Et 7 kt ni y | a er 12 Di ee st hr art Be a Ce Die Experimentelle Bakterioloeie und die — Infektionskrankheiten besonderer Berücksichtigung der Immunitätslehre. Ein Lehrbuch Studierende, Ärzte und Medizinalbeamte von Dr. WW ” Kolle, und Dr. H. Hetsch, Direktor des Institutes für experimentelle Professor, Generaloberarzt a. D. Therapie, o. Honorarprofesssr an der Wissenschaftl. Mitglied des Institutes für Universität Frankfurt a. Main experimentelle Therapie in Frankfurta-Main. Sechste, umgearbeitete Auflage. Zweiter Band. } : N 22.3.24. Mit 73 größtenteils mehrfarbigen Tafeln, 135 Abbildungen im Text und 5 Kartenskizzen. Urban & Schwarzenberg BERLIN WIEN N., Firiedrichstraße 105b. I., Mahlerstraße 4. 1922. “ eu Pd: 2 Alle Rechte vorbehalten. ; E “ | . — 4 2 ac REN der Original-Abbildungen für andere Werke ohne Quellenangabe ist nicht gestatte*. Französische Übersetzung von Dr. Carriöre-Bern, Atar S. A.-Genf. Italienische Übersetzung von Prof. De Blasi, Societ& Editrice Libraria, Mailand. Spanische Übersetzung im Verlage „Editorial Saturnino Calleja“ S. A. Madrid. Russische Übersetzung in W.S. Ettingers Verlag, St. Petersburg. Copyright 1922, by Urban & Schwarzenberg, Berlin. De a . ” [4 Es ichaik Ti Bag: 38. VORLESUNG: ren en en Geschichtliches. Klinische Formen der Diphtherie. Verschiedene pri- märe Lokalisationen. Haut- und Wunddiphtherie. Exantheme. Lähmungen. _ Albuminurie. Sog. Scharlachdiphtherie. Obduktionsbefunde. Der Di- _ phtheriebazillus. Das Diphtheriegift. Vorkommen der Diphtheriebazillen beim Menschen. Diagnose. Pseudodiphtheriebazillen. Epidemiologie. Im- munität. Serumtherapie. Bekämpfung und Prophylaxe. Schutzimpfung. Chemotherapeutische Versuche. 39. VORLESUNG: Aktinomykose und Streptotricheen-Erkrankungen RI u A Aktinomykose. Geschichtliches. Gewebsveränderungen. Bau der Aktinomyzes- drusen. Kulturelle Differenzierung der Aktinomyzespilze. Ver- suche mit Reinkulturen. Natürliche Infektionsweise. Krankbheits- bild beim Menschen. Aktinomykose bei Tieren. Diagnose. - Streptotricheen-Erkrankungen. 40. VORLESUNG: Geschichtliches. Rotz des Menschen. Rotz des Pferdes. Der Rotz- bazillus. Diagnose. Malleinreaktion. Serumreaktionen. Epidemiologie. Prophylaxe und Bekämpfung. Immunität. Chemotherapeutische Versuche. 41. VORLESUNG: ee a a a N a Geschichtliches. Vorkommen der Tuberkulose bei Mensch und Tier. Der Tuberkelbazillus. Tuberkelbildung. Rindertuberkulose. Menschen- pathogenität des Typus bovinus. Geflügeltuberkulose. Kaltblütertuber- ‘kulose. Pseudotuberkelbazillen. Variabilität der Typen. Formen der menschlichen Tuberkulose. Infektionswege. Tuberkelbazillenbefunde im a* Seite 675 683 703 _ IV Inhaltsverzeichnis. Blut. Miliartuberkulose. Bedeutung der Mischinfektionen. Besonderheiten der Kindertuberkulose. Diagnose. Übertragung. Kontaktinfektion. Stäub- chen- und Tröpfcheninfektion. Übertragung durch Nahrungsmittel. Infektionsgelegenheit. Vererbung. Disposition. Tuberkulosehäufigkeit der einzelnen Lebensalter. Immunität. Die verschiedenen Tuberkulinpräparate und deren diagnostische und therapeutische Verwendung. Klinische Ver- wertung der Immunitätsreaktionen. Aktive und passive Immunisierungs- methoden. Chemotherapie. Soziale Bedeutung der Tuberkulose. Tuber- kulosebekämpfung. 42. VORLESUNG: PEST Ra RR Baer Pa ur N ee a Geschichtliches. Ausbreitung. Der Leprabazillus. Klinische Erschei- nungen. Fundorte der Leprabazillen beim Kranken. Allgemeine Pathologie. Mikrobiologische REN: Epidemiologie. Bekämpfung. Therapie. 43. VORLESUN G: Allgemeines: über Spirochäten und Spirochätenkrankheiten EL Einteilung der Spirochäten. Morphologie. Beweglichkeit. Kultur. Über- tragung durch Zwischenträger. Systemstellung. Chemotherapie der Spiro- chätenkrankheiten. 44. VORLESUNG: Rückfallfieber (Febri is a) ee TER > BE Verbreitung und Geschichtliches. Krankheitsbild. Obduktionsbefund, ‘Die Rekurrensspirochäten:. Deren Verhalten innerhalb und außer- halb des Organismus. Züchtung. Tierpathogenität. Übertragung. Immunität. Wirkungen des Immunserums. Chemotherapie. 45. VORLESUNG: Spirochätenkrankheiten der Tiere. .... . . ek ee a; 1. Spirochätose der Gänse. 2..Hühnerspirochätose. 3. Spirochätosen desRindes, des Pferdes und des Schafes. 4. Kaninchenspirochätose. 5. Spirochäten bei Mäusen. Anhang: Rattenbißkrankheit. -46. VORLESUNG Weilsche Krankheit (Icterns infectiosus) . 22.2.0. ‚Geschichtliches. Krankheitsverlauf. Obduktionsbefund. Ätiologie. Spirochaeta ieterogenes. Diagnose. Epidemiologie. Immunität. Be- kämpfung. : Anhang: En sskiäher Seite 775 192 799 815 828 Re VORLESUNG: "Geschichtliches. Krankheitsbild. Obduktionsbefund. Ätiologie. Die kospira ietelroides. Übertragung durch Stegomyia calopus. Verhalten des Virus in der Mücke. Epidemiologie und Ausbreitung. Immunität. Bekämpfung. 48, . VORLESUNG: Spirochäten bei Plaut-Vincentscher Angina, Stomatitis ulcerosa, 6in- givritis pyorrhoica und Alveolarpyorrhoe. .. . . ER R Plaut-Vincentsche Angina. Klinisches Bild. Fusiforme Bazillen Vincents. Spirochäten- . befunde. Stomatitis ulcerosa. 3 Gingivitis pyorrhoica und Alveolarpyorrhoe. 49. VORLESUNG: Fr: Syphilis und Framboesie ER EEE ER ee : 57% > 1 £ L Syp hilis. =: = Geschichtliches. Suirohkatn pallida. Morphologie. Färb- E: barkeit und Verhalten in der Kultur. Fundorte beim Kranken. En Nachweis. Differentialdiagnostische Merkmale. Affensyphilis. 4 Kaninchensyphilis. Immunität. Serumdiagnostik. Ausführung der Wassermannschen Reaktion nnd Beurteilung ihrer Ergebnisse. Modifikationen. Wesen der Wassermannschen Reaktion. Aus- flockungsreaktionen. Diagnostische und klinische Bedeutung der . Seruitnreaktion und ihre Beeinflussung durch die Therapie. ‚ Spezifische Schutz- und ‚Heilmethoden. Bekämpfung der Syphilis. ei = 2,8 ni ne H. Framboesie. Krankheitserscheinungen. Treponema pertenue. Erfolge der BAECHEBBnFh.OERDIS, ‚50. VORLESUNG: chemotherapeutischen Probleme mit besonderer a der Chemotherapie der Syphilis: - . »- . ae RR Ehrlichs grundlegende Arbeiten. Therapia magna sterilisans. Etappen- . behandlung. Parasitotropie' und Organotropie, Wirkungsprüfung chemo- therapeutischer Mittel. Chemotherapie und Antikörperbildung. Salvarsan, seine Wirkungsweise und Anwendung bei Syphilis.“ Neosalvarsan, Silbersalvarsan, -"Nedsilbersalvarsan‘ und andere Salvarsan- präparate. "Neuere: ee SEE bei anderen Infektionen. : -- © - 222 SESDUsSER 857 863 919 VI Inhaltsverzeichnis. 51. VORLESUNG: Die wichtigsten morphologischen und biologischen Merkmale der Pro- N RE El TE ET RE NE Geschichtliches. Größe und Formen der Protozoen. .Systemstellung. Lebensweise. Bau der Protozoenzelle. Fortpflanzung. Lebensbedingungen. Einteilung der parasitischen Protozoen. Art der pathogenen Wirkung. Anpassungsvermögen. Immunität. Beziehungen zur Zellularpathologie. Systemeinteilung der Protozoen. 52. VORLESUNG: KsshenüyeemterB. 1:0... ee ee Se Geschichtliches. Klinisches Bild. Obduktionsbefunde Die Ruhr- amöben. Unterscheidung von der Amoeba coli. Dauerformen. Künst- liche Züchtung. Tierpathogenität. Diagnose. Epidemiologie. Prophylaxe. 53. VORLESUNG: Übersicht über die Morphologie und Biologie der Flagellaten, im be- sonderen der Trypanosomen. ..- -... 2. rn. ren. Begriffsumgrenzung. 1. Trypanoplasma. 2. Trypanosominae. — Allgemeine Morphologie der Trypanosomen. Allgemeine Biologie. Art- unterscheidung. Verlauf der Trypanosomeninfektionen: 54. VORLESUNG: Trypanosomenerkrankungen des Menschen... .... 1. Die afrikanische Schlafkrankheit. Geschichtliches und Verbreitung. Ätiologie. Krankheitser- scheinungen. Obduktionsbefunde. Zusammenhang zwischen Blut- trypanose und Schlafkrankheit. Trypanosoma gambiense. Diagnose. Therapie. Bekämpfung. 2. Rhodesiafieber. Trypanosoma rhodesiense. 3. Chagaskrankheit. Schizotrypanum Cruzi. 4. Leishmaniosen. Kala-azar. Krankheitsbild. Leishmania Donovani. Übertragung. Diagnose. Leishmaniosisinfantum. Leishmania infantum. Übertragung. Orientbeule. Leishmania tropiea. Übertragung. Leishmanienähnliche Gebilde beianderen Infektionen. Anhang: Parasitische Flagellaten der Körperhöhlen. Triehomonas vaginalis.. Trichomonas intestinalis. Lamblia intestinalis. Cercomonas hominis. Monas. Bodo urinarius. Seite 949 974 986 999 Inhaltsverzeichnis. vII 55. VORLESUNG: .° Seite Trypanosomenkrankheiten der Tiere . -. -. .. 2. 2.22.22... 1025 SE = a. nd os m ww Tse-tse-Krankheit. Geschichtliches. Krankheitsbild. Trypanosoma Brucei. Über-- tragung. Entwicklung der Trypanosomen in den Glossinen. Epi- demiologie. Immunität. Bekämpfung. Behandlung. . Surra. Trypanosoma Evansi. . Mal de Caderas. Trypanosoma equinum. . Dourine. Trypanosoma equiperdum. . Infektionen ‚mit Trypanosoma dimorphon und ver- . wandten Flagellaten. . Infektionen mit Trypanosoma Cazalboui (Trypanosoma vivax) und verwandten Flagellaten. Anhang: Befunde apathogener Trypanosomen bei Tieren. -I. Trypanosomen bei Säugetieren. Rattentrypanosomen (Trypanosoma Lewisi). Trypanosomen bei Hamstern und anderen Nagetieren. Trypanosoma Theileri. Riesentrypanosomen der Wiederkäuer. Schaftrypanosomen. Trypanosomen bei anderen Säugetieren. - Il. Trypanosomen bei Kaltblütern. II. Trypanosomen der Vögel. 56. VORLESUNG: re ne NEE En . „1051 Die Kokzidien und deren Pathogenität. Kaninchenkokzidiose. Kok- zidien bei Rindern, Schafen und Ziegen. Geflügelkokzidiose. Kokzidien- befunde beim Menschen. 57. VORLESUNG: Geschichtliches. Verbreitung. Volkswirtschaftliche Bedeutung. Die Malariaparasiten. Der Entwicklungsgang im menschlichen Blut. Der Parasit der Febris tertiana. Der Parasit der Febris quartana. Der Parasit des Tropenfiebers. Feinere Struktur. Kulturversuche. Beob- achtung der lebenden Parasiten. Entwicklungsgang in der Stechmücke. Übertragung der Malaria durch Anopheles. Klinische Erscheinungen. Schwarzwasserfieber. Mischinfektionen. Rückfälle. Chronische Malaria. Larvierte Malaria. Obduktionsbefunde. Diagnose. Epidemiologie. Immu- nität. Prophylaxe. Bekämpfung. Therapie. Malaria bei Tieren, VIO Inhaltsverzeichnis. 58. VORLESUNG: PIESPISSTROBER 4. a a er 3.3» . 1108 Abgrenzung. Biologische Eigentümlichkeiten der Piroplasmen und Übertragung durch Zecken. Allgemeine Biologie und Morphologie der Zecken. 1. Texasfieber oder Hämoglobinurie der Rinder. a Pe ww DD Verbreitung und Ätiologie. Das Piroplasma bigeminum und dessen Entwicklung in der Zecke. Krankheitsbild. Diagnose. Epidemiologie. Übertragung. Chemotherapie. Schutzimpfung. Be- kämpfung. . Piroplasmose des Hundes. . Pferdepiroplasmose. . Piroplasmose der Schafe. 3 Küstenfieber der Rinder und Pseudoküstenfieber. Verbreitung des Küstenfiebers. Das Piroplasma parvum. Krankheitsverlauf und Obduktionsbefund. Übertragung. Immunität. Bekämpfung. — Pseudoküstenfieber. Piroplasma mutans. . Sogenannte tropische Piroplasmose. Piroplasma annulatum. 7. Piroplasmen bei anderen Säugetieren. . Piroplasmen beim Menschen. 59. VORLESUNG: Allgemeines über sog. „filtrierbare* Krankheitserreger : ....... Geschichtliches. Charakterisierung der filtrierbaren Erreger. Bau und Wirkung der Bakterienfilter. Methodik der Filtrationsversuche. : Ultra- Membranfilter. Natur der filtrierbaren Infektionserreger. Ein- “ "schlüsse. Chlamydozoen-Strongyloplasmen, ihre Färbung, Mor- ' phologie, Biologie, Kultur. Ihre Eintrittspforten und Zwischenwirte. Affinität zu bestimmten Körpergeweben. Das bakteriophage Virus d’Herelles. Immunität. F filter. 60. VORLESUNG: Pappataci- und Denguelleber. „u... 2 ae Fr Pappatacifieber. Geschichtliches. Krankheitsbild. Das Krankheits- . virus und dessen Übertragung durch Phlebotomus papatasii. Im- munität. Prophylaxe. Verwandte Fieberarten. Denguefieber. 61. VORLESUNG: Tollwut (Lyssa) en 2 ee ee N Geschichtliches. Verbreitung der Wut. Lyssa der Tiere. Lyssa des Menschen. Abortivfälle. Obduktionsbefunde. Ätiologie. Negrische Kör- ne Inhaltsverzeichnis. IX \ en x Seite perchen. Sonstige Befunde. Kultur des Erregers. Tierversuche. Infek- tionswege. Resistenz und Infektiosität des Virus. Diagnose. Prophylaxe. - Die Schutzimpfung und deren Erfolge. Wesen und Dauer der Immunität. E De Therapie. 62. VORLESUNG: Geschichtliches. Krankheitsverlauf. Atypische und abortive Fälle. Obduktionsbefunde. Ätiologie und Tierversuche. Virusbefund beim Tier. Filtrierbarkeit des Virus. Kulturversuche. Einschlüsse. Resistenz des Virus. Pathogenese. Epidemiologie. Diagnose. Immunität. Serumdiagnostik. Schutzimpfung und Serumtherapie. Bekämpfung. 63. VORLESUNG: ‚Geschichtliches. Empfänglichkeit der Menschen und Tiere. Kuhpocken. Pferdepocken. Klinisches Bild der Variola vera beim Menschen. Variolois. Komplikationen. Obduktionsbefunde. Differentialdiagnose. Paulscher Kornealversuch. Der Pockenerreger. Guarnierische Körperchen und andere Befunde. Kulturversuche, Resistenz, Fundorte und Übertragung ' des Pockenvirus. Variolation. Vakzination und Revakzination. Erfolge | der Schutzimpfung. Impfstoffgewinnung. Angebliche Impfschädigungen. ; Trockenlymphe. Lapina. Verlauf der Pockenimpfung beim Affen. Immunität. Bekämpfung und Verhütung von Pockenepidemien. 64. VORLESUNG: el 2 u ee a 1210 Eigenschaften des Virus. Krankheitsbild beim Tier. Epidemiologie. DA RE ET ee re ni \ Trachomkörperchen und ihre Deutung. Einschlußkörperchen bei anderen Krankheiten. Molluscum contagiosum. F Krankheitsbild beim Menschen. Diagnose. Bekämpfung. Immunität. E: Schutzimpfung. r 65. VORLESUNG: r Trachom. — Molluscum contagiosum. — Verrucae. . -........ 1218 Fe Verrucae. 66. VORLESUNG: SE Krankheitsbild. Ätiologie. Übertragung auf Tiere. Natürliche Über- tragung. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. b Kae: Inhaltsverzeichnis. 67. VORLESUNG: Seite Rinde Eee Re er Wesen und Verbreitung. Krankheitsbild. Obduktionsbefund. Über- tragung. Das Rinderpestvirus. Immunität und Schutzimpfung. Heil- ‘ wirkung des Immunserums. 68. VORLESUNG: Durch filtrierbare Erreger bedingte tierische Infektionskrankheiten . . 1234 1. Schweinepest. ei Lungenseuche des Rindes. . Afrikanische Pferdesterbe. . Perniziöse Anämie der Pferde. . Bornasche Krankheit der Pferde. . Schafpocken. . Hundestaupe. . Geflügelpest (Hühnerpest). . Geflügelpocken (Epithelioma contagiosum). . Geflügeldiphtherie. Mo LT) . Hühnerleukämie. 69. VORLESUNG: VIrokDaher a ee ea er sr 1247 Geschichtliches. Krankheitsbild. Obduktionsbefunde. Differential- diagnose. Ätiologische Forschungen. Weil-Felixsche Reaktion. . Tier- versuche. Rickettsia Prowazeki. Epidemiologie. Bekämpfung. Mor- phologie und Biologie der Kleiderlaus. Entlausungsmaßnahmen. Immu- nität und Schutzimpfung. Therapie. | 70. VORLESUNG: | Fünftagefieber (Werner-Hissche Krankheit) . ....... Ba. 1287 ' Krankheitsverlauf. Ätiologie. Immunität. Epidemiologie. ‚Bekämpfung. Therapie. 71. VORLESUNG: Infektionskrankheiten, deren Ätiologie noch ungeklärt ist... . . .. - 1292 Masern. Scharlach. Röteln. Die sog. Vierte und Fünfte Krankheit. Infektiöse Parotitis. Noma. Pemphigus neo- natorum. Impetigo contagiosa. Gelenkrheumatismus. Beri- Beri. Pellagra. Skorbut. Inhaltsverzeichnis. E xI 72. VORLESUNG: | Seite. _ Bedontune der Fadenpilze nnd Sproßpilze RE NR ER N TE 1306 Fe Erkrankungen durch Faden-(Schimmel-)pilze. Favus. Tricho- = ophytie. Mikrosporie. Pityriasis versicolor. Soor. Aspergillus- Mykose. Sporotrichose. en. der Sproßpilze. 2. VORLESUNG: Ätiologie und Verbreitung. Krankheitsbild. Obduktionsbefunde. Mor- . _ phologie und Biologie des Ankylostoma duodenale. Epidemiologie und Verbreitungsweise. Infektion durch die Haut. Bekämpfung. Therapie. 24. VORLESUNG: Geschichtliches. Verbreitung. Ätiologie. Entwicklungskreislauf der Trichinellen. Krankheitsbild. Diagnose. Therapie. Prophylaxe. 75. N Einteilung der Filarien. 1. Filaria Bancrofti. 2. Filaria loa. 3. Filaria (Acanthocheilonema) perstans. 4. Filaria Demar- quayi.. 5. Filaria s. Onchocerca volvulus. 6. Filaria (Dra- eunculus) medinensis. =, VORLESUNG. _ Bilharziakrankheit SE RE oe EEE REES 1349 Ätiologie. Schistosomum haematobium und Sch. japonicum. Übertragung. Verbreitung. Obduktionsbefunde. Krankheitsverlauf. Dia- gnose. Therapie. Prophylaxe. = Un de a e te ei 38. VORLESUNG. Diphtherie. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß die Diphtherie bereits im Altertum ihre Opfer unter den Menschen gefordert hat. So erwähnt Hippokrates eine bösartige Form der Angina und sagt von ihr, daß sie besonders im Kindes- alter zu fürchten sei. Von manchen Autoren werden diese Angaben allerdings nicht auf Diphtherie bezogen. Auch Aretaeus von Kappadozien beschreibt eine Krankheit, die wohl im allgemeinen auf Diphtherie, wie wir sie heute abgrenzen, zutrifft. Sie wurde von ihm als ägyptisches oder syrisches Geschwür bezeichnet, weil sie in Syrien und Ägypten besonders verbreitet war und von hier aus gelegentlich nach Europa eingeschleppt wurde. Die erste Beschreibung einer Epidemie im westlichen Europa stammt aus dem Beginn des 6. Jahrhunderts. Von da ab scheint die Diphtherie in Europa nicht mehr verschwunden zu sein, wenn auch epidemische Ausbreitung mit epidemiefreien Zeiten häufig wechselten. Im Mittelalter erweckte die italienische Ärzteschule und später Morgagni das besondere Interesse der Ärzte an der Diphtherie. Gegen Ende des 16. und besonders im Anfang des 17. Jahrhunderts herrschte in Spanien eine sehr mörderische Epidemie, die vornehmlich Kinder, aber auch Er- wachsene ergriff und unter der Bezeichnung „morbo soffocante“ bei den italienischen Ärzten vielfach Erwähnung findet. Klinisch und pathologisch-anatomisch wurde die Diphtherie zuerst von dem _ englischen Arzte Sydenham genauer studiert. Seine Beschreibungen passen allerdings zum Teil auch auf andere Krankheitsformen, die sicher mit der Diphtherie nichts zu tun haben. Er faßte die Krankheit als eine rein lokale Affektion des Rachens auf und mußte an dieser irrigen Meinung scheitern, als er ein klinisches Bild der Diphtherie entwerfen wollte. Auch im Laufe des 17. und 18. Jahrbunderts ist man in der Erforschung nicht viel weiter gekommen. Es lag das vor allem daran, daß man die Angina maligna und den sogenannten Krupp voneinander trennen wollte. Erst Bretonneau war es vorbehalten, die Zusammengehörigkeit und ätiologische Einheit beider Krankheiten nach dem damaligen Stande der Wissenschaft zu be- weisen. Er bezeichnete die Krankheit, die wir heute Diphtherie nennen, als Diphtheritis, d.h. eine Entzündung der öpdssz (Gerbhaut), die sich bei den diphtherischen Er- - krankungen des Rachens und Larynx bildet. Bretonneau erkannte auch, daß die sogenannte „Scharlachdiphtheritis“ eine andere Ätiologie hat und von der echten - Diphtherie abzugrenzen ist, und faßte sie bereits als eine Begleiterscheinung der Scharlachinfektion auf. Trousseeu führte zuerst das Wort „Diphtherie* ein und - brachte dadurch zum Ausdruck, daß es sich nicht um einen lokalen Prozeß, um die Entzündnng einer auf der erkrankten Schleimhaut gebildeten Membran handle, sondern um eine allgemeine Erkrankung, die ihre Eintrittspforte im Rachen hat. Er kam schon zu der richtigen Auffassung, daß von dieser Eintrittspforte aus die supponierten Erreger in die Schleimhaut und in die Tiefe des Gewebes der Tonsillen eindringen und von hier aus durch ihre Giftwirkung das Krankheitsbild der Diph- therie hervorrufen. Auf die raschen Fortschritte, welche die pathologische Anatomie im 18. und 19. Jahrhundert machte, ist es wohl zurückzuführen, daß das über der Diphtherie lagernde Dunkel während dieser Zeit vorwiegend von den Anatomen zu lichten versucht wurde. Es entstand um diese Zeit ein Streit über das Zustandekommen Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 42 F Geschicht- liches. 638 38. Vorlesung. der diphtherischen Membran. Die Pathologen, namentlich Virchow, wollten Unter- schiede zwischen den bei Krupp und den bei Diphtherie gebildeten Membranen festgestellt haben und befürworteten daraufhin aufs neue eine Trennung beider Krankheitsprozesse. Virchow unterschied bekanntlich 3 Entzündungsformen, die katarrhalische, die kruppöse und die diphtherische. Bei der kruppösen Form der Entzündung bilden sich leicht ablösbare Membranen, während bei der diphtherischen die Membranen mit der Unterlage zusammenhängen, so daß sie nur mit Gewalt unter Trennung der Gewebskontinuität losgelöst werden können. Das Spezifische der diphtherischen Entzündung sollte die Nekrose der Schleimhaut vor der Membran- bildung sein, während die kruppösen Membranen im wesentlichen durch eine Aus- schwitzung von Fibrin zustande kommen. Diese Trennung von Krupp und Diphtherie, die vom rein pathologisch-anatomischen Standpunkte aus gerechtfertigt erscheinen mag, kann heute nicht mehr aufrecht erhalten werden. Schon bevor R. Koch die festen Nährböden entdeckt hatte, suchte man ex- perimentell an Tieren die Frage zu klären, inwieweit die Entstehung der kruppösen oder diphtherischen Entzündung verschiedenen Krankheitsformen beim Menschen - entspricht, aber diese Versuche haben ebensowenig zur Entscheidung der pathologiseh- anatomischen Streitfrage geführt, wie sie die Ätiologie der Krankheit aufgeklärt haben. Man war im Gegenteil auf Grund dieser Versuche eher geneigt, die Diphtherie gar nicht als eine spezifische Infektionskrankheit mit einheitlicher Ätiologie aufzu- fassen und ihre Entstehung vielmehr der Wirkung verschiedener Bakterien zuzu- schreiben. Daß dieser Standpunkt von den Klinikern lange verfochten wurde, geht aus den Verhandlungen des Kongresses für innere Medizin in Wiesbaden im Jahre 1883 hervor. C. Gerhardt faßte auf Grund der stattgefundenen Diskussion die An- schauungen der Mehrzahl der dort anwesenden Ärzte in die Worte zusammen, daß „nicht gerad& eine Pilzform, sondern daß mehrere Diphtherie erzeugen können und die Unterschiede der Erkrankungsformen wesentlich in diesen verschiedenen Pilz- formen begründet sind“. Um diese Zeit trat Klebs mit der Beobachtung an die Öffentlichkeit, daß in den Schnitten durch Diphtheriemembranen ziemlich konstant eigenartige Stäbchen gefunden würden. Es ist wohl kaum zweifelhaft, daß Klebs hier die Diphtherie- bazillen gesehen hat. Es war ihm bei dem damaligen Stande der Wissenschaft jedoch nicht möglich, ihre ätiologische Bedeutung zu beweisen. Diese wurde schon wahrscheinlicher, als es Koch gelang, die Morphologie dieser Stäbchen durch mikro- photographische Aufnahmen genauer zu präzisieren und dadurch gewisse differential- diagnostische Anhaltspunkte zu geben. Auf Kochs Anregung hin unternahm es Löffler, diese in den Diphtherie- membranen nachgewiesenen Stäbchen näher zu studieren und durch Benutzung der neuen Methoden ihre ätiologische Bedeutung nachzuweisen. Es gelang ihm im Jahre 1884 bei zahlreichen Fällen von Diphtherie, die gleichen Bakterien, die Koch in Mikrophotogrammen gefunden hatte, zu züchten. Er fand sie in typischen Fällen häufig in Reinkultur, meist aber daneben auch Streptokokken und andere Bakterien. Obwohl er durch Kontrolluntersuchungen bei Geflügel- und Kälberdiphtherie — Krankheiten, die von der menschlichen Diphtherie völlig verschieden sind — und bei andersartigen Erkrankungen des Menschen, z. B. der Scharlachdiphtherie, die Spezifizität des Diphtheriebazillus für die Diphtherie nachweisen konnte, drückte er sich doch über die ätiologische Bedeutung der Bazillen recht vorsichtig aus, weil er auch in der Mundhöhle gesunder Menschen durch das Züchtungsverfahren Diphtheriebazillen gefunden hatte. Die Nachprüfung dieser Angaben und das nähere Studium der Diphtherie haben die Löfflerschen Befunde durchaus bestätigt. Dadurch kann aber die ätiologische Bedeutung der Löfflerschen Bazillen für die Diphtherie nicht erschüttert werden. Ein weiterer Fortschritt in unseren Kenntnissen vom Wesen der Diphtherie wurde erzielt, als es Roux und Yersin sowie unabhängig von ihnen Löffler gelang, das krankmachende Agens der Diphtheriebazillen, das Diphtherietoxin, in flüs- sigen Kulturen nachzuweisen. Damit war Behring die Möglichkeit gegeben, durch zielbewußte Untersuchungen ein Heilmittel für diese Krankheit zu finden. Denn dieses, das Diphtherieantitoxin, kann nur dadurch gewonnen werden, daß Tiere mit dem Diphtherietoxin immunisiert werden. Durch die Erfolge, die das Diphtherie- antitoxin als Heilmittel erzielt hat, ist zugleich der Kreis der Beweisführung für die alleinige ätiologische Bedeutung des Diphtheriebazillus für die Diphtherie des Menschen geschlossen worden. Auf die Geschichte der Serumtherapie der Diphtherie soll später noch kurz eingegangen werden. ” } en er Diphtherie. 639 Die klinischen Erscheinungen und der Verlauf der Diphtherie sind sehr verschieden und in sel Linie natürlich vom primären Sitz der Infektion abhängig. . Weitaus am häufigsten ii die Rachendiphtherie. Baginsky unterschied 1. die einfache lokalisierte diphtherische Affektion, 2. die | _ diphtherische, durch Toxine bedingte Allgemeinerkrankung und 3. die septische Diphtherie. Eine strenge Auseinanderhaltung dieser drei Krankheitsformen ist nicht möglich, aber im großen und ganzen liefert auch heute noch diese Einteilung brauchbare Anhaltspunkte für die Besprechung des klinischen Verlaufes der Krankheit. Als weitere Form käme noch die maligne oder foudroyante Diphtherie hinzu. he Ya u a EA u Bei der einfachen lokalisierten diphtherischen Affektion pflegen die Allgemeinerscheinungen gering zu sein. Es besteht mäßiges Fieber und Pulsbeschleunigung. Die Patienten klagen über Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen und Halsschmerzen, namentlich beim Essen. Betrachtet man den Rachen, so zeigt sich ein grauweißer Belag, der bis in die Buchten der Tonsillen hineingeht. Meist finden sich auch an den Gaumenbögen und den angrenzenden Teilen des Pharynx Beläge, die nur unter Erzeugung von Blutungen und Substanzverlusten abzulösen sind. Die Lymphdrüsen des Halses sind leicht geschwollen. Sobald sich die Membranen von selbst abgestoßen haben. pflegt die Temperatur zur Norm abzufallen. Wir haben hier also das Bild einer verhältnis- mäßig leichten Erkrankung vor uns, die im wesentlichen nur lokale Erscheinungen setzt. Die leichten und leichtesten Formen der Diph- therie verlaufen nicht immer so typisch, sondern zuweilen unter Er- scheinungen der Angina folliceularis oder lacunaris und können nur durch die bakteriologische Untersuchung als echte Diphtherie diagnosti- ziert werden. Beider diphtherischen Allgemeinerkrankung ist das Fieber von Anfang an hoch. Der Kranke ist sehr unruhig und wird von Delirien gequält, der Puls ist stark beschleunigt. Die Lokalerschei- nungen sind viel stärker, der Prozeß hat von vornherein die Neigung, sich im ganzen Rachenraum und von dort auf den Larynx und die Nase auszubreiten (s. S. 640). Infolgedessen kommt es zu dyspnoischen Erscheinungen. Der Puls wird klein und unregelmäßig, es entsteht Atemnot und Zyanose, und durch Suffokation oder die Wirkung des Diphtherietoxins auf das Herz tritt der Tod ein. Bei der septischen Diphtherie ist das Krankheitsbild von vornherein noch erheblich schwerer. Die Beläge im Rachen breiten sich aus und zersetzen sich zu nekrotischen, stinkenden Gewebsfetzen, die unter Bildung von tiefgehenden Substanzverlusten an Tonsillen und Pharynx abgestoßen werden. Charakteristisch ist die Neigung zu Blutungen der Haut und der Schleimhäute. Das Wesentliche beim Zustandekommen der septischen Diphtherie ist die Wucherung und Mitbeteiligung von virulenten Streptokokken zunächst in den Tonsillen. Die Streptokokken, die entweder zusammen mit den Diphtheriebazillen auf die Mandeln übertragen wurden oder auf diesen bereits vorhanden waren, als die Diph- therieinfektion erfolgte, dringen in dem durch die Diphtheriebazillen und deren Toxine - geschädigten Gewebe in die Tiefe vor. Die nächstgelegenen Drüsen werden infiziert, und häufig kommt es, wenn die Widerstandsfähigkeit des Körpers durch die Wir- kung des Diphtherietoxins mehr und mehr gebrochen ist, zu einer allgemeinen Sepsis. Die Streptokokken werden durch das Blut in alle Organe des Körpers ver- 42* Klinische Formen der Diphtherie. Rachen- diphtherie. Nasen- diphtherie. Diphtherie- erkrankun- gen anderer Schleim- häute. 640 38. Vorlesung. breitet und vermehren sich in ihnen. Seit der Anwendung des Diphtherie-Heilserums werden diese septischen Diphtherieerkrankungen seltener beobachtet. Man kann daraus wohl den Schluß ziehen, daß die Widerstandsfähigkeit des Körpers größer bleibt, wenn die Gifte des Diphtheriebazillus durch dis Diphtherie-Antitoxin abge- Bea dee _. und daß dadurch das Eindringen der Streptokokken ins Blut ver- indert wird. Beim Zustandekommen der sogenannten foudroyanten Diph- therie oder Diphtheria gravissima sind zweifellos mehrere Fak- -toren, die gleichzeitig zusammentreffen, beteiligt: sehr virulente und: stark Toxin erzeugende Diphtheriebazillen, Mischinfektion mit viru- lenten Streptokokken und endlich eine starke Empfänglichkeit der infizierten Individuen für die Diphtherietoxine. Diese maligne Diphtherie verläuft sehr rasch, zuweilen unter dem Bilde der hämorrhagischen Diathese, und führt zu Blutungen aus den Schleimhäuten des Mundes, Rachens und der Nase. Die direkte Todesursache pflegt Herzstill- stand zu sein. Eine sehr häufige und gefährliche Komplikation stellt die Aus- breitung des Diphtherieprozesses auf Larynx und Trachea dar; durch die Membranbildung und Schwellung der Kehlkopfschleimhaut treten dann oft sehr bedrohliche Erscheinungen der Larynxstenose auf. Wenn durch Ausdehnung des diphtherischen Prozesses per continuitatem oder durch Aspiration bazillenhaltigen Materials auch die feineren Ver- ästelungen im Bronchialbaum infiziert werden, bilden sich kleine bronchopneumonische Herde, die über die ganze Lunge verteilt oder auf einzelne Lappen beschränkt sein können. Die diphtherische Lungenerkrankung führt fast stets zum Tode. “ Die Eintrittspforte der Diphtheriebazillen liegt aber nicht immer im Rachen, sondern häufig auch in der Schleimhaut der Nase. Auch bei der Nasendiphtherie kommt es oft zur Bildung dicker Membranen, weshalb man diese Erkrankungsform auch als Rhinitis fibrinosa bezeichnet hat. Bei Kindern ist die diphtherische Rhinitis außerordentlich gefürchtet, weil sie nicht nur als akutes Leiden eine erhebliche Mortalität aufweist, sondern häufig auch zu einem chronischen Verlaufe neigt. Die Nasendiphtherie braucht aber keineswegs immer schwere Erscheinungen zu bedingen. Die systematischen bakteriologischen Untersuchungen, die in neuerer Zeit in der Umgebung von Diphtherie- kranken ausgeführt wurden, haben gezeigt, daß sehr häufig auch eine leichte, unter dem Bilde des Schnupfens verlaufende Nasenerkrankung ätiologisch durch den Diphtheriebazillus bedingt sein kann, und ferner, daß ein solcher Schnupfen gar nicht selten der Rachendiphtherie vorausgeht. Nicht nur bei Kindern kommt dies vor, sondern auch bei Erwachsenen. In Epidemiezeiten wird das allgemeine Krankheitsbild, das in der Regel doch schwerere Allgemeinerscheinungen aufweist, als sie dem gewöhnlichen Schnupfen zukommen, hier einen Diphtherie- verdacht begründen. Auf die epidemiologische Bedeutung dieser leichten Fälle von Nasendiphtherie werden wir später zurückkommen. Vom Rachen kann der Diphtherieprozeß auf die Mundhöhle über- greifen und damit zur Stomatitis diphtherica führen. In schweren Fällen überziehen die Beläge den ganzen weichen Gaumen. Auf der Schleimhaut der Wangen und der Lippen und ebenso auf der Zunge können sich kleinere oder größere diphtherische Beläge bilden, die anfangs wie zarte speckige Auflagerungen aussehen und später dicke, h Diphtherie. 641 graugrün verfärbte Membranen darstellen. Das Zahnfleisch bleibt in ‚der Regel frei. Die Diphtherie der Mundhöhle hat meist einen süßlichen foetor ex ore und einen erheblichen Speichelfluß zur Folge. Die Diphtherie des Ohres entsteht dadurch, daß Diphtherie- n durch die Tuba Eustachii in die Paukenhöhle vordringen. ar Ohrenschmerzen und Gehörstörungen, bei Fällen, in denen die % Erscheinungen der Rachendiphtherie schon in der Rückbildung begriffen waren, unter Neuanstieg des Fiebers kommt es zunächst zu einer _ serösen Absonderung, später zu einer eiterigen Entzündung der Pauken- E höhlenschleimhaut, die zum Durchbruch des Trommelfells und zur Ab- - sonderung eines diphtheriebazillenhaltigen, serös-eitrigen, mitunter blutig - gefärbten Ausflusses führt. Durch die Perforätionsöffnung kann man mitunter Pseudomembranen in der Paukenhöhle feststellen. Durch den _ Ausfluß kann auch die Haut des Gehörganges und der Öhrmuschel infiziert werden. In selteneren Fällen kommt die diphtherische Er- krankung des äußeren Ohres durch Infektion von außen zustande. Verhältnismäßig selten ist die Diphtherie der Konjunktiva. Sie entsteht, wenn diphtheriebazillenhaltiges Material direkt von den an Rachen- oder Nasendiphtherie leidenden Kranken mit unsauberen Fingern in den Konjunktivalsack eingerieben oder durch Hustenstöße auf die Bindehaut Gesunder übertragen wird. Zunächst pflegen dann auf der Conjunctiva palpebralis unter zunehmender Rötung und Schwellung zarte Auflagerungen zu entstehen, die sich allmählich in typische Membranen verwandeln. Der Prozeß kann beim Ausbleiben sachgemäßer Behandlung die gesamte Schleimhaut des Konjunktivalsackes überziehen und — namentlich beim Hinzutreten von Mischinfektionen — durch Nekrose zu tiefen Substanzverlusten und zu den schwersten Folgeerscheinungen für das ganze Auge führen. Als weitere, immerhin seltene Schleimhautinfektion ist noch die Diphtherie der Genitalschleimhäute zu erwähnen. Sie wird relativ am häufigsten auf der Vulva kleiner Mädchen, mitunter aber auch auf dem männlichen Präputium beobachtet. Es bilden sich linsen- bis mark- stückgroße Geschwürsflächen, die mit Pseudomembranen bedeckt sind _ und in ihrem Sekret massenhaft Diphtheriebazillen enthalten. An den - Labien und anderen Stellen, wo Schleimhäute aneinander liegen, kommt - es meist zu korrespondierenden Geschwüren an der gegenüber- liegenden Stelle. In sehr seltenen Fällen ist schließlich eine Diphtherie der Magen- - und Darmschleimhaut nachgewiesen worden mit Bildung ausgedehnter E Membranen. Diese Infektion kommt durch Verschlucken diphtherie- - bazillenhaltiger Sekrete zustande und wird wohl ausnahmslos nur als _ Obduktionsbefund erkannt. Wir kommen nunmehr zur Haut- und Wunddiphtherie. Die ® - Diphtheriebazillen können sich auf allen Hautstellen ansiedeln, die durch _ Rhagaden, Ekzeme, Intertrigo, Kratzen oder ähnliche Schäden von ihrem Epithel entblößt sind. Ein prinzipieller Unterschied zwischen Haut- und 4 Wunddiphtherie besteht also nicht (Biberstein). Es bilden sich zunächst - häufig Bläschen, die platzen, und dann mehr oder weniger ausgedehnte _ Geschwüre mit grauen, speckigen Belägen und Membranen der gleichen R Art, wie wir sie bei der Schleimhautdiphtherie sehen. Ebenso wie bei der Haut- und Wund- diphtherie. 642 38. Vorlesung. Rachendiphtherie beruht auch die krankmachende Wirkung der in Hautdefekte eingedrungenen Diphtheriebazillen auf der Bildung des spezifischen Toxins. Histologisch besteht das Krankheitsbild, das experi- mentell auch durch Einreiben von bakterienfreiem Diphtheriegift hervor- gerufen werden kann, in Nekrose und Leukozytenansammlung, während Fibrinausscheidung stets fehlt (Jaffe und Schloßberger). Die eigentliche Hautdiphtherie wird fast nur bei Kindern beobachtet, und zwar vorwiegend bei kleineren Kindern. Die nächst- gelegenen Lymphdrüsen sind meist geschwollen. Wenn große Flächen erkranken, kann es zu hochgradigen Vergiftungserscheinungen durch die resorbierten Diphtherietoxine kommen. Im Anschluß an ausgedehntere Hautinfektionen können auch diphtherische Lähmungen auftreten, die oft in den dem Krankheitsherde benachbarten Muskeln beginnen (Joch- mann). Recht häufig tritt die Hautdiphtherie, worauf zuerst Lande hin- gewiesen hat, in Form einer akuten ekzemartigen Erkrankung, und zwar mit Vorliebe in der Ohrgegend auf. Biberstein bezeichnet dieses Krank- heitsbild, das nur auf Grund einer genauen bakteriologischen Unter- suchung richtig zu erkennen ist, als Diphtheria eccematosa. Während bei der eigentlichen Hautdiphtherie die spezifischen Erreger durch kleinste Epithelläsionen in das Gewebe eindringen, ent- steht die Wunddiphtherie auf dem Boden einer vorausgegangenen groben Verletzung der Haut und befällt demnach oft auch tiefere (Gewebspartien. Daß auch trotz einwandfreier Wundbehandlung, trotz Verwendung gut sterilisierter Verbandstoffe und bei geübtem Krankenpflegepersonal die Wunddiphtherie in dicht belegten Krankenhäusern an Boden ge- winnen kann, lehren die Wunddiphtherieepidemien, die noch in neuerer Zeit mehrfach beobachtet wurden. Die Herkunft der die Wunde infizierenden Diphtheriebazillen kann nach den Beobachtungen von Weinert eine verschiedene sein. Bei manchen Kranken trat die Wund- diphtherie im Anschlusse an ein Bad auf, so daß die Annahme der Infektion durch von Wunddiphtheriekranken infiziertes Badewasser gegeben war, bei anderen Kranken war der Infektionstoff durch die Hände in die Kratzwunden der Haut gelangt, hatte dort eine Haut- diphtherie verursacht und war beim Verbandwechsel auf die Wundfläche übertragen. Auch Infektionen beim Verbandwechsel durch ungeübtes Wartepersonal scheinen relativ häufig zu sein, sobald Wunddiphtherie erst einmal in einem Lazarett aufgetreten ist. Wichtig ist, daß viele von Wunddiphtherie ergriffene Verwundete gleichzeitig Rachendiphtherie hatten oder Diphtheriebazillen in ihrem Rachen beherbergten. Die Infektion der Wunden oder benachbarter Hautpartien könnte hier also auch durch Hustenstöße beim Verbandwechsel herbeigeführt sein. -Die Wunddiphtherie zeigt nach Weinert zwei Hauptformen: 1.eine oberflächliche kruppöse und 2.eine diphtherisch-nekro- tisierende mit Tiefeninfiltration. Zwischen beiden kommen Übergänge vor. Unter den Pseudomembranen der oberflächlichen Form, die bei frischen Erkrankungen überwiegt, finden sich Granulationen, auf denen sich die Pseudomembranen, wenn sie entfernt werden, immer wieder bilden. Bei der Tiefenform sieht man eine von der Oberfläche in die Tiefe fortschreitende Nekrose und eine ödematös-gallertige Durchtränkung der Gewebe. Die grau aussehende Wundfläche sezerniert reichlich. . Diphtherie. 643 Bei dieser nekrotisierenden Form kommt Gangrän größerer Teile der - Wundränder und der tieferen Gewebe fast regelmäßig vor. Nieter unter- suchte die Pseudomembranen und die nekrotisierten Massen und fand - in den oberflächlichen Schichten vorwiegend Kokken, in den tieferen Diphtheriebazillen. Hetsch und Schloßberger prüften eine Anzahl der - aus Wunddiphtheriefällen gezüchteten Kulturen und stellten fest, daß sie sich hinsichtlich der Giftbildung, der Meerschweinchen- und Mäuse- pathogenität und des Verhaltens gegenüber dem Diphtherieantitoxin im Tierversuch genau ebenso verhielten wie die aus Rachenmembranen diphtheriekranker Kinder gewonnenen Stämme. der Lymphdrüsen und ödematöse Schwellung des ergriffenen Gliedes an. Die übrigen klinischen Erscheinungen bestehen in Fieber, Brennen und Schmerzen an der Wunde und mehr oder weniger schweren Allgemein- symptomen. Stärkere Fieberbewegungen und schwere Vergiftungs- symptome fehlen aber häufig, namentlich dann, wenn dieWunde reichlich _ sezerniert; offenbar werden dann wenig Toxine resorbiert. Der meist gutartige Verlauf der Wunddiphtherie beruht zum Teil aber auch auf dem schlechten Resorptionsvermögen der Granulationen (V. Hofmann u. a.). Die Serumtherapie in Form der subkutanen Injektionen und der lokalen Anwendung des Diphtherieserums führt bei der Mehrzahl der Wunddiphtheriekranken rasche Besserung der Wunden und des Allge- meinbefindens mit Heilung herbei. Ob bei den Fällen, in denen die spezifische Behandlung versagt, die Mischinfektion oder die zu große Dosis resorbierten Diphtherietoxins Ursache des Mißerfolges ist, ist noch nicht genügend geklärt. Wahrscheinlich trifft beides zusammen. Durch die Untersuchungen zahlreicher Autoren (Lubinski, Prausnitz - und Franz, Rohde u.a.) ist festgestellt worden, daß bei vielen Er- - krankungsfällen, die klinisch als typische Wunddiphtherie aufgefaßt werden mußten, in dem Wundsekret und den Krankheitsprodukten keine echten Diphtheriebazillen gefunden werden, sondern nur diphtherie- ähnliche Stäbchen, die sich vom Zöfflerschen Bazillus durch ihre - mangelnde Meerschweinchenpathogenität und durch ihr Verhalten gegen- - über bestimmten Kohlehydraten (Lubinski) unterscheiden. Diese Fälle, - bei denen naturgemäß die Serumbehandlung versagt, werden zweck- mäßig nach dem Vorgang Brunners als „Wunddiphtheroid“ be- - zeichnet im Gegensatz zur echten, durch Löfflersche Bazillen bedingten _ Wunddiphtherie. - — — — Exantheme gehören nicht zum eigentlichen Krankheitsbilde der - Diphtherie, kommen aber hin und wieder in Gestalt flüchtiger masern-, - scharlach- oder urtikariaähnlicher Ausschläge vor. Sie treten im akuten - Stadium, meist am 2.—4. Krankheitstage, auf und pflegen sehr bald wieder zu verschwinden. Von den Serumexanthemen (S. 232) sind sie F zen streng zu trennen; sie werden auch bei Kranken beobachtet, die nicht mit Serum behandelt wurden. 4 Geradezu pathognomonisch für Diphtherie sind die Lähmungen, die während des Verlaufes oder, was noch häufiger vorkommt, in der - Rekonvaleszenz von leichten oder schweren Diphtherieerkrankungen beobachtet werden. Sie betreffen am häufigsten die Muskelgruppen des - Gaumensegels, die Schlund- und Augenmuskeln, seltener peripherische An die Wunddiphtherie schließt sich Lymphangitis, Schwellung . Exantheme. Diphtherie- lähmungen. Albuminurie. Sog. - Seharlach- diphtherie. Obduktions- befunde. Der Diphtherie- bazillus. ‚Morphologie. 644 38. Vorlesung. Muskelgruppen. Es handelt sich um eine Wirkung des Diphtherietoxins auf die peripherischen Nerven, und zwar höchstwahrscheinlich auf deren Endigungen. Auch Lähmungen der Herznerven können gelegentlich noch längere Zeit nach Überstehen einer Diphtherie auftreten und plötzlichen Tod herbeiführen. Das Diphtherietoxin wirkt auch auf das Myokard direkt toxisch und bedingt Myolyse. In der Mehrzahl aller Diphtheriefälle tritt Albuminurie ohne Zylinder auf. Wir haben es hier mit einer Wirkung des Diphtherie- giftes auf die Nierenepithelien, also einer toxischen Nephritis zu tun. Die Diphtherie kann sich mit Scharlach kombinieren und befällt relativ oft Scharlachrekonvaleszenten. In den Belägen sind in solchen Fällen typische Diphtheriebazillen mikroskopisch und kulturell nach- weisbar. Bei der reinen Scharlachangina, die in ihren lokalen Er- scheinungen eine gewisse Ähnlichkeit mit Diphtherie hat und deshalb fälschlicherweise als Scharlachdiphtherie bezeichnet wird, werden echte Diphtheriebazillen nicht gefunden. Den wichtigsten Obduktionsbefund bei den der Diphtherieinfektion erlegenen Menschen bilden die gelbweißen Pseudomembranen auf den erkrankten Schleim- häuten. Stellenweise sieht man auch nekrotische Partien mit bräunlichem, schmierigem Belag. Mitunter kleiden die Membranen, mehr oder weniger zusammenhängend, nicht nur den Kehlkopf aus, sondern auch die Trachea und einen Teil der Bronchien. Die mikroskopische Untersuchung zeigt, daß sie aus Fibrin, nekrotischen Zellmassen, Leukozyten und Bakterien bestehen. Namentlich die oberflächliche Detritusschicht und die unter ihr gelegene Fibrinschicht enthält große Mengen Diphtheriebazillen, Die Pseudomembranen sind durch Fibrinfortsätze mit der Unterlage verbunden, der Entzündungsprozeß reicht oft bis in die Submukosa. Die Gefäße sind erweitert, oft thrombosiert und in ihrer Wand hyalin entartet. An der Grenze zwischen dem ge- sunden und dem nekrotischen Gewebe findet sich ein Leukozytenwall (Jochmann). Die regionären Lymphdrüsen sind geschwollen und weisen ebenfalls die eben ge- nannten Gefäßveränderungen, mitunter auch nekrotische Herde auf. In den Lungen sieht man häufig lobulärpneumonische Herde gewöhnlichen oder hämorrhagischen Charakters, die bei Schnittuntersuchungen auch Diphtheriebazillen erkennen lassen. An den Pleuren sind vielfach subseröse Blutungen und Exsudatbildungen' nach- weisbar. Ebenso findet man am Herz subperikardiale, mitunter auch subendokardiale Blutungen. Das Herz ist schlaff, weich, meist auch dilatiert, seine Muskulatur durch ein entzündliches Ödem auseinandergedrängt und von entzündlichen Rundzellenherden durchsetzt. Nach längerer Krankheitsdauer wird interstitielle Myokarditis, Kern- schwund, Vakuolenbildung, schollige Entartung der Muskelfasern und oft hochgradige Herzverfettung beobachtet. Auch Blutungen sind häufig. Die Milz ist vergrößert, blutreich und zeigt starke Follikelschwellung ; bei septischer Mischinfektion ist die Pulpa zerfließlich und braunrot gefärbt. In den Nieren lassen sich je nach Schwere und Dauer der Erkrankung mehr oder weniger ausgedehnte interstitielle (namentlich Rundzellenansammlungen und Blutungen) und parenchymatöse Veränderungen nach- weisen, ebenso in der Leber. Die Diphtheriebazillen sind kleine, meist sanft gekrümmte, unbewegliche Bakterien, die sich leicht mit den gewöhnlichen Anilin- farben und nach Gram positiv färben. Es werden bei ihnen weder Geißeln noch Sporen beobachtet. Die Größe der Stäbchen ist bei ver- schiedenen Kulturen nicht immer gleich. Sie nimmt im allgemeinen zu, wenn die einzelnen Stämme längere Zeit ein saprophytisches Dasein geführt haben, also besonders nach längerer Fortzüchtung auf künst- lichen Nährböden. Auch die Bazillen der aus dem Nasenrachensekret von Dauerausscheidern und Bazillenträgern (s. S. 652) gezüchteten Stämme sind meist länger und plumper als die aus frischen virulenten Kulturen. Sehr häufig sieht man kolbige Anschwellungen (Keulen- u öl Ma Ka Ba a en a ER ia neNS Diphtherie. 645 formen), namentlich bei den Bazillen älterer, lange fortgezüchteter Stämme (Taf. 42, Fig. 1). Nach den Beobachtungen von Reichen- _ bach, Dale, Trautmann, Scheller u. a. weist auch der virulente - Diphtheriebazillus in der Form und Dicke deutliche Verschiedenheiten auf. Es werden außer längeren und zarteren Stäbchen kürzere und dickere beobachtet (Taf. 42, Fig. 3 u. 4). Letztere sollen besonders bei Nasendiphtherie häufiger vorkommen. Daß es sich hier nur um beson- dere Wuchsformen desselben Mikroorganismus handelt, erhellt daraus, daß die Kulturen beider Formen im Tierversuch die gleichen charak- teristischen Erscheinungen hervorrufen und daß Umzüchtungen aus dem ‚einen Typus in den anderen sehr leicht gelingen. Wie zahlreiche systematische Untersuchungen in großen Unter- suchungsämtern (z. B. Berlin, Bern, Breslau, Frankfurt a. M., Hamburg u.a.) gezeigt haben, gibt es kaum ein pathogenes Bakterium, das schon bei der ersten Züchtung aus dem menschlichen Körper so große morpho- logische Verschiedenheiten aufweist, wie der Diphtheriebazillus. Zum Teil sind die großen Formunterschiede durch die verschieden stark- ausgebildete Neigung der einzelnen Stämme zur Bildung von Involutionsformen (Keulenformen, Verzweigungen und körnigem Zerfall der Stäbchenmasse) bedingt. Trautmann und Dale beobachteten auch Unterschiede bei den metachromatischen Körnchen (s. u.), die bei einzelnen Stämmen eine ganz ungewöhnliche Größe und dabei bizarre Formen annehmen können, während der Bazillenleib mehr und mehr verschwindet. Recht charakteristisch ist die Lagerung der einzelnen Individuen in gefärbten Präparaten, mögen diese aus Reinkulturen oder direkt aus Diphtheriemembranen hergestellt sein. Die Bakterien lagern sich gern parallel nebeneinander, wodurch eine palisadenartige Anordnung zustande kommt. Bis zu einem gewissen Grade typisch ist es ferner, daß die - Diphtheriebazillen, wenn sie in Gruppen vereinigt sind, mit dem einen Endteile zusammenhängen, während sie am entgegengesetzten Ende divergieren; es entsteht so das Bild gespreizter Finger (Taf. 43, Fig.5). Die färbbare Substanz ist nicht gleichmäßig in den Bazillen- leibern verteilt, es wechseln stärker gefärbte Partien mit schwächer tingierten ab, so daß die Bakterien wie gekörnt aussehen. Nicht alle Individuen zeigen allerdings diese körnige Beschaffenheit, die ganz jungen Individuen sind ziemlich gleichmäßig gefärbt. Zur Färbung eignet sich das Löflersche Methylenblau, die ver- dünnte Ziehlsche Lösung und die Rouxsche Farbflüssigkeit. Letztere besteht aus einer Mischung von 1 Teil einer Dahliaviolett-Lösung (Dahliaviolett 1:0, 90proz. Alkohol 10°0, Aq. dest. ad 1000) mit 3 Teilen einer Methylgrünlösung (Methylgrün 10, 90proz. Alkohol 10:0, Aq. dest. ad 1000) und wird in kaltem Zustande 2 Minuten lang angewendet. Schon bei einfacher Färbung, namentlich bei Anwendung der Rouzxschen Lösung fallen oft besonders dunkel gefärbte, rundliche Gebilde auf, die bei Ausstrichpräparaten, die direkt aus diphtherischem Sekret oder aus- frischen Kulturen hergestellt sind, in der Regel nur an den beiden Polenden, bei älteren Kulturen aber auch im Inneren der Diphtherie- bazillen liegen. Es handelt sich hier um die sogenannten meta- ehromatischen oder Babes-Ernstschen Körperehen, die nach Bütschlis Untersuchungen auch bei vielen anderen Bakterien nach- Färbung.- Kulturelles Verhalten. 646 38. Vorlesung. gewiesen werden können. Neisser stellte fest, daß diese metachromati- schen Körnchen eine differentialdiagnostische Bedeutung insofern haben, als sie bei den diphtherieähnlichen Bakterien fehlen (s. 8. 655). Sie finden sich am konstantesten in Kulturen, die 18 Stunden auf Serum gewachsen sind. In Kulturen, die älter als 24 Stunden sind, ist zwar die mit essigsaurem Methylenblau färbbare Substanz ebenfalls vermehrt, sie ist dann aber nicht in Körnchen im Bazillenleib verstreut, sondern meist in unregelmäßigen Schollen. Zur Darstellung der metachromatischen Körperchen hat sich besonders das von M. Neisser angegebene Färbeverfahren bewährt, bei dem folgende zwei Lösungen verwendet werden: a) Methylenblau Grübler 10, gelöst in 20 ccm 96proz. Alkohol, + Eisessig 50 cem + Agq. dest. 1000 cem; b) Kristallviolett (Höchst) 1'0 + Aleoh. abs. 10:0 + Aq. dest. 3000. 2 Teile der Lösung a werden vor jedesmaligem Gebrauch mit 1 Teil der Lösung 5 vermischt. Die in der Flamme fixierten Präparate werden mit dieser Mischung 10 Sekunden gefärbt und dann nach Abgießen des Farbstoffs und Abtrocknen des Präparats mit Filtrierpapier mit Chrysoidinlösung (Chrysoidin 1'0 in 300 ccm kochenden Wassers gelöst und filtriert) übergossen. Nach etwa 10 Se- kunden Abgießen der Farblösung und Trocknen mit Filtrierpapier. Sehr empfehlens- wert ist es, vor der Chrysoidinnachfärbung die Präparate 3—5 Sekunden (nicht länger!) mit Jodjodkaliumlösung zu behandeln, die auf 100 Teile 1 Teil konzentrierte: Milch- _ säure enthält (G@ins). Der Nachweis mißlingt auch dem Geübten bisweilen, und es schließt daher ein negativer Befund keineswegs aus, daß es sich doch um Diphtherie- bakterien handelt. In Kulturen, die auf Asar, Gelatine und in flüssigen Nährböden gewachsen sind, findet man die Körperchen nicht mit derartiger Regelmäßigkeit wie in Serumkulturen. In Kulturen wachsen die Diphtheriebazillen a&rob und anaörob, üppig aber nur bei Gegenwart von Sauerstoff. Die Temperaturgrenzen des Wachstums liegen zwischen 19 und 42°, das Temperaturoptimum bei 36°C. Am günstigsten für die Entwicklung ist eine schwach alkalische Reaktion der Nährböden. Bei weitem am üppigsten und schnellsten gedeihen die Diphtheriebazillen auf Löfflerschem Blut- serum, das durch Vermischung von 3 Teilen Serum und 1 Teil: Iproz. Traubenzuckerbouillon hergestellt wird. Dieser Nährboden stellt ge- radezu ein spezifisches Substrat für die Diphtheriebazillen dar, denn die in dem diphtherieverdächtigen Material so häufig vorhandenen Streptokokken und Staphylokokken entwickeln sich auf ihm im Ver- hältnis zu den Diphtheriebazillen ziemlich langsam, sodaß sie von den letzteren überflügelt werden (Taf.43, Fig. 1). Streicht man das gleiche Diphtheriematerial einerseits auf gewöhnlichen Agar-, Glyzerinagar- oder Blutagarplatten aus, andrerseits auf Löfflerschen Serumplatten, so treten diese Unterschiede recht äugenfällig zutage. Während auf den Serumplatten fast eine Reinkultur der Diphtheriebazillen ohne wesent- liche Beimengung von Streptokokken und Staphylokokken erzielt wird, ist auf den gewöhnlichen Nährböden oft nur eine geringe Zahl von Diphtheriekolonien neben zahlreichen Kolonien von Streptokokken und Staphylokokken gewachsen. Die Diphtheriekolonien sehen auf Blut- serum wie kleine weiße Knöpfe aus, die sich stecknadelkopfähnlich von der Unterlage erheben. Auf gewöhnlichem Agar haben die Diphtheriekolonien eine große Ähnlichkeit mit denen der Streptokokken, sie sind allerdings im allgemeinen weniger körnig und krümelig (Taf. 42, Fig. 5 u. 6) und haben meist einen leicht gezackten Rand, während der Saum der Streptokokkenkolonien fast immer aufgefasert ist. In Gelatine wachsen die Diphtheriebazillen nur äußerst langsam; die Kolonien bleiben auch bei längerer Bebrütung sehr klein und führen 7 a a Ai a a 2 i - re 15 DE Rt a era hl sn 5a Ara Dr a a a ee a Falk Diphtherie. 647 keine Verflüssigung des Nährbodens herbei. In Bouillon vermehren sie sich entweder in Form von kleinen Krümelchen oder vorwiegend auf der Oberfläche, wo sie eine-Haut bilden (Taf 43, Fig. 2). In Milch tritt keine Gerinnung ein. Man kann Kulturen durch fortgesetzte Züchtung in Bouillon so gewöhnen, daß sie sich außerordentlich rasch und üppig fast nur auf der Oberfläche ver- mehren. Die einzelnen Bazillen zeigen beim Wachstum in flüssigen Medien im allgemeinen viel Körner, die sich beim Zerfall der Bazillen in älteren Kulturen am Boden ansammeln. Die Diphtheriebakterien verändern bei ihrem Wachstum die Reaktion der Bouillon, indem sie aus dem Muskelzucker des Nährbodens Säure bilden. Die Säurebildung erreicht nach M. Neisser ihr Maximum am 3. bis 5. Tage. Im Verhalten gegenüber verschiedenen Zuckerarten zeigen die Löfflerschen Bazillen, wie später zu besprechen ist, gewisse Unterschiede. Diese können aber nicht mit Sicherheit differentialdiagnostisch verwertet werden, weil sie nicht kon- ° stant genug sind. Es sind eine ganze Anzahl von Spezialnährböden empfohlen worden, die für die Diphtheriediagnostik besonders gute Dienste leisten sollen. Ihre Herstellung ist aber zum Teil recht umständlich, und bezüglich einer raschen Entwicklung der Diphtheriekolonien bieten sie meist vor dem Löflerschen Serum keine oder nur geringe Vorteile. Wir werden später (S. 654) darauf kurz zurückkommen. Die Widerstandsfähigkeit der Diphtheriebazillen gegen äußere Einflüsse ist, wie die der meisten nicht sporenhaltigen Bakterien, im allgemeinen nicht sehr groß. Der Grad ihrer Resistenz gegen Licht, Erwärmung und Desinfektionsmittel entspricht ungefähr dem der Typhusbazillen oder Streptokokken, nur gegen Austrocknung scheinen sie widerstandsfähiger zu sein. Flügge hat beobachtet, daß sich die Diphtheriebazillen in Membranstücken in feuchten und dunklen Keller- wohnungen, in denen sie vor Eintrocknung und Licht geschützt sind, mehrere Monate lebensfähig und virulent erhalten können; ferner wies Abel nach, daß an den Steinen eines Baukastens angetrocknete Diph- theriebazillen noch nach Monaten entwicklungsfähig waren. Auch in Wasser und Milch ist die Haltbarkeit ziemlich beträchtlich; sie schwankt ‚zwischen 6—20 Tagen. Für die Lebensdauer in Milch sind die Reaktion und die Wirkung anderer Bakterien ausschlaggebend. Bei der Besprechung der Tierpathogenität der Diphtheriebazillen muß zunächst betont werden, daß die Diphtherie keine Tierkrankheit ist; sie kommt spontan bei Tieren nicht vor. Aber experimentell läßt sich, wie namentlich Henke gezeigt hat, auf den Schleimhäuten einiger Tierarten eine Erkrankung hervorrufen, die als Analogon der mensch- lichen Schleimhautdiphtherie aufzufassen ist. Vorbedingung für das Gelingen der Infektion ist allerdings, daß die Schleimhaut vorher durch leichte Skarifikation oder Ätzung geschädigt wird. Nach intratrachealer Einverleibung der Löfflerschen Bazillen kann man dann bei Kaninchen, Meerschweinchen, jungen Hunden, Tauben, Hühnern usw. regelmäßig die Entstehung diphtherischer Pseudomembranen beobachten, ebenso nach Einträufelung von Kulturflüssigkeit in den Konjunktivalsack von Katzen. Durch Impfung mit virulenten Kulturen läßt sich bei Kaninchen und Meerschweinchen auch auf der Vulva ein diphtherischer Krankheits- prozeß hervorrufen, wenn die Schleimhaut kurz vorher kauterisiert oder geätzt wird. Die Löflerschen Stäbchen wuchern hauptsächlich in den nekrotisierten Schleimhautpartien, dringen aber nicht weit in den Körper ein. Auf der unverletzten Schleimhaut der Tiere siedeln sie sich in der Regel ‘nicht an. Resistenz. Tierpatho- genität. 