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Saxo Grammaticos Dänische Geschichte Buch I— IX Uebersetzt von H. Jantzen.

I

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8axo Grammatiens

Die ersten neun Bücher der dänischen Geschichte

Uebersetzt und erläutert

von

Hermann Jantzen

Dr. phil.

Praesens opus non nugaceni sermonis luculenciam, sed fidelero vetustatis noti- ciauil pollicetur.

Berlin

Verlag von Emil Felber

1900

* ' 0'

All« Üec'hte vorbehAlt>ea.

Druck von Emil Falter, 2oiMa und Berlin.

Inhalt.

Seite

Vorwort VII

Einleitung XI

Saxos Vorrede 1

Erstes Buch der dänischen Geschichte 16

Zweites Buch 58

Drittes Buch 190

Viertes Buch 155

Fünftes Buch 193

Sechstes Buch 275

Siebentes Buch 337

Achtes Buch 400

Neuntes Buch 467

Sachverzeichnis 506

NamenTcrzeichnis 517

Berichtigungen und Zusätze 532

Vorwort.

Als im Jahre 1894 Eltons Uebersetzung der ersten neun Bücher von des Saxo Grammaticus Dänischer Geschichte er- schienen war, machte die deutsche Kritik mehrfach darauf aufmerksam, dass auch eine deutsche Uebertragung dieses Schriftstellers eine zeitgemässe und wünschenswerte Aufgabe wäre. Diese Thatsache und besonders noch die persönliche Anregung des Herrn Dr. Jiriczek veranlassten mich vor etwas mehr als zwei Jahren, den Entschluss zu meiner Uebersetzung zu fassen, der bald durch das rasche und liebenswürdige Ent- gegenkommen des Herrn Verlegers zur That wurde. Mancher- lei äussere Umstände haben die Vollendung bis jetzt hin- gehalten.

Mein Grundsatz bei der Arbeit war, nicht bloss sinn- gemäss, sondern auch wortgetreu zu übertragen, soweit dies bei dem eigenartigen, zwar anziehenden aber geschraubten und vielfach schwülstigen Latein Saxos möglich war, ohne dem deutschen Ausdruck Gewalt anzuthun. Selbstverständlich sind die dänischen Uebersetzungen sowie die englische ständig benutzt worden, nur die neueste dänische von Winkel Hörn konnte nicht mehr berücksichtigt werden. Die Gedichte, in meinem Text durch Anführungszeichen kenntlich gemacht, sind in Prosa wiedergegeben, da eine Nachbildung der mannig- fachen Masse schwierig und ohne rechten Wert gewesen wäre. Bei den Namen hielt ich es für zweckmässig, die von Saxo gebrauchten Formen aber ohne seine Schwankungen, über die übrigens das Namenverzeichnis Auskunft giebt, anzu-

VIII Vorwort.

wenden; nur bei ganz bekannten geographischen Namen (Dania, Jutia, Saxonia u. s. f.) sind statt der lateinischen Formen die üblichen deutschen gewählt, und meist wurde auch die lateinische Endung -ia durch -ien ersetzt.

Da nun aber mit dem blossen Texte eines so inhaltreichen und dabei zeitlich und gedanklich uns so fern und fremd gegenöberstehenden Schriftstellers weiteren Kreisen, für die das Werk bestimmt ist. nicht hinreichend gedient sein kann,

wiewohl eine Uebersetzung an sich schon immer ein Kommentar genannt werden darf so wurden laufende, erläuternde Anmerkungen beigegeben. Sie sind möglichst knapp gehalten und wollen in erster Linie das unmittelbare Verständnis des Inhalts fördern und erleichtern. Ferner wollen sie die Hauptergebnisse der beiden trefflichen, hochbedeuteamen dänischen Arbeiten Axel Olriks „Kjlderne til Sakses Old- historie^^ (I, 1892; II 1894, Kopenhagen) der deutschen Lese- welt vermitteln, und endlich bezwecken sie, denen, die sich selbstständig weiter in das Studium unseres Autors vertiefen möchten, durch Angabe der wichtigsten« allgemein und leicht zugänglichen Bücher Zeitschriftenaufsätze sind nur ausnahms- weise in einigen besonders beachtenswerten Fällen angeführt

ein erster Wegweiser zu sein. Keineswegs aber beab- sichtigen sie, die überaus reichen Wissensschätze, die in den Anmerkungen zu den Ausgaben des Stephanius und MüUer- Velschows niedergelegt sind, zu ersetzen oder nur entbehrlicher zu machen. Zu streng wissenschaftlichen Studien müssen ebenso wie der Urtext auch jene älteren Kommentare noch immer herangezogen werden. Vielleicht ist das beigegebene Sachverzeichnis manchen Benutzern des Buches nicht unwill- kommen.

So möge denn der alte Saxo, befreit von den zwängenden Fesseln des Lateinischen, das nach Ausweis der Geschichte von jeher seiner allgemeinen Verbreitung hinderlich gewesen ist, nach sieben Jahrhunderten zum ersten Male in deutscher Sprache hinausziehen. Möge er auch in diesem neuen Gewände der Beschäftigung mit der germanischen Vorzeit, die er in allen ihren Eigenheiten, guten und schlimmen, so anschaulich

Vorwort. IX

ZU schildern weiss, neue Freunde erwerben und mit dazu beitragen, die Kenntnis dieser alten Kultur, dieser gestalten- reichen Sagenwelt in immer weitere Schichten unseres Volkes zu tragen.

Zum Schlüsse aber habe ich noch die angenehme Pflicht zu erfüllen, auch an dieser Stelle meinen aufrichtigsten Dank den beiden Männern auszusprechen, die mich durch Mitlesen einer Korrektur der Noten und durch manche wertvolle Be- merkung dazu gütig mit Rat und That bei meiner Arbeit unterstützt haben: Herrn Professor Dr. Finnur Jönsson in Kopenhagen und Herrn Privatdocenten Dr. Otto Jiriczek in Breslau, der überhaupt das Werk von Anfang bis zu Ende mit freundlichster Anteilnahme begleitet hat.

Breslau, im Dezember 1899.

H. J.

Einleitung.

A. Saxos Leben.

Das wenige Sichere, was wir von dem Leben des Saxo Grammaticus überhaupt wissen, verdanken wir seinen eigenen Angaben. Er entstammte einem königstreuen Krieger- geschlechte, denn er erzählt in der Vorrede zu seinem Werke (S. 6), dass sein Vater und Grossvater an den Feldzügen König Waidemars I. von Dänemark (1157 82) teilgenommen. Er selbst schreibt sein Werk unter der Regierung Waidemars IL (1202 41) und berichtet, dass er es auf Wunsch des Erz- bischofs von Lund, Absalon, begonnen, bei dessen Lebzeiten aber nicht mehr vollendet habe, und daher bittet er Absalons Nachfolger, Anders Sunesön, um weitere Förderung und Unter- stützung (Vorr. S. 1 u. 2). Ein letztes sicheres Datum ent- hält endlich eine Angabe im XL Buche (S. 385, 24 in Holders Ausgabe), wonach der Bischof Esger (Ascerus) zu „seiner Zeit" (nostris temporibus) bestattet wurde: dieser Bischof aber starb, wie wir aus andern Quellen wissen, am 18. April 1158. Diese Zeitbestimmung ist besonders wichtig; denn aus ihr wird klar, dass Saxo vor 1158 geboren ist; wenn sein Gross- vater noch unter Waldemar I. kämpfte, so wird dieser kaum viel vor der Wende des 11. und 12. Jahrhunderts geboren sein; für Saxos Vater ergäbe sich daraus etwa der Schluss des ersten Viertels, für Saxo selbst ungefähr die Mitte des 12. Jahrhunderts als Geburtszeit. Ein genaueres Datum lässt sich nicht ermitteln.

XII EinieiUing.

Einiges Nähere lässt sich noch erschliessen. Saxo war sicher ein geborener Däne; das ergiebt sich, auch abgesehen von seiner oben genannten Bemerkung über seine Voreltern, aus dem ganzen Ton und Charakter seines Werkes, das durch- weg von wärmster Begeisterung für Dänemark erfüllt ist. Aus seiner besonderen Vorliebe für Seeland (z. B. S. 8 der Vorr. und mehrfach im XIV. Buche) darf man vielleicht mit Sicherheit entnehmen, dass er ein Seeländer war; als solcher wird er übrigens, allerdings erst zwei Jahrhunderte nach seinem Tode, auch von einem Bearbeiter seines Werkes (1431) bezeichnet.

Ueber Saxos Person, Bildung, Beruf und Stellung sind wir nur auf Vermutungen angewiesen. Eine Nachricht über sein Aussehen haben wir vielleicht darin, dass er von einem ungenannten Chronisten einmal als Saxo „cognomine Longus^ (mit dem Beinamen der Lange) bezeichnet wird; manche wollten diesen Ausdruck, allerdings wohl sich#r mit unrecht, dahin deuten, dass er einer Familie Lang oder Lange angehört habe. Seine Erziehung muss sorgfältig und gründlich gelehrt gewesen sein, da er sich in seinem Werke als einen hoch gebildeten Mann erweist, der neben dem üblichen theologischen Wissen eine recht genaue Kenntnis des klassischen Altertums wie der Vorzeit seines eigenen Vaterlandes besitzt. Schon diese Gelehrsamkeit macht es unzweifelhaft, dass er ein Kleriker war; besass doch in jener Zeit eben niemand anders als die Geistlichen die Fähigkeit, schriftstellerisch thätig zu sein. Welche Würde er aber inne gehabt hat, wissen wir nicht. Denn wenn er sich auch selber im Eingange seiner Vorrede als „den geringsten aus Absalons Umgebung^ bezeichnet, so dürfen wir dies gewiss nicht wörtlich nehmen, sondern haben nur eine Phrase der Bescheidenheit darin zu sehen; er scheint vielmehr sowohl zu Absalon wie zu Anders Sunesön in einem ziemlich vertrauten Verhältnis gestanden zu haben, und so wird er wohl auch eines der höheren geistlichen Aerater be- kleidet haben. Der Beiname Graramaticus wird unserm Schriftsteller erst seit 1431 beigelegt; er bedeutet „der Ge- lehrte'^ und findet sich auch sonst noch im Mittelalter als ehrendes Beiwort.

Einleitung. XIII

Ein paar Versuche unsem Saxo mit andern dieses Namens (einem Propst zu Roskilde, einem Schreiber und einem Sub- diakonus im Laurentiuskloster zu Lund) gleichzusetzen, die sich ungefähr in jener Zeit nachweisen lassen, übergehe ich hier, da sie so gut wie gar keinen Anspruch auf Wahr- scheinlichkeit haben.

Saxos Todesjahr kennen wir auch nicht ^).

B. Saxos Werk und seine Bedeutung.

Saxos Werk, die dänische Geschichte, biesteht aus sech- zehn Büchern und zerfällt in zwei deutlich von einander geschiedene Teile; der erste. Buch I IX, den wir hier zum ersten Male im Zusammenhange in deutscher Uebersetzung vorlegen, behandelt die Urgeschichte der Dänen bis zur Herr- schaft Gorros des Alten (936) und zeigt im wesentlichen ein durchaus sagenhaftes Gepräge. Der zweite, in der Hauptsache streng historische Teil umfasst die Zeit von Harald Blauzahn (936—986) bis Knud VI. Waldemarsön (1182—1202). Ein- geleitet ist das Ganze durch eine Vorrede.

Ueber die Entstehungsgeschichte des Werkes können wir wieder bloss Vermutungen äussern. Genau wissen wir nur, dass es nach 1179 begonnen wurde; denn erst in diesem Jahre wurde Absalon, der Saxo die Anregung zu seiner Arbeit gab, Erzbischof, und als solcher wird er von unserm Schriftsteller bezeichnet. Man nimmt an, dass die zweite, historische Hälfte zuerst abgefasst sei und zwar innerhalb derselben wiederum zuerst das sehr umfängliche XIV. Buch, das ganz der Ge- schichte Absalons gewidmet ist. Gewissermassen als Einleitung zu der eigentlichen Geschichte habe er dann erst die Dar- stellung der sagenhaften Urgeschichte seines Volkes nach- träglich hinzugefügt. Die Vorrede wurde höchst wahrscheinlich erst nach Abschluss des Ganzen geschrieben. In ihr finden wir noch einen Datierungspunkt. S. 6 erzählt Saxo von W^aldemar IL, „dass er die Fluten der auf- und abwogenden

') Am ausführlichsten handelt über Saxos Leben Velschow in den Prolegomena der von Müller begonnenen Ausgabe [S. hier S. XVII] auf 8. 1 ff. Vgl. auch Eltons Englische Uebersetzung S. X ff.

XIV Einleitung.

Elbe seinem Reiche einverleibt habe^. Dieser allerdings etwas phrasenhafte Ausdruck bezieht sich höchst wahrschein- lich auf einen Zug des Königs nach Bremen im Jahre 1208, sodass wir wohl annehmen dürfen, das Werk sei nicht allzu- lange nach diesem Zeitpunkte vollendet worden.

Wenn sich Saxo in seiner Vorrede (S. 1) rühmt, der erste zu sein, der dänische Geschichte geschrieben habe, so nimmt er dies Verdienst mit vollem Rechte für sich in Anspruch. Abgesehen von ein paar dürftigen mönchischen Aufzeichnungen über Klosterangelegenheiten und einigen Königsverzeichnissen, gab es vor ihm nur eine kurze und. unvollständige Darstellung des fraglichen Gebietes, vonSwen Aggesönum 1185 in schlechtem Latein geschrieben, die von Saxos ausführlicher und ab- gerundeter Behandlung gänzlich verschieden ist und auch in der Angabe der Thatsachen weit hinter ihm zurückbleibt. Saxos Stil, der von Erasmus von Rotterdam fast über- schwenglich gelobt wird, ist nach dem Muster klassischer Schriftsteller gebildet und zeichnet sich durch eine breite Fülle und wortreiche Wohlredenheit aus, die indessen nicht gerade selten zu Schwulst und Geschraubtheit ausartet. Seine Hauptvorbilder waren die Historiker Valerius Maximus und Justinus sowie Martianus Capeila; von den beiden ersteren sind uns sogar die Handschriften bekannt, die er benutzte.

Ueber seine Quellen äussert sich Saxo selbst (im Zusammen- hange Vorr. S. 4 ff., gelegentlich oft im Laufe der Erzählung). Für den historischen Teil kommen vor allem Aufzeichnungen und persönliche Mitteilungen Absalons in Betracht, wodurch die einschlägigen Abschnitte für uns zu der zuverlässigsten, eingehendsten und ergiebigsten Quelle für die Kenntnis der politischen Zeitgeschichte werden. Bei der Abfassung der neun ersten Bücher stützt er sich dagegen vornehmlich auf Volksüberlieferung, norwegisch-isländische und dänische, wie sie in Sagen und Liedern ihren Ausdruck fand. In den weit- aus meisten Fällen mag ihm die Kenntnis davon auf mündlichem Wege, nur in seltenen durch schriftliche Aufzeichnung vermittelt worden sein. Soweit sich eine Scheidung zwischen dem Sonder- eigentum der genannten Stämme noch feststellen lässt, sind

Einleitung. XV

die Ergebnisse in den Anmerkungen zum Texte mitgeteilt, fast ausschliesslich auf Grund von Axel Olriks trefflichen Untersuchungen: „Kilderne til Sakses Oldhistorie. I. Forsog p& en tvedeling af Kilderne til Sakses Oldhistorie*' (Keben- havn 1892) und IL „Sakses Oldhistorie: norrene sagaer og danske sagn'' (1894), welche seit den Tagen Müllers und Velschows zum ersten Male wieder gründlich die Saxoforschung aufnehmen. Dadurch dass Saxo andere, in der Volkssprache überlieferte Quellen vielfach ergänzt, manches sonst auch Be- kannte in anderem Lichte darstellt, für mehrere, sehr wichtige Punkte sogar der einzige uns bekannt gebliebene Berichterstatter ist, ist sein Werk, und zwar gerade der erste Teil, für unsere Kenntnis des germanischen Altertums von höchstem und bleibendem Werte. Für die verschiedensten Wissenszweige sind seine Angaben unentbehrlich ; am ergiebigsten ist er für Volks- und Heldensage, für Mythologie und besonders für die Geschichte der Götterauffassung, für Kulturgeschichte und Volkskunde. Aber auch auf anderen Gebieten kann er nütz- liche Dienste leisten, so für die Geschichte der Geographie, selbst für sprachliche Fragen, imd nicht zum Wenigsten für die neuere Litteraturgeschichte, da nicht selten Dichter aus ihm mittel- oder unmittelbar ihre Stoffe entnommen haben.

C. Ueberlieferung. Handschriften. Ausgaben.

Uebersetzungen.

Es ist merkwürdig, dass ein Werk von so hoher Be- deutung wie Saxos „Dänische Geschichte" in seiner Zeit so wenig Beachtung und Verbreitung fand, als es thatsächlich der Fall ist. Besonders zahlreiche Handschriften scheint es überhaupt nicht gegeben zu haben; erhalten sind uns nur ein paar ganz dürftige Reste. Einer von diesen allerdings, um 1200 geschrieben, scheint Saxos Konzept zu sein und Ver- besserungen des Textes von seiner eigenen Hand zu enthalten. Er wurde im Jahre 1863 in Angers aufgefunden und befindet sich jetzt seit 1878 in der Königlichen Bibliothek zu Kopen- hagen. (Eine vollständige Aufzählung aller Handschriften- bruchstücke sowie der erhaltenen Nachrichten über früher

XVI Einleitung.

vorhandene Codices giebt Holder in seiner Ausgabe S. XI ff.). Ein Haupthindernis für die allgemeine Verbreitung des Werkes scheint das schwierige Latein darin gewesen zu sein; wenigstens haben wir aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts (vielleicht sogar noch 14.) ein Zeugnis dafür. Im Jahre 1431 wurde auf Veranlassung des Bruders Thomas Gheysmer für das Kloster zu Odense ein Sammelband fertig gestellt, der Ab- schriften von sieben Kompendien verschiedenen Inhalts und verschiedener Verfasser enthalten sollte. Der uns erhaltene Codex ist aber nicht vollständig, sondern überliefert uns ausser einem Inhaltsverzeichnis und einigen Fragmenten nur das erste Buch. Es führt den Titel: Compendium Historiae Danicae ab initio ad Waldemarum IV. ^) und ist ein kürzender Auszug aus Saxo nebst einer Fortsetzung. Wer der Verfasser dieses Kompendiums ist, wissen wir nicht. Gheysmer selbst ist es höchstwahrscheinlich nicht, vielmehr spricht manches für Velschows Annahme, dass es ein Zeitgenosse Waidemars IV. (1332—75) gewesen sei, der bei Behandlung des Jahres 1342 durch den Tod an der Weiterarbeit verhindert wurde ^). Jeden- falls ist aber die Art und Weise, wie der Verfasser die Nützlich- keit und Notwendigkeit seiner Arbeit hervorhebt, sehr be- zeichnend; er sagt: „Weil das Werk [Saxos] an mehreren Stellen verworren ist, weil vieles nur mehr zur Zierde als zur Feststellung der geschichtlichen Wahrheit gesagt wird und obendrein wegen sehr vieler Ausdrücke (vocabula) und verschiedener Gedichte, an die man heutzutage nicht mehr gewohnt ist, sein Stil allzu dunkel (nimium obscurus) ist, deswegen stellt mein kleines Werk, ein Auszug aus jenem, die bemerkenswerteren der dort geschilderten Ereignisse mit klaren Worten (planis verbis) dar." Von dieser Bearbeitung erschien im Jahre 1485, wahrscheinlich zu Lübeck, eine nieder- deutsche Uebersetzung.

Dass uns Saxos Werk überhaupt erhalten geblieben ist, verdanken wir nur der ersten gedruckten Ausgabe, welche

*) Gedruckt in den Script ures Renim Danicarum II, 287 f)'.

*) In den Prolegomena zur Ausgabe. Hd. II S. LX XXVII, Anm. 2.

Einleitung. XVII

im Jahre 1514 zu Paris erschien. Die Geschichte dieser Aus- gabe und ihres Zustandekommens ist in den als Einleitung vor- gedruckten Briefen geschildert und sehr beachtenswert, weil sie uns zeigt, wie schwer schon damals ein Exemplar von Saxos Geschichte zu erhalten war. Im Mai 1512 ersuchte der Bischof von Roskilde, Lave Urne, den Canonicus Kristjern Pedersön (Christiernus Petri) aus Lund, der sich gerade seiner Studien wegen in Paris aufhielt, eine Ausgabe des Saxo zu veranstalten. Doch der Auftrag war leichter gegeben als ausgeführt. Denn obwohl Kristjern weder Mühe noch Kosten scheute, eine Handschrift aufzutreiben, gelaug es ihm nicht. Schliesslich kehrte er in seine Heimat zurück und durch- suchte selbst eine Menge Bibliotheken, lange Zeit wieder ohne Erfolg. Endlich glückte es nach vielen Anstrengungen Birger, dem Erzbischof von Lund, einen Codex ausfindig zu machen, und König Christian II. gab die Erlaubnis, ihn zum Abdruck nach Paris mitzunehmen. Durch Jod ocus Badius Ascensius wurde die Drucklegung besorgt, und diese Aus- gabe (Paris, 1514) ist die Grundlage aller folgenden geworden. Blosse Nachdrucke sind die beiden nächsten Ausgaben, welche 1534 zu Basel und 157(5 zu Frankfurt am Main er- schienen. Einen Fortschritt bedeutet erst die vortreffliche, sorgfältige und mit einem erstaunlichen Aufwand an gelehrtem Fleisse hergestellte Ausgabe des Stephanus Johannis Stephanius zu Sorö 1644. Die dazu gehörigen „Notae uberiores in Historiam Danicam Saxonis Grammatici una cum prolegomenis ad easdem notas"' (Sorae 1()45) füllen einen fast ebenso starken Folioband wie der Text und enthüllen die gediegenen, reichen Kenntnisse des Herausgebers nicht bloss auf dem Gebiete des klassischen Altertums, sondern auch auf dem der altskandinavischen Kultur und Dichtung. Im 18. Jahr- hundert lenkte der bekannte Gegner Lessings, Adolf Klotz, die Aufmerksamkeit auch der deutschen Lese- und Gelehrten- welt auf unsern Autor, indem er zu Leipzig 1771 auf Grund der Ausgabe des Stephanius einen neuen, mit Lesarten und ziemlieh umfänglichen „Prolegomena'* versehenen Textabdruck erscheinen Hess.

Saxo Grammattcus. ü

XVIII Einleitung.

Die beste moderne kommentierte Ausgabe ist die, welche der seeländische Bischof Peter Erasmus Müller, einer der hervorragendsten Gelehrten Dänemarks, begann und nach dessen Tode der Professor der Geschichte zu Kopenhagen, Johan Velschow, fortsetzte. Sie erschien Kopenhagen 1839 und 1858. Die beiden Teile des ersten Bandes enthalten auf 1033 Quartseiten den Text und die auch schon sehr reich- haltigen notae breviores, der zweite bietet auf 387 Seiten die gediegenen und noch immer unentbehrlichen notae uberiores.

Die beste kritische Textausgabe endlich gab uns Alfred Holder, „Saxonis Grammatici Gesta Danorum. Strass- burg 1886.'* Sie verzeichnet gewissenhaft alle irgendwie be- merkenswerten Lesarten der Ausgaben und Handschriften- bruchstücke (S. LXI LXXXVII), giebt eine genaue Be- schreibung aller Fragmente, Ausgaben und Uebersetzungen (S. XI XXV) und enthält überdies noch eine sorgfältige und reichhaltige Bibliographie der „Quellen, Hilfsmittel und Er- läuterungsschriften** zu Saxo (S. XXVI LX).

Bei dem Interesse, welches das Werk für Dänemark haben musste, und zugleich wegen der schweren Lesbarkeit des lateinischen Textes ist es natürlich, dass man ziemlich früh an eine Uebersetzung in die Landessprache dachte. Bis vor wenigen Jahren gab es auch, abgesehen von jener nieder- deutschen Uebertragung des sogenannten Gheysmerschen Kompendiums, nur dänische Uebersetzungen und zwar folgende: 1. Eine von dem obengenannten Kristjern Pedersön unternommene, die aber nie gedruckt wurde und verloren ist. 2. Die älteste erhaltene von Anders Söf- frinssön Vedel (lateinisch genannt Velleius) vom Jahre 1575 (Kopenhagen). Sie ist im wesentlichen sinngemäss aber nicht wortgetreu, kürzt mitunter und giebt die Verse in freier Prosa- auflösung wieder. Sie wurde 1610, 1713 und 1851 neu heraus- gegeben. 3. Die ebenfalls freie, aber doch etwas genauere von Seier Schon s belle, mit Anmerkungen und einer metrischen ümdichtung der Verse von L. Thura, Kopen- hagen 1752. 4. Die glatte, schwungvolle und begeisterte,

Einleitang. XIX

aber oft auch derbe und recht ungenaue Uebertragung von Nik. Fred. Sev. Grundtvig, in der auch die Verse in ganz freier, ja willkürlicher Umformung nachgebildet sind. Die erste Ausgabe erschien unter dem Titel „Danmarks Kranike af Saxo Grammaticus fordansket ved...^ Kopenhagen 1818 22, die vierte ebenda unter dem Titel „Sakse Runemesters danske Kranike fordansket ved . . ." 1886. 5. Die jüngste, von Dr. Winkel Hörn angefertigte, wort- und sinn- getreue Uebersetzung, die zu Christiania und Kopenhagen 1898 erschien.

Von anderssprachigen Uebersetzungen gab es unseres Wissens bisher nur eine einzige, zugleich auch die erste möglichst wörtliche, eine englische. Sie erschien im Jahre 1894 in den Veröffentlichungen der Londoner Folk-Lore Society [Band 33], veranstaltet von Oliver Elton. Sie beschränkt sich wie die vorliegende deutsche auf die ersten neun Bücher, giebt nur gelegentlich einmal einige wenige Anmerkungen, bietet aber eine umfängliche Einleitung, deren grössten Teil der von Fred. York Powell ausgearbeitete Folk-lore Index einnimmt. [Vgl. zu dieser Ausgabe 0. Jiriczeks An- zeige im Anzeiger für deutsches Altertum Bd. 22 (1896) S. 343 flF.]

Dankbar sei anerkannt, dass ich aus den dänischen Ueber- setzungen (ausser der W. Horns, von deren Vorhandensein ich erst erfuhr, nachdem ein grosser Teil meines Druckes schon vollendet war) wie aus der englischen so manche Erleichterung und Belehrung bei der Ausführung der deutschen Ueber- tragung geschöpft habe.

II*

Des Saxo Grammatieus Dänische Geschichte

Saxos Vorrede.

Da alle andern Nationen immer auf ihre ruhmvolle Ge- HoSär schichte stolz sind und an der Erinnerung an ihre Vorzeit i ed.

Mfiller

ihre Freude haben, wünschte Absalon, der oberste Bischof und vei- der Dänen ^), dass auch unser Vaterland, für dessen Ehre ihn immer der glühendste Eifer erfüllte, nicht diese Art rühmlicher Erinnerung entbehre, und darum übertrug er mir, dem geringsten aus seiner Umgebung denn alle andern 2 lehnten diese Arbeit ab die Aufgabe, die Geschichte Däne- marks in einer Chronik zusammen zu fassen; und durch häufige und eindringliche Ermahnungen nötigte er mich end- lich, trotz meiner geringen Befähigung an ein Werk zu gehen, das meine Kräfte übersteigt. Denn wer könnte denn über- haupt die Geschichte Dänemarks schreiben? War es doch erst seit kurzem dem Christentum gewonnen, und es stand noch jüngst der Religion wie der lateinischen Sprache gleich fremd gegenüber*). Sobald aber zugleich mit dem heiligen Glauben auch die Fähigkeit lateinisch zu schreiben eintrat, war die Trägheit der früheren Unkenntnis gleich, und die Faulheit verschuldete jetzt ebensoviel wie vordem die Un- fähigkeit. So kam es, dass meine Wenigkeit, obwohl sie sich der genannten Last nicht gewachsen fühlte, doch lieber über

') Bischof von Roskilde und seit 1079 Erzbischof von Lund ; er war der vertrauteste Freund und Ratgeber König Waidemars L, des Grossen, (1157 82) und starb 1201. Ueber ihn und seine Thaten handelt Saxo im XI V. und XV. Buche seiner Geschichte.

*) Ansgarius führte zwar schon im 9. Jahrhundert das Christentum io Dänemark ein : doch hielten diese Anfänge nicht lange vor. Erst unter Knud dem Grossen (1014 35) drang es völlig durch.

Smzo Grammaticut. 1

2 Saxos Vorrede.

die eigenen Kräfte hinaus sich anstrengen als seinem Befehl Widerstand entgegensetzen wollte: Damit es nicht schiene, als ob die Geschichte unserem Volkes während sich unsere Nachbarn an der Ueberlieferung ihrer Thaten erfreuen bei der Länge der Zeit in Vergessenheit verfallen sei, ohne irgend

3 welche schriftlichen Aufzeichnungen zu bewahren. Daher sah ich mich gezwungen, auf meine ungeübten Schultern eine Bürde zu nehmen, welche von allen Geschichtsschreibern ver- gangener Zeiten noch keiner erprobt hatte; denn ich scheute mich, jenen Befehl unausgeführt zu lassen, und gehorchte, obgleich meine Kühnheit dabei grösser war, als die Aussicht auf Erfolg. Die Zuversicht, die mir meine schwache Ver- anlagung versagte, lieh ich mir von der Grösse dessen, der mir den Auftrag gab.

Da ihn nun das Schicksal vor Vollendung meines Unter- nehmens hingerafft hat, möchte ich dich am liebsten, Andreas^), auf den nach allgemeinem und segensreichem Beschlüsse die Wahl zum Nachfolger in seinem Ehrenamte und zum Haupte der Kirche fiel, bitten, mir Führer und Anreger bei meinem Werke zu sein, damit ich die neidische Verkleinerungssucht, die besonders erhabene Dinge in den Staub zu ziehen sucht,

2 unter dem Schutze eines solchen Beistandes zu nichte mache. Denn du, so überreich an AVissen und geziert mit einer Fülle von Ehrfurcht gebietender Gelehrsamkeit, musst gleich wie ein Heiligtum voll göttlicher Schätze geachtet werden. Du hast Gallien, Italien und Britannien durchforscht^), um wissen- Kchaftlic:he Kenntnisse zu erwerben, um eine Menge von ihnen aufzusammeln, du hast nach langer Wauderzeit die hoch ehren- volle Leitung') einer auswärtigen Schule übernommen, du

*) Ausgezeichneter Gelehrter und Staatsmann« Absalons Nachfolger (1201—28). Vgl. über ihn: P. E. Müller, Vita Andreae Sunonia. Pro- gramma. Hafniae 1830 u. d. Einleitung der S. 3 A. 4 genannten Ausgabe.

*) Auf diplomatischen Reben im Auftrage des Königs Knad VI. (1182-1201).

') Extemae scholae regimen; Stephanius denkt dabei an das Rek- torat der Pariser Universität. Wahrscheinlicher ist die Ansicht P. £. Müllers, dass Andreas dort nur eine Zeitlang als Doktor der Theologie Vorlesungen gehalten hat.

Widmung an Andreas. 3

warst eine solche Stütze für sie, dass es schien, als ob du durch deine Lehrthätigkeit ihr eiiie Ehre erwiesest, nicht sie von ihr empfingst. Dann wurdest du wegen deiner ausge- zeichneten Verdienste und Fähigkeiten zum königlichen Sekre- tär^) ernannt und hast dieses an sich recht mittelmässige Amt so umsichtig durch deine Thätigkeit gehoben, dass es nach deiner Versetzung in deine jetzige Ehrenstellung für Männer in den höchsten Würden eine erstrebenswerte Gunst geworden ist. Daher hat auch Schonen*) laut gejubelt, wie man weiss, dass es sich seinen Bischof lieber aus dem Nachbar- landes) geholt als aus seinen eigenen Bewohnern erwählt hat. Da es eine so lobenswerte Wahl getroffen, verdiente es auch die Freude darüber. Da du dich so glänzend durch Geburt, Bildung und Veranlagung auszeichnest und das Volk, dank deiner Gelehrsamkeit, mit schönstem Erfolge leitest, hast du dir auch die innigste Liebe deiner Herde gewonnen und die Aufgaben des von dir übernommenen Amtes im Ver- trauen auf eine ruhmreiche Vollendung bis zum höchsten Gipfel der Ehren durchgeführt. Und damit es nicht scheine, als ob du dir irdischen Besitz als wirkliches Eigentum an- masstest, hast du in frommer Freigebigkeit dein reiches Erb- gut der Kirche testamentarisch vermacht; du zogst es vor, Schätze, deren Besitz mit Sorgen verbunden ist, mit Ehren von dir zu werfen, statt dich von der Sucht nach ihnen ver- führen oder von ihrer Last quälen zu lassen. Dann hast du auch ein wunderbares Werk über die ehrwürdigen Glaubens- sätze geschrieben^); in deinem Eifer, eigenen Sorgen den Dienst der Staatsreligion vorzuziehen, hast du auch durch Unterweisung und segensreiche Ratschläge alle zur Zahlung der schuldigen Kirchenabgaben gezwungen, welche sich da- gegen sträubten, und die alte Verachtung der Kirchen hast

^) D. i. Kanzler.

*) Dessen Bischofssitz Lund ist, war früher dänisch, während es jetzt (seit 1658) zu Schweden gehört.

") Aus Seeland, wo Andreas geboren ist.

*) Das Hexaemeron, ein Werk scholastischer Gelehrsamkeit in 8000 Hexametern, hrsg. v. M. Gertz, Kopenhagen 1892.

1*

4 Saxos Vorrede.

6 da durch eine fromme und reiche Schenkiuig wieder gut ge- macht. Ferner hast du diejenigen, die einen allzu lockeren I^benswandel führten und mehr als billig dem Hange zur Unmässigkeit nachgaben, durch beständige heilsame Ermah- nungen und durch das glänzendste Beispiel eigener Selbst- genügsamkeit von schlaffer Verweichlichung wieder zu ehrbarer Gesinnung zurückgerufen und hast es nur unentschieden ge- lassen, ob du mehr durch Thaten oder Worte auf sie einge- wirkt hast So hast du das, was keinem deiner Vorgänger zu erreichen gelangen ist, durch blosse weise Ermahnungen durchgesetzt.

Ich möchte es nun nicht unerwähnt lassen, dass auch die älteren Dänen, wenn hervorragende Werke der Tapferkeit S; 7 vollbracht wurden, eifersüchtig auf ihren Ruhm und in Nach- ahmung ^) römischen Brauches, nicht nur die Kunde von ihren Heldenthaten in auserlesenen Formen, gleichsam als Dicht- werk, aufzeichneten, sondern dass sie auch die Thaten ihrer Vorfahren in Liedern in der Landessprache verbreiteten und in ihrer einheimischen Schrift*) auf Steinen und Felsblöcken einmeisselten *). An diese Spuren hielt ich mich wie an eine Art von Werken des Altertums; ich suchte ihren Inhalt in getreuer Uebersetzung wiederzugeben und auch die Verse in gebundener Rede zu übertragen*). Da sich meine Chronik hierauf stutzt, möge man in ihr nicht sowohl eine neuere Zusammenstellung als vielmehr eine Erneuerung von Alt- überliefertem sehen. Denn das vorliegende Werk verspricht nirht eine oberflächliche Unterhaltung, sondern treue Kenntnis

') Saxos Aiisfjriiek Ui schief; es handelt sieh nicht um Nachahmung «iondorn um At^hnlirhkeit.

') Das h#-i>st in Runen.

*) Dan ist so zu vf'rstehcn, da^js die Heldenthaten nur in Liedern lK*Miiij/<-ri wiird»*fi. Die kurzen prosaischen Runeninschrifton, an die Saxo d«'fikt. «'nt^inH'hen that sächlich nur unsern (Trabsteininschriften.

•) Saxo hat sich jrrosse 31ähe pejjehen, die Verse der nationalen Dicht Uli jf in mö^f liehst kunstvolle lateinische 3Ietren zu übertragnen; Hexa- met/*r, Distichen, horazische und andere lyrische 3Iasse wechseln bunt mit einander ab.

Saxus Quellen. 5

des Altertums^). Wie viele Geschichtsbücher hätten ferner wohl Leute von solcher Veranlagung herausgegeben, wenn sie durch Kenntnis des Lateinischen ihre Schreiblust hätten befriedigen können, da sie, obwohl ihnen die Beherrschung der römischen Sprache abging, von solcher Begierde ergriffen waren, das Andenken an ihre Heldenthaten zu überliefern, dass sie statt Bücher Steine verwendeten und Felsenklippen als Papier benutzten? Auch die Emsigkeit der Bewohner von Thule^) darf nicht mit Stillschweigen übergangen werden. Da diese wegen der natürlichen Unfruchtbarkeit ihres Landes keine Möglichkeit haben, die Ueppigkeit zu fördern, dagegen beständig die Pflichten der Massigkeit erfüllen und jeden Augenblick des Lebens dazu verwenden, ihre Kenntnisse von den Thaten fremder Völker zu vermehren, so gleichen sie jenen Mangel durch ihre geistige Thätigkeit wieder aus*). Denn sie betrachten es als ein Vergnügen, die Geschichte 8 aller Völker zu kennen und aufzuzeichnen, indem sie es für nicht weniger rühmlich halten, die Tüchtigkeit anderer zu besprechen, als selbst welche zu zeigen. Deren Schätze, reich an geschichtlichen Denkmälern, habe ich eifrig zu Rate ge- zogen, und einen nicht geringen Teil des vorliegenden Werkes habe ich durch Wiedergabe von ihren Berichten zustande ge- bracht. Ich trug aber kein Bedenken, sie als Gewährsmänner zu verwenden, da ich wusste, welche Kenntnis des Altertums sie besitzen. Auch die Angaben ^) Absalons benutzte ich, und mit gelehrigem Geiste und Griffel liess ich es mir angelegen sein, seine eigenen Thaten wie die anderer, von denen er erfahren, mit einzuschliessen; denn ein Zeugnis seiner ehr- würdigen Berichte betrachtete ich als eine Art himmlischer Unterweisung.

'*) Diesen Zweck erfüllt das Werk noch heute als eine unserer wichtigsten Quellen.

*) Bei Saxo sind unter den Tylenses zweifellos die Isländer zu ver- stehen, die sich ja einer reichen Litteratur erfreuten.

*) Diese Erklärung ist kaum zutreffend.

*) Unter diesen asserta sind mündliche Angaben zu verstehen.

6 Saxos Vorrede.

Darum bitte ich dich, Woldemarus^), unsem gnaden- reichen Fürsten und Vater, du hellstes Licht unseres Vater- landes, dessen Stamm, ruhmvoll seit den ältesten Zeiten, ich beschreiben will, dem zweifelnden Fortschritt meiner Arbeit mit Geneigtheit zu folgen. Denn gebeugt unter der Last meines Vorhabens furchte ich, dass ich vielmehr den Zustand meiner Unkenntnis und meine geringe Veranlagung offenbare,

9 als deine Abstammung, so wie es sein sollte, darstelle. Denn, abgesehen von deinem gewaltigen väterlichen Erbe, hast du durch die Unterwerfung der Nachbarstämme eine bemerkens- werte Vergrösserung deiner Herrschaft herbeigeführt; bei der mühsamen Vermehrung deines Reiches hast du selbst die auf-

4 und ab wogenden Fluten der Elbe ihm einverleibt und hast da<lurch zu deinen zahlreichen Ruhmestiteln ein nicht unbe- deutendes Stück hinzugefügt. Durch die Grösse deiner Thaten hast du selbst den ehrenvollen Ruf deiner Vorfahren über- troffen, denn nicht einmal die Grenzen des römischen Reiches hast du mit deinen Waifeu verschont. Da du als der tapferste und mildeste Fürst zugleich giltst, hast du es nur unent- schieden gelassen, ob du mehr deine Feinde im Kriege schreckst oder deine Bürger durch Freundlichkeit bezauberst. Dein erhabener Grossvater*) ferner, geweiht durch die Herrlich- keit unserer Staatsreligion, der durch die Wohlthat eines un- verdienten Todes den Ruhm der Unsterblichkeit erreichte, überstrahlt jetzt im Glänze der Heiligkeit diejenigen, welche er sich einst durch seine Siege gewann. Aus seinen hoch- heiligen Wunden floss mehr Tugend als Blut. Im übrigen habe ich nach der alten, erblichen Pflicht des Gehorsams be- schlossen, für dich zu kämpfen, wenigstens soweit die Kräfte meines Geistes reichen: Denn mein Vater und Grossvater haben ja hekanntermassen während der Feldzüge deines erlauchten

M Waldemar II. (1202—41), der Bruder Knuds VI.; 1203 legte er sich bei seiner Krönung in Lübeck zuerst den Titel „König der Dänen und Wenden" bei.

*) Knud der Heilige, Laward, Her/og von Schleswig und König der Obotriten, ermordet 1131. Ueber ihn und seine Thaten handelt Saxo im XIIL Buche.

Widmung an Waldemar. Beschreibung Dänemarks. ^

Vaters mit treuester Ergebenheit unter den Mühen des Kriegs- lebens gedient. Auf deine Leitung und Nachsicht also gestützt, habe ich mich entschlossen, um dann das übrige desto klarer auszuführen, den Anfang mit der Lage und Beschreibung unseres Vaterlandes zu machen. Denn die Einzelheiten kann ich dann um so genauer behandeln, wenn ich in der Einleitung zu meiner Geschichte die Oertlichkeiten, wo sich die Hand- lungen abspielen, bespreche und mit der Schilderung ihrer Lage meine Darstellung beginne.

Die äussersten Grenzen unseres Landes werden nun teils lo durch die Berührung mit fremdem Boden gebildet, teils werden sie Ton den Fluten des nahen Meeres umschlossen. Das Innere aber umströmt ringsum der Ozean, der mehrere Inseln bildet, indem er in vielfach gewundenen Zwischenräumen bald schmale, gekrümmte Sunde schafft, bald in weiten Buchten sich in die Breite ergiesst. So kommt es, dass Dänemark, rings umspült von den Fluten des Meeres, nur wenig festes und zusammenhängendes Landgebiet hat; denn das Dazwischen- treten so grosser Wogenmassen reisst es immer auseinander, je nach den verschiedenen Windungen und Biegungen des Meeres. Jütland nimmt davon wegen seiner Grösse und seiner leiten- den Stellung den ersten Platz im dänischen Reiche ein^); denn es ist am weitesten vorgeschoben und nähert sich in- folge seiner La^e am meisten den Grenzen Deutschlands. Von dessen Bereich ist es durch einen Grenzfluss, die Eid er, getrennt; im Norden reicht es unter einem beträchtlichen Zu- nehmen in der Breite bis zum Strande des norwegischen Meeres^). In Jütland ist der sogenannte Liimfjord so reich an Fischen, dass er, wie es scheint, den Eingeborenen ebenso

^) Saxo ist hier ganz unklar und dunkel; die Stelle heisst: Ex bis Juüa granditatis inchoamentique ratione Daniel refrm principium tenet. Inchoamentum kann hier örtliche oder zeitliche Bedeutung haben, d. h. die geographische Lage oder die Zeit der Besiedelung bezeichnen. Die dänischen üebersetzer umschreiben die Stelle oder bringen beide Mög- lichkeiten zum Ausdruck; auch der englische üebersetzer Elton deutet beides an. Unsere Uebertragung glaubte einen dem Lateinischen ähn- lichen unbestimmten Ausdruck wählen zu sollen.

') D. i. das Skagerrak.

8 Saxos Vorrede.

viel Unterhalt liefert, wie das gesamte Ackerland. In der Nähe liegt auch Nordfriesland ^), welches von einem Vor- gebirge Jütlands abbiegt und mit seinen tiefliegenden Feldern und dem abschüssigen Boden weit zurückreicht, aber dank

6 der Ueberschwemmungen durch den Ozean die grösste Frucht- barkeit erzielt. Ob diese gewaltigen Ueberflutungen den Ein- wohnern mehr Nutzen oder Gefahr bringen, bleibt ungewiss. Denn wenn bei grossen Unwettern die Deiche, durch welche dort die Fluten der See gewöhnlich aufgehalten werden, durch- brochen sind, so pflegt sich eine solch mächtige Wassermasse über die Felder zu ergiessen, dass sie zuweilen nicht nur das Erträgnis der Aecker, sondern auch Menschen nebst ihren Wohnungen begräbt. Oestlich von Jütland findet man die

11 Insel Fünen, welche ein ziemlich schmaler Meeresarm ^) vom Festlande trennt. W^ie westlich von ihr Jütland, so liegt östlich von ihr Seeland, das wegen seiner hervorragen- den Fruchtbarkeit an Lebensmitteln zu loben ist. Diese Insel äbertrift't an Schönheit alle Provinzen unseres Lan- des, und sie gilt als die Mitte von Dänemark, da sie von der äussersten Grenzlinie fiberall durch gleiche Zwischenräume geschieden ist. Von Seelands Ostseite scheidet ein dazwischen liegender Meeresarm*) den westlichen Teil von Schonen*); dieses Meer pflegt jedes Jahr den Fischern eine sehr aus- giebige Beute in die Netze zu liefern. Denn der ganze Arm ist mit einer solchen Menge von Fischen gefüllt, dass zu- weilen selbst angestrengtes Rudern die dort hingeratenen Schifl*e kaum vorwärts bringen und dass man die Beute ohne jedes künstliche Hilfsmittel einfach mit den Händen fangen kann. Ferner schliessen sich Halland und Blekinge, von

') Fresia minor; es umfasst ausser den nordfriesischen Inseln die Westküste von Schleswig von der Eider bis Tondern. Die Küsten- gestaltung war damals anders als jetzt, da seitdem wiederholt, besonders im Jahre 1634, durch Springfluten gewaltige Landmassen vom Meere verschlungen wurden. Eine nähere Beschreibimg g^ebt übrigens Saxo noch B. XIV, S. 464 (ed. Holder).

*) Der Kleine Belt.

•) Der Sund.

♦) Vgl. S. 3 Anm. 2.

Beschreibung von Dänemark. -9

Schonen al8 Grundstock wie zwei Aeste aus einem gemein- samen Baumstamme herTorspringend, nach langen Biegungen und verschiedenen Einbuchtungen an Götland und Norwegen an. In Blekinge ist nun ein Fels zu sehen, der von den Be- 12 Suchern betreten werden kann und mit wunderbaren Schrift- zögen bedeckt ist Vom Südstrande ^) fuhrt nämlich in die Einöden von Verundien*) ein steiniger Pfad, den zwei durch einen schmalen Raum getrennte Linien in weiter Länge einfassen. Der Raum dazwischen ist geebnet und zeigt überall eingegrabene Zeichen, die zum Lesen bestimmt sind. Trotz der unebenen Bodenbeschaffenheit denn der Weg geht bald über Bergesgipfel, bald durch tiefe Thaleinschnitte kann man doch in ununterbrochener Folge die Reibe der Buch- staben beobachten. König Woldemarus, der glückliche Sohn des heiligen Kanutus, wünschte nun voller Verwunderung die Be- deutung dieser Schriftzüge kennen zu lernen und sandte Leute ab, welche den Felsen besuchen, die Reihe der offen liegen- den Zeichen sorgfältig verfolgen und dann mit Zuhilfenahme von gleichgestalteten Runenzeichen aufschreiben sollten. Diese Männer konnten aber deswegen keine Deutung aus ihnen her- auslesen, weil die gemeisselten Vertiefungen teils durch Schmutz ausgefüllt, teils durch die Fusstritte der Wanderer vernichtet waren und so die Abnutzung des Weges die ganze lange Reihe 6; 18 unlesbar gemacht hatte ^). Daraus kann man ersehen, dass selbst in festen Felsen eingeritzte Schriftzüge sich durch be- ständige Feuchtigkeit verwischen oder durch den zusammen- strömenden Schmutz oder durch beständige nasse Niederschlage ineinander verlaufen.

*) D. i. der Ostsee.

*) Heute Värnsland, das Gebiet um die Stadt Vexiö in Smaaland n Südflchweden.

•) Vgl. hierzu B. VLI, S. 247, 18 (Holder); dieser sogenannte Kuuamo hat bis in unser Jahrhundert wirklich als ein Runendenkmal gegolten. Die neuere Forschung hat es aber als zweifellos erwiesen, dass die scheinbaren Schriftzeichen nicht von 3Ienschenhand herrüJiren sondern Gebilde der Xatur sind.

10 Saxos Vorrede.

Da nun Schweden und Norwegen der Sprache^) wie der Lage nach zu unserem Lande gehören, will ich auch deren Gliederung und Klima, wie bei Dänemark, beschreiben. Diese Provinzen liegen unter dem Nordpol nach dem Bootes und Arktos zu^) und berühren in ihren äussersten Ausläufer den Parallelkreis der kalten Zone. Jenseits von ihnen hat die ungewöhnlich grimme Kälte für menschliche Wohnungen keinen liaum mehr gelassen. Von diesen beiden Provinzen hat Nor- wegen durch die Ungunst der Natur eine hässliche, steinige Bodenbeschaffenheit erhalten. Unfruchtbar wegen der vielen Felsen und allenthalben mit Klippen übersät, bietet es mit diesen Trümmern einen traurigen und zerklüfteten Anblick. Im nördlichsten Teile verbirgt sich nicht einmal bei Nacht das Tagesgestirn, sodass die dauernde Gegenwart der Sonne, die wechselnde Aufeinanderfolge der Tageszeiten verschmähend, Tag und Nacht in gleicher Weise mit ihrem Lichte dient.

W^estlich hiervon liegt eine Insel, welche die Eis in sei *) U genannt wird, ein Land, recht ungastlich *) für die Bewohner, aber zu rühmen wegen einiger merkwürdiger Thatsachen, die fast das Mass der Glaubwürdigkeit überschreiten. Es giebt dort eine Quelle^), welche durch ihr rauchendes Wasser die natürliche Beschaffenheit jedes beliebigen Dinges zerstört. Denn was immer von dem Dunste jenes Rauches berührt wird, verwandelt sich in harten Stein. Ob diese Erscheinung mehr wunderbar oder geföhrlich ist, bleibt zweifelhaft, da dem flüssigen, geschmeidigen Wasser eine solche Starrheit inne wohnt, dass alles, was ihm nahe kommt und von dem rau-

*) Die skandinavischen Mundarten älinclten sich in ihren älteren Entwickelungsstufen viel mehr als jetzt; noch am Ende der Wikinjjerzeit wird von oiner einheitlichen „Dänischen Sprache** {gesprochen. Genaueres über die Geschichte der nordischen Sprachen siehe bei Xoreen in Pauls Grundriss \ I, 518 flF.

*) Diese Bestimmungren bezeichnen nur allj^emein die nördliche Lage.

•) Island. Vgl. über diese Insel: Poestion, Island. Wien 1H85.

*) Das ist wohl der richtige Sinn von Saxos dunklem und unge- wöhnlichem Ausdruck: obsolete habitattonis tellus.

•) Die isländischen heissen Quellen haben infolge Aussonderung von Kieselsinter dieselbe Wirkung wie die Ix'kaniiten Karlsbader Sprudel.

Besehreibung v. Norwegen u. Island. H

chenden Dampfe überströmt wird, in plötzlichem Wandel zu Stein wird, indem nur die äussere Form erhalten bleibt. Man erzählt dort auch noch von anderen Quellen ^), welche zeit- weise von einer Menge anschwellenden Wassers gefüllt sind und in ihren vollen Becken aufschäumend zahlreiche Strahlen in die Höhe schleudern; zu anderen Zeiten aber hört das ^Sprudeln auf, man kann sie kaum mehr auf dem Grunde er- blicken und sie verschwinden in die tiefsten Spalten unter der Erde. So kommt es, dass sie beim Springen alles, was in der Nähe ist, mit ihrem glänzenden Schaume bespritzen, wenn sie leer sind, aber auch nicht vom schärfsten Auge wahrgenommen werden. Ebenso liegt auf dieser Insel ein Berg, der infolge seiner fortwährenden Feuerfluten wie ein 15 sternbesäter Fels aussieht; denn aus seinem ewig flammenden Gipfel wirft er ununterbrochen Gluten aus^). Diese Er- scheinung ist ebenso wunderbar wie die vorigen; denn ein Land, das in der äussersten Kältezone liegt, ist so ergiebig 7 an siedender Hitze, dass es mit einer verborgenen Nahrung ein ewiges Feuer unterhält und durch seine Glut einen un- unterbrochenen Brand zustande bringt. Zu gewissen, genau bestimmten Zeiten treibt auch eine unendliche Masse Eis an diese Insel heran '). Sobald dieses bei der Ankunft auf die rauhen Klippen zu stossen beginnt, hört man, gleich als ob die Felsen ihm entgegenbrullten, donnernde Stimmen vom hohen Meer und verschiedenartigen Lärm infolge von unge- wöhnlichen Ausrufen. Daher glaubte man, dass die Seelen derer, die wegen verbrecherischen Lebenswandels hingerichtet 16 wurden, dort in der bitteren Kälte für ihre Vergehen büssten. Wenn man nun ein Stückchen von dieser Masse abhaut und es noch so fest mit Knoten und Schlingen anbindet, so sprengt es doch, sobald das oben beschriebene Eis sich vom Lande

*) Der grosse und kleine Geysir, der Strokkr und noch über 40 kleinere heisse Sprudelquellen nordwestlich vom Hekla.

*) Obwohl der Vulkan Hekla nicht beständig Ausbrüche hat, ist er doch gewiss gemeint; die Schilderung ist eben übertrieben.

•) Treibeis aus dem nördlichen Eismeer von (]^rönland her, das aber nicht periodisch kommt.

12 Saxos Vorrede.

losreisst, alle Fesseln und Bande ^). Man staunt voll Ver- wunderung, wenn solch ein Stück trotz seiner Befestigung durch unentwirrbare Knoten und vielfach hindernde Ver- schlingungen dem Aufbruch der Masse, von der es ein Teil war, so folgt, dass es durch die unvermeidliche Notwendigkeit seiner Flucht auch die sorgsamste Aufsicht fruchtlos macht. Es giebt dann dort noch zwischen den Bergesjochen und Felsenspitzen eine andere Art Eis, welche sich in beständigem Wechsel in einer Art fortwährender Veränderung so bewegen soll, dass das oberste in die Tiefe sinkt, dann wieder das unterste oben heraufkommt^). Als Bestätigung für die Rich- tigkeit dieser Behauptung führt man an, dass einige Leute, 17 welche über das ebene Eisfeld dahineilten, in die ihnen ent- gegenstehenden Schlünde tief in den gähnenden Abgrund hin- eingestürzt und bald nachher tot aufgefunden worden seien, ohne dass die geringste Eisspalte zu sehen war. Daher pflegen manche Leute zu glauben, dass diese Eisurne ^) die, welche sie verschlungen hat, später bei der Umstürzung wieder her- ausgiebt. Der Sage nach soll dort auch eine Quelle mit tod- bringendem Wasser sprudeln; denn jeder, der davon kostet, stürzt wie vergiftet nieder*). Es giebt auch noch andere Quellen, deren schäumendes Wasser einen eigentümlichen Hiergeschmack haben solP). Femer finden sieh da noch

^) Eine Fabel, die sich wohl aus dem oft ganz plötzlichen Kommen und Wepfpehen des Treibeises erklärt.

*) Dieser fabelhaft ausgeschmückte Bericht beruht im Grunde doch auf Wahrheit; ähnliche Vorstellungen herrschen übrigens bei manchen Alpenvölkern, da das Gletschereis ähnliche Erscheinungen aufweist. Da nämlich die Gletscher von innen heraus wachsen und an der Oberfläche allmählich abtauen, so kommen Gegenstände, die in ihre Spalten ver- sunken waren, oft nach Jahren wieder oben zum Vorschein.

') Auch dies ist ein seltsamer und nicht recht verständlicher Aus- druck Saxos (fundc glacialis urna).

*) Das scheint eine blosse Fabel zu sein.

*) Dies sind die sogenannten Olkeldur = Bierquellen, mit starkem Kohleiisäuregehalte. Vgl. K. Weinhold, Altnordisches Leben, Berlin 1850, S. 31>3.

Beschreibung v. Island u. Norwegen. 13

Feuer, welche zwar Flachsgewebe ^) nicht zerstören können, wohl aber flüssiges Wasser verzehren. Dann ist noch ein Fels da, welcher ohne äussere Veranlassung infolge eigener, ihm natürlicher Bewegung über die Bergabhänge hinfliegt^).

Um nun noch etwas näher auf die Beschreibung Nor- wegens einzugehen, möge man wissen, dass es im Qsten an Schweden und Götland grenzt und an beiden Seiten von dem benachbarten Ozean völlig eingeschlossen ist. Im Norden 18 liegt ein Gebiet von unbekannter Bezeichnung und Beschaffen- heit, menschlicher Kultur bar, aber reich an Völkern von un- geheuerlicher Seltsamkeit*); von den gegenüberliegenden Teilen Norwegens trennt es ein gewaltiger Meeresarm. Da die Schiffahrt auf diesem sehr unsicher ist, erfreuten sich nur 8 wenige, die sich dahin wagten, einer glücklichen Rückkehr.

Uebrigens berührt der obere Arm des Ozeans *), der Däne- mark durchschneidet und an ihm vorbeifliesst, die Sudküste von Götland mit einer ziemlich grossen Bucht. Der untere Zweig*) aber, der an der Nordküste von Götland und Nor- wegen vorbeiströmt, wendet sich unter einer sehr beträcht- lichen Erweiterung nach Osten und wird durch eine gekrümmte Küste begrenzt. Dieses Ende des Meeres nannten unsere alten Ureinwohner Gandvicus. Zwischen diesem und dem südlichen Meere liegt ein kleines Gebiet Festland*), welches das von beiden Seiten heranspülende Meer vor sich hat. Wenn also nicht die Natur diesen Raum als Grenze den fast zu-

') Statt Flachsgewebe (linum) ist vielleicht lignum (Holz) zu lesen, da von solchen Flammen auch »onst berichtet wird; manche Erklärer denken hierbei an eine Art Naphtaquellen.

*) Vielleicht Lavaschutt oder LaWnen.

*) Man kann schwanken, ob Saxo hierbei Grönland oder das sagen- hafte Riesenland, Jötunheim, im Sinne gehabt hat.

*) D.a8 ist die Ostsee und der Bottuische Meerbusen.

^) Atlantischer Ozean und nördliches Eismeer bis zum Weissen Meere, das isländisch Gandwik heisst.

*) Infolge der mangelhaften geographischen Kenntnisse des Mittel- alters eine falsche Anschauung, da die kürzeste Enifernung zwischen Bottnischem Meerbusen und Weissem Meere rund .50 deutsche Meilen beträgt.

14 Saxos Vorrede.

sammenströmenden Fluten entgegengesetzt hätte, wären die Meeresarme ineinander übergegangen und hätten Schweden und Norwegen zu einer Insel gemacht. Die östlichen Gebiete dieser Länder bewohnen die Skrikfinnen ^). Dieses Volk

19 kennt ganz seltsame Gefährte^), erklimmt in seiner Jagdlust unzugängliche Bergesgipfel und erreicht die Stellen, die ihm gefallen, vermittels eines schlüpfrigen Kreisweges; denn kein Fels ragt so hoch, dass sie nicht durch einen schlauen Rund- gang auf seine Spitze gelangten. Wenn sie nämlich die Tiefe der Thäler verlassen haben, so gleiten sie zuerst um den Fuss der Berge in gewundenen Kreislinien herum und legen ihren Weg so unter beständigem Abweichen nach oben zurück, bis sie auf dem vielfach gekrümmten Pfade ihr Ziel, die Spitze, erreicht haben. Bei den Nachbarvölkern pflegen sie als Ware gewisse Tierfelle zu verwenden.

Im Westen blickt also Schweden nach Dänemark und Norwegen; im Süden und einem grossen Teile des Ostens wird es von dem benachbarten Ozean bespült. Oestlich von Schweden findet sich noch ein zahlreiches Gemenge verschiede- ner Barbarenvölker *).

Dass Dänemark einst von Riesen bewohnt und bebaut worden ist, bezeugen die gewaltig grossen Felsen, die sich

20 an den Grabstätten und Höhleo der Alten befinden. Wenn jemand zweifelt, dass dies durch -übernatürliche Kraft ge- schehen, so möge er nur die Höhe einiger Berge betrachten und sagen, wenn er es imstande ist, wer denn auf ihre Gipfel solche gewaltige Steinmassen gebracht haben mag. Denn jeder Beobachter dieses Wunders wird es für undenkbar halten, dass einfache Menschenarbeit oder nur gewöhnliche

*) Sie gehören zur finnisch - lappischen Rasse; der erste Bestandteil des Wortes, Skrik, ist wohl nur Schreibfehler für Skrith- (vgl. sonstiges lat. Scrithofinni, isl. Finor skriOr). Dieses Sknth(o) gehört zu dän. skride, deutsch schreiten. Die älteste Nachricht von ihnen verdanken wir Tacitua, Genn. 46. Weiteres über sie siehe bei Müllenhoff, Deutsche Altertums- kunde, Bd. II, S. 40ff.; vgl. auch 8axo IX 309 (Holder).

•) Schneeschuhe.

•) Russische Völkerstärame.

Die Finnen. Schweden. Dänemark. 15

Menscheokraft solche Lasten, die schon in der Ebene gar nicht oder nur sehr schwer fortzubewegen wären, auf die Höhe solcher Bergspitzen geschafft habe. Ob aber nach dem Verlauf der Sintflut Riesen die Vollbringer derartiger Dinge gewesen sind oder Menschen, die vor allem andern mit Kör- perkraft begabt waren, darüber i$t uns zu wenig überliefert. Die Leute aber, welche, wie wir oben erwähnten, noch heute jene schroffe und unzugängliche Einöde bewohnen, sind nach der Versicherung unserer Landsleute infolge ihrer veränder- lichen Körperbeschaffenheit mit der wunderbaren und uner- hörten Fertigkeit ausgestattet, sich zu nähern oder zu ent- fernen und abwechselnd zu erscheinen und zu verschwinden ^). Der Zugang zu dieser Einöde aber ist durch entsetzliche Ge- fahren versperrt, und nur selten war denen, die sie besuchten, eine glückliche Rückkehr beschieden. Jetzt aber will ich mich zu meinem Stoffe wenden.

*) Vgl. hierzu Buch I S. 29 flF.

10; 21 Erstes Buch.

Dan^) und AngiiP), von denen sich, der Ursprung der Dänen herleitet, Söhne des Humblus'), waren oicht nur die Begründer unseres Volkes^ sondern auch seine ersten Lenker. Dudo^) allerdings, der Verfasser der aquitanischen Geschichte, behauptet, dass die Dänen von den Danaern stammten und nach ihnen benannt seien ^). Diese beiden gewannen zwar nach Wunsch und Willen ihres Heimatlandes die Herrschaft über das Reich und erhielten wegen ihrer hervorragenden Verdienste und Heldenthaten unter dem Beifall ihrer Lands- leute die oberste Leitung*). Doch sie herrschten olme den Königstitel; denn dessen Gebrauch war in damaliger Zeit bei uns weder üblich noch angesehen.

^) Dan als Stammvater der dänischen Könige ist nur iu dänischer, nicht in isländischer Ueberliefenmg bekannt; dass das Dänenreich nach ihm benannt wurde, berichtet auch die Ynglingasaga, Kap. 17. (Hrageg. in der Heimskringla des Snorri Sturluson von Finnur Jonsson: Kopen- hagen, 1893 ff. Vgl. A.()lrik,Kilderne tu SaksesOldhistorie 1,112; H, 139fr.

') Die Stammeszusammengehörigkeit der Angelsachsen und Dänen wird auch von angelsächsischen Schriftstellern betont.. Beide Stammes- heroen verdanken sicher erst späterer Sage, die eben Erklärung des Volksnamens bezweckte, ihren Ursprung.

') Ist sonst nicht bekannt.

*) Dudo, Dekan von St. Qucntin, vollendete etwa 1002 sein Werk: ^Uistoria Normannorum scu De moribus et actis primonim Xormanniae ducum libri III.*^ (Hrsg. in Mignes Patrologia latina CXLI p. 609 ff.) I'nsere Stelle S. H21 C.

*) Trojanischer Abkunft rühmten sich (abgesehen von den Römern) auch die Britten und Franken. Vgl. über die Trqjasage V. Rydberg, l^ndersökningar i Germ. Mythol. I, 24 ff.

•) Die Einigung des Dänen reiches ist der Kern der Dansage. Vgl. Olrik U, 139,

Dan u. Angnl; Humblus u. Lotherus. 17

Von diesen Hess Angul, von welchem der Ueberlieferung 32 nach die Anfänge des anglischen Volkes herrühren, das Gebiet, welches er beherrschte, nach seinem Namen benennen, um durch dieses leicht errichtete Denkmal sein Andenken zu verewigen. Denn seine Nachfolger bemächtigten sich später Britanniens und vertauschten den ursprünglichen Namen der Infiel mit einer neuen Bezeichnung, mit der nach ihrem Vater- lande. Dieser That wurde von den Alten hohe Bedeutung beigemessen. Zeuge dafür ist Beda^), ein hervorragender Mitarbeiter an den göttlichen Werken, der, in England ge- boren, es sich augelegen sein Hess, in die hochheiligen Schätze seiner Bücher auch die vaterländische Geschichte mit aufzu- nehmen; denn er hielt es in gleicherweise für Glaubenssache, die Thaten seines Vaterlandes in seinen Schriften zu verherr- lichen, wie die Geschichte der Kirche aufzuzeichnen.

Von Dan ging nun, wie das Altertum überliefert, die Ahnenreihe unserer Könige, wie Kanäle von einem Urquell, in glänzender Aufeinanderfolge aus. Er hatte zwei Söhne, Humblus und Lotherus, von Grytha. einer Frau, die bei den Teutonen in höchstem Ansehen stand.

Wenn die Alten einen König wählen wollten, so pflegten sie sich auf Felsstücke, die im Boden steckten, zu stellen und 80 ihre Stimmen abzugeben, um durch die Festigkeit der Steine unter ihnen die Dauer ihrer That anzudeuten*). Auf u diese Weise wurde Humblus nach dem Tode seines Vaters durch eine neue Wohlthat seines Vaterlandes zum Könige gewählt; doch später wurde er durch die Ungunst des Schick- sals wieder aus einem Könige ein gemeiner Mann. Er wurde nämlich im Kriege von Lotherus gefangen und musste sein

^) fieda mit dem Beinamen Venerabilis ist geboren 672, gestorben als Presbyter im Kloster J arrow (Northumberland) 735. Sein Hauptwerk ist die fiistoria ecclesiastica gentis Anglorum (hrsg. von A. Holder, Frei- burg 1882), wo unsere Stelle Buch I, 15 ff. steht. Im Folgenden sind seine theologischen Werke, Predigten, Homilien, Kommentare u. s. w. gemeint; über ihn vgl. Ebert, Allg. Gesch. d. Litt. d. Mittelalters im Abend- lande I, 595 ff.

*) Dieser Brauch, von dem sonst nichts erwähnt wird, scheint ebenso wie seine Deutung eine Erfindung Saxos zu sein.

Saxo Grammaticus« 2

18 Erstes Buch.

Leben durch Niederlegung der Herrschaft erkaufen*); denn nur diese einzige Möglichkeit zur Rettung wurde ihm in seiner Gefangenschaft gewährt. So sah er sich durch die Gewalt- that seines Bruders gezwungen, der Regierung zu entsagen, und lieferte der Welt einen Beweis dafür, dass an Höfen zwar mehr Glanz, aber weniger Sicherheit herrscht als in Hütten. 23 Uebrigens ertrug er die Unbill so ergeben, dass man glauben konnte, er freue sich über den Verlust seiner Ehre wie über eine Wohlthat; er mochte wohl wie ein Weiser die Beschaifen- heit der königlichen Würde betrachten. Lotherus aber zeigte sich als König ebenso unerträglich wie als Kriegsmann, so dass es geradezu schien, als ob er mit Frechheiten und Ver- brechen seine Herrschaft beginnen wolle. Denn er hielt es für richtig, gerade den Vornehmsten Leben oder Vermögen zu nehmen und das Vaterland gutgesinnter Bürger zu be- rauben; betrachtete er doch alle ihm Ebenbürtigen als Neben- buhler in der Herrschaft. Er blieb aber nicht lange straflos für seine Frevel; bei einem Aufruhr in seinem Lande wurde er getötet. So raubte ihm dieses nun das Leben, wie es ihm einst die Herrschaft gespendet hatte.

Sein Sohn Scioldus^) erbte die natürliche Veranlagung, nicht aber seinen Charakter von ihm, und durch äusserste Vorsicht in seinen zarteren Jahren gelang es ihm auf seinem Lebenspfade, an allen Spuren vorbeizukommen, die ihn auf denselben Irrweg wie seinen Vater hätten führen können. Wie er sich nun klüglich von den Lastern seines Vaters fern- hielt, so artete er glücklieh den Tugenden seines Grossvaters

*) Der Kampf zwischen Rumblus und Lotherus ist wohl eine schw^ache Erinnening an den grossen historischen Kampf zwischen Hunnen und Goten, von dem auch die Herv'ararsaga berichtet. Vj»:l. Olrik II, 141 und Heinzel i. d. Sitzungsber. d. Wiener Akad. CXIV, 2, 460.

*) Scioldus, altnrd. SkjÖldr, d. i. „Schild, Schätzer, Hüter" iat nach isländischer Ueborlioferung der Sohn Odins, der erste dänische König; als seine Gemahlin gilt die Asin Gefjon. Auch das Beowulfslied (hrsg. von M. Hcine-Socin •, Paderborn 1898) kennt ihn als Scyld, den Sohn Scofs. Nach ihm heissen die Dänenkönige Skiöldunge. Vgl. hierüber Skjoldungasaga, hrsg. v. A. Olrik in Aarb. f. nor. oldkyndigh. 2. rsekke 9 (1894); die Edda, übers, v. H. Gering. S. 375 A. 5; Olrik II, 141.

Humblus u. Lotherus; Scioldus. 19

nach; denn er hatte einen zwar weiter zurückliegenden, aber um 80 vorzüglicheren Anteil an dem erblichen Familien- Charakter erhalten. Schon in seiner Jugend zeichnete er sich unter den Jägern seines Vaters durch die Ueberwältigung eines gewaltigen Tieres aus, und der wunderbare Ausgang der Sache deutete bereits die Art seiner künftigen Helden- baftigkeit an. Denn als er einst von seinen Lehrmeistern, die ihn mit grösster Sorgfalt erzogen ^), die Erlaubnis erhielt, einer Jagd zuzusehen, begegnete ihm ein Bär von ungewöhn- licher Grösse ; da er nun waffenlos war, fesselte er ihn mit dem Gürtel, den er gewöhnlich trug, und Hess ihn dann von seinen Begleitern töten. Er soll aber auch um dieselbe Zeit mehrere Kämpen von erprobter Tapferkeit Mann für Mann 24 besiegt haben, von denen Attalus und Scatus^) besonders berühmt waren. Im Alter von fünfzehn Jahren zeigte er bei einem ganz nngewöhnlichen körperlichen Wachstum die voll- kommenste Ausbildung menschlicher Stärke, und so glänzend waren die Proben, die er von seiner Veranlagung ablegte, dass nach ihm die übrigen Dänenkönige Scioldunge genannt wurden. [Zugleich spornte er auch alle, welche ein verworfenes und verweichlichtes Leben führten und ihre Selbstzucht durch Ueppigkeit erschütterten, eifrig an, in reger Thätigkeit sich Tüchtigkeit anzueignen.]

Mit der Reife des Geistes eilte nun Scioldus noch der 12 Ausbildung seiner Kräfte voraus, und er focht Kämpfe aus, bei denen er wegen seines zarten Alters kaum hätte Zuschauer sein können. In dieser Frühreife seiner Jahre und seiner Tüchtigkeit freite er um Alwilda, die Tochter des Sachsen- königs, wegen ihrer ausserordentlichen Schönheit; um ihret- willen forderte er Scatus, den Statthalter von Allemannien, einen Mitbewerber um dasselbe Mädchen, heraus und kämpfte

^) Es ist fast Regel im alten Skandinavien, besonders in vornehmen Häusern, die Kinder zur Erziehung andern zu übergeben. Vgl. Wein- hold, Altn. Leb. S. 285 ff. und K&lund in Pauls Grundr. « UI, 416. Siehe auch unten S. 28 und 84.

^ Diese Eigennamen sind ursprünglich Appellativa: atall = schlimm, böse; skati = ein freigebiger Mann, dann Krieger, Held.

2*

■20 Grates Buch.

mit ihm angesichts des Heeres der Teutonen und D&nen. Er tötete ihn und zwang das ganze alieroannische Volk, das ja zugleich mit dem Falle seines Führers besiegt war, zur Tribut- zahlimg. Er zeichnete sich aber nicht bloss durch Waifen- thaten, sondern auch durch liebevolle Sorge um sein Land aus. Denn schlechte Gesetze schaffte er ab, gute fährt« er ein, und was nur immer die Hebung der Lage seines Vater- landes betraf, das leistete er mit höchster Umsicht. Er ge- wann aber auch die Herrschaft, die sein Vater wegen seiner Schlechtigkeit eingebOsst hatte, durch seine Tüchtigkeit wieder. Er gab zuerst das Gesetz über die bedingte Aufhebung der < Sklavenfreilassung '). Als ein Sklave, dem er seihst die Frei- heit geschenkt hatte, einen heimtückischen Mordanschlag auf ihn machte, vollzog er eine solche schwere Strafe, als sei es billig, dass das Verbrechen eines einzigen Freigelassenen eine Bestrafung aller herbeiführe. Die Schulden aller bezahlte er aus seinem eignen Schatze, und er wetteiferte gewissermassen mit andern Königen an Heldenmut, Güte und Freigebigkeit. Kranke pflegte er mit Linderungismitteln zu versehen und allen schwer Leidenden gar gütig Arzeneien zu verabreichen'), um zu bezeugen, dass er nicht die Fürsorge für sich, sondern für das Vatertand übernommen habe. Seinen vornehmen Kriegern gewährte er nicht nur Sold und Kost, sondern auch die dem Feinde abgenommene Beute; denn er pflegte zu sagen, das Geld müsse den Soldaten, der Ruhm ihrem Führer gehören»).

') Primus reaciiidoii durum manumisBioDum legem edidit. Dies? ni'hwierif;? Stelle ist von den däniachen Uebersetzeru wie aueh von Elton nicht riehlig wiedenfcgeben ; der Sinn ist nach der Anmerkiing in Hütler- VelsehowB Ausgabe (L 24, 5) zweifelloB der, „daaa Skiold den Freien erlaubte. Freigelassene im Falle einoa Vereehens wieder zu Sklaven au maehen".

) "Kor HeUküiide und -kuuit vgl. Weinhold S. 384 ff.

'I S.jiot Bericht über Skiold enthalt kaum etwas, was für gute, alte L'cti<-rlu'ri'rijtii[ spräche; seine Heldcnthaten sind sehr aUgemeioen ChA- ^riktnn, 9.111 Kampf gegen die Deutschen und seine gesetsgeberitchc 1 entschieden den Einfluss Jüngerer l'eberlieferuDg an.

Scioldus. Gram. 2 1

Das Mädchen, dem zu Liebe er gestritten hatte, erhielt 26 er, nachdem er sich von seinem hitzigsten Nebenbuhler be- freit, als Preis für seinen Kampf und vermählte sich mit ihr. Bald darauf bekam er von ihr einen Sohn, Namens Gram^). Dessen wunderbare Veranlagung erinnerte so sehr an die Tugenden seines Vaters, dass man glauben konnte, sie ver- laofe genau in denselben Bahnen. Schon in der Jugend er- reichte er, mit den herrlichsten körperlichen und geistigen Gaben ausgestattet, den höchsten Gipfel des Ruhmes, und die Nachwelt zollte seiner Grösse solche Achtung, dass in den ältesten Liedern der Dänen mit seinem Namen geradezu die Königswürde bezeichnet wird. Alles, was zur Festigung und Stählung der Kräfte diente, betrieb er mit regstem Eifer. Von Fechtmeistern lernte er die Anwendung von Angrifts- und Abwehrstossen, und er übte sieh emsig in dieser Kunst. Er nahm sich die Tochter seines Erziehers Roarus, seine gleichaltrige Milchschwester, zur Gemahlin, um so am besten den Dank für seine Erziehung abzustatten; später aber gab er sie einem gewissen Bessus, dessen thatkräftiger Hilfe er 18 sich oft erfreut hatte, zur Belohnung als Frau *). Auf diesen Genossen bei seinen Kriegsthaten vertraute er so sehr, dass es unentschieden bleibt, ob er sich mehr Ruhm durch seine eigene Tapferkeit oder durch die des Bessus erworben hat.

Gram erfuhr zufällig, dass Gro, die Tochter des Schweden- königs Sigtrugus, mit einem Riesen verlobt sei; voll zornigen Eifers über eine Verbindung so unwürdig ^) königlichen Blutes, begann er einen Krieg mit den Schweden, um nach dem Beispiel von Herkules'*) Tapferkeit den Kampf gegen Un-

^) Altnrd. gramr heisst Fürst, Herr. Die Gramsage ist norwegischen Ursprungs und hängt sachlich mit der Haddings- und Frodcsage zusammen. Vgl. Olrik n, 9 ff. und bes. S. 12.

*) Scheidung der Ehe war sehr leicht herbeizuführen und sehr häufig; vgl. Kalund im Grundr. III, 422.

*) Standesgleichheit (Ebenbürtigkeit) ist die Grundlage der Ehe; siehe Kätund a. a. O. S. 418, Weinhold S. 243. Die Riesen aber gelten als verabscheuungswürdige Wesen.

*) Saxo scheint die Gramsage der von Herkules absichtlich etwas anzugleichen, wie mehrere Züge zeigen.

22 Erstes Buch.

geheuer aufzunehmen. Als er Götland betrat, legte er, um die ihm Begegnenden zu verscheuchen, Bocksfelle an und zog 80 einher, auch noch mit verschiedenen Tierfellen bekleidet und mit einer furchtbaren Waffe in' der Rechten, so dass er

27 nach seinem Aufzuge vfie ein Riese aussah. Da begegnete er Gro selbst, die mit nur wenigen Dienerinnen gerade zu einem Waldsee ritt, um zu baden. In der Meinung, auf ihren Bräutigam gestossen zu sein und zugleich nach Frauenart äusserst erschrocken über die so seltsame Gewandung, Hess sie die Zügel los und begann, am ganzen Leibe heftig zitternd, mit einem heimischen Liede^) folgendermassen:

„Ich sehe, dass ein dem Könige verhasster Riese ge- kommen ist und bei seinem Ein herschreiten die Wege bis zur Mitte beschattet. Oder meine Augen täuschen mich; denn oft schon geschah es, dass kühne Männer sich unter einem Tierfell verbargen'* ^).

Darauf begann Bessus so: ^Jungfrau, die du auf dem Rücken des Rosses sitzest, sprich zur Erwiderung die Worte der Antwort, sage, wie dein Name ist, welchem Geschlechte du entsprossen".

Da sprach Gro: „Gro ist mein Name, mein Vater ist König, von ruhmvollem Blute, strahlend in Waffen. Doch verkünde auch du uns, wer du bist oder wo du herstammst*^.

14 Ihr antwortete Bessus: „Bessus bin ich, tapfer in Waffen,

grimmig den Feinden, den Völkern ein Schrecken, oft färbe ich die Rechte mit dem Blute andrer".

Dann sagte Gro: „Wer, frage ich, ordnet eure Heerschar? Unter wessen Führung tragt ihr die Feldzeichen? Welcher Fürst lenkt eure Schlachten? Unter wessen Leitung wird zum Kriege gerüstet?"

Darauf antwortete Bessus so: „Gram lenkt unsre Scharen, im Kriege glücklich; weder Furcht noch Gewalt vermag ihn

28 zu beugen; weder loderndes P'euer, noch das grimme Schwert,

^) Saxo hat also die Sage in poetischer Fassung vorgelegen. •) Ein altes Sprichwort

Oram und Gro. 2S

noch des Meeres Flut erschreckte ihn jemals. Unter seiner Führung erheben wir, Jungfrau, die goldenen Feldzeichen.^

Gro wiederum sprach: „Weicht zurück von hier und wendet eure Schritte, dass Sigtrug nicht mit dem eigenen Heere euch alle bewältigt, an den grausamen Pfahl euch heftet, erwürgt von dem Strick um den Hals, und eure Körper 16 in die steife Schlinge steckt und finster blickend eure Leichen dem gierigen Raben zum Frasse hinstösst.^

Bessus sagte dagegen: „Gram wird ihn zuvor zu den Geistern senden und der Unterwelt weihen, ehe er nach dem Schicksal die Augen schliesst, und in den schaurigen Tartarus ^) wird er kopfüber ihn stürzen. Wir fürchten kein Lager der Schweden. Weshalb drohst du uns, Jungfrau, mit traurigem Tode?"

Gro erwiderte ihm: „Ich will nun von hinnen, die wohl- bekannte Halle meines Vaters aufsuchen, damit ich nicht verwegen die Scharen des nahenden Bruders^) erblicke. Euch aber, die ihr zurückbleibt, möge das schlimmste Schicksal erwarten!"

Bessus entgegnete ihr: „Zurück eile fröhlich zum Vater, o Tochter; doch er erflehe für uns nicht schleunigen Tod, noch möge dir Groll die Brust erfüllen; oft ist ja zuerst 1^ gegen Werber das Mädchen hartnäckig und spröde, giebt 29 später doch nach" ^).

Darnach konnte Gram das Schweigen nicht länger aus- halten, und indem er seine Stimme zu schrecklichen und und ungeheuerlichen Lauten erhob und durch einen recht rauhen Tonfall verstellte, redet er die Jungfrau mit folgen- den Worten an:

„Nicht fürchte die Jungfrau den Bruder des raschen Riesen, noch erbleiche sie, dass ich bei ihr bin. Von Grip *)

*) Leider setzt Saxo immer für die Begriffe der nordischen Mytho- logie die entsprechenden Bezeichnungen der griechisch-römischen ein.

•) Wessen Bruder oder wer überhaupt gemeint ist, ist nicht zu er- sehen. (Vielleicht der unten genannte Bruder des Riesen, ihres Verlobten?)

•) Sprichwörtlich.

*) Auch diese Persönlichkeit bleibt unklar; vielleicht ist Grip der Name des Bräutigams selbst.

24 Erstes Buch.

bin ich ja geschickt, und nie begehre ich Bett und Um- armung der Mädchen ausser mit ihrer Einwilligung.

Gro erwiderte ihm: „Welche Unsinnige möchte wohl der Riesen Buhle sein wollen? Oder welches Mädchen ver- möchte eine £he zu wünschen, der Ungeheuer entspriessen würden? Welche könnte die Gattin von Unholden sein mit dem Bewusstsein, dass sie Ungetüme gebären würde? Welche 80 wünschte wobl ihr Lager mit einem wilden Riesen zu teilen? W^elche möchte Dornen mit ihren Fingern hegen, welche schmutzigem Schlamme reine Küsse geben? Welche möchte struppige Gliedmassen zu ihren zarten gesellen, die ihnen nicht gleichen ? Wenn die Natur widerstrebt, wird kein volles Liebesglück genossen.. Die nach Frauenbrauch geübte Liebe passt nicht für Ungetüme.^

Gram sprach dagegen: „Gar oft habe ich mit siegreicher Faust die Nacken mächtiger Könige gebeugt und ihren üppigen Stolz mit stärkerer Hand bewältigt. Nimm hier das schim- mernde Gold^); möge um dieses Geschenkes willen unser Bund dauernd bleiben und die Treue in unserer Ehre fest bestehen.^

17 Mit diesen Worten warf er die Verkleidung ab, und ent-

hüllte die natürliche Schönheit seines Antlitzes; er erfüllte das Mädchen durch seinen blossen Anblick beinahe ebenso sehr mit Lust, als er ihr vorher durch seine Verstellung Schrecken eingeflösst hatte. Durch die strahlende Anmut seiner Ge- stalt veranlasste er sie auch zum Beilager und verfehlte nicht, sie mit Liebesgaben auszustatten. Dann zog er weiter und erfuhr von den ihm Begegnenden, dass die Strasse durch zwei Räuber unsicher gemacht werde. Als diese allzu gierig über ihn herfielen, um ihn zu berauben, tötete er sie mit einem einzigen Streich. Um aber nicht den Anschein zu er- wecken, als habe er dem feindlichen Lande irgend eine Wohl- that erwiesen, befestigte er darnach Pfähle an den Leichen

*) Das ist der Brautkauf (altn. roundr), das Geschenk, das ursprünfif- lieh der Vater der Braut, hier sie selbst erhalt. Vgl. K&lund a. a. O. 8. 419, Weinhold S. 240.

Gram. 95

der Ersehlagenen und stellte diese so auf, als ob sie aufrecht auf ihren Füssen stünden^). Im Tode sollten sie noch zum Scheine diejenigen bedrohen, die sie im Leben wirklieh ge- 31 schädigt hatten ; auch nach Erfüllung ihres Schicksals sollten sie noch furchtbar sein und die Strasse jetzt durch ihre Er- scheinung ebenso unsicher machen, wie vorher durch ihr Thun. Daher ist es sicher, dass er durch die Erlegung der Räuber nur zu seinem, nicht zu Schwedens Vorteil hat handeln wollen, und er zeigte deutlich durch diese so hervorragende That, welch grosser Hass gegen dieses Land ihn erfüllte. Als er von Wahrsagern erfuhr, dass Sigtrug nur durch Gold über- wunden werden könne, befestigte er sogleich eine goldene Kugel an seiner hölzernen Keule; damit griff er den König im Kampfe an und erreichte auch das Ziel seines Wunsches. Diese That hat Bessus in einem recht eingehenden Lob- gedichte folgen de rmassen besungen:

y,Gram, der gewaltige Träger der glückbringenden Keule, unkundig des Eisens, Hess Hiebe sausen auf das ihm ent- gegengehaltene Schwert und wehrte mit seinem Baumstamm die Waffen des mächtigen ab.

Dem Schicksal folgend und dem Sinn der Unsterblichen vernichtete er den Ruhm der machtlosen Schweden, indem er ihren König dem Tode weihte und mit dem starren Golde zerschmetterte.

Denn wohl bedachte er die Fechterkünste und führte die goldrot glänzende Keule in der Faust; siegreich streckte er den Fürsten mit der schimmernden Waffe zu Boden.

Ihn, dem das Schicksal den Tod durch Eisen wehrte, bezwang er klüglich durch des Goldes Härte; ohne Schwert focht er mit einem besseren Metall seine Kämpfe aus.

Dieses Wertstück, dem der Verfertiger Lob und den Gipfel 18; 32 des Ruhmes verschafft, wird dereinst noch berühmter werden, weithin bekannt durch eine bessere Kunde."

Nachdem Gram den Schwedenkönig Sigtrug getötet, wünschte er sich den Besitz des durch die Waffen erworbenen

0 Eine ähnliche List siehe Buch IV, S. 105 und ebenda, S. 120 (Holder).

26 Erstes Buch.

Reiches zu sichern; da er nun Suarinas, den Statthalter von Götland, im Verdacht hatte, dass er nach der Herrschaft trachte, forderte er ihn zum Zweikampf heraus und erschlug ihn; auch die sieben ehelichen und die neun von einem Kebs- weibe ^) geborenen Brüder desselben, die für den Tod ihres Bruders Rache nehmen wollten^ erlegte er trotz des ungleichen Kampfes.

Grams schon hoch betagter Vater gewährte ihm nun wegen seiner hervorragenden Thaten Anteil an der Regierung; denn er hielt es für nützlicher und auch für viel bequemer, die Oberleitung des Reiches mit seinem Sohne zu teilen, als sie in einem so vorgerückten Lebensalter ohne Genossen zu führen.

Ringus, der Sprössling eines edlen Geschlechtes in See- land, meinte nun aber, der eine von den beiden Herrschern sei für diese Ehre noch zu unreif, während der andere mit dem Masse seiner Kräfte schon auf dem Rückgange sei, und darum schützte er das unsichere Alter beider vor, um in seiner Sucht nach Umwälzungen einen ziemlich grossen Teil der Dänen aufzuwiegeln. Er behauptete nämlich, diesen mache sein noch kindliches, jenen sein schon kindisches Alter zur Ausübung der königlichen Macht ungeeignet. Im Kampfe aber wurde er von diesen besiegt und lieferte der Welt ein Beispiel dafür, dass man keinen Abschnitt der Lebenszeit mit der Tüchtigkeit für unvereinbar halten darf. 33 König Gram vollbrachte auch noch mehrere andere

Heldenthaten. Er hatte dem Finnenkönige Sumblus den Krieg erklärt, legte aber beim Anblick seiner Tocher Signe sofort die Waffen nieder, ward aus einem Feind ein Freier, versprach seine Gattin zu Verstössen und schloss mit ihr den Verlobungsvertrag *). Während er noch mit einem norwegi-

*) Das Halten von Kebsweiborn ist. im skandinavischen Altertum ziemlich allgemein verbreitet und gesetzlich erlaubt. Vgl. Weinhold S. 248, 437.

•) Ein solcher ist allgemein üblich (festar); vor einer Versammlung beiderseitiger Freunde und Verwandter wurde die Höhe der Kaufsumme festgesetzt, der Ring>^echsel vollzogen und der Verlobungskuss gegeben. Vgl. Weinhold, S. 243: Kalund a. a. O. S. 418.

Gram. 27

sehen Kriege, den er gegen den König Swibdageriis ^) wegen der Schändung seiner Schwester und Tochter unter- nommen hatte, beschäftigt war, hörte er von einem Boten, dass Sumblus treuloser Weise Signe dem Könige der Sachsen, Heinrich*), zur Ehe versprochen habe. Da er die Jung- frau mehr liebte als seine Soldaten, verliess er sein Heer und eilte in aller Stille nach Finnland, wo er gerade zum Beginn der Hochzeitsfeierlichkeiten zarecht kam. Da legte er ganz schlechte Kleider an und liess sich an einem gering ge- schätzten Platze nieder. Auf die Frage, was er denn bringe, sagte er, er verstehe die Heilkunst. Zuletzt, als sich alle schon trunken gezecht hatten, fasste er das Mädchen ins Auge und pries inmitten der Freuden des rauschenden Gelages unter den schwersten Verwünschungen gegen den Wankelmut der Weiber laut den hohen Ruhm seiner eigenen Heldenthaten ; die Grösse seines Zorns offenbarte er durch ein Lied folgen- der Art:

„Allein habe ich gegen acht zugleich die Todespfeile 19 geschleudert und neun mit geschwungenem Schwerte erwürgt, als ich Suarinus tötete^), der seine Würde missbrauchte und einen Namen sich anmasste, der ihm nicht zukam. Oft habe ich seither meine vom Morden blutige, von Gemetzel triefende Klinge mit fremdem Blute gefärbt, und nie erbebte ich beim Klirren der Schwerter oder beim Glanz der Helme. Jetzt nun ;i4 verschmäht mich schändlich Signe, Sumblus' gefühllose Tochter, anderer Wünsche erfüllt sie und verwünscht das alte Bündnis. Ohne Unterschied giebt sie ihrer Liebe Raum und Ulsst das Wirken weiblichen Wankelmuts erkennen. Denn sie verlockt und bestrickt und entehrt edle Männer; betrügt sie doch mit Vorliebe vor anderen Hochstehende. Keinem bleibt sie

^) Denselben Namen Swipdagr, d. h. der rasche Tagr, trä^ auch der mythische Held eines £ddaliedes, mit dem aber der hier genannt« König in keinem Zusammenhange steht. Vgl. Oerings Edda, S. 127.

*) An eine bestimmte historische Person kann hier nicht gedacht werden.

*) Siehe oben S. 26.

28 Erstes Buch.

treu, immer schwankt sie, zweifelhafte und zweideutige Regungen erzeugend.'^

Bei diesen Worten springt er von seinem Platze auf, erschlägt Heinrich an seinem Tische trotz dessen Heilig- keit^) in den Armen seiner Freunde, entreisst seine Braut der Schar ihrer Brautjungfern, metzelt einen grossen Teil der Gäste nieder und schleppt sie ihn sein Schiff. So wurde das Hochzeitsgelage in ein Leichenmahl verwandelt, und die Finnen konnten lernen, dass man die Hände yon fremden Liebesangelegenheiten fern halten soll.

Nach diesen Thaten wurde Gram bei dem Versuch die Schmach seiner geschändeten Schwester und die verletzte Ehre seiner Tochter zu rächen, von König Swibdagerus von Norwegen getötet. Diese Schlacht war wegen der An- wesenheit sächsischer Truppen bemerkenswert; doch hatte diese zur Unterstützung des Swibdagerus nicht sowohl Zu- neigung zu diesem, als vielmehr der Wunsch nach Rache für Heinrichs Tod veranlasst.

Gram hatte zwei Söhne, Guthormus und Hadingus, den einen von Gro, den andern von Signe. Da nun Swib- dagerus Dänemark besetzt hielt, wurden diese von ihrem Erzieher Brache^) zu Schiff nach Schweden gebracht und den Riesen Vagnhofthus und Haphlius^) zur Erziehung und Beschützung übergeben.

Da ich deren Thätigkeit kurz berühren muss, möchte ich nicht gern in den Verdacht geraten, als ob ich mir Dinge, welche der öffentlichen Meinung widersprechen oder das Mass der Glaubwürdigkeit überschreiten, auf eigene Faust zurecht mache; daher ist es wohl der Mühe wert, zu erfahren, dass

^) Der Tisch ist heilig infolge des Gastrechts; über dieses vgl. Weinhold S. 441 ff.

*) Gehört wohl zu altnrd. bragr, schwache Form bragi, d. 1. der Best^, Ausgezeichnetste.

') Diese Xamen finden sich nur noch in dem Riesenverzeichnisse der Suorra-£dda als Vagnhof Oi und HafliOi (Skaldskapann. Kap. 75).

Gram, lieber die Zauberer. 29

vor Zeiten drei Arten yon Zauberern durch geheime Künste unerhörte Wunderthaten ausgeführt haben ^).

Die ersten yon ihnen waren Männer von ungeheuerlicher ^:'> Erscheinung, welche das Altertum Riesen nannte; sie über- trafen das Mass menschlicher Grösse weit durch ihren ge- waltigen Körperbau.

Die zweiten nach ihnen besassen zuerst die Fähigkeit ^0 wahrzusagen und yerfügten über die pythonisehe Kunst ^). Wenn sie auch den vorigen an Körpergrösse nachstanden, übertrafen sie sie doch an lebhafter geistiger Veranlagung. Zwischen ihnen und den Riesen wurden fortwährend Kämpfe um die oberste Gewalt ausgefochten, bis die Zauberer sieg- reich das Riesengeschlecht unterjochten und sich nicht nur . das Recht der Herrschaft, sondern auch den Ruf der Göttlich- keit aneigneten. Beide Geschlechter aber zeichneten sich durch höchste Geschicklichkeit darin aus, die Augen zu täuschen, die eigene Gestalt und die anderer durch ver- schiedene Einscheinungsarten zu verändern und das wahre Aussehen der Dioge durch irreführende Formen zu verhüllen.

Die Leute der dritten Art aber, welche aus der wechsel- seitigen Vereinigung der beiden vorigen entsprossen, ent- sprachen weder in der Körpergrösse noch durch die Aus- übung von Künsten der Natur ihrer Erzeuger; dennoch fiel auch ihnen bei der durch Zauber hervorgerufenen Verblendung der Sinne der Ruf der Göttlichkeit zu.

Es ist ja auch gar nicht zu verwundern, dass die barbarische Welt, durch die merkwürdigen Wunderthaten derselben ver-

') Saxos Bericht über die Riesen entspricht keineswegs der wahren germanischen Auffassung; er ist gelehrt und soll hauptsächlich dazu dienen, den altheidnischen Götter- und Dämonenglauben als thöricht un<l fialsch darzusteUen. Die Riesen sind als Naturdämonen aufzufassen. Am besten handelt über sie Weinhold i. d. Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wisaensck XXVI (1S58), S. 233 ff. Vgl. ferner noch Mogk im Grundr. * III, S. 300 ff., 306 ff. E. H. Meyer, Deutsche Mythologie S. 141 ff., Golther, Handb. d. germ. Myth. S. 159 ff.

*) Pythius ist in der griechischen Mythologie ein Beiname des weis- •agenden Apollo; der Ausdruck wiederholt also nur das schon vorher Gesagte.

HO £rst«B Buch.

leitet, in die AusQbung einer falschen Religion verfiel, haben ja doch manche ähnlich heschaffeue sterbliche Wesen, denen man göttliche Ehren erwies, selbst die Klugheit der l^atiner zu verfahren gewusst. Das wollte ich nur deshalb berührt haben, dass nicht der Sinn des Lesers ungläubig zurück- schreckt, weun ich Zaubereien und Wnnderthaten be- schreibe. Nun ich dieses voraus geschickt habe, will ich zu meiner Aufgabe zurückkehren.

Nach Grams Tode hatte Swibdagerus seine Macht durch die Herrschaft über Dänemark und Schweden vermehrt; auf die wiederholten Bitten seiner Gemahlin berief er deren 36 Bruder, Guthormus, aus der Verbannung zurflck und stellte . ihn an die Spitze von Dänemark, nachdem er ihm das Ver- sprechen, Tribut zu zahlen, abgenommen hatte. Hadingus dagegen zog die Rache für seinen Vater der Gnade seine» Feindes vor'),

Schon in seinen ersten Jugendjahren erreichte dieser durch seine glücklichen Naturanlagen die höchste Vollkommen- heit des Mannesalters. Auf den Genuss des Vergnügens ver- zichtete er und war nur immer eifrigst auf WafTenübungen bedacht, dessen eingedenk, dass er, der Sohn eines kriegerischen Vaters, sein ganzes leiben mit ruhmvollen Kriegsthat«n aus- fQllen müsse. Harthgrepa ^), Vagnhoftbus' Tochter, versuchte nun seinen harten Sinn durch Lockungen mit ihrer Liebe zu erweichen und versicherte ihn eifrig und beständig, er müsse seine erste eheliche Pflicht in der Vermählung mit ibr er- füllen, die seiner Kindheit die fürsorglichste Pflege gewidmet,

') Die hier bef^nnende Haddiogsiftge Ut pioe d«r auaführUchslen und ti'liij listen bei Saxo. Aus inneren Gründen enpebt sich, daas sie nor- M i'i{isrh-i>lündischen, nicht dänischen Ursprungs ist. Mao kann folg^ende lii'idon Haupizüge in ihr unterscheiden: 1. Der Widerstreit twiichen Ki"B«D und Äsen, der mit dem Siege und der Verherrlichung der letzteren •'i"ligt: 3. J)aa Wikingertum des Helden. Shxo ist die einzige Quelle, IUI' sie uns überliefert; ähnlichen Inhalt haben noch die jüngeren Zusätze Eur Orvar - Oddssaga. (Hrsg. von Ilner, grosse Ausg. Leiden 1888; ktetne Ausg. Halle 1893.) Zu vcrgl. ist UhUnd, Schnften z. Gesch. d. Dichtung u. Sage VII, 1»8 ff. u. bes. ülrik H, 1 ff.

*) Auch diese wird in der S. 28 Ä. 8 genannten Stelle enriUint.

Hadingiis und Harthgrepa. 31

die ihm die erste Klapper ^) gereicht habe. Sie begnügte sich aber nicht mit einer Ermahnung in einfachen Worten, sondern begann auch mit einem Liede folgender Art:

Warum fliesst dein Leben so öde dahin? Weshalb ver- schwendest du ehelos deine Jahre, den Waffen folgend, nach 21 Mord dürstend? Keine Schönheit erregt dein Begehren. Von massloser Kampfeswut lässt du dich hinreissen, zur Liebe ^) bist du am wenigsten geneigt. Triefend von Mord und Blut schätzest du den Krieg höher als das Ehebett und erholst dich nicht an sinnlichen Reizen. Keine Müsse giebt es für dich, den grimmen; Zeitvertreib ist dir fern, nur deiner Wild- heit lebst du. Nicht ist deine Hand frei von Ruchlosigkeit, wenn du den Dienst der Liebe ^) verabscheust. Möge deine bassenswerte Kälte verschwinden und jene liebevolle Wärme erscheinen; schliesse mit mir den Bund der Liebe, die ich dir in deiner Kindheit zuerst die Milch meiner Brust gereicht, die ich dir Hilfe leistete und Mutterpflicht übernehmend deinen Bedürfnissen diente.^

Als er darauf vorschützte, ihre Körpergrösse sei unge- 37 eignet für menschliche Umarmungen, da ja ihre natürliche Beschaffenheit zweifellos ihrem riesischen Ursprünge ent- spreche, sagte sie : Lass dich den Anblick meiner ungewöhn- lichen Grösse nicht anfechten; denn ich kann in willkürlicher Veränderung Gestalt und Wesen meines Körpers umformen, sodass ich bald dünn bald dick, bald schlank bald aufgebläht, bald zusammengeschrumpft bald ausgedehnt bin. Bald reicht meine Länge bis zum Himmel, bald verwandle ich mich, mich verkleinernd, in einen Menschen. Als er immer noch zögerte und Bedenken trug, ihren Worten Glauben zu schenken, fügte sie noch folgendes Lied hinzu:

„Fürchte nicht, Jüngling, die Gemeinschaft unseres Bettes. Ich verändere meine Körpergestalt in mehrfacher Weise und

') üeber Kinderspiele und -Spielzeug vgl. Weinhold S. 290.

*) Im Lateinischen steht hier Venus, der die nordischen Göttinnen Prigg und Freyja entsprechen; über diese vgl. Mogk im Gnmdr. 11 1, a69— 73; E. H. Meyer S. 267 ff.; Golther S. 429—46.

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32 Erste« Buch.

pflege meinen Sehnen eiu doppeltes Gesetz vorzuschreiben. Deun ich nehme in verschiedener tiestaltuog wechselnde FormeD an, die ich nach eigener WillkQr verändere. Jetzt kommt mein Nacken den Sternen gleich und ragt bis in die Nahe des erhabenen Donnerers; dann wieder sinkt er gebeugt zu meoschlicher Lebensform herunter und neigt das soeben dL-m Pol benachbarte Haupt zur Erde. So verwandele ich mich leicht in verschiedene Gestalten und lasse mich in mehrfachen Formen erblicken. Denn im Wechsel zieht bald straffe Starr- heit die Glieder zusammen, bald entfaltet sich die Anmut meines schlanken Körpers und beßihigt ihn, die höchsten

22 Wolken zu berühren. Jetzt lasse ich mich von der Kürze ein- engen, jetzt dehne ich mich aus mit gelockerten Knieen, und gefügig wie von Wachs habe ich mich zu neuen Erscheinungen umgestaltet. Mich braucht niemand zu bewundern, der Proteus

86 kennt. Meine Gestalt, unsicher in ihrem Aeusseren und mein zwiefaches Erscheinungsvermßgen presst jetzt die eben aus- gedehnten Glieder zusammen, jetzt weitet es die eben ein- geengten aus, jetzt schwellt es die Gliedmassen an, jetzt schnQrt es sie zu kleinstem Umfange zusammen. Den einge- pressteo Körperteilen gewinne ich Ausdehnung, die entfalteten lasse ich zusammenschrumpfen, in doppelte Erscheinungsform mein Aeusseres teilend und begabt mit zwei Gestalten. In der grösseren schrecke ich die Kühnen, in der kleineren be- gehre ich nach den Umarmungen der Menschen."

Durch diese Versicherungen setzte sie das Beilager mit Hadingus durch, und sie entbrannte so sehr von Liebe zu dem Jüngling, dass sie, als sie seine Lust, sein Vaterland wilder aufzusuchen, bemerkte, kein Bedenken trug, ihm <n >l;iimeskleidung zu folgen, und dass sie es als ein Vergnügen hi'trachtete, seine Mühsale und Gefahren mit ihm zu teilen. Iii seiner Begleitung kam sie nun nach Antritt dieser Reise /liffillig in ein Haus, für dessen verstorbenen Besitzer eben unter Trauerfeierlichkeiten das Begräbnis zugerüstet wurde, ünschte sie nun mit Hilfe von Zauberei den Sinn der HimmHscIien zu erforschen, schnitt ein furchtbares Runenlied Holzstäbchen, Hess dasselbe durch Hadingus dem Toten

HadiDgus u. Hartligrepa. Totenbeschwörung. 33

unter die Zunge legen und zwang diesen dadurch zu sprechen und folgendes Lied, ein Graus für das Ohr, zu verkünden^).

Es folgt das Zauberlied:

„Wer mich aus der Unterwelt emporgelockt hat, soll als Verfluchter umkommen und dem Tartarus*) Suhue leisten fär die Beschwörung des Geistes.

Wer immer mich aus dem unterirdischen Heim herauf- 89 gerufen hat, mich, den Toten, der schon sein Geschick erfüllt hat, und mich wieder zur irdischen Luft empor zwang, der soll den traurigen Schatten unten am fahlen Styx*) mit dem eigenen Tode Busse leisten. Siehe, wider Willen und Vorsatz bin ich gezwungen, nur zu Unerwünschtes zu verkünden. Denn wenn ihr den Fuss aus diesem Hause setzt, werdet ihr in das Dickicht eines Waldes gelangen, um den Unholden ringsum als Beute zu dienen. Sie, die unser Geschick aus dem Chaos zurücklenkte und uns ermöglichte, noch einmal dieses Licht zu schauen, die durch wunderbare Beschwörung die hervorgelockten Geister in des Körpers Fessel bannte, sie wird dann bitter beweinen, was sie unbesonnen begann.

Wer mich aus der Unterwelt emporgelockt hat, soll als 28 Verfluchter umkommen und dem Tartarus Sühne leisten für die Beschwörung des Geistes.

Denn wenn das schwarze Verderbendes ungeheuererzeugen- den Wirbelsturms in heftigem Angrifl^ die Eingeweide im In- nern durchwühlt hat, wenn eine Hand mit grausiger Klaue die Lebenden fortgefegt hat, die Glieder abreissend und die entführten Körper zerfleischend, dann wird, Hadingus, dein Leben noch andauern; das Reich der Unterwelt wird deinen <ieist nicht entführen, noch wird deine Seele schwermütig zu

') Die Nekromantie ist bei wohl allen Völkern der Erde verbreitet; «inige Beispiele für ihre Ausübung in Skandinavien enthalten die Edda- Ueder Baldrs Träume 4 (Gering S. 1(>), Hars Sprüche 156 (G. S. 108), Oroas Zaubergesang 1 (G. S. 127), Ynglingasaga Kap. 4: 7, Herwarars. Kap. 6. Ein Zauberlied in nordischer Sprache bewahrt uns die Bosa- «aga (hrsg. von Jiriczek, Strassburg 1893) S. 16 ff., deutsch bei Golther 8. 653. Ueber Zauber und Zauberei vgl. Mogk in Grundr. UI, 404 ff. Orimm, Deutsche Mythologie \ Kap. 34, 35, 38.

») Vgl. Anm. 1 8. 23.

Saso Grammaiicnt. 3

34 Erstes Biu-h.

den Wassern des Styx wandeln. Das Weib aber, welches es den elenden Schatten ermöglichte, hierher zurückzukehren, wird, der Last ihres Verbrechens*) erliegend, unsere Asche ver- söhnen, sie, die selbst Asche sein wird.

AVer mich aus der Unterwelt emporgelockt hat, soll als Verfluchter umkommen und dem Tartarus Sühne leisten für die Beschwörung des Geistes."

Als sie nun in dem vorgenannten Walde in einer Reisig- hütte die Nacht zubrachten, erschien ihnen eine Hand von 4u ungewöhnlicher Grösse, welche ihre Wohnstätte innen durch- irrte. Hadingus, erschreckt durch dieses Wunder, flehte seine Pflegemutter um Hilfe an. Da blähte Harthgrepa ihre Glieder auf, dehnte sich zu grossem Umfange aus, packte die Hand ganz fest und hielt sie ihrem Pflegling zum Abhauen hin. Aus der greulichen Wunde aber floss mehr Eiter als Blut hervor. Für diese That musste sie jedoch gleich darauf büssen; denn sie wurde von ihren Geschlechtsgenossen') zer- rissen. Weder ihre natürliche Beschaffenheit, noch ihre Kör- pergrösse halfen ihr davor, die drohenden Klauen ihrer Feinde kennen zu lernen.

Nach dem Verluste seiner Pflegemutter begegnete Ha- dingus zufällig einem einäugigen Greise^), der ihn in seiner Einsamkeit bedauerte und durch einen feierlichen Rechtsver- trag mit einem Wikinger, Namens Liserus, verband. Denn wenn die Alten ein Bündnis schliessen wollten, so pflegten sie gegenseitig ihre Fussspuren mit ihrem Blute überströmen zu lassen, um durch die Vermischung des Blutes beider den Freundschaftsbund zu befestigen*). Auf diese Weise ver-

^) Das Beschwören der Toten wird oft als ein Frevel betrachtet, und hänfig nimmt auch die Sache ein schlimmes Ende fiir den Beschwörer.

*) D. h. von Riesen.

*) Dieser einäugige Greis ist Odin, als den ihn Saxo aber gar nicht erkennt; über ihn siehe Anra. 3 8. 37.

*) Ein Beispiel für den Gebrauch der Blutbrüderschaft (fostbnyOra- lag). Die hier geschilderte Feierlichkeit wurde gewöhnlich unter einem Rasenstreifen, der noch mit der Erde zusammenhing und von Speeren gestützt w^urde, vollzogen und dann mit heiligen Eiden bekräftigt Weitere Beispiele für diese Sitte siehe in Gerings Anmerkung zum ^Bnichstack

Harthgrepas Tod. Hadingus u. Othinus. 35

einigten sich Liserus uod Hadiogus durch das Band engster Gemeinschaft und erklärten dann Lokerus, dem Beherrscher der Kurländer, den Krieg. Sie wurden jedoch besiegt, und jener vorgenannte Greis sorgte dafür, dass Hadingus nach seiner Wohnung reiten konnte. Dort erquickte er ihn durch die Kraft eines gar lieblichen Trankes und verhiess ihm, dass er sich einer noch rüstigeren Körperstärke erfreuen werde. Diese prophetische Verheissung bekräftigte er durch ein Lied folgender Art:

^Wenn du von hier hinweg eilst, wird der Feind kommen und dich in der Meinung, du seist ein Flüchtling, angreifen, um dich in Fesseln zu halten und dem Rachen wilder Tiere zum Zerfleischen und zum Frasse vorzuwerfen. Du aber er- 24 fülle die Ohren deiner Wächter mit mancherlei Erzählungen. Und wenn nach Beendigung des Mahles tiefer Schlaf sie um- fängt, dann sprenge die dir angelegten Bande und die grau- sigen Fesseln. Dann entferne dich, und nach kurzem Verweilen stürze dich mit allen Kräften auf den reissenden Löwen, der 41 die Körper der Gefangenen zu zerfleischen pflegt. Versuche dich mit starkem Arme an seinen trotzigen Schultern, und mit blossem Schwerte triff seines Herzens Fibern. Dann setze sogleich den Mund an und fange das dampfende Blut auf und mit gierigen Zähnen zermalme ein Mahl von seinem Körper. Dann wird neue Kraft in deine Glieder kommen, ungeahnte Stärke wird deine Muskeln schwellen und eine Fülle rüstigen Lebensmutes wird die nervichten Glieder durchdringen ^). Ich selbst will deinen Wünschen den Weg bahnen, die Wächter

eines Sijriirdliedes" 18 (S. 221, 4); vgl. ferner Kälund i. Grundr. IIT, 417. Weiohold 8. 287, Olrik I, 8. 59 ff. Die Namen Liserus und Lokerus sind 9onst nicht bekannt.

*) Löwenfleisch und -blut wird sonst in der nordischen Sage nicht als Stärkemittel erwähnt; wohl aber verleiht der Genuss des Herzens anderer gewaltiger Tiere Weisheit oder Körperkraft. Sigurd versteht nach dem Verspeisen von Fafnirs Herz die Sprache der Vögel (das Lied von Fafnir, Prosa nach Str. 31 = Gerings Edda S. 207); ein Wolfsherz macht Ingjald zum tapfersten Krieger (Ynglingas. Kap. 38); vgl. auch Saxo B. II, S. 91.

3*

36 Erstes Buch.

in tiefen Schlaf versenken und sie die lange Nacht hindurch schnarchen lassen.^

Mit diesen Worten setzte er den Jüngling auf sein Pferd ^) und brachte ihn an die vorige Stelle zurück. Da warf Ha- ding US wegen seiner grossen Verwunderung über diesen Vorgang einen raschen Blick durch die Risse des Mantels, unter dem er sich ängstlich barg, und bemerkte, dass sich das Meer unter den Hufen des Rosses weit ausbreite; doch es wurde ihm verboten, weiter diesen unerlaubten Anblick festzuhalten, und so wandte er seine Augen voller Staunen von der schaudererregenden Betrachtung ihres Weges ab.

Gleich darauf wurde er von Lokerus gefangen und er- probte aufs sicherste durch eigene Erfahrung, dass sich die ganze Prophezeiung an ihm erfüllte. Sodann bekriegte er den König Handvanus von Hellespontus^), der sich nicht in offener Feldschlacht, sondern in seiner Hauptstadt Duna^), durch uneinnehmbare Umschanzungen, Mauern und Wälle gedeckt, verteidigte. Da deren Höhe eine Erstürmung unmöglich machte, Hess er Vögel verschiedener Art, die an ihre Nester in jenem Orte gewöhnt waren, durch Vogelsteller fangen und an ihren Flügeln angezündete Schwämme *) be- festigen; sowie nun die Vögel ihre heimischen Nester wieder aufsuchten, setzten sie die Stadt in Brand ^). Als nun die 42 Städter zusammenströmten, um diesen zu löschen, Hessen sie

*) Odins Ross ist der achtfdssige graue Hengst äleipoir, der von Loki geboren ist. Vgl. Snorra Edda, Gylfag. Kap. 42 (Gering S. 331) und (reringä Anmerk. zu „Baldra Träumen*' Str. 2 (S. 16, 1).

*) Unter Hellespontus versteht Saxo die Länder um den Rigascheu und Finnischen Meerbusen; der Grund zu dieser sonderbaren Vorstellung ist wohl darin zu suchen, dass die Dänen im Mittelalter annahmen, et bestehe eine Seeverbindung zwischen dem baltischen und ägäischen Meere (durch Scythien oder Russland hindurch).

*) Das ist heute Dünaburg a. d. Düna, dessen Namen Saxo wohl eigenmächtig in die alte Sage hineingebracht hat.

*) Lat. fungi; man hat wohl an Angehörige der Pilzgattuug Poly- porus zu denken, aus deren korkigen oder holzigen Hüten Zunder (Feuer- schwamm) bereitet wird,

•) Dieselbe List wendet B. IV, S. 119 (ed. Holder) König Fridlewua an.

Kriegszüge des Hadingus. Othinus. 37

die Thore ohne Verteidiger. Da machte Hadingus einen An- griff und nahm Handvanus gefangen; er gestattete ihm aber sich durch Aufwiegen seines Körpers mit Gold loszukaufen ^), und obgleich er seinen Feind töten konnte, wollte er ihm doch lieber das Leben schenken. So sehr beschränkte die Milde bei ihm die Grausamkeit.

Als er dann noch eine starke Heeresmacht der Ostländer im Kampfe niedergeworfen hatte, kehrte er nach Schweden zurück. Swibdagerus trat ihm bei Gudlandia*) mit einer gewaltigen Flotte entgegen, aber er griff ihn an und besiegte 25 ihn. So gelangte er nicht nur durch Beute, die er Fremden abgewann, sondern auch die glückliche Ausübung seiner Rache für Vater und Bruder zu glänzendem Ruhme, und er ver- tauschte die Verbannung mit der Herrschaft, er, der sein Heimatland erst wieder aufsuchen durfte, als er König wurde.

Zu dieser Zeit wurde ein gewisser Othinus^) in ganz Europa, allerdings mit Unrecht, göttlich verehrt; in üpsala aber pflegte er sich am häufigsten aufzuhalten, und diesen Ort würdigte er, sei es wegen der Einfalt der Bewohner oder wegen der Anmut der Gegend, einer ganz besonderen Vorliebe in seinen Besuchen. Die Könige des Nordens wollten nun seine Göttlichkeit mit besonders hingebendem Eifer ehren und Hessen ein Bild von ihm in Gestalt einer goldenen Statue herstellen; diese Bildsäule sandten sie als Zeichen ihrer Verehrung unter den

*) Das Aufwiegen mit Gold ist ursprünglich eine der ältesten Formen des Wergeides, d. i. des Sühngeldes für einen Mord; vgl. Amira im (irundr. UI, 199.

*) Das ist die schwedische Insel Gottland.

*) Die folgende Darstellung ist recht bezeichnend für Saxos Aut- fassung von den alten Heidengöttern, die für ihn nichts als menschliche Betrüger sind; zugleich verfolgt er wohl auch die Absicht, sie durch seine spöttisch - lächerliche Schilderung noch um den letzten Rest von Ansehen zu bringen, das sie etwa beim Volke noch haben. Die ursprüng- lichen V^^orstellungen sind trotzdem noch deutlich zu erkennen. Ueber Odin, den ursprünglichen Sturmgott, dann den mächtigsten der Äsen, dessen Hauptkultusstätte in der That Upsala war, vgl. Mogk in Grundr. Hl, 828 ff.: E. H. Meyer S. 229 ff.; Golther S. 283 ff.; Uhland, Schriften zur Dichtung und Sage VI, 129 ff.; für seine Stellung bei Saxo Olrik I, 30 ff.

3K Erstes Buch.

höchsten religiösea Erfurchtebezeugungeii nach BizaDtium ') und Bclimückten sogar ihre Arme mit Spangen von schwerster Geldmasse. Othinus freute sich natürlich über dieses sein hohes Ansehen und belohnte eifrig die Anhänglichkeit der Absender. Seine Gemahlin Frigga*) aber liess, um schöner geschmückt einhergeben zu können. Schmiede herbei holen und das Gold von der Statue herabreissen. Die,<e Leute tötete Othinus, in- dem er sie aufhängte; die Bildsäule aber stellte er auf einen Sockel und verlieh ihr durch seine wunderbare Kunstfertig- keit die Gabe, bei menschlicher Berührung zu ertönen*). Aber Frigga zog nichts destoweuiger den Glanz ihrer Ge- I wandung den göttlichen Ehren ihres Gemahls vor; sie gah sich einem ihrer Diener preis und zerstörte auch auf dessen Veranlassung das Standbild, um das Gold, welches doch dem Aberglauben der Gesamtheit geweiht war, als Mittel für ihre eigene Leppigkeit zu verwenden. Sie betrachtete es als eine Kleinigkeit, ihre Ehre wegzuwerfen, wenn sie nur desto schneller ihre Habgier b-'friedijit,', dieses Weib, unwrmlig der Ehe mit einer Gottheit. Was brauche ich aber hier noch weiter hinzuzufügen, als dass eine solche Gottheit solch einer Gattin würdig war? Von so grossem Irrtum wurden einst die Gemüter der Menschen bethört, Othinus empfand uun. gereizt durch das doppelte Vergehen seiner Gattin, ebenso grossen Schmerz über die Schändung seines Bildes wie über die seines Ehebettes. Daher entschloss er sich aus Verdruss über die zwiefache Schmach und erfüllt von einem vornehmen Ehr-

') Dk'äfr Xttine (heul Konalanliiuipel) tri Btrclifu, die Mythologie in'ipHchst historisch zu de« im Osten godarhten D'ittorhoims. .^9f;ard. <

') üelier FrigR vrI. Annl. 2 8. 31 : sie ^ «L„lii lind ehelichen L'iitn'ue bezlchligl : vgl. ( Ml» ■|'lir>-m Str. 3 (S. IH. «). ferner liOkis V

l)ii'4i' tiiiiende Statue erinnert itn die Sago vi>u dein sprechenden

des gelöteten weisun Kieaeii Mlmlr. mil dem sich Odiu iih uoter-

redii VrI. Mngk i. (Jrundr. HI. 305 6: E. H. Meyer 8. 1«2: Holther

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Str. 28.

der Hab. zum Lied 31. 32 ff.

Othiiius. Frigga. 31ithotyn. 39

gefühl zu freiwilliger Verbannung und glaubte dadurch den Schmutz des ihm angetbanen Schimpfes austilgen zu können. Seinen Weggang benutzte ein gewisser Mithotyn^), der wegen seiner Zaubereien berühmt war, gleich als wäre er durch himmlische Gnade unterstützt, als Gelegenheit sich selbst als Gott auszugeben; er trübte den Barbaren die Sinne durch die Finsterniss neuer Irrtumer und verleitete sie durch den Ruf von seinen Zaubereien, seinem Namen göttliche Ehren zu erweisen. Er behauptete, der Zorn der Götter oder die Ver- letzung ihrer Majestät könue nicht durch gemeinsame, un- gesonderte Opfer gesühnt werden; daher verbot er, geüieiu- 26 schaftliche Gebete für diesen Zweck zu sprechen, und be- stimmte für jeden der Himmlischen besondere Trankopfer. Bei der Rückkehr des Othinus aber Hess er alle seine Zauber- mittel im Stich und floh, um sich zu verbergen, nach Finn- land, wo er bei einem Angriff durch die Einwohner erschlagen wurde. Selbst nach seinem Tode kamen noch Schandthaten von ihm zum Vorschein; denn wer sich seinem Grabe näherte, wurde von einem plötzlichen Tode hingerafft. Ja, er ver- breitete nach der l'lrfüUung seines Schicksals noch so grosses Verderben, dass es scheinen konnte, als habe er noch gräss- iichere Erinnerungszeichen au seinen Tod als an sein Leben hinterla.ssen, gleich als wolle er von den Schuldigen die Strafe für seine Ermordung einfordern. Durch dieses Unheil beun- ruhigt gruben die Bewohner seine Leiche aus dem Grabhügel aus, schlugen ihr das Haupt ab und durchbohrten ihre Brust mit einem spitzen Pfahle; das schaft'te dem Volke Abhilfe'^).

*) Die dage von Mitodin findet sich nur hier; der Name ist nicht als Mit-Odin (Genosse Odins) zu erklären, sondern wohl als Verstümmelung aus isl. mjptuör (ags. mcotod = Herrscher) mit dem angehängten Artikel -inn. Die Sage scheint sich aus der jahreszeitenmythischen Auffassung Odins zu erklären: vgl. Golther Ö. 307 ff., E. H. Meyer 8. 249 und den ähnlichen Mythus von Ullr, Saxo B. III S. 129 und Anm. 3.

*) Der Glaube, dass die Seelen Verstorbener wiederkehren und als Gespenster dann meist verderblich wirken, ist ganz allgemein; Ent- hauptung und Pfählung der Leiche ist dann das sicherste Mittel, dies zu verhüten. Vgl. auch Saxo B. V, S. 163 (Aswitns). Siehe darüber Mogk i. Grundr. III, 2«4 ff. : E. H. Mever S. 65. 70.

40 Erstes Buch.

44 Bald nachher erlangte Othiniis durch den Tod seiner Gemahlin den Glauben an seine frühere Herrlichkeit wieder und kehrte, gleich als ob hierdurch der Schandfleck auf seiner göttlichen Ehre getilgt sei, aus der Verbannung zurück. Alle diejenigen, welche während seiner Abwesenheit Ansprüche auf himmlische Ehren erhoben hatten, zwang er, dieselben als unberechtigt aufzugeben, und die Zauberergesellschaften, welche sich gebildet hatten, zerstreute er bei seinem Erscheinen wie eine finstere Wolke durch den Glanz seiner Majestät. Er veranlasste sie aber durch seinen Befehl, nicht nur ihre Gött- lichkeit aufzugeben sondern auch das Vaterland zu verlassen ; denn er meinte, mit Recht müssten diejenigen auch von der heimischen Erde verjagt werden, die sich so nichtsnutzig in den Himmel eingedrängt hatten.

Unterdessen Hess sich Asmundus, der Sohn des Swib- dagerus, um seinen Vater zu rächen, mit Hadingus in eine Schlacht ein. Sobald er erfuhr, dass sein Sohn Heinrich» den er mehr wie sein Leben liebte, im heldenmütigsten Kampfe gefallen sei, sang er voll Sehnsucht nach dem Tode und voll Hass gegen das Lebenslicht ein Lied folgenden Wortlauts:

„Welcher Held möchte wohl wagen unsere Waffen zu nehmen? Nichts nutzt der strahlende Helm dem Wankenden^), und zwecklos deckt die Brünne den schon Geschlagenen*). Erfreuen wir uns der Waffen nach dem Tode des Sohnes! Die innige Liebe zu ihm zwingt mich zu sterben, damit ich nicht mein teures Kind überlebe. Mit beiden Händen den Stahl zu fassen erfreut uns; jetzt wollen wir uns im Kampfe tummeln, ohne Schild, mit blosser Brust, mit funkelnder Klinge.

45 Leuchten soll der Ruhm von unserer Wildheit; kühn wollen wir die Schar der Feinde zermalmen. Nicht braucht uns erst ein langes Streiten zu erbittern, noch soll unser Ungestüm, durch die Flucht gebrochen, nachlassen."

Mit diesen Worten legte er beide Hände an den Schwert-

«7 griff, schwang, ohne auf die Gefahr zu achten, den Schild auf

den Rücken und weihte mehrere dem Tod. Daher rief Ha-

*) Damit meint er sich selbst.

Othinus. Hadingus u. Asmundns. 41

dingus die ihn schützenden göttlichen Mächte um Hilfe an, und plötzlich erschien Yagnhofthus als Vorkämpfer auf seiner Seite. Als Asmundus dessen krummes Schwert erblickte, brach er klagend in folgendes Lied aus:

„Was kämpfst du*) mit krummem Schwerte? Mein kurzes Schwert wird dir dein Schicksal bereiten, und der Wurfspeer, von mir geschleudert, wird dir den Tod bringen. Du vertraust darauf, den Feind, den du mit der Faust über- winden solltest, durch Zauberlieder zu zerfleischen, du ver- lädst dich mehr auf Worte als auf Kraft und verlegst deine Stärke in deine grosse Zaubermacht ! Weshalb stösst du mich denn so zurück mit dem Schildbuckel, unter Drohungen mit deinem kühnen Speer, während du doch mit elenden Ver- ' brechen überhäuft und mit Schandflecken besudelt bist? So hat dich das Mal der Schande gebrandmarkt, als ein von I^astern stinkendes Grossmaul.'*

Als er dies ausrief, durchbohrte ihn Hadingus mit seinem 46 Wurfspiess*). Aber Asmundus hatte noch einen Trost im Tode; denn noch mit dem letzten schwachen Reste seiner Lebenskraft verwundete er seinen Mörder am Fusse und strafte ihn so mit ewiger Lahmheit; durch diesen kleinen Augenblick der Rache machte er ihm seine Niederlage für immer denk- würdig. So ward dem einen die Verstümmelung eines Gliedes, dem andern das Ende des Lebens zu teil. Des Asmundus Leiche Hess Hadingus mit feierlichem Gepränge bestatten und in Upsala unter königlichen Ehren beisetzen. Seine Ge- mahlin Gunnilda gab sich selbst mit dem Schwerte den Tod, um ihn nicht zu überleben, und zog es vor, ihrem Manne in den Tod zu folgen, anstatt ihn durch ihr Weiterleben zu ver- lassen*). Als ihre Freunde ihren Körper bestatteten, legten sie ihn neben die Asche ihres Gemahls; denn sie hielten sie

*) Diese Trotz- und Herausforderung^srede gilt, wie das Folgende erweist, nicht dem Vagnhoftus sondern Hadding.

') Ijat. : hasta amentata, d. h. ein Wurfspiess, an dem ein Riemen befestigt ist; isl. snoeris-spjot.

•) Vgl. die ähnliche Geschichte der Swanhwita, der (remahlin des Regnerus, die aus Liebe zum Gatten stirbt (Buch II, S. 83).

42 Eratea Buch.

des Grabes dessen für würdig, den sie mehr ala das Leben geliebt hatte. So ruht nun Giinnilda an der Seite ihres Gatten und teilt mit mehr Khren jetzt sein Grab als früher sein Bett. Darnach verheerte der siegreiche Hadiogns Schweden; der Sohn AsmiiDdiie' aber, Namens Uffo, getraute sich nicht sich auf einen Kampf einzulassen, sondern setzte sein Heer nach Dänemark über. Denn er hielt es für vorteilhafter in das Land der Feinde einzufallen als das eigene zu beschützen und meinte, es sei eine zweckmässige Art Unbilden abzu- wehren, wenn er das, was er vom Feinde erlitten, ihm wieder zufügte. So sahen sich die Dänen gezwungen zur Verteidigung ihrer Heimat zurückzukehren, und da sie das Wohl ihres Vaterlandes der Herrschaft über fremden Besitz vorzogen, konnte lilTo den heimischen Boden wieder aufsuchen, der nun von den Waffen der Feinde befreit war.

t Als nun Hadingus aus dem Schwedenkriege zurück-

kehrte, bemerkte er. dasa seine Schatzkammt-r, in welcher er die aus den Feldzügen als Beute heimgebrachten Schätze /u verwahren pllegte, bestohlen worden sei. Den Aufseher darüber, Glumerus, liess er auf der Stelle hängen und machte dann nach einem listig ersunnenen Plane bekannt, dass der \»n den Schuldigen, welcher die Rückgabe des Gestohlenen ver- anlasse, die Khrenstelle, die Glumerus inne gehabt, erhalten solle. Durch dieses Versprechen wurde einer der Schuldigen von grösserem Eifer erfüllt, diese Gnade zu empfangen, als «ein Verbrechen zu verheimlichen und besorgte die Rückgabe des Geldes an den König. Die andern Mitschuldigen nun glaubten, er sei der engsten Freundschaft mit dem König ge- würdigt, hrachten in der Meinung, diese Ehre sei ebenso ehr- lich gemeint wie einträglich, ebenfalls in der Hoffnung auf tileiche Belohnung, das Geld zurück, und offenbarten so ihre Schuld. Auf ihr Geständnis hin wurden sie zuerst mit Kbren iiiid Wohlthateii empfangen, nachher aber mit dem Tode be-

-Iraft ein Verfahren, das eine recht eindringliche Warnung viir der Leichtgläubigkeit enthält. Meiner Ansicht nach haben dii'se Leute nach Verdienst am Galgen für den Bruch des Scliweigens gebüsst: denn die Thorheit ihrer Zunge stürzte sie

Hadingiis u. Glumerus. Schwedenkrieg. 43

ins Verderben, während ihnen heilsame Verschwiegenheit völlige Sicherheit gewährt hätte.

Darnach verbrachte Hadingus den Winter mit den eifrigsten Vorbereitungen zur Erneuerung des Krieges. So- bald die FruhlingRsonne das Eis geschmolzen, eilte er wieder nach Schweden und verbrachte dort fünf Jahre im Felde. Als nun aber die Lebensmittel im Laufe dieser langandauernden Unternehmung ausgingen, hatten seine Soldaten heftig unter der Abzehrung zu leiden und begannen bereits ihren Hunger mit Schwämmen des Waldes zu stillen. Endlich, beim äussersten Mangel am Notwendigsten, verzehrten sie auch die Pferde ^), und zuletzt begnügten sie sich gar mit Hundeleichen. Ja, man hielt es selbst nicht mehr für ein Verbrechen, Menschenfleisch zu essen. Als so die Dänen an den äussersten Rand der Ver- zweiflung getrieben waren, ertönte in früher Nachtzeit, ohne das« man den Sprecher sehen konnte, folgendes Lied im Lager:

„Cnter schlimmem Vorzeichen habt ihr das Vaterland verlassen, die ihr gedachtet dieses Land mit Krieg zu ver- folgen. Welch eitler Wahn verblendete euern Sinn? Welch blindes Zutrauen ergriflF eure Gemüter, dass ihr vermeintet, dieser Boden könne erobert werden? Die schwedische Macht ist ni<*ht so schwach, im Kriege mit Fremden nachzugeben oder zu erbeben. Aber euer gesamtes Heer wird zu Grunde gehen, wenn es den AngriflF auf das uusrige beginnt. Denn wenn die Flucht die ungestüme Kraft gebrochen hat und wankend ein Teil im Kampfe niedersinkt, dann wird den Siegern im Streite unumschränkte Macht zum Morden der Flüchtlinge gegeben; grössere Freiheit im Gebrauche des Schwertes wird gewährt, wenn das Schicksal den Gegnern zur jähen Flucht treibt, keiner erhebt wohl die WaflFen, den die Furcht fort- reisst."

Am folgenden Tage erfüllte sich diese Prophezeiung 48 durch eine verlustreiche Niederlage der Dänen. In der näch-

*) Pferdefleisch wurde sonst fast nur bei feierlichen Opfermählern gegessen: vgl. Kälund i. Grundr. III, 448; Wcinhold S. 145 (über Hunde ebenda S. 58).

^

44 Erstes Buch.

sten Nacht aber bekam die schwedische Mannschaft, auch ohne dass man wusste von wem, folgendes Lied zu hören:

„Weshalb fordert mich Uffo so heraus in schwerem Auf- ruhr, er, der doch die härteste Strafe dafür erdulden soll? Denn er wird durchbohrt werden, ein Ziel vieler Lanzen^ und leblos wird er zusammenstürzen, für die Kühnheit seines Unterfangens büssend. Nicht wird das Verbrechen seiner Scheelsucht ungerächt bleiben. Und nach meiner Weissagung werden, sobald er den Kampf beginnt und Hand dabei an- legt, die Geschosse in seine Glieder eindringen und von allen Seiten seinen Leib bestürmen; kein Verband wird die rohen OeiTnungen seiner Wunden bedecken und kein Heilmittel wird die weiten Ränder seiner Narben zusammenziehen/

Als in derselben Nacht die Heere zusammenstiessen., teilten zwei Greise von übermenschlich hässlicher Gestalt mit kahlen Häuptern, welche beim Funkeln der Sterne ein trauriger Anblick ihre Glatzköpfe zur Schau trugen, in- folge ihrer entgegengesetzten Neigungen und Bestrebungen ihre gewaltigen Kräfte ^). Denn der eine begünstigte die Partei der Dänen, der andere erwies sich als Freund der Schweden. Hadingus wurde besiegt und floh nach Helsin- gien^); als er sich dort, ausgeglüht von der Sonnenhitze, im kühlen Meereswasser badete, überwältigte er ein Untier von unbekannter Art, dem er mit zahlreichen Streichen zu Leibe ging, tötete es und Hess es in sein Lager schaffen^). Als er sich dort laut seiner That freute, trat ihm eine Frau ent- gegen und redete ihn folgendermassen an*):

') Wahrscheinlich beruht diese Vorstellunjf auch auf mytholoffischer Grundlage; man kann vielleicht an einen Kampf zweier Stammesgötter oder -Dämonen denken.

*) Helsingland, schwedische Provinz am ßottnischen Meerbusen.

•) Die Tötung dieses Ungetüms, unter dem sich ein riesisches Wesen birgt, bedeutet Haddings Bruch mit den Riesen, von denen er fortan ge- ächtet ist. Ein göttliches Wesen konnte jenes Tier nicht sein, da es dann nicht von Menschenhand hätte gefällt werden können; diese aU- gemein germanische Anschauung ist ßaxo allerdings nicht mehr bekannt.

*) Der tolgendo Fluch, zu dem Stephanius eine ziemlich ähnliche Sti>lle aus Ovid, Ibis 105 ff., als Parallele anführt, kann zwar durch dieses

i

Schwedenkrieg d. Hadingus u. seine Folgen. 45

„Ob du mit dem Fasse die Erde berührst öder die Segel 49 auf dem Meere ausspannst, wirst du docb die Feindschaft der Götter erfahren, und auf der ganzen Welt wirst du die Ele- mente als Gegner deiner Vorsätze sehen; auf dem Lande 30 wirst du Sturzen, auf dem Meere hin und her geschleudert werden, Wirbelstürme werden dich bei deinen Zügen beständig begleiten, und nie wird der starre Frost deine Segel verlassen. Kein Dach wird dich schützen, wenn du es aufsuchst, sondern vom Sturmwind getroffen wird es niedersinken. Deine Herde wird fallen vor grimmer Kälte. Alles wird durch deine An- wesenheit befleckt werden und über dein Los Schmerz empfin- den. Wie den verderblichen Aussatz wird man dich fliehen, und keine schlimmere Pest wird es geben als dich. So schwere Strafe messen dir die Himmelsmäcbte zu. Denn einen von den Himmlischen, der in fremdem Körper sieh barg, haben deine verruchten Hände getötet: So stehst du da als Mörder der segenspendenden Gottheit. Aber wenn das Meer dich aufnimmt, wirst du die entfesselte Wut der Be- wohner von Acolus' Gewahrsam empfinden. Zephyrus, der ßoreas und Auster werden dich niederwerfen, und um die Wette werden sie ihr vereintes Stürmen loslassen, bis du den Groll der Götter durch inniges Gebet erweicht und die ver- <liente Strafe zur Sühne erlitten hast^)."

Als nun Hadingus zurückkehrte, erfuhr er alles das genau in demselben Verlaufe, und schon durch seine blosse Ankunft brachte er die ruhigsten Stätten in Aufruhr. War er zur See, so erhob sich gewaltiger Nebel, und furchtbares Unwetter zerstörte seine Flotte. Suchte er als Schiffbrüchiger gastliches Obdach zu erreichen, so empfing ihn ein plötzlicher Einsturz des Hauses. Es gab auch keine Abhilfe gegen dieses Unheil, als bis er imstande war, durch Opfer sein Verbrechen zu sühnen und mit den Himmlischen sich wieder zu ver- söhnen. So brachte er denn, um das göttliche Walten zu 50 besänftigen, dem Gotte Frö ein Opfer von schwarzen Rindern

(jedicht beeinflusst sein; wahrscheinlicher aber ist die Uebertragung aus einem altnord. Original; vgl. die Busluboen i. d. Bosasaga (s. S. 33 A. 1). *) Dieser letzte Satz erinnert sehr an Vergil, Aen. I, 52 ff.

46 Erstes Buch.

dar. Diese Sitte des Suhnopfers, welches alljährlich festlich wiederholt wird, hinterliess er der Nachwelt zur Nachahmung. Die Schweden nennen das Fröblod^).

Hadingus hörte zufällig, dass Regnilda, die Tochter des Haquinus, des Königs der Nitherer^), mit einem Riesen verlobt war. Tief entrüstet über eine so schmachvolle Lage der Dinge, verhinderte er in seinem äussersten Abscheu gegen die beabsichtigte Verbindung durch ein edles Wagestück die Hochzeit. Er eilte nämlich nach Norwegen und tötete den so abscheulichen Liebhaber der Jungfrau im Kampfe. Denn er zog Heldenthaten so sehr der Müsse vor, dass er, obwohl er in königlichen Genüssen hätte schwelgen können, es doch für weit erfreulicher als jedes Vergnügen hielt, nicht nur eigene Unbilden, sondern auch die anderer abzuwehren. Da nun der Wohlthäter des Mädchens zahlreiche Wunden davon- getragen hatte, gewährte es ihm, ohne ihn jedoch zu kennen, Pflege und Heilung. Damit aber nicht die Länge der Zeit ihr die Erinnerung an ihn entreisse, legte sie einen Ring in eine Wunde in seinem Bein und hinterliess dadurch an ihm ein Kennzeichen. Einige Zeit nachher erhielt sie von ihrem Vater die Erlaubnis, sich selbst einen Gatten zu wählen, und als die junge Mannschaft beim Mahle versammelt war, musterte sie dieselbe gar sorgsam durch Betasten, denn sie 81 suchte nach dem einst niedergelegten Zeichen. Sie ver- 51 schmähte alle, Hadingus aber erkannte sie an dem verborgenen

*) I). h. Opfer fdr Frö. Diese Namensform ist sonst iii der nc»r- dischen Ueberliefcruiig nicht bekannt; sie steht bei Saxb tür Freyr. den Himmels-, Sonnen- und Lichtgott. Ueber ihn vgl. Mogk i. (Trundr, III. 318 ff.; K. H. Meyer S. 222 ff.; Golther S. 218 ff. Tebrigens handelt es sich wahrscheinlich bei diesem ersten Fröblot nicht , wie es hier klingt, um ein Siihnopter, sondern um einen Bund Haddings mit den Äsen, mit deren Hilfe er fortan die feindlichen Riesen bekämpft. Vgl. Olrik II. 6 ff.

') Das Volk der Nitheri ist nach Müller unbekannt. Holder erklärt Nitheri mit .,yid-Elven in Norwegen", Elton wirft die Frage auf, ob an die mythischen Njaren zu denken sei, die im Eddaliede von Wölund Str. 7 ff. vorkommen (Gering S. 143).

Hadingus u. Regnilda. Besuch d. Unterwelt. 47

Ringe, umarmte ihn und gab sieb dem zur Gattin, der einst verhindert hatte, dass der Riese sie zur Ehe gewann.

Als Hadingus bei ihr verweilte, geschah ein ganz wunderbares Ereignis. Denn während er speiste, sah man eine Frau, welche Schierling: trug, in der Nähe der Kohlen- pfanne ihr Haupt aus dem Boden erheben; sie hielt den Schoss ihres Gewandes hin und schien zu fragen, in welcher Gegend der Welt wohl so frisches Grün zur Winterszeit ge- wachsen sei. Da der König begehrte, dieselbe kennen zu lernen, hüllte sie ihn in ihren Mantel und versehwand, indem sie ihn mit sich unter die Erde hinabführte. Ich glaube, dies geschah so auf Bestimmung der unterirdischen Götter, damit er schon bei Lebzeiten einmal an den Ort gebracht werde, den er im Tode aufsuchen sollte. Zuerst nun kamen sie durch eine feuchtfinstere Nebelwolke, schritten dann auf einem vom beständigen (lehen schon abgenutzten Pfade ein- her, und erblickten einige prächtig gekleidete und in Purpur gehüllte vornehme Männer. Dort gingen sie vorüber und gelangten dann auf sonnige Gefilde, wo die von der Frau gebrachten Kräuter wuchsen. Bei weiterem Vordringen stiessen sie auf einen schnell dahingleitenden Fluss mit trübem Wasser, der in seiner reissenden Strömung Waffen verschie- dener Art mit sich trieb und zugleich durch eine Brücke überschreitbar gemacht war. Sie gingen hinüber und sahen, wie zwei Heere gewaltig miteinander kämpften. Als Hadingus die Frau über ihre Bedentung befragte, sagte sie: Das sind diejenigen, welche, vom Schwert in den Tod getrieben, die Art ihres Unterganges beständig im Bilde bezeugen und durch dieses Schauspiel hier die Thaten ihres früheren Lebens erneuern. Ihrem weiteren Vorwärtskommen stellte sich dann eine schwer zugängliche und schwer übersteigbare Mauer ent- gegen. Vergebens versuchte die Frau hinüberzuspringen, und da es ihr auch nichts half, dass sie ihre Körpergrösse durch Zusammenschrumpfen verminderte, so riss sie einem Hahne, den sie zufällig mit heruntergebracht hatte, den Kopf ab und warf ihn über die Mauer. Alsbald aber wurde der Vogel

4g Entea Buch.

wieder lebendig und bezeugte durch lautes Krähen, dass er in Wahrheit seioeu Lebensodem wieder erlangt babe^).

Nun kehrte Hadingus wieder um und schickte sich an mit seiner Gemabliu sein Vaterland wieder aufzusitchen: hier- bei vereitelte er durch seine schnelle Fahrt einen hinterlistigen 53 Ueberfall von Seeräubern, die ihm auflauerten. Denn obwubt sie von fast denselben Winden begünstigt wurden, konnten sie ihn, als er die Wogen durchfurchte, trotz der gleichen Anzahl von Segelu nicht einholen.

Unterdessen machte Uffo, der eine wunderbar schöne Tochter hatte, bekannt, dass derjenige, der Hadiogus ums lieben bringe, sie bekommen würde. Dadurch Uess sich ein gewisser Thuningus gar sehr verlocken; er sammelte eine Schar Biarmier*) und bemühte sich, den verbeissenen Preis SS zu gewinnen. Als Hadingus, um den Kampf mit diesem auf- zunehmen, mit seiner Flotte an Norwegen vorüberfuhr, be- merkte er an der Küste einen alten Mann, der durch emsiges Winken mit seinem Mantel zur Landung aufforderte '). Trotz

*) Nach dieaem Ueauch Haddinga in der Unterwelt hciaat daa Toten- reich auch in poeliachcr Umachreibung „Haddinga-Land" (2. Lied von Oudnin, Gering« Edda S. 24i3, Str. 28). Von den Bkalden wird es unter dem Xameu Walhall verherrlicht. Der Fluaa Tührt in den Edda- liedern verschiedene Namen: SliO (die Furch lerlichc), Ueir^-imul (die von ypeeren Wimmclndi'), tijifll (die Lärmende): vgl. Gering» Edda, Re- gister. Die Hauer lieiasl Val- oder Helgrind. Ueber Walhall vgl. daa Lied von Orimnir (Gering 8. 68 ff.: femer Mogk i. Orundr. III, 3e0ff.; E. H. Meyer, bea. S. 189 ff. (Siehe auch Rcfjister). Uolther 8. 289 ff., ms ff. titxot Voralellung ist nicht ganz lilar. Zu den altheidnischen acheinen sich antik-klaa^iache (vgl. bea. \'ergiL Aen. VI, 305—15, 295, I. 100) und vielleicht ancli chriallichc zu gesellen. Denn hinter Jenem Reiche des Todea. in welches die wegen ihrea O est allen Wechsels wohl als Kieain anfzu fassende Frau fuhrt, befindet aicb ein Reich ewigen Lebens, daa weder ain noch der Heide Haddlng betreten kann; es ist wohl aber wahrvclii'iiilicher an den altnurd. l'dainsakr ^= Uuslerblichkcitaacker zu dwikcn. I'.ber diesen a. d. Anm. z. B. IV. 105 (H'.ldcr). - Vgl. noch Malltfolioir, Üeutsi-he Altertumakde. V. ll.'i.

*t I). h. die I'ermicr oder Pennländer, ein finniacher Voiksatamm im hculiijon niaaischen rinuverncnient Perm: auch sie sind ein aagenhafivs ^ Volk, dns im Rufe gnisaer Zauberkünate steht, wie die andern Pinnen.

*| DiT Oreia Ist wieder (Min, der gemeinhin als der Erfinder der ilfÖmiii;cn Schlachtordnung gilt.

Hadingus' Kampf gegen die Biarmier. Othiiuis. 49

des Widerspruches seiner Gefährten, die meinten, das sei nur eine Verzögerung ihrer Reise, nahm er ihn an Bord und fand in ihm einen Lehrmeister für die Aufstellung des Heeres. Denn bei der Ordnung der Heerhaufen pflegte dieser sehr sorgsam darauf zu achten, dass die erste Reihe aus zwei Mann bestehe, die zweite aus vieren, dass die dritte bis auf acht an- wachse und immer so fort jede folgende die vorhergehende um das Doppelte überträfe^). Zugleich wies er auch den Scharen der Schleuderer ihre Plätze am hintersten Ende der Schlachtreihe an und vereinigte mit diesen die Glieder der Bogenschützen. Als er so die Scharen keilförmig aufgestellt hatte, nahm er selbst hinter den Kriegern seinen Stand und zog aus dem Sacke, welchen er um den Hals trug, eine Wurf- maschine hervor. Sie erschien zuerst zwar klein, bald aber nahm der Bogen bedeutend an Grösse zu, und er legte zehn Pfeile auf die Sehne. Diese wurden mit recht kräftigem Schwünge zugleich auf die Feinde geschnellt und schlugen 58 dort ebensoviele Wunden^). Da vertauschten die Biarmier die Waffen mit Zaubermitteln, überzogen den Himmel mit <iewölk und trübten das heitere Wetter durch düstere Regen- güsse. Der Alte hingegen verjagte diese Regenmasse durch eine Sturmwolke, die er entgegenschob, und bezwang den feuchten Niederschlag durch das Gegengewicht des Nebel- gewölks. Beim Scheiden verkündete der Greis dem siegreichen Hadingus, dass er nicht durch Feindesgewalt sondern durch freiwilligen Tod sterben werde, und er verbot ihm noch, ruhmreichen Kriegszügen unbedeutende und fernen nahe vor- zuziehen ').

') Die Reihen wachsen also in geometrischer Proportion ; die Nord- länder nennen diese Ordnung; Swinfylking, v^I. das Lied v. Regin (Gering 8. 201, Str. 23 u. Anm. 2). (tanz Aehnliches berichtet Saxo noch einmal <B. VII, 8. 248 Holder) von König Harald Kampfzahn.

*) Aehnliches berichtet auch die Jornsvikingasaga.

*) Diesen Rat Odins hat Hadding schon lange, ehe er ihn noch be- kommen, befolgt; vielleicht ist dies ein Zeichen, dass Saxos Bericht diu niiatsachen nicht in der ursprünglichen Reihenfolge bringt.

Saxo Grammaticus. *•

50 Erstes Buch.

Nach seinem Abschied wurde Hadingus von Uffo unter dem Vorwand einer Unterredung nach Upsala eingeladen. Dabei verlor er aber seine Gefährten durch einen Hinterhalt und entkam selbst nur unter dem schutzenden Dunkel der Nacht. Denn als die Dänen das Haus, in welchem sie sich vorgeblich zum Gastmahl hatten versammeln müssen, wieder verlassen wollten, war einer zur Stelle, der jedem, welcher den Kopf zur Thur hinaussteckte, denselben mit dem Schwerte abhieb. Hadingus vergalt die Schmach dieser Unthat durch einen Kriegszug und tötete Uffo. Dann aber legte er seinen Hass ab, übergab seine Leiche einem Mausoleum von aus- gezeichneter Arbeit und bekannte die Grösse seines Feindes durch die künstlerische Pracht seines Grabmals *j. So achtete er den, welchen er bei Lebzeiten mit feindlichem Grimme zu verfolgen pflegte, nach seinem Tode durch diese Ehren- erweisung. Und um sich die Neigung des besiegten Volkes zu gewinnen, betraute er Uffos Bruder Hundingus mit der Regierung desselben, damit es den Anschein habe, als ob die Herrschaft niclit sowohl auf Fremde übergegangen, als viel- mehr der Familie des Asmundus erhalten geblieben sei.

Als er so seinen Nebenbuhler beseitigt hatte, verbrachte er mehrere Jahre in völliger Zurückgezogenheit vom Waflfen- 88 handwerk und ohne störende Zwischenfälle. Endlich aber schützte er die lauge Beschäftigung mit dem Landbau und die allzugrosse Zurückhaltung von kriegerischen Thaten zur See vor, und da er denn doch den Krieg für angenehmer hielt als den Frieden, begann er sich selbst in folgendem Liede der Trägheit zu zeihen^):

') Dieser Bericht ist übertrieben; die (Trabhügel sind meist ganz einfach aus Erde, unten und mitunter auf der Spitze mit Steinen aus- geschmückt, die manchmal Inschriften tragen. Vgl. Weinhold 8. 485. K&lnnd i. (inindr. III, S. 427, 411; für Einzelheiten Sophus 3Inller, Nord. Altert uroskde., übers, v. Jiriczek (Strassburg 1897 98) passim.

*) Das folgende Lied ist die Uebersetzung oder Bearbeitung eines uns in der Snorraedda zum Teil erhaltenen (»edichtes. eines Gespräches zwischen XjörÖr und SkaOi (Gylfaginning, Kap. 21 = Gering 8. 818). Id seinem Bestreben nach Rhetorik und Fülle hat Saxo den einfachen Gedanken weiter ausgesponnen und auch den für Skandinavien nicht

Hadingus u. Uffo. Ruhezeit. 51

„Was verweile ich in düsteren Verstecken, verborgen in zerklüfteten Hügeln, und folge nicht mehr nach alter Sitte 54 dem Meere? Aus den Augen vertreibt mir den Schlaf der heulende Lärm der Wolfsrudel, der bis zum Himmel dringende Klageruf unnützer Tiere und der unerträgliche Grimm der Löwen. Traurig sind Berge und Einöden für Herzen, die sich einst wildere Thaten getrauten. Starre Felsen und unzugäng- liche Stätten sind dem Sinne dessen zuwider, der das Meer liebt. Denn eine bessere Beschäftigung ist es, die Fluten mit dem Ruder zu erproben, über erbeutete Waren zu jubeln, fremdem Gelde für den eigenen Beutel nachzugehen, auf der See erworbene Schätze zu betrachten, als auf holperigem 55 Boden, in den Windungen der W^älder und auf unfruchtbaren Bergländern zu wohnen."

Seine Gemahlin aber liebte das Landleben und verab- scheute den Morgenruf der Seevögel; welches Vergnügen für sie in dem Besuche waldiger Stätten lag, enthüllte sie in folgenden Versen:

„Der hellrufende Vogel ängstigt mich, wenn ich am Strande weile, und sein Schrei stört mich auf, wenn ich schlaflos bin. Dann wieder verscheucht das donnernde Brausen des brandenden Schwalls die süsse Ruhe von meinem Auge, wenn ich schlafe; der geschwätzige Taucher lässt mich bei Nacht nicht schlummern, indem er seine lästige Stimme meinem zarten Ohre aufdrängt, und verstattet mir keine Er- holung, wenn ich mich niederlegen will; denn er klagt in den traurigen Lauten seiner unheilvollen Stimme. Für sicherer und angenehmer halte ich die Freude an den Wäldern. Wann wird einem denn mehr der Genuss der Ruhe bei Tag und bei Nacht gestört, als wenn man schwankend auf den Fluten der See umhertreibt?"

Zu ebenderselben Zeit gelangte ein gewisser Tosto, aus 34 einem unbedeutenden Oertchen Jütlands gebürtig, durch seine Wildheit zur Berühmtheit. Mit allerlei Schandthaten plagte

paasenden Löwen hereingebracht. Der Schluss ist bezeichnend für Haddings echte Wikingergesinnung.

52 Erstes Buch.

er das Volk und verbreitete die Kunde von seiner Grausam- keit weithin. Ja der Ruf von seiner Bosheit ward so allge- mein, dass man ihn mit dem Beinamen des „Schändlichen^ ^) brandmarkte. Er hielt sich aber auch nicht von Beleidigungen Fremder fern, und nach schandbarer Verheerung seines Vater- landes suchte er auch Sachsen heim. Der Fürst dieses Landes, Sifridus^), dessen Gefährten im Kampfe sehr gelitten hatten, bat um Frieden, und Tosto sicherte ihm die Erfüllung dieser Bitte zu, wofern er ihm seine Bundesgenossenschaft in einem Feldzuge gegen Hadingus versprechen wollte. Als er wider- strebte und die Erfüllung dieser Bedingung scheute, zwang ihn Tosto durch heftige Drohungen zu dem verlangten Ver- sprechen. Denn es kommt ja vor, dass man durch Drohungen erreicht, was in Gute nicht gelingt. In einem Gefechte zu 56 Lande wurde Hadingus von ihm besiegt. Als er aber bei seiner Flucht auf die Flotte des Siegers stiess, bohrte er die Seiten der Schiflfe an und machte sie so seeuntüchtig ') ; dann bestieg er einen Nachen und steuerte ins hohe Meer hinaus. Tosto meinte, er sei erschlagen, obgleich er lange unter den untereinander geworfenen Leichen der Gefallenen herumsuchte, ohne ihn finden zu können, und kehrte zu seiner Flotte zurück. Hier sah er alsbald in der Ferne mitten auf den Meereswogen das kleine Boot treiben. Er zog einige Schiffe zusammen und beschloss, es zu verfolgen; doch durch den drohenden Schiffbruch wurde er zur Umkehr gezwungen und konnte nur mit Mühe das Ufer wiedergewinnen. Darauf aber nahm er schnell seetüchtige Schiffe und vollendete seine begonnene Fahrt. Als Hadingus sah, dass man ihn fest habe, fragte er seinen Begleiter, oh er schwimmen könne, und als dieser verneinte, stürzte er, am Entkommen verzweifelnd, absichtlich das Boot um und hielt sich in der inneren Höhlung fest; dadurch erweckte er bei seinen Verfolgern den Glauben, als

') Lat.: Facinorosus; sonst ist er nicht bekannt.

^ Bei diesem Siep^ed kann man wohl kaum an eine bestimmt«, sonst irgendwie bekannte Persönliclikeit denken: der Xame scheint wUI- kürlich gewählt.

•) Dieselbe Kriegslist finden wir im 11., V. und XUI. Buche wieder.

Kämpfe des Hadingus gegen Sifridus u. Tosto. 53

ob er tot sei. Als sich dann aber Tosto unbesorgt und allzu habgierig auf den noch vorhandenen Rest der Beute warf, grilT ihn Hadingus unvermutet an, schlug sein Heer, zwang ihn, die Beute im Stiche zu lassen und rächte sich so für seine eigene Flucht durch die der Feinde.

Auch in Tosto blieb aber das Rachegelüste nicht aus. Denn da er wegen der Grösse des erlittenen Schlages keine Möglichkeit mehr hatte, neue Streitkräfte in seinem Vater- lande zu gewinnen, begab er sich als sein eigener Gesandter nach Britannien. Auf dieser Reise forderte er seine Ge- fährten aus Mutwillen zum Würfelspielen^) auf, und- sobald sich ein Streit über das Fallen der Würfel erhob, lehrte er sie, denselben durch ein unheilvolles Morden zu schlichten. So säte er durch den harmlosen Zeitvertreib Zwietracht in das ganze Schiff, der Scherz verwandelte sich in Ernst und erzeugte einen blutigen Kampf. Und um selbst einigen Vor- teil von dem Unglück der andern zu haben, bemächtigte er sich des Geldes der Getöteten und gewann damit einen ge- wissen Collo^) für sich, der damals wegen seiner Seeräuberei 57 berühmt war. In dessen Begleitung kehrte er bald darauf in die Heimat zurück, wurde von Hadingus, der es vorzog, 35 sein eigenes Geschick anstatt das seiner Soldaten aufs Spiel zu setzen, zum Zweikampf herausgefordert und erschlagen. Es wollten nämlich tapfere Feldherren vom alten Schlage nicht unter Preisgabe der Gesamtheit das herbeiführen, was durch das Schicksal weniger entschieden werden konnte').

Nach diesen Thaten erschien Hadingus das Schattenbild seiner verstorbenen Gemahlin*) und sang folgendes:

„Ein Ungetüm ist dir geboren, welches die Wut wilder Tiere bezähmen und mit grimmigem Rachen die raschen Wölfe zermalmen wird."

») Ueber das Würfelspiel vpl. Weinhold S. 468-9.

*) Die Namen CoUo oder CoUerus (Kollr) finden sich öfter; siehe auch Buch UI S. 137, und VIII, 259 (Holder).

') Beispiele hierfür sind häufig, auch bei Saxo.

*) Träume spielen bei den Skandina\nern eine grosse Holle; vgl. Henzen, Ueber die Träume in der altnordischen Sagalitteratur, Lpzg. 1890.

54 Erstes Buch.

Aber bald nachher fügte sie noch etwas hinzu: „Hüte dich; ein dir verderblicher Vogel ist von dir aus- gegangen, nach seiner Bosheit ein wilder Uhu, nach seiner Stimme ein sangreicher Schwan."

Als der König am Morgen den Schlaf abgeschüttelt hatte, legte er die Erscheinung einem Traumdeuter vor. Dieser erklärte den Wolf als einen Sohn, der recht grausam sein werde, und unter dem Schwane verstand er eine Tochter; er prophezeite, jener werde den Feinden verderblich, diese gegen ihren Vater heimtückisch sein. Der Erfolg entsprach dieser Weissagung; denn Hadingus* Tochter Ulwilda^) war mit einem Privatmanne, (iuthormus, verheiratet, und, mochte sie nun von Entrüstung über diese Verbindung oder von Ruhmsucht getrieben werden, sie wiegelte ohne Rücksicht auf kindliche Liebe ihren Manu zur Ermordung ihres Vaters auf; ja sie erklärte, sie wolle lieber als Königin denn als Königs- tochter angesehen sein. Die Art und Weise ihrer Aufreizung habe ich mit ungefähr denselben Worten wiederzugeben be- schlossen, die sie dabei gebraucht hatte; es waren etwa folgende*): 58 Ach ich elende, deren Adel durch eine unebenbürtige

Eheverbindung verdunkelt wird! Ich unglückliche, an deren Stammbaum bäuerliche Niedrigkeit gefesselt wird! Ich un- seliger Fürstenspross, dem ein Plebejer nach dem Recht des Ehebettes gleich wird! Ich beklagenswerte Königstochter^ deren Ehre ihr feiger Vater gemeinen und verächtlichen Um- armungen preisgegeben hat! Ich bejammernswertes Kind meiner Mutter, dessen Glück die Gemeinschaft dieses Bettes vernichtet, dessen Reinheit bäurischer Schmutz besudelt, dessen Würde gemeine Unwürdigkeit niederbeugt, dessen Adel der Stand des Gatten befleckt! Wenn dir nur ein bisschen Kraft inne wohnt, wenn nur ein wenig Tüchtigkeit

') Dieser Name, nhtjeU*itot von iilfr = Wolf, ktMinzeichnet sie schon.

*) Dio fol^onde Ro<io ist nicht in Versform: die üppige und schwülstige Uhotorik kommt wohl sicher auf Saxos Rechnung, der solche Oelegenheiten gern benutzt, nni seine Kunst im Lateinschreiben zu zeigen. Rin altes liied kann natürlich trotzdem zu (irunde liegen.

Ulwildas Empörung. 55

dein Herz beseelt, wenn du dich als würdiger Eidam des Königs erweisen willst, so entreisse deinem Schwiegervater den Herrscherstab, erwirb dir Adel durch deine Tapferkeit, mache den Mangel an edler Geburt durch deine Thatkraft gut, gleiche den Schaden des Blutes durch Mut aus. Preisens- werter ist Ehre, wenn sie durch Kühnheit, als wenn sie durch Erbschaft erworben ist. Besser erklimmt man den höchsten Gipfel durch eigene Tüchtigkeit als durch Nachfolge. Rühm- licher gewinnt das Verdienst Ehren als die Natur. Und dann bedenke! Es ist keine Sünde, das Greisenalter zu stürzen, 86 welches unter seiner eigenen Last schon dem Untergange zuneigt. Deinem Schwiegervater wird die Herrschaft so langer Jahre genügen. Die Macht dieses Greises möge dir zufallen; denn, wenn du darum kommst, wird sie auf einen andern übergehen. Was dem Alter noch bleibt, ist nahe dem Fall ^). Jener mag genug geherrscht haben, dir soll es endlich auch einmal zukommen zu gebieten. Lieber ist es mir ferner, wenn mein Mann, als wenn mein Vater herrscht. Lieber will ich als Königin denn als Königstochter gelten. Besser ist es, den Fürsten vertraulich zu umarmen, als ihn ausser- lieh zu verehren, ruhmvoller, den König zu heiraten, als ihm nur zu Willen zu sein. Du müsstest für dich selbst das Scepter lieber haben wollen, als für deinen Schwiegervater. Denn nach Naturtrieb ist sich jeder selbst der Nächste. Gelegenheit wird sich leicht zu dem Beginnen bieten, wenn nur der Wille zur That gekommen ist. Nichts giebt es, was dem Talent nicht gelänge. Ein Gelage ist abzuhalten, ein Festmahl zu rüsten, Vorbereitungen sind zu treffen, mein Vater ist einzuladen. Erheuchelte Liebe wird dem Verrate den Weg ebnen. Mit dem Namen der Verwandtschaft werden am besten solche Anschläge gedeckt. Ausserdem wird die Trunkenheit dem Morde glatte Bahn eröffnen. Wenn der König, mit der Ordnung seines Haares beschäftigt, seine Aufmerksamkeit den Erzählungen zuwendet und mit der Hand den Bart streicht, wenn er die Wirrnis seines Haupt- 59

*) Sprichwörtlich: Ein wankender Baum wird bald fallen.

56 Krslcs Buch.

haars mit dem Haarpfeil oder mit dem Kamme ') nchliebtet, danu soll er fühlen, wie sich das Eisen in seine Eingeweide bohrt. Wenn man etwas zu thun hat, achtet man gewöhnlich nicht sehr anf Vorsicht. Deine Rechte soll die Rächerin so vieler Verbrechen werden. Wohlgefällig ist es, die Hand zur Sühne gegen Feiende*) auszustrecken.

Da t'lwilda so drängte, gab Cutliormus ihren Ein- flüsterungen nach und versprach seine Unterstützung bei dem Anschlage, tnterdeasen aber ward Hadingus durch einen Traum gemahnt, sich vor der Arglist seines Schwiegersohnes zu hüten. Er begab sich zu dem Mahle, welches seine Tochter liebeheuchelnd für ihn veranstaltet hatte, stellte aber eine Schar BewalTneter in der Nähe auf, um sich im Falle des Bedarfs ihrer Hilfe gegen den t'eberfall zu bedienen. Als er ass, hielt der Trabant, welcher für die Ausübung der Schaud- that gewonnen war, das Eisen unter seinem Kleide verborgen und wartete schweigend den rechten Augenblick zu dem Ver- brechen ab. Der König bemerkte ihn und gab seinen in der Nühe aufgestellten Soldaten mit dem Hom das Zeichen. Sie brachten alsbald Hilfe, und so fiel das hinterlistige Unter- nehmen auf seinen Anstifter zurück.

Unterdessen hatte der Schwedenkönig Hundingus fälsch- lich die Nachricht vom Tode des Hadingus erhalten und wollte mm denselben mit einer Leichenfeier*) begehen. Er ^ersammelte seine Edlen, füllte ein Geßss von au.-iserordent- lieber Grösse mit Gerstensaft und Hess es zu aller Freude mitten unter den Gästen aufstellen; und damit keine Feier- lichkeit unterbliebe, übernahm er selbst die Rolle des Dieners fO und zögerte nicht, das Schenkenamt auszuüben. Als er nun in Erfüllung dieser Pflicht die Königshalle durchschritt.

1

') Ueber soli-he Schmuck- und Toi IPttcniiL-gcn stände vgl, )[üller- .liiiczek. Xord. Allertumskdp. -p«88im.

'1 Nach dpm LaloinUi-lien (niiseroruiii) köiiuto auch dai Xeutrum (Kk't;)), Schlechti);ki'i() ift^m^i"' ^^in.

•) Ein Hchr wi^aviitUchor Bestandteil dt-rsfllieii ist nach «llKemein t,-i iiTianUchem Itraiifh der Leiche lisch maus. altnnrU, erfiöl (= Erbbier); vel. ft'einhold S. ,'iOO.

Ulwilda. Tod des Hundingus u. Hading^us. 57

strauchelte er, stürzte in das Gefäss und gab, in der Flüssig- keit eingeschlossen, seinen Geist auf^), als Sühne vielleicht 87 für den Orkus, den er so für die falsche Ausübung der Leichen- feier versöhnte, vielleicht auch für Hadingus, dessen Tod er irrtümlich angenommen hatte. Als Hadingus dies erfuhr, wollte er ihm, der ihn geehrt, gleichartigen Dank erweisen, und da er es nicht über sich gewann, den Toten noch zu über- leben, erhängte er sich angesichts des ganzen Volkes*).

Ende des ersten Buches.

^) Die gleiche Todesart berichtet die YngUngasaga, Kap. 14, von dem Schwedenkönig Fjölnir. als er einst Frode von " Seeland besuchte. Da dieser Bericht älter ist, hat wohl einfach Saxo oder sein (lewährs- mann die Geschichte auf seinen Helden übertragen.

•) Von Selbstmord hören wir öfter; (vgl. die weiteren Angaben bei Jiriczek, Deutsche Heldensagen [Strassburg 1898] I, 65 ff.). Das Erhängen ist keine schimpfliche Todesart; denn sie ist Odin am meisten genehm. Die Opfer fiir ihn, Menschen oder Tiere, sowie Verbrecher, die gegen ihn gefrevelt, werden so getötet. Odin heisst ja selbst hangaguO; vgl. E. H. Meyer S. 200, 233.

88; 61 Zweites Buch.

