3 N „em De nr a TE Dr en 2 re She Ve en ee ne Be Te = a a - mim Bere Dee Die Erscheinungen und Gesetze des organischen Lebens. New darge esteilt von Gottfried Reinhold Treviranus. ERSTER BAND. | BREMEN. 1331. Druck und Verlag von Johann Georg Heyse. » Aa y Sunarirart hiakdatst hakıdy Vorrede. Ei; sind bald fünf und dreissig Jahre als ich mit jugendlichem Eifer den ersten Band der Biologie schrieb, eines Werks, das nur dann in sich gerundet hätte werden können, wenn der Anfang nicht vor dem Schlufs erschienen wäre. Ich fühlte dies um so mehr, je weiter ich in der Bearbeitung vorrückte. Die Schwierigkeit, bei veränderten Ansichten und bei dem Mifsverhältnifs zwischen den Erfahrungen der frühern und spätern Zeit, das Unternehmen fortzu- setzen, wurde endlich so grofs, dafs ich mich entschlofs, von der Beendigung abzustehen und ein neues Werk zu schreiben. Die Früchte dieses Entschlusses sind die folgenden zwei Bände, worin ich die gesammte Lehre vom Leben gedrängt darzustellen gesucht habe, indem ich da, wo ich in der Biologie einen Grund ‚gelegt hatte, auf dem ich weiter bauen konnte, mich kurz falste und auf sie verwies. Der Haupizweck der Biologie war, auf den Mittel- punct hinzudeuten, worauf sich alle Forschungen im Gebiete der lebenden Natur am Ende beziehen müssen, wenn der Geist wahre Nahrung in ihnen finden soll. IV Den nehmlichen hat auch diese neue Bearbeitung. Ich _ darf glauben, dafs jene bei allen Unvollkommenheiten, die sie als erster Versuch hatte, in Hinsicht auf diesen Punct Manchem von Werthe war. Möge mein jetziges Werk auch denen Befriedigung gewähen, die über die Mängel des frühern dessen Gutes übersahen! Die Lehre von der organischen Natur ist extensiv so herangewachsen, dafs sie unter der Last ihrer Masse zu erliegen Gefahr läuft. Aber ihre intensive Zunahme ist hinter der extensiven sehr weit zurückgeblieben. Wie wenig Werth haben noch seit der Entdeckung der Voltaischen Säule die mehresten der zahllosen Versuche, die einst über den Einflufs der Galvanischen Electrieität auf die Nerven und Muskeln gemacht wurden! Eine Compilation alles Gesehenen und Ge- sagten im Fache jener Wissenschaft kann daher von geringem Werthe seyn, und eine solche wird man hier noch weniger als in der Biologie zu suchen haben. Es giebt überhaupt in der Geschichte der Natur kleinliche Dinge wie in allen übrigen Wissenschaften, Man hat gesagt: Bei der Beobachtung der Natur könne man nichts Üeberflüssiges sehen. Dies ist von gewisser Seite wahr, aber oft auch sehr unrichtig ausgelegt worden. Für den, der beobachtet, um Naturgesetze zu entdecken, kann der kleinste Umstand von Wichtig- keit seyn und zur Entdeckung des Gesuchten leiten. Hundert andere Umstände können von ihm beachtet und für wichtig gehalten seyn, die es nicht waren. Hat er das Gesetz entdeckt, so führe er uns zu dem- selben auf dem geradesten Wege, nicht aber auf den vielen Umwegen, die er selber gehen mufste, ehe er zur Wahrheit gelangte. Suchte er dasselbe vergeblich, so ist es für den künftigen Forscher gut zu wissen, das Verborgene liege nicht unter diesem oder jenem Stein, und die Kennzeichen dieser Steine zu haben. Aber wem können haarfeine Beschreibungen aller Flächen, Seiten und Ecken derselben nützen? Man wird daher auch keine selche phytotomische und zootomische Beschreibungen, woraus sich nichts für die Biologie ergiebt, hier finden. Wer uns vom Leben unterrichten will, mufs uns mehr als blos die Structur des Lebenden angeben können. Diese ist nicht dabei das Erste. Man hat oft in ihr gesucht, was nicht in ihr zu finden ist. Von Wichtigkeit ist sie aber freilich, und für uns in den meisten Fällen das einzige näher Bekannte. Dieses Werk enthält des- wegen noch mehr darüber, als es enthalten würde, wenn ein tieferes Eindringen über die Form hinaus in das Wirken immer möglich wäre. Vieles, was ich hierüber mitgetheilt habe, ist das Resultat eigener Untersuchungen, die mir manche Gegenstände aus einem andern Gesichtspuncte gezeigt haben, als woraus ich sie früher ansehen konnte, wo ich mich mehr auf fremde, oft mangelhafte oder ganz unrichtise Beob- achtungen verlassen mufste. Meine frühern Gedanken habe ich mich überhaupt beim Niederschreiben des jetzigen Werks bemühet, als von einem fremden her- rührend zu betrachten. vı Einen Theil der Biologie machte die Geschichte der Verbreitung der organischen Wesen und der Revolu- tionen der lebenden Natur aus. Ich habe diese von dem jetzigen Werke ausgeschlossen, weil ihr Umfang zu grofs geworden ist, um sie, wenn man bei dem vielen Zweifelhaften darin critisch verfahren will, kurz vortragen zu können, und weil es mir an- eigenen Beobachtungen in diesen Fächern fehlt. Ueberdies eilet die Sonne, die mir im Aufgehen war, als ich an mein früheres Werk ging, jetzt schon ihrem Unter- gange zu. Es ist nicht mehr für mich an der Zeit, mir noch ein zu fernes Ziel zu setzen. Sollten mir noch Jahre zu Theil werden, die ich ganz den Wissenschaften weihen könnte, so werde ich die Puncte dieses Buchs, die der fernern Prüfung bedürfen, noch weiter verfolgen, und, wenn dasselbe eine günstige Aufnahme findet, die Resultate meiner Forschungen als Nachträge in einem dritten Bande bekannt machen. Bremen. Im Mai. 1831. G. R. Treviranus. Inhaltsverzeichnifs. ERSTES BUCH. Einleitung .....-.--- ee va ne ne ne ee ee Se ZWEITES BUCH. Organisation und deren Verschiedenheit............ — DRITTES BUCH. ErZEDRUNE N... 2. aette zugehen ernennen nen ge | — Erzeugung ohne Zeugung .....»«rrsnocssennnnnenn nee Erzeugung durch Fortpflanzung ...seccecenueoeeneraene Fortpflanzung durch Theilung ........- a0 Me ee Fortpflanzung durch Sprossen ...2... 22:0: eletelefeffaueisy eJelerble = Foripflanzung durch Eier ......-......... Mehafat höhe" e/ane Aid enae— Bedingungen der Erzeugung durch Fortpflanzung ......... — Bestimmung des Geschlechts bei der Erzeugung. Bastarde und MIISSChurlen? ersrersfe reis sianatere ein ekele suelel reise, a0 .— VIERTES BUCH. Wachsthum, Blüthe und Abnahme des Lebens...... — FÜNFTES BUCH. Aeussere Bewegungen als Erscheinungen des Lebens — SECHSTES BUCH. 1 24 Innere Bewegungen als Erscheinungen des Lebens — 215 Der Blutumlauf....oees0erc..... Sie alelatela/a,s alejelolafare seo0.—— 215 Das Athemhohlen .............. Oelelaeae ale arolele elafelete/ele.e — 240 Innere Bewegungen, die sich auf die Aufnahme und Ver- dauung der Nahrungsmittel beziehen. ..... sc... ++ — 282 Einsaugung und Aushauchung ....rr.....: Narelalereys aje “.. 7 305 Absonderungen und Ausleerungen ..... RSelelele eie/analereie/ene . — 319 VIIt SIEBENTES BUCH Chemische Erscheinungen des Lebens............ Seite 349 Das Athemhohlen, die Verdauung und Ernährung von che- mischer Seite . Oh ae sr ekatsiefapaenere ...— 349 Wärme, Licht und Electricität als Benen des Lebens — 412 Thierische Wärme .......::. a seen er — 413 Phosphorescenz der organischen Wesen........crcree.0. — 432 Thierische Klectricität Nette IE Fee dar erater te eee E — 448 ERSTES BUCH. & u N . W- z 4 u © _— [u Einleitung. D.« Gegenstand, worüber ich die Resultate meiner Forschungen in diesem Werke mittheilen werde, ist die Geschichte des Entstehens, Wirkens und Vergehens der lebenden Wesen und der Verhältnisse, worin sie zu einander und zur übrigen Natur, ihre einzelnen Theile zu einander und zum Ganzen stehen. Möge es mir gelingen, denen, die mich lesen werden, und mir selber zu genügen und am Abend meines Lebens auf die lange Zeit, die ich auf die Begründung und Aus- bildung jener Wissenschaft, der Biologie, verwandte, mit der Ueberzeugung zurückblicken zu können, nicht umsonst derselben mein Leben geweihet zu haben! Wenn das Studium der Natur überhaupt eine der edelsten Beschäftigungen für den Menschen ist, so ist vorzüglich der Gegenstand unserer Untersuchungen der Aufmerksamkeit jedes Gebildeten werth. Sich sel- ber zu erkennen ist das erste Gesetz für den Weisen. Aber Niemand erkennet sich selber, so wenig dem Geiste als dem Körper nach, der sich nicht mit den 1 2 ihm verwandten Wesen vergleicht. An uns selber sind nur einzelne Seiten der tiefern Erforschung fähig. Die übrigen sind verhüllt. Um in diese einzudringen, müs- sen wir sie an Wesen untersuchen, bei welchen sie freier vor Augen liegen. Das Studium der lebenden Natur erhebt und ver- edelt aber auch den, der sich demselben auf die gehörige Weise ergiebt, bewahrt ihn vor Einseitigkeit und hält ihn zurück von Aberglauben wie von Un- glauben. Was ist die Erde mit allen ihren Schätzen für den grofsen Haufen als ein Schauplatz voll Ge- stalten ohne tiefere Bedeutung? Diese gehen vorüber vor seinen Augen, ohne seinen innern Sinn zu rühren. Sie sprechen ihn an, aber er ist unempfindlich für ihre Töne und versteht ihre Sprache nicht. Er stirbt im Ueberfluls, seufzend über die Leere des Daseyns und das Einerlei der Tage. Der Vertraute der Natur ist in einer Welt, die ihm immer neue Seiten zeigt, ihn nie weilen lassen würde, wenn er auch Jahr- hunderte zu leben hätte. Alles in ihr hat Bedeutung für ihn. Allenthalben ist er einheimisch, und kein Theil der Erde ist ihm ohne Reize, weil er allent- halben die Natur wiederfindet. So fühlte sich Steller, begeistert vom Studium seiner Wissenschaft, im öden Kamschatka glücklich wie im Paradiese. Er wünschte sich, verbannt zu seyn nach Siberien, um seinen Durst nach Entdeckungen stillen zu können. Ein solches geistiges Leben in der Natur kann nicht anders als den Sinn für Einfalt und Wahrheit nähren und schärfen. Darum wurde der Naturforscher 3 Joh. August Ephraim Goeze ein Prediger des Friedens, während sein Bruder, der Zelot Melchior, gegen jeden Selbstdenker wüthete. Ein alter Dichter sagte: Wer Verse mache, denke nur auf diese, nicht auf Lüge und Trug. Dies mag gegründet seyn. Aber es ist nicht einerlei, auf das Unwürdige nicht denken, blos weil ein anderer Gegenstand davon abzieht, oder weil das moralische Gefühl durch stete Beschäftigung mit edlen Gegenständen veredelt ist. Es gab wohl keinen grofsen Dichter, hingegen viele oberflächliche Naturforscher ohne Adel der Gesinnung. Doch wer zur Höhe des Parnasses gelangte, war schon ein edler Mensch, ehe er sie erklimmte. Wer aber durch das Studium der Natur nicht moralisch besser wurde, ergab sich demselben nicht aus innerm Trieb und Drange. Dies gilt zwar nicht blos von dem Studium der lebenden Natur, doch von diesem vorzüglich. Man kann sich tiefe mineralogische, chemische und physische Kenntnisse erwerben, ohne über die grofsen Fragen zu reflectiren: Was, woher und wozu wir selber sind? Aber man kann nicht einmal über die Entstehung der Aufgufßsthierchen zur Gewifsheit ge- langen, ohne auf Fragen zu stofsen, die sich an jene knüpfen. Ueberhaupt ist keine Wissenschaft mit allen übrigen so eng verflochten als die Wissenschaft vom Leben, und darum kann Keiner weniger in Einseitig- keit verfallen, als der, welcher diese in allen ihren Theilen zu ergründen sucht. Es läfst sich nicht das Sehen mit dessen verschiedenen Modificationen bei den verschiedenen 'Thieren ganz begreifen als nur von dem, 1* welcher der Optik ganz kundig ist, nicht das Hören ohne die tiefste Kenntnifs der Akustik. Die Erklärung der Vorgänge beim Athemhohlen, der Verdauung, der Ernährung und der Entwickelung der thierischen Wärme _ beruhet ganz auf chemischen Gründen. Die Lehre von der geographischen Verbreitung der Thiere und Pflan- zen steht mit der physischen Geographie und der Me- teorologie, so wie die Geschichte der Veränderungen, welche die lebende Natur in der Vorzeit erlitten hat, mit der Mineralogie und der Alterthumskunde in der genauesten Verbindung. Und wer alle diese und noch viele andere Hülfskenntnisse besitzt, wird doch nimmer in der Lebenslehre weit vordringen, wenn er nicht auch Philosoph ist. In allem Lebenden ist eine Bildung und ein Wirken jedes einzelnen Theils für alle übrige und des Ganzen nicht nur für alle Theile, sondern auch für einen gewissen, sich zunächst auf die Art desselben und dann auch auf andere Arten beziehenden Zweck un- verkennbar. Diese Zweckmäfsigkeit besitzt nur das Le- bende. Sie verräth sich noch an dessen kleinsten, nur durch das Vergröfßsernngsglas wahrnehmbaren Theilen. In allen äufsern Bewegungen der Thiere, und selbst in manchen der Pflanzen, ist zugleich ein Schein von willkührlicher, und doch wieder auf der andern Seite von nothwendiger Bestimmung zum Wirken. Wir finden diese Verbindung von Freiheit und Nothwendigkeit vorzüglich an den Aeufserungen der Kunsttriebe der Thiere. Alles Beobachten jener Zweckmäfsigkeit und dieser scheinbaren Spontaneität in ihren, so unendlich verschiedenen Abänderungen, und alles Nachdenken darüber führt endlich zu einem Urgrund, der sich nur ahnen läfst, nicht mehr Gegenstand der Specu- lation ist. Daher waren alle, die den Erscheinungen des Lebens mit reinem Herzen nachforschten, Men- schen von tiefem religiösem Gefühl. Ich erinnere uur an Swammerdamm, Bonnet und Linne. Ihre Frömmigkeit trug freilich das Kleid ihrer Erziehung und ihres Zeitalters. Aber wenn auch Swammer- damm faselnd erscheint bei den theologischen An- wendungen, die er von seinen grolsen zootomischen Entdeckungen machte, und bedauernswürdig als er zu den Füfsen der Bourignon ein düsterer Schwärmer wurde; wenn auch Bonnet und viele andere Natur- forscher des vorigen Jahrhunderts ihre eigene Weisheit für die des Schöpfers priesen, so suchten sie doch, obwohl auf Abwegen, das höhere Licht, dessen Ab- glanz sie erblickt hatten. Wer dieses Licht in der Natur verkennet, sieht trostlos in ihr nur einen ewigen Kreislauf ven Entstehen und Vergehen. Wer träumend oder dichtend Worte sucht, die dem Licht entsprechen sollen, und damit an die Erklärung der Erscheinungen des Lebens geht, findet nicht die Wahrheit, sondern allenthalben nur seine Hirngespinnste. Wer aber den ächten Weg beim Studium der lebenden Natur ein- schlägt, dem wird die Muse desselben eine Gefährtin, die ihın treu bleibt, wenn ihn Alles verläfst, ihm, wie Leucothea dem Schiffbrüchigen, einen heiligen Schleier reicht, wenn die Wellen des Schicksals ihn zu verschlingen drohen. 6 Frägt man, welcher Weg dieser ächte ist, so antworte ich: der nehinliche, auf welchem man in allen Erfahrungswissenschaften zu Wahrheiten gelangte. Der Menschheit war in ihrem Kindesalter jedes Phä- nomen isolirt, jedes Wirkung eines eigenen Princips. Nachdem die Erscheinung nicht mehr blos wahr- genommen, sondern auch unter verschiedenen Um- ständen und in ihren einzelnen Theilen beobachtet war, erkannte der reifere Verstand in ihr und andern ein Gemeinschaftliches. Er entdeckte gewisse allge- meine Erscheinungen, die in den einzelnen wieder- kehrten. Diese wurden ihm Principe der Erklärung. Die Erklärung leitete ihn auf Versuche, und der Ver- such führte zur Gewifsheit, wenn Maafls, Gewicht und Rechnung bei demselben anwendbar waren. Diese Anwendung ist zwar nur in wenig Fällen bei den Erscheinungen des Lebens möglich, und eben darum ist es so sehr viel schwerer in der Biologie als in der Chemie und Physik zur Gewilsheit zu gelangen. Aber die Erklärungen jener Erscheinungen sind doch nur auf die Weise möglich, dafs wir uns von dem Bedingten zu einem immer weniger Bedingten er- heben, von gewissen allgemeinen Erscheinungen die einzelnen abzuleiten suchen, die Resultate, die wir auf beiden Wegen fanden, mit einander vergleichen, und dann erst der Wahrheit uns genähert zu haben glauben, wenn bei dieser Vergleichung sich Ueber- einstimmung ergiebt. Keiner von beiden Wegen allein führt zur Gewifsheit. Man hat Tausende von 'Thieren gemartert, um die Geheimnisse des Lebens zu entdecken. 7 Andere glaubten, in ihrem Ich Alles gefunden zu haben, was zur Construction der ganzen Natur erforderlich ist. Wenn diese viel Sinnloses behaupteten, so gaben die blofsen Experimentatoren wahrlich auch nicht immer viel Sinnreiches. Uebrigens gelangt freilich auch auf der wahren Bahn Keiner zum Ziele ohne einen Genius. So als wahre Wissenschaft bearbeitet, nicht als blofser Inbegriff unzusammenhängender Wahrnehmun- gen vorgetragen, ist die Biologie die Grundlage der Arzneikunde, der Landwirthschaft und des Gartenbaus. Der gewöhnliche Arzt, Oeconom und Gärtner kennet sie zwar nicht und wird ohne sie beliebt und reich. Aber immer bleibt es wahr, dafs wenn der grofse Haufen der Aerzte, Landwirthe und Gärtner etwas Besseres ist, als er zu den Zeiten war, wo man nach den Signaturen der Dinge Arzneien verordnete, nach den Aspecten der Planeten säete und pflanzte, durch die Entdeckung biologischer Wahrheiten Licht in die Finsternils gebracht ist. Gehen wir jetzt zur Betrachtung unsers Gegen- standes selber über, so liegt uns zuerst die Beant- wortung der Frage ob: Was eigentlich Leben ist? Wer dieses Wort ausspricht, nennet etwas Geheim- nifsvolles. Die Region des Lebens gränzt an die übersinnliche Welt. Es ist besser, seinen Garten be- stellen, als in diesem Gebiet festen Boden suchen. Doch zu demselben führen Wege aus der Welt der Erfahrung. Es. ist verdienstlich zu erforschen, wie weit sich auf diesen Wegen vordringen läfst. 8 Ein Character alles Lebendigen ist Zweckmäs- sigkeit. Wer da sagt, diese werde von uns in die Natur übertragen, der antworte, wie sie von uns übertragen werden könnte, wenn das Leben nicht etwas hätte, was uns zu der Uebertragung nöthigte; der erkläre, worin dieses Etwas besteht. Ein zweiter Character ist Zweckmäfsigkeit für sich selber. Wir sehen nur da Leben, wo wir eine Kette von Ursachen und Wirkungen in einer gewissen Form des Daseyns wahrnehmen, die sich auf sich selber bezieht. Diese Kette kann noch einen höhern Zweck außer sich haben. Aber der erste ist immer ihre eigene Erhaltung und Ausbildung. Hierin unterscheidet sich die mechanische Thätigkeit von der organischen. Der Mechanismus zerstört sich selber, indem er für den Zweck, für den er bestimmt ist, arbeitet; hingegen der Organismus hat sein Bestehen durch die ihm eigene Wirksamkeit. Jedes lebende Wesen aber ist ein Bedingtes wie jedes andere Einzelne, und die Bedingungen der Thätigkeit desselben sind nicht unveränderlich wie die einer Maschine, deren Wirkungen nur solange einem gewissen Zweck entsprechen, als die Einwir- kungen, wodurch sie in Bewegung gesetzt wird, un- verändert bleiben. Die Saamen der Pflanzen werden vom Winde umhergestreuet, von Thieren hierhin und dorthin getragen. Keiner derselben entwickelt sich ganz unter den nehmlichen Verhältnissen, worunter die Mutterpflanze aufwuchs. Und doch vegetirt das eine Gewächs wie das andere, und der Character der Art erhält sich von Generation zu Generation auch 9 bei sehr wechselnden äussern Einflüssen. Dies wäre nicht möglich, wenn nicht das Lebende ein Vermögen besäfse, seinen Zustand nach den äussern Bedingungen, oder die äussern Bedingungen nach seinem Zustande einzurichten, wenn dasselbe nicht selbsthätig wirkte. Dieser Selbstthätigkeit liegt wirkliche oder scheinbare Spontaneität zum Grunde, und die letztere ist einerlei mit dem Instinet im weitesten Sinne, den man verkennet, wenn man ihn nur da annimmt, wo er sich in gewissen auffallenden Handlungen der Thiere äussert. Wir bewundern den Instinct der Biene. Aber wo ist die Gränze zwischen den Aeusserungen des Kunsttriebs dieser Thiere und den Regungen des Lebens auf dessen niedrigsten Stufen? Die Aeusserungen dieses Princips können nicht Producte einer Vernunft seyn, die blos durch Ein- drücke der Sinnenwelt geleitet wird: denn sie werden nicht alle veranlafst durch Eindrücke der Vergangen- heit und Gegenwart; sie beziehen sich zum Theil auf ein Künftiges, wovon die Sinne noch nie gerührt wurden; sie werden ursprünglich nicht versuchsweise, sondern gleich im Anfange mit der nehmlichen Sicher- heit wie in der Folge hervorgebracht; sie hören zum Theil mit der Entwickelung des Bewufstseyns der Existenz in der Sinnenwelt auf. Wie aber ist zweckmäs- siges Wirken ohne Bewufstseyn möglich? Dies ist das grofse Räthsel, worauf wir bei jedem Schritt in der Natur- lehre der lebenden Wesen stofsen. Wir bedürfen der Lösung desselben selbst zur Erklärung der einfachsten willkührlichen Bewegungen. Bei jeder Muskelthätigkeit, 10 die vom Willen erregt wird, sind wir uns nur des letzten Zwecks, nicht der Mittel bewufst. Und doch geschieht hierbei der Gebrauch der Mittel ohne Kennt- nifs derselben immer auf die dem Zweck entsprechende Weise. Das Wirken in diesem Falle ist von dem, welches wir gewöhnlich, aber in zu engem Sinne, instinctartig nennen, zwar darin verschieden, dafs bei dem letztern ursprünglich das Bewufstseyn sowohl des Zwecks als der Mittel, bei dem erstern nur das der Mittel während dem Leben in der Sinnenwelt fehlt. Aber im einen Falle wie im andern bleibt ein Räthsel. Kein zweckmäfsiges Wirken ist ohne ein Analogon der Vernunft denkbar. Zweckmäfsigkeit ist der eigent- liche Character des Wirkens der Vernunft, den man unrichtig in andern, minder wesentlichen Aitributen gesucht hat. Jede Lebensäusserung mufs also Wirkung eines, der Vernunft ähnlichen Princips seyn. Dieses läfst sich entweder in einer allgemeinen Weltseele, oder in einer Seele jedes lebenden Einzelnwesens suchen. Mit der Voraussetzung einer Weltseele ist entweder alles individuelle geistige Daseyn aufgehoben, oder man ist gezwungen, ausser diesem Princip noch ein besonderes für jedes einzelne Leben anzunehmen. In beiden Fällen giebt jene Hypothese keine leichtere Erklärung als die Annahme dessen, der in jedem in- dividuellen Leben Wirkungen eines für sich bestehen- den Princips sieht. Die Weltseele ist aber auch entweder nichts oder die Gottheit selber. Hingegen eine Vor- aussetzung, die nichts gegen sich, wohl aber Gründe der Erfahrung auf ihrer Seite hat, ist: dafs alle lebende Wesen in einer, nicht durch Sinneseindrücke vermittelten Wechselwirkung gegen einander und gegen die übrige Natur stehen. Für diesen Satz zeugen: das feste Verhältnifs in der Zahl der Gebohrnen gegen die Gestorbenen und des einen Geschlechts gegen das andere beim Menschen; die geistige Einwirkung der Mutter auf die Frucht; der Einflufs des brütenden Vogels auf die Jungen; manche Erscheinungen des Schlafwandels, und mehrere andere Thatsachen, von denen im Verfolg dieses Werks die Rede seyn wird. Bei dieser Hypothese wird die Identität des Lebens und Beseeltseyns begreiflich, wenn wir folgende Sätze zu Hülfe nehmen. Es giebt ein Bewufstseyn und demselben ent- sprechende Handlungen, wovon gar keine oder nur schwache Erinnerungen statt finden, weil das Denken in diesem Zustande nicht durch Symbole, besonders die der Sprache, vermittelt ist. Zweifelt man an der Wahrheit dieser Annahme, so erkläre man, warum so oft der Gedanke früher da ist als der Ausdruck des Gedankens, warum wir oft lange das rechte Wort für die Sache, das Zeichen für das Bezeichnete suchen müssen. Sagt man, es seyen in diesem Falle dunkele Vorstellungen, die der Seele vorschweben, so läfst sich fragen: wie Vorstellungen dunkel heissen können, von denen wir uns bewufst sind, dafs sie nur eine einzige, ganz bestimmte Bezeichnung zulassen? Worte wecken Gedanken; nicht jeder Gedanke aber ist durch Worte bedingt: denn wie würde sonst der Taub- stumme denken können ? 12 Das durch Symbole vermittelte Denken nenne ich das mittelbare; das, welches ohne Hülfe von Symbolen geschieht, das unmittelbare. Das erstere besteht in Abstrahiren und Reflectiren, und fängt erst mit dem Leben in der Sinnenwelt an. Der Kvreis desselben ist unendlich. Wir sind uns des mittelbar Gedachten als unsers eigenen Werks bewufst; aber nichts bürget uns für dessen objective Wahrheit. Die Handlungen, die dasselbe zur Folge hat, werden daher ohne Zuversicht vollzogen, solange sie nicht oft ver- sucht, oft wiederhohlt und in Fertigkeiten übergegangen sind. Durch das unmittelbare Denken ist nur Ablei- tung des Besondern aus einem gegebenen Allgemeinen, aber nicht des Allgemeinen aus dem Besondern möglich. Dieses geschieht schon vor der Entwickelung der äus- sern Sinne vermöge der, nicht durch dieselben ver- mittelten Erkenntnifs des Zusammenhangs und der Wechselwirkung mit der übrigen Natur. Der Kreis desselben ist beschränkt; aber die Resultate, wozu es führt, haben eine Sicherheit, die das mittelbare Denken nicht geben kann, das vom Besondern zum Allgemeinen geht, während beim unmittelbaren Den- ken das Allgemeine schon ursprünglich vorhanden und nur auf das Besondere anzuwenden ist. Dieses Allgemeine besteht in angebohrnen Regeln, ähnlich. denen, nach welchen das ohne Anweisung sich ent- wickelnde künstlerische Genie verfährt, ohne sich der Gründe seines Verfahrens bewufst zu seyn. | Der Gegenstand des geistigen Vermögens, das sich ausschliefslich auf Zweckmäßsigkeit bezieht, der EN. Vernunft, ist für den Menschen nicht blos physische, sondern auch ästhetische und moralische Zweckmäs- sigkeit. Bei den übrigen lebenden Wesen der Erde ist sie nur auf das Physische gerichtet, und in Be- ziehung auf dieses ist sie das Princip alles Lebens, des vegetabilischen wie des animalischen. Wir sind nicht befugt, ein anderes Prineip für dieses und ein anderes für jenes anzunehmen: denn Pflanze und Thier sind sich nicht ganz entgegengeset wie die Pole des Magneten. Auch die Pflanze äussert örtliche Be- wegungen wie das 'Thier. Nur sind die ihrigen blos Resultate des Wachsthums. Sie werden eben so wie die thierischen zum Theil durch äussere Einflüsse erregt, die keinesweges auf mechanische Art, oder durch Anziehung und Zurückstofsung wirken. Die kichenmistel treibt ihre Wurzeln immer nach einem nahen Gegenstande, um sie an demselben anzuheften. Es kann aber unter ihnen und dem Gegenstande keine physische Anziehung statt finden, da dieser nicht zu ihnen herabgezogen wird, wenn er nahe über ihnen an dem Arm einer empfindlichen Wage im Gleich- gewichte hängt. *) Die Frage, wie dieses Lebensprineip Eindrücke durch eine andere Vermittelung als die der äussern Sinne empfängt, und wie dasselbe auf die Materie wirkt? liegt ausser unserm Beruf. Dafs aber ein Em- pfangen von Eindrücken ohne Vermittelung der Sinne *) Dutrochet Recherches anat. et physiol. sur la structure infime des animaux et des vegelaux. p. 105. Di möglich ist, beweist das Beispiel der wandernden Vögel, die gewifs nicht blos durch Sinneseindrücke auf ihren Zügen geleitet werden, und dafs ein Wirken der Seele auf die Materie statt findet, lehrt die Er- fahrung jedes Augenblicks. Wir kennen zwar nur den Willen und Gemüthsbewegungen, nicht die Vernunft, als die Kräfte der Seele, die Veränderungen im Körper hervorbringen. Allein wir sind uns im Wachen der Vernunft blos von ihrer moralischen und ästhetischen, nicht von ihrer physischen Seite bewufst. Nur im tiefen Schlafe läfst sich Bewufstseyn ihres physischen - Wirkens annehmen. Aber hiervon findet keine Erin- nerung im Wachen statt, weil dieses Wirken ohne Rührung der äussern Sinne geschieht. Im Schlafe wird das Räderwerk des physischen Lebens aufgezogen. Die Kraft, die dies verrichtet, wirkt aber nicht minder erhaltend für das Leben, nur auf andere Weise, im Wachen als im Schlafe. Wechsel von Schlaf und Wachen ist daher allen le- benden Wesen eigen. Doch fliefst dieses mit jenem um so mehr zusammen, je beschränkter das Leben in der Sinnenwelt ist. Das geistige Princip, das im Schlafe für die Erhaltung des Lebens thätig ist, wirkt in diesem Zu- stande auch wieder auf die Form zurück, worin es wachend seine Thätigkeit äussert. Es entstehen ge- wisse Veränderungen in den Empfindungswerkzeugen, die ein Verlangen oder eine Abneigung zur Folge haben und von dem Bewufstseyn begleitet sind, dafs nur ein bestimmtes körperliches Wirken dem Bedürfnifs abhelfen kann. Dies ist der Ursprung des Instincts, den man vergeblich zu erklären sucht, wenn man nicht noch einen andern Einflufs der ganzen Natur auf jedes Leben als den, der durch die Sinne Zu- gang hat, und ein Princip, das durch diesen Einflufs zum zweckmäfsigen Wirken aufgeregt wird, voraussetzt. Woher erkennet sonst jedes Thier im Wasser das Mittel, seinen Durst zu löschen, woher das fleischfressende im Fleisch, das pflanzenfressende in Pflanzen seine Nahrung? Wasser, Fleisch und Pflanzen möchten immerhin die Sinne des Thiers auf eine eigene Art rühren; träte nicht mit der Rührung die Ahnung ein, dafs der Gegenstand, wodurch jene veranlafst wird, das Mittel zur Stillung des Durstes und des Hungers sey, so würde das Thier nimmer durch sie zur In- gestion des Wassers, des Fleisches, oder der Pflan- zenkost getrieben werden. Dieses Ahnen setzt aber schon ein Wissen um die Beziehung der Nahrungs- mittel auf den Organismus voraus. Bei diesen Aeusserungen des Instincts ist es die productive Einbildungskraft, wodurch der Wille auf eine, dem Bedürfnifs des Lebens entsprechende Weise den Körper in 'Thätigkeit setzt. Vor jedem Wollen bildet die Phantasie eine Vorstellung vom Zweck des Wollens. Diese Vorstellung ist beim mittelbaren Denken aus der Erfahrung entlehnt. Aber im Zustande des wachenden Träumens, noch mehr im wirklichen Traum und vorzüglich im fieberhaften Irreseyn‘ zaubert uns die Einbildungskraft oft Gestalten vor, die mit keinem, je wahrgenommenem Gegenstande übereinkommen. 16 Solche Producte der Phantasie entstehen in uns zu- fällig und haben für uns keine Bedeutung. Hingegen im Thier werden sie nach festen Gesetzen erzeugt, und ihre Lebhaftigkeit ist so grofs, dafs der Wille ganz unter ihrem Einflufs steht und das Leben in der Sinnenwelt ganz auf sie bezogen wird. In diesen Erzeugnissen der productiven Einbildungskraft und denselben entsprechenden, angebohrnen Regeln der Handlungsweise haben die Kunsttriebe der Thiere ihren Grund. Die Biene würde nicht arbeiten, wenn nicht vor dem Beginn ihrer Arbeit eine Vorstellung von dem Resultat derselben ihr schon gegenwärtig wäre, die nicht aus der Erfahrung genommen seyn kann, da sie arbeitet, ehe sie noch ein Thier ihrer Art arbeiten sahe. Man hat gefragt: ob das Weitzenkorn, das zu Wurzel, Halm, Blatt, Aehre u. s. w. den Keim in seinem Wesen hat, von Wurzel, Halm u. s. w. träumen und sich dessen, was in ihm ist und aus ihm werden wird, bewufst seyn könne? Die Antwort ergiebt sich aus dem Obigen. Das Weitzenkorn hat allerdings Bewufstseyn dessen, was in ihm ist und aus ihm werden kann, und träumet wirklich davon. Sein Be- wufstseyn und seine Träume mögen dunkel genug seyn. Ohne ein solches Bewufstseyn und ohne solche 'Träume giebt es aber kein Leben. Frägt man: ob man diese denn auch in jedem Punct und jeder Faser, die sich in einem Aufgufs hin und her bewegen, annehmen dürfe? so erwidern wir, dafs nicht Alles, was sich bewegt, ohne dem Anscheine nach von aussen zur 17 Bewegung getrieben zu seyn, wirklich lebend, so wie nicht alles scheinbar Ruhende wirklich tod ist. Nicht Alles, was man Aufgufsthiere nennet, besitzt Leben. Aber in dem befruchteten, noch nicht bebrüteten Ei gehen immerfort Lebensbewegungen vor sich, solange noch die Fähigkeit zur Entwickelung darin vorhan- den ist. Diese Erläuterungen werden hinreichend seyn, die Annahme, dafs leben und beseelt seyn, einerlei sind, zu rechtfertigen. Es liegt uns jetzt ob, die einzelnen Erscheinungen des Lebens zu untersuchen, durch Ver- gleichung ihres Gemeinschaftlichen und Verschiedenen die Gesetze derselben zu entdecken, und durch Wiederhohlung dieser Vergleichung an den niedern Gesetzen uns zu immer höhern Gesichtspuncten zu erheben. Ehe wir hierzu übergehen, werden aber noch einige allgemeine Phänomene zu betrachten seyn. Alles Materielle besitzt das Vermögen, von äus- sern Einwirkungen verändert zu werden und diese wechselseitig wieder zu verändern. Bei dem Leblosen steigen und fallen Einwirkung und Gegenwirkung in immer gleichem Verhältnifs. Sind fortdauernd einerlei Körper mit einander in Wechselwirkung, so wird der eine in demselben Maafs verändert, wie er den andern verändert; Action und Reaction kommen endlich ins Gleichgewicht und der Erfolg ist Ruhe. Wenn es wahr ist, was im Vorhergehenden bemerkt wurde, dafs das Lebende selbstthätig wirkt, indem dasselbe, die äussern Bedingungen seines Zustandes sich anpafst, oder sich nach diesen Bedingungen einrichtet, so mufs 2 18 für das Lebende ein anderes Gesetz der Einwirkung und Gegenwirkung als für das Leblose gelten, und wenn der Zweck der Thätigkeit des Lebenden Er- haltung der Form seiner Existenz ist, so kann für dasselbe dieses Gesetz nur seyn, dafs Einwirkung und Gegenwirkung im umgekehrten Verhältnifs gegen ein- ander steigen und fallen. Hierdurch geschieht es, dafs in den Erscheinungen des Lebens relative Gleichför- migkeit bleibt, obgleich die Einwirkungen, wodurch sie erregt werden, ungleichförmig sind, dafs z. B. bei den höhern 'Thieren der Herzschlag und die Be- wegungen des Athemhohlens in der Wärme und Kälte, in einer reinen und weniger reinen Luft, bei reich- licher und sparsamer Kost einen festen Typus be- haupten, die eigene Wärme sich nicht verändert, die willkührlichen Bewegungen: mit gleicher Leichtigkeit vollzogen werden. Diese Gteichförmigkeit ist aber freilich immer nur relativ. Sie kann nicht absolut seyn, weil alles Leben seine Schranken hat. Es läfst sich daher als ein Merkmal des Lebens angeben: Streben nach Gleichförmigkeit der Ge- genwirkungen bei ungleichförmigen Einwirkungen, welche die äussern Bedingungen der Reactionen sind. Dieser Character des Lebens wurde von mir im ersten Baude der Biologie aufgestellt. Es sind dagegen Einwendungen gemacht worden, bei denen ich tieferes Eindringen in den Gegenstand sehr vermisse. Sie gehen darauf hinaus, dafs, wenn ein Kieselstein und ein Ei im Mörser gestampft werden, der todte Stein doch gleichförmiger als das lebende Ei gegen die 19 Stölse rengirt. Aber sind denn Stöfse Bedingungen des Lebens im Ei? Es giebt freilich.kein unbeschränktes Leben. Ein solches würde unzerstöhrbar und Alles zerstöhrend seyn, und mit demselben wäre alle Man- nichfaltigkeit in der Natur aufgehoben. Die Gleich- förmigkeit kann nur in Beziehung auf die Einwirkungen, die Bedingungen der Reactionen sind, und auch gegen diese nur innerhalb gewisser Gränzen statt finden. Wenn eine Kugel, von einer ungleichförmig wirkenden, mechanischen Kraft in Bewegung gesetzt, doch mit immer gleicher Geschwindigkeit fortrollte: wer würde derselben Leben absprechen dürfen, vorausgesetzt, dafs das Gleichbleiben der Geschwindigkeit nicht durch eine andere mechanische Kraft verursacht würde, die der vorigen von aussen enigegenwirkte? Wer aber würde erwarten können, dafs die Gleichförmigkeit der Bewegung bei jeder noch so heftigen, oder noch so schwachen Einwirkung fortdauern und die Kugel den Gesetzen der Mechanik ganz entzogen seyn könne? Bewegte sich diese ungleichförmig bei gleichförmiger äusserer Einwirkung, so würde Jeder voraussetzen, dafs sie noch von einer andern als der mechanischen Kraft getrieben würde, und nicht weiter ihr Leben zuschreiben, wenn er nicht fände, dafs die Ungleich- förmigkeit nur ein Uebergang zu einer, der Kugel eigenthümlichen Bewegung bei dem Kampf mit beiden Kräften sey. Eine innere Bedingung gewisser Formen, wor- unter sich das Leben äussert, ist eine eigene Bildung der Materie des Lebenden. Nennen wir diese organisch, 2% 20 so hat jedes lebende Wesen eine eigene Organisation. Diese aber ist nur Bedingung gewisser Formen des Lebens, nicht des Lebens überhaupt. Sie ist vielmehr selber die erste Wirkung des letztern: denn eben in der Behauptung einer Gleichheit der Bildung beim steten Andrange äusserer Kräfte, welche das Gebildete umzuwandeln streben, in dem Vermögen, zum Behuf dieses Zwecks das Ungleichartige der äussern Natur sich gleichartig zu machen, bei verschiedenen Graden der äussern Temperatur sich eine immer gleiche, innere Wärme zu erzeugen, und die Form seiner Gattung in einer Nachkommenschaft zu erhalten, giebt sich das Vermögen des Lebenden, gleichförmig gegen ungleichförmige Eindrücke zu reagiren, am allgemein- sten zu erkennen. Je mehr Einheit im organischen Ganzen herrscht, desto mehr wirkt darin alles Ein- zelne für das Ganze und das Ganze für alles Einzelne. Doch das Nehmliche würde auch in einem Automat geschehen, worin das Bewegte zugleich die bewe- gende Kraft wäre. Das wechselseitige Verhältnifs des Ganzen und der Theile als Mittel und Zweck macht also keinen unterscheidenden Character des Lebens aus. Aber nur dieses Verhältnifs, nicht eines der eigent- lichen Merkmale des Lebens, finden wir am Planeten- system und am übrigen Weltall, soweit wir dasselbe kennen. Es ist daher unrichtig, von einem Leben des Universum zu sprechen und zu meinen, alles irdische Leben sey nur eine niedere Stufe des allgemeinen. Die Gleichförmigkeit der Reactionen des Lebenden kann in mehrfacher Rücksicht Schranken haben. Diese 21 können verschieden seyn in verschiedenen Individuen und in verschiedenen 'Theilen eines und desselben Individuum; verschieden in Beziehung auf die Qualität der Einwirkungen und verschieden in Betreff der Qua- lität der Reactionen. Wenn wir also das den lebenden Wesen eigenthümliche Art von Vermögen, äussern Eindrücken entgegenzuwirken, Reizbarkeit oder Erregbarkeit nennen, so liegt das Characteristische desselben in der Zunahme der Empfänglichkeit für die Einwirkung bei Verminderung der absoluten Stärke der letztern und in der Abnahme der Receptivität beim Zunehmen dieser Stärke. Das Reactionsvermögen kann sich auf gleiche Weise im Lebenden wie im Leblosen äussern. Die Receptivität aber ist immer höherer Art. Wenn es z. B. eine Elastieität gäbe, die im Lebenden sich als Erregbarkeit darstellte, so mülste bei derselben der eine Factor, die Receptivität, in dem Vermögen bestehen, zusammengedrückt zu werden.. Dieser Factor würde aber nicht, wie bei der Klasticität des Leblosen, abnehmen mit dem Grade der wirklichen Zusammendrückung, sondern mit der absoluten Gewalt des Drucks. Der lebendig elastische Körper würde, das eine mal mit emem doppelt so schwerem Gewicht als das andere mal belastet, von beiden bis zu einerlei Grad eomprimirt werden, indem ihn ein doppeltes Gewicht zu einer zweimal gröfsern innern 'Thätigkeit als ein einfaches schon aufregte, ehe noch jenes einen zweimal so grofsen Druck als dieses hervorgebracht hätte. Diese Aufregung wäre aber nicht möglich, wenn der lebende Körper von dem 22 auf ihn Kinwirkenden nicht auf eine höhere Art als blos mechanisch, durch die Masse des letztern, er- regt würde. Die Reizbarkeit ist indefs nicht das erste und wichtigste Attribut des Lebens. Von keiner Erschei- nung dieses Zustandes läfst sich darthun, dafs sie ein blofses Product von Reizen und Reizbarkeit sey. Ein ausgeschnittenes Herz eines lebenden 'Thiers pulsirt noch eine Zeitlang. Dem Auge erscheinen noch Bilder, wenn dasselbe auch geschlossen ist. Man hat die Analogie der Zusammenziehungen der willkührlichen Muskeln für sich, wenn man annimmt, dafs in jenem Fall die Luft, das im Herzen übrige Blut, oder an- _ dere äussere Reize es sind, welche die Fortdauer der Pulsationen veranlassen, und dafs in diesem Fall die Netzhaut durch innere Reize in Thätigkeit erhalten wird. Allein diese Zurückführung auf die Gesetze der Reizbarkeit bleibt immer hypothetisch. Soviel ist ge- wifs, dafs keine der organischen Bewegungen, die Folgen des Erwachens der Naturtriebe sind, sich blos aus den Gesetzen der Reizbarkeit erklären lassen. Wenn der Vogel seine Eier ausbrütet, so kann diese Handlung nicht Gegenwirkung gegen einen Einflufs der Eier auf ihn seyn. Der Trieb zum Brüten er- wacht in ihm, wenn ihm auch seine Eier genommen sind, so wie der Trieb zur Paarung auch in Vögeln, die keine Verwandte ihrer Art in ihrer Nähe haben, und der Trieb zum Wandern in solchen, die ein- geschlossen und einsam gehalten werden. *) Ständen *) Faber über das Leben der hochnordischen Vögel. Heft 2. S. 211. aber auch alle Lebenserscheinungen unter jenen Ge- setzen, so liesse sich doch in sehr vielen Fällen nicht nachweisen, was bei denselben Reiz und was Reaction gegen den Reiz sey. Die Wärme macht, dafs sich in und aus den Flüssigkeiten des Eis eine Frucht bildet. Wirkt die Wärme hier unmittelbar als Reiz? Und wenn sie als solche wirkt, läfst sich die Umwandlung des Flüssigen in Festes als Rückwirkung ‚gegen ihren Einflufs ansehen? Man kann über diese Fragen viel für und wider reden, aber wenig Gewisses ausmachen. Der höchste Character des Lebens bleibt: ein zweckmälsiges Wirken aus einem selbstthätigen Princip, dessen Ziel die Fortdauer des Wirkens selber ist. Dieses Wirken mufs in einer bestimmten Form statt finden, deren äusserer Ausdruck die Organisation ist. Von der Betrachtung der letztern werden wir aus- gehen müssen, um das Leben in seinen einzelnen Erscheinungen kennen zu lermen. ZWEITES BUCH. Organisation und deren Verschiedenheit. Die Lehre, zu der wir uns wenden, hat ihre Gründe in der vergleichenden Anatomie, im systema- tischen Theil der Naturbeschreibung und in der Chemie des Organischen. Man wird nicht erwarten, hier von diesen Wissenschaften auch nur das Allgemeine im Zusammenhange zu finden. Ich werde nur Gesichts- puncte angeben können, die auf Neuheit einigen Anspruch machen dürfen und, wie ich glaube, rich- tiger als die sind, woraus man sonst diese und jene Gegenstände angesehen hat. Man kann sich nicht in der Biologie verständigen, ehe nicht die Classen, Familien, Gattungen und Arten der lebenden Wesen bestimmt sind. Seit die Natur- geschichte nicht mehr eine Sammlung unzusammen- ‚hängender Nachrichten und Sagen war, strebten alle Naturforscher nach der Entdeckung einer Eintheilung, worin die Naturkörper nach ihrer natürlichen Ver- wandtschaft geordnet, zugleich aber die Charactere 2. . der Abtheilungen möglichst einfach und von einem einzigen organischen System hergenommen wären. Dieses Suchen ist dem nach dem Stein der Weisen gleich zu setzen, wenn eine und dieselbe Eintheilung sowohl dem,’ welchem sie nur Mittel seyn sell, um blos die Namen gegebener Thiere und Pflanzen so leicht wie möglich aufzufinden, als dem philosophi- schen Naturforscher, für den sie einen höhern Zweck haben mufs, genügen soll. Dem Erstern können blos äusserliche Merkmale dienen, und die Qlassification entspricht desto mehr ihrem Zweck, je leichter die- selben aufzufinden sind. Die Erhaltung des Bandes der natürlichen Verwandtschaft ist diesem Zweck unter- geordnet. Für den Letztern hingegen mögen die Charactere noch so verborgen und noch so schwer zu entdecken seyn: die Eintheilung wird für ihn einen um so höhern Werth haben, je vollkommener in ihnen der ganze äussere und innere Bau ausgedruckt ist und je weniger verschiedenartig die Theile sind, wovon die Charactere hergenommen wurden. Man hat in neuern Zeiten Systeme für den letztern Zweck aufgestellt. Allein man ist dabei von Grund- sätzen ausgegangen, die ich nicht für wahr halten kann. Zu diesen gehört vorzüglich der Satz: Alle höhere Bildungen seyen Inbegriffe der niedern; die vollendetsten Organe jener seyen schon in diesen, nur noch unentwickelt vorhanden; in allen sey einerlei Typus; nur die Stufen der Ausbildung desselben seyen ' verschieden. Es liegt hierin Wahrheit, aber eben soviel Irrthum, Wahr ist es, dafs jedes organische Wesen sich 26 entwickelt, indem es vom Einfachern zum Zusammen- gesetztern in der Ausbildung fortschreitet, und dafs das Höhere unausgebildet Aehnlichkeiten mit ausge- bildeten Wesen niederer Stufen hat. Aber. unrichtig ist. es, diese Aehnlichkeiten von einem andern Grunde als Gleichheit der äussern Verhältnisse. abzuleiten, und die Unähnlichkeiten dabei zu übersehen. Der Fetus der Säugthiere und Vögel ist ein Wasserthier, das nicht durch. Lungen athmet, und hat als solches einen ein- fachen Blutumlauf wie die Fische. Allein die Art des Kreislaufs ist im Uebrigen ganz anders bei jenem als bei diesem. Manche scheinbare Analogie zwischen beiden ‘verschwindet ‚bei näherer Untersuchung. Das Gehirn des Fetus der Säugthiere ist scheinbar dem der Vögel, Amphibien und Fische ähnlich, indem die Vierhügel des erstern eben so, wie die "hintern Halbkugeln des grofsen Gehirns, des letztern, alle übrige Theile an Volumen übertreffen. Aber diese Hemisphären enthalten "Theile, die, bei den. Säug- thieren mit den Vierhügeln nichts! gemein haben. Am Halse der Säugthiere und Vögel giebt es in der ersten Zeit des Entstehens derselben ähnliche Spalten wie die äussern Kiemenöffnungen der Larven der Frösche, Kröten und Salamander sind. Diese Aehnlichkeit findet indefs wieder nur im Aeussern statt. Die Spalten führen zu keinen wirklichen Kiemen, sondern zu solchen Zwischenräumen ohne Kiemen, wie die Em- bryonen der Fische in ihrer ersten Bildungszeit haben. Es folgt also aus dem Vorhandenseyn derselben weiter: nichts, als eine allgemeine Analogie in der Entwickelung 27 der Wirbelthiere. Vergleicht man den Fetus der letztern mit den ausgebildeten wirbellosen 'Thieren, so fällt alle Aehnlichkeit ganz weg. Er hat keinen Ganglien- strang längs dem Bauche ohne Rückenmark wie diese; der Blutlauf geht vom ersten Beginnen an auf eine ganz entgegengesetzte Art bei ihm wie bei den Cru- staceen, Mollusken u. s. w. vor sich, und seine Sinnes- organe haben im ganzen Verlauf ihrer Ausbildung eine ganz andere Structur wie die der wirbellosen Thiere. *) Man ist noch weiter gegangen und hat in den höhern Organen Wiederhohlungen der niedern Or- gane eines und desselben Wesens zu sehen geglaubt. So ist die Lehre von der ,„‚Bedeutung” und ‚‚den Gleichungen” der Theile entstanden, die des Spiel- werks und der Träumereien genug enthält, aber zur Erweiterung unserer Kenntnisse vom Wesen des Lebens sehr wenig beigetragen hat. Ich glaube, dafs bei Beantwortung der Frage, welche Verhältnisse unter den verschiedenen lebenden Wesen in Betreff ihrer ganzen Organisation und ihrer einzelnen Organe statt finden, folgende Sätze zum Grunde gelegt werden müssen: 1. Die Stufe eines lebenden Wesens ist um so höher, *) Andere gegründete Erinnerungen gegen die Lehre von der Ent- wickelung der verschiedenen organischen Körper aus einerlei Prototyp hat von Baer in seinen Beiträgen zur Kenntnifs der niedern Thiere (Verhandl. der Kaiserl. Academ. der Naturf. Bd. XI. Abth. 2. S. 739 fg.) und in seiner Entwickelungsgeschichte der Thiere, Th. 1. S. 199, gemacht. Auch Weber hat sich in seiner Umarbeitung des Hildebrandtschen Handbuchs der Anatomie des Men- schen (Bd. 1. S. 125) sehr bündig darüber erklärt. 28 je zahlreicher die Berührungspucte desselben als solchen mit der äussern Welt sind, je vielseitiger seine Erreg- barkeit ist. Die Zahl jener Berührungspuncte nimmt zu mit der zunehmenden Entwickelung der Intelligenz, und mit dieser steigt die Mannichfaltigkeit und Aus- bildung der Organe. Die Intelligenz ist beim Menschen entwickelter als bei den übrigen irdischen Wesen. Er steht daher auch in organischer Rücksicht auf der höchsten Stufe des Thierreichs. Parum aber läfst sich nicht behaupten, jedes Organ sey ebenfalls bei ihm von der höchsten Art. Man kann eine organische Sphäre des Sinnenlebens und eine solche des unbe- wufsten Lebens unterscheiden. In Betreff jener ist die menschliche Organisation von den meisten Seiten, hin=- gegen in Betreff dieser keinesweges die höchste der lebenden Natur. Man kann z. B. nicht. behaupten, dafs seine Ernährungswerkzeuge in jeder. Beziehung vollkommener als die aller übrigen 'Thiere organisirt sind. Zwischen ihm und den niedrigsten Wesen sind sehr viele Mittelglieder, von welchen sich nicht sagen läfst, dafs das eine eine höhere Stufe als das andere einnimmt. Das eine ist vollkommener gebildet zu ge- wissen Zwecken, das andere zu andern. Sie lassen sich nach einander nur dann stellen, wenn man sie nach dem Grade der Entwickelung einzelner ihrer Seiten ordnet. 2. Es läfst sich eine Urform voraussetzen, woraus sich alle lebende Wesen entwickelten. Diese Ent- wickelung geschahe nicht nach Einer, sondern nach sehr vielen Richtungen. Von jeder Richtung gingen Mi. AN wieder neue Entwickelungen nach andern Seiten aus, und so entstand eine baumförmige Verzweigung. Aber Zweige eines der Aeste verbanden sich auch mit Zweigen eines andern, oft sehr entfernten, niedrigern oder höhern Asts, und aus der Verbindung trieben wieder neue Zweige nach vielerlei Richtungen. Bei allen jenen Verzweigungen ist eine gewisse Aehnlich- keit in den Organismen und deren Theilen geblieben, wodurch sich ihre Abkunft von einer gemeinschaft- lichen Urform zu erkennen giebt. Aber von der Aehnlichkeit zweier Formen im Einzelnen läfst sich kein Grund hernehmen, die höhere als entwickelt aus der niedern anzusehen. Die Aehnlichkeit kann auch bei der Abkunft beider Formen von ganz ver- schiedenen Aesten durch eine Seitenverbindung des Asts, wovon die eine ein Zweig ist, mit dem Ast, der die andere erzeugte, hervorgebracht seyn. So sind die Insecten in einzelnen Organen den Wirbel- thieren ähnlich, aber in noch weit mehr Theilen von diesen so verschieden, dafs keines der letztern sich für eine höhere Entwickelung einer Insectenform .an- nehmen läfst. Die Insecten haben einen Nahrungs- canal, woran sich, wie bei den höhern Thieren, eine Speiseröhre, ein Magen und ein Darm unterscheiden lassen. Der Darm steht aber mit keiner solchen Leber, wie den höhern Thieren eigen ist, in Verbindung. Das hintere Ende desselben öffnet sich zwar, wie bei diesen, über den Zeugungstheilen nach aussen. Hingegen ihre eigentliche Zunge liegt nicht unter, sondern über dem Eingange zum Schlunde. Es ver- 30 steht sich übrigens, dafs, indem wir von Entwickelung aus einer gemeinschaftlichen Urform und Verbindung einer Form mit einer andern sprechen, darunter keines- weges zu verstehen ist, die Entwickelung und Ver- bindung sey auf dieselbe Weise geschehen, auf welcher Paarung und Zeugung in der jetzigen Natur geschieht. 3. Man kann aus der Abkunft eines Organs von einem andern nicht auf dessen Zweck und von dem Zweck nicht auf die Abkunft schliessen. Ein Beispiel geben die von Weber entdeckten Gehörknöchelchen der Fische, die deutliche Theile der Wirbelsäule sind, und dabei in Beziehung mit dem Gehörsinne stehen, der bei den übrigen Thieren mit keinem Wirbel- knochen eine Gemeinschaft hat. Ein anderes sind die Frefszangen der Crustaceen und Insecten. Diese haben die nehmliche Verrichtung wie die Kinnbacken der Wirbelthiere. Ihre äussersten Puncte bewegen sich aber nicht, wie die der Kinnbacken in einer Ebene, die den Körper der Länge nach durchschneidet, sondern in einer Ebene, die auf der Axe des Körpers senkrecht steht. Sie zeigen sich bei mehrern Crusta- ceen als umgewandelte Beine. Hingegen eine ähn- liche Bewegung wie die Kinnbacken der Wirbelthiere, und doch eine andere Function haben bei den wirbel- losen 'Thieren die Ober- und Unterlippe. Um nun auf unsern eigentlichen Gegenstand, die Eintheilung der lebenden Wesen, zu kommen, so wird es nach den Gründen, die wir fanden, leben und beseelt seyn für einerlei zu erklären, erlaubt seyn, die Organe, wovon das Wirken des Lebensprincips 31 auf den übrigen Körper im Thierreiche ausgeht, als diejenigen zu betrachten, mit deren Bildung die Structur der übrigen Theile in Verbindung stehen mufs, und zwar um so genauer, je höher der Grad des Lebens ist. Jene Organe sind das Gehirn, das Rückenmark und die Nerven. In Rücksicht auf die Gegenwart und Abwesenheit dieser Organe trennt sich die lebende Natur in die beiden Reiche, die auch der gemeine Verstand nach der Aeusserung oder Nichtäusserung willkührlicher Bewegung unterscheidet, in das Thier- und Pflanzen- reich. Es lassen sich zwar auch bei den einfachern Thieren keine Nerven wahrnehmen. Da aber in manchen 'Thieren, denen man sonst die Nerven ab- sprach, wahre Nerven entdeckt sind, und da diese Arten mit denen, worin man noch keine solche Organe fand, in naher Verwandtschaft stehen, so hat man weit mehr Grund, sie für ein Eigenthum aller Thiere zu halten, als sie selbst den niedrigsten derselben abzusprechen. Anders ist es mit den Pflanzen. Diese haben ein so durchsichtiges Gewebe, dafs wenn Nerven- substanz von ähnlicher Gestalt wie bei den höhern Thieren darin vorhanden wäre, sie längst darin hätte beobachtet seyn müssen. Die Pflanzen haben hiernach ein negatives Merk- mal, und bei ihrer Classification ist ein anderes or- ganisches System, als das der Nerven, zum Princip der Eintheilung zu wählen. Ihr positiver Character besteht in der Zusammensetzung ihres ganzen innern Gewebes aus starren Zellen und unzerästelten Gefäfsen. 32 Es giebt zwar zwischen ihren Zellen Gänge, die netzförmig mit einander verbunden sind. Aber diese sind blofse Zwischenräume ohne eigene Häute. Das thierische Gewebe hat nicht Zellen, sondern Bläschen als Elementartheile, und die Gefäfse desselben sind . immer zerästelt. Wenn auf der Gränze des Thier- und Pflanzenreichs Wesen vorkommen, in deren Innerm die starren Zellen des vegetabilischen Gewebes nicht zugegen sind und die keine Gefäfse haben, so sind dies solche, von denen es immer zweifelhaft bleibt, ob sie zu den Pflanzen, oder zu den Thieren gehören, welche Charactere der vegetabilischen und animalischen Organisation angenommen werden mögen. Es läfst sich voraussetzen, dafs in der Bildung des Embryo, ‚seiner Umbhüllungen und der ihm an- gehörigen Gebilde schon die Bildung des gauz ent- wickelten Organismus angedeutet ist, dafs gröfserer Mannichfaltigkeit in dieser auch größsere in jener, so wie Einfachheit der erstern geringere Zusammensetzung der letztern entspricht, und dafs Verwandtschaft der organischen Wesen sich auch durch Aehnlichkeit ihrer Eier und Embryonen zu erkennen giebt.. Die Auf- findung dieser Aehnlichkeiten hat grofse, zum Theil gar nicht zu hebende Schwierigkeitee bei den Thieren, aber weit geringere bei den Pflanzen. Die, von der Bildung des Embryo und seiner Umgebungen herge- nommenen Charactere haben sich auch als die tauglich- sten zur natürlichen Anordnung der Pflanzen bewiesen. Sie sind die Grundlage des Jussieuschen Pflanzen- systems, das ich als bekannt voraussetzen muls. 33 Die Thiere versuchte zuerst Rudolphi*) nach dem Bau ihres Nervensystems einzutheilen. Er unter- schied sie in solche, bei welchen dieses System deut- lich wahrzunehmen ist, und in Thiere ohne sichtbare Nerven. Aber eine Trennung, die blos subjective Gül- tigkeit hat, kann für die Biologie nicht von Werthe seyn. Für die Thiere der ersten Abtheilung sind ven Rudolphi blos die allgemeinsten Unterschiede der Classen angegeben. Ich habe mich viel mit diesem Gegenstande beschäftigt. Was ich liefern kann, sind zwar nur noch Bruchstücke. Ich zweifle aber nicht, dafs sich diese zu einem glänzenden Ganzen gestalten können, wenn man sie gehörig anwenden und die Lücken zwischen ihnen ausfüllen wird. Nach meiner Ansicht giebt es zwei grofse Ab- theilungen des Thierreichs: die eine besteht aus den Thieren, die ein wahres, in einer Wirbelsäule ein- geschlossenes Rückenmark besitzen, welches denen der andern Classe fehlt. Bei den erstern liegt immer das ganze Gehirn über dem Schlunde, enthalten in einer eigenen knöchernen Capse!, dem Schädel. Bei den letztern wird entweder von einer einzigen hirn- ähnlichen Masse, oder von mehrern, durch Stränge von Nervensubstanz unter sich verbundenen Knoten ein Ring um den Schlund gebildet; die dem Hirn zu vergleichende Substanz liegt theils über, theils unter dem letztern; es giebt für sie keine eigene, knochen- oder hornartige Capsel, wodurch sie von *) Beiträge zur Anthropologie und allgemeinen Naturgeschichte. 3 SR. den übrigen innern Theilen des Kopfs getrennt wäre, und es geht auf der Rückenseite kein Fortsatz von ihr aus, der sich mit dem Rückenmark der vorigen Thiere vergleichen liesse. Diese Eintheilung fällt also mit der von Lamark aufgestellten in Wirbelthiere und wirbellose Thiere zusammen. Man könnte die einen auch Schädelthiere, die andern schädel- lose Thiere nennen. Wir wollen indefs die La- markschen Benennungen, da sie allgemein ange- nommen sind und es der Biologie nicht frommen kann, sie mit neuen Namen zu überladen, beibehalten. Bei allen Wirbelthieren ist das vordere, im Schädel enthaltene Ende des Rückenmarks, das verlängerte Mark, von ähnlicher Gestalt wie beim Menschen, und dasselbe nimmt von dem Menschen bis zu den untersten Stufen der Reihen dieser Thiere in Ver- gleichung mit dem übrigen Gehirn sowohl an Masse als an Volumen zu. Schon nach der numerischen Verschiedenheit dieses Verhältnisses lassen sich vier Classen jener Thiere einigermaafsen unterscheiden. Ich fand die Gränzen des Gewichtsverhältnisses des verlängerten Marks zum übrigen Gehirn in der ersten Classe zwischen 1: 88 und 1: 6, 5, — — zweiten — — 1: 24, 3 u. 1: 6,7, — — dritten — u 1: 3, 6 u. 1: 3, 2, — — vierten — ; 1: 3,5 u1:1,0. Das Verhältnifs der gröfsten Breite des verlängerten Marks zur gröfsten Breite des ganzen Gehirns geht in der ersten Classe von 1: 6, 85 bis 1: 1, 20, — — zweiten — — 1:4,45 — 1:1, 12, ED in der dritten Classe von 1: 2, 55 bis 1: 1, 35, — — viren — — 1:1,43 — 1:1, 28. Die erste Classe begreift die Säugthiere, den Menschen mit eingeschlossen; die zweite die Vögel; die dritte die Amphibien und die vierte die Fische. Die wichtigsten der übrigen neurologischen Ver- schiedenheiten dieser Classen sind folgende. Bei den Säugthieren fliessen die Theile, woraus die Riech- und Sehenerven entspringen, mit dem übrigen grofsen Gehirn so zusammen, dafs sich keine Gränzen zwischen ihnen und diesem angeben lassen. Bei allen übrigen Wirbelthieren lassen sich vordere und hintere Hemisphären des grofsen Gehirns unter- scheiden, von welchen jene den Riechnerven, diese den Sehenerven zum Ursprunge dienen. Diese hintern Hemisphären sind in der Mittellinie des Gehirns ent- weder von einander getrennt, oder unmittelbar mit einander verbunden. Die Trennung findet bei den Vögeln, die Verbindung bei den Amphibien und Fischen statt. Diese Halbkugeln sind ferner kleiner oder gröfser als die vordern Hemisphären. Kleinere haben die Vögel, die Amphibien, Rochen und Haien; gröfsere die übrigen Fische. Die Säugthiere haben ein kleines Gehirn, das aus einem Mittelstück (dem Wurm) und zwei Hemis- phären besteht, und auf den Flächen eines verticalen Durchschnitts eine baumartige Verzweigung des Marks (einen Lebensbaum) zeigt. Bei den Vögeln sind von den Hemisphären des kleinen Gehirns blos noch Ru- dimente vorhanden. Das Mittelstück enthält aber noch 3% Ei... / einen deutlichen Lebensbaum. Bei den Amphibien und Fischen fehlt dieser ganz, und das kleine Gehirn ist blos eine, von einer dünnen Markplatte gebildete Blase. Blos die Säugthiere besitzen einen Hirnknoten. Bei den Fischen giebt es auf der Basis des Ge- hirns, hinter den Sehestreifen (Tractus optici) zwei symmetrische Hügel von solcher Ausdehnung, dafs sie den gröfsten Theil jener Basis ausmachen und den hintern Hemisphären an Gröfse nicht viel nachgeben. Die wirbellosen 'Thiere zerfallen ebenfalls nach der verschiedenen Bildung ihres Nervensystems in zwei gröfsere Abtheilungen. In der einen giebt es längs dem Bauche, entweder auf beiden Seiten, oder in der Mittellinie desselben, eine Reihe von Ganglien, die unter sich und mit der Mitte der untern Hälfte des Hirnrings dureh nervenartige Stränge verbunden sind, und der obere Theil des Hirmrings besteht aus zwei, unmittelbar mit einander verbundenen Hemisphären. In der andern Abtheilung findet man keine Reihe von Ganglien, die sich in grader Richtung von der Mitte der untern Hälfte des Hirnrings zum entgegen- gesetzten Ende des Körpers erstreckt, und die An- schwellungen beider Seiten des Hirnrings hängen nicht unmittelbar, sondern durch Fäden oder Bänder von Nervensubstanz mit einander zusammen. Zur ersten gehören die Thiere, deren ganzer Körper aus Ringen besteht, die mit einander artikuliren, also die Crusta- ceen, Insecten und Würmer; zur zweiten die Weich- thiere und Zoophyten. 37 Das unterscheidende neurologische Merkmal der Crustaceen und Insecten von den Würmern ist die Ungleichartigkeit in einzelnen Theilen des Strangs der Bauchknoten. Bei den höhern Insecten fällt diese Verschiedenheit beim ersten Anblicke auf. Es sind hier immer die Ganglien der Brust von anderer Gröfse und Gestalt als die des Hinterleibs. Geringer ist der Unterschied bei den, zunächst an die Würmer grän- zenden Asseln, Scolopendern und Julus. Doch haben auch hier die Knoten, aus welchen die Nerven der Zeugungstheile entstehen, noch immer eine andere Gröfse und Form als die übrigen. Hingegen bei den Würmern findet man keine weitere Verschiedenheit der Bauchknoten, als eine allmählige Abnahme in ihrer Gröfse und gegenseitigen Entfernung nach dem hintern Ende des Körpers hin. Sie haben mit den meisten Crustaceen und Insecten gemein, dafs es bei ihnen nur Einen Ganglienstrang giebt, der in der Mittel- linie des Bauchs liegt und aus einer symmetrischen, rechten und linken Hälfte besteht. Eine Abweichung von dieser Bildung ist den Phalangien eigen, bei welchen auf beiden Seiten des Bauchs Knoten liegen, die nur durch einfache Fäden mit einander verbun- den sind. Diese erste Abtheilung geht in die zweite durch die Cirripeden über, die in dem artikulirten, hintern Theil ihres Körpers einen solchen Ganglienstrang wie die vorigen Thiere, aber an dem obern Theile ihres Hirnrings keine, unmittelbar mit einander verbundene Hemisphären haben. Unter den Mollusken giebt es 38 Familien, die sich von allen übrigen Thieren durch einen unsymmetrischen Bau des Gehirns unterscheiden. Bei denen, deren Hirnring symmetrisch gebildet ist, hat dieser keine mittlere Centralmasse. Von dem Nervensystem der Zoophyten wissen wir nichts Ge- wisses. Aber nach der Allgemeinheit des strahlen- förmigen Baus in dieser Thierclasse läfst sich mit Wahrscheinlichkeit annehmen, dafs jenes System hier entweder ein einfaches, den Anfang des Nahrungs- canals umgebendes Band, oder ein, zu einem Ring verbundenes Aggregat von einfachen Knoten seyn mufs, aus welchem die Nerven strahlenförmig hervorgehen. Es fehlt noch sehr viel an hinreichenden Beob- achtungen, um diese neurologische Eintheilung ganz durchzuführen, und gäbe es deren auch genug, so würde hier eine, mehr ins Einzelne gehende Classi- fication nicht am rechten Orte stehen. Doch wird es nicht unpassend seyn, an einer Anordnung der Säug- thiere die Uebereinstimmung der, von dem Nerven- system entlehnten Kennzeichen mit den natürlichen Characteren der Familien noch näher zu zeigen. Das Verhältnifs des verlängerten Marks zum übrigen Gehirn, das wir schon bei der Bestimmung der Classen der Wirbelthiere von Werthe fanden, ist eben so wichtig bei der weitern Eintheilung dieser Classen. Ich habe dasselbe ähnlich bei ähnlichen Geschlechtern und Arten, und darin Stufenfolgen ge- funden, die den natürlichen Characteren entsprechen. Unter den Dimensionen des ganzen Gehirns und des verlängerten Marks ist es vorzüglich die gröfste 39 Breite beider Organe, deren Verhältuifs mit dem Ge- wichtsverhältnifs der letztern übereinstimmt, und diesem Dimensionsverhältnifs kömmt das der Queeraxe des Schädels zur Queeraxe des grofßsen Hinterhauptlochs sehr nahe. In der folgenden Tafel habe ich mehrere dieser Verhältnisse zusammengestellt und die Arten, denen sie angehören, nach deren natürlichen Ver- wandtschaft geordnet. Die mit einem Stern bezeich- neten sind aus Tiedemann’s Icones cerebri si- miarum et quorundam mammalium rariorum entlehnt, die übrigen von mir bestimmt worden. Die meisten der letztern beruhen auf unmittelbaren Mes- sungen des verlängerten Marks und grofsen Gehirns. Die, welchen ein Kreutz beigesetzt ist, sind die Breitenverhältnisse des grofsen Hinterhauptlochs zur Schädelhöhle. Es verhält sich die gröfste Breite des verlängerten Marks, gleich hinter dem Hirnknoten, zur gröfsten Breite des grofsen Gehirns bei dem Menschen wie 100: 685. — Simia Sphinx — 1:40. — . — Capucina — — : 480. — — Sabaea — — :414* — — RBResus — — : 369* — — Cynomolgus — — : 352* bis 360. — — Nemestrinn — — : 357.* — Lemur Mongoz — — :371* — Ursus maritimus — — : 322.4 — Canis Vulpes — — : 278. — Mustela Foina — — : 270 bis 308. bei Felis Leo... ....: wie 100 : 275.* — Nasua Narica — — : 208* bis 248. — Lotor vulgaris m 1 248.* — Erinaceus europaeus — —:230. — Talpa europaea — — : 200 bis 269. — Vespertilio myotis — — : 19. — Didelphis virginiana —, ılaıl47. — Mus alpinus — — 1227.* — + Rattus — — : 204. — — Cricetus — — : 200. — Hystrix cristata — — : 200.* — Oastor Fiber I ee — Cavia Augnti — — : 222.* — Lepus timidus — —:230. — Capra Ovis — ui: — Sus Scrofa sinensis — — : 222. — Phoca vitulina — — : 352.* — Monodon Narhwal — .— :8365.+ Wir haben hier eine doppelte Reihe: eine ab- nehmende und eine wachsende. Das oberste Glied der ersten ist der Mensch, das letzte derselben das Virginische Beutelthier. Die zweite Reihe fängt unten mit dem Beutelthier wieder an und steigt zu den Cetaceen herauf. Die Zwischenglieder zwischen dem Menschen und dem Beutelthier in der ersten Reihe sind zuerst die Affen, dann die Maki (Lemur), hier- auf die auf den Fufssohlen oder Zähen gehenden Carnivoren und dann die, sich von Insecten nährenden Gattungen Erinaceus, Talpa und Vespertilio. In der zweiten Reihe folgen auf das Beutelthier die Nager, 4 von welchen der Hase den Uebergang zu den Wieder- käuern macht. An die letztern schliessen sich die Pachydermaten, und von diesen geht die Folge durch die Phoken zu den Cetaceen über. Die obigen Thiere schliessen sich also eben so in dem Verhält- nifls des verlängerten Marks zum ganzen Gehirn wie in ihrer natürlichen Verwandtschaft an einander an. Manche Schriftsteller haben zwar für einige derselben andere Verwandtschaften angenommen und z. B. die Fledermäuse auf die Maki, die Phoken auf die Plan- tigraden folgen lassen. Allein wenn man bei Bestim- mung der natürlichen Verwandtschaft nicht blos auf die Aehnlichkeit einzelner, am meisten in die Augen fallender Theile, sondern des ganzen, sowohl innern als äussern Baus sieht, so wird man jenen 'Thieren die Stellen anweisen müssen, die sie in der obigen Reihe haben. Die Fledermäuse haben keine weitere Aehnlichkeit mit den Maki als die Brustzitzen, und die Phoken lassen sich nicht von den Wallrossen trennen, die durch die Gattung Manatus mit den Cetaceen eng verbunden sind. Hiermit soll aber keinesweges gesagt seyn, dafs sich eine ununterbrochene Verwandtschaftscale der Säugthiere nach dem Verhältnils des verlängerten Marks zum grofsen Gehirn entwerfen lasse. Findet man doch schon in der obigen Reihe Abweichungen von einer solchen Stufenfolge. Diese rühren zwar zum Theil davon her, dafs das Verhältnifs der gröfsten Breite des verlängerten Marks zur gröfsten Breite des grofsen Gehirns nicht ganz einerlei mit dem Verhältnifs 2 der Masse des verlängerten Marks zur Masse des ganzen übrigen Gehirns ist, und dafs die Zahl der Individuen, woran die obigen Maafse bestimmt wurden, bei weitem nicht grofs genug ist, um nach den Ver- hältnissen der gefundenen Dimensionen eine genaue Stufenfolge angeben zu können. Allein wenn diesen Mängeln abgeholfen wäre, so würde sich zuverlässig erwarten lassen, dafs, um in der Scale die Grade der natürlichen Verwandtschaft zu erhalten, den Haupt- gliedern der ab- und aufsteigenden Reihe Zwischen- reihen eingeschoben werden mülsten. Es ist z. B. nicht zu zweifeln, dafs bei den Faulthieren das ganze Gehirn, in Vergleichung mit dem verlängerten Mark, kleiner als bei den Maki und den obersten der fleisch- fressenden Thiere ist. Sie sind aber zunächst mit den Maki verwandt und müfsten also in der obigen Scale zwischen Lemur und Ursus gestellt werden. Wäre nun bei ihnen das Verhältnifs der gröfsten Breite des ver- längerten Marks zur gröfsten Breite des grofsen Ge- hirns = 100: 300, so verwandelte sich die abstei- gende Reihe, die in der obigen Scale vom Menschen bis zu den Beutelthieren geht, in zwei andere, von welchen die eine vom Menschen bis zum Faulthier, die andere vom Bären bis zum Beutelthier herabliefe. Aehnlicher Zwischenreihen würden sich ‚bei weitern Untersuchungen noch mehr ergeben. Solche Unter- brechungen der Hauptreihen sind aber auch den Gesetzen der natürlichen Verwandtschaft ganz ent- sprechend. Nur dann würden sie dies nicht seyn, wenn durch eingeschaltete Glieder rücklaufende Reihen Be. in einer der beiden Hauptreihen hervorgebracht würden. Dieser Fall würde z.B. eintreten, wenn es ein Thier gäbe, das nach der natürlichen Verwandtschaft unter, hingegen nach dem Verhältnifs des verlängerten Marks zum ganzen Gehirn über dem Faulthier stehen müflste. Ich glaube aber nicht, dafs eine solche Gattung ge- funden werden wird. Wie es für jede Gattung und Art nicht nur der Säugthiere, sondern auch aller übrigen Wirbelthiere, ein bestimmtes Verhältnifs des verlängerten Marks zum ganzen Gehirn giebt, so hat auch jedes Hirnorgan, besonders das kleine Gehirn, sein eigenes Verhältnifs zu den übrigen Theilen. Hiervon lassen sich weitere, generische und specifische Merkmale hernehmen, und so eröffnet sich die Aussicht, die sämmtlichen Wirbel- thiere nach numerischen, von dem Verhältnifs der Massen und Dimensionen der Hirntheile entlehnten Characteren zu unterscheiden und ihrer natürlichen Verwandtschaft gemäfs zu ordnen. Dieses Verhältnifs variirt zwar bei den verschiedenen Individuen einer und derselben Art. Doch werden sich für jede Art Gränzen, die dasselbe nicht überschreitet, bestimmen lassen. DRITTES BUCH. Erzeugung. Wenn man kennen gelernt hat, was sich an den lebenden Wesen als relativ beharrlich annehmen läfst, so ist der natürlichste Weg der weitern Forschung, die Erscheinungen, die sie von ihrem Entstehen an bis zu ihrem Tode zeigen, von allen Seiten zu unter- suchen und zuerst ihr Entstehen in Betrachtung zu ziehen. Bei diesem Gang tritt zwar eine Schwierig- keit ein. Die Lehre von der Erzeugung ist so genau mit der Lehre von der Zeugung verbunden, dafs sie sich nicht ganz von der letztern trennen läfst, die doch erst der Gegenstand weit späterer Untersuchungen seyn kann. Aber welche Methode man in der Biologie auch wählen mag, so ist es bei der einen wie bei der andern unmöglich, nicht Manches als bekannt voraussetzen zu müssen, was erst im Folgenden näher erklärt werden kann. Die Erzeugung ist im Allgemeinen von doppelter Art. Sie ist entweder ein Entstehen des Lebenden aus formloser Materie ohne Mitwirkung eines Zeugenden, oder eine Entstehung durch Fortpflanzung. ji Erzeugung ohne Zeugung. In den frühesten Zeiten der Naturkunde sahe man allenthalben, wo sich nicht gleich die Abkunft neu entstandener Pflanzen und Thiere errathen liefs, diese Art der Erzeugung. Nachdem Redi und Val- lisnieri durch zahlreiche Erfahrungea das Unrichtige dieser Ansicht bewiesen hatten, wurde es ein Glaubens- artikel, dafs jedes Erzeugte durch Zeugung hervor- gebracht sey. Erst Needham wagte es, sich auf seine Beobachtungen über die Entstehung der Infu- sionsthiere stützend, die allgemeine Gültigkeit dieser Meinung zu bezweifeln. Spallanzani suchte ihn zu widerlegen. Aber Buffon, O. F. Müller und Wrisberg machten neue Erfahrungen bekannt, wo- durch die Schlüsse, die Needham aus den seinigen gezogen hatte, Bestätigung erhielten, und Patrin zeigte sowohl die Schwäche der Gegengründe Spal- lanzani’s, als die Schwierigkeit, alle bei der Ent- stehung der Infusorien vorkommende Erscheinungen mit der Voraussetzung des Entstehens dieser Wesen aus Keimen zu vereinigen. Als hierauf Werner, Goeze, Bloch, Zeder, Rudolphi u. s. w. die von Redi begonnene Untersuchung der Eingeweide- würmer fortsetzten, fanden sie auch bei der Entste- hung dieser Thiere Räthsel, die unauflöslich schienen, wenn man keine andere Erzeugung als durch Fort- pfianzung bei ihnen gelten liefs. Doch der gröfsere Theil der Naturforscher blieb bei dem Glauben an diese Erzeugungsart als die einzig wirkliche. Ich glaube, Bi: _ AO mir einiges Verdienst zuschreiben zu dürfen, durch eine Sichtung der bisherigen Erfahrungen und durch neue Versuche, die ich im 2ten Bande meiner Biologie bekannt machte, der entgegengesetzten Meinung ‚mehr Eingang verschafft zu haben. Seit der Erscheinung jenes Bandes sind Viele mit weitern Beobachtungen, die zum Beweise dieser Meinung dienen sollen, ‚auf- getreten. Aber wenn man sich ehemals das Wider- legen der alten Lehre von der Generatio aequivoca leicht machte, so hat man neuerlich Gründe für sie in Wahrnehmungen finden wollen, woraus in der That nichts zu schliessen ist. | Es läfst sich über die Frage, ob gewisse Pflanzen oder Thiere ohne Keime entstehen, die von ähnlichen Wesen abstammen? auf zweierlei Weise entscheiden: man mufs entweder eine Entstehungsart derselben aufweisen, wobei jede Möglichkeit des Zutritts von Keimen zu dem Bildungsstoff des Erzeugten auf- gehoben ist; oder die Entstehung mufs von Erschei- nungen begleitet seyn, welche nicht statt finden könnten, wenn das Entstehende sich aus einem Keim entwickelte. Auf die erste Art Gewifsheit zu erhalten, ist höchst schwierig, wo nicht unmöglich. Die organischen Körper, die zu Versuchen über jene Erzeugung ge- eignet sind, gehören zu den Infusionsthieren, Algen, Flechten und Schwämmen. Wenn auch diese Wesen zum Theil nicht auf dem Wege der Fortpflanzung entstehen, so haben sie doch mit allen übrigen leben- den Wesen das Vermögen sich fortzupflanzen gemein. Viele darunter sind von microscopischer Kleinheit, 47 und die Keime, die sie hervorbringen, lassen sich entweder gar nicht, oder nur mit sehr starken Ver- gröfserungsgläsern wahrnehmen. Diese Keime müssen bei ihrer Kleinheit und Leichtigkeit fähig seyn, lange in der Luft schwebend zu bleiben. Sie können sich mit unter den Sonnenstäubchen befinden, womit die Luft allenthalben und selbst in grofsen Höhen an- gefüllt ist, und in dem Staub, der sich auf jeder Fläche absetzt, zu welcher die Luft Zutritt hat. Sie tragen gewifs zu dem Gehalt an vegetabilischer und animalischer Materie bei, den man in jedem Regen- und Schneewasser findet. Manche derselben besitzen vielleicht eine solche Tenacität des Lebens, defs sie ihre Keimkraft noch unter Umständen behalten, wor- unter die Keime der höhern Thiere diese verliehren. Soll sich doch die Keimkraft der Saamen vieler pha- nerogamischer Pflanzen unter Wasser bis 20 Jahre, unter der Erde, ausser aller Einwirkung der atmo- sphärischen Luft, bis 100 Jahre erhalten, *) und erzählt doch van Swieten**) aus eigener Erfahrung von Minosenkörnern, die nach 80, und von gewissen Bohnen, die nach zweihund®& Jahren noch keimten. Will man nicht sogar eine, vielleicht zweitausend Jahre alte Zwiebel aus der Hand einer Egyptischen Mumie noch zum Treiben gebracht haben? ***) Es ist endlich * Dureau de Ia Malle, Annales des sciences natur. par Au- douin etc. T, V. **) Commentar. in Boerhaavii aphorism. T. IV. Edit. Hildburgh. $. 1265. p. 338. **) 'The lourn. of the Royal Institution of Great-Britain. No. 1. pag. 196, ae... möglich, dafs einige jener Keime sich aus jedem Atom ihrer Substanz nicht weniger vollständig reproduciren, wie die zerschnittenen Polypen aus gröfßsern Stücken. Wenn man dies Alles zusammennimmt, so kann man keinen Versuch über die obige Frage für entscheidend gelten lassen, wobei die angewandten Substanzen vor demselben eine, auch nur kurze Zeit der Luft aus- gesetzt waren und die letztere während demselben auf irgend eine Art Zutritt zu den Substanzen be- kommen konnte. Dafs diese Bedingungen sich nicht auf blofsen Möglichkeiten gründen, beweisen Willdenow’s Er- fahrungen über die Entstehung von Farrnkräutern unter Umständen, wobei es schwer hielt zu sagen, wie dieselben aus Saamen erzeugt seyn konnten, und es doch nicht zu bezweifeln war, dafs sie daraus ent- standen seyn mufsten. *) Willdenow fand bei Versuehen mit dem Aussäen exotischer Farrnkräuter, dafs die in den Gewächshäusern des botanischen Gartens zu Berlin angebauten Pflanzen dieser Familie sich als Unkraut verbreiteten und dem Aufkommen der ausgesäeten hinderlich wurden. Um ihrer Ver- breitung auszuweichen, liefs er im Frühling ein eigenes Mistbeet einrichten und die Erde zur Aussaat aus dem nächsten Walde hohlen. Er brauchte ausserdem noch die Vorsicht, die Töpfe in einem, von den Gewächs- häusern weit entlegenen Zimmer mit den Saamen zu bestreuen. Dessen ungeachtet schossen Pteris longifolia *) Magazin der Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin f. d. neuesten Entdeckungen in der Naturkunde. J. 2. S, 294. und serrulata, Acrostichum Calomelanos und Hemionitis dealbata in solcher Menge auf, dafs es schien, als wären die Töpfe mit diesen Arten eigens besäet worden. Er wiederhohlte den Versuch im Frühling des folgenden Jahrs, indem er noch die Vorsicht gebrauchte, die Saamentöpfe mit Glasglocken zu bedecken, um allen fremdartigen Saamen davon abzuhalten. Aber die ge- wöhnlichen Farrnkräuter der Gewächshäuser blieben nach wie vor als Unkraut herrschend. „Mir ist es „unerklärbar,” sagt Willdenow, ‚wie der Saamen zu „den Töpfen habe gelangen können, wenn ich be- „denke, dafs das nächste Gewächshaus über zwei „Ruthen von dem Mistbeet entfernt war, dafs das „Mistbeet mit Fenstern, die Töpfe mit Glasglocken „bedeckt waren, und dafs die Erde nicht aus dem „Garten, sondern aus dem Walde gehohlt wurde. „Die einzige mögliche Erklärung bleibt mir nur, dafs „ich annehme, der freie Saamen der Farrnkräuter „schwebe in der Luft und werde beim Oeffnen des „Mistbeets und der Glasglocken auf die Erde hin- „„ getrieben.” So gewifs aber in diesem Falle die Entstehung der Farrukräuter aus Saamen auch war, so hatte doch Willdenow sehr Unrecht, daraus zu schliessen, was er daraus schloß, es finde gar keine andere Ent- stehung des Lebenden als aus Saamen statt. Dieser Satz ist und bleibt unbewiesen. Nur soviel ist wahr, dafs dem, der einen ganz strengen Beweis für das Gegentheil fordert, ein solcher auch nicht gegeben werden kann. Die Erzeugung der Infusorien und an- 4 50 derer Wesen der untersten Stufen des Thier- und Pflanzenreichs ist zwar von Erscheinungen begleitet, die sich schwerlich deuten lassen, wenn man keinen andern Ursprung dieser Wesen als aus Keimen an- nimmt. Allein die Möglichkeit einer Deutung bei der Voraussetzung präexistirender Keime ist doch nicht aufgehoben. Ich habe im 2ten Bande der Biologie (S. 264 fg.) von diesen Phänomenen die, welche ich in andern Schriften fand und die ich selber beobachtet hatte, zusammengestellt. Wenn auch darunter manche sind, woraus ich jetzt nicht mehr schliessen kann, was ich früher daraus folgern zu dürfen glaubte, so haben doch einige derselben Werth behalten und durch neuere Erfahrungen an Gewicht noch gewonnen. Aber dafs eine darunter ist, gegen die sich gar keine Einwendungen machen lassen, kann ich nicht behaupten. Zu diesen Erscheinungen gehört vorzüglich der Uebergang der Bläschen, die in animalischen und vegetabilischen Theilen enthalten sind, in Infusions- thiere, woraus wieder gröfsere 'Thiere und Pflanzen entstehen, und des thierischen Schleims in Eingeweide- würmer. Jene Bläschen befinden sich unter andern in den Gliedern aller Conferven. Sie füllen entweder den innern Raum dieser Glieder ganz aus, oder liegen darin zu regelmäfsigen Figuren vereinigt und haben einerlei Gestalt mit denen, die man im Zellgewebe aller Pflanzen findet. Drückt man sie in frischem Wasser aus ihren Behältern hervor, so sieht man sie nach einiger Zeit sich bei einigen Confervenarten als Infusionsthiere verhalten und nach dem Zeugnils 5i mehrerer Beobachter die Confervenart, woraus sie entstanden sind, durch Juxtaposition reproduciren. Diese Erfahrung machte Mertens an Conferva mu- tabilis und compacta Roth.*), mein Bruder an Con- ferva mutabilis R. und Conferva lucens Dillw.**), Grillon an Conferva comoides Dillw. **) und ich an Conferva spirali Müll. ***) Dagegen wollen Turpin *****) und Andere die Reproduction durch eine Vereinigung der Bläschen nicht gelten lassen, *) Weber’s und Mohr’s Beiträge zur Naturkunde, B. 1. S. 348. **) Vermischte Schriften von G. R. und L. €. Treviranus. Bd. 2. S. 79. **) Experiences microsc. et physiol. sur une espece de Conferve marine etc. Rouen 1823. “ee, Biologie. B. 3. S. 281. Die Verwandlung der Keimkörner der Conferven und anderer Algen in Infusorien und der Infusorien in Algen war schon früher, unter andern von Trentepohl an Conferva di- latata ß Roth. (Ectosperma clavata Vauch.) und von mir an Conferva limosa Dillw. bemerkt. (Biologie B. 4. S. 634. 636.) Bei einigen ähn- lichen, frühern Wahrnehmungen können Täuschungen statt gefunden haben, da nach Vaucher (Hist. des Conf. d’eau douce. p. 17) Cyelops Lupula Müll. seine Eier in die von Vaucher mit dem Namen der Ectos- permen belegten Conferven, so wie nach Cavolini (Abh. über die Erzeu- gung der Fische und Krebse, S, 168) eine Oniskenart die ihrigen in die Ulva Lactuca legt. Eine solche Verwechselung kann aber bei den ven Trentepohl und mir gemachten Erfahrungen nicht vorgegangen seyn. Die scheinbar willkührlichen Bewegungen der Keimkörner der Conferva dilatata und das Hervorkeimen junger Conferven aus den letztern nach eingetretener Ruhe derselben in Trentepohl’s Beobachtungen sind von ähnlicher Art wie die Erscheinungen, die man nach Grant (The Edinburgh new philos. Journ. 1826. Oet. — Dec. p. 121) an den Eiern der Spongien und anderer Zoophyten findet. Auch hat Unger (Ver- handl. der Kaiserl. Acad. der Naturforscher. B. XIII. Abtlı. 2. S. 789) die Erscheinungen bei jener Fortpflanzung der Conferva dilatata durch alle Stufen so genau verfolgt, dafs über die Richtigkeit derselben kein Zweifel seyn kann. +++) Mem, du Mus. d’Hist. nat. T. XV. p. 308. 4* >2 ae en sondern leiten sie von einem Hervorwachsen neuer Bläschen aus den ursprünglichen ab. Auf diesen Punct kömmt Alles an. Ist es blos ein Auswachsen, wodurch die Wiedererzeugung geschieht, so läfst sich nichts weiter schliessen, als dafs das Vermögen sich durch Sprossen zu vermehren, welches allen niedern, vege- tabilischen und animalischen Wesen eigen ist, sich sogar in den kleinsten, vom Ganzen abgesonderten, organischen Elementen bei den Conferven, wie nach Cassini*) auch bei den Flechten, äussert. Nur wenn die neue Bildung durch ein Zusammentreten der Bläschen bewirkt wird, darf man eine andere Erzeugung als durch Fortpflanzung daraus folgern. Es ist aber gleich schwer, über das Eine und das Andere etwas mit völliger Gewilsheit auszumachen. Bei den Eingeweidewürmern hatte man schon längst Gründe, einen unmittelbaren Ursprung der- selben aus den thierischen Säften anzunehmen. Manche derselben ertragen zwar eben so wenig eine scharfe Prüfung, so scheinbar sie auf den ersten Anblick auch sind, als mehrere der Beweise, die man für eine solche Entstehung der Infusiensthiere angeführt hat. Es läfst sich z. B. daraus, dafs man Entozoen in Eiern und Embryonen fand, nicht auf jenen Ursprung schliessen, da man auch Stecknadeln und kleine Kiesel- steine in Eiern antraf, die doch aus dem Körper der Mutter dahin gelangt seyn mulsten. *) Nach von Baer’s Entdeckung können auch einige Eingeweide- *) Bulletin des sc. par la Societe philom, de Paris, *) Tiedemann’s Auat. und Nat. Gesch, der Vögel. B. 2. 8.128. u. würmer lange Zeit in Wasser leben und daraus in den Körper der Fische dringen.*) Linnd’s Beobachtung von lebenden Bandwürmern im Wasser ist also von O. F. Müller und Andern zu voreilig verworfen worden. **) Es giebt aber doch Thatsachen, denen nichts fehlen würde, um für augenscheinliche Beweise einer unmitttelbaren Bildung der Eingeweidewürmer aus den thierischen Säften gelten zu können, wenn sie nicht mehr als eine einzige Erklärung zuliessen. Ich sahe bei Menschen Abgänge von schleimigen Concretionen, die das Ansehn hatten, als ob sie die ersten Anfänge sich bildender Würmer wären. Dann fand ich bei Teichmuscheln (Anodon) in den Eier- gängen und in dem Eingeweide, das man bald für eme Lunge, bald für eme Niere gehalten hat, lange Fäden, die zum "Theil Spuren von Ringen hatten, zum "Theil aber nichts Organisches zeigten. Jene Concretionen und diese Fäden sind vielleicht ein ge- ronnener'thierischer Saft, der in Eingeweidewürmer übergeht. Aber können sie nicht auch abgestorbene Entozoen seyn, deren Form und Textur durch die Einwirkung thierischer Säfte undeutlicher geworden ist? Hierauf vermag ich nicht, eine entscheidende Antwort zu geben. Von Baer***) erklärt die Fäden der Teeich- muscheln für das Rudiment eines sich bildenden Ein- geweidewurms, den er Bucephalus nennet. Die *) Verhandl, der Gesellsch, naturf,. Freunde in Berlin. B, 1. St. 6 S. 388. **) Biol. B. 2. S. 164 fg. ***) In Burdach’s Physiologie als Erfahrungsw. B. 1. 8. 24. 54 Fäden sind, seiner Beschreibung nach, anfangs un- gegliedert und haben einen halbflüssigen Inhalt. Später gliedern sie sich und bekommen in jedem Gliede einige Keimkörner. Diese Körner wachsen zu Bucephalen aus, die erst bei völliger Ausbildung die Schleimfäden zu verlassen im Stande sind. Aber auch hierbei bleibt die Ungewilsheit, ob die Fäden nicht vorher lebend und geringelt sind, ehe die Keimkörner sich in ihnen erzeugen. Diese Voraussetzung ist wahrscheinlicher als die entgegengesetzte. Es läfst sich eher ein unmittel- barer Uebergang eines formlosen thierischen Safts in ein geformtes Ganzes, als eine Entstehung von Keim- körnern in einem leblosen Rudiment eines 'Thhiers denken. Die Erzeugung der Eingeweidewürmer bleibt indefs der Punct, von dessen weitern Verfolgung wir uns am ersten eine entscheidende Antwort auf die Frage versprechen dürfen: ob Lebendes gebildet wird, ohne von einem gleichartigen lebenden Wesen als Sprosse oder Brut hervorgebracht zu werden? Alle frühere Erfahrungen stimmen darin über- ein, dafs nichts Lebendes aus blofsen Stoffen der todten Natur entsteht. In neuern Zeiten will man sogar Beweise für das Gegentheil dieses Satzes gefunden haben. Gruithuisen*) sahe in Aufgüssen von reinem Wasser auf Granit, Kohlenblende und Muschelmarmor Infusionsthiere, und Retzius**) in einer Auflösung von salzsaurem Baryt in destillirtem Wasser, die ein *) Beiträge zur Physiognosie und Eautognosie. S. 100. **, Froriep?’s Notizen aus den Gebiet der Natur- u. Heilkunde. B. 5. S. 56. 55 halbes Jahr in einer, mit einem gläsernen Stöpsel verschlossenen Flasche gestanden hatte, eine eigene Confervenart sich bilden. Allein was Gruithuisen für Infusionsthiere hielt, waren gewifs nur unorgani- sche Molekulen, die bekanntlich nach R. Brown’s Entdeckung ebenfalls in Wasser eigene Bewegungen äussern. Auf jeden Fall läfst sich aus diesen, wie aus allen andern Versuchen, wobei die atmosphärische Luft mit ihrem Gehalt an fremdartigen Stoffen im Spiele war, nichts Sicheres schliessen. Es ist wahr, die Protoplasten der ganzen lebenden Natur müssen einst aus leblosen Stoffen erzeugt seyn. Aber sowenig daraus, dafs in den frühesten Zeiten der Erde Granit hervorgebracht wurde, folgt, dieser könne noch jetzt entstehen, läfst sich aus dem ersten Ursprung des Lebenden auf den jetzigen ein Schlufs ziehen. Erzeugung durch Fortpflanzung. Es giebt nichts Lebendes, was nicht Lebendes hervorzubringen vermag. Die Arten der Hervorbrin- gung sind aber sehr mannichfaltig. Im Allgemeinen lassen sich drei derselben annehmen: durch Theilung, durch Sprossen und durch Eier. Die erste und zweite findet sich nur bei Pflanzen, Zoophyten und Würmern. Die dritte ist allen lebenden Wesen eigen. Die eine ist in der Regel nie gleichzeitig mit den übrigen. Keine findet unter allen Umständen stait, und manche Gewächse und Thiere pflanzen sich mehr auf die eine, als auf die andere, einige auch bios auf die eine Art fort. Fortpflanzung durch Theitung. Die Vermebrung, durch Theilung kann nur da eintreten, wo der vom Ganzen abgesonderte Theil mit dem Ganzen einerlei Structur hat. Sie ist zwar auch mehrern Würmern, y B. den Regenwürmern, eigen, deren Vordertheil den Mund, den Hirnring,, die Zeugungstheile und. ‚noch andere Organe enthält, die dem Hintertheile fehlen. Es ist aber nicht aus-. gemacht, dafs bei ieseh Thieren der Hintertheil zu, einem eben so vollständigen Wesen wie der Vorder- theil heranwächst. Dafs sich jeder Theil, zu ‚einem vollständigen Ganzen wieder ausbildet, wissen wir nur mit ‚Gewifsheit von den ‚Pflanzen und Zoophyten,, Organismen, die in jedem "Theil den nehmlichen Innern Bau wie in allen übrigen besitzen. Je einförmiger, und gleichartiger dieser Bau ist, desto stärker ist das Vermögen, sich durch, Theilung, zu, vermehren. Von den Lichenen und Conferven läfst sich daher jedes, In- dividuum durch Zerstückeln unendlich vervielfältigen. Die Theilung geschieht entweder von. freien Stücken, oder durch zufällige äussere Einwirkungen. | Freiwillige Theilung als Art, der Fortpflanzung findet im Pflanzenreiche wohl,nur, bei den auf ‚der Gränze dieses Reichs, den Thieren zunächst. stehenden Oscil- latorien statt.