die Rumpfscheibe ist nahezu kreisförmig, der dünne Schwanz setzt sich scharf von der Rumpfscheibe ab und ist kürzer als der Durchmesser der letzteren. Zwei kräftige Dorsales und eine Caudalis sind an der linken Seite des Schwanzes mehr oder weniger deutlich zu erkennen. Bevor ich auf die eingehende Besprechung der Einzelheiten eingehe, inuss ich einige Worte über die Lage und Erhaltung des Fossils voraus- schicken. Das Exemplar liegt mit dem Rücken der Steinplatte auf und wendet also seine Unterseite dem Beschauer zu. Wo nichts von dem Thier weggesprengt ist, erkennt man infolge dessen zu oberst die dichten, gleich- massig kleinen Schuppen, wie sie sich stets auf der Ventralseite der Rhino- batiden finden. Dieselben sind gerundet vierseitig und auf der Aussenseite flach und glatt. Da wo Theile des Haut- und Innenskelets weggesprengt sind, was grösstenteils der Fall ist, sieht man von innen auf den Schuppen- panzer der Oberseite. Hierbei bemerkt man zwischen kleineren Schuppen grössere, deren sichtbare Unterseite einen kreisförmigen Umriss und eine flache Vertiefung in der Mitte zeigt. Dieselben haben einen Durchmesser von ungefähr 2 mm und stehen nicht besonders dicht, indem sie etwa um das Doppelte ihres Durchmessers von einander entfernt sind. In der Nähe der Mittellinie sind sie grösser und stehen dichter als auf den Seiten der Brustflossen. In der Abbildung sind diese Schuppen, namentlich auf der rechten Seite unterhalb der Bruchlinie und vorn vor dem Kopf, deutlich zu erkennen. Auch de Zigno hat sie an seinem Exemplar bemerkt und neben der Abbildung desselben vergrössert, allerdings nicht besonders genau dar- gestellt. Auch an dem Exemplar der Collection de Zigno sind diese Schuppen nur von der Unterseite zu sehen; es ist ebenso wie unser Exemplar mit der rauhen Oberseite im Gestein haften geblieben. Die Oberseite, d. h. also die Kronen der besprochenen grösseren Schuppen, habe ich an einem Exemplar in der Sammlung der Akademie in Verona studieren können. Die Oberseite zeigt einige kurze, oben gerundete Leisten, welche sich in unregelmässiger Weise im Centrum der Krone vereinigen. Zwei Längsreihen grösserer Schuppen ziehen sich ausserdem auf dem Schwanz hin, werden aber schnell kleiner und verschwinden, wie es scheint, an der zweiten Dorsalis. Da die unserer Art nahe stehende, lebende Platyrhina ScLönleinü M. & H. bisher nur durch das eine im hiesigen Museum befindliche Exemplar ver- treten ist, so ist es den Ichthyologen vielleicht nicht unwillkommen, wenn 102 ich die Kenntnis dieses Exemplares in einigen Punkten und zunächst durch Abbildung eines Zähnchens erweitere, zumal diese Hartgebilde isoliert auch fossil zu erwarten sind. Wie die nebenstehende Abbildung Fig. 16 zeigt, ist die Krone gerundet, vorn oben durch eine horizontale Kante ausgezeichnet, welche sich nach den Seiten verflacht; vorn an der Basis ist die Krone in einen wenig ausgebildeten Zapfen verlängert. Durch die rundliche Form der Krone und den Besitz des Zapfens schliessl sich der Bau dieser Zähne unmittelbar an den Typus der Rhino- batiden an, während er andererseits die Form der Wurzel- zapfen bereits mit den Zähnen der Rajiden gemein hat. Ein Vergleich von Fig. 16 mit den pag. 77 altgebildeten Zähnen Fig. 16. Ein Zahn von Ifatyrhina Scltöidrinii M.& B.,oben von innen, unten von der Wurzel aus gesehen, in ca. 15- facher Vergrösserung. von Rhinobatiden und dem pag. 91 abgebildeten Zahn einer weiblichen Eaja wird diese Verhältnisse leicht veranschau- lichen. In betreff der Mikrostructur der besprochenen Zähnchen hebe ich noch hervor, dass dieselben eine mittlere Pulpa enthalten, von welcher nicht sehr zahlreiche Dentinröhrehen ausgehen. Bei der hellbraunen Färbung und der Kleinheit der Zähnchen sieht man unter dem Mikroskop diese Röhrchen klar durchschimmern. Ein Dünnschliff durch ein kleines Fragment des zusammengedrückten Aussen- und Innenskeletes zeigte von aussen nach innen unter einer Placoin- Schmelzlage eine vierseitig umgrenzte Dentinkrone, in welcher sich von einem Stamm die Dentinröhrchen mit wenigen stark divergirenden Ästen ver- zweigen. Die concentrische Schichtung im intercellulären Dentin, welche bei allen Rhinobatiden besonders deutlich hervortritt, ist auch hier typisch aus- geprägt. Unter den von mir bis jetzt untersuchten Schuppen stehen der ge- schilderten Form die von Trygonorhina fasciata am nächsten. Von den Kalkkörpern des inkrus- tierten knorpeligen Innenskeletes habe ich nebenstehend (Fig. 17) eine Zeich- nung in etwa 500 facher Vergrösserung gegeben, besonders mit Rücksicht darauf, dass das pag. 98 Fig. 15 abgebildete Präparat eine irrthümlichc Auffassung unterstützen könnte, die hinsichtlich der Verkalkung dieser Theile mehrfach geäussert worden ist. Joh. Müller hatte zwar scharf hervorgehoben, dass die Verkalkung des Fig. 17. Querschnitt durch ein Kalkprisma des Innen- skeleta von TryoaorMna de Zignii Heckel Bp. in 50 facher Vergrösserung. — 103 — Innenskeletes der Knorpelfische aus pflasterförmigen Kalkprismen bestehe, welche wesentlich auf die Aussenseite der Knorpel beschränk! sind und in sich Hohlräume enthalten, welche niemals die Kanälchen besitzen; die die Knochenzellen höherer Thiere kennzeichnen. Trotzdem damit der scharfe Gegensatz, den diese Verkalkung bei den Elasmobranchiern gegenüber der echten Verknöcherung der höheren Wirbelthiere aufweist, bereits scharf präcisiert war, hat man diesen Gegensatz später gewöhnlich sehr zu ent- werthen gesucht, So sagt F. Leydig in seinen Beiträgen zur Anatomie der Rochen und Haie') über Joh. Mülleh's „pflasterförmigen kalkhaltigen Knorpel, welcher Ausdruck nur synonym sein kann mit Knochen." Er spricht dann demgemäss auch bei Selachiern von Knochenschuppen und den darin ent- haltenen Hohlräumen als Knochenkörperchen. Ja er geht sogar so weit, dass er z. B. sagt: „Ich weiss nicht, warum man bei Besprechung der Primordial- schädelverhältnisse von dem Schädel der Plagiostomen bloss in der Weise redet, als ob er nur Knorpelsubstanz wäre. Ist er doch ebenso von einem Knochenbeleg umhüllt, wie der Primordialschädel etwa eines Hechtes, freilich mit dem Unterschiede, dass die Knochenstücke, so ziemlich von einerlei Grösse und Figur, wie ein Epithel ihn überziehen, während bei anderen Wirbelthieren der Knochenüberzug aus grösseren Stücken besteht. Man könnte sogar, auf dieser Thatsache fussend, demonstrieren, dass es doch Scheitel- und Stirnbeine gäbe u. s. w." **) Es lässt sich ja natürlich principiell nichts einwenden gegen die Be- zeichnung aller verkalkten Skelettheile als Knochen, dann aber müsste man meines Erachtens auch consequent sein und die Verkalkungen wirbelloser Thiere wie das Skelet der Echinodermen, der Krebse, oder der Mollusken ebenfalls als Knochen bezeichnen, wie es z. B. mit dem sogenannten „Sepien- knochen" geschehen ist, So aber stellt man ganz verschiedenartige Skelet- bildungen der Wirbelthiere zusammen und in einen Gegensatz zu anderen Skeletbildungen, die wenigstens morphologisch einem Theil jener Bildungen sehr ähnlich sind. Der obigen Auffassung des Selachierskeletes möchte ich schon prin- cipiell deswegen nicht beipflichten, weil ich es nicht für vorteilhaft und *) F. Leydig: Beiträge zur mikroscopischen Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Kochen und Haie. Leipzig 1852. pag. 6—9. **) Eine Stütze erfuhr diese Auffassung neuerdings durch eine Arbeil E. Cope's über Dydimodus, einen Xenacanthiden aus dem Perm von Texas (Proceedings of the Academv of Natural Sciences. Philadelphia 1883. pag. 108). — Da mir Professor Copb Ihm einem Be- sudle in Philadelphia selbst Gelegenheit bot, den Schädel jener Xenacanthiden daraufhin zu betrachten und mir Material zu mikroscopischer Untersuchung gab, so glaube ich mich nun zu der Behauptung berechtigt, dass die Verkalkung des Schädels von Didymodus sich in keiner Weise von der der Plagiostomen unterscheidet. Die systematische Zugehörigkeit derselben zur Gattung Orthacanthus Ag. kann unbedenklich angenommen werden. — 104 — klärend halte, morphologisch grundverschiedene Gebilde mit gleichen Namen zu belegen, besonders wenn ihre homologe Bildung mVhl über allen Zweifel erhaben ist. Das aber ist hier nicht der Fall, und die wesentliche Voraus- setzung, auf welcher obige Auffassung fusst, dass die Hohlräume in den Kalk prismen des Plagiostomenskeletes als Knochenkörperchen anzusprechen sind, wird durch ein Bild, wie das vorstehend dargestellte, wie ich meine, voll- kommen \\ iderlegt. Man sieht daran, dass die \ erkalkten Theile ein maschiges Netzwerk bilden, welches morphologisch am meisten an das des Echino- dermenskeletes erinnert. Das Gleiche kann man auch an verkalkten Wirbel- körpern beobachten. Die Zwischenräume zwischen diesen Kalktrabekeln als Knochenkörperchen zu betrachten, halte ich im Hinblick auf diese Verhält- nisse für ausgeschlossen. Infolge der bedeutenden Entwicklung des Hautskeletes sind an unserer Form vom Bolen die Theile des Innenskeletes grossentheils verdeckt und im Einzelnen schwer zu erkennen. Ziemlich deutlich zeigt sieh das Brust- flossenskelet. Zunächst fällt als wichtig in die Augen, dass der sogenannte Schultergürtel stark in die Breite gezogen ist, in einem Maasse, wie es von Rhinobatiden nur bei Platyrhina Schönleinü in ähnlicher Weise zu beobachten ist. Ferner markieren sich sehr deutlich die Brustflossenstrahlen und zeigen ebenfalls im Gegensatz zu den anderen Rhinobatiden mit Platyrhina Schönleinü bemerkenswerthe Übereinstimmung. Sie sind auffällig breit, so dass fast keine Zwischenräume zwischen den Flossenstrahlen bleiben, ferner sind diese wenig deutlich gegliedert, so dass man nur am seitlichen Rande Gliederungs- linien bemerkt, schliesslich verlaufen sie auch nach vom so gerade, dass sie hier ungefähr mit einem Winkel von 70° von beiden Seiten zusammenstossen. Letzteres giebt der Form ein besonders charakteristisches Aussehen, scheint aber in gleicher Weise auch bei Platyrhina Schönleinü, weniger bei Platyrhina sinensis entwickelt zu sein. Das Kiemenskelet nimmt den Raum zwischen der Wirbelsäule und den beiderseitigen Brustflossen ziemlich vollständig ein. Vom Schädel ist kein Thcil deutlich zu erkennen, was bei dem Mangel getrennter Schädeltheile und der starken Hautpanzerung Dicht Wunder nehmen kann. Das Beckenflossenskelet ist sehr undeutlich erhalten, doch sah ich, dass vordere Lauffinger, wie sie die Rajiden besitzen, nicht ausgebildet sind; im übrigen scheinen diese Flossen dreieckig geformt und aussen schwach gerundet. Die Wirbelsäule besteht aus massig zahlreichen Wirbeln, welche ziem- lich ebenso lang als dick sind. Die Längsleisten zwischen den dichter ver- kalkten Doppelkegeln scheinen nicht besonders zahlreich und nur durch schwache Längseinstülpungen getrennt zu sein. — 10r> — Das Skelet der dorsalen Flossen auf dem Schwanz ist an dem Tafel II abgebildeten Exemplar der Sammlung di Canossa unter der Schuppenbedeckung nicht zu erkennen, scheint aber an dem Exemplar der Collection de Zigno deut- licher, de Zigno selbsl bildet zwar nichts davon ab, aber auf der prächtigen Aquarellzeichnung der Paduaner Universitäl sieht man kräftige, breite Strahlen an der Seite des Schwanzes. Dieselben sind an dieser Zeichnung in ununter- brochener Reihe gezeichnet, so dass sie wie Dornfortsätze der Wirbelsäule erscheinen; ich nehme an, dass, wenn die Zeichnung vollkommen correel ist. durch Zusammenschiebung der beiden Flossen das sonst unerklärliche Bild hervorgerufen wurde, welches übrigens in jedem Falle eine falsche Vor- stellung wenigstens über die Form des Schwanzes erwecken muss. Die Flossenstrahlen selbst fehlen dieser Abbildung. Im Hinblick auf die verschiedenen Beziehungen, die unsere Form zur Gattung Platyrhina aufweist, sind wohl einige weitere Bemerkungen über die beiden Lebenden Vertreter dieser Gattung, die mir in den Originalen vorliegen, gerechtfertigt. Was zunächst die Beziehungen unserer eoeünen Form zu den beiden Arten von Platyrhina betrifft, so schliesst sich dieselbe entschieden sehr viel näher an Platyrhina Schönleinii, als an Platyrhina .sinensis an. Mit erst- genannter Art hat sie zunächst die allgemeine Körperform gemein, im Beson- deren ist beiden gemeinsam die gerundete Form des Vorderrandes und die Ausbreitung der Brustflossen über den grosseren Theil der Beckenflossen, so dass die letzteren nur wenig unter der rundlichen Scheibe der Brustflossen herausragen. Auffallend ähnlich ist ferner bei beiden die gerade Form der breiten Brustflossenstrahlen und deren Anordnung, indem die vorderen Strahlen stark etwa bis zu einem Winkel von 70° convergieren. Auch bei Platyrhina Schönleinii füllen die langen Kiemenbögen den ganzen Raum zwischen den Propterygien aus. Der Schwanz unserer Form ist, falls er bei dem Tafel II allgebildeten Exemplar