Hadingus' Nachfolger war sein Sohn Frotho. dessen Schicksale wechselvoll und merkwürdig waren *). Als er die KnabeDJalire zurückgelegt hatte, zeigte er die Vollendung aller Tugenden eines jungen Kriegers *). Um diese nicht der Träg- heit zum Opfer fallen zu lassen, hielt er sich von Vergnüg- ungen fern und wandte seine Aufmerksamkeit emsig denWaffen- übnngen zu. Als der Schatz seines Vaters durch kriegerische Unternehmungen erschöpft war und er keine Möglichkeit mehr hatte, Sold zu zahlen, um eiü Heer zu unterhalten, sann er eifrig nach Hilfsmitteln für die nötigsten Bedürfnisse und wurde dabei von einem Stammesgenossen, der ihm begegnete, durch folgendes Lied aufgemuntert:

„Eis liegt eine Fnsel nicht fern von hier, in sanften Ab- hängen sich erhebend; Erz deckt sie mit ihren Hügeln, und kostbare Beute birgt sie. Einen herrlichen Schatz hütet hier der Besitzer des Berges, eine Schlange, in Windungen gewickelt und in zahlreiche Ringe verschlungen; mit dem Schwänze schlägt sie wellige Bogen und beschreibt vielfache Spiralen, Gift speit sie. Wenn du sie besiegen willst, so überziehe 62 deinen Schild, den du verwenden musst, mit Stierfellen, schütze

*) Die Frodesajfp hän^t zeitlich und innerlich mit der Uaddin^^ssage zusammen, sie ist wi*» jene eine Wikinjjersage und ebenfalls norv'ejfi sehen Ursprunges. Saxos Darstelhinp ist aber niciit rein; einijje Zü^e sind einer andern, dänischen Frodesajje entnommen, deren Held Frode der Friedsame ist (behandelt im V. Buche), und unseres Frode Tod erinnert sehr an den eines dritten Frode, des Kühnen (B. VT). Für das Einzelne v^\. die An- merkunjren; siehe auch Olrik IT, {♦ff.

*) Frodes Jugend gleicht der Si'in«'s Vaters IJadding. S. S. 30.

Frotho I. Jugend u. Drachenkampf. 59

deinen Leib mit Rinderhäuten, und sorge, dass deine Glieder sich nicht nackt dem bitteren Gifte aussetzen. Ihr Geifer verbrennt alles, vas sie anspeit. Mag immer die dreigezackte Zunge zuckend im geöffneten Maule hin und herspringen, mag nie mit dem schrecklichen Rachen schreckliche Wunden an- drohen, denke daran unerschrockenen Sinn und Mut zu be- wahren. Lass dich nicht anfechten die Spitze ihres scharfen Zahnes, nicht ihre Wildheit noch das Gift, das rasch ihrem Schlünde entströmt. Wenn auch die Stärke ihrer Schuppen Geschosse nicht achtet, so wisse doch, dass unten am Bauch eine Stelle ist, an der du das Eisen einbohren kannst. Dahin ziele mit dem Schwerte, und du wirst die Schlange mitten durchstossen. Dann gehe furchtlos auf den Berg, setze die Hacke an, grabe und durchsuche die Höhlungen. Alsdann fülle sogleich deine Beutel mit dem Erz und führe dein Schiff wohl beladen ans Ufer zurück."

Frotho schenkte dem Liede Glauben und setzte ganz 89 allein nach der Insel über, um das Ungetüm genau so ohne Begleiter zu bestehen, wie man auch Helden anzugreifen pflegte ^). Die Schlange hatte gerade Wasser getrunken und wollte ihre Höhle wiederaufsuchen*); da wurde sie von Frotho mit dem Schwerte angegriffen, aber die Härte ihrer greulichen 63 Haut verachtete die Streiche. Auch die Speere, die er gegen sie schleuderte, spotteten der Anstrengung des Schützen und hatten nicht den Erfolg sie zu verwunden. Während nun die AViderstandsfähigkeit ihres Rückens nicht nachgab, musste jene Stelle am Bauche, die nur allzu genau bezeichnet war, dem Schwerte Einlass gewähren. Als sie sich noch durch einen Biss rächen wollte, bohrte sie die scharfen Spitzen ihrer Zähne nur in den Schild; unter vielfachem Züngeln hauchte sie Gift und Leben zugleich aus.

*) Bezieht sich auf den Gebrauch bei Einzelkämpfen oder Holm- ((ängen , die ganz gewöhnlich waren , von manchen Kämpen oder Ber- serkern sogar gewerbsmässig aiisgefochten wurden. Vgl. bes. Weinhold, S. 297, Olrik I, 56 ff. Bei Saxo u. a. auch III, S. 85, 86, und IV, 112 und 115 (Holder).

*) Vgl. das Lied von Fafnir, prosaische Einleitung. (Gerings Edda S. 202).

60 Zweites Buch.

Das gefundene Geld machte den König reich, und damit versehen landete er mit seiner Flotte an der Küste der Kur- land er ^). Deren König Domo soll nun aus Furcht vor dem gefährlichen Kriege an seine Soldaten eine Rede folgenden Inhalts gehalten haben^): Edle! Wir wollen dem fremden Feinde, der mit den Waffen und Hilfsmitteln fast des ganzen Abend- landes ausgerüstet ist, durch heilsamen Verzicht auf eine Feld- schlacht, durch die Macht des Hungers die Spitze bieten. Das ist ein innerliches Uebel. Sehr schwer wird es ihm sein, gegen diese Gefahr im eigenen Heere anzukämpfen. Leicht leistet man Hungernden Widerstand. Wir werden den Gegner besser mit Hunger als mit W^affen angreifen, und kein schärferes Geschoss als den Mangel gegen den Feind kehren. Die kraft- verzehrende Pest wird durch den Mangel an Nahrung genährt. Mangel an Unterhalt untergräbt die Macht der Waffen. Dieser möge, während wir uns ausruhen, seine Geschosse schleudern, er möge Rechte und Pflichten des Kampfes übernehmen. Ohne 64 Blutverlust können wir ihnen ihr Blut abzapfen. Den Feind in aller Ruhe überwinden ist das Richtige. Wer würde denn lieber unter eigenem Schaden kämpfen als in Sicherheit? Wer möchte sich wohl bemühen eine Strafe abzuwarten, wenn er ungestraft streiten kann? Glücklicherer Erfolg wird die Waffen begleiten, wenn der Hunger als Vorbote den Krieg einleitet. Unter seiner Führung wollen wir die erste Gelegen- heit zum Kampfe benutzen. Unser Lager soll frei von jeder Unruhe bleiben, er möge statt unser die Entscheidung herbei- führen. Erst wenn jener besiegt zurückweicht, ist unsere Müsse zu unterbrechen. Leicht wird vcm frischen Kräften der Er- mattete überwältigt. Die abgezehrte Rechte wird nur noch mit Mühe zu den Waffen greifen. Wen zuvor die Anstren- gung erschöpft hat, der wird nur langsam die Hand ans Schwert legen. Schnell ist der Sieg entschieden, wo der von Ent- behrung Angegriffene mit einem starken Gegner ficht. So

*) Auch Haddings erster Zug jjalt diesein Volke. (S. 35). ') Keden (hier u. ö.. namentlieh noch S. 73 ff.) benutzt Saxo gern zu dem in Anm. 2 S. 54 angedeuteten Zwecke.

Frothos Kampf gegen die Kurländer u. Rutenen. Q\

werden >vir, ohne selbst Schaden zu nehmen, den anderen Schaden verursachen können.

Nach dieser Rede plünderte er alles, was nach seiner Ansicht schwer zu schützen war, und er kam in der Ver- heerung seines Vaterlandes der Wut des Feindes so sehr zu- vor, dass er keinen Platz unversehrt Hess, der den Nach- 40 ruckenden hätte als Stütze dienen können. Den grössten Teil seiner Truppen barg er dann in einer Festung von un- bezweifelter Stärke und Hess sicli vom Feinde belagern. Da Frotho die Hoffnung aufgab, diese Festung zu erobern, Hess er innerhalb seines Lagers mehrere Gräben von ungewöhn- licher Tiefe ziehen, die Erde in Körben heimlich hinwegtragen und in aller Stille in den Fluss werfen, der unweit der Mauern «5 floss. Dieses listige Werk machte er dadurch, dass er die Gräben mit dichtem Rasen belegen Hess, unbemerkbar; denn er wollte den unvorsichtigen Feind durch einen Absturz ver- nichten, und er rechnete darauf, dass durch das Nachgeben der trügerischen Schollen die überraschten Gegner verschüttet werden würden. Darnacli begann er in erheuchelter Flucht ein wenig das Lager verlassen. Da fielen die Städter über dasselbe her, verloren überall den Halt unter den Füssen und stürzten in die Gruben, wo sie Frotho durch einen Hagel von Speeren niedermetzeln Hess.

Von hier zog dann Frotho weiter und überfiel Tran no, den Fürsten der Rutenen^). Als er im Begriff war die Stärke vod dessen Seemacht auszukundschaften, Hess er eine Menge hölzerner Pflöcke machen und ein Boot damit beladen. Mit diesem näherte er sich bei Nacht heimlich der feindlichen Flotte und bohrte die Schiffe ganz unten an^). Damit nun nicht ein plötzliches Eindringen der Wogen herbeigeführt werde, verstopfte er diese Üeffnungen mit den schon vorher zurechtgemachten Holznägeln und machte so den Schaden des Bohrers durch die Pflöcke wieder gut. Aber sobald nach seiner Meinung die Zahl der Löcher zur Versenkung der Flotte

*) = Russen.

') Vgl. dieselbe List Haddings S. 52.

Q2 Zweites Buch.

ausreichte, Hess er die Hemmungen herausziehen und gewährte dem Wasser freien Zutritt, während er sich beeilte mit seiner Flotte die feindliche zu umstellen. So wurden die Rutenen von ein«r doppelten Gefahr bedroht und wussten nicht, ob sie zuerst gegen lUe Waffen oder die Wellen ankämpfen sollten. Während sie sich bemfthen, ihre Fahrzeuge gegen den Feind zu verteidigen, gehen sie durch Schiffbruch zu Grunde. Die Gefahr, die ihnen von innen drohte, war noch schlimmer als die von aussen. Während sie nach aussen das Schwert zucken, müssen sie innen der Flut weichen. Zwei Fahrnisse stürmen zugleich auf die unglücklichen ein. Es war ungewiss, ob sie schneller im Schwimmen oder im Kämpfen Rettung suchen sollten. Den heissesten Entscheidungskampf unterbricht eine neue Tücke des Schicksals. Zwei Todesarten treten zu gleicher Zeit auf, zwei Wege zum Verderben vereinigen ihr gemein- sames Dräun. Es war zweifelhaft, ob Schwert oder Wogen ihnen härter zusetzten. Wer die Klinge gebrauchen will, den

66 rafft schweigend die eindringende Flut hin. wer dagegen den Wellen widerstehen will, den würgt das feindliche Schwert. Die Fluten wurden von den Blutströmen rot gefärbt.

Nach diesem Siege über die Rutenen kehrte Frotho in sein Vaterland zurück. Dann schickte er Gesandte nach Russ- land mit dem Auftrage, den Tribut einzutreiben; aber diese wurden durch die Treulosigkeit der Bevölkerung grausam er- mordet. Auf die Kunde hiervon eilte er infolge der doppelten ^) Beleidigung hin und bedrängte die Stadt Rotala^) gar hart durch eine Belagerung. Damit nun nicht der zwischen ihm

41 und der Stadt fliessende Strom die Einnahme allzulange ver- zögerte, teilte er die ganze Wassermasse durch verschiedene neue Ableitungen und verwandelte so ein Flussbett von un- bekannter Tiefe in gangbare Furten. Er liess nicht eher ab, als bis der allzureissende Strudel durch die Spaltung ge- schwächt in langsamerer Strömung seine Wellen dahingleiten liess und in schwächlichen Windungen, durch manche Untiefe

*) I). i. die Verweigerung des Tributs und die Ermordung der Ge- sandten.

*) Ist jetzt Rwtel in Estland.

Frothos Kämpfe geg^en die Rutenen u. Handvanus. 63

eingeschränkt, kraftlos dahinfloss. So bezwang er den Strom, und dann warf er die Stadt, die ihres natürlichen Schutzes beraubt war. durch einen Einfall mit seinen Soldaten ohne Widerstaad nieder. Nach dieser That führte er sein Heer gegen die Stadt Paltiska^). Da er glaubte, dass diese mit Gewalt nicht einnehmbar sei, vertauschte er den offenen Kampf mit der List. Er begab sich nämlich unter dem Mitwissen nur weniger an einen ganz versteckten, unbekannten Schlupf- winkel und befahl, um die Angst beim Feinde zu vermindern, die Kunde zu verbreiten, als sei er gestorben ^). Zur grösseren Wahrscheinlichkeit wurde noch eine Leichenfeier veranstaltet und ein Grabhügel errichtet. Auch begleiteten die Soldaten den vorgegebenen Tod ihres Führers mit trügerisch erheuchelter Trauer. Auf dieses Gerücht hin betrieb der König der Stadt, Vespasius, als hätte er den Sieg schon in Händen, die Ver- teidigung so nachlässig und unzureichend, dass die Feinde 67 Gelegenheit erhielten einzubrechen und ihn dabei töteten, während er sich mit Spielen die Zeit vertrieb.

Nach der Einnahme dieser Stadt machte sich Frotho Hoffnung auf die Herrschaft im Orient^) und rückte vor die Festung des Handvanus*). Dieser Hess nun, gewitzigt da- durch, wie Hadingus einst seine Stadt verbrannt hatte, alle Häuser von den dort nistenden Vögeln säubern, um nicht der Gefahr eines ähnlichen Streiches ausgesetzt zu werden. Aber Frotho fehlte es doch nicht an einer neuen List. Denn er tauschte seine Gewandung mit der von Mägden, spielte sich als ein kampfkundiges Mädchen *) auf, legte die Männer-

*) Ist jetzt Polozk (lat. Plescowia) an der Düiia (Westrussland).

*) Die List, dass sich der Heerführer als tot ausgeben lässt, wird öfter erwähnt; so von den Normannen bei Dudo (vgl. Anm. 4 S. 16). Auch die Sage von Harald harOraÖe (f 106Ö) berichtet Aehnliches im 10. Kap. Man kann übrigens auch an Haddings Verfahren erinnern (I, S. 52/3); vgl. auch S. 79 oben).

■) Bei Saxo allgemeiner Ausdruck für die Gegenden östlich vom Baltischen Meere (Finnland und Hussland).

*) Siehe oben S. 36.

*) Von kämpfenden Frauen, Schildmädchen, wird bei den Nord- ländern öfter berichtet. Wenn auch thatsächlich zuweilen menschliche

g4 Zweites Buch.

kleiduug ab, ahmte Frauentracht nach und begab sich als Ueberläufer in die Stadt. Als er hier alles recht genau aus- gekundschaftet hatte, gebot er durch einen hinausgeschickten Gefolgsmann seinem Heere, am folgenden Tage vor die Mauern zu rücken und versprach filr das Oeffnen der Thore zu sorgen. So wurden die Wachen hintergangen und die Stadt wurde, noch im Schlafe begraben^), geplündert. Mit ihrem Unter- gange musste sie für ihre Sorglosigkeit bilssen, und die eigene Unachtsamkeit war für sie ein grösseres Unglück als die Tapferkeit der Feinde. Denn nichts stellt sich im Kriege als verderblicher heraus, als wenn man in aller Ruhe, ohne jede Besorgnis alles gehen lässt, wie es will, und in allzu an- massender Zuversicht erschlafft. Als Handwanus sah, dass die Sache seines Vaterlandes unwiderruflich verloren sei, lud er die königlichen Schätze auf Schiffe und versenkte sie in die Tiefe des Meeres, um lieher die Wogen als die Feinde zu bereichern. Doch wäre es wohl vorteilhafter gewesen, die Gunst der Gegner durch reichliche (ieldopfer zu erwerben, als den Vorteil, den Schätze bringen können, neidisch dem Gehrauch der Menschheit zu entziehen. Als darauf Frotho durch Gesandte seine Tochter zur Ehe verlangte, antwortete jener, er möge sich hüten, verfuhrt durch sein bisheriges Gluck, über den Erfolg seines Sieges übermütig zu werden; er solle vielmehr daran denken, die Besiegten zu schonen uud in ihrem jetzigen Elend noch ihre frühere glänzende 42 Stellung ehren; er solle lernen, in dem Schicksal der Unglück- lichen ihr vergangenes Glück zu achten. Er solle auch be- denken, dass er dem, mit dem er sich verschwägern wolle, nicht die Herrschaft entreisse und die, welche er durch seine

Frauen mit in den Kampf zogen, so haben wir doch in vielen jene über- irdi.sehen Dienerinnen Odins, Walküren, zu sehen. Bei Saxo ist häufig von ihnen die Rede; z. B. noch lU, 87: V, 162: bes. VII, 230, 232, 249 ff. : VIII, 2r>8ff.: IX, 303 ff. (Holder). Vgl. noch (iolther i. d. Abhdlgn. d. Münchener Akad. I. Kl. Bd. 18, 2 S. 406: Haudb. S. 323; E. H. Meyer 8. 177; Mogk im Grundr. S. 269 ff.; 341: Olrik 1, 52 ff.

M Erinnert an Vergil, Aen. 11,265: Invadunt urbem somno vinoque sepultam.

Frothos Sieg über Haodwanus. Swanhwita. 65

Vermählung mit ihr auszuzeichnen wünsche, mit der Schmach 68 einer niedrigen Lebensstellung beflecke ; denn dann würde er die Würde des Ehebundes durch seine Begehrlichkeit zu Schanden machen^). Durch den Adel der Gesinnung, der in dieser Antwort lag, gewann er seinen Besieger zum Schwieger- sohn und erhielt er sich die Freiheit seines Reiches.

Währenddessen hatte Thorilda, die Gemahlin des Schwedenkönigs Hundingus *'^), ihre beiden Stiefsöhne Reg- nerus und Thoraldus, welche sie grenzenlos hasste^), endlich als Hüter über die königlichen Herden gesetzt, um sie in die verschiedenartigsten Gefahren zu stürzen. Swan- hwita*) aber, Hadingus' Tochter, eilte, begleitet von ihren Schwestern, nach Schweden, um mit weiblichem Scharfsinne <lie Vernichtung so herrlich veranlagter Kinder zu verhindern. Als sie nun die vorgenannten Jünglinge während ihrer nächt- lichen Bewachung der Herden von Gespenstern verschiedenster Art belästigt sah, verbot sie ihren Schwestern, welche von den Pferden absteigen wollten, dies durch folgendes Lied:

„ungeheuer*) sehe ich ja in raschen Sprüngen auf die nächtlichen Felder sich stürzen. Dämonen kämpfen, und in gefährlichem Streite ficht die ruchlose Schar mitten auf den

») Vgl. S. 21 Anm. 3.

*) Ueber HuDding siehe I, S. 50 und 56.

') Die böse Stiefmutter ist in Sage und Märchen herkömmlich.

*) Swanhwita „die Schwanen weisse^ erweist sich als Walküre; ihre Aufgabe ist es, die schlummernde Heldenkrafb des jungen ^lannes zu wecken. Olrik nennt mit Kecht diese reizende und hochpoetische £pisode TOn der Liebe Regners und Swanhwitas ein Seitenstück zu dem £ddaliede von Helgi, dem Sohne fljorwards (II. Gering S. 151). Der Zusammen- hang mit der Frodesage ist aber so schw^ach, dass man nicht sicher sein kann, ob sie organisch dazu gehört oder willkürlich vom Berichterstatter hier eingefügt ist. Vgl. noch Uhland, Schriften VII, S. 201 ff.

') Ungeheuer und Gespenster sind Gestalten des Volksaberglaubcns, der niederen Mythologie ; leider hat Saxo auch hier die Namen der antik- klassischen Mythologie eingesetzt, sodass uns die genaue Kenntnis der Wesen, die gemeint sind, entgeht. Er lehnt sich hier ganz eng an Martianus Capeila) Satirae, II, 40 und 41 an. Reiche Ucbersichten über die niedere Mythologie der Germanen geben 3Iogk im Grundr. lU, 263- 312; E. H. Meyer S. 61—161; Golther S. 72-191.

Saxo Granmaticui. 5

()B Zweites Buch.

Wegen. Gespenster von grausigem Anblick stürmen daher und lassen für keinen Menschen diese Gefilde zugänglich. Horden, die in rasendem Laufe durch das Leere hinjagen, gebieten uns, mit weiterem Vordringen einzuhalten. Sie mahnen uns, die Zügel zu wenden und uns von den ihnen geweihten Feldern zu entfernen, sie hindern uns, uns in das jenseitige Gebiet zu wagen. Der grimme Chor der Lemuren ^) naht, jäh jagt er durch die Lüfte und lässt wüsten Lärm zu den Sternen dröhnen. Faune kommen mit Satyrn

♦>:* herbei, und die Schar der Pane streitet, mit Geistern vereint, mit wildem Antlitz. Zu den Silvanen *) gesellen sich Aquili *), und schädliche Larven^) bemühen sich, mit Lamien^) den Pfad zu teilen. Faune wiegen sich im Sprunge, und zu ihnen drängen sich Larven, zu denen sich wieder Fantua*), ver- eint mit Simien'), gesellt. Der Weg, den der Fussgänger zu betreten hätte, wimmelt von Schrecknissen; sicherer ist es, auf dem Rücken des hohen Rosses sitzen zu bleiben.^

Darauf gab Regnerus an, er sei ein Sklave des Königs, und als (Jrund für eine so weite Entfernung von Hause führte

43 er an, er sei zum Hirtendienst auf das Land verwiesen worden, habe aber die ihm anvertraute Herde verloren. Da er daran verzweifle, sie wiederzufinden, habe er lieber auf die Rück- kehr verzichten als sich einer harten Strafe aussetzen wollen. Um auch die Lage seines Bruders nicht zu verschweigen, fügte er seinen Worten noch folgendes Gedicht hinzu:

„Halte uns für Menschen, nicht für Gespenster, glaube

uns, dass wir Sklaven sind, die hier weilen, um die Herden

über die Felder zur Weide zu treiben. Aber während wir

70 uns mit heiteren Spielen die Zeit vertrieben, entwich uns zu-

*) Die Seelen Verstorbener, die als böse Geister, (Gespenster, spuken. *) Faune, Satyrn. Pane, Silvane sind niedere Feld- und Waldgott- hoiten.

*) Aquili = Schwar/e Oeister.

*) Lar\en ist nur eine andere Bezeichnung^ für Lemuren.

*) Weibliche böse Geister, Unholden, H<»xen.

•) Name einer den Frauen wahrsagenden Hexe.

') Sinii wörtlich -^ Plattnasen.

Swanhwita und Regnerus. 67

fällig die schweifende Herde in weit entlegene Triften. Da die lange gehegte Hoffnung, sie wiederzufinden, fehlschlug, befiel Besorgnis uns Unglückliche in unserem Schuldbewusst- sein. Und da nirgends sichere Spuren der Rinderherde zu sehen waren, erfüllte traurige Angst unsere schuldbeladenen Gemüter. Das ist der Grund, weswegen wir aus Furcht vor der Verletzung durch die strafende Rute es für unerfreulich hielten, in unser eigenes Heim zurückzukehren. Wir meinten, es sei sicherer, uns vom trauten Herde fem zu halten, als von grausamer Hand schwere Strafe zu erleiden. So möchten wir gern die Strafe aufschieben, und ängstlich die Rückkehr meidend tragen wir nur noch Sorge, hier in diesem Versteck unserem Herrn zu entgehen. Durch dieses Mittel entziehen wir uns der Rache für die Vernachlässigung der Herde, und nur auf diesem Wege ist unser Entkommen gesichert."

Jetzt musterte nun Swanhwita seine edlen Gesichts- züge in gar eifriger Betrachtung, und mit rückhaltsloser Be- wunderung sagte sie: Das glänzende Blitzen deiner Augen verrät dich als Abkömmling von Königen und nicht von Sklaven. Deine Gestalt verkündet deine Abkunft ^), und aus dem Funkeln deiner Augensterne leuchtet die Vorzüglichkeit deiner Natur. Die Schärfe deines Blickes deutet die Vor- nehmheit deines Geschlechts an, und du, den die Schönheit, die sicherste Verkünderin des Adels, empfiehlt, kannst nicht in niederer Stellung geboren sein. Das äussere Feuer deines Auges spiegelt den glänzenden Geist in deinem Innern wider. Dein Aussehen giebt ein getreues Abbild deines Hauses, und an der lichten Schönheit deines Antlitzes erkennt man die hohe Stellung deiner Vorfahren. Denn eine so freundliche und edle Gestalt konnte nie von einem unedlen Erzeuger hervorgebracht werden. Der Adel deines Blutes überströmt deine Stirne mit verwandtem Adel, und im Spiegel deines Angesichtes erstrahlt dein natürlicher Stand. Keineswegs

') Ueber diese im Norden allgemein verbreitete Ansicht vgl. die aus- führlichen Erörterungen im Liede von Rig (Gerings Edda S. 110 ff,) bes. Str. 7, 21. ai, und die fast gleichlautende Stelle bei S. VIL 227 (H).

5*

6g Zweites Buch.

konnte also ein unbedeutender Künstler ein so hervorragendes Werk schaffen. Darum sucht jetzt in schnellster Flucht viele Seitenwege auf, vermeidet die Begegnung mit den Ungeheuern, damit ihr nicht euren herrlichen Leib den schmutzigsten Horden als Beute zum Frass darbietet.

71 Regnerus aber ward von tiefster Schamröte wegen seines

hässlichen Aufzuges Übergossen und sah darin das einzige

^ Mittel, seine vornehme Abstammung zu verbergen. Daher erwiderte er, dass der Sklavenstand nicht immer von Mann- heit entblösst gefunden werde; denn oft werde eine starke Hand von schmutziger Kleidung bedeckt^) und eine kräftige Faust zuweilen unter hässlichem Gewände verborgen^). So werde denn das Versehen der Natur durch Tüchtigkeit aus- geglichen, und der Nachteil in der Geburt durch den Adel der Gesinnung gut gemacht. Er selbst fürchte nicht die Ge- walt irgend welcher gespenstischen Macht, mit Ausnahme des Gottes Thor'), dessen Stärke nichts Menschliches oder Gött- liches in würdigem Vergleich zur Seite gestellt werden könne. Eine Männerbrust dürfe sich daher auch nicht vor den Larven fürchten, die nur wegen ihrer geisterhaften Leichenfarbe schrecklich seien, deren Erscheinung, durch unwahre Blässe gekennzeichnet, sich nur eine kurzwährende Körperlichkeit von der flüchtigen Luft zu leihen pflege ^). Swanhwita täusche sich also, wenn sie feste Männerstärke nach Frauenart zu verweichlichen und eine Kraft, die keine Ueberwältigung kenne, durch weibische Angst zu erschüttern versuche.

Swanhwita bewunderte die Entschlossenheit des Jüng- lings, entfernte den Dunst der sie umschattenden Wolke und

») Sprichwörtlich,

*) Daas Thor hier den Gespenstern gleichgestellt wird, ist Saxos Schuld. Der Sinn der Stelle ist : R. fürchtet weder Menschen noch Ge- spenster, noch Götter, ausser Thor, den Hauptgott der Norweger. Ueber diesen vgl. Mogk im (Jrundr. III, 353 ff., E. K. Äloyer S. 202 ff., Golther S. 242 ff.

*) Der (rlaube an die Harmlosigkeit und Unschädlichkeit der Ge- spenster entspricht nicht sonstiger Auffassung und roberliefening. Vgl. die Anm. 5. S. 65 genannte Litteratur.

Swanhwita und Regnerus. 69

zerstreute das vor ihrem Angesicht lagernde Dunkel durch lichte Klarheit. Darauf verhiess sie ihm ein Schwert, für die verschiedensten Kämpfe geeignet, und enthüllte ihm den wunderbaren Anblick ihrer jungfräulichen Schönheit und den ungeahnten Glanz ihrer Glieder. Dann verlobte sie sich mit 72 dem schnell entflammten Jüngling, reichte ihm das Schwert dar und begann folgendermassen:

„Mit diesem Schwerte, o König, mit dem du die Un- getüme abschlachten kannst, empfange die erste Gabe deiner Braut. Erweise dich in rechter Art als seiner würdig. Als Nebenbuhlerin dieser Klinge soll deine Hand sich bemühen, der Waffe Ehre zu machen. Des Eisens Kraft stärke eine schwache Stelle im Herzen, und der Mut lerne die Faust be- gleiten. Der Träger gleiche der Bürde, und damit die Thaten der Güte des Schwertes entsprechen, mögest du gleichen Wert auf beides legen. Was nützt der Speer, wenn schwäch- lich das Herz erbebt und zitternd die Hand das Geschoss fallen lässt? Schwert und Mut sollen zusammen gehen, mit beiden rüste dich ! Mit gleichem Werte soll die Rechte ihren Schwertgriff umfassen^). Das giebt rühmliche Kämpfe, well sie vereinigt mehr Macht zu entfalten pflegen, getrennt aber weniger. Wenn es dir also Freude macht, durch Kriegsruhm bekannt zu werden, so begleite mit Wagemut, was du selbst in der Hand führst."

Als sie so noch manches in Liedesform geäussert hatte, entliess sie ihre Begleiterinnen und brachte die Nacht im Kampfe gegen die schamlosen Scharen der Gespenster zu^). Bei Tagesanbruch sah sie dann verschiedene Larvengestalten und seltsame Forraengebilde allenthalben auf den Feldern 45 umherliegen. Unter diesen war auch Thorildens von zahl- reichen Wunden bedeckter Körper zu sehen. Diese schichtete sie alle auf einen Stoss zusammen und verbrannte sie auf

*) D. h. das Schwert und die Hand, die es führt, sollen gleich tüchtig sein.

') Natürlicher und folgerichtiger ist es, anzunehmen, dass Regner den Kampf gegen die Gespenster geführt hat; denn dazu hat er ja aus- drücklich das Schwert von Swanhwita bekommen.

70 Zweites Buch.

einem mächtigen Scheiterhaufen, damit nicht der greuliche Geruch der unflätigen Leichen in verpestender Ausdünstung sich verbreite und nicht durch verderbliche Ansteckung die näher Kommenden schädige. Darnach gewann sie für Regnerus die Herrschaft über Schweden und sich selbst die eheliche Verbindung mit Regnerus. Obgleich es nämlich dieser nicht für ehrenvoll hielt, seine Laufbahn gleich mit einer Hochzeit zu beginnen, so löste er doch mit Rücksicht auf seine glück- liche Errettung dankbar sein Versprechen ein.

Unterdessen führte ein gewisser Ubbo, der schon früher Frothos Schwester Ulwilda^) geheiratet hatte, als Stellver- 73 treter die Herrschaft über Dänemark, und jetzt riss er sie im Vertrauen auf die hohe Abkunft seiner Gemahlin ganz an sich. Daher sah sich Frotho gezwungen, seinen Krieg im Osten ab- zubrechen, und er hatte zuerst in Schweden mit seiner Schwester Swanhwita einen schweren Kampf zu bestehen. Hier wurde er besiegt, und er bestieg nun bei Nacht ein Boot und suchte, auf verborgenen Umwegen segelnd, eine Möglich- keit, die feindliche Flotte anzubohren. Als er hierbei von seiner Schwester ertappt und gefragt wurde, weshalb er denn in stiller Fahrt so mannigfache Umwege aufsuche, schnitt er ihr Forschen durch eine gleiche Frage ab. Denn auch Swanhwita hatte zu derselben Nachtzeit eine einsame Fahrt unternommen, um in aller Stille auf verschlungenen Wegen allerlei Zugangs- und Rückzugslinien nach beiden Seiten hin zu erforschen. So erinnerte sie denn ihren Bruder an die Freiheit, die er ihr einst gewährt hatte, und begann ihn zu bitten, er möge ihr gestatten, den gewählten Gatten zu be- halten, da er ihr ja selbst bei seinem Aufbruche zum Kriege gegen die Rutenen die Erlaubnis zu einer Heirat nach eigenem Wunsche gegeben habe, er möge nun auch nachträglich bestätigen, was er selbst eingeräumt habe. Auf diese s<» gerechte Bitte hin schbiss Frotho mit Regnerus Frieden und verzieh seiner Schwester auf ihr Ansuchen die

') r»»ber sie siehe oben 1, 8. 54 -56; wie dort R:<*jfeii den Vater, \%\ aio Uwr ^e^eo den Bruder unbotmässig.

Frothos Kampf gegen Ubbo u. Swanhwita. 71

Beleidigung, die er infolge ihrer Leichtfertigkeit offenbar er- litten hatte. £r erhielt auch von ihnen eine ebenso grosse Schar, als er durch ihre Schuld verloren hatte, zum Geschenk und freute sich, einen so schweren Schlag durch eine so glänzende Gabe wieder gut gemacht zu sehen.

Nun zog er nach Dänemark, nahm Ubbo gefangen, Hess ihn vor sich führen und verzieh ihm, da er dem übel ver- dienten Manne lieber Nachsicht als Strafe zu teil werden lassen wollte; er hatte sich ja auch offenbar mehr auf An- trieb seiner Gemahlin als aus eigener Begierde die Herrschaft angemasst und er hatte das Unrecht nicht angeregt, sondern war vielmehr dazu verführt worden, Ulwilda aber nahm er ihm und zwang sie, seinen Freund Skottus zu heiraten, denselben, der auch der Begründer des schottischen Namens war ^); denn den Wechsel in der Ehe betrachtete er eben als Strafe ^). Bei ihrem Weggange aber geleitete er sie im königlichen Wagen und vergalt so ihre Schandthat mit Güte. Denn er hatte mehr ihre Eigenschaft als seine Schwester als ihre Gesinnung im 4e Auge und legte mehr Gewicht auf seine eigene Ehre als auf ihre Schändlichkeit. Aber trotz der Milde ihres Bruders Hess sie nichts von ihrem gewohnten, hartnäckigen Hasse nach, sondern quälte ihren neuen Mann fortwährend mit dem Rate, er solle Frotho erschlagen und sich der Herrschaft über die Dänen bemächtigen. Denn nur widerstrebend pflegt das Herz auf etwas zu verzichten, was es einmal mit starker Liebe um- fasst hat'), und ein ständig geplantes Verbrechen wird selbst im Laufe von Jahren nicht aufgegeben. Artet doch spätere 74 Neigung immer der ursprünglichen Gesinnung nach'), und die Spuren von Lastern versehwinden nicht schnell, die schon das zarteste Alter dem Charakter aufgeprägt hat. Da nun Ulwilda bei ihrem Gemahl taube Ohren fand, lenkte sie ihre Ränke von ihrem Bruder ab auf ihren Mann, und mietete für Geld Leute, welche ihm im Schlafe den Hals absehneiden

*) Skottus ist der mythische fjoo>s i.-Twyvftoc der Schotten, wie es Dan und Angul für die Danen und Angeln sind. Vgl. B. I, S. 16 u. 17. •) Vgl. 8. 21, Anm. 2. •) Sprichwörtlich.

72 Zweites Buch.

sollten. Scottus aber wurde durch eine Dienerin hiervon be- nachrichtigt und in der Nacht, in der seinem Vernehmen nach das Mordwerk an ihm vollzogen werden sollte, legte er sieb im Panzer zu Bett. Auf Ulwildas Frage, weshalb er seine gewöhnliche Art zu ruhen ändere und das Eisenkleid anlege^ antwortete er, es sei dies eine augenblickliche Laune von ihm. Als man nun glaubte, er liege im tiefen Schlafe, drangen die Mordknechte ein; er aber sprang aus dem Bette und schlug sie nieder. So kam es, dass er Ulwilda davon abbrachte, ihrem Bruder weitere Nachstellungen zu bereiten und dass er anderen einen Beweis dafür gab, dass man sich stets vor der Treulosigkeit der Frauen hüten müsse.

Währenddessen fiel Frotho der Plan ein, Friesland*) in einem Kriege anzugreifen, um mit dem Ruhm, den er sieb durch die Besiegung des Ostens erworben, auch die Augen des Westens zu blenden. Als er in See stach, hatte er zu- erst einen Zusammenstoss mit einem friesisclien Seeräuber, Vittho. Bei diesem befahl er seinen Genossen, den ersten Angriff geduldig, nur mit entgegen gehaltenen Schilden auf- zunehmen, und er^erbot ihnen eher von ihren eigenen Ge- schossen Gebrauch zu machen, als bis sie bemerkten, dass der Hagel der feindlichen Speere gänzlich erschöpft sei^). Diese wurden um so lebhafter von den Friesen geschleudert, je ge- lassener sie von den Dänen aufgefangen wurden; denn Vittho meinte, die Geduld Frothos rühre von seinem Wunsche nach Frieden her. Ein gewaltiges Trompetengeschmetter*) erhob sich und unheimlich sausend flogen die Speere. Als die Un- vorsichtigen aber keine einzige Lanze mehr übrig hatten, wurden sie von den Geschossen der Dänen überschüttet und besiegt. Auf der Flucht erreichten sie das Gestade, wurden aber in den schmalen Windungen der Gräben niedergehauen.

*) Siehe Vorrede S. 8 u. Anm. 1.

») Dieselbe Libt Buch UI. S. 113.

') Schon aus der Bronzezeit sind uns gewaltige Blasinstrumente, so- genannte Lure (altn. lüOrar) erhalten. Vgl. Fleischer in Grundr. III, 567 und S. Älüller-Jiriczek, Nord. Altertumskde. I, 431 33, wo auch eine Abbildung zu finden ist.

Skottus. Züge D. Friesland, Germanien, Britannien. 73

Dann fuhr Frotho mit seiner Flotte ein Stück den Rhein hin- auf und legte Hand an die äussersten Grenzen von Germanien. Als er wieder in den Ozean zurückkehrte, griff er die friesische Flotte, welche durch einen Strudel auf den Grund geraten war, an und krönte ihren Schiffbruch mit blutigem Gemetzel. Und noch nicht damit zufrieden, eine solch grosse feindliche Streit- macht aufgerieben zu haben, zog er auch gegen Britannien. Er besiegte dessen König und griff dann Melbricus, den 75 Statthalter von Schottland, an. Gerade als er im Begrifie war mit ihm zu kämpfen, erfuhr er durch einen Kundschafter, dass auch der König von Britannien im Anzüge sei; und da er sich nicht zugleich nach vorn und im Rücken verteidigen konnte, berief er eine Versammlung seiner Soldaten und ge- 47 bot, dass alle Wagen im Stich gelassen, das Heergerät weg- geworfen und das Gold, welches sie mit sich führten, allent- halben auf die Felder verstreut werden sollte. Er versicherte, in dieser Verzettelung ihrer Hilfsmittel bestände ihr einziges Hilfsmittel, und es bleibe ihnen in ihrer Einschliessung keine andere Zuflucht übrig, als den Feind von den Waffen zur Hab- sucht zu verlocken. Es sei ihre Pflicht, willig die bei fremden Völkern gewonnene Beute in der äussersten Not zu opfern; es werde nämlich so kommen, dass sie der Feind, nachdem er sie aufgesammelt, ebenso eifrig wegwerfen werde, wie er sie beim Finden aufgerafft habe, da sie für ihn vielmehr eine Last als ein Gewinn sein werde.

Da nahm Thorkillus, der sich vor den übrigen durch Geiz auszeichnete, aber auch alle anderen an Beredsamkeit übertraf, den Helm ab, stützte sich anf seinen Schild und sprach^): Die Härte deines Gebotes, König, erregt die meisten, welche das wertschätzen, was sie mit ihrem Blute erwarben. Ungern giebt man preis, was unter der grössten Gefahr er- rungen ist. Unwillig lässt man im Stiebe, was man um den Preis des Lebens erkauft hat. Es verrät ja den äussersten Wahnsinn, wenn man das, was man mit Mannesmut und starker Faust erworben, weibisch aufgiebt und dem Feinde

') Siehe 8. 60, Anm. 2 u. 8. 54, Anm. 2.

74 Zweites Buch.

unerhoffte Schätze darbietet. Was giebt es denn Schmählicheres, als durch Verzicht auf die Beute, welche wir schon mit uns führen, dem Schicksal des Krieges zuvorzukommen und einen sicheren und augenblicklich vorhandenen Vorteil aus Furcht vor einem noch zweifelhaften Unglück zu opfern? Noch haben wir die Schotten nicht gesehen und wir wollen das Gefilde mit Gold bestreuen? Für was für Leute wird man uns nur im Treffen halten, wenn uns schon beim Ausmarsche zum Kampfe die blosse Kunde von einem Kampfe entnervt? Oder werden wir etwa nicht den Feinden lächerlich sein, wenn wir, die wir ihnen furchtbar waren, unseren Ruhm mit Verächt- lichkeit vertauschen ? Der Britannier wird sich wundern, dass er von denen besiegt wurde, die, wie er sieht, sich schon von der blossen Angst besiegen lassen. Werden wir uns von Furcht vor denen beschleichen lassen, denen wir selbst zuerst Furcht eingejagt haben? Sollen wir die Abwesenheit derer fürchten, deren Anwesenheit wir verachteten? Wann werden wir uns denn mit Tapferkeit die Schätze wiedererkaufen, die wir aus

76 Angst aufgeben? Das Gold, für welches wir gekämpft, sollen wir im Stiche lassen, um einen Kampf zu vermeiden? Die, welche wir der Armut hätten preisgeben müssen, sollen wir mit Reichtümern überschütten? Tapfer haben wir unsere Beute erworben, feige sollten wir sie von uns werfen? Was könnten wir wohl Schimpflicheres begehen, als denen Gold darzubieten, denen wir mit dem Eisen zusetzen müssten? Furcht soll uns niemals das rauben, was unsere Tüchtigkeit uns einbrachte. Was wir im Kampfe gewannen, dürfen wir nur im Kampfe verlieren. Für denselben Preis, um den die Beute erkauft wurde, mag sie verkauft werden. Mit Eisen Süll ihr Wert abgewogen werden. Besser ist es, eines rühm- lichen Todes zu sterben, als sich durch Gier nach dem Leben verächtlich zu machen. Vom Leben trennen wir uns in einem kurzen Augenblick; die Schande folgt uns auch in den Tod nach. Ferner, wenn wir unser Geld preisgeben, wird uns der Feind um so hitziger verfolgen, je mehr wir seiner Meinung nach von der Furcht gejagt werden. Ausserdem aber kann

48 uns keine der beiden möglichen Entscheidungen das Gold

ELede d. Thorkillus u. d. Britannierkönigs. 75

hassenswert machen. Siegen wir, so werden wir uns des Schatzes, den wir haben, freuen ; werden wir besiegt, so hinter- lassen wir ihn als Preis für unser Begräbnis. So sprach der Alte.

Aber die Soldaten achteten mehr auf den Rat des Königs als auf den ihres Genossen und gaben der ersten Auf- forderung den Vorzug vor der späteren. Um die Wette brachten sie, was jeder an Schätzen besass, aus dem Ge- wahrsam hervor. Auch die mit allerlei Gerät beladenen Pferde entledigten sie ihrer Bürde. So leerten sie also ihre Taschen und gürteten sich um so bequemer mit den Waffen. Sobald sie etwas weiter marschiert waren, rückten die Britannier nach und stürzten sich auf die offen vor ihnen daliegende Beute. Als sie der König allzu habgierig mit dem Einraffen des Goldes beschäftigt sah, befahl er, sie sollten sich in acht nehmen, dass sie nicht ihre Hände, die doch zum Kampfe bestimmt seien, durch die Last der Schätze ermüdeten; sie müssten doch wissen, dass ein Sieg erst errungen werden müsse, ehe man ihn sich zuschreiben könne. Darum sollten sie das Gold lassen und die Besitzer des Goldes verfolgen; sie sollten nicht den Glanz des Erzes, sondern des Sieges bewundern,, sie sollten daran denken, dass eine Siegestrophäe mehr gelte als Gewinn. Tüchtigkeit sei besser als Metall, wenn man beider Wesen nach Gebühr abwäge; denn dieses verschaffe nur äusseren Schmuck, jene aber verleihe inneren und äusseren Wert. Darum sollten sie die Augen von der Betrachtung des Goldes abwenden und ihren Sinn statt auf die Habsucht eifrig auf den Kampf richten. Ausserdem sollten sie wissen, dass die Feinde ihre Beute absichtlich weggeworfen und ihnen das Gold als Hinterhalt, nicht zu ihrem Nutzen da hingestreut hätten. Aber auch der unschuldige Glanz des Silbers sei trügerisch imd enthalte irgend eine verborgene Falle. Es sei ja auch nicht leicht glaublich, dass der Mann geflohen sei, welcher kurz zuvor das tapfere Britanniervolk in die Flucht geschlagen habe. Uebrigens gäbe es nichts Unwürdigeres als 77 Schätze. Denn diese nähmen ihre Besitzer gefangen,» während man glaubt, sie bereicherten ihn. Die Dänen seien sicherlich

76 Zweites Buch.

der Ansieht gewesen, dass die mit einer blutigen Niederlage bestraft werden müssten, denen sie scheinbar ihre Schätze selbst darbaten. Wenn sie daher das verstreute Gut auf- rafften, so würden sie (die Britannier) allem Anschein nach nur dem Feinde einen Vorteil damit in die Hand geben. Wenn sie sich nämlich durch den Glanz des vor ihnen hin- gelegten Goldes bestechen Hessen, so würden sie nicht nur dieses wieder verlieren, sondern auch ihr eigenes Gut, wenn sie überhaupt noch etwas übrig hätten. Was nütze denn das Sammeln, wenn man sogleich gezwungen werde, das Ge- sammelte wieder herzugeben? Wenn sie aber darauf ver- zichteten, sich vor dem Golde niederzuwerfen, würden sie zweifellos den Feind niederwerfen. Sie müssten sich daher vielmehr in stolzer Kampfestüchtigkeit als in niedrer Hab- sucht zeigen; ihr Sinn dürfe nicht zur Habgier herabsinken, sondern müsse erhaben nach dem Ruhme trachten. Mit den Waffen, nicht mit Gold müssten sie fechten.

Als der König endete, sprach ein britannischer Ritter, indem er allen sein mit Gold gefülltes Gewand zeigte: Zwei Gefühle vereinigen sich, König, in deiner Rede; das eine ist ein Zeugnis deiner Furcht, das andere deines Uebelwollens. Denn du willst uns hindern, des Feindes wegen diese Schätze 49 auszunutzen und hältst es für besser, wenn wir dir als arme denn als begüterte Männer dienen. Was ist schmählicher al^ dieser Wunsch, was thörichter als deine Ermahnung? Unsere eigenen Reichtümer erkennen wir hier, und mit dieser Erkenntnis sollten wir zögern sie aufzuheben? Was wir mit den Waffen wieder zu erwerben trachteten, was wir mit unserem Blute wieder zu gewinnen eilten, das sollten wir ausschlagen, wenn es uns freiwillig zurückerstattet wird? Sollen wir zaudern, unser rechtmässiges Eigentum in Anspruch zu nehmen? Wer ist denn furchtsamer, wer das Erworbene hinwirft, oder wer sich scheut, das Hingeworfene aufzuheben? Siehe, was die Not uns nahm, giebt uns der Zufall wieder. Das ist ja hier nicht Beute vom Feinde, sondern unsere eigene. Der Däne brachte uns ja nicht dieses britannische (lold, sondern er hat es uns fortgeschleppt. Sollten wir vor

Rede eines britannischen Ritters. 77

dem, was wir gezwungen und wider Willen preisgaben, zurück- schrecken, wenn es uns umsonst zurückkehrt? Sünde wäre es, solch eine Gunst des Glückes unwürdig aufzunehmen. Was wäre denn unsinniger, als Schätze zu verachten, die offen vor uns darliegen und nach verschlossenen und ver- botenen zu streben? Was unmittelbar vor unsern Augen sich be- findet, sollen wir schnöde verschmähen und das zu erhaschen suchen, was uns entflieht? Was unmittelbar vor uns liegt, dessen sollten wir uns enthalten und dagegen Fernem und Fremdem nach- jagen? Wann werden wir denn fremdes Gut erbeuten, wenn wir unser Eigentum verschmähen ? Nie möchte ich so sehr den 78 Zorn der Götter erfahren, dass ich gezwungen wäre, mein Gewand, das mit dem Golde meines Vaters und Grossvaters gefällt ist, dieser so rechtmässigen Last zu entledigen. Ich kenne die Schwelgerei der Dänen; nie hätten sie die vollen W^einfässer im Stiche gelassen, wenn nicht die Furcht sie zur Flucht getrieben hätte. Leichter hätten sie das Leben ge- lassen als den W^ein*). Hierin haben wir eine gemeinsame Leidenschaft, in dieser Beziehung gleichen wir ihnen. Sei es auch, dass sie doch eher die Flucht erheuchelt hätten; so werden sie doch eher auf die Schotten stossen, als sie zurückkehren können. Nie soll dieses Gold den Schweinen oder wilden Tieren vorgeworfen, auf der Erde besudelt werden, da es doch besser dem Vorteile der Menschen dienen kann. Ausserdem übertragen wir, wenn wir die Beute des Heeres, von dem wir besiegt wurden, rauben, damit das Glück des Siegers auf uns selbst. Welches sicherere Vorzeichen für den Sieg könnte man denn erhalten, als die Beute vor der Schlacht einzuheimsen, als das vom Feinde verlassene Lager vor dem Kampfe einzunehmen? Besser ist es, durch die Furcht zu siegen, als mit dem Schwerte.

Kaum hatte der Ritter geschlossen, siehe, da wühlten auch schon aller Hände, nach Beute haschend, allenthalben in dem glänzenden Erze. Da hätte man den Geist gemeiner Hab- sucht bewundern, da ein Beispiel massloser Gier beobachten

») Vgl. die ähnliche Schilderung B. V, 168 (Holder).

78 Zweites Buch.

können. Da konnte man sehen, wie sie mit dem Golde zu- gleich das Gras an sich rissen, wie innerer Zwist entstand, wie Mitbürger, ohne an den Feind zu denken, mit dem Schwerte sich gegenseitig bekämpften, wie man die Rechte der Verwandtschaft, die Achtung vor dem Gemeinsinn ver- nachlässigte, wie alle nur an die Habsucht, niemand an die Freundschaft dachte.

Unterdessen hatte Frotho den Bergwald ^), der Schott- land und Britannien scheidet, in einem Eilmarsch durchmessen und befahl nun seinen Soldaten, die Waffen zu ergreifen.

50 Als die Schotten seine Schlachtreihe erblickten und wahr- nahmen, dass die Dänen mit einer viel vorzuglicheren Aus- rüstung verseben waren, während sie selbst nur leichte Speere zur Verfügung hatten, kamen sie einer Schlacht durch die Flucht zuvor. Frotho verfolgte sie aus Besorgnis vor einem Ueberfalle der Britannier nur wenig; doch er vereinigte sich dabei mit Ulwildas Gemahl Skottus, der ihm mit einem gewaltigen Heere entgegen kam; denn der Wunsch, den Dänen Hilfe zu bringen, hatte ihn aus den entlegensten Grenz- gebieten Schottlands herbeigeführt. Auf seinen Rat unter- liess er die Verfolgung der Schotten, kehrte nach Britannien zurück und eroberte die Beute, die er listig von sich ge- worfen hatte, rasch wieder. So gleichmütig er diese Schätze geopfert hatte, so leicht gewann er sie zurück. Die Britannier

79 aber bereuten es, sich so schwer belastet zu haben und büssten mit ihrem Blute für ihre Habgier; es verdross sie, dass sie so unersättlich der Habsucht ihren Arm geliehen hatten, und sie schämten sich, dass sie nicht dem Rate des Königs, sondern vielmehr ihrer eigenen Begehrlichkeit gefolgt waren.

Darauf zog er vor die berühmteste Stadt der Insel, Lundonia^). Da die Festigkeit ihrer Mauern eine Er- oberung unmöglich machte, nahm er zur List seine Zuflucht,

^) Das Cheviotgebirge, das bei den alten Schriftstellern gewöhnlich saltus C^aledonius heisst.

*) D. i. London (sonst meist Londinum), schon zur Römerzeit aU Hüuptort der Britannier bekannt.

Frothos I. letzte Siege und Thaten. 79

indem er die Nachricht verbreiten lies, er sei gestorben*). Als nun Dalemannus, der Statthalter von I^undonia, die fälsche Kunde von seinem Hingange vernahm, genehmigte er die Unterwerfung der Dänen und bot ihnen einen Fürsten aus der Zahl der Eingebornen an. Damit sie diesen aus einer grossen Schaar wählen könnten, erlaubte er ihnen in die Stadt hereinzukommen. Während sie nun scheinbar der Wahl ihre Aufmerksamkeit widmeten, lockten sie ihn bei Nacht iu einen Hinterhalt und erschlugen ihn.

Nach diesen Thaten kehrte der König in sein Vaterland zurück^), hier empfing ihn ein gewisser Scato mit einem Gelage, um seine kriegerischen Anstrengungen mit dem Genuss eines Vergnügens zu würzen. Während Frotho bei diesem nach Königssitte auf einem goldgesticktem Kissen ruhte, forderte ihn ein gewisser Hundingus zum Zweikampfe heraus; und obwohl Frotho seinen Sinn den Freuden des Mahles zugewandt hatte, empfand er doch mehr Lust über den bevorstehenden Kampf, als über das augenblickliche Gelage, und er beschloss das Mahl mit dem Zweikampf, den Zweikampf mit seinem Siege. Hierbei erhielt er eine ziemlich gefährliche Wunde. Als er aber bald darauf durch eine Trotzrede des Kämpen Haquinus gereizt wurde, übte er durch den Tod des Herausforderers Rache für die Störung seiner Ruhe. Zwei von seinen Kammerdienern, die offen- kundig eines Verrates überführt waren, schnürte er an ge- waltige Felsen und stürzte sie ins Meer, indem er die Schwere ihres geplanten Verbrechens durch die Befestigung der schweren Last an ihrem Körper bestrafte. Manche berichten auch, das ihm Ulwilda damals ein undurchdringliches Eisenkleid ge- schenkt habe ; wenn er dies anlegte, so konnte ihn die Spitze keiner Waffe verletzen. Auch ist nicht zu übersehen, dass

*) Vgl. dieselbe List Frodes oben S. 63.

*) Dieser letzte Bericht von Frodes Schicksalen und Thaten ist un- ziisanunenhäDgend und nicht recht klar. Die Namen Skato und Hundingus, die I, 19 und II, 81 als deutsche Helden genannt werden, weisen viel- leicht auf Frede den Kühnen hin, der beim Sachsenherzog Swerting seinen Tod fand. (Saxo VI.)

80 Zweites Buch.

Frotho seine Speisen mit fein zerstosseneu Goldsplittern zu bestreuen pflegte, ein Verfahren, welches er gegen die ge- wöhnlichen Vergiftungsversuche anwendete ^), Als er den 80 König Regnerus von Schweden, der fälschlich des Verrates 51 bezichtigt wurde, in einem Kriegszuge angriff, starb er, nicht durch ein Geschoss verletzt, sondern erstickt durch die Schwere seiner Rüstung und durch die Hitze seines eigenen Körpers^). £r hinterliess drei Söhne, Haldauus, Roe und Scatus.

Diese waren an Tüchtigkeit gleich, und dieselbe Begierde nach der Königswürde beseelte sie alle. Jeder strebte nach der Herrschaft; keiner nahm auf den Bruder Rücksicht. Denn wen allzu grosse Eigenliebe beherrscht, den verlässt die Liebe zu andern, und niemand kann zugleich seinem eigenen Ehr- geiz dienen und für andere Freundschaft empGnden. Hal- danus ^), der älteste von ihnen, befleckte sich durch ein Verbrechen: er tötete seine Brüder Roe und Scatus und gewann sich durch diesen Brudermord die Herrschaft; und um ja keine Probe seiner Grausamkeit zu unterlassen, ergriflT er alle Anhänger derselben, hielt sie erst in Fesseln ge- fangen und Hess sie dann hängen. Das Merkwürdigste an seinem ganzen Schicksale war, dass er sein Leben erst in hohem Alter, und nicht durch das Schwert, endete, obwohl er doch jeden Augenblick seiner Zeit zur Befriedigung seiner grausamen Lüste verwendet hatte.

M Das ist der unverstandene Rest einer alten Sage, die uns erzahlt, warum von den Skalden das Gold ., Prodis Mehb^ genannt wird; ihr Held ist Frode der Friedsame. Erhalten ist sie uns in der Snorraedda (bei Gering ö. 375 ff.); vgl. dazu Uhland, Schriften VII, 99 ff. Sazos ratio- nalistische Erklärung, dass sich Frode durch das Gold gegen Vergiftungs- versuche schützen wollte, stimmt zu der mittelalterlichen Anschauung, die ihm thatsächlich solche Wirkung zuschrieb.

*) Auch diese Todesart durch Hitze erinnert an Frode den Kühnen, der von 8werting verbrannt wurde.

*) Die Haidan-, Ro- und Helgesage hat Saxo aus dänischen Quellen geschöpft, in denen sich die von ihm berichteten Züge alle wiederfinden, während die norwegisch-isländischen Berichte, die auch diese Helden kennen, in wesentlichen Punkten abweichen. Vgl. Olrik U, 142 ff. und über Haidan noch Müllers Ausgabe des Saxo II (Not. über.) S. 84.

Frothos I. Tod. Haldanus. Roe. Helgo. 81

Er hatte zwei Söhne, Roe und Helgo: Von Roe soll Roskildia^) gegründet worden sein, welches später Sueno, berühmt unter dem Beinamen der Gabelbart ^), an Einwohner- zahl vermehrt und an Umfang erweitert haben soll. Roe war von kurzem, schmächtigem Körperbau, Helgo dagegen hatte ein stattlicheres Aussehen. Dieser teilte sich mit seinem . Bruder in die Herrschaft und erhielt durch das Los den Besitz zur See*); darauf griff er den Slavenkönig Scalen s an und besiegte ihn. Als er Slavien zur Provinz gemacht hatte, kreuzte er auf verschiedenen Seewegen in planlosen Fahrten. Mochte er auch ein ziemlich wildes Temperament haben, so kam doch seine Ueppigkeit seiner Grausamkeit gleich. Denn er war so sehr zu Liebesfreuden geneigt, dass man geteilter Meinung sein könnte, ob ihn mehr Herrschsucht oder Liebesleidenschaft entflammte. Auf der Insel Thorö*) vergewaltigte er eine Jungfrau, Thora, und bekam von ihr eiue Tochter, der er später den Namen ürsa gab. Hundingus, den Sohn des Sachsenkönigs Syriens, besiegte er in einem Treffen bei der Stadt Stadium*); er forderte ihn zum Zweikampfe heraus, griff ihn an und tötete ihn. Daher wurde er Hundingstöter genannt*) und genoss so die Ehre seines Sieges in diesem Beinamen. Jütland entriss 81 er den Sachsen und übertrug Rechtsprechung und Verwaltung

*) D. h. Ro's Quelle ; jetzt Koskilde auf Seeland. - - Roe heisst bei den Isländern Hroar, im Beowulfliede HröOgar.

*) Swen Gabelbart, historischer König von Dänemark und England (986—1014); über ihn handelt Saxo X.

') D. h. er war ein Seekönig: das ist ein Titel, den besonders aus- gezeichnete Wikinger trugen. Vgl. Yngliugasaga K. 34.

*) D. h. Thoras Insel.

*) Ob dieses Stadium der im Eddaliede von Helgi dem Hundings- töter (I) Str. 8 und 57 (Gering S. 162, 170) Hringstad genannte Ort ist, d. h. das jetzige Ringsted auf Seeland, ist zweifelhaft. Manche denken dabei an Hallingsted in Schleswig. Ausgeschlossen erscheint der Gedanke an die Stadt Stade in Hannover.

*) Mit dem genannten Eddaliede hat unsere Geschichte nur die Kamen gemein.

Saxo Grammalicut. 6

K-j Zweires Bach.

den Fürsten Heske. Ey r und Ler '). In Sachsen bestimmte er, däüs die Ermordung eines Freien und Freigelassenen durch die gleiche ^trafsumme gesühnt werden snllte^); er wollt« dadurch gewissermassen klar feststellen, dass auf allen (Je- «chlechtern der Teutonen die gleiche Knechtschaft laste, dass aller Freiheit vernichtet und von der gleichen Schmach be- fleckt sei.

Als er bei einem Raubzuge wieder nach der Insel Thorö zurückkehrte, ersann Thora, die den Kummer über den Ver- lust ihrer jungfräulichen Ehre noch nicht vergessen hatte, in

5S Form einer schimpflichen Kist eine ruchlose Rache für ihre Schändung. Sie schickte nämlich ihre jetzt mannbare Tochter zum Strande und richtete es so ein, dass der eigene Vater sie durch seine Umarmung entehrte. Mag dessen Körper nun auch der Versuchung der lockenden Lust erlegen sein, so darf man doch nicht glauben, dass sein Herz jeglicben Schamgefühls baar gewesen ist; denn seine Unkenntnis ist ja zum Glück die giltigste Entschuldigung für seinen Irrtum. Wehe über die unsinnige Mutter, welche ihrer Tochter Ehre aufopferte, um ihre eigene zu rächen, die sich nicht um ihres eigenen Hlutes Keuschheit kümmerte, wenn sie nur auf den Mann, durch den sie zuvor ihre Juugfrauscbaft verloren hatte, den Vorwurf der Blut-schande wälzen konnte. Wehe über den wilden Sinn des Weibe», die gleichsam eine zweite Sirhändiing ihrer selbst herbeiführte, um ihren Verführer zu strafen, während sie doch off'enbar durch solches Verbrechen

»■2 ihre eigene Schmach nur vergrösserte, anstatt sie zu tilgen. Denn durch die That, durch welche sie ihre Rache zu er- reichen vermeinte, häufte sie nur neue Schuld auf sich: und wiihrend a'n' einen Schaden gut zu machen wünschte, fügte sie noch eine Sünde hinzu, indem sie wie eine Stiefmutter wi ihrem Kinde handelte, dem sie die Schande nicht ersparte,

I lli'iki- mliT Ksie ist ein >n(ipl»ächäi«"ber Nami'; narli dpr Sachscii- o Hi'nifi^t'. Sohn. Kyr imü Lcr sind die .\'am<-n der hehW-n ir tincl Hli'r, dcrt^n Kodeiilung schon zu Sbxi>s ZpIi^ii ver-

Sii-M hUl<.ris.h.

Helgo u. Thora. Hothbrodus. 83

um ihre eigene Schmach zu stihneu. Zweifellos muss sie einen von Schamlosigkeit strotzenden Sinn besessen haben, da sie sich so sehr von jedem Ehrgefühl lossagen konnte, dass sie nicht errötete, einen Trost für die ihr zugefügte Unbill in der Schande ihrer Tochter zu suchen. Es war ein schweres, aber doch durch eins sühnbares Verbrechen: dadurch nämlich, dass ein glücklicher Spross die Schuld dieses Beilagers tilgte, und dass dessen Frucht noch viel lieblicher war, als die Geschichte ihres Ursprungs traurig. Denn Ursas Sohn, Rolwo, glich die Schmach seiner Geburt aus durch herrliche, wackere Thaten, deren strahlenden Glanz die Geschichte aller Zeiten mit rühmlich- preisender Kunde feiert. Es geschieht ja zu- weilen, dass Trauer mit Freude endet, und dass schmachvoll Begonnenes zu einem glänzenden Absrhluss gelangt. So lief der schandenvolle Irrtum des Vaters immerhin glücklich ab, denn die so wunderbare Lichtgestalt des Sohnes sühnte ihn später ^).

Inzwischen starb Reguerus in Schweden, und auch seine Gemahlin Swanhwita verschied bald darauf an einer Krank- heit, die sie sich infolge ihrer Trauer zuzog; im Tode folgte sie ihrem Gatten nach, von dem sie sich auch im Leben nicht hatte trennen lassen^). Denn es kommt ja vor, dass manche infolge einer ganz aussergewöhnlichen Liebe die, welchen sie dieselbe bei Lebzeiten weihten, auch beim Scheiden aus dem Leben zu begleiten wünschen. Ihnen folgte ihr Sohn Hoth- brodus^), der in dem Wunsche, seine Herrschaft zu erweitern, den Orient mit Krieg überzog und nach einer gewaltigen Niederlage dieser Völker zwei Söhne, Atislus und Hotherus, erzeugte. Diesen gab er einen gewissen Gewarus, den er

*) Diese Geschichte wird auch von der Hrolfssa^a, Kap. 8, 9, 13. und von der Ynglingasaga, Kap. 32, 33. erzählt: doch ist dort von Yrsas Schuld keine Rede. Vgl. Müllers Ausg. II, 88 : Gerings Edda S. 380, 2 ^ Olrik n, S. 142, 145 ff. ; Weinhold 8. 244.

*) Vgl. oben I, S. 41.

*) Aehnliches berichtet die Ynglingasaga, Kap. 31, von Ottar; er ist dort zwar der Vater des Adils, aber nicht der Sohn Kegners, sondern des Egil.

6*

34 Zweites Buch.

durch hervorrageDde Wohlthaten an sich gefesselt hatte, zum Erzieher ^). Nicht zufrieden mit seinem Siege über den Orient, griff er auch Dänemark an, forderte dessen König Roe zu drei Schlachten heraus und tötete ihn. Auf die Nachricht hiervon sehloss Helgo seinen Sohn Rolwo in die Burg von Lethra^) ein, um für das Wohl dieses seines Erben gesorgt

611 zu haben, wie sich auch immer sein eigenes Schicksal ge- stalten mochte, um sein Vaterland von der Fremdherrschaft zu befreien, sandte er darauf seine Trabanten in die Städte und Hess die Befehlshaber, die Hothbrodus hereingeschickt hatte, umbringen. Auch diesen selbst vernichtete er mit allen seinen Truppen in einer Seeschlacht. So vergalt er nicht nur die Gewaltthat an seinem Bruder, sondern auch an seinem Vaterlande durch vollgiltige Rache mit Waffengewalt. Dadurch kam es auch, dass ihm, der erst vor kurzem wegen der Be- siegung des Hundingus einen Beinamen erhalten hatte, nun auch die Niederlage des Hothbrodus eine Zubenennung ein-

88 trug. Ausserdem bestrafte er die Schweden, gleich als ol> sie in den Schlachten noch zu wenig gelitten hätten, durch eine ganz demütigende Verordnung. Er bestimmte nämlich durch ein Gesetz, dass keine Beleidigung, die einem von ihnen zugefügt würde, nach der Form der gesetzlichen Anordnungen gesühnt werden sollte'). Nach diesen Thaten kehrte er aus Scham über seine frühere Schande voll Hass gegen Vaterland und Heim nach dem Orient zurück und starb dort. Manche meinen, er habe sich aus Kummer darüber, dass man ihm einst seine Schande vorwarf, freiwillig den Tod gegeben, in- dem er sich in sein gezücktes Schwert stürzte*).

*) Vgl. I, S. 19 und Aiim. 1 ; S. 28.

•) Lethra ist das jetzige Dorf Lejre bei Ledreborg, westlich von Roskilde, ungefähr in der 3Iitte von Seeland. Diese Burg wird als der älteste Königssitz der dänischen Herrscher genannt: Hrolf wird unten ali Gründer der um die ßur^ sich bildenden Stadt bezeichnet, Stephanius giebt in seiner Ausgabe (Not. über. p. 75) eine Abbildung davon, die er sich aus den Beschreibungen und noch vorhandenen Resten zurecht- gemacht hat.

») Vgl. oben S. 82 und Anm. 2.

*) Helgis Tod auf einem Kriegszuge berichten norwegische Quellen,

Helgos Ende. Rolwo. Atislus u. Ursa. g5

Ihm folgte sein Sohn Rolwo^), ein Mann, verehrungs- würdig wegen seiner körperliehen wie geistigen Gaben, der die Grösse seiner Gestalt durch ein gleiches Mass Tüchtigkeit empfahl. Da zu dieser Zeit Schweden der Herrschaft der Dänen unterworfen war, suchte Atislus*), der Sohn des llothbrodus, gar schlau nach einem Mittel, sein Vaterland zu befreien, und er setzte es durch, sich mit Rolwos Mutter Ursa ehelich zu verbinden. Denn durch diese neue, enge Verwandtschaft wollte er bei seinem Stiefsohne seinen For- cierungen um Erlass des Tributes stärkeren Nachdruck ver- leihen; und das Glück war seinen Wünschen nicht ungünstig. Kr hasste von Jugend auf die Freigebigkeit und war so sehr auf das Geld versessen, dass er den Ruf der Milde für eine Schande hielt. Als ihn Ursa von so schmutzigem Geize be- sessen sah, wollte sie ihn gern wieder los werden, und da sie meinte, mit List verfahren zu müssen, verbarg sie ihren trügerischen Plan mit wunderbarer Geschicklichkeit. Sie er- heuchelte nämlich Lieblosigkeit gegen ihren Sohn, ermunterte ihren Gatten, die Freiheit wieder zu gewinnen, stachelte ihn eifrig zum Aufruhr an und veranlasste ihn, ihren Sohn unter Verheissung grosser Geschenke nach Schweden einzuladen. Denn sie hoffte so am besten das Ziel ihrer Wünsche zu er- reichen, wenn sie, sobald ihr Sohn das Gold des Stiefvaters

von seinem Selbstmord (durch Erhängen) erzählt noch eine dänische, die Ryaarlutger.

*) Von Hrolf berichtet uns ausser Saxo noch die ausführliche, aber so, wie sie uns vorliegt, bereits stark überarbeitete und interpolierte Hrolfssaga kraka, hrsg. von Rafn in den Fornaldar Sögur Nordrlanda I, 1 ff. (Kjebenhavn, 1829). Heinere Darstellungen liegen noch vor in der Skjoldungasaga in ArngHmr Jönssons Auszug, Kap. 12 (ed. A. Olrik, s. Anmerk. 2, S. 18), in der Ynglingasaga, Kap. 33, 34, 41, und in der Snorra- edda (bei Gering 8. 380 ff.), alles norwegisch-isländische Quellen. Einige ver- streute Berichte werden noch in Müllers Saxo II, 90 angefahrt. Obwohl sich in diesen Quellen alle Züge, die Saxo bringt, im wesentlichen wiederfinden, ist dessen Darstellung doch vielfach so abweichend, dass man zu der An- nahme genötigt ist, er habe aus andern, dänischen, uns unbekannten Quellen geschöpft, wie er übrigens selbst unten S. 106 angiebt. Vgl. noch Ohik U, 146 ff.; Uhland, Schriften VII, 138 ff.

^ In den andern Quellen heisst er Adils.

^6 Zweites Buch.

erhalten hätte, mit diesem fliehen, den Schatz des Königs mitnehmen und so den Mann nicht nur um sein Weib, sondern auch um sein Geld betrügen könnte. Sie glaubte nämlich

84 seine Habsucht nicht besser als durch die Entführung seiner Schätze bestrafen zu können. Diese scharfsinnige List, die in der überlegensten Schlauheit ihren Ursprung hatte, konnte schon aus dem Grunde nicht leicht durchschaut werden, weil sie ihr Streben nach einem Wechsel ihrer Ehe unter dem Scheine, als begehre sie die Freiheit, zu verbergen wusste. 0 über den blinden Sinn des Mannes, der da glaubte, die Mutter sei von Hass gegen ihres Sohnes Leben entflammt, und nicht erkannte, dass sie an seinem eigenen Verderben

64 arbeitete! 0 über den bethörten Verstand des Gatten, der das beharrliche Streben seiner Frau nicht bemerkte, wie sie unter dem Scheine, als hasse sie ihren Sohn, nur nach einer Mög- lichkeit suchte, ihre Ehe zu lösen! Während man doch Frauenherzen überhaupt kein Vertrauen schenken sollte, baute er um so thörichter auf sein Weib, je leichter er glaubte, dass sie ihm treu, gegen ihren Sohn aber falsch sei. Rolwo Hess sich nun durch die Grösse der Versprechungen bewegen^); als er aber das [laus des Atislus betrat, wurde er von seiner Mutter wegen seiner langen Abwesenheit, und weil sie ja überhaupt nicht zusammen lebten, nicht gleich erkannt. Da bat er sie im Scherze um eine Gabe zur Stillung seines Hungers. Als sie ihm sagte, er solle sich vom König ein Frühstück erbitten, wies er auf einen zeiTissenen Teil seines Gewandes und verlangte ihre Hilfe, um es zusammenzunähen. Als er auch jetzt seiner Mutter Ohren verschlossen fand, sagte er, es sei doch schwer, eine wahre und feste Freundschaft zu finden, wenn die Mutter ihrem Sohne ein Mahl, die Schwester dem Bruder ihren Dienst beim Nähen versage. So strafte er seine Mutter für ihren Irrtum und beschämte sie

') Dir andern (^tu 11(m» woichcn wesentlich von diesem etwas phan* tastisolien Bericht ab. Nach der Hrulfssn^ra zieht Hi*olf nach Schweden, um das Erhe seines Vaters Heljji einzuf(>rdern, der im Kampfe gegen Adils gefallen war. ((lerings Etlda 381, 5.) Den etwas verwickelteren Hericht der Kdda siehe bei (iering S. 38 1 und 82.

Rolwo bei ürsa und Atislus. ^7

sehr für die Verweigerung jener Freundlichkeit^). Als ihu Atislus beim Mahle ganz nahe bei seiner Mutter sitzen sah, tadelte er beide wegen ihrer Leichtfertigkeit und sagte, es sei dies eine unanständige Annäherung zwischen Bruder und Schwester. Rolwo antwortete ihm, es sei nur ehrenvoll, wenn ein Sohn seine Mutter liebevoll umarme, und verteidigte seine angegriffene Sittenreinheit mit den engsten Banden der Natur. Als die Tischgenossen die Frage aufwarfen, welche Art der Tapferkeit er den übrigen vorziehe, nannte er die Ausdauer. Auch Atislus wurde nun gefragt, welcher Tugend das höchste Streben seiner Wunsche gelte, und erklärte, es sei die Frei- gebigkeit^). Es wurden nun Proben hier der tapferen Aus- dauer, dort der Milde gefordert, und Rolwo sollte zuerst den Beweis für seine Tüchtigkeit liefern. Er stellte sich nun ans 85 Feuer ^) und deckte mit seinem Schilde den Teil seines Körpers, der am meisten gefährdet war, um wenigstens eine Seite zu schützen. Der übrige Teil aber war völlig ungeschützt, und er hielt da nur durch seine geduldige Ausdauer Stand. Es war sehr geschickt von dem Manne, den Schild zu Hilfe zu nehmen, um die Hitze etwas zu dämpfen; denn so schirmte er mit demselben Mittel seinen den Flammen ausgesetzten Körper, dessen er sich sonst gegen die von allen Seiten herbeizischenden Geschosse bedient hatte. Die Hitze war jedoch schärfer als die Pfeile, und wenn sie auch dem durch

^) Die £rkennungsszcne und die Strafrede fehlen in den andern Berichten. Müller bezeichnet die erstere als zweifellos verdächtig, wie ich glaube, ohne Recht; es kann ihr sehr wohl ein altes Gedicht zu Grunde liegen; mit den strafenden Worten Hrolfs vgl. die Hamlets III, S. 147.

*) Ueber diese sehr beliebte Sitte der Wettgespräche vgl. Weinhold 8. 463 ff. Jantzen, Gesch. d. deutschen Streitgedichts (Breslau 1896), 8. 26 fi., 67 ff. Für das klassische Altertum denke man an Platona Symposion (vgl. auch Hugs Einleitung dazu in seiner Ausgabe desselben; Leipzig).

') Man muss wohl annehmen, dass er zwischen zwei Bränden stand ; dann ist seine Lage ähnlich der Odins im Liede von Grimnir (Gerings Edda S. 68). Den sehr abweichenden Bericht der Edda siehe bei Gering 8. 382 und 83; diesem ähnelt der in der Hrolfssaga. Zu vgl. ist noch die Erzählung in der Halfssaga, Kap. 8. (Fornaldar Sögur II, 34 ff.)

88 Zweites Buch.

den Schild gedeckten Teile nichts anhaben konnte, so grifiT sie doch die schutzfreie Seite an. Da sah ihn nun eine Dienerin, die zufällig nahe beim Herde stand, wie seine Rippen von der unerträglichen Glut geröstet wurden, zog den Spund aus einem Fasse, löschte die Flamme durch das aus- strömende Nass und unterdrückte so die heftigsten Qualen des Feuers durch das rechtzeitige Eingreifen mit dieser Flüssig- keit. Rolwo wurde nun für das Bestehen der Geduldsprobe belobt, und dann verlangte man die Gaben des Atislus. U Man berichtet, dass dieser seinen Stiefsohn mit Schätzen überhäufte und zuletzt noch, um seine Geschenke damit zu krönen, eine Halskette von gewaltiger Schwere aufgewendet habe i).

Ursa wartete nun die Gelegenheit zur Ausführung ihres Anschlages ab, schaffte am dritten Tage des Festes, ohne dass ihr Gatte etwas derartiges vermutete, das Geld des Königs auf Wageo, schlich sich heimlich aus dem Hause hin- aus und machte sich in der halbdunklen Nacht zusammen mit ihrem Sohne auf und davon. Aus Furcht aber vor einer Verfolgung ihres Mannes verzweifelte sie an dem weiteren Gelingen der Flucht, beunruhigte ihre Begleiter mit dem Befehl, das Geld fortzuwerfen und sagte, man müsse entweder auf das Leben oder auf die Schätze verzichten ^). Der einzige Weg zur Rettung bestehe in der Aufopferung des Goldes, und nur durch den Schaden am Vermögen könne man Nutzen von der Flucht haben. Man müsse darum dem Beispiele folgen, welches Frotho bekanntlich bei den Britanniern ge- geben habe^). Sie fügte noch hinzu, e.s koste ja nicht viel.

') Nach der Hrolfssaga zündet Adils bei Nacht daa Haus an, sodass sich die Helden nur retten können, indem sie die Wände durchbrechen.

*) Nach der Edda und Hrolfssaga vollzieht sich alles an einem Tage. Der Schatz, der entfuhrt wird, besteht aus Goldringen, welche Yrsa in ein Trinkhorn thut. Die List, den Feind durch das verstreute (vold aufzuhalten, findet dort Hrolf selbst. Statt der Halskette (torquis) ist ein kostbarer King, Namens Swiagris, genannt. Siehe Uhland, Sehr. VII, 149: (ierings Edda 8. 383.

») Siehe oben S. 73 ff.

Rolwos u. Ureas Flucht u. Verfolgung. 89

wenn man den Schweden ihr Eigentum zum Wiederholen hin- 86 lege, wofern ihnen selbst nur ein Vorteil für die Flucht, jenen ein Nachteil für die Verfolgung daraus erwachse, und es sehe ja nur so aus, als ob man bloss fremdes Gut zurückerstatte, nicht eigenes aufopfere. Und ohne Verzug wurden die Befehle der Königin vollzogen, um die Flucht zu beschleunigen. Das Gold wurde aus den Säcken geschüttet, die Schätze den Feinden zum Raube gelassen. Manche behaupten allerdings, Ursa habe das Geld behalten und nur vergoldetes Erz^) auf den Weg ihrer Flucht gestreut. Und man könnte ja wohl glauben, dass eine Frau, die so gewaltige Thaten ins Werk setzte, auch das zum Wegwerfen bestimmte Metall mit eitlem Glänze übermalt habe, damit es durch trügerischen Goldschimmer den Schein erwecke, als sei es wirklich wertvoll und echt. AVie Atislus bemerkte, dass auch die Kette, welche er Rolwo geschenkt hatte, unter anderen goldenen Kostbarkeiten zui*ück- gelassen war, betrachtete er gar andächtig dieses liebste Pfand seiner Habsucht und scheute sich nicht, um seine Beute wieder zu bekommen, am Boden knieend seine Würde vor seiner Gier zu erniedrigen. Als Rolwo sah, dass er sich tief bückte, um sein Geld aufzuheben, lachte er über ihn, dass er vor seinen eigenen Gaben niederkniee und so gierig das wieder zusammenlese, was er nur aus schlauer Berechnung verschenkt hatte*). Die Schweden waren mit ihrer Beute zufrieden, Rolwo eilte zu den Schiffen, setzte kräftig die Ruder ein und konnte ruhig die Flucht ergreifen. Man berichtet aber, dass Rolwo, welche Leistung auch von ihm verlangt wurde, mit schneller Freigebigkeit auf die erste Bitte hin zu geben pflegte und niemals die Gewährung des Ansuchens auf eine zweite Mahnung des Bittenden verschoben habe. Denn er wollte lieber einer Wiederholung der Bitte durch die Schnelligkeit

>) D. i. Kupfer.

*) Nach der Edda und Hrolfssaga lauteten seine Worte dabei : Nun beugte ich wie ein Schwein den, der unter den Schweden der Höchste ist. -- Die Hrolfssaga berichtet ausserdem, dass Hrolf dem Adils, als er sich nach dem Ringe bückte, den ganzen Hintern abhieb, was als be- sonders schmähliche Verwundung galt (vgl. VI, 191 ; VU, 232; 247 Holder).

90 Zweites Buch.

des Gebens zuvorkommen, als die Wohlthat durch Langsam- keit verkümmern. Diese Thatsache gewann ihm sehr zahl- reichen Besuch von Kämpen. Denn Tüchtigkeit wird meisten- teils durch Belohnungen gefördert oder durch Lobsprüche angespornt ^).

Zu derselben Zeit wollte sich ein gewisser Agner us.

5G Sohn des Ingellus, mit Rolwos Schwester Ruta verhei- raten und feierte die Hochzeit mit einem grossen Feste*). Hierbei trieben die Kämpen allerhand ausgelassene Scherze und warfen von allen Seiten abgenagte Knochen nach einem gewissen Hialto^); dabei geschah es, dass dessen Nachbar, Namens Biarco *), durch die Ungeschicklichkeit eines Schützen einen heftigen Wurf an den Kopf bekam. Durch den Schmerz ebenso wie durch die Schmach gereizt, schleuderte er den Knochen dem Absender zurück und wandte ihm dabei die Stirne an die Stelle des Hinterhaupts , dieses dagegen be- förderte er an die Stelle der Stirne, sodass er also den ver- kehrten Sinn des Mannes durch das Umdrehen seines (iesichti*

87 bestrafte*). Dieser Umstand schränkte nun die schmähliche Ausgelassenheit der Scherze ein und bewog auch die Kämpen, die Königshalle zu verlassen. Aufgebracht über diese Schande bei seinem Gelage, beschloss nun der Bräutigam mit Biarco zu fechten, um in Form eines Zweikampfes für die Störung der Festesfreude Rache zu nehmen. Beim Beginn desselben aber wurde ziemlich lange darüber gestritten, wer von beiden

*) Der Beweis für diese Bchaiiptun^^en fol^t unten S. 92.

*) Das Festj^elajje ist ein Hauptbestandteil bei der germanischen Hochzeitsfeier. Vgl. Weinhold 8. 246; Kalund i. Grundr. III, 419 u. 20.

') Um Hialto hat die Hrolfssaga einen eigenen Hagenkranz gesponnen (Kap. 33-37); vgl. auch Thland. Sehr. VII, 141 ff. Die Sitte, mit ab- gonagten Knochen nach unangesehenen Leuten zu werfen (hnütu-kast) ist öfter bezeugt, bei Saxo noch V, 125; VI, 203 (Holder). Noch unter Knud d. Gr. wurde ein (»esetz darüber gegeben (Script, rer. Dan. III, 148).

*) Auch Hjarke, der in der Hrolfssaga Bödwar und nur mit Zu- namen Hjarke heisst, hat ilort (33—36) seine eigene Geschichte. Sein Vater Björn war tagsüber von seiner Stiefmutter in einen Bären ver- wandelt und hatte nur nachts menschliche (iestalt; vgl. Uhland a. a. O.

*) In der Hn»lfssaga ist der betreffende gleich tot.

Ag^nerus, Hialto u. Biarco. 91

das Recht zum ersten Schlage haben sollte. In alter Zeit kam es nämlich beim Bestehen von Zweikämpfen nicht auf eine beträchtliche Zahl der wechselseitigen Streiche an, sondern die Aufeinanderfolge der Schläge war durch Pausen genau getrennt, und man focht den Kampf in wenigen aber furcht- baren Hieben aus, sodass der Ruhm vielmehr in der Grösse der Wunden als in ihrer Zahl bestand^). Agnerus erhielt wegen seiner vornehmen Geburt den Vorzug, und er soll seinen Streich mit solcher Gewalt gefuhrt haben, dass er zu- erst den oberen Teil des Helmes zerspaltete, die oberste Kopf- haut verwundete und sein Schwert, das mitten in den Helm- löchern eingeklemmt war, loslassen musste. Biarco hatte nun den Gegenstreich zu führen und setzte, um sein Schwert wuchtiger zu schwingen, den Fuss auf einen Baumstamm. Mit seinem Stahl von vorzüglicher Schärfe hieb er Agnerus' Leib mitten durch. Manche behaupten, Agnerus habe, um seinen Schmerz aufs Beste zu verbergen, mit einem Lächeln um den Mund seinen Geist aufgegeben. Die Kämpen wünschten nun sehr eifrig Rache für ihn zu nehmen, wurden aber von Biarco mit der gleichen Todesart dafür bestraft. Dieser ver- wendete nämlich ein Schwert von vorzüglicher Schärfe und ungewöhnlicher Länge, welches er Löwi nannte^). Während er sich noch über solche Heldenthaten freute, bot ihm ein wildes Waldtier Gelegenheit zu einem neuen Siege. Er stiess nämlich in einem Dickicht auf einen Bär von ungewöhnlicher Grösse und erlegte ihn mit dem Jagdspiess. Sodann hiess er seinen Begleiter Hialto den Mund an die Wunde legen und das herausströmende Blut des Tieres trinken, damit er stärker werde. Es herrschte nämlich der Glaube, dass durch solch einen Trank ein Zuwachs an Körperkräften eintrete ^). Durch diese wackeren Thaten gewann er sich die Freundschaft der angesehensten Edlen und ward auch beim Könige sehr be- sh

>) lieber diesen Brauch vgl. Weiohold S. 300.

*) V^orzüglichen Schwert^ro wurden sehr oft Namen beigelegt ; Saxo kennt noch folgende: Snyrtyr und Höthingus U, 64; Hwytingiis und Lyu- singüs VIL 243; Lc^gthi VII, 254 (Holder).

') Ueber diesen (tlauben vgl. S. 35 und Anm. l.

92 Zweites Buch.

liebt. Er bekam dessen Schwester Ruta zur Frau und er- hielt so die Braut des von ihm Besiegten als Siegespreis. An Atislus, der Rolwo gereizt hatte, nahm er Rache mit Waffen- 57 gewalt, besiegte und tötete ihn im Kampfe ^). Darauf gab Rolwo einem hochbegabten Jüngling, Namens Hiarthwarus, seine zweite Schwester Sculda zur Frau und setzte ihn gegen Erlegung eines jährlichen Tributes zum Statthalter von Schweden ein, um so den Verlust der Freiheit durch die Gunst der Verschwägerung mit ihm zu mildem.

An dieser Stelle sei nun eine heitere Geschichte meinem Werke eingefügt. Ein junger Mann Namens Wiggo') hatte die Körpergrösse Rolwos einer gar eingehenden Musterung unterworfen und ward von gewaltiger Bewunderung über sie ergriffen. Dann begann er im Scherze zu fragen, wer denn dieser Krage sei, den die verschwenderische Natur mit einer so hohen Gestalt beschenkt hätte, indem er so über Rolwos ungewöhnliche Grösse einen geistreichen Witz machte. Auf Dänisch heisst nämlich Krage ein Baumstamm, dessen Spitze man mit Hilfe der halbabgeschnittenen Aeste ersteigen kann, derart, dass der Fuss auf die abgehauenen Stümpfe, wie auf eine Leiter gestützt, allmählich hinaufgelangt und das Ziel der erstrebten Höhe erreicht^). Dies rasch hingeworfene Wort griff Rolwo als einen rühmlichen Beinamen für sich auf und belohnte den witzigen Ausspruch durch Beschenkung mit einer kostbaren Armspange*). Wiggo hielt nun den damit ge- schmückten rechten Arm in die Höhe, während er den linken, gleich als ob er sich schäme, hinter dem Rücken verbarg, und rief laut, er, den das Geschick bisher dauernd in Armut

*) Vgl. damit den widersprechenden Bericht III, 120.

*) Altnord. Vöggr = Wiegenkind.

*) Etwas abweichend sind die Berichte der Edda (Gering 381) und der Hrolfssaga 42 (Fhland VII, 147). Saxos Erklärung und Ableitung des Beinamens von krage, isl. kräki {=r. dünne Stange, Leiter) ist wohl richtig; die Edda a. a. O. scheint ihn allerdings als Knirps zu ver- stehen. Die Ableitung von kraka = Krähe ist unmöglich, da dieses Wort Femininum ist,

•) Richtiger, wie es auch die andern Berichte lehren, ist das Ge- schenk als Xamengabe (nafniestr) aufzufassen ; vgl. Weinhold S. 262 3.

Rolwo u. Wiggo. Sculda u. Hiarthwarus. 93

gefesselt hätte, freue sich über die kleine Gabe. Auf die Frage, warum er sich so benehme, sagte er, die ungesehmüekte Hand, die sich nicht des Vorteils einer Zierde erfreue, werde beim Anblick der andern von ehrbarer Schamröte übergössen ^). Durch diese schlaue Rede gewann er sich noch ein Geschenk, welches dem ersten ebenbürtig war. Denn Rolwo sorgte da- 89 für, dass er die versteckte Hand nach dem Beispiel der andern auch öffentlich zeigen konnte. Wiggo Hess es nun auch nicht daran fehlen, diese Gnade zu vergelten. Denn er versprach in einem sehr strengen Gelübde, wenn Rolwo durch das Schwert fallen sollte, an seinem Mörder Rache zu nehmen. Es darf auch nicht übergangen werden, dass früher die Vor- nehmen, wenn sie an den Hof kamen, die Erstlinge ihres Dienstes durch das Geloben irgend einer Grossthat ihren Fürsten zu weihen pflegten, um so tüchtig ihre Laufbahn zu beginnen ^). Unterdessen richtete Sculda ') aus Scham über die Tribut- zahlung ihren Sinn auf grausame Ränke. Sie warf ihrem Gatten seine schmähliche Lage vor und ermahnte ihn dringend, das Joch der Knechtschaft abzuwerfen; sie verführte ihn da- zu, Rolwo einen Hinterhalt zu legen und verstrickte ihn in die wildesten Aufruhrpläne, indem sie feierlich erklärte, ein jeder schulde der Freiheit mehr Rücksicht als der Verwandt- schaft. So Hess sie denn durch Hiarthwarus an Stelle des 58 Tributs, sorgfältig verhüllt, grosse Mengen von Waffen aller Art nach Dänemark schaffen, die das Mittel gewähren sollten, den König bei Nacht zu töten. Die Schiffe wurden nun mit der Last der falschen Abgabe beladen und man gelangte nach Lethra^), das von Rolwo erbaut und mit den hervorragendsten Schätzen des Reiches geschmückt, die übrigen Städte der be- nachbarten Provinzen durch sein Ansehen als (iründuug und Sitz des Königs übertraf. Der König feierte die Ankunft des Hiarthwarus durch ein prunkendes Gelage und hatte schon

*) Dieser zweite Witz fehlt in den andern Quellen; vgl. Saxo VIII, 296 (H).

•) Ueber ähnliche Gebräuche vgl. Weinhold S. 462.

•) Nach der Hrolfssaga ir» ist sie eine Tochter Helgis und einer Eibin (alfkona); daher ist sie sehr listig und zauberkundig (Kap. 47 '48).

♦) Vgl. Anro. 2, 8. 84.

^

94 ZweiUä Buch.

gewaltig dem Trünke zugesprouhea. «äbreiiü (He Gäste wider ihre Gewohnheit vor unmässiger Zfclilust zurücksc-hreekteii. Als die übrigen Id tiefem Schlafe lagen, begannen die Schweden, denen das Bewusstsein ihres verlirecherischen Vorhabens den gewöhnlichen Uenuss der Ruhe ra»ble. in aller Stille ihre Lagerstätten zu verlassen. Der geschlossene Faek Waffen wurde alsbald geöffnet . und jeder rüstete sich schweigend mit den seinigen. Dann eilten «ie nach der Kunigshalle, erbracheu die Schlafgemächer und bohrten ihre Schwerter in die Leiber der SchlummerDden. Mehrere erwachten: aber da sie ebenso sehr der Schrecken des plötzlichen Gemetzels wie die Schlaftrunkenheit betäubte, leisteten sie nur mit zweifelndem Bemriben der Gefahr Widerstand, zumal sie auch die Nacht irre führte und sie nicht sicher erkennen liess. ob ihnen Ge- tM> nossen »der Feinde entgegen traten. Hialto, der unter den Kdlen des Königs durch seine erprobte Tüchtigkeit besonders hervomigte. war im Schweigen derselben Nacht zuföllig aufs Land hinausgegangen und hatte sich den Umarmungeu einer Hure hingegeben. Als er nun staunenden Ohres den in der Feme sich erhebenden Kampflärm wahrnahm, da zog er die Tapferkeit der Wollust vor, und beeilte sich, lieber die unheil- vollen Gefahren des Mars aufzusuchen, statt den schmeicheln- den Lockungen der Venus nachzugeben. Wie grosse Liebe zu seinem Könige muss wohl diesen Krieger beseelt haben, dass er es für besser hielt, sein Leben offener Gefahr ent- gegen zu werfen, statt es für die Wollust aufzusparen, ob- wohl er d<ich mit angeblicher Unkenntnis sich völlig wegen seines Fernbleibens hätte entschuldigen können. Als er weg- gehen wollte, fnigle ihn die Buhlerin, einen Mann in welchem Alter sie heiraten sollte, wenn sie ihn verlöre. Hialto geb.it ihr, gleich als wollte er ihr etwas im Geheimen mitteilen, näher zu kommen, und schnitt ihr dann, entrüstet darüber, d.i-^ .-ie sich bei ihm selber nach einem Nachfolger seiner 1.1. 1..- erkundigte, die N:ise ab') und entstellte sie so; er be- Mnftr ihr* schamlose Frage durch diese schmähliche Wunde

l >V-h ilor Hmlfssat.'« bi'issl fr ihr die Xaa

üeberfoU Rolwos; Hialto. 95

und glaubte die Lüsternheit ihres Sinnes durch die Schändung ihres Gesichts etwas einschränken zu müssen. Darnach sagte er ihr, er lasse ihre freie Wahl in der fraglichen Angelegenheit. Alsdann eilte er schnell nach der Stadt, stürzte sich in die dichtesten Knäuel und mähte die feindliehen Scharen nieder, in- dem er nach beiden Seiten hin Wunden austeilte. Als er an dem Lager des noch schlafenden Biarco vorbeikam, hiess er ihn aufwachen und redete ihn mit folgendem Liede an^):

„Schnell erwache jeder, der nach seinen Verdiensten ein 59 Freund des Königs zu sein sich rühmt oder in einfacher Treue als solchen sich bekennt. Die £dlen mögen den Schlaf ab- oi schütteln, fern sei schmachvoller Schlummer! Erwachend ent- zünde sich der Mut; jeden wird seine Rechte zum Ruhme führen oder dem Vorwurf der Trägheit preisgeben.. Diese Nacht wird das Ende sein, oder die Rache für unser Unglück *). Nicht fordre ich euch jetzt auf, mit Mädchen Spiel zu treiben, noch zarte Wangen zu streicheln, oder den Bräuten süsse Küsse zu geben, nicht weiche Brüste zu kosen, nicht klaren AVein zu trinken, nicht zarte Schenkel zu berühren, nicht das Auge auf schneeige Arme zu heften. Zum bitteren Kampfe des Mars vielmehr rufe ich euch auf. Krieg ist von nöten, nicht leichtfertiges Liebesgetändel. Kraftlose Schwäche hat hier nichts zu thun. Streit fordert die Sache. Wer Freund- 12 Schaft mit dem Könige hält, ergreife die Waffen. Den Mut abzuschätzen ist kriegerischer Ruhm das beste Mittel. Darum wohne keine Furcht den Männern, keine Leichtfertigkeit den Tapferen inne, und die Lust verlasse den Sinn, um den Waffen zu weichen. Schon harrt der Ruhm als Preis; jeder kann

*) Von dem altnordischea Gedicht, welches Saxo im Folgenden be- nutzt hat, sind uns einige Strophen erhalten in der Heimskringla (Saga Olafs Konungs ens Helga) und in der Edda Snoms; zusammen gedruckt in den Fornaldar Sog. Norörl. I, 110); es sind die sogenannten „Alten ßjarkamäl''. Eine Uebersetzung giebt Uhland, Sehr. VII, 165 u. 66. Die erste Strophe lautet nach Uhland: »Der Tag ist erstanden, Des Hahns Gefieder rauscht. Zeit ist, die Männer Zur Arbeit zu wecken. Wachet und wachet, Ilir trauten Freunde, All ihr gewaltigen Feinde Adils'I-

■) Hier beginnt die zweite Strophe der ßjarkamal.

hier Ober seineo guten Ruf entscheiden, jeder durch seine eigene Rechte glänzen. Nichts Ueppiges sei hier, alles bemßhe sich voll Ernst, die augenblickliche Niederlage abzuwenden. Keiner, der auf Ruhm und Preis Anspruch macht, darf in feiger Furcht erschlaffen, sondern muss Tapferen entgegen gehen und darf nicht vor dem kalten Stahl erbleichen."

VoE dieser Stimme ermuntert, redete Biarco seinen Kammerdiener Scaicus*), um ihn schneller zu ermuntern, auf folgende Weise an:

„Auf Knabe, und fache das Feuer an mit emsigen Blasen; schaffe Holz auf den Herd und entferne die feine Asche. Schlage Funken auf der Feuerstätte, entfache die unten ver- borgenen Reste der Glut; locke die versteckte Flamme hervor. Zwinge den matten Herd Licht hervorzubringen, entzflnde mit brennendem Stabe die Kohlen zu rötlicher Glut. Gut wird es sein, wenn mau die Finger an der nahen Flamme auSHtrecken kann; denn wer fQr seinen Freund sorgt, muss warme HAnde haben und die schädliche, bleiche Kfilte grfind- lich vertreiben ')." 98 Darauf) sprach wieder Hialto:

„Süss ist es, die von unserem Herrn empfangenen Gaben vergelten zu können*), die Schwerter zu ergreifen und den <; 94 Stahl dem Ruhme zu weihen. Siehe, jeden treibt seine Tüch- tigkeit an, dem wohlverdienten Könige geziemend zu folgen lind den Fürsten mit wfirdigem Ernste zu schützen. Die teutonischen Schwerter, die Helme, die glänzenden Arm- spangen, die bis zum Knöchel reichenden Beinschienen, die einst Rolwo den Seinigen spendete, mögen euren dankbaren Sinn zum Kampfe anspornen. Die Sachlage erfordert es und billig ist es, dass wir uns im Kriegsgetümmel verdienen, was

') Allnord. skälkr, hciist Knecht.

=) V^t. hierzu die .Sprüche Hars", Str. 3 (Oeringa Edda H. 87).

') D. h. nach einiger Zeit, nicht unmittelbar; vgl. S, 98 unten.

') Dieser Satz umschreibt Str. 3—5 der Bjarksmäl ; Saio vermeidet hii-r wiihl absichtlich eine genauere Wiedergabe, wegen der in dieten Slmphen enthaltenen vielen Kenningar (d, h. poetischen, mythologitchen l'Mni'hreibiingen) fiir Uold.

Hialtos Aufforderung zum Kampfe. 97

wir bereits in tiefster Friedensruhe erhalten haben, und nicht immer dürfen wir freudige Zeitläufte traurigen vorziehen, oder .. günstigen Ereignissen vor unangenehmen Beifall spenden. Mit stätem Sinne wollen wir Edlen jedes Los ergreifen, und nicht soll das Schicksal unseren Charakter regieren. Denn es ziemt sich, in gleicher Weise Freuden und Leid zu er- tragen und mit derselben Misne Trauerjahre zu verleben, mit der wir die angenehmen verbracht haben. Alles, was wir beim Zechen mit trunkenen Lippen versprachen, wollen wir mit tapferen Herzen erfüllen, und wir wollen die Gelübde leisten, die wir beim höchsten Jupiter und den mächtigen Himmlischen beschworen haben. Der erste der Dänen ist mein Herr; jeder Wackere stehe ihm bei. Fort, fort mit euch, feige Flüchtlinge! Ein tapferer und standhafter Mann thut not, nicht einer, der zweifelnd den Rücken wendet und die grause Kriegsrüstung fürchtet. Oft besteht die grösste Kraft des Feldherrn in seinem Heere; denn um so sicherer wird der Fürst in die Schlachtreihe treten, eine je bessere 95l Schar von Edlen ihn umdrängt. Mit kriegerischer Faust er- greife der Gefolgsmann die Waffen, lege die Rechte an den Schwertgriff, fasse fest den Schild; auf den Feind stürze er sich und erbleiche vor keinen Streichen. Niemand biete sich von hinten dem Feinde zum Schlage, keiner empfange das Schwert mit dem Rücken; kampfesmutig soll immer die Brust den Wunden offen stehen. Den ersten Kampf fechten die Adler Stirn gegen Stirn aus, und mit raschem Schnabel be- drängen sie sich von vorn^). Gleichet diesem Vogel und fürchtet keinen Streich vorn auf die Brust. Siehe, da stürzt der Feind mit mehr Selbstvertrauen, als billig ist, an den Gliedern durch Stahl, am Haupte durch den vergoldeten Helm geschützt, mitten in die Reihen, als ob ihm der Sieg schon sicher sei, ohne die Flucht zu besorgen, durch kein Wagnis zu überwinden. Die Zuversicht der Schweden verachtet wehe mir elendem die Dänen, siehe, wie die trutzig blicken- den Götländer, furchtbar anzusehen, mit wallenden Helm-

') Sprichwörtlich. Saso Grammaticuff.

98 Zweifca Buch.

büBchen und klirrenden Lanzen vorstürmen, l'm mit unserem «I Blute ein Gemetzel anzurichten, zücken sie die Schwerter und die frisch geschliffenen Streitäxte. Was soll ich dich, Hiarthwarus, nennen, dem Sculda den schädlichen Rat eingab, den sie veranlasste, so grosse Schuld auf sich zu laden? Was soll ich von dir singen, Unsagbarer, du Quell unserer Gefahr, du Verräter des herrlichen Königs, den die wilde Gier nach der Herrschaft trieb, dies Verbrechen zu versuchen und, als die Furien ihn peinigten, immer die Schuld der Gattin vorzuschützen? Welcher Irrtum, der dich zum Verderber der Dänen und deines Herrn machte, reizte dich zu solcher Unthat? Woher kam dir die Ruchlosigkeit, die mit so trugvoller V^or- m bereitung gerüstet ist? Doch was zögere ich? Wir haben schon unser letztes Mahl verzehrt. Der König stirbt und das äusserste Geschick ergreift die elende Stadt. Der letzte Tag ist für uns angebrochen, wenn nicht etwa ein solcher Weichling hier ist, der sich scheute, sich den Streichen darzubieten, oder ein unleher Feigling, der es nicht wagte, seines Herrn Rächer zu soin, sondern jedes würdige Ehrgefühl aus seinem Herzen ver- bannt hätte. Auch du, Ruta, »telie auf und erhebe dein suhneeweisses Antlitz, verlasse dein Versteck und komme in den Kampf; das Blutbad, welches angerichtet wird, ruft dich heraus, ^chon erbebt die Halle vom Kampfe und von dem grausen Streite krachen die Pforten. Das Eisen zerreisst die Panzer, die geschmeidigen Maschen werden durchbrochen, die Eingeweide geben nach den zahlreichen Geschossen. Schon haben gewaltige Beile den Schild des Königs kleingehauen; schon erklingen die langen Schwerter, die Streitaxt kracht, auf die Menschenschultern geschmettert, sie zerspaltet die Brust. Was ängstigt sich das Herz? Warum wird das mOdr Schwert stumpf? Das Thor ist eothlösst von den unsrigen. ttnd erfüllt von dem feindlichen Getümmel."

Als Hialto schon ein ziemliches Gemetzel angerichtet lind den Kampf recht blutig gestaltet hatte, traf er zum dritten Male auf Biarcos Zelt, und da er glaubte, dieser sei Ulis Furcht so begierig nach Ruhe, griff er ihn mit folgendem Vi.rwurf für seine Feigheit an:

Hialtos Aufforderung zum Kampfe. 99

^Nun, weshalb bist du denn nicht da, Biarco? Fesselt dich der tiefe Schlaf? Was zögerst du, ich bitte dich! Komm heraus, oder du wirst vom Feuer überrascht. £rwähle das 97 bessere Teil ! Los, kommt zu mir ! Bären mag man immerhin durch Feuer abschrecken; überschütten wir die Gemächer mit Flammen, Brand möge zuerst die Pfosten ergreifen ! Das Bett empfange ein brennendes Scheit, und das eingestürzte Dach sei Stoff für die Flammen, es biete dem Feuer Nahrung. Recht ist es, an die verfluchten Thore Feuer zu legen. Wir 62 aber, die wir den König mit besserer Treue ehren, wollen uns zu standhaften Schlachtenkeilen vereinigen und in sicheren Reihen die Schlachtordnung abmessend dorthin gehen, wo es uns der König vorschrieb: Er, der Röricus, des habsüchtigen Bökus Sohn erlegte, und ihn, den aller Tugend baren, dem Tode weihte. Jener war zwar reich an Schätzen, aber arm in der Kunst des Geniessens; er war weniger angesehen wegen seiner Rechtschalfenheit, als wegen seines Geldes. Gold hielt er für wertvoller als Krieg, alles setzte er dem Gewinne nach, ruhmlos scharrte er Erzhaufen zusammen und verschmähte es, edle Freunde zu haben. Als er von Rolwos Flotte an- gegriffen ward, befahl er seinen Dienern, Gold aus den Truhen zu holen, es hinabzutragen und vor den Thoren der Stadt hin- zustreuen; er rüstete sich vielmehr zu Geschenken als zum Streite, weil er, ohne Soldaten, glaubte, den Feind mit einer Gabe, nicht mit den Waffen angreifen zu müssen, gleich als ob er mit Schätzen allein Krieg führen und nur mit Hilfe von Gütern, nicht von Menschen den Kampf ausfechten könnte. Darum öffnete er die schweren Truhen und die reichen Schlösser und brachte zierliche Armspangen und schwerbeladene Kästen hervor, die nur zu seinem Verderben dienen sollten. Reich an Gütern, arm an Kriegern überliess er die Schätze dem Feinde zum Raube, die er heimischen Freunden darzubieten 08 versäumt hatte. Er, der sich einst scheute, freiwillig einen kleinen Ring zu verschenken, verschwendete jetzt wider Willen die Masse seiner Schätze, ein Plünderer des alten Vor- rats. Klüglich aber verachtete diesen und die dargebotenen Geschenke der König und nahm ihm Gut und Leben zugleich.

100 Zweit«! Buch.

Nichts nützte dem Feinde der trage Reichtum, den er seit langer Zeit gierig aufgehäuft hatte, lieber ihn fiel der recht- schalTene Rolwo her, Dahm die gewaltigen Schätze des Er- schlagenen und verteilte unter würdige Freunde, was dessen habsQchtige Hand in so langer Zeit zusammengescharrt hatte '). Als er in das reiche, aber schwache Lager einbrach, bot er seinen Genossen ohne Blutvergiessea eine herrliche Beute. Nichts war ihm zu schön, um es nicht zu verteilen, nichts zu lieb, um es nicht seinen Freunden zu geben. Schätze waren ihm wie Asche, und er bemass seine Jahre nach dem Ruhme, nicht nach Reichtümern. Daher ist es klar, dass ein König, der schon einen rühmlichen Tod erlitten '), auch herrliche Tage verlebt hat, und dass glänzende Zeiten in seinem Geschick seine vergangenenen Jahre männlich geschmückt haben. Denn von Tüchtigkeit beseelt, Obertraf er bei Lebzeiten alles, da er eine seines herrlichen Körpers würdige Kraft erhalten hatte.

t$ So schnell war er zum Kriege, wie der erregte Strom zum Heere hinabrinnt, und so eilig hatte er es, das Gefecht zu beginnen, wie der Hirsch mit gespaltenem Hufe seinen raschen

99 Lauf zu vollenden. Siehe in den Lachen von Menschenbint die ausgeschlagenen Zähne der Erschlagenen, wie sie der reissende Strom fortspQlt, und wie sie an dem rauhen Sande geschliffen werden. Obwohl mit Schlamm bespritzt, glänzen sie doch; der Blutstrom führt zerschmetterte Gebeine mit sich imil lliusst über verstümmelte Glieder. Feucht wird alles vriM Dilnenblut, weithin verbreitet sich die grausige Ueber- Ni^hwonimung, und der den dampfend-schäumenden Adern ent- xjininKt^iie FInss wälzt sich über verstreute Leichen. Rastlos stürmt Iliarthwarus, der Liebhaber der Schlacht, auf die Dänen »in lind fordert mit geßllter Lanze zum Kampfe heraus.

i| IXri« Ursrhicht« vod der Niederlage Rörilu wird allein von

S, •) llriilf wird hiiT «(hon als tot vorausgesetzt, währead er auf der

lifc'h»ti'ii Si'iti" ii'wh IpIjI. Dioae Verse stehen also entweder Dicht an IhfiT rlililltii'H Sti'lli-, oder, was wahrach ein lieber ist, Saio hat «wei Oe- illi'ht' v'-r slrh K''I>"1'' ""•* ^^"^ unvorsichtige oder unöberl^(te Be- .Hit»Miiir l<.-l<W «'ine Uarslellung \-erwirrt.

Hialtos AufforderuDg zum Kampfe. 101

Dennoch sehe ich hier unter den Gefahren und Wechself ftllei) des Krieges Frothos Enkel ^) fröhlich lachen, der einst die firivallischen ') Wälde^ mit Gold besät hatte. Auch uns soll der ehrenvolle Schein der Fröhlichkeit erheben, wenn wir im Tode dem Schicksale unseres edlen Vaters^) folgen. Damm seien wir freudig in unseren Worten und kräftig in unserem Wagen; denn es ziemt sich, unter kühnen Reden die Furcht zu verachten und unter denkwürdigen Thaten den Tod heran- zulocken. Die Angst verlasse Antlitz und Herz; bekennen wir mit beiden unser furchtloses Bestreben, dass kein Merk- mal verrate, es sei irgendwo ein Anzeichen zweifelnder Furcht loo vorhanden. Mit gezücktem Schwerte werde der Wert unserer Verdienste abgewogen. Preis folgt den Toten nach, Ruhm wird unsere mürbe Asche überleben und nimmer wird der Vergessenheit verfallen, was vollkommene Tüchtigkeit ihrer Zeit vollbrachte. Warum handelt man bei verschlossenen Thüren? Warum versperrt der mit dem Schlosse verbundene Riegel die Pforten? Zum dritten Male ruft dich ja schon, Biarco, meine Stimme und fordert dich auf, das verschlossene Haus zu verlassen*)^.

Dagegen erwiderte Biarco:

„Weshalb rufst du mich, Rolwos Schwager, weshalb mit so lauter Stimme, kriegerischer Hialto? Wer Grosses aus- spricht und mit hochtönenden Worten andere zu den Waffen ruft, ist gehalten selbst etwas zu wagen und sein Thun seinen

') GeDauer Urenkel; gemeint ist natürlich Hrolf.

*) D. h. in der Fyrisebene gelegen. Der Ausdruck bezieht sich auf die oben S. 89 erzählte Geschichte; denn diese spielt in der Nilhe von Upsala, welches an dem Flüsschen Fyrisa liegt.

■) D. h. wieder Hrolf.

*) Nach Saxos Darstellung versteht man gar nicht, weshalb eigentlich der starke Bjarke nicht kämpft und so trag ist; die Hroifsaaga 50—51 (= Uhland YII, 153) klärt die Sache auf. Damach kämpft, während Bjarke tief schläft, ein riesiger Bär erfolgreich gegen die Scharen Skuldas ; als er selbst ins Gefecht kommt, verschwindet dieser. Der Bär war also Bjarke selbst, und dieser ist demnach, wie auch schon seine Abkunft an- deutet, ein mythisches Wesen mit der Fähigkeit, verschiedene Gestalten anzunehmen. Vgl. Mogk i. Grundr. UI, 262; Uhland, Sehr. VII, 168.

102 Zweites Buch.

Worten anzupassen, damit die Thaten der Rede entspreched. Doch bore auf, solange ich mich waffne imd mit dem schreck- lichen Kriegsgewande rüste. Schon gürte ich das Schwert 4M an die Seite, schon bin ich am Körper geschützt von Panzer und Sturmhaube, während der Helm die Schläfe schirmt und die Brust hinter dem harten Stahle sich birgt. Niemand schreckt mehr davor zurück wie ich, im geschlossenen Ge- mache sich verbrennen zu lassen und mit seinem Hause einen Scheiterhaufen abzugeben. Mag mich immer nur eine Insel geboren haben, mag ich nur ein unbedeutendes Fleckchen

101 Erde als Heim haben, ich muss doch dem Könige die zwölf Stämme vergelten, die er mir zu Ehren mir geschenkt hat '). Merkt auf, ihr Helden! Niemand schirme den dem Tode ge- weihten Leib mit dem Harnisch: nur den schlechtesten Krieger Schütze der Ringpanzer; auf den Rücken gehören die Schilde,

loa mit offener Brust wollen wir kämpfen; die Arme bedecket ganz mit Oold. Eure Rechten mögen Spangen erhalten, da- mit sie um .so stärkere Streiche austeilen und bittere Wunden Sf^hlagen können. Keiner weiche zurück! Um die Wette be- mühe sich jeder unter die feindlichen Schwerter und die drohenden Lanzen zu kommen, damit wir den teueren Herrn rächen. Glücklich über alles ist der, der Rache für solche Unthat nehmen und mit gerechtem Stahl die Schmach dieses Hinterhalts sühnen kann. Siehe, ich glaube doch sieber den

108 wilden Hirsch mit dem teutonischen Schwerte Namens Snyrtir durchbohrt zu haben'), durch das ich den Beinamen des

■) Für uns dunkle Verat'. da uns BJBrkea Hpiniftl iikht hekannl Ul : vkI, jedoch die fabelhafle Krzähluag in der Hrulfssaga 24 37. - )lir den nwölf Stämmen aiod wahrscheinlich Landgüter gemeint : vgl. HrulCs-

*1 Aiii'h diese Stelle paast nicht ganz in den Zusammenhanc. sie t'i>riiii^s''i/,l. dass Bjarke schon eine /eiilang erkämpft hal. L'nler dem Hinoh lii es lietcl «^i» Wortspiel vor - Hiartbwanis zu verstehen. ilonii ili'i •••■üo Beslanüleil noines Namen» heisal im .\ltnnrd. Him-h. 11(1, Srliu.ri hiess oben S. 91 Ijüwi, Snyrtir (snertirl ist alier im Alt- ii.,i'il. IM" li Appellativum, nicht bloss Eigenname, was Saio jedoch nich» iiH'lir \< 'Kiiiiid. Zur Sache vgl. Hnilfssaga 51. wn Itjarke lagt: „Hier wieder auf und streiten wider uns; schwer ist's gege«i

ßiarcos Kampflied. 1()3

Kampflustigen^) erhielt, sobald ich damit Ingellus' Sohn Ägner US erschlagen hatte und den Siegespreis heimbrachte ^). Er zerbrach das auf mein Haupt geschmetterte Schwert Hö- thingus, welches beim Hiebe zersprang, und er hätte mir schwerere Wunden versetzt, hätte die Schärfe seines Stahles bessere Kraft besessen. Ich hieb ihm dagegen die linke Hand, einen Teil der rechten Seite und den rechten Fuss ab, und durch seine Glieder hingleitend drang der schneidende Stahl mitten zwischen seine Rippen. Beim Herkules! Nie erschien mir einer tapferer als jener. Denn halbtot schon richtete er sich noch auf und erwartete, auf den Ellenbogen gestützt, lächelnd den Tod und verachtete das Verderben mit Gelächter, und freudig zog er nach den elysischen Gefilden. Gross ist der Heldenmut des Mannes, der es verstand, unter einem Lächeln seine Todesstunde zu verbergen und den äussersten Schmerz des Leibes und der Seele mit heiterer Miene zu unterdrucken. Jetzt eben auch habe ich mit dem- selben Schwert die Lebensfasern eines Sprossen aus edlem Geschlechte durchschnitten und den Stahl tief in seine Brust getaucht. Eines Königs Sohn war er, ausgezeichnet durch das Blut seines Grossvaters, herrlich nach seiner Veranlagung und blühender noch in den zarten Jahren der Jugend '). Ni(^ht 65 konnte ihm das geflochtene Metall etwas nützen, nicht das 104 Schwert, nicht der rundliche Schildbuckel. So lebhaft war die Kraft meiner Klinge, dass sie sich durch kein Hindernis aufhalten Hess. Wo sind denn die Anführer der Götländer und die Scharen des Hiarthwarus? Mögen sie nur kommen und ihre Kraft mit ihrem Blute bezahlen. Wer wirft denu^ wer schleudert denn die Geschosse wenn nicht Königssprossen?

Tote zu kämpfen . . . Dem König Hjörward hieb ich Hand und Fuss ^ weg, ein zweiter Hieb spaltete seinen Kücken, und er atmete nicht mehr; aber jetzt streitet er so rüstig als zuvor." (Uhland VII, 154.)

') D. i. Bödwar; in der Hrolt'ssaga erscheint diese Form als Haupt - name, während Bjarki, abgeleitet von björk = Birke (weil er eine Schwert- scheide aus Birkenholz trug), als Beiname aufgefasst ist.

*) Für diesen wie für den vorigen Bericht (S. 90, 91) über die Be- siegung Agners hat wohl Saxo ein und dasselbe poetische Vorbild benutzt.

*) Wieder ist Hiarthwarus gemeint.

104 Zweites Bach.

Von Edelgeborenen erhebt sich der Kampf, die vomehmsteii Geschlechter vollenden den Streit. Dean nicht handelt sich bei einer Sache, die nur Fürsten Gefahr bringt, um Wag- nisse für das ge^vöhnliche Volk. Berühmte Edle sterben. Siehe, erhabener Rolwo, deine Vornehmen fielen, dein treuer Stamm schwindet. Kein niederes oder unbedeutendes Ge* schlecht, nicht den Tod gewöhnlichen Volkes, nicht gemeine Seelen verlangt Pluto, sondern das Geschick der Mächtigen entscheidet er, und mit berühmten Gestalten erfüllt er den

105 Phlegethon. Nicht erinnere ich mich eines Kampfes, in dem man schneller gewesen wäre, die Schwerter zu kreuzen und Hieb gegen Hieb auszutauschen. Wenn ich einen austeile^ erhalte ich drei; so bezahlen die Götländer die empfangenen Wunden, so rächt die stärkere Rechte des Feindes die er- littene Strafe mit Wucherzins. Und doch habe ich, obwohl ich allein fechte, gar viele dem Tode und Verderben über- antwortet, sodass gleichwie ein Hügel ein Damm aus ver- stümmelten Gliedern hoch emporwuchs und die gehäuften Leichen das Aussehen eines Berges erhielten ^). Aber was thut denn der, der mich eben hervorkommen hiess, der sich prahlend lobt und andere mit stolzen Worten unter bitteren Vorwürfen schilt, gleich als ob er in seinem Leibe allein die Lebenskraft von zwölf Männern vereinigte*)?"

Darauf erwiderte Hialto:

„Obgleich ich nur schwache Unterstützung geniesse, bin ich nicht weit fern. Auch hier, wo wir stehen, ist Hilfe von nöten, und nirgends ist Kraft oder eine auserlesene Schar kampfschneller Männer mehr erforderlich. Schon haben die harten Schneiden und die Speere meinen Schild zerspalten,

106 und der gefrässige Stahl hat die im Kampfe Stück für Stück abgetrennten Splitter verzehrt. Das beweist und bezeugt sich ja selbst am besten. Denn das Gehör ist ja schwächer als das Ge-

') Vgl. hier und zum Folgenden den ganz ähnlichen Bericht der Hrolfssaga 51.

*) Die Stärke von zwölf Männern vereinigen viele Sagenhelden in sich, z. B. Siegfried, Ortnit und viele Märchengestalten.

Biarcos u. Hialtos Kampflieder. 105

sieht, und das Auge ist treuer als das Ohr^). Von dem zer- hauenen Schilde sind nur noch die Halteriemen übrig, von der Kreisfläche bleibt mir nur noch der zerhackte Buckel. Doch wohlan nun, Biarco! Du bist ja stark, und obwohl du 66 mehr als billig gezögert hast, kannst du durch deine Tapfer- keit den Schaden der Versäumnis wieder gut machen.^

Biarco aber sprach:

yjHörst du noch nicht auf, mich zu schelteo und mit Vor- würfen zu überhäufen? Gar vieles pflegt Aufenthalt zu ver- ursachen. Der Grund meines Zögerns war das mir begegnende Schwert, welches der schwedische Feind mit kräftigem Schwünge gegen meine Brust stiess. Nicht schonend führte die Klinge der, der den Grifl^ handhabte. Denn er schwang es gegen mich, der ich doch gewaffnet war, wie es sonst bei nackten oder umgerüstetem Leibe dör Fäll ist. So durchschnitt es den Schutz des harten Eisens wie flüssiges Wasser, und nicht konnte mir die Last des Panzers irgendwelche Hilfe gewähren. Aber wo mag nur jetzt der sein, den man gemeinhin Othinus heisst, der kampfgewaltige, der sich immer mit einem Auge begnügt? Sage mir es, Ruta, ich bitte, wenn du ihn irgendwo erblickst.^

Darauf antwortete Ruta:

„Bringe dein Auge näher und blicke durch meine in die Seiten gestemmten Arme, um vorher deinen Blick durch das Siegeszeichen zu weihen, wenn du sicher die Gegenwart des Mars erkennen willst*).**

Dann sprach Biarco: 107

') Sprichwörtlich.

*) Eine schwierige und viel umstrittene Stelle; unsere Uebersetzung wählt die Erklärung, welche mit Müller und Elton als die beste und wahrscheinlichste Ton den achten des Stephanius erscheint. Es handelt sich um einen Zaubervorgang (seiOr), der von der seiOkona (Zauberin) Ruta vorgenommen wird, um Bjarke das Anschauen Odins zu ermög- lichen, der ihrem Gatten den Sieg bringt; bei dem Siegeszeichen hat man an Thors Hammer gedacht. lieber solche Zauberei siehe Mogk im Grundr. III, 405 und Uhland, Sehr. VI, 392.

106 Zweites Buch.

„Wenn ich den schrecklichen Gemahl Friggas^) erblicken kann, wird er keineswegs unversehrt Lethra verlassen, mag er auch von weissem Schilde gedeckt sein und ein hohes Ross lenken. Erlaubt ist es im Kriege, den Kriegsgott niederzu- strecken. Vor des Königs Augen soll ein rühmlicher Unter- gang die Fallenden erwarten. Solange das Leben noch dauert, wollen wir uns bemuhen, ehrenvoll sterben zu können und mit unserer Hand uns ein ruhmvolles Ende zu verdienen. 108 Ueberwältigt zu Raupten meines erschlagenen Fürsten will ich sterben, und du sollst zu seinen Füssen im Tode zu- sammensinken, damit jeder, der die Leichenhaufen mustert, sehe, wie wir unserm Herrn das empfangene Gold vergalten. Wir werden eine Beute der Raben sein, ein Frass für die räuberischen Adler, und die gierigen Vögel werden sich an dem Mahle von unserem Körper gütlich thun. So müssen furchtlose Edle im Kampfe fallen und ihrem erlauchten Fürsten im Tode nachfolgen." 07 Diese Reihe von Aufmunterungen habe ich hauptsächlich

deswegen in metrischer Form wiedergeben w^ollen, weil der Inhalt dieser Verse iu einem dänischen Liede kurz zu- sammengefasst ist und von manchen Kennern des Altertums aus dem Gedächtnis vorgetragen wird.

Während die Götlknder den Sieg errangen, geschah es, dass das ganze Heer Rolwos fieP) und mit Ausnahme Wiggos niemand von der so zahlreichen Sehar übrig blieb. Denn die glänzenden Verdienste des Königs wurden ihm in dieser Schlacht von seinen Kriegern so reichlich vergolten, dass sein Fall in allen den Wunsch, den Tod zu suchen, erzeugte, und dass man es für erfreulicher hielt, mit ihm im Tode ver- bunden zu sein, als weiter zu leben ^).

*) I). t. eben Odin : vgl. dazu die heftigen Drohungen Bjarkes gegen ihn in der Hrolfssaga 51 und die Bjarkamal, letzte Strophe (Uhland VII, ltU5).

•) Den Si'hluss Her Geschichte berichtet Saxo ganz allein: nach der Hn^lfssaga fallen beide Parteien bis auf Skulda und einige Bösewichter.

') Das ist die I*Hiclit jedes germanischen CTcfolgsmannes, deren Ver- nachlUssigung schwerste Schmach einbringt: vgl. Tacitus, (lermania 14 und u. tt. IWowulf L>S^O If.

Ende d. Kampfes. Tod d. Hiarthwarus. 107

I Fröhlich befahl nun Hiarthwarus, ein Mahl solle der Schlacht folgen, und er Hess Tische zum Frühstück aufstellen, um den Sieg durch ein Gelage zu feiern. Von diesem etwas voll sagte er, er wundere sich sehr darüber, dass sich niemand in der ganzen, grossen Schar Rolwos gefunden hätte, der durch Flucht oder Ergebung für seine Rettung gesorgt habe. Dar- aus sei klar zu erkennen, mit welchem treuen Eifer sie die Liebe zu ihrem Könige gepflegt hätten, den sie nicht hätten überleben wollen. Er sprach auch von seinem Missgeschick, welches ihm nicht erlaube, dass ihm der Dienst auch nur eines einzigen von diesen erhalten sei, und bezeugte, dass er die Gefolgschaft solcher Männer sehr gern haben würde. Als man ihm nun Wiggo brachte, freute er sich wie über ein Geschenk und fragte ihn, ob er ihm dienen wolle. Als dieser bejahte, bot er ihm ein blosses Schwert dar. Jener aber wies die Spitze zurück und verlangte den Griff, indem er an- 109 gab, dies sei Rolwx)S Sitte gewesen, wenn er den Kriegern das Schwert darreichte. Und in der That pflegten in alter Zeit diejenigen, welche sich der Gefolgschaft des Königs widmeten, den Schwertgriff zu berühren und so ihren Dienst zu versprechen^). In dieser Weise fasste nun Wiggo den Griff und durchbohrte mit der Spitze Hiarthwarus; so er- füllte er die Rache, deren Vollzug er Rolwo gelobt hatte ^). Darnach bot er sich frohlockend und ganz willig den auf ihn hereinstürmenden Kriegern des Hiarthwarus dar, indem er laut rief, er empfinde mehr Freude über den Tod des Tyrannen, als Schmerz über seinen eigenen. So ward das (ielage in ein Leichenfest verwandelt ^), und dem Jubel des Sieges folgte die Trauer des Begräbnisses. Welch ruhmreicher und ewig denkwürdiger Mann, der mutig sein Gelübde erfüllte, der sich freiwillig den Tod erkor, der durch seine That die Tisclie des Tyrannen mit Blut befleckte! Denn der lebendige Mut seines

*) Von demselben Brauche erzählt Snorri in der Heimskringla (Sage von Harald Schönhaar [Härfagri] Kap. 41). Vgl. noch J. Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer S. 896.

») Oben S. 93.

•) Vgl. die ähnliche Wendung im Ausdruck B. I, S. 2ft.

108 Zweites Buch.

Herzens fürchtete ja nicht die Hände der Schergen, da er zuvor die Stätten, an die Rolwo gewöhnt war, von seiner Hand mit dem Blute von dessen Mörder bespritzt sah. So endete ebenderselbe Tag des Hiarthwarus Herrschaft, der sie ihm gewonnen hatte. Denn betrügerisch erworbene Güter zergehen auf dieselbe Weise, wie sie erstrebt werden, und keine Frucht hält lange vor, die durch Verbrechen und Un- 68 treue erzeugt ist^). So kam es, dass die Schweden, soeben noch die Bezwinger Dänemarks, sogar unfähig wurden sich selber zu retten. Sie wurden nämlich alsbald von den See- ländem vernichtet und leisteten so den beleidigten Manen Rolwos gerechte Sühne. So schwer rächt fast immer die Strenge des Schicksals, was unter Tücke und Falschheit voll- bracht wird.

Ende des zweiten Buches.

') Sprichwörtlich; auch deutsch: Wie gewonnen, so zerronnen. Untreue schlägt den eigenen Herrn.

Drittes Buch. e»;iio

Hotheras^), der Bruder des Athislus und zugleich Pflegesobn des Königs Gewarus, den ich schon früher er- wähnte, erhielt nach Hiarthwarus die Herrschaft über beide Reiche. Seine Zeit wird sich am geeignetsten darstellen lassen, wenn ich von Beginn seines Lebens anfange. Denn die Er- eignisse in seinen letzten Jahren lassen sich schöner und voll- ständiger berichten, wenn man die ersten nicht zur Vergessen- heit verurteilt. Nachdem Helgo Hothbrodus erschlagen hatte, verbrachte dessen Sohn Hotherus den Anfang seiner Jugend unter der Vormundschaft des Königs Gewarus. Als Jüngling übertraf er alle seine Milchbrüder und Altersgenossen an aussergewöhnlicher Körperkraft. Auch war er mit gar manchen geistigen Fähigkeiten begabt. Denn er zeichnete sich durch Kunstfertigkeit im Schwimmen, Bogenschiessen und Faustkärapfen ^) aus und ebenso auch durch Gelenkigkeit, so 111

') Nach Saxos wie gewöhnlich ratioDalistisch gehaltener Darstellung 18t Hotheras ein Mensch, ein starker, streitbarer Held, Balderus ein Halb- gott. Nach der eddischen Ueberlieferung sind beide Äsen und Brüder (Hödr und Baldr). Von ihrer Eifersucht und dem Streit um Nanna schweigt die Edda. (Hauptbericht Gylfaginning 49 = Gering 348 ff.) Der ganzen Erzählung liegt wohl zweifellos ein Jahreszeitenmythus zu Grunde, wenngleich auch hierüber die Ansichten noch nicht völUg geklärt sind. Vgl. Mogk in Grundr. III, 323 ff. ; E. H. Meyer S. 259 ff. (und Register) : Golther S. 366 ff.; S. Bugge, Stud. über d. Entstehung d. nord. Götter- u. Heldensagen (München 1889) S. 34 fi. ; Detter i. d. Beiträgen z. Gesch. d. deutsch. 8pr. u. Litt 18, 82; 19, 495 ff. und bes. Olrik 11, 13 ff. Saxos Bericht trägt zwar vorwiegend norwegisch-isländischen Charakter, doch scheinen ihm auch dänische Quellen vorgelegen zu haben.

*) Ueber diese im germanischen Altertum eifrigst gepflegten Uebungeii ^gl. Weinhold S. 311, 301, 303 ff.

110 Drittes Buch.

sehr man sie nur in diesem Alter erreichen kann; denn er war eben so sehr auf die Uebung, wie auf seine Kräfte selbst bedacht. Seinen noch unreifen Jahren eilte er mit seinen reichen Geistesgaben weit voraus. Niemand war geschickter auf der Harfe oder Leier; ausserdem verstand er sich auch auf Laute, Hackebrett und jede Art Saitenspiel ^). Durch die verschiedenen Arten seiner Weisen wusste er die menschlichen Leidenscliaften zu jeder Erregung hinzureissen. Mit Freude, Trauer, Mitleid oder Hass verstand er sie zu erfüllen. So pflegte er den Gemütern Lust oder Schauder fürs Ohr zu bieten. Durch diese mannigfachen Talente des Jünglings ward Nanna*), Gewarus' Tochter, sehr angezogen und begann

112 seine Umarmung zu erstreben ^). Es kommt nämlich vor, dass sieh Jungfrauen für den Mut eines Jünglings erwärmen und dass Tüchtigkeit ihren Beifall findet, auch wenn das Aeussere weniger gefällt. Die Liebe kennt ja gar viele Wege. Den einen eröffnet Anmut, den andern Geistesgaben, manchen die Pflege der Künste den Zugang zum Genuss; manchen bietet

70 Freundlichkeit die Gelegenheit zur Liebesfreude, viele macht Schönheit der Gestalt willkommen. Heldenhafte Männer pflegen den Mädchen keine leichteren Wunden als schöne -zu schlagen.

Es geschah aber, dass des Othinus Sohn Balderus von dem Anblick Nannas, als sie badete, entflammt und von unendlicher Liebe ergrifl^en wurde *). Es entzündete ihn der Glanz ihres herrlichen Leibes, und seinen Sinn verzehrte ihre strahlende Schönheit; denn Anmut ist der stärkste Reiz für

*) Sbxo bedient sieh hier einer ganzen Reihe griechisch-lateinischer Bezeichnungen : die entsprechenden germanischen dafür aufzufinden, dürfte schwer sein. Die gewöhnlichsten Musikinstrumente waren Harfen und Lure. Siehe B. II, S. 72, Anm. 3.

') Nanna ist auch in der £dda Baldrs Gemahlin; Uhland deutet sie als die Blumenwelt.

') Dass die Frau um den Mann wirbt, finden wir ziemlich häufig; vgl. oben S. 30 Hartgrepa und Hadding; ferner das zweite Lied von Helgi dem Hundingstöter Str. 13 (Gering S. 17.5).

*) Aehulich wird Freyr beim Anblick der schönen Riesentochter OerÖr von Liebe ei-griffen ; siehe das Lied von Skimir (Gerings £dda S. 52).

Hotherus, Nanna u. Halderus. Hl

die Leidenschaft. Daher beschloss er, Ho th e rus , von welchem er die meisten Einsprüche gegen seine Wünsche befürchtete, mit dem Schwerte beiseite zu schaffen, damit seine Liebe, die keinen Aufschub vertrug, durch kein Hindernis vom leiden- schaftlichen Genüsse ferngehalten werde.

Zu derselben Zeit verirrte sich Hotherus zufällig bei der Jagd im Nebel und stiess auf eine Behausung von Wald- jungfrauen. Von diesen mit seinem eigenen Namen be- grüsst, fragte er sie, wer sie denn seien. Jene bekannten, dass unter ihrer Führung und Leitung hauptsächlich das Ge- schick der Kriege entschieden würde ^); denn oft wohnten sie, für niemanden sichtbar, heimlich den Treffen bei und ge- na währten durch ihre Unterstützung ihren Freunden die ge- wünschten Erfolge. Sie erklärten, sie könnten nach Belieben Glück verleihen und Unglück verhängen; dann fügten sie hinzu, wie Balderus für seine Milchschwester Nanna, die er beim Baden erblickt habe, erglüht sei. Sie warnten ihn aber, diesen, wenn er auch den tötlichsten Hass verdiene, mit Waffengewalt anzugreifen; denn sie versicherten, er sei ein Halbgott, im Geheimen von den Himmlischen erzeugt. Nach dieser Nachricht verschwand das Gemach und Hotherus sah sich plötzlich schutzlos unter freiem Himmel, ohne jede Spur von Beschattung, mitten auf freiem Eelde. Vor allem aber wunderte er sicli über das jähe Fintschwinden der Mäd- chen, über die veränderte Lage der Oertlichkeit und die trügerische F>scheinung des Gebäudes. Er wusste nämlich nicht, dass alles, was sich um ihn herum zugetragen hatte, nur ein Wahngebilde und leerer Trug zauberischer Künste gewesen war.

Nach seiner Heimkehr erzählte er Gewarus die Ge- schichte der Trugerscheinung, die seiner Verirrung gefolgt war, und bat ihn sofort um seine Tochter. Gewarus ant- wortete, er würde ihn sehr gern begünstigen, wenn er nicht Balderus' Zorn für eine Zurückweisung fürchtete ; denn jener, erklärte er, habe ihm schon vorher die gleiche Bitte vorgc-

*) Es sind also Walküren; vgl. B. U, S. 6B, Anm. 5.

112 Drittes Buch.

tragen. Er bemerkte auch, dass die geweihte Festigkeit von Balderus* Körper nicht einmal fflr Eisen empfindlich sei ^). Doch, fQgte er hinzu, er kenne ein Schwert, in engstem Ge- wahrsam verschlossen, durch welches ihm der Tod bereitet

114 werden könne ^). Dieses sei im Besitze des Mim in gus, eines Waldsatym'). Demselben gehöre auch eine Armspange mit einer wunderbaren, geheimen Kraft; denn sie pftege die Schätze ihres Besitzers zu vermehren^). Im übrigen sei der Zugang

71 zu diesen Stätten unwegsam, durch Hindernisse versperrt, und könne nicht leicht fär Sterbliche oifen stehen. Der grösste Teil des Weges stehe überdies das ganze Jahr hindurch unter der Herrschaft einer ganz ungewöhnlichen Kälte. Er forderte ihn daher auf, Renntiere an einen Wagen zu schirren und mit Hilfe von ihrer Schnelligkeit die von grimmer Kälte starren- den Bergesjoche zu überwinden. Wenn er an sein Ziel ge- kommen sei, solle er sein Zelt so von der Sonne abgewandt aufschlagen, dass es den Schatten der Höhle, die Mimingus bewohne, auffange, ohne dass es aber seinen eigenen Schatten auf jene würfe ^), damit nicht der Eintritt der ungewohnten

115 Dunkelheit den Satyrn vom Herauskommen abhalte. So werde er sich leicht des Schwertes und Armringes bemächtigen können, von denen der eine Schatzglück, der andere Kriegs- glück im Gefolge habe. Beide aber hätten für den Besitzer

*) Man denke an den Bericht der Edda (Gering S. 343), wonach alle Dinge auf Erden Frigg den Eid geschworen haben, Baldr nicht zu verletzen.

') Dieses Schwert wird als Symbol der Sonne aufgefasat ; sobald es in die Hand des Gegners gelangt, bringt es dem rechtmässigen Eigen- tümer den Tod. (Vgl. Mogk im Gnmdr. III, 326). Es spielt bei Saxo dieselbe Rolle, wie der MLstelzweig in der Edda (Gering S. 344), der Mistilteinn, ein Name, der übrigens auch Schwertern beigelegt ist. Der Sinn der Mythe ist, dass die Macht des Licht-, Tages- und Sonnengottes aufhört, wenn die Sonne untergeht oder (im Winter) ihre Kraft verliert.

*) Ist wohl ein Zwerg.

*) Dieser Armring heisst in der Edda Draupnir, d. h. der Tropfer; von ihm tropfen jede neunte Nacht acht ebenso schwere Ringe (Lied von Skimir Str. 21 = Gering S. 55 und Gylfaginning Kap. 49). Er ist ein Symbol sommerlicher Fruchtbarkeit, vielleicht der Sonne selbst.

*) Dieses Kunststück ist nur im Winter im äussersten Norden möglich, wenn sich die Sonne kaum über den Horizont erhebt.

Uoifaerus u. Gewarus, Miningus, Oelderus. 113

einen ungeheuren Wert. Soweit Gewarus. Hotherus führte nun ungesäumt aus, was er von ihm gehört hatte, richtete sein Zelt in der vorgenannten Art auf und widmete seine Nächte sorglicher Beobachtung, die Tage aber der Jagd. Beide Tageszeiten brachte er wachsam und schlaflos zu, in- dem er sich derart in Tag und Nacht einrichtete, dass er sich bei Nacht dem Nachdenken über die Sachlage hingab, den Tag aber zur Beschaffung seiner Nahrung bestimmte. Als er nun eines Nachts ermfidet und von seinen Sorgen abgespannt war, sah er, wie der Schatten des Satyrn auf sein Zelt fiel. Er schleuderte die Lanze nach ihm, warf ihn dadurch zu Boden, und da jeuer nicht schnell genug fliehen ivonnte, fing und fesselte er ihn. Dann drohte er ihm unter den grausam- sten Worten das Schlimmste au und verlangte Schwert und Armring von ihm. Ungesäumt gab der Satyr das Lösegeld für seine Rettung, welches von ihm gefordert wurde. So sehr geht allen das Leben über Guter, denn für die Sterblichen giebt es nichts Teureres als den Lebensodem. Hotherus kehrte, froh über den Erwerb seiner Schätze, in sein Vaterland zurück, glücklich über die wenigen, aber ausgezeichneten Beutestücke. Als Gel der US, der König von Sachsen, erfuhr, dass Ho- therus sich derselben bemächtigt habe, stachelte er seine Krieger durch häufige Ermahnungen an, solch eine hervorragende Beute zu rauben. Die Mannen gehorchten dem Könige und rüsteten eilends eine Flotte. Gewarus hatte dies aber vor- ausgesehen — denn er war sehr erfahren im Prophezeien und in der Kunst der Wahrsager gebildet und berief Hotherus zu sich; er hiess ihn während des Kampfes die Speere des Gelderus geduldig aufzufangen und die seinigen nicht eher znrückzuscbleudern, als bis er merke, dem Feinde fehle es an Geschossen^); übrigens solle er auch sichelförmige Haken- stangen verwenden, mit denen man die Schiffe beschädigen und den Soldaten Helm und Schild herabreissen könne. Hotherus befolgte den Rat und hatte einen glücklichen Er- folg damit. Denn beim ersten Angriff de,s Gelderus lies«

*) Vgl. oben II, S. 72. Saxo Grammaiicus. 8

114 Drittes Buch.

er die Seinigen halten und sieh mit den Schilden decken ^\ im indem er versicherte, dass der Sieg in dieser Schlacht durch Geduld zu gewinnen sei. Der Feind aber, der sich nirgends 72 am Schiessen gehindert sah und in höchster Kampfeslust seine Geschosse verschwendete, begann um so eifriger seine Speere und Lanzen zu schleudern, je gelassener sich dem Augen- schein nach Hotherus beim Auffangen derselben benahm. Teils blieben sie in den Schilden, teils in den Schüfen stecken, und nur wenige verursachten eine Wunde. Die meisten wurden oifenbar erfolglos und ohne Schaden anzurichten geworfen. Denn die Soldaten des Hotherus führten den Befehl ihres Königs aus und fingen die Masse der Geschosse mit dem Wall der dicht aneinander gedrängten Schilde auf, um sie daran abprallen zu lassen; und die Zahl derjenigen, welche nur leicht die Schildbuckel trafen und dann ins Wasser fielen, war nicht gering. Als nun Gelderus seinen ganzen Vorrat ver- schossen hatte und sah, wie sie von den Feinden aufge- griffen und nur um so hitziger auf ihn selbst zuritckgeschleudert wurden, liess er einen purpurfarbenen Schild an der Spitze seines Mastes aufziehen (das war ein Zeichen des Friedens^)) und sorgte durch Uebergabe für seine Kettung. Hotherus empfing ihn mit freundlichster Miene und den gütigsten Worten und besiegte ihn ebenso sehr durch seine Liebenswürdigkeit wie durch seine List.

Zu eben dieser Zeit liess Helgo, der König von Ha- logien^), in zahlreichen (iesandtschaften um die Tochter Cusos, des Fürsten der Finnen und Biarmier, Namens Thora* für sich werben. So erkennt man immer eigene Schwäche an dem Bedürfnis nach Hilfe anderer. Denn während die

*) Die Skandinavier nennen das eine Schildburg (skjaldboi*g) bilden; Snxo Hafft nach antikem Sprachgebrauch testudine clypeorum conserta.

') Auf die Farbe mochte wohl ursprünglich nicht ankommen. Nach dem ersten Liede von Helgi dem Hundingstöter Str. 34 (Gering S. 1H6) bezeichnet aber das Hissen eines roten Schildes gerade feindliche Absichten, während nach einer andern Quelle ein weisser Schild den Frieden andeuten soll. Olrik II, 26 denkt hier au einen verschiedenen tfcbrauch der Farbe bei Dänen und Isländern.

') D. i. Helgoland in Norwegen.

Hotherus u, Gelderus; Cuso. 115

jungen Leute jener Zeit bei Heiratswerbungen immer selbst das Wort zu führen pflegten, litt dieser au einem so grossen l>prachfehler, dass er nicht nur vor Fremden, sondern auch vor seiner Umgebung sich hören zu lassen errötete. So sehr sucht das Unglück alle Mitwisser zu vermeiden. Denn solche natürlichen Fehler sind um so lästiger, je offenkundiger sie sind. Cuso wies seine Werbung zurück und antwortete, der Mann verdiene kein Weib, der allzu wenig auf seinen eigenen Wert vertraue und sich die Dienste anderer leihweise erbitten müsse, um eins zu bekommen. Auf diese Nachricht hin be- schwor Helgo den Hotherus, dessen gewandte - Beredsam- keit er kannte, seine Wünsche zu begünstigen und verhiess eifrig allen seinen Befehlen Folge zu leisten. Jeuer Hess sich 117 durch die emsigen Bitten des Jünglings bewegen und fuhr mit einer bewaffneten Flotte nach Norwegen, um mit Gewalt zu erreichen, was durch gute Worte nicht möglich war. Als er mit seiner süssesten Beredsamkeit für Helgo verhandelt hatte, antwortete Cuso, die Neigung seiner Tochter müsse be- fragt werden, damit es nicht scheine, als ob durch väterliche Strenge etwas im Voraus gegen ihren Willen entschieden werde *). Er Hess sie rufen, fragte sie. ob sie au dem Freier Gefallen finde, und als sie bejahte, versprach er Helgo die Hochzeit. So öffnete also Hotherus durch den Zauber seiner abgerundeten uud gewandten Redekunst Cusos Ohren, dass sie die Bitte erhörten, der sie vorher verschlossen waren.

Während dies in Halogien geschah, betrat Balderus gewaffnet das Gebiet des Gewarus, um Nanna zu ver- langen. Als er von diesem aufgefordert wurde, Nauuas eigene 7S Gesinnung zu erforschen, ging er das Mädchen mit den aus- gesuchtesten und lockendsten Worten an. Da er aber seinen Wünschen keinen günstigen Boden schaffen konnte, drang er in sie, um die Ursache der Zurückweisung zu erfahren. Sie erwiderte, ein Gott könne sich nicht mit einer Sterblichen ehelich verbinden, weil der ungeheuere Unterschied in ihrer Natur ein Band der Vereinigung zerschneide. Aber auch die

^) Eine im germanischen Altertum nur selten geübte Kücksicht.

8"

116 Drittes Buch.

Himmlischen pflegten zuweilen solche Verbindungen zu trennen und plötzlich die Fesseln zu sprengen, welche Unebenburtige geknüpft hatten. Zwischen Ungleichartigen gäbe es ja keino dauernde Gemeinschaft, da bei den Erhabenen das Schicksal der Niedrigen immer wertlos werde. Ausserdem sei das Reich des Ueberflusses und das der Dürftigkeit völlig von einander getrennt, und zwischen glänzender Macht und trüber Armut bestünde keine festen Rechte der Gemeinsamkeit. Zuletzt endlich dürfe sich Himmlisches mit Irdischem nie vereinigen; denn beides habe die Natur in ihrer Zwiespältigkeit durch eine so tiefe Kluft in ihrem Ursprünge schon getrennt, da ja von der erhabenen göttlichen Majestät die menschliche Sterb- lichkeit unendlich weit entfernt sei. Mit dieser spitzfindigen Antwort schlug sie Balderus' Bitten ab und ersann klüglich Vorwände, um diese Heirat von sich zu weisen ^).

Als Hotherus dies von Gewarus hörte, erörterte er die Sache mit Helgo eingehend unter heftigen Klagen über Balderus' Unverschämtheit. Beide waren ungewiss, was zu thun sei, und erwogen ihre Ansichten über verschiedene Plane. Denn freundschaftliche Unterredung vermindert bei Wider- wärtigkeiten wenigstens die Bitterkeit, wenn sie auch die (lefahr nicht beseitigt. Abgesehen von anderen Absichten 118 überwog doch schliesslich das Bestreben nach einer Helden- that, und man lieferte dem Balderus eine Seeschlacht. Man hätte meinen können, es sei ein Kampf zwischen Menschen und Göttern, denn für Balderus fochten üthinus und Thor und die heiligen Scharen der Götter. Da hätte man einen Streit erblicken können, in dem göttliche und menschliche Kräfte unterschiedslos sich mischten. Hotherus aber, mit einem eisentrotzenden Gewände umgürtet, brach in die dich- testen Scharen der Götter ein und wütete, wie es nur ein Sterblicher gegen Himmlische vermag. Aber auch Thor zer- schmetterte, mit ungewöhnlicher Kraft seine Keule*)schwingend,

*) Vgl. die ähnliche Lage der Dinge I, S. <il, und Anm. 3, 8. 21.

') Diese Keule (clava) vertritt hier Thor» Hammer (Mjölnir), von dessen Eigenschaften uns die Kdda (Skaldskaparm. 3) = Gering S. 3H(> erzählt.

Werbung d. Balderus; sein Kampf ni. Hotherus. UJ

alle ihm entgegen stehenden Schilde, indem er ebenso sehr die Feinde zum Angriff auf ihn selbst, wie seine Genossen um Beistand anrief. Keine Art von Rüstung gab es, die nicht seinem Anstürmen gewichen wäre. Niemand konnte ihm, wenn er stritt, ohne Lebensgefahr entgegentreten. Was i r mit einem Streiche traf, stürzte zusammen. Kein Schild, kein Helm hielt einen Hieb von ihm aus. Keinem half Kör- pergrösse oder Kraft. Daher wäre der Sieg den Himmlischen zugefallen, wenn nicht Hotherus, als schon seine Reihen wichen, schnell herbeigeeilt wäre, den Stiel der Keule abgehauen und sie so unbrauchbar gemacht hätte. Nach Verlust dieser Waffe orgriffen die Unsterblichen plötzlich die Flucht. Es wäre nun ganz unwahrscheinlich, dass Götter von Menschen besiegt worden seien, wenn es nicht das Altertum ausdrücklich be- stätigte. Götter aber nennen wir diese Wesen nur dem Aber- glauben nach, nicht nach ihrer Natur. Denn nicht nach ihrer 74 wirklichen Beschaffenheit, sondern nur nach der Volksmeinung geben wir ihnen die Bezeichnung Gottheit.

Die eilends ergriffene Flucht rettete übrigens den Bai- 119 derus. Die Sieger aber, welche seine Schiffe mit den Schwer- tern zerhackten oder in den Grund bohrten, begnügten sich nicht damit, die Götter überwunden zu haben, sondern sie verfolgten noch die Reste der Flotte mit ihrer Wut, um an ihrer Vernichtung die unheilvolle Kriegsleidenschaft zu stillen. So sehr steigert oft noch der Erfolg die Masslosigkeit. Als Zeugniss für den Kampf erinnert noch ein Hafen durch seinen Namen an Balders Flucht^). Auch Gelderus, der König von Sachsen, war in eben diesem Kriege gefallen. Hotherus Hess ihn, auf den Leichen seiner Ruderer ruhend, auf einen aus Schiften erbauten Scheiterhaufen legen und bestattete ihn so unter einer sehr schönen Leichenfeier^). Seine Asche

*) Es lässt sich nicht ausmachen, ^-elcher Platz das heute sein mag; jedenfaUs ist er in Norwegen, nicht in Dänemark zu suchen. Vgl. die ausführlichen Bemerkungen bei Olrik II, 15—17.

•) Die Sitte, gefallene Helden in oder auf ihrem Schiffe zu ver- brennen, wird oft erwähnt; häufig wurde auch der Leichnam auf da.s Schiff gelegt, dieses angezündet und dem Meere übergeben. Vgl. z. B.

118 Drittes Buch.

Übergab er als Re»te einer Königsleiche nicht nur einem prächtigen Grabhügel, sondern erwies ihr auch die achtungs- vollsten Ehrenbezeugungen. Damach kehrte er, damit nicht weitere Ungelegenheiten seine Hoffnung auf seine Vermählung hinhielten, zu Gewarus zurück und erfreute sich der längst ersehnten Umarmung Nannas. Darauf beschenkte er Helgo und Thora aufs freigebigste und führte dann seine junge Frau nach Schweden; dort wurde er bei allen wegen seines Sieges ebenso geehrt, wie Balderus durch seine Flucht lächer- lich geworden war.

Zu eben derselben Zeit waren die Grossen der Schweden nach Dänemark gekommen, um den Tribut zu zahlen: Ho- therus aber, dem wegen der hervorragenden Verdienste seines Vaters königliche Ehren erwiesen wurden, musste den trügerischen Wankelmut des Glückes erfahren. Er wurde nämlich von Balderus, den er kurz zuvor besiegt hatte, im 120 Kampfe überstunden, musste zu Gewarus fliehen und verlor 80 nach Antritt seiner Herrschaft den Sieg, den er als Privat- mann davongetragen hatte. Der siegreiche Balderus aber er- öffnete, um sein von Durst gequältes Heer durch die Wohl- that eines rechtzeitigen Trunkes zu laben, neue Quellen im Boden, indem er die Erde tief spaltete. Das aus denselben hervorsprudelnde Wasser fingen die dürstenden Scharen überall mit offenem Munde auf. Die Spuren dieser durch ihren Namen verewigten Quellen sollen noch nicht ganz verschwunden sein ^), wenngleich das ursprüngliche frische Strömen aufgehört hat. Er litt auch in den Nächten bestämlig an Spukerscheinungen ^) von Larven, die Nannas Gestalt annahmen, und seine Gesund- heit wurde dadurch so sehr geschwächt, dass er nicht ein-

Gylfajfinn. 49 ((Gering S. aU). d. prrönland. Lied von Atli Str. 100 ((Gering H. 285), (leriog S. 184, A. 2., Beowulf v. 27 ff. Näheres siehe bei Wein- hold. Altnord. Leb. 8. 483 ff., Müller-Jiriczek, Nord. Altertumsk. II, 258 ff. (und über .,Die heidnische Totenbestattung in Deutschland" Weinhold in d. Sit/gsber. der Wiener Akad. Thil-Hist. Kl. Bd. 29 S. 117 ff.. Bd. 30 S. 171 ff.).

M Das heutige Dorf Baldersbrönd etwas östlich von Roskilde auf Seeland bezeichnet diese Stelle.

*) Vgl. hierzu das Eddalted „Baldrs Träume" ((rering S. 15).

Weitere Schicksale Oes Hotherus u. Balderus. 119

mal mehr zu Fuss gehen konnte. Daher begann er die (ie- wohnheit anzunehmen, die Wege auf zwei- oder vierrädrigen Wagen zurückzulegen. So mächtig war die Liebe, welche sein Herz erfüllte, dass sie ihn fast bis zur äussersten Kraft- losigkeit herunterbrachte. Er meinte nämlich, sein Sieg habe nichts für ihn zu bedeuten, da er Nanna nicht durch ihn gewonnen habe. Auch nahm Frö als Statthalter der Götter^) seinen Sitz nicht weit von Upsala, wo er die alte Sitte des Opfems, die bei so vielen Völkern und so lange Jahre hin- 75 durch geheiligt war, mit einer traurigen und verbrecherischen Opferungsart vertauschte. Er begann nämlich Menschenopfer 121 zu schlachten und brachte den Himmlischen grauenvolle Spenden dar*).

Unterdessen') erfuhr Hotherus, dass Dänemark ohne Fürsten sei und dass Hiarthwarus schnell für Rolwos Er- mordung gebüsst habe, und er pflegte zu sagen, ein Zufall habe ihm verschaift, was er kaum hätte erhoffen können. Denn einmal sei Rolwo. dem er das Leben hätte rauben müssen, weil er sich wohl erinnere, dass von dessen Vater der seinige ersehlagen worden sei, von einem andern getötet worden; und ferner habe sich ihm durch einen unverhofften Glücksfall die Möglichkeit eröffnet, sich Dänemarks zu bemächtigen. Denn die Herrschaft darüber komme ihm rechtmässig durch seine Grosseltern zu, wenn man richtig den Stammbaum seiner Vorfahren verfolge *). Darauf besetzte er mit einer sehr zahl- reichen Flotte Isora, den Hafen von Seeland*), um die Gunst des ihm sich bietenden Glückes auszunutzen. Dort eilte ihm das Dänenvolk entgegen und rief ihn zum Könige aus, und

') Ueber Frö siehe Anm. 1 zu S. 46; dass er hier satrapa deonim geuannt wird, ist auf Saxos unklare VorsteUung von der faeidnischou 3[ythologie zurückzuführen; gemeint ist Freyr selbst.

') Menschenopfer sind aus dem germanischen Altertum oft bezeugt. Vgl. Mogk im Orundr. III, 388 und 89.

*) Hier nimmt Saxo den eigentlichen Faden wieder auf; das bisher in diesem Buche £rzählte ist ein Zurückgreifen in die Vergangenheit.

*) Durch seine (rrossmutter Swanhwita, die Gemahlin des Schwcdoji- königs Regnerus, die Tochter des Hadingus; siehe oben II, 8. 70.

*) D. i. der IseQord im Norden der Insel.

120 Drittes Buch.

bald nachher, als er den Tod seines Bruders Atislus ver- nommen, dem er die Statthalterschaft von Schweden anver- traut hatte, vereinigte er die schwedische Herrschaft mit der dänischen. Uebrigens hatte den Atislus ein recht schimpf- liches Ende hingerafft. Während er nämlich die Leichenfeier für Rolwo in höchster Ausgelassenheit durch ein Gelage be- ging, trank er allzu gierig und musste mit einem plötzlichen Tode für seine schmähliche Unmässigkeit bussen ^). Während er also den Tod eines andern mit gar zu schrankenloser Freude feierte, brachte er es mit Gewalt dahin, dass auch der seinige eintrat.

Auch Bai der US kam mit einer Flotte nach Seeland; und da er sich Waffenruhmes und einer majestätischen Er- scheinung erfreute, erlangte er unter schnellster Einwilligung der Dänen alles, was er in betreff der Königsherrschaft for- derte, während Hotherus in Schweden weilte. In solch zwie- spältigen Urteilen schwankte die Ansicht unserer Vorfahren. Hotherus kehrte aus Schweden zurück und überzog ihn mit 122 einem schweren Kriege. Der hitzigste Kampf um die letzte Entscheidung war zwischen diesen beiden Herrschbegierigen entbrannt. Hotherus' Flucht machte ihm ein Ende. Dieser zog sich nach Jutland zurück und Hess ein Dorf, in dem er sich aufzuhalten pflegte, nach seinem Namen benennen ^). Dort verbrachte er den Winter und kehrte dann einsam und ohne Gefolge nach Schweden zurück. Daselbst berief er seine Grossen und erklärte ihnen seinen Ueberdruss an lAoht und Leben wegen der unglücklichen Ereignisse, mit denen ihn der zweimal siegreiche Balderus gekränkt habe. Dann grüsste er alle zum Abschied, begab sich auf unwegsamen Pfaden in unzugängliche Gegenden und durchzog Waldungen ohne jede Spur menschlicher Pflege. Es kommt ja vor, dass Leute,

*) Diese Nachricht steht im Widerspruch zu II, S. 92 ; nach der Ynglinjja- sA^iA stürzt er noch zu Hrulfis Lebzeiten vom Pferde und zerschmettert »ich den Schädel.

') Saxo denkt dabei wohl an Honens iu Jütland, lat. Hothersnesia ; wahrscheinlicher ist aber dieser Name aus Hrossnaes (Pferdelandzun^^e) entstanden.

Niederlage des Hotherus. 121

wetclie ein UDheilbaror &eelen»chmerz quält, dunkle und fern liegende Schlupfwinkel aufsuchen, gleichsam als Heilmittel, um die Traurigkeit zu vertreiben, und als ob sie die Grösse ihrer Leiden nicht in menschlicher Gesellschaft ertragen könnten. So ist Einsamkeit meistens die Freundin des 76 Kummers. Denn Unordnung und Unsauberkeit erfreut haupt- sächlich die, welche von einem seelischen Leiden erschüttert worden sind. Früher hatte Hotherus immer seinem rat- | heischenden Volke von der Spitze eines hohen Berges seine Entscheidungen mitgeteilt. Wenn man jetzt kam, murrte ; man über die Trägheit des Königs, der sich verbarg, und während seiner Abwesenheit wurde er von allen mit den heftigsten Klagen überschüttet.

Während Hotherus die abgelegensten und entferntesten (legendeu durchstreifte, durchschritt er auch einen von Men- schen unbetretenen Wald und fand zufällig eine von unbe- kannten Jungfrauen bewohnte Höhle. Das waren sicherlich dieselben, welche ihn einst mit dem unverletzbaren Gewände beschenkt hatten ^). Von diesen befragt, weshalb er an solche Stätten komme, erzählte er den unglücklichen Aus- gang seiner Kriege. Er verwünschte auch ihre Treulosigkeit, begann das Schicksal seiner unglücklichen Thaten und die traurigen Ereignisse zu beweinen und beklagte sich, dass es ihm ganz anders gegangen sei, als er von ihnen versprochen erhalten habe. Aber die Mädchen sagten, er habe, wenn- gleich er auch selten Sieger gewesen sei, doch den Feinden eine gleiche Schlappe bereitet, und er habe eine ebenso grosse Niederlage beigebracht, wie er eine erlitten. Uebrigens werde ihm die Gunst des Sieges hold sein, wenn er sich einer Speise von ungewöhnlicher Süssigkeit, die sich ßalderus zur Stärkung seiner Kräfte erfunden habe, bemächtigen könnte. Denn nichts w^rde ihm mehr Schwierigkeiten bereiten, wo- fern er nur jene Kost, die zur Vermehrung der Stärke be- stimmt sei, in seine Gewalt bringe.

M Vjfl. S. 111; jenes Gewand ist zwar S. IIH erwähnt, doch nicht als OescheDk der Walküren. Diese Ungenauij^keit ist wieder ein Beweis, dass Saxo verschiedene QueUen benutzt hat.

122 Drittes Buch.

Aus ihren Worten gewann Hotherus in seinem Herzen das feste Zutrauen zu einem Kriegszuge gegen Balderiis, ob- gleich es für irdische Kräfte schwierig erscheinen musste,

123 Götter bewaffnet anzugreifen. Auch von den seinigen be- haupteten manche, dass er den Krieg gegen die Himmlischen nicht zu seinem Heile ausfechten werde. Aber das schranken- lose Feuer seines Mutes hatte ihm alle Achtung vor der göttlichen Majestät genommen. Bei Helden erschüttert näm- lich nur selten die Vernunft einen plötzlichen Entschluss, und nicht immer unterliegt die Unbesonnenheit der Einsicht. Vielleicht hatte aber Hotherus auch daran gedacht, dass selbst den hervorragendsten Männern ihre Macht unsicher werden, und dass eine kleine Erdscholle gewaltige Wagen zu Falle bringen kann.

Auf der andern Seite berief Balderus die Dänen unter die WaflFen und begegnete Hotherus im Kampfe. Auf beiden Seiten wurde ein gewaltiges Blutbad angerichtet, und das Gemetzel war bei beiden Parteien ungefähr gleich, als die Nacht den Streit beendigte. Um die dritte Nachtwache etwa schlich sich Hotherus heimlich, von niemandem bemerkt, hinaus, um die Stellung des Feindes zu erkunden. Denn die Sorge um die bevorstehende Entscheidung hatte ihm den Schlaf verscheucht. So steht ja meistens eine grosse Er- regung des Geistes der Ruhe des Körpers entgegen, und die

77 Unruhe des einen gestattet nicht die Ruhe des andern. Als er nun in das feindliche Lager kam, bemerkte er, dass die drei Mädchen, welche immer Balderus* heimliches Mahl brachten, dasselbe verlassen hatten. Er folgte ihnen eilig (denn die Spuren im Tau. verrieten ihren Weg) und trat endlich rasch in ihr gewohntes Gemach ein. Auf ihre Frage, wer er sei, antwortete er, er sei ein Lautenspieler. Und ein Versuch stimmte wohl zu seiner Angabe *). Denn als man ihm eine Laute brachte, stimmte er sie, berührte dann mit dem Griffel die Saiten und Hess in gewandtestem Spiel eine für das Ohr höchst angenehme Weise erklingen. Sie hatten

») Vjfl. oben S. 110.

Neuer Kampf u. Tod des Balderus. 123

übrigens drei Schlangen, mit deren Geifer sie das stärkende Mahl für Balderus zu mischen pflegten, und schon rann aus dem offenen Rachen der Schlangen viel Gischt auf die Speise. Einige von den Mädchen hätten nun auch Hotherus aus Freundlichkeit Anteil an dem Mahle gewährt, wenn es nicht die älteste von den dreien verboten hätte, indem sie ausrief, Balderus werde betrogen, wenn sie seinen Feind durch Ver- mehrung seiner Kräfte stärkten. Jener sagte nun, er sei nicht Hotherus selbst, sondern nur ein Gefolgsmann von ihm. Da schenkten ihm denn ebendieselben Mädchen in ihrer 124 liebenswürdigen Güte einen prächtig glänzenden, siegverleihen- den Gürtel ^).

Als er nun umkehrte und denselben Pfad, auf dem er gekommen war, zurückging, begegnete er Balderus, stach ihn in die Seite und streckte ihn halbtot zu Boden. Als dies den Soldaten bekannt wurde, erhob sich im ganzen Lager des Hotherus ein lautes Jubelgeschrei, während die Dänen an Balderus' Geschick durch öffentliche Trauer Anteil nahmen. Wie dieser merkte, dass ihm unzweifelhaft der Tod bevor- stehe, erneuerte er, gereizt durch den Schmerz seiner Wunde, am nächsten Tage den Kampf. Als dieser heftig wogte, Hess er sich in einer Sänfte in die Schlachtreihen tragen, damit es nicht schiene, als ob er im Zelte eines unrühmlichen Tode« sterbe. Er verkündete, dass ihm in der letzten Nacht Proserpina*) im Schlafe erschienen sei, und dass ihm am folgenden Tage ihre Umarmung zu teil werden würde. Die 125 Prophezeiung des Traumes war auch nicht grundlos. Denn nach Verlauf von drei Tagen erlag Balderus den allzugrossen Qualen seiner W^mde. Das Heer Hess seine Leiche mit königlichem Prunke bestatten und in einem Grabhügel bergen.

^) Auch diese Mädchen sind Walküren. Die Erzählung ist hier ganz verworren: Bekommt er nichts von der Speise, so ist sein Bemühen ver- gebens oder die Weissagung der vorigen Seite nichtig; erhält er etwas davon, wie das sogenannte Gheysmersche Kompendium aus Saxo erzählt, so ist es unerklärlich, dass dieselben höheren Mächte die beiden Feinde beschützen. Vgl. Olrik II, 19, Anm. 1.

•) D. i. germanisch die Todesgöttin Hei. V^gl. Mogk im Grundr. III, 375, E. H. Meyer S. 172, Golther S. 471.

124 Drittes Buch.

Diesen Hügel untersueliten nun einige Männer unserer Zeit (der vornehmste von ihnen war Haraldus) nächtlich in der Hoffnung Geld zu finden^); denn die Erinnerung an die alte Begräbnisstätte war noch lebendig; sie mussten aber ihr Unternehmen in plötzlichem Schrecken aufgeben. Der Berg selbst nämlich schien sich zu spalten und aus seiner Spitze ein gewaltiger Wasserstrom mit mächtigem Brausen hervorzustürzen, dessen reissender Schwall in schnellster Strömung aber die darunter liegenden Gefilde sich ergoss und alles, was ihm im Wege stand, fortriss. Bei seinem

78 Andringen warfen die Gräber bestürzt ihre Hacken weg und und ergriffen die Flucht nach verschiedenen Richtungen, da sie glaubten, von dem Wirbel der brausenden Flut verschlungen zu werden, wenn sie länger ihr Beginnen auszufahren sich bemühten. So flössten die Schutzgötter jenes Platzes den

12« Männern eine plötzliche Furcht ein, lenkten ihren Sinn von der Habgier ab, wandten ihn auf die Sorge für ihre Rettung und lehrten sie ihre habsüchtigen Vorsätze aufzugeben und tiuf ihr lieben bedacht zu sein. Die Erscheinung dieses Strudels aber war sicherlich nur ein Schattenbild, nichts Wahres; sie ward nicht aus den innersten Eingeweiden der Erde erzeugt, sondern durch irgend einen zauberischen Vor- gang hervorgebracht, da ja die Natur in dürren Gegenden keine lebendigen Quellen entspringen lässt Alle späteren liessen die Hügel unberührt, da ihnen das Gerücht von jenem Durchbruch überkommen war. Daher weiss man eben gar nicht, ob er irgend welche Schätze enthält, denn nach Hanildus hat niemand aus Furcht vor der Gefahr sein schattiges Dunkel zu untersuchen sich angemasst.

Othinus aber befragte, obgleich er für den ersten der Götter galt, doch die Wahrsager und Priester und alle übrigen, die seiner Kenntnis nach etwas in der Kunst des Weissageus leisteten, über die Ausführung der Rache für seinen Sohn; denn die unvollkommene Gottheit bedarf meistens der mensch-

M Dit'sor Harald mag ebenso wie der Baldrshügel Saxos Zeitgenossen gi'nau hrknnnt gewesen sein, da er sonst wohl irgend eine nähere Angabe gemacht hätte. Wir wissen über die Sache nichts Sicheres mehr.