*) Was sich sonst bei den Pflanzen vom Ganzen absondert, um sich zu einem Ganzen zu ent- wickeln, sind immer Sprossen. Häufiger kömmt die freiwillige Theilung bei den Thieren vor, In. der *) Biol. B. 2. S. 283. 57 Familie der Infusorien ' wurde: sie\,oft ‚beobachtet. *) Bei den Hydern kennt man: sie aus;den Beobachtungen Trembley"s. *)'!Von der bunten‘ Naide (Lumbricus variegatus Müll.) sahe Bonnet ***), von der gezün- gelten. Naide Müller "***). die einzelnen; Theile sich eben ‚sowohl. ..nach ‚zufälliger, ! als ‚nach‘ künstlicher Theilung zu ganzen Würmern reprodueiren. Die: bunte Naide zerspringt'zuweilen von freien Stücken in mehrere Theile +). Die schlangenförmige Naide (Nais; serpen- tina) gehört ebenfalls ‚hierher, indem sich, wenn sie sich von: freien Stücken in zwei Hälften getheilt hat, an. der vordern ein Schwanz , an der hintern ein Kopf erzeugt F}). Nach Johnson F+F7) ist die freiwillige Theilung den Planarien eigen. Der Kopf dieser Würmer trennet ‚sich. zu. einer. gewissen. Zeit vom Hintertheil und bekömmt einen neuen Schwanz, während aus dem Schwanz ein neuer‘ Kopf hervorwächst, Merkwürdig ist es, ‚dafs diese‘ Vermehrung schneller vor sich geht, wenn die Planarien einzeln gehalten werden, als wenn *) Biol. B. 3..S. 276. Andere Beispiele geben: Trichoda inquilinus und Leucophra undulata. (Müller Zool. Dan. Vol. 1. p. 9. Tab. IX. f. 2. Vol.11.p.56). Ellis fand diese Vermehrungsart bei den Infusorien so selten, dafs er meinte, da, wo sie statt fände, würde sie durch äussere Ursachen, auf ähnliche Art wie die Vervielfältigung durch künstliche Theilung, veranlafst (Philos. Transact. Y. 1769. p. 138). Aber die Süfswasser- polypen pflanzen‘ sieh auch nicht häufig durch freiwillige Theilung fort, und doch geschieht ‚die Theilung bei ihnen gewifs ohne äussere Ursache. **) Mem, pour servir a l’Hist. des Polypes. p. 194, *#F) Oeuvren. T. I. p.,132. *###, Yon Würmern. S. 142, }) Müller von Würmern. S. 41. Tr) Rösel’s Insectenbelustigung. ıTh.; 3.8, 571. rt} Philos. Transact. Y. 1325. p. 252. Er. sie beisammen sind. Vielleicht pflanzt sich auch der gemeine Regenwurm in der kalten Zone des Nordens durch freiwillige Theilung fort. O. Fabricius*) sagt von diesem: er habe oft in Grönland gesehen, dafs, wenn man denselben berührte, zwei Würmer daraus würden, indem ein kleinerer von dem angefafsten gröfsern abfiele; die Grönländer, die dieses Factum kennten, hätten den Glauben, der kleinere sey ein Junges des gröfsern, welches er auch nicht für un- wahrscheinlich halte, da beide 'Thiere immer voll- ständig wären. Hiernach‘ bleibt es freilich ungewils, ob es in diesem Fall ein Sprosse, oder ein Theil des Wurms ist, was sich von ‘diesem absondert. Durch künstliche Theilung lassen sich alle Pflanzen vermehren. Wenn diese Operation bisher noch‘ bei manchen Arten nicht gelang, so lag der Grund an Unkunde der Bedingungen des’ glücklichen Erfolgs. So hielt man ehemals die Nadelhölzer ‘für unfähig, durch Stecklinge vermehrt zu werden, von denen man jetzt weils, dafs sie sich dadurch ebenfalls fortpflanzen lassen **). Von den Zoophyteu ist es bekannt, wie sehr fähig zur Vermehrung durch mechanische 'Theilung sie sind ***). Unter den Würmern kennet man als solche, die sich dadurch vervielfältigen lassen, die Planarien, besonders Planaria cornuta Johns. die sich aus jedem, noch so kleinen Stück des Schwanzes *), Fauna Groenlaud. p. 276. **+) Verhandl. des Vereins zur Beförderung des Garfenbaus in den Preufsischen Staaten. B. IV. H. 1. S. 139. *##) Biol. B. 3. S. Sl. 59 reproducirt *), die meisten Naiden **), den gemeinen Regenwurm +) und einige Eingeweidewürmer ++). Fortpflanzung durch Sprossen. Die Vermehrung durch Sprossen unterscheidet sich von der vorigen darin, dafs es bei ihr nicht ein Theil des Ganzen ist, was sich erst nach der Tren- nung zu einem eigenen Individuum entwickelt, sondern dafs aus dem Ganzen ein neues Individuum hervor- wächst, welches sich erst, wenn es ausgebildet ist, vom Ganzen trennet. Der hierbei sich zuerst bildende Theil ist immer der, welcher die Organe enthält, wodurch das künftige Gewächs oder Thier ernährt wird, also bei den Pflanzen der Wurzelstock, bei den Zoophyten und Würmern der mittlere oder hintere, nicht der vordere "Theil des Körpers. *) Johnson a. a. O, **) Namentlich Nais proboscidea, vermienlaris, serpentina, harbata, variegata (Lumbricus variegatus Müll.), Tubifex (Lumbr. Tubifex Müll.) Müller von Würmern. S. 42, 87. Rösel’s Insectenbelustigung. Th. 3, S. 572. Oeuvres de Bonnet. T. I. p. 195. 119. 234. Mehrere andere Naiden, woran Bonnet die Fortpflanzung durch Theilung ebenfalls be- obachiete, lassen sich wegen seiner unvollständigen Beschreibung nicht bestimmen. 7) Man hat die Richtigkeit der Beobachtungen Reaumur’s, Bonnet’s und Spallanzani’s über das Vermögen des Erdregen- wurms, sich aus einzelnen Stücken zu reprodueiren, in Zweifel gezogen, weil bei spätern Versuchen die abgeschnittenen Stücke zwar lange lebten, doch nicht zn ganzen Thieren heranwuchsen. (Leo de structura lumbrici terrestris. Regiom, 1820. p. 31). Allein jene Naturforscher haben ihre Erfahrungen zu umständlich beschrieben, als dafs man eine Täuschung dabei annehmen kann. Reaumur Mei. pour servir a l’Hist. des Ins. T. VL p. LXIV. Bonnet aa 0. T. IL p. 242. T. II p. 218. Biol. B. 3. S. 516. +p Biol. B. 3. S. 273, 60 Die Sprossen der Pflanzen, aus welchen sich selbstständige Individuen entwickeln, bestehen immer aus zwei Theilen: einem weichen Zellgewebe, in dessen Zellen eine Menge Satzmehl, als die erste Nahrung des künftigen Stamms, abgesondert ist, und aus einer härtern, mit längslaufenden Gefälsen ver- sehenen Substanz, die sich in den künftigen Stamm fortsetzt. Jenen Theil kann man den Mehlbehälter nennen; dieser ist die Masse, die Malpighi bei den Zwiebeln das Corpus solidum nannte. Der letztere liegt entweder auf der Oberfläche, oder im Innern des Mehlbehälters. Im ersten Fall ist die Sprosse ein Knollen; im zweiten eine Zwiebel *). Die Zwie- beln kommen bei den Monocotyledonen vor und bilden sich gewöhnlich unter der Erde. Die Fortpflanzung durch Knollen findet sowohl bei den Dicotyledonen als den Monocotyledonen statt. Sie erzeugen sich am häufigsten, gleich den Zwiebeln, unter der Erde, doch auch bei manchen Gewächsen über derselben am Stamm, wie bei mehrern Laucharten und einigen Lilien, oder an den Zweigen, wie bei 'Trevirania pulchella. Die aus Knollen und Zwiebeln entstehenden Pflanzen wachsen als selbstständige Individuen auf, Q *) Die Unterschiede, die man bei andern Schriftstellern, z. B. bei Medicus (Pflanzenphysiologische Abhandl. Th. 2. S. 135) zwischen Zwiebeln und Knollen angegeben findet, scheinen mir. unwesentliche zu seyn. Medicus fand den festen Körper nicht in der Zwiebel einer Hyacinthenart, die er Usteria hyaeinthiflora nannte und zweifelhaft für Hyacirithus cernuus L. hielt. Aber dieser Theil fehlte gewils nicht; er war nur in einer weniger ausgezeichneten Form, als der gewöhnlichen, zugegen. 61 indem entweder während ihrer Entwickelung ihre Mutterpflanze abstirbt, oder sie sich schon vorher von dieser trennen. *) Der Wurzelstock fehlt den blofsen Knospen. Was aus diesen entsteht bleibt daher ein Theil des ursprünglichen Ganzen, wenn es nicht durch Zufall oder vermöge der Art seines Wachs- thums in Lagen geräth, worin es Wurzeln schlagen kann, oder durch Kunst in solche Lagen versetzt wird. Den Wasserpflanzen ist dieses Bewurzeln in ihrem Element leichter als den übrigen Gewächsen. Unter diesen ist daher die Fortpflanzung durch blofse Knospen häufig, und von einer derselben, der Lemna, weifs man auch, dafs ihre Seitentriebe sich, wenn sie be- wurzelt sind, von der Mutterpflanze absondern. **) Aber bei dieser Vermehrungsart wird der Wurzelstock erst hervorgebracht, wenn der Stamm schon vorhan- den ist. Sie kömmt also mit der Fortpflanzung durch Theilung überein. Knollen und Knospen sind auch die Gebilde, woraus die Sprossen der eryptogamischen Gewächse hervortreten, und für diese gilt ebenfalls das Gesetz, dafs nur die, welche aus Knollen entspringen, gleich bei ihrem Hervorwachsen ein eigenes Leben führen, *) Weitere Beobachtungen über die Entwickelung der Zwiebeln und Knollen haben mein Bruder (Verm. Schriften von G. R. und L. C. Treviranus. B. 4. S. 193), Vrolick (Regensburger botan, Zeitung. 1829. N. 46. S. 270), Tristan (Mem. du Mus. d’Hist. nat. T. X. p. 36) und Nolde (Botan. Bemerkungen über Stratiotes und Sagittaria. Kopen- hagen. 1325) bekannt gemacht. ”*) Swammerdamm Bibl, nat. p. 826. Trembley Mem, pour servir a l’Hist. des Polypes. p. 205. 62 während die Erzeugnisse aus Knospen erst selbst- ständig werden, wenn sie sich schon an der Mutter- pflanze entwickelt haben. Die Knollenbildung ist nicht selten bei den Algen und häufig bei den Schwämmen, die Knospenbildung bei den Laubmoosen, besonders bei mehrern Arten des Hypnum. *) Bei manchen Algen bilden sich die Knollen im Innern der Substanz dieser Pflanzen. Es hält zwar bei diesen Gewächsen schwer, immer mit Gewifsheit zu sagen, was Knollen und was Eier sind. Aber man kann doch nicht die im Innern der Linckien, der Ulven und der Trüffeln befindlichen Kügelchen, die bei den Linckien wie Perlen auf einer Schnur an einander gereihet, bei den Ulven in graden Linien geordnet sind, bei den Trüffeln in der Substanz derselben zerstreuet liegen, und welche sich nach dem Absterben der Mutter- pflanze zu eigenen Individuen entwickeln, **) für Eier ansehen, da diese Keimkörner schon beim Entstehen des Muttergewächses vorhanden sind, die Bildung von Eiern aber erst anfängt, wenn der mütterliche Körper ausgebildet ist. ***) Diesen innern Knollen müssen auch die Keime gleich gesetzt werden, die in der Substanz mancher Infusionsthiere, z. B. des Gonium pectorale und des *) Bridel Muscolog. recent. T. I. p. 70. *) Vaucher Hist. des Conferves d’eau douce. p. 208. 231. Revue encyclop. T. 35. p. 794. ***) In der inwendigen, schleimigen Substanz älterer Exemplare der Linckia pruniformis Roth. fand ich in der That ausser den kleinen, gegliederten Röhren,.die schon in den jüngern Individuen zugegen sind, auch Körper die das Ansehn von Fruchtkörnern hatten. BAR Volvox Globator, *) zu allen Zeiten vorhanden sind. **) Auf diese und die obigen Wesen der untersten Stufen des Thier- und Pflanzenreichs ist aber auch die Ver- mehrungsart durch innere Keime, die für Knollen gelten können, beschränkt. Bei allen höhern Thieren sind die innern Keime entweder wirkliche Eier, oder Mittelkörper zwischen Eiern und Knollen. Die Sprossen- bildung geschieht immer bei ihnen durch äussere Keime, die den Knospen der phanerogamischen Ge- wächse zu vergleichen sind, indem sie gleich diesen solange von der Mutterpflanze ernährt werden, bis sie mit eigenen Ernährungswerkzeugen versehen sind. Sie ist allgemein bei den Polypen, seltener bei den höhern Zoophyten, und häufig bei einigen Gattungen der Würmer, während sie bei andern gar nicht vorkömmt. Die Sprossen der Polypen wachsen entweder frei, oder bedeckt hervor. Jenes ist der Fall bei den Hy- dern und den übrigen Polypen, die nicht in Zellen befindlich sind; dieses bei denen, welche Zellen be- wohnen. *“*) Bei den Hydern ist der Anfang der Sprosse ein kleiner conischer Auswuchs auf der Ober- fläche des Mutterstocks. Der Kegel ist anfangs breit und kurz. Bei seiner Zunahme wird er an der Basis immer schmäler, indem er an Länge zunimmt, so dafs er nach einiger Zeit die Gestalt eines Cylinders *) Biol. B. 3, S. 276. **) Man vergl. Burdach’s Physiologie als Erfahrungswissenschaft. B.41.2S..,39; =) Z. B. ‚bei Sertularia Cusenfa, Müller Zool. Dan. Vol. IM. p. 62. Tab. CXVI. fig. 3. 64 bekömmt. Aus dem äussern Ende dieses Cylinders dringen die Arme in der Gestalt kleiner Spitzen hervor. Bei seinem Hervorwachsen dehnt sich mit der äussern Substanz zugleich der Nahrungscanal des Mutterstocks zu einem Sack aus, der sich in den Auswuchs er- streckt und nach der Entwickelung der Arme zwischen diesen nach aussen öffnet.‘ Die Sprosse bleibt nach ihrer Ausbildung entweder in Verbindung mit dem Mutterpolypen und macht, gleich dem Zweig einer Pflanze, einen Theil desselben aus; oder ihre Basis zieht sich immer mehr zusammen, während in dem- selben Verhältnifs der Zusammenhang ihres Nahrungs- canals mit dem der Mutter immer geringer wird. In dem letztern Fall trennt sie sich auf ähnliche Weise von der Mutter, wie sich diese selber zuweilen in zwei Stücke theilt. Die Keime treten übrigens bei den Hydern des süfsen Wassers aus allen Theilen des Körpers der Mutter hervor, mit Ausnahme des Schwanzes, woraus sie entweder gar nicht bei Hydra fusca, oder nur selten bei Hydra grisea entstehen. ”) Unter den Würmern sind es die Naiden und Nereiden, woran die Sprossenerzeugung bisher wahr- genommen wurde. **) O. F. Müller beobachtete: dieselbe vorzüglich an Nais proboscidea. Gewöhnlich .) Trembley Mem, p. 153. 160. 164. Rösel’s Insectenbelust. Th. 3. S. 477. **) Unter den Naiden: Nais proboscidea, elinguis, Jigitafa und littoralis (Müller von Würmern. S, 34. 77. 97. Zool. Dan. Vol. I. p.55); unter den Nereiden: Nereis prolifera (Zool, Dan, Vol. IT. p. 16). 65 geschieht sie bei diesem Wurm am hintersten Gelenke, an und in welchem sich der After und die Werkzeuge des Atliemhohlens befinden. Dieses verlängert sich, und in der ‘Mitte desselben entstehen @ueerstriche, die Anfänge der Gelenke des künftigen Wurms. Die Striche rücken weiter von einander ab, und es zeigt sich in der Mitte des Aftergelenks ein stärkerer, schwärtzlicher Queerstrich, welcher die Gränze des sich bildenden Kopfs ist. Während diese Erzeugung vor sich geht, fängt auch schon eine zweite in der vordern Hälfte des ausgedehnten, hintersten Gelenks der Mutter an. Zuweilen erblickt man, wenn die zweite Zeugung kaum die Länge zweier vollständigen Gelenke erhalten hat, in dem hintersten Gelenk der Mutter vor der zweiten Sprosse die Anfänge einer dritten, und selbst vor der dritten die einer vierten. Jede folgende, vordere entwickelt sich auf dieselbe Art, doch später, als die vorhergehende, hintere. Jede trennt sich von der Mutter, wenn sie vollständig ausgebildet ist. Die hinterste ist also die, welche sich zuerst losreifst. In seltenern Fällen verwandelt sich das ganze hintere Ende der Mutternaide in eine Sprosse, deren Kopf erst dann hervorbricht, wenn der übrige Theil des Leibes fast seine völlige Gröfse erreicht hat. Aufähnliche Weise entstehen die Sprossen der übrigen, sich durch diese Keime fortpflanzenden Naiden und der Nereis prolifera. Bei allen ist es der hintere Theil des Körpers der Mutter, wovon die Sprossenerzeugung ausgeht, und der hintere Theil der Sprosse, was sich an dieser zuerst bildet. Fortpflanzung durch Eier. Wenn man den Punct, von welchem die Bildung eines Organs oder eines organischen Ganzen anfängt, den Bildungspunct nennet, so läfst sich für \die Sprossenerzeugung das Gesetz aufstellen: dafs sie immer nur einen einzigen Bildungspunct hat, und dafs dieser Punct immer in einem Theil des mütterlichen Körpers liegt. In dieser Einheit des Bildungspuncts unter- scheidet sich die Fortpflanzung durch Sprossen von der Erzeugung aus Eiern. Bei dieser giebt es immer gleichzeitig oder auf einander folgend mehrere solcher Puncte. Die Sprosse wächst aus dem mütterlichen Körper durch Intussusception hervor; hingegen ent- steht das Ei und in diesem der Embryo durch eine Art von Juxtaposition, wobei die Bildung von mehrern Puncten anfängt, alle Bildungspuncte aber ein gemein- schaftliches Centrum haben, von welchem aus sie beherrscht werden und in welchem die von ihnen ausgehenden Bildungen sich vereinigen. Folgen hier- von sind: dafs die Bildnng des Eies und der Frucht durch einen Uebergang des Flüssigen in Festes ge- schieht, der nicht unmittelbar durch ein schon vor: handenes Festes vermittelt wird, und dafs jedes Ei ein in sich geschlossenes Ganzes seyn mufs, welches die materiellen Bedingungen der ersten Bildung des Embryo in sich selber hat. Dies ist das Wesentliche bei der Erzeugung durch Eier. Im Uebrigen sind der Verschiedenheiten hierin eben so viele und eben so grofse wie im Bau der lebenden Wesen. Um diese 7 kennen zu lernen, müssen wir die Resultate der ge- nauern und zuverlässigern Beobachtungen über die Entstehung des Eis und der Frucht im Pflanzen - und Thierreiche mit einander vergleichen. Unter den niedrigsten Gattungen des Pflanzen- reichs sind es mehrere Conferven des süfsen Wassers, an welchen sich die Bildung der Eier wahrnehmen läfst. Die von Vaucher mit den Namen der Conjugatae und Proliferae belegten Gewächse dieser Familie be- stehen aus einer durchsichtigen Röhre, die inwendig durch @ueerscheidewände abgetheilt ist. Die Fächer enthalten eine grüne, körnige, bei mehrern Conjugaten regelmäfsige Figuren bildende Materie. Die Körner dieser Materie verlassen zu einer gewissen Zeit in den einzelnen Fächern ihre regelmäfsige Stellung, rücken näher zusammen und vereinigen sich zu einer Kugel, dem Ei oder Saamenkorn der Conferven. Was weiter in dieser vorgeht, läfst sich, ihrer Undurchsichtigkeit und Kleinheit wegen, nicht entdecken. Man sieht nur Fäden daraus hervorwachsen, die schon gleich bei ihrem Austritt aus dem Ei die nehmliche Gestalt haben, die ihnen in der Folge eigen ist.*) Obgleich die Körner sich wohl nicht blos aneinander fügen, um das Ei zu bilden, so findet bei dieser Bildung doch offenbar etwas Aehnliches von einer Juxtaposition statt. Diese Erzeugungsart von Eiern durch ein Zu- *) Das Nähere hierüber ist von Vaucher (Hist. des Conferves. p- 42. 246), von mir (Biologie. B. 3. S. 282), meinem Bruder (Verm. Schriften von 6. R, und L, €, Treviranus. B. 2. 8. 87) und Leon le Clere (Mem. du Mus. d’Hist. nat. Tom, II. p. 462) angegeben. e 68 sammenballen innerer Körner wird auch noch in andern niedern Familien der Cryptogamen gefunden. Ehren- berg”) entdeckte sie in einer Schimmelart (Syzygites megalocarpus), die aus kleinen, weissen, aufgerich- teten, ästigen Fäden mit grünlichgelben, in den Aesten zerstreut liegenden Körnern besteht und parasitisch auf Pilzen wächst. Bei den höhern eryptogamischen Gewächsen geschieht die Bildung der Saamen- körner durch einen unmittelbaren Uebergang des Flüssigen in Festes. Nach meines Bruders **) und Kaulfufs’s “**) Untersuchungen zeigen sich in den Kapseln der Laubmoose und Farrnkräuter die Saamen zuerst als längliche, wasserhelle und farbenlose Bläschen. In diesen entstehen Körner, anfangs einzelne, gleich- falls durchsichtige und farbenlose, nach und: nach immer mehr. Dann füllt sich der ganze innere Raum der Bläschen mit ihnen an, während die Oberfläche derselben uneben und weniger durchsichtig wird, doch noch Licht genug durchläfst, um erkennen zu lassen, dafs ihr Inneres eine ganz gleichförmige, körnige, nur von einer einzigen Haut umgebene und mit der Kapsel in keiner Verbindung stehende Substanz ist. Die Abwesenheit einer Verbindung des Saamens mit dem mütterlichen Organ, worin er erzeugt wird, die Einfachheit der Umhüllung des Embryo und die Einförmigkeit der innern Substanz des Saamens findet *) Verhandl. der Gesellsch. naturf. Freunde in Berlin. B. 1. St. 2. 5. 98, **) Verm. Schriften. B. 4. $. 210. *") Das Wesen der Farınkräuter. 8. 35 fg. 69 0. nicht bei den phanerogamischen Pflanzen statt. Die Saamen aller. dieser, Gewächse hängen; durch einen Strang von Zellgewebe und Spiralgefäfsen, den Na- belstrang, ‚mit dem, Fruchtboden zusammen. Sie bestellen in der Regel aus zwei saftreichen Häuten, die anfangs eine, blos mit einer farbenlosen Flüssigkeit angefüllte Höhlung einschliessen. Auf der innern Haut, zu welcher die Gefälse des Nabelstrangs gehen, erhebt sich eine, zellige Substanz, das Perisperm, deren Zellen sich, indem sie an Ausdehnung zunimmt, gleich den Zellen des Mehlbehälters der Knollen und Zwie- beln, ‚mit Satzmehle anfüllen. Mit der Bildung dieser Substanz: hört die organische Verbindung zwischen dem .Saamen und dem Fruchtboden auf. Es bleibt in oder neben dem Perisperm eine Höhle, die ein Wasser euthält. In diesem entsteht der Embryo als ein Kü- gelchen, das durch einen dünnen, blos zelligen Strang mit dem, Perisperm zusammenhängt, dann nach oben breiter. wird und nach unten sich zuspitzt, während in. demselben 'Verhältnifs, worin es sich ausbildet, das Wasser, in welchem es sich erzeugte, verschwindet, das Perisperm verzehrt wird und die beiden Saamen- häute immer saftleerer ‚werden.*) Diese allgemeinen Bildungsgesetze sind im Besondern auf sehr mannich- faltige Weise modificirt. Vorzüglich giebt es großse Verschiedenheiten in der Gestalt, Lage und Aus- *) Eine Vergleichung der bisherigen Beobachtungen über die Saamen- häute und besonders über das Perisperm findet man in der Schrift meines Bruders De ovo vegetabili ejusque mutationibus observationes recentiores. Weratislav. 1823. 70 dehnung des Perisperms und in dem frühern oder spätern Erscheinen und Verschwinden desselben. Bei einigen Pflanzengattungen sind so geringe Spuren dieser Substanz vorhanden, dafs man zweifeln muß, ob sie ihnen zukomme. Wo es aber ein wirkliches Perisperm giebt, da ist dasselbe, wie sich unten zeigen wird, dem Dotter des thierischen Eis gleich zu setzen. Nach dem Gesagten scheint die Bildung des Saamenkorns und Embryos bei den Phanerogamen nicht wie bei den Cryptogamen ohne unmittelbare Mitwirkung der festen Theile der Mutterpflanze vor sich zu gehen, indem bei ihnen das Saamenkorn mit dem Fruchtboden und der Embryo mit dem Perisperm in organischer Verbindung steht. Diese Folgerung ist aber unzuverlässig, da es seyn kann, dafs der Nabel- strang in dem Saamenkorn und der Strang des Em- bryo in diesem erst dann Wurzeln schlagen, wenn die Bildung beider schon ihren Anfang genommen hat. Auf jeden Fall geht diese Bildung successiv aus ver- schiedenen Puncten vor sich. Erst bilden sich die Saamenhäute; dann entsteht aus einem gewissen Cen- trum das Perisperm und zuletzt aus einem andern der Embryo. In diesem Hervorwachsen des letztern aus einem einzigen Mittelpunct könnte sich die Entstehung der Phanerogamen von der Erzeugung der Crypto- gamen, die mehr durch eine organische Crystallisation als durch allmählige Ausdehnung eines Puncts geschieht, zu unterscheiden scheinen. Allein durch eine solche, blofse Ausdehnung wird auch der Embryo der Pha- nerogamen nicht erzeugt. Es mufs ebenfalls ein An- einanderfügen von Bläschen an Bläschen und Ver- schmelzen derselben mit einander seyn, wodurch er aus einem blofsen Punct zu einer gewissen Gröfse gelangt. Durch eine solche Vereinigung von Bläschen ent- stehen alle Pilanzentheile. *) Wenn indefs das Gerinnen flüssiger Materie zur Bildung eines organischen Ganzen bei den Pflanzen noch dunkel ist, so finden wir im Thierreiche überzeugende Beweise dafür. Dasselbe zeigt sich deutlich bei der Entstehung und Entwickelung des Fetus aller Thiere, deren Uranfänge sich genau beobachten lassen und genau beobachtet sind. Das thierische Ei ist wie das vegetabilische eine geschlossene Haut, die eine eiweifshaltige Flüfsigkeit und ein Bläschen, den Keim, die Narbe, enthält. In diesem Bläschen entstehen die ersten Anfänge des Embryo. Die Eier vieler Thiere haben noch eine dritte, in einer eigenen Haut eingeschlossene, fettige Substanz, den Dotter. Der Keim ist immer ein un- mittelbares Erzeugnifs der Eierstöcke. Die übrigen Theile des Eies werden nicht bei allen 'Thieren in diesen Organen, sondern in den Eiergängen oder im Uterus gebildet. Ein blofser Keim scheint bei den Säugthieren das Product der KEierstöcke zu seyn. Bei den übrigen Thieren, deren Ei einen Dotter hat, ist der Keim schon gleich bei seiner Entstehung in den Eierstöcken mit einer Mischung von Eiweifs und Dotter verbunden, und bei denen, deren Ei blos aus dem Keim und aus Eiweils besteht, wird auch das *) €. F. Wolff Theoria generat. p. 3. 12 letztere gleich mit dem Keim von den Ovarien er- zeugt. Immer aber wird die äussere Eihaut erst in den Eiergängen oder im Uterus um das Erzeugnißs der Eierstöcke hervorgebracht. Sie entsteht entweder erst mit der anfangenden Entwickelung des Keims, oder schon vor derselben. Das Erstere geschieht nur bei den Säugthieren, deren Ei bis zur vollendeten Bildung des Embryo mit dem mütterlichen Körper in organischer Verbindung bleibt; das Letztere bei allen übrigen Thieren. Unter diesen ‚legen blos die Vögel Eier, die schon gleich nach ihrem Austritt aus dem mütterlichen Körper eine kalkartige Schaale haben. Die Eier der Weinbergschnecke (Helix Pomatia) be- kommen zwar ebenfalls eine harte, weisse und un- durchsichtige Bedeckung, aber erst einige "Tage vor dem Auskriechen des jungen Thiers. Vorher ist diese weich und elastisch.”) Bei den Schildkröten, Eidechsen und Schlangen ist die Eischaale lederartig, bei den Rochen und mehrera Insecten hornartig, bei den übrigen 'Thieren weich und leicht zerreifsbar. Die hartschaaligen Eier haben in der Regel keine weitere Hülle. Die weichschaaligen werden beim Durchgang durch den Kiergang entweder von einer fchleimigen Materie, dem Laich, bedeckt, oder mit einem leimigen, an der Luft erhärtenden Saft über- zogen, oder in eigenen Behältern eingeschlossen. Von einem Laich sind die Eier der Frösche, Kröten und Salamander, der meisten Fische und vieler Mol- ‘) Gaspard, Journ. de Physiologie par Magendie. T. U. p. 335. 73 lusken umgeben Durch einen Leim werden: sie bei den Insecten an einander gekittet. In Zellen. oder Kapseln sind sie bei mehrern, im Meere lebenden Gasteropoden, z. B. bei Buceinum undatum, Purpura Lapillus, Voluta Pyrum und Helix Janthina, *) bei mehrern Blutegeln, den Planarien **) und manchen Zoophyten, z. B. den Sertularien, enthalten. Bei einigen der erwähnten Mollusken hat jedes Ei seine eigene Zelle. „Bei den obigen Ringwürmern und bei ver- schiedenen Zoophyten befinden sich mehrere Eier in einer gemeinschaftlichen Kapsel. Von den Kapseln der Hirudo vulgaris enthält jedes 6 bis 12 Eier, ***) Anders verhält es sich mit Hirudo complanata Müll. und. stagnalis L. die wegen ihrer verlängerten Zunge von Johnson zu einer eigenen Gattung Glossopora gebracht sind. Diese legen Eier, die nicht in einer Kapsel eingeschlossen sind, dagegen aber bis zur Entwickelung der Jungen von der Mutter in einer Bauchtasche getragen werden. Die Eier der Naiden +) und der Regenwürmer sind ebenfalls blos von ihrer eigenen Haut umgeben, die bei den Regenwürmern dick, zähe und lederartig ist. Die Eier der Sertu- larien 4++) sitzen an einem Stiel in der Axe eines *) Home, Philos. Transact. Y. 1817. p. 297. Grant, Edinburgh. Journ. of Science, No. 13. p. 121. *) Planaria brunnea und lactea. Johnson, Phil. Transact. Y.1822, p. 447. =) Johnson a. a. ©. Y. 1817. p: 13. +) Gruithuisen in den Verhandl. der Kaiserl. Acad. der Naturf. BeIR. Abth. 1. S., 244. +}) z. B. der Sertularia geniculata. Müller Zool. Dan. Vol. IM. p- 61. Tab. CXVIM. £. 3. 24 glockenförmigen, am äussern Ende platten Behälters. Die Zellen und Kapseln sind bei den Mollusken und Würmern ursprünglich immer schleimige Massen, die erst ausserhalb dem Körper der Mutter erhärten. Das Innere der Eier aller Thiere, ven den Ring- würmern an bis zu den Fröschen und Salamandern herauf, ist vor der Entwickelung von sehr einfacher Organisation. Das Spinnenei z. B. ist nur von einer einzigen Haut umschlossen. Der Dotter nimmt den gröfsten Theil der Höhlung desselben ein. Er ist bei den verschiedenen Spinnenarten von verschiedener Farbe, aber bei allen ein Aggregat von gröfsern und kleinern Kügelchen. Der Keim erscheint dem bloßen Auge als ein sehr kleiner, weisser Punct in der Mitte des Eies, der dem Dotter anzuhängen scheint; dem bewaffneten als ein weisses, aus Körnern bestehendes Bläschen. Das Eiweifs ist eine dünne, crystallhelle, keine Kügelchen enthaltende Flüssigkeit.*) Etwas mehr Ausbildung hat das Ei der Krebse, das aus drei Häuten besteht, von welchen die mittlere und innere das Eiweifs und den Keim zwischen sich ent- halten, die innere der Behälter des Dotters ist.**) Eine höhere Stufe nimmt das Ei der Schlangen, Eidechsen, Schildkröten und Vögel ein. Im Ei der Vögel findet man unter der Schaale eine poröse, aus einem doppelten Blatt bestehende Haut und zwischen *) Herold’s Untersuchungen über die Bildungsgeschichte der wirbellosen Thiere im Eie. Th. 1. S. 8 fg. *) Rathke’s Untersuchnngen über die Bildung und Entwickelung des Flufskrebses. S. 1 fg. [6) beiden Blättern, am stumpfen Ende des Eies, einen, atmosphärische Luft enthaltenden Raum. *) Unter dem innern Blatt liegt eine doppelte Schichte von Eiweils: eine äussere, flüssigere, und eine innere, etwas festere. Jede derselben ist von einer eigenen, dünnen Haut umgeben. Die innere Schichte bedeckt den, in der Dotterhaut enthaltenen, im frischen Zustande längs seiner gröfsern Axe von einem weissen Gürtel um- gebenen Dotter. Von den beiden Puncten dieses Gür- tels, die den beiden Enden des Eies gegenüber liegen, gehen zu dem Dotter zwei gekräuselte hohle Schnüre, die Eierschnüre (chalazae) 1 und vermitteln durch ihre Höhlung einen Zugang des Eiweils zum Dotter. Der Keim endlich zeigt sich auf dem Dotter in der Gestalt eines weissen, mit weifslichen Ringen um- gebenen Bläschens. Bei den Säugthieren entsteht das vollständige Ei erst mit derEntwickelung des Fetus. Bei keinem dieser Thiere “fand man nach der Empfängnifs weder in den Mutter- trompeten, noch im Uterus so grofse und einen solchen Dotter enthaltende Blasen wie bei den Vögeln, son- dern nur microscopische Kügelchen, die nichts anders als blofse Keime ohne Dotter und Eiweils seyn können. **) *) Der Gehalt dieser Luft an Sauerstoffgas ist jedoch in unbebrü- teten Eiern um einige Procent gröfser als der der atmosphärischen Luft. Bischof in Schweigger’s Jahrb. für Chemie, 1823. H. 9. S. 446. Dulk ebendas. 1830. H. 3. S. 363. *) Ein von Home und Bauer untersuchtes menschliches Ei, Jas wahrscheinlich von einer, acht Tage vorher geschehenen Schwängerung herrührte, war nicht völlig „5 Engl. Zoll lang und ungefähr „2, Zoll in der Mitte breit. (Philos. Trans. Y. 1812. p. 257). Im December 1824 76 Der Uterus hat also bei den Säugthieren'eine höhere Function als beiden übrigen 'Thieren, indem ‚er so- wohl den Dotter als das. Eiweils. absondert. Er.ist ausserdem auch bei allen Säugthieren, vielleicht ‚nur mit Ausnahme der Beutel- und. Schnabelthiere ,: der ‘Boden, worin der. Fetus bis zu. seiner Reife ‚wurzelt. Dem Entstehen des Embryo geht immer eine Wechselwirkung zwischen dem Kein und den übrigen Säften des Eies vorher, die sich im Allgemeinen durch Trübung und Veränderung des Orts und der Gestalt des Embryo, bei den. wirbellosen Thieren auch durch einen Wechsel von Zusammenziehung und Ausdeh- nung desselben zu erkennen giebt. Bei der Ent- wickelung des Spinneneies entfernen sich Zuerst" die Körner am Rande des Keims von einander und breiten sich im Eiweifs über den Dotter aus. Im Ei der Kreutzspinne (Epeira Diadema) bewegt sich hierauf das Bläschen, während es einen Schweif von Körnern . “ de . 1. Ri, hinter sich läfst, nach dem einen Ende des Eies hin. schrieb mir Tiedemann: er habe mit Fohmann bei einer Hündin zwölf Tage nach der Paarung die Eichen im Uterus angetroffen; sie seyen noch nicht eine Linie lang gewesen. Auch schon Pallas «Noy. spec. e glirium ordine. p. 216) scheint sie in den Hörnern des Mus Lagurus bald nach der Empfängnifs gefunden zu haben. Neuerlich ent- deckten von Baer (De ovi mammalium et hominis genesi. Lips. 1827. Heusinger’s Zeitschr. f. d. organische Fhysik. B. 2. 8. 125), Pr& vost und Dumas (Annales des sc. natur. T. XI. p. 113) die Bier mehrerer Säugthiere nicht nur im Uterus, sondern auch schon in den Muttertrompeten und Eierstöcken. Von Baer hält sie den Eiern der übrigen Thiere für ähnlicher, als man sie nach meiner Ueberzeugung, mit welcher Pr&evost?’s Ansicht (Annales des sc. natur. T. XVI. p. 160) übereinstimmend ist, halten darf. 7 In den Eiern anderer Spinnen durchläuft es die fol- genden Veränderungen ohne seine Stelle zu verlassen. Es löst sich immer mehr im Eiweifs auf und breitet sich nach allen Seiten aus, vorzüglich nach der, wo es zuerst seinen Platz hatte. Die Körner desselben zerfallen in kleinere "Theile, durch deren Zumischung zum Eiweifs dieses die vorige Klarheit verliehrt und mit Ausnahme einer einzigen Stelle, welche der, wo der Keim zuerst lag, grade entgegengesetzt ist, trübe und milchig wird. Nachdem diese Auflösung sich fast über den ganzen Dotter ausgebreitet hat, zieht sie sich wieder nach der Gegend des Eies zurück, wo sie sich vor ihrer Ausbreitung befand, wird dabei dichter und undurehsichtig, und stellt sich als aus zwei Theilen bestehend dar, die durch eine Ein- schnürung von einander gesondert sind: einem klei- nern, woraus der Kopf entsteht, und einem gröfsern, aus welchem die Brust, die Füfse und der Bauch, mit Ausnahme des Fettkörpers, gebildet werden. Die Auflösung scheidet sich zugleich in eine äussere Schichte, die den Stoff zur Bildung der Beine und der äussern Theile des Kopfs enthält, und in eine innere, die den mehrsten Eingeweiden des Rumpfs ihren Ursprung giebt. *) Im Krebsei kündigt sich die anfangende Ent- wickelung ebenfalls zuerst durch eine Ausbreitung der Keimflüssigkeit über den ganzen Dotter an, in welcher sich eine Menge inselartiger, weisser Flocken "Hereld aa 0. S. 1% fg. 78 erzeugen, die aber bald wieder verschwinden. Dieser Expansion folgt wieder eine Zusammenziehung des Keims zu einer Scheibe, die in der Mitte dick, un- durchsichtig und kreideweifs, an ihren Rändern halb- durchsichtig und nebelartig grau ist, und welche immer auf der Oberfläche des Dotters die nehmliche Stelle des Eies einnimmt, wo dasselbe am Schwanz der Mutter seine Befestigung hat. Die Keimscheibe verändert ihre Gestalt. Sie bekömmt zuletzt die Form eines Karten- herzens, das in der Mitte des schmalen Endes eine Vertiefung hat. Aus dieser Vertiefung nimmt der ganze Hinterleib seinen Ursprung. Auf der den Umkreis derselben begränzenden Fläche bilden sich die Fühl- hörner, die Lippen, die Frefszangen u. s. w. *) Im befruchteten Ei der Vögel verschwindet, nach- dem dasselbe sich vom Eierstock getrennt hat, ein in der Narbe liegendes Bläschen, das schon vor der Befruchtung zugegen ist.**) Der Keim, der bei der Anwesenheit dieses Bläschens einen kleinen runden Hügel vorstellt, nimmt gleich nach dem Anfang der Bebrütung an Umfange zu und bekömmt, wie der des Spinneneies, eine längliche, in der Mitte etwas eingedrückte Gestalt. Die Ringe, wovon er umgeben ist, werden zahlreicher und breiter. Der Dotter steigt nach dem stumpfen Ende des Eies zum Luftbehälter herauf, und dann tritt die Erscheinung des Embryo in dem Keim ein. *) Rathke a. a. 0. S.5 fg. *) J. E. Purkinje Symbolae ad ovi avium historiam ante incu- hationem. Vratislav. 1825. 19 Alle Embryonen der Thiere entstehen wie die der Pflanzen zuerst durch eine Art von Juxtaposition, ein Gerinnen der Flüssigkeit des Keimsacks und Anschiessen des Geronnenen zu gewissen Formen. Das Keimwasser kömmt mit der Flüssigkeit des Schleimgewebes überein, das in allen 'Thieren und allen thierischen Theilen enthalten ist, und besteht wie diese aus Kügelchen, die in einer schleimigen Materie schwimmen. Die Kügelchen treten bei der Bildung eines organischen Theils zusammen, und der Raum zwischen ihnen, der vorher neblig war, er- scheint nach ihrer Vereinigung im Umfange klar und durchsichtig. Jedes Rudiment eines solchen 'Theils ist deswegen von einem hellen Hof umgeben.*) Die Periode jener ersten Bildung hat aber sowohl bei den verschiedenen Thieren, als bei den verschiedenen Theilen eines und desselben Thiers eine verschiedene Dauer, und die Theile gelangen immer erst nach mehrern Umwandlungen ihrer ursprünglichen Form zu ihrer letzten Gestalt. Nach Herold’s Schilderung der Entstehung des Embryo der Spinnen *) währt für diesen jene Periode bis zur völligen Entwickelung desselben. Wenn hiervon auch etwas abzurechnen seyn sollte, so hat sie doch bei diesen Thieren eine lange Dauer, und wahrscheinlich eine noch längere bei den geflügelten Insecten, denen die Blutgefälse ganz fehlen. Herold giebt die verdichtete Auflösung des Keimwassers im Eiweißs als die Flüssigkeit an, *) Von Baer über Entwickelungsgeschichte der Thiere. Th.1. 8.16. *)A..2aO0. r s0 worin die meisten Organe der Spinnen: anschiessen. Einige schienen ihm jedoch auch in dem Theil des Eiweifs zu entstehen, der sich nicht mit: der Keim- flüssigkeit vermischt hatte. Es zeigten sich zuerst die Gränzen derselben in der Gestalt von Einschnitten. Die Auflösung wurde dabei schleimig und zähe, und ging auf ihrer inwendigen Fläche eine innige Ver- bindung mit dem Dotter ein. Die Gränzen der Theile wurden immer schärfer und es kamen an Stellen, wo vorher noch keine zu entdecken waren, neue zum Vorscheine. Während sich die ersten Umrisse zeigten, war noch keine Spur von einem Herzen sichtbar. Von diesen sahe man erst den blofsen Um- rifs, als sich die Füfse und der Kopf mit den Frefs- zangen schon deutlich unterscheiden liessen. Es war selbst dann, wenn dasselbe schon seine eigenthümliche Gestalt hatte und alle übrige Organe schon ausgebildet waren, noch keine Bewegung daran bemerkbar. Das nehmliche Resultat. ergiebt sich aus Rathke’s Untersuchungen über die Entwickelung des Krebseies. *) Während aus dem Keim dieses Eies der Hinterleib, die Fühlhörner, die Lippe und die Frefszangen hervor- sprossen, ist weder von einem Herzen und von Gefäfsen, noch von einem Nervensystem eine Spur vorhanden. Die Fühlhörner und Frefszangen erscheinen auf dem Keim zuerst als Leisten. An der Stelle der künftigen Lippe bildet sich zuerst eine kleine Warze. Die An- fänge der Augen sind kleine Anschwellungen. Es setzt *) A.2. 0. 812 fg. a) | sich an diese ersten Andeutungen immer mehr Bildungs- stoff an. Sie nehmen rach alien Dimensionen an Aus- dehnung zu, trennen sich immer mehr von der Keimscheibe los und erhalten eine immer bestimmtere Gestalt. Bei diesen Vorgängen nimmt das Mittelstück des Keims, aus welchem auch die Maxillen, die Fülse, die Kiemen und überhaupt alle, an der Bauchseite liegende äussere Theile vor dem Sichtbarwerden des Herzens entstehen, an Umfang zu. Zugleich bekömmt die vordere Hälfte derselben eine immer gröfsere Dicke. Ihr Randstück breitet sich ebenfalls immer weiter über den Dotter aus, bleibt aber dabei zart und durchsichtig. An diesem peripherischen Theil bilden sich das Herz und die Rückenplatten. Die ersten Gefäfse des Herzens sind weit, aber ohne alle Verzweigungen. Die Rücken- platten nehmen in der letzten Entwickelungsperiode den Rest des Dotters zwischen sich auf, indem sie über ihm zusammenwachsen. Bald nachdem sich von den äussern Organen die ersten Rudimente gezeigt haben, also auch schon in einer sehr frühen Periode und weit früher als das Herz, läfst sich die erste Andeutung des Nahrungscanals wahrnehmen. Mit und an diesem Canal entsteht eine Haut, woraus, indem sie sich immer weiter über den Dotter ausbreitet, ein besonderer Dottersack wird. Dieser Sack bleibt bis an das Ende des Embryolebens mit den Verdauungs- werkzeugen in Verbindung. Doch gelangt dessen- ungeachtet nicht der kleinste Theil des Dotters in den Darm. In einer Aussackung desselben und kurze Zeit nach der Erscheinung des Herzens kömmt die 6 IR... erste Spur der Leber zu Gesichte. Ungefähr gleich- zeitig mit dem Herzen entsteht wahrscheinlich auch das Nervensystem. Die Centraltheile desselben zeigen sich gleich ursprünglich als inwendig solide Theile. Von den Knoten des Bauchstrangs rücken mehrere, die anfangs getrennt waren, bei fortschreitender Ent- wickelung näher an einander und verschmelzen endlich zu einem einzigen Knoten. Erst in der letzten Periode vor der Geburt entstehen die Speisedrüsen und nach denselben die Geschlechtswerkzeuge. Sowohl das Eiweils als der Dotter werden immer mehr verzehrt, je weiter die Entwickelung des Embryo fortschreitet. So zeigt ferner nach Rusconi's Beschreibung *) das erste Entstehen des Embryo der Frösche Erschei- nungen, die dem Crystallisiren der Salze zu vergleichen sind. Ein aus dem äussersten Ende des Eiergangs eines weiblichen Frosches genommenes Ei ist ein häutiger, sehr zarter, runder Sack, worin sich eine theils weisse, theils aschfarbene Flüssigkeit befindet. Legt man dasselbe in Wasser von einer mittlern Tem- peratur und befruchtet es künstlich, so verdichtet sich darin die Flüssigkeit und wird körnig und flockig. Zwei Tage nach der Befruchtung sieht man in dieser die Gestalt eines Thiers. Der aschfarbene Theil dersel- ben verwandelt sich allmählig in den Kopf und in die Muskeln des Rückgraths, während die weisse Materie sich stufenweise zum Nahrungscanal gestaltet. Diese Veränderungen ereignen sich selbst dann, wenn man *, Bullefin des sciences natur. T. XH. p. 273. I... _ den Keim von dem schleimigen Ueberzug, der ihn be- deckt, und sogar von seiner äussern Haut entblöfst hat. Im bebrüteten Ei der Vögel kündigt sich die anfangende Bildung des Embryo dadurch an, dafs der Keim in der Mitte heller, im Umfange dunkler wird. In der Axe der durchsichtigen Scheibe erscheint ein Streifen. An diesem bilden sich zwei Platten, die keilförmig zusammenstofsen und die Grundlage des künftigen Rückens bilden. Mit ihnen entsteht in ihrem Zwischenraum ein anderer Streifen, der sich in die Wirbelsäule verwandelt. Diese Rudimente sind bloße Zusammensetzungen von locker an einander hängenden Bläschen, die nicht anders als unmittelbar durch ein Gerinnen des Flüssigen entstanden seyn können. Bei den Vögeln und denen Amphibien, die mit ihnen in der Entwickelung des Embryo übereinkommen, trennt sich hierbei der Keim in ein äusseres und inneres Blatt. Seit Pander und D’Alton ihre, im Uebrigen höchst schätzbaren Untersuchungen über die Entwickelung des Embryo der Hühner bekannt machten, hat man jenes Blatt das seröse, dieses das Schleimblatt und ein drittes, das zwischen ihnen entstehen soll, das Gefäfsblatt genannt, und aus jedem derselben sich Centraltheile entwickeln lassen: aus dem ersten die des Nervensystems, aus dem zweiten die Verdauungs- organe, aus dem dritten das Herz mit dessen Gefäfsen. Jene Benennungen sind aber: auf einem verwerflichen Stamm gepfropfte Reiser. Indem man sie zur Grundlage der Beobachtungen machte, ist man in eine Befangenheit gerathen, worunter die Lauterkeit mancher Erfahrungen 6* 84 gelitten hat. Man hat geglaubt, Theile aus blofsen Verlängerungen, Ausbiegungen und Umschlagungen jener Blätter entstehen zu sehen, deren Ursprung sich bei unbefangener Betrachtung anders gezeigt haben wiirde. Ein Resultat reiner Wahrnehmung ist aber Rathke’s,*) von Weber**) bestätigte Bemer- kung, dafs die am entstehenden 'Thier sich zuerst bildende Seite immer die ist, auf welcher die Central- theile des Nervensystems sich befinden, also bei den wirbellosen Thieren die Seite des Bauchs, bei den Wirbelthieren die des Rückens. Es zeigt sich daher ein Gegensatz zwischen diesen 'Thieren schon beim ersten Entstehen derselben. Von andern Seiten sind indefs in den einzelnen Classen der Thiere beider Abtheilungen die Verschiedenheiten der Entwickelung so grofs, dafs es nothwendig ist, sie noch weiter zu sondern, um etwas Näheres über diesen Gegenstand zu sagen. Die Ausbildung des Embryo ist verschieden, zu- erst in Rücksicht auf das Eintreten des Zeitpuncts der Entwickelung durch Intussusception, und dann in Betreff der Art dieser Einnahme des Bildungsstoffs. Die Zeit der Bildung durch Juxtaposition währt, wie schon gesagt ist, am längsten bei den Crustaceen und Insecten. Bei den übrigen Thieren tritt die Pe- riode der Bildung durch Intussusception weit früher, doch auf verschiedene Weise ein. Die Anneliden, wahrscheinlich auch die übrigen Würmer und die * In Burdach’s Physiol. als Erfahrungswissensch. B.2. S.191. 417. *+) Meckel’s Archiv f. Anat. und Physiol. 1823. S. 408. 85 Zoophyten gelangen schon sehr bald nach ihrem ersten :Ursprung zu einem selbstständigen Daseyn, worin sie vermittelst automatischer Bewegungen einer Saugöffnuung das Eiweils des Eies verschlucken, in sich anhäufen und zu dem Material machen, durch welches ihre weitere Entwickelung geschieht. Dieser Vorgang ist zwar nur erst am Blutegel von Weber*) beobachtet. Andere Erfahrungen lassen aber vermuthen, dafs er auch bei den übrigen Würmern und ‚den Zoophyten statt findet. Ich fand in den ‚Eiern des Regenwurms immer schon einen Embryo, sobald sich etwas. Organisirtes darin ‚wahrnehmen liefs. Dieser wächst darin, während er sich willkührlich. bewegt und ein Blutumlauf in ihm ‚schon sichtbar ‘ist, von der Länge einer halben Linie bis zu der von 16 Linien. Das Ei enthält ausser ihm unter der einfachen, leder- artigen, sehr elastischen Haut eine schleimige Substanz, die von einer weissen, sich gegen Reagentien wie Eiweils werhaltenden Flüssigkeit durchdrungen - ist. Er liegt während seines Entstehens in der Mitte dieser Substanz; ohne mit ihr in Verbindung zu stehen, als ein länglichrunder. Körper mit einer weiten Oeffnung des Mundes. Das Ei wächst mit ihm bis zu seiner Reife, doch nicht immer mit ihm in gleichem Ver- hältnifßs. Das kleinere enthält oft einen größsern Fetus als das gröfsere. Alle Polypen und selbst die Spongien äussern ebenfalls schon gleich nach ihrem Entstehen, während ihres Aufenthalts im Ei, Bewegungen, wobei 1) As va. 0.1.8. :366. N ‚nd sie ohne Zweifel auf ähnliche Art wie die Embryonen der Blutegel die Flüssigkeit des Eies verschlucken. Sie bringen die Bewegungen vermittelst Wimpern hervor, womit ihre Oberfläche besetzt ist, und schwim- men nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei frei herum, bis sie sich angeheftet haben, worauf die Wimpern verschwinden. Ss DaE Kein Ei dieser 'Thiere der untersten Classen enthält einen weitern Bestandtheil als Eiweißs und den Keim. 'Bei den Mollusken, Insecten, “Crusta- ceen und Wirbelthieren kömmt noch ' der“ Dotter hinzu, eine Substanz, die bei den Vögeln, Amphi- bien und Fischen sehr fetthaltig, in einer eigenen Haut eingeschlossen und durch "diese Haut mit dem Keim in Verbindung ist. ' Wenn dem Ei einiger jener, über den Anneliden stehenden Thiere dieser Theil abgesprochen ist, so rührt dies von Mangel an Genauigkeit der: Untersuchung oder davon her, dafs entweder der Dotter von ungewöhnlicher Form und deswegen verkannt ist, oderdafs die Bildung des Eis nicht zuläfst, ihn zu’ der‘'Zeit, wo er noch nicht vom Fetus aufgenommen ist, wahrzunehmen. *) *) So hat Rusconi (Les amours des Salamandres aquatiques..,p. 45) dem Fetus des Wassersalamanders und Home in seiner Erklärung der Bauerschen Zeichnungen der Entwickelung des Embryo der Frösche (Philos. Transact.;Y. 1825. p. 81) dem des Frosches den Dotter abge- sprochen, aber mit Uurecht. Home sagt selber bei Erläuterung der 11ten Figur der 5ten Tafel, die ein noch unentwickeltes Froschei vor- stellt: zwischen dem flüssigen Inhalt des Kies haben sich Oeltropfen gezeigt. Von diesen ist doch auf die Gegenwart einer dotterartigen Materie zu schliessen. Man findet zwar, scbald die Rudimente des Frosches zu er- kennen sind, keine Dotierblase mehr. Dies lehren schon Swammer- Diese Substanz tritt da, wo sie vorhanden ist, schon gleich beim Erwachen des Lebens im Ei mit dem Keim und dem Eiweifs in Wechselwirkung. Bei den Wirbelthieren, Sepien*) und Krebsen bekömmt der Dotier, sobald sich der Nahrungscanal zu bil- den anfängt, eine Umhüllung, den Dottersack, wodurch er mit diesem Canal verbunden wird. Es ist nicht ausgemacht, ob diese Verbindung bei andern wirbellosen 'Thieren eintritt. Aber immer findet ein Gegensatz in der Lage des Dottersacks bei den Wir- belthieren und den wirbellosen 'Thieren statt. Bei jenen liegt er unter, bei diesen über dem Nahrungs- canal. Jene nehmen insgesammt denselben vor der Geburt von der Rückenseite in die Bauchhöhle auf. Bei diesen geschieht die Aufnahme von der entgegen- gesetzten Seite, oder der Sack bleibt an dieser Seite ausserhalb der geschlossenen Bauchhöhle bis zur Geburt hängen. Bei den Gasteropoden mufs zwischen dieser Periode der Aufnahme des Dotters und der Zeit des Ausschlüpfens aus dem Ei noch eine Form der Existenz statt finden, wo der Embryo, auf gleiche damm?°s (Bibl. nat. p. 811) und Rösel’s (Hist. ranar. nostrat.) Be- obachtungen. Aber der Froschembryo lälst sich in der ersten Zeit seines Entstehens ohne Vorbereitung nicht wahrnehmen, weil die innere Haut des Eies mit einem schwartzen Pigment bedeckt ist. Dais schon während dieser Zeit der Dotier in den Unterleib aufgenommen wird, würde schon nach der Analogie des Bufo obstetricans und des Landsalamanders glaublich seyn, deren Eier nach Du Trochet (Mem. de la Saciete d’Emulation, A. VIH. p. 1) und Carus (Lehrb. der Zootomie. S. 680) bestimmt einen Dotter enthalten, wenn es auch nicht durch von Baer’s Beobachtungen (in Burdach’s Physiol. B. 2. S.322) erwiesen wäre. *) Cavolini über die Erzeugung der Fische und Krebse, S. 54. Art wie der Fetus der Blutegel in der ersten Ent- wickelungsperiode desselben, durch eine äussere Oeff- nung das Eiweifs in sich aufnimmt. Die Embryonen der Gasteropoden haben nehmlich lange vorher, ehe noch eine Spur von Herz in ihnen sichtbar ist, eine innere Höhlung, die sich nach aussen öffnet und deren äussere Oeffnung mit Wimpern besetzt ist. In der Höhlung befindet sich eine Flüssigkeit, die sich im- merfort umwälzt, und die Wimpern äussern ununter- brochene, schwingende Bewegungen, wodurch der Fetus unaufhörlich um seine Axe gewälzt wird. *) Die Bildung des Embryo aller wirbellosen Thiere geht von keinem Kern aus, der sich ausserhalb dem Körper des Fetus befindet und nur bis zur vollendeten Selbsständigkeit desselben von Werth ist. Einen solchen hat aber die Frucht aller Wirbelthiere. Diese bildet sich aus einem doppelten Mittelpunct. Der eine be- findet sich im Keim; der andere an der Oberfläche des Dotters. Von jenem aus entsteht das Hirn und Rückenmark; von diesem ein Venensystem. Das letztere wächst dem Embryo entgegen, schlägt in ihm Wurzeln und kömmt unter die Herrschaft des gleichzeitig mit demselben sich bildenden Nervensystems, Dieses ver- mittelt weiter die Entstehung von innen nach aussen strahlender Arterien und eines Canals, wodurch der Uebergang des Bluts aus den Stämmen der Arterien zu denen der Venen geschieht: des Rudiments eines Herzens. Mit der Erscheinung dieses Canals und dem *) Grant, Edinburgh Journ. of Science. No, 13. p. 121. 89 Einmünden des Dottergangs in den Nahrungscanal tritt Entwickelung des Embryo durch Intussusception ein, da er vorher blos durch ein Gerinnen des Flüssigen geformt wurde. Die Gestaltung durch Juxtaposition höret zwar noch nicht ganz mit der Entstehung des Herzens und der Arterien auf. Sie wird aber der letztern um so mehr untergeordnet, je mehr sich die Arterien ausbreiten. Die von der Dotterhaut kommenden und zu ihr gehenden Gefäßse sind die Nabelgekrösadern (Vasa omphalo-mesenterica). Die Venen gehen in die Pfortader über. Die Arterien entspringen bei den Säugthieren aus der obern Gekrösarterie, bei den Vögeln und Amphibien aus der Eingeweidepulsader. *) Die Venen erzeugen sich bei den Vögeln in den Ringen, die sich gleich nach der Bebrütung des Eies um den Keim bilden, als helle Streifen auf einem dunkeln, körnigen Grund, welche anfangs in keiner Verbindung mit einander stehen, dann unmittelbar oder durch kleinere Streifen mit einander in Zusammen- hang treten und bald darauf fliessende Kügelchen in sich zeigen. Beiderlei Gefäfse vergehen mit dem Dotter, dessen Dauer bei den verschiedenen Gattungen der obigen Thiere sehr verschieden ist. Die jungen Haien, Lachse *) und mehrere andere Fische tragen die aus ihrem Bauche hervorhängende Dotterblase noch nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei mit sich herum. Hingegen bei den Fröschen ist sie schon nicht mehr *) Emmert in Meckel’s Archiv f. d. Physiol. B. 4. S. 17, "*) Schönberg, Journ. of Science. Vol. V. p. 238. 90 ausserhalb dem Fetus vorhanden, wenn dieser noch eine unförmliche Masse ist. Auch bei dem Menschen und den Wiederkäuern verschwindet sie in einer sehr frühen Periode des Lebens der Frucht. Bei den meisten Thieren bleibt sie bis gegen die Zeit der Reife des Fetus. Sie ist sehr klein in Verhältnifs zur Gröfßse des reifen Eies bei dem Menschen und den Wieder- käuern, relativ gröfser und länger dauernd beim Pferde und Esel. Einen noch viel weitern Umfang hat sie bei den Raubthieren, dem Igel*) und den Fledermäusen.**) Bei den Nagern soll sie, nach Needham’s, **) Cuvier’s***) und Du Trochet’s”“*#”"*) Meinung, deren Richtigkeit ich jedoch zu bezweifeln Ursache habe, den gröfsten 'Theil des Raums zwischen dem Amnion und der mittlern Eihaut einnehmen. +) *), Blumenbach’s Handh. der vergl. Anat. Tab. VIM. **), Emmerta.a. 0. S: 14. ”**), De formato felu. p. 66. ***#) Mem. du Mus. d’Hist. nat. T. IM. p. 114. *+##*#), Mem. de la Soc. med. d’emulation. A. VIII. 1817. p. 760. +) An dem Ei eines Meerschweinchens (Cavia Cobaya) sahe ich die Nabelgekrösgefälse sich bald nach ihrem Austritt aus dem Bauch des Fetus von dem Nabelstrang trennen, an einem länglichrunden Bläschen verlaufen, dessen äusseres Ende mit der, von Needham, Cuvier und Du Trochet für die Nabelblase angenommenen Membran durch jene Gefälse verbunden war, und darauf sich an dieser Membran verzweigen. Ich glaube, dafs jenes, bisher übersehene Bläschen die eigentliche Nabel- blase der Nager, diese Haut aber die, allen Säugtbieren zukommende, mittlere Eihaut ist. Die Nabelblase wird gewifs auch bei den Nagern, wie bei allen übrigen Säugthieren, von der sie bildenden Haut umschlossen. Dafs jene Membran aber einen wirklichen Sack bilde, ist von Niemandem nachgewiesen. Aus dem Uebergang der Nabelgekrösgefälse zu ihr lälst sich nichts schliessen: denn diese Gefäfse sind eben, so wenig als die Nabelstranggefäfse in ihrer Verbreitung auf die Organe, denen sie vor- 9 Erst nach der Entstehung der Nabelgekrösadern und des Herzens fangen die Lungen, die Leber, das Pancreas, die Nieren, die Cloake und die Harnblase an zu erscheinen. Mit der Entstehung dieser Theile tritt für den Embryo der Schlangen, Eidechsen, Schildkröten, Vögel. und Säugthiere eine neue Bil- dungsperiode ein. Dem Fetus der Vögel wird die Cloake, dem jener Amphibien und der Säugthiere die Harnblase ein Kern, woraus Organe hervorwachsen, die ihn mit dem Ei in eine neue Verbindung setzen, von welcher er abhängig bleibt, solange sein Leben im Ei dauert. Diese Organe sind der Urachus, die Allantois und die Nabelstranggefäfse (vasa omphalo-iliaca). Der Urachus ist ein häutiger Canal, der bei den Vögeln aus der Cloake, bei den Schild- kröten, *) Schlangen, Eidechsen *) und Säugthieren aus der Harnblase entsteht, welche letztere jedoch auch bei diesen 'Thieren anfangs Eine Höhlung mit dem Ausgang des Mastdarms ausmacht. Die Allantois ist ein, ausserhalb dem Körper des Fetus liegender Sack, worin der Urachus sich öffnet. Die Nabelstrang- gefäfse sind zwei Arterien, die aus den Hüftarterien entspringen, und eine Vene, die sich in die untere Hohlader öffnet. Sie laufen an dem Urachus hin und verbreiten sich an der Allantois, gehören aber züglich angehören, bei allen Thierarten so genau beschränkt, dafs nicht Zweige von ihnen auch zu andern Theilen übergehen. Hiernach würden also die Nager nur eine sehr kleine Nabelhlase haben. *) Zu Sömmering’s Jubelfeier, von F. Tiedemann. S. 24. *) Emmert und Hochstetter in Reil’s Archiv f. d. Physiol. B. 10. S. 94. 113. a. eigentlich nicht dieser an, sondern einer andern Haut, dem Chorion, die auf der Haut der Allantois liegt und sowohl diesen Behälter, als den Dottersack, den Fetus selber und dessen Hülle umschliefst. Auf diesem Chorion breiten sich bei fortschreiten- der Entwickelung des Embryo die Nabelstranggefäfse im Ei der Vögel und oben genannten Amphibien immer weiter aus, während sowohl der Dotter, als das Eiweifs immer mehr verzehrt wird, die Allantois hingegen an Umfange zunimmt. Sie bilden zuletzt ein, die ganze inwendige Fläche der Eischale bedeckendes Gefäfsnetz. Ein anderes Verhältnils dieser Blase und jener Gefäfse gegen den übrigen Inhalt des Eies findet bei den meisten Säugthieren statt. Der Fetus jedes dieser Thiere hat einen Urachus, der in Ver- bindung mit den Nabelstranggefälsen die Nabelschnur ausmacht. Aber nicht in jeder Familie dieser 'Thiere hat er eine Allantois. Wenn man auch die Beutel- thiere bei Seite setzt, so läfst sich doch nicht beim Menschen die Gegenwart dieses Behälters mit Ge- wifsheit annehmen. Needham) vermuthete, und seiner Meinung sind Manche beigetreten, der Urachus des Menschen öffne sich in den Zwischenraum zwi- schen der äussern und mittlern Eihaut; dieser Rath vertrete also die Stelle der Allantois. Allein’ dieser Zwischenraum ist höchstens nur in .der. ‚ersten Zeit der Schwangerschaft, wo es bei den übrigen 'Thieren blos erst eine Nabelblase, noch keine Allantois giebt, *) A. a0. p. 97. 95 und vielleicht auch dann nicht einmal, vorhanden. Mit mehr Grund läfst sich voraussetzen, dafs die Allantois beim Menschen eine blofse, trichterförmige Erweiterung des dem Uterus zugekehrten Endes des Urachus ist. Sie ist nichts weiter als dies bei den Nagethieren. Nur bei dem Pferde nimmt sie den gröfsten Theil des Raums zwischen der innern und mittlern Haut des Eies ein. Aber das Pferd unter- scheidet sich auch in Rücksicht auf die Vertheilung der Nabelstranggefäfse mehr von dem Menschen als eines der übrigen Säugthiere. Etwas näher als das- selbe stehen in dieser Rücksicht dem Menschen die Wiederkäuer und das Schwein, noch näher die Raub- thiere, und am nächsten die Nager. In gleichem Verhältnifs mit dieser Näherung nimmt das Volumen der Allantois ab. Die Nabelstranggefälse haben darin ein anderes Verhältnifs zum Ei bei den meisten Säugthieren als bei den Vögeln, Schildkröten und Eidechsen, dafs nicht allein sie, sondern auch Arterien und Venen der Mutter, die von der inwendigen Fläche des Uterus kommen, sich zwischen zwei Blättern, woraus das Chorion besteht, verbreiten; dafs sie mit diesen Gefäfsen in einer Wechselwirkung stehen, ohne doch mit ihnen organisch verbunden zu seyn, und dafs sie mit den Nabelgekrösadern anastomosiren. *) Bei den Einhufern und dem Wallfisch zerästeln sie sich mit *) Emmert in Meckel’s Archiv f. d. Physiol. B. 4. S. 17. BR. den letztern unbeschränkt am ganzen Chorion.*) Bei den übrigen Säugthieren, vielleicht die Beutel- und Schnabelthiere ausgenommen, verbreiten sie sich mit diesen Gefäfsen in Einem oder mehrern Mutter- kuchen, Massen, die aus einem lockern, gröfsere RORRT Zellen bildenden Schleimgewebe bestehen. *”*) Viele einzelne solcher Massen, von denen jede einen Zweig der Nabelstranggefäfse empfängt, sind den Wieder- käuern eigen. Eine einfache, doch immer aus mehrern, gröfsern und kleinern Lappen zusammengesetzte und bald mehr, bald weniger tief getheilte Plarenta giebt es bei den übrigen, mit diesem Organ versehenen *) Beim Wallfisch nach Home (Philos. Trans. Y. 1822. p. 405). Nach Bartholin aber soll, wie Tiedemann (Zoolog. Th. 1. S. 570) anführt, der Delphin einen Mutterkuchen besitzen. *) Home will gefunden haben, die Eierstöcke der Schnabelthiere enthalten deutliche Dotterbälge, wie die der Vögel (Philos. Transact. ‘Y. 1819. p. 234), und der Fetus des Känguruh und Wombat liege ohne Placenta unbefestigt in einer eiweifsartigen Materie. (Ebendas. Y. 1808. p. 303.) Nach Blainville hat der Beutelthierfetus äusserlich keinen Nabel, innerlich keine Nabelschnurgefäfse und keinen Urachus. (Bulletin des sc. par la Soc. philom. de Paris. A. 1818. p. 25). Rudolphi (Grundrifs der Physiol. B. 2. Abth. 2. S. 358) hingegen versichert, der Didelphisfetus habe so gut Nabelgefäfse wie der Embryo anderer Säug- thiere, und so verhält es sich auch nach den Beobachtungen Rengger’s (Nat. Gesch. der Säugthiere von Paraguay. S. 219), die indefs über die Art des Zusammenhangs der Nabelschnur mit dem Uterus keinen Auf- schlufs geben. Soviel ist gewils, dafs die Embryonen der Beutelthiere schon lange vor ihrer Reife ohne Umhüllung in die Bauchtasche gelangen und hier mit den Brustwarzen eine Verbindung eingehen. Beim Känguruh geschieht der Austritt aus dem Uterus, wenn der Fetus 12 Gran schwer ist, (Home a. a. ©. Y. 1819. p. 234.) beim Virginischen Opossum schon bei einem Gewicht desselben von 1 bis 2 Gran, (Barton, Annals of Philos. Y. 1823. Nov. p. 350. 353) bei Didelphis Azarae Temm. un- gefähr 25 Tage nach der Befruchtung bei einer Länge des Embryo von 6 Linien. (Rengger a. a. 0.) 95 Säugthieren. Bei dem Menschen, den Affen, dem Igel und Maulwurf ist sie rund. Bei den Raubthieren umgiebt sie gürtelförmig, der Queere nach, das läng- lichrunde Ei. Immer besteht sie aus einer äussern, dem Uterus zugewendeten und einer innern, gegen den Fetus gekehrten Hälfte. Blos in dieser verbreiten sich die Nabelstranggefäfse, während in jene nur Blutgefäfse des Uterus dringen.”) Bei den Nagern liegt zwischen beiden Hälften noch eine dritte, mittlere Substanz, die beim Meerschweinchen divergirend vom Fruchttheil nach dem mütterlichen Theil gehende Fasern enthält. Die letzten Zweige der Nabelstrangvenen nehmen ohne Zweifel einen Stoff zum Behuf der Ernährung des Fetus auf. Aber es ist nicht einzusehen, warum sie von Arterien begleitet würden, wenn sie mit diesen nicht noch eine andere Beziehung hätten. Bei den Batrachiern und den Fischen, denen die Nabelstrang- gefäße fehlen, findet man in der Periode, wo sie bei den höhern Thieren ausgebildet sind, während die Lungen noch keiner Function vorstehen können, die Kiemen soweit entwickelt, dafs man ein Verhältnifs derselben zur Entwickelung des Embryo voraussetzen darf. Diese zeigen sich am Fetus der Wassersalamander als Umbiegungen einer Arterie in eine Vene, **) an *) Von Baer’s Untersuchungen über die Gefäfsverbindungen zwi- schen Mutter und Frucht. Leipz. 1828. Prevost, Annales des sc. natur. EIS. 20.157; **), Rusconi Amours des Salamandres aquat. 6 denen dei Rochen als zahlreiche, im Eiweifs schwim- mende Blutgefäfse, *) und an den unausgebildeten Haien als aus den Kiemenspalten hervorhängende, mit Gefäfsen durchzogene Fäden.) Vielleicht sind auch die obengedachten, sich immerfort bewegenden Wim- pern an den Embryonen der Mollusken und Zoophyten eine Art Kiemen. Aus diesen und andern Gründen, die sich hier noch nicht anführen lassen, können die Nabelstranggefäfse für Kiemengefäfse angenommen werden. Da aber jene in der Zeit, wo der Fetus schon mit dem Dotter in organischer Verbindung steht, noch erst im Entstehen sind, so frägt sich: ob ihre Stelle bis zu ihrer Ausbildung durch andere _ Theile ersetzt wird? Nach einer von Rathke ge- machten Entdeckung kann es scheinen, dafs dies der Fall ist. Beim Hühnchen im Ei findet man am dritten Tage der Entwickelung des Embryo zu beiden Seiten der Rachenhöhle desselben vier Spalten, die zu eben so vielen, unmittelbar aus der Aorta entspringenden Gefäfsbogen führen. Die vorderste Spalte schliefst sich am vierten Tage. Es entsteht dagegen nach hinten eine neue. Gegen den sechsten Tag sind alle diese Spalten ausgefüllt. Die zu ihnen gehörigen Ge- fäfse verwandeln sich in Zweige der Carotiden und Lungenschlagadern, und während dieser Verwandlung fängt die Allantois an sich zu entwickeln. Aehnliche Oefinungen sind auch während einer kurzen Zeit am Feius der Schlangen, Eidechsen und Säugthiere *) Monro Vergl. des Baus und der Physiol. der Fische. S. 117. *) Rudolphi a. a. O. S. 362. 9% vorhanden. *) Diese Spalten haben Aehnlichkeit mit den äussern Kiemenöffnungen der Froschlarven und Fische. Die unter ihnen liegenden Gefäfse lassen sich aber, wie schon’ oben (S. 26) erinnert wurde, nicht für wirkliche Kiemengefäfse annehmen. Alle Kiemen ragen in der Flüssigkeit, worauf sie wirken, hervor und sind mit einem Gefäfsnetze bedeckt. Beides ist hier nicht der Fall. Man kann mit gröfserm Rechte voraussetzen, dafs zu der Zeit, wo die Nabelstrang- gefäfse noch nicht gebildet sind, die Gefäfse des Dotters die Stelle der Kiemengefäfse vertreten, als dafs die Adern der obigen Spalten die Verrichtung dieser Gefälse haben. Die Dottergefäfse würden, wenn sie blos zur Einsaugung des Dotters dienten, nur aus Venen bestehen. Aeussere Oeffnungen giebt es übrigens auch noch an andern Stellen des Embryo, wo an Kiemengefäfse nicht zu denken ist, z. B. nach Rathhke,“”) am Hirn und Rückenmark der Haien und Rochen. Mit dem ursprünglichen Leben im Flüssigen ist für die Wirbelthiere der drei obersten Classen noch eine andere Bildungsänderung verbunden. Sie besitzen, ehe die Nieren und die Leber vorhanden sind, zu beiden ‚Seiten des Rückgraths, in der Gegend, wo sich. nachher die Nieren bilden, zwei eigene Secretions- organe, deren Ausführungsgänge sich in die Cloake, *) Rathke in Oken’s Isis. B. 21. S. 80 108. Huschke ebendas. S. 160. ‚Rathke, Verhandl. der Kaiserl. Acad. der Naturf. B. XIV. Abth.1. S. 161. Von Baer in Meckel’s Archiv für Anat. und Physiol, 1827. 'S. 356. **, In Burdach’s Physiol. Th. 2. S. 219. 98 oder in den: Sack, aus welchem in der Folge die Cloake und Harnblase entstehen, öffnen. Diese, zuerst von C. F. Wolff wahrgenommenen, von Oken wieder aufgefundenen, von Rathke, Jacobson“) und J. Müller“) weiter verfolgten und unter dem Namen der falschen Nieren, der Okenschen: oder Wolffschen Körper beschriebenen Theile vertreten ohne Zweifel anfangs die Stelle der Nieren: denn sie verschwinden mit dem Erscheinen dieser Ein- geweide. Sie sind aber vielleicht auch Stellvertreter aller andern, noch nicht vorhandenen Absonderungs- werkzeuge, da sie besonders auch dem Entstehen der Leber vorhergehen. Sie finden sich bei allen Säug- thieren, Vögeln und Amphibien, und dauern bei den Fröschen und Salamandern während ‘deren ganzen Larvenzustandes fort. Sie haben endlich Aehnlichkeit in ihrem innern Bau mit den Nieren der Fische. Es ist ungewils, ob sie auch bei diesen Thieren vor- handen sind. Finden sie sich bei denselben nicht, so ist ihr Daseyn durch das, dem Athmen durch Lungen vorhergehende Atlımen im Flüssigen bedingt. Die Periode der entwickelten Nabelstranggefäfse ist die der Vollendung des Fetus. Ausser den Zeu- gungstheilen, deren Entstehung in diese Zeit fällt, waren alle seine übrigen Organe vorher schen an- gefangen, nur noch nicht ganz entwickelt. Die Aus- bildung geschieht im Allgemeinen durch Trennung des Gleichartigen in ungleichartige Theile und Ver- *) Die Okenschen Körper oder die Primordialnieren. Kopenh. 1830. **) Bildungsgeschichte der Genitalien.. Düssseldorf 1330. 99 bindung des Ungleichartigen, Verkleinerung auf der einen Seite und Verlängerung auf der andern, Ver- schliessung des Offenen und Oeffnung des Verschlos- senen. Man kann weder sagen, sie geschehe blos von Innen nach Aussen, noch das Gegentheil behaupten. Manche Theile sind nach Aussen schon sichtbar, wenn sie sich nach Innen noch nicht verfolgen lassen. Aber der Weg, den sie bei ihrem Wachsthum nach Innen zu nehmen haben, ist ihnen durch eine von Innen nach Aussen gehende Kraft vorgezeichnet, die bei den Wirbelthieren vom verlängerten Mark und Rückenmark, bei den wirbellosen vom Bauchstrange aus auf das Ganze wirkt. Diese Organe gehören daher zu den ersten, die sich bei allen Thieren bilden, sobald der Fetus im Umrifs entworfen ist. Für die Folge der übrigen Theile läfst sich kein Gesetz aufstellen, das für alle Thierclassen pas- send wäre. Bei den Wirbelthieren bildet sich das Herz schon in einer sehr frühen Zeit; bei den Cru- staceen und Insecten erscheint es weit später. Bei allen diesen Vorgängen zeigen sich die Kräfte des Lebens als etwas, das vor der Entstehung des Festen im Flüssigen und durch das Flüssige wirksam ist. Wenn im Embryo der Vögel die Rückenplatten schon zu verwachsen anfangen, die Höhlungen des Hirns und Rückenmarks, ja selbst die Rudimente der Augen sich schon zeigen, wenn also gewils schon Nerven- wirkungen statt finden, so, ist doch in jenen Höh- lungen noch blofses Wasser enthalten. *) *) Von Baer über Entwickelungsgeschichte der Thiere. Th. 1. S. 253, 7* 100 Sobald der Fetus zur Reife gelangt ist, durch- bricht er bei allen Thieren, nur nicht den Säug- thieren, selbstthätig seine Hülle. Bei diesen wird er von der Mutter ernährt und ohne eigenes Zuthun von der Mutter ausgeschlossen. Es giebt zwar auch unter den übrigen Thieren lebendiggebährende. *) Aber bei diesen Arten brütet der mütterliche Körper die Frucht in sich nur aus; das Ei, worin sie sich entwickelt, wurzelt nicht im Uterus. Manche dieser Thiere sind daher bald lebendiggebährend, bald eier- legend. “*) Man kann sogar machen, dafs die, sonst eierlegenden Coluberarten lebendige Junge, nach Art der Vipern, gebähren, wenn man ihnen gegen die Zeit des Eierlegens das Wasser entzieht. Sie werden da- durch verhindert, ihre alte Haut abzuwerfen, und dieser Zwang hält sie vom Eierlegen ab. Der Fetus *) Zu dem Verzeichnifs dieser Thiere im 3ten Bande, S. 268, der Biologie gehören noch: die Actinien, die durch den Mund lebendige Junge zur Welt bringen, (Rapp über die Polypen. 5. 45.) Voluta Cym- bidium (Adanson Coquillages du Senegal. p. 47. 48) und Cyclas cornea Lam. (Pfeiffer’s Systemat. Anordn. u. Beschreibung deutscher Land- und Wasserschneeken. H. I. S. 120). Die Helix (Paludina) vivipara dieses Verzeichnisses hat die Eigenheit, dafs sie nicht, wie die mehrsten der übrigen Thiere, nur zu gewissen Zeiten, sondern das ganze Jahr hindurch lebendige Junge zur Welt bringt. (Spallanzani Mem. sur la respiration. p. 263.) Zwischen den, innerhalb und ausserhalb dem Körper der Mutter zur Reife kommenden Thieren stehen gewissermaafsen die, von einer zweiklappigen Schaale umgebenen Kiemenfüfsler in der Mitte, da sie Eier legen, deren Schaale nicht abgeworfeu wird, sondern sich spaltet und fortwachsend zur zweiklappigen Schaale der Jungen wird. (Ramdohr’s Micrograph. Beiträge zur Entomol. und Helmithologie. Th. 128.23) *+) zZ. B. Lacerta agilis. The Edinburgh new philos. Journ. July — Oct. 1830. p- 388. 101 entwickelt sich unterdefs auf die gewöhnliche Weise und. durchbricht das Ei noch im Mutterleibe. *) Obgleich aber die Eier keiner Thiere als der Säugthiere mit dem Uterus organisch verbunden sind, so treten doch einige, nachdem sie gelegt sind, mit dem Körper eines andern Thiers, zum Behuf der Ernährung des Fetus, in Verbindung. Cavolini*) sagt: eine gewisse Oniskenart lege ihre Eier in den Leib der Krebse, wo sie Wurzeln schlagen und sich entwickeln. Nach De Geer’s***) Erzählung legt eine, von ihm beschriebene Milbenart (Trombidium aquaticum F.) ihre Eier auf den Körper und die Beine anderer gröfserer Insecten, wo sie auf Unkosten der letztern, die davon schwach und matt werden, an Gröfse zunehmen, welches nicht möglich wäre, wenn sie nicht mit diesen durch Gefäfse zusammenhingen. Die Embryonen mehrerer anderer Thiere werden noch eine Zeitlang nach der Reife entweder von dem Ei, oder von einer Materie, wovon das Ei um- geben ist, oder auch, nachdem sie schon ohne Hülle gebohren sind, von einer Flüssigkeit, die in eigenen Organen ausserhalb den Zeugungstheilen abgesondert wird, ernährt. Die Jungen der Hirudo vulgaris und des Regenwurms schwimmen noch in der Flüssigkeit des Eies und bewegen sich darin, wenn sie schon ausgebildet sind.+) Die der Weinbergschnecken leben *, Nach Prevost’s Entdeckung. Mem. du Mus. d’Hist. nat. TIER 9D.r3. 5 **) Ueber die Erzeugung der Fische und Krebse. S. 167. ***) Mem. pour servir a PHist. des Ins. T. VII. p. 145. 1) Braun’s systemat. Beschreibung einiger Egelarten. 8. 41. 102 nach dem Auskriechen aus dem Ei anfangs blos von der Haut desselben, *) so wie die Larven der Frösche und Kröten von dem Laich, wovon ihre Eier um- geben sind. Die jungen Dornhaien (Squalus Acanthias) schwimmen noch in der Flüssigkeit des Amnion, wenn sie schon soweit ihre völlige Ausbildung haben, dafs nur die Dotterblase sich noch nicht in den Leib zu- rückgezogen hat. *”) Die Embryonen der Anodonten gelangen nach ihrem Austritt aus. dem Eierstock in die Kiementaschen, in welchen es eigene Absonderungs- organe einer nährenden Materie für sie giebt. Bei den Onisken fand ich im Unterleibe unter den Bauch- klappen, worunter sie ihre Jungen eine Zeitlang tragen, wie die Beutelthiere die ihrigen in den Bauch- Lay eine RR von Zitzen, wodurch die Jungen Bedingungen der Erzeugung durch © Alle Erzeugung hat zu Bedingungen: Wärme und einen gewissen Gehalt an Sauerstoffgas entweder der Luft, oder der Flüssigkeit, worin sich der Keim befindet. *) Gaspard in Magendie’s Journ. de Physiol. T. II. p. 336. *) Lorenzini (Bemerkungen über die Krampfrochen. $. 117, in Sehneider’s Samml. von anatom. Aufsätzen und. Beobachtungen zur Aufklärung der Fischkunde. Th. 1.) fand im Maul und im ganzen Nah- rungscanal der ungebohrnen Krampfrochen eine Materie von derselben Art, wie im Wasser des Amnion enthalten war. **+) Verm. Schriften von G. R. u. L. €. Treviranus. B.1. 8. 60. 105 Die Noihwendigkeit der erstern und der Quantität des letztern ist sehr verschieden bei den verschiedenen Arten der Pflanzen und Thiere. Alle Erfahrungen aber lassen schliessen, dafs kein organisches Wesen sich bei einer Temperatur unter dem Gefrierpuncte und bei gänzlichem Ausgeschlossenseyn des Sauer- stoffgas entwickelt. Die Flechten und Moose fructi- fieiren zwar mitten im Winter, doch nur unter dem Schnee, oder bei Thauwetter. An der freien Luft tritt während dem Frost immer ein Stillstand in ihrer ganzen Vegetation ein. Unter denen Thieren, die nicht eine eigene, von der äussern Temperatur unab- hängige Wärme haben, kenne ich nur die Poduren als solche, die, wenn anders De Geer*) recht ge- sehen hat, mitten im Winter Eier legen. Aber es ist nicht ausgemacht, dafs ihre Eier sich auch im Winter entwickeln, und wenn dies geschieht, so findet doch die Entwickelung wohl nur unter dem Schnee statt. **) Gegen die Nothwendigkeit eines gewissen Maalses von Sauerstoffgas zur Entwickelung des Embryo scheinen Erfahrungen Achard’s, Ingenhoufs’s und Priest- ley’s zu sprechen, nach welchen Pflanzensaamen auch *), A. 2. 0. T. VIE. p. 20. *) Die Podura nivalis findet man oft auf frisch gefallenem Schnee, doch nur nach heftigen Winden, wovon sie mit weggeführt wird. (De Geer, Hist. de lP’Acad. des sc. de Paris. A. 1750. p. 40). Von der Larve der Cantharis fusca, die ebenfalls oft in grofser Menge auf dem Schnee gesehen wird, ist es ausgemacht, dafs sie im Winter nicht aus dem Ei hervorkömmt, sondern sich unter der Erde aufhält, woraus sie sich zuweilen auf den Schnee hegiebt. (Blumenbach’s Handb. der Natur- gesch. 10Ote Ausg. S. 348.) PN... in Stickgas keimten. *) Allein da diese Versuche mit Stickgas angestellt wurden, das durch Wasser gesperrt war, und bei einer solchen Sperrung sehr bald at- mosphärische Luft zu dem eingeschlossenen Gas dringt, so beweisen sie und alle ähnliche Beobachtungen nur, was freilich auch andere Thatsachen darthun, dafs zum Anfachen des Embryonenlebens nur eine geringe Menge Sauerstoffgas nöthig ist. Wo ein Thierei sich in einem vegetabilischen oder animalischen Körper entwickelt, da hat entweder die atmosphärische Luft Zugang zu der Höhle, worin es. sich befindet, oder, ist diese ganz verschlossen, wie die des Uterus der Säugthiere, so erhält es aus dem Blute der Mutter den Bedarf an Sauerstoff. Dafs gelegte Eier der Thiere nicht zur Entwickelung kommen, sowohl wenn die atmosphärische Luft keinen Zutritt zu ihnen hat, als wenn sie in irrespirabeln Gasarten eingeschlossen sind, beweisen die Erfahrungen Reaumur’s über das Ausbrüten der Hühnereier unter Wasser, Viborg’s über den Einflufs jener Gasarten auf eben diese Eier **) und Herold’s **) über die Einwirkung derselben auf die Eier der Spinnen. Bei den Pflanzen und den kaltblütigen Thieren wird die Ausbildung des Embryo durch eine höhere Temperatur, die jedoch gewisse Gränzen nicht über- schreiten darf, beschleunigt. Im Pflanzenreiche zeigt *) Biologie. B. 2. S. 476. “) Tiedemann’s Anat. und Naturgesch. der Vögel. Th. 2. S. 143. ***), Untersuchungen über die Bildungsgesch. der wirbellosen Thiere im Ei. Th. 1. S. 5. 105 dies die tägliche Erfahrung. Bei den Hydern steht sowohl das Sprossentreiben überhaupt, als die Zeit der Bildung der Sprosse und ihres Zusammenhangs mit der Mutter in gradem Verhältnifs mit der Wärme der Atmosphäre und der Menge der Nahrung, welche die Mutter und die schon ausgebildete Sprosse be- kömmt.*) Die Entwickelung der Spinneneier läfst sich . nach Willkühr beschleunigen oder aufhalten, je nach- dem man einen stärkern oder gelindern Grad der Wärme darauf wirken läfst.**) Die Eier der Weinberg- schnecke sahe Gaspard **) sich bei 20° Wärme binnen 21 Tagen, bei 12° Grad binnen 38 Tagen, und bei 6 bis 8° erst binnen 45 Tagen entwickeln. Aehnliche Erfahrungen machte er an den Eiern der Frösche. Bei den Vögeln, deren Eiern von der brü- tenden, warmblütigen Mutter ein bestimmter Grad von Wärme mitgetheilt wird, läßst sich zwar auch die Entwickelung der Frucht durch eine künstliche höhere Temperatur anfänglich etwas befördern. Aber diese Beschleunigung zieht immer den Tod des Fetus vor seiner Reife nach sich.+) Ob wie die Wärme, so auch ein gröfserer Gehalt des Mediums an Sauerstoffgas auf die Ausbildung des Embryo einen beschleunigenden Einflufs hat, darüber fehlt es an Erfahrungen. Wir wissen nur, dafs das reine Sauerstoffgas dem Keimen der Pflanzen vielmehr nachtheilig als vortheilhaft ist, +7) *) Trembley Mem. p. 158. 1738. **) Herold a. a. ©. S. X. SE) A232) 07%: 335. T) Pfeil de evolutione pulli in ovo incubato. Berol. 1823. p. 8. ir) Biologie. B. 2, S. 476. 106 und dafs die Eier der Spinnen eben sowohl in blofsem Sauerstoffgas als in Wasserstoffgas, Salpetergas und kohlensaurem Gas verderben. *) Auf die Entwickelung des Embryo der Vögel und, der Analogie nach, auch der Säugthiere mufs noch eine dritte Ursache Einflufs haben. Gaspard**) fand bei Versuchen über das Ausbrüten der Hühner- eier durch künstliche Wärme, dafs, welche Vorsicht er dabei auch anwenden mochte, der Erfolg weit weniger günstig war, als er nach der Schilderung, die Reaumur davon macht, erwartet hatte. Die Früchte kamen meist gar nicht zur Reife, und die wenigen reifen Jungen waren klein, krüpplig und ungesund. Den Egyptern mufs dieses Ausbrüten zwar besser gelingen, weil sie sonst dasselbe nicht im Grofsen betreiben würden. Aber nach dem Bericht der The- venot, Pocock u. s. w. erhält man doch auch da auf diese Weise nur kleine, magere und oft unvoll- kommene Küchlein. Gaspard zählt mehrere Umstände auf, denen man die verschiedene Wirkung der künst- lichen und natürlichen Incubation beimessen könnte. Diese sind aber sehr geringfügig und von ihm selber für blofse Vermuthungen ausgegeben. Es mufs hierbei eine höhere Ursache, ein unmittelbarer Einflufs der Mutter auf die Frucht im Spiele seyn. Im dten Bande der Biologie, S. 467, führte ich zum Beweise eines solchen Einflusses Bechstein’s Beobachtungen über die Einwirkung der Farbe des brütenden Vogels auf *) Herold a. a 0. S.5. *) A. a. 0. T. VI. p. 303. 107 die Farbe der ausgebrüteten Jungen an. Faber*) hat nachher wahrscheinlich zu machen gesucht, dafs auch die Triebe der Jungen durch ein Wirken der Mutter auf den Fetus beim Brüten eine veränderte Richtung erhalten können. Er erklärt hieraus die Sonderbarkeit bei gezähmten Vögeln, dafs sie zu- weilen die Gesellschaft anderer und sogar die Paarung mit andern, ganz verschiedenartigen Vögeln der Be- gattung mit Individuen ihrer eigenen Art vorziehen. Er wisse, sagt er, ein zuverlässiges Beispiel, dafs Entriche, die durch Hühner waren ausgebrütet worden, sich mit Hühnern und nicht mit Enten paarten, ob- gleich diese ihnen zu Gebote standen. Anders als die Wärme wirkt bei der Bildung des Embryo das Licht. So notlıwendig auch der Einflufs des letztern zu der, dem Entstehen des Saamenkorns vorhergehenden Befruchtung ist, **) so sind doch die Saamenkörner selber, wie die Eier der Thiere, bei ihrer ersten Entstehung im mütterlichen Körper dem unmittelbaren Einflufs des Lichts stets entzogen. Die Sprossenbildung geschieht, wenn die Keime unbedeckt entstehen, in der Erde oder unter dem Wasser; oder diese erzeugen sich, wenn sie an der Luft hervor- wachsen, unter dicken, oft sehr zahlreichen, dunkel- gefärbten Häuten. Der Embryo entwickelt sich zwar, wenn die Saamenkörner ausgestreut und die Eier ge- legt sind, oft beim Zutritt des Lichts. Er selber ist *) Ueber das Leben der hochnordischen Vögel. H. 2. **) Gärtner, Naturwissenschaftl. Abhandl. einer Gesellschaft in Würtemberg. B. 1. H. 1. S. 35. 108 aber immer von diesem entweder durch eine dicke Schaale, oder da, wo eine solche fehlt, durch ein undurchsichtiges, oft schwartzes Pigment der äussern Eihaut, oder, wie bei vielen Insecteneiern, durch einen Ueberzug von einer leimigen Materie vor dem Lichte geschützt. Ein schwartzes Pigment bedeckt z.B. die inwendige Seite der dünnen äussern Haut des Frosch- eies, und von dunkeler, oft schwartzer Farbe sind alle Saamenkörner, die eine dünne äussere Haut haben und auf der Oberfläche der Erde keimen. Nothwendig ist dagegen zur Entwickelung des Fetus in den Eiern der meisten 'Thiere, so wie in allen Saamenkörnern der Pflanzen und in allen, vom Mutterstamme abgelösten Sprossen der letztern ein ge- wisser Grad von äusserer Feuchtigkeit, obgleich im Wasser selber keinesweges die Früchte aller Eier zur Reife kommen. Die Eier der Weinbergschnecke ver- derben eben sowohl im Wasser, *) als die Eier der Wasserschnecken auf dem Trocknen. Wärme, ein gewisses Maafs von Sauerstoffgas und von Feuchtigkeit sind die einzigen Bedingungen der Erzeugung im Allgemeinen. Bei der Erzeugung durch Eier findet noch eine vierte statt: die Befruch- tung. Wie diese geschieht, ist für jetzt kein Gegen- stand unserer Untersuchung. Es kömmt hier nur auf ihre Nothwendigkeit zur Bildung des Embryo an. Zur Erzeugung eines vollständigen Embryo ist die Befruchtung ein nothwendiges Erfordernifs bei *) Gaspard a. a. O. T. II. p. 330. 109 allen Wirbelthieren. Man sahe nie ein Säugthier eine vollständige Frucht ohne vorhergegangene Paarung gebähren, und nie bei demselben eine einmalige Be- fruchtung mehr als eine einmalige Geburt zur Folge haben. Dieses Letztere gilt nicht mehr von den Vögeln. Das Huhn legt in Zwischenzeiten viele Eier nach einer einmaligen Paarung, und es läfst sich nicht genau angeben, auf wie lange Zeit sich die Wirkung einer einmaligen Befruchtung bei demselben erstreckt. Doch ist soviel gewils, dafs auch die Vögel im jungfräuli- chen Zustande niemals fruchtbare Eier hervorbringen.*) Es ist möglich, dafs bei denen der übrigen Wirbel- thiere, wobei die Befruchtung ebenfalls im Körper des Weibchens geschieht, die Wirkung derselben sich auf noch weit längere Zeit als bei den Vögeln erstreckt. Auf jeden Fall rührte es von einer frühern Befruchtung her, dafs Wurfbain und Blumenbach Erdsalamander, die fünf Monate ohne Gemeinschaft mit einem andern 'Thier ihrer Art gewesen waren, Junge gebähren sahen. *) Beobachteten doch Rösel, Spallanzani, Prevost u. s. w. bei ihren vielen Versuchen über die Fortpflanzung der Frösche, deren Eier erst nach dem Legen, ausserhalb dem Körper des Weibchens befruchtet werden, und wobei also das letztere durch die Paarung nicht fähig wird, künftig ohne Zuthun des Männchens fruchtbare Eier zu erzeugen, nie Entwickelung unbefruchteter Eier. Der Analogie nach läfst sich diese Unfähigkeit auch *) Biologie. R. 3. S. 263. **) Ebendas. B. 3. S. 264. 110 bei den Fischen voraussetzen. Wenn Pallas, Bloch, Cavolini und Home glaubten, die Meernadeln (Syngnathus), die Lampreten (Petromyzon), die My- xine, Perca marina L. und Perca Cabrilla L. bedürften zur Fortpflanzung nicht der Begatiung, weil sie nie unter diesen Fischen Männchen fanden, *) so ist diese Meinung in Betreff der Lampreten durch Rathke’s Beobachtungen **) widerlegt worden, nach welchen es allerdings männliche Lampreten giebt. Es läfst sich also erwarten, dafs, wenn man die übrigen jener Fische eben so genau als die Lampreten untersuchen wird, unter denselben ebenfalls Männchen sich zeigen werden. Einzelne, doch immer nur nervenlose und zu keinem Ganzen verbundene, organische Theile, so wie Eier ohne Früchte, können aber allerdings bei dem Menschen und den übrigen Wirbelthieren ohne Befruchtung gebildet werden. Man hat sonst die Erzeugnisse dieser Art theils für Ueberbleibsel eines Fetus angesehen, der zugleich durch eine und dieselbe Befruchtung, oder nach einiger Zwischenzeit durch Superfetation mit einem andern entstand, mit diesem verschmolz und in demselben bis auf einige Ueberbleibsel verzehrt wurde; theils für Wirkungen unvollständiger Befruchtungen gehalten. Ich habe aber schon im 3ten Bande der Biologie, S. 297, Beob- achtungen angeführt, die mit beiden Voraussetzungen unvereinbar sind. Seit der Herausgabe dieses Bandes Cavolini über die Erzeugung der Fische und Krebse. S. 82. 190. Home, Philos. Transact. Y. 1815. p. 265. *+) Meckel’s Archiv £. d. Physiol, B. 6. S. 599. 111 ist die Zahl solcher Erfahrungen durch so manche neue, zum Theil noch wichtigere, vermehrt worden, dafs die Unrichtigkeit der frühern Erklärungen jedem Unbefangenen einleuchten mufs. Die erwähnten Erzeugnisse fanden sich am häu- figsten bei dem Menschen und bestanden immer in Haaren, Zähnen und Knochen, die in häutigen Säcken eingeschlossen waren. Die Haare hatten zuweilen Wur- zeln, zuweilen auch keine. Die Zähne waren in einigen Fällen von der Gröfse und Gestalt, wie sie sonst um die Zeit des Wechselns der Zähne sind. Ihre Zahl belief sich in einem, von Ploucquet beschriebenen Fall auf dreihundert Die Knochen wurden von einigen Beobachtern mit diesen und jenen des Menschen oder des Thiers, bei dem sie sich fanden, verglichen. In andern Fällen war aber keine solche Aehnlichkeit zu erkennen, und auch in jenen scheint dieselbe nur entfernt gewesen zu seyn. Man fand diese Erzeugnisse zwar häufiger beim weiblichen als beim männlichen Geschlecht, doch auch nicht selten bei diesem. Sie entstanden meist erst nach eingetretener Mannbar- keit, aber in einigen Fällen auch bei Mädchen mit allen Zeichen der physischen Jungfräulichkeit. Ge- wöhnlich kamen sie in den Eierstöcken, doch in einigen Fällen auch an der Leber, am Magen, am Netz und an andern, ganz ausserhalb der Sphäre der Geschlechtstheile liegenden Stellen vor. Zu alleu diesen Sätzen findet man die Belege in einer Abhandlung von A. Murray,*) im 3ten Bande der Biologie, $S. 299, *) De dentium et pilorum in ovario generatione. Upsal. 1780. 112 und in. einem Aufsatze J. F. Meckel’s über regel- widrige Haar- und Zahnbildungen. *) Zu den hier gesammelten Beispielen sind nachher noch zwei neue hinzugekommen, wo sich ebenfalls Haare, Zähne und Knochen an Stellen gebildet hatten, die so fern von den Geschlechtstheilen waren, dafs an eine Entstehung _ der fremdartigen Theile von einer vorhergegangenen Schwängerung nicht zu denken ist.””*) *) In dessen Archiv f. d. Physiol. B. 1. S. 519. **) Der eine dieser Fälle, den Gordon beschrieben hat, (Medico- chirurg. Transact. Vol. XIM. P. I. Archiv für medic. Erfahrung von Horn, Nasse u. s. w. J. 1825. July. August. S. 184) ereignete sich bei einer kräftigen, jungen Frau, die nach einer Pneunomie einen hef- tigen Husten und frequenten ‚Puls behalten‘ hatte, und vier Monate nachher eine nufsgrofse, runde, stark pulsirende Geschwulst unter dem Brustende des linken Schlüsselbeins bekam. Man hielt diese für ein "Aneurysma und behandelte sie als solches. Sie nahm anfangs immer mehr zu, brach dann auf, verminderte sich wieder. und verschwand zu- letzt. Die Kranke starb. Bei der Leichenöffnnng fand man im vordern Mediastinum einen Sack, dessen Inhalt eine seröse Flüssigkeit, eine talgartige, mit Haaren vermischte Materie und eine, dem Anschein nach fettige, beim Durchschneiden aber sich knochenartig zeigende Masse war. Bei genauerer Untersuchung entdeckte man einen Knochen, der fast aussahe wie ein Oberkiefer, ein Stück vom Alveolarfortsatz und sieben Zähne: zwei Schneidezähne, zwei Hundszähne und drei Backenzähne. Einer der Hundszähne war an der Krone vollkommen mit Glasur über- zogen und von der Kapsel befreit. Der andere befand sich in der Kapsel, lag aber nur locker in der Zahnhöhle. Die Backenzähne waren in ihren Höhlen unvollkommen ausgebildet, die Schneidezähne hingegen vermit- telst ihrer Kapseln an einer Art Gaumenhaut befestigt. Der zweite Fall ist von Renner beschrieben. (In Heusinger’s Zeitschr. f. d. organ. Physik. B. 1. S. 301.) ‚Man fand bei einer Kuh, die an sogenannten Franzosengeschwulsten (Fettgeschwulsten, die eine tuberculöse Beschaffenheit annehmen) der serösen Hänte der Brusthöhle gestorben war, hinter der ‚Parotis der linken Seite, unter der Haut, eine Balggeschwulst und darin Knochen, worin -‚Remner die des Schä- dels, des Schwanzes und der Extremitäten eines Kuhfetus zu erkennen glaubte. 