unverletzt vorliegt, an der Basis noch etwas schmäler als bei den lebenden Platyrhiniden. Auch war der Schwanz kürzer als bei Platyrhina Schönleinii, sodass die erste Dorsalis dem Becken mehr genähert ist und die zweite Dorsalis und Caudalis unmittelbar dahinter stehen. Eine absolute Sicherheit ist in diesen Verhältnissen allerdings kaum zu gewinnen, da die vielfach zerspringenden Platten durch die Steinbrecher wie gesagt bisweilen zu einem Mosaik von recht bedenklichem Werthe zu- sammengekittet worden sind. Platyrhina Schönleinii ist übrigens nicht unerheblich verschieden von Platyrhina sinensis. So sind bei beiden z. B. die grossen Hautschuppen sowohl morphologisch wie auch histologisch unterschieden. Bei Platyrhina — 100 — Schönleinü haben diese Schuppen eine gerundete, mtitzenförmige Krone mit dick vortretender Schmelzkappe und keiner durchgeführten Concentration der Dentingefasse zu einer einheitlichen Pulpa. Bei Platyrhina sinensis sind die Schuppen fast wie bei Itaju in eine feine Spitze ausgezogen und zeigen im Innern eine nach oben einheitliche Pulpa. Audi die äussere Gestalt beider ist verschieden, indem die Rumpfscheibe bei Platyrhina Schönleinü viel mehr gerundet ist und die Beckenflossen ganz überwachsen hat, während sich diese letzteren bei Platyrhina sinensis noch frei vom Körper abgliedern und denselben dadurch Trygonorhina nahe stellen. Eine sehr auffällige Uebereinstimmung zeigt ferner Platyrhina sinensis mit Trygonorhina fasciata in der Vertheilung der grösseren Schuppen auf der Oberseite der Rumpfscheibe, indem die Anordnung, Zahl und Stellung der grösseren Schuppen an den Augen auf dem Schultergürtel und dem vorderen Theil des Rückenfirstes bei beiden Arten absolut die gleiche ist. Dieser Umstand nähert beide Arten einander umsomehr, als bei Platyrhina Schönleinü die Vertheilung dieser Skeletgebilde eine ganz abweichende ist. Während also Platyrhina Egertoni in der allgemeinen Form entschieden an Platyrhina Schönleinü, weniger Platyrhina sinensis erinnert, ist sie von diesen beiden unterschieden durch die Form der Zähne, der grösseren Hautschuppen und deren Vertheilung, sowie durch die vollkommene Rundung der Rumpf- scheibe. Platyrhina bolcensis (Heckel) Molin. Textfigur 18, pag. 107. Narcopterus bolcanus (Name ohne Beschreibung), L. Agassiz: Jahrbuch für Mineralogie, Geologie, Geognosie und Petrefacteukunde. I835. pag. 297. — Poi>snn* fossiles. III. pag. 382. Platyrhina (?) bolcana, Pictet: Traite de Paläontologie II. Paris 1854. pag. 277, Anmerkung. Platyrhina bolcensis (Name ohne Beschreibung), Heckel: Sitzungsberichte der mathe- matisch-naturwissenschaftlichen Classe der k. k. Academie der Wissenschaften. Wien 185t. Band VII. pag. 324. Platyrhina bolcensis, Molin: Primitiae Musei Archigymnasii patavini. Sitzungsberichte dir mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der k. k. Academie der Wissen- schaften. Wien 1800. Band XXXX. pag. 587. Erst Molin hat, nachdem verschiedene Ichthyologen dieser Form einen Namen gegeben hatten, eine Beschreibung derselben geliefert. Infolge dessen ist auch er als alleiniger Autor dieser Art anzusehen. Heckel, den Molin als solchen citiert, hatte überdies, wie Molin mit Recht annimmt, unter seiner Bezeichnung auch die Narcint Molini mihi mit inbegriffen, deren Original in Padua neben dem unserer Art aufgestellt ist. Wie Heckel angiebt, hatte schon Jon. Müller die Form, gelegentlich eines Besuches in Padua, als 107 - Vertreter seiner Gattung Platyrhina erkannt. Ueber die Richtigkeit dieser Auffassung kann meines Erachtens kein Zweifel bestehen. Fig. 18. Hatyrhina bolcensis Molin. Zinkotypic nach der Paduaner Originalahhildung. Das Exemplar ist fast vollständig erhalten, nur die Schwanzflosse und die eine Ventralis sind grösstenteils zerstört, auch ist am Rostrum und am vorderen Theil der linken Brustflosse eine in der Figur dunkeler er- — 108 — scheinende Partie nachträglich /.. Th. unrichtig ergänzt. I »;i ich nicht das < ; Kick hatte, Herrn Professor Omboni bei meinem Besuche in Padua anzutreffen, so konnte ich das Exemplar nur unter Glas in einiger Entfernung studieren. Für ', das der Ceratopterina riden ein. Bei ersteren verkürzen sich zunächst die Strahlen vor dem Kopf, namentlich seitlich desselben (vergl. Tafel I und Textflgur 34 pag. 154), in einem zweiten Stadium verkümmern die Flossenstrahlen seitlich des vorderen Kopfes vollständig, so dass sich vordere Kopfflossen von den Brustflossen absondern tfyliobatis, Aetobatis). In einem dritten Stadium erscheint die Kopf- flosse in zwei paarige Flossen aufgelöst (Textfigur 20c). Dieser Zustand isl typisch für die Gattungen Rhinoptera (Zygobati*), Dicerobatis und Ceratoptera; er findet sich aber auch gelegentlich bei Formen mit echtem Myliobatiden- gebiss, wie mir ein von Herrn de Maechesetti in Tn'cst gezeigtes Exemplar aus dem adriatischen Meer bewies. .Mit dieser Abgliederung besonderer Kopfflossen, und vielleicht als Ur- sache derselben, geht eine Umbildung der eigentlichen Brustflossen Hand in Hand. Während dieselben bei den Trygoniden in der Regel einen ungefähr halbkreisförmigen Umriss besitzen, sehen wir sie bei den Myliobatiden und besonders bei Ceratoptera und Dicerobatis Hügelartig nach den Seiten zuge- spitzt, sodass die Myliobatiden ihren Namen „Meeradler- mit Recht verdienen. Eine derartige Verschiedenheit in der Form setzt natürlich eine verschiedene Funktion der Brustflossen voraus. Bei den Trygoniden, die ich Gelegenheit hatte, in verschiedenen Aquarien zu beobachten, erfolgt das Schwimmen durch ausgedehnte Wellenbewegung der distalen Flossentheile von vorn nach hinten. Bei <\m Myliobatiden, die ich leider nirgends Gelegenheit hatte lebend zu beobachten, kann das Schwimmen natürlich nicht in dieser Weise erfolgen, sondern muss in flugartigen Flatterbewegungen vor sich gehen. Das Maximum der Kraftäusserung ist dabei auf die Seiten der Flosse verlegt, während bei den Trygoniden die Kraftleistung auf die ganze Flosse vertheilt ist. Die Umbildung der Myliobatidenflosse erweist sich damit als eine Specialisierung einer ursprünglich indifferenten Entwicklungsform. Da die Myliobatiden und Trygoniden ungefähr den gleichen Formenreichthum entwickeln, so ist daraus nicht zu ersehen, ob eine von diesen Differen- zirungen dem Organismus wesentlich vorteilhafter ist als die andere. Nicht unwichtig ist es aber jedenfalls für die Beurtheilung dieser Verhältnisse, dass bei den Trygoniden noch von einer anderen Stelle aus der gleiche Diffe- renzierungsweg eingeschlagen wird, nämlich bei Fteroplatea, bei welcher die Brustflossen zwar vor dem Kopf in ununterbrochenem Zusammenhange bleiben, aber sich seitlich auch sehr stark ausdehnen, so dass ihre Bewe- gungsart jedenfalls ähnlich sein muss wie bei den Myliobatiden. Bei den letzteren geht mit der Aenderung der Form der Brustflossen auch eine Umbildung in deren Skeletierung vor sich. Bei den Trygoniden verlaufen die Gliederungslinien der Brustflossenstrahlen im Gegensatz zu denen der Rajiden, wo sie am Schultergürtel winkelig eingebogen sind, dem Aussenrande der Flosse ungefähr parallel, während sie bei den Myliobatiden schräg von vorn aussen nach hinten ziehen und hinter dem Schultergürtel wieder nach aussen umbiegen. Zwischen diesen extremen Ausbildungsformen - 119 — der Flosse und ihres Skeletes nimmt der fossile Promyliobatis vom Monte Bolca eine ausserordentlich wichtige Mittelstellung ein, indem der Flossen umriss seitlich nur wenig ausgezogen ist und der Verlauf der Gliederungs- linien ziemlich genau in der Mitte steht zwischen dem Verhalten der Trygo- niden und der Myliobatiden. Wir sind somit durch diesen eocänen Myliobatiden in den .Stand gesetzt, die Differenzirung der Brust- flossen der Myliobatiden von der der Trygoniden phylogenetisch abzuleiten. In dem Bau des Schultergürtels habe ich wesentliche Diffe- renzierungen bei Trygoniden und Myliobatiden nicht verfolgen können. Die Bauchflossen, welche ja bei den Selachiern im Allgemeinen eine sehr geringe physiologische Bedeutung, mindestens für die Bewegung, haben, sind bei den Centrobatiden besonders schwach entwickelt und bieten auch kaum nennenswerthe Differenzirungen innerhalb der Familie. Als wichtig aber gegenüber den anderen Rochen ist der Bau des Beckenknorpels hervor- zuheben. Während derselbe bei allen Rhinorajiden seitlich die oben be- schriebenen, nach vorn gerichteten Fortsätze zeigt, bildet er bei den Centrobatiden einen dünnen, nach vorn gerichteten Bogen, der in der Mediane winkelig nach vorn gebogen, oder wie bei Potamotrygon, in einen langen Fortsatz ausgezogen ist. Bei der physiologischen Bedeutungslosig- keit des Beckenknorpels ist dieser Unterschied im Bau desselben bei Centrobatiden und Rhinorajiden sicher von hohem phyletischen Werth, wie ich bereits bei Besprechung der Rhinorajiden hervorhob. Die unpaaren Flossen erscheinen bei den Centrobatiden sehr unter- geordnet und in einem solchen Grade der Verkümmerung, dass sie bei zahl- reichen Formen gänzlich verschwunden sind. Eine Dorsalflosse findet sich noch deutlich entwickelt bei den Myliobatiden, verkümmert bei einigen Trygoniden (Trygonopteru, Aetoplatca); dagegen finden sich bei den einer typischen Dorsalflosse entbehrenden Formen bisweilen noch wohl ent- wickelte, mit Strahlen versehene dorso-ventrale Flossenkämme am Schwanz (ürolophus), welche bei anderen Trygoniden (HypolopJius, Taeniura, Aetoplatea) und älteren Myliobatiden (Promyliobatis) zu strahlenlosen Hautfalten ver- kümmern, oder ganz fehlen (Urogymnus, Ellipesurus). Aus der Organisation der Elasmobranchier können wir entnehmen, dass unpaare Flossen den Selachiern ursprünglich zukamen, ein Mangel derselben bei unseren Centro- batiden also als eine Rückbildung aufzufassen ist, welcher die Ausbildung von Flossen voranging. Ob nun die indifferenten Längstlosscnkännne der Centrobatiden noch primäre, stets gewahrte Erbstücke oder Neubildungen sind, ist mit Sicherheit bis jetzt nicht zu sagen, aber das erstere ist jedenfalls wahrscheinlicher. Sicher ist, dass die unpaaren Längs- falten bei den Trygoniden in Rückbildung begriffen sind und sich innerhalb — 120 - der Gattung Trygon in allen Stadien der Verkümmerung befinden. Den einzelnen Phasen eines solchen unwesentlichen Rückbüdungsprocesses einen besonderen systematischen Werth beizumessen, hat wohl keinen Zweck, und .■ms diesem Grund erschein! mir die weitere, allein darauf basirte Trennung von Taeniura und Trygon nicht zweckmässig.*) Ieli habe sie daher im Fol- genden fallen lassen, zumal die Entseheiduiig über dieses Merkmal hei fossilen Formen nur ausnahmsweise durchführbar wäre. Das Hautskelet. Bevor wir an die Besprechung' des Axial- und Visceralskeletes der Centrobatiden herantreten, möchte ich die Differenzierungen des Hautskeletes behandeln, weil nur diese ermöglichen, das palaeontologisclm .Material von Centrobatiden in vollem Umfange zu unseren Betrachtungen heranzuziehen. Sämmtliche Zahnbildungen, also Zähne, Hautschuppen und Schwanzstacheln bestehen bei den Centrobatiden aus Vasodentin. Die letzteren treten dadurch in einen sehr bemerkenswerthen Gegensatz zu den Rajiden, deren Zahngebilde ausnahmslos aus Pulpodentin bestehen. Man hat diesem, schon mehrfach bemerkten Unterschiede, wie es scheint, keine besondere Bedeutung beigelegt, und doch liegt es auf der Hand, dass der- artige structurelle Eigenthümlichkeiten eine tiefliegende phyletische Bedeu- tung haben müssen. Wie ich bereits oben und an anderer Stelle ausführ- licher betonte**), kann ein hoher systematischer Werth nur solchen Eigen- thümlichkeiten beigelegt werden, welche relativ constant sind und sich lange vererben. Solche werden in denjenigen Organen zu finden sein, welche durch den Wechsel der Lebensbedingungen am wenigsten beeinflusst werden. Diesen Anforderungen aber dürfte vielleicht kein Organsystem besser ent- sprechen als die Mikrostructur der Hartgebilde, auf welche die Lebens- funetionen und ihr Wechsel zum mindesten einen unendlich viel geringeren Einfluss ausüben müssen, als z. B. auf die den Körper formenden Bewegungs-, Ernährungs- und Sinnesorgane. Aus diesen Gründen scheint mir jenem Unterschiede im inneren Bau der Hartgebilde bei Rajiden und Centrobatiden ein hoher phylogenetischer Werth zuzukommen. In den meist kugelig gewölbten Zahnbildungen der Trygoniden divergieren die Vasa strauchförmig, während sie in den langausgezogenen Schwanz- stacheln dichtgedrängt nebeneinander laufen. In den hohen, oben flach ab- *) Auch A. Günther (Catalogue of the Fishes in the British Museum. London 1870. Vol. VIII. pag. 483) hatte schon auf den geringen Werth dieser Trennung hingewiesen. **) Mikroskopische Untersuchungen im Gebiete der Palaeontologie. Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, 189). I. pag. 188. geschnittenen Zähnen der Myliobatideu ist die Anordnung der Gefässe so ähnlich der in den Schwanzstacheln, dass die mittleren Theile beider auf Querschliffen kaum von einander zu unterscheiden sind. Im Längsschnitt erinnert der Bau solcher Zahne durchaus an den vieler palaeozoischer Pflasterzähne, was aber nicht besonders viel be- deuten kann, weil die Structur dieser Hartgebilde bei Selachiern eben nur diese Form oder die des Pulpodentins zeigt. Die weiteren Modifikationen sind meistens durch die äussere Gestalt der be- treffenden Hartgebilde bedingt. Gehen wir zur Morphologie der einzelnen Theile des Hautskeletes über, so hat für den ganzen Formenkreis die höchste Bedeutung der Schwanz- stachel. Die Schwanzstacheln der Centrobatiden sind eine so typische und auffällige Eigenthümlich- keit ihrer verschiedensten Vertreter, dass man sie als ein altes Erbstück dieser Phyle betrachten muss und darauf der Name derselben gegründet winde. Sic fehlen nur einigen wenigen Arten, bei denen der Schwanz entweder überhaupt riiekge- bildet ist (Dicerobatis z. Th.) oder wo eine gleich- artige Vertheilung der Hautbewaffnung sich ein- stellt (JJrogymnna asperrimus, EllijK'surus). Dass diese Schwanzstacheln den dorsalen Flossenstacheln anderer Selachier nicht homolog, sondern als differenzierte Hautschuppen aufzufassen sind, habe ich bereits an anderer Stelle hervorgehoben. *) Da ich aber 1. c. die jene Homologie beweisende Ab- bildung nicht gegeben habe, so hole ich dies hier in der Textfigur 21 nach. Dieselbe stellt den stachel- tragenden Schwanzabschnitt von Trygon brevicauda dar. Die Abbildung ist nach einer Zeichnung her- gestellt, welche ich mir im British Museum an- fertigen durfte. Die Homologie des echten Centro- batiden-Stachels mit den vor ihm stehenden Schuppen ist aus deren allmäh- lichem Übergang in einander ohne Weiteres ersichtlich. Die Stellung der Schwanzstacheln ist stets hinter der Dorsalflosse Fig. 21. Ein Ahsciiniti dos Schwanzes von Trygon brevicauda Swaixson, etwas um die Hallte verkleinert. Orig. im British-Museum. Bei den älteren, bezw. weniger differenzierten Formen {Trygon muricata *) über fossile Ichthyodorulithen Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. 1890. pag. 125. — 122 — Promyliobatis Gazolae, Hypolophus sephen) steht er weil entfernt von der Rumpf- scheibe, bei den anderen rückt er nach vorn. Bei Formen, bei denen der schwänz selir verkürzt ist, wie bei Urolophus, ist dies natürlich nicht wunder- bar; der Stachel nähert sich aber auch bei solchen Formen der Rumpf- scheibe, bei denen eine derartige Veranlassung nicht vorliegt. Alle diese stacheln sind ersatzfähig, wie die Hautschuppen, und zwar bildet sich ein neuer Stachel immer vor dem nächst älteren, dem er unmittelbar aufliegt. Bei den meisten Centrobatiden ist gewöhnlich nur ein ausgewachsener Stachel vorhanden, bei Aetolmtis steigt aber ihre Zahl so, dass bei alten Individuen bisweilen 6 Stacheln unmittelbar hintereinander stellen. Die hintersten sind als die älteren dabei die breitesten und vorn an der Basis löft'elförmig aus- gehöhlt, da der vor ihnen stehende Stachel beim Wachsthum auf ihre Vorder- seite drückt. Dadurch erhalten solche Stacheln auch eine charakteristische Oberflächenskulptur, indem die sonst längsverlaufenden Runzeln nach der Seite ausbiegen. Da der Schwanzstachel der Centrobatiden nur eine modificierte Haut- schuppe ist, erklärt es sich auch sehr einfach, warum der für sie sonst so ungemein charakteristische Stachel bei Urogymnus und Ellipesxirus fehlt. Bei diesen hat sich eine gleichartige Bewaffnung, sei es auf der ganzen Oberseite, wie hei f'nit-'i/iiuiii.?, oder auf dein proximalen Theile des Schwanzes, wie bei Elltpesurus, eingestellt und die Ausbildung besonderer Hartgebilde wie der Stacheln unterdrückt. Die Gebisse der Centrobatiden zeigen so auffallende und in phylogene- tischer Hinsicht so bemerkenswerthe Eigentümlichkeiten , dass ein näheres Eingehen auf dieselben berechtigt erscheint, zumal diesen Verhältnissen noch wenig oder gar keine Beachtung geschenkt wurde. Wenn wir uns der Morphologie der Gebisse zuwenden, so scheint es zweckmässig, von einer Form auszugehen, welche bisher nie beachtet wurde, welche aber in vergleichend anatomischer Hinsicht das grösste Inter- esse verdient, da sie fast genau in der Mitte der unter einander verwandten Formenkreise steht und dadurch die beste Brücke zwischen denselben bildet. Es ist das Gebiss von Hypolophus sephrn, welcher von Mülleb und Heni.k als Subgenus von Trygon abgetrennt, von A. Günther wieder mit demselben vereinigt wurden ist. Zur Untersuchung lag mir nur ein Gebiss vollständig vor, jedoch konnte ich an mehreren ausgestopften, oder in Spiritus aufbewahrten Exemplaren des britischen und des berliner zoologischen Museums mich überzeugen, dass das mir vorliegende und Textfigur 22 allgebildete Gebiss das \uv diese An durch- aus normale ist. Da dasselbe von einem kleinen Individuum stammt, so habe 123 ich es etwa in dreifacher Grösse gezeichnet, um die Einzelheiten deutlicher wiedergeben zu können. Da das Gebiss im Körper fast ganz von der Körperhaut bedeckt wird, und nur mit den vorgezogenen Symphysentheilen hervorragt, so entziehen sich die interessanten, inneren Seiten der Kiefer leicht der Beobachtung, und das Gebiss scheint von anderen Trygoniden-Gebissen nur durch die starke Vor- biegung der Symphysengegend unterschieden zu sein, ein Unterschied, den Fig. 22. Ober- und Unterkiefer von Ri/polo/ihus sephen M. & H. von innen gesehen, in dreifacher Grösse, original in Coli. Jaekel. Güntheb 1. c auch bereits hervorhob. Schneidet man aber die Kiefer voll- ständig heraus, so sieht man die überraschende Art der Anordnung der Zähne. (Textfigur 22.) Der Unterkiefer zeigt ein von innen nach aussen nur schwach ge- wölbtes Pflaster hexagonaler Zähne. Innen lässt dasselbe von einem Mundwinkel zum anderen, d. h. also in der Längsaxe des Kiefers, fast gar keine Wölbung erkennen; nur eine ganz flache, kaum merkliche Einsenkung entspricht auf der Innenseite des Kiefers der Symphyse, verflacht sich aber nach aussen vollständig. Nach den Seiten macht sich innen jederseits nur eine sehr geringe Depression bemerkbar, welche aber aussen dadurch beträchtlich - 124 wird, dass der mittlere Thei] des Kiefers an der Symphyse stark vorgezogen ist und eine schwache ^ufbiegung nach oben erleidet, während die Seiten nach unten eingebogen sind. Die Anordnung der Zähne ist folgende: In den mittleren Querreihen zähle ich 16 Zähne, in den äussersten seitliehen II. Die Zahl der Zähne in den dazwischenliegenden Querreihen liegt zwischen diesen Grenzen. Eine unpaare Symphysenreihe ist nicht vorhanden, sondern zu beiden Seiten stehen 7 Reihen. Die Grösse der Zähne nimmt in denselben nach den Seiten des Kiefers an Grösse ab, derart, dass die äussersten etwa halb so gross sind als die mittleren. Die Zähne der zweiten Reihen jederseits sind ein wenig grösser als die der beiden ersten neben der Symphyse gelegenen. Die grössten Zähne sind etwas mehr in die Länge gezog-en als die kleineren, äusseren: alle sind regelmässig hexagonal, nur die äussersten sind an der Aussenseite gerundet Sämmtliche Zähne je zweier benachbarter Querreihen greifen alternirend ineinander. Ihre Oberfläche ist eben, zeigt aber eine schwache Rauhig- keit. In der allgemeinen Form stimmen sie mit Myliobatiden-Zähnen über- ein. Sie stehen ebenso dicht wie diese und sind ebenso befestigt, nur dass auch bei den längsten Zähnen stets zwei Wurzelhörnchen vorhanden sind, wie bei den anderen Trygoniden, während bei Myliobatiden nur die kleinen Seitenzähne bisweilen eine zweitheilige Wurzel, die langen Mittelzähne aber stets sehr zahlreiche Wurzelleisten besitzen. Der Oberkiefer ist von dem soeben beschriebenen Unterkiefer in einem Maasse verschieden, wie ich es bei anderen Selachiern nie beobachtet habe. Die beiden Kieferäste convergiren unter einem Winkel von etwa 120°, so dass die beiderseitigen gewölbten Zahnpflaster den Einbiegungen entsprechen, welche die Aussenseite des Unterkiefers aufweist. Das Zahnpflaster des Oberkiefers ist denen eines ausgewachsenen Hetero- dontus sehr ähnlich. Auf den von innen nach aussen und von hinten nach vorn halbkugelig gewölbten Seiten sitzen die grossen B/iinojitera-nvti^cn Zähne, während zwischen ihnen kleine, rhombische Zähne die tiefe Grube an der Symphyse bedecken. Auf den stark gewölbten Seiten schieben sich die Zähne nicht rechtwinkelig zur Längsaxe der Kieferäste nach aussen, sondern etwa unter 30° schräg nach vorn. Die Zahl der Zähne in einer Querreihe beträgt 9 — 1 1. Auf den gewölbten Seiten stehen jederseits 6 Reihen grösserer Zähne; in der Symphysengrube zähle ich 6 bis 8 Querreihen kleiner Zähne, welche zusammen noch nicht die Hälfte der Breite einnehmen wie jene. Eine unpaare Symphysenreihe fehlt hier ebenso wie im Unterkiefer. Den je 7 Querreihen eines Unterkieferastes stehen also hier 9 bis 10 gegenüber. Die Form der Zähne ist im Gegensatz zu dem Unterkiefer untereinander auffallend 125 - verschieden und zeigt, wie wir später noch sehen werden, alle Übergänge zwischen typischen Myliobatiden- und echten Trygoniden-Zähnen. Die grössten Seitenzähne stehen in der 6. Reihe von der Symphyse aus), von da nehmen sie nach vorn und den Seiten an Grösse ab. Sie sind erheblich grösser als die grössten des Unterkiefers, hexagonal und stimmen in allen übrigen Punkten mit den Zähnen des Unterkiefers überein. Die vorderen, kleinen Zähne mit rhombischer Oberfläche sind untereinander ziemlich gleich, doch so, dass die der 3. oder 4. Reihe einen Übergang zu den grösseren Seiten- zähnen bilden. Ihre Form entspricht durchaus Trygoniden-Zähnen, in- dem die Oberfläche einen Längskamm und vor demselben eine flache Grube aufweist, indem ferner die von dem nächst jüngeren Zahn bedeckte Hinter- seite der Krone zwei durch eine Kante getrennte, glatte Seitenfelder zeigt und schliesslich die Wurzel zwei kleine, gerundete, etwas divergirende Hörnehen besitzt. Um das Besprochene noch einmal kurz zusammenzufassen, besteht also die merkwürdigste Eigentümlichkeit des Gebisses von Hypolophus sepken darin, dass der Oberkiefer und seine Bezahnung ähnlich der von Hctcrodonlus und Asteracanthus ist, und dass die Bezahnung des Unterkiefers nicht mehr in zwei divergierende Zahnpflaster getheilt ist, sondern dass sich auf den verbreiterten Kieferästen ein einheitliches, ununter- brochenes Zahnpflaster entwickelt. Die Bezähmungen beider Kiefer sind also in verschiedenen Richtungen differenziert, und dass wir diejenige des Unterkiefers als die weiter resp. später differenzierte zu betrachten haben, kann keinem Zweifel unterliegen. Nur durch eine Einbiegung der Aussenseiten kann dieses Zahnpflaster noch seine Function des Kauens mit dem Heterodimtus-artigen Oberkiefer verrichten, während sich die Innenseite des Pflasters nicht mehr zur Erfüllung dieser Function eignet. Hypolophus seph.en leitet so zu den Gebissformen von Trygoniden und Myliobatiden zugleich über. Unter den Trygoniden finden wir bei Taeniura Formen, die in ihrem Oberkiefer noch Merkmale des cestracionidenartigen Oberkiefers von ■%/»<- lopkus aufweisen. Wie ich mich an einem Exemplar des British Museum über- zeugte, kommen hier bisweilen im Oberkiefer noch grössere Zähne auf der Mitte jedes Kieferastes vor, während im Unterkiefer die sämmtlichen Zähne gleichartig geworden sind. Da Taeniura, wie oben bemerkt, den älteren Typus von Trygon repräsentiert, so ist es verständlich, dass dieselbe auch in dieser Hinsicht noch Merkmale aufweist, die den jüngeren Trygoniden fast gänzlich verloren gegangen sind. An das Gebiss von Hypolophus seph n schliessen sich ausserordentlich nahe eine Anzahl von Zähnen an, welche W. Dames unter dem Gattungsnamen — 126 - Rhombodus aus der obersten Kreide von Mastricht beschrieb.