(rrab des Balderus. Othiiius und Rinda. 125

liehen Hilfe. Der Finne Rostiophus^) verkündete ihm, er müsse mit Rinda^), der Tochter des Königs der Rutenen, einen andern Sohn erzeugen, der die Strafe für die Krmordung seines Bruders vollziehen sollte. Denn die Götter hätten die Rache für den Tod ihres Angehörigen, dessen Bruder, der noch geboren werden sollte, zur Pflicht bestimmt. Auf diese Kunde hin beschattete Othinus sein Antlitz mit seinem Hute, um sich nicht durch sein Aussehen zu verraten*), und ging zu dem vorgenannten Könige, um bei ihm in Kriegsdienste zu treten. Von diesem zum Befehlshaber der Reiterei er- nannt, erhielt er ein Heer und trug den schönsten Sieg über die Feinde davon. Für diese glückliche Sclilacht erhob ihn der König zu seinem ersten Freunde und zeichnete ihn nicht weniger durch Geschenke als durch Ehrenbezeugungen aus. Kurze Zeit darauf schlug er ganz allein die Reihen der Feinde 127 in die Flucht und kehrte zugleich als Sieger und Bote seines wunderbaren Sieges heim. Alle verwunderten sich, dass die Kraft eines einzelnen ein solches Gemetzel unter so vielen habe anrichten können. Im Vertrauen auf diese Verdienste machte er den König im Geheimen zum Mitwisser seiner Liebe. Durch dessen freundliche Begünstigung ermutigt, bat «r das Mädchen um einen Kuss, bekam aber eine Ohrfeige. Indessen weder diese schmähliche Beleidigung noch der Schmerz über das Unrecht konnte ihn von seinem Vorsatze abbringen.

Um das, was er so eifrig bggonnen, nicht mit Schimpf und Schande aufzugeben, legte er nun im folgenden Jahre fremde Kleider an und suchte wieder näheren Umgang mit dem Könige. Er hätte auch wirklich nicht von Leuten, die ihm begegneten, erkannt werden können; denn er entstellte fieine wahren Gesichtszüge durch einen schmutzigen Anstrich, und frisch aufgelegte Schwärze veränderte sein früheres Aus- 79

*) Nrd. Hrosapjofr d. h. Kossdieb, vjfl. das Lied von Hyudla Str. 38 -- Oerings Edda S. 124.

•) Rind wird in der Gylfaginning zu den Asinnen gerechnet (Kap. 8<i = Gering S. 328); vgl. auch Baldrs Träume Str. 11 (= (Tering 8. 17 und Anm. 3).

*) D. h. durch seine Einäugigkeit.

12t) Drittes Buch.

sehen gänzlich. Er gab an Rosterus^) zu heissen und im Schmiedehandwerk geschickt zu sein. Er hatte auch sehr verschieden geformte Sachen mit den herrlichsten Yerzierungea in Erz ausgeführt und legte eine so empfehlende Probe seiner Kunstfertigkeit ab, dass er vom König eine grosse Menge Gold erhielt mit dem Auftrage, Zierrate für die Frauen daraus zu schmieden. So verfertige er denn mehrere Stücke für Frauenschmuck und zuletzt ein Armband, vor den andern besonders kunstreich geglättet, sowie mehrere Ringe« die er mit gleicher Sorgfalt arbeitete, und bot dies dem Mädchen an. Aber ihre Abneigung Hess sich durch kein Verdienst abwenden. Denn als er Rinda den Kuss geben wollte, gab sie ihm einen Faustschlag. Ungern nimmt man ja Geschenke an, welche ein Verhasster uns darbietet. Viel angenehmer sind die, welche Freunde uns reichen; so sehr hängt manch- mal der Wert einer Gabe von dem Geber ab. Das kluge Mädchen zweifelte nämlich nicht, dass der listige Greis mit seiner scheinbaren Freigebigkeit nur einen Weg zur Stillung seiner Lüste suche. Uebrigeus war ihr Wille starr und unbeugsam; denn sie erkannte, dass durch seine Huldigung eine List ausgeführt werden sollte, und dass seinem Eifer zu schenken ein verbrecherischer Wunsch zu Grunde liege. Ihr Vater begann* sie heftig zu schelten, dass sie sich gegen die Hochzeit weigere; jene aber, die die Ehe mit einem (ireise 128 verabscheute, sagte, für ein Mädchen in so zarten Jahren wäre eine Heirat verfrüht, und so nahm sie ihr jugendliches Alter als schützenden Vorwand, um die Vermählung von sich abzuweisen.

Othinus aber wusste, dass nichts für die Wünsche Liebender wirksamer sei als kräftige Ausdauer, und kam trotz seiner Betrübnis über die doppelte Zurückweisung zum dritten Mal zum Könige, nachdem er sein früheres Aussehen verwischt hatte, und rühmte sich der vollkommensten (le- schicklicheit in kriegerischen Fertigkeiten '*). Zu dieser Mühe hatte ihn nicht nur seine l^eidenschaft, sondern auch der

*) (tehört zu dem Substantivuro rosta = Getümmei.

*) Divaer Zug ist vielleicht nur eiue Wiederholung der ersten List.

Othinus und Rindu. 127

Wunsch, seine Schmach zu tilgen, veranlasst. Den Zauber- kundigen war einst die günstige Fähigkeit zu teil geworden, unter wechselnden Formen verschiedene Gestalten anzu- nehmen ^). Denn ausser ihrem naturlieben Körperaussehen verstanden sie es auch, den Zustand jedes beliebigen Alters sich trügerisch anzueignen. Um nun also eine erfreuliche Schaustellung seiner Künste zu geben, pflegte der Greis gar ausgelassen unter den gewandtesten Kriegern einherzureiten. Aber auch durch diese Art Dienstleistung konnte der starre Sinn des Mädchens nicht gebrochen werden. Denn kaum jemals versöhnt sich das Herz aufrichtig mit einem, gegen den es einmal einen heftigen Hass empfunden hat. Als er sie beim Abschied wieder küssen wollte, wurde er so von ihr zurückgestossen, dass er wankte und mit dem Kinn die Erde berührte. Dafür aber berührte er sie sogleich mit einem Rindenstücke, auf welchem Zaubersprüche standen, und machte sie dadurch einer Wahnsinnigen gleich ^) ; so bescheidene Rache übte er für die so oft erlittenen Unbilden.

Auch jetzt gab er es noch nicht auf, seinen Vorsatz aus- 80 zuführen, (denn das Vertrauen auf seine göttliche Majestät hatte ihm Hoffnung eingeflösst); er legte Mädchenkleidung au, und zum vierten Male suchte der unermüdliche Wanderer den König auf. Von diesem aufgenommen, zeigte er sich nicht nur diensteifrig, sondern sogar zudringlich. Da er sich völlig wie ein Weib trug, ward er auch von den meisten für eine Frau gehalten. Uebrigens bezeichnete er sich mit dem Namen Weclia und als seine Kunst die Heilkunst, eine An- gabe, die er auch durch baldigste Dienstleistungen bestätigte. Endlich ward er unter die Leibdienerschaft der Königin auf- genommen und spielte die Rolle eines Kammermädchens der Jungfrau. Er pflegte ihr auch immer in den Abendstunden 129 den Schmutz von den Füssen abzuwaschen. Wenn er ihr mit dem Wasser die Füsse benetzte, konnte er auch ihre Waden und den oberen Teil der Schenkel berühren. Da nun aber das Geschick in wechselndem Gange einherschreitet, so ge-

M Vgl. I, 8. 29.

') D. h. er machte sie wirklich wahnsiniii};.

1-2S Drittes Buch.

wahrte ihm ein Zufall leicht das, was durch List nicht zu erreichen war. Es geschah nämlich, dass das Mädchen von einem körperlichen Leiden befallen wurde und sich nach einem Mittel gegen ihre Krankheit umsah M: dabei i»rlangte sie Erhaltung ihrer Gesundheit von den Händen, welche sie vorher verwünscht hatte, und rief den als Retter herbei, den sie immer verabscheut hatte. Dieser erforschte ganz genau alle Anzeichen des Schmerzes und verordnete dann, damit der Krankheit möglichst bald begegnet werde, den fiebraurh eines Heiltrankes. Die Mischung sollte übrigens so ausser- ordentlich scharf sein, dass das Mädchen die Kur nicht aus- halten könne, wenn sie sich nicht fesseln lasse. Denn der Krankheitsstoff müsse aus den innersten Eiugeweiden herausgetrieben werden. Als dies der Vater hörte, zögerte er nicht, seine Tochter zu binden, und gebot ihr, sich aufs Bett zu legen und alles, was der Arzt vornehmen werde, geduldig zu ertragen. Den König täuschte nämlich der Anblick der Frauenkleidung, die der Alte angelegt hatte, um seine zähen Absichten zu verhüllen. Dieser Umstand bot also unter dem Scheine einer Heilkur die Möglich- keit zu einer Schändung. Denn der Arzt benutzte die Gelegenheit zum Liebesgenuss, vernachlässigte seine Pflicht als Heilender und schritt erst zu dem Werke, seine Lüste zu befriedigen, ehe er das Fieber vertrieb; so benutzte er die Krankheit des Mädchens, deren Feindschaft er, so lange sie gesund war, hatte erfahren müssen. Es wird aber nicht müssig sein, noch eine andere Ansicht über diese Sache vorzubringen. Denn manche berichten Folgendes*): Als der König bemerkte, dass der liebeskranke Arzt trotz seiner geistigen und körperlichen Anstrengungen nichts er-

') Auch hier ist die Erzählung unklar; Saxo hat ganz vergessen, was er eben sagte, dass Odin selbst die Jungfrau wahnsinnig gemacht hat. Der richtige Zusammenhang ist wohl der, dass erst jetzt der Gott, nicht schon bei seiner vorigen Abweisung, Kinda krank macht, um sodann seine Heilkunst ausüben zu können. Vgl. Olrik II, 32.

*) Hier haben wir einen klaren Beweis, dass Saxo mehrere (Quellen vor sich hatte; daher el>en jene mehrfachen Unklarheiten.

Othinus u. Rinda. Othinus' Verbannung. 129

reicht habe, habe er ihm erlaubt, heimlich das Lager seiner Tochter zu teilen, damit er ihn nicht um den schuldigen Lohn für seine Verdienste bringe. Soweit vergisst sich manchmal die Lieblosigkeit eines Vaters gegen sein Kind, wenn eine heftige Leidenschaft die natürliche Milde über- windet. Seinem Vergehen aber folgte bald die schmachvolle Sühne, als seine Tochter einen Sohn gebar ^).

Die Götter aber, deren Hauptsitz, wie es hiess, in Bi- zantium^) war, erkannten, dass Othinus sich verschiedene 91 Male etwas an seiner Majestät vergeben und seine göttliche Ehre befleckt habe; daher beschlossen sie, ihn aus ihrer Ge- lao meinschaft auszuschliessen und sorgten dafür, dass er nicht nur aus seiner leitenden Stellung verjagt wurde, sondern auch jeder Ehre und jeden Dienstes daheim verlustig ging. Denn sie hielten es für besser, dass die Macht ihres schänd- liehen Oberhauptes untergraben, als dass die Würde der öffentlichen Religion entweiht würde, damit sie nicht etwa noch selbst in das Verbrechen eines andern hineingezogen und unschuldig für das Vergehen des Schuldigen bestraft würden. Sie sahen nämlicli, dass die, welche sie dazu ver- führt hätten, ihnen göttliche Ehren zu erweisen, jetzt, nach- dem die Verhöhnung des Hauptgottes offenkundig geworden war, den Gehorsam mit Verachtung, die Ehrfurcht mit Schande vertauschten, dass man die Opfer für Tempelschändung hielt, uiid die fest eingesetzten heiligen Bräuche als kindische Possen betrachtete. Der Tod stand ihnen vor Augen, die Furcht vor der Seele, und man hätte meinen können, die Schuld des einen falle auf das Haupt aller zurück. Damit nicht die ölTentliche Religion seinetwegen abgeschafft würde, bestraften sie ihn selbst mit der Verbannung und überwiesen einem gewissen Ollerus^) die Abzeichen nicht nur

') Vielleicht liegt dieser G-eschicbte von Odin und Riuda ein Lieht- od«r JahrMzeiieDmythaa zu Grunde, wonach dann Rinda die harte, noch 'winterliche Erde bezeichnete, die sich erst spät dem Einfluss der sommer- lichen Warme hingiebt.

*) Vgl. B. T, S. 38 und Anm. 1.

•) Der Mythus von Ollerus (nrd. Ullr) ähnelt sehr dem von Mit od in

Sftzo Graimnaticas. "

130 Drittes Buch.

der Herrschaft, sondern auch der Gottheit, als wenn es ein und dasselbe wäre, Götter wie Könige zu wählen. Mögen sie ihn auch nur zur Stellvertretung als Priester auserkoren haben, so überliessen sie ihm doch unverkürzt alle Ehren, damit er nicht als Verwalter der Dienstpflicht eines andern, sondern als gesetzlicher Nachfolger in dieser Wurde betrachtet werde. Und damit gar nichts an seinem Ansehen fehle, legten sie ihm auoh den Namen Othinus bei, um durch die Be- liebtheit dieses Namens die Gehässigkeit der Neuerung abzu- schwächen. Als dieser ungefähr zehn Jahre den Vorsitz im Rate der Götter geführt hatte, erbarmten sich endlich die Himmlischen über die Verbannung des Othinus, und er durfte wieder, da er nunmehr eine genügend schwere Strafe abge- büsst zu haben schien, den schmachvollen Zustand seiner Erniedrigung mit dem seines früheren Glanzes vertauschen. Die dazwischen liegende Zeit hatte ja nun schon den Makel der vormaligen 84'hande verwischt. Einige aber traten doch mit der Behauptung auf, er verdiene nicht die Erlaubais, seine Würde wieder zu erlangen, da er durch Schauspiel- künste und Uebernahme von Weiberarbeit dem göttlichen Namen den schmählichsten Schandfleck beigebracht habe. Manche bemerken auch, dass er sich für Geld seine ver- lorene Majestät wieder erkauft habe, indem er einige der (lötter durch Schmeicheleien, andere durch Belohnungen er- weichte, und dass er sich für den Preis einer gewaltigen Summe den Zutritt zu den Ehren, die er schon früher innegehabt, wieder verschaft'te. Wenn man aber fragt, für wie viel er das erkauft habe, so wende man sich an diejenigen, die lai wissen, wie viel eine (Gottheit kostet. Ich gestehe, dass sie für mich nur wenig Wert hat. So wurde nun Ollerus von Othinus aus Hizantium vertrieben und ging nach Schweden, wo er bei seinem Bemühen, hier wie in einer neuen Welt ein neues Denkmal seines Ruhmes zu begründen, von den Dänen getötet wurde. Es geht die Sage, dass er in der Zauberei

(I, S. 88 9): beide (fottheitcn bezeichnen einen Krsatz oder eine Ergänzung Odins während des Winters. Vgl. über UUr Mogk im Grundr. KL W9, K. H. Mever S. 258, (Jolthor S. 390.

Othinus u. OUerus. Bous. 131

SO erfahren var, dass er bei der Ueberfabrt Qber Meere sich eines Knochens, den er mit schrecklichen Zauberformeln be- 82 zeichnet hatte, als Fahrzeug bediente, und dass er mit diesem ebenso gut, wie in einem Ruderboote die hindernden Ge- wässer vor ihm überschritten habe^).

Seit aber Othinus die Abzeichen seiner Göttlichkeit wiedergewonnen, strahlte er in allen Teilen der Erde in solchem Glänze, dass ihn alle Völker wie das auf die Welt zurückgekehrte Licht begrüssten, und dass es keinen Ort auf dem Erdenrund gab, der nicht seinem mächtigen Walten ge- horcht hätte. Als er nun merkte, dass sein Sohn Bous^), den er von Rinda bekommen hatte, von Eifer für Kriegs- thaten erfüllt sei, rief er ihn zu sich und hiess ihn der Er- mordung seines Bruders gedenken; er solle lieber erst au Bälde rus' Mörder Rache nehmen, ehe er Unschuldige mit seinen Waffen bedränge. Denn ein Kampf sei immer am besten angebracht und am zuträglichsten, wenn das Bedürfnis nach einer gerechten Rache eine wohlgefällige Gelegenheit zum Kriege biete.

Unterdessen kam die Nachricht, dass Gewarus durch die Heimtücke seines Statthalters Gunno getötet worden sei. Um nun seine Ermordung mit den schärfsten Mitteln zu rächen, fing Hotherus Gunno, warf ihn auf einen flammenden Scheiter- haufen und verbrannte ihn. Denn dieser hatte selbst vorher den Gewarus hinterlistig überrascht und bei Nacht lebendig verbrannt*). In dieser Weise schaffte er den Manen seines

') Saxo scheint hier zweierlei zu vermengen. Ullr gilt als vorzüg- lieber Schneeschtihläufer, und so ist bei dem Knochen wohl an die ursprüng- lich daraus gefertigten Schlitt- oder Schneeschuhe zu denken ; eine andere Sage berichtet dagegen, dass einst der Gott auf seinem Schilde übers Meer gefahren sei; daher nennen die Skalden den Schild ,Ullrs Schi£fS

') Nach isländischer Ueberlieferung heisst der Sohn Odins und Kinds nicht so, sondern Wäli; vgl. der Seherin Weissagung Str. 33 (= Gerings Edda S. 9 und Anm. 2) und Baldrs Träume Str. 11 (Genug S. 17).

*) Dieses grausame Verfahren war ziemlich allgemein üblich; vgl. den Untergang Hrolfs, Ende des IL B. ; Hamlets Rache am Schluss des TTT. B. ; den Fall Frodes des Kühnen i. VL, die Bache des Jarmericus i. YUI. Buche.

9*

132 Drittes Buch.

Erziehers Sühüe und übertrug dann seinen Söhnen Herletus und Geritns die Herrschaft über Norwegen.

Darnach berief er die Grossen zu einer Versammlung und verkündete, daiss er in dem Kriege, den er gegen Bous führen müsste, fallen werde; und zwar sei ihm dies nicht aus zweifelhaften Vermutungen, sondern aas wahren Prophe- zeiungen von Sehern bekannt. Sodann bat er, seinem Sohne Koricus^) die Herrschaft zu übertragen, damit nicht dieses Recht durch Stimmen schlechter Bürger auf fremde und un- bekaunte Familien überginge; er versicherte auch, er würde über die Nachfolge seines Sohnes mehr Freude empfinden als Kummer über seinen bevorstehenden Tod. Diese Bitte wurde

182 ihm schnell erfüllt; dann traf er mit Bous im Kampfe zu- sammen und fiel. Aber auch für Bous war der Sieg keine Freude. Denn er verliess so schwer verwundet die Schlacht, dass ar auf einen Schild gelegt und von abwechselnd tragenden Soldaten nach Hause geschafft werden musste, wo er am folgenden Tage den Schmerzen seiner Wunden erlag. Seine Leiche setzte das nitenische Heer unter grossem Gepränge bei und errichtete ihm einen mächtigen Grabhügel mit seinem Namen, damit nicht das Andenken an einen so hervorragenden Jüngling allzuschnell dem Gedächtnis der Nachwelt ent- schwinde*).

Die Kurländer und Schweden beschlossen nun, gleich aln ob sie durch des Hotherus Tod von der Tributpflichtigkeit befreit wären, Dänemark bewaffnet anzugreifen, dessen Ober- herrschaft sie sonst durch jährliehe Zölle und Abgaben an-

88 zuerkennen pflegten. Dieser Umstand flösste auch den Slaven Mut zum Abfall ein und machte noch mehrere andere Völker- schaften aus ünterthanen zu Feinden'). Um diese Gefahr

*) Diese Reihenfolge stimmt mit anderen dänischen Königs verzeioh* ntMen üherein.

-'j ' ■*)«Man hat vergeblich versucht, die Lage dieses Hügels genauer rti bestimmet^.

^uf 'jiJl^iMl^r Slaven- oder Wendenkrieg des Rörik macht einen ziemlich nM>4eiM<i)' ijklMidruck. Wahrscheinlich hat hier Saxo Ereignisse seiner eig9ti«Al 3<it /auf jenen alten Fürsten übertragen : vgl. die ganz ähnlich

Tod des Hotherus. Roricus; sein Slavenkrieg. 133

abzuwehren, berief Rbricus sein Vaterland unter die Waffen, erinnerte an die Thaten der Ahnen und spornte durch ein- dringliche Ermahnung an, sich tüchtig zu enteisen. Die Barbaren aber erkannten, dass ein Leiter nötig sei, und hatten, um den Krieg nicht ohne Feldherrn zu fuhren, sich einen König erwählt; sodann entfalteten sie alle ihre übrigen Streit^ kräfte, verbargen aber zwei Abteilungen Bewaffneter an einer etwas versteckten Stelle. Roricus Hess sich jedoch durch den Hinterhalt nicht täuschen. Als er seine Flotte in einem engen Schlünde mit seichter Strömung festsitzen sah, Hess er sie von den Sandbänken, auf die sie aufgelaufen war, herabziehen und aufs hohe Meer fahren, damit sie nicht in die sumpfigen Untiefen geriete und von den Feinden von verschiedenen Seiten angegriffen werde. Ausserdem Hess er seine Genossen bei Tage Schlupfwinkel aufsuchen, von denen aus sie unver- sehens die Augreifer ihrer Schiffe überfallen könnten; er sagte schon von vornherein, dass vielleicht die Folgen von des Feindes List dessen eigenes Haupt treffen würden. Die Bar- baren aber, die an dem Hinterhalt beteiligt waren, ahnten nichts von der Umsieht der Dänen, machten unbesonnen einen Angriff und wurden alle erschlagen. Die übrige Schar der Slaven, welche nichts von der Niederlage der Gefährten wusste, war voller Verwunderung und in zweifelnder Unge- wissheit über des Roricus langes Zögern. Als sie eine Zeit lang unter Bekümmernis und schwankenden Erwägungen auf ihn gewartet hatten, beschlossen sie, als das Hinziehen von Tag zu Tag lästiger wurde, ihn mit der Flotte anzugreifen. Es war nun unter ihnen ein Mann, ausgezeichnet durch seinen Körperbau, von Beruf ein Magier. Als dieser die Scharen der Dänen erblickte, rief er aus, es sei doch möglich, durch einen Einzelkampf einem allgemeinen Gemetzel vorzu- 133 beugen, damit durch die Aufopferung einiger weniger die Gefahr der Gesamtheit losgekauft werde. Ich nun will mich, fuhr er fort, dieser Art des Kampfes nicht entziehen, wenn

gehalteneQ geschichtlichen Schilderungen aus der Zeit Waidemars I. im Buch XIV, 511, 580, 589 ff. (Holder).

134 Drittes Buch.

jemand auf eurer Seite den Wagemut fühlt, mit mir um die Entseheidung zu streiten. Vor allem aber verlange ich, dass ihr auf die von mir vorgeschlagenen Bedingungen eingeht, deren Inhalt ich folgendermassen zusammenfasse: Wenn ich siege, yfird uns Freiheit von Abgaben gewährt; wenn ich besiegt werde, wird euch von uns der bisherige Tribut gezahlt. Denn heut will ich entweder als Sieger mein Vaterland von dem Joche der Knechtschaft befreien, oder als Besiegter es ihm auferlegen. Für jeden Fall nehmt mich als Bürgen und Unterpfand. Auf diese Rede hin fragte einer von den Dänen, dessen Mut grösser war als seine Körperkräfte, den Roricus, welche Belohnung der bekomme, der den Heraus- forderer im Kampfe bestünde. Roricus hesass nun sechs Armspangen, die so mit ihren Windungen verschlungen waren, dass sie nicht von einander getrennt werden konnten, da die Reihe der Verbindungspunkte unlöslich mit einander zu- sammenhing; diese versprach er dem, der den Kampf wagen 84 würde, als Belohnung. Der Jüngling aber, nicht ganz seiner Sache sicher, sprach ^): Wenn ich die That glücklich vollbringe, Roricus, so möge deine Grossmut den Lohn für den Sieg abschätzen, und du magst als Schiedsrichter den Siegespreis abmessen; wenn mir aber mein Vorhaben wider meinen Wunsch ausföllt, welchen Lohn schuldest du da dem Besiegten, den grauser Tod oder schwere Schande umfängt? Das pflegen ja die Begleiter der Schwachheit, das die Belohnungen der Ueberwundenen zu sein. Denn was harrt ihrer denn als die äusserste Schmach? Was für ein Lohn ist dem zu zahlen, was für ein Dank dem abzustatten, dem der Preis der Tapfer- keit fehlt? Wer hat je einen Machtlosen im Kampfe mit Epheu bekränzt, wer ihn mit Siegeszeichen geschmückt? Der Tüchtigkeit, nicht der Feigheit erteilt man die Palme. Das Unglück hat keinen Ruhm. Denn jener folgt ein ehrenvoller Triumph, dieser ein übles Ende oder ein schmachvolles Leben. Ich aber, der ich noch im Zweifel bin, für wen sich das Glück des Kampfes entscheidet, masse mir nicht an, keck den Preis

') Vgl. 8. 60 Anm. 2.

8ie$^ der Slaveo in einem Zweikampfe. 135

ZU begehren, weil ich nicht weiss, ob er mir mit Recht ge- hören wird. Darf doch keiner, dem der Sieg noch ungewiss ^ ist, ein gewisses Siegeszeichen annehmen. Ich unterlasse es, da ich des Siegerkranzes noch nicht sicher bin, hartnäckig das Verdienst dieser Trophäe für mich in Anspruch zu nehmen. Ich weise den Gewinn ab, der mir ebenso gut der Preis für meinen Tod wie für mein Leben sein kann. Thöricht ist es, die Hand nach einer unreifen Frucht auszustrecken und sie pflücken zu wollen, noch ehe man genau weiss, ob sie einem bestimmt ist. Diese Hand wird mir den Siegespreis einbringen 134 oder den Tod. Nach diesen Worten schlug er den Barbaren mit dem Schwerte, aber das Glück war ihm weniger zu Willen als sein Mut. Denn als jener den Angriff erwiderte, starb er unter der Wucht des ersten Hiebes. Das gab nun für die Dänen ein trauriges Schauspiel; die Slaven aber beschenkten ihren siegreichen Genossen unter gewaltigem Prunk und empfingen ihn mit prächtigen Siegestänzen ^). Derselbe Krieger aber kam am nächsten Tage, aufgeblasen über den Erfolg seines jüngsten Sieges oder auch in der Absicht, einen zweiten zu erringen, ganz nahe an das Lager der Feinde und begann sie wiederum mit den Worten seiner früheren Heraus- forderung zu reizen. Denn er bildete sich ein, er habe nun den tapfersten von allen Dänen niedergestreckt, und glaubte, niemand habe mehr Mut, noch einmal von ihm eine Heraus- forderung zum Zweikampfe anzunehmen. Er vertraute näm- lich darauf, dass er durch die Besiegung dieses einen Kämpfers die Kraft des ganzen Heeres erschüttert habe, und meinte, er habe keine Schwierigkeiten mehr mit denen, auf die seine späteren Versuche zielten. Nichts nährt ja Anmassung mehr als Erfolg, und das wirksamste Reizmittel für den Hochmut ist ja Glück.

Es kränkte natürlich Roricus, dass die Unverschämtheit eines einzigen Mannes das Ansehen seines Staates ins Wanken brachte, und dass die einst Unterworfenen den siegberühmten Dänen nicht nur frech, sondern sogar mit Verachtung be-

*) Dieselben Freudenbezeugungen werden von den Dänen berichtet B. IV, 117 und VI, 188 (Holder).

136 Drittes Buch.

gegneten; ausserdem aber auch, dass $ich unter der grossen M Zahl seiner Krieger kein so heldenmütiger und starker Mann finden Hess, der Lust verspürte, sein Leben fürs Vaterland aufs Spiel zu setzen. Ubbos Hochherzigkeit machte zuerst der Schmach dieses schändlichen Zögems der Dänen ein Ende. Dieser zeichnete sich durch seine Körperkraft aus und war auch in Zauberkünsten gewandt Auch er fragte absichtlich nach dem Lohn für den Kampf, und der König verhiess ihm wieder die Armspangen. Darauf sprach jener: Wie kann ich deinem Versprechen Glauben schenken, wenn du das Unter- pfand selbst in den Händen hast und die Gabe nicht der Obhut eines andern übergiebst? Es sollte jemand da sein, dem du das Pfand anvertraust, damit du kein Recht mehr hast, das Versprechen zurückzunehmen. Denn die unwiderruf- liche Sicherheit des Preises entflammt den Mut der Kämpfer. Dass er dies in der That nur zum Scherz gesagt hatte, war sicher, da ihm seine Mannhaftigkeit allein die Waffen zur Abwehr der Schmach seines Vaterlandes in die Hand gegeben hatte. Roricus aber meinte, er sei von Gier nach dem Golde ergriffen und wollte nicht den Schein erwecken, als ob er, königlicher Sitte entgegen, sein Geschenk zurücknehmen oder sein Versprechen widerrufen wolle. Daher beabsichtigte er, auf dem Schiffe stehend, wie er war, das Armband dem Be- werber hinzuwerfen und schleuderte es mit gewaltigem Schwünge. Aber der weite Zwischenraum machte seine Ab- sicht zu nichte. Denn das Armband fiel, da es zu langsam und nicht kräftig genug flog, vor dem bestimmten Ziel nieder und ward von den Fluten verschlungen. Daher erwuchs Roricus der Beiname Slyngebond*). Dieser Umstand aber 186 gab einen trefflichen Beweis für Ubbos Wackerkeit. Denn der Verlust des versunkenen Preises brachte ihn von seinem kühnen Entschlüsse nicht ab, damit es nicht scheine, als ob er seine Tapferkeit von der Befriedigung seiner Habgier ab- hängig gemacht habe. Daher verlangte er eifrig nach dem Kampfe und zeigte, dass er.weit mehr von Ehrgeiz als Er-

*) D. h. Rin^üchlcudcrcr (altord. Blöng\'aiibaugi).

Ubbos Kampf. Horwendillus. 137

werbssucht beseelt, die Tapferkeit der Geldgier vorziehe; er wollte beweisen, dass seine Zuversicht nicht in der Hoffiiung auf den Kampf preis, sondern in seiner Hochherzigkeit be- gründet sei. Und ohne Verzug wird der Kampfplatz abge- steckt^), der Umkreis füllt sich mit Kriegern, die Kämpfer stürzen auf einander los, ein Getöse erhebt sich, die Schar der Zuschauer lärmt, uneinig über das Ziel ihrer Wünsche. Die Kämpen erhitzen sich mehr und mehr in ihrer Wut, und während sie unter den gegenseitig beigebrachten W^unden niedersinken, wird ihnen mit dem Ende des Kampfes zugleich das ihres Lebens bestimmt; das Schicksal, glaube ich, sorgte dafür, dass keiner von ihnen über den Tod des andern Freude haben oder Ruhm dadurch ernten konnte. Dieser Umstand versöhnte die Abtrünnigen wieder mit Roricus und gewann ihm auch den Tribut wieder.

Zu derselben Zeit wurden Horwendillus*) und Fengo, deren Vater Gerwendillus Statthalter in Jütland gewesen, an dessen Stelle von Roricus zur Verwaltung dieses Landes ausersehen. Horwendillus aber hatte sich nach dreijähriger Herrschaft aus höchstem Ehrgeiz dem Wikingerleben gewidmet, als C 0 1 1 e r u s ^) , der König von Norwegen , voll Eifersucht 186 über die Grösse seiner Macht und seines Ruhmes zu der An- sicht kam, dass es für ihn ehrenvoll sein würde, wenn er den 86 soweit reichenden Ruhmesglanz des Wikings durch die Ueber- legenheit seiner Waffen verdunkeln könnte. Er suchte seine Flotte auf und begegnete ihr auch nach verschiedenen Kreuzungs- fahrten auf dem Meere. Es lag eine Insel mitten in der See,

') Vgl. hierzu die S. 59 in Adoi. 1 angegebene Litteralur.

*) Dieser Käme entspricht dem eddischen Aurwandili, einem Kiesen, (Gering S. 360/61) und dem hochdeutschen Grendel. Dieser scheint ur- Bprünglich der Held einer Schiffer- und Heimkehrsage zu sein, die zugleich auf naturmythischem Untergrunde ruht. Orendel wäre dann eine sommer- liche Gottheit, die während des Winters in die Gewalt der Reifncsen gerät und bei Beginn der guten Jahreszeit ihnen wieder entrinnt und heimkehrt. Vgl. über die Sage Symons im Grundr. * 111, S. 731 Der Name Fengo begegnet sonst nicht.

*) Ueber Collerus siehe Anm. 2 8. 53. Eben diesen Namen und seine Deutung (als ,kalt^?) führt man u. a. für die naturmythische Deutung der Sage an.

13s Drittes Buch.

welche die beideu Wikinger besetzten, nachdem sie ihre Schiflfe, jeder an einer Seite, verankert hatten. Das freundliche Aus- sehen des Strandes lockte die Fürsten ^) ; die äussere Anmut der Gegend lud sie ein, auch das frQhlingssehöne Innere der Haine anzusehen, die Höhen zu überschreiten und das geheimnis- vtille Dickicht der Wälder zu durchstreifen. Das Vordringen dort führte zu einer zufälligen Begegnung zwischen Horwen- dillus und €ollerus ohne Zeugen. Da bemühte sich Horwen- dillus zuerst, von dem Könige zu erkunden, welche Art von Entscheidungskampf ihm beliebe, und er versicherte zugleich, das sei der beste, der mit Hilfe der wenigsten Männer aus- gefochten würde. Ein Zweikampf würde also, um den Preis der Tapferkeit zu erhalten, wirksamer sein als jede andere Art Streit, weil ein solcher nur auf eigener Tüchtigkeit beruhe und die Beihilfe fremder Hände ausschliesse *). Collerus bewunderte diese mutige Gesinnung des Jünglings und sagte: Da du mir die Wahl der Kampfesart überlässt, möchte ich am liebsten die anwenden, welche ohne äusseren Lärm nur die Thätigkeit von uns beiden erfordert. Sicherlich gilt diese auch als die kühnste und führt am schnellsten zum Siege. In diesem Punkte ist unsere Auffassung gleich und wir stimmen von selbst in unseren Ansichten überein. Da nun aber der Ausgang zweifelhaft ist, so müssen wir auch gegen- seitig der Menschlichkeit Rechnung tragen und dürfen nicht so sehr unseren Leidenschaften die Zügel schiessen lassen, dass auch die letzten Pflichten vernachlässigt würden. Hass erfüllt unsere Gemüter; doch auch Milde möge walten, die nun ein- mal zu passender Zeit der Härte folgen muss. Denn wenn uns auch die Verschiedenheit unserer Gesinnung scheidet, so 137 vereinen uns doch die Rechte der Natur. Ihr gemeinsames Band knüpft uns aneinander, wie grosser Hass uns auch trennt. Für uns gelte also dies Gebot der Menschenliebe,

M Diese Schilderunfi^ von Natur und Stimmungr verrät »ich als jüngere Zuthat. da dergleichen in alten, rein skandinavischen Quollen nirgends begegnet, (Müller I, l S. 136, 2 und Olrik II, l.'>7.)

*) Das ist also ein Holmgang im eigentlichsten Sinne; siehe oben S. 59 Anm. 1.

Horwendillus und CoUerus. 139

dass der Sieger dem Besiegten eine Leichenfeier veranstalte. Darin bestehen ja anerkanntermassen die letzten Pflichten der Menschlichkeit, denen sich kein frommer Mann entzieht. Beide Heere sollen diese Pflicht einträchtig erfüllen und die Feind- schaft ruhen lassen. Es schwinde nach dem Tode die Feind- seligkeit, und die Eifersucht ruhe im Grabe. Ferne sei von uns eine solche Grausamkeit, dass einer noch des andern Asche verfolge, wenngleich uns im Leben Hass erfüllte. Rühm- lich wird es für den Sieger sein, wenn er dem Besiegten eine prächtige Leichenfeier gewährt. Denn wer an dem gefallenen Feinde die schuldigen Pflichten erfüllt, der erwirbt sich die Gunst der Mitwelt, und es gewinnt sich durch seine Güte die Lebenden jeder, der an einem Toten eifrig seine Mensch- lichkeit bethätigt. Es giebt aber noch ein anderes, nicht weniger beklagenswertes Unglück, welches uns, auch wenn wir am Leben bleiben, zustossen kann, der Verlust eines Körperteils. Dabei müssen wir uns, glaube ich, ebenso eifrig Hilfe leisten wie im allerschlimmsten Falle. Denn oft erleidet man im Kampfe, wenn man mit dem Leben davon kommt, eine Verstümmelung der Glieder; und dieses Los pflegt man S7 für trauriger als jedes andere Geschick zu halten, weil ja der Tod die Erinnerung an alles tilgt, der Ueberlebende aber die Verkrüppelung des eigenen Körpers nicht unbeachtet lassen kann. Auch solch einem Uebel müssen wir mit einer Hilfe- leistung begegnen. Darum wollen wir beschliessen, dass die Verstümmelung des einen von dem andern mit zehn Tsilenten Goldes vergolten werde ^). Denn wenn es menschlich ist, mit dem Unglück anderer Mitgefühl zu haben, um wieviel mehr dürfen wir uns da nicht über unser eigenes erbarmen? Jeder gehorcht der Natur; wer sie verachtet, ist sein eigener Mörder.

^) Saxo setzt seinem Brauche gemäss auch das antike Talent statt der heimischen Mark oder des Pfundes ein (vgl. Weinhold S. 118 über Geld). Die menschonfrenndliche Abmachung ist wohl übrigens nur ein Hissverständniss eines alten Brauches, wonach der am schwersten Ver- wundete sein Leben durch eine bestimmte Summe von dem andern zu lösen hat (holmlausn). 8. Wein hold a. a. 0. S. 300.

140 Drittes Buch.

Diese BedinguDgen beschworen sie gegenseitig und be> gaanen dann den Kampf. Denn weder das Ungewöhnliche bei ihrer beiderseitigen Begegnung noch die Anmut des lenz- grunen Platzes berücksichtigten sie, dass sie sich etwa weniger scharf mit den Schwertern zugesetzt hätten. Horwendillus war in allzugrosser Kampfeshitze mehr darauf bedacht, den Feind anzugreifen als sich selbst zu schützen, beachtete seinen Schild gar nicht und hatte mit beiden Händen sein Schwert gefasst. Dieser Kühnheit fehlte auch nicht der Erfolg. Denn er beraubte auch Celle rus seines Schildes, der unter seinen dichten Hieben schwand, schlug ihm zuletzt einen Fuss ab 138 und streckte ihn leblos zu Boden. Um seine Verabredung nicht zu brechen, bestattete er ihn mit königlichem Gepränge in einem Hügel von hervorragender Form und ehrte ihn durch eine glänzend zugerüstete Leichenfeier. Dann verfolgte er seine Schwester, Namens Sela, die mit dem Wikingerleben vertraut und im Kriegsdienst erfahren war ^), und erschlug sie.

Drei Jahre verbrachte er unter den tapfersten Kriegs- thaten und bestimmte die wertvollsten Trophäen und die aus- erlesenste Beute für Roricus, um sich einen noch höheren Grad seiner Freundschaft zu erwerben. Infolge ihres ver- trauten Verhältnisses erhielt er dessen Tochter Gerutha^ zur Ehe und bekam von ihr einen Sohn, Amlethus*).

») Vgl. Anm. 5 auf S. 63.

*) D. i. Gertrud (isl. (Teir|>rüdr).

*) Die Horwendilhissage bildete die Einleitung zu der jetzt folgenden Hamletsage. Saxos Darstellung ist die einzige alte, die sie uns erhalten hat, aus ihr hat Shakespeare, wenn auch nur mittelbar, den Stoff zu seiner Tragödie entnommen. Sonst kennen wir nur noch zwei junge isländische Bearbeitungen aus dem 17. Jahrhundert, die eine eine lieber* Setzung aus Saxo, die andere (in mehreren Handschriften) eine freie Nachdichtung über denselben Grundtext. Der Name des Helden ist übrigens in den skandina^dschen Sprachen ein Appellativum (neuisl. amIoOi, norw. amlo, altschwed. amblodhe) mit der Bedeutung Narr, Geck, Dumm- kopf. — Eine ausführliche Inhaltsangabe jener jungen isländischen Nachdichtung giebt Jiriczek in den Germanistischen Abhandlungen (hrsg. V. Vogt) Heft XIL S. 59 ff. (Breslau 1896). Eine Ausgabe des isl. Textes der einen Handschrift zugleich mit einer englischen Uebersetzung bietet Israel GoUancz' „Hamlet in Iceland"*, London 1898; voran geht dieser

Sieg des Horwendillus. Fengo. 141

Aus Neid über ein solches Glück beschloss nun Fengo gegen seinen Bruder Ränke zu schmieden. So wenig ist also die Tüchtigkeit sogar vor Verwandten sicher. Sobald ihm daher eine Gelegenheit zum Brudermorde gegeben war, stillte er die wilde Gier seines Herzens mit blutiger Hand. Dann bemächtigte er sich auch der Gattiu seines hinge- schlachteten Bruders und fügte so noch die Blutschande zum Brudermorde. Dena wer sich einmal zu einem Verbrechen herbeigelassen hat, der verfällt bald gar rasch auf ein anderes; denn eins ist immer die Triebfeder zum anderuw Zugleich wttsste er aber seine grausig« That mit so kecker Schlauheit zu verschleiern, dass er sich eine Entschuldigung seines Ver- brechens zurecht legte, indem er Wohlwollen erheuchelte, und seinen Brudermord durch die Bezeichnung als Liebespflicht zu beschönigen suchte. Denn er behauptete, dass Gerutha, obwohl sie so weicbmütig war, dass nie niemandem auch nur die leiseste Kränkung zufügte, doch den grimmigsten Hass von ihrem Gatten erfahren habe; nur um sie zu retten, habe er seinen Bruder getötet weil ja augenscheinlich die sanfteste der Frauen, ein Weib ohne Galle, Unverdientermassen unter dem Grolle ihres Mannes zu leiden hatte. Diese Ausrede verfehlte auch nicht ihre Wirkung. Denn bei Fürsten, bei 88 denen ja mitunter Possenreissern Gnade und Verleumdern £hre erwiesen wird, fehlt es auch der Lüge nicht an Glauben. Fengo aber trug kein Bedenken mit seinen von Bruderblut besudelten Händen die schmachvolle Umarmung zu vollziehen, und so lud er mit gleicher Ruchlosigkeit die Schuld einer doppelten Nichtswürdigkeit auf sich.

Als Amlethus das sah, stellte er sich blödsinnig, um sich nicht durch zu kluges Benehmen beim Oheim verdächtiii; zu machen; er erheuchelte das äusserste Gemütsleiden und verbarg durch diese Art Schlauheit nicht bloss seine Ab- sichten, sondern schützte auch sein Leben. Täglich verweilte er, von Unsauberkeit starrend, im Hause seiner Mutter, warf

Ausgabe eine ausführliche Abhandlung über die Sage. Ucber diese vgl. ferner £lton'8 „Note on Saxo's Hamlet" in seiner Uebersetzung Saxos S. 398. I>etter i. d. Zeitschr. f. deutsch. Altert 36, 1 ff . und.A. Olrik II, 158»*.

142 Dritte« Buch.

sieb ZU Boden und beschmierte sieb abscheulieh mit Kot und Schmutz. Die entstellte Farbe seines Aeusseren, sein mit Unflat besudeltes Gesicht verrieten den Wahnsinn in seinen 139 lächerlichen Thorheiten. Was er sprach, stimmte zu dieser Verrücktheit, was er that, Hess die tiefste Stumpfheit er- kennen. Wozu noch mehr? Man hielt ihn einfach nicht für einen Menschen sondern für die lächerliche Missgeburt einer verrückten f^aune des Schicksals. Häufig sass er am Herde, wühlte mit den Händen in der Asche, schnitzte hölzerne Pflöcke und härtete sie im Feuer. An den Enden brachte er dann eine Art Widerhaken an, um sie für die Befestigung um so haltbarer zu machen. Auf die Frage, was er treibe, antwortete er immer, er verfertige scharfe Pfeile zur Rache seines Vaters. Diese Erwiderung erregte kein geringes Ge- lächter; denn alle verachteten die Vergeblichkeit seines lächerlichen Beginnens, obgleich die Sache ihn später in seinem Vorhaben wirklich unterstützt hat. Diese Kunst- fertigkeit erweckte bei den Zuschauern von etwas tieferem Verständnis den ersten Verdacht gegen ihn, als sei er ein Schlaukopf. Denn gerade die Geschicklichkeit in der kleinen Kunst verriet das Talent des Arbeiters. Es war ja doch nicht glaublich, dass der gestörten Verstandes sei, dessen Hände einer so kunstvollen Leistung fähig waren. Zuletzt pflegte er immer mit peinlichster Sorgfalt den Haufen seiner feuer- gehärteten Pflöcke aufzuheben. Daher versicherten manche, er habe einen sehr klaren Verstand und verberge nur seiue Klugheit unter dem Schleier der Einfältigkeit, sie meinten, er verstecke nur die tiefen Absichten seiner Schlauheit unter dieser Verstellung, und man könne seine Verschlagenheit nicht besser entlarven, als wenn man ihm irgendwo an einem abgelegenen Orte eine Frau von hervorragender Schönheit in den Weg führe, die seinen Sinn zu Liebesgelüsten anreizen sollte. Denn der natürliche Trieb zur Liebe sei so stark, dass man ihn nicht künstlich unterdrücken könne. Seine Erregung werde zu heftig sein, als dass er sie durch List beherrschen könnte, und wenn er seinen Stumpfsinn nur er- heuchele, werde er diese Gelegenheit benutzen und auf der

Amlethus in der Heimat. 143

Stelle dem Triebe der Wollust gehorchen. Daher erhielten einige Leute den Auftrag, diese Art Probe anzustellen und den Jüngling zu Pferde in einen abgelegenen Teil des Waldes 89 W führen. Unter diesen befand sich zuföllig ein Milchbruder uo des Amlethus, in dessen Herzen die Rücksicht auf ihre ge- meinsame Erziehung noch nicht erloschen war ^). Dieser schätzte nun die Erinnerung an ihr früheres Zusammenleben höher als den jetzigen Auftrag, und er gesellte sich mit den abgeordneten Begleitern zu Amlethus, aber mehr in der Ab- sicht, ihn zu warnen als ihn in den Hinterhalt zu locken; denn er zweifelte nicht, dass jeneni das Schlimmste bevor- stände, wenn er nur ein kleines Zeichen gesunden Verstandes gäbe, und am sichersten, wenn er offenkundig das Werk der Liebe vollzöge. Das war auch Amlethus ganz klar. Denn auf die Aufforderung sein Pferd zu besteigen, setzte er sich absichtlich so, dass er seinen Rücken dem Halse desselben zuwandte und mit dem Gesichte nach dem Schwänze zu sah. Diesem begann er auch die Zügel anzulegen, gerade als wollte er damit den Gang des ausgreifenden Rosses lenken. Durch diese schlau ersonnene List machte er seines Oheims Heimtücke wirkungslos und seinen Anschlag zu nichte. Es war aber auch wirklich ein recht lächerliches Schauspiel, wenn so das Pferd ohne Zügel hintrabte, während der Reiter den Schwanz in der Hand hielt.

Als Amlethus weiter ritt und ihm ein Wolf im Gebüsche begegnete, sagten seine Begleiter, es sei ihnen ein junges Pferd entgegen gesprungen: darauf erwiderte er, in Fengos Gestüt beenden sich nur zu wenige von dieser Art. So sprach er in ebenso feiner wie witziger Form eine Ver- wünschung über seines Oheims Reichtümer aus ^). Als jene ui äusserten, er habe eine kluge Antwort gegeben, versicherte er, das habe er absichtlich gesagt, damit es in keiner Weise

^) Das Verhä]tnis zwischen Ziehgeschwisiern war gewöhnlich sehr innig; vgl. noch Anm. 1 auf S. 19.

*) Scheinbar wünscht er dem Oheim Zuwachs an Füllen, in der That natürlich Unglück durch die Wölfe, die in sein Gestüt einbrechen sollen. Vgl. dagegen Olrik U, 162.

144 Drittes Buch.

scheine, als ob er ein Lugner sei. Da er nämlich als Feind der Falschheit zu gelten wünschte, vermischte er List und OiFenherzigkeit so, dass es seinen Worten nicht an Wahrheit fehlte, dass aber auch der Sinn seines Witzes nicht dur<*h oiFene Angabe der Wahrheit verraten wurde ^).

Als er am Strande entlang ritt und seine Begleiter ein Ruder von einem gestrandeten Schüfe fanden, sagten sie ihm, sie hätten ein ungewöhnlich grosses Messer entdeckt. Damit, erwiderte er, könne man einen recht gros.sen Schinken schnei- den, und er meinte damit das Meer, zu dessen Unerraesslich- keit die Grösse des Ruders wohl passte. Als sie nun auch an den Sanddünen vorbeikamen, hiessen sie ihn das MehK womit sie natürlich den Sand meinten, ansehen; er versetzte, es sei von den weisslichen Meeresstürmen gemahlen^. Als seine Gefährten diese Antwort lobten, versicherte er selber, es sei eine sehr kluge Aeusserung von ihm. Nun verliessen ihn diese absichtlich, damit er um so grösseren Mut bekäme, seine Lust zu befriedigen; er begegnete auch dem Mädchen, welches ihm sein Oheim entgegen geschickt hatte, an einem düsteren Orte, als wenn sie ihm der Zufall in den Weg ge- führt hätte, und er hätte sie vergewaltigt, wenn ihm nicht sein Milchbruder durch einen stummen Rat eine Andeutung von dem Anschlage übermittelt hätte. Während dieser näm-

90 lieh überlegte, auf welche Weise er am geeignetsten die Pflicht eines heimlichen Warners erfüllen und der verderblichen Lüstern- heit des Jünglings £inhalt thun könnte, fand er auf dem Boden einen Strohhalm und befestigte diesen an den Hinterleib einer Bremse, die eben vorbeiflog. Dann jagte er sie gerade nach

142 der Richtung, wo, wie er wusste, Amlethus sich befand; durch dieses Verfahren erwies er dem Unvorsichtigen eine sehr

') 1). h. der Witz besteht immer darin, du.ss er die Wahrheit saf^t, ohne dass sie aber ein Unbefangener als solche erkennen kann.

*) Im nord. ist dieser Witz noch näher liegend, da sich die beiden Wörter mjwl (Mehl) und melr (Sand) ziemlich ähneln. Hieran knüpft sich übrigens eine Kenning des Skalden Sniplyörn (im 10. Jahrhundert), der das Meer AmloÖa kvem, Hamlets 3fühle, nennt. Dieser Ausdnick beweist, dass schon damals die Hamletsage ganz allgemein bekannt ge- wesen sein muss.

Versuchung des Amlethus. X45

grosse Wohlthat, denn das Zeichen wurde ebenso schlau ge- deutet, wie es erdacht war^). Als nämlich Amlethus die Bremse sah und den Strohhalm, den sie am Hinterleibe be- festigt trug, genauer ins Auge fasste, verstand er, dass dies eine stumme Warnung sei. sich vor einem Hinterhalte zu hüten. Aus Bedenken vor einem Anschlage nahm er daher das Mädchen in seine Arme und schleppte sie weit fort zu einem unzugänglichen Sumpfe, um in grösserer Sicherheit seinen Wunsch zu erfüllen. Dort vollzog er auch das Beilager, und dann beschwor er sie inständigst, sie möge niemandem die Sache verraten. Das Schweigen wurde ebenso eifrig er- beten als versprochen; denn da beide dieselben Führer in ihrer Jugend gehabt hatten, verband die frühere Gemeinschaft ihrer Erziehung das Mädchen in der innigsten Vertrautheit mit Amlethus^).

Als er nun nach Hause zurückkehrte und ihn alle höhnisch fragten, ob er der Liebe seinen Tribut gezollt, gestand er, dass er ein Mädchen vergewaltigt habe. Auf die weitere Frage, wo er denn das gethan habe und was er für ein Lager ge- habt, erwiderte er, er habe auf dem Huf eines Lasttieres, auf einem Hahnenkamm und auf dem Tafelwerk eines Daches ge- ruht. Denn als er auf diese Probe auszog, hatte er, um nicht lügen zu müssen, Teile von all diesen Dingen zu sich ge- steckt^). Diese Antwort wurde mit Gelächter von den Um- stehenden aufgenommen, obgleich doch durch den Scherz der Wahrheit kein Abbruch geschah. Als nun auch das Mädchen über diese Angelegenheit befragt wurde, versicherte sie, er habe nichts dergleichen gethan. Man glaubte dieser ver-

^) Die etwas merkwürdig und unwahrscheinlich klingende List soll wohl nur ganz allgemein Hamlet darauf aufmerksam machen, dass Menschen in der Nähe sind.

*) Siehe Anm. 1 8. 143.

') Diese Deutung verrät, dass Saxo selbst die Geschichte nicht mehr verstand; Olrik U, 160 macht darauf aufmerksam, dass unter dem Dache Moos zu verstehen sei, unter dem jumenti unguium eine Pflanze aus der Gattung tussiJago (Huflattich), die dänisch hestehov (= Pferdehuf) heisst, und unter dem Hahnenkamm ebenfalls eine Pflanze (dänisch: hanekam, lat.: Rhinantus crista galli).

Saxo Grammaticus. 10

146 Drittes Buch.

neinenden Antwort und zwar um so bereitwilliger, je weniger dem Augenschein nach auch die Trabanten etwas von der Sache wussten. Darauf aber wollte der, der als Warnungs- zeichen die Bremse gekennzeichnet hatte, zeigen, dass Arolethus seiner Verschmitztheit seine Rettung zu danken habe, und sagte, er habe sich jüngst ganz einzig für ihn bemüht. Die Antwort des Jünglings war nicht ungeschickt. Um nämlich nicht den Glauben zu erwecken, als verachte er das Ver- dienst des Warners, erwiderte er, er habe eine Art Stroh- träger plötzlich an sich vorüberfliegen sehen, der am Hinter- teil seines Körpers einen Halm befestigt trug. Dieser Aus- spruch erfreute durch seine Klugheit eben so sehr den Beschützer des Amlethus, wie er bei den andern Gelächter erregte. 148 So waren alle geschlagen und niemand konnte das ver-

borgene Schloss vor des Jünglings Klugheit öifnen, als einer von Fengos Freunden, der reicher mit Einbildung als mit 91 Erfindungsgabe gesegnet war, versicherte, man könne unmög- lich seine undurchdringliche Srhlauheit mit einer gewöhnlichen List ans Licht bringen. Denn seine Widerstandsfähigkeit sei zu gross, als dass man ihr mit leichten Mitteln zu Leibe gehen könnte. Man dürfe also nicht seinen vielfältigen Kniifeo mit einer ganz einfachen Probe auf den Grund zu kommen suchen. Er habe dagegen mit seinem tieferen Verständnis ein feineres und vernünftigeres Mittel gefunden, das leicht ausführbar und für die Ergründung der fraglichen Sache am wirksamsten sein werde. Fengo solle sich nämlich unter dem Vorwande eines dringenden Geschäfts freiwillig entfernen, und Amlethus müsse man allein mit seiner Mutter im Schlaf- gemache einschliessen; vorher aber sei ein Mann zu besorgen, der, ohne dass die beiden etwas davon wüssten, in einem Ver- steck des Zimmers untergebracht, den Inhalt ihrer Unter- redung recht aufmerksam belauschen sollte. Denn wenn der Sohn nur ein bisschen Verstand besitze, so werde er kein Bedenken tragen, sich vor den Ohren der Mutter auszusprechen, und sich nicht scheuen, der Treue seiner Ernährerin zu trauen. Zugleich erbot er sich auch sehr eifrig zur Uebernahme des

Amlethus und seine Mutter. 147

Laascherpostens, um. nicht bloss als Erfinder, sondern auch als Vollend'^r dieses Anschlages zu erscheinen^). Erfreut gab Fengo seine Einwilligung und entfernte sich, indem er sich stellte, als habe er eine weite Reise vor. Der aber, der den Rat gegeben hatte, begab sich heimlich in das Zimmer, in dem Amlethus mit seiner Mutter eingeschlossen wurde und versteckte sich unter dem Bettstroh ^). Amlethus aber fehlte es nicht an einer Gegenmassregel gegen den Anschlag. Aus Besorgnis nämlich, dass er von irgend welchen verborgenen Ohren gehört werden könnte, nahm er zuerst zur Ausübung seiner gewöhnlichen Thorheiten seine Zuflucht; er erhob seine Stimme wie ein krähender Hahn und focht mit den Armen hin und her, als ob er mit den Flügeln schlage. Dann sprang er auf das Stroh und begann fortwährend auf und ab zu springen, um zu erproben, ob darunter irgend etwas ver- borgen wäre. Als er die Masse unter seinen Füssen spürte, stach er mit dem Schwerte an die Stelle, durchbohrte den Darunterliegenden, holte ihn aus seinem V^ersteck hervor und tötete ihn vollends. Dann hackte er seinen Körper in Stucke, kochte sie in siedendem Wasser, warf sie durch die offene Mündung einer Kloake den Schweinen zum Frasse vor und streute so die elenden Glieder in eklen Kot. Nachdem er in dieser Weise den Hinterhalt vereitelt, kehrte er in das Ge- mach zurück. Als nun seine Mutter mit lautem Gejammer 144 den Wahnsinn ihres Sohnes bitterlich zu beklagen begann, sagte er: Wie, du verworfenstes unter den Weibern, unter diesem heuchlerischen Gewinsel willst du das schwerste Ver- brechen verbergen? Bist du nicht lästern wie eine Hure, hast du nicht diese sündhafte und verfluchte Ehe geschlossen? Drückst du nicht den Mörder deines Gatten an deine Brust voller Unzucht? Kosest du nicht mit dem, der den Vater deines Kindes erschlagen, in schamloser, verführerischer Zärt- lichkeit? So paaren sich ja nur die Stuten mit dem Besieger ihrer Männchen; das ist ja tierische Eigenart, immerfort zu

*) D, i. Polonius bei Shakespeare.

*) Ueber Einrichtung der Betten siehe Weinhold S. 233.

10'

148 Drittes Buch.

anderen geschlechtlichen Vereinigungen zu eilen. Nach solchem 92 Vorbild ist dir sicherlich die Erinnerung an deinen ersten Gatten entschwunden. Ich aber habe nicht ohne Zweck das Aussehen eines Verrückten angenommen, denn unzweifelhaft würde der, der seinen Bruder erschlagen hat, mit gleicher Grausamkeit auch gegen seine andern Verwandten wüton. Daher ist es besser, sich mit dem Wesen der Dummheit als der Umsicht zu umgeben und sich Schutz und Sicherheit in scheinbarem Blödsinn zu suchen. In meinem Herzen glüht jedoch der Eifer, meinen Vater zu rächen, und ich spähe nur nach einer geeigneten Gelegenheit und warte eine günstige Zeit ab. Eines schickt sich nicht für alle. Gegen eine finstere und grausame Gesinnung muss man mit gründlichen geistigen Anstrengungen vorgehen. Für dich aber dürfte es überflüssig sein, meinen Unverstand zu bejammern, da du mit mehr Recht deine eigene Schande beklagen müsstest. Denn man muss nicht die Fehler eines andern, sondern seines eigenen Herzeus beweinen. Im übrigen denke daran, dass du schweigst. Mit dieser Strafrede zerriss er zwar das Herz seiner Mutter, aber er veranlasste sie dadurch, wieder den Pfad der Tugend zu betreten und lehrte sie, ihre frühere Liebe den augen- blicklichen Lockungen vorzuziehen.

Als Fengo zurückkehrte, konnte er den Urheber des Spionieranschlages nirgends finden und Hess ihn lange und eifrig suchen, ohne dass aber jemand anzugeben vermochte, ihn irgendwo bemerkt zu haben. Auch Amlethus wurde zum Scherz gefragt, ob er nicht eine Spur von ihm gesehen habe, und er antwortete, jener sei in die Kloake hinabgestiegen, auf den (irund gesunken und zuletzt, mit einer ganz dicken Kotkruste bedeckt, von den Schweinen, die dahin kamen, gefressen worden« Obgleich diese Antwort das Bekenntnis der Wahrheit enthielt, diente sie den Hörern doch nur zum Gespött, weil sie dem Aeusseren nach unsinnig erschien.

Fengo wollte nun seinen Stiefsohn, den er im Verdacht

zweifelloser Tücke hatte, beseitigen, wagte es aber nicht, da

er dadurch sowohl bei dessen Grossvater Roricus wie bei

1.5 seiner eigenen Gemahlin anzustossen fürchtete, und be.schloss

Amlethus u. seine Mutter. Seine Sendung nach Britannien. 149

daher, ihn mit Hilfe des Königs von Britannien töten zu lassen, um so Unschuld heucheln zu können, wenn ein anderer für ihn die That vollbringe. In dem Bestreben also, seine eigene Grausamkeit zu verdecken, wollte er lieber einen Freund brandmarken, als sich selbst die Schande aufladen. Beim Abschied nun forderte Amlethus seine Mutter im Ge- heimen auf, die Halle mit geknüpften Geweben zu behängen und nach einem Jahre zum Scheine eine Totenfeier für ihn zu veranstalten; gerade zu dieser Zeit versprach er zurück- zukehren. Mit ihm reisten zwei Trabanten Fengos*), welche ein in Holz geritztes Schreiben mit sich führten (denn das war damals die gewöhnliche Art Briefe); darin wurde der König der Britannier um die Ermordung des zu ihm gesandten Jünglings ersucht. Während jene nun der Ruhe pflegten, durchsuchte Amlethus ihre Taschen und fand den Brief. Als er den Auftrag, der darin stand, gelesen, schabte er ihn sorg- fältig weg, setzte neue Schriftzüge an seine Stelle und wandte so sein eigenes Verderben, indem er den Inhalt des Auftrages 98 änderte, auf seine Begleiter. Und nicht zufrieden damit, sein Todesurteil getilgt und die Gefahr auf andere übertragen zu haben, fügte er noch zu dem gefälschten Namenszuge Fengos eine Bitte des Inhalts, dass der König von Britannien dem hochverständigen jungen Manne, den er zu ihm schicke, seine Tochter zur Ehe gewähre.

Gleich nach der Ankunft in Britannien begaben sich die Gesandten zum Könige und überbrachten ihm in dem Brief, den sie für das Mittel zum Verderben eines andern hielten, ihr eigenes Todesurteil. Der König iiess sich aber nichts merken und hiess sie mit gastlicher Freundlichkeit will- kommen. Da aber verschmähte Amlethus die ganze Pracht des königlichen Mahles, als ob es ein ganz gewöhnliches Essen sei; er wandte sich mit sonderbarer Enthaltsamkeit von dem reichen üeberfluss des Gelages ab und mochte ebensowenig das Getränk wie die Speisen. Alle verwunderten sich, dass ein Jüngling von fremdem Stamme die feinsten Leckerbissen

*) D. 8. Hosenkranz und Güldenstem bei Shakespeare.

150 Dnttes Buch.

des königlichen Tisches und die üppigen Speisen wie Bauern- kost von sich wies. Nach Aufhebung der Tafel entliess der König seine Freunde zur Ruhe und Hess durch einen Mann, den er in ihr Gemach schickte, heimlich die nächtlichen Ge- spräche seiner Gastfreunde belauschen. Auf die Frage seiner U6 Genossen, weshalb er sich denn von dem gestrigen Mahle, als wäre es giftig, fern gehalten, erwiderte Amlethus, das Brot sei mit Blut bespritzt gewesen, der Trank habe nach Eisen geschmeckt, die Fleischgerichte hätten nach Menschenleichen gerochen und seien durch das Anziehen von Grabesdunst ver- dorben gewesen. Er fügte auch noch hinzu, dass der König Sklavenaugen habe, und dass die Königin drei Mägdegewohn- heiten zur Schau trage; so belegte er nicht bloss das Mahl, sondern auch seine Veranstalter mit schmachvollen Schimpf- reden. Seine Genossen warfen ihm nun gleich seine frühere Geistesschwäche vor und begannen ihn mit verschiedenen Spottreden wegen seiner Unverschämtheit zu verhöhnen, dass er das Ehrenwerte lästere und das Gute schmähe, dass er einen ausgezeichneten König und eine in ihrem Benehmen hochgebildete Frau mit gar zu ehrenrührigem Gerede angriffe und diejenigen, welche Lob verdienten, mit äusserst schmäh- lichen Vorwürfen getroffen habe.

Als der König dies von seinem Trabanten hörte, rief er aus, der Sprecher solcher Reden müsse entweder übermensch- lich weise oder verrückt sein, da er in so wenigen Worten eine so gründliche und tiefsinnige Einsicht zusammenfasse. Darauf Hess er den Schaffner holen und fragte ihü, woher er das Brot besorgt habe. Als dieser versicherte, es sei von dem Hausbäcker gebacken, forschte er bei diesem nach, wo das Getreide, welches das Mehl geliefert, gewachsen sei, und ob irgend ein Anzeichen verriete, dass dort Menschen er- schlagen worden seien. Dieser erwiderte, es befinde sich in geringer Entfernung ein mit alten Totengebeinen dicht besätes 94 Feld, welches noch deutlich die Spuren zeige, dass dort früher einmal ein Blutbad stattgefunden habe; er habe diesen Platz, da er fruchtbarer sei als andere, in der Hoffnung auf einen reichen Ertrag mit der Frühlingssaat besät. Daher habe

Amlethus in Britannien. ]51

vielleicht voii jenem Blute das Brot einen hässlichen Ge- schmack bekommen. Als der König dies hörte, vermutete er, dass Amlethus überhaupt die Wahrheit gesprochen habe, und liess es sich angelegen sein, zu erfahren, woher das Schweinefleisch gekommen sei. Jener eröffnete, seine Schweine, die aus Nachlässigkeit ihrem Gewahrsam entronnen seien, hätten von der verwesenden Leiche eines Räubers gefressen, und daher habe wohl auch ihr Fleisch einen etwas fäulnis- ähnlichen Geschmack angenommen. Als der König auch in diesem Punkte die Wahrheit von Amlethus' Aeusserung er- kannte^ forschte er nach, mit was für Wasser er denn den 147 Trank gemischt habe. Wie er vernahm, er sei aus Mehl und Wasser bereitet, liess er sich den Ort der Quelle zeigen, in die Tiefe graben und fand dort mehrere von Rost zerfressene Schwerter, von denen das Wasser augenscheinlich den leidigen Beigeschmack bekommen hatte. Andere berichten, Amlethus habe den Trank deswegen getadelt, weil er beim Trinken einige Bienen fand, die sich am Leibe eines Toten genährt hatten, und die Verdorbenheit, die schon früher den Honig ergriffen hatte, herausgeschmeckt habe. So sah er nun die Ursachen des getadelten Geschmackes einwandsfrei erwiesen, und da er vermutete, der ebenfalls von Amlethus erhobene schmähliche Vorwurf gegen seine Augen beziehe sich auf einen Flecken seiner Abkunft, suchte er heimlich seine Mutter auf und fragte sie, wer sein Vater sei. Als sie sagte, sie habe niemanden als den König zu sich gelassen, drohte er ihr, er werde durch die Folter die Sache erfahren, und ver- nahm nun, dass er der Sohn eines Knechtes sei; durch die Erpressung dieses Geständnisses löste er also die Zweifel über seinen geschmähten Ursprung. Er war aber ebenso er- freut über die Klugheit des Jünglings, wie beschämt über seine eigene Lage, und fragte ihn, warum er die Königin durch den Vorwurf sklavischen Benehmens beleidigt habe. Allein, während er sich noch darüber ärgerte, dass die An- mut seiner Gemahlin in dem nächtlichen Gespräch eines Fremden angegriffen wurde, erfuhr er. dass sie die Tochter einer Magd sei. Amlethus sagte nämlich, er habe drei tadelns-

152 Drittes Buch.

werte Sklavengewohnheiten an ihr bemerkt, erstens, dass sie wie eine Magd ihr Haupt mit dem Mantel verhülle ^), zweitens, dass sie ihr Kleid beim Gehen schürze^), drittens, dass sie die Speisereste, die zwischen den Zähnen hängen blieben, mit einem Zahnstocher entferne und das Herausgestocherte verzehre. Auch erwähnte er, dass ihre Mutter durch Gefangen- schaft in Sklaverei geraten sei, damit sie nicht bloss ihrem Benehmen, sondern auch ihrer Abkunft nach als Sklavin erschiene.

148 Der König verehrte seinen Scharfsinn wie eine Art gött-

licher Gabe und gab ihm seine Tochter zur Ehe ; jedes Wort von ihm betrachtete er wie ein Zeugnis des Himmels.

95 Uebrigens liess er seine Begleiter, um den Auftrag seines Freundes zu erfüllen, am folgenden Tage aufhängen. Amlethus nahm diese Gefälligkeit mit scheinbarem Unwillen als ein Unrecht auf und erhielt vom Könige unter der Bezeichnung eines Sühnegeldes Gold, welches er nachher heimlich im Feuer schmelzen und in ausgehöhlte Stöcke giessen liess.

Als er bei dem König ein Jahr verweilt, erbat er sich die Erlaubnis zur Abreise und kehrte in sein Vaterland zurück, ohne aber etwas von dem ganzen Prunk seiner königlichen Schätze mit sich zu nehmen ausser den mit Gold gefüllten Stöcken. Sowie er in Jütland landete, vertauschte er seinen augenblicklichen Zustand wieder mit seinem früheren Wesen, und sein bisheriges geziemendes Benehmen veränderte er ab- sichtlich unter dem Scheine eines lächerlichen Auftretens. Als er mit Schmutz bedeckt in das Speisezimmer eintrat, wo man eben die Leichenfeier für ihn beging, überraschte er alle aufs heftigste, weil ein Gerücht fälschlich seinen Tod verbreitet hatte. Schliesslich aber wich die Bestürzung dem Gelächter, da sich die Zechgenossen im Scherze gegenseitig neckten, dass der lebend unter ihnen weile, den sie eben wie einen Verstorbenen durch einen Leichenschmaus ehren wollten. Als man ihn nach seinen Begleitern fragte,

*) DcDD die Mägde durften nicht die Kopfbedeckung der Yornehmen froien Frauen tragen.

*) Wie es die 3Iägde thun, um es bei der Arbeit bequemer su haben.

Rückkehr u. Kache des Amlethus. 153

wies er auf seine Stöcke, die er trug und sagte: Das ist der eine und das der andere. Ob er dies mehr im Ernst oder im Scherze gesprochen, weiss man nicht. Denn wenngleich dieses Wort von den meisten für unsinnig gehalten wurde, wich es doch nicht von der Wahrheit ab, da es ja auf den l^reis hindeutete, den er für die Getöteten als Wergeid empfangen. Darauf gesellte er sich, um die Zechergesellschaft noch mehr zu erheitern, zu den Schenken und waltete gar eifrig seines Amtes beim Eingiessen. Und damit nicht seine lässige Kleidung seine Schritte hemmte, gürtete er sich ein Schwert an die Seite; dieses zückte er mehrmals absichtlich, wobei er sich oben an der Spitze die Finger verwundete. Da sorgten nun die Nächststehenden dafür, dass ein eiserner Nagel durch Schwert und Scheide geschlagen werde, um das Gelingen seines Anschlages noch mehr zu sichern, eilte er mit den Humpen zu den Edlen, nötigte sie immerfort zu trinken und füllte alle so sehr mit Wein, dass ihre Füsse in der Trunkenheit den Dienst versagten und sie sich in der Köuigshalle der Ruhe hingaben, indem sie denselben Platz, wo sie gezecht, zum Schlafen benutzten. Als er nun merkte, dass sie in dem für seinen Plan geeigneten Zustande waren, glaubte er, die günstige Gelegenheit zur Ausführung seines Vorsatzes sei da; so holte er denn seine längst vor- bereiteten Holzpflöcke aus seinem Gewände, betrat die Halle, wo die Edlen durch einander auf dem Boden im Schlafe liegend an den Folgen ihres Rausches litten, und Hess den 149 von seiner Mutter gefertigten Vorhang, der auch die inneren Wände der Halle bedeckte, herabfallen, nachdem er die Halte- bänder durchschnitten. Er warf ihn über die Schnarchenden, und verschlang mit Hilfe seiner Hakenpflöcke alles in einem so künstlichen Knotengewirr, dass keiner der Darunterliegenden einen Erfolg mit seinen Aufstehversuchen erringen konnte, 96 wenn er sich auch noch so kräftig abmühte. Darauf legte er Feuer an das Gemach, welches bei dem raschen Umsichgreifen der Flammen den Brand weithin verbreitete, das ganze Haus erfüllte, die Königshalle einäscherte und alle entweder im tiefen Schlafe oder bei dem vergeblichen Versuche, sich zu

154 Drittes Biirh.

erheben, verbranote. Darauf begab er eich in das ^lilaf- geniach Fengos, der schon vorher von seinen Oefährten dort- hin gebracht worden war, nahm dessen Schwert, welches am Bette hing und befestigte dafSr B«in eigenes dort. Dann weckte er seinen Oheim und berichtete ihm, dass seine Edlen verbrannten. Amlethus sei da, gerüstet mit seinen alten Haken, die ihm gute Dienste leisteten, und begohre nunmehr die schuldige Rache für seines Vaters Tod zu üben. Bei diesen Worten sprang Fengo vom Bette auf, und während er, seines eigenen Schwertes verlustig, sich vergeblich bemQhte, das fremde zu zücken, wurde er erschlagen. Welch ein Held, ewigen Ruhmes würdig, der listig mit dem Scheine der Thor- heit sich waffnete und eine fibermenschliche Weisheit wunder- bar unter einer erheuchelten Unföhigkeit verbarg, der nicht allein die Erhaltung seines eigenen Lebens seiner üst ver- dankte, sondern auch mit ihrer Hilfe eine Möglichkeit fand, seinen Vater zu rächen! Da er so schlau sich selber schützte und so köhnlich die Ermordung seines Erzeugers sühnte, bleibt es nngewiss, ob man mehr seinen Heldenmut oder seine Weisheit preisen soll ^).

Ende des dritten Buches.

•) Der Eweite Teil (Schluss) der Hsmictaage folgt im IV. Buche.

h

viertes Buch. 97,150

Nach der Ermordung seines Stiefvaters scheute sich Amlethus, seine That dem ungewissen Urteile seiner Lands- leute anheimzugeben und glaubte sich so lange verstecken zu müssen, bis er wusste, nach welcher Seite sich die Meinung der groben Volksmasse neige. Als die Nachbarschaft, die in der Nacht das Feuer gesehen hatte, am Morgen die Ursache dieses Brandes kennen zu lernen wünschte, bemerkte sie, dass die Königshalle in Asche gesunken sei; da durch- wühlten sie die noch rauchenden Trümmer, ohne jedoch etwas ausser den verunstalteten Resten der verbrannten Leichen zu finden. Die gefrässige Flamme hatte aber alles in dem Masse verzehrt, dass nicht einmal ein Anzeichen übrig geblieben war, aus dem man die Veranlassung zu einem solchen Unglück hätte entnehmen können. Fengos Leiche kam ebenfalls, von einem Schwerte durchbohrt, unter den blutigen Trümmern zum Vorschein. Manche erfüllte oflfene Entrüstung, andere Trauer, einige heimliche Freude. Die einen beklagten den Tod des Fürsten, andere wünschten sich Glück, dass die Tyrannei des Brudermörders vorüber sei. So wurde das Ereignis von des Königs Ermordung mit geteilten Gefühlen von den Zuschauern aufgenommen.

Aus dieser Ruhe des Volkes gewann Amlethus die Zuversicht, sein Versteck zu verlassen. Er berief diejenigen, welchen, wie er wusste, noch eine genauere Erinnerung an seinen Vater innewohnte, zusammen und ging in die Ver- sammlung, in der er folgende Rede hielt ^): Edle! Der Anblick

») Vgl. n, S. 73, Anm. 1.

156 Viertea Buch.

dieses Unglücks hier vor euch kann euch nicht rQhren, wenn euch der beklagenswerte Tod des Horwendillus *) rührt. Nicht kann er euch rühren, sage ich, wenn ihr noch die Treue für den König, die Liebe zum Vater bewahrt. Seht hier den Tod des Brudermörders, nicht des Königs. Trauriger fürwahr war jener Anblick, als ihr selbst unsern König von dem nichtswürdigsten Brudermörder, um nicht Bruder zu sagen, klaglich umgebracht saht. Ihr selbst habt die ver- stümmelten Glieder des Horwendillus, ihr selbst habt seineu

151 TOD vielen Wunden zerrisseneD Leib mit mitleidsvollen Augen betrachtet. Wer möchte zweifeln, dass dieser blutige Heokers- knecht ibm nur das Leben genommen hat, um auch unser Vaterland der Freiheit zu berauben? Ein und dieselbe Hand hat ihm den Tod. euch die Knechtschaft gebracht. Wer

9H wäre demnach so unsinnig, Fengos Grausamkeit der Milde des Horwendillus vorzuziehen? Denkt daran, wie wohl- wollend Horwendillus euch begünstigte, wie gerecht er euch regierte, wie menschlich er euch geliebt hat. Denkt daran, wie euch der mildeste König, der gerechteste Vater ge- nommen ward, wie ein Tyrann an seine Stelle, ein Bruder- mörder an seinen Platz kam, wie euch euer Recht entrissen, wie alles entweiht, wie das Vaterland mit Schandthateu be- sudelt wurde, wie man eurem Nacken das Joch auferlegte, euere freie Unabhängigkeit euch nahm. Jetzt bat dies alles ein Ende, denn ihr seht, wie der Urheber davon seinen Ver- brechen erlegen ist, wie der Brudermörder die Strafe für seine Frevelthaten empfangen hat. Welcher nur halbwegs einsichtige Zuschauer könnte diese Wohlthat fOr ein Ver- brechen halten? Welcher Verständige möchte darüber trauern, dass die Unthat auf den Anstifter selbst zurückfiel? Wer könnte den Tod des blutigsten Henkers beweinen oder den u'Techten Untergang des grausamsten Tyrannen beklagen? liier steht der Vollzieher dieser That, hier seht ihr ihn. Ja, iili beki'nne es, ich habe Rache geübt für meinen Vater und mein Vaterland. Ich habe das Werk vollbracht, welches

I

') Siehe III. S, 141 oben.

Rede des Amlethus. 157

ebensogut für eure Hände bestimmt gewesen wäre. Was euch und mir gemeinschaftlich zukam, habe ich allein voll- fuhrt. Seht, keinen Genossen habe ich bei dieser so herr- lichen That gehabt, kein Gefährte hat mir seine Beihilfe geliehen. Zwar weiss ich sehr wohl, dass ihr mir eure Hand bei dem Werke geboten hättet, wenn ich euch darum ge- beten hätte, euch, die ihr unzweifelhaft dem Könige die Treue, dem Fürsten euer Wohlwollen bewahrt habt. Allein ich beschloss ohne eure Unterstützung die Ruchlosen zu strafen. Denn ich glaubte nicht fremden Schultern diese Last auferlegen zu dürfen, da ich meine eigenen für aus- reichend hielt, sie zu tragen. Die anderen habe ich nun zu Asche gemacht, Fengos Rumpf allein habe ich euern Händen zur Verbrennung überlassen, damit ihr an ihm wenigstens 152 euer gerechtes Rachegelüste sättigen könnt. Eilet eifrig herbei, türmt den Scheiterhaufen auf, verbrennt den gott- losen Körper, röstet die nichtswürdigen Glieder, zerstreut die ruchlose Asche, lasst den grausamen Staub verwehen. Keine Urne, kein Grabhügel soll die verfluchten Reste seiner Gebeine umschliessen. Keine Spur soll von dem Mörder übrig bleiben, keinen Platz soll es in unserem Vaterlande für seine schmachbesudelten Glieder geben, keine Stätte sich an ihnen anstecken, nicht das Meer, nicht die Erde soll durch die Aufnahme des verfluchten Leichnams entweiht werden. Das übrige habe ich schon geleistet, euch ist nur noch diese einzige Liebespflicht geblieben. Solch eine Leichen- feier muss der Tyrann erhalten, mit solchem Prunk muss das Begräbnis des Brudermörders begangen werden. Aber selbst die Asche dessen, der seinem Vaterlande die Freiheit geraubt hat, darf nicht im Vaterlande geborgen werden. Jedoch was soll ich euch denn weiter von meinem Kummer erzählen, meine Leiden durchgehen, mein Elend offenbaren? Ihr selbst kennt ja das alles vollkommener als ich. Ich war von meinem Stiefvater zum Tode bestimmt, von meiner Matter verachtet, von meinen Freunden bespieen, kläglich verbrachte ich meine Jahre, meine Tage verlebte ich im 99 Jammer, Zeit meines Lebens war ich unsicher und gehetzt

V

von Angst and Gefabren. Mein ganzes bisheriges lieben äberhanpt habe ich onter der höchsten Ungunst der Ver- hältniese elendiglich zugebracht. Oft bejammertet ihr mich anter euch in stillen Klagen als einen Unsinnigen; es fehle der Kacher des Vaters, der den Brudermord sühne. Das gab mir ein heimliches Zeichen fQr eure Anhänglichkeit, da ja in euem Herzen augenscheinlich die Erinneruag an den Königsmord noch nicht erstorben war. Wer hätte denn auch eine so rauhe Brust haben, so felseohart sein könneo, dass ihn das Mitgefühl mit meinen Leiden nicht erweicht, das Erbarroeo mit meinem Kummer nicht gerührt hätte? Erbannt euch eures Schützlings, lasst euch durch mein Un- glück bewegen, ihr, deren Hände an der Ermordnog des Horwendillus keinen Anteil haben. Erbarmt euch auch meiner unglücklichen Mutter, und freut euch, dass endlich ir>3 einmal die Schmach eurer Königin getilgt ist, die den Bruder und Mörder ihres Gatten umarmte und genötigt war, als schwache Frau die doppelt schwere Schande zu tragen. Also nur um meinen Eifer nach Rache zu verbeißen, um meine Absichten zu verschleiern, habe ich scheinbar, nicht in Wahr- heit, da)< Wefiea der Stumpfheit angenommen ; unter dem Scheine dt'S Blödsinns habe ich mir eine Hülle für meine Weisheit gewoben, und vor meinen Augen liegt es nun offen da, ob sie wirksam war, ob sie ihren Endzweck erreicht bat. Ich bin zufrieden euch als Schiedsrichter über eine so wichtige Angelegenheit zu haben. Tretet nur selbst den Staub des Brudermörders unter eure Füsse, missebrt dessen Asche, der die Gattin seines erschlagenen Bruders schändete, sie schmählich vergewaltigte, der seinen Herrn verletzte und die königliche Majestät verräterisch angriff, der euch die biltcrste Gewaltherrschaft auflud und euch die Freiheit j^tntrte. der den Brudermord mit Blutschande krönte. Mich, il-n Vollzieher so gerechter Vergeltung, den eifrigen Voil- sirecker einer so wohlgefälligen Rache, nehmt nun auf mit iilbr Gesinnung, erweist mir die schuldige Ehre, erquickt [iiii:h durch freundlichen Anblick. Ich habe die Sehmach Aen Vaterlandes abgewaschen, die Schande meiner Mutter

I

Hede des Amlethus und ihr Erfolg. I59

getilgt, die Gewaltherrschaft gestürzt, den Brudermörder er- schlagen, die ränkevolle Hand meines Oheims durch meine Ränke unschädlich gemacht. Lebte er noch, so würden seine Schandthaten von Tag zu Tag zunehmen. Mich schmerzte das ungerechte Leiden meines Vaters und meines Vater- landes. Ich habe den Menschen da vernichtet, der streng und härter, als es Männer ertragen durften, über euch herrschte. Erkennet diese Wohlthat an, ehrt meinen Ver- stand, gebt mir die Herrschaft, wenn ich sie verdient habe. Ihr habt in mir den Spender eines so wertvollen Geschenkes, den Erben der väterlichen Macht, nicht einen Entarteten, nicht einen Brudermörder, sondern den gesetzmässigen Nach- folger in der Königswürde und einen frommen Rächer der Schuld des Brudermordes. Mir verdankt ihr die Wohlthat, dass ihr die Freiheit wiedergewonnen habt, dass die Herr- schaft dessen, der euch quälte, gebrochen, das Joch des Unterdrückers von euch genommen, dass die Gewalt des Brudermörders erschüttert, das Scepter der Tyrannei zer- 100 treten ist. Ich habe euch von der Knechtschaft befreit, euch die Freiheit geschenkt, eure Ehre wiedergegeben, euern Ruhm wieder hergestellt, den Tyrannen beseitigt, über den Henker triumphiert. Bei euch steht nun die Belohnung; ihr kennt 154 mein Verdienst, von eurer RechtschaflFenheit verlange ich meinen Lohn.

Mit dieser Rede hatte der Jüngling aller Herzen bewegt und manche zu Mitleid, andere sogar zu Thränen gerührt. Sobald sich aber der Schmerz beruhigte, ward er unter eifriger allgemeiner Zustimmung zum König ^) gewählt; denn von allen wurden in seine Umsicht die höchsten Hoffnungen gesetzt, da er den Plan zu einer so hervorragenden That mit unergründlicher Schlauheit entworfen und mit unglaublicher List ausgeführt hatte. Manchen hätte man da voller Ver- wunderung darüber sehen können, wie er so lange Zeit hin- durch eine so feine Berechnung verbergen konnte.

*) D. h. nicht zum König von Dänemark denn das war Röricus sondern zum Fürsten oder Statthalter (praefectus) von Jätland, als Nachfolger des Horwendillus ; vgl. III, 8. 187 und unten S. 105 (Holder).

1()0 Viertes Buch.

Nach diesen Thaten in Dänemark rüstete er drei Schiffe gar prunkvoll aus und kehrte nach Britannien zurück, um seinen Schwiegervater und seine Gemahlin zu besuchen ^). Zu seinem Gefolge hatte er die waifentüchtigste junge Mann- schaft bestimmt, die mit auserlesener Pracht ausgestattet war. Denn wie er früher alles nur in einem ganz verächt- lichen Zustande gehabt hatte, so wollte er jetzt in jeder Be- ziehung nur die glänzendste Ausrüstung benutzen, und was er dereinst der Armut gezollt, jetzt durch üppigen Aufwand ersetzen. So liess er auch auf seinem Schilde, den er sich hatte machen lassen, die ganze Reihe seiner Thaten von den ersten Anfängen seiner Jugend an in prächtig gemalten Bildern darstellen'). Diese Waffe trug er gleichsam als Zeugnis für seine Heldenthaten, und er gewann auch dadurch einen Zuwachs an seinem Ruhme. Da konnte man des Horwendillus Ermordung sehen, Fengos Brudermord und Blutschande, den nichtswürdigen Oheim, den lächerlichen Neffen, die Holzpflöcke mit den Haken, den Verdacht des Stiefvaters, die Verstellung des Stiefsohnes, die verschiedenen Arten seiner Versuchung, das ihm tückisch zugeführte Mäd- chen, den Wolf mit dem offenen Rachen, die Auffindung des Ruders, den Sand, an dem sie vorbeikamen, das Betreten des Waldes, die Bremse mit dem Strohhalm, die Warnung des Jünglings durch das Zeichen, seine heimliche Vereinigung mit der Jungfrau, nachdem er seine Begleiter hinters Licht 155 geführt. Auch die Königshalle konnte man abgebildet finden, die Zusammenkunft der Königin mit ihrem Sohne, die Er- mordung des Horchers, dann, wie dieser nach seinem Tode

») Siehe III, S. 152.

*) Die folgende Beschreibung des Schildes ist zweifellos stark über- trieben — vielleicht in Anlehnung an Vergils Beschreibung vom Schilde des Aeneas; bemalte oder mit Bildern und Figuren geschmückte Schilde werden zwar auch sonst erwähnt, aber die Ausführung war dann sicher einfacher. Vgl. z. B. Das erste Lied von Helgi Str. 34 (= Gerings Edda S. 166), und dazu Saxo III, 114; Das zweite Lied von Gudrun Str. 14 = (^»ering S. 244; Das Lied von Atli Str. 7, 14 = Gering S. 257 9; GyU fag. 2 -= (Gering S. 298. Vgl. auch Müller -Jiriczek, Nord. Altertumsk. Register. Für die geschilderten Ereignisse siehe Saxo III, S. 141 ff.

Amlethus^ Rückkehr nach Britannien; sein Schild. Igl

gekocht und nachher in die Kloake den Schweinen vor- geworfen wurde, wie seine schmutzbedeckten Glieder endlich diesen Tieren zum Prasse dienten. Ferner konnte man sehen, wie Amlethus das Geheimnis seiner schlafenden Begleiter entdeckte, die Schriftzeichen auskratzte und neue Schriftzfige an ihre Stelle setzte, wie er das Mahl stehen lässt und den Trank verachtet, wie er den Gesichtsausdruck des Königs schmäht und der Königin unziemliches Benehmen vorwirft. Auch das Hängen der Gesandten konnte man erblicken, die Hochzeit des Jfinglings, seine Rückkehr zur See nach Däne- lOl mark, die Feier seines Leichenschmauses, ferner, wie er auf die Frage nach seinen Begleitern auf die Stöcke weist, wie er das Schenkenamt ausübt, absichtlich das Schwert zieht und sich in die Finger sticht, wie sein Schwert vernagelt wird, wie die Ausgelassenheit beim Gelage wächst, die Tänze immer wilder werden, wie er den Vorhang über die Schlafen- den wirft, ihn mit den gekrümmten Hakenpflöcken befestigt und noch enger über den Schlummernden zusammenzieht, wie er Feuer an das Haus legt, die Zecher verbrennt, wie die von den Flammen verzehrte Königshalle niedersinkt, wie er Fengos Schlaf gemach aufsucht, sein Schwert nimmt, das unbrauchbare an dessen Stelle hängt, wie der König von der Hand seines Stiefsohnes mit der Schärfe seines eigenen Schwertes erschlagen wird. Dies alles hatte ein Künstler mit der sorgfältigsten Geschicklichkeit ganz genau aufgezeichnet, indem er mit seinen Bildern die Thatsachen selbst nachahmte und durch die figürliche Darstellung die Ereignisse wiedergab. Aber auch die Begleiter des Amlethus benutzten alle, um sich um so glänzender zu zeigen, nur vergoldete Schilde.

Der König von Britannien nahm sie sehr gütig auf und bewirtete sie kostbar mit königlicher Pracht. Als er beim Mahle eifrig fragte, ob Fengo noch lebe und sich ungetrübten Glückes erfreue, erfuhr er von seinem Schwiegersohn, dass der, nach dessen Wohlsein er vergebens forsche, ermordet worden sei. Unter vielen Fragen wollte er nun seinen Mörder erkunden und bekam zu hören, dass der Bote von Fengos Tod auch dessen Vollzieher sei. Bei dieser Nachricht befiel ihn

Saxo GramnMticot. Ij

162 t^'iertes Buch.

im Stilleü ein heftiger Schreck, denn er erkannte, dass er die einst dem Fengo versprochene Rache vollziehen müsse. Kr selbst und Fengo hatten sich nämlich einst in einem gegen- seitigen Vertrage verpflichtet, einer des andern Rächer zu werden ^). So zog den König die Liebe zu seiner Tochter und die Zuneigung zu seinem Eidam nach der einen Seite, nach der anderen aber die Freundespflicht, die Heiligkeit des Eides und die Achtung vor der gegenseitigen Abmachung, deren Bruch ein Frevel gewesen wäre. Endlich überwog die

156 beschworene Treue unter Verachtung der verwamltschaftlichen Bande, und zur Rache entschlossen, zog er die Erfüllung der religiösen Pflicht der Rücksicht auf seine Angehörigen vor. Aber da es auch als Verbrechen galt, die Heiligkeit der Gastfreundschaft zu verletzen^), wünschte er die Vollziehung der Rache durch die Hand eines andern ausführen zu lassen, um durch die Verschleierung seiner Unthat den Schein der Unschuld für sich zu haben. So verbarg er denn seine böse Absicht unter einem Auftrage und verhüllte sein Bemühen, ihn zu verderben, unter scheinbarer Bezeugung seines Wohl- wollens. Da vor kurzem seine Gattin einer Krankheit erlegen war, bat er Amlethus, eine Botschaft zur Abschliessung einer neuen Ehe zu übernehmen, indem er sagte, er sei von seiner einzig dastehenden Umsicht aufs .höchste entzückt. Er fügte hinzu, in Schottland herrsche eine Frau, welche er innig zur Gemahlin begehre. Er wusste nämlich, dass diese nicht nur aus Keuschheit ehelos war, sondern dass sie auch in trotziger

102 Anmassung ihre Freier immer hasste und für ihre Liebhaber die härtesten Strafen bestimmte, sodass es von den vielen nicht einen einzigen gab, der nicht für seine Werbung mit seinem Kopfe gebüsst hätte ^).

*) Vgl. das ähnliche Verhältnis II. S. JK-J.

') Vgl. L 28, Anm. 1.

') Man kann hier an ähnliehe Frauengestalten der Sage und der ^läri'hen denken, die sich ebenfalls gegen Werbungen ablehnend verhalten, z. B. lirünhild und bei Saxo Ahvilda VII. 228 ff. und Lathgeutha IX, 301 (Holder). Vgl. auch Olrik II. 177.

Des Königs Racheplan; Amlethus' Werbefahrt. 163

Amlethus machte sich nun auf, obgleich ihm eine so gefahrliche Botschaft übertragen wurde, ohne sicli gegen die Übernahme des ihm zugefallenen Amtes zu weigern; denn er verliess sich teils auf seine eigenen Diener, teils auf die Sklaven des Königs. Als er nach seinem Eindringen in Sehottland dem Palast der Königin nicht mehr ferne war, begab er sich auf eine dicht am Wege belegene Wiese, um seinen Pferden Rast zu gönnen. Durch den Anblick dieses Platzes erfreut, pflegte er auch selber der Ruhe denn das angenehme Murmeln eines Baches weckte die Lust zum Schlafe und betraute einige seiner Leute mit der Bewachung des Rastortes ^). Auf die Kunde hiervon sandte die Königin zehn Jünglinge aus, um die Ankunft und die Ausrüstung der Fremdlinge zu erforschen. Einer von diesen, der recht keck veranlagt war, umging die Wächter, schlich sich ganz dreist heran und nahm den Schild des Amlethus, den dieser zum Schlafen unter den Kopf geschoben hatte, so sacht weg, dass er nicht einmal die Ruhe des darauf liegenden störte und überhaupt auch keinen aus der ganzen Schar aufweckte; denn er wollte seiner Herrin nicht bloss eine Botschaft sondern auch einen thatsächlichen Beweis bringen. Auch den Brief, der Amlethus anvertraut war, stahl er mit derselben Geschick- lichkeit aus der Tasche, in der er verwahrt lag. Als diese Sachen der Königin gebracht wurden, betrachtete sie gar neu- gierig den Schild, ersah aus den beigefügten Inschriften die 157 Bedeutung des ganzen Bildwerkes und erkannte, dass der kommen würde, der im Vertrauen auf seine gründliche List und Klugheit an seinem Oheim die Rache für die Ermordung seines Vaters vollzogen hatte. Auch den Brief, welcher die Bitte um ihre Hand enthielt, las sie und vertilgte alle Buch- staben, weil sie vor der Ehe mit einem Greise Abscheu empfand, wohl aber die Umarmung eines Jünglings begehrte. Sie schrieb dafür aber selbst einen Auftrag hinein, gleich als werde er ihr vom Könige von Britannien übersandt, in dem

M Wir haben hier eine ähnliche anmutige Xatiirschilderung wie oben m, 138; vgl. noch Olrik IL 181 unten.

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164 Viertes Buch

es hiess, der Ueberbringer verlange sie zur Ehe ; dann unter- zeichnete sie dies mit des Königs Titel und Namen. Ja sie sorgte sogar noch dafür, dass auch die Thaten, welche sie von Amlethus' Schilde kannte, in dem Schreiben erwähnt wurden, sodass man den Schild als ein Zeugnis für den Brief, und den Brief als eine Erklärung des Schildes betrachten konnte. Darauf befahl sie denen, deren Findigkeit sie sich vorher bedient hatte, den Schild zurückzubringen und den Brief wieder an seinen Ort zu legen, sodass sie also dieselbe List gegen Amlethus anwendete, mit der jener, wie sie er- sehen hatte, seinen Gefährten jenen schlimmen Streich ge- spielt hatte.

Unterdessen merkte Amlethus, dass ihm sein Schild unter dem Kopfe weggestohlen war; aber er schloss absichtlich ganz schlau wieder die Augen und stellte sich schlafend, weil er im scheinbaren Schlummer das wiedererlangen wollte, was er im wirklichen verloren hatte. Er glaubte nämlich, der 108 Dieb werde um so eifriger auf eine zweite Gelegenheit lauern, ihn zu hintergehen, je besser es ihm bei der ersten geglückt war. Und seine Berechnung täuschte ihn auch nicht. Denn als der Kundschafter heimlich heranschlich und Schild und Brief wieder an ihren früheren Platz legen wollte, sprang er auf, ergriff ihn und legte den Gefangenen zur Strafe in Fesseln. Dann weckte er seine Begleiter und begab sich in den Palast der Königin. Er begrüsste sie im Namen seines Schwiegervaters und überreichte ihr den Brief, der mit dessen Siegel verschlossen war. Als Hermuthruda (so hiess die Königin) diesen in Empfang genommen und gelesen hatte, pries sie Amlethus* Umsicht und Thatkraft mit den lebend- sten Worten und sagte, Fengo habe eine gerechte Strafe er- litten. Amlethus selbst aber habe eine That, die über mensch- liche Schätzung erhaben sei, mit einem ganz unbegreiflich findigen Scharfsinn ins Werk gesetzt; denn er habe ja nicht nur mit unerforschlicher List Rache für die Ermordung seines Vaters und für die Schändung seiner Mutter ersonnen, sondern er 58 habe auch die Herrschaft dessen, von dem er so viele Nach- stellungen erfahren, durch seine offenkundigen, wackeren

Aralethus und Hermuthruda. 165

Thaten in Besitz genommen. Deshalb müsse sie sich wundern, wie ein so treiFlich beanlagter Mann nur bei seiner Ver- heiratung einen Fehltritt begehen konnte; denn während er durch seinen Ruhm fast über menschliche Grösse hinausrage, habe er sich doch offenbar zu einer unedlen und unwürdigen Verbindung herabgelassen. Seine Gemahlin stamme ja von Sklaveneltern, wenn auch ein Glücksfall dieselben mit könig- lichen Ehren geschmückt habe ^). Bei der Wahl einer Gattin müsse ein kluger Mann nicht den Glanz körperlicher Schön- heit sondern den des Geschlechtes berücksichtigen. Wenn er also nach Recht und Sitte eine Vermählung wünsche, so müsse er auf den Stammbaum achten und sich nicht durch das Äussere bestechen lassen; denn dies sei nur ein Reizmittel für die Sinnlichkeit und habe als eine unechte Zierde schon den Ruhm vieler geschädigt. Es gäbe aber eine, die er als eine an Adel Ebenbürtige für sich gewinnen könnte. Sie selbst fürwahr würde seiner Umarmung würdig sein, da sie weder arm an Vermögen noch von niedriger Geburt sei und er sie weder an königlichen Schätzen noch durch den Ruhm seines Stammbaumes überstrahle. Sie sei ja selbst eine Königin, und wenn ihr Geschlecht dem nicht entgegenstünde, könnte man sie als König betrachten; jedenfalls werde der, den sie ihres Bettes würdige und das sei noch wahrer gesprochen selbst König, und mit ihrer Hand gewähre sie zugleich ein Königreich; so entspräche der Vermählung mit ihr ein Scepter, und ihr Scepter der Vermählung. Es sei übrigens keine kleine Gunst, wenn sie selbst ihm ihre Um- armung anbiete, sie, die bei anderen immer die Zurück- weisung mit dem Schwerte ausführe. So ermahnte sie ihn, er möge seine Bemühungen zu gefallen auf sie richten, seine hochzeitlichen Wünsche auf sie lenken und er solle lernen, den Adel der Schönheit vorzuziehen. Mit diesen Worten eilte sie auf ihn zu und umarmte ihn innig.

Entzückt über die zärtliche Rede der Jungfrau erwiderte Amlethus gern ihre Küsse, schloss sie eng in seine Arme

^) Vgl. I, 21 Anm. 3 und ausserdem III, 150 und 152.

166 Viertes Buch.

und versicherte, ihr Wunsch sei. auch der seinige. Darauf 104 wurde ein Gelage veranstaltet, die Freunde wurden einge- laden, die Edlen versammelt, die Hochzeit volIzos;en ^). Darnach kehrte er mit seiner jungen, Frau nach Britannien zurück, hless aher einen starken Trupp Schotten ihm auf dem Fusse folgen, um sich ihrer Hilfe gegen verschiedene Nach- stellungen zu bedienen, die man ihm etwa in den Weg legen könnte. Auf dem Rückwege kam ihm nun die Tochter des Königs von Britannien entgegen, die er geheiratet hatte. Obgleich sie sich darüber beklagte, dass sie durch die An- nahme des Kebsweibes beleidigt sei, sagte sie doch, es sei unwürdig, den Hass wegen seines Ehebruches hoher zu stellen als die Gattentreue; sie werde sich nie so weit von ihrem Manne abwenden, dass sie es über sich gewönne, mit Still- schweigen zu bedecken, was man, wie sie wisse, heimtückisch gegen ihn im Schilde führe. Sie habe ja als Unterpfand ihrer Ehe ihren Sohn, und schon die Rücksicht auf ihn müsse der Mutter die eheliche Liebe nahe legen. Dieser selbst, sagte sie, wird die Nebenbuhlerin seiner Mutter hassen, ich will 159 sie lieben. Meine (Hut für dich wird kein Unglück ersticken, kein Hass tilgen. Ja ich will dir sogar die unheilvollen Pläne gegen dich enthüllen und alle Ränke, die ich entdeckt habe, offenbaren. Darum bedenke, dass du dich vor deinem Schwiegervater hüten musst; denn du hast ja den Erfolg deiner Gesandtschaft für dich selbst eingeheimst und in frecher Anmassung ihre ganze Frucht für dich in Anspruch genommen, während du die Wünsche deines Auftraggebers verhöhnt hast. Mit diesen Worten bewies sie, dass sie mehr Liebe zum (Jatten als zum Vater besass.

Während sie dies sagte, kam der König von Britannien, umarmte seinen Eidam innig, aber ohne Liebe, und lud ihn zu einem Gelage ein, um seinen geplanten Anschlag unter

M Doppolto Ehen fintlcu sich niaiichinaU wenn auch nicht oft im jjr*Tiuanischt'n Altertum: vjfl. Wcinhold S. 240, Kalund i. (rrdr. III, Ati'Ji ührr das Sa«ronmotiv v^l. Olrik IT, 174 ff. u. bes. Gaston Paris, La lejfende du man aux deux femmoi in den «rompt<»s rendus de l'Academie des insoript. et belles-lettres- 188H, 571—86. (Ser. IV, Bd. l.i.)

Amlethus' zweite Heirat ; sein Kampf m. d. König v. BritannieD. X()7

dem Scheine der Freigebigkeit zu verbergen. Amlethus erkannte zwar den Trug, zeigte aber seine Besorgnis nicht, sondern nahm sich zweihundert Reiter zur Begleitung, zog ein Panzerhemd unter sein Gewand und folgte der Einladung, da 6r lieber unter eigener Lebensgefahr der Heuchelei des Königs nachgeben als schmachvoll sich weigern wollte. So- sehr glaubte er in «allen Fällen die Ehre währen zu müssen. Als er nun ganz nahe heranritt, schleuderte der König gerade unter dem Schutzdache des doppelflügeligen Thores seinen Speer nach ihm, und et* hätte ihn durchbohrt, wenn nicht •die Härte des Panzerhemdes den Stahl hätte abprallen lassen. Amlethus erhielt nur eine leichte Wunde und begab sich zu der Stelle, wo er die Schar d^r Schotten hatte warten heissen. Sodann sandte er den gefangenen Kundschafter seiner neuen Gemahlin an den König; und dieser bezeugte, dass er den für seine Herrin bestimmten Brief heimlich aus der Tasche entwendet habe; so schob er die Schuld auf Hermut hruda, «befreite ihn selbst aber durch diese vollgültige Entschuldigung von dem Vorwurf des Verrats. Der König zögerte nicht, den eiligst fliehenden Amlethus zu verfolgen, und e^ beraubte ihn des grössten Teils seiner Truppen, sodass Amlethus am folgenden Tage, als er zu seiner Rettung einen Verteidigungs- kampf beginnen wollte, gänzlich an seiner Fähigkeit zum Widerstände verzweifelte. Doch um wenigstens scheinbar die .Zahl seiner Truppen zu vermehren, stützte er die Leichen 105 seiner Gefährten zum Teil auf untergelegte Pfähle, zum Teil lehnte er sie an Steine in der Nähe an, andere wieder setzte < er wie lebend aufs Pferd, ohne ihnen irgend einen Teil ihrer .Rüstung abzunehmen, und stellte sie reihenweise in voll- ständiger, keilförmiger Schlachtordnung auf, gleich als ob sie wirklich kämpfen würden ^). Der Flügel, der aus den Toten bestand, war nicht weniger stark als die Schar der Lebenden. Es bot fürwahr ein schreckliches Bild, wie die Toten zum Kampfe herangezogen und die Verstorbenen zum Fechten ge- l«o zwungen wurden. Diese List war für ihren Erfinder nicht

') Vgl. hierzu I, 24?) und IV, 191.

168 Viertes Buch.

umsonst; denn gerade die Gestalten der Toten boten den Anblick einer gewaltigen Schar dar, als die Strahlen der Sonne über sie hinglitten. Denn jene nichtigen Scheinbilder der Gefallenen füllten die frühere Zahl der Soldaten so gut aus, dass man glauben musste, ihre Menge habe durch das gestrige Gemetzel gar keine Einbusse erlitten. Durch diese Erscheinung erschreckt, ergriffen die Britannier noch vor der Schlacht die Flucht, besiegt von Toten, welche sie, als sie noch lebten, selbst überwunden hatten. Ob man bei diesem Siege mehr des Amlethus Schlauheit oder sein Glück preisen soll, weiss ich nicht. Während nun der König allzulangsam die Flucht ergriff, wurde er von den heranstürmenden Dänen erschlagen. Amlethus machte als Sieger eine gewaltige Beute, bemächtigte sich des britannischen Raubes und kehrte dann mit seinen Frauen in sein Vaterland zurück.

Unterdessen war Roricus gestorben und Vigletus^) hatte die Herrschaft übernommen. Dieser hatte Amlethus* Mutter mit Unverschämtheiten jeder Art belästigt und sie um ihre königlichen Schätze gebracht. Denn er beklagte sich darüber, dass ihr Sohn ohne Rücksicht auf den König in Lethra, dem es doch zukomme, Würden und Rechte zu verleihen und aufzuheben, sich die Königswürde in Jütland angemasst habe. Diesen Sachverhalt nahm Amlethus so gelassen auf, dass es schien, als wolle er die Bosheit mit Wohlwollen belohnen; denn er beschenkte Yigletus mit den schönsten Beutestücken seines Sieges. Später aber benutzte er die Gelegenheit, Rache zu üben, griff ihn an, besiegte ihn im Kampfe, und ward so aus einem heimlichen Feind ein offener. Fiallerus'), den Statthalter von Schonen, schickte er in die Verbannung, und dieser soll sich an einen Ort Namens Undensakre^) zurückgezogen haben, der unserer Be-

') Der Name Vigletua begegnet nur in der Hamletgeschichte hier und in einigen andern dänischen und angelsächsischen Quellen, nicht aber bei den Isländern.

') Ein im skandinavischen Altertum häufig begegnender Name.

') Holder erklärt diesen Namen, wohl mit Unrecht, auf Grund einer Konjektur des dänischen Gelehrten N. M. Pedersen als y,Under8&ker in

Amlethus' Sieg; Heimkehr und Tod im Kampt mit Vigletus. \QQ

völkerung unbekannt ist. Als Amlethus darnach von Vigletus, der sich durch Streitkräfte aus Schonen und See- land verstärkt hatte, durch Gesandte zum Kriege heraus- gefordert wurde, erkannte er in seiner wunderbaren Einsicht, dass er zwischen zwei £ntschliessungen zu wählen habe, von denen ihm die eine Schmach, die andere Gefahr bringe. Er wusste nämlich, dass ihm, wenn er die Herausforderung an- nehme, Gefahr für sein Leben erwüchse, wenn er vor ihr zurückschrecke, dass ihm Schande als Krieger drohe. Doch da er immer nur auf wackere Thaten bedacht war, überwog in seinem Herzen der Wunsch, seine Ehre zu bewahren, und die allzu lebhafte Ruhmbegier stumpfte die Furcht vor einer Niederlage ab, damit nicht der strahlende Glanz seiner Ehre durch ängstliche Flucht vor dem Schicksal getrübt werde. 161 Wusste er doch« dass zwischen einem schmachvollen Leben und einem rühmlichen Tode ein fast ebenso grosser Unter- 106 schied bestehe, wie man ihn zwischen Ehre und Schande macht. Er war aber von solcher Liebe zu Hermuthruda erfüllt, dass er weit grössere Besorgnis über ihre zukünftige Witwenschaft empfand als über seinen nahen Tod. und dass er sich eifrig umsah, wie er ihr noch vor Beginn des Krieges eine zweite Ehe sichern könne. Hermuthruda allerdings bewies eine männliche Zuversicht und gelobte, sie wolle ihn auch im Kampfe nicht verlassen, ja sie sagte, die Frau müsse verflucht sein, die davor zurückschrecke, sich im Tode zu ihrem Gemahl zu gesellen. Aber dieses unerhörte Ver- sprechen hielt sie nur allzu wenig. Denn als Amlethus von Vigletus im Kampfe erschlagen wurde, begab sie sich frei- willig in die Gefangenschaft und in die Arme des Siegers.

Norra Jemtland.*^ Die erste Ausgabe des Saxo hat die Form Undensalcre, die bei Saxo wohl sicher an Stelle des anrd. LMäinsakr oder vielmehr (nach Olrik U, 159) iür das gleichbedeutende * Undornsakrar eingetreten ist Dieser „Unsterblichkeitsacker** wird öfter erwähnt, aber nur in ziemlich jungen Quellen ; er gehört in dasselbe Vorstellungsgebiet wie die viel ver- herrlichte Walhall. Vgl. die I, 48 Anm. 1 angegebene Litteratur und dazu DQch Heinzel in d. Sitzgsber. d. Wiener Akad. der Wissensch. Phil.- Hist. Kl. Bd. 109, S. 700; E. H. Meyer S. 127.

i

170 Viertes Buch.

So bricht der Wandel des Glücke» jedes Frauengelübde, und die Veränderlichkeit der Zeiten löst es. Zufällige Ereignisse bringen die Treue der Weiberherzeu, die nur auf unsicherem Untergrunde ruht, ins Wanken. So schnell sie zum Versprechen bereit sind, so trag sind sie bei der Ausführung; von mancher sinnlichen Lockung lassen sie sich verführen; immer allzu- eifrig, Neues zu gewinnen, vergessen sie das Alte, und jach zerbrechen sie es in atemloser Begehrlichkeit. Das war •Amlethus' Ende. Wenn er vom Glücke die gleiche Gunst wie von der Natur erfahren hätte, wäre er mit seinem Ruhme den Himmlischen gleichgekommen, hätte er durch seine Heldenthaten die Arbeiten des Herkules übertroflFen. Es giebt ein Gefilde in Jütland, berühmt durch sein Grab und seinen Namen ^). Vigletus verbrachte in Ruhe die lange Zeit seiner Herrschaft, bis ihn eine Krankheit hinraffte.

Ihm folgte sein Sohn Wermundus^). Dieser verlebte in glückseliger Ruhe seine behaglich und gleichmässig ver- streichende Zeit und genoss eine lange und sichere Dauer des Friedens in seinem Reiche, ohne dass seine Sicherheit irgendwie gestört wurde. In seinen jungen Jahren hatte er keineii Sprossen, als älterer Mann aber bekam er durch eine späte Gunst des Glückes einen Sohn, üff o, während ihm soviele schon verstrichene Jahre keinen Erben gewährt hatten. Dieser 162 Uffo übertraf alle seine Altersgenossen an Körpergrösse, wurde aber in seiner Kindheit für so stumpfsinnig und albern gehalten, dass er für häusliche wie staatliche Gemeinschaft gänz-

*) D. i. jetzt das Dorf Aminelhede südlich vom RandersQord an der Ostküste des nördlichen Jütland. (Olrik II, 159 u. Anm. 2).

') Die Wermund- und Utfesa^e, welche jetzt folfj^t, ist ebenfalls dänischen Ursprungs und gehört infoltje der trefflichen Ausf^estaltuuf; vieler Einzolzüge auch mit zu den besten Darstellungen bei Saxo. In äusserlichem Zusammenhange damit steht die zunächst erzählte (Teschichte von Frowinus und soii>en S<>hnen, sowie die Episode von Folco. Rin Vermundr vitri (= der Weise) wird auch in isländischen Quellen erwähnt, w^ährend Iffo bin dieiiMi unbekannt i?K. Beide kommen dagegen öfter in andern däjusohen sowie in angelsächsischen Quellen (der letztere dort als Off'a; s. z. B. Boowulf, Xamenver/eichnis) vor. Vgl. Müllers Ausgabe II, 1.-U-40, Uhland Sehr. VII, 213ff-. und bes. Olrik II, ISÄff.

Vigletus; Wermundus und Uffo. Athislus. 171

lieh unbrauchbar schien. Denn von seinen ersten Jahren an Hess er sich nicht zu Spiel oder Scherz herbei; er war so aller menschlichen Freuden bar, dass er seine Lippen in beständigem Schweigen geschlossen hielt und seinen strengen Zügen sogar die Mühe des Lachens ersparte. So voll aber seine früheste Jugendzeit von dem Rufe seiner Dummheit war, später ver- wandelte er diese Verächtlichkeit in Berühmtheit, und so sehr er zuerst ein Muster der Trägheit war, so sehr wurde er später ein Vorbild für Klugheit und Heldenmut ^). Sein Vater ver- 107 jschaflfte ihm In Anbetracht seiner Stumpfheit die Tochter des Frowinus^), des Statthalters von Schleswig, zur Frau, um durch die Verschwägerung mit. einem so hervorragenden Manne eine Stütze für das Reich z.u erhalten. Frowinus hatte zwei Söhne, Keto und Wigo, Jünglinge von glänzen- der Veranlagung, deren Fähigkeiten ebenso wie die des Fro- wiuus nach des Wermundus Berechnung künftig seinem Sohne zu gute kommen sollten.

Zu dieser Zeit herrschte in Schweden Athislus^), ein durch seinen Ruhm und seine Thatkraft weit bekannter Mann. Als dieser seine Nachbarn in grossem Umkreise im Kampfe unterworfen hatte, wollte er den durch seine Helden thaten errungenen Ruhmesglanz nicht in müssiger Ruhe vergehen lassen, sondern er brachte mehrere. neue Arten ritterlicher Uebungen durch seine eifrigen Bemühungen und seine Thätig- keit auf. Unter anderem hatte er die Gewohnheit, täglich, mit einer herrlichen Rüstung gewappnet, einen einsamen Ausflug zu machen, einmal weil es naoh seiner Ueberzeugung im Kriegswesen nichts Besseres gab als häufige Uebung in den Waffen, andrerseits auch, um durch das Bekanntmachen

*) Von solchen Naturen wird öfter berichtet. Die Betreffenden heissen in den Sagas kolbitar = Kohlenbeisser, weil sie gewöhnlich faul am Herdfeuer lagen (Kalund i. (rrdr. III, 417). Auch Boowulf gehörte zu ihnen (v. 2184. 2188).

') Auch dieser Nanie findet sich in angelsächsischen Berichten als Freäwine.

*) Dieser Athislus ist tiach Saxos Darstellung von dem II, 83, 85 ff. erwähnten Atislus gan2 verschieden.

172 Viertes Buch.

dieses Eifers seinen Ruhm noch zu erhöhen. Es beherrschte ihn ebenso viel Selbstvertrauen vie Ehrgeiz. Er glaubte nämlich, keine Macht der Erde sei so gross, dass er fürchten müsste, durch ihren Widerstand seine Kaltblütigkeit erschüttert zu sehen. Er setzte nun seine bewaffnete Macht nach Däne- mark über und forderte Frovinus in Schleswig zum Kampfe heraus. Als sich nach einem gewaltigen Blutbade auf beiden Seiten die Truppen zerstreuten, geschah es, dass die Heer-

168 führer selbst mit dem Schwert an einander gerieten, um ihre Sache in einem Zweikampf zum Austrag zu bringen und ausser im allgemeinen Kriegsglück noch in einem persönlichen Gefechte um die Entscheidung zu ringen. Denn beider Be- streben verfolgte den Zweck, ihre Tüchtigkeit ohne die Bei- hilfe ihrer Parteigenossen, nur durch eigenes Erproben ihrer Kräfte zu erweisen. Dabei ergab es sich, dass Athislus, als die Hiebe auf beiden Seiten niederhagelten, die Oberhand gewann, den Frowinus niederstreckte und zu diesem persönlichen Siege noch einen allgemeinen hinzufügte, indem er die allenthalben zerstreuten Scharen der Dänen vollends in die Flucht schlug. Dann kehrte et nach Schweden zurück und Hess nicht nur seinen Sieg über Frowinus unter den Schilderungen seiner Heldenthaten mit aufzeichnen, sondern er pflegte auch allzu wortreich damit zu prahlen und schmälerte so den Ruhm seiner That durch die Zügellosigkeit seiner Zunge. Manchmal ist es nämlich ehrenvoller, seine Vorzüge in geziemendem Schweigen zu verhüllen, als sie unter prahlenden Reden bekannt zu geben.

Wermundus erzog die Söhne des Frowinus ent- sprechend der hohen Würde ihres Vaters, eine Wohlthat, welche die Kinder des fürs Vaterland gefallenen Freundes billigerweise verdienten. Dieser Umstand aber gab Athislus einen Vorwand, Dänemark wieder mit Krieg zu überziehen. Im Vertrauen auf seine vorige siegreiche Schlacht kam er denn wieder, brachte aber nicht etwa bloss wenige schwache

108 Truppen mit, sondern die gesamte Blüte der schwedischen Streitmacht, gleich als wollte er die Oberherrschaft über ganz Dänemark an sich reissen. Dies Hess Keto durch seinen

Sieg des Athislus und seine Folgen. Folco. 173

ersten Offizier Namens Folco dem Wer m und us melden, der sich damals gerade auf seinem Landgute Jalunga^) aufhielt. Dieser fand den König mit seinen Freunden beim Mahle, richtete seinen Auftrag aus und fügte hinzu, jetzt sei die längst ersehnte Möglichkeit zum Kriege da; er versicherte auch, er stehe gern auf Wermundus' Seite, da sich ja eine Gelegenheit zu einem schnellen Siege biete und eine reife Ruhmesemte nur von seiner Willensentscheidung abhängig sei. Es sei ja eine grosse und unvermutete, schon lange sehnsüchtig von ihm erstrebte Gunst des Glückes, welche ihm das augenblickliche, günstige Geschick zu teil werden lasse. Denn Athislus sei mit zahllosen schwedischen Truppen gekommen, gleich als wenn er in seinem Hochmut den Sieg schon zweifellos sicher hätte. Da der Feind im Kampfe den 164 Tod unzweifelhaft der Flucht vorziehen werde, so sei durch diesen Kriegsfall eine günstige Gelegenheit zur Rache für die letzte Schlappe gegeben.

Wermundus bezeugte, dass er seinen Auftrag rühmlich und mutig ausgeführt habe und forderte ihn auf, sich ein wenig beim Mahle zu stärken '), weil Reisen bei nüchternem Magen beschwerlich sei. Der aber sagte, er habe durchaus keine Zeit, Speise zu sich zu nehmen und bat nur um einen Trunk, seinen Durst zu löschen. Man bot ihm diesen, und Wermundus hiess ihn auch den Becher behalten (er war nämlich von Gold) mit dem Bemerken, es sei für reisemüde und erhitzte Leute bequemer, das Wasser mit einem Gefäss als mit den Händen zu schöpfen, und es sei besser, zum Trinken einen Becher als die Hände zu Hilfe zu nehmen. Da er seine wertvolle Gabe mit so freundlichen Worten be- gleitete, war der Jüngling über beides hoch erfreut und gelobte, er werde eher ebenso viel von seinem eigenen Blute trinken, wie er soeben als Labung empfangen, als angesichts des Königs dem Feinde den Rücken kehren. Wermundus ehrte ein so mutvolles Versprechen als Gegen-

*) D. i. nach Holder Jellinge, jetzt jütisches Dorf im Amte Vejle. «) Vgrl. Hani Sprüche Str. 8. 4 (= Gerings Edda. S. 87).

174 Vif^rte-s Buch.

enJie und empfand über die Erweisung seiner Liebenswürdig- keit noch mehr Freude, als der Kries:er durch die Annahme derj^lben. Es stellte sich aber heraus, dass er ebenso mutig focht, wie er gesprochen hatte.

Denn als der Krieg beironnen. traf es sich, dass bei den verschiedenen Vorstössen der blassen auch Foled und Athis- lus einander begegneten und ziemlich lange zusammen kämpften. Endlich aber ergriff das Heer der Schweden, dem Schicksale seines Führers folgend, die Flucht, und auch Athislus eilte verwundet aus der Schlacht zu den Schiffen. Als nun Folco von Wunden und Anstrengung ermattet, von Hitze, Mühsal und Durst ge(|uält aufhörte, die fliehenden 1*»5 Fe'inde zu verfolgen, fing er, um sich zu erfrischen, im Helme 10» sein eigenes Blut auf und führte es an den Mund, um zu trinken. Durch diese Tbat vergalt er den Empfang des Bechers dem Könige aufs glänzendste. Da dies Wermundus fi:«'rade sah. lobte er ihn für die Erfüllung seines Versprechens höchlich. Folco aber erwiderte ihm, rühmliche Gelübde müsse man immer zu dem schuldigen Ende führen. Durch diesen Ausspruch gab er seiner That eine ebenso gute Empfehluujr. wie Wermundus es gethan hatte.

Als nun die Sieger, wie es nach dem Kampfe immer geschieht, die Waffen abgelegt hatten und sich ausruhten, unterhielten sie sich mit einander über verschiedenes und Keto, der Statthalter von Schleswig, meinte, er wundere sich darüber, wie Athislus trotz der vielen Hindernisse noch Gelegenheit zum Entkommen gefunden habe; er habe ja als der erste vor allen andern gefochten und sei auf der Flucht als letzter gegangen; auch habe es ja keinen andern Mann unter den Feinden gegeben, nach dessen Tode die Dänen ebenso eifrig getrachtet hatten. Darauf entgegnete Wermundus, er müsse wissen, dass man in jedem Heere vier verschiedene Arten von Kämpfern zu unterscheiden habe. Zu der ersten gehörten die Krieger, welche ihren Helden- mut durch Masshalten zügeln, die (Jegner zwar eifrig nieder- hauen, aber sich schämen, Flüchtlinge hart zu bedrängen. Das seien diejenigen, denen eine lange Erprobtheit in den

Flucht des Athislus. Wermundus erklärt sie. 175

Waffen schon ein ganz sicheres Zeugnis für ihre Tüchtigkeit ausgestellt habe-, die ihren Ruhm nicht in die Verfolgung der Besiegten, sondern in die üeberwältigung der noch zu Be- siegenden setzten. Die zweite Art der Kämpfer bildeten die, welche im Vertrauen auf ihre Kraft und ihren Mut, aber ohne jede Spur von Erbarmen, gegen den Rücken wie gegen die Brust der Feinde mit derselben blutigen Grausamkeit wüteten. Das seien solche, welches von jugendlicher Hitze fortgerissen, sich bemühten, die ersten Versuche in ihren kriegerischen Thaten durch einen guten Anfang zu zieren; Jugendfeuer und Ehrgeiz entflamme sie zu gleicher Zeit und treibe sie mit derselben eifrigen Unbesonnenheit zum Rechten wie zum Unrechten. Die dritte Klasse seien die- jenigen^ welche zwischen Furcht und Scham schwankten, welche die Angst vom Vordringen zurückhielte, während der Widerstand des Ehrgefühls ihnen das Zurückweichen ver- biete. Sie seien zwar von hoher Geburt, aber doch nur durch einen äusserlichen Adel ausgezeichnet, sie verstärkten das Heer nur durch ihre Zahl, nicht durch ihre Kraft, sie 166 träfen den Feind nur mit ihrem Schatten, nicht mit den Waffen und würden in den Scharen der Kämpfer nur durch das Erscheinen ihres Körpers mitgezählt; es seien Gebieter über grosse Besitztümer, ragten mehr durch ihre Abkunft als durch ihren Mut hervor, und die Begier, zu leben, veranlasst durch die Herrschaft über ihr Vermögen, sporne sie an, mehr dem Triebe der Feigheit, als dem adliger Ge- sinnung zu folgen. Endlich gäbe es noch andere, welche nur scheinbar, nicht in Wirklichkeit einen Krieg mitmachten, die sich in die letzten Reihen der Gefährten drängten und zuerst zur Flucht, zuletzt zum Treffen bereit seien. Ein sicheres Zeichen der Angst verrate den Zustand ihrer Schwäche, denn immer suchten sie Ausflüchte und folgten 110 nur mit zögernd-ängstlichem Vordringen im Rücken der Kämpfenden. Diesen Gründen müsse also wohl der. König seine Rettung verdanken, da er auf der Flucht von den Kriegern der ersten Klasse nicht heftig verfolgt wurde; denn deren Aufgabe sei es nicht, die Besiegten aufzuhalten.

176 Viertes Buch.

sondern den Sieg zu behaupten, und demgemäss verdichteten sie immer ihre Reihen, damit der frisch errungene Triumph auf Grund eines ausreichenden Rückhaltes möglichst einen vollkommenen Erfolg sichere. Die Krieger der zweiten Art aber hätten Athislus nicht aus Mangel an Mut, sondern aus Mangel an einer günstigen Gelegenheit unversehrt ge- lassen ; denn diesen habe es nicht an der Keckheit, sondern an der Möglichkeit, ihn anzugreifen, gefehlt. Die Männer der dritten Klasse ferner, welche schon die Zeit des Kampfes selbst in einem gewissen ängstlichen Hin- und Herschwanken zubringen, seien auch nach dem Erfolge ihrer befreundeten Partei im Wege, und wenn sie auch die Gelege)ftieit gehabt hätten, den König zu verwunden, so habe es ihnen an Kühn- heit, ihn anzugreifen, gebrochen. Damit löste Wermundus die staunende Verwunderung Ketos, und er betonte, er habe in seiner Auseinandersetzung die wahren Gründe für die Rettung des Königs angegeben.

Darnach kehrte Athislus flüchtig nach Schweden zurück, wo er sich noch unverschämter der Ueberwältigung des Frowinus rühmte; er prahlte mit der Erinnerung an diese That, indem er unaufhörlich in wortreichen Erzählungen von seinem Ruhme berichtete, nicht weil er die Schmach der erlittenen Schlappe gleichmütig hin- nahm, sondern um den Schmerz über seine neuliche Niederlage durch das erhebende Gedenken an seinen früheren Sieg zu besänftigen. Entrüstet darüber, wie natürlich, beschworen nun Keto und Wigo ein Gelübde, ihren Vater zu rächen. Da sie dies durch einen Krieg nicht gut aus- führen zu können glaubten, zogen sie, mit einer leichten Rüstung ausgestattet, allein nach Schweden; sie betraten den Hain, wo sich, wie sie vom Hörensagen wussten, der König ohne Begleiter aufzuhalten pflegte, und verbargen ihre Wafl^en. Dort sprachen sie eine Zeit lang mit Athislus, indem sie sich als Flüchtlinge ausgaben; als sie von ihm nach ihrem Vaterlande befragt wurden, sagten sie, sie seien Schleswiger und berichteten, sie hätten eines Mordes wegen 167 ihre Heimat verlassen. Der König ahnte natürlich nicht.

Athislus und die Söhne des Frowinus. 177

dass sie damit ihr Gelübde, eine solche That zu volIbriugeD, meinteD, sondern vermutete die Schuld einer schon voll- brachten. Durch diese Zweideutigkeit wollten sie nämlich die Neugier des Fragenden hintergehen und ihm durch ihre bestimmte Auskunft ein Schnippchen schlagen, und trotz der Wahrheit ihrer Antwort bezweckten sie durch den kaum bemerkbaren Doppelsinn darin, einen falschen Glauben bei ihm zu erwecken.^) Denn bei vornehmen Männern galt in alter Zeit die Lüge als höchst schmachvoll. Darauf sagte Athislus, er möchte gern wissen, wer in der Meinung der Dänen als Mörder des Frowinus gelte. Da er- widerte Keto, man sei im Zweifel, wem man den Ruhm einer solchen That zuerkennen solle, zumal er der all- gemeinen Ueberzeuguug nach im Kampfe gefallen sei. m Athislus entgegnete, mit Unrecht schreibe man andern die Tötung des Frowinus zu, da nur er selbst sie im persön- lichen Handgemenge vollbracht habe. Dann fragte er, ob denn Frowinus einen Erben habe. Auf Ketos Angabe, dass zwei Söhne desselben lebten, äusserte er, er würde sehr gern etwas über ihr Alter und ihren Wuchs hören. Keto berichtete, sie seien ihnen beiden an Körpergestalt fast gleich, in dem- selben Alter, an Grösse sehr ähnlich. Da sprach Athislus: Wenn mannhafte Gesinnung sie beseelte wie ihren Vater, 60 würde für mich eine schlimme Zeit kommen. Auf seine Frage, ob sie öfter an den Tod ihres Vaters gedächten, sagte Keto, es sei überflüssig, immerfort das durchzu- sprechen, was doch durch kein Mittel geheilt werden könne, und er meinte, es nütze nichts, ein Uebel, das sich nicht gut machen lasse, durch beständige Unannehmlichkeiten immer zu erneuern. Mit diesem Ausspruch lieferte er den Beweis, dass man einer Rachethat nicht Drohungen voraus- schicken dürfe.

Als er nun des Königs Gewohnheit sah, täglich zur Uebung seiner Kräfte einen einsamen Spaziergang zu machen, nahm er seine Waffen und eilte ihm mit seinem Bruder ent-

') Vgl. UI, 144 u. Anm. 1. Saxo Granunaticus. 12

178 Viertes Buch.

gegen. Sobald Athislus sie bemerkte, setzte er sich in Be- reitschaft, da er es für schimpflieh hielt, den Drohenden auszuweichen. Sie sagten darauf, sie wollten Rache für den Tod des Frowinus nehmen, zumal er sich ja in höchst prahlerischem Dünkel als alleinigen Vollbringer seiner

168 tirmordung bekannt habe. Darauf erwiderte er, sie sollten sich nur in Acht nehmen, dass sie nicht etwa in dem Wunsche, Rache zu vollziehen, ihren eigenen Fall erlebten; so würden sie durch vorzeitige Ruhmbegierde ihre vortreff- liche \reranlagung zunichte machen. Daher sollten sie ihre Jugend schonen, schonen auch ihre Zukunft, und sich nicht blindlings ins Verderben stürzen. Sie möchten ihm darum gestatten, die Schuld an ihres Vaters Tode durch ein Wer- geid zu sühnen, und sie sollten es als einen hohen Ruhm betrachten, dass sie in den Ruf kämen, einen solchen Fürsten zu einer Geldbusse gezwungen und ihm sozusagen einen ge- waltigen Schrecken eingejagt zu haben. Diesen Rat gäbe er ihnen aber nicht aus Furcht, sondern aus Mitleid mit ihrer Jugend. Ketü jedoch sagte ihm, er vertrödele umsonst die Zeit mit diesem Aufwand an Worten, wenn er versuche, ihren Wunsch nach so gerechter Rache durch das Versprechen einer (ieldsumme ins Wanken zu bringen. Er hiess ihn vor- treten und im Kinzelkampfe mit ihm seine Stärke erproben. Denn er wolle auf den Beistand seines Bruders verzichten und nur seine eigenen Kräfte gebrauchen, damit es nicht den Anschein erwecke, als ob ein schimpflicher Kampf mit ungleichen Kräften begonnen wurde. Bei den Alten galt es nämlich als unbillii^, ja als schmachvoll, wenn zwei gegen einen

IIa fo<*hten.^) Auch ein in solchem [Kampfe errungener Sieg wurde nicht als lobenswert betrachtet, sondern schien viel- mehr mit Schande als mit Ehre verknüpft. Denn wenn einer von zweien überwältigt wurde, so sah man das durchaus als keine Ileldenthat an, sondern im Gegenteil als höchst srhniarhvoll. Athislus aber hatte solche Zuversicht er-

*) (>l)^floich diese Sitte recht oft betont wird, tiiuleu sich doch auch »ehr häuli^'e Verletzungen derselben; bei Saxo z. U. V, !♦>♦>: VI, 1%: VIL 243; 251 (Holder).

Kampf des Athislus mit Keto und Wigo. 179

griffen, dass er yie aufforderte, beide zugleich auf ihn los- zugehen, und er fügte noch hinzu, er werde ihnen schon Gelegenheit zu einem ganz ungefährlichen Kampfe geben, da er ihnen ihre Streitlust nicht ausreden könne. Keto 169 verschmähte aber diese Nachsicht so sehr, dass er schwur, er wolle lieber sterben, als von ihr Gebrauch machen; denn er glaubte, man werde ihm diese Bedingung, die er ihm anbot, zur Schande anrechnen. Während er ihn nun gar hitzig angriff, wünschte ihm Athislus nur einen ganz be- scheidenen Widerstand entgegenzusetzen, und indem er nur leicht mit dem Schwerte gegen seinen Schild schlug, war er bei seiner Verteidigung w^eit mehr auf seine eigene Deckung als darauf bedacht, jenem zu schaden. Nach einiger Zeit forderte er ihn auf, seinen Bruder als Gefährten bei seinem Unternehmen zu holen, da er mit seinen Bemühungen allein keinen Erfolg habe. Als jener sich weigerte, sagte er, er werde ihn nicht länger schonen, und der Drohung folgte die That, indem er ihn mit allen Kräften angriff. Von dem Gegner wurde ihm aber mit einem so kräftigen Schwerthiebe geantwortet, dass der Stahl seinen Helm zerspaltete und noch sein Haupt berührte. Durch diese Wunde gereizt (denn es ergoss sich ein starker Blutstrom aus seinem Scheitel) hieb er auf Keto mit raschen, wuchtigen Schlägen ein und zwang ihn in die Kniee. Diesen Anblick konnte Wigo nicht er- tragen, er folgte mehr seiner brüderlichen Neigung, als der allgemeinen Sitte, und das Ehrgefühl musste in ihm der Bruderliebe weichen. Er griff Athislus an und wollte lieber seinen Bruder in der Not beschützen, als nur dabei zusehen. Durch diese That gewann er sich aber mehr Schande als Ruhm, da er bei der Unterstützung seines Bruders die herkömmlichen Gesetze über den Zweikampf gebrochen und ihm offenbar mit mehr Nutzen als Ehre Hilfe gebracht hatte. Denn in einer Beziehung unterlag er der Versuchung der Schande, in der anderen gab er dem Triebe der Bruderliebe nach. Sie erkannten denn auch selbst, das.s die Tötung des Athislus mehr übereilt als rühmlich von ihnen vollzogen worden sei. Damit ihre That aber nicht allgemein

180 Viertes Buch.

unbekannt bliebe, schnitten sie seiner Leiche den Kopf ab, setzten sie auf ein Pferd, schafften sie aus dem Haine heraus und übergaben sie den Bewohnern des nächsten Dorfes mit der Mitteilung, des Frowinus Söhne hätten für die Ermor- dung ihres Vaters Rache an dem Schwedenkönig Athislus genommen. Da sie sich nun eines solchen Sieges rühmen konnten, wurden sie von Wermundus mit den höchsten Ehren empfangen, und er sagte, sie hätten ein äusserst nütz- liches Werk vollbracht; er sehe vielmehr auf den Ruhm, der in der Tötung dieses Nebenbuhlers bestehe, als auf die Uu- ehrenhaftigkeit, die sie dabei begangen; er glaube auch nichts dass die Ermordung eines Tyrannen irgend etwas Schmach-

118 volles enthalten könne. Bei den Fremden aber wurde es sprichwörtlich, dass der Fall des Königs das alte Kampf- recht erschüttert habe.

170 Als nun Wermundus infolge von Altersschwäche das

Augenlicht verlor, glaubte der König von Sachsen, Däne- mark sei ohne Fürsten und er forderte ihn durch Gesandte auf, er möge die Herrschaft, die er länger festhalte, als sein Leben ihm gestatte, ihm überlassen, damit er nicht durch allzulange Herrschbegier sein Land des Schutzes der Gesetze und der Waffen beraube. Denn wie könne der als König gelten, dem das Alter den Verstand und Blindheit die Augen mit gleich grausig schwarzer Nacht umhüllt habe? Wenn er sich weigere, aber einen Sohn habe, der mit dem seinigen einen Zweikampf zu bestehen wage, so möge er erlauben, dass der Sieger die Herrschaft erhalte. Wenn er aber keinen seiner Vorschläge billige, so solle er erfahren, dass er es bei ihm mit Waffengewalt und nicht mit leeren Drohungen zu thun habe: dann werde er schon wider seinen Willen gewähren, was er freiwillig zu geben verschmähe. Wermundus antwortete unter tiefem Seufzen, es berühre ihn schmerzlich, dass man ihm gar so unverschämt sein hohes Alter zum Vorwurf mache; er sei doch gewiss nicht deshalb zu seinem Unglück so alt geworden, weil er etwa nur selten kämpfend in allzu grosser Aengstlichkt^it seine Jugend verlebt habe. Ohne jede Berechtigung halte man ihm das

Wermundus und die Sachsen; Ufifo. 181

Gebrechen seiner Blindheit vor; denn ein so hohes Alter pflege in der Regel einen derartigen Verlust im Gefolge zu haben, und ein solches Leiden verdiene sicherlich vielmehr Mitleid als Hohn. Mit mehr Recht könne den König von Sachsen der Tadel der Ungeduld treffen; besser hätte es sich für ihn geschickt, das Ende des Greises abzuwarten als sein Reich für sich zu fordern; denn es sei immer vorzuziehen, einen Toten zu beerben als einen Lebendigen zu berauben. Damit es jedoch nicht den Anschein erwecke, als ob er gleichsam wie im Wahnsinn die Ansprüche auf seine alte Unabhängigkeit fremder Tyrannei überantworte, so werde er in eigener Person der Herausforderung Folge leisten. Die Gesandten erwiderten darauf, sie wüssten schon, dass ihr König sich vor der Narrheit, sich mit einem Blinden zu jsehlagen, hüten werde; denn ein so lächerlicher Kampf würde vielmehr für eine Schmach als für eine Ehre gelten. Viel zweckmässiger wäre es doch, die Angelegenheit durch ihre beiden Abkömmlinge, ihr eigenes Fleisch und Blut, er- ledigen zu lassen. Als die Dänen hierüber noch bestürzt und wegen ihrer Verlegenheit um eine rasche Antwort be- troffen waren, heischte Uffo, der gerade mit den andern anwesend war, vom Vater die Erlaubnis zur Antwort und ward plötzlich aus einem fast Stummen ein Redender. Als nun Wermundus fragte, wer ihn denn um solche Erlaub- nis zum Sprechen bitte, und die Diener erwiderten, Uffo thue es, da sagte er, es sei genug, wenn Fremder Schnödig- keit sein schmerzliches Unglück verhöhne; er brauche nicht Boch von seinen eigenen Leuten mit gleicher beleidigender Schamlosigkeit gequält zu werden. Da aber die Trabanten hartnäckig bei ihrer Versicherung blieben, es sei Uffo, spracli er, es stehe ihm frei, wer er auch immer sein möge, seine m Gedanken vorzutragen. Da sagte Uffo: Vergeblich begehre jener König diesen Thron, der auf die Pflichttreue seines 114 «igenen Herrschers wie auch auf die Waffen und die Umsicht der tapfersten Edelleute gestützt sei. Ausserdem vergässo weder der Sohn dem Vater, noch der Thronfolger seinem Throne gegenüber seine Pflicht, und sie sollten wissen, dass er ent-

1^2 Viertes Buch.

Kchlossea sei« nicht nur den Sohn ihres Königs, sondern auch zugleich jeden heliebigen, den er aus den Tapfersten seines Volkes mitbringe, im Kampfe zu bestehen. Als die Gesandten dies hörten, lachten sie, weil sie glaubten, das sei nur ein eitles Prahlen mit Worten; dennoch wurde ohne Säumen der Ort für den Kampf festgesetzt und ein bestimmter Zeitpunkt für ihn verabredet. Die Anwesenden aber waren von solchem Staunen Ober die ganz unerwartete Rede und Herausforderung Uffos erfüllt, dass es ungewiss bleibt, ob sie seinen Worten oder seiner Zuversicht mehr Bewunderung zollten.

Als die Gesandten fort waren, lobte Wermundus den Antwortgeber, weil er die Zuversicht in seine Mannhaftigkeit nicht nur in der Herausforderung eines, sondern sogar zweier Kämpfer gezeigt habe, und sagte, er wolle lieber ihm, wer er auch sei, die Herrschaft abtreten, als dem übermütigen Feinde. Da aber alle behaupteten, es sei sein Sohn, der den Dünkel der Gesandten in erhabenem Selbstvertrauen ver- achtet habe, hiess er ihn naher herankommen, um sich mit den Händen zu überzeugen, da es mit den Augen nicht an- ging. Darauf befühlte er gar aufmerksam seinen Körper, und erkannte an der Grösse seiner Glieder, wie an seinen (Gesichtszügen seinen Sohn. Nun begann er den Ver- si<'herungeu (ilauben zu schenken und ihn zu fragen, warum er denn den süssen Gebrauch der Sprache mit so sorg- fältigem Kifer in seiner Verstellung verborgen habe, und wie er es über sich gewonnen habe, ohne Stimme und jeden mündlichen Verkehr einen so langen Zeitraum zuzubringen. Dadurch habe er ja zu dem Glauben veranlasst, seine Zunge versage gänzlich ihren Dienst, und er sei mit dem Gebrechen angeborener Stummheit behaftet. Kr antwortete, er sei bis jetzt mit der Verteidigung seines Vaters zufrieden gewesen und habe ja seine Stimme nicht eher nötig gehabt, als bis er bemerkte, wie die Weisheit in seiner Heimat gar hart von der Geschwätzigkeit der Fremden bedrängt wurde. Auf weiteres Fragen, warum er denn lieber zwei statt einen Gegner herausgefordert habe, erwiderte er, er habe sich deshalb diese Art des Kampfes gewünscht, damit die Ueberwältigung

UflFo. 183

des Königs Athislus, die, weil von zweien vollbracht, deu Dänen Schande mache, durch die Heldenthat eines einzigen Mannes ausgeglichen werde und ein neues Probestück von Mannhaftigkeit die Erinnerung an die frühere Schmach tilge. 172 So, sagte er, müsse die Schuld der alten Unehre durch neuen Ruhm ersetzt werden. Wermundus bezeugte, dass er alles richtig beurteilt habe, und hiess ihn nun den Gebrauch der Waffen erlernen, weil er allzu wenig au diese gewohnt war. Als man sie brachte, sprengte Uffo mit seiner gewaltigen Brust die engen Glieder der Panzer, und man konnte keinen finden, der für ihn weit genug gewesen wäre. Er war näm- lich zu gross, als dass er fremde Waffen hätte brauchen 115 können. Als er zuletzt auch die Brünne seines A^aters zer- sprengte, da sie ihn zu sehr einschnürte, liess sie Wer- mundus an der linken Seite aufschneiden und mit einer Spange zusammenhalten; denn er legte keinen grossen Wert darauf, dass der Teil, der vom Schilde gedeckt sei, dem Stahl offen stünde. Er forderte ihn auch auf, sich mit grösster Sorgfalt ein Schwert auszusuchen, welches er mit Sicherheit verwenden könne. Es wurden mehrere gebracht, aber U ff o fasste mit der Hand den Griff und zerbrach jedes ein- zelne beim blossen Schwingen, und kein einziges von ihnen war so fest, dass er es nicht bei der ersten Schwungbewegung in mehrere Stücke zerschmettert hätte. ^) Der König aber be- sass ein Schwert von ungewöhnlicher Schärfe, Namens Skrep*), welches jedes beliebige Hindernis mit einem einzigen Hiebe mitten durchdrang und es zerspaltete; und es gab nichts so hartes, was die einmal angesetzte Schneide hätte aufhalten können. Um aber die Benutzung desselben der Nachwelt zu entziehen, hatte es der König, da er Fremden den Gebrauch desselben höchlichst missgönnte, tief vergraben, und da er seinem Sohne keine Fortschritte zutraute, wollte er es auch anderen verweigern! Auf die Frage nun, ob er nicht ein Schwert

*) Solche Schwertprobe ist ein in der Dichtung der verschiedensten Völker oft begegnendes Motiv; ausser den bei Olrik II, 189 angeführten Belegen vgl. auch Beowulf v. 2683 iT.

') Vgl. IL 91 Anm. 2, wo dieses Beispiel noch hinzuzufügen ist.

184 Viertes Buch.

habe, welches der Stärke seines Sohnes würdig sei, antwortete er, er besitze eins, und wenn man die Stätte, wo er es einst der Erde übergeben, wiedererkennen und es auffinden könne, so werde es schon für seine Körperkräfte passen. Darauf Hess er sich auf ein Feld führen, befragte seine Begleiter über alles, und als er durch die Erkennung ge- wisser Zeichen die Stelle der Vergrabung aufgefunden hatte, holte er das Schwert aus der Höhlung und reichte es seinem Sohne. Als Uffo sah, dass es infolge seines allzu hohen Alters schon zerbrechlich und von Rost zerfressen war, fragte er misstrauisch, ob er auch dieses Schwert wie die vorigen erproben dürfe; denn er meinte, er müsse erst seine Be- schaffenheit ausprobieren, ehe es zum Kampfe komme. Wermundus erwiderte, wenn auch dieses Schwert beim blossen Schwingen zerspringe, so sei keines mehr übrig, welches dem Verhältnis seiner Kräfte entspräche; daher müsste er auf den Versuch verzichten, dessen Ausgang un- gewiss sei.

Der Verabredung gemäss suchte man nun den Kampf- los platz auf. Diesen umströmen die Gewässer der Eider der Art, dass sie jeden andern Zugang als zu Schiff verhindern.^) Uffo eilte ohne Begleiter dorthin, dem Sohne des Sachsen- königs aber folgte ein Fechter vofi gewaltigen Kräften, während zahlreiche Scharen von beiden Parteien voll Eifer zuzusehen, die gekrümmten Ufer anfüllten. Während sich nun aller Augen diesem Schauspiele zuwandten, stellte sich Wermundus an das äusserste Ende einer Brücke, um in den Fluten zu sterben, wenn sein Sohn besiegt werden sollte. Er wollte nämlich lieber seinem eigenen Fleisch und Blut IW ins Verderben folgen, als schmerzerfüllten Herzens den Untergang seines Vaterlandes miterleben. Uffo aber, von dem doppelten Angriff der Krieger bedrängt, traute seinem Stliwerto ni<'ht recht und fing ihre Streiche mit dem Schild-

*) B. XII, S. 402, 22 (Holder) erwaliut Saxo, nn (iiesein Orte habe Bero (cnl(*r Bjrirn Swensstm) (»ine Biir^ orlmut : ilu diese nun als die spätere Stadt Retishorjf naehi^ewiesen ist. so hiitte sieh der Kampf in dor (iortigen .,.\ltstadt", d. i. die „arx." ab^^cspielt.

Uffos Kampf. 185

buckel auf; dena er beschloss, geduldig festzustellen, vor welchem von beiden er sich am sorgfältigsten in Acht zu nehmen habe, um diesem wenigstens mit einem einzigen Streiche seines Stahles beizukommen. Wermundus glaubte, er be- weise nur aus Schwäche solche Duldsamkeit im Hinnehmen der Hiebe, und drängte sich in seiner Todessehnsucht all- mählich immer mehr nach dem westlichen £nde der Brücke, um in der Tiefe den Tod zu suchen, sobald es um seinen Sohn geschehen wäre. Aber das Glück schützte diesen Greis, der von solch glühender Liebe zu seinem Kinde er- füllt war. Denn Uffo reizte den Königssohn, ihn eifrig zu bekämpfen, und hiess ihn den Glanz seiner Abkunft durch eine offenkundige Heldenthat erweisen, damit es nicht scheine, als ob ihn sein Begleiter, ein gemeiner Mann, an Tapferkeit übertreffe. Dann ärgerte er den Fechter, um auch seinen Mut kennen zu lernen, er solle sich nicht gar zu furchtsam hinter dem Rücken seines Herrn halten, sondern <lurch wackere Kampfesthaten das von dem Königssohne in ihn gesetzte Vertrauen rechtfertigen, nach dessen Auswahl er allein zu seinem Begleiter in dem Kampfe erlesen worden sei. Als dieser nun aus Ehrgefühl Folge leistete und näher herankam, hieb ihn Uffo mit dem ersten Streiche seines Sehwertes mitten durch. Bei diesem Tone erholte sich Wermundus wieder, sagte, er habe seines Sohnes Schwert gehört und fragte, welchen Körperteil denn der Hieb ge- troffen. Als ihm die Diener berichteten, er habe nicht bloss einen Körperteil, sondern den ganzen Mann zerhauen, da zog er sich von der Tiefe zurück und stellte sich wieder mehr auf die Brücke, nun ebenso begierig nach dem Leben, wie er sich vorher nach dem Tode gesehnt hatte. Uffo aber wünschte den noch übrigen Feind gleich wie den ersten abzuthun und stachelte mit gar heftigen Worten den Königs- sohn an, er möge doch zur Sühne für den für ihn gefallenen Trabanten wenigstens Rache für ihn nehmen. Durch seine Reizung zwang er ihn, näher zu kommen, und ersah sich 174 dabei ganz sorgsam eine Stelle, wo er ihm einen Hieb bei- bringen könnte. Da er aber fürchtete, die dünne Klinge

186 Viertes Buch.

würde seinen Kräften nicht standhalten, so drehte er sie nach der andern Seite um und zerschnitt mit einem durch- gehenden Hiebe seinen Körper. Wie Wermundus dies hörte, sagte er, zum zweiten Male habe das Klingen seines Schwertes Skrep sein Ohr berührt. Als nun die Augen- zeugen versicherten, sein Sohn habe beide Feinde erschlagen, brach er im üebermasse der Freude in Thräuen aus. So netzte nun diese Freude die Wangen, welche der Schmerz nicht hatte feucht machen können. Während nun die Sach- sen voll Trauer über ihre Schmach in höchster Erbitterung und Beschämung das Begräbnis ihrer Kämpfer veranstalteten, 117 empfingen die Dänen Uffo mit freudigen Siegestänzen. ^) Da nun hörte die üble Nachrede wegen des Todes Athislus' auf, und sie verschwand zugleich mit den Vorwürfen der Sachsen ^).

So übernahm Uffo nach seinem Vater auch die auf Dänemark übergegangene Herrschaft über die Sachsen und er, dem man nicht einmal die ordnungsmässige Verwaltung eines einzigen Reiches zugetraut hatte, wurde nun der Leiter von zweien. Mehrere nannten ihn Olawus, und wegen seiner Mässigung erhielt er den Beinamen des Milden.*) Eine gründliche Kenntnis seiner späteren Thaten entgeht uns wegen des hohen Altertums. Doch darf man wohl an- 175 nehmen, dass er ehrenvoll auf der Bahn fortgeschritten ist. die er so rühmlich begonnen. Ich muss mich mit dieser kurzen Erwähnung seiner Thaten begnügen, weil der Mangel an schriftlichen Aufzeichnungen den Ruhmesglanz der grossen Männer unseres Volkes dem Preise der Nachwelt entzogen hat. Wenn doch das Schicksal unser Vaterland schon vor Zeiten mit der lateinischen Sprache beschenkt hätte, dann

') Vj(l. III. 135 Anm. 1.

•) Der letzte Teil unserer JSage ist die Quelle fiir Uhlands BalUde ,,I)er blinde Könij?*\

*) Bei dieser ßemerkunf? muss sich Saxo auf eine isländische Quelle stützen; denn dort wird als Sohn jenes oben penannten Vermundr vitri ein Oläfr litilUti (d. i. der Milde = maosuetus bei Saxo) genannt, der wiederum der Vater des Dan mikillüti (d. i. der Uebennütißfe) ist.

Uffo als König. Dan II. Hugletus. Frotho U. 187

würden uns unzählige Bücher über die Heldenthaten der Dänen zur Verfügung stehen.

Dem üffo folgte sein Sohn Dan. Dieser führte Kriege gegen fremde Völker und vergrösserte seine Herrschaft durch zahlreiche Siege. Aber er trübte den gewonnenen Ruhmesglanz durch einen verabscheuungswürdigen, nichts- nutzigen Uebermut. Er schlug so sehr aus der Art seines hochberühmten Vaters, dass er andere Leute, von dünkel- haftem Hochmut aufgeblasen, verachtete, während jener sie an Bescheidenheit übertroffen hatte. Auch verschleuderte er schändlich die väterlichen Güter und was er selbst etwa aus der Beute fremder Völker gewonnen hatte, und die Mittel, welche dem königlichen Ansehen hätten dienen müssen, ver- schwendete er auf kostspieligen Aufw^and. So sehr unter- scheiden sich manchmal die Kinder, Missgeburten gleich, von ihren Eltern^).

Nach ihm herrschte Hugletus, der in einem Seekriege die schwedischen Gewalthaber Hömothus und Högrimus besiegt haben solP).

Diesem folgte Frotho, mit Beinamen der Kühne^), 176 der die Berechtigung dieser Bezeichnung durch geistige und körperliche Rührigkeit rechtfertigte. Denn nachdem er zehn norwegische Fürsten im Kampfe getötet, begab er sich auf die Insel, welche später ihren Namen von ihm erhielt*), um zuletzt den König selbst anzugreifen. Das war Frogerus, ausgezeichnet durch einen doppelten Ruf; denn ebenso be-

») Vgl hierzu noch Oh-ik II, 140.

') In diesem kurzen Bericht sieht Olrik (II, lOO'l) eine letzte schwache Erinnerung an den Kampf zwischen «Juten und Schweden, von dem auch das Beowulfjlied erzählt, wo Hygelac als Geatenkönig erscheint: dem Hömothus (nrd. Eymodr) entspricht dort auch ein schwedischer Königs- sohn Eänmund. 8. Beow. Namenverzeichnis.

•) Lat. Vegetus, anrd. hinn frsekni. Diese Sage ist ihrem Charakter nach norwegischen Ursprungs; vgl. Olrik II, 46.

*) Die Lage dieser Frothoinsel (Frodeö) lässt sich nicht sicher fest- stellen; nach Olrik a. a. O. liegt es am nächsten, an die Froöerne an der Mündung des Drontheimer Fjordes zu denken. (Müllers Angabe L 17B Anro. 3 beruht auf einem Missverständnis).

18,v^ Viertes Buch.

rühmt durch seine Waffenthaten, wie durch seine Schätze, hatte er die königliche Macht auch noch mit seinem Fechter- ruhm geziert, und er war ebenso reich an Siegen in Wett- kämpfen, wie an Ehren, die seiner Wurde zukamen. Er war, wie einige berichten, ein Sohn des Othinus und hatte von den Unsterblichen auf die Bitte um eine Gnade anstatt eines Geschenkes die Bestimmung erhalten, dass er von keinem andern zu besiegen sei, als von einem, der im Augenblick des Kampfes den unter seineu Füssen liegenden Staub

118 mit der Hand aufraffen könnte. ^) Da F r o t h o wusste, dass jener von den Unsterblichen mit solcher Stärke begabt sei, forderte er ihn zum Zweikampf heraus, in der Absicht, die Güte der Götter durch eine List zu Schanden zu machen. Zuerst aber verlangte er, indem er Unerfahrenheit im Kampfe vorschützte, von ihm selbst eine Belehrung; denn er wisse, dass er in- folge seiner Uebung und Erfahrung darin ein Meister sei. Jener freute sich, dass sein Feind sich nicht nur seiner Kunst unterlegen bekenne, sondern sogar eine Bitte an ihn richte, und sagte ihm, es sei weise gehandelt, wenn er seinen jugendlichen Sinn der Erfahrung eines Alten unterwerfe ; sein Gesicht ohne Narben und seine Stirn, die noch keine

177 Spur von Waffen trüge, zeugten ja dafür, wie wenig Kennt- nis er noch in diesem Fache habe. Sodann zeichnete er zwei einander gegenüberliegende Quadrate mit Seiten von je einer Elle Länge auf den Boden, um mit der Verwendung der Plätze den Anfang in seiner Unterweisung zu machen.*) Als er sie fertiggestellt, begab sich jeder auf den ihm zu- gewiesenen Standpunkt. Darnach bat F rot ho den Fro- gerus, die Waffen und Stellung mit ihm zu tauschen, und das wurde ihm auch ohne weiteres gewährt. Frogerus reizte nämlich der (Jlanz von seine.s Feindes Ausrüstung; denn Frotho trug ein Schwert mit goldenem Griff*, einen

*) DiPse EigtMi.si'liaflcn (l<'i Froirerus eriiuieni an Baldr, den eben- falls iinverwun(ll>an'n Sohn Odins: v^l. Olrik I, 32. 31an denke übrigens auch an die iihnlirhe bedinjfte Uuverlotzlichkeit des Sijftnijf I, S. 25.

*) Vjfl. zu dieser pouauen Beschreibunjy des Bejfinnes eines Holm- (fan^s lll. 137 und II, 59 Anm. 1.

Frotho U. und Frogerus. Dan 111. Fridlewus. 189

Panzer, der ebenso hell strahlte, und auch einen Helm, der in derselben Weise mit reichem Goldschmuck versehen war. Frotho raflFte nun etwas Staub von dem Platze auf, den Frogerus verlassen hatte, und glaubte damit ein Unterpfand für den Sieg gewonnen zu haben. £r hatte sich auch nicht in seiner Hoffnung getäuscht, denn er erschlug alsbald Frogerus und erlangte durch eine so geringfügige List den Ruf der höchsten Tapferkeit. Er vollbrachte also durch Schlauheit, was früher der Kraft keines Mannes gelungen war.

Nach diesem trat Dan^) die Herrschaft an. Als er elf Jahre alt war, wurde er von einer unverschämten Gesandt- Schaft belästigt, die Krieg mit den Sachsen oder Tribut verlangte. Seine Ehre aber zog den Kampf der Zahlung vor, und sie drängte ihn lieber zu einem ruhmvollen Tode als zu einem Leben in Feiglieit. Daher erwählte er die Ent- scheidung des Kampfes, und das Kriegsvolk der Dänen er- füllte die Elbe mit einer solchen Masse von Fahrzeugen, dass diese gleicth wie eine vollständige Brücke leicht den Uebergang ermöglichten, indem man die Schiffsdecke dicht aneinander legte. So kam es, dass der Sachsenkönig zur Annahme derselben Bedingungen, die er von den Dänen ver- langt hatte, gezwungen wurde.

Nach Dan kam Fridlewus^), mit dem Beinamen der na Schnelle^), zur Regierung. Unter seiner Herschaft schloss Hwyrwillus, der Fürst von Holandia*), mit den Dänen ein Bündnis und fiel in Norwegen ein. Dessen Berühmtheit wuchs gewaltig, als er die Jungfrau Rusila*), welche sich

*) Wie und ob überhaupt dieser dritte Dan Saxos sich von seinem Vorgänger unterscheidet, ist bei der mangelhaften Ueberlieterung nicht klar auszumachen; vgl. Olrik II, 191 und 140.

*) Auch diese Wikingersaj/e ist non*'egisch - isländischen Ursprungs; nach Olrik II, 48 ist sie vielleicht durch den Isländer Arnoldus, den Saxo XIV, 594, 33 (Holder) nennt, in Dänemark bekannt geworden. Eben- derselbe hätte dann auch die Verlegung der Ereignisse nach Südseelaud vorgenommen.

•) Lat. C'eler, anrd. hinn hvati.

♦) I). i. nach Holder die Insel Oeland im Lijmfjord.

190 Viertes Buch.

durch ein kriegerisches Gelübde dem Kampfe geweiht hatte, mit den Waffen bezwang und Mannesruhm bei einem weib- lichen Feinde erntete. Aber er veranlasste auch ihre fünf Gefährten, Broddo, Bildus, Bugo, Fanningus und 119 Guuholmus, die Söhne des Fyn, wegen der rühmlichen 179 Thaten, die sie vollführt, zu einem Bündnis mit ihm. Im Vertrauen auf die Gemeinschaft mit ihnen löste er den Ver- trag, den er mit den Dänen geschlossini, mit dem Schwerte. Sein Einfall war um so verderblicher, je heimtückischer er war; denn die Dänen hätten nie geglaubt, dass sich so plötz- licli ein Freund in einen Feind verwandeln könnte. Aber docli pflegt manchmal so leicht der Uebergang von Liebe zu Hass von statten zu gehen. Ich möchte fast glauben, dass die Sitten unserer Zeit unter der Führung jenes Mannes ihren Anfang genommen haben, da wir ja auch Lügen und Trügen nicht als Schande und Laster betrachten. Frid- lewus bot ihm, als er im Süden von Seeland eingefallen war, in einem Hafen, der später nacli seinem Namen be- nannt wurde,^) ein Treffen an. Die Mannschaft stritt hier aus Ruhmbegierde mit solcher Tapferkeit, dass nur sehr wenige der Gefahr durch die Flucht entgingen und beide Heere fast vollständig aufgerieben wurden; der Sieg neigte sich auf keine Seite, da er beiden gleich schwere Wunden schlug. So sehr überwog bei allen die Sucht nach Ruhm die nach dem Leben. Die Ueberlebeuden von des Hwyr- willus Heer befestigten nun, um ihr Bündnis zu bewahren, bei Nacht ihre norh übrigen Schiffe aneinander. In derselben Nat^ht aber zerhieben Bildus und Broddo die Taue, welche die Fahrzeuge verbanden, und entfernten in aller Stille ihre Si*hilfe von der Zahl der andern. So verliessen sie ihre Brüder, indem sie ihrer Angst nachgaben und ge- hon^hten mehr dem Triebe der Furcht als dem der Ver- wandtschaftsliebe. Als bei Tat^esanbruch Fridlewus be-

') Zu S. IHJI: Dcrselho Xiimo, obonfaUs für kriogrcrischc Jungfrauen,

bojrojriu.t noch Vn, 249 und VIIL 2«7 tf. (Holder): v^l. H. S. ß3 Anm. 5.

•) Ü. li. nach des HwyrwiUus Xanion: jetzt heisst er Hurrildshavn

und li»'^t zwischen (rlem* und Seeland (Olrik).

Fridlewus. 191

merkte, dass nach dem grossen Gemetzel unter ihren Genossen nur noch Hwyrwillus, Gunholmus, Bugo und Fanningus übrig geblieben waren, beschloss er, allein mit allen diesen zu streiten, damit nicht die zersprengten Reste der Truppen gezwungen würden, sich von neuem in die Ge- fahr zu stürzen. Ausser seinem angeborenen Mute gab ihm auch ein hiebfestes Panzerhemd *) Zutrauen. Dieses trug er in allgemeinen Schlachten und in Zweikämpfen als Schutz- mittel für sein Leben. Er führte auch seine Sache ebenso glücklich wie mutig zu Ende; denn der Ausgang des Kampfes war günstig. Als er Hwyrwillus, Bugo und Fanningus erschlagen hatte, tötete er auch Gunholmus der immer das Schwert seines Feindes durch Zaubersprüche stumpf zu macheu pflegte, durch einige Hiebe mit dem Griife. Aber da er zu ungestüm mit der Hand die Klinge fasste, zerschnitt er sich die Sehnen und behielt dann dauernd 180 seine Finger nach der Innenseite der Hand gekrümmt. Als er einst Duflinum^), eine Stadt in Irland, belagerte, und merkte, dass die Stärke der Mauern die Möglichkeit der Einnahme aussichtslos machte, ahmte er jene scharfsinnige List des Hadingus nach und Hess Schwalben angezündete Schwämme an den Flügeln befestigen.^) AVie diese in ihre Nester zurückflogen, setzten sie plötzlich die Häuser in Flammen. Die Städter strömten herbei, um diese zu löschen 120 und richteten ihre Aufmerksamkeit vielmehr darauf, das Feuer zu ersticken, als vor dem Feinde auf der Hut zu sein; während dessen bemächtigte sich Fridlewus Duflinums. Später verlor er in einem Kriege in Britannien seine Krieger, und da ihm der Rückzug zum Strande sehr schwer schien, richtete er die Leichen der Erschlagenen empor und stellte sie in Schlachtreihe auf*); dadurch erweckte er den

*) Solche gefeite Panzerhemden wurden schon bei Frotho I, B. II, S. 79 und bei Hothenis III, 116 erwähnt.

») D. i. Dublin.

■) S. I, Ö. 36, die Eroberung von Duna.

*) Dieselbe List hatte schon Hamlet verwendet. S. oben S. 167 8 und vgl. auch I, 24 5.

192 Viertes Buch.

Anschein, als ob er noch ebenso stark wäre, und man musste glauben, er habe trotz des schweren Schlages keinen Verlust erlitten. So benahm er dem Feinde nicht nur die Zuversicht, sich in eine Schlacht einzulassen, sondern veranlasste ihn auch, die Flucht zu ergreifen,

Ende des vierten Buches.

Fünftes Buch.^) m-, isi

Nach dem Tode des Fridlewus wurde sein Sohn Frotho^) im Alter von sieben Jahren einstimmig von den Dänen zum König gewählt. In einer Volksversammlung beschloss man auch, die Unmündigkeit des Königs Vormündern anzuver- trauen, damit nicht infolge der Jugend des Fürsten die Ober- gewalt ins AVanken käme. Alle zollten nämlich dem An- denken und dem Namen des Fridlewus soviel Ehrfurcht, dass man seinem noch so zarten Sprössting die Herrschaft übertrug. Es wurde nun eine Wahl abgehalten und die Brüder Westmarus und Colo zu dem Amte, den König zu erziehen, bestimmt. Auch Isulfus, Aggo und noch acht anderen vornehmen Männern wurde nicht nur die Vormund- schaft über den König anvertraut, sondern auch die Befugnis

*) Das ganze V. Buch ist der Geschichte Prodes III., des Fried- samen, gewidmet. Aber die Erzählung ist nicht einheitlich. Frodes Ke- gierungszeit giebt nur den zusammenhaltenden Kahmen ab, er selbst ist nur selten der thätige Held der Erzählungen. Diese selbst entstammen verschiedenen Quellen, und es mischen sich isländische, norwegische und dänische Sagenzüge in Saxos Bericht. Man kann folgende Hauptabschnitte in dem Buche unterscheiden: 1. Einleitung, Frodes Jugend; die Zustände an seinem Hofe. 2. Die Sage von Erich dem Beredsamen. 3. Frodes Eroberungszüge. 4. Seine Gesetze. 5. Sein Tod. In den 3. und 4. Teil sind noch drei besondere Episoden eingeschoben: a) Ericus und Alricus; b) der Holmgang auf Samse; c) Hithinus und Höginus. Das Nähere wird bei den einzelnen Teilen besprochen werden, lieber das Ganze vgl. Uhland Sehr. VII, 99 ff. und Olrik II, §§ 6—9; 28—30.

*) Der erste Teil der Sage (Einleitung u. s. w.) ist norwegischen Ursprungs.

Saxo Grammatictts. 13

194 Fünftes Bach.

erteilt, unter ihm die Herrschaft zu führen. Kraft und Ver- stand besassen sie in reichem Masse, da sie mit hervor- ragenden körperlichen wie geistigen Gaben ausgestattet waren. So schützte eine stellvertretende Regierung den Staat der Dänen, bis der König erwachsen wäre.

Colos Gattin war Götwara, welche durch ihre bei- spiellose Redegewandtheit und Unverschämtheit selbst die zungenfertigsten und geschwätzigsten Männer stumm zu machen pflegte. Denn im Streiten war sie gründlichst er- fahren und in jeder Art Wortgefecht bewandert. Sie kämpfte mit dem Munde nicht nur im Vertrauen auf ihre Fragekunst,

182 sondern auch auf ihre gehamischten Antworten. Niemand konnte mit dieser unkriegerischen Frau den Kampf auf- nehmen, die mit ihrer Zunge Pfeile schleuderte. Manchen schlug sie durch die Zügellosigkeit ihres Redeschwalls, andere würgte sie gleichsam ab, indem sie sie in die Stricke ihrer Ränke und in die Netze ihrer Silbenstecherei verwickelte. So gewandt war diese Frau. Uebrigens verstand sie es auch trefflich, Abmachungen zu schliessen oder zu lösen, und ihre

122 Fähigkeit für beides lag in der Schärfe ihrer Zunge. Denn sie zeichnete sich darin aus, Bündnisse zu sprengen oder an- zuknüpfen. So war ihre Doppelzüngigkeit das Mittel zu jedem beliebigen Zwecke.