648 38. Vorlesung. In weit höherem Maße aber, als für eine echte Infektion durch Vermehrung der eingebrachten Diphtheriebazillen, erweisen sich die ver- schiedensten Tiere empfänglich für die Wirkung des Diphtheriegiftes. Spritzt man kleineren und größeren Tieren, z. B.: Meerschweinchen, Kaninchen, Hammeln oder Pferden, virulente Diphtheriebazillen subkutan ein, so gehen die Tiere, wenn die Dosis genügend groß ist, nach 2 bis 4 Tagen, mitunter auch noch später unter dem Bilde einer Vergiftung ein. Bei der Obduktion findet man an der Infektionsstelle nur sehr wenig Diphtheriebazillen. Auch im übrigen Körper, im Blut und in den Organen lassen sie sich durch das Züchtungsverfahren nur ganz ver- einzelt, wenn überhaupt, nachweisen. Die Diphtheriebazillen gehen eben ununterbrochen während des Krankheitsprozesses im Tierkörper zugrunde und wirken nur durch die von ihnen sezernierten Gifte. Beim Meerschweinchen, dem Diphtherieversuchstier 27’ &£oyxy, entstehen an der Infektionsstelle Infiltrate mit Ödem und Blutungen. Am 2.—3. Tage nach der Injektion kann es zur Bildung dicker Schwarten kommen, die unter Umständen die ganze Bauchhaut einnehmen. Ist die Dosis letalis überschritten, so gehen die Tiere in 3—4 Tagen ein. Bei der Obduktion findet man außer den beschriebenen Veränderungen im Unterhautzellgewebe reichliches Exsudat in der Pleura und im Herz- beutel. Die Lungen sind atelektatisch und mit pneumonischen Herden durchsetzt. Besonders charakteristisch ist eine starke Vergrößerung und Rötung der Nebennieren mit kapillaren Blutergüssen (Taf. 44, Fig. 2). Nach Römer ist auf die Ausschaltung der Funktion der Neben- nieren ein Teil der schweren Allgemeinerscheinungen beim Meer- schweinchen zurückzuführen. Die Baucheingeweide pflegen stark hyper- ämisch zu sein. Besonders auffallend sind bei einem sehr großen Prozentsatz der an Diphtherie gestorbenen Tiere die Veränderungen der Magenschleimhaut. Diese ist stets stark hyperämisch und geschwollen und läßt oft kleine punktförmige oder größere Hämorrhagien _ erkennen. Aus den letzteren entstehen nicht selten Geschwüre, namentlich am Pylorusteil des Magens. Rosenau und Anderson fanden bei ungefähr der Hälfte der Meerschweinchen, die nach Injektion von lebenden Bazillen oder Gift unter typischem Befund verendet waren, runde Magengeschwüre vom Charakter des menschlichen Uleus rotundum. Bei Tieren, die eine untertödliche Giftdosis erhalten haben, kommt es zu einer Rückbildung des Infiltrates, die oft unter Nekrose der Haut zu Geschwürsbildung und Haarausfall in der Gegend der Injektionsstelle führt. Bei Tieren, die eine Diphtherieinfektion oder -intoxikation überstanden haben, treten nicht selten Lähmungen auf. Rinder und Ratten sind gegen die Diphtheriebazillen und ihre Gifte fast völlig refraktär. Mäuse sind gegen das Diphtheriegift so gut wie unempfänglich und galten auch gegen die Diphtherieintektion als refraktär, bis Kolle und Schloßberger 1918 nachwiesen, daß sie nach _ Einverleibung lebender Diphtheriebakterien regelmäßig innerhalb zwei bis sieben Tagen sterben. Die Todesursache ist, wie die Wirksamkeit des antitoxischen Diphtherieserums zeigt, auch bei Mäusen das Diphtherie- gift, das von den an der Infektionsstelle sich vermehrenden Diphtherie- bazillen erzeugt wird. Die Unempfänglichkeit der weißen Mäuse gegen das Diphtheriegift ist also nur eine relative. Die Nebennieren der ver- endeten Mäuse sind regelmäßig gerötet. An der Impfstelle findet sich . Diphtherie. 649 eine starke Füllung der Blutgefäße und ein zellreiches, abszeßartig tes Infiltrat, das immer reichliche Mengen von Diphtherie- bazillen enthält. Die inneren Organe zeigen makroskopisch keine patho- logischen Veränderungen, doch lassen sich in den meisten Fällen in der Milz Diphtheriebazillen kulturell nachweisen. - Unter Berücksichtigung der tödlichen Dosis und der Zeitdauer, innerhalb deren der Tod der Tiere eintritt, läßt sich die Virulenz einer Kultur für Meerschweinchen bestimmen. Diphtheriekulturen, die bei verschiedenen diphtheriekranken Menschen isoliert sind, können außer- ordentlich große Unterschiede in der Virulenz aufweisen, ja es kommen, wenn auch sehr selten, Stämme vor, die in den üblichen Dosen Meer- schweinchen überhaupt nicht töten. Keinesfalls darf aus der Meer- schweinchenpathogenität ein Rückschluß auf .die Virulenz der Kulturen für den Menschen gezogen werden. Dagegen machen es die großen Virulenzunterschiede, die im Meerschweinchenversuch zutage treten, wahrscheinlich, daß die Diphtheriebazillen auch in ihrer Menschen- pathogenität Schwankungen zeigen. Ein von fast allen Dinbthericheßterun-Fabriken für die Herstellung des zur * Pferdeimmunisierung erforderlichen Giftes benützter amerikanischer Diphtherie- stamm (Park-Williams Bac. Nr. 8), der in vitro außerordentlich starkes Toxin liefert, tötet z. B. Meerschweinchen in der Menge von etwa "/ Normalöse innerhalb 2—3 Tagen, während von andern Stämmen, auch solchen, die in vitro bedeutend weniger Gift bilden, oft viel geringere Mengen (bis */,,.0. Normalöse) genügen, um den Tod der Versuchstiere innerhalb derselben Zeit herbeizuführen. Heilversuche, die an Meerschweinchen mit Toxinen verschiedener Diphtheriestämme und mit verschieden virulenten lebenden Diphtheriebazillen angestellt wurden, haben indessen gezeigt, daß das mit den Reagenzglasgiften eines Stammes hergestellte Diphtherieantitoxin nicht nur dem homologen Gift und den homologen lebenden Bakterien, sondern auch heterologen Diphtheriegiften uud lebenden Bakterien gegenüber Heilwirkung entfaltet. Aus dieser Tatsache muß gefolgert werden, daß die krankmachende und tötende Wirkung aller Diphtheriestämme auf der Produktion eines qualitativ gleich- artigen Giftes beruht (Kolle und Schloßberger). Mit virulenten Diphtheriebazillen lassen sich Meerschweinchen auch durch Verreiben von einer Öse der Kulturmasse auf der rasierten Bauch- haut tödlich infizieren. Kolle und Schloßberger erzielten mit einer größeren Anzahl virulenter, auf Löfler-Serum gezüchteter Diphtheriestämme durch diese Infektionsart regelmäßig eine tödliche, typische Erkrankung. Die Diphtheriebazillen dringen (nach Jafe) durch die kleinen Haut- verletzungen in das subkutane Gewebe und von dort in die Drüsen - ein. Bei völlig unverletzter Haut kommt keine Infektion der Meer- schweinchen zustande. Das Diphtheriegift ist kein Endotoxin, wie die Gifte des Typhus- bazillus, des Choleravibrio usw., sondern ein Sekretionsprodukt der Diphtheriebazillen. Die Leibessubstanz der letzteren ist, wie: zuerst Kossel zeigte und jederzeit durch Einverleibung abgetöteter, von festen @ - Nährböden gewonnener Kulturen demonstriert werden kann, nur sehr - wenig toxisch. Diese Auffassung wird durch die Versuche Cruveilhiers bestätigt, der nur bei intrazerebraler Einspritzung der von löslichem Gift befreiten jungen Diphtheriebazillenleiber gewisse toxische Wirkungen, die auf Endotoxine zurückzuführen sind, beobachten konnte, nicht üher bei subkutaner und intraperitonealer Injektion. Das Diphtheriegift läßt sich in flüssigen Kulturen schon wenige Tage nach Einsaat der Bazillen nachweisen. Die Toxinbildung hängt wesentlich von der Be- Virulenz. Das Diphtherie- gift. Gewinnung. Bestandteile und chemische Zusammen- setzung. 650 38. Vorlesung. schaffenheit des Nährbodens ab, auf dem die Diphtheriebazillen gezüchtet werden. Besonders geeignet für diesen Zweck ist eine Rindfleischbouillon, die 0'5°/, Kochsalz und 2°/, Pepton Chapoteaut enthält. Sauere Reaktion des Mediums ist für die Toxin- produktion schädlich, man muß daher die Säurebildung, die durch das Wachstum der Bazillen in der ersten Zeit eintritt, nach Möglichkeit vermeiden. Spronck sieht als eine wichtige Quelle der Sänrebildung den Muskelzucker des zur Bouillonbereitung verwendeten Fleisches an und hat daher empfohlen, das Fleisch vor der Verwendung erst so lange lagern zu lassen, bis der Muskelzucker durch den Fäulnisprozeß bzw. durch Gärungsvorgänge zerstört ist. T’h. Smith erreichte ein zuckerfreies Medium durch 2tägiges Vergären der Bouillon mit Bact. coli, Martin durch Vergärung mit Hefe. Nach Ruete ist es empfehlenswert, der Kulturflüssigkeit kleine Marmorstücke zu- zusetzen, welche die Säure binden. Andrerseits schädigt aber auch eine zu starke Alkalibildung die Toxinproduktion. Die Kulturen sind in Kolben anzusetzen, in denen ihnen ein genügendes Oberflächenwachstum ermöglicht wird, weil hinreichender Luftzutritt hier eine Vorbedingung ist. Als Züchtungstemperatur eignet sich am besten eine solche zwischen 33 und 35° C, weil das bereits gebildete Gift bei höheren Temperaturen schon wieder geschwächt wird. Der Zeitpunkt, wann die Kulturen den höchsten Giftgehalt erreichen, ist nicht nur von der Beschaffenheit des Nähr- bodens und der Art der Züchtung in hohem Grade abhängig, sondern auch nach den besonderen Eigentümlichkeiten der verwendeten Stämme sehr verschieden. Unter günstigen Umständen ist das Maximum der Toxizität schon nach 4—7 Tagen erreicht, in anderen Fällen dagegen erst nach 2—3 Wochen. Das Diphtheriegift wird so hergestellt, daß die 2—4 Wochen lang bebrüteten Bouillonkulturen zunächst mehrmals durch sterile doppelte Papierfilter filtriert und dann mit Toluol versetzt werden. Bei täglich zu wiederholendem gründlichem Durehschütteln läßt man die Kolben 3—4 Tage lang bei Zimmertemperatur stehen. Die Diphtheriebazillen, die hierdurch abgetötet werden, sinken zu Boden, und die gifthaltige Bouillon wird völlig klar. Sie wird durch Bedeckung mit einer 1—2 cem hohen Toluolschicht steril erhalten und unter Lichtabschluß aufbewahrt. Nicht jede Kultur ist zur Giftbildung gleich gut geeignet. Nur durch Aus- wahl aus möglichst zahlreichen, frisch aus dem Menschen gezüchteten Kulturen läßt sich ein Diphtheriestamm ermitteln, der besonders starke Gifte bildet. Die Gewinnung einer stark toxischen Diphtheriebouillonkultur ist eine nicht immer leichte Aufgabe, weil selbst die stark giftbildenden Diphtheriestämme zeitweise sehr erheb- liche Schwankungen im Giftbildungsvermögen aufweisen, ohne daß es stets gelänge, die Ursache dieser Variabilität aufzudecken. Mit der Virulenz der einzelnen Stämme geht die Giftbildung keineswegs parallel. Durch die grundlegenden Untersuchungen Ehrlichs wissen wir, daß das Diphtheriegift nicht ein einheitliches Gift ist, sondern von vornherein zwei in ihren biologischen Funktionen durchaus verschiedene Bestandteile enthält, das Toxin (im engeren Sinne) und das Toxon. Ehrlich kenn- zeichnet die verschiedene Giftwirkung beider Substanzen folgendermaßen : „Während das Diphtherietoxin in der Weise wirkt, daß die Tiere unter den Erscheinungen von Hydrothorax, Aszites, Nebennierenrötung und Nekrosen der Haut zugrunde gehen, tötet im Gegensatze dazu das Toxon auch in hohen Dosen nie akut. Die entzündungserregenden Eigenschaften können bei kleinen Dosen ganz fehlen und sind bei mittleren nur in sehr abgeschwächtem Maße vorhanden. Die Ödeme schwinden im Laufe von mehreren Tagen vollständig, Nekrosen bleiben aus, und Haarausfall ist höchstens in einer partiellen Enthaarung zu beobachten. Charakteristisch sind dagegen die Lähmungserscheinungen, die je nach der Dosis zwischen dem 14. und 28. Tage, gewöhnlich aber in der 3. Woche eintreten. Oft fehlt bei den Tieren jede Spur lokaler Reaktion, und sie behalten ihr Körpergewicht bei, bis sie plötzlich von Lähmungen befallen werden, denen sie in wenigen Tagen erliegen können.“ Über die chemische Zusammensetzung des Diphtheriegiftes wissen wir nur wenig. Es ist bis jetzt noch nicht gelungen, es rein a a; Be a a N ale en har a 3 rin ul, BD Sn a a ea: er 1 2 220 BEN Baden nn LH nn SE a Du a ai NEREN . Diphitherie. 651 darzustellen, denn bei allen Verfahren, das Gift aus den Nährmedien auszufällen, werden auch die in den Kulturen enthaltenen Eiweißkörper . mehr oder weniger mit niedergerissen. Es ist ein außerordentlich labiler Körper, der durch Säuren und Antiseptika schnell zerstört wird und schon durch längere Einwirkung des Lichtes und des Sauerstoffs der Luft wesentliche Zersetzungen erleidet. Erhitzung auf 100°C vernichtet das Diphtheriegift sehr rasch, Erwärmung auf 60°C führt schon eine teilweise Zerstörung und Abschwächung herbei. Aber auch ohne diese schädigenden Einflüsse finden in Diphtheriegiftlösungen mannigfache Umsetzungen statt. Es bilden sich dabei, wie Ehrlich zeigte, Körper, die zum Teil ungiftig sind (Toxoide). Je nach der Avidität, mit der diese Toxoide Diphtherieantitoxin binden, werden sie in Proto-, Deutero-, Epitoxoide eingeteilt. Erst nach mehreren Monaten kommen diese Um- setzungen, wie man sagt, zur Ruhe, wenn die Giftlösung in dunklen Flaschen unter Zusatz eines Antiseptikums (Toluol), gut verschlossen, bei niedriger Temperatur aufbewahrt wird. Der Wert des Diphtheriegiftes läßt sich am besten an Meer- schweinchen bestimmen. Wenn man fallende Dosen einspritzt, z. B. 001, 0'005, 0:002ccm, läßt sich zunächst feststellen, welche Giftmengen über- haupt tödlich wirken (Dosis letalis minima). Weitere Abstufungen in der Toxizität der Kulturen sind durch die Zahl der Tage erkennbar, inner- halb deren die Tiere sterben. Als stark wirksam gilt ein Gift, das in einer Dosis von 0'005 ccm Meerschweinchen von 250g innerhalb 4 Tagen tötet. Schwächt sich das Gift ab, so tötet es erst nach 6 Tagen usw. Trotz zahlreicher Untersuchungen über die Wirkung des Diphtheriegiftes auf die verschiedenen Organe des Versuchstieres sind einige wichtige Frageu noch nicht völlig geklärt. Es ist z.B. noch nicht &ütschieden, ob die Lähmungen beim Meer- schweinchen auf neuritische Prozesse an den Nervenfasern oder Veränderungen an den Kernen zurückzuführen sind. Die Blutdrucksenkung, die als Folge der Diphtherie- intoxikation beim Meerschweinchen beobachtet wird, ist wahrscheinlich durch die an den Herzmuskelfasern gefundene fettige Degeneration mitbedingt. Der Nachweis kleinster Mengen von Diphtheriegift kann bei subkutaner Injektion untertödlicher Dosen dadurch erbracht werden, daß man prüft, ob im Unterhautzellgewebe der Bauchhaut noch eine palpable Infiltration eintritt. Besonders exakte Ergebnisse liefert die Methode der intrakutanen Injektion von P. Roemer. Durch Ein- spritzung des Giftes in die Kutis mittelst feiner Kanülen läßt sich noch !/200 der bei subkutaner Injektion tödlicken Minimaldosis des Giftes nachweisen. 24 Stunden nach der Injektion stellen sich Rötung und Infiltration der Haut ein, deren Umfang von der Größe der Dosis abhängig ist. Bei stärkeren Dosen treten nach einigen Tagen im Bereich der infiltrierten Stelle Nekrosen der Kutis auf. Beim kranken Menschen sind die Diphtheriebazillen hauptsächlich in den lokalen Herden (Pharynx, Larynx, Trachea, Nase, Lunge usw.) zu finden. Auch bis zu den regionären Lymphdrüsen dringen sie nach den Untersuchungen von Frosch anscheinend häufiger vor. Im Blut werden sie aber auch bei septischen Diphtheriekranken während des Lebens intravital nur selten angetroffen (Reiche, Graetz u. a.). Graetz fand sie unter 215 sehr schwer verlaufenen Fällen trotz Heran- ziehung von Anreicherungsverfahren nur Imal. Die Leichenuntersuchungen geben hier kein richtiges Bild, da die Diphtherieerreger agonal von Wert- bestimmung. Vorkommen der Diphtherie- bazillen beim Menschen. Diagnose. 652 38. Vorlesung. bronchopneumonischen Lungenherden aus ins Blut eindringen. Bei Leichenblut hatte Graetz unter 185 Fällen bei 5°95°/, positive Ergebnisse. Die positive Ausbeute dieser Untersuchungen stellte sich bei tracheo- tomierten Kranken auf 20'69°/,, bei nicht tracheotomierten nur auf 3'2%/,; daraus geht hervor, daß das Tiefenwachstum der Diphtherie- bazillen durch operative Eingriffe begünstigt wird. Diphtheriebakteri- ämien kommen jedenfalls nur bei schwerstem septischem Verlauf der Krankheit vor und sind stets ganz vorübergehende Erscheinungen. An der schon von Löffler vertretenen Auffassung, daß die Diphtherie eine reine Intoxikationskrankheit mit fast ausschließlich lokaler Entwick- lung der Erreger ist, können auch die intravitalen Diphtheriebazillen- befunde im Blut nichts ändern (Graetz). Dementsprechend lassen sich die Bazillen auch im Urin nur äußerst selten nachweisen. Bei der Beurteilung der Befunde im Urin ist eine besonders sorgfältige Identifizierung der Kulturen notwendig, weil sich an den äußeren Genitalien diphtheroide Stäbchen häufig und in großer Mannigfaltig- keit finden, die dem Urin beigemischt werden und sich in ihm ver- mehren können. Nur steril mit dem Katheter aufgefangener Urin darf zur Untersuchung benutzt werden. Die Diphtheriebazillen finden sich nicht nur während der Krank- heit, sondern können auch nach deren Ablauf noch lange im Nasen- rachenraum und in der Mundhöhle der Rekonvaleszenten vegetieren. Sie halten und vermehren sich bei solchen Dauerausscheidern an- scheinend besonders in den Buchten der Tonsillen und werden natür- lich mit dem Rachensekret auch nach außen entleert. Aber auch bei ganz gesunden Menschen können Diphikerichastiien im Nasenrachenraum oder in der Mundhöhle vorkommen. Es sind dies also gesunde Bazillenträger, von denen wir entweder annehmen müssen, daß sie eine leichte, ganz unbemerkte Diphtherieinfektion durchgemacht haben, oder aber, daß sie die Bazillen zwar aufgenommen haben, aber nicht erkranken, weil sie immun sind. Es handelt sich hier immer um Personen aus der Umgebung von Diphtheriekranken. Bei Gesunden, die sicher nicht mit Diphtheriekranken in Berührung gekommen sind, werden echte Diphtheriebazillen, wie ausgedehnte systematische Unter- suchungen von Ustvedt, Scheller, Rothe u. a. ergeben haben, nicht ge- funden. Auf die epidemiologische Bedeutung dieser Dauerausscheider und Bazillenträger werden wir später (S. 658) eingehen. Die Diagnose der Diphtherie kann mit Sicherheit nur durch die bakteriologische Untersuchung gestellt werden. Zwar wird häufig genug der kundige Arzt auf Grund des klinischen Bildes und des Ver- laufes kaum im Zweifel darüber sein, ob es sich um echte Diphtherie handelt. Wenn man aber bedenkt, daß es leichte Fälle gibt, die sich in nichts von gewöhnlichen, auf anderer Ursache beruhenden Mandel- entzündungen oder Katarrhen der Nasenschleimhaut unterscheiden, und daß andrerseits bei schweren Erkrankungen, z. B. bei der Scharlach- diphtherie, der Befund im Halse dem bei echter Bazillendiphtherie außerordentlich ähnlich ist, wird man daran festhalten müssen, in jedem Falle von Diphtherieverdacht die bakteriologische Diagnostik heran- zuziehen. Die Einspritzung des Diphtherieantitoxins darf aber keines- falls — darauf sei besonders hingewiesen — bis zum Abschluß :der BE de nu a en niit u as u 1 2 be U TTS a 0 IP u aa Er ande Zn 2 Diphtherie. 653 bakteriologischen Diagnose hinausgeschoben werden, sondern ist in allen verdächtigen Fällen unverzüglich vorzunehmen, damit nicht die ‚schnelle und sichere Wirkung der Serumtherapie in Frage gestellt wird. Sie ist ein ungefährlicher Eingriff, der auch dann nicht schadet, wenn sich nachträglich durch die bakteriologische Untersuchung her- ausstellen sollte, daß es sich nicht um Diphtherie handelt. Als Untersuchungsobjekte dienen Membranstückchen oder Belag von den kranken Tonsillen oder Nasen- und Rachenschleim. Man ent- nimmt dieses Material mit einem sterilen Spatel oder Wattebausch, fertigt Ausstrichpräparate an und färbt sie mit Methylenblau, nach Roux oder nach der Neisser-Ginsschen Methode (s. S.646). Sehr empfehlenswert ist die gleichzeitige Anlage von Tusche- oder Kollargol- präparaten, in denen sich die typische Lagerung der Diphtheriebazillen besonders augenfällig zeigt. Unter Umständen findet man fast aus- schließlich Stäbchen, die nach Form, Lagerung und färberischem Ver- halten als Diphtheriebakterien angesprochen werden müssen. Aber allein auf Grund des mikroskopischen Präparates eine Diagnose abzugeben, ist selbst in diesem Falle unsicher, denn es gibt auch harmlose Mund- saprophyten, die sehr ähnliche Bilder bieten können. Man soll es sich zum Grundsatz machen, auch in den mikroskopisch anscheinend zweifelsfreien Fällen, den kulturellen Nachweis folgen zu lassen. Meist sind jedoch die Diphtheriebazillen in dem Untersuchungsmaterial mit so vielen anderen Bakterien vergesellschaftet, daß es unbedingt not- wendig ist, das Züchtungsverfahren anzuwenden. Es werden Kulturen auf Piatten von Löfler-Serum angelegt und bei 37° C bebrütet. Oft läßt sich schon durch Klatschpräparate, die nach 6- bis 9stündigem Wachstum hergestellt werden, eine Reinkultur typisch aussehender Stäbchen feststellen, die Gram-positiv sind und die charakteristische Lagerung aufweisen. Nach 12 Stunden findet man schon deutlich erkenn- bare isolierte Kolonien von der früher beschriebenen Beschaffenheit und kann jetzt bei Anwendung des Neisserschen Verfahrens die typischen Polkörnchen (Taf. 43, Fig. £) nachweisen. Bei frischen Krankheitsfällen ist es nach 18—24 Stunden bei Untersuchung einer größeren Anzahl von Kolonien und Herstellung von Abstrichpräparaten fast immer möglich, zu entscheiden, ob überhaupt Diphtheriebazillen in dem verdäch- tigen Material vorhanden waren. Bei Rekonvaleszenten, bei denen die Bazillen mitunter zunächst nur kümmerliche Kolonien bilden, empfiehlt - *s sich, die Platten auch nach 48stündiger Bebrütung nochmals zu revi- dieren (Braun und Knebel). Das Ausgangsmaterial enthält fast stets so reichliche Diphtherie- bazillen oder Gemische von Diphtheriebazillen mit Streptokokken, Diplo- kokken, Staphylokokken und anderen in der erkrankten oder normalen Rachenhöhle vorkommenden Bakterien, daß die Gewinnung isolierter Kolonien auf der ersten Platte. nicht möglich ist. Man kann, wie die Erfahrung gezeigt hat, auf die Erzielung isolierter Kolonien, die durch fraktionierte Aussaat auf mehreren Platten wohl stets zu erhalten sind, verzichten und sich für jede Diphtheriediagnose mit einer Platte begnügen. M. Neisser hat für diese Platten mit dicht besäter Oberfläche im Gegen- satz zu der sonst in der bakteriologischen Diagnostik angewandten „Isolierplatte“ den Ausdruck „Schmierplatte“ eingeführt. Die bakterio- skopische Untersuchung der Schmierplatten ermöglicht es, die Dia- Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 43 Schmier- platten- verfahren. Spezialnähr- böden. 654 38. Vorlesung. gnose ‚auf Diphtherie zu stellen, weil die Diphtheriebazillen auf dem Löfflerschen Serum dem geübten Untersucher genügend typische morpho- logische und färberische Merkmale bieten, um sie in Gemischen auch dort zu erkennen, wo sie in der Minderheit sind (Fuchsin- und Methylen-. blaufärbung, Tuschepräparat, Gramfärbung, Neisser-Ginssche Doppel- färbung, hängender Tropfen). Für Massenuntersuchungen auf Diphtherie, wie sie in den Untersuchungs- ämtern auszuführen sind, ist ein solehes vereinfachtes Verfahren, bei dem auf die 5 Gewinnung isolierter Kolonien und Reinzüchtung verzichtet wird, deshalb besonders angezeigt, weil es die Stellung der vom einsendenden Arzt verlangten Diagnose innerhalb kurzer Zeit ermöglicht. Voraussetzung ist die sorgfältige Ausbildung der Untersuchenden in dieser Diagnostik in Spezialkursen und ihre Überwachnng durch einen erfahrenen Bakteriologen. Nach den Untersuchungen von M. Neisser und Schuster ist die „Schmier- platte“ der „Isolierplatte*“ sogar erheblich überlegen. Diphtheriebazillen waren bei Mischung mit Staphylokokken im Verhältnis 1:2000 nach 6—12stündiger Bebrü- tung der Platten in jedem Präparat mit Sicherheit bakterioskopisch auf der Schmier- - platte nachzuweisen, wenn 1—5 Millionen Keime (Staphylokokken + Diphtherie- bazillen) ausgesät wurden. Die Isolierplatte gestattet nur die Verarbeitung von sehr wenig Material, während die Schmierplatte geradezu um so bessere Resul- tate gibt, je größer die Aussaat ist. Dazu kommt die Einfachheit der Beschiekung der. Schmierplatte, die sogar dem Ungeübten möglich ist. Für kleinere Laboratorien, denen das Vorrätighalten größerer Mengen von Löfflerschem Serum mitunter Schwierigkeiten bereitet, ist es (nach Langer) emp- fehlenswert, den Serumplatten eine Agarschicht als Unterlage zu geben. Man erspart hierdurch erhebliche Serummengen und erreicht zudem eine größere Festigkeit und Elastizität des Nährbodens. : Auch mit einfachsten Mitteln können für die Diphtheriediagnose brauchbare Nährböden hergestellt werden, die zwar das Löflersche Serum niemals verdrängen werden, aber doch als Ersatz gelten können. Zwei derartige Nährböden sollen hier kurz erwähnt werden. Jundell empfiehlt, 3 Teile steriles Hühnereiweiß mit 1 Teil frisch aufgekochter Milch zu versetzen, dann dieses Gemisch in Petrischalen auszugießen und ebenso weiter zu behandeln wie das Serum-Bouillonugemisch bei Herstellung des Löfflerserums. Auch in den auf diesem Nährboden zur Entwicklung kommenden Kolonien zeigen die Diphtheriebazillen regelmäßig die charakteristischen Polkörnchen. Lubenau hat als Spezialnährboden ein Gemisch von Eigelb und Bouillon empfohlen, das ?/,°/, Traubenzucker enthält und ebenfalls im Serumerstarrungapparat zu Röhr- chen oder Platten verarbeitet wird. Conradi und Troch haben einen Tellur-Serumnährboden für die Diph- theriediagnostik angegeben, der folgendermaßen hergestellt wird: Zu 17 Wasser fügt man 109g Fleischextrakt, 59 Kochsalz, 20 9 Pepton. siccum Witte und 69 Caleium‘ bimalicum. Das Gemenge wird '/, Stunde im Dampftopf gehalten und dann filtriert. Dem schwach sauer reagierenden Filtrat wird auf 100 ccm 1 g Traubenzucker zu- gesetzt. Dann wird von dieser Flüssigkeit 1 Teil zu 3 Teilen ganz frischen Rinder- serums gegeben. Zu 100 ccm dieses Gemisches fügt man 2cem einer Iproz. Lösung Kalium tellurosum. Schließlich wird die gemischte schaumlose Flüssigkeit auf Petri- schalen verteilt, deren Glasdeckel innen mit saugfähigem Papier belegt ist. Die Erstarrung erfolgt bei 85°C. Der Nährboden soll in Verbindung mit dem Löfflerschen Serum nach folgendem Verfahren benutzt werden: Das Material wird zunächst auf Löfflerplatten ausgestrichen und 3 Stunden bei 35°C gehalten. Dann wird die Hälfte der Löfflerplatte mit einem sterilen Wattebausch abgestrichen und dieses Material auf 1—2 Tellurplatten übertragen, die 20 Stunden bei 35°C gehalten werden. Die teilweise entkeimte Löfilerplatte wird weitere 8 Stunden bei 35°C ge- halten. Nur wenn die Untersuchung der Löfflerplatte nach 11 Stunden negativ aus- fällt, werden die Tellurplatten untersucht. Die Diphtheriekolonien sehen auf dem Tellurnährboden tiefschwarz aus, erleichtern also die Auffindung der Partien, in denen Diphtheriebazillen auf der Schmierplatte gewaclısen sind. Viele Untersucher, unter anderen z. B. Schürmann und Hajos, haben mit der Tellurplatte mehr positive Befunde erhalten, als mit der Serumplatte, und wollen auch ein stärkeres Wachstum der Diphtheriebazillen auf der Tellurplatte, verglichen mit dem auf Serum, beobachtet haben. Da indessen andere Autoren weniger gute Resultate erzielten, ist ein abschließendes Urteil über den diagnostischen Wert des “ a we ar u ae a Ft a ua Si kai 3 Dt u ua an Dr ande Win a" a Ei nn Diphtherie. 655 Verfahrens noch nicht möglich. Wie M. Neisser und Schürmann betonen, wachsen auch Staphylokokken und manche Diphtheroide schwarz auf den Tellurplatten, so ‚daß makroskopisch jedenfalls diagnostische Schlüsse nicht zulässig sind. Die Schwierigkeiten der bakteriologischen Diphtheriediagnostik bestehen zunächst in der Beurteilung der Befunde. Es kann vor- kommen, daß nur ganz vereinzelte Diphtheriekolonien in der Kultur erzielt sind, sodaß man im Zweifel sein kann, ob der Krankheitsprozeß, von dem das Material stammt, auch wirklich durch Diphtheriebazillen bedingt ist. Es könnte sich ja um eine Streptokokkenangina bei einem Menschen handeln, der Bazillenträger ist. Dieser Fall wird aber in der Praxis sehr selten eintreten, denn wenn es sich um einen durch Diphtheriebazillen hervorgerufenen Erkrankungsprozeß handelt, pflegen auf den Serumplatten immer Kolonien des Erregers in größerer An- zahl zur Entwicklung zu gelangen. Vom Standpunkte der Therapie und Prophylaxe sind diese Fälle aber keineswegs sehr störend. Außerordentlich viel wichtiger sind die negativen Fälle, bei denen Diphtheriebazillen, obwohl es sich um echte Diphtherie handelt, nicht gefunden werden. Der negative Ausfall der kulturellen Untersuchung ist häufig durch die Entnahme ungeeigneten Materials bedingt oder durch die Entnahme zu einer Zeit, in der kurz vorher mit desinfizierender Lösung gegurgelt wurde. Es kommt also wesentlich darauf an, das Material von den geeigneten Stellen, ohne daß Anti- septika mit den Oberflächen der Beläge in Berührung gekommen sind, möglichst aus der Tiefe der diphtherischen Membran zu entnehmen. Negative bakteriologische Befunde schließen die Diagnose Diphtherie nie aus. Man darf daher die mikroskopische Untersuchung des verdächtigen Materials niemäls unterlassen, denn die Erfahrung zeigt, daß die Züchtung der Diphtheriebazillen zuweilen selbst aus Membranen, in denen sie bakterioskopisch in Reinkultur nachweisbar sind, völlig resultatlos sein kann, ohne daß es gelänge, die Ursache zu ermitteln. Schwierigkeiten können bei der Diagnose unter Umständen die sogenannten „Pseudodiphtheriebazillen“ oder „Diphtheroide“ bieten. Es handelt sich hier um Bakterien, die gelegentlich als harmlose Schleim- hautepiphyten in der Nasen- und Rachenhöhle des Menschen oder auf anderen ' Sehleimhäuten sowie in Wunden gefunden werden und sich den Diphtheriebazillen morphologisch und biologisch recht ähnlich verhalten (Taf. 42, Fig, 2). Auch der sogenannte Xerosebazillus, der häufig im Sekret der Augenbindehaut angetroffen wird, gehört hierher. Aber abgesehen davon, daß bei diphtherieverdächtigen Krank- heitsprozessen sich nur selten.-Bseudodiphtheriebazillen in größerer Menge finden, wird es meist gelingen, sie ven echten Diphtherieerregern zu differenzieren. Dem geübten Bakteriologen begegnen, wie M. Neisser und Scheller auf Grund ihrer reichen Erfahrungen auf diesem Gebiete besonders betonen, bei der praktischen - Diphtheriediagnose nur selten Bakterien, über deren spezifische Natur von vorn- herein ernstere Zweifel bestehen. Fehldiagnosen werden hierdurch also zum mindesten sehr selten vorkommen. Die Psaudodiphtheriebazillen sind in der Regel etwas kürzer als die Löflerschen Stäbchen, meist Gram-fester und wachsen auf gewöhn- lichem Agar üppiger als diese. In Gelatine erfolgt ihre Entwicklung wesentlich schneller als beim Diphtheriebazillus, Bouillonkulturen zeigen eine diffuse Trübung. Die Kolonien auf Löfflerserum sind nach 12stündigem Wachstum kleiner als die des Diphtheriebazillus; sie haben meist eine rein weiße Farbe und sehen feuchter aus, ihr Rand ist weniger gezähnt. Ein besonders zuverlässiges Unterscheidungsmerkmal bietet die Neissersche Färbung. Die für den Löfflerschen Bazillus so charakteristischen Polkörnchen werden bei den Pseudodiphtheriebazillen nicht 43* Beurteilung der Befunde. Pseudo- diphtherie- bazillen. bazillus. 656 38. Vorlesung. angetroffen, wenigstens nicht in der Regelmäßigkeit der Form und Anordnung, wie beim Diphtheriebazillus. In der Regel werden also schon die gewöhnlichen kulturellen und färberischen Merk- male der verdächtigen Stäbchen eine Entscheidung über ihre Natur zulassen. Nur in seltenen Fällen wird man weiterer differentialdiagno- stischer Hilfsmittel bedürfen. Da die meisten Diphtheroiden, namentlich die Bakterien der. Xerosegruppe strenge A&robier, die echten Diphtheriebazillen aber fakultative Anaörobier sind, ist die Kultur in hoher Traubenzucker- agarschicht von differentialdiagnostischer Bedeutung. Dabei kann, wenn man den Nährböden Lackmusfarbstoff hinzufügt, gleichzeitig die Säure- bildung geprüft werden. Die echten Diphtheriebazillen bilden in Nähr- böden, die Traubenzucker, Fruktose, Galaktose oder Mannose enthalten, in der Regel Säure, die sich in flüssigen Nährmedien quantitativ be- bestimmen läßt, dagegen nicht in saccharosehaltigen Nährböden. Für diese Zwecke sind besondere Nährböden angegeben, die in ähnlicher Weise, wie dies auch bei der Identifizierung anderer Bakterienarten gebräuchlich ist, das Verhalten der fraglichen Mikroorganismen verschiedenen Zuckerarten gegen- über als Unterscheidungsmerkmal erkennen lassen. 7hiel empfahl die Anwendung eines Mediums, das folgendermaßen zusammengesetzt ist: Pepton, Nutrose, Trauben- zucker aa 1'0, Kochsalz 0'5, Lackmuslösung Kahlbaum 05, Wasser 100°0. Nach Herstellung des Lackmusneutralpunktes werden 2'Occm einer iproz. Lösung von kristallinischer Soda zugefügt und dann der Nährboden in Röhrchen abgefüllt, die an drei aufeinanderfolgenden Tagen je 20 Minuten sterilisiert werden. Diphtherie- bazillen rufen in dieser Lösung innerhalb 24 Stunden starke Rötung und Trübung hervor, während die Pseudodiphtherie- und Xerosebazillen sie völlig klar lassen und die blaue Farbe nicht verändern. — Das gleiche Prinzip verfolgt ein von Rothe angegebener fester Nährboden, der folgendermaßen hergestellt wird: Je 10cem von lproz. Lösungen verschiedener Zuckerarten (Dextrose, Lävulose, Maltose, Rohr- zucker usw.) in Lackmuslösung Kahlbaum, die vorher an 3 Tagen je 20 Minuten lang im Wasserbade sterilisiert wurden, werden mit 90 ccm Serumbouillon (4 Teile Rinderserum + 1 Teil neutraler zuckerfreier Nährbouillon) vermischt und ebenso zu Platten oder Röhrchen verarbeitet wie Löflersches Serum. Nach Rothe greifen echte Diphtheriebazillen konstant Dextrose und Lävulose unter Säurebildung an und färben daher den blauen Nährboden rot, Pseudodiphtheriebazillen vergären zum Teil Maltose und Rohrzucker, niemals aber Dextrose und Lävulose, Xerosebazillen keine der genannten Zuckerarten. — v. Przewoski hat mit Aszites-Zuckerlackmusagar gute Resultate bei der Differenzierung der Diphtheriebazillen von den Diphtheroiden erzielt. Die von Lubinski, Prausnitz und Franz aus Wunden gezüchteten und als „Paradiphtheriebazillen“ bezeichneten Stäbchen sollen sich von den echten Diphtheriebazillen und den Pseudodiphtheriebazillen durch ihre Fähigkeit, Saccharose zu vergären, unterscheiden. 5 Nach dem Urteil von M. Neisser gibt das Verhalten der Diphtheriebazillen gegenüber verschiedenen Zuckerarten, wenn auch die Befunde der verschiedenen Autoren, die diese Frage geprüft haben, in gewissem Sinne übereinstimmen, doch nicht immer so konstante Ergebnisse, wie man sie von einer differentialdiagnostisch zu verwendenden Methode verlangen muß. Zur weiteren Prüfung fraglicher Stämme können auch die biolo- logischen Untersuchungsmethoden herangezogen werden. In erster Linie wäre hier die Prüfung der Tierpathogenität zu nennen. Die Pseudodiphtheriebazillen erzeugen keine Toxine und töten daher Meerschweinchen nicht unter dem Bilde einer Vergiftung. Nach Infektion mit ihnen entstehen nur harte Infiltrate im Unterhaut- zellgewebe. Diphtherie-Antitoxin beeinflußt die letzteren nicht, während es bekanntlich die Bildung der nach Einspritzung von Diphtheriebazillen entstehenden Infiltrate verhütet. raw 105.0 BR 2 ee 252.16 ee ee lade Tel Bl u an an ER NR TERIENG - er; 2 R dr Diphtherie. 657 Sehr empfehlenswert zur Identifizierung virulenter Diphtherie- ‚bakterien, typischer wie atypischer, ist die Prüfung der von Römer ein- geführten Intrakutanreaktion (s. S. 651). Virulente Stämme rufen noch in Dosen von !/o—"/ıooo Öse einer 24stündigen Löfflerserum- Kultur in der Haut des Meerschweinchens nach 24 Stunden starke "Rötung und ödematöse Schwellung der Impfstelle hervor, der in den , nächsten Tagen Haarausfall und eine je nach der verabfolgten Gift- menge mehr oder weniger ausgedehnte Nekrose der Haut folgt. M. Neisser führt den Versuch in folgender Weise aus: Bei einem Meer- "schweinchen werden 4 Stellen der Bauchhaut mit Kalziumhydrosulfid enthaart, 3 davon zur quantitativen Virulenzprüfung, 1 zur Antitoxinkontrolle. Dann werden Verdünnungen von je 1 Öse 24stündiger Löfflerserumschrägkultur in 10 cem, 100 cem und 1000 ccm physiologischer Kochsalzlösung hergestellt. Von diesen Verdünnungen werden je O'1ccm mit geeigneter Kanüle rein intrakutan eingespritzt. An der vierten Stelle injiziert man 0'05 ccm der stärksten Konzentration + etwa '/, IE, ebenfalls in 005 ccm enthalten. Prüft man nur qualitativ, so wird man nur O'lccem der %/ -Ösenverdünnung verwenden. Mit der Antitoxingabe muß man vorsichtig sein, um nicht Allgemeinimmunisierung hervorzurufen; 01—0°5 IE scheint die richtige Menge zu sein. Einige Forscher haben angenommen, daß die Pseudodiphtherie- bazillen nichts weiter wären als avirulente ZLöflersche Stäbchen. Gegen diese Annahme spricht aber das Ergebnis der Agglutinations- versuche, die von Lubowski, Schwoner, Lipstein, Schick und Ersettig, Kaulbach u. a. angestellt wurden. Hochwertig agglutinierende Diphtheriesera gewinnt man, indem man Pferden abgetötete Diphtheriebazillen in steigenden Dosen injiziert. Bei den ersten Injektionen wird den Tieren, um Giftwirkungen auszuschalten, zweckmäßig gleich- zeitig Diphtherieantitoxin eingespritzt--Man kann auf diese Weise unschwer Sera mit einem Titer von 1:1000—1 :10000 herstellen. Eine gewisse Schwierigkeit bei der Agglutinationsprüfung bietet die Herstellung einer gleichmäßigen und einige Zeit gleichmäßig bleibenden Aufschwemmung der Diphtherie- bzw. Pseudodiphtherie- bazillen. Nach den Untersuchungen Lubowskis kommt man hier am besten zum ‘ Ziele, wenn man den von der Kulturschale abgeschabten Bakterienrasen in einem sterilen Kölbehen, in dem sich sterile, vorher mit Säure gewaschene und wieder entsäuerte Glasperlen befinden, mit steriler physiologischer Kochsalzlösung einige Minuten schüttelt, bis sich eine homogene Emulsion gebildet hat. Dann läßt man absetzen, pipettiert vorsichtig ab und mischt die Emulsion, um spontane Sedi- mentierung möglichst hintanzuhalten, zu gleichen Teilen mit Glyzerin. Der Ausfall der Reaktion wird derart geprüft, daß man je 1ccm dieser Glyzerin-Kochsalzemulsion mit 1ccm der Serumverdünnungen innig vermischt und bei Lupenvergrößerung fest- stellt, bis zu welchen Verdünnungen hin das Serum eine Zusammenballung bewirkt. Ein einwandfrei in der geschilderten Weise hergestelltes Diph- therieserum agglutiniert die meisten echten Diphtherie- stämme, auch die atypischen und avirulenten, annähernd gleich- ‚mäßig hoch, während Kulturen von Pseudodiphtheriebazillen nicht stärker beeinflußt werden als durch das normale Pferdeserum (1:10 bis 1:40). Sera, die in analoger Weise durch Vorbehandlung von Tieren mit ein- zelnen Pseudodiphtheriebazillenstämmen hergestellt werden, agglutinieren die homologen Kulturen wesentlich höher als Diphtheriekulturen, wirken aber auch auf andere Stämme von Pseudodiphtheriebazillen unter Um- ständen nicht spezifisch. Es geht daraus hervor, daß es sich bei den Pseudodiphtheriebazillen nicht um eine einheitliche Bakterienspezies handelt, sondern um eine Gruppe differenter Arten. Nach den Untersuchungen von H. Langer lassen sich bei Verwendung mono- valenter Kaninchensera, die durch Injektion lebender, in Diphtherieheilserum auf- geschwemmter Diphtheriebazillen gewonnen werden, zwei Gruppen von Diphtherie- Agglutina- tions- prüfung. Epidemio- logie. 658 38. Vorlesung. bazillen unterscheiden, von denen die eine sich als agglutinabel erweist, während die andere völlig inagglutinabel ist. Durch Vorbehandlung von Kaninchen mit inagglutinablen Stämmen erhält man Sera, die nur auf agglutinable Stämme wirken. Durch Absättigungsversuche ließ sich jedoch feststellen, daß auch die inagglutinablen Diphtheriebazillen die spezifischen Diphtherieagglutinine binden. Demnach ist nicht nur der Antigencharakter aller Diphtheriestäimme einheitlich, sondern es besteht auch eine völlige Einheitlichkeit in der Ausbildung der Rezeptoren. v. Przewoski hat die Komplementbindung zur Differenzierung herange- zogen. Er benutzte als Antigen abgetötete, bei 37° C drei Tage digerierte Bazillen aus 24stündigen Serumkulturen. Die Immunsera werden durch intravenöse Behand- lung von Kaninchen mit Aufschwemmungen verschiedener Bakterienstämme gewonnen. Die Diphtheriediagnose ist also unter Umständen mit Schwierig- keiten verbunden und sollte deshalb nur von Geübten ausgeführt werden. Am zweckmäßigsten wird sie besonderen zentralen Untersuchungsstellen anvertraut, in denen die Verarbeitung des Materials durch geschultes Personal erfolgt und wo es an den nötigen Hilfsmitteln nicht fehlt, um der Diagnose nach jeder Richtung die wissenschaftliche Zuverlässigkeit zu geben. Solche Institute sind in Deutschland bereits in zahlreichen Städten geschaffen worden, ihre Zahl sollte aber im Interesse der all- gemeinen Diphtheriebekämpfung möglichst erweitert werden. Die Hauptansteckungsquelle für Gesunde ist der diph- therieinfizierte Mensch. Als Erreger von Krankheiten bei Tieren kommen Diphtheriebazillen nicht vor. Die sogenannte Hühner- und Kälberdiphtherie sind ätiologisch noch nicht völlig geklärt, aber von der Löfflerschen Diphtherie scharf zu trennen. Wir haben also bei der Diphtherie die gleichen epidemiologischen Verhältnisse wie bei den meisten anderen Infektionskrankheiten und finden auch hier wieder, daß der Infektionsstoff hauptsächlich durch Leichtkranke, die als solche nicht erkannt werden, oder durch Rekonvaleszenten verbreitet wird. Bei den Rekonvaleszenten dauert die Ausscheidung häufig sehr lange. Abel z.B. fand noch 65 Tage, Trump 82 Tage, Jessen 4 Monate, Hewlett und Nolan 6 Monate, Fibiger 9 Monate, Le Gendre und Pochon 1'/, Jahre, Prip 22 Monate und 4 Jahre, Neisser 8 Jahre nach Ablauf der akuten Erscheinungen Diphtheriebazillen. Über die Häufigkeit längerer Persistenz der Erreger bei Rekon- valeszenten seien folgende Erfahrungen mitgeteilt: Scheller konnte Diphtheriebazillen nachweisen weniger als 10 Tage bei 23%, mehr als 41 Tage bei 10°), mehr »,..11: „2400: nm. DE a ” „ 21 „ ” 35%, n „bl „ 4 50 > Ba n 31 7 n 18°), n n 90 ” ” 2°) 0 der untersuchten 339 Fälle. — Ein ähnliches Ergebnis hatten die Untersuchungen E. Neissers in Stettin. Bei seinen etwa 500 Fällen waren die Bazillen, vom Krank- heitsbeginn an gerechnet, nach 2 Wochen bei 22:7°/,, nach 3 Wochen bei 51'5°/,, nach 4 Wochen bei 82°5°/, und nach 5 Wochen bei 96°2°/, verschwunden. — Tjaden stellte in Bremen das Freisein von Diphtheriebazillen fest nach 2 Wochen bei 67°/, nach 8 Wochen bei 974%, 0 . N 3 7 7 75 fr Nn I b] n 99 3°, ER „ 836° 40.0, » 995%, be „89,1% AL, "* 99:90/, a „934%, a „. 99-95°), ge „969%, u „. 100%, der mehrfach untersuchten 1338 Fälle. Erwachsene und Kinder verhielten sich in den ersten 3 Wochen annähernd gleich, von da ab nahm aber bei den Erwachsenen die Zahl der Dauerausscheider schneller ab als bei den Kindern. — Auch aus anderen Ländern liegen derartige Feststellungen vor. ei BB El nl Zr a als he m an ne a 934 Wil en u Far de Diphtherie. 659 Bei den Diphtheriebazillenträgern, die also nicht erkrankt waren und nicht erkranken, handelt es sich nach den neueren Fest- stellungen ausschließlich um Individuen, die mit Diphtheriekranken, sei es direkt, sei es indirekt, in mehr oder weniger nahe Berührung ge- treten sind. Scheller fand bei ganz gesunden Personen, bei denen ein Konnex mit Diph- theriekranken ausgeschlossen werden konnte, niemals Diphtheriebazillen, Kober unter 600 gesunden Schulkindern nur 15mal. Nur bei 5 dieser Fälle, d. h.bei 0'83°/,, gelang der Nachweis einer Infektionsquelle nicht. Der Diphtheriebazillus ist also eineswegs als ubiquitär anzusehen, sein Vorkommen setzt vielmehr stets einen Zusammenhang mit einem früheren Diphtheriefalle voraus. In der unmittelbaren Um- gebung Diphtheriekranker werden Bazillenträger sehr häufig gefunden. Scheller konnte bei Untersuchungen ganzer Familien mehrfach feststellen, daß beinahe sämtliche Mitglieder einer Familie, in der ein Diphtheriefall vorkam, früher oder später Diphtheriebazillen aufwiesen. Im ganzen erhielt er bei 38°/, aller untersuchten An- gehörigen von diphtheriekranken Personen positive Resultate. Einwandfreie Fälle, in denen durch gesunde Bazillenträger, Dauer- ausscheider oder Rekonvaleszenten die Krankheit verbreitet worden ist, sind in sehr großer Zahl in der Literatur mitgeteilt worden, so daß an der überaus großen Bedeutung dieser Übertragungsart heute kein Zweifel mehr besteht. Erwähnenswert ist noch, daß nach Kobers Untersuchungen die Diphtheriebazillen bei Bazillenträgern bei weitem nicht so lange persistieren, wie bei Rekonvaleszenten. Besonders gefährlich für die Weiterverbreitung sind die Fälle von sogenannter chronischer Diphtherie, bei der sich nach den Unter- suchungen von E. Neisser und Kahnert sowie Scheller die Bazillen über Jahr und Tag auf den Schleimhäuten des Nasenrachenraumes und der Nebenhöhlen der Nase halten. Ferner wird ein langes Persistieren der Diphtheriebazillen nicht selten auf der Schleimhaut der Paukenhöhle (vergl. S. 641) beobachtet, seltener auch auf den Augenbindehäuten. Andere Schleimhäute sind hierin praktisch ohne Bedeutung. Die epidemiologisch wichtigste Form der Krankheitsverbreitung ist zweifellos die Kontaktinfektion, bei der der Infektionsstoff entweder direkt durch Anhusten, Küssen usw. oder indirekt durch infizierte Hände, Eßgeschirre, Spielsachen usw. übertragen wird. Gemeinsame Ansteckungs- quellen, wie Milch und Wasser, spielen bei der Diphtherieverbreitung nur eine untergeordnete Rolle. Daß unter besonderen Umständen auch Nahrungsmittelinfektionen einmal zur Diphtherieverbreitung führen können, lehrt folgende Beobachtung von Sobernheim und Nagel. Während der Kriegszeit wurden in einer Stadt in verschiedenen, räum- lich getrennt untergebrachten und auch in keinem nachweisbaren näheren Verkehr miteinander stehenden Bevölkerungsgruppen- plötzlich und gleichzeitig gehäufte Fälle von Diphtherieerkrankungen beobachtet. Alles wies auf eine gemeinsame Ansteckungs- quelle hin, die aber, mangels anderer Verkehrsbeziehungen, nur in der Zentralküche gesucht werden konnte, aus der sämtliche Erkrankte ihr Essen zugeschickt bekamen. Bei näherer Nachforschung ergab sich, daß von 40 in dieser Küche beschäftigten Frauen mehrere starke diphtherische Beläge im Rachen aufwiesen und 11 von ihnen Diphtheriebazillen ausschieden. Immerhin dürfte nach den allgemeinen epidemio- logischen Erfahrungen eine solche Übertragungsweise zu den ganz außergewöhnlichen Vorkommnissen zu rechnen sein. Da die Diphtherie vorwiegend eine Krankheit des jugendlichen Lebensalters ist, kommt für ihre Verbreitung der Schule eine ganz besondere Bedeutung zu. In gleicher Weise sind die überfüllten Wohnungen der ärmeren Bevölkerung epidemiologisch wichtig. In den schmutzigen, schlecht gelüfteten und zum Teil feuchten Wohnungen Immunität. 660 38. Vorlesung. der großen Arbeiterkasernen, namentlich in den unteren Stockwerken, in die Sonnenlicht selten eindringt, hält sich die Krankheit, wenn nicht energisch eingegriffen wird, oft viele Monate hindurch. Nachdem die Serumtherapie und Serumprophylaxe der Diphtherie überall Gemeingut der Ärzte geworden ist, ist die Diphtheriemortalität und -morbidität auf ein Niveau gesunken, das seit einer Reihe von Jahren annähernd konstant ist. Die Ausrottung der Seuche als Volks- krankheit wird aber nicht früher erreicht werden, als bis es"gelingt, die gesunden Bazillenträger ihrer Infektiosität zu berauben, d.h. von virulenten Diphtheriebazillen zu befreien. | Fig. 80. a EEE ERTSErEETSErE Er BB EBn Dr mn SS ss S . Pen ser cm. 1 — 370 N 7 TENZ 36,0 - 35,0 Typische Wirkung des zu Beginn einer Diphtherieerkrankung injizierten Antitoxins. Beobachtung von Stooß. Die Frage der Behandlung der Bazillenträger ist überaus schwierig. und ein noch ungelöstes Problem (s. S.670). Wie ». Drigalski, Sobernheim und‘ Sommerfeld hervorheben, hat die Ermittlung der Bazillenträger durch eine obligatorische Nachuntersuchung aller Rekon- valeszenten und ihre Behandlung schon einen großen Wert für die Diphtherieprophylaxe insofern, als sie die von den Infektionsstoffträgern ausgehende Gefahr vermindert. Würde es möglich sein, die Über- führung eines jeden Diphtheriefalles in ein Krankenhaus zu erreichen und die Entlassung des Patienten nicht von der klinischen, sondern von der „bakteriellen“ Genesung, d.h. von dem Zeitpunkt abhängig zu machen, wo der Betreffende durch bakteriologische Untersuchung frei von Infektionsstoffen befunden wird, so wäre ein wichtiger Schritt auf dem Wege der Diphtherieausrottung getan. Die experimentelle Erforschung der Diphtherie-Immunität hat, seitdem sie zuerst im Jahre 1890 durch Ferran in Angriff genommen wurde, in verhältnismäßig kurzer Zeit theoretisch und praktisch außerordentlich wichtige Ergebnisse gezeitigt. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 42. 1. Keulenformen und Verzweigungen der langgestreekten Diphtheriebazillen. — 2. Sekret mit diphtherieähnlichen Bakterien bei nicht gonorrhoischer Vulvo-Vaginitis. — 3. Gedrungene, dicke Formen kurzer Diphtheriebazillen. — 4. Schlanke Formen der Diphtheriebazillen von mittlerer Länge. — 5. Kolonie auf Agar von einer groben Form. Vergr. 8öfach. — 6. Kolonie auf Agar von einer schlanken Form. Vergr. 8öfach. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. olle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 43. nn 2. Kolonien von Diphtheriebazillen und Streptokokken auf Serumplatte bei durchfallendem Licht. (Schwache Ver- rung.) — 2. Wachstum des Diphtheriebazillus auf Bouillon. — 3. Schnitt durch diphtherische Membran. — #. Diphtheriebazillen von Serumplatte. Färbung nach M. Neisser. — 5. Ausstrichpräparat aus Diphtberiemembran. Färbung mit Löfflers Methylenblau. Sehr starke Vergrößerung. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 44. Fig. 2. je Fig.1. Ausstrich aus dem Abszeß an der Impfstelle einer Maus nach kutaner Diphtheriein schweinchenniere: a=normal; 5=diphtherieinfiziert. — Fig. 3a. Schnitte durch Nebennie Schnitt durch diphtherieinfizierte Meerschweinchennebenniere. EEE a u ZT at A ur Diphtherie. 661 Fast gleichzeitig mit Ferran gelang es C. Fraenkel und Brieger, das Prinzip der aktiven Immunisierung von kleineren Versuchstieren in umfassender Weise zu klären. Diese Autoren zeigten, daß man mit abgetöteten Diphtheriebouillonkulturen ebenso wie mit lebenden Kulturen, deren Virulenz durch Zusatz geringer Mengen von Jodtrichlorid abgeschwächt ist, oder durch Einverleibung einer untertödlichen Dosis von Gift oder lebenden Infektionserregern gegen die spätere Infektion mit voll- virulenten Löfflerschen Stäbchen immunisieren kann. An diese aktiven Immuni- ‚sierungsversuche schloß sich die fundamentale Entdeckung des Diphtherie-Antitoxins durch E.v. Behring an. Behring fand, daß im Blute der mit Diphtberiegift vor- behandelten und so gift- und infektionsfest gemachten Tiere spezifische Antitoxine auftreten. Diese haben die Fähigkeit, das Diphtheriegift im Reagenzglase und im Tierkörper unschädlich zu machen, indem sie sich mit ihm nach Art einer chemi- schen Verbindung vereinigen. In großen Versuchsreihen konnten Behring und sein Mitarbeiter Wernicke an den verschiedensten Tieren, namentlich an Meerschweinchen, zeigen, daß dem Serum nicht nur Schutzkraft gegenüber der nachfolgenden Infektion oder Vergiftung innewohnt, sondern daß ; auch bereits kranke Tiere durch die Ein- Fig. 81. verleibung des Antitoxins geheilt werden können. Nachdem so durch Tierversuche die therapeutische und prophylaktische Krankheit 6|7 Wirksamkeit des Diphtherie- Antitoxins = 213.414.15,1 6 a sichergestellt war, wurde seine Verwen- 410 dung beim Menschen in die Wege ge- leitet. Ehrlich schuf dann sichere Me- thoden der Wertbestimmung, durch die 4004 es auch ermöglicht wurde, den Gang der 7 Immunisierung bei der Hochtreibung der ZA antitoxischen Immunität an Pferden ge- 390—F a -» mau zu regeln. v4 el / et Die Erfolge der Serumthe- 38.0 x rapie, die seit dem Jahre 1894 in x allen Kulturländern Allgemeingut 370 — der Ärzte geworden ist, sind in IN allen Fällen unverkennbar, in denen 360 v rechtzeitig genügende Mengen des Serums eingespritzt werden. Durch die Anwendung des Antitoxins wer- 33.0 den sehr viele Diphtheriekranke, die ohne Anwendung des Serums sicherlich verloren wären, geheilt. ren ee Wirkung See Dipbtherie - Die Unterlassung der Serum- een therapie bei Diphtherie ist also ein Kunstfehler. Man darf sich auch durch die Angst vor anaphylaktischen Erscheinungen, wie Pfaundler neuerdings wieder betont hat, niemals vor der nötigenfalls auch wiederholten Anwendung großer Serumdosen abhalten lassen. Das schwere Krankheitsbild ändert sich 10—12 Stunden nach rechtzeitiger Einverleibung einer genügenden Dosis des Antitoxins oft ganz über- raschend. Die in benommenem Zustande unter hohem Fieber mit kleinem. Puls daliegenden Patienten fangen wieder an, Interesse zu zeigen; Kinder, die vorher völlig teilnahmslos waren, sitzen wieder im Bett und verlangen nach Spielsachen. Ihr Appetit kehrt wieder, und in kurzer Zeit stellt sich die Genesung ein. Den Einfluß der Seruminjektion auf das Fieber zeigen Fig. 80 und 81. Aber nicht nur durch die unmittelbare ärztliche Beobachtung kann der therapeutische Wert des Diphtherieserums bewiesen werden, Serum- therapie. 