13 Es giebt von diesen Fällen einen Uebergang zu denen, wo ein Fetus, oder 'Theile eines solchen, sich in Neugebohrnen bis zu einem gewissen Grade ent- wickelten. Es sind unter andern drei Fälle dieser Art von Prochaska bekannt gemacht.*) Zwei derselben kamen an Mädchen vor; der dritte ereignete sich an einem Knaben. Bei diesem lag der Fetus im Hodensack. Der Knabe hatte bei der Geburt nur eine kleine Ge- schwulst in der Leistengegend. Sie blieb bis zum dritten Jahr unverändert, schwoll dann aber binnen wenigen Monaten so an, dafs das Scrotum bis unter die Hälfte der Schenkel herabhing. Endlich entzün- dete sich der Sack und es bildete sich an dessen Oberfläche ein Abscefls, aus welchem der Fetus bei einzelnen Stücken herausgenommen wurde. **) Die Verwandtschaft dieser Fälle mit den vorigen war es, was einige Schriftsteller bewog, die Haare, Zähne und Knochen, die man in den ersten Beispielen fand, ebenfalls für Ueberbleibsel eines Fetus zu halten, der mit dem Körper, worin die fremdartigen "Theile ge- *) Mediein. Jahrbücher des Oesterreichischen Staats. B. 2. St. 4. S. 67. **) Andere ‚ähnliche Beispiele sind von Dupuytren‘ (Journal de Phys. T. LX. p.. 238), 6. 'W.,Young (Med. and chirurg. Transact. published of, the) med., and .chirurg. Society of. London, Vol. L), N. Highmore (Case of a foetus found iin the Abdomen of'a young Man at Sherborne in Dorsetshire. London. ‚1816), Fattori (in Brera’s Giorn. di: Medec. praetiea,. Vel. IL. und :Meckel?’s ‚Handb.. der pathol. Anatomie. B. 2. Abth. 1. S. 78) und. 3. ,Wendt. (Tabulae votivae brevissimam historiam scholarum medicarum complectentes. ‚Accedit casus rarioris pathol. anat. expositio,' Vratislav. 1822. Webers. in Gräfe?’s und Walther?s Journ, für Chirurgie und Augenheilkunde. B. 5. H.1. S. 183) erzählt. ' 8 114 funden wurden, als Zwilling erzeugt und von diesem in sich aufgenommen wäre. Aber wie ist hiermit die Entstehung der dreihundert Zähne in dem von Plouc- quet erzählten Fall, wie die gänzliche Verschiedenheit der gefundenen Knochen von denen des Individuums, worin sie enthalten waren, und wie die so späte Ent- wickelung der fremden 'Theile zu vereinigen? Wäre es ausgemacht, dafs in den Beispielen, wo man einen Fetus in einem Fetus zu sehen glaubte, der erstere sich erst in einer spätern Lebensperiode des letztern entwickelt hätte, so würde es selbst für diese Fälle schwierig seyn, den enthaltenen Körper von einem ‘Keim abzuleiten, der bei der Empfängnifs des enthaltenden in diesen gelangt wäre, da es keine sonstige Tihatsache giebt, wodurch die Voraussetzung gerechtfertigt wird, dafs der Keim eines Säugthiers unentwickelt bleiben kann, ohne seine Lebensfähigkeit zu verliehren. In allen den angeführten Beispielen sind indefs zu wenig Data enthalten, um über die Periode der Entstehung des enthaltenen Fetus mit Gewifsheit entscheiden zu können. *) *) In dem, von Wendt bekannt gemachten Fall würde die spätere Entstehung der Theile, die man für Ueberbleibsel eines Feius im Fetus hielt, sehr wahrscheinlich seyn, wenn nicht diese Geschichte das Ge- präge sehr oberflächlicher Beobachtung hätte. Bei einem, sonst gesunden Knaben fand sich "einige Zeit nach der Geburt ‘der rechte Hoden be- deutend vergröfsert und hart. Die Geschwulst nahm immer mehr zu, so dafs sie fünf Wochen nachher bis an das Knie hing. Nachden: die Castration vorgenommen war, entdeckte‘ man in der Substanz des Hoden mehrere, unter sich durch zellige und muskulöse Fasern verbundene Knochen, welche die Beckenknochen eines ungefähr viermonatlichen Fetus zu seyn schienen, nebst einem, daran befindlichen, rechten Schenkel- 115 Dafs blofse, keiner Entwickelung fähige Eier, sogenannte Windeier, sich ohne alle vorhergegangene Befruchtung bei den Vögeln erzeugen können, ist ausgemacht. Ob auch bei dem Menschen und den Säugthieren die Entstehung solcher Eier ohne Schwän- gerung möglich ist, gehört zu den Fragen, worüber sich bisjetzt nicht entscheiden läfst. Beobachtungen von Abgange derselben bei Menschen sind zwar manche aufgeführt. *) Allein es ist zweifelhaft, ob in diesen Fällen nicht Befruchtung statt gefunden hatte, und ob die Eier nicht ursprünglich den Keim eines Fetus enthielten, der nicht zur Entwickelung kam. Die Möglichkeit des Letztern beweiset ein von Otto **) beschriebener Fall, wo ein menschliches Ei aus einem Chorion und Amnion, einer Nabelschnur und einem Nabelbläschen, von welchem ein Fädchen zur Nabel- schnur ging, ohne Embryo bestand. Da indefs die blofsen Eier der Säugthiere eine grofse Aehnlichkeit mit Hydatiden haben und diese an jeder Stelle im Körper ohne Befruchtung entstehen können, so ist es nicht unwahrscheinlich, dafs auch jene zuweilen einen ähnlichen Ursprung haben. Nach dem Angeführten läfst sich die Möglichkeit knochen und einem, aus Haut, Muskeln und Knochen bestehenden Fufs, Auf einer, der Wendtschen Schrift angehängten Tafel sind diese Theile abgebildet. Sie haben aber darauf mit Beckenknochen u, 8. w. nur eine geringe Aehnlichkeit. *) Haller Elem. Physiol. T. VIH. p. 65. Wealter’s Betrach- tungen über die Geburtstheile des weibl, Geschlechts. S. 17. "*) Seltene Beobachtnngen zur Anatomie, Physiol. und Pathologie. ) H.11:387 136. 5% Sn. der wirklichen Fortpflanzung ohne Befruchtung bei den Wirbelthieren nicht annehmen. Anders verhält es sich mit den wirbellosen 'Thieren. Die sämmtlichen Insecten, die Gasteropoden unter den Mollusken und viele Würmer haben beiderlei Geschlechtstheile und begatten sich, und doch pflanzen sich manche unter ihnen auch ohne vorhergegangene Paarung fort. An den Muschelthieren, manchen Würmern und den sämmtlichen Zoophyten ist keine Geschlechtsverschie- denheit aufzufinden, und sie vermehren sich doch durch Eier. Bei einigen cryptogamischen Pflanzen zeigen sich wieder Erscheinungen, die vermuthen lassen, dafs bei ihnen Befruchtung vorgeht, während bei andern nichts Aehnliches zu entdecken ist. Die phanerogamischen Gewächse haben insgesammt männ- liche und weibliche Zeugungsorgane. Aber es ist doch zweifelhaft, ob sie nicht unter gewissen Umständen auch ohne Befruchtung fruchtbare Saamenkörner her- vorbringen. Unter den Insecten sind es mehrere Schmetter- linge, namentlich Bombyx potatoria Fabr. Bombyx coeruleocephala F. Phalaena casta Pall. Phalaena Xylophthorum Pall. das Bienenweibchen, die Blatt- läuse, der Wasserfloh (Daphnia Pulex. Müll.) und die Spinne, die man schon früher fruchtbare Eier oder lebendige Junge ohne vorhergegangene Befruch- tung hervorbringen sahe. *) Die Zahl dieser Beob- achtungen ist in der neuern Zeit noch durch mehrere *) Biologie. B. 3. S. 264. 117 andere vermehrt worden. Mein Bruder war Augen- zeuge, dafs ein Weibchen der Sphinx Ligustri, welches während der Nacht sich in einem Zimmer aus der Puppe entwickelt hatte und am Morgen darauf an einer Nadel gespielst wurde, am zweiten Tage zahl- reiche Eier legte, aus denen sich Raupen eben so entwickelten, als wenn eine Begattung statt gefunden hätte, die doch nicht statt gefunden haben konnte.*) Dumeril sahe bei Audebert eine Spinne, die zwei Jahre nach einander, ohne Gemeinschaft mit einem Männchen, fruchtbare Eier gelegt hatte.**) Walcke- naer***) fand diese Beobachtung bestätigt. Bei den zweischaaligen Kiemenfüfslern (Cypris Müll.) nahm Jurine+) nie eine Begattung wahr. Sie legten, auch wenn sie ganz isolirt gehalten wurden, Kier, woraus Junge kamen, und die Jungen, gleichfalls isolirt ge- halten, legten wieder Eier, die eine neue Generation gaben. An der Daphnia longispina entdeckte RKam- dohr ++) die nehmliche Fortpflanzungsart, die man an den Blattläusen kannte: durch lebendige Brut im Sommer ohne Paarung, und durch Eier im Herbst nach vorhergegangener Befruchtung. Hingegen bei einer andern Art der Kiemenfülsler, dem Oyclops *) Verm. Schriften von @. R. und L.. €. Treviranus. B. 3. 8. 106. **, Dietionnaire des sc. natur. par plusieurs Prof. du Mus. d’Hist. nat. T. H. p. 324. ***) In einer Anmerkung zu Azara’s Voyage dans l’Amerique me- ridion. T. I. p. 159. y) Hist. des Monocles. p. 166. fr) Mierographische Beiträge zur Entomologie und Helminthologie. S. 26 fg. 118 quadricornis Müll. fand Jurine*) die Paarung zur Erzeugung fruchtbarer Eier nothwendig. Da bei den Vögeln das Weibchen durch eine einmalige Begattung auf Monate fruchtbar gemacht wird, so ist es möglich, dafs bei den niedern Thieren die Wirkung einer einzigen Paarung sich auf Jahre erstreckt, und so konnte in den obigen Erfahrungen die Fruchtbarkeit der Bienenweibchen und Spinnen, die vielleicht nicht gleich von ihrer Geburt an ohne Gemeinschaft mit Männchen waren, Wirkung einer frühern. Begattung seyn. Aber dafs jungfräuliche Schmetterlinge, Blattläuse und Kiemenfüfsler frucht- bare Eier oder lebendige Brut erzeugen, läfst sich nicht so erklären, oder man mufs voraussetzen, der Einflufs einer einmaligen Befruchtung könne sich auf Mutter, Töchter und Enkelinnen erstrecken. Diese Meinung wurde von Bonnet geäussert, und man kann sie im Allgemeinen nicht für verwerflich erklären. Sie pafst aber nicht auf die Fortpflanzung der Blatt- läuse und der Daphnia longispina, worüber Kyber und Ramdohr Aufklärungen gegeben haben, die mit ihr nicht zu vereinigen sind. Nach Kyber**) bedürfen die Blattläuse der Be- gattung nicht zur Erzeugung lebendiger Brut, wohl aber zur Hervorbringung von Eiern. Das Eierlegen geschieht im Herbst. Die meisten sterben dann. Einige aber bringen den Winter in Erstarruug zu. Giebt man diesen Wärme und Nahrung, so fahren sie immer fort, "AL OND. 22. **) In Germar’s Magazin der Entomologie. Jahrg. 1. H.1. S. 1. 119 lebendige Junge zu gebähren. Es giebt geflügelte und ‚ungeflügelte Weibchen. Die geflügelten legen nie Eier, gebähren aber sowohl ungeflügelte als geflügelte Junge. Zum Behuf der Paarung zeigen sich bei mehrern Artenim Herbst, bei einigen schon mitten im Sommer die Männchen. Bis zu diesem Zeitpunct besteht die Brut blofs aus Weibchen. Die Männchen begatten sich nie mit geflügelten Weibchen, aber auch nie mit un- geflügelten, die noch lebendige Junge tragen. Sobald ein Weibchen befruchtet ist, bringt es keine lebendige Junge mehr zur Welt, sondern fängt an, Eier zu legen. Unbefruchtete Eier sahe Kyber nie zur Entwickelung kommen. Auf ähnliche Art vermehrt sich, nach Ramdohr,*) die Daphnia longispina. Diese gebährt den ganzen Sommer hindurch lebendige Junge, und zwar lauter Weibchen, welche ebenfalls wieder ohne alle Begat- tung lebendige Junge erzeugen. Die letzte Generation vom September besteht aber aus Männchen und Weib- chen, die sich in der Mitte des Octobers begatten und nicht mehr lebendige Junge, sondern Eier hervor- bringen. Diese, zur Begattung fähigen Weibchen sind von den vorigen lebendiggebährenden in der Gestalt verschieden. Gegen die Mitte des Novembers sterben die sämmtlichen Männchen. Dagegen leben die Weib- chen bis spät in den Winter, wenn der Frost, gegen welchen sie empfindlich sind, sie nicht früher tödtet. Etwa drei Wochen nach der Begatiung bekommen 2) A220. BR _ die Weibchen die von O. F. Müller beschriebene, von der Ausdehnung des Eierbehältnisses entstehende Erweiterung eines 'Theils der Schaale, den Sattel, worin sich beständig zwei Eier befinden. Die befruch- teten Weibchen legen solche zwei Eier mehrere male in wochenlangen Zwischenzeiten. Sie bringen zuweilen, und zwar, wie Ramdohr glaubt, wenn sie nicht hinreichend befruchtet sind, nur ein- oder zweimal Wintereier hervor, worauf sie bei gelindem Wetter wieder lebendige Junge, aber blos lebendiggebährende Weibchen, erzeugen. Weibchen, die Ramdohr in jener Jahreszeit nicht zur Befruchtung hatte gelangen lassen, blieben bis zum November unfruchtbar, bekamen jedoch zum Theil zu der Zeit Sättel, wo die meisten befruchteten Weibchen solche hatten. Allein in diesen Sätteln befanden sich keine Wintereier. Sie verlohren dieselben wieder und gebahren nachher lebendige Junge, welche meist aus lebendiggebährenden Weib- chen und nur wenigen Männchen, ungefähr im Ver- hältnifs wie 15 zu 1, bestanden. Diese Jungen pflanzten sich bei einer künstlichen "Temperatur von 5 bis 10° R. über O0 den Winter hindurch ohne Begattung grade wie im Sommer fort, und die von Zeit zu Zeit nur selten erscheinenden Männchen waren ganz überflüssig. Wenden wir uns zu den Mollusken,‘ so finden wir bei denen dieser Thiere, die sich begatten, eben- falls Beispiele von Fortpflanzung ohne Paarung. Spallanzani*) sahe auf diese Weise sich die Palu- *) Mem. sur la respiration. p. 267. 121 dina vivipara vermehren. Von sechs Jungen, die er aus dem Uterus einer solchen Schnecke nahm und einzeln ganz isolirt aufzog, starben vier; die beiden übrigen hatten im zweiten Jahr den Uterus voll le- bendiger Jungen, von welchen auch schon mehrere zur Welt gebracht waren. Oken*) sagt: er habe beobachtet, dafs Limnaeus auricularius sich durch vier Generationen ohne alle Paarung fortpflanzte. Sobald die Junge Schnecke aus dem Ei gekrochen war, setzte er sie in ein besonderes Glas. Dennoch legte sie Eier, welche sich entwickelten und wieder vermehrten. Eine der sonderbarsten Erscheinungen zeigen die Salpen. Man findet die gleichartigen Individuen dieser Thiere oft einzeln schwimmend, oft aber auch durch äussere Fortsätze, die eine Art von Saugwarzen zu seyn scheinen, zu sehr ausgedehnten Gruppen vereinigt. Dafs ihr Zu- sammenhängen eine wirkliche Paarung sey, läfst sich nicht annehmen. Aber mit der Fortpflanzung steht dasselbe doch in einer eigenen Beziehung. Nach Eschscholtz’s Beobachtungen **) findet ein fester Wechsel in der Erzeugung der sich vereinigenden und der einzeln lebenden Individuen statt. Diese werden immer nur von jenen und jene nur von diesen erzeugt. Den einzeln lebenden fehlen die zur Ver- einigung nöthigen Organe, und sie unterscheiden sich von den andern auch in der übrigen Organisation. Bei den Würmern sind noch keine ähnliche Er- *) Isis. 1825. H. XI. S. 1254. **) In Chamisso’s Schrift: De animalibus quibusdam e classe vermium Linnaeana. Fase. I. p. 2. 19. 122 fahrungen über die Fortpflanzung ohne Paarung ge- macht worden, doch nur, weil überhaupt die Ver- mehrung dieser Thiere durch Eier noch wenig zu einem Gegenstand der Beobachtung gemacht ist. Gewils ist es, dafs unter ihnen schon Gattungen sind, mit denen die grofse Zahl von Wesen anfängt, die ohne Befruchtung Eier hervorbringen. Zu den letztern gehören alle Zoophyten. Man entdeckte bei keiner Thierpflanze männliche Zeugungstheile, bei keiner etwas, das sich für Befruchtung hätte annehmen lassen. Mit ihnen sind in dieser Rücksicht die meisten eryp- togamischen Pflanzen in Eine Classe zu setzen. Wenn man alles das für Befruchtungstheile gelten läfst, was von manchen Botanikern bei diesen Gewächsen dafür ausgegeben ist, so bleiben freilich nicht viele - derselben übrig, bei denen nicht Geschlechtsverschie- denheit statt fände. Allein diese Angaben sind ins- gesammt Muthmaafsungen. Einige derselben können sich bestätigen. Aber solche werden dann nicht mehr lehren, als was sich jetzt schon aus 'Thatsachen er- giebt, die an pflanzenartigen Wesen der untersten Stufen aufgefunden wurden: dals eine gewisse Art von Begattung auch bei der höchsten Einfachheit des Baus unter gewissen Umständen zur Erzeugung fruchtbarer Eier nothwendig seyn kann. Die von Vaucher mit dem Namen der Conjugaten be- legten Confervenarten und eine gewisse Schimmel- gattung geben den Beweis davon. Die röhrenförmigen | Fäden jener Conferven bestehen aus Abtheilungen, die eine grüne, körnige Materie enthalten. Gegen die 123 Zeit der Fructification wächst aus dieser und jener Abtheilung eines Fadens eine kleine Seitenröhre hervor, die sich mit einer Abtheilung eines andern Fadens so vereinigt, dafs ein freier Zugang von der einen zur andern entsteht. Durch diesen geht die grüne Materie der einen in die andere über und ballt sich mit der grünen Materie der letztern zu einer Kugel zusammen, die das Ei oder Saamenkorn der Conferve ausmacht.*) Ein ähnliches Zusammenmünden tritt, nach Ehren- berg,**) auch bei dem schon oben (8. 68) erwähnten Syzygites megalocarpus ein. Die Fäden dieser Schim- melart sind anfangs einfach und durchsichtig. Später- hin theilen sie sich gabelförmig und werden mit kleinen Warzen besetzt. Bei fortrückendem Wachsthum treten diese Warzen deutlicher hervor und werden zum Theil birnförmig. Von diesen birnförmigen sind immer zwei, einander mit dem äussern, dicken Ende berührende beisammen. Sie berühren sich anfangs leicht, saugen sich allmählig fest zusammen, und wachsen endlich in einen Körper zusammen, welcher die Form einer eingeschnürten Spindel hat. Zu eben der Zeit, worin sie anfangen, sich zu vereinigen, bilden sich im In- nern der Fäden erst durchsichtige, dann gelbgrünliche Flocken, welche sich nach den Warzen bewegen und darin anhäufen. Am dicken, anastomosirenden Ende der Warzen, also in der Mitte der Fruchtspindel, drängen sich die Körner zusammen und nehmen eine *) Biologie. B. 3. S. 315. **) Verhandl. der Gesellsch. naturf. Freunde in Berlin. B. 1. St. 2. S. 98. 124 dunklere Farbe an. Zuletzt bilden sie eine schwartze Kugel, welche ein Drittel der ganzen Spindel ausmacht. Nach dem Zusammenballen der Körner sind die übrigen : Theile der Pflanze ganz leer, verschrumpft und bräunlich. Die Kugel fällt endlich ab, indem sich die beiden Seitentheile der Spindel von ihr trennen. Hier ist schwerlich Copulation verschiedener Ge- schlechter oder ungleichartiger Organe, wohl aber verschiedener Individuen durch gleichartige Theile. Bei den phanerogamischen Pflanzen tritt wieder deut- liche Verschiedenheit der Geschlechtstheile, und in manchen Fällen auch Vertheilung der männlichen und weiblichen Organe an verschiedenen Individuen ein. Es ist gewils, dafs bei ihnen gewöhnlich nur nach der Einwirkung der männlichen Organe auf die weib- lichen sich reife Saamenkörner bilden. Ob aber nicht bei manchen von ihnen und unter gewissen Unständen die Befruchtung zu dieser Bildung unnöthig ist, dar- über läfst sich nicht mit Gewilsheit entscheiden. Alston, Spallanzani, Reynier, Heller und Henschel machten Beobachtungen bekannt, welche diese Un- nöthigkeit beweisen sollten.*) S. Volta**) und mein Bruder ***) erklärten sich, gestützt auf zahlreichere *) Biologie. B. 3. S. 357 fg. — Alston’s Abhandl. von dem Ge- schlecht der Pflanzen findet sich übersetzt in den Neuen Versuchen und Bemerkungen einer Gesellsch. in Edinburg. B. I. S. 324. — Journ. de Phys. 1787. Nov. 1788. Oct. Ueber die Sexualität der Pflanzen. Studien von A. Henschel. Rreslau 1820. **) Memorie della Reale Acad. di Sc. di Mantova. T. I. p. 225. *++) Verm. Schriften von G. R. und L. C. Treviranus. B. 4. S. 95. 172. Die Lehre vom Geschlecht der Pflanzen, in Bezug auf die neuesten Angriffe erwogen von L. €. Treviranus. Bremen. 1322. 125 und genauere Versuche, gegen die Richtigkeit dieser Erfahrungen. Für die meisten Fälle liegt die Wahrheit gewils auf Seiten der letztern Schriftsteller. Doch läfst sich auch nicht leugnen, dafs die Zahl der Pflanzen, woran die Versuche gemacht wurden, ver- hältnifsmäßig nur gering und die Möglichkeit der Fortpflanzung durch Saamen ohne vorhergegangene Befruchtung für gewisse Arten der phanerogamischen Gewächse und unter gewissen Umständen noch nicht aufgehoben ist. Es ist ausgemacht, dafs weibliche Stöcke mancher Pflanzen, die getrennten Geschlechts sind, reife Saamen trugen, ohne durch männliche Stöcke befruchtet worden zu seyn. In den Blüthen solcher Stöcke finden sich freilich oft einzelne An- theren, von denen man die Befruchtung abgeleitet hat. Aber es frägt sich doch, ob der Staub dieser Antheren befruchtend ist, und, wenn er es auch ist, ob die geringe Quantität desselben Befruchtung bewirken kann, da bei allen künstlichen Befruchtungsversuchen immer eine gewisse Menge Saamenstaub zur Hervor- bringung reifer Saamenkörner nothwendig war. Soviel geht aus allen den angeführten Thatsachen hervor, dafs bei vielen lebenden Wesen, die sich durch Begattung vermehren, reife Eier und vollständige Junge sich auch ohne Befruchtung erzeugen können. Aber es ist unentschieden, ob die Eier, die ohne Paarung entstehen, denselben Grad von Lebenstenacität wie die befruchteten besitzen. Im Gegentheil, da die Weibchen der Blattläuse und der Daphnia longispina nur nach vorhergegangener Vereinigung mit Männchen 126 Eier legen, die der Winterkälte widerstehen, ohne Begattung aber blos lebendige Junge gebähren, die insgesammt beim Eintritt des Winters sterben, und da die Conferven, die sich copuliren, um Saamen zu erzeugen, Sommergewächse sind, deren Saamenkörner den ganzen Winter hindurch unentwickelt bleiben, während die übrigen ceryptogamischen Pflanzen ent- weder ausdauern und Keime ausstreuen, die sich gleich nach dem Abfallen entwickeln, wie die Farrnkräuter, Moose und Flechten, oder häufiger ohne Zeugung aus formloser Materie als durch Fortpflanzung ent- stehen, wie die Pilze, so müssen allerdings die be- fruchteten Keime Eigenschaften besitzen, die den unbefruchteten fehlen. si 127 Bestimmung des Geschlechts bei der Erzeugung. Bastarde und Mifsgeburten. Die mehrsten Thiere und viele Pflanzen sind ge- trennten Geschlechts. Unter den Insecten giebt es ausserdem in der Familie der Hymenopteren mehrere Gattungen, die ausser Männchen und Weibchen auch geschlechtslose Individuen enthalten. Wie entstehen diese verschiedenen Geschlechter? Ist die Bestimmung dazu schon vor der Befruchtung vorhanden? Tritt sie erst bei der Empfängnifs ein? Oder ist der Embryo anfangs geschlechtslos und hängt die Entwickelung der männlichen und weiblichen Natur von Einflüssen ab, die erst nach seinem Ursprunge auf ihn wirken? Zur Beantwortung dieser Fragen wurden von Mauz*) Versuche an Pflanzen, von Bailly**) und Girou de Buzaringues ***) an Säugthieren und Vögeln angestellt. Die Erfahrungen von Mauz lassen schliessen, dafs bei den Pflanzen die Beschaffenheit des Bodens, die Temperatur und Feuchtigkeit der Luft, die Stärke und Dauer des Sonnenlichts und andere, während und nach dem Keimen des Saamens auf diesen wirkende Einflüsse das Geschlecht bestimmen. Bailly und Girou hingegen glaubten aus ihren Be- *) In Sprengel’s Neuen Entdeckungen im ganzen Umfang der Pflanzenkunde. B. 3. 8. 341. **) Bulletin des sc. medicales. T. IV. pP: 227: ““) Journ. de Physiologie par Magendie. T. VM. p. 127. 132. T. VIER RON 128 obachtungen folgern zu dürfen, das Geschlecht werde bei der Zeugung durch die individuellen Verhältnisse, besonders das Alter des Vaters und der Mutter be- stimmt. Unter den Resultaten der Versuche von Mauz sind wenige entscheidend. Aber auf Bailly’s und Girou’s Angaben, die meist von Versuchen an Schaa- fen hergenommen sind, läfst sich noch weniger bauen. Hofacker und Notter*) schlossen aus Auszügen der Tübinger Familienregister: dafs im Allgemeinen mehr Mädchen als Knaben gebohren werden, wenn die Mutter älter ist als der Water, hingegen mehr Knaben als Mädchen, wenn der Vater älter ist als die Mutter, dafs jedoch auch andere Momente, z.B. die Stärke der Constitution der Zeugenden, auf das Geschlecht der Gezeugten Einflufs haben. Die Zahl (2000) der Kinder, woraus diese Folgerung gezogen wurde, ist aber noch viel zu klein, um mit Sicherheit etwas daraus abzuleiten. Ich glaube nicht, dafs die Einwirkung des Männ- chens auf das Weibchen bei der Zeugung einen Einflufs auf das Geschlecht des Gezeugten hat. Die Blattläuse und Daphnien bringen ja oline Paarung sowohl Männchen als Weibchen hervor. Die Weib - chen aller sich paarenden Thiere, die mehrere Junge zugleich gebähren, erzeugen nach einer einmaligen Begattung, also nach der Einwirkung einer und der- selben, homogenen, männlichen Flüssigkeit männliche *) Ueber die Eigenschaften, welche sich bei Menschen und Thieren von den Eltern auf die Nachkommen vererben, von J. D. Hofacker, mit Beiträgen von F. Notter. Tübingen 1828. 129 und weibliche Früchte. Wendet man gegen diesen Grund ein, an den Eiern lasse sich vor der Befruch- tung ebenfalls nichts Ungleichartiges wahrnehmen, so dienet zur Antwort, dafs jedes Ei schon vor der Befruchtung ein Individuum ist, und dafs sich in verschiedenen Individuen mit mehr Recht Ungleich- artigkeit voraussetzen läfst, als in einer und derselben Flüssigkeit. Dieser Voraussetzung bedarf es indefs nicht, da es der Gründe, die vermuthen lassen, dafs die Bestimmung des Geschlechts erst nach der Empfäng- nifs während der Periode, wo der Fetus noch durch Juxtaposition ernährt wird, durch äussere Einflüsse geschieht, eben so viele als für das Gegentheil giebt. Dafs es im Pflanzenreiche sehr von den äussern Ein- wirkungen abhängt, denen das Gewächs während dem Keimen und dem nachherigen Wachsthum ausgesetzt ist, ob sich mehr die männlichen oder mehr die weib- lichen Organe an demselben ausbilden, beweisen die Versuche von Mauz, wenn sie auch über das Ver- hältnifs der Einwirkungen zur Bestimmung des Ge- schlechts keinen sichern Aufschlufs geben. Der Embryo im Saamenkorn der Diöcisten ist gewifs noch ganz geschlechtslos. Man hat zwar geglaubt, es müfsten sich an diesem schon Kennzeichen des Geschlechts auffinden lassen, und eifrig darnach gesucht.*) Es würden aber weit mehr Erfahrungen dazu gehören, als man gemacht hat, um zu beweisen, dafs man nicht unächte Merkmale für ächte gehalten habe. Nach *) H. F. Autenrieth de discrimine sexuali jam in seminibus plantarum dioicarum apparente, Tubing. 1822. I 130 C. F. Gärtner*) sind nicht einmal die, durch un- gleichartige Befruchtung erzeugten Saamen und Früchte in irgend einer äussern Eigenschaft von den, durch Befruchtung mit gleichartigem Pollen hervorgebrachten verschieden. Der Unterschied zwischen diesen würde aber doch wohl gröfser als der zwischen männlichen und weiblichen Saamenkörnern seyn, wenn es einen solchen gäbe. Dem keimenden Saamenkorn läfst sich der Fetus der 'Thiere während der ersten Zeit seines Entstehens in Rücksicht auf die Unbestimmtheit des Geschlechts gleichsetzen. Findet man doch an ihm selbst gegen die Mitte der Zeit seines Embryolebens nur noch ein sehr undeutliches Gepräge des Geschlechts- unterschieds. Es ist also gewifs ein blofser Wahn, wenn man in einigen Gegenden von Schottland glaubt, der an dem breiten Ende des Vogeleies befindliche Luftbehälter liege bei Eiern, die Männchen enthalten, grade an der Spitze dieses Endes, hingegen bei denen, die Weibchen einschliessen, der Spitze zur Seite, ohngeachtet Ritchie bei Versuchen, die er darüber anstellte, die gröfsere Zahl der Resultate mit dieser Volksmeinung übereinstimmend gefunden haben will. **) *) Naturwissenschaftl. Abhandl. einer Gesellsch. in Würtemberg. B. 1. H. 1. S. 60. **%) The Edinburgh philos. Journ. Vol. XI. p. 263. Da die Luftblase schon in den unbefruchteten Eiern vorhanden ist und darin, wie in den befruchteten, bald grade unter der Spitze des breiten Endes des Eies, bald etwas seitwärts liegt, so schliefst Ritchie hieraus, dafs der Vater keinen Einflufs auf das Geschlecht des Embryo hat, sondern dafs dieses schon vor der Befruchtung bestimmt ist. Die Zahl der positiven und negativen Erfahrungen ist aber von ihm nicht angegeben. Bei den ne- gativen bemerkt er: es könne dabei ein Irrthum statt gefunden haben, 131 Der Geschlechtsunterschied ist aber bei allen Thieren, wobei Geschlechtsverschiedenheit statt findet, bestimmt ausgeprägt, sobald dasselbe aufgehört hat, Fetus zu seyn. ‘Man findet, nach Herold,*) die Keime der männlichen und weiblichen Zeugungstheile schon in'der, eben aus dem Ei gekrochenen Raupe. Es können also selbst bei denen Thieren, die sich ganz verwandeln, ehe sie ihr Geschlecht fortzupflanzen fähig werden, nach dem Aufhören des Embryonen- lebens äussere Einwirkungen auf die Bildung des Ge- schlechts keinen Einflufs mehr haben. Mit dieser Lehre steht zwar eine angebliche Erfahrung in Widerspruch, die in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts von dem Pfarrer Schirach gemacht wurde. Derselbe glaubte entdeckt zu haben, die Arbeitsbienen seyen Weibchen (Königinnen) mit unentwickelten Geschlechts- theilen; diese Organe blieben bei ihnen unentwickelt, blos weil sie im Larvenzustande ein weniger reichliches und weniger reizendes Futter als die Königinnen be- kämen; man könne also willkührlich jede Made, woraus sonst eine Arbeitsbiene werden würde, zu einer Königin aufziehen, wenn man ihr königliches Futter verschaffte. Der ältere Huber ließ über diese Angabe Versuche anstellen, die sie zw‘ bestätigen schienen, und: sie wurde allgemein für ‘richtig angenommen, nachdem eine, Tochter des Naiurforschers Jurine Rudimente weil es oft schwer halte, zu sagen, ob die Luftblase grade an der Spitze des Eies, oder dieser zur Seite liegt. Aber der nehmliche Irrthum kann ja auch bei den positiven Erfahrungen vorgegangen seyn, die also eben so wenig als die negativen beweisen. *) Entwickelungsgeschichte der Schmetterlinge. S. 12. 9%* 132 von weiblichen Zeugungstheilen bei den Arbeitsbienen entdeckt hatte. Bei allem dem bin ich. überzeugt, dafs Schirach sich getäuscht hat. Man könnte nichis gegen seine Behauptung einwenden, wenn die Arbeits- bienen von den Königinnen blos in der Größse, im gegenseitigen Verhältnifs einiger Theile und in der Nichtentwickelung der Geschlechtstheile verschieden wären. Aber beide weichen in weit wichtigern Stücken von einander ab. Die Arbeitsbienen haben andere Fühl- hörner, andere Kinnbacken, andere Hinterfülse, . einen andern Stachel und eine ganz andere Organisation der untern. Bauchplatten als die Königinnen, und diese Unterschiede stehen bei ihnen mit ganz verschiedenen Naturtrieben und körperlichen: Eigenschaften in un- mittelbarer Beziehung. Die Arbeitsbienen nehmen zwar durch die Rudimente von Eierstöcken, die man. in ihnen findet, an der weiblichen Natur "Theil. . Aber im Uebrigen sind sie eben so weit von den Weibchen als von den Männchen entfernt. Könnte eine verän- derte Nahrung sie im Madenzustande ‚zu: Weibchen machen, so:müfsten sie auch durch eine dritte Art von Futter in’ Männchen umgewandelt werden können. Was übrigens die Erfahrungen betrifft, die man zum Beweise jener Umwandelung angeführt hat, so lassen sich die, welche Schirach anstellte, aus der: Vor- aussetzung erklären, dafs die Bienenkönigin ihre weib- lichen Eier nicht nur in Zellen der gröfsern, sondern auch der kleinern Art legt. Die übrigen, die nach der Anleitung des blinden Huber’s von einem Be- dienten desselben gemacht wurden, enthalten des 133 Unwahrscheinlichen so Vieles, dafs sie gar nicht mit auf die Wagschaale gelegt zu werden verdienen.”) Wenn aber die Befruchtung keinen Theil an der Bestimmung des Geschlechts hat, so ist doch von andern Seiten ihr Einflufs sehr grofs auf die Ent- wickelung nicht nur des Lebens überhaupt, sondern auch der Form des Lebens. Die tägliche Erfahrung beweist, dafs das Erzeugte sowohl dem Vater als der Mutter ähnlich ist. Noch deutlicher erhellet dies aus der Entstehung der Mittelarten von der Paarung verschiedenartiger Individuen. In allen Classen der Wirbelthiere, bei mehrern Insecten und bei vielen Pflanzen beobachtete man Bastarderzeugnisse, und in diesen Producten waren die beiden Arten, zu welchen die Eltern gehörten, mit einander verschmolzen. Sie entstanden aber nur innerhalb gewisser Gränzen der Verwandtschaft beider Arten und waren entweder unfruchtbar, oder ihre Nachkommenschaft ging, wenn sie sich fortpflanzten, bald wieder in die Art des Vaters oder der Mutter über. Auch beobachtete man sie in der Regel nur bei gefangenen oder gezähmten Thieren und bei cultivirten Pflanzen. **) Die Art der Vereinigung beider verschiedener For- men in den Bastarden ist aber nicht beständig, sondern von den gegenseitigen, individuellen Verhältnissen der *) Eine ausführliche Prüfung der Gründe für und wider die Schi- rach’sche Meinung findet man in einer Abhandlung von mir: Ueber die Entstehung der geschlechtslosen Individuen bei den Hymenopteren, besonders bei den Bienen. Zeitschr. für Physiol. von Tiedemann, 6 R. u. L. C. Treviranus. B. 3. S. 220. *) Biologie. B. 3. S. 412 fg. 134 Erzeugenden abhängig. An den Bastarden der Pflanzen glaubte Kölreuter *) verschiedene Grade der Nä- herung zur mütterlichen oder väterlichen Art bemerkt zu haben. Gärtner**) und Wiegmann ***) machten nicht nur dieselbe Erfahrung, sondern fanden auch oft ein so starkes Uebergewicht der einen Form über die andere, dafs die letztere an dem Bastard nicht zu erkennen war. Bei den Bastarden der höhern Thiere kann dieses Uebergewicht nicht so grofs seyn, wenn es anders seine Richtigkeit hat, dafs der Maulesel von einem Hengst und einer Eselin (Hinnus) durch beständige Charactere von dem, der eine Stute zur Mutter und einen Esel zum Vater hat, (Mulus) unter- schieden ist. Feste Gränzen lassen sich aber auch hierbei nicht angeben. Die Grade der Verwandtschaft, innerhalb welcher die Vermischung ungleichartiger Thiere und Pflanzen fruchtbar ist, sind ebenfalls sehr schwankend. Regel ist es, dafs Befruchtung nur erfolgt, wenn die sich vereinigenden Individuen zu Arten einer und derselben natürlichen Gattung gehören. Aber für ein Gesetz ohne Ausnaimen läfst sich dieser Satz nicht mit Zuverlässig- keit annehmen. Es soll Bastarde von einem Hahn und einer Ente, von einer Katze und einem Opossum, von einem Fuchs und einem Waschbär gegeben haben. +) *) Vorläufige Nachricht von einigen, das Geschlecht der Pflanzen betreffenden Versuchen und Beobachtungen. S. 45. **), Regensburger botan. Zeitung. 1827. B. 1. St. 75fg. ***, Ueber die Bastarderzeugung im Pflanzenreich. S. 21. 25. 7) Biologie. B. 3. S. 414. Rafinesque in den Brüsseler Annales des sc. pbysiques. T. VI. [4 135 Diese Angaben sind zwar nicht gehörig beglaubigt. Man sahe vielleicht Mifsbildungen für Bastarde an, und hielt blos muthmaafslich zweierlei Thiere, denen man sie ähnlich fand, für die Erzeuger derselben. Diesem Vielleicht kann man indefs ein anderes Viel- leicht entgegensetzen, und so bleiben die Gränzen der Bastarderzeugung zweifelhaft.*) Obgleich ferner diese Erzeugung meist nur bei gefangenen Thieren und Gartenpflanzen vorkömmt, so findet sie doch auch im Zustande der Freiheit statt. Bei den wildwachsenden Pflanzen und den Insecten giebt es nicht selten Verbindungen der Formen zweier verschiedener Arten in einem und demselben Indivi- duum unter Umständen, worunter man auf keine andere Ursache als Befruchtung durch ungleichartigen Zeu- gungsstoff schliessen kann. **) Erschwert ist diese Befruchtung allerdings, indem bei den Pflanzen, und wahrscheinlich auch bei den Thieren, der Einfluß einer grofsen Masse ungleichartiger Saamenmaterie schon von der gleichzeitigen Einwirkung einer sehr ge- ringen Quantität gleichartiger ganz vernichtet wird.***) *) Nach Wiegmann (a. a. O. S. 24. 33) sind auch Bastarde nicht immer unfruchtbar, und nicht immer gehen die Nachkommen derselben in die Form des Vaters oder der Mutter über. Gärtner’s zahlreichere Erfahrungen (a. a. O. 1829. No. 43. S. 682) aber sprechen für das Gegentheil. **) Mehrere solcher Pflanzen hat Schiede in seiner Abbandlung De plantis hybridis, sponte natis (Cassellis Cattor. 1825) beschrieben. Ueber die Bastarde der Insecteun sind Bemerkungen in Gravenhorst’s Abhandlung über Bastarderzeugung (Voigt’s Magaziu f. d. neuesten Zustand der Naturk. B. XI. St. 3. S. 195) enthalten. ***) Nach Gärtner’s (Naturwissensch. Abhandl. einer Gesellsech. in 136 Allein die Möglichkeit derselben ist dadurch nicht aufgehoben. Bei den Thieren ist noch ein Hindernifs der Entstehung von Bastarden, dafs ungleichartige Individuen sich im Zustande der Wildheit gewöhnlich meiden. Allein der Begattungstrieb ist doch oft da, wo er sonst nicht befriedigt werden kann, stärker als dieser Widerwille. Richardson sagt in Franklin’s Reise an die Küsten des Polarmeers in den Jahren 1819 u. s. w. (1. Abth. Weimar. 1823. S. 101): Das Weibchen des, im Lande der Crihs-Indianer sehr gemeinen grauen Wolfs begatte sich dort im Monat März häufig mit dem Haushunde, obgleich zu andern Jahreszeiten eine starke Abneigung zwischen ihnen statt zu finden scheine. Insecten traf man nicht selten in der Begattung an, die sogar zu ganz verschiedenen Gattungen gehörten, z.B. ein Männchen der Cantharis melanura mit einem Weibchen des Elater niger*) und ein Männchen der Melolontha Agricola mit einem Weibchen der Cetonia hirta.**) Verwandt mit den Bastarden sind von manchen Seiten die Mifsgeburten, Individuen, die, obgleich durch ungleichartige Zeugung hervorgebracht, doch schon bei ihrem Entstehen von der gesetzmäfsigen Form ihrer Art abweichen. Diese Erzeugnisse kommen ebenfalls im Zustande der Cultur häufiger als in dem Württemberg. B. 1. H. 1. S. 35) und Wiegmann’s (a. a. O. S. 25) Versuchen. *) Nach Rossi. Biologie. B. 3. 8. 416. **) Voigt’s Magaz. f. d. neuesten Zustand der Naturkunde. B. IX. 31.3.8. 2333: 137 der Wildheit vor. Auch finden sie sich öfterer bei einigen als bei andern Thier- und Pflanzenarten. Aber sie fehlen doch in keiner Classe der organischen Wesen.*) Es giebt ihrer selbst unter den Würmern. **) Sie sind immer Producte einer krankhaften Erzeugung, und sie bleiben selber stets kranke Wesen in Beziehung auf die Art, wozu sie gehören. Doch als Individuen können sie nicht insgesammt als krank betrachtet werden. Sie sind dann aber auch in selbstständige und nicht selbstständige organische Körper zu sondern. Jene können nach der Geburt fortdauern, diese hin- gegen sich nicht über den Embryonenzustand erheben. Diese Unterscheidungen sind wichtig bei der Be- stimmung der Natur der Mifsgeburten. Es sind z. B. die hirnlosen Früchte, wenn nicht alle, doch zum Theil kranke, hingegen die Mifsgeburten mit über- zähligen Gliedern an sich gesunde Wesen, Ein blofser Rumpf mit untern Gliedmaafsen gehört zu den nicht selbstständigen, hingegen ein Fetus, aus dessen Schenkel ein anderes, überzähliges Glied hervorsteht, zu den selbstständigen organischen Körpern. Nicht Alles, was von dem einen gilt, läfst sich von dem audern aus- sagen. *) Es hat unter andern Mitchill (in Sillimann’s American. Journ. 1825. Oct. p. 48) einen Fall von einer Schlange beschrieben, die unter einer Menge anderer, wohl gebauter Jungen drei gebahr, wovon das eine zwei verschiedene Köpfe, das zweite einen doppelten Kopf, und das dritte zwei Leiber, drei Augen und nur Eine Kinnlade hatte. Von solchen Mifsbildungeu scheinen aber die Eidechsen mit zwei und drei Schwänzen verschieden zu seyn. (Duges, Ann. des sc. natur. T. XVI. p. 368.) =) 0. F. Müller von Würmern. 8. 67. EN... „AR Die Mifsgeburten überhaupt weichen von der ge- setzmäfsigen Form in der Zahl, dem gegenseitigen Gröfsenverhältnißs, der, gegenseitigen Lage und der Gestalt der Organe ab. Die Zahl kann größer oder kleiner als die normale seyn. Vergröfserung ist häu- figer als Verkleinerung derselben. Die Mifsgeburten mit überzähligen äussern Organen bilden eine Stufen- folge, die von solchen anfängt, wobei nur die Zahl der äussersten Glieder, z. B. der Finger, Zehen, Klauen oder Hörner, um eines vermehrt ist, und sich bis zu denen erhebt, die aus zwei vollständigen, nur an einer einzigen Stelle mit einander verwachsenen Individuen bestehen. Die mangelhaften Körper unter den Mifsgeburten lassen sich ebenfalls in einer Reihe ordnen, die sich von einem einzelnen Glied eines Ganzen zu einem Ganzen ohne ein einzelnes Glied erstreckt. Diese Gradationen finden aber nur in den äussern Organen statt. Die Zahl der innern Theile ist selten vermehrt, häufig vermindert und selbst in der Regel vereinfacht bei der Verdoppelung des ganzen Körpers, wo man dem Aeussern nach auch im Innern Alles doppelt zu finden erwarten sollte. Hingegen Veränderungen der gegenseitigen Lage kommen in weit gröfserm Maafs an den innern als an den äussern Theilen vor. Es giebt kein Beispiel von einer Mifßs- geburt, woran die obern und untern Gliedmaafsen ihre Stellen verwechselt hatten, wohl aber mehrere von Früchten, in welchen die Eingeweide der rechten Seite auf der linken und die der linken zur Rechten lagen, und andere, wo sich Eingeweide der Brust 139 im Unterleibe, und Baucheingeweide in der Brust be- fanden.*) Gestaltsveränderungen der Organe gehen nie über den Typus der Art hinaus, wenn sie nicht durch Bastarderzeugung hervorgebracht sind. Man glaubte zwar oft in menschlichen Mifsgeburten thie- rische Formen zu sehen. Aber die Aehnlichkeit war immer erzwungen, oder zufällige Wirkung eines krank- haften Zustandes. In jeder dieser verschiedenen Classen von Mifs- bildungen ist ein selbstständiges Leben der Mifsgeburt, aber auch das Gegentheil möglich. Diese gehört zu den selbstständigen, solange nicht die Deformität von der Art ist, dafs dadurch die Ausübung einer der Functionen, ohne welche das eigene Leben nicht bestehen kann, aufgehoben wird, wie z. B. unter den Mifsgeburten mit überzähligen äussern Organen bei einem von Hofmann beschriebenen, weiblichen Menschenfetus der Fall war, aus dessen Munde ein fremder Kopf hervorragte. “*) Keine Mifsgeburt hat im Aeussern Zweckmässigkeit. Jede gesunde und besonders jede selbstständige Mifs- geburt aber ist im Innern so zweckmäfsig organisirt, wie es der Grad der äussern Mifsbildung immer zu- läfst; es zeugt ihr innerer Bau immer von einem *) Belege zu diesen Sätzen finden sich in jedem Handbuch der pa- thologischen Anatomie. **) Miscell. Acad. Natur. Cur. Dec. 2. Ann. 6. Obs. 165. Einen ver- wandten Fall, wo eine grofse rundliche Geschwulst aus dem Munde eines Fetus hervorhing, die indefs ein blofser Polyp war, beobachtete Otto. (Seltene Beobachtungen zur Anat. Physiol. und Pathol. gehörig. 2ie Samml. 8. 162.) 190 Bestreben der bildenden Kräfte, einen möglichst voll- kommenen Organismus hervorzubringen. Für diese beiden Sätze sprechen alle genaue Beschreibungen des innen Baus von gesunden Mifsgeburten ohne Ausnahme. Ich habe im 3ten Bande der Biologie, S. 453, Beispiele als Bestätigungen derselben an- geführt, wogegen, wie ich glaube, nichts erinnert werden kann, und Scherer hat nachher noch einige neue merkwürdige Beobachtungen, die für sie sprechen, bekannt gemacht.*) Als Gegner derselben ist indefs Meckel aufgetreten. *”) Dieser meinet: das Gegen- theil von dem ersten Satz beweise die ‚„‚ungeheure” Anzahl von Fällen, wo einer sehr unvollkommenen äussern Form die im höchsten Grade unvollkommene Anordnung der innern und wichtigsten Lebensorgane entspräche, und gegen den zweiten liessen sich die, nicht seltenen Beispiele von mangelhafter Entwicke- lung anführen, welche sich oft durch alle Systeme von Organen aussprächen, und die vielmehr ein Be- streben zur Hervorbringung eines möglichst unvoll- kommenen, als eines möglichst vollkommenen Orga- nismus andeuteten. Aber wenn man mit Linne für das unterscheidende Merkmal des Haushundes den nach der linken Seite gebogenen Schwanz angiebt, und Jemand zeigt zum Beweise der Unrichtigkeit dieses Kennzeichens Hunde mit gestutzten Schwänzen vor: was soll man darauf antworten? Nachdem ich *) Mediein. Jahrbücher des österreichischen Staats. Neue Folge. B. 2. St 2 **) In seinem Handbuch der patholog. Anatomie. B. 1. 5. 12. [63 jetzt ausdrücklich nur auf gesunde und selbstständige Mifsgeburten die obigen Sätze eingeschränkt habe, wer- den diese gegen ähnliche Einwendungen gesichert seyn. Die gänzliche Zwecklosigkeit der Mifsgeburten im Aeussern läfst sich nur erklären, wenn man eine ganz zufällige veranlassende Ursache ihres Entstehens voraussetzt. Wer wird auch von einer andern als einer solchen den Ursprung der doppelten, ganz vollstän- digen. Wesen ableiten, die blos an einer Stelle der Oberfläche des Körpers mit einander vereinigt waren? Es ist nichts so klar, als dafs diese Zwillinge waren, deren Keime zufällig mit einander in Berührung kamen und verwuchsen. Aber von diesen Mifsgeburten giebt es eine ununterbrochene Stufenfolge zu denen, deren ganze Mifsbildung, blos in einem einzigen überzähligen Glied, z. B. einem Finger oder Zehen, besteht. Läfst sich auch für diese die nehmliche Entstehung an- nehmen? Ich glaube, eine solche Annahme ist aller- dings für viele Fälle zulässig, sobald sich zeigen läfst, dafs bei der Entstehung der selbstständigen Mifs- geburten ausser der zufälligen Ursache noch eine andere im Spiele ist, die durch jene in 'Thätigkeit gesetzt wird und deren Wirksamkeit sich nach der Beschaffenheit der Umstände richtet. Diese zweite Ursache ist die nehmliche Kraft, welche macht, dafs, ohngeachtet des zufälligen Entstehens der Mifsge- burten, doch Zweckmäfsigkeit in ihrer innern Bildung eintritt. Es ist nicht zu begreifen, warum die Wirk- samkeit der letztern immer nur auf das Innere dieser Wesen beschränkt seyn sollte. Wohl aber läfst sich 142 einsehen, wie diese Kraft durch die Art des Einflusses der veranlassenden zufälligen Ursache verhindert seyn kann, auf das Aeussere des entstehenden Wesens’ zu wirken. Die veranlassende Ursache findet wohl immer schon beim Durchgange der Eier durch die Mutter- trompeten statt. Sie kann eine blofse Zusammenzie- hung einer Stelle dieser Organe um ein einzelnes Ei oder um zwei, gleichzeitig und neben einander hin- durchgehende Eier seyn, wodurch jenes gedrückt wird, oder diese in einer gewissen gegenseitigen Lage zu- sammengedrückt werden. Im letztern Fall kann nach dem verschiedenen Grad der Zusammendrückung und nach dem verschiedenen Verhältnifs der Lebensstärke des einen Eies gegen das andere mehr Einheit oder mehr Duplicität des Bildungsprincips bei der Ent- wickelung des Verbundenen eintreten. Im Innern der ganz verschmolzenen Theile wird immer Einheit seyn müssen. Diese Einheit kann aber nicht ohne Wirkung auf die Bildung der übrigen getrennten Organe bleiben, und deswegen zeigen sich bei allen doppelten Mifs- geburten, die nicht blos an der Haut zusammenhängen, auch in diesen 'Theilen immer Abweichungen vom gesetzmälsigen Bau. Es ist ferner eine totale ' Ver- schmelzung der Keime eines Zwillingspaars möglich, wovon der Erfolg nach der verschiedenen Individu- alität beider Keime sehr verschieden seyn mufßs. Es kann der eine sich zum andern wie Positives zum Negativen verhalten, und der positive den negativen ganz vernichten. Es kann diese Vernichtung auch 143 partiell seyn und sich in der Bildung einzelner Organe oder Gruppen von Organen dergestalt äussern, dafs das Product eine einfache, vollständige Frucht ist, in welchem einige Theile von einem andern Bildungs- princip nach einer andern Richtung als die übrigen erzeugt sind und z. B. eine der normalen ganz ent- gegengesetzte Lage haben. Es können endlich beide Keime ganz oder theilweise in das Verhältnifs des Positiven zum Positiven stehen und ein Product geben, welches im Ganzen oder im Einzelnen sich blos durch ein Luxuriiren der bildenden Kraft auszeichnet. Dafs in zufälligen, und zwar mechanisch wir- kenden Ursachen ein Grund vieler Mifsbildungen liegen müsse, wurde längst schon von vielen Naturforschern anerkannt. Wenn sie diesen Grund aber für den ein- zigen ansahen, so wurde dagegen mit Recht die Einwendung gemacht, bei den doppelten Mifsgeburten sey nicht nur innerhalb, sondern gewöhnlich auch ausser dem Bezirk der Vereinigung beider Körper der innere Bau oft ganz verschieden von dem, welcher vorhanden seyn müfste, wenn die Körper blos mit einander verwachsen wären. Aber mit Unrecht gingen einige Schriftsteller*) zum entgegengesetzten Aeus- sersten über, leugneten allen Antheil mechanischer Ursachen an der Entstehung der Mifsgeburten, und leiteten diese von einer durch sonstige Ursachen ver- änderten Richtung und Energie der bildenden Kraft ab. Um folgerecht zu seyn, hätte man auch behaupten *) Besonders Meckel in seinem Handb. der pathol. Anat. B. 1. Ss. 25 fg. 144 ' müssen, alle Doppeltmifsgeburten würden. aus einem und demselben Keim durch Spaltung der bildenden Kraft hervorgebracht. Dieser Satz ist zu handgreiflich falsch, als dafs Einer ihn bestimmt auszusprechen wagte. Läfst sich dieser aber nicht halten, so ist man auch nicht. befugt, die mechanischen Ursachen von. den Erklärungsgründen des Ursprungs der Mifsgeburten auszuschliessen. Und warum sollte die Richtung und Energie der bildenden Kraft nicht eben sowohl durch mechanische Einwirkungen, als durch andere Einflüsse abgeändert werden können? Man hat sich, um zu beweisen, dafs Zwillingskeime nicht durch Zusammen- fliessen Doppeltmifsgeburten bilden könnten, auf eine Beobachtung J, C. Wolff’s berufen, der in einem Ei mit einfachem 'Eiweils und Dotter, sechs Tage nach der Bebrütung, zwei Embryonen in unmittelbarer Berührung mit den Köpfen an einander liegend und doch nicht mit einander verwachsen fand.*) Aber dieser Fall beweist nur, dafs, damit zwei Keime sich vereinigen, sie schon vor ihrer Entwickelung, in dem Zustande, wo sie noch blos Flüssigkeiten sind, zu- sammenfliessen müssen. Für sie kann die Möglichkeit der Vereinigung schon vorbei seyn, während dieselbe für ihr Eiweifls und ihren Dotter noch vorhanden ist. Wenn man übrigens mechanische Ursachen für die wichtigsten Veranlassungen des Entstehens der Mifs- bildungen annimmt, so mufs man doch freilich auch andere Ursachen für Anlässe desselben anerkennen: *) Meckel a. a. O. S. 33. 145 Zu diesen gehören vorzüglich: geistige Einwirkungen von Seiten der Mutter auf die Frucht, Vererbung zufälliger Verunstaltungen der Eltern auf die letztere, mehrere Ursachen der Ausartung, Scropheln, Rachitis und ähnliche, auf die bildenden Kräfte wirkende, innere Krankheiten. Diese Einflüsse können aber ent- weder nur krankhafte Mifsgeburten, oder doch nie so bedeutende Mifsbildungen als die mechanischen Ursachen hervorbringen. Es giebt bei diesen Bildungen noch einige andere Umstände, die der Beachtung werth sind. Da, wo die Deformität in einzelnen überzähligen Gliedern besteht, findet man das Innere dieser Theile nie so organisirt, wie dasselbe gebildet seyn würde, wenn sie Mittel zum zweckmässigen Wirken des Ganzen wären. So hat Mayer*) eine Mifsgeburt beschrieben, die in einem vollständigen Fetus bestand, aus dessen Brust der Unterleib mit den hintern Extremitäten eines Pa- rasiten hervorragte. Das Fleisch des letztern war eine weisse, körnige, von schwachen Muskelfasern durch- zogene Fettmasse. Das Rückenmark, der ischiadische Nerve, der Schenkelnerve und der Hüftbeinlochsnerve fehlten ganz. In jener Masse waren ebenfalls keine, zu den Muskelfasern gehende Nerven zu erkennen. Wohl aber fand sich ein feiner Nervenfaden, welcher aus dem Nierengeflecht des vollständigen Fetus zu entspringen schien, die Schenkelarterie begleitete, Seitenzweige an sie abgab und sich bis zum Unter- *) Gräfe’s und Walther’s Journal für Chirurgie und Augen- heilkunde. B. 10. S. 44. 10 146 schenkel verfolgen liefs. Es waren also hier mit den willkührlichen Muskeln die Nerven, wodurch dieselben in Bewegung gesetzt werden, unausgebildet geblieben, während sich Blutgefäfse und Nerven dieser Gefäfse erzeugt hatten. Das Leben des vollständigen Fetus konnte ohne das Leben des Parasiten nicht bestehen. Aber der Parasit bedurfte keiner weitern innern Aus- bildung als der, die grade nöthig war, um ein Minimum von Leben in ihm fortdauern zu machen. Es ist hier und in allen ähnlichen Fällen einleuchtend, wie das Lebende auch da zweckmässig wirkt, wo es seine Wirkungen nach zufälligen Ereignissen einzurichten hat. Eine zweite Folgerung, worauf die Betrachtung des innern Baus vieler Mifsgeburten führt, betrifft den Einflufs des Nervensystems auf die Richtung der Thätigkeit des bildenden Princips. Da allenthalben im Thierreiche, wo sich dieses System unterscheiden läfst, der Form desselben die Form des Ganzen entspricht, so läfst sich erwarten, dafs das nehmliche Gesetz auch für die Mifsbildungen gelten werde. Und so verhält es sich wirklich. In jeder mit Nerven ver- sehenen Mifsgeburt, worin diese Theile nicht nach ihrer Bildung durch Krankheit zerstöhrt sind, weicht der Ursprung und Verlauf derselben von dem gesetz- mässigen Zustande auf eine Art ab, die mit der ab- weichenden Bildung der Organe, worin sie sich ver- breiten, in einer Causalverbindung steht, und ihrem veränderten Ursprung: entspricht ein veränderter Bau der zu ihnen gehörigen Centraltheile. Tiedemann fand bei Früchten, denen die äussern Geruchswerk- 14% zeuge fehlten, keine Riechnerven; bei andern, die keine Augen hatten, keine Sehenerven; bei noch andern, deren beide Augen zu einem einzigen vereinigt waren, nur einen. einfachen Sehenerven, und überhaupt bei Jeder Mifsgeburt Mifsbildungen des Nervensystems, die mit den Deformitäten der äussern Theile überein- stimmten. *) Ferner in jeder Mifsgeburt, die mit Nerven ver- sehene Theile hat, giebt es, oder gab es doch ur- sprünglich ein Centralorgan: dieser Nerven. Sue**) zergliederte einen‘ Fetus von drei Monaten, dem alle Theile über dem Nabel und die untere Extremität der rechten Seite fehlten, bei welchem aber alle innere und äussere Theile der untern Hälfte des’ Bauchs und der linken Extremität vollständig zugegen und wohl gebildet waren. Der obere Theil: des 'Rückenmarks und das Gehirn fehlten hier. Allein in den Lenden- und Heiligenbeinwirbeln war ein Rückenmark ent- halten, (aus »welchem' eben so vollständige und: eben so vertheilte Nerven wie:bei einer vollkommenen Frucht entsprangen. ***), Sue hat zwar auch einen: Fall’ von einem: Fetus,; dem das: Gehirn: und: Rückenmark ganz *) Zeitschr. f. d. Physiol. B. 1. S, 7Ifg. B. 3. S. 1fg. ) Physiologische Untersuch. und Erfahrungen über die Vitalität. Uebers. von Harlefs. S.'9. “**),Die nehmlichen Beobachtungen wurden an Mifsgeburten gleicher Art von Winslow (Mem. de PAcad. des sc. de Paris. A. 1740. p. 811 der 89 Ausg.) und Gourraigne (Ebendas. A. 1741. p. 665) gemacht. Bei einem von Antoine (Ebendas. A. 1703. p. 35) beschriebenen Schaaffetus ohne Kopf, Brust, vordere Extremitäten, ‘Wirbelsäule und Schwanz lag eine kleine, hirnartige Masse im Bauch, aus welcher die Nerven entsprangen. 10* 148 fehlten und bei welchem doch alle Nerven vorhanden waren.*) Aber Morgagni,**) der eine ähnliche Be- obachtung machte, doch dabei umsichtiger als Swe verfuhr, fand deutliche Zeichen von vorhanden ge- wesenem, nur durch Kopf- und Rückgrathwassersucht aufgelösetem Hirn und Rückenmark. | - Einzelne organische Theile können ohne‘'den Einflufs eigener Nerven, durch die blofse Einwirkung des mütterlichen Nervensystems, nach dem Model der Art, zu welcher der mütterliche Körper: gehört, dem Aeussern nach gebildet werden. Diese sind aber nie zu einem Ganzen verbunden und im Iımern stets unvollkommen organisirt. Die niedrigsten solcher Pro- ducte sind die Haarbüschel, Zähne und Knochen, wovon oben, S. 110, die Rede war. Es ist möglich, dafs noch mehr zusammengesetzte organische Gebilde ohne unmittelbaren Nerveneinflufs entstehen können. Wie weit diese Erzeugung aber gehen kann, läfst sich aus dem, was bisher darüber beobachtet: ist, nicht mit Gewifsheit abnehmen. Henkel ***) unter- suchte eine ‘Frucht;; die äusserlich die menschliche Gestalt hatte, nur dafs die obern Gliedmaafsen höchst unvollkommen gebildet waren, deren Brust- und Bauch- höhle aber nichts als blofses Zellgewebe enthielt. Ob hier die äussere Form der Brust und des Bauchs ursprünglich ohne Nerven entstand, läfst sich aus Henkel’s Beschreibung nicht abnehmen. Clarke *) Sue 2.2. ©. 8. 7. **), Epist. anatom. XX. $. 56: 57. ***) Neue medic. und chirurg. Anmerkungen. B. 1. 149 aber, der eine Mifsgeburt zergliederte, welche in einer länglichrunden, zusammengedrückten, auf der einen Seite oben und unten, unweit dem Rande, mit zwei Rudimenten eines Fufses, auf der nehmlichen Seite neben der Mitte mit einer Art von Nabel und neben diesem mit einer fingerähnlichen Hervorragung ver- sehenen, inwendig einige Knochen, eine fleischige, aber ungefaserte, mit Zweigen der Nabelschnurgefäfse durchzogene Substanz enthaltenden Masse bestand, sagt von dieser bestimmt: es sey nach sorgfältiger Untersuchung nichts Hirn- und Nervenähnliches darin zu finden gewesen.*) Inzwischen stehen dieser Beob- achtungen doch auch wieder andere entgegen, wo bei ähnlichen, ebenfalls höchst unvollkommen orga- nisirten Massen doch Rudimente eines Nervensystems gefunden wurden. **) Aus Winslow’s Beschreibung einer Mifsgeburt, der die ganze obere Hälfte des Körpers bis zum Nabel fehlte, folgt endlich noch, dafs bei der. Anwesenheit von Nerven und Arterien doch Venen unentwickelt bleiben können. Es gingen hier aus den vorhandenen Lendenwirbeln und den Löchern des Heiligenbeins mehrere Nervenfäden hervor, und es war ein Arterien- stamm vorhander, der aus einer kleinen, gleich über dem Nabel liegenden Hervorragung der äussern Haut entsprang und dessen Zweige sich in den 'Theilen der Mifsgeburt verbreiteten. Hingegen war ausser einem kleinen Stück der Nabelvene keine Spur von andern *) Philos. Transact. V. 1793. p. 154. **, Tiedemann a.a. ©. B. 3. S. 19. 150 Venen im Körper zu entdecken.*) Mit der Gegen- wart von Nerven ist also nicht immer die von Venen in menschlichen Mifsgeburten verbunden. Es ist mir aber kein Beispiel bekannt, dafs man in einem solchen Körper Arterien ohne Nerven gefunden hätte, die nicht etwa, wie in dem Clarkeschen Fall, blofse Zweige der Nabelarterie waren, sondern, wie. bei Winslow’s Mifsgeburt, aus einem eigenen Stamm entsprangen. Diese Bemerkung stimmet mit dem Re- sultat überein, worauf die Entwickelungsgeschichte des Embryo im Ei der Vögel führt, **) dafs die Nerven und Arterien sich bei ihrer Entstehung wechselseitig bedingen, die Venen aber sich in gewissem Grade unabhängig von den Nerven, schon vor dem Sichtbar- werden des Gehirns und Rückenmarks zeigen. *) Mem. de PAcad. des sc. de Paris. A. 1740. p. 815, 831 der 5% Ausg. Bemerkenswerth ist es auch, dafs die Arterien dieses Fetus staft rothen Bluts eine weisse, Iymphatische Flüssigkeit enthielten. “*) M. s. oben 8. 88. VIERTES BUCH. Wachsthum, Blüthe und Abnahme des Lebens. Alles Lebende hat eine Periode des Wachsthums, der Blüthe und des Absterbens. Die allgemeinen Ge- setze und Bedingungen dieser Veränderungen sind die des entwickelten Lebens selber. Mit Erforschung der einen werden uns auch die andern gegeben seyn. Von den Bedingungen können wir hier aber nur die äussern in Betrachtung ziehen. Zu den innern gehören alle Verrichtungen der einzelnen organischen Theile, die sich erst in den folgenden Büchern werden unter- suchen lassen. Jene Perioden stehen bei jeder Art der lebenden Wesen in einem gewissen gegenseitigen Verhältnifs. Die einjährigen Pflanzen wachsen schnell, sterben aber auch sehr bald. Dasselbe ist der Fall mit vielen Insecten. Unter den ausdauernden Gewächsen hingegen gelangen mehrere erst nach vielen Jahren zur Periode der Blüthe. Diese aber erstreckt sich bei ihnen auf Jahrhunderte, und sie wachsen fort, solange diese Periode dauert. Ihnen scheinen hierin manche Schild- 152 kröten ähnlich zu seyn. Von der Chersine graeca hat man Beweise, dafs sie bis 200 Jahre lebt und oft eine ungeheure Gröfse erlangt.*) Jenes gegenseitige Verhältnifs der Lebensperioden kann durch äussere Einflüsse individuelle Veränderungen erleiden, doch nur innerhalb gewisser Schranken, .die in der Natur jeder Gattung gegründet. sind. Das Wachsthum ist aber nicht blofse Zunahme des Volumens der Theile und des Ganzen. Immer treten dabei Veränderungen gewisser Theile, häufig auch der ganzen Gestalt, und bei manchen Thieren sogar mehrfache Verwandelungen der ganzen Orga- nisation ein. Die erste Veränderung erleidet jedes Thier beim Uebergange aus dem Embryonenzustand in das selbstständige Leben. Der Fetus ist immer ein Wasser- thier und von der äussern Welt geschieden. Entwickelt er sich durch Intussusception schon vor seiner Reife, so hat er während dieser Entwickelungszeit in gewissem Grade die Gestalt und Natur eines Wasserthiers, und so mufs er bei seiner Reife zu einer andern Form des Daseyns übergehen, um als Luftthier selbstständig leben zu können. Ein solcher Uebergang tritt bei dem Fetus der Amphibien, Vögel und Säugthiere ein. Die Frösche und Salamander besitzen als Embryonen wirkliche Kiemen, die übrigen Amphibien, die Vögel und Säugthiere etwas Analoges von diesen Respirations- organen der Fische an den Verzweigungen der Nabel- stranggefäfse. Beim Fetus der Vögel und Säugthiere 2973. Marray im Edinburgh Journ. of Seience. Vol. IV. p. 318. 153 ist zugleich das Herz dem der niedern Thiere darin ähnlich, dafs beide Kammern und beide Vorkammern mit einander in Verbindung stehen. Hingegen am Fetus der Fische läfst sich eine solche Aehnlichkeit mit ausgebildeten Thieren einer niedern Classe nicht nach- weisen, weil der Fisch nach dem Embryonenzustand bleibt, was er vor demselben war, ein Wasserthier. Auch manche Luftthiere entwickeln sich im Wasser des Eies, ohne an den Eigenschaften eines Wasser- thiers Theil zu nehmen, und es geht ihrem Auskriechen aus dem Ei keine Verwandlung vorher, wenn die Periode ihrer Bildung durch Juxtaposition bis zu ihrem Auftreten als selbstständiges Wesen dauert. Dies ist der Fall mit den Spinnen. Nach Herold“) unter- scheidet sich der Embryo der Spinne, sobald der Dotter in den Bauch aufgenommen ist, in keinem Stück von der Spinne nach dem Auskriechen aus dem Ei als nur in der Farbe und darin, dafs er noch nicht behaart ist. Die weitere Ausbildung des Organismus nach dem Austritt aus dem Ei besteht ebenfalls nicht in blofser Zunahme des Volumens der Theile und des Ganzen. Es treten auch dabei neue Erzeugungen und Umwan- delungen, meist nur einzelner Organe, bei manchen Thieren des ganzen Körpers ein. Das Letztere ist der Fall bei den Coleopteren, Neuropteren, Hymenopteren, Dipteren, Lepidopteren und dem Floh unter den In- secten, bei den Batrachiern unter den Amphibien. *) Untersuchungen über die Bildungsgesch. der wirbellosen Thiere im Ei. Tb. 1. S. 38 fg. 154 Bei allen übrigen Thieren werden nach der Geburt nur einzelne Organe neu erzeugt oder in ihrer Form verändert. An den phanerogamischen Gewächsen sind es blos die Blätter, die bei der weitern Entwickelung der Pflanze eine andere Form und Beschaffenheit annehmen, als sie anfangs nach dem Keimen hatten. Unter den Cryptogamisten aber zeigen wieder die Pilze grofse Umwandelungen der Gestalt von ihrem Entstehen an bis zum vollendeten Wachsthum. Die erwähnten, einer totalen Metamorphose unter- worfenen Insecten kommen als Larven in wurmähn- licher Gestalt aus dem Ei, führen als solche ein selbstständiges Leben, doch ohne Fortpflanzungsver- mögen zu besitzen, werden wieder in gewissem Be- tracht zu einem Ei, indem sie sich in eine Puppe verwandeln, und bilden sich in dieser von neuem zu einem ganz andern Wesen, das nicht nur selbstständig wie die Larve, sondern auch zeugungsfähig ist. Aus dem Larvenzustand nehmen sie in den Zustand des vollkommenen Insects das mit herüber, was sie in bei- den gemein haben: das Nervensystem, den Nahrungs- canal mit dessen Anhängen, einen Theil der will- kührlichen Muskeln und die innern Zeugungstheile. Sie verliehren bei jenem Uebergang Alles, was blos dem Larvenzustand angemessen war: die äussern Be- deckungen, die Frefswerkzeuge, die Fülse, den gröfsern Theil der willkührlichen Muskeln, die äussern Organe des Athemhohlens und die Spinnwerkzeuge. Die Er- zeugung neuer Organe für die vorigen fängt schon in 155 der Larve an, deren ganze Thätigkeit in beständigem Verzehren von Nahrungsstoffen und Anhäufung von Bil- dungsmaterie zum Behuf jener Keime besteht. Diese Materie ist der sogenannte Fettkörper der Larve, eine geronnene Mischung von Eiweifs und Dotter, die sich rings um den Nahrungscanal ablagert. Sie kehrt aus dem festen in den flüssigen Zustand gegen die Periode der beginnenden Bildung der Keime zurück, die nach Art einer Crystallisation geschieht. Die bleibenden Organe erleiden aber ebenfalls beim Uebergang der Larve in die Puppe und dieser in das vollkommene Insect grofse Veränderungen. Sie werden an einigen Stellen verkürzt, an andern verlängert; getrennte Theile vereinigen sich, und vereinigte werden getrennt; aus einigen schiessen neue Fortsätze hervor, die sich weiter ausdehnen und verbreiten. Diese Umänderungen sind vorzüglich merkwürdig am Nervensystem. Beim Ueber- gang der Raupe in den Schmetterling verkürzt sich der ganze Bauchstrang, aber in sehr verschiedenem Verhältnifs. Der erste Bauchknoten vereinigt sich mit dem Gehirn, der dritte mit dem zweiten, und der fünfte mit dem vierten, nachdem sich die Nerven- stränge, wodurch sie in der Raupe mit einander ver- bunden waren, allmählig immer mehr der Länge nach zusammengezogen haben. Hingegen entfernt sich der erste Bauchknoten von dem zweiten, und es ver- schwinden der sechste und siebente Knoten, während die Verbindungsstränge dieser beiden Ganglien bleiben und zu einem einzigen langen Strang zusammentreten, welcher unmittelbar von dem ehemaligen fünften 156 Bauchknoten der Raupe zu dem achten Knoten über- geht. *) Nicht viel geringere Umwandelungen erleidet der ausgebildete Fetus der Frösche und Salamander vor seinem Auftreten als vollendetes Thier. Er durchbricht als Fisch die Eischaale, lebt als solcher eine Zeitlang unter dem Wasser und geht dann in ein vierfülsiges Thier über, das nur auf dem Lande oder an der Oberfläche des Wassers einen dauernden Aufenthalt haben kann. Er hat im Fischzustande nicht nur Kie- men, die er nachher mit Lungen vertauscht, sondern auch einen ähnlichen Bau des Systems der Blutgefäfse wie den Fischen eigen ist, der beim Uebergang in den vollkommenen Zustand ebenfalls eine grofßse Ver- änderung erleidet. Die aus der Herzkammer entsprin- gende Arterie verzweigt sich in den Kiemen, und die rückführenden Kiemengefäfse vereinigen sich, wie bei den Fischen, zu einer Aorta, deren letzte Zweige in Venen übergehen, die sich in die Vorkammer des Herzens öffnen. Bei der Verwandlung wird der Stamm der Kiemenarterien zur Aorta; diese Kiemengefälse verschwinden, und es bilden sich Zweige der Aorta zu Lungenschlagadern aus.**) Die Froschlarven ver- liehren zugleich den Schwanz und die Rückenflosse, und mit diesen Theilen deren Knochen, Muskeln, Gefäfse und Nerven. Dagegen entsteht ein ganz neuer Apparat von Knochen, Muskeln u. s. w. bei der Ent- *) Herold’s Entwickelungsgeschichte der Schmetterlinge. *) Rusconi Descrizione anat. degli organi delle larve delle Sala- mandre aquatiche. 157 stehung der vordern und hintern Gliedmaafsen. Der Nahrungscanal verkürzt sich bedeutend, während er zugleich weiter wird. ' Alle diese Verwandelungen erfolgen nicht durch Veränderung der äussern Eindrücke, sondern gehen den Veränderungen der letztern vorher. Die Raupe wird nicht zum Schmetterling, weil sie den Nectar der Blumen zu kosten bekömmt; sie erhält den Honig- saft zur Nahrung, weil sie Schmetterling geworden ist. Nirgends offenbart sich die Selbstthätigkeit des Lebens- prineips so sehr als bei jenen Vorgängen. Doch auf der andern Seite verräth sich dabei auch die Beschränkt- heit dieser Autocratie. Die Larven der Frösche verwan- deln sich nicht, wenn sie nicht hinreichende Nahrung und Wärme haben; die der Salamander verwandeln sich zwar auch ohne Nahrung, doch sehr langsam. *) Diese Abhängigkeit auf der einen Seite und Un- abhängigkeit auf der andern von äussern Einflüssen zeigt sich auch überhaupt bei dem Wachsthum aller lebenden Wesen. Sie bleiben beständig abhängig von denselben Einwirkungen, deren der Embryo zu seiner Entwickelung bedurfte, von Wärme, atmosphärischer Luft, Wasser und nährender Substanz. Aber das Ver- hältnifs gegen diese Einflüsse verändert sich nach der Geburt, ist sehr verschieden bei den verschiedenen Arten der lebenden Wesen und bleibt nicht während des ganzen Lebens das nehmliche. Das Licht, das dem *) Ruseoni a. a. ©. W. F. Edward’s de Pinfluence des agens physiques sur la vie. p. 103. Pflanze nothwendig, um ihrer Natur gemäfs zu wachsen. Hingegen ertragen alle Gewächse und vielleicht, auch wohl alle Thiere beim Keimen und im Embryonen- zustande einen weit höhern Grad. von Wärme als nach dem Keimen und nach ‚der Geburt, und: der ausgebildeten: Pflanze sind manche Gifte, z.B. ‚der Kampher, weit nachtheiliger als dem :Saamenkorn.'*) Die verschiedene Abhängigkeit der verschiedenen Thier- und Pflanzenarten von verschiedenen Graden der äussern Einflüsse erhellet aus der Beschränktheit ihrer physi- schen Verbreitung. In Rücksicht auf. den: Grad der Wärme läfst sich annehmen, dafs keine Fortdauer des Lebens in einer Hitze, die 70° BR. ‚übersteigt, und wohl Fortdauer des Lebens, aber kein Wachsthum in einer Kälte, die mehrere Grade unter dem Gefrier- puncte ist, statt finden kann. Man: fand Algen, Mar- chantien und Lycopodien: in heissen Quellen wachsend, deren Temperatur 56 bis 59°, ja sogar zwischen 68 und 69° R. betrug, und den Turbo thermalis in Wasser von 40° R. Wärme lebend. **) Ich kenne aber keine zuverlässige Beobachtung von Pflanzen, die in einer *) Göppert in Poggendorff’s Annalen der Physik. 1828. N. 10. S., 243. H iu **) Biologie. B. 2. S. 15 fg. Die hier angeführte Beobachtung Sonnerat’s von Fischen in heissen Quellen bedarf aber, nach einer Anzeige in den Suppl.’a I1’Hist. nat. de Buffon, T. V, p; 540 der Lausanner Ausgabe, einer Berichtigung. Andere neuere Beobachtungen über vegetirende Pflanzen in heissen Quellen finden sich in €. von Sternberg’s Reise in die Rhetischen Alpen. S. 32. Dessen Reise durch Tyrol in die’Oesterreichischen Provinzen. 8. 73. Barrow’s Reise nach Cochinchina. Uebers. von Ehrmann. S. 187. Humboldt’s und Bonpland’s Reise in die Aequinoctialgegenden des neuen Continents. Th. 3. S. 145. 159 Hitze von 70° R. vegetirten, und keinen Beweis, dafs wirkliches Wachsthum in einer Kälte vor sich geht, die bedeutend unter der Temperatur des gefrierenden Wassers ist, und wobei die Pflanze oder das Thier nicht auf irgend eine Weise dagegen Schutz hat. Gewisse Einwirkungen befördern oder beschränken, wenn sie sich verändern, nur von gewissen Seiten das Wachsthum, und die Folgen derselben können durch Veränderung anderer, gleichzeitiger Einflüsse modi- ficirt werden. Viele Pflanzen wachsen auch, und selbst üppig, bei einem geringern Grade von Licht und in einem andern Boden, als sie an ihrem natürlichen Standorte haben, kommen aber dabei nicht zur Blüthe, oder bringen nur taube Saamen. Hingegen blühen zu- weilen solche, die sonst nicht zum Blühen zu bringen sind, wenn man sie verhindert, ins Laub zu schiessen, indem man sie trocken hält. Die Entziehung der Feuchtigkeit ist nicht, wie Linne und Andere be- haupteten, Bedingung der Entwickelung der Blüthe. F. G. Gärtner, der sich gegen diesen Satz erklärte, hat ganz Recht, wenn er behauptet, die nehmliche Pflanze trage unter gleichen Umständen bei reichlicher Nahrung mehr und vollkommnere Blüthen als bei kärglicher Nahrung. *) Aber soviel ist auch gewils, dafs bei Mangel an Nahrung die ganze vegetative Thätigkeit mehr auf die Erzeugung der Blüthen als der übrigen Theile gerichtet ist. Wenn luxuriirende Gewächse mehr ins Laub schiessen, als Blumen und *) Naturwissensch. Abhandl. einer Gesellsch. in Würtemberg. B. 1. 324125827107. 160 : Früchte tragen, so liegt der Grund davon nicht so- wohl in Ueberflufs an Nahrung überhaupt, als in einem unangemessenen Verhältnifs der Nahrung gegen die übrigen Einflüsse, die der Pflanze zu ihrer natürlichen Vegetation nothwendig sind. Jede Veränderung der äussern Bedingungen des Wachsthums zieht Abänderungen der Bildung nach sich, die bei einigen Thieren und Pflanzen früh, bei andern später eintreten, desto dauernder werden, je länger jene Veränderungen fortdauern, und, wenn sie herr- schend geworden sind, auch nach der Aufhebung ihrer ersten Ursache bleiben, oder, falls diese periodisch wirkte, periodisch wiederkehren. Auf diesem Gesetz beruhet die Degeneration der lebenden Wesen. Es giebt Gränzen derselben. Wir können diese aber nicht angeben, nicht ohne willkührliche Vorausset- zungen sagen, was Art und was Abart ist. Unsere Erfahrungen hierüber sind sehr beschränkt und zum Theil sich, dem Anscheine nach, sehr widersprechend. Ein und derselbe Boden bringt oft neben einander sehr verschiedene Spielarten von Gewächsen hervor, und nicht etwa blofs in Gärten, sondern auch in Wildnissen.*) Hingegen entstehen einerlei Ausartungen bei sehr verschiedenen äussern Einflüssen sowohl im Thier- als im Pflanzenreiche. Viele Thatsachen be- weisen z. B. dafs die Thiere desto stärkeres Haar und desto hellere Farben bekommen, je weiter ihr Aufenthalt nach den Polen hin ist, je weniger Wärme *) Ein Beispiel führt Pallas (Reise durch verschiedene Provinzen des Russischen Reichs. Th. 3. S. 247) von Phlox sibirica an. 161 und Licht also auf sie wirken. *) S. G. Gmelin führte dagegen Erfahrungen an, woraus er schlofs, dafs eben diese Wirkungen auch von verminderter Ernährung entstehen. **) Pallas***) berief sich wieder auf andere Beobachtungen, die ihm zu beweisen schienen, dafs stärkeres und weisseres Haar nicht verminderte, son- dern vermehrte Ernährung zur Ursache hätte. Wenn man die Gründe für diese entgegengesetzten Meinungen vergleicht, so läfst sich nichts Anderes annehmen, als dafs weder vermehrte noch verminderte, wohl aber der Qualität nach veränderte Ernährung einen ähn- lichenEinflufs auf den Haarwuchs und auf die Farben des Haars wie Licht und Wärme hat. Dies folgt auch aus Günther’s Versuchen, nach welchen mehrere Arten von Vögeln schwartze Federn bekommen, wenn sie mit Hanf gefüttert werden. +) Da aber nach Pallas der veränderliche Hase und mehrere andere Thiere auch in der Gefangenschaft, wo sie immer einerlei Nahrung und einerlei Wärme haben, Winter- und Sommerhaar erhalten, so ist weiter vorauszusetzen, dafs das pe- riodische Wechseln der Haare auch ohne äussere Ursachen, blos als eine habituell gewordene Verän- derung erfolgt. Wenn in diesen und ähnlichen Fällen, wo die Ursachen der Degeneration erst nach der Geburt ein- wirken, dieselben schon schwer zu entdecken sind, *) Biol. B. 2. 5. 168. 488. ”*) Ebendas. 8. 491. ***) Nov. spec. quadrup. e glirium ordine. Ed. 2. p- 8. 1) Der Naturforscher. Th. 1. S. 1. Th. 9. S. 22. 11 162 so ist die Auffindung derselben und: die. Schätzung des Erfolgs, den sie haben können, noch weit schwerer bei denen, deren Einflufs schon bei der Erzeugung anfängt. Im Quarterly Journal of Science *) wird aus Crawford’s Reise nach Ava erzählt: man habe in Ava einen Mann gesehen, der vom Kopfe bis zu den Füfsen mit 4 bis 8 Zoll langen Haaren bedeckt war, dem ‘dabei die Backenzähne ganz fehlten, und der mit einer Burnesin zwei Töchter hatte, wovon die eine haarlos wie die Mutter, die andere eben so be- haart ‘wie ‚der Vater war. Von welcher Ursache. diese Ausartung herrührte, würde auch dann, wenn.(die ganze physische. Lebensgeschichte des Behaarten und seiner Vorfahren genau aufgezeichnet wäre, schwerlich auszumachen seyn. Hätte der Mann aber einen ihm gleichen Sohn gehabt, und hätte dieser mit der haa- rigen Tochter Kinder gezeugt, die ‘sich nur unter sich weiter fortgepflanzt hätten, "würde. daraus nicht eine behaarte Menschenrace entstanden seyn? Und können unter gewissen Umständen nicht noch gröfsere Ausartungen entstehen, die durch Fortpflanzung zu bleibenden Formen werden, wovon sich nicht sagen läfst, ob sie Arten oder nur Abarten. sind? Hierauf läfst sich nicht mit Nein antworten. Wohl. aber kann man nach ‚aller Erfahrung verneinen, dafs Einflüsse, die erst nach der. Geburt wirken, totale Veränderungen der Organisation hervorzubringen vermögen. Veränderungen der äussern Bedingungen des Wachs- +) New Series, @ct.—Dee, 1827. p. 493. u: thums, die blofs quantitativer Art sind, beschleunigen dasselbe oder bringen die entgegengesetzte Wirkung hervor, doch vorzüglich bei den Pflanzen und den niedern Thieren. Sie haben einen weit geringern Ein- flufs auf das Wachsthum der höhern Thiere nach der Geburt, obgleich die Lebensthätigkeit derselben eben- falls dadurch vermindert wird. Das Wachsthum und überhaupt diese Thätigkeit wird aber nur innerhalb gewisser Gränzen durch sie befördert und zurück- gehalten. Jede Einwirkung, die im mittlern Grade Bedingung des Lebens ist, erhöhet im Uebermaafs dessen Aeusserungen auf Kosten der Dauer desselben, oder verursacht selbst den Tod durch Ueberreizung. Sie kann, unter den mittlern Grad vermindert, das Leben verlängern, dessen Regungen schwächer werden. Abnahme derselben; die eine gewisse Gränze über- schreitet, zieht aber ebenfalls den Tod nach sich. Der Erfolg wird jedoch in dem einen und dem an- dern Fall durch verschiedene Umstände modificirt, und zwar 1) durch das Gesetz der Gewöhnung, vermöge welchem nach Vermehrung und Verminderung eines Reizes, der mit mittlerer Stärke wirkte und einen mittlern Grad von Erregung hervorbrachte, dieser Grad um so weniger verändert wird, je mehr die Zunahme und Abnahme allmählig und stufenweise geschieht. Unter diesem Gesetz stehen alle lebende Wesen. Dafs eben sowohl die Pflanzen als die Thiere demselben unterworfen sind, zeigt jede verzärtelte Zimmerpflanze, die von einer Kälte getödtet wird, 11% 164 wobei ihre, im Freien abgehärteten Artsverwandten- sich wohl befinden. Das Gewöhnungsvermögen ist aber den verschiedenen Pflanzen und Thieren in sehr verschiedenem Grade eigen. Manche Kräuter sind dem Menschen in alle Zonen gefolgt, und ausser ihnen giebt es noch mehrere andere, die unter den ver- schiedensten Graden der Breite wachsen, z. B. Son- chus oleraceus, Solanum nigrum, Portulaca oleracea, Pharnaceum Cerviana. ”) Die Zahl derselben ist gering gegen die, welche keine Kunst in fremden Climaten einheimisch machen kann. Aber die Zahl der Thiere, die ohne menschliche Hülfe sowohl in der heissen, als in der kalten Zone leben können, ist ebenfalls nicht gröfser. In beiden organischen Reichen gehören jene Arten den verschiedensten Familien an und haben im Aeussern nichts, was mit ihrem ausgezeichneten Gewöhnungsvermögen in Beziehung steht. 2) Durch den Grad der Lebenstenacität. Das Leben mancher Thiere und Pflanzen erhält sich, unvorbereitet durch Gewöhnung, bei einem Ueber- maafs, mancher anderer bei Entziehung der ihnen, zur vollen Lebensthätigkeit nothwendigen Einwirkungen. Im 5ten Bande der Biologie (S. 264 fg.) habe ich die wichtigsten der hierher gehörigen Thatsachen zu- sammengestellt und gezeigt, dafs der Grad dieser Tenacität mit der Abhängigkeit des Rhythmus der Be- wegungen des Herzens und der Werkzeuge des Athem- hohlens von äussern Einflüssen in Verhältnifs steht. *%) Biol. B. 2. S. 197. 165 Ich finde auch jetzt noch keinen Character, womit jener näher als mit diesem verbunden ist. Wenn z. B. Weddell*) erzählt, der See-Elephant lebe während der Paarungszeit wenigstens zwei Monate aın Lande, ohne irgend Futter zu sich zu nehmen, so sehe ich nicht ein, mit welcher Eigenthümlichkeit diese lange Dauer des Lebens bei Enthaltung von aller Nahrung in Beziehung stehen kann, als mit dem Vermögen des See-Elephanten das Athemhohlen nach Art der niedern Thiere auf längere Zeit aussetzen zu können. 3) Durch vorhergegangene Einwirkungen anderer Art. Jeder Einflufs auf das Lebende, welcher der Qualität nach von dem gewohnten abweicht, verän- dert das Verhältnifs des Lebenden gegen die äussere Natur, macht dieses empfänglicher für Einwirkungen anderer Art, oder stimmet die Reizbarkeit desselben herab, und erhöhet oder vermindert dessen Energie. Die durch starken Dünger getriebenen Pflanzen sind weit empfindlicher gegen Wärme, Kälte, Licht und Feuch- tigkeit als andere, die an ihrem natürlichen Standorte unter übrigens gleichen äussern Verhältnissen mit ihnen aufwuchsen. Die Stärke und Ausdauer der Thiere ist ebenfalls abhäugig von der Beschaffenheit der Nah- rung und des Mediums, worin sie athmen. Vermöge dieses Gesetzes wird das Lebende von zufälligen Einwirkungen in gewissem Grade beherrscht, doch weit weniger, wenn es ganz seiner Selbstthätig- keit überlassen ist, als im gezwungenen Zustande. *) Reise in das südliche Polarmeer. A. d. Engl. Weimar 1827. S. 83. 166 Das 'Thier im Freien wird vom Instinct geleitet, in einer Sphäre zu leben, worin es jenen Einflüssen am wenigsten ausgesetzt ist. Den Gewächsen wird das Vermögen, eine solche Sphäre aufzusuchen, durch ihre starke Zeugungskraft und durch die Einrichtungen ersetzt, welche die Natur getroffen hat, um die Ver- breitung des Pflanzensaamens zu befördern und zu machen, dafs immer ein grofser Theil desselben in die ihm angemessene Sphäre gelange. Gegen die Be- schränkungen, denen das Leben in jeder Sphäre vom Zufalle ausgesetzt ist, behaupten sich alle lebende Wesen durch Wirken ihrer Selbstthätigkeit als Heil- kraft der Natur, und besonders in Rücksicht auf die Integrität der Organisation als Wiedererzeu- gungsvermögen verletzter oder verlohrner Theile. Das letztere zeigt sich deutlich als eine Form der ursprünglichen Zeugungskraft. Dasselbe ist bei den Pflanzen, Zoophyten und Würmern ganz einerlei mit dem Vermögen der Vermehrung durch Sprossen und durch Theilung. Beiden höhern der wirbellosen Thiere, den Fischen und Amphibien ist keine Vervielfältigung des einzelnen Wesens dadurch möglich; wohl aber werden ihnen ganze verlohrne Gliedmaafsen und selbst Sinnesorgane durch dieses Vermögen ersetzt, obgleich vielleicht nie ganz in der vorigen Vollkommenheit. *) Den Vögeln und Säugthieren kann dasselbe nur ner- venlose Theile wiedererzeugen und die aufgehobene *) Der regenerirte Schwanz der Eidechsen enthält statt der geglie- derten Wirbelsäule nur eine, aus einem einzigen Stück bestehende, knorpelige Röhre. Duges in den Annales des sc. natur. T. XVI. p. 367. Be organische Verbindung von 'Theilen, die mit Nerven begabt sind, wiederherstellen. *) Die Stufenleiter dieses Vermögens in den organischen Reichen ist also einerlei mit der der Tenacität des Lebens, und dasselbe steht daher wie diese mit der Abhängigkeit des Rhythmus der Bewegungen des Herzens und der Respirations- organe von äussern Einwirkungen zunächst in Beziehung. Die Regeneration einzelner Gliedmaalsen fängt übrigens bei den Amphibien auf ähnliche Art, wie die Bildung des organischen Ganzen, mit einem Anschiessen fester Theile in einer homogenen Flüssigkeit an. Das Ende des Stumpfs eines abgeschnittenen Gliedes des Wasser- salamanders wird mit einem Netz von Gefäfsen bedeckt, woraus eine klebrige Feuchtigkeit hervordringt, die sich mit einem Häutchen überzieht und eine conische Form annimmt. In dieser Materie erzeugen sich neue organische Elemente, die sich mit denen des Stumpfs vereinigen. Der Kegel verlängert sich immer mehr, indem sich unter dem Häutchen immer neue Materie ansammelt. Es äussert sich hierbei das gleichförmige Wirken des Lebenden bei veränderten äussern Ver- hältnissen. Das Glied kann auf sehr verschiedene Weise abgeschnitten seyn: der verlohrne "Theil wird doch immer in gleicher Gestalt wieder hergestellt. Ist z. B. der Schnitt in ganz schiefer Richtung gemacht, so bildet die hervordringende Lymphe eben sowohl einen *) Biol. B. 3. S. 448 fg. Dafs jedoch auch bei den Säugthieren nicht blos Reunion durehschnittener Nerven, sondern auch Regeneration ausgeschnittener Nervenstücke statt finden kann, beweisen neuere Ver- suche Tiedemann’s, deren Näheres dieser in der Zeitschrift für Physiologie bekannt machen wird. 168 Kegel, dessen Axe in der verlängerten Axe des Glie- des liegt, als wenn die Schnittfläche auf der letztern senkrecht steht. *) Aber weder der Besitz dieses Vermögens noch der übrigen Formen, unter welchen die Selbstthätigkeit der lebenden Wesen gegen zufällige Eindrücke der äussern Natur wirkt, kann den Tod aus zufälligen Ursachen ganz abwenden. Es können die Einwirkungen, die selber Bedingungen des Lebens sind, so heftig oder so schwach seyn, dafs die Selbstthätigkeit sich dagegen nicht behaupten kann. Es kann der Tod von Ueberreizung auch bei sonstigen Einflüssen eintreten, die mit der Unterhaltung des Lebens nichts gemein haben. Es giebt ausserdem Kräfte, welche tödten, ohne dergestalt auf das Leben zu wirken, dafs ihr nachtheiliger Einflufs Folge ihrer erregenden Wirkung seyn kann. Auf diese Art wird das Leben durch gröfsere mechanische Zerstöhrungen der Organisation, als das Reproductionsvermögen ersetzen kann, und durch Gifte aufgehohen. Die unmittelbar tödtende Kraft der letztern zeigt sich vorzüglich an den Pflanzen. Diese sterben in Auflösungen der Blausäure, des Alcohols, der ätheri- schen Oele, des Camphers, der vegetabilischen Extractiv- stoffe, des ätzenden Ammoniacs, der Metalloxyde, mit _ Ausnahme der Eisenoxyde, und unter Glocken, die mit schwefelsaurem, salpetrigsaurem, chlorwasserstoff- saurem, Ammoniac-, Schwefelwasserstoff-, Chlor-, Cyan-, Kohlenoxyd-, ölbildendem und Stickstoff- *), Todd im Quarterly Journ. of science. Vol. XVI. p. 34. 169 oxydulgas angefüllt sind, ohne vorher durch beschleu- nigtes Wachsthum einen gereizten Zustand zu verrathen. Die aufgelösten Gifte werden von den Wurzeln ein- gesogen und finden sich in den ausgeprefsten Säften der Pflanzen wieder. Bei milchenden Gewächsen hört die Ergiessung der Milch und bei denen, die reizbare Theile haben, z. B. der Raute, Parnassie u. s. w. die Bewegung dieser 'Theile darnach auf, doch dann erst, wenn die Gifte in das Zellgewebe übergegangen sind und organische Veränderungen darin hervorgebracht haben. *) Für manche Wesen ist jedoch Verlängerung des Lebens über die gewöhnliche Gränze hinaus möglich, wenn die äussern Einwirkungen, die sonst Bedingungen der Lebensäusserungen sind, bis auf ein Minimum ver- mindert und alle zufällige Einflüsse abgehalten werden. Man fand nicht selten tief in festem Gestein und mitten in Baumstämmen lebende Frösche, Kröten und Ei- dechsen, die weit über die gewöhnliche Zeit des Lebens dieser Thiere hinaus darin gelegen haben mufsten. ”**) Will man doch sogar in Erdschichten der Vor- welt lebende Mollusken entdeckt haben! ***) Soviel *) Schübler und Zeller in Schweigger’s Jahrb. der Chemie und Physik. 1827. B. 2. S. 54. Göppert de acidi hydrocyanieci vi in plantas. Vratislav. 1827. Derselbe in Poggendorff’s Annalen der Physik und Chemie. 1828. N. 10. S. 243, 252. 1829. N. 3. S. 487. Wiegmann über das Einsaugungsvermögen der Wurzeln. Marb. 1828. Turner u. Christison im Edinb. Journ. of science. Vol. VIII. p. 140. "Biol. B. 2.8. DI fg. B. 5.8. 207: *+) Nach Eatons, Professors in New-York, Erzählung, fand man beim Ausgraben des Erie-Canals in hartem, festem Sande, 42 Fufs unter der Oberfläche der Erde, viele hundert lebende Mollusken, die vorzüglich 170 ist gewils, dafs sich für die Saamen mancher Pflanzen, für jene Amphibien und für einige Mollusken keine Gränze der Lebensdauer unter den obigen Umständen bestimmen läfst. Aber es ist doch nicht zu leugnen, dafs bei einem Minimum von Erregung das Leben endlich erlösche. Eine solche Verlängerung dieses Zustandes ist auch nur für jene Wesen, nicht für die Säugthiere und Vögel möglich. Es giebt zwar Säug- thiere, deren Leben für längere Zeit auf der niedrigsten Stufe fortdauern und sich doch wieder zu der höchsten erheben kann. Wir werden indefs in der Folge zeigen, dafs dieser Scheintod eben so sehr von einem innern, als einem äussern Grunde abhängt, und dafs durch Verlängerung der Lethargie über die gesetzmässige Zeit das Leben nicht weniger als durch Abhaltung derselben verkürzt wird. zu Mya cariosa und Mya purpurea gehörten und einerlei mit den, noch jetzt in den süfsen Wassern der dortigen Gegend lebenden Arten waren. Eaton glaubt, die Thiere müfsten von der Zeit her, worin sie ver- schüttet wurden, unter der Erde lebend geblieben seyn, weil das Lager, worin man sie fand, viel zu fest wäre, als dafs sie sich darin könnten fortgepflanzt haben. Quarterly Journ. of science. New Series. 