Westmarus hatte zwölf Söhne, von denen drei den- selben Namen Grep führten. Sie waren zu gleicher Zeit empfangen und geboren worden, und der gemeinschaftliche Name bezeichnete schon die Gleichzeitigkeit ihrer Geburt. Diese besassen eine ausgezeichnete Geschicklichkeit im Ring- kampfe und im Fechten. Frotho hatte auch den Oberbefehl zur See dem Hoddo übertragen, der mit dem Könige ganz

1^3 nahe verwandt war. Colo erfreute sich eines Nachwuchses von drei Sühnen. Zu dieser Zeit führte ein Sohn von Frothos Bruder zum Schutze des Vaterlandes den Oberbefehl zur See.M (lunwara war des Königs Schwester und führte wegen ihrer

') Di»' IVxtülM'rru't^Tnii^' ist hit»r nicht in Onlnunp. Der vorher ge- nannt«» UimUIo nnil liiT jvt/t jft»nunnt«.' Nefto Frothos nuisson ein und die- solbo IV'i><>n s«Mfi, ilii sonst Suxns An^alM» sinnlos wän\

Frotho III. Götwara; die Söhne des Westmarus. 195

ausgezeichneten Schönheit den Beinamen die Glänzende. ^) Die Söhne des Westmarus und Colo, unverheiratet und leidenschaftlichen Charakters, verwandelten ihr Selbstvertrauen in Unverschämtheit, befleckten sich durch allerlei Schandthaten und gaben sich einem schamlosen und unwürdigen Treiben hin. Sie benahmen sich so frech und zügellos, dass sie die Frauen und Töchter der anderen schändeten und den Anschein erweckten, als hätten sie die Schamhaftigkeit gänzlich ver- bannt und in die Freudenhäuser verwiesen. Sie schändeten das Lager der Ehefrauen und hielten sich auch nicht von den Betten der Jungfrauen fern. Keiner gewährte die Ehe Sicherheit, und wohl kein einziger Ort im Lande war von den Spuren ihrer Schamlosigkeit verschont. Die Ehemänner wurden von Furcht, die Frauen mit Vergewaltigung gequält. Man wich der Gewalt. Die Achtung vor zarten Banden hörte auf, Notzucht wurde ganz gewöhnlich. Venus ward gemein gemacht, die Rücksicht vor der Ehje verschwand. Reissend griff* die Völlerei um sich. Der Grund war der Friede; denn die Menschen, welche ohne Thätigkeit sind, neigen zu Lastern und verkommen in der Ruhe. Endlich wagte Grep, der älteste von denen, die sich in diesen Namen teilten, um den Lauf seiner irrenden Leidenschaften an einem bestimmten Punkte festzuhalten, einen Hafen für seine umherschweifende Liebe in seiner Neigung für die Schwester des Königs zu suchen. Aber ohne Erfolg. Denn wenn er auch einmal seine uustäte und schwankende Wollust durch Zügel der Ehrbarkeit in Schranken halten musste, so war es doch unverschämt, dass ein gemeiner Mann um eine Königstochter warb. Jene fürchtete aber auch die Schamlosigkeit ihres Freiers und begab i84 sich, um vor Unbilden sicher zu sein, in ein fest umwalltes Gemach.^) Dreissig Sklaven wurden auserseheu, beständig auf Posten zu sein und die Sicherheit ihrer Person zu hüten.

') Lat. Speciosa, anrd. hin fagra oder vaena.

') Besondere Jung^rauengeniächer (isl. bür oder skemma; vgl. Kulund i. (Irdr. III, 435) werden öfter erwähnt; bei Saxo vgl. noch bes. IX, 301 (Holder). Man denke auch an die von der Waberlohe umgebene Burg Brunhildens.

13*

196 Fünftes Buch,

Da es nun Frothos Gefährten bei der Instandhaltung ihrer Kleider sehr an weiblicher Hilfe fehlte und sie nie- manden hatten, der ihnen neue nähen oder die zerrissenen

128 ausbessern konnte, so ermahnten sie den König eifrig, Hoch- zeit zu machen. Jener suchte sich zuerst mit seiner Jagend zu entschuldigen, gab aber endlich doch ihren dringenderen Bitten nach. Als er nun seine Berater eifrig nach einer für ihn geeigneten Frau fragte, pries man ihm besonders die Tochter des Hunnenkönigs. Da weigerte sich aberFrotho, und als man beharrlich nach dem Grunde forschte, sagte er, er habe von seinem Vater gelernt, dass sich Könige nicht aus der Feme eine Lebensgefährtin holen, sondern den Gegen- stand ihrer Liebe nur in der Nachbarschaft suchen sollten. Als dies Götwara hörte, merkte sie, dass sich der König nur schlau seinen Freunden widersetzen wollte. Um nun seine schwankenden Absichten zu festigen und das Zutrauen seines ungewissen Sinnes aufzurichten, sagte sie: Junge Leute müssen heiraten, die alten erwartet das Grab. Der Gang der Jugend strebt vorwärts mit Gunst und Glück, das hilflose Alter neigt sich zum Scheiterhaufen. Hoffnung begleitet die Jugend, hoffnungslos beugt sich dem Verfall das Alter. steigt das Schicksal der Jugendfrischen, und nie sollen diese

185 etwas unvollendet lassen, was sie begonnen. Infolge dieser verehrungswürdigen Rede bat man sie, das Amt der Werbung zu übernehmen, aber sie schützte als Weigerungsgrund ihr hohes Alter vor und versicherte, sie könne wegen ihres schwächlichen Gesundheitszustandes nicht die Trägerin einer so erhabenen Botschaft sein. Der König merkte, dass ein AVertstück von nöteu war und brachte eine goldene Halskette, die er als Lohn für die Gesandtschaft versprach. Diese Kette bestand nämlich aus aneinander gereihten Zieraten in er- habener Arbeit und Königsbildnissen dazwischen, welche an einem Faden auf der Innenseite bald zusammen-, bald aus- einandergezogen werden konnten, ein Schmuckstück, mehr zum Prunk als zum Gebrauch angefertigt. ^) Frotho Hess

^) Die Beschreibung scheint nicht ganz übertrieben zu sein; schon

Brautfahrt zum Hunnenkönige. 197

auch Westmarus und Colo mit ihren Söhnen an dieser Gesandtschaftsaufgabe teilnehmen, weil er hoffte, dass ihre List die Schmach einer Zurückweisung verhindern werde.

Diese brachen zusammen mit Götwara auf und wurden erst mit einem dreitägigen Mahle vom Könige der Hunnen bewirtet, ehe sie den Zweck ihrer Gesandtschaft vorbringen konnten. Denn es war von Alters her Brauch, so Gastfreunde zu empfangen. Als die drei Tage des Gelages verstrichen waren, trat die Königstochter selbst vor, um mit einer liebens- würdigen Ansprache die Gesandten zu begrüssen, und ihre anmutige Erscheinung steigerte nicht wenig die Festesfreude der Gäste. Als die Becher immer häufiger gefüllt wurden, enthüllte ihr Westmarus in einer ziemlich scherzhaften Rede den Inhalt ihres Auftrages, um den Sinn des Mädchens so durch eine Art freundlicher Unterhaltung zu erforschen, denn um sich keine Abweisung zu holen, zog er alle seine Reden ins Scherzhafte, und er erfüllte den Zweck der Botschaft, ' indem er es damit versuchte, kurzweilige Gespräche unter dem Beifalle der Zechgenossen zu führen. Sie aber sagte, sie verschmähe Frotho als einen Mann ohne Namen und Ruhm. Denn in alten Zeiten wurde keiner der Hand einer tu erlauchten Frau würdig erachtet, der sich nicht durch den Glanz hervorragender Thaten eine gewaltige Berühmtheit er- worben hatte. Der schlimmste Fehler an einem Freier war Thatenlosigkeit, und nichts wurde herber an einem Bewerber getadelt als Mangel an Bekanntheit. Der Besitz des Ruhmes i86 vermochte für sich allein Reichtümer an allen andern Dingen aufzuwiegen. Denn die Mädchen bewunderten nicht sowohl die äussere Schönheit ihrer Freier, als vielmehr deren Helden- thaten. Die Gesandten verzichteten nun voller Verzweiflung auf ihren Wunsch und überliessen einen weiteren Versuch Götwaras Klugheit. Diese suchte nun der Jungfrau nicht bloss mit Worten, sondern auch mit Liebestränken beizu- komraen*) und begann ihr zu versichern, dass Frotho seioe

aus alter Zeit sind uns aus Crräberfunden recht kunstvolle Schmuckstücke erhalten. Vgl. MüUer-Jiriczek, Nrd. Altertkde. passim.

*) Ueber Liebestränke, die überall vorkommen, vgl. bes. Grimm, Mythologie II, 8. 922.

198 Fünftes Buch.

^ linke Hand ebenso geschickt wie die rechte gebrauche*) und dass er eine ganz hervorragende Fertigkeit im Schwimmen und Fechten*) besitze. Durch einen Trank verwandelte sie auch wirklich die Sprudigkeit des Mädchens in Begierde und setzte Liebe und Leidenschaft an die Stelle der verschwinden- den Abneigung. Darauf forderte sie Westmarus und Colo mit ihren Söhnen auf, den König eifrigst anzugehen und aufs neue ihren Auftrag vorzubringen; wenn sie schliesslich doch Schwierigkeiten fänden, sollten sie einer Abweisung durch eine Herausforderung zum Kampfe zuvorkommen. ^)

Westmarus betrat nun mit seinen Bewaffneten die Königshalle und sagte: Entweder musst du nun unsere Bitte erfüllen oder uns, die Bittenden, im Kampfe angreifen. Wir haben es erkoren, lieber ehrenvoll zu sterben als unverrichteter Sache heimzukehren, damit wir nicht wegen unseres Miss- erfolges verachtet werden und, weil wir unser Ziel nicht erreicht haben, statt des erhofften Ruhmes das Gegenteil davontragen. Wenn du uns die Tochter weigerst, so erlaube den Kampf. Eins von beiden musst du gewähren. AVir wollen sterben oder uns er- hört sehen. Etwas wollen wir bei dir erreichen, wenn nicht Freude, dann Trauer. Frotho wird lieber unsernTod als eine Ab- weisung vernehmen. Ohne weiter zu sprechen, drohte er dem Könige das S(;hwert an die Kehle zu setzen. Dieser sagte zwar daiü^egen, es zieme sich nicht für die königliche Würde, dass der an Ehren höher Stehende sich zu einem solchen Kampfe herablasse, und Leute ungleichen Ranges dürften nicht auf einnn Streit eingehen, in dem sie als gleich da- stünden. AVestmarus aber Hess nichts in seiner Heraus- forderung nach, und der König erlaubte ihm zuletzt, den Sinn der Jungfrau selbst zu erforschen, da ja auch die Alten ihren Töchtern beim Schliessen der Ehe freie AVahl gelassen hätten.*) Der König schwankte nämlich in ängstlichem Zagen zwischen

^) Diose Fertij^'keit wurde sehr hoch ^«»schätzt; chnge Beispiele dafür aus der skuiidinavisehen Litteratur brin^rt Müller in seiner Ausgabe II, 145. ♦) Vj,rl. III, 109 Anm. 2.

■') Eini' ähnliche (tewaltmassrepel siehe bei Saxo VII, 254 (Holder). *) Vjfl. IIL 115 Anm. 1 u. Kfilund i. (Jrdr. III, 418 u. 420.

Endlicher Erfolg der Werbung. 199

der Furcht vor dem Kampf« und seinem Ehrgefühl. So war 187 nun West mar US auf die Herzensneiguhg des Mädchens an- gewiesen, und da er wusste, dass jede Frau ebenso wechselnd in ihren Ansichten, wie schwankend in ihren Entschlüssen ist, begann er um so zuversichtlicher an die Sache heranzutreten, jemehr Unbeständigkeit den Wünschen der Mädchen seiner Ueberzeugung nach innewohnte. Ihre mädchenhafte Einfach- 126 heit denn sie war ja ihrer eigenen Entscheidung über- lassen — und ihre Freiheit als AVeib, welcher mau durch ausgesuchte Liebenswürdigkeiten vschmeicheln musste, mehrten sein Vertrauen bei der Aufgabe und gaben seinem Bemühen Hoffnung; denn so war sie ja ebenso geeignet zur Verlockung wie geneigt zum Nachgeben. Der Vater folgte nun den Ge- sandten, um die Gesinnung seiner Tochter so um so sicherer kennen zu lernen. Jene war ja aber schon vorher durch die Wirksamkeit des geheimen Trankes von Liebe zu ihrem Freier erfüllt und sagte, sie erhoffe noch mehr von Frothos Gaben, als ihr sein jetziger Ruf verkünde; denn er leite ja seine Ab- stammung von einem erlauchten Vater her und die Natur pflege immer ihrer ursprünglichen Anlage zu folgen. Daher habe ihr der «Tüngling in Anbetracht nicht seines augenblick- lichen, sondern seines zukünftigen Ruhmes gefallen. Der Vater verwunderte sich über diese Rede, aber da er seine dem Mädchen gegebene Zusage nicht mehr zurücknehmen konnte, versprach er sie Frotho zur Ehe. Dann besorgte er eine reiche Ausstattung und beeilte sich, mit ihr unter präch- tigem Aufwände in Begleitung der Gesandten nach Dänemark zu gehen; denn er wusste, dass niemand besser als der Vater seine Tochter zur Hochzeit führen könnte. Frotho empfing seine Braut aufs freudigste, erwies der Würde seines zu- künftigen Schwiegervaters die höchste Ehre und entliess ihn igs nach Vollzug der Hochzeit unter reichen Geschenken an Gold und Silber.

Im Besitz der Ha nun da nun (so hiess die hunnische Königstochter) verlebte Frotho drei Jahre im blühendsten Frieden. Seine Genossen aber wurden infolge dieser Ruhe gar übermütig, und sie gaben der durch die Müsse ent-

200 Fünftes Buch.

stehenden Ausgelassenheit in den verruchtesten Verbrechen Ausdruck. Denn manche Leute zogen sie an Stricken in die Höhe und quälten sie, indem sie ihren Körper wie einen leicht beweglichen Ball in Peudelbewegung setzten. Anderen breiteten sie Bockshäute unter die Füsse, zogen dann an einer verborgenen Schnur und brachten sie so bei ihren un- sicheren Schritten auf dem schlüpfrigen Felle zu Falle. Andere entkleideten sie und zerfleischten sie mit zahlreichen Peitschen- hieben. Dann hängten sie w-elche mit Schlingen an Pflöcken auf und erdrosselten sie zum Vergnügen. Manchen versengten sie mit Fackeln Haupt- und Barthaar. Andere stellten sie über Feuer und verbrannten ihnen Schamhaare und Geschlechts- teile. Nur diejenigen Mädchen durften heiraten, deren Keusch- heit ihnen schon vorher zum Opfer gefallen war. Fremde Ankömmlinge warfen sie mit Knochen. ^) Andere zwangen sie zur Unmässigkeit und Hessen sie so lange trinken, bis sie platzten. Niemand durfte seine Tochter verheiraten, ohne vorher ihre Erlaubnis und Einwilligung erkauft zu haben. Kein Mann durfte eine Ehe eingehen, wenn er nicht vorher ihre Zustimmung erfeilscht hatte. Ausserdem verübten sie Thaten der zügellosesten Leidenschaft nicht nur an Jung- frauen, sondern auch allenthalben an vielen verheirateten Frauen. So stachelte eine doppelte Raserei diese Mischung von Wut und Ausgelassenheit. Fremden und Gästen wurde statt freundlicher Aufnahme Schmähung geboten. Soviel Spott und Qual wurde von diesen rucksic^htslosen Lüstlingen ausfindig gemacht, so sehr wurde die Frechheit unter dem Knabenkönige durch die Freiheit dazu genährt. Denn nichts fördert den Hang zum Sündigen so sehr als die Verzögerung der Rache und Strafe dafür. Diese schrankenlose Scham- losigkeit seiner Krieger hatte aber den König nicht nur bei den Fremden, sondern auch in seinem eigenen I^ande ver- 189 hasst gemacht. Denn die Dänen ertrugen nur mit Schmerz diese grausame und hochmütige Herrschaft. Grep aber be- gnügte sich nicht mit gewöhnlichen Liebschaften, sondern er

M Vjrl. II, <H) Anra. 8.

Kuchloses Treiben am Hofe. Grep. 201

ging SO weit in seiner Unverschämtheit, dass er sogar mit der Königin wollüstigen Umgang pflegte und ebenso treulos gegen den König wie gewaltthätig gegen die anderen wurde. All- mählich wuchs dann sein schlimmer Ruf, lautlosen Schrittes schlich der Verdacht seines Frevels weiter und ward eher dem Volke als dem König kund. Da nun Grep gegen alle, die nur die geringste Andeutung über die Sache machten, streng vorzugehen pflegte, so hatte er eine Anklage gegen ihn sehr gefahrvoll gemacht. Doch die Kunde von seinem Verbrechen wurde zuerst nur flüsternd verbreitet, später von deutlicheren Gerüchten aufgenommen. Denn für Mitwissende ist es schwer, das Verbrechen eines anderen zu verbergen. Gunwara hatte manchen Freier. Grep versuchte daher, sich durch heimliche Rnnke für seine Zurückweisung zu rächen, und verlangte das Recht, die Freier abzuschätzen, indem er versicherte, das Mädchen dürfe nur eine ganz vorzügliche Partie machen. Er verheimlichte aber seinen Zorn, damit es nicht den Anschein erwecke, als habe er aus Hass gegen die Jungfrau nacli diesem Amte getrachtet. Auf diese Bitte ge- stattete ihm auch der König, die Verdienste der Jünglinge abzuwägen. So versammelte er denn zunächst alle Freier Gunwaras unter dem Verwände eines Gastmahls, hieb ihnen dann die Köpfe ab und umgab damit das Gemach, in dem die Jungfrau wohnte ein grausames Schauspiel für die andern. Das that jedoch seiner Beliebtheit bei Frotho keinen Abbruch, dass er etwa deswegen weniger seine Vertrauens- stellung behauptet hätte. Er setzte nämlich noch fest, dass die Erlaubnis, den König zu besuchen, für Geld eingeholt werden müsse, und er verkündete, dass keiner eine Unter- redung mit ihm haben werde, der nicht vorher Geschenke bringe. Denn er sagte, Zutritt zu einem so grossen Fürsten sei nicht nach altem, gewöhnlichem Brauche zu erlangen, sondern nur nach ehrgeizigen Bemühungen. Auf diese Weise wollte er durch vorgeschützte Anhänglichkeit an den König seine schmähliche Grausamkeit beschönigen. Das so gereizte Volk nährte die Klage über seine Unterdrückung nur in stillen Seufzern. Niemand hatte den Mut, öfl^entlich Anklage

202 Fünftes Buch.

Über diese Zeit des Elends zu ^^rheben, niemaud wollte es wagen, offen Beschwerde über die hereingebrochene Schmach

190 vorzubringen. Innerlicher Schmerz wühlte in den Herzen aller und zwar um so heftiger, je verborgener er war.

Als dies Götarus, der König von Norwegen, vernahm,

127 berief er eine Versammlung seiner Krieger und berichtete, dass die Dänen gegen ihren eigenen König Widerwillen hegten und im Falle der Gelegenheit dazu sich einen anderen wünschten. ^) Er habe sich entschlossen, sein Heer dorthin zu führen, denn leicht könne Dänemark besetzt werden, wenn man es mit Waffengewalt angreife. Prot hos Herrschaft über sein Land sei ja ebenso habgierig wie grausam. Da erhob sich Ericus und suchte ihn durch Gegengründe davon abzubringen, indem er sagte :^) Wir erinnern uns, da^üs die- jenigen, welche nach den Gütern Fremder streben, gar oft ihrer eigenen beraubt werden*. Häufig hat schon beides ver- loren, wer nach zweierlei verlangte*. Das muss ein sehr starker Raubvogel sein, der den Klauen eines andern eine Beute zu entreissen begehrt*. Die inneren Zwistigkeiten des Landes ermutigen dich umsonst; denn die Ankunft der Feinde beseitigt sie meistens. Wenn auch jetzt die Dänen scheinbar geteilter Meinung sind, so werden sie doch sogleich einmütig den Feind empfangen. Die Wölfe bringen die Schweine zur Eintracht, wenn sie sich auch eben noch heftig stritten*. Jeder zieht einen einheimischen Fürsten einem fremden vor. Jede Provinz dient treuer einem eingeborenen Könige als einem Neuankömmling. Frotho wird dich ja nicht zu Hause er- warten, sondern im Felde deiner Ankunft entgegen treten. Adler kratzen einander mit den Fängen*, Vögel kämpfen Stirn

*) Hier beg^innt die n orwepi sc h c Erichssage, deren Grundgedanke die Erweckiing des jungen, schlatfen Königs zur That kraft ist: eng damit verbunden ist die Liebesgeschichte. Vgl. Olrik II, S. 48 ff.

*) Fast alle Reden Erichs setzen sich beinahe völlig aus Sprich- wörtern oder sprichwörtlichen Redensarten zusammen. In Müllers Aus- gabe ist der Versuch gemacht, die skandinavischen Entsprechungen (alte «»der neue) dazu festzustellen; da deutsche nur verhältnismässig selten sind, begnügen wir uns, die betreffenden Sätze durch ein Sternchen (*) am Schlüsse zu bezeichnen. - Ueber Sprichwörter vgl. AVeinhold S. 325.

Des Oötarus Kriegsgelüste. Ericus. 203

gegen Stirn*. Du weisst selbst, dass der Blick eines weisen 191 Mannes niemals zur Reue Anlass geben darf*. Reichlich bist du von Vornehmen umgeben. Deine Ruhe möge dir bleiben. Durch andere kannst du genau deine Fähigkeit zum Krieg- führen feststellen. Möge erst dein Heer das Kriegsglück er- proben. Sorge du nur im Frieden für deine eigene Sicherheit, und schiebe die Gefahr dieses Unternehmens einem andern zu. Es ist besser, dass ein Diener zu Grunde gehe als der Herr. Wie dem Schmiede die Zange, so diene dir dein Unter- gebener. Jener verhütet durch das eiserne Gerät ein Ver- sengen seiner Hand und verhindert, dass er sich die Finger verbrennt*. Lerne auch du mit Hilfe der deinigen dich schonen und für dein Wohl sorgen. So sprach Ericus. Bisher hatte ihn Götarus für einen unbedeutenden Mann gehalten und wunderte sich jetzt höchlich, dass er das Gefuge seiner Rede mit so auserlesenen und wertvollen Sprichwörtern durch- webt hatte. Daher gab er ihm auch den Namen des Bered- samen;^) denn er meinte, seine hervorragende Begabung müsse mit einer solchen Bezeichnung geehrt werden. Bis dahin hatte nämlich des Ericus Bruder Rollern s den Ruf des Jünglings durch seinen eigenen glänzenden Ruhm gänzlich in den Schatten gestellt. Ericus bat nun, der gütigen Namengebung auch eine Gabe folgen zu lassen, indem er er- 192 klärte, die Verleihung eines Titels müsse durch die Hinzu- fügung eines Geschenkes empfohlen werden^). Der König schenkte ihm also ein Schiff, welches die Ruderer Scröter*) nannten. Ericus und Rolle rus waren aber die Söhne eines Fechters Regnerus, Kinder desselben Vaters, aber von ver- schiedenen Müttern geboren. Des Rollerus Mutter, zugleich des Ericus Stiefmutter, hiess Craca. *)

*) Lat. Disertus, anrd. hinn malspaki; in dänischen Quellen ausser Saxo ist diese Persönlichkeit völlig' unbekannt.

«) Als nafnfestr. S. II, S. 92 Anm. 4 und Olrik L 63.

*) Anrd. Skrauti, gehört wohl zum Verbum skreyta = schmücken. Dieses Schiff wird übrigens in der Sage noch zwei andern (isländischen) Helden zugeschrieben, Halfdan Brönufostre und Sörli dem Starken. Ueber Eigennamen der Schiffe vgl. Weinhold S. 130 ff.

*) D. h. Krähe, anrd. kraka.

204 Fünftes Buch.

Mit Götarus' Erlaubnis erhielt nun ein gewisser Rafnus ^) 128 die Aufgabe, die Dänen in einem Raubzuge zur See anzu- greifen. Ihm trat Oddo entgegen, der damals in Dänemark die höchste Machtstelle im Seewesen inne hatte, ^) ein Mann, so zauberkundig, dass er ohne Schiff über das Meer hinstreifen konnte und oft feindliche Fahrzeuge durch Stürme zerstörte, die er durch eine Beschwörung erregte. Um sich nicht dazu herabzulassen, mit den Seeräubern seine Kräfte zu messen, pflegte er die Fluten durch einen bösen Zauber aufzuwühlen und so einen Schiffbruch seiner Gegner herbeizuführen. So feindselig dieser Mann den Kaufleuten war, so mild war er zu den Landleuten; denn er betrachtete die Waren nicht mit derselben Achtung wie die Pflugschar, und er schätzte die Ammtt lättdlkjher Arbeiten höher als das Bemühen nach einem schmutzigen Gewinn. Als er nun den Kampf mit den Nor- wegern begann, stumpfte er den Blick seiner Feinde so durch die Kraft seiner Zaubersprüche, dass sie glaubten, die ge- zückten Schwerter der Dänen würfen aus der Ferne Strahlen und funkelten wie in Flammen. Uebrigens waren ihre Aupen so geblendet, dass sie nicht einmal ein aus der Scheide ge- zogenes Schwert wahrnehmen konnten. Ihr Heer wurde also durch den Glanz besiegt, da es unfähig war, das zauberische 193 Flimmern zu ertragen. So wurde Rafnus mit einem grossen Teile der Seinigen erschlagen, und nur sechs Schiffe entkamen nach Norwegen, um dem Könige den Beweis zu bringen, dass die Dänen doch nicht so leicht zu vernichten seien. Diese berichteten auch, dass Frotho nur gestützt auf die Hilfe seiner Kämpen, aber gegen den Willen seines Volkes herrsche, da sich seine Regierung in Tyrannei verwandelt habe.

Da nun Roll er us immer Lust hatte, Fremdes zu er- kunden und Unbekanntes kennen zu lernen, so gelobte er, um dieses Gerücht zu prüfen, wolle er sich die persönliche Freundschaft Frothos gewinnen. Ericus aber versicherte, wenn er sich auch durch seine Körperkraft auszeichne, so

*) I). h. Habe, anrd. hrafn.

*) S. oben S. 194, wo er Hoddo heisst.

Niederlage des Kafnus. Plan des RoUerus und Ericus. 205

habe er doch sehr unbesonnen dieses Gelübde ausgesprochen. Da er aber zuletzt sah, dass er in hartnäckigster Ausdauer auf seinem Beschlüsse beharrte, so verpflichtete er sich durch Äblegung eines ähnlichen Gelübdes. Der König versprach ihnen auch diejenigen Begleiter zu gewähren, die sie sich erwählen würden. Die Brüder beschlossen nun, zuerst ihren Vater anzugehen und sich Vorräte und Hilfsmittel für eine so lange Reise zu erbitten. Väterlich wurden sie von ihm empfangen, und am folgenden Tage führte man sie in einen Hain, um sich das Kleinvieh anzusehen; denn der Alte war reich an Herden. Es wurden ihnen auch die Schätze eröffnet, welche seit langem Höhlen in der Erde unter ihrem Ver- schlusse geborgen gehalten hatten; und sie erhielten die Er- laubnis, sich davon anzueignen, was ihnen gefiel. Diese Gabe wurde ebenso gern angeboten wie angenommen. So holten sie denn die Schätze aus der Erde herauf und nahmen mit, was ihnen behagte. Die Ruderer ruhten sich indessen aus oder übten sich im Werfen von schweren Massen. Andere stählten ihren Körper durch Springen, manche durch Laufen; 129 diese erprobten ihre Kräfte im Schleudern grosser Steine, jene wetteiferten im Bogenspannen und -schiessen. So sorgten sie durch die verschiedensten Uebungen für die Stärkung ihrer Kraft. Manche pflegten auch nach einem Trünke der Ruhe und des Schlafes. Darauf wurde RoUerus von seinem Vater geschickt, um nachzusehen, was zu Hause vorgegangen sei. Als er nun wahrnahm, dass die Hütte seiner Mutter rauchte, trat er an die Thür, näherte sein Auge ganz heimlich einem kleinen Spalt und bemerkte beim Ueberblicken des Gemaches, wie seine Mutter eine gekochte Speise in einem unförmigen Gefässe umrührte. Ausserdem sah er aber drei Schlangen an einem dünnen Faden darüber aufgehängt, aus deren Mäulem der Geifer herabfloss und tropfenweise das Mahl befeuchtete. ^) Zwei von den Schlangen waren pech- schwarz, die dritte schien weissgeschuppt und hing etwas

^) £a handelt sich also um eine ganz ähnliche Speise wie in der Geschichte des Hödr und Baldr; vgl. III S. 123.

"^

'206 Fünftes Buch.

höher als die audera. Diese trug auch die Schliuge am Schwänze, wilhrend jene von einem um den Bauch gesclitun-

194 genen Faden gehalten wurden. Rullerus hielt dies nun zwar für ein sündhaftes Treiben, versehwieg aber das Oeselieue, um Dicht iit den Verdacht zu kommen, als bezichtige er geine Mutter der Giftmischerei, Denn er wusste nicht, dass die Natur dieser Schlangen gaoz harmlos war, und ahnte auch nicht, welch grosse Kraft durch diese Speise geweckt werden könnte. Dann kamen Regnerus und Ericuß hinzu, und als sie die Hütte rauchen sahen, traten sie ein und begaben sich auf den Platz zum Esuen. Als sie bei Tische sassen und der Sohn und Stiefsohn zugleich nach Speise verlangten, trug ihnen Craca eine kleine Schflssel eines verschieden gefärbten Gerichts auf. Ein Teil war nämticb schwarz, aber mit gelben Flecken dazwischen, ein Teil schien weisslich. Denn nach dem verschiedenen Aeusseren der Schlangen hatte auch der Brei eine doppelte Farbe erhalten. Als nun jeder nur einen Bisseil gekostet hatte, schätzte Ericus das Gericht nicht nach der äusserlichen Färbung, sondern nach der inneren Kraft- wirkung und drehte schnell die Schüssel um. sodass er den schwarzen Teil, der mit wirksameren Säften zugerichtet war, zu sich heran zog, während er den weissen, der zuerst vor ihm gestaiiilen hatte, Kollerus zuschob; so hatte er den grösseren Vorteil von dem Mahle. Damit nun nicht die Absicht bei der Veränderung bemerkt würde, sagte er, dass ganz ebenso bei brandendem Meere der Vordersteven die Stelle des Hinterstevens einzunehmen pflege*. Die Schlauheit dieses Mannes war doch nicht klein, da er zur Verhüllung seiner Absicht ein Gleichnis vom Schiffe ber/tinehmeu wus.<te. Gestärkt durch dieses glückbringende Mahl gelangte nun F.rii-\is durch die innere Wirksamkeit desselben zur höchsten Miilc menschlicher Weisheit. Denn die Kraft dieser Speise er/i'Ugte in ihm eine ganz unglaubliche Fülle von Kenutnissfu, siidass er sogar die Stimmen der wilden Tiere und des Iknlenviehes zu deuten verstand. Er war nicht nur aller unTi.irhlicheii Angelegenheiten kundig, sondern er wusste

^k-aucli die l.aute der Tiere auf die sie verursachenden be-

Die Schlange nspeise. Aufbruch. 207

stimmten Gefühle zurückzuführen. ^) Ausserdem verfügte er 180 über eine so ausgebildete und kunstvolle Redegabe, dass er alles, was er immer zu erörtern wünschte, beständig mit Anmut und witzigen Sprichwörtern schmückte. Als aber Craca hinzukam und bemerkte, dass die Schale herumgedreht 195 und der wirksamere Teil des Breies von Ericus verzehrt war, da ärgerte sie sich, dass das ihrem Sohne bestimmte Glück ihrem Stiefsohn zugefallen war. Seufzend begann sie ihn nun gleich anzuflehen, dass er niemals seinem Bruder seine Hilfe versage, dessen leibliche Mutter ihn ja mit einer solchen Fülle unerhörten Glückes überhäuft habe. Denn durch den schlauen Genuss dieses einen Gerichts habe er offenbar nicht nur die Krone der Vernunft und Beredsamkeit erreicht, sondern auch die Gabe, alle Kämpfe mit Erfolg zu bestehen. Sie fügte noch hinzu, dass Rollerus ein hohes Mass Ver- stand besitze und wohl den Verlust des ihm bestimmten Mahles nicht weiter vermissen werde. Sie erinnerte ihn auch, dass er sich im Falle zwingendster Notwendigkeit durch Nennung ihres Namens schnell Hilfe erbitten könne; denn sie versicherte, sie werde teilweise von einer göttlichen Kraft unterstützt und verfüge über eine ihr innewohnende Macht, die der der Himmlischen einigermassen verwandt sei. Ericus aber sagte, die Natur treibe ihn schon dazu, seinem Bruder beizustehen, und das sei ein schlimmer Vogel, der sein eigenes Nest beflecke*. Craca aber kränkte vielmehr ihre eigene Unvorsichtigkeit, als dass ihr das Missgeschick ihres Sohnes nahe ging; denn wenn sich ein Ränkeschmied in seiner eigenen Schlinge fing, so war das in alter Zeit ein Grund zur grössten Scham.

Darauf begleitete sie selbst in Gesellschaft ihres Mannes die Brüder, die abreisen wollten, ans Meer. Diese bestiegen nur ein einziges Schift', nahmen sich aber dann noch zwei andere mit. Schon waren sie dem dänischen Strande ganz nahe, als sie beim Kundschaften bemerkten, dass sieben

*) £benso versteht Sigurd (Siegfried) die Sprache der Vögel, als er des Drachen Fafnir Herz gegessen. S. das Lied von Fafnir, Prosa nach Str. 31 = Gerings Edda S. 207 u. Anm. 3.

208 Fünfte* Buch.

Schiffe ganz in ihrer Nähe Tor Anker lagen. Darauf schickte Kricii8 zwei von seinen Leuten, die dänisch verstanden, ohne

IM Kleider dorthin; sie sollten sich zur Einziehung genauerer Kunde zum Scheine bei Oddo beklagen, dass Ericus die Ursache ihrer Nacktheit sei, ^) und dann ihre vorsichtig er- worbenen Nachrichten zurückmelden. Sie wurden auch bei Oddo ganz zutraulich aufgenommen und spurten mit ge- spitzten Ohren den ganzen Plan des Feldherrn aus. Er hatte nämlich beschlossen, in der Morgendämmerung die Feinde unversehens anzugreifen, um sie noch in ihren Nachtgewändern desto schneller niederzumetzeln; denn er behauptete, dass zu dieser Tageszeit die Menschen am verblüfftesten und schwer- fälligsten zu sein pflegten. Er Hess auch seine Schiffe mit Steinen, die zum Werfen geeignet waren, belasten und be- schleunigte so die Ursache seines Verderbens. Denn die Kundschafter machten sich früh in der Nacht davon, meldeten, dass Oddo alle seine Schiffe mit Wurfsteinen gefüllt habe und berichteten auch, was sie sonst gehört hatten. Sobald

181 dies Ericus vernahm, glaubte er in Anbetracht der Kleinheit seiner Flotte die Fluten zum Verderben der Feinde in An- spruch nehmen und sich ihres Beistandes dabei versichern zu müssen. Daher bestieg er ein Boot, fuhr unter ganz leisem Rudern nahe an die feindlichen Schiffe heran, bohrte die Planken unmittelbar an der Wasserfläche heimlich an') und machte sich dann auf den Rückweg, wobei das Rudern kaum einen Laut erregte. Er hatte sich so in Acht genommen, dass keine einzige Wache seine Ankunft oder Abfahrt be- meikte. Noch während er unterwegs war, brachten die durch die jjöcher eindringenden Wogen allmählich Oddos Schiffe zum Sinken, und wie sich das Wasser in ihnen immer mehr ansammelte, schienen sie in der Tiefe zu verschwinden. Auch (las Gewicht der Steine inwendig trug nicht wenig zum

197 l'nterijange bei. Schon bespülten die Fluten die Ruderbänke,

M iMoM* \as\ orinnort an .Sehnliches aus dem Altertum, i. B. die !*ist »los Z«»|\\nis hei KinnHhme von Babylon (Herodot 111, 154 ff.).

^ S. liioHolho l.ist H»iiilintfs B. I. r>2 und Fn>thos L B. II. 61.

Des Ericus Seesieg über Oddo: Rückzug. 209

und das Meer reichte schon bis an die Sitze, da bemerkte Oddo, dass seine Schifte bereits dem Meeresspiegel gleich ständen und gebot, das masslos eindringende Wasser mit Krügen auszuschöpfen. Während nun so die Bemannung beschäftigt war, die sinkenden Teile ihrer Flotte gegen das Einströmen der Wogen zn schützen, da erschien auch der Feind ganz in der Nähe. Wenn sie nun zu den Waft'en grifl'en, so drohte der Strudel immer gefährlicher, und wenn sie sich zum Kampfe rüsten wollten, so mussten sie dabei schwimmen. Für Ericus stritten also die Wellen, nicht seine Waften. Es focht für ihn das Meer, dem er selbst die Möglichkeit und die Kraft zum Schaden gewährt hatte. Ericus bestand so, von den Fluten mehr als vom Eisen begünstigt, unter wirksamer Beihilfe der Gewässer, scheinbar ohne persön- lich dabei zu sein, diesen Kampf und holte sich Unterstützung beim Meere. Sieg krönte seine List. Denn die von den Wogen überströmten Schifte waren nicht mehr fähig, ein Gefecht aufzunehmen. So fiel Oddo mit seinen Genossen, die Posten wurden gefangen und keiner soll entronnen sein, die Niederlage zu melden.

Als nun Ericus diesen Handstreich ausgeführt hatte, beschleunigte er seineu Rückzug und legte an der Insel Lessö^) an. Da man «lort nichts fand, um den Hunger zu stillen, entsandte er zwei Schiffe mit der Beute nach Hause, um Vorräte für noch ein Jahr zu bringen. Er selbst suchte auf dem einzig ihm gebliebenen nach Gelegenheit, den König aufzusuchen. Als sie nun Seeland betraten, zerstreuten sich die Schiffer am Gestade und begannen das Herdenvieh zu erschlagen. Jetzt musste man nämlich entweder den Hunger stillen oder aus Mangel zu Grunde gehen. Als sie die Tiere getötet, zogen sie das Fell ab und warfen die nackten Leiber aufs Schift'. Sobald dies nun die Besitzer der Herde bemerkten, beeilten sie sich, die Räuber mit einer Flotte zu verfolgen. Da aber Ericus wahrnahm, dass die Eigentümer des Viehes nach ihm fahndeten, Hess er die

*) Jetzt Läsö im nördlichen Kattegat. S.1XO Graramaticus. 14

210 Fünftes Buch.

Leiber der getöteten Rinder an bezeichnete Stricke binden und sie in den Finten verbergen. Als nun die Seeländer herankamen, gewährte er ihnen die Erlaubnis, nachzusehen^ ob etwas von dem gesuchten Fleische bei ihm wäre, und

182 versicherte, die Räume im Schiffe seien doch zu eng, um etwas darin zu verstecken. Jene fanden nirgends etwas von dem Fleische, wandten ihren Verdacht auf andere Leute und hielten die an dem Diebstahl Schuldigen für unschuldig. Da keine Spuren von dem Raube vorhanden waren, meinten sie,

198 andere hätten ihnen diesen Schaden zugefugt, und verziehen den Thätem. Als sie wegfuhren, Hess Ericus das Fleisch wieder aus dem Wasser heraus- und an Bord holen.

Unterdessen erfuhr Frotho, dass Oddo mit den Seinigen umgekommen sei. Denn wenn man auch den Urheber der That nicht kannte, so hatte doch ein schnell sich verbreitendes Gerücht die Kunde von der Niederlage weitergetragen. Einige behaupteten sogar, sie hätten drei Segel auf das Gestade zu- treiben und dann wieder nach Norden sich entfernen sehen. Da lief Ericus in einen Hafen ein, in dessen Nähe sich Frotho aufhielt. Sowie er aber den Fuss aus dem Schiffe setzte, strauchelte er unversehens und berührte im Sturze mit seinem Körper die Erde. Er sah aber in diesem Falle ein gutes Vorzeichen *) und prophezeite nach dem ungünstigen Anfange einen besseren Verlauf für die Zukunft. Sobald Grep seiner Ankunft gewiss war, eilte er schleunigst ans Meer, um den Mann, der, wie er hörte, vor allen andern durch Beredsamkeit sich auszeichnete, mit auserlesenen und scharfen Worten anzugreifen ^). Denn er übertraf alle durch den leb-

*) Ein skandinavisches Sprichwort heisst : FaU er forar heill , d. i. Ein Fall bedeutet Reiseglück. Könijr Harald hardradi soll es 10H6 in der Schlacht bei StanitV)r(l!)ridge ausgesprochen haben. (Aehnliches wird auch von (^aesar bei der Landung in Afrika, von Wilhelm d. Eroberer beim Betreten Englands u. von Olaf d. Heiligen beim Betreten Norwegens

berichtet.)

*) Eft handelt sich also um einen vorbedachten, beabsichtigten Wort- •ilreit : vgl. die in II. S. 87 Anni. 2 angegebene Litteratur und besonder* noch eins Lie<l von Harbard = (icrings Edda S. 42. Das Streitgespr&ch hat Haxo gewinn in poetischer Form vorgelogen.

Ericus' List; sein Wortstreit mit Grep. 211

haften Schwall seiner nicht gerade wohlgesetzten aber frechen Reden. So begann er auch hier den Streit mit einer Schmähung und fiel mit folgenden Worten über Ericus her:

Grep: „Thor, wer bist du? Welch eitles Beginnen hast du vor? Sage, woher und wohin geht die Reise? Was ist dein Weg, dein Vorhaben? Wer ist dein V^ater, woher kommst du? Denjenigen wohnt die vorzüglichste Kraft inne, die nie 199 ihren Wohnsitz verliessen; stätig ist das Heim der Könige^). Denn nur wenigen ist genehm, was der schlechteste Mann vollbringt, und selten nur pflegen die Thaten eines Verhassten zu gefallen."

Ericus: „Regno^) ist mein Vater, meine Kunst ist die Beredsamkeit, immer habe ich die Tugend geliebt. Weise zu sein war mein einziger Wunsch. Verschiedene Sitten habe ich durchmustert, gar manchen Weg bin ich über die Erde hingewandert. Ein thörichter Sinn weiss nie Maass zu halten,* schimpflich und zügellos in seinem Begeliren. Der Gebrauch der Segel ist besser als das Führen der Ruder ^). Der Wind 200 peitscht die Wogen, ein gar trauriger Hauch streicht über das Land. Denn die Ruder durchziehen das Meer, die Lüge 188

*) Das ist A-ielleicht der Sinn der schwierigen und dunklen Verse:

Precipuus vigor iis, regumque domesticus est lar, Qui proprias nunquam deseruere domos.

Unsere Uebersetzung fasst .lar' übertragen als Heim (ursprüngl. = Herd), fdomesticus' prädikativ in der Bedeutung häuslich (d. i. stätig). Andere erklären ,Lar^ als Schutzgeist = nrd. fylgja oder hamingja, wonach £lton übersetzt: The Luck of kings is their houscluck. Vedels Uebersetzung achliesst sich der ersten Auffassung an: er sagt (S. LXXXVIII): „Lvcksalige oc duclige mend ere de som bliffve hos deres egen Lands Herre / oc icke forlade deris eget Hus oc Hiem."

*) Nur des Versmasses wegen scheint hier diese Form für die frühere Rcgnerus eingetreten zu sein.

•) Dieses Wort bezieht sich vielleicht auf einen bedeutungsvollen Umschwung in der Schiffahrt, ^och zu Tacitus' Zeiten kannten die Schweden keine Segclfahrzeuge , und auch den Riesen wird in der Sage nur die Kenntnis des Ruderns zugeschrieben. Die Erfindung der Segel bedeutet also einen grossen Fortschritt. S. Weinhold S. 129.

14*

212 Fünftes Buch.

die Erde ; diese kann bekanntlich durch den Mund, jenes aber durch die Faust bezwungen werden ^).^

Grep: „Wie der Hahn von Schmutz, so giltst du voll von Zanksucht; du stinkst hässlich nach Unrat und riechst nur nach Verbrechen. Unnötig ist's, gegen einen Narren seine Sache weiterzuführen, dessen Stärke nur in nichtssagender Zungenfertigkeit besteht."

Ericus: ^Beim Hercules, wenn ich mich nicht täusche, 201 so pflegt schmähliche Rede auf den, der sie vorbrachte, zurück- zufallen.* Mit gerechtem Bemühen pflegen die Götter allzu thörichte Worte auf den Sprecher zurückprallen zu lassen.* Sobald man einmal die erst noch undeutlichen Ohren eines Wolfes deutlich erkannt hat, da, glaubt man, muss auch der Wolf selbst in der Nähe sein.* Keine Treue braucht man, wie es heisst, einem treulosen Manne gegenüber zu halten,* den das Gerücht des Verrates bezichtigt.'*

Grep: „Für deine unbesonnenen Worte wirst du gar bald Strafe leiden, du unverschämter Bube, du unstäter Uhu, du Nachteule im Finstern. Wa^j du jetzt in deinem Wahn- sinn hervorbringst, wirst du bedauern, dass du es gesprochen; juit deinem Leben wirst du für deine schamlosen Reden büssen. Als Leiche wirst du mit deinem blutlosen Körper die Raben letzen, ein Frass für die wilden Tiere, eine Beute der gierigen Raubvögel."

Ericus: „Verheissungeu der Feiglinge und beharrliches UebelwoUen haben sich nie in den würdigen Grenzen gehalten.* Wer seinen Herrn täuscht, wer gemeine Ränke schmiedet, wird ebenso sich selber wie seinen Freunden gefährlich sein.* Wer in seinem Hause einen Wolf aufzieht, der ernährt sich.

*) Diese beiden Sätze sind uueh nicht j^anz klar. Der Sinn des ersten ist : Die Lüj/e (oder Verlennuluno^) auf dem Lande ist ebenso jfC- fiihrlieh und schädlich wie der Sturm auf dem Meere. Der zweite (nach dem Semikolon) ist kaum ii)>ersetzl)ar: er heisst: Istas [terras] ore premi eonstat, at illa [t'reta] manu. Er vergleicht die 3Iacht der Lüf^c und des Meeres. Durch die Liig^e (ore) werden Länder unterjocht, durch an- pe>trenptes Hudern (manu) kann man das Meer bezwingen. Der (tc- daiike ist nicht logisch durchi^eführt, und die Schwierigkeit ist noch durch deu beabsichtigten Do|>pelsinn von ,premere* erhöht.

Greps Niederlage im Wortkampfe; sein Racheplan. 213

wie es heisst, einen Räuber für sein eigenes Heim und sein Verderben".*

Grep: „Nicht habe ich die Königin, wie du meinst, ver- raten, sondern, ich war der Schutzer ihrer zarten Jugend. Dieser Umstand mehrte mein Vermögen, ihre Gnade gewährte mir 184 zuerst Geschenke und Macht, Reichtum und Ansehen im Rate." 202

Ericus: „Siehe, deine schuldbewusste Fürsorge verrät dich ^) ; sicherer ist der Freimut des Mannes, dessen Sinn un- befleckt geblieben.* Wer sich einen Sklaven zum Freunde wählt, wird betrogen ;* gar oft pflegt der Diener seinem Herrn zu schaden."*

Da sah sich nun Grep von seiner Fertigkeit im Antworten im Stiche gelassen, gab seinem Rosse die Sporen und sprengte davon. Zu Hause kaum angelangt, erfüllt er die Königshalle mit heftigem, aufgeregtem Geschrei, wehklagt, dass er im Wortgefechte besiegt sei, und ruft das ganze Heer unter die Waffen, gleich als wolle er sieh mit der Faust für den un- glücklichen Wortkampf rächen. Er schwor, er wolle der Feinde Heer den Klauen der Adler vorwerfen. Der König mahnte ihn indessen, er solle seiner Wut Raum zur Ueber- legung geben; unbesonnene Entschlüsse brächten meistens Schaden.* Nichts könne man zu gleicher Zeit vorsichtig und rasch ausführen.* Ueberstürzte Pläne seien meistens nach- teilig;* endlich dürfe man auch nicht wenige Leute mit einer Uebermacht angreifen. Uebrigens sei der ein kluger Mann, der seinem aufgeregten Geraüte Zügel anzulegen verstünde und einen Wutanfall bei Zeiten unterbräche. So nötigte der König den jähen Zorn des Jünglings der Einsicht zu weichen. Aber er vermochte doch nicht die Gereiztheit seines auf- geregten Sinnes so völlig zur Selbstbeherrschung zu bewegen, 203 dass nicht dieser Kämpe im Wortgefecht aus Beschämung über den allzu unglücklichen Ausgang seines Gezänkes und bei der Unmöglichkeit einer Rache mit den Wafl^en doch wenigstens verlangt hätte, zu seiner Genugthuung von seiner Zauberei Gebrauch machen zu dürfen.

*) Denn Grep bezog den allgemeinen, sprichwörtlichen Ausspruch in Erichs letzter Kede auf sich selbst und glaubte sich in seinem schlechten Gewissen in seiner letzten Strophe verteidigen zu müssen.

2U Fünftes Buch.

Als ihm (lies gestattet wurde, rüstete er sieh, mit einer auserlesenen Schar von Zauberern den Strand wieder zu ge- winnen. Zuerst opferten sie den Göttern ein Pferd, schnitten ihm dann den Kopf ab, steckten ihn auf eine Stange und sperrten ihm durch dazwischen gespreizte Stäbe das Maul auf, in der Hoffnung, sie würden gleich die ersten Unter- nehmungen des Ericus durch das Grauen vor diesem gräss- lichen Schauspiel vereiteln^). Er glaubte nämlich, der un- gebildete Sinn der Barbaren werde vor dem schrecklichen Anblick des Pferdekopfes zurückbeben. Ericus war nun wirklich schon auf dem Wege ihnen entgegen. Als er nun von ferne den Schädel sah, erkannte er den Sinn dieser scheusslichen Zurüstung, befahl seinen Gefährten zu schweigen und sich sehr in acht zu nehmen, dass ja keiner unbesonnen ein Wort laut werden lasse, damit sie nicht durch unvor- sichtiges Sprechen der Zauberei günstigen Boden bereiteten: wenn es nötig sei, zu reden, so werde er, fügte er hinzu«, für alle das Wort ergreifen. Schon trennte die beiden Parteien nur noch der Fluss, welcher zwischen ihnen floss, als die Zauberer, um Ericus vom Betreten der Brücke abzuschrecken, 185 die Stange, auf der sie den Pferdekopf befestigt hatten, ganz nahe an dem Strome aufstellten. Jener beschritt nichtsdesto- weniger unerschrocken die Brücke und sagte : Auf den Träger falle das schlimme Geschick, das er trägt, zurück; uns sei ein besserer Erfolg beschieden I üebel ergehe es den Zauberern; auf ihren Träger stürze die Last zu seinem Unheil; uns möge ein besseres \^ orzeichen Glück bringen! Und es kam wirk- lich nicht anders als er gewünscht. Denn sogleich kam der Kopf ins Wanken und der stürzende Pfahl erschlug den Träger. So verschwand die ganze Zurüstung der Zauberer wirkungs- los auf das Geheiss einer einzigen Verwünschung^).

*) Das ist eino sogenannte Xeidstan^c (nidstönj;), wodurch man dem- jenijfen alles Schlimme zuwenden wollte, den der Kopf ansah. Vgl. Weinhold 8. 2^*H, E. H. >[eyer Ö. 106.

') Ein treffliches Beispiel fiir die Zauherkrafl des blossen Wortes, di<» oft gn'jsser ist als die aller möglichen Hilfsmittel und Zurüstungen.

Der unwirksame Zauber; Ericus' Empfang bei Hofe. 215

Als nun Ericus etwas weiter zog, fiel ihm plötzlich ein, dass der König von den Ankömmlingen Geschenke erhalten müsste^). So hüllte er denn ein Stück Eis, das er gerade fand, sorglich in sein Gewand und bestimmte es als Gabe für den König. Sobald man nun zur Königshalle gelangte, ging er selbst zuerst hinein und hiess seinen Bruder ihm auf dem Fusse folgen. Schon aber hatten die Diener des Königs, um ihn gleich bei der Ankunft mit einem höhnischen Streiche zu empfangen, eine schlüpfrige Decke über die Schwelle gebreitet. Als Ericus sie betrat, ergriffen sie schnell die Schnur und zogen daran; und sie liätten den Eintreten- den zu Falle gebracht, wenn nicht Rollerus, dicht hinter ihm, seinen wankenden Bruder in seinen Armen aufgefangen hätte. Ericus rief da, halb schon gestürzt, aus, dessen Rücken 204 sei ungeschützt, der keinen Bruder habe.* Als dann Gun- wara sagte, der König hätte solche Streiche nicht erlauben dürfen, zieh er den Gesandten der Dummheit, der sich nicht vor Ränken zu hüten wisse ^). So nahm- er die Sorglosigkeit des Verspotteten als Entschuldigungsgrupd für den Spott.

In der Halle brannte ein Feuer, welches zu dem Stande der Jahreszeit gar wohl passte; denn es war bereits die Hälfte vom Winter verstrichen. Daran sassen in unter- schiedeneu Gruppen hier der König, dort seine Kämpen. Als sich Ericus diesen näherte, stiessen sie wie heulende Wölfe grässliche Laute aus. Der König machte diesem Lärm ein Ende und belehrte sie, dass in der Menschenbrust nicht die Stimmen wilder Tiere wohnen dürften. Ericus fügte noch hinzu, es sei der Brauch der Hunde, dass alle, wenn einer beginnt, ihr Gebell erhöben, denn alle verrieten durch ihr Benehmen ihren Ursprung, und jeder bekenne dadurch seine Art. Als ihn nun aber Colo, der Aufseher über die dem Könige gebrachten Geschenke, fragte, ob er nicht irgend eine Gabe mit sich führe, da holte er das Eisstück, das er in seinem Gewände verborgen hatte, hervor. Während er es

») S. oben S. 201.

*) Vgl. dazu die Sprüche Hars Str. 1 = Gerin jfs Edda S. 87.

016 Fünftes Buch.

diesem nun über das Herdfeuer hinreichte, warf er es absicht- lich in die Flammen, doch so, dass es aussah, als ob es den Händen des Empfängers entglitten wäre. Alle Anwesenden sahen deutlich das funkelnde Stuck und es schien ihnen, als ob flüssiges Metall ins Feuer gefallen wäre. Ericus be- hauptete, es sei durch die Ungeschicklichkeit des Empfängern heruntergeworfeu worden, und fragte, welche Strafe der Ver-

186 derber des Geschenkes verdiene. Der König ging nun die Königin um ihre Ansicht an. Diese riet, er solle nicht selbst die von ihm erlassene gesetzliche Bestimmung brechen, nach der die Verlierer der ihm überbrachten Geschenke mit dem Tode zu bestrafen wären. Auch die übrigen bestanden darauf, die durch das Gesetz bestimmte Strafe dürfe nicht erlassen

205 werden, und so Hess der König auf die Mahnung, das Todes- urteil als notwendig auszusprechen, Colo hängen.

Darauf begann Frotho Ericus folgendermassen anzu- reden: Du, der du dich so überhebst mit prunkenden Worten und mit prahlerisch schön klingenden Reden, sage, woher und weshalb du hierher gekommen bist^). Ericus: Von Rennesö^) kam ich und nahm meinen Sitz auf einem Steine. Frotho: Wohin du dich dann begeben hast, frage ich. - Ericus: Auf einem Balken falirend verliess ich den Stein, und öfter noch machte ich Halt bei einem solchen. Frotho: Ich möchte wissen, wohin du dann deinen Lauf gerichtet oder wo dich der Abend umfing. Ericus: Von dem Felsen aufbrechend kam ich zu einem Steiublock, und wiederum schlief ich auf einem Steine. Frotho: Da gab es ja dort eine reichliche Menge Steine. Ericus: (Jrösser noch ist die Menge des Sande.-«, die man weit und breit sieht').

*) Wiederum ein Streitgespräch, das zugleich Weisheitsprobe ist; «. oben Ö. 210 Aniii. 2. Den Sehlüssel zur Erklüruu^r der vielen dunklen und rätselhaften Stellen jjiebt Erich selbst am Schlüsse; der Anfang be- zieht sich aui seine Seefahrt und die nächtliche Rast an steinigem Strand.

*) Lie^ft in der 3Iündnnjf des Stavanjjerfjords an der Westküste des südlichen Norwegen.

*) Müller fflaubt hierin eine Anspielunp auf den (legensatz der san- digen dänischen und steini^ron norwegischen Küste sehen zu dürfen.

Gespräch zwischen Ericus und Frotho. 217

Frotho: Was dein Geschäft war, oder wohin du dich von dort wandtest, berichte. Ericus: Von dem Felsen auf- brechend, fand ich, wie mein Schiff dahinsegelte, einen Del- phin^). — Frotho: Da hast du etwas Neues gesagt, obgleich beides ja im Meere häufig ist; aber ich möchte gern wissen, wie dich dein Pfad dann weiter führte. Ericus: Von dem 206 Delphin kam ich zu einem Delphin. Frotho: Dort giebt es also eine grosse Schar Delphine. Ericus: Mehr noch schwimmen in den Wogen. Frotho: Ich möchte wessen, wohin dich deine mühselige Reise von den Delphinen ge- bracht hat. Ericus: Ich traf auf einen Baumstamm*). Frotho: Wohin begannst du dann deinen Weg zu lenken? Ericus: Von dem Stamme kam ich zu einem Baum. Frotho: Das war also ein ergiebiger Ort für Bäume, da du so oft die Wohnungen deiner Wirte mit dem Worte Baum- stamm bezeichnest. Ericus: Mehr noch giebts in den Wäldern. Frotho: Sage, wohin dich dann deine Spur führte. - Ericus: Wiederholt noch bin ich zu baumreichen Wäldern gelangt. Als ich aber dort ruhte, beleckten Wölfe, an Menschenleichen gesättigt, die äussersten Spitzen der Speere. D«)rt ward eine f^anze von der Kraft eines Königs geschleudert, Enkel des Fridlewus. ^) Frotho: In ungewissen Zweifeln stocke ich in diesem Streite, da du meine Einsicht durch gar dunkle Rätsel bethört hast. Ericus: Ich habe mir an dir den Lohn für den Sieg im Wettkampf verdient, da ich dir unter eioem Schleier manches vorgebracht habe, was du nicht genügend verstanden hast. Denn mit der Bezeichnung 137 Lanze oben meinte ich, dass Oddo von meiner Hand er- schlagen wurde. Als ihm auch die Königin den Preis für

*) Nach MüUer sind mit den Delphinen Kriegsschiffe gemeint (anrd. drckar = Drachen), mit Bezug auf Erichs Seesiego.

*) Bezieht sich nach Müller vielleicht auf die damals bewaldeten Küsten Dänemarks.

•) Ibi cuspis a robore repis excussa est. Fridlevi nepos. Auch ein doppeldeutiger Satz : Fr. nepos kann Vokativ oder Nominativ sein^ Mit cuspis, die Lanzenspitze = isl. oddr ist sicher Oddo. der Flotten- befehishaber Frothos gemeint.

218 Fünftes Buch.

seiue Beredsamkeit uod den Lohn für seine siegreiche Rede- gewandtheit zuerkannte, streifte der König alsbald einen Ring vom Arme, gab ihm den als Belohnung und fügte noch hin- zu: Ich möchte gern auch von dir selbst den Wortkampf hören, den du mit Grep gehabt hast; denn er schämte sich nicht, öffentlich zu bekennen, dass er in demselben unterlegen war. Da sprach Ericus: Die Kraft des Vorwurfs ^), welchen ich ihm über seinen liederlichen Lebenswandel machte, brachte ihn zum Weichen: denn dadurch, dass er sich gegen diesen nicht verteidigen konnte, gestand er, dass er mit deiner Ge- mahlin die Ehe gebrochen. Der König wandte sich nun zu Hanunda und fragte, wie sie diese Beschuldigung aufnehme. Diese bekannte aber nicht nur durch einen Aufschrei ihr Ver- brechen, sondern es flammte auch in ihrem Antlitz zum Zeug- nis ihrer Schuld eine glühende Röte auf, und so bot sie das klarste Geständnis ihres Vergehens. Der König achtete nicht 207 nur auf ihre Worte, sondern auch auf die Zeichen in ihrem Gesicht, schwankte aber, nach welcher gesetzlichen Bestim- mung er gegen die Schuldige vorgehen sollte, und überliess schliesslich die Festsetzung der verdienten Strafe ihrer eigenen Entscheidung. Da sie nun bedachte, wie das ihr überlassene Urteil doch ihre eigene Sache beträfe, war sie ziemlich lange in un- gewissen Zweifeln über ihren Schiedsspruch. Während dessen sprang Grep auf, um Ericus mit einem Speere zu durchbohren, und stürmte vor, um durch den Tod des Anklägers sein eigenes Leben zu erkaufen. Rollerus aber stürzte mit gezücktem Schwerte auf ihn los und vollzog an ihm das Urteil, zu dem jener das Beispiel geben wollte. Da sprach Ericus: Verwandtenhilfe ist für den Hilflosen das Beste:* und Rollerus: In schwierigen Lagen kann man die gut Gesinnten trefflich erkennen.* Prot ho sagte darauf: Ich glaube, es wird euch gehen, wie man im Sprichwort zu sagen pflegt, dass einem, der schlägt, nur eine kurze Freude über seinen Schlag zu teil wird, und dass sich

*) Rnhur oxprnl)ati aduUerii so liest Holder nach Stephanius und Müller, während die editio princeps riihor hat (= die Scham über den VonvurO.

Ericus und Frotho, Haounda, Grep. 219

die Hand nicht lange über einen Streich zu ergötzen pflegt* Ericus erwiderte: Den Mann darf man nicht verurteilen, dessen That die Gerechtigkeit selbst entschuldigt. Denn zwischen meinem und Greps Thun ist ein solcher Unterschied, wie er zwischen dem Akt der Selbstverteidigung und dem Angriff auf einen andern waltet.

Da sprangen die Bruder Greps wütend auf und schwuren, sie wollten Rächer gegen die ganze Flotte des £ricus führen oder mit ihm selbst und noch zehn Kämpen fechten. Ericus sprach zu ihnen: Kranke Leute müssen kunstvoll auf ihren Weg bedacht sein.* Wer eine stumpfe Klinge hat, darf nur weiche und zarte Dinge durchschneiden.* Wer ein schartiges Messer hat, muss Schritt für Schritt bei seinem Schnitte zu Werke gehen.* Da nun für einen Leidenden der Aufschub des Uebels das Beste ist und es im Unglück nichts Glücklicheres 208 giebt als eine Verzögerung des Verhängnisses, so bitte ich um drei Tage, um mich vorzubereiten, wofern ich vom Könige die Haut eines frisch geschlachteten Rindes bekommen kann. Frotho entgegnete ihm: Der verdient schon ein Leder, der auf einem Leder hinfiel, und warf so rückhaltslos dem Bitt- 188 steller seinen Sturz von vorhin vor. Sobald jener das Fell erhalten, machte er Sohlen daraus, bestrich sie mit Fichten- harz, vermischt mit Sand, damit man fester stehen könne, und passte sie sich und seinen Gefährten an. Als man end- lich über die Wahl des Kampfplatzes beriet, sagte Ericus, er verstehe nichts vom Kampfe zu Lande und vom ganzen Kriegswesen, und verlangte eine Stelle auf dem gefrorenen Meere. Beide Parteien stimmten dem auch zu. Der König gewährte sodann eine Waffenruhe für die Vorbereitungen und hiess die Söhne des Westmarus sich entfernen, denn er be- zeichnete es als unziemlich, einen Fremdling, auch wenn er sich schlecht verdient gemacht habe, aus dem gastlichen Hause zu verjagen. Dann wandte er sich wieder dazu, die Art der Strafe zu erfahren, über deren Verhängung er der Königin selbst die Entscheidung überlassen hatte. Als sie nun aber, ohne ein Urteil zu fällen, nur um Verzeihung für ihren Fehltritt flehte, fiel Ericus ein: Vergehungen von

220 Fünftes Buch.

Frauen müsse man öfter verzeihen und man dürfe ihnen keine Strafe auferlegen, wenn möglicherweise eine Besserung noch die Schuld sühnen könne. So verzieh nun der König Hanunda. Wie nun die Dämmerung eintrat, sprach £ri- cus: Wenn bei Götarus die Krieger am Mahle teilnehmen, so wird nicht nur für den Speiseraum gesorgt, sondern es werden auch unter den angewiesenen Sitzen ganz bestimmte Plätze unterschieden ^), Da räumte ihnen der König die Stätte, wo seine Kämpen gesessen hatten, ein. Dann brachte ein Sklave das Mahl. Ericus aber kannte die königliche Milde wohl, welche verbot, die Ueberreste des Frühstücks noch weiter zu verwenden, warf das Stück, von dem er nur ein wenig gekostet, weg und nannte die ganze Mahlzeit nur 209 einen dürftigen Speiserest. Da nun die Gerichte immer mehr abnahmen, brachten die Diener neue zum Ersatz für die an- spruchsvollen Gäste und mussten so für eine kleine Mahlzeit verwenden, was für ein grosses Gelage hätte genügen können. Der König sagte nun: Pflegen denn immer Götarus Krieger ein nur einmal berührtes Gericht wie einen kläglichen Rest wegzuwerfen und die vorzüglichsten Gänge gleich wie die schlechtesten Brocken zu verschmähen ? Darauf erwiderte Ericus: Keine unziemliche Neigung herrscht in Götarus' Charakter, und keine schlechte Angewohnheit hat da einen Platz. Frotho aber sprach: Also stimmst du nicht mit den Sitten deines Herrn überein und bist überführt, dass du dir nicht alle Weisheit angeeignet hast. Denn wer dem Beispiel der Höheren entgegen handelt, zeigt sich als abtrünniger Ueberläufer. Darauf entgegnete Ericus: Ein weiser Mann muss von einem weiseren belehrt werden ; denn durch licrnen wächst die Kenntnis, durch Belehrung vervollkommnet sich die Zucht* Frotho antwortete: Welche vorbildliche Lehre wird mir denn dein Wortschwall zur Nachahmung geben? Darauf versetzte Ericus: Es ist sicherer für einen König, wenn ihn eine kleine Anzahl Getreuer als eine grosse Menge Ungetreuer umgieht. Frotho: Also empfindest du wohl

*) Die Vornehmsten und Horühmtesten sitzen dem Könif^e am nächsten

Ericiis beim Mahle. 221

eiue grössere Anhänglichkeit an uns als alle andern? Ericas: Niemand fuhrt ein ungeborenes Füllen in den Stall oder bindet ein unerzeugtes an die Krippe; du hast noch nicht die Erprobung aller erlebt. Ausserdem aber pflegte 189 bei Götarus ein Mahl immer mit Trinken verbunden zu sein; denn Trank im Verein mit Speise, und nachher noch mehr, erfreut die Tischgenossen. Frotho: Niemals habe ich einen unverschämteren Forderer von Speise und Trank gefunden. Ericus: Wenige nur schätzen die Armut eines Schweigenden oder erwägen die Not eines Stummen. Da- rauf erhielt des Königs Schwester den Auftrag, in einer grossen Schale Getränk herbeizubringen. Ericus ergriff nun zugleich mit dem dargebotenen Becher deren Rechte und sagte: Hat mir dies, bester der Könige, deine Freundlichkeit zum Ge- schenk bestimmt? Versicherst du mir, dass mir das, was ich hier halte, als unwiderrufliche Gabe zufallen wird? Der König bestätigte, in der Meinung, er verlange nur den Becher, diis Geschenk. Ericus aber zog die Jungfrau zu sich heran, als 210 wäre sie ihm zugleich mit dem Becher gegeben. Als dies der König sah, sprach er: Den Narren verrät sein Thun;* bei uns war es immer Brauch, die Freiheit der Mädchen unver- letzt zu erhalten. Da aber stellte sich Ericus, als wolle er der Jungfrau die Hand, die ihm ebenso wie der Becher über- antwortet sei, mit dem Schwerte abhauen und sagte: Wenn ich mehr genommen habe als du gabst, oder wenn ich vor- eilig das Ganze festhalte, so möchte ich wenigstens den Teil besitzen. Der König erkannte nun seineu Irrtum in dem Versprechen und überliess ihm das Mädchen; denn er wollte nicht seine fehlerhafte Unvorsichtigkeit durch eine Leicht- fertigkeit gut machen; so sollte auch die Würde seines Ver- sprechens noch gewichtiger erscheinen. Indessen gilt es doch wohl mehr als Zeichen reifer Ueberlegung denn. als Unbe- ständigkeit, wenn man eine thörichte Verabredung rückgängig macht.

Darauf entliess ihn der König zu den Schiffen, nachdem er ihm das Gelübde der Rückkehr abgenommen, wenn die Zeit, wo der Kampf stattfinden sollte, da wäre. Da betrat

222 Fünftes Buch.

nun Ericus mit den Seinigen das hartgefrorene Meer und dank seiner festen Sohlen gelang es ihm, den auf der Glätte unsicher sehwankenden Feind niederzustrecken. F r o t h o hatte nämlich bestimmt, dass niemand den Ausgleitenden oder in Gefahr Befindlichen Hilfe bringen durfte. Dann kehrte er als Sieger an den Hof zurück. Gutwara erklärte nun voll Trauer über den unglücklichen Hingang ihrer Kinder und zugleich in dem eifrigen Wunsche sie zu rächen, sie sei willens, mit Ericus einen Wortstreit auszufechten ; sie wolle eine schwere Halskette, jener solle sein Leben als Preis ein- setzen, sodass er entweder beim Siege das Gold oder im Falle seiner Niederlage den Tod davontragen sollte. Ericu« ging auf diesen Kampf ein, und das Pfand wurde bei Gun- wara niedergelegt. Dann begann Götwara zuerst, wie folgt ^):

Quaudo tuam limas admissa cote bipennem,

Nonne terit tremulas mentula quassa nates? 140; 211 Ericus erwiderte also:

üt cuivis natura pilos in corpore sevit,

Omnis nempe suo barba ferenda loeo est. Re[s] Veneris homines artus agitare necesse est;

Motus quippe suos nam labor omnis habet. Cum natis excipitur nate, vel cum subdita penem

Vulva capit, quid ad haec addere mas renuii'i

Hierauf nun sah sie sich, gleichsam unfähig zu sprechen, gezwungen, dem, welchem sie den Tod zugedacht, ihr Gold zu übergeben und dem Mörder ihrer Söhne statt der Strafe ein prächtiges Geschenk zukommen zu lassen. Denn ihr Unglück wurde nur gesteigert, nicht aber ihr böser Wille erfüllt. Zuerst ward sie ja kinderlos, dann wurde ihr mit den heftigsten W^orten der Mund gestopft, und mit ihrem Vermögen zugleich verlor sie auch den Ruf der Beredsamkeit. Sie beglückte den, der ihre Söhne erschlug, und dem Urheber ihrer Verwaistheit gab sie selbst eine Belohnung dafür;

*) Spurcum hoc et honostis indif^num auribus earmen (Stephanius) ; et uhevisk op lidorli^t sp^r^smaal ((trundtvijf); anascrdom ist di*» Text- überlief erunjj panz uiisiclKT und verderbt.

Ericus' Sieg auf dem Eise, im Wortstreite u. Reifenkampfe. 223

anstatt die Niederlage ilirer Söhue zu rächen, erreichte sie nichts als den Vorwurf der Unwissenheit und eine Verminde- rung ihres Besitzes. Als dies Westmarus sab, beschloss er den Mann, der im Wortstreit siegreich gewesen, mit seiner Kraft anzugreifen, und setzte als Preis für den Sieger das Leben des Besiegten, sodass offenbar beider Wohl und Wehe auf dem Spiele stand. Ericus weigerte sich auch nicht gegen die Annahme dieser Bedingung, damit man ihn nicht für schlagfertiger mit der Zunge als mit der Faust halten könne. Die Art des Kampfes war aber folgende: Die Streiten- 212 den mussten sich bemühen, einen Reif, aus Ruten oder Stricken geflochten, mit grosser Anstrengung der Hände und Füsse einander schnell zu entreissen, und der Stärkere er- hielt den Preis; denn wer von den Kämpfenden ihn dem andern aus der Hand gewunden hatte, dem wurde der Sieg zugesprochen^). In dieser Weise stritt nun Ericus; er griff scharf zu und entriss den Reif den Händen des Gegners. Als Frotho dies sah, sagte er: Ich glaube doch, es ist eine schwere Sache, mit solch einem Seil gegen einen Stärkeren zu kämpfen*. Ericus erwiderte: Schwer allerdings, besonders wenn einer einen Kropf am Halse hat, oder wenn ihm ein Höcker auf dem Rücken sitzt. Und sogleich setzte er seineu Fuss vor und tötete den Alten, indem er ihm Hals und Rückgrat brach. So hatte also auch Westmarus keinen Erfolg mit seiner Genugthuung; denn während er sich als Rächer aufzuspielen sich bemühte, verfiel er demselben Schicksal wie die, welche er rächen wollte, und er starb ebenso wie die, deren Tod zu sühnen er gewünscht hatte.

Frotho beabsichtigte nun, Ericus dadurch, dass er einen Dolch nach ihm schleuderte, zu durchbohren, aber Gunwara. die ihres Bruders Plan kannte und ihren Verlobten vor der Gefahr warnen wollte, sagte, es sei niemand weise, der sich

*) Dieses Spiel heisst anrd. skinnieikr oder reipdrättr: es wurde dazu ein einfaches Seil (meist aus Leder = skinn) oder wie hier ein an beiden Enden zusamraen^ifeknüpftes verwendet. Es lebt noch heute in unsern Turnspielen als „Strickziehen" fort, wobei allerdings nicht zwei einzelne Gegner, sondern zwei Parteien an einem längeren Taue ihre Kräfte messen.

224 Fünftes Buch.

nicht selbst hüte. Durch diese Worte wurde Ericus auf- merksam gemacht, sich vor einem Trug in acht zu nehmen, und nahm sich schlau die ihm zugeraunte Warnung zu Herzen.

141 Denn er sprang sogleich auf, rief, der Ruhm des Weisen werde triumphieren, die Hinterlist aber sich selbst bestrafen, und kennzeichnete so die verräterische Absicht des Köniii^s mit ziemlich bescheidenen Worten. Dieser schleuderte nun plötzlich sein Messer nach ihm, konnte ihn aber nicht treffen, da jener sich abwandte, und der IStahl ging fehl in die gegenüberliegende Wand. Da sprach Ericus: Geschenke muss man Freunden darreichen, nicht hinwerfen; annehmbarer hattest du die Gabe gemacht, wenn du der Klinge eine Scheide zur Begleitung gegeben hättest. Diese nahm nun der König sogleich von seinem Gürtel und überreichte sie ihm auf jene Bitte. Denn er sah sich gezwungen, bei solcher Selb.^tbeherrschung seines Feindes seinen eigenen Hass auf- zugeben. So ward er durch die absichtliche Verstellung des andern besänftigt und es geschah, dass er ihm die Waffe, die er in so böser Absicht geworfen, in der besten zum Eigentum gab. Ericus nahm also auch diese Beleidigung mit verstellter Miene auf und verwandelte sie in eine Liebenswürdigkeit, indem er die zu seinem Tode bestimmte Waffe als ein Prunk- geschenk annahm. Was nämlich Frotho in der Absicht zu schaden gethan, das verherrlichte er, indem er es als Frei- gebigkeit bezeichnete. Darauf nun pflegte man der Ruhe.

213 In der Nacht weckte ihn Gunwara in aller Stille und sagte ihm, sie müssteu fliehen; denn es sei am besten umzukehren, solange der Wagen noch unbeschädigt sei* und alle Verhältnisse noch gut stünden. In ihrer Begleitung begab er sich nun an den Strand und fand dort gerade die Flotte des Königs ans Land gezogen. Er zerhieb einen Teil der Seitenplanken ^) und machte sie so zur Fahrt untauglich; dann aber bedeckte er die Oeffnuugen, indem er einige Latten darauf schlug, sodass man auf den ersten Blick das Leck nicht entdecken konnte. Dann Hess er das Schift', in dem er und seine Be-

M S. olHMi S. 2')« Anm, 8.

Ericus und Frotho. 225

gleiter sich geborgen, nur ein klein wenig vom Strande weg- treiben. Der König schickte sich sogleich an, ihn in den beschädigten Schiffen zu verfolgen; da aber das Wasser bald bis an die Ruderbänke reichte, so begann er, wenn auch sehr durch die Waffen behindert, ebenso wie die andern zu schwimmen und war jetzt viel eifriger darauf bedacht, sein eigenes Leben zu retten als dem eines andern nachzustellen. Der Bug sank in die Tiefe und die eindringenden Wogen rissen die Ruderer von ihren Sitzen. Als Rollerus und Ericus dies sahen, stürzten sie sich ungeachtet der Gefahr ungesäumt ins Meer und fingen im Schwimmen den daher treibenden König auf. Schon dreimal hatte ihn eine Welle überrascht und unter sich begraben, als ihn Ericus am Haupthaar fasste und aus dem Wasser herauszog. Die übrige Schar der Schiffbrüchigen versank entweder in den Fluten oder rettete sich mit Mühe an den Strand. Der König wurde seiner nassen Kleidung entledigt und in trockene Ge- wänder gehüllt. Eine Menge Wasser entströmte seinem Munde, da er sich heftig übergeben musste. Seine Stimme brach sich in fortwährenden Seufzern und schien ihm zu ver- sagen. Endlich kehrte die Wärme zurück und erfüllte seine von Kälte erstarrten Glieder mit neuem Leben. Da er aber noch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte war, musste er noch sitzen bleiben und konnte sich nicht erheben. Allmählich aber stellte sich seine ursprüngliche Rüstigkeit wieder ein. Wie man ihn endlich fragte, ob er um Leben und Frieden 142 bitte, hielt er sich die Hand vor die Augen und bemühte sich, seinen niedergeschlagenen Blick zu erheben.

Als aber allmählich seine Körperkräfte zurückkehrten und seine Stimme zuversichtlicher wurde, sagte er^): Bei 214 diesem Lebenslicht, welches ich wider meinen Willen anschaue, bei der Himmelsluft, die ich nur zu ungern einatme und in mich aufnehme, beschwöre ich euch inständigst, versucht

») S. I. S. 60 Anm. 2. Der glatte Fluss der beiden folgenden Reden steht stilistisch in schroffstem Cregensatze zu der bisherigen Sprung* haften und den Volkston nachahmenden Darstellung der Geschichte Erichs. Saxo Gramm^.ticui. 15

226 Fünftes Buch.

niclit mich zu verleiten, dass ich sie noch weiterhin geniesse. Umsonst habt ihr mich gerettet, da ich den Tod suche; im Wasser umzukommen blieb mir versagt, so möchte ich wenig- stens durch das Schwert sterben. Von niemand überwunden, musste ich zuerst deiner Schlauheit weichen, Ericus, und ich bin um so unglücklicher, als ich, der von den erlauch- testen Männern unbesiegt blieb, einem gemeinen Manne den Sieg über mich verschaflFt habe. Das ist ein gewaltiger Reiz für die Ehre eines Königs. Dieser Grund allein genügt für einen Fürsten, um zu sterben, da dieser nichts höher als den Ruhm schätzen darf. Denn wenn ihm der fehlt, so fehlt ihm wohl alles. Nichts Herrlicheres giebt es ja für einen König als seinen Ruf. Man sprach mir das höchste Mass von Klug- heit und Beredsamkeit zu. Aber dieser beiden Vorzüge, durch die ich mich hervorzuthun schien, bin ich beraubt, und ich bin um so bedauernswerter, als ich, der Besieger von Königen, offenbar von einem Bauern besiegt bin. Was schenkst du mir das Leben, da du mir den Ruhm genommen? Meine Schwester, mein Reich, meinen Schatz, mein Hausgerät und, was am meisten bedeutet, meine Ehre habe ich verloren, und in eben den Beziehungen, in denen ich so unglücklich bin, erkennt man in dir den Glücklichen, Weshalb sollte ich eine solche Schmach überleben? Welche Freiheit könnte für mich so beglückend sein, dass sie die Schande der Gefangen- schaft von mir nähme? Was . kann mir denn die Zukunft bringen? Wird sie denn etwas anderes thun als das Elend meiner Vergangenheit auffrischen und einen dauernden Schmerz in meinem Herzen erzeugen? Was wird mir denn die Verlängerung meines Lebens nützen, die mir doch immer nur die Erinnerung an meinen Kummer wachrufen wird? Nichts ist angenehmer für die Ellendeu als der Tod; glücklich ist das Ende, wenn es auf Wunsch eintritt. Es zerstört ja keine süsse Gegenwart, sondern hebt allen Ekel auf. Im (ilücke verlanj^t man das Leben, im Unglück ein besseres Geschick. Keine Hoffnung auf irgend eine Be.'^serung ver- leitet mich zu dem Wunsche, leben zu bleiben. Welcher Zu- fall könnte denn auch den Zustand meines völlig zerstörten

Frothos Klagerede. 227

Glückes wieder heben? Schon hätte ich dies alles vergessen, wenn ihr mich nicht aus der Todesgefahr gerettet hättet. Wurdest du mir selbst mein Reich zurückgeben, meine Schwester wieder zuführen, meinen Schatz zurückerstatten: meine Ehre kannst du nicht wieder herstellen. Nichts, was befleckt ist, kann den Glanz eines unversehrten Gutes haben. Ewig wird die Kunde davon berichten, dass Frotho gefangen war. Wenn ihr übrigens die Unbilden zusammenrechnet, die ich euch zufügte, so habe ich den Tod von eurer Hand ver- dient. Wenn ihr euch an eure Schädigungen erinnert, so werdet ihr eure Güte bereuen. Ihr werdet euch schämen, eurem Feinde geholfen zu haben, wenn ihr die Grösse seines Hasses gegen euch erwägt. Was schont ihr den Schuldigen? Warum zieht ihr die Hand von der Kehle eures .Verfolgers 148 zurück? Es ist billig, dass mich das Geschick treffe, welches 215 ich euch zugedacht hatte. Ich gestehe es, wenn mir die Ge- walt zugefallen wäre, die ihr jetzt über mich habt, so wäre von mir keine Milde zu hoffen. Wenn ich also euch gegen- über auch der Ausführung nach unschuldig bin, so gelte ich doch wenigstens nach meiner Absicht als Schuldiger. Lasst also, ich bitte, die Schuld meines bösen Willens, der ja zu- weilen statt der That in Betracht gezogen wird, auf mein Haupt fallen. Wenn ihr mir ein Schwert zum Sterben ver- weigert, so will ich schon dafür sorgen, dass ich mir mit eigener Hand den Tod geben kann.

Darauf erwiderte Ericus: Mögen dir die Götter deine thörichten Absichten aus dem Sinne schlagen; mögen sie es thun, sage ich, damit du nicht deinem ruhmreichen Leben ein schmähliches Ende zu machen begehrst. Traun, sie selbst haben es verhindert, dass ein Mann, der freundlich gegen andere ist, an sich selbst zum Mörder werde. Versucht wirst du nur vom Schicksal, das erfahren möchte, mit welcher Ge- sinnung du ein Missgeschick aufnimmst. Eine Prüfung hat dir das Geschick bereitet, nicht den Fall. Kein Kummer ist dir zugestossen, den nicht eine bessere Wendung wieder tilgen könnte. Nur eine Warnung ist dir zu teil geworden, nicht

aber dein Glück verändert. Niemand benimmt sich bescheiden

lü-

228 Fünftes Buch.

im Glück, der nicht gelernt hat, Unglück zu ertragen. Ausser- dem erkennt man den Genuss aller Güter dankbarer an, wenn man einmal Missgeschick erfahren hat. Angenehmer ist das Vergnügen, wenn es auf ein bitteres Ereignis folgt. Du willst dein Leben hinwerfen, wenn nur einmal die Meerflut dich überströmt hat und du dabei nass geworden bist? Wenn du gleich 80 von dem bisschen Wasser gebrochen bist, wann willst du da einmal dem Stahl mit kaltem Blute stand halten? Wer wird dir denn nicht den Umstand, dass du dich in voller Rüstung durch Schwimmen gerettet hast, vielmehr zum Ruhme als zur Schande anrechnen? Wie viele würden sich nicht glücklich preisen, wenn sie nur so unglücklich wären, wie du jetzt bist! Die unumschränkte Herrschaft bleibt dir, dein Lebensmut steht in der Blüte, du bist im jugendkräftigsteu Alter, du kannst noch mehr erhoffen, als du schon geleistet hast. Niemals möchte ich dir solche Leichtfertigkeit an- wünschen, dass du nicht bloss ein rauhes Geschick fliehen^ sondern auch aus Unfähigkeit, es zu ertragen, dein Leben wegzuwerfen begehrtest. Weibischer als jeder andere ist der, welcher aus Furcht vor Unglück die Zuversicht zum Leben verliert. Kein Weiser pflegt sich widrigen Geschicken durch den Tod zu entziehen. Entrüstung gegen einen andern ist thöricht, gegen sich selbst unbesonnen. Feige ist die Wut, welche den, der sie selbst hervorgerufen, verdammt. Wenn du ausserdem wegen einer leichten Unbill oder Gemüts- erschütterung den Tod suchst, wen lässt du denn da als Rächer zurück? Wer wäre denn so unsinnig, einen zweifel- haften Schicksalsschlag mit seiner eigenen Aufopferung rächen zu wollen? Wer wäre denn überhaupt so glücklich in seinem Leben, dass ihn nicht auch einmal ein ziemlich trauriger Zu- fall träfe? Ohne Erschütterung hast du deine Zeit verbracht, im Genüsse eines beständigen Glückes, und jetzt, da du nur eben ein wenig auf den rauhen Weg des Kummers trittst, schickst du dich an, das Leben zu verlassen, um dir den Schmerz zu ersparen? Wie willst du denn einmal ein hef- tigeres Grollen des Schicksals ertragen, wenn du es bei einem leichten nicht vermagst? Unerfahren ist der Mann, der nie-

Des EricuB Trostrede. 229

mals den Kelch der Trübsal gekostet; keinen der nicht Hartes 144 erlebt hat, geniesst verständig das Angenehme. Du, der du 216 der Gipfel des Heldenmutes sein müsstest, du >^'illst das Muster eines erschlafften Gemütes bieten? Du, der Sohn eines Heldenvaters, wolltest ein Schauspiel äusserster Schwäche geben? Soweit willst du dich von deinen Vorfahren ent- fernen, dass du weichlicher als ein Weib bist? Noch bist du nicht völlig erwachsen, und schon fasst dich Uebersättigung am Leben? Wer bot vormals schon solch ein BildV Der Enkel des berühmtesten Gross vaters, der Spross eines unbe- siegten Vaters wird nicht stark genug sein, einen leichten, widrigen Zug zu ertragen? Deine Anlagen entsprechen dem Zustand von deines Ahnen Tüchtigkeit. Von niemandem bist du überwunden, deine eigene Unvorsichtigkeit allein hat dir geschadet. Von uns bist du aus einer Gefahr gerettet, nicht durch sie bezwungen worden. Willst du uns unsere Freund- schaft als Beleidigung auslegen und uns mit Hass statt mit Dank lohnen? Durch unsere Willigkeit hättest du besänftigt, nicht erregt werden müssen. Mögen dich die Götter nie so- weit in der Raserei kommen lassen, dass du es über dich ge- wönnest, deinen Retter als Verräter zu betrachten. Oder haben wir etwa dadurch bei dir etwas verschuldet, wodurch wir deine Wohlthäter sind, und werden wir uns etwa durch unsere Dienstwilligkeit deinen Groll zuziehen? Willst du den als Feind ansehen, dem du zu Lohne für deine Rettung ver- pflichtet bist? Wir haben dich ja gar nicht als freien Mann gefangen genommen, sondern dich in der Not mit unserer Hilfe unterstützt. Siehe, deine Schätze, deine Reichtümer, deine Geräte gebe ich dir zurück. Wenn du glaubst, deine Schwester übereilt mit mir verlobt zu haben, so möge sie heiraten, wen du ihr bestimmt hast; denn unberührt ist noch ihre Ehre. Uebrigens will ich dir auch Kriegsdienste leisten, wenn du es annimmst. Hüte dich nur, dass du ohne Grund im Zorne verhärtest. Kein Verlust hat dich getroffen. Deine Freiheit hat keine Einbusse erlitten. Du wirst be- merken, dass ich dir gehorche, nicht gebiete. Welches Urteil du auch immer über mein Haupt fällst, ich billige es. Ver-

230 Fünftes Buch.

lasse dich darauf, dass du hier ebendasselbe vermagst wie in deiner Königshalle. Du hast hier dieselbe Herrschermaeht wie an deinem Hofe. Beschliesse auch hier, an dieser Stelle, über uns, was dir in deiner Halle gefallen hätte. Wir sind bereit zu gehorchen. So sprach Ericus.

Diese Rede stimmte nun den König gegen sich selbst wie gegen seinen Feind milde, und als man alles freund- schaftlichst in Ordnung gebracht, kehrte man an den Strand zurück. Ericus hiess den König und seine Schiffer Wagen besteigen. Sobald man nach der Königshalle kam, Hess dieser sogleich eine Versammlung berufen, Ericus daran teilnehmen, verlobte ihm feierlich und vertraejsmässig ^) seine Schwester und verlieh ihm eine Hundertschaft. 2) Er fügte noch hinzu,

217 die Königin sei ihm verleidet, dagegen habe Götarus' Tochter seinen Gefallen erweckt. Es sei also für ihn eiue neue Ge- saodtschaft nötig, und diese Aufgabe könne am besten von Ericus erfüllt werden, für den ja oflFenbar kein Vorhaben zu schwierig sei. Ausserdem wolle er Götwara wegen ihrer Mitschuld an dem verheimlichten Verbrechen steinigen lassen. Ihmunda werde er zu ihrem Vater zurückschicken, damit

145 er nicht einer Feindin seines Lebens den Aufenthalt in Däne- mark gestatte. Ericus billigte diesen Ent^chluss, versprach seine Dienste bei den Befehlen des Königs und bemerkte nur, es wäre besser, wenn die verstossene Königin Rollerus heirate, von dem doch kein Majestätsverbrechen zu befürchten sei. Frotho ging auf diesen Vorschlag, gleichwie auf einen vom Himmel herab verkündeten Rat, voll Ehrfurcht ein. Die Königin gehorchte auch, um nicht den Anschein zu erwecken, als werde sie mit Gewalt dazu gezwungen, in weiblicher Wankelmütigkeit und versicherte, von Natur aus gäbe es gar keine Notwendigkeit traurig zu sein; denn jeder Herzens- kummer pflege nur aus der Einbildung hervorzugehen. Ausser-

») S. I, S. 2B Anm. 2.

') Die Abtoilunjf in Himdcrtschatten ist die Grundlage nieiit bloss der Heeres-, sondern auch der Landeseinteilung bei den (Tcrmanen (alturd. hcrad, ahd. hundari). Vgl. Amira i. (Jrdr. III, 122.

Versöhnung, Hochzeiten, Ericus' Rückkehr. 231

dem dürfe man nicht über eine Strafe klagen, die einen ver- dientermassen träfe. So hielten also die Brüder eine Doppel- hochzeit indem der eine die Schwester des Königs, der andere die verstossene Königin heimführte.

Darauf segelten sie nun mit ihren Frauen nach Norwegen zurück ; denn diese konnte weder die Länge der Reise noch die Furcht vor künftigen Gefahren von der Seite ihrer Männer reissen, ja sie sagten vielmehr, sie würden so fest an ihren Gatten hangen, wie Federn an einem rauhen Stoffe. Bald erfuhren sie nun, dass Regnerus gestorben sei und Craca sich mit einem gewissen Brac verheiratet habe. Dann er- innerten sie sich wieder des Schatzes ihres Vaters, ^) gruben ihn aus der Erde aus und nahmen das Gold mit. Götarus aber hatte das ganze Glück des Ericus, da das Gerücht dem Manne selbst vorauseilte, schon erfahren. Als er nun von seiner wirklichen Ankuuft hörte, fürchtete er, er werde bei seinem gewaltigen Selbstvertrauen etwas Schlimmes gegen Norwegen unternehmen, und bemühte sich, ihn um seine Gemahlin zu bringen und ihn an Stelle der geraubten Gattin mit seiner eigenen Tochter zu verbinden. Denn die Königin war vor kurzem gestorben, und er strebte nach nichts mehr als nach einer Vermählung mit Frothos Schwester. Als Ericus seine Absichten erfuhr, versammelte er seine Gefährten und bemerkte ihnen, ihr Glück sei noch nicht über alle Klippen hinweg. Er sehe übrigens, dass ein Bündel, welches nicht durch ein Band zusammengehalten werde, leicht aus- 218 einanderfalle*; ebenso verschwinde auch das ganze Gewicht einer Strafe, wenn es nicht durch die Kette der Schuld be- festigt sei. Das hätten sie ja vor kurzem bei Frotho erlebt; sie hätten ja gesehen, wie die Götter in den schwierigsten Fällen seine Unschuld geschützt und sie alle auch weiterhin behütet hätten; man müsse im Unglück noch auf ähnlichen Beistand hoffen. Zuerst müssten sie nun. zum Scheine ein wenig fliehen, um dann, sobald sie von Götarus angegriffen würden, um so gerechtere Ursache zum Kriege zu haben;

>) S. oben S. 205.

232 Fünftes Buch.

denn nach allgemeinem Rechte sei es erlaubt, die Hand zum Schutze des eigenen Lebens zu erheben. Selten habe jemand, der einen Kampf gegen Unschuldige begonnen, ihn mit Gluck zu Ende führen können. Daher müsse der Feind zuerst zum Angriffe auf sie gereizt werden, damit sich für sie selbst ein um so gerechterer Grund zum Kampfe gegen ihn ergäbe. Ohne noch mehr zu reden, begab er sich nun nach Hause,

146 um Brac zu besuchen. Dann wandte er sich zu Gunwara und fragte sie, um ihre Treue zu erproben, ob sie Götarus liebe; er fügte auch hinzu, es sei. unwürdig, wenn ein Mädchen aus königlichem Stamme das Lager eines gemeinen Mannes teile. Sie begann ihn aber nun flehentlich bei der Macht der Götter zu beschwören, ob es sich bei ihm mit dieser Ansicht um volle Wahrheit oder nur um Verstellung handle. Da er versicherte, er spreche im Ernste, rief sie aus: Also schickst du dich an, mir die grösste Schmach zuzufügen, da du mich, die du als Jungfrau geliebt, nun als Witwe ver- lassen willst. Oft verkündet das Gerede der Leute Dinge, die dem wahren Sachverhalt widersprechen; ich habe mich in meiner Ansicht über dich getäuscht. Ich glaubte einen beständigen Mann zu heiraten, und nun erfahre ich, dass du unbeständiger bist als die Winde, du, von dem ich eine zweifellose Treue erhoffte. Bei diesen Worten weinte sie heftig. Diese Entrüstung seiner Gattin war aber Ericus sehr lieb, denn er umarmte sie sogleich und sagte: ich wollte ja nur wissen, wie fest deine Treue zu mir ist. Der Tod allein hat das Recht, uns zu scheiden. Götarus aber ersieht dich dennoch zur Entführung aus und will deine Liebe durch eine Raubthat gewinnen. Wenn ihm das gehangen ist, so stelle dich, als ob es mit deiner Einwilligung geschehen sei, ver-

219 schiebe aber nichts destoweniger die Vermählung, bis er mir seine Tochter an deiner Statt übergeben hat. Wenn ich sie habe, wollen wir, ich und Götarus, an demselben Tage unsere Hochzeit feiern. Dann sorge dafür, das wir uns beim Mahle in getrennten Gemächern aufhalten, die aber durch eine Mittelwand verbunden sind, damit du mich nicht etwa un- mittelbar vor Augen hast und durch deine sehnsüchtigen

Ericus und Götorus. 233

Blicke den König betroffen machst. Das yfivd nämlich ein höchst wirksamer Streich werden, um die Bemühungen des Räubers zu vereiteln. Darauf Hess er Brac mit einer aus- erlesenen Schar der gewandtesten Leute sich unweit der Königshalle verbergen, um im Falle des Bedürfnisses auf seine Hilfe rechnen zu können.

Sodann berief er Rollerus zu sich und ergriff, um den König hervorzulocken, mit seiner Braut und seinen Schätzen in erheuchelter Furcht die Flucht. Als er sah, wie ihm Götarus' Flotte auf den Fersen war, sagte er: Siehe, wie der Bogen der Hinterlist den Pfeil der Tücke schnellt, und wandte sogleich unter lautem Geschrei seiner Matrosen das Schiff mit dem Steuerruder. Als ihn Götarus fast erreicht hatte, fragte dieser, wer der Steuermann des Schiffes sei; er vernahm, es sei Ericus. Da rief er fragend aus, ob er der- selbe wäre, der durch seine wunderbare Kunst der Worte die Beredsamkeit aller übrigen überträfe. Als Ericus dies hörte, SHgte er, er habe einst von ihm selbst den Beinamen des Redegewandten erhalten, und fügte hinzu, er habe sich nicht vergebens die Bedeutung, die in dieser Bezeichnung liege, zu eigen gemacht. Sodann landeten beide Parteien am nächsten Strande, wo Götarus, nachdem er des Ericus Botschaft angehört, berichtete, dass er Frothos Schwester begehre. Er wolle aber gern ihm, dem Gesandten, seine Tochter überlassen, damit es ihn um so weniger gereue, seine Gattin an einen andern abgetreten zu haben. Es wäre also gar nicht unzweckmässig, wenn die Frucht der Gesandtschaft 147 dem Ueberbringer zufalle. Ericus gefalle ihm also als Schwiegersohn, wofern er nur durch Gunwara in ein ver- wandtschaftliches Verhältnis zu Frotho kommen könne. Ericus pries die Gute des Königs hoch, billigte seine Ansicht und fügte hinzu, ihm selbst werde nun ohne sein Zuthun eine grössere Ehre angeboten, als er jemals hätte von den unsterblichen Göttern erflehen können. Er, der König, müsse aber selbst zuvor Gunwaras Sinn und Entscheidung kennen lernen. Jene empfing den König, der sich ihr unter Schraeichelworten nahte, mit verstellter Gunst, ging scheinbar

234 Fünftes Buch.

bereitwillig auf seine Werbung ein und beschwor ihn nur, dass er Ericus gestatte, vor ihm seine Hochzeit zu feiern; denn wenn diese zuerst vollzogen sei, so sei dann bessere Gelegenheit für die des Königs, und zwar zumeist aus dem Grunde, dass sie nicht etwa, im Begriff, sich von neuem zu vermählen, den neuen Heiratsvertrag bei der Erinnerung an den alten verschmähe. Ausserdem meinte sie auch, es sei nicht gut, wenn zwei derartige Veranstaltungen in eine einzige Feier zusammengezogen würden. Der König lobte, von ihren Antworten überzeugt, höchlich ihre Forderungen. In häufigen Gesprächen mit Ericus hörte er nun die vortrefflichsten Sprichwörter und Redensarten, an denen sich sein Herz er- 220 frischen und erfreuen konnte; und nicht zufrieden damit, ihm seine Tochter zur Ehe gegeben zu haben, überliess er ihm auch die Provinz Litharfulki, ^) denn er meinte zu ihrer Verwandtschaft noch einen Gnadenbeweis fügen zu müssen. Craca aber, welche Ericus wegen ihrer Geschicklichkeit in der Zauberkunst als Reisebegleiterin mitgenommen hatte, schützte ein Augenleiden vor und hatte ihr Gesicht so mit ihrem Gewände verhüllt, dass auch nicht ein einziger Teil ihres Kopfes hervorsah, woran man sie hätte erkennen können. Auf die Frage, wer sie sei, antwortete sie, sie sei Gunwaras Schwester; sie habe dieselbe Mutter, aber einen anderen Vater.

Sobald man nun zu dem Heim des Götarus gelangte, wurde das Hochzeitsgelage filr Alwilda so hiess nämlich seine Tochter gefeiert. Ericus und der König lagerten in verschiedenen Gemächern, deren Decke aber in der Mitte auf einer gemeinsamen Mauer ruhte: auch waren sie an den Wänden vollständig mit Vorhängen verkleidet. Gunwara sass neben Götarus, Ericus befand sich zwischen Craca und Alwilda. Reim Scherzen nun zog er sacht ein Brett aus der Mittelwand heraus und machte eine Oeffuung, grade

*) D. i. heute nach Holder die (legend von Lier, altnrd. Hlidar, einem Orte in der Nähe der Stadt Drammen, welche an der Mündung der Dramsei V in den Dranisfjord, einen westlichen Arm des Christiania- fjordes, liejft. Müllers Erklärung ist uurichtifr.

Ericas und Götarus. 235

gross genug, um einen Menschen hindurch zu lassen; so er- öffnete er ohne Wissen der Gäste einen Weg, der den Durch- gang gestattete. Dann begann er seine Braut beim Mahle gar eindringlich zu fragen, ob sie lieber ihn oder Frotho heiraten möchte, zumal ja doch, wenn man die Ehre einer Verbindung in Anschlag bringe, ein Königskind nur zur Ehe mit einem Ebenbürtigen bestimmt sein dürfe, damit nicht die W^ürde des einen Gatten durch die Unwürdigkeit des andern vernichtet würde. Obgleich sie versicherte, sie werde nie gegen den Willen ihres Vaters heiraten, verwandelte er doch ihren Widerstand iu Willfährigkeit, indem er ihr verhiess, sie werde Königin sein und alle übrigen an Macht übertreffen, und er gewann sie durch die Hoffnung nicht sowohl auf Reichtümer als auf Ruhm. Es heisst auch, Craca habe für 148 die Jungfrau einen Trank gemischt, ihn ihr gegeben und so ihre Leidenschaft auf die Triebe zu Frotho gelenkt. ^)

Nun begab sich Götarus nach dem Essen zum Mahle desPüricus, um noch die Ausgelassenheit der hochzeitlichen Scherze zu vermehren. Als er hinausging, schlüpfte Gun wara, wie es ihr vorher geheissen war, dort, wo die Entfernung der Planke den Durchgang gestattete, durch die Wand und setzte sich unmittelbar neben Ericus. Als Götarus sie auf diesem Platze sah, begann er gar angelegentlich zu fragen, wie und weshalb sie denn dorthin gekommen sei. Jene behauptete, 221 sie sei die Schwester Gunwaras, und der König lasse sich nur durch die Aehnlichkeit ihrer Gestalt täuschen. Als dieser nun, um die Sache aufzuklären, sofort in sein Gemach zurück- ging, kehrte sie ebenfalls durch das Hinterthürchen , durch welches sie gekommen war, zurück und sass da angesichts aller auf ihrem früheren Platze. Als Götarus sie sah, traute er seineu eigenen Augen nicht, und im höchsten Zweifel, ob er sie richtig erkannt, lenkte er seine Schritte wieder zu Ericus zurück, wo er Gunwara, die ebenfalls auf ihre Art sich wieder eingestellt hatte, abermals vor Augen hatte. So oft er nun auch den Aufenthalt in den beiden Gemächern

») Vgl. oben S. 197 Anm. 1.

236 Fünftes Buch.

wechselte, so oft oegegnete er in beiden derjenigen, die er suchte. Und diese Erscheinung, die nicht nur ganz ähnlich, sondern hier und dort ganz dieselbe war, quälte den Konig und erfüllte ihn mit gewaltigem Staunen. Denn es schien doch schlechterdings unmöglich zu sein, dass verschiedene Personen ohne jeden wahrnehmbaren Unterschied ganz die- selbe Gestalt besässen. ^) Endlich hob er das Mahl auf und geleitete Ericus und seine Tochter freundlich, wie es die Hochzeitssitte heischte, bis zu ihrem Schlafgemache. Er selbst kehrte um, um anderswo zu ruhen.

Ericus aber gestattete Alwilda, da sie für Frotho bestimmt war, allein zu schlafen nnd umarmte wie früher, dem Könige zum Hohne, Gunwara. Götarus aber brachte eine schlaflose Nacht zu und überlegte noch staunend und betroffen die Art, wie man mit ihm sein Spiel trieb, denn es lag offenbar nicht eine Aehnlichkeit, sondern eine völlige Gleichheit der Personen vor. Dabei gelangte er denn zu einer so unsicheren und zweifelhaften Ansicht, dass er schliess- lich doch einem Irrtume zuschob, was er in der That schon entdeckt hatte. Endlich fiel es ihm ein, dass man durch die Wand eine Betrügerei habe ins Werk setzen können. Ob- gleich er nun befahl, sie eingehend und sorgfältigst zu unter- suchen, fand er doch keine Spur eines Durchgangs. Denn das ganze Gebäude erschien völlig unversehrt. Ericus hatte nämlich beim Beginn der Nacht, damit man seiner List um so weniger auf die Spur kommen könne, die fjücke in der Mauer wieder ausgefüllt. Darauf schickte er nun zwei Männer in aller Stille in des Ericus Schlafgemach, um die Sache zu erkunden, hiess sie sich hinter den Vorhang stellen und ganz genau auf alles acht geben. Zugleich hatten sie auch den Befehl erhalten, Ericus zu töten, wenn sie Gunwara bei ihm fänden. Sie betraten heimlich das Zimmer, verbargen sich in zwei Winkeln, die durch Vorhänge versteckt waren, und er-

^) Der (Trundgedaiiko dieser (Tcschirhte stiuinit mit einer £rzählung in dem Volksbuche von den Sieben weisen Meistern überein , nach der auch Platen sein kleines Drama ..Der Turm mit sieben Pforten'* ver- fasst hat.

Ericus' glückliche Flucht. 237

blickten Ericus und Gunwara in engster Umarmung auf 149 gemeinsamem Lager. Da sie meinten, sie seien erst halb eingeschlummert, warteten sie bis zur Zeit des tieferen Schlafes und wollten sich zurückhalten, bis schwerer Schlummer ihnen die Gelegenheit zur Ausführung ihrer Unthat böte. Als nun Ericus ziemlich laut schnarchte, merkten sie, dass er offenbar fest eingeschlafen war, und sprangen alsbald mit gezückten Schwer- tern vor, um ihn zu erschlagen. Ericus erwachte bei ihrem mörderischen Herannahen, und als er ihre Klingen über 222 seinem Haupte blitzen sah, sprach er den Namen seiner Stiefmutter aus; denn sie hatte ihm ja einst geheissen, den- selben in Gefahr zu nennen. ^) Er erhielt auch dadurch schnelle Hilfe in seiner Not; denn sein Schild, der hoch oben an einem Deckbalken hing, fiel von selber auf ihn herab und bedeckte so gleichsam absichtlich seinen unbeschützten Körper, damit er nicht von den Mördern durchbohrt werde. Er aber machte sich diesen Glücksfall wohl zu nutze, ergriff sein Schwert und hieb dem nächsten Mörder beide Füsse ab. Den andern durchstachGunwara mit nicht geringerer Geschwindig- keit mit einer Lanze und bewies so Mannesmut im Frauen- herzen.

So entging Ericus dem Ueberfalle, eilte ans Meer und rüstete sich zur nächtlichen Abfahrt. Rollerus aber gab denen, welche den Auftrag erhalten hatten, in der Nähe zu wachen, mit dem Hörn das Zeichen, in die Königshalle ein- zubrechen. Als der König dies hurte, ergriff er in der Mei- nung, es bedeute die Ankunft von Feinden, jählings zu Schiffe die Flucht. Inzwischen rafften Brac und die, welche mit ihm eingedrungen waren, die Schätze des Königs zusammen und Hessen sie auf des Ericus Schiffe laden. Etwa die Hälfte der Nacht ward zum Bergen der Beute verwendet. Als der König am nächsten Morgen ihre Flucht bemerkte, wollte er die Verfolgung ins Werk setzen, aber einer seiner Freunde ermahnte ihn, ja nicht etwas zu schnell zu veranstalten oder mit Ueberstürzung auszuführen. Man versuchte auch, ihn zu

») S. oben S. 207.

238 Fünftes Buch.

Qberzeugen, dass eine grössere ZiirOstung notwenrtig sei untl es nutzlos wäre, mit wenigen Mannen die Fiachtlinge nach Dänemark zu verfolgen. Aber trotziiera konnte des Königs ungeduldiger Sinn den erlittenen Schaden nicht verwinden. Denn nichts hatte ihn mehr gekränkt als der Umstand, dass der gegen den andern geplante Anschlag auf die Seinigen zurückgefallen war. Er fuhr also wirklich hinaus und ge- langte bis in einen Hafen, der jetzt Oemi') heisst. Dort erhob sich widriger Wind, die Lebensmittel gingen aus, und er hielt es für besser, da man nun doch einmal sterben musste, durch das Schwert als durch Hunger zu enden. So legte denn die Bemannung Hand an sich selbst, und sie be- schleunigten ihr (.leschick, indem sie sieh gegenseitig töteten. Der König erreichte mit einigen wenigen ein paar abschür^sige Bergklippen und rettete sich. Hohe Hügel bezeichnen die Stätte des Unglücks. Unterdessen vollendete Ericus glOcklich i^eine Fahrt, nnd die Hochzeit Frothos und Alwildas wurde vollzogen. 150 Darnach wurde ein Einfall der Slaven gemeldet'} und

fiS8 Ericns erhielt den Auftrag, ihn mit acht Schiffen zurückzu- schlagen; denn Fnitho war ja bis jetzt noch unerfahre^i im Kriege. Ericus nun, der sich nie einer manneswflrdigen .Auf- gabe entzog, übernahm mit freudigem Danke diese PHirht und Hess sich ihre kühne Ausführung augelegen sein. Als er erfuhr, die Feinde besät<sen sieben Schilfe, fuhr er nur mit einem einzigen der seinigen heran; den Rest befahl er mit hölzernen Brustwehren zu verseben und mit abgeschnittenen ßanmzweigen zu bestecken. Dann segelte er vorwärts, um die Stärke der feindlichen Flotte genauer zu erkunden, begann

') Anril. .iiimar (Plural), jetzt BimB (mundartlich Kinie). eine Inspl- (jruppe vor diT Htindinig de» Stnvan(rerfiordes.

'i Hivrmit bejriii'it die KriüliliinR von Fmiles En.lHTnnfrs/üpeii, die

jt nirik in folni'iidc sechs (inippen einifilen: 1. Kampf gfj-en die

Slnvii. -. Kunipfccp'n die Hunnen und piiiiße andere Stümine. 3. Krlchl Kue ifi-l!''" die .Si-hiveiien. 4. Fniil.'S Kampf ßi-pcn Xorwegen. 'i. Arn- ^ Ifrilll* Kiimpf y^fn Finnland und Biarmi.'n. II. Fr.ides Zuj! gegn, Eng- i.iKn<l "l'll Ulaiid. Alles die» ist isliindisehen l'rs|irunK8.

Ericus' Seesieg über die Slaven. 239

aber, als ihn die Slaven verfolgten, eiligst die Flucht zu den Seinigen zu ergreifen. Die Feinde jedoch, ebenso ahnungslos iu Betreff eines Hinterhalts wie begierig den Fliehenden ein- zuholen, durchschnitten, ohne zu zögern, mit eifrigen Ruder- schlägen die Fluten. Die Schiffe des Ericus konnte man nämlich auf dem Meere nicht erkennen, da sie wie ein Laub- wald aussahen. ^) Als sie sich nun in einen ziemlich engen Sund hineinwagten, sahen sie sich plötzlich von der Flotte des Ericus eingeschlossen. Zuerst glaubten sie, betroffen von dem ungewöhnlichen Anblick, es schwimme da ein Wald, bald aber merkten sie, welche List unter den Blättern ver- borgen war. Zu spät bereuten sie nun ihre Unvorsichtigkeit und versuchten auf dem Wege, den sie so sorglos gekommen, wieder zurückzukehren. Während sie sich aber noch be- mühten, ihre Schiffe zu wenden, sahen sie schon, wie die Feinde in dieselben hineinsprangen. Ericus hatte indessen sein Schiff auf den Strand laufen lassen und schmetterte nun aus der Ferne mit einer Schleuder Steine auf die Feinde. Die meisten der Slaven wurden nun erschlagen, vierzig wurden gefangen und hauchten später unter dem Druck der Fesseln und des Hungers unter verschiedenen Peinigungen und Martern ihr Leben aus.

Unterdessen hatte Frotho, um einen Streifzug nach Slavien zu unternehmen, sowohl von den Dänen wie von den Nachbarstaaten eine gewaltige Flotte aufbringen lassen. Das kleinste Schiff derselben konnte zwölf Seeleute aufnehmen und von ebensoviel Ruderern bewegt werden. Ericus for- derte nun seine Gefiihrten auf, ihn geduldig zu erwarten, und eilte Frotho entgegen, um ihm die Kunde von dem schon er- rungenen Siege zu bringen. Als er unten^egs zufällig ein Räuberschiff sah, welches an einer seichten, untiefen Stelle aufgerannt war und dort festsass, rief er aus, da er ja immer zufällige Ereignisse mit bedeutsamen Worten zu begleiten

*) Zu dieser Geschichte vgl. die im (i runde ähnliche Sage vom Birnamwalde in Shakespeares Macbeth. Sie kehrt übrigens noch einmal bei Saxo B. VII S. 23H (Holder) wieder, s. dort.

240 Fünftes Buch.

pflegte: Trübe ist das Geschick der Unedlen und hässlich das Schicksal der Niedrigen.* Darauf fuhr er mit seinem SchiflTe

224 näher heran und erschlug die Piraten, welche sich bemühten, mit Haken ihr eigenes Fahrzeug wieder flott zu machen, und allzu eifrig mit dieser Rettungsarbeit beschäftigt waren. Als er nach dieser That zur Flotte des Königs zurückkehrte, wünschte er Frotho mit einem Grusse zu erfreuen, der zu- gleich seinen Sieg meldete, und er rief ihm Heil zu als dem Begründer des blühendsten Friedens. ^) Der König äusserte den Wunsch, dass seine Worte in Erfüllung gehen möchten, und meinte, der Sinn eines weisen Mannes sei prophetisch.*

151 Ericus erwiderte, er rede die Wahrheit und dieser kleine Sieg sei ein Vorzeichen für einen grösseren ; er erklärte auch, dass man häufig die Voraussage grösserer Dinge aus kleinen ab- leiten könne. Darauf ermahnte er den König, seine Scharen aufzulösen und hiess die jütische Reiterei auf dem i^andwege abziehen, während der übrige Teil des Heeres den kürzeren Weg zur See einschlagen sollte. Es hatte aber eine solche Menge von Schiften das Meer erfüllt, dass weder die Häfen zur Aufnahme, noch die Gestade für die Schiftslager, noch die Kosten für die Versorgung mit Nahrungsmitteln aus- reichten. Das Landheer aber soll so gross gewesen sein, dass man sich erzählte, es habe, um den Weg abzukürzen. Berge geebnet, Sümpfe gangbar gemacht, Seen mit Dämmen ausgefüllt und über gewaltige Moore durch Hineinwerfen von Steinen Pfade geschafl'en.

Inzwischen Hess Strunicus, der König der Slaven, durch Gesandte um einen Wafl^enstillstand bitten, aber Frotho ver- weigerte ihm die Zeit zur Vorbereitung; denn er meinte, der Feind dürfe sich nicht unter dem Schutze einer Wafl^enruhe rüsten. Ausserdem habe er bisher sein Leben ohne Kriegs- thaten verbrac^ht und den Beginn derselben dürfe man nicht in zweifelnder Erwartung der kommenden Dinge aufschieben; denn jeder, der seinen ersten Kriegszug glücklich vollendet.

*) Hier wird zum ersten Male Frotho in seiner charakteristischen Eigenschaft als Fried ensfiirst genannt (anrd. FriOt'rööi, dän. Fredegod).

Frothos Sieg über Strunicus; Strafgericht. 241

könne auch von der Zukunft ein ähnliches Glück erhoffen. Jeder werde es doch als eine Vorbedeutung auffassen, wie der erste Zusammenstoss ausfalle ; denn grade der erste Erfolg im Kriege pflege ja ein Vorzeichen für die späteren zu sein. Eric US lobte die Klugheit dieser Antwort und meinte, man müsse das Spiel draussen so fortsetzen, wie man es zu Hause begonnen; auch seien ja die Dänen von den Slaven heraus- gefordert worden. Diesem Ausspruche folgte eine hitzige Schlacht, in welcher Strunicus mit den Tapfersten seines Volkes getötet wurde. Die Unterwerfung der übrigen wurde 225 angenommen. Darauf berief Frotho die Slaven zusammen und Hess durch einen Herold verkünden, man solle alle die- jenigen, welche sich an Raub oder Diebstahl gewöhnt hätten, schleunigst angeben; er werde die Leute mit solchem Charakter mit den höchsten Ehren belohnen. Er gebot auch, dass alle in der Ausübung schlimmer Künste Erfahrenen vortreten sollten, um eine Belohnung entgegen zu nehmen. Dieses Versprechen war den Slaven sehr angenehm. Denn in der Hoffnung auf seine Erfüllung verfuhren manche mehr hab- gierig als überlegt und verrieten sich selbst, noch ehe sie durch die Angabe eines andern überführt werden konnten. Diese grosse Gier nach Erwerb betrog sie so, dass sie sogar die Ehre dem Gewinn nachsetzten und Verbrechen für Ruhm hielten. Als sie sich nun selbst freiwillig gestellt, rief Frotho: Von dieser Pest müsst ihr selbst, Slaven, euer Vaterland befreien; und sogleich Hess er sie von Henkern fortführen und durch die Hand ihrer eigenen Mitbürger an die höchsten Kreuze ^) schlagen. Man hätte glauben können, dass da eine 152 Mehrzahl von einer Minderzahl bestraft wurde. So verweigerte der schlaue König die Verzeihung, welche er den besiegten Feinden gewährt hatte, denen, die ihr Verbrechen bekannten, und vernichtete fast den ganzen Bestand des Slavenvolkes. So folgte der Begier nach einer unverdienten Belohnung eine verdiente Sühne, und die Sucht nach unwürdigem Lohne

*) D. h. Galgen. Vgl. die ähnliche Treulosigkeit Haddings bei der Bestrafung des (ilumerus, l, 42.

Saxo Grammaticus. 16

242 Fünftes Buch.

wurde mit gerechter Strafe belegt. leb glaube wohl, dass diese Leute mit Recht dem Henker fiberantwortet wurden; denn während sie durch standhaftes Schweigen ihr Leben h&tten retten können, stürzten sie sich durch ihr Sprechen selbst in die Gefahr.

Der König, stolz auf den Ruhm seines neuen Sieges, beschloss nun, um in der Gerechtigkeit nicht weniger stark wie in der Schlacht zu erscheinen, sein Heer nach neuen Grundsätzen eiüzurichten, von denen einige der jetzige Brauch noch festhält, andere aber ein neueres, willkürliches Recht abgeschafft hat. ^) Er verordnete nämlich, dass jeder Ab- teilungsf uhrer ^) bei der Verteilung der Beute einen grösseren Anteil als die übrigen Krieger erhielte. Alles erbeutete Gold 220 aber sollte den Führern, vor denen in der Schlacht immer die Feldzeichen einhergetragen wurden, ihrer Würde wegen zufallen. Die gemeinen Soldaten sollten sich mit dem Silber begnügen. Die Waffen sollten die Fechter bekommen, die eroberten Schiffe aber sollten den Bauern zufallen; denn gewissermassen verdienten sie doch diejenigen, die das Recht

*) Hier haben wir den ersten Bericht von Frodes gesetzg^eberischer Thätigkeit : der zweite folgt unten S. 249 fi, der dritte S. 164. (Holder) Obwohl diese Erzählungen äusserlich eng mit Frodes Eroberungszügen verbunden erscheinen, sind doch Saxos Quellen dafür nach Olriks Nachweisen nicht isländisch-norwegisch, sondern dänisch. Ueber die ziemlich um- fängliche Litteratur über diese Gesetze unterrichtet am besten Olrik in seiner ausiiihrlichen Abhandlung II, 8. 196—217, wo er sich auch mit der AutTassung Steenstrups in „Xonhan nerne** (Kopenhagen 1876 fr.) aus- einandersetzt: auch Müllers Anmerkungen, die auf den Ausfahrungen des diinischen Rechtsgelehrten Rosenvinge beruhen, sind wichtig (II, 149ff.). Auf strenge geschichtliche Treue können Saxos Angaben keinen Anspruch machen, da Frode als Stammesheros allerlei Vorzüge und segensreiche Hinrichtungen zugeschrieben werden, auch solche, die ihm gar nicht zu- kommen kt'mneu. Auch die gegensätzliche Lebereinstimmuug mit den Sohandlhaten üreps scheint massgebend gewesen zu sein.

*) Primipilus quisque . . . Ein ziemlich unbestimmter Ausdruck ^ Kitoti üborM'tzt: „Ettch of the vanguard**. bemerkt aber, es könnte auch h«'i'>s«'n ..each captain of a di^•isit)n**; (Trundtvig sagt „Banner-mester*. V»-<1h1 auch iranz allirrmein: „Soni nopen befalniiig haffuer* (S. Xi'IX), Vi*' That^arhf» jr«'h<'n auf altes Volksrecht zurück.

Oesetze Frothos. 243

und die Pflicht hatten,. ScbifFe zu bauen und auszurüsten. Ausserdem verordnete er, dass sieh keiner herausnehmen sollte, sein Eigentum hinter Schloss und Riegel zu bewahren^); wem dabei etwas verloren ginge, der sollte den zwiefachen Wert aus des Königs Schatz empfangen. Wer aber sein Gut in Truhen verschlossen halte, der sollte dem Könige zwei Pfund schuldig sein. Er setzte auch fest, dass jeder, der an einem Diebe Nachsicht übe, selbst in die Strafe für Diebstahl verfalle'). Wer ferner in der Schlacht zuerst die Flucht er- griffe, sollte vom gemeinen Rechte ausgeschlossen sein^). 227 Sobald er dann nach Dänemark zurückkehrte, wollte er alles, was durch Greps verderbliches und gewaltthätiges Verfahren in Verfall geraten war*), durch gute Mittel wieder gut machen; darum gestattete er den Frauen eigene Entscheidung, wenn sie heiraten wollten, damit nie mehr ein Zwang bei der Ver- mählung einträte.^) Femer bestimmte er gesetzlich, sie sollten auch demjenigen in die Ehe folgen, deu sie ohne Einwilligung des Vaters geheiratet hätten. Wenn sich aber eine Freie mit einem Sklaven verbände, so sollte sie seine Stellung teilen, die Wohlthat der Freiheit verlieren und eben- falls in den Sklavenstand treten*). Den Männern legte er die Verpflichtung auf, das Mädchen zu heiraten, welches

^) Dieses Gesetz dürfte ganz der Sage angehören.

*) Auch diese Bestimmung entspricht nicht den thatsächlichen Ueber- lieferungen alter (resetze.

^) Erst im 15. Jhrhdt., nicht in den alten Rechtsquellen finden wir eine Bestätigung hierfür.

♦) S. oben S. 195 ff. 200 ff.

*) Diese Angaben widersprechen geradezu sonstiger Ueberlieferung; vgl. Amira i. Grdr. IH, 161. Kalund ebd. 418 ff.

■) Die thatsächlichen Verhältnisse waren im skandina\'ischen Alter- tum sehr verschieden, je nach Zeit und Ort. Ursprünglich war nur die Ehe zwischen Ebenbürtigen erlaubt, auf eine andere stand der Tod. Später wHirde bei einer Ehe zwischen Freien und Unfreien der freie Teil unfrei, und die Kinder folgten der ärgeren Hand; endlich g^ng die Milderung soweit, dass umgekehrt der unfreie Teil frei wurde und die Kinder der besseren Hand folgten. Vgl. Weinhold 243 ff., Grdr. III^ 129,

141, 418.

16*

244 Fünftes Buch.

sie zuerst verführt hätten ^). Ehebrecher sollten von ihren rechtmässigen Gattinnen eines gewissen Körperteils beraubt werden, damit die Keuschheit weniger unter solchen Schand-

228 thaten litte ^). Er bestimmte auch, dass, wenn ein Däne den andern beraubte, er das Doppelte davon ersetzen und ausser- dem wejgen Friedensbruches bestraft werden sollte*). Wenn jemand gestohlenes Gut in das Haus eines andern brächte und der Wirt hinter ihm die Thür seines Hauses verschlösse, so verfiel dieser der Strafe, alle seine Güter zu verlieren, und in der Volksversammlung sollte er vor aller Augen ge- peitscht werden, weil er sich offenbar desselben Verbrechens schuldig gemacht habe*). Ferner, jeder Verbannte, der als Feind in sein Väterland einfiel oder als Feind gegen seine Mitbürger den Schild erhob, sollte mit Verlust von Gut und

15S Leben dafür büssen '). Wer aber aus Widerspenstigkeit zögerte, einen Befehl des Königs auszuführen, sollte mit Verbannung bestraft werden*). Es wurde nämlich immer ein hölzerner

229 Pfeil, der wie ein eiserner aussah. Mann für Mann als Bot- schaft zu allen Unterthanen geschickt, so oft plötzlich ein Krieg notwendig w^urde'). Wer aber von den gemeinen Leuten in der Schlacht dem Abteilungsführer vorauseilte, sollte aus einem Sklaven ein Freier, aus einem Bauern ein Adliger

^) Nach Müller (Rosenvin^^) sieht dieses Gesetz sehr nach Christ* lichem (romischen) Rechte aus.

') Auch hierfür fehlen urkundliche Belege; allein das Gesetz ent- spricht dem alt||rermanischen Rechtsgnindsatze, dass jeder mit dem Gliedc büssen muss, mit dem er frevelt.

*) Dafür sind ebenfalls keine Relege vorhanden, auf Raub stand ge- wöhnlich eine Strafe von drei Mark.

*) Das war sicher alter Rechtsbrauch, von dem wir auch durch andere Zeugnisse wissen.

*) Ebenfalls durch andere Urkunden belegt,

*) £s handelt sich um Säumigkeit angesichts des Feindes; über die Strafe der Friedlosigkeit (^= Verbannung) s. Amira im Grdr. III, 195.

^) Das rnihersenden des Heerpfeiles ist altgermanische Sitte, die sich Ina ins späte ^[ittelalter in dem Brauche, ,, Botenhölzer* herum- xuschioken, erhalten hat. Vgl. W'einhold, Beitr. z. d. deutschen Kriegs- iiltertümern L d. Sitzungsber. d, Akad. d. AVisscnsch. zu Berlin (1891) IMiil.-Hist. Kl. XXIX, S. 515 ff.

Gesetze Frothos. 245

werden; war er aber edel geboren, so sollte er zum Statt- halter ernannt werden *). Solchen Lohn verdiente sich einst die Kühnheit, und so sehr ziemte nach der Meinung der Alten edle Stellung der Tapferkeit. Man glaubte nämlich nicht, dass der vornehme Stand die Quelle der Tüchtigkeit sei, sondern der Preis dafür. Er verbot auch, sich nach Eidesleistuög oder Abgabe von Unterpfändern in einen Wort- streit einzulafiisen^). Wer aber einen anderen aufforderte, 230 mit ihm zusammen solch ein Unterpfand niederzulegen, sollte ihm ein halbes Pfund Gold zahlen; sonst sollte er eine schwere körperliche Strafe erleiden. Der König hatte nämlich voraus- gesehen, dass aus diesem Niederlegen von Pfändern die Ur- sachen zu den schlimmsten Streitigkeiten erwachsen könnten. Er bestimmte dagegen, dass man über jeden beliebigen Streit mit dem Schwerte entscheiden solle, denn es sei rühmlicher, sich mit seinen Kräften als mit Worten zu bekämpfen^). Wenn nun der eine der Fechtenden den Fuss zurückziehe und den Umfang des vorher gezogenen Kreises überschreite, so solle er als Besiegter der Streitsache verlustig gehen. Wenn aber in irgend einer Angelegenheit ein Bauer einen Kämpen angreife, so sollte er gewappnet ihm gegenübertreten, jener aber nur mit einem Knüttel von einer Elle Länge fechten. Endlich verfügte er, dass die Ermordung eines Dänen durch einen Ausländer mit dem Tode zweier Fremder zu sühnen sei*).

^) Nach Müller ist das nur eine Erfindung zur Verherrlichung Frodes.

^ Es handelt sich um Zweikämpfe, die meist aus Gewinnsucht, häufig auch aus andern Beweggründen unternommen worden; vgl. die Kämpfe des Westmarus und der Götwara gegen Ericus und noch B. VIII, 296/7 (Holder).

') Das sind die eigentlichen Duelle, Holmgänge, die auf fest um- grenztem Platze ausgefochten wurden ; Beispiele dafür waren schon mehr- fach da; es giebt noch zahlreiche andere, darunter eins für einen Kampf, bei dem der eine Gegner mit einem Schwerte, der andere mit einem Knüttel bewaffnet ist.

*) Es ist Thatsache, dasi die Blutrache für einen Mann mitunter an mehreren andern vollzogen wurde.

246 Fünftes Buch.

Unterdessea rüstete Götarus, um Ericas zu bestrafen, ein Heer zum Kampfe. Frotho andrerseits fuhr mit einer grossen, trefflich ausgestatteten Flotte nach Norwegen. Als beide auf der Insel Rensö^) landeten, liess Götarus, er- schreckt durch den Ruhm von Frothos Namen, durch Ge- sandte inständigst um Frieden bitten. Diesen antwortete Ericus: Verächtlich ist der Räuber, der zuerst um Frieden fleht oder sich anmasst, mit guten Leuten in Gemeinschaft zu treten. Wer etwas besitzen will, muss sich auch an- strengen; es gilt Schlag gegen Schlag und Hass gegen Hass. Als Götarus, der von weitem aufmerksam horchte, dies hörte, rief er, so laut er konnte: Jeder ehrenhafte Krieger

281 erinnert sich einer Wohlthat. Ericus erwiderte ihm: Deine Wohlthätigkeit habe ich dir durch einen Rat vergolten. Damit meinte er, dass eine gute Warnung besser sei als jede Art Geschenk. Und um zu beweisen, dass Götarus für den Empfang seines Rates undankbar war, sagte er: Als du mir meine Gattin zugleich mit meinem Leben nehmen wolltest, da hast du mir selbst ein gar schlechtes Beispiel gegeben.

154 Das Schwert allein vermag zwischen uns zu entscheiden. Darnach griff Götarus die dänische Flotte an, hatte aber gar wenig Glück und wurde getödtet. Roller us erhielt darauf seine Herrschaft, die sich über sieben Provinzen er- streckte, als Gnadenbeweis. Ericus beschenkte ihn ebenfalls mit einer Provinz, und zwar mit der, die ihm einst von Götarus übertragen worden war. Damach verbrachte Frotho drei Jahre in tiefem, ungestörtem Frieden.

Inzwischen hatte der König der Hunnen die Yerstossung seiner Tochter vernommen, verband sich mit Olimarus, dem Könige der Orientalen*), und traf zwei Jahre Vorberei- tungen zu einem Kriege gegen die Dänen. Frotho berief nun nicht nur die Eingeborenen sondern auch Norweger und Slaven zu seinen Heeren ein'). Ericus ward von ihm aus-

») S. oben 8. 216, Anm. 2. *) 8. S. 63 Anm. 3.

*) Das ist der zweite Rriegszuj^ Frodes, gej^en die Hunnen und ihre Verbündeten. Die Darstellung^ stimmt zum Teil wörtlich mit dem

Frothos Sieg über Götarus; Hunnenkrieg. 247

gesandt, die feindlichen Schären zu - erkunden, und begegnete Olimarus nicht weit von Russland; denn dieser hatte den Oberbefehl über die Flotte erhalten, jährend der Hunnen- könig die Landtruppen führte. £r redete ihn folgender- massen an:

„Was bedeutet denn, ich bitte, diese gewaltige Kriegs- rüstung, oder wohin eilst du, flottenmächtiger König Olimarus?^

Olimarus erwiderte: „Den Sohn des Fridlewus beab- sichtigen wir anzugreifen; und wer bist du, der du mit kühner Stimme solches fragst?^

Ericus antwortete: „Vergebens erfüllt dir die Hoffnung den Sinn, einen Unbesiegten zu besiegen. Frotho kann keiner überwinden."

Dagegen sprach Olimarus: „Was auch immer geschieht, einmal muss es zuerst geschehen und unverhofft kommt oft*."

Durch diesen Ausspruch wies er darauf hin, dass niemand 2 23 allzu grosses Vertrauen auf das Glück setzen solle. Dann ritt Ericus weiter, um das Heer der Hunnen auszukund- schaften. Als dieses an Ericus und Ericus an dem Heere vorbeizog, zeigte es ihm seine Vorhut beim Aufgange, seine Nachhut beim Untergange der Stmne. Daher fragte er Leute, die er traf, bei wem d«nn die Leitung so vieler Tausende stünde. Als ihn zufällig Hun (das war der Hunnenkönig) erblidcte und bemerkte, dass er die Aufgabe der Auskund- schaftung übernommen habe, fragte er, wie denn der Name 155 des Spähers wäre. Ericus erwiderte, man könne ihn den nennen, . der überall hinkomme und nirgends gefunden werde. Der König zog nun einen Dolmetscher herbei und forschte, was denn Frotho treibe. Ericus versetzte: Niemals harrt Frotho zu Hause auf ein feindliches Heer noch erwartet er den Gegner in seinem Palaste. Denn wer dem Glück eines andern nachstellt, muss auch bei Nacht immer wachsam sein. Niemand habe noch im Schnarchen^ einen Sieg gewonnen*,

poetischen Bericht voo Anflrartyrs Hunnenkampf in der Hervararsoge überein. S. Olrik U, 52; ferner vgl. noch B. I, S. 18 Anm. i und Jor- danes, De origiae actibusque G^tarum cap. 40 (Monum. Qena. Hlst. Auct. Antiqu. V, 1 S. 111).

248 Fünftes Buch.

und nie babe ein Wolf im Schlafe ein Aas gefunden*. Da der König merkte, dass er sich so auf treflFliche Sprichwörter 233 verstehe, sagte er^ Das ist vielleicht Ericus, der, wie ich hurte, fälschlich meine Tochter eines Verbrechens geziehen hat. Er befahl nun auch sogleich, ihn festzunehmen, aber jener sagte, es zieme sich nicht, dass einer von vielen über- wältigt werde. Durch dieses Wort besänftigte er nicht nur den König, sondern bewog ihn auch, ihm zu verzeihen. Sicherlich aber lag der Grund für seine Straflosigkeit mehr in der Schlauheit als in der Güte des Königs; denn dieser entliess ihn hauptsächlich deswegen, dass er Frotho durch die Meldung von der Grösse seines Heeres erschrecke. Als Ericus bei seiner Rückkehr von diesem aufgefordert wurde, das Ergebnis seiner Kundschaft mitzuteilen, berichtete er, er habe sechs Könige, jeden mit seiner Flotte, gesehen; jede Flotte bestehe aus 5000 Schiffen, und jedes Schiff fasse 3(K) Ruderer. Jedes Tausend der gesamten Zahl bestehe aber aus vier Flügeln; er wollte jedoch unter jedem Tausend zwölf- hiindert verstanden wissen^), denn jeder Flügel bestand aus dreihundert. Als nun Frotho zaudernd überlegte, was er gegen eine solche Zahl unternehmen sollte, und sich gar eifrig nach Unterstützung umsah, sagte Ericus: Dem Wackeren hilft das Glück*. Ein kühner Hund muss den Bären angreifen; Jagdhunde braucht man dazu, nicht kleine, unkriegerische Vögel. Damit gab er Frotho den Rat, eine Flotte zu sammeln. Sobald sie ausgerüstet war, segelte man gegen den Feind und unterwarf im Kampfe die Inseln, welche zwischen Dänemark und dem Orient liegen. Dcinn drang man weiter vor und traf auf einige Fahrzeuge der ruteuischen Flotte. Als es nun Frotho wegen ihrer geringen Zahl für schmach- voll hielt, sie anzugreifen, sagte Ericus: Auch bei einem Mageren und Dürftigen müssen wir uns Speise holen*. Wer

*) Das sind im (tanzen 10 800000 3Iann, wenn man nach Saxos An- ^'abe auf Grund des alten (urgfermanischen) Duodozimalsystenis unt«r 100 (las sogenannte „(»rosshundert'' 120, unter 1000 demnach 1200 ver- steht. Noch heut bezeichnet hundra|) im Isländischen ein Orosshundert 120. Die Zahl ist natürlich übertrieben.

Hunnenkrieg; Grösse des Heeres; zwei Seesiege Frothos. 249

fällt, wird selten fett*. Wer in einen grossen Sack geraten 234 ist, kann nicht mehr beissen*. Durch diese Lehre nahm er dem Könige seine Bedenken, einen Angriff zu unternehmen, und veranlasste ihn bald, mit seiner Ueberzahl die kleine Schar zu überfallen, indem er ihm bedeutete, der Nutzen sei dem Ehrgefühl vorzuziehen.

Darauf rückte man gegen Olimarus vor, der wegen der Schwerfälligkeit seiner Massen den Feind lieber erwarten als selbst angreifen wollte. Denn die Schiffe der Rutenen waren 156 offenbar in Unordnung und wegen ihrer Grösse wenig zu Rudermanövern geeignet. Aber auch die Ueberlegenheit an Zahl nützte ihnen nicht einmal etwas. Denn die Menge der Rutenen war zwar ungewöhnlich gross, aber sie zeichnete sich mehr durch ihre Grösse als durch ihre Tü<;htigkeit aUs und überliess so der kräftigeren Minderheit der Dänen den Sieg. Als Frotho in sein Vaterland zurüc(^kehren wollte, er- lebte er ein ganz unerhörtes Hindernis auf seiner Fahrt. Denn die zahlreichen Leichen der Erschlagenen sowie die Trümmer der Schilde und Lanzen hatten in der. wogenden Flut den ganzen Meerbusen bedeckt. Daher waren die Häfen nicht nur beengt sondern auch verpestet! Die Schiffe blieben mitten in den Leichen stecken und sassen darin fest; man konnte auch die verwesenden und herumschwimmenden Körper nicht mit den Rudern entfernen oder mit Haken fort- stossen, ohne dass sogleich, wenn der eine weg war, ein anderer herantrieb und die Flotte belästigte. Man hätt^ glauben können, es sei ein Kampf gegen Tote ausgebrochen; es war ein seltsames Ringen gegen Leichen.

Frotho berief daher die Völker, die er besiegt hatte, zusammen und bestimmte durch ein Gesetz, dass jeder Familienvater, der in diesem Kampfe gefallen war, mit seinem Ross, seiner ganzen Rüstung und allen Auszeichnungen in einem Grabhügel beigesetzt würde. Wenn ein Leichenträger 235 einen aus ruchloser Habgier beraubte, so sollte er nicht nur mit seinem Blute dafür büssen, sondern seine Leiche sollte auch unbestattet bleiben, Grabhügel und Todtenopfer ent- behren. Denn er hielt es für recht, dass der Schänder der

250 Fünftes Buch.

Asche eines andern kein Leichenbegängnis erhalte, sondern an seinem eigenen Körper das Schicksal erleide, das er einem andern bereitet. Die Leiche jedes Abteilungsführers oder Statthalters^) sollte auf einem in dessen eigenem Schiffe er- richteten Scheiterhaufen verbrannt werden ^). Die Körper der Steuerleute sollten immer zu je zehn auf einem Schiffe den Flammen übergeben werden; jeder getötete Herzog oder König aber sollte auf sein eigenes Schiff gelegt und da ver- brannt werden. Er wollte eine so gewissenhafte Genauigkeit bei der Bestattung der Gefallenen eingehalten wissen, um zu verhindern, dass ein unterschiedsloses Massenbegr&bnis ver- anstaltet werde. Es waren schon alle Könige der Rutenen mit Ausnahme von Olimarus und Dagus im Kampfe ge- fallen. Er gebot den Rutenen auch, ihre Kriegführung nach dem Muster der Dänen einzurichten, und keiner sollte eine Frau ohne vorherige Zahlung eines Kaufpreises heiraten; denn er meinte, dass solche Kaufehen dauerhafter sein würden, und glaubte, die Treue würde in einem solchen Ehebunde sicherer gehalten werden, wenn er durch einen Kaufpreis

ase gefestigt sei. Wenn ferner einer wagte, eine Jungfrau zu vergewaltigen, so sollten ihm zur Strafe seine Geschlechtsteile abgeschnitten werden, oder andernfalls sollte er die Schmach der Schändung durch tausend Talente büssen. Er entschied auch, dass jeder, der sich dem Kriegsdienst widme und An- spruch auf den Ruf erprobter Tüchtigkeit erhebe, einen

lo7 einzelnen Gegner angreifen müsse, zweien stand halten sollte, dreien durch eine unbedeutende Rückwärtsbewegung aus- weichen dürfe; vor vieien aber könne er, ohne zu erröten, die Flucht ergreifen. Femer verordnete er, dass eine andere Gewohnheit betreffs der Kriegslöhne zu beobachten sei. Jeder einheimische und ansässige Soldat sollte im Winter drei

*) Es ist wohl ein und dieselbe Würde, centurioois uel satrmpae corpus; dem satrapa ist sonst auch praefectus gleichbedeutend. Der anrd. Ausdruck dafür ist lendrmaOr.

') Ueber die Bestattungen vgl. die III, 117, Anm. 2 angegebene Litteratur, so^ie noch den Bericht über Harald Eampfzahns Tod B. VIII, 264 (Holder).

Gesetze Frotkos; Grosse des Heeres. 251

Talente bekommen, ein gemeiner Mann oder ein Söldner zwei, ein Freiwilliger, der schon Kriegsdienste geleistet, nur eins ^). Durch dieses Gesetz that er der Tüchtigkeit unrecht, denn 237 er sehätzte den Stand der Soldaten, nicht ihren Mut; er konnte hierin offenbar eines Irrtums geziehen werden, da er ja die Familienverhältnisse den wirklichen Verdiensten vorzog. Darauf befragte der König Ericus, ob das Heer der Hunnen den Truppen des Olimarus gleichkäme, und dieser ant- wortete mit folgendem Liede:

>Beim Herkules, ich sah eine Menge, unzählbar fQr jeden, eine Menge, die weder Erde noch Meer fassen konnte. Zahl- reiche Feuer erglänzten, ein ganzer Wald brannte. Diese Flamme war das Zeichen für eine unzählige Masse. Unter den Pferdehufen ward die Erde zermalmt und sank ein, die rasselnden Wagen lärmten in ununterbrochener, rastloser Folge. Es ächzten die Räder, die Lenker stürmten gegen den Wind an, sodass man meinen konnte, der Wagen Rollen gleiche dem Donner. Kaum trug der Boden, zu schwach für solche Last, die Horden der Bewaffneten, die ungeordnet vorwärts drängten. Die Luft schien mir zu ertönen, die Erde zu b6ben; so mächtig war die Bew«gung^ in dem fremden Heere. Denn fünfzehn Feldzeichen sah ich auf einmal er- glänzen, jedes von diesen enthielt hundert kleinere Fähnlein, und hinter jedem von diesen wieder konnte man zwanzig Mann erblicken. Den Fähnlein war aber an Zahl gleich die Zahl der Führer*).«

Wie nun Frotho fragte, wie er einer solchen Masse entgegentreten sollte, belehrte er ihn, er müsse umkehren und warten, bis sich die Feinde durch ihre eigene Menge und Ungeschlachtheit aufgerieben hätten. Diesem Winke folgte

*) Für alle diese Bestimmungen fehlen sonstige Belege. Notzucht wurde nach alten Gesetzen mit zehn Mark Silber bestraft. Die Ein- teilung der Soldaten ist nicht recht klar; die Löhnungssätze lassen sich nicht berechnen; über Geld s. TTI, S. 139, Anm. 1.

*) Wenn man das Hundert wieder als Grosshundert fasst, ergeben sich im Ganzen 36000 Mann, eine Angabe, die zwar ebenfalls übertrieben aber doch wenigstens einigermassen wahrscheinlich ist.

252 Fünites Buch.

er, und der Rat wurde ebenso eifrig gebilligt wie er gegeben worden war. Als nun die Hunnen durch unwegs^^me Ein- öden vordrangen, fanden sie nirgends Lebensmittel und be- gannen allenthalben Mangel zu leiden. Denn es war da eine unwirtliche und sumpfige Gegend, und man konnte keine Abhilfe gegen den Hunger finden. AI9 sie endlich alle Zug- tiere gßtötet und verzehrt hatten, lösten sie sich allmählich auf, da es ihnen ebenso sehr an Fahrgelegenheit wie an

238 Nahrungsmitteln fehlte. Uebrigen3 war diese Yerirrung eine ebenso grosse Gefahr wie der Hunger. Sie verschonten kein Pf^rd, keinen Esel und scheuten sich sogar nicht vor ver- wesendem Aase ; ja sie verschmähten nicht einmal die Hunde ^).

158 Jeder Frevel war ihnen in. der Todesstunde erlaubt. Denn es giebt nichts so Schweres, was nicht die Not zuletzt geböte. Als sie schliesslich durch den Hunger ganz erschöpft waren, trat ein allgemeines Sterben ein. Unaufhörlich wurden Leichen bestattet, alle , fürchteten den . Tod und keiner er- barmte sich der Sterbenden. Die Angst hatte alle Mensch- lichkeit verbannt. Zuerst Hessen nur die Reiterabteilungen allmählich den König im Stich, dann löste sich Schar für Schar das ganze Heer auf. Es verliess ihn auch der Seher Uggerus^), ein Mann von unbekanntem Alter, welches weit über das menschliche Ziel, hinausreichte; er suchte als Ueber- läufer Frotho auf und berichtete ihm alles, was von den Hunnen geplant wurde.

Unterdessen näherte sich Hithinus, der König eines ziemlich bedeutenden norwegischen Stammes, mit hundert- fünfzig Schiffen der Flotte Frothos'). Von diesen wählte

*) Vgl. die ähnliche Schilderung I, S. 43.

*) Anrdr. Yggr = der Schrecker ist ein Beiname Odins ; doch er- kennt dies Saxo nicht mehr.

') Hiermit beginnt die Erzählung der Hildesage, deren Darstellung sich als ein Versuch erweist, dänisches und norwegisches Sagengut zu verquicken (Olrik II, 191 ff., bes. S. 195 6). Den entsprechenden Bericht der Snorraedda s. bei Gering S. 384 5 mit den Anmerkungen. Ueber die Hilde-Gudrunsage (vou der aber nur der erste Teil im Norden bekannt ist) s. Symons i. (»rdr.* III, 709 ff. - Hithinus (anrd. HeÖinn) ist mhd. Hettel.

Aufreibung des Hunnenheeres; Hithinus und Hög^nus. 253

er zwölf aus und fuhr noch näher heran, indem er zum Zeichen, dass Bundesgenossen herankämen, einen Schild oben am Mäste aufhängte ^). So brachte er dem König eine beträchtliche Verstärkung zu seinen Truppen und trat in ein inniges Freundschaftsverhältnis zu ihm. Später verliebten sich inein- ander eben dieser Mann und Hilda, die Tochter des Jüten- fursten Höginus^), eine weitberühmte Jungfrau. Noch ohne dass sie sich gesehen, hatte sie die Kunde über sie für ein- ander entflammt. Sobald sie aber Gelegenheit fanden, ein- ander anzuschauen, konnte keines mehr den Blick vom andern abwenden; so heftige Liebe hielt ihre Augen gefesselt.

Inzwischen hatte Frotho seine Truppen in den Ort- schaften verteilt und sorgte umsichtig für die Herbeischaffung der für den Winter notwendigen Vorräte und Lebensmittel. Aber trotzdem war er nicht im stände, das Heer, dessen 239 Unterhalt eine grosse Last war, völlig zu versehen; so trat denn ein Verderben ein , beinahe ebenso gross wie jene Niederlage der Hunnen. Da schickte er, um dem Andrang von Neuankömmlingen zu steuern, eine Flotte unter der Führung des Revillus und Mevillus*) in die Elbe; sie sollte Sorge tragen, dass niemand mehr übersetze. Gegen Ende des Winters beschlossen Hithinus und Höginus einen gemeinschaftlichen Raubzug zu unternehmen; denn Höginus wusste nicht, dass sein Gefährte seine Tochter liebe. Dieser besass aber einen stattlichen Körperbau und ein lebhaftes Gemüt. Hithinus hatte zwar auch eine gute Gestalt, war aber etwas klein. Als übrigens Frotho merkte, dass die Möglichkeit, sein Heer zu unterhalten, von Tag zu Tag schwieriger wurde, schickte er Rolle rus nach Norwegen, Olimarus nach Schweden, und König Oenewus wie den

^) Vgl. TTY, S. 114, Anm. 2; aus der vorliegenden Stelle geht übrigens klar hervor, dass die Farbe des Schildes keine Rolle spielt.

*) Nrd. HÖgni. in deutscher Form Hagen.

') Diese (oder wenigstens ähnliche) Namen begegnen nur noch in dem Voi-zeichnisse der Seekönige in der Snorraedda als Revill und Mettill (Skaldskaparm. Kap. 75, ed. Arnamagn. I, S. 547, 548).

254 Fünftes Buch.

Wikingerhäuptling Glomerus nach den Orcaden^), um Proviant herbeizuholen, und wies jedem seine eigenen Truppen zu. Dreissig Könige folgten Frotho, die ihm in Freundschaft und Gehorsam huldigten. Als nun Hun vernahm, Frotho

159 habe seine Streitkräfte entlassen, rüstete er ein anderes, neues Heer aus. Höginus aber verlobte seine Tochter mit Hithinus, und beide schwuren sich gegenseitig, wenn einer von ihnen durch das Schwert falle, so sollte ihn der andere rächen.

Im Herbste kehrten die nach Proviant Ausgeschickten zurück und zwar noch reicher an Siegeszeichen als an Lebens- mitteln. Rollerus hatte nämlich die Provinzen Sunmoria und Normoria^) tributpflichtig gemacht, nachdem er ihren König Arthorius^) getötet. Olimarus hatte Thorus den Langen*), den König der Jamten^) und Helsingier, sowie zwei andere, nicht minder mächtige Fürsten besiegt und Estland, Kurland, Oelandien*) sowie die Schweden vor- gelagerten Inseln unterworfen, sodass er als der berühmteste Bezwinger des Barbarenlaudes triumphierte. So brachte er auch 700 Schiffe zurück, doppelt soviel, als er mitgeführt.

240 Auch Oenef und Glomerus, Hithinus und Höginus hatten Siege auf den Orcaden errungen. Diese kehrten mit 900 Schiffen zurück. Nunmehr waren aber schon von weit und breit Lebensmittel eingetroffen, andre hatten mehr noch durch Raub zusammengebracht und die Vorräte reichten völlig aus, die Truppen zu unterhalten. Uebrigens waren Frothos Herrschaft noch zwanzig Reiche zugefallen, deren Könige.» vereint mit den oben genannten dreissig, auf Reiten der Dänen Kriegsdienste leisteten. Im Vertrauen auf diese Streitkräfte

*) D. 8. die Orkneys, eine Inselgruppe im Norden von Schottland. *) D. i. jetzt Söndmöre und Nordmöre in Norwegen. *) Man hat wohl richtiger an den in Norwegen ziemlich häufigen Namen Arnthor als an den sagenhaften Britenkönig Arthur zu denken.

*) Eine Persönlichkeit, über die sich nichts Näheres feststellen lässt. *) Die Jamti sind die Bewohner der schwedischen Provinz Jemtland; über Helsingien s. I, 44. Anm. 2.

•) Violleicht derselbe Platz wie Holandia, B. IV, S. 169 (Anm. 4).

HeeresverstärkuDg, Ttägig^e Schlacht, Frothos Sieg^. 255

nun wurde eine ScMacht mit den Hunnen begonnen. Am ersten Tage derselben wurde ein solches Gemetzel nnter den Kämpfenden angerichtet, dass die drei Hauptflüsse von Russ- land von den Leichen Wie von einer Brücke überdeckt und vollständig überschreitbar waren. Ausserdem konnte man einen so weiten Raum, als man in drei Tagen zu Pferde zu durchmessen vermag, von Menschenleichen angefüllt sehen. So umfangreich waren die Spuren des Blutbades. Als sich die Schlacht sieben Tage hingezogen hatte^ fiel König Hun; sobald sein Bruder, der denselben Namen trug^ sah, wie die Reihen der Hunnen wankten, zögerte er nicht, sich mit seiner Schar zu ergeben. In diesem Kriege unterwarfen sich 170 Könige, welche entweder aus dem Hunnenreiche stammten oder den Hunnen Kriegsdienste leisteten, König Frotho. Diese Zahl hatte Frotho schon vorher bei der Angabe der Feld- zeichen fes%estellt, als er auf Frothos Aufforderung die Stärke der Hunnen ausforschte. Frotho berief nun die Könige zu einer Versammlung und legte ihnen die Verpflich- tung auf, alle unter einem und demselben Rechte zu leben. Olimarus belehnte er mit Holmgardien^), Oenef mit Coenogardien^), seinem Gefangenen Hun wies er Sachsen zu, Revillus gab er die Orcaden. Die Provinzen der Helsin- gier, Jarnberer^) und Jamten nebst den beiden Lappien^) 241 überliess er einem gewissen Dimarus zur Verwaltung. Dag US übertrug er die Statthalterschaft über Estland. Jedem von ihnen erlegte er noch bestimmte Bedingungen zur Zahlung eines Tributes auf und verband so mit seinen Gnaden- beweisen die Verpflichtung zum Gehorsam. So erstreckte sich nun Frothos Reich im Osten bis Russland, während es loo im Westen vom Rheine begrenzt wurde.

Unterdessen wurde Hit hin us durch die Lästerzungen einiger Leute bei Höginus beschuldigt, als habe er dessen Tochter vor der Hochzeitsfeier verführt und entehrt, was da-

^) Im nördlichen Russland ; das letztgenannte heisst bei den Isländern Kaenugard.

^) Jarnberaland ist Dalekarlien in Schweden.

') Lappland, welches sich der Erzähler in zwei Hälften zerteilt denkt.

256 Fünftes Buch.

mals bei allen Völkern für einen Ungeheuern Frevel galt. Höginu8 öifnete nun leichtgläubig der falschen Nachricht sein Ohr, griff Hithinus, der bei den Slaven die Abgaben für den König eintrieb, mit seiner Flotte an, wurde aber in dem Gefecht geschlagen und begab sich nach Jütland. So hatte ein innerer Krieg den von Frotho gebotenen Frieden gebrochen, und die Eingeborenen vergingen sich zuerst gegen des Königs Gesetz. Deshalb Hess sie Frotho sogleich durch Abgesandte beide herbeiholen und forschte sehr eindringlich nach dem Grunde ihrer Feindschaft. Als er ihn erfuhr, er- kannte er nach dem Wortlaut des von ihm gegebenen Gesetzes. Da er aber sah, dass sie auch so nicht versöhnt werden konnten, weil der Vater gar zu hartnäckig seine Tochter wiederforderte, gebot er den Streit mit dem Schwerte auszu- tragen. Denn das schien das einzige Mittel, ihren Zwist zu schlichten. Gleich im Beginn des Kampfes ward Hithinus von einem gewaltigen Schlage niedergestreckt, und Blut und Kräfte verliessen ihn zugleich; da erfuhr er eine unverhoffte Milde von seinem Feinde. Denn obgleich Höginus die beste Gelegenheit hatte, ihn zu töten, zwang er dennoch aus Er- barmen mit seiner Schönheit und Jugend seine Wut der Nachsicht zu weichen. Daher steckte er sein Schwert ein und tötete den Jüngling, der in den letzten Zügen lag, nicht. Denn einst galt es als eine Schmach, einen Unerwachsenen oder Kampfunfähigen des Lebens zu berauben. Sosehr wahrte im Altertum die Tapferkeit der Kämpen alles, was die Ehre betraf. Hithinus ward nun von seinen Gefährten aufs Schiff gebracht und durch die Gnade seines Feindes gerettet. 242 Sieben Jahre später aber begannen sie auf der Insel H ithinsö ^) wieder eine Schlacht und erlagen beide ihren Wunden, die sie sich gegenseitig beibrachten. Höginus wäre also glück- lich gewesen, wenn er an dem einmal besiegten Hithinus lieber Strenge als Gnade geübt hätte. Man berichtet aber, Hilda sei von solcher Leidenschaft zu ihrem Gatten entflammt

*) D. i. jetzt Hiddensee an der Westküste von Rügten; andere nordische Berichte verlegen den Kampf auf Haey, eine der Orkneys, deutsche Ueber- licferung nach dem Wülpensand an der Scheldemündunf^.

HöginuB u. Hithinus; Krieg zwischen Alricus u. Gestiblindus. 257

gewesen, das» von ihr die Sage ging, sie habe bei Nacht die Geister der Gefallenen durch Zauberlieder wieder auferweckt, um die Schlacht zu erneuern^).

Zu derselben Zeit entbrannte ein blutiger Krieg zwischen Alri^us, dem Könige der Schweden, und dem Könige der Götl&nder, Gestiblindus*).. Dieser war der Schwächere und kam als Bittender zu Frotho, um sich und sein Reich ihm zu übergeben, wenn er Hilfe erhielte. Es wurden ihm alsbald Skalk^) aus Schonen und Ericus zur Unterstützung beigegeben, und er konnte mit einer Verstärkung seines Heeres heimkehren. Als er nun beschloss, mit seinen Truppen einen Vorstoss gegen Alricus zu unternehmen, meinte loi Ericus, er müsste zuerst dessen Sohn Gunthionus, den Statthalter der Wermen*) und Solonger*), angreifen. Denn der vom Unwetter ermattete Schiifer müsse am nftchsten Strande landen""; ausserdem grüne nur selten ein Stamm ohne Wurzeln*. So wurde denn ein Angriff unternommen, in dem Gunthionus fiel; sein Grabhügel erinnert noch an seinen Namen. Als Alricus von dem Tode seines Sohnes hörte, eilte er, ihn zu rächen. Sobald er die Feinde erblickte, liess er Ericus zu einer geheimen Unterredung herbeiholen, er- innerte ihn an die Bündnisse ihrer Väter und bat ihn, doch

^) Dieser Schiusa ist hier das einzige Mythische in der Sage, die Saxo sonst als geschichtliche Thatsache berichtet; unter dem Mythus glaubt man den ewig sich erneuenden Kampf zwischen Licht und Finst-ernis, Tag und Nacht, zu erkennen.

*) lieber die folgende Geschichte, eine altschwedische Königssage, den Kampf zwischen Ericus und Alricus, s. Olrik II, 53; 55 59. Olrik w^eiss auch mit grossem Scharfsinn einen Zusammenhang unserer Er- zählung mit einem Berichte der Ynglingasaga herzustellen, während von Hüller noch nur eine Uebereinstimmung in den Namen angenommen wurde. Gestiblindus erscheint in der isländischen (Hervarar-) Sage als Name Odins (Gestumblindi).

') Hier eine stumme und nicht handelnde Person, die wohl nur von dem letzten Bearbeiter der Sage eingeführt wurde, um einen, wenn auch nur äusserlichen Zusammenhang mit Dänemark herzustellen.

*) Bewohner der Provinz AVermland am Wenenisee in Schweden.

') Die Bewohner der später genannten Solöer (Sonneninseln), einer Gegend im südöstlichen Norwegen, an der schwedischen Grenze. Sazo Grammatictti. 17

258 Fünftes ßuch.

den Dienst des Gestiblindus zu verlassen. Da sich Ericus dem standhaft widersetzte, verlangte er mit Gestiblindus zu kämpfen, denn er hielt einen Zweikampf für besser als eine allgemeine Schlacht. Ericus erwiderte, dieser sei in seinem 243 Greisenalter der Waffen entwöhnt, und führte zugleich mit seinen hohen Jahren seinen traurigen Gesundheitszustand als Entschuldigung an, erbot sich aber, an seiner Stelle zu kämpfen; denn er hielt es für schimpflich, sich einem Zwei- kampf für den zu entziehen, zu dessen Unterstützung im Kriege er doch gekommen war. Ohne Zögern wurde nun sogleich gefochten. Alricus fiel und Ericus wurde aufs schwerste verwundet. Kaum konnte man Heilmittel für ihn finden, und erst spät erlangte er seine Kräfte wieder. Frotho hatte aber ein falsches Gerücht die Kunde von seinem Tode gebracht, und das erfüllte das Gemüt des Königs mit grossem Kummer. Diese Trauer aber zerstreute Ericus durch eine glückliche Rückkehr, denn er verkündete zugleich, dass Schweden, Wermland [Helsingien] und die Sonneninseln durch ihn zu der Herrschaft Frothos hinzugekommen seien. Frotho machte ihn sogleich zum König über die von ihm unter- worfenen Völker und verlieh ihm noch ausserdem Helsingien mit den beiden Lappien, Finnland und Estland gegen einen jährlichen Tribut. Vor ihm hiess keiner der schwedischen Könige Ericus, von ihm aber ging dieser Name auf die spateren über.

Zu derselben Zeit herrschte in Hetmarchien ^) Alf, der einen Sohn Asmundus hatte, und in der Provinz Wik') Biomo, dessen Sohn Aswitus hiess. Da geschah es einst Asmundus, während er bei einer wenig ergiebigen Jagd beschäftigt war, das Wild mit Hunden zu hetzen oder in

*) D. j. Hedemarken in Norwegen. Hier bej?innt die Schilderung von Frodes Zug gegen Norwegen. Damit verwoben ist die norwegische Sage von Asmiind und Aswit. Andere Fassungen derselben Geschichte bieten noch die Sage von Harald Häri'agri Kap. 8, die Landnamabok II, 6 und die Sage von Kgill und Asmund in den Fornaldar sr»gur NorÖrl. III; 3«5ff. Vgl.Olrikll, 53; Uhland Schrift. VII. 217ff. Müllers Ausgabe II, 163.

*) D. i. der südliche Teil von (lötland.

Alricus u. Ericus; Asmundiis u. Aswitus. 259

Netzen zu fangen, dass ihn plötzlich ein Nebel überfiel und er sich auf einem umwegsamen Pfade ziemlich weit von seinen Jagdgefährten entfernte. Er schweifte endlich über öde Bergesjoche, verlor sein Ross und seine Kleider und musste sich schliesslich von Schwämmen und Wurzeln nähren. Zu- letzt gelangte er auf seinem Wege zufällig zu dem Hause des Königs ßiorno. Als nun er und der Sohn des Königs einige Zeit miteinander verlebt hatten, da beschworen sie zur Be- stätigung der Pflege ihrer Freundschaft mit allen Gelübden, dass derjenige von ihnen, welcher länger am Leben bliebe, 244 mit dem Verstorbenen sich begraben lassen werde. Denn es i^^ lag eine solche Leidenschaft in ihrem Freundschaftsbündnis, dass keiner von beiden, wenn der andre vom Schicksal hin- gerafft wäre, länger das Leben gemessen wollte^).

Darnach sammelte Frotho ein Heer aus allen ihm unter- worfenen Völkern und segelte mit seiner Flotte nach Nor- wegen, während Ericus mit der Leitung des Landheeres betraut wurde ; denn nach der Art menschlicher Leidenschaft strebte der König, jemehr er besass, nach immer noch mehr und gab nicht zu, dass selbst der ödeste und unwirtlichste Teil des Erdkreises von einer Beunruhigung dieser Art ver- schont blieb. So sehr pflegt ein Zuwachs an Macht eine Ver- grösserung der Habgier zu verursachen. Die Norweger nun gaben die Hoffnung auf Verteidigung auf, verzweifelten an ihrer Fähigkeit sich zu widersetzen und begannen zum grössten Teil in das Gebiet von Halogien^) zu fliehen. Auch die Jungfrau Stikla') entfernte sich, um ihre Keuschheit zu be- wahren, aus ihrem Vaterlande und rüstete sich lieber zum Kriege als zur Hochzeit.

Unterdessen wurde Aswitus von einer Krankheit hin- gerafft und ward mit seinem Hunde und Rosse*) in einer

^) Ein Beispiel besonders inniger Blutbrüderschaft: s. I, S. 34 Anm. 4.

») S. ni, S. 114 Anm. 3.

') Dasselbe Kampfmädchen begegnet nochmals VU, 2i9 (Holder), vgl. auch U, 63 Anm. 5.

*) Das ist gemeingermanisclie Sitte; auch Falken werden als Bei- gabe Toter er^'ähnt. Vgl. auch oben S. 250 Anm. 2.

17*

260 Fünftes Buch.

Erdhöhle begraben. Asmundus gewann es über sich, sieh wegen ihres Freundschaftseides mit ihm bestatten zu lassen, und es wurde ihm Speise und Trank mitgegeben, womit er sich ernähren sollte. Ericus hatte nun schon mit seinem Heer« die oberhalb gelegenen Gegenden durchzogen und Icam nun zufällig zu des Aswitus Grabmal. Da die Schweden glaubten, es seien Schätze darin, wühlten sie mit Hacicen den Hügel auf. So sahen sie denn nun, wie sich eine Höhle von unerwarteter Tiefe vor ihnen öffnete. Um sie zu untersuchen, musste sich ein Mann einen Strick um den Leib binden und daran herunterlassen. Durch das Los wurde einer von den tapfersten Jünglingen dazu bestimmt. Als nun Asmundus sah, wie dieser in einem Tragekorb, der an einem Seile be- festigt war, herunterbefördert wurde, warf er ihn sogleich heraus und stieg selbst in den Korb. Dann gab er denen, die oben dastanden und das Seil hielten, das Zeichen, ihn 245 heraufzuziehen. Diese thaten das auch in der Hoffnung, eine grosse Menge Geld darin zu finden. Als sie aber das unbe- kannte Antlitz des empor Beförderten sahen, erschraken sie über den ungewohnten Anblick, meinten, ein Toter sei auf- erstanden, warfen den Strick weg und flohen nach allen Rich- tungen. Denn Asmundus' Gesicht war in einem schrecklichen Zustande und schien ganz wie mit Leichenmoder bedeckt. Er versuchte die Fliehenden zurückzuhalten und begann zu rufen, sie fürchteten sich ganz ohne Grund vor einem Leben- den. Als ihn Ericus sah, wunderte er sich am meisten über das Aussehen seines blutigen Gesichts. Denn auf seinem Antlitz vorn schimmerte Blut. Aswitus war nämlich bei Nacht wieder aufgelebt und hatte ihm in hartem Kampfe das linke Ohr abgerissen^). Daher rührte das grässliche Schau- spiel der noch frischen und blutigen Narbe. Von den Um- stehenden aufgefordert, die Veranlassung seiner Verwundung zu berichten, begann er folgendermassen zu reden:

*) Diese Angabo entspricht der im Altertum ganz verbreiteten An- Bchauung von dem Wiedererwachen Toter, die dann als schädigende Ge- spenster umgehen; s. die Litteraturangaben II, S.05 Anm. 5 u. S. t>8 Anm. 3.

Asmundus. 261

„Was staunt ihr, dass ihr mich ohne Farbe seht? Jeder les Lebendige verliert doch sein Aussehen unter den Toten. Schlimm für den Einsamen, schwer für den Einzelnen ist das Haus, das alle Welt aufnimmt^). Elend sind die, welche das Elend menschlicher Unterstützung beraubt hat. Die Höhle und die träge Nacht, die Finsternis und die alte Grotte haben mir für Augen und Sinn alle Anmut entrissen. Der schaurige Erdboden, der grausige Grabhügel und die schwere Flut von Unrat haben die Schönheit meines jugendlichen Antlitzes ge- mindert, mein Aussehen geschändet und meine gewöhnliche Kraft geschwächt. Ueberdies habe ich noch mit einem Toten gestritten und die schwere Last und unendliche Gefahr eines Ringkampfes mit ihm auf mich genommen. Mit seinen Klauen stürzte sich Aswit, wieder belebt, auf mich, um mich zu zer- fleischen, und mit höllischen Kräften begann er nach seinem Begräbnis den schrecklichen Krieg.

Was staunt ihr, dass ihr mich ohne Farbe erblickt? Jeder Lebendige verliert doch sein Aussehen unter den Toten.

Durch irgend ein unerhörtes Wagnis einer höllischen 246 Gottheit ward Aswits Geist von den Unterirdischen gesandt und verzehrte mit grausamen Zähnen das schnellfüssige ^) Ross und bot seinem verruchten Munde den Hund. Und nicht zufrieden mit dem Frass des Pferdes und Hundes, wandte er sogleich auf mich die raschen Klauen, zerfleischte mir die Wange und entriss mir ein Ohr; daher der schauerliche An- blick meines Gesichts; es leuchtet das Blut in der grausen Wunde. Doch nicht ungestraft handelte das Ungeheuer; denn sogleich hieb ich ihm mit dem Schwerte das Haupt ab und durchbohrte seinen schuldigen Leib mit einem Pfahl ^).

^) So übersetze ich omnis domus orbis, indem ich omnis orbis als gen. obj., abhängig von domus fasse und darunter die Unterwelt, das Totenreich verstehe. Elton übersetzt nach Müller, „Every dwelling in the World."

*) Hier natürlich nur stehendes (schmückendes) dem Lateinischen ent- lehntes Beiwort, (eigentl. flügelfüssig = alipes) ; dasselbe findet sich übrigens auch in dem LiedeVI, 215,2 (Holder).