662 38. Vorlesung. sondern auch durch die Statistik. Überall ist seit der Einführung des Diphtherie-Antitoxins die Diphtheriemortalität, die in der Vor- serumzeit nach Heubner bei den in den drei er- sten Krankheitstagen in Behandlung Genommenen durchschnittlich 35°/, be- trug, gesunken (Taf. 45 und Fig. 82—83 und 85—88). Dies kann nicht, wie @ott- stein u. a. beweisen wollten, mit einer Änderung des Charakters der Diphthe- rie zusammenhängen. Es wäre völlig unverständ- lich, warum in den ein- zelnen Ländern diese Än- derung des Charakters der Krankheit immer gerade mit der Einführung der Serumtherapie zeitlich fast völlig zuammenfiel. Die Erfolge der Se- rumtherapie sind abhän- gig: 1. von der Zeit, Fig. 82. Von 100 000 Menschen starben an Diphtherie in deutschen Städten von mehr als 15 000 Ein- wohnern : 92 94.1 95 [96197 [9889 01102 ]03 124 vor nach Einführung der Serumbehandlung. (Nach Jaeger.) die zwischen Infektion und Einleitung der spezifischen Therapie verflossen ist, 2. von der richtigen Bemessung der Serumdosis und 3. von der Applikationsweise des Serums. Aus den Unter- suchungen von Doenitz und Berghaus wissen wir, daß 2 Stunden nach der ex- perimentellen Gifteinver- leibung bei Tieren ‘zur Neutralisierung des To- xins schon 10fach größere Antitoxinmengen notwen- dig sind, als bei der Serum- injektion nach 1 Stunde. Die Notwendigkeit einer möglichst frühzeiti- gen Anwendung des Se- rums erhellt jedoch nicht nur aus den Ergebnissen der Tierversuche, sondern auch aus den Erfahrungen der Praxis. Von den zahl- reichen statistischen An- gaben, die hierüber in Fig. 83, Todesfälle an Diphtherie in Paris 93 | 94 1 95 | 96 | oz | 98 ]*o9 1000 vor 1469 1262 993 un4t Qurchschnitt "550, 339 | 346 354 270 = I nach Einführung der Serumbehandlung. (Nach Jaeger.) der Literatur aller Länder vorliegen, seien nur die folgenden kurz zusammengestellt: Diphtherie. | 663 Von 100 Kranken starben nach ee heetten gi Egg Baginsky ng Ehrlich | Kossel emesng Brückner | Am 1. Krankheitstag.. . 27 0 0 0 0 41 2563 ß ..| 1085 | 84 = 28 ex 77 ne ö ..| 143 | 142 =: 13:3 = 12-6 u . 237 | 77 = 23-1 = 15:8 Ic : 39:9 _ 535 40 = 20-4 u B.. n 30:8 _ — 47 193 Br £ > 25 _ | 28 ze z 33-3 = Big 2131 — a‘ x 50 x ER: & = Die von Lingner berechneten Mortalitätszahlen sind aus Fig. 84 ersichtlich. - 5 Die serumtherapeutischen Erfolge können zweifellos noch erhöht - werden, wenn man statt der subkutanen Einspritzung die viel schneller Br: wirksame intramus- Fig. 84. kuläre oder — bei ANWENDUNG AM schweren Erkrankun- a 4 xrank.| gen — die intra- venöse Einverlei- bung anwendet. Die neueren Forschungen haben gelehrt, daß sich bei Injektion großer Antitoxinmengen noch Diphtheriefälle heilen lassen, in denen schon schwere Vergiftungs- erscheinungen vorlie- gen. Während man bei frischen Erkrankungen mit der einmaligen Injektion von 1500 Wirksamkeit des Diphtherieserums an den verschiedenen Krank- bis 3000 Immunitäts- heitstagen. (Nach Längner.) einheiten auskommt, müssen hier wesentlich höhere Dosen, und zwar nötigenfalls mehrmals, injiziert werden. Selbst postdiphtherische Lähmungen, von denen man früher annahm, daß sie durch die Serumbehandlung nicht beeinflußt würden, lassen ‚sich, wie die Berichte aus der Heubnerschen Klinik in der Berliner. Charite und von Comby, Mourniac, Middleton, Cairuss u. a. beweisen, - durch wiederholte intravenöse Einspritzung großer Serum- - dosen unter Umständen heilen, wenn sie noch nicht lange bestehen. - Dosen bis zu 80000 IE wurden in solchen Fällen mit gutem Er- - folge injiziert. Erscheinungen der Serumkrankheit traten dabei weder - häufiger noch stärker auf, als bei subkutaner Anwendung geringerer - Serumgaben. Von besonderer Wichtigkeit ist es‘ daß man hochwertige PROZENT 664 38. Vorlesung. Sera verwendet, in denen also die nötigen Antitoxindosen in verhältnis- mäßig geringen Serummengen enthalten sind. Der Heilwert des Diph- therieserums ist seinem nach Ehrlichs Methode bestimmten Gehalt an Immunitätseinheiten direkt proportional. Wie Rosenau und Anderson u. a. gezeigt haben, gelingt es experimentell einigermaßen sicher bei Meerschweinchen, durch nicht akut tödlich wirkende Diphtherietoxinmengen oder durch Diphtherie-Toxin-Antitoxingemische mit einem gewissen Giftüberschuß Erscheinungen hervorzurufen, die den postdiphtherischen Lähmungen beim Menschen entsprechen. Bei diesen experimentell erzeugten Läh- mungen ist eine Wirkung des Antitoxins nur dann festzustellen, wenn das Serum Fig. 85. Yon je 1000 Kindern dieser Altersklasse starben jahr nr BEREITET TE 1892 Verena 1894 1894 1896 1896 BEE EEE a 0, 1898 [2 222072. 202222 1000 1900 j | | T | 10,2 BERN | 1902 j ERSEREEREEE | 1 | I } N 004 BEREEEERREN 1904 AM 1906 1908 Mm 1908 18921908 | Durchschhitt 1882:1908] Se: i BE i u Todesfälle an Diphtherie und Krupp bei Kindern von I—15 Jahren in 10 Staaten des Deutschen Reiches 1892— 1908. (Reichs-Gesundheitsamt.) spätestens 24 Stunden nach der Infektion einverleibt wird; schon 48 Stunden nach der Infektion genügen selbst 4000 IE nicht mehr, um Lähmungen und den Tod des Tieres zu verhindern, während bei gleichzeitiger Injektion 1 IE zur Verhütung der Krankheitserscheinungen genügt. Die von Behring, Ehrlich und vielen anderen namhaften Immunitätsforschern und Klinikern vertretene Auffassung, daß der Heilwert eines Diphtherieserums seinem nach Ehrlichs Methode bestimmten Gehalt an Antitoxineinheiten parallel geht, wurde von Roux, später von Cruveilhier und von Kraus und Schwoner bestritten, die aus den Ergebnissen ihrer Tierexperimente schlossen, daß für die Wirksamkeit des Serums im Körper nicht so sehr sein Antitoxingehalt, als vielmehr sein Gehalt an „anti- mikrobischen* Stoffen bzw. die Avidität der Immunsubstanzen zu den Toxinen maßgebend sei. Die auf breiter Basis von Marx, Steinhardt und Banzhoff, Brüstlein, Berghaus, Kolle und Schloßberger ausgeführten Untersuchungen haben jedoch in unzweideutiger Weise dargetan, daß die alte Ehrlichsche Anschauung zu Recht besteht und daß somit auch die auf ihr aufgebaute Wertbemessung des Diphtherie- heilserums durchaus einwandfrei ist. Diphtherie. 665 Im Gegensatz zu den meisten früheren Autoren, die bei ihren Heilversuchen den Versuchstieren fast ausschließlich keimfreie Bouillongifte und dann nach Ablauf einer bestimmten Zeit Serum injizierten, stellten Kolle und Schloßberger, um den natürlichen Verhältnissen beim diphtheriekranken Menschen näher zu kommen, auch zahlreiche Heilversuche bei Meerschweinchen an, die mit lebenden Bakterien in ver- schiedenen Dosen subkutan oder perkutan (Einreiben der Bakterien auf die rasierte Bauchhaut) infiziert worden waren. Dabei ergab sich, daß das antitoxische Diphtherie- heilserum, das mit keimfreien Bouillongiften eines oder mehrerer Stämme her- 5 - gestellt wird, nicht nur gegenüber der Diphtherievergiftung der Meerschweinchen mit den in vitro hergestellten Toluolgiften einer großen Anzahl verschiedener Stämme, sondern auch bei der Infektion der Tiere mit lebenden Bakterien sämtlicher geprüfter Kulturen Heilwirkung entfaltet. Diese Heilkraft des Diphtherieserums geht seinem Antitoxingehalt parallel und ist um so stärker, je früher nach der Injektion des Giftes 3 oder der Bakterien die Anwendung des Heilserums erfolgt. Je größer das Zeit- "intervall ist, um so größere Antitoxinmengen müssen angewendet werden, um noch einen Effekt zu erzielen. Es gibt, wie Dönitz auch für Tetanusgift (s. S. 552) fest- gestellt hat, einen nach der Größe der Infektionsdosis verschiedenen Zeitraum, bei lem es auch bei Anwendung größter Dosen hochwertigen (tausendfachen) Heilserums nicht mehr gelingt, den Tod der mit lebenden Diphtheriebakterien infizierten Meer- schweinchen zu verhindern. - Wie schon (S. 649) erwähnt wurde, entfaltet das mit Bouillongiften eines Stammes hergestellte Diphtherieheilserum eine Heilwirkung nicht nur dem homologen Gift und den homologen, lebenden Bakterien, sondern auch Reagenzglasgiften und lebenden Bakterien anderer Diphtheriestämme gegenüber. Daß die von den Diphtherie- — bazillen im Tierkörper gebildeten Toxine in der Tat mit den in vitro sezernierten Giften identisch sind, konnte auch dadurch bewiesen werden, daß der Heilwert der - Sera von Pferden, die mit lebenden Diphtheriebakterien (von Löffler-Serumkulturen) eines Stammes: immunisiert worden waren, ihrem nach der Ehrlichschen Methode bestimmten Antitoxingehalt entsprach (Kolle und Schloßberger). Die von Roux und ‚seiner Schule vertretene Auffassung, daß die Diphtheriebazillen nicht nur durch ihr Toxin, sondern auch noch durch ihre sonstigen Lebensäußerungen oder ihre Leibes- 'substanz (Endotoxin) krankmachend wirken, ist dadurch wohl endgültig widerlegt. Die Einverleibung der geringen Serummengen, in denen die nötige Antitoxin- dosis enthalten ist, nämlich von etwa 5—10 cem hochwertigen Serums ist selbst bei kleinen Kindern absolut unschädlich. Es stellen sich zwar gelegentlich nach den Injektionen urtikariaähnliche Ausschläge und Gelenkschwellungen ein, aber diese auf irritierende Stoffe des Tierserums, im besonderen des Pferdeserums zurückzu- = führenden Veränderungen pflegen fast immer rasch, ohne Hinterlassung bleibender ' Schädigungen zurückzugehen. j Die Art der Serumapplikation ist, wie die Untersuchungen der neueren Zeit gezeigt haben, viel bedeutungsvoller, als früher angenommen wurde. Es wurde festgestellt, daß die Resorptionsverhältnisse für die Wirksamkeit des Serums bei - der früher ausschließlich angewendeten subkutanen Einverleibung bedeutend ungün- stiger liegen, als bei intramuskulärer und intravenöser Injektion. Berghaus fand bei - seinen Tierversuchen, daß die intravenöse Einverleibung des Antitoxins 500mal stärker wirkte, als die subkutane, und 90mal stärker, als die intraperitoneale. Die Konzentration des Serums im Blut ist, wie Morgenroth zeigte, für die Bindung des Toxins durch das Antitoxin von ausschlaggebender Bedeutung. Es werden also, wenn genügende Mengen der wirksamen Stoffe auf kürzestem Wege direkt in die Blut- B. bahn eingeführt werden, wesentlich bessere Erfolge erzielt werden, als wenn die _ Antitoxine in das Unterhautzellgewebe eingespritzt und von hier aus erst allmählich - zesorbiert werden. Die Resultate, die bisher mit der intravenösen Injektion erreicht wurden, ermutigen zu der Hoffnung, daß auch in den schweren foudroyanten Fällen und bei Kranken, die erst in späteren Krankheitstagen in Behandlung kommen, die Serumtherapie in höherem Grade lebensrettend wirken wird, als es bei der bis-. herigen Applikationsweise der Fall war. Schreiber hat über 20 sehr schwere Fälle von Diphtherie berichtet, bei denen große Serumdosen intravenös injiziert wurden. Einem 1?/,jährigen Kinde wurden auf diese Weise z. B. 6000IE, einem 6jährigen Kinde 10000IE einverleibt. Abge- sehen von einem Kranken, der am 13. Krankheitstage an Herzlähmung starb, wurden alle diese Patienten geheilt. Felte hat mit gleich günstigem Erfolge 145 Fälle mit 3000—8000IE intravenös behandelt. Die intravenösen Injektionen sind in der Hand des Geübten durchaus ungefährlich, eine schädliche Einwirkung des in dem Serum enthaltenen Karbols, Kresols oder Tikresols hat sich nicht gezeigt. 666 38. Vorlesung. Wo die intravenöse Injektion nicht durchführbar ist, empfiehlt sich die intra- muskuläre Einspritzung, die nach den Ergebnissen, die Morgenroth im Tierver- such erhielt, noch 5—7mal stärker wirksam ist, als die subkutane. Die Einspritzung wird in die Glutäen vorgenommen und ruft Infiltrationen oder stärkere Schmerzen nicht hervor. Gabriel injizierte auf diese Weise älteren Kindern 9 ccem =4500IE, Säuglingen 6cem=3000IE und sah auch bei dieser Applikation gute Erfolge. Besteht die Erkrankung schon zu lange, ist bereits zu viel Gift im Körper aufgespeichert und an die Nervenzentren fest verankert, so gelingt es, wie Doenitz im Tierversuch zeigte, auch durch Einverleibung großer Mengen des Antitoxins nicht mehr, die Vergiftung zu paraly- sieren. Auch bei septischer Diphtherie, wenn schon große Mengen von So: EG 5-10| auf 10000 R der RN 10-20 | Bevölkerung über20 Diphtheriemortalität in Europa in der Zeit vor Anwendung des Diphtherieserums. Streptokokken in die Gewebe eingedrungen sind, erweist sich das Serum meist als wirkungslos. Der Tod ist hier weniger den Diphtheriegiften, als der septischen Infektion zuzuschreiben, auf die das Diphtherie-Anti- toxin naturgemäß keinen Einfluß hat. Außerdem wird es aber stets auch Diphtheriefälle geben, bei denen sich keine Komplikationen finden und wo das Serum trotzdem versagt. Hier handelt es sich in der Regel um schwächliche Personen, meist Kinder, die wenig Widerstands- kraft gegen die Infektion und Intoxikation besitzen und so empfindlich gegen die Gifte sind, daß der Tod verhältnismäßig rasch eintritt, oder um die sog. maligne oder foudroyante Form der Diphtherie, die früher (S. 640) erwähnt ist. Schick nimmt an, daß bei der Diphtheria gravis- sima schon im Momente der Diagnosenstellung die Dosis letalis des Diphtherie. 667 Diphtherietoxins für den Menschen fast oder ganz erreicht, vielleicht mehrfach überschritten ist. Daneben spielen natürlich andere Momente, wie Ausdehnung des diphtherischen Prozesses, Larynxstenose etc., eine nicht zu unterschätzende Rolle. Schick erzielte bei diphtheriekranken Kindern, denen er nach Art der Pirquet- schen Tuberkulinprobe ein auf den 10. Teil seines Volumens (im Vakuum bei 30°C) eingeengtes Diphtherietoxin in kleine Hautläsionen brachte, eine Kutanreaktion. Diese Reaktion ist spezifisch, denn sie bleibt aus, wenn das Toxin vorher durch Antitoxin abgesättigt wird. Der Ausfall der Diphtherie-Kutanreaktion wird wohl durch den Antitoxingehalt des Blutes bedingt. Der Grad der Reaktion gibt daher einen Maßstab der individuellen Disposition zur Erkrankung an Diphtherie und Fig. 37. we auf 10000 DD 5—10 der m äber 10 ‚Bevölkerung Diphtheriemortalität in Europa in der Zeit nach Einführung der Serumtherapie. (Veröffentl. des Schweizer Gesundheitsamtes über die Diphtherie-Enquete in der Schweiz.) ermöglicht eine Auswertung des Antitoxins auf der menschlichen Haut und damit eine genauere und zweckmäßige individuelle Bemessung des Heilserums. Wenn auch der Heilserumtherapie der Diphtherie gewisse Schranken gesetzt sind, so besteht doch heute auf Grund mehr als 25jähriger Er- fahrung für die große Mehrzahl der Ärzte nicht der geringste Zweifel darüber, daß das Diphtherie-Antitoxin ein unentbehrliches spezifisches Heilmittel ist. Nur ganz vereinzelte Ärzte sind als Serumgegner konsequent geblieben. Während der kleinere Teil dieser Wenigen jede Heilkraft des Heilserums trotz der überzeugenden Statistiken ableugnet, stehen die anderen auf dem Standpunkt, dab die Wirkung des Diphtherieserams nicht seinem Antitoxingehalt, sondern dem Serum als solchem zuzuschreiben ist. So hielt sich z.B. Bingel auf Grund von Resultaten, die er bei der Behandlung Diphtheriekranker nach der sogenannten Alternatirmethode erhalten hat, zu dem Urteil für berechtigt, daß normales Pferde- 6061 „I 8061 nn 2061 9061 5061 r06} —H £061 It c061 061 0061 —t I 413 ‚6681 8681 L681 um u gem m BE g681 ne wei: Damen 4 cn G681 +681 £681 2681 vEgl TELLLIHTETTAELTITEN 0681 Fig. 88. 688 mm m 38. Vorlesung. BBBl 4 881 ni 9881 s88L TI reg £881 Fe EI + I 11 I cB8l v881 | feepestfe na +77 0881 T 6/81 8281 LL8l 9281 g281 668 19 18 17 16 15 14 13 Sterbefälle an Diphtherie in Preußen, bezogen auf-10000 Lebende in den Jahren 1875 —1909. 115 * Xolle und Hetsch, Bakteriol 3 r Tafel 45. 6. Aufl. ogie. “ e0 20 sojumspoypunson "oswyy sap uoßunyayuofpıo up yonı ID IODIAONT-9RA0yydUT ; nn SEE ei ERBE Tue ran | SuOPIOSSNCT — BEP wo‘ x ze f a, 001 Lat P£ H Y. / /_ - RER NET | uoyounm = ne 1002 . Ihr“ ae er 7.17 5, “1. dire hı 7 LAT Pi en BR ER S on, ’ 1} = 7 r 37: iR Y Br en v0E / \ x 7 N | Hopso4qg I ' N - br 7 Dir 00r f \ / = x 7 005 Bunqump a x 10 0061 66 86 216 96 Ss6 v6 86 86. 16 06 68 88 LE IE auynp u ee ee En Sm ae 9 Der er # a } { Fi 2 ’ \ | ar u un ar D RT, Es XL N € . Diphtherie. 669 serum dasselbe leiste, wie hochwertiges Diphtherieheilserum. Diese Behauptung wider- spricht den Erfahrungen der Praxis und ist von zahlreichen Klinikern überein- stimmend zurückgewiesen worden. Sie steht aber auch in schroffstem Gegensatz zu den Ergebnissen der experimentellen Forschung. Man darf ein Diphtheriebehand- Jungsverfahren nur nach den Wirkungen bei kleinen Kindern beurteilen, nicht bei älteren Kindern und Erwachsenen, wie Bingel es tut (Schlossmann). Abgesehen davon hat aber Bingel in Anbetracht der Schwere der Fälle viel zu niedrige Anti- toxinmengen angewandt, so daß das Ausbleiben eines Heilerfolgs bei Verwendung von Antitoxin wie von normalem Serum nicht wundernehmen kann. Kolle und Schloßberger haben, veranlaßt durch die Behauptungen Bingels, die Wirkung des normalen Pferdeserums auf die Diphtherieinfektion und -intoxi- kation von Kaninchen und Meerschweinchen einer eingehenden Prüfung unterzogen. Das antitoxinfreie Pferdeserum zeigt zwar eine gewisse Einwirkung auf den Verlauf der Diphtherieerkrankung der Versuchstiere, die sich manchmal in einer Verzögerung des Todes, zuweilen auch in einer Ausheilung des Prozesses kundgibt. Diese tritt aber nur in Erscheinung, wenn wenig virulente Kulturen oder kleine Dosen virulenter Kultur zur Infektion verwendet und kurz darauf größte Serumdosen (etwa 5 ccm bei 250g schweren Meerschweinchen) einverleibt werden. Bei Meerschweinchen, denen keimfreie Bouillongifte injiziert waren, konnte selbst nach stärksten Dosen normalen Pferdeserums nur eine Verzögerung im Eintritt des Todes, aber keine Heilwirkung beobachtet werden. Bei den mit lebenden Diphtheriebazillen infizierten ‚Mäusen sahen Kolle und Schloßberger gar keine Wirkung des. normalen Pferdeserums im Schutz- oder Heilversuch, während sie mit dem antitoxischen Diphtherieserum auch hier sichere Schutz- und Heilwirkung erzielten. ä Hochwertiges Diphtherieserum wird in Deutschland in den Höchster Farb- werken, bei Merck (Darmstadt), Ruete-Enoch (Hamburg), Schering (Berlin), Bram (Ölzschau bei Leipzig), Gans (Oberursel), im Sächsischen Serumwerk (Dresden) und in den Behringwerken (Marburg a. L.) hergestellt. Außerhalb Deutschlands wird z.B. von Parke Davis (Amerika), im staatlichen Seruminstitut in Kopenhagen (Dänemark) und im Berner Seruminstitut (Schweiz) hochwertiges Serum gewonnen. Das Dipbtherieserum wird für Deutschland im Institut für experimentelle Therapie in Frankfurt a. M. staatlich geprüft. Das zur Prüfung eingesandte Serum wird der Wertigkeitsangabe der Fabrik entsprechend mit physiologischer Kochsalzlösung so verdünnt, daß in 4ccem 1IE enthalten sein müßte. (Man wählt als Flüssigkeitsmenge 4ccm statt z. B. 1 ccm, weil dadurch die kleinen Fehler, die beim späteren Umfüllen in die Spritze ent- stehen, erheblich verringert werden.) Zu diesen 4ccm Serumverdünnung wird die Testgiftdosis zugesetzt, die gegen ein in seiner Wertigkeit absolut konstant erhaltenes Standardserum genau so eingestellt ist, daß sie bei Mischung mit 1 IE des letzteren gerade einen den Tod des Meerschweinchens am 4. Tag herbeiführenden Giftüber- schuß enthält (L}-Dosis s. S.149). Die Mischung wird sogleich nach ihrer -Fertig- stellung einem Meerschweinchen von 250 g mit der Kochschen Spritze subkutan in der Mittellinie des Bauches eingespritzt. Das Tier muß, wenn die injizierte Serum- menge in der Tat 11E enthielt, am 4. Tage leben und gesund sein. Jedes Diphtherieserum-Fläschehen, das in den Handel kommt, ist plombiert, trägt die staatliche Kontrollnummer und ist mit einem Vermerk über die Menge der in ihm enthaltenen Antitoxineinheiten versehen. Da mit der Zeit der Wert des Serums infolge Dissoziation der Antitoxine abnimmt, wird von Zeit zu Zeit die Prüfung wieder- holt. Ergibt sich eine merkliche Abschwächung, so wird das Serum der betreffenden Kontrollnummer amtlich eingezogen. Es geschieht dies dadurch, daß die Apotheken, die allein zum Verkauf des in die Pharmakopoe eingereihten Diphtherieserums berechtigt sind, hiervon durch einen Erlaß der Regierungspräsidenten benachrichtigt werden. Das in Frankreich im Verkehr befindliche, im Institut Pasteur hergestellte Diphtherieheilserum ist nicht rein antitoxisch, sondern enthält außerdem noch eine antibakterielle Quote, deren Stärke nach einem von Rowr angegebenen Prüfungs- verfahren bei prophylaktischer Gabe im Meerschweinchenversuch festgestellt wird. Hierbei wird die geringste Serummenge ermittelt, die, prophylaktisch injiziert, Meer- schweinchen eben noch gegen die Kulturmenge schützt, die bei normalen, gleich schweren Kontrolltieren den Tod in 30 Stunden herbeiführt. Wie jedoch Ehrlich, Madsen, Belfanti, Marx und andere gezeigt haben, gibt diese Art der Wert- bestimmung des Diphtherieserums ein vollständig falsches Bild, weil sie infolge der getrennten subkutanen Injektion von Bakterien und Antitoxin die bei den Versuchs- Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 44 Bekämpfung und Prophylaxe. 670 38. Vorlesung. tieren individuell schwankenden Resorptionsverhältnisse unberücksichtigt läßt. Durch Heilversuche an Meerschweinchen und Kaninchen konnten Marx sowie Kolle und Schloßberger den Nachweis erbringen, daß der Heilwert eines Diphtherieserums lediglich durch seinen Antitoxingehalt bedingt ist. Klinische Untersuchungen, die Kleinschmidt mit diesem antitoxisch-antibakteriellen Serum angestellt hat, ergaben gleichfalls, daß sein Heilwert dem Antitoxingehalt parallel geht, daß es also einem rein antitoxischen Serum von gleichem Antitoxingehalt nicht überlegen ist. : Wie bei den mit Diphtheriegift vorbehandelten Tieren, treten auch beim Menschen nach dem Überstehen der Diphtherie spezifische Antitoxine im Blutserum auf. Aber nicht nur als Ausdruck einer er- worbenen Immunität finden sich diese Antikörper im Serum, sondern auch bei ganz gesunden Menschen, die nachweislich nie manifest an Diphtherie erkrankt waren, kommen die gleichen Antitoxinmengen im Blute vor. Es ist wahrscheinlich, daß es sich hier um Stoffe des normalen Serums handelt, deren Entstehung sieh auf Grund der Ehrlichschen Theorie ohne Schwierigkeiten erklären läßt. Die Bekämpfung der Diphtherie ist für Preußen durch das Seuchengesetz vom 28. August 1905, für die anderen Gliedstaaten des Deutschen Reiches durch entsprechende Verordnungen geregelt. Die dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen geben die gesetzlichen Unter- lagen für die Meldepflicht aller Diphtheriefälle, für die Absonderung der Kranken und Krankheitsverdächtigen und für die Desinfektions- maßnahmen während .des Verlaufes und nach Ablauf der Krankheit. Von jedem diphtherieverdächtigen Krankheitsfall ist geeignetes Material an die bakteriologische Zentraluntersuchungsstelle einzusenden. Zur Ent- nahme dienen kleine, an einem Draht befestigte Wattebäusche, die in sterilen Reagenzgläsern verschickt werden. Jeder Sendung ist ein Be- gleitschein mit Angaben über die Art der Erkrankung, Tag und Stunde der Entnahme, Name des Kranken usw. beizufügen. Die Absonderung der Kranken darf erst aufgehoben werden, wenn die mehrmalige bakteriologische Untersuchung ergeben hat, dab sie frei von Diphtheriebazillen sind. Das gilt namentlich für schul- pflichtige Kinder. Besondere Schwierigkeiten bietet natürlich die Er- mittlung und Unschädlichmachung der gesunden Bazillenträger, der Leichtkranken und Rekonvaleszenten, die Diphtheriebazillen ausscheiden. Eine Isolierung dieser Personen ist leider nur in seltenen Fällen möglich. Mittel, durch welche die Diphtheriebazillen im Körper der Dauerausscheider und Bazillenträger mit Sicherheit vernichtet werden, sind trotz aller Bemühungen nicht gefunden worden. Die Behandlung mit Diphtherieheilserum beeinflußt die auf den Schleimhäuten wachsenden Bazillen wenig oder gar nicht. Auch das in Frankreich hergestellte antitoxisch-antibakterielle Serum hat, wie Untersuchungen von Kretschmer ergaben, auf die Diphtheriebazillen bei Bazillenträgern nicht den geringsten Einfluß. Es muß möglichst frühzeitig eine ausgiebige Desinfektion der befallenen Körperhöhlen erstrebt werden; aber alle Desinfektionslösungen, die ohne Schädigung des Körpers angewandt werden können, haben den Nachteil, daß sie an den schwer zugäng- lichen Stellen, z. B. in den tiefen Lakunen der Tonsillen und den, oberen hinteren Partien der Nase und des Pharynx, nur unvollkommen zur Wirkung gelangen. Ein zuverlässiges chemisches Mittel für eine schnelle Entkeimung von Diphtheriebazillen- trägern kennen wir bisher nicht. Man wird einen Erfolg dadurch zu erreichen suchen, daß man zunächst mit einer . schleimlösenden Flüssigkeit (1proz. kohlensaures Ammoniak) und danach mit Wasserstoffsuperoxydlösung gurgeln läßt. Ob sich das neuerdings von Langer empfohlene Flavizid der Akridiniumfarbstoffreihe, das unter dem Namen „Diphthosan“ in den Handel kommt und in Form systematischer Be- rieselungen des Nasenrachenraumes angewendet werden soll, bei weiteren Nach- prüfungen bewähren wird, bleibt abzuwarten. Diphtherie. : 671 Für die lokale Behandlung der Diphtherie ist mit Erfolg vielfach auch agglutinierendes Diphtherieserum angewendet worden. Das Serum wird in Pulver- form auf die Rachenorgane geblasen. Die hierdurch agglutinierten Diphtherie- bazillen sollen sich leichter durelı Spülungen und Gurgelungen fortschaffen lassen als die nicht agglutinierten. Emmerich hat für den gleichen Zweck die Pyozyanase (8. 532) empfohlen. Das in ihr enthaltene Ferment wirkt bakterienauflösend und fördert die Abstoßung der Membranen. Zur Unterstützung der Serumtherapie kann die Pyozyanase ebenso wie desinfizierendes Gurgelwasser benutzt werden. Ein sehr wertvolles Mittel für die Prophylaxe und somit auch für die Bekämpfung der Diphtherie ist die ‘spezifische passive Immuni- sierung, die Schutzimpfung. Durch subkutane Injektion von 250 bis 500 Immunitätseinheiten des Diphtherieserums wird mit Sicherheit der Ausbruch der Krankheit bei Personen, die der Infektion ausgesetzt sind, verhütet. Allerdings hält der Impfschutz nur 3 bis 4 Wochen an. Die prophylaktische Seruminjektion weist unbestrittene Erfolge auf, wenn es gilt, in Schulen, Krankenhäusern, Kasernen, Waisenhäusern oder Familien, in denen einzelne Erkrankungen vorgekommen sind, weitere Infektionen zu verhüten, wo es sich also um eine akute, zeitlich begrenzte Gefahr der Ansteckung handelt. Dehne und Hamburger haben behauptet, daß wiederholte derartige Serum- injektionen unwirksam seien, weil die durch sie im Organismus gebildeten Präzi- pitine die Ausscheidung auch der Antitoxine aus dem Körper in kurzer Zeit her- beiführten. Außerdem werden von manchen Ärzten die nach wiederholter Serum- anwendung hie und da auftretenden unangenehmen Allgemeinerscheinungen gefürchtet, die als Überempfindlichkeit oder Serumkrankheit (S. 232) bezeichnet werden. In großen Krankenhäusern, z. B. der Charit in Berlin, wo auf den Kinderstationen auf Heubners Anregung hin seit fast 20 Jahren zur Verhütung der Hausinfektionen Sehutzimpfungen in großem Maßstabe durchgeführt werden, sind ernstere Schädi- Ds bisher nicht beobachtet worden. Die alle 3 Wochen wiederholten Impfungen ‚haben hier die früher z. B. bei Masernkranken sehr häufig beobachteten Diphtherie- infektionen völlig verhindert. . Der große Nachteil der Diphtherieserum-Prophylaxe besteht darin, daß der Schutz nur kurze Zeit währt. Erkranken die mit Serum schutz- 'geimpften Persönen später an Diphtherie, so ist, wenn sie über- empfindlich gegen die zur Immunisierung verwendete Serumart ge- worden sind, die erneute Anwendung des Heilserums unter Umständen mit stärkeren anaphylaktischen Erscheinungen verbunden. Zur Ver- meidung derartiger - Zwischenfälle wird von einigen Serumfabriken Diphtherie-Hammel- oder Rinderserum, das 100 IE im Kubikzenti- meter enthält, für die prophylaktische Serumanwendung in den Handel gebracht. E.v. Behring hat eine langdauernde Immunität beim Menschen durch aktive Immunisierung mit einem Diphtherietoxin-Anti- toxingemisch zu erzielen versucht, das im Meerschweinchehversuch bei intrakutaner Injektion nach Römer gerade neutralisiert ist, beim Menschen aber geringe örtliche und fieberhafte Allgemeinreaktionen nach intrakutaner Einverleibung auslöst. Die für Meerschweinchen durch eine bestimmte Antitoxindosis abgesättigte Toxingabe ist für den Menschen eben nicht ganz neutralisiert, offenbar weil dieser für das Gift empfindlicher ist als das Meerschweinchen. Das Toxin-Antitoxin- ‚Gemisch ist eine reversible,. keine völlig feste Verbindung und bleibt, wie das für Schlangengift und dessen Antitoxin schon bekannt war, längere Zeit trennbar. Nach den Injektionen des ». Behringschen Mittels treten bei der Mehrzahl der Behandelten hohe, durch den Meer- 44* Schutz- impfung. 672 38. Vorlesung. schweinchenversuch bestimmbare Antitoxinmengen im Blute auf, die zwischen 30000 und 200000 Antitoxineinheiten im Gesamtblute schwanken. ‘ Der Höhepunkt der Antitoxinkurve wird am 20.—25. Tage nach der Chemothera- peutische " Ver: Injektion erreicht. ». Behring hielt es für erstrebenswert, daß das Mittel, das völlig unschädlich sei, in die Praxis eingeführt würde, um so die Diphtherie durch allgemeine Immunisierung der Kinder auszu- rotten. Es wurde festgestellt, daß eine Antitoxinmenge von 1/0 —!/ao IE im Kubikzentimeter Blut den Menschen vor Erkrankung an Diphtherie schützt. Es sollen. 2 Injektionen, in Zwischenräumen von 10—14 Tagen intrakutan verabfolgt, genügen, um einen langdauernden Schutz zu erzielen. Die Anwendung des Mittels kommt für Umgebungsimpfungen bei Diphtherieepidemien z. B. in Schulen und Krankenhäusern und für die prophylaktische Impfung des in Diphtheriestationen beschäftigten Pflegepersonals in Betracht. Für ein abschließendes Urteil sind die Er- fahrungen noch viel zu gering, doch ermutigen die Berichte, die Hahn und Sommer sowie Bieber über die Ergebnisse der bei über 1000 Kindern durchgeführten Impfungen erstattet haben, zu einer weiteren Erprobung des Verfahrens in diphtherieverseuchten Gegenden. Busson und Löwenstein empfehlen im Gegensatz zu v. Behring neutrale oder schwach überneutralisierte Mischungen von Toxin und Antitoxin. Sie sind der Ansicht, daß das. Wesentliche bei dieser Immuni- sierung nicht, wie v. Behring annimmt, der freie Giftüberschuß sei, weil die mit solchen Gemischen erzeugte Immunität höher’ ist als die durch einmalige Toxininjektion erzielte, sondern daß eine fortlaufende Giftabspaltung bis zur vollen Entwicklung der Immunität stattfinde. Stark überneutralisierte Gemische erzeugen keine Immunität. Die Ge- mische sollen vor der Verwendung beim Menschen an Meerschweinchen so ausgewertet sein, daß sie in einer Menge von 1 ccm keinerlei Krank- heitserscheinungen auslösen. Kassowitz sah nach einmaliger subkutaner Verimpfung des voll neutralisierten Toxin-Antitoxin-Gemisches bei etwa 90°/, der Geimpften nach 4—8 Wochen Immunität auftreten. Daß die Schutzimpfungen in Zeiten einer Epidemie die son- stigen Bekämpfungsmaßnahmen keineswegs überflüssig machen, gilt für die Diphtherie ebenso wie für andere Infektionskrankheiten. Die Serumprophylaxe schützt überdies natürlich nur den Geimpften selbst, gewährt ‘aber keinen Schutz für Personen, die mit dem letzteren verkehren, wenn dieser Diphtheriebazillen in seinem Nasenrachenraum beherbergt. - Chemotherapeutische Versuche sind bei einer nur durch Giftbildung wirkenden Krankheit, bei der zudem ein zuverlässiges, anti- toxisch wirkendes Heil- und Schutzmittel existiert, wenig aussichtsvoll und deshalb nicht unternommen. Sie könnten nur die Gewinnung eines lokal auf die Diphtheriebazillen im Gewebe spezifisch abtötend wirkenden Mittels, eines chemotherapeutischen Desinfiziens zum Ziel haben. Braun und. Feiler haben Reinkulturen des Diphtheriebazillus zur Prüfung der bakterientötenden Wirkung von Wunddesinfektionsmitteln verwendet, indem sie sie in experimentell auf der Bauchhaut von Meer- schweinchen angelegte Hautwunden einrieben. Diese Methode eignet sich vorzugsweise für Schutzversuche; zur Feststellung von Heilwirkungen ist die Verwendung von Diphtheriebazillen wegen der Toxinwirkungen weniger empfehlenswert. Diphtherie. 673 Literatur. Die auf uns überkommenen Schriften des Kappadoziers Aretäus. Übersetzt von 4A. Mann. Halle 1858. ‚Galenus Edid. Kühn, Lipsiae 1821—23. Bretonneau, Des inflammations speeiales du tissu ‚muqueux et en particulier de la ‚diphtherie etc. Paris 1826. Trousseau, Clinique medicale de l’Hötel de Dieu 1828, t. 1. Virchow, Virchows Archiv, Bd. 1, 1844. Cohnheim, Vorlesungen über allgemeine Pathologie, 1832. Heubner, Die experimentelle Diphtherie. Leipzig 1883. — Klinische Studien über Diphtherie. Leipzig 1895. Löffler, Untersuchungen über die Bedeutung der Mikroorganismen für die Ent- stehung der a apee beim Menschen usw. Mitteilungen aus dem Kaiserl. Ge- sundheitsamte, Bd. 2, 1884. — Zentralbl. f. Bakt., Bd.2, 1887. — Berliner klin. Wochenschr., 1890. — Verhandlungen des 10. 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Über ihre Stellung im System kann man sich nach folgendem, von Petruschky vorgeschlagenen Schema orientieren: A. | ae Hyphomyzeten Schizomyzeten ? | ee ‚Höhere Schimmelpilze Haarpilze, Trichobakterien (Trichomyzeten) | Aktinomyces, Streptothrix Cladothrix, Leptothrix Die höheren Schimmelpilze zeichnen sich durch ein Myzel, durch Sporenbildung, die häufig in besonderen Organen (Fruktifikationsorganen) erfolgt, und durch echte Verzweigungen aus. Bei den Triehomyzeten ‘- (Haarpilzen) fehlen die ausgebildeten Fruchtträger. Der Aktinomyces- - pilz unterscheidet sicb von den Streptothrixarten, die gleichfalls Verzweigungen, Myzel- und Sporenbildung erkennen lassen, durch die - im Körper der Tiere und Menschen auftretenden keulenförmigen Ge- bilde und durch seine spezifische Pathogenität. In Rücksicht auf die Verzweigungen stehen die Trichomyzeten den Rotz-, Diphtherie- und Tuberkelbazillen nahe, bei denen in Kulturen gleichfalls Verästelungen vorkommen. Cladothrix. die Keulenbildung zeigt (Taf. 46, Fig. 7). und Leptothrix, bei der Keulenformen oder Involutionsgebilde nicht beob- achtet werden (Taf. 46, Fig. 2), bilden zwar ein Geflecht langer Fäden wie die Trichomyzeten, aber sie zeigen weder echte Verzweigungen, noch lassen sich Teilungslinien in den einzelnen Fäden erkennen: sie gehören zu den Schizomyzeten. Neben den spezifischen pathogenen Aktinomyzeten, die auch außer- - halb-des Tier- und Menschenkörpers z. B. auf Getreidegrannen vege- - tieren können, gibt es eine große Anzahl rein saprophytischer Pilze @eschicht- liches. Gewebsver- änderungen. Bau der Aktinomyces- drusen. 676 39. Vorlesung. dieser Art. Sie werden meistens nach ihren Fundorten oder nach der Farbstoffbildung differenziert und bezeichnet, z. B, Actinomyces arbo- rescens, aurantiacus usw. Aktinomykose. Die für Aktinomykose charakteristischen Körnchen wurden zuerst 1845 von v. Langenbeck gesehen und von ihm schon als wahrscheinlich pflanzliche Gebilde aufgefaßt. Auch Lebert sah den Pilz 1857 beim aktinomykosekranken Menschen. Aber erst durch die Studien von James Israel, der den exakten Nachweis erbrachte, daß jene Gebilde echte Pilzelemente sind, wurde die Langenbecksche Beobachtung in weiteren Kreisen bekannt. Nachdem bei der Kieferaktinomykose des Rindes Aktinomycesdrusen zuerst von Rivolta und Perroneito festgestellt waren, untersuchten Bollinger nnd Bostroem diesen Pilz genauer als tierischen Krankheitserreger. Harz studierte ihn auf Bollingers Veranlassung botanisch und legte ihm zuerst die Be- zeichnung Aktinomyces — Strahlenpilz bei. Johne beobachtete 1882 die mit Aktino- mycesrasen besetzten Gerstengrannen in den Tonsillen von Schweinen. 1885 teilte Thomassen seine Erfolge mit Jodbehandlung der Strahlenpilzkrankheit mit. Ponfick wies bald darauf die Identität der menschlichen und tierischen Aktinomykose patho- logisch-anatomisch nach. Israel und Wolf haben dann das morphologische Ver- halten, Bang, Berestnew, Harms, Lignitres, Spitz u.a. die kulturellen Eigentüm- lichkeiten der Aktinomycespilze näher studiert. Charakteristisch für die Aktinomykose-Erkrankung ist das Vor- kommen eigenartiger Knötchen, die sich in den pathologisch veränder- ten Geweben finden und in ihrem Innern weißliche Körnchen enthalten. Diese Körnchen werden durch den Aktinomycespilz hervorgerufen, be- stehen fast nur aus Pilzelementen und liegen in einer Zone wesent- lich reaktiv durch kleinzellige Infiltration veränderten Gewebes. Vom pathologisch-anatomischen Standpunkte aus sind die Aktinomycesknöt- chen der Hauptsache nach als chronische Granulationsknoten aufzufassen. Außerhalb der kleinen, runden Zellen liegt eine Schicht größerer poly- gonaler Zellen, die von noch größeren, den Riesenzellen ähnlichen durch- setzt sein kann. Nach längerem Bestehen des Prozesses zerfällt das Gewebe durch Nekrobiose und erfährt eine schleimige Metamorphose. So kommt es zur Bildung kleiner Hohlräume innerhalb des Gewebes, die konfluieren können. Innerhalb des Zelldetritus, dem Pigment beige- mischt ist, erhalten sich aber die Aktinomyceskörnchen als ziemlich harte, weiße Klümpchen. Je mehr einzelne Zerfallsherde zu einer größeren Höhle zusammenfließen, desto mehr nimmt die Bildung von Granula- tionsgewebe an der Demarkationslinie gegen das gesunde Gewebe zu. Auch das Bindegewebe wird in der Nähe der Aktinomycesherde unter dem Reiz der pathologischen Prozesse vermehrt. Es kommt so zur Abschnürung und Abkapselung von erkrankten Distrikten, wodurch direkt Spontanheilungen eingeleitet werden können. Solche alten aus- geheilten Herde sind meist verkalkt. Die Größe der Körnchen schwankt zwischen 0'01—0'7mm Durchmesser; die kleineren sind nur mikrosko- pisch, die größeren, namentlich in zerfallenen breiigen Massen enthaltenen auch makroskopisch wahrnehmbar. Man bezeichnet die Körnchen als Aktinomycesdrusen oder Strahlenpilzkolonien. Die mikroskopische Untersuchung der Aktinomycesdrusen zeigt ein Fadengeflecht, das in der Mitte ein Netzwerk bildet. Außerhalb dieses Netzwerkes ist das Fadengeflecht noch dicht verfilzt, geht aber am äußeren Rand in die Schicht der Aktinomyceskolben über. Bei Anwendung geeigneter Färbemethoden läßt sich erkennen, daß jeder Aktinomykose und Streptotricheen-Erkrankungen. 677 Kolben in seinem Innern den Fortsatz eines Fadens des Geflechtes hat (Taf. 47, Fig. 3 u. 4). Diese eigenartigen Gebilde sind keine‘ Frukti- fikationsorgane, sondern Degenerationsformen der Pilze, die wahr- - scheinlich eine Folge der Wachstumsbeschränkung durch das umgebende Gewebe sind. Die Kolben zeigen vielfach Verzweigungen und lassen mit- unter auch eine Querteilung erkennen. Entsprechend diesen Querteilungs- linien kann der Zerfall der Kolben erfolgen. So werden Teile der Kolben, namentlich der peripheren, abgestoßen und stellen dann, an die noch 'intakteren zentralen angelagert, die sog. sekundären Kolben dar. Inner- halb des Fadengeflechtes finden sich runde Körnchen von der Größe der Staphylokokken. Es sind das die Sporen der Aktinomycespilze, die vielfach in kettenförmiger Anordnung (Konidienketten) gelagert sind. Sie färben sich ebenso wie das Fadengeflecht leicht mit den gewöhn- lichen Anilinfarben und unterscheiden sich dadurch von den Sporen F der Bakterien, die der Färbung und Entfärbung schwerer zugäng- lieh sind. Die Färbung der Aktinomycesdrusen gelingt auch nach dem Gramschen oder Kühne-Weigertschen Verfahren und nach der Tuberkelbazillen-Färbemethode. Eine gute Doppelfärbung läßt sich durch das folgende von Schlegel angegebene Verfahren erzielen: Die Schnitte werden in starker alkoholischer Eosinlösung 4—5 Stunden im Thermostaten gehalten, in 96proz. Alkohol abgespült und 5 Minuten in Hämatoxylin- lösung gebracht. Die Kolben sehen dann leuchtend rot aus, das Gewebe und die Fäden blau. Unterschiede in dem feineren Bau der Drusen sind vielleicht auf _ biologische Differenzen der Aktinomycespilze zurückzuführen. _ Die kulturellen Untersuchungen ergeben, dab mindestens zwei Arten der Aktinomycespilze unterschieden werden müssen. Die erste wächst a&rob, während die zweite Varietät nur unter anaöroben Verhältnissen gezüchtet werden kann. Die aörobe Varietät des Aktino- myces ist aus menschlichen oder tierischen Aktinomycesherden recht schwer auf Nährböden zur Entwicklung zu bringen, während die an- aerobe etwas leichter züchtbar ist. Da man bei Verarbeitung aktino- mykoseverdächtigen Materials von vornherein nicht wissen kann, welche Varietät des Pilzes vorliegen wird, muß man eine größere Zahl Agar- 3 - Kartoffel-, Aszitesagar-, Blutserum- und Bouillonröhrchen mit reichlichem Material beschicken und unter aöroben und anaöroben Verhältnissen zum Wachstum ansetzen. Es kommt bei Aussaat auf 20—30 Röhrchen zuweilen nur in einem zur Entwicklung des Aktinomycespilzes. Hat - man auf diese Weise Kulturen ‘erhalten, so bietet die Fortzüchtung meist keine Schwierigkeiten. Das Wachstum der aöroben Art ist dem - der Tuberkelbazillen außerordentlich ähnlich (Taf. 46, Fig. 4). Schon nach 48stündigem Wachstum bei 37° C findet sich ein feiner Belag auf dem Nährboden, der sich nach und nach in Falten legt und mit zunehmendem Alter der Kultur eine gelbliche Pigmentation aufweist (Taf. 47, Fig. 2). Der Pilzrasen ist von dem Nährboden, mit dem er innig verwachsen ist, nur schwer abzuheben. Es wird, wie das mikro-. skopische Präparat zeigt, ein dichtes Netzwerk von Fäden gebildet, in dem die Sporen liegen. Das Wachstum auf Gelatine geht außerordentlich schwach und langsam vor sich und führt unter Verflüssigung des Nähr- bodens zur Bildung von weißen oder grauweißen Knöpfchen, die sich zunächst über die Oberfläche erheben und mit zunehmender Ver- - flüssigung der Gelatine einsinken. In Milch tritt Peptonisierung ein. Die anaeroben Aktinomycespilze bilden kleine Kolonien mit strahlen- Kulturelle Differen- zierung der Aktinomyees- pülze. Resistenz. Versuche mit Rein- kulturen. Natürtiche Infektions- weise. 678 39. Vorlesung. förmig angeordneten Stäbchen; es werden keine myzelartigen Ausläufer in das Substrat ausgesandt. Diese Varietät wächst nicht bei Zimmer- temperatur und nicht auf Gelatine. Silberschmidt stellt 3 Unterabteilungen der Aktinomyzeten auf: 1. eine aörob auf verschiedenen Nährböden auch bei Zimmertemperatur wachsende, Gelatine verflüssigende Varietät, die lange verfilzte Fäden bildet. Die Kolonien haben myzelartige Ausläufer: Actinomyces hominis und bovis ; 2. eine Gelatine nicht verflüssigende, bei Zimmertemperatur wachsende aörobe Art, die kürzere und nicht verfilzte Fäden, daneben aber viele kurze, den Diphtheriebakterien sehr ähnliche Formen bildet. Die Kolonien zeigen myzelartige Ausläufer: Actinomyces fareinicus, caprae und asteroides (Eppinger) ; 3. eine anaörobe Varietät, die bei Zimmertemperatur nicht wächst und deren Kolonien scharf umgrenzt sind und keine myzelartigen Ausläufer zeigen. Diese Einteilung ist aber nicht immer streng durchführbar, denn es finden sich mannigfache Übergänge. Die aörob wachsenden Kulturen gewöhnen sich bei längerer Züchtung auf künstlichen Nährböden an den Sauerstoff, die vorwiegend aus kurzen Stäbchen bestehenden Varietäten bilden häufig in flüssigen Nährböden nach längerer Züchtung ein Fädenmyzel usw. Auch eine Anpassung an verschiedene Wachstums- temperaturen kommt vor. Die Widerstandsfähigkeit der Aktinomycespilze gegen Aus- trocknung. Sonnenlicht, Erwärmung und Desinfektionsmittel ist ziemlich groß. Sie entspricht bei beiden Varietäten, wenn auch die Angaben der einzelnen Autoren darüber zum Teil etwas auseinandergehen, mindestens der Resistenz der Tuberkelbazillen, wenn sie nicht größer ist. Die Versuche, künstlich bei Tieren durch Übertragung von Rein- kulturen der Aktinomycesdrusen Aktinomykose zu erzielen, schlagen in den meisten Fällen fehl. Es wurden zwar mehrfach nach Einver- leibung größerer Mengen von Reinkulturen der ana@roben Varietät bei Kaninchen und Meerschweinchen aktinomykotische Gewebsveränderungen in Form kleiner Tumoren beobachtet, bei keinem der von Israel, Wolf, Mertens u. a. mitgeteilten positiven Impfresultate kam es aber zu einer progredienten Aktinomykose, wie sie bei der Spontaninfektion des Menschen und der Rinder gefunden wird. Nach den Untersuchungen Bostroems hatten diese Impfaktinomykome mehr den Charakter der ent- zündlichen Granulome und waren durch den Reiz der als Fremdkörper wirkenden Aktinomycespilze entstanden, ohne daß es zu einer Ver- mehrung der Pilze kam. Die Versuche an größeren Tieren sind fast ausnahmslos mißlungen. Es liegt das höchstwahrscheinlich daran, dal eine Infektion nur dann statthat, wenn zu gleicher Zeit mit dem Pilze ein geeigneter Fremdkörper eingeführt wird. Vielleicht haben auch die in künstlichen Kulturen gewachsenen Pilze eine viel geringere Viru- lenz als die bei der natürlichen Infektion eindringenden. Die Klärung dieser Fragen wird weiteren Forschungen vorbehalten sein. Die natürliche Infektion mit Aktinomykose bei Mensch und Tier scheint fast stets dadurch zustande zu kommen, daß Fremdkörper, vor allen Dingen Getreidegrannen, auf denen die Pilze saprophytisch wuchern, an gewissen Prädilektionsstellen der Schleimhäute in das Gewebe eindringen. Der Nachweis einer direkten Übertragung der Krankheit auf Menschen oder Tiere durch Aktinomyceseiter ist bisher noch nicht sicher erbracht worden. Bang, Bostroem, Liebmann, Berestnew verfolgten die Entwicklung des Pilzes auf den Getreideähren, namentlich Gerste, und wiesen die charakteristischen Formen mikroskopisch und durch Kulturverfahren als dem Strahlenpilz zugehörig nach. Aktinomykose und Streptotricheen-Erkrankungen. 679 Die hauptsächlichste Eintrittspforte beim Menschen ist die lehnt des Mundes, speziell der Zunge, der Rachenwand. der Tonsillen und des Pharynx. Die Erkrankung geht nicht selten von kariösen Zähnen aus, von denen die Pilze in das Periost des Zahnhalses wuchern; von dort aus greift die Infektion dann auf den Knochen über. In der Literatur ist eine größere Zahl von Fällen - gemau beschrieben, bei denen als Ausgangspunkt der Aktinomykose - Getreidegrannen festgestellt wurden, die in die Zunge, die Lippen- sehleimhaut usw. eingedrungen waren. In anderen Fällen wird von den Patienten die Gewohnheit zugegeben, Getreidehalme, Blätter, Ähren usw. zu kauen. Aktinomykoseerkrankungen häufen sich auch vielfach im Anschluß an die Getreideernten. Von besonderem Interesse. namentlich wegen der Frage nach ‘ der Entstehung der Appendizitis und Perityphlitis, sind die von Lanz - inder Klinik von 7%. Kocher gesammelten Beobachtungen über die von dem Processus vermiformis bzw. von der Regio ileocoecalis aus- gehende Aktinomykose mit intestinaler Eingangspforte. Diese Fälle bilden ungefähr 50°/, aller aktinomykotischen Erkrankungen der Abdominalorgane. Wenn Aktinomycespilze in Wunden der äußeren Haut ein- dringen, kann es zu primärer Hautaktinomykose kommen, die aber 3 ‚verhältnismäßig selten ist (s. u.). ; Der Verlauf der Krankheit beim Menschen ist außerordentlich Er [ MB or a [-} 7 R [2] Ne5 E95 5 hd an HÖOM do Sum nd An Pas aEß -- so; [=] BE m - 6 >: n5 >} 4. 67 kultur auf Serum. drusen der Lunge; 1. Aktinomycesdruse aus und Wien. Berlin o Verlag von Urban & Schwarzenber; RE N Dr niie Kolle und Hetsch, Bakteriologie. Tafel 48. Aktinomykose des Unterkiefers. (Aus Jakobis Atlas der Hautkrankheiten.) Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. “ “ SSR T TEL TE a En 40. VORLESUNG Rotz. Der Rotz (Malleus) wurde bereits im Altertum als eine spezifische Krankheit erkannt, wie aus dem 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. stammende Aufzeichnungen beweisen. Man hielt ihn bereits damals mit Recht für hochgradig infektiös. Die gleichfalls aus dem Altertum stammende Erkenntnis, daß Malleus von rotzkranken Pferden auf den Menschen übertragen werden kann, geriet in den späteren Jahr- hunderten scheinbar wieder in Vergessenheit. Unter dem Einflusse gewisser Irrlehren war man geneigt, die Infektiosität dieser Krankheit zu leugnen, und es dauerte lange Zeit, bis die objektive Beobachtung diese unhaltbare Anschauung richtigstellte. ıtelle Beweise für die infektiöse Natur des Rotzes durch Verimpfung von Rotzmaterial auf gesunde Pferde hat zuerst Wollstein im ‘Jahre 1787 erbracht, die % eit der Krankheit auf den Menschen wurde durch Lorin (1812), Schilling und namentlich durch Rayer (1837) sicher bewiesen. Schon in der vorlakteriologischen Ära suchten auf Grund dieser Feststellungen Gerlach, Bollinger u. a. durch An- - wendung von Desinfektionsmittels die Verbreitung des Rotzes unter den Pferden zu bekämpfen. Naturgemäß konnten diese Bestrebungen aber keinen vollen Erfolg haben, weil man den Erreger der Krankheit noch nicht kannte und deshalb viel- Geschicht- liches. fach im Dunkeln tappte. In ieihewaßter Weise wurde von Löffler und Schütz der Erreger gesucht und in dem Rotzbazillus gefunden. Dadurch wurde nicht nur eine exakte bakteriologische Diagnose des Malleus, sondern auch eine rationelle - Bekämpfung der Seuche ermöglicht. Durch Entdeckung des Malleins durch _ Helmann (1890) und seine Einführung in die Praxis durch Nocard wurde die Dia- - gnostik noch weiter verbessert. Macfadyen und Wladimirof und nach ihnen aıfdere Autoren haben durch ihre Arbeiten gezeigt, daß auch die Immunitätsreaktionen bei der Diagnostik des Rotzes wertvolle Dienste leisten, sowohl die Agglutinations- - reaktion als auch die spezifische Präzipitation. Erst in neuerer Zeit ist auch das - Komplementbindungsverfahren mit Erfolg zur Erkennung der Krankheit heran- E gezogen worden. = Der Rotz (Morve, Farein, Glanders), auch Hautwurm genannt, - ist vorwiegend eine Krankheit ‘der Einhufer, namentlich der Pferde und Esel. Er wird aber als spontane Erkrankung auch bei Katzen, - Hunden, Ziegen und Raubtieren beobachtet und kann gelegentlich von allen diesen Tieren auf den Menschen und, sobald dieser erkrankt ist, unter den Menschen weiterverbreitet werden. Sowohl beim Menschen _ wie bei den-genannten Tieren pflegt er in zwei Formen aufzutreten, die nur selten ineinander übergehen: als akuter und chronischer Rotz. Der akute Rotz des Menschen setzt nach einer Inkubationszeit von 4—8 Tagen ein und führt innerhalb 3—4 Wochen, vom Beginne der ersten Symptome ab gerechnet, fast ausnahmslos zum Tode. Die ersten Krankheitserscheinungen sind wenig charakteristisch. Es besteht Rotz des Menschen. Akute Form 684 40. Vorlesung. unregelmäßiges Fieber, das anfangs nicht sehr hoch ist und nur selten mit Schüttelfrost beginnt. Die Kranken klagen über Abgeschlagen- heit, Kopf- und Gelenkschmerzen und allgemeines Unbehagen. Die Eintrittspforten der Rotzbazillen sind gewöhnlich kleine ‚Wunden oder Schrunden der Haut oder der Schleimhäute, die oft ohne lokale Reaktion zunächst verheilen und so der Feststellung ent- gehen. Es sind aber mehrfach auch Rotzerkrankungen des Menschen beschrieben worden, bei denen die Annahme einer Inhalationsinfektion durchaus begründet war. So fiel z. B. in einem von J. Koch beschrie- benen Fall die Lokalisation der Rotzbazillen in den Lungenspitzen auf, die ein Analogon zur Spitzentuberkulose der Lunge bot. Der Magen- darmkanal kommt als Ort der primären Ansiedlung beim Menschen wohl kaum in Betracht. Wo die Eintrittspforte wahrnehmbar ist, zeigt sich auf der Haut oder der Schleimhaut eine Pustel auf einem mit starker Rötung einhergehenden Infiltrat, aus dem sich später nach Erweichung ein Geschwür mit speckigem Grund und zackigen Rändern entwickelt. Hieran schließen sich Entzündungvorgänge in den regionären Lymphbahnen und Drüsen. Dann stellt sich ein Exanthem ein, das in Form von kleinen roten Flecken oder Blasen und Papeln oft über den ganzen Körper verbreitet ist. Diese als Folge einer Allgemeininfektion aufzufassenden Erscheinungen treten bei akutem Rotz ungefähr am 5.—7. Tage nach der Infektion auf. Die Krankheit verläuft mit unregelmäßig remittierendem Fieber und führt bei schwerem akutem Verlauf unter starker Prostration und den. Erscheinungen einer schweren Vergiftung, die sich in kleinem Puls, toxischen Diarrhöen und unregelmäßiger Atmung äußert, meist schnell zum Tode. Besonders zu erwähnen sind die Fälle, bei denen die Krankheit unter dem Bilde des akuten Nasenrotzes auftritt. Zunächst kommt es durch Schleimhautschwellung zu behinderter Nasenatmung, dann stellt sich schleimig-eitriger Ausfluß ein, dem sich nach der Bildung von Pusteln, Erosionen und kraterartigen, speckig belegten Geschwüren auf der Schleimhaut Blut beimengt. Der Prozeß greift nach und nach auf den Gaumen und von da auf Mundschleimhaut, Kehlkopf und Bronchien über. Nicht selten treten diese Erscheinungen in Form einer akuten Verschlimmerung auch beim chronischen Rotz ein. An den verschiedensten Körperstellen, namentlich im Unterhautzellgewebe und in den Muskeln entwickeln sich kleine teigige Knoten, die meist rasch in Erweichung übergehen. Die so entstandenen Abszesse brechen gewöhnlich nach außen durch und verwandeln sich in stark sezer- nierende Geschwüre mit infiltriertem Grunde. Die Milz ist meist ebenso wie die Leber vergrößert. Die Gelenke sind häufig schmerzhaft und schwellen än. Auf der äußeren Haut, aber auch auf den Schleimhäuten kommt es zur Bildung von zahlreichen Pusteln, die mit serös-eitrigem Inhalt gefüllt sind und beim Platzen ein kleines Geschwür zurücklassen. Die Lymphdrüsen sind schmerzhaft und vergrößert. Wenn sie allmählich in Erweichung übergegangen sind, bricht sich der Eiter durch Fisteln seinen Weg nach außen. reise Beim chronischen Rotz des Menschen sind die Veränderungen ° im großen und ganzen die gleichen, wie sie eben geschildert sind, nur entwickeln sich die einzelnen Krankheitserscheinungen sehr viel langsamer. Rotz. 685 ‘ Er zieht sich oft über Jahre hin und geht nach langem Bestehen in etwa der Hälfte der Fälle in Heilung über, wenn nicht eine akute Aus- breitung der Rotzbazillen durch die Blutbahn in analoger Weise, wie es bei der Miliartuberkulose der Fall ist, den Tod herbeiführt. Beim €hronischen Rotz kommt es fast stets zu stärkeren Veränderungen an den Lymphgefäßen, die sich von den Geschwüren der Haut und Schleimhaut wie derbe, gewundene Stränge nach den regionären Lymphdrüsen hinziehen. Daher stammt der Name „Wurm“. Nicht selten ist auch hier vorwiegend die Nase beteiligt (chronischer Nasen- Rotz). Die beim Zerfall der chronischen Infiltrate auftretenden Ge- schwüre sind den teritärsyphilitischen sehr ähnlich. Die Haut kann aber auch am Krankheitsprozeß nur wenig oder fast gar nicht beteiligt sein; der Infekt äußert sich dann z. B. nur in multiplen periartiku- lären Muskelabszessen (Bauer). Der Allge- meinzustand wird beim ehronischen Rotz nicht so stark in Mitleiden- schaft gezogen, auch Fieber kann fehlen. Auch beim Pfer- de kommt eine akute Form des Rotzes vor, allerdings weit selte- ner als die chronische, die sich in 90°/, aller Fälle bei dieser Tier- art findet. Der akute Rotz setzt nach einer Inkubation von 6 bis 8 Tagen mit hohem = Fieber ein, das häufig von Schüttelfrost begleitet ist. Die Tiere machen einen schwerkranken - Eindruck, liegen matt auf ihrem Lager, haben einen kleinen schwachen - Puls und verweigern das Futter. Schon frühzeitig treten charakteristische Veränderungen an der Nasenschleimhaut auf. Es bilden sich kleine Bläschen, aus denen sich bald Geschwüre entwickeln (Fig. 89). Aus - den Nüstern fließt ein anfangs seröses, später eitrig-blutiges Sekret. - Mit zunehmender Geschwürsbildung wird der Ausfluß häufig blutig- - jauchig. Über die Haut des ganzen Körpers verbreitet, treten schmerz- - hafte Geschwülste auf, die in Erweichung übergehen können. Auch in der Tiefe des Gewebes’ und in den Muskeln entwickeln sich Eiter- beulen, brechen nach außen durch und führen an der Durchbruchstelle _ zur Bildung tiefer, kraterförmiger Geschwüre. Die Lymphgefäße sind - in derbe Stränge umgewandelt und lassen sich bis zu den regionären - Lymphdrüsen verfolgen. Recht häufig gesellen sich zu diesen Erschei- _ nungen pneumonische Veränderungen. Die Krankheit führt in höchstens 4 Wochen zum Tode. Kolle und Hetseh, Bakteriologie. 6. Aufl. 45 Nasenrotz (nach Huiyra und Marek). Rotz des Pferdes. 