1829. FÜNFTES BUCH. Aeussere Bewegungen als Erscheinungen des Lebens. Es giebt eine Form des Lebens, die sich durch keine andere Veränderung im Raume, als durch Wachs- thum und Fortpflanzung äussert. Wesen, die auf dieser Stufe des Daseyns stehen, können nur wenig Berüh- rungspuncte mit der übrigen Natur haben. Sie besitzen blos das Vermögen, ihr Wachsthum nach der Be- schaffenheit der äussern Eindrücke zu modificiren. Auf den höhern Stufen des Lebens kann dieses Ver- mögen nicht mehr genügen. Hier mufs die Möglichkeit seyn, sich willkührlich den äussern Eindrücken durch Veränderung des Orts zu entziehen, oder diese von sich zu entfernen. Dem gemeinen Verstand ist die Gegenwart der willkührlichen Bewegungen das Unter- scheidungszeichen des Thiers von der Pflanze, und es läfst sich wirklich kein schärferes angeben. Die Pflanzen äussern zwar auch Bewegungen, die mit den thierischen Aehnlichkeit haben. Aber solche sind nur Folgen eines modificirten Wachsthums. In diesen äussern Wirkungen ist die innere Natur jedes lebenden Wesens ausgedrückt. Andere Formen derselben setzen andere Modificationen der innern Kräfte voraus. u. Die allgemeinsten der vegetabilischen Bewegungen, die freiwillig zu seyn. scheinen, sind das Hinziehen der Zweige und der obern Seite der Blätter nach dem Lichte und nach feuchter Wärme, und das Winden der Schlingpflanzen um eine Stütze. Besonders in der letztern Erscheinung äussert sich etwas Aehnliches den Bewegungen der Thiere. Die Schlingpflanze be- schreibt zwar, sich selber überlassen, bei ihrem Wachs- thum mit den Spitzen der Zweige Kreise, und erreicht vermöge dieser Art des Wachsthums einen Gegenstand, der in ihrer Nähe ist. Allein es ist doch keine, blos mechanisch wirkende Ursache, was sie veranlafst, ihr Wachsthum der Gestalt des Gegenstandes, zu welchem sie gelangt, anzupassen. Die Cuscuta windet sich nicht um Stützen jeder Art, nicht um thierische Theile, todte vegetabilische Körper, Metalle und andere un- organische Materien, sondern nur um lebende Pflanzen, und auch nicht um Gewächse jeder Art, z. B. nicht um Moose, sondern nur um solche, woraus sie durch ihre Papillen die ihr angemessene Nahrung ziehen kann, und von diesen wird sie schon in einiger Ent- fernung angezogen. *) Durch ein verändertes partielles Wachsthum werden auch mehrere Bewegungen beim Zeugungs- geschäft der Pflanzen, vorzüglich die verschiedene, gegenseitige Stellung der Blüthentheile vor, während und nach der Befruchtung, bewirkt. Diese sind indefs ganz automatischer Art: denn sie gelien immer nur *) L. H. Palm über das Winden der Pflanzen. 8. 48. 173 auf einerlei Art vor sich, und sind. Folgen ‚des er- höheten Lebens der Befruchtungstheile, ohne, wie Medicus*) glaubte, der sie unpassend Wanderun- gen der Blüthentheile nannte, auf das Befruchtungs- geschäft immer eine unmittelbare Beziehung zu haben.**) Sie bestehen zum Theil in einem Hinbiegen der Staub- fäden zu den Griffeln und einer Rückkehr in. ihre vorige Stellung. In gewissem Grade findet eine solche Veränderung der Lage wohl bei allen Blumen statt. Doch ist es allerdings wahr, was Medicus sagte, dafs es von dieser Art der Bewegung einen, Ueber- gang zu einer zweiten giebt, wobei die Staubfäden sich in einer gewissen Ordnung. der Narbe nähern und nach einander wieder von dieser entfernen. So neigen sich bei Parnassia palustris und Ruta ‚graveo- lens die Staubfäden einer nach dem andern, bei Saxi- fraga tridactylites paarweise zum Stigma, und richten sich in gleicher Ordnung: wieder auf. Eben. dieses Neigen der Staubfäden tritt aber bei mehrern Pflanzen, z. B. bei Berberis vulgaris, Cactus Opuntia und Tuna, Helianthemum: vulgare, apenninum und ledifolium, Stylidium Sw. nach mechanischer Reizung der Staub- fäden ein. ***) Ein ähnlicher Uebergang von Bewegungen, die sich ganz wie ein verändertes Wachsthum verhalten, zu solchen, die schr mit den thierischen Bewegungen übereinkommen, findet-an den Blättern und Blatt- *) Pflanzenphysiol. Abhandl. B. 1. S. 4. 126. **) L. €. Treviranus in den Verm. Schriften. B. 4. S. 139. **#) Biol. B. 5. S. 204 fg. L. €.-Treviranus a. a. O. S. 140. 174 stielen vieler Pflanzen statt. Die meisten, ja vielleicht alle Gewächse, verändern des Nachts die Stellung ihrer Stengel und Blätter, und zu gewissen Tages- zeiten auch die Oeffnung ihrer Blumen; sie schlafen und zeigen die Stunden an.*) Auf gleiche Weise schliessen aber manche Pflanzen, besonders aus der Minosenfamilie, ihre Blätter nach mechanischen und chemischen Reizungen. **) Diese Bewegungen haben mit denen der reizbaren Staubfäden das gemein, dafs sie immer nur nach Einer Richtung erfolgen, doch dabei nicht auf blos mechanische oder chemische Weise vor sich gehen, indem sie durch sehr verschie- denartige Einflüsse (mechanische Reizungen, den plötzlichen Zutritt des Sonnenlichts, plötzliche Ent- ziehung des Lichts, schnellen Uebergang von der Wärme sowohl zur Hitze als zur Kälte, Weingeist, mineralische Säuren, Aether und Ammoniae) erregt werden, das Princip derselben durch heftige Reize erschöpft, durch Ruhe wieder ersetzt wird, und ihre Stärke und Dauer eben so sehr mit der Energie des Lebens, als mit der Stärke und Dauer ‘des: mechani- schen oder chemischen Reizes in Verhältnifs steht. ***) Die Minosa pudica zieht auf Erschütterung ihre Blätter zusammen; "diese ‘öffnen sich’ aber wieder, wenn die Erschütterung mehrere Stunden fortgesezt wird. Reizbare Pflanzentheile werden schon vonder An- bringung eines blofsen Wassertropfens aufgeregt, *) Biol. B. 5. S. 191 fg. *%*) Ebendas. $. 217. ***) ‚Ebendas. S. 208 fg. S. 221 fg. 175 während es bei weniger reizbaren der Anwendung det Schwefelsäure, des Aethers und. Ammoniacs bedarf, um sie in Bewegung zu setzen. So richten. sich kei mehrern Arten des Mesembryanthemum die Blumen- blätter auf, wenn man einen Wassertropfen auf die Staubfäden trägt. Bei Bellis perennis läfst sich ‚eben- falls ein plötzliches Aufrichten der Strahlenblättchen hervorbringen. Aber bei ihr erfolgt diese Bewegung nur nach dem stärkern Eindruck des Aethers.;*) Auf eine noch andere Art ist das vegetabilische Bewegungsvermögen beim Hedysarum gyrans modi- fieirt. Die Hauptstiele und die gröfsern Blätter dieser Pflanze erheben sich beim Sonnenlicht und senken sich in der Dunkelheit auf ähnliche Art, doch mit noch weit gröfserer Empfindlichkeit gegen die ‚ver- schiedenen Grade des Lichts, wie die Stiele und Blätter anderer Pflanzen. Die kKleinern Nebenblätter erheben und senken sich. unaufhörlich ‚während des ganzen Lebens der Pflanze, ohne dabei von den Eindrücken gerührt zu werden, welche auf: die Beweglichkeit der übrigen reizbaren Pflanzen wirken. ’*’*) Alle diese Bewegungen der reizbaren Staubfäden, Zweige und Blattstiele'geschehen auf dieWeise, dafs der sich bewegende Theil einen Bogen um: seinen Befestigungspunct beschreibt. Ueber die wirkende Ur- sache giebt die innere Structur. jener Organe keinen Aufschlufs. Man findet in denselben den nehmlichen *) R. Mayer in Meisner’s Annalen der allgem. schweizerischen Gesellsch. f. d. gesammten Naturwissensch, RB. 1. H. 1. 8. 20. **) Biologie. B. 5. S. 201 fg, 176 Bau wie in andern, nicht reizbaren Pflanzentheilen. Im Aeussern zeichnen sich jedoch die reizbaren Mi- mosen, zwar nicht vor den übrigen Mimosen, doch vor andern Pflanzen durch einen Wulst an den Gelen- ken der Zweige und Blattstiele aus. Du Trochet*) entdeckte in der Rindensubstanz dieses Wulsts den Sitz der bewegenden Kraft der Sinnpflanzen. Sowohl das Aufrichten als das Senken der Zweige und Blätter hörte auf, wenn er diese Substanz abgezogen hatte. Nach dem Abschneiden der obern Hälfte des Wulsts erfolgte noch Aufrichten, aber nicht mehr Senken. Das Gegentheil trat nach Wegnahme der untern Hälfte ein. Du Trochet glaubt hiernach, dafs beiderlei Bewegungen durch ein gleichzeitiges, aber nach ent- gegengesezten Richtungen vor sich gehendes Krümmen der Rindensubstanz beider Hälften des Wulsts bewirkt werden. Der Zweig erhebt sich, wenn die Rinde der untern Hälfte convexer, die der obern flacher wird; er senkt sich, wenn die Krümmung der Rinde in der obern Hälfte zunimmt, in der untern sich mindert. Man sieht diese entgegengesetzten Bewegungen in Scheiben der Rinde beider Hälften unter Wasser er- folgen, Für das Organ, wodurch die Fortpflanzung der, an einer einzelnen Stelle angebrachten Reizung auf die übrigen Theile der Pflanze geschieht, hält Du Trochet nach audern Versuchen, wobei er Zweige oder Blätter reizte, nachdem vorher bald die Rinde, bald das Holz und bald das Mark an den *) Recherches anat. et physiol.' sur la structure intime des anim. et des vegetaux et sur leur motilite. p. Al. innern Enden der Zweige der Blattstiele ausgeschnitten war, die falschen Tracheen. Die Resultate dieser Versuche, soweit sie die Entstehung des Senkens und Wiederaufrichtens der Blätter von einer Anschwellung der obern und untern Hälfte der Rindensubstanz des, am innern Ende des Stiels befindlichen Wulsts betreffen, wurden auch von meinem Bruder*) an der Mimosa sensitiva, Göppert,**) Mayo**) und Spittal+) an der Mimosa pudica bestätigt gefunden. Im Uebrigen aber läfst sich dabei erinnern, dafs Du Trochet etwas als ausgemacht angenommen hat, was nicht bewiesen ist. Er richtete den Focus eines Brennglases auf ein einzelnes Blatt und sahe den Eindruck sich nach und nach auf die übrigen Zweige und Blätter fortpflanzen. Dies ge- schieht, seiner Meinung nach, durch eine organische Leitung, und von dieser Voraussetzung ist er bei mehrern seiner Versuche ausgegangen. Aber auch ab- gerechnet, dafs Andere von der Einwirkung der con- centrirten Sonnenstrahlen auf die Mimose nur örtliche Wirkungen beobachteten, ++) so wird doch von jeder Bewegung eines einzelnen Theils dieser Pflanze der ganze Stamm mehr oder weniger erschüttert, und blos hiervon kann das Mitleiden des ganzen Gewächses bei der Reizung eines einzelnen Theils herrühren. *) Zeitschrift für Physiologie. B. 1. S. 175. **) De acidi hydrocyan. vi in plantas. p. 26. ***) Quarterly Journ. of science. 1827. July—Sept. p- 76. 7) The Edinburgh new Journ. of science. 1829. Oct.—Dechr. p. 60. tr) Biologie. B. 5. S. 223. 12 KB Soviel ist auf jeden Fall gewifs, dafs keine der Bewegungen, die bei den Pflanzen vor sich gehen, durch einen plötzlichen Uebergang von Ausdehnung in Zusammenziehung und von dieser in jene bewirkt wird. Durch eine solche plötzliche Veränderung der Dimen- sionen äussert sich das Bewegungsvermögen: nur bei den Thieren. Die thierischen Bewegungen unter- scheiden sich zugleich von den vegetabilischen darin, dafs die, welche durch äussere Organe hervorgebracht werden, in der Regel einen äussern, unmittelbaren Zweck haben und willkührlicher Art sind; dafs hin- gegen die automatischen um so weniger nach aussen hervortreten, je höher die Stufe der thierischen Natur ist, worauf sie statt finden, und dafs mit‘dem Herab- sinken von den höhern Stufen des Thierreichs zu den niedrigern die Organe der willkührlichen und automatischen Bewegungen immer mehr in einander übergehen. Bei den Pflanzen sind umgekehrt die äusserlichen Bewegungen in der Regel automatische, und die, welche den Schein der’ Willkühr ‘haben, blos Folgen innerlicher, unter andern Umständen der Willkühr nicht unterworfener Veränderungen. Zwischen der Ausdehnung und Zusammenziehung der thierischen Bewegungsorgane giebt es bei den untern 'TThieren ein anderes Verhältnifs als bei den höhern. In jenen Organen ist bei den Zoophyten, Würmern und Mollusken Ausdehnung das Erste, Zu- sammenziehung das Untergeordnete. Sie schwellen weit über den Raum hinaus an, den sie vermöge 179 ihrer blofsen Elasticität einnehmen, und ziehen sich nicht viel weiter als bis zu diesem Raum zusammen. Hingegen nehmen die willkührlichen Bewegungsorgane der Insecten, der Crustaceen und der sämmtlichen Wirbelthiere im Zustande der Ausdehnung keinen viel gröfsern, bei der Zusammenziehung einen weit kleinern als diesen Baum ein. Theile, die bei ihnen ein stärkeres Anschwellungsvermögen besitzen, sind in der Regel blos‘ automatischer Bewegungen fähig. Mit diesem Unterschied steht ein zweiter in Verbindung. Alle Thiere, deren Bewegungsorgane vorzüglich durch An- schwellung wirken, ‚besitzen keine innere, articulirte Knochen oder Gräten; hingegen bei denen, deren willkührliche Bewegungen vorzüglich durch Zusammen- ziehungen ‚der bewegenden Organe geschehen, sind diese Organe an gegliederten, starren Theilen befestigt, vermittelst’weicher die Bewegungen nach den Gesetzen des Hebels vollzogen werden. Die Vereinigung der Organe, die bei den höhern Thieren blos für die willkührliche Bewegung bestimmt sind, mit denen, die bei diesen blos automatische Bewegungen hervorbringen, ist am engsten bei den Infusorien. Die äussern Bewegungen und die Processe, wodurch die Ernährung geschieht, gehen bei diesen gleichzeitig von derselben Ursache aus. Sie ruhen deswegen nie und sind die beweglichsten aller thie- rischen Wesen. Eben darum läfst sich aber keine Willkühr in ihren Bewegungen annehmen. Man kann diese selbst bei den gröfsern unter ihnen, an welchen 12* 180 äussere und innere Organe: zu erkennen‘ sind, nicht voraussetzen. Die Bewegungen der Monaden, die blofse Kügelchen ohne äussere 'Theile’ sind, ‘geschehemiohne sichtbare Veränderungen der Gestalt des Ganzen und scheinen in dem Vermögen allerthierischen’ Substanzen, Sauerstoff zu absorbiren und Kohlensäure auszuhauchen, ihren Grund zu haben. Eine höhere Stufe nehmen die Aufgufsthiere ein, die eine: längliche oder: platte)@e- stalt haben. Man. bemerkt. an denselben» Zusammen- ziehungen und. Ausdehnungen des: ganzen‘ Körpers, oder einzelner Theile, ‘woraus (denn bei einigen, be- sonders beim Proteus, beständige ‚Veränderungen der Form des Ganzen entstehen. Diese Bewegungen dauern unaufhörlich fort. Sie „sind: ‚deswegen ebenfalls!!'äls unmittelbare Wirkungen der Processe anzusehen, lauf deren Fortdauer das Leben beruhet. Als solche geben sie sich auch durch den ‚Uebergang mancher Infu- sorien in die vegetabilische Form zu erkennen. | Von den Bacillarien verhalten sich einige Arten ganz als Pflanzen, während andere thierische Bewegungen äus- sern, *) und mit beiden: haben die : oscillatorischen Conferven, deren Bewegungen deutliche Wirkungen ihres Wachsthums sind, eine nahe: Verwandtschaft. Bewegungen, die ganz den ‘Schein der Willkühr haben, zeigen sich bei den Räderthieren, Vorticellen und Hydern. Alle diese 'Thierpflanzen nehmen mit scheinbarer Willkühr ihre Nahrung auf, und verändern *) Nitzsch’s Beiträge zur Infusorienkunde. Halle 1817, 181 aus eigenem Antrieb ihre Stelle. Indefs auch bei ihnen stehen jene Bewegungen in sehr enger Verbindung mit den Functionen, durch welche die Ernährung vermittelt wird. Man sieht dies vorzüglich bei den Räderthieren. Diese besitzen ein einfaches, oder schein- bar doppeltes, gezähntes Rad, das ihnen als Werkzeug zum Schwimmen, als Mittel, Nahrung: an sich zu ziehen, und wahrscheinlich auch als Respirationsorgan dienet. Die von Leeuwenhoek entdeckte Art (Rotifer re- divivus Du Troch.) schwimmt, indem sie die ein- zelnen Zähne ihres Rads in Bewegung setzt. Sie erregt einen Strudel im Wasser, wodurch Nahrungs- mittel ihrem Munde zugeführt werden, indem sie dem ganzen Rade eine kreisende Bewegung giebt, und sie respirirt vielleicht auch vermittelst jener vibrirenden Zähne. Bei den Umdrehungen des ganzen Rades entsteht zugleich ein Wechsel von Zusammenziehung und Erweiterung im Magen. Dafs diese Bewegung Ursache von jener ist, läfst sich zwar nicht behaupten; sie scheint im Gegentheil Wirkung derselben zu seyn, da zuwe>n das Rad einige Umdrehungen macht, während der Magen in Ruhe bleibt. Allein das Räder- thier kriecht auch auf dem Boden, indem es sich mit der mittelsten Spitze des Schwanzes an diesem befestigt, die vorher eingezogenen Röhren, woraus der letztere besteht, plötzlich ausdehnt und den Hintertheil nach dem Kopfe hinzieht. Das Einziehen der Schwanzröhren geschieht durch Zusammenziehungen. Hingegen die Ausdehnung kann nur durch eine 'Turgescenz der Röhren bewirkt werden, die ein vermehrtes Einströhmen 182 des Bluts in die auszudehnenden Theile, also eine unmittelbare Mitwirkung der Behälter dieser Flüssig- keit voraussetzt. *) | Die vibrirenden Bewegungen der Zähne des Rads der Räderthiere machen eine Art der willkührlichen 'Thätigkeit aus, die in ähnlicher Form bei sehr vielen Thieren der untersten Classen vorkömmt. Gewöhnlich sind es Wimpern, welche die Schwingungen hervor- bringen. Es giebt solche vibrirende Organe an mehrern Aufgufsthierchen, z.B. an Leucophra flava M. woran sie die merkwürdige Erscheinung zeigen, dafs sie, wenn das Thier schon angefangen hat, sich in Mo- leculen zu zertheilen, an dem noch nicht ganz zer- fallenen Stück fortdauern.**) Man findet sie auf der Oberfläche des Embryo der in Röhren oder Zellen ent- haltenen Polypen, der Corallen und Spongien. Dieser schwimmet vermittelst derselben solange frei im Wasser, *) Die hier angeführten Thatsachen sind von Spallanzani (Opusc. de Phys. Traduits par Sennebier. T. U. p. 305) und Du Trochet (Annales du Mus. d’Hist. nat. T. XIX. p. 355) entlehnt. Die scheinbare Umdrehung, die das Rad der Räderthiere macht, hat man für eine, diesen Zoophyten ausschliefslich eigene Bewegung gehalten. Du Trochet (a. a. O. T. XX. p. 469) meinet: um die Peripherie des Rades laufe ein Muskelstrang, der Schlingen bilde, von welchen ein Theil der Substanz des Rades eingeschnürt werde, und deren Fortrücken bei der successiven Zusammenziehung des Strangs den Schein der Um- drehung hervorbringe. Auf solche Weise gedeutet, hat aber das Phänomen nichts Aehnliches im ganzen übrigen Thierreiche. Eine einfachere und weniger von aller Analogie entblöfste Erklärung scheint mir die Vor- ausselzung zu geben, dafs die Peripherie des scheinbar rotirenden Organs sehr schnelle, wellenförmige Bewegungen macht, wobei sich zu gleicher Zeit Haarbüschel, mit welchen dasselbe am Rande besetzt ist, der Reihe nach aufrichten und senken. *#) Müller Zool. Dan. Vol. Il. p. 44. bis er sich festgesetzt hat und weiter entwickelt. *) Solche Wimpern umgeben die Mundöffnung der Vor- ticellen und des Embryo der Gasteropoden. Der letztere wälzt sich, vermöge des Anstofsens derselben an die Fläche der ihn umgebenden Eihaut, immerfort um seine Axe.”*) Bei den Tubularien des süfsen Wassers und den Flustren, deren Arme mit ihnen besetzt sind, bewegen sie sich nicht zitternd, sondern der Reihe nach regelmäfsig herauf und herunter, so dafs es bei den Tubularien scheint, als ob ein Rad an dem Arme fortliefe, und erregen einen Strudel im Wasser, wo- durch alle darin enthaltenen Theile dem Arme zu- geführt werden, der, wenn sie ihm nahe genug sind, die darunter befindlichen nährenden Stoffe ergreift und in den Mund bringt, die übrigen von sich wirft. **"*) Grant glaubt, diese Schwingungen seyen wegen ihrer Schnelligkeit und wegen der grofsen Menge der, sich dabei bewegenden Theile mehr eine physische, als eine willkührliche Bewegung. Aber eine ähnliche Be- wegung, die doch gewifs willkührlicher Art ist, findet an den Füfsen der Nereis versicolor M. statt. Dieser Wurm hat 85 Fufspaare, die sich zuweilen mit solcher Geschwindigkeit bewegen, dafs keines derselben zu unterscheiden ist und der ganze Wurm die Gestalt einer schlangenförmigen Masse hat. Es bewegen sich *) Grant im Edinburgh pbilos. Journ. Vol. Xill, p. 382, und im Edinburgh new philos. Journal. 1826. April — July. p. 150. **), Grant im Edinburgh Journ. of science. 1827. July. p. 121. ***) Eichhorn’s Beiträge zur Naturgesch. der kleinsten Wasser- {hiere. S. 45. Biologie. B. 4. S. 167. Grant im Edinburgh new philos. Journ. 1827. June. p. 107. 184 dabei die Füfse nicht alle gleichzeitig, sondern haufen- weise und von hinten nach vorne. *) Diese Bewegungen gehen bei den höhern Thieren in deutliche Bewegungen des Athemhohlens über, indem die Organe derselben anfangs mit denen der Ortsveränderung noch vereinigt sind, sich aber immer mehr davon trennen, je höher die Stufe der thierischen Organisation ist. Bei den Kiemenfüfslern und einigen andern Crustaceen äussern die ganzen Kiemen ähn- liche und ebenfalls, wie bei den Polypen, sowohl zur Ingestion der Nahrungsmittel, als zur Fortbewegung des ganzen Körpers dienende Schwingungen. Die Bewegung der Schwimmfülse des Cancer stagnalis L. (Chirocephalus Prevost.) sind ununterbrochen fort- dauernd, solange das Thier lebt. Durch sie wird dieses, wie das Aufgufsthier, immerfort hin und her getrieben; durch sie geschieht das Athemhohlen des- selben, und durch sie wird ihm Nahrung zugeführt, deren Aufnahme für dasselbe eine eben so ununter- brochene Verrichtung wie das Athemhohlen ist. **) Die Bewegungen der Schwimmhaut der Carinaria des mittelländischen Meers sind ganz isochronisch mit denen des Herzens, mit welchem diese Haut durch zwei kleine Canäle in Verbindung steht. Sie schwinget von der einen Seite zur andern, so wie das Herz sich zusammenzieht und erweitert. ***) Bei den Thieren der höhern Stufen nimmt die Wirkung der unwill- *) Müller von Würmern. S. 128. **), Prevost in Jurine?’s Hist. des monocles. p. 210. 211. “*) Costa, Annales des sc. naturelles. T, XVI. p. 109. 185 kührlichen Organe zum Behuf der Ortsveränderung in eben dem Verhältnifs ab, wie sich eigene, blos für diesen Zweck bestimmte ‘Werkzeuge mehr nach aussen bilden, während jene Organe sich mehr in das Innere des Körpers zurückziehen. Sie hört aber selbst bei den Fischen noch nicht ganz auf, deren meiste willkührliche Muskeln mit den Kiemenmuskeln in einer solchen Verbindung stehen, dafs sie bei jedem Athemzug in Mitwirkung gerathen, und dafs das Thier nur durch willkührliche Gegenwirkung gegen diese seinen Ort behaupten kann, hingegen dem unwill- kührlichen Spiel der Kiemen sich überlassend, seinen Ort verändern mufs. Das obige Beispiel des Kriechens der Räderthiere durch eine, jeder Zusammenziehung vorhergehende Ausdehnung des ganzen Körpers palst auf alle Thiere, die keine articulirte, starre Theile haben. Wie jene, so bringen auch die Hydern, die Polypen der Co- rallen und die Seefedern durch blofse Ausdehnungen und Zusammenziehungen ohne alle Articulationen ziem- lich zusammengesetzte Bewegungen hervor. Die be- weglichen Theile dieser Zoophyten fallen ausserhalb dem Wasser zusammen und gleichen dann einem todten Schleim. Unter Wasser entfaltet sich die gestaltlose Masse; es entwickeln sich aus ihr Strahlen; diese dehnen sich nach den Bedürfnissen der Thierpflanze mehr .oder weniger aus, und nach der Ausdehnung beginnet, vermöge allgemeiner oder partieller Zusam- menziehungen, das Spiel ihrer Bewegungen. Die Ausdehnung vertritt hier die Stelle der antagonistischen 186 Muskeln, welche den, mit articulirten, starren Theilen versehenen Thieren eigen sind. Die Hyder ist durch sie nicht nur im Stande, die Beute, die ihren Armen nahe kömmt, zu ergreifen, zu umschlingen und dem Munde zuzuführen, sondern auch ihren Ort zu ver- ändern, indem sie entweder abwechselnd den Kopf und den Schwanz zur Erde bringt und den Körper dem angehefteten Ende desselben nachzieht, oder ihn überschlägt; oder indem sie einen benachbarten Gegenstand mit den Armen ergreift und den Körper nachzieht.*) Dieses Vermögen, den Ort willkührlich zu verändern, fehlt allen zusammengesetzten Polypen. Die Seefedern, von denen man sonst glaubte, dafs sie frei im Meere schwimmen, stecken, nach neuern Beobachtungen, im weichen Meeresgrunde.**) Alle übrige willkührliche Bewegungen aber, welche die Hyder hervorzubringen vermag, ohne dabei fortzu- schreiten, können auch von jedem einzelnen Polypen eines Corallenstocks oder einer Seefeder gemacht werden. Die Befestigung des Schwanzendes der Hyder am Boden beruhet übrigens auf einem Mechanismus, der ebenfalls unter den übrigen Zoophyten und den wirbel- losen unarticulirten 'Thieren sehr häufig vorkömmt. Sie kann nur dadurch geschehen, dafs die Mitte der Scheibe, welche jenes Ende bildet, bei dem Andrücken derselben gegen den Boden eingezogen wird, während der Umkreis unverkürzt bleibt, oder sich ausdehnt, also durch eine Art von Saugen, wobei aber die zu *) Rösel’s Insectenbelnstigung. Th. 3. S; 476. **) Rapp über die Polypen. 8. 34. 187 verdünnende Luft nicht, wie beim Saugen der arti- culirten Thiere, von einem andern hohlen Organ auf- genommeu wird. Sie ist daher ebenfalls in dem Ver- mögen der Hydern begründet, jedes Theilchen ihrer Substanz willkührlich auszudehnen und zusammen- zuziehen. Durch Zusammenziehungen des scheiben- oder glockenförmigen Körpers, wodurch das Wasser fort- getrieben wird, bewegt sich auch ein Theil der Aca- lephen (die Scheibenquallen, Discophorae Eschsch.). Andere (die Röhrenquallen, Siphonophorae E.) haben härtere hohle Stücke am Körper, von welchen jedes eben so auf das Wasser wie die ganze Scheibe der vorigen wirkt. Bei noch andern (den Rippenquallen, Ctenophorae E.) trägt die äussere Fläche des Körpers Reihen kleiner kammförmiger, mit ihren breiten Seiten dicht an einander liegender Organe, die sie willkühr- lich bewegen und welche ihnen als Ruder dienen.*) Manche Acalephen sind zum Behuf der Ortsverän- derung noch mit andern, der Willkühr unterworfenen Organen ausgestattet. Einige besitzen Blasen, die sie, um im Wasser zu steigen und zu sinken, mit Luft anfüllen und wieder luftleer machen. Manchen ist ein Theil verliehen, den sie auf der Oberfläche des Meers in verschiedener Gestalt und Stellung dem Winde ent- gegensetzen, und der ihnen als Segel dient. Beiderlei Werkzeuge sind den Physalien eigen. Auf der obern Seite derselben liegt die Schwimmblase, und über *) Eschscholtz’s System der Acalephen. $. 3 fg. 188 dieser erstreckt sich der Länge nach das Segel in der Gestalt eines muskulösen, gefaltenen Kammes. *) Es läfst sich nach dem, was bisjetzt an diesen Zo- ophyten beobachtet ist, über die Art, wie die Schwimm- blase mit Luft angefüllt wird, nichts bestimmen. Dafs aber die Anfüllung und Ausleerung vom Belieben des Thiers abhängt, beweisen die Physsophoren, deren durchsichtiger Körper im Innern eine solche Blase enthält, aus welcher sie, um unterzutauchen, die Luft entweichen lassen, und worin sich, wenn sie sich wieder erheben wollen, von neuem Luft entwickelt. **) Die Luftblase der Physalien ist länglich und hat an beiden Enden eine, mit einem Schliefsmuskel ver- sehene Oeffnung, woraus sich die Luft durch Drücken hervortreiben läfst. In andern Gattungen der Acalephen giebt es nur Eine Oeffnung am obern Ende der Blase.***) Viele dieser 'Thiere besitzen auch Fangfäden, die sie, wie die Hydern, weit ausstrecken und wieder einziehen können, und die bei einigen Medusen mit grofsen Saugwarzen versehen sind. ' Die Schwimmwerkzeuge der medusenartigen Thier- pflanzen sind nicht bei den Actinien, Asterien, See- igeln und Holothurien (Echinodermata pedata Cuv.) zugegen. Aber in der Familie dieser 'Thiere ist es augenscheinlich, wie die Bewegung der Säfte von dem Willen derselben abhängt und ein Mittel zur örtlichen *) Peron’s Entdeckungsreise nach den Südländern. Uebers. von Hausleutner. B. 1. S. 35. *#) Peron ebendas. S. 36. **#, Eschscholtz a. a. 0. 'S. 7. 189 Bewegung ist. Die Füfse und Fühlfäden der Asterien, Seeigel und Holothurien besitzen hierzu eigene, von Tiedemann *). entdeckte und trefflich dargestellte Gefäfse, die aus einem gröfsern, : gemeinschaftlichen Behälter entspringen und, indem: sie aus: diesem mit Flüssigkeit angefüllt werden, den Theil, worin sie sich ‚verbreiten, in Turgescenz: versetzen: > Aehnliche -Gefäßse fand Eschscholtz*) in’ den Fangfäden der Acalephen, und ich in den Füfsen der Aphroditen. ***) Bei diesen 'Thieren machen indefs: jene »Saftbehälter kein zusammenhängendes System aus. Jeder Theil: hat seine. eigene Blase, woraus: ein ‚Gefäß zu ihm) geht, welches durch Zusammenziehung. der: Blase’ strotzend von:Flüssigkeit gemacht wird. Bei denen Ringwürmern, welche;keine äussere, weiche Organe besitzen, .die..der Ausstreckung fähig: sind, fehlen solche Gefäfse.: Doch aber besitzen. dieselben. das Vermögen, den: ganzen Körper 'auszudehnen, ‚und!;das nehmliche Vermögen ist in noch'höherm Grade. den sämmtlichen.Mollusken, besonders den Gasteropöden; seigen. Alle Handlungen der letztern setzen ‚'Turgescenz des ganzen Körpers und der. einzelnen) äussern ‚Organe ‚voraus. Ohne'An- schwellung ‚des ganzen.iKörpers kann die Schnecke weder kriechen, noch ‚Athem. schöpfen... Durch .An- schwellung; geschieht das, Umstreifen ihrer Fühlfäden und ihrer ‚Ruthe. Ich’ habe bei der: schwartzen Nackt- *) Anatomie der Röhren-Holothurie, des» pomeranzenfarhigen See- sterns und Stein-Seeigels. $. 19. 52. 82. UA. 0.0. 5.cH. **#) Zeitschr. für Physiologie. B. 3. S..167. 190 schnecke (Limax ater L.) viele Versuche gemacht, um zu erfahren, ob diese Turgescenz sich nicht künstlich hervorbringen lasse. Aber jede Einwirkung auf das Thier verursachte nicht Ausdehnungen, sondern Zu- sammenziehungen. Am Mantel kann sich jedes Stück unabhängig, von den übrigen contrahiren. Reizt man einen Punct: desselben ‘an einer Nacktschnecke, die nicht mehr in voller Kraft: ist, so verkürzt sich blos die Umgebung der gereizten Stelle: Beim‘ Kriechen des Thiers geht in der Bauchscheibe desselben ein Wechsel von Ausdehnung und Verkürzung‘ vor, der den Schein wellenförmiger Bewegungen in’einer halb- flüssigen Gallerte hat. losuhseadolen Wenn'man dünne Scheiben von den Bewegungs- organen .der bisher gedachten Thiere unter dem Mi- eroscop betrachtet, 'so findet man: sie entweder‘ aus einer schleimigen Masse, worin Bläschen liegen, oder aus. unter einander 'verschlungenen "und" bündelweise verbundenen Röhrchen bestehend. Jenen Bau zeigen sie bei den Thierpflanzen, diesen bei dem Würmern und Mollusken. Bei allen articulirten Thieren hingegen werden die, der Willkühr unterworfenen, ‘äussern Be- wegungen durch wahre Muskeln hervorgebracht, durch Organe; die aus parallelen, eylindrischen, im zusammen- gezogenen Zustand der'Queere nach vielfach gefaltenen Fasern bestehen. In der Regel geschehen "hier nur noch einige der nicht freiwilligen, äussern Bewegungen durch Wurgescenz. Vorzüglich ist es bei allen 'Thieren der äussere männliche Geschlechtstheil, der hierdurch zur Vollziehung des Zeugungsacts fähig gemacht wird. 191 Ein solches Umstreifen turgescirender Organe, wie bei den Mollusken häufig eintritt, findet aber unter den articulirten Thieren nur noch bei manchen Insecten an den männlichen Zeugungstheilen, hingegen nicht mehr bei den Wirbelthieren statt. Unter den willkühr- lichen Organen der letztern sind die Zunge und der Augapfel des Chamäleon die einzigen, die durch Turgescenz hervorgetrieben zu werden scheinen. Die eylindrische Zunge dieses 'Thiers, die im Zustande der Ruhe kaum 2 Zoll Länge hat, tritt, wenn sie zum Insectenfange ausgestreckt: wird, 6 bis:7 Zoll weit aus dem Munde hervor. Houston*) fand unter der äussern Haut des Theils derselben, der sich hierbei verlängert, in ‚der Mitte eine; dünne, ‘weiche, sehr dehnbare, knorpelige Saite; zu beiden Seiten dieses Knorpels die hyo-genividei, und dazwischen ein sehr dichtes, von den Zweigen grofser Stämme entsprin- gendes Gefäfsnetz. Ich habe ebenfalls nur diese "Theile in der Zunge des Chamäleon entdecken: können, und sehe ebenfalls nicht ein, welche andere Ursache als Anhäufung des Bluts in dem Gefäfsnetze die Verlän- gerung der Zunge bewirken kann, obgleich die Gefäfse des Netzes nicht solche Erweiterungen haben, wie die Venen der fachigen Körper des männlichen Gliedes der Säugthiere. Ich fand aber auch am Augapfel jenes Thiers nichts, wovon das, zuweilen sehr starke Austreten dieses Theils aus der Augenhöhle herrühren *) An Essay on the Structure and Mechanism of the Tongue of the Chamäleon. Dublin. 1828. Ein Abdruck aus den Transaet. of’ the Royal Irish Academy. könnte, als die Ausdehnung der vielen und starken, zur hintern Fläche desselben gehenden Blutgefäfse. Mit der Entstehung wahrer Muskeln und arti- culirter Gliedmaafsen 'beginnet eine höhere Ordnung der willkührlichen Bewegungen. Die Thierpflanze ist zwar im Stande, ‚mit. ihren, obgleich sehr einfachen, doch in: allen: Puncten der Turgescenz und der Zu- sammenziehung; fähigen Organen sehr mannichfaltige Handlungen hervorzubringen. Ihre Bewegungsart war aber des Grades von Vollkommenheit, dessen sie fähig ist, .nur. bei Thieren' fähig, die immer unter dem Wasser leben. Die Aeusserungen derselben sind, wie die :Landthiere ‚unter den: Mollusken beweisen, sehr beschränkt ausserhalb dem: Wasser. Diejenigen dieser Thiere,; die ein: äusseres Organ besitzen, das ihnen als Arm: oder Fufs dienet, können sich doch nur sehr langsam damit fortschleppen. So schleicht Cyclestoma elegans Draparn. wie alle Schnecken, langsam herum, obgleich sie sich beim: Gehen ihres Rüssels als Be- wegungsorgans bedient. Sie streckt diesen aus, falst mit dessen Mündung: den: Boden, zieht den übrigen Körper nach und legt‘ so einen Schritt zurück.*) Für die articulirten 'Thiere ‚ist aber auch eine Abänderung der Bewegungen möglich, die bei. der: Organisation der. Thierpflanzen, Würmer und :Mollusken nicht zu erreichen war. Jene können bald das eine, bald das andere ‚Ende eines und: desselben Muskels befestigen und diesen willkührlich nach dem einen oder dem *) Pfeiffer’s systemat. Anordnung und Beschreibung deutscher Land- und Wasserschnecken. H. I. S. 74. 193 andern hin verkürzen, je nachdem sich gleichzeitig mit ihm die einen oder andern Muskeln zusammen- ziehen.*) Bei den unarticulirten Thieren kann jeder einzelne Fasernbündel immer nur auf einerlei Weise wirken. Die Muskeln der articulirten Thiere liegen ent- weder auf der innern, oder auf der äussern Fläche der Theile, die unmittelbar durch sie in Bewegung gesetzt werden. Das Erste ist in der Regel bei den Insecten und Crustaceen, das Letzte bei den Wirbel- thieren der Fall. Es giebt jedoch hiervon Ausnahmen, sowohl bei jenen, als bei diesen. Bei den, mit einem Saugrüssel versehenen Hymenopteren wird derselbe durch eine Zusammenfügung von länglichen, soliden Knöchelchen in Bewegung gesetzt, deren Muskeln auswendig an ihnen befestigt sind. Dagegen hängt der, den mehresten Säugthieren eigene Hautmuskel mit der inwendigen Fläche des Felles und das äus- sere Ende verschiedener Muskeln der Schildkröten mit der inwendigen Seite des Panzers dieser T'hiere zusammen. Bei beiden Insertionsarten der Muskeln ist ein Theil der Wirkung, die sie unter andern Umständen hervorbringen könnten, höhern Zwecken aufgeopfert. Der Muskel, der einen Knochen in Bewegung setzt, wirkt immer auf denselben nicht nur zwischen dem Ruhepunct (Hypomochlion) und der zu bewegenden Last, sondern auch unter einem spitzen Wirbel, also unter sehr ungünstigen Verhältnissen. Dieser Satz gilt *) Wie zuerst Winslow zeigte. M&m. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1720. p. 103. der 8° Ausg. 13 194 vorzüglich von den Muskeln der äussern Gliedmaafsen. Es inserirt sich z. B. der Masseter unter einem Winkel, der sich weit mehr als bei den Muskeln der Extre- mitäten dem rechten nähert, in die untere Kinnlade. Auch stehen die, zu den automatischen Bewegungen des Athemhohlens und anderer Functionen dienenden Muskeln nicht ganz unter jenem Gesetz, obgleich dieselben zum Theil dem Einflufs der Willkühr nicht ganz entzogen sind. Es wirken z. B. die Zwischen- rippenmuskeln, das Zwerchfell und die Bauchmuskeln auf andere Weise als die eigentlichen willkührlichen Muskeln. Dieser Unterschied ist noch auffallender bei den niedern als bei den höhern, articulirten Thieren. In der ganzen Classe der Insecten sind die Brust- und Bauchmuskeln beim Athemhohlen thätig. Zugleich stehen sie unter der Herrschaft des Willens, und bei den geflügelten Insecten werden durch die Brust- muskeln die Flügel in Bewegung gesetzt. Sie wirken aber mit weit weniger Verlust an Kraft als die Mus- keln der Beine, Fühlhörner und Frefswerkzeuge. Die Anheftung der Muskeln ist ferner nicht einerlei an den nehmlichen Muskeln verschiedener Thiere. Sie inseriren sich unter weniger schiefen Winkeln und entfernter vom Hypomochlion bei denen, die sich mehr durch Stärke als durch Mannichfaltigkeit der Bewegungen auszeichnen. Dies ist, nach C. F. Wolff’s Untersuchungen, *) der Fall beim Löwen. Alles ist bei diesem Thier auf Kraft berechnet. Mannichfal- *) Nov. Commentar. Acad. Petropol. T. XV. p. 517. 195 tigkeit der Bewegungen ist derselben nachgesetzt. Beim Menschen hingegen, der lange, dünne Glieder hat und dessen Muskeln sowohl nahe beim Hypo- mochlion, als unter sehr spitzen Winkeln mit den Knochen verbunden sind, zweckt der Muskelbau vor- züglich auf Vielheit und Verschiedenheit der Bewe- gungen ab, denen Ersparung von Kraft untergeordnet ist. Nicht alle willkührliche Bewegungen werden aber unmittelbar durch die Muskeln hervorgebracht. Manche haben nur ihren entferntern Grund in der Kraft dieser Organe; ihre nächste Ursache ist die Elasticität der Knorpel und Ligamente. Bei den zweischaaligen Mu- scheln geschieht das Schliessen der Schaalen durch die Zusammenziehung von Muskeln; das Oeffnen der- selben wird durch die Elastieität des am Schlofs dieser Theile befindlichen Ligaments bewirkt. Die geflügelten Insecten setzen ihre Flügel durch Verengerung und Erweiterung der Brust in Bewegung. Die gröfsern Brustmuskeln haben aber keinen Zusammenhang mit den Flügeln, sondern es giebt zwischen ihnen und der äussern Schaale des Thorax knorpelige Theile, die mit dieser Schaale, mit den Flügeln und unter sich so verbunden sind, dafs sie bei Zusammenziehung jener Muskeln die Flügel heben, bei Erschlaffung derselben diese sinken lassen. Nur für die Bewegungen in horizontaler Richtung sind eigene, doch nur kleine Flügelmuskeln vorhanden. *) *) Ein Näheres über diesen Mechanismus findet man in Chabrier’s Abhandlung über den Flug der Insecten. Mem du Mus. d’Hist. nat. T. VI. p. 410. T. VII. p. 297. T. VII. p. 47. 349. 15* 196 Elasticität ist auch die nächste Ursache, wodurch der Körper einiger Thiere beim Sprung fortgeschleu- dert wird. Die Springkäfer (Elater) werden, wenn sie auf dem Rücken liegen, durch diese Kraft eben so, wie ein gegen den Fufsboden geworfener elastischer Ball, in die Höhe geschnellt. Sie besitzen auf der untern Seite des Thorax einen hervorragenden Fort- satz, der einer Vertiefung auf der nehmlichen Seite des Bauchs eingepafst ist, und, wenn er plötzlich darin einspringt, dem Rücken einen Stofs ertheilt, wodurch die Federkraft der äussern Theile des Rückens gegen die Unterlage, auf welcher dieser ruhet, zu wirken veranlafst wird.*) Andere Beispiele von einem Springen durch eigene, elastische Organe geben die Käsemaden**) und Poduren. Für die meisten Thiere, besonders die höhern, ist es jedoch mehr Wirken der Muskeln, als Rückwirkung elastischer 'Theile, wodurch der Sprung hervorgebracht wird. Bei allen, die auf ähnliche Art wie der Mensch und die Säugthiere mit den Füfsen springen, geschieht der Sprung, indem die Spitze des Fufses gegen den Fufsboden gestemmt, das Fufsgelenk ausgestreckt, das Knie- und Hüftgelenk aber gebogen wird, und dann die beiden letztern Ge- lenke schnell ausgedehnt werden, während sich zu- gleich die Streckmuskeln des Fulsgelenks noch stärker als zuvor plötzlich zusammenziehen. Hierdurch wird dem Bein und vermittelst desselben dem ganzen Körper eine centrifugale Bewegung ertheilt. Das *) De Geer Mem. pour servir a P’Hist. des Inf. T. IV. p. 141. *) Swammerdamm Bibl. Nat. p. 699. 197 Kniegelenk drehet sich dabei mit dem Gelenk des Fufses, und das Hüftgelenk mit dem Kniegelenk in entgegengesetzter Richtung. Dies hat zur Folge, dafs jener centrifugalen Bewegung die Schwere des ganzen Körpers nicht in grader Richtung entgegenwirkt. Die sämmtlichen Streckmuskeln der untern Gliedmaafsen gerathen also bei der Erhebung vom Fufsboden in Thätigkeit, und diese Theile sind daher im ersten Augenblick des Sprungs immer grade ausgestreckt.*) Die Richtung des Sprungs hängt von der Gröfse des Wiukels ab, den bei der Vorbereitung zum Sprung der Fufs mit dem Erdboden, und das Bein mit dem Fufs macht, die Stärke desselben aber von der Stärke der Streckmuskeln des Fufses, der Insertion dieser Muskeln an der Fufswurzel unter einem gröfsern oder kleinern Winkel, in gröfserer oder geringerer Ent- fernung vom Hypomochlion, und von dem Grad der Beweglichkeit des Fufsgelenks. Von der verschiedenen Bestimmung jener Momente durch den verschiedenen Bau des Fufses rührt es her, dafs z. B. die Vögel höher in senkrechter als schiefer Richtung, die mei- sten Säugthiere hingegen mehr in dieser als in jener springen können. Die Federkraft ist aber nicht nur wirksam bei vielen willkührlichen Bewegungen als Eigenschaft der Knorpel, Ligamente u. s. w. sondern auch als Eigen- schaft der Luft. Durch sie geschieht es, dafs sich die fliegenden Thiere in die Lüfte schwingen und darin *) Man sieht dies selbst beim Sprunge der wirbellosen Thiere, z. B. der Cicaden. De Geer a. a. 0. T. IH. p. 179. 198 behaupten. Beim Fluge wirken die elastischen Federn oder Häute gegen die elastische Luft, und diese wirkt zurück gegen jene. Der Flug ist ein immerfort er- neuerter Sprung in einem Medium, das selber den Springwerkzeugen als Stütze dienet und worauf nicht nur diese drücken, sondern welches mit seiner Feder- kraft diesen auch entgegenwirkt. Alle Bewegungen der fliegenden Thiere, die nicht unmittelbar den Zweck haben, die unter ihnen befindliche Luftsäule nieder- zupressen, dienen nicht, sich .schwebend zu erhalten, oder höher zu steigen, sondern sich gegen den Wind im Gleichgewicht zu behaupten, den Schwerpunct zu verändern und den Flug zu lenken. Man hat geglaubt, beim Fluge der Vögel seyen auch die, mit den Lungenzellen in Verbindung ste- henden Luftsäcke und Höhlungen der Knochen. dieser Thiere insofern mitwirkend, als die darin enthaltene, durch die natürliche Wärme der letztern ausgedehnte Luft specifisch leichter als die äussere wäre. Es ist freilich wahr, dafs der Vogel vermöge dieser Luft specifisch leichter ist, als er seyn würde, wenn die Luftbehälter eine andere Materie als Luft enthielten. Aber es ist unrichtig, was der Urheber dieser Mei- nung, Willis*), und nach ihm Camper mit mehrern andern Schriftstellern annahmen, der Vogel könne, indem er tief einathmete, oder stark ausathmete, ‚seine specifische Schwere willkührlich vermehren oder ver- *) De anima bruter. Pars physiol. €. 3. Opp. omn, Ed. Blasii. p. 17: 199 mindern. Barthez*) hat dagegen mit Recht erinnert, diese Vermehrung und Verminderung könne nicht ein- treten, wenn das Volumen des Körpers durch das Aus- und Einathmen nicht sehr verkleinert oder ver- gröfsert würde. Da dies nicht geschieht, so mufs die Erfahrung, die man zum Beweise der obigen Meinung angeführt hat, dafs ein Vogel, dem einer der Luft- behälter geöffnet ist, nicht mehr zu fliegen vermag, eine andere Erklärung zulassen.*”) Eine solche findet sich auch in der 'Thatsache, dafs während dem Fluge der Vögel die Respiration sehr erschwert, der Vogel also von der in seinem Innern enthaltenen Luft zu zehren genöthigt ist. Der verwundete Vogel kann dies nicht mehr, weil bei ihm die Luftsäcke sich zusammen- ziehen und die Luft, womit sie angefüllt waren, aus- treiben. **”) Wie könnte auch der Condor sich von der Meeresfläche bis zu einer Höhe von 20,000 Fufs erheben und in dieser Region, wo die Luft so dünn ist, *) Neue Mechanik der willkührlichen Bewegungen. Uebers. von C. Spiengel. S. 372. *) Tiedemann (Anat. und Naturgesch. der Vögel. B. 1. S. 352) machte in den rechten grofsen Luftsack des Bauchs einer Taube einen kleinen Einschnitt, Sie konnte sich hierauf kaum 6 Fufs über die Erde erheben, und vermogte gar nicht mehr, sich in der Luft zu behaupten, als er den Einschnitt so weit vergröfsert hatte, dafs bei jedem Athemzug die warme Luft daraus hervorströhmte. “*) Lorry und Chabrier legten ein Band um den hintern Theil des Thorax eines Vogels und fanden, dafs er dann nicht fliegen könne. (Mem. du Mus. d’Hist. nat. T. VI. p. 447.) Aber ein Mensch, dem man durch ein solches Band das Athemholhlen erschwert, kann auch nicht mehr laufen. Dieser Versuch beweiset also nichts für die hydrostatische Nothwendigkeit der Anfüllung des Körpers der Vögel mit Luft, die Lorry und Chabrier damit beweisen wollten. 200 dafs das Barometer kaum bis auf 12 Zoll steigt,*) die zum Fluge nöthige Muskelkraft behalten, wenn er nicht in seinem Innern einen Vorrath von athembarer Luft mit sich führte? Es ist hiernach noch weniger glaublich, dafs den geflügelten Insecten, die grofßse Luftsäcke haben, wohin besonders die Hymenopteren gehören, diese Behälter zum Steigen und Senken beim Fluge dienen. Wohl aber liesse sich von’ der Schwimmblase der Fische annehmen, dafs sie : diesen nütze, ihre specifische Schwere zu vermindern und zu vermehren, indem sie dieselbe mehr oder weniger mit Luft an- füllen, wenn es ausgemacht wäre, dafs sie willkührlich darauf wirken könnten, und wenn nicht ‚diese Blase mit andern Functionen in näherer Verbindung als mit dem Schwimmen zu stehen schiene. Wenn aber die geathmete Luft bei der örtlichen Bewegung als unmittelbare Ursache nicht von Wich- tigkeit ist, so ist sie es um so mehr bei einer andern Art von willkührlichen Handlungen der Thiere, bei der Hervorbringung der Stimme, des Gesangs und der Sprache. Durch diese Aeusserungen der Willkühr giebt sich die Höhe der Stufe, welche die Thiere in geistiger Rücksicht einnehmen, vorzüglich mit zu er- kennen. Die niedrigsten dieser Wesen, die Zoophyten, Würmer, Anneliden und Mollusken, sind ganz unfä- hig, irgend eine Stimme hervorzubringen. Die Insecten aber, die sich auch durch so viele aridere, eine höhere Stufe des geistigen Princips verrathende Handlungen *) Von Humboldt’s Ansichten der Natur. 8. 213. 201 auszeichnen, erzeugen Töne, welche sich bei manchen Arten schon dem Gesange nähern. Selbst unter den Wirbelthieren stehen ihnen die Fische und Amphibien in dem Vermögen nach, Gefühle durch eine Stimme auszudrücken. Mehrere Amphibien geben zwar Laute von sich. Diese bestehen aber blos in einem eintönigen Zischen, Quacken oder Grunzen. Mannichfaltiger Mo- dulationen, die verschiedenen Gefühlen entsprechen und wodurch die Individuen aus der Ferne auf einander wirken, ist.nur die Stimme der Vögel und Säugthiere fähig. Diese Töne sind in der Regel unmittelbarer Ausdruck. der Empfindung, und: insofern mehr un- willkührlicher als willkührlicher Art. Ob indefs einige gesellschaftlich lebende Vögel; und Säugthiere nicht auch gewissse Töne als Zeichen von Vorstellungen von sich geben und. sich dadurch bei gemeinschaftlichen Unternehmungen. verständigen, scheint mir. ein noch nicht gehörig aufgeklärter Punet zu seyn. Soviel: ist aber freilich gewils, dafs diese Töne nichts. mit der menschlichen Sprache gemein haben., Im Allgemeinen nimmt das Vermögen, verschiedenartige Töne hervor- zubringen, bei den 'Thieren um. so,mehr ab, je. mehr ihr Element das Wasser ist. Es giebt keinen singenden Wasservogel. Man hat zwar viel vom. Gesange des Schwans gefabelt. In der. Wirklichkeit und in der Nähe aber ist dieser nichts weiter als eine Folge von lauten, scharfen Tönen, die ‚mit dem Ton. einer schlecht gespannten, gestrichenen Violinsaite Aehn- lichkeit haben.*) Den Gattungen der Säugthiere, die *) Bechstein’s ornithologisches Taschenbuch. Th. 2. S. 413. 202 blos für das Wasser geschaffen sind, den Cetaceen, mufs nach dem Bau ihres Kehlkopfs die Stimme ganz fehlen. Jeder, von der Luft IUEOREER und durch sie fortgepflanzte 'Ton wird auf mechanische Art dadurch erzeugt, dafs’die in Bewegung gesetzte Luftsäule nach Einer Seite gegen einen festen Körper stöfst, den sie schwingend macht und der ihr, nachdem sie sich an ihm gebrochen hat, seine Schwingungen wieder mittheilt. Andere als mechanische Kräfte können auch durch plötzliche Verdünnung oder plötzliche Ausdehnung einer Masse Luft, ohne Mitwirkung eines festen Körpers, einen Schall bewirken. Aber die Stimmen der Thiere entstehen immer nur durch das Anstofsen mechanisch hervorgetriebener Luft an die Ränder einer engen Oeffnung, einer Stimmritze, und an andere elastische Platten, und’ in der Regel sind es die Lungen, aus welchen die Luft hervorgetrieben wird. Sowohl die Weite der Oeffnung, als die Spannung der Theile, welche durch die Luft mit in Schwingungen versetzt werden, bestimmen die Höhe des Tons. Die Stärke desselben hängt von der Heftigkeit des Anströhmens der :Luft, ‘und seine Qualität, oder der Laut, von der physischen Beschaffenheit der, durch die bewegte Luft in Schwingung gesetzten, festen Theile ab. Der Ton wird nach seiner ersten Entstehung noch weiter modificirt durch die Gestalt, die Spannung und sonstige Eigenschaften anderer Organe, welche die schwingende Luft auffangen, mit ihr’in Schwingungen gerathen und ihr die ihrigen wieder mittheilen. 203 Durch blofse Stimmritzen bringen die meisten Insecten ihre Töne hervor. Die Oeffnungen, wodurch diese Thiere ein- und ausathmen, sind von einem hornartigen Ring umgeben, oder befinden sich zwi- schen zwei elastischen Platten. Jener oder diese werden schwingend, indem die Luft aus der engen Oeffnung hervordringt. Aber nicht alle Insecten, sondern nur die, ‚deren Luftröhren in Luftsäcke übergehen, können mit der Stärke ausathmen, die nöthig ist, um Schall- schwingungen zu bewirken. Solche Säcke fehlen den sämmtlichen Apteren, den Cimiciden und den Larven der geflügelten Insecten. Diese Thiere haben daher keine Stimme. Die Dipteren lassen zwar Töne hören, obgleich sie auch keine Luftsäcke besitzen. Ich glaube aber, dafs sie ihre Töne nicht durch Werkzeuge des Athemhohlens, sondern durch eine grofse Saugblase bewirken, die sich bei ihnen in den Schlund öffnet. Durch eine solche Blase scheint mir auch der Laut verursacht zu werden, den die Sphinx Atropos von sich giebt, und der deutlich aus dem Kopf hervor- dringt.*) Bei den Tettigonien und Heuschrecken ist vorzüglich das hintere Luftloch der Brust das Organ der Stimme. Die männlichen Tettigonien haben vor *) Diese Meinung stimmet mit Passerini’s Beobachtungen über- ein, nach welchen der Laut fortdauert, wenn man auch den Hinterleib der Sphinx weggenommen hat. (Annales des sc. natur. T. XII. p. 332.) Die Saugblase liegt nehmlich im Thorax und bleibt also nach dem Ab- schneiden des Hinterleibs zurück. Es mufs aber freilich bei jenem Thier noch ‚eine eigene Einrichtung geben, wodurch verursacht wird, dafs die aus der Blase entweichende Luft im Schlunde einen Schall hervorbringt, da auch die übrigen Sphinxe eine solche Blase haben, ohne einen Ton von sich zu geben. 204 dem Eingang desselben eine steife, elastische Membran, die durch eigene Muskeln angespannt werden kann, von der ausgestolsenen Luft zum Schwingen gebracht wird, und den, diesen 'Thieren eigenen, lauten Ton erzeugt. Die Luft wird durch einen grofsen Sack ausgetrieben, der sich durch das hintere Stigma”der Brust gegen die, den Schall erzeugende Haut öffnet. *) Bei den männlichen Heuschrecken führt jenes Luft- loch zu einer Höhle, die ebenfalls von einer steifen, elastischen Haut gebildet wird, und zu einer'solchen, nur weit kleinern Cavität führen auch die sämmtlichen Stigmate des Bauchs der Bienen. iogiilg Von den männlichen Tettigonien: hat man.geglaubt, sie bewirkten ihren Gesang durch blofse Bewegungen der erwähnten Membran, und von den Heuschrecken, das Zwitschern derselben entstände, indem ‚sie. ihre Flügel an einander rieben. Diese Meinungen aber beruhen ‚auf mangelhaften Erfahrungen. Man hatte bei den Tettigonien den Zusammenhang, der äussern Organe des Gesangs mit dem darunter liegenden;Luft- loche nicht, verfolgt und wähnte, jene Theile könnten schon für sich den. Gesang hervorbringen,. weil die steife Haut derselben hin- und herbewegt ein Geräusch verursacht. Chabrier“*) und Carus“**) haben jenen *) Casserius de vocis' auditusque organis. Tab. XXL’ Reaumur Mem. pour servir a P’Hist: des Ins. T. V. p. 158: ''Rönwel’s Hisecten- belustigung. Th. 2. -Heuschr. und’ Grillen. S. 53. Carus Analecten zur Naturwissensch. und Heilkunde. S. 142. ya. 0. T. VE. p2/46l. *#)' 1.8. 0. S. 56. 205 Zusammenhang nachgewiesen. *) Rösel**) zerschnitt Heuschrecken und Grillen die Flügel und fand, dafs der Ton, den sie von sich gaben, dadurch verändert und geschwächt wurde. Dies würde beweisen, dafs die Flügel insofern Antheil an der Entstehung. dieses Tons haben, als sie durch die ausgestossene Luft zum Schwingen gebracht werden. Es kann seyn, dafs sie auf solche Weise auch Stimmwerkzeuge der Hy- menopteren sind. Sie stehen indefs den Luftlöchern der Brust nicht so nahe, dafs die hervordringende Luft bedeutend auf sie wirken kann, und der Einflufs ihrer Verstümmelung auf die Stimme läfst sich auch daraus erklären, dafs dabei an ihrer Basis Luftröhren verletzt werden, wodurch die geathmete Luft zum Theil ausströhmt, und dafs das Insect durch die Ver- stümmelung unfähig gemacht wird, die Brustmuskeln, die sowohl zur Bewegung der Flügel, als zum Aus- treiben der Luft aus den Stigmaten der Brust dienen, so in Bewegung zu setzen, wie zur Hervorbringung der Stimme nothwendig ist. Den Säugthieren ist der Kehlkopf das Organ, worin die Stimme ursprünglich gebildet wird. Die Luftröhre ist bei Hervorbringung der letztern nur insofern mit- wirkend, als durch sie die Luft in den Kehlkopf gelangt. Die Luft dringt in diesen durch die Stimmritze ein. *) Carus aber scheint mir bei Erklärung des Schalls noch mit den frühern Schriftstellern zuviel von der mechanischen Erschütierung der Schallhaut durch deren Spannmuskeln, und zu wenig von dem Eızittern derselben durch die ausgestossene Luft abzuleiten. FF) A.:2.,0%. 8.253. 206 Man wollte früher blos von der Erweiterung und Verengerung dieser Oeffnung, oder von der verschie- denen Spannung ihrer, von den Stimmbändern ge- bildeten Ränder alle Verschiedenheit in der Höhe und Tiefe des Tons ableiten. Savart”“) hat indefs sehr gut gezeigt, dafs diese Erklärungsgründe unzureichend sind. Durch das Einblasen in eine Höhlung, die blos an dem einen Ende eine enge Oeffnung hat, lassen sich sehr wenig verschiedene Töne und diese nur mit viel gröfserer Anstrengung, als zur Hervorbringung der Stimme nöthig ist, bewirken. Beim Eindringen der Luft in eine Höhlung entstehen nur dann mehrere verschiedene Töne und diese mit Leichtigkeit, wenn die Cavität bei einer geringen Weite an ihren beiden entgegengesetzten Enden eine enge Oeffnung und Wände hat, die der Schwingungen fähig sind, wie bei der Lockpfeife der Vogelsteller der Fall ist. In einem solchen Instrument ist die Höhe und Tiefe des Tons von der Weite beider Oeffnungen, von der Nei- gung der Ränder des Lochs, durch welches die Luft eindringt, gegen die Axe der Höhlung und von der Spannung der Wände, seine Qualität von der Be- schaffenheit der Materie, woraus die Wände bestehen, seine Stärke von dem stärkern oder schwächern Ein- blasen und von der Weite der Höhlung des Werkzeugs abhängig. Geht die äussere Oeffnung wieder in eine zweite Höhlung über, die ebenfalls auf der entgegen- gesetzten Seite einen verengerten Ausgang hat, und folgt darauf noch eine ähnliche dritte Cavität, so wird *) Journal de Physiologie par Magendie. T. V. p. 367. 207 der Ton durch jede der folgenden Höhlungen noch weiter abgeändert. Ein solches Schallwerkzeug ist der Kehlkopf mit dessen Ausgang in den Rachen und dem Ausgange des letztern in die Mundhöhle. Die Ventrikel des La- rynx machen die Höhlung desselben aus. Die Oeffnung, durch welche die Luft eindringt, ist die zwischen den . Stimmritzenbändern enthaltene Stimmritze. Der Aus- gang liegt zwischen den Taschenbändern. Bei Her- vorbringung eines jeden Tons sind die sämmtlichen Muskeln des Kehlkopfs mitwirkend, indem sie alle Theile desselben bis auf einen gewissen Grad spannen und beide Oeffnungen seiner Höhlung verengern oder erweitern. Einen gewissen Grad von Spannung müssen jene Theile auch bei den tiefsten Brusttönen haben: denn selbst vom stärksten Austreiben der Luft aus der Luftröhre entsteht kein Ton, wenn die Muskeln des Kehlkopfs ganz unthätig sind. Mit der Anspannung der Stimmritzenbänder ist wahrscheinlich immer Ver- engerung und mit der Erschlaffung derselben Erwei- terung der Stimmritze verbunden. Man kann freilich am Larynx des Leichnams durch Biegen der Theile desselben die eine Veränderung ohne die andere her- vorbringen, und es läfst sich auch nachweisen, wie einige Muskeln blos auf die Stimmritzenbänder wirken können.”) Aber daraus ist nichts in Beziehung auf die Veränderungen des Kehlkopfs während dem Leben zu folgern. An diesem läfst sich weiter nichts beob- achten, als dafs er beim Anstimmen tiefer Töne herab, *) Mayer in Meckel’s Archiv f. Anat. u. Physiol. 1826. $. 190. 208 bei der Erzeugung hoher Töne heraufgezogen wird. Das Herabsteigen kann nur durch die Verkürzung der vom Brustbein zum schildförmigen Knorpel und zum Zungenbein gehenden Muskeln, wodurch zugleich die Stimmritze erweitert wird, das Heraufsteigen durch die Zusammenziehung der Schildzungenbeinmuskeln bei befestigter Zunge, wovon Verengerung der Stimm- ritze eine Mitwirkung ist, geschehen. Welche der eigenen Muskeln des Kehlkopfs bei jener, und welche bei dieser Veränderung mit in Thätigkeit gerathen, darüber läfst sich nichts Zuverlässiges bestimmen. Da bei den höchsten Tönen der Bruststimme die Stimmritze schon soweit wie möglich verengert ist und die Töne der Fistelstimme über diese noch hin- ausgehen, so hat man zwar geschlossen und durch Versuche an Leichnamen beweisen wollen, jener Ueber- gang geschehe durch Anspannung der Stimmbänder bei möglichst verengerter Stimmritze. *) Allein die Fistelstimme ist nicht blos in der Höhe, sondern auch in der Qualität von der Bruststimme verschieden, und die Stimme wird der Qualität nach nicht durch die Stimmritze und Stimmbänder, sondern durch die Organe, worauf die schwingende Luft bei ihrem weitern Fortgange stöfst, verändert. Diese Theile, von welchen die Bildung der 'Töne noch weiter abhängt, sind beim Menschen der Kehl- deckel, das Gaumensegel, die Zunge und die Lippen. Ueber den Einflufs der beiden ersten Organe auf die *, Liskovius Theorie der Stimme. S. 37 fg. Derselbe in Meckel’s Archiv für Anat. und Physiol. 1826. S. 116. 209 Stimme hält es schwer, etwas zu bestimmen. *) Die beiden letzten aber wirken bei der Bildung der Sprache, deren verschiedene Töne nichts anders, als durch die Zunge und die Lippen hervorgebrachte Modificationen des im Kehlkopf entstandenen Grundtons sind. Der Mangel an hinreichender Beweglichkeit dieser Teile ist die organische Ursache der Unfähigkeit der vier- füfsigen 'Thiere articulirte Töne hervorzubringen. Mehrere derselben besitzen dafür Bildungen der Stimmwerkzeuge, die dem Menschen fehlen und wo- durch es ihnen möglich wird, ihre Stimme auf eine eigene, doch nur einförmige Weise zu verändern, oder dieselbe’ sehr zu verstärken. Das Pferd hat im vordern Winkel der Stimmritze eine schlaffe, dreieckige, faltige Haut, an der Basis der Epiglottis eine Vertie- fung, und zu beiden Seiten der Stimmbänder zwei längliche Oeffnungen, von welchen jede zu einer Höhlung führt. Die dreieckige Haut ist, nach He- rissant’s Erfahrungen, das Werkzeug, vermittelst welchem das Pferd wiehert. Dem Esel fehlt diese Haut. Dagegen ist bei ihm die Vertiefung an der Wurzel der Epiglottis gröfser als beim Pferde; es führt zu ihr eine enge Oeffnung, und die beiden Seitenhöhlen *) Liskovius (Theorie der menschl. Stimme. S. 34) fand bei seinen Versuchen über die Bildung der Stimme an menschlichen Kehl- köpfen keinen Einflufs des Kehldeckels auf Höhe und Tiefe des Tons. Es kann seyn, dafs diese Beschaffenheiten des Tons nicht durch die Epiglottis verändert werden. Ob und welche andere Modificationen des- selben aber diese bewirkt, läfst sich nicht durch Versuche mit Kehl- köpfen, die vom Schlundkopfe getrennt sind, entscheiden. 14 210 haben engere Mündungen als bei diesem Thier. Der Esel wiehert daher nicht, hat aber eine weit durch- dringendere Stimme als das Pferd.*) Beim Schwein ist jede Lefze der Stimmritze der Länge nach gespalten; die Spalte führt zu einem häutigen Sack, welcher über der zu ihr gehörigen Lefze liegt, und beim Eindringen der Luft in diese beiden Säcke erfolgt das Grunzen. **) Aehnliche, noch gröfsere Säcke besitzen mehrere an- dere Thiere, besonders das Rennthier und verschiedene Affenarten. Es giebt Einen derselben beim Rennthier, zwei bei den Affenarten. Sie liegen unter der Haut des Halses, werden durch eine einfache oder doppelte, unter der Wurzel des Zungenbeins befindliche Oeffnung mit Luft angefüllt, und bringen, wenn diese aus ihnen durch eigene Muskeln hervorgeprefst wird, das Ge- brüll oder Geheul jener 'Thiere hervor. *”*) Noch einen andern Apparat zur Verstärkung der Stimme besitzt der Brüllaffe (Simia Seniculus L.). Das Mittel- *) Herissant, Mem. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1753. p. 283. 285. Cuvier (Lecons d’Anat. comp. T. IV. p. 519) glaubt, Herissant habe die Gröfse und Wichtigkeit der dreieckigen Haut des Pferdekehlkopfs sehr übertrieben. Ich kann in der Beschreibung dieses Schriftstellers nichts Uebertriebenes finden. +) Casserius de vocis auditusque organis. p.55. Tab.X. fig. 9. C. €. Herissant a. a. ©. p. 287. Der Letztere wird wegen der Beschreibung dieser Säcke ebenfalls von Cuvier (a. a. ©. p. 514) getadelt. Sie wären, sagt Cuvier, nicht tiefer als die Kehlkopftaschen des Menschen, und er wundere sich, dafs Herissant ihnen eine so grofse Wichtigkeit beilege. Aber Herissant’s Angabe, dafs die beiden Säcke die Organe sind, wodurch das Grunzen bewirkt wird, beruhen auf Versuchen, die Cuvier nicht wiederhohlt hat. *#*), Camper’s kleine Schriften. B. 2. St. 2. S. 47. 49. 211 stück des Zungenbeins bildet bei diesem eine grofse knöcherne Büchse, zu welcher aus dem Kehlkopf ein häutiger Canal führt.*) Die männlichen Frösche haben zu beiden Seiten des Kopfs, zwischen den Ohren und den Vorderfüfsen, eine muskulöse Blase, die sich in die hintere Höhle des Mundes öffnet und welche sie willkührlich ausdehnen und zusammen- ziehen können. Wenn dieselben, nach vorhergegangener Anfüllung mit Luft, zusammengezogen werden, so wird diese gegen den Gaumen getrieben und es ent- steht das Gequack jener Thiere. **) Bei den Vögeln werden die Töne durch Organe gebildet, die von den Stimmwerkzeugen der vierfülsigen Thiere verschieden sind. Sie haben nur ein Rudiment von einem Kehlkopfe und kein Gaumensegel. Die Ränder ihrer Stimmritze sind knorpelartig und keiner verschiedenen Spannung fähig. Es giebt zwei Muskel- paare, welche diese Oeffnung verengern und erweitern, Aber die Weite derselben kann wegen der geringen Nachgiebigkeit der Ränder nicht bedeutend verändert werden. Mit diesem Apparat allein würden die Vögel nur sehr einfache Töne erzeugen können. Sie haben aber noch andere, ihnen eigene Stimmwerkzeuge in und an der Luftröhre und den Bronchien. Die letztern laufen bei ihnen, ehe dieselben in die Substanz der *) Humboldt et Bonpland Recueil d’Observat. de Zool. et d’Anat. comp. Vol. I. p. 9. Wolf de organo voeis mammalium. Berol. 1812. p. 3. *#) Camper a. & O. B. 1. Si. 1. S. 142. 14* 212 Lungen dringen, eine kurze Strecke unter der äussern Haut dieser Eingeweide als blos häutige Canäle fort, und enthalten hier eine Reihe halbmondförmiger Plat- ten, die auf der Axe der Bronchien senkrecht stehen. Diese, schon von Herissant*) entdeckten, aber ganz unbeachtet gebliebenen 'Theile habe ich mit ihm bei allen Vögeln, die ich in Hinsicht auf sie untersuchte, angetroffen. Bei solchen Arten, die sich durch eine starke Stimme auszeichnen, z.B. bei der Rohrdommel (Ardea stellaris), ist jede derselben eine, zwischen einem hufeisenförmigen Knorpel ausgespannte Haut. Beim Dompfaffen (Loxia Pyrrhula) habe ich sie zwar nicht von dieser Gestalt gefunden. Hier aber bilden an den Stellen, wo sich die Bronchien bei ihrem Eintritt in die Lungen theilen, die Ränder der Ein- gänge der Luftröhrenzweige auf der Seite des spitzen Winkels, den sie mit den Bronchien machen, sichel- förmige Hervorragungen. Die Luft streicht zwischen dem concaven Rand dieser Platten und der innern Wand der Bronchien durch, und versetzt sie in Schwingungen. Sie sind es, nicht aber ist es, wie man durchgängig sagt, der sogenannte untere Kehl- kopf, worin die Stimme der Vögel zuerst gebildet wird. Man kann sie daher Stimmplatten (Laminae vocales) nennen. Verstärkt und modificirt werden die von ihnen ausgehenden Töne durch die Luftröhre. Diese er- weitert sich an ihrem untern Ende da, wo sie sich * A. a. 0. p. 290. Pl. XIL fig. 2. 215 in die Bronchien theilt, zu einer wiederklingenden Höhlung, die man für einen untern Larynx angenommen hat, die aber mit gleichem Rechte der, zwischen der Stimmritze und dem Gaumensegel der Säugthiere ent- haltenen Höhlung verglichen werden kann. Es giebt daran keine Stimmritze, wohl aber bei allen Vögeln, die eine biegsame Stimme haben, Häute und knorpelige Platten, die durch eigene Muskeln in Spannung ver- setzt werden können. Die letztern sind am ausgebrei- tetsten und zahlreichsten bei den Singvögeln. Sie fehlen ganz bei den eintönig schreienden Reihern. Sie spannen mit den Theilen des untern Larynx zu- gleich die Bronchien an und verengern die Höhlung derselben. Die hervorgebrachten Töne werden in Rück- sicht auf ihre Höhe und Tiefe noch weiter modificirt durch die Luftröhre, deren Ringe mit ihren Rändern über einander geschoben werden können, wie die Schienen eines Panzers, und welche daher einer Ver- längerung und Verkürzung fähig ist. Die Verkürzung geschieht durch zwei Muskeln, die vom Zungenbein entspringen, in der Gestalt von Bändern zu beiden Seiten an dem obern Kehlkopf und der Luftröhre herablaufen, und am Anfange des untern Larynx ihre untere Befestigung haben. Diese beiden Muskeln finden sich bei allen Vögeln. Viele besitzen noch ein anderes Paar, das vom Brustbein nach beiden Seiten des untern Endes der Luftröhre geht, den vorigen entgegenwirkt und, sich gleichzeitig mit denselben zusammenziehend, die ganze Luftröhre anspannet. Bei den Papageien 214 und den krähenartigen Vögeln, deren Zunge im Ganzen und in den einzelnen Theilen beweglicher als bei den übrigen Vögeln ist, wirkt endlich auch noch diese bei der Bildung der articulirten Töne, welche diese Thiere hervorbringen. Sie sprechen indefs alle Buch- staben undeutlich und mehrere gar nicht aus, weil ihnen die Lippen fehlen und ihre Zunge weit weniger Beweglichkeit als die menschliche hat. SECHSTES BUCH. Innere Bewegungen als Erscheinungen des Lebens. Der Blutumlauf. *) Die innern Bewegungen der lebenden Körper gehen theils in den flüssigen, theils in den festen Theilen vor sich. In jenen müssen sich unaufhörlich räumliche Veränderungen ereignen: denn ohne solche Bewe- gungen gäbe es gar keine Aeusserungen des Lebens. In den festen Theilen können sie sich entweder blos als ein langsames Wachsthum, oder als Zusammen- ziehung und Ausdehnung zeigen. Diese Bewegungen sind entweder Wirkungen äus- serer Einflüsse, oder erfolgen unangeregt von äussern Reizen. Zwischen beiden liegt jedoch keine genaue Gräuze. Auf die erstern haben auch innere, so wie auf die letztern äussere Reize in gewissem Maafse Einfluß, und die letztern sind, wie das ganze Leben, mittelbar ebenfalls durch äussere Einwirkungen bedingt. *) Der Inhalt dieses und des folgenden Kapitels ist da, wo er nicht allgemein bekannte Thatsachen betrifft, oder wo nicht Gewährsmänner angeführt sind, ganz das Result@t eigener Beobachtungen, die ich in einer besondern Schrift ausführlicher bekannt machen werde. 216 Die unmittelbare Abhängigkeit der letztern von äussern Eindrücken nimmt mit dem Grade der Organisation immer mehr ab. Auf den höhern Stufen des Thier- reichs äussern sich diese ganz als rhythmische Bewegungen. Sie sind überhaupt von zweierlei Art: Umlauf des Bluts und Athemhohlen. Beide Arten hängen von einander ab und zwar dergestalt, dafs ein wirklicher Blutumlauf, eine Bewegung des Bluts durch eigene Canäle, Arterien, in alle Theile des Körpers, und eine Rückkehr desselben durch andere Canäle, Venen, in die vorigen, nur da statt findet, wo das Athemhohlen eine Function eigener Organe ist, die nur einzelne Stellen des Körpers einnehmen, nicht aber da, wo dasselbe in jedem Theil geschieht. Der Blutumlauf durch eine doppelte Art von Gefälsen ist aber auch durch eine höhere Organisation des _ Nervensystems bedingt. Er fehlt dieser Ursache wegen den Zoophyten und Pflanzen. Er ist indefs auch bei den Insecten, mit Ausnahme der Crustaceen, nicht vorhanden, obgleich dieselben ein mehr ausgebildetes Nervensystem besitzen, als viele andere Thiere, deren Blut einen Kreislauf durch Arterien und Venen macht, weil bei ihrem Athemhohlen das ganze Innere ihres Körpers von Luft durchdrungen wird. Hingegen giebt es bei den Vögeln, deren meiste innere Theile zwar auch mit der eingeathmeten Luft in unmittelbare Be- rührung kommen, die aber nächst den Säugthieren in Rücksicht auf die Organisation des Gehirns und Ner- vensystems die höchste Stufe im Thierreiche einnehmen, einen Blutumlauf durch ein doppeltes Gefäfssystem. 217 Der Grad der Verbindung zwischen dem Athem- hohlen und dem Blutumlauf steht ebenfalls mit dem Grade der Organisation des Gehirns und Nerven- systems in gradem Verhältnifs. Bei den luftathmenden Thieren geht alles Blut, bevor es im übrigen Körper vertheilt wird, nur da durch die Werkzeuge des Athem- hohlens, wo es ein kleines Gehirn giebt, in welchem Mark und Rinde auf solche Art vertheilt sind, dafs sie einen Lebensbaum bilden, also nur bei den Säug- thieren und Vögeln. Bei den übrigen luftathmenden Thieren fliefst nur ein Theil der ganzen Blutmasse beim jedesmaligen Umlauf derselben durch die Lungen. Bei mehrern wasserathmenden Thieren scheint wieder der Kreislauf des Bluts abhängiger von der Respi- ration als bei den letztern zu seyn. Dafür aber ist das Athemhohlen derselben weniger vollkommen als das der vorigen. Alle höhere Thiere besitzen ein Centralorgan des Blutumlaufs, ein Herz. Es ist auch ein solcher Theil bei den meisten Crustaceen und den Mollusken vor- _ handen. Hingegen bei den Anneliden kreiset das Blut in Arterien und Venen, ohne durch ein Herz in Be- wegung gesetzt zu werden. Bei allen Wirbelthieren liegt dieses Organ unter dem Rückenmark und dem Nahrungscanal; hingegen da, wo ein wahres Rücken- mark fehlt und nur ein Strang von Brust- und Bauch- knoten vorhanden ist, also bei allen wirbellosen Thieren, hat dasselbe seine Stelle über dem Ganglienstrang und dem Nahrungscanal. Mit diesen Gegensatz steht nach meinen Beobachtungen noch ein zweiter in Beziehung. 218 In allen Wirbelthieren fliefst das Blut aus dem Herzen unmittelbar zu den Respirationsorganen; hingegen in allen wirbellosen Thieren geht dasselbe aus den Werk- zeugen des Athemhohlens zum Herzen, nicht aber aus diesem zu jenen. Das Herz der Wirbelthiere besteht immer aus wenigstens zwei Abtheilungen: einer Kam- ıner, die das Blut durch die Arterien aussendet, und einer Vorkammer, welche dasselbe aus den Venen aufnimmt. Aus der Kammer geht hier stets ein Theil des Bluts zu den Organen des Athemhohlens. Aber die Vorkammer empfängt nicht immer das Lungen- oder Kiemenblut. Unter den wirbellosen Thieren be- sitzen ebenfalls mehrere ein Herz, das eine Kammer und Vorkammer hat. Aber bei ihnen verbreiten sich die Arterien der Kammer nicht in den Lungen oder Kiemen; hingegen gehen die Venen dieser Organe unmittelbar zur Vorkammmer. Diese allgemeine Verschiedenheit ist in den ver- schiedenen Classen der Thiere noch weiter auf man- cherlei Weise abgeändert. Die Säugthiere und Vögel haben im ausgebildeten Zustande insgesammt eine doppelte Kammer und Vorkammer. Die rechte Kammer dienet der Lungenarterie, die linke der Aorta, durch welche das Blut im ganzen übrigen Körper verbreitet wird, zum Ursprunge. In die rechte Vorkammer öffnen sich die Hohlilvenen, die das Blut aus den letzten Zweigen der Aorta wieder aufnehmen und zurück- führen; in die linke Vorkammer die Lungenvenen. Aus der rechten Vorkammer führt eine Oeffnung zur rechten, aus der linken eine andere zur linken Kammer. 219 Es findet hier ein doppelter Kreislauf, ein gröfserer und ein kleinerer, statt, die in ganz verschiedenen Arterien und Venen sich ereignen, aber an dem Herzen ein gemeinschaftliches Centralorgan haben. Diese scharfe Trennung ist nicht mehr bei den Amphibien vorhanden. Die Schildkröten, die Eidechsen und die mehresten Schlangen haben zwar ebenfalls eine doppelte Vor- kammer, von welchen die rechte mit den Hohlvenen, die linke mit den Lungenvenen in Verbindung steht. Es giebt selbst bei den Seeschildkröten und den höhern Eidechsen zwei Kammern. Allein es öffnen sich ent- weder die beiden Vorkammern in einander, oder die Hohlvenen gehen nicht blos in die rechte Vorkammer, sondern auch, bei den Seeschildkröten, in die rechte Kammer über; die Scheidewand der Kammer ist durch- bohrt, so: dafs von der einen zur andern ein Zugang statt findet, und die Lungenarterien entspringen ge- meinschaftlich mit den Stämmen der übrigen Arterien aus einer Höhlung, zu welcher die rechte Kammer führt. Am Herzen der Frösche und Salamander ist Alles noch einfacher. Eine einzige Vorkammer em- pfängt das Blut sowohl aus den Lungenvenen, als aus den Hohladern, und Eine Kammer treibt dasselbe in die Lungen und alle übrige Theile. Auf dieser Stufe stehen auch in Betreff des Blutumlaufs. die Embryonen der Säugthiere und Vögel. Eine andere Abänderung tritt wieder in der Classe der Fische ein. Hier ist immer nur Eine Kammer und meist auch nur Eine Vorkammer. Aus der Kammer entsteht eine Ar- terie, die sich gröfstentheils nur in den Kiemen zerästelt. 220 Die Kiemenarterien vereinigen sich zu einer Aorta, die allen Theilen, mit Ausnahme der Kiemen und der wenigen Organe, die mit diesen Zweige von der Kiemenarterie erhalten, das Kiemenblut überbringt. Das Blut der Aorta kehrt endlich durch die Venen zur Vorkammer und daraus wieder zur Kammer zurück. Noch größser sind die Verschiedenheiten des Blut- umlaufs und der Organe desselben in den verschiedenen Classen der wirbellosen Thiere. Ein großer Theil von diesen, zu welchen die sämmtlichen geflügelten In- secten im ausgebildeten Zustande gehören, athmet durch Luftröhren, die sich durch den ganzen Körper verbreiten. Bei diesen ist von dem Gefäfssystem der Wirbelthiere nur noch eine Röhre übrig, die längs des Rückens über den übrigen Eingeweiden liegt. Man sieht dieselbe von hinten nach vorne» pulsiren, aber keine Gefäfse von ihr ausgehen und zu ihr zurück- kehren. J. Müller fand zwar bei einigen Insecten Verbindungen dieses Herzens mit einzelnen der übrigen Eingeweide, besonders den Eierstöcken, durch häutige Canäle, die ihm Blutgefäfse zu seyn schienen.*) Ich habe aber bei vielen Insecten nichts Aehnliches be- merken können, und halte diese Theile nicht für Blut- gefäfse, sondern theils für absondernde Gefäfse, tleils für Fasern. Müller selber glaubt, beim Scorpion einen Ursprung der harnabsondernden Gefäfse aus dem Herzen entdeckt zu haben, **) und ich fand die Eier- *, Verhandl. der Kaiserl. Leopold. Carol. Acad. der Naturforscher, B. 4. S. 555. **) Meckel’s Archiv für Anat. und Physiol. 1828. $. 47. N 21 stöcke der Schmetterlinge an ihren vordern Enden von Fasern umfafst, die mir Muskelfasern zu seyn und zur Austreibung der Eier zu dienen schienen. Dagegen scheint mir gewils zu seyn, dafs das Herz der Insecten bei jeder Distole aus der zwischen den Eingeweiden befindlichen Blutmasse etwas einsaugt, und bei jeder Systole nach vorne austreibt. Nach Straufs-Durk- heim’s*) Beobachtungen giebt es am vordern Ende jeder Abtheilung des Herzens des Maikäfers zu beiden Seiten eine, mit einer Klappe versehene, runde Oeff- nung, wodurch die Aufnahme des Bluts geschieht. Ich sahe beim Carabus granulatus an jenen Stellen des Herzens halbmondförmige Ausschnitte, die Löcher zu seyn schienen, von denen es mir aber zweifelhaft geblieben ist, ob sie wirklich solche waren. Bei andern Insecten traf ich nichts der Art an. Die Aufnahme des Bluts kann aber auch ohne solche Oeffnungen, blos durch die Wände des Herzens geschehen. Es läfst sich voraussetzen, dafs, wenn die Einwirkung dieses Organs auf die im übrigen Körper befindliche Blutmasse sehr lebhaft vor sich geht, bei sehr durch- sichtigen Insecten in der letztern Ströhmungen unter dem Microscop sichtbar seyn müssen, die von vorn nach hinten gerichtet sind. Carus**) beobachtete diese wirklich in den Larven einiger Neuropteren und in den Flügeldecken der Lampyriden. Ich habe sie in den nehmlichen Larven und in mehrern andern *) Considerat. gener. sur P’Anaf. compar. des animaux articules. p. 356. **) Entdeckung eines Blutkreislaufs in den Larven netzflügeliger In- secten. Leipzig 1827. Isis. B. 21. H. 5 u. 6. S. 477. 222 Insecten bisher nie wahrnehmen können. Die Erschei- nung muls also von Bedingungen abhängen, die noch erst näher zu bestimmen sind. In den Familien der Squillen, Branchipoden, Arachniden und Scorpioniden giebt es ebenfalls ein röhrenförmiges Rückengefäls, das aber deutliche Zweige hat. In den Krebsen ist ein wirkliches Herz mit Ar- terien und Venen vorhanden. Dieses hat jedoch bei dem Flufskrebs, dem Hummer und den verwandten Arten nur eine einfache Höhlung, die das Blut un- mittelbar sowohl aus den Kiemenvenen aufnimmt, als in die Aorta treibt. Eine höhere und dabei sehr eigene Organisation desselben fand ich bei der Garnele (Cran- gon vulgaris F.), die von andern Seiten auf einer niedrigern Stufe der Bildung als jene Arten steht. Das Herz dieses Thiers hat eine Vorkammer und Kammer. Die Vorkammer ist ein langer, an beiden Enden zugespitzter, in der Mitte seiner Länge ring- förmig zusammengebogener Cylinder. Die beiden Enden liegen, nach hinten gekehrt, parallel neben einander und gehen an ihren innern Rändern in einander über. Das vordere Ende ihrer Verbindung öffnet sich in die kleine, runde, auf dem Ring liegende Kammer. In die Seitenränder der Vorkammer dringen die Ge- fälse, die das Blut aus den Kiemen zum Herzen führen. Vorne nimmt sie drei, vom Kopfe kommende und über den Magen weggehende kleinere Adern auf. Aus dem vordern Rande der Kammer entspringen drei, zur Leber und zum Kopfe sich begebende Arterien. Von der untern Seite derselben geht eine ähnliche grofse Schlag- Bi - ader, wie es beim Flufskrebse giebt, über und längs dem Darmcanal bis zum hintern Ende des Körpers. Die Rückkehr des Bluts aus den Enden der Arterien zu den Kiemen geschieht durch zwei grofse Venenstämme, die längs der untern Seite des Leibes an beiden Seiten des Bauchstrangs liegen, und in der Brust, zwischen den Kiemen, sich zu einem Behälter vereinigen, aus welchem auf beiden Seiten Zweige für die Kiemen entspringen. Wie bei diesem Thier so besteht auch bei allen Mollusken das Herz aus einer Vorkammer und Kammer. Viele Arten haben sogar eine doppelte Vorkammer. Aber indem hier auf der einen Seite Verwandtschaft mit den Wirbelthieren in Betreff der Bildung des Herzens statt findet, nähern sich auf der andern die Mollusken in dieser Hinsicht den Thieren der untersten Stufen. Bei vielen derselben umfafst das Herz einen Theil des Darmcanals und steht damit in einer orga- nischen Verbindung, die eine Uebergangsstufe zur Structur der untersten Thiere macht, in welchen Herz und Nahrungscanal zu Einem Eingeweide verschmolzen sind. Der Blutumlauf geschieht, nach meinen Beob- achtungen, bei allen Mollusken auf ähnliche Art wie bei den Krebsen. Das Blut, das vom Herzen in alle Theile des Körpers, mit Ausnahme der Respirations- organe, gelangt ist, flielst auf seinem BRückwege gröfstentheils zu diesen Organen, verbreitet sich darin und sammelt sich dann wieder in Venen, die dasselbe zum Herzen zurückbringen, vertheilt sich jedoch bei vielen Gattungen noch einmal wieder in einem Ein- Al... geweide, das man bald für ein eigenes Absonderungs- werkzeug, bald für eine Niere und bald für eine Lunge angesehen hat. Noch eine andere Abänderung der Organe des Blutumlaufs giebt es in der Classe der Anneliden. Das Blut bewegt sich hier ohne ein Centralorgan nach entgegengesetzten Richtungen in Arterien und Venen, wie bei den Squillen, Arachniden u. s. w., aber mit dem Unterschied, dafs die Stämme der Gefäfse beider Art in unmittelbarer Verbindung mit einander stehen. Diese Art des Kreislaufs ist, nach Tiede- mann’s Untersuchungen, auch noch bei den Holo- thurien, Asterien und Seeigeln vorhanden. Auf den noch niedrigern Stufen des Thierreichs findet aber kein Gegensatz zwischen Arterien und Venen mehr statt. Für alle Thiere, die ein Herz haben, ist dieses das erste Bewegende des Bluts bei dessen Umlauf. Mit dem anfangenden Schlage des Herzens hebt das äussere Leben derselben an, und mit dem aufhörenden Schlage erlöscht dieses. Die Pulsationen dauern selbst nach der Trennung jenes Organs vom übrigen Körper noch eine Zeitlang fort. Sie bestehen immer in einem Wechsel von Zusammenziehung (Systole) und Aus- dehnung (Diastole), der eine deutliche Beziehung auf die Aufnahme des Bluts der Venen und die Austrei- bung dieser Flüssigkeit in die Arterien hat. Die Kammern erweitern sich, während sich die Vorkammern zusammen- ziehen, und umgekehrt. Beim Anschwellen der Kam- mern werden die Vorkammern blutleerer, und bei der Zusammenziehung der Kammern die gröfsern Arterien 225 vom Blute ausgedehnt. In dem Verhältnifs der Aus- dehnung zur Zusammenziehung dieser Theile ist zwischen den Wirbelthieren und den Mollusken der nehmliche Unterschied, den wir im vorigen Abschnitt an den willkührlichen Bewegungsorganen zwischen beiderlei Thieren wahrnahmen. Das Herz der Mol- lusken erweitert sich bei der Diastole weit über den Raum hinaus, den es nach dem Tode, vermöge der blofsen Elasticität, einnimmt. An dem Herzen der Wirbelthiere ist diese Erweiterung weit geringer, hin- gegen die Verengerung weit stärker als bei den Mollusken. Obgleich aber das Herz da, wo es zugegen ist, immer. die erste: Triebfeder bei der Bewegung des Bluts ist, so hat es doch nicht bei allen 'Thieren, die damit versehen: sind, in gleichem Grade hierauf Einfluß. Da alle Fasern desselben zu jener Bewegung unmittelbar beitragen, so läfst sich voraussetzen, dafs dieser Einflufs mit der Masse des Herzens in gradem Verhältiifs steht. Es ist aber, wenn man das Gewicht des, ganzen Körpers für die Einheit annimmt, . das Gewicht des Herzens bei den Säugthieren der 80te bis 160te,*) bei den Vögeln der 50te bis 122te, **) bei. den Amphibien der 246te bis 276te ***) und bei *) Beim Menschen der 160te, (Haller Opp. min. T. Ill. p. 199), bei der Hausmaus der‘ 80te bis 120te. (Merrem’s Verm. Abhandl. aus der Thiergeschichte. S. 56. 73). *) Tiedemann’s Anat. und Naturgesch. der Vögel. B. 1. S. 562. **) Beim Frosch der 246te, hei der Ringelnatter der 276te. (Carus’s Lehrbuch der Zootomie. S, 594). 15 MR den Fischen der '850te bis 768te Theil*) von jenem. So nimmt: die Wichtigkeit des Herzens in Beziehung auf den übrigen Körper von den Säugthieren und Vögeln bis zu den niedern Thieren immer mehr ab. Dafs aber auch die Einwirkung des Herzens auf: den Blutumlauf geringer bei den niedern als bei den höhern Thieren seyn mufs, folgt aus der, Verschiedenheit der Art, wie sich bei diesen und jenen die Blutgefäfse erde Bei den Fischen, wo das:Blut, nachdem, es aus dem Herzen in die feinsten Kiemenarterien ge- trieben ist, sich durch eben so feine Adern in immer gröfsere Gefäfse und endlich in einen gemeinschaft- lichen Stamm ergiefst, wo dieser Stamm sich von neuem verzweigt, und wo aus dessen letzten 'Aesten wieder ein Venensystem entspringt, welches das’ Blut zum Herzen zurückführt, kann der Einflufs dieses Organs, wäre dasselbe absolut genommen auch’ eben’ so grofs wie bei den Säugthieren und Vögeln, 'sich nicht in eben dem Maafls auf die ‘Venen erstrecken, wie bei den :letztern 'Thieren, in deren Gefälssystem keine allgemeine doppelte Verzweigung und Wieder- vereinigung statt findet. Eben so wenig kann dies der Fall bei den Crustaceen und 'Mollusken seyn, ' deren Hohlvenen sich in den Kiemen oder Lungen verbreiten, bevor das Blut aus ihnen wieder zum Herzen und ’zur “ Aorta gelangt. Die Zerästelung der Gefäfsstämme Erde Ai All- gemeinen nur an den Arterien, die Verbindung der *) Tiedemann’s Anat. des Fischherzens. S. 6. 227 Zweige zu Stämmen nur an den Venen statt. In einzelnen Theilen geschieht diese Theilung und Wiederverei- nigung auch an Gefälsen einer und derselben Art. Die Wirbelthiere besitzen ein solches Gefäfs an der Pfort- ader. Die Verbreitung dieser Ader ist bei den Amphibien schon weit gröfser als in den beiden obersten Thier- classen. Sie nimmt nicht nur die Venen der Verdauungs- werkzeuge, sondern auch die Blutadern der hintern Gliedmaafsen mit auf. Bei den Fischen zerfällt sie in mehrere Stämme, und so wird von den Säugthieren und Vögeln an bis zu den Fischen jenes besondere Venensystem, das der Einwirkung des Herzens sehr entrückt ist, ausgedehnter oder vielfacher. Bei keinem der Wirbelthiere aber verzweigen sich die Lungenvenen vor ihrer Rückkehr zum Herzen in andern Eingeweiden, und eben so wenig findet sich unter ihnen ein Beispiel von Zerästelung einer Arterie und Wiedervereinigung der Aeste zu einer neuen Schlagader. Diese beiden Arten von Verbreitung der Gefälse zeigen sich bei den wirbellosen Thieren. In den Arten der Linneischen Gattungen Limax und Helix geht ein Theil des Lungenbluts, ehe es zum Herzen gelangt, zu dem kalkabsondernden Eingeweide, verbreitet sich darin und sammelt sich dann wieder zu einem Stamm, der sich in das Herzohr öffnet. Das Nehmliche geschieht bei den kopflosen Mollusken in dem Organ, das von Bojanus*) für eine Lunge dieser Thiere angegeben *) Ueber die Athem- und Kreislaufwerkzeuge der zweischaaligen Mollusken. Isis. 1818. 15* 228 wurde, welches aber in der That jenem Eingeweide der Schnecken ganz analog ist. Bei den Aplysien liegt, nach Cuvier’s Beschreibung,*) ein eigenes Ein- geweide neben der Aorta, worin sich Zweige dieser Arterie ausbreiten und woraus andere Zweige das darin ergossene Blut wieder zu derselben zurückführen. Wenn bei den Nacktschnecken und Schnecken auf den Flufs des Bluts, das durch das kalkabsondernde Eingeweide zum Herzen zurückkehrt, dieses von keiner Wirkung seyn kann, so ist es noch weniger möglich, dafs der Lauf des Bints durch das Secretionsorgan der Aplysien von der Zusammenziehung und Erwei- terung des Herzens bewirkt werde, vorausgesetzt, dafs Cuvier richtig beobachtet hat. Ich möchte nun zwar nach meinen Untersuchungen bei der Aplysie die Rückkehr des Bluts zu demselben Gefäfs, wovon es ausgegangen ist, nicht für gewifs ausgeben. Das erwähnte Eingeweide hängt mit dem Herzbeutel zu- sammen, in welchem Venen enthalten seyn können, welche das aus dem Herzen in das Eingeweide er- gossene Blut aufnehmen und zu einem andern Theil als dem Herzen oder der Aorta führen. Allein so schwer es zu begreifen ist, wie ein und dasselbe Gefäfs Blut zuführend und rückführend seyn kann, so mufs diese doppelte Eigenschaft, wenn auch nicht den Gefäfsen des Eingeweides der Aplysie, doch einem der Stämme des Gefäfssystems der Holothurien zukommen. Bei der Röhrenholothurie geht, nach Tiedemann,**) *) Annales du Mus. d’Hist. nat. T. I. p. 301. **) Anatomie der Röhren-Holothurie u. s. w. 8. 15. Be ein Hauptstamm längs dem ganzen Nahrungscanal auf der äussern Seite, und ein zweiter längs der vordern Hälfte dieses Canals auf der imnern Seite fort. In dem erstern bemerkte Tiedemann Pulsationen. Von dem letztern läuft ein Fortsatz zum rechten Ast des Respirationsorgans, auf dem er sich nach Art einer Lungenarterie verzweigt. Aus den feinsten Zweigen dieses Fortsatzes gelangt das Blut in andere feine Gefäfse, die sich wieder zu gröfseren Zweigen ver- einigen und endlich sich in einen Gefäfsstanm ergiessen, der längs der inunern Seite der hintern Hälfte des Nahrungscanals verläuft. Dieser Stamm wäre also eine Lungenvene. Aus demselben gelangt aber das Blut nicht unmittelbar dahin, wohin der Weg gehen würde, wein hier der Blutumlauf von gleicher Art wie bei den höhern Thieren wäre, in den ersten Gefäfsstamm, sondern wieder zurück in den zweiten. Dabei giebt der dritte Stamm auf der einen Seite Zweige an den Darmcanal, während er auf der andern Seite Zweige von den Respirationsorganen aufnimmt. In den wirbellosen Thieren ist aber der Lauf des Bluts in manchen Theilen unabhängig nicht nur von der Einwirkung des Herzens, sondern auch der Gefälse. In den Kiemenblättern der meisten Urustaceen lassen sich keine Gefälse entdecken. Mehrere derselben, besonders die der Onisken, bestehen aus zwei häutigen Platten, die am Rande mit einander zusammenhängen und zwischen sich einen freien Raum haben, worin sich das Blut ergiefst und einen halbkreisförmigen 230 Umlauf macht.