•) Vgl. I, 39 Anm. 2.

'Ji'rJ FuLsfies Buch.

Wai5 staunt ihr. dass ihr mich ohne Farbe erblickt? Jeder I^ebeudige verliert doch sein Aussehen unter den Toten ^j-.

Frotho war nun sHion mit seiner Flotte in das Gebiet von Halogien gelaDg:t und hier befahl er. um eine Vorstellung Ton der Menge seiner Scharen zu bekommen, die jeden Be- griff von Ma.ss und Zahl zu übertreffen schien, dass seine Soldaten einen Hügel aufschütteten, indem jeder Mann einen Stein auf einen Haufen werfen sollte. Dasselbe Verfahren beoba^.'htete auch der Feinde um sein Heer zu zahlen, und noch sind die Hügel zu sehen und bieten dem Besucher ein Zeugnis für die Wahrheit*). Hier lieferte Frotho den Nor-

164 wegeru eine Schlacht und führte einen gar blutigen Tag herbei. In der Xacht waren beide Parteien auf den Rückzug bedacht. Als die Morgendämmerung heranbrach« hatte Ericus diese Gegend schon durcheilt und stiess zum Könige: er riet ihm d^-n Kampf zu erneuem. In diesem Treffen erlitten nun die Dänen einen so grossen Verlust, dass von ihren 'i(XH) Srhiffeu nur 170 übrig geblieben sein sollen. Die Nor- weK»*r aber wurden durch das masslose Gemetzel so aufge- rieben, dass. wie das Gerücht geht, nicht einmal für den fünften Teil ihrer Dörfer Bewohner übrig blieben.

2*7 Der siegreiche Frotho wollte nun bei allen Völkern den

Frieden wiederherstellen, und um das Vermögen jedes einzel- nen vor diebisdien Einfällen zu sichern und seinen Reichen nach dem Kampfe Ruhe zu vergönnen, hängte er eine Arm- spange an einem Felsen, welcher der Frothosteiu heisst, und eine zweite in der Provinz Wik auf^); darauf hielt er

') Dh'sc Verse bilden <'inen Kehrreim, wie er sich häutig in der nonliiX'hen Pciesie findrt : vpl. auch das Zauhorli^'d I, S. 33.

*) Derartijfe Stciidiaufen (aber verschiedenen Irsprun^s) finden sich auch snnst hiiufijr; \^r\, Saxn Vllf, 2^'> (Holder) »nul (über (»räber) Müller- .liric/ek, \<»rd. Altort uniskde. I, 339.

*) Dii'Hor altrrtiiinlirhe Zug ist vielleicht der Kern in der Teber- liefening der (»e.scUichte vom Frodefried»'n (Olrik II, 20 i), an den sich alhniililirh die übrigen, genaueren Erlasse über die Sicherung des'Üigen- tums angesetzt halien. Wo der Frodestein liegt, lüsst sich nicht f^usmacheti; vielleicht in der <»egend von Drontheim (Olrik II. .'»3 Atmi.). Tnten S. 271

Frothos Sieg Id Norwegen; Gesetze. «263

eine Versammlung der Norweger ab und sagte, diese Spangen sollten eine Probe für die Rechtschaffenheit liefern, die er verordnet habe. Zugleich drohte er, wenn sie gestohlen würden, werde er alle Beamten dieses Bezirkes bestrafen. So wurde also zur höchsten Gefahr der Statthalter das Gold ohne Bewachung mitten auf Strassenkreuzungen niedergelegt und diente als ein grosses Reizmittel für die Habsucht ; denn die günstige Beute musste ja geradezu habgierige Gemüter zum Raube verlocken. Er verordnete auch^), dass Seefahrer überall, wo sie Ruder fänden, dieselben ohne weiteres ver- wenden dürften. Wer einen Fluss überschreiten wollte, sollte die Freiheit haben, das Pferd zu benutzen, welches er zu- nächst der Furt vorfände. Man musste aber dann absteigen, wenn seine Vorderfüsse schon den Boden berührten, die Hinterbeine aber noch das Wasser bespülte. Denn er meinte, dass solche Gefälligkeit zur Bequemlichkeit anderer eher Freundlichkeit als Unbill zu nennen sei. Uebrigens bestimmte er auch, dass derjenige der Todesstrafe verfalle, der sich an- masse, das Pferd nach Ueberschreitung des Flusses noch weiter zu benutzen. Er gebot auch, dass niemand Haus oder Truhe durch Schlösser sichere oder überhaupt irgend etwas unter Schloss und Riegel hielte, indem er für einen Verlust ' dreifachen Ersatz versprach. Ferner machte er bekannt, man dürfe soviel Speise von einem Fremden zur Wegzehrung mitnehmen, als für eine Mahlzeit ausreichte. Wer über dieses Mass hinausgehe, solle des Diebstahls schuldig sein. Diebe aber sollten mit durchschnittenen Sehnen aufgehängt werden 248 und ein Wolf neben ihnen, damit die Aehnlichkeit der Strafe die Bosheit des Menschen ebenso gross erscheinen lasse wie die Raubgier dieses Tieres ^). Dieselbe Strafe sollte auch

wird dieselbe Geschichte noch einmal erzählt und zwar für Jätland ; ganz dieselbe Sage ging übrigens auch von König Alfred dem Grossen von England (849—901).

^) Im Anschluss an den vorigen Bericht werden teils einige neue Gesetze mitgeteilt, teils oben (S. 242 u. 249 ff.) angegebene wiederholt. Die beiden ersten Bestimmungen sind wohl altes Rechtsgut.

*) Dieser Brauch ist alt und geht vielleicht auf Kultgebräuche zurück, vgl. Amira i. Grdr. 111, 197 u. Saxo VIU, 278 (Holder).

264 Fünftes Buch.

gegen die zur Anwendung kommen, welche um einen Dieb- stahl wussten. Hier verlebte er nun sieben Jahre in glück- lichster Ruhe und bekam einen Sohn Alvo und eine Tochter Ofura.

In eben diesen Tagen war Arngrimus ^), ein schwe- discher Fechter zu Frotbo gekommen; er forderte Skalk m aus Schonen, weil dieser ihm einst ein Schiff geraubt, zum Zweikampf heraus und tötete ihn. Masslos aufgeblasen über diese That, begann er um Frothos Tochter zu werben. Da er aber beim Könige verschlossene Ohren fand, bat er Eric US, der Schweden beherrschte, um Unterstützung. Dieser ermahnte ihn, er solle sich durch irgend eine kühne That Frothos Gunst gewinnen, und gegen Egtherus, den König von Biarmien, sowie gegen Then^illus '), den König von Finnimarchien, kämpfen; denn während alle übrigen Völker der Herrschaft der Dänen unterthan waren, waren diese die einzigen, welche sich ihr zu entziehen schienen. Und ohne Verzug führte er sein H^er dorthin. Die Finnen*) sind aber ein Volk im äussersten Norden; sie sitzen in einem kaum bewohnbaren Teile der £rde und bebauen ihn. Sie verwenden scharfe Waffen, und kein anderes Volk besitzt grössere Geschicklichkeit im Speerwerfen. Sie schiessen mit grossen, breiten Pfeilen. Sie treiben eifrig Zauberei und sind gewandt in der Jagd. Sie haben keine bestimmten Wohnstätten und festen Häuser, sondern wo sie Wild finden, schlagen sie ihre Sitze auf. Sie fahren auf gekrümmten Brettern ^) und durchziehen so ihre schneebedeckten Berge.

') Diese Episode, eine Liebesgeschichte mit Heldenkämpfen ver- bunden, bt wohl isländischer Herkunft und wahrscheinlich aus der Sage von Halfdan Bjargrami (vgl. unten VII, 223 Holder) entlehnt und hierher übernommen; dort findet sich auch der Name Egtheus wieder. Amgrim winl auch erwähnt im Liede von Hyndla Str. 28 (rr= Gerings Edda S. 121 ), in der Hervarar- und Or^'aroddssaga.

*) Das Wort pengill ist im anrd. auch Appellativum in der Bedeutung Fürst, Herrscher.

') üeber die Finnen vgl. Vorr. S. 14 Anm. 1 und dazu noch ß. IX, 309 (Holder).

*) Wieder sind Schneeschuhe gemeint.

Amgrimus u. die Finnen. 265

Diese griff Arngrimas an, um sich Ruhm zu erwerben und 249 überwältigte sie. Als sie sich nach unglücklichem Kampfe auf der Flucht zerstreuten, warfen sie drei Steinchen hinter sich und bewirkten, dass diese den Feinden als ebenso viele Berge erschienen. Arngrimus Hess sich auch durch dieses Trugbild täuschen und rief sein Heer von der Verfolgung der Feinde zurück, in der Meinung, er sei durch die da- zwischen liegenden gewaltigen Bergmassen gehemmt. Als sie am folgenden Tage wieder zusammenstiessen und die Finnen besiegt wurden, warfen diese Schnee auf die Erde und gaben ihm das Aussehen eines grossen Stromes. Durch diese Vorspiegelung wurden die Schweden wieder getäuscht und hinters Licht geführt, denn es schien ihnen ein unge- wöhnlicher Wasserschwall entgegen zu brausen. Während also der Sieger vor dem wesenlosen Bilde der Wogen zurück- schreckte, gelang den Finnen die Flucht. Am dritten Tage erneuerten sie wiederum den Kampf, aber jetzt hatten sie kein wirksames Mittel mehr, zu entkommen. Als sie daher sahen, wie ihre Reihen wankten, ergaben sie sich der Gnade des Siegers. Arngrimus Hess nun die Zahl der Finnen feststellen und legte ihnen einen Tribut in der Gestalt auf, dass immer* je zehn nach Ablauf von drei Jahren eiuen Wagen voll Tierfelle als Abgabe liefern sollten. Dann for- derte er Egtherus, den Fürsten der Biarmier, zum Zwei- kampf heraus, besiegte ihn darin und stellte die Bedingung, dass die Biarmier Mann für Mann jeder ein Tierfell abzu- geben hätten. Darauf kehrte er mit dieser Beute und diesen Trophäen zu Ericus zurück. Dieser begleitete ihn nach Dänemark, rühmte den jungen Mann höchlich vor Frotho und sagte ihm, er sei wohl einer Königstochter wert, da er ja die äussersten Grenzen der Menschheit seiner Herrschaft zugefügt hätte. Frotho zog auch seine hervorragenden Ver- ^^^ dienste in Betracht und hielt es nicht für unangemessen, den zu seinem Schwiegersohne zu machen, der sich durch solche Ruhmesthaten aHgemeinen und weitverbreiteten Ruhm ge- schaffen.

Arngrimus bekam von Ofura zwölf Söhne, deren 250

266 Fünftes Buch.

Namen ich, wie folgt, aiifgeschriebeu habe: Brander, Biarbi, Brodder, Hiarrandi, Tander, Tirwingar, zwei Hadinge, Hiorthwan Hiarthwar, Rani, Angantir *). Diese verlegten sich von Jugend an auf den Seeraub, und sie fuhren einst zufällig auf einem einzigen Schiffe nach der Insel Sampso^), auf der sie am Strande zwei Schüfe der Wikinger Hialmerus und Arwaroddus^) fanden. Sie griffen sie an und töteten die Ruderer, waren aber ungewiss, ob sie auch die Führer erschlagen hätten. Daher setzten sie die Leichen der Ge- fallenen jede an ihren Platz und merkten dabei, dass die von ihnen gesuchten fehlten. Traurig hierüber sahen sie ein, dass der gewonnene Sieg keinen Strohhalm wert sei, und dass sie in der folgenden Schlacht in weit grössere Lebens- gefahr geraten würden. Denn dem Hialmerus und Arwaroddus hatte schon vorher ein Unwetter die Steuer zerbrochen und die Schiffe beschädigt, und sie waren in einen Wald gegangen, um sieh ein neues zurechtzuhaueu; sie spitzten einen rohen Baumstamm zu und bearbeiteten ihn so lanfi^e mit den Aexten, bis die gewaltige Masse die Gestalt eines Ruders annahm. Das nahmen sie nun auf die Schulter und trugen es, ohne etwas von dem Unglück ihrer Genossen zu ahnen, zum Strande hinab, wurden dort von Ofuras Söhnen, welche noch von dem Blute der Erschlagenen trieften, ange- griffen und gezwungen, zu zweien den £ntscheidungskampf gegen die Uebermacht zu wagen. Dieser Angriff war nicht billig, denn zwölf Mann kämpften gegen nur zwei. Uebrigens entsprach der Sieg nicht der Zahl. Es wurden nämlich alle Söhne Ofuras erschlagen, und da auch Hialmerus von deren Hand fiel, blieb der Ruhm des Sieges nur Arwaroddus, den allein von der ganzen Schar seiner Gefährten das Schicksal am Leben erhielt. Dieser warf nämlich den noch

^) Vgl. die Aufzählung im Liede von Hyndla Str. 22: dort, sowie in der Bervarar- (Kap. 3) u. Onaroddssaga (Kap. 14) finden sich einige Abweichungen.

') I). i. Sanisö zwischen Seeland und Jütland; über den Kampf auf dieser Insel und das Verhältnis der übrigen Quellen zu Saxo s. Olrik II, 59 ff.

_ «

•) D. i. der Held der < )rvarüddssaga.

Arngrimus' Söhne u. Arwaroddus; Frotho in Britannien. 267

recht unförmlichen Stamm zu dem Ruder mit einem solch unglaublichen Schwünge und so grosser Gewalt auf die Feinde, dass er alle zwölf mit diesem einzigen Wurfe zer- malmte. Obwohl nun so alle kriegerischen Unruhen beendet waren, verschwanden dennoch nicht die Räuberschären vom Ozean.

Dieser Umstand veranlasste Frotho, dessen einziger Wunsch in der Ausbreitung des Friedens bestand, am meisten, den Occident mit Waffengewalt anzugreifen. Er berief Eric US, sammelte aus allen ihm unterworfenen Reichen eine Flotte und segelte mit einer unzählbaren Masse von Schifften nach Britannien^). Der König dieser Insel erkannte, dass er ihm an Streitkräften nicht gewachsen sei, (denn das Meer schien durch die Fahrzeuge abgesperrt zu sein) besuchte Frotho unter dem Scheine, als wolle er sich ergeben und begann dabei nicht nur seine Grösse und Macht zu bewun- 167 dem, sondern er versprach auch den Dänen, den Bezwingern der Völker, seine und seines Lande's Unterwerfung. Ab- gaben, Tribut, Zölle, alles, was sie nur wünschten, bot er ihnen an. Zuletzt lud er sie noch freundschaftlich zu sich ein. Frotho war diese Fügsamkeit des Britanniers ange- nehm, obgleich ein so schnelles und ohne jeden Zwang ge- gebenes Versprechen, eine so rasche Ue hergäbe des Feindes vor dem Kampfe, was doch nur selten einer off'enen und ehrlichen Gesinnung zu entspringen pflegt, in ihm den Ver- dacht einer Hinterlist nährte. Die Dänen beschlich auch Besorgnis wegen des Gastmahles, denn sie fürchteten, man 252 Svürde sie mit Heimtücke angreifen, wenn einmal ihre Nüch- ternheit in die Fallstricke des Weines geraten wäre. Uebri- gens schien auch die Zahl der Eingeladenen zu klein, als dass man unbesorgt dem Einladenden hätte folgen können. Man hielt es auch für unzweckraässig, sein Leben der noch unerprobten Treue der Feinde anzuvertrauen. Da man nun lauter solche Bedenken äusserte, wandte sich der König von

*) Die Geschichte vom Zuge gegen England und Irland ist wahr- scheinlich auch isländischen Ursprungs.

268 Fünftes Buch.

neuem an Frotho und ersuchte ihn, mit 2400 Mann zum Gelage zu kommen, während er vorher gewünscht hatte, er möge nur mit 1200 Edlen an dem Feste teilnehmen. Frotho gab zwar seinen Verdacht noch nicht auf, konnte aber im Vertrauen auf die vergrösserte Zahl der Geladenen doch mehr Zuversicht fassen, das Gelage zu besuchen; er ordnete aber zugleich Leute ab, welche die Schlupfwinkel der Gegend durchsuchen und ihm schleunigst melden sollten, wenn sie bei ihrem Forschen irgend einen Hinterhalt entdeckten. Zu diesem Zweck drangen sie in einen Wald ein, und als sie da eine verschanzte Reihe von Zelten sahen, welche die Streitkräfte der Britannier bargen, hielten sie zweifelnd ihre Schritte an. Sowie sie aber den Sachverhalt genau erkann- ten, beeilten sie sich mit der Ruckkehr, denn die Zelte waren dunkel und mit einer Art von Decken behängt, damit sie den Nahenden weniger in die Augen fielen. Als Frotho dies erfuhr, legte er seinerseits eine auserlesene Schar seiner Edlen in einen Hinterhalt, um nicht um rechtzeitige Hilfe verlegen zu sein, wenn man sich doch zu unbedacht zu dem Gelage gewagt haben sollte. Mit diesen, die sich in ihrem Verstecke verbargen, verabredete er als Zeichen, wenn Hilfe nötig wäre, einen Homstoss. Dann begab er sich mit der bestimmten Zahl seines Gefolges, das nur leicht bewaffnet war, zu dem Mahle. Es war eine Halle mit dem Aufwände königlicher Pracht geschmückt, und an allen Seiten hingen purpurgefärbte Teppiche, auf denen man Arbeiten von wunderbarer Kostbarkeit wahrnehmen konnte^). Ein pur- purner Vorhang zierte auch die aus Holz gezimmerten Wände. Der Fussboden war mit so strahlenden Geweben bedeckt, dass man sich scheuen mochte, den Fuss darauf zu setzen. Oben sah man zahlreiche Fackeln brennen und mit Gel ge- füllte Lampen leuchten. Aus Räuchergefässen entströmte ein Wohlgeruch, den ein lieblicher Dunst von auserlesenem Duftwerk noch steigerte. Den ganzen Mittelweg fassten Tische ein, die mit reichen Mählern bedeckt waren. Die

*) Mit der Schilderung dieser prächtigen Halle vergleiche man die im Beowulfsliede von der Halle Heorot.

Frotho in Britannien; das Festmahl. 269

Lagerstätten waren mit golddurchwirkten Kissen geschmückt, 168 die Sitze mit Kopfpolstem versehen. Man hätte glauben können, die herrliche Ausstattung lächele den Eintretenden entgegen, und man hätte nichts Beleidigendes für das Auge, 253 nichts Unangenehmes für den Geruch entdecken können. Mitten in dem Gemach stand ein Gefäss zum Füllen der Becher, welches eine masslose Menge Trankes fasste, sodass man daraus schöpfen und alle Kehlen bei diesem gewaltigen Gelage daraus sättigen konnte. Diener in Purpur gekleidet trugen goldene Schöpfkrüge und walteten in geordneten Reihen einherschreitend anmutig ihres Schenkenamtes. Auch fehlte es nicht an Auerochsenhörnern, aus denen man trin- ken konnte. Die Tafel erglänzte von goldenen Schalen und war mit funkelnden Bechern beladen, an denen meistens noch strahlende Edelsteine befestigt waren. Eine ungeheure Pracht war auf alles verwendet worden. Die Tische bogen sich unter den Gerichten und Mischkrügen, die mit verschie- denen Getränken gefüllt waren. Es gab auch nicht bloss einfachen Wein, sondern weithergeholte Säfte lieferten einen Nektar von verschiedenem Geschmack. Die Schüsseln liessen die schmackhaftesten Gerichte sehen ; meisst hatte Jagdbeute sie gefüllt, obgleich es auch nicht an Fleisch von Haustieren fehlte. Die Wirte hielten es weniger eifrig mit dem Trinken als die Gäste. Denn die letzteren lockte die Sorglosigkeit zum Rausche, während jenen der geplante Ueberfall die Lust zum Zechen benommen hatte. Die Dänen nun mein Vaterland möge mich entschuldigen, wenn ich dies sage waren gewohnt, um die Wette einen Becher nach dem an- dern zu leeren und füllten sich mit einer gewaltigen Masse Weines^). Als die Britannier sie nun ziemlich bezecht sahen, begannen sie sich eiligst heimlich von dem Mahle zu ent- fernen, liessen ihre Gäste drinnen im Gemach und bemühten sich mit allen Kräften die Thüren der Königshalle durch Vorschieben von Riegeln und durch verschiedene andere Hindernisse zu verrammeln. Dann legten sie Feuer an das

>) Zu dieser Trinklust der Dänen vgl. noch 11, 77; 93'4; III, 153.

270 Fünftes Buch.

Gebäude. Die Dänen aber, welche innerhalb des Gemaches eingeschlossen gehalten wurden, rüttelten beim Ausbruch des Brandes vergebens an den Pforten; da sie so am Ausgange verhindert waren, fielen sie sogleich über die Wand her und suchten so eine Möglichkeit herauszukommen. Als die Eng- länder sahen, wie diese unter den kräftigen Hieben der Dä- nen wankte, stemmten sie sich mit allen Kräften dagegen und suchten durch Lasten, welche sie von aussen daran lehnten, die schwankende Masse zu stützen, damit nicht der Einsturz der Mauer den Eingeschlossenen einen Weg eröffne. Endlich aber wich diese der stärkeren Hand der Dänen, deren Anstrengungen immer gewaltiger wurden, je grösser

254 die Gefahr war, und gewährte den Bedrängten einen leichten Durchgang. Da liess nun Frotho das Zeichen mit dem Hörne geben, um die im Hinterhalt verborgene Schar herbei- zurufen. Diese schleuderte nun, angespornt durch den hellen Ton des Hornes, die Folgen der Tücke auf deren Anstifter zurück und brachte dem Könige der Britannier samt seinen unzähligen Truppen die schlimmste Niederlage bei. Dadurch

169 erwies Ericus Frotho eine doppelte Wohlthat, denn er rettete ihm seine Gefährten und vernichtete seine Feinde.

Unterdessen wuchs der Ruf von der Tapferkeit der Dänen immer mehr, und die Hiberner legten voll Schrecken, um einen Einfall in ihr Gebiet zu ersparen, Fusseisen an den Strand, wodurch eine Landung an ihrem Gestade verhin- dert werden sollte. Die Hiberner gebrauchen eine leicht anzuschaffende und leicht zu verwendende Art von Waffen. Mit Scheermessem stutzen sie ihr Haar, und am Hinterkopf rasieren sie es ganz ab, damit sie nicht auf der Flucht da- ran festgehalten werden^). Uebrigens richten sie immer die Spitzen ihrer Speere gegen ihre Bedränger und pflegen ihren Verfolgern absichtlich die Schneiden ihrer Schwerter ent- gegenzuhalten. Meistens werfen sie ihre Lanzen auf den Rücken und verstehen es überhaupt besser, auf der Flucht

') Von dieser Sitte der keltischen Bewohner der Insel wird auch sonst berichtet.

Frothos Siege über d. Britannier u. Hiberner; Friede. 271

als im Kampfe zu siegen. So kommt es, dass gerade dann die Hauptgefahr droht, wenn man glaubt, schon den Sieg . errungen zu haben. Frotho verfolgte bei solch trügerischer Flucht die Feinde mehr mit Ueberlegung als mit £ifer und erschlug den Fürsten des Volkes, Kervillus^). im Kampfe. Dessen Bruder überlebte ihn, gab aber die Hoffnung auf Widerstand auf und überantwortete sein Land dem Könige. Die gemachte Beute verteilte dieser unter seine Soldaten;, um zu bezeugen, wie er, aller Habsucht bar und jeder Gier fremd, allein den Gewinn des Ruhmes erstrebe.

So kehrte man nun nach dem Triumph über Britan- nien und nach der Besiegung der Hiberner nach Dänemark zurück und enthielt sich dreissig Jahre lang jeder kriege^ rischen Unternehmung^). Zu dieser Zeit wurde der Name der Dänen durch den Ruf von ihrer ausserordentlichen Tapferkeit in fast allen Ländern berühmt. Frotho wollte mm den Glanz seiner Herrschaft durch dauernde Sicherung der Zustände noch vergrössern und liefes es sich zuerst an- gelegen sein, gegen Diebstahl und Räuberei als gegen heimische Uebel und innerliche Verderbnis seine Strenge zu 255 richten; davon sollten die Völker befreit werden und ein um so ruhigeres Leben führen, damit nicht böswillige Hinder- nisse das Eintreten eines allgemeinen Friedens störten. Er sorgte auch dafür, dass bei der Ruhe vor Feinden nicht ein- heimische Uebelstände das Vaterland aufrieben oder beim Frieden nach aussen hin im Innern Verworfenheit um sich grille. Endlich Hess er in Jütland als dem Hauptbezirk seines Reiches goldene Armspangen von grossem Gewicht an den Kreuzwegen aufhängen, um durch die Preisstellung einer so wertvollen Beute eine Probe für die von ihm gebotene

^) Ein echt keltischer Name, welcher der einheimischen wie skandi- navischen Dichtung wohl bekannt ist; kelt. heisst er Cearbhal, isl. Kjar\'alr.

^ Das ist die lange Zeit goldenen Friedens, deren Vorstellung mit Frothos Namen im skandina^i8chen Altertum aufs engste verbunden ist; selbst weit nach Deutschland hinein ist der Ruf davon gedrungen, wie das Vorkommen des Fruote von Tenemarke beim Spervogel (Minnesangs Frühling S. 25, 19/20) und in der Kudrundichtung zeigt.

272 Fünftes Buch.

Ehrlichkeit zu geben ^). Obgleich nun diese Lockung gottlose Gemüter reizte und üble Geister in Versuchung fahrte, so überwog doch die zweifellose Furcht vor der Gefahr. Solches Ansehen geuoss also Frotbos Majestät, dass sogar zum Raube ausgesetztes Gold geschützt war, als sei es hinter den festes- ten Schlössern verwahrt. Diese unerhörte Thatsache ver-

170 schaffte ihrem Ersinner einen gewaltigen Ruhm. Dieser be- schloss nun, nachdem er weit und breit Niederlagen ange- richtet und Siege gewonnen hatte, dass lieblicher Friede dem grausigen Kriege folgen und das Ende des Mordens der Beginn des Heiles sein sollte. Er wollte aber auch deswegen das Vermögen aller durch ein schützendes Gesetz gesichert wis- sen, damit nicht die in der Heimat Räuber fänden, die vor den Grenzen keine Feinde hätten.

Zu derselben Zeit gewann es der Schöpfer des allge- meinen Heiles unser aller über sich, auf die Welt zu kom- men, und um die Menschheit zu erlösen, Menschengestalt anzunehmen, gerade als die Erde, nachdem die Kriegsbrände gelöscht, der heitersten und friedlichsten Ruhe genoss'). Man glaubt, dass ein so allgemeiner, überall gleichmässig verbreiteter Friede, der nirgends auf der Welt unterbrochen wurde, nicht sowohl irdischer Herrschaft als vielmehr der Geburt Gottes diente, und dass es eine himmlische Gnaden- that war, dass die ungewöhnliche Güte dieser Zeit die Gegenwart des Schöpfers der Zeiten bezeugte.

256 Unterdessen hegte eine alte, in der Zauberei erfahrene

Frau mehr Zutrauen zu ihrer Kunst als Furcht vor der Strenge des Königs und erregte in ihrem Sohne die Begier, heimlich einen Raub zu begehen, indem sie ihm Straflosig- keit versprach, da Frotho schon dicht an der Thür des Todes stehe und in seinem gebrechlichen Leibe nur noch die letz- ten Reste seines schwachen Greisenlebens wohnten. Als er der Aufforderung seiner Mutter die Grösse der Gefahr ent-

») Vgl oben S. 262/8 und Anm. 3.

*) Diese AufTassiing. dass Kur Zeit Frothos (^hristus geboren sei, teilen mit 8axo die isländischen (Reellen, während die dänischen, soweit sie älter als Saxo sind, davon nichts wissen (Olrik II, 55).

FriedeDszeit; Frothos Ende. 273

gegenstellte, hiess diese ihn bessere Hoffnung fassen und sagte, dass entweder eine Seekuh ein Kalb gebären oder irgend ein anderer Zufall die Strafe abwenden werde. Mit solchen Worten benahm sie ihrem Sohne die Angst und zwang ihn, ihrem Geheiss zu gehorchen. Durch diese That aber wurde Frotho wie durch eine Schmach gereizt, begab sich in grösster Eile und voll Zorn zu dem Hause der Alten, um es zu zerstören, und sandte Männer voraus, welche sie mit ihren Kindern gefangen vor ihn führen sollten. Das aber wusste die Frau vorher, und sie verhöhnte ihre Feinde, indem sie ihre weibliche Gestalt in die einer Stute verwan- delte. Als aber Frotho herankam, nahm sie das Aeussere einer Seekuh^) an und schien am Strande umherschweifend zu weiden; ihre Söhne verwandelte sie ebenso in Kälber von geringerer Grösse. Der König, von Erstaunen über dieses Wunder ergriffen, befahl, sie zu umzingeln und ihnen den Weg zu den Wogen abzuschneiden. Schliesslich stieg er selbst von dem Wagen, dessen er sich wegen seiner Schwäche in seinen hohen Jahren bediente, herab und setzte sich vol- ler Verwunderung auf die Erde. Die Mutter aber, welche das Aussehen eines grösseren Tieres angenommen hatte, griff den König mit gesenkten Hörnern an und durchbohrte ihm eine Seite. An dieser Wunde starb er und fand dadurch einen Tod, der so wenig seiner Würde entsprach^). Die Soldaten wollten seinen Hingang auf der Stelle rächen, schleuderten ihre Speere und durchbohrten die Ungetüme. Als 171 sie getötet waren, bemerkte man, dass es menschliche Körper mit Tierköpfen seien. Dieser Umstand enthüllte vor allen Dingen den Zauber. Das war der Ausgang Frothos, des

^) Eine Seekuh ist nach dem Bericht eines alten skandinavischen Gewährsmannes „ein Fisch, der wie eine gewöhnliche Kuh aussieht, nur dass sie Schuppen hat.*^ Auch isländ. Volkssagen schildern sie so.

*) Nach isländischer Ueberlieferung (Amgrimr) wird Frode auf der Jagd von einem Hirsch getödtet. Oirik 11, 218 macht darauf aufoierksam, dass die beiden verschiedenen Berichte doch das gemeinsame haben, dass die Seekuh in Dänemark ebenso wie der Hirsch in Island nur der Dichtung bekannte Tiere sind.

Saxo GranuDAticui. IB

274 Fünftes Buch.

berühmtesten Königs der ganzen Welt. Die Vornehmen aber Hessen ihm die Eingeweide herausnehmen, seinen Körper einsalzen und bewahrten ihn so drei Jahre lang^). Denn sie fürchteten den Abfall der Provinzen, wenn des Königs Tod bekannt würde, und sie begehrten gerade deswegen sein Hinscheiden den Auswärtigen verborgen zu halten, um durch die Vorgabe, als ob er noch lebe, die schon seit lange so erweiterten Grenzen des Reiches zu schützen, und gestützt auf das frühere Ansehen ihres Fürsten, den gewöhnlichen Tribut von seinen Unterthanen einzutreiben. So wurde denn seine Leiche von ihnen herumgeführt, sodass sie nicht auf 257 einer Bahre, sondern auf einem königlichen Wagen zu ruhen schien, gerade als ob das Heer einem schwachen Greise, der nicht mehr über seine vollen Kräfte verfügte, eine solche Gunst schuldig sei. Mit solchem Glänze umgaben seine Freunde auch noch nach dem Tode seine Majestät. Als aber die äusserste Verwesung die verfallenden Glieder ergriff und die Auflösung nicht mehr aufzuhalten war, da bestatteten sie seinen Körper an der Wera, einer Brücke in Seeland*), mit königlichem Prunke; denn sie sagten, Frotho habe selbst gewünscht^ nach seinem Tode dort, in der besten Provinz seines Reiches, begraben zu werden.

Ende des fünften Buches.

^) Dasselbe wird in der Ynglingas. Kap 11 von dem schwedischen Könige Frö (Freyr) erzählt.

*) Noch im Jahre 1643 erzählt der dänische Geschichtsschreiber Olaus Wormius von einer Brücke Namens Veerebro, die sich zwischen Koskilde und Slangendorp befinde; in deren Nähe gäbe es auch einen teilweise zusammengestürzten Hügel, der Frodehöj heisse und von mancherlei Sagen umwoben sei.

Sechstes Buch. 172 •, 258

Nach dem Tode F rot hos glaubten irrtümlicher Weise die Dänen, es sei auch Fridlewus, der in Russland erzogen wurde, gestorben; da so die Herrschaftswürde scheinbar aus Mangel an einem Erben verwaist war und in der königlichen Familie nicht mehr fortgeführt werden konnte, so hielten sie den für der Krone am würdigsten, der zum Ruhme Frothos an seinem frischen Grabe ein Gedicht zu seiner Ehre nieder- legen und so die Kunde von dem abgeschiedenen Könige in einer glänzenden Form der Nachwelt überliefern würde. Da wurde nun ein gewisser Hiarnus^), ein sehr gewandter dänischer Dichter, durch die Grösse des Lohnes veranlasst, den Ruhm des Helden in einem glänzenden Spruche zu er- wähnen, und er verfasste nach seiner Art ein Lied in seiner Muttersprache. Den Inhalt dieser vier Verse habe ich mit folgenden Worten wiedergegeben:

„Die Dänen trugen Frotho, dem sie noch ein langes Leben gewünscht hätten, lange Zeit nach seinem Tode durch ihre Gefilde. Den Leichnam des gewaltigen Fürsten, der unter diesem Rasen bestattet ist, birgt die nackte Erde unter dem leuchtenden Aether."

Für dieses Gedicht beschenkten die Dänen den Ver- fasser mit dem Diadem. So ward von ihnen eine Grabschrift mit einem Königreiche belohnt, und eine gewichtige Herr- schaft für die Zusammenfügung weniger Verse hingegeben.

^) Die HjarDesage ist dänischen Ursprungs und schliesst sich eng an den Bericht von Frodes Tod im vorigen Buche an; s. Olrik U, 219.

18*

276 Sechstes Buch.

259 Solch ein reichliches Entgeld folgte einer so geringen Mühe. Der hervorragende Preis für das kleine Gedicht übertraf selbst den Ruhm von Caesars Freigebigkeit Denn der gött- liche Julius begnügte sich damit, die rühmenden Verherr- licher seiner Siege auf der ganzen Welt mit einer Stadt za beschenken ^). Hier aber verlieh die verschwenderische Güte eines Volkes einem Bauern ein Königreich. Auch Scipiu

17t Africanus reichte nicht mit der Belohnung für die Verewigung seiner Thaten an die Dänen heran; denn dort bestand der Lohn für ein mühsam ausgearbeitetes Dichtwerk nur in einfachem Golde ^), hier brachten ein paar holprige Verse dem Verfasser ein Scepter ein.

Zu derselben Zeit starb Ericus, der die Verwaltung Schwedens inne hatte, an einer Krankheit. Sein Sohn Haldanus übernahm die Regierung an seines Vaters Statt, hatte aber durch zahlreiche feindliche Einfälle von zwölf Brüdern aus Norwegen schwer zu leiden. Da er nun keine Mittel fand, diese zu überwältigen, floh er in der Hoffnung Hilfe zu erlangen, zu Fridlewus, der damals in Russland weilte, und rief seine Unterstützung an. Mit bittender Mient^ nahte er ihm, beklagte sich unter Thränen, er sei von einem auswärtigen Feinde völlig vernichtet worden, und erhob eine traurige Beschwerde über seine Unbilden. Fridlewus erhielt von ihm die Nacliricht vom Tode seines Vaters, gewährte ihm auf sein Flehen Hilfe und rückte mit Waffengewalt nach Norwegen 'j. Zu dieser Zeit hatten die vorgenannten Brüder,

') Hior scheint ein Irrtum Saxos vorzuliegen; nach 3Iüller ist nichts \()n einer solchen (teschichte bekannt; vielleicht hat man an Cicero pro Archia cap. 10 zu denken, wo erzählt wird, dass Pompejus den (Teschichts- Schreiber Theophanes von Mytilene „civitate donavit**. Das heisst aber, „er verlieh ihm das römische Bürgerrecht".

') Auch hier ktmnen wir keinen Beleg geben ; man weiss nur, dass Knnius im (Srabmal der Scipionen eine Bildsäule errichtet wurde; Cicero, pro Arch. 9. Livius XXX VIII. 56, 4.

•) Die Sage von Fridlewus hängt nur durch den Kampf des Helden g«'j;on njurne mit Dänemark zusammen, alle andern Begebenheiten spielen sich in Xorwegon ab. Dahor ist für sie auch norwegischer Ursprung in Anspruch zu nehmen. Vgl. über die Sago ühland Sehr. VII, 220 ff. und

Hiamus; Haldanus u. friedlewos; die Aäuberburg. 277

da ihre Spiessgesellen von ihnen abfielen, auf einer Insel 260 mitten in einem reissenden Strome einen sehr hohen Wall aufgeworfen und eine firdverschanzung auf der Ebene er- richtet. Im Vertrauen auf diesen Sehlupfwinkel hatten sie die Nachbarschaft durch zahlreiche Einfälle unsicher gemacht. Wenn sie nämlich ihre Insel verliessen, so pflegten sie das Festland auf einer Brücke zu erreichen; diese war an einer Pforte der Verschanzung befestigt und derart an Leitstricken zu handhaben, dass sie, um eine bewegliche ^ngel drehbar, bald den Uebergang über den Fluss ermöglichte, bald durch einen Zug an den verborgenen Seilen von oben eingeholt, den Eingang schützte. Es waren aber mutige Jünglinge, stark in ihrer Jugend, ausgezeichnet durch Körpergrösse, be- rühmt durch siegreiche Riesenkämpfe, bekannt durch ihre Siegeszeichen von manchen Völkern, reich an allerlei Beute-- stücken. Die Namen von einigen die andern sind der Länge der Zeit zum Opfer gefallen habe ich mir aufge- zeichnet: Gerbiorn, Gunbiorn, Armbiorn, Stenbiorn, Esbiorn, Thorbiorn, Biorn. Dieser letztere soll ein Ross besessen haben, welches sich durch solche Kraft und Schnelligkeit auszeichnete, dass es, während die übrigen den Fluss nicht durchschwimmen konnten, allein ohne zu ermatten, den ent- gegenwallenden Strudel überwand. Denn der Schwall dieses Gewässers brauste in so reissender Strömung dahin, dass den anderen Tieren beim Schwimmen die Kräfte ausgingen und sie meistens umkamen. Es entspringt nämlich auf den höchsten Bergesgipfeln, und über jähe Felsen herabrinnend stürzt es mit donnerndem Brausen in die tiefen Thäler. Zwar wird es immerfort durch entgegenstehende Felsen zurückge- worfen, aber es bewährt doch immer das gleiche Ungestüm. So sind in der ganzen Länge seines Laufes die Wogen be- ständig aufgewühlt, und überall häuft sich weisser Schaum. Sowie es aber die felsigen Engen verlassen hat, breitet es 174

Olrik II, 62 ff. Die erste von des Fridlewus Thaten ist der gleich folgende Kampf gegen die zwölf Räuber. Bei der Schilderung ihres Schlupfwinkels ist übrigens wieder auf die Naturtreue und Anschaulichkeit zu achten. Vgl. IV, S. 163 Anm. 1.

278 Sechstes Buch.

sich weiter aus, indem es langsamer fliesst, und bildet aus einem entgegenstehenden Felsbloek jene Insel. Auf beiden Seiten steigen darauf abschüssige Wände empor, die mit verschiedenen Arten von Bäumen bestanden sind; dadurch wird verhindert, dass man den Strom von der Ferne aus sehen kann. Ausserdem besass Biorn einen Hund von un- gewöhnlicher Wildheit, ein Thier von entsetzlicher Bissigkeit und voll Schrecken für das Zusammenleben mit Menschen, welches schon öfter allein zwölf Männer überwältigt hatte. Doch da diese Dinge mehr als Sagen denn als Thatsachen überliefert werden, so mag der Beurteiler seine Meinung darnach abwägen. Dieser Hund wurde nun, wie ich be- richtet bin, einst als Lieblingstierchen betrachtet und hütete -.die Herden des Riesen Offotus^) auf der Weide. 261 Die Jünglinge pflegten nun die Nachbarschaft mit ihren

Raubzügen heimzusuchen und richteten oft grosse Blutbäder an. Den Leuten ihre Häuser, ihre Herden zu vernichten, alles zu plündern, gewaltige Beute zu machen, die ihres In- halts beraubten Gebäude zu verbrennen, Männer und Frauen unterschiedslos hiuzumorden, das galt bei ihnen als anständige Beschäftigung. Als Fridlewus sie nun bei einem ihrer unverschämten Einfälle überraschte, trieb er sie alle flüchtig bis zu ihrer Feste und bemächtigte sich jenes wunderbar starken Pferdes, dessen Reiter in seiner kopflosen Furcht, um seine Flucht zu beschleunigen, es diesseits des Flusses zurück- gelassen und nicht mit sich über die Brücke zu nehmen ge- wagt hatte. Dann verkündete er laut, er werde demjenigen, der einen der Brüder töte, die Leiche des Erschlagenen mit Gold aufwiegen. In der Hoffnung hierauf, aber doch weniger von Habgier als Ehrgeiz gelockt, verabredeten sich einige Kämpfer heimlich mit Fridlewus, versprachen, sie würden sich an die That wagen, und gelobten wenigstens ihr Leben zu opfern, wenn sie nicht die abgeschnittenen Köpfe der Rauber zurückbrächten. Fridlewus lobte ihren Heldenmut

*) Dieser Name begef^net auch sonst noch in der skandinavischen Litteratur, u. a. auch als 6f6ti in dem Riesenverzeichnisae der Edda (Skaldskaparm. Kapitel 75 ed. Arnamagn. S. 555).

Fridlewus dringt in die BÄuberburg ein. 279

und ihr Gelübde, hiess aber die Anwesenden noch warten und eilte mit einem einzigen Begleiter bei Nacht zum Fluss. Um nämlich nicht den Anschein zu erregen, als ob er sich mehr auf die Kräfte anderer als auf die seinigen verliesse, beschloss er, jener Unterstützung durch seine eigene Tapfer- keit zuvorzukommen. Darnach tötete er seinen Begleiter durch ein paar Steinhiebe und warf den blutigen Leichnam in die Wellen; er entkleidete ihn aber vorher noch und zog ihm seine eigenen Gewänder an, während er selbst dessen Kleider anlegte, sodass beim Anblick der Leiche der Glaube an ein Unglück des Königs erweckt werden musste. Er zapfte auch dem Tiere, das jener geritten, absichtlich Blut ab und bespritzte es damit, um auch dadurch in dem Lager die Vermutung hervorzurufen, als sei er plötzlich gestorben. Darauf gab er seinem Ross die^ Sporen, trieb es mitten in den Strudel, sprang ab, als er den Fluss durchschwömmen, und versuchte den Wall, der vor der Feste lag, auf einer Leiter zu erklimmen. Sobald er oben angelangt war und die Zinnen mit der Hand erfassen konnte, schwang er sich leise hinüber und schlich sich still auf den Zehenspitzen, ohne dass die Wächter etwas bemerkten, in das Gebäude, in welches sich die Räuber zum Zechen begeben hatten. Als 175; 262 er das Gemach erreicht, machte er unter dem überragenden Vordache des Thores Halt. Die Jünglinge hatte nun die Sorglosigkeit, die von der Festigkeit ihrer Verschanzung her- rührte, zu einem berauschenden Zechgelage verführt; denn sie meinten, die reissende Strömung des Flusses habe ihre Zufluchtsstätte ganz unzugänglich gemacht, da es ja unmög- lich schien, hinüberzuschwimmen oder auf Booten überzu- setzen. Es bot ja auch keine Stelle des Flusses eine Furt als Gelegenheit zum Uebergange. Da sagte Biomo in der überschwenglichen Lustigkeit des Gelages, er habe im Traume ein Tier aus den Wogen steigen sehen, welches traurige Flammen aus dem Rachen hauchte und alles auf dem Fest- lande in Brand setzte. Daher müssten die Verstecke auf der Insel durchsucht werden, und man dürfe nicht so sehr auf die Gunst der Oertlichheit vertrauen, dass etwa infolge

280 Sechstes Buch.

allzu grosser sorgloser Sicherheit für ihre Unvorsichtigkeit das schlimmste Verderben hereinbräche. Nichts sei ja durch seine Lage so sicher, dass ohne menschliche Kunst der Schutz der Natur allein ausreichend sei. Man müsse sich übrigens sorglichst hüten, dass nicht etwa ein noch schlimmeres Unglück die An- deutung seines Traumes erfülle. Daher verliesgen nun alle die Feste und durchspähten eifrigst die Insel in ihrem ganzen Um- fange, und als sie das Pferd fanden, vermuteten sie, Fridle wus sei in dem Strome ertrunken, das Ross aber sei, nachdem es seinen Reiter abgeworfen, hinübergeschwommen; sie führten es nun freudig, gleichsam als Boten von des Königs Tode, zum Thore hinein. Biomo aber, noch immer erschreckt von den nächtlichen Bildern, riet Wachen auszustellen, weil sie doch allem Anschein nach noch nicht ganz sicher jeden Ver- dacht einer Gefahr aufgeben könnten. Er selbst begab sich darauf in sein Gemach, um schlafen zu gehen, und verschloss die Erscheinung tief in seinem Herzen. Unterdessen brach das Pferd, welches Fridle wus, um den Glauben an seinen Untergang zu verbreiten, nur oberflächlich an der Haut ge- ritzt und dann mit Blut bespritzt hatte, ganz befleckt in das I^ager seiner Soldaten ein. Diese eilten sogleich an den Fluss, fanden den Leichnam des Sklaven, welchen die brau- sende Strömung in seinen prunkenden Gewändern ans Ufer gespült hatte, und hielten ihn für den des Königs. Am meisten bestärkte sie in ihrem Irrtum noch das angeschwollene Aussehen des zerquetschten Körpers, da die an den Steinen zerrissene und zerschlagene Haut sowie die totenblassen Ge- 263 Sichtszüge ihn völlig unkenntlich machten. Erbittert hierüber nahten sich die Kämpfer, welche vor kurzem Fridlewus ihre Hilfe zur Vernichtung der Räuber zugesagt hatten, dem ge- fahrdrohenden Strome, um nicht den Schein zu erwecken, als ob sie durch allzu furchtsames Zaudern mit der Erfüllung ihres Gelübdes den Ruhm ihres Versprechens befleckten. Die übrigen folgten ihrer Zuversicht und eilten in der gleichen Begierde zum Flusse, um das Aeusserste zu erdulden, wenn sie ihren König nicht rächen könnten. Als Fridlewus sie sah, beeilte er sich, die Brücke auf das feste Land herabzu-

Einnahme d. Burg; Fridlewus u. Hiarno. 281

lassen, nahm seine Kämpfer auf und warf beim ersten An- griff die Wachen nieder. Dann griff er sogleich auch die übrigen an und erschlug alle, mit Ausnahme Biornos, mit 17B dem Schwerte. Diesen liess er sorgfältig pflegen, und als er von seinen Wunden hergestellt war, bestimmte er ihn nach Ableistung eines heiligen Eides zu seinem Gefährten; denn er hielt es für besser, sich seiner Beihilfe zu bedienen als sich seines Todes zu rühmen, und er sagte auch, es sei un- würdig, wenn eine Blume solcher Tapferkeit in ihrer ersten Blüte gepflückt und von einem allzufrühen Tode hingerafft würde ^).

Als nun die Dänen von der Ankunft des Fridlewus vernahmen, dessen Tod ihnen schon lange vorher durch eine falsche Nachricht gemeldet worden war, sandten sie Boten aus, welche ihn herbeirufen sollten, und geboten Hiarno seine Herrschaft niederzulegen, da er sie ja offenbar nur vor- übergehend und gewissermassen zur Stellvertretung erhalten habe. Dieser gewann es aber nicht über sich, auf eine solche Ehre zu verzichten und wollte lieber sein Leben für den Ruhm aufs Spiel setzen als in die unbedeutende Stellung eines gemeinen Mannes zurück^^ukehren. Um daher nicht gezwungen zu werden, seiner königlichen Ehren bar wieder in seinen früheren Stand einzutreten, beschloss er seinen jetzigen mit Waffengewalt zu schützen. So wurde denn das Land uneinig und von den erschütternden Bewegungen des Zwistes beunruhigt. Denn die einen standen auf Hiarnos Seite, die andern pflichteten wegen der ausgezeichneten Ver- dienste Frothos den Ansprüchen des Fridlewus bei, und die Ansichten des Volkes blieben völlig zwiespältig, da die einen die augenblickliche Lage der Dinge, die anderen die Vergangenheit in Erwägung zogen. Endlich überwog jedoch die Rücksicht auf die Erinnerung an Frotho, und seine Be- liebtheit gewann Fridlewus den grösseren Teil der Neigungen;

^) Dieser letzte bezeichnende Zug ist nicht selten, dass sich nämlich der Held seine besten Crefährten unter seinen ehemaligen Feinden erwählt, die er sich durch einen Eid (gemeint ist Blutsbrüderschaft) verbündet. Vgl. B. VU, S. 249 (Holder) u.Anm. dazu.

282 Sechstes Buch.

denn die meisten, die etwas tiefere Einsicht besassen, meinten, dass ein Mensch bäuerlichen Standes der Herrschaft zu ent- setzen sei, da er ja wider das Recht seiner Abkunft allein durch die Gunst des Schicksals zu einem ungehofften Gipfel des Glückes emporgestiegen sei, schon damit nicht ein un- rechtmässiger Inhaber den wirklichen Erben der Königswürde benachteilige. Fridlewus aber hiess die Gesandten der Dänen umkehren mit dem Auftrage an Hiarno, er solle entweder auf die Herrschaft verzichten oder ihm eine Schlacht liefern. Hiarno meinte nun, die Lust zum Leben der Ehre vorzuziehen und Rettung unter Aufopferung des Ruhmes zu suchen sei trauriger als der Tod, wurde aber, während er Fridlewus im Kampfe begegnete, geschlagen und musste

264 nach Jütland fliehen. Dort sammelte er von neuem eine Schar und griff seinen Besieger an; seine Genossen wurden aber wiederum vom Schwerte hingerafft, und er ergriff ohne Begleiter die Flucht, von der die Insel zeugt, die ihren Namen von ihm erhielt ^). Als er nun so ein schlimmeres Schicksal erfuhr, als seinem Sinne entsprach, richtete er seine Bemühungen, da er sich infolge der doppelten Niederlage fast aller Hilfsmittel entblösst sah, auf Hinterlist, schwärzte sein Antlitz und begab sich zu Fridlewus, um vertrauten Umgang mit ihm zu suchen und ihn dabei meuchlings zu ermorden. Er fand Aufnahme bei ihm und verbarg eine Zeitlang seinen Plan, da er zum Scheine Dienerobliegenheiten erfüllte. Er gab sich nämlich als Salzsieder^) aus und ver- richtete unter den Sklaven, welche recht schmutzige Auf-

177 gaben hatten, die niedrigsten Dienste. Auch beim Einnehmen der Mahlzeiten pflegte er sich immer auf den untersten Platz niederzulassen; ferner badete er auch nicht, damit er sich nicht durch die Spuren seiner zahlreichen Wunden ver- rate, wenn er sich entkleide. Um aber seinen Verdacht los zu werden, zwang ihn der König doch, sich zu waschen,

*) D. i. Hjarnö im Horscnsfiord; vgl. III, 120 Anin. 2.

') Das Salz wurde jfewonnen. indem man Soewasser über brennendes Uoiz (jfoss; die Salzsiedcr oder -brenner (anrd. saltmenn oder saltbrcnnu- karlar) standen nur in geringem Ansehen. S. AVeinhold S. 90.

Hiarnos Ende: Fridlewus' Werbung. 283

und wie er seinen Feind an den Narben erkannte, sagte er: Wohlan, du nichtswürdiger Räuber, was würdest du mit mir machen, wenn du mit völliger Gewissheit erfahren hättest, dass ich dich töten wollte? Dabei stutzte Hiarno und ent- gegnete: Wenn ich dich dabei ertappt hätte, würde ich dich zum Zweikampfe fordern und dich angreifen, damit du so bessere Gelegenheit hättest, dich gegen solchen Vorwurf zu rechtfertigen. Fridlewus forderte ihn auch sogleich, seiner 265 Ansicht folgend, heraus, tötete ihn und liess seinen Leichnam in einem Hügel begraben, der noch seinen Namen nach dem Erschlagenen führt ^).

Später ward Fridlewus von den Seinigen aufgefordert sich zu verheiraten, um sein Geschlecht fortzupflanzen. Allein er wünschte nach dem Beispiele seines Vater sein Leben ehelos zuzubringen, da Frotho die Zuchtlosigkeit seiner Gattin schwere Schmach eingebracht hatte. Endlich aber liess er sich durch die dauernden Bitten aller erweichen und durch Gesandte uro die Tochter des norwegischen Königs Amundus für sich werben. Einer von diesen, Namens Fr öco, ertrank auf der Fahrt und verursachte bei seinem Tode eine uner- hörte Wundererscheinung. Denn sobald die brausenden Wogen über ihm zusammenschlugen, entströmte mitten aus dem Strudel ein Blutschwall und übergoss die ganze Ober- fläche des Meeres mit einer seltsamen Röte, sodass der Ozean, der vorher im Sturme von weissem Schaume überzogen war, nun plötzlich in purpurnem Wellenschlag eine seiner Natur ganz entgegengesetzte Färbung anzunehmen schien. Amundus aber weigerte sich unerbitterlich, in den Wunsch des Königs einzuwilligen, behandelte die Gesandten ganz unziemlich und sagte, F rothos Tyrannei, die seit lange allzu schwer auf Norwegen laste, sei die Ursache für die Zurückweisung seines Antrages. Frogertha aber (so hiess des Amundus Tochter) achtete nicht nur auf Fridlewus' Geschlecht, sondern ver- ehrte auch den Ruf von seinen Thaten und tadelte ihren

*) Hjarnehöj, wahrscheinlich in Seeland; es soll aber auch einen solchen in Jütland geben.

284 Sechstes Buch.

Vater, dass er eineD Schwiegersohn verschmähe, dessen voll- endeter Adel weder einen Mangel in seiner Tapferkeit noch einen Flecken an seiner Abstammung habe. Sie fügte auch hinzu, dass jenes wunderbare Aussehen des Meeres, dessen Wogen sich plötzlich in Blut verwandelt, doch nichts anderes bedeute als die Niederlage Norwegens, während es ein ganz klares Anzeichen für den Sieg der Dänen sei. Als nun Pridlewus durch eine zweite Gesandtschaft um sie werben Hess, da liessAmundus aus Erbitterung darüber, dass man etwas, das er schon einmal abgeschlagen, doch noch so hart- näckig von ihm fordere, die Gesandten toten und begegnete so dem Eifer des kecken Werbers allzu grausam. Sobald Fridlewus die Kunde von dieser Beleidigung vernahm, be-

178 rief er Haldanus und Biomo zu sich und segelte nach Norwegen;

266 auch Asmundus führte ihm, ausgerüstet mit den Schutz- mitteln seiner Heimat, seine Flotte entgegen. In dem soge- nannten Fröcasund^) trafen sich beide Geschwader. Als dort Fridlewus, um zu kundschaften, bei Nacht das Lager verliess, vernahm er ganz in der Nähe einen ungewöhnlichen Ton, als ob die Luft duichschnitten würde'), und als er stehen blieb und sich umsah, hörte er, wie drei Schwäne von oben her folgendes Lied ertönen Hessen:

„Solange Hythin das Meer durchkreuzt und die wilden Wogen durchschneidet, trinkt der Sklave aus Gold und ist

*) Man denkt, wohl mit Recht, an den jetzigen Frekeyjarsund an der Westküste Non%'egens etwas nördlich vom Kap Stad, zwischen der Insel Frekey (jetzt Frekö oder Frök) und dem Festlande (Olrik II, 68). Augenscheinlich ist die Stelle, wo Fröco ertrank, dieselbe, wo nachher die Schlacht stattfand.

*) inusitatum quendam icti aeris sonum. 3Ian kann zweifeln, ob acris von aer (Luft) oder aes (Erz) herkommt; beide Ableitungen ergeben einen Sinn. Ich entscheide mich für den ersten Fall, weil die ed. princ. hier ausdrücklich ae druckt, während der ae-hBut sonst immer durch einfaches e wiedergegeben ist. Grundtvig scheint auch so gedacht zu haben; er übersetzt: En swr Lyd, ligesom af noget, der susede igjennem Lüften. Elton dagegen sagt nach der zweiten Möglichkeit: An unusual kind of sound as of brass being beaten. Vedel hatte auch „hand herde it bulder vdi luflften- (S. CXV).

Fridlewus' Zug gegen Norwegen; Hythin. 285

lüstern nach dem Becher voll Milch; des Knechtes Lage ist die beste, da ihm ein Königsspross aufwartet; denn durch einen blinden Zufall ist ihr Schicksal vertauscht.^

Nach diesem Gesänge der Vögel fiel dann sogleich ein Gürtel vom Himmel herab, der das Lied schriftlich aufgezeichnet ent- hielt. Ein Riese hatte nämlich in Menschengestalt den Sohn des Königs von Thialaraarchien^), Namens Hythin'^), als ge? dieser nach Kinderart spielte, entführt und benutzte ihn als Ruderer, als er in seinem Schiffe an das nächste Ufer setzte imd an Fridlewus, der damals gerade auf Kundschaft aus- gegangen war, vorüberfuhr. Der König wollte nicht leiden, dass er sich der Dienste des gefangenen Jünglings bediene, und wünschte dem Räuber seine Beute abzujagen. Der Jüngling aber forderte ihn auf, er möchte zuerst eine recht heftige Scheltrede erheben, und versicherte ihm, der Kampf würde leichter sein, wenn er den Feind nur vorher mit bos- haften Worten reize ^). Darauf begann Fridlewus folgender- massen :

„Da du ein Riese und ganz unüberwindlich bist, drei Leiber*) hast und mit dem Scheitel beinahe bis zum Himmel

*) Cremeint ist wohl die norwegische Provinz Telemarken, die sonst allerdings bei Saxo (B. VII, VIII) Telemarchia hcisst.

') Ich übersetze die bisher sehr verworrene Stelle nach Olriks scharf- sinniger Besserung (11, 64). Die ed. princ. hat folgenden Text: Kegis

quippe 'Thialamarchiae filium pueriliter obludentem gigas Hythin nomine

abduxerat. Um die ächwierigkeiteu zu beseitigen, die sich dabei für den Zusammenhang ergeben, wollte Stephanius filiam für filium lesen. Müller wollte Hythin nomine vor filium setzen und es auf den König beziehen. Beide Auswege helfen nicht viel. Olrik scheint das Richtige getroffen zu haben, indem er Hythin nomine einfach vor gigas setzt und auf filium bezieht.

') Den Sfheltvorsen wird also hier eine go^isse schwächende Kraft gegenüber dem Riesen zugeschrieben. Aehnliches findet sich auch noch in zwei andern nordischen Sagen , die Olrik 11 , 66 anfuhrt. Derartige Scheltreden vor dem Kampfe sind übrigens ganz gewöhnlich, bei homerischen Helden wie in germanischen Sagen wie bei den mittelalterlichen Sänger- kriegen. Vgl. meine Schrift über die Streitgedichte 8. 27.

*) Ob das wörtlich zu nehmen oder nur als Bezeichnung für seine gewaltige Grösse anzusehen ist, bleibt ungewiss.

280 Sechstea Bucb.

reichst, weshalb hängt da dieses lächerliche Schwert an deiner Hüfte? Warum gQrtest du einen zerbrochenea Jagd- spiess an deine lange Seite? Weshalb schirmst du deine tapfere Brust mit einer schwachen Klinge und verachtest die

2öB Mächtigkeit deines Körperbaues, vertrauend auf den geringen Schutz eines kurzen Dolches? Bald, bald will ich köhnlich deinen Angriff abweisen , wenn du mit deinem stumpfen Stahl zum Kampfe schreitest. Da du selbst nur ein furcht- sames Ungeheuer bist, eine Masse, bar der würdigen Kraft, wirst du köpflings davonstürzen wie ein flüchtiger Schatten; denn zu deinem herrlich prunkenden Körper hast du ein unkriegerisches, von Furcht bebendes Herz erhalten und eine

179 Gesinnung, die gar nicht zu deinen Gliedern passt. Daher wankt das Gefüge deines Leibes, weil das glückliche Aeussere hinkt wegen des Mangels an Mut und deine Natur ungleich- massig ist in ihren Bestandteilen. Daher wird dich jeder Preis und Ruhm verlassen, und du wirst nicht als Held unter die Zahl der Tapferen gerechnet, sondern unter den Scharen der Feigen aufgeführt."

Darauf hieb er dem Riesen Hand und Fuss ab, befreite den Gefangenen und jagte jenen in die Flucht. Dann suchte er sogleich das Vorgebirge auf; wo der Riese gehaust hatte, holte dessen Gehl aus der Höhle und nahm es mit. Jubelnd über diese Beute benutzte er die Geschicklichkeit des be- freiten Jünglings bei der Ueberfahrt über das Meer und sang dabei mit heiterer Stimme folgendes Lied:

„Unser blutüberströmtes Schwert und die bepurpurte Klinge haben wir zum Morde des raseben Ungetüms ver- wendet, während dich, Amundus, der du Norwegens Nieder- lage herbeiführst, tiefe Ruhe umfängt. Während dich mit deinem wenig erleuchteten Sinuc unkundige Nacht umgiebt. t;iit7üi'li\\;i]Ld deine Tüchtigkeit und hat dich betrogen. Wir aber übt'rwältigten einen Kiesen und beraubten ihn der Glieder 6 UDd der Schätze und drangen ein in seine unermesslich weite lißhie, Dort entführten wir ihm sein räuberisch zusammeo- geschurrleü; Geld. Schon peitschen wir mit den Rudern das ■«geude Meer und lenken das mit Beute gefüllte Schiff

i

Fridlewus* Sieg über d. Riesen u. Amundus. 287

freudig zum Ufer zurück. Wir durchkreuzen die Fluten in dem meerdurchmessenden Fahrzeug. Eilig lasst uns diese Wogen durchfurchen, dass uns nicht das Licht begegne und dem Feinde verrate. Darum lasst uns leicht und mit Auf- wand aller unserer Kräfte das Meer durchschneiden, damit wir noch unser Lager und die Flotte erreichen, bevor Titan ^). sein rosiges Haupt aus den Wellen erhebt; damit, wenn das Gerücht unsere That verbreitet und Frogertha hört von der Beute, die wir im edlen Kampfe errungen, freundlichere Neigungen für unsere Wünsche in ihrem Herzen rege werden." Am folgenden Tage fand zwischen Fridlewus und Amundus unter Aufwand von grossen Truppenmassen ein blutiger Zusammenstoss statt, der sich teils zu Lande, teils zur See abspielte. Denn obwohl sich die Schlachtreihen einerseits auf den Ebenen entfalteten, griffen sich andrerseits auch die Flotten an. Als sich das Treffen höchst blutig ge- staltete und Biornos Reihen wankten, da löste dieser zuletzt seinen Bluthund von den Ketten und hetzte ihn auf den Feind, |gQ um den Sieg, den er mit dem Schwerte nicht erkämpfen konnte, durch das Wüten des Hundes zu erlangen. Dieser Umstand Verursachte den Gegnern eine schmähliche Nieder- lage, da die Reihe der Tapfersten, von den Bissen angefallen, die Flucht ergriff. Man kann kaum sagen, ob ihre Flucht mehr traurig oder schimpflich war. Denn das Heer der Nor- weger war recht kläglich, da es einem Feinde erlag, der sich von einem Tiere Hilfe lieh; von Fridlewus andererseits war es keine Heimtücke, wenn er den wankenden Mut seiner Krieger durch den Schutz des Hundes wieder aufrichtete. In diesem Kampfe fiel Amundus. Als nun sein Diener Ano, mit dem Beinamen der Pfeilschütz *), Fridlewus zum Zwei- kampfe herausforderte, trat ihm Biomo, ein Mann von 270 niedrigem Stande entgegen, um zu verhindern, dass der König mit einem gemeinen Manne fechte. Als nun Biomo den Bogen spannte und den Pfeil auf die Sehne legte, schoss

^) Griechisch-römischer Name des Sonnengottes; vgl. I. 23 Anm. 1. ') sagittarius; derselbe Held erscheint in norwegisch -isländischer Sage als An bogsveigir.

288 Sechstes Buch.

plötzlich A n 0 und zerschnitt mit seinem Pfeil das eine Ende der Sehne; bald folgte diesem ein zweites Geschoss und blieb mitten zwischen den Gliedern seiner Finger haften. Endlich kam ein drittes und traf den Pfeil, der auf der Sehne lag. Ano, der die grösste Geschicklichkeit im Pfeilschiessen aus der Ferne besass, hatte nämlich absichtlich nur die Waffe seines Gegners getroffen, um den Kämpfer durch den Beweis, 271 dass er ihn ebenso gut selbst treffen könnte, von seinem Vor- haben abzubringen. Biomo Hess aber darum nicht im ge- ringsten den Mut sinken, verachtete die Lebensgefahr und ging so ruhig und gefasst in den Kampf, dass er gar nichts auf An OS Geschicklichkeit zu geben und keine Spur in seiner gewöhnlichen Tapferkeit nachzulassen schien. So Hess er sich also in keiner Weise von seinem Vorsätze abbringen und wagte sich unerschrocken in den Zweikampf. Beide gingen verwundet daraus hervor und bekämpften einander noch ein zweites Mal bei Agdarnes ^) in eifersüchtiger Ruhmbegierde. Nach dem Tode des Amundus war Fridlewus von seinem bittersten Feinde befreit und hatte nun eine tiefe und sichere Ruhe erlangt. Da er jetzt die Wildheit seines Ge- mütes zwang, der Wollust zu weichen und er von heisseni Liebessehnen erfüllt wurde, rüstete er eine Flotte, um die Verbindung, die ihm einst versagt worden war, zu vollziehen. Endlich machte er sich auf den Weg. Als aber seine Flotte von den günstigen Winden verlassen wurde, brach er, um Lebensmittel zu suchen, in einige Dörfer ein; er ward da von einem gewissen Grubbo gastlich empfangen, vermählte sich schliesslich mit dessen Tochter und erzeugte einen Sohn mit ihr Namens 01a wus. Nach einiger Zeit gewann er auch Frogertha, wurde aber bei der gär nicht glücklichen Rückkehr nach der Heimat an das Gestade einer unbekannten Insel verschlagen. Durch die Mahnung einer mächtigen Traum- erscheinung wurde er aufgefordert, einen in der Erde ver- borgenen Scliatz auszugraben und dessen Hüter, einen

*) So lu»vst lioUlor mich J^lUller; dann wäre das jetzige V^orgebirge Agdena's in Norwogon goiuciiit, dio t»d. princ. hat indessen Addarnses, wovon man nicht« weitor \vt>ieis.

Ano u. Biomo; Fridlewus' Heirat; DracheDkampi. 289

Drachen, anzugreifen; doch sollte er, um dem Gift desselben zu entgehen, sich in eine Rindshaut hüllen und seinen mit Leder bespannten Schild seinen giftigen Bissen entgegen- 181 halten^). Um nun die Erscheinung zu prüfen, griff er die aus den Wogen auftauchende Schlange an und schleuderte lange vergeblich Speere auf ihren schuppigen Rücken; denn die harte Oberfläche machte den Anprall der Geschosse un- wirksam. Der Drache selbst aber ringelte sich wütend, und wenn er mit den Windungen seines Schwanzes gelegentlich Bäume berührte, so entwurzelte er sie dadurch vollständig. Uebrigens höhlte er durch das beständige Hin- und Herwinden seines Körpers die Erde bis auf den festen Untergrund aus und bewirkte auf beiden Seiten steile Abfälle, sowie man ja an manchen Stellen einander gegenüberliegende Hügel sehen kann, die durch ein Thal getrennt sind. Da nun Fridlewus merkte, dass das Ungetüm an der Oberseite unverletztlich war, griff er es von unten mit dem Schwerte an, durchbohrte ihm einen Teil der Weichen und zapfte so dem Zappelnden sein Blut ab. Als er es getötet. Hess er den Schatz aus der Höhle herausholen und auf sein Schiff schalt'en.

Nach Ablauf eines Jahres gelang es ihm auch dank seiner eifrigen Bemühungen, Biomo und Ano, die noch öfter mit einander gefochten hatten, zu versöhnen, und er veranlasste sie, ihren Hass in Freundschaft zu verwandeln ^) ; er übergab ihnen auch seinen dreijährigen Sohn Olawus zur Erziehung. Sein Kebsweib Juritha, eben die Mutter des Olawus, gab er Ano zur Gattin, nachdem er diesen in seine Dienste aufgenommen ; denn er hoffte, sie würde um so gleich- mütiger die Verschmähung ertragen, wenn sie mit einem so berühmten Helden vermählt würde und statt der Umarmung des Königs wenigstens die eines wackeren Mannes erlangte.

Bei den Alten war es Sitte, über das künftige Schicksal der Kinder das Orakel der Farcen zu befragen. Nach diesem Brauche wollte auch Fridlewus das (beschick seines Sohnes

*) Vf(l. die ähnliche Schilderung II, 58 ÖO.

*) Wohl wieder in Form von Blutbrüderschaft.

Saxo Granimaticus. X9

290 Sechstes Buch.

erfahren; nach feierlichem Gottesdienst begab er sich als« mit seiner Bitte in den Tempel der Götter und sah dort beim Einblick in das Heiligtum drei Jnngfrauen auf el)ensi) vielen Sesseln sitzen '). Die erste von diesen verlieh dem Knaben in wohlwollender Gesinnung reiche S^chtinheit, Gunst und Be- liebtheit bei den Menschen. Die zweite gewährte ihm als Gnadengeschenk die Tugend der Freigebigkeit. Die dritte aber, ein Weib von recht boshafter Veranlagung und neidischem Charakter, wollte nichts von der übereinstimmenden GQte ihrer Schwestern wissen, sondern wünschte vielmehr ihren Gaben entgegenzutreten, und darum behaftete sie den Charakter des Knaben mit dem Laster des Geizes. So verdarb sie die AVohlthaten der andern durch das Gift eines schlimmen Ge- schickes, und es geschah, dass nach der doppelten Art seiner Gaben sein mit Freigebigkeit verbundener Geiz ihm »einen Beinamen gab'). So kam es auch, dass dieser Flecken auf seinem Charakter seine ursprüngliirhe Anmut und Liebens- würdigkeit beiuträchtigte.

Als Fridlewus bei seiner Rückkehr aus Norwegen durch Schweden zog, übernahm er aus freien Stücken die Rolle eines Freiwerbers und gewann für den noch unver- mählten Ilalilanus die Tochter des Ilyt hin us, die er einst vor einem Ungeheuer errettet hatte, zur Gattin'). Unter- dessen gebar ihm seine Gemahlin Frogertha den Frotho,

') I\-Wr ilii- drei S.>lii.>kHa!s(rö(ti>iiieii (liit. l'ar.-i.c. nnl. m.rnir) vrI. E- H. M.-VIT S. 167 ff. iii. Ueirialer), (ir.llher M. llU ff. Mogk i. (irdr. 111, am ff. Dil- ülli-3li- ist I'rOr. dit> Naniuii W'nlaiidi und .Skiild sind jüngeren i;MprunK.H. Im der Diililiii.j.' spielen lii- eine sehr wieliÜKO K..llc. VrI, b. ». ()ylfa^.li-.(i,-riii>.s Eddl■S.:^IO.ullddl...üilldi.■llelJ.■s^■hi.■llte bfi derdpbiirt Ili'lfiis im eraten Linie von ihm .Str. ü ff. = Ciering 8. IH). Dieselbe Au- si-hiiiiunB, lind nami'iillich, dius die liriUe im (iegensutz zu den beiden ."1,.,, eine sehlimnie (Jube verleih!, findet sieli uiieh in vielen SlÄrclien, II. in denrn vnm Dnr>iri>J»'hen1y|in3.

') Kr heis4l sc.nst Ve^Ltnü. niil. Dli hinn Ihekni; wciterfa Ober ihn . iFd VI!. <i. VIII. Bui'he. w.. seine Ues.'hiehle eini;ehender behandelt wird.

isehende Aufirelen dicsoa

Olawus. Frotho IV. 291

der von seiner ausgezeichneten Freigebigkeit seinen Beinamen 182; 275 erhielt. Frotho war nun wegen der Erinnerung an die glücklichen Zeiten unter seinem Grossvater, dessen Namen er ja trug, von der Wiege, von den ersten Tagen seiner Kindheit an hei allen so beliebt, dass man ihn nicht einmal auf dem Boden gehen öder stehen liöss, sondern ihn fort- während ans Herz druckte und mit Küssen liebkoste. So wurde er also nicht bloss einem einzigen Erzieher zugewiesen, sondern er war eigentlich der Zögling aller ^). Beim Tode seines Vaters stand er erst im zwölften Jahre, aber er be- siegte doch die Sachsenhäuptlinge Swertingus und Hanewus, die sich seiner Herrschaft entziehen und offenkundig abfallen wollten, im Kampfe und erlegte den unterworfenen Stämmen zum Zeichen der Knechtschaft als Strafe die Zahlung eines Schillings für den Kopf auf^). Er war so freigebig, dass er in einer ungewöhnlichen Art Edelniut den früheren Lohn .seiner Soldaten verdoppelte. Er Hess sich auch nicht nach Tyrannenart von den allgemeinen Lockungen der Laster ver- führen, sondern er bemühte sich eifrig, alles, was er als das Ehrenvollste erkannte, zu erreichen, seine Schätze zur all- gemeinen Verfugung zu stellen, andere an Freigebigkeit zu übertreffen, es allen in den Pflichten der Menschlichkeit 2uvorzuthun und, was das Schwierigste ist, den Neid durch seine Tugend zu überwinden. Dadurch gewann er sich binnen kurzem bei allen solch einen Ruhm, dass er schon als Jüngling durch seinen Ruf nicht nur den Ehren seiner Vorfahren gleich- kam, sondern selbst die Erinnerungen an die ältesten Könige noch übertraf.

Mädohens zu jfobon. setzt or die ^anzc Fridlowssaj2[o in Parallele zur Sage von Haltdan Brünufostri, wobei zwar sehr schöne, aber doch wohl nicht ganz sichere Ergebnisse erzielt werden (Olrik II, <)4; 68).

^) Hiermit beginnt ein Abschnitt, der sowohl bei Saxo wie in der isländischen SkjiUdungensage trotz vielfacher Verschiedenheiten im Einzelnen eine Einheit liildet. Die Fürsten, von denen er handelt, sind Frode, Fridlews Sohn, und Ingjald; die Hauptperson aber ist der dänische Nationalhold Starkadr. Vgl. Olr. II, 219.

') Dieser Zug ist den dänischen Sagen eigentümlich: vgl. die ganz Ähnliche (reschichte von König Dan III., Buch IV, S. 189.

19*

292 Sechstes Buch.

Zu derselben Zeitrettete sich eingewisser Starcatherus % der Sohn des Storwerkus, allein durch seine Stärke oder sein Glück aus einem Schiffbruch, bei dem seine Gefährten umkamen, und wurde von Frotho wegen seiner hervor- ragenden geistigen und körperlichen Vorzüge gastfreundlich aufgenommen. Als sie eine Zeit lang zusammen gelebt hatten, wurde er von Tag zu Tag aufmerksamer, freundlicher und ehrenvoller behandelt und erhielt schliesslich ein prächtiges Schiff mit dem Auftrage, als Wiking die Meeresküsten zu be- wachen. Denn wie ihn die Natur mit einem fast übernatürlich stattlichen Körper begabt hatte, so kam er dem auch durch die Hochherzigkeit seines Sinnes gleich, sodass ihm wohl kein

274 Sterblicher an Tüchtigkeit ebenbürtig war. Seine Berühmtheit erstreckte sich soweit, dass heute noch das ruhmreiche An- denken an seine Thaten und seinen Namen fest besteht. Der Ruf von seinen herrlichen Leistungen erstrahlte nämlich nicht nur bei den Unsrigen, sondern er hatte sich auch in allen Provinzen der Schweden und Sachsen die glänzendsten Denk- mäler errichtet. Die Ueberlieferuug versichert, dass er aus der Gegend herstamme, welche Schweden im Osten begrenzt, wo jetzt in ihrem weiten Gebiet das zahlreiche Volk der Esten und andere Stämme hausen^). Aber eine sagenhafte

Igg und volksmässige Ansicht hat über seine Geburt etwas ganz Unvernünftiges und von der Wahrheit völlig Abweichendes ersonnen. Einige berichten nämlich, er stamme von den Riesen ab und habe seine Abkunft von den Ungeheuern durch die ungewöhnliche Zahl seiner Hände verraten, und man

^) Die gesamte Starkadsage zerfällt in zwei Hauptabschnitte : 1. Star- kads Jugend (bis zu seiner Begegnung mit dänischen Fürsten), 2. Die Zeit im Dienste dänischer Könige, l'eber das (ianze s. Uhland Sehr. VII, 234 ff., über den ersten Teil Olrik II, 76 ff. Dort findet sich die übrif^e wichtigste Littcratur über die Sage verzeichnet ; ferner vgl. die amamagn. Aus« gäbe der Snorra Edda III, 2H7 300 und Müüenhoff, deutsche Altertumakde. V, 301 ff. Die (Jeschichten des ersten Abschnitts sind norwegisch-bländischeD Ursprungs.

*) Trsprünglich ist dies das Riesenland, Jötunheim. Von der Ab» stammung Starkuds erzählt auch die (Jautrekssaga (Fornald. Sog. III, 15 k mit der Saxo im wcatvitüchen übereinstimmt.

L

StarcatheruB ; seine Abkunft; Heidengötter. 293

erzählt, der Gott Thor habe ihm vier von diesen, welche die verschwenderische Natur ihm fehlerhaft gegeben, nach Ver- nichtung der Sehnengefüge abgenommen und von seinem sonst unversehrten Körper jene wunderbaren Fingermassen entfernt. So seien nur zwei Hände übrig geblieben, und der vorher riesenmässig grosse Körper, der wegen der Fülle seiner Gliedmassen ein unförmiges Aussehen hatte, sei nunmehr, nach einem besseren Muster geformt, auf das Mass mensch- licher Grösse beschränkt worden.

Vor Alters begannen nämlich gewisse, in der Zauberei bewanderte Leute, Thor, Othinus und einige andere, die sich durch ihre wunderbare Fertigkeit in Hexenküusten aus- zeichneten, die Gemüter einfältiger Menschen zu bethören und sich selbst den Glanz der Göttlichkeit anzumassen ^). Sie lockten Norwegen, Schweden und Dänemark im Vertrauen auf die dortige unbefangene Leichtgläubigkeit in ihre Netze, verführten die Bewohner, ihnen göttliche Ehren zu erweisen und befleckten sie ganz besonders mit dem Verderben ihres Blendwerks. Denn die Erfolge ihrer Betrügerei nahmen so zu, dass die übrigen Menschen in ihnen eine Art göttliche Macht verehrten, sie als Götter oder Abkömmlinge von Göttern be- trachteten, zu diesen P>findern von Zauberkünsten feierliche Gebete emporsandten und einem gotteslästerlichen Betrüger die den heiligen Dingen zukommende Verehrung erwiesen. Daher kommt es auch, dass die gesetzmässige Reihe der Wochentage bei uns nach den Namen dieser Wesen heisst, 275 während die alten Römer bekanntlich die Bezeichnungen dafür entweder auch von den Namen ihrer Götter oder von der Zahl der sieben Planeten einzeln hergenommen haben. Gerade aus der Benennung der Wochentage aber ist doch klar zu entnehmeu, dass die von den Unsrigen einst ver- ehrten Götter nicht dieselben sind, welche die alten Römer Jupiter und Mercurius nannten oder welchen Griechenland und Latium abergläubischen Dienst erwies. Denn der Tag, welcher bei uns Tag des Thor oder Othinus heisst, wird bei jenen Tag des

») Vgl. I, S. 37 Anm. 3.

294 Sechstes Buch.

Jupiter oder Mercurius genannt. Wenn wir nun die Bedeutung der oben gegebenen Erklärung beibehalten, dass Thor gleich Jupiter und Othinus gleich Mercurius sei, so müsste, wenn die Ansicht unserer Vorfahren bestehen bleibt, nach welcher Thor allgemein als Sohn des Othinus gilt, offenbar Jupiter der Sohn des Mercurius sein. Da nun die Römer in ihrer ganz ent- gegengesetzten Anschauung dabei beharren, dass Mercurius der Sohn des Jupiter sei, so folgt daraus, dass, wenn diese ihre Ansicht zu Recht besteht, wir deutlich Thor als einen

184 andern als Jupiter und Othinus als verschieden von Mercurius erkennen. Manche behaupten, die von unseren Landsleuten einst verehrten Götter hätten mit denen, welche man in Griechenland und Latium feierte, nur die Bezeichnung ge- meinsam, aber jene hätten, da sie ilinen an Würde fast gleich waren, von diesen den Kultus zugleich mit dem Xamen entlehnt. Diese Auseinandersetzung über die Gottheiten des dänischen Altertums möge nun aber genügen. Ich habe sie deshalb ein wenig allgemeinverständlich gestaltet, damit meinen Lesern klar werde, welchem (iötzendienst sich unser Vater- land in heidnischem Aberglauben gewidmet hat. Jetzt aber will ich nach dieser Abschweifung zu meiner Aufgabe zurück- kehren.

27(5 Die Alten berichten, der oben genannte Starcatherus

habe die Reihe seiner Thaten um die Gunst der Götter zu erlangen mit der Erwürgung des norwegischen Königs AVicarus begonnen. Der Verlauf der Sache ist nach dem Berichte einiger Gewährsmänner folgender: Othinus wünschte einst demWicarus einen schmählichen Tod; da er aber den Mord nicht offenkundig ausüben wollte, stattete er Starca- therus, der sich schon vorher durch ungt-wöhnliche Grösse auszeichnete, nicht nur mit kühnem Mute, sondern auch mit der Fertigkeit, Zauberlieder zu dichten, aus, damit er seine Hilfe beim Verderl)cn des Königs um so wirksamer fände. Denn er hoffte, Starcatherus würde sich in dieser Weise für seine Ehrungen dankbar erweisen. Aus demselben Grunde beschenkte er ihn auch mit einer Lebensdauer von drei Menschenaltern, damit er im Laufe derselben eben.scniele ver-

Starcatherus tötet Wicarus. 295

brecherisehe Thaten vollbringen könnte. Solch eine lange Lebenszeit beschloss er ihm für jenes Verbrechen zu verleihen. Starcatherus begab sich alsbald zu Wicarus, lebte eine Zeit lang in Gemeinschaft mit ihm und verbarg unter Dienst- eifer seine Ränke. Schliesslich unternahm er mit ihm zu- sammen einen Raubzug zur See, Als sie nun an einer Stelle lange von der Ungunst des Wetters verfolgt wurden, denn die Winde hinderten dermassen die Weiterfahrt, dass sie den grössten Teil des Jahres der Ruhe pflegen mussten be- schlovssen sie mit Menschenblut die Götter zu versöhnen. Sie warfen nun Lose in eine Urne, und es traf sich, dass des Königs Leben als Opfer verlangt wurde. Da machte Starca- therus aus AVeidenruten eine Schlinge und legte sie dem 277 König an, als sollte er nur einen kleinen Augenblick zum Scheine die Strafe über sich ergehen lassen. Aber die Festig- keit des Knotens that ihre Pflicht und raubte ihm, als er da hing, bald den letzten Atemzug. Als er noch zappelte, gab ihm Starcatherus mit dem Schwerte vollends den Rest und enthüllte so seine Treulosigkeit, wo er hätte Hilfe bringen sollen. Eine andere Ansicht, die da sagt, die weichen Ruten seien beim Zusammenziehen plötzlich hart geworden und hätten wie eine Drahtschlinge gewirkt, glaube ich nicht erst berücksichtigen zu dürfen ^). Dann nahm er das SchiflF des Wicarus und begab sich zu einem gewissen Bemonus^), dem tapfersten aller dänischen Seeräuber, um selbst ein Wikingerleben zu führen. Denn des Bemonus Gefährte, is5

*) Andre Quellen berichten dieselbe Thatsaehe: nur heisst es da, Starkadr sei schon vorher von Odin begünstigft und mit übermenschlicher Stärke bejrabt worden ; zum Danke dafür habe Wikar dem (iotte geopfert werden müssen. Ueber den Tod dos Königs selbst heisst es in der Gautrekssaga, er sollte zum Scheine, als werde er Odin geweiht, mit einem Kohrstcngel berührt werden; bei der Berührung aber habe sich dieser in einen Speer verwandelt und ihn getötet. S. Uhland VII, 245. u. Bugge, Stud. 340 ff.

') Nrd. Beimuni; dieser und die andern Namen finden sich alle in jüngeren isländischen Sagas (1.3 14. Jhdt.) wieder. Saxo hat wie jene-sicher- lich aus einer älteren zusammenhängenden Starkadsage geschöi>ft.

296 Sechstes Buch.

Namens Frioca^), hatten sich vor kurzem aus Abneigung gegen die Mühen dieses Räuberlebens von seiner Gesellschaft losgesagt, nachdem er eine Abfindungssumme gezahlt. Starca- therus und Bemonus verwandten nun so grosse Sorgfalt darauf, sich stets nüchtern zu erhalten, dass sie sich niemals den Genuss berauschender Getränke gestattet haben sollen, damit nicht die vorzüglichste Vorbedingung zur Tapferkeit, die Ent- haltsamkeit, durch Völlerei untergraben würde. Als sie nun weit und breit die Länder niedergeworfen hatten, fielen sie in ihrer Herrschsucht auch in Russland ein. Die Einwohner aber verliessen sich nur wenig auf ihre Mauern und Waffen und stellten den Feinden, um ihr Eindringen zu verhindern, aussergewöhnlich scharfe Nägel entgegen, damit sie wenigstens das Vordringen derer verzögerten, deren Angriff sie nicht zurückweisen konnten, und damit der Boden in aller Stille ihre Fusssohlen verwunde; denn man scheute sich, ihnen im offenen Kampfe Widerstand zu leisten. Aber auch diese Art Hindernis half nichts zur Abwehr des Feindes; denn den Dänen fehlte es nicht an Schlauheit, das Werk der Rutenen zu Schanden zu machen. Sie befestigten nämlich sogleich hölzerne Schutzbretter an ihren Füssen und schritten so, ohne ihre Sohlen zu beschädigen, über die darunter liegenden Stacheln. Diese Fusseisen bestanden aber aus vier Spitzen und waren so eingerichtet, dass sie, auf welche Seite sie auch der Zufall warf, immer gleich auf drei Beinen feststanden V 278 Dann drangen sie in unwegsame Gebirge und dichte Wälder ein und verjagten den Häuptling der Rutenen, Floccus^), aus seinem Waldversteck, in welches er sich verkrochen hatte. Dort bemächtigten sie sich so reicher Beute, dass keiner von ihnen, ohne mit Gold und Silber schwer beladen zu sein, nach der Flotte zurückkehrte.

Nach dem Tode des Bemonus wurde Starcatherus von Biarmischen Fechtern wegen seiner Mannhaftigkeit eingeladen,

*) Wohl zu anrd. fri-kr -— jji<'rijf.

') SpiittT a'md diosu (icräte unter dcMU Nuniei» ^spanisrlu» Heiter'* bekannt.

•) Kin Flokki (FltSki) wird uueh s(»ust als FinnakonuiK/r erwähnt.

Starcatherus in fiussland, Biannien, Schweden, Hibernien. 297

und als er bei diesen sehr viele, höchst denkwürdige Thaten vollbracht, begab er sich in das Gebiet der Schweden. Dort feierte er mit den Söhnen des Frö ^) sieben Jahre, und von diesen aus zog er endlich zu Haco, dem Tyrannen von Dänemark*); denn während seines Aufenthaltes in Upsala zur Zeit der Opfer verabscheute er die weibischen Körper- bewegungen, das Beklatschen der Schauspieler auf der Buhne und das weichliche Geklingel der Glocken. Hieraus ist klar ersichtlich, wieweit sein Gemüt von aller Schlaffheit entfernt 279 war; gewann er es doch nicht einmal über sich, bei der- gleichen zuzusehen. So sehr widerstand seine Mannhaftigkeit der Ueppigkeit. Daher segelte er nun mit Haco nach Hibernien, damit selbst die entferntesten Reiche nicht von den dänischen Waffen verschont blieben. Zu dieser Zeit war Huglec^) König der Insel. Obgleich dieser nun einen reich- gefüllten Schatz besass, war er doch so sehr dem Geize ver- fallen, dass er einst, als er ein Paar Schuhe verschenkte, welche die Hand eines kunstreichen Meisters geziert, die Bänder herauszog und so durch die Entfernung der Schuh- 186 riemen von ihrer Stelle das Geschenk in eine Schmach ver- wandelte. Durch diese abscheuliche Handlungsweise ver- leidete er die Gabe so sehr, dass sie ihm offenbar mehr Hass als Dank einbrachte. Er pflegte auch keinen anständigen Menschen freigebig zu beschenken, sondern verschwendete seine Gaben immer nur an Schauspieler und Spielleute. Es ist ja auch ganz natürlich, dass solch ein niederer Gesell nur mit anderen niedrigen Leuten vertrauten Umgang hatte und, selbst in einen Abgrund versunken, sich mit schmeichelnden

*) 1). i. das Königsgcschlecht der Yngling^e, die ihren Ursprung von Pro = Freyr herleiteten. (Vgl. I. 46 Anm. 1).

*) Wie sich dieser Haco (anrd. Haki ) zum rechtmässigen König Frotho verhält, bleibt bei Saxo unklar. Wir worden kaum fehlgehen, wenn wir annehmen, Siixo habe sich selbst in seiner Königsreihe verwirrt und meine denselben von ihm später angesetzten König Haco, den er B. VIT, 237 ff. (Holder) behandelt.

') In den andern (Quellen erscheint Hugleikr als Schwedenkönig und die folgenden Ereignisse spielen sich in l'psata, nicht, wie hier, in ])ul>lin ab.

208 Sechstes Buch.

Lockreden Genossen seiner Schuld gewann. Noch hatte er zwei Edle von erprobter Tapferkeit, Gegathus und Swib- dawus, welche in der Gesellschaft dieser Weichlinge gleich- wie Edelsteine auf einem Misthaufen sich durch den hellen Glanz ihrer kriegerischen Thaten auszeichneten. Sie waren also die einzigen Verteidiger der Schätze des Königs. Als nun der Kampf zwischen Huglec und Haco begann, ver- liessen die Herden der Mimen, bei denen die Leichtfertigkeit des Charakters auch Widerstandslosigkeit des Körpers erzeugte, in ängstlicher Eile die Schlachtreihe und lohnten die Wohl- thaten des Königs nur mit schnöder Flucht. Da warfen sich Gegathus und Swibdawus allein so vielen tausend Feinden entgegen und kämpften mit unglaublichem Heldenmute, so dass es schien, als ob da nicht zwei Krieger sondern ein ganzes Heer fechte. Gegathus brachte auch Haco, der allzu hartnäckig auf ihn eindrang, eine so gewaltige Wunde in der Brust bei, dass er die Oberfläche der Leber bloss legte. Hier erhielt auch Starcatherus, als er Gegathus mit dem Scliwerte angriff, eine sehr schlimme Wunde am Kopfe. So berichtet er auch später in einem Liede^), er habe nirgend anders einen traurigeren Hieb bekommen; denn wenn auch äusserlieh noch die Haut die beiden Teile seines zerspaltenen Hauptes zusammenhielt, so barg doch die blosse Wunde im Innern ein gar böses Eitergeschwür, ohne dass man es sah. Starcatlierus siegte aber doch, und nach dem Falle Huglecs wurden aucli die übrigen Hiberner in die Flucht geschlagen. 2H> Wen er von den Spielleuten gefangen nahm, den Hess er auspeitschen. Denn er hielt es für besser an der Schar dieser Lotterbuben eine lächerliche Strafe auf Kosten ihrer Haut vollziehen zu lassen, als ein peinliches Urteil, die Hin- richtung, an ihnen zu vollstrecken. So erliess er denn gegen dieses (iauklervolk von verächtlichem Staude eine schmach- volle Strafe und begnügte sich damit, sie zum Hohn und zur Demütigung geissein zu lassen ''). Dann holten die Dänen

*) Latt'inischi' LcbiTsctzuntifon von StarkadliodiTn gielit Saxo scU)st an versi'hifflciwn StolN'ii des VI. u. VIII. Hucln's.

•) L'«"l (.r Mimen und Spielleuto iin XoriliMi luuulolt A. Olrik in dem

Starcatherus' Tliaten in Hibemien und den Ostländern. 299

iu der Hauptstadt Dufflina die Reiclitümer des Königs aus der Schatzkammer heraus und Hessen sie öffentlich plündern. Denn dort hatte man soviel Geld gefunden, dass alle bei der Verteilung nur geringe Sorge hatten.

Darauf wurde Starcatherus zusammen mit Winus, einem Slavenfursten, abgesandt, um dem Abfall der Orientalen Einhalt zu gebieten. Diese fochten vereint gegen das Heer 187 der Kurländer, Sember^), Sangaler, ja aller Orientalen und gewannen weit und breit herrliche Siege. Ein Fechter von grossem Ruf, Namens Wisinnus^), hatte bei einem Felsen in Russland, der Ana-Fjal heisst, Sitz und Wohnung auf- geschlagen und quälte die Gegenden fern und nah mit allerlei Unbilden. Er pflegte durch seinen blossen Blick die Schärfe jedes Geschosses stumpf zu machen. Diese Sicherheit vor der Furch^ vor Wunden erzeugte nun in ihm bei seiner Macht ein solches Mass von Unverschämtheit, dass er selbst die Frauen vornehmer Männer vor den Augen ihrer Gatten raubte und schändete. Durch die Kunde von diesen Schand- thateu fühlte sich Starcatherus veranlasst, nach Riisshiud zu eilen, um ihren Urheber aus der Welt zu schaffen. Da ihm kein Kampf als zu schwierig galt, forderte er Wisinnus zum Zweikampfe heraus, griff' ihn an und besiegte ihn, nach- dem er ihn um die Vorteile seiner Kunst gebracht. Damit nämlich der Zauberer seine Klinge nicht ansehen konnte, bedeckte er sie mit einer ganz dünnen Haut, und Wisinnus half weder seine Kunst noch seine gewaltige Körperkraft etwas, dass er nicht hätte Starcatherus weichen müssen. Dann besiegte er in Byzautium^) im Vertrauen auf seine o^x Körperkräfte einen Riesen Namens Tanna, der in dem Rufe der Unbesieglichkeit stand, und nötigte ihn, als Verbannter

Aufsätze: ^Middelalderens vandreiide spillenuvnd i Norden og dcros vise- sang** (in den Mindrc afhandlingor, udg. af. d. pliil.-hist. Samfund i Köbcn- havn 1887.)

*) D. s. die Einwohner von Seinbia = Saniland.

-) Anrd. Visinn, ein Hold im Blökumannalande; vgl. VII, 357. Anafjal ist sonst unbekannt.

' )Vgl. I, 38 Anm. 1.

300 Sechstes Buch.

unbekannte Weltgegenden aufzusuchen. Da nun keine böse Laune des Schicksals seine Heldenkraft um den Sieg bringen konnte, so wandte er sich nach Polonien hin und über- wältigte dort im Zweikampf einen Fechter, den die übrigen Wasce, die Teutonen aber mit anderer Schreibung Wilcze nennen ^).

Unterdessen begannen die Sachsen an Abfall zu denken und besonders darauf zu sinnen, wie sie den im Kriege noch unbesiegten Frotho auf andere AVeise als durch einen all- gemeinen Kampf überwältigen könnten^). In der Ansicht, dies sei am besten durch einen Zweikampf zu erreichen, schickten sie Gesandte, welche den König dazu heraus- fordern sollten; denn sie wussten, dass sich dieser bereit- willig in jede Gefahr stürzen und bei seiner Hochherzigkeit nie einer Warnung Folge leisten würde. Sie meinten aber, ihn gerade in dieser Zeit angreifen zu müssen, da sie wussten, Starcatherus, dessen furchtbare Tapferkeit all- gemein bekannt war, sei in (Geschäften abwesend. ATähreml jedoch Frotho noch zögerte und sagte, er wolle sich mit seinen Freunden über die Antwort beraten, kehrte Star- catherus unerwartet von seinem Raubzuge heim.

Dieser tadelte besonders darum die Herausforderung, weil, wie er sagte, Könige nur mit ihresgleichen fechten und nicht gegen Leute aus dem Volke die Waffen ergreifen dürften^); ihm vielmehr, der ja von niederer (ieburt sei,

*) Er erscheint als Riese Vazi(Vu(li) auch sonst. Saxos Benicrkunj? deutet darauf hin, dass ihm die Sage wohl auch aus l/iodern sächsischer d. h. niederdeutscher Sänger bekannt war. Vgl. Jiriczek, Deutsche Heldous. I, 178.

*) Von hier ab sehen wir Starkadr im Dienste dänischer Könige, zuerst Frothos, und damit beginnt auch der dänische Urs]>rung in den weiteren Berichten. Nach Saxo's Bericht wird es nicht klar, ob Starkadr seine hier zuletzt genannten Thaten auf eigene Faust oder auch schon in Frothos Dienst vollbracht hat. Das erstere ist wohl wahrscheinlicher. Von jetzt ab erscheint Starkadr auch anders als früher, immer als (ireis. Ks ist übrigens zu beachten , dass ursprünglich nicht Sachsen , sondern das Ostland (Hussland) der Schauplatz der folgenden Thaten Starkads war. Vgl. darül.er MüUenhoff. deutsche Altertkd. V, 31*J, ferner Olrik II, 220. L'eber die Sachsenkämpfe s. noch besonders Olrik II, 299 flf.

') Das ist allgemein giltige .\nsehauung; vgl. u.a. (»ben S. 2S7.

Abiall und Unterwerfung der Sachsen. 301

komme es zu, den Kampf zu übernehmen. Die Sachsen 18S gingen nun Hama, der wegen seiner Siege in gymnischen AVettki'impfen bei ihnen in höchstem Ansehen stand, mit vielen Versprechungen an, wenn er den Zweikampf über- nähme, gelobten, ihm sein ganzes Körpergewicht in Gold aufzuwiegen, gewannen ihn durch das Geld auch wirklich 282 und geleiteten ihn unter feierlichen Kriegstänzen zum Kampf- platz. Dann führten die Dänen den mit kriegerischen Ab- zeichen geschmückten Starcatherus, der für ihren König eintreten sollte, ebenfalls auf das Kampffeld. Da er schon vom Alter entnervt schien, verachtete ihn Hama im Ver- trauen auf seine Jugend und wünschte, mit dem kraftlosen Greise lieber zu ringen als zu fechten. Er griff ihn an und hätte ihn auch wirklich auf die Erde niedergeworfen, wenn nicht das Schicksal, welches die Besiegung des Alten nicht zugab, diese Schmach verhindert hätte. Er soll nämlich von dem anstürmenden Hama einen solchen Faustschlag erhalten haben, dass er in die Kniee sank und die Erde mit dem Kinne berührte. Aber bald machte er sein Wanken durch seine herrliche Rache wieder gut. Denn sobald er seine Kniee wieder erhoben, seine Hand wieder frei hatte und sein Schwert ziehen konnte, hieb er Hama mitten entzwei. Mehrere Aecker und sechzig Sklaven waren der Lohn für seinen Sieg. Nach Hamas Tode aber wurde die Herrschaft der Dänon über die Sachsen so streng, dass sie gezwungen wurden, zum Zeichen ihrer Knechtschaft für jedes Glied von einer Elle Länge eine jährliche Abgabe zu zahlen. Dies nahm sich Hanef sehr zu Herzen und dachte, in der Ab- sicht, den Tribut los zu werden, an einen Krieg. Da die innige Liebe zum Vaterlande in seinem Innern das Mitleid mit den Unterdrückten von Tag zu Tage reger machte, wünschte er endlich sein Leben für die Freiheit seiner Mit- bürger einzusetzen und trat mit seinem Plane zum Wider- stände offen hervor. Frot ho ging mit seinen Truppen über die Elbe und erschlug ihn bei dem Dorfe Han öfra, welches so nach ihm heisst *). Obwohl Swertingus nicht weniger durch das

^) Wohl eine von Saxos Uowährsmann erfinulone Etymologie (oder

302 Sechstes Buch.

Eleud seiner Mitbürger erscliüttert war, so sprach er doch gar nicht von dem Unglück seines Vaterlandes, betrieb dabei aber noch thatkräftiger als Ilanef den Befreiungsplan. Ob man diese Absicht nun als Tugend oder als Laster zu be- trachten hat, kann zweifelhaft sein; ich für meinen Teil be- zeichne sie ohne weiteres als Verbrechen, da sie dem ver- räterischen Wunsche nach Abfall entsprang. Denn wenn es aucli zweifellos sehr verdienstlich war, sich für die Freiheit des Vaterlandes zu bemühen, so durfte man sie doch nicht durch Hinterlist und Verrat zu erreichen suchen. Wie nun die That des Swertingus offenbar von der Ehre abwich, so wird man auch zugeben, dass sie nicht einmal nützlich gewesen ist. Denn es ist sicherlich rühmlicher, offen seinen

288 Feind anzugreifen und seinen Hass an ihm auszuüben, als durch heuchlerische Liebenswürdigkeit die wahre Absicht des Schadens zu verschleiern. Was aber durch ein Ver- brechen erzeugt wird, ist immer unrühmlich und trägt nur

189 schnell verschwindende Früchte. Denn sowie der Sinn un- beständig ist, der die Absicht des Truges durch heimliche Kunststucke verdeckt, so muss auch alles, was mit Hinterlist zu thun hat, vergänglich und gebrechlich sein. Bekanntlich fällt ja ein Verbrechen meist auf seinen Urheber zurück. Diese Thatsache hatte aucli Swertingus der Sage nach an sich zu erfahren. Als dieser den König zum Scheine zu einem Gelage einlud und sich anschickte, ihn zu verbrennen, wurde er von jenem überrascht und erschlagen; gleichwohl brachte er ihm selbst auch noch den Tod^). Auf diese Weise bereitete das Verbrechen des einen allen beiden den Untergang. Obgleich also hier die l^ist ihren Zweck am

Volksotymolojrie), die nur zur ErklUrunj^ des Städtenanieiis dienen soll. Olrik weist darauf hin. wie nahe es pelc^en hätte, auch Hamburg als nach Hama benannt zu bezeichnen.

*) Nach isländischer Ueberlieferunp wird Frode V(ui Swortinjjs Söhnen bei Nacht ermordet, als Starkadr in Schweden weilt : vpl. Dettor in Paul und Braunes Boitriijren z. (rosch. d. deutsch. Spr. u. Litt. XVIII. 72. Saxos Bericht ist (Quelle für K. E. Eberts Gedicht ^Schwertin^', der Sachsen- herzojj.**

Frothos IV. Tod durch Swertingus. Ingellus. 303

Feinde erreichte, gewährte sie dennoch ihrem Plrfinder keinen Schutz vor der Strafe.

Frotho folgte sein Sohn Ingellus^). Dessen Sinn war der Ehre abgewandt; er hielt sich nicht an das Vor- bild seiner Ahnen, sondern gab sich ganz den Lockungen der ausgesuchtesten Schwelgerei hin. Daher verliess er den Weg des Guten und Rechten, liebte Laster statt der Tugend, sprengte die Bande der Enthaltsamkeit, vernachlässigte die Pflichten königlicher Majestät, ward ein schmutziger Sklave der Völlerei. Was nur für einen ehrenwerten Charakter widerwärtig oder unpassend sein konnte, das übte er sicherlich. Die Ehre seiner Väter und Grossväter befleckte er, indem er sich die schlimmsten Leidenschaften angewöhnte; die herr- lichen Ruhmestitel seiner Vorfahren vernichtete er durch seine gottlosen Thaten. Er war so den Gelüsten des Bauches verfallen, dass er weder seinen Vater zu rächen noch die schmählichen Einfälle der Feinde abzuw^ehren wünschte. Konnte er nur seinen Rachen füllen, so glaubte er in keiner Beziehung mehr massig oder bescheiden handeln zu dürfen. Er schändete seine glänzende Abkunft durch seine Stumpf- heit und Faulheit, führte ein ausgelassenes, wollüstiges Leben, er freute sich darüber, sein entartetes Gemüt, das sich auf abschüssiger Bahn soweit ab von dem Pfade seiner Väter entw^ickelte, in die Abgründe der verworfensten Ge- meinheiten zu stürzen. Wurstmacher, Köche, Röstpfannen, allerlei Küchenvorrichtungen für seinen Leckermund, ver- schiedene Künstler zu sammeln, um einen Braten oder ein Mahl herzustellen, das hielt er für ehrenvoll. Aber Waft'en, Kriegsdienst, Kampf aus eigener Erfahrung kennen zu lernen, das konnte er nicht über sich gewinnen, und er wollte solche Uebuugen auch andern nicht gestatten. Daher ver- schmähte er auch jedes männliche Benehmen und ahmte ein weibisches nach, er, den das unwiderstehliche Jucken seiner

*) Die dänische Ing;jaldsage ist aufs engste mit der Starkadsage verknüpft. Ihr Kern ist die Enveckung des schlummernden Ehrgefühls und der Tüchtigkeit Ingjalds durch Starkad. Vgl. ühland Sehr. VII, 251 ff. u. OlriklL 222 ff.

304 Sechstes Buch.

284 Kehle für jeden Küeliendunst in Flammen setzte. Immer roch er nach einem Weinrausch, da er ja jede Spur von Nüchternheit völlig abgelegt hatte, und verriet die unverdaute Masse in seinem Bauche durch den stinkenden Atem seines Mundes. Er war ebenso verkommen in seiner Schwelgerei, wie Frotho im Kriege berühmt gewesen war. So sehr hatte die unzeitige Verderbnis seiner Lüsternheit mit ihren schlimmen Reizen seinen Charakter verweichlicht. Starca- therus sah sich durch seinen Abscheu vor dieser Un- mässigkeit veranlasst, auf den Umgang mit Ingellus zu verzichten. Er suchte die Gastfreundschaft des Königs Haldanus von Schweden auf; denn er zog Thätigkeit der

190 Müsse vor. So wenig konnte er es also aushalten, der Schwelgerei auch nur zuzusehen. Die Söhne des Swertingus aber gaben Ingellus aus Furcht, dass er sie für die That ihres Vaters büssen lasse, ihre Schwester zur Ehe, um so seiner Rache durch ihre Liebenswürdigseit zuvorzukommen. Von dieser soll er nach alter Leberlieferung seine Söhne Frotho, Fridlewus, Ingellus und ülawus bekommen haben; der letztere allerdings soll nach dem Bericht mancher der Sohn seiner eigenen Schwester gewesen sein ^).

Nun hatte irgend ein Goldschmied, ein Manu niederen Standes, der wohl zu schmeicheln verstand und über allerlei

285 kleine Gaben verfügte, durch welche die Begehrlichkeit der Weiber am meisten gefesselt wird, Helga, die Schwester des Ingellus, durch sein Liebeswerbeu zur Gegenliebe für sich entflammt^); denn nach dem Tode des Königs gab es niemanden, der Vaterrechte an dem Kinde geübt hätte, und so war sie ohne Aufsicht und Schutz geblieben. Als dies nun Starcatherus aus den fortgesetzten Erzählungen von Wanderern vernahm, gewann er es nicht über sich, den Uebermut des Schmiedes ungestraft hingehen zu lassen (denn er pflegte ebenso dankbar für eine Wohlthat wie rasch zur

*) Dieser Bericht über Olaf stimmt mit amierii (iäni>clK'ii (Quellen übereil), isliindisehe kennen ihn nieht. Saxo kommt auf ilui noch H. VIL. 2115 (Hnl(hT) zurück. Ohits Mutter ist die unten S. 310 erwähnte Asa.

*) Die fnl«:»-n<ie (iesciiichte berichtet Saxo allein.

Ingellus; Helga, der Schmied und Starcatherus. 305

Rache für eine Unverschämtheit zu sein) und beeilte sich, einen so ungewöhnlich kecken Hochmut zu strafen, um zu- gleich auch die früheren Freundlichkeiten Frothos an seinem verwaisten Kinde zu vergelten. Er durchwanderte Schweden und gelangte endlich zu der Wohnung des Schmiedes, wo er sich nahe der Schwelle aufstellte, und um sich nicht zu ver- raten, das Antlitz mit seinem Hute beschattete. Der Schmied, der noch nicht wusste, dass auch unter einem schlechten <5ewande starke Fäuste verborgen sein können ^), zankte ihn aus und hiess ihn schleunigst sein Haus verlassen, damit er unter der Schar der Bettler die letzten Abfälle vom Mahle in Empfang nehme. Der Alte aber fasste sich bei der ihm angeborenen Selbstbeherrschung in Geduld, blieb trotzdem ruhig und wollte nun allmählich auch weiterhin die Keckheit des Wirtes erproben. Denn einen Ausbruch der Wut hielt bei ihm immer die überlegene Vernunft zurück. Darauf näherte sich der Schmied mit unverhohlener Unverschämtheit <lem Mädchen, legte sich in ihren Schoss und bot den jung- fräulichen Händen seinen Kopf zum Kämmen dar. Dann nahm er seinen Lendenschurz ab und verlangte ihre Dienste beim Herauslesen der Flöhe, und er erreichte es auch, dass ein Mädchen von vornehmster Geburt nicht errötete, mit ihren zarten Fingern das schmutzigste Kleidungsstück zu be- rühren. Endlich glaubte er seiner Lust freien Spielraum gewähren zu dürfen und wagte es, mit seinen lüsternen Händen unter ihr Gewand zu greifen und seine unstäten Finger ihrer Brust zu nähern. Da aber ward sie bei ge- nauerem Hinsehen die Gegenwart des ihr einst bekannten Alten gewahr, fing an, sich zu schämen, sträubte sich gegen -seine schamlosen, begehrlichen Berührungen und stiess seine 286 frechen Hände zurück; ja sie forderte ihn sogar auf, sich um seine Waffen zu bekümmern und ermahnte ihn, von seinem allzu lüsternen Treiben abzulassen. Bei diesem An- IM blick war Starcatherus, der nahe der Thür sass, das Haupt •vom Hute beschattet, schon so zornig geworden, dass er,

*) Vgl. dasselbe Sprichwort TI, S. 68. Sazo Grammaticui. ^0

306 Sechstes Buch.

unfähig, sich länger zu beherrschen, seine Hülle abi^arf und seine Rechte ans Schwert legte, um es zu zücken. Da aber wusste der Schmied, der nichts als seine Lüsternheit ver- stand, in seiner kopflosen Furcht nicht, was er machen sollte; sobald er aber erkannte, dass es zum Kampfe komme, gab er alle Hoffnung auf Verteidigung auf und erblickte nur noch in der Flucht den einzigen Rettungsweg in seiner Not. Nun war es aber ebenso schwierig, durch die Thür, welche der Feind besetzt hielt, zu entwischen, wie gewagt, den An- greifer im Hause zu erwarten. Endlich aber machte er, von der Not getrieben, seinem Zögern ein Ende und erwog, dass der sicheren und unabwendbaren Gefahr immer noch der Ausweg vorzuziehen sei, der wenigstens eine kleine Hoffnung auf Errettung böte. Daher ergriff er auch die Flucht, obwohl sie wegen der drohenden Gefahr sehr schwierig war, weil sie immer noch etwas mehr Aussicht auf ein Entkommen zu bieten schien, und Hess das Zaudern, das gleichsam in völliger Hilflosigkeit offenbar nur Unglück und zweifellose Vernichtung bringen konnte. Als er aber gerade die Schwelle überschreiten wollte, hieb ihn der Alte, der die Thür schützte* mitten durch die Hinterbacken ^), sodass er wankte und halb- tot niedersank. Denn sein Besieger glaubte sich sehr hüten zu müssen, seine ruhmreichen Hände zu der Ermordung eines verächtlichen Aschenpusters herzugeben, und er glaubte, die Schmach würde für die Glut seiner gottlosen Liebe eine härtere Sühne sein, als der Tod; gilt ja doch bei manchen der Elende für schwerer gestraft als der Getötete. So kam es, dass das Mädchen, obwohl keine Eltern ihre Pflicht an ihm geübt, doch in ihrem Benehmen eine hochgebildete Frau wurde und gleichsam an sich selbst die Aufgabe eines eifrigen Vormundes erfüllte. Als sich nun Starcatherus um- sah und bemerkte, wie dem ganzen Haushalte der jüngste 287 Fall des Hausherrn nahe ging, sorgte er dafür, die Schande des Verwundeten noch durch Spottreden zu vergrössern und bepjann voll Hohn folgendermassen:

*) Solch eine schmähliche Wunde heisst anrd. klamhö^'j:^; \^\. 11^ S. 89 Aum. 2.

Bestrafung des Schmiedes; Lied des Starcatherus. 307

„Warum verharrt das Haus in starrem Schweigen? Was ist die Ursache dieses neuen Schmerzes? Wo ruht jetzt jener weibische Weichling, den vor kurzem das Schwert für seine unwürdige Liebe gezüchtigt? Bewahrt er noch etwas von jenem schnöden Stolze und seiner faulen Ueppigkeit oder besteht er noch auf seinem Beginnen und glüht von der frischen Leidenschaft? Mag er doch in Wechselrede mit mir die Zeit hinbringen und den Hass von gestern^) durch freundliche Worte begütigen. Zeigt nur freudigere Mienen, keine Klage halle im Hause oder lasse eure Gesichter von Trauer verdüstern. Da ich wissen wollte, wer von Liebe zu der Jungfrau entbrannt sei und von Glut ergriffen für 192 meinen geliebten Zögling, nahm ich meinen Hut, um mich nicht durch mein wohlbekanntes Gesicht zu verraten. Da trat jener fremde Schmied ein mit lüsternen Schritten, wiegte sich in den Hüften hierhin und dorthin mit absichtlichem Tänzeln, und ebenso warf er auch mit Blicken herum bei seinen verschiedenen Verbeugungen. Ein mit Biberpelz be- setzter Mantel diente ihm als Gewand, seine Sandalen funkelten von Edelsteinen, sein Rock war mit Gold ge- schmückt. Glänzende Bänder durchzogen sein geringeltes 288 Haar, und eine bunte '^) Binde hielt seine widerspenstigen Locken zurück. Daher rührte seine feige Aufgeblasenheit und sein Uebermut; denn er glaubte, Reichtümer seien Adel, Schätze seien Eltern, und er beurteilte seinen Stand nur nach seinem Vermögen, nicht nach seiner Abkunft. Daher kam ihm der Dünkel, daher durchsetzte Hochmut sein Wesen. Denn der Elende begann sich wegen seines Prunkes gross vorzukommen und Edlen gleich, der Aschenpuster, der mit dem Blasebalge die Luft jagt, der durch emsiges Blasen das Feuer nährt, der mit den Fingern in der Asche wühlt, der

') Das ist nicht wörtlich zu nehmen, sondern auf die unmittelbare Verdränge nheit zu beziehen ; denn nach dem Zusammenhange muss man annehmen, dass sich die ganze Geschichte an einem Tage abgespielt hat.

*) Oder ^breit** : varicata vitta ; so erklärt Müller das Wort, welches eigentlich „breitbeinig dastehen'' hcisst. Elton bemerkt aber, dass es dann ein langes ä haben müsste und will dafiir variata = bunt einsetzen.

20*

308 Sechstes Buch.

oft beim Zurückziehen des Blasebalgs nach Luft schnappt, der oft mit zartem Fächer einen Hauch hervorbringt und die einschlafenden Funken wieder anfacht. Dann legte er sich in den Schoss des Mädchens und sagte: Jungfrau, kämme mein Haar, fange die springenden Flöhe und nimm sie weg, wo die Haut mich brennt. Dann setzte er sich auf und breitete die Arme aus, die unter der Last des Goldes schwitzten, lehnte sich auf das weiche Kissen und stützte sich auf den Ellenbogen; er wollte ja mit seinem Schmucke prunken, sowie ein Ungetüm mit gähnendem Rachen die verschlungenen Ringel seines gewundenen Schwanzes aufrollt. Da aber jene mich erkannte, begann sie den Verliebten zurecht zu weisen, seine lüsternen Hände weg zu stossen, und in der Ueberzeugung, dass ich es sei, sagte sie: Fort mit deinen Fingern, ich bitte dich, massige deine Begierden und sinne lieber darauf, den Alten an der Thür zu besänf- tigen. Das Spiel wird mit Trauer enden, Starcatherus scheint hier zu sein und beobachtet scheelen Blickes dein Treiben.

289 Ihr erwiderte der Schmied: Fürchte dich doch nicht vor dem unkriegerischen Raben und dem zerlumpten Alten; nie hätte es jener Held, vor dem du bangst, über sich gewonnen, sich durch so gemeine Kleidung zu erniedrigen. Der Tapfere erfreut sich an glänzendem Anzup^e und wählt Gewänder, die zu seiner Gesinnung passen. Da warf ich meine Hülle ab, zückte mein Schwert und hieb dem fliehenden Schmied die Scham ab; seine Hinterbacken klafften auseinander und ab- getremit von den Knochen entblössten sie die Eingeweide.

193 Dann sprang ich auf und schlug dem Mädchen mit der Faust ins Gesicht, dass Blut ihrer Nase entströmte ^). Da troflFen die an boshaftes Gekicher gewohnten Lippen von Blut und Thränen, und ihre thörichte Liebe musste jetzt büssen, was sie mit ihren schmeichelnden Blicken gesündigt. Jetzt ist wohl das Spiel der Unglücklichen vorbei, die in blinder Be- gier sich hinreissen liej>s wie eine rasende Stute und in ihrer

*) Diese Bestrafiin.if des Miidehens fehlte in dem vorausg^ehciidea Prosabericht.

Lied des Starcatherus. 309

Wollust ihre Schönheit begrub. Du hättest verdient, fremden Völkern für Geld verkauft zu werden, würdig der Mühle ^), wenn nicht dein blutüberströmter Busen bewies, dass du fälschlich angeklagt bist und deine Brust ohne Milch dich von dem Vorwurfe reinigte. Ich halte dich doch für un- schuldig an diesem Verbrechen, aber errege nur ja keinen Verdacht, traue nicht den bösen Zungen und überlasse dich nicht dem geschwätzigen, lästernden Volke. Das Gerücht schadet vielen und lügnerische Nachrede hindert sehr. Die öffentliche Meinung lässt sich durch ein kleines Wörtchen täuschen. Achte deine Ahnen, ehre deine Väter, gedenke deiner Eltern, sieh an deine Vorväter. Dein Ruhm ent- spreche deinem Geschlechte. Welche Raserei befiel dich ? Welches Verhängnis trieb dich, gottloser Schmied, solch edlen Spross mit deiner Lüsternheit zu versuchen? Oder wer trieb dich, Jungfrau, die du des rühmlichsten Bettes würdig bist, zu dieser unwürdigen Liebe? Sage nur, wie in aller Welt konntest du seinen nach Asche riechenden Mund mit deinen rosigen Lippen küssen, seine geschwärzten Hände 290 an deine Brust drücken, seine kohlenschaufelnden Arme um deine Seite schlingen, seine von dem beständigen Gebrauche der Zange gehärteten Finger an deine Wange führen, seinen aschebestreuten Kopf umfassen und in deine schneeweissen Arme schliessen? Welch grosser Unterschied zwischen aller- hand Schmieden vorhanden ist, daran denke ich, da ich einst von ihnen getroffen ward ^). Alle haben dieselbe Bezeichnung nach ihrem Gewerbe, aber die Gesinnung in ihrer Brust ist verschieden. Die sind meiner Ansicht nach die besten, welche Schwerter und Speere für die Männer schmieden, die durch ihre Kunst ihre Gemütsanlage verraten, durch ihre harte Pflicht ihren Mut andeuten und durch ihre Arbeit ihre Kühn- heit kund geben. Es giebt aber auch andere, welche in ge- höhlten Kellen Erz hervorbringen, aus geschmolzenem Golde

*) Der Dienst an der Mühle wurde nur von Sklavinnen ausgeübt.

^) Das bezieht sich auf eine (leschichte, die später B. VIII, S. 272 (Holder) nochmals berührt wird; über das Schmieden und hervorrajjfende Schmiede im Altertum vgl. Weinhold S. 92 ff.

310 Sechstes Buch.

gar verschiedene Formen bilden, Erzadern auflösen und Metalle kochen. Aber diesen hat die Natur eine zu weich- liche Geistesanlage verliehen und belastete die Hunde, welche sie mit hervorragender Kunstfertigkeit begabt, mit Feigheit. Oft nehmen diese mit List, wenn der heisse Hauch das in

194 die Pfanne gelegte Erz schmilzt, von der reinen Masse eine Schicht Goldes weg, während die Form nach dem gestohlenen Metalle dürstet."

Nach diesen Worten kehrte Starcatherus, der über sein Lied nicht weniger Vergnügen empfand als über seine That, wieder zu Haldanus zurück und widmete sich in treuer Freundschaft seinem Dienst; niemals Hess er von kriegerischen Unternehmungen ab, sondern entzog sich voll- ständig allen anderen Genüssen, so dass er sich immer nur mit seiner beständigen Liebhaberei für Waffenthaten abquälte. Ingellus hatte nun zwei Schwestern, Helga und Asa, von denen Helga bereits heiratsfähig, Asa dagegen jünger und noch unreif für die Ehe war. Nun bestieg der Norweger

291 Helgo, in der Absicht um Helga zu werben ein Schiff. Er rüstete dasselbe zur Reise mit solcher Pracht aus, dass er goldgewirkte Segel verwendete, die an vergoldeten Masten hingen und von purpurnen Stricken gehalten wurden. Bei seiner Ankunft versprach ihm Ingellus die Erfüllung seines Wuns(;hes, wenn er nur, um zu bezeugen, dass sein Ruf wohl begründet sei, die gegen ihm ausgesandten Fechter im Kampfe bestehen wolle. Helgo Hess sich durch diese Be- dingung nicht abschrecken sondern antwortete, er werde sehr gern die Abmachung erfüllen. So wurde denn nun der Ehe- vertrag des künftigen Paares ganz feierlich abgeschlossen. Zu derselben Zeit sollen nun der Sage nach auf der Insel Seeland neun Sohne irgend eines Fürsten aufgewachsen sein, alle vorzüglich mit Kraft und Kühnheit begabt; der älteste von ihnen war Angaterus ^) und war el)enfalls ein Bewerber

') Aiird. Angantyr, wohl derselbe, von dem schon V. S. 2l)H die Rede war; wenitre Seiten s|Ȋter erscheint der Name in der Form Anganturus. Auch dicic Geschichte vom Kampfe Starkad^ mit den neuu Hecken ist unr uns Saxo l>ekannt.

Helga, Angaterus und Helgo. 311

um dasselbe Mädchen. Als er sah, wie die ihm abge- schlagene Ehe dem Helgo gewährt wurde, forderte er diesen zum Kampfe heraus, um durch das Schwert die Schwierigkeit aus deipWege zu schaiTen. Helgo ging auf die Bedingungen zum Kampfe ein, und der Termin wurde mit Einwilligung beider auf den Hochzeitstag festgesetzt. Denn wer eine Her- ausforderung zum Zweikampf ablehnte, der wurde von allen verachtet. So quälte nun den Helgo einerseits die Scham, sich gegen den Kampf zu weigern, andererseits die Furcht, ihn zu unternehmen. Denn er glaubte sich gegen das ge- wöhnliche Recht des Zweikampfes von einer ungleichen Schar herausgefordert, da er sich offenbar zum Kampf gegen neun Gegner verpflichtet hatte. Als er darüber überlegte, versicherte ihn seine Rraut, er müsse irgend eine Hilfe haben, und forderte ihn auf, auf den Kampf zu verzichten, in dem er sich offenbar den Tod oder Schande holen wurde, zumal da er ja die Zahl derer, gegen welche er kämpfen sollte, durch gar keine feste Bestimmung festgesetzt hätte. Daher sollte, er sich die Gefahr ersparen und zu seiner Sicherung die Hilfe des Starcatherus anrufen, der bei den Schweden weilte; denn dieser stehe ja stets den Hilfsbedürftigen bei und wende meistens traurige Ereignisse durch sein glück- 195 liches Dazwischentreten zum Guten. Dieser Rat war Helgo angenehm. Er nahm nur ein kleines Gefolge mit und eilte nach Schweden; als er zu der vornehmsten Stadt Upsala 292 kam, trat er nicht selbst ein sondern schickte einen Mann Toraus, der Starcatherus feierlich begrüssen und zur Hochzeit von Frothos Tochter einzuladen versuchen sollte. Starcatherus nahm diese Liebenswürdigkeit übel wie eine Beleidigung, sah den Jüngling scharf an und antwortete, er müsste für eine so thörichte Botschaft büssen, wenn er nicht den Namen seines teuern Frotho in seinen Auftrag verfloch- ten hätte; er glaube wohl, dass er wie ein Wssenreisser oder Schmarotzer eines vornehmen Essens wegen dem Duft einer fremden Küche nachzulaufen pflege. Als Helgo dies von dem Diener hörte, begab er sich selbst in die Königshalle, be- grüsste den Greis im Namen der Tochter Frothos und bat

312 Sechstes Buch.

ihn um seine Hilfe bei dem Kampfe, zu dem er herausge- fordert sei; er sagte, er verlasse sich deswegen nicht ganz allein auf sich selbst, weil die Verabredung der Bedingungen noch die Zahl derer, die mit ihm fechten sollten, offen ge- lassen habe. Starcatherus nahm den Bittenden, nachdem er sich noch nach Art und Zeit des Kampfes erkundigt, nicht nur freundlich auf sondern versprach ihm auch seine Unter- stützung und hiess ihn guten Mutes mit seinen Begleitern nach Dänemark zurückkehren; er selbst werde sich schon auf einem verborgenen, kürzeren Wege Zutritt zu ihm ver- schaffen. Peinige Tage nach seiner Abreise begann Starca- therus seinen Weg, und er soll, wenn man der Sage glauben darf, mit solcher Schnelligkeit geeilt sein, dass er in einer einzigen Tagereise ebenso viel zurücklegte, als die andern, die vor ihm gegangen waren, in zwölf Tagen durchmessen haben sollen^), sodass beide in zufalligem Zusammentreffen zu eben derselben Zeit ihr Ziel, die Halle des Ingellus, erreich- ten. Als dort Starcatherus wie die Diener an den mit Gasten <licht besetzten Tischen vorbeiging, erhoben die oben ge- nannten neun ein unheimliches Geheul, begleitet von häss- lichen Bewegungen; sie liefen hin und her wie auf der Bühne und feuerten sich durch gegenseitige Aufmunterungen zum Kampfe an ^). Kinige berichten auch, sie hätten den Helden bei seinem Nahen wie wütende Hunde angebellt^). Starca- therus schalt sie, dass sie sich durch solche verkehrte Gri- masstMi lächerlich machten, wenn sie mit ihren aufgerissenen Si93 Mäulern so lärmteu, und sagte, dass in dieser Weise Schwel-

*) Eine rationnlistischo Krkläriinjjfiir die iiberinensehlirho S/hneUijfkeit, mit clor Starkudr intoljjo seines üherirdischen (riosiM'liei)) Ursprungs zu waiulcrn vorniajj.

*) Das ist ein Aushrneh der Berserkerwut, wie er noch j^^enauer VII» lUo -54H u. XII, 4(>l (H.) besehriehen wird, ein l»elit)»t»'s Mritiv der alten Sa^'o. 3Ian fasst diesen Zustand der ürre^iujg als eine Art Krankheit auf, w<d)««i natiirlieh in den Seliilderiui^en vi<'li»s ülicrtriclx^n ist. Vyl. Olrik I, fif) rt*. Aehnlieher Natur sind in deutschtT reherüfferun^' u. a. die liieren im Kr»niir Kother.

*) \V1. di*' ähnliehe Sc<'m» V. 21."». Das Verfahren »eln-int al sc» beim Kinpfai'.^e uidivhsamer (»äste xi«»ndieh allffrniein iildieh ^rwi-M-n zu sein.

Helgo und Starcatherus; beide bei Ingellus. 313

gerei und Unmässigkeit die weibische Weichlichkeit der Schwächlinge herbeiführten. Auf die Frage, ob er Mut zum Kampfe habe, antwortete er, er habe sicher Kräfte genug, nicht nur einem, sondern so vielen, als man gegen ihn schicke, entgegen zu treten. Aus dieser Rede entnahmen die neun, dass er derjenige sei, der dem Gerücht nach aus der Ferne Helgo zu Hilfe kommen sollte. Um auch das Brautgemach durch eine recht sorgfältige Bewachung zu schützen, übernahm Starcatherus auch freiwillig das Amt der 196 Beaufsichtigung, verschloss die Thürflügel des Schlafzimmers, schob statt des Riegels sein Schwert vor und wollte so durch seine liebenswürdige Hut den Eheleuten eine sichere Ruhe gewähren. Als Helgo aufwachte, schüttelte er die Schlaf- trunkenheit ab, erinnerte sich an sein Versprechen und wollte sich die Rüstung anlegen. Da er aber bemerkte, dass noch ein wenig von dem Dunkel der Nacht übrig sei , und er erst die Dämmerung abwarten wollte, Hess er sich, während er noch über das ihm nahe bevorstehende gefährliche Unter- nehmen nachdachte, von der sanften Gewalt des rasch über- wältigenden Schlafes überraschen und sank schlummernd auf auf das Bett zurück. Als Starcatherus beim Morgengrauen heremkam, und ihn fest in den Armen seiner Gattin schlafen sah, gewann er es nicht über sich, ihn durch ungelegenes Rütteln aus seiner süssen Ruhe aufzuwecken, schon damit es nicht schiene, als ob er aus Feigheit die Aufgabe des Er- munterns übernehmen und die Freuden einer so jungen Ver- einigung unterbrechen wolle. So hielt er es denn für rühm- licher, sich allein in die Gefahr zu begeben als sich durch Störung fremder Lust einen Begleiter zu verschaffen. Er kehrte also still um, begab sich voller Verachtung seiner Gegner auf das Gefilde, welches in unserer Sprache Roliung ^) heisst, und suchte sieh am Abhänge eines Berges einen Sitz, wo er seinen Körper dem Sturm und Schnee preisgab. Dann zog er sein Gewand aus, gleich als ob Frühlingslüfte

*) Derselbe Name findet sieh als Rölung noch VIII, 274 (Holder) als Grabstälte Starkads. Nach unserer Schilderung muss die Oertlichkeit in Seeland Hegen. Vgl. die Anm. zu der späteren Stelle.

314 Sechstes Buch.

wehten, und beschäftigte sieh mit Flöhefangen. Er warf sogar den Purpurmantel, den er vor kurzem von Helga zum Geschenk erhalten, in die Dornensträucher, damit es nicht scheine, als ob er durch ein Gewand Schutz gegen die Wucht der Hagelkörner suche. Darauf kamen nun die Kämpfer an, bestiegen von der entgegengesetzten Seite aus den Berg, suchten sich einen gegen die Winde geschützten Sitzplatz und vertrieben die Kälte, indem sie ein Feuer anzündeten. Da sie Starcatherus nicht sahen, schickten sie endlich einen auf den Gipfel des Berges, damit er wie von einer Warte aus genauer auf seine Ankunft achte. Als dieser die Höhe des Berggrats erklommen, sah er auf der abschüssigen Seite

294 den Greis, der bis an die Schulterblätter von dem nieder- rieselnden Schnee bedeckt war. Er fragte ihn nun, ob er derjenige sei, der den versprochenen Kampf auszufuhren habe. Auf Starcatherus' Versicherung hin. er sei dieser, kamen auch die anderen herbei und fragten zugleich, ob er ihnen allen auf einmal oder jedem einzeln entgegenzutreten beschlossen habe. Jener erwiderte: So oft mich eine böse Huuderotte anbellt, pflege ich sie alle auf einmal und nicht nach und nach fortzujagen. So deutete er an, er wolle lieber mit allen zu gleicher Zeit als immer mit je einem fech- ten, und glaubte seine Gegner erst durch seine Worte, dann durch seine Waffen verächtlich machen zu müssen. Der Kampf begann, und sechs von jenen streckte er nieder, ohne selbst eine Wunde zu erhalten. Obgleich er nun von den

197 drei übrigen durch siebzehn Wunden so übel zugerichtet wurde, dass der grösste Teil der Eingeweide aus dem Bauche herausdrang, erschlug er sie doch nichtsdestoweniger ebenso wie ihre Brüder. Als er darauf mit seinen heraushängenden Gedärmen und sinkenden Kräften von heftigem Durste ge- peinigt wurde, kroch er in dem Wunsche, einen Trunk zu finden, auf den Knieen vorwärts und verlangte nach dem Wasser des nahe vorbei fliessenden Baches. Als er aber sah, dass es von Blut gefärbt war, enthielt er sich des eklen Trankes, denn das Aussehen des Wassers war ihm verleidet. Anganturus war nämlich in die Wogen des Flusses hinein-

Starcatherus' Sieg über neun Kämpen. 315

gefallen und hatte dessen Lauf so mit der Röte seines Blutes gefärbt, dass er nicht mehr wie Wasser sondern wie eine rosarote Flüssigkeit hinzugleiten schien. Starcatherus hielt es nun für rühmlicher, seine Körperkräfte völlig zu ver- lieren als sie durch eine so grausige Labung aufzufrischen. Da ihn seine Stärke jetzt fast ganz verlies, kroch er auf den Knieen bis zu einem Felsen, der gerade in der Nähe lag und lehnte sich ein wenig an ihn an. Noch heute kann man die ausgehölte Oberfläche desselben sehen, gleich als ob die Last des sich Anlehnenden ihn durch einen deutlichen Abdruck des Körpers gekennzeichnet hätte ^). Ich aber glaube, dass dieses Abbild von menschlicher Kunst gefertigt wurde; denn ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass der harte und undurchdringliche Fels so die Weichheit des Wachses habe annehmen können, dass er durch die blosse Berührung eines Mannes, der sich daran lehnte, in Gestalt einer dauernden Wölbung offenbare Spuren, dass ein Mensch darauf gesessen, davongetragen hätte.

Als nun ein Mann, der gerade dort vorbeifuhr, Starca- therus fast am ganzen Leibe verwundet sah, lenkte er ebenso erschreckt wie verwundert näher hin und fragte, welchen Lohn er erhielte, wenn er sich bemühe, seine Wun- 295 den zu heilen. Aber Starcatherus wollte sich lieber von dem Schmerze seiner Verletzungen quälen lassen, als die Gefällig- keit eines Menschen von niederem Stande in Anspruch neh- men, und er wünschte zuvor seine Beschäftigung und Her- kunft zu erfahren. Als er hörte, er bekleide die Stelle eines Büttels^), begnügte er sich nicht damit, ihn zu verachten, sondern verfolgte ihn auch noch mit Schmähreden: Jener habe jedem anständigen Lebenswandel entsagt, spiele die Rolle

^) Der Zug, dass menschliche oder tierische Körper Eindrücke auf Steinen hinterlassen, findet sich öfter: vgl. z. B. die deutsche Sage von der Rosstrappe. Saxo zeigt sich auch hier bei der Erklärung als Rationalist.

') Diese Ucbersotzung ist nicht ganz genau, es Hess sich aber keine bessere finden; man könnte auch Polizei- oder Gerichtsdiener sagen. Was gemeint ist, besagt der Zusammenhang, im Text steht jirvcu, tttis Bu Cange mit ,serjant' erläutert.

316 Sechstes Buch.

eines Schmarotzers, habe seinen ganzen Lebenslauf immer mit einem schlimmen Rufe befleckt, er betrachte die Ver- luste der Armen als seinen Gewinn, lasse niemandem seine Unbescholtenheit, sei bereit, alle mit einer schmählichen An- klage zu überraschen; er freue sich ganz besonders, wenn anderen ein Unglück zustosse, seine Hauptaufmerksamkeit wende er allein darauf, die Handlungen aller durch gemeines Spionieren auszukundschaften und unschuldige Gemüter durch Gelegenheit zu einem Unrecht zu verführen. Als dieser weg war, kam ein anderer und versprach ihm ebenfalls Hilfe und Heilung. Auf das Geheiss, wie der erste seinen Stand kund

198 zu thun, bekannte er, er habe die Magd irgend eines Mannes geheiratet und leiste nun dem Herrn derselben Dienste in der Wirtschaft, um seine Gattin frei zu kaufen. Starcatherus erwiderte, er wolle seine Mühe deswegen nicht in Anspruch nehmen, weil er in schmachvoller Ehe sich in die Arme einer Sklavin geworfen habe. Wenn er noch einen Funken von Ehrgefühl hätte, so hätte er doch wenigstens die Ge- meinschaft mit einer fremden Magd verschmäht und sich eine freie Genossin seines Bettes gesucht. Wie hoch müssen wir die Seelengrösse des Mannes schätzen, der in der äussersteu Lebensgefahr sich bei der Zurückweisung der Hilfe ebenso mutig bewies, wie er es beim Erhalten der Wunden gethan hatte. Als dieser nun auch fort war, führte der Zufall eine Frau auf ihrem Wege an dem Alten vorüber. Wie sie herankam, um seine Wunden zu verbinden, hiess er sie zuerst angeben, welcher Abkunft sie sei und welche Stellung sie habe. Auf ihre Antwort, sie sei eine Magd und habe ihren Dienst an der Mühle, forschte Starcatherus weiter?

29« ob sie ein Kind habe; als sie versetzte, sie habe ein Töch- terchen, hiess er sie nach Hause gehen und dem schreienden Kinde die Brust reichen. Denn er hielt es für höchst un- ziemlich, von einem Weibe niedrigsten Standes Hilfe anzu- nehmen. Ausserdem wusste er, dass sie ihr eigenes Fleisch und Blut viel besser mit ihrer Milch ernähren als die Wun- den eines Fremden heilen könne. Als auch sie wegging, folgte ein Jungling, der auf einem Wagen fuhr. Auch dieser

Starcatherus' Standhaftigkeit ; Heilung seiner Wunden. 317

kam beim Anblick des Alten heran, um seine Wunden zu verbinden. Auf die Frage, wer er sei, antwortete er, er wäre der Sohn eines Bauern und an die Muhen der Land- arbeit gewöhnt. Da pries Starcatherus seine Abstammung und nannte seinen Stand den verehrungswürdigsten. Denn solche Leute erwürben sich ihren Lebensunterhalt nur durch ehrliche Arbeit; sie hätten ja keinen Gewinn, den sie sich nicht selbst durch ihren eigenen Schweiss verschafften. Und mit Recht glaubte er, dass das Landleben selbst den reich- sten Schätzen vorzuziehen sei, da ja dessen reinste Früchte offenbar im Schosse der goldenen Mitte zwischen einem glänzenden und einem verworfenen Leben erzeugt und her- vorgebracht werden. Um nun die Freundlichkeit des jungen Mannes nicht unbelohnt zu lassen, gab er ihm den Mantel, den er zwischen die Dornen geworfen, zum Geschenk für die Achtung, die er ihm erwiesen. So kam nun der Bauernsohn heran, brachte die herausgerissenen Teile seines Leibes wieder an ihre frühere Stelle und band auch die herausgefallene Masse der Eingeweide mit einem Geflecht aus Weidenruten wieder fest. Dann nahm er den Greis in sein Gefährt und brachte ihn, erfüllt von Ehrfurcht und Eifer, bis zu dem Palast des Königs.

Unterdessen begann Helga mit den vorsichtigsten Worten ihren Mann zu unterweisen ; sie sagte, sie wisse ganz genau, 199 dass Starcatherus ihn gleich nach seiner Rückkehr von der Besiegung der Fechter für seine Abwesenheit bestrafen würde, da er ja dessen Ansicht nach mehr auf Feigheit und Tiüstern-, heit als auf sein Versprechen in Bezug auf den abgemachten Kampf bedacht gewesen war. Er müsse ihm aber um so mutiger widerstehen, als jener die Tapferen zu schonen, die Feigen zu hassen pflege. Ilelgo nahm sich diese Warnung ebenso sehr wie den Rat zu Herzen und rüstete sich an Leib und Seele eifrig, eine Heldenthat zu vollbringen. Als nun Starcatherus vor der Königshalle anlangte, sprang er rasch, ohne seiner schmerzenden Wunden zu achten vom Wagen herab und drang, als wenn er ganz gesund wäre, in das Ehege- mach ein, nachdem er die Thür mit der Faust zerschmettert.

318 Sechstes Buch.

Da sprang Helgo vom Bette, wie ihn seine Frau geheissen, und hieb ihn mit dem Sehwerte mitten über die Stirn. Als er aber in der Absicht, ihm eine zweite Wunde beizubringen, mit der Klinge eben von neuem ausholte, da flog Helga aufs schnellste vom Lager herab und schützte den Greis vor 297 dem drohenden Verderben, indem sie einen Schild ergriff und vor ihn hielt. Von Helgos kräftigem Streiche aber wurde der Schildbuckel mitten durchgespalten. So brachte die Frau mit ihrer preisenswerten Schlauheit dem Freunde Hilfe, den sie zwar durch ihren Rat verwundet hatte, durch ihre Hand aber rettete, und wie den Gatten durch ihre Warnung, so schützte sie den Alten durch ihre That. Dieser Umstand veranlasste Starcatherus, Helgo ungestraft zu lassen, da ja die augenblickliche Probe seiner Tapferkeit einen Beweis für seinen Mannesmut erbrachte. Denn nach seiner Meinung konnte der nicht den Tod verdienen, dessen mutvolle Ge- sinnung ihm solche Zuversicht zum Widerstände einge- geben hatte.

Noch ehe seine Wunden geheilt waren und noch ehe sie eine Narbe bedeckte, kehrte er nach Schweden zurück; da Haldanus von seinen Nebenbuhlern erschlagen worden war, setzte er dessen Sohn Sywardus, nachdem er den Aufstand einiger Rebelleu niedergeworfen, zum Erben der väterlichen Herrschaft ein. Bei diesen verweilte er ziemlich lange, bis er hörte, dass Ingellus, der Sohn des heimtückisch er- schlagenen Frotho, in gänzlich verkehrter Handlungsweise den Mördern seines Vaters statt der Strafe Liebenswürdigkeit und Freundschaft zu teil werden lasse; denn das Gerücht hiervon verbreitete sich rasch ^). Von dem Stachel der Ent- rüstung über eine so schauerliche Ünthat getrieben und voll

*) Die letzten Ereignisse, die Rache Starkads für Frothos Tod und die Bekehrung Iii^^ulds, werden noch in der s. g. dänischen „Keimchronik* des 13. Jhdts. und von der Skjüldungusußfa berichtet, aber so abweichend, dass man dafür andere Quellen als für 8axo annehmen nuiss. S. Olrik II, 222. Auch daa Heowulfslied kennt die (leschichte, nennt aber nicht Starkads Namen, (v. 2021 flf. bes. 2042 fi. : s. auch Ingcld im Xamen- verzeichnis).

Helgo und Helga; Starcatherus bei Ingellus. 319

Schmerz darüber, dass ein so beanlagter Jüngling sich als Sohn eines so hochberühmten Vaters verleugnen könne, lud er sich eine mächtige Last Kohlen auf die Schultern wie eine kostbare Bürde und wanderte so nach Dänemark. Auf die Fragen der ihm Begegnenden, was er denn für eine unge- wöhnliche Last schleppe, sagte er, er wolle die Stumpfheit des Königs Ingellus durch Kohlen in Schärfe verwandeln^). Er legte nun auf einem schnellen und bequemen Wege, gleich- sam in einem Atemzuge, seine rasche und überstürzte Reise 298 zurück^), und als er endlich des Ingellus Gastfreundschaft 20O gemessen konnte, setzte er sich seiner Gewohnheit gemäss auf einen der für die Edlen bestimmten Plätze. Denn bei den Königen des letzten Jahrhunderts war er gewohnt, den ehrenvollsten Sitz einzunehmen. Als nun die Königin herein- kam und ihn mit Schmutz bedeckt in seinen unsauberen, bäuerlichen Lumpen sah, beachtete sie wegen seiner häss- lichen Kleidung allzu unsorgfältig die Pflichten der Wirtin, sie beurteilte den Mann nur nach seinem Aeusseren, schalt ihn wegen seiner Tölpelei, dass er sich mit seinem Platze vor die Vornehmen gedrängt und einen Sitz, der für seinen bäuerlichen Aufzug nicht passe, eingenommen habe, und be- fahl ihm, seinen Platz zu verlassen, damit er nicht die Kissen durch seinen unerlaubt unsauberen Anzug beflecke. Was jener nämlich aus Selbstbewusstsein that, schrieb sie der Dummheit und Unverschämtheit zu und wusste nicht, dass auf einem erhabenen Sitze der Sinn weit glänzender leuchte als das Kleid. Erregt gehorchte der Greis, obwohl unwillig über die Zurechtweisung, unterdrückte mit bewundernswerter Selbstbeherrschung den Zorn über diese Schmach, welche sein Heldenmut so wenig verdiente, und Hess weder ein Wort noch einen Seufzer über die erlittene Schande hören. Aber er hielt es doch nicht aus, seine stille und schmerzende Er- bitterung gar zu lange zu verbergen. Er stand auf, ging bis

*) Ein wenig geschicktes, dem Schmiedehandwerk entlehntes Gleichnis; wie der Schmied das Metall im Kohlenfeuer erhitzt und läutert, so will Starkadr Ingjald läutern.

*) S. o. S. 312 u. Anm. 1.

322 Sechstes Buch.

«

braten wie gesotten bei demselben Male vorgesetzt würde^ und er hielt es für eine Ungeheuerlichkeit bei der Zurichtung, wenn die Kunst des Koches eine Speise, die von dem Dunst der Küche angezogen war, mit verschiedenen Zuthaten würzte. Inge 11 US dagegen missachtete das Muster der Vorfahren und gab sich zügelloser, als es die väterliche Sitte erlaubte, neuen Bräuchen bei Tische hin. Nachdem er sich nämlich einmal an teutonische Sitten gewöhnt hatte, schämte er sich nicht, ihren weibischen Schwächungen zu unterliegen^). Von dem Ausfluss dieses Landes drang eine nicht geriiige Nahrung des Luxus in die Kehle unserer Heimat. Daher kaitleh uns die allzu glänzenden Tische, die vornehmen Küchen, die niedrigen

202 Dienste der Köche, die verschiedenen, verderblichen Würste. Von dort aus verbreitete sich die Herrschaft eines sitten- loseren Wesens, auch in der Kleidung, im Widerspruch zu den väterlichen Bräuchen. So erbettelte sich unser Land, welches die Massigkeit wie eine angeborene Tugend in sich förderte, den Luxus von den Nachbarn. Ingellus wurde von diesen Lockungen bethört und hielt es nicht für schimpf- lich, Beleidigungen mit Wohlthaten zu vergelten; auch er- innerte er sich nicht mit einem einzigen Seufzer der Er- bitterung an die klägliche Ermordung seines Vaters.

Die Königin aber, welche nicht unverrichteter Sache ihr Vorhaben aufgeben wollte, glaubte den Zorn des Alten am besten durch Ges<'henke besänftigen zu können, und so nahm sie denn eine wunderbar gearbeitete Binde von ihrem eigenen Haupte herab und legte sie ihm, als er beim Pässen sass, in den Schoss, um sich nun sein Wohlwollen zu erkaufen, da sie seiner Tüchtigkeit nichts hatte anhaben können. Starcatherus aber hatte seinen Groll über ihre Beleidigung noch nicht ver-

' wunden und schleuderte ihr ihre Gabe ins Gesicht, da er meinte, in solch einem Geschenke liege mehr Verachtung als Ehrerbietung. Und er handelte klug daran, dass er nicht

*) Nicht Saxo allein hasst Deutschland als die Quelle, aus der Ver- weichlichung und Verfall nach dem Norden strömten, andere Schriftsteller äussern sich ahnlich, z. B. Arnold von Lübek (gestorb. 121 B) in seiner Blavenchronik 111, 5 (ed. Monumenta iierm. Histor. Script XXI, S. 146)*

Starcatherus bei Ingelliis. 321

den alten Heldeji durch Vertreibung von seinem Sitze so ver- höhnt hatte, bald nachher von dem Blute ihrer erschlagenen Brüder gerötet sehen musste.

Aber als Ingellus de^ Abends zusammen mit den Söhnen des Swertingus speiste, bestand er auf den prun- kendsten Zurichtungen und belud die Tische mit üppi(2;en Gerichten; den Alten suchte er, damit er sich nicht allzu früh dem Mahle entziehe, durch eine freundliche Einladung zu- rückzuhalten, als ob die Reize eines reichen Gelages seine «tarre, feste Mannhaftigkeit hätten untergraben können. Als Starcatherus seine Blicke darüber hinschweifen Hess, ver- achtete er ihre verführerischen Bräuche, und um in keiner Beziehung der fremden Sitte nachzugeben, stählte er mit seiner Selbstbeherrschung, durch die er soviel erreichte, seine Begehrlichkeit gegen die Lockungen (lieser Genüsse, damit er nicht seinen kriegerischen Ruhm durch Hingabe an Tafel- freuden verringere. Denn sein Heldensinn liebte einfache Massigkeit, hasste allzu grossen Ueberfluss an Speisen und wandte sich ab von unmässigen Mählern; niemals erlaubte er sich, der Ueppigkeit irgend welche Bedeutung beizulegen, immer war er nur auf die Forderungen der Tüchtigkeit be- dacht und unterliess Vergnügungen. Da er nun sah, wie die alten einfachen Sitten und jeglicher frühere Brauch durch den neuen Luxus und durch Schwelgerei verderbt waren, da ver- langte er nur die Zubereitung einer bäuerlichen Speise und verschmähte den Aufwand des kostbaren Gelages ^). So ver- achtete er also das lüsterne Schwelgen in Tafelfreuden, nahm nur eine räucherige und schon etwas ranzige Speise und stillte seinen Hunger um so weiser, je einfacher es geschah, um nicht seine angespannte Tüchtigkeit durch die Ansteckung an fremden Genüssen wie durch eine Art süssen Giftes zu 300 schwächen oder seine zum Gesetz gewordene Massigkeit für ungewohnten Gaumenkitzel aufzugeben. Er war auch entrüstet darüber, dass ein und dasselbe Gericht sowohl trocken ge-

*) Wie Hamlet beim König von Britannien (III, S. 149), wenn auch üus andern Gründen. Diese Charakteristik Ingjalds schliesst sich aa die frühere (oben S. 303 4) an.

Sazo GramiuAticus. 21

324 Sechstes Buch.

Flötenbläser aufmerksam aufspielen und führte die Musik ins Treffen, um seine noch immer andauernde Entrüstung zu besänftigen; denn sie wünschte durch die kunstvollen Töne die natürliche Spannung seiner Unliebenswürdigkeit aufzu* heben, aber die Reize der Flöte und der Saiten blieben bei dem Versuche, die Hartnäckigkeit des Mannes zu erweichen, nur allzu unwirksam. Denn wie er dies hörte, bemerkte er, dass die ihm erwiesene Ehre mehr nach Geflunker als nach Liebe aussehe. Daher kam es, dass der in seiner Erwartung getäuschte Mime mehr vor einer Bildsäule als vor einem Menschen zu spielen schien, und er musste erfahren, dass der Zustand gewichtigsten Ernstes vergebens durch possen- haftes Treiben angegriffen wird, und dass eine mächtige Last nicht durch ein nichtiges Verziehen des Mundes ins Wanken gebracht werden kann. Denn der andauernde Groll hatte Starcatherus' Gesichtsausdruck so versteinert, dass er iu keiner Beziehung etwas leichter zu bewegen schien als ge- wöhnlich. Die Starrheit, mit der er auf seinen Vorsätzen beharrte, Hess sich weder durcli Flötenspiel noch durch milden (iesang besänftigen, und er glaubte mehr Gewicht auf einen männlichen Charakter als auf die Lockungen eines 302 Mahles und eines Ohrenschmauses legen zu müssen. Daher schleuderte er den Knochen, den er beim Essen gerade ab- genagt hatte, dem Spieler ins (Jesicht^) und bewirkte so, dass dessen mit I^uft gefüllte Backen mit lautem Knall aus- einander platzten. Durch dieses Verfahren zeigte er, wie sehr sein Ernst den Beifall, den man der Bühne schenkt, verachtete. Denn seine von Zorn verschh>ssenen Ohren standen keiner Wirkung der Lust offen. Diese Gabe, eines Scliauspielers würdig, strafte mit schmählichem F^ohne seine schändliche Willfährigkeit. Denn Starcatherus schätzte seine Verdienste vorzüglich ab; er bestimmte dem Flötenspieler einen Röhrknochen, um darauf zu spielen*) und vergalt ihm

») Vjrl. II. IM) Anm. 3.

*) Im Latoinischen Hegt hier i'iii unüborsotzbares Wortspiel vor: Duinoris loco tibicini tibiani eron^avit. Tibia ist ein K< »hrkiiochen , dana bedeutet es auch die ursprünglich daraus (refertigte Flute.

Starcatherus bei Ingellus. 325

mit einer harten Belohnung seine weichlichen Dienste. Ob dieser nun dabei lanter gespielt oder geweint hat, kann man nicht sagen, aber er bezeugte durch seinen bitteren Thränen- strom, wie w^enig Raum die Tapferkeit in solcher Schwelger Herzen hat. Denn der, der sich ganz dem Vergnügen ge- widmet hatte, hatte nicht gelernt, nur ein einziges Mal den Ansturm des Unglücks zu ertragen. Seine Verwundung war nur ein Vorspiel zu dem späteren Morden bei dem Ge- lage. Und mit Recht zeigte Starcatherus in seiner strengen Gesinnung eine ernste und dauernde Beständigkeit; denn ihm bereitete das Saitenspiel ebensoviel Ekel als anderen An- nehmlichkeit, und dadurch, dass er den unerbetenen Dienst mit dem schmachvollen Knochenwurfe belohnte, bewies er, dass er der ruhmreichen Asche seines heldenmütigen Freundes mehr Achtung schulde als dem verkommenen Charakter seines ent- arteten Mündels. Darauf stimmte er noch zur grösseren Verhöhnung des Gauklers ein Lied folgender Art an *) . . . . Die Königin aber staunte diese Mannhaftigkeit an, welche 204 sie nicht hatte ins Wanken bringen können, und ward von Bewunderung für den erfüllt, den sie vergeblich durch ihre Liebenswürdigkeit ehrte.

Als nun Starcatherus sah, dass Frothos Mörder beim Könige in höchstem Ansehen standen, verriet er seinen In- grimm darüber durch das glühende Funkeln seiner Augen, er offenbarte seine innere Erregung durch seinen äusseren Gesichtsausdruck und bezeugte den in seiner Brust verborgenen Sturm durch die offene Gehässigkeit seines Blickes. Als ihn endlich Ingellus durch Heranziehung zum königlichen Mahle besänftigen wollte, verschmähte er die Speisen; denn mit gewöhnlicher Kost zufrieden, verachtete er die fremden Lecker- bissen aufs tiefste, er liebte einfache Mahlzeiten und ver- zärtelte seinen Gaumen nicht durch irgend welchen reizenden Geschmack. Auf die Frage, warum er mit so bewölkter 303

^) So nach Holders sicher richtigem Text nach einem handschrift- lichen Bruchstück. Dann ist das Lied ausgefallen. Die ed. princ. liest: 3£ox citandum Carmen = das gleich anzuführende Lied. Aber das bald folgende Lied erwähnt die Geschichte mit dem Flötenspieler gar nicht.

326 Sechstes Buch.

Stirn die Freigebigkeit des Königs zurückweise, erwiderte er, er sei nach Dänemark gekommen, um Frothos Sohn wieder- zufinden und nicht einen Mann, der den Schlund seines ver- wöhnten Magens mit einer Fülle künstlich bereiteter Speisen voll- stopfe. Denn der F^uxus der Teutonen, welcher dem König wohl vertraut war, hatte ihn soweit gebracht, dass er schon im Wasser gesottene Gerichte in der Begierde nach recht genussreichen Sättigungsmitteln noch einmal ans Feuer setzen Hess, um sie auch zu rösten. Nach solchen Vorgängen konnte er sich nicht halten und die Sitten des Ingellus ungerügt lassen, sondern er häufte die ganze Bitterkeit seines Tadels auf sein Haupt, er zieh ihn der Lieblosigkeit, weil er vor allzu grosser üeberföllung gähne, sich von seinem durch sein Schwelgen erzeugten Rausche durch hässliches Aufstossen wieder befreie, weil er den Lockungen der Sachsen folge und weit von dem Pfade der Nüchternheit abgeirrt sei, so bar jeglicher Mannhaftigkeit, dass er nicht einmal mehr dem ge- ringsten Schatten derselben nachgehe. Der Gipfel seiner Schmach sei es, sagte er, dass er gleich am Anfange seiner kriegerischen Laufbahn die Rache für seinen Vater vergessen habe und gegen das Gesetz der Natur dessen Mörder, die sein Blut vergossen, mit Liebenswürdigkeit und Wohlwollen umgebe und sie, die ihm am schlimmsten mitgespielt, mit liebevollem Entgegenkommen behandle: den Leuten, gegen die er auf das strengste hätte vorgehen müssen, habe er nicht nur Straflosigkeit gewährt, sondern sie auch der Ehre seines Umganges und seines Tisches für WHirdig erklärt, sie, die er vielmehr hätten hinrichten lassen müssen. Ausserdem bekräftigte er dies noch durch folgendes Lied ^) :

,,Es weiche die unkriegerische Jagend dem Alter und ehre die vielen Jahre des Greises; an einem tapfern Manne soll niemand hohes Alter tadeln.

*) Das f<>ljr*'n(le Liod ist gewiss die Uolx^sotzunjr einor oinheiniischen Diohtiii)^. Stt3[o bietet es noch einmal vf>ll^»läiidiß, (obgleich er den liih«U schon vorher zum g^rosson Teil in Prosa wiodorpepehen hatte.

Starcatherus bei Ingellus: sein Lied. 327

Obgleich das Haar vom Alter ergraut ist, dauert doch 805 dieselbe Mannhaftigkeit in den Greisen, und nicht kann der Strom der Zeit ein Mannesherz brechen.

Mich stösst ein beschwerlicher Gast mit dem Ellenbogen von meinem Platze; sein gutes Aeussere schändet er durch 304 sein Laster, und da er nur dem Bauche gehorcht, zieht er nichts anderes seinem täglichen Schmausen vor.

Als ich unter Frothos Mannen zählte, sass ich immer inmitten der Krieger auf erhabenem Sitze in der Halle und als erster unter den Edlen nahm ich mein Mahl.

Jetzt hat sich die Art der besseren Zeit verändert; ein- geschlossen bin ich in einen Winkel und ich gleiche dem Fische, der in flüchtigem Hin- und Herschiessen, verborgen in den Fluten, nach einem schützenden Versteck sucht.

Ich, der ich in früheren Tagen sicherlich gewohnt war, ehrenvoll auf teppichbedecktem Lager zu ruhen, werde jetzt zu den Untersten gedrängt und von dem gefüllten Hofe ver- trieben.

Vielleicht wäre ich rücklings zur Thür hinausgejagt worden, wenn nicht die Wand, auf die ich stiess, mich zurück- gehalten und die entgegenstehenden Ziegeln nicht dem Fort- gedrängten eine leichte Flucht geweigert hätten.

Von dem Gelächter des Volkes in der Halle werde ich gereizt und entbehre des Empfanges, den ein Ankömmling verdient; mit boshaften Witzen werde ich begrüsst, während B05 ich von geschwätzigen Angriffen belästigt werde.

Welch neue, denkwürdige Kunde hier umgeht, wie die Ordnung in euerer Heimat und wie das Treiben in eurem Lande sei, das begehre ich Fremdling zu wissen.

Wie, Ingellus, weshalb zögerst du denn, unter deinen Sünden begraben, deinen Vater zu rächen? Willst du denn die Ermordung deines ehrwürdigen Erzeugers gleichmütigen Herzens hinnehmen?

Weshalb bist du, Faulpelz, nur auf das Essen bedacht 20C und pflegst in aller Ruhe, weichlicher als Freudenmädchen, deinen Bauch? Oder kommt es dir etwa auf die Rache deines erschlagenen Vaters gar nicht an?

328 Sechstes Buch.

Als ich dich, Frotlio, das letzte Mal verliess, sagte mir meia vorausahnendes Herz, dass du, grösster der Könige^ sicherlich von den Waffen der Feinde fallen würdest.

Während ich lange als Wanderer das Land durchstreifte^ kam mir eine traurige Ahnung in den Sinn, die mir durch ein Vorzeichen verkündete, dass ich dich hier nicht mehr wiedersehen würde.

Wehe mir, dass ich damals in der Feme abwesend war^ die äussersten Völker der Welt bekriegend, als der trenlose Wirt hinterlistig das Leben des Königs angriff.

Sonst hätte ich mich als Rächer meines Herrn erwiesen^ oder als Begleiter bei seinem Untergang und als Gefährte io seinem Schicksal, und in demselben Leichenzuge wäre ich freudig dem seligen Könige gefolgt.

Nicht kam ich, um die Kehle mit Leckerbissen zu ver- 306 gnügen, ein Toaster, das ich immer gern strafe, noch will ich mich um die Sorge für mein Aeusseres bekümmern noch um die Freuden des feisten Bauches.

Keiner der ruhmreichen Könige hat mich früher mitteD unter die Fremden gesetzt, mich, der ich berechtigt war, den ersten Platz unter den Freunden einzunehmen.

Von Schweden bin ich gekommen, weite Lande durch- messend, und hoffte meinen Lohn zu finden, wenn ich nur den Anblick des Sohnes meines teuren Frotho geniessen könnte.

Aber während ich einen Rechtschaffenen suchte, fand ich einen Schlemmer, einen König, ergeben dem Laster und dem 207 Bauche, dessen ganzes Streben in schnöder Wollust nur auf die Ueppigkeit gerichtet ist.

Berühmt ist ja jenes Wort, das von Haldanus stammen soll, der uns verhiess, dass binnen kurzem ein verständiger Vater einen herzlosen Sohn erzeugen würde.

Aber wenn auch der Erbe als entartet gilt, so will i«*h doch nicht gestatten, dass die Schätze des grossen Frotha den Fremden zur Bereicherung dienen oder als Beute zum Raube offen daliegen.**

Bei diesen Worten erbebte die Königin, nahm die Binde von ihrem Haupte, mit der sie gerade nach *" ihr

Lieder des Starcatherus vor Ingellus. 329

Haar geschmückt hatte, und reichte sie dem erbitterten Greise, um durch diese Gabe seinen Grimm abzuwenden. Starca- therus aber schleuderte sie ganz verächtlich voll Zorn der Spenderin ins Gesicht und begann von neuem mit lauter Stimme :

„Fort, ich bitte dich, mit deinem weibischen Geschenk; setze deine Binde wieder aufs Haupt, kein Held nimmt eine Zier, wie sie nur der Venus ziemt. bot

Unsinnig ist es ja, dass Waifentuchtige ihr Haar in ge- wundenes Gold zwängen; solcher Schmuck gehört sich für verweichlichte und verzärtelte Gesellen.

Aber bringe nur diese Gabe deinem Gatten, dem solcher Prunk gefällt, dessen Finger zucken, während er vor Lüstern- heit hin- und herrutscht und den bräunlich gerösteten Vogel ausnimmt.

Ingellus* leichtsinnige und flüchtige Gattin wünscht die Sitten der Teutonen anzunehmen; Wohlleben setzt sie ins Werk und ge/älschte Speisen.

Denn sie kitzelt den Gaumen durch neu erfundene Gerichte, sie hascht nach der Lust eines unbekannten Geschmackes, sie brennt darauf, alle Tische gar prächtig mit verschiedenen 208 Gängen zu belasten.

Ihrem Gatten trinkt sie den Wein zu in Schalen, und in allem sinnt sie auf verschwenderische Pracht; Gekochtes lässt sie noch braten und bestimmt es zum zweiten Male fürs Feuer.

Ausgelassen weidet sie ihren Gatten wie ein Schwein, als schamlose Hure natibus fidens Gratis admissum tolerare penera Crimine stupri.

Gesottenes brät sie, und Geröstetes kocht sie nochmals, in verschwenderischer Ueppigkeit denkt sie sich das Mahl 308 aus, verachtet die Sitte und pflegt das Laster, das schänd- liche Weib.

Vorlaut ist sie in ihrer Anmassung, eine Sklavin der Venus, gierig nach Speise; sie verschmäht die wohlgemässigten Bräuche und denkt nur an Künste zum Gaumenkitzel.

Rübchen begehrte sie, in glatten Pfannen gesotten, Kuchen in zartem Safte und Reihen von Austern für ihren lüsternen Magen.

330 Sechstes Buch.

Nicht erianere ich mich, dass je der grosse Frotho seine Hände an die Sehnen von Geflügel gelegt und mit gekrümmtem Daumen das Hinterteil eines gekochten Hahnes zerrissen habe.

Welcher von den früheren Königen war so gelüstig, dass er in dem stinkenden Wust der Eingeweide gewühlt oder mit der Hand den eklen Steiss eines Vogels zerlegt hätte ?

Rauh ist die Speise heldenhafter Männer, und nach meiner

309 Ansicht bedarf es keiner prächtigen Tische für den, dessea Sinn in der tapferen Brust nach Werken des Krieges steht.

209 Angemessener wäre es, du könntest mit fest zusammen-

gepressten Zähnen den starren Bart beissen^), als wenn du gierig mit dem geräumigen Munde den Krug mit Milch leerst.

Wir fliehen das Laster der üppigen Küche und sättigen unseren Hunger mit ranzigem Mahle; gekochte Suppen ge- Gelen in alter Zeit nur wenigen.

Der Tisch entbehrte würzigen Geschmackes und bot nur Hammel- und Schweinebraten; die massige Sitte wurde in nichts durch unmässige Versuche durchbrochen.

Du, der du jetzt das milchweisse Fett schlürfst, nimm doch, ich bitte, Männergesinnung an; denke au Frotho und räche deines Vaters Tod.

Ein nichtswürdiges und feiges Herz wird zu Grunde g^hen und nicht durch die Flucht dem Tode entrinnen, mag es sich auch im Thale verbergen oder in schattigen Grotten verstecken.

310 Einst wareu unser elf Edle, die dem Dienste des Königs Haco folgten; hier sass in der Tischordnung Gegathus^) vor Ilelgus.

Hier konnte man den Reiz des ersten Hungers durch eiuen trockenen Schweineschinken stillen: das Knurren des Magens bezähmte eine Fülle harter Krusten.

*) Kin etwas unklarer Ausdruck, der wohl zur Bezeicluiung des Zornes dient : pemeiiit ist wahrseheinlich der eigene Bart. Die Redensart m«^ auf ein Sprichwort zurückjjehen.

*) Dieselben Personen, die schon oben S. 2{*8 erwähnt wurden.

Lied des Starcatherus. 331

Niemand begehrte der dampfenden Bisschen, jeder be- gnügte sich mit der gewöhnlichen Kost; nur wenig Aufwand verursachte das Mahl der Mächtigen.

Das Volk mied fremde Gerichte, und auch die Vor- 210 nehmsten waren nicht nach solchen Mahlzeiten lüstern; selbst der König war darauf bedacht, mit wenigem ein bescheidenes Leben zu führen.

Er verachtete den Anblick des Honigtrankes und schlürfte 311 gegohreuen Gerstensaft; er zögerte nicht, zu wenig Gekochtes zu geniesseu und hasste das Geschmorte.

Der Tisch gönnte sich nur massigen Aufwand und ver- wendete nur einen spärlichen Salzvorrat, damit nicht die er- probte alte Sitte sich nach fremdem Brauche ändere.

Niemand brachte früher Krüge und Schalen auf den Tisch; vom Fasse füllte der Schenke den Becher, und es gab auch keine Fülle von gemalten Tellern.

Kein Verehrer der alten Zeit gesellte zu den Humpen die feinen Henkelkrüge, und kein geschniegelter Diener häufte vqr Alters die Speisen auf die Schüssel.

Kein eitler Wirt schmückte damals das Frühstück mit 312 kleinen Muscheln oder glatten Spitzgläseru ; jetzt hat ein neuer Brauch dies alles schmählich unterdrückt.

Wer hätte es einst über sich gewinnen können, durch Annahme von Geld den Tod eines erschlagenen Angehörigen zu sühnen, oder w^er hätte für seinen ermordeten Vater ein Geschenk vom Feinde begehrt?

Welcher kräftige Erbe oder wohlgeratene Sohn hätte sich Seite an Seite mit solchen Menschen gesetzt und durch solch schimpflichen Vertrag allen Mannesmut erstickt?

Daher verberge ich, wenn der Ruhm der Könige ge- sungen wird und die Dichter die Heldenthaten der Fürsten verkünden, voll Scham mein Haupt im Mantel, traurigen 211 Herzens.