686 40. Vorlesung. Ein Übergang des akuten Rotzes in die chronische Form kommt bei Pferden kaum vor. Der chronische ’Rotz der Pferde ent- wickelt sich vielmehr von vornherein fast immer schleichend, so daß es kaum möglich ist, eine Zeitdauer für die Inkubation zu bestimmen. Vielfach wird der chronische Rotz nicht erkannt, denn die Symptome sind oft nur gering und unbestimmt. Er kann noch nach mehrjähriger Dauer in Heilung übergehen, ohne schwere Veränderungen zurück- zulassen. Der Krankheitsprozeß spielt sich entweder vorwiegend in der Haut oder in der Nase mit Beteiligung der Trachea und Lungen ab. In beiden Fällen sind die zugehörigen Lymphdrüsen und Lymphstränge stark in Mitleidenschaft gezogen. Der chronische Nasenrotz geht mit der Bildung von Geschwüren einher, die, wie überhaupt alle Krank- heitsprodukte beim chronischen Rotz, Neigung zur Heilung - Fig. 90. haben. Die anfangs kraterför- migen Ränder zerfallen und hinterlassen strahlige Narben. Der Ausfluß aus der Nase ist entweder schleimig oder eitrig. Eine Vergrößerung der Kehl- gangsdrüsen fehlt nie (Fig. 90). Beim Hautrotz finden sich multiple Infiltrate, die ent- weder erweichen oder zurück- gehen. Auch die Bildung von Eiterbeulen und Geschwüren, von Lymphsträngen und -knoten kann die gleiche sein wie beim akuten Rotz, nur daß sich die Entstehung und Rückbildung der pathologischen Veränderungen über sehr lange Zeiträume hin- zieht. Am wenigsten charakteri- stische Merkmale bietet der chronische Tracheal- und Lun- Schwellung der Kehlgangslymphdrüsen bei Rotz genrotz dar. Er entzieht sich (ach FAntyre We (PRBERE: deshalb besonders häufig der Erkennung seitens der Tierärzte oder Pfleger und Besitzer von Pferden. Entgegen der bisher allgemein verbreiteten Annahme, daß der Rotz der Tiere und des Menschen stets tödlich verlaufe, kann auf Grund der neueren genaueren pathologisch-anatomischen und klinisch-biologi- schen Forschungen, namentlich mit Hilfe der Serumdiagnostik, die Heil- barkeit des Rotzes der Menschen und Tiere als gesichert gelten. Beim Pferde geht.nach den Untersuchungen von Eberbeck mit der Heilung eine Verkalkung der Rotzknoten einher, die”sich in den bindegewebigen Abkapselungen der Rotzknötchen einstellt. Pathologisch-anatomisch ist der Rotz durch die Entwicklung von Knötchen charakterisiert, die zum größten Teil aus Leukozyten bestehen und bindegewebige Kapseln haben. Schon die jungen Knötchen neigen zu Zerfall, in dessen Folge ein Weiterschreiten der Infiltration den Bindegewebsspalten entlang erfolgt. Die Knötchen und Infiltrate N NE, On DON IIEOEN Rotz. | 687 entwickeln sich in fast allen Organen häufig perivaskulär, was auf die hämatogene Ausbreitung des Infektionsstoffes hinweist. In der Umgebung - der Knoten finden sich, soweit nicht schon Verkalkung erfolgt ist, entzündlich-exsudative Prozesse. Beim Esel verläuft die Krankheit ähnlich wie beim Pferde, sowohl in der akuten, wie in der chronischen Form. Der Rotzbazillus (Taf. 49, Fig. 4—6) ist ein kleines Stäbchen mit leicht abgerundeten Ecken. Seine Länge schwankt in der Regel zwischen 3 und 4u., seine Breite zwischen 0°5 und 0'75u. Das Stäbchen - ist unbeweglich und besitzt weder Geißeln ‘noch Sporen. | Auf Grund der Tatsache, daß sich die Rotzbazillen, wie Löfler fand, in angetrocknetem Zustande bis zu 3 Monaten entwicklungsfähig und virulent erhalten, schrieben Baumgarten und Rosenthal den Bazillen die Fähigkeit der Sporenbildung zu. Der Nachweis von Sporen allein durch Färbeverfahren, wie ihn die genannten - Autoren zu liefern glaubten, kann indessen nicht genügen. Wenn der Rotzbazillus echte Sporen besäße, müßten diese sich nicht nur färberisch, sondern auch biolo- is durch höhere Resistenz usw. von den vegetativen Formen unterscheiden. Boer, Wladimirof, Löffler, Schütz und andere namhafte Autoren, die viel mit Rotz- ®& bazillen experimentiert haben, fanden bei ihren morphologischen und biologischen Studien solche Gebilde nicht und leugnen deshalb die Existenz von Sporen. In ' älteren Kulturen der Rotzbazillen kommen lange Fäden vor, die auf einen gewissen Zusammenhang mit den Streptotricheen hinweisen. _ Die Färbung des Rotzbazillus gelingt leicht mit den gewöhn- _ lichen Farbstoffen. Bei Anwendung von Methylenblau tritt zuweilen _ Polfärbung auf; außerdem sieht man, daß die färbbare Substanz in Form von kleinsten Körnchen im Innern der Bazillen angeordnet ist, ganz ähnlich, wie das bei den Diphtherie- und Tuberkelbazillen fast - regelmäßig beobachtet wird. Finden sich in den Bazillen nur zwei solche "Körnchen, so können bipolare Bakterien vorgetäuscht werden. Die Rotz- - bazillen liegen nicht nur in Ausstrichen, die aus Sekreten oder Gewebs- saft des Tierkörpers hergestellt sind, sondern auch in Präparaten aus _ Kulturaufschwemmungen häufig zu zweien entweder vor- oder neben- - einander zusammen. Sie sind nach Gram nicht färbbar. Ihre Dar- _ stellung in Schnitten gelingt nach jeder der Universal-Färbemethoden. - Löffler empfiehlt, bei Benutzung seiner Methode der differenzierenden - dünnen Essigsäurelösung noch etwas Tropaeolin 00 zuzusetzen. ® Die Züchtung der Rotzbazillen aus dem Tierkörper in erster - Generation ist oft nicht leicht, da sie sich erst an die künstlichen 3 "Nährböden ‚gewöhnen müssen. Hat man erst einmal Kulturen erzielt _ und sie in einigen Generationen fortgezüchtet, so pflegen die Bazillen "auf allen Bakterien-Nährböden gut zu gedeihen, vorausgesetzt, dab _ günstige Wachstumstemperaturen (33—37°) gegeben sind und genügen- _ der Sauerstoffzutritt ermöglicht wird. Die Rotzbazillen sind Aörobier; sie entwickeln sich besonders gut auf Nährböden von neutraler, höch- - stens schwach alkalischer Reaktion. Glyzerinzusatz wird von einigen 3 _ Autoren als wachstumfördernd betrachtet. R. Auf Agar bilden sich kleine graue, anfangs durchscheinende Kolonien, die nach mehrtägigem Wachstum konfluieren. Es entstehen so auf der Oberfläche Kulturrasen von zähschleimiger Beschaffenheit. E Je älter die Kulturen werden; desto mehr gewinnen sie einen Stich ins Gelblichbraune. Gute Nährmedien für den Rotzbazillus sind Glyzerin- - agar und Blutserum; auf ihm entwickeln sich tröpfchenartige Kolonien, 45* Der Rotz- bazillus. Morphologie. Kulturelles Verhalten. Resistenz. 688 40. Vorlesung. die anfangs transparent sind, sich aber nach mehreren Tagen milchig trüben. Auf Kartoffeln findet eine üppige Vermehrung des Bacillus mallei statt. Ihre Oberfläche wird von einem anfangs transparenten, zähschleimigen, gelblichen, später rötlichen Belag überzogen, der mit einer dünn aufgestrichenen Honigschicht verglichen werden kann. Wenn der Säuregehalt der Kartoffeln zu stark ist, geht die Entwicklung der Rotzbazillen nur langsam und kümmerlich vor sich oder kann sogar ganz ausbleiben. Es wachsen aber auf der Kartoffel auch einige andere Bakterien, z.B. der Bacillus pyocyaneus, ganz ähnlich wie der Rotz- bazillus, so daß man also differentialdiagnostische Schlüsse aus dem Kartoffelwachstum allein nicht ziehen kann. Auf der Oberfläche der Gelatineplatten bilden sich weißlichgraue Auflagerungen, ohne daß es zu einer Verflüssigung des Nährsubstrates kommt. Das Wachstum erfolgt hier außerordentlich langsam und wird auch bei längerer Auf- bewahrung der Kulturen nie üppig. Die einzelnen Kolonien sind häufig von einem zarten Hof umgeben. Auch an den in der Tiefe liegenden Kolonien erkennt man ein leicht granuliertes Zentrum, das von einem strahligen Rand unıgeben wird. Die Farbe der tiefen Kolonien unter- scheidet sich kaum von der oberflächlich gelegener. In Bouillon tritt zunächst eine gleichmäßige Trübung ein, nach einigen Tagen kommt es zur Bildung eines starken Bodensatzes und eines Häutchens von schleimiger Beschaffenheit an der Oberfläche. Mit zunehmendem Alter wird die Kultur dunkelfarbig. Milch wird durch das Wachstum der Rotzbazillen zum Gerinnen gebracht; in ihr werden ebenso wie in Lackmusmolke Säuren gebildet. Die Widerstandsfähigkeit der Rotzbazillen gegen äußere schädigende Einflüsse ist nicht sehr groß. Zwar sind sie in künstlichen Kulturen, wenn diese eingeschmolzen, vor Licht geschützt, bei niedriger Temperatur aufbewahrt werden, monate-, ja jahrelang haltbar, aber die in dünner Schicht ausgebreiteten Bazillen gehen, sobald physikalische und chemische Faktoren schädigend auf sie einwirken, ziemlich rasch zugrunde. Sie unterscheiden sich in ihrer Resistenz nicht erheblich von den vegetativen Formen der meisten Bakterien. Bei Einwirkung von Sonnenlicht sterben sie spätestens in 24 Stunden ab. Erhitzung auf 60° GC tötet Rotzkulturen innerhalb 2 Stunden, Erhitzung auf 70°C innerhalb 1 Stunde sicher ab. Die Eintrocknungsversuche haben zum Teil eine recht erhebliche Resistenz der Bazillen erkennen lassen (Löffler); es hängt hierbei viel von dem Medium ab, in dem die Bakterien enthalten sind. In Eiter und Blut halten sie sich erheblich länger, als wenn sie in Wasser oder anderen nicht eiweißhaltigen Flüssigkeiten suspendiert sind. Bei der Eintrocknung der Sekrete bildet sich an der Oberfläche eine Schicht, welche die Verdunstung der Feuch- tigkeit in der Tiefe verhindert, so daß sich nun die Bakterien dort halten können. In den inneren Organen von Kadavern gehen die Rotz- bazillen unter dem Konkurrenzkampf mit Fäulnisbakterien ziemlich rasch zugrunde. Auch der Einwirkung chemischer Mittel leisten sie wenig Widerstand. So tötet sie lIprom. Sublimat in 15 Minuten, 5proz. Karbolsäure in 30 Minuten ab. Empfehlenswerte Desinfektionsmittel bei Rotz sind auch Schwefelsäure, Kresol, Chlorkalk und Kalkmilch. Gerade die letzteren sind für die Desinfektion von Stallräumen sehr brauchbar. Bere: | .. 689 Über die Pathogenität des Bacillus mallei und das natürliche rkommen des Rotzes bei den verschiedenen Tierarten wurde schon z erwähnt, daß für die Infektion in erster Linie die Einhufer fänglich sind. Rinder, Ratten, Schweine, Vögel und Kaltblüter ranken weder spontan noch experimentell. Bei Schafen und Mäusen mmt der Rotz spontan nicht vor. Spritzt man diesen Tieren Rotz- zillen subkutan, intraperitoneal oder intravenös ein, so geht der aktionsstoff entweder zugrunde oder ruft nur lokale, in Heilung gehende Prozesse hervor. Ziegen und Katzen sind spontan für "Rotz empfänglich und können auch durch Reinkulturen infiziert werden. Auch Löwen, Tiger und Leoparden erkranken, wenn sie mit Fleisch ziger Tiere gefüttert werden. Bei Hunden wird Rotz unter natür- icen Verhältnissen selten beobachtet, das gleiche gilt für Kaninchen. - Auch bei experimenteller Infektion erweisen sich Kaninchen nur sehr egelmäßig empfänglich. Bei Igeln ist spontane und experimentelle tzi nfektion möglich. Pferde und Esel lassen sich künstlich auch durch infizieren, daß man ihnen Rotzmaterial in die Nasenschleim- ıt einreibt. Von den kleineren Laboratoriumstieren ist für experimentelle "Infektion bei weiten am empfänglichsten das Meerschweinchen; es st daher zu diagnostischen Impfungen vorwiegend geeignet. Nach sub- taner Infektion entsteht an der Impfstelle ein teigiges Infiltrat, das ch ungefähr 7 Tagen in ein schankröses Geschwür übergeht. Es den sich ferner Stränge in der Bauchhaut; die regionären Lymph- n sind vergrößert und gehen nach einiger Zeit in Vereiterung Besonders charakteristisch ist ein entzündlicher Prozeß, der sich er Tunica vaginalis der Hoden abspielt. Dieses Bindegewebsblatt d von dem Rotzbazillus invadiert, was eine kleinzellige Infiltration t fibrinösen Auflagerungen zur Folge hat. Die Tunica vaginalis wird das Skrotum fixiert und verhindert so ein Zurücktreten der Hoden ‘die Bauchhöhle, wo sie bei gesunden Tieren meist gelagert sind. ch der eitrigen Einschmelzung der Hüllen des Hodens kommt es zum chbruch des Eiters nach außen. Die Hodenveränderungen wurden t von Straus beobachtet und werden daher vielfach als „Straus- je Reaktion“ bezeichnet. Sie stellen sich vor allem nach intraperi- saler Injektion der Rotzbazillen ein. Bei Untersuchungen mit Rotz- turen verschiedener Virulenz ergab sich aber, daß diese Reaktion neswegs konstant ist (s. S.691). Da die gleichen entzündlichen Ver- änderungen an den Hoden bei Meerschweinchen gelegentlich auch nach averleibung anderer Bakterien auftreten, kann die Reaktion auch- nicht als absolut spezifisch bezeichnet werden. Immerhin ist aber ihr positiver Ausfall zur Unterstützung der Diagnose von großem Wert. Bei den endeten Tieren findet sich außer den Veränderungen an den Hoden e mehr oder minder starke Vergrößerung der Milz. Sie sowohl wie Lunge und Leber sind von gelblichen Knötchen durchsetzt, die sich von ‚den bei chronischer Pestinfektion auftretenden makroskopisch selbst von Geübten nur sehr schwer unterscheiden lassen. Je nach der Viru- lenz der Kulturen tritt der Tod der Tiere in 10 Tagen bis 4—6 Wo- chen ein. - Während die Hausmaus und die weiße Maus so gut wie unemp- fänglich für die Infektion mit Rotzbazillen sind, läßt sich die Feld- as Virulena. Diagnose. ‘ bietet ferner die Impfung von männlichen Meerschweinchen: 690 . 40. Vorlesung. maus, ferner die Wald- und Wühlmaus sowie die Zieselmaus leicht infizieren. Bei subkutaner Infektion kommt es an der Impfstelle zu Lymphangitis und Lymphadenitis. Auch hier ist bei den gestorbenen Tieren die Milz stark vergrößert und ebenso wie die Leber und Lunge von Knötchen durchsetzt, die zahlreiche Rotzbakterien enthalten. Inter- essant ist die von Leo festgestellte Tatsache, daß die für Rotzin- fektion sonst unempfänglichen weißen Mäuse nach längerer Fütterung mit Phloridzin ihre natürliche Immunität verlieren. Die auf diese Weise künstlich diabetisch gemachten Mäuse lassen sich leicht tödlich infizieren. | Wie bei den meisten Bakterienarten, hat auch bei den Rotz- bazillen langdauernde Züchtung auf künstlichen Nährböden eine Ver- minderung der Virulenz zur Folge. Wir verfügen bis jetzt aber über keine zuverlässigen Methoden, um willkürlich die Infektiosität sicher und gleichmäßig abzuschwächen. Man kann zwar zuweilen durch che- mische oder physikalische Einflüsse die Virulenz einer Kultur herab- setzen, indessen lassen diese Mittel ebenso häufig im Stich. Es ist auch noch nicht gelungen, eine Kultur von so geringer Virulenz zu züchten, daß sie als zuverlässiger und unschädlicher Impfstoff zu Immu- nisierungszwecken benutzt werden könnte. Wenig virulente Kulturen lassen sich durch häufige Tierpassagen in ihrer Pathogenität oft steigern, aber auch hier haben wir kein sicheres Verfahren, um bei allen abgeschwächten Kulturen wieder die ursprüngliche Virulenz her- zustellen. Wenn man von den typischen Fällen absieht, kann die kli- nische Rotzdiagnose bei Menschen wie bei Pferden außerordentlich schwierig sein, namentlich zu Beginn der Krankheit und bei akutem Verlauf. Beim Menschen kommen differentialdiagnostisch vor allem Typhus, Sepsis, Erysipel in Frage, beim Pferde chronische Lymphan- gitis. Hier muß die bakteriologische Untersuchung zur Ergän- zung der klinischen herangezogen werden. Sie kann die Entscheidung herbeiführen entweder durch den direkten Nachweis der Erreger oder durch spezifische Reaktionen, die Malleinreaktion und die serologischen Prüfungen. Was zunächst den Nachweis der Rotzbazillen in Absonderungen oder Geweben rotzkranker Tiere betrifft, so gelingt es nicht immer, auf Grund von mikroskopischen Präparaten die Diagnose zu stellen. Die Rotzbazillen finden sich in den pathologischen Produkten, mag es sich um Eiter, Nasenschleim, Drüsensubstanz oder Rotzknötchen ; handeln, vielfach in so geringer Menge, daß sie in den Präparaten übersehen werden. Mehr leisten für die Diagnostik schon die Kultur- methoden, wenn Material verarbeitet wird, dem keine fremden, rasch wachsenden Bakterien beigemengt sind, wie aseptisch entnommene Punktionsflüssigkeit aus den Pusteln oder Kehlgangsdrüsen, exstirpierte Drüsensubstanz usw. Eine brauchbare Methode für den Nachweis der Rotzbazillen das verdächtige Material wird einer Anzahl von Tieren subkutan und anderen intraperitoneal einverleibt. Durch die Feststellung der (8. 689) geschilderten Veränderungen an den Hoden und durch die Züchtungs- | | Rotz. . 691 ‘ versuche, die mit Eiter, Milzknötchen usw. der eingegangenen Tiere anzustellen sind, wird sich die Diagnose erbringen lassen. Um ganz sicher zu gehen, identifiziere man in wichtigen Fällen die aus den - Wersuchstieren kultivierten Bakterien durch die Agglutinationsprobe. - Da die Impfkrankheit beim Meerschweinchen oft recht langsam verläuft, ‘ muß man die Tiere unter Umständen mehrere Monate in Beobachtung halten. Miessner hat allerdings ‘auf Grund ausgedehnter Versuche "darauf hingewiesen, daß die Empfänglichkeit der Meerschweinchen nicht sehr hochgradig ist. Ein Teil seiner Tiere erkrankte nicht, auch wenn sie mit virulentem Rotzmaterial infiziert wurden. Besonders bei Ver- _ impfung von alten verkästen Rotzknötchen waren die positiven Impf- erfolge sehr gering. Verlaufen die Meerschweinchenversuche negativ, so darf also des- wegen die Diagnose Rotz nicht ausgeschlossen werden, denn, abgesehen von der eben erwähnten Ungleichheit der Empfänglichkeit, kommt die Rotzinfektion der Meerschweinchen oft dadurch nicht zustande, daß gleichzeitig eingespritzte Eitererreger oder andere Bakterien lokale Ent- zündungen hervorrufen, in denen die Rotzbazillen zugrunde gehen. Sacharof, Malzef, Wladimirof u. a. haben deshalb für diagnostische Impfungen Katzen empfohlen, bei denen sich nach 2—3 Tagen zunächst lokale Infiltrationen und Geschwüre bilden, dann aber unter hohem Fieber eine zum Tode führende Allgemeininfektion mit Nasenrotz ein- tritt. Auch junge Hunde sind für diese Zwecke brauchbar; sie sind allerdings nicht so regelmäßig empfänglich wie Katzen, erkranken aber in ähnlicher Weise wie diese in einem größeren Prozentsatz. Ein spezifisches Diagnostikum besitzen wir im Mallein, das - zuerst von Helmann und Kalning als Glyzerinextrakt aus Kartoffel- kulturen der Rotzbazillen gewonnen wurde. Der die spezifischen Endo- toxine der Rotzkulturen enthaltende Glyzerinauszug wird bei 100° steri- _ lisiert und durch Tonfilter filtriert (Preiß). Andere Autoren stellen das Mallein analog dem Tuberkulin Koch aus 2—3 Monate alten Glyzerin- bouillonkulturen dar, die sterilisiert, auf !/,, des Volumens eingedickt und filtriert werden. Durch Ausfällung der spezifischen Stoffe aus den sterilisierten Kulturen mit Alkohol und Trocknung des Niederschlages wird ein Trockenmallein gewonnen. Für die Anwendung des Malleins ist das der Benutzung des - Tubereulinum Kochii entlehnte Prinzip vorbildlich. Die rotzkranken Tiere - sind viel empfänglicher für die subkutane Einverleibung des in - den Rotzbazillen enthaltenen Giftes als gesunde Tiere. Sie reagieren - auf Dosen, die bei gesunden Individuen keinerlei Störung hervorrufen, - in ganz ähnlicher Weise, wie tuberkulöse Menschen oder Tiere auf die Einspritzung von Tuberkulin reagieren (Fig. 91 u. 92). Einige Stunden - nach der Injektion steigt die Temperatur bei rotzkranken Pferden = wnter Schüttelfrösten 1:5—2'5° über die Norm an und erreicht nach - 20-24 Stunden oft noch höhere Grade. Erst nach 30—44 Stunden pflegt die Normaltemperatur sich wieder einzustellen. Mit der Fieber- bewegung („thermische Reaktion“ Hutyra) geht eine Allgemein-, reaktion einher; sie macht sich durch allgemeine Abgeschlagenheit der Tiere, Apathie und Freßunlust bemerkbar. An der Injektionsstelle bildet sich eine sehr schmerzhafte Schwellung entzündlichen Charakters, Mallein- reaktion. 692 : 40. Vorlesung. die eine erhebliche Ausdehnung erreichen kann (lokale Reaktion, s. Fig. 93). Häufig fühlt man geschwollene Lymphstränge, die sich von der Impfgegend nach den regionären Drüsen erstrecken. Diese lokalen Veränderungen pflegen 2—3 Tage, oft noch länger bestehen zu bleiben. Fig. 91. 1/1 2/1 Aa D/ıl 21 wit 1 -8/1 TR /Aleleleslz Nm m. um Vm Nm. Vm. >[2]+IeIs. Ik Is]s 21x88 [o]e]2]sTeTe. ef, [e[s[:ofrej2T% Ts " i E Ir a —. IF vw Bi |; v4 1% 80130 - IF T IE ke) EL x LH 380.60 |20 w “ 335%] u, £ I » ze = \/t u en 00110 . 5 Temperaturkurve bei positiver Malleinreaktion nach subkutaner Injektion (nach Hutyra u. Marek). Fig. 92. F2 AE g| Nm vm Nm | Vm. Nm Va BD BDBBBNRRBBDEDRBBSDEWDPRRBSCGHIEND ZI E 400 % in . ae 395 I 5 1 x ji 390 7 = wi [e3 385 4 2 # ji 38.014 { Bo} % Ki u BL 37:5 N 14 370 36'5 Verspätete thermische Malleinreaktion (nach Hutyra u. Marek). Bei rotzfreien Pferden bleibt nach der Injektion des Malleins die Temperatur normal oder zeigt nur geringe Erhebungen, die nicht mehr als 1° betragen. Von einer Allgemeinreaktion ist nichts zu be- merken, und die lokale Reaktion besteht nur in der Bildung einer kleinen empfindlichen Geschwulst, die weich ist, sich nicht ausbreitet und innerhalb 24 Stunden zu verschwinden pflegt. Für jedes Mallein- präparat muß die Dosis, die bei einem Pferd von mittlerem Körper- Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 49. va ® N L Fr = & Bi 1. Ausstrichpräparat aus junger Reinkultur des Aktinomycespilzes. — 2. Diphtheroide Formen des Aktinomyces- Pilzes im Ausstrichpräparat aus Eiter. — 3. Ausstrichpräparat aus Aktinomykose-Eiter (Pleurafistel). — 4. Rotz- bazillen und Gram-positive Staphylokokken. Ausstrichpräparat aus Reinkulturen, Färbung nach Gram. V—=!%), 5. Rotzbazillen im Ausstrichpräparat aus dem Hoden des Meerschweinchens. — 6. Schnitt eines Rotzkranken. Nach Löffler. durch die Lunge Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Re en BEER I 5 er Rotz. | 693 icht in Anwendung zu bringen ist, besonders festgestellt werden. Sie wird bei den im Handel erhältlichen Präparaten auf der Gebrauchs- anweisung vermerkt und schwankt zwischen 02 und 0'4 ccm. Bei der - Anstellung der Malleinprobe in der Praxis muß man die Temperatur der Pferde bereits 24 Stunden vor der Injektion messen, und zwar 3stündlich. Die Pferde werden ruhig im Stall gehalten. Bei fiebernden Tieren ist die Anwendung des Malleins, weil sie hier unsichere Resul- tate gibt, kontraindiziert, ebenso bei sehr vorgeschrittenen Rotzerkran- kungen. Die Beurteilung der Malleinreaktion in der Praxis wird nach Erfah- dsätzen ausgeführt, die Hutyra und Marek folgendermaßen präzisiert haben: „Positiv ist ‘die Malleinreaktion, wenn sich die Temperatur des vorher fieberfreien Tieres nach der Malleineinspritzung um 2° oder mehr und über 40° erhöht, und ebenso dann, wenn die Temperatursteigerung zwar nur 1'5 bis 19° Fe beträgt oder nur 395 bis 399° er- reicht, jedoch gleichzeitig auch eine ausgesprochene Allgemeinreaktion und Lokalreaktion beobachtet wird. Un- bestimmt oder zweifelhaft ist die Reaktion, wenn die Temperatur um 10 bis 19° ansteigt und dabei keine Allgemeinreaktion und Lokalreaktion zum Vorschein kommen. Atypisch ist die Reaktion, wenn die Tempe- ratur, mag sie welche Höhe immer erreichen, sehr rasch ansteigt und ebenso rasch wieder abfällt, der febrile Zustand somit nur sehr kurze Zeit, höchstens 4—6 Stunden lang gedauert hat. Nicht reagiert hat das Tier, - wenn die Temperatur höchstens um 1° ansteigt oder 39° C nicht überschrei- tet und auch keine lokale oder all- gemeine Reaktion beobachtet wird. Eine positive (typische) Reaktion ge- stattet die Schlußfolgerung, daß das betreffende Pferd mit Rotz infiziert ist; dagegen begründet eine unbe- stimmte und eine atypische Reaktion nur den Krankheitsverdacht. In solchen Fällen soll die endgültige Entscheidung von einer nach etwa. vier Wochen wiederholten Malleinprobe abhängig’ gemacht werden. Endlich gestattet das Aus- bleiben einer jeden Reaktion bei einem wohlgenährten und nicht alten Pferde den Ausschluß einer rotzigen Erkrankung.“ Fig. 3. Örtliche Malleinreaktion an der Injektionsstelle (nach Huiyra u. Marek). Wenn man rotzverdächtige Pferde der Malleinprobe unter- wirft, gelingt es in einem großen Prozentsatz der Fälle, auch bei den latenten und leicht verlaufenden Erkrankungen den Rotz festzu- stellen. Es gibt allerdings auch Gegner der Anwendung des Malleins, die behaupten, daß einerseits mitunter Tiere, die typisch reagiert haben, - keine rotzigen Veränderungen irgendwelcher Art in ihrem Körper auf- weisen, wenn sie unmittelbar darauf getötet und obduziert werden, und daß andrerseits Tiere, die bei der Obduktion. rotzkrank befunden wer- den, während des Lebens nur unsichere und zweifelhafte Reaktionen - gaben. Die Zahl der Fälle, in denen die Malleinprobe nicht zum Ziele führt, ist jedenfalls mit genauer Befolgung obiger Grundsätze dauernd geringer geworden, vor allem, seitdem zur Sicherung der subkutanen - Malleinprobe die Konjunktivalreaktion angewandt wird. Serum- reaktionen. .Agglutina- tionsprobe. 694 40. Vorlesung. Die Mallein-Augenprobe (Ophthalmo- oder Konjunktivalreaktion) ist der gleichartigen Tuberkulinprobe nachgebildet. Die positive Kon- junktivalreaktion, die sich in einer entzündlichen Rötung und eitrigen Sekretion der Augenbindehaut (Fig. 94) äußert, findet sich nur bei rotz- kranken Tieren. Diese Probe ist bei positivem Ausfall also eindeu- tiger als die subkutane Reaktion, weil die zweifelhaften und unsicheren Reaktionen hier fehlen. Aber die Erfahrung in der Praxis hat ergeben, daß die Probe auch bei vielen rotzkranken Pferden negativ ausfallen kann. Ein negativer Ausfall beweist also nicht das Fehlen einer Infektion. Bei Ausführung der Mallein-Augenprobe wird konzentriertes flüssiges Mallein in den inneren Winkel des Bindehautsackes eingebracht. Die nicht behandelte Kon- junktiva des anderen Auges dient als Kontrolle. Man muß sich vor Anstellung der Probe vergewissern, daß die Bindehaut frei von Fremd- körpern und nicht entzündet ist. Die kutane und intra- kutane Malleinprobe haben sich nicht bewährt. Fig. 94. Die Diagnose des menschlichen wie des tieri- schen Rotzes erfährt eine praktisch wichtige Ergänzung und Sicherung durch die Her- anziehung der spezifischen serodiagnostischen Reak- tionen, der Agglutinations-, Präzipitations- und Komple- mentbindungsreaktion. Wie sich bei experi- mentell mit Rotzkulturen in- fizierten Pferden zeigt, treten die Agglutinine bereits am 5.—7T. Tage nach der In- fektion in diagnostisch ver- wertbaren Mengen im Blute der Tiere auf, also zu einer Positive Konjunktivalreaktion bei’ Rotz Zeit, wo andere Verfahren, (nach Hutyra u. Marek). z. B. die Komplementbindung, noch negative Resultate geben. Im Verlauf der Krankheit nimmt der Agglutiningehalt des Blutes wieder ab und kann beim chronischen Rotz zur Norm herabsinken. Die komplementbindenden Antikörper treten vom 10. Tage nach der Infektion auf und sind während des ganzen Verlaufs der Erkrankung nachweisbar. Die Untersuchung der Serumproben geschieht am besten in besonders dafür eingerichteten Laboratorien und erstreckt sich gleichzeitig auf den Nachweis der Agglutinine, Präzipitine und komplementbindenden Stoffe (sog. „kom- binierte Blutuntersuchung‘“). Zur Ausführung der Agglutinationsprobe stellt man sich in analoger Weise, wie für die Agglutination der Tuberkelbazillen, eine Testflüssigkeit her. Die Rotzbazillen werden getrocknet, fein verrieben a | 695 und mit physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Die gleichmäßig opake Flüssigkeit, die sich nach mehreren Tagen über einem weißlichen Bodensatz bildet, wird abdekantiert und mit Phenol versetzt. Diese Testflüssigkeit stellt also eine karbolisierte Emulsion der allerkleinsten Trümmer der Rotzbazillen dar. Der Versuch wird in der Weise ange- setzt, daß in Reagenzgläsern zu je 5 ccm der im Verhältnis 1: 100 mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnten Flüssigkeit abgestufte Men- gen Serum zugesetzt werden. Die Mischungen kommen auf 24 Stunden in den Thermostaten, und nach Ablauf dieser Zeit wird festgestellt, in welchen Röhrchen sich ein Niederschlag gebildet hat. Nur da, wo völlige Klärung der Flüssigkeit erfolgt ist, ist ein positiver Ausfall der Reaktion zu verzeichnen. Statt der aus getrockneten und zertrümmerten Rotzkulturen hergestellten Testflüssigkeit kann auch eine Aufschwemmung von Rotzbazillen, die auf Glyzerinagar 48 Stunden gewachsen und bei 60° C 3 Stunden im Wasserbade abgetötet sind, in Phenol-Kochsalzlösung (05 Phenol auf 100 ccm 0'85 proz. Kochsalzlösung) verwendet werden. Nachdem größere Flocken durch Filtrieren entfernt sind, wird die Flüssig- keit einige Tage im Eisschrank aufbewahrt, dann dekantiert und soweit mit Phenol- Kochsalzlösung verdünnt, daß gedruckte Buchstaben mäßiger Stärke noch gerade zu lesen sind, wenn sie hinter ein 100 cem fassendes, mit Testflüssigkeit gefülltes . Probierglas gehalten werden (Schern). Die Testflüssigkeit wird dann auf ihre Brauch- barkeit mit normalem und Rotzserum ausgewertet. Bei Massenuntersuchungen, wie sie z. B. in den Blutuntersuchungsstellen des deutschen Heeres während des Krieges ausgeführt werden mußten, werden die negativen Sera durch eine orientierende Agglutinationsprobe mit 2 ccm Testflüssigkeit und Serumverdünnungen von 1:250 und 1:2000 ausgeschieden. Die Röhrchen kommen auf eine Stunde in den Thermostaten, werden danach in einer nicht schnell laufenden Zentrifuge zentrifugiert und im Sedimentoskop untersucht: bei positivem Ausfall der Probe findet sich auf dem Grunde der Röhrchen ein „gezackter Schleier“, der aus agglutinierten Bazillen besteht, bei negativem ein kreisrunder Bodensatz von nicht agglutinierten Bazillen. Die mit dieser orientierenden Probe als positiv bzw. verdächtig erkannten Sera werden dann der quantitativen Probe unterworfen, indem abgestufte Mevugen des Serums (1:400, 1:600, 1:800, 1:1000, 1:1500, 1:3000, 1:6000, 1:8000) mit 2 ccm Testflüssigkeit gemischt und in gleicher Weise behandelt werden. Bei der Beurteilung der Agglutinationsbefunde muß man im Auge behalten, daß unter Umständen auch das Serum normaler Pferde bei der eben skizzierten Versuchsanordnung bis zu Verdünnungen von 1:400 eine positive Reaktion geben kann. Positive Agglutination bei Verdünnungen des Serums über 1:1000 aber ist immer beweisend für Rotz. Bei Werten von 1:400 bis 1:1000 ist das Resultat als verdächtig zu bezeichnen. In solchen Fällen tritt die Komplementbindungsmethode ergänzend ein. Beim Menschen treten nach den Untersuchungen von Gildemeister und Jahn die Normalagglutinine weniger störend in Er- scheinung als beim Pferde. Man kann bei verdächtigen Erkrankungen des Menschen schon bei positiven Agglutinationsbefunden von 1:800 das Vorliegen einer Rotzinfektion als höchstwahrscheinlich bezeichnen. Die Agglutinationsreaktion wird auch zur Differenzierung der ' Rotzbazillen von den rotzähnlichen Bakterien angewandt. Durch intra- venöse Vorbehandlung von Pferden mit den zertrümmerten abgetöteten Bakterien läßt sich nämlich ein hochwertig agglutinierendes Serum her- stellen, das sich zu einer solchen Differenzierung der Kulturen eignet. Das Komplementbindungsverfahren wurde von Schütz, Miessner und Trapp in die Veterinärpraxis eingeführt. Es ist auf den Arbeiten von Bordet und Gengou, A. Wassermann, ©. Bruck, Kolle und v. Wasser- 696 40. Vorlesung. mann, H. Sachs u.a. über Benutzung der Komplementbindung für die serologische Diagnostik mit Hilfe von Bakterienantigenen, Eiweiß- körpern usw. aufgebaut, deren prinzipiell wichtige Ergebnisse bei der Rotz-Komplementbindung verwertet sind. Der Komplementablenkungsversuch wird nach den folgenden von Schern präzisierten Vorschriften ausgeführt: Als Antigen dient ein aus 48 Stunden bei 37°C auf 5proz. Glyzerinagar - gezüchteten Rotzbazillen-Kulturen hergestellter Extrakt. Die Kulturmasse wird mit Phenolkochsalzlösung (25 cem auf 1 Kultur) abgeschwemmt und die Suspension 3 Stun- den bei 60°C im Wasserbade abgetötet, 24 Stunden im Schüttelapparat geschüttelt und zentrifugiert. Die klare, über dem Bakteriensediment befindliche Flüssigkeit stellt das Antigen dar, das in braunen Flaschen aufbewahrt wird. Zunächst wird die Grenzdosis des Extraktes ermittelt, mit der eine bestimmte Menge Rotzserum kom- plette Hemmung der Hämolyse gibt, während eine entsprechende Menge Normal- serum komplette Lyse eintreten läßt. Die doppelte Menge dieser Dosis allein (ohne jeglichen Serumzusatz) darf die Hämolyse nicht beeinträchtigen, wenn die ermittelte einfache Extraktdosis im Komplementbindungsversuch verwendet werden soll. Die zu prüfenden Sera werden bei 56°C eine Stunde lang inaktiviert. Das zu den Versuchen benötigte Meerschweinchenkomplement wird vor der Benutzung auf Brauchbarkeit durch Titrierung geprüft. Ist das Komplement eingestellt, so setzt man unmittelbar vor der Anstellung eines Hauptversuches folgende Kontrollen an: . Systemkontrolle = 2cem physiol. Kochsalzlösung + 1 ccm Komplement; . Extraktkontrolle = 1 ccm physiol. Kochsalzlösung + 1 cem Komplement + 1 cem Extrakt; plement + 1 ccm Extrakt + 0O'2cem Rotzserum; : . Rotzserumkontrolle ohne Extrakt =2 cem physiol. Kochsalzlösung + 1 cem Kom- plement + 0'2 ccm Rotzserum ; 5. Normalserumkontrolle = 1ccm physiol. Kochsalzlösung + 1cem Kompiement + 1cem Extrakt + 0'2ccm Normalserum. Nachdem alle 5 Röhrchen in einem Wasserbade bei 38°C gehalten sind, wird mit einer Pipette je lecm Ambozeptor und 1ccm 5proz. Hammelblutkörperchen- aufschwemmung eingefüllt und gut durchgeschüttelt. Sodann werden die Röhrchen nochmals für 20 Minuten in das Wasserbad von 38°C gestellt. Diese Kontrollen geben Aufschluß darüber, ob die für den Versuch verwen- deten Materialien einwandfreie Resultate ergeben. Die Systemkontrolle zeigt an, ob das hämolytische System gut funktioniert. Im Röhrchen 1, 2,4 und5 muß komplette Hämolyse, in Röhrchen 3 dagegen komplette Hemmung der Lyse eingetreten sein. Haben die Kontrollen zu richtigem Resultat geführt, so wird zunächst, beson- ders bei Massenuntersuchungen, die orientierende Komplementablenkung ausgeführt. Für jedes zu untersuchende Serum wird nur 1 Röhrchen benötigt. In dieses füllt man 0'2ccm des Untersuchungsserums + 1ccm 0'85proz. NaCl-Lösung. Diese Mischung wird '/, Stunde zur Inaktivierung in ein Wasserbad von 58°0 ge- stell. Dann wird 1ccm Komplement + Iccm Extrakt aufgefüllt, der Inhalt des Röhrchens durchgeschüttelt und 20 Minuten zur Bindung des Komplements an den eventuell vorhandenen Rotzantikörper und das Rotzantigen in ein Wasserbad von 38°C gestellt. Nach Ablauf dieser Zeit füllt man in jedes der Röhrchen 2cem sensibilisierter Blutkörperchen, schüttelt durch und übergibt die Röhrchen für weitere 20 Minuten dem auf 38°C eingestellten Wasserbad. (Unter sensibilisierten Blutkörperchen versteht man eine Flüssigkeit, die 5proz. Blutkörperchenaufschwem- mung und Ambozeptorverdünnung zu gleichen Teilen gemischt enthält und vor dem Auffüllen in die Röhrchen '/, Stunde lang leicht angewärmt wird. Ambozeptor und Blutkörperchen treten hierbei in Beziehung, die Blutkörperchen werden mit dem hämolytischen Ambozeptor beladen bzw. sensibilisiert. Dadurch läuft die Hämolyse später schneller ab.) Nach der Versuchszeit ist in dem Röhrchen entweder 1. komplette Lysis oder 2. komplette Hemmung der Lysis oder 3. eine unvollständige Lysis eingetreten bzw. es besteht etwas Hemmung der Lysis. Im ersteren Falle gilt das Untersuchungsserum als unverdächtig und wird nicht weiter untersucht. Ist durch die orientierende Komplementablenkung aber Rotzverdacht begründet (Resultat 2 und 3), so wird die Komplementablenkung mit verschieden abgestuften Serumdosen aus- geführt. 1 2 3. Rotzserumkontrolle mit Extrakt— 1ccm physiol. Kochsalzlösung +1cem Kom- 4 Rotz. | 697 Hierzu werden fünf Reagenzröhrchen folgendermaßen beschickt: Röhrchen 1: 0'2ccem verdächt. Serum + 1 ccm physiolog. Kochsalzlsg. € 2: Ol cem E » +leem - - Br 3: 0:05 cem y „. + leem = & = 4: 0'02 ccm u »„.. tlcem ä = F 5: 02 cem & „.. t+1lecm 5 » Alle fünf Röhrchen kommen zur Inaktivierung des Serums für '/, Stunde ins Wasserbad bei 58°C. Dann setzt man zu Röhrchen 1—4: je 1 ccm Komplement + 1 cem Extrakt, ® 5: 1cem = —+ 1 cem physiologische Kochsalzlösung. : Alle fünf Röhrchen kommen für 20 Minuten zur Bindung des Komplements in das Wasserbad von 38°C, werden nach Ablauf dieser Zeit mit je 2ccm sen- sibilisierter Blutkörperchen aufgefüllt und nochmals für 20 Minuten in das gleiche Wasserbad gestellt. Das Resultat der Abstufung kann verschieden sein: 1. In den Röhrehen 1 bis 4 ist Hemmung der Lysis — entweder komplett oder ‚unvollständig — eingetreten, während im Röhrchen 5 die Blutkörperchen vollkommen elöst sind; das betreffende Pferd ist rotzig, denn das Komplement ist durch das tzsystem gebunden. = 2. In allen fünf Röhrchen ist Hemmung der Hämolyse eingetreten: es besteht Eigenhemmung, weil in der Kontrolle 5 das Serum allein, ohne Extrakt, die Lysis hemmt. Die Hemmung ist nicht spezifisch und das Resultat des Versuches ist Jiagnostisch meist nicht verwertbar. 3. Im Röhrchen 1, vielleicht auch in 2, besteht vollständige Hemmung der Lysis, während in 3, 4 und 5 Lysis besteht. In einem solchen Fall ist das betreffende Pferd meist rotzverdächtig, nur enthalten die kleinen Serummengen noch nicht soviel Rotzantikörper, daß es zu einer Bindung des Komplements kommen kann. (Paradoxe Hemmungen kommen seltener vor.) Die Sera rotzkranker Menschen sind meist sehr reich an komplementbinden- den Antikörpern. Bei den Untersuchungen von Gildemeister und Jahn genügten in allen Fällen 0'01ccm Serum, um komplette Hemmung zu bewirken. Auch die Präzipitationsreaktion läßt sich für die Rotzdiagnose verwerten. Sie wird nach den Untersuchungen von Pfeiler und Miessner am zweckmäßigsten in der Form des Ascolischen Schichtungsverfahrens angestellt. Das zu prüfende Serum wird unverdünnt in kleine Reagens- röhrchen getan. Als Antigen dient das im Handel käufliche „Malleinum siceum Foth“, das kurz vor dem Versuch in physiologischer Kochsalz- lösung (0'025 g in 10cem) gelöst und dann vorsichtig überschichtet wird. Die Röhrehen bleiben dann etwa 2 Stunden lang im Thermostat bei 37°C. Nach Ablauf dieser Zeit wird das Resultat festgestellt. Bei positivem Ausfall der Reaktion ist an der Berührungsstelle der beiden Schichten ein trüber, etwa 1—1!/,mm breiter Ring sichtbar. Das Ver- fahren hat sich in der Veterinärmedizin nach dem Urteil verschiedener Autoren durchaus bewährt, speziell beim akuten Rotz der Pferde, ist jedoch durch die Agglutinationsprobe und das Komplementbindungs- verfahren verdrängt worden, weil diese eindeutigere Resultate geben. Es entstehen nicht selten bei der Präzipitation unspezifische Nieder- schläge, die zu Fehldiagnosen Veranlassung geben können. Neuerdings wird auch die sogenannte Konglutinationsprobe - mit Erfolg zur Rotzdiagnostik verwandt, die auf den Feststellungen von Bordet, Streng und Gay aufgebaut ist. Diese Autoren fanden, daß die Lösung roter Blutkörperchen in einer Mischung inaktiven Rinderserums und frischen Pferdeserums ausbleibt, wenn der Mischung ein aufeinander wirkendes Antigen-Antiserumgemenge zugefügt wird. Wird also ein Präzipi- tations- reaktion. Konglutina- tionsprobe. 698 40. Vorlesung. Rotzantikörper enthaltendes Serum mit Rotzbazillen zugesetzt, so bleibt die Hämolyse aus; die Blutkörperchen werden durch das Rinderserum zusammengeballt und sinken zu Boden. Enthält das zu prüfende rotz- verdächtige Serum aber keine Rotzantikörper, so werden die Blut- körperchen aufgelöst. Auch die Konglutinationsprobe liefert gute, dia- gnostisch brauchbare Resultate, die allerdings mit Vorsicht und Ein- schränkung zu verwerten sind, weil auch gesunde Tiere mitunter posi- tive Reaktion zeigen (Lährs). Das Dialysierverfahren von Abderhalden, die Probe auf anaphy- laktische Reaktionen nach intravenöser Injektion von Rotzbazillen und die Flockungsreaktionen (nach Art der bei Syphilis ausgeführten) haben einwandfreie, an Zuverlässigkeit den bisher genannten Verfahren gleich- kommende, praktisch brauchbare Resultate nicht ergeben. Zusammenfassend läßt sich über den diagnostischen Wert der hier beschriebenen serologischen Verfahren und ihre Brauchbar- keit im Vergleich zu den allergischen Malleinreaktionen sagen, daß die Komplementbindungsmethode, abgesehen von den Frühstadien des Rotzes, in denen nur Agglutinine, aber noch nicht komplementbindende Antikörper vorhanden sind, das diagnostisch wert- vollste serologische Verfahren ist. Nach den sehr großen, während des Weltkrieges in den Rotzuntersuchungsstellen des deutschen Heeres ge- sammelten Erfahrungen gibt die Komplementbindungsmethode nur in 1—2°/, Fehlresultate. Ein so geringer Prozentsatz spielt praktisch bei der für die Bekämpfung dieser Tierseuche so wichtigen Methode keine Rolle. Die Spezifizität des Verfahrens ist jedenfalls sehr groß, denn nach den Untersuchungen von Fontaine, Lütje und Lührs an Tausenden von Tieren reagiert das Blut der mit Brustseuche, Druse, Influenza, Petechialfieber, Parasiten, Räude, Eiterungen und anderen Infektionen behafteten Pferde stets negativ. Extrakte, die analog der Rotztestflüssigkeit aus anderen Bakterien hergestellt sind, reagieren bei Benutzung des Komplementverfahrens mit dem Serum rotzkranker Pferde negativ. Man muß aber bei den serologischen Prüfungen stets daran denken, daß bei Tieren positive Befunde unter Umständen auch die Folge vorausgegangener subkutaner Malleininjektionen sein können. Bei chronischem Rotz läßt die Agglutinationsprobe häufig im Stich, bei ihr sind negative Resultate daher nicht beweisend. Das gleiche gilt für die Präzipitationsmethode. In verdächtigen Fällen sind die serologischen Proben, auch die Konglutinationsprobe, zu wiederholen. Von den allergischen Verfahren ist das sicherste die subkutane Malleinprobe. Sie kann aber in der Praxis durch die ihr an Zuver- lässigkeit und Empfindlichkeit nahestehende Konjunktivalreaktion ergänzt und kontrolliert werden. Bei der praktischen Verwendung der Verfahren geht man zweckmäßig so vor, daß zunächst bei sämtlichen Pferden eines rotz- durchseuchten oder rotzverdächtigen Bestandes die Konjunktivalprobe angestellt wird. Alle positiv reagierenden Pferde werden abgesondert, bei den negativ reagierenden wird die Prüfung wiederholt und gleich- zeitig Blut zur Anstellung der serologischen Proben entnommen und an die zuständige Blutuntersuchungsstelle eingesandt. Bei den Tieren, bei denen trotz des klinischen Verdachtes alle Reaktionen ein nega- Rotz. Ä 699 tives Resultat ergeben, wird die subkutane Malleinprobe angewandt. Die nicht reagierenden Tiere können als rotzfrei, die bei einer Probe positiv reagierenden aber als rotzinfiziert betrachtet werden. Der Rotz ist eine außerordentlich ansteckende Krankheit, die sich seuchenhaft unter den Einhufern ausbreitet. Die Übertragung der Seuche von den kranken auf die gesunden Tiere erfolgt hauptsächlich in den Stallungen, entweder durch direkten Kontakt der nebeneinander stehenden Tiere oder durch infizierte Gegenstände, z. B. Eimer, Krippen u. dgl. Auch bei den Tieren bilden häufig wohl kleinste Wunden oder Schrunden der Schleimhäute, speziell der Nasenschleimhaut, die Eintritts- pforte der Erreger. Ob es einen primären Lungenrotz gibt, darüber gehen die Ansichten der Tierärzte noch auseinander. Im Tierversuch gelingt es jedenfalls, durch Inhalierenlassen verstäubter Kulturen einen tödlichen Lungenrotz hervorzurufen. Ebenso konnte Nocard durch infi- ziertes Futter Rotz auf Tiere übertragen. Friedberger und Fröhner nehmen an, daß der letztgenannte Infektionsweg in der Praxis der häufigste ist. Die Erreger werden dann vom Intestinaltraktus auf dem Lymphwege in die Lungen transportiert, die für ihre Ansiedlung in gleicher Weise, wie es bei der Tuberkulose der Fall ist, besonders dis- poniert sind. Am meisten infektiös sind zweifellos die akuten Rotzfälle, namentlich wenn starker Ausfluß aus der Nase und aus Eiterbeulen der Haut und der Trachea besteht. Aber für die Ausbreitung der Krankheit, besonders auch für die Übertragung auf den Menschen, sind die leicht oder chronisch verlaufenden Fälle am gefährlichsten, bei denen die Krankheit nicht als Rotz erkannt wird. Die Erfahrung zeigt, daß der Rotz aus infizierten Pferdebeständen, wenn nicht energische Maßregeln ergriffen werden, nicht leicht verschwindet. Sobald gesunde Pferde in Stallungen gebracht werden, in denen vor nicht langer Zeit rotzkranke Tiere gestanden haben, besteht stets die Gefahr, daß sie infiziert werden. So erhält sich jahraus jahrein diese für die Landwirt- schaft und Pferdezucht wirtschaftlich so außerordentlich wichtige und gefährliche Pferdekrankheit. In den letzten Jahrzehnten hat sieh dank der Möglichkeit, die Krankheit auf Grund der bakteriologischen’ For- schungsergebnisse besser zu bekämpfen, in Deutschland überall eine Abnahme des Rotzes bemerkbar gemacht. Die Vorbedingung für eine sytematische Bekämpfung und Til- gung des Rotzes unter den Pferdebeständen ist eine frühzeitige und sichere Erkennung der Krankheit. Da bei alleiniger Anwendung der klinischen Untersuchungsmethoden viele Fälle von Rotz unerkannt bleiben würden, sind stets die beschriebenen bakteriologischen und serologischen Untersuchungsverfahren und die Malleinproben (Konjunk- tivalreaktion und subkutane Probe) anzuwenden. Der Nächweis der Erreger selbst ist bei vielen Fällen von sogenanntem okkultem Rotz, der sich meist in der Lunge mit nur geringen lokalen Erscheinungen abspielt, sehr schwierig oder gelingt überhaupt nicht, namentlich dann, wenn kein Sekret nach außen entleert wird. Der Rotz der Tiere unterliegt den Bestimmungen des Reichs-Viehseuchen- gesetzes. Für alle Rotzfälle und rotzverdächtigen Erkrankungen ist die Anzeige- pflicht vorgeschrieben; außerdem wird, sobald der Rotz in einem Bestande festgestellt - ist, dies öffentlich bekannt gemacht. Verdächtige Tiere sind streng zu isolieren und Epidemio- logie. Prophylaxe und Be- kämpfung. 700 40. Vorlesung. durch den beamteten Tierarzt zu überwachen. Auf Vorschlag des letzteren werden unter Umständen auch Verbote von Viehmärkten und gemeinsamer Benutzung von Brunnen, Tränken, Schwemmen, Weiden usw. erlassen. Das Schlachten rotzkranker oder der Seuche verdächtiger Tiere ist verboten. Die Maßnahmen, die des weiteren getroffen werden, schließen sich im all- gemeinen an das von Nocard zuerst empfohlene System der Rotzbekämpfung an. Alle mit manifestem Rotz behafteten Pferde werden sobald wie möglich getötet. Bei den krankheits- und ansteckungsverdächtigen Pferden wird zweimal, und zwar in Zwischenräumen von einer Woche, die Malleinprobe vorgenommen. Bei der zweiten Injektion wird oft noch Rotz nachgewiesen, wo die erste im Stich gelassen hatte. Zur Ergänzung der Malleinprobe werden die serologischen Verfahren herangezogen. Ansteckungsverdächtig sind alle Pferde, die mit rotzkranken Tieren in der gleichen Stallung standen oder sonst in letzter Zeit mit ihnen in Berührung kamen. Die Pferde, die auf Mallein und bei serologischer Prüfung negativ reagiert haben, werden von den übrigen getrennt gehalten, während alle Pferde, die reagierten, ia einem besonderen Stalle abgesondert und dauernd beobachtet werden. Sobald ein Tier manifeste Symptome des Rotzes zeigt, wird es getötet. Nach einigenWochen werden die Prüfungen bei allen isolierten Pferden wiederholt und die Überführung der gesund gebliebenen und negativ reagierenden Tiere zu den übrigen gesunden ein- geleitet. Zur Ergänzung dieser Maßnahmen ist eine gründliche Desinfektion des Stalles, der Spreu, Krippen, Tränkeimer und Futtergefäße notwendig und mindestens in jedem Monat einmal zu wiederholen. Ebenso sind bei .der Beseitiguug der Kadaver rotzkranker Tiere besondere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich. Bei Befolgung der hier skizzierten Vorschriften gelingt es in den meisten Fällen ohne große Opfer an wertvollem Pferdematerial, eine Tilgung des Rotzes unter den befallenen Be- ständen herbeizuführen. Die Verhütung und Bekämpfung der Rotzkrankheit beim Menschen wird zum Teil durch die veterinärpolizeilichen Maßnahmen mitbewirkt. Je weniger Rotz bei Pferden vorkommt, desto seltener wird auch die Gelegenheit für den Menschen, sich mit Rotz zu infizieren. In der Zeit vor der Entdeckung des Rotzbazillus, als die Grundlagen für die exakte bakteriologische Diagnostik fehlten, waren Übertragungen von rotzkranken Pferden auf den Menschen häufig und auch deshalb der Rotz der Pferde noch mehr gefürchtet als heute. Unter ungünstigen hygienischen Verhältnissen kann der Rotz auch unter den Menschen durch Übertragung von Kranken auf Gesunde in größerer Verbreitung auftreten. Über eine solche massenhafte Ausbreitung ist z. B. von Däralos in Habana berichtet worden. Überall aber, wo gegen den Rotz der Tiere energisch eingeschritten wird, kommen Erkrankungen beim Menschen selten vor. In Preußen wurden z. B. in den Jahren 1905 bis 1919 im ganzen nur 10 Erkrankungsfälle gemeldet, von denen 5 tödlich endeten. Wegen der großen Ansteckungsfähigkeit der Krankheit ist auf Grund der Bestimmungen des Seuchengesetzes Anzeigepficht für jeden Rotz- und rotzverdächtigen Krankheitsfall vorgesehen. Die Kranken werden abgesondert, ihre Umgebung beobachtet. Eine gründliche Desinfektion der Sekrete des Kranken während des Verlaufes der Krankheit und am Ende der letzteren die Desinfektion aller Gebrauchs- gegenstände und der ganzen Wohnung ist unerläßlich. Alle, die mit der Pflege von rotzkranken Pferden und Menschen zu tun haben, also besonders Ärzte, Tierärzte, Krankenpfleger, müssen sich der Gefahren ihres Berufes gerade bei dieser Krankheit besonders bewußt sein. Auch in Laboratorien, in denen mit Rotz gearbeitet wird, sind bereits eine ganze Anzahl beklagenswerter Infektionen vorgekommen, namentlich bei Tierversuchen oder wenn Kulturmaterial durch zerbrochene Kultur- gefäße in Wunden gelangte. Ebenso ist beim Zentrifugieren von lebenden Rotz. Fan 701 E: 'Rotzbazillen größte Vorsicht geboten. Es bestehen infolgedessen beson- dere Vorschriften für das Arbeiten und den Verkehr mit den RSBERRBOTD: die nicht peinlich genug innegehalten werden können. Die. Immunität gegen Rotz ist ein Problem, das noch durch weitere Studien gelöst werden muß. Natürliche Unempfänglichkeit besitzen die früher (S. 689) aufgeführten Tierarten, bei denen Rotz- _ - infektion weder spontan beobachtet, noch experimentell erzielt wird. Zwischen diesen ganz unempfänglichen und den hochempfänglichen Tierarten und den Menschen gibt es verschiedene Übergänge, die auch bereits erwähnt sind. Ob durch das Überstehen der Krankheit in jedem Falle eine Immunität erworben wird und wie lange dieser Schutz gegen Neuinfektionen wirksam ist, ist eine noch strittige Frage. Man kann annehmen, daß die leichten Formen von Rotz bei Pferden, Eseln und auch beim Menschen auf eine geringere Empfänglichkeit der betreffen- - den Individuen für die Rotzinfektion zurückzuführen sind, und daß durch die Wirkungen der Erreger während der Krankheit diese schon vorhandene relative Immunität gesteigert wird. Durch die Toxine des Rotzbazillus (z.B. das Mallein) oder durch abgetötete Bakterienleiber läßt sich dagegen selbst bei langer Vorbehandlung und Verwendung hoher Dosen eine Immunität gegen die lebenden Infektionserreger nicht erzielen. Es ist bis jetzt auch noch nicht gelungen, mit dem Serum von Tieren, die Rotz überstanden haben oder mit spezifischen Rotz- präparaten behandelt wurden, anderen Tieren Schutz gegen nachfolgende Infektion zu verleihen. Dagegen treten, wie schon erwähnt, komplement- - bindende Stoffe, Agglutinine und Präzipitine bei rotzkranken und mit Rotzbazillen oder deren Derivaten subkutan oder intravenös vorbehan- delten Tieren auf. Daß die Darstellung eines abgeschwächten Rotzvirus, das als Vakzin dienen könnte, bis jetzt noch nicht gelungen ist, wurde bereits erwähnt. Dagegen soll ein nach den Angaben von Levy, Blumenthal und Marxer aus abgetöteten Rotzkulturen hergestellter und als „Farase“ bezeichneter Impfstoff zur Immunisierung von Tieren geeignet sein. Er wird dureh Schütteln der Rotzbazillen in einer Konzentration von 1g Kultur auf 40ccm Harnstofflösung während 17 Stunden bei Körper- wärme gewonnen, dann im Vakuum bei niedriger Temperatur zur Trockne eingedampft und zu Pulver verrieben. Ebenso läßt sich durch Schütteln mit 80proz. Glyzerin ein’ brauchbarer Impfstoff gewinnen. Als erste Injektion werden subkutan 100 mg Bazillen gegeben, etwa 3 Wochen - später 200—250 mg. Die Dauer des Impfschutzes soil mindestens 1 Jahr betragen. | Daß sich mit Vakzinen — am besten Autovakzinen —, die nach Art der Farase hergestellt sind, auch beim chronischen Rotz des Immunität. Menschen günstige therapeutische Erfolge erzielen lassen, haben Zieler und O. Fischer mitgeteilt. Die von verschiedenen Seiten durchgeführten chemotherapeutischen Versuche an rotzkranken Pferden haben bisher ein negatives Resultat gehabt. Weder Arsenobenzolderivate, unter diesen auch die Metall- salvarsane, noch Quecksilberverbindungen, Jodpräpate, Kupferverbin- dungen, Chinin und dessen Derivate oder Farbstoffe haben selbst Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 46 Chemothera- peutische Versuche. 702 40. Vorlesung. Rotz. bei Anwendung sehr großer Dosen oder in Kombination mit Mallein oder sog. protoplasmaaktivierenden Körpern, z. B. Albumosen, keinerlei Heilwirkung oder günstige Beeinflussung des Rotzes hervorgebracht. Auch eine nach Art der Tuberkulinbehandlung angewandte Mallein- therapie hat ebensowenig wie die Serumtherapie Erfolge zu verzeichnen. Literatur. Die dh der Rotzkrankheit. Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt, _ . 1, 1886. Wladimirof, Rotz. Handb. d. pathog. 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Die Tuberkulose ist bereits in den Überlieferungen aus der vorchristlichen Epoche der medizinischen Wissenschaft in ihren Erscheinungen so zutreffend ge- schildert, daß wir an ihrem Vorkommen in den ältesten Zeiten nicht zweifeln können. ‚Eine interessante Bestätigung hat diese Auffassung durch die von Rufer u.a. aus- geführten Untersuchungen an ägyptischen Mumien erfahren. In den Skeletteilen, namentlich an der Wirbelsäule, aber auch an den Weichteilen, z. B. den Psoas- muskeln, konnten mehrfach Veränderungen festgestellt werden, die ätiologisch auf Tuberkulose zurückgeführt werden müssen. Als Entstehungsursache werden in den ältesten Berichten Erkältungen, Unter- drückung der Körpersekrete und Blutungen angegeben. Aber auch die Annahme, daß die Tuberkulose eine kontagiöse Krankheit sei, ist schon sehr alt; wir finden bereits in den pseudoaristotelischen „Problemen“ die Angabe, daß die Ansteckung von - Person zu Person durch die Luft erfolge. In den ersten Jahrhunderten nach Christus und im Mittelalter wurden die Kenntnisse über das Wesen der Tuberkulose nur wenig oder gar nicht gefördert. Der Gedanke der Übertragbarkeit hielt sich aber trotz mannigfacher Anfeindungen unter den einsichtigeren Ärzten stets lebendig. Die anatomischen Veränderungen wurden zuerst gegen Mitte des 17. Jahrhunderts sorgfältiger studiert, namentlich von Sylvius, der die Tuberkel als spezifische Krank- heitsprodukte erkannte. Im 18. Jahrhundert erwarb sich Laönnee um die weitere Erforschung der Tuberkulose große Verdienste; er vertrat zuerst die Einheit des Tuberkulosebegriffes und lehrte die Abtrennung der Phthisis von anderen Lungen- krankheiten. Laönnee erklärte auch als erster die als „Skrofulose“ bezeichnete Affektion der Drüsen für einen tuberkulösen Prozeß. Weiterhin bestimmten Virchows Anschauungen die weitere Entwicklung der Lehre von der Tuberkulose. Virchow wollte die käsige Pneumonie von der Lungentuberkulose scharf getrennt wissen und sprach den Produkten des Tuberkels jede spezifische Bedeutung ab. - Experimentell wurde der Frage der Infektiosität zuerst von Klencke (1843) nähergetreten, der Kaninchen tuberkulöses Material in die Ohrvene spritzte und die Tiere an ausgedehnter Tuberkulose erkranken sah. Pillemin (1865) verfolgte diese Studien weiter und begründete durch größere Versuchsreihen die Auffassung, daß die Tuberkulose eine übertragbare Krankheit sei. Er untersuchte auch die einzelnen Iniektionsarten genauer und kam, da er bei Tieren durch Einatmenlassen von ver- stäubtem Auswurf der Kranken Lungentuberkulose hervorrufen konnte, zu der An- nahme, daß die Phthise durch Einatmen des Kontagiums zustande käme. Weitere wichtige Studien über die Tuberkuloseübertragung wurden dann von Cohnheim und - Salomonsen ausgeführt, die nach Verimpfung tuberkulösen Materials in die vordere Augenkammer des Kaninchens unmittelbar an der Impfstelle die typischen Krank- heitsprodukte, die Tuberkel, auftreten sahen. Aber trotz der Ergebnisse aller dieser Versuche wurde die menschliche Tuber- kulose nicht ohne weiteres allgemein von den Ärzten als Infektionskrankheit aner- kannt. Man legte vielmehr den Hauptwert auf die ererbte Disposition, die in einer für Entzündungsvorgänge besonders empfänglichen Konstitutionsanomalie bestehen sollte. Ja, manche Ärzte wollten, weil sie die Tuberkulose vorwiegend in bestimmten ‘ Familien auftreten sahen, nur eine erbliche Übertragung dieser Krankheit aner- 46* Vorkommen der Tuber- kulose bei Mensch, bei Tier. Der Tuberkel- bazillus. Morphologie. 