*) Bei der Squilla Desmarestii fand ich die Kiemen aus Zweigen einer und derselben Ader bestehend, die ausserhalb dem Körper frei im Wasser hängen und worin zwei Blutströhme nach entgegen- gesetzten Richtungen fliessen. Eine andere Crustaceen- gattung (Cyamus) hat walzenförmige Kiemen, die eine poröse Substanz enthalten, welche von dem einströh- menden Blute durchdrungen wird. **) Es sind also drei Ursachen des Blutumlaufs an- zunehmen:#sdie Systole und Diastole des Herzens, die Zusammenziehung und Erweiterung der Adern, und eine dritte, die nicht auf mechanische Art, sondern auf ähnliche Weise wirkt, wie die Pole der electri- sehen Säule bei der Hervorbringung von Ströhmungen im Quecksilber, und wie die Wärme, die bei einsei- tigem Einflufs auf eine Wassersäule einen Umlauf darin verursacht. Die erste ist die vornehmste bei den Säugthieren und Vögeln. Der Einflufs der beiden letztern nimmt zu mit der Abnahme des Grades der thierischen Bildung. Je mehr die erste das Uebergewicht hat, *, Verm. Schriften von G. R.u.L. €. Treviranus. B.4. S. 63. 76. **, Ebendas. B. 2. S. 9. — Mit diesen Thatsachen würde auch in Verbindung stehen, was Cuvier an der Aplysie entdeckt zu haben glaubte, dafs die Hohlvenen dieses Thiers sich durch grofse Seiten- öffnungen auf der inwendigen Seite des Mantels in die Bauchhöhle öffnen, (Annales du Mus. d’Hist. nat, T. I. p. 299) wenn die Beob- achtung richtig wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Aehnliche Löcher wie in den Hohlvenen der Aplysie, nur kleinere, fand ich in denen der Nacktschnecke. Sie zeigten sich mir aber bei näherer Untersuchung als die Mündungen der von den Hohlvenen zu den Eingeweiden gehenden Zweige, die so zart sind, dafs sie bei der geringsten Ausdehnung gleieh zerreissen. 231 desto gleichförmiger und unabhängiger von zufälligen Einflüssen geht der Blutumlauf vor sich, desto weniger treten rückgängige Bewegungen des Bluts ein und desto mehr ist dem Rückfiufs des letztern durch Valveln der Blutadern vorgebeugt. Vollständige Klappen finden sich ausserhalb dem Herzen nur im Venensystem der Säugthiere und Vögel. Sie sind weit seltener und we- niger ausgebildet in den Venen der Amphibien und Fische. Bei diesen niedern Wirbelthieren ist daher Manches in der Structur des Gefäfssytems auf Regur- gitationen und Anhäufungen des Bluts, die unter gewissen Umständen eintreten, berechnet. Mehrere Schildkröten haben im Herzen eine Oeffnung, die aus der rechten Vorkammer, worin sich das Blut der Hohlvenen er- gielst, zur linken führt, von welcher das Lungenblut aufgenommen wird. Dieser Durchgang kann nur für Fälle vorhanden seyn, wo durch die Hohlvenen ein gröfseres, durch die Lungenvenen ein kleineres Maafs von Blut, als im gewöhnlichen Zustande, zum Herzen fliefst, und wo dann die linke Vorkammer mit auf- nimmt, was die rechte nicht fassen kann. In den Venen der wirbellosen Thiere fehlen die Klappen. Selbst die Mündungen der Höhlungen des Herzens sind nicht bei allen Thieren damit versehen. Es kann daher bei ihnen der Strohm des Bluts unter gewissen Umständen von dem Herzen zu den Venen, und von diesen zu den Arterien gehen. Solche rückgängige Ströhmungen sind von-Kuhl und Eschscholtz in den Salpen beobachtet. Sie ereignen sich auch beim Kriechen und Winden der Anneliden. In Regenwürmern, die ich in 232 Weingeist hatte sterben lassen, fand ich zuweilen das Rückengefäls von der rückgängigen Bewegung und Anhäufung des Bluts, in Folge der heftigen Zusam- menziehungen der willkührlichen Muskein, an einzelnen Stellen zerrissen. In den 'Thieren, die keinen After haben, bewegt sich zwar noch das Blut. Aber es giebt bei ihnen kein Centralorgan eines Blutumlaufs. Das Herz der höhern 'Thiere, oder der Gefälsstamm, der bei den Anneliden und Echinordermaten dessen Stelle vertritt, ist bei ihnen mit dem Nahrungscanal verschmolzen. Von diesem erstrecken sich auf der Stufe der Orga- nisation, die zunächst auf die der Echinodermaten folgt, Gefäfse, welche die Function der Arterien haben, in alle Theile des Körpers. Man sieht zwar in einigen Gattungen rückgängige Blutströhme, aber kein Organ, welches diese aufnimmt, um sie wieder in entgegen- gesetzter Richtung fortzutreiben. So verhält es sich bei den Acalephen und vielen Eingeweidewürmern. Man nimmt die, vom Nahrungscanal sich ausbreitenden Gefälse vorzüglich in den Scheiben- und Rippenquallen, mehrern Planarien, der Nitzschia elegans Baer. und dem Polystoma integerrimum wahr. Die Gefäfse der Medusen und RKhizostomen gehen strahlenförmig, aus den Magensäcken hervor, verzweigen sich auf der untern Fläche des Huts und endigen sich am Bande desselben in einem kreisförmigen Gefäls.*) Bei einer *, Gäde Beiträge zur Anat. und Physiol. der Medusen. 'S. 13. 27. Rosenthal in der Zeitschr. für Physiol. B. 1. 5. 325. Von Baer in Meckel’s Archiv für Physiol. B. 8. S. 385. Eisenhardt in den Verhandl. der Kaiserl. Acad. der Naturf. B. X. Abih. 2. 233 der Acalephen mit centraler Verdauungshöhle, dem Cestum Najadis Eschs. welche auf der obern Seite des scheibenförmigen Körpers vier Reihen von Schwimm- blättchen, auf der untern neben dem Mund zwei herabhängende Fangfäden, und einen vom Magen nach der Mitte der obern Seite gehenden Wassercanal hat, läuft, nach Eschscholtz’s Beobachtungen, von der Wurzel jedes Fangfadens ein Gefäfs zu einem andern, ringförmigen, das am Grunde des Magens um den Wassercanal liegt. Von dem obern Rande des letztern begeben sich vier Gefälse divergirend zu den vier Reihen der Schwimmblättchen und verlaufen an der Basis derselben. Aus jedem dieser vier Gefäfse scheint ein anderes zu entspringen, das in der Mitte der breiten Seite des Thierkörpers seinen Weg nimmt. Diesem parallel liegt noch eine Ader in der Körper- masse, von welcher Eschscholtz glaubt, dafs sie das Blut wieder von den Enden des Körpers zur Mitte desselben zurückführt. Das Blut ist eine wasserhelle Flüssigkeit, worin gelbliche Kügelchen schwimmen. In den von den Fangfäden entspringenden Gefäfsen steigen sie aufwärts; im Ringgefäfs erhalten sie eine drehende Bewegung; in den vier obern Gefälsen steigen sie an der innern Seite aufwärts, an der äus- sern abwärts; in den Seitencanälen fliessen sie von der Magengegend nach aussen, zuweilen aber auch in entgegengesetzter Richtung.*) Es giebt also in jedem der vier obern Gefäfse eben so zwei entgegengesetzte *) Eschscholtz’s System der Acalephen. S. 14. 234 Ströhme, wie, nach meinen Beobachtungen, in dem Kiemengefäfs der Squilla Desmarestii vorhanden seyn müssen. In den Planarien entstehen aus dem läng- lichen Nahrungscanal an beiden Enden und an den Seiten Aeste, die sich am Rande des Wurms theilen und ein Gefäfsnetz bilden.*) Auf ähnliche Art verhält es sich mit dem Gefäfssystem der Nitzschia, eines Schmarotzerthiers, das in der Kiemenspalte des Stöhrs lebt, und des Polystoma integerrimum aus der Harn- blase des Frosches. **) In den Polypen lassen sich zwar keine Gefäfse mehr wahrnehmen. Es giebt jedoch in ihnen eine Erscheinung, die vielleicht eine kreisende Bewegung einer blutartigen, aber in keinen Gefäfsen enthaltenen Flüssigkeit ist. Trembley, O.F. Müller, Cavolini und Grant bemerkten im Innern des Körpers mehrerer Arten von Polypen eine ununterbrochene Bewegung der Partikeln einer Flüssigkeit, und jeder von ihnen sahe diese von einer andern Seite an. Trembley***) entdeckte sie in der Tubularia reptans. Er fand in diesem Zoophyt „eierähnliche” Körper, die in be- ständiger Bewegung waren. Sie drangen aus den Zellen in die Zwischenräume zwischen der äussern Substanz und dem Nahrungscanal bald des einen, bald des andern Polypen, kehrten in die Zellen zurück und nahmen dann wieder den vorigen Weg. Müller) *) Müller Zool. Dan. Vol. I. Tab. XXXU. fig. 6. 7. Von Baer in den Verhandl. der Kaiserl. Acad. der Naturf. B. XIII. Abth. 2. 5. 718. **+), Von Baer a. a. O. S. 665. 682. ***) Mem. pour servir a l’Hist. des Polypes. p. 219. 7) Zool. Dan. Vol. II. p. 62. 235 beobachtete die nehmliche Bewegung in der Sertu- laria geniculata und vermuthete, sie rühre von Infu- sorien her. Er bemerkte sie immer nur im Darm, nicht im Magen. In diesem verlohren alle von aussen hereingekommene Aufgufsthiere gleich ihre Beweg- lichkeit. Anfangs glaubte er, die Bewegung gehe ausserhalb dem Darm vor. Bei genauerer Untersuchung aber fand er, dafs sie blos in diesem vorhanden sey. Cavolini*) beschreibt eine wirbelförmige Bewegung im Innern der Sertularien, die er für eine, dem Blut- umlauf der höhern Thiere ähnliche Erscheinung hält. Grant**), sahe dieselbe Bewegung in der Flustra carbasea und Lobularia digitata Lamour. Er meinet, sie rühre von Wimpern her, die auf der innern Fläche der Höhlung stehen, worin die sich bewegende Flüs- sigkeit enthalten ist. Die kleinen Körper der Lobularia wurden durch den Mund des Polypen ausgeleert und zeigten sich als wirkliche Eier. Eine im Aeussern dieser ähnliche Bewegung giebt es in einigen Pflanzen. Seit Corti dieselbe zuerst in der Chara entdeckte, Fontana, mein Bruder und ich seine Beobachtung bestätigt fanden, ***) ist sie von mehrern Naturforschern, besonders von Amici,+) *) Abhandlung über Pflanzenthiere des Mittelmeers. Uebers. von Sprengel. S. 56. **) The new Edinburgh philos. Journ. 1827. Juny. p. 107. The Edinburgh Journ. of science. N. XV. p. 104. ”*#) Biol. B. 4. S. 252. L. €. Treviranus in den Verm. Schriften. BR. 2. S. 73. 7) Atti della Societa Italiana. T. XV. Annales des sc. natur. T. II. ww Agardh*) und Raspail**) weiter verfolgt worden. Corti sahe Bewegungen von gleicher Art noch in mehrern andern Gewächsen, unter andern in Caulinia fragilis (Najas minor Allion.). In dieser Pflanze er- blickte sie auch Amici. In den übrigen von Oorti angegebenen Gewächsen konnten spätere Beobachter nichts davon bemerken; ***) wohl aber wurden ähn- liche Erscheinungen von Ehrenberg ****) auch in den ‚Fäden des Syzygites megalocarpus E. Aspergillus maximus Link. und Muscor Rhombospora E. von meinem Bruder in mehrern Conferven+) und von Meyen++) in den Zellen der Vallisneria spiralis und den Haaren der Wurzelfasern der Hydrocharis Morsus ranae wahrgenommen. Allein in einigen der letztern Gewächse scheinen die Bewegungen erst mit einem gewissen Grad von Zersetzung der organischen Materie einzutreten. Mit denen, die in den Conferven zuweilen statt finden, ist dies immer der Fall, und in der Val- lisnerie zeigten sie sich Mayern, +7) bei Wieder- hohlung der Meyenschen Erfahrungen, auch erst nach vorhergegangener Maceration der Pflanzentheile. Hingegen in den Charen ist der Umlauf des Safts eine beständige Lebenserscheinung. Dieser steigt mit *) Verhandl. der Kaiserl. Acad. der Naturf. B. XIII. Abth. 1. S. 115. **) Bulletin des sc. natur. T. XU. p. 74. ”*) 1. C. Treviranus a. a. 0. S. 75. ****) Verhandl. der Gesellsch. naturf. Freunde in Berlin. B. 1. St. 2. S. 98. 7) Beiträge zur Pflanzenphysiol. von L. C. Treviranus. 8. 77 fg. jr) Verhandl. der Kaiserl. Acad. der Naturf. B. XIII. Abth. 2. S. 481. Tir) Supplemente zur Lehre vom Kreislauf. H. 1. 237 den in ihm enthaltenen grünen Kügelchen in jedem Gliede der Pfianze an der einen Seite der Höhlung des Gliedes herauf, kehrt am obern Ende derselben zurück, ströhmt an der andern Seite herab und’ wendet sich am untern Ende wieder nach der ersten Seite. Ein stärkerer Druck, eine noch so leichte Verwun- dung des Gliedes, Säuren und Weingeist heben’ die Bewegung auf. Ein geringerer Druck schwächt sie, solange er dauert. Die Temperatur des Wassers scheint keinen Einflufs auf sie zu haben. Diese Erscheinung beweiset, dafs kreisförmige Bewegungen der Flüssigkeiten im: lebenden Körper unabhängig von. aller mechanischen Einwirkung vor sich gehen. Sie steht. indefs im Pflanzenreiche sehr isolirt. Es findet:in den Gewächsen überhaupt wohl ein Zuströhmen des Safts nach gewissen Theilen, und ein Rückgang desselben nach: andern statt. Allein diese Bewegungen haben gegen einander keine solche Be- ziehung, dafs dem: Aufsteigen immer ein: Absteigen entspricht; sie sind ganz abhängig von äussern Ein- flüssen und machen keinen wahren Kreislauf. €. H: Schultz *) hat zwar in den Stengelmund Blättern:’des: Chelidonium und einiger andern: milchenden Pflanzen, die unter dem Vergrößerungsglase vom zurückgewor- fenen Sonnenlichte erleuchtet waren, Bewegungen ge- sehen, die ihm ein wirklicher Kreislauf zu: seyn schienen. Er-hat diese Beobachtung weiter verfolgt!und’mancherlei: Gedanken darüber vorgetragen. **) Ich habe: indefs'in *), Ueber den Kreislauf des Safts im Schöllkraute u. s. w. Berlin 1822. “*) Die Natur der lebenden Pflanze, von €.H.Schulz.,B:1. S.560 fg. Be... jener Erscheinung, die nur in wenigen Pflanzen und nur bei Erleuchtung derselben vom Sonnenlichte wahr- zunehmen ist, nie einen wahren Kreislauf finden können. Sie erschien mir immer als ein Wallen, oder als eine zitternde Bewegung der in den Pflanzengefälsen ent- haltenen Flüssigkeit. Nie bemerkte ich eine Spur davon, wenn das Gesichtsfeld des Microscops blos vom zurück- geworfenen Tageslicht erleuchtet war. An diese beiden Erscheinungen des Pflanzenreichs schliessen sich die, welche die Wärme in Flüssigkeiten der leblosen Natur hervorbringt, indem sie ungleich- förmig auf dieselben einwirkt. Füllet man eine vertical stehende Glasröhre mit Wasser, das mit feinem Harz- staub vermischt ist und nähert in einer 12 bis 15° R. warmen Atmosphäre der Glasröhre von der einen Seite einen erhitzten Körper, so zeigt sich schon, wenn der Unterschied der Temperatur auf beiden Seiten der Röhre noch keinen halben Grad beträgt, ein auf- und absteigender Strohm in der Flüssigkeit, der solange besteht, als die ungleichförmige Erwärmung der letztern fortdauert, und welcher auch vom Sonnenlichte, doch nur insofern dasselbe erwärmend ist, erregt wird. *) Dieselbe Ursache ist es, von welcher die durch R. Brown entdeckten Bewegungen herrühren, die 'alle Moleculen, sowohl wunorganischer als organischer Körper, im Wasser unter dem Microscop zeigen. Man sieht mit blofsen Augen ein ähnliches Phänomen, wenn man der Mitte einer Wasserfläche, worauf *) Du Trochet, Annales d’Hist. nat. T. XVII. p- 276. 239 Harzstaub, feine Asche und dergl. schwimmt, einen Körper, der eine andere Temperatur als das Wasser hat, z. B. die Spitze eines der Finger, nähert. Die auf dem. Wasser schwimmenden Theilchen fangen dann nach einigen Secunden an, sich um das untere Ende des genäherten Körpers in Kreisen zu bewegen, und‘ die Bewegungen werden um so lebhafter und ausgedehnter, je verschiedener die Temperatur des Wassers von der dieses Körpers ist und je beweg- licher die schwimmenden Theilchen sind. Die Wärme wird hierbei auf gleiche Weise einer grössern Wasser- masse. von dem genäherten Körper, wie bei den Brown’schen Molecularbewegungen einer kleinen von dem. Objectivglase des Microscops oder von dessen Fassung miigetheilt oder entzogen. Der Umlauf des Safts in. den Charen und einigen Insectenlarven ist wahrscheinlich einerlei mit jenen Bewegungen. Allein die ungleiche Vertheilung der Wärme, wodurch das Phänomen in diesen organischen Wesen hervorgebracht wird, kann nicht eine ‚äussere Ursache haben. Der letzte Grund desselben ist also mit dieser Erklärung noch. nicht gegeben. Wohl aber können die von Schultz entdeckten Bewegungen von der ungleichen Erwärmung herrühren, ‚die schon allein das zurück- geworfene Sonnenlicht bewirkt. Das Athemhohlen. Die zweite Art von innern Bewegungen der le- benden Körper machen die des Athemhohlens aus. Diese sind zwar nicht bei allen Thieren innere. Sie ziehen sich aber um so mehr in das Innere zurück, je höher die Stufe der Organisation ist, worauf sich das Thier befindet. Die Organe, worin diese Bewe- gungen vorgehen, haben mit einander gemein, ‘dafs sie Flächen besitzen, unter welchen entweder die ganze Blutmasse, oder doch ein Theil davon einen Umlauf macht; dafs diese Flächen dem unmittelbaren Einflufs der atmosphärischen Luft oder des Wassers ausgesetzt sind, und dafs dieselben ihre örtliche Beziehung: gegen das Medium des Aiemhohlens durch eigene Bewegung zu verändern fähig sind, um immer mit frischer Luft oder frischem Wasser in Berührung zu kommen. Die beiden erstern' dieser Charactere passen auch auf die ganze äussere Fläche des Körpers der Thiere. Diese‘ ist aber keiner eigenen Bewegung fähig und wird deswegen hier nicht mit in Betrachtung gezogen werden können, wenn sie auch in gewisser Rücksicht auf ähnliche Weise wie die eigentlichen Werkzeuge des Athemhohlens wirkt, worüber sich erst in der Folge etwas Näheres wird bestimmen lassen. Aus demselben Grunde wird hier auch von dem Athemhohlen der Pflanzen, welches ebenfalls auf der ganzen äussern Fläche des Körpers ohne Organe geschieht, die eine eigene Bewegung haben, noch nicht die Rede seyn. 241 Das Athemhohlen geschieht für das Blut. Das- selbe steht deswegen mit dem Blutumlauf immer in genauer Verbindung und ist gleich diesem eine rhyth- mische Bewegung. Die Thiere der beiden höhern Classen, in welchen das Blut einen grössern und kleinern Kreislauf macht, sind aber von den übrigen darin sehr verschieden, dafs in ihnen sowohl der Puls als das Athemhohlen einen Typus hat, der innerhalb gewisser Gränzen von äussern Einflüssen unabhängig ist, während er in den letztern durch äussere Einwirkungen, besonders durch den Grad der äussern Wärme, sehr verändert wird. Bei den Säugthieren und Vögeln ist auch die Zahl der Pulse in einerlei Zeit immer gröfser als die der Athemzüge. Es gehen bei ihnen 3 bis 5 der erstern auf Einen der letztern. Bei mehrern Am- phibien, den Fischen und den meisten Insecten ist umgekehrt das Athemhohlen häufiger als der Puls. Die Mollusken hingegen athmen meist in sehr langen und unregelmässigen Zwischenzeiten, ohne Unterbre- chung des nicht so langsamen Herzschlags.*) Die kleinern Thiere athmen im der Regel öfterer und haben einen schnellern Puls als die gröfsern. Es re- spirirt z. B. das Pferd ungefähr 16, der Mensch 18, der Hund 24, Kaninchen, Meerschweinchen, Hühner und Tauben über 30mal in der Minute. Während eben dieser Zeit beträgt die Zahl der Pulse beim Pferde 56, beim Menschen 70, beim Hunde 90, bei den erwähnten kleinern Thieren über 100.**) Diese Regel hat indefs *) Biologie. B. 4. S. 258. **) Biol. BA. S. 124. 156. Prevost und Dumas haben eine Tafel 16 242 Ausnahmen. Bei dem Igel z. B. zählte man höchstens 7 Inspirationen in der Minute. *) Für die Amphibien, Fische und wirbellosen Thiere lassen sich wegen der Veränderlichkeit ihrer Respiration und ihres Herzschlags keine Mittelzahlen angeben. Bei vielen derselben ist es auch unmöglich, den Herzschlag zu beobachten, ohne das Herz zu entblöfsen, oder wenigstens sie sehr gewaltsam zu behandeln und den Puls von seinem gewöhnlichen Gange sehr abweichend zu machen. Wenn z.B. Scoresby**) sagt, beim Squalus borealis schlage das Herz 7 bis Smal in der Minute, so weils ich nicht, wie er es angefangen hat, dies anders als bei einem sterbenden Haifisch zu beobachten. Die Respirationsorgane sind von doppelter Be- schaffenheit, je nachdem die eingeathmete Flüssigkeit das Innere, und das Blut in Beziehung auf diese das Aeussere ist, oder es sich umgekehrt verhält. Im erstern Fall geschieht das Athemhohlen durch Lungen oder Tracheen, im letztern durch Kiemen. Jene Organe nehmen Luft oder Wasser in sich auf, und das Blut kreiset um die Luft oder das Wasser. Diese werden in ihrem Innern von dem kreisenden Blut durch- drungen, und die Luft oder das Wasser wirken auf dasselbe durch die auswendige Fläche der Organe. über die Zahl der Athemzüge und Pulsschläge verschiedener Thiere ge- liefert. (Annales de Chimie. T. XXI. p. 30.) Es sind aber darin mehrere, über 100 für die Minute hinausgehende Zaulen, die sich gar nicht mit Bestimmtheit angeben lassen, *) Biologie. B. 4. S. 124. **) Account of the Arctic Regions and of the Whale-Fishery. Vol, I, p: 541, mals Hierin, und nicht in der Beziehung auf die Beschaf- fenheit des geathmeten Fludium, liegt der Unterschied zwischen Lungen und Kiemen: denn es giebt auch wasserathmende Lungen bei den Holothurien, und luftathmende Kiemen bei den Asseln, Scorpionen und Spinnen. Die Organe der erstern Art bestehen ent- weder in Säcken, zu welchen das Blut ströhmt, oder in Röhren, die zu allen Blut enthaltenden Theilen gehen. Jene sind Lungen, diese Tracheen. Das Athemhohlen durch Lungen ist allen Wirbel- thieren der beiden obersten Ulassen eigen. Weniger allgemein ist dasselbe bei den Amphibien. Von den Thieren der übrigen Classen respiriren durch Lungen nur einige Gasteropoden und die Holothurien. Man würde, wenn die mehrsten der bisherigen Schrift- steller über das Athemhohlen der Würmer Recht hätten, zu den durch Lungen athmenden Thieren auch die Blutegel und Regenwürmer zählen müssen. Diese ge- hören aber bestimmt nicht dahin. Die zu beiden Seiten des Körpers derselben liegenden und sich nach aussen öffnenden Bläschen, die man für Lungen gehalten hat, haben nichts mit dem Athemhohlen gemein, sondern sind absondernde "Theile. Die Lungen aller Wirbelthiere sind häutige Säcke, die Zellen enthalten, auf deren Wänden sich die Blutgefäfse zerästeln. Sie nehmen blos Luft und diese beim ruhigen Athmen vorzüglich durch die Nasen- löcher auf. Es giebt ihrer immer zwei, ausser bei den Schlangen, die von der linken Lunge nur ein Rudiment, 16* 244 oder auch dieses nicht einmal, haben. Die Luft ge- langet zu ihnen aus dem Rachen, und zwar in der Regel durch eine Luftröhre, die aus mehr oder we- niger vollständigen, knorpeligen Ringen besteht. Die Lungen der Mollusken haben weder Zellen, noch eine Luftröhre. Sie sind eine einfache Höhlung, die blos mit einer von einem Schliefsmuskel umgebenen Oeffnung versehen ist, und diese ihre Oeffnung liegt am After, also an dem Ende des Nahrungscanals, welcher dem, woran sie sich bei den Wirbelthieren befindet, grade entgegengesetzt ist. Bei den Holothurien ist sogar der After selber die äussere Oeffnung der Respirations- organe. Diese führt zu einer häutigen Röhre, die sich verzweigt und an ihren äussersten Zweigen in Bläschen endigt. Aber die Bläschen hängen blos traubenförmig an den Zweigen, ohne, wie bei den höhern Thieren, unter sich verbunden und von einer gemeinschaftlichen Haut umgeben zu seyn.*) Nur die Holothurien athmen durch diese Lungen Wasser. Von allen übrigen mit Lungen versehenen Thieren wird darin Luft aufgenommen. Bei den Säugthieren und Vögeln bestehen die Lungen ganz aus Zellen, die so klein sind und so gedrängt an einander liegen, dafs sie sich nur ange- füllt mit Quecksilber und unter dem Microscop er- kennen lassen. Gröfser und weniger zahlreich sind die Zellen und weniger fest ist daher die Substanz der Lungen bei den Schildkröten und Eidechsen.. Die *) Tiedemann’s Anatomie der Röhren-Holothurie u, s. w. S. 11. 245 Lungen der Frösche und Salamander sind blos auf der Innenseite ihrer Haut mit grossen, polyedrischen Zellen besetzt, auf deren Wänden die Blutgefäfse verlaufen. Längs ihrer Axe erstreckt sich eine einzige ungetheilte Höhlung, worin sich die sämmtlichen Abtheilungen öffuien. In den Schlangen ist die Lunge blos noch eine häutige Blase. Die Luftröhre öffnet sich ferner auf andere Art in die Lungenzellen bei den $Säug- thieren und Vögeln als bei den Amphibien. Die 'Thiere der beiden obersten Classen haben eine vielfach sich verzweigende und mit ihren letzten Zweigen sich in die Lungenzellen öffnende Luftröhre, und diese Zellen stehen mit einander in keiner Verbindung. Bei den Säugthieren ist die Verzweigung der Bronchien mehr dichotomisch als bei den Vögeln, wo die letzten Zweige meist seitwärts aus den Stämmen entspringen.*) Man findet daher, wenn man die Lungen der Vögel durch- schneidet, auf der Durchschnittsfläche immer eine, verhältnifsmässig nur geringe Anzahl weiterer Canäle, die ohne merkliche Verminderung ihres Durchmessers in der Lungensubstanz fortgehen und deren Zwischen- räume mit kleinen Bläschen ausgefüllt sind. Die Brou- chien der Vögel legen auch nach ihrem Eintritt in die Lungen ihre knorpeligen Ringe ab und verbreiten sich als blos häutige Canäle; die der Säugthiere hin- gegen behalten ihre knorpeligen Theile noch bis zu ihren letzten Verzweigungen bei. Bei’ den Eidechsen und Schildkröten dringt die Luftröhre unzerästelt in *) Rathke in den Verhandl, der Kaiserl, Acad, der Natuıf. B. XIV. Abth. 1. S. 187. Tab, XVII. fig. 21. Bi... „EN die Lungen und bekömmt nach ihrem Eintritt allent- halben Oeffnungen in ihren Wänden, die zu den, der Luftröhre zunächst liegenden Zellen führen, in welchen letztern es Zugänge zu den übrigen Zellen giebt.*) Die Frösche und Salamander haben keine Luftröhre. Ihre Stimmritze führt zu einer, gleich unter der Muskel- haut des Schlundes liegenden Höhlung, in deren Hintergrund auf jeder Seite ein unmittelbarer Zugang zur Lunge ist. **) Die Lungen aller Thiere, mit Ausnahme der Vögel, stehen mit keinen andern Höhlungen in Verbindung. Die der Vögel aber haben auswendig fünf bis sieben Oeffnungen, woraus die geathmete Luft in grofse, durch eigene Häute gebildete Säcke der Brust, des Halses und des Unterleibs, und bei den meisten auch in die markleeren Höhlungen der Knochen gelangt. ***) *) Ich habe in Rücksicht auf diesen Bau Emys reticulata, Terrapene clausa und Chelonia imbrieata Merr, näher untersucht. Bei den beiden erstern Arten erweitert sich der, jeder Lunge zugehörige Zweig der Luft- röhre, sobald er in sie gedrungen ist, zu einem länglichrunden, knorpel- artigen Behälter, dessen Wände weite Oeffnungen haben. Jedes dieser Löcher führt zu einem aus Zellen bestehenden Sack. Bei Chelonia im- bricata erstrecken sich die beiden Zweige der Luftröhre mit abnehmender Weite und Beibehaltung ihrer knorpeligen Ringe vom vordern bis zum hintern Ende jeder Lunge. Sie haben zwei Reihen gröfserer Oeffnungen und eine Menge kleinerer Löcher, die in die Lungenzellen übergehen. **) Bemerkungen über viele einzelne, doch zum Theil minder wichtige Puncte des Baus der Luftröhre und der Lungen bei den Amphibien von J. F. Merkel finden sich in dessen Arehiv für Physiol. B. IV. S, 60, B.V. S. 213. *») Eine sehr vollständige Beschreibung dieser Luftbehälter enthält Tiedemann?’s Anat. und Naturgesch, der Vögel. B. 1, S. 612fg, Dafs sie nicht blofse Zwischenräume zwischen Verdoppelungen des Herzbeutels und des Bauchfells sind, fand Rathke, A. a. 0. $. 190. 247 Beim Chamäleon hat jede der beiden Lungen lange, eylindrische, an den beiden Enden zugespitzte Fort- sätze, die mit diesen: Enden an der innern Fläche der Bauchhöhle befestigt sind und beim stärkern Ein- athmen so sehr aufgetrieben werden, dafs der Leib davon anschwillt. *) Das Ein- und Ausathmen geschieht endlich auch durch einen ‘verschiedenen Mechanismus in den ver- schiedenen Classen der Lungenthiere. Das Hauptmittel, wodurch die äussere Luft bestimmt wird, in die Lungen zu, dringen, ist für die Säugthiere Erweiterung der Brusthöhle; für die Vögel und einen Theil der Am- phibien Erweiterung;sowohl der Bauch- als der Brust- höhle; für andere Amphibien Ausdehnung der Mund- höhle,, ‚und für die niedern Thiere unmittelbare Aus- dehnung ‚der Lungenhöhle. Die Lungen der Säugthiere liegen. dicht an: den iunera Wänden der Höhlungen, worin, sie sich ‚befinden. Es mufs daher, wenn diese vergrössert werden, die äussere Luft durch die ge- öffnete Stimmritze in die Lungen einströhmen. Die Vergrösserung der Brusthöhle nach den Seiten ge- schieht ‚durch die Zusammenziehung der Zwischen- sippenmuskeln, wodurch die Rippen um ihre Enden ”) Vallisnieri (Istoria del Camateonte afıicano, Venedig. 1714. p- 67. Opere diverse T. I) wollte gefunden haben, dafs die Enden der Lungenfortsätze des Chamäleon in feine Röhren übergingen, welche die Bauchhaut durchbohrten und woraus eingeblasene Luft unter der äussern Haut; hervordränge. Diese Angäbe ist irrig. Ich konnte bei einem Cha- maeleo carinatus Merr. aus jenen Enden weder die mindeste Luft hervorpressen, noch einen Uebergang derselben in luftführende Canäle entdecken. 248 gedrehet, die Mittelstüäcke derselben gehoben und alle Queerdurchmesser des parabolischen Kegels, den sie umgeben, verlängert werden. Diese Verlängerung würde aber auf Kosten der Höhe des Kegels geschehen, wenn nicht die Basis desselben durch den Zwerch- muskel geschlossen wäre, dessen Structur von solcher Art ist, dafs er, sich zusammenziehend, flacher wird und die Axe des Thorax in demselben Verhältnifs verlängert, worin diese durch die Zusammenziehung der Zwischenrippenmuskeln verkürzt wird. Die Vögel besitzen keinen Zwerchmuskel, der die Brusthöhle unten schliefst und von der Bauchhöhle trennet. Ihre Rippen aber bestehen aus zwei Stücken, von welchen das äussere gegen das innere wie ein Hebel wirkt, bei dem die Kraft zwischen dem Ruhe- punct und der Last angebracht ist. Die bewegende Kraft scheint vorzüglich die Zusammenziehung der von Merrem*) unter dem Namen der Erheber der Rippenfortsätze (Musc. sternocostalis s. triangularis sterni Tiedem.) beschriebenen Muskelstränge zu seyn. Indem diese wirken, werden die vordern Stücke der Rippen um die mit ihnen articulirenden Enden der hintern Stücke so gedrehet, dafs der Winkel, den beide mit einander machen, sich vergrössert. Jene vordern Stücke articuliren am entgegengesetzten, äus- sern Ende mit dem Brustbeine, das also bei ihrer Drehung gehoben werden mufs. Dieser Knochen er- streckt sich nicht blos, wie bei den Säugthieren, über *) Verm. Abhandl, aus der Thiergeschichte. S. 151. 249 die Brust, sondern auch über die ganze vordere Hälfte des Bauchs. Es wird daher bei der Erhebung des- selben nicht nur die Brusthöhle, sondern auch die Bauchhöhle ausgedehnt und sowohl um die Lungen als um die Luftsäcke der Brust und des Bauchs ein leerer Raum erzeugt, der ein Eindringen der äussern Luft in die Höhlungen der Organe beider Art zur Folge hat. Diese Erweiterung der Brusthöhle kann indefs auf die Lungen der Vögel nicht von so grofsem Einflufs als auf die der Säugthiere seyn, weil jene an ihrer ganzen hintern Fläche mit dem Rückgrath und den Rippen verwachsen sind. Die Vögel haben deswegen noch ein anderes Mittel zum Einathmen an einem Muskel, der flach wie der Zwerchmuskel, aber in seiner Befestigung von diesem verschieden, sich von den hintern Stücken der Rippen nach der untern Fläche «der Lungen ausbreitet und, indem er sich zusammenzieht, die letztern ausdehnt. Weder bei den Säugthieren noch bei den Vögeln kann das Einathmen ohne Ausdehnung der Bauch- muskeln geschehen. Wenn.diese sich zusammenziehen und die beim Einathmen wirksamen Muskeln erschlaffen, »0 tritt eine, der vorigen entgegengesetzte Veränderung ein: die Höhlungen, worin sich die Luft von aussen ergofs, werden zusammengedrückt; die aufgenommene Luft wird aus ihnen wieder ausgetrieben; es erfolgt das Ausathmen. Sowohl die Inspiration als die Expi- ration kann hiernach ohme eigene Kraftäusserung der Lungen vor sich gehen. Es ist jedoch nicht glaublich, dafs diese sich dabei bles leidend verhalten. Ein Zu- 250 sammenziehungsvermögen, wodurch sie bein Einathmen mitwirken, ist ihnen gewifs eigen. Houstoun, Bre- mond, Herissant, Flormann und Rudolphi haben Beobachtungen ‘gemacht, nach welchen die Lungen auch beim Einathmen nicht ganz unthätig sind.*) Wenn sich auch gegen die Beweiskraft dieser Erfahrungen Einiges erinnern läfst, so ist doch nicht einzusehen, warum Eingeweide, die mit knorpeligen oder faserigen, elastischen Theilen ganz durchflochten sind, nicht durch die Federkraft derselben sollten ausgedehnt werden können. | | Ausser den erwähnten Organen wirken in minderm Grade noch so viele andere Theile beim Athemhohlen der Säugthiere und Vögel mit, die wieder mit allen übrigen in Wechselwirkung stehen, dafs man ‚dem Athmen dieser Thiere einen allgemeinen mechanischen Einflufs auf den ganzen Körper zuschreiben‘ mufs. Die Luftröhre wird beim Einathmen kürzer und weiter, beim Ausathmen länger und enger. Die Stimmritze erweitert sich beim Einathmen. **) Beim stärkern Ein- athmen werden die Nasenlöcher erweitert; der Mund öffnet sich; die Schlüsselbeine und die Schultern ziehen sich in die Höhe, und der Kopf wird zurück- gebogen. Um diese Bewegungen hervorzubringen, gerathen die meisten Muskeln der Brust, des Halses, des Gesichts, des Zungenbeins und des Kehlkopfs in eine Thätigkeit, die zwar beim ruhigen Athmen nicht bemerkbar, doch in geringerm Grade auch dann wohl *) Biologie. B. 4. 8. 135 fg. **) Ebendas. $. 130. 131. 251 vorhanden ist. Die Bewegungen des Zwerchmuskels und die Bauchmuskeln haben bei jeder Respiration auf die sämmtlichen Organe des Unterleibs Einflufs. Die Verengerung und Erweiterung der Lungen endlich wirkt auch mechanisch auf den Blutumlauf. Diese allgemeinen, das Athemhohlen begleitenden Bewe- gungen werden durch jede stärkere und anhaltende Anstrengung der willkührlichen Muskeln des ganzen Körpers, besonders der obern Gliedmaafsen, beschränkt. Daher findet bei einer solchen Anstrengung immer Anhalten des Athems statt. Um dieses ertragen zu können, füllen die Vögel, deren sämmtliche willkühr- liche Muskeln beim Fluge in einer stärkern und an- halternden Spannung als bei irgend einer willkühr- lichen Bewegung der übrigen 'Thiere sind, vor dem Aufschwingen ihre Luftbehälter mit Luft und zehren von dem mitgenommenen Vorrath während ihnen die äussere Luft fehlt. Es mufs daher während ihrem Fluge so jene innere Luft, wie sonst die äussere, von den Lungen eingezogen und ausgestossen werden. Doch erleidet auch wohl in manchen dieser Behälter selber die Luft eine ähnliche, nur geringere Verän- derung wie in den Lungen. Das Männchen des Pe- lecanus Aquila füllt beim Beginnen des Flugs seinen grofsen Kehlsack immer ganz mit Luft an, und die inwendige Haut dieses Sacks ist nach Bourton’s Beschreibung*) so gefäfsreich, dafs sich eine ähnliche Wirkung derselben auf die in ihr enthaltene Luft wie von den Lungen annehmen läfst. *) Transact. of the Linnean Society. Vol. XI. p. 10. 252 Die Amphibien theilen sich in Rücksicht auf den Mechanismus des Athemhohlens, wie in Betreff ihrer ganzen Organisation, in zwei Reihen, wovon die eine aus den Familien der Eidechsen und Schlangen, die andere aus denen der Schildkröten, Frösche und Salamander besteht. Die Thiere der beiden ersten Familien athmen auf ähnliche Art wie die Vögel ver- mittelst ihrer, die Höhle des ganzen Rumpfs um- schliessenden und bei den Eidechsen aus zwei Stücken bestehenden Rippen. Es giebt bei mehrern derselben, wie auch bei der Schildkröte «und Pipa, noch einen Muskel, der die Bauchhöhle verengert und sich als Zwerchfell deuten läfst.*) Allein die Hauptmuskeln, wodurch ihr Athemhohlen bewirkt wird, sind eigene Rippenmuskeln. Ich fand z. B. beim Chamäleon, dessen Rippen an der Brust mit dem Brustbein, am Bauche mit einander verbunden sind und um die ganze Brust- und Bauchhöhle Reifen bilden, ausser den äussern und innern Intercostalmuskeln, die sie mit den hö- hern Thieren gemein haben, noch eigene Muskeln auf der inwendigen Fläche dieser Knochen. Jede Rippe besitzt Einen solchen Muskel, der vom Gelenkfort- satze der Wirbelsäule nach der ganzen inwendigen Fläche des obern Rippenstücks geht, und einen zweiten, der sich von der inwendigen Seite jedes BRücken- wirbels nach dem hintern Rand eben dieses Stücks erstreckt. Jener biegt die Rippen nach innen; dieser zieht sie nach hinten. Beide verengern die ganze *) Biologie. B. 4. S. 131. Meckel’s System der vergl. Anatomie. Th. 3. S. 111.127. 141. 155. 253 Höhle des Rumpfs. Mit diesen Bewegungen steht der Umstand in Beziehung, dafs auch die Schlüsselbeine und Beckenknochen des Chamäleon sehr beweglich sind und bei veränderter Lage der Rippen ihre Lage ebenfalls verändern. Wenn die Schlüsselbeine nach dem Kopf hingezogen werden, während die Rippen- muskeln erschlafft sind, so folgen ihnen die Rippen und es tritt Erweiterung der Rumpfhöhle ein. Der Chamäleon zeichnet sich auch durch einen eigenen, bisher noch nicht beschriebenen Apparat zum Athemhohlen bei verschlossener Stimmritze aus. Es liegt bei ihm auf der untern Seite der Luftröhre, zwischen dem vordern Rand des erstern Rings der- selben und dem hintern Rand des Kehlkopfs, eine kleine @Queerspalte, die zu einer, aus einer festen, fibrösen Haut bestehenden, mit Luft angefüllten Blase führt. Beide Ränder der Spalte setzen sich innerhalb der Blase in einen kleinen dreieckigen, platten, der Epiglottis der Säugthiere ähnlichen Knorpel fort. Diese zwei Knorpel passen mit ihren einander zu- gekehrten Flächen genau auf einander, wie die Blätter einer flachen Zange, und verschliessen die Spalte, wenn der Kehlkopf nach vorne und nach oben ge- zogen ist, begeben sich aber von einander und ge- statten der Luft einen Aus- und Eingang, wenn derselbe sich nach hinten bewegt. Die Bewegung nach vorne und nach oben tritt beim Ausstrecken der Zunge und beim Verschlingen der Speise ein. Das Letztere ge- schieht aber immer auf die Art, dafs das vordere Kinde der umgeschlagenen Zunge den Bissen in den 254 Mund schiebt, wobei die Stimmritze verschlossen wird. Die Luft der Blase hat also während der Zeit, wo das Athemhohlen durch die Stimmritze unterbrochen ist, einen freien Zutritt zu den Lungen und dient dann zur Unterhaltung des Athemhohlens. Bei den Schildkröten, Fröschen und Salamandern sieht man eine Bewegung des Athemhohlens, die man nicht bei den höhern Thieren und den vorigen Am- phibien bemerkt. Ihre Kehle senkt und hebt sich abwechselnd, und die Nasenlöcher werden dabei ge- öffnet und verschlossen. Die Bewegung der Kehle wird vorzüglich durch das Senken und Heben des Zungenbeins, und dieses besonders durch die Sterno- hyoidei bewirkt.*) Oeffnet man einem lebenden Frosch die Brusthöhle, so sieht man die Lungen bald an- schwellen, bald zusammenfallen. Diese Veränderungen erfolgen auch noch, wenn die Lungen aus dem Körper ganz hervorgezogen werden. Sie gehen also unabhängig von der Wirkung der Brust- und Bauchmuskeln vor sich. Das Anschwellen tritt aber nicht mehr ein, wenn die äussere Luft freien Zugang zur Mundhöhle hat. Diese Amphibien hohlen also auf folgende Art Athem: Sie erweitern die Mundhöhle und füllen dieselbe durch die Nasenlöcher mit Luft. Sie verschliessen hierauf die Nasenlöcher, öffnen die Stimmritze und verengern wieder die Mundhöhle. So wird die aufgenommene Luft in die Lungen getrieben. Die Bewegungen der Kehle erfolgen weit häufiger als die Anschwellungen *) Townson observ. physiolog. de amphibüs. P. I. p. 25. ER. A der Lungen. Diese treten nur bei sehr tiefem Ein- athmen ein. Bei den gewöhnlichen Bewegungen der Kehle kann jedesmal nur eine geringe Quantität Luft in die Lungen gelangen. Immer aber mufs zum Ein- athmen die Mundhöhle verschlossen seyn. Frösche, denen man den Mund fortwährend offen hält, müssen daher an Erstickung sterben. Herholdt fand in der That auch, dafs bei Fröschen, die auf diese Weise behandelt worden, der Tod sehr bald eintritt. Ru- dolphi*) sahe zwar Frösche mit offenem Munde wochenlang fortleben. Ich kann aber nicht glauben, was er vermutlet, Herholdt habe die Frösche in Wasser gesetzt, wo sie ertrunken wären. Der ver- schiedene Erfolg läfst sich daraus erklären, dafs die Frösche nach Verschiedenheit des Alters, der 'Tem- peratur der Luft und anderer Umstände bald eine längere, bald eine kürzere Zeit des Athemhohlens entbehren können. Starben doch auch von Fröschen, mit denen Edwards**) den obigen Versuch machte und die dabei nur soviel Wasser hatten, als nöthig war, sie feucht zu erhalten, fünf binnen 24 Stunden, der eine erst nach 7 Tagen. Das Ausathmen dieser Amphibien geschieht zum Theil durch die Zusammen- ziehung der Lungen selber, wie man bei den Fröschen sieht, deren Lungen sich auch bei geöffneter Brust und Bauchhöhle ihres Inhalts entleeren. Doch trägt ohne Zweifel die Zusammenziehung der Bauchmuskeln mit bei, um die geathmete Luft wieder auszutreiben. *) Grundrifs der Physiol. B. 2. Abth. 2. S. 339. **) De Pinfluence des agens phys. sur la vie. p- 68. PN... In Betreff des Athemhohlens der Säugthiere, Vögel und Amphibien läfst sich noch die Frage auf- werfen: Durch welchen Mechanismus verhindert wird, dafs die durch die Nasenlöcher oder den Mund ein- dringende Luft nicht in die Speiseröhre gelangt? Bei allen diesen Thieren ist während dem Athmen der Eingang zur Speiseröhre durch den, gegen die obere Wand des Schlundkopfs gedrückten hintern Theil des Kehlkopfs luftdicht verschlossen. Nur beim Schlingen wird dieser Eingang geöffnet, und zwar durch die Wirkung der Muskeln, die den Kehlkopf nach dem Brustbein herabziehen, also bei den Säug- thieren durch die Sterno-thyreoidei, bei den Vögeln durch die Sterno- und Furculo-tracheales. Bei den Amphibien, denen diese Muskeln fehlen, können nur die Coraco-hyoidei das Oeffnen bewirken, indem sie den hintern Theil des Zungenbeins, mit welchem der Kehlkopf verbunden ist, nach unten und hinten ziehen. Während dem Schlingen ist aber das Athemhohlen aufgehoben. Bei den durch Lungen athmenden Mollusken geschieht die Respiration auf eine einfachere Weise. Zwischen ihrer Lungen- und Bauchhöhle befindet sich. ein Zwerchmuskel, durch dessen Zusammenziehung die Lungenhöhle erweitert wird. Dieser Theil und ein Schliefsmuskel am Eingange zur Lunge, den das Thier willkührlich öffnen und verschliessen kann, ist ihnen zur Aufnahme und zum Austreiben der Luft hinreichend. *) *) Von der Weinbergschnecke (Helix Pomatia) hat Imbert (Journal 257 Die Holothurien können nur vermittelst Expansionen und Contractionen ihres ganzen Körpers und der Lun- genbläschen selber, das Wasser, das sie athmen, aus dem Mastdarme spritzen. Die zweite Art des Athmens, wobei die geathmete Flüssigkeit in Höhlungen gelanget, die vom Blute umspühlt werden, ist die, welche durch Luftröhren geschieht. Die, durch diese Organe respirirenden In- secten besitzen meist am Rande jedes Bauchrings auf beiden Seiten eine Oeffnung (Stigma) zur Aufnahme und Ausleerung der Luft. Die Schmetterlinge haben ausserdem zwei Paar Stigmate an der Brust und Ein Paar am Halse. Bei den Bienen habe ich ausser den Stigmaten des Bauchs nur Ein Paar Luftiöcher am hintern Theil der Brust und keine Stigmate am Halse entdecken können. Den Käfern fehlen die Luftlöcher sowohl an der Brust als am Halse, und die Libellen haben überhaupt nur eine einzige Oeffnung zum Athem- hohlen an der Brust. Bei den vollkommenen Insecten sind die Stigmate im Allgemeinen von doppelter Art: sie bestehen entweder in einem ganz offenen, hörnernen Ring, der zu einer Höhlung führt, aus welcher die Luftröhren entspringen, oder aus einem Ring, in welchem eine Haut ausgespannt ist, die eine Spalte zum Durchgang der Luft hat. Die erste Form kömmt bei den flügellosen Insecten, den Libellen und Hy- menopteren, die zweite bei den Käfern und zwei- flügeligen Insecten vor. Bei den letztern ist die Haut, de Physiologie, par Magendie. T. II. p. 161) den Zwerchmuskel und desseı: Wirkungsart näher beschrieben. 17 N... worin sich die Spalte befindet, mit Muskeln versehen, vermittelst welcher die Oeffnung' erweitert werden kann, und es sind die Ränder der Spalte zuweilen ausgezackt, oder auch mit Wimpern besetzt. Bei den Larven der Gattungen Geotrupes, Cetonia, Melolontha und wahr- scheinlich aller Scarabäiden giebt es noch 'eine dritte Form. Der Ring des Stigma dieser Insecten umschliefst eine steife Haut, die auswendig convex, inwendig concav ist, und auf deren convexen Fläche sich sehr feine Tracheen verbreiten. Sprengel, *) der diese Form an den Larven der Melolontha solstitialis und des Geotrupes nasicornis fand, nennet die Haut sieb- förmig durchlöchert. Ich konnte aber bei der Larve der Cetonia marmorata keine Spur von Oeffnungen darin bemerken. Man sieht auch nichts Durchlöchertes an den von Kaulfufs verfertigten Zeichnungen eines Stigma der Larve des Geotrupes nasicornis in der Sprengel’schen Schrift.“*) Ich glaube daher nicht, dafs bei diesen Thieren die Luft anders als vermittelst Einsaugung durch die erwähnten Luftröhrenzweige in das System der Tracheen gelangen kann. Eine ähn- liche Bildung fand ich auch am Bauch der Formica ligniperda Latr. Es führt hier der ganz offene Ring jedes Stigma zu einer Höhlung mit hornartigen Wänden, deren innere Oeffnug mit einer nach innen gewölbten Haut bedeckt ist, worin man unter einer starken Ver- gröfserung ein Netzwerk und dunkle Puncte, aber keine wirkliche Durchlöcherung findet. Bei den beiden ersten « *) Commentar. de partibus, quibus inseeta spiritus ducunt. p. 2. IN TabIR BURN DB. 0. 259 Formen führt übrigens die Oeffnung des Stigma_ ent- weder grades Weges zum Ursprung der Luftröhren; oder der Ring des Stigma setzt sich erweitert noch bis auf eine gewisse Strecke fort, ehe die Luftröhren ihren Anfang nehmen. Das Letztere ist an den Stig- maten des Bauchs der Bienen, Wespen und Hornissen der Fall. Die Luftröhren - entspringen bei den mehrsten Insecten aus häutigen Säcken, worin sich die Stigmate öffnen, und verbreiten sich verzweigt in allen 'Theilen des Körpers, nur die Flügel und die hornartigen Theile ausgenommen. Bei einigen Insecten steht jeder dieser Säcke mit dem vorhergehenden und folgenden in Verbindung; bei andern giebt es keine Verbindung unter ihnen, sondern nur unter den Stämmen der Luftröhren. Diese Röhren bestehen aus einer zarten Haut, die zwischen engen, schraubenförmigen Win- dungen eines platten, sehr elastischen Draths aus- gespannt ist. Sie verzweigen sich entweder mit gleich- förmig abnehmender Weite und unveränderter Textur; oder sie öffnen sich in Luftsäcke. Das Erstere ist der Fall bei den Apteren, den meisten Käfern, den Raupen, Schaben, Hemipteren und Dipteren; das Letztere bei denen Käfern, deren Fühlhörner eine blättrige Keule haben, (Lucanus, Prionus, Geotrupes), den männlichen Sphinxen, den Heuschrecken, Libellen und Hymenop- teren. Hiernach würden die Luftsäcke denjenigen In- secten eigen seyn, die hoch und anhaltend fliegen, wenn nicht die Dipteren eine Ausnahme machten. Wir werden indefs in der Folge sehen, dafs diese 17* Bi. 0 einen mit dem Schlunde verbundenen Luftsack haben, der ihnen die Stelle derer, worin sich die Tracheen der übrigen Insecten öffnen, zu ersetzen scheint. Die Säcke haben in ihrer Textur weder den elastischen Drath der Luftröhren, noch Muskelfasern. Sie sind nur Bläschen bei den angeführten Käfern, hingegen zum Theil sehr grolfs bei den Sphinxen, Libellen, Bienen und Wespen. Die grössern liegen im Bauch. Bei den männlichen Sphinxen, den Bienen, Hummeln und Wespen ist jede der Höhlungen, zu welchen die Stigmate des Bauchs führen, mit der folgenden durch einen solchen Sack verbunden. Bei den Bienen, Hum- meln und Wespen liegen im Vordertheile des Bauchs zwei Säcke, die von ausgezeichneter Gröfse sind. Oft gelanget die Luft aus jedem Sack durch die dar- aus entspringenden Tracheen noch weiter in kleinere Säcke. So entstehen, wie man vorzüglich bei .den Libellen sieht, deren sämmtliche Luftbehälter in fri- schem Zustande von rother Farbe sind, traubenförmig zusammenhängende Blasen. Hingegen bei den Schmet- terlingen entspringen keine Luftröhren aus den Luft- säcken, und jene erweitern sich auch bei ihrem Verlauf nicht zu solchen Luftbehältern. Die Luftröhren legen, ehe sie sich endigen, ihre elastischen Dräthe ab und vereinigen sich als höchst zarte, blos häutige Zweige so mit den Häuten der übrigen Organe, dafs sie sich von diesen nicht weiter unterscheiden lassen. Wenn man Insecten im frischen Zustande unter Wasser öffnet, so steigen aus ihren durchschnittenen Tracheen Luftblasen auf. Ihre Luftsäcke findet. man 261 bald von Luft ganz ausgedelint, bald zusammengefallen. Bei gröfsern lebenden Insecten sieht man die Spalten der Stigmate sich abwechselnd öffnen und schliessen, und dabei 'sich heben und senken. Alle Insecten er- sticken, wenn man durch Bestreichen der Luftlöcher mit Oel, Gummischleim und dergl. den Zugang der äussern Luft ‘zum Innern ihres Körpers. verschliefst. Die, welche unter Wasser ihrer Nahrung nachgehen und nicht durch Kiemen athmen, oder nicht lange der atmosphärischen Luft entbehren können, bedecken sich beim’ Untertauchen mit einer grofsen Luftblase, woraus sie athinen.*) Diese Sätze sind durch so zahl- reiche Erfahrungen bewiesen, dafs an der Beziehung der Stigmäate und Tracheen auf das Athemhohlen kein Zweifel seyn kann.**) Da .indefs die Luft durch die *) Nitzsch hat die Art beschrieben, wie sich die Dytisken und Hydrophilen bei diesem Bedecken mit Luft benehmen. (Biol. ‚B. 4. S. 150.) Am Körper der Aranea aquatica und des Gyrinus Natator sahe ich immer eine Luftblase, wenn ich sie unter Wasser brachte, ohne dafs sie zur Bildung der Blase willkührlich etwas beitrugen. Bei einer Wasserspinne, der ich ausserhalb dem Wasser die Brust zerdrückt hatte, bedeckte sich, nachdem sie wieder ins Wasser gebracht war, der Hinterleib nach wie vor mit Luft. Sie blieb aber jetzt an der Oberfläche des Wassers hängen und iauchte, ‚wenn ich sie niederdrückte, immer wieder auf. Als ich ihr dann die Haare mit Weingeist bestrichen hatte, sank sie im Wasser ohne Luftblase unter und bekam diese nicht wieder. Es folgt: hieraus: dafs die Wasserspinne sich nicht willkührlich mit Luft bedeckt; dafs nicht: blos der dichte Haarpelz ihres Hinterleibs die Ursache des Luftüber- zugs ist, sondern dafs die Haare einen gewissen Stoff ausdünsten, oder mit einer Materie überzogen seyn müssen, wodurch das Wasser, nicht aber die Luft von den Zwischenräumen derselben abgehalten wird, und dafs das Thier sich, wenn es mit Luft bedeckt ist, nur durch Anhalten vermitielst der Fülse unter dem Wasser behaupten kann. **) Biologie. B. 4: S. 151 fg. 262 Stigmate der Larven von Melolontha, 'Cetonia und Geotrupes nur langsam und in geringer Quantität ein- dringen kann, sie mögen, wie Sprengel'üglaubt, feine Oeffnungen haben, oder, wie ich fand, undureh- bohrt seyn, so können diese Insecten nur wenig Luft in sich aufnehmen. tie "Das Ein- und Ausathmen durch'diese Stigmate kann nur durch Zusammenziehungen ‘des Hinterleibs und der Brust geschehen. Alle Insecten haben Muskeln, ‚die von jedem Ring des Leibes zum folgenden’ gehen, und, indem sie sich zusammenziehen, die Ringe über einander schieben. Hierdurch wird 'die« Länge des Leibes verkürzt, während die Höhe und Breite des- selben nicht zunimmt: Die Capacität der Höhle des Leibes nimmt also ab, die Luftröhren und Luftsäcke werden zusammengedrückt und die Luft wird daraus hervorgetrieben. Bei Erschlaffung jener Muskeln ent- fernen sich die Ringe des Leibes schon vermöge der Klasticität.der knorpeligen Theile, wodurch sie unter sich verbunden sind, wieder von einander,’ und’ es erfolgt mit der Erweiterung der Höhle, die sie um- schliessen, das Einathmen. Die Brusthöhle wird. bei den geflügelten Insecten, die eigene Bruststigmate haben, durch die nehmlichen Muskeln, welche die Flügel in Bewegung setzen, verengert und erweitert. Ks giebt z. B. bei der Biene gleich unter der obern Wand der Brusthöhle zwei Muskelpaare: ein mittleres und ein äusseres. Die beiden Muskeln des ersten Paars erstrecken sich von oben und vorne nach hinten und unten, und liegen mit parallelen Fasern dicht neben 263 mn einander in der Mitte der Brusthöhle;: die des zweiten Paars steigen schief von vorne und unten nach hinten und oben herauf, und füllen den Zwischenraum: zwi- schen dem mittlern Muskelpaar und den Seitenwänden der Brusthöhle. Durch ..die gleichzeitige Zusammen- ziehung beider Paare wird die Brusthöhle sowohl von hinten:nach vorne, als von oben nach unten verengert- Durch eben diese Zusammenziehung, die das, Aus- athmen: zur Folge hat, werden aber auch die Flügel gehoben. Die entgegengesetzte Bewegung bringt Er- weiterung der Brusthöhle ‚und: Einströhmen der Luft in. die Tracheen des Thorax durch die Stigmate des- selben-hervor. Da beim Fluge der Insecten immer ein Wechsel von Heben und Senken der Flügel statt findet, so:respiriten diese 'Thiere beim Fliegen durch die Luft- löcher der Brust. Im Hinterleibe hören unterdels die Bewegungen des Athemhohlens auf. Hingegen sobald sie in Ruhe sind, tritt ein Wechsel von Verkürzung und: Verlängerung des Hiuterleibs ein, während an der Brust keine Veränderung zu bemerken ist. Die Respi- ration der geflügelten: Insecten geschieht also beim Fluge‘ durch die Stigmate der. Brust, in der Ruhe durch die ‘des Bauchs. Als zur zweiten Classe der Organe des Athem- hohlens gehörig haben wir die Kiemen genannt. Diese bestehen in häutigen Blättern, Röhren oder Säcken, in fleischigen Kegeln oder Cylindern. Jeder dieser Theile ist wieder: von doppelter Art: es ver- breiten sich entweder darauf blutführende Gefäfse; oder das Blut ergiefst sich in Höhlungen desselben. 264 ° Bei vielen Thieren liegen diese Organe frei auf der Oberfläche des Körpers; bei andern finden sie‘ sich in Höhlungen desselben. Das Medium, mit welchem sie in Wechselwirkung stehen, ist meist das Wasser, seltener die Luft. In der Art, wie jenes oder diese zu ihnen gelangt und wie sie sich dagegen verhalten, sind so viele Verschiedenheiten, dafs sich nichts Allgemeines darüber sagen läfst. Die Respiration durch wahre Kiemen' erscheint zuerst in der Classe der Amphibien, doch in dieser . nur erst bei den Larven der Frösche und Salamander, bei Hypochton und Siren. Allgemein ist sie bei den Fischen. Alle diese Thiere sind in der Regel wasser- athmend. Sie nehmen das Wasser durch den Mund auf, leeren es aber nicht wieder durch den Mund, sondern durch zwei auf beiden Seiten des Halses liegende Oeffnungen aus. Man kann sie als Säugthiere oder Vögel betrachten, bei denen der erste Halswirbel oder das Hinterhaupt der Träger beweglicher Rippen geworden ist, zwischen welchen es einen Durchgang vom Schlunde nach aussen giebt; bei denen das Zungen- bein mit dem Brustbein entweder ganz verschmolzen ist, oder doch zusammenhängt, und deren Schlüsselbeine sich in bewegliche Deckel der äussern Kiemenöffnungen verwandelt haben, während blos die Schulterblätter den vordern Gliedmaalsen zur Befestigung dienen. Dafs diese Ansicht richtig ist, beweiset; der Bau des Gerippes der kiementragenden Amphibien. *) Zwischen *) Nur die Analogie des Kiemendeckels mit dem Schlüsselbein kann bei dieser Ableitung zweifelhaft seyn. Rusconi spricht in seiner Ab- 265 diesen Thieren und den Fischen ist aber in Betreff der Respirationsorgane der Unterschied, dafs bei den letz- tern die erwähnten Halsrippen, die sogenannten Kiemen- bogen, auf dem ganzen Rand ihrer convexen Seite die mit ihnen im Innern des Körpers liegenden Kiemen tragen, hingegen bei den erstern die eigentlichen Kiemen blos mit den äussern Enden der Kiemenbogen zusammenhängen und ausserhalb der Kiemenhöhle hervorragen, in dieser Höhle an den Kiemenbogen aber‘sich ‘gar keine Organe des Athemhohlens, oder blos einfache, häutige Blätter befinden. \»} «Die: nähern Mittel, wodurch die Aufnahme und Ausleerung des Wassers geschieht, sind bei den Am- phibien und: Fischen‘ von ähnlicher 'Art. Beiderlei Thieren 'erweitern den hintern Raum der Mundhöhle durch‘Herabziehen der Kehlhaut, indem sie den Mund zur» Aufnahme des Wassers öffnen. Bei. den Fischen wölben sich zugleich die Kiemendeckel in der Mitte, während die äussern Kiemenöffnungen geschlossen bleiben, und bei denen, die einen beweglichen Zwischen- kieferknochen haben, schiebt sich dieser über den Ober- — handlung: über die Organe des Blutumlaufs in den Laryen der Wasser- salamander von einem Fortsatz der Kopfhaut, der die Kiemen auf ähn- liche Art wie der Kiemendeckel bedecke, und Siebold hat in seiner Dissertation De Salamandris et Tritonibus, p- 1, diesen Fortsatz gradezu für den Kiemendeckel erklärt. Aber dieser Theil ist bei den Fischen noch etwas Anderes als blosse Bedeckung der Kiemen, und bei den Salaman- dern ist er nicht einmal dies, da hier die Kiemen ausserhalb der Kiemen- höhle liegen. Analog jenem Deckel ist vielmehr der in Fig. 17 der Siebold’schen Schrift bei b vorgestellte Knochen, den Siebold als zum Zungenbeine gehörend beschreibt, womit derselbe doch nur mittelbar zusammenhängt. Be kiefer hervor.*) Indem der Mund: wieder verschlossen wird, 'erheben sich die Kiemen, um: zwischen ‘sich dem Wasser einen Durchgang zu gestatten, und mit ihnen richten sich‘ die Kiemendeckel auf, um dasıin die Kiemenhöhle' ströhmende Wasser auszulassen.' Bei den Fischen zieht sich ‘auch der Schlund ganz» zu- sammen, um das Eindringen des Wassers in die Speise- röhre zu verhindern. Hierauf wird ‘die Mundhöhle durch Hebung der Kehlhaut wieder verengerto und das aufgenommene Wasser durch die äussern Kiemen- öffnungen ausgetrieben. Bei den: Amphibien ‚deren Nasenlöcher sich in die Mundhöhle öffnen; mufs bei der Aufnahme des. Wassers noch: Verschliessung;'.der hintern Nasenöffnungen eintreten. »Einigen‘ Fischen fehlt der Kiemendeckel, und jede Kieme liegt in'einet besondern Höhle, die sich nach aussen: durch eine eigene Mündung öffnet. Zu diesen gehören die Lam= preten. Bei Petromyzon fluviatilis fand ich die äussern Kiemenöffnungen den Stigmaten der Insecten ‘ähnlich: Sie haben 'wie diese eine längliche‘ Spalte ‚zwischen zwei Klappen, von welchen die eine am äussern Rand mit Wimpern besetzt ist. Das Athemhohlen jenes Thiers weicht dabei, nach Rathke’s Beobachtungen,**) von dem der übrigen Fische darin ah, dafs das Wasser durch die äussern Kiemenöffnungen sowohl a per als ausgestossen wird. Die Kiemen der erwähnten Amphibien und Fische *) Duvernoy, Mem. de IP’Acad. des sc. de Paris. A. 1701. p. 318 der Octav-Ausgabe, J. Fischer’s naturhist. Fragmente. B. 1. S. 215. **) Meckel’s Archiv für Physiol. B. 8. S. 47. 267 nennet man gewöhnlich Zweige oder Blätter, worauf die Lungenarterien sich verbreiten und die Lungen- venen mit feinen Wurzeln ihren ' Anfang nehmen. Es finden aber im Bau dieser Organe bedeutende Verschiedenheiten'statt. Sie bestehen aus fleischigen Zweigen, häutigen' Röhren, steifen Blättern, die‘ mit einer gefäfsreichen ‘Haut überzogen sind, oder läng- lichen Gräten, welche eine Scheide von einer solchen, in viele Queerfalten gelegten Haut haben. " Fleischige Stiele mit Zweigen von gleicher Be- schaffenheit, an deren einem Rand eine Vene verläuft, während an dem andern eine Arterie'heraufgeht, sind die Kiemen der Frosch- und Salamanderlarven in der ersten‘ Zeit ihres Larvenzustandes, ‘des Hypochton und Siren. Jene haben aber auch an jedem Kiemen- bogen’ ein’'häutiges Blatt, das ihnen in der spätern Zeit ihres selbstständigen Lebens als FERENEIRER zu dienen scheint. ' Eine röhrenförmige Structur der Kiemen fand ich beim 'Sarıdaal (Ammodytes Tobianus): Jeder Kiemen- bogen dieses Fisches trägt eine doppelte Reihe hohler, häutiger ; vierseitiger Pyramiden,‘ zwischen welchen zarte, steife, behaarte ‚Gräten 'stehen. Auf den zwei schmälern Seiten der Pyramide verlaufen der Länge, auf den zwei breitern der Queere nach Gefäfse, die das Blut zuführen, dessen Rückflufs durch die Höh- lung der Pyramide zu geschehen scheint. Blättrige Kiemen besitzen die Haien, die Rochen, die Nadelfische (Syngnathus) und der Wetterfisch (Cobitis fossilis). Beim letztern glaubt man mit blofsem Bi... Auge an jedem Kiemenbogen zwei Reihen dreiseitiger Pyramiden zu sehen. Unter dem Vergröfserungsglase zeigt sich jede der Pyramiden als bestehend aus ‚einer Menge über einander liegender, auf der einen Seite mit dem häutigen Saum einer dünnen Gräte zusammen= läängender, an den übrigen Seiten unbefestigter Platten, auf welchen sich: die letzten Zweige der 'Kiemen- gefälse verbreiten. | | a Dieser Bau macht den Dreh zu dem,: der bei: den Fischen ‚der gewöhnlichste: ist und den man den zackigen neniienkann. Jeder Kiemenbogen stellt hierbei einen Kamm mit zwei Reihen von Zacken: vor, Die Zacken stehen paarweise neben: einander,! Sie entlialten eine längliche Gräte, die mit 'einer. schlaffen Haut überzogen ist. Diese Haut hat eine Menge pa- ralleler Queerfalten, die bei solchen: Fischen, wo sie stark hervorragen, Blättern ähnlich sind. An der‘Baäsis des Zackens, in einer Höhlung des Kiemenbogens; verläuft inwendig eine Arterie und ‘nach aussen eine Vene. Jene giebt jedem Zacken einen Zweig, der-am innern' Rand! desselben heraufsteigt; diese empfängt einen Zweig, der längs dem äussern Rand des Zackens herabgeht. Aus dem Schlagaderzweig entspringen seit- wärts so viele Reiser, als die Haut des Zackens Falten hat. Die Reiser zerästeln sich auf diesen Falten, und das Blut derselben geht aus ihren letzten Enden in den Venenzweig über. Bei allen wirbellosen Thieren, die durch Kiemen athmen, gelangt das Wasser oder die Luft eben so wenig durch den Schlund zu den Kiemen, wie bei 269 denen, die vermittelst Lungen respiriren, durch ihn zu den Lungen. Ihre Kiemen liegen entweder in Höhlungen, die das Wasser oder die Luft durch die nehmliche Oeffnung wieder auslassen, wodurch sie dasselbe aufnehmen, oder an der Oberfläche des Körpers. Im letztern Falle sind diese Organe oft von häutigen oder hornartigen Platten bedeckt, oft aber auch ohne alle Beschützung. Einige werden durch ähnliche, mit eigenen Muskeln versehene Kiemenbogen, wie es bei den Wirbelthieren giebt, auf und nieder gezogen; andere erhalten ihre Bewegung durch die Fülse, mit denen sie verbunden sind; noch andere verhalten sich gegen den Andrang des Wassers oder der Luft im Ganzen blos leidend. Doch äussern bei vielen der letztern, und vielleicht bei allen, die Kiemen eine anziehende und zurückstossende Wirkung gegen das Wasser, worauf wir unten zurückkommen werden. Am nächster stehen den kiementragenden Wirbel- thieren in der Structur der Kiemen die meisten krebs- artigen Crustaceen. Bei diesen liegen jene Theile zu beiden Seiten der Brust in zwei Höhlungen, die sich neben den Frefswerkzeugen nach aussen öffnen und vor deren Eingang es eine bewegliche Klappe giebt. Sie sind an knorpeligen Bogen befestigt und mit Muskeln versehen, wodurch sie aufgerichtet und nieder- gelassen werden können. Beim Flufskrebs und Hummer bestehen sie theils aus einfachen, fadenförmigen Röhren, die zu beiden Seiten eines gemeinschaftlichen Schafts sitzen, theils aus einer häutigen Platte, in welcher der Länge nach, von der Basis nach dem entgegengesetzten 270 Rand, die Gefäfse unzerästelt verlaufen. Einfacher sind sie bei der Garnele (Crangon vulgaris F.). Hier ist jede derselben ein Schaft, der in der Mitte seiner Länge befestigt und auf: beiden Seiten mit steifen, häutigen Blättchen besetzt ist. Die Squillen, so nahe sie von manchen Seiten den Krebsen stehen, sind doch im Bau der Respiratiousorgane von diesen ver- schieden. Ihre Kiemen liegen längs dem Bauche und jede ist von zwei knorpeligen Blättern bedeckt, mit deren Basis sie zusammenhängt. Die Blätter articuliren mit einer Art von Hüftknochen, durch dessen Höhlung zu ihnen die Muskeln gehen, wodurch sie und die Kiemen bewegt werden. Jede der letztern besteht aus Büscheln dünner, einfacher, höchst zarter, frei im Wasser schwimmender Röhren, die nichts anderes als die letzten Zweige des blutführenden Kiemengefälses sind, und worin, wie schon oben (8. 230) bemerkt wurde, das Blut sowohl zuflielst als zurückkehrt. Wenn man die zu Cyamus gehörigen 'Thiere aus- nimmt, so atlımen auch die übrigen Crustaceen, die nicht Stigmate und Luftröhren haben, mit Ausnahme einiger Gattungen (Lucifer Leach. Mysis Latr.), woran sich bisjetzt noch gar keine Respirationsorgane nachweisen liessen, *) entweder durch blätterartige, oder durch röhrenförmige Kiemen. Aus Blättern be- stehen die Kiemen bei den Branchipoden des Ge- schlechts Apus und den Verwandten desselben, bei den Asseln und den Arachniden; röhrenförmig sind *) Milne-Edwards, Annales des sc. natur. T. XIX. p. 457. 271 sie bei den Daphnien und denen der übrigen Kiemen- füfsler, welche mit den Daphnien einen ähnlichen Bau haben. Sie hängen frei am Leibe oder an den Füfsen bei den Branchipoden. Sie liegen am Bauche unter Kiemendeckeln bei den Asseln, in Höhlungen des Leibes bei den Scorpionen und Spinnen. Die Scor- pionen haben auf jeder Seite soviele Kiemenmassen als Bauchsegmente. Die mehresten Spinnen besitzen deren nur Ein Paar am Anfange des Hinterleibs. Bei De Geer’s Aranea rufa fand ich ausser diesem gewöhnlichen Paar noch ein zweites in der Mitte des Bauchs. Von den blätterartigen Kiemen der Branchi- poden und Asseln besteht jede aus zwei Blättern, die am Rande mit einander verbunden sind und zwischen sich einen Raum enthalten, worin sich das Blut er- gielst, das darin einen Kreislauf macht, ohne in Ge- fälsen eingeschlossen zu seyn. Diese Blätter hängen an der inwendigen Seite ihres Randes mit dem Körper zusammen, an der auswendigen sind sie unbefestigt. Die Kiemen der Arachniden bestehen aus einer grofsen Menge sehr zarter, einfacher, häutiger Platten, die wie die Blätter eines Buchs auf einander liegen und worin ich nur bei De Geer’s Scorpio testaceus, nicht aber beim europäischen Scorpion und bei keiner Spinne Gefäfse habe entdecken können. Die auswendigen Ränder der Platten stehen etwas von einander ab und lassen zwischen sich kleine Räume, worin die Luft eindringen kann. Die inwendigen Ränder liegen auf einander, ohne unter sich verbunden zu seyn. Obgleich man von aussen Luft in die Zwischenräume 272 der Blätter treiben und die Haut, wovon die ganze Kiemenmasse umgeben ist, anschwellen machen kann, so bilden die Blätter doch mit einander keine Säcke. Es können daher diese Theile nicht für Lungen gelten, wofür sie J. Müller erklärt hat.*) Sie sind keiner andern Veränderung fähig als einer Zusammendrückung _ durch die hornartigen Decken, worunter sie liegen; die der übrigen erwähnten, unter Wasser athmenden Crustaceen hingegen werden entweder unmittelbar bei den meisten Krebsen und den Asseln, oder mittelbar durch die Gliedmaafsen, woran sie befestigt sind, bei den Branchipoden bewegt. Eine eigene Abweichung von dieser blätterartigen Structur der Kiemen zeigen die zu Cyamus Latr. gehörigen Crustaceen. Diesen sind die äussern Glieder der Füfse des vierten und fünften Paars in lange, etwas zusammengedrückte Cylinder verwandelt, worin sich unter einer dünnen, doch festen und elastischen äussern Haut eine lockere, poröse Substanz befindet, deren Höhlungen das Blut durch eine Arterie zu- geführt und durch eine Vene wieder entzogen wird. Es kann hierin nur ein langsames Athemhohlen statt finden. Aber bei dem trägen Parasitenleben jener Thiere bedürfen sie auch keiner lebhaften Respiration. Man sieht überhaupt deutlich an den Crustaceen, wie die Zahl, Ausdehnung und Bewegung der Kiemen mit der Lebhaftigkeit der Thiere in Verhältnifs steht. Die immerfort sich bewegenden Apusarten haben eine *) Meckel’s Archiv für Anatomie und Physiol. 1828. S. 41. Isis. B.21. S! 707: 273 auffallend grofse Menge Kiemen, während die in einer Schaale eingeschlossenen und sich darin meist leidend verhaltenden Cyprisarten nur einen kleinen Apparat dieser Organe besitzen. Das nehmliche Gesetz bestätigt sich auch an den wasserathmenden Mollusken, und unter diesen Thieren herrscht ebenfalls eine grofse Mannichfaltigkeit in dem Bau der Kiemen und deren Zusammenhang mit dem übrigen Körper. Die auf dem Boden der Gewässer langsam herumschleichenden Napfschnecken (Ancylus) haben nur ein einziges, kurzes, schmales und unge- theiltes Kiemenblatt, worin sich gar keine Gefäfse unterscheiden lassen. Bei den sehr beweglichen Ce- phalopoden ist die Hälfte der Bauchhöhle von zwei grolsen, kegelförmigen Eingeweiden ausgefüllt, die ganz aus über einander geschichteten, vielfach ge- theilten und mit grofsen Blutgefäfsen versehenen Kiemenblättern bestehen. Zwischen diesen beiden äus- sersten Gliedern giebt es eine sehr grofse Verschieden- heit der Formen. Die Gattung Pleurobranchus respirirt auch durch Ein Kiemenblatt, wie die Napfschnecken. Aber bei ihr ist dasselbe vielfach sowohl der Länge als der Queere nach gefalten. Die Meerohren (Ha- lyotis) und Patellen haben statt dieses Einen Blatts eine Menge ähnlicher, reihenweise gestellter, zacken- förmiger Blättchen, wie die meisten Fische. In mehrern Gattungen der Gasteropoden bestehen die Kiemen aus vielen Fäden wie beim Sandaal. Von dieser Form entfernen sich dieselben wieder ganz bei den Aplysien, deren Kiemen häutige Säcke sind, worin 18 274 sich das Blut der Hohlvenen ergiefst und auf deren Wänden sich die Kiemenvenen zerästeln. In manchen andern, den Aplysien verwandten Gattungen, z. B. Doris, scheint eine ähnliche Structur vorhanden zu seyn, hur mit dem Unterschiede, dafs die Säcke hier in baumförmig zerästelte Röhren verwandelt sind. Wieder ein anderer Bau findet sich bei den kopflosen Muschelthieren. Bei den meisten derselben liegen auf jeder Seite des Bauchs vier Blätter, die mit ihren auswendigen Rändern paarweise verbunden sind. Jedes Blatt besteht aus einfachen, parallelen Queergefäfsen, von welchen ein weiteres zwischen mehrern engern steht. Die weitern sind Zweige der rückführenden, die engern Zweige der zuführenden Gefälsstämme. Diese Stämme verlaufen, über einander liegend, am inwendigen Rand jedes Blatts. Die engern Gefäfse jeder zwei, mit einander verbundenen Blätter scheinen am gemeinschaftlichen äussern Rand der letztern sich in eine gemeinschaftliche Ader zu öffnen. Die Höhlung jedes der weitern Gefäfse solcher zwei Blätter öffnet sich in den Zwischenraum zweier Häute, die von dem einen Blatt zum gegenüberstehenden gleichartigen Ge- fäfs des andern Blatts gehen, und steht hierdurch mit der Höhlung der letztern in Verbindung. *) *) Der neueste Schriftsteller über das Gefäfssystem der kopflosen Mollusken, Bojanus, hat die eigentlichen zuführenden Kiemengefäfse dieser Thiere gar nicht gekannt, einen Theil der rückführenden dafür angenommen und überhaupt in seiner Schrift über die Athem- und Kreislaufwerkzeuge der zweischaaligen Mollusken eine ganz unrichtige Beschreibung von dem Blutumlauf der Muschelthiere gegeben. Die zu- führenden Kiemengefäfse sind äber freilich bei den Anodonten, auf 275 So verschieden wie der Bau dieser Kiemen ist auch der Zusammenhang derselben mit dem übrigen Körper der Mollusken. Es giebt keinen Theil, woran nicht bei irgend einer Gattung die Kiemen befestigt sind. Bei den Cirropoden befinden sie sich vorne in der Nähe des Mundes; bei Thetys, Scyllaea, Eolidia und Tergipes zu beiden Seiten des Rückens; bei Phyllidia, Pleurobranchus, Ancylus, Halyotis, Patella u. s. w. auf der Seite des Körpers zwischen dem Fufs und dem Mantel; bei Doris hinten am After; bei den kopf- losen Schaalthieren auf der untern Seite des Bauchs zu beiden Seiten des Fulses, entweder frei liegend, oder eingeschlossen in einem vom Mantel gebildeten Sack; bei den Cephalopoden im Innern des Leibes. Sie haben alle dies mit einander gemein, dafs sie beim ‚Athemhohlen nicht solche automatische Bewegungen wie die Kiemen der Fische äussern. Nur bei der Erneuerung des geathmeten Wassers verhalten sich mehrere Mollusken selbstthätig. Die kopflosen Schaal- thiere nehmen von Zeit zu Zeit frisches Wasser in den Zwischenraum ihres Mantels auf, worin die Kiemen liegen, und geben das geathmete wieder von sich. Beiden Gattungen Chama, Mya, Solen u. s. w. deren Mantel rings um die Kiemen einen Sack bildet, setzt sich dieser in zwei muskulöse Röhren fort, wovon die eine zum Einziehen, die andere zum Ausstossen des Wassers dienet. *) welche sich seine UNtersuchungen beschränkten, nicht leicht zu entdecken wenn man sie nicht schon in andern Muschelgattungen erkannt hat. *) D’Argenville (Zoomorphöse. p. 51) erzählt von einem dieser 18* 276 "In der Classe der Anneliden hat ebenfalls fast jede Gattung eine andere Structur und Lage der‘ Kiemen. Diese 'Thiere athmen das Wasser entweder an der Oberfläche, oder im Innern des Körpers. Ihre äussern Respirationsorgane sind häufig baumförmig verzweigte Kiemen, die ganz aus Blutgefäfsen bestehen. Solche finden sich bei Terebella, Amphinome und Arenicola.*) Bei Serpula und Sabella bilden die Kiemen Reihen von Fäden. Die Amphitriten und einige 'Nereiden haben ähnliche blätterförmige Kiemen wie die Fische und einige Crustaceen. Bei Serpula, Sabella, Terebella und Amphitrite stenen diese in der Nähe des Mundes, bei Arenicola zu beiden Seiten des Vorderleibs,: bei Amphinone auf beiden Seiten des ganzen Körpers. Bei einigen Nereiden sind sie an den Fülsen befestigt. Sie bewegen sich nicht auf und ab wie die Kiemen der Fische, können aber meist von dem Thier ein- gezogen und ausgestreckt werden. Viele Ringwürmer athmen das Wasser im Innern des Körpers. Von den Aphroditen habe ich an einem andern Orte *) gezeigt, dafs sie auf dem Rücken eine Thiere: das Wasser werde von demselben fast bis 15 Fufs weit fortgespritzt. Dieses heftige Ausstossen geschieht aber vielleicht nicht duxch eine der Röhren des Mantels, sondern durch einen nach aussen offenen und von sehr starken Muskelfasern umgebenen Canal des Fufses. Wenigstens fand ich eine solche Höhlung in diesem Theil hei Solen Ensis. *) Pallas (Miscellan. zoolog. p. 136) sagt von der Terebella con- ehilega: Singula branchia vera est arteria, omnibus suis ramis libera et cute obvestita, quae in vivo animale sanguine plena omnibus ramulis subriget et abscissa liquorem tenatiusculum, coceineum effundit, post mortem vero animaleuli; flaccescit. In omnibus ope microscopii sanguinis quendam eirculum egregie conspexit amieissimus Sandifort. **) Zeitschr. für Physiologie. B. 3. S. 157. großse Queerspalte undan den Seiten ‚des Körpers mehrere kleinere ‚Oeffüungen - besitzen, wodurch. das Wasser einen freien Zugang zum Innern ihrer Bauch- höhle hat,'in welcher! sehr feine 'Gefäfse: schwimmen, die von den blinden Anhängen des Darmcanals ent- springen»'und« Kiemengefäfse zu seyn scheinen. Die Rückenschilder dieser 'Thiere, ‚die man für Respira- tionsorgane gehalten hat,..können keine Verrichtung beim: Athmen haben, wohl: aber Schwimmblasen seyn. Die.kleinen Schuppen; die unter der äussern Rücken- haut in: ders Nähe ‘der Seitenöffnungen «des Körpers sitzen und durch eigene‘ Muskeln auf und; nieder ge- zogen’ werden, dienen nursiisofern mit zur Respiration, als sie‘ die »Bewegung des’Wassers in der Brusthöhle zum !Behuf (dieser ‚Function vermitteln. Im Innern des Körpers, ‘und: zwar im hintern Theile desselben, wird auch‘ 'von: den 'Naiden das Wasser geatlimet. Man sieht "bei: Nais: proboscidea: in ‚der Nähe..des. Afters eine» wasserlielle ‚Flüssigkeit, „die immerfort: in ‚einer rieseliden Bewegung ist, und bei Nais coeca ‚eine ähnliche Bewegung; in den lanzettförmigen Anhängen des: Schwanzendes. O.-F. Müller,*) der diese Be- wegung sentdeckte,. erklärt ‚sich nicht über ‚die Be- schaffenheit der Flüssigkeit, worin sie statt findet. Gruithuisen**), glaubt. gesehen: zu haben,’ dafs die Erscheinung von „feinen Bewegungshaaren” kömmt, wodurch das Thier Wasser in den Mastdarm einzieht. Er: giebt aber: nicht: an,.-weo: diese Haare ihren Sitz *), Von’ Würmern..:S.. 28. 95. **) Verhandl. der Kaiserl. Acad. der Naturf. B. XI. Atbh. 1. S. 238. 278 haben und wie sie das Einziehen und Rieseln des Wassers bewirken. Dals die Flüssigkeit Wasser ist, welches von Aussen in die Naiden gelangt und zum Athemhohlen dienet, hat alle Wahrscheinlichkeit. Durch welche Oeffnung sie aber aufgenommen wird, ob sie sich im Mastdarm, oder ausserhalb: demselben befindet, und woher die Bewegung derselben rührt, darüber habe ich mir bei der Nais proboscidea keinen Aufschlufs verschaffen können, obgleich ich dieselbe oft in Rücksicht auf diese Puncte beobachtete. Es ist mir aber sehr wahrscheinlich, dafs sie von einer \an- ziehenden und zurückstossenden Wirkung herrührt, welche gewisse innere Theile der Naiden: auf das Wasser äussern. Eine solche sieht man unter andern an den Fühlblättern und Kiemen der Muschelthiere. Es finden dabei auf der Oberfläche der Fühlblätter wellenförmige Zusammenziehungen und Ausdehnungen, die von einer Stelle zur andern fortschreiten, und im Innern derselben höchst schnelle, zitternde Bewegungen flimmernder Puncte statt. An den Kiemen konnte ich blos diese innern, nicht aber äussere Bewegungen wahrnehmen. ' Die flimmernden Puncte bleiben noch und setzen ihr Zittern fort, wenn man "auch jene Organe durch Zerdrücken ganz in eine 'Gallerte ver- wandelt hat.*) Ich glaube endlich, dafs’ die ‘Blutegel *) Diese Bewegungen entdeckte zuerst De Heyde (Anatome mytuli. $. 11. 36. 37) am Mytilus edulis. Er nannte sie Motus radiosus. Erman theilte Beobachtungen darüber in den physicalischen Abhand- lungen der Berliner Academie der Wissenschaften (J. 1816-17. S. 214) mit. Ich beschrieb sie näher im 3ten Bande der Vermischten Schriften (S. 239) nach Beobachtungen an der Entenmuschel. Die dabei vorgehende Anziehung 279 ebenfalls eingesogenes Wasser, und zwar im Magen, respiriren. Die zu beiden Seiten des Körper: dieser Thiere liegenden und sich ‚durch einen kurzen, sehr engen Ausführungsgang auf: der Oberhaut öffnenden Bläschen, die man für. Organe des Athemhohlens gehalten hat, sind offenbar secernirende Organe, die mit dieser Verrichtung nichts gemein haben können. Der vielkammerige Magen des Blutegels ist aber in- wendig mit. einer sehr zarten, gekräuselten Haut aus- gekleidet, zu ‘welcher höchst feine Zweige der auf seiner auswendigen Fläche liegenden großen Gefälse gehen.,Er steht dabei nicht in offener Verbindung mit dem Darmcanal, ist mehr. Behälter zur Aufbewahrung der verschluckten nährenden Flüssigkeit als Verdauungs- und Abstossung des Wassers nahm Steinbuch. (Analeeten neuer Beob- achtungen und Untersuchungen f. d. Naturkunde. Fürth. 1802. S. 46. 39) auch an den Kiemen der Wassersalamander- und Froschlarven und au den Armen des Federbuschpolypen wahr. Neuerlich. ist, sie von Sharrey nicht nur als an den Kiemen, sondern auch auf der Oberfläche der Haut der Frosch- und Salamanderlarven, und au den Kiemen der wasser- athmenden Gasteropoden, einer Amphittite und der Actinien sich zeigend beschrieben. (The Edinburgh med. and surgical Journal. 1830. July. Froriep’s Notizen aus dem Gebiet der Natur- und Heilk. 1830. N. 618.) Er hat aber, unbewandert in dem, was Andere vor ihm darüber gesagt hatten, die sonderbaren, im Innern jener Organe, bei den Muschelihieren statt findenden Bewegungen nicht deutlich wahrgenommen, sondern Jeitet die Erscheinung von Wimpern ab, womit die Kiemen besetzt seyn sollen. Solche. Theilchen fand Steinbuch auf den Armen des Federbusch- polypen, aber nicht auf den Kiemen der Wassersalamander- und Frosch- larven. O0. F. Müller sahe die flimmernden Puncte blos abgesondert von den Kiemen, und beschrieb sie als eine Art seiner Infusoriengatiung Leucophra (Zool. Dan. Vol. U. p. 14.) Man mufs sie auf jeden Fall, da sie beständig in den erwähnten Organen der Muschelthiere vorkommen, für Wesen halten, die zwar. selbstständig sich bewegen, doch zugleich integrirende Theile der Werkzeuge des Athemhohlens dieser Thiere sind. 280 werkzeug, und mufs beim Ansaugen des Egels unter Wasser. dieses immer mit aufnehmen. Er hat daher die Erfordernisse eines Respirationsorgans. Es kann seyn, dafs auch der Gordius und andere Ringwürmer, an denen'gar keine äussere Theile sind, die sich auf das Athemhohlen beziehen können, ‘innere Höhlungen haben, die mit Wasser zum Respiriren gefüllt werden. Allein da der: ganze Körper dieser Thiere das Wasser wie ein Schwamm 'einsaugt, so’ ist kein Grund vorhanden, solche Höhlungen und überhaupt eigene Respirationsorgane in denselben "anzunehmen. Ein solches Einsaugungsvermögen besitzt ‘auch die Substanz der sämmtlichen Entozoen, Echinodermaten, Acalephen und Zoophyten. Bei einigen’ wird’ die Ein- saugung durch eine dicke Oberhaut verhindert. Zu diesen gehören die Holothurien, die noch eigene Organe zum, Athemhohlen haben, weil es: bei ihnen keine Zugänge von’ aussen zu den Zwischenräumen der Eingeweide giebt und ihr regeres Leben einer stärkern Respiration bedarf. Hingegen bei den langsam sich bewegenden Asterien und Seeigeln (Echinus) sind dergleichen Zugänge vorhanden, und bei diesen lassen sich auch keine eigene Respirationsorgane nachweisen. Viele Zoophyten sind mit Schwimmblättchen oder Wimpern besetzt, welche Bewegungen machen, die einige Aehnlichkeit mit den Bewegungen der Kiemen der höhern 'Thiere haben. Man hat diese Organe für eine Art von Kiemen gehalten: Mehrern Acalephen dienen sie in der 'That als solche und zugleich als Buderwerkzeuge. Sie enthalten bei diesen Thieren feine 281 Gefälse, die sich an ihren Enden in Zweige spalten.*) Für manche Polypen sind sie aber‘'blos Mittel zur Erregung von Strudeln im Wasser, wodurch entweder Nahrungsmittel zum Munde geführt werden, oder das Wasser an der Oberfläche des Körpers erneuert wird. Dafs sie selber hierbei als Kiemen wirken, ist nicht glaublich, da sie nicht die weiche, saftreiche Be- schaffenheit haben, die zu dieser Wirkung erforderlich seyn würde. *) Eschscholtz’s System der Acalephen. S. 16. 282 Innere Bewegungen, die sich auf die Aufnahme und Verdauung ‚der Nahrungsmittel beziehen. Jeder Theil des thierischen Körpers nimmt den Stoff zu seiner Erhaltung aus dem Blute. Dieses be- darf, um zur Ernährung tüchtig zu seyn, des Athem- hohlens. Die Quelle aber, woraus dieses selber stets ersetzt wird, sind vorzüglich die im Nahrungscanal verähnlichten Nahrungsmittel, deren Aufnahme durch Bewegungen geschieht, die meist zu den willkühr- lichen gehören, und welche theils durch mechanische, theils durch chemische Einwirkungen weiter verändert werden. Wir betrachten für jetzt die Verdauungs- werkzeuge nur erst von Seiten ihrer mechanischen Wirksamkeit, wovon wir im Obigen auch die Organe des Athemhohlens ansahen. Die Nahrungsmittel werden entweder durch Saugen, oder durch Verschlingen aufgenommen. Durch Saugen nähren sich keine Wirbelthiere, als nur die Säugthiere, und diese nur in der ersten Zeit nach der Geburt. Die Ingestion durch Verschlingen, oder die Ernährung durch feste Nahrungsmittel, ist also von einer gewissen Seite ein Kennzeichen der höhern thierischen Bildung. Indefs unter den wirbellosen Thieren stehen nicht alle verschlingende höher als die saugenden. Der so einfach organisirte Armpolyp verschlingt seine Beute; hingegen sind die sämmtlichen, so sehr viel höher stehenden, zweiflügeligen Insecten saugende Thiere. Zu den letztern gehören überhaupt alle Gattungen, die sich von thierischen oder vegetabilischen Säften nähren, also die sämmtlichen Eingeweidewürmer, die Lernäen, die Blutegel, die Spinnen, die Gattungen Caligus M. Argulus M. Cecrops Leach. und Dichel- estium Herm. unter den Branchipoden, die sämmt- lichen milbenartigen Insecten, die Gattungen Pediculus und Pulex, die Dipteren, Hymenopteren, Lepidopteren und Hemipteren im ausgebildeten Zustande und die Säugthiere vor dem Ausbruche der Zähne, Das Saugen geschieht da, wo es eine beständige Verrichtung ist, entweder durch einen Rüssel, oder durch einen Saug- stachel. Mit einem Rüssel sind bei mehrern wirbellosen Thieren ähnliche schneidende Werkzeuge verbunden, wie. die sich durch Verschlingen nährenden Thiere besitzen. Es sind z. B. die Blutegel mit einer Art von Zähnen und die Spinnen mit Frefszangen versehen. Die Saugstacheln sind sowohl verwundende als sau- gende Organe bei den Hemipteren. Sie haben neben sich eigene stechende und bohrende Werkzeuge bei den Dipteren und den Milben. Das Aufsteigen der Flüssigkeit in der Höhlung des saugenden Theils er- folgt bei den Hemipteren und wahrscheinlich auch den Milben blos durch 'die Capillarkraft der engen Röhre des Saugstachels. Die übrigen saugenden Thiere besitzen hohle Organe, worin sich die Saugwerkzeuge öffnen, ‘und vermittelst welcher sie darin die Luft verdünnen, indem sie (dieselben willkührlich erweitern. Die Säugthiere bewirken die Verdünnung durch Er- weiterung der Lungen; die Würmer durch Ausdehnung des Magens in Folge einer Ausdehnung der äussern Bedeckungen des Körpers mit deren innern Wänden die äussern des Magens verbunden sind; die Hymen- opteren ebenfalls durch Erweiterung des Magens; dessen hintere Oeffnung dabei durch. eigene‘ Klappen’'ver- schlossen wird; die Dipteren und Bepidopteren durch eine, neben dem Magen liegende, sich in den Schlund öffnende und willkührlicher Zusammenziehwigen' und Ausdehnungen fähige Saugblase. *) ums baum Die meisten verschlingenden Thiere haben Organe, wodurch ihre Beute zerstückelt’ wird. 'Einigei' dienen hierzu Kinnladen mit gezähnten Rändern; "andernvein Mund, ein Rachen, oder’ ein Magen,‘ der inwendig mit Zähnen besetzt ist, und noch’ auern ein Magen mit schwieligen innern Wänden; ‘der reibend’'auf'seinen Inhalt wirkt. Die eigentlichen Kinnladen' bewegensich immer von oben nach unten und! umgekehrt "gegen einander. Sie sind daher nur den Wirbelthierem eigen! Was man bei den Insecten 'Kinnladen und! Kininbacken genannt hat, sind Theile, die’ zwar‘ ihrer Verrichtung nach mit diesen Kauwerkzeugen‘ der Wirbelthiere, ihrer Lage nach aber mit den’ äussern Gliedmaaßsen: über einkommen, worin sie "auch' bei mehrern 'Crustaceen deutlich übergehen. Diese Frefszangen' und Frefs» scheeren bewegen sich immer in horizontaler Richtung von innen nach aussen und von’ aussen nach‘ innen. In‘ anatomischer ‘Rücksicht: sind: den : Kinnladen der Wirbelthiere die Mundtheile der ''Insecten, ‘die 'man *) Ein Weiteres hierüber enthält meine Abhandlung:" Ueber die Saugwerkzeuge der Insecten u. s. w. in den Verm. Schriften. B. 2. S. 93. 285 Ober- und Unterlippe genannt ‚hat, zu vergleichen. Alle diese äussern Freßswerkzeuge gehören zu den Organen der willkührlichen Bewegung und werden durch ähnliche Muskeln wie die äussern Gliedmaafsen in 'Thätigkeit gesetzt. Die Kinnladen und Frefszangen sind nicht bei allen 'Thieren, z. B. nicht bei den Vögeln, zum Zer- stückeln, sondern nur zum Ergreifen der Beute, und nur bei denen Säugthiergattungen, die Backenzähne haben, zum eigentlichen Käuen eingerichtet. Manchen Thieren fehlen ganz die Mittel, mechanisch auf die Zertheilung des Verschlungenen einzuwirken, welche blos durch chemische Kräfte in ihrem Nahrungscanal hervorgebracht wird. Sind weder die äussern Frefs- werkzeuge nocl die gastrischen Säfte zu dieser Zer- theilung eingerichtet, so geschieht dieselbe durch innere, zermalmende Werkzeuge. Bei den Lampreten und Rochen ist die ganze Mundhöhle wie gepflastert mit Zähnen, wodurch das Aufgenommene zerdrückt wird. Die Fische der Gattung Cyprinus zerstückeln dieses am Kingange des Schliundes vermittelst der Zähne ihrer Schlundknochen. Beim Hummer (Astacus mari- nus F.) enthält der 'Theil, den man bei ihm und bei den Krebsen gewöhnlich den Magen nennet, der aber eigentlich eine Mundhöhle ist, drei Arten von Zähnen. Auf jeder Seite stehen drei gröfsere, ganz platte in Einer Reihe dicht hinter einander. Vor diesen be- findet sich ein kleinerer mit kegelförmigen Spitzen, und im hintern Grund der Höhle liegt eine knöcherne Platte, die ebenfalls wie ein Zahn wirkt. Die See- Bi... schildkröten haben eine, ihrer ganzen Länge nach mit hornartigen Stacheln besetzte Speiseröhre, die das Genossene zertheilt, und, da die Spitzen der Stache!n nach hinten gerichtet sind, zugleich den Rückgang desselben verhindert. Für den letztern Zweck fand ich auch beim Carabus granulatus die inwendige Fläche des hintern Stücks der Unterlippe, worüber die Speisen in den Schlund gleiten, mit einer Menge kleiner, von vorne nach hinten gerichteter Stacheln dicht besetzt. Mehrern andern 'Thieren, besonders den körnerfres- senden Vögeln, wird der Mangel an Zähnen durch die schwielenartige Beschaffenheit der innern Fläche ihres Magens, die aus Reaumur’s und Spallanzani’s Erfahrungen bekannte, sehr starke, reibende Kraft desselben, und die Steine, die sie mit ihrem Futter verschlingen, ersetzt. *) Im Magen mancher Seefische wirken die Schaalen der Conchylien und Crustaceen, wovon sie sich nähren, gegenseitig auf einander wie Zähne. Einige Thiere, doch nur wirbellose, haben einen Magen, der selber auf seiner innern, schwielen- artigen Fläche mit wirklichen Zähnen bewaffnet ist. **) Diese sind sogar bei einigen Arten von eben so ver- schiedener Structur und Wirkung wie die Kinnladen- zähne der höhern Thiere. Die Schabe (Blatta orientalis) hat sechs Magenzähne, die strahlenförmig um den ; Mittelpunct des Magens gestellt sind. Keiner der- selben kömmt mit den übrigen in der Gestalt ganz überein. Der eine ist mehr stumpf; zwei sind mehr - *) Biologie. B. 4. $. 