Denn bei dir giebt es keine hervorleuchtende Ruhmes- tbat, die würdig verherrliclit. werde» kö»»te> kein Erbe Ffe4Jtes wird unter den ehrenwerten Helden genannt.

332 Sechstes Buch.

Was quälst du mich mit deinen gottlosen Blicken, da, der du den am Tode deines Vaters schuldigen Feind verehrst und nur mit Broten und warmer Suppe als Rächer giltst?

Wenn man die Rächer von Verbrechen preist, so wünsche du dir vom Dienst deiner Ohren befreit zu sein, damit da dich in deinem gottlosen Sinn weniger zu schämen brauchst.

Denn oft pflegt die Tüchtigkeit eines andern ein schuld- beladenes Herz zu zerreissen, und durch den Ruhm eines Wackern wird häufig ein böses Gemüt in der Brust gequält.

Magst du den Osten aufsuchen oder fern im Westen leben oder, von dort fortgetrieben, zum Mittelpunkt der Erde fliehen, 313 Magst du den kältesten Himmelsstrich aufsuchen, wo der

Gipfel des Poles ragt, in gewaltigem Schwünge die Sphäre dahinreisst und auf das nahe Sternbild des Bären herabblickt,

Weithin wird dir die Schande als Begleiterin folgen und dein Antlitz mit schuldiger Röte übergiessen, wenn sich vereint eine Versammlung grosser Könige unterhält.

Denn ewige Schmach erwartet dich, nicht kannst du unter die Scharen der Edlen gelangen, und als Verworfener wirst du in jeder Zone leben. 212 Das Geschick gab Frotho einen Sprössling, der unter

dem Zorne der Götter zur Welt geboren ward, dessen ganzes Streben nur Verbrechen und niedrige Leidenschaften gefangen halten.

Wie es bei dem Schifte ist, wo aller Schmutz sich in der geraeinen Höhlung des Kielraumes sammelt, so strömten auch in Ingellus eine Menge lasterhafter Dinge zusammen.

Darum wirst du aus Furcht vor öfl^entlicher Schmach in einem Winkel deines Landes daliegen, aufgeschwollen iu deinem unsauberen Heim, und darfst dich nicht in ehren- werter Gesellschaft sehen lassen.

Dann wirst du den Bart schütteln über dein unheilvolles Schicksal, unterdrückt von den Anstachelungen deiner Buh- lerinnen, wenn dir dein Kebsweib mit klagenden Worten in den Ohren liegt.

Starcatherus' Lied und sein Erfolg. 333

Wenn bleiche Furcht deinen Sinn zurückhält und du 814 dich ängstigst, der Rächer deines Vaters zu werden, dann entartest du ganz und gar und wirst ein Charakter, ganz gleich einem Sklaven.

Mit geringer Anstrengung hätte man dich stürzen können, wie wenn jemand einen Bock ergreift und absticht oder ein zartes Lamm schlachtet, indem er ihm mit dem Messer die Kehle abschneidet.

Siehe, der Sohn des Tyrannen Swertingus, dessen feige Schwester du in schimpflicher Verbindung bei dir behältst, wird sich nach dir Dänemarks als Erbe bemächtigen.

Während du dich damit erfreust, deine mit Edelsteinen beladene und in Goldschmuck strahlende Braut zu feiern, verzehren uns Pein und Scham und wir klagen über deine Schande.

Wenn dich jählings die Wollust hinreisst, ruft unser Geist uns ängstlich die Art der Vergangenheit ins Gedächtnis zu- 218 rück und erweckt in uns heftigen Schmerz.

Denn anders als du beurteilen wir das Verbrechen der Feinde, die du jetzt ehrst; daher ist das Leben der Gegen- wart für mich, der ich die Vergangenheit kenne, eine Last.

Kein grösseres Glück wollte ich mehr erstreben, wenn ich nur die an deinem Tode Schuldigen, Frotho, gerechte Strafe für diesen Frevel erleiden sähe."

Mit diesem seinem aufstachelnden Mahnrufe hatte er 315 nun so grossen Erfolg, dass er dem schlaffen und entnervten Geiste durch seinen Tadel wie durch einen Feuerstein die lohendste Flamme der Tapferkeit entlockte. Zuerst zwar schenkte der König dem Sänge gar keine Beachtung, dann ward er durch die immer eindringlicher werdende Ermahnung seines Erziehers erregt, und endlich ergriff ihn das Feuer der Rachsucht, so dass er das Gelage 'vergass und zum Feinde ward. Zuletzt sprang er von seinem Sitze auf und ergoss die ganze Wut seines Zornes über seine Gäste in der Weise, dass er in blutipjer Grausamkeit gegen Swertingus' Söhne das Schwert zog und mit gezurkter Klinge die Kehlen derer bedrohte, deren Gaumen er eben noch mit den Lecker-

334 Sechstes Buch.

bissen seines Tisches gekitzelt hatte. Dadurch, dass er diese auf der Stelle niederhieb, befleckte er . die Heiligkeit des gastlichen Tisches mit Blut^), zerriss er das schwache Band der Gastfreundschaft. Durch seine erhabene Wut wandelte er das schmähliche Gelage um, aus dem Wirte ward er zum Feinde, aus dem verworfensten Sklaven der Völlerei zum thatkräftigsten Rächer. Denn die eifrige Rede seines Warners erzeugte in ihm bei seiner weichen und zarten Jugend den Geist des Zornes, sie schuf Kühnheit in ihm, indem sie die- selbe aus ihrem Schlupfwinkel hervorzog, und erreichte es, dass die Verüber des schwersten Frevels die verdiente Strafe für ihre That erlitten. Die Wackerkeit des jungen Mannes war gewissermassen nur ausgewandert , nicht erstorben. Unter der Beihilfe des Alten ward sie wieder ans Licht ge- zogen und vollendete ein Werk, um so grösser, je später es kam, und es war viel rühmlicher, die Becher mit Blut statt . mit Wein zu füllen. Wie begeistert muss wohl der Greis gewesen sein, der durch seine beredsame Ermahnung das masslose Laster aus des Königs Herzen vertrieb und an seine Stelle, nachdem er die Fesseln der Nichtsnutzigkeit zer- brochen, die wirksamste Saat der Tugend streute! Starca- therus begleitete des Königs Hand mit gleichen Thaten; aber er zeigte nicht nur an sich selbst das höchste Mass der Tapferkeit, sondern er vermochte es auch aus der Brust des andern hervorzulocken. Nach der That begann er wie folgt:

214 „Lebe wohl, König Ingellus, dessen mutvolles Herz

nun endlich eine kühne That gewagt hat. Eine Gesinnung herrscht in deiner Brust, die sich jetzt zum ersten Male offenbart hat, und es fehlt deinem Gemüte nicht an tiefer Einsicht, obwohl du bis jetzt dich schweigend verhalten. Denn den Schaden des Zögerns machst du durch Wackerkeit wieder gut und entschädigst für die Schlaffheit deines Mutes durch mannhafte Tüchtigkeit. Wohlan nun, erschlagen wir

316 auch die andern, keiner entkomme der Gefahr, die jeder mit

») Vgl. I, 28 Anm. 1.

Die Hache; Schlosslied des Starcatherus. 335

gleichem Grunde verdient. Es falle das Verbrechen auf seine Anstifter zurück, und die Schuld unterdrucke ihre eigenen Urheber. Knechte sollen die Körper der Getöteten auf einen Wagen laden, schnell führe der Henker die Leichen hinaus, die mit Recht der letzten Ehren verlustig gehen sollen, nicht wert , von einem Grabhügel bedeckt zu werden. Kein Leichengepränge noch Scheiterhaufen soll ihnen die fromme Ehre eines Grabmales verschaffen; verwesend mögen sie auf den Feldern umherliegen, ein Frass für die Schnäbel der Vögel, und mit ihrer unheilvollen Fäulnis mögen sie das Land ringsum beflecken^). Entfliehe aucli, mein König, wenn du verständig bist, deinem wilden Weibe, damit sie nicht, die Wölfin, ein Kind, ihr ähnlich, gebiert und von dir ein Ungeheuer erzeugt werde, das dem eigenen Vater schaden würde. Sage nun, Rotho*), du ewige Verhöhnerin der Feigen, ob wohl Frotho genug gerächt sei, nachdem wir zur Sühne für den einzigen Mann sieben Begräbnisse auf* gewandt haben. Siehe, da bringt man die tot an, die nicht wirklich, sondern nur zum Schein deine Herrschaft ehrten und unter der Dienstfertigkeit Trug im Schilde führten. Immer aber lebte ich der Hoffnung, dass der Nachwuchs der Edlen ihrem Erzeuger entspricht und im Charakter dem Ge- schicke folgt, das schon im Blute liegt. Jetzt nun, Ingellus, verdienst du mehr als vormals Herr von Lethra und Däne- mark zu heissen. Bartlos folgte ich einst, König Haco, deiner Führung und Leitung im Kriege und hasste die schlaffen Gemüter und die Ueppigkeit, nichts liebte ich als Feldzüge. Indem ich Körper und Geist zusammen übte, verbannte ich alles Niedrige aus meinem Sinn^ entfloh den Gelüsten des Magens und dachte nur an Heldenthaten. 317 Denn wer sich den Waffen geweiht, für den war einst die Kleidung rauh und seine Bedürfnisse leicht zu befriedigen, spärlich war die Ruhe und kurz der Schlaf. Mühen ver-

») Vgl. die Strafe nach dem Tode Fengos, B. IV, S. 157. *) Anrd. Rota, eine Walküre, deren Xame wohl Saxo nur aus einem dänischen Liede bekannt sein konnte.

336 Sechstes Buch.

scheucliten weit die Müsse, und unter dürftigem Aufwände verging die Zeit. Nicht gab es wie jetzt gewisse Leute, deren unersättliche Begierde in blinder Lüsternheit die ganze

216 Vernunft verschleierte. Mancher von diesen, gehüllt iu sein Prunkgewand, lenkt weichlich ein schnellfüssiges Ross, lösst den Haarknoten und lässt die Locken frei im Winde flattern. Oft und gern spricht er auf dem Versammlungsplatze und lechzt nach schnödem Gewinne. Mit solchen Bemühungen tröstet er sich über sein faules Leben und besorgt mit seiner feilen Zunge die ihm übertragenen Geschäfte. Durch Gewalt- that verletzt er die Gesetze, bricht das Recht mit dem Schwerte, unterdrückt die Unschuldigen, nährt sich von fremdem Gelde, übt Wollust und Völlerei, mit bissigem Hohngelächter begleitet er das Mahl, und hinter Huren ist

318 er her wie die Harke hinter dem Unkraut. Als Feigling stirbt er, während friedlich alle Kämpfe ruhen. Selbst wenn einer mitten im Thale sich lagert, so wird doch den kein Schild beschirmen, der das Schicksal fürchtet. Die letzte Stunde ruft jeden Sterblichen ab. In keinem Versteck kann man dem Tode entgehen. Ich aber, der ich die Welt mit so vielen Niederlagen erfüllte, sollte eines friedlichen Todes sterben? Ich sollte nach einem sanften Ende zu den Sternen emporsteigen und ohne Wunden der Gewalt einer Krankheit erliegen?"

Ende des sechsten Buches.

siebentes Buch. «^«^ 319

Das geschichtskundige Altertum überliefert, dass Inge 11 us vier Söhne hatte, von denen Olawus, da die drei andern im Kriege fielen, allein nach des Vaters Tode die Herrschaft führte ; einige behaupten nach einer unsicheren Ansicht, dass dieser der Sohn von Ingellus' Schwester gewesen sei^). Die Nachwelt hat nur eine ganz ungenaue Kenntnis von sei- nen Thaten, da sie von der Trübheit des Alters verdunkelt sind. Nur den letzten seiner kühnen Pläne hat die Kunde aufbewahrt. Denn als er schon an der äussersten Schwelle 820 <les Todes stand, wollte er noch für seine Söhne Frotho und Harald US sorgen, und er gebot, dass der eine die königliche Gewalt über die Länder, der andere über die Gewässer ausüben sollte, und zwar sollte diese Scheidung der Macht nicht dauernd sein, sondern jährlich zwischen ihnen abwechseln^). So wurden die Bedingungen der Herr- schaft gleich unter sie verteilt, aber Frotho, der zuerst die Obergewalt über das Seegebiet erhielt, erntete infolge seiner vielen Schlappen bei seinen Zügen nur Schmach. Der Grund dieses Missgeschicks waren die jungen Ehen seiner Schiffs- leute; denn diese zogen die Freuden des häuslichen Bettes 4en Anstrengungen des Kriegsdienstes im Felde vor. Nach Ablauf seiner Zeit erhielt nun der jüngere Haraldus die Herrschaft zur i>ee, und er wählte sich unverheiratete Krieger, da er sonst einen Misserfolg wie bei seinem Bruder besorgte.

') Ueber Olawus e. B. VI. S. 290 mit Anra. 2 und Olrik II, 229. ') Dieselbe Teilung fand sich schon II S. 81. SaKO Grammaticut. 22

338 Siebentes Buch.

Da^Glflck war seiner Wahl günstig; denn er erwies sieb als ebenso ruhmreicher Wiking, wie sein Bruder ruhmlos ge- wesen war. Dieser Umstand zog ihm aber den Neid seine» Bruders zu. Ja sogar ihre Frauen Sygne und Ulwilda, die eine eine Tochter des Schwedenkönigs Sywardus, die andere des Statthalters von Götland, Karolus, stritten hef- tig und voll Eifersucht um den Vorrang, und sie machten dem wechselseitigen Zusammenleben ihrer Männer ein Ende. So kam es, dass Haraldus und Frotho ihren geraeinsamen

217 Haushalt auflösten und ihr gemeinschaftliches Vermögen teil- ten, indem sie dem Weibergezänk mehr Beachtung schenkten als den Pflichten brüderlicher Liebe.

Frotho glaubte, er werde wegen des Ruhmes seine» Bruders verachtet und es erwüchse ihm daraus Unehre, und so gebot er einem seiner Vertrauten ihn zu töten, weil er sah, dass er, der ältere, von jenem an Tüchtigkeit übertreffen werde ^). Nach der That Hess er das Werkzeug seiner Heim- tücke unbemerkt umbringen, damit sein Verbrechen nicht durch einen Mitwisser verraten werde. Darnach Hess er, um Glauben an seine Unschuld zu erwecken und dem Tadel für seine Unthat zu entgehen, eine gründliche Untersuchung an- stellen, welch unglücklicher Zufall seinen Bruder so unver- mutet hingeraff't hätte. Doch konnte er trotz so vieler Kunst- griffe nicht verhindern, dass ihn die Meinung des Volkes brandmarkte. Später fragte er einmal Karolus, wer wohl Haraldus getötet haben möge; jener aber antwortete, erfrage heuchlerisch nach einer ihm gar wohlbekannten Sache. Di^se Worte kosteten ihm das Leben, denn Frotho meinte, er habe ihn so verblümt des Brudermordes geziehen.

Darnach trachtete er, der Oheim, auch den Söhnen dea

321 Haraldus von Sygne, Karolus' Tochter, Haraldus und Haldanus, nach dem Leben^), aber von ihren Beschützern

*) Müller weist auf die Aehnlichkeit mit dem Verfahren des ältesten Sohnes des Königs Frotho I. hin, Ualdanus, der ebenfalls aus Herrschsadit seine Brüder tötete. S. II S. 80. Auch die Hrolfssaj^a berichtet Aehnliches.

») Die folgende Erzählung, wie Frode seinen Neffen nach dem Leben trachtet, wird mit einigen Abweichungen und grösserer AusführUchkeit

Frotho V. und seine Neffen. 339

wurde ein gar schlauer Weg zu ihrer Rettung ausfindig ge- macht. Sie befestigten nämlich abgehauene Wolfsklauen an ihren Sohlen und begannen den schmutzigen und mit Schnee bedeckten Boden um ihre Wohnung herum mit Spuren zu übersäen, indem sie mehrmals hin und hergingen; sie wollten so den Anschein erwecken, als ob da wilde Tiere gelaufen wären. Darauf töteten sie ein paar Sklavenkinder, rissen ihren Körper in Stücke und streuten die zerfleischten Glieder überall hin. Als man nun die Knaben suchte und nicht fand, entdeckte man die zerrissenen Glieder, bemerkte die Tier- spuren und sah die blutbefleckte Erde. Man glaubte, die Kinder seien von wilden Wölfen getötet worden, und nie- mandem konnte wohl ein Zweifel an dem so deutlichen Be- weise für ihren Tod aufgehen. Der Glaube an diesen Schein diente den Kindern zum Schutze. Sie wurden gleich darauf von ihren Pflegern in eine hohle Eiche eingeschlossen, und damit durch kein Anzeichen ihr Dasein verraten werde, wurden sie lange unter dem Vorgeben, dass es Hunde seien, ernährt; ja man gab ihnen sogar Hundenamen, damit um so weniger die Kunde von ihrer Verborgenheit ruchbar würde. Frotho allein wies den Glauben an ihren Tod zurück und begann mit Hilfe einer zauberkundigen Frau den Ort ihres Verstecks zu erforschen. Die Macht ihrer Sprüche war so gross, dass sie offenbar die Fähigkeit besass, jede beliebige Sache, unter so festem Verschlusse sie auch ruhen mochte, ganz allein zu erblicken und in Greifweite zu bringen. Sie gab an, ein gewisser Regno habe heimlich die Pflicht der Erziehung jener Kinder übernommen und, um sie zu ver- bergen, ihnen Hundenamen beigelegt. Als diese nun sahen, dass sie durch die ungewöhnliche Kraft des Zaubers aus 2I8 ihrem Schlupfwinkel entführt und vor die Augen der Zauberin gebracht wurden, warfen sie ihr, um nicht durch einen so schauerlichen Zwang verraten zu werden, eine Menge Gold, welches sie von ihren Beschützern bekommen hatten, in den

auch von der Hrolfssaga (Kap. 3) berichtet; die Hundenamen sind darnach Hoppr und Hö. Auch in der Skjoldung^asaga findet sich Entsprechendes. S. Olrik U, 82.

22*

340 Siebentes Buch.

Schoss. Sowie jene die Gabe empfing, Hess sie sich, indem sie einen plötzlichen Krankheitsanfall erheuchelte, wie leblos auf den Boden sinken. Auf die Frage ihrer Dienerinnen nach dem Grunde ihres so unvermuteten Falles erklärte f^ie, die Flucht der Söhne des Haraldus sei unerforschbar, und 322 deren ausnehmende Kraft schränke sogar die Macht ihrer ge- waltigsten Zaubersprüche ein. So begnügte sie sich mit einer kleinen Belohnung und gewann es nicht über sich, den König um ein grösseres Geschenk zu bitten. Als darauf Regno bemerkte, dass sich das Gerede von ihm und seinen Schützlingen immer mehr im Munde des Volkes verbreitete, führte er beide nach FTineii. Dort wurde er von Frotho gefangen, bekannte, dass er den Knaben seinen Schutz ge- währt habe, und bat den König, er möge die Kleinen, denen er schon den Vater genommen, schonen und es nicht als ein Glück ansehen, sich mit einem doppelten Verwandtenmorde zu beflecken. Durch diese Worte verwandelte er die Wut des Königs in Scham, und er versprach überdies, wenn jene irgend welche Umwälzungen in ihrem Vaterlande planten, so würde er dem König Meldung machen. So gewann er Sicherheit für seine Pfleglinge und lebte, frei von Furcht, noch viele Jahre.

Als sie herangewachsen waren, gingen sie nach Seeland, und da ihre Freunde sie aufforderten, ihren Vater zu rächen, gelobten sie, sie und ihr Oheim würden den Schluss des Jahres nicht zusammen erleben. Sowie Regno dies erfuhr, eilte er, veranlasst durch die Erinnerung an sein Versprechen, bei Nacht in die Königshalle und sagte, er komme, um heimlich dem Könige etwas zu berichten, was er versprochen habe. Er litt aber nicht, das man diesen bei Nacht aus dem Schlafe weckte, weil Frotho eine solche Störung mit dem Sehwerte zu bestrafen pflegte. Als so schweres Verbrechen galt es in alter Zeit, den Schlummer des Königs zu unge- legener Zeit zu unterbrechen. Als Frotho dies am Morgen von den Wächtern vernahm und merkte, dass Regno die Botschaft von einem Anschlage gebracht habe, sammelte er ein Heer und beschloss dem Aufruhr durch seine Grausamkeit

Frotho V. und seine NefiFen. 341

zuvorzukommen. Harald us' SöhDe hatten nun kein anderes Hilfsmittel, als Wahnsinn zu heucheln. Denn als sie er- kannten, dass sie unvermutet überrascht waren, begannen sie, gleichwie von Wahnwitz getrieben, sich wie Verrückte zu gebärden. Da nun Frotho meinte, sie seien toll, Hess er von seinem Vorhaben ab, denn er hielt es für unehrenhaft, die mit dem Schwerte anzugreifen, die offenbar das Schwert gegen sich selbst richteten. In der nächsten Nacht aber wurde er von diesen verbrannt und büsste so mit Fug und Recht für seinen Brudermord. Sie griffen nämlich die Königshalle an und steinigten zuerst die Königin; dann legten sie Feuer an das Haus und zwangen Frotho, in die Enge einer längst zuvor angelegten Höhle und in das Versteck eines dunklen Ganges sich zu verkriechen. Als er sich dort B23 eingeschlossen zu verbergen suchte, kam er, erstickt von Rauch und Dampf, um.

Nach Frothos Tode führte Haldanus^) etwa drei 219 Jahre die Herrschaft in seinem Lande und übergab dann das Recht derselben vertretungsweise seinem Bruder Haraldus, während er selbst Oelandien^) und die benachbarten Inseln, welche ein mannigfach gewundener Wasserweg von der Küste Schwedens trennt, in Wikingerzugen verheerte. Ebendort unternahm er auch, als im Winter die SchiflFe ans Land ge- zogen und in einem Lager verschanzt waren, eine dreijährige Kriegsfahrt. Darauf griff er mit einem Heere Schweden an und tötete den König im Kampfe. Den Enkel desselben, Eric US, den Sohn seines Oheims Frotho, wollte er nachher in einer Schlacht bestehen. Als er aber erfuhr, dass einer von dessen Kämpen, Haquinus, es verstünde, durch Zauber-

*) Die jetzt folgende Halfdansage erscheint als ^lischprodukt aus norwegischen und dänischen Sagen, wobei sich das Einzelne nicht mehr genau sondern lässt. In Halfdan vereinigen sich mindestens zwei Personen, der norwegische Halfdan hinn Bjargrami und ein dänischer. Die beiden Hauptt«ile darin sind die Vaterrache und die Wikingerzüge; der Kern des Ganzen ist die Eroberung des schw^edischen Thrones. Ygl.^Uhland, Sehr. VI, 110 ff. und Olrik II 81 ff.

») Siehe die Anm. 6 zu V S. 254 und Anm. 4 zu IV S. 189.

342 Siebentes Buch.

Sprüche das Eisen stumpf zu machen^), stellte er sich eine gewaltig grosse Keule, mit eisernen Buckeln versehen, zum Zuschlagen her, gleichsam um die Stärke des Zaubers durch die Kraft des Holzes zu bekämpfen. Dann stürzte er sich denn er zeichnete sich vor allen durch seine hervorragende Tapferkeit aus in die hitzigen Knäuel der Feinde, das Haupt durch den Helm beschirmt, aber ohne Schild, und schwang mit beiden Händen seine w^uchtige Keule auf die ihm entgegen gehaltenen schützenden Schilde. Kein Hin- dernis war so fest, das nicht deren massige Streiche zer- malmt hätten. So kam es auch, dass er den ihm im Kampfe begegnenden Fechter mit einem kräftigen Schlage seiner WaflFe niederstreckte. Dennoch wurde er besiegt, und er entkam auf seiner Flucht nach Helsingien, wo er einen ge- wissen Vitolf us*-^), einen ehemaligen Krieger des Haraldus, aufsuchte, um Heilung für seine Wunden zu finden. Dieser hatte den grössten Teil seines Lebens im Kriegslager zuge- bracht und sich dann nach dem traurigen Geschick seines Herrn in die Einsamkeit dieser Gegend zurückgezogen, wo er ein ländliches Leben führte und sich von den schon ge- wohnten Anstrengungen des Kriegsdienstes erholte. Da er oft von feindlichen Geschossen getroffen worden war, hatte er sich durch die beständige Pflege seiner Wunden eine nicht geringe Kenntnis in der Heilkunde erworben. Wenn aber jemand seine Hilfe durch Schmeicheleien zu gewinnen suchte, so fügte er diesem gewöhnlich eine heimliche Schädigung zu, anstatt Heilung zu gewähren; denn er hielt es für rühm- 324 lieber eine Wohlthat unter Drohungen als unter Liebens- würdigkeiten zu erlangen. Als die Soldaten des Ericus in der Absicht, Haldanus zu fangen, auf sein Haus losstürmten, nahm er ihnen so sehr die Fähigkeit des Sehens, dass sie das

^) lieber diese Kunst und die dagegen angewandten Mittel vgl. Olrik I, 58. Der starke Keulenschwinger begegnet später nochmals. B. Vm, 222 und 223 (Holder).

*) Anrd. Viaolfr; im Liede von Hyndla Str. 34 (= Gerings Edda S. 124) trägt ein Riese, der Stammvater der Weissagerinnen, denselben Namen. Richtiger ist wohl A'ittolfr* von ,vitt' = Zaubermittel.

Haldanus Biarg^rammus. 343

ganz nahe Gebäude weder erblicken noch sicher ausfindig machen konnten. In dem Masse hatte eine Art von nebel- haftem Irrtum die Schärfe ihrer Augen abgestumpft.

Als nun Haldanus durch dessen Hilfe wieder frische Kräfte erlangt hatte, gewann er Thoro för sich, einen Recken Ton hervorragender Befähigung, und erklärte Ericus den Krieg. Als man nun auf beiden Seiten die Truppen vor« führte und er sah, dass jener ihn an Zahl der Krieger über- treffe, gebot er einem noch verborgenen Teil seines Heeres, sich hinter den nahen Gebüschen am Wege zu verstecken, um so den Feind, wenu er durch die ziemlich enge Bahn 220 des Hohlweges ziehe, aus dem Hinterhalt zu vernichten. Ericus aber hatte dies vorausgesehen, die Gelegenheit zum Yordringen ausgekundschaftet und glaubte sich etwas zurück- ziehen zu müssen, um nicht, wenn er den vorher ins Auge gefassten Weg betrete, in der steilen Bergschlucht durch die Hinterlist des Feindes überrumpelt zu werden. Dah^r fand die Schlacht nun, Heer gegen Heer, in einem ringsum von jähen Bergabhängen eingeschlossenen Thalkessel statt. Als hier Haldamus sah, wie die Reihen der Seinigen wankten, bestieg er mit Thoro einen mit Steinblöcken reich bedeckten Felsen, riss die Steine aus der Erde, wälzte sie auf den Feind herab und vernichtete durch ihren wuchtigen Fall die unten eingeklemmte Schar. So kam es. dass er den Sieg, den er mit den Waffen schon verloren, durch Steine wieder- gewann. Wegen dieser glänzenden That erhielt er den Bei- namen Biargrammus*), ein Wort, welches von der Be- zeichnung der Berge und seiner Wildheit abgeleitet zu sein scheint. Dadurch gewann er bei den Schweden so hohes Ansehen, dass man ihn als Sohn des gros.sen Thor betrach- tete und ihn von Staats wegen für würdig erklärte, dass man ihm opfere.

^) Stephanius erklärt das Wort mit Saxo als Zusammensetzung aus ,berg oder bjjerg* = Berg und Adj. gramr = wild, feindlich; Müller will den zweiten Bestandteil als Subst. gramr = Fürst , König fassen. Das nichtige ist wohl, was auch Saxos Schreibung entspricht, denselben mit Elton als Adj. rammr = gewaltig, stark aufzufassen.

344 Siebentes Buch.

825 Aber die Gemüter der Besiegten pflegen sich nur selten

ruhig zu halten, und die Bosheit der unterworfenen strebt nach dem Verbotenen. So kam es auch, dass Ericus, während er sich bemühte, die Nachteile seiner Flucht wieder gut zu machen, die Provinzen des Haldanus angriff. Ja nicht einmal Dänemark verschonte er mit dieser seiner Wildheit; denn er hielt es gerade für gerechtfertigt, das Land dessen zu überfallen, durch den er aus seinem eigenen vertrieben worden war. Während er es vorzog, Gewaltthat zu üben, statt sie nur zurückzuweisen, befreite er Schweden von den feindlichen Waffen. Denn als Haldanus hörte, dass sein Bruder Harald us von jenem in drei Treffen be- siegt und im vierten getötet worden sei, sah er sich au» Besorgnis, seine Herrschaft zu verlieren, genötigt, das Gebiet der Schweden zu räumen und nach seinem Vaterlande zu eilen. So schnell also Ericus die Herrschaft über Schweden verloren hatte, so leicht gewann er sie auch wieder. Hätte ihn das Schicksal in gleicher Weise bei der Behauptung wie bei der Wiedererlangung seines Reiches unterstützen wollen, so hätte es ihn nie der Gewalt des Haldanus überantwortet. Die Art seiner Gefangennahme vollzog sich in folgender Weise: Als Haldanus nach Schweden zurückkehrte, ver- barg er seine Flotte im Hinterhalt und fuhr mit zwei Schiffen Ericus entgegen. Von diesem mit zehn Schiffen angegriffen, zog er sich unter verschiedenen Segelmanövern zu der ver- steckten Schar der Seinigen zurück. Als ihn Ericus immer weiter verfolgte, tauchte die dänische Flotte aus dem Meere auf. So ward Ericus umzingelt, verschmähte aber das Leben, das man ihm unter der Bedingung der Knechtschaft anbot. Er gewann es nicht über sich, das Licht des Lebens der Freiheit vorzuziehen und wollte lieber sterben als dienen, damit er nicht aus Liebe zum Dasein aus einem freien Manne ein Sklave würde und denjenigen durch die ungewohnte

221 Pflicht der Dienstbarkeit ehre, zu dessen gleichen ihn kurz vorher das Glück gemacht hatte. So wenig versteht sich die Tüchtigkeit darauf, Rettung mit Schmach zu erkaufen. Er wurde daher in Fesseln gelegt, an einem von wilden Tieren

Haldanus Biargrammus. 345

besuchten Orte ausgesetzt und fand ein Ende, wie es seine Geistesgrösse nicht verdient hatte.

Haldanus hatte nun die Herrschaft über beide Reiche inne, und er schmückte seinen ruhmvollen Namen durch drei ehrenwerte Eigenschaften. Er war nach väterlicher Art in der Fertigkeit, Gedichte zu verfassen*), sehr gewandt und zeichnete sich ebenso durch heldenhafte Kraft wie durch Herrschertugenden aus. Auf die Kunde, dass die allzu wagemutigen Wikinger Toko und Anundus die umliegenden Provinzen bedrohten, griflF er sie in einem Seegefecht an und besiegte sie. Denn die Alten glaubten, man dürfe nach 326 nichts mehr streben als nach Ruhm, der nicht durch reiche Schätze, sondern durch Tüchtigkeit in den Waffen erworben werde. Daher war es nach dem Sinne der alten Helden, Aufruhr anzustiften, Streitigkeiten vom Zaune zu brechen, die Ruhe zu hassen, den Krieg dem Frieden vorzuziehen, sich nach dem Masse der Tapferkeit, nicht des Vermögens abzuschätzen, das höchste Vergnügen am Kampfe, das ge- ringste an Gastereien zu finden.

Haidan US fehlte es auch nicht lange an einem Neben- buhler; denn ein gewisser Sywaldus, ein Mann von recht vornehmer Abkunft, gedachte in einer Versammlung der Schweden mit so kläglichen Worten des Todes Frothos und seiner Gemahlin und erregte bei fast allen solchen Hass gegen Haldanus, dass er unter Zustimmung der grossen Mehrzahl die Genehmigung zu seinem Aufstande erhielt. Aber er begnügte sich nicht bloss mit den günstigen Stimmen, sondern gewann sich den Sinn des Volkes durch seine listigen Umtriebe in so hohem Grade, dass er fast alle ver- anlasste, ihm die Königskrone aufs Haupt zu setzen. Er hatte sieben Söhne, die in Zauberkünsten so geübt waren, dass sie bei plötzlichen Wutanfallen Zornesblitze aus den Augen zu schiessen, in ihre Schilde zu beissen, glühende Kohlen zu verschlucken und durch jeden beliebigen auf- gehäuften Brand zu schreiten pflegten; und dieser Zustand

0 Wie hoch diese Fertigkeit geschätzt wurde, zeigt B. VI, S. 275/6.

346 Siebentes Buch.

der Raserei konnte durch kein anderes Mittel als durch schmachvolle Fesseln oder durch ein Menschenopfer gemildert werden^). Mit solcher Wildheit erfüllte sie entweder ihr «igenes rasendes Temperament oder die Wut der Furien. Als Haldanus dies vernahm, sagte er mitten in seiner Be- schäftigung mit einem Piratenzuge zu seinen Kriegern, es sei jetzt Zeit, nachdem sie bisher an Fremden ihr Mütchen gekühlt, nunmehr den Stahl an das Herz der Mitbürger zu setzen, und während sie sich bisher die Vergrösserung des Reiches hätten angelegen sein lassen, müssten sie jetzt die Schmach, dass man es ihnen entreisse, zurückweisen. Als er herannahte, schickte Sywaldus Gesandte zu* ihm und forderte ihn auf, wenn die Thatsachen seinem Rufe ent- sprächen und er wirklich so tapfer sei, wie das Gerücht von ihm behaupte, so sollte er allein ihn und seine Söhne im Kampfe bestehen und durch seine eigene Gefährdung die Gefahr

222 vom Staate abwenden. Auf seine Erwiderung, ein recht- mässiger Einzelkampf dürfe die Zahl von zwei Personen nicht überschreiten, antwortete Sywaldus, es sei nicht zu verwundern, dass ein kinderloser Junggeselle sich gegen den angebotenen Strauss sträube ; denn seine jeder Wärme bare Natur habe ihm Leib und Seele mit einer schmählichen Kälte erfüllt. Seine eigenen Kinder seien übrigens von ihm selbst gar nicht verschieden, da er sie ja erzeugt und sie von ihm die gemeinsame Grundbedingung zum Dasein er- halten hätten. So seien er und seine Kinder gewissermasseu

327 als eine Person zu betrachten, da ihnen oflFenbar von der Natur gleichsam nur ein einziger Leib zu teil geworden sei. Haldanus beschloss nun voll Entrüstung über diese Schmähung der Herausforderung Folge zu leisten, um die schändliehe Verhöhnung seiner Ehelosigkeit durch eine glänzende Heldenthat aufzuwägen. Als er zufällig durch das schattige Dunkel eines Waldes schritt, riss er eine Eiche, die ihm im \\eq;e stand, mit den Wurzeln aus dem Boden, be- freite sie nur von den Aesten und gestaltete sie so zu einer

») Vfjl. B. VT, S. 312 »nd Anm. 2.

Haldanus' Eampt mit Sywaldus und Harthbenus. 347

festen Keule um. Im Vertrauen auf diese WaflFe dichtete er folgendes kurze Lied:

^ Siehe, die rauhe Last, die wir, den Nacken dagegen stemmend, tragen, soll anderer Nacken Wunden und Ver- derben bringen. Nie wird fürwahr eine Waffe aus belaubtem Holze die Götlrmder mit schrecklicherem Verhängnisse be- drängen. Die stolze Stärke des sehnigen Nackens wird sie brechen und die gewölbten Schläfe mit ihrer hölzernen Wucht zermalmen. Nie wird eine Keule, welche die wilde Wut des Heimatlandes bändigen soll, den Schweden in höherem Grade verderblich sein. Knochen zerschmetternd und über den zerfleischten Gliedern der Männer geschwungen, wird sie vorn mit ihrer Spitze den Rücken der Nichts- würdigen schwer belasten, das Heim der Blutsverwandten zerstören, das Blut der Bürger vergiessen, eine verderbliche Pest für das Vaterland.'*

Nach diesen Worten griff er Sywaldus mit seinen sieben Söhnen an, machte mit der furchtbaren Wucht seiner Keule ihre gewaltigsten Kraftanstrengungen zu nichte und weihte sie dem Tode.

Um diese Zeit setzte ein gewisser Harthbenus, der aus Helsingien kam. seine Ehre darein, Königstöchter zu rauben und zu schänden; wer ihn an dem Genüsse seiner Lüste verhindern wollte, den pflegte er zu erschlagen. Vor- nehme Verbindungen zog er niedrigen vor, und er hielt sich für um so rühmenswerter, je edlerer Mädchen Umarmung er sich erzwungen hatte. Keiner entging der Strafe, der sich anmasste, sich mit seinem Mute in Vergleich zu stellen. Sein Körper war so gross, dass seine Länge nicht weniger als neun Ellen betrug. Zwölf Recken waren seine Gesellen, 228 deren Aufgabe es war, so oft ihn seine kampfahnende Wild- 328 heit befiel, ihn in Ketten zu legen und durch dieses Mittel den Ausbruch seiner Raserei abzuschwächen. Als Haldanus von diesen die Aufforderung erhielt, Harthbenus und seine Recken Mann für Mann anzugreifen, verpflichtete er sich nicht nur zum Kampfe, sondern versprach sich auch selbst mit den zuversichtlichsten Worten den Sieg. Bei dieser

348 Siebentes Buch.

Kunde wurde Harthbenus von einem plötzlichen Wutanfall ergriffen, zerstörte den äusseren Rand seines Schildes durch seine scharfen Bisse, Hess nicht ab, feurige Kohlen in seinen Magen zu befördern, ergriff Brände mit dem Munde und Hess sie in seine Eingeweide gleiten, rannte trotz der Gefahr durch prasselnde Flammen, verfiel zuletzt in die wildeste Raserei und stiess mit grimmer Hand sechs seiner Recken sein Schwert in den Leib. Ob ihn zu diesem unsinnigen Benehmen die Kampfgier oder seine natürliche Wildheit fort- gerissen, bleibt ungewtss. Darauf griff er mit dem Reste seiner Kämpfer Haldanus an. Von diesem wurde er mit einem Hammer von staunenswerter Grösse niedergeschmettert und verlor Leben und Sieg; sa musste er für die Heraus- forderung des Haldanus büssen wie auch für die Könige, deren Kinder er sich mit Gewalt bemächtigt hatte.

Der Zufall bot Haldanus immer neue, unvermutete Anlässe zum Kampfe, als ob er nie mit der Erprobung seiner Tapferkeit zufrieden sei; so geschah es, dass der Finne Egtherus^) die Schweden durch einen räuberischen Küsten- überfall belästigte. Haldanus griff ihn mit drei Schiffen an, denn er wusste, dass jener ebenso viele hatte. Da die Nacht dem Treffen ein Ende machte und er deshalb noch nicht die Entscheidung herbeiführen konnte, forderte er ihu am nächsten Tage zum Zweikampfe heraus und erschlug ihn dabei. Darauf erfuhr er, dass Grimmo, ein Recke von hervorragender Kraft, unter Androhung eines Zweikampfes um Thorilda, die Tochter des Häuptlings Hatherus, werbe, und dass deren Vater verkündet hätte, derjenige solle sie bekommen, der den Recken bei Seite schaffe. Obwohl er unvermählt schon ein hohes Alter erreicht hatte, Hess er sich doch, weniger durch das Versprechen des Häuptlings als durch den Uebermut des Recken, bestimmen, und zog nach Norwegen. Als er hinkam, tilgte er alle Spuren, an denen man ihn hätte erkennen können, indem er sein Antlitz

*) Dns ist wahrscheinlich dieselbe Person, wie der V, S. 2<>4 geuannte Biamiier K^iihcrus.

Haldanus' Kampfe mit Harthbenus, Egtherus und Grimmo. 349

mit entstellendea Schmutzflecken bespritzte; sobald er auf den Kampfplatz kam, zuckte er zuerst sein Schwert. Als er sah, wie es durch den Blick seines Feindes stumpf wurde, warf er es auf die Erde, zog ein anderes aus der Scheide, 329 griff damit Grimmo an und zerhieb ihm die äussersten Fugen seines Panzers sowie den unteren Teil des Schildes. Grimmo betrachtete voll Verwunderung diese That und sagte: Ich kann mich nicht erinnern, dass je ein alter Mann hitziger gefochten. Zugleich zog er aber sein Schwert und hieb damit den ihm entgegen gehaltenen Schild mitten durch. Während jedoch noch seine Rechte der Wucht des Streichse nachgab, führte Haldanus, ohne zu zögern, den Gegenhieb und sclilug sie ihm ab. Jener aber ergriff dessen ungeachtet 224 mit der Linken das Schwert und durchbohrte seinem Gegner den Schenkel, indem er so die Verstümmelung seines eigenen Körpers durch eine kleine Wunde rächte. Der siegreiche HaUlamis gestattete dem Ueberwundenen, den Rest seiner Tage für Geld zu erkaufen*), damit er nicht in den Ver- dacht käme, einem kampfunfähigen Verwundeten schmählich sein elendes Dasein genommen zu haben. Durch dieses Ver- fahren zeigte er sich bei der Schonung seines Feindes fast ebenso gross wie bei seiner Besiegung. Als Preis für den Sieg erhielt er die Hand Thorildens. Er bekam von ihr einen Sohn, Asmundus*), von dem die norwegischen Könige abzustammen sich rühmen; so verfolgen sie ihren edlen Stammbaum bis auf Haldanus zurück^).

Darnach masste sich Ebbo, ein Seeräuber von niedriger Abkunft, im Vertrauen anf seine Tapferkeit an, eine vor- nehme Ehe zu schliessen. Erwarb nämlich um Sygrutha, die Tochter des Königs Ungwiuus von Götland, und ver-

^) Ein Beispiel für Kampflösung, hölmlausn; s. III, 139 Anm. l.

') Nach Olriks überzeugenden Ausführungen (I, 67) einer Vermutung Müllers dürfte dieser König dieselbe Person sein wie der V S. 258 ff. er- wähnte Asmundus (Gnodar-Asmundr), der in den isländischen Sagen häufig vorkommt.

*) Das LiedvonHyndla nennt in den unechten Str. 14—17 (Gering S. 120) Haldanus (Halfdan) als Stammvater fast aller berühmten Königsgeschlechter.

350 Siebentes Buch.

Iftflfie Doeh audserdem die Hälfte dieses Reiches als Mitgift. Haldanas wurde über die EiDwilligung in die Heirat um Rat gefragt und schlug vor, die Zusage solle scheinbar ge- geben werden; er werde, versprach er, schon die Vermählung vereiteln. Er gebot auch, ihm einen Platz unter der Reihe der Gäste anzuweisen. Ungwinus billigte den Plan, und 330 Haldanus vertilgte jede Spur seiner königlichen Würde durch eine fremdartige, hässliche Kleidung. Bei Nacht kam er zum Hochzeitsfeste und jagte den ihm Begegnenden Schrecken ein, da man über die Ankunft eines Mannes von übermenschlicher Gestaltung erstaunte. Sobald er dann in die Königshalle eintrat, musterte er alle und erkundigte sich, wer den Sitz zunächst dem Könige eingenommen habe. Als Ebbe darauf erwiderte, der zukünftige Schwiegersohn des Ungwinus sitze an dessen Seite, fragte Haldanus mit den zornigsten Worten, welcher Wahnsinn, welche schrankenlose Raserei ihn denn zu der Anmassung verleitet habe, die ver- ächtliche Niedrigkeit seines Geschlechts mit dem Glänze höchsten Adels zu vereinigen, und zu dem Wagnis, seine Bauernfaust an königlichen Stamm zu legen und überdies noch, damit nicht einmal zufrieden, oflTenkundig Auteil an einem fremden Reiche zu verlangen. Dann forderte er ihn zum Zweikampfe, denn nur, wenn er darin siege, sollte sich sein Wunsch erfüllen. Als jener antwortete, die Nacht passe als Kampfeszeit nur für Ungetüme, für Menschen dagegen der Tag, meinte er, damit sich jener Dicht durch diese Ausrede dem Streite entziehe, der Glanz des Mondes sei ja tageshell. So zwang er Ebbo zu dem Strausse und machte aus dem Gelage ein blutiges Sciiauspiel. Ei* erschlug ihn, und verwandelte so das Hochzeitsfest in eine Leichenfeier. Nach einigen Jahren kehrte er dann in seine Heimat zurück, und da er kiuderlos war ^), vermachte er seine königlichen

*) VAn merkwürdiger Widerspruch gegen das soeben Berichtete; ent- weder erklärt er sich daraus, dass Saxo wieder flüchtig aas mehreren ver- achiodenen Quellen schöpfte, oder aber man muss, wie 3Iüller will, den 8atz iur einen ungewöhnlichen Ausdruck dafür auffassen, dass er Thurilda mit Asnunulus in Norwegen zurückliuist und allein nach Dänemark heimkehrt.

Haldanus und Ebbo; Syritha. 351

Schätze testamentarisch Ungwinus^) und setzte ihn zum König ein. Dieser wurde später von einem Nebenbuhler, Namens Regnaldus, im Kriege getötet und hinterlies einen Sohn Sywaldus.

Dessen Tochter Syritha war so sittsam, dass sie, obwohl 225 wegen ihrer Schönheit von einer ungeheuren Menge Freier umworben, nicht dazu zu bewegen schien, eioen von ihnen nur anzusehen *). Im Vertrauen auf diese Selbstbeherrschung erbat sie sich von ihrem Vater den zum Gemahl, dem es durch süsse Schmeichelworte gelänge, einen Blick von ihr er- widert zu bekommen. Denn in alten Zeiten pflegte bei uns die Zurückhaltung der Mädchen lüsterne Blicke gar sehr zu bändigen, und damit die Reinheit des Sinnes nicht durch Zügellosigkeit der Augen verdorben werde, strebte man darnach, dass auch ein bescheidener Gesichtsausdruck die Keuschheit des Herzens verkünde. Da entbrannte nun ein 331 gewisser Otharus, ein SohnEbbos, gar heftig darnach, die Jungfrau zu gewinnen, sei es im Vertrauen auf die Grösse seiner Thaten oder auf seine Liebenswürdigkeit und Bered- samkeit. Mit aller Anspannung seines Witzes versuchte er es, ihren Blick zu erweichen; da er aber ihre niedergeschlagenen

*) Ein König Ungu oder Yngve (Hugne) über den Namen s. Olrik 1, 8. 108 Anm. wird auch in andern dänischen Königsverzeichnissen als Nachfolger Halfdans genannt; dass ihm die Erbfolge durchs Testament vermacht wird, ist wohl nur ein Yerlegenheitsausweg Soxos oder seines G^ewährsmannes, um eiuigermassen einen sinngemässen Zusammenhang zu. wahren. Vgl. auch Müller II, 195.

') Hiermit beginnt eine Reihe von fünf äusserlich und innerlich zusammenhängenden Sagen, deren gemeinsamer Grundstofif die Liebe ist. Sie sind als Episoden in die Königssagen verflochten. Alle fünf sind nach Olriks Nachweisen dänischen Ursprungs. Ueber die ganze Gruppe vgl. Uhland Sehr. VU, 225 ff. und Olrik II, 230 ff. Siklingsagnene (gemeinsamer Name für alle fünf Erzählungen, der zuerst von Grundtvig gebraucht wurde). Die erste behandelt die Liebesgeschichte von Otharus und Syritha, die in isländischer Ueberlieferung ganz unbekannt ist; über diese vgl. Olrik II, 234 ff. und seine Abhandlung in der Zeitachr: d. Vereins f. Volks- kunde U, 252, wo besonders die märchenhaften Züge herausgehoben und Parallelen aus anderen Litteraturen dazu gegeben sind. In der Dichtung -Syritha'* hat Paul Heyse die Sage poetisch behandelt.

352 Siebentes Buch.

Augen durcli keia Mittel auf sich lenken konnte, musste er voller Bewunderung ihrer Ausdauer und ihres unbesieglichen Ernstes abziehen. Ein Riese strebte nach demselben Ziele; da er aber ebenfalls seine Bemühungen erfolglos sah, beauftragte er eine Frau damit, sich das Vertrauen des Mädchens zu ge- winnen. Als diese eine Zeit lang der Jungfrau gedient hatte, lockte sie sie einst schlau auf allerhand Irrwegen von dem Palaste ihres Vaters fort; dann stellte sich der Riese selbst ein und entführte sie in die enge Abgeschlossenheit seiner steilen Bergesjoche. Andere meinen, er habe selbst Frauen- gestalt angenommen und erst, als er durch die hinterlistige Verfuhrung seiner Kunst das Mädchen vom Vater fortgelockt, die Rolle des Räubers gespielt. Als Otharus dies hörte, durchsuchte er, um die Jungfrau ausfindig zu machen, grundlich den Berg, fand sie, erschlug den Riesen und führte sie mit sich. Die Aufdringlichkeit des Riesen hatte aber so sehr das Haar des Mädchens durch Verflechtung der Locken in Un- ordnung gebracht, dass die Haarmasse wie ein verworrener Knäuel zusammenhing und nicht leicht jemand ohne Zuhilfe- nahme der Schere das dichte Gewirr hätte lösen können. Von neuem unternahm er es nun, durch allerlei Lockungen den Blick des Mädchens auf sich zu ziehen; als er aber ihre starren Augen lange vergeblicii versucht hatte, gab er sein Vorhaben auf, da es allzu wenig nacii seinem Sinne verlief. Er gewann es auch nicht über sich, dem Mädchen Gewalt anzuthun, um nicht ein Kind edler Abkunft durch eine un- würdige Umarmung zu beflecken. Als sie nun einst beim Umherstreifen verschiedene einsame Pfade durcheilte, gelangte sie durch Zufall zu der Hütte einer unheimlichen Waldfrau.

8.TJ Von dieser erhielt sie den Auftrag, die Hut über ihre Ziegen- herde zu übernehmen. Abermals wurde sie hier durch des Otharus Hilfe befreit, und dieser bestürmte sie wiederum mit folgender Rede:

226 „Willst du nicht lieber meinen Ermahnungen dich fügen

und eine deinen Ansprüchen angemessene Verbindung an- knüpfen als die Herde hüten und für die stinkenden Ziegen sorgen?

Othanis und Syritha. 353

Stosse weg die Hand deiner ruchlosen Gebieterin und entfliehe rasch deiner grausigen Herrin, damit du mit mir die vertrauten Schiffe wiedersiehst und frei lebst.

Gieb auf die Sorge um das dir anvertraute Getier, ver- schmähe es, auf die Schritte der Ziegen zu achten; gewähre lieber als Genossin meines Bettes meinen Wünschen die ver- diente Belohnung.

0 du, die ich mit solchem Eifer gesucht, schlage doch endlich einmal die starren Augen auf, erhebe nur ein klein wenig mit leichter Bewegung deinen schamhaften Blick.

Zu deinem väterlichen Heim will ich dich bringen, froh will ich dich mit deiner geliebten Mutter vereinen, wenn du nur einmal deine Augen aufschlägst, gerührt von meinen zarten Wünschen.

Du, die ich so oft aus der Haft der Riesen befreit, vergilt doch nach Verdienst meiner längst geleisteten Arbeit, erbarme dich meiner schweren Mühen und gieb deine Starrheit auf."

Denn warum bist du so unsinnig thöricht, dass du es vorziehst, eine fremde Herde zu hüten und dich zum Gesinde 383 von Unholden zählen zu lassen, statt in eine ebenbürtige Ver- bindung einzuwilligen und unsern Ehebund zu fördern?*) Sie aber hielt nichts destoweniger, damit die Beständigkeit ihres keuschen Sinnes nicht beim Anblick der Aussenwelt ins Wanken geriete, ohne mit einer Wimper zu zucken und un- entwegt an dem starren Ausdruck ihres Blickes fest. Welche Sittsamkeit müssen wohl die Frauen jener Zeit besessen haben, die selbst durch die heftigsten Bestürmungen ihrer Liebhaber nicht einmal zu einem leichten Augenaufschlag veranlasst werden konnten. Da nun Otharus auch um seines doppelten Verdienstes willen nicht das Auge der Jungfrau auf sich zu ziehen vermochte, kehrte er, der Beschämung und des Kummers satt, zu seiner Flotte zurück. Syritha durchwanderte nun 227 wie früher weit und breit die Gebirgsgegenden, und als sie

') Nach Sinn und Inhalt gehören diese Sätze natürUch noch zu dem vorstehenden Liede; es bleibt unklar, warum sie Saxo in Prosa aus- geführt hat.

Saxo Grammaticus. 23

354 Siebentes Buch.

auf ihrer Irrfahrt zufällig zu dem Wohnsitz £bbo8 gelangte, gab sie sich aus Scham über ihre Nacktheit und Dürftigkeit als Kind armer Leute aus. Otharus* Mutter aber bemerkte, dass sie, wenn auch durch Magerkeit entstellt und nur mit einer dürftigen Hülle bekleidet, doch edlem Stamme ent- sprossen sei, wies ihr einen £hrenplatz au und behielt sie in freundlicher Liebenswürdigkeit bei sich. Denn die Schönheit des Mädchens verriet ihren Adel, und ihr Aussehen verkündete Ihf Geschlecht. ^) AlsOtharus sie sah, fragte er, warum sie ihr Angesicht mit dem Gewände beschatte. Um ihre Ge- sinnung um so sicherer zu erproben, gab er vor, er werde sich sogleich mit einer Frau vermählen, bestieg deren Lager und Hess Syritha die Lampe halten. Wie diese fast ganz herabgebrannt war und jene unter der allzu grossen Nähe der Flamme zu leiden hatte, gab sie eine Probe solcher Ausdauer, dass sie die Hand bewegungslos festhielt und scheinbar nicht die geringste Belästigung von der Hitze verspürte. Denn das> innere Feuer hielt dem äusseren die Wage und die Glut ihres sehnenden Herzens mässigte das Brennen ihrer versengten Haut. Endlich gebot ihr Otbarus, auf ihre Hand zu achten, und da richtete sie mit verschämtem Augenaufschlag einen 334 sanften Blick auf ihn. Sogleich wurde nun die vorgespiegelte Hochzeit abgebrochen, und sie bestieg als seine Braut daa Ehebett. Bald nachher brachte Sywaldus denOtharus in seine Gewalt und meinte, ihn wegen Schändung seiner Tochter hängen lassen zu müssen; allein Syritha klärte alsbald die Geschichte ihrer Entführung auf und versöhnte ihn nicht nur mit dem Könige, sondern veranlasste auch ihren Vater, die Schwester ihres Gatten zu heiraten.

Darnach fand zwischen Sywaldus und Regnaldus*) in Seeland ein Treffen statt, nachdem man auf beiden Seiten Krieger von erprobter Tapferkeit ausgewählt Drei Tage ver- gingen unter gegenseitigem Gemetzel, und der Ausfall der Entscheidung war wegen der hervorragenden Mannhaftigkeit

») Vgl. II, 67 Anni, 1.

*) Der alte Feind des Ungwinus; vgl, oben S. 351

Otharus und Syritha; Alf und Alwilda. 355

beider Parteien unsicher. Da stürzte sich Otharus, entweder von Unwillen über die langwierige Schlacht oder von Ruhmes- gier ergrifTen, mit Todesverachtung in die dichtesten Scharen der Feinde, erschlug Regnaldus inmitten seiner tapfersten Helden und gewann so den Dänen einen plötzlichen Sieg. Diese* Schlacht war wegen der Feigheit der vornehmsten Edlen merkwürdig. Denn die Gesamtmasse geriet in solchen Schrecken, dass auch die vierzig Tapfersten der Schweden geflohen sein sollen. Selbst Starcatherus, den besten von ihnen, den kein furchtbares Ereignis und keine Gefahr zu er- schüttern pflegte, beschlich damals ein unverständliches Angst- gefühl und er zog es vor, sich der Flucht der Seinen anzu- schliessen, statt sie zu verachten. Ich möchte glauben, diese Furcht sei ihm durch die Macht der Götter eingeflösst worden, damit er sich nicht schmeicheln sollte, mit übermenschlichen 228 Kräften begabt zu sein. So pflegt das Glück der Sterblichen nichts Vollkommenes zu kennen. Dann stellten sich alle diese in den Dienst des mächtigsten der Wikinger, Hako, sodass gleichsam die Ueberbleibsel aus dem Kriege zu ihm über- gingen.

[Von König Sigarus, nach dem das Städtchen Syersted seinen Namen hat *).]

Darnach folgte dem Sywaldus sein Sohn Sigarus, welcher drei Söhne hatte, Sywaldus, Alf und Algerus, und eine Tochter Sygne. Von diesen verlegte sich Alf, vor den übrigen durch Anmut und Schönheit ausgezeichnet, auf den Seeraub ^). Auch umspielte seine herrlich glänzenden 335 Locken eine solche Anmut, dass sein Haar strahlend wie Silber aussah. Zu derselben Zeit soll der König der Göt- länder, Sywardus, zwei Söhne, Wemundus und Ostenus. und eine Tochter, Alwilda, gehabt haben. Diese befleissigte

*) Dieser Satz ist eine Bemerkung des Schreibers.

') Hier beginnt die zweite Liebeageschichte, von Alf und Alwilda, die etwas mehr norwegisches Gepräge zeigt, aber den Isländern auch ganz unbekannt ist. Der Grundgedanke ist derselbe wie in der vorigen Sage, die endliche Gewinnung eines spröden Mädchens nach fielen Schwierig- keiten. Vgl. Uhland Sehr. VII, 228 ff. u. Ulrik U, 244 ff.

23*

356 Siebentes Buch.

sich fast schon von der Wiege her einer so beständigen Sehamhaftigkeit, dass sie ihr Gesicht dicht mit dem Gewände verhüllt trug, damit ihre Schönheit nicht fremder Begierde als Lockung diene ^). Ihr Vater hielt sie in sehr engem Gewahrsam und übergab ihr eine Viper und eine Schlange zum Aufziehen, um durch die Hut dieser Tiere, wenn sie gross geworden, ihre Ehre zu schützen*). Man hätte in der That nicht leicht in ein Gemach eindringen können, welches ein so gefährlicher Riegel verschloss. Er setzte auch fest, dass jeder, der vergebens einzutreten versuchte, sogleich geköpft und sein Haupt auf einen Pfahl gespiesst werden sollte. So peinigte eine mit Lust verbundene Furcht die Gemüter der erregten jungen Leute. Da glaubte nun Alf, des Sygarus Sohn, die That, deren Ausführung um so mehr Ruhm ein- brachte, je gefährlicher sie war, unternehmen zu müssen, und trat als Freier auf. Man hiess ihn die Ungetüme, welche das Gemach des Mädchens bewachten, bekämpfen; denn kraft jenes Erlasses wurde nur dem Besieger derselben die Um- armung der Jungfrau zu teil. Um ihre Wut um so heftiger gegen sich zu erregen, umhüllte sich Alf mit einem blutigen Felle. Sobald er, damit umgürtet, unter die Thür des Zimmers trat, bohrte er ein Stück glühenden Stahl, das er in einer Zange trug, der gähnenden Viper in den Schlund und streckte sie tot zu Boden. Darauf schleuderte er auch der Schlange, die in geschmeidigen Windungen herankroch, seine Waife mitten in den Rachen und tötete sie ebenfalls ^). Als er nun gemäss der Vertragsbedingung den ausgemachten Siegespreis verlangte, sagte Sywardus, der sei ihm als Schwiegersohn recht, auf den die freiwillige Wahl seiner Tochter gefallen sei. Nur die Mutter des Mädchens wollte dem Werber Schwierigkeiten bereiten, und sie erkundete den Sinn ihrer

*) Diese ungewöhnliche Scham haftifi^keit hat Alwilda mit Syritha ebenfaUs f]femeinsam.

*) Vf^l. die ganz ähnlichen Verhältnisse in der Ragnar Lodbroks- saga, 8axo IX, 301 (Holder), bei Lathg^ertha u. 302 (T. Thnra; man sehe auch B. V, S. 195 Anm. 2.

•) Vgl. auch hierzu die Kagnarsagc Saxo IX, 302 3.

Alf und Alwilda. 357

Tochter in einer geheimen Unterredung. Als diese nun ihren Freier wegen seiner Tapferkeit gar zu rückhaltslos lobte, überhäufte sie sie mit heftigen Schmähreden, weil sie die Schranken des Anstandes überträte und sich von einem locken- 229 den Aeusseren bestechen Hesse, und weil sie, ohne an Tugend zu denken, in ihrem lüsternen Sinne ihren Blick nur auf die verführerische Schönheit seiner Gestalt lenke. So ward Alwilda veranlasst, den jungen Dänen zu verachten. Nun- mehr vertauschte sie ihr Frauengewand mit Männerkleidung, um ein wildes Seeräuberleben zu beginnen, sie, die eben noch das sittigste Mädchen gewesen war. Mehrere Jungfrauen, welche dieselbe Neigung hatten, nahm sie in ihre Dienste auf. Zufällig gelangte sie nun an einen Ort, wo gerade eine 336 Schar Wikinger den Tod ihres Führers beklagte. Von diesen wurde sie wegen ihrer Schönheit zum Leiter der Raubflotte erwählt, und sie vollbrachte Thaten, die weit über der Leistungsfähigkeit einer Frau standen. A 1 f bemühte sich in zahlreichen, mühevollen Zügen sie zu verfolgen und stiess dabei zufällig im Winter auf eine Flotte der Blacmannen. ^) Zu dieser Zeit war aber das Wasser festgefroren, und die Schüfe gerieten in eine solche Eismasse, dass selbst das an- gestrengste Rudern sie nicht vorwärts zu bringen vermochte. Da nun die andauernde Kälte den Eingeschlossenen einen ziemlich sicheren Weg zum Vordringen versprach, hiess Alf seine Leute ihr schlüpfriges Schuhwerk ablegen und in Stiefeln die festgewordene Oberfläche des Meeres erproben, um in dieser Weise mit besserem Halt das Eisfeld zu durch- messen. Die Blacmannen, welche glaubten, jene seien mit aller Geschwindigkeit ihrer Füsse auf die Flucht bedacht, begannen einen Kampf mit ihnen, mussten aber weichen, da sie allzu sehr hin und her schwankten; denn die Glätte unter ihren Füssen machte ihre Schritte ganz unsicher. Die Dänen aber standen mit festeren Tritten auf dem gefrorenen Meere und

*) Wer diese Blacmanni (anrd. Blökumenn = schwarze Männer) eigent- lich sind, ist nicht sicher. Man denkt an einen fabelhatten Volksstamm, der wohl irgendwo im Osten (Wallachei) oder in Afrika zu suchen wäre.

358 Siebentes Buch.

spotteten des unsicheren Vordringens der Feinde. Als sie diese völlig besiegt hatten, nahmen sie ihre Fahrt nach Finn- land. Dort gelangten sie in einen recht engen Sund, schickten Kundschafter voraus, welche die Oertliehkeit erspähen sollten, und erfuhren, dass der Hafen von einigen Schiffen besetzt sei. A'lwilda hatte nämlich zuvor mit ihrer Flotte dieselbe Meerenge aufgesucht. Als diese die fremden Fahrzeuge in der Ferne erblickte, schoss sie eiligst mit gewaltigen Ruder- schlägen zu ihrer Begegnung vor, da sie es für besser hielte den Feind selbst zu überfallen, als ihn zu erwarten. Als sich Alfs Gefährten dagegen erklärten, dass mehrere Schiffe von einer Minderzahl angegriffen würden, sagte er, es sei un- würdig, dass jemand Alwilda melden sollte, er habe sich durch den Widerstand von ein paar Schiffen von der Ver- folgung seiner Pläne abbringen lassen, und er meinte, der Ruhm grosser Thaten dürfe nicht durch Kleinigkeiten ge- schmälert werden. Die Verwunderung der Dänen war aber nicht gering, woher denn die Feinde solch herrliche Körper- ge.stalt und so geschmeidige Glieder hätten. Als nun die Seeschlacht begann, sprang der junge Alf auf das Deck Alwildens, drang immer weiter vor und hieb alles nieder, was ihn Widerstand leistete. Als sein Gefährte Borcarus

337 Alwilden den Helm herunterschlug und ihr zartes Kinn sah, merkte er, dass man hier mit Küssen und nicht mit Waffen

280 vorgehen, die harten Geschosse niederlegen und dem Feinde mit sanfteren Mitteln zu Leibe gehen müsse. Alf freute sich nun sehr, dass ihm die, welche er zu Wasser und zu Lande trotz so vieler Gefahren unermüdlich gesucht hatte, jetzt ganz wider Erwarten in die Hände fiel, ergriff sie gar eifrig und zwang sie, die Männerkleidung gegen weibliche zu vertauschen. Später bekam er von ihr eine Tochter Guri t ha. Borcarus erhielt eine Begleiterin Alwildens, Namens Gro, zur Frau und hatte von ihr einen Sohn Haraldus, dem die Folgezeit den Bei- namen Hilde tan gab ^).

M Das hier zuletzt Berichtete widerspricht dem, was Saxo ein weni^ spüter (8. :\^:\) erzählt. Dort ist Harald ULldctand d. i. Kumpfzahn der Sohn des Haldaiius und der Guritha: Borcarus und (tro sind also seine

Alf und Alwilda. 359

Damit sich nun nicht etwa jemand wundere, wie sich <las weibliche Geschlecht so in Kriegszügen abmuhte, will ich in Form einer kurzen Abschweifung einiges über Lage und Charakter solcher Frauen vorbringen.^) Es gab einst bei den Dänen Frauen, welche sich ganz wie Männer benahmen und fast jeden Augenblick ihrer Zeit zur Ausbildung im Kriegsdienste benutzten, um nicht ihre heldenhafte Spann- kraft von der Seuche der Ueppigkeit abstumpfen zu lassen. Denn sie hassten eine weichliche Lebensführung und pflegten Leib und Seele durch andauernde Anstrengungen abzuhärten; von aller Weichheit frauenhafter Milde sagten sie sich los und zwangen ihr weibliches Gemüt, männliche Wildheit anzu- nehmen. Sie strebten auch mit solchem Eifer nach kriege- 338 Tischem Ruhm, dass jeder glauben konnte, sie hätten sich gauz ihres Geschlechts entäussert. Besonders aber pflegten diejenigen, welche einen lebhaften Geist oder eine grosse Gestalt besassen, sich solchem Leben zu widmen. Diese nun zogen, gleichsam ihre natürliche Stellung vergessend, Härte Schmeicheleien vor, verlangten nach Kämpfen statt nach Küssen, sehnten sich nach Blut statt nach Liebkosungen, übten lieber Waffen- als Liebesdienst, benutzten ihre Hände, die doch für den Webstuhl bestimmt waren, zu Schiessübungen; sie strebten nicht nach dem Bett sondern nach Mord^) und griffen die mit ihren Lanzen an, welche sie durch ihre Schönheit hätten bezwingen können. Jetzt aber will ich von dieser Abschweifung zu meiner Aufgabe zurückkehren.

Zu Frühlingsanfang nahmen Alf und Algerus ihr See- raiiberleben wieder auf und machten das Meer durch ver- schiedene Züge unsicher^); dabei stiessen sie auch mit hundert

Grosseltern. Dies Versehen ist entweder einer Flüchtigkeit Saxos oder einer Unklarheit bei Benutzung der Quellen zuzuschreiben.

») Vgl. II, 63 Anm. 5.

*) Im Lateinischen liegen hier drei unübersetzbare Wortspiele vor zwischen armorum und amorum, telas und tela, lecto und leto.

*) Hier beginnt die dritte der Siklingensagen , die von Hagbarthus und Sygne, die sich einer ausserordentlich weiten Verbreitung in ganz Skandinavien erfreute. Vgl. darüber Müller II, 198 ff., Uhland Sehr. VII, 229 ff., Olrik II, 245 ff. und GrundtWg, Danraarks gamle Folkeviser

360 Siebentes Buch.

Schiffen auf die Söhne des Häuptlings Hamundus, Helwin^ Hagbarthus und Hamundus. Sie griffen sie an, und da erst die dunkle Duinmerung ihre vom Morden ermatteten Hände trennte, hielten die Heere bei Nacht Waffenruhe. Am folgenden Morgen wurde die.'^e auf beiden Seiten rechtmässig bestätigt, denn in der gestrigen Schlacht hatte man auf jeder Partei solche Verluste erlitten, dass keine Möglichkeit vor- handen war, den Kampf wieder aufzunehmen. So zwang sie die Notwendigkeit zum Frieden, nachdem gleiche Tapferkeit sie erschöpft hatte. Zu derselben Zeit warb Hildigisleus, ein vornehmer Teutone, im Vertrauen auf seine Schönheit

281 und seinen Adel um Sigarus* Tochter Sygne. Bei dieser zog ihm seine Unbedeutendheit die grösste Verachtung zu; denn eigener Tapferkeit bar. gewann er offenbar nur durch die Tüchtigkeit anderer sein Ansehen. Dagegen bewog sie zur Liehe Hakos^) besonders der weit bekannte Ruhm von dessen Heldenthaten ; sie schenkte nämlich tapferen Männern mehr Beachtung als Weichlingen und bewunderte nicht die Vorzüge der Gestalt sondern der Thaten; denn sie wusste, dass einschmeichelnde äussere Schönheit, wenn man einzig nach der Tüchtigkeit schätzt, zu Nichte werde und mit jener keinen Vergleich aushalten könne. Es giebt nämlich Mädchen,

d39 die sich eher durch den Ruhm als durch die Gestalt ihrer Liebhaber fesseln lassen; da diese nicht die Beschaffenheit des Gesichts sondern des Herzens in Betracht ziehen, so ent- flammt sie nur die Rücksichtnahme auf die Gesinnung zum Wunsche gegenseitiger Verbindung. Als nun Hagbar- th us mit des Sigarus Söhnen nach Dänemark zog, ver- langte er ohne ihr Wissen eine Unterredung mit ihrer Schwester und verleitete diese schliesslich dazu, ihm das Versprechen heimlichen Liebesgenusses zu geben. Als nun

No. 20 (mit Nachträgen). Vedel bemerkt hierau S. CXLVI: Der hier folgenden Hagbartgeschichte liegt ein Lied zu Grunde, das heute noch allgemein gesungen wird.

') Das ist wahrscheinlich der oben S. B55 genaniUe ^maximus pira- tarum** und der 3Hi> als Seeländer bezeichnete Held gleichen Namens, der isohn des Wigerus.

Uagbarthus und Sygne. 361

zufTillig später einmal ihre Dienerinnen die Ruhmesthaten der Edlen verglichen*), zog sie Hako dem Hildigisleus vor, indem sie nachwies, an dem letzteren finde man nichts Lobenswürdiges als seine Gestalt, während bei dem andern ein Fehler im Gesicht durch seine vorzügliche Gesinnung aus- geglichen werde. Und nicht zufrieden mit diesem einfachen Lobspruch, soll sie noch folgenden Gesang angestimmt haben:

„Dieser Mann, arm an Schönheit, zeichnet sich aus durch hervorragende Bravheit; Kraft ist in seinem Gesicht ausgeprägt.

Denn erhabene Gesinnung gleicht den Nachteil starrer Form aus und überwiegt einen körperlichen Mangel.

Sein Auge funkelt vor Mut, sein Antlitz, ausgezeichnet gerade durch seine Strenge, blickt wild.

Eine strenge Beurteilung des Charakters preist nicht die Gesinnung wegen körperlicher Schönheit, sondern diese um der Gesinnung willen.

Bei ihm macht nicht die Gestalt den Wert aus, sondern mutiges Wagen und mit den Waffen gewonnener Ruhm. MO

Jenen aber empfiehlt nur die Schönheit seines Kopfes, sein strahlendes Antlitz und sein Scheitel mit schimmerndem Haar.

Die eitle Anmut der Gestalt taugt nichts, und in sich selbst fällt der trügerische Wert dieser Schönheit zusammen.

Schönheit und Tüchtigkeit werden von verschiedeneu Neigungen beheri^cht; diese besteht, jene vergeht.

Die inhaltslose schöne Gesichtsfarbe führt zum Verderben; der lei.se Fluss der Jahre zerstört sie allmählich.

Bravheit aber sichert eine bessere Stellung den Herzen, die ihr gehören, und nie verschwindet sie völlig und sinkt darnieder.

Durch äussere Vorzüge lässt sich die Meinung des 282 Volkes täuschen, und sie verachtet die Regel des Rechten.

*) Es handelt sich um eine gleiche Unterhaltung der Frauen, wie wir sie II, 87 hei 3Iännern kennen gelernt haben: s. dort auch An m. 2.

362 Siebentes Buch.

Ich aber preise mit hölierem Lobe die Tugend und ver- schmähe die blosse Anmut körperlicher Schönheit.^

Dieses Lied fand in der Weise seinen Weg zu den Ohren der Anwesenden, dass man glaubte, sie preise Hag- barthus unter dem Namen Hakos^). Da es nun Hildi- gisleus schmerzte, dass sie Hagbarthus ihm vorziehe, gewann er einen gewissen Bolwisus*), einen Blinden, durch Ge- schenke, dass er des Sigarus und Hamundus Söhne dazu bringe, ihre Freundschaft in Feindschaft zu verwandeln. Denn König Sigarus pflegte fast alles nach dem Rate zweier Greise, von denen einer Bolwisus war, vorzunehmen. Die Veranlagung dieser beiden war aber so verschiedenartig, dass der eine immer die, welche mit einander in Feindschaft 341 lagen, versöhnen wollte, während der andere alle Sorge dar- auf verwandte, die in Freundschaft Verbundenen durch Hass zu trennen und durch wechselseitige Streitigkeiten die Pest der Eifersucht zu erregen. Zuerst nun griff Bolwisus die Söhne des Hamundus bei den Kindern des Sigarus mit lügnerischen und verleumderischen Nachreden an, indem er behauptete, sie hielten nie in friedlicher Treue die Rechte der Freundschaft, und sie müssten vielmehr durch Kampf als durch ein Bündnis im Zaume gehalten werden. So wurde die Eintracht zwischen den jungen Leuten unterbrochen, und während Hagbarthus in der Ferne weilte, griffen Sigarus' Söhne. Alf und Algerus, denHelwin und Hamundus an und besiegten sie in dem Hafen, der Hamundus' Bucht heisst'). Diese überfiel später Hagbarthus mit frischen Kräften und erschlug sie zur Rache für seine Brüder im Kampfe. Hildi-

*) Die j^anze trajfische (veschichte beruht also auf diesem Miss-

verstamiuisse.

*) Anrtl. Bolviss (zusamnuMi^esetzt aus dem Suhst. bol = Uebel, Sohutlon und Adj. viss = kundijf , geschickt, also das Ganze =: geschickt im Schaden) ist urspriiti^'lich Adj., wie zum Beispiel im 2. Liede von Helvri t^tr. 2 ein Mann Klindr enn bohisi d. i. Blind der Böse heissL Wahrscheinlich ist iibriirens die in diesem Licde behandelte Helgisage von unserer Sikliiigcn>Ho:e bccintlusst: v^l. itoriMg< AnmerkinivT dazu, Eddm S. 172, 1.

*) Ist nicht festzustellen.

Hagbarthus uad Sygne. 3t)3

gisleus entkam, aber es wurden ihm beide Hinterbacken von einer Lanze durchbohrt*). Diese Thatsache bot Gelegen- heit, die Teutonen mit Spott zu überschütten, da die häss- liche Verwundung unfehlbar schmachvoller Brandmarkung verfiel.

Darnach legte Hagbarthus Frauen kleidung an und kehrte, gleich als ob er Sigarus' Tochter nicht durch die Ermordung ihrer Brüder schwer getroffen hätte, ganz .allein im Vertrauen auf das von ihr erhaltene Versprechen zu ihr zurück; denn er erwartete mehr Sicherheit von ihrer Treue als dass er sich wegen seiner Frevelthat fürchtete. So sehr verachtet die Leidenschaft die Gefahr. Damit seiner Reise nicht ein Grund zu fehlen schien, gab er sich als ein Kampf- mädchen Hak 0 8^) aus und sagte, er habe eine Botschaft von diesem an Sigarus zu überbringen. Bei Nacht wurde er zum Schlafengehen unter die Mägde gewiesen, und als ihm die Dienerinnen die Füsse wuschen und abtrockneten, fragte man ihn, weshalb er so behaarte Schenkel habe und seine Hände so wenig weich anzufühlen seien; da ant- wortete er mit folgendem Liede:

„Was Wunder, dass meine zarten Sohlen hart werden 288 und lange Haare am struppigen Schenkel wachsen, da doch so oft der Sand meinen Fuss berührt und mich Dornen mitten im Laufe festhalten? Jetzt durchmesse ich springend die Wälder, jetzt eilend die Fluten, bald ist das Meer, bald die Erde, bald die Woge mein Weg. Auch meine Brust, eingeschlossen von eiserneu Maschen und oft getroffen von Spiessen und Pfeilen, kann sieh nicht weich anfühlen wie bei euch, die ihr einen Mantel als Hülle oder ein weiches 342 Gewand tragt. Nicht der Spinnrocken oder die Wolle im Korbe, sondern bluttriefende Waffen machten die Beschäfti- gung meiner Hände aus.^

Sygne zögerte nicht, diese Versicherung mit ähnlicher Verstellung zu erwidern; sie sagte, es sei ganz natürlich,

') Vgl. II, 8. 89 Anm. 2 und VI, S. 306.

*) Wieder ist der vorhergenannte Hako gemeint, nicht wie Uhland annimmt, der erst S. 3H9 auftretende gleichnamige Bruder des Hagbarthus.

3B4 Siebentes Buch.

wenn die Hände, welche öfter Wunden als Wolle ^) ausge- teilt, welche sich mehr mit Kampf als mit häuslichen Ar- beiten beschäftigt hätten, dem entsprechend hart geworden seien und nicht bei der Berührung anderer jene weichlich- sanfte, frauenhafte Zartheit aufwiesen. Teils durch die Mühen des Krieges, teils durch die Ausübung der Schiffahrt seien sie rauh geworden. Ein Kriegsmädchen Hakos beschäftige sich ja nicht mit Weiberarbeiten, sondern pflege vielmehr ihre blutüberströmte Rechte zum Werfen der Lanzen und zum Schleudern der Geschosse zu verwenden. Auch dürfe man sich nicht wundern, wenn ihre Füsse von dem Durch- messen gewaltiger Strecken verhärtet seien, denn das so häufige Durchstreifen der mit steinigen Klippen bedeckten Gestade hätte sie angegrifi^en; daher seien sie von schwieliger Hornhaut starr geworden und könnten bei der Berührung nicht eben solche W^eichheit aufweisen wie die Füsse derer, die, ohne einen weiten Weg zu kennen, nur immer hinter der Schwelle des Palastes eingeschlossen seien. Hagbar- th us bekam sie, da er gewissermassen eine ehrenvollere Schlafstätte haben sollte, als Lagergenossin und redete sie unter ihrem gegenseitigen Liebesgeflüster leise mit folgenden Versen an:

„Wenn dein Vater mich fängt und traurigem Tode weiht, wirst du da, so heiligen Versprechens vergessend, nach meinem Untergange noch einmal ein Ehebündnis suchen? Denn wenn dies Schicksal mich triflft, so hofl^e ich nicht auf 2S4 Nachsicht. Nicht wird sich dein Vater, wenn er seine Kinder rächt, schonend meiner erbarmen. Denn deine Brüder habe ich erschlagen, nachdem ich sie ihrer Seemacht beraubt, und jetzt halte ich dich wider Wissen deines Vaters, gleich als ob ich früher nie etwas gegen seine Wünsche gethan, in meinen Armen. Sage mir, einzig Geliebte, welchen Wunsch wirst du hegen, wenn du meine traute Umarmung entbehrst?"

Darauf erwiderte Sygne:

*) An die ]ilägde zum Verarbeiten ; das war wie auch im römischen Altertum eine Hauptbeschäftigung der Dienerinnen.

Hagbarthus und Sygne. 305

„Glaube mir, Geliebter, ich will mit dir sterben, wenn das Todeslos dich zuerst hinrafft; nicht will ich die Dauer meines Lebens verlängern, wenn das traurige Verhängnis dich in den Hügel senkt. Denn wenn du für immer die 343 Augen schliessest, unterlegen dem wütenden Angriffe der Henker, gleichgiltig, welcher Todesart du verfällst, ob Krank- heit oder Schwert, Erde oder Meer dich hinraffen ich sage mich jedenfalls von nichtswürdiger, zügelloser Liebes- glut los und weihe mich demselben Tode, damit gemeinsamer Hingang uns verbinde, wie gemeinsamer Ehebund uns an einander gefesselt. Wenn ich auch Todesnot empfinde, will ich doch nicht den verlassen, den ich meiner Liebe würdig befunden, der die ersten Früchte meiner zarten Jugendblüte davontrug. Kein Gelübde, glaube ich, wird sicherer gehalten werden, wenn überhaupt Frauenwort Treue zu halten weiss."

Diese Worte erquickten das Herz des Hagbarthus so, dass er mehr Lust über ihr Versprechen empfand, denn die Gefahr bei seinem Scheiden bedachte. Als er nun von den Mägden verraten, von Sigarus' Häschern ergriffen wurde, wehrte er sich lange in mutigem Kampfe und schlug mehrere von ihnen beim Herannahen nieder. Endlich wurde er aber gefasst und vor die Volksversammlung geführt, wo, wie er hörte, die Ansichten der Menge über ihn geteilt waren. Denn mehrere sagten zwar, für solch ein schweres Vergehen müsse er den Tod erleiden, Bilwisus^) aber, des Bolwisus Bruder, und noch andere rieten zu einem besseren Urteil und wiesen darauf hin, man solle sich lieber seine Thatkraft zu 285 Nutze machen, anstatt gar zu grausam gegen ihn vorzu- gehen. Da aber kam Bolwisus hinzu und behauptete, das .seien nichtswürdige Ratschläge, welche vom König Verzeihung verlangten, wo er Rache üben müsste, und den Ausbruch ge- rechten Zornes durch unangebrachtes Mitleid zu beschwich- tigen suchten. Wie könne sich denn Sigarus zur Schonung oder Bemitleidung des Mannes bewegen lassen, der ihm nicht nur den Trost seiner beiden Söhne genommen, sondern

») S. seine ('harakterbtik oben 8. 362.

366 Siebentes Buch.

844 ihm noch offenkundig die Schmach angethan habe, seine Tochter zu schänden. Dieser Meinung schloss sich die Mehr- zahl der Stimmen des Volkes an, Hagbarthus wurde Ter* urteilt und der Galgen für ihn errichtet^). So kam es, dass er, der zuerst fast gar keine verhängnisvolle Stimme gegen sich gehabt hatte, doch mit allgemeiner Strenge verdammt wurde. Darauf reichte ihm die Königin einen Becher hin mit der Aufforderung, seinen Durst zu löschen, und rief ihm folgende kränkende Drohung zu^):

„Jetzt wirst du, frecher Hagbarthus, den die ganze Versammlung mit Recht zum Tode verurteilt hat, um den Durst zu vertreiben, den Trunk im Hornbecher zum Munde führen. £ntschlage dich nur der Furcht und netze im letzten Augenblick deines Lebens mit dem Todesbecher die kühnen Lippen; denn wenn du ihn geleert, wirst du gleich eingehen in die Behausungen der Unterirdischen, wirst eintreten in das abgeschlossene Reich des Dis^). Dein Leib wird dem Galgen, deine Seele dem Orcus gehören."

Da ergriff der Jüngling den dargebotenen Becher und soll folgende Antwort gegeben haben:

„Mit dieser Hand will ich mir den letzten Genuss gönnen, den Abschiedstrunk zum Munde führen, mit der ich dir deine Zwillinge gerauht habe. Nicht ungerächt werde ich die elysischen Gefilde, nicht ungesühnt die grausen Geister aufsuchen. Denn der Mord, von meiner Kraft verübt, hat

280 i^^^ schon früher in die Höhlen des Tartarus gebannt. Hier meine Rechte triefte von deinem Blute, sie raubte deinen Kindern, die dein Leib gebar, die jungen Jahre, nichts schonte ihrer damals das Todesschwert. Nichtswürdiges Weib, rasenden

a45 Sinnes, unglückliche Mutter, verwaist deiner Söhne, keine

*) Der Galgen hcisst daher in skaldischer rnischroibuiig f,Dta Rom von Sygnes (latteu*.

') Mit dein folgenden poetischen Streitgespräche, welches ein voll- kommenes Hdd altgermanischer (temütshiirte giebt, vergleiche man das ähnlich geartete zwiM'hen Atli und iiudnni (Gerings Edda S. 2SI ff.).

*) In der rönii>chen Mythologie = Pluto, Gott der Unterwelt: vgl. I, S3 Anm 1.

Hagbarthus und Sygne. 337

Jahre werden dir deine vom Tod entführten Kinder zurück- geben, keine Zeit und kein Tag wird sie für dich zurück- kaufen."

So rächte er sich für die Todesdrohung, indem er sich rühmte, jene Jünglinge erschlagen zuhaben; darauf schleuderte er der Königin den Becher zurück, und überschüttete ihr Ge- sicht mit dem vergossenen Weine.

Unterdessen fragte Sygne ihre weinenden Dienerinnen, ob sie es über sich gewönnen, Genossinnen ihres Beginnens zu werden. Jene gelobten, jeden Wunsch ihrer Herrin, der ihr einfallen würde, treulichst zu erfüllen, und dieses Ver- sprechen wurde auch gehalten. Dann sagte sie, von Thränen überströmt, sie wolle ihm, dem einzigen Bettgenossen, den sie je gehabt, in den Tod folgen, und gebot, sobald das Zeichen von der Warte gegeben sei, Feuer an das Gemach zu legen. Schlingen aus ihren Gewändern zu machen und sich in diesen, indem man den Füssen den Untergrund entziehe, zu erhängen. Jene willigten ein und sie reichte ihnen, um ihre Todesfurcht zu mindern, Wein zum Tranke. Damach wurde Hagbarthus auf den Berg geführt, der nach ihm seinen Namen hat, um durch den Strang hingerichtet zu werden. Um die Treue seiner Geliebten zu erproben, bat er nun die Henker, zuerst seinen Mantel aufzuhängen; denn es würde ihm Vergnügen machen, sagte er, wenn er, gleichwie ein Schauspiel, zuvor ein Abbild seines Todes sehen könnte. Die Bitte wurde ge- währt, und der Wächter auf der Warte meldete in der Meinung, es sei schon um Hargbarthus geschehen,- das Ge- sehene den in ihrem Gemache eingeschlossenen Mädchen. Diese legten alsbald Feuer an das Haus, stiessen die Dielen unter ihren Füssen zurück und Hessen sich die Kehlen von den Schlingen zusammenschnüren. Als nun Hagbarthus sah, wie die Königsburg von den Flammen ergriffen wurde, rief er aus, aus der Treue seiner Geliebten erwachse ihm mehr Freude, als er Schmerz über seinen nahen Tod empfin- den könnte. Ja er forderte sogar die Umstehenden auf, ihm den Tod zu geben, und bezeugte in folgenden Liede, wie wenig er sich aus seinem Schicksal mache:

SiyH Siebentes Buch.

ai6 ^Sehueller, ihr Henker, ergreift mich uod erbebt mich

in die Lüfte. Süss ist es für mich, Geliebte, nach deinem

287 Ende zu sterben. Ich höre das Krachen des Hauses und sehe es von Flammen gerötet, und die längst versprochene Liebe enthüllt jetzt ihren Bund. Siehe, dein Gelübde hast du ohne das geringste Bedenken erfüllt, da du mir im Tode wie im Leben Gefährtin bist. Gemeinsam ist unser Ende, gemeinsam, unserer Vereinigung gemäss, unsere Verbindung, und nun und nimmer kann unsere erste Liebe vergehen. Glücklich bin ich, dass ich es mir verdient habe, solcher Gefährtin mich zu er- freuen und dass ich nicht allein elend zu den Göttern der Unterwelt zu ziehen brauche. Mag nun immerhin die Schlinge meine Kehle zusammenschnüren, nichts als Lust wird mir die letzte Strafe bringen, da mir die sichere Hoffnung bleibt, meine Liebe zu erneuern, und der Tod, der gar bald seine Freuden zeitigen wird. Beide Welten gefallen mir, in beiden Reichen *) wird man die Ruhe unserer Seelen ehren und unsere gleichmässige Treue in der Liebe'*.

Denn siehe, gern nehme ich das mir gesprochene Urteil hin, da ja selbst in der Unterwelt die Liebe nicht zugiebt, dass die Umarmungen der von ihr Erfüllten aufhören*). Unter diesen Worten erwürgten ihn die Henker mit der Schlinge. Damit nicht jemand glaubt, die Spuren des Alter- turas seien ganz und gar verschwunden, wird noch jetzt für die Wahrheit der erzählten Geschichte ein Beweis in der Gegend geboten; denn des Hagbarthus Tod hat diesem Gau*) seinen Namen gegeben, und unweit der Stadt des Sigarus*) giebt es auch eine Stelle, wo sich der Boden etwas

347 über die Ebene erhebt und in dieser Erhöhung einigermassen

*) Die Ober- und Unterwelt ist ffemeint.

*) Dieser Satz gehört dem Sinne nach noch zum v<»rigen Liede.

') Paj?us könnte auch mit Dorf übersetzt werden; ^liiller sagt, dass Dur noch ein Hügel dieses Namens bekannt sei.

*) Sigersted bei Aisted auf Seeland: vgl. die Schreiberglosse oben 8. ii'>') Einen galgehöj = (rulgenhügel giebt es auch; aber schtm Müller zweifelt, ob jene Namen alt und ursprünglich sind. Wahrscheinlich sind sie erst von der am Beginn unsi'res ,lahrhufid»Tts he^r^chenden Romantik jenen Stätten beigelegt worden.

Tod des Hagbarthus; Rache seines Bruders. 369

einem alten Herrschersitzte ähnelt. Es erzählte auch ein Mann dem Bischof Absalon^), er habe selbst gesehen, wie man dort einen Balken gefunden habe, auf den ein Landmann beim Pflügen gestossen sei.

Als man sah, dass Hako, Hamundus" Sohn^), auf diese Kunde hin zur Rache für seine Brüder seine Waffen von Hibernien nach Dänemark kehren wollte, verliessen ihn der Seeländer Hako, des Wigerus Sohn, und Starcatherus, deren Unterstützung er sich seit des Regnaldus Tode bis zu diesem Augenblicke erfreut hatte. Der eine wurde durch die Rücksicht auf Freundschaftsbande, der andere durch die auf seine Abkunft dazu veranlasst, und so erzeugten verschiedene Gründe bei beiden denselben Entschluss. Hako hielt nämlich seine Anhänglichkeit von einem Angriff auf sein Vaterland ab, da ja er allein offenkundig gegen Landsleute hätte kämpfen müssen, während die übrigen gegen Fremde fochten. Star- catherus aber durfte nicht als Feind auftreten, weil er die Gastfreundschaft des alten Sigarus genossen hatte •— damit man nicht glaube, er vergelte eine Wohlthat mit Unrecht; denn manche Leute zollen der Gastfreundschaft solche Achtung, dass sie nie veranlasst werden können, denjenigen einen Nachteil zuzufügen, deren freundliche Dienste einmal em- pfangen zu haben, sie sich erinnern. Hako aber betrachtete 288 den Tod seiner Brüder als einen grösseren Verlust als den Abfall seiner Kämpfer, versammelte seine Flotte in dem Hafen, welcher auf dänisch Herwig, auf lateinisch Heeresbucht heisst, und stellte seine Landtruppen dort in Schlachtordnung auf, wo jetzt die von Hesbernus erbaute Stadt ^) durch ihre Be- festigungen den Umwohnenden Schutz bietet und die An- näherung der wilden Barbaren fernhält. Dann teilte er seine Truppen in drei Teile imd schickte zwei Drittel seiner Schiffe mit nur wenigen Ruderern voraus bis zu dem Flusse Susa,^) a48

*) Saxos Vorgesetzter und Gönner; s. Vorr. 8. 1, Anm. 1. *) Ein bisher noch nicht genannter Bruder des Hagbarthus, der von dem andern Hako 'wohl zu unterscheiden ist.

*) Nach Saxo XIV, 595,,, (üolder) ist dies Kalunda, jetzt Kallundborg. *) D. i. die Suus-Aa auf Seeland.

Saso Grammaticus. 24

370 Siebentes £uch.

damit diese Abteilung, in den manigfachen Windungen des Flussbettes auf gefährlicher Fahrt vordringend, den Land- truppen im Notfalle Hilfe leisten könnte. Er selbst schlug mit dem Reste den Landweg ein und hielt sich meist an waldige Gebiete, um nicht gesehen zu werden. Diese Strasse, einst mit dichtem Baumwuchs bedeckt, ist jetzt zum Teil urbar gemacht und nur spärlich mit Buschwerk bewachsen. Damit aber beim Vordringen ins flache Land nicht der Schatten der Bäume fehle, Hess er seine Soldaten Zweige abhauen und mit sich nehmen, und ferner gebot er, damit ihnen sonst bei ihrer Eile nichts zur Last falle, auch einen Teil der Kleidung, sowie die Scheiden wegzuwerfen und die Schwerter bloss zu tragen. Zum Andenken an diese Geschichte blieb dem Berge und der Bucht für immer ein Beiname^). So täuschte er bei seinen nächtlichen Vorrücken zwei Wachtposten; als er auf den dritten stiess, eilte der Späher, sobald er den un- gewöhnlichen Vorgang erblickte, in des Sigarus Schlafgemach und sagte, er bringe eine erstaunliche Botschaft^ denn er habe Laub und Bäume wie Menschen gehen sehen. Der König fragte nun, wie weit noch die Ankunft des Waldes im Felde stehe, und als er hörte, er sei ganz nahe, erklärte er, durch dieses Wunder werde ihm sein Tod verkündet^). So kam es, dass man die Niederung, wo man die Sträucher abgehauen, in der Rede des Volkes den Todessumpf') nannte. Sigarus 849 fürchtete nnn die Enge seiner Stadt, und eilte aus ihr nach einem ebeneren und offeneren Orte, um dort dem Feind im Kampfe entgegenzutreten. Bei der Stätte, die im Volksmunde Wal-

^) Wu für ein Name und welche Gegend gemeint ist, Ut nicht er- sichtlich.

') Dieser Ausdruck scheint auf ein früheres Orakel dieses Inhalts hinzuweisen. Die Erzählung vom wandelnden Walde entspricht genaa der Shakespeares in Macbeth Y, 4 u. 5. Sh. schöpfte aus der schottischen Chronik des Henricus Bocthius (Buch XII). Vgl. übrigens die ähnUcfae Lage V, S. 238/9 und die altfränkische Sage bei Grimm, Deutsche Sagen No. 434.

') Lat. palus Lethalis; das wäre dünisch (nach Hüller) Helmoae oder Helkjfer: etwa 1500 Schritt nordwestlich von Sigersted soU es wirk- lich einen Ort Hellekjiur geben.

Hako rächt seinen Bruder, Sywaldus seinen Vater. 371

brunaa, airf lateinisch Leichen- oder Blutbrunnen heisst,^) lieferte er eine unglückliche Schlacht, in der er geschlagen und getötet ^urde. Hako nutzte nun seinen Sieg grausam aus und verfolgte sein Glück so rücksichtslos, dass er ohne Unterschied morden Hess und weder auf Stellung noch Ge- schlecht glaubte achten zu dürfen. Weder von Mitleid noch von Ehrfurcht Hess er sich beeinflussen, sondern er befleckte sein Schwert mit Frauenblut, und mit gleicher Blutgier metzelte er Weiber und Kinder nieder.

Sigarus' Sohn Sywaldus hatte bisher ruhig im väter- lichen Palaste gesessen; auf diese Nachricht hin aber sammelte er ein Heer, um die Pflicht des Rächers zu übernehmen. Hako Hess sich nun durch das Zusammenströmen dieser Mengen schrecken, kehrte mit dem einen Drittel seines Heeres 289 zur Flotte in Herwig zurück und sorgte durch einen Rückzug zur See für seine Sicherheit. Sein Gefährte Hako aber, mit dem Beinamen der Stolze,*) glaubte mehr Zitversicht infolge des jüngsten Sieges als Besorgnis wegen Hakos Entfernung hegen zu müssen; er zog den Tod der Flucht vor und suchte den Rest des Heeres zu sichern. So wich er denn mit seinem Lager nur ein wenig zurück, um bei dem Dorfe Axelstade^) da« Eintrefl^en der Flotte zu erwarten, hatte sich aber über die Trägheit der allzu langsam kommenden Bundesgenossen 2u beklagen; denn die den Fluss hinauf- geschickte Flotte war noch nicht in dem bestimmten Hafen gelandet. Der Tod des Sigarus aber und des Sywaldus treue Liebe erregten ausnahmslos so das Gemüt des Volkes, dass sich beide Geschlechter dem Kampfe widmeten, und man muss schon glauben, dass dieser Krieg nicht ohne Beihilfe der Frauen verlief. Am folgenden Tage stiessen Hako und Sywaldus zusammen und zogen das Gefecht zwei Tage lang hin. Es wurde aufs blutigste gestritten, beide Feldherrn fielen, 350

*) Lat. cadaverum vel stragis puteus; ist jetzt dänisch Valbrönd.

*) Dieser Hako Superbus ist der dritte des Xamens, der in dieser Geschichte auftritt: (isl. heisst er Haki hinn hugpruOi).

•) Nach 3Iüller ist dieser Ort mit dem jetzigen Aisted auf Seeland identisch.

24*

372 SiebeDtes £uch.

und der Sieg zierte die Ueberreste der Dänen. In der Nacht nach dem Treffen aber fuhr die Flotte die Susa hinauf und gelangte in den Schutz des ihr angegebenen Hafens. Denn einst stand dieser Fluss der Schiffahrt offen, jetzt aber machea ihn infolge des Eindringens fester Bestandteile seine Engen unfahrbar, sodass seine trägen Windungen nur noch selten das Einlaufen eines Schiffes gestatten. Am Morgen sahen die Schiffsleute die Leichen ihrer Genossen und errichteten, um den Führer zu bestatten, einen Hügel von beträchtlicher Grösse, den der Volksmund Hakos Grab nennt noch heute ist er in der Sage berühmt. Die meisten von ihnen aber weihte Borcarus, der plötzlich mit Schonischer Reiterei hereinbrach, dem Tode. Als der Feind vernichtet war, rüstete er die der Mannschaft entblössten Schiffe desselben neu aus und verfolgte eilig, in atemloser Hast den Sohn des Hamundus. Als er mit diesem zusammenstiess, geschah es, dass Hake nach unglücklichem Kampfe in kopfloser Angst mit drei Schiffen in das Land der Schotten entfloh. Dort starb er nach zwei Jahren.

Diese gefahrvollen Schicksale und Kriege hatten nun das Königsgeschlecht der Dänen so sehr erschöpft, dass es bis auf die einzige Guritha, die Tochter des Alfus, die Enkelin des Sigarus, ausgestorben war. Als sie sich nun der Ober- leitung durch das gewohnte Herrscherhaus entblösst sahen, übertrugen sie die Regierung Leuten aus dem Volke, wählten sich Fürsten und überwiesen Ostmarus die Verwaltung Schönens, Hundingus die Seelands. Hano übertrugen sie die Herrschaft über Fünen. Roricus aber und Haterus vertrauten sie mit getrennter Machtvollkommenheit die 351 Oberleitung über Jütland an ^). Damit es nun nicht ver- verborgen bleibe, welchem Stamme die nachfolgenden Könige

') Hiermit beginnt ein Abschnitt, den man als die Zeit der fünf Könige bezeichnet; er reicht bis zum Auftreten des Königs Harald Kampf- zahn. Die Berichte sind vorliegend dänischen (schonischcn) Ursprungs. In andern dänischeti Quellen findet sich eine andere Art der Verteilung. Vgl. Olrik II. 249 ff. Die £rzählung ist mit einer Fülle von Abschwei- fungen durchsetzt.

Zwischenhemchaft in Dänemark; Krieg zw. Schweden u. Noxwegen. 373

entsprossen, müssen notwendigerweise einige Punkte in einer kleinen Abschweifung besprochen werden. Es haisst, dass Gunnarus, der tapferste der Schweden, einst aus sehr triftigen 240 Gründen mit Norwegen verfeindet gewesen sei. Die auf seine Bitten erlangte Erlaubnis, es anzugreifen, nutzte er unter den grössten Gefahren aufs äusserste aus und unternahm zuerst seinen beabsichtigten Einfall in die Provinz Jather^). Mit Brand und Mord verheerte er sie ; Raub übte er nicht, sondern er freute sich nur, wenn die Wege mit Leichen übersät und die Strassen mit Blut überströmt waren. Denn während andere wenigstens das Leben schonen und mehr auf Beute als auf Mord auszugehen pflegen, zog er die Grausamkeit der Lust am Plündern vor und büsste seine blutigen Gelüste am liebsten durch das Hinschlachten von Menschen. Aus Furcht vor seiner Wildheit suchten nun die Einwohner der drohenden Gefahr durch allgemeine Unterwerfung zuvorzukommen. Als femer Regnaldus^), der König der Norweger, von der Gesinnung des Tyrannen hörte, liess er seine Tochter Drota in eine Höhle einschliessen, versah sie mit Vorräten für lange Zeit und gab ihr auch die nötige Dienerschaft mit^). Auch einige Schwerter, die mit ausserordentlicher Kunst verfertigt waren, vertraute er zusammen mit dem königlichen Schatze der Höhle an, um dem Feinde nicht die Klinge zum Gebrauch zu lassen, die er selbst nicht mehr schwingen konnte. Damit nun nicht eine Bodenanschwellung die Höhle verriete, liess er die Erhebung mit dem festen Erdreich in gleiche Höhe bringen. Dann zog er in den Krieg, und da er mit seinen alten Gliedern nicht mehr selbst in die Schlacht gehen konnte, stützte er sich auf die Schultern seiner Begleiter und drang so unter Beihilfe anderer vor. Er kämpfte aber mit mehr Eifer als Glück, fiel und hinterliess sein Land in schwerer Schande.

^) «fetzt der Eüstenstrich Jseder im Bezirke Stavanger.

*) Sonst ist dieser KegiHildus ni«l)t als norwegisober König bekannte

*) Ueber das Motiv von der Königstochter im Hügel vgl. Olrik in der Zeitschr. d. Ver. f. Volkskde. II, 867 ff.

374 Siebentes Buch.

Gunnarus Hess nämlich, um die Feigheit des besiegten 352 Volkes durch eine ungewöhnlich schmachvolle Bedingung zu bestrafen, statt eines Fürsten einen Hund an ihre Spitze stellen ^). Was anderes mag er wohl damit haben erreichen wollen, als dass das übermütige Volk eine gar schwere Sühne für seine Anmassung fühlen sollte, wenn sie oft ihre Häupter vor einem bellenden Hunde neigen mussten! Und damit keine Demütigung ausbliebe, ernannte er Statthalter, welche im Namen dieses Hundes die öffentlichen und privaten Ge- schäfte wahrzunehmen hatten. Auch verpflichtete er die vor- nehmsten Edlen zur dauernden und beständigen Bewachung und Pflege desselben. Ferner setzte er fest, dass jeder Höfling, der etwa den Dienst seines Herrn für verächtlich hielt und sich weigerte, ihm bei seinem vielfachen Hin- und Herrennen die schuldige Ehrerbietung zu erweisen, mit dem Verlust seiner Glieder dafür zu büssen habe. Er legte auch dem Volke eine doppelte Steuer auf; die eine war von der Fülle des Herbstes, die andere zur Frühlingszeit zu zahlen. So brach er den üebermut der Norweger und erreichte damit, dass sie nur allzu klar den Verlust ihres Stolzes erkannten, da sie sich gezwungen sahen, einem Hunde zu huldigen. 241 Als er hörte, dass des Königs Tochter in einem entlegenen

Versteck verschlossen sei, bemühte er sich mit dem Aufgebot all seines Scharfsinnes, sie ausfindig zu machen. So kam es, dass er einst, während er sich selbst mit andern ans Suchen machte, zweifelnden Ohres in der Ferne das Geräusch eines unterirdischen Murmeins hörte. Da drang er allmählich weiter vor und erkannte den Laut einer menschlichen Stimme. Er Hess den Boden unter seinen Füssen bis zum festen Unter- grunde aufgraben und sah da plötzlich, als die Höhlung offen dalag, die gewundenen Gänge. Er erschlug das Gefolge,

*) Auch andere (Quollen erziihloti diese (ioschichte vom Hiindeköoifif in X()rwo}2fen ; die Hcim^tkriii^la (90) netuit nls deu König, der ihn oin:)et;ste, iiirht den scinst unlM'kannten (liunnarus, scmtlern den Nonvejfor Eväteinn, andere den aus der Hrolfssaga V>ekannten Athislus (Aöils). J)er Hundr- kruii^ »(»Ihst hiess nach der einen Fassung Saurr, nach der andern Rakki. VkI. 3liiller II. 203.

Der Hundekönig; Gunnarus u. Drota; Haldanus. 375

welches den entdeckten Eingang der Grotte noch zu schützen versuchte, und schleppte das Mädchen samt den dort nieder- gelegten Prunkstücken aus der Höhle heraus. Diese hatte indessen mit grösster Vorsicht die Schwerter ihres Vaters dem Schutze eines noch geheimeren Gewahrsams anvertraut. Sie wurde von Gunnarus überwältigt imd gebar ihm einen Sohn, Hildigerus. Dieser eiferte so sehr der Grausamkeit seines Vaters nach, dass er immer nach Mord dürstete, nur auf das Verderben der Menschen seinen Sinn richtete und in massloser Gier nach Blut lechzte. Wegen seines unerträglich grausamen Charakters wurde er von seinem Vater geächtet, erhielt aber bald darauf von Alwerus eine Herrschaft:^) er 353 verwickelte seine Nachbarn fortwährend in blutige Kriege und verbrachte die ganze Zeit seines Lebens in den Waffen. Trotz seiner Verbannung Hess er nicht ein bisschen von seiner gewohnten Grausamkeit ab, und mit dem Wechsel des Aufenthalts trat bei ihm keine Aenderung der Gesinnung ein. Inzwischen erfuhr Borcarus, dass Regnaldus' Tochter Drota mit Gewalt die Ehe von Gunnarus aufgedrungen worden war; daher raubte er diesem Frau und Leben und vermählte sich selbst mit Drota. Diese willigte auch nicht ungern in die Heirat, da sie glaubte mit vollem Rechte den Rächer ihres Vaters umarmen zu dürfen. Denn als Tochter, die noch ihren Erzeuger betrauerte, konnte sie nie mit freu- diger Willfährigkeit dem Mörder desselben entgegen kommen. Ihr und des Borcarus Sohn hiess Haldanus ^). Während seiner ersten Jugend stand dieser im Rufe der Wildheit, aber in der Folgezeit zeichnete er sich durch die hervorragendsten und glänzendsten Thaten aus und erwarb sich die höchsten Ehren im Leben. Schon als Knabe fiel er über einen Kämpfer von bedeutendem Rufe, der ihm in kindischem Spiel einen Faustsehlag versetzt hatte, her und erschlug ihn mit dem Stabe, den er in der Hand hatte. Damit eröffnete er die Reihe seiner künftigen Heldenthaten und verwandelte die Ver-

*) Dieser Alwerus wird bald nachher als König von Schweden be- iseichnet; unter der Herrschaft ist eine Statthalterschaft zu verstehen.

*) Ueber diese Halfdansage vgl. Uhland VI, 110 und Olrik II, 246.

376 Siebentes Buch.

ächtlichkeit seines früheren Lebens für die Zukunft in den höchsten Glanz. Dieses Ereignis Hess in der That schon die Grösse seiner herrlichen Leistungen im Kriege voransahneu. Zu dieser Zeit verheerte Rötho, ein ruthenischer See- räuber unser Vaterland durch grausame Raubzüge. Seine Roheit war so gross, dass er, während andere ihren Gefangenen

242 wenigstens gänzliche Nacktheit ersparten, unbedenklich auch den verborgenen Körperteilen jede Hülle entzog. Daher pflegen wir bis auf den heutigen Tag alle schweren und un- menschlichen Räubereien als Rötho-ran^) zu bezeichnen.

854 Er wendete auch zuweilen folgende Art des Foltertodes an: Er liess die rechten Füsse seiner Opfer ganz fest an die Erde heften, während er die linken an zu diesem Zwecke herab- gebogenen Zweigen befestigte, sodass durch deren Zurück- schnellen die Körper mitten entzwei gerissen wurden^). König Hano von Fünen, der sich dadurch Ruhm und Ehre gewinnen wollte, versuchte ihn zur See zu bekämpfen, musste aber, nur von einem einzigen Mann begleitet, die Flucht er- greifen. Zu seiner Schande entstand das Sprichwort: Herr Hano kann nur etwas in seinem eigenen Heim^). Borcarus vermochte nun nicht länger das Hinschlachten seiner Mitbürger mit anzusehen und warf sich Rötho entgegen. Wie ihr Kampf war auch ihr Ende gemeinsam. Haldanus soll in dieser Schlacht schwer verwimdet worden sein und lange an

*) D. i. Kötho-Raub. Xach Müller ist dies ein ganz ungebräuchUches, Teraltetes Wort, dessen Etymologie noch dazu sehr zweifelhaft und wahr- scheinlich volksmässigen Ursprungs ist. Der Name des Räubers selbst begegnet nur noch einmal in einer dänischen Quelle.

') Nach Olrik ist dieser Zug eine Entlehnung aus der Theseussage (die Ueberwältigung des Sinnis).

*) Ein Sprichwort, welches zugleich ein Wortspiel zwischen „Hahn*^ und dem damit verwandten Namen des Königs enthält. Es lautet: Hane er hjemme rigest = der Hahn ist zu Hause am stärksten; eine andere dänische Quelle (Script. Rer. Danic. I, 154) berichtet dieselbe Geschichte von dem seeländischen Statthalter Hundingus und zitiert dann das Sprich- wort: Hund er hjemme rigest. Uebrigens kennen wir es (Müller) durch Seneca auch aus altrümischer Ueberlieferung : Qallus in suo sterqiiUinio plurimum potest = der Hahn vermag auf seinem Misthaufen am meisten* In dieser Form kommt es auch in deutscher sprichwörtlicher Rede vor.

Rötho; Haldanus und Guritha. 377

diesen Verletzungen gekrankt haben. Eine von ihnen hatte ihn sehr auffällig in den Mund getroffen, und die Narbe war so sichtbar, dass sie, während die anderen zuheilten, als eine entstellende Oeffnung zurückblieb. Denn den verletzten Teil der Lippe schwellte ein hässlicher Schürf so auf, dass der eitrige Spalt nicht mehr von neuem Fleische überwachsen werden konnte. Dieser Umstand brachte ihm einen schmach- vollen Beinamen^) ein, während doch sonst Wunden, die man vom empftngt, gewöhnlich Ruhm und nicht Schande zur Folge haben. So wird die Stimme des Volkes manchmal auch boshaft beim Auslegen der Tüchtigkeit.

Da nun indessen Guritha, die Tochter des Alfus, sah, dass der königliche Stamm bis auf sie ausgestorben war, und sie keinen ihr ebenbürtigen Mann kannte, den sie hätte hei- raten können, so that sie das Gelübde freiwilliger Keuschheit; denn sie hielt es für besser unvermählt zu bleiben als einen Mann aus dem Volke zu nehmen. Um irgend welcher Gewalt- that zu entgehen, umgab sie ihr Gemach mit einer Schar aus- erlesener Fechter. Zufällig kam Haldanus einmal zu ihr, 355 als die Recken abwesend waren, denen er einst selbst noch als Knabe einen Bruder getötet hatte, und sagte ihr, sie müsse den Gürtel ihrer Jungfräulichkeit lösen und ihre strenge Ent- haltsamkeit mit Thaten der Liebe vertauschen; sie solle nicht so sehr dem Gelübde ihrer Keuschheit nachgeben, dass sie es verschmähe, durch eine eheliche Verbindung die schwindende Herrschaft über das Reich sich wieder zu sichern. Er bat sie dann, sie möge den Gedanken einer Ehe mit ihm, der sich doch durch vornehmste Geburt auszeichne, in Erwägung ziehen, da sie ja vielleicht docli wohl aus dem genannten Grunde Liebesfreuden den Zutritt zu ihr gestatten werde. Guritha erwiderte darauf, er könne sie nicht dazu verleiten, dass sie es über sich gewönne, den letzten Spross des Königs- geschlechts mit einem Manne geringerer Abkunft zu verbinden. Und nicht zufrieden, ihn wegen seines niederen Ursprunges 248

^) Den Saxo aber nicht nennt; auch aus andern QueUen kennen wir ihn nicht.

378 Siebentes Buch.

geschmäht zu haben, warf sie ihm auch noch die Entstellung seines Gesichts vor. Haldanus antwortete, zwei Fehler habe sie ihm vorgehalten, einmal, dass sein Geschlecht nicht edel genug sei, und zweitens, dass er in seinem zerhauenen Antlitz eine unvernarbte Wunde trage. Daher werde er nicht eher zurückkehren, um ihre Hand zu erbitten, als bis er beides durch Waffenruhm getilgt habe. £r beschwor sie auch, sie möge keinem erlauben, ihr Lager zu teilen, als bis sie sichere Kunde von seiner Rückkehr oder seinem Tode erhalten habe. Die Kämpen, denen er schon früher den Bruder geraubt, waren nun entrüstet, dass er mit Guritha gesprochen, und suchten ihn zu Pferde zu verfolgen. Als er dies sah, hiess er seine Gefährten ein Versteck aufsuchen, und sagte, er wolle allein den Recken entgegentreten. Da nun seine Begleiter zögerten und es für sciimachvoll hielten, seinem Gebote zu folgen, trieb er sie unter Drohungen fort und erklärte, Guritha sollte nie hören, dass er sich aus Furcht einem Kampfe ent- zogen hätte. Dann hieb er eine Eiche ab, machte sich eine Keule daraus^), begann allein mit den zwölfen das Hand- gemenge und erschlug sie. Trotzdem war er mit dem Ruhm solch einer Heldenthat noch nicht zufrieden, sondern liess sich, um noch grössere zu verrichten, von seiner Mutter die Schwerter seines Grossvaters geben, von denen das eine Lyusingus, das andere wegen des Glanzes seiner polierten Schneide Hwytingus hiess*). Sobald er aber hörte, dass zwischen Alwerus, dem König von Schweden, und den Rutenen ein Krieg ausbreche, eilte er auf der Stelle nach Russland, bot den Einwohnern seine Hilfe an und wurde von allen mit den grössten Ehren empfangen. Aber auch Alwerus 356 stand nicht fern, da ein schmaler Landstrich nur eine kleine Entfernung zwischen ihnen herstellte. Einer von seinen Kriegern, Hildigerus, der Sohn des Gunnarus, forderte nun Streiter der Rutenen zum Zweikampfe heraus; als er aber sah, dass mau ihm Haldanus entgegenstellte, der, wie er

M Auch der norwejTischc Halfdan hinn bjarjrranimi erschien oben S. 342 als gewaltiger Keulenschwiuger. ") Vgl. II, 91 Anm. 2.

Haldanus und Guritha; seine Heldenthaten. 379

wohl wusste, sein Bruder war, gab er der Bruderliebe vor der Tapferkeit den Vorzug und sagte, er, der sich durch die Besiegung von siebzig Helden ausgezeichnet habe, möge nicht mit einem so wenig gekannten Manne fechten ^). Er forderte ihn vielmehr auf, sich an einer weniger bedeutsamen Probe zu versuchen und Aufgaben nachzugehen, die seinen Kräften entsprächen. Das sagte er aber nicht aus Zweifel an seinem Mute, sondern nur, um sich von Blutschuld frei zu halten; denn er war nicht nur sehr tapfer, sondern verstand es auch, durch Zauberlieder Schwerter stumpf zu machen*). Da er nun daran dachte, dass sein Vater von Haldanus' Vater er- schlagen worden war und er von zwei Gefühlen, dem Wunsche, seinen Vater zu rächen, und der Bruderliebe erfüllt war, hielt er es für besser, die Herausforderung zurückzuweisen, als sich in die schwerste Schuld zu verstricken. Als Haldanus an seiner Stelle einen andern Gegner verlangte, erschlug er den gegen ihn herausgeschickten, und bald wurde ihm auch nach Ansicht der Feinde die Palme der Tüchtigkeit zuerkannt und 244 er durch allgemeinen Zuruf als der Tapferste von allen aus- gezeichnet. Am folgenden Tage griff er zwei im Kampfe an und tötete sie ; am dritten Morgen besiegte er drei ; am vierten überwand er vier, die mit ihm fochten. Am fünften forderte er fünf heraus; als er sie erschlagen hatte und unter gleichem Zuwachs an Kämpfen und Siegen bis zum achten Tage gelangt war, streckte er elf nieder, die ihn zugleich angriffen. Da nun Hildigerus sah, dass der Ruhm seiner Heldenthaten von der hervorragenden Tapferkeit jenes erreicht sei, konnte er sich nicht länger gegen den Kampf mit ihm weigern. Als er merkte, dass er von dem mit Lumpen umhüllten Schwerte

*) l)io Geschichte von dem tragfisch endenden Brudorkampfe erzählt, allerdings z. T. mit anderen Xamen die isländische Asmundärsaga Kappa- bana (hrsg. von Detter in „Zwei Fomaldarsögur**, Halle 1891, S. 81 flF.) so- wie ein täröisches Asmundslied. Hildigerus heisst dort Hildebrand, ein Name, der neben andern Umständen auf einen Zusammenhang mit der deutschen Hildebrandsage hinweist Vgl. Jiriczek, Deutsche Helden- sagen I. 285 flf. und 329 ; ßoer i. d. Beitr. zur Gesch. d. deutsch. Sprache und Litt. XXII (1897) 342 ff.

') Vgl. oben S. 342 Anm. 1.

380 Siebentes Buch.

seines Gegners eine tötliche Wunde erhalten hatte, warf er die Waffen weg und redete, am Boden liegend, seinen Bruder mit folgenden Versen an:

„Gern möchte ich noch im Wechselgespräch eine Stunde hinbringen und, \vährend das Schwert ruht, ein wenig auf der Erde sitzen, um die Zeit auf Unterhaltung zu verwenden und unsere Herzen zu befriedigen. Ich habe noch Zeit für meinen Vorsatz; denn verschiedenes Geschick ist uns beiden bestimmt;

3«7 den einen rafft mit sicherem Griff das Todeslos hin, des an- deren harrt Prunk und Ehre in besseren Jahren und die Freiheit, weiter zu leben. So ist unser beider Bestimmung verschieden eingerichtet*). Dich gebar dänische Erde, mich schwedischer Boden. Drota hat dir einst die Mutterbrust gereicht; sie gebar auch mich, und so bin ich dein Milch- bruder*). Siehe, ein guter Sohn stirbt jetzt, der es gewagt hat, mit grausen Waffen zu streiten. Edlem Blute ent- stammte Brüder sinken nieder, nach dem sie sich selbst mit Mord bedroht ; während sie nach dem Gipfel der Macht streben, verlieren sie ihre Tage, in der Begier nach dem Scepter finden sie den Tod und werden in gemeinsamem Schicksal zum Styx wandeln. Zu meinen Häupten lehnt ein schwedischer Schild '), diesen schmückt ein glänzendes, klaresBild in erhabener

358 Arbeit, und kunstvolles Schnitzwerk ziert ihn in wunderbarer Ausführung. Dort zeigt ein vielfarbiges Gemälde die Erlegung der Edlen, die Besiegung der Kämpfer, Kriege, und die glän- zenden Thaten meiner Hand. In der Mitte steht in prächtiger Arbeit das Bild meines Sohnes gezeichnet, dem diese meine

*) Die beiden letzten Sätze entsprechen ziemlich genau einer Strophe in der Asmundarsaga (Detters Ausgabe S. 98,1); deutsch lautet sie wört- lich: Sehr schwer ists, dem vorzubeugen, wie (oder dass) [einer] geboren werden soll einem andern zum Tode.

*) Ebenso diese Verse; nrd. : Dich gebar Drott in Dänemark, mich selbst in Schweden. Diese Strophe ist besonders auffällig, weil io der Saga vorher die Mutter der Brüder nicht Drott, wie bei Saxo, sondern Hildr heisst. Die nächsten fünf Verse bei Saxo weichen ganz von denen der Saga ab.

') Hier beginnt dagegen wieder eine recht genaue U oberein Stimmung mit der Ueberlieferung der Saga.

Haldanus und Hildigerus. 381

Hand den Lebensfaden durchschnitt ^). Er war mein einziger Erbe, die einzige Sorge meiner Vaterliebe, der Mutter zum Tröste vom Himmel gegeben. Ein schlimmes Geschick, welches unheilvolle Jahre auf glückliche häuft, erdrückt die Freude 245 durch Trauer und erschwert einem sein Los. Denn traurig und elend ist es, ein verworfenes Leben zu führen, jammer- voll seine Tage zu verbringen und sein Geschick zu beklagen. Was auch immer der voraus bestimmende Beschluss der Parcen verhängt, was auch immer der geheimnisvolle göttliche Rat- schluss verhüllt, was auch immer vom Walten des Schicksals vorhergesehen ist, das wird nie ein W^andel dieser hinfälligen Welt abändern«)."

Auf diese W^orte hin tadelte ihn Haldanus für seine Trägheit, dass er erst so spät das Bekenntnis ihrer brüder- lichen Zusammengehörigkeit ablegte. Jener antwortete, er habe deshalb geschwiegen, damit man ihn nicht wegen einer 359 Weigerung gegen den Kampf einen Feigling oder wegen seiner Einwilligung einen Verbrecher nennen könne. Mit dieser Ent- schuldigung starb er. Bei den Dänen aber hatte sich das Gerücht verbreitet, Haldanus sei von Hildigerus erschlagen worden. Darnach begann Siwarus, ein sehr vornehmer Sachse, um Guritha, die allein noch vom Königsgeschlecht in Dänemark übrig war, zu werben. Da diese aber im Stillen Haldanus vorzog, so stellte sie ihrem Freier die Bedingung, er dürfe nicht eher um ihre Hand anhalten, als bis er das jetzt in Stücke zerrissene Dänenreich wieder zu einem ein- zigen Körper vereint und das unrechtmässig Entrissene mit den Waffen wiedergewonnen hätte. Siwarus versuchte das vergeblich, bestach aber alle Hüter, und so musste sie endlich in die Verlobung einwilligen. Haldanus hörte das in Russland

^) Aus Suxos Darstellung erfahren wir sonst nichts über diesen Kindes- mord; in der Asmundarsaga wird aber erzählt, wie Hildebrand bei der Nachricht, dass alle seine Recken von ein und demselben Helden besiegt worden sind, in einem Anfall von Berserkerwut seinen eigenen Sohn um- bringt. S. Jiriczek a. a. O.

*) Der Schluss ist wieder in beiden Darstellungen abweichend ge- staltet.

382 Siebentes Buch.

und verlegte sich nuu mit solchem Eifer auf die Seereise^ dass er noch kurz vor der Hochzeit ankam ^). Als er am ersten Tage derselben im Begriff war, in die Königshalle zu gehen, gebot er zuvor noch seinen Begleitern, sie sollten sich nicht eher aus dem ihnen angewiesenen Aufenthaltsorte ent- fernen, als bis sie in der Ferne das Klirren seines Schwertes hörten. Sobald er nun, von den Festgenossen unerkannt, vor der Jungfrau stand, sang er, um nicht durch unverhüllte, ge- wöhnliche Rede noch mehreren verständlich zu werden, fol- gendes Lied mit dunklem Wortlaut:

„Als ich des Vaters Scepter verliess, fürchtete ich nicht den Trug weiblicher Lüge oder frauenhaften Wankelmut. Einst

246 erschlug ich in siegreichem Kampfe einen und zwei, drei und vier, fünf dann und sechs, nachhef sieben und gleich acht, ja elf allein. Auch glaubte ich damals nicht von einem tadeln- den Vorwurf betroffen zu werden, von einem leichtsinnigen Ver- sprechen, von einem unrechtmässigen Gelübde."

360 Darauf erwiderte Guritha:

„In schwächlicher Herrschaft über die Ereignisse schwankt mein Herz, irrend in zagendem und unsicherem Leichtsinn. Die Kunde über dich war ungewiss und zweifelhaft, von ver- schiedenen Erzählungen entstellt, und quälte meine bangende Brust. Ich fürchtete, die Jahre deiner zarten Jugend seien durch das Schwert geendet. Konnte ich denn allein den Aelteren und meinen Leitern widerstehen, wenn sie mich an einer Weigerung hinderten und zu einer Heirat nötigten? Meine Liebe nnd Neigung bleibt dieselbe; bald soll sie dir ganz gehören. Mein Gelübde ist nicht gebrochen, sondern wird bald treu erfüllt werden."

Nicht habe ich nämlich mein Versprechen dir gegenüber gebrochen, obgleich ich allein stand, dem vielfachen, eindring-

*) Müller macht auf die Aehnlichkeit der jetzt folgenden Geschichte (Guritha und Haldanus) mit der von Signe und Gram (ß. I S. 26 ff.) auf- merksam, die sich sogar bis auf den Wortlaut der darin eingeflochteoen Lieder erstrockt. Die Asmundarsaga schliesst mit einer ähnlichen Episode, mit der Vermählung Asuiunds mit einer verwaisten dänischen Prinzessin. Zwei darin vurkommcndo Liederstrophen entsprechen fast genau dem gleich folgenden liiodo des Haldanus bei Saxo.

I

Haldanus und Goritha. 383

lieben Zureden mich nicht entziehen und den tadelnden Er- mahnungen betreffs Annahme des Ehejoches mich nicht wider- setzen konnte*). Noch hatte die Jungfrau ihre Antwort nicht vollendet, als Haldanus schon ihren Bräutigam mit dem Schwerte durchbohrte. Und nicht zufrieden damit, den einen erschlagen zu haben, hieb er gleich den grössten Teil der Tischgäste nieder. Als nun die Sachsen, in ihrer Trunken- heit rückwärts taumelnd, auf ihn eindrangen, wurden sie von seinen Landsleuten, die zu Hilfe eilten, niedergemetzelt. Dar- nach bemächtigte er sich Gurithas. Er merkte aber nun, dass sie mit Unfruchtbarkeit geschlagen war, und da er den innigsten Wunsch hatte, Kinder zu bekommen, eilte er nach Upsala^), um Fruchtbarkeit für sie zu erbitten. Dort erhielt er in der Antwort die Aufforderung, wenn er einen Nachkommen erzeugen wolle, müsse er erst die Manen seines 361 Bruders durch ein Opfer versöhnen; als er das Orakel befolgt hatte, sah er zu seinem Tröste seinen Wunsch erfüllt. Denn er bekam von Guritha einen Sohn undhiess ihn Haraldus'). In dessen Namen versuchte er das durch die Gewaltthaten

') Diese Prosasätze gehören dem Sinne nach noch zum vorigen Liede.

*) D. i. die Hauptkultstätte Schwedens; s. Mogk i. Grdr. III, 396; einen ähnlichen Besuch fanden wir schon VI, S. 290.

*) Die hier beginnende Sage von Harald Hildetand zieht sich ein- schliesslich mehrerer Episoden bis ins VIII. Buch hin (S. 264 H.) ; man kann sie mit Olrik in folgende sechs Hauptabschnitte zerlegen : 1. Haralds Geburt auf Geheiss der Gottheit. 2. Odins Fürsorge für ihn. 3. Tod seines Vaters, Flucht seiner Mutter, seine Kache. 4. Einigung Dänemarks. 5. Seine Siege über auswärtige Völker. 6. Die Bravallaschlacht. Norwegische und dänische Ueberlieferung begegnen sich häufig in dieser Sage. Wichtig ist sie besonders auch für die Kenntnis Odins, der überall ausser im 3. u. 4. Abschnitt persönlich eingreift; Tgl. darüber Uhland Sehr. VII, 234 u. Olrik II , 85 ff. Ueber die ungenauen und widerspruchsvollen genea- logischen Angaben Saxos s. oben S. 358 Anm. 1 ; nach dem isl. Bruchstück Sögubrot af nokkrum fornkonungum i Dana ok Sna veldi (Fomald. Sögur I, 363 ff.) sind Hrmrekr und AuÖr seine Eltern; s. auch d. Lied v. Hyndla Str. 29 = Gerings Edda S. 123 u. Anm. 2. Das Motiv von dem spät und auf besonderes Einwirken der Gottheit geborenen Kinde, das zu einer hervorragenden Lebensthätigkeit bestimmt ist, ist sehr häufig; ausser an nordische Parallelen, auf die Olrik verweist, kann man auch an biblische denken.

3g 4 Siebentes Bcch.

der Grossen zerrissene Reich der Dänen wieder in seinen 247 früheren Zustand zu bringen; aber während er in Seeland Krieg führte undWesetus ^), einen Fechter von bedeutendem Ansehen, im Kampfe angriff, fiel er. Guritha hatte in Männerkleidnng ans Liebe zu ihrem Sohne an der Schlacht teilgenommen, und als sie dies sah, trug sie ihren Sohn, der trotz der Flucht seiner Gefährten allzu eifrig fechten wollte, auf ihren Schultern in einen nahen Wald. Die Mattigkeit zumeist hielt die Feinde von einer Verfolgung zurück. Aber einer tou ihnen durchbohrte doch Haraldus, wie er so hing, mit einem Pfeile den Hintern^). Daher glaubte dieser, die Fürsorge seiner Mutter habe ihm mehr Schande als Hilfe gebracht.

Haraldus war von ausnehmender Schönheit und be- sonderer Grösse, übertraf seine Altersgenossen an Kraft und Gestalt und erfuhr Othinus* Gunst, auf dessen Orakel hin er offenbar geboren war, in solchem Masse, dass kein Schwert die Unversehrtheit seines Körpers schädigen konnte'). So kam es, dass Geschosse, die andere verwundeten, unfähig waren, ihm eine Verletzung beizubringen. £r aber war für diese Gabe nicht undankbar; denn er soll alle Seelen, die er mit dem Schwerte vom Körper geschieden, Othinus gelobt haben ^). Er Hess auch zum Andenken an seinen Vater einen Bericht von dessen Thaten iuBlekinge durch Künstler in einen Felsen aufzeichnen, dessen ich schon gedacht habe *). Darauf vernahm er, dass Wesetus in Schonen Hochzeit halten wollte, und begab sich nun in Gestalt eines Bettlers

*) Ueber diesen ist sonst nichts bekannt, obwohl sich der Name Doch öfters findet.

«) Vgl. D, 89 Anm. 2.

') Dasselbe berichten in mehr rationalistischer Weise die Sögubrot. Zu der Thatsache selbst vgl. die Nachrichten über BaldrlD, 119 und über Frogerus IV, 188.

*) Hier zeigt sich Odin besonders in seiner Eigenschaft als Todetgott und Führer der Toten.

•) Vorrede 8. 9; siehe dort Anm. 8. Die Volkssage mochte die vermeintliche Inschrift mit dem wohlbekannten Halfdan in Verbindung bringen; lesen und verstehen konnte man ja naturgomäss nie etwas davon

Thaten des Haraldus. 385

dorthin. Als das Nachtmahl beendet war und alle in tiefem Rausch und Schlummer lägen, stiess er das Brautgemach mit einem Balken ein. Wesetus versetzte ihm mit einem Knüttel, ohne ihn dabei zu verwunden, einen so heftigen Hieb auf die Backe, dass er ihm zwei Zähne ausschlug ; den Verlust aber machte bald darauf das unerwartete Nachwachsen von Mahlzähnen wieder gut. Dieses Ereignis brachte ihm den Namen Hyldetan ein, den er nach dem Bericht anderer 3(^2 wegen seiner hervorstehenden Zähne bekommen haben soll ^). Er erschlug nun dort Wesetus und gewann die Herrschaft über Schonen. Dann griff er Hatherus in Jütland an und tötete ihn. Dessen Fall verewigt der noch andauernde Name einer Stadt*). Darnach warf er Hundingus und Röricus nieder, eroberte Lethra und vereinte so das zerrissene Dänen- reich wieder zu seiner früheren Gestalt'). Darauf erhielt er die Nachricht, dass Asmundus, der König der Wikarer*), von seiner älteren Schwester vom Throne gestossen sei, und da er sich über solche Anmassung eines Weibes ärgerte, kam er, während der Kampf noch unentschieden war, mit nur einem Schiffe nach Norwegen, um Asmundus Hilfe zu bringen. Als die Schlacht begann, drang er, in einen Purpurmantel gekleidet, in goldgestickter Kopfbinde und mit offenem Haupthaar gegen den Feind vor und vertraute in stiller Zuversicht so sehr auf sein Glück, dass er lieber in Festkleidung als in Kampfes- rüstung erschien. Aber seine Gesinnung stimmte nicht mit diesem Aufzuge überein. Denn obwohl unbewaffnet und nur mit den 2iS königlichen Abzeichen geschmückt, zog er doch den Scharen

*) Der zweite Bestandteil des Beinamens Hildetand (isl. Hilditönn) ist dän. tand = Zahn ; beim ersten scheint Saxos an das Verb, hvlde = verhüllen, bedecken zQ denken. Eine richtigere Etymologie leitet ihn von hildr = Kampf ab, ein Wort, das sich in sehr vielen Namen (z. B. Hilde- brand, Hildegard, Hildegund) ündet.

*) I). i. nach Müller Hadersleb in Schleswig.

») Mit dieser Einigung Dänemarks unter seiner Herrschaft ist die Zeit der fünf Könige vorüber. Die beiden letzten Berichte sind rein dänischen Ursprungs.

*) Das sind die Einwohner der siid norwegischen ProWnz Vigen ; vgl. B. V, S. 258 Anm. 2.

Saxo Graxninaticus. 25

386 Siebentes Buch.

der Bewaffneten voran und setzte sieh selbst, schutzlos wie er war, den heftigsten Gefahren des Kampfes aus. Allein die auf ihn geschleuderten Waffen verloren, als ob sie stumpf wären, jede schädliche Wirkung. Als ihn nun die übrigen bei einem neuen Angriff so ungedeckt fechten sahen, nötigte sie die Scham zu einem heftigeren Vordringen gegen ihn. Haraldus aber, selbst unverletzt, tötete sie oder zwang sie 863 zur Flucht. So verschaffte er Asmundus, nachdem er dessen Schwester niedergeworfen, seine Herrschaft wieder. Als ihm nun Belohnungen für seinen Sieg angeboten wurden, sagte er, der Ruhm genüge ihm allein als Preis, und er zeigte sich ebenso grossherzig in der Zurückweisung der Geschenke, wie vorher bei seinem Bestreben, sie zu verdienen. Dadurch er- regte er bei allen Bewunderung über seine Bescheidenheit wie über seine Tapferkeit; denn er hatte bezeugt, dass er bei seinem Siege nur Ruhm, nicht Geld davon tragen wollte. Unterdessen starb der Scliwedenkönig Alwerus und hinterliess drei Söhne, Olawus, Ingo und Ingeldus^). Von diesen erklarte Ingo, nicht zufrieden mit den Ehren seines väterlichen Erbes, den Dänen den Krieg, um seine Herrschaft zu erweitern. Als nun Haraldus den Ausgang desselben durch Orakel zu erfahren wünschte, trat ihm ein Greis von ungewöhnlicher Grösse, einäugig und in einen rauhen Mantel gehüllt, entgegen^). Dieser erklärte ihm, er heisse Othinus und verstehe sich wohl auf das Kriegshandwerk; er gab ihm auch eine sehr nützliche Anweisung, wie das Heer in Schlacht- reihe aufzustellen sei'). Er hiess ihn, wenn er zu Lande

*) Ueber diese schwedischen Fürsten ist sonst nichts bekannt.

*) Ebenso erschien Odin dem Haddinj^; I, 34.

•) Vgl. die kürzere Beschreibung der keilförmigen Schlachtreihe L 49. Die hier gegebene ist zwar recht austÜhriich, aber wegen der ge- schraubten Ausdnicksweise doch nicht ganz klar. Von mehrerern Versuchen, sie möglichst gut zu deuten, ist der von Müller (1,363 ff. in den einzelnen Anmerkungen u. II, 214 fl.) wohl der beste: von ihm stammt auch die nebenstehend mitgeteilte, etwas veränderte Zeichnung.

Sieg des Haraldus; die keilförmige SchlachtreLhe.

387

Spitze

Flügel

Glitte

Flügel

Junge Mannschaft

Veteranen

Schleuderer

^'el•schiedene Truppen

Nachhut

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s

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25*

;3>$8 Siebentes Buch.

«inen Krieg beginnen wollte, seine Truppen in drei Treffen teilen« deren jedes zwanzig Mann tief sein sollte ; das mittel- ste sollte die andern um zwanzig Mann an Ausdehnung über- treffen; dieses sollte auch eine kegel- oder pyramidenförmige Spitze haben, und die Flügel sollten auf beiden Seiten schräg zulaufen. Die Aufstellung innerhalb jedes Treffens aber sollte

3H4 er so einrichten, dass die Fronten mit zwei Mann begönnen und dann jede weitere Reihe um einen Mann verstärkt würde ^). In die zweite Reihe sollte er also drei, in die dritte Tier Mann stellen und so weiter nach hinten zu dasselbe fort- iichreitende Verhältnis einhalten, bis das äussere Verbindungs- glied die Flügel erreichte. Jede Flanke sollte von Zehner- reihen gebildet werden. Hinter diese Truppen sollte er die mit Speeren ausgerüstete junge Mannschaft stellen und in deren Rücken eine Abteilung Veteranen, welche die etwa wankenden Kräfte ihrer Genossen gewissermassen durch ihre alte, erprobte Tapferkeit verstärken sollten. Daran würde

249 ein kundiger und wohl berechnender Feldherr die Scharen der Sehleuderer schliessen, die hinter ihren Kameraden stehen und aus der Ferne den Feind mit ihren Geschossen beun- ruhigen sollten. Hinter diese könnte er dann Soldaten be- liebigen Alters und verschiedener Gattung reihen, ohne Kiicksicht auf ihre Stellung. Uebrigens sollte er aber die letzte Staffel ebenso wie die erste in drei Treffen teilen und in demselben Zahlenverhältnis anordnen. Der Rücken, der auf die vorderen Massen träfe, würde diese selbst durch den Widerstand einer entgegengesetzten Front schützen*). Wenn

nu.' aber ein Seekrieg stattfände, sollte er einen Teil der Flotte

^) Die Zunahme regelt sieh also voa Glied zu Glied in arithmetischer Pni^(\M»i()n von 2 bis 11 Mann in zehn Keihen; an diesen Keil schliesst Mich diinn das ebenfalls zehn Keihen (zu 11 Mann) tiefe Viereck. Die Verstärkung der Mitte wird man nach dem unklaren Text (mediam vero (lU'ioml XX. virorum numero reli(}uis porrecciorem extenderet) in einer Verliiugerung der Keilsjiitze um 5 Reihen (zu 2, 3, 4, 5 und H ^ 20 Mann) j«t*hon niiisH«Mi, \vo(luroh sich die (Trundlinie auf 16 Mann erhöht.

') Dioso Nachhut steht demnach den übrigen Kämpfern Rücken gc>jon Riickou jjoj;iMni)»<»r, um dem Feinde bei einem etwaigen Rücken» Überfall soF<»rt die Stirn bieten zu können.

Die keilförmige Schlachtreihe. 389

absondern, der, während er selber seinen beabsichtigten Angriff ausführte, die feindlichen Schiffe durch fortwährendes Kreuzen beunruhigen sollte. Mit diesen Plänen ausgerüstet, überraschte er Ingo und Olawus noch bei ihren Vorbereitungen zum Kampfe in Schweden und schlug sie. Ihrem Bruder Ingeldus, der wegen seiner angeblich schwachen Gesundheit durch Ge- sandte um einen Waffenstillstand ersuchte, gewährte er seine Bitte, damit seine Tapferkeit, die es doch gelernt hatte, das Unglück zu schonen, keine Ausgelassenheit zeige in den Zeiten eines schweren und demütigenden Schicksals eines andern. Bald darauf wurde er von jenem noch durch die Entführung seiner Schwester gereizt und beleidigt; als er ihn aber durch einen langen Kampf, dessen Ausgang zweifelhaft war, geschwächt hatte, gewann er sich wieder seine Freundschaft, da er es für besser hielt, in ihm einen Bundesgenossen als einen Feind zu haben ^).

Wie er darnach hörte, dass zwischen Olawus, dem Könige der Thronder,*) und den Jungfrauen Sticla und Ru- sila^) ein Kampf um die Königs würde stattfinden sollte, be- gab er sich voller Entrüstung über die Anmassung der Frauen heimlich und ohne Zögern zu jenen, legte ein Ge- wand an, unter dem er seine hervorspringenden Zähne ver- bergen konnte, und griff die Jungfrauen an. Beide fielen und hinterliessen jede einem Hafen einen Namen, der noch an sie erinnert*). Damals legte er den hervorragendsten 366 Beweis für seine Tapferkeit ab; denn nur mit einem Hemd unter den Schultern bekleidet, gab er ungeschützt seine Brust den Waffen preis. Als ihm aber Olawus eine Be-

») Vgl. B. VI S. 281 u. Anm. 1.

') D. s. wohl die Bewohner der Gegend von Drontheim (Throndhjem) in Norwegen. (Im anrd. bezeichnet I>rändheiinr den Gau).

•) Vgl. IV, 190, u. A. 1, V, 259 u. A. 3 u. Vin, 416 ff.; ursprünglich gehören diese Schildmädchen gewiss nur in die Harald Kampfzahnsafjre (Brawal laschlacht) und sind bloss als beliebte Zierfiguren in die andern Sagen übernommen worden.

*) Ein Hafen Kuslar liegt am Eiagaoge des Sognefjords, ein Stikla- see auf der kleinen Insel Karmö gegenüber der Mündung des Stavanger- fjords ; Tgl. über das sonstige Vorkommen dieser Namen Olrik ü, 8S Anm*

390 Siebentes Buch.

lohming für seinen Sieg anbot, wies er die Gnade zurück und Hess es so ungewiss, ob man ihm höheren Preis für seine Tapferkeit oder für seine Genügsamkeit zollen sollte. Darauf griff er einen friesischen Recken, Namens Ubbo, an, der das Gebiet seiner Landsleute in zahlreichen Einfällen verwüstete. Als er ihn mit den Waffen nicht überwältigen konnte, hiess er seine Soldaten ihn mit den Händen ergreifen, schlug ihn zu Boden und legte den Besiegten in Fesseln. So hatte er nun den, von dem er eben die schwerste Nieder- lage befürchtete, in einer schmählichen Art der Ueberwälti- gung völlig überwunden. Er gab ihm dann seine Schwester zur Frau und gewann ihn als seinen Genossen. Darauf machte er die Grenzvölker am Rheine tributpflichtig und hob aus den tapfersten dieses Volkes ein Heer aus. Im Vertrauen auf dieses unterjochte er Slavien, liess aber die Fürsten dieses Landes, Duc und DaP), wegen ihrer Tapferkeit nur gefan-

250 gen nehmen, nicht töten. Er gewann sie für seine Dienste und unterwarf dann mit Waffengewalt Aquitanien*). Als- dann zog er nach Britannien, tötete den König der Humbrer und zog die kriegstüchtigsten jungen Leute bei den Besiegten für sich ein. Als der hervorragendste von diesen

367 galt Orm mit dem Beinamen der Britannier. Der Ruf von diesen Thaten zog Kämpfer aus den verschiedensten Welt- gegenden zu ihm heran, und er vereinigte sie zu einer Söldnerschar. Gestützt auf ihre grosse Anzahl hielt er die Bewegungen in allen Reichen durch die blosse Furcht vor seinem Namen so sehr in Schranken, dass er ihren Beherrschern die Lust benahm, sich gegenseitig zu bekämpfen; es wagte aber auch niemand, sich ohne seine Einwilligung die Herr- schaft zur See anzumassen. Denn in alten Zeiten war in Dünemark die Herrschaft zu Lande und zur See getrennt.

M Diese \amen wie auch der des oben erwähnten l'l)b(» bejfegnon tjoehmals im Vlll. Huehc bei der Autzahhinp der Teilnehmer an der Bra- wallaijohlacht.

*) Wahrscheinlich ist diese (reschichte vcm Saxo von einem späteren historischen Harald, dem Blauzahn. anf dessen sagenhaften Namensvetter übertragen worden.

Sieg des Haraldus; Olo der Kühne. 391

Unterdessen starb in Schweden Ingeldus und hinterliess seinen Sohn Ringo, den ihm Haraldus' Schwester geboren hatte, als noch ganz kleinen Knaben. Haraldus übergab ihm die Herrschaft seines Vaters und setzte Vormünder für ihn ein. Dann verbrachte er, als er die Provinzen und Fürsten so unterworfen hatte, fünfzig Jahre in Ruhe. Um aber während dieser Unthätigkeit nicht eine Erschlaffung des Mutes seiner Soldaten herbeizuführen, verordnete er, dass sie eifrig von Fechtern die Kunst, Schläge auszuteilen und abzu- wehren, erlernen sollten; einige von diesen, welche sich durch eine ganz besondere Kunstfertigkeit im Fechten auszeichneten, trafen immer mit unfehlbarem Streiche die Augenbrauen ihrer Gegner. Wenn aber einer bei Empfang solch eines Hiebes etwas ängstlich mit den Wimpern zuckte, wurde er als- bald vom Hofe Verstössen und hatte ausgedient^).

Zu derselben Zeit führte den Olo, den Sohn des Sywardus und der Schwester des Haraldus, der Wunsch seinen Oheim zu sehen aus norwegischem Gebiet naeh Dänemark. Da dieser bekanntlich in des Haraldus Gefolgschaft die erste Stelle einnahm und nach dem Schwedenkönige den Thron von Däne- mark bestieg, so gehört es wohl zu unserer Aufgabe, das, was 36a von seinen Thaten überliefert ist, zu erwähnen 2). Olo legte also, als er sein fünfzehntes Jahr beim Vater verbrachte, schon ganz unglaubliche Proben von seinen geistigen und körperlichen Gaben ab. Er war ferner so furchtbar anzu- schauen, dass das, was andere mit den WaflFen ausrichteten, er allein durch seine Augen beim Feinde vollbraclite und selbst die Tapfersten durch seinen flammenden Blick er- schreckte. Als er die Nachricht erhielt, dass Gunno, der Beherrscher von Thelemarchien, mit seinem Sohne Grimo

*) Ein ähnliches Gesetz gab es bei den Jorasvikingern.

') Hiermit beginnt die in die Haraldssage eingeschaltete Sage von Ole dem Kühnen (hinn frcekni), der im VIII. B. S. 413 nochmals auftritt. Nach Olriks scharfsinnigen Ausführungen ist dieser Olo derselbe, dessen erste Jugendgeschichte am Schlüsse der Fridlewussage VI, 189 unter den Namen Olawus erzählt wurde. Vgl. Olrik II, 68 ff. u. Uhland Sehr. VII, 265.

392 Siebentes Bach.

den Wald Ethascoug ^), der ganz dicht bewachsen und reich an dunklen Gründen war, mit Räubereien heimsuchte, wurde er von Unwillen über diesen Frevel erfüllt; dann verlangte er von seinem Vater einen Hund, ein Pferd und eine brauch- bare Rüstung und verwünschte seine Jugend, die es mit sich bringe, dass seine Zeit, die doch zu Heldenthaten bestimmt 251 sei, ungenutzt verstreiche. Er erhielt das Gewünschte, durch- forschte den vorgenannten Wald aufs genaueste und bemerkte die Fussspuren eines Mannes ziemlich tief in den Schnee ein- gedrückt. Denn die durch das Gehen verletzte Schneedecke hatte ihm den Weg des Räubers verraten. Dieser Spur folgend überschritt er den Kamm eines Berges und stiess dann auf einen sehr breiten Strom. Da dieser das weitere Erkennen der vorigen menschlichen Fährten verhinderte, beschloss er überzusetzen. Aber schon die Wassermasse selbst, die in reissender Strömung die jagenden Wellen dahinführte, schien wegen der Schwierigkeit die Möglichkeit eines Ueberganges zu verbieten. Denn das Wasser war voller verborgener Klippen und wirbelte den ganzen Lauf in schäumenden Strudeln daher. Indessen der Wunsch vorwärts zu kommen hatte aus Olos Herzen alle Angst vor Gefahr entfernt. Sobald nun einmal die Furcht mannhaft besiegt und die Gefahr kühn verachtet war, hielt er nichts, was ihm beliebte, für zu schwierig, und er durchritt die brausenden Wirbel. Als er sie glücklich überwunden, kam er an eine enge Stelle, die von allen Seiten vollständig von Sümpfen umgeben war, und das Betreten des Innern verhinderte ein zum Schutz davor errichteter Damm. Er setzte mit seinem Pferde hinüber und bemerkte eine Einfriedigung mit vielen Ställen. Als er eine Pferdeherde daraus vertrieb und sein eigenes Ross hineinfuhren wollte, wurde er von einem gewissen Toko, (das war ein Knecht Gunnos) der sich über solch eine Unverschämtheit des Fremden ärgerte, hitzig angegriffen, aber er machte den An- dringenden durch das blosse Vorhalten seines Schildes un- schädlich. Da er es für schmählich hielt, ihn mit dem

*) Ein Wald an der Grenze zwischen Schweden und Norwegfcn; altnrd. (denn er kommt auch in andern Berichten vor) EiOasko^.

Olo und Grimo; dessen Todeslied. 393

Schwerte zu töten, ergriff er ihn, zerriss ihn in Stücke und 369 warf sie hinüber in das Haus, aus dem er so vorschnell heraus- gekommen war. Diese Schande erbitterte heftig Gunno und Grimo, sie eilten zu verschiedenen Thüren heraus und stürzten sich zu gleicher Zeit auf Olo, ohne auf den Stand seines Alters oder seiner Kräfte Rücksicht zu nehmen. Sie wurden tödlich von ihm verwundet, und als ihnen schon die Kräfte ausgingen, sang Grimo, obwohl er bereits in den letzten Zügen lag, und ihm fast alle Lebenskraft entflohen war, mit äusserster Anstrengung seiner Stimme folgendes Lied :

„Wenn auch unsere Körperkraft geschwächt ist und das entströmende Blut unsere Stärke erschöpft, wenn auch das Leben aus der Wunde entflieht und kaum noch in der zer- rissenen Brust schlägt, so soll dennoch, denke ich, durch unsere Anstrengung die Not der letzten Stunde durch uner- schrockenes Wagen berühmt werden; denn keiner soll sagen, es sei je ein Kampf mutiger bestanden oder besser ausge- fochten worden, und der wilde Streit soll, solange wir die Waffen führen, uns den Lohn ewigen Ruhmes erringen, wenn 252 unser Leib ermattet im Hügel ruht. Der erste Hieb zer- malme die Schulterblätter unseres Feindes, und das Schwert schneide ihm beide Hände ab, damit, wenn uns der stygische Pluto empfängt, auch den Olo gleiches Verderben erwarte, damit ein gemeinschaftlicher Tod über drei Männer herein- breche, und eine Urne die Asche dreier umschliesse."

Soweit Grimo. Sein Vater aber wetteiferte mit ihm an unbezwinglichem Mute, und um die tapferen Worte seines Sohnes auch mit einer Mahnung seinerseits zu begleiten, begann er folgendermassen:

„Obgleich unsere Adern schon aufs äusserste von Blut leer sind und nur noch kurzes Leben im verstümmelten Körper weilt, soll doch die Anstrengung unseres letzten Kampfes so gross sein, dass sie unsern Ruhm nicht auch kurz sein lässt. Darum ziele der Speer zuerst nach der Schulter und den Armen des Feindes, damit das Werk seiner Hände geschwächt werde. So wird uns dreien nach dem Tode ein

394 Siebentes Buch.

gemeinsames Begräbnis zu teil werden, und dieselbe Urne wird die vereinte Asche von uns dreien bergen."

370 Nach diesen Worten erhoben sich beide auf die Kniee

(denn die Nähe des Endes hatte schon ihre Kraft erschupft) und bemühten sich mit aller Anstrengung noch Mann gegen Mann mit Olo zu kämpfen, um womöglich noch im Tode ihrem Feinde das gleiche Geschick zu bereiten. Ihr eigenes Los achteten sie für nichts, wenn sie nur den, von dessen Hand sie fielen, zugleich mit sich ins Verderben hätten ziehen können. Einen von ihnen tötete Olo mit dem Schwerte, den andern durch seinen Hund. Aber er selbst trug auch keinen unblutigen Sieg davon; denn während er bisher unversehrt geblieben war, erhielt er jetzt eine Wunde vorn auf der Brust. Sein Hund aber beleckte sie ihm eifrig, und so gewann er seine Körperkraft wieder. Dann hängte er, um die Kunde von seinem Siege zu verbreiten, die Leichen der Räuber an einen Galgen, so dass sie weithin zu sehen waren. Uebrigens bemächtigte er sich ihrer Feste, und was er darin an Beute fand, barg er in heimlichem Gew'ahrsam zum Gebrauch für künftige Zeiten.

Zu dieser Zeit ging die unverschämte Zügellosigkeit der Brüder Scatus und Hiallus^) soweit in ihrer Frechheit, dass sie schöne Jungfrauen ihren Eltern raubten und schändeten. So kam es, dass sie sich auch Esa, die Tochter des Olawus, des Fürsten der Wermen*), als Beute ausersahen und es ihrem Vater anheimstellten, selbst oder durch einen andern für den Schutz seines Kindes zu sorgen, wenn er nicht wolle, dass

253 es der Lust der Fremden zum Opfer falle. Als Olo dies erfuhr, freute er sicli, dass ihm (Jelegenheit zu einem Kampfe ^el)oten sei, und be^ab si(;h in bäuerlicher Kleidung an den Hof des Olawus. Dort nahm er seinen Platz unter den letzten, und als er die Familie des Königs von Trauer erfüllt sah, rief er absiclitlich den Sohn desselben näher zu sich und fragte ihn, weshalb denn die andern so betrübte Gesichter machten. Als dieser erwiderte, die Ehre seiner Schwester

*) AU HjuUir und Siijallr uuch in isliiiidLsohor Sn^c bekannt. *) Du» Kinwohnor von VViTiiiIand: a. V, S. 2*}7 Anm. 4.

Olos Sieg; sein Zug nach Wermland. 395

werde in nächster Zeit durch die wildeu Recken befleckt werden, wenn nicht schnell noch jemand mit einer Abwehr dazwischentrete, forschte er weiter, welche Belohnung der empfangen sollte, der sein Leben für die Jungfrau aufs Spiel setze. Olawus, von seinem Sohn darüber befragt, antwortete, er werde seine Tochter ihrem Verteidiger geben. Dieses Wort entflammte in Olo die Begier, sich dem Kampfe zu unterziehen. Das Mädchen pflegte nun immer nahe an die Gäste heranzutreten und sie bei einem vorgehaltenen Lichte möglichst genau zu betrachten, damit sie um so sicherer ihren Charakter und ihre Kleidung erkenne. Sie soll auch aus 371 gewissen Abzeichen und den Gesichtszügen die Abkunft der Gemusterten erkundet und nur durch die Schärfe ihrer Augen die Beschafl^enheit jedes beliebigen Blutes unterschieden haben*). Als sie nun forschenden Blickes vor Olo trat, wurde sie von dem ungewohnten Schrecken seiner Augen überwältigt, und fiel wie leblos zu Boden. Wie sie aber allmählich wieder zu Kräften kam und ihr Atem freier ging, versuchte sie es von neuem, den Jüngling anzuschauen, stürzte aber wieder jäh hin wie an Leib und Seele getroffen. Auch als sie zum dritten Male ihre geschlossenen und gesenkten Augen aufschlagen wollte, versagten ihr nicht nur diese sondern auch die Füsse den Dienst, so dass sie in plötzlichem Falle zu Boden sank. So sehr kann Schreck und Ueberraschung die Kräfte ab- stumpfen. Als Olawus das sah, fragte er, warum sie so oft hingefallen sei. Sie gestand, sie sei von dem furchtbaren Blicke des Fremden so erschreckt worden, und versicherte, er sei königlicher Abstammung; wenn er die Gelüste der Räuber abweise, so sei er ihrer Umarmung höchst würdig. Nun baten alle Olo (denn dieser hatte seinen Hut tief in die Stirne gedrückt), die Hülle zu entfernen und ihnen ein Zeichen darzubieten, an dem man ihn erkennen könnte. Da hiess er alle ihre Trauer ablegen und ihre Herzen von Schmerz frei machen, enthüllte sein Antlitz und zwang aller Augen in begieriger Bewunderung seiner ausnehmenden Schönheit sich

*) Vgl. die ähnliche Szene II, 67.

396 Siebentes Buch.

auf ihn zu richten; denn seine Locken \s'aren goldblond und sein Haar strahlend. Seine Augensterne Hess er übrigens von den Lidern dicht bedeckt, damit sie die Schauenden nicht erschräken. Man hätte meinen können, dass plötzlich aller Gemüter durch die Hoffnung auf Besserung aufgerichtet wurden: die Gäste tanzten, die Hofleute sprangen vor Freuden, der tiefste Kummer war durch ausgelassene Heiterkeit ersetzt.

254 So befreite die Hoffnung von der Furcht, das Aussehen des Gelages war ganz anders geworden und dem Beginne gar nicht mehr gleich oder ähnlich. So vertrieb das gütige Ver- sprechen eines einzigen Fremdlings die gemeinsame Angst aller. Unterdessen stürmten Hiallus und Scatus mit zehn

372 Dienern herein, um die Jungfrau gleich fortzuführen, erfüllten alles mit ihrem wüsten Geschrei und forderten den König., wenn er seine Tochter nicht sogleich bereit hielte, zum Kampfe heraus. Olo trat ihrem Rasen sofort mit der An- nahme der Herausforderung entgegen und fügte nur die Be- dingung hinzu, dass keiner den Kämpfenden heimlich in den Rücken fiele, sondern dass der Streit Angesicht gegen An- gesicht durchgeführt werden sollte. Darauf streckte er mit seinem Schwerte, Namens Lögthi*), allein alle zwölf nieder und vollbrachte so eine That, die weit über eine Jünglings- leistung hinausragte. Uebrigens bot den Ort für den Kampf eine mitten in einem Sumpfe gelegene Insel, in deren Nähe sich eine Stätte befindet, die noch heute eine Erinnerung an dieses Gefecht bietet, da sie die Namen der beiden Bruder Hiallus und Scatus vereint enthält^).

Die Jungfrau wurde ihm als Siegespreis gegeben, und er bekam von ihr einen Sohn, Omundus^). Nachher nahm er von seinem Schwiegervater Urlaub, um seinen Vater wieder- zusehen. Sowie er aber erfuhr, dass seine Heimat von dem

») S. II, S. 91 Anm. 2.

•) Müller berichtet, dass in der Nähe von Glumsten in Halland zwei Hügel den Namen tumuli fratrum (= Brüderhügel) führten. Olrik erwähnt einen Ort Hjtelleskatta in Wermland.

•) Näheres über Omundus folgt noch VIII, 413 ff.

Olo befreit sein Vaterland. 397

Fürsten Thoro durch Tosto den Opferer^) und Liotarus mit dem Beinamen . . .*) bekriegt werde, eilte er, nur von einem 373 einzigen Diener in Weiberkleidung begleitet, mit ihnen den Kampf zu beginnen. Als er nicht mehr weit von Thoros Palast entfernt war, verbarg er sein und seines Begleiters Schwert in hohlen Stöcken. Sobald er aber die Königshalle betrat, Hess er seinen wahren Gesichtsausdruck unter einem falschen Scheine verschwinden und benahm sich wie ein alter, von seinen Jahren gedrückter Mann. Bei Sywardus, sagte er, sei er König der Bettler^) gewesen, aber jetzt sei er verbannt, von dem Hasse seines Sohnes Olo allzu heftig verfolgt. Bald begrussten ihn nun die meisten der Höflinge als König, Hessen sich aufs Knie nieder und boten ihm zum Spott die Hand. Da befahl er ihnen, was sie im Scherze gethan, auch wirklich im Ernst auszuführen, riss die Schwerter aus den Stücken, die sie trugen, und stürzte auf den König los. Ein Teil unterstützte nun Olo, indem er den Scherz für Ernst nahm und die zum Spass gelobte Treue nicht ver- letzte. Die meisten aber stellten sich auf die Seite Thoros, indem sie ihr inhaltloses Gelübde brachen. So entstand nun ein schwankender Bürgerkrieg. Endlich wurde Thoro ebenso sehr mit Hilfe seiner eigenen Leute wie durch die Waffen seines Gastes überwältigt, und Liotarus, zu Tode getroffen, erklärte den siegreichen Olo für ebenso schlau und erfindungs- reich als kühn und thatkräftig; er gab ihm den Beinamen des AVackeren und prophezeite ihm, er werde durch dieselbe Art Heimtücke, mit der er gegen Thoro verfahren sei, selbst faHen; denn zweifellos werde er durch Nachstellungen in seinem eigenen Lande umkommen. Bei diesen Worten verschied er plötzlich. So sieht man, wie die letzte Aeusserung des 255

*) Wahrscheinlich = anrd. Blot- Toste (zusammengesetzt mit dem Subst. blot = Opfer).

') Der Beiname ist ausgefallen.

') Stephanius erzählt, dass es früher wirklich diese Würde (Staader- Kongo) gegeben habe; vielleicht ist dies aber nur ein Missverständnis unserer Stelle, die sehr wohl ironisch gemeint sein kann; am Ende des 17. Jhrhdts. waren die Staader-Konger Polizeibeamte.

398 Siebentes Bach.

Sterbenden den künftigen Tod seines Besiegers scharfsinnig voraussagte ^). Nach diesen Thaten begab sich Olo zu seinem Vater, also erst, als er dessen Lande den Frieden bringen konnte. Er erhielt von ihm die Herrschaft über das Meer und erschlug siebzig^) Seekönige, als er seine Kräfte mit ihnen im Kampfe mass. Unter diesen waren Birwillus und Hwirwillus^) sowie Thorwillus, Nef und Onef, Redwartbus. Randus und £randus besonders bekannt. Durch die rühm- 374 volle Kunde von diesen Thaten begeisterte er die Fechter, deren ganze Neigung der Tapferkeit galt, und veranlasste eine grosse Schar, mit ihm ein Bündnis zu schliessen. Er gewann auch Jünglinge von wildem Wagemute, die von leidenschaft- licher Ruhmbegier entflammt waren, für sich als Leibwache. Von diesen nahm er Starcatherus mit den höchsten Ehren auf und schenkte ihm mehr Vertrauen als es für ihn gut war*). Mit solchen Kräften gerüstet, schreckte er den Uebermut der benachbarten Könige durch den Ruf seines Namens so sehr, dass er ihnen Macht, Lust und Mut zu gegenseitigen Befeh- dungen benahm.

Darnach begab er sich zu Haraldus und wurde auch von diesem mit der Herrschaft zur See betraut; endlich wid- mete er sich dem Dienste Ringos. Zu eben dieser Zeit war ein gewisser Bruno der einzige Teilnehmer und Mit- wisser an Haraldus' Beratungen. Diesem pflegte auch Ringo. sobald er einmal einen recht verschwiegenen Boten brauchte, seine Aufträge zu übergeben. Einen solchen Grad von Ver- trauen hatte er durch die gemeinschaftliche Kinderzeit und Erziehung mit ihnen gewonnen. Dieser fand nun einst bei einer seiner zahlreichen und anstrengenden Gesandtschafts- reisen in den Wellen eines Flusses seinen Tod. Othinus

*) Denn die Prophezeiung ging wirklich in Erfüllung; VIII, 414.

') 70 (oder auch 72) ist eine in der Volksdichtung sehr beliebte Zahl, die auch in Deutschland und England ganz üblich ist.

') Diese Namen finden sich als Byrwill, Hwyrvill und Na?fill in dem Seekönigsverzeichnisse der Snorra Edda wieder. (Skäldskpm. 75. ed. Arnamagn. I, 548).

*) Denn er wurde später von ihm ermordet; VKI, S. 413 4.

Weitere Thaten Glos; Zwist zwischen Haraldus u. Kingo. 399

aber nahm seinen Namen und seine Gestalt an und brachte durch eine hinterlistige Botschaft die bisher so enge Eintracht der Könige ins AVanken. So gross war seine Tücke beim Aussäen der Feindschaft, dass er in den durch innigste Freundschaft verbundenen einen gegenseitigen, glühenden Hass erzeugte, der offenbar nur durch einen Krieg zu be- friedigen war. Zuerst ergaben sich bei ihnen stille Ver- stimmungen, bis die Spannung auf beiden Seiten zu Tage trat und der geheime Groll ganz offßn ausbrach. So erklärten 375 sie sich denn den Krieg, und sieben Jahre vergingen mit den Rüstungen zum Kampfe. Einige berichten, Haraldus habe, nicht aus Hass oder Besorgnis für seine Herrschaft, sondern absichtlich und auf Grund eigenwilligen Entschlusses heimlich nach Ursachen für seinen Tod gesucht. Da er nämlich wegen seines Alters und seiner Strenge selbst für seine Bürger eine Last war, zog er das Schwert den Qualen einer Krankheit vor und wollte seinen Geist lieber in der Schlacht als im Bette aufgeben, um ein Ende zu finden, das den Thaten seines vergangenen Lebens entspräche. Um nun seinen Tod um so rühmlicher zu gestalten und mit möglichst grosser Begleitung in die Unterwelt einzuziehen, wünschte er sich recht viele Genossen seines Schicksals zu gewinnen, und traf 25« darum willig Vorbereitungen für den Krieg, um Stoff zu dem künftigen Gemetzel zu liefern. Aus diesen Gründen also wurde er von solcher Begier nach seinem eigenen Tode wie nach dem anderer ergriffen; und damit auf beiden Seiten die Verluste gleich gross wären, stattete er beide Parteien mit gleich grossen Truppenmengen aus. Ringo aber gab er eine etwas stärkere Streitmacht; denn er wünschte, dass dieser ihn als Sieger überlebe ^).

Ende des siebenten Buches.

^) Der Schluss dieses Buches enthält die Einleitung zu der im Anfang des folgenden beschriebenen gewaltigen ßrawallaschlacht und giebt zu- gleich deren Gründe und Ursachen an: 1. Odins Wille, 2. Haralds Entschluss eines rühmlichen Heldentodes, nicht des Strohtodes, zu sterben.

257-, 376 Achtes Buch.

Die Geschichte des schwedischen Krieges hat zuerst Starcatherus, der selbst eine Hauptstütze in diesem Kampfe war, in dänischer Rede verbreitet, aber mehr in mündlicher als in schriftlicher ü eberlief erung. Er selbst gab nach heimischer Sitte den Bericht davon in der Landessprache, ich aber habe beschlossen, ihn ins Lateinische zu übertragen ^) und will zu- nächst die hervorragendsten Edlen von jeder Partei aufzählen. Denn die ganze Menge derselben zu betrachten, habe ich keine Lust, da sie sich nicht einmal der Zahl nach genau feststellen lässt. Und zuerst soll nun mein Griffel von denen, 377 die auf des Haraldus Seite standen, berichten, dann von denen, die unter Ringo dienten.

Unter den Heerführern, die sieh zu Haraldus gesellten, werden als die berühmtesten genannt Swen, Sambar, Ambar und

*) Thatsache ist an diesem Berichte, dass Saxo aus einem oder mehreren skandinavischen Gedichten geschöpft hat, was vor allem die Allitteration in der gleichfolgenden Aufzählung der Namen beweist. Diese ist so -streng durchgeführt, dass es Müller in den Not. über. (II, 220 ff.) versucht hat, nach Saxos Angaben die altnordischen Verse wieder herzu- stellen. Die Schlacht wird Brawallaschiacht genannt, weil sie auf den (lefilden von Brawalla (anrd. BravoUir, jetzt Br&valle am Bravik, einem 3Ieerbusen in Ostgötland) statt fand. Wohl sicher liegt ihr ein historisches Ereignis zu Grunde. Dass Starkadr die erste Beschreibung davon geliefert, ist natürlich Sage. Eine Zusammenstellung der Erwähnungen dieser Schlacht in der anrd. Litteratur giebt das Corpus Poeticum Boreale 353 ff.; die wichtigsten Denkmäler dafür sind die schon erwähnten Sögubrot und die StarkadarkviOa in der (Tautrekssaga (Fornald. Sog. III, 16 ff.). Vgl. Uhland Sehr. Vll, 236 u. Olrik U, 90 ff

Die Helden des Haraldus in der Brawallaschlacht. 401

Elli, Rati von Funen, Salgarthus und Roe, der von seinem langen Barte einen Beinamen bekam ^). An diese schlössen sich Skale von Schonen *) und Alf der Sohn des Aggi , dann Olwir der Breite und Gnepia der Alte. Dann folgen Gardh, der Grunder der Stadt Stang'), und ferner als Angehörige*) des Haraldus Blend , ein Bewohner des äussersten Thule *), und Brand mit dem Beinamen Brotkrume "), ferner Thorny mit Tborwingus, Tatar und Hialto. Diese fuhren nun in 378 trefflicher Kriegsrustung mit der Flotte nach Lethra''), und sie zeichneten sich auch durch mannhafte Gesinnung aus, so dass sie mit den Proben ihres Mutes ihrem vornehmen Ge- schlechte Ehre machten. Denn sie verstanden es aufs ge- schickteste mit dem Bogen oder der Schleudermaschine zu schiessen, Mann gegen Mann gegen den Feind zu kämpfen (wie es meistens der Fall war) und Lieder in ihrer Mutter- sprache zu dichten. So sehr hatten sie Geist und Körper zugleich durch angestrengte Uebung ausgebildet» Aus l^ethra 258 kamen noch Hortar und Borrhy, ferner Belgi und Begathus Bari und Toli. Aus der Stadt Sie ^ aber war nebst Hako mit der gespaltenen Wange noch unter der Führung der Hetha und Wisna Tummi der Segelmacher gekommen. Den weiblichen Körper dieser hatte die Natur mit männlichem Mute ausgerüstet. Der Webiorga, welche von demselben Geiste beseelt war, folgten noch Bo, des Bramus Sohn, und

*) Wahrscheinlich siQskeggr = Orossbart.