*) I < - li habe einige iltTM'Hu'ii noch einmal abgebildet. Da ihre äussere Form bereits genau von Dames beschrieben wurde, kann ich mich auf die Hervorhebung einiger Punkte beschränken. Die Krone zeigl eine ebene, oder nur ganz flach gewölbte Oberseite, welche einen rhombischen, oder hexagonalen Umriss besitzt. Bei den grossen Zähnen tritl der rhombische Umriss am deutlichsten hervor, und zugleich ist der Zahn etwas schief, indem die kurze Querdiagonale die längere Längsdiagonale unter schiefem Winkel sehneidet und so die Form eines Rhomboids entstein. Bei den kleineren Zähnen sind die spitzen Enden des Rhombus quer abgestutzt, bei dem kleinsten, Textfigur 23 rechts abgebildeten Zahn soweit abge- schnitten, dass die 6 Seiten des Um- risses ungefähr gleich sind, die Fig. 23. Ein grosse! Seitenzahn und ein kleiner Vorderzahn _ -. , • i i von Iih ! !us BiiiklwTsti Dames aus dem Senon von Qllcrdiagonale aber langer Wird als Mastrieht in dreifacher Grösse. Originale im Museum für ,. T .. , ,» TA. ,-, .. Naturkunde za r die Lange der Krone. Die Seiten der Krone sind tief von unten nach oben gefurcht; die zwischen den Furchen entstehenden Runzeln vergabein sich nach oben, indem sie zugleich flacher werden. Die Krone ist über die Wurzel etwas nach aussen vorgeschoben, und es bildet sieh an der Aussen- seite über der Basis der Krone ein Wulst, dem auf der Innenseite zur Artikulation mit den zwei dahinter stehenden Zähnen eine Furche entspricht. Die Krone ist bei den kleinen Zähnen viel stärker über die Wurzel vorge- zogen als bei den grossen; auch ist ihre Höhe im Verhältnis zu dem Umriss beträchtlicher. Die Wurzel unterliegt in ihrer Form nur geringen Schwankungen. Sie entspricht in dem Umriss dorn der Krone, ist aber fast um die Hälfte kleiner. In der Querdiagonale ist sie durch eine Furche getheilt, so dass bei den rhombischen Zähnen die Unterseite zwei ungefähr gleichseitige Dreiecke zeigt. Die Tiefe des Einschnitts beträgt etwa die halbe Höhe der Wurzel. Da letztere bei den kleinen Zähnen verhältnismässig hoch ist, so ist auch der Einschnitt tiefer, und die Wurzel zeigt zwei ausgeprägte Wurzelzapfen. Aus Obigem ergiebt sich, dass die Zähne von Rhombodus in ihrer Form denen von Hypohphus sepJien sehr nahe stehen. Ebenso wie diese stehen sie in der Mitte zwischen Trygoniden und Myliobatiden. Mit beiden haben sie den Umriss der Krone, deren Vorschiebung über die kleine, einwärts ge- bogene Wurzel, die Aus- bezw. Einbiegung an der Aussen- und Innenseite ') Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde v.u Berlin. 1881. pag. I. - 127 - gemein. Den Trygoniden stehen sie hinsichtlich der zweitheiligen Wurzel näher, während sie zu den Myliobatiden durch die Furchung der Seiten und die ebene Oberfläche der Krone einen Übergang bilden. Wenn auch auf Grund der wenigen isolierten Zähne eine Reconstruction des ganzen Gebisses von Rhombodus unmöglich ist, so lassen sich doch einige Schlüsse auf die Form desselben aus der Verschiedenartigkeil der vorliegenden Zähne herleiten. Die hohen Wurzeln und die starke Vorbiegung der kleinen Zähne, welche man dieserhalb nur als Vorderzähne betrachten kann, deuten darauf hin, dass die Symphyse wenigstens eines Kiefers ziemlich stark vorgezogen war, die beiden Kieferäste also unter einem Winkel, etwa wie hei dem Oberkiefer von Hypolqphus sepJien, zusammenstiessen. Nur aus der Stellung in einer Symphysengrube wird die Form der kleineren, oben abgebildeten Zähne verständlich, während es andererseits keinem Zweifel unterliegt, dass die grossen rhombischen Zähne mit breiter, niedriger Wurzel auf einer breiten und schwach gewölbten Fläche, d. h. auf den Seiten der Kiefer gestanden haben, so wie wir dies bei den grossen Zähnen von EypolopAns sephen fanden. Daraus, dass jene grossen Zähne nicht symme- trisch, wie hei Myliobatiden, sondern, wie wir sahen, stets schief sind, ergiebt sich, dass die Querreihen, in denen sich diese Zähne vorschoben, noch etwas schräg nach vorn gerichtet waren, als Beweis dafür, dass die Kiefer an der Symphyse vorgebogen waren. Ob beide, oder nur ein Kiefer, wie bei Hypolophus sephen, eine derartige Form hatten, muss dahingestellt bleiben, doch scheint mir der Umstand, dass neben den grossen, rhomboidischen, also schiefen Zähnen auch ebenso grosse, rhombische, also symmetrische Zähne vorliegen, dafür zu sprechen, dass der andere -- nach der Analogie von Hypolophus der Unter- kiefer — jene Vorbiegung nicht zeigte und deshalb symmetrische Zähne wie alle Myliobatiden besass. Dass die Zähne in beiden Kiefern ein fest zu- sammenhängendes, ziemlich ebenes Pflaster bildeten, kann bei ihrer ebenen Oberseite und den eng ineinander greifenden Runzeln an den Seiten nicht zweifelhaft sein. Da die besprochene Art aus der oberen Kreide stammt, ist sie die älteste Gebissform, welche Myliobatiden-* 'haraktere zeigt. Ich bemerke hierbei, dass das naturhistorische Museum in Brüssel auch einen aus den gleichen Schichten stammenden typischen Centrobatiden-Stachel besitzt. Wenngleich das Gebiss in der Familie der Myliobatiden einen sehr konstanten Typus aufweist, indem die allgemeine Form der Zahnpflaster so- wohl, wie der einzelnen Zähne sich ziemlich gleich bleibt, ist doch die 12;; — Mannigfaltigkeit in der speciellen Form der Zähne und deren Anordnung innerhalb der Zahnpflaster eine nichl unbeträchtliche. — An die Art der Be- zahnung, wie wir sie im Unterkiefer bei Hypolophus sephen gefunden haben, schliessl sich die von Rhinoptera polyodon Güntheb unmittelbar an. Die Forin und Anordnung der Zähne des Unterkiefers ist genau die gleiche bei letzterer Form, nur die Wölbung des Pflasters ist gleichmässiger und etwas stärker, die Zahl der ebenfalls paarigen Querreihen ist jederseits um 2 grösser, und die Seiten sind nicht eingebogen, wohl aber ist das Pflaster an der Symphyse vorgewölbt, wenn auch nicht in dem Maasse wie bei Eypoloph.ua sephen. Während Ehinoptera polyodon in der Zahl der Querreihen im Hinblick auf die Reduktion, die dieselben bei den übrigen Myliobatiden erfahren, eine niederere Stute einnimmt als Hypolophus sephen, weist der Unterkiefer in allen übrigen Punkten eine höhere Differenzierung als diese auf und zwar in der Richtung, welche wir bei den Myliobatiden finden. Die mittlere Symphysenfurche, die auf der Innenseite bei Hypolophus sephen noch angedeutet war, ist ebenso ver- schwunden wie die vordere Einbiegung der Flanken bei letzteren, welche sieh noch der abweichenden Bezahnung des Oberkiefers anpassen musste. Der wesentliche Unterschied bezw. Fortschritt, den wir bei Ehinoptera polyodon finden, beruht in der Form des Oberkiefers, welcher sieh hier der Umgestaltung des Unterkiefers bereits angepasst hat. Wir sahen, dass Hypolophus sephen im Oberkiefer nur in der Symphysengrube abweichende Zähne hatte, dass dagegen die grossen, seitlichen Zähne in ihrer Form und Anordnung durchaus mit denen des Unterkiefers Übereinstimmten. Bei Ehinoptera polyodon sind die kleinen, abweichenden Vorderzähne ganz ver- schwunden, alle Zähne besitzen vollständig den gleichen (Myliobatiden-) Charakter. Das Zahnpflaster ist nach den Mundwinkeln zu ganz gleichmässig gewölbt wie im Unterkiefer, doch verräth eine nicht unbeträchtliche Ein- biegung des Zahnpflasters an der Innenseite die Beziehung zu dem stark nach vorn eingebogenen Oberkiefer von Hypolophus sephen. Auch die stärkere Wölbung von innen nach aussen theilt sie mit jener Form. Eine unpaarige Mittelreihe von Zähnen bezeichnet ebenfalls einen Fortschritt, aber darin, dass dieselbe noch gar nicht hervortritt, indem sie nicht genau median steht. und die Zähne derselben an Grösse noch hinter den seitlichen zurückbleiben, erinnert die Form noch an den ursprünglicheren Typus. Rhinoptera polyodon ist zunächst nur aus dem einen von Güntheb abgebildeten*) Gebiss bekannt. Hoffentlich wird die Auffindung des vollständigen Thieres nicht mehr lange auf sich warten lassen und dann auch die Frage zur Entscheidung bringen. ob man die vorliegende Art bei der Gattung Rhinoptera belassen kann, oder A. Günther: Catalogue of the Fishes in the British Museum. London 1870. Vol. VIII. pag. 495. 129 dieselbe, was mir nach den phylogenetischen Beziehungen des Gebisses zweckmässig erscheinen möehte, in eine besondere Gattung stellen muss. In ungezwungenster Weise sehliessen sieh an die besprochene Form diejenigen Gebisse an, welche wir bei den echten Arten der Gattung Rhino- ptera [Zygohates Aö.) linden. Hier ist die Rednetion der Querreihen bedeutend weiter vorgeschritten, indem die Zähne der mittleren Querreihen sich auf Kosten der übrigen erheblieh verlängern. Die allgemeine Form der Zähne ändert sich dabei aber nicht, nur dass sich die Zahl der Wurzelleisten ver mehrt und sich dabei der Charakter von abgerundeten Wurzelhörnchen ganz verliert. Die kurzen Zähne der seitlichen Reihen sehliessen sich aber den Zähnen der bisher besprochenen Arten vollständig an. Auch innerhalb der typischen Arten von Rhinoptera lassen sich noch verschiedene Stadien einer Concentration der Querreihen der Zähne verfolgen. Von A. Smith Woodward*) wurde bereits ein abnormes Gebiss von Rhino- ptera JussieuiOwES abgebildet, bei welchem auf einer Seite die langen Zahn- leisten in kleinere Zähne aufgelöst sind. Wenngleich es vielleicht nicht ganz ausgeschlossen ist, dass dasselbe durch eine äussere Verletzung zu einer derartigen Abnormität gelangt ist, liegt doch wohl die Annahme nahe, dass hier ein Atavismus, ein Rückschlag zu der ursprünglicheren Gebissform vorliegt, wie wir sie bei Rhinoptera polyodon antrafen. Die Gattung Myliolatis bildete stets durch ihren Arten- und Individuen - reichthum den Mittelpunkt und eigentlichen Typus der Familie. Es wird daher zweckmässig sein, hier einige Bemerkungen über den Bau der einzelnen Zähne, sowie die Form, Funktion und Wechsel des Gebisses nachzuholen, um deren Beziehungen zu den weniger differenzierten Typen zu besprechen und die extremen Formen der Entwicklung auf jene einfacheren zurück- zuführen. Die Zähne aller Myliobatiden stimmen darin überein, dass die Krone eine ebene Oberseite aufweist und alle Zähne mit ihren oberen Rändern eng aneinander liegen, dass ferner die Krone nach aussen über die Wurzel vorragt und sich eine vorragende Längsleiste an der Aussenseite der Krone in einen entsprechenden Falz auf der Innenseite des nächst älteren Zahnes legt, und schliesslich die Wurzel mehrere nach innen überstehende Querleisten aufweist. Als besondere Merkmale treten bei der Gattung Myliolatis im engeren Sinne noch hinzu, dass die Zähne der mittleren Querreihe sich sehr ver- i A. Smith Wood ward : Note <>n an Abnormal Specialen of the Dentition of Rhino- ptera. Annais and Magazine of Natural-History. April 1888. pag. 281. J aekel, Selachier. — 130 — längern, aber dabei gestreckt bleibeb und die Zähne der seitlichen Quer- reihen kurz rhombisch oder bexagonal sind. W'iihicnd sich nun bei Myliohatis das Gebiss so in die Quere zieht, dass bei einigen Arten die mittleren Zahnleisten in der Symphyse sogar einwärts gebogen sind, wird für die Gattung Aetobatis das Umgekehrte charakteristisch. Während das Oberkiefergebiss allerdings auch hier seinen Myliobatidencharakter bewahrt, streckt sich die untere Zahnplatte wie eine Schaufel vor, indem sieli die einzelnen Zahnleisten scharf in der Symphyse vorbiegen. Dass dieser bei Selachiern primäre Zustand hier von vornherein besteht, werden wir bei Betrachtung der ontogenetischen Entwicklung der Gebisse kennen lernen. Aetobatis scheint ersl im Miocän aufzutreten. Auch darin erweist sich Aetobatis als die extremste Form dieser Entwicklungsreihe, dass die Seitenzähne sowohl im Ober- wie im Unter- kiefer vollkommen verschwunden sind, die Verschmelzung in den Längsreihen also am Ziel dieser Differenzierung angelangt ist. Aus der vergleichenden Betrachtung der verschiedenen Myliobatiden- gebisse ergab sich, dass die sonderbaren und scheinbar von allen anderen ganz abweichenden Gebissformen durch alle Uebergänge mit einfacheren verknüpft sind. Liegt daraufhin die Folgerung nahe, dass die ersteren auf die letzteren entwicklungsgeschichtlich zurückzuführen sind, so bringt die ontogenetische Entwicklung der Myliobatidengebisse einen sehr interessanten Beleg für diese Annahme. Durch das gütige Entgegenkommen des Herrn Dr. Günther in London war es mir möglich, eine grosse Zahl junger Myliobatiden , die im British Museum in Alkohol aufbewahrt werden, zu untersuchen. Ich habe nebenstehend das jüngste von mir beobachtete Unterkiefer- gebiss abgebildet. Dasselbe zeigt folgende Anordnung der Zähne. Vorn stehen als erste Zähne jederseits 3, ein medianer Zahn ist nicht vorhanden und auch niemals vorhanden gewesen, da sonst noch eine »spur davon sichtbar gewesen sein iniisste. Der linke Vorderzahn, den ich punktirt einge- Fig.au Die Gebissaniage zeichnet habe, war bereits ausgefallen, alier seine Narbe twgenxyuobatt poü imümriss ganz deutlich erkennbar. Diese erste Zahn- '"' ,""""h"1 w' reihe war also symmetrisch angelegt. In der zweiten rosserun vqn aussen J ° ° betrachtet. Original im drängt sich bereits ein unpaarer medianer Zahn in den British Mus, muh. ° *■ Zwischenraum der beiden vordersten, und während in der ersten Reihe die Zähne last unter einem rechten Winkel vorgezogen sind, wird dieser Winkel in der zweiten Reihe schon viel geringer. In der dritten Reihe wird der mediane Zahn erheblich grösser als seine Nachbaren, und zugleich (hängen sich die einzelnen Zähne dichter aneinander und werden — 131 — dadurch sechseckig, während die der vonleren Reihen gerundet waren. Auch die Vorbiegung an der Symphyse ist hier noch geringer. Von der vierten Reihe sind nur der bedeutend verbreitete Mittelzahn und zwei Seiten- zähne vorhanden, deren Form und Stelluni:- aber