704 41. Vorlesung. kennen. Die „Skrofulose“ spielte hier ihre der weiteren Aufklärung der Tuber- kuloseätiologie so lange verderbliche Rolle. Die verschiedenartigsten Krankheits- formen, bei denen die als Tuberkel bezeichneten Gebilde gefunden wurden, ließen a priori eine Einheitlichkeit aller dieser Erkrankungen unwahrscheinlich erscheinen. Namentlich konnten sich auch die Anhänger der Lehre von der infektiösen Natur der Tuberkulose das Vorkommen der Tuberkelknötchen in Abszeßhöhlen, schwammigem Gewebe, bei Entzündungen des Brust- und Bauchfells usw. nicht als zur Tuberkulose gehörig vorstellen. In alle diese dunklen Fragen wurde plötzlich helles Licht geworfen, als Robert Koch im Jahre 1882 den Tuberkelbazillus entdeckte. Dieser Mikroorganismus wurde von ihm bei allen Krankheitszuständen gefunden, bei denen Tuberkelbildung beobachtet wird, und es war somit erwiesen, daß sie alle der gleichen Infektion zugehörten. Es muß als ein unvergänglicher Ruhmestitel dieses Forschers angesehen werden, daß es ihm in zielbewußter Arbeit gelang, mittelst neu erfundener Färbungs- und Züchtungsverfahren in den Tuberkelbazillen die lange gesuchten Erreger der Tuberkulose nachzuweisen. Namentlich die Züchtung der Tuberkelbazillen machte Koch zunächst große Schwierigkeiten, weil auf den bis dahin üblichen Nährböden ein Wachstum nicht erfolgte. Schließlich gelang die Kultur auf Blutserum. Nunmehr. konnte durch die Übertragung der Reinkulturen des Kochschen Bazillus auf Tiere auch der noch ausstehende Endbeweis für dessen ätiologische Bedeutung erbracht werden. Die Arbeit, in der Koch diese Forschungs- resultate niederlegte, gehört zu den klassischen Werken und leitet zusammen mit den ersten grundlegenden Veröffentlichungen Kochs über Milzbrand, die Züchtungs- verfahren der Mikroorganismen und die Wundinfektionskrankheiten eine neue Ära der Medizin ein, Die Tuberkulose ist nicht nur beim Menschen eine weit- verbreitete Krankheit, sondern kommt auch bei vielen Tier- arten vor. Namentlich die Tuberkulose des Rindes, die auch Perlsucht genannt wird, ist fast über die ganze Erde verbreitet; seltener und praktisch weniger wichtig ist die spontane Tuberkulose der Schweine, Pferde, Ziegen, Schafe, Hunde und Katzen. Für wissenschaftliche Studien und diagnostische Untersuchungen wird die Empfänglichkeit der Affen, Kaninchen und Meerschweinchen für Tuberkulose viel benützt. Das experimentell außerordentlich sicher zu infizierende Meerschweinchen ist das bevorzugte Tuberkulose-Versuchstier geworden. Auch unter dem Geflügel, namentlich den Hühnern, kommen nicht selten tuberkulöse Erkrankungen zur Beobachtung. Alle diese Infektionen werden durch den Tuberkelbazillus hervorgerufen. Wir wollen später (S. 714) auf die Eigentümlichkeiten der Tiertuberkulose eingehen und dann auch die besonderen Merkmale besprechen, welche die Erreger der Rinder- und der Geflügeltuberkulose in kultureller Beziehung und durch ihre Tier- pathogenität gegenüber dem menschlichen Tuberkelbazillus, dem sie sonst morphologisch und biologisch sehr ähnlich sind, bieten. Zunächst sei der letztere in seinen morphologischen, kulturellen und tierpatho- genen Eigenschaften beschrieben. Der Tuberkelbazillus ist ein unbewegliches, dünnes, schlankes Stäbchen, das 1'3—3°5 u lang und 03—0'5 u. breit ist. Die Ecken er- scheinen leicht abgerundet. Die Form des Stäbchens ist meist gerade, oft auch leicht gekrümmt oder abgeknickt. Es liegt meist einzeln, mit- unter aber auch zu kleinen Häufchen vereinigt. Wenn Präparate aus älteren Kulturen oder aus dem Sputum von Lungenkavernen angefertigt werden, sieht man bei vielen Exemplaren nicht das ganze Stäbchen gleichmäßig gefärbt, sondern mehrere farblose Stellen im Innern des Bazillus, der infolgedessen wie eine Perlschnur oder wie aus einzelnen Körnchen zusammengesetzt aussieht. Offenbar handelt es sich hier um Tuberkulose. 705 eine Retraktion der färbbaren Substanz an bestimmten Teilen der Ba- zillen, die als Degenerationserscheinung aufzufassen ist. Andere Gebilde sind die 2—3 meist an. den Enden der Bazillen gelegenen, im unge- färbten Präparat stark lichtbrechenden Körnchen, die ebenfalls am häufigsten in Präparaten aus Kavernensputum anzutreffen sind. Sie färben sich viel intensiver als die übrigen Teile des Bazillus und geben die Farbe bei Einwirkung von Säuren nur sehr langsam wieder ab. Man könnte geneigt sein, diese Gebilde als Sporen aufzufassen, doch kommt . den Bakterien, die sie in größerer Zahl enthalten, keineswegs eine größere Resistenz zu als gewöhnlichen Tuberkelbazillen, und das spricht nach unseren bisherigen Kenntnissen über die Dauerformen der Bakterien gegen ihre Sporennatur. Der Tuberkelbazillus ist von einer wachsartigen Hüllmembran umgeben, der wahrscheinlich die große Resistenz des Bakteriums, namentlich gegen Austrocknung, zuzuschreiben ist. Die Tuberkelbazillen weisen jedoch nicht immer die oben be- schriebene Form auf, sie gehören vielmehr zu den Mikroorganismen, die in morphologischer Hinsicht eine auffallende Variabilität zeigen. In älteren Kulturen trifft man vielfach längere oder dickere Formen, als sie dem gewöhnlichen Typus entsprechen. Manche Exemplare er- scheinen als lange, mitunter gablig geteilte oder auch mehrfach ver- ästelte Fäden. Auch knospenartige Anschwellungen an den Teilungs- ‚stellen kommen zur Beobachtung. Man hat den Tuberkelbazillus auf Grund dieser Wuchsformen zu den Streptotricheen rechnen wollen und wurde in dieser Ansicht noch dadurch bestärkt, daß Babes und Levaditi durch subdural oder in die Blutbahn injizierte Tuberkelbazillen bei Kaninchen eine strahlenpilzähnliche Wucherung entstehen sahen. Jeden- falls steht der Tuberkelbazillus dem Aktinomycespilz (S. 676) im System sehr nahe. Der Tuberkelbazillus nimmt die Anilinfarbstoffe viel langsamer auf als andere Bakterienarten. Man muß sehr intensiv färben, indem man entweder die Farblösung konzentrierter, als sonst üblich, anwendet und erhitzt, oder indem man sie lange Zeit einwirken läßt: Die Färbung der Tuberkelbazillen wird erleichtert, wenn man der Farblösung beizende Substanzen, Karbolsäure, Anilin, Kalilauge usw., zusetz. Wenn aber der Farbstoff von der Leibessubstanz der Tuberkelbazillen aufgenommen ist, wird er nur sehr schwer wieder abgegeben. Auf dieser Erfahrung sind die besonderen Färbemethoden aufgebaut, die allgemein zur Dar- stellung der Tuberkelbazillen gebräuchlich sind. Sie bestehen darin, daß alle Bestandteile der Präparate mit Ausnahme der Tuberkelbazillen die ursprüngliche Farbe bei Anwendung von Säuren oder Alkohol wieder abgeben und bei Nachfärbung mit stark verdünnten wässerigen Anilin- farben die Kontrastfarbe annehmen. Infolgedessen sind die „säurefesten“ Färbbarkeit. bzw. „alkoholfesten“ Tuberkelbazillen, welche die ursprüngliche Färbung behalten, leicht auffindbar. Früher wandte man allgemein Ehrlichs Verfahren an, der mit stets frisch be- reitetem Anilinwasser-Fuchsin oder Anilinwasser-Gentianaviolett 12—24 Stunden lang färbte. Bei Anwendung des letztgenannten :Farbstoffes dient als Kontrastfarbe Ve- suvin: die Bazillen erscheinen blau auf braunem Grunde. Das jetzt in der Praxis gebräuchlichste Verfahren zur Darstellung der Tuberkel- bazillen ist das von Ziehl und Neelsen angegebene. Man färbt die Präparate mit verdünntem Karbolfuchsin, das man über der Flamme bis zur Dampfentwicklung - erhitzt, entfärbt einige Sekunden in 30proz. Salpetersäure oder 5proz. Schwefelsäure, Muchsche Granula. 706 41. Vorlesung. bis der Ausstrich fast farblos aussieht, spült dann in 60proz. Alkohol, darauf in Wasser ab und färbt nunmehr mit 1proz. wässeriger Methylerblaulösung nach. bis das Präparat mattblau gefärbt erscheint. Nach Fraenkel und.Gabbet kann man Ent- färbung und Gegenfärbung auch zu einem Akt vereinigen, indem man nach der Fuchsinfärbung für 2—4 Minuten, je nach der Dicke der Schicht, eine der folgen- den Lösungen anwendet: Schwefelsäure 100, Aqua dest. 30:0, Methylenblaupulver bis zur Sättigung, oder: Alkohol 30'0, Aqua dest. 500, Salpetersäure 20:0, Methylen-: blaupulver bis zur Sättigung. Einfacher als das Ziehl-Neelsensche Verfahren und für den Praktiker völlig ausreichend ist die Weichselbaumsche Färbung, bei der nach Vorfärbung mit heißem Karbolfuchsin Entfärbung und Gegenfärbung gleichzeitig durch konzentrierte alko- holische Methylenblaulösung vorgenommen wird, und zwar so lange, bis für das freie Auge die rote Farbe vom Ausstrich verschwunden ist. Dieses Verfahren hat außer seiner Einfachheit noch den Vorzug, daß im Gegensatz zu den stets leuchtend rot gefärbten Tuberkelbazillen die saprophytischen säurefesten Bazillen, die in der Regel weniger alkoholfest sind, blaßrosa oder violett erscheinen. Neuerdings hat Konrich als Differenzierungsmittel frisch bereitete 10proz. Natriumsulfitlösung empfohlen. Dieses Verfahren bietet einen entschiedenen Vorteil vor den bisherigen Methoden dadurch, daß echte Tuberkelbazillen selbst bei 24stün- diger Einwirkung der Lösung nicht entfärbt werden, während alle anderen mit Karbolfuchsin tingierten Bakterien und auch Gewebsbestandteile rasch entfärbt werden und daher bei der Gegenfärbung mit wässriger. Methylenblau- oder Malachitgrün- lösung die Kontrastfarbe aufnehmen. Selbst bei der Färbung dicker Sputumausstriche, die eine längere Differenzierung erfordern, besteht also keine Gefahr der Entfärbung der Tuberkelbazillen. Neben seiner Brauchbarkeit für diagnostische Zwecke hat aber das Verfahren, wie die Versuche von Schloßberger zeigten, auch einen gewissen Wert für die Differenzierung der echten Warmblüter-Tuberkelbazillen von den übrigen Vertretern der säurefesten Bakteriengruppe. Es gelingt nämlich, die echten Tuberkel- bazillen in Anbetracht ihrer großen Resistenz gegenüber der entfärbenden Wir- kung der Natriumsulfitlösung von den saprophytischen säurefesten Arten sowie den Kaltblütertuberkelbazillen und auch den von Friedmann aus Schildkröten ge- züchteten säurefesten Bakterien, die alle durch dieses Differenzierungsmittel späte- stens nach ?/,—2 Stunden des roten Farbstoffes beraubt werden, abzugrenzen. Die Säuredifferenzierung läßt zwar bei den verschiedenen Stämmen auch gewisse Unter- schiede hinsichtlich ihrer Entfärbbarkeit erkennen, doch ist eine scharfe Unter- scheidung der warmblüterpathogenen Tuberkelbazillen von den übrigen Angehörigen der säurefesten Gruppe wegen des Bestehens von sogenannten Übergangsstämmen (z. B. Stamm Arloing) vielfach mit dieser Methode nicht möglich. Gasis hat festgestellt, daß sich die Tuberkelbazillen von den ihnen nahe- stehenden Bakterien auch dadurch unterscheiden lassen, daß sie einen sauren Anilin- farbstoff bei nachfolgender Behandlung mit Alkali festhalten. Zum Nachweis der Alkalifestigkeit hat er folgendes Färbeverfahren angegeben: 5 ccm einer 1proz. Eosin- lösung [1'0g krist. Eosin, 5cem Ale. abs., 95 ccm Ag. dest.] läßt man mit einem linsengroßen Stück Quecksilberchlorids in einem Reagenzglase langsam unter Um- schütteln kochen, bis sich das Quecksilberchlorid völlig gelöst hat. Der Farbstoff erhält dabei einen helleren Farbton und setzt sich in Schwebefällung. Mit dieser heißen Farblösung werden die Präparate 1—2 Minuten lang gefärbt. Danach Ab- spülen mit Wasser und Behandlung mit einer Mischung von 0'5g Natriumhydrat +1:0g Kaliumjodid + 100ccm 50Oproz. Alkohol so lange, bis die rote Farbe ver- schwindet und eine weißgrüne Farbe auftritt. Abspülen in absolutem Alkohol, dann in Wasser, Kontrastfärbung mit Methylenblau [1'0 g krist. Methylenblau, 10 ccm Ale. abs., O'5ccm Salzsäure, 90 cem Aq. dest.] 2—3 Sekunden lang. Danach gründ- liche Wasserspülung, Trocknung und Einbettung. Much hat darauf hingewiesen, daß in Fällen von Tuberkulose, bei denen säurefeste Bazillen nicht gefunden werden, durch Gram-Färbung, die über 24—28 Stunden ausgedehnt wird, regelmäßig feinste Körnchen von verschiedener Größe, teils diffus zerstreut, teils in Häufchen zu- sammenliegend oder zu einer feinen Stäbchenform angeordnet, in mehr oder weniger großer Zahl aufgefunden werden können. Er hält diese Granula (Taf. 51, Fig. 1 u. 2) für eine Entwicklungsform der Tuberkel- bazillen und will experimentell den Übergang typischer Bazillen in Tuberkulose. | 707 diese Granula und dann wieder den Übergang in säurefeste Stäbchen festgestellt haben. Solche Gram-positiven, nicht säurefesten Granula sind außer von Much auch von Wirths, Schottmüller, Geipel, Liebermeister, Trunk, Gasis u.a. neben säurefesten Stäbchen oder allein in Perlsuchtherden und bei vielen Formen der menschlichen Tuber- kulose gefunden worden, namentlich in Tuberkuloseherden der Knochen und Gelenke, in Lupusgewebe, Eiter von kalten Abszessen und tuber- kulösen Drüsen, ebenso in dem nach Anwendung von Antiformin ge- wonnenen Sediment solcher Krankheitsprodukte. Auch im Sputum werden sie neben säurefesten Bazillen häufig angetroffen. Die Muchsche Modifikation der Gram-Färbung für die Darstellung dieser Granula ist folgende: 10ccm einer gesättigten alkoholischen Lösung von Methyl- violett B. N. (Grübler) werden mit 90. ccm 2proz. Phenollösung gemischt und filtriert. Vor dem Gebrauch muß die Farblösung jedesmal frisch hergestellt und filtriert werden. Sie muß dunkelviolett aussehen, sonst ist sie unbrauchbar. In der Farblösung wird das Präparat 24 oder 48 Stunden lang bei Zimmertemperatur gehalten. Man kann die Färbung aber auch beschleunigen, indem man das Präparat über der Flamme bis zum Aufkochen erhitzt und dann die gleiche Prozedur noch 3mal wiederholt, wobei jedesmal der Farbstoff erneuert wird. Ohne vorherige Wasser- spülung kommt das Präparat dann für 5—10 Minuten in Jodjodkalilösung [1'0 g Jod, 2:0g Jodkalium, Aq. dest. ad 300°0]. Dann Wasserspülung, 5proz. Salpetersäure 1 Minute lang, 3proz. Salzsäure 10 Sekunden lang, Azetonalkohol (a4) bis zur Entfärbung. Danach wiederum Wasserspülung, Kontrastfärbung mit wässeriger Safraninlösung. Auf völliges Freisein von Farbstoffniederschlägen ist sorgfältig zu achten. Sollen die Granula und die säurefesten Stäbchen gleichzeitig zur Darstellung gebracht werden, so empfiehlt sich nach Trunk folgende Behandlung der Präparate: Färben 2 Minuten lang unter Erhitzen bis zur Dampfbildung (oder 24—48 Stunden lang bei 37°) mit einer frisch bereiteten und filtrierten Mischung von 3 Teilen Karbol- fuchsin und 1 Teil Methylviolettlösung (1cem gesättigte alkoholische Lösung auf -100ccm 2proz. Karbolwasser); Beizen 5—10 Minuten lang mit Jodjodkaliumlösung (1 :2:300); Entfärben 1 Minute lang mit 5proz. Salpetersäure ; Abspülen mit Azeton- alkohol und dann mit Wasser ; eventuell Nachfärben mit Vesuvin oder Safranin. — Empfehlenswert ist auch das von Hermann angegebene Verfahren, bei dem die Präparate in einer frisch bereiteten und filtrierten Mischung von 3 Teilen 1proz. Ammoniumkarbonatlösung und 1 Teil 3proz. Kristallviolett (in 96proz. Alkohol gelöst) erhitzt, einige Sekunden in 10Oproz. Salpetersäure und dann in 96proz. Alkokol entfärbt werden. Eine Nachfärbung ist unnötig, kann aber mit dünner Vesuvin- lösung vorgenommen werden. Daß die Muchschen Granula eine besondere Form des Tuberkel- bazillus darstellen, ist durch nichts bewiesen. Wahrscheinlich sind sie identisch oder gleichen Ursprungs mit den granulären Formen, die schon früher beschrieben wurden .(„Splitter* ©. Spenglers, Kokkothrix Unnas usw.) und stellen Zerfallsprodukte der Bazillen dar, die sich nach Verlust ihrer säurefesten Membran nicht mehr homogen färben und deshalb gekörnt erscheinen (Rosenblatt). Auch Bergel nimmt an, daß - die Muchsche Granula Tuberkelbazillen sind, die unter der Wirkung - fettspaltender, aus den Lymphozyten stammender Fermente ihre Wachs- hülle und damit ihre Säurefestigkeit verloren haben. Jedenfalls ist es nicht angängig, auf Grund von Präparaten, die nur Muchsche Granula enthalten, die Diagnose auf Tuberkulose zu stellen. Auch wenn das Antiforminverfahren (S. 737) herangezogen wurde, dem die Granula ebenso widerstehen sollen wie die typischen Tuberkelbazillen, können vereinzelte Kokken, die gelegentlich in den Gemischen lange erhalten bleiben, und Zellzerfallsprodukte zu Trugschlüssen führen. Für diagno- stische Zwecke ist die Ziehlsche oder Konrichsche Methode allen anderen bisher angegebenen Verfahren überlegen. 708 41. Vorlesung. Nachweis in Für den Naehweis von Tuberkelbazillen in Schnitten eignet sich Sehmitten. folgende Methode: Die. Schnitte der am zweckmäßigsten mit Sublimatessigsäure fixierten und in Zelloidin eingebetteten Organe werden für etwa 12 Stunden in Anilinwasser-Fuchsin, darauf für 10 Sekunden in 30proz. Salpetersäure verbracht und in 60proz. Alkohol so lange gespült, bis sie nur noch mattrosa gefärbt er- scheinen. Dann werden sie mit Löflerschem Methylenblau (1:3 mit: Wasser ver- dünnt) 5 Minuten nachgefärbt und kurz in "/,proz. Essigsäure. differenziert. Darauf Alcohol absol., Xylol, Kanadabalsam. Wenn man auf die genauere Darstellung der Gewebsstruktur verzichten will, erzielt man besonders übersichtliche Bilder nach einem von Unna empfohlenen - Verfahren: Die Schnitte werden für 6-8 Stunden in Karbolfuchsin gefärbt und darauf in 25proz. Schwefelsäure und 80proz. Alkohol entfärbt. Dann bringt man sie für 5 Minuten in eine 33proz. Tanninlösung, der so viel Orange zugefügt ist, als sich löst. Nach gründlicher Spülung in leicht angesäuertem destilliertem Wasser werden die Schnitte in 80proz., darauf in absoluten Alkohol übertragen, mit Xylol aufgehellt und schließlich in Kanadabalsam eingelegt. Sebr gute Präparate erhält man, wenn man die Schnitte mit Karbolfuchsin vorfärbt und nach Konrich mit 10proz. Natriumsulfitlösung etwa 5 Minuten bis 1 Stunde — je nach der Dicke des Schnitts — differenziert. Das Verfahren ist wegen des Wegfalls der Säure- und Alkoholeinwirkung bedeutend schonender als die früher üblichen Methoden ; das Gewebe ist in den nach Konrich behandelten Organschnitten meist sehr gut erhalten. Die Tuberkelbazillen geben selbst nach lauge dauernder Differenzierung ihre rote Farbe nicht. ab. Zur Nachfärbung ist stark verdünnte wässerige Malachitgrünlösung besonders empfehlenswert. ei Die Kultivierung des Tuberkelbazillus gelingt nicht so leicht, wie die der meisten anderen pathogenen Mikroorganismen. Er vermehrt sich nur bei Temperaturen, die zwischen 30 und 44°C liegen. Das Temperaturoptimum liegt bei 36°C. Der Tuberkelbazillus ist ein strenger Aörobier, bei Sauerstoffabschluß vermehrt er sich nicht. Als das geeignetste Nährsubstrat bezeichnete R. Koch zunächst das erstarrte Blutserum. Das Wachstum des Bazillus geht nur sehr langsam vor sich. Erst etwa 1 Woche nach dem Anlegen der Kultur werden feinste weiße Schüppchen sichtbar. Diese bestehen, wie Klatsch- präparate zeigen, aus einzelnen, aneinander gereihten Bazillen (Fig. 95), die sich später zu feingewundenen, schleifen- oder zopfartigen Fäden zusammensetzen (Taf.50, Fig. 3). Die Schuppen wachsen allmählich und bilden schließlich nach mehreren Wochen dicke, trocken und glanzlos aussehende Borken, welche die ganze Oberfläche des Nährbodens über- ziehen (Taf.50, Fig.7). Im Kodenswasser findet kein Wachstum statt, dieses wird vielmehr von dem sich ausbreitenden Kulturrasen über- brückt, indem sich ein Häutchen über die Oberfläche hinwegzieht und am Rande des Glases gewissermaßen emporkriecht. Besonders gut gedeiht der Tuberkelbazillus auf Rinderserum, dem 2'5°/, Glyzerin zugefügt ist. Man sterilisiert diese Mischung 4 bis 5 Stunden bei 57°C und läßt sie dann bei 90°C unter Wasserdampfatmosphäre vor- sichtig erstarren. Auch auf gewöhnlichem Agar und in Bouillon wächst der Tuberkel- bazillus, wenn ihnen Glyzerin (3—5°/,) zugefügt wird. Die Reaktion soll neutral oder leicht alkalisch sein. Auf Glyzerinagar erfolgt das Wachs- tum in der Regel sogar üppiger und schneller, als auf Serum. Es bildet sich hier ein zusammenhängender, anfangs weißlichgelber, später gelb oder rötlich werdender Belag, der sich stellenweise in Falten legt. Bei der Züchtung in Glyzerinbouillon findet ein Wachstum nur an der Oberfläche des Nährmediums statt, weil der Tuberkelbazillus ein aus- gesprochenes Sauerstoffbedürfnis hat. Man wählt deshalb als Kultur- nr- MEET EEE VEREIEEERRETERUTETER Pr, u. a An So Sun ml Ze Kran Kar og y Pod ee DI EM: na air a 2 Tuberkulose. 709 gefäß am besten Kölbehen mit großer Bodenfläche und muß darauf achten, daß das Ausgangsmaterial in der Bouillon auf der Oberfläche schwimmt. Sehr geeignet für die Anlegung von Bouillonkulturen sind daher die Häutchen von der:Oberfläche des Kondenswassers. Auch hier gehen von dem: übertragenen Material zunächst zarte, durchsichtige, membranartige Ausläufer aus, die sich im Verlaufe mehrerer Wochen zu einer kompakten runzligen Haut verdicken (Taf. 50, Fig. 2). Beim Wachstum in Glyzerinbouillon bildet der Tuberkelbazillus Säure, die dem Nährmedium eine ständig zunehmende saure Reaktion verleiht. Ebenso Fig. 9. {Klatschpräparat von einer jungen Tubeıkulosekultur. wie auf Glyzerinagar und Glyzerinbouillon läßt sich auch auf der Kartoffel eine üppige Kultur erzielen, wenn deren Oberfläche mit Glyzerinwasser übergossen ist. Auf Gelatine hingegen findet, auch wenn sie mit Glyzerin versetzt ist, eine nennenswerte Vermehrung der Bazillen nicht statt. Ein dem Tuberkelbazillus besonders zusagender Nährboden ist der von Hesse empfoblene Heyden-Agar, der folgendermaßen zusammen- gesetzt ist: Agar 10-20, Nährstoff Heyden 10°0, Kochsalz 50, Gly- zerin 30:0, Normallösung von Kristallsoda (26°8: 100) 5eem, Aq. ad 10000. Der Hauptvorteil dieses Nährbodens besteht darin, daß andere Bakterien- arten den Tuberkelbazillus nicht so leicht überwuchern, wie auf den bisher besprochenen Medien. Man sieht auf dem Heyden-Agar schon nach 1—2 Tagen kleinste Kolonien, die im Klatschpräparat die oben beschriebene charakteristische Gestalt zeigen. » Resistenz. 710 41. Vorlesung. Als weiterer ausgezeichneter Nährboden gilt Hirnagar. Nach der Vorschrift Fickers stellt man ihn in der Weise her, daß man zer- mahlenes Hirn — die Tierart ist gleichgültig — zu gleichen Teilen mit destilliertem Wasser unter stetem Umrühren zum Kochen erwärmt, ı/, Stunde kocht und dann koliert, bis die Kolatur leicht breiig wird. Darauf wird die Mischung mit gleichen Mengen 2’5proz. wässeriger Agarlösung versetzt, 3°/, Glyzerin hinzugefügt, abgefüllt und sterilisiert. Der Inhalt der Röhrchen muß stets gut gemischt bleiben und schnell erstarren, so daß Hirn- und Agarschicht sich nicht trennen können. Daß der Tuberkulöseerreger nicht sehr anspruchsvoll in bezug auf die Nährsubstrate ist, geht daraus hervor, daß sich auch in völlig eiweißfreien Nährlösungen ein schnelles und üppiges Wachstum erzielen läßt. Proskauer. und Beck, die diese Verhältnisse eingehend studierten, fanden, daß selbst in Substraten, die als Aschebestandteile fast nur anorganische Stoffe enthalten, eine Vermehrung der Bazillen stattfindet. Ein üppiges Wachstum wird z. B. auf einem Nährboden PERTE der folgen- dermaßen hergestellt wird und zur Gewinnung albumosefreien Tuberkulins aus- gezeichnete Dienste leistet: Man kocht 5'0g Asparagin, 2'5g Magnes. eitr., 0'6g Magnes. sulf., 5°'0g Kaliummonophosphat und 209g Glyzerin mit 1/ destillierten Wassers 2 Stunden lang im Dampftopf, neutralisiert die Lösung durch Zusatz von 10proz. Sodalösung und filtriert den entstandenen Niederschlag ab. Dann wird die Lösung nochmals gekocht und in Erlenmeyersche Kölbehen zu je 50ccm abgefüllt. Letztere kommen 1 Stunde in den Autoklaven. Der dabei entstehende Niederschlag wird durch mehrmaliges Schütteln aufgelöst. Auf die vielen Spezialnährböden, die sonst noch empfohlen worden sind, hier einzugehen, würde zu weit führen. — Die kulturellen Differenzen der verschiedenen Typen werden später besprochen werden. Die Widerstandsfähigkeit der Tuberkelbazillen gegen Schädi- gungen äußerer Art ist im Vergleich zu der Mehrzahl der pathogenen Mikroorganismen sehr erheblich. In Kulturen pflegen sie, wenn diese vor Licht geschützt aufgehoben werden, erst in 1 bis 2 Jahren abzu- sterben. Auch im Sputum, in dem sie vor der völligen Austrocknung längere Zeit bewahrt werden, sind sie lange haltbar; man hat im Aus- wurf Schwindsüchtiger noch monatelang lebens- und infektionsfähige Tuberkelbazillen gefunden. Die Kenntnis dieser Tatsache ist, wie wir sehen werden, für die Frage der Tuberkuloseverbreitung von größter Bedeutung. Verhältnismäßig schnell wirkt das Licht abtötend ein. Direktes Sonnenlicht vernichtet die Bazillen in wenigen Stunden, diffuses Tageslicht in wenigen Tagen, falls die Sputummassen nicht zu dick sind. Fäulnisprozessen gegenüber ist die Resistenz ebenfalls größer, als die anderer Krankheitserreger; selbst auf Rieselfeldern und in Kanal- -jauche hat man virulente Tuberkelbazillen nachweisen können. Im Wasser hält sich tuberkulöser Auswurf fast 1 Jahr lang infektionsfähig, ebenso groß dürfte die Widerstandsfähigkeit in dem mit Sputum infi- zierten Boden sein. Auch Kälte verträgt der Tuberkelbazillus gut, er kann selbst bei Temperaturen von —6 bis —10°C und unter Schnee wochenlang lebensfähig bleiben. Hohe Temperaturen wirken schädigend oder abtötend erst nach längerer Zeit ein. 70°C vermögen die Tuberkel- bazillen 20 Minuten lang auszuhalten, 80°C 5.Minuten lang. Kochhitze muß, wenn es sich um Sputum handelt, mindestens 5 Minuten lang einwirken, wenn man einer sicheren Abtötung gewiß sein will. Trockene Tuberkulose. 1 ‘Hitze wirkt weniger schnell als strömender Dampf. Letzterer tötet in wenigen Minuten mit Sicherheit auch die resistentesten Tuberkel- bazillen ab. - Von den chemischen Desinfektionsmitteln vernichtet 5proz. Karbolsäure die Tuberkuloseerreger im Sputum, wenn sie zu gleichen Teilen mit diesem gemischt wird, erst in 24 Stunden, 10proz. Lysol in 12 Stunden. Auch Sublimat muß bei Anwendung 5prom. Lösung und gleichem Mischungsverhältnis auf Sputum zum mindesten 6 Stunden einwirken, wenn eine einigermaßen sichere Wirkung erzielt werden soll. Köpke und Geilinger sahen auch bei diesem Mengen- und Zeitverhältnis noch Mißerfolge. Das Sublimat bringt die äußeren eiweißhaltigen Teile der Ballen zur Gerinnung und kann somit zu den im Innern befind- lichen Tuberkelbazillen nur schlecht vordringen. Formalin sterilisiert nur in dünner Schicht ausgebreitetes Sputum, durch dickere Schichten dringt es infolge seiner mangelhaften Tiefenwirkung nicht hindurch. Worauf die große Resistenz des Tuberkelbazillus beruht, darüber sind wir noch nicht genauer orientiert. Auf. Dauerformen kann man sie, wie wir sahen, nicht zurückführen. Am nächstliegenden scheint die Annahme zu sein, daß die wachs- und zellulosehaltige Hüllmembran die schädigenden Einflüsse fernhält. Die vom Tuberkelbazillus gebildeten Giftstoffe sind mannigfacher Art. Sie gehören zum größten Teil als wasserunlösliche Substanzen dem Bakterienleib an, zum Teil sind sie aber Stoffwechselprodukte, die bei der Wucherung und Vermehrung der Bazillen ausgeschieden werden. und auch in die Kulturfiltrate übergehen. 7“ # Werden Tuberkelbazillen in größeren Mengen Menschen oder Tieren in das Subkutangewebe eingespritzt, so rufen die allmählich in Freiheit gesetzten Endo- toxine an der Injektionsstelle Abszesse, Nekrosen, Verkäsung und schließlich ‘ neben Fieber eine allgemeine Schädigung des Organismus hervor, die zur Kachexie führt. Die Wirkungen dieser Giftstoffe lassen sich in reiner Form experimentell am besten dadurch nachweisen, daß man abgetötete Bakterien verwendet, die durch mehrfaches Waschen von den anhaftenden Stofiwechselprodukten befreit wurden. Wenn man aus den Bakterienleibern bei 130° mit verdünnter Natronlauge einen Extrakt darstellt, entsteht (nach Aronson) bei den damit behandelten Tieren nur Marasmus, ohne daß anatomisch irgendwelche Veränderungen tuber- kulöser Natur nachweisbar wären. Besonders deutlich und schnell tritt die’ Ge- wichtsabnahme ein, wenn man den Versuchstieren Aufschwemmungen abgetöteter Tuberkelbazillen intravenös injiziert. Im Gegensatz zu den Endotoxinen wirken die giftigen Stoffwechsel- produkte der Tuberkulosekulturen weniger lokal, als in erster Linie fieber- erzeugend, und zwar bei tuberkulös infizierten Menschen und Tieren in wesentlich höherem Grade, als bei gesunden. Diese Gifte rufen außerdem eine akute Ent- zündung der tuberkulösen Gewebe hervor und lassen dadurch etwaige Krank- heitsprozesse deutlicher in Erscheinung treten. Wir werden auf diese Eigentümlich- keiten später bei der Besprechung der Tuberkulinwirkung zurückkommen. Nach Hammerschlags Untersuchungen läßt sich durch Extraktion mit Alkohol und Äther aus Tuberkulosekulturen auch ein krampferzeugendes Toxin isolieren, dem die Versuchstiere unter Krämpfen erliegen. Pathogene Wirkungen entfalten die Tuberkelbazillen nicht nur beim. Menschen, sondern auch bei den verschiedensten Tierarten. Von den kleineren Versuchstieren sind für experimentelle Tuberkulose am empfänglichsten Meerschweinchen; dann folgen Kaninchen, Katzen, Hunde und Ratten. Als das brauchbarste Tier für diagnostische Untersuchun- gen muß das Meerschweinchen gelten. Wenn man Meerschweinchen Toxinbil- dung und -wirkung. Tierpatho- genität. 712 41. Vorlesung. tuberkelbazillenhaltiges Material, z. B. Stücke tuberkulöser‘ Drüsen, in Hauttaschen verbringt, treten nach etwa 14 Tagen Schwellungen der zum Gebiete der Infektionsstelle gehörigen Lymphdrüsen auf, die sich. eventuell nach Durchbruch des Eiters in Geschwüre verwandeln. Auch an der Impfstelle ist stets ein Geschwür ' vorhanden. Die Tiere nehmen ständig an Gewicht. ab und erliegen je nach der Menge der einverleibten Bazillen nach 4—6 Wochen einer ausgedehnten Tuber- kulose der inneren Organe. Namentlich Leber und Milz sind stark ver- größert und von größeren oder kleineren gelben Knoten durchsetzt, die. zahlreiche Tuberkelbazillen enthalten. ‘Auch in den Lungen findet man regelmäßig kleinere glashelle und größere gelbliche Knötchen und Knoten. Bei intraperitonealer Infektion verläuft der Prozeß noch schneller und zeigt die stärksten Veränderungen an den portalen Lymphdrüsen, Leber und Milz. Es finden sich hier außer den eben beschriebenen Verän- derungen ausgedehnte :Verwachsungen und. tuberkulöse. Verdickungen des Netzes. Bei intravenöser Verimpfung und Inhalation von Tuberkel- bazillen sind die Lungen am stärksten befallen (Taf. 54, Fig. 1). Ähnlich, wenn auch gewöhnlich langsamer, verläuft die Impftuberkulose bei den anderen oben genannten Tierarten. Besondere Beachtung verdient noch die Impfung in die vordere Augenkammer des Kaninchens. Das tuberkelbazillenhaltige Material wird durch einen am oberen Rande durch die Kornea geführten Schnitt nach Ablauf des Kammerwassers in die vordere Kammer verbracht oder aber, wenn es sich um Flüssigkeiten handelt, mit einer dünnen Kanüle eingespritzt. Nach etwa 1 bis 2 Wochen kann man die Bildung von Tuberkeln auf der Regenbogenhaut beobachten. Nach etwa 3—4 Monaten gehen die Tiere, nachdem der Bulbus vollkommen BEEUHN geworden ist, an allgemeiner Tuberkulose zugrunde. Nach dem Grade der tuberkulösen Veränderungen an den verschiedenen Körperstellen und Organen läßt sich der Sitz der Infektionsstelle in der Regel auf Grund des Cornetschen Lokalisationsgesetzes leicht ermitteln, das folgender- maßen lautet: Die.-Bazillen, die in einen für den betreffenden Typus” empfänglichen Körper gelangen, entwickeln sich zunächst an dem Ort, wo sie in die Gewebe ein- gedrungen sind, und verbreiten sich von hier weiter auf dem Lymphwege; sie gelangen sodann in die nächstgelegenen Lymphdrüsen. Am Orte der Infektion braucht nicht unbedingt eine Läsion zu entstehen. Die der Eingangspforte nächstgelegenen Lymphdrüsen werden jedoch stets ergriffen, bevor es zu einer Ausbreitung der Bazillen kommt. Sie fangen die Bazillen wie ein Filter ab. und halten zunächst den Gang der Erkrankung auf. Die Weiterverbreitung geht in der Weise vor sich, daß die regionär nächstgelegenen Drüsen und Organe zu- nächst erkranken. Daher findet man bei der Sektion in der Nähe der Impfstelle stets die ältesten und vorgeschrittensten Läsionen und kann aus dem anatomischen Befund fast stets die Art der Impfung konstatieren. Wie namentlich durch die Untersuchungen von Weichselbaum und Bartel erwiesen ist, darf man aber aus dem Grade und dem Sitz tuberkulöser Drüsen- veränderungen nicht in allen Fällen ohneweiters zwingende Schlüsse auf die Eintritts- pforte ziehen. Wenn die Drüsenerkrankungen nicht sehr im Vordergrunde stehen oder wenn es sich nicht um Einzelherde handelt, darf man die Befunde nur nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände verwerten, namentlich dann, wenn Drüsen- gruppen erkrankt sind, die wie die Bronchialdrüsen aus irgendwelchem Grunde eine besondere Neigung zu offensichtlicher Erkrankung zeigen (Römer). Auf weitere tierpathogene Eigenschaften des Tuberkelbazillus und namentlich auf die Unterschiede, die sich in dieser Beziehung für die Erreger der menschlichen und tierischen Tuberkulose en soll später (S. 715ff.) eingegangen werden. U Tuberkulose. / 713 Die Frage, ob die Virulenz der aus verschiedenen Krankheits- fällen isolierten Tuberkelbazillenstämme für den Menschen annähernd - gleich ist oder aber ob sich bedeutende Abweichungen finden, ist in dem Sinne zu beantworten, daß Virulenzunterschiede hier ebenso ' wie bei anderen pathogenen Mikroorganismen vorkommen. Vagedes fand, als er unter möglichst gleichen Versuchsbedingungen eine größere Anzahl frisch aus menschlichem Sputum isolierter Tuberkelbazillenkul- turen im Kaninchenversuch prüfte, daß sie in ihren Wirkungen große Unterschiede aufwiesen. Immerhin darf aber bei der Beurteilung der- \ FE arager Versuche die individuelle Empfänglichkeit der Tiere nicht als _ gleichbleibender Faktor angesehen werden, und außerdem ist es hier nicht statthaft, aus dem Ergebnis des Tierexperiments auf Se Wir- kungen beim Menschen bestimmte Schlüsse zu ziehen. "Eine besondere Eigentümlichkeit des Tuberkelbazillus, die in letzter g Instanz auch als eine für ihn spezifische Giftwirkung aufzufassen ist, stellt die Bildung der Tuberkelknötchen dar, die in allen Geweben _ und Organen des Körpers zur Beobachtung kommen. Auch durch kleinste örper können im tierischen Gewebe Knötchen hervorgerufen kürden, die in der Art und Anordnung ihrer Zellelemente den durch k den Tuberkelbazillus erzeugten Tuberkeln durchaus ähnlich sind, aber bei genauerem Studium lassen sich die letzteren doch von den „Fremd- - körperchentuberkeln“ scharf trennen. Der Bau der echten Tuberkel ist - viel gleichmäßiger und ihr Inhalt verfällt zuletzt der Verkäsung, was bei den unechten Tuberkeln im ausgedehnterem Maße niemals der Fall ist. Außerdem ist natürlich der Nachweis der Tuberkelbazillen und die infektiöse Wirkung der verriebenen Knötchen im Tierversuch ent- PerhesQend. Der echte Tuberkel ist in den jüngsten Stadien ein miliares, grau durch- _ scheinendes Knötchen. Seine Entwicklung beginnt, wenn die Tuberkelbazillen sich im Gewebe bis zu einem gewissen Grade vermehrt haben. Ob es sich hier aus- 4 schließlich um chemische Wirkungen handelt, oder ob die Bazillen als Fremdkörper E ‚auch mechanisch einen Reiz ausüben, darüber sind wir noch nicht näher orientiert. - Wahrscheinlich spielen beide Momente eine Rolle. Die Bildung des Knötchens geht _ nach v. Baumgartens Untersuchungen von den fixen Gewebselementen (namentJich - Bindegewebs- und Endothelzellen) aus. In diesen findet man im ersten Stadium der - Tuberkelentwicklung, die man im Tierversuch genau beobachten und verfolgen kann, _ auffallend viel Kernteilungsfiguren. Es entstehen aus ihnen große polygonale, un- . regelmäßig gestaltete Zellen mit bläschenförmigem Kern, sogenannte Epitheloid- _ zellen, die zum Teil in ihrem Innern Tuberkelbazillen beherbergen (Taf. 53, Fig. 3). 3 Der Tuberkel wächst durch Vermehrung jener fixen Gewebszellen um die Bazillen- - kolonie herum und findet, wenn er eine bestimmte Größe erreicht hat, schließlich * an dem einengenden Druck des umgebenden Gewebes einen Widerstand. Es kommt E- ‚dann, obwohl noch Kernteilung statthat, nicht mehr zur Neubildung von Zellen. - Unter den histologischen Elementen des Tuberkels fallen besonders die Riesen- zellen auf, große, unregelmäßig geformte Zellen mit mehreren, meist in einer 1 Seite des Zelleibes zusammenliegenden Kernen und häufig mehreren Tuberkel- - bazillen in den kernfreien Teilen. Die Riesenzellen entstehen nach Weigert und 2 Baumgarten dadurch, daß der Protoplasmaleib der Epitheloidzellen infolge der spezifischen Giftwirkung der Tuberkelbazillen sich nicht mehr in demselben Grade - zu teilen vermag, wie die Kerne. 'E. Metschnikoff und seine Schule geben eine andere Erklärung für die Ent- rag des Tuberkels im allgemeinen und der Riesenzellen im besonderen. Nach ihnen geht die Bildung der Epitheloidzellen von den Wanderzellen aus, welche die - Bazillen aufgenommen und weitertransportiert haben. Die Riesenzellen sollen durch Verschmelzung mehrerer Epitheloidzellen zustande kommen und durch ihre Größe besonders dazu befähigt sein, phagozytär zu wirken. Virulenz. Tuberkel- bildung. 714 41. Vorlesung. Wenn der Tuberkel eine bestimmte Größe erreicht hat, beginnt von innen her der Zerfall, die Nekrose. Das Endglied der Nekrose ist die Verkäsung, durch die das Knötchen ein mehr gelbliches Aussehen erhält. Zunächst zerfallen die Kerne der Zellen, dann verliert auch das Plasma seine Färbbarkeit, das Struktur- bild geht verloren. Nach Virchow ist der Grund der Verkäsung der Mangel an Gefäßen, andere Autoren halten sie für eine Koagulationsnekrose, Höchstwahrschein- lich sind aber Mangel an Gefäßen und Giftwirkung, welche die Zellen tötet, zu- sammen e Ursache. Schließlich erweicht das ganze Knötchen zu einem rahmkäsigen Eiterherd. Perg tm Ehe wir nun zur weiteren Besprechung der Tuberkulose des Menschen übergehen, müssen wir kurz die bei den Tieren spontan auf- tretenden tuberkulösen Erkrankungen besprechen, denn die Frage, ob der Mensch auch durch die Erreger der Tiertuberkulose wesentlich gefährdet wird, ist für die weiteren Erörterungen sehr wichtig und setzt die Kenntnis der Tuberkulose der Tiere, die manche Besonder- heiten hat, voraus. RES Von den Tuberkuloseerkrankungen der größeren Tiere hat be- kanntlich die weiteste Ausdehnung und größte praktische Bedeutung die Rindertuberkulose, aber auch unter Schweinen, Schafen und Ziegen kommt gelegentlich Tuberkulose vor. Bei den Rindern nennt man die Krankheit allgemein „Perlsucht“, weil die mit Vorliebe an den serösen Häuten sitzenden tuberkulösen Knoten in ihrer Form und Größe den Perlen ähnlich sind. Sie sind größer als die menschlichen Tuberkel, aber in ihrem Bau diesen durchaus ähnlich. Die dicken, oft gestielten, infolge starker Bindegewebswucherung fibrösen Tumoren gehen sehr früh in Verkäsung und Verkalkung über. Die Infektion verläuft langsam und läßt erst in späteren Stadien klinisch nachweisbare Veränderungen an den Tieren erkennen. - DNA Die Frage, ob die Tuberkulose des Rindes mit der des Menschen ee identisch ist, war schon vor der Entdeckung des Tuberkelbazillus viel or umstritten, wurde aber von der Mehrzahl der Forscher in bejahendem dazälten. Sinne beantwortet. Sie wurde von neuem Gegenstand des lebhaftesten allgemeinen Interesses, als R. Koch im Jahre 1901 auf dem Tuber- kulosekongreß in London nach dem Ergebnis neuer Versuche die Über- zeugung aussprach, daß die Erreger beider Krankheiten verschieden seien. Er stellte sich auf folgenden, in großen Zügen zu skizzierenden Standpunkt: Durch subkutane Impfung beim Rinde kann man fest- stellen, ob eine fragliche Tuberkulosekultur vom Rinde oder vom Menschen stammt. Der vom Menschen stammende Tuberkelbazillus vermag beim Rind eine progrediente Tuberkulose nicht hervorzurufen. Wenn Rindern aber die aus perlsüchtigen Tieren gezüchteten Tuberkel- bazillen einverleibt werden, erkranken sie ausnahmslos an einer schweren und tödlich verlaufenden Tuberkulose. Daraus ergibt sich, daß wir auf Grund ihrer pathogenen Eigenschaften zwei Typen des Tuberkelbazillus annehmen müssen, den für Rinder pathogenen „Iypus bovinus“ und den für Menschen pathogenen „Typus humanus“. Diese Feststellung habe dann notwendig zur Folge, daß man die Perlsucht der Rinder durch Bekämpfung der Rindertuberkulose, die menschliche Tuberkulose aber durch Ausschaltuug der vom kranken Menschen stammenden Infektionserreger zu verringern und auszurotten suchen muß. Ob vom Rinde herrührende Stämme beim Menschen Tuber- kulose erzeugen können, sei noch nicht sicher festgestellt. Wenn der Tuberkulose. 715 ‘Mensch wirklich für Rindertuberkulose empfänglich sein sollte, so sei - eine solche Ansteckung jedenfalls sehr selten. Als Erreger der für den Menschen gefährlichsten Form der Tuberkulose, der Lun- gentuberkulose,käme der Typus bovinus des Tuberkelbazillus jedenfalls nicht in Betracht. In den verschiedensten Teilen der Welt sind daraufhin in den wissenschaftlichen Instituten bei mehreren hundert Fällen von offener Lungentuberkulose aus dem Sputum Reinkulturen der Bazillen gewonnen und an Kaninchen einwandfrei daraufhin geprüft worden, ob sie zum Typus bovinus oder zum Typus humanus gehören. Nur in auffallend wenigen Fällen wurden, wie aus der auf S. 718 wiedergegebenen Tabelle hervorgeht, Kulturen vom Typus bovinus gefunden. Robert Koch hatte also zweifellos Recht mit seiner Behauptung, daß es für die Bekämpfung der menschlichen Tuberkulose sehr viel wichtiger sei, die vom kranken Menschen ausgestreuten Bazillen unschädlich zu machen, als aus- gedehnte Maßregeln gegen die durch Genuß der Milch oder der Butter von tuberkulösen Tieren drohenden Gefahren zu ergreifen. Um Fehlerquellen zu vermeiden, muß man bei derartigen Versuchen dafür sorgen, daß die Phthisiker einige Tage, ehe die Kulturen aus dem Sputum gezüchtet werden, keine rohe Milch, keine rohe Butter oder rohes Fleisch genießen. Die Ver- unreinigung des Sputums mit Perlsuchtbazillen, die mit der Nahrung in den Mund gelangt sein könnten, wird so ausgeschlossen. Die Zahl der experimentellen Arbeiten, die zur Nachprüfung -der - Behauptungen Kochs unternommen wurden, ist überaus groß. Wesent- lich zur. Klärung der Frage haben umfangreiche und sorgfältige, sich über Jahre erstreckende Untersuchungen beigetragen, die im Berliner - Institut für Infektionskrankheiten vos Koch, Gaffky u.a. und im Reichs- - Gesundheitsamte von Kossel, Weber und Heuss ausgeführt wurden. - Als Ergebnis dieser einwandfreien Versuche kann man folgende Tat- sachen verzeichnen: : Wenn man aus dem Lungenauswurf des tuberkulösen Menschen - und aus den perlsüchtig veränderten Organen des Rindes Kulturen - anlegt, zeigen sich deutliche kulturelle und ätiologische Unterschiede zwischen den menschlichen und tierischen Tuberkelbazillen. Nach Kossel liegt der „Typus humanus“ vor, wenn | 1. die Tuberkelbazillen in erster Generation auf Glyzerinserum - leicht zu züchten sind und, von hier auf Glyzerinbouillon von amphoterer _ Reaktion übertragen, nach kurzer Zeit zu wachsen beginnen, sodaß nach etwa 3—4 Wochen, oft sogar schon früher, die ganze Oberfläche - der Nährflüssigkeit von einer gleichmäßig dicken, faltigen Haut über- zogen ist („eugonisches Wachstum“ der englischen Kommission), F 2. die Bazillen der Serumkultur schlanke Form, gleichmäßige - Länge und im Ziehl-Präparat gleichmäßige Färbung zeigen und die - aus Glyzerinbouillonkulturen entnommenen und nach Ziehl gefärbten - Bazillen ebenfalls gleichmäßige Länge und Färbung und in vielen - Exemplaren gekrümmte Form aufweisen, E 3. Kaninchen, denen 0'019 Kulturmasse von Glyzerinbouillon, - oder junge Rinder, denen 0'05g desselben Materials subkutan injiziert } Beten, nach 3 Monaten eine Generalisation der Infektion verm issen - lassen. 716 41. Vorlesung. Die Diagnose „Typus bovinus“ ist zu stellen, wenn 1. die Kultur in erster Generation auf Glyzerinserum nur spär- lich wächst und auf Glyzerinbouillon nur dünne Häutchen entstehen, die sich langsam ausbreiten und höchstens hier und da warzige Ver- dickungen aufweisen („dysgonisches Wachstum“ der englischen Kom- mission), 2. in dem gefärbten Präparat von Soramkaltären plumpere, kür- zere Formen überwiegen, oft so kurz, daß sie fast punktförmig aus- sehen, und wenn in dem gefärbten Ausstrich aus Glyzerinbouillon Stäbchen sehr ungleicher Länge und Form sichtbar sind, die den Farb- stoff bei der Ziehlschen Färbung sehr ungleichmäßig aufnehmen, sodaß die Bakterienzellen oft stark körniges Aussehen ee oft aber aueh nur schattenhaft gefärbt sind, 3. mit 0'01 g Kulturmasse von Glyzerinbouillon subkutan geimpfte Kaninchen innerhalb kurzer Zeit an "generalisierter Tuberkulose er- kranken und junge Rinder nach subkutaner Einspritzung von 0:05 9 des gleichen Materials ebenfalls generalisierte Tuberkulose davontragen. Die Perlsuchtbazillen sind also für den Geübten schon nach ihren morphologischen, färberischen und kulturellen Eigenschaften von den menschlichen Tuberkelbazillen meist leicht zu differenzieren. Ein besonders charakteristisches Verhalten: zeigen sie aber im Tier- versuch. Rinder erliegen bei intravenöser Injektion selbst kleinster Kulturmengen in wenigen Wochen einer akuten Lungentuberkulose; bei subkutaner Einverleibung entsteht eine sehr starke Vergrößerung der regionären Lymphdrüsen und daran anschließend eine mit schwerem Fieber einhergehende generalisierte Tuberkulose, die in etwa 6 bis 8 Wochen ebenfalls . tödlich endet. Spritzt man dagegen Rindern Tuberkelbazillen unter die Haut, die aus Fällen menschlicher Schwind- sucht gezüchtet worden sind, so tritt nur eine lokale Reaktion an der Impfstelle und eine geringfügige Schwellung der: zugehörigen Lymph- drüsen ein, die sich später zurückbildet. Auch auf dem Wege der In- halation und der Verfütterung von Kulturaufschwemmungen des bovinen Tuberkelbazillus kann man bei jungen Rindern regelmäßig eine fort- schreitende Perlsuchtinfektion hervorrufen. Mit menschlichen Bazillen läßt sich auf diese Weise nur eine auf die regionären Drüsen beschränkte Tuberkulose erzielen. Bei Meerschweinchen kommen Unterschiede in der pathogenen Wirkung des Rindertuberkuloseerregers gegenüber dem menschlichen Tuberkelbazillus nicht besonders zur Geltung, weil diese Tierart auch für die menschlichen Tuberkelbazillen. hoch empfänglich ist, wohl aber beim Kaninchen. Kaninchen kann man bei subkutaner Impfung mit geringen Mengen des Typus bovinus unter dem Bilde generalisierter Tuberkulose töten, während die Infektion mit wesentlich höheren Dosen der menschlichen Bazillen von diesen Tieren oft überwunden wird oder nur zu geringfügigen Veränderungen ohne Tendenz 'zur Ausbreitung führt. Beim Schwein liegen die Verhältnisse ähnlich. Auch hier findet man, wenn man die Infektionsdosen genau bestimmt, daß die Tiere dem Typus humanus gegenüber zwar nicht unempfindlich sind, dab aber der Typus bovinus, vor allem bei Verfütterung, in wesentlich kleineren Dosen und mit größerer Regelmäßigkeit wirksam ist. . ıfl. L 6. Ss Kolle und Het ch, Bakteriologie. Fig. mn N es 21 - ® "d Be P=) >) —- Kultur de Ss erum. Verlag von Urban & Schwarzent wö Tag ea 32 7) Tuberkulose. 717 ' Die angeführten Unterschiede zwischen den beiden Typen des Tuberkelbazillus, namentlich auch in der Pathogenität für verschiedene Tiere, sind so konstant, daß an einer Verschiedenheit der Erreger der Menschen- und der Rindertuberkulose nicht gezweifelt werden kann. Die vielfachen Einwände, die gegen diese Lehre erhoben wurden und 2 _ immer wieder erhoben werden, sind nicht stichhaltig. Man muß aller- 2 dings stets gleichaltrige und auf den gleichen Nährmedien gewachsene Kulturen in genau abgewogenen gleichen Mengen zur Anstellung von ver- & gleichenden Untersuchungen heranziehen und muß auch Tiere gleichen E _ Alters und gleicher Rasse für die Infektionsversuche wählen. 0 Als Beweismittel gegen die Verschiedenheit des Typus humanus und des : 12 Ser denne wurde von einigen Autoren die Inkonstanz der erwähnten morpho- logischen, kulturellen und tierpathogenen Eigenschaften angesehen. Ferner sollte esangeblich gelingen, durch Tierpassagen die eine Art in die andere überzuführen. Alle diese Behauptungen können nicht als einwandfrei bewiesen gelten. Kossel, Weber und Heuss züchteten aus ihrem zahlreichen Tiermaterial selbst nach mehr- fachen Passagen schließlich immer wieder -Bazillen desjenigen Typus heraus, der zur Infektion des ersten Tieres der betreffenden Reihe benutzt war. - Auch die Ergebnisse wechselseitiger Immunisierungsversuche hat man gegen 3 die Trennung der Erreger der Säugetiertuberkulose in jene zwei Typen ins Feld geführt. Wie wir bei der Besprechung der Tuberkulose-Immunität noch sehen werden, kann durch Vorbehandlung mit lebenden menschlichen Tuberkel- bazillen Rindern auf einige Zeit eine Resistenz gegen das Perlsuchtvirus verliehen werden. Diese Tatsache beweist aber keineswegs, daß deswegen beide Arten der Infektionserreger in ihren pathogenen Eigenschaften identisch sind. Bei der Beur- teilung der Frage, ob durch Impfungen eine künstliche Immunität gegen Tuberkulose erzielt ist, muß mehr, als es bisher-geschehen ist, der künstlich erhöhten _ Resistenz, die nicht spezifisch ist, Rechnung getragen werden. Das gilt nament- lich für die Untersuchungen von Möller, Friedmann u.a. Nach diesen Autoren soll eine Immunisierung gegen Säugetiertuberkulose auch durch Vorbehandlung der Tiere mit Kaltblüter-Tuberkelbazillen oder gar mit saprophytischen Mikroorganismen aus der Gruppe der säurefesten Bazillen gelingen. Bis jetzt ist noch nicht erwiesen, 3 ' daß sich auf diesem Wege wahre Immunität erreichen läßt, vielmehr spricht alles dafür, daß die Infektion mit virulenten Tuberkelbazillen nur schwerer haftet oder langsamer verlaufende Krankheitsprozesse bei solchen Tieren hervorruft, bei denen infolge einer wenn auch geringfügigen Vermehrung irgendwelcher säurefester Bazillen ein gewisser Schutz besteht. Heute gilt der Satz allgemein als zutreffänd, daß _— Immunität gegen Neuinfektion mit Tuberkulose nur bei infizierten Individuen vor- handen ist. Man bezeichnet deshalb diese Art der Immunität als „Infektionsimmwhität“. > Es muß noch weiter erforscht werden, bis zu welchem Umfange auch bei der wechselseitigen Vorbehandlung von Rindern mit Bazillen des Typus humanus und bovinus derartige Resistenzerhöhungen des Tierorganismus eine Rolle spielen. 2 E Bei der spontanen Tuberkulose der Rinder, Schafe und - Ziegen werden fast ausnahmslos Bazillen des Typus bovinus als Er- reger. der Krankheit festgestellt. Beim Schwein trifft man in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ebenfalls den bovinen Typus, in seltenen Fällen aber auch den humanen Typus (engl. Kommission) oder - den Typus gallinaceus. Beim Hunde und nach neueren Untersuchungen auch beim Pferd wurden mehrfach humane Tuberkuloseerreger ge- funden, ebenso bei verschiedenen Tieren, die in zoologischen Gärten ge- halten werden; in der Regel wird aber auch hier die Tuberkulose durch bovine Bazillen hervorgerufen. Bei Tuberkulose der Hühner werden ausschließlich Bazillen des Typus gallinaceus (S. 719) als Erreger festgestellt; bei in der Gefangen- - schaft gehaltenen Vögeln aber, namentlich Papageien, kommt auch der Typus humanus zur Beobachtung. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 47 Befunde der verschiedenen Menschen- pathogenität des Typus bövinus, 718 41. Vorlesung. Die Frage nach der Empfänglichkeit der Menschen für den Typus bovinus des Tuberkelbazillus ist Gegenstand überaus zahlreicher Untersuchungen gewesen und muß bejaht werden. Es sind von ver- schiedenen Autoren aus Krankheitsprodukten des menschlichen Körpers Tuberkulosestämme gezüchtet worden, über deren Zugehörigkeit zum Typus bovinus auf Grund der morphologischen, kulturellen und tier- pathogenen Eigenschaften kein Zweifel bestehen kann. Diese Stämme wurden zum weitaus größten Teil aus Tuberkulosefällen isoliert, bei denen der mutmaßliche primäre Herd der Infektion im Darmkanal oder in den Tonsillen lag. Meist handelte es sich um Mesenterialdrüsen und Halsdrüsen von Kindern, die relativ häufig Drüseninfektionen mit bovinen Bazillen aufweisen. Auch bei Hauttuberkulose von Menschen, die oft mit Fleisch oder Ausscheidungen tuberkulöser Rinder in Be- rührung kommen (Schlächtern, Abdeckern usw.) wurde vielfach der Typus bovinus als Erreger festgestellt. Ebenso scheint der Lupus häufiger, als man bisher annahm, durch bovine Tuberkelbazillen hervor- gerufen zu werden. Die Häufigkeit von Befunden humaner und boviner Tuberkelbazillen bei 1400 einwandfrei untersuchten Tuberkulosefällen des Menschen, die aus der Literatur aller Länder zusammengestellt und bei denen u. a. die umfangreichen im Reichsgesund- heitsamt in Berlin, von der britischen Kommission und im Hygiene-Institut in Rom ausgeführten Untersuchungen berücksichtigt sind, gibt die folgende Tabelle wieder: E de f u Azur feel, | Prozentzaht dor 130 Zahl und Art der Krankheitsfälle EEE Typ. hum. | Typ bor. Bed Kiodem 811 Fälle von Lungentuberkulose "807 mal 5mal 0:66 0 99 5 5» Knochen- und Gelenk- tuberkulose ; 96:, D% 6:66 43 337% „ tuberkulöser Menin- s ; ar VER I 80°; 9:4 0 10:34 1784 „ generalisierter Tuber- kulose ie 147 33 5 2:5 23:18 OR: „ Halsdrüsentuberkulose| 120 Au 58 407 ee „ Tuberkulose der Ab- i dominalorgane 78 „ 85: 120 51:0 1400 Fälle ingesamt. . :... ©. 