315. **) Ebendas. S. 317. 237 nn schneidend, und von den übrigen endigt sich jeder in eine scharfe Spitze. Im Magen des Zuckerthiers ( Lepisma succharinum)) fand ich ebenfalls dreierlei Zähne. *) Die Laufkäfer (Carabus) und Dytisken be- sitzen deren vier gröfsere, platte, und vier kleinere, kegelförmige. - Es giebt Thiere, bei denen die Speisen in einen Behälter von so einfacher Bildung gelangen, dafs sich keine Abtheilungen daran unterscheiden lassen, dafs er selbst nicht einmal einen innern Behälter ausmacht. Das Letztere ist der Fall bei Beroe und den ihr ver- wandten Gattungen der Acalephen. Der Körper dieser Zoophyten ist auf der untern Seite concav. Sie schwim- men mit dieser Seite nach vorne gewendet, umschliessen die kleinen Thiere, die in den Grund derselben ge- langen, indem sie den mittlern Theil ihres Körpers zusammenziehen, und verdauen das Aufgefangene in der Höhlung, welche durch die Zusammenziehung gebildet wird.**) In der Regel aber besteht der Nah- rungscanal wenigstens aus drei Theilen, von welchen jeder seine eigene Form, Textur und Verrichtung hat: einem Schlund, Magen und Darm. Der Darm fehlt allen denen niedern Thieren, die keinen After haben. Bei den meisten derselben ist auch nichts vorhanden, was sich mit einem Schlund vergleichen läfst. Es geht zwar bei einigen Acalephen eine kurze, grade Röhre vom Grund des Magens zu der, dem *) Verm. Schriften von G. R. und L. €. Treviranus. B.2. S. 13. Tab. IH. Fig. 2 — 6. *) Eschscholtz’s System der Acalephen. S. 12. Munde entgegengesetzten Oberfläche ‚des ‚Körpers. Diese ist aber eine blofse Wasserröhre.*) Die höhern Thiere haben immer einen Darm. Doch in manchen Gattungen, z. B. bei Syngnathus Acus, Esox Belone und Cyprinus Tinca ist er vom Magen sowohl im Aeussern, als in der innern Bildung wenig oder gar nicht verschieden. Der Schlund ist eine einfache Röhre bei allen Thieren, die nur durch Eine Oeffnung ihre Nahrung einnehmen. Bei den Wanzen, die sich durch mehrere Saugstacheln nähren, führt der Canal jedes dieser Stacheln zu einer eigenen Röhre, die sich mit den übrigen in einen gemeinschaftlichen Schlund öffnet. **) Er fehlt da, wo die Speisen unzerstückelt und ohne durch Speichel befeuchtet zu seyn, in den Magen gelangen, wie bei den zweischaaligen Mollusken und den meisten Zoophyten geschieht. Dagegen hat er bei denen Thieren, die das Verschlungene schon im Munde durch Zermalmen und durch Befeuchtung mit Speichel in Flüssigkeit verwandeln, zu welchen die Säugthiere, mehrere Insecten und die auf dem Bauch kriechenden Mollusken gehören, an seinem obern Ende einen Fortsatz, den Schlundkopf, der durch Muskeln, die in ihrer Bildung mit den willkührlichen überein- kommen, ohne doch unter der Herrschaft des Willens zu stehen, hervorgestreckt und zurückgezogen wird. *), Eschscholtz a. a. O0. S. 12. **) Eine nähere Beschreibung dieser Bildung von Cimex rufipes habe ich in den Annalen der Wetterauischen Gesellschaft für die gesammten Naturwissensch. B. 1, H. 2, S. 172 gegeben. 289 Dieser Theil ist ganz einerlei mit dem Rüssel der saugen- den Thiere; nur wird er nicht wie dieser bei seiner Wir- kung durch eine Saugblase, wohl aber durch die vor ihm liegenden, muskulösen Theile des Mundes unterstützt, die das Aufzunehmende nach seiner erweiterten Mün- dung hindrücken. Er ist sehr ausgebildet bei den meisten auf dem Bauche kriechenden Mollusken. Viele Thiere haben auch eine Erweiterung am untern Ende des Schlundes, den Kropf. Dieser findet sich immer da, wo ein wahrer Kaumagen vorhanden ist, und ist meist Absonderungsorgan einer Flüssigkeit. Die krebsartigen Crustaceen haben zwar keinen Kropf, obgleich man ihnen einen Zahnmagen zuschreibt. Der letztere ist aber vielmehr, wie schon oben gesagt wurde, ein mit Zähnen besetzter Mund als Magen. Es führt zu ihm kein Schlund, und beim Hummer liegt vor dem hintern Ausgang desselben eine fleischige Zunge. Dafs im Kropf der Vögel eine Flüssigkeit abgesondert wird, ist all- gemein bekannt. Ich fand ihn aber auch bei Dystiscus marginalis und Blatta orientalis auf seiner inwendigen Fläche allenthalben mit Drüsen besetzt. Die Bewegungen des Schlundes bestehen in einem Wechsel von Zusammenziehung und Ausdehnung seiner Wände, die im gewöhnlichen Zustande von vorne nach hinten in ihm fortschreitet und wodurch das Auf- genommene vom Munde zum Magen gebracht wird. Dieser Wechsel wird durch längslaufende und queer- liegende Fasern seiner Muskelhaut bewirkt. In der Muskelhaut des Magens haben die Fasern einen weit mannichfaltigern Verlauf, und hierin unterscheidet sich 19 290 dieses Eingeweide nicht nur von dem Schlunde und Kropfe, sondern auch von dem vordern Theile des Darms, welcher ebenfalls eine einförmigere Textur jener Haut hat. Der letztere ist ausserdem noch durch die Gegenwart von Zotten oder andern, deren Stelle vertretenden Gebilden seiner innern Fläche von dem Magen verschieden und in der Regel auch durch eine Verengerung, oder selbst durch eine Klappe von dem- selben gesondert. Jene Zotten fehlen dem Magen entweder ganz, oder sind doch weniger darin als im obern Theile des Darmcanals entwickelt. Die innere Fläche des Magens ist entweder bewaffnet, oder un- bewaffnet. Der bewaffnete ist auf Zermalmung, der unbewaffnete blos auf Fortbewegung seines Inhalts eingerichtet. Von der verschiedenen Art der Bewaff- nung des erstern war schon vorhin die Rede. Der letztere ist inwendig entweder glatt, oder gefalten. Die Falten sind bald wulstig und verlaufen einzeln der Länge oder Queere nach; bald bilden sie, sich mit einander verbindend, ein engeres oder weiteres Netzwerk, und bald erheben sie sich zu Blättern. Mit dieser Verschiedenheit der Structur ist auch eine verschiedene Wirkung des Magens auf seinen Inhalt verbunden. Im Allgemeinen findet in ihm nicht blos eine von oben nach unten fortschreitende Bewegung, sondern auch eine rückgängige von unten nach oben statt. Beide Bewegungen können in seinen entgegen- gesetzten Wänden 'zu gleicher Zeit vorgehen und auf seinen Inhalt umwälzend wirken. Dafs sie wirklich sich ereignen, beweiset das Zusammenballen der Haare, die sich die Thiere ablecken, zu Bällen (aegagropilae), die nur eine rotirende Bewegung des Magens bilden kann, und das Abschleifen von Steinen und Glas- stücken im schwieligen Magen der hühnerartigen Vögel, welches ebenfalls ohne eine solche Bewegung nicht möglich wäre. Der Magen kann sich aber auch an einzelnen Stellen zusammenziehen und in mehrere Säcke theilen, von welchen jeder dann in gewissem Grade seine eigene Bewegung hat. Diese Theilung sahen Wepfer und Haller bei lebendig geöffneten Thieren.*) Durch sie geschieht es, was Waläus ebenfalls an lebenden Thieren beobachtete, dafs der Magen das Verdaute ausleeren kann, während er mit der Verdauung eines andern Theils der Speise noch beschäftigt ist.**) Sie tritt bei dem Menschen und denen Thieren, die einen einfachen Magen haben, nur unter gewissen Umständen ein und ist nicht dauernd. Bei andern Thieren aber ist sie fortwährend. In der Familie der Nagethiere sieht man deutlich den Uebergang von dem einfachen Magen, der sich nur gelegentlich theilt, zur bestän- digen Theilung desselben. Bei der Hausmaus ist der rechte Theil des Magens von dem linken auswendig blos durch einen weissen Streifen geschieden. Bei Mus Lemmus, Lagurus, gregalis und mehrern andern Mäusen trennt ihn schon eine, inwendig stark hervorspringende Falte in zwei Kammern.**) Die Zahl dieser Ab- *) Biologie. B. 4. S. 383 fg. **) Ebendas. S. 398. ***) Nach Pallas. Nov. spec. quadruped. e glirium ord. p. 203, 215, 223, 246 u. 8. w. 19 * 292 theilungen steigt bis auf drei bei Mus Odconomus und beim Stachelschwein, bis auf vier bei den Faulthieren und den Wiederkäuern, bis auf fünf und sieben bei den Cetaceen. Mit dieser Vervielfältigung der Höh- lungen des Magens wird zugleich der innere Bau und die Bewegungsart derselben mannichfaltiger. Im vierfachen Magen der Wiederkäuer findet sich jede der erwähnten, verschiedenen Bildungen der innern Magenfläche. Die Kammer, die man für den zweiten Magen dieser Thiere ansieht, obgleich sie eigentlich der erste ist, da sich der Schlund unmittelbar in sie öffnet, (die Haube, reticulum) hat ein Netzwerk von Falten, in dessen Maschen kleine steife Wärzchen stehen. Die folgende, die für den ersten Magen gilt, in der That aber, da sie die Speise aus der Haube empfängt, die zweite ist, (der Pansen, rumen) hat kein solches Netzwerk, dafür aber weit gröfsere platte Papillen und eine starke Muskelhaut. Diese ist als eine Art von bewaffnetem Magen zu betrachten. Die dritte (der Blättermagen, omasum) enthält zahlreiche und stark hervorragende, blättrige, die vierte (der Laab, abomasum) längslaufende, wulstige Falten. Dieser ver- schiedenen Structur entspricht ein anderes Verhalten der zweiten Kammer als der dritten gegen gekäuete und ungekäuete Speisen. Die zweite, nicht aber die dritte, nimmt das von den Schneidezähnen blos erst abgeschnittene, noch nicht zermalmte Futter auf, weil die obere Mündung der dritten sich dem Eindringen desselben durch Verschliessung widersetzt. Die zweite treibt dasselbe nach einiger Zeit vermittelst einer, durch die Haube und den Schlund fortgehenden rückgängigen Bewegung wieder in den Mund, um von den Backen- zähnen ganz zermalmt zu werden. Beim Verschlucken des Wiedergekäueten tritt eine Rinne in Thätigkeit, die von der Haube zur dritten Kammer geht und sich sowohl in diese, als in den Pansen öffnet. Die Oeff- nung derselben in den letztern, die vorher offen stand, während die obere Mündung des Blättermagens zu- sammengezogen war, wird jetzt verschlossen, indem die Ränder der Rinne sich an einander legen und einen vollständigen Canal bilden, der unmittelbar von der Haube in den Blättermagen führt. *) So gehen in den Magenkammern der Wiederkäuer Bewegungen vor, die ganz den Schein der Willkühr haben. Sie stehen jedoch nicht blos mit dem Wieder- kauen in beständiger Verbindung. Auch der einfache Magen des Menschen und vieler Thiere gestattet nur dem Verdaulichen den Durchgang durch seine untere Oeffnung und wirft das Unverdauliche durch Er- brechen wieder aus. Bei mehrern Vögeln und Fischen ist dieses eine regelmäfsige Ausleerung, wodurch sie sich der Bestandtheile ihrer Speisen, die sich nicht in Nahrungssaft verwandeln lassen, entledigen. Die Bienen geben ebenfalls den Blumensaft, den sie in Honig verwandelt haben, durch Erbrechen wieder von sich, obgleich eben dieser Honig ihnen in der Folge *) Dafs bei den Wiederkäuera die Haube es ist, die zuerst aus dem Schlund sowohl das ungekäuete als das gekäuete Futier aufnimmt, hat Vink (Vorlesungen über das Wiederkäuen des Rindviehs. Leipz. 1779) gegen Camper. behauptet, und die Art, wie sich der Schlund in die Haube öffnet, spricht allerdiugs für seine Meinung. 294 wieder als Speise dient. Die Rinne, die bei den Wieder- käuern das unzermalmte Futter zum Pansen, das zer- malmte zum Blättermagen führt, findet sich auch beim Faulthier, das doch nicht ruminirt. Das Wiederkäuen endlich wird auch vom Hasen und Kaninchen ver- richtet, deren Magen von ähnlicher Bildung wie bei den meisten mäuseartigen Nagern ist. *) Wenn in der Bildung des Magens Alles eben so sehr und oft mehr auf mechanische als chemische Wirkung gegen dessen Inhalt berechnet ist, so läfst sich dagegen an der Structur des auf ihn folgenden Theils der Darmröhre die mehr chemische als me- chanische Wirksamkeit nicht verkennen. Dieser, für den die Benennung des Flocken- oder Zotteu- darms (intestinum villosum) allgemein passender als die des dünnen Darms ist, hat zwar nur bei den Wirbelthieren Flocken auf seiner innern Fläche. Aber bei den wirbellosen 'Thieren ersetzen andere Gebilde die Stelle derselben. Die, durch Luftröhren athmenden Insecten haben statt derselben zwischen der innern, sehr dünnen und der äussern Haut jenes Darms_ ein ungeformtes Schleimgewebe, das den flüssigen Inhalt des Darms einsaugt und davon anschwillt.**) Bei den *) Biologie. B. 4. S. 401. 388. 389. **) Ramdohr und andere Schriftsteller über die Anatomie der In- secten haben Abtheilungen des Nahrungscanals, welche dieses Schleim- gewebe enthalten, Magen genannt. Obgleich aber überhaupt im Thierreiche die Struetur des Magens an der des Flockendarms: in Rücksicht auf die Gegenwart der Flocken oft Theil nimmt, so ist doch die Abtheilung, worin die Flocken oder die Theile, die deren Stelle vertreten, vorzüglich entwickelt sind, nicht dem Magen, sondern dem Flockendarm der Säug- thiere zu vergleichen. BB übrigen wirbellosen Thieren zeichnet sich diese innere Haut ebenfalls durch grofse Zartheit und zugleich durch einen grofsen Reichthum an Venen aus, die in ihr wurzeln. Die Flocken, womit sie bei den Wirbel- thieren besetzt ist, sind bei den mehresten Säugthieren und Vögeln fadenförmige Fortsätze; bei einigen der- selben, bei den Amphibien und Fischen zarte, durch vielfache Anastomosen zu einem Netzwerk verbundene Falten. Sie erhebt sich auch bei mehrern Thieren, besonders beim Menschen, zu halbmondförmigen Klap- pen, beim Haifisch zu einer langen, durch den ganzen Darm fortgehenden, spiralförmigen Valvel von sehr zusammengesetztem Bau, und bei mehrern Insecten, vorzüglich bei den Hymenopteren, so wie bei den Patellen, zu ringförmigen Queerscheidewänden. Die Klappe des Flockendarms der Haien besteht aus einer Duplicatur der innern Haut dieses Darms. Sie stellt, wenn sie von der innern Fläche des letztern getrennt ist, beim Dornhai ein, ungefähr einen Zoll breites Band vor, das aufgerollt dreimal so lang als der Darm, in’ sechszehn schneckenförmigen Windungen aufge- wickelt ‘und‘ mit ihrer äussern Fläche an der innern des Darms befestigt ist. Dieses Band ist aber nicht nach 'Einer, sondern bei jeder Windung‘ nach ent- gegengesetzter Richtung aufgerollt. Durch den Gang, den die Windungen bilden, nimmt der Chylus seinen Weg, und nur die demselben zugekehrte Fläche des Bandes ist mit einem einsaugenden Netzwerk bedeckt. Die Queerscheidewände des Flockendarms der Insecten und Patellen liegen in regelmäfsigen Entfernungen von 296 einander, und an den Stellen, wo sie sich befinden, hat der Darm Einschnürungen, die ihm ein geringeltes Ansehn geben. Die Muskelhaut des Flockendarms besteht nur aus längs- und queerlaufenden Fasern. Seine Bewegungen sind daher einfacher als. die ‘des Magens. Doch gehen auch in ihm bei jeder. Ver- dauung Bewegungen nicht nur von oben nach unten, sondern auch von unten nach oben vor. Die auf- steigenden treiben aber im gesunden Zustande den Speisesaft nicht bis in den Magen zurück, als nur bei einer einzigen Thierfamilie, die zu diesem Rück- gang einen ganz eigenen Bau des Darmcanals hat, bei den Cicaden. Der Flockendarm dieser: Insecten entspringt aus dem hintern Ende des Magens, kehrt zu einer der Seiten desselben zurück und inserirt sich darin wieder. Der folgende, zum After gehende Theil der Darmröhre entspringt, ganz getrennt‘ von’ jenem, aus einer andern Stelle des Magens.*) Es ‚geht also, wie bei den Rindern ein Wiederkäuen im Munde, so hier ein Wiederverdauen im Magen vor. Einen Bau des Flockendarms, der auf eine noch andere Art von dem gewöhnlichen sehr abweicht, zeigen mehrere Wanzenarten. Statt eines einfachen Flockendarms;haben diese vier solcher Därme, die gemeinschaftlich aus'der untern Magenöffnung entspringen, dicht aneinander liegend zum folgenden Darm gehen, und nicht hohl, *) Meckel (Beiträge zur vergl. Anat. B. 1. H. 1. S. 1) entdeckte diese Bildung bei Tettigonia plebeja F. und Ramdohr (Abhandl. über die Verdauungswerkzeuge der Insecten. S. 199) bei Cercopis spumaria F. Ich fand sie auch bei Tettigonia Tympanum F. 297 sondern mit einem schleimigen Gewebe angefüllt sind. *) So öffnet sich auch der lange, sehr weite und durch Queerscheidewände in viele Kammern abgetheilte Ma- gen des Blutegels nicht in den Darm, sondern das hintere, sich diesem anschliessende Ende desselben ist ganz so verschlossen, dafs sich nicht einmal Luft aus ihm in den Darm treiben läfst. **) Der Flockendarm geht bei den Vögeln, Amphibien, Fischen, Mollusken und Würmern unmittelbar zum Mastdarm, ohne sich weiter als darin zu verändern, dafs seine innere Haut die ihr eigene Bildung nach und nach verliehrt. Bei den mehresten Säugthieren und vielen Insecten aber öffnet er sich durch eine verengerte und häufig auch mit einer Klappe versehene Mündung: in einen, zwischen ihm und dem Mastdarm enthaltenen, eigenen Darm, den Grimmdarm (Colon). Diesem fehlen die Flocken, oder die Theile, die deren Stelle vertreten. Die innere Haut desselben ist weniger zart als die des Flockendarms und durch Bündel von längslaufenden, starken Fasern der äussern Haut, oft *) So erschienen mir diese Theile bei Cimex rufipes. (Annalen der Wetterauischen Gesellsch. f. d. gesammte Naturkunde. B. 1. H. 2. 8. 175.) Von etwas anderer Bildung fand sie Ramdohr (a. a. 0. S. 189. 191) hei Cimex prasinus und baccarum. Er beschreibt sie als Halbröhren, die mit ihren offenen Seiten unter sich verbunden und von einer gemein- schaftlichen Lage queerlaufender‘ Fasern umgeben sind.” Dieser Bau kömmt mit dem überein, den ich bei Reduvius serratus antraf,. wo der Flockendarm durch vier längslaufende Einschnürungen in eben so viele Halbröhren abgetheilt ist, deren Höhlungen in der Axe des Darms zu- sammenfliessen. *) Nach Kuntzmann’s Beobachtungen (in dessen Anatomisch- physiolog. Beobachtungen über den Blutegel, S. 36), mit welchen die meinigen übereinstimmen. 298 auch durch Bündel von: Queerfasern, in Zwischen- räumen so eingeschnürt, dafs sie zwischen denselben nach aussen hervortritt und Zellen bildet. Bei manchen Thieren geht das obere Ende. dieses Darms, neben dem Eintritt des Flockendarms, in eine blinde 'Ver- längerung, den Blinddarm des Colons, über, die mit ihm einerlei Bau hat. Zuweilen macht die innere Haut desselben eine Verdoppelung, die in ihm, wie im Flockendarm anderer Thiere, seiner ganzen Länge nach als eine spiralförmige Klappe verläuft. Diese Bildung ist vorzüglich den Nagethieren eigen und gewöhnlich bei denselben mit einem sehr langen Blind- darm verbunden, im welchem sich die Klappe fortsetzt. Ich habe sie aber auch beim’ Chamäleon in derletzten, sehr weiten Abtheilung des Nahrungscanals gefunden, die hier Colon und zugleich Mastdarm. ist. I Der ganze Bau des Grimmdarms beweiset,'dafs in ihm ’ein langsamer Fortgang‘ und selbst‘ ein Auf- enthalt des Verdauten statt finden mufs. Wenn‘er mit einem: Blinddarm verbunden ist, so enthält dieser mit ihm einerlei Materie. Entweder in ihm oder in dem Blinddarm müssen also auch rückgängige Bewegungen vorgehen: denn sonst würde der letztere diese Materie aus ihm oder unmittelbar aus dem Flockendarm nicht aufnehmen können. Die Länge des Colors, die Gegen- wart des Blinddarms an demselben und die Capacität des. letztern steht mit der Lebensweise der. Thiere.in Beziehung. Solche, die immerfort Nahrung zu sich nehmen und doch die Excremente auf längere Zeit bei sich behalten können, wohin viele von:denen gehören, 2% die blos von Gräsern, Blättern und Kräutern leben, haben ein langes und oft mit einem langen oder weiten Blinddarm versehenes Colon. Hingegen ist dieses kürzer und jener oft gar nicht vorhanden bei den mehresten fleischfressenden Thieren, die nur in längern Zwischenzeiten den Hunger stillen und den Koth gleich nach dessen Bildung: ausleeren. Die Raupen, die un- aufbörlich fressen und ein sehr kurzes Colon ohne Blinddarm haben, geben alle Augenblicke Excremente von sich. In der letzten Abtheilung des Darmcanals, dem Mastdarm, kehrt der Bau des Schlundes zurück. Er hat wie dieser meist eine starke Muskelhaut, und auf seiner innern Fläche wulstige Längsfalten. An seinem äussersten Theil, um den After, finden sich ähnliche Muskeln von der Structur der willkührlichen wie am Schlundkopfe. Dieser Theil äussert sogar bei einigen Thieren der niedern Classen, z. B. bei den Larven der Libellen, ähnliche Bewegungen wie der in einen Rüssel verlängerte Schlundkopf, indem er Wasser verschluckt. Der Mastdarm ist;auch zuweilen wie der Schlund mit schwieligen Wulsten oder horn- artigen Plättchen bewaffnet, die keinen andern Zweck haben können, als harte, bei der Verdauung unzer- setzt gebliebene Körper vollends zu zerreiben, um den Durchgang derselben durch den After zu erleichtern. Eine solche Bewaffnung hat der Mastdarm vieler Hy- menopteren.‘. Gewöhnlich ist dieser Darm nur eine einfache Röhre. Doch beim Klipdas (Hyrax capensis Herm.), bei vielen Vögeln und Insecten: geht: sein 300 oberes Ende in einen einfachen oder doppelten blinden Fortsatz über, der von dem Blinddarm des Colons verschieden ist und oft mit der Verdauung in keiner Beziehung steht, indem er z. B. bei den Dytisken als eine Schwimmblase zu dienen*) und bei den Lepi- dopteren eine Harnblase zu seyn scheint. Es giebt also Bildungen des Nahrungscanals, die gar nicht mit der Verdauung in unmittelbarer Be- ziehung stehen. In andern Fällen nehmen aber auch Theile, die sonst nur als Secretionsorgane verdauender Flüssigkeiten wirken, unmittelbaren Antheil an den Verrichtungen des Nahrungscanals. So giebt es blinde Anhänge am Anfange des Flockendarms der Fische, die, wie sich unten ergeben wird, Absonderungs- werkzeuge sind und bei den übrigen Wirbelthieren einen Bau haben, der sie blos zur Absonderung tauglich macht, die aber bei den Fischen auf ihrer innern Fläche dasselbe Netzwerk besitzen, wodurch sich die innere Haut des Flockendarms dieser Thiere auszeichnet, und sich zugleich mit so weiten Mündungen in dem Darm öffnen, dafs, wenn derselbe mit Speisebrei an- gefüllt ist, sie ebenfalls diesen aufnehmen müssen. Mit ähnlichen blinden Anhängen ist auch der Flocken- darm mehrerer Insecten besetzt, und manche derselben sind ebenfalls Behälter des Speisebreis, während sie dabei eine verdauende Flüssigkeit absondern. Ich fand aber in ihnen bei der Larve des Goldkäfers (Cetonia *), Nach Leon Dufour’s Vermuthung in dessen Recherches sur les Carabiques etc. p.23, einem Abdruck der Abhandlungen unter diesem Titel in den Annales des sc, natur. 301 aurata) nicht die schleimige, zur Einsaugung des Chylus dienende Substanz, die zwischen der innern und äussern Haut des Flockendarms liegt. Diese Umstände erschweren es, die Gesetze aus- findig zu machen, nach welchen sich der Bau des Nahrungscanals in Beziehung auf die übrige Organi- sation und auf die Beschaffenheit der Nahrungsmittel richtet. Man wird indefs der Wahrheit am nächsten kommen, wenn man annimmt: dafs der Bau des Magens mit der Structur der äussern Frefswerkzeuge und der Verdaulichkeit der Speisen, der des Flockendarms mit dem Gehalt der Speisen an nährenden Stoffen, doch zugleich mit Eigenthümlichkeiten der übrigen Organisation, und der des Colons mehr mit diesen Eigenthümlichkeiten als mit jenem Gehalt zunächst in Beziehung steht. Wie mit Frefswerkzeugen, die weniger als andere geeignet sind, feste Speisen zu zerstückeln und zu zerreiben, bei Gleichheit dieser Speisen immer ein stärkerer und oft ein, mit Schwielen oder Zähnen bewaffneter Magen verbunden ist, zeigt sich allenthalben im Thierreiche, wo nicht die Speisen so auflöslich im Magensafte sind, dafs sie auch un- zerstückelt von diesem leicht bezwungen werden können, wie bei den meisten Raubvögeln der Fall ist, die, ohngeachtet sie ihre Beute wenig zertheilt verschlingen, doch nur einen einfachen, dünnhäutigen Magen haben. Der auflösenden Kraft des Magensafts widerstehen aber die härtern Pflanzenfasern und die harten Theile der Crustaceen. Alle Thiere, die sich von Gräsern und härtern Pflanzenblättern, oder von kleinen, hartschaa- 302 ligen 'Thieren nähren und nicht Zähne besitzen, die das Futter sowohl in kleine Theile zerschneiden, als vollkommen zerreiben, haben daher entweder mehrere Magen von verschiedener Structur, wie die Wieder- käuer, die Faulthiere, die Wallfische und die Mollusken der Gattungen Aplysia und Pleurobranchus, oder zwar einen einfachen, doch sehr langen, oder sehr weiten, und durch starke Bündel von längs- und queerlaufenden Fasern in mehrere Kammern theilbaren Magen, wie das Känguruh, die Nagethiere und die Pachydermaten. Bei mehrern dieser Thiere ist auch die Länge des Flockendarms in Verhältnifs zur Länge des Körpers vom Munde bis zum Anfange des Schwanzes weit gröfser als bei denen, die sich von Fleisch, Früchten und andern, mehr nahrhafte Stoffe enthaltenden, ve- getabilischen Substanzen nähren. Es verhält sich z. B. die letztere Länge gegen die erstere bei dem asiati- schen Elephanten, dem Bieber, Hasen, Hirsch und Pferde ungefähr wie 1: 7, beim Stier wie 1: 17, hingegen bei dem Löwen, Parder, mehrern Affen, Raub- und Sumpfvögeln wie 1: 3 bis 1: 4. Allein dieses Verhältnifs ist auch bei den von Baumblättern le- benden Faulthieren und bei vielen Nagethieren =1: 8. Es mufs also die Entwickelung des Flockendarms noch durch andere Umstände als blos durch die Qualität der Nahrungsmittel bestimmt werden. Noch weniger läfst sich die Ausbildung des Colons blos von diesem Moment ableiten. Bei den Nagethieren ist der Grimm- darm entwickelter als bei den übrigen Säugthieren. Die mehresten Nager aber nähren sich von vegeta- 303 bilischen Substanzen wie die Faulthiere, ohne einen so zusammengesetzten Magen wie diese zu besitzen. Hiernach liesse sich vermuthen, dafs ihnen ein grös- seres und mehr zusammengesetztes Colon die Stelle des vierfachen Magens der Faulthiere vertrete. Aber warum fehlt denn dem Siebenschläfer der grofse Blinddarm, der einen Haupttheil des Grimmdarms der übrigen Nager ausmacht? Warum ist das Colon nur den Säugthieren und Insecten eigen, da es doch in den übrigen Thierclassen ebenfalls Gattungen giebt, z. B. die Schildkröten, die bei einem einfachen Magen sich von Pflanzenblättern nähren? In der Länge des ganzen Nahrungscanals findet eine gewisse Stufenfolge nach der Gradation der Thiere statt. Die Säugthiere haben im Allgemeinen einen längern Nahrungscanal als die Vögel; diese gehen in der Länge desselben den Amphibien vor, und noch kürzer als bei den Amphibien ist er bei den Fischen. Unter den wirbellosen Thieren findet man ihn am längsten bei manchen geflügelten Insecten, am kür- zesten bei den Würmern. Hiernach ist es also der Grad der Ausbildung des Gehirns, wodurch seine Länge bestimmt wird. Allein da z. B. der Krebs einen so sehr viel kürzern Flockendarm als manches, ihm in der Nahrungsweise ähnliche Insect hat, so mufs auch dieses Moment noch durch ein anderes beschränkt seyn. Ich habe sonst geglaubt, man dürfe bei den Insecten für ein zweites die Mannichfaltigkeit der äussern Be- 304 wegungsorgane annehmen. *) Mit einer gröfsern Zahl gleichartiger Organe dieser Art ist in der That oft ein kürzerer Nahrungscanal verbunden, wie die Schlangen, der Aal, die meisten Crustaceen und die Larven der geflügelten Insecten beweisen. Allein die Libellen haben bei weit ungleichartigern äussern Bewegungs- organen doch einen eben so kurzen Nahrungscanal wie die Krebse, Asseln, Scolopendern und Raupen. Ich kann also jene Meinung nicht mehr vertheidigen. *) Biologie. B. 1. S. 363. 30 Einsaugung und Aushauchung, Nur ein Theil der lebenden Wesen nimmt will- kührlich durch äussere Oeffnungen organische Sub- stanzen zur Ernährung auf und verarbeitet diese in einem Nahrungscanal. Die Pflanzen leben blos von dem, was sie durch die äussere Fläche der Haut einsaugen. Dieses Absorbtionsvermögen haben auch die Thiere mit ihnen gemein. Die Flockenhaut des Darmcanals der letztern tränkt sich mit der Flüssigkeit, worin die genossenen Speisen durch die Einwirkung der Ver- dauungswerkzeuge umgewandelt werden. Die Eigen- schaft, worin diese Durchdringung des Festen vom Flüssigen begründet ist, kömmt der ganzen Haut zu, und erstreckt sich nicht nur auf tropfbare, sondern auch auf gasförmige Flüssigkeiten. Sie ist von gleicher Art mit der hygrometrischen Beschaffenheit der leb- losen Körper, nur bei den lebenden anders als bei den leblosen modificirt, und wie diese nicht nur aus dem äussern Medium Stoffe aufnehmen, sondern auch Bestandtheile daran abgeben, so entspricht auch bei jenen dem Einsaugen immer ein Aushauchen. Das Einsaugungsvermögen der Pflanzen wird durch die tägliche Erfahrung bewiesen. Jedes Gewächs welkt ohne Feuchtigkeit und richtet sich wieder auf, wenn es begossen ist. Die Absorbtion geschieht bei den phanerogamischen Pflanzen vorzüglich durch die Wur- zeln. Aber bei vielen Cryptogamen, denen die Wurzeln ganz fehlen, saugt die ganze Oberfläche des Körpers 20 lin ein, und dafs auch die Phanerogamen durch die Blätter, besonders durch die untere Fläche derselben, Flüssig- keiten aufnehmen, haben Bonnet und Link durch Versuche dargethan.*) Die Aushauchung zeigt sich an dem wässerigen Niederschlag auf Glastafeln, die man in der Nähe der Blätter einer grünenden Pflanze befestigt. Sie findet aber nur beim Einflufs des Tages- lichts, die Einsaugung durch die Blätter hingegen mehr des Nachts statt.**) Jene äussert sich in merk- lichem Grade nur bei häutigen Pflanzenblättern und geschieht von der Seite des Blatts, auf welcher Poren, offene Zwischenräume zwischen den unter der Ober- fläche liegenden Zellen, befindlich sind. An fleischigen und lederartigen Blättern ist sie nicht zu bemerken. ***) Aus den Blättern der Nepenthes, der Sarracenia, des Cephalotus und Amomum Zerumbet dringt die Aus- dünstungsmaterie in tropfbarflüssiger Gestalt hervor.+) Die Einsaugung und Aushauchung der Pflanzen erstreckt sich aber auch auf gasförmige Flüssigkeiten. Jede Pflanze bedeckt sich unter Wasser am Tages- lichte, besonders an der Sonne, mit Luftblasen, die, gesammelt und chemisch analysirt, sich fast als reines Sauerstoffgas zeigen. Unter denselben Umständen stei- gen zwar auch von leblosen Körpern Luftblasen auf. Das Gas, das man von den letztern erhält, ist, aber weder an Quantität, noch am Qualität mit jener» ve- *) Biologie. B. 4. S. 30. Verhandl. der Gesellsch. nafurforschender Freunde in Berlin. B. 1. S. 396. *#) Biologie. B. 4. S. 34. **#) L. C. Treviranus in den Verm. Schriften. B. 1. S. 173. +) Derselbe in der Zeitschrift für Physiologie. B. 3. 5. 72. 307 getabilischen Luft zu vergleichen, die sich nicht blos an den Pflanzen vom Wasser trennet, sondern aus dem Innern derselben entwickelt wird.*) Diese Entbindung geht nicht mit gleicher Stärke vor sich, wenn sich die Pflanze ausserhalb dem Wasser befindet. Sie höret vielleicht bei grofser Trockenheit der Blätter ganz auf, tritt aber ohne Zweifel gleich ein, sobald dieselben von Thau und Regen befeuchtet sind. Auf jeden Fall hauchen die Pflanzenblätter auch ohne Vermittelung eines Mediums von Wasser zur Nachtzeit kohlensaures Gas aus, während sie die atmosphärische Luft, worin sie sich befinden, einsaugen. Eben so allgemein wie bei den Pflanzen ist die Einsaugung und Aushauchung im Thierreiche. Nur gehen bei vielen Thieren diese Processe mehr im In- nern als auf der Oberfläche des Körpers vor sich. Die letztere saugt bei allen denen wirbellosen Thieren, die keine äussere, articulirte Bedeckungen haben, sehr stark Wasser ein. Diese Wesen schrumpfen schnell in trockner Luft ein und schwellen bald wieder an, wenn sie befeuchtet werden. Die Weinbergschnecken werden nicht durch die blofse Frühlingswärme, sondern mehr noch durch die Feuchtigkeit dieser Jahreszeit aus ihrem Winterschlafe erweckt, verfallen bei trockner Sommerwitterung zwar nicht in Erstarrung, doch in einen Zustand des verminderten Lebens, und schützen sich während dieser Zeit vor dem Eintrocknen durch Zurückziehen in ihr Gehäuse und Verschliessung des- *) Nach R. L. Ruhland’s Versuchen in Schweigger’s Neuem Journal für die Chemie und Physik. B. 20. S. 455. 20* 308 selben mit einem häutigen Deckel.*) Eine Auflösung von blausaurem Salz, womit sie bestrichen sind, geht schnell in das Blut über und verbindet sich mit dem Eiweifsstoff desselben. **) Eine Gordiusart, die sich in unserer Gegend an Baumstämmen findet, 'sahe ich auf dem Trocknen binnen einigen Stunden sich von der Länge eines halben Fufses auf einige Zolle zu einem steifen, knotigen Faden zusammenziehen, sich aber® wieder in Wasser gelegt, zu der vorigen Gröfse und Gestalt ausdehnen und ins Leben zurückkehren. ***) In solehem Grade absorbirt nicht die äussere Haut der mehresten Wirbelthiere. Doch bei manchen der letzteın, besonders den Fröschen, die im Trocknen sehr schnell abmagern und in einem feuchten Medium ihr voriges Volumen wieder erhalten, zeigt sie eben- falls ein starkes Einsaugungsvermögen.+) Für die meisten Wirbelthiere sind es aber mehr die Flächen innerer Theile als die äussere Haut, wodurch die Einsaugung geschieht, obgleich auch bei ihnen diese daran Theil nimmt.++) Die Säugthiere und Vögel trinken, und das verschluckte Wasser wird sehr schnell von den Wänden des Nahrungscanals aufgenommen. Viele Amphibien und alle Fische verschlucken mit ihren Speisen zugleich Wasser. Bei einigen 'Thieren *) Guspard in Magendie’s Journal de Physiol. T.II. p.321. 329. **) Jacobson in den Verhandl. der Gesellsch. naturf. Freunde in Berlin. B. 1. S. 408. f ”**) Man vergl. Biologie. B. 4. S. 289. 7) Biologie. B. 4. S. 289. V. S. Edwards de P’influence des agens physiques sur la vie. p. 98. tr) Edwards ebend. p. 345. 356. 309 dieser beiden Classen giebt es auch Zugänge des Wassers, worin sie sich aufhalten, zum Innern ihrer Bauchhöhle. Die Rochen und Hayen haben auf jeder Seite des Afters eine Spalte, wodurch das Wasser in diese Höhle dringen kann. Ob, wie J. Geoffroy- Saint-Hilaire und J. Martin vermuthen,*) diesen Oeffnungen zwei Canäle analog sind, die bei den weiblichen Schildkröten von der Höhle des Bauchfells zur COlitoris, bei dem Crocodil von jener Cavität zur Cloake gehen, müssen künftige Erfahrungen entscheiden. Obgleich endlich es bisjetzt nicht durch Versuche ent- schieden ist, dafs die Respirationsorgane beim Athem- hohlen aus der Luft oder dem Wasser dunstförmige oder tropfbar flüssige Materien aufnehmen, so läfst sich dies doch nach der Verwandtschaft ihrer Flächen mit denen der übrigen einsaugenden Flächen nicht bezweifeln. Sowohl alle äussere Flächen der Thiere, die nicht von harten’ Platten oder Schaalen bedeckt sind, als alle Wände ihrer innern Höhlungen sind immer feucht, und an der inwendigen Seite einer Glasglocke, unter welcher ein Thier eine Zeitlang gehalten wird, bildet sich ein wässeriger Niederschlag. So entspricht der Absorbtion auch eine Transpiration, und diese geht auch unter Wasser vor sich: denn jedes Wasser, worin sich ein noch so reines Thier befunden hat, enthält immer animalische Stoffe. Dem Menschen und den Säugthieren sind, wie die Bildung von Wasserdämpfen *) Mem. du Mus. d’Hist. nat. T. XVI. p. 247. 310 beim Ausathmen in der Kälte zeigt, die Lungen die Theile, die vorzüglich wässerigen Dunst transpiriren. Weniger sind sie dies den Vögeln, die nicht durch sie solche Dämpfe ausstossen. *) Ausser Wasser und in Wasser aufgelöseten Sub- stanzen wird von allen, der Luft ausgesetzten, thieri- schen Theilen der Sauerstoff der atmosphärischen Luft absorbirt und kohlensaures Gas dafür exhalirt. Diese Absorbtion und Exhalation ist für die Thiere aller Classen und für alle 'Theile derselben durch die zahl- reichsten Erfahrungen bewiesen. **) Es ist ausgemacht, dafs sie eben sowohl bei den unter Wasser lebenden, als bei den luftathmenden Thieren vor sich gehen, indem für jene das Wasser nur in dem Maafse, als es atmosphärische Luft aufgelöst enthält, zur Unter- haltung des Lebens tauglich ist;***) dafs die Lungen und Kiemen vorzüglich für sie bestimmte Organe sind; dafs sie aber in minderm Grade auch auf der ganzen Oberfläche des Körpers statt finden, }) und dafs bei manchen niedern Thieren diese Hautrespiration die, welche durch die Lungen oder Kiemen geschieht, bis auf einen gewissen Grad ersetzen kann. ++) Unter den vegetabilischen Substanzen ist das Zell- gewebe im lockern Zustande, unter den thierischen das Schleimgewebe die, welche vorzüglich Anziehung *) Tiedemann’s Anatomie und Naturgeschichte der Vögel. B. 1. S. 543. **) Biologie. B. 4. S. 171. $. 2. *#*) Ebendas. S. 181. 7) Ebend. S. 198. Edward’s a. a. O0. p. 12. ir) Edward’s ebendas. p. 67. Ch. 4, sll zum Wasser äussert. Beide tränken sich mit Flüssigkeit, wo sie damit in Berührung kommen, und schwellen davon an, lassen aber dafür an diese Flüssigkeit einen Theil von der fahren, die sie vor der Berührung ent- hielten. Die Aufnahme und Ausleerung wässriger Stoffe wird ohne Zweifel zunächst durch sie vermittelt. Das Sauerstoffgas und alle andere in der Luft und im Wasser befindliche einfache Stoffe werden dagegen vorzüglich von dem thierischen Blute und dem, die- sem analogen Saft der Pflanzen angezogen. Ein or- ganischer Theil verzehrt um so mehr Sauertoffgas und haucht um so mehr kohlensaures Gas aus, je mehr Blut er enthält, je feiner das Blut in ihm zer- theilt ist, je schneller dasselbe in ihm sich bewegt, und je mehr es mit der atmosphärischen Luft in Berührung kömmt. | Flüssigkeit, die von einem aus lockerem Pflanzen- zellgewebe oder thierischem Schleimgewebe bestehen- den Theil an einer einzelnen Stelle aufgenommen ist, verbreitet sich nach und nach darin immer weiter. Da nun alle Organe der Pflanzen und Thiere von dem Zell- und Schleimgewebe sowohl umhüllet als durchdrungen sind, so können durch diese Substanzen die absorbirten Flüssigkeiten im ganzen Körper ver- breitet werden. Die Verbreitung geschieht indefs sehr langsam. Bringt man die Spitze eines Pflanzen- blatts in Wasser, das eine, dem vegetabilischen Leben nachtheilige Materie, z. B. ein Alkali, aufgelöst enthält, so erfolgt ein Absterben des Blatts, das aber nur allmählig von der Spitze desselben zum Stengel fort- 312 schreitet. Bei einem Pferde, dem Tiedemann und Gmelin Morgens um sieben Uhr eine Indigo-Auf- lösung eingegossen hatten, zeigte sich um halb eilf Uhr Vormittags die Schleimhaut der ersten Hälfte des dünnen Darms vom Färbestoff des Indigo ganz durch- drungen. Doch war dieser noch nicht weiter als bis zu dem Schleimgewebe gelangt, welches die Schleim- haut mit der Muskelhaut verbindet.*) So langsam geschieht nicht der Uebergang eingesogener Stoffe selbst in sehr entfernte Theile sowohl der Pflanzen als der Thiere. Eine krautartige Pflanze, die wegen Mangel an Feuchtigkeit des Bodens welk geworden ist, richtet sich nach dem Begiessen ihrer Wurzeln in allen ihren Theilen sehr bald wieder auf. Färberröthe und Indigo, die von einem Menschen durch den Mund aufgenommen waren, zeigten sich bei Stehberger’s Versuchen schon nach einer Viertelstunde im Urin. **) Es mufs daher andere Theile als das Pflanzen- zellgewebe und das thierische Schleimgewebe geben, wodurch das Eingesogene im Körper schnell verbreitet wird. Diese können bei den Pflanzen nur die Inter- cellulargänge oder die grofsen Gefäfse, bei den Thieren die Venen oder die Saugadern seyn. Die Gänge zwischen den Zellen der Pflanzen gehören mit zum vegetabi- lischen Zeilgewebe. Wenn durch dieses überhaupt die schnellere Leitung des Eingesogenen nach entfernten *) Tiedemann?’s und Gmelin?’s Versuche über ‘die Wege, auf welchen Substanzen aus dem Magen und Darmcanal ins Blut gelangen. S..23. VW. UT: **) Zeitschrift für Physiologie. B. 2. $. 59. Theilen nicht geschehen kann, so sind jene für sich ebenfalls dazu untauglich. Sie sind ohnehin nicht in jedem vegetabilischen Zellgewebe zugegen. Nur die grofsen Gefäfse bleiben als zu jener Leitung geeignet übrig. Bei den Wirbelthieren giebt es Gefäfse, die den Venen in ihrem Bau ähnlich sind, doch nicht wie diese mit ihren äussersten Enden in Arterien über- gehen, sondern aus dem Schleimgewebe entspringen, sich zu Zweigen und Stämmen sammeln und durch ihre Stämme mit dem Venensystem vereinigen. Diese sind die Saugadern, die man seit ihrer Entdeckung allgemein als Gefäfse anerkannt hat, welche Flüssig- keiten aus dem Schleimgewebe aufnehmen und zur Blutmasse führen. Aber wenn hierüber kein Zweifel ist, so ist es doch zweifelhaft, ob nicht die Venen das Geschäft der Absorbtion mit ihnen theilen. Ich habe mich im 4ten Bande der Biologie (S. 497. $. 18.) über diesen Punct dahin erklärt, dafs den Venen ebenfalls ein Einsaugungsvermögen zugeschrie- ben werden müsse. Seit der Herausgabe jenes Bandes sind indefs viele neue Erfahrungen hierüber gemacht worden, die mich bewogen haben, meine frühere Meinung zu ändern. Es giebt allerdings Beweise für einen unmittelbaren Uebergang äusserer Stoffe in das Blut der Venen. Allein entweder es waren diese Stoffe blos einfache, besonders Salze, die auf die nehmliche Weise wie das Sauerstoffgas der Atmosphäre von dem Blute angezogen wurden; oder es war in den Venen, die eine Einsaugung zu verrathen schienen, der Lauf des Bluts gestöhrt. Ein solcher Uebergang geschieht 314 wohl nicht blos durch die Wände der Venen, sondern, wie auch Foderä*) aus seinen Versuchen schliessen zu müssen glaubt, durch die Arterien. Die wirkliche Einsaugung von Flüssigkeiten durch die Blutgefäfse scheint eben dadurch verhindert zu werden, dafs diese immer von Blute ausgedehnt sind und das Blut in ihnen in immerwährender fortschreitender Bewegung ist. Anders verhält es sich mit denen Venen, die sich beim Entstehen des Fetus der Wirbelthiere bilden. Diese stehen noch nicht mit Arterien in Verbindung und wirken als Saugadern, solange der Gefäfskreis noch nicht in allen Theilen geschlossen ist. Wie mit diesen, so kann es sich auch mit einem Theil des Venensystems der wirbellosen Thiere verhalten. Wir haben keinen Grund, der uns berechtigt zu schliessen, dafs allen rückführenden Blutgefäfsen der Crustaceen, Mollusken und Würmer zuführende entsprechen; es sind im Gegentheile der Gründe viele, die beweisen, dafs dies nicht statt findet. Wenn sich also bei diesen Thieren auch ein unmittelbarer Uebergang äusserer Flüssigkeiten in die Blutmasse nachweisen läfst, so ist daraus doch nichts in Beziehung auf die venöse Ab- sorbtion der Wirbelthiere zu folgern. Ist es doch selbst nicht bewiesen, dafs bei den letztern alle Saug- adern sich zu einem oder einigen Stämmen insgesammt erst vereinigen, ehe sie sich in das Venensystem er- giessen. Stenson, Hale, Ruysch, Drelincourt und viele andere frühere Anatomen glaubten, beim *) Recherches experiment. sur l’absorbiion et P’exhalation. p. 28. 49, 315 Menschen einen Uebergang einzelner Saugadern in Ve- nen gefunden zu haben.*) J. F. Meckel der Vater**) machte ebenfalls Erfahrungen, die einen solchen Ueber- gang zu beweisen scheinen. In der neuesten Zeit beob- achtete ihn Fohmann**) bei Menschen, Robben und Fischen. Diesen Autoritäten stehen zwar andere, sehr wichtige der Mascagni, Hewson, Sömme- ring, Rudolphi u. s. w. entgegen. Aber die Gründe dieser Gegner waren immer nur die: entweder es sey bei den obigen Beobachtungen eine Saugader und zugleich eine nahe liegende Vene zerrissen und das eingespritzte Quecksilber habe sich aus der Saugader in die Vene ergossen; oder es sey eine Vene gewesen, was man für eine Saugader gehalten habe. Gegen den ersten Einwurf läfst sich erinnern, dafs der Fall, wo der Uebergang des Quecksilbers aus einer Saugader in eine Vene Folge von Zerreissung ist, nur dann eintreten kann, wenn die Saugader unmittelbar an der Vene liegt und beide an der Stelle, wo sie sich be- rühren, dünnere Wände als an allen vorhergehenden haben. Dieser Fall kann sich einmal unter vielen malen ereignen. Aber in der Regel mufs doch eine doppelte Wand mehr als eine einfache dem Andrange des Queck- silbers widerstehen. Der zweite Einwurf kann ebenfalls *) Haller de C. H. fabr. T. I. p. 334. **) Nova experim. et observat. de finibus venarum ac vasorum Iymphatic. p. 5 sq. ***) Anat. Untersuchungen über die Verbindung der Saugadern mit den Venen. Heidelb. 1821. Das Saugadersystem der Wirbelthiere. H. 1. S. 46. 316 nur einzelne Beobachtungen treffen. *) In den meisten Fällen lassen sich Saugadern und Venen sehr wohl von einander unterscheiden. Nur soviel ist wohl ge- wifs, dafs die Verbindung der Saugadern mit den Venen ohne Vermittelung des Brustgangs beschränkter beim Menschen als bei den Thieren ist. Sie scheint immer ausgebreiteter mit der abnehmenden Stufe der Orga- nisation zu werden. Eine Fläche, auf welcher vorzüglich Saugadern entstehen, ist die inwendige des Flockendarms der Wirbelthiere. Bei den Säugthieren und Vögeln ent- springt aus jeder Flocke dieser Fläche eine Saugader. Lieberkühn glaubte darin eine Höhlung, und R. Hedwig an der Spitze derselben eine Oeffnung ge- sehen zu haben. Monre und Hewson nahmen über- haupt an den äussern Enden aller Saugadern freie Mün- dungen an. Zwei Anatomen, die unter den Neuern sich die Untersuchung der Darmzotten und der Saugadern zu einem Hauptgegenstand machten, Rudolphi**) und Fohmann,***) haben sich gegen diese Beob- achtungen und Meinungen erklärt, und ich glaube, dafs es überhaupt nirgends im Innern sowohl der thierischen als der vegetabilischen Körper eine freie Mündung eines Gefäßses, als an den äussern Enden der excernirenden Gänge giebt. Ich habe so wenig *) Ein Fall dieser Art ist von A. Meckel in J. F. Meckel’s Archiv für Anat. und Physiol. 1823, S. 171 beschrieben. **) Anat. physiol. Abhandl. S. 39. ***) Das Saugadersystem der Wirbelthiere. H. 1. S. 38. 317 an den Flocken der Säugthiere und Vögel als an dem Netzwerk, welches die inwendige Fläche des Flocken- darms der Amphibien und Fische bedeckt, Oeffnungen entdecken können. Bei Injectionen der Gefäfse der Fische entstanden mir immer Extravasate, sobald die Thiere über eine gewisse Zeit nach dem Tode gelegen hatten. Monro’s und Hewson’s Meinung von freien Mündungen der Saugadern beruhet aber auf dem Aus- treten des in diese Gefälse der Fische eingespritzten Quecksilbers, also auf einem sehr schwachen Grund. Dafs im Innern der Pflanzen an den Stellen, wo es den Anschein hat, als ob Oeffnungen vorhanden wären, z. B. auf den Wänden der getüpfelten Gefäfse, dieser Schein bei genauerer Untersuchung verschwindet, habe ich im Ilten Bande der vermischten Schriften, S. 150, gezeigt und ist auch von Mohl”) bestätigt worden. Der Eintritt der Säfte in die Saugadern kann nur nach dem nehmlichen Gesetz geschehen, nach welchem jeder, von einer Flüssigkeit umgebene, häutige Schlauch einen Theil der letztern aufnimmt, indem er zugleich deren Mischung abändert. Die Kraft, die dies bewirkt, bringt auch ein Aufsteigen der Flüssigkeit in der Ader bis auf einen gewissen Punct hervor. Man kann den weitern Fortgang derselben aus einer, von Stelle zu Stelle fortschreitenden Erweiterung und darauf fol- genden Verengerung der Wände des Gefälses ableiten, und diese Erklärung hat die Analogie aller gröfsern *) Ueber die Poren des Pflanzenzellgewebes. Tübingen. 1828. 318 Röhren des thierischen Körpers für sich, in welchen Flüssigkeiten fortgeleitet werden und worin sich die successive Ausdehnung und Zusammenziehung als wurm- förmige Bewegung äussert. Da aber an manchen Saug- adern der Fische grofse Erweiterungen vorkommen, die nie ganz mit Flüssigkeit angefüllt sind,*) so läfst sich nicht anders schliessen, als dafs die erstere Ur- sache in dem ganzen Canal der Saugadern fortwährend wirksam bleibt und nur durch die letztere unterstützt wird. *), Fohmann a. a. O. S. 43, 44. 319 Absonderungen und Ausleerungen. Zwischen den Flüssigkeiten, womit eine Haut auf ihren beiden Seiten im Körper der Pflanzen und Thiere in Berührung steht, findet beständig eine Wechsel- wirkung statt. Die eine wird von der andern angezogen und zieht die andere gegenseitig wieder an, nimmt Bestandtheile der letztern auf und tritt wieder Be- standtheile an dieselbe ab. Durch diese Wechselwirkung geschehen alle Absonderungen. Das Abgesonderte bleibt entweder ein Theil des organischen Körpers, oder wird aus dessen Sphäre entfernt. Für mehrere dieser Ausleerungen giebt es eigene Organe. Die einfachsten Absonderungswerkzeuge sind Häute, die blos aus verdichtetem Pflanzenzellgewebe oder thie- rischem Schleimgewebe bestehen. Es ist z. B. wie ich an einem andern Orte gezeigt habe,*) eine solche Membran, wodurch das Wachs auf der untern Seite des Bauchs der Arbeitsbienen hervordringt. Verdich- tung jener Substanzen ist stets Bedingung dieser Ab- sonderung sowohl bei den Pflanzen, als bei den Thieren. Bei den erstern sind immer die Behälter, die eigene Säfte enthalten, von länglichen, gedrängt an einander liegenden Zellen umgeben. Die Producte dieser Secre- tionen bestehen entweder in wässerigen Flüssigkeiten, die oft Säuren, Alkalien, Mittelsalze und Erden in beträchtlicher Menge, doch nur eine geringe Quantität Stickstoff enthalten; oder in Fett, Oel und Modifica- *) Zeitschrift für Physiologie. B. 3. S. 220. 320 tionen dieser beiden Substanzen. Mehr Gehalt an Stick- stoff haben alle Säfte, deren Secretionsorgane bei den Thieren Häute, bei den Pflanzen Schichten von. ver- dichtetem Zellgewebe sind, in deren Zusammensetzung Gefäfse mit eingehen. Am allgemeinsten wird durch solche Membranen im thierischen Körper der Schleim, eine Abänderung des Eiweifsstoffs, secernirt. Beiderlei Häute sind immer auf ihrer inwendigen Seite mit einem lockern Schleimgewebe bedeckt, woraus sie den flüs- sigen Theil der, abzusondernden Materie schöpfen. Bei den Häuten der zweiten Art gehen durch die Wände der. Blutgefälse zu dieser Flüssigkeit Stoffe des Bluts über, die sich mit ihr verbinden und ihre chemische Natur verändern. Für ein Durchschwitzen des Bluts durch dessen Gefälse giebt es keine Be- weise, und noch weniger läfst sich an irgend einer Absonderung nachweisen, dafs sie durch offene Mün- dungen der Blutgefäfse vermittelt wird. Bei den, durch Tracheen athmenden Insecten verbreiten sich diese Röhren auf den secernirenden Häuten der zweiten Art eben so wie die Blutgefäfse der übrigen 'Thiere. Sie verliehren sich darin so unmerklich, dafs man nicht angeben kann, wo sie aufhören. Aus diesen Häuten entstehen die drüsenartigen Absonderungswerkzeuge der Thiere, indem sie meist die Gestalt von Schläuchen oder Röhren annehmen. Die einfachsten derselben sind einzelne Säcke, (Bälge, folliculi), die sich unmittelbar oder durch einen kurzen Ausführungsgang nach aussen öffnen. In solcher Ge- stalt kommen sie unter andern als Secretionsorgane der 321 Hautschmiere vor.*) Gröfser, von mehr länglicher Form und mit weiten Mündungen versehen erscheinen sie als blinde Anhänge am Anfange des Duodenum mehrerer Fische und an verschiedenen 'Theilen des Darmcanals vieler Insecten. In sehr verschiedener Form, doch meist mit einem langen Ausführungsgang versehen, zeigen sie sich bei den letztern Thieren als Absonderungs- werkzeuge des Speichels, der Materien des Gespinnstes und verschiedener, bei der Zeugung und dem Eier- legen mitwirkender Säfte. Viele absondernde Flächen haben zwei ‚verschiedene Häute, die auf verschiedene Weise absondern und dabei noch besonders zur Re- sorbtion eingerichtet sind. Dies ist durchgängig der Fall mit der innern Fläche des Nahrungscanals, die allenthalben Schleim, zugleich aber auch in dem Ma- gen, dem Flockendarm und einem Theil des Colon ' wässerige Flüssigkeiten, den Magen- und Darmsaft, secernirt und dabei noch durch ihre Flocken sehr stark einsaugt. Der Schleim quillet aus Bälgen, deren Mün- dungen frei auf der inwendigen Haut liegen. Der Magen- und Darmsaft aber dringt ohne Vermittelung *) E.H. Weber in Meckel’s Archiv für Anat. und Physiologie. 1327. S. 280. J. Müller de glandular. secernent. structura penitiore. p- 35 sq. Ich kann hier nur im Allgemeinen auf dieses, eine Fülle von Beobachtungen über die feinsten Gegenstände der Anatomie enthaltende Werk verweisen, das erst erschien und mir durch die Güte des Ver- fassers zukam, als mein gegenwärtiges Buch schon zum Abdrucke aus- gearbeitet war. Die wichtigsten der Entdeckungen des Verf. über die Structur der Drüsen waren mir indefs schon aus seinen mündlichen Mittheilangen zum Theil bekannt, und die Richtigkeit derer, die den innern Bau der Nieren betreffen, kann ich aus eigener Ansicht seiner Präparate bezeugen. 21 322 von Behältern, worin er sich ansammeln könnte, al- lenthalben auf der inwendigen Magen- und Darmhaut hervor. Es giebt nur auf der letztern und nur stellen- weise bei den Säugthieren kleine, runde, sehr feine Netze von Blutgefäfsen, die Brunnerschen und Peyer- schen Drüsen, die ihn vorzüglich zu secerniren scheinen. Die inwendigen Darmhäute bilden mit dem, ihnen angehörigen Schleimstoff bei. den Säugthieren und Vögeln die Flocken, bei den Amphibien und Fischen das Netzwerk des Flockendarms, wodurch eine Ein- saugung geschieht, welche die Absonderung in den meisten Fällen übertrifft, weil sich in jenem Schleim- gewebe sehr viele Saugadern endigen. Fehlten diese darin, so würden die Flocken und das Netzwerk blos zur Vergröfserung der absondernden Fläche und zur Vermehrung der Secretion dienen können. Aus der Gegenwart dieser Hervorragungen läfst sich daher im Allgemeinen nicht auf Einsaugung schliessen. Ich fand bei der Riesenschildkröte (Chelonia esculenta M.) ein ähnliches, aber noch feineres Netzwerk, wie der Flocken- darm derselben enthält, in der Harnblase, die sehr viel Schleim absondert. Von gleicher Art sind auch die netzförmigen Falten auf der innern Haut der Saamen- blasen des Menschen und der mehresten Säugthiere. Ob diese Netze mehr zur Absonderung oder mehr zur Einsaugung dienen, ist blos aus ihrer äussern Gestalt nicht zu bestimmen. Zusammengesetzter als die vorigen sind die Se- cretionsorgane, die aus mehrern runden Säcken oder länglichen Schläuchen bestehen, deren Säfte sich in 323 einen gemeinschaftlichen Ausführungsgang ergiessen. Die Säcke oder Schläuche sind entweder unmittelbar mit einander vereinigt, oder jeder hat seinen besondern Ausführungsgang, der mit denen der übrigen zu einem gemeinschaftlichen zusammenfliefst. Beide Formen fin- den sich, nach Prochaska’s,*) E. H. Weber’s**) und J. Müller’s Beobachtungen, in den Speicheldrüsen und im Pancreas der Säugthiere, Vögel und Amphibien, und in den Brustdrüsen der Säugthiere. Nach dem letztern Typus sind die absondernden Eingeweide der wirbellosen Thiere gebildet. Bei den Insecten haben die meisten absondernden Theile mehr die Gestalt von langen Röhren, bei den Mollusken mehr die Form von Bläschen. Die der Insecten sind immer blos durch Luftröhren, die der Mollusken aber sowohl durch Blutgefäfse als durch Schleimstoff mit einander ver- bunden. Die röhrenförmige Structur findet sich jedoch auch an den unter der Oberhaut der Fische liegenden Schleimgängen. Eine noch höhere Stufe der Bildung nehmen die secernirenden Organe ein, die aus Schläuchen bestehen, welche nach Art der Venen zu Zweigen, Aesten, Stämmen und einem gemeinschaftlichen, Ausführungs- gang zusammenfliessen, durch Zellgewebe und Blut- gefälse zu einer einzigen Masse eng vereinigt und von einer gemeinschaftlichen Haut umgeben sind. Eingeweide dieser Art sind die Leber und die Nieren der Wirbelthiere. Der Unterschied zwischen ihnen und *) Disquis. anat. physiol. organismi corp. humani. p. 102. **) Meckel’s Archiv für Anat. und Physiol. 1827. S.276.273.286. 21 * 324 den Organen der vorigen Art besteht in der vielfachern Zerästelung der absondernden Schläuche, der gröfsern Feinheit ihrer Wurzeln, der engern Verbindung der- selben durch Blutgefäfse und Schleimstoff, und der Isolirung des Ganzen durch eine gemeinschaftliche Hülle. Diese hat keine, rothes Blut führende Gefäfse. und hierin etwas Ausgezeichnetes. Die Form, der Verlauf und die Zerästelung der secernirenden Schläuche sind von eigener Art für jedes besondere Organ. Diese sind kurz und nach allen Seiten verlaufend in der Leber; länger und bei ihrem Austritt mehr parallel neben einander fortgehend' in den Nieren. in der Leber und den Nieren glaubte Malpighi kleine Bälge (acini) entdeckt zu haben, woraus die Leber- und Nierencanäle entspringen und auf welchen sich die Blutgefäfse verbreiten. Ruysch läugnete das Vorhandenseyn solcher Körper, und nahm einen unmittelbaren Ursprung jener Canäle aus Knäueln von Blutgefäfsen an. Man hat für und wider die eine und die andere Meinung lange und viel gestritten, ohne etwas Gewisses auszumachen. Ist Malpighi’s Mei- nung die richtige, so folgt daraus eine gröfßsere Aehn- lichkeit der ersten Anfänge der Leber- und Nieren- canäle mit den einfachen Drüsen, als im entgegen- gesetzten Falle statt finden würde. Sie ist zwar nicht gegründet, doch weniger von der Wahrheit entfernt als die Annahme Ruysch’s. Wenn man die frische Leber oder Niere eines Fisches, wovon die äussere Haut abgezogen ist, einige Zeit in Weingeist liegen läfst, 325 so erhärten darin die Gefäfse; das Schleimgewebe aber gerinnt zu Kügelchen, die sich durch gelindes Ausspühlen mit Wasser und sanftes Streichen mit einem Pinsel wegschaffen lassen. Untersucht man einen Theil der nach‘dieser Operation zurückbleibenden Gefäfse unter dem Vergröfserungsglase, so sieht man an den Enden der Leber- und Nierencanäle Theilchen hängen, die das Ansehn der Malpighischen acini haben. Aber eben ‚diese Körper zeigen sich auch an den Seiten nicht nur jener.'Canäle, sondern auch der Blutgefäfse. Man nimmt: ähnliche Theilchen unter dem Microscop auch: ini«dünnen ‘Scheiben frischer Leber- und Nieren- substanz des’ Menschen und der Säugthiere wahr. *) Diese sehensebenfalls wie dunkelgefärbter Schleimstoff, nicht wie häutige Bälge aus; man ‚sieht nicht die Anfänge .der'Leber- und Nierencanäle aus ihnen ent- springen, und sie passen nicht zu diesen wie die Bälge der einfachen Drüsen zu deren Ausführungsgängen. Huschke’s““) und Müller’s Beobachtungen über die innere Structur der Leber und Nieren bei den Embryonen von Wirbelthieren aus allen Classen und ihre gelungenen Injectionen der harnabsondernden Ge- fälse beiVögeln und Säugthieren setzen diese Sache ausser Zweifel. Es giebt hiernach keine Bälge, woraus die Wurzeln der Gallen- und Harngänge entspringen, und 'keinen Uebergang der Blutgefäfse in die Anfänge dieser Wurzeln. Diese fangen als verschlossene Röhren an, die 'soviel weiter als die letzten Zweige der Blut- *) Eysenhart de struct. venum. Fig. I. **) Isis. 1828. S. 565. 326 gefäfse sind, dafs ein Ursprung: derselben ‚aus (diesen nicht statt finden kann. Man hat einen solchen Ur- sprung vorausgesetzt, weil zuweilen Materien, die in jene Blutgefäfse eingespritzt sind, in diese Wurzeln dringen. Aber sonderbar genug hat man die nehmliche Erfahrung, die man für keinen Beweis einer Ein- mündung einzelner Saugadern in Venenzweige gelten lassen will, in dem vorliegenden Fall für beweisend angenommen. Sie ist in der That für jene Einmündung, nicht aber für diesen Fall von Gewicht. Wenn Queck- silber, das in eine Saugader gespritzt‘ ist, in eine Vene dringt, so geschieht dies immer in einer der Saugaderdrüsen, worin die Gefälse zwischen schlaffem Schleimgewebe liegen und worin die Saugader leichter an jeder andern Stelle als da, worin 'sie der Vene anli»gt, zerreissen kann. Hingegen in ‚der Leber und Milz sind die Gefäfse allenthalben von einem: festern Schleimgewebe dicht umschlossen. ‘Wenn. .hier der Uebergang der: Injectionsmaterie aus den zuführenden ' Blutgefäfsen in die rückführenden erschwert ist, so bleibt kein anderer Ausweg als in die höchst zarten und leicht zerreifsbaren Wurzeln der Leber- und Nierencanäle übrig. Man sieht bei Beobachtungen. des Blutumlaufs in Theilen lebender Wirbelthiere, und namentlich in der’ Leber der Salamanderlarven,*) nie den Strohm des Bluts beim Ausgang aus einer Arterie einen andern Weg als in das System der Venen nehmen. Es ist also wahrscheinlicher, dafs die absondernden *) Nach J. Müller’s Beobachtungen. Meckel’s Archiv für Anat. und Physiologie. 1829. S. 182. 327 Gefäfse den wässerigen Theil der abgesonderten Materie aus dem Schleimgewebe schöpfen, aus dem Blute aber nur gewisse Stoffe durch die Wände der Blutgefälse mitgetheilt erhalten, als dafs eine Umwandelung des Bluts dabei vorgehe. Dagegen läfst sich freilich ein- wenden, dafs beim Fetus des Salamanders die Leber wohl noch keine Galle absondert und dafs von dem Embryonenzustand kein Schlufs auf das Leben des ausgebildeten Thiers zulässig ist. Aber Müller fand auch, dafs bei ganz gelungenen Ausspritzungen der Harngänge die Injectionsmaterie nie in die Blutgefäfse gedrungen war, dafs dies jedoch wohl geschehen war, wenn die Materie einen Widerstand gefunden hatte, und dafs sie sich dann auch oft einen Weg in die Zwischenräume der Blutgefäfse gebahnt hatte. Diese Geefälse bilden in der Leber und den Nieren ein Netz- werk zwischen den Wurzeln der absondernden Röhren. In demselben liegen runde Knäuel von Gefäfsen. Diese sind‘ es, was Malpighi für seine acini ansahe. Ruysch erkannte sie für das, was sie wirklich sind, brachte sie aber unrichtig mit den Wurzeln der gallen- und harnabsondernden Canäle in Verbindung. Sie haben mit diesen keine unmittelbare Gemeinschaft. Dafs sie indefs mit den in der Leber und den Nieren vor- gehenden Secretionen in einer Beziehung stehen, läfst sich nicht bezweifeln, und dies ist ein Punct in der Lehre von den Absonderungen, worüber‘ es noch weiterer Aufklärungen bedarf. Die bisher betrachteten Absonderungsorgane sind sehr allgemein im Thierreiche verbreitet. Es giebt 328 noch eine andere Art derselben, die blos bei den Mollusken vorkömmt. Diese bestehen in häutigen Blät- tern oder Fäden, welche in einer, mit einem. Aus- führungsgang oder einer äussern Oeffnung versehenen Höhlung liegen und auf ihrer ganzen Oberfläche eine Materie ausschwitzen, die sich: in dieser Cavität an- sammelt. Sie sind bei den Gasteropoden von Cuvier unter dem Namen des Secretionsorgans des klebrigen Safts (Organe secreteur de la viscosite) beschrieben, bei den Anodonten von Bojanus für eine Lunge erklärt. Bei den‘ Schnecken, die durch Lungen athmen, bei Anodon und Solen sind die absondernden Theile Blätter, ‘bei den Aplysien kurze, fadenförmige Röhren, die von der untern zur obern Wand des Eingeweides gehen. Man findet diese Organe nicht bei allen Mollusken. Aber sie; wechseln so sehr in ihrer. Organisation 'und ihrer Verbindung mit den übrigen Theilen, dafs manche Eingeweide vielleicht ihnen gleichartig sind,‘ die man nicht dafür angesehen hat. So haben die Cephalopoden an der hintern Magenöffnung einen schneckenförmig gewundenen Behälter, der inwendig ähnliche Blätter enthält, wie es in jenen Organen bei mehrern ‚Gaste- ropoden giebt, der:sich aber in den Nahrungscanal öffnet: Man hat diesen für analog dem Blinddarm der höhern: Thiere gehalten, aber vielleicht mit Unrecht. Zu einer eigenen Classe sind endlich inoch ‚die Organe zu rechnen, welche absondern, ‚ohne auszu- sondern. Zu denselben gehören die Saugaderdrüsen, die Milz, die Thymus, die Schilddrüsen und die Nebennieren. Diese Theile haben mit einander gemein, 329 dafs sie aus einem, von einer eigenen Haut umgebenen Schleimgewebe bestehen, worin sich Blutgefäfse und Saugadern verbreiten. Sie unterscheiden sich in der Beschaffenheit des Schleimgewebes, das entweder ver- dichtet oder locker ist, und im letztern Falle deut- liche Zellen bildet; in dem gröfsern oder geringern Reichthum an Blutgefäfsen und Saugadern, und im Ursprunge der Gefäfse. Mit der Absonderung ist immer in-ihnen Einsaugung verbunden. Sie enthalten daher oft gar keine und immer nur wenig eigene Flüssigkeit. Es ist wichtig aber schwer, den Wechsel des Verhältnisses aller dieser Absonderungswerkzeuge zu den ‘übrigen Organen: jedes Körpers auf den verchie- denen Stufen der Organisation genau: zu bestimmen. Die Producte dieser Werkzeuge sind oft verschieden bei/Asehnlichkeit des Baus der letztern, und umgekehrt sondern oft unähnliche Theile gleichartige Materien ab. Was sich aus chemischen Untersuchungen hierüber ergiebt, ‘werden wir in: der Folge sehen. Für jetzt betrachten: wir. diesen Gegenstand blos von anatomi- scher‘ Seite. | Wahre Drüsen sind blos ein Eigenthum der Thiere. Die absondernden Theile der Pflanzen sind nicht durch eigene Häute von den übrigen Organen getrennt und haben. nie Ausführungsgänge. Von den einfachen Drüsen sind die, welche Schleim und Hautschmiere absondern, am weitesten im Thier- reiche verbreitet. Die Schleimdrüsen finden sich bei den Wirbelthieren nur an Stellen, die immer mit tropfbaren Flüssigkeiten oder Wasserdünsten in Berührung sind, 330 z. B. im Nahrungscanal und in der Luftröhre, nicht aber bei denen, die an der Luft leben, auf der äussern Fläche des Körpers. Auf dieser sondert sich: nur. bei den Wasserthieren Schleim, bei den Luftthieren ‘aber Hautschmiere ab. Es giebt zwar bei den, auf dem Bauch kriechenden Mollusken, besonders den Nackt- schnecken (Limax), sehr zahlreiche und sehr stark Schleim absondernde Hautdrüsen. Aber diese 'Thiere leben auch nur in einer Luft, die viel Wasserdunst enthält. In einer sehr trocknen Atmosphäre höret ihre Schleimabsonderung: auf. Die Structur der Drüsen, die Schleim und Hautschmiere secerniren, ist auch nicht wesentlich verschieden. Die Verschiedenheit ihrer Pro- ducte kann also wohl nur von der Verschiedenheit des Mediums herrühren, dem sie ausgesetzt sind. Diese einfachen Drüsen sind immer nur auf Flächen zugegen, die nicht für sich in ihrer ganzen Ausdehnung: Schleim oder Hautschmiere absondern können, ent- weder weil auf ihnen noch eine andere Secretion' statt findet, oder weil sie zum Theil von andern Organen bedeckt sind, welche die Absonderung verlindern: Wo dies nicht der Fall ist, erzeugt die ganze Fläche jene Materien. So dringt aus der ganzen inwendigen Fläche der Harnblase Schleim und aus den Wachs- häuten der Bienen das, der Hautschmiere zu‘ ver- gleichende Wachs, ohne Drüsen hervor, und so "wird auch bei allen Thieren in blofsem Schleimgewebe das Fett abgesondert. Hingegen haben alle stark behaarte, mit Schuppen oder hornigen Blättern bedeckte Flächen eigene Hautdrüsen, und je mehr diesen, beim Bedürfnifs 331 der Secretion des Schleims oder der Hautschmiere deı Platz beschränkt ist, um in gröfserer Zahl vereinzelt zu stehen, oder je mehr es dieser Secretion an einer einzelnen Stelle bedarf, desto mehr drängen sie sich zu zusammengehäuften Drüsen zusammen, oder verwan- deln sie sich in andere, deren Stelle vertretende Organe. So entstehen bei den behaarten vierfüfsigen Thieren die zusammengehäuften Drüsen am After und an den Wangen, bei den Fischen die Schleimröhren unter den Schuppen, bei den Vielfüfsern (Julus), den Regen- würmern, Blutegeln und andern Ringwürmern die, sich zu beiden Seiten des Körpers nach aussen öff- nenden Bläschen, die man bei den Regenwürmern und Blutegeln unrichtig für Respirationsorgane ge- halten hat. Alle höhere Thiere haben auf der inwendigen Fläche des Nahrungscanals Schleimbälge. Man findet diese auch im Kropf mancher Insecten, z. B. der Dytisken. Bei einigen 'Thieren häufen sie sich, wie die Hautdrüsen, an einzelnen Stellen zu gröfsern Massen zusammen, z. B. im Magen des Biebers, des Mus Citillus und einiger anderer Nagethiere. Neben der Schleimabsonderung findet auch noch bei allen Thieren im Magen und Darmcanal eine Secretion wässeriger Flüssigkeiten statt: im Magen des Magen- safts und im Darm des Darmsafts. Diese geschieht auf der ganzen inwendigen Fläche des Magens und Darms ohne Vermittelung von wahren Drüsen. Im Magen erfolgt sie nur, wenn derselbe mit Speisen 332 angefüllt ist, oder mechanische und chemische Reize auf ihn wirken.*) Unter den zusammengesetzten Drüsen sind die Hoden und die Absonderungsorgane des weiblichen Zeugungstoffs ein Eigenthum aller Thiere, die ein deutliches Nervensystem haben. Diese und noch einige andere Drüsen werden wir aber in der Lehre von der Zeugung näher betrachten. Nächst ihnen ist die Leber das allgemeinste unter den secernirenden Ein- geweiden. In Besitz derselben sind alle Wirbelthiere, die krebsartigen Crustaceen und alle Mollusken. Zweifelhafter ist ihre Gegenwart bei den Scorpionen und Spinnen. Bei den Asseln und den sämmtlichen, durch Luftröhren athmenden Insecten ist sie in ähn- licher Gestalt wie bei den Wirbelthieren nicht vorhanden. Unter den Würmern ist der Erdregenwurm der einzige, bei dem ich eine deutliche Leber gefunden habe. Vielleicht vertritt bei den Blutegeln die zwischen dem Nahrungscanal und den äussern Muskeln liegende braune, schleimige Substanz, die aus Schnüren von Kügelchen besteht, die Stelle dieses Eingeweides. Den übrigen niedern Thieren fehlt die Leber ganz. Sie nimmt von den warmblütigen Thieren an bis zu den Mollusken in Verhältnifs zum Gewicht des ganzen Körpers an Gewicht zu,**) erhält aber dabei eine immer schlaffere Textur. In den einzelnen Thierclassen ist *, Die Verdauung, nach Versuchen von F. Tiedemann und L. Gmelin. B. 1. S. 143. *) Wie sich aus Tiedemann’s Abwägungen in dessen Anat. und Naturgeschichte der Vögel, B. I, S. 491, 515 fg. ergiebt. 333 sie kleiner bei den anhaltend und mit grofsem Auf- wand von Kraft sich bewegenden Arten als bei denen, die ein ruhiges Leben führen. Sie hat bei einigen Thieren mehr, bei andern weniger Lappen. Die Zahl dieser Abtheilungen steht in keiner engen Verbindung mit der übrigen Organisation. Doch ist es nur bei den niedern Wirbeltbieren und den Mollusken der Fall, dafs die Lappen ganz, oder fast ganz von einander getrennt sind und dafs jeder derselben seinen eigenen Ausführungsgang hat. Sie unterscheidet sich bei den sämmtlichen Wirbelthieren darin von allen übrigen drüsigen Eingeweiden, dafs das meiste Blut, welches sich in ihr verbreitet, venöses ist. Bei den Mollusken hingegen fliefst zu ihr blos arterielles Blut. Die Aorta aber, wovon sich bei diesen Thieren ein grofser Zweig in der Leber verbreitet, erhält ihr Blut nicht blos unmittelbar aus der Lunge oder den Kiemen, sondern zum Theil auch aus dem, eine kalkartige Materie secernirenden Organ, worin dasselbe schon zu einer Absonderung gedient hat. (S. 227.) Die Galle, die in der Leber erzeugt wird, ergiefst sich immer unmittelbar oder durch den Magen in den Anfang des Flockendarms: unmittelbar bei allen Wirbelthieren, den Krebsen, den Cephalopoden und den mehresten Gasteropoden; durch den Magen bei den Acephalen. In den Gattungen Doris und 'Thetys giebt es, ausser den gewöhnlichen Ausführungsgängen der Galle, noch einen Canal von der Leber zum After.*) Aber es ist ungewils, ob dieser *) Cuvier, Annales du Mus. d’Hist. nat. .T. IV. p. 461. T. XI. p: 268. 334 nicht von einer andern, in der Leber liegenden Drüse entspringt. Unter den Wirbelthieren haben viele an dem Ausführungsgang der Leber eine Blase, worin sich die Galle sammelt. Vielen fehlt diese, am häufigsten den pflanzenfressenden Arten, doch auch manchen fleischfressenden. Bei Trigla Cuculus fand ich, dafs sie blos mit dem Ausführungsgang des kleinern der beiden Lappen, aus welchen die Leber dieses Fisches besteht, verbunden ist, hingegen mit dem des gröfsern Lappens gar keine Gemeinschaft hat. Jene Lappen sind ganz von einander getrennt. Es giebt hier also eigentlich eine doppelte Leber, von denen die eine mit einer Gallenblase versehen, die andere ohne einen solchen Behälter ist. Ueber einige dieser allgemeinen Sätze bedarf es einer nähern Erklärung. Seit Malpighi die sich in den Darmcanal der Insecten öffnenden Gefälse, die er vasa varicosa nannte, kennen lehrte, hat man diese für Secretionsorgane der Galle angesehen. Ich selber habe früher diese Meinung vertheidigt und einige neue Gründe dafür angeführt.*) Weitere Untersuchungen des Körpers der Insecten und der verwandten Thiere haben mich aber bewogen, sie aufzugeben. Ein Hauptgrund für sie schien mir sonst die ähnliche Einmündung jener Gefäfse der Insecten und des Ausführungsgangs der Galle der, mit einer wirklichen Leber versehenen Thiere in den hintern Magenmund zu seyn. Ich hielt aber damals mit andern *) Biologie. B. 4. S. 416. Bi... Zootomen für den Magen der Insecten, was in der That der Flockendarm is‘. Jene Gefäfse öffnen sich bei den meisten Insecten in den Anfang des Theils, der mit dem Colon der höhern Thiere übereinkömmt, also in einen ganz andern Darm wie bei den letztern. Aber auch diese Art der Insertion findet nicht allgemein statt. Bei den Spinnen gehen sie in den blinden An- hang des Mastdarms über, und bei diesen Thieren, so wie bei den Scorpionen, ist der Flockendarm mit dem Fettkörper auf eine solche Art verbunden, dafs, wenn bei ihnen Galle abgesondert wird, dieselbe sich an dieser Verbindungsstelle aus dem Fettkörper in den Darm ergiessen mufs. Bei den Spinnen geschieht die Verbindung durch sehr feine Gefälse, bei den Scorpionen durch gröfsere Röhren, die aus dem Fett- körper mit vielen Wurzeln entspringen und in den Darm übergehen.*) Der Inhalt der sogenannten Gallen- gefälse hat ferner in der Regel eine ganz andere Farbe wie die Galle aller übrigen Thiere. Diese ist fast immer braun oder grünlich. Jener ist nur bei einigen In- secten gelb oder braun, bei den mehresten farbenlos oder weifs. Wir werden unten sehen, dafs auch die Mischung beider Substanzen sich bei den chemischen Versuchen, die damit angestellt sind, ganz verschieden gezeigt hat. Wäre es ausgemacht, was Ramdohr**) beobachtete und was auch ich an einer Libellula de- *) G. R. Treviranus über den innern Bau der Arachniden. H. 1. 5.7.30. Den Zusammenhang des Darmcanals mit dem Fettkörper durch Gefäfse, der bei unsern einheimischen Spinnen nicht deutlich zu er- kennen ist, fand ich bei De Geer’s Aranea rufa. ”*) Abhandl. über die Verdauungswerkzeuge der Insecten. S. 51. 336 pressa F. bestätigt fand, dafs jene Gefäflse blos die äussere Darmhaut durchbohren, so würde auch dies mit der Voraussetzung der gallenartigen Beschaffenheit ihres Inhalts unvereinbar seyn, da die Galle sich bei allen übrigen Thieren in die Darmhöhle ergiefst. So- viel ist gewils, dafs an der Stelle ihrer Einmündung die innere Darmhaut mit der äussern bei vielen In- secten nur sehr locker zusammenhängt und dafs auf der letztern keine Oeffnungen zu sehen sind. Aber es läfst sich doch nicht für gewifs annehmen, dafs keine vorhanden sind, und sie müssen vorhanden seyn, wenn Meckel*) recht sahe, dafs bei gröfsern Raupen ihr Inhalt auf angebrachten Druck leicht in die Darm- höhle trat, und wenn bei diesem Versuch nicht etwa die innere Darmhaut zerrissen wurde. Man hat aus den, oben (S. 332) erwähnten Resul- taten der Untersuchungen über das Gewichtsverhältnifs der Leber zum ganzen Körper bei verschiedenen Thieren inTiedemann’s Anatomie und Naturgeschichte der Vögel auf eine Beziehung der Gröfse der Leber zur Beschaffenheit des Athemhohlens geschlossen. Es scheinen mir indefs in Tiedemann’s "Tafel mehr Gründe gegen als für diese Meinung enthalten zu seyn. Nach derselben schwankt das Verhältnifs des Gewichts der Leber zum Gewicht des ganzen Körpers beim Jagdhund, Fuchs, Eichhörnchen, Hasen, Feldmarder und Iltis zwischen 1 : 87 und 1 : 26, hingegen bei den mäuseartigen 'Thieren, der Speckfledermaus *) System. der vergl. Anatomie. Th. 4. S. 82. 334 (Vespertilio Noctula), dem Maulwurf, dem Igel und der Fischotter zwischen 1 : 20 und 1 : 10; bei den Raubvögeln zwischen 1 : 42 und 1: 35; hingegen bei den Schwimmvögeln zwischen 1:19 und 1:10. Die erstern dieser Säugthiere und Vögel athmen nun freilich in einer reinern Atmosphäre als die letziern. Dagegen aber ist jenes Verhältnifs bei der Fischotter und dem weissen Sägetaucher (Mergus Albellus) nur = 1:10; hingegen bei Lacerta agilis = 1:28, bei Draco viridis = 1: 29, bei Raja Torpedo = 1: 17 und bei Uranoscopus scaber =1: 19. Die Respirations- organe sind aber weniger ausgebildet bei diesen Am- phibien und Fischen als bei der Fischotter und dem weissen Sägetaucher. Ich glaube, aus Tiedemann’s Beobachtungen und andern Erfahrungen folgern zu müssen, dafs die relative Schwere der Leber jedes Thiers in umgekehrtem Verhältnifs mit der Dauer der willkührlichen Bewegungen desselben und mit dem, dazu nöthigen Kraftaufwande steht. Aus diesem Gesetz erklärt es sich, warum die Raubthiere eine relativ weit leichtere Leber als die Thiere besitzen, die mit ihnen in einerlei Element leben, aber mit weniger Anstrengung ihre Nahrung finden und mehr der Ruhe pflegen; warum dieses Eingeweide relativ leichter beim erwachsenen 'Thier als beim Fetus, leichter bei den Luftthieren als bei den Wasserthieren, leichter bei Draco viridis und Lacerta agilis als bei den Kröten und Salamandern, und leichter bei allen Wirbelthieren als bei den trägen Mollusken ist. Hiermit steht auch in Verbindung die Vergröfserung der Lebermasse bei 22 338 allen Tbieren, die verhindert werden, sich willkührlich zu bewegen. Mit dieser Verhinderung der Bewegung nimmt allerdings das Bedürfnifs des Athemhohlens ab, und insofern steht das letztere mit der Masse der Leber in Beziehung. Aber die Ab- und Zunahme der Respiration ist nicht Ursache sondern Mitwirkung der Vergröfßserung und Verkleinerung dieser Masse. Eine andere Folge jener Beschränkung der willkührlichen Bewegung ist vermehrte Absonderung des Fetts. Dieses häuft sich eben sowohl im Schleimgewebe der Leber als an andern Stellen an. Es kann daher die Zunahme der Masse der Leber bei jener Beschränkung blos von dieser Fettanhäufung herrühren, und es läfst sich nicht aus einer gröfsern Masse der Leber auf eine stärkere Gallenabsonderung schliessen. Wie die Leber so sind auch die Nieren ein Eigen- tihum aller Wirbelthiere. Bei den wirbellosen Thieren sind aber diese nicht allenthalben zugegen, wo jene vorhanden ist, und umgekehrt. Sie sind kleiner in Ver- gleichung mit der Gröfse des ganzen Körpers bei den Säugthieren und einigen Amphibien, z. B. den Emys- arten, als bei den Vögeln, und gröfser noch als bei diesen in der Classe der Fische. Mit zunehmender Gröfse werden sie aber von immer schlafferer Textur. Es läfst sich nicht behaupten, dafs die gröfsere und schlaffere Niere mehr als die kleinere und derbere absondere. Obgleich also manche Thiere mit grofsen Nieren weniger als andere zu transpiriren scheinen, so folgt hieraus doch nicht, dafs die Quantität der Nierenabsonderung immer in umgekehrtem Verhältnifs 339 mit der Stärke der Ausdünstung steht. Den sämmtlichen Wirbelthieren schreibt man zwei Nieren zu, aber nicht ganz mit Recht. Es giebt ihrer zwei bei den Säug- thieren und mehrern Amphibien. Hingegen die Vögel, manche Amphibien und die Fische besitzen nur Eine Niere, die aus zwei, zum Theil von einander getrenn- ten, zum Theil zusammenfliessenden Hälften besteht. Jede Niere, oder jede Hälfte der Niere hat aber immer ihren eigenen Ausführungsgang, der sich bei den meisten Säugthieren durch die Ruthe, bei den übrigen Wirbelthieren am After nach aussen öffnet. In Rück- sicht auf den Ursprung dieser Ausführungsgänge weichen die Nieren der Säugthiere und Vögel von allen übrigen drüsigen Eingeweiden sehr ab. Diese Gänge entstehen nicht, wie in den letztern, durch die unmittelbare Vereinigung der absondernden Röhren zu einem Stamm. Ihre Anfänge umfassen als Trichter (Nierenkelche) die Oberflächen, auf welchem jene Röhren ihre äus- sern Mündungen haben. Man hat diese Bildung blos den Säugthieren zugeschrieben. Sie ist aber auch den Vögeln eigen. Diese haben sehr zahlreiche, aber sehr kleine Nierenkelche, die sich wirtelförmig theils in das vordere Ende, theils in die Seiten der, längs der Axe der Nierenhälften verlaufenden Harnleiter inse- riren.*) Bei den Säugthieren steht die Zahl der Nieren- kelche und die Art, wie sie sich zur Bildung der *) Eine Abbildung dieser Insertionen, die aber den Fehler hat, dafs die trichterförmige Erweiterung der Canäle, die den Harn aus den Nieren aufnehmen, nicht ausgedrückt ist, findet sich in Ferrein’s Aufsatz Sur la structure des visceres nommes glanduleux etc. Mem. de I’Acad, des sc. de Paris. A. 1749. Pl. 16. Fig. 7. 22* 340 Harnleiter vereinigen, in einer Verbindung mit der übrigen Organisation. Auch machen die Theile der Nieren, denen die Kelche entsprechen, in einigen Familien der Säugthiere besondere Lappen aus. In Hinsicht auf die Wirkungsart der Nieren läfst sich indefs hieraus nichts schliessen. Die wirbellosen Thiere besitzen keine Eingeweide, die von anatomischer Seite mit den Nieren der Wirbelthiere übereinkommen. Es können aber demungeachtet anders geformte Organe bei ihnen auf ähnliche Weise wie diese absondern, und so kann bei den Insecten durch die Gallengefäfse, bei den auf dem Bauch kriechenden Mollusken durch das Eingeweide, das bei Cuvier unter dem Namen des Absonderungsorgans des klebrigen Safts vorkömmt, bei den Acephalen durch den von Bojanus für eine Lunge gehaltenen Theil und bei mehrern Ringwürmern durch die zu beiden Seiten des Körpers, neben dem Nahrungscanal liegenden blinden Gefäfse die Stelle der Nieren ersetzt werden. Einer nähern Untersuchung ist übrigens noch die Frage werth: Ob bei den Fischen die Entwickelung der Nieren mit der der Schwimmblase in einer gewissen Beziehung steht? Broussonnet*) glaubte, zwischen beiden einen Antagonismus bemerkt zu haben, und führte als einen Beobachter dieses Verhältnisses auch Needham an, in dessen Werke De formato fetu ich aber keine deutliche Erklärung darüber finde.**) Es hält schwer, etwas Gewisses über *) Mem. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1785. p. 168. **) Pag. 151 dieses Buchs sagt Needham: Notabile est hisce po- sterioribus (piscibus) renes multo majores esse quam in aliis comperiuntur, 341 diesen Punct auszumachen, sowohl weil die Stufe der Entwickelung der Nieren bei den Fischen nicht leicht zu bestimmen ist, als weil die Schwimmblasen dieser Thiere von sehr verschiedener Art sind. Bei den Säugthieren giebt es ein Organ, das sich eben so zu den Nieren verhält, wie die Gallenblase zur Leber, nehmlich die Harnblase. Wenig Theile wechseln so sehr bei den übrigen Thieren in ihrer Bildung und ihren Beziehungen als dieser. Man sieht daran deutlich, dafs die Verhältnisse eines und des- selben Organs sich ändern, wenn die ganze Organi- sation verändert wird. Den Vögeln wurde diese Blase immer ganz abgesprochen. Ich sehe aber nicht, was der Fabricische Beutel, eine sackförmige Erweiterung am hintern Ende des Mastdarms jener Thiere, anders seyn kann, als eine Harnblase. Es ist wahr, dieser hat keine Harnröhre und keine Verbindung mit den Harnleitern. Aber beides hat auch nicht die Harnblase der Amphibien und Fische, und doch ist deren äussere Gestalt von ähnlicher Art wie bei den Säugthieren. Es verhält sich also die Harnblase zu den Nieren anders bei den Vögeln, Amphibien und Fischen als bei den Säug- thieren. Mit der veränderten Beziehung der Blase zu den Nieren treten aber ohne Zweifel andere Beziehungen derselben zum Ganzen ein, und diese Aenderung ver- räth sich auch an dem Bau ihrer innern Haut bei den Seeschildkröten, worauf sich ein ähnliches Netzwerk wie auf der innern Haut des Flockendarms der Am- interstitium nempe praedictum implent. Worauf aber posteriores und praedictum gehen soll, ist mir aus denı Vorhergehenden nicht verständlich. 342 phibien und Fische befindet. Sie ist vermöge dieser Structur bei den Amphibien eben so sehr ein ein- saugendes als aussonderndes Organ, und so zeigte sie sich auch bei den Versuchen R. Townson’s, nach welchen die in ihr enthaltene Flüssigkeit bei den Fröschen und Kröten klar und geschmacklos, und gefärbtes Wasser, worin eine 'Testudo orbicularis ge- sessen hatte, in sie aufgenommen war.*) Hiernach besitzen vielleicht auch die wirbellosen 'Thiere eine Art von Harnblase, die nicht immer mit absondernden Organen in Verbindung steht. Ich glaube, dafs in der That die blinden Säcke am Mastdarm der Spinnen und Lepidopteren, der Dintenbeutel der Cephalopoden und die Blase, die bei den Gasteropoden sich durch einen, oft sehr langen Ausführungsgang neben der äussern Mündung der Geschlechtstheile nach aussen öffnet, für eine Harnblase anzunehmen sind. **) Eine, von gewissen Seiten weitere, von andern beschränktere Verbreitung als die Nieren haben die Speicheldrüsen. Sie finden sich bei den Säugthieren, *) Biologie. B. 4. S. 599. **) In einem Aufsatz Ueber die Zeugungstheile und die Fortpflanzung der Mollusken (Zeitschrift für Physiologie. B. 1. S. 10) habe ich be- merkt: bei Limax ater öffne sich der Ausführungsgang der Drüse, die ich für die Niere hielt, in die Blase, die mir eine Harnblase zu seyn schien. Jacobson (.Bidrag til Blöddyrens Anatomie og Physiologie. H. 1. S.89) hat dagegen erinnert: es sey eine Vene, was ich für einen Aus- führungsgang gehalten hätte. Nach wiederhohlten Untersuchungen dieser Theile der Nacktschnecke habe ich mich von der Richtigkeit dieser Ein- wendung nicht überzeugen können. Doch finde ich allerdings bei andern Schnecken keinen solchen Verbindungscanal zwischen der Niere und der Harnblase. Diese aber kann aus den obigen Gründen demungeachtet mit der Harnblase der höhern Thiere verglichen werden. m. Vögeln und Amphibien, aber nicht bei den Fischen; sie kommen bei manchen Crustaceen und Insecten vor, “bei manchen aber auch nicht; sie erscheinen wieder bei den Cephalopoden und Gasteropoden, fehlen hin- gegen den Acephalen; sie zeigen sich endlich noch bei den Holothurien, während sie bei den Anneliden und den übrigen Thieren der untersten Classen nicht vorhanden sind. Es ist also nicht etwa das Ver- schlucken der Nahrungsmittel unter Wasser und ver- mischt mit Wasser die Ursache, dafs sie nicht den Fischen eigen sind. Sie würden, wenn dies der Fall wäre, auch den Cephalopoden, den unter dem Wasser lebenden Arten der Gasteropoden und den Holothurien fehlen müssen. Es bedürften dann auch ihrer nicht die, sich blos von Flüssigkeiten nährenden Landthiere. Die Cimiciden, Dipteren und Lepidopteren besitzen aber Speicheldrüsen, und zum Theil einen grofsen Apparat derselben, obgleich sie blos von Flüssig- keiten leben. Beschränkter als die Verbreitung der Nieren und Speicheldrüsen ist die des Pancreas. In der Gestalt und der Verbindung mit dem Flockendarm, worin dieses beim Menschen zugegen ist, besitzen dasselbe nur die Säugthiere, Vögel, Amphibien, Rocher und Haien, aber weder die übrigen Fische, noch die mehresten wirbellosen Thiere. Von den letztern sind vielleicht nur einige Krebse mit einem Organ dieser Art, welches dem der höhern Thiere ähnlich ist, versehen. Bei dem Flufskrebs, dem Hummer und der Garnele habe ich zwar nichts Aehnliches gefunden. 344 Nach Cavolini*) sollen sich aber bei einigen Krebsen in den Anfang des Darmcanals ausser den Lebergängen zwei fadenförmige Anhänge öffnen, die eine weisse Materie enthalten. Diese Anhänge entspringen. bei Cancer Phalangium L. auf jeder Seite des Magens aus einem Geflecht, welches eine weisse Masse bildet. Bei Cancer Pagurus und depressus breiten sie. sich über die Leber aus, und bei dem letztern giebt es in ihnen oft einen Bandwurm. Ein grofser Theil der Fische hat dagegen am Pförtner Anhänge in der Gestalt von conischen oder cylindrischen Röhren, die am äussern Ende verschlossen sind, nach innen sich in den Anfang des Flockendarms öffnen und auf ihrer inwendigen Fläche einen schleimigen Saft absondern. Beim Schwerdtfisch (Xiphias Gladius) findet man statt dieser Blinddärme ein rundes Eingeweide, worin unter einer festen, fibrösen Haut unzählige blinde Röhren liegen, die durch Schleimgewebe, Gefälse und Nerven fest mit einander verbunden sind, eine ähnliche weisse Flüssigkeit wie jene Pförtneranhänge anderer Fische enthalten, sich mit ihren offenen Enden zu immer weitern Canälen und endlich zu einem sehr weiten, gemeinschaftlichen Ausführungsgang vereinigen, der sich in den gemeinschaftlichen Gallengang gleich unter der Klappe des Pylorus in den Flockendarm öffnet. **) kiu ähnliches Eingeweide liegt an der nehmlichen Stelle beim Stöhr. Dieser Theil kann nichts anders als ein Pancreas seyn, und, da er offenbar den Ueber- *) Abhandl. über die Erzeugung der Fische und Krebse. S. 136. **) Grant in den Transact. of the medico-chirurg. Society of Edin- burgh. Vol. IL. P. I. p. 79. 