die ebenso regelmässige, wie allmähliche Neubildung des Gebisses in ein echtes Myliobatiden-Zahnpflaster erkennen lassen. Ein etwas älteres Gebiss stellt Textfigur 25 dar. Die erste, paarig angelegte Zahnreihe ist weder im Ober- noch im Unterkiefer erhalten, dafür alter zeigt dieses Gebiss die weiteren Stadien der Entwicklung und zugleich, wie viele andeie, von mir beobachtete Exemplare, dass die Anordnung der Zähne durchaus die gleiche ist wie bei dem zuerst beschriebenen Ge- biss. Namentlich sieht man, dass die älteren, äussersten Längsreihen stärker vorgebogen sind als die jüngeren, neu sich bildenden. Die älteste Bezahuung, die ich bei jungen Exemplaren von Aetobatis narinari beobachtete, habe ich Textfigur 26 dargestellt. Am Oberkiefer, der ja auch später stets den Myliobatidentypus beibehält, ist deren Entwicklung noch gut zu verfolgen. Die älteste oberste Reihe besteht aus zwei symmetrisch angeordneten, länglichen, gerundeten Zähnen, denen sich seitlich noch 2 (resp. I i kleine, gerundete, Zähn- chen anschliessen. Schon in der zweiten Reihe ist der ursprüngliche Typus ganz verloren, nur dass sieh noch ein sehr kleiner Nebenzahn findet, welcher seiner Fig. 25. Ober- und Unterkiefer- gebiss eines jungen Myliobatis in erwa vierfacher Vergrößerung von aussen betrachtet. Original im British Museum. Fig. 26. Gebiss eines jungen Aeto- batis narinari in etwa sechsfacher Vergrösserung von aussen be- trachtet. Original im British Museum. Stellung nach der zweiten Längsreihe angehören dürfte. In der dritten Reihe ist auch dieses palingenetische Merkmal ver- schwunden, und ein an Länge schon beträchtlich zunehmender Zahn bildet allein die dritte Zahnreihe und so schon die für Aetobatis charakteristische Bezahnung. welche der Unterkiefer von Anfang an zeigt. Nachdem wir die eigenthümliche Gebissform der Myliobatiden Schritt für Schritt auf ältere, einfachere Typen wie Hypolophus und Rhombodus zurück- geführt haben, entsteht die Frage, ob sich von den letzteren auch die Ge- bissformen der Trygoniden ableiten lassen. Dieselben zeigen ja in ihrer Bezahnung relativ einfache Verhältnisse , welche sich von dem normalen Selachiertypus nicht allzuweit entfernen, und welche in analoger <> — 132 — Weise auch in anderen Formenkroison. l>ei Mustdus, Pristis, Raja und anderen wiederkehren. Die massgebenden Punkte werden also in den charakteristi- schen Eigenschaften der Zähne selbst zu .suchen sein. Dieselben liegen, wie schon oben betont wurde, erstens im histologischen Bau, zweitens in der Oberflächensculptur der Krone und drittens in der Purin und Stellung der Wurzelzapfen. Finden wir als erste eine Form, welche die Trygonidencharaktere besitzt und dabei einen Uebergang zu Formen wie Eypolophus und Rhonibodus bildet, so wird auch in dieser Hinsicht der Zusammenhang der Trygoniden und Myliobatiden unanfechtbar sein. Eine gewisse Annäherung an die Oberkiefer-Bezahnung von Eypolophus fanden wir bereits bei Taeniura, es giebt aber noch eine fossile Form aus der oberen Kreide, welche, wie ich glaube, hier alle Lücken ausfüllt. Es ist diejenige Form, welche Keiss'*) unter dem Namen Ptychodus triangidaris ans der cenomanen Kreide von Kosstitz und Borzen in Böhmen beschrieb. Der genannte Autor sagte bereits in seiner sehr ausführlichen Beschreibung, dass die Zähne dieser Species in ihrer Form von allen anderen Ptychodus- Zähnen erheblich abweichen , nahm aber doch kein Bedenken die Form jener Gattung zuzurechnen. A. Fritsch**) nennt die Form ohne nähere An- gabe Acrodus triangulär is Geixitz und sagt zu ihrer Beschreibung: „Betrachtet man das Gebiss eines recenten Cestracion, so wird man überzeugt, dass diese dreieckigen Acrodus-7A\\\\e wohl aus dem vorderen Theile der Kiefer eines Ptychodus sein können." Warum die Betrachtung eines Cestracioit-Gehisses - gemeint ist der lebende Heterodontus — dazu zwingt, Acrodus - Zähne für Zähne von Ptychodus zu halten, ist mir nicht verständlich geworden. A. Smith W wabd***) citiert diese Zähne wieder bei Ptychodus, aber mit dem Zusatz ..very doubtfully placed in this genus". Was in diesen Zähnen an Ptychodus erinnert, ist der allgemeine Habitus der Krone und Wurzel. Die erste zeigt auf ihrer stark emaillirten Oberseite kräftige Runzeln, von denen namentlich eine bis drei besonders kräftig sind und, wie bei normalen Arten von Ptychodus, in der Längsaxe der Kiefer ver- laufen. Auch die kleinen, radial gestellten Runzeln an der Basis der Krone sind vorhanden. Die Wurzel tritt scharf gegen die Krone zurück und bildet eckige Sockel. *) Die Versteinerungen der böhmischen Kreideformation 1845. Theil I. pag. -. Tat'. II, Fig. 14-19. Reptilien und Fische der böhmischen Kreideformation. Prag 1878. pag 16. Tcxt- figur :«(. Catalogue of the fossil Fishes of the llritisli Museum, l'art. 1. London 1889. pag. 15^. 133 Von Ptychodus unterschieden ist diese Form aber durch zwei wichtige und sofort aus den Abbildungen (Textfigur 27) ersichtlichen Unterschiede. Erstens ist die Wurzel kein einheitlich quadratischer Sockel, sondern dieser ist durch eine mediane Querfurche in zwei ungefähr gleichseitige Dreiecke getheilt. Zweitens ist die Krone nicht quadratisch in ihrem Umriss, sondern nach den Seiten so verlängert und zugespitzt, dass die Zähne be- nachbarter Querreihen alternierend wie bei einem echten Rochengebiss ineinander greifen mussten, was bei Pty- chodus bekanntlich nicht der Fall war. Es musste also auch der Habitus des Gebisses ein wesentlich anderer sein als bei Ptychodus. In den zuletzt genannten Eigen- schaften erinnert die Form an Rhomlodus sowohl, wie an Trygonidenzähne, aber von den ersteren, sowie allen Myliobatidenzähnen unterscheidet sich dieser Typus durch seine stark gewölbte, mit kräftigen Runzeln ver- sehene Krone. Diese letztere theilen dagegen mit ihr die Trygonidenzähne, welche auch ebenso wie die von Trygon im histologischen Bau am besten mit unserer Form übereinstimmen. Ähnliche Runzeln finden sich auch bei Rhynchobaius ancylostoma, aber deren Zähne sind sonst ganz abweichend gebaut. Vergleichen wir nun diese Zähne etwas genauer mit denen der Trygoniden, z. B. mit den nachstehend abgebildeten von Trygon thalassia fossilis, so finden wir auch noch in anderen Punkten auffällige Beziehungen zwischen beiden, so prägt sich namentlich die median vor- springende glatte Innenecke sehr deutlich aus, auch die halsartige Einschnürung der Wurzel unter der Krone macht sich deutlich bemerkbar. Wenn aber nach Alledem über die Verwandtschaft unserer Form mit den Trygoniden kaum ein Zweifel bestehen kann, so zeigt dieselbe doch immerhin noch sehr augen- fällige Eigentümlichkeiten gegenüber den Trygoniden. so namentlich die breiten sockelartigen Füsse, welche wir auch bei der Stammform der Myliobatiden antrafen und mit einer gewissen Nei- gung zu einer Zweitheiligkeit bereits bei Asteracanthus vorfinden. In diesen, wie in den meisten anderen Merkmalen ist der Trygonidentypus eben nur angedeutet, aber gerade dadurch documentiert sich dieselbe am besten als Stammform dieser Familie. Sie nimmt hier fast in jeder Hinsicht dieselbe Stelle ein, wie Ehombodus für tue Myliobatiden. Wegen ihrer Bezie- Fig\ 27. Zähne von Ilycho- trygon tryangulari* Recss sp. aus dem unteren Planer von Borzen bei Bilin a ein gTösse- rer Seitenzahn von oben, b derselbe von unten, c ein kleinerer Vorderzahn von oben, .1 derselbe von innen. Original im k. k. naturhistorischen Hoi- tnuseum in Wien. 134 hungen zu Ptychodus nenne ich die für derartige Zähne neu zu errichtende (iattung l'tychotrygon, durch welchen Namen zugleich auf die auffällig starke Entwicklung der Falten auf der Krone hingedeutet wird. Der Name der Art würde demnach Ptychotrygon ti-iangularis Reüss sp. zu lauten haben. Die Zähne der jüngeren typischen Trygoniden variiren zwar nicht uner- heblich bei den verschiedenen Formen, wie schon aus der Besprechung von Eypolophus sephen hervorging) nament- Kisr. 2». Ei,,/-,i,n v,,„ 7vw,,,, ,wnss,,, fossil ■ ■..!,,,.,,. j i(.h aU( . h j,, ,1,.,. Grösse, sodass ganz aus der miocanen Meeresmolasse von Baltringen in ° Württemberg, links von innen, rechts von der Seite ge- kleine oder junge Individuen oft sehen. Orig! Coli. Jaeksl. j ° Zähne von sehr vereinfachter Form besitzen. Als Typus für grössere, normale Trygoniden-Zähne können die nebenstehend abgebildeten von Trygon thalassia fossilis*) gelten, welche von Probst irrthümlich zur Gattung Raja gestellt worden waren. Dieselben zeigen die Form und Skulptur der Krone, sowie die Gestalt und Stellung der schlanken Wurzelzapfen sehr deutlich. Im Folgenden fasse ich das über das Gehiss der Centrobatiden Gesagte in phylogenetischer Hinsicht zusammen. Die Kiefer sind ursprünglich in der Symphyse vorgezogen. Primär findet sich dieser Zustand besonders deutlich bei Eypolophus sephen, wo der Ober- kiefer noch durchaus den Typus von Asteracanthus trägt. Die Form der Zähne ist ursprünglich folgende. Die Wurzel besitzt zwei deutlich geschiedene Zapfen und ist von der Krone scharf abgesetzt. Die Krone ist im Umriss rhombisch bezw. polygonal, weil die Zähne der Querreihen fest ineinander greifen und so ein eng gedrängtes Pflaster bilden. Ihre Oberfläche ist ursprünglich gewölbt, mit Rauhigkeiten versehen, unter denen ein Längskamm dominirt. Diesen Typus erhalten sich alle Trygoniden, nur spitzt sich bei einigen die Längskante in der Mitte der Zähne etwas zu und gieht einzelnen Zähnen geradezu eine spitze Raja - ähnliche Form.**) *) Jaekel: Über tertiäre Trygoniden. Zeitschrift der deutschen geologischen Geseü- schaft. Band 42, 1890, pag. 365. **) Hierauf beruht, wie ich mich an den Original-Exemplaren überzeugen konnte, die Sonderstellung, welche Cope und Maksh dem Trygoniden aus dem Mittel-Eocän von Twin (reck in Wyoming gegeben haben. CoPE besehreibt ihn als einen Trygoniden mit den Zahnen von Raja und nennt ihn Xiphotrygon, Marsh hatte dasselbe Thier in eine nicht näher definierte Gattung Heliobatis gestellt und nanntees Eeliobatis rtulitins. Die genannte - 135 - Bei den Myliobatiden wird die Oberfläche sein- bald (Rhombodus aus der obersten Kreide] flach abgeplattet, sodass die Zähne eine ebene Reibefläche bilden. Bald darauf stellt sich bei diesen die Tendenz ein, durch Ver- schmelzung nebeneinander stehender Zähne längere*) Zähne zu bilden. Den Ausgangspunkt bilden hier die Gebisse bezw. die Zähne von Hypolophus, Rhombodus, Rhinoptera polyodon, ein weiteres Stadium zeigen die übrigen Arten von Rhinoptera; bei Myliobatis sind zwar die Zähne in früher Jugend noch klein und paarig entwickelt, später aber finden sich neben einer medianen Querreihe sehr langgestreckter Zähne nur kleine Nebenzähne, welche schliesslich bei Aetolatis auch mit den Mittelzähnen verschmelzen, sodass jede Längsreihe nur durch eine einheitliche Zahnleiste repräsentirt wird. Eine Rückbildung der Zähne, deren Ausgangspunkt man wohl bei klein- zahnigen Rhinopteriden suchen muss, wird sehr auffallend bei Dicerobatis und Ceratopiera, deren Zähne nicht nur sehr klein und ausserordentlich zahl- reich sind, sondern bei dieser Gelegenheit auch in der Form abschweifen. Am Weitesten entfernen sich hierbei vom ursprünglichen Typus die beiden Arten der Gattung Ceratoptera, bei denen die Zähne im Oberkiefer sogar ganz verschwinden. Die Wurzeln der Zähne sind bei allen Centrobatiden scharf gegen die Krone abgesetzt und bestehen ursprünglich aus einem flachen, durch eine Medianfurche getheilten Sockel; von Myliobatiden zeigt dies noch stets Rhombodus aus dem Senon, die gleiche Form findet sich auf Seite der Try- guiiiden bei Ptyclwtrygon und Hypolophus sephen. Bei den übrigen Trygoniden werden aus den Hälften des ursprünglichen Sockels schlanke, gerundete Zapfen, bei den übrigen Myliobatiden sind diese Zapfen seitlich comprimirt, sodass sie zu Leisten werden, welche sogar mit denen der hinter ihnen stehenden Zähne zu einheitlichen, das ganze Gebiss von innen nach aussen durchziehenden Querleisten werden können (Aetobatis). Das Gebiss ist keinem schnellen und, wie es z. B. bei den Kopfflossen scheint, fast zufälligen Wechsel unterworfen. Seine Eigentümlichkeiten ver- erben sich lange und erhalten sich in der Ontogenie der einzelnen Formen nocli bis in ziemlich vorgerückte Stadien. Das Gebiss von Myliobatis durch- läuft ontogenetisch zuerst das Stadium von Trygon, dann das von Rhinoptera (Zygobatis); Aetobatis durchläuft als die weiter differenzirte Form zuerst das Stadium von Rhinoptera und danach das von Myliobatis. Andererseits gehen Art gehört also unter die Gattung Taeniura bezw. Trygon. Yerjrl. *li«- folgenden Beschrei- bungen. E. D. Cope: American Naturalist. 1879 pag. 333. — The Vertebrata of the Teriary Formations of the West, Bock I, Report of the United States Geological Survey of the Territories. Vol. III. pag. 50. Tat'. I, Fig. 1.5. 