1277mal | 128mal Man kann die bei Erkrankungen des Menschen nachgewiesenen bovinen Tuberkelbazillen durchweg als „zoogen“ auffassen. Für. die Annahme, daß sie viel- - leicht von Mensch zu Mensch verbreitet werden, liegen keinerlei Beweismomente vor. Wären sie „anthropogen“, so müßten sie, wie Kossel mit Recht betont hat, bei jeder Lokalisation der Tuberkulose im menschlichen Körper in annähernd gleichem Prozentsatz gefunden werden ; das ist aber nicht der Fall. i Das häufigere Vorkommen des Typus bovinus bei Krankheitsfällen, bei denen der Verdauungstraktus (Mundhöhle und Magendarmkanal) die Eintrittspforte des Virus bildete, ist dadurch sehr leicht zu erklären, daß die Erreger der Rinder- tuberkulose in der Regel durch Nahrungsmittel, in erster Linie durch ungekochte Milch oder Milchprodukte, die von tuberkulösen Kühen stammen, in den mensch- lichen Körper gelangen. Übrigens sind keineswegs alle Fälle primärer Tuberkulose des Intestinaltraktes, der Mandeln und Halsdrüsen bei Kindern auf diese Weise entstanden, sondern in der Regel bildet auch bei diesen Primärformen der Tuber- Tuberkulose. 719 kulose der Typus humanus den Infektionsstoff. Wir werden darauf noch später zurückkommen. Bei der Lungentuberkulose ist nur 5mal ein Befund von bovinen Tuberkel- bazillen erhoben worden, 2mal von der englischen Kommission, die sie in diesen Fällen auch als Erreger der Lungenerkrankung ansah, Imal von Park und Krumswiede, wo sie vermutlich die Erreger waren, und 2mal von Kossel und Lindemann, wo sie neben humanen Bazillen gefunden wurden, sodaß die Frage nach ihrer ätiologi- 2 schen Bedeutung unentschieden bleiben mußte. Man kann die heutigen Anschauungen über die Bedeutung der von tierischer Tuberkulose herrührenden Tuberkelbazillen für den Menschen kurz dahin präzisieren, daß eine Infektion durch den - Typus bovinus wohl möglich ist, vorwiegend bei Kindern, namentlich durch Milch und Milchprodukte, die von perl- 3 süchtigen Kühen stammen, daß aber die Bedeutung dieser Infektionen für die Verbreitung der menschlichen Tuber- kulose an Bedeutung zurücktritt gegenüber den Gefahren, die der Typus humanus, der gewöhnliche Erreger der Lungen- schwindsucht, mit sich bringt. Wenn die Tiertuberkulose eine große Bedeutung für die Entstehung und Verbreitung der menschlichen - Phthise hätte, so würde, worauf schon Koch damals hinwies, die primäre - Darmtuberkulose eine weit häufigere Krankheit sein, da namentlich in - großen Städten tuberkelbazillenhaltige Milch und Butter in großen Mengen genossen wird. Auch die Erfahrungen aus Ländern, in denen die Rindertuberkulose so gut wie gar nicht vorkommt (z. B. Japan) oder wo Kuhmilch zur Säuglingsnahrung nicht verwendet wird (Grönland), - zeigen, daß die Häufigkeit der Schwindsucht und im besonderen auch der primären Darmtuberkulose darum nicht geringer ist. Der Erreger der Geflügeltuberkulose wurde früher für identisch - mit dem Tuberkelbazillus der Säugetiere und des Menschen erklärt. - Ein genaueres Studium hat aber die völlige Verschiedenheit des Ge- - flügeltuberkelbazillus (Typus gallinaceus) von dem Erreger der Säugetiertuberkulose ergeben. = - Tuberkulose wird unter dem Geflügel am häufigsten bei den - Hühnern gefunden, danach kommen Tauben, Fasanen, Truthühner. - Gänse und Enten scheinen gegenüber dem Virus refraktär zu sein. _ Pathologisch-anatomisch ist die Hühnertuberkulose durch den Befund weißgelber, harter, haselnuß- bis walnußgroßer, im Innern oft verkäster - Knoten charakterisiert, die ihren Sitz vorwiegend in der Darmwand _ und in der Leber haben. E, Die Erreger der Krankheit (Taf. 51, Fig. 5 u. 6), die in großen E Mengen in diesen Knoten anzutreffen sind, unterscheiden sich noch weit auffälliger von dem Typus humanus als die Perlsuchtbazillen. - Morphologisch bieten sie ein geradezu pleomorphes Verhalten. In Aus- strichen aus Kulturen sieht man neben schlanken, geraden oder leicht _ gebogenen kürzere und plumpere, ferner kolbenförmige und schlecht - färbbare Bazillen sowie vor allem fadenartige, verzweigte Formen. Die _ Färbung gelingt im ganzen leichter als beim menschlichen Tuberkel- bazillus, es besteht aber auch hier eine ausgesprochene Säure- und Alkoholfestigkeit. Ei Die markantesten Unterschiede bietet die Kultur. Während die - Bazillen des humanen und bovinen Typus bei Temperaturen, die über 47* Geflüget- tuberkulose. 720 41. Vorlesung. 40°C liegen, nicht mehr wachsen, findet beim Erreger der Hühner- tuberkulose bei 45° noch eine üppige Vermehrung statt, ja selbst bei 50° hört das Wachstum noch nicht völlig auf, wenn auch bei hohen Wärmegraden die Kulturen nicht mehr. typisch sind. Im allgemeinen gehen die Kulturen des Geflügeltuberkulosebazillus schneller an als die des Säugetiertuberkuloseerregers. Auf Glyzerinagar und auf Serum entwickelt sich in etwa 10 Tagen ein üppiger weißlicher, mattglänzen- der Rasen, der sich durch seine feuchte und fettige Beschaffenheit von dem trockenen und spröden Rasen des menschlichen Tuberkel- bazillus auch dann noch leicht unterscheiden läßt, wenn er nach einigen Wochen faltig wird und eine mehr gelbliche Farbe an- nimmt. Die Kulturmasse selbst ist weich. In Bouillon wächst der Erreger der Geflügeltuberkulose weniger kompakt als der der Säuger- tuberkulose; auch am Boden findet, da das Sauerstoffbedürfnis nicht so ausgesprochen ist, eine Vermehrung der Keime statt. Die Kul- turen sind wesentlich haltbarer als die des menschlichen Tuberkel- bazillus, sie können bis zu 2 Jahren ihre Entwicklungsfähigkeit und ihre Virulenz bewahren. Im Tierversuch erweist sich der Erreger der Geflügeltuberkulose für Meerschweinchen wenig pathogen, dagegen ist das Kaninchen recht empfänglich. Typische tuberkulöse Veränderungen werden aller- dings bei den der Infektion mit Hühnertuberkulose erlegenen Kaninchen vermißt, man findet aber regelmäßig eine starke Schwellung der Milz und in dieser ebenso wie in der Leber zahlreiche Bazillennester. Am meisten eignen sich als Versuchstiere Hühner und Tauben, die bei jeder Infektionsart eingehen. Durch Verfütterung sind diese Tiere mit solcher Sicherheit zu infizieren, daß auch für die natürliche Infektion die Übertragung der Krankheit auf gesunde Tiere durch Futter, das mit den Dejekten kranker Tiere in Berührung gekommen ist, angenommen werden muß. Leber und Milz sind diffus vergrößert und enthalten Bazillen in größten Mengen, nicht nur bei Fütterungstuberkulose, son-. dern bei allen Formen der Geflügeltuberkulose. Als Krankheitserreger beim Menschen spielt der Geflügel- tuberkulosebazillus nach den bisherigen Erfahrungen kaum eine Rolle. Man hat ihn im Sputum von Lungenkranken unter vielen Hundert Untersuchungen, die eine genaue Differenzierung der Typen zur Aufgabe hatten, nur 3mal festgestellt. Es steht wohl aber nicht mit Sicherheit fest, ob sie in diesen Fällen wirklich die Erreger der Krankheit waren. Löwenstein hat 2 Fälle von Nierentuberkulose bei Kindern und 1 Fall von atypischer Hauttuberkulose beschrieben, bei denen die als Erreger angesehenen Bazillen ihrem‘ kulturellen und tierpathogenen Verhalten nach zum Typus gallinaceus gehörten. Bevor weitere Erfahrungen vor- liegen, kann man die Frage der Menschenpathogenität der Geflügel- tuberkulosebazillen noch nicht als spruchreif erklären. Ob Geflügel auch für die Erreger der menschlichen Tuberkulose empfänglich ist, ist eine noch viel umstrittene Frage. Nur vom Papagei wissen wir, daß er an beiden Arten der Tuberkulose, Säugetier- wie Vogeltuberkulose, spontan erkranken kann. Auch bei Raubvögeln hat man Säugetiertuberkelbazillen hier und dort fest- gestellt. Daß aber Hühner und Tauben z.B. durch Aufnahme von Sputum schwind- süchtiger Menschen an Tuberkulose erkranken können, wie dies vielfach behauptet wird, kann nach den Infektionsversuchen, die Nocard und andere Autoren mit negativem Erfolg anstellten, nicht als erwiesen gelten. ein ET Ar Li a a du 1 ll a EEE al ale u ann ua Ai nd Hi a ud A U. Tuberkulose. 721 ” Ebenfalls von dem Bansatierthherkeibähie artverschieden ist der als Erreger der Fischtuberkulose bezeichnete Mikroorganismus. Dieser Bazillus (Taf. 52, Fig. 1 u. 2) wurde zuerst in einem Tumor eines Karpfen gefunden. Er wächst bei Temperaturen von 12 bis 36°C, am üppigsten bei 25°C, und bildet auf Agar weißliche, fettige Kolonien. ' In Bonuillon tritt keine allgemeine Trübung, sondern krümeliges Wachs- tum am Boden des Röhrchens ein. Morphologisch und färberisch ver- hält er sich ebenso wie der menschliche Tuberkelbazillus.. Für Frösche ist er pathogen; bei Impfung in den Rückenlymphsack gehen die. Frösche in einigen Wochen zugrunde und weisen tuberkelartige, zum Teil verkäste Knoten in den inneren Organen auf. Diese Versuche sollten indessen, ehe die Ergebnisse verallgemeinert werden, nach- geprüft werden. Ob der Fischtuberkelbazillus wirklich ein häufig vorkommender Infektions- erreger bei Fischen ist, muß dahingestellt bleiben; die Beobachtungen sind vorläufig so wenig zahlreich, daß diese Frage noch unentschieden bleiben muß. Die Ansicht, daß es sich hier um Säugetiertuberkelbazillen handeln könne, die durch die Passage durch den Kaltblüterorganismus andere Eigenschaften angenommen hätten, ist jedenfalls irrig. Man kann den Erreger der Säugetiertuberkulose nicht, wie Bataillon und Terre sowie Dubard behauptet haben, durch Kaltblüterpassagen in einen Fisch- tuberkelbazillus umzüchten. Der echte "Tuberkelbazillus kann sich zwar, wie ‚viel- fache Übertragungsversuche ergeben haben, im Organismus der Kaltblüter lange Zeit halten und wird in die verschiedensten Organe verschleppt, aber eine Vermehrung findet dort nicht statt. Man muß bei Züchtungsversuchen aus Kaltblütern stets bedenken, daß im Schlamm, Moos, Gras usw. zahlreiche Arten säurefester Saprophyten vorkommen, die von diesen Tieren aufgenommen werden und dann leicht zu dia- gnostischen Irrtümern Veranlassung geben. Derartigen Trugschlüssen sind anscheinend die französischen Forscher ebenso zum Opfer gefallen wie Möller, der aus einer mit Phthisikersputum geimpften Blindschleiche einen besonderen Bazillus der Blind- schleichentuberkulose gezüchtet haben will. Außer den soeben kurz besprochenen Mikroorganismen gibt es noch eine ganze Reihe von Pseudotuberkelbazillen, die dem Tuberkel- bazillus in ihrem morphologischen Aussehen und in ihrer Säure- und Alkoholfestigkeit sehr ähnlich sind. Man findet solche Bakterien z. B. nicht selten in Milch und Butter sowie auf Mist. Auch aus dem Sputum bei Lungengangrän sind verschiedentlich säurefeste Bazillen gezüchtet worden. Diese unterscheiden sich aber vom Tuberkelbazillus meist da- durch, daß sie auf Glyzerinagar schon nach 24 Stunden deutlich sicht- - bare Kolonien entwickeln. In zweifelhaften Fällen wird das Tierexperiment leicht die Entscheidung herbeiführen. Auf die Smegmabazillen werden wir weiter unten hinzuweisen haben. Daß auch der Leprabazillus dem Tuberkelbazillus sehr nahe steht, wird in der nächsten Vorlesung auseinandergesetzt werden. Kurz zu besprechen ist noch die Frage der Variabilität der - Tuberkelbazillen-Typen. Von verschiedenen Autoren ist behauptet wor- den, daß es häufig „Übergangsformen“ echter Tuberkelbazillen gäbe, die weder dem humanen noch dem bovinen Typus zugerechnet. werden könnten, und daß die Annahme berechtigt sei, daß unter besonderen Umständen durch Anpassungserscheinungen die eine Art sich in die andere verwandeln könne. Solche „atypischen“ Stämme werden bei ein- wandfreier Untersuchungsmethodik, namentlich bei Verwendung durch- aus zusagender Nährböden und Heranziehung größerer Reihen beim ‚Tierversuch sehr selten gefunden. Im Zweifelsfalle ist besonders darauf Kultbläter- tuberkulose. Ä Pseudo- tuberkel- bazillen. Variabilität der Typen. i 122 41. Vorlesung. zu achten, ob nicht, wie dies schon verschiedentlich (z. B. von Kosszl, Weber und Heuss und von Griffith) beobachtet wurde, eine Misch- infektion mit verschiedenen Bazillentypen vorliegt. Weber und Steffenhagen haben bei einem Knaben, der an einer durch bovine Tuberkelbazillen hervorgerufenen Knochentuberkulose der Mittelhand litt, 101), Jahre lang die Eigenart der aus dem Eiter gewonnenen Kulturen sorgfältig. verfolgt. Die Bazillen hatten trotz der langen Wucherung im menschlichen Körper völlig ihren bovinen Charakter bewahrt, ohne daß irgendwelche Anpassungs- oder Umwandlungserschei- nungen bemerkbar wurden. Auch die von verschiedenen Seiten aufge- stellten Behauptungen, daß es auf experimentellem Wege durch wieder- holte Tierpassagen oder Züchtung auf besonderen Nährböden gelungen sei, die biologischen Eigenschaften bestimmter Typen des Tuberkelbazillus dauernd und erheblich zu verändern, konnten einer strengen Kritik nicht standhalten. Zen: garen Auf die klinischen Erscheinungen der menschlichen Tuber- kulose und die pathologisch-anatomischen Befunde näher einzu- gehen, ist hier nicht der Ort. Sie sind bekanntlich je nach dem Sitz der Erkrankung und der Ausbreitung und Schwere des Leidens so mannig- faltig, daß schon aus diesem Grunde eine auch nur kürzere Bespre- chung zu weit führen würde. Es gibt kein Organ und kein Gewebe des Körpers, in dem sich nicht Tuberkulose entwickeln könnte. Aber. ge- wisse Organe werden mit Vorliebe Sitz der Erkrankung. Die häufigsten Formen der Tuberkulose sind .die Lungen- und Kehlkopfschwind- sucht, ferner die Drüsentuberkulose, die Knochen- und Gelenk- tuberkulose, die Tuberkulose des Urogenitalapparates, die Tuberkulose des Gehirns und der Meningen, der Pleura und des Peritoneums, die Darmtuberkulose unddie Hauttuberkulose. Andere Organe, z. B. die Schilddrüse, die Leber, Milz, Nebennieren und Pankreas, werden, wenn es sich nicht um eine miliare Aussaat handelt, relativ selten von Tuberkulose befallen. Die akute Miliartuberkulose kommt, wie zuerst Weigert feststellte, stets durch einen Einbruch größerer Mengen von Tuberkelbazillen, z. B. aus verkästen Drüsen, direkt in das Blutgefäßsystem zustande (s. S. 733). et Als Eintrittspforten der Erreger in den menschlichen Körper kommen die Schleimhäute des Respirationstraktus, ferner die Schleimhäute des Verdauungstraktus und schließlich die Haut in Betracht. Auf welchem von diesen Wegen die Infektion am häufigsten erfolgt, darüber herrschen noch wesentliche Meinungsverschiedenheiten. Die auffallende Häufigkeit, mit der bei der Obduktion die Lunge als Sitz der alleinigen oder der am weitesten fortgeschrittenen tuber- kulösen Veränderungen festgestellt wird, hatte schon seit langer Zeit die auch durch die Ergebnisse der Tierversuche gestützte Annahme begründet, daß der Erreger der Infektion mit der Atemluft in die Lunge eindringe und hier zur ersten Ansiedlung komme. Dieser Auf- fassung trat im Jahre 1903 v. Behring mit der Behauptung entgegen, daß wesentlich häufiger das Eindringen der Tuberkelbazillen vom Darmkanal aus erfolge. Er stellte die Hypothese auf, die Darm- schleimhaut der Säuglinge sei, besonders in den ersten Lebens- monaten, in hohem Grade für Bakterien durchlässig. Infolgedessen sollen ‚Tuberkulose. 723 Tuberkelbazillen, mit der Milch tuberkulöser Kühe — eine Artverschie- denheit der menschlichen und der Rindertuberkelbazillen leugnete dieser _ Autor bekanntlich — dem Kinde einverleibt, nicht zu einer primären Infektion des Intestinaltraktus führen, sondern in die inneren Organe, namentlich Lunge und Lymphdrüsen verschleppt werden. Ferner sollen die Mesenterialdrüsen junger Individuen — im Gegensatz zu denen Erwachsener — eingedrungene Tuberkelbazillen nicht wie ein Filter zu- rückhalten und deshalb nicht tuberkulös erkranken. Eine destruktive Tätigkeit im Organismus sollen die Tuberkuloseerreger nach v. Behring unter Umständen erst nach jahrelanger Latenz entfalten. Die Tuber- FE: kulose des späteren Alters sei „das Ende eines Liedes, dessen Anfang dem Kranken schon an. der Wiege gesungen sei“ al Auf Grund dieser Behauptungen wurden überall von neuem um- fangreiche Untersuchungen aufgenommen, die eine Klärung der Frage über den häufigsten Infektionsweg bezweckten. Sie haben zwar, wie schon erwähnt, zu einer Übereinstimmung der Anschauungen nicht aber die große Mehrzahl der Autoren, unter ihnen Koch, Flügge, Löffler, Gaffky, hat die Behringschen Hypothesen und Be- hauptungen nicht anerkannt. Wir wollen im folgenden auf den Stand- 3 2 den die Rufer im Streite auf Grund ihrer pathologischen Unter- - suchungen und ihrer Tierexperimente in dieser Frage einnehmen, etwas Bi: näher eingehen. =; Die Mehrzahl der Autoren vertritt auch heute noch den Standpunkt, Er. daß die Inhalation der Tuberkelbazillen (Typus humanus) mit der Atmungsluft den für den Menschen bei weitem häufigsten Infektionsweg darstellt. Als eifrigster Verfechter dieser Anschauung muß Flügge gelten, 3 der mit seiner Schule durch sehr eingehende Untersuchungen die Lehre vonder „Iröpfcheninfektion“, auf die wir später noch zurückkommen wollen, begründet hat. Aus seinen Experimenten geht einwandfrei hervor, daß die Tuberkelbazillen von den Phthisikern, die an offener Tuberkulose leiden und daher häufig Tuberkelbazillen im Rachen und Mund haben, mit feinsten Tröpfchen beim Husten, Niesen, Sprechen in die Außenwelt geschleudert werden. Die infektiösen Tröpfchen bleiben verhältnismäßig lange schweben und können in diesem Zustand mit der Luft, in der sie häufig genug durch den Tierversuch _ nachgewiesen wurden, von gesunden Menschen eingeatmet werden und auf diese Weise, wie Inhalationsversuche gezeigt haben, bis in die feinsten Bronchiolen und in die Alveolen gelangen. K Der Inhalationstheorie gegenüber hat man besonders eingewendet, daß die Einatmung verstäubten tuberkelbazillenhaltigen Sputums bei Tieren stets eine multiple Entstehung von Tuberkeln in der Lunge im Gefolge habe. Diese "Behauptung trifit jedoch nur soweit zu, als sehr dichte Aufschwemmungen der Tuberkuloseerreger diesen Effekt hervorrufen. Sobald man aber den natürlichen Verhältnissen entsprechend ein Material inhalieren läßt, das nur wenige Tuberkel- bazillen enthält, sieht man bei den Versuchstieren auch isolierte tuberkulöse Herde entstehen, ‘die ganz ähnlich wie bei der meuschlichen Lungentuberkulose in käsige - Poeumonie und Kavernenbildung übergehen. Die Gefährlichkeit der Inhalation tuberkelbazillenhaltigen Materiales, die Koch und Cornet bereits bei ihren grundlegenden Versuchen dargetan hatten, wird besonders deutlich illustriert durch das Ergebnis der eingehenden Untersuchungen, die unter Flügges Leitung Findel ausgeführt hat. Dieser stellte an einem Material “son 87 Meerschweinchen unter genauer Berechnung der Infektionsdosen fest, daß die Inhalation selbst von wenigen — erwiesenermaßen weniger als 50 — T uberkel- F bazillen regelmäßig Lungentuberkulose hervorruft, daß man bei jungen Tieren, die 724 41. Vorlesung. noch empfänglicher sind als ältere, auch von dem Haften eines einzigen Bazillus in der Lunge eine Infektion erwarten kann. Bei der Verfütterung hingegen kamen Dosen von 19100—382000 Bazillen zur Anwendung. Bei keinem der 14 auf diese Weise der Infektion ausgesetzten Meerschweinchen wurden irgendwelche Befunde erzielt, die auf Tuberkulose hinwiesen, obwohl die Tiere bis zu 174 Tagen beobachtet wurden. Eine Tuberkuloseinfektion von seiten des Magendarmkanales ließ sich erst bei Verfütterung von 10mg Kulturmasse (= etwa 35000000 Bazillen) erreichen. Danach würde die zur Infektion auf dem Wege der Fütterung erforderliche Bazillen- menge rund 6000000mal so groß sein als die tödliche Inhalationsdosis. Diese An- gaben von Fündel sind von Lafert unter Kolles Leitung an einer großen Anzahl von Meerschweinchen, Katzen und Hunden durchaus bestätigt worden. Zu ähnlichen Ergebnissen führten Versuche, die Pfeifer und Friedberger ebenfalls an Meerschweinchen anstellten. Hier wiesen von 29 Tieren, die im günstigsten Falle eine weit unter 3000 gelegene Zahl von Tuberkelbazillen durch Inhalation aufgenommen hatten, 22 Lungentuberkulose — fast ausschließlich nur spärliche Tuberkel ! — auf. Nur einmal wurde eine isolierte Bronchialdrüsentuberkulose ohne Lungentuberkel beobachtet. In 15 Fällen wurde neben den Lungenherden .eine generalisierte Tuberkulose festgestellt, in keinem einzigen Falle dagegen eine tuber- kulöse Erkrankung der Mesenterialdrüsen und des Darmes. Auch aus diesen Er- gebnissen geht deutlich hervor, daß die aus der Kulturaufschwemmung versprayten Tuberkelbazillen durch die Atmungsluft direkt in die Lunge transportiert werden, denn überall waren die Veränderungen in der Lunge am weitesten vorgeschritten. Bei den Fütterungsversuchen, bei denen stets über 3000000 Tuberkelbazillen mit der Schlundsonde in den- Magen gebracht wurden, wurde unter 28 Tieren nur bei 4 eine Lungentuberkulose konstatiert, die in 2 Fällen mit Wahrscheinlichkeit darauf zurückzuführen war, daß beim Herausziehen der Schlundsonde tuberkelbazillenhaltige Flüssigkeit in die oberen Luftwege gelangte und in die Lunge aspiriert wurde. In 24 von 28 Fällen waren die Lungen und Bronchialdrüsen frei von Tuberkulose, und in 21 Fällen waren Spuren einer tuberkulösen Infektion im Körper überhaupt nicht zu entdecken. Mit diesen Ergebnissen der Tierversuche stimmen auch die an einem großen Leichenmateriale bei der Obduktion von Phthisikern ge-. sammelten Erfahrungen von Ribbert, v. Schrötter, Heller u. a. durchaus überein, die erkennen lassen, daß in der bei weitem größten Mehrzahl der Fälle die Lunge den primären Sitz der Infektion bildet. Unter den Anhängern der v. Behringschen Anschauung über das Zustandekommen der tuberkulösen Infektion ist vor allem Calmette und seine Schule zu nennen. Calmette leugnet die Möglichkeit einer Inhalationsinfektion zwar nicht völlig, ist aber der Ansicht, daß „fast alle internen Lokalisationen der Tuberkulose in- testinalen Ursprunges seien“. Als er Rindertuberkelbazillen mit der Schlundsonde in den Magen von Ziegen brachte, fand er bei jungen Tieren die ausgesprochensten Veränderungen in den Mesenterialdrüsen, bei älteren Tieren dagegen in den Lungen, Er erklärt dieses Verhalten durch die verschiedene Durchlässigkeit der Lymph- drüsen in den verschiedenen Altersperioden. Wie aber Weber betont, dürfte der Hauptgrund für die Entstehung der Lungentuberkulose der sein, daß die älteren Tiere wiederkäuen und dadurch oft und leicht zur Aspiration der mit dem Futter aus dem Magen emporgebrachten Tuberkelbazillen, also zu einer direkten Infektion der Lungen Gelegenheit haben. Weiterhin stützt sich Calmette besonders auf Ver- suche, in denen ihm durch Einverleibung von Kohlepartikelchen, Tusche usw. angeblich der Nachweis gelungen ist, daß die Lungenanthrakose auf intestinalem Wege entsteht. Diese Anthrakoseversuche wurden von Calmette und seinen An- hängern gerade deshalb als eine der stärksten Stützen für die Theorie der intesti- nalen Entstehung der Tuberkulose betrachtet, weil es sich bei der Ablagerung der Kohlepartikelehen nicht um lebende infektiöse Elemente, sondern um totes, nicht infektiöses Material handelt. Die Angaben von Calmette und seinen Schülern sind durch einwandfreie Experimente von Nieuwenhuyse, Kuss und Lobstein, Beitzke und auch durch die Ergebnisse großer Versuchsreihen widerlegt worden, die Heller und Wolkenstein im Berner Institut zur Erforschung der Infektionskrankheiten angestellt haben. Von den letztgenannten Autoren wurde nach Verfütterung selbst großer Mengen von Kohle Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 51. Färbung nach Much. Vergr. 1500:1. — 2. Säurefeste Enteritisbakterien 1. Granula in Tuberkelbazillen (Reinkultur). bazillen (Reinkultur). Färbung nach Weiß. Vergr. 1500:1. — 3. D Präparat. — 4. Enteritisbakterien. (Schnitt durch die Darmwand.) — 5. Hühnertuberkelbazillen. Au aus Leber. Färbung nach Ziekl. — 6. Hühnertuberkelbazillen aus Reinkultur. Färbung nach Gram. "Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. SE Bee Tuberkulose. a 135 niemals eine solche Anthrakose gefunden, wie sie nach Inhalation kleinster Mengen Kohlenstaubes bei Tieren leicht erzeugt werden kann. Nur bei ganz vereinzelten, durch die Sonde mit Kohlenstaub gefütterten Tieren fanden sich kleine Pigment- herde in der Lunge, deren Entstehung nach Ficker auf Inhalation kleinster, im Rachen verteilter Tröpfchen zurückzuführen ist. Später hat Calmette, beeinflußt durch die zahlreichen einwandfreien Inhalationsversuche der genannten Autoren, seinen Standpunkt zugunsten der Inhalationstheorie etwas verschoben. . Weichselbaum und seine Schüler, unter denen besonders Bartel, Neumann und Spieler zu nennen sind, stehen in ihren Anschauungen denen Calmettes ziemlich nahe. Auch sie bekennen sich zu der Ansicht, - daß der Digestionstraktus beim Menschen die häufigste Eintrittspforte für den Tuberkelbazillus darstellt, und begründen sie durch die Ergeb- - nisse ihrer Tierversuche folgendermaßen: Die Wirkung der Tuberkel- bazillen im tierischen Organismus besteht nicht nur in jenen Verän- derungen, die man allgemein als spezifisch-tuberkulös bezeichnet, sondern sie kann sich auch in einer einfach Iymphoiden Hyperplasie äußern. Dieses „Iymphoide Stadium“ der Infektion geht dem Stadium der spezifisch-tuberkulösen Veränderungen voraus (Latenzstadium), kann das gesamte regionäre Lymphdrüsensystem des Verdauungs- und Respi- - rationstraktus betreffen und von wechselnder Dauer sein. Be Die Existenz eines solchen Stadiums ist von großem Einfluß auf die Beurteilung der Frage nach den häufigsten Angrifispunkten und Invasionspforten des Tuberkel- - bazillus. Man darf nicht, wie die meisten Autoren es tun, lediglich nach den makroskopischen Obduktionsbefunden beurteilen, ob ein Gewebe tuberkulös infiziert ist, sondern muß die Frage durch mikroskopische Untersuchung und Verimpfung auf Tiere entscheiden. Bartel und Spieler fanden bei ihren Fütterungsversuchen die verschiedenen Iymphatischen Gewebsgruppen, wenn sie das Iymphoide.Stadium berücksichtigten, in folgender Häufigkeit infiziert: Tonsillen und Umgebung 11'7°/,, Halsiymphdrüsen 58°8°/,, Bronchialdrüsen 52-9°/,, Gekrösedrüsen 100°/,. Sie nehmen an, der Transport der Tuberkelbazillen von Gekröse- und Halslymphdrüsen entweder auf rein Iymphogenem Wege erfolge oder aber durch den Ductus thoraeieus > und die Blutbahn. In den Hals- und Gekrösedrüsen ist das lymphoide Stadium deutlicher ausgeprägt als in den Bronchbialdrüsen, und die ersteren haben im manifesten Stadium nicht jene absolute Tendenz zur starken Schwellung und kon- stanten Verkäsung wie letztere. Die Erkrankung der Bronchialdrüsen und der Lunge ist deshalb nur scheinbar stets die ältere, weil diese Organe einen locus minoris resistentiae für die Infektion darstellen. Die besondere Empfänglichkeit der Bron- - ehialdrüsen und der Lungen gegenüber jedweder tuberkulösen Infektion, nicht nur der direkten (durch :Inhalation), sondern auch der Iympho- und hämatogenen, hatte übrigens schon früher Orth betont. Auch Bongert hat durch Tierexperimente weitere Stützpunkte für diese Ansicht geliefert und die besondere Disposition der Lungen dadurch erklärt, daß in ihnen die Gesämtmenge des venösen Blutes zirkuliert, nachdem es kurz zuvor die aus dem ganzen Lymphgefäßsystem zugeführten Infek- tionserreger aufgenommen hat. Weichselbaum faßt seinen Standpunkt mit folgenden Worten zu- sammen: „Die durch »v. Behring aufgerollte Streitfrage können wir zwar noch nicht endgültig entscheiden, aber schon jetzt können wir behaupten, daß die Fütterungstuberkulose beim Menschen, besonders im Kindesalter, viel häufiger vorkommt, als bis vor kurzem die meisten _ Forscher geglaubt haben. Bei diesem Infektionsmodus kann das Ein- dringen der Tuberkelbazillen nicht nur vom Magen und Darme, sondern auch von der Mund-, Nasen- und Rachenhöhle aus, und zwar gleich- zeitig von allen diesen Stellen erfolgen, gleichgültig, ob die Bazillen mit der Nahrung und sonstigen Ingesta oder mit der Atemluft oder auf andere Weise in die genannten Höhlen gekommen sind. In den 'Schleimhäuten und auch in den regionären Lymphdrüsen braucht es Lungen- tuberkulose. 726 41. Vorlesung. nicht sogleich oder überhaupt nicht zu manifesten bzw. spezifisch-tuber- kulösen Veränderungen zu kommen, sondern die Wirkung der Tuberkel- bazillen kann sich zunächst in der Erzeugung der sogenannten Iymphoiden Tuberkulose äußern, deren Dauer verschieden lang sein kann, und die schließlich entweder ganz zurückgeht oder nach erneuter Infektion, aber auch ohne eine solche, zu spezifisch-tuberkulösen bzw. manifesten Veränderungen führt, sei es an den Eingangspforten oder in den Lungen und Bronchialdrüsen oder in anderen Organen.“ Schließlich muß noch eine weitere Hypothese erwähnt werden, die von den bisher besprochenen wesentlich abweicht. Aufrecht hat aus seinen histologischen Untersuchungen gefolgert, daß der einzig gesicherte Weg der Tuberkelbazillen zur Lunge von den Tonsillen aus über die Halslymphdrüsen führe. Diese Ansicht hat nie überzeugte Anhänger gefunden. Bandelier fand bei genauesten Untersuchungen der Tonsillen von Phthisikern nur in 8°, der Fälle tuberkulöse Veränderungen, und zwar fast nur bei vorgeschrittenen Fällen von Lungentuberkulose, in denen also mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden mußte, daß die Erkrankung der Mandeln sekundär durch Sputuminfektion entstanden war. Die exakten anato- mischen Untersuchungen von Beitzke, Most, Hart u. a. haben mit Sicherheit er- wiesen, daß es Lymphbahnen, die aus dem Halsiymphgebiet und speziell aus der Tonsillargegend und von den tiefen Zervikaldrüsen direkt zur Pleurakuppe oder Lungenspitze hinabführen, ebensowenig gibt wie direkte Verbindungen zwischen den tracheobronchialen und den mediastinalen Lymphdrüsen, die immer wieder zur Erklärung der angeblich durch intestinale Infektion entstehenden Lungentuberkulose herangezogen werden. Überblicken wir die hier in ihren Grundzügen skizzierten ver- schiedenen Theorien über die Entstehung der menschlichen Tuberkulose, so werden wir gut tun, nicht in Extreme und Schematismus zu verfallen und bei der Beurteilung des einzelnen Falles jedenfalls, wie dies auch Flügge fordert, der Infektionsgelegenheit weitgehendste Beachtung zu schenken. Bietet sich Gelegenheit zur Aufnahme von Tuberkelbazillen in den Darm sehr häufig, dagegen zur Aufnahme durch Inhalation selten oder gar nicht, so verliert der letztere Weg trotz seiner im Experiment erwiesenen weit größeren Gefährlichkeit unter Umständen an praktischer Bedeutung. Die Perlsucht der Rinder wird sicher gelegentlich auf den Menschen durch infizierte Milch usw. übertragen und kann dann zu Drüsen-, Knochen- und Hauttuberkulose führen. Daß aber Lungentuberkulose auf diese Weise wenn überhaupt, dann nur äußerst selten entstehen kann, wird durch die früher (S. 718) erwähnten Ver- suche mit den bei Lungentuberkulose gezüchteten Kulturen bewiesen. Für die Entstehung der menschlichen Lungentuberkulose aber muß die Inhalation nicht nur als die natürlichste und häufigste Infektionsform, sondern auch als die experimentell am sichersten gestützte gelten. Darin stimmen jedenfalls alle experimentell arbeitenden Forscher überein, daß die Menge des Virus, die zum Zustandekommen einer intestinalen Tuberkuleseinfektion notwendig ist, um ein Tausend- oder gar Millionenfaches größer sein muß, als die bei Inhalation infektiöse. Dadurch erklärt sich auch die Seltenheit der intestinalen Infektion beim Menschen, der glücklicherweise nur ganz ausnahmsweise Millionen von Tuberkelbazillen mit der Nahrung aufnimmt. Wenden wir uns nun zu der Häufigkeit und der Art, in der die einzelnen Organe des Körpers von der tuberkulösen Infektion befallen werden, so erkrankt die Lunge wohl deshalb von allen Organen am _ Tuberkulose. 727 häufigsten primär, weil hier bei der weiten Verbreitung der Schwindsucht die Infektionsgelegenheit infolge der Ein- atmung der Erreger die größte ist. Aber nicht nur für die aörogene Tuberkulose müssen wir eine besondere Empfänglichkeit der Lunge annehmen, sondern, wie schon besprochen wurde, auch für die lympho- und hämatogene Form der Infektion. Die oberen Luftwege sind, abgesehen von den später zu nennenden Stellen, durch ihr Epithel und den Flimmerstrom besser geschützt und können etwa inged e Keime eher eliminieren als die Schleimhäute der feinsten Bronchien und Alveolen. Daß sich der tuberkulöse Prozeß in der Regel in der Lungenspitze lokalisiert, diese allgemein anerkannte Erfahrungs- tatsache ist durch mechanische Momente begründet. Die Spitze wird schlechter ventiliert, sie atmet nach Untersuchungen von Hanau gut ein, aber die Exspiration ist eine schlechte. Infolge der weniger aus- giebigen Exspiration werden eingedrungene Teilchen aus ihr weniger - sicher herausgeschafft, als aus anderen Teilen der Lunge. Man findet daher, daß auch gewöhnlicher Staub und Ruß in den Spitzen der Lunge -- im verhältnismäßig größeren Massen abgelagert wird, als in den tiefer gelegenen Partien. - Weitere Aufschlüsse über die Ursache der Erscheinung, daß die Lungenspitzen zuerst und vorwiegend tuberkulös infiziert werden, haben _ uns die Untersuchungen von Freund, Birch-Hirschfeld, Schmorl und Hart gebracht. Schon im Jahre 1858 hatte W. A. Freund festgestellt, daß die durch eine scheidenförmige Verknöcherung des ersten Rippenknorpels entstehende „Stenose der oberen Thoraxapertur“ sehr häufig bei Kranken gefunden wird, die an einer von der Lungenspitze ausgehenden Tuberkulose zugrunde gingen, und er hatte angenommen, daß daraus eine Wachstumshemmung der ersten Rippe und weiterhin die Ausbildung des sogenannten „Habitus phthisieus“ resultiere. Birch-Hirschfeld hatte weiterhin gefunden, daß in tuberkulös erkrankten Lungen meist die Verzweigungen des hinteren subapikalen Bronchus auffallend zusammen- _ gedrängt, in den Endästen oft geradezu verbogen sind, und daß häufig - gerade im Bereiche dieses Bronchus die Schleimhauttuberkulose beginnt. - Die Befunde von Freund und Birch-Hirschfeld konnten von Schmorl bestätigt und erweitert werden. 1 Hart hat an einem großen Leichenmateriale diese Beobachtungen systematisch - — machgeprüft. Er fand unter 125 Fällen prögredienter Lungenphthise bei nicht weniger als 624°), eine abnorme Kürze des ersten Rippenknorpels und sieht als deren - Folgezustand den Tiefstand des Brustbeines, das Herabsinken und die Abflachung des ganzen Brustkorbes (phthisischer Thorax) an. Durch diese Anomalie des Thorax werden Funktionsstörungen der inspiratorischen und exspiratorischen Bewegungen der oberen Rippen bedingt. Weiterhin stellte Hart sehr häufig einen durch die Stenosierung der oberen Brustapertur bedingten, abnorm steilen Verlauf der er-ten - Rippe fest, der sehr wohl zu den von Birch-Hirschfeld und Schmorl beschriebenen Raumbeschränkungen der Lungenspitze Veranlassung geben kann. Bei jugerdlichen Personen, bei denen die ersten Rippenknorpel verknöchert und abnorm kurz waren, - ließ sich auch eine besonders auffallende Anthrakose der Lungenspitzen nachweisen, sodaß man wohl annehmen kann, daß jene Veränderungen ebenso wie zur Ab- lageruug von Kohlenstaub, so auch zur Ansiedlung von Tuberkelbazillen in der Lungenspitze ein disponierendes Moment abgeben. Ändere Autoren, in neuerer Zeit besonders Kretz und Wenckebach, F wollen dagegen eine sog. anatomische Disposition der Lungenspitzen infolge Thoraxanomalien nicht anerkennen. Bacmeister vertritt die An- 128 41. Vorlesung. sicht, daß die durch Lebensweise, Berufstätigkeit oder Muskelschwäche bedingte Senkung der Aperturebene und Beengung der Lungenspitzen wahrscheinlich eine noch größere Rolle spielt, als die durch anatomische Veränderungen hervorgerufenen Anomalien des ersten Rippenringes. Es leuchtet ein, daß alle Momente, die zu einer räumlichen Beengung der Spitzen führen, im Sinne einer mechanischen Disposition wirksam sein können, die angeborenen sowohl wie die sekundär erworbenen und vor allem die funktionellen. Bacmeister hat durch exakte Tierversuche nachgewiesen, daß die Lungen- phthise ebenso wie durch aörogene Infektion auch auf hämatogenem Wege entstehen kann. Er konnte bei Einhaltung bestimmter Versuchsbedingungen fest- stellen, daß Tuberkelbazillen. die entweder direkt in die Blutbahn einverleibt oder von einem im Körper befindlichen älteren tuberkulösen Herd durch das Blut ver- schleppt wurden, im Gebiete der Lungenspitzen die Gefäße verließen, in die Lymph- spalten der Gefäßwand übertraten und sich im perivaskulären Lymphgewebe an- siedelten. Durch Fortwucherung von dort aus bildeten sich die gleichen histologi- schen Veränderungen der beginnenden Lungenphthise, wie sie bei a@rogener In- fektion des Kaninchens vom peribronchialen Lymphgewebe aus zu erzielen waren. Während die Frage der Disposition durch die Forschungen von Freund, Hart, Kretz, Wenckebach, Bacmeister eine gewisse Klärung erfahren hat, ist, wie Aschof betont, das Problem der Entwicklung der verschiedenen Formen der Lungentuberkulose, soweit sie sich anatomisch und — dadurch vielleicht wesentlich mitbedingt — klinisch erkennen läßt, noch in vollem Fluß. Hiermit steht auch die Frage des Verlaufes der Lungentuberkulose insofern in Zusammenhang, als nach Ansicht mancher Forscher der anatomische Sitz der Infektion Wechselbeziehungen zu den Reaktions- formen des infizierten Organismus aufweist. Die Pathologen unter- scheiden zwei Formen dieser Reaktion des infizierten Körpers, die produktive und exsudative, die sich entweder rein oder aber gemischt nebeneinander entwickeln. Bei der produktiven Form sollen vorwiegend die von den Bazillen selbst erzeugten Reize, bei der exsudativen die von den Bazillen gelieferten Toxine die Reaktion bestimmen. Die Produkte beider Formen können der Verkäsung oder der zirrhotischen Verhärtung verfallen; zu ersterer kommt es bei der exsudativen Form, zu letzterer bei der produktiven Form am häufigsten. In allen Stadien dieser Prozesse können die Heilungsvorgänge einsetzen. Der Beginn dieser Reparationsvorgänge macht sich durch einen Stillstand der exsudativen, produktiven oder verkäsenden Prozesse kenntlich. Bei vollem Erfolg der Reparationsbestrebungen des Organismus kommt es zur Heilung, die eine vollständige oder relative sein kann. Neben dem Verhalten des infizierten. Organismus ist für den Verlauf und Erfolg dieser Heilungsbestrebungen des Körpers die Virulenz und Menge der eingedrungenen Tuberkelbazillen und der Umfang des infizierten Gewebes von Bedeutung. In jedem tuberkulös infizierten Gewebe lassen sich die Repara- tionsvorgänge auch anatomisch erkennen. Bei der exsuüdativen Form bestehen sie in Resorption der serofibrinösen Massen, die vorher einer Lösung unterliegen. Sind die Exsudate aber bereits verkäst, so erfolgt meistens keine Resorption, sondern ein Durchbruch der erweichten, verkästen Massen, die von spezifischem Granulationsgewebe umgeben sind, in geeignete Abfuhrstellen, z. B. in Bronchien. Das Granulations- Tuberkulose. 729 © gewebe unterliegt nach der Entfernung der käsigen Massen der Um- wandlung in hyalin-fibröses Narbengewebe. Bei den produktivtuber- kulösen Formen entsteht aus den Epitheloidzellen ein spezifisches hyalin- fibrinöses Narbengewebe. Um dieses bildet sich unter Beteiligung des umgebenden gesunden Lungengewebes eine gewöhnliche Narbe, während = ‚die verkästen oder nicht resorbierten, von dem Narbengewebe ein- senen Massen der Eindickung und Verkalkung verfallen. Erfolgt Bet iese Eindickung und Verkalkung der verkästen Massen nicht, sondern eine Erweichung, so kommt es zur Bildung von Kavernen (Aschoff‘). Bei der Frage der Heilbarkeit der tuberkulösen Infektion ist die - wichtige Tatsache zu besprechen, daß in allen durch die eben geschil- -derten Vorgänge entstandenen Krankheitsprodukten, in Narben, Kalk- konkrementen und Granulationen, sich virulente Tuberkelbazillen jahre- Bi lang halten und zur Neuausbreitung des tuberkulösen Prozesses, zu Rezidiven führen können. Der natürliche Heilungsprozeß der Tuber- * kulose wird weiter durch interkurrierende Krankheiten, durch Misch- _ infektion und den Sitz des Primärinfektes mitbeeinflußt. Dieser scheint mit einer gewissen Gesetzmäßigkeit vom Lebens- _ alter der Infizierten insofern abzuhängen, als wir zwei verschiedene ‘ Ablaufsformen der Lungentuberkulose, die Lungentuberkulose des Kindes und. diejenige des Erwachsenen voneinander trennen müssen. Aschoff präzisiert sie in folgender Weise: „Die kindliche Phthise ist durch die unregelmäßige Lokalisation, durch die starke Mitbeteiligung der Drüsen und die große Neigung zur Generalisation, die andere durch den Aus- e gang. vom Spitzen- und Obergeschoß, durch die vorwiegende Beschrän- kung auf die Lunge, das Zurücktreten der Lymphdrüsenerkrankungen _ und der generalisierenden Prozesse charakterisiert.“ Ranke, dem sich Aschof? anschließt, hat eine „immunbiologische“ Differenzierung dieser E verschiedenen Ablaufsformen der Lungentuberkulose versucht und drei _ Perioden des Ablaufes der Infektion angenommen: den Primäraffekt = bzw. Primärkomplex, zweitens die Periode der allergischen bzw. ana- _ Phylaktischen Abwehrreaktionen und die Periode der relativen Immunität. - Die Primäraffekte oder besser Primärkomplexe und die allergischen - Formen der Tuberkulose werden am meisten im Kindesalter bis zur _ Pubertätszeit beobachtet und zeichnen sich durch den unregelmäßigen - Bitz und die lobulär-exsudativen, zu rascher Verkäsung neigenden Pro- _ zesse aus. Beim Primärkomplex ist die Heilungstendenz der Infektion sehr groß und durch raschen Stillstand der Prozesse mit Narbenbildung = und Verkalkung gekennzeichnet. Erfolgt diese Ausheilung des Primär- affektes nicht, so kommt es zur Generalisierung infolge endogener Ausbreitung bzw. Reinfektion (negative Allergie) in Form der Miliar- 2 tuberkulose. Die isolierte Lungentuberkulose ist nach Aschof der Aus- Re: druck einer positiven Allergie im Sinne einer relativen Immunität. Sie _ entsteht meistens durch exogene oder endogene Reinfektion auf dem - Wege der Inhalation oder Aspiration. Da fast stets, auch bei aus- R geheilten Prozessen, lebende Tuberkelbazillen in den alten pathologi- schen Produkten bleiben, ist sie auch als Ausdruck einer Infektions- # _ immunität aufzufassen. Die relative Immunität wird durch Neuinfektion durchbrochen. An Stelle des kompensierten Infektes tritt die Dekom- _ pensation. Dieser Reinfektionsprozeß verläuft in produktiver Form, 130 *® 41. Vorlesung. neigt zu chronischem Verlauf, zur Vernarbung und zur Verkalkung der käsig erweichten Zentren der knotigen Produkte. Da, wo die Reaktionen nicht zur Heilung führen, entstehen besonders häufig Kavernen. Hiernach ist also nicht der Sitz der Primäraffekte und Reinfekte oder die Ausbreitung der tuberkulösen Prozesse, sondern der mit immunbiologischen, zum größten Teil noch unbekannten Vorgängen in Zusammenhang stehende Verlaufscharakter der tuberkulösen Verände- rungen das Wesentliche. Diese Ergebnisse der pathoiogisch-anatomischen Forschung der letzten Dezennien bilden eine Ergänzung der ätiologischen und immun- biologischen Erfahrungen, indem sie anatomische Belege für die ver- schiedenen Phasen der durch den‘ Tuberkelbazillus erzeugten Infektion beibringen. Bis zur Auffindung eines die Krankheitserreger direkt oder indirekt ätiotrop angreifenden und sicher beseitigenden Mittels werden die auf Unterstützung der natürlichen Heilungsvorgänge. zielenden Heil- methoden (Tuberkulinbehandlung, physikalische, diätetische, Licht- und Röntgenbehandlung) das Handeln des Phthisiotherapeuten bestimmen müssen. Aschof hat namentlich die Bedeutung der Tuberkelbildung neu präzisiert, insofern als er zeigte, daß dieses anatomische Merkmal nicht für alle Stadien der Infektion mit Tuberkelbazillen charakteristisch ist. Der Tuberkelknoten ist nur für bestimmte Stadien und Formen der tuberkulösen Infektion charakteristisch, etwa wie das Gumma für die Tertiärperiode der Syphilis. In den Frühstadien der Tuberkuloseinfektion fehlen häufig Tuberkel. Aschof? schlägt deshalb auch vor, den Ausdruck „Phthise“* (Schwindsucht) als ätiologische Benennung der Infektion mit den Kochschen Bazillen wieder einzuführen. Ob das wünschenswert oder möglich ist, bleibe dahingestellt. Aber die Aschoffschen Angaben haben doch auch für die ätiologische Forschung und ätiologische Therapie das “ Gute, daß sie auf die von den Bakteriologen stets betonte ätiologische Kehlkopf- tuberkulose. Einheit aller durch den Tuberkelbazillus verursachten Krankheitsbilder auch vom Standpunkt des pathologischen Anatomen hinweisen und die Entstehung der verschiedenen Formen der Infektion anatomisch und zugleich unter Verwertung der ätiologisch-biologischen Prozesse und der spezifisch-immunisatorischen Reaktionen (Allergie) des durch den Tuberkelbazillus infizierten Organismus verständlich zu machen suchen. Das ist auch für die Tuberkulintherapie und das chemotherapeutische Studium der Infektionen mit Kochschen Bazillen wertvoll. Die oberen Luftwege sind sehr viel seltener Sitz tuberkulöser Prozesse als die Lungen. Die Nasenschleimhaut ist infolge ihrer starken Schleimsekretion gegen das Haften der Tuberkelbazillen in hohem Grade geschützt. Von den Luftwegen erkrankt am häufigsten der Kehlkopf. Es kommen zweifellos, wenn auch selten, Fälle primärer Kehlkopf- tuberkulose vor, bei denen die mit der Inspirationsluft eindringenden Erreger, bevor sie in die tieferen Luftwege gelangen, im Kehlkopf abgefangen werden und einen günstigen Boden für ihre Ansiedlung finden. In den weitaus häufigsten Fällen ist die Kehlkopftuberkulose aber eine sekundäre, d.h. die Schleimhaut wird durch das Sekret der tuberkulösen Lunge, das beim Husten und Sprechen immer wieder den Kehlkopf passiert, infiziert. Die anatomischen Verhältnisse be- Tuberkulose. 731 dingen, daß die Tuberkelbazillen in dem faltigen und buchtigen Kehl- kopf, der zudem an Stelle des Flimmerepithels stellenweise mit ' Pflasterepithel ausgekleidet ist, leichter haften als an der glatten Wand der Luftröhre. 3 Nicht selten findet man auch eine tuberkulöse Erkrankung der Gaumentonsillen und der Rachenmandel. Verschiedene Autoren ver- treten die Anschauung, daß diese Gebilde infolge ihres buchtigen Baues und der lockeren Beschaffenheit des Iymphatischen Gewebes häufiger, als man früher glaubte, die Eintrittspforte des Tuberkelbazillus bilden, und daß namentlich bei der Halsdrüsentuberkulose dieser Infektionsweg - auch dann anzunehmen sei, wenn primäre Veränderungen im Rachen nicht gefunden werden. Die schon (S. 726) erwähnten Untersuchungen von Bandelier beweisen indes, daß die Tonsillen in der Regel wohl sekundär infiziert werden. 3 Vom Digestionstraktus aus kommt eine tuberkulöse Infektion -_ des Menschen sehr viel seltener zustande als vom Respirationstraktus aus. Mundhöhle und Ösophagus setzen durch ihr resistentes‘ Pflaster- epithel dem Eindringen der Bazillen einen erheblichen Widerstand entgegen, und auch die Magenschleimhaut ist infolge der stark sauren Reaktion ihres Sekretes in erheblichem Grade geschützt. Dagegen finden die Tuberkelbazillen, die mit infizierten Nahrungsmitteln, z. B. bei Säuglingen mit der Milch der an Brustdrüsentuberkulose erkrankten Mütter und Ammen, dem Körper einverleibt oder aber, was weit häufiger der Fall ist, mit tuberkulösem Sputum verschluckt, in großen Mengen in den Darm gelangen, in dessen Iympbatischen Apparaten eine Ansied- - lungsstätte. Es entwickeln sich entweder Darmgeschwüre, oder aber _ die Bazillen durchdringen die Darmwand, ohne in ihr nachweisbare Läsionen zu erzeugen, und rufen erst in den Mesenterialdrüsen krank- - hafte Erscheinungen hervor. Für den kindlichen Darm scheint letzteres die Regel zu sein, denn wir finden bei Kindern nur äußerst selten tuberkulöse Darmgeschwüre, häufiger dagegen eine isolierte Mesenterial- - drüsentuberkulose. Damit kommen wir auf die Entstehung der Drüsentuberkulose - überhaupt. Drüsentuberkulose ohne Beteiligung anderer Organe des - Körpers kommt dadurch zustande, daß die Tuberkelbazillen die Schleim- - häute — die Haut kommt hier weniger in Betracht —, ohne äußere - Erscheinungen an der Invasionspforte zu hinterlassen, durchdringen und - dann auf dem Lymphwege zu den regionären Drüsen oder aber durch das Blut von schon tuberkulös infizierten Drüsen in andere Drüsen- - gruppen weitertransportiert werden, wo sie sich ansiedeln. Es gehört - zum Zustandekommen der Drüsentuberkulose ein lockerer Bau der - Schleimhäute, der eine leichte Durchgängigkeit zur Folge hat. Die - Drüsentuberkulose ist deshalb hauptsächlich eine Krankheit des jugend- liehen Alters, weil eben hier die genannten Vorbedingungen für ihr - Zustandekommen in weit höherem Grade gegeben sind als beim Er- wachsenen. Wohlgemuth fand, daß unter 100 Fällen von Drüsentuber- -_ kulose 68:15 den 10 ersten Lebensjahren und weitere 20 dem zweiten _ Lebensdezennium angehörten. Am häufigsten sind die Bronchialdrüsen befallen, ein Beweis dafür, daß auch im Kindesalter die Tuberkulose “ meist durch Einatmung der Erreger entsteht. Die Erkrankung der Tuberkulose der Mandeln. Drüsen- tuberkutose. Haut- tuberkulose. Knochen- und. Gelenk- tuberkulose. 132 41. Vorlesung. Halsdrüsen wird in der Regel dadurch verursacht, daß Tuberkelbazillen von den Schleimhäuten der Mund- und Rachenhöhle aufgenommen werden. In vielen Fällen werden auch hier die Erreger mit der Atem- luft auf die Schleimhäute gebracht, doch kommen zweifellos auch durch infizierte Nahrungsmittel und durch infizierte Finger nicht selten In- fektionen zustande. J. Koch und Möller konnten auch im Tierversuch bei Kaninchen durch Fütterung isolierte Halsdrüsentuberkulose erzeugen. Daß man aber zur Erklärung der Genese in Fällen von Lymphdrüsen- tuberkulose mehr, wie dies bisher geschah, auch an den Blutweg denken muß, lehren die Untersuchungen v. Baumgartens, der nach In- jektion homogener Suspensionen von Tuberkelbazillen in die Karotis und Jugularis des Kaninchens sehr oft isolierte Drüseninfektionen auf- treten sah. Gafky und Rothe untersuchten. die Mesenterial- und Bronchialdrüsen von 400 Kinderleichen durch Verimpfung auf Tiere und stellten in 78 (= 19:5°/,) Fällen Tuberkulose fest. Nur bei 3 Fällen (= 3'85°/, der tuberkulösen und 0:75°/, aller untersuchten Fälle) fanden sie Tuberkelbazillen vom Typus bovinus. Diese Forschungs- ergebnisse liefern also eine Bestätigung der Ansicht von Robert Koch, daß die tuberkulöse Infektion auch im Kindesalter vorwiegend auf den Typus humanus zu- rückzuführen ist. Die Tuberkulose der Haut tritt entweder als flächenartig sich ausbreitende Erkrankung, Lupus, oder als zirkumskripte Granulations- geschwulst, Tuberculosis verrucosa cutis, oder schließlich in Form von Ulzerationen in Erscheinung. Der Lupus ist die häufigste dieser, Erkrankungsformen und in seinem Aussehen so bekannt, daß er hier nicht näher beschrieben zu werden braucht. Er wird sehr oft im Gesicht beobachtet und kommt wohl in der Regel dadurch zustande, daß Tuberkelbazillen durch Kratzen mit infizierten Fingern oder ähnliche Manipulationen in die Haut ein- gerieben werden. Die Annahme, daß er nur als lokale Äußerung einer an anderer Körperstelle bestehenden tuberkulösen Affektion, also als Metastase aufzufassen sei, hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Die Tuberculosis verrucosa cutis ist durch warzenähnliche Wucherungen charakterisiert, die sich nach Infektion oberflächlicher Hautverletzungen durch Tuberkelbazillen des Typus bovinus bilden. Sie kann als die typische Form bei Schlächtern, Tierärzten und solchen Leuten gelten, die mit dem Fleisch tuberkulöser Tiere zu tun hatten und sich dabei das Virus in Hautschrunden einimpften. Die tuberkulösen Ulzerationen sind selten und in ihrem Aussehen nicht besonders charakteristisch. Bei Anatomen, Präparatoren und Leichendienern, die sich bei der Obduktion tuberkulöser Leichen infiziert haben, finden sich nicht selten lokale warzenähnliche Knoten der Haut, sog. Leichen- tuberkel. Die Tuberkulose der Knochen und Gelenke entsteht durch Verschleppung der Erreger durch die Lymph- oder Blutbahn. Daß Traumen diese Erkrankungen zur Auslösung bringen können, ist be- kannt; es wird durch sie ein locus’minoris resistentiae geschaffen, an dem sich die beispielsweise von infizierten Lymphdrüsen aus in den Säftestrom übergetretenen Tuberkelbazillen ablagern und dann ihre. zer- störenden Wirkungen entfalten. Die Ergebnisse der Verimpfung von Material aus tuberkulösen Knochen und Gelenken auf Kaninchen Tuberkulose. | 1733 dafür, daß hier in einem wenn auch kleinen Prozentsatz der Fälle Tuberkelbazillen vom Typus bovinus die Erreger sind. Die Unter- ER bedürfen indessen noch der Erweiterung. In neuerer Zeit hat man besonders eifrig die Frage studiert, wie häufig Tuberkelbazillen in der Blutbahn zirkulieren. Daß dies stets der Fall ist, wenn tuberkulöse Lungenherde die Wand der arrodierten Blutgefäße durchbrechen, ist verständlich, und auch das Vorkommen einer plötzlich einsetzenden tuber- kulösen Meningitis, der Knochen- und Gelenktuberkulose ist ja ohne den Transport der Erreger durch das Blut nieht erklärbar. Während einige Autoren (Schnitter und Treupel, nn, Jessen und Rabinpwitsch u. a.) nur bei fortgeschrittener Lungen- tuberkulose häufiger die Erreger im Blute fanden, teilten Hilgermann und Lossen, Rosenberger, F. Klemperer, Liebermeister, Takaki u. m. a. mit, daß ihnen auch bei . ganz leichten Fällen, ja in den Anfangsstadien der Krankheit der Nachweis zahl- reicher Tuberkelbazillen im Blut auffallend oft geglückt sei. Später wurden gleiche Befunde vielfach auch bei Personen erhoben, die keinerlei Tuberkuloseerscheinungen boten. Diese Angaben und der Umstand, "daß auch säurefeste „Splitter“ in den Blutpräparaten nur auf Grund des mikroskopischen Befundes ohne weiteres als Tuberkelbazillen gedeutet wurden, mußten zur Skepsis mahnen. Nachprüfungen, die zuerst von Bacmeister und Ruben mit einwandfreier Methodik (Tierversuch) angestellt wurden, haben dann, wie zu erwarten war, auch ergeben, daß eine dau- ernde oder häufige Überschwemmung des Blutes mit Tuberkelbazillen von leichten oder initialen Krankheitsherden der Lunge oder anderer Körperorgane aus nicht anzunehmen ist. Daß gelegentlich auch aus solchen Herden vereinzelte Bazillen in das Blut übertreten können, kann wohl nicht bestritten werden. Die Tuberkulose des Urogenitalsystems läßt sich ihrer Ent- stehung nach nicht immer leicht erklären. Im allgemeinen kann man für die Fälle, bei denen die von außen zugänglichen Schleimhäute zuerst erkrankten, eine Infektion von außen annehmen, während die Tuberkulose der Nieren, der Hoden und Ovarien wohl stets auf dem ‘Wege der Blutbahn entsteht. Die primäre Infektion der äußeren Schleim- häute ist selten; sie kann durch den Geschlechtsverkehr oder durch ‘ Berührung mit infizierten Fingern (Onanie usw.) erfolgen. Die Blasen- tuberkulose entsteht vorwiegend sekundär im Anschluß an Nieren-, Nierenbecken- oder Ureterentuberkulose. Der Prozeß breitet sich ent- weder per continuitatem auf die Blase aus, oder die Schleimhaut der letzteren wird durch tuberkelbazillenhaltigen Urin infiziert. Im Sediment ‚des Harnes sieht man die Tuberkelbazillen zu kleineren oder größeren - Haufen, sogenannten Zöpfen, angeordnet, aus deren Auftreten man auf größere Zerfallsherde schließen kann. Stellenweise liegen sie auch im Innern der Eiterzellen (Taf. 52, Fig. 4 u. 5). In der tuberkulösen Niere kann man durch Schnittpräparate ebenfalls lange Zöpfe von Tuberkel- - bazillen nachweisen (Taf. 53, Fig. 1). Die akute Miliartuberkulose kommt dadurch zustande, daß in- folge Durchbruches eines tuberkulösen Herdes in die Blutbahn eine große Menge von Tuberkelbazillen gleichzeitig über die Organe ausgestreut - wird und nun seine pathogenen Wirkungen ausübt. Über die näheren Bedingungen für die Entstehung eines solchen Zustandes haben uns die Untersuchungen von Weigert näheren Aufschluß gebracht. Der Ein- bruch der Tuberkelbazillen in die Blutbahn kann nach Jochmann auf verschiedene Weise erfolgen. Entweder wird inmitten einer käsig zer- fallenen Lymphdrüse oder einer käsigen Lungenpartie durch Arrosion der Venenwand eine Eingangspforte geschaffen, oder es kommt zur Erweichung und Ulzeration von tuberkulösen Herden der Gefäßwand (Intimatuberkeln), oder drittens der Einbruch in die Blutbahn erfolgt Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 48 Urogenital- tuberkulose. Aliliartuber- kulose. Bedeutung der Misch- .infektionen. 