345 gang zu den Pförtneranhängen macht, so sind die- selben ebenfalls für Stellvertreter der Bauchspeichel- drüse anzunehmen. Aehnliche Blinddärme hängen aber auch am Flockendarm vieler Insecten. Sie sind bei diesen Thieren theils längere, doch wenig zahlreiche Röhren, die in den Anfang des Flockendarms über- gehen, theils kürzere Schläuche, womit oft dieser Darm auswendig dicht besetzt ist. Man findet sie bei einigen Insecten, die zugleich Speichelgefäfse haben, z. B. bei Diaperis.*) Aber solcher Beispiele lassen sich wenige aufweisen, und da, wo sie vorkommen, sind entweder die blinden Anhänge des Flockendarms oder die Speichelgefäfse sehr unentwickelt. Dagegen fehlen den sämmtlichen, mit fünf Gliedern am Tarsus der vordern und hintern Fülse versehenen Käfern die Speichelgefäfse, und von diesen haben alle, die einen Zahnmagen besitzen, so wie auch die meisten der übrigen, sehr zahlreiche blinde Anhänge am Flockendarm. Die Eingeweide, dieim Aeussern einen drüsigen Bau, aber keine Ausführungsgänge haben, sind mit wenigen Ausnahmen nur da, wo es Saugadern giebt, also nur bei den Wirbelthieren, doch auch nicht in allen Classen die- ser Thiere vorhanden. Am allgemeinsten ist unter ihnen die Milz verbreitet. Diese fehlt nur dem Chamäleon,**) *) Leon Dufour Recherches sur les Carabiques. p. 48. *) Thomas Bartholin und der Verfasser der Zergliederung des Chamäleon in den Mem. pour servir a l’Hist. des animaux sprachen diesem Thier die Milz ab. Swammerdamm, Vallisnieri und Hasselquist schrieben sie ihm zu. Ich habe sie nicht bei demselben gefunden und glaube, dafs die drei letztern Zootomen etwas für eine Milz angesehen haben, was keine war. Swammerdamm (Bibl. nat. 346 einigen Schlangen*) und den Lampreten (Petromyzon). Nicht so allgemein finden sich in den Wirbelthieren die Nebennieren. Sie fehlen den Fröschen, Salaman- dern und sämmtlichen Fischen. Das Gebiet der Thymus und der Schilddrüse läfst sich mit Gewitsheit nicht weiter als auf die Säugthiere ausdehnen. Es liegen zwar bei den Vögeln und Amphibien am Halse Theile, die ein drüsiges Ansehn und einige Aehnlichkeit mit der Schilddrüse haben.**) Allein diese ist in allen Säugthieren eben so gefälsreich und ihre Venen stehen immer in dem nehmlichen Verhältnifs zu den übrigen Venen wie beim Menschen, obgleich sie nicht immer die nehmliche Lage wie bei diesem hat. Dies ist nicht der Fall mit jenen. Keiner derselben empfängt eine solche Menge Blut wie die Schilddrüse. Die lethar- gischen Säugthiere besitzen auch noch andere Drüsen p. 418) sagt blos im Allgemeinen: er habe eine Milz beim Chamäleon entdeckt. Vallisnieri (Istoria del Camaleonte africano. p. 72) will neben dem Theil, den er den Magen nennet, eine runde Milz gesehen haben. Ich habe nichts weiter bemerken können, als neben dem äussern Ende des Pancreas einen schwärtzlichen, länglichrunden Körper, der nicht viel gröfser als ein Mohnkorn war und mit einem der hier ver- laufenden Zweige der Darmvene zusammenhing. Hasselquist (Reise nach Palästina. S. 349) giebt eine runde, schwartze Milz an, die neben den Nieren liegen soll. Ich würde glauben, er habe einen der Hoden dafür angesshen, wenn er nicht von dem Chamäleon, das er zergliederte, Eierstöcke beschriebe. Es giebt zwar im Becken des Chamäleon, neben der KEingeweidearterie und in Verbindung mit derselben, zwei dreieckige, platte, aus kleinen Körnern bestehende, drüsenariige Theile. Diese haben aber gar keine Achnlichkeit mit einer Milz. Sie scheinen die Theile zu seyn, die von den Pariser Academikern mit dem Asellischen Pancreas verglichen wurden. *), Meckel’s System der vergl. Anatomie. Th. 4. 8. 371. **) Carus Lehrbuch der Zootomie, 8. 570. 347 ohne Ausführungsgänge, die von der Schilddrüse und Thymus verschieden sind.*) Es können daher eigene Organe dieser Art auch bei den übrigen Wirbelthieren vorhanden seyn. Was sich bei den wirbellosen Thieren mit diesen Drüsen vergleichen läfst, sind die Anhänge an der Aorta der Aplysien, wovon oben (S. 228) die Rede war, und ähnliche Theile an den Hohladern der Cephalopoden. Vielleicht sind diese Anhänge der Drüse analog, die es an jeder Schlüsselbeinarterie der Vögel giebt, einer Drüse, die man mit Unrecht als der Luft- röhre angehörig betrachtet hat, und welche, wie schon von Tiedemann**) erinnert ist, nicht blos bei den tauchenden Vögeln, sondern nach meinen Unter- suchungen unter andern auch bei den Papageien vor- kömmt. *) Jacobson in Meckel?’s Archiv für Physiol. B. 3. S. 351. **) Anat. und Naturgeschichte der Vögel. B. 1. S. 688. SIEBENTES BUCH. Chemische Erscheinungen des Lebens. Das Athemhohlen, die Verdauung und Er- nährung von chemischer Seite, Das physische Leben ist ein erzwungener Zustand. Sobald dasselbe aufgehört hat, verbinden sich die Elemente des Körpers, der vorher belebt war, nach andern Gesetzen als im vorigen Zustande. Aus den Resultaten chemischer Zerlegungen organischer Ma- terien läfst sich daher unmittelbar nichts in Betreff des Antheils folgern, den diese Substanzen an den Erscheinungen des Lebeus haben, und es ist erklärbar, warum die vielen bisherigen, zum Theil mit grofsem Aufwande von Fleifs, Geschicklichkeit und Scharfsinn gemachten, chemischen Analysen der vegetabilischen und animalischen Maierien doch verhältnifsmäßsig nur wenig fruchtbar für die Biologie gewesen sind. Alle organische Substanzen bestehen aus wenigstens drei der Stoffe, welche im Wasser und in der atmos- phärischen Luft enthalten sind: aus Sauerstoff, Wasser- stoff und Kohlenstoff. In den mehresten, besonders 349 den thierischen Theilen, ist hiermit noch der dritte Bestandtheil der Atmosphäre, der Stickstoff, verbunden. Das Lebende kann eine gewisse Zeit fortdauern, in- dem es diese Mittel zu seinem materiellen Wirken blos aus Wasser und atmosphärischer Luft zieht. Viele Erfahrungen beweisen, dafs manche Pflanzen in blofsem destillirttem Wasser beim Zutritt der At- mosphäre sich entwickeln und wachsen.*) Einige In- secten und Würmer scheinen sich blos von Wasser zu nähren. O. F. Müller”“*) sagt: er habe Wasser- spinnen, Kiemenfüfsler, Wasserschnecken u. s. w. länger als ein Jahr in blofsem Wasser erhalten, ja in mehr als sechs Monaten das Wasser nicht erneuert, und doch seyen sie nicht nur lebend geblieben, sondern haben auch das Wasser verschluckt und häufigen Unrath von sich gegeben; man könne nicht sagen, microscopische Thiere seyen ihre Speise gewesen, oft habe er vergeblich nach solchen gesucht. Es ist wahr, Wasser, das der Luft ausgesetzt ist, wird bald ver- unreinigt, und die Atmosphäre enthält immer noch andere Stoffe als Sauerstoff, Stickstoff und Kohlenstoff. Aber wenn in reinem Wasser eine ganze Pflanze aus einem Saamenkorne aufwächst, so können die wenigen fremdartigen Stoffe nur einen geringen Theil der Masse des Gewächses ausmachen. Doch zur vollkommenen Entwickelung und Lebendigkeit aller Thiere und Pflan- zen bedarf es allerdings noch anderer Stoffe als derer, woraus das reine Wasser und die Atmosphäre bestehen. *) Biologie. B. 4. S. 92. *) Von Würmern. S. 32. 350 Die meisten Pflanzen wachsen nur bis zu einer ge- wissen Gränze, blühen nicht und kränkeln, wenn sie nicht einen Boden haben, worin sie Wurzeln schlagen können und welcher zersetzte organische Substanzen nebst gewissen Erden oder Salzen enthält.*) Alle Thiere, die über den einfachsten Infusorien stehen, dauern entweder gar nicht, oder nur auf der niedrigsten Stufe des Lebens ohne Aufnahme anderer organischer Substanzen fort. Für jedes Gewächs ist besonders ein gewisser Gehalt an Kohlensäure des Wassers, welches dasselbe einzieht, zum Gedeihen nothwendig. Dieser Gehalt darf aber nur gering seyn. Ein Uebermaafs .desselben tödtet die Pflanze.**) Die Kohlensäure ist nun auch in der Atmosphäre enthalten, und die Pflanze könnte das Wenige, dessen sie davon bedarf, so gut aus dieser als aus dem Wasser schöpfen. Allein die Auf- nahme jener Säure geschieht doch nur durch Ver- mittelung des Wassers. Nach den Versuchen Saus- sure’s***) verzehren Saamenkörner, die man unter einer mit Quecksilber gesperrten Glasglocke voll at- mosphärischer Luft keimen läfst, im Dunkeln das Sauer- stoffgas dieser Luft und hauchen dafür ein gleiches Maafs kohlensaures Gas aus. Eben dieser Chemiker fand, dafs, wenn er eine frische grüne Pflanze, deren Wurzeln sich in einem abgesonderten Gefäfs mit *), Man vergl. Link’s Erfahrungen in Sprengel’s Werk über den Bau und die Natur der Gewächse. S. 36. #*) Biologie. B. 4. S. 79. ***) Ebendas. S. 82 fg. 3al Wasser befanden, unter einen Recipienten brachte, welcher eine Mischung von atmosphärischer Luft und einer abgemessenen Menge kohlensauren Gas enthielt und durch Quecksilber gesperrt war, worüber sich eine dünne Wasserschichte befand, am Sonnenlichte das kohlensaure Gas der Luft verschwand, während der Gehalt derselben an Sauerstoffgas und Stickgas zunahm, jedoch der Gehalt an Sauerstoffgas nicht in dem Maafs, wie der Fall gewesen seyn würde, wenn die Pflanze von dem absorbirten kohlensauren Gas alles, in dessen Zusammensetzung befindliche Sauerstoffgas wieder ausgehaucht hätte, und dafs in ihr nach dem Versuch mehr Kohlenstoff als vor demselben be- findlich war. Da der Sauerstoff, der im kohlensauren Gas enthalten ist, vom Kohlenstoff getrennt und für sich in Gas verwandelt, einen eben so grofsen Raum als das kohlensaure Gas einnimmt, so hat man aus dem ersten dieser Versuche gefolgert: dafs keimende Saamenkörner den Sauerstoff der Luft nicht aufnehmen, um ihn sich anzueignen, sondern nur um sich eines Uebermaafses von Kohlenstoff zu entladen, indem sie ihn mit diesem zu Kohlensäure verbinden und die letztere als kohlensaures Gas ausathmen. Dieser Schlufs ist aber unzuverläfsig, da die Absorbtion der Exha- lation gleich seyn und doch die exhalirte Materie ohne unmittelbares Zuthun der absorbirten gebildet seyn kann. Nach dem zweiten Versuch nimmt man an: die entwickelte Pflanze zersetze am Sonnenlichte das kohlensaure Gas der Atmosphäre, behalte den Kohlen- stoff und einen Theil des Sauerstoffs dieses Gas, und 352 gebe den übrigen Sauerstoff mit etwas Stickgas wieder von sich. Diese Erklärung ist aber ebenfalls nur hy- pothetisch. Eine dritte Reihe von Versuchen Saus- sure’s beweiset, dafs die Blätter der meisten Gewächse im Dunkeln wieder auf die entgegengesetzte Art wie am Sonnenlichte wirken, indem sie Sauerstoffgas ab-' sorbiren und kohlensaures Gas aushauchen. Einige Abweichungen hiervon zeigen manche Pflanzen mit fleischigen Blättern. Aber diese nehmen auch zum Theil durch ihre Blätter mehr Feuchtigkeit aus der Atmosphäre als durch ihre Wurzeln aus dem Boden auf, und sind deswegen zu reinen Erfahrungen über das Athmen der blofsen Luft nicht geeignet. Die Pilze hauchen sogar eine bedeutende Menge Wasserstoffgas aus, doch nur unter Wasser. In der Luft scheiden sie kohlensaures Gas aus.*) Es läfst sich hieraus nichts anders schliessen, als dafs die atmosphärische Luft für die Gewächse über- haupt nur Mittel ist, die zum vegetabilischen Leben nothwendige Mischung zu behaupten; dafs sie, wenn auch nicht gar keinen, doch nur einen geringen ma- teriellen Beitrag zu dieser Mischung giebt, und dafs die hierzu erforderlichen Stoffe nur kohlensaures Wasser liefern kann. Wäre diese Folgerung nicht richtig, so würde die vegetabilische Ernährung auch ohne alles Wasser möglich seyn müssen. Es giebt zwar Gewächse, besonders unter denen mit fleischigen Blättern, z. B. das Epidendrum Flos aeris, welche wachsen, ohne *) Annales de Chemie. T. XL. p. 318. 395 auf einem Boden zu wurzeln.*) Aber diese wachsen nur in einer feuchten Atmosphäre, und es läfst sich aus dem Beispiel, welches sie geben, weiter nichts schliessen, als das für einige Vegetabilien schon in Wasserdünsten aufgelöste Kohlensäure zur Ernährung hinreichend ist. Eben so verhalten sich gegen die Atmosphäre auch die Thiere. Diese athmen im Allgemeinen eben- falls nicht, um das Geathmete in Blut und Fleisch zu verwandeln, sondern um den Sauerstoff der At- mosphäre zu absorbiren und dagegen kohlensaures Gas und Stickgas auszuleeren. Es findet aber zwischen der Respiration der Pflanzen und dem Athmen der Thiere der wichtige Unterschied statt, dafs dieses bei den letztern ganz unabhängig von der Einwirkung des Lichts ist und, solange sie sich in atmosphärischer Luft befinden, in einem Austausch von kohlensaurem Gas gegen das Sauerstoffgas der Atmosphäre besteht. Diese gleichzeitige Exhalation und Absorbtion ist im ganzen Thierreiche herrschend. Sie geschieht vor- züglich durch die Lungen oder Kiemen, doch in minderm Grade auch durch die ganze Oberfläche des Körpers, und bei denen niedern Thieren, die gar keine eigene Respirationsorgane zu besitzen scheinen, blos durch die letztere. Für die Fische ist diese Haut- athmung von Provencal und Humboldt,**) für die Amphibien von Spallanzani+) und Edwards, +7) *) Biologie. B. 2. S. 460. **) Mem. de la Societe d’Arcueil. T. II. p. 392. 7) Mem. sur la respiration. p. 72. ir) De influence des agens physique sur la vie. p. 12. $. 4. 23 394 für den Menschen von De Milly, Cruikshank, Lavoisier und Seguin*) bewiesen. Für die Wasser- thiere ist es die im Wasser enthaltene atmosphärische Luft, woraus sie das Sauerstoflgas einsaugen. Da es nur wenige unter ihnen giebt, die nicht Kiemen zu Respirationsorganen haben, und diese nur auf den untersten Stufen der thierischen Organisation vorkom- men, so mufs die Trennung der Luft vom Wasser, die zu jener Art des A’hemhohlens erforderlich: ist, leichter durch Kiemen als durch Lungen zu bewirken seyn. Es ist in der That auch begreiflich, dafs Blut- gefäfse, die sich auf äussern Häuten zerästeln, mit allen Theilchen frischen Wassers in weit innigere Be- rührung kommen müssen, als solche, die sich auf den Wänden innerer Höhlungen verbreiten. Dafs indefs durch Lungen auch Wasserrespiration, durch Kiemen Luftathmung möglich ist, beweisen auf der einen Seite die Holothurien, auf der andern die Onisken, Scor- pionen und Spinnen, und da‘s die Fische nur eine so kurze Zeit ausserhalb dem Wasser leben können, rührt nicht so sehr von einer gänzlichen Untauglichkeit ihrer Kiemen zur Luftrespiration, als von dem schnellen Ein- trocknen der zarten Häute dieser Organe ausserhalb dem Wasser und davon her, dafs dieselben in der Luft an einander klebend sich nicht mehr entfalten können. **) Von dem Gesetz der Excretion kohlensauren Gas gegen absorbirtes Sauerstoffgas machen übrigens nur einige Seefische darin eine Ausnahme, dafs dieselben das Ver- *) Biologie. B. 4. S. 195. **) Rbendas. S. 184. Flourens, Annales des se. natur. T. XX. p. 5. 355 mögen besitzen, beim Aufenthalt in grofsen Meerestiefen Sauerstoffgas in ihrer Schwimmblase zu entbinden. *) Es könnte diese Thatsache mit den Erscheinungen des gewöhnlichen Athemhohlens vereinbar scheinen, wenn man voraussetzte, dafs jene Fische in grofsen Tiefen das Stickgas ihrer Schwimmblase absorbiren und das Sauerstoffgas derselben unverändert lassen. Aber hier- bei bliebe wieder die Frage: Woher die Absorbtion des Sauerstoffgas der Luft, die doch sonst von allen thie- rischen Theilen geschieht, in der Schwimmblase jener Fische aufhört? Das Maafs des verzehrten Sauerstoffgas und der abgeschiedenen Kohlensäure ist verschieden nach der Verschiedenheit der Thierarten, der Individuen und der äussern Einwirkungen. Nach Prout**) bleibt sich beim Menschen die Menge des verbrauchten Sauer- stoffgas und der gebildeten Kohlensäure während vier und zwanzig Stunden nicht gleich, sondern ist immer zu gewissen Tageszeiten gröfser oder kleiner als zu andern. Das Maximum kömmt zwischen 10 bis 11 Uhr Vormittags und 1 bis 2 Uhr Nachmittags vor; das Minimum dauert von 84 Uhr Abends bis 34 Uhr nach Mitternacht. Wenn die Menge des verzehrten Sauer- stoffgas und der gebildeten Kohlensäure durch irgend eine Ursache über das gewöhnliche Maafs vermehrt wird, so sinkt sie gleich darauf wieder unter dieses Maafs herab, und umgekehrt. Mäfsige Leibesbewegung vermehrt, heftige Anstrengung, deprimirende Affecten *) Biologie. B. 4. S. 185. **) Annals of Philos. Vol. H. p. 328. 23* 396 und Alcohol vermindern die Menge der abgeschiedenen Kohlensäure. ‘Ueber das Verhältnifs des abgeschiedenen kohlen- sauren Gas zum absorbirten Sauerstoffgas sind die Resultate der bisherigen Versuche sehr abweichend. Allen und Pepys wollen bei Menschen, Meer- schweinchen und Tauben dieses Verhältnifs gleich gefunden haben. Aus Lavoisier's, Seguin’s, @ood- wyn’s, H. Davy’s, Berthollet’s, Despretz’s, Humboldt’s und Provencal’s Versuchen an Men- schen, Säugthieren, Vögeln und Fischen ergiebt sich ein Uebermaafs des verzehrten Sauerstoffgas über das excernirte kohlensaure Gas. H.Davy, Humboldt und Provencal glaubten, bei diesen Versuchen, so wie Henderson und Pfaff an Menschen, Spallanzani an Schnecken, auch Aufnahme von Stickgas in das Blut bemerkt zu haben. Dagegen blieb die Quantität dieses Gas bei Allen’s und Pepys’s Versuchen, wenn das Athmen in immer erneuerter atmosphärischer Luft geschahe, unverändert. Nach Nysten und Des- pretz wird Stickgas mit dem kohlensauren Gas aus- geathmet. Nach Allen und Pepys soll dies nur dann statt finden, wenn wiederhohlt eine und dieselbe Quantität atmosphärischer Luft, oder reines Sauer- stoffgas, oder eine Mischung von Wasserstoffgas und Sauerstoffgas geathmet wird. Edwards giebt das Verhältnils des ausgeschiedenen kohlensauren Gas zum aufgenommenen Sauerstoffgas als sehr veränderlich so- wohl bei den verschiedenen Arten und Individuen der Thiere, als unter verschiedenen Umständen an. 39% Er will in einigen Fällen Einsaugung, in andern Ent- wickelung von Stickgas bemerkt haben. *) Diese abweichenden Resultate rühren zum Theil von der gröfsern oder geringern Genauigkeit der Ver- suche her. Nimmt man Berthollet’s, Allen’s und Pepys’s, Provencal’s und Humboldt’s Erfah- rungen aus, so sind die übrigen mit unzuverlässigen eudiometrischen Mitteln gemacht. Bei mehrern der- selben scheinen auch die vielen äussern Nebenumstände, die den Erfolg dieser Versuche sehr abändern, be- sonders die, während derselben eintretenden Verän- derungen der Temperatur und des Drucks der Atmos- phäre, nicht mit gehöriger Sorgfalt berücksichtigt zu seyn. Ein anderer Grund der abweichenden Resultate liegt in der Verschiedenheit der Art des Athemhohlens bei den Versuchen. Wenn ein Thier sich ganz unter einer Glasglocke befindet, so kann die eingeschlossene Luft durch entweichendes Intestinalgas auf andere Art verändert werden, als wenn ein Mensch diese Luft durch eine in den Mund genommene Röhre atlımet. Man hat endlich bei der Berechnung des Verhältnisses der ausgeathmeten Luft zur eingeathmeten sehr ver- schiedene Voraussetzungen zum Grunde gelegt. In manchen Fällen sahe man das Volumen der atmos- *) Biologie. B. 4. S. 171. 8.2 und die dortigen Citate, denen noelı folgende beizufügen sind: Nysten Exper. de Chimie et de Physiol. pathol. p. 186. Despretz Traite element. de Physique. Ed. 2. p. 799. W. F. Edwards de P’influence des agens physiques sur la vie. Ch. 16. p- 404. Allen und Pepys, Philos. Transact. Y. 1809. p. 404. Y. 1829. p- 279. — Beim Vergleichen des angeführten $. der Biologie wird dort S. 174, Z. 12, der Decimätbruch 0,07 in 0,007 zu verbessern seyn. N. phärischen Luft beim Athmen vermindert werden. Diese Abnahme konnte entweder davon, dafs ein Theil der Luft verschluckt wurde und in den Nahrungscanal gelangte, oder von Absorbtion herrühren. Welches von beiden der Fall war, liefs sich nicht immer mit Gewifsheit bestimmen. Man nahm aber oft willkührlich das Eine an, und fand bei dieser Annahme andere Resultate als man bei der Voraussetzung des Andern erhalten haben würde. Ich habe über die chemischen Veränderungen, welche die atmosphärische Luft durch das Athmen erleidet, eine beträchtliche Zahl Versuche an Insecten, Anneliden und Mollusken, und zur Vergleichung einige an Fröschen und Kröten mit aller, mir möglichen Sorgfalt und Genauigkeit gemacht, wobei ich zur Bestimmung des Sauerstoffgehalts der geathmeten Luft das Schwefelkali und zur Ausmessung des ausgeson- derten kohlensauren Gas das ätzende Kali oder den ätzenden Baryt gebrauchte.*) Nach diesen Erfahrungen halte ich für gewifs, dafs beim Athmen eingeschlos- sener atmosphärischer Luft immer ein gröfseres Maafs Sauerstoffgas absorbirt als kohlensaures Gas excernirt wird, und dafs das Volumen der Luft dabei in der Regel nicht anders als durch Verschluckung einer geringen Quantität derselben verändert wird. Ich be- merkte diese Aufnahme in den Nahrungscanal bei dem Regenwurm und dem Blutegel, also bei Thieren die Saugwerkzeuge besitzen und sich dieser zur willkühr- *) Das Einzelne dieser Versuche wird im Aten Bande der Zeitschrift für Physiologie erscheinen. kührlichen Bewegung bedienen. Sie fand bei denselben immer nur im Anfange der Versuche statt. Eine fort- währende Verminderung des Volumens der geathmeten Luft, die gröfser war, als dafs sie von jener Ursache entstehen konnte, beobachtete ich nur in fünf Fällen, und zwar in vieren an Thieren, die seit mehrern Tagen ohne Nahrung gewesen waren. In allen übrigen Versuchen blieb dieses Volumen ungeändert. Es mufs folglich, damit der Unterschied zwischen dem absorbirten Sauerstoffgas und dem excernirten kohlensauren Gas ausgeglichen werde und das Volumen der Luft unverändert bleibe, ausser dem kohlensauren Gas noch eine andere Gasart ausgeschieden werden, welche keine andere als Stickgas seyn kann. Das Uebermaafs der Absorbtion des Sauerstoffgas über die Excretion des kohlensauren Gas findet aber nur solange statt, als die geathmete Luft noch eine bedeutende Menge Sauerstoffgas enthält. Die meisten Thiere sterben weit früher, oder werden wenigstens scheintod, ehe der ganze Gehalt der atmosphärischen Luft an diesem Gas aufgezehrt ist. Unter den auf dem Bauche krie- chenden, mit Lungen versehenen Mollusken sind aber mehrere, die in eingeschlossener atmosphärischer Luft nicht nur alles Sauerstoffgas absorbiren, sondern auch nach dessen Verzehrung noch einige Zeit fortfahren, kohlensaures Gas auszuathmen. Ich fand diese Aus- dauer der Kraft zu athmen vorzüglich an der Wald- schnecke (Helix nemoralis). Wenn jene Weichthiere eine und dieselbe Quantität atmosphärischer Luft eine längere Zeit athmen, so entsteht darin ein Ueberschufs 360 des ausgeschiedenen kohlensauren Gas über das ab- sorbirte Sauerstoffgas. Das Volumen der Luft bleibt aber auch dann unverändert, Aus Humboldt’s und Provencal’s Versuchen über das Athmen der Fische folgt, dafs die Schleihen, die ein zähes Leben haben und bei einem geringen Maafs Sauerstoffgas der im Wasser enthaltenen Luft ausdauern, ebenfalls dabei mehr kohlensaures Gas excerniren, als sie Sauerstoff'gas aufnehmen. Es mufs also Stickgas, das sonst excernirt wird, jetzt absorbirt werden. Das Athemhohlen trägt daher unmittelbar nichts zur Vergröfserung der thie- rischen Masse bei, indem dabei im gesunden Zustande eben soviel excernirt als absorbirt wird. In einigen meiner Versuche wurde dreimal soviel Sauerstoffgas verzehrt als kohlensaures Gas ausgeson- dert, und dies fand nicht immer nur bei Thieren statt, die mit einer geringen Quantität atmosphärischer Luft ein- geschlossen waren. Es kann also nicht etwa beim Athmen in der freien Luft das Volumen des aufgenommenen Sauerstoffgas dem des ausgeleerten kohlensauren Gas gleichkommen. Allen und Pepys haben zwar ausihren Erfahrungen geschlossen, dafs Säugthiere und Vögel, die eine immer erneuerte atmosphärische Luft athmen, eben soviel des letztern Gas aushauchen als des erstern verzehren. Sie nehmen aber in Widerspruch mit den Beobachtungen aller anderer Physiker an, dafs die atmosphärische Luft gar kein kohlensaures Gas enthält. Wenn man diese Annahme nicht gelten läfst und in Uebereinstimmung mit den Resultaten aller zuverlässigen Versuche den Gehalt der Atmosphäre an kohlensaurem er) Gas — 0, 01 setzt, so folgt auch aus ihren Erfahrungen ein Ueberschufs des absorbirten Sauerstoffgas über das excernirte kohlensaure Gas, der aber kleiner bei den warmblütigen als bei den kaltblütigen Thieren ist, Diese Wechselwirkungen zwischen der äussern Luft und dem thierischen Körper verändern sich, wenn die geathmete Luft eine andere als atmosphärische ist. In Stickgas verhalten sich die Thiere so wie die Mollusken in atmosphärischer Luft, der diese das Sauer- stoffgas ganz entzogen haben. Sie fahren fort kohlen- saures Gas auszuscheiden, verzehren aber dafür Stickgas. In einer Mischung von Sauerstoffgas und Wasserstoffgas sahen Allen und Pepys*) eine Taube Stickgas und kohlensaures Gas aussondern und dafür eben so Wasser- stoffgas absorbiren, wie in Priestley’s und Link’s Versuchen Pflanzen des Epilobium hirsutum diese Gas- art verschluckten.**) Nach H. Davy, Nysten und Legallois nehmen Thiere auch oxydirtes Stickgas und sogar kohlensaures Gas auf, wenn sie in diesen Gasarten eingeschlossen sind. ***) Es erklärt sich über- haupt aller Austausch der Gasarten beim Athemhohlen einfach und befriedigend blos aus dem Gesetz, dafs, wenn eine Flüssigkeit mit einer Gasart geschwängert ist und mit einer andern in Berührung kömmt, ein Streben beider Gasarten, sich in ein gewisses Gleich- gewicht zu setzen, eintritt, und die erstere solange ausgestossen, die letztere eingesogen wird, bis das *) A. 2.0. Y. 1829. p. 284. **) Biologie. B. 4. S. 81. “*) Meckel’s Archiv für Physiol. B. 3. S. 280 fg. 449. 362 Gleichgewicht hergestellt ist,*) aber ein Streben, das nicht, wie Dalton meinte, blofs mechanischer Art seyn kann, da es vorzugsweise das Sauerstoffgas ist, welches dabei absorbirt wird. Es kann daher das beim Ausathmen entweichende kohlensaure Gas nicht von einer, gleich in den Lungen und auf der Oberfläche des Körpers eintretenden Ver- bindung des Kohlenstoffs des Bluts mit dem Sauer- stoff der Atmosphäre herrühren.**) Nach Vogel,***) Brande+) und Scudamore++) entwickelt sich koh- lensaures Gas aus frischem Blute unter der Luftpumpe, also in einem Raum, der keine hinreichende Menge Sauerstoff enthält, um eine merkliche Quantität Kohlen- säure zu bilden. Nysten-+++) liefs Thiere Stickgas vermittelst eines Apparats atlımen, der so eingerichtet war, dafs vor dem Anfang des Athmens die in den *) Biologie. B. 4. S. 201. Ruhland in Schweigger’s Neuem Journal für Chemie und Physik. B. XVI. S. 180. L. Gmelin in der neuen Bearbeitung des Gehler’schen physikal. Winterbuchs. B. I. S. 160. ** Gegen diese Voraussetzung habe ich mich schon im 4ten Bande der Biologie, S. 207 fg. ausgesprochen. Zu gieicher Zeit mit dieser meiner Erklärung erschien eine ähnliche von Nasse in Meckel’s Archiv für Physiologie, B. 2. S.200, und dann von Williams in den Transact. of the med. chirurg. Society of Edinburgh, Vol. 2, p. 29. Die Versuche des Letztern beweisen aber im Grunde nur, was man schon wufste, dafs die Entwickelung des kohlensauren Gas eben sowohl aus gelassenem Blute als aus den Lungen vor sich geht, und dafs diese Ausscheidung auch duich die Wände einer Blase geschieht, worin das Blut eingeschlossen ist. *+#) Schweigger’s Neues Journal für Chemie und Physik. B. X1. Ss. 399. y) Philos. Transact. Y. 1818. p. 181. +7) Versuch über das. Blut. Uebers. von Gambihler. $. 30. 88, +rt) A. a. 0. 363 Lungen rückständige Luft ausgezogen werden konnte. Die ausgeathmete Luft enthielt demungeachtet Kohlen- säure. Den Erfahrungen Brande’s und Scudamore's hat zwar J. Davy die seinigen entgegengestellt, nach welchen gelassenes Blut kein kohlensaures Gas aus- stößst, wohl aber solches verschluckt.*) Er glaubt auch, die beim Athemhohlen aus dem Blute ent- weichende Kohlensäure könne deswegen nicht schon gebildet darin enthalten seyn, weil sie durch das freie Alkali des Bluts zurückgehalten werden müfste. Er hat aber das Verfahren bei seinen Versuchen nicht so genau angegeben, dafs sich beurtheilen läfst, ob nicht dabei alie Kohlensäure schon aus dem Blute abgeschieden war, ehe dieses unter den Recipienten der Luftpumpe gebracht wurde. Gelassenes Blut, welches dessen kohlensaures Gas schon gegen atmosphärisches Sauerstoffgas vertauscht hatte, konnte sehr wohl unter einer, mit kohlensaurem Gas angefüllten Glasglocke dieses wieder absorbiren. Der Gehalt des Bluts an freiem Alkali beweiset nichts für Davy’s Meinung, da die Kraft, womit das letztere die Kohlensäure zurückhält, von einer stärkern, gegenwirkenden über- wundern werden kann. Man kann auch gegen die Annahme der Präexistenz der Kohlensäure im Blute nicht mit Recht sagen: wir fänden nie, dafs das Blut die Stoffe, die aus ihn ausgeschieden werden, schon fertig in sich enthielte.**) Es findet sich allerdings bei Thieren, denen die Nieren exstirpirt sind, schon *) Edinburgh med. and Surgical Journal. Vol. XXIX. p- 253. *) Rudolphi’s Grundrifs der Physiologie. B. 2. Abth. 2. S. 389. 364 im Blute Harnstoff, und es läfst sich auf die Ent- stehung der beim Ausathmen entweichenden Kohlen- säure nicht von den übrigen, weit zusammengesetztern Ausleerungsmaterien schliessen. Ferner, wenn es auch wahr wäre, dafs beim Athmen in der freien Luft das Maafs des ausgeathmeten kohlensauren Gas dem des absorbirten Sauerstoffgas genau gliche, so würde doch auch hieraus nichts gegen jene Voraussetzung folgen. Diese Thatsache erklärte sich dann eben so befrie- digend aus ihr wie aus der entgegengesetzten Meinung: denn es könnte ja seyn, dafs zur Bildung des bei jeder folgenden Exspiration aus dem Venenblute entweichen- den kohlensauren Gas das bei der vorhergehenden Inspiration in das Arterienblut aufgenommene Sauer- stoffgas verwandt würde, und dafs die Quantität des erstern von der des letztern, nicht aber umgekehrt diese von jener abhinge. Neuere Versuche, die Chri- stison eigens anstellte, um die Richtigkeit der Angabe Davy’s zu prüfen, haben übrigens auch ein ganz ent- gegengesetztes Resultat gegeben. Bei diesen Erfahrun- gen wurde von frischem Venenblute immer Kohlensäure gebildet und immer Sauerstoffgas absorbirt, dessen Meage die des ausgeschiedenen kohlensauren Gas be- ständig übertraf. *) Ausser kohlensaurem Gas und Stickgas werden von den Thieren auch Wasserdünste ausgehaucht.**) *, The Edinburgh med. and Surgical Journ. New Series. 1831. Jan. »*) Von den Insecten nach den Versuchen Rengger’s (Physiol. Un- tersuchungen über die thierische Haushaltung der Inseeten. S. 38.) Ich habe ebenfalls bei Hummeln und Bienen eine Aussonderung von wässrigen Dünsten bemerkt. 365 Man hat die Entstehung derselben aus einer Verbin- dung des Ueberschusses des Sauerstoffs, welcher nicht zur Bildung der Kohlensäure verwandt würde, mit freiem, aus dem Blute entweichendem Wasserstoff ab- geleitet, ohne einen Beweis für die Wahrheit dieser Ableitung anführen zu können. Paoli’s Versuche *) beweisen, dafs die, welche aus dem Munde und den Nasenlöchern ausgestossen werden, zwar nicht, wie Magendie gefunden haben wollte, blos aus der Mundhöhle herrühren, wohl aber, dafs sie von der Verdünstung aller der Feuchtigkeiten, die auf dem ganzen Wege vom Munde bis in die Lungen abge- sondert werden, ihren Ursprung haben. Da bei den Vögeln diese Säfte sich in weit geringerm Maafse als bei den Säugthieren ergiessen, so ist es begreiflich, warum bei ihnen die ausgeathmeten Dünste nicht als Dämpfe sichtbar werden.**) Würden diese Dünste in den Lungen und an der Oberfläche des Körpers aus dem Sauerstoff der Atmosphäre und freiem Wasserstoff des Bluts zusammengesetzt, so müfsten auch die Wasser- dünste aller übrigen thierischen Flüssigkeiten, die doch offenbar blos Folgen der Verdampfung sind, aus diesen Stoffen gebildet werden. Es ist zwar möglich, dafs der Ueberschufs des Sauerstoffs, der beim Einathmen absorbirt wird, über die beim Ausathmen 'entweichende *), In Configliachi’s und Brugnatelli’s Giornale di Fisica etc. T. VII p. 52. **), Man vergl. oben S. 310. Die Vögel scheinen indefs, nach den Beobachtungen Berthollet’s (Mem. de la Soc. d’Arcueil. T. II. p. 462), Allen’s und Pepys’s (Philos. Transact. Y. 1829. p. 280) zu urtheilen, stark durch die äussere Haut zu {ranspiriren. 366 Kohlensäure verwandt wird, sich mit Wasserstoff zu vereinigen und Wasser zu bilden. Aber diese Verbin- dung kann nur im Innern des thierischen Körpers vor sich gehen. Wir haben noch keine Erfahrungen, woraus sich bestimmen läfst, ob es auf den verschiedenen Stufen der vegetabilischen Organisation einen höhern und niedern Grad des Athemhohlens giebt. Es sind aber der That- sachen hinreichende, die beweisen, dafs mit der höhern thierischen Bildung und mit der stärkern 'Thätigkeit gewisser Organe ein stärkerer Verbrauch des atmos- phärischen Sauerstoffgas und eine stärkere Aussonderung von kohlensaurem Gas verbunden ist. Die Säugthiere und Vögel entziehen im Zustande des vollkommenen | Lebens der Atmosphäre mehr Sauerstoffgas als unter gleichen Umständen die Amphibien und Fische; die Vögel mehr als die Säugthiere; die luftathmenden Thiere weit mehr als die, welche unter dem Wasser leben; manche Insecten nicht nur mehr als die Mol- lusken und Würmer, sondern auch als manche Am- phibien, ja bei einer höhern Temperatur der Luft und, wenn sie in starker Bewegung sind, mehr als selbst die Säugtkiere und Vögel; das 'Thier in der Blüthe des Alters mehr als das neugebohrne und dieses mehr als der Embryo. Dagegen aber besitzen die niedern Thiere, vermöge ihrer gröfsern Lebenstenacität, das schon erwähnte Vermögen, von einer gewissen Quan- titäit atmosphärischer Luft, womit sie eingeschlossen sind, weit mehr Sauerstoffgas zu absorbiren, als die höhern Thiere verzehren, die lange vorher sterben, ehe sie noch ein weit kleineres Maals des Sauerstoffgas dieser Luft aufgenommen haben. Die Energie ihrer Respiration ist indefs ganz abhängig von der Tem- peratur des Mediums, worin sie sich befinden. Zum Beweise und zur Erläuterung der vorstehenden Sätze theile ich in der folgenden Tafel eine Reihe von Verhältnifszahlen mit, die ich für die Säugthiere, Vögel und Fische nach den Angaben einiger Schriftsteller, für die Amphibien und wirbellosen Thiere nach den. Resultaten meiner eigenen Versuche berechnet habe. Die bisherigen Erfahrungen über die Wirkungen des Athemhohlens des Menschen auf die äussere Luft wer- den sich aber mit diesen nicht zusammenstellen lassen. Sie betreffen blos das Athmen durch die Lungen, und für dieses ist die absolute Quantität des ausgeschiedenen kohlensauren Gas und verzehrten Sauerstoffgas von allen Andern, ausser Allen und Pepys, auf eire unsichere Art bestimmt worden. Die letztern geben als das sicherste Resultat ihrer Versuche eine Erfahrung an, bei welcher, während der Barometerstand 30, 4 englische Zoll, der Thermometerstand 50° Fahr. war, binnen 11 Minuten 3460 engl. Cubikzoll eingeathmet, 3437 Cubikzoll aus- geathmet wurden und die ausgeathmete Luft in hundert Theilen 8, 5 koklensaures Gas, 12, 5 Sauerstoffgas enthielt.) Wenn ich die englischen Zolle auf Pariser, nach dem Verhältnifs von 1: 0, 938, die Fahrenheit- schen Grade auf Reaumursche, die Ausdehnung der eingeathmeten Luft auf den Barometerstand von 28 Pa- *), A. a. ©. Y. 1808. p. 254. exp. 11. 368 riser Zoll und 15° R. die Dauer des Athmens auf 100 Minuten reducire und den Gehalt von hundert Theilen atmosphärischer Luft an kohlensaurem Gas — 1, an Sauerstoffgas — 21 setze, so finde ich das Volumen des excernirten kohlensauren Gas —= 2272. 2. des absorbirten Sauerstoffgas = 2600 C. Z. Par. Maals. Nach eben diesen Voraussetzungen habe ich die nehmliche Reduction mit den Resultaten der Versuche über das Athemhohlen an sechs Meerschweinchen und fünf Kaninchen von Berthollet,”) an drei Meer- schweinchen und einer Taube von Allen und Pe- pys,””®) an drei Meerschweinchen, einer Katze und Se za ze „x drei Tauben von Despretz,””*) an sieben Schleihen von Provencal und Humboldt,+) an Kröten, Frö- schen und wirbellosen Thieren von mir, vorgenommen, und ausserdem das Volumen der eingeathmeten Luft, so wie des excernirten und absorbirten Gas, für ein Gewicht jedes der Thiere von 100 Gran und für 100 Minuten Zeit des Athmens berechnet. Hieraus ist die folgende Tafel entstanden, die eine leichte Uebersicht der numerischen Verhältnisse gewährt, ”), A. 2.0. p. 461. *) A. a. O, Y..1309.,p. 412. Y. 1329. p.,279. **) A. a. O. Im Auszuge in Magendie’s Journ. de Physiol. T. IV. p. 155. Ich habe nur diesen Auszug benutzen können, worin aber der Stand des Barometers bei den Versuchen nicht mit angegeben ist, in Rücksicht auf welchen daher die in der folgenden Tafel nach Despretz’s Erfahrungen angegebenen Quantitäten Luft noch einer Verbesserung be- dürfen, die aber nur gering seyn und auf die allgemeinen Resultate, die sich aus dieser Tafel ziehen lassen, keinen Einflufs haben kann. +) Mem. de la Soc. d’Arcueil. T. I. p. 359. Der Barometerstand ist bei diesen Versuchen ebenfalls nicht aufgezeichnet. 369 worin Thiere aus allen Classen rücksichtlich der che- mischen Wirkungen des Athemhohlens gegen einander stehen. Das Gewicht der Thiere, woran die obigen Schriftsteller ihre Versuche machten, ist von ihnen nicht angegeben. Für dieses habe ich daher nur Mittelzahlen annehmen können. Die Thiere, womit ich selber experimentirte, wurden von mir jedesmal gewogen. In Betreff der Zahlen, die ich nach Pro- vencal’s und Humboldt’s Versuchen an Schleihen berechnet habe, ist noch zu bemerken, dafs meine Rechnung auf einer andern und, wie ich glaube, richtigern Voraussetzung als die dieser Naturforscher beruhet. Sie liessen sieben Schleihen 8 Stunden 30 Mi- nuten in 4000 Cubikcentimeter Wasser athmen und erhielten von 2382 Theilen dieses Wassers 524 'Theile Luft vor, 453 Theile nach dem Athmen. Für die Quantität des bei der Respiration erzeugten und ver- zehrten Gas nehmen sie den Unterschied des in diesen 524 und 453 Theilen Luft enthaltenen kohlensauren Gas, Sauerstoffgas und Stickgas an. Allein die ver- lohren gegangenen 71 Theile Luft waren gewifs nicht beim Abthemhohlen absorbirt, sondern von den Fi- schen verschluckt worden, ohne bei der Respiration mit im Spiele gewesen zu seyn. Es ist daher für das Maafs der beim Athmen ausgehauchten und verzehrten Gasarten die Differenz zwischen denen anzunehmen, die in 453 Theilen Luft vor und nach dem Athmen befindlich waren. Nach dieser Voraussetzung habe ich die Zahlen für die Respiration der Schleihe in der folgenden Tafel berechnet, und diese sind auch denen 24 370 für die übrigen 'Thiere analog, da aus Provencal’s und Humboldt’s Voraussetzung eine, von den letztern ganz abweichende Absorbtion von Stickgas für einen Ueberschufs des absorbirten Sauerstoffgas über das excernirte kohlensaure Gas folgen würde. Man Sieht aus den: vier letzten Columnen dieser Tafel, wie die Säugthiere und Vögel in den Wirkungen ihres Athemhohlens auf die atmosphärische Luft un- abhängig, die übrigen Thiere aber abhängig von der Temperatur ihres Mediums sind; wie jene darin bei einem niedrigen Grad der Wärme allen übrigen Thieren vorgehen, bei einem höhern Grade aber von manchen Insecten, besonders den Bienen und Schmetterlingen, übertroffen werden; wie die Wasserthiere in Rücksicht auf die Energie der Respiration so sehr viel tiefer als die luftathmenden Thiere stehen, dafs die Schleihe in Betreff derselben eine niedrigere Stelle als selbst luftathmende Mollusken und Würmer einnimmt; wie unter verwandten Thieren die sich lebhaft bewegenden stärker athmen als die trägern Arten; wie die Schleihe, die Nacktschnecken und Gartenschnecken bei langem Athmen einer geringen Quantität atmosphärischer Luft mehr kohlensaures Gas erzeugen als Sauerstoffgas verzehren, dabei aber den Ueberschufs des erstern über das letztere durch absorbirtes Stickgas ersetzen, welches sonst excernirt wird; und wie die kaltblütigen Thiere überhaupt mehr Sauerstoffgas in Verhältnifs zum erzeugten kohlensauren Gas .als die warmblütigen Thiere verbrauchen. Vergleichende Tafel der chemischen Wirkungen des Athmens in den verschiedenen Thierclassen, - (Zu Seite 370) Für 100 Minuten Zeit des Athmens und 100 Gran Gewicht der Thiere berechnete Luft, TU Gewicht Stand über O des Dauer Volumen Excernirtes Volumen Excernirtes Arten der Thiere. der Thiere in | Reaun. Thermometers | des Versuchs, in der kohlensaures Absorbirtes Excernirtes Absorbirtes der kohlensaures Absorbirtes Excernirtes Absorbirtes Granen. bei dem Versuch, Minuten. geathmeten Luft. Gas. Sauerstoffgas. Stickgas. Stickgas. geathineten Luft. Gas. Sauerstoffgas. Stickgas. Stickgas. Cavia Cobaya .....-22enseeessnnree 8640 Gran. ) h EB ertlolletten en 16 bis 18°. 210 Minuten | 1210 C. Z. | 76 €. Zoll. | 122 C. Zoll. | 46 ©. Zoll. ‚0 C. Zoll. 7,1€CZ. |0,43 CZ. | 0,80 cC.2.|0,32cC0.2.|0c. Zoll. = Allen und Pepya || amecnuune, 6 36 466 19 24 5 0 15, 8 0, 55 0, 74 0, 19 0 — Despretz scene | Frese r nn 7,9 105 832 4 62 18 0 0,9 0, 47 0,68 0, 21 0 i Lepus Cunieulus ..2...2e-reneenn 00: 17280 achiBerthollefar..se I ee u ehe 11 bis 14, 5 197 1469 150 206 56 [) 4,0 0, 44 0, 61 0,17 0 Felis- Catus oe neunemeinerners nenn eneee 17280 p | nach Despret2 c.-.... | eee-enunnn 7,9 90 2488 -| 104 153 49 0 15,59 0, 66 0, 98 0, 32 0 Columba domestica ......r-eerrHr 00 3540 nach Allen und Pepys | ....-..... 10 69 500 25 30 6) 0 18, 8 0, 96 1, 14 0, 18 0 U EDenpxetz. zeirzes. Mi cerersrarerereten 7,9 90 825 34 65) 21 0 23, 3 0, 99 1, 58 0, 59 0 Bufo einereus A .....-eeueeecenen0 805 17 45 15, 25 0, 10 0, 23 0,18 0 4,4 0,.02 0, 07 0. 05 o _ —_ Be werfeiefeltee ten s05 15 360 15, 25 0, 88 2, 40 1, 52 0 0,6 0, 03 0, 08 0, 05 0 Rana temporaria A „zes cereeeeenen er 40 14 900 2, 47 Ve range Doacscanone ansnandcan 0,7 0, 10 _ — B, nach 3tägigem Hungern | 72 . 13 bis 15 sb 2, 66 0, 35 (1 cv N er Orde | | uoonnnogro 0,8 0,14 0, 15 Cyprinus Tinca ......eeserenenrenne. 2380 j nach Provengal und Humboldt | „.ureecr22 0. 8 510 5, 22 1, 53 1, 41 0 0, 12 0, 035 0, 010 0, 009 [) 0, 001 Apis mellifica operaria A ..ereccen.. 1,3 11,5 150 0, 66 0, 020 0, 033 0, 013 0 27, 2 0, 82 1, 35 0, 53 0 — — — B, im Sonnenlichte und bei heftiger Bewegung der Biene | 1, 3 22 150 0, 96 0, 045 0, 055 0, 010 0 48, 6 2, 25 2, 77 0, 52 0 Bombus lapidarius A .oszceenencceen 10 12, 5 1440 5,5 0, 045 0, 063 0, 018 0 3,8 0, 31 0, 45 0, 12 0 — _ BE ee relete are 10 15 240 5, 70 (ee ann orason| ansonenseemı neanon I 1, 70 — _ een eine ilare 10 16 180 1, 87 OYdS; 1 esesfeirsiersteten |aersrerateraierel are | ueleferetejeinteiale 10, 0 0, 72 _ terrestris, im Sonnenlichte ....». 4 ' 14 bis 23 187 0, 83 Dar WE liner eiersfeie alerete] ersteeeiaie,cieie, Igerareie/aieieieinte 11, 0 1, 74 ee 4,5 1 17 1322 2, 76 0, 39 0, 50 0, 11 0 46, 2 0, 64 0, 82 0, 18 0 Syrphus nemorum zueeseenenenenenen 1 16 bis 16, 5 540 0, 40 0, 026 0, 042 0, 016 0 7,4 0, 50 0, 80 0, 30 0 Raupe der Papilio brassicae ......... 9,5 14 bis 13 675 1, 82 0, 10 0, 18 0, 08 0 2,8 0, 16 0, 28 0, 12 1) Papilio rapae A, nach 28stündigem Hungern | 0, 7 15 435 0, 60 0, 023 0, 071 0, 048 0 83 0, 72 2, 26 1, 54 0 _ — B, in der Periode des abneh- € menden Lebens «...... 0,8 15, 5 bis 17 1115 0, 57 0, 02 05:03 go satte ll ketstaerstster- ja 2,0 0, 20 0, 37 — Atalanta A, nach 3tägigem Hungern | 2 13 bis 28 340 1, 86 0, 18 0, ID. - Vsersres. |] aelekafarerareseie 27, 0 2, 69? 2, 85 = — B, nach 3tägigem Hungern und geschwächt vom vorigen Versuch | 2 IH 9 1, 91 0, 025 0, O0 Mlerakarslsseiersndi ern ti Maxafahnrezuislnreie 105, 0 1, 50 2, 39 Libellula depressa A... .ceceeccescen 3 17 bis 16, 5 960 1, 82 0,11 0, 22 0,11 0] 6,2 0, 37 0, 74 0, 37 v —_ _ Eiern vaveiaserera s eyatakaelene 3 16, 5 bis 14 1170 5, 31 0, 24 0, 66 0, 42 0 7,5 0, 33 0, 3 0, 60 0 Larve der Cetonia aurata ........... 16 17 1140 0, 92 0, 15 0, 22 0, 07 0 61 0, 04 0, 06 0, 02 0 Getoniaaurata A verececeaen je ea. 10 16, 5 720 2, 12 Oo le renggeieteisterehl Zateigereferterete 2,9 0, 21 — — B, nach 2ägigem Hungen | 7, 5 13, 5 bis 14, 5 | 720 0, 79 0, 032 0, 045 ° \ eeleeieieieinea ||| une aeiaie 1,5 0, 06 0, 07 Melolontha hortieola ....une2222220.. 1 13 bis 15 1200 0. 24 0, 008 0, 021 0, 013 0 2,0 0, 07 0, 17 0, 10 0 Carabus niger .....- Re 3 11 bis 15 1350 1,97 0, 10 0,24 0, 14 0 4,8 0, 23 0, 56 0, 33 0 Onisens Asellus 20... 2u202nonenenn- 1 11,5 bis 15 1410 2, 05 0, 04 0, 10 0, 06 0 14, 5 0, 20 0, 60 0, 40 0 Un douL GC lBDETeTeTereere stehen fenster rel 19,5 16 bis 15 1260 1,9 0,09 0,23 0,14 0 0,4 0, 03 0, 09 0, 05 > Lumbrieus terrestris ...usenseeeeneee 51 16 bis 15 1080 0,77 0, 085 0, 085 0, 040 0 0,1 0, 01 0, 03 0, 02 0 DE NN en aneeneieeen 161 16, 5 600 2, 32 0, 208 0,145 N) 0, 063 0,2 0, 02 0, 01 0 2:00 — —- B geschwächt vom vorigen Versuch | 214 17 235 3, 00 0, 09 0, 495 0, 405 0 0,5 0, 014 0, Las 0, 064 0 U BRHE ar BEBRANDANODDD ET 125 14 bis 15 4845 13, 4 1, 75 2,2 0, 50 0 0,5 0, 04 0, 05 0, 01 a Helix hortensis AN in. a en ae. 36 11, 5 bis 15 2580 4, 37 1,02 0, 88 ) 0, 14 0,5 0, 10 0, 09 0 9, u u 48 13, 5 bis 16 1275 2, 98 0, 46 0, 31 0 0,15 0,5 0, 15 wei s 2 2 Misnorbisucormeus ....consoesascaane 35,5 17 1020 1, 80 0, 050 0, 086 0, 036 0 0,5 0, 007 0, 014 0, 007 ; Part Kane " Ai Ya SR nk je: Ka u re j . TORRENN OT ee 1 Ya IRAK #a n URN 15 u 5 N 7 ww Rh weis TR 4 en M Be, NER HR ed, NLAEIEELIEN \ “ ki EN: „ Le A \ ” Er Ju; & eher '® 4 es ui ee Ki tt Act n u ah, b YO NE ' Y N RR e BReT al Ve m Bin N 1 En ı HAsEN N a \ LER TERER EN Be u u sat k h 17 } f f | ' sl Die im Herzen und dessen Gefäfsen enthaltene Flüssigkeit, die beim Athmen der Thiere das Sauer- stoffgas der Luft aufnimmt und kohlensaures Gas nebst Stickgas entweichen läfst, das Blut, wird auf die, oben (S.240) beschriebene Art in den Lungen oder Kiemen immerfort der Einwirkung der Luft ausgesetzt. Bei den, durch Tracheen athmenden Inseeten ver- liehren sich zwar die letzten Zweige der Luftröhren in. ‚der Substanz der Organe. Aber diese sind immer ganz vom Blute durchdrungen, und es wirkt hier die Luft auch durch die Tracheen des Rücken- gefäfses auf das Blut. Bei den Pflanzen kann die Luft zunächst nur auf den Saft der, gleich unter der Oberhaut liegenden Zellen Einflufs haben, der also dem thierischen Blute zu vergleichen ist. Diese Flüs- sigkeit ist die, woraus alles Organische entsteht und worin dasselbe, solange es Theil eines lebenden Ganzen ist, zurückkehrt. Sie zeichnet sich durch einen grofsen Gehalt an dem Grundtheil, der allein der organischen Gestaltung fähig ist, dem Eiweilsstoff, aus. Dieser ist aber nicht im Blute der Thiere und im Zellensaft der Pflanzen von ganz gleicher Beschaffenheit. Er congulirt im Blute der Säugthiere und Vögel, wenn dieses der Luft ausgesetzt wird, zum Theil zu einer festen Substanz, dem Biutkuchen. Die. Gerinnung geht langsamer und weniger vollständig im Blute der Amphibien und Fische, noch unvollständiger in dem der wirbellosen Thiere vor sich. Jener Stoff nähert sich mit der abnehmsnden Stufe der thierischen Organisation immer mehr der Gallerte. Vor seiner 24* 312 Gerinnung findet im Blute der Wirbelthiere eine starke, innere Bewegung statt.*) Während derselben vereinigt sich ein Theil von ihm mit einem zweiten Bestandtheil des Bluts, dem Cruor, worin er mit Eisenoxyd zu Kügelchen, den Blutkügelchen, verbunden ist. Man findet diese im Blute aller Thiere, und immer enthalten sie Eisenoxyd. Erman fand dasselbe im Blute der Weinbergschnecke und ich im Blute des Hummers. Chlor löset, nach Engelhart’s Entdeckung, das Eisen auf und präcipitirt den Eiweifsstoff.**) Im Blute der sämmtlichen Wirbelthiere, der Planorbis- Arten und der meisten Anneliden ist mit den Kügelchen noch ein anderer Stoff, wahrscheinlich schwefelhaltige Blausäure, vereinigt, der ihnen die rothe Farbe er- theilt.***) Es giebt keine andere Flüssigkeit, deren Farbe der des rothen Bluts so sehr gleicht, als eine Auflösung von Eisenoxydul in Wasser, welches diese Säure enthält. Sie ist im Speichel vorhanden, und man erhält sie, nach meinen Erfahrungen, aus‘ dem *) Biologie. B. 4. S. 654. Man vergl. auch J. L. €. Schröder van der Kolck diss. sist. sanguinis coagulantis historiam, (Groningae. 1820), worin mehrere Beobachtungen über diese Bewegung enthalten sind. Rudolphi (Grundrifs der Physiologie. B. 1. S. 147) sagt: man sehe eben solche Bewegungen wie im Blute, wenn man den Pollen der Pflanzen in Wasser auftrüge, bei Oelen, Campher und vielen andern Dingen, Ich habe die Bewegungen im Blute von denen in allen andern Dingen immer sehr verschieden gefunden. **) Kastner’s Archiv für die gesammte Naturlehre. B. VI. S. 337. *##) Bei Planorbis marginatus Pfeiff. konnte ich durch die durch- sichtige Schaale das Herz pulsiren sehen, welches deutlich rothes Blut enthielt. Es ist also unrichtig, wenn Cuvier (Legons d’Anat. comp. T. IV. p. 410) sagt: die rothen Säfte der Mollusken seyen nie Blut, sondern immer secernirte Flüssigkeiten. 315 Blut aller Wirbelthiere, wenn man dasselbe mit ätzen- dem Alkali verkohlt und die Kohle mit: Alcohol auszieht. Man hat noch für einen dritten Bestandtheil des Bluts den Faserstoff angenommen, der beim Schütteln oder Schlagen dieser Flüssigkeit in der Gestalt von häutigen Concretionen entsteht. Ich habe mich aber schon im 4ten Bande der Biologie (S. 558) dahin erklärt, und bin noch der Meinung, dafs derselbe ein Product aus dem: Eiweifsstoff ist, welches durch die mechanische Behandlung und die dabei statt findende, innigere Be- rührung aller Theilchen des Bluts mit einander und mit der‘ atmosphärischen Luft hervorgebracht wird. Im Zellensaft der Pflanzen ist ‚ebenfalls Eiweilsstoff vorhanden. Aber statt der rothen oder weissen Kügel- clien des thierischen Bluts giebt es darin grüne Bläschen, von deren Farbe das Grün der Pflanzen herrührt. Dieses Grün läfst sich durch Weingeist ausziehen und verhält sich in dem Auszug wie eine harzige Materie. Die ungefärbt zurückbleibenden Kügelchen sind Satz- mehl, eine Abänderung des Kiweifsstoffs. Die Urflüssigkeit alles Organischen wird immer durch Zumischung anderer Säfte des zu Ernährenden zu der Nahrungsflüssigkeit gebildet.: Bei den Pflanzen gelanget das kohlensaure Wasser, das sie als Nahrungs- mittel aufnehmen, in die Zwischenräume der Rinden- zellen (Intercellulargänge) und aus diesen in die grofsen Gefäfse. Dafs die letztern nicht Luft, sondern Flüs- sigkeit führen, halte ich für gewifls, obgleich neuerlich noch wieder L. W. T. Bischoff das Gegentheil 314 zu'beweisen gesucht hat,”) während zu derselben Zeit von Hayne neue‘Gründe für die ersterei! Meinung aufgestellt wurden.*”*) Man würde, wären jene Gefäße luftführend,, nie sehen, was man doch täglich sehen kann, dafs in einer ganzen Pflanze, die in gefärbtes Wasser gesetzt ist, die 'Spiralgefäfse sich "ganz>mit dieser Flüssigkeit füllen. In keinem Haargefäfs, "das an dem’ einen 'Ende‘ verschlossen‘ und voll Luft ist, kann Wasser durch das offene’Ende bis: zw dem an- dern, verschlossenen aufsteigen. In ‘einem 'Insect, das man unter Wasser öffnet, bleiben alle 'Tracheen,'die nicht an beiden’ Enden zerrissen oder 'zerschnitten sind; mit Luft angefüllt. Es würde auch nicht möglich seyn, dafs alle Zweige und Blätter einer welken Pflanze nach dem Begiessen der Wurzeln sich so ‚schnell ‚wieder aufrichteten, wie wirklich geschieht, wenn dası Wasser nicht auf einem kürzern Wege als von Zelle: zu Zelle, oder durch die Zwischengänge zwischen ‘den Zellen, von den Wurzeln bis zum Gipfel: gelangen "könnte. Bohrt man einen Baum im Frühjahr, während''die Blätter noch nicht entwickelt sind, der Saft aber schon aufzusteigen angefangen hat, bis auf die grofsen Ge- fäfse an, so ergiefst sich eine Flüssigkeit, die kohlen- saures Wasser, vermischt mit etwas. vegetabilischer Materie, einigen Erden und Salzen, ist. Diese quillt anfangs wohl zum "Theil aus den, beim Anbohren verwundeten Zellen. Aber der Baum würde sehr bald *) L. W. T. Bischoff de vera vasorum -spiralium ‚natura et functione. Bonnae. 1829. Cry. 1618. 1830.7H. 5% 871502; .erschöpft seyn und ’der Ausflufs nicht, wie bei spät beschnittenen Weinstöcken der Fall ist, wochenlang bis zur Entwickelung der Blätter, in sehr grofser Menge und, wie Muncke’s Versuche zeigen, *) mit grofser Gewalt fortdauern können, wenn der Saft blos aus den Zellen käme. ‚Wenn man dagegen einwendet, durch die grofsen Gefäfse, die von unten erleuchtet unter dem Microscop betrachtet werden, erschienen doch ‘die Lichtstrahlen gewöhnlich so’ gebrochen, wie diese nur von saftleeren, durchsichtigen Röhren ge- brochen werden könnten, so bedenkt man nicht, dafs bei der Pressung, welche die Gefäfse vom Messer während der Zubereitung ‘zur Untersuchung erleiden, der Saft aus ihnen herausgedrückt werden mufs, und dafs sich von dem Zustand, worin sie durch diese Behandlung; versetzt werden, nicht auf ihre natürliche Beschaffenheit schliessen läfst. Bischoff sagt in seiner angeführten Schrift: man sehe, wenn man einen frischen Pflanzenstengel, der mit dem untern Ende in einem Gefäfs mit Wasser steht, mit diesem Gefäfs unter die Glocke der Luftpumpe bringt und die Luft verdünnet, aus den obern Enden der Spiralgefäfse desselben Luft- blasen heivordringen, und diese seyen um 7 bis 9 p. ©. reicher an Sauerstoffgas als die atmosphärische Luft. Aber das nehmliche Resultat würde Bischoff auch erhalten haben, wenn er den Versuch mit todten Pflanzenstengeln, mit baumwollenen Fäden und andern porösen Substanzen gemacht hätte. Die im Flufswasser *) Poggendorff’s Annalen der Physik. 376 befindliche Luft ist bekanntlich reicher: an Sauerstoffgas als die Atmosphäre, und jene trennet sich unter ‚der Glocke der Luftpumpe um so leichter vom,Wasser, je mehr Berührungspuncte mit festen Körpern ihr ha dem Versuch gegeben werden. Die Flüssigkeit, die von diesen Gefälsen dich die Wurzeln aufgenommen ist, scheint durch. Zumischung des in den sogenannten eigenen Gefäfsen enthaltenen Safts die Fähigkeit zu erhalten, auf. die jedem ‚Ge- wächs angemessene Art umgewandelt zu.werden. Man sieht ohne diese Voraussetzung keinen Zweck der eigenen Gefäfse. Ein blofser Auswurf kann der..Saft, den sie führen, nicht seyn, da das Ausfliessen desselben bei den milcbenden Pflanzen für diese sehr nachtheilige Folgen hat. Nach jener Zumischung, durchläuft .die von aussen eingesogene Flüssigkeit mehrere Stufen ‚der Assimilation, indem. sie aus den grofsen. Gefäfsen in die Bastzellen und dann weiter von Zellen zu Zellen bis zur Oberfläche der grünen Pflanzentheile gelanget, wo sie dem Einflusse des Lichts ausgesetzt wird. Was im Anfange des Frühlings, zur Zeit des ersten Er- wachens der Vegetation, aus dem Innern eines ange- bohrten holzigen Gewächses hervorquillt, enthält noch wenig oder gar keine assimilirte Materie. Späterhin zeigen sich darin Säuren, die Producte der Vegetation sind, besonders Essigsäure. Die Flüssigkeit wird. zu- gleich zuckerhaltig und nimmt desto mehr an speci- fischer Schwere zu, je höher sie steigt.*) Jetzt ergiefst *) Biologie. B. A. S. 11. m sich auch zwischen dem Splint und Bast ein schleimiger oder gummiartiger Saft, und darauf erfolgt die Ent- wickelung neuer Triebe und Blätter, womit Absatz von Stärkemehl in, denen Zellen, die der Einwirkung des Lichts entzogen sind, Bildung neuer Holzfasern, und zuletzt in. den Blättern und der grünen. Rinde Erzeu- gung von: Eiweifsstoff und harzigen Substanzen ver- bunden‘.sind.. So‘, entstehen hier aus: kohlensaurem, mit einigen Erden und Salzen vermischtem Wasser unter ‚Mitwirkung , der. atmosphärischen . Luft, - des Lichts und der Wärme: vegetabilische Säuren, Zucker, Schleim, Gummi, Stärkemehl, Holzfasern, Härze und Biweils.! Die Chemie vermag nicht, diese Verwandlung des Niedern' in das Höhere 'nachzuahmen, obgleich sie, wohl umgekehrt aus Stärkemehl die Materie der Holzfasern und Gummi,.aus Gummi Zucker und. ve- getabilische Säuren zu bilden im ‚Stande ist.*) Der Zweck jenes Fortschreitens in der Hervorbringung der vegetabilischen Substanzen ist am Ende die Bildung neuer Zellen und Gefälse, und der Zweck dieser Bildung wieder, eine ‚neue Folge des Fortschreitens vom Niedern zum Höhern möglich zumachen. Wir- kende Kräfte in diesem Cirkel sind wohl. electro- chemische, die vorzüglich durch Wärme und Licht in 'Thätigkeit gesetzt werden. Aber was da. macht, dafs diese eine, in sich zurückkehrende Kette bilden, und was die Glieder der Kette zusammenhält, mufs von höherer als elecirochemischer Art seyn. Die *) Biol. B.4. S.120 fg. L. Gmelin in der Zeitschr. £. Physiologie. B. 3.28 173. 378 Chemie 'wird vielleicht dahin “gelangen, Stärkemehl, Eiweißsstoff und vegetabilisches 'Zellgewebe aus ein- facheren Substanzen hervorzubringen, 'aber nie’ dahin; zu bewirken,’ dafs das künstliche 'Zellgewebe GE Blüthen’und ‘Früchte treibt. ' 1930 ld Bei der thierischen Ernährung läfst sich kein solches Fortschreiten in der’ Bildung von einfachern' Materien zu mehr zusammengesetzten wie'bei der vegetabilischen nachweisen. Nur ‘die Pflanze bereitet organische Sub- stanzen. Das’ 'Thier 'ertheilt dieser, schon bereiteten Materie den'animalischen Character. Wenn," wie alle Umstände‘! beweisen, der‘ Eiweifsstoff die Ursubstanz aller thierischen: Theile ist, so: beruhet die‘ thierische Ernährung ‘in‘ihrer einfachsten Form auf‘ Ausziehung dieses ‘Stoffs aus den’ Nahrungsmitteln, Absonderung dessen 'von ihm, 'was' dem'zu. ernährenden Individuum unangemessen ist, und Verbindung desselben mit denen Stoffen, "welche die Natur dieses Individuums verlangt. Die Erfordernisse hierzu sind:» dafs die Nahrungsmittel möglichst 'zertheilt, ihrer . Vitalität beraubt, aufgelöst, mit Stoffen, welche das zwernährende Individuum selber liefert, versetzt, in einen, diesem anzueignenden Theil und einen andern, auszusondernden geschieden werden. Diese Verrichtungen’ werden von allen Thieren vollzogen. Nur sind sie nicht bei allen 'Thieren von einander getrennt. Die Zertheilung der Speisen geschieht durch die Kauwerkzeuge, wovon im Vorhergehenden (8. 284) die Rede war. Wo diese sich im Munde befinden, und wirklich zum Zerreiben des Futters dienen, da ergiefst 379 sich iminer während: dem Käuen eine wässerige Flüs- sigkeit auf die Speise. Doch fliefst dieselbe auch bei vielen Thieren, die"ihr Futter ganz unzerstückelt ver- schlingen, der Mundhöhle‘ zu. Sie kann also nicht immer den Zweck haben, dem zu Verschluckenden einen gewissen ‘Grad von Flüssigkeit zw ertheilen. Bei manchen Thieren>hat sie offenbar eine andere, mechanische Bestimmung. Sie ist z. B. bei dem Specht, dem Ameisenbär (Myrmecophaga) und dem Chamäleon ein klebriger: Saft, der die Zunge überzieht und als Mittel zum Fange kleiner Insecten dient. Im Allge- meinen kömmt ihriaber eine doppelte, höhere Be- stimmung: zu: der Speise die Vitalität zu entziehen und den ersten Grad. der'Verähnlichung ‘zu geben. Die erste Wirkung ’ ist‘ Bedingung der ‘zweiten. Das Zermalmen allein reicht nicht zu, in allen organischen Theilen das Leben aufzuheben. In jeder Partikel der Fühlblätter der zweischaaligen Mollusken dauern noch Zuckungen fort, wenn diese auch durch Zerreibung in einen Brei verwandelt sind. Der Speichel aller Thiere, bei welchen derselbe so auf die Speise wirkt, dafs, diese ganz davon durchdrungen wird, mufs des- wegen als ein Gift wirken. Es hat sich in der 'That ein sehr starkes Gift, die schwefelhaltige Blausäure, als ein Bestandtheil des Speichels des Menschen und des Schaafs gezeigt.*) Noch weit giftiger ist der Spei- chel vieler. Schlangen, der Spinnen und Scolopendern., *) Ich wurde auf die Entdeckung. der Gegenwart dieser Substanz im menschlichen Speichel durch die Blutfarbe geleitet, welche derselbe in Verbindung mit Eisenoxyden hervorbringt. Man kannte damals aber noch 380 Diesen Thieren dient freilich: derselbe als Waffe, und als solche: wird bei den Scorpionen, den: Bienen: und mehrern ‘andern: :Hymenopteren auch. eine Flüssigkeit in Theilen bereitet, die mit den Frefswerkzeugen nichts gemein haben. Im Speichel der Hunde ist. die schwefel- haltige Blausäure nicht vorhanden, und vielen 'Thieren fehlen: die Speicheldrüsen. Allein, beim Hunde enthält vermuthlich der Speichel statt der schwefelhaltigen Blausäure ' ein‘ anderes, ;noch unbekanntes Gift, das bei der Hundswuth die höchste ‚Kraft erreicht, | und bei denen Thieren, die keine Speicheldrüsen: haben, wird wahrscheinlich ‚die Absonderung des 'Speichels durch die :Secretion einer schleimigen Materie in ‘der Mundhöhle und ‚im: Schlunde, ‚oder bei denen, die einen drüsigen Vormagen haben, durch die sich ‚darin erzeugende Flüssigkeit ersetzt: Der Schlund: und: die Speiseröhre, ‘deren innere Fläche da, wo es Speichel- drüsen giebt, nur mit einer. dünnen Lage ‚Schleim überzogen ist, enthalten bei den Fischen, welchen jene Drüsen fehlen, eine grofse Menge dieser Materie, die keinesweges immer von indifferenter Beschaffenheit ist, nicht die schwefelhaltige Blausäure. Ich beschrieb daher jene Substanz im dten Bande der Biologie (S. 331. 566) als eine Säure eigener Art unter dem Namen Blutsäure L. Gmelin erkannte sie für die schwefelhaltige Blausäure und fand sie auch im Speichel des Schaafs, aber nicht in dem des Hundes. (Die Verdauung, nach Versuchen von J. F. Tiedemann und L. Gmelin. B. 1. S. 9 fg.) Berzelius (im Jahresbericht der Schwedischen Acad. für das Jahr 1827) hat für zweifelhaft erklärt, ob liese Materie nicht vielmehr ein Prodnet als Educt sey. Aber wenn irgend eine der Substanzen, die man für die nähern Bestandtheile der organischen Körper ansieht, ein Eduet ist, so ist es diese, da sich ihre Gegenwart schon beim Hinzutröpfeln einer Auflösung von Eisen in Salzsäure zu ganz frischem Speichel zu erkennen giebt. 38l wie das Beispiel der nesselnden Acalephen beweiset, deren brennender und eine Erstarrung hervorbringender Saft sich im Aeussern wie Schleim verhält. Diese Flüs- sigkeit ist in der That nichts anders als ein sehr giftiger Speichel, der durch Theile abgesondert wird, die ihn sonst nicht bereiten, durch Organe der willkührlichen Bewegung. Der viele Schleim im Schlunde und der Speiseröhre der Fische dienet wohl mit, um das Ver- schlucken der unzermalmten Speise zu erleichtern. Es ist aber nicht zu erklären, warum man nur selten und nur einzeln Eingeweidewürmer in der Speiseröhre dieser Thiere findet, während ihr übriger Nahrungscanal oft ganz damit angefüllt ist, wenn man nicht eine feind- liche Wirkung jenes Schleims auf fremde lebende Wesen voraussetzt. Dafs übrigens der Speichel auch einen as- similirenden Einflufs auf die Speise hat, ist zwar nur Muthmaafsung. Doch giebt es unter den Bestandtheilen dieser Flüssigkeit einen eigenen Stoff, den Speichelstoff, dessen Gegenwart beweiset, dafs die Zumischung der- selben zu den Nahrungsmitteln noch auf etwas Weiteres abzwecken mufs, als sie zu verdünnen und ihrer Vi- talität zu berauben. Die Auflösung der Speisen, die Verwandlung der- selben in Chymus, geschieht bei allen 'Thieren im Magen durch den Magensaft, der durch die Arterien des Magens ohne Vermittelung drüsiger Theile ab- gesondert wird. Die Drüsen auf der inwendigen Fläche des letztern sind Schleimdrüsen. Bei den Wirbelthieren, die einen knorpeligen Magen haben, kann nicht dieser, sondern nur der gleich vor, oder gleich hinter ihm . 382 liegende Theil des Nahrungscanals das Secretionsorgan jenes Safts seyn. Der Magensaft der Vögel, ‚die einen Knorpelmagen haben, wird im Vormagen erzeugt und gelanget aus diesem mit: dem Futter in den Knorpel- magen. Das Futter wird hier zu gleicher Zeit zerrieben und aufgelöst. Bei vielen wirbellosen 'Thieren hingegen scheint. der Magensaft den Speisen erst zugemischt zu werden, nachdem diese im Zahnmagen zerrieben sind. So hat bei den Heuschrecken der Nahrungscanal gleich hinter dem Zahnmagen zwei blinde Säcke, die inwendig mit blättrigen Falten besetzt sind und die Absonderungs- werkzeuge des Magensafts zu seyn scheinen. Dafs dieser Saft bei den Säugthieren und Vögeln von saurer Beschaffenheit ist, bewiesen schon alle zuverlässige frühere Erfahrungen über die Reac- tion desselben. Ich fand ihn ebenfalls so bei den Vö- geln.*) Durch Tiedemann’s und Gmelin’s Ver- suche **) ist es jetzt ausgemacht, dafs er bei allen Wirbelthieren eine freie Säure enthält. Die Erfahrungen dieser Schriftsteller zeigen zugleich, dafs er nur. dann abgesondert wird, wenn der Magen angefüllt oder gereizt ist, und dafs der Zuflufs desselben zu den Speisen mit der mehr oder weniger reizenden Qualität der letztern in Verhältnifs steht. Sie bestätigen aber auch, was ebenfalls schon ältere Beobachtungen lelir- ten,***) dafs bei den Thieren mit einem vielfachen Magen nicht in allen diesen Theilen eine saure ‚Flüs- *) Biologie. B. 4. S. 351. ”) A. a. 0. **#) Biologie. B. 4. S. 352. 353. 383 sigkeit secernirt wird, ‚sondern dafs. bei den Wieder- käuern nur im. dritten und vierten Magen ein saurer, hingegen. im ersten und zweiten ein alkalischer Saft enthalten ist. Bei. den wirbellosen Thieren ist im Magen keine Säure befindlich. Dafs mehrere Insecten einen alkalischen Magensaft haben, ergab sich schon aus frühern, von Ramdohr und mir angestellten Versuchen, *) und ist nachher auch von Rengger**) bemerkt worden. Es läfst sich hieraus erklären, wie, nach einer Beobachtung Holt’s,***) schwefelsaurem Zink, wovon eine Spinne gefressen hatte, durch den Verdauungsprocefs ein Theil seines Oxyd’s entzogen seyn konnte. Ich stellte im 4ten Bande der Biologie (S. 358 fg.) die. Vermuthung auf, die Säure des Magensafts der Wirbelthiere -rühre von Milchsäure, Salzsäure und Flufssäure her. Die Milchsäure, die man als einerlei mit der Essigsäure befunden zu haben glaubt, ist auch von Tiedemann und Gmelin als ein Bestandtheil jenes Safts dargethan. Diese fanden Salzsäure eben- falls darin, welche auch Prout darin antraf, und in einigen Fällen auch Buttersäure. Flufssäure hingegen konnten sie nicht daraus. darstellen.+) Die Gegenwart dieser Säure im ‚Magensaft ‚bleibt mir ‚aber dessen ungeachtet wahrscheinlich. Hancock hat die Frage aufgeworfen: Was aus dem Sande wird, den die 0°) Biologie. R. 4, 81'355. *) Physiolog. Untersuchungen über die thierische Haushaltung der Insecten. $. 8 fg. *”%) Annals of Philos. Vol. XH. °p. 454. 7) Tiedemann und Gmelin a. a. ©. B. 1. 3. 150. B. 2. S. 138. 384 hühnerartigen Vögel verschlucken? Man finde ihn, sagt er, nicht im Koth dieser 'Thiere wieder; er habe den Kropf eines Vogels mit Sand angefüllt gefunden, und doch sey im ganzen übrigen Nahrungscanal kein Sand- körnchen zu entdecken gewesen.*) Wenn man nicht Flufs- säure für einen Bestandtheil des Magensafts annimmt, so giebt es schwerlich eine Erklärung dieser Thatsachen. Auf jeden Fall sind mehrere Säuren im Magensaft enthalten. Zugleich ist es gewils, dafs die Stoffe, die in allen Nahrungsmitteln der Thiere das eigentliche Nährende ausmachen, Eiweifsstoff, Gallerte, Schleim und Faserstoff, von Säuren aufgelöst werden. Dies beweisen sowohl meine, in dem eben erwähnten Band der Biologie (S. 366 fg.) mitgetheilten Erfahrungen, als die Resultate der Versuche Tiedemann’s und Gmelin’s.**) Eben diese Stoffe sind aber auch löslich in Alkalien. Die auflösende Kraft des Magensafts kann also sowohl mit der sauren, als mit der alkalischen Beschaffenheit desselben bestehen. Dafs dieser Saft wirklich die Speisen bei der Ver- dauung auflöst, ist von Reaumur, Spallanzani und Stevens durch Versuche an Säugthieren, Vögeln, Amphibien 'und Fischen ausser Zweifel gesetzt.***) In Betreff der wirbellosen Thiere zeigen das Nehm- liche Umstände, wovon ihre Verdauung begleitet ist. *) Journ. of Science. New. series. January — March. 1830. p. 133. *) A. a. 0. B. 1. S. 332. *+*+) Mem. de P’Acad. des sc. de Paris. A. 1752. p. 266. 461 der Ausgabe in 4to. Biol. B. 4. S. 344 fg. 385 Es nähren sich z.B. die Actinien von Muscheln und Schnecken, die sie unzermalmt verschlucken und wo- von sie die leeren Schaalen wieder auswerfen.*) Bei diesen Thieren kann es blos die chemische Wirkung des Magensafts seyn, wodurch die Schaalen entleert werden. Andere Umstände zeigen aber auch, dafs die Wirksamkeit des Magensafts nicht bei allen 'Thieren in Beziehung auf alle Substanzen gleich grofs ist. Der Magensaft der Raubvögel löst, nach Spallanzani, sehr kräftig alle thierische Substanzen, hingegen wenig oder nichts von vegetabilischen Materien auf. Es kann also nicht bei allen Thieren einerlei Säure seyn, wo- durch er auflösend wirkt, und es läfst sich annehmen, dafs bei den Wiederkäuern, wo er in den beiden ersten Magen alkalisch, in den beiden letzten sauer reagirt, entweder andere Materien in jenem und andere in diesem aufgelöst werden, oder dafs der erste alkalische Saft Substanzen für den zweiten, sauren, löslich macht, worauf dieser sonst keinen Einfluls haben würde. Bei jedem Thier, auf dessen Magen Stoffe wirken, welche die Ergiessung des Magensafts veranlassen, findet man im Anfange des Flockendarms ebenfalls eine sauer reagirende Flüssigkeit. Wahrscheinlich sondert dieser ganze Darm einen sauren Saft, den Darmsaft (Liquor entericus), ab, der nur ein weniger concen- trirter Magensaft ist. Es hauchen überdies alle Häute, in welchen sich keine, rothes Blut führende Gefäfse verzweigen, eine wässerige Materie aus, wovon Fleisch, *) Rapp über die Polypen. S. 44. das im Innern des Körpers ihrer Einwirkung ausgesetzt ist, wie vom Magensaft, nur langsamer, aufgelöst wird.*) Selbst die Materie der Hautausdünstung kann nicht sehr verschieden von diesem Saft seyn, da der Arm- polyp auch mit der äussern Haut seines Körpers ver- dauet, wenn er umgestreift und diese zur Magenhaut gemacht wird, und da den Beroen die concave Ober- fläche ihres Körpers als Magen dienet, indem sie dieselbe zu einer Höhlung einziehen.**) Die vom Magen- und Darmsaft herrührende Säure des Chymus verschwindet, sobald die Galle demselben zugemischt ist. Ein Hauptbestandtheil dieser Flüssigkeit, der Gallenstoff, hat eine grofse Verwandtschaft zum Sauerstoff, entzieht diesen den Säuren und bildet da- mit eine neutrale, in Wasser und Alkalien leicht auf- lösliche Verbindung. Eine solche geht er im Flocken - darm auch mit der Säure des Magensafts ein, und diese Verbindung macht als Abgeschiedenes aus dem Chymus einen 'Theil des Darmkoths aus: denn darin findet sich bei allen 'Thieren, die eine Leber haben, unter andern nach meiner Erfahrung selbst bei den Schnecken, *”*) ein ähnlicher Stoff wieder. Was die Scheidung bewirkt, wissen wir nicht. Es kann seyn, dafs sie durch einen der übrigen Bestand- theile der Galle verursacht wird. Möglich ist es auch, dafs sie von dem pancreatischen Saft herrührt, der gleichzeitig mit der Galle dem Chymus zugemischt wird. *) Biologie. B. 4. S. 348. **) Man vergl. oben S. 237. *##) Biologie. B. 4. S. 486. 387 Dieser enthält einen Stoff, der mit Chlor eine röthliche Farbe bekömmt, und eine ähnliche Materie findet sich im Darmcanal. Vielleicht ist es dieser Stoff, der die Trennung hervorbringt. Wie es hierum aber auch seyn mag, so kann doch die Verdauung nicht ohne Zer- setzung der Galle und des pancreatischen Safts vor sich gehen. Mehrere Nahrungsmittel, z. B. Stärkemehl, Schleim, Gummi und Fett, bestehen blos aus Sauerstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff, und können nicht ohne Zusatz von Stickstoff in thierische Materie verwandelt werden. Diesen kann nur das zu ernährende Indivi- duum selber durch die Galle und den pancreatischen Saft hergeben, die sehr stickstoffreiche Bestandtheile haben, und von welchen sich die erstere, nach Tie- demann und Gmelin*),‘ bei Gänsen, die blos mit Zucker, Gummi und Stärkemehl gefüttert wurden, in vorzüglich grofser Menge ergofs. Hierbei mufs aber sehr bald Erschöpfung eintreten. Aus der atmosphä- rischen Luft können Thiere bei solcher Nahrung nicht etwa den nöthigen Bedarf an Stickstoff schöpfen: denn wir haben oben (8. 359) gesehen, dafs beim Athem- hohlen niemals Absorbtion, sondern im Gegentheil Excretion von Stickstoff statt findet, solange die Luft noch Sauerstoff enthält und das Thier diesen noch in sich aufnehmen kann. Die Gänse, die doch pflanzen- fressende Thiere sind und sich blos mit Gerstenkörnern unterhalten lassen, sterben daher eben sowohl als DA: a. 0. B. 1.'8. 232. 25* 388 nn Hunde sehr bald, wenn ihr Futter blos in Gummi, Zucker und Stärkemehl besteht. *) Aber wie ist es mit dieser Erklärung vereinbar, dafs, nach Tiedemann’s und Gmelin’s Versuchen, **) Gänse auch sterben, die blos Eiweils, eine an Stick- stoff sehr reiche Substanz, zur Nahrung erhalten; dafs, nach eben diesen Schriftstellern, ***) bei Säugthieren, denen der Ausführungsgang der Galle unterbunden war und wobei also keine Galle in den Darmcanal gelangen konnte, sich doch Milchsaft im Brustgange fand; dafs bei den zweischaaligen Mollusken sich die Galle schon in den Magen ergiefst, ehe noch die Auflösung der Speise durch den Magensaft vor sich gehen kann, und dafs bei den Insecten sich gar kein Zutritt einer gallenartigen Flüssigkeit zum Chymus nachweisen läfst? Hierauf läfst sich Folgendes ant- worten. Es giebt für jede thierische Form eine bestimmte Mischung der Bestandtheile des Körpers und es be- darf zur Erhaltung dieser Mischung für die mehresten Thierarten eines bestimmten gegenseitigen Verhältnisses der Grundstoffe der Nahrungsmittel. Futter, das. ein Uebermaafs an Stickstoff hat, kann also dem Leben auf die Dauer eben so nachtheilig werden als solches, dem dieser Stoff ganz fehlt. Dafs sich auch bei aufgehobenem Zuflufs der Galle *), Magendie in Meckel’s Archiv für Physiologie. B. 3. S. 311. Tiedemann und Gmelin a. a. ©. B. 2. S. 183 fg. +) A. a. 0. S. 197. **) Ebendas. 8. 1 fg. 389 zum Chymus noch Milchsaft bildet, beweiset nichts gegen die Nothwendigkeit der Galle zur Bereitung eines gesunden Chylus. Bei Gänsen, die blos mit Gummi, Zucker und Stärkemehl, oder blos mit Eiweifs gefüttert werden, wird auch aus diesen Materien Milch- saft gebildet. Ihr schnelles Abmagern und ihr baldiger Tod beweisen aber, dafs dieser Saft zur Unterhaltung der Gesundheit und des Lebens untauglich ist. Die zweischaaligen Mollusken sind meist an dem Boden, worauf sie sich befinden, für immer geheftet. Sie haben nicht einmal Organe zum Ergreifen und noch weniger zum Zermalmen des Futters. Sie können sich nur von dem Schleim nähren, der in dem Wasser, das sie einziehen, enthalten und darin schon soweit aufgelöst ist, dafs er keiner Zumischung eines Magen- safts mehr bedarf, um gleich von der Galle zersetzt zu werden. Diese Flüssigkeit mufs freilich auf jenen rohen Schleim anders wirken, als auf den Chymus der höhern Thiere, und daher von anderer Mischung als die Galle der letztern seyn. Wir haben aber auch von den Bestandtheilen der Galle der zweischaaligen Mollusken noch gar keine Kenntniis. Die Insecten besitzen allerdings keine eigene Se- cretionsorgane, die sich mit Wahrscheinlichkeit für Stellvertreter der Leber annehmen lassen. Sie haben aber auch keine einsaugende Gefäfse für den Milchsaft. Dieser dringt bei ihnen auf eine ganz einfache Weise durch die Häute des Flockendarms. Eben so kann aber bei ihnen durch diese Häute auch ein galliger Saft auf dem entgegengesetzten Wege aus der Bauch- 390 höhle in den Flockendarm gelangen. Es ist wahr- scheinlich, dafs dies wirklich geschieht, und dafs der Fettkörper die Quelle der Insectengalle ist. Bei den Scorpionen giebt es einen ähnlichen Körper und gröfsere Gefälse, die von denselben zum Flockendarm gehen. Bei den Spinnen ist ebenfalls ein solcher Körper vor- handen, der aber mit dem Darm nur durch sehr feine Gefäfse in Verbindung steht. Bei den, durch Luft- röhren athmenden Insecten fehlt dieser Zusammenhang. Der Fettkörper aber ist hier von ähnlicher Beschaf- fenheit wie bei den Scorpionen und Spinnen. Er bleibt ohne Zweifel bei jenen noch in ähnlicher Beziehung zum Flockendarm wie bei diesen, obgleich seine organische Verbindung mit dem Nahrungscanal auf- gehört hat. Die Schwierigkeiten bei der Annahme einer Mitwir- kung der Galle bei der Bereitung des Milchsafts lassen sich also heben, und diese Voraussetzung behält ihre Wahrscheinlichkeit. Mit ihr würde es auch sehr wohl ver- einbar seyn, dafs die Galle zugleich ein Auswurfstoff und ein Aufregungsmittel der Muskelkraft des Darmcanals zur Fortbewegung seines Inhalts sey, wenn diese Mei- nungen hinreichend begründet wären. Ein Excrement ist die Galle von gewisser Seite allerdings, doch nur von der, worin es, wie sich unten zeigen wird, auch andere secernirte Flüssigkeiten sind. Für eine Wirkung der Galle als Reizmittel des Darmcanals sprechen weder die Syptome der Gelbsucht, zu denen keinesweges unmer Verstopfung gehört, wenn auch die Excremente ganz ungefärbt von Galle sind, noch Tiedemann’s 391 und Gmelin’s Versuche, wobei die Thiere, denen der gemeinschaftliche Gallengang unterbunden war, fortwährend Koth ausleerten. Es giebt zwar Diarrhoen mit starkem Abgang von Galle für deren Ursache man den vermehrten Ergufs dieser Flüssigkeit hält. Er hat aber mehr für sich, diesen Erguls für Mitwirkung als für Ursache des Durchfalls anzunehmen. Bei den mei- sten Diarrhoen, besonders der Kinder, ist vielmehr eine Säure als ein galliger Stoff im Spiele. In Betreff der Wirkungen des pancreatischen Safts bei der Verdauung ist die Dunkelheit, die darüber lag, auch durch die neuern chemischen Untersuchungen desselben noch nicht zerstreuet worden. Nach Tie- demann und Gmelin*) kömmt die Mischung dieser Flüssigkeit nicht, wie man sonst glaubte, mit der des Speichels überein. Ich kann aber doch die Meinung, dafs die Wirkung beider Säfte von analoger Art ist, n'cht aufgeben. Das Pancreas hat eine ähnliche Structur wie die Speicheldrüsen, und es herrscht, wie im vorigen Abschnitt (S. 345) gezeigt wurde, bei den Iusecten ein deutlicher Antagonismus in der Entwickelung der speichelabsondernden Organe und der blinden Gefäfse am dünnen Darm, die der Bauchspeicheldrüse der Wir- belthiere zu vergleichen sind.**) Der schon erwälıinte, AL 0,.0.4B:31.8% 25, **) Im 4ten Bande der Biologie, S.410, führte ich zum Beweise der Analogie des Panereas mit den Speicheldrüsen auch Brunner’s Er- fahruungen an, nach welchen jene Drüse Hunden, nicht nur dem Leben, sondern auch der Gesundheit unbeschadet, ausgeschnitten werden kann. Es schien mir, bei diesen Thieren müsse doch, wenn anders die Bauch- speicheldrüse nicht ein überflüssiges Eingeweide wäre, für die Abson- 392 mit Chlor sich röthlich färbende Bestandtheil des pancreatischen Safts und der Reichthum des letztern an Stickgas scheint bei der Verdauung vorzüglich von Wichtigkeit zu seyn. Vermöge seines Stickstoffgehalts hat er, wie schon Tiedemann und Gmelin ver- muthet haben, vielleicht Antheil an der Verwandlung des Chymus aus stickstoffarmen Nahrungsmitteln in Milchsaft. An der Gränze des Flockendarms hören bei allen Thieren, die eine Grimmdarmsklappe haben, die Darm- zotten auf, und jenseits dieser Klappe bilden sich die Excremente. Es ist hiernach nicht glaublich, dafs noch im Colon Milchsaft erzeugt werde. Indefs, in dem blinden Anhang dieses Darms zeigt sich eine Abson- derung, woraus man auf ein zweites, darin statt findendes Stadium der Verdauung geschlossen hat. Die inwendige Fläche dieses Theils sondert eine saure Flüssigkeit ab, die dem Magensaft ähnlich ist. Diese, von mehrern Seiten und neuerlich von Tiedemann und Gmelin*) bestätigte Thatsache giebt einen Grund zu vermuthen, dafs im Blinddarn eine weitere Auflösung solcher derung desselben eine andere, stellvertretende Secretion. eintreten, die nur von den Speicheldrüsen kommen könne. Ich finde aber jetz}, nach- dem ich Brunner’s Experiments nova circa pancreas noch einmal wieder gelesen habe, seine Versuche nicht entscheidend. Er konnte nie das ganze Pancreas ausschneiden, und in allen den Fällen, wo die Hunde nach der Operation gesund und stark blieben, zeigte sich nachher immer, dafs sich wieder ein Gang von dem übriggebliebenen Stück zum Duodenum gebildet hatte. In den übrigen Fällen, wo keine Verbindung wieder ein- gelreten war, lebten die Thiere zu kurze Zeit, um aus den Versuchen elwas Sicheres schliessen zu können. *), A. 0a. 0) Brrle :Sık370, 395 Ueberbleibsel der Speisen vorgeht, die in Magen noch nicht ganz aufgelöst sind. Es folgt aber nicht, dafs diese Veränderung mit der Bildung neuen Milchsafts etwas gemein hat. Die Thiere, die keinen Blinddarm des Colons besitzen, haben dafür einen sehr musku- lösen, oft schwieligen und bei einigen Insecten selbst mit einer Art von Zähnen besetzten Mastdarm, durch dessen mechanische Wirkung die noch nicht völlig zertheilten Substanzen ganz zerrieben werden.*) In jenem Blinddarm findet aber auch ein Verweilen der Excremente statt, wobei sie, ohne von einem anti- septischen Saft durchdrungen zu seyn, nicht vor Fäul- nifs geschützt seyn würden. Da die Flüssigkeit jenes Darms von andern Seiten dem Magensaft ähnlich ist, so besitzt sie ohne Zweifel auch die fäulnifswidrige Kraft dieser Flüssigkeit,**) die sich besonders beim Blutegel zeigt, in dessen Magen man das Blut, das er eingesogen hat, noch nach einem halben Jahr ohne weitere Veränderung wiederfindet, als dafs es die Eigen- schaft zu gerinnen verlohren hat. Der Milchsaft wird nach allen Erfahrungen bei den Wirbelthieren von den Darmzotten, oder von dem, deren Stelle vertretenden, zarten Netzwerk aufgenommen. Bei den wirbellosen Thieren kann die Aufnahme des- selben nur unmittelbar durch die innere Haut des Flockendarms geschehen. Sie besteht blos in einem Tränken des Schleimgewebes, woraus die Darmzotten, das Netzwerk dieses Darms und jene Haut gebildet sind, *) Man vergl. oben $. 299. **) Biologie. B. 4. S. 349. 394 mit dem Chylus. Solange sich dieser in dem Schleim- gewebe befindet, zeigt er unter dem Vergröfserungsglase keine äussere Verschiedenheit von der Flüssigkeit, die in jedem andern Schleimgewebe enthalten ist. Man sieht in dem zähen Saft dieser Substanz Kügelchen und zarte Cylinder, die ich früher unter dem Namen der Elementarcylinder beschrieben habe,*) von denen es mir aber zweifelhaft geworden ist, ob sie nicht blos in Fäden ausgezogener Schleim sind.**) Erst in den Milchgefäfsen nimmt jene Flüssigkeit die Natur des Bluts an, und auch in diesen erst nach und nach. Es frägt sich nun: durch welche Mittel dieser Ueber- gang in Blut bewirkt wird? In allen andern Fällen, wo im thierischen und vegetabilischen Körper eine Flüssigkeit eine andere Mischung bekömmt, wird ihr diese entweder durch Zumischung einer andern Materie, oder vermittelst Durchführung gewisser Bestandtheile derselben durch häutige Scheidewände ertheilt. Jenes geschieht bei der Zersetzung des Chymus im Flockendarm, dieses bei allen Absonderungen. Auf die letztere Weise wird auch der, vom Schleimgewebe der Darmzotten auf- genommene Saft in eine, dem Blute ähnliche Flüssigkeit verwandelt. Die Milchgefäfse haben eben so wenig offene Mündungen, wie alle übrige Saugadern. Ihre äussern Enden in den Darmzotten stellen sich jedem unbefangenen Beobachter unter guten Vergröfserungs- *) Verm. Scriften von @. R. und L. €. Treviranus. B.1. S, 125. **) Man vergl. meine Bemerkungen in Weber’s Umarbeitung des Hildebrandt’schen Handbuchs der Anatomie. B. I. S. 137. 395 gläsern als Höhlungen dar, die von allen Seiten ver- schlossen sind. Der Saft, den sie enthalten, ist aber noch eine weisse, an der Luft nur ein lockeres Con- gulum absetzende und in ihrem chemischen Verhalten in mancher Hinsicht von dem Blute abweichende Flüssigkeit.*) Auf dem Wege nach dem Brustgange giebt es nichts, was seine Beschaffenheit der des Bluts näher bringen kann, als die Zumischung eines Safts, der in der Milz abgeschieden wird und welchen die Saugadern derselben aufnehmen und zum Brustgange führen. Aus diesem Gesichtspuncte hat Tiedemann’s Meinung, dafs die völlige Umwandelung des Milchsafts in Blut durch Mitwirkung der Milz geschieht, grofse Wahrscheinlichkeit,**) wenigstens gröfsere als eine andere, neuerlich von Dobson***) vertheidigte, nach welcher die Milz zur Aufnahme des, nach der Ver- dauung eintretenden Ueberschusses des Bluts über dessen mittleres Maafs dienen soll. Für Tiedemann’s Ansicht spricht die Lage der Milz, ihre Verbindung mit den übrigen Eingeweiden und ihr Anschwellen während der Chylification. Bei der letztern Meinung wäre die Lage dieses Organs und die Art der Ver- bindung desselben mit dem Gefäfssystem die unpas- sendste zu dem angeblichen Zweck, und es ist dabei nicht einzusehen, wozu es eines eigenen Behälters für den Ueberschufs an Blut bedarf, da die Blutgefäfse *) Tiedemann und Gmelin a. a. O. B. 2. S. 66fg. **) Versuche über die Wege, auf welchen Substanzen aus dem Magen und Darmcanal ins Blut gelangen u. s. w. von F. Tiedemann und h. Gmelin. S. 86 fg. **%) The London med. and physical Journal. 1830. Oct. 396 überhaupt schon so eingerichtet sind, dafs sie sich einer gröfsern und geringern Blutmasse anpassen. Was mit dem Safte des Schleimgewebes der Darm- zotten vorgeht, ereignet sich auch mit dem, welcher in allem übrigen Schleimgewebe des thierischen Körpers enthalten ist. Die Arterien setzen unaufhörlich eine Flüssigkeit darin ab, die nichts anders als noch un- geformtes Schleimgewebe ist. Die Saugadern nehmen beständig wieder einen Theil davon auf, den sie zum Brustgange und durch diesen zur Blutmasse zurück - führen. Für diese zurückkehrende Flüssigkeit bedarf es aber ebenfalls der Zumischung eines assimilirenden Safts, um sie in Blut zu verwandeln. Die Milz kann nicht allen Saugadern diesen liefern: denn viele ver- einigen sich ohne Vermittelung des Brustganges und ohne von der Milz etwas aufnehmen zu können, mit den Venen. Diesen sind die Iymphatischen Drüsen das Nehmliche, was die Milz für die Milchgefäfse ist. Während des Embryonenlebens empfangen sie viel- leicht auch zum Behuf der Assimilation ihrer Flüs- sigkeit Säfte von der Thymus, der Schilddrüse und den Nebennieren. Diese Sätze gelten jedoch nur von den höhern Wirbelthieren, vorzüglich den Säugthieren. Je niedriger die Stufe der thierischen Organisation ist, desto leichter geht die Umwandelung des Milchsafts in Blut ohne Zumischung einer eigenen assimilirenden Flüssigkeit vor sich. Bei allen wirbellosen 'Thieren geschieht die Einsaugung entweder durch Venen, oder auch ohne Gefäfse durch eine blofse Wechselwirkung zwischen der Blutmasse und dem Chylus. 