0. C. Maksh: American Journal of Science [3]. 1877. Vol. XIV, pag. 250. - 136 — fasl ausnahmslos mil den Difterenzirungen des Gebisses auch andere Um- gestaltungen der Organisation Hand in Hand, derart, dass man in der Tliat berechtigt zu sein scheint, die Divergenzen im Bau des Gebisses als Maass- stab für die Gesammtorganisation der einzelnen Formen zu verwerthen, oder - anders ausgedrückt dasselbe als ausschlaggebendes Merkmal in der Systematik zu verwenden. Indem wir die phyletische Entwicklung der Centrobatiden- Gebisse rück- wärts verfolgen, werden wir in der oberen Kreide zu Formen geführt, welche dem cretaceischen Selachiergeschlechte Ptychodus so nahe stehen, dass sie z. Th. sogar dieser Gattung untergeordnet wurden. Indem uns die Morpho- logie und Histologie dieser Zähne von der Verwandtschaft des Ptychodus mir unserem Formenkreise überzeugte, so kommen wir auf diesem Wege zu dem gleichen Resultat, zu welchem A. Smith Woodwabd durch die Anordnung der Zähne bei Ptychodus gelangte. Derselbe schloss Ptychodus unmittelbar an die Myliobatiden an.*) Wenn ich im Hinblick auf die Gattung Piychotrygon mehr geneigt sein würde, Ptychodus näher an die Trygoniden als an die Myliobatiden anzuschliessen, so möchte ich doch von einer solchen unmittelbaren An- reihung von Ptychodus unter die Centrobatiden Abstand nehmen. Vielmehr scheint mir Ptychodus einen aberranten Seitenzweig der Vorfahren der Centro- batiden zu bilden, und nicht in diesen Formenkreis selbst, geschweige denn in eine seiner Unterabtheilungen zu gehören. Die typischen Arten von Ptychodus zeigen in ihrer quadratischen Gestalt und ihren Längsfalten auf der Krone ganz extreme Verhältnisse, welche die selbstständige Abzweigung dieses Typus unzweifelhaft machen. Suchen wir nun aber nach Formen, von denen sich die typischen Ptycho- donten abgezweigt haben könnten, so springt sofort in die Augen der Ptychodus Mortoni Leidy welcher zwar sicher Gebissen angehörte, die ziemlich genau so wie die von Ptychodus gebaut gewesen sein dürften, aber die einzelnen Zähne von Ptychodus Mortoni unterscheiden sich funda- mental von allen typischen Ptychodus-Artea durch ihre radiale Kunzelung, welche sich vom Mittelpunkt der Krone aus vertheilt, ferner auch durch grössere Länge der Zähne, bei denen infolge dessen der quadratische Habitus sehr zurücktritt. Durch diese Eigenthümlichkeiten nähern sich diese Zähne ausserordentlich denen von Asteracanthus (= Strophodus . von denen einige, z. B. der von A. Smith Woodward in seinem Katalog I, Taf. XV. Fig. 13 als Strophodus^. beschriebene, ven unseren Zähnen kaum zu unterscheiden sind, sodass in Frage kommen kann, ob derselbe nicht bereits besser dem Formen- typus des Ptychodus Mortoni vm unterstellen ist. Für diesen genannten und •j Catalogue of ihr fossil Fishes et the british Museum Part I. London 1889. — 137 durch Ptychodus Mortoni als Typus repräsentierten Formenkreis schlage ich vor, ein Subgenus von Ptychodus zu errichten, um dessen charakteristische Zwischenstellung zu fixieren und den Gattungsbegriff von Ptychodus wieder de- finieren zu können, indem man ihn auf die mehr quadratischen, durch Längs- falten gekennzeichneten Arten beschränkt. Als Name scheint mir hierfür Hemiptyehodus geeignet. Indem wir so auf Grund der Morphologie und Histologie der uns bisher allein bekannten Zähne dazu geführt werden, die ältesten Centrobatiden mit Formen wie Ptychodus und Asteracanthus (Strophodus) in unmittelbare Beziehung zu bringen, nähern wir dieselben demjenigen Formenkreis, den man bisher mit dem lebenden Heterodontus (Cestracion) vereinigt hatte und unter Hinzu- ziehung einiger palaeozoischer Formen als Cestracioniden bezeichnete. Es sind das also namentlich die Gattungen Orodus (Campodus dürfte da- von schwerlich generiseh zu trennen sein), Helodus z. Th., Wodnika, Aerodur, Polijacrodus, Bdellodus, Asteracanthus (Strophodus), Hemiptyehodus und Ptychodus. Man hat diesen Formen, die man nur ihren Gebissen und Stacheln nach genauer kennt, die Organisation des Heterodontus zugeschrieben, namentlich wohl auch deshalb, weil man einen vollständigen jurassischen Vertreter dieser Gattung für eine Art von Acrodus gehalten hatte. Dass letzterer und seine Verwandten ähnlich geformte Gebisse haben, wie der lebende Hetero- dontus (Cestracion), ist nicht zu leugnen, aber dagegen, dass jene Formen als die unmittelbaren Verwandten desselben betrachtet werden, sprechen eine Reihe triftiger Gründe. Wenn man den Heterodontus von Acrodus und Asteracanthus, die ihm am nächsten stehen würden, ableitet, so würde man seiner Ahnenreihe flache Mahlzähne zuschreiben. Bei der abgeschlossenen Entwicklung der Haiembryonen wäre es demnach unbedingt zu erwarten, dass ontogenetisch zuerst flache Mahlzähne bei Hetevodontus auftreten und die spitzen Vorderzähne, die er im Gegensatz zu Acrodus und Strophodus hat, erst als sekundäre Erwerbung später erhält. Statt dessen sehen wir genau das Gegentheil. Junge, etwa 10 — 15 cm lange Individuen von Heterodontus zeigen nur vielspitzige Kammzähne, deren Spitzen sich nach den Winkeln der Kiefer nur wenig verflachen. Genau das Gleiche, nur noch in höherem Maasse, zeigt ein junges, vollständiges Exemplar des Solenhofener Heterodontus falcifer Wagneb sp., dessen Zähne 8 und 9 scharfe Spitzen auf- weisen. Bei einem wahrscheinlich ausgewachsenen Individuum von Hetero- dontus canediculatus Egertox aus der weissen Kreide von Südengland*) zeigen die hinteren Zähne noch insofern einen Unterschied gegenüber denen der lebenden *) Das Exemplar befindet sich im .Museum zu Brighton. - 138 — Art als sie einen scharfen Kiel aufweisen und dadurch in der Form den kammförmigen Zähnen näher stehen. Auf der anderen Seite kennt man ans dem unteren Lias von Lyme Regis und dem oberen Lias von Württemberg bereits typische Cestracioniden, deren spitzige Zähne und zum Theil mit Dentintuberkeln besetzte Flossen- stacheln sogar schon in der oberen Trias bisher unter den Namen Eybodus minor bezw. Nemacanthus existieren. Wir können sonach die Ahnenreihe von Heterodontus, ohne irgend wesentliche Unterschiede zu bemerken, ins in die Trias zurück verfolgen. Die Gattungen Ptychodus, Asteracanthus, Bdellodus und der grössere Theil der Arten von Acrodus werden schon dadurch aus der directen Almenreihe von Heterodontus ausgeschlossen, und wenn beide über- haupt in älterer Zeit in Connex gestanden haben, so sind wir doch keines- falls berechtigt, mit Gebissen wie die von Asteracanthus und Ptychodus die Ge- sammtorganisation von Heterodontus zu combinieren. Lassen wir also das durch nichts gerechtfertigte Vorurtheil über die Organisation und systematische Stellung jener Formen fallen, so drängen sich uns, wie wir sahen, zahlreiche Gründe dafür auf, dass die älteren Centro- batiden sich an Formen wie Asteracanthus und Ptychodus unmittelbar anschliessen. Letzterer wurde ja bereits auf Grund einer Gebissform von A. Smith Wood- warii den Myliobatiden angereiht, während er hier neben Asteracanthus ge- stellt wurde. Einige unbedeutende Unterschiede haben sich ferner bei den typischen Vertretern der Trygoniden und Myliobatiden eingestellt im Hau der Augen- lider, der Nasenklappe und der Lage der .Spritzlöcher. Aber abge- sehen davon, dass derartige Differenzierungen stammesgeschichtlich nicht zu verfolgen sind, wird man ihnen auch bei den gegenwärtigen Formen eine durchgreifende systematische Bedeutung schwerlich beilegen können. Die übrigen in der Diagnose aufgeführten Merkmale der Centrobatiden, der Mangel eines Rostrums und der Rippen, die Selbstständigkeit der Copu- laria, die Form des Beckens, erfahren innerhalb der Centrobatiden keine irgendwie bemerkenswerthen Differenzierungen und werden erst dann ein phyletisehes Interesse verdienen, wenn wir die gleichen Organe bei den Vor- fahren der Centrobatiden kennen lernen werden. Zunächst haben sie nur eine systematische Bedeutung, indem sie in den genannten Punkten die Centrobatiden schall' von den anderen Kochen unterscheiden. Das Gemeinsame aller der bisher besprochenen Organisationsverhältnisse ist aber das. dass keines derselben für eine weitere Theilung der Centrobatiden verwerthol werden kann. 139 Ich gehe nun zu einer Beschreibung der divergierenden Entwicklungs- reihen der Centrobatiden über, welche hiernach den Rang von Unter-Familien erhalten.*) Unter-Familie Trygoninae. Die Brustflossen stossen ununterbrochen vor dem Kopf zusammen, ihr Umriss ist gerundet, meist in dem vorderen Abschnitt stärker in die Breite gezogen als hinten; die Gliederungslinien der Brustflossenstrahlen sind am Schultergürtel nicht eingebogen, sondern verlaufen ziemlich geradlinig von vorn nach hinten. Der Schwanz ist bisweilen noch mit vertikalen Längs- tbissen (Urolophus) oder Längsfalten (Hypolophus, Taeniura) versehen, gewöhn- lich aber einfach peitschenförmig; bisweilen verkürzt {Ellipemrus und Ptero- platea). Das Hautskelet ist meist sehr wohl entwickelt, häufig auf besondere Theile des Körpers beschränkt. Die Zähne sind mit Grübchen oder Quer- wülsten auf der Krone versehen, die Wurzel besteht aus zwei schlanken Zapfen, welche seitwärts gekrümmt sind. Die Organisation der Brustflossen zeigt innerhalb der Trygoniden keine weitgehenden Differenzierungen; nur bei Pteroplatea erscheinen dieselben stark in die Breite gezogen, ohne dass aber dadurch die charakteristischen Eigen- schaften des Trygonidentypus alteriert werden. Sehr charakteristisch für die Trygoniden ist der gerade Verlauf der Gliederungslinien an den Brustflossen- strahlen. An demselben lässt sich das Skelet eines jeden Trygoniden auf den ersten Blick bestimmen und von den äusserlich oft sehr ähnlichen Skeleten der Rajiden unterscheiden, bei denen die Gliederungslinien am Schultergürtel immer mit scharfem Winkel eingebogen sind. Worin dieser sehr auffällige Gegensatz in dem Bau des Brustflossen- skelets seinen Grund hat, wage ich nicht zu entscheiden, doch ist er wahr- scheinlich darin zu suchen, dass bei den mit einem Rostrum versehenen Rajiden die Schwimmbewegung mehr von den Seiten der Brustflossen aus- geübt wird, während sie bei den Trygoniden auch von dem beweglichen vorderen Theil der Brustflossen ausgeht. Der Schwanz, der sich wie bei allen Centrobatiden scharf von der Rumpfscheibe absetzt, und häutig mich dorsoventrale Längsflossen bezw. Längsfalten trägt, ist im Gegensatz zu den Myliobatiden ausgezeichnet durch den Mangel einer Rückenflosse. Nur bei Trygonoptera und Aetoplatea findet sich eine niederige, hautfaltenartige Flosse vor dem Schwanzstachel und beweist, dass diese Eigentümlichkeit auch bei *) Man könnte natürlich auch die Myliobatiden, Trygoniden und Ceratopteriden im Rang-e von Familien belassen und müsste dann die sie verbindende systematische Einheit etwa als Unter-Ordnung auffassen. Hierüber kann man verschiedener Ansicht sein; ich glaube aber, dass dies für die Sache selbst ohne Bedeutung ist. 14(1 ii h '■ - -I -f\iÄ- ®m l'is-- 20 Ein Schwanzabschnitt \ nii Trygon tkulueafa in nal Ur- [icher Grösse die verschieden differenzierten Schuppen vor dem unten sichtbaren Stachel- ansatz zeigend. Original im zoologi chen Museum in Ihm .■ i E den Vorfahren »Irr Trygoniden vorausgesetzl werden darf. Denn dass es sich bei der Tendenz dieser Formen, den Schwan/ peitschenförmig zu gestalten, nicht um eine Neuerwerbung handeln kann, darüber kann doch wohl kein Zweifel bestehen. Bei den sein' seltenen Formen Ellipesurus und Pteroplatea verkürzt sich der Schwan/, in sein- auffälliger Weise Bei Pteroplatea harmoniert dies mir der Verbreiterung des ganzen Körpers, während sich bei der einen Art von Ellipesurus andere schwer zu erklärende Eigentümlichkeiten ein- gestellt haben Die Hautbewafthung der Trygoniden ist häufig wohl entwickelt, doch meist auf die erhabenen Theile des Rückens, der Wirbelsäule und des Schultergürte] sowie auf den vorderen Theil des Schwanzes beschränkt. Diese Hautverkalkungen, welche immer ans Yasodentin be- stehen, bilden gewöhnlich buckel- oder kegelförmige Schuppen, während die aus Pulpodentin bestehenden Schuppen der Rajiden in feine schlanke Spitzen ausge- zogen sind. Jene Hartgebilde der Trygoniden erlangen dabei bisweilen eine sehr weitgehende Differenzierung in ihrer äusseren Form. In sehr bemerkenswert her Weise ist dies z. B. bei dem riesigen Trygon thalassia der Fall, von welchem ich nebenstehend ein Stück vom Schwan/ eines Exemplares des Strassburger zoologischen Museunis abgebildet habe. Die im fossilen Zustande isoliert gefundenen Schuppen und Schilder diese]' Form haben, wie bucht erklärlich, zur Aufstellung- verschiedener Gattungen (Acanthobatis, Dynatobatis) Veranlassung ge- geben, während andere mit den entsprechenden Resten von Acipenser und Raja verwechselt wurden. Über die Reste von Trygon thalassia fossilis m. aus dem Miocän von Baltringeh habe ich bereits an anderer Stelle*) gesprochen und mich hier darauf beschränkt, eine der auffallendsten Schuppehbildungen in Fig. 31 abzubilden. Die übrigen gleichen, wie ich 1. C. nach- wies, durchaus den entsprechend gestellten Schuppen von Trygon thalassia, und zwar zum grösseren Theil •i Über tertiäre Trygoniden. Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft Bd. 42. 1890, pag. 365. 141 — denen des Schwanzes (vergl. Textfigur 29); einige flach ovale, mit gewölbter Unterseite lagen in der Rumpfscheibe eingebettet. Das nebenstehend, Textfigur 30, abgebildete Schuppenaggregat wurde von A. Baltzeh aus der mioeänen Meeresmolasse von Mägenwyl im Aargau be schrieben*), von woher ich auch andere Reste dieser Art nachweisen konnte. Sie gehören einer Varietät der Baltringer Art an, welche sich indess von dieser so wenig unterscheidet, dass die Aufstellung eines besonderen Namens für dieselben kaum angebracht erscheint. Dasselbe gilt von ent- sprechenden Resten, welche M. Lakrazet**) aus tertiären Schichten vom Rio Parana beschrieb. Da sich die Mannigfaltigkeit derselben in denselben Grenzen hält, wie die der Schuppengebilde bei der lebenden Trygon thalassia und im besonderen von denen der fossilen Form von Baltringen nicht wesentlich abweicht, so möchte ich sie ebenfalls derselben Art zurechnen. Die 1. c. Taf. XIII Fig. I, 2, 6, Taf. XIV Fig. 3, 4 und Taf. XV Fig. 1 abgebildeten Schuppen dürften wegen der convexen Unterseite als Schuppen der Rumpf- scheibe zu betrachten sein, die Taf. XIII 3, 4. 5 und Taf. XIV I, 2 dargestellten dem Schwänze aufgesessen haben. Das entfernte Vorkommen der Art kann nicht befremden, da dieselbe gegenwärtig den südlichen Theil des atlantischen Oceans bewohnt. Auch im jüngeren Fig. 30. Schuppenaggrega i vom Schwanz einer fossilen Form der Trygon fkala*9ia ans dem Mim/an von Mägen wyl im Aargau in natürlicher Grösse. Original im geolo gischen Museum in Bern. Tertiär von Frankreich finden sich vereinzelt derartige Reste, welche zum Theil von Lakrazet 1. c. beschrieben worden sind. Während die durch ihre ausgehöhlte oder flache . Fig. 31. Schuppenaggregal Unterseite kenntlichen Schwanzschuppen eine sehr von iv.Wo» thalassia fossiiu •rT . , .,•.... ,» • . , ,. . .. „ . . . Jaekkl {— Acipenser tuber- grosse Variabilität autweisen, sind die m die fleischige ,-„i,-,sii, pR0BBT, Baja tuber- Rumpfscheibe eingebetteten Schuppen verhältnissmässig ZiTJo^L ^fder einlach gestaltet. Dieselben ragen gewöhnlich nur £S^Ew1K£S^ mit einem kleinen, centralen Kegel aus der Kaut her- natürlicher Grösse, originale Coli. Pkobsi in Baltnngen. vor, und ihre Unterseite ist Mach convex, während die am Schwanz auf der Wirbelsäule aufsitzenden fast ganz aus der Haut *) Über den Hautschild eines Rochen aus der marinen Molasse. Separatabdruck aus den Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern. April 1889. **) Des pieces de la peau de quelques Selaciens fossiles. Buletin de la Societe g'eolo- gique d<- France. 3 Serie Vol. XIV. pag. 265. Tal'. XIII. XIV. - 142 - Die interessanten Eigentümlichkeiten des Gebisses der Trygoniden habe ich bereits bei der Besprechung der Centrobatiden hervorgehoben. Da ich nicht in der Lage bin, die übrigen Eigenthi'unlichkeiten des Skeletbaues und der Weichtheile phylogenetisch verfolgen zu können, so gehe ich liier auf dieselben nicht näher ein und wende mich zu der Be- sprechung der im Monte Bolca vorkommenden Arten von Trygoniden. Trygon (Taeniura) muricatus Volta sp. Tafel IV. Textfigur 32. pag. 143. Raja muricata — il pesce viola, Volta: Ittiolittologia veronese. 17%. pag. 37 (Theil II). Taf. IX Fig. 1 (non Fig. 2 . Trygonobatus vulgaris, de Blainville: Nouveau Dictionnaire d'Histoire naturelle Vol. XXVII (1818i. pag. 336 Trygon Gazzolae, Agassiz: Kritische Revision der in der Ittiolittologia veronese abgebildeten fossilen Fische. Neues Jahrbuch für Mineralogie, (Jeognosie, Geologie und Petre- factenkunde. 1835. pag. 297. Poissons fossiles, in, pag. 382 (Name ohne Beschreibung.) Alexandrinum, nov. gen. R. Molin: De Rajidis tribus boleanis. Sitzungsberichte der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der k. k. Academie der Wissenschaften. Wien 1861. Bd. XXXXII. pag. 579. Alexandrinum Molini, A. de Zigno: Annotazione palaeontologiche. Pesci fossili nuovi del ealcare eoceno dei monti Bolea e Postale. Memorie del K. Istituto veneto dei science, lettere ed arti. Vol. XVIII. Venezia 1874. pag. 299. Taf. XII. Trygon Gazzolae Agassiz, A. de Zigno: Catalogo raggionato dei pesci fossili del ealcare eoceno de M. Bolca e M. Postale. Venezia 1874. pag. 180. Alexandrinum Muli/ii, A. de Zigno: Ebenda, pag. 181. Es ist auffallend, dass eine Form, die bereits von Volta vortrefflich be- schrieben und abgebildet war, und welche durch ihren reich gegliederten Skeletbau so leicht kenntlich ist, so viele nachträgliche Benennungen er- fahren hat. Volta kannte und beschrieb das hier Tafel IV abgebildete Exemplar der Collection Gazola; allerdings rechnete er zu der gleichen Art, die er als Raja muricata bezeichnete, noch ein mit einem Stachel besetztes Schwanz- fragment (1. c. Taf. IX, Fig. 2), welches zu Uroloph.ua crassicauda gehört. Da sich aber die Beschreibung Volta's wesentlich auf das vollständige und zu- erst (Fig. 1) abgebildete Fossil stützt, so glaube ich jener ältesten Benennung unserer Form die Priorität zuerkennen zu müssen. Dass Volta die Art noch unter dem Gattungsnamen Raja citiert, ist dadurch erklärt, dass man damals noch alle Rajiden unter jenem Namen zusammenfasste. Andererseits präci- sierte aber Volta mit vorzüglicher Schärfe den Formenkreis der Trygoniden gegenüber dem der echten Rajiden. Zu den späteren Benennungen gab z. Th. die Auffindung neuer Exemplare und die Nichtberücksichtigung des vorher Beschriebenen Veranlassung. So entstanden auf Grund eines Exemplares 143 — in der Pariser Sammlung die Namen Trygonobatua vulgaris de Blainville und Trygon Gazzolae Agassiz. v'f Seitenkanten hat man unstreitig einen viel zu hohen systematischen Werth gelegt, indem man allein darauf hin Oarchariaa in Unter- gattungen trennte. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Differenzierung überall und sehr leicht eintreten kann, und dass es vielfach nicht möglich sein wird, einen sehr schwach gekerbten Rand von einem ungekerbten principiell zu unterscheiden. Aus Alledem müssen sich Inconseqnenzen ent- wickeln, wie solche thatsächlich bestehen. So hat z. B. Prionodon glyphis M. & H. fein gekerbte Zähne im Unterkiefer, der miocäne Verwandte dieser Form Prionodon {Glyphis Agassiz*) hastalis Ag. sp. hat aber nur glatte Zähne, so dass man ihn nach der bisherigen Systematik in eine andere Gattung zu stellen hätte als seinen recenten Nachkommen, an dessen Zähnen sonst keinerlei Unterschiede zu bemerken sind. Wichtiger ist schon in systematischer Hin- sicht das Vorkommen von Nebenzähnchen, weil ihre Ausbildung eine längere Differenzierung voraussetzt. Auch die aus einer starken Kerbung hervorge- gangenen Neben- bezw. Randzähnchen können wieder ihrerseits fein gekerbt sein, wie z. ß. bei den jüngsten Arten von Galeocerdo. Wenn wir auf Grund der Zähne die geologische Verbreitung der einzelnen Gattungen von Carchariden von der Gegenwart aus rückwärts verfolgen**), sei müssen wir natürlich die Grenzen, innerhalb deren die recenten Formen variiren, nicht allzusehr erweitern, wie dies z. B. mit Gattungsliegriffen wie Galeocerdo geschehen ist. Galeocerdo findet sich im Pliocän von Orciano bei Pisa, und zwar in der lebenden Art Galeocerdo Eayneri, welcher gegenwärtig auf die indischen und besonders australischen Meere beschränkt ist. Im Miocän '") Agassiz erhob Glyphis wegen der charakteristischen Zahnform zu einem eigenen Genus, dessen Name aber unstatthaft ist, da <■>■ bereits für eine Helicidengattung ver braucht war. **) Ich lege den nachstehenden Angaben wesentlich »las .Material zu Grunde, welches sich in meiner Privatsammlung befindet. — 165 — finden sich noch Formen, die den 3 Lebenden Arien sehr nahe stehen, daneben alicr. und naiiientlieh im älteren Mioeän und Oligocän, Formen, die sich von den genannten durch schwächere Zähnelung und durch schlankere Form und geraden Vorderrand der Hauptspitze unterscheiden. Aus unzweifelhaften Eocän-Ablagerungen sind mir echte Galeocerdo-Z&hne nicht mehr bekannt; die letztgenannten Arten von Galeocerdo Leiten uns aber unmittelbar zu Formen über, die spätei- bei der Gattung Alnpiapsis besprochen werden sollen. Dieselben weichen von Galeocerdo besonders dadurch ab, dass ihr gerader Vorderrand an der Hauptspitze stark einwärts gekrümmt ist, dass die Hauptspitze da- durch schief verbogen erscheint, dabei aber sehr schlank und auswärts ge- richtet ist . und dass die Flügel des Zahnes auswärts gekrümmt sind, während sich die Wurzel unter der Hauptspitze kräftig verdickt. Auch der Habitus des ganzen Gebisses von Alopiopsis müss ein anderer gewesen sein als der von Galeocerdo, da die Zähne nicht alle gleich, sondern die vorderen viel mehr aufgerichtet waren als die seitlichen, bei denen sich, wie bei Galeocerdo, die Hauptspitze stark nach hinten Uberneigt. Dieser im Eocän verbreitete Typus leitet gleichzeitig zu Scoliodon über und scheint durch diese Form mit Garcharias verknüpft, in welcher die Differenzierungen aber dann so schnell vor sich gehen, dass es unmög- lich erscheint, auf Grund des lückenhaften Materials hier weitere phyletische Studien anzustellen. Das scheint allerdings sicher, dass Aprionodon und Ibjpoprion nur Durchgangsstadien für Prionodon sind. Bemerkt sei ferner, dass Zygaena wahrscheinlich schon während der Trennung von Alopiopsis, Scoliodon und Garcharias sich selbststäudig abgezweigt hat. da ihre Zähne die Merkmale der genannten Formen vereinigen. Dass die Mehrzahl der fossilen Carcha- ridenzähne als Spkyrna (= Zygaena) bezeichnet worden ist. halte ich nicht für gerechtfertigt. Ich kenne zumal im Hinblick auf die Altersunterschiede bei Zygaena keine Zahnform, die sich nicht auch bei anderen Carchariden, namentlich in der Jugend bei Scoliodon, wiederfände. Solange wir die aus- schlaggebende Eigenthiimlichkeit dieser Form, den Kopf, nicht kennen, scheint es daher nicht berechtigt, fossile Zähne ohne Weiteres zu Zygaena zu stellen. Dass dies so häufig geschehen ist. liegt wohl eben daran, dass Zygaena die Merkmale älterer Carcharidenzähne vereinigt und überdies ein in Sammlun- gen sehr verbreiteter und leicht kenntlicher Fisch ist. Als besten Beweis, wie ähnlich derartige Zähne einander sind, führe ich an. dass selbst ein *) Die aus den Phosphoriten von Süd-Carolina stammenden Fossilien «erden ge wohnlich in das Eocän gestellt Wie die amerikanischen Geologen annehmen, sind die Phosphorite sehr verschieden tertiären Alters. Dies kann ich nach dem Studium der in amerikanischen Sammlungen aufgespeicherten Selachierreste nur bestätigen; der grösste Theil derselben kommt in anderen Gebieten in oligocänen und zum Theil in miocäneu Schichten vor. - 166 - so vorzüglicher Fischkenner wie A. (hnthbb im British Museum ein voll- stündiges Gebiss einer erwachsenen Zygaena als Carcharias sp. bezeichnet hatte. Ein Formenkreis von Carchariden scheint sich vom Eocän an ziemlich selbstständig erhalten zu haben, mindestens lässt er sich leicht bis dahin verfolgen*), ich meine die Gattung Oaleus und ihre Verwandten. <>l> die hier allein zu berücksichtigenden Zähne Formen angehörten, die auch sonst sich dem Typus von Galeus unterordneten, ist freilich eine andere Frage und im Einblick auf die später zu beschreibenden Gattungen Protogaleiis und Pseudo- galevs sogar unwahrscheinlich, aber diese Möglichkeit darf uns zunächst von dem phyletischen Studium der zugänglichen Reste nicht abhalten. Die Eigen- thümlichkeiten des Gebisses sind jedenfalls constanter als die Form und Stellung der Flossen und deshalb systematisch wichtiger als diese. Die hier wesentlich auf Grund odontologischer Studien gewonnenen Resultate lassen sich leicht in Übereinstimmung bringen mit denen, die Hasse auf Grund des Baues der Wirbelsäule gewann. Auch dieser Autor leitet die Carchariden von Scylliden ab, nur betrachtet er weniger Triacis und Triae- nodon als Zwischenformen zwischen beiden Familien als Hemtgaleus und Galms. In Betreff des letzteren hebt er hervor**), dass auf Grund der Wirbelsäule kaum eine systematische Trennung von Galeus und Carckariaa zu rechtfertigen sei. Die Gattung Hemtgaleus macht er zum Typus einer besonderen Familie uiul betrachtet sie als Übergangsform von den Scylliden zu den Carcha- riden***). Wenn er freilich als Beleg für das höhere Alter der Hemigaleiden an- führt f), dass dieselben bereits in der mittleren Kreide durch die Gattungen Guleocerdu und Corax vertreten waren, so beruht das auf einen