734 41. Vorlesung. indirekt vom tuberkulös erkrankten Ductus thoraeicus aus, indem die Bazillen in die Vena subclavia verschleppt werden. Die Gefäßtuberkel bilden viel häufiger als die direkte Gefäßwandarrosion die Ursache der Miliartuberkulose. Schmorl fand sie bei 97°/, der von ihm untersuchten Fälle. Sie entstehen in der Regel dadurch, daß im Blut kreisende Tuberkelbazillen an einer Stelle der Intima haften bleiben und zur Bildung eines Krankheitsherdes führen, der sich in der Gefäßwand mehr oder weniger zirkumskript abgrenzt und später nach der Erweichung große Mengen von Tuberkelbazillen in das Lumen der Gefäße entleert. Diese metastatisch entstehende Endangitis tuber- culosa (Benda) ist entschieden häufiger als die Periangitis tubereulosa, die von einem der Vene benachbarten Tuberkuloseherd aus die Gefäßwand von außen nach innen allmählich durchsetzt. Die Intimatuberkel des Ductus thoracicus sind darauf zurück- zuführen, daß tuberkelbazillenhaltige Lymphe, die aus verkästen Lymphdrüsen stammt, die Gefäßwand infiziert. Die Miliartuberkulose kann bei Menschen jeden Alters auftreten. Besonders häufig wird sie im Kindesalter und in diesem wieder meist bei Säuglingen beobachtet. Der Grund hierfür liegt in der geringeren allgemeinen Resistenz der Kinder gegen das Fortschreiten einer Tuber- kuloseinfektion, vielleicht auch in der Eigenart des kindlichen Lymph- gefäßsystems. Als Obduktionsbefunde werden bei den Leichen von Personen, die an akuter Miliartuberkulose gestorben sind, in den verschiedensten Organen äußerst zahlreiche miliare und submiliare Tuberkel festgestellt. Am reichlichsten sieht man sie in den Lungen, in großer Zahl aber fast stets auch in der Milz, -der Leber und den Nieren, im Knochenmark und der Schilddrüse, im Herzen, in den Meningen und in der Chorioidea. Die Knötchen sind je nach Alter und Ent- wicklungsstadium kaum sichtbar oder aber bis hirsekorn- oder stecknadelkopfgroß, zuerst grau und transparent, später, wenn Verkäsungsprozesse auftreten, mehr gelblich. Die Größe der Tuberkel schwankt auch bei gleichem Alter der Knötchen in den einzelnen Organen und kann sogar in demselben Organ, z. B. in der Lunge, verschieden sein. Bei schubweise erfolgender Einschwvemmung der Bazillen kann man neben älteren, größeren und oft schon verkästen Tuberkeln stets auch jüngere kleinere Knötchen nachweisen. Dort aber, wo sich neben vielen kleinen Miliartuberkeln auch zahlreiche große verkäste Herde in den Organen finden, handelt es sich nicht um eine akute Miliartuberkulose, sondern um eine chronische allgemeine Tuber- kulose mit frischer miliarer Aussaat, eine Form, wie man sie namentlich öfter bei kleinen Kindern findet (Jochmann). Die Entstehung, das Wachstum und der Zer- fall der Tuberkel wurde bereits (S. 713) besprochen. Von besonderer Bedeutung für den Verlauf der Tuberkulose ist das Zustandekommen einer Mischinfektion, die vor allem in Lungen- herden Platz greift. Wir finden in vorgeschrittenen Stadien im Sputum neben dem Tuberkelbazillus namentlich Eitererreger, Staphylokokken, Streptokokken, ferner nicht selten Tetragenuskokken, Pneumokokken, Diphtherie- und Pseudodiphtheriebazillen, Influenzabazillen usw. Daß diese Bakterien als Mischinfektionserreger aufzufassen sind, unterliegt keinem Zweifel; ihr Vorkommen im Sputumkern beweist, daß es sich nicht etwa um Verunreinigungen des Auswurfs aus den oberen Luftwegen handelt. Sie dringen sekundär ein und siedeln sich in dem durch die Wucherung der Tuberkelbazillen bereits geschädigten Gewebe an. Umgekehrt kann es natürlich auch vorkommen, daß Lungenteile, die durch andere Bakterien, z. B. durch den Influenzabazillus, entzünd- lich affiziert sind, sekundär durch den Tuberkelbazillus infiziert werden. Sobald ein tuberkulöser Prozeß durch Eitererreger sekundär beeinflußt wird, geht der Zerfall des Gewebes schneller vor sich, als bei rein tuberkulösen Prozessen. Es ist daher das Eintreten einer Mischinfektion durch prophylaktische Maßnahmen nach Möglichkeit zu verhüten. Tuberkulose. 135 Saprophytischen Bakterien, die sich im Kaverneninhalt vermehren (z.B. Tetragenus), ist weniger Bedeutung zuzumessen. - Die Tuberkulose des Kindesalters bietet in ihrer Entstehung, ihren Erscheinungen und ihrem Verlauf gegenüber der Tuberkulose der Erwachsenen auffällige und charakteristische Unterschiede, die in einer erhöhten Empfindlichkeit des kindlichen Organismus für die Infektion ihre Ursache haben oder, besser gesagt, im Fehlen der natürlichen Widerstandskräfte, die der Erwachsene dem eindringenden Virus ent- gegensetzen kaun. Die Widerstandslosigkeit der Kinder gegen den Tu- berkelbazillus kommt vor allem darin zum Ausdruck, daß 1. die Kinder auffallend leicht infiziert werden, daß es 2. leicht zur Ausbreitung des Virus durch den ganzen Körper kommt und daß 3. die Gewebe keine oder nur geringe Fähigkeit zur Lokalisierung oder zur Ausheilung der Krankheitsherde haben (Engel). Die Besonderheiten der kindlichen Tuber- kulose treten um so augenfälliger in Erscheinung, je jünger das Kind ist, und nähern sich vom schulpflichtigen Alter an in allmählich zunehmendem Maße dem Verhalten der Tuberkulose beim Erwachsenen. In nicht von Tuberkulose durchseuchten Ländern, z. B. in Afrika und Südamerika, neigt die "Tuberkulose bei den Eingeborenen fast stets, wie es bei der Kindertuberkulose in den durchseuchten Ländern so oft der Fall ist, zur Generalisierung. Die Tuberkelbazillen finden bei Kindern nicht wie beim Erwachsenen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ihre Ansiedlungsstätte in der Lunge, sondern in den Drüsen und außer diesen in den Knochen und Gelenken. Lungentuberkulosen, die, wie das bei älteren Personen die Regel ist, in der Lungenspitze ihren Sitz haben, werden nur bei älteren Kindern beobachtet. Wenn bei kleineren Kindern eine Lungentuberkulose festgestellt wird, ist diese regelmäßig eine Teilerscheinung einer weit im Körper, namentlich in den Drüsen, verbreiteten Tuberkuloseinfektion. Die Lungenerkrankung ist dann von den am Hilus gelegenen Bronchialdrüsen ' ausgegangen, deren Eiter unmittelbar das Lungengewebe und die Bronchien infiziert hat. Der schnell um sich greifende Prozeß lokalisiert sich mehr in den mittleren und unteren Teilen der Lunge. Bei der Obduktion findet man dann fast stets auch Tuberkuloseherde in anderen Körperorganen, namentlich im Gehirn und den Meningen, in Milz, Leber, Nieren und in verschiedenen Lymphdrüsen. Es zeigen sich also mancherlei Übereinstimmungen zwischen der !uberkulose derKinder— vor allem der Säuglinge, bei denen diese Verhältnisse am deutlichsten zu übersehen sind — und der experimentellen Infektion der für das Tuberkulose- virus hochempfänglichen Meerschweinchen. Beim Meerschweinchen sieht man eine isolierte Tuberkulose der Lungen — gleichgültig, auf welche Weise die Infektion vorgenommen wurde — nur dann auftreten, wenn das Tier vorher einer immunisierenden Vorbehandlung unterzogen wurde. Die Lunge, die bei Mensch und Tier überall der Tuberkuloseinfektion gegenüber einen locus minoris resistentiae darstellt, erkrankt dann trotz der Immunisierung als einziges Organ. Man kann — daraus den auch durch sonstige klinische Erfahrungen gestützten Schluß ziehen, - daß die isolierte Lungentuberkulose der Erwachsenen der Ausdruck einer relativen Festigkeit der übrigen Organe gegen die Ansiedlung der Tuberkelbazillen ist, und daß das Fehlen dieser Festigkeit die Ursache für die schnelle und weite Ausbreitung der Infektion im kindlichen Organismus darstellt. Spezifische Gewebsreaktionen auf das Tuberkulosevirus, wie sie beim Erwachsenen feststellbar sind, kommen im frühesten Kindesalter über- haupt nicht vor. Hier dringen die Erreger der Krankheit widerstandslos vor, ohne daß es zu Abkapselungsversuchen in den Krankheitsherden kommt, und der kindliche Organismus erliegt in diesen Fällen infolge allgemeiner Ausbreitung des Prozesses wohl ausnahmslos schnell der Infektion. Mit zunehmendem Alter aber übernehmen immer mehr die Drüsen die Rolle des den Fort- schritt der Infektion hindernden und den Krankheitsprozeß lokali- sierenden Abwehrsystems. Die eingedrungenen Tuberkelbazillen werden zur nächstgelegenen Lymphdrüsengruppe geleitet und, wenn es gut geht, hier völlig 48* Diagnose. Sputum- unter- suchung. 7136 41. Vorlesung. abgekapselt und unschädlich gemacht. Oder aber sie gehen von dieser zuerst be- fallenen Drüsengruppe auf dem Lymphwege weiter und infizieren noch weitere Drüsengruppen. Es handelt sich also hier einstweilen um eine auf das Lymphgefäß- system beschränkte Infektion, die bei Kindern jenseits des Säuglingsalters für den Beginn der Tuberkulose die Regel bildet. Daß dieses Filter, welches die Tuberkulose- erreger zurückhalten und somit für den übrigen Körper unschädlich machen soll, nicht in allen Fällen seine Aufgabe völlig erfüllt und bei schwerer Infektion schließlich versagt, ist bekannt, ändert aber nichts an der Natur und Bedeutung dieser Drüsenfunktion. Die Fähigkeit, die Infektion auf das Lymphsystem zu be- schränken, steigt zunächst allmählich mit dem Alter des Kindes und äußert sich in der Häufigkeit und Dauer der sog. „okkulten Drüsentuberkulose“. Man findet bei Kinderobduktionen, wie aus der nachstehenden Tabelle Hamburgers hervor- geht, mit zunehmendem Alter immer häufiger abgekapselte und inaktive Tuberkulose- herde in den Drüsen als Nebenbefund. Die Zahl der infizierten Drüsengruppen wird geringer und die Prozentzahl der letal endenden Tuberkulosen sinkt. im Alter von 7—12 | 2 | 3—4 | 5-6 7—10 lı-ı0 Es wurden festgestellt Monaten i Jahren Tuberkuloseinfek- tionen als Neben- befund auf 100 der nicht an Tu- berkulose gestor- benenKinder. . . 0 0 4°5 17 30 34 35 53 Latente Infektionen auf 100 der ge- samten Tuberku- || E lBsen as unSzE. 100 100 80 70 67 60 68 50 Ausgeheilte Tuber- kulosen auf 100 aller Tuberkulosen 0) 0) 0 0 7 10 17 53. Die Diagnose der Tuberkulose kann mit Sicherheit nur durch den Nachweis der Infektionserreger erbracht werden. Bei der Unter- suchung von Sputum im mikroskopischen Präparat kommt es darauf an, daß man auch wirklich Lungensputum ausstreicht. Man läßt am besten die Patienten ihr erstes Morgensputum in eine sterile Glas- schale entleeren und sucht sich aus diesem entweder die linsen- förmigen Bröckchen heraus, die das Kavernensputum charakterisieren, oder aber man wählt eitrige Partien, die man vor dem Ausstreichen durch Waschen in sterilem Wasser von ihren äußeren Schichten, die Beimengungen aus der Mund- und Rachenhöhle enthalten, befreit. Außer der speziellen Untersuchung auf Tuberkelbazillen soll man stets auch ein Präparat einfach mit verdünntem Fuchsin oder Methylenblau und nach Gram färben, um sich über Zahl und Art der Begleitbakterien zu orientieren. Wenn in der Mehrzahl der Fälle von offener Tuberkulose auch der Nachweis von Tuberkelbazillen bei sorgfältiger Untersuchung, die sich selbstverständlich nicht auf ein einziges Präparat beschränken darf, mikroskopisch in dem nach den ‘früher (S. 705) beschriebenen Methoden gefärbten Deckglaspräparate gelingen wird (Taf. 52, Fig. 3), Tuberkulose. 737 so gibt es doch auch Fälle, in denen die Tuberkelbazillen so spärlich nach außen entleert werden, daß besondere Untersuchungsverfahren zu = ihrem Nachweis herangezogen werden müssen. Dr Um eine Konzentrierung der Erreger zu erreichen, verwandelt man größere Mengen des meist zähschleimigen Sputums in eine dünne, gleichmäßige Flüssigkeit, aus der die Bazillen entweder absedimentiert oder auszentrifugiert werden. Nach Biederts Angaben soll man das Sputum mit geringen Meugen Natron- oder Kalilauge kochen. Spengler empfiehlt eine Vorverdauung des Auswurfs durch Pankreasferment. Nach Untersuchungen von Sorgo, Sachs-Müke und Peters gelingt die Konzentrierung der Tuberkelbazillen im Sputum besonders gut durch Anwendung von Wasserstoffsuperoxyd. 3 Noch zuverlässiger gelingt der Nachweis spärlicher Tuberkel- bazillen bei Anwendung von Antiformin, einem Gemisch von Liquor Natrii hypochlorosi und Alkalihydrat in bestimmtem Verhältnis. Dieses Mittel, das zuerst von Uhlenhuth für die Zwecke der Tuberkulosedia- gnostik empfohlen wurde, hat die Eigenschaft, alle möglichen organischen Substanzen, Schleim, Sputum, Kot, Haut, Haare, Wolle, selbst Chitin und Keratin, in kurzer Zeit aufzulösen; nur Wachs und wachsartige Substanzen werden so gut wie gar nicht von ihm beeinflußt. Darauf beruht für den Untersucher die Möglichkeit, die im Auswurf und sonsti- gen bakterienhaltigen Gemischen enthaltenen, von einer wachsartigen Hülle umgebenen Tuberkelbazillen oder anderen säurefesten Bakterien sich isoliert zugänglich zu machen. Das Sputum wird unter der Ein- wirkung des Antiformins homogenisiert; seine erhaltenen Formbestand- - teile können durch Zentrifugieren eingeengt werden, wenn die ange- wandten Verdünnungen so gewählt werden, daß das spezifische Gewicht ' der Flüssigkeit nicht größer-ist, als das..der; Bazillen. Bei Anwendung des Antiforminverfahrens ist besonders darauf zu achten, daß nicht nur das gebrauchte Gefäß, sondern auch das zur Herstellung der Lösun- gen dienende Wasser frei von säurefesten Stäbchen ist. In den Messinghähnen der Wasserleitungen trifft man nicht selten derartige Mikroorganismen an, die auch _ morphologisch dem Tuberkelbazillus oft völlig gleichen. Beitzke hat darauf hinge- wiesen, daß solches Leitungswasser, wenn es zur Verdünnung des Antiformins be- nutzt wird, leicht zu Trugschlüssen Veranlassung geben kann. Nach Schulte verfährt man folgendermaßen: Man fügt zu 10 ccm Sputum 20 ccm 50proz. Antiformin, schüttelt gut um und läßt die Mischung 10—30 Minuten stehen. In dieser Zeit ist, wenn man von Zeit zu Zeit nochmals umgeschüttelt hat, - eine hinreichende Homogenisierung erreicht. Nachdem man nun 30 cem Brennspiritus - zugefügt und abermals gut aufgeschüttelt hat, bringt man das Material in Zentri- - fugengläschen und zentrifugiert /),—1 Stunde. Der Bodensatz aus dem Gläschen wird dann auf Objektträger ausgestrichen, fixiert und in der üblichen Weise gefärbt. Hundeshagen verzichtet bei der Antiforminanreicherung auf den Alkoholzusatz, - um die Anhäufung ausgefällter Eiweißstoffe im Sediment zu vermeiden. Nach dem von ihm erprobten Verfahren wird das durch Antiformin homogenisierte Sputum mit - der gleichen bis doppelten Menge destillierten Wassers verdünnt und '/,—1 Stunde lang scharf zentrifugiert (2000 Touren pro Min.). Die überstehende Flüssigkeit wird restlos abgegossen, der Bodensatz mit der Öse sorgfältig gesammelt und in nicht zu dünner Schicht auf dem Objektträger auf einem engbegrenzten Raum verteilt, _ Das Präparat wird dann hoch über der Flamme getrocknet, fixiert und gefärbt. _ Wie Voigt angibt, gelingt es mit diesem Verfahren, noch in manchen Sputum- "proben, die bei der sonst üblichen Antiforminmethode als negativ bezeichnet worden ‘- wären, Tuberkelbazillen nachzuweisen. Vorteilhaft ist in vielen Fällen die Kombinierung des Antiforminverfahrens mit der Ligroinmethode. Lange und Nitsche hatten empfohlen, die zu unter- suchenden Sputa mit Kalilauge zu homogenisieren und dann mit Ligroin auszu- Anreiche- rungs- verfahren. Tuberkel- bazillen- nachteis in Füzes in Pleura- exsudaten 138 41. Vorlesung. schütteln. Durch kräftiges Schütteln läßt sich auf diese Weise eine dichte Emulsion herstellen, aus der das bei Erwärmung der Mischung sich bald wieder abscheidende Ligroin die Bakterien mit nach oben reißt, sodaß sie sich in der Grenzschicht an- sammeln. Das kombinierte Antiformin-Ligroinverfahren wird nach Schulte folgendermaßen ausgeführt: 1. Zu 10 ccm Sputum kommen 20 ccm 20proz. Antifor- min. Umschütteln. 2. Stehenlassen bis zur hinreichenden Homogenisierung, von Zeit zu Zeit umschütteln. 3. Zusatz von 20 ecm Wasser. Umschütteln. 4. Zusatz von 2 ccm Ligroin. Durchschütteln, bis dichte Emulsion entstanden. 5. Einstellen in ein Wasserbad von 60°, bis sich das Ligroin klar abgeschieden hat. 6. Vorsichtiger tropfenweiser Zusatz von etwa '/,—lecm Brennspiritus. 7. Unverzügliche Entnahme- beliebig vieler Ösen aus der Grenzschicht und Ausstreichen auf dem Objektträger. 8. Lufttrocken werden lassen, fixieren, färben. Sehr empfehlenswert ist auch die von Ellermann und Erlandsen angegebene sogenannte Doppelmethode, die allerdings komplizierter ist: 1. 1Volumen Spu- tum (10—15 ccm) wird in einem verkorkten Meßglas mit '/, Vol. O'6proz. Soda- lösung vermischt und die Mischung in einen 37°-Brutschrank gestellt. 2. Nach 24 Stunden wird der größte Teil der obenstehenden Flüssigkeit abgegossen und der Rest in einem graduierten Zentrifugenglas zentrifugiert. 3. Nach‘ Abgießen der Flüssigkeit werden zu 1 Vol. Bodensatz 4 Vol. 0'25proz. Natronlauge zugefügt. Nach sorgfältigem Umrühren läßt man aufkochen. 4. Daun wird abermals zentrifu- giert und der Bodensatz zu Präparaten verarbeitet. Die von Ditthorn und Schultz sowie von Schmitz und Brauer empfohlenen Anreicherungsverfahren, die mit Eisenchlorid bzw. Aluminiumsulfat arbeiten, haben gegenüber dem alten Antiforminverfahren keine besonderen Vorzüge (Friedland, Jötten). Tuberkelbazillen in Fäzes nachzuweisen ist meist recht schwer. Am besten sind die Aussichten, wenn man schleimige oder eitrige Bei- mengungen untersucht, die man als Gesehwürssekrete ansprechen kann. Wenn. .Diarrhöen bestehen, suche man zunächst durch Opiumdarrei- chung einen geformten, etwas harten Stuhl zu erzielen, weil sich an ° der Oberfläche harter Kotballen Abscheidungen von Darmgeschwüren am leichtesten auffinden lassen (Gotschlich und Schürmann). Sonst führt am ehesten das Antiforminverfahren zum Ziele (etwa 15proz. Mischung). Die Diagnose darf nur bei absolut typischen Befunden gestellt werden und ist eventuell durch den Tierversuch zu erhärten. Die Ver- impfung des Antiforminrückstandes aus Fäzes auf Tiere ist aber ebenso wie die Injektion von Sputum nur dann beweiskräftig, wenn man die Patienten vorher 2—3 Tage lang keine rohe Butter oder rohe Milch genießen läßt. ‘Sollen pleuritische Exsudate auf Tuberkelbazillen untersucht werden, so muß man durch Zentrifugieren zunächst ihre Formbestand- teile einzuengen suchen und aus dem Sediment Präparate herstellen. Bei stärkerem Eiweißgehalt ersetzt man die nach dem Zentrifugieren gewonnene klare Flüssigkeit durch Kochsalzlösung und zentrifugiert nach kräftigem Durchschütteln abermals. Gerinnung läßt sich durch Zu- gabe geringer Mengen von Natrium ceitricum oder Oxalsäure verhindern. v. Zebrowsky empfiehlt für diese Untersuchungen, das Exsudat in Mengen von 300—500 ccm in einem mit ebensoviel 1iproz. Fluor- natriumlösung gefüllten Potinschen Apparat aufzufangen, gut durchzu- schütteln und in einem Spitzglas sedimentieren zu lassen. Auch bei diesem Verfahren kann man noch die Einengung des Bodensatzes durch Zentrifugieren anschließen, ehe man Ausstrichpräparate zur Fär- bung herstellt. Der Bodensatz wird weiterhin durch Aussaat auf geeig- nete Nährböden und Verimpfung auf Tiere geprüft. Das Antiformin läßt sich auch hier mit großem Vorteil verwenden. Tuberkulose. 139 - Bei der Untersuchung von Drüsen und Organstircken auf Tuberkel- bazillen gibt das Kndieitninserhhären ebenfalls die besten Resultate. Drüsengewebe . wird, namentlich dann, wenn es durch Einschnitte besser zugänglich gemacht wird, bei Verwendung 25proz. Lösungen in 24 Stunden fast restlos aufgelöst, sodaß sich auch vereinzelte Tuberkelbazillen in dem zentrifugierten Bodensatz auffinden lassen. ‘— Für die Untersuchung der durch Lumbalpunktion gewonnenen Zerebro- spinalflüssigkeit ist es bei Verdacht auf tuberkulöse Meningitis nach den Untersuchungen von Langer und von Trembur empfehlenswert, das Punktat in inehreren sterilen Röhrchen aufzufangen. Den Inhalt des einen Röhrchens soll man gleich verarbeiten, indem man scharf zentrifugiert und das sich bildende Sedi- u Objektträger ausstreicht. Die Ausstriche müssen sehr intensiv mit Karbol- fu gefärbt werden. Man läßt die Farblösung auf dem Ausstrich mehrfach auf- kochen und dann noch längere Zeit stehen oder färbt nach dem Aufkochen 24 Stun- den lang bei 37° in mehrfach gewechselter Ziehlscher Lösung weiter. Danach gründ- liche Entfärbung (bis -*/, Stunde lang) in 3proz. Salzsäurealkohol und nach Wasser- spülung Nachfärbung mit Löflerschem Methylenblau. Die übrigen Röhrchen schmilzt man zu und bewahrt sie zwecks Anreicherung der Tuberkelbazillen vor der Unter- such längere Zeit (7”—14 Tage) im Brutschrank auf. In 7 Fällen, die Trembur Brett Ferm, Verfahren untersuchte, gelang der Nachweis der Tuberkelbazillen intra vitam jedesmal. Will man Tuberkelbazillen im zirkulierenden Blut feststellen, so ist von Stäubli und Sehnitter empfohlen worden, die Erythrozyten in 3proz. Essig- säure zur Auflösung zu bringen und dann das Antiforminverfahren anzuschließen. Es hat sich aber herausgestellt, daß die Untersuchung von Ausstrichpräparaten aus so behandeltem Blut sehr oft zu Trugschlüssen führen kann, die auch die früher (S. 733) erwähnten auffallend häufigen Bazillenbefunde bei ganz leichten Tuberkulose- fällen und auch bei ganz Unverdächtigen erklären. Es können hier säurefeste Gebilde zur Darstellung kommen, wahrscheinlich von Fibrin, Erythrozytenhüllen, Leuko- zytengranulis herrührend, die den Tuberkelbazillen täuschend ähnlich sind. Nur der mit aseptisch entnommenem Blut angestellte Tierversuch liefert hier einwand- freie Ergebnisse. £ - Selbstverständlich wird auch die Züchtung der Kochschen Bazillen aus Sputum und anderen bakterienhaltigen Gemischen schneller und ‚sicherer gelingen, wenn durch Antiformin die sonstigen Bakterien vorher vernichtet sind. E:- Die bakteriologische Differentialdiagnose, ob es sich bei einem Befunde säurefester Bazillen auch wirklich um Tuberkelbazillen handelt, kann oft nur durch. das Tierexperiment entschieden werden. Sie kommt ' in der Praxis besonders bei der Untersuchung von Urin in Betracht, in dem sehr häufig säurefeste Bakterien vorkommen. E- Meist handelt es sich dabei um die unter dem Namen „Smegmabazillen“ bekannten Bakterien, die auf der Schleimhaut in der Nähe der Harnröhrenmündung vegetieren und beim Marne an der Corona glandis, beim Weibe zwischen den Labia majora und minora fast regelmäßir anzutreffen sind. Sie unterscheiden sich allerdings von den Tuberkelbazillen häufig schon durch ihre Form, weiterhin meist -_ auch dadurch, daß sie auf Glyzerinagar wesentlich schneller wachsen und weniger - säurefest sind, doch kommt es vor, daß diese Unterscheidungsmerkmale im 3 Die Diagnose „Urogenitaltuberkulose“ läßt sich mikroskopisch - allenfalls in den wenigen Fällen stellen, in denen das eitrige Urin- ‘- sediment typische sogenannte „Zöpfe“ von Tuberkelbazillen (s. S. 733) - enthält, aber auch hier ist die subkutane Infektion von Meerschweinchen - mit dem Bodensatz des zentrifugierten Harnes die sicherste Methode der Diagnose. E- Es empfiehlt sich, stets mehrere Tiere zu impfen, teils subkutan in der Schenkelbeuge, teils intraperitoneal. Der Tod der Tiere tritt, wenn das injizierte Material Tuberkelbazillen enthielt, in der Regel nach 6—8 Wochen ein, doch kann - man eines der subkutan infizierten Tiere zur Beschleunigung der Diagnose schon © nach 3 Wochen, wenn Drüsenschwellungen vorhanden sind, töten oder nach im Blut. Differential- diagnose. 740 41. Vorlesung. A. Webers Vorschlag ihm in ‚Äthernarkose die geschwollene Drüse exstirpieren und diese dann auf tuberkulöse. Veränderungen untersuchen. Nach der Injektion selbst sehr großer Dosen von Smegmabazillen erkranken Meerschweinchen niemals. Weniger empfehlenswert ist das Verfahren von Bloch, nach der Infektion die regionären Lymphdrüsen zu quetschen, um deren Erkrankung zu beschleunigen. Es kommt hierdurch leicht zu Mischinfektionen, und es können, wie Dieterlen nachwies, unter diesen Bedingungen auch säurefeste Saprophyten eine Drüsenerkrankung her- vorrufen und somit zu diagnostischen Irrtümern Veranlassung geben. Nach Schürmanns Feststellungen kann man bei den infizierten Tieren schon vom 10. Tage ab, wenn noch keinerlei Drüsenschwellungen nachweisbar sind, mit Hilfe der intrakutanen Tuberkulinimpfung feststellen, ob das injizierte Material Tuberkelbazillen enthielt. Die Tiere zeigen in diesen Fällen eine deut- liche Reaktion. Auch für die Untersuchung von exstirpierten Drüsen- und sonstigen Gewebs- 'stückehen, ferner für die Untersuchung tuberkuloseverdächtiger Körperflüssigkeiten, Unter- suchung von Müch und Butter. Übertragung . der Tuber- kulose. z.B. Pleuraexsudat, ist stets das Tierexperiment heranzuziehen, ebenso für die Prüfung, ob im Staub eines Zimmers usw. Tuberkelbazillen vorhanden sind. Wenn man ein Material verimpft, das man von vornherein als stark bakterienhaltig an- sehen muß, empfiehlt es sich, vorher das Antiforminverfahren anzuwenden und eine größere- Anzahl von Meerschweinchen subkutan zu infizieren, damit nicht möglicherweise alle Versuchstiere infolge von Infektion mit Streptokokken, Staphylo- kokken oder an malignem Ödem zugrunde gehen. j Die Untersuchung von Milch auf Tuberkelbazillen geschieht am zweckmäßigsten derart, daß man zunächst größere Mengen scharf zentrifugiert und dann Bodensatz und Fettschicht mikroskopisch und durch intraperitoneale Verimpfung auf Meerschweinchen untersucht. Ebenso verfährt man mit Butter, die vorher verflüssigt wurde. Auch in Milch und Butter kommen säurefeste Bakterien vor, die den Tuberkel- bazillen nicht nur in morphologischer und biologischer Hinsicht, sondern bis zu einem gewissen Grade ‚auch in ihren Wirkungen im Tierkörper ähnlich sind und deswegen „Pseudotuberkelbazillen“ genannt werden (s. 8. 721). Bei Pseudotuberkulose findet man bei den intraperitoneal geimpften Meerschweinchen zahlreiche Nekroseherde in Milz und Leber (Taf. 54, Fig. 2«. 3) und außerdem-Knötchen auf dem Peritoneum sowie Verkäsung der retroperitonealen Lymphdrüsen und der Mesenterialdrüsen. Aber es fehlen die für Tuberkulose so charakteristische starke Vergrößerung der Milz und Leber und die glashellen Knötchen in der Lunge und den.übrigen Organen. Erst die genauere histologische Untersuchung ermöglicht in diesen Fällen häufig ein endgültiges Urteil. Die Übertragung der Tuberkulose erfolgt, wie schon erwähnt, am häufigsten dadurch, daß die Erreger eingeatmet werden. Wie kommen nun aber die Tuberkelbazillen in die eingeatmete Luft? Sind sie in der Außenwelt so weit verbreitet, daß man mit einent ubiquitären Vor- kommen rechnen muß, und sind sie außerhalb des tierischen Organismus einer Vermehrung fähig? Die Antwort auf diese Fragen lautet auch hier, wie bei den bisher beschriebenen Infektionskrankheiten: in erster Linie ist der kranke Mensch die Ursache der Verbreitung der für den Menschen gefährlichen Krankheitserreger. Das Sputum der an Lungentuberkulose Leidenden ist die Hauptquelle der Neu- infektionen. Ihm gegenüber treten die Dejekte von Personen, die an Darmtuberkulose leiden, der Eiter tuberkulöser Geschwüre und Knochen- prozesse und tuberkelbazillenhaltiger Harn als Infektionsquellen völlig in den Hintergrund, wenn auch diese Krankheitsprodukte natürlich gelegentlich einmal Tuberkelbazillen übertragen können. BE a a a an m aa en nn a en nann nn 1a A, a ah un au nn 1 are hu Alan Un TE VER ET TEPIOHGU ei 5 u Z u 5b Sl ee Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 52. or 1. Kaltblütertuberkelbazillen. Schnitt durch Tuberkel. (Schwache Vergr.) — 2. Kaltblütertul durch Tuberkel. (Starke Vergr.) — 3. Ausstricbpräparat aus Sputum mit zahlreichen Tuberke lbazillen. azillen. Färbung Schnitt nach Ziehl-Neeisen. — 4. Tuberkelbazillen im Harn bei Nierentuberkulose. — 5. Tuberkelbazillen, eingeschlossen ach in Leuko- und Lymphozyten. Urinsediment bei Blasentuberkulose. Spontan-Phagozytose. Nach Löwenstein. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 53. itt durch tuberkulöse Niere. Tuberkelbazillen in Sehnitt durch Gefäßwand mit zahlreichen Tubekel- ‘Form sog. Zöpfe angeordnet. Nach R. Koch. bazilleı. Färbung mit alkal. Methylenblau.r Nach R. Koch. itt durch einen Tuberkel. Rundzelle mit Sehnitt durch die Wand einer kleinen Arterie mit sehr elbazillen und Pigment. Nach R. Koch. e zahlreichen Tuberkelbazillen (blau) bei schwacher Ver- größerung. Nach A. Koch. > - Verlag von Urbau & Schwarzenberg, Berlin und Wien. | 1 ' Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 54. a nn I SE I a 2 NE EN u Eu jun Eungentuberkulose des Meerschweinchens nach Pseudo-Tuberkulose der Leber und Milz beim Inhalation von Tuberkelbazillen-Reinkultur. Meerschweinchen im Beginn der Erkrankung. i * | Fig. 3. Pseudo-Tuberkulose der Leber und Milz beim Meerschweinchen in vorgeschrittenem Stadium. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Tuberkulose. | 741 ” Der RER der Phthisiker enthält bekanntlich in den vorgeschritteneren Stadien des Leidens enorme Mengen von Tuberkelbazillen, und die Beseitigung des ten Sekretes wird, wie man sich leider so oft überzeugen kann, im all- h ı in wenig vorsichtiger Weise bewerkstelligt. Es wurde bereits darauf > hingewiesen, daß dem Tuberkuloseerreger, weun er auch keine Dauerformen bildet, ‚eine auffallend hohe Widerstandsfähigkeit gegen äußere Schädlichkeiten zukommt: er wird sich also, wenn er mit dem Sputum in der Außenwelt verbreitet wurde, "längere Zeit in infektionstüchtigem Zustande halten können. Diese Annahme besteht in der Tat zu Recht, wie. besonders die Versuche von Cornet gezeigt haben. Der ' Tuberkelbazillus findet sich überall dort, wo er mit dem Auswurf des Kranken hin- _ gelangt, und man kann ihn leicht durch den Tierversuch im Staube der Wohnungen 2 weisen, in denen Tubeıkulöse mit der Beseitigung ihres Lungensekretes nicht vorsichtig zu Werke gingen. Ubiquitär kann man ‘aber den Tuberkelbazillus des- n doch nicht nennen, denn er kann sich in der Außenwelt nicht vermehren, = auch die Resistenz der verstreuten Bakterien gegen Licht und Austrocknung hat ihre Grenzen. Im Straßenstaub findet man selbst in belebten Teilen der Städte nur selten Tuberkelbazillen und an Orten, wo keine tuberkulösen Menschen ver- kehrten, überhaupt nicht. Aus dem infektiösen Sputum können die Tuberkelbazillen in _ frischem Zustande auf die Haut- oder Schleimhautoberfläche gesunder Menschen gelangen und auf diese Weise zu Kontaktinfektionen _ führen. Hierher gehört namentlich die sog. „Schmutz- und Schmier- infektion“ des Kindesalters, auf die zuerst Volland hingewiesen hat und die heute von den meisten Tuberkuloseforschern als be- _ deutungsvoll angesehen wird. Die kleinen Kinder, die auf dem Fußboden herumkriechen, haben nicht nur in den Wohnungen von Phthisikern, sondern auch an anderen unsauberen Orten oft Gelegenheit, Tuberkel- - bazillen aufzunehmen und mit den Fingern in den Mund zu bringen. » Von Dieudonne, Ostermann u.a. sind bei Kindern in unhygienischem Natıe sehr häufig Tuberkelbazillen an den Händen nachgewiesen worden. Natürlich kann eine Kontaktübertragung durch feuchten Auswurf ge- legentlich auch bei Erwachsenen Infektionen herbeiführen. Die Infektion des Menschen kann ferner dadurch erfolgen, daß tuberkelbazillenhaltiger Staub eingeatmet wird — sog. Stäubehen- Infektion. Die Tuberkuloseerreger werden nur dann durch die Auf- ' wirbelung von Staub aus dem auf dem Fußboden deponierten Sputum in die Luft überführt, wenn dieses getrocknet und verstäubungsfähig ist. Solange die Masse des Auswurfs feucht ist, können selbst die stärksten - — Luftströmungen die Bazillen nicht von ihm losreißen. Der Straßenstaub ist im Gegensatz zum Staub der Wohnungen deshalb viel weniger ge- fährlich, weil hier einerseits Regen und sonstige atmosphärische Feuch- tigkeit: die schnelle Austrocknung der verspritzten Sputa verhindert und andrerseits das Licht, namentlich das direkte Sonnenlicht, seine ab- - tötende Wirkung leichter entfalten kann. Der. Infektionsstoff wird ‘ außerdem von Zeit zu Zeit durch die Niederschläge von den Straßen weggeschwemmt. Daneben ist die Verdünnung des Virus durch die keine größere Tuberkulosesterblichkeit als andere Arbeiterklassen, son- dern eher eine geringere. In erster Linie kommt es also zur Staub- infektion in geschlossenen Wohn- und Arbeitsräumen. Besonders lehrreich ist in dieser Beziehung ein den natürlichen Verhältnissen möglichst genau nachgebildeter- Versuch Cornets. Dieser ließ in einem Zimmer einen Teppich, der wenige Tage zuvor mit tuberkulösem Sputum bespuckt war, mit einem scharfen Besen so abfegen, daß reichlich Staub aus ihm aufgewirbelt wurde. - In diesem Zimmer waren in verschiedener Höhe Käfige mit Meerschweinchen auf- reichliche Luftmenge sehr groß. Die Straßenkehrer großer Städte zeigen Kontakt- infektion. Stäubchen- infektion. Tröpfchen- infektion. 1742 © 41. Vorlesung. gestellt. Von 48 Tieren, welche die staubige Luft einatmen mußten, wurden 47 tu- berkulös! Zur Aufwirbelung von Staub in den Wohnungen kommt es nicht nur durch Luftströme und durch besondere Maßnahmen, z. B. durch trockenes Ausfegen, son- dern auch durch schnelles und häufiges Gehen, durch das Schleppen der Frauen- kleider usw. Daß auch der Umgang mit Wäsche, in erster Linie mit Taschentüchern, in denen tuberkulöses Sputum angetrocknet ist, eine Verstäubung von Tuberkel- bazillen stattfinden kann, ist einleuchtend. Der tuberkelbazillenhaltige Staub wird vor allem dadurch gefährlich, daß er eingeatmet wird. Theoretisch wäre es denkbar, daß er unter besonderen Umständen auch zur Infektion von Nahrungs- und Genuß- mitteln Veranlassung geben und mit diesen in den Magendarmkanal aufgenommen werden kann; die Entstehung einer Tuberkulose des Intestinaltraktes auf diese Art dürfte aber praktisch-so gut wie ausgeschlossen sein. . Eine vielleicht noch größere Bedeutung als der Stäubcheninfektion kommt der sogenannten Tröpfeheninfektion zu, mit deren Wesen uns namentlich ©. Flügge bekannt gemacht hat. Durch zahlreiche und sorgfältige Versuche dieses Autors und seiner Schüler ist bewiesen worden, daß der Mensch beim Husten, Niesen und selbst bei lautem Sprechen mit feinsten Sekrettröpfchen auch pathogene, in der Mund- und Rachenhöhle vorhandene Bakterien in die Luft seiner Umgebung verstäubt, die auf andere Menschen, welche diese Luft einatmen, über- tragen werden können. Diese infektiösen Tröpfchen sind flugfähig, sie können sich in ruhiger Luft längere Zeit schwebend erhalten und durch Luftströme weiter getragen werden. Es bietet somit der Phthisiker für Personen, die in seiner Nähe leben, in erster Linie also Angehörige und Pfleger, auch eine direkte Gefahr. Die Tröpfchen kommen natür- lich nur in der nächsten Umgebung des Kranken als Infektionsquellen in Betracht. Man hat durch Versuche mit Prodigiosus-Aufschwemmungen festgestellt, daß sich dieser Tröpfchennebel in stärkerer Konzentration nur etwa ] m nach vorn von dem Hustenden und in geringerer Ausdehnung auch nach den Seiten, nicht aber nach hinten erstreckt. Ziesche ließ Phthisiker; deren Sputum Tuberkelbazillen enthielt, '/, Stunde lang gegen Glasplatten husten, die in 40—80 cm Entfernung von dem Munde des Kranken aufgestellt waren. Er fand bei einmaliger Untersuchung, daß 30—40°/, der Patienten infektiöse Tröpfchen verspritzten, und nimmt auf Grund besonderer Berechnungen an, daß die Zahl der an den Tröpfchen haftenden Tuberkel- bazillen in 20°/, der Fälle über 400 bis zu 200000 betrug. Bei 80%, der Kranken wurden weniger oder gar keine Tuberkelbazillen auf den Platten gefunden. Wenn man nach den Versuchen von Gebhard, Preyss und Findel aunimmt, daß die Ein- atmungsluft mindestens 200-400, vielleicht sogar noch mehr Tuberkelbazillen ent- halten muß, um eine Infektion des Menschen hervorzurufen, ist der Tröpfehen- infektion besonders dann eine große Bedeutung beizumessen, wenn Personen dauernd mit einem Phthisiker zusammen sind, wenn sie den Bereich der direkten Husten- stöße nicht meiden, und wenn der Hustende die nötige Rücksicht auf seine Mit- menschen außer acht läßt. Hippke hat zur Ermittlung besonders gefährlicher Bazillenhuster empfohlen, die Kranken 3 Tage lang je 1 Stunde (besonders in den Morgenstunden) Objektträger behusten zu lassen, die ihnen in einem „Hustenrahmen“ auf 25—30 cm Entfernung vorgehalten werden. Die Objektträger sollen dann an die Untersuchungsstellen eingesandt und dort auf die Zahl der in den niedergeschlagenen Bronchialtröpfehen enthaltenen Tuberkelbazillen untersucht werden. Flügge sieht in der Tröpfcheninfektion eine größere Gefahr, als in der Infektion durch verstäubtes Sputum, Seiner Ansicht haben sich viele namhafte Forscher angeschlossen, besonders deshalb, weil sie die vom hustenden Phthisiker verspritzten Bazillen für frischer und virulenter halten, als die oft schon längere Zeit im Staub deponierten und häufig abgeschwächten oder geschädigten Bazillen. Andere Autoren aber, unter ihnen auch H. Kossel, vertreten die Ansicht, daß in der Tuberkulose. 7143 Praxis die Stäubcheninfektion die weit häufigere sein müsse, weil flug- fähige Hustentröpfehen von Lungentuberkulösen bei ihrem engen Wir- xungsbereich nur verhältnismäßig selten, in der allernächsten Umge- bung der Kranken, die Infektion vermitteln könnten. Wie dem auch sei: möglich sind zweifellos beide Übertragungsarten. Wenden wir uns nun der Übertragung der Tuberkuloseer- Übertragung durch Nah- zeger durch Nahrungsmittel zu, so ist zunächst die Möglichkeit der In- rungsmitter. - fektion von Säuglingen durch die Milch tuberkulöser Mütter zu - besprechen. Daß diese Milch Tuberkelbazillen enthälten kann, ist oft und einwandfrei bewiesen worden, auch durch den Tierversuch. Aus neuerer Zeit sei nur auf die Untersuchungen Noeggeraths hingewiesen, der in 2 von 8 klinisch sicheren 'Tuberkulosefällen, ferner in 2 von 6 Fällen ver- steckter Tuberkulose und bei einer von 12 tuberkuloseverdächtigen Stillenden viru- _ lente Tuberkelbazillen in der Milch fand. Ob die Muttermilch als Infektionsquelle ‚eine größere oder geringere Rolle spielt, ist naturgemäß schwer zu entscheiden. Wenn man wohl auch Noeggerath darin zustimmen kann, daß diese Ansteckungs- art hinter allen anderen praktisch vollkommen zurücktritt, so darf man bei dem "Mängel eingehenderer Erfahrungen eine solche Übertragungsgefahr nicht völlig ab- leugnen. Deutsch stellte fest, daß Kinder, die von tuberkulösen Müttern gestillt - waren, in weit höherem Maße auf Tuberkulin reagieren, als Kinder, die bei ihren kranken Müttern lebten, aber künstlich ernährt wurden. Auch Tierversuche von Bartel und von Karlinski haben dargetan, daß bei Meerschweinchen, Kaninchen und Ziegen die Tuberkulose durch die Säugung auf die Jungen übertragen werden kann, auch wenn keine eigentliche Eutertuberkulose vorliegt. Auch die Milch tuberkulöser Kühe und ebenso Butter und Käse, die aus solcher Milch gewonnen sind, können unter Umständen zur Infektion des Menschen Veranlassung geben. Tuberkulose der Hals- und .Mesenterialdrüsen und der Knochen kann, darüber herrscht wohl kein Zweifel mehr, auf diese Weise hervorgerufen werden. Bei Intesti- _ naltuberkulose wird es sich meistens um Kinder handeln, deren Darm- _ epithel für die Erreger noch leichter durchlässig ist, während Erwach- sene, wie früher erwähnt, eine Darmtuberkulose sehr viel häufiger - dann erwerben, wenn ihre Lungen bereits der Sitz einer tuberkulösen Affektion sind und wenn sie ihr von Tuberkelbazillen wimmelndes Sputum gewohnheitsgemäß verschlucken. i Bi Im Allgemeinen brauchen wir, wie bereits (S. 719) erörtert, die tierischen - — Tuberkelbazillen für die Tuberkuloseinfektion des Menschen nicht besonders zu fürchten, zumal wir wissen, welche große Mengen von Tuberkelbazillen an die so empfänglichen Meerschweinchen verfüttert werden müssen, um sie zu infizieren. .Wir haben alle Veranlassung zu der Annahme, daß sich der erwachsene Mensch genüber den per os in den Darm gelangten Tuberkelbazillen ebenso verhält. Wenn - der Perlsuchtbazillusbeim Menschen regelmäßig eine fortschreitende Tuberkulose erzeugen würde, könnte die primäre Tuberkulose des Darmes und der Mesenterialdrüsen nicht eine so seltene Krankheit sein, denn Perlsuchtbäzillen nimmt der Mensch mit Milch oder Butter überaus häufig in sich auf. Bei systematischen Untersuchungen findet man Tuberkelbazillen in zahlreichen Milehproben, namentlich in soleben, die aus Sammelmolkereien oder aus größeren Betrieben stammen, in denen die Milch ver- _ schiedener Kühe gemischt wird. Eber fand in Leipzig Marktproben von Milch zu 10°%,, von Butter zu 12°/,, von Sahne und Quark zu 4°/, tuberkelbazillenhaltig. Die Ergebnisse aus anderen Großstädten lauten ähnlich. Es ist ja leicht erklärlich, daß hier, wenn auch nur eine der milehliefernden Kühe Eutertuberkulose hat, mit deren Milch die ganze Mischmilch infiziert wird. Kühe, die hochgradig tuberkulös sind, und besonders solche, die an Eutertuberkulose- leiden, scheiden Tuberkelbazillen in großer Menge aus, und ihre Milch ist für den Verkehr deshalb nicht zuzulassen. Auch die Milch von Tieren, die zwar noch keine ausgesprochenen Krankheits- - zeichen der Tuberkulose aufweisen, ‘aber auf Tuberkulin reagieren, ist nicht immer Bedeutung der Infek- tionsgelegen- heit. 744 41. Vorlesung. frei von Tuberkelbazillen und deshalb zu beanstanden. Es handelt sich in solchen Fällen meist um die Anfangsstadien der Eutertuberkulose, ‚die durch die klinische Untersuchung nicht zu erkennen sind. Das Fleisch von Rindern oder anderen Tieren, die an .genera- lisierter Tuberkulose litten, enthält unter Umständen ebenfalls Tuberkel- bazillen. Diese sind so resistent, daß sie sich lange halten, wenn die Fleischwaren in rohem oder, wie es bei Wurstwaren häufig der Fall ist, nur leicht geräuchertem Zustande genossen werden. Aber nach dem Fleischbeschaugesetz wird das Fleisch hochgradig tuberkulöser Tiere in ungekochtem Zustande für den Verkehr nicht freigegeben und scheidet daher als Infektionsquelle aus. Zudem ist selbst bei generali- sierter Tuberkulose das Fleisch, wie z. B. umfangreiche, von Wyss an Meerschweinchen angestellte Impfversuche bewiesen haben, nur dann infektionsfähig, wenn das Blut der kranken Tiere Tuberkelbazillen in größerer Menge enthielt. Die Gefahr der Tuberkuloseerkrankung für den Einzelnen und die Gesamtheit des Volkes wird durch die Häufigkeit und Größe der In- fektionsgelegenheit bedingt. Wie schon gesagt, kommt als Infektions- quelle vor allen Dingen der an Lungenschwindsucht leidende Mensch in Betracht. Die Statistik der Todesursachen zeigt, daß die Zahl der Phthi- siker sehr groß ist. Wird doch z. B. in Preußen etwa der zehnte Teil aller Todesfälle durch Schwindsucht bedingt! Man darf daraus aber nicht, wie einige Autoren es wollen, folgern, daß jeder Mensch gewissermaßen ständig in Infektionsgefahr ist. Die zuerst von Nägeli auf Grund um- fangreicher Leichenuntersuchungen aufgestellte Behauptung, daß der bei weitem größte Teil aller Erwachsenen Residuen alter tuberkulöser In- fektion aufweise, beweist nicht, daß der Tuberkelbazillus ubiquitär ist, sondern nur, daß die Tuberkulose unter den Menschen außerordentlich weit verbreitet ist. Wir sahen, daß die Gefahr der Einatmung des Tuberkuloserre- gers hauptsächlich in geschlossenen Räumen gegeben ist, wenn die Kranken mit ihrem Auswurf unvorsichtig umgehen. Der Kulturzustand und im besonderen die Wohnungsverhältnisse der Kranken sind für die Übertragung von ausschlaggebender Bedeutung. In den hellen, sauberen Wohnungen der Bessersituierten kommt es sehr viel seltener zu einer Verstreuung des Virus, weil hier in der Regel auch das Sputum in einer für die Umgebung unschädlichen Form beseitigt wird. In den Wohnungen der Armen dagegen, die eng und staubig, dem Licht und der Luft wenig zugänglich sind, in denen ferner der Kranke seinen Auswurf oft in unglaublich leichtsinniger Weise auf den Fußboden entleert, kommt es naturgemäß schon viel leichter zur Infektion der Mitbewohner. Es wohnen ja hier auch meist viel mehr Personen in einem Raume zusammen, als in den Häusern der Wohlhabenden, sodaß |häufig die Krankheitskeime auf mehrere Familienmitglieder gleichzeitig übertragen werden. Die Tuberkulose ist, wie auch die Epidemiologie zeigt, eine ausgesprochene Wohnungs- und Familienkrankheit. Daß die Art der Wohnungsreinigung für die Tuberkulöseverbreitung nicht gleichgültig ist, leuchtet ohne weiteres ein: trockenes Ausfegen wirbelt Staub auf, während feuchtes Aufwischen des Fußbodens eine Verstäubung des verspritzten infektiösen Sputums verhindert. Von der Familie erkranken unter diesen Verhält- nissen ebenso oft die Ehegatten der Kranken wie die Kinder. Es muß diese Er- fahrungstatsache besonders betont werden. a a] a Pl a en ET A ihn. Tuberkulose. : 745 Wir kommen damit zur Frage der Vererbung. Die „hereditäre As ng“ der Kranken hat schon seit langem in der "klinischen \namnese eine bedeutende Rolle gespielt und tut dies vielfach auch heute noch. Bis zu einem gewissen Grade ist die Frage, ob Eltern oder = Geschwister, womöglich noch Großeltern usw. der Untersuchten an - Tuberkulose leiden, ja berechtigt, aber die Hauptsache für die Erforschung der Krankheitsentstehung muß immer die Infektionsgelegenheit pl = ‚ nicht die Erblichkeit! Wenn Kinder einer tuberkulösen Mutter, die in 'stetiger engster Berührung, womöglich unter sehr unhygienischen Verhältnissen mit ihnen lebt, an Schwindsucht erkranken, so geschieht dies nicht, weil die Kinder die Tuberkulose ererbt haben, sondern weil sich fortdauernd die Gelegenheit bot, daß die Kinder das verstäubte oder verspritzte bazillenhaltige Sputum der Mutter einatmeten. Fr 'Cornet verdanken wir umfangreiche statistische Beweise für die im Gegensatz _ zur Vererbung weit wichtigere Bedeutung der Infektionsgelegenheit. Wenn Kinder tuberkulöser Eltern frühzeitig, bevor eine Infektion erfolgen kann, von diesen entfernt und in tuberkulosefreien Familien aufgezogen werden, bleiben sie gesund. Man hat dies vielfach, namentlich in Waisenhäusern, unumstößlich festgestellt. Kinder dagegen, die von gesunden Eltern und aus ganz tuberkulosefreien Familien E: - aber in Häusern aufgezogen werden, wo sie mit Sehwindsüchtigen in nahe _ und häufige Berührung kommen, erkranken sehr leicht an Tuberkulose. Es ist deshalb auch gar nicht selten, daß Personen aus der Umgebung eines Phthisikers E- erkranken, die in keinem Verwandtschaftsverhältnis zu ihm stehen, aber seinem Haushalte angehören: Dienstpersonal, Lehrlinge usw. Auch die häufigen Infektionen, _ die man beim Krankenpflegepersonal beobachtet, gehören hierher. Man muß aller- dings immer bedenken, daß die Infektionsgefahr nur dann groß ist, wenn der Kranke ein bazillenreiches Sputum entleert, was bekanntlich nicht in allen Stadien = der Krankheit gleichmäßig der Fall ist, und mit diesem unvorsichtig umgeht. E.: Es drängt sich die Frage auf, wie man sich die „Vererbung“ der - Tuberkulose vorstellen könnte? Da käme zunächst die germinative -— Übertragung des Virus in Frage. Durch den väterlichen Samen - könnte die Frucht schon tuberkulös werden. Man hat verschiedentlich - im Sperma von Phthisikern Tuberkelbazillen nachgewiesen; es handelte - sich hier aber immer um Männer, die entweder an Nebenhodentuber- kulose oder an Miliartuberkulose litten. Die Zahl der Bazillen ist auch in diesen Fällen so gering, daß meist nur der Tierversuch positive Resultate gibt. Es ist nicht anzunehmen, daß die Tuberkelbazillen, die doch niemals in das Innere der Spermatozoen vordringen, sondern stets frei in der Samenflüssigkeit gefunden werden, mit dem das Ei - befruchtenden Samenfaden in das letztere eindringen. Wenn dies wirklich der Fall wäre, würde sich das Ei zweifellos nicht entwickeln, - sondern zugrunde gehen wie alle Zellen, die von Tuberkelbazillen invadiert sind. Die Tierversuche haben jedenfalls, obwohl die Bedingungen mög- lhiehst günstig gestellt wurden, niemals eine einwandfreie Übertragung won Tuberkelbazillen in die Eizelle durch den väterlichen Samen er- kennen lassen. Vererbung der Tuberkulose. 3 = Anders steht es mit der Frage, ob Tuberkelbazillen von der Mutter auf plazentarem Wege auf den Fötus übergehen können. Diese Frage muß prinzipiell bejaht werden. Die Fälle kongenitaler Tuberkulose, bei der die primäre Lokalisation der Erreger in der Leber und den - Pfortaderdrüsen des Kindes ihren Sitz hat, sind jedoch äußerst selten _ und werden nur beobachtet, wenn die Mütter sich in den Endstadien - der Tuberkulose befanden oder an Miliartuberkulose litten. Ererbte Dis- position. Erworbene Disposition. 746 41. Vorlesung. Die in der Literatur beschriebenen Fälle zweifelloser kongenitaler Tuberkulose betreffen meist Föten von Müttern, die. während der Schwangerschaft der Tuber- kulose erlagen, oder Kinder, die nur wenige Tage oder Wochen lebensfähig waren. Ähnlich sind die Ergebnisse der Tierversuche: auch hier wurden positive Resultate bei Föten nur durch enorme Mengen von Tuberkelbazillen erzielt, die den ge- samten Organismus des Muttertieres geradezu überschwemmten. Wo aber die Kinder tuberkulöser Eltern nicht nur längere Zeit lebensfähig sind, sondern sogar viele Jahre hindurch an latenter Tuberkulose leiden sollen, ist auch die plazentare Übertragung der Erreger sicherlich nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Daß die Tuberkulose bei Kindern der ersten Lebensmonate und -jahre verhältnismäßig viel sel- tener Todesursache ist als in späteren Jahren, beweist ebenfalls, daß die extrauterine Infektion durch die tuberkulösen Anverwandten die entscheidende Rolle spielt. Wenn somit eine direkte Vererbung des Tuberkulosevirus von den Eltern auf das Kind praktisch nicht in Betracht kommt, so ist doch die Vererbung einer Disposition zur Tuberkulose nicht von der Hand zu weisen. Die Bedeutung dieser Dispositionsvererbung wird allerdings vielfach überschätzt. Sie dürfte weniger darin ihren Grund haben, daß den Tuberkelbazillen das Eindringen in den disponierten Organismus im Vergleich zum gesunden Körper erleichtert wird, als vielmehr darin, daß die Kinder von Tuberkulösen ganz im allgemeinen gegen Infektionen weniger widerstandsfähig sind. Auf die äußeren Kennzeichen der angeborenen „phthisischen Anlage“ ist nicht allzu viel zu geben. Die bekannten Zeichen des sogenannten „Habitus phthisieus“ —- schmale, flache Brust, Abstehen der Schulterblätter, tiefliegende Supra- und Infraklavikulargruben, blasse, zarte Haut — weisen bei weitem nicht alle an Phthise erkrankenden Nachkommen Tuberkulöser auf, und andrerseits kommen sie auch bei Personen zur Beobachtung, die weder aus tuberkulösen Familien stammen, noch selbst während eines langen Lebens an Tuberkulose erkranken. Neben der ererbten Disposition spielt zweifellos eine wichtigere Rolle die erworbene Disposition. Diese hängt vielfach mit der Be- schäftigung zusammen, und tatsächlich ist der Beruf, wie die Statistik zeigt, nicht ohne Einfluß auf die Tuberkulosemorbidität. Besonders gefährdet sind die Berufsarten, bei denen die Menschen zur Inhalation scharfen Staubes gezwungen sind, z. B. Steinarbeiter, oder bei denen das Handwerk eine gebückte Stellung erfordert, z. B. Schneider. In ersterem Falle schafft der Staub kleinste Verletzungen der Respirations- schleimhäute und erleichtert somit den mit ihm eindringenden Tuberkel- bazillen die Invasion, in letzterem Falle ist wohl die schlechte Venti- lierbarkeit der Lunge der Grund der häufigen Infektion. Daß hier, wie überall, die Infektionsgelegenheit erst das ausschlaggebende Moment ist, und daß nebenbei die unhygienischen Zustände der Werkstätten, schlechte Ernährung usw. die Ansteckung erleichtern, ist nach unseren früheren Darlegungen ohne weiteres verständlich. Auch Krankheitszustände schaffen vielfach für die Tuberkuloseinfektion eine Disposition. So wirkt die Zuckerharnruhr disponierend; Diabetiker gehen auf- fallend häufig nicht an ihrem Grundleiden, sondern an Tuberkulose zugrunde. Es ist damit aber noch nicht gesagt, daß die Tuberkulose hier immer ein sekundäres Leiden ist. Man muß annehmen, daß der abnorme Zustand des Stoffwechsels dem Tuberkuloseerreger sein Zerstörungswerk wesentlich erleichtert, und daß infolge- dessen auch Tuberkuloseherde, die bei einem Gesunden spontan ausheilen würden, beim Diabetiker zu einem fortschreitenden Prozeß werden, der nun rapide dem Leben ein Ende bereitet. Daß fernerhin Katarrhe der oberen Luftwege eine tuberkulöse Infektion vielfach erleichtern oder die Ausbreitung eines kleinen Herdes \ j Tuberkulose. 747 ‚ ist bekannt; es braucht in dieser Beziehung nur daran erinnert zu ' werden, daß die Lungentuberkulose häufig im Anschluß an Influenza, Masern, Keuchhusten usw. auftritt und manifest wird. Wenn wir die soeben kurz skizzierten Entstehungsursachen der menschlichen Tuberkulose noch einmal kurz zusammenfassen, so ist die erbliche Übertragung oder Tuberkuloseerreger als nicht erwiesen und die Ver- erbung einer besonderen Disposition als wenig bedeutungsvoll anzusehen. Das Hauptmoment bildet stets die Gelegenheit zur Infektion, und diese ist ' überall dort gegeben, wo der bazillenhaltige Auswurf eines Phthisikers, a verstäubt oder an feinsten Tröpfchen des Sekretes haftend, in den Re- tionstraktus des Gesunden eingeatmet wird. Betrachten wir nun e Tuberkulosehäufigkeit der einzelnen Lebensalter nach diesen Gesichtspunkten, so ergibt die Statistik, daß die Tuberkulosemortalität im Kindesalter zunächst relativ groß ist, solange das Kind die größte Zeit des Tages im Hause zubringt und daselbst der Infektionsgefahr ausgesetzt ist. Sobald das Kind mehr ins Freie kommt, also etwa vom 3. Jahre ab, sinkt die Sterblichkeitsziffer und steigt erst wieder an, wenn das Erwerbsleben seine mannigfachen Schädigungen der Gesund- heit zur Geltung kommen läßt und den Menschen wieder für den größten Teil des Tages an das Haus fesselt. Bis zum 60. Jahre etwa steigt die Mortalität andauernd, erst dann sinkt sie, weil die Berufsschädigungen nunmehr fortfallen, langsam ab. Beim weiblichen Geschlecht ist .das Sterblichkeitsverhältnis in den späteren Kinderjahren etwas höher, weil die Mädchen weniger ins Freie kommen als die Knaben. Im mittleren Lebensalter jedoch fallen die Berufsinfektionen bei den Frauen größten- teils fort, sodaß hier -die Mortalität geringer ist. Näheren Aufschluß ‚Sierüber gibt die nachstehende Tabelle Gottsteins: Von 10000 Lebenden der Altersklassen eis starben an Tuberkulose: männlich weiblich überhaupt a N ee a 2411 1911 2165 es Jahren 2 .:....2..0u... 1603 13-39 14:72 2 841 8:69 8:55 Be wagen. 5-97 6:02 6:00 ee 3-77 4-80 4:28 TEE 3:97 717 556 „15-0 , 1223 "15:37 13:79 a 19-55 19-92 19:74 a EN 19:26 2194 20:59 a een 19:21 20.23 19:72 Zee... 22-95 16:17 19-51 Bene... .... 