397 Der in Blut verwandelte Milchsaft tritt zum übrigen Körper in die Beziehung des Empfangenden und Ver- liehrenden. Sobald die einzelnen thierischen Theile ihre Thätigkeit zu äussern anfangen, geben sie immer- fort gewisse Bestandtheile an die Blutmasse ab und nehmen aus derselben andere wieder auf. In diesem Austausch besteht die Ernährung. Während des Wachs- thums übersteigt der Empfang den Verlust. Nach Be- endigung desselben tritt Gleichheit zwischen beiden, und in der Abnahme des Lebens das Gegentheil des ersten Verhältnisses ein. Die chemische Mischung des Theils ist nicht Ursache, sondern Wirkung dieser Anziehung und Abstossung. Die Ursache findet schon bei der ursprünglichen Bildung des thierischen Körpers statt, bevor noch ein Theil sichtbar ist. Denkt man sich also ein Thier, das aus festen Theilen besteht, die eine Blutmasse umschliessen, so müssen in dieser immerfort Ströhmungen von gewissen mittlern Puncten nach allen Puncten des Umfangs und umgekehrt von diesen nach jenen vor sich gehen. Thiere solcher Art sind die durch Tracheen atlhımenden Insecten. In ihnen wird zwar das Blut durch ein Rückengefifs bewegt. Die Bewegung ist aber blos darauf beschränkt, das im Hinterleibe befindliche Blut, zu welchem der Milchsaft aus dem Flockendarme zunächst gelangt, in die Brust- und Kopfhöhle zu treiben. Die entgegen- gesetzten Blutströhme lassen sich in jenen Thieren nur deswegen nicht wahrnehmen, weil sie darin kein gemeinschaftliches Centrum haben. Dafs dieses aber hier fehlt, rührt von der Art des Athemhohlens jener 398 Insecten her, wobei der ganze Körper derselben von Luft durchdrungen wird. Die Blutkügelchen sind der Bestandtheil des thierischen Körpers, worauf die At- mosphäre beim Athemhohlen zunächst Einflufs hat. Sie verrathen die Wechselwirkung, worin sie mit der Luft stehen, bei allen Wirbelthieren durch ihre starke Anziehung zum Sauerstoff, durch die höhere Röthe, die sie beim Zutritt desselben annehmen, und durch die Wirbel, die sie in Tropfen frisch gelassenen Bluts unter dem Microscop bilden. Aus dieser Wechsel- wirkung entsteht in ihnen bei allen Thieren, wo das Athemhohlen in einzelnen innern Theilen, oder auf der Oberfläche des Körpers geschieht, eine Bewegung nach den Respirationsorganen, wenn ihnen der Sauer- stoff entzogen ist, und eine rückgängige, wenn sie mit ‘Sauerstoff verbunden sind. Sie werden im ersten Fall von der atmosphärischen Luft angezogen und von allen desoxydirten Theilen abgestossen; im zweiten von jenen abgestossen und von diesen angezogen. An ihrem Zuflufs und Rückflufs nimmt das Serum des Bluts Antheil, und so bildet sich ein Blutumlauf, der blos durch chemische Kräfte hervorgebracht und unter- halten wird. Ein solcher findet in den Larven mancher Neuropteren unter gewissen Umständen während der Pe- riode statt, wo sie noch nicht durch Stigmate athmen. *) Blos von diesen, rein chemischen Kräften ist aber der Blutumlauf nur bei solchen Wesen abhängig, die für immer, oder für eine gewisse Zeit auf einer sehr *) Man sehe oben S. 221. niedrigen Stufe der Organisation stehen. Auf allen, etwas höhern Stufen der thierischen Formen bilden sich, sobald der Embryo bis auf einen gewissen Punct entwickelt ist, um die Blutströhme Gefäfse, und auf den noch höhern entsteht im Mittelpunct der Gefäfse ein Herz, und in diesen Organen regen sich Kräfte, die harmonisch mit jenen chemischen den Blutumlauf durch mechanischen Antrieb unterhalten. In der Classe der Anneliden sind es blos Gefäfse, welche durch Zusammenziehungen und Erweiterungen den Antrieb bewirken. Von ihnen zu den Säugthieren und zum Menschen herauf wird immer mehr das Herz der 'Theil, wovon der Impuls ausgeht, und endlich so sehr, dafs es scheint, als ob der ganze Kreislauf blos durch dasselbe hervorgebracht würde. Es läfst sich'sauch nicht leugnen, dafs in einem solchen, ganz geschlos- senen und ganz mit Flüssigkeit angefüllten System, wie die Blutgefäfse bei den höhern Thieren ausmachen, jede Verengerung eines einzelnen Theils des Systems, wobei sich gleichzeitig ein anderer erweitert, ein Fort- rücken der ganzen Flüssigkeit zur Folge haben muß. Dafs aber das Herz allein den Blutumlauf unterhalten kann, läfst nicht die Folgerung zu, es unterhalte ihn wirklich allein in allen 'Thieren und die Kräfte, die ihn in den niedern 'Thieren bewirken, seyen in den höhern ganz unthätig. Viele Erscheinungen, besonders das Anschwellen einzelner Theile, das augenblickliche Stocken des Bluts in Theilen, deren Nerven durch- schnitten sind, *) die Einsaugung der Flüssigkeiten *) Verm. Schriften von G. R. und L., ©. Treviranus: B. 1. S.109 400 durch die Saugadern und die Bewegung derselben in diesen und im Brustgange, lassen sich ohne Voraus- setzung des Mitwirkens der Gefäfse und chemischer Kräfte so wenig bei den höhern als bei den niedern Thieren erklären. Das Anschwellen ist nicht möglich ohne Erweiterung einiger und gleichzeitige Zusam- menziehung anderer Gefälse des turgescirenden Theils. Können diese Veränderungen unter gewissen Umständen in höherm Grade statt finden, so können sie in minderm Grade beständig vorhanden seyn. Man sieht zwar unter dem Microscop keine Zusammenziehungen und Erwei- terungen in den Gefäfsen. Man kann aber unter diesem das Fliessen des Bluts nur in den Haargefäfsen be- obachten, worin sie freilich wohl fehlen. In den gröfsern Arterien, wo sie als vom Herzen nach den Zweigen derselben fortschreitend anzunehmen sind, und zwar dergestalt, dafs an jeder Stelle auf eine Erweiterung eine Zusammenziehung folgt, lassen sie sich von den Wirkungen, die der Antrieb des Herzens auf die Gefäfse hat, nicht unterscheiden. Da jeder Theil, indem er eine Anziehung gegen gewisse Bestandtheile des Bluts und eine Abstossung gegen andere äussert, dabei auf eine, seiner Natur entsprechende Art wirkt, so mufs das Blut in jedem Gefäfszweig von eigener Beschaffenheit seyn. Diese Baumgärtner will dagegen gefunden haben, dafs bei Fröschen nach der Durchschneidung des ischiadischen Nerven die Blutbewegung fortdauert. (Salzburger med. chirurg. Zeitung. 1829. No. 38. S. 169.) Diese kehrt freilich zurück. In den ersten Augenblicken nach der Operation ist sie aber in den Blutgefäfsen der Schwimmhäute des Schenkels, woran die Operation gemacht wurde, ganz gehemmt. 401 Folgerung wird auch durch die Versuche Prevost’s, Dumas’s, Segalas’s, Vauquelin’s und Mayer’s bestätigt, nach welchen bei exstirpirten Nieren sich Harnstoff aus dem Blute abscheiden läfst und die Aussonderung einer dem Urin an Farbe, Geruch und Geschmack ähnlichen Flüssigkeit durch andere Secre- tionsorgane eintritt.*) Was dem Blute durch die An- ziehung entzogen wird, setzt sich als ein schleimiger Saft in dem Schleimgewebe ab, wovon jeder Theil in seinem Innern ganz durchdrungen ist, und dieser Saft ist das Material für alle Ernährung, alle: Abson- derungen und Aussonderungen. Die Bildung desselben in einer bestimmten Qualität und an einer bestimmten Stelle ist für die Erhaltung der Gesundheit und des Lebens nicht blos darum nothwendig, weil er zur Erzeugung und Erhaltung eines festen oder flüssigen Theils .dienet, der vermöge seiner Thätigkeit ein Glied des Ganzen ist, sondern auch deswegen, weil schon an und für sich die Erzeugung und Erhaltung dieses Gliedes, ohne Rücksicht auf die Thätigkeit desselben, den gesunden Zustand aller übrigen bedingt. Der Ab- satz der Knochenmaterie in das System der Knochen dient zur Erhaltung dieses Systems, ohne welches für die Wirbelthiere keine willkührliche Bewegung möglich ist. Die Hemmung desselben hat aber auch schon ohne Beziehung auf diesen Zweck nachtheilige Folgen für das Ganze. In dieser Hinsicht steht also jeder *) Journal de Physique. T. XCV. p. 212. Journal de Physiol. par Magendie. T. I. p. 354. Zeitschrift für Physiologie. B. 2, S. 264. Man vergl. Wöhler’s Bemerkungen ebendas. B. 1. S. 311. 26 402 einzelne Theil gegen das Ganze in dem Verhältnifs eines ausgesonderten, und daher dient, besonders bei den niedern Thieren, mancher Stoff, der bei einigen Arten ein absolutes Excret ist, bei andern zur Bildung organischer Theile. So leeren alle polypenartigen Zo- ophyten viele Kalk- und Kieselerde aus. Bei denen, die keinen steinigen Stamm haben, sind diese Erden absolute, bei denen, die damit versehen sind, relative Auswurfstoffe. Bei den letztern wird der Stamm, mit welchem die weichen Theile in organischer Verbin- dung stehen, daraus bereitet. Unter den Flüssigkeiten des thierischen Körpers ist jede, die sich in den Mund und den Nahrungs- canal bis zum Anfang des Colon ergiefst, zum Theil ein relativer, zum Theil ein absoluter Auswurf. Sie verbindet sich zum Theil mit gewissen Stoffen des Chymus zur Bildung des Milchsafts und zum Theil mit dem, was von den Nahrungsmitteln der Assimi- lation unfähig ist, zur Bildung des Darmkoths. Ganz absolute Excrete sind: die Materie der Haut- und Lungenausdünstung, die Flüssigkeit, die der Blind- darm absondert, der Darmkoth, die Hautschmiere und der Harn. Die erste und dritte dieser Materien wird im ganzen Thierreiche, die übrigen, mit Ausnahme der zweiten, werden von allen Wirbelthieren und auch “ von vielen der wirbellosen Thiere ausgeleert. Sie ent- halten bei allen Thieren gewisse gemeinschaftliche Bestandtheile. Die Haut und die Lungen hauchen immer Kohlensäure aus. Die Oberhaut aller Wirbelthiere, der Insecten und mancher Anneliden wird immer von einer fettigen Materie schlüpfrig erhalten. Im Urin der sämmt- lichen Wirbelthiere befindet sich entweder Harnstoff oder Harnsäure. Diese läfst sich ferner aus der Flüs- sigkeit des absondernden Eingeweides der auf dem Bauch kriechenden Mollusken abscheiden, welches neben dem Respirationsorgan liegt,*) und bei den Insecten aus dem Saft der Gefälse, die man sonst für Gallengefäfse hielt, denen aber jetzt der Name von Harngefälsen gebührt. **) Bei diesen gemeinschaftlichen Bestandtheilen be- sitzen aber die Auswurfsmaterien in jeder Thierart und selbst in jedem Individuum eine eigene Mischung. Nicht nur in jeder Art, sondern auch in jedem In- dividuum hat die Ausdünstungsmaterie einen eigenen Geruch. Der Harn besitzt bei verschiedenen Thieren ein verschiedenes Verhältnifs der Bestandtheile und enthält bei einigen Arten Substanzen, die nicht bei andern vorkommen, z. B. bei den pflanzenfressenden Säugthieren Benzoesäure, (Liebig’s Hippursäure) statt der ihnen fehlenden Harnsäure, bei den Vögeln und Amphibien Harnsäure ohne Harnstoff. Die Materie der Hautausdünstung und der Schweifs des Menschen, des Pferdes und wahrscheinlich aller Thiere enthält *) Nach Jatobson in Meckel’s Archiv für Physiol. B. 6. S. 370. **%) Nachdem Brugnatelli harnsauregs Ammonium in den Excre- menten des Maulbeerschmetterlings entdeckt hatte, (Meckel’s Archiv für Physiol. B. 2. S. 629) fand Wurzer eben diese Substanz im Inhalt der sogenannten Gallengefäfse der Raupe des nehmlichen Schmetterlings, (Ebendas. B. 4. S. 125) und Chevreul Harnsäure in der Materie dieser Gefäfse des Maikäfers. (Straus-Durckheim Considerat. generales sur V’Anat. comp. des Anfmaux articules. p. 251.) 26* 404 Essigsäure, doch nur in geringer Menge.*) Bei den Ameisen findet eine‘ sehr starke Excretion derselben Säure in sehr concentrirtem Zustande durch die Haut statt. In dieser specifischen und individuellen Ver- schiedenheit der Mischung bei allgemeiner Aehnlichkeit haben indefs die Auswurfstoffe eigentlich nichts vor allen übrigen organischen Materien voraus. Oft nehmen aber auch bei einigen 'Thierarten einzelne Theile der excernirenden Organe eine eigene Form an und 'er- zeugen besondere Excrete, die zuweilen wieder als Mittel zur Erreichung äusserer Zwecke ‚dienen. Dies geschieht mit einem "Theil der Excretionsorgane der Hautschmiere. Die Organe, wodurch der Moschus, das Castoreum, die dem Ziebet- und Moschusthier eigenthümlichen, riechenden Materien secernirt werden, sind in der That nur in der Form und dem Wirken abgeänderte Hautdrüsen. Andere Theile zeigen sich deutlich als diese Drüsen und sondern ebenfalls stark- riechende Säfte ab: an der Schläfe des Elephanten, an den Wangen der Fledermäuse und des Murmel- thiers, am After mehrerer Raub- und Nagethiere, des Igels, der Vögel und Crocodile, an mehrern Stellen der Oberfläche des Körpers der Fische und verschie- dener Amphibien.) Bei den niedern Thieren tritt jene Aenderung in noch höherm Grade ein, so wie bei diesen auch äussere willkührliche Organe oft eine andere Form und ein anderes Zweckverhältnifs an- nehmen. Von den Arbeitsbienen wird durch die Bauch- *) Anselmino in der Zeitschrift für Physiol. B. 2. S. 321. *) Tiedemann in Meckel’s Archiv für Physiol. B. 2. S. 172. platten, die bei ihnen eine andere Form und Textur als bei den Drohnen und Weibchen haben, statt der Hautschmiere das Wachs als Material zur Verfertigung ihrer Zellen abgesondert. Die Blasen am After mehrerer Käfer, die einen ätzenden, diesen Thieren zur Ver- theidigung dienenden Saft excerniren und die häutigen Schläuche, worin bei den Spinnen die Materie des. Gespinnstes bereitet wird, gehören ebenfalls zum Sy- stem der absondernden Drüsen. *) Ein allgemeiner Zweck der Excretionen ist: das, für jede besondere Form des thierischen Lebens noth- wendige Verhältnifs der chemischen Elemente zu unter- halten. Durch sie gemeinschaftlich werden Sauerstoff, Wasserstoff, Kohlenstoff und Stickstoff ausgeleert, und diese Stoffe sind in einigen thierischen Materien schon, während sie sich noch im Körper befinden, nach den Verwadtschaftsgesetzen der unorganischen Körper ver- bunden. Der Harnstoff z. B. läfst sich in Cyansäure, Ammonium und Wasser zerlegen und aus diesen Stoffen auch wieder zusammensetzen.*”) Die Auswurfmaterien können zum Behuf der Erhaltung des erwähnten Ver- hältnisses einigermaafsen eine des andern Stelle vertreten. *, Leon Dufour (Recherches sur les Carabiques etc. p. 198) sieht jene Blasen, die er bei allen Laufkäfern (Carabiei Latr.) bei Dytiscus, Gyrinus, Staphylinus, Silpha, Blaps, Hypophlaeus, Diaperis und Eledona fand, für Harnblasen an. Allein bei allen Insecten und Crustaceen, die Organe besitzen, wovon man mit Grund voraussetzen darf, dafs sie zum Ganzen eine ähnliche Beziehung wie die Harnblase haben, z. B. bei den Lepidopteren und Spinnen, ist diese ein blinder Anhang des Mastdarms. In dem Inhalt dieses Coecums der Seidenraupe war es, worin Brugnatelli harnsaures Ammonium fand. *) Wöhler in Poggendorff?’s Annalen der Physik. B. 12. S. 253. 406 Unterdrückte Hautausdünstung kann durch verstärkte Absonderung des Darmsafts oder vermehrten Abgang des Urins in gewissem Grade ersetzt werden. Aber dieser Ersatz hat doch Gränzen. Das Product der vicariirenden Aussonderung ist dem der unterdrückten niemals ganz gleich, und die Hemmung hat immer auf die Dauer nachtheilige Folgen für die Gesundheit. Dies könnte nicht seyn, wenn es bei den Excretionen blos auf die Erhaltung des angemessenen Verhältnisses der obigen Stoffe ankäme. Wäre dies der Fall, so mülste der Ueberschufs an Kohlenstoff, der durch die Haut und die Lungen entweicht, eben sowohl durch den Darmcanal und die Harnwerkzeuge als durch jene Theile ausgesondert werden können. Die Noth- wendigkeit der Excretionen für den lebenden Körper beruhet also nicht allein auf der Erhaltung jenes Ver- hältnisses im Allgemeinen, sondern auch auf der Zusammensetzung gewisser Materien als Folge des Wirkens der bildenden Kräfte nach einer bestimmten Richtung. Diese Materien haben in der Regel keinen Zweck mehr für den Körper, der sie ausscheidet. Sie haben aber einen desto wichtigern für die übrige lebende Natur. Wie alle thierische Ernährung zuletzt auf dem Daseyn einer Pflanzenwelt beruhet, so geben die Thiere gegenseitig den Gewächsen Ersatz für das, was sie von diesen empfangen, durch ihre Auswurf- stoffe. i Die Abscheidung und Ausscheidung, die im ganzen Körper vor sich geht, wiederhohlt sich in jedem der organischen Elementartheile. Jedes organische Kügel- 407 chen zieht bei der Ernährung aus der Flüssigkeit des Schleimgewebes gewisse chemische Grundstoffe an und stößst dagegen andere aus, die, wenn der Procefs im Innern des Körpers vor sich geht, von den einsaugenden Gefäfsen aufgenommen und zum Blute zurückgeführt werden. Die Saugadern wirken hierbei als Ausführungs- gänge, und alle Ernährung ist in gewisser Hinsicht Verjüngung. Hierbei gilt das Gesetz: dafs die An- ziehung immer von denen Seiten geschieht, von welchen das organische Element mit den benachbarten ver- bunden ist. Dies zeigt sich vorzüglich da, wo die äussere Schichte gewisser Theile in Folge der Er- nährung nicht resorbirt, sondern ausgestossen wird. So bildet sich beim Wachsthum der Epidermis unter derselben eine neue, und so werden die Nägel durch Ansatz neuer Theile von innen und von hinten ver- dickt und zugleich hervorgeschoben. Nach diesem Gesetz geschieht auch die vegetabilische Ernährung. Die holzigen Gewächse bilden neue Jahrringe, indem der Splint sich in Holz verwandelt und zwischen ihm und dem Bast neuer Splint erzeugt wird. Beim Wachsthum der Stengel und Blätter ist immer die Spitze der Theil, der zuerst gebildet wird. Der untere und mittlere Theil dehnt sich erst aus und treibt den obern nach aussen, wenn dieser schon entwickelt ist.) Bei jeder Bildung neuer organischer Elemente entsteht in diesen eine Expansion, deren Kraft die des Drucks der Atmosphäre übersteigt. Pfaff“) hat *) L. €. Treviranus in der Zeitschr. für Physiol. B. 2. S. 214 fg. **) In Meckel’s Archiv für Physiologie. B. 3. S. 168. 408 die Frage aufgeworfen: Wie es zugeht, dafs, da beim Fetus sich zwischen den Lungen und dem Brustkasten ein Raum befindet, welcher blos einen wässerigen Dunst enthalten kann, dessen, von der Wärme des Körpers herrührende Expansivkraft nicht mehr als 1, 85 engl. Zoll beträgt, während die Atmosphäre mit einem Druck von 30 Zollen auf das Blut wirkt und dieses in jenen Raum treibt, doch eine Zerreissung der Gefäfse und ein Austreten des Bluts verhindert wird? Hierauf läfst sich nur antworten, wenn man eine gröfsere Expansivkraft des thierischen Dunstes, als ihm blos die Wärme des Körpers ertheilen kann, voraussetzt. Diese Kraft als Folge des Lebens verräth sich auch bei dem Wachsthum aller organischen Körper. Sie zeigt sich vorzüglich bei jedem Baum, der in einem festen Boden Wurzeln schlägt und, indem er diesen durchbricht, die Schwere der ganzen um ihn liegenden Krdmasse überwindet; bei dem Ansatz neuer Jahr- ringe in den holzigen Gewächsen, wobei die ganze feste Umgebung des neuen Rings von Bast und Rinde ausgedehnt werden mufs, und bei der Hypertrophie des Gehirns im kindlichen Alter, die eine Ausdehnung der sämmtlichen Schädelknochen zur Folge hat. Es sind in Betreff der Ernährung noch manche zu beantwortende Fragen übrig. Aber es fehlen uns genügende Erfahrungen zur Beantwortung derselben. Vorzüglich würde es wichtig seyn, sicher zu wissen, ob manche der bisher unzerlegten Stoffe, die an allen chemischen Vorgängen im 'Thier- und Pflanzenkörper Theil nehmen, Producte der bei der Ernährung wir- BR... EN kenden Kräfte sind? Eine Zeitlang liessen Crell’s Beobachtungen hoffen, dafs sich der Kohlenstoff als ein Product der Vegetation würde nachweisen lassen. *) Göppert’s Versuche haben indefs bewiesen, dafs auf dem Wege, den Crell einschlug, Gewifsheit über diesen Punct schwerlich zu erhalten seyn wird. **) Andere Erfahrungen Schrader’s, Einhof’s, Bra- connot’s und Saussure’s geben zwar Gründe, anzunehmen, dafs nicht alle Erden und Salze, die in den Pflanzen befindlich sind, durch die Wurzeln aus dem Boden gezogen werden.”*”*) Sie lassen aber un- entschieden, ob dieselben nicht aus der Atmosphäre herrühren. Ich habe nach den Resultaten meiner Ver- suche über das Athemhohlen +) Berechnungen gemacht, aus welchen folgt, dafs man entweder eine Erzeugung des Kohlenstoffs im thierischen Körper, oder eine Fort- dauer des Lebens bei einer Mischungsveränderung der wichtigsten Organe, die weit gröfser ist, als sie seyn könnte, wenn das Leben an ein festes Verhältnifs der Bestandtheile des Körpers gebunden wäre, annehmen mufs. In einer jener Erfahrungen hauchte eine, 2 Gran schwere Papilio Atalanta, die drei Tage ohne alle Nahrung gewesen war und schon zu dem vorher- gehenden Versuch gedient hatte, binnen 90 Minuten 0, 025 Par. C. Z. kohlensauren Gas von 15° R. und 23 Zoll Ausdehnung aus, während sie 0, 04 C. Z. *) Biologie. B. 4. S. 92. **) R. Göppert de plantarum nutfritione dissert. Berol. 1825. ”) Biologie. B. 4. 8. 118. 7) Man sehe oben S. 367. 410 Sauerstoffgas absorbirte. 1 Pariser C. Z. kohlensauren Gas wiegt bei jener Temperatur und jenem Luftdruck 0, 3136 Gran und 1C. Z. Sauerstoffgas 0, 3621 Gran Nürnb. Medicin. Gewicht. In 11 Theilen jenes Gas sind 3 Theile Kohlenstoff und 8 Theile Sauerstoff enthalten. Eine andere Papilio Atalanta, die mit der vorigen von gleicher Gröfse und bis auf die harten Theile ganz ausgetrocknet war, wog 1, 4 Gran. Die weichen Theile der vorigen maclıten also 0, 6 ihres ganzen Gewichts aus. Diese bestanden wenigstens zur Hälfte aus Wasser, und die übrige Hälfte konnte ursprünglich höchstens 65 p. C. Kohlenstoff und 20 p. C. Sauerstoff enthalten haben. Aus diesen Zahlen finde ich, dafs der Schmet- terling, wenn er während dem dreitägigen Hungern auch nicht stärker als während den 90 Minuten der Dauer des Versuchs geathmet hätte, doch schon mehr als die Hälfte des ganzen Gehalts seiner weichen Theile an Kohlenstoff verlohren und dagegen dreimal soviel Sauerstoff, als diese vorher besafsen, aufgenommen haben mufste. Da er aber in der ersten Zeit seiner Gefangenschaft, als er noch bei vollen Kräften war, weit stärker als während dem Versuch athmete, so ist der Verlust und Gewinn noch weit höher anzuschlagen. Und doch war er nach dem Versuch noch so kräftig, dafs er vielleicht noch einige Tage ohne Nahrung hätte leben können. Es ist freilich wahr, der Verlust an Kohlenstoff betraf wohl vorzüglich den Fettkörper, mit dem das Leben in entfernterer Beziehung steht. Allein dieser macht bei den ausgebildeten Schmetter- lingen nicht einen so grofsen Theil der Masse des 411 Körpers aus, dafs blos von ihm jener verlohrne Stoff herrühren konnte, und er enthält bei diesen Thieren eben soviel, wo nicht mehr, Eiweilsstoff als Fett. Der Mischungsänderung der Säfte, Muskeln und Nerven des Schmetterlings mulste also entweder durch Erzeu- gung von Kohlenstoff abgeholfen seyn, oder das Leben dauerte, ohngeachtet dieser Aenderung, auf einer ziem- lich hohen Stufe fort. 412 Wärme, Licht und Electricität ats Wirkungeu des LeDen Man versteht gewöhnlich unter den Producten der Ab- und Aussonderungen nur Flüssigkeiten. Aus den Untersuchungen der vorigen Abtheilung ergiebt sich indefs, dafs diese Beschränkung sich nur auf die Form bezieht, und dafs dem Wesen nach die ganze Ernäh- rung in Ab- und Aussonderungen besteht. Das Product der Ernährung ist der organische Körper. Dieser aber lebt als thätiges Wesen nur vermöge äusserer Bedin- gungen. Könnten nicht auch diese Bedingungen bis auf einen gewissen Grad oder unter gewissen Um- ständen Mitwirkungen der Ernährung seyn? Wenn ein Character des Lebens relative Gleichförmigkeit der Erscheinungen bei Ungleichförmigkeit der äussern Ursachen ist, wodurch dieselben veranlafst werden, so kann die Gleichförmigkeit dadurch erreicht werden, dafs das Lebende entweder seinen Zustand den äussern Einwirkungen, oder diese seinem Zustand accommodirt. Fiele also die Antwort auf jene Frage bejahend aus, so würde damit die Art, wie die Accommodation ge- schieht, für gewisse Fälle bestimmt seyn. Die ersten unter den äussern Bedingungen des Lebens sind Wärme und Licht. Diese werden daher hier vorzüglich in Betrachtung zu ziehen seyn. Dafs das Leben auch durch electrische Einflüsse bedingt sey, läfst sich nicht darthun. Doch verdient die electrische Kraft ebenfalls hier berücksichtigt zu werden, da diese, wenn sie sich 415 als vom Lebenden ausgehend bewiese und auch nicht äussere Bedingung des Lebens wäre, doch als Mittel zur Erreichung gewisser Zwecke des letztern dienen könnte. Thierische Wärme. Von der Wärme ist es ausgemacht, dafs sie bei den Säugthieren und Vögeln nach der Geburt in ge- wissem Grade Wirkung des Lebens ist. Diese Thiere erzeugen, sobald sie den Embryonenzustand verlassen haben, in einer Temperatur, die nicht anhaltend unter — 30° und über + 30° des Reaumurschen Queck- silberthermometers ist, fortwährend eine bestimmte Wärme, und in diesem Act zeigt sich vorzüglich die relative Gleichförmigkeit der Erscheinungen des Lebens bei ungleichförmigen äussern Einwirkungen. Die im vorigen Jahrhundert von Martin, Braun, Pallas und J. Hunter bekannt gemachten Beobachtungen hatten schon gelehrt, dafs sie von 29 bis 35° beträgt; dafs sie gröfser bei den mehresten kleinern Arten der erwähnten Thiere als bei den gröfsern, und in der Regel gröfser bei den Vögeln als bei den Säugthieren ist.*) Spätere, von Pallas angestellte und von Rudolphi**) mitgetheilte Erfahrungen gaben die nehmlichen Re- sultate. Nach andern, neuern Beobachtungen über die Wärme der Cetaceen scheinen jedoch diese Wasser- thiere von dem Satz, dafs der Grad der eigenen Wärme *) Biologie. B. 5. S. 32 fg. **), Grundrifs der Physiologie. B. 1. 3. 181. 183. 414 mit der Gröfse der Thiere in umgekehrtem Verhältnifs steht, eine Ausnahme zu machen, indem dieselben, ob- gleich sie zum Theil alle andere Säugthiere an Gröfse übertreffen, doch eine bedeutende Wärme besitzen. Broussonnet*) sahe das Thermometer in einer Wunde am Halse eines so eben getödteten Delphins auf 281° steigen, während die Temperatur der Luft 14° und die des Wassers am Strande 134° war. Nach ihm fand Scoresby +) die Wärme des Bluts in einem Narhwal, der schon 14 Stunden todt gewesen war, 28, 9° und in einem, so eben getödteten Wallfisch (Balaena Mysticetus) 31, 1°. Diese eigene Wärme behauptet sich bei allen Säug- thieren und Vögeln, die den Extremen der Sommerwärme und Winterkälte in den gemäfsigten und kalten Zonen zu widerstehen im Stande sind, bei einer Verschieden- heit der Temperatur von + 25 bis 30° und eben so vielen Graden unter O0 auf einerlei Punct. Sie höret nur entweder mit dem Tode, oder bei den lethargischen Thieren mit der eintretenden Erstarrung auf. Sie erhält sich aber nicht lange unverändert, wenn die äussere Temperatur die des Körpers auf die Dauer um 8 bis 10° übertrifft. Nach den Versuchen Tillet’s, Dob- son’s, Blagden’s, Fordyce’s und de la Roche’s kann zwar der menschliche Körper eine Hitze, die selbst bis auf 100° steigt, eine kurze Zeit ohne grolse Veränderung seiner eigenen Wärme ertragen. Aber eben *) Mem. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1785. p. 192. 7) Account of the Arctic Regions and of the Whale .Fishery. Vol. I. p. 477. 415 diese Versuche beweisen auch, dafs die Fortdauer der letztern in einer solchen Hitze nur in dem geringen Wärmeleitungsvermögen des menschlichen Körpers und in der Zunahme ‘der Hautausdünstung bei Erhöhung der äussern Temperatur ihren Grund hat. Bei einer dauernden Atmosphäre über 30° wird allerdings die thierische Wärme durch sie gesteigert, wie de la Roche’s, Berger’s und J. Davy’s Erfahrungen zeigen. *) Ein ähnliches Vermögen, einen bestimmten Grad von Wärme fortwährend zu behaupten, ist keinem der übrigen Thiere eigen. Besäfsen diese ein solches, so müfste sich dieses bei ihnen, wäre es auch nur gering, doch durch die Fortdauer einer gewissen Temperatur bei einem Wechsel der äussern Wärme äussern. Ihre eigene Wärme würde geringer und die Gränzen der- selben würden enger als bei den Säugthieren und Vögeln seyn. Aber jene und diese müfsten sich doch angeben lassen, wenn sie vorhanden wären. Geht man die von Martin, J. Hunter, Broussonnet und Spallanzani angestelten Beobachtungen durch, so findet man keine darunter, die eine solche, von der äussern Temperatur unabhängige Wärme der sämmt- lichen Wirbelthiere, mit Ausnahme einiger Insecten, bewiese.**) Neuere, von Czermak***) und J. Davy}) *) Biologie. B.5. S. 37 fg. The Edinburgh philosoph. Journ. Vol. XI. p: 300. *#) Biologie. B. 5. S. 20. 8. 2. **) Baumgärtner’s und von Ettinghausen’s Zeitschrift für Physik. 1821. B# 3.82 .385. 7) The Edinburgh philos. Journ. 1826. Jan. No. 27. Froriep’s Notizen aus dem Gebiet der Natur- und Heilkunde. B. 27. S. 97. 16 an mehrern, und von einigen Andern+) an einzelnen Amphibien, Fischen und wirbellosen Thieren gemachte Erfahrungen enthalten eben so wenig triftige Gründe dafür.+}) Bei diesen Beobachtungen betrug der Un- terschied zwischen der Temperatur der 'Thiere und der des Mediums, worin sich dieselben befanden, oft kaum 4° höchstens 4, 5° R. In den meisten Fällen war die höhere Wärme auf Seiten: der Thiere. Es zeigte sich aber darin nichts Beständiges; im Gegen- theil sahe J. Hunter sie bei einem Frosch, einer Natter, einem Aal, einer Schleihe und mehrern Blut- egeln mit der 'Temperatur des Mediums steigen und sinken. +++) Wenn in einigen dieser Versuche die Wärme der Thiere sich in einer andern Progression als die des Mediums, worin sich dieselben befanden, änderte, so hatten jene dies mit jedem andern Körper gemein, der entweder ein anderes Leitungsvermögen für Wärme als sein Medium hat, oder stark ausdünstet, oder die Feuchtigkeit aus der Luft stark‘ einsaugt. Ich verglich die Veränderungen der Wärme zweier, an einander stofsender Zimmer, wovon das eine geheitzt, das andere ungeheitzt war, mit der eines angefeuchteten Badeschwamms, der eine Zeitlang bald. in dem einen, bald in dem andern aufgehängt war. Mit diesem war ein Thermometer umwickelt. Ein anderes, correspon+ 7) Rudolphi’s Grundrifs der Physiol. B. 1. S. 171 fg. 1» Eine sehr ausführliche und geordnete Zusammenstellung der wichtigsten von den bisherigen Versuchen über die Wärme der sämmt- lichen Thiere findet man in Tiedemann’s Physiologie des Menschen. B. 1. S. 453 fg. itr) Biologie. B. 5. S. 28, direndes wurde neben ihm hingestellt. Im Anfang der Beobachtung, um 7 Uhr Morgens, hatte der Schwamm in dem ungeheitzten Zimmer einerlei Temperatur von 8° R. mit der Luft. In dem geheitzten Zimmer stieg binnen einer Stunde das freie Thermometer auf 112°, während das umwickelte auf 10° blieb. Nachdem beide nach dem kältern Ort zurückgebracht waren und eine halbe Stunde darin gestanden hatten, zeigte das freie Thermometer 8°, das andere 9°. Um Mittag blieben beide eine halbe Stunde in dem geheitzten Zimmer, wo die Luft jetzt eine Wärme von 15° hatte, der Schwamm aber nur bis 12° warm wurde. Hierauf erhielt sich wieder in dem kalten Zimmer, dessen Temperatur jetzt 82° betrug, der Schwamm noch eine Stunde lang um 1° wärmer als die Luft. *) J. Davy eızählt, er habe das "Thermometer in den Rückenmuskeln eines Haifisches auf 22, 5° R. steigen sehen, während es in der See auf 21, 6° und in der Luft auf 20, 9° stand.) Läfst sich nun aus dieser Beobachtung wohl mit mehr Recht auf eine eigene Wärme des Haifisches schliessen, als aus meinen angeführten Versuchen auf eine eigene Wärme des Schwamms? Das Thier hatte sich ohne allen Zweifel vor dem Versuch an einem Orte befunden, wo dem- selben die Wärme von 22, 5°, die es zeigte, mitgetheiit war. Diese Einwendung trifft alle Beobachtungen, die *) Noch weit langsamer als bei diesen Versuchen der Schwamm verändern nach den Erfahrungen Göppert’s (Ueber die Wärme - Ent- wickelung in den Pflanzen. S. 163 fg.) vegetabilische Substanzen, sowohl todte als lebende, ihre Temperatur. Ar ) Biologie. B. 5. S. 26. 27 418 der Davy’schen ähnlich sind. Es frägt sich aber auch weiter: Ob in einem 'Thier, dessen Gedärme mit Ex- crementen angefüllt sind, nicht bei der Zersetzung der letztern sich etwas Wärme entwickeln kann, die dann ebenfalls mit dem Leben nichts gemein hat? Wer ferner aus eigener Erfahrung weils, wie schwer es hält, entscheidende thermometrische Erfahrungen an lebenden Thieren zu machen, die man nicht mit dem Wärmemesser genau untersuchen kann, ohne sie mit den Händen zu berühren und sich ihnen und dem Thermometer sehr zu nähern, der wird die Zuver- lässigkeit vieler der bisherigen Beobachtungen, wobei ‚ler Unterschied der Wärme der 'Thiere und des Me- ıdiums derselben oft kaum 1° betrug, sehr bezweifeln müssen. Zwei Physiker, deren Genauigkeit alles Zu- trauen verdient, Provencal und Humboldt, konnten keine eigene Temperatur an Fischen entdecken,*) und ich fand eben so wenig eine Spur davon an Fröschen. Ich setzte neun junge, zur Hälfte ausgewachsene Thiere dieser Art mit einem 'Thermometer in ein Zuckerglas A, und in ein anderes Zuckerglas B von gleicher Gröfßse mit dem vorigen auf einen Badeschwamm, worunter sich eine Schichte Wasser befand, ein anderes, cor- respondirendes Thermometer. Jedes der Gläser falste ungefähr 3 Pfund Wasser. Sie wurden mit Leinewand verschlossen und unter gleichen äussern Verhältnissen neben einander hingestellt. Die Frösche hatten sich vor dem Versuch im untern Geschofs des Hauses befun- *) Biologie, B. 5. $. 26. 927. 419 — den, wo die Luft um mehrere Grade kälter als in dem Zimmer war, in welchem der Versuch gemacht wurde. Vor dem Anfange desselben standen in diesem Zimmer beide Thermometer auf 184°. Drei Viertelstunden nach dem Anfange fand ich das "Thermometer in A auf 18°, in B auf 19°. Nach weitern fünf Viertelstunden stand dasselbe in A auf 184°, ın B auf 184°. Zwei Stunden darauf war in beiden Gläsern die Temperatur 182°, und dann nach fernern eilf Stunden in beiden 17°. Die Amphibien, Fische und wirbellosen Thiere besitzen also wenigstens keine solche dauernde Wärme, wie die höhern Thiere. Eine andere Frage aber ist: Ob nicht jene niedern Thiere unter gewissen Umständen eine vorübergehende’ Wärme in sich erzeugen können? In Betreff der Insecten ist hierauf allerdings eine bejahende Antwort zu geben. An ein- zelnen derselben läfst sich oft kein Unterschied von der äussern Wärme bemerken. Mehrere, die in einem engen Raum eingeschlossen sind, können aber die Temperatur desselben erhöhen.*) Man kannte schon aus Maraldi’s undSwammerdamm’s Beobachtungen die eigene Wärme der Bienenstöcke und Ameisennester. J. Hunter**) sahe ein Thermometer im July, des Abends bei Nordwind und einer Temperatur der Luft von 9, 8° R. in einem Bienenstock binnen weniger als fünf Minuten auf 22, 2° steigen. Um fünf Uhr des folgenden Morgens war es auf 20, 9° gefallen. Um *, Rengger’s physiolog. Untersuchungen über die tkierische Haus- haltung der Insecten. S. 39. 40. **) Philos. Transact. Y. 1792. p. 136, 27* 420 neun Uhr desselben Morgens hatte es sich wieder auf 22, 7° und um Ein Uhr Nachmittags auf 23, 1° er- hoben. Um neun Uhr Abends stand es auf 20, 4°. Im December bei einer "Temperatur der Atmosphäre von 1, 3° hatte der Bienenstock eine Wärme von 18, 2°. Maraldi*) und Reaumur**) fanden aber, dafs diese Wärme nicht entwickelt wird, wenn die Bienen sich ruhig verhalten, sondern nur dann entsteht, wenn sie in Bewegung gerathen, die Flügel schwingen und ihr Gesumse hören lassen. Legt man zu einer Zeit, wo das Thermometer nur wenige Grade über dem Ge- frierpunct steht, und während die Bienen in einem Haufen ruhig zusammenhängen, die Fingerspitzen an die Glasscheiben eines mit Fenstern versehenen Bienen- stocks, so fühlen sich diese oft kalt an. Sobald aber der Haufen sich trennet und ein Gesumse entsteht, werden die Scheiben so warm, als wären sie am Feuer erhitzt worden. Der Beitrag, den jede einzelne Biene zu dieser Erhöhung der 'Temperatur liefert, ist zwar nur gering. Aber jede entbindet doch, indem sie sich in Bewegung setzt, etwas Wärme. Ich sahe zwei Hummeln, einen Bombus muscorum und einen Bombus terrestris, die sich seit mehrern Stunden neben einem Thermometer und einer Gasröhre in einer Wärme von 144° R. befunden hatten, und darauf mit dem Wärme- messer in die Röhre gebracht waren, das Quecksilber des 'Thermometers bis 154° steigen machen, als sie in heftige Bewegung geriethen und dabei die Kugel *) Mem. de P’Acad. des sc. de Paris. A. 1712. p. 423 der Ausg. in $. **), Mem. pour servir a P’Hist. des Ins. T. V. p. 671 der Ausg. in 4. rn des Instruments berührten. Eine Viertelstunde nachher verhielten sie sich ruhig, und nun war das Queck- silber wieder bis 144° gefallen. Ein Vermögen, auf ähnliche Art durch Erregung oder Verstärkung ge- wisser organischer Bewegungen, doch freilich nicht durch mechanisches Reiben, eine etwas höhere Tem- peratur, als das Medium hat, hervorzubringen, können auch andere wirbellose Thiere besitzen, und die Agi- tation, worin jedes 'Thier geräth, an welchem man Versuche macht, ist vielleicht mit ein Grund, warum man die wirbellosen 'Thiere in den meisten Fällen um etwas wärmer fand als die Luft oder das Wasser, wovon sie umgeben waren. Doch habe ich bei meinen obigen. Versuchen an Fröschen (S. 418) keine Ver- änderung am T hermometer bemerkt, wenn ich diese Thiere durch Zerren vermittelst eines, in ihren Be- hälter gebrachten Metalldrats in Bewegung setzte. Auch wurde das Thermometer nicht im mindesten afficirt, wenn ich über demselben einen Frosch so befestigte, dals die Schenkel auf der Kugel des Wärmemessers zu liegen kommen, und dann, nach Entblöfsung der ischiadischen Nerven, anhaltende Zuckungen in den Schenkelmuskeln durch Galvanisiren erregte. Eine dauernde Wärme besitzen auch nicht die Pflanzen. J. Hunter, Schöpf, Salome und Hermbstädt glaubten zwar an denselben eine solche bemerkt zu haben. Allein bei einer nähern Prüfung der Erfahrungen dieser Naturforscher ergiebt sich, dafs 422 sie sich ohne alle weitere Voraussetzung aus der Ver- bindung der Pflanzen mit dem Erdboden, auf dessen Wärme die Veränderungen der atmosphärischen Tem- peratur wenig Einflufs haben, und aus dem geringen Wärmeleitungsvermögen der vegetabilischen Theile er- klären lassen. Mit dieser, von mir im öten Bande der Biologie (S. 4. $. 1) weiter ausgeführten Erklärung stimmten auch die Versuche Nau’s und Fontana’s überein. Jetzt, nachdem Schübler,*) mein Bruder **) und Göppert***) sehr vieie und genaue Beobachtungen gemacht haben, wodurch sie ganz bestätigt wird, läfst sich an der Richtigkeit derselben nicht weiter zweifeln. Es war nur noch die Frage übrig: Ob nicht bei den Pflanzen, wie bei den niedern T'hieren, wenigstens unter gewissen Umständen Wärme entbunden werde? Dafs dies wirklich geschehe, schienen die Wahrneh- mungen Lamark’s, Sennebier’s, Hubert’s und Saussure’s an den Blüthenkolben verschiedener Arum- Arten zu beweisen. Mein Bruder+) und Göppert++) aber, die nicht nur an mehrern Arten des Arum, sondern auch noch an vielen andern Pflanzen zahlreiche Ver- suche über diesen Punct anstellten, konnten nie eine Erhöhung der Temperatur bemerken, die sich nicht von zufälligen äussern Ursachen hätte ableiten lassen. *) In W. Neuffer’s Untersuchungen über die Temperaturverän- derungen der Vegetabilien (Tübing. 1829) und in der Isis. 1330. H. 5. 8.563. **) Zeitschrift für Physiologie. B. 3. S. 264. ***) Ueber die Wärme-Entwickelung in den Pflanzen. 8. 133 fg. TA. a. O0. S. 265 fg. TH A. a 0. S. 177g. So scheint denn auch eine vorübergehende und par- tielle Wärmeentwickelung bei den Pflanzen nicht an- genommen werden zu dürfen, und es folgt: dafs die Ursache des beständigen Wärmegrades der Säugthiere und Vögel in Functienen liegen mufs, welche die Thiere überhaupt vor den Pflanzen voraus haben, die in den beiden obersten Classen der Wirbelthiere mit mehr gleichförmiger Energie als bei den übrigen Thieren vor sich gehen, und welche bei einigen der leiztern nur unter gewissen Umständen und nur vorübergehend die Stärke erreichen, die zu einer merklichen Erhöhung der 'Temperatur nöthig ist. Solcher Functionen giebt es nur zwei, die hier in Betracht kommen können: das Athemhohlen und den Blutumlauf. Diese gehen bei den Säugthieren und Vögeln mit weit gleichförmigerer Stärke als bei den übrigen Thieren vor sich. Die erstern haben weit mehr Blut als die letztern, und von demselben gelanget bei ihnen weit mehr als bei diesen in die Organe der Respiration. Es erfolgt zwar der Blutumlauf und das Athemhohlen nicht immer bei ihnen schneller als bei den niedern Thieren. Aber bei diesen nimmt die Stärke und Schnelligkeit beider Functionen mit der abneh- menden 'Temperatur des Mediums immer in gleichem Verhälsnifs ab; hingegen bei ihnen werden dieselben von äusserer Kälte bis zu einer gewissen Gränze ver- stärkt und beschleunigt. In jenen Functionen ist also die Ursache der innern Wärme zu suchen. Durch das Athemhohlen wird die Verbindung des atmosphärischen 424 Sauerstoffs mit dem thierischen Kohlenstoff und die Bildung des beim Ausathmen entweichenden kohlen- sauren Gas vermittelt. Hierbei aber tritt Entbindung von Wärme ein. So ist es denn eine sehr nahe lie- gende und seit Lavoisier’s Zeit fast allgemein an- genommene Vermuthung, dafs von der Bildung des kohlensauren Gas beim Athemhohlen die thierische Wärme herrührt. Die bisherigen Versuche über diesen Gegenstaud haben sehr verschiedene Resultate geliefert. Nach den neuesten Untersuchungen von Dulong*) und Des- pretz”*) beträgt die Wärme, die bei der Entstehung des kohlensauren Gas entweicht, immer weniger als die thierische Wärme. D ulong findet, wenn man diese —1 setzt, jene nur zwischen 0, 49 und 0, 55 für die fleischfressenden, zwischen 0, 65 und 0, 75 für die pflanzenfressenden Thiere. Despretz giebt sie höher, nehmlich zwischen 0,7 und 0, 9, doch ebenfalls bei den pflanzenfressenden Thieren höher als bei den fleisch- fressenden an. Grofse Schärfe läfst sich hierbei nicht erwarten, sowohl wegen der Schwierigkeit der Ver- suche über einen solchen Gegenstand an lebenden Thieren, als auch wegen der Unsicherheit der bis- herigen Erfahrungen über manche blos physische Puncte, die dabei mit in Anschlag zu bringen sind. *) Journal de Physiol. par Magendie. T. Il. p. 45. *) Annales de Chimie. T. XXVI. p. 337. Journal de Physiol. par Magendie. T. IV. p. 143. 425 Eine Hauptfrage bei dieser Untersuchung ist: Nach welchem Maafs man die Wärme zu schätzen hat, die dem thierischen Körper durch das Medium, worin er sich befindet, entzogen wird? Man hat dafür den Stand des Thermometers in einem, möglichst isolirten Medium angenommen. Dieses Maafs aber läfst wenig Genauigkeit zu. Welche Vorkehrungen auch gegen das Entweichen der Wärme getroffen werden, so geht doch immer ein grofser Theil derselben verlohren. Mit mehr Sicherheit läfst sich der Verlust an eigener Wärme, den ein lebendes Thier in einer gewissen Zeit und bei einer gewissen äussern Temperatur erleidet, indem sich jene mit dieser in’s Gleichgewicht zu setzen strebt, aus dem Verhältnifs abnehmen, in welchem ein plötzlich und ohne bedeutenden Blutverlust getödtetes Thier von gleicher Art, Gröfse und Stärke mit dem vorigen in der nehmlichen Zeit und bei derselben äussern Temperatur erkaltet. Brodie’s Versuche über den Einflufs des Gehirns auf die Erzeugung der thie- rischen Wärme haben Data zur Bestimmung dieses Puncts und zugleich zur Vergleichung jenes Verlusts mit dem möglichen Ersatz aus der Bildung der Kohlen- säure geliefert. Bei denselben nahm die eigene Wärme getödteter Kaninchen in einer Luft von 13 bis 14° R, Wärme binnen 100 Minuten um 4, 4° ab,“) und es betrug die mittlere Quantität kohlensauren Gas, welche diese Thiere bei ungefähr der nehmlichen "Temperatur und in der nehmlichen Zahl von Minuten ausatlımeten, *) Phil. Transact. Y. 1811. p. 36. 426 90, 8 Engl. C. Z. = 74, 9 Par. C. Z.*) Die letztere Zahl stimmet sehr gut mit den Resultaten der, oben (S. 368) angeführten Versuche Berthollet’s überein, nach welchen dieselbe im Mittel bei fünf Kaninchen 76 Par. C. Z. war. Ich finde nun, wenn ich von den bisherigen Angaben der Wärme, die beim Verbrennen der Kohle und beim Schmelzen des Eises frei wird, die Mittelzahlen nehme, dafs bei der Erzeugung dieser 90,8 C. Z. kohlensauren Gas 8, 4° Wärme entbunden werden. Es liefert nehmlich 1 Gewichtstheil Kohle beim Verbrennen im Mittel 3, 7 Theile kohlensauren Gas und soviel Wärme als nöthig ist, um 20, 9 Theile Eis zu schmelzen. Ferner entbindet 1 Unze Eis Engl. Gewichts beim Schmelzen 4, 5° Wärme, und 100 Engl. C. Z. kohlensauren Gas wiegen 47, 5 Englische Gran. Folglich erzeugt 1 Unze (= 480 Gran) dieses Gas bei ihrer Entstehung 20, 9. 4, 5 = 94, 05° Wärme, und es bringen 100 C. Z. desselben eine 'Temperatur 94, 05. 47,5 "250 Wärme von rss — 8,4° hervor. Diese über- steigt um 4° den obigen Wärmeverlust getödteter Kaninchen. Aber soviel Grade sind erforderlich, um 45 Gran Wasser in Dampf zu verwandeln: denn ein Pfund (= 5760 Gran) Wasser verschluckt bei der Verdampfung 512° Wärme. Es beträgt endlich, nach vo => 9, 3°, daher 90, 8 C. Z. eine *) Von drei Kaninchen athmete das eine 50, 6, jedes der beiden übrigen 56, 44 Engl. €. Z. binnen einer Stunde aus. Phil. Transact. Y. 1812. p. 378. Lavoisier’s und Seguin’s Versuchen, die Menge des Wassers, welches der Mensch binnen 100 Minuten durch die Lungen und die Haut ausstöfst, 1300 bis 1400 Gran, und es verhält sich das Gewicht des Menschen zu dem des Kaninchen ungefähr wie 125: 3. Wenn also das Kaninchen in dem nehmlichen Ver- hältnifßs transpirirte wie der Mensch, so würde dasseibe binnen 100 Minuten 32 Gran Wasser ausdünsten. Da aber jenes in einerlei Zeit wenigstens dreimal mehr Athemzüge thut und einen weit schnellern Blutumlauf hat als dieser, so mufs auch die Ausdünstung dessel- ben um soviel stärker als die des letztern seyn, und so wird man die Quantität des in 100 Minuten trans- pirirten Wassers für das Kaninchen auf 45 Gran an- schlagen dürfen. So günstig aber diese Berechnung auch der obigen Meinung zu seyn scheint, so zeigt sich doch jene Hypothese als unhaltbar, wenn man Folgendes erwägt: 1. Bei einer Vergleichung der Resultate, worauf die Versuche Berthollet’s, Despretz’s, Allen’s und Pepys’s über die chemischen Wirkungen des Athmens der warmblütigen Thiere führen,*) wird man finden, dafs die Excretion des kohlensauren Gas und die Absorbtion des Sauerstoffgas nicht in umgekehrtem Verhältnifs mit der Temperatur der Luft steht, worin das Athemhohlen geschieht. Dies mülste aber der Fall seyn, wenn die thierische Wärme vom Verbrennen des *) Man sehe oben 8. 370 die dortigen Tafeln. 428 Kohlenstoffs beim Athemhohlen entstände. Für das Kaninchen selber, das nach der obigen Berechnung bei 13 bis 14° Wärme der Luft 8, 4° Wärme erzeugt, wovon 4° auf die Bildung der durch die Haut und die Lungen entweichenden Wasserdünste verwandt wer- den, können nicht mehr 4, 4° übrig bleiben, wofern nicht entweder bei der abnehmenden Temperatur mehr Kohlenstoff verbrannt wird, oder weniger Wasserdünste entweichen. Jenes geschieht aber nicht. Dafs dies geschehe, läfst sich wohl annehmen. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dafs die Transpiration sich in einem so grofsen Verhältnifs mit der abnehmenden Wärme der Luft mindere,' wie sie bei der obigen Hypothese sich mindern müfste. 2. Nach den im Obigen (S. 358 fg.) mitgetheilten Versuchen und Berechnungen wird nicht nur kohlen- saures Gas, sondern auch Stickgas beim Ausathmen excernirt. Dieses hat aber eine weit gröfsere Capacität für Wärme als das Sauerstoffgas, einen soviel gröfsern, dafs, ungeachtet bei den warmblütigen Thieren weit weniger desselben als kohlensaures Gas ausgesondert wird, doch alle Wärme, die beim Verbrennen des letztern entbunden werden kann, bei der Bildung des Stickgas wieder gebunden werden mußs. 3. Meine, oben ($. 370) angeführten Versuche über das Athemhohlen der wirbellosen Thiere beweisen, dafs die Bienen, Hummeln und Tagschmetterlinge in einer hohen Temperatur viel mehr Sauerstoffgas ab- 429 sorbiren und kohlensaures Gas excerniren, als je von einem warmblütigen Thier geschieht. Hinge die thie- rische Wärme von dieser Absorbtion und Excretion ab, so müfsten jene Insecten bei einer 'Temperatur von 22° eine Hitze erzeugen, die ihrem Leben bald ein Ende machen würde. 4. Das beim Ausathmen entweichende, kohlensaure Gas geht, wie oben (8. 362) gezeigt wurde, schon gebildet aus dem Blut in die Atmosphäre über. Wenn aber Wärme bei der Entstehung dieses Gas frei wird, so geschieht dies sonst immer nur da, wo sich Kohlenstoff mit Sauerstoff an der Luft vereinigt. Dafs auch bei der Verbindung dieser Stoffe in einer tropfbaren Flüssigkeit Wärme entbunden wird, dafür giebt es keine Beweise. Es läfst sich annehmen, dafs die, welche sich hierbei entwickelt, gleich wieder auf die Bildung einer andern gas- oder dampfförmigen Materie ganz verwandt wird. Hiernach halte ich die Voraussetzung, woraus ich im Sten Bande der Biologie (S. 46 fg.) die Entstehung der thierischen Wärme zu erklären versucht habe, noch für die richtigere. J. Davy fand das Arterienblut von geringerer specifischer Schwere als das Blut der Venen. Diese Flüssigkeit dehnt sich also beim Uebergang aus den Venen in die Arterien aus, und zieht sich beim Rückfliessen aus den Arterien in die Venen zusammen. Die Ursache der Expansion und Contraction kann nicht Erwärmung und Abkühlung seyn: denn jene und diese würden auf beide Blutarten gleichmäfßsig wirken. Es ist auch, wie oben (S. 407) gezeigt wurde, im lebenden 450 Körper eine, von der Wärme verschiedene Kraft wirksam, wodurch alle Elementartheile desselben in einer fort- währenden und weit stärkern Ausdehnung erhalten werden, als der Grad von freier Wärme, der ihnen mitgetheilt wird, in ihnen hervorbringen kann. Jede Expansion und Contraction, deren Ursache eine andere als Mittheilung und Entziehung von freier Wärme ist, hat aber Bindung und Entbindung von Wärme zur Folge. Indem das Blut aus den Venen in die Arterien tritt und sich ausdehnt, entzieht es also allenthalben da, wo es mit der atmosphärischen Luft in Berührung kömmt, mithin vorzüglich in den Lungen, der Luft Wärme und bindet dieselbe: Diese latent gewordene Wärme wird wieder frei und theilt sich dem ganzen Körper mit, wenn das Blut aus den Arterien in die Venen zurückkehrt und sich zusammenzieht. Welche Quelle aber auch die thierische Wärme haben mag, so ist soviel gewils, dafs der Ersatz der- selben dem Verlust, den sie durch das umgebende Medium erleidet, immer gleich bleiben mufs, wenn sie einen unveränderlichen Stand behalten soll. Ist jener kleiner als dieser, so kann zwar die thierische Wärme eine Zeitlang höher als die äussere "Temperatur seyn. Sie wird aber immer näher zu dieser herabsinken. Es sey nehmlich A die Wärme, die ein kaltblütiges Thier bei einer gewissen äussern Temperatur T hat, und A gröfser als T. Ferner sey D der Verlust der eigenen Wärme A an die äussere T in einer gewissen Zeit, und d der Ersatz derselben in der nehmlichen Zeit. 431 Die thierische Wärme wird also nach Verlauf der ersten Zeit — A — D+ d, am Ende einer zweiten, eben so großsen, = A — 2 D + 2 d, und der mten —A —-— mD-+md seyn. Ist nun D anfangs gröfser als d, so wird A der äussern Temperatur T in jeder folgenden Zeit immer näher kommen, doch zugleich D immer kleiner werden. Ist D endlich so weit herab- gesunken, das A=T + d ist, so kann A unverändert bleiben, solange sich 'T und d gegen einander nicht anders als in umgekehrtem Verhältnifs ändern. Sobald aber beide sinken, nimmt auch A ab. Da nun bei den wirbellosen Thieren d ganz abhängig von T ist, so können diese zwar, wenn sie ein gewisses Maafs von d hervorbringen, eine etwas höhere Wärme als ihr Medium haben. Allein der Unterschied zwischen A und 'T mufs bei ihnen um so unmerklicher werden, je niedriger 'F wird, es sey denn, dafs sie durch will- kührliche Beschleunigung des Athemhohlens den Grad von d erhöhen. Eine solche Steigerung ist aber nur auf kurze Zeit möglich. Die Wirkung davon kann blos in dem Falle von längerer Dauer seyn, wenn eine gröfsere Zahl von Individuen in einem eingeschlossenen und von schlechten Wärmeleitern umgebenen Raum diesen willkührlichen Act von Zeit zu Zeit vornehmen, ein gröfseres Maals von d entbinden, dadurch D und vermittelst dieses D dann auch T auf einen höhern Grad treiben. So erwärmen die Bienen und Ameisen ihre Stöcke. Die 'Temperatur, die sie auf diese Weise hervorbringen, kann aber nie auf einerlei Stufe wie die der Säugthiere und Vögel bleiben. 452 Phosphorescenz der organischen Wesen.*) Das Thier steht in einem andern Verhältnifs zum Licht als zur Wärme. Während von dieser das Leben desselben ganz abhängt, ist jenes nur Bedingung einer gewissen Form des Lebens in der Sinnenwelt. Nicht so verhält es sich mit der Pflanze. Das vegetabilische Daseyn wird in jeder Beziehung eben so sehr vom Licht als der Wärme beherrscht. Besäfsen also die organischen Wesen ein Vermögen für sich selber, als Bedingung ihres Lebens im Allgemeinen, Licht zu erzeugen, so würde sich ein solches vorzüglich bei den Pflanzen äussern müssen. Es giebt aber kein Leuchten lebender Gewächse als nur einiger, die auf der niedrigsten Stufe der vegetabilischen Organisation stehen. Unter den Thieren sind dagegen mehrere, die während des Lebens ein Licht verbreiten. Doch nur für wenige dieser phosphorescirenden Arten kann der Schein Mittel zur Erreichung eines Lebenszwecks seyn. Man glaubte sonst, an den feurig gelben Blumen einiger Gewächse, besonders der Tagetes, der Calendula, des Tropaeolum und der Oenotheren ein Leuchten im Dunkeln bemerkt zu haben. Ingenhoufs, Senne- bier, der jüngere Saussure und mein Bruder haben aber gezeigt, dafs der Schimmer nicht in völliger Dunkelheit statt findet und blos davon herrührt, dafs *) Die Belege zu allen den Sätzen dieses Capitels, wobei nicht aus- drücklich Citate angeführt sind, finden sich im 5ten Bande der Biologie S. 81fg. und 475. 453 in schwach erhellten Nächten das brennende Gelb jener Blumen einen stärkern Eindruck auf das Auge als das unscheinbare Grau der übrigen Gegenstände macht.*) Ein wirkliches Licht verbreiten Byssus phosphorea, die unterirdischen Rhizomorphen, Schistotega osmun- dacea und einige Conferven. Aber nur die Rhizomor- phen scheinen während dem Leben zu leuchten. **) Von den übrigen jener Körper ist es wahrscheinlich, dals das Licht derselben erst nach dem Tode bei gewissen, durch äussere Einflüsse bedingten Mischungs- veränderungen ausströhmt und mit der Phosphorescenz des leuchtenden. Holzes einerlei Ursache hat. Im Thierreiche sind vorzüglich die Acalephen phosphorescirende Arten. Man kennet von den näher beschriebenen als solche besonders: Medusa ovata Bast. hemisphaerica Gronov. noctiluca Forsk. aurita Bast. und pelagica Bosc. Es giebt aber viele andere, meist microscopische Gattungen, die noch nicht genau be- schrieben sind und sich ebenfalls als leuchtend zeigten.+) Ihr Licht geht von einer Materie aus, die auf der Oberfläche des Körpers abgesondert wird: denn es theilt sich fremden Körpern mit, welche von dem Thier berührt werden. Vielleicht ist diese Materie einerlei mit dem Saft, wovon die nesselnde Eigenschaft vieler Acalephen abhängt. Ausser ihnen phosphoreseiren unter den Thieren der niedrigsten Ordnungen die sämmtlichen 4) Zeitschrift für Physiologie. B. 3. S. 262. *) Nach Bischoff’s Beobachtungen in Schweigger’s Neuem Journal für Chemie und Physik. B. 9. S. 259. 7) Tilesius in den Annalen der Wetterauischen Gesellschaft für die gesammte Naturkunde. E. 3. S. 360. 28 Pyrosomen und viele Salpen, und diese sind mit ihnen die Hauptursache des Leuchtens des Meerwassers. Es ist wahrscheinlich, dafs dieses zum Theil auch von todten Fischen und sonstigen leblosen, organischen Substanzen ausgeht. Aber in einigen Meeren wird es allein von jenen Thieren bewirkt. *) Unter den übrigen ungegliederten, wirbellosen Thieren finden sich dagegen nur wenig phosphoreseci- rende Arten. Von den sämmtlichen Polypen sind es blos einige Seefedern (Pennatula), die ein Licht verbreiten. Rapp**) hat zwar diesen das Leuchten als Lebens- erscheinung abgesprochen, weil das Licht derselben aus einem Schleim ausströhmt, der auf ihrer Oberfläche ausgeschieden wird, sich dem Wasser, worin sie sich befinden, mittheilt und auch nach ihrem Tode noch fortdauert. Aber auch alle übrige phosphorescirende Thiere leuchten nur vermittelst einer secernirten und oft auch excernirten Materie, die noch nach der Tren- nung von ihnen eine Zeitlang fortfährt, Licht zu ver- breiten, und dieses an andere, sie berührende Körper abgiebt. Der Glanz ist bei allen nur insofern eine Lebenserscheinung, als die Materie, wovon er ausgeht, ein Product des Lebens ist. Von den Mollusken ist ebenfalls nur Eine Gattung bekannt, die im lebenden Zustande Licht von sich giebt, die der Pholaden (Pholas Dactylus L.). Diese leuchten in jedem Theil ihrer Substanz und verhalten sich in Betreff der Mitthei- *, Pfaff in Schweigger’s Jahrb. der Chemie. B. 52. S. 316 + *) Veber die Polypen. 8. 34. IR... OR Leuchtende Arten aus den übrigen Classen der wirbellosen Thiere sind: mehrere Nereiden und Bran- chipoden, unter andern Cyclops brevicornis O. F. Müll.*) Cancer fulgensBanks. Scolopendra electricaL. Elater noctilucus L. phosphoreus L. und ignitus Oliv. Pausus sphaerocerus Achar. Buprestis ocellata Fabr. Scarabaeus phosphoricus Luc. Fulgora laternaria L. Lampyris noctiluca L. splendidula L. hemiptera Fabr. und italica L. Unter gewissen, noch nicht näher be- stimmten Umständen scheinen auch der gemeine Erd- regenwurm (Lumbricus terrestris L.), die Flufsgarnelen (Cancer Pulex L.), die Maulwurfsgrillen (Gryllus Gryl- lotalpa L.)**) und die Mücken (Culex pipiens L.) ein Licht ausströhmen zu lassen. Bei den leuchtenden Nereiden und Branchipoden, dem Cancer fulgens und der electrischen Scolopender dringt das Licht, wie bei den phosphorescirenden Acalephen, aus dem Aeussern des Körpers hervor und bleibt noch einige Zeit an den Materien, die von ihnen berührt werden, haften. Bei den übrigen leuchtenden Insecten sind es innere Theile, wovon dasselbe ausgeht. Nach meinen Beobachtungen ist bei ihnen der Fett- körper die Quelle desselben, wovon indefs bei den meisten dieser Thiere nur der geringere Theil aus Fett, der gröfsere aus Eiweils besteht, in welcher letztern Substanz auch Macaire ***) den Sitz des *) 0. Fabricii Fauna Groenl. p. 266. *, Sutton in Kirby’s und Spence’s Introduction to Entomology. Vol. I. p. 421. ***) Biblioth. univers. 1821. Mai. 28 * 436 Leuchtens bei Lampyris noctiluca und splendidula be- merkte. Bei den leuchtenden Springkäfern fand ich die, unter dem Brustschilde, zu beiden Seiten desselben liegende, körnige Materie, woran der Glanz vorzüglich sichtbar ist, von dem übrigen Fettkörper nicht ver- schieden, und was ich schon bei mehrern Gelegen- heiten erinnert habe, dafs es eine unrichtige Behaup- tung mehrerer Schriftsteller ist, es gebe bei den Johanniskäfern eigene Säcke, welche die phospho- rische Materie enthielten, ist auch von Rudolphi*) bestätigt gefunden. Es phospherescirt wahrscheinlich bei jenen Springkäfern der ganze Fettkörper, und bei den Lampyriden der ganze Apparat der innern Zeu- gungstheile. Das Licht ist aber auswendig nur an denen Stellen, die eine dünne Oberhaut haben, sichtbar. Solche sind bei den leuchtenden Springkäfern vorzüglich zwei runde, durchsichtige Stellen an den beiden hintern, hervorspringenden Ecken des Brustschildes, doch in minderm Grade auch in den Zwischenräumen zwischen der Brust und dem Hinterleibe, und in der Nähe der Zeugungstheile. Bei Pausus sphaerocerus verbreiten die grofsen, blasenförmigen Endglieder der Fühlhörner, bei Buprestis ocellata die gelben Flecken auf den Flügeldecken**) einen Schein. Der Scarabaeus phos- phoricus leuchtet am Unterleibe. In Betreff der Fulgora laternaria, wovon nach dem Berichte der Merian die grofse Hervorragung am Kopfe phosphoresciren soll, *) Grundrifs der Physiologie. B. 1. S. 197. N B **) Latreille in Cuvier’s Regne animal. T. II. p. 228 der Iten Ausgabe. wird es nach neuern Beobachtungen immer zweifelhafter, ob die Erzählung gegründet ist.*) Der Hauptsitz‘ des Lichts der Lampyriden sind die drei letzten, mit einer durchsichtigen Haut bedeckten Bauchringe. Das Weib- chen glänzt am längsten und stärksten, das Männchen eine kürzere Zeit und schwächer. In minderm Grade leuchten auch schon die Eier. Beim Weibchen schim- mert während dem: Eierlegen die ganze untere Seite des Bauchs.**) Das Licht dauert noch eine kurze Zeit nach dem Tode des Insects ***) und in den vom Körper getrennten, innern Theilen des Hinterleibs fort. Nach dem Ausnehmen der phosphorischen Substanz aus dem Leibe des Insects sahe Sheppard die Wunde‘ binnen zwei Tagen heilen und den Leib sich’ von neuem mit leuchtender Materie füllen. +) Bei den Wirbelthieren ist die Phosphorescenz nie eine beständige Lebenserscheinung als in den Augen einiger Arten und vielleicht an den Eiern der Lacerta agilis, worüber es aber noch au hinlänglicher Beob- achtung fehlt.++) In Betreff des nächtlichen Leuchtens *) Der Prinz Maximilian von Wied-Neuwied sagt in seiner Reise nach Brasilien (B. 2. S. 111 der Ausg. in, Octavo): „er habe, von dem, „wahrscheinlich fabelhaften Licht des Laternenträgers (Fulgora) nie eine „Spur gefunden, obgleich er dieses Insect häufig an Baumstämmen, be- „sonders am Caschetholze, fing; auch haben ihm die Landesbewohner nie „eine Bestätigung für das Leuchten dieses Thiers geben können.“ **) Todd im Quarterty Journ. of Science. Vol. XXI. p. 243. **+*#) Todd ebend. p. 250. +) Kirby’s und Spence’s Introd. to Entomol. Vol. I. p. 426. +r) Eine Erzählung im Mag. of Nat. Hist. Vol. II. p. 64 von einem Licht an der Brust einer americanischen Reikerart, das dem Schein einer gewöhnlichen Wachskerze gleich kommen und dem Vogel dienen soll, 438 . der Augen der Hunde, Katzen, Pferde, Schaafe und mehrerer anderer Säugthiere, das nach frühern Be- obachtungen phosphorischer Art zu seyn schien, haben Prevost*) und Esser**) Untersuchungen bekannt gemacht, woraus sie schliessen, dafs dasselbe blos Folge der Reflection des äussern Lichts durch die glänzende Tapete des Auges ist. Die von ihnen mit- getheilten Thatsachen sprechen zwar für diesen Schluß. Allein Rengger+) hat beim Leuchten des Auges mehrerer Thiere in Südamerica, worunter manche dieses Licht in weit höherm Grade als die Augen unserer euro- päischen Hausthiere zu verbreiten scheinen, Umstände wahrgenommen, die damit nicht vereinbar sind. Beieinem Nachtaffen (Nyctipithecus trivirgatus )bemerkte er das Licht nur bei grofser Finsternifs, und dieses hatte eine solche Stärke, dafs Gegenstände, die in einer Ent- fernung von anderthalb Fufs vor den Augen des Affen lagen, sich vermittelst desselben unterscheiden liessen. Bei einem blinden Canis Azarae, der an einer Amaurose zu leiden schien, leuchteten die Augen nicht mehr, und bei einem andern, dem die Crystallinse des einen Auges verdunkelt war, gab dieses Auge dann noch am Rande der Pupille einen, doch nur schwachen Schein, wenn sich die letztere sehr erweiterte. Die Lichterscheinung hörte auch nach Durchschneidung in dem Wasser, das dadurch erleuchtet wird, seine Beute zu entdecken, klingt zu fabelhaft, um darauf zu bauen. *) Biblioth. britannique. A. 1810. T. 45. **) Kastner’ Archiv f. d. gesammie Naturkunde. B. VII. S. 394. 7) Naturgeschichte der Säugthiere von Paraguay. S. 383. 439 und selbst schon nach Verletzung des Sehenerven auf; hingegen Verletzungen der Hornhaut und der Iris hatten darauf keinen Einflufs. Sie trat nur dann ein, wenn ein Eindruck auf das Gesicht oder Gehör die Auf- merksamkeit des Thiers erweckte, oder wenn ein Trieb oder eine Leidenschaft dasselbe aufregie. Es mufs hiernach im Hintergrunde des Auges jener 'Thiere eine Lichtentwickelung statt finden, die unter dem Eiaflufs des Nervensystems steht. Ob sie aber von der Einwirkung der Sehenerven oder von der der Ciliar- nerven abhängt, darüber läfst sich aus Rengger’s Beobachtungen nicht entscheiden: denn bei den Ver- suchen mit der Durchschneidung oder Verletzung des Sehenerven blieben gewils auch die Ciliarnerven nicht unbeschädigt. Dafs durch die glänzende Tapete des Auges die Stärke des Lichts vermehrt wird, indem sie dasselbe wie ein Hohlspiegel concentrirt, ist nicht zu bezweifeln. Unmöglich aber ist es, dafs sie in dem kleinen Auge des erwähnten Affen und in grofser Finster- nils blos durch Zurückwerfung äussern Lichts einen an- derthalb Fufs weit entfernten Gegenstand sollte erhellen können. Alles andere, an Wirbelthieren im Zustande des Lebens vorkommende Licht geht immer blos von Auswurfstoffen aus, und war da, wo man genauere Beobachtungen darüber hat, eine ungewöhnliche Er- scheinung. So sahe man in einzelnen Fällen einen leuchtenden Schweils und Urin bei Menschen. Unent- schieden ist es noch, ob die Phosphorescenz des Harns der Viverra Mephitis und V. Putorius, wovon einige a0 Reisende erzählen, beständig oder nur unter gewissen Umständen statt findet. Nach diesen Beobachtungen von leuchtenden Aus- wurfstoffen, die im gewöhnlichen Zustande immer Phosphor, doch gesäuerten, enthalten, hat die Vermu- thung Grund, dafs überhaupt alles thierische Leuchten von einem Phosphor herrührt, der ungesäuert in einer thierischen Materie aufgelöst ist... Man hat diese Er- scheinung für eine unmittelbare Wirkung des Lebens erklärt. Aber was läfst sich dabei denken? Das Leben hat allerdings Einflufs darauf, doch nur mittelbar, und dies auf verschiedene Weise. Das Licht hängt vom Leben zuerst insofern ab, als durch. willkührliche Be- wegung der Theile, worin. die phosphorische Materie enthalten ist, auf diese mechanisch ‚gewirkt wird. Alle Erfahrungen kommen darin überein, dafs der Glanz jedes leuchtenden Thiers durch Druck, Stofs und Erschütterung verstärkt wird. So nimmt derselbe bei der Einwirkung des electrischen Schlags, des Galva- nischen Reizmittels und der Voltaischen Säule. zu.*) Das Licht ist zweitens dadurch der Willkühr des Thiers unterworfen, dafs dieses die leuchtenden Theile. ver- bergen kann, indem es sie unter undurchsichtige, äussere Bedeckungen zurückzieht. Beim Eierlegen der Lampyriden, wobei die dünnen Häute zwischen den *) Nachdem Macartney diese Zunahme an der Medusa hemisphae- rica Gron. nach electrischen Schlägen und Humboldt an einer andern Meduse bei Anbringung des Galvanischen Reizmittels bemerkt hatte, sahe Pfaff (A. a. O. S. 317) sie an den kleinen leuchtenden Thieren des Meerwassers und Todd (A. a. O. p. 248) an den Lampyriden bei Ein- wirkung der Voltaischen Säule. 441 Bauchringen entfaltet werden, die sonst von diesen bedeckt sind, leuchtet die ganze untere Fläche ihres Hinterleibs. Bei Lampyris italica, deren ganzes hinteres Drittel des Leibes auf der untern Seite leuchtet, wird durch jenes Einziehen das Licht viel weniger ge- schwächt als bei Lampyris splendidula, deren Glanz von. einer weit kleinern Stelle des Hinterleibs aus- strahlt,*) Die Phosphorescenz hängt drittens vom Leben ab, insofern das Athemhohlen darauf Einflufs hat, weil dabei der ganze Körper und also auch die leuchtende Substanz erschüttert und dieser bei den Insecten durch die Luftröhren, bei den übrigen 'Thieren durch die Arterien Sauerstoffgas zugeführt wird. Bei Lampyris italica bemerkt man daher eine rhythmische Zu- und Abnahme der Lichtausstrahlungen, die, wie Carus**) glaubt, mit den von ihm in den Flügeldecken dieser Käfer gesehenen, pulsirenden Blutströhmungen gleich- zeitig ist. Das Leuchten steht endlich auch von. der Seite mit dem Leben des Ganzen in Beziehung, von welcher alle Ab- und Aussonderungen damit verbunden sind. Wie bestimmte Einwirkungen auf den ganzen thierischen Körper vermehrte Secretion der Galle, des Harns, Schweisses u. s. w. verursachen, so giebt es gewils auch solche, die eine stärkere Absonderung der leuchtenden Materie hervorbringen, und da jede Secretion mit dem abnehmenden Leben abnimmt, wäh- rend zugleich das Athemhohlen schwächer wird, so *) Carus’s Analecten zur Naturwissenschaft und Heilkunde. S. 170. TIRAN2IO: S) 171. 442 ist es erklärbar, warum das Licht der Lampyriden sich verliehrt, wenn die Thiere ermatten.*) Die leuchtende Materie kann also blofser Phosphor seyn, und doch können äussere Einflüsse auf die Phos- phorescenz der Thiere ganz anders als auf das Leuchten des letztern wirken. Es können selbst einerlei Eindrücke nach dem verschiedenen Zustand des Thiers das Licht bald anfachen, bald schwächen. So erklären sich die so sehr von einander abweichenden, zum "Theil sich ganz entgegengesetzten Resultate der bisherigen Ver- suche über den Einfluls äusserer Agentien auf dieses Licht. Alle frühern Erfahrungen kommen darin überein, dafs das Licht der Lampyriden in den sämmtlichen irrespirabeln Gasarten, vorzüglich sehr bald in kohlen- saurem Gas, erlischt. Nur über das Verhalten desselben in Sauerstoffgas waren die Angaben verschieden. Nach einigen soll dasselbe den Glanz verstärken, nach andern gar nicht darauf wirken. Jenen Erfahrungen entgegen behauptet J. Murray””“): das Licht der Lampyris noctiluca dauere in kohlensaurem Gas noch eine ziem- lich lange Zeit nach dem Tode des Thiers fort. Der Grund des verschiedenen Erfolgs ist wahrscheinlich der, dafs das Thier, womit Murray experimentirte, vor dem Versuch eine bedeutende Menge atmosphä- rischer Luft eingeathmet hatte, wodurch der Glanz länger unterhalten wurde, als er sonst gedauert haben würde. *) Toddea. a. O. p. p. 245. **) Experiment. Researches. p. 9. Heusinger’s Zeitschrift für die organische Physik. B. 2. $. 94. ER... Da das Licht der phosphorescirenden Materie aller obigen Thiere nach der Trennung dieser Substanz vom Körper sich noch einige Zeit erhält, und da auf diese, nach ihrer Absonderung, das Leben des Ganzen keinen Einflufs mehr hat, so würden Versuche mit derselben zu entscheidenden Resultaten führen, wenn nicht hierbei wieder die Schwierigkeit einträte, dafs der Glanz mit dem Austrocknen der Substanz ver- schwindet und dafs sie bei den leuchtenden Insecten mit Luftröhren durchflochten ist, in welchen eine hin- reichende Menge respirabler Luft zurückbleiben kann, um den Erfolg unsicher zu machen. Daher weichen die Erfahrungen über den Einfluls äusserer Materien auf das Licht der vom Körper abgesonderten, phos- phoreseirenden Substanz ebenfalls sehr von einander ab. Spallanzani fand, dals dieses eben so wie das Licht des lebenden Thiers in irrespirabeln Gasarten aufhört, und Sheppard,*) dafs es augenblicklich, wie das Licht des Phosphors, in camphorirtem Weingeist er- löschet, worin das lebende Thier noch fünf Minuten zu leuchten fortfährt. Hingegen sshe Murray*“*) dasselbe in jenen Gasarten fortdauern. Darin koımmen indefs alle Beobachtungen überein, dafs der Glanz sowohl der lebenden Lampyriden, als der von diesen getrennten leuchtenden Materie, und auch der Pho- “laden durch eine Wärme von 30 bis 86° R. auf kurze Zeit verstärkt, durch eine gröfsere Hitze, so wie durch z. eine Kälte von — 5 bis 7° aufgehoben wird. Die Auf- *") A. a0. p. 426. TIALAMO! 44 hebung geschieht aber hierbei‘ blos durch das‘ Aus- trocknen der Materie, ‘die überhaupt’ ausserhalb dem Körper des Thiers sehr schnell ihre Feuchtigkeit und mit dieser ihr Licht verliehrt, indem sie‘ zu einer, dem Gummi ähnlichen Substanz wird. Befeuchtet man sie wieder, so kehrt das Licht zurück, verschwindet aber von neuem beim Trocknen. *) BLFETI Es läfst sich daher aus allen bisherigen Erfah- rungen nichts gegen die Voraussetzung schliessen, dafs das Leuchten blos von einem, in thierischer Materie aufgelösten Phosphor herrührt. Wir kennen auch noch zu wenig die verschiedenen Modificationen, die das Leuchten des Phosphors durch dessen Verbindung mit andern Materien erleidet, als dafs selbst solche Ver- schiedenheiten dieses Lichts von dem thierischen, die sich nicht aus den obigen Ursachen erklären lassen, etwas gegen jene Voraussetzungen beweisen können. Manches mag auch als Verschiedenheit angegeben seyn, was in der That keine ist. So soll nach Murray das Licht der, von der Lampyris noctiluca getrennten, leuchtenden Massen in Olivenöl mehrere Tage mit der gröfsten Lebhaftigkeit, in Wasser und Mandelöl nur einige Stunden und in weit geringerm Grade fortdauern. Heinrich’s Versuche mit dem Kunkelschen Phosphor aber beweisen, dafs dieser ebenfalls unter gewissen Umständen in Wasser und Oel leuchtet. Wenn Murray übrigens noch behauptet, damit die Phosphorescenz jenes Käfers eintrete, müsse derselbe dem Sonnen- oder *) Sheppard a. a. 0. Carus a. a. O. S. 176. 445 Tageslichte ausgesetzt gewesen seyn, so steht dies mit Todd’s Erfahrungen *) in gradem Widerspruche. Dafs das thierische Licht in der That von einem abgesonderten Stoff ausgeht, folgt noch weiter daraus, weil sich in mehrern organischen Wesen nach dem Tode ein Stoff entwickelt, der unter ähnlichen äussern Bedingungen wie die phosphorische Materie der le- benden 'Thiere ebenfalls leuchtet. Diese Substanz er- zeugt sich vorzüglich im Holze und in Seefischen bei einer gewissen Art von Zersetzung, die durch Feuch- tigkeit und andere, noch unbestimmte Einflüsse herbei- geführt wird, von der eigentlichen Fäulnifs aber ver- schieden ist. Das Licht wird angefacht, wie das der leuchtenden Thiere, durch Bewegung der phosphor- escirenden Stoffe und durch mäßige Wärme. Es findet nur statt in atmosphärischer Luft und in Sauerstoffgas, und erlöscht in kohlensaurem Gas, Wasserstoffgas, Schwefelwasserstoffgas, Salpetergas, sehr verdünnter Luft, gesättigten Auflösungen von Alkalien und Mittel- salzen, Alcohol, Schwefeläther, tropfbarflüssigen Säu- ren, einer Wärme von 35 bis 40° R. und der Frostkälte. Der Glanz des phosphorescirenden Holzes dauert noch einige Zeit in Wasser und Oel fort, und wird durch Alcohol, Salpeter- und Kochsalzauflösungen erst ver- mehrt, ehe er verschwindet. In allen diesen Puncten ist jenes Leuchten sowohl dem der lebenden Thiere, als dem des Kunkelschen Phosphors ähnlich, welches NA. 2.0. Dp2 244% letztere ebenfalls von den Dämpfen des Schwefel- äthers und Alcohols aufgehoben wird. *) Wenn man annimmt, dafs dieser Phosphor bei krankhaften Veränderungen der lebenden organischen Materie als phosphorhaltiges Wasserstoffgas entbunden wird, das sich bekanntlich beim Zutritt der atmos- phärischen Luft entzündet, so lassen sich die zuweilen an Menschen beobachteten Fälle von Verbrennung aus einem innern Feuer erklären. Es sind von Zeit zu Zeit immer neue Beispiele von diesem Ereignifs bekannt geworden, **) die aber meist nicht mehr gelehrt haben, als was sich schon aus den frühern Erfahrungen er- gab, dafs es gewöhnlich Brannteweinsäufer waren, bei denen die Verbrennung eintrat. Nur in Hecker’s lit- terarischen Annalen der gesammten Heilkunde (Jahrg. 1. 1825. August. S. 495) ist ein Fall aus dem Journal des allgemeinen Krankenhauses zu Hamburg enthalten, der für die Theorie jener Erscheinung von Wichtig- keit seyn würde, wenn die Erzählung nicht sehr mangelhaft wäre. Bei einem siebenzehnjährigen, an sparsamer und beschwerlicher Menstruation leidenden Mädchen entstand plötzlich, während sie Wachs vom Fenster wegnehmen wollte, ein Gefühl von Hitze im ganzen Körper, ein heftiges Brennen im linken Zeige- *) Graham im Quarterly Journ. of science. New Series. Jul—Sept. 1829. p. 74. **) Unter andern eine Beobachtung von Colson und Lelarge im Journ. complement. Jnin. 1823. Zwei neue Schriften, Agostani de corp. humani combustione sponfanea (Tieini. 1824) und ein Aufsatz J. Fontenelle’s über diesen Gegenstand in der Biblioth. univers. T. 38, p. 151, enthalten weder neue Erfahrungen, noch befriedigende Erklärungen. 44% finger und gleich darauf an diesem eine blaue Flamme, die einen eigenen, schwefligen Geruch verbreitete, nicht von Wasser, zuletzt aber von Milch ausgelöscht wurde, und keine weitere Nachtheile als gewöhnliche Brand- blasen zurückliefs. Es wird nicht erwähnt und es ist nicht wahrscheinlich, dafs das junge Mädchen schon dem Trunk ergeben war. Auch wird weder gesagt, dafs die Flamme bei der Annäherung der Hand an Feuer ausgebrochen sey, noch dafs die Kranke beim Eintstehen derselben etwas von einer electrischen Ein- wirkung empfunden habe. Diese Beobachtung würde also, wenn sie zuverlässig ist und weniger oberflächlich wäre, beweisen: dafs die Selbstverbrennung nicht immer Folge des Mifsbrauchs geistiger Getränke ist, und dafs die sich dabei entwickelnde Gasart schon durch die blofse Berührung mit der atmosphärischen Luft ent- zündet wird. Ob eine so starke Entbindung von Phosphorwasserstoffgas im thierischen Körper möglich ist, wie zur Einäscherung eines ganzen Menschen nöthig seyn würde, läfst sich zwar in Abrede stellen. Aber es ist nicht zu bezweifeln, dafs sich dieses Gas in einer gewissen, wenn auch nicht grofsen Quantität unter gewissen Umständen aus den thierischen Ele- menten entwickeln kann, und einer solchen bedarf es auch nur, um die Slbstentzündung zu erklären. In den Fällen, wo ein gänzliches Verbrennen beobachtet wurde, kann wohl zugleich eine, durch den Mifsbrauch des Brannteweins vermehrte Entzündbarkeit der fettigen Bestandtheile des menschlichen Körpers mit im Spiele gewesen seyn. Thierische Electricität.*) Dafs bei den chemischen Processen, die beständig in den lebenden Körpern vorgehen, eben so wie bei den Trennungen und Verbindungen in der unorgani- schen Natur, immer Electricität entwickelt wird, leidet keinen Zweifel. Dessen ungeachtet kommen electrische Wirkungen als äussere Lebenserscheinungen im Pflan- zenreiche gar nicht und im Thierreiche selten vor. Man kennet sie nur bei einigen Fischen als beständige Phänomene des Lebens. Da, wo sie bei andern Thieren beobachtet wurden, traten sie entweder als ungewöhn- liche Ereignisse ein; oder es rührte vielleicht von andern Ursachen her, was man von Electricität ab- leitete. So erzählt Schmid **): ein noch lebender Eingeweidewurm aus dem Magen eines schwartzen Storchs sey in dem Augenblick, wo man denselben in ein Glas mit Branntewein setzen wollte und wo das Kopfende den Branntewein berührte, der Länge nach zerplatzt und habe dem, der ihn hielt, einen mit einem schwachen Schall verbundenen Schlag gegeben, der in Arm merklich gefühlt wurde. Schmid scheint diese Beobachtung nicht selber gemacht zu haben, und es ist die Frage: ob der Schlag nicht blos von der mechanischen Erschütterung beim Zerplatzen des Wurms und der, durch den unerwarteten Vorfall verursachten Ueberraschung herrührte? Die plötzliche Berührung *) Man vergl. hierbei den 3ten Abschn. des 6ten Buchs der Biologie. (B. 5. S. 141.) **) Rlicke in den Haushalt der Natur. S. 106. 449 von einem widrigen oder gefürchteten Gegenstand er- regt immer in dem berührten Gliede ein ähnliches Zucken wie ein schwacher Schlag der Leidener Flasche. Diese Erklärung pafst aber nicht auf alle Fälle. Unter gewissen Umständen scheinen allerdings Thiere, die sonst nicht nach aussen electrisch wirken, elec- trische Schläge ertheilen zu können. Nach Kirby und Spence*) bekam ein Generalmajor Davies, den sie als einen sehr genauen Beobachter der Natur und un- ermüdeten Sammler der Naturproducte rühmen, als er einen Reduvius serratus F. auf die Hand gesetzt hatte, eine Erschütterung, die bis in die Schulter drang und nach welcher auf der Stelle der Hand, wo die sechs Füfse des 'Thiers gestanden hatten, eben soviele Flecken zurückblieben. Margrav**) sagt von einer Brasilianischen Mantis: Sie errege, wenn sie Jemanden berühre, (si hominem feriat aliquem,) ein Zittern im ganzen Körper, schade aber nicht leicht, wenn sie nicht gedrückt werde. Da von keinem andern Insect ähnliche Wirkungen als beständig erfolgend bekannt sind, so scheint diese Erzählung nur von einem einzigen ungewöhnlichen Kreignifs entstanden zu seyn.+) Für beständige Wirkungen des Lebens kennet man electrische Erschütterungen als von mehrern Rochen- arten, vom Gymnotus electricus, Silurus electricus, *) Introd. to Entomol. Vol. I. p. 110. **) In Piso’s Werk De Indiae utriusque re natur. et medic. p. 286. 1) Andere ähnliche Beobachtungen sind in dem angeführten Abschn. der Biologie, S. 141fg. zn finden. _ 29 4a 'Trichiurus indicus und Tetrodon electricus ausgehend. Die electrischen Rochen waren früher unter Raja Torpedo zusammengeworfen. Es sind aber unter ihnen specifische Verschiedenheiten. Nach Rudolphi*) giebt es in den Europäischen Meeren zwei Arten: Torpedo ocellata mit Einem oder fünf Augenflocken, worunter Risso’s Torpedo vulgaris uud unimaculata begriffen sind, und Torpedo marmorata mit kleinen dunkeln, regellosen Rückenflecken, zu welcher Risso’s Tor- pedo Galvani mit gehört. Nach Margrav’s Erzäh- lung **) soll der von ihm unter dem Namen Paraque be- schriebene Rochenhai (Rhinobatus electricus Schneid.) ebenfalls das Vermögen besitzen, electrische Schläge zu ertheilen. Da aber Rudolphi+) bei diesem Thier nichts Aehnliches von den electrischen Organen fand, welche die als wirklich electrisch bekannten Fische besitzen, so scheint bei Margrav’s Angabe jener Rhinobatus mit einem 'Torpedo verwechselt zu seyn. Von den obigen Fischen sind bisjetzt nur die electrischen Rochen, der Zitteraal und Zitterwels näher untersucht. Die über ihr Erschütterungsvermögen ge- machten Erfahrungen lehren Folgendes. Dasselbe hängt von der Willkühr des Fisches ab und eine Bedingung der Ertheilung des Schlags ist ununterbrochener Zu- sammenhang der Nerven der electrischen Organe mit dem Gehirn und Rückenmark. Die Schläge des Zitter- *) Grundrifs der Physiologie. B. 1. S. 199. Abhandl. der Acad. der Wissensch. in Berlin f. d. J. 1820 u. 21. Physik. Classe. S. 224. *#) Beim Piso a. a. ©. p. 321. }) Physikal. Abhandl. der Acad. in Berlin. J. 1320—21. S. 225. 451 rochens erfolgen noch, wenn auch jene Organe durch- schnitten, halb ausgeschnitten, oder von ihren Be- deckungen entblöfst sind, solange nur ihre Nerven unverletzt bleiben.*) Die Heftigkeit derselben steht mit der Lebenskraft des Fisches in Verhältnifs. Befindet sich der Zitteraal im Wasser, so tritt die Wirkung nicht nur bei der unmittelbaren Berührung desselben, sondern auch schon bei der Berührung des. Wassers ein. Die Schläge aller electrischen Fische werden von den nehmlichen Körpern fortgepflanzt und aufgehalten, die Leiter und Isolatoren der Blectricität sind. Schon ein sehr geringer Zwischenraum unterbricht aber die Leitung. Doch nahmen Walsh, Pringle, Magellan, Ingen- houfs und Fahlberg beim Durchgang der Electricität des Zitteraals durch einen durchschnittenen Stanniol- streifen Funken wahr. Auf das Electrometer und die Magnetnadel zeigte noch kein electrischer Fisch eine Wirkung, und zweifelhaft ist es, oL entgegengesetzte electrische Pole an diesen Thieren vorhanden sind. Man erhält zwar, wenn man den Zitterrochen und Zitteraal an zwei Stellen berührt, einen heftigern Stofs als wenn die Berührung nur an Einer Stelle geschieht. Da aber andere Erfahrungen beweisen, dafs die Heftig- keit der Erschütterungen mit der Gröfse der Berührungs- fläche zunimmt, so läfst sich aus jener Thatsache nicht auf Polarität schliessen. Cavendish fand, dafs die Electricität einer ge- ladenen Flasche sich anders verhält, wenn sie auf einer *”) Todd, Philos, Transact. Y. 1817. p. 32. 29% 452 kleinen Fläche, z. B. von 6 Quadratzollen Belegung, angehäuft, als auf einer gröfsern von 400 Quadratzollen vertheilt ist. Im erstern Fall durchbricht sie eine zoll- dichte Luftschichte, ihr Durchgang ist mit Licht und Schall verbunden, und sie wirkt auf leichte Körper anziehend und abstossend. Im letztern Fall geht sie nicht durch eine Luftschichte von nur einem Hundertel Zoll Dicke, giebt keinen Funken und keinen Schall, und äussert keine Anziehung und Abstossung, theilt aber doch den Personen, die sich in der Kette be- finden, Erschütterungen mit. Die thierische Electricität verhält sich also wie die einer geladenen Flasche der zweiten Art, und dieser ist auch die der Voltaischen Säule ähnlich. Nun läfst sich zwar vermittelst der Kleetricität des Zitterrochens weder das Wasser zer- setzen, noch ein Silberdrath von weniger als einem Tausendtel eines Zolls im Durchmesser zum Glühen bringen, noch, durch den Bogen eines Multiplicators geleitet, eine Abweichung der Magnetnadel bewirken. *) Es werden aber wahrscheinlich noch Abänderungen der Voltaischen Säule aufgefunden werden, deren Klectricität auch von diesen Seiten mit der thierischen übereinkömmt. Volta hat schon eine Vorrichtung an- gegeben, wobei, wenn die Polardräthe der Säule in Wasser geleitet sind, die Erschütterung bei der blofsen Berührung des Wassers erfolgt. Er verband mehrere, neben einander stehende Säulen so weit mit einander, dafs sie eine einzige ausmachten, und näherte die Polar- *) H. Davy, Philos. Transact. Y. 1829. p. 15. 455 dräthe derselben einander unter Wasser bis auf einige Zolle. Wurden dann die obern Enden der Säulen durch nasses Leder mit einander in Verbindung gesetzt, so erfolgte die obige Wirkung, und zwar in höherm Grade, wenn das Wasser rein war, als wenn es Salz aufgelöst enthielt. Auf Analogie der thierischen Electricität mit der Electricität de; Voltaischen Säule läfst sich auch aus dem Bau der Organe schliessen, worin jene erzeugt wird. Der electrische Trichiurus und Tetrodon sind von ana- tomischer Seite noch nicht bekannt. Bei den electrischen Rochenarten, dem Zitteraai und Zitterwels aber ist der electrische Apparat eine Verbindung von Zellen, worin sich eine Flüssigkeit befindet. Nur in der Ge- stalt, Gröfse und Lage der Zellen weichen jene drei Fischgattungen von einander ab. Die erschütternden Organe der Zitterrochen bestehen in horizontalen, wie die Bienenzellen an einander gefügten und durch zahl- reiche häutige Queerscheidewände abgetheilten Prismen. Sie bilden zwei sichelförmige Theile, die zu beiden Seiten des Körpers hinter dem Schädel und den Kiemen unter der äussern Haut liegen. Die Organe des Zitteraals werden von parallelen, ungefähr ein Drittel einer Linie von einander entfernten, horizontal und nach der Länge des Fisches ausgespannten, häutigen Blättern gebildet, in deren Zwischenräumen dünne, verticale Häute unter rechten Winkeln stehen. Es giebt auf jeder Seite ein oberes, gröfseres und ein unteres, kleineres dieser Or- gane. Sie erstrecken sich vom hintern Ende des Kopfs bis zum Ende des Schwanzes. Das gröfsere Paar liegt 454 gleich unter den Rückenmuskeln, zu beiden Seiten des Rückgraths und der Schwimmblase; das kleinere unter dem gröfsern. Beim Zitterwels ist, nach Ru- dolphi’s Beschreibung,*) das Organ der electrischen Wirkung eine eigene Haut, die aus länglich-rauten- förmigen Zellen besteht. Es liegt auf jeder Seite des Körpers eine derselben unter der äussern Haut. Sie fängt hinter dem Auge und der Bru:s:losse an ‘und erstreckt sich bis zur Schwanzflosse, verwandelt sich jedoch hinter der Bauchflosse in eine blofse, zellen- lose Aponeurose. Ihre inwendige Seite ist von einer silberglänzenden, sehnigen Haut bedeckt. Zwischen dieser und der Muskelschichte des Körpers befindet sich noch eine Lage, die aus einer eigenen, flockigen Substanz besteht. Bei allen diesen Fischarten gehen zu jeder der Zellen des electrischen Organs Nerven und Blutgefäfse. Die Nerven haben aber nicht bei allen einerlei Ursprung: Zu den Organen des Zitterrochens begeben sich auf jeder Seite drei starke Nerven, von welchen der erste vom fünften Paar kömmt, die beiden folgenden Zweige des herumschweifenden Paars sind. Jeder derselben giebt, ehe er zu den electrischen Organen gelangt, Aeste für die Kiemen ab. Ihre Enden dringen hori- zontal in die Röhren, und jede Queerplatte scheint einen eigenen Zweig zu erhalten.) Im Zitteraal sind es die Spinalnerven, welche an alle Lagen der elec- irischen Organe feine Zweige abgeben. Es läuft hier, *),.A. a. 0. 3.182448. 139. +) Rudolphi a. a. ©. J. 1820—21. S. 228. 455 wie bei mehrern andern Fischen, ein Seitennerve des Rückens über die Intercostalnerven fort, der aus der Verbindung eines großsen Zweigs des fünften Hirn- nerven mit einem kleinern des herumschweifenden Nerven entsteht. Dieser hat aber nichts mit den elec- trischen Organen gemein.”) Die Nerven der electri- schen Zellen des Zitterwels sind Zweige des herum- schweifenden Paars. Die unter diesen Zellen liegende fiockige Substanz erhält sehr dünne Zweige von den Spinalnerven. An dieser Substanz verläuft auch ein ähnlicher, vom fünften Paar kommender Seitennerve wie beim Zitteraal.”’”) Wenn man voraussetzt, dafs die Nerven der electrischen Organe sich auf der einen Fläche der Queerscheidewände verbreiten und in beiden Flächen der letztern eine entgegengesetzte electrische Spannung hervorbringen, so kömmt die Construction jener Organe mit der des electrischen Trogapparats überein. Bei der Wirkung derselben mufs in der Flüssigkeit der Zellen ein starker Stoffwechsel vorgehen: denn es verläuft beim Zitterwels mit jedem Nerven zugleich eine Arterie und Vene zu den Zellen, und Girardi+) fand die Zitterrochen weit blutreicher als die übrigen Rochenarten. Bei einer, von ihm angestellten Aus- messung der innern Höhlungen des Herzens eines Zitterrochens und einer Raja Miraletus verhielt sich die Masse des Quecksilbers, womit die Herzhöhlen aus- ”) Rudolphi A.a. O0. S. 229. 230. **) Rudolphi ebendas. J. 1824. S. 140. j) Memorie della Societa Italiana. T. II. p. 553. BR... gefüllt werden konnten, zur Masse des ganzen Körpers in jenem wie 1 : 24, in diesem wie 1: 43. Couch*) hat die Vermuthung geäussert, die electrische Kraft des Zitterrochens habe eine Beziehung auf die Verdauung. Da der Schiag dieses Fisches das Leben der Thiere, wovon er sich nähret, plötzlich und ganz aufhebt, so werde, glaubt Couch, dadurch die Verdauung derselben befördert, deren der Zitterrochen bei der Kürze seines Nahrungscanals sehr bedürfe. Diese Meinung müfste auch von den übrigen electri- schen Fischen gelten. Aber wie viele andere Fische haben nicht einen eben so kurzen Nahrungscanal wie der Zitterrochen und nähren sich mit ihm von einerlei Thieren, ohne wie er electrisch auf diese zu wirken! *) Transact. of the Linnean Soc. Vol. XIV. p. 89. —— Druckfehler. Seite 80. Z. 13. Statt von diesen lese man von diesem. — 82. — 9. Statt Speisedrüsen ]. m. Speicheldrüsen. — 97. — 18. Statt Rathhke l. m. Rathke. — 108. — 1 sind die Worte von diesem zu durchstreichen. — 163. — 7. Nach dadurch sefze man hinzu: vermehrt oder — 232. — 10. Statt Echinordermaten Il. m. Echinodermaten. — 353. — 13. Statt erstern l. m. ersten. — 362. In der Anmerkung*). Zeile 3. Statt Winterbuchs lese man Wörterbuchs. — 390. Z. 5. Statt denselben I. m. demselben. — 427. In der Anmerk.*). Statt dortigen Tafeln lese man dortige Tafel. . FRE IN» DE RE RE I, ans. Bee, rs f) Eile >} s EEE. es 5 we | 4 d 4 4 ad Zeit NR Fe Er FR Ihe BORN RNIT OBER wen RR Et Meter N | ER EAN: ner or Al mer; 3 nr BEER RAR via Ve ierene Ani Senken I 3 er re WERE BR en wurl, al Y-0 Mies; N ee ee ee : AU Kieckrion Era Wie Als: ar A 4 ver DICH; uirfer - Abe et 3 AORUERSTAN 700: NE ur i CR ıphleie; IT, = 17 _ SEPP ni f Ku A Abs ER 1 ie are en ae &