Irrthum, da Galeocerdo erst im Tertiär auftritt und Corax zu den Lamniden gehört. Was er über das Gebiss von Hemtgaleus sagt, kann ich insofern voll be- stätigen, als sowohl bei TIemigaleus macrostoma wie bei Hemigaleus mierostoma ein Übergang von dem Scyllidentypus zu Galeus und den Carchariden zu konstatieren ist; insofern aber kann ich ihm nicht folgen, als ich ffemi- pristis (= Dirhizodon KlunzingebJ nicht in direkte Beziehung mir Hemtgaleus bringen möchte. Hemtgaleus besitzt ein ausserordentlich mannigfaltig zusammengesetztes (ieliiss. Zunächst schliesst es sich insofern an den Scyllidentypus an, als im *) Aus dem Senon von Maastricht beschrieb Hasse (I.e. Besonderer Theil (V.i pag. 266, Taf. XXXVIII, Fig. 8-12) Wirbel von Galetis, welche ich auf Grund der mir im hiesigen Museum vorliegenden Originale ebenfalls auf Vorfahren der Carchariden beziehen möchte, ohne aber eine bestimmtere Deutung derselben für gerechtfertigt zu halten. **) 1. c. Besonderer Theil (V.) pag. 268. I. C. Allgemeiner Theil, pag. 53: besonderer Theil (V.) pag. 256. ; I. c. Allgemeiner Theil, pag. 72. — 167 - Unterkiefer zugleich 3—4 Zahnreiben in Gebrauch sind und die Zweitheilig- keit der Wurzel selbst bei den griffelförmigen Vorderzähnen noch voll- kommen scharf zum Ausdruck kommt, eine Eigenschaft, die sich hei dem von Hemigaleus abzuleitenden Oaleus erhält, aber bei Alopiopsis und Scoh'odon ver- kümmert, um bei den von diesen abstammenden Oaleocerdo einerseits und Prionodon andererseits ganz zu verschwinden. Ferner sind hei Hemigaleus die Vorderzähne noch ganz aufgerichtet, und nur die Seitenzähne richten im Gegensatz zu denen der echten Scyllien die Spitze stärker rückwärts. Die Vorderzähne bekommen bei dieser Umbildung des Scyllientypus ein ganz eigenartiges Aussehen, sodass ich nicht im Zweifel hin, dass die nebenstehend abge- bildeten Zähne aus dem Eocän von Le Auti in Neu-Seeland solche Vorderzähne von Hemigaleus sind, die sich nur durch grössere Dimensionen und durch eine feine Längs- streifung an der Krone von dem lebenden Hemigaleus macrostoma unterscheiden.*) Diese Fig. 36. Ein Zahn von mmtgaUu» itriaiidm» n. sp. aus dem Eocän von Le Auti, Neu-Seeland. LäUgSStreifung ist Charakteristisch für die 4mal vergrößert, a von aussen, b von der Seite. Original in Coli. Jaekel. hier als Hemigaleus stmatidens bezeichnete Art und zugleich in phylogenetischer Hinsicht wichtig, weil eine solche Streifung des Kronenansatzes bei Scyllien sehr gewöhnlich ist, bei Carchariden aber bisher unbekannt war. Auch der Umstand, dass diese Form dem unteren Eocän entstammt erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Hemigaleus der Stammform der Carchariden nahe steht. Die Zähne des Unterkiefers sind bei den lebenden Vertretern von Hemi- galeus sämmtlich ohne Nebenspitzen und stehen morphologisch etwa in der Mitte zwischen den Seitenzähnen von Triacis und Alopiopsis. Das Gebiss des Oberkiefers ist als Schneidegebiss entwickelt, indem die Seitenzähne in einer Reihe stehen und flache, breite Schneidezähne sind, an denen hinter der rück- wärts gerichteten Hauptspitze mehrere Nebenzähnchen zur Entwicklung ge- langen. Diese Zähne werden dadurch denen von Galeun sehr ähnlich, erinnern aber bei Hemigaleus microstoma durch die starke Wölbung der Vorderkante an Galeocerdo. Aber diese Ähnlichkeit ist sicher nur eine äussere, welcher schon durch den Bau der Wurzel eine höhere phylogenetische Bedeutung abgesprochen wird. Oaleus ist im mittleren Eocän verschiedener Tertiärhecken verbreitet. Besonders interessant ist eine Form, auf deren Vorderzähne T. C. Winkleb *) Bemerkt sei noch, dass auch durch mikroseopische Untersuchung' des histologischen Baues und die Lage der Nerven- und Gefässeintritte die systematische Bestimmung dieser Zahne sicher gestellt wurde. 168 — seinen Geleocerdo recticonus aufstellte. Schon .-ms dem numerischen Vorkommen dieser aufrechten und jederseits mit Nebenspitzen versehenen Vorderzähne und der sicher dazugehörigen Seitenzähne, lässl sich der Schluss ziehen, dass diese Art wesentlich durch die grössere Zahl aufgerichteter Vorderzähne vnii dem Lebenden Galeus canis verschieden war. Dieser letztere ist mit Sicherheil vom Oligocän und Miocän an nachweisbar. Eine unzweifelhafte l'eliei gangsform von Gulens zu Eemipristis (Dirkizodon bildet Eemipristis eurvatus, der von \Y. Damks aus dem Tertiär der westlichen Insel des Birket-el-Querün in Aegypten beschrieben wurde und sich auch im Tertiär von Alabama wiederfindet. Der typische Eemipristis ist dann im Miocän einer der häufigsten Carchariden, gegenwärtig ist er nur aus dem rothen Meer in dem einen Exemplar bekannt, welches von Klunzingeh unter den Xamen Dirki- zodon elongatus beschrieben wurde.*) Die durch den älteren Gattungsnamen II, mi- jiristis Ag. zu ersetzende Bezeichnung Dirhizodon war übrigens insofern treffend gewählt, als in der That die Zweitheilung der Wurzel sehr charakteristisch, allerdings nicht nur für diese Gattung, sondern für die ganze zuletzt be- sprochene Abtheilung der Carchariden ist. Die Zähne der bereits mehrfach genannten Gattung Alopiopsis lassen sich in ehigem Rahmen nicht unterbringen und bilden auch in der That einen be- sonderen Typus, der die Aufstellung einer besonderen (iattung schon deswegen rechtfertigt, weil derselbe Uebergänge zu ver- schiedenen der heute lebenden Gattungen aufweist. Da die Zähne an dem Tafel VIII abgebildeten Exemplar im einzelnen Kg 37 Ein zahn "'cht vollkommen frei zu legen waren, so habe ich in liehen von Aiopiopiis sp. stehender Figur einen Zahn aus dem belgischen Mitteleocän aus dem Eocär ° ° (i.aekonien) von abgebildet, der, wie ich sicher glaube, derselben oder einer Gent, original in ° ° coli. Jaekel. sehr ähnlichen Art angehört, wie der vollständige Fisch aus den gleich alten Schichten Oberitaliens. Da mir jene isolirten Zähne bereits früher aus Belgien bekannt waren, so war ich schon vor Kenntniss des ganzen Fisches vom Monte Bolca geneigt, auf jenen Zahntypus eine neue Gattung zu gründen. Die charakteristischen Eigenschaften dieser Zähne bestehen darin, dass die Wurzel und der untere Theil der Krone nicht dach comprimiert, sondern kräftig verdickt ist, dass die eine Spitze auswärts gebogen ist, wobei namentlich die vordere Kante stark einwärts gekrümmt ist. dass ferner die Seitenkanten nicht zu Nebenspitzen differenziert sind, sondern glatt oder mit sehr schwacher Kerbung nach den Seiten der Krone herunter laufen. Der kräftige Bau der Zähne unterscheidet dieselben von denen des *) Verhandlungen der k. k, zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien. Bd. XXI, 1871. [>;»",'. 664. — 16«) — lebenden Scoliodon, bei welchem sie flach comprimieri sind, mehr mich als dies gewöhnlich bei den Carchariden der Fall ist. Dieser kräftige Hau tritt naturgemäss bei den vorderen ZiUinen, hei denen die Spitze mehr vertikal und die Basis kürzer ist, noch deutlicher hervor als hei einem Seitenzahn wie Textfigur 'M. Dieser Unterschied unserer Form gegenüber den lebenden Carchariden hat ein nicht unbedeutendes phylogenetisches Interesse, da er augenscheinlich einen ursprünglicheren Typus der Differenzierung des Carcha- ridengebisses repräsentiert. Enger als in obiger Definition möchte ich zunächst durch Hinzufügung weiterer Merkmale (Jen Gattungsbegriff nicht fassen, sondern darunter Zahn- formen mit glatten und gekerbten Seitenrändern, Formen mit und ohne hintere Nebenzähne heu vereinigen. Die hierin beruhenden Verschiedenheiten lassen sich dann zweckmässig zur Unterscheidung von Arten verwerthen. Die dabei möglichen 4 Formen liegen mir fchatsächlich vor und sollen an anderer Stelle beschrieben werden. Um das hier über die Phylogenie der Carchariden Gesagte noch einmal kurz zusammenzufassen, so würde ich also Formen wie Triacis, Triaenodon und Leptocarckarias als eine Familie auffassen, die zwischen Scylliden und Carcha- riden zu stellen und vielleicht zweckmässig mit dem Namen Scylliodontidae zu bezeichnen wäre. Hemigalevs würde dann die Reihe der Carchariden eröffnen und direct zu Galeus und Hemipristis einerseits, andererseits durch Alopiopsis zu Galeocerdo und durch Scoliodon zu Prionodon überleiten. Findet man es zweckmässiger, jenen Scylliodonten nicht den Werth einer Familie zu geben, so würde es wohl nothwendig sein, diese neben den Scylliden und Carchariden als Unterfamilien in eine Familie der Scylliocarchariden zu vereinen. Bei der systematischen Beschreibung der Carchariden vom Monte Bolca macht sich der Umstand in sehr unangenehmer Weise geltend, dass es nicht möglich war und voraussichtlich auch kaum möglich sein wird, die verschie- denen Exemplare unmittelbar mit einander zu vergleichen. Ein solcher Ver gleich hätte ermöglicht, die näheren Beziehungen der Formen zu einander genauer festzustellen. Da ich. wie gesagt, die Stücke an verschiedenen Orten studieren musste und eine nachträgliche Revision vorher an anderen Stücken gemachter Beobachtungen nicht mehr angängig war, so sehe ich mich genöthigt, die verschieden erscheinenden Formen auseinander zu halten, ohne auf ihre sonst unerlässliche Beziehung zu einander und ihren lebenden Vertretern einzugehen. Dies ist besonders dadurch erschwert, dass man 170 — bei diesen Formen im Gegensatz zu den oben besprochenen Rochen den Skeletbau kaum erkennen kann und deshalb wesentlich auf die allgemeine üörperform und allenfalls die Form der Zähne und Schuppen bei der Be- urtheilung angewiesen ist. Die nicht unbeträchtlichen unterschiede, welche an den verschiedenen Formen entgegentreten, aöthigen, dieselben vorläufig in verschiedene Unter- gattungen unterzubringen. In Betreff der Synonymie bemerke ich zur Orien- tierung im Allgemeinen noch, dass Volta zwei Haie unterschied, die er mit lebenden Arten identih'cierte: dass die eine dieser Formen (der Squalus ( 'nrcharias — il pesce lamia Volta) später von Aoassiz Qaleus Cuvieri benannt wurde, und dass P. Lioy beide unter dem Namen Alopiopsis plejodon vereinigte. Dieser letzteren Auffassung schloss sich später auch A. de Zigxo an, änderte aber den Namen wieder in Alopiopsis Ouvieri um, obwohl der ohne Beschrei- bung gegebene Name Agassiz's auf Priorität keinen Anspruch hat. Bei den durchaus unzureichenden Beschreibungen bezw. Definitionen der einzelnen Formen sind unter diesen Umständen die Prioritätsrechte der verschiedenen Namen fast unentwirrbar, und man wird über die Berechtigung einiger älterer Namen vielleicht verschiedener Ansicht sein können. Es kommt mir hier wesentlich darauf an, die Verhältnisse selbst klar zu stellen. Pseudogaleus n. g. Pseudogaleus Voltai n. sp. Tafel VII. Squalus fasciatus, Volta: Ittiolitologia veronese. 17%. Taf. LXYII. Parte seconda pag. 280. Der Kopf kurz gerundet, der Körper schlank, allmählich an Dicke ab- nehmend, der Schwanz schwach, gleichmässig aufwärts gekrümmt, mit langen Flossenkämmen, aber ohne Schwanzsteuer. Die Brustflossen flügeiförmig, mit kurzer Basis, lang, dabei schwach rückwärts gebogen und zugespitzt, mit 14 oder 15 kurzen, ungegliederten Knorpelstäben. Beckenfiossen kurz, dreieckig, genau in der Mitte des ganzen Körpers und der Brust- und Schwanzflosse. Die erste Rückenflosse kurz hinter den Brustflossen, die kleine zweite Rückenflosse zwischen den Becken- und t\vr Schwanzflosse stehend. Die Analflossc gross, etwas vor der zweiten Rückenflosse stehend. Die Länge der Exemplare beträgt etwa 75—100 cm. Das bereits von Volta abgebildete Original zu Tafel Yll befinde! sich in der Collcction Oazola in Verona. Voi/ta hatte diese Form zwar durchaus kenntlich abgebildet, sie aber mit einem lebenden Hai, den er Sqalus fasciatus, il barbino, nennt, identificiert. Dadurch wird nach den in der Zoologie gültigen Regeln der Terminologie jener Artname hinfällig, auch wenn man die Form zum Typus einer neuen Gattung erhebt. Ich habe mir erlaubt, sie zu Ehren Volta's zu benennen. Es ist auffallend, dass die späteren Autoren im Gegensatz zu Volta diese Art mit den anderen Carchariden vom Monte Bolca vereinigten, da die Pro- portionen des Körpers und namentlich das Fehlen eines Schwanzsteuers die Form von Galen* und den Carchariden im engeren Sinne unterscheiden und sie mehr einer Form wie Triacis scyllium und besonders den echten Scylliden nähern. Ich habe schon früher hervorgehoben, dass der Mangel des Schwanz- steuers ein niederes Entwicklungsstadium kennzeichnet, wie wir es auch bei den Stammformen der Carchariden zu erwarten haben. So sehr ich auch von der Mangelhaftigkeit der hier gegebenen Beschreibung überzeugt bin, su glaube ich doch zu der Deutung berechtigt zu sein, dass die Form eine vermittelnde Stellung zwischen Carchariden und Scylliden einnimmt. Alopiopsis Lioy. Alopiopsis plejodon LlOY. Tafel VIII. Alopiopsis plejodon, P. Lioy: Sopra alcuni avanzi dei plagiostomi fossili