») Kam schon V, 8. 257 u. 264 vor.

■) Wohl Stängby in Schonen ; etwas weiter unten (S. 409) hoisst der (t runder (rarthar.

*) Das lateinische necessarii ist nach Müller = anrd. skyldir und bezeichnet daher nicht bloss Verwandte, sondern in weiterem Sinne (Ge- folgsleute.

*) = Island; vgl. S. 5 Anm. 2. Alle isländischen Namen sind in dem Bericht als spätere Interpolation zu betrachten, da Island zur Zeit, da die Schlacht anzusetzen ist (nach Müller das 8. Jhrhdt.) noch gar nicht ent- deckt war. Erst seit 874 wurde es von Norwegen aus besiedelt.

•) Lat. Mice d. i. mica panis; dem entspräche (nach Müller) nrd. Hitlingr.

') Vgl. II, U Anm. 2.

*) = Schleswig. Saxo Gramniaticut. 26

402 Achtes Buch.

Brat der Jute aus Kriegslust. Zu diesen gesellen sich noch Orm aus Amglien^), übbo der Friese^), Ary, der auf ein Auge blind war, Alf und Goter, ferner Dal der Dicke and

379 der Slavc Duc. Die Wisna aber, eine Frau von starrer Sinnesart und höchst erfahren im Kriegswesen/ umgab eine Schar von Slaven. Unter diesen sind besonders die Trabanten Barri und Gnizli t\x nennen. Die übrigen aber aus derselben Truppe «ohirmten ihren Körper durch kleine Schilde, be- dienten sich sehr langer Schwerter und erzfarbener Tartschen, welche sie zu Kriegszeiten entweder auf den Rücken zurück- warfen ^er den Gepäckträgern übergaben. Sie legten dann jede Schutzwaffe von ihrer Brust ab, gaben den Körper jeder Gefahr preis und eilten mit gezückten Schwertern in den Kampf; von diesen zeichneten sich besonders Tolcar and Ymi aus. Ferner ist noch Toki aus der Provinz Wollin ^) und Otritus mit dem Beinamen der Junge rühmlich bekannt. Auch Hetha, von den geübtesten Gefährten umgeben, brachte eine kriegsgerüstete Schar mit. Die ersten daraus waren Grimar und Grenzli; ausserdem werden noch Ger von Livland. Hama*) und Hunger, Humbli und Biari als die Tapfersten der Fürsten erwähnt. Diese kämpften oft sehr glücklich und gewannen weit und breit berühmte Siege. Die genannten Jungfrauen waren nun nicht bloss anmutig, sondern auch kriegsmässig gekleidet und führten die Landtruppen in die Schlacht. So strömte Schar für Schar des dänischen Heeres zusammen. Sieben Könige, von gleichen Anlagen aber von verschiedener Gesinnung gewährten ihre Unterstützung teils llaraldus, teils Ringo. Ausserdem waren noch auf die Seite des Haraldus getreten: Hömi und HösathuP), Hastinus und

380 Hvthin der Schlanke, wie auch Dahar mit dem Beinamen

') Vgl. VII, 390. *) Vgl. VII. 390.

') D. i. die vorpommcrische Insel; denn die Besserung provincift •Julinensis aus dem unverstämllichen pr. Jumensis dürfte richtig sein.

*) Vgl. VI, 130 ff.

*) Es ist zweifelhaft, ob der Name so lautet ; die ed. priuc. hat H^sa Thulhim.

Die Helden des Haraldus. 403

Grenski^) und Haraldus, der Sohn des Olawus. Aus der Provinz Aaland^) dienten Har und Herlewar samt Hothbroddus, der den Beinamen der Zügellose führte, im dänischen Lager. Aus dem Imischen Gebiet^) kamen Humnehy und Haraldus. Ihnen schlössen sich an, vom Norden kommend, Haki und Bemos Söhne*), Sygmundus und Serker. Die Gefolgschaft aller dieser lohnte der König mit freigebiger Freundlichkeit. Denn sie wurden bei ihm selbst in höchsten Ehren gehalten und empfingen goldbeschlagene Schwerter und die besten Beutestücken aus den Kriegen^). Auch die Söhne Gandals 259 des Greisen waren erschienen, welche alte Bekanntschaft zu Freunden des Haraldus gemacht hatte. Das von der dänischen Flotte bedeckte Meer schien nun Seeland und Schonen gleichwie durch eine Brücke miteinander zu ver- binden. Wer nämlich diese Provinzen besuchen wollte, dem gewährte die gedrängte Masse der Schilfe den kürzesten Weg zu Fuss. Um sich aber nicht ohne AVissen der Schweden zum Kriege gegen sie zu rüsten, sandte Haraldus Boten, welche offen Kingo die Kriegserklärung überbringen und das Ende des bisherigen Friedens verkündigen sollten. Sie er- hielten zugleich den Auftrag, den Ort für die Schlacht zu bestimmen. Die von mir genannten waren nun also die Krieger des Haraldus.

Auf der Seite R Ingos zählte man Ulf, Aggi, AViudar, Eyil den Einäugigen, Gotar, Hildi, Guti, Alfs Sohn, Stur den ssi Starken, Sten, einen Anwohner des Wienischen Sumpfes^), ferner Gerth den Kühnen, und Gromer aus AVermland. Ausserdem sind noch zu nennen die Grenznachbarn von

^) D. h. aus Grenland in Norwegen.

*) Lat. Ualica provincia (so Holder nach Pedersen); das wäre die norwegische Provinz Aland. Die cd. pr. hat Uatica provincia, was Müller als Hadaland in Norwegen erklärt.

•) Nach Holder die Umea Lappmark.

*) Vgl. VI, 2t)5;6.

•) Aehnlich wurde König Hrolf im II. Buche geschildert.

•) Lat. Wienica palus ; vielleicht der Wenernsee (nach Schousbolle).

2ii*

404 Achtes Buch.

Nordalbingien, Saxo, Fletir ^) und Sali, Gothas^), Thord der Nickende, Throndar mit der grossen Nase, Grundi, Otbi, Grinder, Towi, Coli, Byarchi, Hogni der Sinnreiche, Rokar der Schwarze. Diese hatten sich nämlich, da sie die Gemein- schaft mit der Menge verschmähten, von der Schar der übrigen zu einem einzigen Trupp abgesondert. Ferner wären noch Rani, der Sohn Hylds, Lyuth Guthi, Sweno mit dem ge- schorenen Haar [Soknarsoti]^), Rethyr der Falk und Rolf der Weiberfreund zu nennen. Zu ihnen kommen noch Ring, der Sohn Athylas, und Haraldus aus dem Dorfe Thothni*), sowie 382 Walsten aus Wik, Thorulf der Dicke, Thengil der Lange. Hun, Solwe, Birwil der Bleiche ^^, Burgar und Scumbar. Auch aus Thelemarchien waren die Tapfersten gekommen, die den grössten Mut, aber die wenigste Einbildung besassen, Thorlewar der Hartnäckige, Thorkill der Götländer, und der unbillige und nach Raubzügen gierige Gretir. Ihnen folgen Haddir der Harte und Roldar Zehenspitze. Aus Norwegen sind dann zu nennen Thronder Thrönski ®), Thoki aus Möre"\ Rafn der AVeisse, Hafwar, Biarni, Blihar mit dem Beinamen der Plattnasige, Biorn aus dem Dorfe Soghni ^), Findar, der am Meerbusen geboren ist, Bersi aus der Stadt Falir'), Sy- wardus Eberkopf, Ericus der Erzähler^®), Holmsten, Hwiti, Ruthar, Rawi und Erlingar mit dem Beinamen Schlange. Aus der Provinz Jathrien^^) kamen Od^^) der Angle, Alf

^) Fletir ist hier Appeliativmn, sodass es hcisst Saxo der Splitterer. In Ueimskringla I, 72 (od. F. .lonsson) findet sich ein Saxi flettir.

') Vielleicht ist auch dies Appellativum, also ^= Sali der (xötländer).

*) V^on Müller aus metrischen (tründen aus den SJigubrot eingeschoben.

*) I). i. Toten am MjfJsen-See, nördlich von Kristiania.

*) Wahrscheinlich der schon VII, 398 genannte.

") I). h. aus Throndhjem (Drontheim).

'') Lat. Müricus; vielleicht ist dies das Adjektiv zu Moringia; vgl. unten S. 444 Anm. 1.

*) D. i. die Provinz Sogn in Xorwej»^en.

•) Oder Fulu, d. i. die Provinz Fjalir oder Fjalafylke in Norwegen.

***) Lat. fabulator; das ist \v<)hl richtige Besserung für fibulator der ed. princ. Vgl. die ni)rdische Hezeichnung Sözu-Eirikr.

^») Vgl. S. 373 mit Anm. 1.

**) Wahrscheinlich ist der b(>kanntc Sagenhcld Orvarodd gemeint^ der schon V, Ö. 2t>6 vorkam.

Die Helden des Kingo. 405

der Vielgereiste, Eoar der Dickbauch, und Ywarus mit dem Beinamen Thruwar. Aus Thule erschien Mar der Rote, ge- boren und erzogen in dem Orte Mithfirthi^), Grombar der Bejahrte, Gram Brundelucus, Grim aus der Stadt Skierum^), 260 der aus der Provinz Scaha-Fyrthi^) stammte. Dann bemerkte man auch den Sänger Berhgar mit seinen Begleitern Brahi und Rankil. Von den Schweden waren die tapfersten folgende; Arwacki, Keclu, Karll, Croc der Bauer*), Guthfast und Gummi aus Gyslamarchien. Diese waren Abkömmlinge des Gottes 384 Frö ^) und treue Diener der Götter. Auch Ingi und Oly, Alwer und Folki, die Söhne des Elricus, widmeten sich dem Dienste Ringos, Männer von kühner Faust, Einsicht im Rate, und mit Ringo durch Verwandtschaft eng verbunden. Auch sie führten den Ursprung ihres Geschlechts auf Frö zurück. Unter ihnen befand sich auch noch Simundus aus der Stadt Sigtun*), eine Art Fechternotar'), der sich mit der Aus- fertigung von Kauf- und Verkaufsverträgen befasste. An ihn schloss sich noch Frosty mit dem Beinamen Krüglein ^) und Alf der Stolze aus dem Bezirke Upsala. Dieser war ein gewandter Speerschütze und pflegte immer im Kampfe 385

*) Nach Müller der Midijord im nördlichen Island, nach Holder „Midfiord in Sandeherred bei Töosberg**.

*) I). i. Skier in Thelemarken.

•) Xach Holder die Provinz Skongen an der Grenze von Thelemarken, richtiger nach Müller der Skagafjord im nördlichen Island.

*) Die Sögubrot haben Krokarr af Akri ; darnach hat also Saxo miss- vcrständlich aus dem Ortsnamen ein adjektivisches Beiwort (agrestis) ge- macht.

*) Vgl. 1, 46 Anm. 1 ; gemeint ist das Ynglingengeschlecht.

•) D. i- Forn- (^= Alt) Sigtun bei Sigtun in der Nähe von Stockholm.

') Forensis quidam athleta; das ist nur ein ^lissverständuis Saxos. Die Sögubrot haben hier (Forn. Sog. I, 381) pessir vom ofan af Sigtünum : Sigmundr kaupängskappi . . . d. h. Folgende waren aus S. : S., ein Kämpe der Handelsstadt . . . Das Beiwort bezeichnet also nur die Herkunft. Das Älissverständniss verursachte auch noch den folgenden, zur Erklärung dienenden Satz.

*) Auch dieser seltsame Beiname (crucibulum) beruht wohl auf einem allerdings für uns nicht mehr erkennbaren Uebersetzungsfehler Saxos. Die SiJgubrot haben hier Tolutrosti.

406 Achtes Buch.

voran zu gehen. Olos Begleitung bildeten sieben Könige, sehr gewandt in Rat und That, nämlich Holfy und Hendill, Holmar, Lewy und Hama; dazu kommt noch der Rutbene Regnaldus, der Enkel des Rathbarthus, und ausserdem durch- furchte Sywaldus mit elf Schiffen das Meer. Lesy, der Sieger über die Pannonier, stattete sein goldbeschlageues Fahrzeug auch mit Segeln aus Goldstoff aus. Thririkar aber fuhr auf einem Schiffe, dessen Enden wie Drachen gewunden waren. Thrygir und Torwil kamen gesondert und brachten je zwölf Schiffe mit. Es befanden sich übrigens in der Flotte Ringes im ganzen 2500 Fahrzeuge. Die Götländische Flotte aber wartete in dem Hafen Garnum^) auf die schwedische.

386 Ringo führte das Landheer, Olo aber erhielt den Ober- befehl über die Seemacht. Den Gotländern wurde nun ein Zeitpunkt und ein Ort zwischen Wik und Werundien^) zur Begegnung mit den Schweden angewiesen. Damals konnte man nun weithin das Meer von den Kielen durchschnitten sehen, und die an den Masten aufgespannten Segel ver- hinderten den Ausblick über den Ozean. Die schwedische Flotte erreichte bei günstiger Fahrt schon eher den Kampf- platz, während die Dänen von widrigen Winden zu leiden hatten. Ringo schiffte nun hier seine Truppen aus und schickte sich zugleich an, die Soldaten, die er selbst zu Lande hergeführt hatte, abteilungsweise in die Schlachtordnung ein- zuordnen. Wie sie ziemlich locker aufgestellt waren, ergab sich, dass sich der eine Flügel bis nach Werundien hinzog. Aber der König umritt diese verworrene, ungeordnete Menge und stellte ins Vordertreffen die Tapfersten und am besten Bewaffneten unter Führung des Olo, Regnaldus und Wiwillus. Dann drängte er die übrige Masse durch eine eigenartige

261 Wendung auf zwei Flügel zusammen. Den rechten unter- stellte er dem Befehl des Ungo, der Söhne des Elricus und des Trigo, den linken führte Leso; im übrigen setzten sich die Geschwader und Einzelabteilungen meist aus dicht ge-

*) = Oarnshamn auf der Insel (»ottland (nach Holder). «) S. S. 9 Anm. 2 u. \\ S. 258 mit An m. 2.

Beginn der Brawallaschlacht. 407

drängten Scharen von Kut- und Estländem zusammen*. Zu- letzt stand die Reihe der Schleuderer.

Unterdessen legte sich die Ungunst der Winde, und die dänische Flotte erreichte nach ununterbrochener siebentägiger Fahrt die Stadt Calmarna^). Da konnte man sich Aber das weithin von windgeblähter Leinwand bedeckte Meer wundem, und die an - den Raaen ausgespannten Segel entzogen den Himmel den Blicken. Denn Slaven, Livländer und 7000 Sachsen hatten die Flotte noch verstärkt. Denen aber, die zu Lande marschierten, wurden ortskundige Schonier als Führer und Wegweiser zugeteilt. Als nun das dänische Heer über die wartenden Schweden hereinbrach, hiess Ringo die Seinigen sich solange, bis Haraldus die Sehlachtreihe aufgestellt hätte, geduldig ruhig halten und gebot, nicht eher ^7 das Zeichen zum Angriff zu geben, als bis man den König bei den Adlern auf seinem Wagen sähe; er sagte, er hoffe, ein Heer könne leicht ins Wanken kommen, das sich auf die Führung eines Blinden verlasse. Ferner sei Haraldus noch in der letzten Zeit seines Lebens von der Gier nach fremder Herrschaft ergriffen worden, und er werde eben so sehr seinen Verstand verlieren, wie er sein Augen- licht verloren habe. Keine Macht könne einen Mann be- friedigen, der, wenn er seine Jahre in Betracht zöge, sich eigentlich mit seinem Grabe zufrieden geben müsste. Den Schweden sei also die Notwendigkeit aufgedrungen, für die Freiheit ihres Vaterlandes und ihrer Kinder zu kämpfen, während der Feind in frechem Üebermute den Krieg unter- nommen habe. Uebrigens ständen auf der Gegenseite nur wenig Dänen; die Mehrzahl der Truppen seien Sachsen und andere weibische Völkerstämme. Schweden und Norweger müssten immer daran denken, um wieviel stets die nordische Schar die Germanen und Slaven übertroffen haben. Man müsse also ein Heer verachten, das offenbar mehr aus einer zufällig zusammengeströmten Menschenmasse als aus zu- verlässigen Kerntruppen zusammengesetzt sei. Durch diese

*) D. i. die heutige Stadt Kalmar in Götland.

408 Achtes Buch.

Rede entflammte er nicht wenig den Mut seiner Soldaten. Bruno^) aber, der den Auftrag hatte, an Haraldus' Stelle die Schlachtordnung zu entwerfen, bildete die Spitze in Keü- form, stellte Hetha auf den rechten Flügel, übergab Hako den Befehl über den linken und bestimmte Wisna als Banner- trägerin. Haraldus erhob sich nun in seinem Wagen und beklagte sich mit so lauter Stimme als er konnte, darüber, dass Ringo seine Wohlthaten mit Ungerechtigkeiten lohne. Von diesem Manne werde er angegriffen, obgleich er doeb seine Herrschaft nur durch seine Gnade erhalten habe^). So habe Ringo weder mit dem Greise Mitleid noch schone er den Oheim, sondern er stelle seine eigenen Leidenschaften allen Rücksichten der Verwandtschaft und Dankbarkeit vor- an. Er hiess auch die Dänen daran denken, wie sie immer ruhmvoll fremde Völker besiegt hätten und ja vielmehr ihren

«62 Nachbarn zu gebieten als zu gehorchen pflegten. Er ermahnte sie auch, sie sollten die Ehre solchen Ruhmes nicht durch die Frechheit eines unterworfenen Volkes ins Wanken bringen lassen und nicht zugeben, dass man ihm die Herrschaft, die sie ihm in der Blüte seiner Jugend gewonnen, am Ende seines Lebens entreisse.

388 Darauf ertönten die Hörner und der Kampf wurde auf

beiden Seiten mit der grössten Heftigkeit begonnen. Man hätte glauben können, der Himmel sei plötzlich auf die Erde niedergestürzt, Wälder und Felder seien versunken, alles sei durcheinander geworfen, das Chaos des Altertums sei wieder- gekehrt, Himmlisches und Irdisches vermische sich in ge* waltigem Aufruhr, alles gehe zu gleicher Zeit dem Unter- gänge entgegen^). Denn sobald man zum Schiessen kam, erfüllte ein unerträglicher Waffenlärm alles mit unglaublichem

*) D. i. der schon VII, 398 erwähnte Vertraute Haralds; da dort schon desaen Tod erzählt wurde, ist anzunehmen, dass Odin selbst, wie es später auch klar hervortritt, sich in seiner Gestalt barg. Harald wusste ja nichts von dem Tode seines Freundes.

*) Vgl. VII. 391.

*) Man vgl. mit dieser pathetischen Schilderung die des Weltunter- gangs in „der Seherin Weissagung** Str. 46 ff. (Gerings Edda S. 12 ff.).

Die Brawallaschlacht. 409

Getöse. Der Dampf der AVunden umhüllte d^n Himmel mit einem plötzlichen Nebel, der helle Tag wurde durch den Hagel der Geschosse verdunkelt. Auch die Beihilfe der Schleuderer war in dem Kampfe viel wert. Sobald aber die Geschosse den Händen oder Geschützen enteilt waren, kämpfte man im Handgemenge mit Schwertern und eisenbeschlagenen Keulen. Da floss das meiste Blut. Da begann der Schweiss von den Körpern der Ermüdeten zu rinnen, und das Klirren der Schwerter wurde weit in der Ferne gehört. Starca- therus, der zuerst den Verlauf des Streites in der Mutter- sprache erzählt hat, kämpfte in den vordersten Reihen, und er berichtet, wie er die Edlen des Haraldus Hun und Elli, Hort und Burgha erschlagen und Wisna die rechte Hand abgehauen habe. Ausserdem erzählt er, dass auch ein ge- wisser Roa mit zwei andern, Gnepia und (Jarthar, im Kampfe von ihm verwundet gefallen seien. Diesen gesellte er noch des Scalcus Vater hinzu, ohne seinen Namen zu nennen. Er bezeugt auch, dass er den tapfersten der Dänen, Hako, zur Erde geworfen habe; er habe dafür aber selbst eine so schwere Wunde erhalten, dass seine Lunge zur Brust her- ausliing, sein Schädel bis zur Mitte gespalten und seine Hand um einen Finger verstümmelt war. So musste er den Kampfplatz verlassen, und lange schien die klaffende Wunde weder vernarben noch heilen zu können. Nach seinem Be- richte streckte auch die Jungfrau W^egthbiorg im Kampfe 389 gegen den Feind den Kämpen Soth ^) im Gefechte nieder. Während sie aber noch auf das Verderben der Recken sann, durchbohrte sie Thorkillus aus Thelemarchien mit einem Pfeile, den er von der Sehne schnellte. Die treffkundigen Götländer nämlich spannten ihre Bogen mit solcher Kraft, dass sie selbst die Schilde mit ihren Geschossen durch- bolirten. Nichts wurde eine verhängnisvollere Ursache für das Verderben. Die Pfeilspitzen durchdrangen Panzer und Helme, als ob der Körper ungeschirmt wäre. Unterdessen tötete der Friese Ubbo, der wackerste Krieger des Haraldus

M Das ist wahrscheinlich der oben 8. 404 (von Müller) Soknaraoti genannte Held.

410 Achtes Buch.

und vor den andern durch seine Körpergrösse aus- gezeichnet, ausser elf Mann, die er in Reih und Glied ver- wundete, noch fünfundzwanzig von den auserlesenen Fechtern. Alle diese waren schwedischer oder götländischer Abkunft. Dann griff er die vorderste Reihe an, sprang in die dichtesten

268 Scharen der Feinde und verjagte die furchtbebenden Schweden allenthalben mit Lanze und Schwert. Fast war schon alles zur Flucht gewandt, als Hagder, Rolder und Gretir, eifersüchtig auf seine Tapferkeit, den Helden an- griffen und das Verderben des Staates durch ihre eigene Gefahr abzuwenden beschlossen. Da sie sich scheuten, ihm aus der Nähe zuzusetzen, begnügten sie sich damit, von weitem auf ihn zu schiessen. So erlag Ubbo der Menge der Geschosse aus der Ferne, da keiner wagte, mit ihm selber handgemein zu werden. Hundertvierundvierzig Spitzen durch- bohrten den Kämpfenden, ehe ihn seine- Kräfte verliessen und er zu Boden in die Kniee sank. Da nun erlitten die Dänen durch die Thronder und die Bewohner der Provinz Dala^) eine gewaltige Niederlage. Denn der Kampf ent- brannte von neuem infolge der gewaltigen Masse der Pfeil- sehützen, und kein Umstand war für die Unsrigen verderb- licher als dieser.

Als aber Harald us, da er ja bereits vor Alter er- blindet war, das traurige Gemurmel der Seinigen hörte, er- kannte er, dass dem Feinde ein besseres Glück gelächelt habe. Er gebot nun, so wie er war, in seinem Sichelwagen *), dem

390 Bruno, der voller Heimtücke das Amt des Lenkers aus- übte, nachzusehen, welche Art und Weise Ringo bei der Aufstellung und Einteilung seines Heeres angewendet habe. Dieser verzog seine Miene ein wenig zu einem [fächeln und antwortete, jener habe in keilförmiger Schlachtordnung ge- kämpft. Bei diesen Worten begann der König unruhig zu werden und in höchstem Erstaunen zu fragen, von wem wohl

^) Nach Holder (hidbrandsdalen in Norwegen.

') Andere nordische (^nellen kennen diese Art Streitwagen nicht: der currus fiilcatus wird wohl also aus klassischer Ueberlieferung von 8axo eigenmächtig eingeführt sein.

Niederlage und Tod des Haraldus. 411

Ringo solche Kunst in der Anordnung eines Heeres erlernt habe, da ja Othinus selbst der Erfinder und Lehrer dieses Verfahrens sei, und kein anderer, als er, Haraldus, selbst habe von dem Gotte diese neue Art der Kriegskunst kennen gelernt. Als Bruno dazu schwieg, kam dem König der Gedanke, dass dieser Othinus selbst sei und der ihm einst so vertraute Gott sich in einer verwandelten Gestalt berge, um ihm Hilfe zu bringen oder zu entziehen. Er begann ihn auch inständig anzuflehen, dass er den Dänen, welchen er früher gnädig beigestanden, auch jetzt den letzten Sieg ge- währe und das Ende seiner AVohlthaten dem Anfange gleich mache, und er versprach ihm die Geister der Erschlagenen als Geschenk zu weihen. Bruno aber warf,- ohne sich durch die Bitten des Flehenden rühren zu lassen, plötzlich den König zum Wagen hinaus, stiess ihn zur Erde, entriss ihm im Fallen seine Keule, schmetterte sie ihm aufs Haupt und erschlug ihn so mit seiner Waffe ^). Um den Wagen des Königs herum lagen unzählige Leichen, und die Masse der Toten überragte die Höhe der Räder. Der Haufe der Getöteten war ebenso hoch wie die Deichsel. Denn im Heere Ringos starben gegen 12000 Edle, auf des Haraldus Seite aber fielen, ausser dem Verlust an gemeinen Soldaten, an 30000 Vornehme.

Als Ringo Haraldus' Tod erfuhr, gab er den Seinigen 264 das Zeichen, die Reihen aufzulösen und hiess den Kampf beenden. Dann schloss er unter dem Schutze eines Waffen- stillstandes mit den Feinden einen Vertrag und erinnerte sie, wie vergeblich es wäre, den Krieg ohne ihren König fortzusetzen. Darauf gebot er den Schweden, überall unter den durcheinanderliegenden Leichenhaufen den Körper des 391 Haraldus herauszusuchen, damit das Begräbnis des Königs nicht der schuldigen Totenopfer entbehre. Das Volk gab sich nun voll Eifer der Aufgabe hin, die Körper der Ge-

*) So stirbt Harald den schönsten, den Schlachtentod inmitten der Gefallenen, der Seinigen und der Feinde. Von Odin selbst wird er ab- geholt, um zu den Freuden Walhalls einzugehen.

412 Achtes Buch.

töteten umzuweDden, und ein halber Tag wurde mit dieser Beschäftigung zugebracht. Endlich fand man die Leiche zu- sammen mit der Keule, und Ringo glaubte nun Haraldus Manen versöhnen zu müssen. Daher spannte er denn das Pferd, auf dem er ritt, an den Wagen des Königs, legte ihm. wie es sich ziemte, einen goldenen Sattel auf und weihte es ihm zu Ehren. Darauf betete er und fügte die Bitte hinzu, Haraldus möge auf diesem Rosse reitend seinen Schicksals- gefährten in die Unterwelt voranziehen, und er möge bei Pluto, dem Fürsten des Orcus, für Freund und Feind günstige Sitze erbitten. Darauf Hess er den Scheiterhaufen errichten und befahl den Dänen, das vergoldete Schiff des Königs als Nahrung für die Flammen hinaufzulegen. Als das Feuer den Leichnam verzehrte, begann er bei den trauernden Fürsten herumzugehen und sie alle eindringlich zu ermahnen, Waffen, Gold und was es sonst Treffliches gäbe, zur Unterstützung des Scheiterhaufens und zu Ehren eines so grossen und um alle so wohl verdienten Königs aufzu- wenden ^). Die Asche des verbrannten Körpers Hess er in eine Urne sammeln, nach Lethra bringen und dort mit dem Ross und den Waffen nach königlichem Brauche bestatten. Dadurch, dass er unter so sorgfältigen Totenopfern seinem Onkel die letzte Ehre erwies, gewann er sich die Gunst der Dänen und verw-andelte den Hass der Feinde in Wohlwollen. Die Dänen baten ihn darauf, er möge den Rest des Reiches Hetha übergeben; um aber eine plötzliche Wiedererstarkung der feindlichen Kräfte zu verhindern, trennte er Schonen von Dänemark ab und überwies es mit dem Bezirke Olos. Seeland aber und die übrigen Gebiete des Reiches unter- stellte er vorläufig der Leitung Hethas. So brachte der AVankelmut des Glückes das dänische Reich unter die Macht der Schweden; das war nun das Ende des brawischen Krieges^).

*) Diese Beschreibung von Haralds Bejfräbnis entspricht unserer sonstigen Kenntnis derartiger Feierlichkeiten; die in Sögubrot (a. a. O. S. 38(5 7) ist ähnlich. Vergl. III, S. 117 und Anm. 2, V, S. 250.

*) 1). h. der Brawallaschlacht; s. oben S. 399. Anm. 1.

Haraldus' Begräbnis; Hetha und Olo. 413

Den Seeländern aber, die unter Haraldus' Führung 392 gestanden, schwebte noch immer die Erinnerung an ihr früheres Glück vor Augen, und sie hielten es für schmach- voll, den Gesetzen einer Frau zu gehorchen. Darum wandten sie sich alle an Olo mit der Bitte, er möge nicht zulassen, dass die an den Dienst des berühmtesten Königs gewohnten Krieger unter das Joch eines Weibes gefesselt würden. Ausserdem versprachen sie, sie würden zu ihm selbst ab- fallen , wenn er die Waffen ergriffe, um sie aus ihrer schmäh- lichen Lage zu befreien. Olo^) ging gern auf ihren Wunsch ein, ebenso sehr durch die Erinnerung an den Ruhm seiner Ahnen wie durch die Willfährigkeit der Krieger veranlasst. So beschied er Hetha zu sich und zwang sie mehr durch 265 Drohungen als durch Waffengewalt, alle Teile ihrer Herr- schaft mit Ausnahme von Jütland aufzugeben, und dieses selbst machte er sich tributpflichtig, damit nicht ein Weib die Verfügung über eine freie Herrschaft habe. Er erzeugte auch einen Sohn und gab ihm den Namen Omundus. Uebrigens war er der Grausamkeit ergeben und zeigte sich als so nichtswürdiger Gebieter, dass die frühere Verachtung der Königin bei allen, die über ihre Herrschaft Scham empfunden hatten, Reue erregte. Zwölf Edle begannen nun, sei es aus Mitgefühl für das Elend ihres Landes oder weil sie Olo schon längst aus irgend einem Grunde hassten. einen An- schlag gegen sein Leben vorzubereiten. Zu diesen gehörten Lennius^), Atyla, Thottus und Vithnus; obgleich dieser bei den Slaven eine Statthalterschaft inne hatte, gehörte er doch seiner Abkunft nach zu den Dänen. Da sie übrigens allzu wenig auf ihre eigenen Kräfte und Talente bei der Voll- endung ihrer That vertrauten, gewannen sie durch Geld Starcatherus. Dieser wurde bestimmt, die Sache mit dem Schwerte zum Austrage zu bringen, und er entschloss sich,

') Ueberülo vgl. VII, 9. 391 ff. und Anm. 2; Uhland Sehr. VII S. 2ß5; zu dem jetzt folgenden Teile der Sage und zu seinem Tode vgl. bes. Olrik II, 72 ff.

') Später wird derselbe Manu auch Lenno oder Lennus genannt; die isländische Form ist Hlenni.

414 Achtes Bach.

die Ausfuhrung des blutigen Dienstes zu öbernehmen und den König im Bade zu überfallen. Als dieser sieb wusch. trat er ein, wurde aber sofort von dem scharfen Blick seiner Augen, die in beständiger Beweglichkeit funkelten, betroffen. seine Glieder wurden von einer geheimen Furcht gelahmt. er stutzte, wandte sieh um und gab die Vollziehung 8eine:^ Anschlages auf. So konnte er. der die Rüstungen so vieler Feldherrn und Kämpfer vernichtet hatte, nicht den scharfen Blick eines einzigen, unbewaffneten Mannes ertragen. OIo aber, der sich sehr wohl der Wirkung seines Auges bewusst war, bedeckte sein Antlitz und hiess ihn näher kommen und sagen, was er bringe. Denn die alte Lebensgemeinschaft und die lange, erprobte Freundschaft Hessen nicht im 893 geringsten in ihm den Verdacht eines Hinterhalts aufkommen. Jener aber zückte das Schwert, sprang vor und durchbohrte den König, und als dieser sich wieder zu erheben bemühte, schnitt er ihm noch die Kehle durch. 120 Pfund Gold wurden ihm zur Belohnung gegeben. Später empfand er Reue und Scham darüber und bedauerte seine That so schmerzlich, dass er sich nicht der Thränen enthalten konnte, wenn zufällig die Rede darauf kam. Ausserdem tötete er eine Anzahl von denen, auf deren Anstiften er gehandelt hatte, zur Rache für das von ihm begangene Verbrechen und sühnte so selbst den Frevel, zu dem er die Hand geboten hatte.

Die Dänen erwählten nun Omundus^), Olos Sohn, zum Könige, indem sie allerdings mehr der edlen Geburt seines Vaters als seinen Verdiensten Rechnung trugen. Als dieser heranwuchs, zeigte es sich, dass er in keiner Beziehung hinter den Leistungen seines Vaters zurückstand. Denn er trug Sorge dafür, es den Thaten Olos gleich zu thun oder

*) Wahrscheinlich ist dieser Omundus, dessen Geburt auf der vorigen Seite erzählt wird, derselbe, von dem wir auch schon VII, 396 hörten. Der doppelte Bericht kann eine Flüchtigkeit Saxos sein. Dass diese möglich ist, zeigt die Geschichte seines Vaters Olo, bei der ähnliche Verwirningf herrscht; s. S. 413 Anni. 1. Die Omundssage ist norwegischen Ursprungs und trägt das (repräge grosser Jugend. Vgl. Ülrik II, 92 ff.

Olos Tod. Omundus. 415

8ie ZU Übertreffen. Ringo beherrschte zu jener Zeit einen grossen Teil 'des norwegischen Volkes, und ein ausgezeichneter Ruf hatte dessen Tochter Esa dem Omundus, als dieser 266 nach einer Gemahlin suchte, empfohlen. Aber die Hoffnung, sie zu erwerben, wurde durch eine merkwürdige Neigung Ringos vermindert; deno dieser wollte nur einen Schwiegersohn von erprobter Tapferkeit haben, und er legte ebensoviel Wert auf Waffenruhm, als andere in Schätzen erblicken. Um sich nun in jener Art des Ruhmes hervorzuthun und sich den Ruf der Tapferkeit zu gewinnen, versuchte Omundus jener Forderung mit allen Kräften nachzukommen und wollte des- halb mit seiner Flotte nach Norwegen, um Ringos Reich kraft seiner Erbanspruche anzugreifen. Oddo^) der Fürst von Jathrien, nahm ihn freundlich auf: denn dieser betrachtete Ringo als den gewissesten Feind seiner Herrschaft und be- klagte sich darüber, dass er schon öfter Unrecht von ihm erlitten habe. Da Ringo unterdessen mit Seeraub be- schäftigt war, griff er das unverteidigte Land an, schonte aber das Eigentum der Bevölkerung, gab nur das Privat- eigentum Ringos der Plündening preis und tötete dessen Angehörige. Oddo hatte sich zwar auch mit Omundus verbündet; bei allen seinen Unternehmungen aber, so ver- schieden und vielseitig sie auch sein mochten, hütete sich dieser immer, denen Gewalt anzuthun, denen er an Zahl der Truppen überlegen war. Denn er gedachte immer daran, 394 dass er, der Sohn eines heldenhaften Vaters, nur durch seine Tüchtigkeit, nicht durch die Zahl siegen dürfe. Unterdessen geschah es, dass Ringo von seinem Raubzuge zurückkam. Bei der Nachricht von dessen Rückkehr begann Omundus «in sehr grosses Schiff auszurüsten, von dem aus er, gleich- wie von einer Befestigung, den Feind von oben her mit seinen Geschossen angreifen wollte. Omothus und Thola, die Söhne Atylos von Schonen, ernannte er zu Befehls-

*) Das ist wohl auch der Held der ( )rvaroddsage , der irgendwie mit den Schicksalen Gmünds in Verbindung gesetzt wurde: vgl. oben 8. 404 Anni. 12.

416 Achtes Buch.

habern ^) derselben; der eine sollte steuern, der andere auf dem Vorderteil die Leitung haben. Ringo aber fehlte weder an Geschicklichkeit noch an Schlauheit, ihnen ent- gegenzutreten. Denn er zeigte nur einen kleinen Teil seiner Truppen und beabsichtigte den Feind im Rücken anzugreifeu. Omundus wurde durch Oddo von diesem schlauen Plane benachrichtigt, sandte Leute ab, welche die im Hinterhalt Aufgestellten überwältigen sollten, und gebot dem Atylo von Schonen, Ringo zu empfangen. Dieser kam dem Be- fehl mit mehr Eifer als Glück nach, seine Streitmacht wurde vernichtet, er erlitt eine Niederlage und floh nach Schonen. Omundus verstärkte sich nun wieder mit Hilfe Od dos und stellte die Flotte zur Seeschlacht auf. Zu dieser Zeit erfuhr Atylo aus Traumgesichteu zweifellos den Ausgang des nor- wegischen Krieges, beschleunigte, um seine Flucht wieder gut zu machen, nach Kräften seine Fahrt und erfreute Omundus noch kurz vor dem Gefecht mit seiner angenehmea Unterstützung. Omundus verliess sich auf seine Beihilfe und begab sich mit ebensoviel Vertrauen wie Erfolg in den Kampf. Denn im persönlichen Streite gewann er den Sieg, den er verloren, als nur seine Leute zu fechten hatten. Ringo, von einer tötlichen Wunde verletzt, sah ihn mit 267 brechenden Augen au, winkte ihn mit der Hand, so gut er konnte, herbei (denn die Stimme versagte schon ihren Dienst) und beschwor ihn, sein Schwiegersohn zu werden. Denn er erleide gern, sagte er, sein Schicksal, wenn er seine Tochter solch einem Manne zur Ehe hinterliesse. Ohne eine Ant- wort hören zu können, verschied er. Omundus beweinte seinen Tod und gab die eine Tochter Ringos dem Omothus, dessen treue Dienste er im Kampfe erfahren, zur Gemahlin, während er selbst die andere heiratete.

Zu eben dieser Zeit hatte die Jungfrau Rusla^), die

*) 80 ist wohl hier „remipes** am richtipstcMi übersetzt; der nrd. Ausdruck dafür wäre wörtlich stafnbuar, dem Sinne nach stVrimenn.

*) Dieses Schildmädchen hat ursprünglich seine Holle fj^ewias nur in der Hrawollaschlacht ; hier und an den andern Stellen mag es nur durch die Erzählunjrslust des Sugaschreibers eingeführt worden sein. S. VII, ij. 389 Anm. 2.

Omundus' Sieg über Ringo. Rusla. 417

sich in wackeren Kriegsthaten weit über weibische Gesinnung 395 emporgeschwungen hatte, in Norwegen vielfache Streitigkeiten mit ihrem Bruder Thron dus^) um die Oberherrschaft. Sie wollte es nicht leiden, dass Omundus die Norweger be- herrsche, und hatte allen Tributpflichtigen der Dänen den Krieg erklärt. Sobald Omundus diese Nachricht erhielt, be- stimmte er seine besten Leute zur Niederwerfung dieses Aufruhrs. Rusla schlug diese, wurde übermütig durch ihren Sieg, Hess sich zu einer masslosen Hoffnung hinreissen und und beabsichtigte, sich der Herrschaft über Dänemark selbst zu bemächtigen. Zuerst griff sie nun die Gegend von Hailand an, wurde aber von Omothus und Thola, welche der König hingeschickt, empfangen, in einer Schlacht ge- schlagen und musste sich zurück zu ihrer Flotte flüchten. Nur dreissig von ihren Schifl^en entkamen in eiliger Flucht, die übrigen fielen in die Gewalt der Feinde. Throndus griff nun seine Schwester an, welche den Dänen zu ent- wischen suchte, wurde aber von ihr geschlagen, seines ganzen Heeres beraubt und flüchtete sich ohne die geringste Be- gleitung über die dofrinischen Alpen ^). So übermannte die, welche kurz zuvor den Dänen weichen musste, bald darauf ihren Bruder und verwandelte ihre Flucht in einen Sieg. Auf die Nachricht hiervon begab sich Omundus wieder mit einer gewaltigen Flotte nach Norwegen und stachelte zuerst die Einwohnerschaft von Thelemarchien durch Omundus und Thola, die er auf verborgenen Schleichwegen aussandte, gegen Ruslas Herrschaft auf. So kam es, dass diese von ihren eigenen Unterthanen aus ihrem Reiche vertrieben wurde und dann bei den Inseln, die sie in der Hoffnung auf Rettung aufgesucht hatte, vor den sie überfallenden Dänen, ohne sich in einen Kampf einzulassen, floh. Der König verfolgte sie eifrigst auf ihrer Flucht, holte ihre Flotte auf dem Meere ein und vernichtete sie fast gänzlich, sodass er einen un- blutigen Sieg und herrliche Beute zum grössten Schaden für

*) Der Eigenname ist ursprünglich nur Appeliativum und bedeutet

Bewohner von Thron dhjem.

«) Ein Gebirgszug in Nor^^egen. Saxo Gramroaticus. 27

418 Achtes Buch.

die Feinde davontrug. Rusla aber entkam mit wenigen Schiffen und durchschnitt mit raschen Ruderschlägen die Fluten. Während sie zwar den Dänen auswich, stiess sie auf ihren Bruder und ward von ihm getötet. So pflegen überhaupt die Gefahren, an die man nicht denkt, eine um so wirksamere schädigende Macht zu haben , und der Zufall macht die Uebel, welche man am wenigsten furchtet, meistens für die, w^elche sie treffen, am ver- hängnisvollsten. Der König aber' beschenkte Throndus für die Vernichtung seiner Schwester mit einer Statthalter- schaft, machte die übrigen tributpflichtig und kehrte in sein Vaterland zurück. 3Ö6 Zu dieser Zeit beschäftigten sich Thorias und Bero, die

268 wackersten Krieger Kuslas, in Hibernien mit Seeraub. Als sie den Tod ihrer Herrin, den zu rächen sie einst eidlieh ge- lobt hatten, erfuhren, suchten sie eiligst Omundus auf und forderten ihn zum Zweikampfe heraus. Sich dagegen zu weigern galt in alter Zeit als schmachvoll für Könige. Denn der Ruhm der früheren Fürsten wurde mehr nach den Waffen- thaten als nach ihren Schätzen beurteilt. Omothus und Thola boten sich nun als Stellvertreter an, um die Heraus- forderer des Königs im Kampfe zu bestehen. Omundus lobte sie sehr, weigerte sich aber zuerst, um einem Vorwurfe zu entgehen, ihre Hilfe anzunehmen. Zuletzt aber Hess er sich von den inständigen Bitten der Seinigen erweichen und gewann es über sich, sein Geschick der Hand anderer anzuvertrauen. In diesem Streite soll Bero gefallen sein, Thorias aber schwer verwundet den Kampfplatz verlassen haben. So- bald dieser sich von seinen Wunden erholt, versöhnte sich der König mit ihm und ernannte ihn zum König von Norwegen. Als Omundus später durch Gesandte den üblichen Tribut von den Slaven einziehen Hess, wurde »*r nicht nur durch die Ermordung der Gesandten, sondern auch durch einen Kiiifall der Slaven in Jütland gereizt; in einem einzigen Feldzuge aber besiegte er sieben Könice und sicherte sich das gew<»hnte Recht des Tributes dunh seinen Sieg.

Kache für Rusla; Starcatherus bereitet sich zum Tode. 419

Unterdessen war Starcatherus^) infolge seines hohen Alters entkräftet geworden, und da er für Lagerleben und Kriegsdienste nicht mehr geeignet erschien, so meinte er, es wäre das Beste, um nicht seinen früheren Ruhm durch die Schuld des Greisenalters einzubüssen, wenn er sich freiwillig den Tod gäbe und sein Schicksal nach eigenem Gutdünken beschleunigte. Denn er, der so viele herrliche Kämpfe be- standen, hielt es für schwächlich, eines unblutigen Todes zu sterben, und um durch ein rühmliches Ende den Glanz seines früheren Lebens nur noch zu vermehren, wollte er sich lieber von der Hand eines vornehmen Mannes töten lassen als den allzu späten Todespfeil der Natur erwarten. Als so schmach- voll galt es also in alter Zeit für diejenigen, welche sich dem Kriegsleben gewidmet hatten, einer Krankheit zu erliegen. Da sein Körper schwach und seine Augen in ihrer Klarheit getrübt waren, hasste er eine längere Dauer des Lebens. Um sich nun einem Mörder zu erkaufen, hängte er das Gold, welches er sich durch Olos Ermordung verdient hatte, um den Hals; denn er meinte, er könne das Unrecht für die Ver- 397 letzung der Majestät nicht besser sühnen, als wenn derselbe Preis, der auf Olos Leben gestanden hätte, auch für das seinige gölte, und wenn er das Gold, welches er für den Tod eines andern erbalten, zum Schaden seines eigenen Lebens aussetze. Diese Anwendung des verruchten Schatzes hielt er für die schönste. Er umgürtete sich also mit zwei Schwertern und stützte seine schwachen Füsse mit Hilfe zweier Stäbe. So suh ihn ein Landmann, und da er meinte, der Gebrauch zweier Schwerter sei für den Alten überflüssig, so bat er ihn im Scherz um eins. Starcatherus machte ihm Hoffnung auf 269 die P>füllung seines Begehrens und hiess ihn näher heran- kommen; dann riss er sein Schwert von der Seite und durch-

*) Die iiicr bejfinnemie Erzählung vom Tode Starkads enthält nach Olrik II, 22() ff. nr>rwojjisohe wie dünische LJel>erlieferung Die letztere ülxTwiegt im ersten, dem Prosateil, erstere in dem eigentlichen Todeslied. Diese beiden Teile sind übrigens nicht in streng zeitliche Aufeinanderfolge zu setzen, sondern mehr als parallel nebeneinander hergehend zu fassen. Vgl. ausser Olrik noch Uhland, Sehr. VII, 2t>9 ff.

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420 Achtes Buch.

bohrte ihn. Dies sah, als er mit seinen Hunden Wild hetzte, ein gewisser Hatherus, dessen Vater Lenno einst Starca- therus aus Reue über seine Frevelthat erschlagen hatte; dieser unterbrach die Jagd und gebot zweien seiner Begleiter, mit gespornten Rossen einen Angriff auf den Alten zu machen, um ihm Furcht einzujagen. Als diese aber nach dem Vor- dringen wieder umkehren wollten, wurden sie von Starca- therus' Stäben aufgehalten und mussten mit dem Tode dafür büsseu. Erschreckt über diesen Anblick ritt Hatherus selbst heran, erkannte den Greis, ohne jedoch von ihm wieder- erkannt zu werden, und fragte ihn, ob er sein Schwert gegen einen Wagen vertauschen wollte. Starcatherus erwiderte. einst habe er immer an Spöttern Rache genommen, und niemals sei er ungestraft von Vorwitzigen verhöhnt worden. Sein geschwächtes Augenlicht aber Hess ihn den Jüngling selbst an seinen Gesichtszügen nicht erkennen; daher sprach er folgendes Gedicht, in welchem er der Grösse seiner Ent- rüstung Ausdruck gab:

„Wie der Strom die gleitenden Wellen ohne Rückkehr vorwärts treibt, so flie.sst auch das Leben der Menschen in allmählicliem Laufe der Jahre dahin, ohne Umkehr. Jäh 398 brechen die Spuren des Hingangs herein, welche das Greisen- alter erzeugt, um allen Dingen ein Ende zu bereiten. Es macht die Augen der Menschen ebenso unsicher wie ihre Schritte, es raubt den Männern die Sprache und den Mut verdunkelt allmählich den Glanz des Ruhmes und tilgt berühmte Thaten. Es befällt die gebrechlichen Glieder, macht die An- strengungen der keuchenden Stimme vergeblich und erstickt in Stumpfheit den lebensfrohen Sinn. Wenn der Husten ent- steht, wenn die Haut rauh wird und juckt, wenn die Zähne stumpf und hohl werden und der Magen ekelhafte Em- pfindungen erzeugt, dann vertreibt es die Jugendschönheit verunziert das Aeussere durch Schlaffheit und zeichnet zahl- reiche Runzeln in die rauhe Haut. Es vernichtet schöne Fähigkeiten, tilgt die Erinnerung an die Vergangenheit und lässt die Ehre früherer Ruhmesthaten vergessen. Gefrässig zerstört es die Kraft, raubt den Wert der Mannhaftigkeit und

Lied des Starcatherus. 421

die Fähigkeit, sie anzuwendeo, kehrt alles um und bringt es in Unordnung. Ich selbst habe erfahren, >vie es schadet, das leidige Älter; matt ist jetzt mein Blick und rauh der Ton meiner Stimme und meines Atems. Alle Vorzüge haben sich ins Gegenteil verwandelt. Schon sichere ich den weniger rüstigen Körper durch Nachhilfen und stütze die schlaffen Glieder durch Krücken. Als Blinder lenke ich meine Füsse mit 270 zwei Stöcken, und wie der Stab es weist, folge ich den Windungen des Pfades, mehr auf die Unterstützung der Krücke als meines Auges vertrauend. Niemand kümmert sich um mich, keiner spendet in der Schlachtreihe dem Alten Trost, wenn nicht etwa Hatherus ^) da ist und dem Freunde in seiner elenden Lage zu Hilfe kommt. Wen jener einmal seiner pflichttreuen Liebe würdigt, den hegt er unverdrossen in 399 seinem Beginnen beständig mit demselben Eifer und scheut sich, das erste Band zu lösen. Oft spendet er auch denen, die sich im Kriege wacker hervorgethan, verdienten Lohn und ehrt ihren Mut. Ehre verleiht er den Tapferen und ziert seine berühmten Freunde mit Geschenken. Schätze gewährt er und bemüht sich, den Glanz seines Ruhmes durch Freigebigkeit zu erhöhen und viele Mächtigen darin zu übertreffen. Nicht weniger wacker ist er im Kampfe; seine Kraft kommt seiner Güte gleich, rasch ist er zum Kriege, trag zum Weichen, schnell bereit einen Streit auszufechten, ungeübt, dem an- drängenden Feinde den Rücken zu weisen. Mir aber bestimmte das Geschick bei der Geburt, wenn ich mich recht erinnere, Kriegen nachzugehen, im Kampfe zu sterben, Zwistigkeiten zu erregen, in den Waffen zu wachen und ein blutiges Leben zu führen. Ruhelos habe ich in den Feldlagern gelegen, voll Hass gegen den Frieden; unter deinen Zeichen, 0 Mars, bin ich unter den grössten Gefahren alt geworden. Die Furcht ward verbannt, für ehrenvoll hielt ich es zu kämpfen, für schimpflich, müssig zu sein; herrlich erachtete ich es, häufig Blutbäder anzurichten und zahlreiche Gemetzel zu verüben.

') Aus diesem Zusaiumenhange ergiebt sich, daas Hathenis frülier, vor Glos und Lennos Ermordung, in sehr freundschaftlichem Verhältnis zu Starkad stand.

422 Achtes Buch.

Oft sah ich ehrwürdige Könige im Kampfe sich begegnen, Schilde und Helme zerhauen, die Gefilde von Blut triefen, Panzer unter den eingedrungenen Spitzen zerbrechen, die Brüste allenthalben unter dem festhaftenden Eisen nachgeben und die wilden Tiere schwelgen im Frasse der unbeerdigten Krieger. Während hier ein Vollführer herrlicher Thaten, mächtig im Kampfe und mit seiner Faust, mitten unter den Feinden streitet, spaltet ein anderer den Schutz seines Hauptes, zersplittert den Helm und taucht das Eisen in sein Gehirn. Dieses Schwert, oft von der Rechten des Fechters geschwuingen, hat gar manchen Schild zerhauen und blieb häufig im Haupte haften."

400 Dagegen sang Hatherus ein Lied folgender Art: ^Woher kommst du, der du Gedichte in heimischer Zunge

zu singen pflegst, und den zweifelnden Fuss auf den unsicheren 271 Stab stützest? Und wohin eilst du, raschester Sänger der dänischen Muse? Aller Prunk deiner hervorragenden Kraft ist hin und entschwunden, fort ist die Farbe aus deinem Gesicht, weg die Freude aus deinem Sinn; die Stimme hat dich verlassen und ertönt in heiserer Rauheit; das früher** Aussehen ist deinem Körper entflohen, der äusserste Verfall hat ihn ergriffen und die Schönheit der Form mit der Kraft zugleich hingerafft. Wie ein Schiff, von unermüdlicher Fahrt erschüttert, auseinanderfällt, so erzeugt das Greisenalter im langen Laufe der Jahre ein trauriges Ende, das Leben verliert seine Kräfte, verfällt und erfährt den Verlust seines früheren Loses. Wer hindert dich denn, du wohlbekannter Alter, jugend- liche Scherze zu treiben, wie sichs gebührt, den Ball zu werfen oder Nüsse zu zerbeissen und zu essen? Ich halte es für besser duss du dein Schwert verkaufst und dagegen ein Gefährt einhandelst in dem du oft ausfahren kannst, oder ein leicht zu zügelndes Pferd; oder für denselben Preis könntest du auch ein leichtes Wägelchen erstehen. Zweckmässiger werden

401 Zugtiere solch schwächliche Greise aufnehmen, denen »schon die Schritte unsicher werden; ein im Kreise sich drehendes Rad frommt denen, deren Füsse kraftlos zittern. Wenn du dich aber weigerst, das unnütze Schwert zu verkaufen, so wird es dir entrissen werden und dich töten, wenn dirs nicht feil ist.**

Lieder des Hatherus und St<arcathcrus. 423

Darauf erwiderte Starcatherus:

„Elender, mit leichtsinnigem Munde sprichst du unbe- sonnene Worte, unpassend für die Ohren rechtschaffener Leute. AVeshalb verlangst du Geschenke zum Lohn für die Führung, die du umsonst hättest leisten müssen? Auf eigenen Füssen will ich gehen, nicht schimpflich mein Schwert im Stiche lassen und die Hilfe eines Fremden anrufen. Die Natur gab mir das Recht der Fortbewegung und hiess mich auf die eigenen Fasse vertrauen. Weshalb schmähst du höhnend mit frecher Rede den, dem du freiwillig auf seinem Wege hättest ein Leiter sein sollen? Weshalb giebst du meine Thaten, die ich einst vollbracht, der Schande preis, während sie doch dauernden Ruhmes wert sind? Weshalb verwandelst du auch das Verdienst in Schuld? Warum verfolgst du den im Kampfe mächtigen Alten mit Gelächter und wjeihst meinen unbesieg- baren Ruhm und meine glänzende Thaten der Schmach, indem du das Ehrenwerte verkleinerstund das Heldenhafte vernichtest? Kraft welches Rechtes verlangst du mein Schwert, das für deine Kräfte nicht passt? Nicht gehört es an die unkriegerische Seite oder in die Hände eines Ochsenknechtes, der nur länd- liche Lieder auf der Rohrpfeife zu spielen, das Vieh zu besorgen und die Herden auf der Weide zu schützen pflegt. Denn unter den Knechten, dicht neben dem schmierigen Topfe, tauchst du deine Kruste in den Schaum der brodelnden Pfanne, lässt 272 dein mageres Brot von dem Safte des dicken Fettes durch- 402 ziehen und leckst verstohlen die warme Suppe vom durstigen Finger. Besser verstehst du es, dein Gewand, das daran gewöhnt ist, an der Asche abzuwerfen, am Herde zu schnarchen und den ganzen Tag im Schlafe zu liegen, eifrig nur in der Beschäftigung, in der duftenden Küche herumzustreifen, statt im Kriege wacker Blut fliessen zu lassen. Als Feind des Lichtes, als Liebhaber unsauberer Sehlupfwinkel, ein elender Sklave deines Bauches, wirst du einem Hunde gleiehgeachtet, der schmutzige Körner frisst zugleich mit den Schalen*). Beim

^) Ein etwas unklarer Satz; lat.: Parque putaris Soidida cum. siliquis lambenti farra cateUo.

424 Achtes Buch.

Himmel nicht hättest du versucht, mich meines Schwertes zu berauben, als ich unter höchster Gefahr dreimal der Besieger von Ol OS Sohn war^). Denn fürwahr, in jenem Kampfe zer- brach meine Hand das Schwert oder schlug die Hindernis^if

403 nieder; so gross war die Wucht meiner Hiebe. Und was soll ich weiter von jener Zeit sprechen, als ich zuerst Anweisung gab, das Gestade der Kurländer und den mit unzähligen Spitzen bedeckten Weg auf den mit Holzschuhen bekleideten Füssen hinabzueilen^)? Denn als ich die mit eisernen Stacheln aus- gefüllten Felder betreten wollte, schützte ich die Fusse, die zerfleischt werden sollten , durch untergelegte Holzsohlen. Dort tötete ich Hama, der mit auserlesener Streitmacht mir entgegentrat. Dann schlug ich samt ihrem Führer Rinus^). dem Sohne des Flebax, die Kurländer und die Stämme, welche Estland gebar und deine Völker, Semgala. Darnach griff ich die Thelemarchier an und trug einen blutigen, leichenfarbigen Kopf davon , zerquetscht von Hammerhieben und getroffen von geschmiedeten Waffen*). Damals begriff ich zuerst, was die Eisengeräte des Amboss vermöchten, und wieviel Mut den gemeinen Leuten inne wohnt. Auch die Teutonen büssteu

404 durch mich, als ich deine Söhne, Swertingus, die Schuldigen an dem ungerechten Morde Frothos, als Rächer meines Herrn beim Zechgelage niederstreckte. Nicht geringer war auch ilie That, als ich für ein geliebtes Mädchen sieben Brüder in einem Kampfe erschlug*); Zeuge dafür ist die Stelle, die verdorrte, als ich meine Eingeweide dort verlor, und die kein frisches

') Der ganze Satz ist dem Inhalt nach iÜr uns völlig unverständlii'li : auch Worterklärung und Konstruktion sind mehrdeutig. Er lautet: Quan<iH tcr Olonis summo discrimine nati Expugnator eram.

*) Für die folgende Aufzählung von Starkads Thaten vgl. die Be- richte B. VI S. 294 flF.

■) Das ist wahrscheinlich derselbe Mann, der VI, 299 Winus St*Ia- vorum princeps genannt wurde; der Name seines Vaters Flebax. von d«Mu übrigens nur der Ablativ Flebace belegt ist, kommt sonst nirgends vor.

*) Diese Verse geben die Erläuterung zu VI, 309 (u. Aiim. 2).

*) (verneint ist der Kampf mit Angaterus für Helgo, H. VI, B14 ff,: dass dort neun, hier sieben Brüder genannt sind, beruht entweder a .f einer Flüchtigkeit Saxo» oder auf Verschiedenheit der Quellen.

Lieder des Starcatherus. 425

Gras mehr auf dem versengten Boden hervorbringt. Als sich dann der Feldherr Kerrus zum Seekriege rüstete, haben wir seine mit auserlesenen Scharen angefüllte Flotte besiegt^). Darauf weihte ich Waza*) dem Tode, verstümmelte den frechen Schmied, indem ich ihm die Hinterbacken abhieb und tötete mit dem Schwerte Wisinnus, der von schneebedeckten Felsen aus die Geschosse stumpf machte. Darauf erschlug ich die vier Söhne des Lerus^) und die Biarmischen Fechter. Den 278 Häuptling des hibernischen Volkes nahm ich gefangen und plünderte die Schätze von Duflina. Immer wird auch unser Ruhm andauern, wenn man die Siegeszeichen von Brawalla 405 betrachtet. Was zögere ich? Zahllos sind die Heldenthaten, die ich vollbracht, und wenn ich durchmustere, w^as ich aus- geführt habe , vermag ich es nicht vollständig aufzuführen. Alles ist bedeutender als mein Bericht darüber; das Werk selbst übertrifft die Kunde davon , und Worte reichen nicht aus für die Thaten,'*

Soweit Starcatherus. Als er endlich aus der Antwort erfuhr, dass Hatherus Lennos Sohn sei, erkannteer, dass der Jüngling aus vornehmem Geschlechte stamme, und bot ihm seine Kehle zum Durchstechen dar, indem er ihn ermahnte, er solle nicht zögern, an dem Mörder seines Vaters Rache zu nehmen. Wenn er es thue, versprach er ihm den Besitz des Gelde«, welches er selbst von Lenno bekommen hatte. Um seinen Zorn noch heftiger gegen sich zu erregen, soll er sich folgender Anreizung bedient haben:

„Ferner, Hatherus, habe ich dich deines Vaters Lenno beraubt; vergilt mir das, ich bitte, und töte mich Alten, der sterben will, ziele mit dem rächenden Stahl nach meiner Kehle. Denn mein Sinn verlangt den Dienst eines ruhmreichen Mörders, und er schaudert davor, von einer feigen Hand sein Schicksal einzufordern. Recht ist es, mit frommem Streben dem Gesetze des Geschickes zuvorzukommen. Vorweg nehmen darf man das.

*) Von dieser Geschichte wissen wir sonst nichts; der Name Kerrus findet sich als Kjarr öfter.

•) VI, 300 hiess er Wasce (Wilzce).

•) Auch hiervon wissen wir sonst nichts.

42ß Achtes Buch.

dem man nicht entgehen kann. Ein junger Baum muss gepflegt, ein alter abgehauen werden. Eia Diener der Natur ist nur, wer vernichtet, was dem Ende nahe ist, und niederstreckt, was nicht mehr stehen kann. Der Tod ist dann am besten, wenn man ihn begehrt , überdrüssig ist einem das Leben, wenn man sein Begräbnis wünscht , und nicht möge dann ein unbequemes Alter die Wechselfälle des Daseins verlängern. "*

Mit diesen Worten holte er das Geld aus der Tasche und reichte es ihm hin. Hatherus gelobte nun, ebenso indem Wunsche, den Schatz zu besitzen wie Rache für seinen Vater zu üben, er werde seiner Bitte willfahren und die Belohnung dafür nicht zurückweisen. Starcatherus übergab ihm eifrig sein Schwert, neigte auch zugleich seinen Hals hin, ermahnte ihn noch, er solle nicht furchtsam das Henkerwerk vollziehen und das Schwert nicht weibisch anwenden, und verhiess ihm noch, er werde, wenn er nach Vollbringung derThat vor dem Niederfallen des Leichnams zwischen Haupt und Rumpf mitten

40(5 hindurchspringe, gegen Waffen gefeit sein. Ob er dies gesagt hat, um seinem Mörder damit zu nützen oder um ihn zu

274 strafen, bleibt dahingestellt. Denn es könnte wohl sein, dass ihn beim Sprunge die Last des Körpers erdrückt hätte. Hatherus schwang nun kräftig das Schwert und hieb dem Greise das Haupt ab. Dieses soll, als es vom Rumpfe getrennt auf die Erde fiel, noch in eine Scholle gebissen haben, und offenbarte durch die Wildheit des Mundes die grausame Sinnes- art des Sterbenden. Der Mörder aber fürchtete unter jener Verheissung einen Trug und unterliess vorsichtig den Sprung. Wenn er ihn blindlings gewagt hätte, wäre er vielleicht unter der Wucht des stürzenden Leichnams verschüttet worden und hätte so mit dem eigenen Tode für die Ermordung des Greises gebüj?st. Um aber einen solchen Helden nicht unbestattet liegen zu lassen , liess er meinen Körper auf dem Felde, welches im Volkmunde Rölung^) heisst, einem Grabmal übergeben.

*) Das ist diosollK» Statte in Seclaml. die VI, 313 Koliung genannt wurde.

Tod des Starcatherus und Omundus. Sywardus. £bbo. 427

Omundus starb nun, wie ich lese, in tiefstem Frieden und ungestörter Ruhe; er hinterliess zwei Söhne und ebenso viele Töchter. Der älteste von jenen, Sywardus^), übernahm kraft der Erbschaft die Herrschaft, während sein Bruder Buthlus noch ganz jung war. Zu dieser Zeit wurde der Schwedenkönig Götarus infolge des Rufes von ihrer aus- gezeichneten Schönheit von unendlicher Liebe zu der einen von Omundus' Töchtern ergriffen und übertrug die Botschaft mit der Aufgabe um die Jungfrau zu werben einem gewissen Ebbo, Sibbos Sohne. Dieser führte seinen Auftrag sehr gewandt aus und brachte die angenehme Kunde von der Ein- willigung des Mädchens zurück. NMchts fehlte nun Götarus mehr zur Erfüllung seiner Wünsche ausser der Hochzeit, die er sich scheute bei den Fremden zu vollziehen; deshalb bat er Ebbo, dessen er sich ja schon früher als Gesandten bedient hatte, ihm seine Braut zuzuführen.

Als dieser mit einem ziemlich kleinen Gefolge durch Hailand zog, begab er sich, um zu übernachten, in ein Bauerngehöft, in welchem ein mitten hindurchströniender Fluss die einander gegenüber liegenden Behausungen zweier Brüder trennte. Diese hatten nun die Gewohnheit, alle, welche sie 407 gastfreundlich aufnahmen, zu ermorden, verstanden es aber, unter dem Scheine der Freigebigkeit ihre Räubereien zu ver- bergen. Sie hatten nämlich einen viereckigen Balken, wie eine Presse gestaltet und mit einer eisernen Spitze beschlagen, hoch oben am Hause an verborgenen Stricken befestigt; zur Nachtzeit Hessen sie diesen nun herab, indem sie die Halte- taue wegnahmen , und pflegten so die Köpfe der darunter Liegenden abzuschneiden; auf diese Weise hatten sie schon

*) Die (lesehichto von Sywardus, der isländischen Quellen völlig fremd ist, bildet die Einleitung zur Janneriksage , die gleich folgt. Stil und Inhalt der Erzählung weisen darauf hin, dass in ihr nicht altes ihii vorliegt, sondern dass Zeitereignisse die Wendenkriege unter AValdemar in der Mitte des 12. Jhdts. (vgl. dazu die Geschichte des Roricus III, 132 u. Anm. 3) in etwas altertümelnder Form wiedergegeben sind. Den Hauptraum nimmt zudem das märchenhafte Abenteuer Ebbos ein; vgl. Olrik II, 254 5.

428 Achtes Buch.

viele durch die schwebende Masse enthauptet. Als sie dud Ebbo und den Seinigen ein reichliches Mahl vorgesetzt hatten. bereiteten ihnen Diener ein Lager nahe dem Herde, um ihnen dann heimtückisch die Köpfe, die auf das Feuer zu lagen^ durch die Wucht des Balkens abzuschlagen. Als sie weg- gingen, kam Ebbo die Vorrichtung zu seinen Häupten ver- dächtig vor, und er gebot seinen Leuten, sich wo anders hinzulegen und sich schlafend zu stellen, indem er sagte, diese Art Veränderung würde ihnen sehr heilsam sein. Es 275 befanden sich dabei aber auch einige die nicht zu Ebbos Gefolge gehörten; diese verachteten die Warnung, auf welche die übrigen alle hörten, und blieben, ohne sich zu ruhreu, auf der Stelle liegen, die jeder gerade gefunden hatte. Unter dem Diiakal der Nacht -wurde nun das schwebende Gewicht der Maschine von den Vollziehern der Heimtücke in Bewe- gung gesetzt, der Balken entglitt den Knoten , in denen er hing, sauste mit grosser Gewalt herab und überantwortete die darunter Liegenden dem Tode. Um nun genauer den Erfolg der Sache zu untersuchen, brachten die, welchen die Ausführung der Unthat übertragen war, ein Licht und fanden, dass Ebbo, dessentwegen man hauptsächlich den Anschlag unternommen hatte, klüglieh der Gefahr ausgewichen war. Von diesem wurden sie sogleich angegriffen und mussten mit dem Tode büssen. Ebbo aber verlor im Handgemenge auch seine Leute, fand dann zufällig ein Boot, setzte darin über den mit zahlreichen Eisschollen bedeckten Fluss und gab Götarus mehr über sein Unglück als über den Erfolg seiner Gesandschaft Auskunft.

Götarus vermutete, dass dieser Ueberfall auf Antrieb des Syw^ardus veranstaltet worden sei und rüstete sich, mit Waffengewalt Rache für die Unbill zu nehmen. Sywardus wurde von ihm in Hailand geschlagen und entwich nach Jütland, während seine Schwester von den Feinden gefangen wurde. Hier siegte er über einen Haufen Slaven, welche ohne Anführer eine Schlacht wagten, und erntete aus diesem Siege ebenso grossen Ruhm , als er sich durch die Flucht Schimpf zugezogen hatte. Als aber diese, die er ohne Feld-

Abenteuer £bbos; Unglück des Sywardus. 429

herr geschlagen hatte, bald einen Anführer bekamen, musste er ihnen in Fünen weichen. Mehrfach mass er sich mit ihnen 408 auch in Jütland, aber mit unglücklichem Erfolge. So kam es, dass er Schonen und Jütland verlor und nur die Mitte seines Reiches gleich wie den Rumpf eines verstümmelten Körpers, ohne Haupt zurückbehielt. Sein Sohn Jarmericus ward mit seinen beiden Schwestern im zarten Kindesalter eine Beute der Feinde; die eine derselben ward für Geld an die Norweger verkauft, die andere an die Germanen; denn in alter Zeit waren die Ehen Handelsgeschäfte^). So verfiel das Dänenreich, welches auf das heldenhafteste erweitert, durch so grosse Ruhmesthaten der Vorfahren berühmt geworden, durch so viele Siege vergrössert worden war , wegen der Unfähigkeit eines Mannes vom höchsten Ruhmesglänze und aus dem blühendsten Zustande in so tiefe Schmach, dass es selbst den Tribut zahlen musste, den es vorher eingezogen hatte. Sywardus aber, all zu oft um den Sieg betrogen und wiederholt an schimpflichen Niederlagen schuld, gewann es nicht über sich, nach dem so hohen Ruhme der Vorfahren bei einem so schandvollen Zustande seines Vaterlandes die verworrenen Zügel der Regierung weiter zu führen; damit nicht sein Iicben noch länger zur äussersten Aufopferung des Ruhmes beitrüge, beeilte er sich, im Kampfe einen ehrenvollen Tod zu suchen. Denn er konnte sein Unglück nicht vergessen; er wollte zwar seinen Kummer loswerden, verzweifelte aber an einer Besserung. So sehr hatte ihm der eifrige Wunsch, 276 seine Schmach zu sühnen , das Leben verhasst gemacht. Darum rüstete er seine Truppen zur Schlacht und erklärte einem gewissen Simo, einem Statthalter des Götarus in Schonen, oflFen den Krieg. Er führte ihn mit der hartnäckigen Kraft der Verzweiflung, erschlug Simo^; und endete nach einem Blutbade unter den Feinden sein Leben. Sein Vaterland aber konnte trotzdem nicht von der Last, den Tribut zu zahlen, befreit werden.

») Vgl. V, 250 und I, 26 Anm. 2.

*) Auch dieser chrutUehe (.jüdische), nicht germanische Name ist ein Zeichen für die Jugend der Erzählung.

430 Achtes Buch.

Unterdessen sass Jarmericus^) mit seinem gleichaltrigen Milchbruder Gunno im Gefängnis, bei dem Slavenkönig Is- marus. Endlich wurde er jedoch entlassen, und betrieb, zu Feldarbeiten verwandt, den Ackerbau. Infolge seiner ge- schickten Leistungen dabei wurde er zum Aufseher über die königlichen Sklaven ernannt. Als er sich auch hier tadellos bewies, wurde er unter die Leibwache des Königs versetzt; da er sich dort nach Höflingsbrauch durch äusserst liebens- würdiges Benehmen auszeichnete, wurde er nach kurzer Zeit unter die Zahl der Freunde des Königs aufgenommen, und 409 in einer Art Stufenleiter von Verdiensten gelangte er aus der niedrigsten Stellung bis zum glänzendsten Gipfel der Ehren. Um nicht eine träge und schwächliche Jugend zu verleben, gewöhnte er sich an kriegerische Uebungen und vermehrte seine natürlichen Gaben noch durch Fleiss. Allen war die Veranlagung des Jarmericus angenehm, nur der Königin war das Talent des Jünglings verdächtig. Ein plötz- lich auftauchendes Gerücht verkündigte auch, dass des Königs Bruder vom Geschick hingerafft sei. Da ihm Ismarus ein glänzendes Begräbnis zu teil werden lassen wollte, veran- staltete er, damit der Prunk der Leichenfeier um so grösser werde, mit königlicher Freigebigkeit ein Gastmahl. Jar- mericus aber, der sonst zusammen mit der Königin die Aufgabe hatte, sich um das Hauswesen zu kümmern, begann

*) Die hier beginnende, bei Saxo nach dänischer Volksüberlieferungr dargestellte Jamieriksage zerfällt in zwei Hauptabschnitte: 1. Die Jugend des Helden und seine Kämpfe, 2. Swanhildens Tod und dessen Folgen. Der Held der Sage ist der historische Ostgotenkönig Airmauareiks (deutsch Emianarich, nrd. Jormunrekr), der sieh 375 seihst tötete. Die Jugend- geschichte ist von Saxo allein überliefert und märchenhaft ausgestaltet (Olrik in d. Zeitschr. d. Ver. f. Volkskde II , 252 ff.)- !i*onst s. über die Sage Oh-ik II, 252 ff.; Symons i. Grdr.« III. ««2 ff. u. bes. Jiriczek, Deutsche Heldensagen I, 55 tf., vor allem darin Ö. 95 ff., 115 ff. Ferner die Edda- lieder Gudruns Aufreizung und das Lied von Hanidir (= Gering S. 286 u. 290), und Rassmann, Die deutsche Heldensage' (Hannover 1863) I, S. 262, 330, 355 if., II, 475, 570 if., wo üebersetzungen noch anderer Quellen gegeben sind (Edda, Völsungasaga, ober- u. niederdeutsche Berichte, Thidrekssaga).

Jamericus^ Jugend und Flucht. 431

jetzt eifrig an die Flucht zu denken, der die Abwesenheit des Königs glückliehen Erfolg zu versprechen schien. Er erkannte nämlich, dass er auch unter Schätzen nur ein elender Sklave sein werde und gleichsam nur durch fremde Güte sein klägliches Leben friste. Ausserdem glaubte er, trotz der hohen Ehren, die er beim König genoss, die Frei- heit diesen Freuden vorziehen zu müssen, und er brannte von heftigster Begier, sein Vaterland zu besuchen und sein Geschlecht kennen zu lernen. Da er aber wusste, dass die Königin für ausreichende Wachen gesorgt hatte, damit keiner der Gefangenen entwischen könnte, bemühte er sich, durch List auszuführen«, was er mit Gewalt nicht erreichen konnte. Daher steckte er in eine aus Bast und Ruten geflochtene Figur, wodurch die fjandleute gleichwie durch eine mensch- liehe Gestalt die Vögel von den Aehren zu verscheuchen pflegen, einen lebenden Hund. Dann zog er seine Kleider aus und legte sie diesem Gebilde an , damit es um so wahrschein- licher eine Menschengestalt darstelle. Darauf brach er in des Königs Privatschatz ein, nahm das Gold heraus und ver- 277 barg es an nur ihm bekannten Orten. Inzwischen trug G unno, der den Auftrag hatte, die Abwesenheit seines Gefährten zu verheimlichen, die Puppe in die Königshalle, reizte den Hund zum Bellen und berichtete auf die Frage der Königin, was das bedeute, Jarmericus sei wahnsinnig geworden und heule. Jene Hess sich beim Anblick der Figur durch die Aehulichkeit täuschen und gebot, den Verrückten aus dem Palaste hinauszuwerfen. Da brachte Gunno die Puppe hin- aus und legte sie , gleich als ob sie sein rasender Gefährte sei, ins Bett. In der Nacht aber machte er die Wachen bei einem heiteren Mahle durch reichlichen Weingenuss unschäd- lich , schnitt ihnen im Schlafe die Köpfe ab und legte sie 410 ihnen, um ihren Tod noch schimpflicher zu machen, zwischen die Beine. Durch den Lärm wurde die Königin aufgeweckt, und da sie die Ursache davon wissen wollte, öffnete sie erregt die Thür. Sowie sie aber unvorsichtig ihren Kopf hinaus- steckte, wurde sie unversehens von Gunno s Schwert durchbohrt. Als sie mit der Todeswunde niedersank, wandte sie die Augen

432 Achtes Buch.

auf ihren Mörder und sagte: Wenn ich unversehrt hätte lebeQ dürfen, würdest durch keinen listigen Anschlag dieses Land verlassen. So ergoss sie noch sterbend viele Drohungea über ihren Mörder. Darauf legte Jarmericus zusammen mit Gunno, dem ruhmreichen Genossen seiner That, heim- lich Feuer an das Gemach, in dem der König beim Gelage die Leichenfeier für seinen Bruder hielt, und da alle von der Trunkenheit überwältigt waren , war es bald von den Flammen erfüllt^). Als diese weiter um sich griffen, schüt- telten einige den Dämmer des Rausches von sich ab, schwangen sich zu Pferde und verfolgten die , welche sie als Urheber ihrer Gefahr entdeckt hatten. Die Jünglinge aber ritten zu- erst auf den Tieren, die sie sich genommen hatten, davon, und als diese zuletzt von dem all zu langen Laufen abgemattet waren , setzten sie zu Fuss ihre Flucht fort. Als sie fast schon ergriffen wurden , brachte ihnen ein Fluss Rettung. Sie überschritten nämlich eine Brücke, deren Balken sie schon vorher, um die Verfolger aufzuhalten, halb durchgesägt hatten, sodass sie nicht nur keine Last mehr aushalten konnte, sondern schon dem Einstürze nahe war; dann begaben sie sich absicht- lich in eine dunkle Schlucht. Als die Slaven, allzuwenig die Gefahr voraussehend, unvorsichtig die Brücke mit dem Gewicht ihrer Pferde belasteten, brach das schwache Gebälk zusammen, und sie stürzten in den Strom. Während sie schwimmend das Ufer zu erreichen strebten, wurden sie von Gunno und Jarmericus, die ihnen entgegentraten, aufgefangen und ertränkt oder erschlagen. So vollbrachten die Jünglinge vermöge ihrer ausgezeichneten Schlauheit, nicht wie flüchtige Sklaven, sondern wie mit Weisheit begabte Greise, eine That, die weit über ihr Alter hinausging , und was sie so listig geplant hatten, führten sie auch thatkräftig durch. Sobald sie aber an den Strand kamen, ergriffen sie ein Schiff, das ihnen der Zufall entgegenbrachte , und segelten in das hohe Meer hinaus. Als die verfolgenden Barbaren sie auf See sahen, suchten sie sie durch lautes Schreien zurück zu rufen. Sie verhiessen

») Vj?l. III, 131 und Anm. 3.

Jarmericus' Flucht und Siege.

433

ihnen, sie sollten herrschen, wenn sie zurückkehrten; denn nach einer öffentlichen Verordnung der Alten sei den Mördern von Königen die Nachfolge in der Herrschaft zuerkannt. 278 Lange noch erfüllte das andauernde Geschrei der Slaven 411 mit den verführerischen Versprechungen die Ohren der Flücht- linge.

Zu dieser Zeit herrschte Buthlus, der Bruder des Sywardus, vertretungsweise über die Dänen; bei der Ankunft des Jarmericus aber sah er sich genötigt, diesem die Herrschaft zu übergeben , und so ward er aus einem König ein Privatmann. Um dieselbe Zeit tötete Götarus den Sibbo, den er der Schändung seiner Schwester bezichtigte. Infolge dieses Mordes eilten dessen Verwandte klagend zu Jarmericus und verhiessen, sie würden aus Rache für ihren Angehörigen mit ihm zusammen Götarus bekriegen. Sie brachen auch ihr Versprechen durchaus nicht. Denn mit ihrer Hilfe gelang es Jarmericus , Götarus zu schlagen und sich Schwedens zu bemächtigen. Da er nun über zwei Völker- schaften herrschte, griff er im Vertrauen auf seine gesteigerte Macht die Slaven in einem Kriegszuge an. Vierzig von ihnen nahm er gefangen und Hess sie neben eben so viel Wölfen aufhängen*). Diese Art Strafe, die einst für Vater- mörder bestimmt war , wollte er deswegen an den Feinden vollstreckt wissen, damit man schon aus der Gemeinschaft mit den wilden Tieren ersehen könnte, wie grausam sie gegen die Dänen verfahren waren. Als er auch ihr Land unter- worfen, verteilte er Besatzungen in die geeigneten Plätze. Dann brach er auf und brachte den Sembonen, Kurländern und mehreren andern Völkerschaften des Ostens eine Nieder- lage bei. Da der König hiermit beschäftigt war, glaubten die Slaven , es sei ihnen Gelegenheit zum Abfall geboten, erschlugen die Befehlshaber, die er eingesetzt hatte, und ver- heerten Dänemark. Bei der Rückkehr von seinem Raubzuge fing Jarmericus zufällig ihre Flotte ab, zerstörte sie und er- höhte durch diese That noch den Ruhm seiner früheren Siege.

') Vgl. B. V, 263 u. Anm. 2. Saxo Grammaticus.

28

434 Achtes Buch.

Uebrigens liess er den Yornehmen unter ihnen zuerst Riemen durch die Schienbeine ziehen, sie dann an die Hufe wilder Tiere binden und diese mit Hunden hetzen. So hiess er sie durch Kot und Dickicht schleifen und tötete sie unter einem klagliohen Schauspiele. Dadurch wurde der Mut der Slaven gebrochen und sie erkannten in höchster Angst die Herr- schaft des Königs an. Jarmericus hatte sich nun an der Beute von so vieleu Völkern so bereichert^), dass er ein sicheres Unterkommen für dieselben schaffen musste, und er erbaute dafür auf einem sehr hohen Felsen mit bewundems-

412 werter Kunst ein Haus. Er errichtete einen Damm von Erdschollen, in dessen Grund er zahlreiche Steine werfen Hess., und umgab den untersten Teil mit einem Walle, den mittleren mit einer Reihe von Zimmern, den obersten mit Brustwebren. Ringsherum stellte er übrigens eine ununterbrochene Kette von Wachen auf. Vier grosse Thüren gewährten voji ebenso vielen Seiten ungehinderten Zutritt. In diesem herrlichen Gebäude häufte er die ganze Pracht seiner Schätze auf. Als er 80 seine häuslichen Angelegenheiten geordnet, wendete er seinen Sinn wieder äusseren zu. Er unternahm eine Fahrt,

270 begegnete vier Brüdern hellespontischer*) Abkunft, die sehr an den Beruf des Seeraubes gewöhnt waren, auf dem Meere und zögerte nicht, sie in einer Seeschlacht anzugreifen. Nach- dem diese drei Tage gedauert , bedang er sich von ihnen ihre Schwester samt der Hälfte des Tributes aus, welchen sie den von ihnen Besiegten auferlegt hatten , und brach dann das Treffen ab.

Darnach entwischte Bieco^), der Sohn des Königs der Livländer, aus der Gefangenschaft, in der er von den genannten Brüdern gehalten wurde, und begab sich zu Jarmericus« von dem er einst seiner Brüder beraubt worden war, ohne jedoch diese Unbill vergessen zu haben. Freundlich von diesem

') Der Reichtum des .loruierik ist in der germanischen Sage ganz allgemein bekannt; s. W. (irimm, Die deutsche Heidonsage* S. 19.

') Was fiir Leute mit den Hellespontiern gemeint sind, ist nicht zu ersehen: vpl. Anm. 2 auf Ö. 36.

*) In der Vülsun^rasaga heisst er Bikki, in der Thidrekssaga Siflca.

Jarmericus und Bicco. 435

aufgenommen , wurde er bald der ganz besondere Vertraute seiner Geheimnisse. Sobald er merkte , dass der König für alle seine Ratschläge empfänglich sei, verführte er ihn, wenn er seinen Rat in Anspruch nahm^ immer zu den verabscheu- ungs würdigsten Handlungen und veranlasste ihn, die nichts- würdigsten Verbrechen zu begehen. So übte er unter dem Scheine der Willfährigkeit die Kunst des Schädigens. Besonders aber reizte er ihn gegen seine nächsten Blutsverwandten. In dieser Weise suchte er durch List Rache für seine Brüder zu nehmen, da er es mit Gewalt nicht konnte. So kam es, dass der König statt seiner tugendhaften Eigenschaften schmut- zige Laster annahm und für das, was er auf Antrieb seines treu- losen Beraters Grausames verübte, sich allgemeinen Hass zuzog. Auch eine Empörung der Slaven brach gegen ihn aus. Um diese zu dämpfen, Hess er ihren gefangenen Führern Stricke durch die Schienbeinknochen ziehen, und sie dann von Pferden, die nach verschiedenen Richtungen gejagt wurden, zerreissen ^). Auf diese Weise getötet, mussten die Rädelsführer durch die Zerfleischung ihrer Leiber für ihre Hartnäckigkeit büssen. 413 Dieses Verfahren aber erhielt die Slaven fortan in Gehorsam und gleichmässiger, stäter Unterwürfigkeit.

Unterdessen aber erhoben die Schwestersöhne des Jar- mericus, die in Germanien geboren und erzogen waren, im Vertrauen auf den Namen ihres Grossvaters die Waften gegen ihren Oheim, indem sie behaupteten, ihnen komme die Herr- schaft ebenso gut wie jenem zu. Der König zerstörte ihre Befestigungen in Germanien durch Maschinen , belagerte mehrere Städte oder nahm sie ein, einige Hess er auch dem Erdboden gleich machen und kehrte nach einem unblutigen Siege zu seinen Bürgern zurück. Da kamen ihm die Helles- pontier entgegen und brachten ihm ihre Schwester^) zu der verabredeten Vermählung. Diese wurde gefeiert, und dann wandte er sich wieder auf Antrieb Biccos nach Germanien,

^) Das ist natürlich nur eine Wiederaufnahme des auf der vorigen Seite berichteten Zuges.

') Sie heisst Swanhild (bei Sazo Swanilda); s. unten.

28*

436 Achtes Buch.

WO er nicht zögerte, seine während des Krieges gefangenen NeflFen aufhängen zu lassen. Die Vornehmen versammelte er. indem er zum Scheine ein Gastmahl veranstaltete, und liess sie ebenfalls auf dieselbe Weise umbringen.

Indessen hatte der König dem Broderus^), den er einst in einer andern Ehe erzeugt, die Obhut über seine Stiefmutter übertragen, die dieser auch in vollkommen sittenreiner Wach- samkeit ausübte. Bicco bezichtigte ihn aber beim Vater der Blutschande, und um nicht den Verdacht zu erwecken, dass er ihn fälschlich angeklagt habe, verfolgte er ihn mit falschen

280 Zeugen. Als nun die Anklage in allen Punkten vollständig erhoben war, konnte Broderus keine giltige Entschuldigung zu seinem Schutze vorbringen, und der Vater bat seine Freunde, das Urteil über den Angeklagten abzugeben; denn er hielt es für weniger lieblos , wenn andere die Strafe für seinen Sohn bestimmten, als wenn er selbst den Urteilsspruch fälle. Alle andern erkannten, er verdiene Aechtung, nur Bicco scheute sich nicht, eine verhängnisvollere Ansicht gegen sein Leben zu äussern und erklärte, der Verüber einer sündhaften Schän- düng müsse am Galgen büssen. Damit man nun aber nicht glaube , diese Strafe gehe von der Grausamkeit des Vaters aus, so sollte man ihn, meinte er, an einer Schlinge fest- geknüpft auf ein Brett stellen , das von Dienern getragen würde. Wenn diese ermattet die Hände unter der Last sinken Hessen , so würden diese gewissermassen für den Tod des Jünglings verantwortlich uud würden durch ihre Schuld den König von dem Verbrechen des Kindesmordes befreien. Ausserdem versicherte er, wenn der Anklage nicht die Strafe folge, werde er seinem Vater nach dem Leben trachten. Die Ehebrecherin Swanil da aber müsste, damit sie um so schmäh- licher aus dem Leben scheide, von Tieren mit den Hufen zerstampft werden. Der König folgte Bicco, liess seinen

414 Sohn zum Galgen führen und ihn von den Umstehenden mit Hilfe eines Gerüstes unterstützen , damit er nicht erwürgt werden könne. So rief ein unschädlicherKnoten, der seine Kehle

*) In der V(">lsungasaga heisst er Kandverr (Hassmaiin I, S. 263).

Geschichte des Broderus und Swaohildas. 437

nur ein wenig zusammenschnürte , bloss den Eindruck einer scheinbaren Strafe hervor. Die Königin aber Hess er fest an die Erde binden und gab sie Pferden preis, die sie mit ihren Hufen zerstampfen sollten. Der Sage nach aber war ihre Schönheit so gross, dass selbst die Tiere davor zurückschreckten, so herrlich schöne Glieder zu zerfleischen. Der König meinte, durch dieses Zeichen werde die Unschuld seiner Gemahlin kund gethan, empfand Reue über seinen Irrtum und beeilte sich , die fälschlich Angeklagte zu befreien. Indessen eilte aber Bicco herbei, um zu versichern, dass sie in ihrer Rücken- lage die Tiere durch Zaubersprüche zurückscheuche und nur zerstampft werden könne, wenn sie auf dem Gesicht läge. Er wusste nämlich wohl, dass sie Dank ihrer Schönheit ver- schont geblieben sei. Als nun der Leib der Königin umge- wendet war, zermalmte die Herde der Tiere, die man auf sie hetzte, sie mit ihren vielen Huftritten. Das war Swanildas Ende. Inzwischen kam der Lieblingshund des Broderus zum König gelaufen und schien unter einer Art kläglichen Geheuls die Hinrichtung seines Herrn zu beweinen. Auch sein Habicht wurde gebracht, da dieser begann, sich selber mit dem Schnabel die Federn auszurupfen. Der König fasste dessen Nacktheit als Zeichen eigener Kinderlosigkeit auf und schickte schleunigst, um dem Zeichen zuvorzukommen, Leute ab, die seinen Sohn aus der Schlinge herausnehmen sollten. Er vermutete wegen der Federlosigkeit des Vogels, dass er selber ohne Kinder dastehen würde , wenn er sich nicht in Acht nähme. Sobald Broderus aus seiner gefährlichen Lage befreit war, meldete Bicco aus Furcht vor einer Strafe für seine Angeberei eiligst den Hellespontiern, das^ Swanilda von ihrem Manne grauenvoll getötet worden sei. Als diese in See gingen, um ihre Schwester zu rächen, kehrte er zu Jarmericus 281 zurück, um ihn zu benachrichtigen, dass von den Hellespontiern ein Kriegszug gegen ihn geplant werde. Der König meinte, er würde sicherer hinter Mauern als in offener Feldschlacht kämpfen und flüchtete sich hinter die Befestigung, die er erbaut hatte. Um dort die Belagerung auszuhalten, Hess er die inneren Räume mit Vorräten, die äusseren mit Bewaffneten

438 Achtes Buch.

anfüllen. Goldglänzende Tartschen und ringsum aufgehängt«' Schilde schmückten die obersten Galerien des Gebäudes. Es geschah aber, dass die Hellespontier, im Begriff die Leute zu verteilen . eine grosse Menge der ihrigen des Unterschleifs bezichtigten und töteten. Da sie nun bei ihrem eigenen Zwist einen so grossen Teil ihrer Truppen eingebüsst hatten, glaubten sie, die Eroberung dieser Burg übersteige ihre Kräfte, und fragten eine Zauberin Namens Guthruna um Rat. Auf deren Anstiften wurden nun die Kämpfer der königlichen 415 Partei plötzlich des Augenlichts beiraubt und wandten ihre Waffen gegen sich selbst. Als die Hellespontier dies bemerk- ten, brachten sie eine Belagerungsmaschine heran und besetzten die ersten Zugänge zu den Thoren. Dann rissen sie die Pfosten weg , drangen in die Burg ein und metzelten die blinden Scharen ihrer Feinde nieder. In diesem Gewirr kam Othinus herbei, mischte sich mitten unter die Knäuel der Kämpfenden und gab den Dänen, die er immer mit väter- licher Liebe gehegt hatte, durch seine höhere Kraft das ihnen durch den Zauber geraubte Augenlicht wieder. Er lehrte sie auch, die Hellespontier, die sich durch Zaubersprüche gegen Geschosse zu feien pflegten, durch zahlreiche Steinwürfe zu vernichten. So kamen beide Heere in gegenseitigem Gemetzel um. Jarmericus wälzte sich, beider Hände und Füsse beraubt, mit seinem verstümmelten Körper unter den Leichen umher. Sein nur allzuwenig geeigneter Bruder folgte ihm in der Regierung.

Nach diesem herrschte Sywaldus. Dessen Sohn Snio') warf sich eifrig, als sein Vater alt wurde, auf den Seeraub und erhielt nicht nur den Umfang seines Vaterlandes, sondern stellte auch, da er ja vermindert war, dessen früheren Zustand wieder her. Als er die Herrschaft übernommen hatte, bändigte er die Frechheit der Fechter Eskillus und Alkillus und

^) Der Name des Könifjs Siijn = Schnee (auch isländisch als Snaer |hinn gauiU] bekannt) pfehört ursprünjflich einem Reifriesen: doch ist von der mythischen Cinnullaj^e bei Saxo nichts mehr zu erkennen. Die Sage zerfsillt in drei Hauptabschnitte: 1. Snjo jjewiunt seine (lemahlin. 2. Die f^rt^e vom Trinker. 3. Die Auswanderersape. Vjfl. Olrik H, 261 ff.

Tod des Jarmericus. Sywaldus. Snio. 439

führte durch seinen Sieg Schonen, das der dänischen Ober^ hoheit entzogen war, wieder zum Bunde mit seinem Vaterlande zurück. Endlich verliebte er sich in die Tochter des Königs der Götländer, die seine Liebe erwiderte, und suchte durch heimliche Boten die Möglichkeit zu erlangen, mit ihr zusammen zu kommen. Diese aber wurden von dem Vater des Mädchens abgefangen, aufgehängt und mussten so für ihre Unvorsichtig- keit bei der Gesandtschaft büssen. Da Snio für sie Rache zu nehmen wünschte, griff er Götland feindlich an; als ihm der König mit seinen Truppen entgegenkam, ersuchten ihn die vorgenannten Kämpfer in Form einer Herausforderung, er möge die Sache durch Fechter entscheiden lassen. Snio stellte die Bedingung, dass jeder der beiden Könige, je nach dem Schicksal seiner Kämpen entweder sein Eigentum verlieren oder das fremde Reich gewinnen sollte, und dass die Herrschaft des Besiegten als Preis des Siegers ausgesetzt würde. So 282 kam es, dass der König der Götländer, infolge des Miss- geschickes seiner Fechter überwunden, gezwungen wurde, zu Gunsten der Dänen sein Reich zu verlassen. Sobald Snio erfuhr, dass seine Tochter auf Veranlassung ihres Vaters fort- geschickt worden sei, um den Schwedenkönig zu heiraten, sandte er einen Mann in abgetragener Kleidung, der an den 416 öffentlichen Wegen Almosen zu erbetteln pflegte, zu ihr, um ihre Gesinnung zu erkunden. Als dieser nach Bettlerart nahe der Schwelle seinen Sitz nahm, und er die Königin gerade sah, flüsterte er ihr mit leiser Stimme zu: Snio liebt dich. Jene fing, ohne es sich merken zu lassen, die Laute auf, die ihr Ohr trafen, schritt aber, ohne sich umzusehen oder umzukehren, weiter in die Halle. Dann drehte sie sogleich um und sagte mit leisem, kaum hörbaren Lispeln: Ich liebe den wieder, der mich liebt. Damit ging sie wieder weg. Voll Freude dar- über, dass sie ein Wort der Erwiderung ihrer Liebe gesagt, setzte sich der Bettler am nächsten Tage wieder an die Thür, und als die Fürstin da war, sagte er mit gewohnter Kürze: Der Wunsch muss seine Stätte haben. Wieder verstand sie die Bedeutung dieses schlauen Wortes und ging in höchster Verstellung weg. Bald darauf kam sie wieder an dem Kund-

440 Achtes Buch.

schafter vorbei und versicherte, sie werde binnen kurzem nach Böcherör^) gehen; denn diesen Ort bestimmte sie für ihre Flucht. Sicher über diesen Punkt fuhr der Bettler mit der gewohnten Gewandtheit in seinen Fragen fort, eine geeignete Zeit für ihr Vorhaben zu erforschen. Jene aber war ihm weder an Schhiuheit unterlegen noch verständliclier in ihreu Ausdrücken und nannte so kurz als möglich den Anfang des Winters. Uebrigens hielt ihr Gefolge, das einen flüchtigen Ton dieses Liebesgespräches vernommen hatte, ihre erfindungs- reiche Klugheit für den Ausfluss äusserster Narrheit. Als Snio von dem Bettler genaue Kunde erhalten hatte, Hess er die Königin, die ihren Gemahl seine Schätze entwendet und sich unter dem Vorwand, zu baden, entfernt hatte, in einem Schiffe entführen. Später aber wurde sehr häufig zwischen ihm und dem Schwedenkönig denn der eine wollte seinen rechtmässigen Ehebund wieder anknüpfen, der andere den unrechtmässigen behaupten, mit schwankendem Ausgange und wechselndem Erfolge gekämpft*).

Zu dieser Zeit ward infolge höchst ungünstiger Witterungs- verhältnisse die Fruchtbarkeit der Aecker vernichtet, und es trat eine grosse Getreideteuerung ein. Da nun wegen der Seltenheit der Nahrungsmittel eine schwere Hungersnot das Volk aufrieb, war der König in Verlegenheit, auf welche Weise er denn den schweren Zeiten steuern sollte; und da er nun einen bedeutend grösseren Aufwand bei den Trinkern 417 als bei den Essern bemerkte, verordnete er Massigkeit für sein Volk. Er schaffte die Sitte der Zechgelage ab und be- stimmte, dass aus keiner Frucht mehr Getränke bereitet werden sollten. Er glaubte nämlich durch das Verbot überflüssigen

*) In Schweden.

*) Olrik verweist auf die Aehnliehkeit dieser sagenhaften Entführunps- geschichte mit zwei wirklich im 12. Jhd. vorgefallenen. Die eine berichteU dass der Schwedenköiiig Swerker die Gattin des dänischen Königs Niels (Nicolaus) entführte und heiratete (Öaxo XIII, 437 oben), die andere er- zählt von dem Raub und der Verführung der Tochter eines Jarls durch den Kiuiigssohn Jon Swerkersön, wofür König Swen einen liachezug unter- nimmt (Saxo XIV, 470 Holder). Es liegt nahe, einen EinHuss dieser zeit- genössischen Ereignisse auf die Ausgestaltung der Sage anzunehmen.

Snio; die Sage vom Trinker. 441

Trinkens die bitteren Qualen des Hungers vertreiben und gewissermassen einen Ueberschuss an fester Nahrung durch eine Anleihe an den Durst erzielen zu können.

Damals erdachte sich nun ein ziemlich ausgelassener 28B Freund seiner Gurgel, der die Aechtung der Trinklust be- trauerte, ein sehr schlaues Auskunftsmittel und fand einen neuen Weg, seine Lust zu büssen^). Er brach das Staats- gesetz über die Enthaltsamkeit durch seine Unmässigkeit im Geheimen, indem er seiner Leidenschaft auf eine listige und zugleich lächerliche Weise frönte. Er befriedigte nämlich seine Sehnsucht nach Trunkenheit dadurch, dass er den ver- botenen Trank tropfenweise einschlürfte. Vom König dafür zur Rechenschaft gezogen, behauptete er, er sei ein ganz un- schuldis^er Beobachter der Massigkeit, der noch dazu seine Begierde nach Trunk durch seine kluge Erfindung einer so massigen Aufnahme strafe, und er beharrte dabei, das Ver- gehen, dessen man ihn bezichtigte, durch die Bezeichnung „schlürfen" zu beschönigen. Als aber noch schreckliche Drohungen hinzugefügt wurden, sah er sich nicht nur am Trinken, sondern auch am Schlürfen gehindert, konnte aber dennoch nicht gegen seine Gewohnheit ankämpfen. Um nämlich das Unerlaubte wie etwas Erlaubtes zu geniessen und seine Kehle nicht der Herrschaft eines andern unterworfen zu haben, feuchtete er Brot mit dem Getränk an, ass dann die ein- geweichten Bissen und zog darauf den erwünschten Weinrauseh durch langsames Geniessen lange hin, indem er eine verbotene Befriediguug durch ein doch erlaubtes Verfahren erreichte. So war seine wilde Begier hartnäckig im höchsten Grade; sie setzte das Leben für die Ueppigkeit aufs Spiel, Hess sich nicht durch das Drohen schrecken imd stählte sein unbesonnenes Begehren zur Verachtung jeglicher Gefahr. So wurde er denn auch zum zweitenmale unter der Anklage, die Verordnung übertreten zu haben, vom Könige zur Rechenschaft gezogen. Aber auch da war er nicht um eine Verteidigung seines Thuns

*) Die folgende (Teschichte trägt rein volksmassig - humoristischen Charakter, ähnlich wie die deutschen Schwanke von Salman und Morolt oder von Till Eulenspiegel.

442 Achtes Buch.

verlegen; er behauptete, dem königlichen Erlasse in keiner Weise entgegen gehandelt oder die durch die Verordnung ge- botene Massigkeit durch das, was ihn so locke, verletzt za haben, zumal da das Enthaltsamkeitsgesetz eine solche Form der Sparsamkeit verfügt habe, dass nur die Erlaubnis, einen Trank zu trinken, nicht aber ihn zu essen, aufgehoben sei. Da rief der König die Götter zu Zeugen an und beschwor beim allgemeinen Wohl, däss der, der solches noch einmal wagen würde, es mit dem Haupte büssen müsse. Jener aber meinte den Tod leichter als die Enthaltsamkeit ertragen und eher sein Leben als seine Völlerei aufgeben zu können, kochte von neuem Früchte im Wasser und Hess die Flüssigkeit gähren; da er auch auf keine weitere Verteidigung seiner Begierde mehr hoffte, gab er sich offenkundig dem Trünke hin und wandte sich mit freier Stirue dem Verbrechen zu, indem er seine List mit Keckheit vertauschte und vom Könige lieber die Strafe hinnehmen als massig werden wollte. Als ihn nun der König fragte, warum er sich so oft willkürlich etwas Ver-

418 botenes anmasse, sagte er: Nicht sowohl meine Begierde als dass Wohlwollen für dich hat diese Sehnsucht erzeugt. Ich dachte nämlich daran, dass eine königliche Leichenfeier durch ein Trinkgelage begangen werden muss. Dafür, dass nun nicht das Mahl, mit welchem dein Begräbnis begleitet wird, wegen

284 Mangels an Getreide eines feierlichen Trunkes entbehre, habe ich mehr aus Umsicht als aus Genusssucht durch Mischung dieses verbotenen Getränkes gesorgt. Ich zweifle nämlich nicht, dass du vor allen andern Hungers sterben und eher als sie ein Grab nötig haben wirst. Denn du hast doch nur deswegen dieses ungewöhnliche Gesetz über die Sparsamkeit i^egeben, weil du fürchtest, dass es dir zuerst an Nahruug fehlen werde. Nur aus Fürsorge für dich, nicht für andere gewannst du es über dich, so das Vorbild unerhörten Geizes zu geben. Diese so witzige Rede des Mannes verwandelte den Zorn des Königs in Beschämung. Da er erkannte, dass sein Erlass zum Besten des Staates nur zu seiner eigenen Ver- spottung diene, gab er seine Fürsorge für das (lemeinwohl auf und widerrief seine Verordnung; denn er wollte lieber

Die Sage vom Trinker; Auswanderung. 443

seinen Beschluss ändern, als bei seinen Unterthanen Anstoss erregen.

Da nun, wie ich schon sagte, infolge ungenügenden Regens oder der allzu grossen Hitze die Felder ausgeglüht waren uiid nur wenig Frucht gaben, rieb die Hungersnot das von allen Nahrungsmitteln entblösste Land völlig auf. Als nun bei dem geringen Bestände an Lebensunterhalt keine Hilfsquelle mehr übrig war, sich des Hungers zu erwehren, wurde auf Veranlassung Aggos undEbbos folgender Volks- beschluss gefasst: Die Greise und kleinen Kinder sollten getötet, alle, die sich in kriegsunfähigem Alter befanden, aus dem Reiche verjagt und nur die Starken ihrem Laude er- halten werden. Nur die zum Waffendienst oder Ackerbau Geeigneten sollten im Besitz des heimischen Herdes und der väterlichen Grundstücke bleiben. Als die beiden dies ihrer Mutter Gambaruc mitteilten, bemerkte diese, dass die Ur- heber dieses verruchten Beschlusses ihr eigenes Heil in dem Verbrechen gesucht hätten; sie verdammte die Entscheidung der Volksversammlung und sagte, man dürfe die Not nicht durch Verwandtenmord lindern, und sie versicherte, es wäre ein viel ehrenhafterer und für geistige und körperliche Tüchtigkeit viel angemessenerer Entschlüss, wenn man Eltern- 419 und Kindesliebe achtete und durch das Los die bestimmte, welche das Vaterland verlassen sollten. Wenn dieses hin- fällige Greise träfe, so sollten sich die Stärkeren an ihrer Stelle zur Verbannung erbieten und freiwillig die Last der- selben anstatt der Schwachen übernehmen. Uebrigens ver- dienten die das Leben überhaupt niclit, die es über sich ge- wonnen hätten, es durch ein so nichtswürdiges Verbrechen zu erhalten und Eltern und Kinder durch einen so ruchlosen Beschluss zu verfolgen; denn sie würden immer nur Grausam- keiten ausüben, statt die Pflichten der Liebe zu erfüllen. Ueberhaupt machten sich alle die sehr übel um das Vaterland verdient, bei denen die Sorge um das eigene Leben die Liebe zu Eltern und Kindern überwiege. Dieser Ansicht, die vor die Volksversammlung gebracht wurde, traten die meisten mit ihren Stimmen bei. So wurde aller Geschick dem Lose

444 Achtes Buch.

anheim gestellt, und wen es traf, der sollte als landfremd gelten. Daher kam es, dass die, welche freiwillig nicht hatten der Not gehorchen wollen, nun gezwungen dem Entscheid 285 des Schicksals folgen mussten. Zuerst zogen sie nun nach Blekinge, fuhren dann an Moringien ^) vorüber, landeten auf der Insel Gotland, wo sie sich nach dem Zeugnis des Paulus') auf Veranlassung der Göttin Frig den Namen Langobarden beigelegt haben sollen, deren Staat sie später begründeten. Endlich landeten sie auch in Rügen, verliessen ihre Schiffe und traten eine Landwanderung an. Sie durchmassen einen grossen Teil der Welt, verheerten ihn mit ihren Waffen und suchten sich endlich nach vielen blutigen Kämpfen Wohnsitze in Italien, wo sie die alte Bezeichnung des Volkes mit ihrem Namen vertauschten.

Inzwischen nahm das Land der Dänen, da die Thätigkeit der Ackerbauer sich verminderte, und die Spuren der Acker- furchen durch das lange Liegen überwucherten, ein waldiges Aeusseres an; es legte gleichsam seinen ursprünglichen freundlichen Rasen ab und starrte von der unförmigen Dich- tigkeit der nachwachsenden Wälder. Das zeigt sich auch jetzt noch in dem gegenwärtigen Aussehen der Gefilde. Was nämlich einst ertragreiche Getreidefelder waren, erscheint jetzt von Baumstümpfen durchsetzt, und wo einst die Bauern tief

*) Die beiden Bezirke Nord- und Süd-Möre ; s. VIII, 8. 404, Anm. 1 .

*) 1). i. Paulus Diaconus (Warnefried), der langobardiache GeschichU- Schreiber. Geboren um 730 zu Friaul lebte er meist am Hofe zu Pavia» trat etwa 781 ins Kloster Monte Cassino ein, gehörte bald darauf bis ungefähr 787 der Akademie Karls d. Gr. an, wo er viel zur Hebung der gelehrten Studien beitrug, und kehrte dann in sein Kloster zurück, wo er 797 starb. Er schrieb Gedichte, theologische Werke und zwei wichtige geschichtliche. Eine „Römische Geschichte** (bis Justinian) und die „Ge- schichte der Langobarden". Letztere, hrsg. v. G. AVaitz als Pauli Historia Langobardorum Hannover 1878 (aus Mon. Germ. Hist. Script. Rer. Langob. et Italic. Saec. VI— IX 8. 12 ff.) ist (I, 3 ff) die Quelle für Saxos Dar- Stellung der Auswandrersage; doch finden sich auch wesentliche Ab- weichungen, die durch Einfluss mündlicher Ueberlieterung zu erklären sind. (Näheres über Paulus s. bei Ebert [S. S. 17, A. 1] II, 3(i ff. 42 ff.). Zur Sache vgl. noch Müller II, 239 ff. u. Olrik II, 263 ff. Die Namen Aggo, Ebbo, (vambaruc heissen bei Paulus Ajo, Ibor, (lambara.

Die Auswanderung. Dänemarks Bodenbeschaffenheit. 445

die Erde aufwühlten und gewaltige Schollen zertrümmerten, da erhebt sich jetzt Wald und bedeckt die Felder, die noch die Spuren der alten Kultur bewahren. Wenn diese nicht ohne Pflege geblieben und durch die lange Brache verödet wären, 420 hätten sie nie auch nur eine Scholle zwischen die Furchen der Pflugschar und die zähen Baumwurzeln zu teilen brauchen. Auch die Hügel, welche die Emsigkeit der Alten aus Fürsorge für die zu bestattenden Leichen in der Ebene aufgeworfen hat, hat die jetzige Waldmasse im Besitz. Man kann auch noch manchen Steinhaufen inmitten des Waldesdickichts sehen; diese sammelte einst die Sorgfalt des Landmannes auf, der das Geröll, damit es nicht überall beim Ziehen der Furchen hinderlich sei, auf einen Platz aufhäufte, da er lieber ein kleines Stückchen Acker einbüssen als das Ganze unbequem haben wollte. Aus dem nun, was der Fleiss der Bauern damals zur leichteren Bestellung der Felder geleistet hat, ergiebt sich, dass die Bevölkerung in der Vorzeit zahlreicher gewesen ist als jetzt; denn jetzt begnügt man sich mit kleinen Aeckerchen und steckt der Landkultur engere Schranken als es die Spuren der Vorfahren andeuten. So wundern sich denn die jetzigen Bewohner darüber, den Boden, der einst Getreide trug, mit einem, der nur zur Erzeugung von Eicheln geeignet ist, vertauscht zu finden und an Stelle der ländlichen Pflugschar und der Getreidehalme eine mit Bäumen bewachsene Landschaft zu sehen ^). Mit diesen Ausführungen über Snio, die ich möglichst der Wahrheit entsprechend gegeben habe, möge es nun genügen.

Diesem folgte Björn, und nach dem erhielt Haraldus die Oberherrschaft. Dessen Sohn Gormo*) erwarb sich

^) lieber die (späteren) landwirtschaftlichen Verhältnisse in Däne- mark vgl, Müller-Jiriczek, Xord. Altertkde. I, 458 ff.

') Dieser Gormo ist nach Saxos Darstellung, obwohl wir von ihm sonst nichts wissen, genau von dem späteren Gorm, dem Alten, dem Vater Harald Blauzahns, zu scheiden; indessen scheint er nur eine wi\U kürliche Schöpfung des Schriftstellers zu sein. Den Inhalt der ihn be- treffenden Sage bilden die im Mittelalter so ausserordentlich beliebten Reisegeschichten und Abenteuer, die mit allerlei Fabeleien ausgeschmückt sind. Vgl. Ohik II, 138 ff., bes. S. 136.

446 Achtes Buch.

unter den alten Dänenfürsten durch den Ruhm seiner wackeren 286 Thaten einen nicht geringen Ehrenplatz. Denn er wandte sich einer ganz neuen Art der Kühnheit zu, indem fr die angestammte Tapferkeit mehr bei der Durchforschung der geheimen Natur der Pinge bethätigen wollte als durch Waffenthaten. Wie andere Könige kriegerisches Feuer, so trieb ihn eine innerliche Sehnsucht, Wunderbares zu erkennen, mochte es nun thatsächlich nachgewiesen oder nur gerücht- weise bekannt sein. Da er nun so begierig war, Fremdes und Ungewöhnliches kennen zu lernen, glaubte er vor allem eine unbestimmte Nachricht, die er von Männern vonThule^) über den Wohnsitz eines gewissen Geruthus*) erfahren, prüfen zu müssen. Von diesen Leuten wurde nämlich Un- 421 glaubliches über die Menge der dort aufgehäuften Schätze gefabelt, ^ber der Weg sollte aller Gefahren voll und für Sterbliche fast unmöglich sein. Denn nach der Versicherung der Kundigen musste der Forscher den Ozean, der die Erde umgiebt, durchschiffen, Sonne und Gestirne hinter sich lassen^ unten das Chaos durchwandern und zuletzt lichtlose Gegen- den, in denen ewige Finsternis herrschte, durchziehen. Aber in seinem jugendlichen Sinn verscheuchte nicht sowohl die Begier nach Beute als nach Ruhm die Furcht vor der damit verknüpften Gefahr; denn er hoffte hohe Berühmtheit zu er- reichen, w^enn er sich an eine noch ganz unversuchte Unter- nehmung wagte. Dreihundert Männer äusserten denselben Wunsch wie der König, und sie beschlossen, Thorkillus, der die Nachricht gebracht, zum Reiseführer zu nehmen, da er die Oertlichkeit kannte und Bescheid wusste, wie man sich jenen Gegenden nähern könnte. Dieser wies den An-

*) Hier wie bei der ßrawallaschlacht macht das Hcreinbriogen der Isländer einige Schwierigkeiten. Schuld daran trägt Saxo oder sein Ge- währsmann, die von den thatsächlichen Zeitverhältnissen wohl keine rechte Vorstellung hatten.

*) Geruthus, von dem S. 451 ff. Näheres erzählt wird, ist ursprünglich ein Gewitterriese, GeirröÖr, der einst von Thor bezwungen ward; vgl. den eingehenden Bericht der Edda, Skaklskap. 2 = Gering S. 361— (>4, femer Mogk i. (irdr. III, 361, K. H. Meyer S. 148 9, Golther 183, 274.

Gorxno I. Reise des Thorkillus. 447

trag nicht zurück und gebot, um der ungewöhnlichen Wild- heit des Meeres, das sie zu durchsegeln hätten, zu trotzen, Schiffe von fester Bauart anzufertigen, sie durch zahlreiche Knotenstricke und dichtgereihten Nägel beschlag zu sichern, sie mit zahlreichen Vorräten auszustatten und oben mit Rinderhäuten zu bedecken, damit die Innenräume gegen die Unbill der anstürmenden Wogen geschützt wären. Dann ging man mit nur drei Seglern, deren jeder hundert auserlesene Männer fasste, in See.

Als sie aber nach Halogien kamen, wurden sie von den günstigen Winden verlassen und verschiedentlich, ganz dem zweifelhaften Zufall preisgegeben, auf dem Meere umherge- worfen. Endlich ging ihnen beim gänzlichen Mangel an Lebensmitteln auch das Brot aus, und sie täuschten sich durch den Genuss eines dünnen Breis über den Hunger hin- weg. Nach einigen Tagen hörten sie in der Ferne das donnernde Brausen eines Seesturmes, gleich als wenn er über Klippen hinweg fegte. Als sie so die Nähe des Landes erkannt hatten, musste ein besonders gewandter Jüngling die Spitze des Mastbaumes erklettern, um Umschau zu halten, und er meldete, es sei eine jäh abfallende Insel in Sicht. Mit begierigen Blicken verfolgten alle froh die Richtung, die er 422 andeutete, denn sie warteten eifrig auf den Schutz des ver- sprochenen Strandes. Endlich erreichten sie auch einen 287 Landungspunkt und mühten sich auf hohen Pfaden über die entgegenstehenden Hügel, nach einem höher gelegenen Teil des Landes. Thorkillus verbot ihnen nun, mehr von der Herde, die in grosser Zahl am Gestade herumliefen, zu töten, als zur einmaligen Stillung des Hungers hinreichte^); denn andernfalls würde ihnen von den Schutzgöttern der Gegend die Möglichkeit, wieder wegzufahren, genommen werden. Die Schiffer aber waren mehr geneigt, für ihre weitere Sättigung zu sorgen als auf dieses Verbot zu hören, achteten die Sorge

*) Diese Geschichte erinnert sehr an die ähnliche von den Rindern des Helios in der Odyssee XII, 260 453. Unmittelbare Entlehnung wird nicht vorliegen, wohl aber ist das Motiv in die abenteuerliche Reise- litteratur überhaupt übergegangen, zu der unsere junge Sage auch gehört.

448 Achtes Buch.

um ihre Errettung geringer als die Lockung des Magens und füllten die erschöpften Räume ihrer Schiffe mit den Körpern der getöteten Tiere. Diese waren sehr leicht zu fangen: denn ohne Angst liefen sie bei dem ungewohnten Anblick der Männer staunend zusammen. In der folgenden Nacht umSogen Ungeheuer den Strand und belagerten, indem sie den ganzen Wald durchlärmten, die eingeschlossenen Schiffe. Eines von diesen, grösser als die andern und mit einem ge- waltigen Knüttel bewaffnet, schritt sogar über das Meer hin. Näher herangekommen, begann es zu schreien, sie würden nicht eher fortkommen, als bis sie die Unbill, die sie durch das Zertreuen der Herde geübt, gesühnt und durch Aus- lieferung je eines Mannes für ein Schiff, den Schaden an den geweihten Tieren wieder gut gemacht hätten. Thorkillus fügte sich diesen Drohungen und gab drei durch das Los bestimmte hin, um durch den Verlust dieser wenigen die Sicherheit der Gesamtheit zu erkaufen.

Darauf segelten sie mit günstigen Winden nach dem fernen Biarmien. Diese Gegend ist ewig kalt, von tiefen 423 Schneemassen bedeckt und kennt nicht einmal die Kraft sommerlicher Wärme. Sie hat Ueberfluss an unwegsamen Wäldern, ist ertraglos an Früchten und reich an sonst unbe- kannten wilden Tieren. Zahlreiche Flüsse strömen dort wegen der Klippen im Flussbett reissend, zischend und schäumend dahin. Hier Hess Thorkillus die Schiffe ans Land ziehen und Zelte am Gestade aufschlagen; denn er behauptete, man sei jetzt dahin gekommen, von wo es einen Weg zu Geruthus gäbe. Er verbot auch, sich mit irgend einem Ankömmling in ein Gespräch einzulassen, indem er versicherte, die Ungeheuer erhielten durch nichts leichter die Macht zu schaden als durch unfreundliche Worte seitens der Fremden^). Daher wäre Schweigen für die Gefährten das Sicherste. Er allein dürfe unbedenklich reden, da er schon früher Sitten und Gewohnheiten dieses Volkes kennen ge-

*) Vgl. das gleiche Verbot des Ericus in einer ähnlichen Lage B. V. S. 2U.

Reise des Thorkillus. Guthmundus. 449

lernt habe. Beim Hereinbrechen der Dämmerung nahte ein Mann von ungeti^$hnlicber Grösse und begrüsste die Seefahrer beim Namen. '^Vähtend alle darüber staunten, hiess sie Thorkillus c^ifrig, jenem bei seiner Ankunft Willkommen zu bieten, und er -belehrte sie, es sei Guthmundus^), der Bruder des Geruthus, in Gefahren der treueste Beschützer aller, die hier landeten. Auf seine Frage, weshalb denn die andern so stille wären, antwortete er, sie seien sehr uner- fahren in seiner Sprache und schämten sich dieser Unkennt- nis. Da lud sie Guthmundus gastfreundlich zu sich und 289 nahm sie in Wagen auf. Bei der Weiterfahrt sahen sie einen Fluss, der auf einer goldenen Brücke zu überschreiten war. Als sie darüber hinweggehen wollten, hielt er sie von ihrem Vorhaben ab, indem er bemerkte, die Natur habe durch diesen Strom das Reich der Menschen von dem der Unge- heuer geschieden, und menschliche Füsse dürften da nicht hinüber^). Bald darauf gelangten sie zu dem Heim ihres Führers. Dort rief Thorkillus seine Gefährten bei Seite und begann sie zu ermahnen, sie sollten sich bei den ver- schiedenen Arten von Versuchungen, die mannigfache Zufälle ihnen in den Weg führen würden, als umsichtige Männer zeigen. Sie sollten sich der fremden Speisen enthalten und sich an ihren eigenen Lebensmitteln stärken, sie sollten ge- trennte Sitze von den Eingeborenen einnehmen und keinen von ihnen, wenn sie da lägen, berühren. Wer nämlich von jenen Speisen koste, verliere die Erinnerung an alles und müsse unter den schauerlichen Horden der Ungetüme immer 424 in schmutziger Gemeinschaft mit ihnen leben ^). Ebenso müssten sie sich von deren Dienern und Bechern fernhalten.

*) In nordischen Berichten erscheint er unter dem Namen GoÖmundr als elbenhafter König; dem köstlichen Acker bei Saxo entspricht dort der Üdäinsakr. Vgl. IV, 1Ö8 m. Anm. 3 und noch Golther S. 280.

*) Vgl. den Bericht von Haddings Besuch in der Unterwelt I, 47 u. S. 48, Anm. 1.

') Dieser Zug erinnert an die Erlebnisse des Odysseus und seiner Gefährten bei Kirke (Odyss. X, 133 flf.); doch ist diese Anschauung, dass die Berührung eibischer Wesen oder ihnen gehöriger Dinge schade, all- gemein verbreitet.

Saxo Grammaticus. 29

450 Achtes Buch.

Um die Tische hatten sich die zwölf herrlich veranlagten Söhne des Guthmundus und ebenso viel Töchter Ton her- vorragender Schönheit aufgestellt. Als dieser sah, dass der König nur das von den Seinigen Mitgebrachte genoss, warf er ihm die Zurückweisung seiner Freundlichkeit vor und be- klagte sich, dass dies von seinem Gaste beleidigend wäre. Thorkillus aber fehlte es nicht an einer befriedigenden Entschnldigung hierfür. Er wies nämlich darauf hin, dass man meist beim Genuss ungewohnter Speisen schwer erkranke^ und dass der König weniger undankbar gegen die Freund- lichkeit des Fremden als vielmehr auf seine eigene Gesund- heit bedacht sei, wenn er sich nach hergebrachter Weise stärke und seinen Tisch lieber mit eigener Kost versähe. Daher dürfe man es ihm nicht als Verachtung auslegen, wenn er, um einer Krankheit zu entgehen, sich eines ge- sünderen Verfahrens bediene. Als nun Guthmundus sah. dass seine listigen Vorbereitungen an der Genügsamkeit der Fremden scheiterten, und dass er ihre Enthaltsamkeit nicht erschüttern könne, beschloss er ihre Keuschheit zu unter- graben, indem er sich mit aller Anstrengung seines Geistes darauf verlegte, ihre Selbstzucht abzuschwächen. Er bot nämlich dem König seine Tochter zur Ehe an und versprach den übrigen, sie dürften sich auswählen, welche aus der Dienerschaft sie immer wollten. Die Meisten billigten das, Thorkillus aber kam durch eine heilsame Warnung auch dieser Versuchung wie den übrigen zuvor, indem er seine Umsicht mit grossartiger Selbstbeherrschung in die Rolle des vorsichtigen Gastes und des vergnügten Genossen zu teilen wusste. Vier von den Dänen aber gingen auf das Anerbieten ein und zogen die Lust ihrem Leben vor. Diese Berührung nämlich machte sie vollständig wahnsinnig und beraubte sie der Erinnerung an alles Frühere. Nachher sollen sie nie wieder recht vernünftig geworden sein. Wenn diese ihre Sinne innerhalb der schuldigen Schranken der Massigkeit ge- halten hätten, wären sie an Ruhm dem Hercules gleich ge- kommen, hätten die Tapferkeit der Riesen durch ihren Mut 289 übertroffen und wären ewig als die Vollbringer wunderbarer

Aufenthalt bei Guthmundus; Geruthus^ Wohnung. 451

Thaten in ihrem Vaterlande ausgezeichnet gewesen. Guth- mundus beharrte noch immer hartnäckig bei seinem Vor- satze, List anzuwenden und lobte nun sehr die Schönheit seines Gartena; denn er bemühte sich, den König dazu zu ^^^ verführen, Früchte abzupflücken, und wünschte durch Reize für das Auge und Lockungen für die Zunge seine vorsich- tige Standhaftigkeit zu brechen. Gegen diese Ränke war aber der König wie vorher durch die Ratschläge des Thor- killus gefestigt, und er wies seine erheuchelte Liebenswürdig- keit zurück, indem er als Entschuldigung anführte, seine Geschäfte drängten ihn zur Beschleunigung seiner Reise. Da nun Guthmundus einsah, dass er seiner Klugheit in allen Punkten habe nachgeben müssen, gab er die Hoffnung auf Ausführung seines Anschlages auf und Hess sie alle auf das jenseitige Ufer des Flusses bringen und ihre Reise fort- setzen.

Dort zogen sie weiter und erblickten ganz in der Nähe eine schwarze , hässliche Stadt , die am meisten mit einer Rauchwolke Ähnlichkeit hatte. Pfähle zwischen den Pallisaden trugen abgeschnittene Menschenköpfe. Hunde von grässlicher Wildheit sah man zum Schutze des Eingangs vor den Thoren liegen. Thorkillus warf ihnen ein mit Fett bestrichenes Hom zum Belecken hin und besänftigte durch diesen geringen Aufwand ihre zügellose Wut. üeber den Thoren stand ein Eingang oifen. Sie erstiegen ihn auf Leitern und kamen mühselig hinein. Drinnen erfüllten schwarze, missgestaltete Gespenster die Stadt und man kann nicht wissen, ob deren lärmende Erscheinung schauriger für das Auge oder für das Ohr war. Alles war grausig und faulender Unrat quälte die Nasen der Nahenden mit unerträglichem Gestanke. Dann fanden sie ein steinernes Gemach, in dem Geruthiis der Sage nach als in seiner Königsburg hausen sollte. Sie beschlossen, das enge und schauerliche Innere zu besuchen, erstiegen die Stufen und standen bald ängstlich am Eingange. Als nun Thorkillus ihr Bedenken sah, verscheuchte er das Zögern vor dem Eintreten durch eine Ermahnung, in der er ausführte , sie sollten sich hüten , irgend ein Gerät in dem

29*

452 Achtes Buch.

Hause, in das sie hineingehen wollten, zu berühren, wenn es auch noch so besitzenswert und angenehm für das Auge wäre; ihr Sinn sollte ebenso jeglicher Habgier abgewandt, wie furchtlos sein. Nichts Verlockendes sollten sie begehren, vor nichts Schrecklichem sollten sie sich ängstigen, wenn sie auch auf eine überreichliche Fülle von beiderlei Dingen stos^n sollten. Im Falle habgierigen Zugreifens würden ihre Hände plötzlich festwachsen , sie würden sie nicht mehr von dem berührten Gegenstande lösen können, und würden gleichsam

426 durch ein untrennbares Band damit verknüpft sein. Ausser- dem gebot er ihnen, georduet zu je vieren zu gehen. Brode rus und Buchi wagten zuerst von ihnen den Eintritt. Diesen folgte Thorkillus mit dem Könige. Dann kamen die andern in geordneten Reihen. Innen war das Haus gänzlich verfallen,

290 von einem abscheulichen Dampfe erfüllt, und überall erblickte man eine Fülle von allem, was Auge oder Gemüt beleidigen kann. Die Pfosten waren mit langjährigem Russ bedeckt, die Wände mit Schimmel überzogen, das Dach war aus den Fugen gegangen , der Estrich lag voller Gewürm und war mit allerhand Unrat besät, kurz, ein ganz ungewohntes Schau- spiel erschreckte die Ankömmlinge. Zu alledem reizte noch ein scharfer und andauernder Gestank kläglich ihre Geruchs- nerven. Blutlose, schattenhafte Ungetüme hockten auf eiser- nen Sitzen; endlich waren benachbarte Plätze durch bleierne Geflechte getrennt , und eine grauenerregende Wache von Thürhütern stand an den Schwellen. Einige von ihnen bekämpften sich unter lautem Gelärm mit Knütteln, während andere durch das Hin- und Herwerfen einer Bockshaut ein hassliches Spiel trieben. Hier erhob Thorkillus zum zweiten Male seine Warnung, indem er ihnen untersagte, unvorsichtig und habgierig ihre Hände nach verbotenen Dingen auszu- strecken. Als sie durch eine Lücke in dem Felsen weitergingen, sahen sie nicht fern auf einen erhöhten Sitz einen alten Greis mit durchbohrtem Körper mit dem Rücken gegen ein abge- sprengtes Felsstück lehnen. Ferner nahmen auch drei Frauen« deren Leib mit Auswüchsen bedeckt war und deren Rückgrat seine Festigkeit verloren zu haben schien, einen gemeinschaft-

Abenteuer bei öeruthus. 453

liehen Sitz ein. Thorkillus, der genau die Ursachen der Dinge Icannte, belehrte seine wissbegierigen Gefährten, dass einst der Gott Thor, durch die Frechheit der Riesen gereizt, glühenden Stahl durch die Brust des Geruthus, der sich ihm widersetzt, getrieben habe, und dass dieser, weiterdringend, auch die Seite des Berges abgesprengt und zermalmt habe. Die Frauen aber seien vom Blitze getroffen worden und büssten so , wie er versicherte , mit dem Schaden ihres Körpers für einen Angriff auf denselben Gott^). Als sie von dort weg- gingen , öffneten sich vor ihnen sieben mit goldenen Reifen 427 besclilagene Tonnen. In diesen hingen silberne* Ringe mit mannigfachen Windungen. Daneben war der an den beiden Enden in Gold gefasste Zahn eines merkwürdigen Tieres zu finden. Bei diesem lag ein gewaltiges Büffelhorn, gar kunst- voll mit auserlesenen, glänzenden Edelsteinen besetzt und mit künstlerischer Drechslerarbeit wohl verziert. Dicht daneben war eine äusserst schwere Armspange zu sehen. Einer wurde nun von übermässiger Gier ergriffen und berührte mit der Hand das Gold, ohne zu ahnen, dass unter dem Glänze des herrlichsten Metalls das schlimmste Verderben verborgen sei, und dass unter der strahlenden Beute eine verhängnisvolle Pest lauere. Ein zweiter konnte ebensowenig seine Habsucht bemeistern und streckte seine unbeständige Hand nach dem Hörn aus. Ein dritter eiferte der Zuversicht der beiden andern nach und suchte, ohne seine Finger hinreichend zu zügeln, mit dem Zahn seine Schulter zu beladen. Diese Beutestücke waren ja ebenso angenehm anzusehen wie nützlich zu ver- wenden; denn die äussere Gestaltung zeigte dem Auge gar verlockende Formen. Aber das Armband verwandelte sich in eine Schlange und züngelte mit giftigen, spitzen Zähnen nach dem, der es trug. Das Hörn dehnte sich zu einem Drachen 291 aus und raubte seinem Träger das Leben. Der Zahn ward zu einem Schwerte und bohrte seine Schneide in die Brust

») Hier weicht der Bericht der Edda (Gering S. 363) etwas ab, da dort Thor die Töchter GeirröOs, Ojalp und Greip, die ihn auf einem Stuhl an die Decke der Halle empor heben wollen, herunterdrückt und ihnen dabei das Rückgrat zerbricht.

454 Achtes Buch.

dessen , der ihn mit sich führte. Die übrigen glaubten voll Sehrecken über das Unglück ihrer Gefährten, sie würden trotz ihrer Unschuld ebenso wie die Schuldigen umkommeu und hofften nicht einmal für ihre Schuldlosigkeit straflos auszu- gehen. Eine Hinterthür deutete nun auf einen noch engeren Zugang zu einem zweiten Gemache, und es öffnete sich auch eine Art Schatzkammer noch reicheren Inhalts, in der Waffen für Glieder von menschlicher Grösse nmher lagen. Unter diesen sah man einen Königsmantel nebst einem sehr feinen Hute und einem wunderbar gearbeiteten Gürtel. Thorkillus liess nun , von Bewunderung dafür ergriffen , seiner Begier die Zügel schiessen , liess die beabsichtigte Selbstbeherrschung ausser Acht und er, der so oft andere gewarnt hatte, konnte nun nicht einmal seine eigene Begehrlichkeit einschränken. 428 Er legte Hand an den Mantel und veranlasste durch sein unbesonnenes Beispiel die andern zu gleichem Wagnis. Da aber begannen die Gemächer in ihren Grundfesten zu erzittern, und ganz unerwartet zu schwanken und zu beben. Dann schrieen auch die Weiber, dass man schon länger als billig die nichtswürdigen Räuber dulde. Was man nun vorher für halb- tote und leblose Schattenbilder gehalten hatte , sprang jetzt gleichsam auf Befehl dieser Frauenstimmen plötzlich von seinen Sitzen herab und griff in gewaltigem Andringen die Fremd- linge an. Die übrigen erhoben ein rauhes Gebrüll. Da nahmen Broderus und Buchi zu alten, ihnen längst bekannten Hilfsmitteln ihre Zuflucht , fielen die auf sie einstürmenden Lamien^) von allen Seiten mit den Speren an und überwäl- tigten auch mit den Geschossen ihrer Bogen und Schleudern die Schar der Gespenster. Keine andere Macht wäre wirksamer zur Abwehr gewesen. Nur zwanzig von der ganzen Gefolgschaft des Königs rettete das Eingreifen der Schützenkunst; der Rest wurde von den Ungeheuern zer- fleischt. Die Ueberlebenden , welche sich zu dem Flusi^e zurückbegaben, setzte Guthmundus in einem Schiffe über, nahm sie in seinem Hause auf, und da er sie trotz langer

') Vgl. II, S. 6H Aum. 5.

Abenteuer bei Geruthus; Schluss der Reise. 455

uud inständiger Bitten nicht zurückhalten konnte, erlaubte er ihnen endlich, nachdem er sie beschenkt, die Rückkehr. Hier achtete auch Buchi zu wenig auf sich selbst, er Hess nach in seiner Selbstbeherrschung und gab seine bisherige Festig- keit auf. £r umarmte nämlich eine von Guthmundus Töchtern in unwiderstehlicher Liebe, aber er gewann dadurch nur eine Vermählung mit dem Verderben; denn alsbald drehte sich alles in seinem Haupte, und er verlor die Erinne- rung an die ganze Vergangenheit. So wurde jener gewaltige Bezwinger so vieler Ungetüme, der so viele Gefahren bestanden, durch die Leidenschaft zu einem einzigen Mädchen überwunden, indem er seinen Sinn der Enthaltsamkeit entfremdete und unter das klägliche Joch der Wollust verfiel. Als er den König beim Abschied ehrenhalber begleiten wollte, und mit dem Wagen durch die Furt fuhr, gerieten die Räder allzusehr ins tiefe Wasser, er wurde von der Gewalt der Strudel er- griffen und kam um. Der König beklagte den Tod seines 292 Gefährten und setzte dann eilig seine Reise zur See fort. Zuerst verlief sie glücklich, dann aber ward er von widrigen Winden hin- und hergeworfen, seine Begleiter starben vor Hunger, und nur wenige blieben am Leben. Da fühlte er «ine fromme Regung in sich und nahm seine Zuflucht zu Gebeten an die Himmlischen; denn er meinte, die Rettung in der letzten Not bestehe in der Hilfe der Götter. Schliess- lich meinten die andern, man müsse verschiedene Mächte unter den Überirdischen anflehen , und nach ihrer Ansicht müsse der besonderen Majestät jeder Gottheit geopfert werden. Er selbst ging nun den Ugarthilocus^) mit Gebeten und Sühn- 429 opfern an und erlangte auch den günstigen Witterungszustand, den er wünschte.

^) Der Mythus von iJtgarOaloki d. i. von Loki, der in ÜtgarÖar (= Aussenwelt, wo die Wiuterriesen wohnen, im Gegensatz zur Menschen- erde midgardr und zum (^ötterheira Asgardr) haust, ist bei Saxo ziemlich verdunkelt 8. den näheren Bericht S. 459. (ftgarOaloki ist ein Gott, der ursprünglich aus Loki hervorgegangen ist, als Herrscher der Unierwelt erscheint, und später zu Loki selbst in Gegensatz tritt. Vgl. über ihn Oylfag. 4H. 47 = Gering S. 337 ff., E. H. Meyer 8. 149 u. Register, Mogk i. Grdr. III, 352, Golther 8. 276 ff.. 428.

456 Achtes Buch.

Bei seiner Ankunft zu Hause bemerkte er nun, dass er so viele Meere durchkreuzt und so viele Mühen durchgemacht habe, und meinte, jetz seinen von Kummer ermatteten Geist von Geschäften fern halten zu dürfen. So nahm er sich denn eine Frau aus Schweden und pflegte statt seiner früheren Bestrebungen einer nachdenklichen Müsse. Sein Leben floss auch in schönster Ungestörtheit dahin, und er war schon bis fast an die Grenzen seines Daseins gelangt, als er von einigen Männern unter Angabe ziemlich wahrscheinlicher Gründe hörte, dass die Seelen unsterblich seien; nun überlegte er nach den verschiedensten Richtungen hin, nach was für einem Wohnsitz er denn kommen würde, wenn sein Geist den Körper verlassen hätte , oder welche Belohnung wohl seine eifrige Verehrung der Götter verdienen würde.

Während er darüber nachgrübelte , kamen einige , die Thorkillus recht übel gesinnt waren und belehrten den Könicc., man müsse die Götter um Rat fragen; denn Sicherheit über eine so wichtige Angelegenheit, die über menschliches Denken hinausginge und für die Erkenntnis der Sterblichen zu schwierig sei, müsse man durch Orakel von den Himmlischen erbitten. Deshalb müsse Ugarthilocus beschickt werden, und niemand sei für diese Aufgabe geeigneter als Thorkillus. Es gab selbst einige, die ihn heimtückischer Ränke bezichtigten und als F^eind für des Königs Leben anklagten. Als Thorkillus sah, dass er der äussersten Gefahr ausgesetzt werden sollte, erbat er sich die Ankläger als Reisebegleiter. Sobald nun die, welche einen Unschuldigen beschuldigt hatten, sahen, dass die dem Leben eines andern zugedachte Gefahr sie selber träfe, suchten sie ihren Rat zu widerrufen. Doch sie lagen dem König vergeblieh in den Ohren, sie wurden gezwungen unter des Thorkillus Führung mitzufahren und wurden oben- drein noch wegen ihrer Angst geschmäht. So müsste immer der Schaden, der einem andern zugedacht wird, auf das Haupt des Urhebers zurückfallen. Als sie einsahen, dass sie sieh unwiderruflich und gezwungen der Gefahr aussetzen mussten. überdachten sie ihr Schiff mit Rinderhäuten und füllten es mit einem reichen Vorrat an Lebensmitteln.

Beginn der Reise zu Ugarthilocus. 457

lu diesem fuhren sie aus und gelangten in eine Zone, ^0 die Gegend die Sonne entbehrt, die Sterne nicht kennt, kein Tageslicht hat und unter dem Schleier ewiger Nacht liegt. Als sie lange unter diesem ungewöhnlichen Himmels- 298 strich gekreuzt hatten, ging ihnen schliesslich das Holz aus, und da sie also keine Nahrung fürs Feuer noch eine Stätte zum Abkochen hatten, stillten sie ihren Hunger mit rohen Speisen. Die meisten aber, die so assen, zogen sich eine ^^ schlimme Krankheit zu, da sie sich an einem unverdaulichen Mahle sättigten. Denn zuerst stellte sich infolge der unge- wohnten Nahrung Magenschwäche ein, dann griff das Uebel weiter um sich, und die Krankheit wurde lebensgefährlich. So ergab sich also ein doppeltes Uebel mit zwei Spitzen: denn so unerträglich das Fasten war, so verderblich war das Essen, und man konnte thatsächlich weder mit Sicherheit Speise zu sich nehmen, noch zu seinem Vorteil sich ihrer enthalten. Als sie schon alle Hoffnung aufgaben, (wie denn die Sehne am leichtesten zu reissen pBegt, wenn man sie am straffsten spannt), nahte ihnen Erlösung und unverhoffte Hilfe. Die Erschöpften sahen nämlich plötzlich in geringer Entfernung ein Feuer leuchten, und das gab ihnen neuen Mut zum Weiterleben. Thorkill us betrachtete dies als eine vom Himmel gesandte Rettung und beschloss etwas davon mitzunehmen; und um sich die Rückkehr zu seinen Gefährten mehr zu sichern, befestigte er einen glänzenden Edelstein an der Spitze des Mastes als Zeichen. Dann ging er ans Land, und seine Augen fielen da auf einen schmalen AVeg, der zu einer Höhle mit engem Eingange fährte. Er ging hinein, während er seine Gefährten draussen warten hiess und erblickte zwei schwarze Männer^) von gewaltiger Grösse, mit hörnernen Nasen, welche alles, was der Zufall ihnen brachte, aufrafften und dem Feuer als Nahrung zu- warfen. Uebrigens beleidiget der hässliche Eingang, die altersschwachen Pfosten, die von Moder schwarzen Wände, die schmutzige Decke, der mit zahlreichen Schlangen bedeckte

*) Lat. aquili; vgl. II, 66 Anm. 3.

458 Achtes Bück

Estrich ebenso sehr das Auge wie das Gefühl. Da begrüsste ihn einer der Riesen und sagte ihm, er habe sich an ein sehr schwieriges Unternehmen gewagt, wenn er in seiner heissen Begier, eine fremde Gottheit zu besuchen, auch mit seiner forschenden Neugier Kenntnis von überweltlichen Ge- genden zu erlangen strebe. Er werde aber von ihm den Weg zum Ziel seiner Reise erfahren, wenn er ihm drei Wahr- heiten in Form ebenso vieler Sprichwörter mitteile. Da sagte Thorkillus: Ich erinnere mich wahrhaftig nicht, je eine Ge-

431 Seilschaft mit hässlicheren Nasen gesehen zu haben; auch habe ich nie einen Ort betreten, wo ich weniger gern leben möchte; endlich: Ich betrachte den Fuss als meinen besten, der zuerst den Ausgang von hier gewinnen kann. Der Riese freute sich über die Klugheit des Thorkillus, lobte die Wahrheit seiner Sprichwörter und teilte ihm mit, dass er zuerst nach einem rasenloseu Lande, das in tiefste Finsternis gehüllt sei, wandern müsse. Bevor er aber diesen bestimmten Ort erreiche, müsse er noch bei ununterbrochenem Rudern eine viertägige Seereise zurücklegen. Dort werde er ügar- thilocus besuchen können, der sich schaurig schwarze Höhlen zur unsauberen Behausung auserkoren habe. Thor-

204 killus erschrak gewaltig, dass ihm noch eine lange und ge- fährliche Seefahrt geboten wurde, aber er bezwang seine augenblickliche Furcht mit einer zweifelnden Hoffnung und bat um etwas Feuer. Da sagte der Riese : Wenn du Feuer begehrst, so musst du erst noch drei andere Wahrheiten in entsprechenden Sprichwörtern sagen. Thorkillus ent- gegnete: Einem Rat muss man folgen, wenn ihn auch ein jämmerlicher Gesell giebt. Ferner: Ich bin in meiner Tollkühnheit soweit gegangen, dass ich, wenn ich überhaupt zurück kann, meine Rettung am meisten meinen Füssen ver- danke. — Endlich: Wenn ich mich für jetzt eines freien Weggangs erfreute, würde ich mich sorgsam vor einer noch- maligen Rückkehr hüten.

Darauf brachte er seinen Gefährten das Feuer, erlangte günstige Winde und landete am vierten Tage in dem be- stimmten Hafen; er stieg mit seinen Genossen aus Land, wo

Reise zu Ugarthilocus. 459

eine ewige Nacht keinen Wechsel mit dem Lichte kannte. Obgleich das Auge nur mühsam einen Ausblick erhaschen konnte, nahm er dennoch eine Klippe von ungewöhnlicher Grösse wahr. Voll Begier, sie zu durchforschen, liess er von seinen Gefährten, die draussen Wache hielten, mit Feuer- steinen Feuer schlagen und am Eingange einen Brand ein gutes Schutzmittel gegen Dämonen ^) anzünden. Dar- nach zwängte er, während andere das Licht voraus trugen, seinen Leib durch den engen Schlund der Höhle und sah dort, während zahlreiche Schlangen herankrochen, überall eine Menge eiserner Sitzplätze. Dann bot sich eine ziemlich ruhige Wassermasse, die sanft über Sandgrund hinglitt, dem Blicke dar. Er setzte hinüber und näherte sich bald einer noch etwas tieferen Höhle. Dann öffnete sich vor den Be- suchern ein schwarzes, scheussliches Gemach. In diesem sah man Ugarthilocus, an Händen und Füssen mit gewaltigen Kettenlasten beschwert ^). Seine übelriechenden Haare kamen an Grösse und Stärke Lanzen von Kornelholz gleich. Eins 432 davon riss ihm Thorkillus mit Hilfe seiner Gefährten aus dem Kinn, was jener sich auch ruhig gefallen liess, und be- wahrte es auf, um einen recht glaubwürdigen Beweis für seine Thaten zu haben. Sogleich aber verbreitete sich ein so gewaltiger Gestank über die Umstehenden, dass sie nur atmen konnte, wenn sie ihre Gewänder an die Nase pressten. Kaum an dem Ausgang angelangt, wurden sie von allent- halben herbeieilenden Schlangen bespieen. Nur fünf von Thorkillus' Begleitern konnten mit ihrem Führer das Schiff besteigen, die übrigen wurden von dem Gifte verzehrt. Wilde Dämonen erhoben sich über sie und schleuderten überall ihren giftigen Geifer auf sie herunter. Die Schiffer aber hielten ihre ledernen Schutzdecken vor und schüttelten das

*) Das ist eine in der Volkskunde aller Völker begeg^nende Vor- stellung, (die übrigens auch von kaltem Wasser gilt); vgl. Mogk i. Ördr. III, 387 ff. (385 über Wasser), E. H. Jleyer unter Feuer im Hegister.

*) Müller erinnert hier an die Fesselung Lokis an drei spitze Steine mit den Gedärmen seines Sohnes, die zu Eisen werden ; Gylfag. 50 = Gerings Edda S. 347.

460 Achtes Buch.

Gift ab, welches darauf fiel. Einer versuchte zufällig einmal sieh umzusehen, aber das Gift berührte sein Haupt, und wie von einem Schwerte abgeschnitten, wurde es ihm vom Nacken getrennt. Ein anderer Hess die Augen von den Schutzdecken frei, und als er sie zurückwandte, waren sie erblindet. Ein dritter steckte die Hand unter der Hülle hervor, als er sie 295 auseinander falten wollte, aber infolge der Kraft des Geifers zog er nur einen verstümmelten Arm wieder herein. Während nun die übrigen die Götter vergeblich um Gnade anflehten, wandte sich Thorkillus mit seinen Wünschen an den Gott des Weltalls ^) , und wie er mit seinen Gebeten auch Opfer vereinte, stellte sich bald das frühere Aussehen des Himmels wieder ein, das Wetter klärte sich auf und er konnte die Fahrt glücklich fortsetzen.

Schon schienen sie nun eine andere Welt und die Nähe von menschlichen Verhältnissen zu erblicken. Endlich landete er in Germanien, das damals eben dem Christentum gewonnen war, und lernte dort bei der Bevölkerung die Grundlehren des Gottesdienstes kennen. Da die Schar seiner Gefährten infolge des Einatmens jener ungewohnten, schrecklichen Luft fast aufgerieben war, kehrte er von dort mit nur zwei Be- gleitern, an denen das schlimmste Schicksal vorübergegangen war, in die Heimat zurück. Der böse Dunst aber, dem sein Gesicht ausgesetzt war, hatte seine Gestalt und die Umrisse seiner früheren Form so mitgenommen, dass er selbst von seinen Freunden nicht erkannt wurde. Sobald er aber jene Entstellung los geworden war und sich denen, die ihn be- suchten, zu erkennen gab, erregte er in dem König gewaltige Neugier, etwas über seine Reise zu erfahren. Aber die Wühlerei seiner Nebenbuhler war noch nicht zu Ende ge- kommen, und einige redeten dem Könige ein, er würde sofort sterben, wenn er Thorkillus' Nachrichten vernommen hätte. Seine eigene Leichtgläubigkeit, hervorgerufen durch die

*) Wer mit dem Deus universitatis gemeint ist. ist nicht recht klar; wahrscheinlich ist er eine Vdn^'cpnahme des christlichen Gottes, den Thor- killus bald nach Saxo kennen lernt. Man denke auch an den eddischen Alf^Or.

Rückkehr von ügarthilocus. Tod Gormos I. 461

falsche Prophezeiung eines Traumes über dieselbe Sache, vermehrte noch sein Zutrauen zu dieser Versicherung. Daher 433 wurden auf des Königs Befehl Leute gedungen, die Thor- kill us in der Nacht umbringen sollten. Da dieser aber hier- von Kunde erhielt, verliess er heimlich sein Lager, und legte an seiner Stelle einen recht schweren Holzklotz hin. Dadurch machte er den heimtückischen Anschlag des Königs zu nichte, denn die Mietlinge stachen nur in den Holzstamm. Am folgenden Tage begab er sich zu dem Fürsten, als dieser sich stärkte, und sagte: Ich verzeihe deiner Wildheit und entschuldige deinen Fehlgriff, obgleich du mir für die Bot- schaft von dem glücklichen Erfolg meiner Fahrt Strafe statt Dank bestimmt hast. Zwar habe ich in dir, für den ich mein Leben sovielen Unbilden ausgesetzt, sovielen Gefahren preisgab, den dankbarsten Belohner meiner Thaten erhofft, aber nur den grausamsten Bestrafer der Tüchtigkeit gefun- den. Doch ich verzichte auf Rache und begnüge mich mit deiner innerlichen Beschämung (wenn überhaupt Undankbare noch irgend welche Scham haben) als Sühne für meine Be- leidigung. Nicht mit Unrecht vermute ich, dass du alle Wildheit der bösen Geister und die Grausamkeit der Raubtiere übertriffst; denn während ich den Nachstellungen so vieler Ungeheuer entgangen bin, konnte ich allein vor den deinigen nicht sicher sein. Der König wünschte nun alles von Thor- killus zu erfahren, und da er es doch für eine schwierige Sache hielt, dem Schicksal zu entgehen, gebot er ihm, seine Abenteuer der Reihe nach zu berichten. Er lauschte eifrig auf alle übrigen Erzählungen, konnte es aber zuletzt nicht ertragen, dass sein eigener Gott eine so ungünstige Be- urteilung erfuhr. Er konnte es nicht übers Herz bringen, von der Unflätigkeit des Ügarthilocus erzählen zu hören, 296 und empfand solchen Schmerz über dessen unwürdiges Los, dass er seinen Geist, der solche Reden nicht mehr aushalten konnte, mitten unter der Erzählung des Berichterstatters auf- gab. Während er sich also eifrig dem Dienste eines falschen Gottes widmete, erkannte er, wo das eigentliche Gefängnis des Elends sei. Uebrigens brachte der üble Geruch jenes

462 Achtes Buch.

Haares, welches Thorkillus gleichsam zum Zeugnis für die Grösse seiner Thaten dem Riesen ausgerauft hatte, als er sich über die Umstehenden ausbreitete^ mehreren den Tod.

Nach Gormos Tode herrschte sein Sohn Gotricns. Dieser zeichnete sich ebenso durch Waffenthaten wie durch Freigebigkeit aus, und es ist ungewiss, ob er mehr tapfer oder milde war; ja er schränkte die Strenge so durch Güte ein, dass er das eine durch das andere auszugleichen schien. Zu dieser Zeit wurde Goto, der König von Norwegen, von 434 Bero und Refo^) aus Thule besucht, und er schenkte Refo, den er besonders ehrenvoll und freundlich behandelte, eine schwere Armspange. Als dies einer der Höflinge sah, pries er die Grösse der Gabe mit allzu schrankenlosem Lobe und behauptete, dass niemand Goto an Milde gleichkomme. Refo war nun zwar dem König für seine Gnade Dank schuldig, aber er gewann es trotzdem nicht über sich, die aufgeblasenen Worte dieses masslosen Lobsprechers zu billigen, sondern er zog jenem den Gotricus vor. Um nämlich die eitle Anmassung des Ohrenbläsers zu zerstören, wollte er lieber für die Güte des fern Weilenden Zeugnis ablegen als dem gegenwärtigen Gabenspender fälschlich schmeicheln. Ferner hielt er es immer noch für bedeutend wertvoller, der Undankbarkeit bezichtigt zu werden als in ein eitles, prahlen- des TiOb einzustimmen, und den König von dem Ernste der Wahrheit zu überzeugen als ihn durch schmeichlerische Lügen zu täuschen. Ulwo^) aber beharrte nicht nur dabei, seine Lobsprüche auf den König zu wiederholen, sondern auch dabei, durch einen Versuch die Probe zu machen, und er ging mit seinem Widersacher eine Wette ein. Einverstanden damit, zog Refo nach Dänemark und fand da Gotricus, wie er von seinem Thron aus Sold unter seine Soldaten ver-

*) Ueber die Hefosage, die in der isländischen Gjafa-Refssaga (einem Teile der Gautrekssaga, Fornaldar Sögur III, S. 30 31; 39 53) eine Entsprechung hat, siehe Olrik II, 137 ff. Sie ist norwegischen Ursprungs. Das Wort refr als Appell ativum heisst übrigens Fuchs.

*) D. i. der Name seines vorhin nicht genannten Gegners = anrd. ülfr = Wolf.

Gotricus; die Refosage. 463

teilte. Auf die Frage, wer er sei, antwortete er, er heisse Fücbslein. Während einige darüber lachten, andere sich wunderten, sagte Gotricus: Ein Fuchs muss seine Beute mit dem Maule aufnehmen. Und zu gleicher Zeit streifte er eine Kette vom Arme, liess jenen herbeiholen und steckte sie ihm zwischen die Lippen. Refo befestigte sie sogleich au dem einen Arme und zeigte diesen mit dem Sehmucke allen, während er den andern, da er jeder Zierde entbehrte, mehr zu verbergen suchte. Infolge dieser Schlauheit erhielt er Ton der Hand des unermüdlich grossmütigen Spenders noch eine Gabe, die der ersten gleich war^). Das erfüllte ihn nicht sowohl wegen des hohen Wertes als wegen des Sieges in seinem Streite mit Freude. Als der König von dieser Wette hörte, freute er sich, dass er mehr durch Zufall 297 als absichtlich so freigebig gegen ihn gewesen war, und ver- sicherte, er empfinde mehr Vergnügen über sein Geben als der Empfänger über das Geschenk. Refo kehrte nun nach Norwegen zurück, und als sich sein Partner weigerte, das niedergelegte Pfand auszulösen, tötete er ihn, und die Tochter Gotos nahm er gefangen, um sie Gotricus als dessen eigen zuzuführen.

Gotricus, der auch Godefridus^) genannt wird, focht ^35 auch gegen fremde Völker und erhöhte seinen Ruhm und seine Macht durch glückliche Erfolge. Abgesehen von andern denkwürdigen Thaten, legte er auch den Sachsen') folgende Abgaben auf: So oft bei den Dänen ein Wechsel in der Regierung eintrat, sollten ihre Fürsten bei der Thronbesteigung des neuen Königs hundert schneeweisse Rosse geben. Wenn

*) Vgl. die ganz ahnliche Geschichte II, S. 92,3.

*) Dieser Fürst ist ein historischer Dänenkönig, dessen Geschichte aber Saxo nicht nach sicheren Quellen sondern nach volksmässiger Ueber- lieferung aufgezeichnet hat. Er wurde 810 ermordet.

*) Mit den Sachsen hat er nicht wirklich gekämpft, sondern er wurde von ihnen gegen Karl den Grossen zu Hilfe gerufen, die er auch gewährte. Ein so strenges Verhältniss zwischen ihnen und Götrik hat nicht obge- waltet. Dagegen werden seine siegreichen Feldzäge gegen die Obotriten und Wilzen von Saxo gamicht erwähnt, wenn nicht etwa in Folge von- Verwechselung die Sachsen an deren Stelle getreten sind.

464 Achtes Buch.

die Sachsen bei einem Wechsel in der Herrschaft einen neuen Fürsten bekämen, sollte auch dieser durch Zahlung der ge- nannten Abgabe sich beim Antritt seiner Regierung vor der Oberherrlichkeit Dänemarks beugen, um so die Oberherrschaft unseres Volkes anzuerkennen und ein feierliches Zeichen seiner eigenen Unterwerfung zu geben. Aber er begnügte sich nicht mit der Unterwerfung Germaniens, sondern über- trug Refo die Aufgabe, auch Schweden anzugreifen. Da sich die Schweden nun scheuten, ihn mit Waffengewalt zu töten, versuchten sie es mit einer heimtückischen Tbat und ermor- deten ihn im Schlafe durch einen Steinwurf. Sie befestigten nämlich einen Felsblock in der Nähe, schnitten die Stricke durch und Hessen ihn. auf den Kopf des darunter Liegenden fallen ^). Zur Busse für diesen Frevel wurde bestimmt, dass jeder von den Anstiftern zu der That zwölf Talente Gold, jeder Mann aus dem Volke aber eine Unze desselben Metalls an Gotricus zahlen sollte. Das nannte man „die Füchslein- lösung" *).

Indessen geschah es, dass Karolus. der König der Franken'), Germanien mit Krieg überzog und es nicht nur zwang, das Christentum anzunehmen, sondern auch seiner Macht zu gehorchen. Auf diese Kunde bin griif Gotricus die an die Elbe angrenzenden Völker an und versuchte Sachsen, welches sich zu willig dem Joche Karolus* fügte und die römischen Waffen den dänischen vorzog, wieder zu der althergebrachten Anerkennung seiner Oberherrschaft zu 43H nötigen. Zu dieser Zeit hatte der siegreiche Karolus jen- seits des Rheines sein Lager aufgeschlagen, und deswegen verzichtete er, gleichsam durch das Dazwischenliegen des Flusses gehindert, auf einen Zusammenstoss mit dem fremden Feinde. Als er gerade beabsichtigte, ihn doch nochmals zu

M Diese (sagenhafte) Geschichte erinnert an den gegen Ebbo geplanten Ueberfall (8. 427 8). Von einem Schwedenkriege Götriks wissen andere (Quollen nichts.

*) Das bezieht sich auf den Xamen des (Getöteten; Olrik II, 188 denkt an ein Wortspiel (?) zwischen Ref-gjold und nef-gjold (r^ Wergeid).

») Das ist Karl der Grosse (768 - 814).

Gotricus' Kämpfe in Deutschland. 465

Überschreiten, um Gotricus zurückzuwerfen, wurde er von dem römischen Papste Leo^) zum Schutze seiner Stadt ab- gerufen. Er folgte diesem Rufe, übertrug aber seinem Sohne Pipinus*) die Führung des Krieges gegen Gotricus, damit dieser, während er selbst gegen einen entfernten Feind zog, den Kampf gegen den Nachbar, den er unternommen, leiten sollte. Karolus war also von zwei verschiedenen Sorgen in 298 Anspruch genommen und musste mit seinem zersplitterten Heere gegen beide geeignete Abhilfe schaffen. Unterdessen trug Gotricus einen glänzenden Sieg über die Sachsen davon ^) und sammelte dann von neuem Streitkräfte; als er 437 nun eine ziemlich zahlreiche Truppenmasse zusammengebracht hatte, besehloss er nicht nur an Sachsen, sondern an der ganzen Bevölkerung Germaniens die Schmach zu rächen, dass er seine Herrschaft dort verloren hatte. Zuerst unterwarf er mit seiner Flotte Friesland. Diese Landschaft ist sehr flach, und so oft der Ozean aufgeregt ist und Sturmfluten die Dämme durchbrechen, pflegt sich die ganze Wucht der Ueberschwemmung über seine offenen Felder zu ergiessen*). Diesem Lande erlegte Gotricus einen nicht gerade harten, aber recht seltsamen Tribut auf*). Ueber die Art und die Bedingungen desselben will ich kurz berichten. Zuerst wurde ein Bauwerk hergestellt, 240 Fuss lang und in zwölf Räume abgeteilt. Jeder von diesen erstreckt sich über 20 Fuss, sodass also die Gesamtausdehnung die obengenannte Länge erreichte. Am obersten Ende dieses Baues sass nun der königliche Zolleinnehmer, am untersten wurde ihm gegenüber ein runder Schild aufgestellt. Wenn nun die Friesen ihren Tribut zahlten, pflegten sie jede Münze einzeln in die Höhlung dieses Schildes zu werfen; doch nur diejenigen Geldstücke, 438

») Leo III. (795—816); Karls Zujf nach Rom erfolgte 799.

*) Das iit ein Irrtum ; oicht Pipin sondern Karl erhielt diese Aufgabe.

^) Davon ist nichts bekannt ; dagegen fällt ins Jahr 808 Götriks oben erwähnter Feldzug gegen die Obotriten.

*) Vgl. S. 8 und Anm. l.

*) Der Bericht von der Unterwerfung Frieslanda und der Auferlegung des Tributs ist geschichtlich; das Ereigniss fällt ins Jahr 808.

Saxo Grammaticut. 30

466 Achtes ßuch.

deren Klang deutlich von dem Ohre des entfernt sitzenden Zöllners wahrgenommen v^urde, wurden von ihm bei seiner Zählung als Königszins berechnet. So kam es, das der Ein- nehmer nur das Geld für den Staatsschatz mitzählte, dessen Niederfallen er in seiner entfernten Stellung deutlich gehört hatte. Wenn aber der Klang undeutlich war und der Wahr- nehmung des Zählers entging, so wurde dieses Geld zwar auch in den Staatsschatz aufgenommen, aber es wurde nicht als Vermehrung der Summe gezählt^). Da nun der Schall beim Auffallen der Münzen ziemlich häufig dem Ohr des Zöllners entging, so ergab sich, dass die Leute bei der Ein- lieferung der festgesetzten Abgabe zuweilen einen grossen Teil ihres Geldes vergeblich aufopferten. Durch Karolus sollen sie später von der Last dieser Steuer befreit worden sein. Als Gotricus nach seinem Zuge durch Friesland und nach Karolus' Rückkehr aus Rom beschlossen hatte, sich auf die inneren Bezirke Germaniens zu werfen, erlag er den Nachstellungen eines seiner eigenen Gefolgsleute und starb unter dem Schwerte eines heimtückischen Verräters in seiner Umgebung^). Bei dieser Kunde jubelte Karolus freudig auf und bekannte, das Glück habe ihn nie mehr begünstigt, als durch diesen Zufall.

Ende des achten Buches.

*) 3IüUer weist II, 251 nach, das der fabelhaft ausgeschmückte Bericht über den Tribut auf nicht mehr recht verständliche alte Gesetzesformeln zurückzuführen sei. Bei den Sühnogeldem für Körperverletzungen wurde nur für die aus der Wunde herausgenommenen Knochensplitter eine bestimmte Summe gezahlt, die man noch in einiger Entfernung auffallen hörte, wenn man sie in einem Schild warf.

^ Auch dies ist historisch; es geschah 810.

I^enntes Buch. 299; 439

Olavus, der Sohn des Gotricus, herrschte nach dem Tode seines Vaters. Dieser trug kein Bedenken, aus Eifer seineu Vater zu rächen , sein Land in Bürgerkriege zu ver- wickeln , indem er seine Pflichten gegen den Staat seiner eigenen Begier nachstehen Hess. Als er starb , nahm der unter dem Namen des Olavus bekannte Hügel bei Lethra seinen Leichnam auf^).

Ihm folgte Hemmingus. Von diesem kenne ich keine nennenswerten Thaten, abgesehen davon, dass er einen Frieden mit Kaiser Ludowicus eidlich beschworen bat. Vielleicht werden auch mehrere bedeutende Ereignisse seiner Zeit trotz ihrer damaligen Wichtigkeit von dem neidischen Alter verborgen^).

Nach diesen kam mit Unterstützung der Schonier und Seeländer Siwardus mit dem Beinamen Ring') auf den

^) Dieser Olaf wird ausser von Saxo noch von einigen andern däni- schen Quellen erwähnt; die isländischen sowie festländischen (fränkische Annalen) kennen ihn nicht. Historisch beglaubigt ist nur, dass nach Götriks Tode mannigfache Unruhen in Dänemark herrschten. Der Olafshägel (Olehöj) bei Lethra kann ebenso gut nach irgend einem andern Olaf be- nannt sein.

•) Andere Quellen (die bei Müller II, 253 verzeichnet sind) machen Hemming zum Sohn Götriks, und der Friede mit dem deutschen Kaiser wird nicht mit Ludwig sondern noch mit Karl dem Grossen abgeschlossen.

') Fränkische Annalen stimmen in der Geschichte Sigurds, den sie Sifridus nennen, mit Saxo ziemlich überein ; isländische Berichte setzen ihn dagegen Ringo, dem Sieger in der Brawallaschlacht , gleich. Saxo mag auch hier für die geschichtlichen Ereignisse nicht sowohl aus schriftlichen Quellen als vielmehr aus Volksüberlieferungen geschöpft haben.

30*

4G8 Neuntes Buch.

Thron , der Sohn seines gleichnamigen Vaters , des Fürsten von Norwegen, und der Tochter des Gotricus. Denn Jütland hatte sein Vetter ffingo, ebenfalls ein Enkel des Gotricus, im Besitz. So begann nun die geteilte Macht des einen Reiches, da ja jeder Teil wegen seiner Kleinheit für sich unbedeutend war, verachtet und sogar angegriffen zu werden. Siwardus verfolgte diese Feinde mit mehr Hass als seinen Nebenbuhler in der Herrschaft, denn er zog auswärtige Kriege

440 solchen im Innern vor und setzte andauernd, fünf Jahre lang, den Gefahren , die sein Vaterland bedrohten , einen Damm entgegen; er wollte ja lieber eine Wunde im Innern ertragen, um die äussere desto besser heilen zu können. Ringe benutzte nun die Gelegenheit seiner Abwesenheit und versuchte sich selbst die gesamten Herrschaftsrechte anzueignen, ohne sich zu scheuen, ihn noch im eigenen Lande zu bedrohen, während er draussen darüber Wacht hielt. Er fiel also in die Provinzen ein, die jeuer im Besitz hatte, und belohnte

300 so die Verteidigung des gemeinsamen Vaterlandes mit Undank. Einige von den Seeländern, sehr eifrige Anhänger des Siwardus. riefen nun, um ihm während seiner Abwesenheit recht sicher die Treue zu bewahren, seinen Sohn Regnerus, der kaum die Wiege verlassen hatte, zum König aus, nicht als ob sie gewusst hätten, dass für ihn selbst die Zeit zur Herrschaft noch nicht da sei, sondern nur, um durch Einführung eines so teuren Unterpfands die Gemüter ihrer trägen Bundesgenossen gegen Ringo aufzustacheln. Als aber Ringo hörte, dass Siwardus inzwischen von seinem Zuge zurückgekehrt sei, griff er die Seeländer mit grosser Macht an und drohte ihnen mit Vernichtung durch das Schwert, wenn sie sich nicht er- gäben. Die Seeländer aber, denen so Schmach oder Gefahr in Aussicht gestellt wurde, trauten wegen ihrer geringen Zahl ihren Kräften nicht und baten um einen Waffenstillstand, sich die Sache zu überlegen. Sie erhielten ihn auch; da es ihnen aber nicht frei stand, sich um die Gunst des Siwardus zu bewerben, und es unehrenhaft erschien, sich Ringo in die Arme zu werfen, schw^ankten sie lange voller Bedenken zwischen Furcht und Scham. Während nun in dieser Angelegenheit

Siwardus Ring und Kingo; Kegnerus. 469

selbst die Greise keinen Rat wussten, sagte Regnerus, der gerade in der Volksversammlung anwesend war: Ein kurzer Bogen entsendet rasch den Pfeil. Wenn ich auch mit kiudi- schem Wagemute die Vorschläge der Alteren vorwegzunehmen scheine, so bitte ich doch um Verzeihung für meine Irrtümer und um Nachsicht für ein unzeitiges Wort. Aber ein Rat- geber zur Klugheit ist nicht zurückzuweisen, selbst wenn er verächtlich erscheint^). Denn eine nützliche Lehre muss man mit gefügigem Sinne aufnehmen. Es ist nun ebenso schimpf- lich, als Fahnenflüchtige und Ueberläufer gebrandmarkt zu werden, wie unbesonnen, etwas über seine Kräfte zu wagen, und in beiden Fällen ist offenbar gleiche Schuld vorhanden. Darum müssen wir uns in Scheinbarer Unterwerfung zum Feinde begeben und ihn, sobald sich eine günstige Gelegen- heit bietet, wieder im Stiche lassen. Es wird also besser sein, dem Grimme des Gegners durch einen scheinbaren Ge- horsam zuvorzukommen, als ihm durch eine W^eigerung die Wallen in die Hand zu geben, uns noch mehr zuzusetzen. Was thun wir denn anderes, wenn wir uns gegen die Herr- schaft eines Stärkeren auflehnen, als dass wir ihm selbst freiwillig die Waffen bieten, uns zu töten? Oft wird durch verwickelte ^^ Bestrebungen der wirksamste Betrug gezeitigt. Einen Fuchs muss man mit List fangen'^). Durch diesen heilsamen Rat beseitigte er die Bedenken der noch schwankenden Bürger und gewährte dem feindlichen Lager einen sehr verderblichen Zu- wachs. Die Volksversammlung aber wunderte sich ebenso sehr über die Beredsamkeit wie über die Klugheit in seiner Jugend und pries eifrig das Urteil seiner hervorragenden Begabung, die weit über seine Jahre hinausgehe. Und die ratlosen Alten brauchten sich nicht zu schämen, dem Vorschlage eines Knaben gefolgt zu sein ; denn obwohl er von einem Unmündigen aus- ging, war er doch das Ergebnis gründlichster und reiflichster Ueberlegung. Da sie sich aber scheuten, den Urheber des Rates der drohendsten Gefahr auszusetzen, brachten sie ihn

') Vgl. Vm S. 458. ') sprichwörtlich.

470 Xecctes Bock.

Seiner Erziehung wegen nach Norwegen. Bald nachher griff MI Siwardus Ringo in einer Feldschlacht an^). Er erschlug jenen, wurde aber selbät von einem tötlichen Streich getroffen und verschied wenige Tage später an seiner Wunde.

Regnerus^j folgte ihm auf den Thron. Zu dieser Zeit erschlug der Schwedenkönig Frö ') den König der Norweger, Sywardus, verstiess die Frauen von dessen Verwandten in ein Freudenhaus und Hess sie öffentlich schänden. Als Regnerus dies vernahm, eilte er in der Absicht, seinen Grossvater zu rächen, nach Norwegen. Bei seiner Ankunft begannen sich mehrere Frauen, die erst kürzlich die Schändung ihres Leibes erduldet hatten, oder für die Zukunft eine Gefahr für ihre Keuschheit fürchteten, in Männerkleidung eifrigst seinem Lager zu nähern und bekannten, dass sie den Tod der Schande vorziehen würden. Der künftige Rächer der Ehre der Frauen errötete nicht darüber, gegen den Urheber 412 dieses Schimpfes sich von denen Unterstützung zu leihen, deren Schmach er sühnen wollte. Unter diesen Frauen war

^) Dieses Kreigniss ist (nach fränkischen Annalen) ins Jahr 812 zu setzen.

*) Die umfangreiche Sage von Ragnar Lodbrok, aus dessen Jugend wir eben eine Geschichte vernommen, ist im Norden ausserordentlich ver- breitet. Isländische, norwegische, dänische und festländische Quellen wissen von ihm zu erzählen. Die wichtigsten davon sind ausser Saxo: „Saga af Ragnari konüngi Lofbrok ok sonum hans** in Fornaldar Sog. I 235 ff. (zuletzt übersetzt von Edzardi, Stuttgart 1880); ein Lied Krakumal, ebda, hinter der Saga S. 300; ferner |>attr af Ragnors sonum, Fom. Sog. I, 343 ff. Vollständig sind die Quellen zusammengestellt bei Olrik II, 94 ff. Saxos Bericht ist in vielen Punkten durchaus eigenartig und scheint demnach auf dänischer Überlieferung zu beruhen; andererseits sind auch isländisch- norwegische Einiiüsse nicht zu verkennen, und dazu kommen noch historische Erinnerungen und Züge, die aus andern Sagen entnommen zu sein scheinen. Die wichtigste Litteratur über die Sage ist: Uhland Sehr. VlKL>9J>ff"., Steenstnip. Normannerne (Kopenhagen 1876 ff.) I, S. 81 ff. II, 37t> tV.. Storni, Kritiske Hridag til Yikingetidens Historie (Kristiania 1878) *)lrik II, lOÜtY.

•) Von Frö (S. I,4H Anm. 1) leitete das schwedische Königsgeschlecht der Vn^jlinije seinen Stammbaum ab; wahrscheinlich, weil der Gewahrt- uxnuw tür unsere Sage dies nicht mehr wusste, erscheint hier FH> selbst als SohwedtMikönig, wie übrigens auch in der Ynglingasaga K. 10 (ed. F. JonssonK

Regnerus und Lathgertha. 471

auch Lathgertha, ein kriegskundiges Weib, eine Jungfrau mit männlichem Mut, die mit ihrem langen, über die Schultern herabwallenden Haupthaar als erste unter den Vordersten kämpfte*). Alle bewunderten ihre unvergleichlichen Thaten, (denn das über den Rücken herab wallende Haar verriet sie als ein Weib). Regnerus aber erkundigte sich, nachdem er den Mörder seines Grossvaters erschlagen, eifrig bei seinen Genossen nach dem Mädchen, das er vorn an im Treffen bemerkt hatte, und er erklärte, er verdanke den Sieg den Kräften dieser einzigen Frau. Da er hörte, sie entstamme einem vor- nehmen Geschlecht bei den Barbaren^), Hess er sogleich durch Boten um sie werben. Jene verachtete zwar im Stillen die Gesandtschaft, gab aber scheinbar ihre Einwilligung. Als sie durch ihre trügerische Antwort in ihrem feurigen Freier die Zuversicht erweckt hatte, er werde seinen Wunsch erfüllt sehen, liess sie einen Bären und einen Hund in der Vorhalle ihres Gemaches anbinden, um durch diese Tiere ihr eigenes Zimmer gegen jeden Eifer eines Liebhabers zu schützen. Regnerus bestieg erfreut über die günstige Nachricht ein Schiff, durchmass das Meer, liess seine Gefährten im Gölerdal ') (das ist der Name eines Thaies) halten und begab sich allein zu der Wohnung des Mädchens. Dort wurde er von den Tieren empfangen, aber er durchbohrte das eine mit dem Schwerte, packte das andere bei der Kehle, drehte ihm den Hals um und erwürgte es so; dann erhielt er die Jungfrau als Preis für die überstandene Gefahr. Aus dieser Ehe hatte er zwei Töchter, deren Namen nicht überliefert sind, und einen Sohn Fr i die was: darauf lebte er drei Jahre in Ruhe.

Die Jütländer, ein imverschämtes Volk*), vermuteten nun wegen seiner soeben gefeierten Hochzeit, er werde nicht mehr zurückkehren, schlössen mit den Schoniern ein Bündnis und

*) Vgl. II. S. 63 Anm. 5. Die Geschichte Lathgerthas berichtet Saxo allein.

*) Die Norweger sind gemeint.

') Anrd. Gaulardair, jetzt Guldal im Drontheinier Gebiet, südlich am Fjord.

*) Zu dieser Char»kteristik vgl. noch Saxo XV, 645 6 (Holder).

^72 Neuotes Buch.

versuchten die Seeländer, die mit besonderer Liebe und Treue S02;443 an Kegnerus hingen, zum Kriege zu reizen. Auf diese Kunde hin rüstete Regnerus dreissig Schiffe, erlangte eine gunstige Fahrt und vernichtete die Schonier, die den Kampf wagten, bei dem Dorfe Whiteby^). Nach Ablauf des Winters focht er mit günstigem Ausgange gegen die Jütländer, welche an dem Meeresarme Liimfjord*) in dieser Gegend wohnen. Ebenso unterwarf er sich zum dritten und vierten Male mit glücklichem Erfolge die Schonier und Halandier. Sodann wandte er seine Liebe Thora, der Tochter des Königs Herothus*), zu; er wollte sie auch heiraten und sich von Lathgertha trennen. Denn bei dem Gedanken, das« sie ihm einst so reissende Tiere in den Weg gestellt habe, verurteilte er ihre Treue. Inzwischen aber brachte König Herothus, als er einst jagend die Wälder durchstreifte, ein Paar von seineu Begleitern gefundene Schlangen seiner Tochter zum Aufziehen mit. Sie folgte der Aufforderung ihres Vaters nur zu schnell und gewann es über sich, die Natternbrut mit ihren jungfräulichen Händen aufzufüttern. Ja sie trug sogar besonders Sorge dafür, dass täglich ein ganzes Rind zu ihrer Sättigung da war, ohne zu ahnen, dass sie durch diese Pflege in ihrem Hause ein Verderben für das Land gross ziehe. Als die Schlangen nun ausgewachsen waren und mit ihrem töd- lichen Hauche die Umgebung verpesteten, bereute der König seine thörichte That und verhiess dem, der dies Verderben beseitigte, den Besitz seiner Tochter. Da diese Aussicht ebenso die Tapferkeit wie die Leidenschaft entflammte, Hessen sich viele junge Leute dazu herbei, aber sie gingen vergeblich an das gefahrvolle Werk. Als auch Regnerus von Wanderern diese Geschichte hörte, Hess er sich von seiner Amme einen wollenen Mantel und ein paar zottige Beinkleider geben, durch die er die Bisse der Schlangen unschädHch machen wollte.

») Noch heute hcisst in Schonen ein Ort Hviteby.

») Vgl. S. 7, unten.

*) Isl. heisst er Herraudr, iarl i Gautlandi; die f(»lgende Geschichte stimmt in den Hauptzügen ziemlich genau mit der isländischen Kagnar- «age überein; dort ist jedoch nur von einer Schlange die Rede.

Des Regnerus Schlangenkampf um Thora. 473

Er glaubte nämlich zum Schutze eine so dicht behaarte Klei- dung anlegen zu müssen, und andererseits wählte er sie auch, weil sie leicht war und die Bewegungen nicht hinderte. Als er zu Schifte nach Schweden gelangt war und Frost eintrat, sprang er absichtlich ins Wasser und liess seine durchnässte Kleidung von der Kälte erhärten, damit sie undurchdringlich würde ^). Damit angethan, verabschiedete er sich von seinen Freunden, ermahnte sie, Fridlewus Treue zu halten, und begab sich allein zu der Königshalle. Als er sie erblickte, 4I4 gürtete er sein Schwert an die Seite und nahm einen Speer mit Wurfriemen*) in die Rechte. Sowie er weiter vordrang, glitt ihm eine ungewöhnlich grosse Schlange entgegen; bald kroch auch hinter ihr eine zweite von gleicher Grösse wie die erste hervor. Diese bemühten sich nun, den Jüngling bald durch Umschlingen mit ihren Schwänzen zu Falle zu bringen, bald ihn mit Gift und Geifer anzuspeien. Die Höflinge suchten indessen sichere Gemächer auf und sahen wie ängstliche Mädchen von weitem der Sache zu. Der König selbst war von gleicher Furcht ergrifi^en und hatte sich mit nur wenigen Begleitern in ein enges Zimmer geflüchtet. Regnerus aber vertraute auf die Härte seines gefrorenen Gewandes, machte nicht nur mit den Waften, sondern auch durch seinen Mantel die giftigen Angrifi^e wirkungslos und hielt allein in unent- 808 wegtem Kampfe den Rachen der beiden Ungeheuer Stand, die ununterbrochen ihren Geifer über ihn ergossen. Die Bisse machte er nämlich durch den Schild, das Gift durch seine Kleidung unwirksam. Zuletzt schleuderte er seinen Speer und jagte ihn kräftig den beiden andringenden Tieren durch die [iCiber, und indem er damit beiden das Innere zerfleischte, machte er dem Kampfe ein glückliches Ende. Der König betrachtete nun neugierig seinen Anzug, und da er ihn so zottig und haarig sah, und namentlich die Rauheit der unteren Kleidungsstücke bemerkte, machte er sich am meisten über

*) Nach dem isländischen Berichte sott er seine Fellkleidung in Pech, härtete sie an der Sonne und \v'älzte sich dann darin im Sande.

-) = snceris-spjot; s. I, 41 Anm. 2.

474 Neuntes Buch.

das kunstlose Aussehen seiner Hosen lustig und nannte iha im Scherze Lothbrog^). Er lud ihn auch, damit er sieh von seinen Anstrengungen erholen könnte, samt seinen Freunden zum Mahle. Jener sagte, er müsste erst seine Gefährten, die er zurückgelassen, wieder aufsuchen. Er ging zu ihnen und brachte sie dann, für das Gelage prächtig gekleidet, mit. Endlich erhielt er am Ende des Mahles den ausgemachten Siegespreis. Er erzeugte mit ihr Rathbarthus undDunwatus, zwei herrlich begabte Fruchte seiner I-iiebe. Diesen gab die Natur noch als Brüder Sywardus, Biornus, Agnerus und Iwarus.

Inzwischen erglühte die unauslöschliche Fackel des Auf- standes bei den Jütländern und Schonier aufs neue. Sie wiesen die Ansprüche des Regnerus zurück und übertrugen einem gewissen Haraldus die Oberherrschaft. Als Regnerus Gesandte nach Norwegen schickte und um freundlichen Bei- stand gegen diese bat, unternahm Latbgertha, noch immer 445 beseelt von der früheren heissen Liebessehnsucht, mit ihrem Gatten^) und Sohn die Fahrt. Eine Flotte von 120 Schiffen vermochte sie dem, der sich einst von ihr getrennt hatte, zu bieten. Da dieser meinte, er sei von jeder Hilfe verlassen, besorgte er sich Unterstützung von jedem Lebensalter, mischte Starke und Schwache durch einander und scheute sich nicht, in die Reihen der Tapferen Abteilungen von Knaben und Greisen einzuordnen. Auf dem Felde, welches lateinisch Wollfeld*) heisst, versuchte er nun zuerst die Macht der Schonier zu brechen und hatte eine schwere Schlacht mit den Aufständischen. Dort kämpfte Iwarus als Knabe von

*) Anrd. LoÖbrok aus loÖ - (in loOino „behaart*: loÖi, mask. =^ Pelzmantel) und brok (fem.) = Hose d, i. der Teil von den Hüften bis zum Knie (dazu deutsch-mundartlich die Bruch« engl, breeches); an die brok schliesit sich die „hoia** ; vgl. Weinhold, Altnrd. Leben S. 163.

*) I). i. ihr zweiter Mann, den sie nach Regnerus* Vermahlung mit Thora geheiratet hat, derselbe, den sie nach ihrer Rückkehr von diesem Zuge ermordet.

*) Lat. Campus Laneus; andere Berichte kennen einen l'llarakr = Woll- acker, der bei Upsala liegt. Saxos Schilderung verweist auf Schonen.

Regnerus' Kampf mit Haraldus; Sywardus Schlangenauge. 475

sechs Jahren vorzüglich und erwies in seinem kindlichen Körper die Kraft eines Erwachsenen. Sywardus aber stürzte, während er vorwärts gegen den Feind stürmte, vorn über zu Boden und erhielt eine Wunde. Dieser Umstand erweckte bei seinen Genossen, die das mit ansahen, die schwerste Besorgnis, so dass sie sogleich an Flucht dachten, und er warf nicht bloss Sywardus nieder, sondern fast alle Waffen von Regnerus' Partei. Doch dieser ermunterte sie bei ihrer thörichten Mutlosigkeit durch männliche Worte und Thaten und zwang sie, als sie schon zur Niederlage bereit waren, den Sieg zu versuchen. Auch Lathgertha, die trotz ihrer zarten Glieder von unvergleichlichem Mute beseelt war, verdeckte durch das Beispiel ihrer glänzenden Tapferkeit die ängstliche Neigung des Heeres. Denn mit einer kunstvollen Schwenkung 804 fiel sie dem Feinde unvermutet in den Rücken und verlegte so die Furcht ihrer Genossen in das Lager der Feinde. Zu- letzt wankte die Schlachtreihe des Haraldus, und er selbst floh nach einem argen Blutbade unter den Seinigen. Als Lathgertha aus dem Kampfe nach Hause zurückkehrte, erstach sie bei Nacht ihren Gemahl mit einem Dolche, den sie unter dem Gewände verborgen hatte, und bemächtigte sich dann seiner Herrschaft und Machtfülle iu ihrer ganzen Aus- dehnung. Denn der schrankenlose Stolz dieses Frauenherzens hielt es für angenehmer, ohne Mann die Herrschaft zu führen 446 als sie mit ihm zu teilen.

Indessen wurde Sywardus in eine nicht weit entfernte Stadt gebracht, um sich von Aerzten heilen zu lassen. Als dies3 schon in der höclisten Verzweiflung waren, da die ge- waltige Wunde jedem Heilmittel widerstand, das man an- wandte, sah man einen Manu von erstaunlicher Grösse sich dem Bette des Kranken nahen; dieser verhiess ihm, er werde sich sogleich völliger Gesundheit erfreuen, wenn er ihm die Seelen derer weihen wolle, die er mit den Waffen besiegen werde. Er verschwieg auch seinen Namen nicht und gab an Rostarus^) zu heissen. Da Sywardus nun einsah, dass

») Vgl. III, S. 126 Anm. 1. Der Mann ist natürlich Odin.

476 Neuntes Buch.

er sich für ein kleines Versprechen eine grosse Annehmlich- keit verschaifen könne, ging er gern auf diese Forderung ein. Da beseitigte der Greis durch die schnelle Hilfe seiner Hände die gefährliche Eiteranhäufung und bewirkte eine rasche Ver- narbung der Wunde. Zuletzt streute er ihm Staub in die Augen und ging weg. Dieser erzeugte viele Flecken und nahm dann zum Erstaunen aller, die es sahen, eine treffende Aehnlichkeit mit kleinen Schlangen an. Ich glaube, der Ur- heber dieses Wunders wollte die künftige Wildheit des Jüng- lings durch ein deutliches Zeugnis seiner Augen andeuten, damit dieser durchsichtige Teil des Körpers nicht ohne An- zeichen bliebe, welches auf sein künftiges Leben hinwies. Als die alte Frau, welche für seine Tränke zu sorgen hatte, Schlangenspureu in seinem Gesicht sah, wurde sie von einem ungewöhnlichen Schrecken vor dem jungen Manne ergriffen und sank plötzlich ohnmächtig zu Boden. So kam es, dass Sy ward US weit und breit den Beinamen Schlangen- auge erhielt. ^)

Unterdessen raffte ein heftiger Krankheitsanfall des Regnerus Gemahlin Thora hin, und dies bereitete ihm, der seine Frau aufs innigste liebte, unendlichen Kummer und Schmerz. Da er meinte, diesen am besten durch Beschäftigung zerstreuen zu können, beschloss er Ti'ost in Waffenübungen

447 zu suchen und dies Leid durch Arbeit zu massigen. Um also seine Traurigkeit abzulenken und sich einen Trost zu ver- schaffen, dachte er an einen Kriegszug, und er gebot, dass jeder Familienvater den verächtlichsten seiner Söhne oder jeden Sklaven, den er als trag und unzuverlässig kannte, in

805 seinen Dienst stellen möge. Obwohl dieser Erlass seinem Vorhaben wenig günstig zu sein schien, lehrte er doch, dass die Schwächsten von den Dänen die Tapfersten von andern Nationen überträfen*), und er brachte den jungen Leuten

*) Anrd. Ormr i auga; mit dieser Erzählung steht Saxo ganz allein da. Ueber den völlig abweichenden isländischen Bericht vgl. ausser den Quellen am bequemsten Uhland, Sehr. VII, 303 ff.

') Nur um dieser Phrase willen, die dem dänischen Nationalstolze schmeicheln raussto, scheint die eben angegebene Bestimmung erfunden worden zu sein.

Sywardus. Thoras Tod. Kriegfszüge des Regnerus. 477

einen grosHen Vorteil; denn die tiierzu Auserlesenen wünschten naturlich um die Wette, den Makel der Faulheit zu tilgen. Ferner bestimmte er nach Aufhebung aller andern Rechts- verfahren, dass jeder Prozess dem Urteil von zwölf erprobten Männern überlassen werden sollte, und er Hess weder einen Rechtsangriff durch den Kläger noch eine Verteidigung dos Angeklagten mehr zu ^). Durch dieses heilsame Verfahren beseitigte er jedes unbesonnene Eingehen auf einen Prozess, und da er glaubte, nun hinlänglich den Verleumdungen schlechter Menschen vorgebeugt zu haben, richtete er seine Waffen gegen Britannien und erschlug den König des Landes, 448 Hama, den Vater Hellas, eines hochedlen Jünglings, im Kampfe. Dann tötete er die Fürsten von Schottland und Petland^) und der sogenannten „Südlichen oder Mittags- inseln"*) und übergab seinen Söhnen Sywardus undRath- bartus die Verwaltung dieser Provinzen, die jetzt ohne Statthalter waren. Auch den Fürsten von Norwegen warf er mit Gewalt aus seinem Lande heraus und zwang es unter die Botmässigkeit des Fridlewus; diesem wies er auch die Herrschaft über die Orchaden zu, denen er ebenfalls ihren eigenen Fürsten nahm.

Unterdessen hatten einige von den Dänen, voll hart- näckigen Hasses gegen Regnerus, ihre Gemüter zur Empörung verhärtet, und indem sie sich auf die Seite des längst ge- flüchteten Harald US schlugen, versuchten sie das bereits niedergesunkene Glück des Tyrannen wieder aufzurichten. Durch diese Unbesonnenheit fachten sie gegen den König die verzehrendsten Flammen des Bürgerkrieges an und ver- wickelten ihn, als er von äusseren Gefahren frei war, in innere. Um sie niederzuwerfen, brach Regnerus mit einer Flotte der Inseldänen auf, vernichtete das Heer der Rebellen und zwang Haraldus, den Führer des geschlagenen Heeres,

*) Ueber den Gang des Verfahrens im Gericht vgl. Amira i. Grdr. III, 202 ff., bes. 207 ff. Die vorliegende Stelle ist übrigens textlich sehr dunkel und unklar.

*) Ein Teil des nördlichen Schottland.

*) Gemeint sind die Hebriden, die bei den Isländern SuOreyar heissen.

478 Neuntes Buch.

der nach Germanien gefluchtet war, seine unrechtmässig er- worbene Ehre schmählich wieder aufzugeben. Er begnügte sich auch nicht damit, die Gefangenen einfach hinrichten zu lassen, sondern er liess sie lieber unter Martern töten, damit die, welche sich nicht zum Verzicht auf ihr gottloses Unter- nehmen hatten bewegen lassen, auch den letzten Atemzug nur unter den schmerzhaftesten Qualen aushauchen durften. Ferner verteilte er die Güter derer, die mit Harald us ge- flohen waren, unter die Teilnehmer an seinem Zuge; denn er meinte, ihre Väter würden dadurch um so härter bestraft, wenn sie sähen, dass die Ehre der Erbschaft auf die Kinder übertragen werde, die sie aus eigenem Antrieb Verstössen hatten, während die ihnen lieberen um ihr Erbe kamen. Aber auch so war sein Rachedurst noch nicht gesättigt, sondern er beschloss auch Sachsen anzugreifen, weil er es als eine Zufluchtsstätte der Feinde und ein Asyl des Haraldus be- trachtete. Er bat also seine Söhne um Hilfe und überfiel Karolus, der damals gerade in diesem Gebiete seines Reiches 449 weilte. Da er dessen Wachen gefangen nahm und die vor- «06 geschobenen Posten täuschte, hielt er auch das Weitere für leicht und hoffte auf einen raschen Erfolg. Da aber warnte plötzlich eine die Zukunft kennende Frau, eine Art himm- lisches Orakel oder eine Verkünderin des göttlichen Willens, durch eine heilsame Weissagung König Karolus: sie kam dem Unheil, das in der nahenden Gefahr bestand, durch ihre glückliche Prophezeihung zuvor, indem sie meldete, die Flotte des Sywardus sei an der Mündung des Flusses Sighwinus *) gelandet. Der Kaiser beherzigte wohl diesen Mahnruf, deutete ihn auf die Ankunft eines Feindes und liess den ihm an- gekündigten Barbaren Widerstand im Felde entgegensetzen. Es fand auch eine Schlacht gegen Regne rus statt, aber Karolus war mit dem Ausgange des Kampfes nicht so glücklich; wie er vorsichtig vor der Gefahr gewesen war. So sah jener unermüdliche Bezwinger von fast ganz Europa, der unter den glänzendsten und mächtigsten Siegen

*) D. i. die Svino.

Begnerus' Siege über Haraldus, Karl d. Gr., d. Sachsen u. Sorlus. 479

einen so grossen Teil der Erde durchmessen liatte, der Be- sieger so vieler Staaten und Völker, wie sein Heer allen Kampfesmut verlor und von einer kleinen Schar aus einer einzigen Provinz geschlagen wurde ^).

Regnerus legte nun den Sachsen einen Tribut auf; 450 bald erhielt er dann sichere Botschaft aus Schweden vom Tode des Herothus und zugleich, dass dessen Kinder in Folge von Verleumdungen des Sorlus^), des stellvertretenden Königs, ihrer väterlichen Güter beraubt seien. Er erbat sich nun Unterstützung von seinen drei Söhnen Biornus, Fridlewus und Rathbarthus (denn Regnaldus, Withsercus und Ericus, die er mit Swanlogha^) erzeugt hatte, waren noch nicht in waffenfähigem Alter) und zog nach Schweden. Sorlus rückte ihm mit seinem Heere entgegen nnd bot ihm die Wahl an, ob er mit seiner ganzen Macht oder einzeln kämpfen wollte ; da sich Regnerus für einen Einzelkampf entschied, stellte er ihm Scarchdhus*), einen Fechter von erprobter Kühn- heit, mit der Schar seiner sieben Söhne entgegen, damit er der Herausforderung gemäss streite. Regnerus nahm sich seine drei Söhne als Kampfgesellen, griff jenen angesichts beider Heere an und ging als Sieger aus dem Kampfe her- vor. Biornus aber, der ohne eigene Verletzung den Feind niedergeworfen, erhielt von der gleichsam eisernen Festigkeit seines Körpers einen ewig dauernden Beinamen ^). Durch

*) Diese Geschichte von Ragnars Sieg über Karl d. Gr., der dem letzten Satze nach zweifellos gemeint ist, ist nur eine Fabel. Vielleicht hat sie ihren historischen Hintergrund in einem Siege, den Götreks Söhne 828 an der Eider über ein Frankenheer davontrugen. Saxo widerspricht sich übrigens selbst, da er ja schon S. 467 von einem Vertrage Hemmings, der vor Kagnar herrschte, mit Karls Nachfolger Ludwig erzählt hat. Die Weissagung dürfte freie Nachahmung irgend eines älteren Vorbilds (etwa der ähnlichen Sage von Drusus) sein.

«) Anrd. Sörli.

*) Von dieser neuen Gemahlin Ragnars hat Saxo bisher nichts erzählt. Vgl. Olrik n, 111.

*) Die Namensform ist sicher verderbt; Elton glaubt an Starkadu8(?) denken zu düHen.

*) Eisenseite, dän. jaBmaide; über die Geschichte dieses Björn vgl. Müller n, 271.

480 Neuntes Buch.

diesen Sieg gewann Regnerus die Zuversieht, der ganzen Gefahr Herr zu werden, griff Sorlus an und tötete ihn nebst sämtlichen Truppen, die er in Sold genommen hatte. Darauf übertrug er Biornus zum Lohne für seine hervorragende Tapferkeit die Herrschaft über Schweden und ruhte eine Zeitlang von seinen Kriegen aus; während dessen verliebte er sich sehr in eine Frau, und um sich die Möglichkeit, sie zu besitzen, zu erleichtern, machte er ihrem Vater aufs eifrigste den Hof, indem er ihm die grössten Liebenswürdig- keiten erwies, ihn sehr häufig zum Mahle lud und mit Freund- lichkeiten überhäufte. Denn wenn jener nahte, so ehrte er ihn durch Aufstehen, und wenn er bei Tische lag, dadurch,

307 dass er seinen Platz dicht neben ihm wählte. Oft erfreute er ihn durch Geschenke, mitunter auch durch gütige Ansprache. Da dieser merkte, die Ursache zu solcher Ehrerbietung könne nicht in seinen eigenen Verdiensten liegen, dachte er tiefer darüber nach und erkannte, dass die stumme Freundlichkeit seines Fürsten der Liebe zu seiner Tochter entspringe, und dass dieser seine wollüstige Absicht mit dem Scheine der Güte beschönige. Um aber auch die feinsten Anschläge des Verliebten unschädlich zu machen, Hess er das Mädchen um

451 so strenger behüten, je mehr er sie von der heimliehen Neigung und der lebhaften Art des Königs umworben sah. Regnerus aber, der durch ganz sichere Botschaft von ihrer Einwilligung verständigt war, begab sich nach dem Land- hause, in dem sie gehalten wurde, und suchte mit dem Ent- schlüsse, dass nichts seiner Liebe im Wege stehen dürfe, ganz allein das Haus eines Bauern auf. Am Morgen vertauschte er seine Kleider mit Frauengewändern und gesellte sich in diesem Anzüge zu seiner Freundin, als sie Wolle krempelte. Um sich nicht zu verraten, legte er auch trotz seiner un- kundigen Finger listig bei der Arbeit der Jungfrau mit Hand an. In der Nacht aber sah er seine Wünsche erfüllt, als er das Mädchen umarmte. Wie nun jedoch die Stunde der Geburt nahte und die schmähliche Verletzung der Keuschheit durch den schwellenden Schoss des Mädchens verraten wurde, wusste der Vater nicht, wem sich seine Tochter preisgegeben habe:

Regnerus und d. Bauerntochter; sein Zug gegen d. Hellespontier. 481

trotzdem aber bestand er darauf, von ihr selbst den unbe- kannten Verfuhrer zu erfahren. Als sie hartnäckig behauptete, sie habe niemanden als ihre Dienerid bei sich im Bett gehabt, brachte er die Sache zur Untersuchung vor den König. Da es dieser nicht zugeben wollte, dass eine unschuldige Magd eines unerhörten Verbrechens bezichtigt werde, errötete er nicht davor, durch das Geständnis seiner eigenen Frevelthat die Unschuld jener zu beweisen. Durch diese Grossmut brach er aller weiblichen Verleumdung die Spitze ab und bewirkte zugleich, dass kein lächerliches Gerede vor den Ohren anderer Leute entstände. Ausserdem fugte er hinzu, der Sohn, den sie gebären würde, sei seines Blutes und er wollte ihn Ubbo genannt wissen. Als dieser ein wenig her- angewachsen war, kam er mit dem Verstände seiner zarten Jugend bereits dem Zustande reifer Erfahrung nahe. Denn er liebte innig seine Mutter, weil sie eine Verbindung mit einem so edlen Manne geschlossen, versagte aber seinem Vater alle Achtung, da er sich zu einer Vermählung unter seinem Stande herabgelassen habe ^).

Darnach röstete sich Regnerus zu einem Zuge gegen die Hellespontier*), berief eine Volksversammlung der Dänen und versprach, die heilsamsten Gesetze für das Volk durch- bringen zu wollen. Wie er vorher von jedem Familienvater das am wenigsten geachtete seiner Kinder zum Kriegsdienst für sich verlangt hatte, so gebot er jetzt, jeder solle seinen kräftigsten Sohn oder zuverlässigsten Knecht ausrüsten. Darauf nahm er alle seine Söhne von Thora, mit Ausnahme Ubbos '),

^) Saxos Erzählung von Ragnars Ehe mit der Bauerntochter und von ihrem Sohne Ubbo (Uffe) dürfte nach Charalcter und Stil rein dänischen Ursprungs sein (Olrik II, 111 ff.). Beide Erzählungen finden sich auch nur in dänischen Quellen.

») S. VITI, S. 434 Anm. 2 und Anra. 2 auf S. 36.

*) Omnibus, quos ex Thora procreaverat , filiis, preter Ubbonera, assumptis; das ist eine ungenaue Ausdrucksweise, da ja Ubbo nicht von Thora geboren ist. Dieses unlogische Verfahren hat wahrscheinlich Elton veranlasst, „praeter'' mit „in addition to*^ zu übersetzen, was nicht richtig ist. Grundtvig hat: „undtagen Ubbe** und auch Olrik II, 112 fasst diese JStcUe wie ich.

S.1XO Grammaticus. 31

482 Neuntes Buch»

308 ^i\' ^^^ unterwarf sich Hellespoatien und seinen König Diaa Qach mehreren siegreichen Kämpfen. Zuletzt bereitete er diesem eine Niederlage nach der andern und erschlug ihn. Dessen Söhne Dian und Daxon, die einst die Töchter de» ruthenischen Königs geheiratet hatten, erbaten sich nun Truppen von ihrem Schwiegervater und ergriffen mit feurigstem Mute die Aufgabe, ihren Vater zu rächen. Als Regnerus ihr gewaltiges Heer bemerkte, vertraute er nicht ganz auf die Zahl seiner Streitmacht und Hess eherne Rosse auf bewegliche Rhder setzen und mit einem drehbaren Gestell umgeben; dann gebot er, sie mit grösster Gewalt in die dichtesten Scharen der Feinde zu schieben. Dieses Verfahren trug so sehr dazu bei, die Reihen der Gegner aufzulösen, dass die Hoffnung auf Sieg mehr als auf das Heer auf diese Vorrich- tung begründet schien, deren unwiderstehliche Wucht alles niederriss, worauf sie traf ^). Einer der Fürsten wurde nun getötet, der andere floh, und das ganze Heer der Hellespontier wich. Auch die Scythen, welche mit Daxon von mütterlicher Seite ganz nahe verwandt w^aren, sollen in jener gefahrvollen Zeit vernichtet worden sein. Ihr Gebiet erhielt Withsercus, und der König der Ruthenen, der sich allzuwenig auf seine Kraft verliess, beeilte sich, den furchtbaren Waffen des Regnerus durch die Flucht zu entgehen.

Dieser hatte nun fast fijinf Jahre mit seinem Raubzuge zugebracht, und alle übrigen hatten sich ihm schnell unter- worfen; bei den jüngst erst besiegten Biarmiern aber merkte er, dass sie es mit der Unterwerfung nicht ehrlich meinten und sich offen gegen seine Herrschaft auflehnten. Als diese von seiner Ankunft unterrichtet waren, schickten sie Zauber-

^) Für dieses merkwürdige und etwas unwahrscheinliche Kunststück hat man noch keine Parallelen entdecken können; dass es blosse £rfindu Dg sei, ist auch kaum anzunehmen. Olrik II, 118 vermutet nun sehr ansprechend und scharfsinnig, Saxos (schriftliche oder mündliche) Quelle habe einen Ausdruck hlunngoti, hlunnfäkr oder hlunnjor d. i. Rollenhengst, eine poetische Umschreibung (kenning) für Schiff, gehabt. Da nun dieser Aus- druck nicht mehr verstanden wurde, konnte sehr wohl jene Fabel dafür ersonnen worden sein.

Regnerus' Kämpfe gegen d. Hellespoptier, Biarroier u. FinneD. 483

lieder zum Himmel empor, beschworen die Wollten und riefen 453 die heftigsten Nebel und Stürme hervor^). Dieser Umstand hielt die Dänen lange Zeit in ihrer Fahrt auf und führte schliesslich zum Mangel an Lebensmitteln. Dann liess das Unwetter plötzlich nach, und eine glühende Hitze dorrte sie aus, Dieses Leiden war ebenso unerträglich, als es vorher die unerhörte Kälte gewesen war. So ergriff ein doppeltes Unheil mit zweifachem Leiden abwechselnd ihren Körper und schädigte sie durch die masslose Steigerung eines jeden der beiden Zustände. Uebrigens raffte auch noch der Durchfall viele hin. So starben die meisten der Dänen, festgebannt unter einem so wechselvollen Himmelsstrich, an den Krank- heiten, die unter ihnen ausbrachen. Da sich nun Regner us mehr durch heimtückisch herbeigeführte als durch natürliche Witterungsverhältnisse behindert sah, fuhr er noch, soweit es ging, und landete dann im Gebiete der Kurländer und Sem- bern *). Diese verehrten seine Majestät und Würde in höchstem Masse, als ob er der ehrenvollste Sieger sei. Durch ihre Freundlichkeit wurde der König um so mehr über die Frech- heit der Biarmier erbittert und suchte in einem plötzlichen 809 Angriff Rache für die Verletzung seiner Hoheit. Ihr König unbekannten Namens wurde bei dem unvermuteten Einbruch der Feinde von Schrecken übermannt und floh, ohne die Zu- versicht zu einer Schlacht mit ihnen zu gewinnen, zu MatuUus, dem Fürsten von Finmarchien ^). Im Vertrauen auf die Ge- schicklichkeit seiner Pfeilschützen plagte er nun ungestraft das Heer des Regnerus, der in Biarmien Winterquartiere bezogen hatte. Die Finnen gleiten nämlich auf glatten Pflöcken in schnellem Laufe dahin, durcheilen nagh eigenem Gutdünken beliebig rasch jeden Raum und sollen die Fähigkeit besitzen, sich aufs Schleunigste nähern oder entfernen zu können. Sobald sie einen Feind angegriffen haben, fliehen sie mit derselben Geschwindigkeit, mit der sie gekommen, wieder weg

*) Vgl. I, 48 Anm. 2 über die Zauberkunst der Biarmier und Finnen. «) S. VI, S. 299, Anm. 1.

*) In norwegisch-isländischen Sagen findet sich öfter ein 3IottuU Finnakonungr.

31*

484 Neuntes Buch.

und ihr Rückzug geht durchaus nicht langsamer als ihr An- griff. Durch die Beweglichkeit ihrer Gefährte und ihrer Körper erreichen sie die vollständige Fertigkeit beim Ansturm wie bei der Flucht^). Man muss wohl glauben, dass Regnerus damals sehr verwundert über die Wankelmütigkeit des Glückes gewesen sein mag, da er sich, den einstigen Bezwinger römi- scher Grösse^), jetzt von einer unbewaffneten, rohen Horde an den äussersten Rand des Verderbens gerissen sah. Er, der die römische Kriegskunst auf ihrem herrlichsten Höhepunkt und 454 den grössten und erhabensten Feldherrn glänzend geschlagen hatte, musste jetzt einem bäurischen, niedrig stehenden Pöbel mit kläglicher und elender Ausrüstung weichen; er, dessen kriegerischen Ruhm die Macht des tapfersten Volkes vorher nicht hatte vernichten können, war jetzt nicht stark genug, einer kleinen Schar eines verächtlichen Stammes Stand zu halten. So kam es, dass er mit der Mannschaft, mit der er die höchste Zierde der Welt und die bedeutendste Kriegsmacht aufs tapferste zu Grunde gerichtet hatte, mit der er so viele lärmende Fusstruppen, Lager und Reiterscharen vor aller Welt überwältigt hatte, jetzt gegen ein gemeines und unbe- deutendes Völkchen heimlich und gleich wie ein Dieb los ziehen musste und sich nicht scheute, seinen herrlichen Ruhm, den er öffentlich und bei Tage sich erworben, durch nächtliche Heimtücke zu beflecken; denn statt zu offener Tapferkeit nahm er zu einem heimlichen Hinterhalt seine Zuflucht. Das war zwar eine hässliche That^), aber der Erfolg war gut. Erfreute sich aber über die Flucht der Finnen nicht weniger als über die des Karolus, denn er gestand, dass er mehr Kraft bei jenem ärmlichsten Stamme als bei dem best gerüsteten Heere gefunden habe. Den schwerbewaffneten Römern konnte er ja leichter die Spitze bieten als den leichten Geschossen dieses Lumpenvolkes. Als nun der König der Biarmier getötet und die Finnen gesehlagen waren, Hess Regnerus auf einem

») Vgl. zu dieser Schilderung S. 14 mit Ann. 1 u. V, 264. ') (Tomeint ist natürlich das römische Reich deutscher Kation und Karl der (-»rosse.

') Welcher Art sie war, berichtet Saxo nicht.

Kegnerus' Sieg über die Finnen; Ubbos Aufstand. 485

Felsenhögel ein ewiges Denkmal seines Sieges von Steinen errichten, die einen Bericht darüber enthielten ^).

Indessen wurde Ubbo durch seinen Grossvater Hes- bernus zu verruchter Begier nach der Herrschaft verleitet, 810 streifte alle Ehrfurcht vor seinem Vater ab und masste sich das Abzeichen der Königswürde für sein eigenes Haupt an. Als Regnerus diese Frechheit von den schwedischen Fürsten Keltherus und Thorkillus erfuhr, richtete er seine Fahrt eiligst nach Götland. Obgleich Hesbemus schon erprobt hatte, dass jene beiden mit besonderer Treue der Partei des Regnerus anhingen, bemühte er sich doch, sie durch Ver- sprechen von Belohnungen dem Könige abspenstig zu machen. •^55 Jene aber wichen nicht im geringsten von ihrem Vorsatze ab, antworteten, ihre Entscheidung hinge ganz von Biornus ab, und versicherten, kein Schwede würde etwas wagen, was von dessen Willen abwiche. Nicht faul suchte nun Hesbernus diesen selbst durch sehr liebenswürdige Anerbietungen ver- mittelst seiner Gesandten für sich zu gewinnen. Der aber sagte, dass er nie mehr der Untreue als der ehrlichen Treue zuneigen würde, und erklärte es für den höchsten Grad von Nichtswürdigkeit, wenn die Gunst seines gottlosen Bruders der Liebe seines hochverehrten Vaters vorgezogen würde. Gegen die Abgesandten selbst aber verfuhr er wie gegen Verführer zum schwersten Verbrechen und Hess sie hängen. Die Schweden Hessen auch die übrige Schar der Gesandtschaft für ihre gefährliche Aufforderung mit der gleichen Strafe büssen. Da nun Hesbernus meinte, dass seine Erfolge mit heimHchen und verborgenen Vorbereitungen zu unglücklich ausfielen, mietete er öffentlich Truppen und rückte vor aller Augen zum Kriege aus. Iwarus jedoch, der Statthalter von Jütland, glaubte, dass kein Standpunkt in dem verbrecherischen Kriege sich mit seiner Rechtlichkeit vertrage und kam einem gottlosen Kampfe durch frei wiUige Verbannung zuvor. Regnerus aber griff Hesbernus in der Bai, die lateinisch die Grüne

^) Ob dies Geschichte oder Sage ist, (Steenstrup glaubt, der Feldzug gegen die Biarmier habe einen historischen Kern) ist ungewiss; gefunden hat man jedenfaUs eine derartige Inschrift nicht.

486 Neuntes Buch.

heisst^), an und tötete ihn; der Leiche Hess er dann das Haupt abschlagen, steckte es auf sein Schiff und bot den Aufrührern ein schreckliches Schauspiel. Ubbo aber entfloh. erregte den Krieg von neuem in Seeland und griflF seinen Vater zum zweiten Male an. Als die Reihen der Seinigen wichen, wurde er allein von allen Seiten bestürmt. Aber er streckte eine solche Menge von der Schar seiner Gegner nieder, dass er von der Anhäufung der feindlichen Leichen wie von der festesten Schanze umgeben war und leicht das Herannahen der Angreifer hindern konnte. Zuletzt aber erlag er doch der Uebermacht der Feinde, wurde ergriffen und ins Staatsgefängnis geworfen. Jedoch er zerriss und zersprengte mit gewaltiger Kraft die Ketten; obgleich es ihm so zwar gelang, die ihm angelegten Fesseln abzustreifen und zu vernichten, konnte er doch auf keine Weise seinem Kerker entfliehen. Sobald aber Iwarus hörte, dass der Aufruhr im

456 Vaterlande durch die Hinrichtung des Rebellen beigelegt sei. kehrte er nach Dänemark zurück. Regnerus empfing ihn mit der grö.ssten Achtung, weil er bei dem Wüten des wider- natürlichen Krieges am aufrichtigsten der Stimme der Natur gefolgt war.

Inzwischen hatte Daxon lange vergebens versucht, With- sercus, den Statthalter von Schwedeu*), zu überwinden; endlich aber griff er ihn bei einem äusserlichen Frieden an und

811 überwältigte ihn. Während er gastfreundlich von jenem aufgenommen wurde, sandte er ein wohlgerüstetes Heer ab, welches scheinbar um einen Einkauf zu besorgen, auf Wagen in die Stadt eindringen und das Haus seines Gastgebers in nächtlichem Angriff zerstören solle. Withsercus aber begeg- nete dieser Räuberbande mit solch gewaltigem Widerstände, dass er, von einem Haufen Feindosleichen umgeben, nur gefusst werden konnte, wenn man Leitern von oben herabliess.

') Sinns viridis, d. i. der (TrÖnsund zwischen Falater imd Möen.

') Kurz zuvor ist Withsercus als Statthalter des Skythenlandes ^eoannt worden: Müller ((lauht. dass Saxos Gewähreinann hier den Ausdruck ^Gn»si- aohwetlen", das eben die ^»hellespontischen'' Länder Saxos bezeichne, a: - jrewendet habe, dass dieser ihn aber nicht mehr recht ^ erstand.

BesieguDg Ubbos; WithsercUs und Daxon. 487

In gleicher Weise wurden zwölf seiner Begleiter vom Feinde gefangen; obwohl man diesen Erlaubnis gab, in ihr Vater- land zurückzukehren, wollten sie, da sie ihr Leben dem König geweiht, lieber die Gefahr eines andern teilen als sich der eigenen entziehen. Daxon aber ward von Mitgefühl mit der ausnehmenden Schönheit des Withsercus ergriffen, und gewann es nicht über sich, die eben sich entfaltende Blüte seiner herrlichen Anlagen zu vernichten. Er bot ihm nicht nur das Leben an, sondern auch seine Tochter zur Ehe, sowie die Hälfte seines Reiches als Mitgift, und er wollte liebe> seine Schönheit schonen als seine Kühnheit bestrafen. Jener achtete in seiner Geistesgrösse den Genuss eines elenden Lebens für nichts und wies seine Begnadigung als eine höchst kleinliche Gabe zurück; er bat äiis freien Stücken um sein Todesurteil und sagte, Regnerus werde etwas milder die Rache für seinen 457 Sohn ausüben, wenn er höre, dass dieser bei der Wahl seiner Todesart seinen eigenen Willen gehabt hätte. Sein Feind bewun- derte diese Kühnheit und versprach ihm, er solle auf die Art sterben, die er sich selbst auserwähle. Diese Erlaubnis nahm der Jüngling als eine grosse Wohlthat auf und bat, man möge ihn gefesselt zusammen mit seinen Gefährten verbrennen. Daxon willfahrte auch rasch seiner Todessehnsueht und gewährte ihm als Gnade die Hinrichtung in der gewünschten Weise. Als Regnerus dies hörte, wurde er von einem Kummer zum Sterben ergriffen und zog nicht nur Trauer- kleidung an, sondern er legte sich auch in seinem höchsten Seelenschmerz ins Bett und gab seiner Betrübnis durch Seufzen Ausdruck. Seine Gattin, die mehr als männliche Zuversicht besass, schalt ihn wegen seiner Schwäche und ermutigte ihn durch mannhaftes Zureden; sie suchte seinen Sinn der Trauer abwendig zu machen, forderte ihn auf, eifriger an Waffenthaten zu denken, und erklärte ihm, dass ein helden- hafter Vater den blutigen Tod »eines Sohnes viel richtiger durch die Waffen als durch Thränen zu sühnen habe. Sie warnte ihn auch, dass er sich nicht durch sein weibisches Trauern und Klagen ebenso grosse Schande zuziehe, als er sich früher durch seinen Heldenmut Ruhm erworben hab6.

488 Neuntes Buch.

Bei (lieser Rede fürchtete Regnerus, dass er den Ruf seiner Tapferkeit durch unmännliches Jammern zerstören möchte, warf seine Trauerkleidung weg, legte die äusseren Zeichen seines Schmerzes ab und rief in der Absicht, schnelle Rache zu liben, seine schlummernde Kühnheit wieder wach. So wird der Sinn der Starken von Schwachen ermutigt. Er übertrug Iwarus die Verwaltung des Reiches, kam Ubbo,

812 indem er sich mit ihm versöhnte, mit väterlicher Liebe ent- gegen, setzte mit seiner Flotte nach Russland über, nahm Daxon gefangen, Hess ihn zur Strafe in Ketten legen und verbannte ihn nach Uhtgardia ^) ins Gefängnis. Regnerus ist also damals offenbar gegen den Mörder seines liebsten Sohnes mit gnädigster Schonung verfahren, indem er es vorzog, seinen Wunsch nach Rache nur durch die Verbannung statt durch den Tod des Schuldigen zu befriedigen. Infolge dieser Menschenfreundlichkeit schämten sich die Ruthenen, weiter gegen den König zu wüten, den sie nicht einmal durch die bittersten Kränkungen veranlassen konnten, seine Gefangenen zum Tode zu verurteilen. Regnerus begnadigte ihn bald

458 vollends und gab ihn seinem Vaterlande wieder, als er ihm versprach, jedes Jahr barfuss zusammen mit zwölf ebenfalls unbeschuhten Greisen wie ein Flehender Tribut zu zahlen. Er hielt es nämlich für besser, gegen den Gefangenen und Bittenden milde zu verfahren als das blutige Beil zu zücken, und seinen hochmütigen Nacken mit beständiger Knechtschaft zu strafen als ihn nur ein einziges Mal zu verletzen. Dann segelte er ab, und übertrug seinem Sohn Ericus mit dem Beinamen W i n d h u t^) die Herrschaft über Schweden. Während dort Fridlewus und Siwardus unter ihm dienten, erfuhr

*) Apud Uhtjfardiam ; die isländische QueUe Saxos hatte wahr- scheinlich (nach Storms geistreicher Vermutung: vgl. Olrik II, lir>ffl> foeröi hann viÖ ütgarda; dieser Ausdruck heisst wörtlich: «Er schickte ihn in ferne Wohnungen**, dann übertragen: „er tötete ihn.* Da Saxo dies nicht mehr verstand, machte er aus „viÖ ütgarÖa" einen Ortsnameo (vielleicht zugleich in der Krinnerung an seinen Ugarthilocus).

*) Ericum , Ventosi Pillei cognomen habentem; auch schwedische Berichte kennen einen Eirikr Vederhat (^^ Windhut) : aus der Richtung« nach der er seinen Hut hielt, soll der Wind geweht haben.

\

Siege über Daxon, die Norweger u. Schotten. 481)

er, dass die Norweger und Schotten zu Unrecht zwei andern Männern die Königstitel übertragen hätten; er hob zunächst den Usurpator der Herrschaft über Norwegen auf und über- trug sie Biornus.

Darauf berief er diesen und Ericus zu sich, verheerte die Orchaden, landete endlich im Gebiete der Schotten und tötete ihren König Murial, nachdem er ihn in einem drei- tägigen Treffen völlig erschöpft hatte. Aber auch des Reg- nerus Söhne Dunvat und Rathbarthus, die ausgezeichnet gefochten hatten, wurden in dieser Schlacht vom Feinde ge- fällt und erkauften so mit ihrem Blute ihrem Vater einen teuren Sieg. Als er dann nach Dänemark zurückgekehrt, vernahm er, dass seine Gattin Swanloga von einer Krankheit hingerafft worden sei; sogleich suchte er ein Heilmittel gegen seinen Kummer in der lünsamkeit und gewann es [nicht] ^) über sich, die Trauer seines betrübten Herzens innerhalb der Wände seines Hauses einzuschliessen. Doch diesem bitteren Schmerze entzog ihn bald die plötzliche Ankunft des Iwarus, der aus seinem Reiche vertrieben worden war. Die Gallier*) hatten ihn nämlich geschlagen und einem gewissen Hella, Hamas Sohne *), unrechtmässig die Königswürde übertragen. Unter seiner*) Führung denn er musste ja die Ortlichkeit 459 kennen ging Regnerus in See und landete in dem Hafen, der Norwicus*) heisst; hier lieferte er Hella, der sich auf die Tapferkeit der Gallier verliess, eine dreitägige Schlacht und bewirkte, dass dieser sich doch lieber für die Flucht entschied; sein Sieg kostete den Angeln sehr viel, den Dänen

*) Hesser für Sinn und Zusammenhang ist es, dieses ^non*^ der ed. princ. mit den spätem Herausgebern zu streichen.

*) Man hat wohl hier wie eini(|^e Zeilen später an gallische Hilfs- truppen der Engländer zu denken.

*) Vgl. oben S. 477.

*) D. i. des Iwarus.

*) Müller meint, es sei an die Stadt Nor^'ich zu denken, Elton ver- mutet S. B78 (nach 8teenstru[>), die Schreibung Noruicus der ed. princ. sei ein Fehler für Joruicus, das den Hafen von York bedeute; er stützt sich dabei auf die altenglische Sachsenchronik (ed. B. Thorpe, London 1861) z. ,1. 8«7.

490 XeuDte9 Buch.

Dur sehr wenig Blut. Als Regnerus dort siegreich ein Jahr verweilt hatte, berief er seine Söhne zur Unterstützung her-

81S bei und griff dann Hibernien an; er tötete dessen König Melbricus^), belagerte Duflina, welches ganz mit Schätzen der Barbaren angefüllt war^), bestürmte es und nahm es ein. Hier hielt er auch ein Jahr sein Standquartier, durchschiffte dann das Mittelnieer und gelangte bis zum Hellespont. Die dazwischen liegenden Gegenden durcheilte er alle unter den glänzendsten Siegen, und nirgends hemmte das Schicksal sein beständig glückliches Vordringen.

Unterdessen erregte Haraldus unter der Beihilfe einiger Dänen, welche nur mit sehr geringem Eifer für Regnerus Kriegsdienste leisteten, von neuem Aufruhr in seinem Vater- lande und masste sich den Königstitel an. Er wurde von Regnerus, der vom Hellespont zurückkehrte, mit Waffen- gewalt empfangen, und da er nach dem unglücklichen Aus- gange dieses Kampfes bemerkte, dass daheim seine Hilfs- mittel erschöpft seien, begab er sich zu Ludowicus, der sich in Mainz aufhielt, und bat ihn um Unterstützung. Dieser aber war von dem höchsten Eifer erfüllt, die christliehe Religion zu verbreiten und stellte dem Barbaren eine Be- dingung, indem er ihm nur Hilfe versprach, wenn er darein willige, den Dienst Christi auszuüben. Denn es könne, sagte er, keine Uebereinstimmung in der Gesinnung bei Leuten geben, die verschiedene Götter verehrten. Daher brauche ein Hilfeflehender zuerst Glaubensgemeinschaft, und die könnten nicht Bundesgenossen zu grossen Werken sein, die ein verschiedenes Glaubensbekenntnis trenne. Diese Ansieht brachte nicht nur seinem Gaste Rettung, sondern auch ihm selbst den Ruf der Frömmigkeit. Denn sobald Haraldus

400 feierlich getauft war, unterstützte er ihn mit sächsischen Hilfstruppen*). Im Vertrauen darauf erbaute dieser nun in

») V^rl. II S. 73 donselhon Xamon.

*) l'cber doii KiMohtuni von Diinlin s. noch ^^, 299.

*) (ninz priia» sind wir iibor die (Tcsohichto dieses Harald, der den Heinamen Klak führt, nicht nntcrrichtet. Das Wesentliche in Saxos Er- zählung?, seine unsichere Stellung , das Hündnis mit Ludwige und seine Hekehrunjy, ist richtip. Vjyl. Müller II, 257 ff.

Regnerus* Siege über Melbricus u. Haraldus; seine Gefangennahme. 491

dem Gebiete voq Schleswig mit grossen Sorgea und Kosten einen Tempel zur Ehre Gottes. Er nahm sich also ein Vor- bild für sein heiliges Verfahren an dem Brauche der Römer, legte den Irrtum der Ungläubigen bloss, zerstörte ihre Heilig- tümer, ächtete ihre Opferer, setzte die Priester ab und führte zuerst das Christentum in seinem Vaterlande ein, indem er den Götzendienst ausrottete und für den Gottesdienst eiferte. Ueberhaupt beobachtete er alles, was die Hütung der Religion anlangte, mit gewissenhaftester Sorgfalt. Aber er unternahm die Sache mit mehr Frömmigkeit als Erfolg. Denn Regnerus überraschte ihn, schändete die von ihm mitgebrachten Heilig- tümer, ächtete die wahre Religion, stellte dafür die frühere falsche wieder her und setzte die alten Bräuche wieder zu Ehren ein. Haraldus aber floh und ward zum Gottes- leugner. Denn sowie er wegen seiner Einführung der Religion ein leuchtendes Vorbild war, so war er auch das erste Bei- spiel des Abfalles davon, und aus einem Beschützer des Christentums ward er ein nichtswürdiger Abtrünniger.

Inzwischen hatte sich Hella zu dem Hiberniern begeben und bestrafte alle, die sich treulich an Regnerus angeschlossen hatten, mit dem Schwerte und mit Folterqualen. Regnerus 8U griff ihn mit der Flotte an, aber durch die gerechte Strafe des Allmächtigen musste er jetzt offenkundig Sühne leisten für seine Verachtung der Religion. Denn gefangen und ins Gefängnis geworfen musste er seine schuldigen Glieder Schlangen zum Frasse überlassen, und die Fibern seiner Ein- geweide bot er als traurige Nahrung den Ottern dar ^). Als seine Leber schon gefressen war, und eine Natter gleich wie ein todesdrohender Henkersknecht schon an seinem Herzen sass, ging er noch einmal mit lebhafter Stimme die ganze Reihe seiner Thaten durch, ^) und am Ende dieser Aufzählung

*) Des gleichen Todes starb Ounnar: vgl. den „Untergang der Nif- liinge" = Gerings Edda S. 241 u. die dort in Anm. 11 angeführten Lioder- stellen.

*) In einem Todesliede, ähnlich wie Starkadr (B. VIII). Die Kra- kiimal enthalten es in nordischer Sprache (z. T. übersetzt bei Uhland Sehr. VII, 311 ff.).

492 Neuntes Buch.

fügte er folgenden Schluss hinzu: Wenn die jungen Keiler die Qualen des Ebers kennten, würden sie ohne Zweifel in den Stall einbrechen und ihn von seinen Leiden erlösen*). 461 Diese Worte legte Hella dahin aus, dass noch einige seiner Söhne am Leben wären, und er gebot den Henkern einzu- halten und die Schlangen zu entfernen. Als aber die Tra- banten hineilten, um den Befehl auszuführen, warRegnerus bereits dem Gebot des Königs durch den Tod zuvorgekommen. Was kann man anderes sagen, als dass diesem Manne zwei verschiedene Schicksale bestimmt gewesen sind? Das eine hatte ihm eine tadellose Flotte, ausgedehnte Herrschaft, her- vorragende Leistungen auf seinen Raubzügen gewährt, während das andere ihm Vernichtung seines Ruhmes, den Tod seiner Gefährten, das qualvollste Lebensende brachte; denn der Henker sah, wie er, von giftigen Tieren umringt, mit dem- selben Herzen, das jeder Gefahr gegenüber unentwegt ge- blieben war, Nattern nährte. So war schliesslich dem glänzend- sten Sieger das elende Los eines Gefangenen bestimmt^ und er gab damit eine Lehre, dass niemand allzusehr dem Glücke trauen soll.

Iwarus erhielt diese Trauerbotschaft, als er gerade Spielen zusah ^). Nichtsdestoweniger blieb sein Gesichtsaus- druck unverändert, und er zeigte sich in keiner Weise mehr bewegt als gewöhnlich; er beherrschte nicht nur sich selbst^ indem er bei der Nachricht von dem Tode des Vaters seinen Schmerz unterdrückte, sondern er Hess auch kein Wehklagen ausbrechen und verbot dem Volke, das Theater zu verlassen. P> legte also die Heiterkeit seines Antlitzes nicht ab, um nicht durch Beendigung des Spieles die Vorstellung zu unter- brechen, noch lenkte er seine Augen von der öffentlichen Freude ciuf seine eigene Trauer, damit es nicht scheine, als

*) Damit meiut er sich selbst und seine Söhne; dieser Satz entspricht gonau einer Strophe der Raguursaga, mit der sich auch sonst wörtliche Ankläfijrc feststellen lassen (vgl. Uhland VII, 308).

*) Der Bericht \(»n Kagnars Tod wie der über die Aufnahme der Hotsohnft d»irch seine Söhne stimmt auch fast genau mit den isländischeo (Quellen überein.

RegDerus' Tod; Eindruck der Botschaft auf seine Söhne. 493

ob er von dem ausgelassensten Jubel plötzlich zur äussersten 462 Betrübnis überginge und mehr die Rolle des klagenden Sohnes als die des fröhlichen Fürsten spiele. Als aber Sywardus dieselbe Nachricht erhielt, ging ihm die Liebe zum Vater näher als eigener Schmerz, und er stiess sich den Speer, den er gerade in der Hand hielt, in seiner Bestürzung tief in den Fuss, ohne vor der Allgewalt seiner Trauer das körper- liche Leiden zu bemerken. Um nämlich die Wunde in seinem Herzen geduldiger tragen zu können, bemühte er sich, auch einen Teil seines Leibes schwer zu verletzen. Durch diese That offenbarte er zugleich seinen Heldenmut und seine Trauer, indem er bei seinem Geschick als Verwaister ebenso viel Betrübnis als Standhaftigkeit zeigte. Biornus aber war ;U5 bei der Nachricht von dem Tode seines Vaters gerade mit Würfelspielen beschäftigt; und er ergriff den Stein mit solcher Gewalt und presste ihn so in seiner Hand zusammen, dass das Blut aus seinen Fingern sprang und den Tisch benetzte ^). Dabei lernte er also, dass die Fügung des Schicksals unleugbar noch unbestimmbarer sei als der Würfel, den er warf. Als Hella dies hörte, glaubte er, der von den dreien habe des Vaters Tod mit der grössten Standhaftigkeit vernommen, det bei seinem Hingänge seine Sohnesliebe nicht gezeigt habe, und darum müsse ihm die Tüchtigkeit des Iwarus am meisten verdächtig sein. Iwarus landete zwar an der englischen Küste; als er aber bemerkte, dass seine Flotte zu einem Kampfe mit dem Feinde zu schwach sei, zog er die List der Kühnheit vor und wagte sich mit Schlauheit an Hella, in- dem er als vermittelndes Unterpfand des Friedens nur soviel Ackerland forderte, als von einer Rosshaut umfasst werden könne 2). Was er wollte, erlangte er auch; denn der König glaubte, diese Bitte würde ihn nicht teuer zu stehen kommen,

*) In der Saga wird dieser Zug von Hvitserk erzählt, und es handelt sich dort nicht um das AVürfel- sondern um das Brettspiel. (Ueber dieses s. Weinhold 8. 469.)

') Dieser Zujjr, der sehr an die Gründung Karthagos durch Dido er- innert, findet sich auch in den isländischen Quellen. In der Saga heisst die neue Stadt Lundünaborg (= London), im I>attr Jörvik (= York).

494 Neuntes Buch.

und freute sich in der Meinung, dass ein ziemlich kleines Fell doch nicht viel Land in Anspruch nehmen werde, dar- über, dass ein so starker Feind nur so wenig statt viel ver- langß. Iwarus aber zerschnitt das Fell in ganz dünne Streifen, dehnte es dadurch aus und umspannte damit ein Gebiet, welches zur Erbauung einer Stadt wohl geeignet war. Bei Hella folgte jetzt die Reue über seine Freigebigkeit, und er berechnete erst zu spät die Grösse des Felles, als er die Haut jetzt in zerschnittenem Zustande genauer wie vor- her im Ganzen ausmass. Während er nämlich geglaubt hatte. 463 sie werde nur eine kleine Bodenfläche bedecken, sah er jetzt, dass sie weithin eine ganze Anzahl Joche in Anspruch nahm. Iwarus aber führte in die neu gegründete Stadt reichlich Lebensmittel ein, die auch für eine Belagerung ausreichen konnten; denn er wünschte sie ebenso gegen den Mangel wie gegen den Feind gerüstet zu sehen.

Indessen kamen Siwardus und Biornus mit einer Flotte von 400 Schiffen herbei und erklärten in offener Her- ausforderung dem Könige den Krieg. Diesen begannen sie auch zu der angekündigten Zeit, nahmen Hella gefangen und Hessen in seinen Rücken eine Wunde in Gestalt eines Adlers einschneiden, indem sie sich darüber freuten, ihren wildesten Feind unter dem Zeichen des grausamsten Vogels zu vernichten ^). Und nicht zufrieden damit, ihn mit dieser Wunde gebrandmarkt zu haben, streuten sie auch noch Salz in sein zerrissenes Fleisch. Als Hella so geendet hatte, kehrten Biornus und Siwardus in ihre Reiche zurück. Iwarus regierte zwei Jahre lang in Anglien. Inzwischen begannen die Dänen in hartnäckigstem Aufruhr wieder Krieg

^) Das ist wiederum eine missverstäudliche Deutung eines anrd. Aus- druckes : «rista bloÖ-orn d. h. den Blutadler ritzen**. Es war dies eine grausame Art, gefangene Feinde zu töten, die darin bestand, dass man vom Kücken aus die Rippen vom Rückgrat löste und dann die Lunge herausriss. Vgl. das Lied von Regin Str. 2ti = Gerings Edda S. 201 u. Aiim. 6. Die altenglische Sachsenchronik, die sonst diese Dinge auch berichtet, weiss hiervon nichts. (Ueber Iwarus vgl. noch Müller IL 270 ff.).

Die Söhne des Regnerus. 495

und Übertrugen einem gewissen Siwardus und Ericus, die aus königlichem Geschlecht stammten, die Herrschaft über den Staat. Diese griffen die Söhne des Regnerus gemeinsam mit einer Flotte von 1700 Schiffen bei Schleswig an und vernichteten sie in einem sechsmonatlichem Kampfe. Grab- hügel zeugen davon noch heute ^). Aueh der Meerbusen, in dem gefochten wurde, ward berühmt durch den Tod des Siwardus. Das königliche Haus war nun bis auf die Söhne des Regnerus fast ausgestorben. Als dann Biornus und S16; 464 Ericus nach Hause zurückkehrten, nahmen Iwarus und Siwardus in Dänemark ihre Wohnsitze, um die Rebellen desto fester im Zaume zu halten, und übertrugen Agnerus^) die Verwaltung von Anglien. Dieser aber wurde durch die Widerspenstigkeit der Anglier gereizt und unter der Beihilfe des Siwardus wünschte er lieber die Provinz, die ihn ver- achtete, ohne Bebauer zu sehen, indem er ihre ausgedehnten Ackerländer verwüstete, als ihre ünbotmässigkeit noch zu nähren; er verheerte die fruchtbaren Gefilde der Insel aufs grausamste, denn er hielt es für besser über eine verödete als über eine übermütige Gegend zu gebieten. Später wollte er dann Ericus rächen, der in Schweden der Bosheit eines gewissen Ostenus zum Opfer gefallen war*); aber während er allzu eifrig auf Rache für einen andern bedacht war, gab er sein eigenes Blut den Feinden preis, und indem er zu hitzig Sühne für des Bruders Ermordung suchte, bezahlte er seine Bruderliebe mit dem eigenen Leben.

So erhielt denn nun Siwardus*) unter allgemeiner Zu- stimmung einer Volksversammlung aus ganz Dänemark die

*) Allerdings finden sich bei Schleswig noch Graber, doch kann man die Zeit ihrer Anlage nicht genau bestimmen.

') Dieser Sohn Ragnars ist nur den skandinavischen, nicht auch den altenglischen Quellen bekannt.

*) Nach isländischer Ueberliefenmg war Erich schon lange vor seines Vaters Tode in einer Schlacht gegen den Schwedenkonig Eysteinn (= Saxos Ostenus) gefallen.

*) Der Name Siwardus (oder Sifridus bei den Deutschen) findet sich zwar in recht vielen Quellen, aber es lässt sich nicht immer feststellen, wer eigentlich damit in jedem einzelnen Falle gemeint ist; vgl. Müller II, 273.

496 Neuntes Buch.

väterliche Herrschaft. Nach seinen vielen blutigeu Schlachten aber begnügte sich dieser mit dem Ruhme, den er au seinem Hofe ernten konnte, und wollte sich lieber im Frieden als durch Waffenthaten auszelchueu. Er gab das Lagerleben auf, und er, früher der wildeste Tyrann, begann nua den strengen Hüter des Friedens zu spielen; er setzte jetzt eben- so viel Ehre in stille Müsse, als früher seiner Ansicht nach in einer Menge von Siegen enthalten war. Das Glück be- günstigte auch so huldvoll diese Aenderung in seinen Be- strebungen, dass ihn ebenso wenig jemand feindlich angriflT, wie er dies that. Als er verschied, trat Ericus, ein ganz unmündiges Kind, das Erbe mehr seiner Natur als seiner Friedensherrschaft an, denn Ericus, der Bruder desHaral- 4B5 du s ^) , verachtete seine zarte Jugend, brach mit Aufruhr in das Land ein und bemächtigte sich der Kdnigskrone. Er schämte sich nicht, den rechtmässigen Fürsten in seiner Kind- heit anzugreifen und zu Unrecht die Herrschaft an sich zu reissen. Dadurch aber, dass er es über sich gewinnen konnte, einen Kriegsunfähigen der Königsmacht zu berauben, bewies er sich selbst derselben um so unwürdiger. So brachte er jenen um das Scepter, sich selbst aber um alle Ehrenhaftigkeit, und dadurch dass er mit seinen Waffen eine Wiege angriff, entäusserte er seine Brust jeder Mannhaftigkeit. Denn so- bald Begierde und Ehrgeiz entflammt waren, fand Verwandten- liebe keinen Platz mehr. Aber der Zorn und die Rache des Himmels straften diese Unmenschlichkeit. Denn zwischen ihm selbst und Guthormus, dem Sohne des Haraldus, ent- brannte plötzlich ein Kriegt) , der mit solchem Blutvergiessen endete, dass beide mit unzähligen anderen fielen und das

^) Saxos DarsteUung dieser teilweise geschichtlichen Verhältnisse ist ganz verwirrt. Der hier als Bruder des Harald Klak bezeichnet« Erich, der unrechtmässige König, ist nach andern Quellen vielmehr der Sohn <TÖtrek8 (Godefredus). Der junge, vertriebene Erich dagegen ist höchst- wahrscheinlich der Sohn des eben genannten, also der Enkel GÖtreks; vgl. Müller II, 274.

*) Dieser Verwandtenkrieg fallt ins .Jahr 854.

Siwardus und £ricus. 497

dänische Königsgeschlecht, erschöpft durch das blutige Morden, bis auf den einzigen Sohn des oben genannten Siwardus vernichtet war.

Durch den Verlust seiner Verwandten gewann er das Glück der Herrschaft; der Tod seiner Angehörigen war für ihn auch wirklich vorteilhafter als ihr Leben. £r liess das ^17 Beispiel der andern unbeachtet und trat mit seinen Unter- nehmungen in die Fusstapfen seines Grossvaters; denn er zeigte sich alsbald als eifrigster Veranstalter von Wikinger- ziigen. Ach, hätte er nur nicht auch in der Ausrottung des christ- lichen Gottesdienstes den unbesonnenen £rben von Regnerus' Geiste dargestellt! Denn er verharrte dabei, gerade die frömmsten Leute mit Martern zu verfolgen, ihr Vermögen einzuziehen oder sie mit Verbannung zu bestrafen. Doch vergebens möchte ich den Anfang seiner Laufbahn tadeln, da ich das Ende billigen muss. Denn das Leben verdient mehr 466 Lob, bei dem ein rühmlicher Schluss einen schimpflichen Be- ginn vergessen lässt, als ein solches, bei dem ein achtens- werter Anfang in Schuld und Schmach endet. Ericus legte nämlich auf die heilsamen Ermahnungen des Ansgarius^) hin den Irrtum seines gottlosen Sinnes ab, und er sühnte die Frevel, die er durch dessen Frechheit begangen; ja, er zeigte sich jetzt ebenso eifrig in der Pflege der Religion, wie früher in ihrer Verachtung. Daher nahm er nicht nur den Trunk der Heilslehren mit willigem Herzen in sich auf, sondern er tilgte auch die Flecken am Beginne seines Lebens durch seine Reinheit am Ende desselben. Er hinterliess einen Sohn

^) ÄDsgar, genannt der Apostel dea Nordens, geboren 801 in der Picardie, begleitete 826 Harald Klak nach dessen Bekehrung nach Däne- mark, von wo er schon 828 wieder vertrieben wurde. 831 reiste er nach Schweden, 832 erhielt er das Bistum Hamburg (für nordische Mission), welches 847 nach Bremen verlegt wurde ; er starb 864 und wurde darnach heilig gesprochen. Sein Biograph ist sein Nachfolger Bimbert (oder Rembert), dessen Werk in den Monum. Germ. Histor. Script. 11, 683 ff.) herausgegeben ist. Eine deutsche Uebersetzung von Laurent erschien in den „Geschichtsschreibern der deutschen Vorzeit*^ 2. Aufl. v. Wattenbach, Leipzig 1889.

Sazo Gnunmaticni. 32

498 Keuntea Buch.

Kanutus^) von der Tochter des Guthormus, die zuglei<'b des Harald US Nichte war; dieser Sohn überlebte ihn, al> er starb.

Während dessen Kindheit war nun ein Vormund für da> Reich und den Knaben erforderlich. Da nun den meisten die Uebernahme dieses Amtes unangenehm oder zu schwer er- schien, beschloss man durch das Los einen Mann zu wäbleu Denn gerade die klügsten Dänen scheuten sich bei einer hochwichtigen Angelegenheit nach eigener Willkür zu kandelü und wollten den Ausgang der Wahl lieber dem äusseren Schicksal als reiflicher üeberlegung anheimstellen. So kam es, dass ein gewisser Ennignupus, ein Mann von voll- kommenster und fleckenloser Tüchtigkeit, gezwungen wurde, dieses so beschwerliche Amt auf seine Schultern zu nehmen. Als er die ihm durchs Los beschiedene Herrschaft antrat, hatte er ebenso sehr für das Allgemeinwohl wie für die 467 Jugenderziehung des Königs im besondern zu sorgen. Daher weisen ihm auch einige, die mit der Geschichte za wenig vertraut sind, einen Platz mitten in den Königsverzeichni^iseii an ^). Als Kanutus nun die Jugendjahre hinter sich hattcr und zum Manne herangewachsen war, entfernte *) er die, von denen er die Wohlthat der Erziehung genossen hatte. Aus einem fast hofl^nuugsloseu Jüngling ward er dann ein Mann von unerwarteter Tüchtigkeit; nur aus dem einen Grunde ist er zu beklagen, dass er ohne den Segen des christlichen Glaubens aus dem Leben geschieden ist.

Dann ging die Hersschaft bald auf seinen Sohn Frotha über*). Dieser ereichte in seinem Glücke, das noch in zahl-

*) lieber diesen Kanutus (I)än. Knud = Knoten) berichten die ver- schiedenen Quollen sehr widersprechend und unj^enau, sodass man zu keiner bestimmten Sicherheit über ihn kommen kann. (Müller II, 274).

') Derartijje Könipsverzoichnisse sind uns bis heute erhalten ; sie sind gesammelt und horausjfopeben im 1. Bd. der Script. Rer. I>mnic.

•) Der Ausdruck ist auch im Lateinischen unbestimmt und zwei- deutig: amovere kann ebenso gut heissen bei Seite schieben wie umbringen.

*) Die Mohrzahl der (Quellen berichtet in ziendicher Uebereinstimmoni^ dasselbe wie Saxo über diesen Frotho ; nur die Angelsachsen schweigen, was denn doch seine Taufe in England als zweifelhaft erscheinen lasst.

Kanutus. Frotho VI. Gormo IL 499

reichen Kriegen erhöht wurde, einen solchen Erfolg, dass er die einst von den Dänen abgefallenen Provinzen wieder unter das frohere Joch beugte und sie zum alten Gehorsam zwang. Er Hess sich auch selbst in Anglien, das schon längst das gig Christentum kannte, feierlich taufen. Da er übrigens wünschte, die Allgemeinheit an seinem eigenen Heil Anteil nehmen zu lassen, bat er Agapitus, der damals auf dem heiligen Stuhle in Rom sass ^), Dänemark in der göttlichen Lehre unterweisen zu lassen. Ehe ihm aber dieser Wunsch erfüllt wurde, verschied er, denn sein Tod trat kurz vor der Ankunft der römischen Gesandtschaft ein. Er hatte mehr beabsichtigt als erreicht; aber von der himmlischen Wiedervergeltung hat er gewiss für den Vorsatz seiner Frömmigkeit ebenso hohen Lohn erhalten, als anderen für die That selbst gewährt wird.

Sein Sohn Gormo*), der, weil er in England geboren 468 war, den Beinamen „der Engländer" erhielt, erlangte zwar nach seines Vaters Tode auf der Insel den Besitz der könig- lichen Burg'); aber sein Glück dauerte nicht lange, obwohl es schnell eingetreten war. Während er nämlich aus England nach Dänemark ging, um dort Ordnung zu schaffen, erfuhr er einen grossen Verlust für die kleine Zeit seiner Entfernung. Denn die Engländer meinten, dass Schicksal ihrer Freiheit entscheide sich in seiner Abwesenheit, fielen offenkundig von den Dänen ab und gewannen sehr rasch volles Zutrauen zu ihrem Aufruhr. Doch je gehässiger sich England von ihm lossagte, um so treuer hielt Dänemark zu ihm. Während er also seine herrschsüchtige Hand so nach beiden Gebieten ausstreckte, bemächtigte er sich zwar des einen; die Herrschaft über das andere aber verlor er unwiederbringlich, und er wagte auch nie eine kühne That, um sie wieder zu gewinnen. So schwer ist es, übergrosse Reiche zusammen zu halten.

' ) Agapetus 11. (946—955).

') Dieser Gorm wird nur von dänischen und angelsächsischen Quellen genannt; die isländischen und deutschen kennen ihn nicht.

*) Lat. : Regiam adeptus est arcem ; nach Stephanius ist dies eine dem Valcrius Maximus entlehnte Umschreibung für den allgemeinen Aus- druck: „er bemächtigte sich der Herrschaft**.

32*

500 Neuotes Buch.

Nach ihm wurde sein Sohn Haraldus^) Herrscher v*il Dänemark. An ihn ist aber bei der Nachwelt nur eine ziem- lich dunkle Erinnerung bewahrt, und für ihn giebt ea keine Gedächtnismäler hervorragender Thaten; denn er war mehr Erhalter als Mehrer der königlichen Macht.

Nach ihm bestieg Gormo*) den Thron; er war imm»-: voller Hass gegen die Religion und immer gewillt, jegliche Rücksicht auf die Christen, als ob sie die schlimmsten Men2»cht:ii wären, aufzuheben. Alle Anhänger dieses Glaubens quältr er, so viel er nur konnte, durch die verschiedensten Unbildru und ruhte nicht, sie mit verleumderischen Beschuldigungen zw verfolgen. Ja er zerstörte sogar, um den alten Götzendien^* wieder herzustellen, die auf Schleswigschem Gebiete von d^i Mönchen erbauten Kirchen bis auf die untersten Grundmaaeni. und so bestrafte er die, denen er keine Martern bereit^: hatte, mit der Niederreissuug des heiligen Gebäudes. Obwi»b.

469 er als ein Mann von recht bedeutender Grösse galt, eutspra«' sein Charakter wenig seinem Körper*). Denn er schränkir sich, zufrieden mit seiner Macht, so ein, dass er sich mehr darüber freute, sein Ansehen zu bewahren als es zu vergrösseru.

810 dass er es für vorteilhafter hielt, seinen eigenen Besitz zu schützen als in fremden einzufallen, dass er mehr auf di-i Hütung des Erworbenen als auf Neuerwerbungen bedacht war. Als er von den Ältesten ermahnt wurde, sich zu vermählen, warb er um Thira, die Tochter des Königs Hedelradus^ von England. Da sich diese nun durch Ernst und Umsicht vor anderen Frauen auszeichnete, erlegte sie ihrem Freier eine Bedingung auf und sagte, sie würde ihn nicht eher hri-

^) Die wenigen Quellen, die ihn überhaupt kennen, nennen ihn au« h nur als den Vater Gornia.

') Die Korivhte der übripo» Quellen (s. Müller II, 279) stimmen hl >vesentliohoii mit dem Saxos übereiti; man setzt seine Regierun^^v:* zwischen 81H) und i^3H.

') Kr führt nach manchen Quellen den Beinamen Loghe d. i. d* : Faule.

*) Einer der historischeu Könige Ethelred kann dies nickt aei- ; der erste diese» Namens hernjchte 8ti4» 71, der zweite 978 1016. D.» J^Äjje tritt aUo hier wieder iu ihre Rechte.

Hcraldns. Gormo III. and Thira. 501

raten, als bis sie Dänemark als Mitgift erhalten hätte. Dieser Vertrag wurde nun geschlossen, und sie verlobte sich nun mit Gormo. In der Nacht aber, als sie zum ersten Mal das Ehebett bestieg, bat sie inständig ihren Gemahl, er möge sie drei Tage unberührt lassen; denn sie wollte sich nicht eher dem Liebesgenuss hingeben, als bis sie im Schlafe durch irgend ein Zeichen erfahren hätte, dass ihre Ehe fruchtbar sein würde ^). So schob sie die Ausübung ihrer ehelichen Pflicht unter dem Scheine der Enthaltsamkeit auf, indem sie ihren Wunsch, ihre Nachkommenschaft kennen zu lernen, durch äusserliche Schamhaftigkeit beschönigte, und sie verzögerte den wollüstigen V^erkehr, indem sie unter dem Scheine der 470 Ehrbarkeit sich nach dem Schicksal ihrer Kinder erkundigte. Andere vermuten, sie habe sich den Freuden des Ehebettes entzogen, um durch ihre Enthaltsamkeit ihren Bettgenossen für das Christentum zu gewinnen. Wie sehr sich aber auch der Jüngling in flammender Begier nach ihrer Liebe sehnen mochte, er zog es doch vor, ihrer Keuschheit und nicht seiner Lust nachzugeben, und er hielt es für rühmlicher, seiner nächtlichen Erregung zu gebieten, als den Wunsch seiner Geliebten, den sie unter Thränen aussprach, zurückzuweisen; denn er meinte, ihre wohlberechnete Bitte rühre von ihrer Schamhaftigkeit her. So kam es nun, dass er, der die Pflichten des Ehemanns hätte ausüben müssen, zum Hüter ihrer Keusch- heit wurde , damit er nicht gleich bei Beginn der Ehe von dem Vorwurfe wollüstiger Gesinnung getrofl^en werde, als ob er mehr der Macht der Leidenschaft als seiner eigenen Selbst- achtung nachgegeben hätte. Damit es übrigens nicht scheinen sollte, als wollte er den von der Jungfrau nicht gewünschten Liebesgenuss durch eine leidenschaftliche Umarmung erzwingen, hielt er sich nicht nur von einer Berührung mit ihr fern, sondern er trennte sich auch von ihr durch ein blosses Schwert^) ; 80 machte er aus dem gemeinsamen Bette ein gesondertes

*) Dasselbe wird von einer nur den Isländern bekannten (remahlin Ragnars LoÖbrok (Aslaug) erzählt; Fornald. Sog. L 250, Kap. 5.

*) Dieser Zug kehrt öfter in der Sage wieder: vgl. die Oeschichte Sigfrids und Brunhilds und manche Märchen.

502 Neuntes Buch.

Lager für sich und seine Gattin. Aber er genoss die Freudpri. die er sich in freiwilliger Liebenswürdigkeit vorbehielt, soglei« j in Gestalt eines frohen Traumes^). Denn als er eingeschlafr-ij war, träumte ihm, dass zwei Vögel aus dem Schosse seiner Gattin hervorkämen, einer grösser als der andere, dass >ir sich hoch in die Luft emporschwangen und in jähem FIul:^ zum Himmel hinan strebten, dass sie aber nach kurzer Z^-ir

471 zurückkehrten und sich ihm jeder auf eine Hand »etzt^-ii Durch geringe Ruhe erquickt, hätten sie sich dann zuil zweiten und dritten Male mit ausgebreiteten Schwingen d»-r

$20 Luft anvertraut, und endlich sei der kleinere von ihnen nii* blutbefleckten Federn ohne seinen Gefährten zu ihm zurück- gekehrt. Bestürzt über diese Erscheinung, stiess er im Schlaf»-. wie er war, einen lauten Seufzer aus, der sein Staunen an- deutete, und er erfüllte das ganze Haus mit seinem unruhigt-r. Geschrei. Als er nun auf die Frage seiner Diener seinei. Traum erzählte, gab Thira in der Hoffnung, sie werde mi* Nachkommenschaft beglückt werden, den Vorsatz, ihr.- Vermählung aufzuschieben, auf, und opferte gar gern ihr»- Keuschheit, für die sie vorher so eifrig gebeten hatte. IndeiL sie die Jungfräulichkeit der Liebe überantwortete, gab si»- ihrem Gatten willig die Erlaubnis, sich ihrer zu bemächtigen, und sie glich ihre frühere tugeudsame Enthaltsamkeit jetzt durch ihre Befriedigung an dem nun gestatteten Verkehr aus. Zugleich sagte sie zu ihm, sie würde sich überhaupt nirht mit ihm vermählt haben, wenn sie nicht aus seinem Traum- bilde, das er erzählte, die Gewissheit ihrer Fruchtbarkeit entnommen hätte. So verwandelte sich nach einem eben>«* schlauen wie ungewöhnlichen Plane ihre vorgebliche Schani- haftigkeit in das offene Bekenntnis ihres Wunsches nach Nachkommenschaft. Und das Schicksal täuschte ihre Hoffnuni: nicht. Denn in kurzer Zeit wurde sie glückliclie Mutter zweier Söhne, Haraldus und Kiuiutus *^). Als diese das Manue>-

') Vyl. 1. S. 53 Amn. 4.

^) fluraldus ist dor spätere Köiii^ (luniUl liliui/.ahn (däii. Hlaatan«! . l»3<>-n8<)), dessen (.Jeschichte der Anlanvr des X. Hiu*h<s erzählt. Vom Knnutus wird das Nähere sogleich l»erielitet.

Gormos Traum; seine Söhne. 503

alter erreicht hatten, gingen sie mit einer Flotte in See und bändigten die wieder entzugelte Frechheit der Slaven. Aber auch England verschonten sie nicht mit einem solchen Einfalle. Hedelradus, voller Freude über ihre Veranlagung, betrach- tete die Gewaltthat seiner Neffen an ihm als ein Vergnügen und bezeichnete die schauerlichste Ungerechtigkeit als eine grosse Wohlthat. Denn er legte viel mehr Gewicht auf ihre Tapferkeit als auf ihre verwandtschaftliche Liebe. Daher hielt er es auch für besser, wenn er feindlich von ihnen angegriffen werde, als wenn sie ihn als Feiglinge verehrten, gleich als ob er schon in dieser Veranlagung zur Tapferkeit eine Gewähr für ihre zukünftige Mannhaftigkeit erblicken könnte. Er konnte ja nicht zweifeln, dass sie auch fremde Reiche angreifen würden, da sie ja so kühnlich ihr Mutterland verlangten. Er schätzte aber ihre Ungerechtigkeit um so viel höher als ihre wirklichen Pflichten, dass er ihnen mit Uebergehung seiner Tochter England in seinem Testament vermachte, ohne Bedenken 472 zu tragen, seine Eigenschaft als Gross vater der als Vater vorzuziehen^). Und er handelte nicht unklug damit; denn er wusste, dass die Ausübung der Herrschaft mit mehrRecht Männern als Frauen zukomme, und er glaubte doch einen Unterschied in der Beurteilung seiner unkriegerischen Tochter und seiner tapferen Enkel machen zu müssen. So kam es, dass Thira ihre Söhne als Erben der Güter ihres Vaters sah, ohne dabei jedoch ihre eigene Enterbung unangenehm zu empfinden. Ja sie hoffte, dass ihr diese Bevorzugung mehr Ehre als Schmach einbringen werde. Jene selbst bereicherten sich nun durch <len Gewinn aus zahlreichen Raubzügen und richteten dann voll Zuversicht ihre Hoffnungen auf Irland, um darnach ihre Hände auszustrecken. Während der Belagerung von Duf lina, der Hauptstadt der Provinz, drang der König von Irland mit einigen wenigen geschickten Bogenschützen in einen Wald dicht 821 vor der Stadt ein, umzingelte Kanutus, der mit einer Schar

*) Diese ganze Erzählung von dem Verhältnis Ethelreds zu seinen Knkcln und besonders auch die Testamentsgeschichte klingt sehr sagenhaft; trleich am Anfange des X. Buches berichtet übrigens Saxo auch von einem Sohne Ethelreds, Namens Ethelstan.

504 Neuntes Buch.

Soldaten nächtlichen Spielen zusah, hinterlistig und saiuit'- von ferne einen verderbenbringenden Pfeil auf ihn ab, welch-r den König vorn in die Brust traf und ihm eine tödliche Wiiud-f schlugt). Da aber Kanutus fürchtete, die Feinde würdt-n seinen Fall mit ausgelassener Freude begrüssen, wollte t-r das Schicksal von seinem Untergange verheimlicht wis^^^n und gebot daher, indem seine Stimme noch die letzten Atem- züge benutzte, die Spiele sollten ungestört zu Ende geführt werden. Durch diesen Kunstgriff verschaffte er den Dänen eher den Sieg über Irland, als den Irländern sein Tod bekannt wurde. Wer aber sollte den Hingang eines solchen MaDn«r^ 473 nicht beklagen, dessen Selbstbeherrschung seinen Kriegern d^-n Sieg verlieh und zwar infolge seiner Klugheit, die länger fort- wirkte als sein Leben? Denn die Lage der Dänen war bereit> äusserst verhängnisvoll geworden, und fast drohte schon die Not der Verzweiflung; aber weil man dem Befehl des ster- benden Fürsten gehorchte, besiegte man rasch die, welch-* man fürchtete. Zu dieser Zeit hatte Gormo die äusserst^ Grenze des Greisenalters erreicht. Er hatte schon eine gewaltige Reihe von Jahren blind verlebt, da er eben das Dasein bis zum letzten Ende menschlichen Lebens überhaupt geniessen durfte; aber er war immer mehr besorgt für da> Leben und Wohl seiner Söhne als für den noch bleibenden Rest seiner eigenen Tage. Seine Liebe zu seinem ältesten Sohn war so gross, dass er schwur, er werde denjenigen töten, der ihm zuerst dessen Tod verkünde. Als nun Thira zwei- fellos sichere Kunde von seinem Hingange erhalten hatte und niemand dieselbe Gormo offen mitzuteilen wagte, nahm sie zur List ihre Zuflucht und machte ihm seinen Fall durch Thaten klar, da sie davon zu sprechen sich scheute^). Sie zog nämlich

*) Die Olafssaga Tn'gg\'asonar erzählt, er sei beim Schwimmen irj Meero von den Feinden erschossen worden; dabei sind die bei einer Bolacf- rung allerdings etwas merkwürdigen nächtlichen Spiele glücklich Umgang«^!.

•) In derselben Sage fugt Thira zu den äusseren Trauereeichf . auf des Königs besorgte Frage noch eine Erzählung in GleichDisfonTi. die sich auf (-rorms Traum in der Hochzeitsnacht bezieht. Müller mach: auf eine Parallele zu dieser List Thiras aufmerksam, die sich bei Paulos Diaconus I, 20 (ed. Waitz 1878 S. H7) findet.

Kanutus' und Gormos Tod. 505

ihrem Gemahl die königlichen Kleider aus, legte ihm schwarze Gewänder an und brachte auch noch andere Zeichen des Schmerzes hervor, durch welche sie den Grund zur Trauer andeuten wollte; denn so pflegten die Alten bei Todesfällen zu verfahren, um durch die Art der Kleidung schon die Bitter- keit ihres Schmerzes zu bezeugen. Da sagte Gormo: Wehe mir, verkündest du mir Kanutus' Schicksal? Thira er- widerte: Du selbst sprachst diese Thatsache aus, nicht wir! Durch dieses Wort brachte sie ihrem Manne den Tod, sich selbst aber das Los der Witwenschaft, und zu derselben Zeit musste sie Sohn und Gatten beklagen. Während sie also 474 ihrem Gemahl das Schicksal ihres Kindes eröffnete, vereinigte sie beide im Grabe. Zwei Lieben beweinte sie zugleich bei der Leichenfeier, in dem einen den Gatten, in dem andern den Sohn; und doch hätte sie gerade in jenem Augenblick mehr durch Trost gestärkt als durch Leiden nieder gebeugt werden sollen.

Ende des neunten Buches.

Systematisches Sachverzeichnis,

das in knappster Form einen zusammenfassenden Ueberblick über den reichen Inhalt an volkskundlich-kulturgeschichtlichen Ueberlieferungen bei Sazo geben solP).

I. WohnungSTerhftltnlsse; wirtschaftliche Knltiir.

Geographische Abgrenzung und Beschreibung einzelner Stämme und Gaue s. Vorr. 7 ff. u. Namenverzeichnis.

Haus. Am häufigsten wird die grosse Halle des Fürsten genannt z. B. 23, *154, IHO u. ö.; genaue Beschreibung 268, 269. Doppelflügeliges Thor und Vorbau mit Schutzdach 167.

Jungfrauengemach 195.

Schlafgemach 146, 154, 313, Bett 147.

Kloake 147, 148, 161. Wirtschaftliche Thätigkeit.

Ackerbau 8. Fruchtbarkeit Seelands 8.

Fischerei 7, 8. Schifffahrt (und -bau) 211, 310, 406, 447.

Viehzucht (Renntier) 112.

Hochschätzung der Landwirtschaft und des Bauernstandes 317; im

Gegensatz zum Handel und dem Kaufmannsstande 204.

Umschwung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Dänemark 444, 445. Gesinde: Sklaven 20, 66, 151, 195, 309. Kammerdiener 96. Kammer- mädchen 127. Bedingte Freilassung 20. Freigelassene 82. Bück-

sichtslose Behandlung 339.

Tl. Nahrung. n) Ksson: Im allgemeinen s. 321 ff, 329 ff.

Utnnässigkoit und Völlerei gilt als Schande 303, 321.

Massigkeit und Anspruchslosigkeit wird gepriesen 321.

Unnnnel- und Schweinebraten sind in ältester Zeit am beliebtesten 330.

^) Kür die Anonlnung waren namentlich massgebend: G. L. Gomme« The llamlboolc of Folklore, London 1890. O. Jiriczek, Anleitung zur Mitiuboit an volkskuiulliohon S«unnlunjjon, Brunn 1894 und die treffliche l't^btM'sirht von HolVm;n\n-Krrt\or m orston Bande des „Schweizerischen Archi\s für Volkskinulo.- y.uvw\\ ISM7, (S. 2 ff.).

Systematisches Sachverzeichnis» 507

Der Steiss der Vögel wird nicht gegessen 330. Fleisch wird entweder gekocht oder gebraten 321, 322, 829. Würste 322. Rübchen, Austern 329. Geflügel 330. Pferde- u. Hundefleisch wird nicht gegessen 43.

b) Trinken. Getränke: Bier 51, 331. Meth 331. Gewürzter Wein und verschiedene andere Getränke 2H9.

üeberraässiges Zechen ist besonders bei den Dänen allgemeiner Brauch und nicht anstössig 27, 77, 94, 107, 153, 267, 269.

in. Tracht, Schmuck, Waffen.

a) Kleidungsstücke aufgezählt 307. Hemd, das nur bis unter die

Achseln reicht, 389. Purpurmantel 385.

Haar (und Bart) lang und offen getragen 55, 385, 471; rasiert (bei

den Hibernern) 270. Haarpfeil und Kamm 56. Kopfbinde 385.

b) Schmuckstücke (Ringe, Spangen. Ketten) 38, 46, 88, 96, 126, 134

196, 307.

Goldgestickte Sitzkissen 79, 469. Kostbare Teppiche 468.

Unterschied der Tracht bei Freien und Unfreien 152.

c) Waffen (Schwert, Speer, Helm, Brünne, Schild) passlm. Aufzählung

96, 402.

Zweihänder 40. Krummes Schwert 41, kurzes Schwert 41.

Streitaxt, Beil 98. Wurfspeer mit Riemen 41, 473.

Schild mit Stierfell bezogen 58. Prunkschilde 160, 161. Halteriemen 105.

Keule 116. Kostbare Ausrüstung 188, 189.

IT» Beschftftigrangr*

ä) Krieg, Kampf, Wikingertum passim. Jagd, Heilkunst.

Frauen im Kampfe 63, 140, 190, 259, 357, 359, 363, 384, 403, 471.

Fechter von Beruf »0, 184, 204, 375, 377, 384, 438, 439.

Jagd 248, 259, 264, 420.

Heilkunst 27, 127, 128, 317, 342, 475.

Beschäftigungslosigkeit infolge langen Friedens führt zu Verfall und

Zügellosigkeit 195, 200, 201.

b) Handwerke:

Schmiedehandwerk 38, 126, 203. Salzsieder 282. Bäckerei 150.

c) Beschäftigung der Frauen:

Leitung des Hauswesens 430.

Sorge für die Kleidung der Männer 196.

Weben 149, 268. Wolle krempeln 364, 480.

d) Beschäftigung des Gesindes.

Hirtendienst 65, 67, 352, 353, Dienst an der Mühle 309. Füssewasehen 127, 363.

508 Systematisches Sachverzeichnis.

y. Sitte und Braaoh.

a) Geburt und Jugend.

Der Vater erkennt das Kind an durch Aufheben vom Boden.

Drei Brüder fuhren denselben Namen 194.

Kinderspielzeug (Klapper) 31.

Die Erziehung vornehmer Söhne durch Fremde (Pflegeväter, Liehr-

meister) 19, 21, 28, 83, 84, 109, 289, 291.

Inniges Verhältnis zwischen Zieh-(Milch)ge8chwistern 143 145.

Freundschaft (Blutbrüderschaft) 34, 259. Freundestreue bis in den

Tod 259, 260.

Ausbildung in Leibesübungen: Fechten 21, 25, 194, 197, 391. Hing^en

194. Schwimmen 109, 197. Schiessen 109, 205. Faustkampf 109.

Steinwerfen, Springen, Laufen 205. Geschicklichkeit der linken

Hand 198.

Ausbildung in 3Iusik und Dichtkunst 110.

Mädchen werden zuweilen ganz abgeschlossen 370, 480.

Baden der Mädchen 22, 110.

b) Werbung, Verlobung, Ehe.

Die Werbung erfolgt (bei Fürsten) stets durch eine Gesandtschaft 196 ff., 290, 427.

Einmal wird das Werben durch einen andern als schimpflüch be« zeichnet 114, 115.

Bei abschlägigem Bescheid erfolgen Drohungen mit Gewalt (Heraus- forderung zum Zweikampf) 115, 198, 348, 349, 396. Nebenbuhler kämpfen um die Geliebte 19, 21. Das Mädchen bewahrt sittsame Zurückhaltung 126. Nur berühmte Freier sind willkommen 197. Grund einer Zurückweisung ist zu grosse Jugend 126. Der Vater übcrlässt oft der Tochter selbst die Entscheidung über Annahme der Werbung 115, 198, 233.

Das Mädchen wählt aus einer Versammlung junger Männer den Bräutigam 46.

Werbung der Frau um den 3Iann 30—32, 110, 165. Die V^erlobung wird durch Vertrag geschlossen 26, 230. Der Vater besorgt die Ausstattung der Tochter 199, Brautkauf 24. Hochzeitsgabe 234. Bruch des Verlobungsvertrages 27. Die Ehe ist ein Handelsgeschäft und wird durch einen Vertrag ge^ schlössen 2U, 250, 310, 429.

Vor der Ehe (wenn auch nach der Verlobung) ist geschlechtlicher Verkehr nicht erlaubt 255, 256.

Ehe unter Verwandton ist verboten 304, unter Ziehgeschwistero er- laubt 21, 31, HO.

Die Ehe zwischen Unebenbürtigen ist schimpflich und verboten 21, 31, 46, 54, 65, 115, 116, 152, 163. 165. 195, 232, 235, 304. 316-

Systematisches Sachverzeichnis. 509

849, 350, 481.

Die Hochzeit wird durch ein Gelage gefeiert 90, 166, 284. Brautjungfern 28.

Nach dem Male werden die Brautleute bis zur Thür des Schlaf- gemaches geleitet 286.

Ehe- und Kinderlosigkeit gilt als Schmach 846. Erzwungene Heirat 375.

Treue der Frau bis in den Tod 32, 169, 865, (287). Doppelehe 26, 166, 288. Ehebruch 201 (verziehen, ohne Strafe, 220). Kebsweiber 26, 94, 166, 829, 882. Unterscheidung ehelicher und unehelicher Kinder 26. Trennung der Ehe 26, 280 und Yerschenkung der Frau an einen andern Mann 21, 71, 289.

c) Tod und Begräbnis.

Blutiger Tod wird dem Tod im Bette vorgezogen 128, 419.

Selbstmord 57, 84, 288 (beabsichtigt 227), der Frau aus Liebe sum

Manne 41, 867.

Begräbnis beschrieben 41, 128, 182, 140, 249, 411, 412.

Verbrennung auf oder im Schiffe 117, 412.

Beisetzung der Asche 118.

Beigaben: Kostbarkeiten 412. Speise und Trank 259. Hund and

Pferd 259, 260. Mitbegraben eines Freundes 260.

Leichenfeier, -gelage 56, 57, 63, 117, 140, 149, 152, 161, 480, 505.

Totenopfer 249, 411.

Grab Ut eine Höhle 259, 260.

Grabhügel 68, 118, 128, 182, 140, 249, 257, 288, 872. Inschrift 182.

Denkmal 259, 872. Mausoleum 50.

Einbalsamierung der Königsleiche 274.

Verbrecher erhalten kein Begräbnis 157, 835. Ihre Asche wird in

den Wind gestreut 157.

d) Bräuche beim Essen, Trinken, Schlafen.

Gekostete Speisen dürfen nicht wieder vorgesetzt werden 220.

Das aus den Zähnen Herausgestocherte zu essen ist Sklavensitte 152.

Getrunken wird aus Auerochsenhörnern 269. Andere Tafelgeräte

269, 381.

Mehrere Mädchen schlafen in demselben Bett 481.

Vornehme weibliche Gäste schlafen mit der Fürsten tochter zusammen 864.

e) Festlichkeiten.

Bei festlichen Gelegenheiten wird geräuchert 268.

Hergang beim Gelage, Art und Stellung der Tische 269.

Rangordnung 220, 282, 819.

Anlass: Empfang von Gästen 93, 161, 197. Siegesfeier 79, 107«

Hochzeits- und Totenfeier siehe b. und c.

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Zur IVri'f »er.* .'./ " -.'.^r, Fackeln acd Oellampen 268. Fra»j<rfi n*.-hMj<:f. * .i aru Gelage 197.

I>a« Trink^-D i'>t a'.e Hauptsache 221. Uebermissiges Zechen s. II b. Bettler uf*<l rera«'ht*^e <iäste werden mit Knochen geworfen 90, 3S4. L'ntieb«ame Artkörnmiinge werden mit Geheul und schlechten Streichen empfangen 215. 812. t) Allgemeine AiiHühauungen.

Da» Gantrecht schützt 28, 162, 219, 384.

Bruch de» GahtrechtM 28.

Körperliche Schönheit ist mit vornehmer Abkunft rerbanden 67, 354.

Freigebigkeit (3Iilde) als Tugend gepnesen 20, 89, 271, 297, 462.

(ieix ein Laster 297.

Auf Wahrheit muss gehalten werden, wenn auch nur äuaserlicfa 144,

14H.

Lügen ist eine Hchande 177.

Kin Versprechen darl nicht zurückgenommen werden 186.

Ehre und Freiheit sind höhere Güter als das Leben 226 ff.. 344.

(ielübde (zu irgend einer That) 173, 174, 204, 205, 279. Vgl. VII d.

Tl. Mythologie. Yolksglanbe.

o) Götter.

Allgomeincs, GriiterHitz 129, 293. 8. auch Xamenverz. unter Bizantium.

Odin 8. NaincMivor/. aU Greis 4.8, 38H, 398, 411, einäugig 34, 35,

als HdHterus 475, als l'ggerus 252, er reitet durch die Luft 35, 36,

sein Mantel 3<i, sein Hut 125, Verehrung in Lpsala 37 ff. 8eine

Abenteuer mit Kinda 125 ff., seine Dienste für einen König 125,

seine Absetzung 129 ff. Heine Söhne Frogerus, Balderus, Bous s.

Nttnienverz.

Frig^'H, Kri^:g, Odins Gemahlin; Rinda seine Geliebte 8. Namenrerz.

Th(»r s. Namenverz. seine Keule 116.

Frö, Statthalter der (lötter 119. 8. auch Namen verz.

Halderus« Oiiina Sohn s. o. ist unverwundbar 112, eröffnet Quellen 118,

leidet an Krsoheimin^on IIH, sein Tod soll von Odin gerächt werden 124.

Mithotvu

Nftmemerz.

rilerus, Huf KnochtMi fahrtMul

Hous,

Proserpinu (•--• Hei)

Gi^tVssolte Götter 459.

Göltor mischen sioh in die Kämpfe der Menschen 116, 122.

NVoohetitakjo naoh Göttern benannt 2V3.

r

Systematisches Sachverzeichnis. 511

b) Sonstige überirdische Wesen.

Riesen 14, 15, 31, 32, 34, 285 flf., 292, 299, 352, 353, 450.

Ein Held (Starcatherus) riesischer Abkunft 292, 293; daher seine

übernatürliche Schnelligkeit 312, 319.

Riese birgt sich in Tiergestalt 45.

Waldfrauen, Walküren 65, 66, 111, 121, 352, 353.

Waldsatyr (Zwerg) 112.

Parcen (Nornen) 290, 381.

Furien 98, 346.

Ungeheuer, Gespenster 65fif., 68, 448. Lamien 454. Aquili 457.

Mensch mit übermenschlichem (dreifachem) Alter 252, 294, 295.

c) Das Jenseits.

S. Orkus, Tartarus im Namenverz.

Besuch in der Unterwelt und Schilderung derselben 47. Undensakre (Unsterblichkeit^acker) 168, 169. Treiben im Jenseits 452.

d) Opfer.

Trankopfer 39. Sühnopfer 46. Tieropfer 46. Menschenopfer 119, 295, 846, 448.

e) Zauberei.

Zauberer und Zauberinnen 29 (Einteilung), 133 (Magier), 339, 438. Zauberei (allgemeines) 14, 34, 41, 127, 213, 272, 273, der Finnen und Biarmier 264, 265, 482, 483. Zauberlied 33, 45. Runenzauber 32, 127. Zauberkraft des blossen Wortes 214, des Namens 207, 237. Bei Zauberei muss Schweigen herrschen 214, 448. Wafifenzauber (Stumpfmachen des Schwertes) 191, 299, 342, 349, 379. (Gegenmittel) 191, 299, 349. (Undurchdringliches Eisenkleid) 79, 116, 121, 191.

Herrschaft über Wolken und Wetter 49, 204, 482, 483. Blendung 204, 265, 342, 343. Wundererscheinung beim Tode 283. Feiung gegen den Tod 51, 426. Neidstange 211. Durch Zauberei kann man die Götter erblicken 105. Siegverleihender Gürtel 123.

Schlangenspeise als Stärkungsmahl 121, 123, 205, 206. Stärkungs- trank 35, 91.

Liebestrank 197—199, 235. Schutzzauber gegen Gift 80. Wiederbelebung Toter 32, 33, 257. Tote leben als Gespenster fort 260 ff- Zauberer schaden noch nach ihrem Tode 39.

Abhilfe gegen Gespenster (Tote) durch Pfählung der Leiche 39, 261 Feuer als Schutzmittel gegen Dämonen 459. Berserker 312, 345—348.

f) Wissen über die Zukunft.

Prophezeiungen u. Wahrsager 25, 113, >32, 284, 478.

^12 STstemstiscfa«« S^diTcnHclinis.

VofZfeii^hen 210. ^1. 437.

Tnuiiiie 5S, 56. 118. 123, 279, 288. 416. 46L 302. (}nke\ 289, 290. 383, 396. 4o6. ^) VerschiedeneiL

Olftube, Schatze in der Erde za finden 2*i<>.

TIL Be^t.

a) Der Forst

Königstitel und Königswahl 16, 17, 159, 193.

Vonnundschaftsregierung 193 ff.

Teilung der Herrschaft 338.

Kitregentschaft 26.

Wahl des Nachfolgers bei Lebzeiten des Königs 132.

Unbillige Vorrechte des Königs 201, S40.

Fürst und Volk; Treue des Gefolgmannes 93, 97, 106, 107, 320, 3S8.

b) Gesetzgebung.

Der König sitzt als Gesetzgeber und Richter an erhöhtem Ort 121

Gesetze (mitgeteilt) 20, 82, 84, 242--245, 248—251, 263, 271.

Notwehr (Selbstschutz) erlaubt 232.

TesUment 3, 351, 503. x) Gericht.

Prozessvorfahren 477. Büttel 315. Folter 151, 491.

Strafen: Hängen 23, 38, 42, 152, 161, 241, 354, 365, 366; neben

Wölfen 438. Ersäufen 79. Steinigen 230. Schleifen und Zerreiaaen

(Zertreten) durch Tiere 434, 435, 436, 437. Pfählen 23.

Peitschen 67, 244, 298. Verbannung 168, 24. Vermögensentziehung

244. Verunglimpfung der Leiche 23, 248, 249. 4) (Hlut)rache.

Ausgeübt 26, 28, 30, 37, 84, 91, 107, 119, 124, 131, 132, 180, 185, 439.

Gegenseitige Rache wird Öfter gelobt 162, 176, 254.

Zahlung von Wergold als Ersatz der Rache 178, 331.

Till. Krieg und Kampf; Brftnche dabei.

ß) Hergang beim Kriege.

Waffen 8. III c. Sonstige Kriegsgeräte : Feldzeichen 22. Fusseisen

270. Spanische Reiter 296. Hakenstangen zur Beschädigung der

Sohiffe 118. Kriegsmaischine 482. Sichelwagen 410. Schleader-

und Wurfmaschiuen 49, 239, 401. Festungswerke 36. Trompeten 72.

Vorbereitung. Einberufung durch Senden des Heerpfeils 244.

Ort und Zoit der Sohlacht werden vorherbestimmt 403.

Kampfe beginnen im Frühling, der Winter wird zu Vorbereitongea

vorweiulot 43.

Jinior Vortoidi>r»ujrs^krieg gilt als gerecht 231, 232.

.\ufstellnng n«oh moralischen Eigenschaften der Krieger 174^

Kcillormijjv S^'hUchtoninuns: 49, 167, 410, 411.

Systematiaclie» Sachverzeichnia. 513

Stärke des Heerei 248, 251, der Flotte 252. Schildburg lU. Frauen im Kampfe s. IVa. Kriegslisten sind sehr üblich:

Durch passiven Widerstand wird der Feind yerfiihrt sich zu yer- schiessen 72, 113, 114.

Anbohren der feindlichen Schiffe 52, 61, 70, 208, 224. Sonstige, seltener wiederholte Listen 86, 42, 53, 60, 61, 68, 73, 79, 191, 208—210, 219, 220, 288, 288, 289, 268, 270, 486. Hinterlistige Ueberiälle, besonders bei Gelagen, '50, 79, 93, 131, 133, 153, 154, 167, 201, 267 ff., 302, 343, 344, 436. Verwundete werden auf Schilden aus der Schlacht getragen 132. Hissen eines Schildes (am Mäste) bedeutet Friede 114, 253. Behandlung der Gefangenen (und Toten) 239, 344, 845, 478, 486, 491, 492, 494.

Auslösung 17, 18. Durch Aufwiegen in Gold 37. Statt allgemeiner Schlacht findet oft ein Zweikampf statt 19, 20, 58, 133, 258. b) Zweikämpfe.

Genaue Beschreibung des Zweikampfes (Holmgangs) 91, 92, 187, 1 88 Sonstige Beispiele 79, 81, 90, 135 139, 172, 178, 180, 184 ff. 299-301, 310, 311, 396, 418, 439, 479.

Zweikampf auf dem £ise 219, 222 ; bei Mondschein 850. Ringkampf 301 . Scheltrede vor dem Kampfe 41, 285.

Weigerung, eine Herausforderung anzunehmen, ist schimpflich 169. Uneben bärtige dürfen nicht miteinander fechten 198, 287, 800. Der Kampf mohrer gegen einen ist eine Schande 179, 184 ff. Ungleiche Einzelkämpfe (gegen bedeutende Uebermacht) 26, 27, 219 266, 311, 314, 846—849, 396.

Auch für Einzelkämpfe wird eine Frist vorausbestimmt 219, 221. Halslösung des Besiegten (Hölmlausn) 113, 139, 349. Schonung des Besiegten 114, 256. Tötung des Besiegten 117. Schimpfliche Verwundung (Klämhögg) (89), 306, 308, 363, 384. Für Uebernahme eines Kampfes wird Aufwiegung in Gold ver- sprochen 278, 301. Der ursprüngliche (besiegte) Feind wird zum Freunde 281, 289, 389, 390.

IX. Tolksdlchtiing.

a) Lieder, bei Saxo angeführt I, 21, 25, 27, 31, 33, 35, 40, 41, 43, 45, 51, 53, 54. n, 58, 65, 66, 69, 95, 96, 99, 101, 104, 105, 106. V, 211—213, 222, 247, 251, 261, 262. VI, 275. 284—286, 307—310 325 336. Vn, 347, 352, 353, 361 368^ 380 382, 393, 394] Vm, 420—426.

Erwähnung von Liedern 4, 106, 325, 491. Hochschätzung der Dichtkunst 275, 276, 401. Saxo Grmmmjtticut 83

514 Systematisches Sachverzeichnis.

b) Inschriften 4, 5, 9, 384, 885.

c) Sagen.

Fast in jeder der zahlreichen bei Saxo erzählten Sagen finden sich Züge und Motive, zu denen in den Ueberlieferungen anderer (germa- nischer und nichtgermanischer) Völker Parallelen begegnen. Dt Vollständigkeit gerade in diesem Punkte allzuviel Raum in Anspruch nähme und überdies ohne vergleichende Behandlung, die hier nicht beabsichtigt ist, verhältnismässig geringen Wert hatte, so stelle ich hier nur eine Auswahl der bemerkenswertesten und am häufigstcü begegnenden Typen zusammen. (Vgl. hierzu York Powella „Folklniv Index'', 11. Folk-Tales, in Elton's Saxoübersetzung S. XClff.).

Verkleidung (und Verstellung) 22, 27, 32, 63, 125, 127, 349, 350. 363, 384, 394, 397, 439, 480.

Frühreife (körperliche und geistige) des Helden 19, 21, 30, 109, 11«»^ 189, 291, 375, 391.

Erheuchelter Wahnsinn 141 fif., 341. (Probe 142, 143). (Bedingte) Unverletzlichkeit des Helden 25, 112, 187, 188, 384. Aussergewöhnliche Standhaftigkeit 87, 91, 101, 103, 314, 315, 487, 504. Verirrung bei der Jagd 111, 258.

Der böse Batgeber (Feindschaftsstifter) 362, 434, 435, 456. Wunderbare Schärfe des Auges 299, 391, 395, 414. Der Held überwindet allein eine ganze Schar von Gegnern 266, 298, 347, 378. (Vgl. auch Vlllb. Ungleiche £inzelkämpfe). Drachen kämpf 59, 289 (zugleich Hortgewinnung). Ein Mädchen (Königstochter) als Siegesgreis 48, 92, 395, (35^ 471—473).

Der Held stellt, als er sich (allein) in eine Gefahr begiebt, eine Schir Getreuer in der Nähe verborgen auf; ein Hornstosa ist das verab- redete Zeichen zum Eingreifen 167, 233, 237, 268. Tote werden als Lebendige ausgegeben 25, 167, 191, 192. Der Held erscheint zur rechten Zeit, als seine Braut (Gattin) einen andern heiraten will 27, 382. Der wandelnde Wald 370 ^(ähnUch 238, 239). Ueberirdische Wesen begaben ein Kind bei der Geburt 188, 290. Gold auf den Strassen als Ehrlichkeitsprobe 262, 271. Der unwürdige Günstling 201.

Statt eines Menschen, der getötet werden soll, wird ein Kloti unter- geschoben 461 (ähnlich 431). Scheinbare Strafe (Tötung) 295, 436, 437. Ein Schuldiger muss sein eigenes Urteil sprechen 218. Keusches Heilager 501. Wunderbare Schiesskunst 287, 288. Ein Riese raubt ein Königskind 285. Versenkung des Hortes 64 (ähnlich 183, Vergraben eines Sehwertes).

Systematiachefl SachverzeichDia. 515

Böae StiefoiDtter 65 (82). Schatzspendendes Kleinod 112. Brieffäbchung 149, 163. Tönende Statue 88. Königstochter im Hügel 373. Tragisch endender Braderkampf 379, 880. Verstehen der Tierstimmen 206. Gefährliche Botschaft als Mittel zur Beseitigung 162. Herrsch- und ränkesüchtige Frauen 54, 56, 70, 71, 85, 93. Lebensgefahrliche Werbung um ein Mädchen 162, 856. Bestehlen der königlichen Schatzkammer 42. Uebeimütige Räuber 277 ff., 299, 347, 376. Der Held bei Riesen erzogen 30. Schmählicher Empfang eines Helden 215, 319. Stumpfheit des Helden in der Jugend 170.

Der Held hinterlässt eine Spur im Felsen, an den er sich lehnt, 315 Der Held ist so stark wie zwölf Männer 104. Unbewusster Incest zwischen Vater und Tochter 82. Verschiedenartige Aufnahme der Botschaft vom Tode des Vaters durch seine Söhne 492. Der Keulenschwinger 342, 347, 378. d) Zur Erzählungstechnik.

Wiederholung eines beliebten Zuges 126 (zu 125), 163 (zu 149), 191, 192 (zu 167), 389, 890 (zu 386), 435 (zu 484).

X. Spi6le und Uoterhaltnngeii.

*) Spiele erwähnt 63, 66, 492, nächtliche Spiele 504.

Würfelspiel 53, 493. Skinnleikr (Tauziehen) 228. b) Wettgespräche (Streit um den Vorzug) 87, 194, 216, 222, 361, 462.

Standhaftigkeitsprobe 87. «) Niederlegen Yon Pfändern 222, 245. d) (Grausame Vergnügungen 200, 201.

XI. Kunst, Musik, Tanz.

a) Für Kunst s. auch ULb u. IV b Schmiedehandwerk.

Goldene Statue Odins 87. Mausoleum 50. Goldschmiedekunst 126, 160, 161, 404.

b) Musik und Bühnenkunst.

Musik 110, 122. Flötenbläser 324. Spielleute, Schauspieler, Gaukler 141, 297. Instrumente 72, 110.

c) Tänze. Siegestänze 135, 186. Kriegstanz 801.

Xn. Yolkswiti and -welsheil.

jb) Witzige und doppelsinnige Reden 93, 143—145, 153, 176, 177, 221 340, 441, 463.

33*

516 Systematischefl SaehyenseiehDU.

Jßätselfltreit 216 ff. b) Sprichwörter 22, 23, 55, 68, 71, 96, 97, 178, 180, 202, 203, 206, 207, 211—213, 215, 218—220, 223, 224, 231, 234, 240, 246—249, 257, 305, 330, 336, 376, 458, 463, 469.

Xm. Namen.

Brauch bei der NameDgebting (Na&festr) 92, 203.

Eigennamen. 8. Namenverz.

Beinamen 52, 81, 84, 92, 103, 136, 186, 187, 189, 195, 203, 233, 240,

254, 287, 290, 291, 343, 370, 371, 377, 385, 390, 397, 401—405.

ErUärung (Ursprung) von Namen 17, 21, 71, 117, 120, 170, 187, 190,

257, 282, 283, 301, 362, 367, 368, 389, 396, 474, 476, 479, 488.

Name symbolisch aufgefasst 240. Tiernamen.

Löwe 85, 51. Bär 19, 91, 471. Wolf 51, 58, 54, 143, 160, 202.

212, 215, 217, 263, 339, 433. Wölfin 335.

Fuchs 463, 469. Eber (Keiler) 492. Seekuh 273. Seekalb 273.

Hirsch 100, 102. Renntier 112.

Pferd 85, 36, 65, 143, 214, 252, 268, 277-280, 336, 892, 437, 463.

Stute 147, 273, 308. Füllen 221. Esel 252.

Rind 45, 210, 219, 472. Bock 333. Ziege 852, 353. Lamm 338.

Schwein 77, 147, 148, 150, 161, 202, 329.

Hund 43, 215, 252, 259, 261, 278, 374, 392, 394, 434, 437, 471.

Jagdhund 248. Bluthund 287.

Raubvögel 212. Adler 106, 202, 213, 494. Habicht 437.

Uhu 54, 212. Nachteule 212. Rabe 106, 212.

Schwan 54, 284. Hahn 47, 145, 211, 330. Taucher 51.

Schwalbe 191.

Delphin 217. Auster 329.

Schlange (Otter, Natter) 58, 123, 205, 206, 356, 472, 473, 49l.

Biene 151. Bremse 144, 146, 160. Flöhe 305, 314. Pflanzennamen.

Fichte 219. Kornelholz 459. Getreide 150. Schierling 47.

Rübchen 329. Wurzeln 259. Schwämme 36, 48, 191, 259. Schwertnamen. 91, 102, 103, 183, 186, 379, 396.

Hundename 339. Schiffsname 203.

XIY. yerschiedenes«

a) Anthropologische und nationale Beobachtungen 81, 85, 92, 120, 253.

1, 204, 476.

b) Naturempfinden 138, 140, 163.

c) Wankelmut der Frauen (Saxos Ansicht) 18, 19, 21, 27, 28, 170, 187, 199.

Namenverzeichnis.

In eckigen Klammern sind neben den im Text gebrauchten Formen noch die übrigen bei Saxo vorkommenden beigefügt.

A.

Aaland [Halica provincia] YIII

408. Ab»alon Vorr. 1, 15, VII 369. Aeolns I 45.

Africanus (Scipio) VI 276. AgapituB (II.) IX 499. Agdarnes VI 288. Aggi VIII 401. Aggi VIII 408. Aggo (Vormund Frothoß III.) V

193. Aggo (Sohn der Gambaruc) VIII

443. AgneruB [Agner] (Sohn des In-

gelluB) II 90, 91, 103. Agnerus (Sohn des Regnerus Lofl-

brok) IX 474, 495. Alf (Fürst von Hethmarchien) V

258. Alf (Sohn des Sigarus) VII 355

bis 359, 362, 372, 377. Alf (Sohn des Aggi) VIII 401. Alf VIII 402. Alf VIII 403.

Alf (der Vielgereiste) VIII 404, 405. Alf (der Stolze) VIII 405. Algerus VII 355, 359, 362. AlkiUus VIII 438. AUemannien I 19, 20. Alpen (dofrinische) VIII 417. AlriouB V 257, 258.

AIyo (Sohn Frothos III.) V 264. Alwer (Sohn des Elricus) VIII 405. Alwerus(Sohwedenkönig) VII 375,

378, 386. Alwilda (Tochter des Saohsen-

k5nigs) I 19. Alwilda (Tochter des Qötarus von

Norwegen) V 234, 236, 238. Alwilda (Tochter des Sywardus)

VII 355, 357, 358. Ambar Vm 400. Amlethus III 140, 141, 143-151,

154,IV 155, 161—165,167—170. Amundus VI 283, 284, 286—288. Ana-Fjal VI 299. Andreas Vorr. 2. Angantir (Sohn des Arngrimus)

V 266. Anganturus VI 314. Derselbe wie Angaterus VI. 310. Angeln IX 489. Anglien VIII 402, 494, 495. Anglier IX 494, 495. AngUsch I 17. ' Angttl I 16, 17.

Ano (der Pfeilschütz) VI 287—289. Ansgarius IX 497. Anundus VI 345. Aquili II 66. Aquit anienVII 390. Aquitanisch I 16. Arktus Vorr. 10.

518

NamenveReichnis.

Armbiorn VI 277.

Arngrimiu Y 264, 265.

Arthorins Y 254.

Arwacki VIII 405.

ArwarodduB Y 266.

Ary VIII 402.

Asa VI 310.

AsmunduB (Sohn des Swibdagems)

I 40—42.

Agmundus (Sohn des Alf) V 258,260. ABmunduB (Sohn des Haldanus)

VII 349. ABraundufl (K5nig der Wikarer)

VII 385, 886. A8wit(uB) V 258—261. AthisluB (Schwedenkönig) lY 171

bis 174, 176-180, 183, 186. Athyla VIII 404. AthisluB (Sohn des Hothbrodus)

II 83, 85—89, 92, III 109, 120. AttaluB I 19.

Atyla VIII 413. Atylo VIII 415, 416. Auster I 45.

Axelstade [Axel8tada,Alexthathia] VII 371.

B.

Balders Flucht III 117. BalderuB III 110, 111, 115-118, 120, 122, 123, 131.

Bari VIII 401.

Barri VIII 402.

Beda I 17.

Begathus VIII 401.

Belgi VIII 401.

Bemo VIII 403.

BeuionuB VI 295, 296.

Berhtgar VIII 405.

Bero (Krieger der Ru8la) VIII 418.

Bero (aus Thule) VIII 462.

Bersi VIII 404.

Bessu« I 21—23, 25.

Biarbi V 266.

Biarco II 90, 91, 95, 96, 98,

101, 105. BiargrammuB VII 343. Biari YIII 402. Biarmien [Bi(y)armia] Y 264, 265,

Vin 448, IX 483. Biarmier [Byarmi, BiarmenBes] I

48, 49, m 114, IX 482—484. BiarmiBch VI 296, VIII 425. Biarni VIII 404. Bicco Vm 434—437. BilduB IV 190. Büwisus VII 365. Biorn (aus Soghni) VIII 404. Biorn(o) (Räuber u. Krieger det

Fridlewua) VI 277—281, 284,

287—289. Biomo (Fürst Yon Wik) V 258, 259. BiomuB (Sohn des Regnerus LoO>

brok) IX 474, 479, 480, 485,

489, 493—495. Birwil (der Bleiche) YIII 404.

Derselbe wie Birwillus (Seekönig) YII 898. Bizantium [Byzantium] I 38, III

129, VI 299. Björn (Dänenkönig) YIII 445. Blacmannen VII 357. Blekinge [Bleki(y)ngia] Yorr. 8, 9,

YII 384, VIII 444. Blend VIII 401. Blihar VIII 404. Bo vm 401. Böcherör VIII 440. BökuB II 99. Bolwisus VII 362, 365. Bootes Vorr. 10. BorcaruB VII 358, 372, 375, 376. Boreas I 45. Borrhy VIII 401. BouB III 131, 182. Brac [Bracus] V 281—233, 287. Brache I 28. Brahi VIII 405. BramuB VIII 401.

Namenverzeichnia.

519

Brand YIII 401.

Brander Y 266.

Brat VIII 402.

Brawalla YIII 425.

Brawibch VIII 412.

Britannien Vorr. 2, I 17, 53, II 73, 78, III 149, IV 160, 161, 163, 166, 191, V 267,271, VH 390, IX 477. Vgl. Anglien und England.

Britannier II 74—76, 88, IV 168,

V 268, 270, VII 390. Britannisch IV 168.

Brodder (Sohn des Arngrimua)

V 266. Broddo IV 190.

BroderuB (Dänenkönig) VIII 436,

437. Broderua (Begleiter des Thor-

killus) VIII 452, 454. Brundelucus, Gram VIII 405. Bruno VII 398, VIII 408, 410, 411. Buchi VIII 452, 454, 455. Bugo IV 190, 191. Burgar VIII 404. Burgha VIII 409. Buthlus VIII 427, 433. Byarchi VIII 409.

C. (Vergl. auch K.) Caesar VI 276. Galmama VIII 407. Chaos I 38, VIII 446. Christus IX 490. Coenogardien V 255. CoU VIII 404. Collerus (König Ton Norwegen)

III 137, 138, 140. CoUo (ein Wiking) I 53. Colo (Erzieher Frothos III.) V

193, 194, 197, 198, 215, 216. Craca V 203, 206, 207, 231, 234,

235. Croc Vin 405. CuBO III 114, 115.

}

passim.

D.

Dänemark [Dania]

Dänen pDani]

dänisch

Dagus V 250, 255.

Dahar VIII 402.

Dal (Fürst Ton Slavien) VH 890.

Dal (der Dicke) VIII 402.

Dala VIII 410.

Dalemannus II 79.

Dan I. I 16, 17.

Dan II. IV 187.

Dan III. IV 189.

Danaer I 16.

Daxon IX 482, 486—488.

Deutschland Vorr. 7.

Dian IX 482.

Dian (Sohn des yorigen) IX 482.

Dimarus V 255.

Dis VII 366.

dofrinische Alpen VIII 417.

Domo II 60.

Drota [Drot] VII 373, 375, 380.

Dttc VII 390, VIII 403.

Dudo I 16.

Dufflina [Dufli(y)num] IV 191, VI

299, VIII 425, IX 490, 503. Duna I 36. Dunwat(us) IX 474, 489.

E.

Ehbo (ein Wiking) VII 349—351,

354. Ebbo (Sibbos Sohn) VIII 427, 428. Ebbo (Sohn der Gambaruc) VIII

443. EdelraduB s. Hedelradus. Egtherus (von Biarmien) V 264, 265. Egtherus (der Finne) VII 348. Eider Vorr. 7, IV 184. Eisinsel [Glacialis insula] Vorr. 10. Elbe [Albia, Albya) IV 189, V

253, VI 301, VIII 464. ELi VIII 401, 409. Elricus VIII 405, 4C6.

520

NamenTerzeiehiiis.

Ely Bisch II 103, YII 366. Enar VIII 405. Engländer V 270, IX 499. England IX 499, 500, 503. englisch IX 493. Ennignupus IX 498. EranduB YII 398.

Ericus (der Beredsame) y 202—204, 206-227, 230—241, Ä46— 248, 251, 255, 257—260, 262, 264, 265, 267—270, VI 276.

Ericus (Sohn Frothos V.) VII 841—344.

Ericus (der Erzähler) VIII 404.

Ericus Windhut (Sohn des Regne- rus Loflbrok) IX 479, 488, 489, 495.

Ericus (das Kind; Dänenkönig) IX 496, 497.

Ericus (Bruder des Haraldus

[Kiak]) IX 496. Erlingar VIII 404.

Esa (Tochter des Wermenfürsten) VII 394.

Esa (Ringes Tochter) VIII 415.

Esbernu» s. Hesbernus.

Esbiorn VI 277.

Eskillus VIII 438.

Esten VI 292.

Estländer VIII 407.

Estland V 254, 255, 258, VIII 424.

Ethascoug VII 392.

Europa I 37.

Eyil VIII 403.

Eyr II 81.

F.

Falir VIII 404. Fanningus IV 190, 191. Fantua II 66.

Fengo III 137, 141,143,146-149, 154,IV155— 157, 160—162,164. Fiallerus IV 168. Findar VIII 404.

Finnen Vorr. 14, I 26, III 114 124, V 264, 265, VII 348, II

483, 484. Finnimarchien V 264, IX 483. Finnland I 27, 28, 39, V 258, VU

358. FiriTallisch II 101. Flöbax [nur Ablatir Flebace; VIH

424. Fletir VIII 404. Floccus VI 296. Folco IV 173, 174. Folki VIII 405. Fraccus VI 296. Franken VIII 464.

Fridlewus (der Schnelle) IV 189 bis 191, V 193, 217, 247.

Fridlewus (Dänenkönig, Sohn Fro- thos IIL) VI 275, 276, 278, 2^ bis 285, 287 - 290.

Friedlewus (Sohn des Ingellus) VI 304.

Fridlewus (Sohn des Regnerus LkmI- brok) IX 471, 473, 477, 479, 4S>.

Friesen II 72, VIII 402, 409, 465. Friesisch VII 390. Friesland [Fresia] II 72, VIII 465, 466.

Frig VIII 444.

Frigga I 38, II 106.

Frö I 45, III 119, VI 297, VIH 405,

Fröblod I 46.

Fröcasund VI 284.

Froco VI 283.

Frogertha VI 283, 287, 289.

Frogerus IV 187—189.

Frosty VIII 405.

Frotho I. II 58, 59, 61—64, 72, 73,

78, 88, 101. Frotho II. IV 187-189.

Frotho III. V 193, 194, 196 - 199, 201, 202, 204, 210, 216—224, 227, 230, 231, 233, 235, 236, 238 bis 241,246—249, 251- 259, 262,

N ameD'Y erzeichni».

521

264, 265, 267, 268, 270—274, VI

275, 281. Frotho IV. VI 290, 291, 300, 301,

303, 304, 311, 318, 322, 325 bis

328, 330 - 333, 335, VIII 424. Frotho V. VI 304, VII 337—341. Frotho VI. 1X498. FrothoBtein V 262. Frowiiiufl IV 171, 172, 176—178,

180. Fünen [Fionia, Fyonia, Pheonia]

Vorr. 8, VII 340, 372, 376, VIU

401, 429. Furien II 98, VII 346. Fyn IV 190. . Fyrthi (Skaha-) VIII 405.

G.

Gallien Vorr. 2.

Gallier IX 489.

Gambaruc VIII 443.

Gandal VIII 403.

GandvicuB Vorr. 13.

Gardh VIII 401.

Garnum VIII 406.

Garthar VIII 409. S. Gardh.

GegathuH VI 298, 330.

GelderuB III 113, 114, 117.

Ger VIII 402.

Gerbiorn VI 277.

GerituB III 132.

Germanen VIII 407,429.

Germanien II 73, VIII 435, 460.

464—466, IX 468. Gerth VIII 403. Gerutha III 140, 141. GeruthuB VIII 446, 448, 449, 451,

453. GerwcndilluB III 137. GestiblinduB V 257, 258. GewaruB II 83, III 109—111, 113,

115, 118, 131. GlomeruB [Glemerus] V 254. GlumeruB I 42. Gnepia VIII 401, 409.

Gnizli VIII 402.

GodefreduB VIII 463.

Gölerdal III 471.

GötaruB [GötwaruB] (König von

Norwegen) V 202—204, 220, 221,

230—236, 246. GötaruB (König Ton Schweden)

VIII 427—429, 433. GötelvVIIl404.(Vgi.Nachtr.S.58a).

Götlftnder [Gotthi, Gothi, Go(e)t.

(h)enfleB] II 97, 103, 104, 106, V

257, VII 347, 355, VIII 404, 406,

409, 439. Götländisch VIII 410. Gotland [Gothia] Vorr. 9, 13, 1 21,

26, VII 338, 349, VIII 439, IX

485. Götwara [Gotuara] V 194, 196,

197, 222, 230. Gormo I. VIII 445, 462. Gormo 11. IX 499. Gormo III. IX 500, 501, 504, 505. Gotar VIII 403. Goter VIII 402. GothuB VIII 404.

Gotland [Gutlandia] VIII 444. a.

Gudlandia. Goto VIII 462, 463.

GotricuB [GotricuB] VIII 462, 463

bie 468. Gram (König) I 21—26, 28, 30. Gram Brundelucus VIII 405. Grenaki VIII 403. Grenzli VIII 402. Grep [Greppus] V 194, 195, 200,

201, 210—213, 218, 219, 243.

Gretir VIII 404, 410. Griechenland [Grecia] VI 293, 294. Grim VIII 405. Grimar VIII 402. Grimmo (ein Fechter) VII 348,349. Grimo (Gunnos Sohn) VII 391, 393. Grinder VIII 404. Grip I 23.

522

Namenv erzeich t^ is.

Gro (Tochter 8igtragB)l21— 24, 28.

Gro (Gefährtin Alwildas) VII 358.

Grombar VIII 405.

Gromer VIII 403.

GrubbuB VI 288.

Grüne Bai [sinus yiridis] IX 485,

486. Grundi VIH 404. (Jrytha I 17.

Gudlandia r41, 42. s. Gotland. Gummi VIII 405. Gunbiorn VI 277. GunhoImuB IV 190, 191. Gunnarua VII 373-375, 878. Gunnilda I 41, 42. Gunno (der Statthalter) III 131. Gunno (von Thelemarchien) VII

391—393.

Gunno (der Hilchbruder des Jar- merikus) VIII 430—432.

Gunthionus V 257.

Gunwara V 194, 201, 215, 222 bis 224, 232—237.

Guritha [Gyuritha] VII 358, 372, 377, 378, 381—384.

Guthfaflt VIII 405. Guthi (Liuth) VIII 404. GuthmunduB VIII 449—451, 454,

455. Guthormus (Grams Sohn) I 28. 30. GuthormuB (SchwiegerBohn des

HadinguB) I 54, 56.

GuthormuB (Sohn des Haraldus)

IX 496, 498. Guthruna VIII 438. Guti VIII 403. Gyslamarchien VIII 405.

H.

Haco [Hako] (Tyrann yon Däne- mark) VI 297, 298, 330, 335. Haddir VIII 404. Hading V 266. HadinguB I 28, 30, 32—37, 40 bis

48, 50, 52—54, 56, II 58, 63, 65,

IV 191. Hafwar VIII 404. HagbarthuB VII 360, 362—368. Hagder VIII 410. Haki VIII 403. Hako [Haco] (der Wiking, des

WigeruB Sohn) Vn 355, 360,

363, 364, 369. Hako [Haco] (des Hamondos Sohn)

VII 369, 371.

Hako (der Stolze) VII 371, 372. Hako (mit der gespaltenen Wange)

VIII 401, 408, 409. Halandier IX 472.

HaldanuB (König von Dänemark, Sohn FrothoB I.) II 80.

Haldanus (Sohn Ericus* d. Bered- samen) VI 276, 284, 290, 304, 310, 318.

HaldanuB (König von Dänemark, BiargrammuB)VII 338,341 - 350.

Haldanus (Sohn des Borcarus) VH

375—379, 381, 383. Halland Vorr. 8, VUI 417, 427,

428. Halogien III 114, 115, V 259, 262,

VIU 447. Hama (Gegner des Starcatherus)

VI 301, VIII 424. Hama (Krieger des Haraldus) VIII

402. Hama, (ein König, Gefolgsmann

des Ringo) VIII 406. Hama [Hämo] (König yon Britan- nien) 1X477,489.

HamunduB (ein Fürst) VII 360,362, 369, 372.

Haraundus (Sohn des vorigen) VII

360, 362. Handwanus I 36, 37, II 63, 64. Hanef [Hanewus] VI 291, d01,30:s. Hano VII 372, 376. Hanövra VI 301.

Namenverzeichnis.

523

Han(n)unda V 199, 218, 220, 280.

HaphliuB I 28.

HaqoinuB (König der Nitherer) I

46. Haquinus (ein Kämpe) II 79. Haquinns (ein Kämpe) VII 341. Hnr VIII 403. HaralduB III 124. HaralduB (Sohn des Olawus, Enkel

dee IngeUus) VII 337, 339, 341,

342. Haraldus (Sohn des yorigen) VII

338, 341, 344. Haraldus (Hyldetan) VII 358, 383,

384, 386, 391, 398, 399, VIII 400

bis 403, 407—413. Haraldus (Sohn eines Olawus) VIII

403. Haraldus (aus dem Imischen Ge- biet) VIII 403.

Haraldus (aus Thothni) VIII 404. Haraldus (König Yon Dänemark,

Sohn Björns, Enkel Snios) VIII

445. Haraldus (Klak) IX 474, 475, 477,

478, 490, 491, 496, 498. Haraldus (Nachfolger Gor mos II.)

IX 500. Haraldus (Blauzahn, Sohn Gormos

III.) IX 502. Harthbenus VII 347. Harthgrepa I 30, 34. Hnstinus VIII 402. Hnteru8[HatheruH] (Statthalter von

Jütland) VII 372, 385.

Hatherus (ein Häuptling) VII 348. Hatherus (Lennos Sohn) VIII

420-422, 425, 426. Hedelradus [Edelradus] IX 500,

503. Heinrich [Henricus] (König Yon

Sachsen) I 27, 28.

Heinrich (Sohn des Asmundus) 1 40. Helga VI 304, 310, 314, 317, 318.

Helgo (der Hundingstöter) II 81,

84, III 109. Helgo (Yon Halogien) III 114—116,

118. Helgo (aus Norwegen) VI 310, 311,

313, 317, 318. Heigus VI 880. Hella IX 477, 489, 491- 494. Hellespont IX 490. Hellespontien IX 482. Hellespontier VIII 435, 437, 438,

IX 481, 482. Hellespontisch VIII 434. Hellespontus I 36. Helsingien I 44, II 258. Helsingier V 254, 255, VII 342,

347.

Helwin VII 360, 362. Hemmingtts IX 467. Hendill VIII 406. Herkules I 21, II 103, III 170, V 212, 251, VIII 450.

Herletus III 132. Herlewar VIII 403. Hermuthruda IV 164, 167—169. Herothus [Heroddus] IX 472, 479. Herwig VII 369, 371. Hesbemus [Esbernus] (Sohn des Ascerus) VII 369.

HesbernuB (Schwiegervater des

Regnerus Loflbrok) IX 485. Heske II 82.

Hetha VIII 401, 402, 408, 412, 413. Hethmarchien V 258. Hialmerus V 266. Hiallus [Hialus] VII 394, 396. Hialto (lalto) II 90, 91, 94, 96,

98, 101, 104. Hialto VIII 401. Hiarnus (Hiarno) VI 275, 281 bis

283. Hiarrandi V 266. Hiarthwar V 266. Hiarthwarus (Hiarwarus, Hiart-

524

Namenverzeichnis.

uarus) II 92, 98, 98, 100, 103,

107, 108, III 109, 119. Hibern(i)er V 270, 271, VI 298,

rX 491. Hibienern VI 297, VII 369, IX

490. HiberniBch VIII 425. Hilda V 253, 256. Hildi VIII 403.

Hildigerus VII 375, 378,379, 381. HildiglBleuB VII 360-363. Hiorthwar V 266. Hithinsö V 256. Hithinus V 252—256. Hoddo V 194, b. auch Oddo. HöginuB V 253—256. Högrimuß IV 187. H5mi VIII 402. HömothuB IV 187. Hösathul VIII 402. Höthingua IV 183. Hogni VIII 404. Holandia IV 189. Holmar VIII 406. Holmgardien V 255. Holmsten VIII 404. Holty VIII 406. Hort VIII 409, derBelbe wie Hortar VIII 401. HorwendilluB III 137, 138, 140,

IV 156, 158, 160. HothbrodduB (der Zügellose) VIII

403. HothbroduB [Hodbroddus] (König

von Schweden) II 83 - 85, III

109. HotheruBfHötherus] II SB, III 109,

111, 113—123, 131, 132.

Huglec VI 297, 298.

HugletuB IV 187.

Humbli VIII 402.

HumbluBl. I 16. HumbluB II. I 17.

Humbrer VII 390.

Humnehj VIII 403.

Hun (der Hunnenkönig) T 247.

254, 255. Hun (ein Krieger Ringos) Till

404. Hun (ein Krieger des Haraldusi

VIII 409. Hunding^is (Sohwedenk5nig, Sohn

des Asmundus) I 50, 56, II 65 HundinguB II 79. HundinguB (Sohn des Saehaea-

königs Syriens) II 81, 84. Hundingus (Statthalter Ton See- land) VII 372, 385. Hunger VIII 402. Hunnen V 196, 197, 246, 247,

251—253, 255. hunnisch V 193.

Hwirwillus (ein Seekönig) VI 39& Hwyrwillus (von Holandien) IV

189—191. Hwiti VIII 404. HwytinguB VII 378. Hyid VIII 404.

Hyldetan (Haraldus) VII 385. Hythin (von Thialamarchien) VI

284, 285, 290. Hythin (der Schlanke) VIII 402.

I. J.

Jalunga III 173.

Jamten V 254, 255.

JarmericuB VIII 429 435, 437.

438. Jarnberer V 255. Jathar VII 373, dasselbe wie Jathrien VIII 404, 415. Imisch VIII 403. Ingeldus (Sehwedenkönig) VII 386,

3vS9, 391. Ingellus II 90, 103. Ingellus (Sohn Frothos IV.) VI 303

304, 310, 312, 318—322, 325—

327, 329, 332, 334, 335, VII 337, Ingellus (Sohn des Torigen) IV 304. Ingi Vlll 405.

Namenverzeichnis.

325

Ingo VII 386, 389. Irlftnder IX 504. Irland YI 191, IX 503, 504. 8. Hibemien.

(Island) Vorr. 10. IsmaruB VIII 431. Isora III 119. I8ulfu8 V 193. Italien Vorr. 2 VUI 444. Jäten, Jfitländer YIII 403, IX 471, 474.

Jatigch y 240.

Jütland Vorr. 7, 8, 1 51, II 81, III 120, 137, 152, IV 168, 170, V 256, 271, VI 282, VII 372, 385, VIII 413, 418, 428, 429, IX 468, 485.

Julius (Caesar) VI 276. Jupiter II 97, VI 293, 294. Juritha VI 289.

Iwarus IX 474, 485, 486, 488, 489, 492—495.

K. (Vergl. auch G.)

KanutuB (Lavard) Vorr. 9. Kanatus I. (D&nenkönig, Sohn des Ericus) IX 498.

Kanutus (Sohn Gormos III.) IX

502-505. Karll Vm 405. KaroluB (Statthalter Yon G5tland)

VII 338. Karolus (der Grosse) VIII 464-^

466. IX 478, 484.

Keclu VIII 405.

Keltherus IX 485.

Kerrus VIII 425.

Kerwillus V 271.

Keto IV 171, 172, 174, 176—179.

Krage (Rolwo) II 92.

Kurlftnder [Curetes, Guri] I 35,

II 60, III 132, VI 299, VUI

407, 424, 433, IX 483.

Kurland [Guretia] V 254.

L.

Langobarden [Longobardi] VIII,

444. Lappien V 255, 258. Lateinisch Vorr. 2, 5, VIII 400. Lathgertha IX 471, 472, 474 475. Latiner I 30. Latium VI 293, 294. Lennius [Lenno, Lennus] VIII 418,

420, 425. Leo VIII 465. Ler U 81. Lerus VIII 425. Lese VIII 406. Lessö V 209. Lesy VIII 406. Lethra II 84, 93, 106, IV 168

VI 335, VII 385, VIII 401, 412

IX 467. Lewy vm 406. Liimfjord [Lymicus sinus, Lymfi-

orthinun mare] Vorr. 7, IX 472, Liotarus [Leotarus] VII 397. Liserus I 34, 35. Litharfulki V 234. Livl&nder [Liui] VUI 407, 434. LiYland VIII 402. Lögthi VII 396. Löwi II 91. Lokerus I 35, 36. Lothbrog IX 474. Lotherus I 17, 18. Ludowicos (der Fromme) IX 467,

490. Lundoniä U 78, 79. Lyusingus VII 378. Lyuth Guthi VIII 404.

H.

Mainz [Maguntia] IX 490. Mar VIII 405. Mars U 95, VUI 421. MatuUuB IX 483. Melbricus (Statthalter von Schott- land) U 73.

526

Namenverzeichnis.

MelbriouB (König von Irland) IX

490. Mercurius VI 298, 294. MewilluB y 253. Mimingus III 112. Mithfirthi YIU 405. Hithotyn I 39. Mittagsinseln [australesoder meri-

dianae insulae] IX 477.

Mittelmeer [mediterraneum fre-

tnm] IX 490. Möre YIII 404. Moringien YIII 444. Murial IX 489.

N.

Nanna III 110, 111, 115, 118, 119. Nef YU 398. Nitherer I 46.

Nordfriesland [Fresia minor]

Yorr. 8. Nordpol [polus Beptentrionalis],

Yorr. 10. Normoria Y 254. Norwegen [Noruagia] passim. Norweger [Noruagienses, Norici,

Normanni]. passim. Norwegisches Meer [Noricum fre-

tum] Yorr. 7. Norwicus IX 489.

0.

Occident Y 267. Od YIII 404.

Oddo (8. auch Hoddo) Y 204, 208-210, 217.

Oddo (FQrst von Jathrien) YIII

415, 416. Oelandien YI 278. Oemi Y 238.

Oenewus [OnefJ Y 253—255. Oflfotus YI 278. Ofura Y 264 - 266. Olawus (der Milde) lY 186.

OlawuB (Sohn des Fridlewas) VI

288, 289. OlawuB (D&nenk5nig, Sohn de«

IngelluB) YI 304, YII 337. Olawus (Sohn des Alwenis) YII

386, 389. OlawuB (Fürst d. Thronder) TU 389. OlawoB (Fürst der Wermen) VII

394, 395. 01awu8(YaterdJiaralda8)VIII 403. Olawus (Dftnenkönig, Sohn des

Götricus) IX 467. Olimarus Y 246, 247, 249--251,

253—255. OUeruB III 129, 130. Olo YII 391—398, YIH 406, 412

bis 414, 419, 424. Olwir YHI 401. Oly Yni 405. Omothus YIU 415--418. Omundus YU 496, YIU 413 418,

427. Onef YU 398. Orc(h)aden [0rc(h)ade8] V 254,

255, IX 477, 489. Orient U 63, 83, 84, Y 24& Orientalen (Ostl&nder) I 37, V

246, YI 299. Orkus I 57, YII 3C6, YUI 412. Orm YU 390, YIII 402. Ostenus (Sohn des Sywardus) VU

355. OstenuB (ein Schwede) IX 495. Ostiänder s. Orientalen. Ostmarus YII 372. Otharus YII 351—355. Othi Yin 404. Othinus [Othynus] I 37—40, II

105, III 110, 116, 124—126,

129-131, lY 188, YI293, 294, YII 384, 386, 398, YIII 411,438. Otritus YIII 402.

P,

Paltisca II 63.

Namenverzeichnis.

527

Pan n 66.

Pannonier VIII 406.

Parcen VI 289, VU 381.

Paulus (Diaconus) VIII 444.

Petland [Petia] IX 477.

PipinuB VIII 465.

Pluto II 104, VII 898, VIII 412.

Polonien VI 300.

Proserpina III 123.

Proteus I 29.

B.

Rafn (der Weisse) VIII 404. Rafnus V 204. Randus VII 398. Rani (des Arngrimus Sohn) V 266. Rani (Hylds Sohn) VIII 404. Rankil VIII 404. Rathbarthus (ein König, Gefolgs- mann Ringos) VIII 406. Rathbarthus (Sohn des Regnerus

LoObrok) IX 474, 477, 479, 489. Rati VIII 401. Rawi VIII 404. Redwarthus VII 398. Refo VIII 462—464. Regnaldus (der Feind des Ung-

winus) VII 351, 354, 355, 369. Regnaldus (König von Norwegen)

VII 373, 375. Regnaldus (der Ruthene) VIII 406. Regnaldus (Sohn des Regnerus

Lodbrok) IX 479. Regnerus (Schwedenkönig) II 65,

66, 68, 70, 80, 83. Regnerus (ein Fechter) V 203,

206, 231. Regnerus (Lodbrok) IX 468—492,

495, 497. Regnilda I 46. Regno (ein Fechter, derselbe wie

Regnerus) V 211. Regno VII 339, 340. Rennesö [Rensö] V 216, 246. Rethyr VIII 404.

RewiUus V 253, 255.

Rhein [Rhenus] II 73, V 255, ^^l

390, VIII 464. Rinda III 125, 126, 131. Ring (Sohn Athylas) VIII 404. Ring (Sywardus) IX 467. Ringo (ein Seeländer) I 26. Ringo (Schwedenkönig) VII 391,

398, 399, Vni 400, 402, 403,

405—408, 410—412. Ringo (von Norwegen) VIII 415,

416. Ringo (Enkel des Götricus) IX

468, 470. Rinus VIII 424. Roa [Roe] (Krieger des Haraldus)

VIII 401, 409. Roarus I 21.

Roe (Sohn Frothos I.) I 80. Roe (Sohn des Haldanus) I 81. Roe = Roa.

Rölung [Roliung] VIII 426. Römer VI 293, 294, IX 484, 491. römisch Vorr. 4, 5, VIII 464, IX

484, 499. Röricus II 99. Rötho [Rotho] VII 376. Rokar VIU 404, Roldar VIII 404, derselbe wie Rolder VIH 410. Rolf VIII 404. Roliung [Rölung] VI 313. RoUerus V 203—207, 215, 218,

230, 233, 237, 246, 253, 254.

Rolwo [Rolpho] II 83—90, 92, 93, 96, 100, 101, 104, 106—108, III 119, 120.

Rom Vni 466, IX 499.

Roricus (Slyngebond) III 132 bis 137, 140, 148. III 168.

Roricus (Statthalter vou Jutland) VII 372, 385.

Roskildia II 81. Rostarus IX 475.

528

NuneDTerzeicbnis

RosteruB III 126.

RostiophuB III 125.

Rotala II 62.

Rotho VI 385.

Ragen [Rugia] YIII 444.

Rusila IV 189, VII 389, dieselbe

wie Rusla VIII 416—418. RuBsland [RuBcia] II «2, V 247,

255, VI 275, 276, 296, 299, VII

378, 881, IX 488. Ruta II 90, 92, 98, 105. Rut(li)enen II 61, 62, 70, III 125,

V 249, 250, VI 296, VII 378,

VIII 406, IX 482, 488. Rut(h)eni8ch III 132, V 248, VII

376, IX 482. Ruthar VIII 404.

S.

Sachsen [Saxonia, SaxoneB] I 19^ 27, 28, 52, II 81, 82, III 113,' 117, IV 180, 181, 186, 189, V 255, VI 292, 300, 301, 326, VU 381, 383, VIII 407, 463—465,

IX 467—469. Bächsisch IX 490. SalgarthuB VIII 401. Sali VIII 404. Sambar VIII 400.. Sampso V 266. Sangaler VI 299. Saxo VIII 404. Scaha-Fyrthi VIII 405. ScalcuB (SlayenfürBt) II 81. Scalcus (Gefährte Biarcos) II 96. Scalcus VIII 409. ScarchdhuB XI 479.

Scato II 79

Scatus (ein Fechter) I 19. Scatus (eine Allemanne) 1 19. Scatus (FrothoB I. Sohn) II 80. Scatus VII 394, 396. Schleswig [Slesuicum] IV 171, 172 174, IX 491, 495, 500.

Schleswiger (SleBuicenseB] IV 17^ Schonen [Scania] Vorr. 2,'~87*9^

IV 168, 169, V 257, 264, 272,

VI 284, VII 385, VIII 401, 403,

412, 415, 416, 429. Schonier [Scanienses] VIII 407,

IX 467, 471, 472, 474. Bchonisch VII 372. Schotten [Scofcti] II 77, 78, IV

166, 167, VII 372, IX 489. schottisch II 71. Schottland [Scottia] II 78, 74, 78,

IV 162, 163, IX 477.

Schweden [Suetia, Sueti, Sueones]

passim. Scioldunge I 19.

SciolduB I 18, 19.

Scipio VI 276.

Scröter V 203.

Sculda II 92, 93, 98.

Scumbar VIII 404.

Scythen IX 482.

Seeländer [Sialandeases, Sialandi]

II 108, V 210, Vni 413, IX 467, 468, 472.

Seeland [SialandiaJ Vorr. 8, I 26,

III 119, 120, IV 169, 190, V 209, 274, VI 310, VII 840, 354, 372, 884, VIII 408, 412, IX 486.

Sela III 140.

Sember(n) VI 291, IX 483, das- selbe wie

Sembonen VIII 488.

Semgala VIII 424.

Serker VIII 408.

Sibbo [Sybbo] VIII 427, 433.

Sifridus I 52.

Sigarus [Sygarus] VII 355, 356, 360, 362, 363, 365, 368—372.

SighwinuB IX 478.

Signe I 26—28.

Sigtrug(us) I 21, 23, 25.

Sigtun VIII 405.

Simo VIII 429.

Simundus VIII 405.

Namenverzeichnis.

529

Siwardus (Ring) IX 467, 468, 470. 8iwardus(auB kÖniglichemStamnie)

IX 495. Siwaru» VII 881. Skalk [Skale, Scale] (von Schonen)

V 257, 264, VIII 401. Skierum VIII 405. Skottus [Scottus] 11 71, 72, 78. Skrep [Screp] IV 183, 186. Skrikfinnen Vorn 14.

Slaven [Sclaui] II 81, III 132, 133, i;{5, V 238-240, 246, 256, VI 299, VIII 403, 407, 413, 418, 428, 430, 432-435, IX 503.

Slavien [Sclavia[ 11 81, V 239,

VII 390. Sie VIII 401.

Slyngebond (Roricus) III 136. Snio VIII 438-440, 445. Snvrtir II 102.

m

Soghni VIII 404.

[Soknarsoti] VIII 404.

Solonger V 257.

Solwe VIII 404.

Sonneninseln [Solis insulae] V258.

Sorlufl IX 479, 480.

Soth VIII 409.

Stadium II 81.

Stang VIII 401.

Starcathorus [StarchaterusJVI 292, 294—29(5, 298 301, 304-306, 308, 310 317, 320—322, 324, 325, 329, 334, Vli 355, 369, 398, YIII 400, 409, 413, 419, 420, 423, 425, 426.

Stcn VIII 403. Stenbiorn VI 277. Stikla [Stiela] V 259, VII 389. Storwerkus VI 292. Strunicus V 240, 241. Stur VIII 403. StygUch VII 393. Styx I 33, 34, VII 380. Suarinus I 26, 27. Sazo Granunaticui.

Südliche Inseln IX 477 s. Mittags- inseln.

Sueno II 81.

SumbluB I 26, 27.

Sunmoria V 254.

Süss VII 369, 372.

Swanhwita II 65, 67, 68, 70, 83.

Swanilda VIII 436, 437.

Swanlogha [Suanloga] IX 479, 489.

Swen VIII 400.

Sweno VIII 404.

Swertingu» VI 291, 301, 302, 304, 321, 333, VIII 424.

Swibdagerus I 27, 28, 30, 37, 40.

Swibdawus VI 298.

[Syersted] VII 355.

Sygmundus VIII 403.

Sygne (Tochter des Karolas) VII 338.

Sygne (Tochter des Sigarus) VII 355, 360, 363, 364, 367.

Sygrutha VII 349. Syricus [Syctricus] II 81. Syritha VII 351, 353, 354. SywaMus [Siwaldu«] (Feind des

HaldanuH Biargrammus) VII

345—347. Sywaldus (König, Sohn des Ung-

winurt) VII 351, 354, 355. Sywaldus (Sohn des Sigarus) VII

355, 371. Sywaldus (Gefolgsmann Ringes)

VII 406. SyAvaldus (Nachfolger des Jar-

mericus) VIII 438. Sywardus [Siwardus] (Schweden- könig) VI 318, VII 338. Sywardus (König von Oötland)

VII 355, 356.

Sywardus (Olos Vater) VII 391,

397. Sywardus (Eberkopf) VIII 404.

Sywardus (König, Sohn des Omun- du8) VIII 427 -429, 433.

34

530

XamenTeneichnLH.

Sjwardus (KGnig Ton Norwegen) IX 470.

Sywardu« (Konig, Sohn de^ Reg- nern» Lodbrok) IX 474— 475<, 488, 493—495, 497.

T.

Tander V 266.

Tanna VI 299.

Tartarus I 23, 33, 34, VII 366.

Tatar VIII 401.

Teutonen I 17, 20, II 82, VI 300,

326, 329, VII 363, VIII 424. teutonisch II 96, 102, VI 322. Theleniarohien [Telemarchia] VII

391, VIII 404, 409, 417. Thelemarchier VIII 424. Thengil VIII 404. Thengillus (Finnenfürst) V 264. Thialamarchien[=Thelemarchien] Thira III 500, 502-505. [VI 285. Thoki VIII 404. Thola VIII 415, 417, 418. Thor II 68, HI 116, VI 293, 294,

VII 343, VIII 453. Thora (Ursas Mutter) II 81, 82. Thora (Cusoa Tochter) III 114, 118. Thora (Tochter des Herothus) IX

472, 476, 481. Thoraldus II 05. Thorbiorn VI 277. Thord VIII 404. Thoriiis VIII 417. Thorilda (Ocmahlin dos Hundin-

gUH) II 65, 69. Thorilda (Tochter des Hatherus)

VII 348, 349.

Thorkill (der Giitiander) VIII 404. Thorkillus [Torkillus] II 73. Thorkillus (aus Thclemarchien)

VIII 409.

Thorkillus (der Seefahrer) VIII

446—458, 460 462. Thorkillus (ein Schwedenfürst) IX

485.

Thorlewar VUI 404.

ThomT VIII 401.

Thoro (ein Fechter) VII 343.

Thoro (ein Fürst) VII 397.

Thoro [Thoro] II 81, 82.

Thomlf VIII 404.

Thonis V 254.

Thorwillus VII 398.

Thorwingus VUI 401.

Thothny VIII 404.

ThottuB VIII 413.

Thririkar VIII 406.

Thrönski (Thronder) VUI 404.

Throndar VUI 404.

Thronder (Thronski) VIII 404.

Thronder (d. s. die Dronthetmer»

VII 389, VUI 410. Throndus VIII 417, 418. Thruwar VIII 405. Thrygir VIII 406 [= Trigol. Thule [Tyle] Vorr. 5, VIII 401,

405, 446, 462. ThuninguB I 48. Tirwingar V 266. Titan VI 287.

Todessumpf [Letalis paltts] VlI 370. Toki VIII 402. Toko (ein Wiking) VII 345. Toko (ein Sklave) VII 392. Tolcar VIII 402. Toli VIII 401. Torwil VIII 406.

Toöto (der Schändliche) I 51—53. Tosto (der Opferer) VII 397. Tranno II 61.

Trigo VIII 406 [= Thrygir], Turami VIII 401.

ü.

Ubbo (Gemahl Ulwildas) II 70, 71

Ubbo (ein Krieger) III 136.

Ubbo (der Friese) VII 390, VUI 402, 409, 410.

Ubbo (Sohn des Regnems Lod- brok) IX 481, 485, 486, 488.

Namen verzeich dIs.

531

Uffo (des AsmunduB Sohn) I 42,

44, 48, 5 . Uffo (des (Wermundus Sohn) IV

170, 181—187. ügarthilocus VIII 455, 456, 458,

459, 461. Uggerus V 252. Ulf VIII 403. Ulwilda (Tochter des Hadingus)

I 54, 56, II 70—72, 78, 79. Ulwilda (Tochter des Sywardus)

VII 338. Ulwo VIII 462. Undensakre IV 168. Ungo VIII 406. Ungwinus VII 349—351. Upsala I 37, 41, 50, III 119, VI

297, 311, VII 383, VIII 405. Ursa II 81, 83, 85, 88, 89. Utgardia IX 488.

V.

Vagnophthus [Vagnhofthus, Vagn-

oftuB] I 28, 30, 41. Venu» II 94, V 195, 222, VI 829. Verundien [Werundia] Vorr. 9,

VIII 406. VespasiuB II 63. VigletuB IV 168-170. VithnuB VIII 413. VitolfuB VII 342. Vittho II 72.

W.

Walbrunna VII 370, 371.

WalBten VIII 404.

Wasce [= Wilcze] VI 300. Der- selbe wie

Waza VIII 425.

Webiorga [= Wegthbiorg] VIII 401.

Wecha III 127.

Wegthbiorg [= Webiorga] VIII 409.

Weinundus VII 355. Wera V 274. WermenV257, VII 394. Wermland V 258, VIII 403. Wermundus IV 170, 172—174, 176, 180—186.

Werundien [= Verundien] VIII 406. (Vorr. 9).

Wesetus VII 384, 385. Westmarus V 193^195, 197—199, 219, 223.

Whiteby IX 472.

Wicarus VI 294, 295.

Wienisch VIII 403.

Wigerus VII 369.

Wiggo II 92, 93, 106, 107.

Wigo IV 171, 176, 179.

Wik V 258, 262, VIII 404, 406.

Wikarer VII 385.

Wilcze [= Wasce] VI 300.

Windar VIII 403.

WinuB VI 299.

WisinnuB VI 299, VIII 425.

Wisna VIII 401, 402, 408, 409.

Withsercus IX 479, 482, 486, 487.

WiwilluB VIII 406.

Woldemarus Vorr. 6, 9.

Wollfeld [Laneus campus] IX 474.

Woilin [provincia Ju/tnensis] VIII

402.

Y.

Ymi VIII 402.

Ywarus (Thruwar) VIII 405.

Z.

Zephyrus I 45.

34'

Berichtigungen und Zusätze.

8. 1 A. 1 Z. 1 1. 1179 St. 1079

S. 26 Z. 14 V. o. 1. Ringo st. Ringus.

Zu S. 44 A. 4 vgl. noch das zweite Lied von Helgi Str. 29ff. = Greriu^rs Edda S. 178.

Zu 8. 46 A. 1 Z. 1: Frö ist die regelmässige dänische Sprachform für isl. Freyr.

Zu S. 48 A. 1 vgl. B. VIU S. 449.

Zu S. 72 A. 3 teilt mir A. Olrik freundlichst mit, dass altnord. luOmr nur gerade Holzinstrumente bezeichnet, wie sie noch heute norwegisch«.' Hirten gebrauchen. Die Hörner der Bronzezeit dagegen sind a>}s Bronze, gekrümmt und tönereicher; ihren eigentlichen Namen kennf^n wir nicht.

Zu S. 80 A. 3 s. die neueren Untersuchungen von Bugge „Helge-Digtt:.e i den aildre Edda** Kopenhagen 1896 (Zweite Reihe d. Studien üt>tr d. Entwickehmg d. nord. Götter- u. Heldensagen).

S. 85 A. 2 1. isländischen st. andern.

Zu S. 101 Z. 3 u. A. 2: Firivalllsch (Firiuallinos agros) Ist nur Konjektur, aber wohl sicher richtige, für sirtuallinos der ed. princ.

Zu S. 114 A. 2 vgl. noch Buch V, S. 253 u. A. 1. Olrik unterscheidet übrigens an der angeführten Stelle zwischen dänischem und nor- wegischem Brauche einerseits und isländischem andrerseits.

Zu S. 119 A. 5. Isora (Isöre) war genauer der Name einer Landzunge (und eines Hafens) an der Einfahrt zum Isefjord; sie war im II. und 12. Jh. mehrfach der Ort für Reichs- u. Heeresversammlungen (Olrik l.

Zu S. 120 A. 2: Olrik teilt mir mit, dass es in Südjütland einen Ort Hother (heut Hujor) giebt, der wahrscheinlich gemeint sei.

S. 125 Z, 7 V, u. (Text) 1. begonnen.

Zu S. 126 A.. 1 vgl. noch Bugge, Studien I (übers, v. Brenner) S. 565 bis 573 (A, Olrik).

S. 132 A. 1 ist zu streichen. Rönk als Nachfolger des Hotherus findet sich nur in den von Saxo abgeleiteten, nicht in ursprünglichen Quellen. (Olrik).

S. 137 A. 3. Der Xame 0>llerus hat mit dem Adj. kalt, däo. kold, annl kaldr gar nichts zu thun, wie doch noch öfter zu lesen ist.

BerichtigUDgen und Zusätze. 533

S. 1B9 letzte Z. l. hölmlausn.

S. 145 A. 3 Z. 3 1. „Stroh" oder „Rohr" st. Moos (Olrik).

S. 180 Z. 18 o. u. 1. Leben.

S. 192 Z. 5 V. o. 1. ergreifen.

Zu S. 248 A. 1 vorl. Z.: hundra^ bezeichnet im Isländischen jetzt nur noch bisweilen, nicht gewöhnlich, die Zahl 120 (Finnur Jönsson).

Zu S. 254 A. 4: £in ^orir langi kommt auch in der Heimskringla vor (F. Jönsson).

S. 255 Z. 15 V. o. 1. £ricus st. Frotho.

S. 258 Z. 5 V. u. (Text) 1. Hethmarchien.

S. 284 Z. 15 V. o. 1. Amundus st. Asmundus.

8. 288 Z. 8 V. u. (Text) 1. Grubbus st. Grubbo.

S. 296 Z. 1 1- Fraccus st. Fricca.

S. 322 Z. 2 V. u. 1. Lübeck.

S. 343 Z. 13 V. u. (Text) 1. Ualdanus.

S. 370 A. 2 1. Z. 1. 429 st. 434.

S. 376. Zu Anm. 1 ist das im Altnordischen belegte Wort „rauflaran** das die von Saxo im Text angegebene Bedeutung hat, zu vergleichen (F. Jönsson).

S. 403 1. Z. u. 404 Z. 1 1. Anwohner des Götelv st. Grenzuachbam von Nordalbingien. Albia septentrionalis bezeichnet nach Holder den ge- nannten schwedischen Fluss; da die Elbe sonst auch immer Albia heisst, ist die Verwechslung, die übrigens auch Elton hat, entschuldbar.

S. 404 A. 10 1. Sögu-Eirikr.

S. 470 A. 2 Z. 5 1. Loflbrok.

S. 488 Z. 11 V. o. u. A. 1 Z. 1 I. Utgardia, Utgardiam.

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