28-42 16-00 21:89 u ee 29.64 19-27 23:93 a ee 1966 14:67 1684 Re 7.27 9-45 8-56 Zusammen . 1567 1458 1512 Eine natürliche Immunität gegen Tuberkulose gibt es beim Menschen nicht. Wir müssen annehmen, daß alle Rassen gleichmäßig “ für diese Krankheit empfänglich sind und dort, wo scheinbare Immunität Tuberkulose- häufigkeit der einzelnen Lebensalter. Tuberkulose- immunität. besteht, nur der Mangel an Infektionsgelegenheit diese vortäuscht. Dafür . Alttuber- kulin. 748 41. Vorlesung. sprechen epidemiologische Beobachtungen und Versuche an Tierarten, die für Tuberkulose ungefähr ebenso empfänglich sind, wie der Mensch. Meerschweinchen z. B. erkranken bei allen Infektionsarten (Inhalation, subkutane und kutane Impfung) zu 100°/, an Tuberkulose. Man ist deshalb auch wohl zu der Behauptung berechtigt, daß virulente Tuberkel- bazillen, wenn sie in genügender Anzahl in einen menschlichen Organis- mus eindringen und in ihm haften, stets eine Infektion herbeiführen. Allerdings ist der Verlauf der letzteren von der Resistenz des Be- troffenen, die durch individuelle Anlagen und den allgemeinen Gesund- heitszustand bedingt wird, abhängig. Alle seit der Entdeckung des Tuberkelbazillus und namentlich seit der Verfeinerung der klinischen und spezifischen Diagnostik der Tuberkulose durchgeführten Beobachtun- gen, die durch Obduktionsbefunde vielfach bestätigt sind, zeigen, daß da, wo natürliche Immunität gegen Tuberkulose zu bestehen scheint, eine Resistenz vorliegt, die auf einer latenten Infektion mit in Narben oder ins Gleichgewicht geratenen Prozessen noch lebenden Tuberkel- bazillen beruht. Man bezeichnet diese durch Schädigungen des Or- ganismus (Krankheiten anderer Art usw.) entfernbare, daher relative Resistenz auch als „Infektionsimmunität“ oder als kompensierten Infekt (s. 8.82). Darauf hat auch Römer die Tatsache zurückzuführen ver- sucht, daß die menschliche Lungenphthise im Verhältnis zu der Ver- breitung der Tuberkelbazillen in unserer Umgebung nicht häufiger zustandekomme; nur wenn durch ungünstige Umstände, durch besonders häufige und massive Infektionen die relative Immunität gebrochen wird, reicht diese Immunität nicht aus. Es entsteht dann ebenso wie bei den wenigen Personen, die nie in ihrem Leben mit dem Tuberkel- bazillus infiziert wurden, auf neue Infekte hin eine schnell fortschreitende Lungentuberkulose. Von manchen Klinikern wird die v. Pirquetsche Reaktion als Gradmesser dieser Immunität angesehen. Seit der Entdeckung des Tuberkelbazillus war man eifrig bemüht, auf künstlichem Wege eine aktive oder auch passive Immunisierung gegen Tuberkulose zu erreichen. Die ersten dahinzielenden Versuche wurden von Robert Koch bei Tieren, die schon mit Tuberkulose behaftet waren, angestellt. Koch hatte nämlich beobachtet, daß tuberkulöse Meer- schweinchen schon durch kleine, für gesunde Tiere völlig harmlose Mengen abgetöteter, verriebener und in Wasser aufgeschwemmter Tu- berkelbazillen getötet werden. Wenn die Dosis der injizierten Bakterien- masse noch weiter herabgesetzt ward, erwies sich diese Behandlung zunächst als lebensverlängernd. Bei Wiederholung der Injektionen kam es zuweilen sogar zur Heilung der bestehenden Tuberkuloseherde. Die injizierten Bazillen wurden nicht resorbiert, sondern blieben an der In- jektionsstelle liegen und gaben häufig zur Enstehung lokaler Eiterherde Veranlassung. Koch schloß aus diesen Ergebnissen, daß das heilende Prinzip eine lösliche Substanz sei, die aus den Tuberkelbazillenleibern durch die Körpersäfte ausgelaugt werde. Er nannte diese von den Tuberkelbazillen gelieferten Stoffe „Tuberkuline“. Das zuerst empfohlene Präparat, das sogenannte Alttuberkulin, enthält sämtliche in Wasser und Glyzerin löslichen Stoffe der Tuber- kulosekulturen und wird folgendermaßen hergestellt: Kulturen des Tuberkelbazillus (Typus humanus), die auf Glyzerinbouillon 6—8 Wochen lang bei einer konstanten Temperatur von 37°C üppig gewachsen sind, a Ft Bat Tuberkulose. 749 E werden zwecks Sterilisierung */, Stunde lang im strömenden Dampf erhitzt und dann bei 70° vorsichtig bis auf den 10. Teil ihres ursprünglichen Volumens eingedampft. Dann werden sie heiß durch keimdichte Porzellankerzen filtriert. Nach dem Erkalten wird das Filtrat mit 0°5°/, Phenol versetzt. Das Tuberkulin bleibt hierauf mehrere - Wochen an einem kühlen Orte stehen, wobei sich ein Bodensatz von indifferenten Substänzen abscheidet. Nach nochmaliger Filtration ist das Alttuberkulin gebrauchs- r und wird zur Abgabe in Fläschchen von l1ccem, 5ccm und 50 cem Inhalt ab- It. Wenn es, vor Licht geschützt, an einem kühlen Orte in sterilisierten, mit i eln versehenen Flaschen aufbewahrt wird, ist es längere Zeit haltbar. Die : Yardbanungen des Präparates werden mit 05 prozentiger Phenollösung hergestellt. Ihr Wert wird ebenso berechnet, wie wir es früher bei der Berechnung der "Serum- - verdünnungen kennen gelernt haben, d.h. 1 mg Tuberkulin entspricht l ccm einer - 1000fachen Verdünnung des Präparates. Das Neutuberkulin, auch kurz „T.R.“ genannt, wird aus den Nase Leibern der Tuberkelbazillen gewonnen. Bei der Herstellung des Neu- i _ tuberkulins ging Koch von der Absicht aus, dem Körper alle Bestand- teile der Tuberkelbazillen in resorbierbarer Form einzuverleiben und dadurch ebenso eine aktive Immunisierung zu erreichen, wie wir beispiels- _ weise die aktive Immunisierung gegen Typhus, Cholera usw. durch Injektion der abgetöteten Bakterienleiber anstreben. Als Index für den Fortschritt des Immunisierungsprozesses bei den mit T. R. Behandelten sah Koch die Agglutinationswerte an, die das Blutserum der Patienten gegenüber Tuberkelbazillen aufweist. Koch befreite die bei der Filtration der Glyzerinbouillonkulturen auf dem - Filter zurückbleibende Bakterienmasse zunächst oberflächlich zwischen Fließpapier von der ihr anhaftenden Flüssigkeit und trocknete sie dann scharf im Exsikkator. Durch sorgfältiges Zermahlen in Kugelmühlen zwischen Porzellankugeln entsteht schließlich ein weißes amorphes Pulver, das, im Ausstrichpräparat untersucht, keine formerhaltenen und typisch färbbaren Tuberkelbazillen mehr enthält und auch im Kulturversuch kein Wachstum ergibt. Dieses Pulver wird nun mit Wasser solange extrahiert, bis alle löslichen Produkte vollkommen ausgelaugt sind. Die hierbei ‘ erhaltene Lösung wird als „T. O.“ bezeichnet. Sein Hauptaugenmerk wandte Koch jedoch dem unlöslichen Rückstande zu, da er diesen für den Immunisierungsprozeß für äußerst wertvoll hielt. Es gelang ihm, durch abwechselndes Aufschwemmen in Wasser und darauffolgendes Zentrifugieren den unlöslichen Rückstand zu einer Reihe äußerst feiner Emulsionen zu verarbeiten, deren Gemisch er als Tuberkulin „T.R.“ bezeichnete. 1 ccm des Präparates enthält die wirksame, d. h. unlösliche Substanz von 10 mg Tuberkelbazillen, die, wie zahlreiche Versuche ergaben, dyurch- schnittlich 2 mg fester Substanz entspricht. Als Verdünnungsflüssigkeit dient 20proz. Glyzerinwasser. Die Originalflüssigkeit ist lange Zeit unverändert haltbar, Ver- dünnungen dagegen halten sich höchstens 14 Tage lang. Die Prüfung auf die- -Agglutinationsfähigkeit wird so vorgenommen, daß das Blutserum in fallenden Mengen zu einer mit Phenol-Kochsalzlösung hergestellten gleichmäßigen, durch Zentrifugieren von den unlöslichen Partikelehen befreiten - 10000fachen Verdünnung der zertrümmerten Tuberkelbazillen, wie sie zur T.R.- -* Bereitung verwendet werden, zugefügt wird. Man prüft Verdünnungen des Serums e200.1:10, 1:25, 1:50, 1: 75 und 1: 100, indem man zu 0°9 ccm der Testflüssigkeit O1 ccm des Serums, bzw. ” 10 n n 7 0:04 n ” ” n N: 10 n n n» 0% 02 „ ” 7 >] ” 15 n n n 002 „ n n 2 „ 20 „ Ay n 002 „ r ” - hinzufügt. Bei positivem Ausfall der Reaktion tritt spätestens nach 15—20 Stunden ' im Eisschrank eine deutliche Niederschlagsbildung ein. Wenn das untersuchte Serum - die Bazillenemulsion bis 1:100 noch agglutiniert, sind auch noch entsprechend höhere Verdünnungen zu prüfen. Agglutinationswerte von 1:50 und 1: 100 werden im Verlaufe der Behandlung mit Neutuberkulin sehr oft erreicht. Aber die Resultate erschienen noch nicht befriedigend und zwangen Fri Koch zu der Annahme, daß für die Erzeugung der Agglutinine den Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 49 Andere Tuberkuline. 750 ER 41. Vorlesung. löslichen, toxischen und infolgedessen reaktionserregenden Bestandteilen der Bazillen, die bei der Herstellung des T. R. sorgfältigst entfernt werden, eine wichtige Rolle zuzuschreiben sei. Er stellte deshalb ein neues Präparat her, das die gesamte Leibessubstanz der Tuberkelbazillen in einer zur Applikation. geeigneten Form enthält. Es ist dies die Tuberkelbazillen-Emulsion. Zur Gewinnung dieses Präparates werden 0’ y Serehe Tuberkelbazillen in einem Gemisch von 50 ccm Glyzerin und 50 ccm Wasser aufgeschwemmt und durch anhaltendes Schütteln zu einer feinen Emulsion verarbeitet, in’ der durch Zusatz von 1°, Phenol sämtliche Tuberkelbazillen abgetötet werden. In jedem Kubik- zentimeter des fertigen Präparates sind demnach 5 mg Bazillensubstanz enthalten. Als Verdünnungsflüssigkeit dient O'8proz. sterile Kochsalzlösung, der man, wenn die Verdünnung mehrere Tage verwendbar sein soll, 0'5°/, Karbolsäure zusetzt. In den letzten Jahren seines Lebens hat R. Koch ein „albumose- freies Tuberkulin“ hergestellt und erprobt. Es wird durch Züchtung der Tuberkelbazillen auf einem Nährboden gewonnen, der als einzige Stickstoffquelle Asparagin enthält; alle Zusätze von Albumosen und Pepton, von Extraktivstoffen aus Fleisch oder Blut wurden vermieden. Nach den Angaben von Möllers wird dieses Tuberkulin folgendermaßen ge- wonnen: Erlenmeyerkölbchen, die mit albumosefreiem flüssigem Nährsubstrat (S. 710) gefüllt sind, werden mit einer Reinkultur von humanen Tuberkelbazillen beimpft und etwa 2 Monate lang im Brutschrank bei 37° belassen. Nach dieser Zeit ist die Oberfläche der Kulturflüssigkeit mit einem dicken Rasen Reinkultur bewachsen, während gleichzeitig die Nährflüssigkeit auf etwa ein Viertel ihres Ursprungsvolumens verdunstet ist. Sobald die Verdunstung weit genug vorgeschritten ist, werden die Tuberkelbazillen durch mehrfache Filtration von der Kulturflüssigkeit getrennt. Diese letztere stellt, nachdem durch Zusatz und genügend lange Einwirkung von 0:5°/, Karbolsäure etwa noch vorhanden gewesene Tuberkelbazillen abgetötet sind, das zur Behandlung fertige albumosefreie Tuberkulinpräparat dar. Bei Verwendung dieses Präparates, das durch die Hoechster Farb- werke in den Handel gebracht wird, lassen sich durch Fernhalten der Fleischextraktivstoffe und des Peptons etwaige rein durch Albumose erzeugte Fieberbewegungen verhüten. Von weiteren Tuberkulinpräparaten, die in neuerer Zeit von verschiedenster Seite empfohlen wurden, die aber sicher erwiesene stärkere Heilwirkungen, als die Kochschen Tuberkuline nicht haben, seien hier kurz nur folgende erwähnt: Spengler empfahl ein „akuumtuberkulin“, das bei niedriger Temperatur im Vakuum eingeengt wird. — Im Jahre 1910 wurde durch Gordon ein von Eiweiß, Fett und Kohlehydraten befreites Alttuberkulin unter dem Namen „Endotin* warm empfohlen, weil sich bei seiner Anwendung Fieberreaktionen völlig vermeiden ließen. Wie Jochmann und Möllers feststellten, ist dieses Präparat überaus arm an spezifisch wirksamen Stoffen. Rosenbach stellt ein Tuberkulin aus Tuberkelbazillenkulturen her, die nach 6—8 Wochen mit Trichophyton holosericum album infiziert werden. Nach 10 bis. 12 Tagen sind die Kulturen von dem Myzel des Pilzes überzogen. Die Kulturmasse wird dann abgehoben, in Glyzerinkarbolsäurelösung zerrieben, filtriert und mit der ebenfalls filtrierten Flüssigkeit des Nährbodens vereinigt. Das Volumen des Ganzen wird auf das Zehnfache der Bakterienmenge (Tuberkelbazillen + Trichophyton) ein- geengt und mit 0'5°/, Karbolsäure versetzt. Der Trichophytonpilz soll die labilen giftigen Substanzen der Tuberkelbazillenkultur zerstören, die immunisierenden stabileren aber unverändert lassen. Das Mittel soll 100mal weniger giftig sein als. Alttuberkulin. Als Molliment (Prosperol, Tebesapin) werden Extrakte aus Tuberkel- bazillen hergestellt, die mit Ölseifenlösung behandelt werden, als Oxytuberkulin ein mit Wasserstoffsuperoxyd behandeltes Tuberkulin, als Eisentuberkulin ein mit Eisenoxychlorid versetztes Tuberkelbazillenpräparat. Um eine aktive Immunisierung des Körpers gegen das Gift der Tuberkel- bazillen zu erzielen, benutzte Buchner ein Präparat, das er durch Auspressen vom u lie ll na nn : Tuberkulose. DR 751 = Tuberkelbazillenkulturen unter hohem Druck gewann und Tuhsckulöglenn: Pi nannte. Es ist dies eine klare Flüssigkeit, die durch Kieselgurfilter keimfrei filtriert ‘ und dann durch Glyzerin- und Kochsalzzusatz konservierbar gemacht wird. Klebs wei ein durch Fällung mit Alkohol und Extraktion des Niederschlages durch ohol, Chloroform und Benzol gereinigtes Tuberkulin, das von ihm Tuberkulo- zidin genannt wird. In ähnlicher Weise stellte er noch ein anderes Präparat, Anti hthisin, aus filtrierten Kulturen her, das er in Verbindung mit dem 1 idin in Anwendung brachte. — Lundmanns Tuberkulol wird durch 4 ee ‚fraktionierte Extraktion entfetteter und zerkleinerter Tuberkelbazillen mit Kochsalz- 5" ana und Glyzerin gewonnen, die bei allmählich von 40° auf 100°C gesteigerter AR Temperatur vorgenommen wird. — Beranek hat durch Behandlung von Tuberkulose- kulturen mit Hilfe von Chemikalien eine Substanz ausgefällt, die auch Sahli u. m.a. als therapeutisch besonders wirksam hinstellen. Es liegen keine genauen Angaben vor, wie die Konstanz des Präparates gewährleistet und seine Wertbestimmung vor- genommen wird. Als „Partigene“ (Partialantigene) werden von ar und Much die durch a Einwirkung” von verdünnter Milchsäure, Äther und Alkohol ‚auf die Kulturen von - Tuberkelbazillen gewonnenen Stoffe bezeichnet. Durch diese chemischen Eingriffe - - wollen die Autoren drei Partialstoffe ungeschädigt erhalten haben: einen Eiweiß- E = en H, einen Lipoidstoff und ein Neutralfett (N). Die Behauptung, daß sich Injektion dieser Partialantigene mehr als mit den Kochschen Präparaten, En, = zwar eine „Vollimmunität“ gegen Tuberkulose erreichen lasse, wird in diesem Umfange nur von den Entdeckern der Partigene und vereinzelten Ärzten aufrecht erhalten. Wenn die Partigene therapeutisch oder prophylaktisch mehr als die 'Tuberkuline leisteten, so würde sich das vor allem experimentell bei tuberkulösen . Tieren nachweisen lassen, bei denen das Tuberkulin nur eine beschränkte Heil- wirkung ‚entfaltet. Auffallenderweise haben aber weder Much noch Deycke Tier- zur Stütze ihrer Behauptung angestellt oder überhaupt experimentell den Nachweis erbracht, daß ihre Partialantigene wirkliche Antigene sind, d.h. e Antikörper erzeugen können. Die Bildung von Antikörpern gegen Lipoide ist bisher noch nicht mit Sicherheit geglückt. Da, wo Lipoidantikörper - entstanden sein sollten, war der Nachweis, daß die als Antigene dienenden Lipoide völlig. einwandfrei waren, nicht erbracht. Wie Sahli mit Recht betont, sind die Partialantigene sehr willkürlich ausgesucht, und ihre Zahl ist wahrscheinlich alle viel größer, als sich Much und Deycke das träumen lassen. Es ist enfalls durch nichts bewiesen, daß durch die willkürlich - ausgewählten Anti- gene sich eine „Vollimmunität“ gegen Tuberkulose, die es gar nicht gibt, er- reichen läßt. 2 Die Wertbestimmung der Tuberkuline wurde nach Kochs ursprünglicher Vorschrift so ausgeführt, daß festgestellt wurde, ob O’5cem Tuberkulin ein ungefähr - 4 Wochen vorher subkutan mit Tuberkulose infiziertes Meerschweinchen innerhalb Wert- Bestimmung. 30 Stunden unter Erzeugung heftiger hämorrhagischer Entzündung in der Umgebung der tuberkulösen Herde tötet. Jetzt wird in der Weise vorgegangen, daß die genauen Vergleichswerte gegenüber einem Standardtuberkulin festgestellt werden. Eine größere Anzahl Meerschweinchen von gleichem Gewicht (350—400 g) wird gleich- — mäßig mit 0'ö mg einer frischen, in 05 cem physiologischer Kochsalzlösung homogen - aufgeschwemmten, 12—14tägigen Bouillonkultur subkutan infiziert. Sobald die Tiere tuberkulös geworden sind, was man an der in der Regel am Ende -der dritten Woche einsetzenden und dann fortschreitenden Gewichtsabnahme erkennen kann, prüft man zunächst in einem Vorversuch, ob 03—0°5cem Standardtuberkulin die Tiere akut tötet. Hat dieser Vorversuch ergeben, daß die Tiere reif sind, so werden im eigentlichen Prüfungsversuch zwei Parallelreihen zu je 6 Meerschweinchen angesetzt. Die Tiere der ersten Reihe erhalten subkutan steigende Dosen (0.05—0' 075-01— 0:15—0'2—03) des Standardtuberkulins, die Tiere der zweiten Reihe entsprechende Dosen des zu prüfenden Präparates. Zur genaueren Dosierung wird eine 10fache Verdünnung der Originalpräparate benutzt und dementsprechend 05—3°0 ccm injiziert. Der Titer liegt bei Verwendung reifer Tiere meist bei 071 bzw. 015. Der Tod der E: Tiere muß in den ersten 24 Stunden eintreten und der Sektionsbefund bei den ein- - gegangenen Tieren die für die Tuberkulinwirkung charakteristischen Veränderungen „ergeben. Bei vollwertigen Präparaten müssen zur Tötung der Meerschweinchen die gleichen Dosen genügen wie beim Standardtuberkulin. Auch die Komplement- ablenkungsmethode ist zur Bestimmung der spezifischen Substanzen der Tuberkulin- präparate mit Vorteil verwendbar. 49* Tuberkulin- diagnose. Subkutan- probe. 152 41. Vorlesung. Das Tuberkulin ist heute als diagnostisches Hilfsmittel für eine sichere und schnelle Erkennung der Tuberkulose allgemein an- erkannt. Es kann hier auf verschiedene Weise angewendet werden, subkutan, intrakutan, perkutan und in Form von Einträufelung auf die Konjunktiva. Bei subkutaner Injektion wird Tuberkulin von gesunden Men- schen in Dosen von 10 mg, oft sogar von 50—100 ng ohne besondere Krankheitserscheinungen vertragen. Bei Tuberkulösen dagegen tritt, wenn der Krankheitsprozeß auch noch so klein ist, schon bei Dosen von O'1l—1 mg, ja oft schon bei noch geringeren Mengen eine aus- gesprochene Reaktion ein, die sich in Temperatursteigerung, allge- meiner Abgeschlagenheit, ferner in Gliederschmerzen und lokaler Fig. 96. Monat April Datum \1\R|B| MI 1SI 1El ı7 | 1Bl 19 | 201 271 221 231 241 35126 a 36 nv I. Inj. IT. Inj. Positiver Ausfall der Tuberkulinprobe. Leichte Reaktion auf 00002 ccm nach der I. Injektion. Mittelstarke Reaktion nach Wiederholung der gleichen Tuberkulindosis. (Nach Bandelier und Röpke.) Reaktion an der Injektionsstelle bemerkbar macht. In den tuberkulösen Herden kommt-es zu einer akuten Entzündung der erkrankten Gewebe. Bei der Hauttuberkulose kann man die in Rötung und Schwellung bestehende lokale Reaktion deutlich beobachten, bei Lungenherden kann man Vermehrung der Rasselgeräusche, Zunahme der Dämpfung und Vermehrung des Auswurfes feststellen. Im Tierversuch läßt sich außerdem nachweisen, daß nach größeren Tuberkulingaben an den Erkrankungs- stellen eine Gewebsnekrose mit Tendenz zur Demarkation und Ab- stoßung des tuberkulösen Gewebes eintritt. Die Reaktion ist bei richtiger Wahl der Dosen durchaus spezifisch; selbst Lepröse reagieren z. B. erst auf erheblich größere Dosen als Tuberkulöse. Nach den von Bandelier und Röpke in ihrem „Lehrbuch der spezifischen Diagnostik und Therapie der Tuberkulose“ mitgeteilten Erfahrungen geht man am n Ra u A Zu Tuberkulose. 753 zweckmäßigsten folgendermaßen vor. Man überzeugt sich zunächst durch Mund- messungen, die mindestens 3 Tage lang 2—3stündlich durchzuführen sind, von dem - Gang der Normaltemperatur. Wenn diese 373°C nicht übersteigt — Kranke mit höheren Temperaturen sind erst durch Bettruhe ganz zu entfiebern —, beginnt man bei Erwachsenen in der Regel zunächst mit der Injektion von 02 mg Tuberkulin. Bei’ besonders schwächlichen Personen und bei Kindern wird man noch geringere - Anfangsdosen (*/„—'/,, mg) wählen, ebenso bei Lupuskranken, die meist sehr stark reagieren. Die Körpertemperatur wird 3stündlich und auch nachts gemessen, damit Er ‚die oft kurzdauernden Fieberattacken nicht übersehen werden. Wenn gar keine - Reaktion eintritt, steigt man auf 1 ng, 5 mg und bei kräftigen Leuten auch noch auf 10mg, immer in mindestens 48stündigen Zwischenräumen. Ist auf die erste Injektion ‘eine verdächtige, wenn auch geringe Temperatursteigerung erfolgt, so empfiehlt es ‘sich, die Dosis von 02 mg nochmals zu geben. Es tritt dann bei Tuberkulösen fast _ immer die so außerordentlich charakteristische kumulative Wirkung in Erscheinung. Den Verlauf einer solchen Reaktion illustriert Fig. 96. In anderen Fällen kommt es zu einer ausgesprochenen Reaktion aber erst bei einer mehrfachen Steigerung -- der Dosen (Fig. 97). Wenn auch die Dosis von 10 mg ohne Fiebererscheinungen "Fig: 97. T Juni Juli 22 1251| 2#= h 25 | 25 } 27 | 28 I zo | 30 1 F 3 4 5 : 7 4 ng ’ I 13 Di 0 = 3 x Fi Z - En 7 Dr An — ent va R' £ + m 36 3 Lynj. nj- Inj. Wlnj- Geringe Reaktion nach der II. Injektion und schwächere nach Wiederholung der gleichen Dosis. Starke Reaktion nach der IV. Injektion auf 0-005rcm. Diagnose: Tuberkulose der rechten Spitze. tuberkulöser Herd im linken Unter- lappen (Herdreaktion). (Nach Bandelier und Röpke.) vertragen wird, kann man als sicher annehmen, daß der Untersuchte frei von - tuberkulösen Herden ist (Fig. 98). Bei positivem Ausfall der Reaktion muß man allerdings immer bedenken, daß diese auch durch einen abgekapselten Herd bedingt sein kann, der für den momentan zu beurteilenden frischen Krankheitsprozeß ganz belanglos ist. Bei alten tuberkulösen Prozessen sind die Fiebersteigerungen oft nur gering. E Die große diagnostische Bedeutung des Tuberkulins, nament- - lieh für die Frühstadien der Tuberkulose, wird heute wohl kaum noch ‘bestritten. Wir wissen, daß die sachgemäß ausgeführte Tuberkulinprobe, wenn überhaupt, so nur in verschwindend wenigen Fällen versagt und daß sie andrerseits bei Leuten, die bei der Obduktion trotz genauester - Untersuchung keinerlei- tuberkulöse Affektionen zeigen, nur äußerst selten positiv ausfällt. Auch für die Diagnostik der Rindertuberkulose hat sich die Tuberkulinprobe als ein durchaus zuverlässiges Erkennungsmittel er- wiesen und wird infolgedessen überall angewendet. Die von verschie- denen Seiten aufgestellte Behauptung, daß bei Rindern ein aus Perl- 754 41. Vorlesung. suchtkulturen gewonnenes Tuberkulin bessere Resultate gebe als das aus menschlichen Tuberkelbazillen hergestellte, hat sich bei Nachprü- fungen, die Weber und Dieterlen anstellten, nicht bestätigt. Vielfach ist gegenüber der diagnostischen Tuberkulininjektion der Vorwurf erhoben worden, daß durch die von ihr hervorgerufene Reaktion eine Mobilisierung der in einem Lokalherd festsitzenden Tuberkelbazilien und somit eine Generalisierung der Erkrankung erfolgen könne. Die Behauptung von sogenannten Tuberkulin- schädigungen ist aber, wie z. B. von Möllers und Oehler durch exakte Blutunter- suchungen bewiesen wurde, gänzlich ungerechtfertigt. Bei den vielen Tausenden von Tuberkulinproben, die alljährlich bei Menschen bei Verdacht auf Tuberkulose der inneren Organe oder Knochen und Gelenke sowie bei Lupus und in noch größerem Umfange bei Rindern vorgenommen worden sind, haben sich niemals einwandfreie Beweise dafür erbringen lassen, daß schwere Schädigungen verursacht wurden. Neuaussaaten der Erreger von einem Lokalherd aus können ja bei jedem Tuber- #« Fig. 98. Honat November S Datum | 1# | 15| 16 ı7 | 181 | 201 21] 22| 23] 2#| 25] 261271281 Zempn. 4 un un ERpzun en — mu/ I. Inj. IT. Inj. IIT. Inj. IV. Inj. Leichter Temperaturanstieg nach der II. Injektion, kein Anstieg nach der III. und IV. Injektion, deshalb negativ. (Nach Bandelier und Röpke.) kulosefall auch ohne Tuberkulinanwendung gelegentlich vorkommen; es wäre also, wenn wirklich eine Disseminierung der Tuberkulose nach einer Tuberkulininjektion früher oder später erfolgen sollte, noch keineswegs gesagt, daß sie wirklich durch das Tuberkulin verursacht wurde. Auch Tuberkulinschädigungen durch Giftüberladung können bei diagnostischen Impfungen, wenn nur die richtigen Dosen gewählt werden, nicht vorkommen. Immerhin ist es angezeigt, bei gewissen ernsteren Krankheitszuständen 'Tuberkulineinspritzungen zu unterlassen. Löwenstein sieht als Kontraindikation an: Degenerationsprozesse des Herzens (Myokarditis, Debilitas cordis, Cor adiposum, inkompensierte Klappenfehler), Diabetes, Nephritiden. Nervenleiden bilden keinen Gegengrund für die Tuberkulinanwendung, ebensowenig Fieber an sich. Wenn Fieber besteht, soll man dieses, wie schon erwähnt, vor der Tuberkulinanwendung grund- sätzlich beseitigen. Man kann aber auch bei fieberhaften Zuständen durch das Hervorrufen einer Herdreaktion, wozu ja keine großen Dosen erforderlich sind, in vielen Fällen durch das Tuberkulin die Krankheitsursache aufklären. Wenn das Fieber von vornherein als durch Tuberkulose bedingt angesehen werden kann, wird man von der Tuberkulindiagnostik absehen, ebenso bei Lungenblutungen, die ja fast stets auf tuberkulöse Prozesse zurückzuführen sind. Bei Gravidität ist wegen der Abortusgefahr zum mindesten besondere Vorsicht angezeigt. Tuberkulose. 155 Daß die sachgemäß ausgeführte Tuberkulininjektion praktisch durchaus zu- verlässige Resultate ergibt, ist wiederholt durch einwandfreie Obduktionsergebnisse iesen worden. Es sei hier nur auf die Befunde Frances hingewiesen, der bei 55 Geistes ken die Tuberkulindiagnostik anwendete und unter den 45, die rea- iert hatten, in allen 29 Fällen, die zur Sektion kamen, Tuberkulose feststellen _ konnte. Unter den 10 Patienten, die nicht reagiert hatten, erwiesen sich 5, die zur ‘Obduktion kamen, sämtlich als tuberkulosefrei. ” = es Besondere Bedeutung kommt bei der subkutanen Anwendung des Tuberkulins der lokalen Herdreaktion zu. Diese kann bei Affektionen, die äußerlich wahr- ' _ nehmbar sind, z. B. bei Lupus, in deutlicher und unzweideutiger Weise als Schwellung und Rötung der erkrankten Partien festgestellt werden, die wenige Stunden nach der _ Injektion auftritt und schon von R. Koch eingehend beschrieben wurde. Über E tuberkulös erkrankten Lungenspitzen ist bei der Tuberkulinreaktion nach den Fest- stellungen von Romberg, Otten und Veiel u. a. in der Mehrzahl der Fälle eine Verstärkung der bestehenden Dämpfung nachweisbar oder aber das Auftreten einer 'Schallverkürzung, die vorher noch nicht diagnostiziert werden konnte. Diese Er- scheinungen, die offenbar auf einer stärkeren Blutfüllung der erkrankten Lungen- gebiete beruht, pflegt nach 12—36 Stunden wieder zu verschwinden. Die Auskultation - läßt Rasselgeräusche stärker und in größerer- Ausdehnung erkennen. Der Auswurf _ ist vermehrt und enthält während der Reaktion oft Tuberkelbazillen, die früher ‘trotz wiederholter Untersuchung nicht auffindbar waren. Tuberkulös erkrankte "Lymphdrüsen schwellen an und werden unter Umständen druckempfindlich. = Auch für die Erkennung der Tuberkulose der oberen Luftwege hat sich die nach Tuberkulininjektionen auftretende Herdreaktion als ausgezeichnetes diagno- - stisches Hilfsmittel erwiesen (B. Fraenkel), ebenso in der Dermatologie, bei der Feststellung der Urogenitaltuberkulose (Birnbaum u. a.), der Gelenktuberkulose und - in der Augenheilkunde. Bei tuberkuloseverdächtigen oder tuberkulösen Erkrankungen des Auges ist-besondere Vorsicht geboten. Die kutane Tuberkulinprobe wurde durch v. Pirquet emp- - Fohlen. Nach Einreibung einer Tuberkulinlösung in skarifizierte Haut- - stellen reagiert der mit Tuberkulose infizierte Organismus mit rascher Bildung einer entzündlichen Infiltration (Taf. 55, Fig. 1-3). Die Reak- tion bleibt lokal und beeinträchtigt den Gesamtorganismus nicht. Das spezifische Phänomen zeigt, wie die Sektionsbefunde bei zahlreichen - nach dieser Methode geprüften Kindern bewiesen, mit Sicherheit das - Vorhandensein tuberkulöser Veränderungen an. Ein negativer Ausfall - wird jedoch außer beim Fehlen tuberkulöser Erscheinungen fast regel- - mäßig in den letzten Lebenstagen tödlicher Tuberkulose beobachtet. - Bestehen nur kleine tuberkulöse Herde, so gibt manchmal erst die _ Wiederholung der Probe einen positiven Ausfall. Hamburger rät, bei - megativem Ausfall der Kutanprobe stets noch die Stichreaktion (s. u.) anzuschließen. E: Am zweckmäßigsten verwendet man für die Kutanimpfung nach den neueren N Angaben v. Pirquets unverdünntes Tuberkulin, es genügt aber auch eine 25proz., > ja nach den Versuchen von Junker, Petruschky u. a. schon eine 10proz. Lösung. Im allgemeinen kann man annehmen, daß der Grad der Reaktion von der Stärke - der Lösung abhängig ist (s. Taf. 55, Fig. 7). Man bringt auf die vorher mit Alkohol und Äther desinfizierte Haut des Unterarmes iu einem Abstand von etwa 8cm 2 Tropfen Tuberkulin und bohrt dann ‘Mitte zwischen den beiden Tropfen und danach in diesen selbst die Haut vorsichtig an, wobei Blutungen nicht entstehen sollen. Der Bobrer wird mit einem leichten - Druck auf die Haut aufgesetzt und dann rotiert. Nach etwa 5 Minuten ist das - — Tuberkulin genügend in die Hautwunde eingedrungen und die Tropfen können abgetrocknet werden. Die in der Mitte gelegene Wunde, die als Kontrollstelle dienen soll, darf mit Tuberkulin nicht in Berührung kommen, soll aber zum Zeichen, ‘daß die Bohrung richtig ausgeführt wurde, später eine leichte Schorf- bildung erkennen lassen. mit einem Impfbohrer, dessen Platiniridiumspitze ausgeglüht ist, zunächst in der- Kutanprobe, Perkutan- probe. Stich- reaktion. Intrakutan- reaktion. 756 41. Vorlesung. . Das Ergebnis der Kutanimpfung kann endgültig erst nach Ablauf von 48 Stunden festgestellt werden, wenn auch die Befunde, die man nach 24 Stunden erhebt, für die Beurteilung wertvoll sind und deshalb nicht unbeachtet bleiben sollen. Bei positivem Ausfall entsteht eine typische, durch Tasten als solche fühlbare Impfpapel auf stark gerötetem Grunde, während die mit Tuberkulin nicht in Be- rührung gebrachte Kontrollstelle nur die abgelaufene traumatische Reaktion erkennen läßt. Wenn die Stärke der Reaktion näher angegeben werden soll, die die Empfind-. lichkeit der geimpften Person gegen das Tuberkulin zum Ausdruck bringt, kann die Breite der Impfpapel gemessen werden. Die Einfachheit der Methode, ihre absolute Ungefährlichkeit und die Entbehrlichkeit der Temperaturmessungen empfiehlt sie be- sonders für den praktischen Arzt. Es hat den Anschein, als ob die aus verschiedenen Typen des Tuberkel- bazillus hergestellten Tuberkuline bei der kutanen Anwendung nicht ganz gleich- mäßig wirken. Moro hält die aus Kulturen des Typus bovinus gewonnenen Tuber- kuline zur Kutireaktion für besonders geignet; von mehreren Klinikern ist aber diese Angabe nicht bestätigt worden. Ein Nachteil der v. Pirquetschen kutanen Tuberkulinprobe gegenüber der Kochschen besteht darin, daß eine Feststellung des Krankheitsherdes mit ihrer Hilfe nicht möglich ist. Gerade bei chirur- gischer Tuberkulose und häufig auch bei inneren Erkrankungen ist aber die nach subkutaner Injektion von Tuberkulin eintretende Reaktion sehr wichtig und Zweck des Verfahrens. Die positive kutane Probe zeigt nur an, daß ein tuberkulöser Herd im Körper besteht, nicht aber, wo er sich befindet. Auch beim Vorhandensein latenter Herde, die, wie schon erwähnt, bei 80°, oder mehr aller Erwachsenen angetroffen werden, fällt die Reaktion positiv aus. Die kutane Anwendung des Tukerkulins wird also die subkutane nicht ersetzen können, vor allem nicht bei Erwachsenen; dagegen leistet sie zweifellos bei der frühzeitigen Erkennung und Abgrenzung der Tuberkulose des Kindesalters große Dienste. Die perkutane Tuberkulinprobe wurde als diagnostisches Hilfsmittel besonders von Moro und Doganoff empfohlen. Sie besteht in der Einreibung eines etwa erbsengroßen Stückes einer Tuberkulinsalbe (Tuberkulin und Lanolin anhydr. aa 5'0) in die vorher sorgfältig gereinigte Haut der Brust, des Bauches oder des Unterarmes. Nach 20 bis 30 Stunden tritt bei Tuberkulösen eine Reaktion auf, die sich in .der Bildung mehr oder weniger stark geröteter, oft juckender Knötchen auf geröteter Haut äußert. Bei besonders starkem Ausfall kann es auch zur Bläschen- bildung kommen. Nach spätestens 4—6 Tagen gehen die Erscheinungen zurück. Im allgemeinen ist die Perkutanreaktion ebenso zu beurteilen wie die v. Pirquetsche Kutanreaktion. Sie scheint aber weniger zuverlässig zu sein als diese. Als sehr feine und zuverlässige Reaktion ist in neuerer Zeit die sog. Stichreaktion erprobt und besonders von Hamburger für prak- tische Zwecke empfohlen worden. Wenn man ganz geringe Tuber- kulinmengen in die Haut bringt, entwickeln sich bei tuberkulösen Individuen an der Einstichstelle charakteristische Infiltrate. Man soll zunächst O’'lccm einer 1000fachen und, wenn eine Reaktion darauf nicht eintritt, nach 48 Stunden O’l1ccm einer 100fachen Tuberkulin- lösung injizieren. Die Messung des Infiltrates und die Beobachtung der Intensität der Entzündungserscheinungen geben über die verschiedenen Grade der Reaktion Auskunft. Bleibt auch nach der zweiten Einspritzung eine Reaktion aus, so kann Tuberkulose ausgeschlossen werden. Ähnlich ist die Intrakutanreaktion, bei der von einer 5000fachen Verdünnung 005 oder höchstens O'lccm: mit einer kurz geschliffenen Nadel nach Aufhebung einer Hautfalte — am besten an der 'Streckseite des Vorderarmes — parallel zur Hautfläche in die Haut eingespritzt werden. Nach etwa 8 Stunden tritt bei positivem Ausfall des Versuches eine Rötung und Schwellung der Stichstelle ein, die allmählich noch zunimmt und unter Umständen zur Blasenbildung führt. Vom dritten Tage an gehen die Erscheinungen wieder zurück. Diese Reaktion wurde besonders von Mantoux und von Monti empfohlen, Zope EN ae Sonia Sr der a ee aa ne ER a er Sr ah, nn TE EZ Tuberkulose. 1757 - dürfte aber für die Zwecke der Praxis vor der Kutanprobe keine be- sonderen Vorzüge haben. Ein weiteres Verfahren, die konjunktivale Tuberkulinprobe, weniger gut „Ophthalmoreaktion“ genannt, wurde im Prinzip zuerst von Wolff-Eisner angegeben, als diagnostisches Hilfsmittel aber beson- ders von Calmette in größerem Umfange angewandt. Wenn man einen 5 Tropfen einer iproz. Tuberkulinlösung auf die Conjunctiva palpe- - brarum des einen Auges träufelt, tritt auch hier nach 6—12 Stunden, unter Umständen auch schon früher, eine spezifische Reaktion ein, die bei vergleichsweiser Betrachtung beider ‚Augen sehr deutlich er- kennbar ist (Taf. 55, Fig. £). Es können hierbei 3 verschiedene Stadien _ unterschieden werden: 1. nur Rötung der Conjunctiva palpebrarum und der Karunkel, 2. das gleiche mit Beteiligung der Conjunctiva bulbi und 3. stärkere Grade mit Eintritt von Konjunktivitis, eventuell auch - Lidschwellung usw. Auch bei stärkerer Reaktion sind im allgemeinen die entzündlichen Erscheinungen nach 3—4 Tagen wieder geschwunden. Störungen des Allgemeinbefindens oder Fiebersteigerungen sind nicht zu erwarten. Um die reizende Wirkung des im gewöhnlichen Tuberkulin enthaltenen Glyzerins zu vermeiden, werden nach dem Vorschlage von _ Calmette die Eiweißstoffe des Tuberkulins durch 75proz. Alkohol aus- gefällt, getrocknet und dann in 1proz. Lösung angewendet. Diese Lösung ist, sterilisiert und in zugeschmolzenen Ampullen verwahrt, unter dem ‘Namen „Tuberkulintest“ im Handel erhältlich. Die ee unktivale Tuberkulinprobe ist Gegenstand sehr zahlreicher Nach- gewesen, die fast durchweg ihre diagnostische Brauchbarkeit anerkannten. Sie soll, wenn sie positiv ausfällt, die Feststellung der aktiven Tuberkulose er- möglichen, bei latenter Tuberkulose läßt sie meistens im Stieb. Ob und inwieweit sie prognostisch verwertbar ist, muß noch durch weitere Untersuchungen geklärt werden. Wolff-Eisner hat behauptet, daß ein Ausbleiben der Reaktion bei manifest Tuberkulösen als ein prognostisch ungünstiges Symptom zu betrachten sei, und auch - _ andere Autoren haben festgestellt, daß die Probe bei kachektischen Patienten mit vorgeschrittener Phthisis meist versagt. Nicht selten sind bei dieser Reaktion Entzündungen der Konjunktiva be- obachtet worden, die mehrere Tage anhielten und ziemlich hochgradig waren. Eine direkte Kontraindikation für diese Probe bildet eine tuberkulöse oder skrofulöse Erkrankung der Augen und ihrer Adnexe. Auch beim Verdacht einer solchen Er- krankung und in Fällen, wo in früherer Zeit das Auge in dieser Weise erkrankt war, verbietet sich die Tuberkulineinträufelung. Weiterhin muß man unter allen Um- ‘ ständen von ihr absehen, wenn am gleichen Auge früher schon einmal die Tuberkulin- - probe angestellt wurde, besonders dann, wenn sie positiv ausfiel. Die therapeutische Wirksamkeit des Tuberkulins ist seit den ersten klinischen Arbeiten von Robert Koch, die eine ebenso - enthusiastisch über das Ziel schießende Wertschätzung des Tuberkulins - wie eine unberechtigt ablehnende und jeden Heilerfolg leugnende Be- _ urteilung schon bald nach der Veröffentlichung von Kochs Entdeckung _ zur Folge hatten, in den letzten Dezennien aufs neue Gegenstand ein- gehender klinischer Erprobung und kritischer Würdigung gewesen. Viele _ namhafte Kliniker haben auf Grund von vieljährigen Beobachtungen - an Tausenden von Tuberkulösen die Behandlung mit dem Kochschen - Alttuberkulin oder anderen, im Prinzip aber stets die charakteristischen - biologischen Eigenschaften der Kochschen Präparate aufweisenden - Tuberkulinen, die wir erwähnt haben, als ein therapeutisch wertvolles - Verfahren nachgewiesen. Es ist jetzt eine gewisse Abklärung über die Konjunkti- talreaktion. Tuberkulin- therapie. 758 41. Vorlesung. | Grenzen der Tuberkulintherapie erzielt. Das zeigt das Studium der größeren Werke, die sich (wie z. B. das Handbuch von Bandelier und Röpke) eingehend und kritisch mit der Bedeutung des Tuberkulins für Diagnostik und Therapie beschäftigen. Das Tuberkulin entfaltet vor allem in den Initialstadien die besten Wirkungen. In diesem Punkte nähern sich die Ansichten der Autoren aus letzter Zeit wieder dem alten Standpunkte von Robert Koch, der mit Tuberkulin eine Immuni- . sierung der Kranken gegen das im Körper der Tuberkulösen erzeugte Gift bzw. das wichtigste krankmachende Agens der Tuberkelbazillen, das er mit dem Tuberkulin für identisch betrachtete, anstrebte und auch tatsächlich eine Tuberkulinunempfindlichkeit erzielte, die mit klinischer Heilung oder Besserung parallel ging. Auf die Methoden der Tuberkulintherapie und auf die Auswahl der Präparate, die verwandt wurden, haben die neueren Forschungen über Immunität und Anaphylaxie einen Einfluß ausgeübt. Obgleich wir über das Wesen der Tuberkulinwirkung auch jetzt noch nicht völlig im klaren sind, haben diese Arbeiten doch gewisse Anhaltspunkte für die Beurteilung der Wirkung und für das Anwendungsgebiet der ver- schiedenen Tuberkulinpräparate gegeben. Wenn sich jetzt wieder — wie zu Beginn der Tuberkulinära — ein Optimismus für den Wert der Tuber- kulintherapie geltend macht, so ist er durch das, was. positiv neues geschaffen ist, nicht gerechtfertigt. Die in manchen der neuen Arbeiten (z. B. bei Liebermeister, Hayek, Ponndorf, Petruschky, Much) aus- gesprochene weitgehende Zuversicht, mit Hilfe des Tuberkulins die „Menschheit endlich von der Tuberkulose zu befreien“ (Ponndorf), er- . scheint im Lichte der bei der Tuberkulinbehandlung des tuberkulösen Menschen ebenso wie bei den Tierversuchen festgestellten Tatsachen und der darauf basierten Theorien über das Wesen der Tuberkulin- wirkung nicht haltbar. Die Herstellung der verschiedenen Tuberkuline geschieht i im wesent- lichen auf Grund theoretischer Vorstellungen über die Wirkung der Bazillenleiber (Endotoxine) einerseits und der von ihnen gelieferten lös- lichen Stoffe (Ektotoxine) andrerseits. Koch selbst ging bekanntlich vom Alttuberkulin aus und wollte durch regelrechte, mit Reaktionen verlaufende Immunisierung gegen dieses Gift Gegengifte oder giftneutralisierende _ & Stoffe erzeugen, die gewissermaßen die Tuberkelbazillen ihrer krank- machenden Giftspitze berauben und den Körper gegen das Gift (Tuberkulin) immunisieren. Anfangs wurde zur Erreichung dieses Zieles meistens so verfahren, daß unter Beachtung der Reaktionen relativ rasch von kleinen zu immer größeren Dosen übergegangen wurde. Koch hat allerdings stets auch die Bedeutung der allgemeinen und lokalen Reaktionen für das Heilverfahren in Rechnung gestellt. Auf Grund der Immunitätsforschungen, die die antitoxische, auf Antitoxin- bildung beruhende Immunität von der antiinfektiösen, mit Bildung von Bakteriolysinen und anderen antibakteriellen Stoffen einhergehenden Immunität experimentell trennte, ging er dann zur Verwendung der Bazillenemulsion über, um die Erzeugung antiinfektiöser Stoffe zu- er- zielen und so die Vermehrung der Tuberkelbazillen zu verhindern. Die klinischen Erfolge aller dieser Präparate haben gezeigt, daß sich eine Immunisierung des gesunden und des kranken Organismus gegen die lebenden Tuberkelbazillen mit abgetöteten Bazillen oder den aus Kulturen u it Dre u Ze Tuberkulose. 759 | _ gewonnenen verschiedenen Tuberkulinen nicht so wie bei anderen In- - fektionskrankheiten erreichen läßt. Das ist, wie v. Wassermann, Uhlen- huth. und Neufeld neuerdings wieder betont haben, in dem biologischen, i gegebenen Verhalten des Organismus gegenüber dem Tuberkel- bazillus begründet. Ein gewisser Immunitätsgrad eines Organis- _ mus gegen den Tuberkelbazillus besteht nur, — das allein wissen 3 wir sicher —, so lange das betreffende Individuum unter der Wirkung von lebenden Tuberkelbazillen steht. Der mit Tuberkel- bazillen infizierte Körper ist resistenter, relativ immun gegen Neu- infektionen, Superinfektionen und Rezidive. Aber selbst bei dem _ tuberkulösen Organismus existiert keine komplette Immunität wie bei 4 vielen anderen Infektionskrankheiten. Sie kann durch massive Re- infektionen oder andere, den Körper in dem Gleichgewicht seiner Ab- wehrkräfte störende Krankheiten durchbrochen werden. Die Resistenz- - erhöhung des Tuberkulösen steht in engem Zusammenhang mit der - _ Tuberkulin-Überempfindlichkeit, die deshalb diagnostisch so großen Wert - hat. Über das Wesen der Resistenz sind wir noch ebenso im unklaren, - wie über die Ursachen dieser Tuberkulin-Überempfindlichkeit und der Tuberkulinreaktion. - Über die Wirkungsweise des Tuberkulins ER verschiedene Theorien gestellt worden, von denen hier jedoch nur die wichtigsten und plausibelsten FB: "Erwähnung finden sollen. Ehrlich nimmt an, daß im Innern des tuberkulösen - Herdes von den. Tuberkelbazillen fortwährend spezifische Gifte gebildet werden, die Be; nn von innen nach außen in das Gewebe diffundieren. Die im Innern ge- en Gewebsschichten sind bereits völlig mit Tuberkulin durchtränkt und allmäh- 5 ' gegen die Wirkung des Giftes immunisiert worden, die konzentrisch nach = außen von diesen gelegenen Schichten ‚dagegen sind zwar sehon in geringen Graden von dem Gift affiziert, jedoch nicht in dem Maße, daß sie gegen die Tuberkulin- menge, die dem Kranken eingespritzt wird, unempfindlich wären. In diesen Schichten Er spielt sich die lokale Reaktion ab, während das Tuberkulin in den zur Probe- injektion verwendeten Mengen in gesundem und ebenso in hochgradig tuberkulösem = Gewebe keine nachweisbaren Schädigungen hervorruft. Wassermann hat auf Grund von Versuchen nach der Methode des Ambozeptorennachweises in vitro (Bordet und _ @Gengou) die Theorie aufgestellt, daß die spezifische Reaktion des tuberkulösen Gewebes deshalb eintritt, weil das Tuberkulin aus dem Blut in das tuberkulöse ‘ Gewebe durch den im Tuberkel und in seiner nächsten Umgebung enthaltenen Antikörper hineingezogen wird. Bei diesem Vorgang werden die gewebseinschmelzen- den Kräfte des Organismus (Leukozyten als Komplementspender) an dieser be- _ stimmten Stelle des Körpers konzentriert. Diese Erklärungsweise hat nicht weniger ‘ Wahrscheinlichkeit für sich, als die Annahme einer Gift- -Überempfindlichkeit des - tuberkulösen Organismus oder die Additionstheorie, nach der sich im tuberkulösen - Herd bereits Tuberkulin befinden und nun das neu eingeführte Tuberkulin sich mit der Wirkung des ersteren summieren soll. Die sogenannte „Lysin-Theorie“ ist zu Fr wenig experimentell begründet, um -hier eingehend erörtert zu werden. Alle Versuche, die bei anderen Immunisierungsvorgängen so wichtigen Antikörperreaktionen (Komplementbindung,: Präzipitation, _ Agglutination) als Gradmesser der durch Tuberkulin oder lebende oder - abgetötete Tuberkelbazillen erzeugten, veränderten Resistenz oder der Heilungsvorgänge zu benutzen, sind fehlgeschlagen. Trotz Steigerung - der komplementbindenden, agglutinierenden, präzipitierenden Stoffe im - Serum von tuberkulösen oder gesunden Menschen und Tieren, die mit - Tuberkulinpräparaten behandelt sind, kann der Krankheitsprozeß fort- - schreiten. Ein derartige Stoffe enthaltendes Serum besitzt auch keinerlei - _Heil- oder Schutzkraft gegen Tuberkulose. Es ist deshalb auch die © nach dem heutigen Stand der Forschung allein berechtigte Auffassung Wirkungs- weise des Tuberkulins. 760 41. Vorlesung. allgemein angenommen worden, daß in erster Linie die nach Tuber- kulininjektion auftretenden lokalen Herdreaktionen das wesentliche für die Heilwirkung der Tuberkulintherapie sind (Uhlenhuth, Klemperer, v. Wassermann, Neufeld). Das Tuberkulin unterstützt die in den tuber- kulösen Geweben sich abspielende zelluläre Reaktion, indem es sie verstärkt. Ob prinzipielle und für den Heilerfolg wichtige Unterschiede dieser Wirkung durch Verwendung verschiedener Tuberkuline erzielt werden können, ist noch strittig.. Ebenso ist noch zu beweisen, daß einzelne Tuberkulinpräparate, wie Hayek auf Grund klinischer Beob- achtungen behauptet, deshalb so gut wirken, weil sie keine Herd- reaktionen, sondern allgemeine zelluläre Reizwirkungen ausüben. Die neuen Arbeiten betonen zwar das immunbiologische Handeln des Tuberkulosetherapeuten, aber sie haben sichere, klinische oder experimentelle Grundlagen für die theoretischen Gesichtspunkte nicht geschaffen. Das gilt auch für die Arbeiten, in denen die Wirkungen verschiedener Eiweißkörper, z.B. von Proteinen, Albumosen, Normal- serum, Kasein, also nichtspezifischen Präparaten bei Tuberkulösen be- schrieben sind. @. Klemperer und Römer hatten 1891 gefunden, dab Herdreaktionen und auch Fiebersteigerungen nach Injektion von Siede- produkten anderer Bakterien eintreten können. Aber trotz dieser Re- sultate, trotzdem Germain See mit Nuklein, Krehl und Matthes mit Albumosen bei Tuberkulösen ähnliche Wirkungen wie mit Tuberkulin erzielten, hat die diagnostische und therapeutische Anwendung des Tuberkulins das Feld behauptet. Als infolge der Arbeiten von Weichardt, B. Schmidt u. a. die therapeutische Anwendung der Eiweißkörper unter der Vorstellung der omnizellulären Protoplasmaaktivierung oder Protein- körpertherapie aufs neue in die Therapie der Infektionskrankheiten Eingang gefunden hatte, ist sie in den letzten Jahren auch bei Tuber- kulose aufs neue klinisch geprüft worden. Diese unspezifische Therapie steht aber in ihrer Wirkung hinter der des Tuberkulins zurück. Die allgemein als das therapeutisch Wichtigste erkannten Herdreaktionen fehlen bei der Proteinkörpertherapie meistens. #. Klemperer betont besonders den wichtigen Unterschied zwischen Tuberkulinen und Proteinen nichtspezifischen Charakters, daß sich durch Heterovakzinen bakterieller Natur und Proteine keine Kutan- und Stichreaktionen hervorrufen lassen. Das Normalserum soll nach F. Klemperer günstig auf die Tuberkulose wirken. Es kann zusammenfassend über die nichtspezifische Protein- körpertherapie der Tuberkulose gesagt werden, daß sie weder diagnostisch noch therapeutisch an Zuverlässigkeit mit den Tuberkulinpräparaten vergleichbare Resultate ergibt und deshalb als ein brauchbarer Ersatz der Tuberkulinanwendung nicht in Frage kommt. Man kann Uhlen- huth zustimmen, wenn er in seinem Referat auf dem Kongreß für innere Medizin in Wiesbaden 1921 sagte, daß wir auf das Tuberkulin für diagnostische und therapeutische Zwecke bis jetzt nicht verzichten können. Zu Heilzwecken soll man das Tuberkulin so anwenden, dab stärkere allgemeine und lokale Reaktionen nach Möglichkeit ‚vermieden werden. Wenn mit niedrigen Gaben angefangen und die Do- sierung so gewählt wird, daß immer nur ganz geringfügige Reaktionen folgen, wird die Reaktionsfähigkeit des Kranken lange erhalten. - Eine PERFETE, LIVE Tuberkulose. 761 ‘ rasche Abstumpfung des Körpers gegen die Tuberkulinzufuhr muß ver- hindert werden, damit die Behandlung möglichst lange fortgesetzt werden kann. Die Anfangsstadien der Tuberkulose werden am zweck- ' mäßigsten und einfachsten wohl mit Alttuberkulin behandelt, während vorgeschrittenere und namentlich Fälle von mehr chronischem Charakter besser durch die Bazillenemulsion beeinflußt werden können. Zur Be- handlung sehr diffiziler Fälle, bei denen das Alttuberkulin schlecht vertragen wird und der Körper auf jede Einspritzung mit anhaltenden, heftigen Fieberreaktionen antwortet, wird sich im allgemeinen das Neu- tuberkulin (T. R.) am besten eignen. Auch bei der Tuberkulose der Iris, ferner bei der Hauttuberkulose und der sogenannten chirurgischen Tuberkulose leistet dieses Präparat EROSCRNDN Dienste. Beim Alttuberkulin wird als Anfangsdosis Yso— "2 mg gewählt und dann "ganz allmählich gestiegen. Sobald sich erhebliches Fieber und Allgemeinerscheinungen einstellen, wird nach längerer Ruhepause die gleiche Dosis wiederholt und erst, wenn sie’ fieberlos und ohne Allgemeinreaktion vertragen wird, abermals eine Stei- gerung der Dosis versucht. Es wird also eine allmähliche Immunisierung be- zweckt. Ein schematisches Vorgehen ist absolut zu verwerfen. Die Behandlung mit . Alttuberkulin kann als beendet angesehen werden, wenn der Patient eine Dosis von O'd ccm ohne besondere. Reaktion vertragen hat. Diese Dosis wird dann zweck- mäßig einige Male wiederholt, und zwar so lange, als noch Reaktionen irgend- welcher Art eintreten. Gelingt eine Heilung bei diesem Verfahren nicht, so wird ‚nach 3—4 monatigem Intervall eine neue gleiche Kur angeschlossen, die wiederum mit den kleinsten Dosen beginnt. Von diesen „Etappenkuren“ hat namentlich Petruschky gute. Erfolge gesehen. Bei der Behandlung mit Neutuberkulin beginnt man in der Regel mit 00002 ccm der Originalflüssigkeit, die in entsprechender Verdünnung genau abzu- messen ist. Auch bier wird nach und nach zu größeren Dosen übergegangen, sodaß _ erhebliche Allgemeinreaktionen vermieden werden. Was schließlich die Tuberkelbazillenemulsion anbelangt, von deren therapeutischer Verwendung sich Koch die besten Ergebnisse versprach, so soll die Behandlung mit O’5ccm einer Verdünnung von 1: 1000 begonnen werden. Die ersten Injektionen können rasch hintereinander vorgenommen werden, da in der Regel stärkere Reaktionen ausbleiben. Nur in den Fällen, in denen durch eine vorausgehende diagnostische Injektion von Alttuberkulin Überempfindlichkeit erzeugt wurde, pflegen Reaktionen auch auf sehr kleine Dosen der Bazillenemulsion einzu- treten. Koch betrachtete die Immunisierung erst dann als abgeschlossen, wenn der Patient 4ccm des unverdünnten Präparates vertrug: Bei der Injektion größerer Dosen der Bazillenemulsion treten oft unangenehme Infiltrate auf. Löwenstein hat ° deshalb. die intravenöse Injektion empfohlen, bei der er stärkere oder bedrohliche All- gemeinerscheinungen niemals sah; doch hat diese Applikationsweise bisher nicht viel Anhänger gefunden. Nach den Angaben von CiZron kann man die Bildung von Infiltraten fast völlig vermeiden durch Verwendung einer „sensibilisierten Bazillen- emulsion“ (Farbwerke Hoechst), in der die Tuberkelbazillen nach F. Meyers Vor- schlag durch die im Serum gegen Tuberkulose immunisierter Tiere enthaltenen spezifischen Schutzstoffe beeinflußt werden. Als mildes und doch therapeutisch gut wirksames Mittel wird ferner das albumosefreie Tuberkulin gelobt. Löwenstein hat über 700 Fälle von Lungen- tuberkulose damit behandelt und sehr gute Erfolge erzielt. Als Anfangsdosis gibt - - er 02—2 my und steigt in ziemlich großen Sprüngen, bis zuletzt 3ccm des reinen - Tuberkulins verabreicht werden. Besonders auffallend soll die Wirkung dieses Präparates bei tuberkulösen Lymphdrüser, Fisteln, Knochentuberkulose und namentlich bei den verschiedenen Formen der Augen- und Hauttuberkulose sein. Das albumosefreie Tuberkulin wird, da es selbst bei schroffer Steigerung der Dosen nur selten Fieber hervorruft, gerade bei der ambulatorischen Behandlung vorzügliche Dienste leisten. Auf Einzelheiten der Tuberkulinbehandlung einzugehen, ist hier nicht der Ort. Sie erfordert, wie schon erwähnt, ein weitgehendes Individualisieren, und dieses wieder setzt eine große Erfahrung über die Wirkungsweise der einzelnen Tuberku- line voraus. Klinische Verwertung der Immu- nitätsreak- tionen. Aktive Immuni- sierung. . sichten zu nehmen haben. 162 41. Vorlesung. Als Kontraindikationen der Tuberkulintherapie sind früher eine große Zahl von Krankheitszuständen angesehen worden. Allmählich hat man bei fortschreitender Erfahrung und vorsichtiger Anwendungsweise die Gegenanzeigen. immer mehr einengen können (Bandelier und Röpke). Es ist klar, daß hierin der mit dieser Heilmethode besonders vertraute Heilstättenarzt, der seine Patienten ständig unter Aufsicht hat, weiter gehen kann, als ein weniger erfahrener Arzt bei ambulatorischer Behandlung von Kranken, die möglicherweise noch unter ungünstigen: Ernährungs-, Wohnungs- und Pflegeverhältnissen stehen. Im großen und ganzen kann eine Tuberkulinbehandlung wohl eingeleitet werden bei allen Fällen, die nach ärztlicher Erfahrung überhaupt noch besserungs- fähig erscheinen. Der Allgemeinzustand ist hier mehr zu berücksichtigen als die Ausdehnung des tuberkulösen Prozesses in den einzelnen Organen. Wo parenchy- matöse Degenerationsprozesse der inneren Organe vorliegen, wird man von einer spezifischen Kur abzusehen haben. Ausgeschlossen sind natürlich auch die Fälle von Miliartuberkulose und Kranke mit weit vorgeschrittener und unter hokem Fieber einhergehender Tuberkulose innerer Organe oder mit Meningitis tuberculosa. Neurastheniker und Kranke mit Neigung zu Blutungen können bei Einhaltung der nötigen Vorsicht unbedenklich mit Tuberkulin behandelt werden. Auch Diabetes, Nierenerkrankungen , Herzfehler, Epilepsie, Gravidität und Larynxtuberkulose werden heute nicht mehr als unbedingte Kontraindikationen angesehen. Selbstverständlich wird man hier je nach der Eigenart des Falles in der Wahl des Präparates, der Dosierung und der gleichzeitigen Verordnung von Bettruhe usw. besondere Rück- Über die Bedeutung der Agglutinationsreaktion des Serums von Phthisikern gehen die Urteile der Autoren noch weit auseinander. Wenn auch in den ersten Stadien der Krankheit meist höhere Werte gefunden werden als bei Gesunden, so ist die Reaktion doch nicht für eine serumdiagnostische Frühdiagnose der Tuberkulose verwertbar, denn es tritt Agglutination auch bei Menschen ein, die später bei der Obduktion als tuberkulosefrei befunden werden, und andrerseits fehlt sie mitunter bei zweifellos tuberkulösen Kranken. Interessant und wichtig ist aber die Tatsache, daß bei schweren, letal verlaufenden Tuberkulosefällen ein höherer Agglutinationstiter im Serum weder vorhanden ist, noch sich durch Behand- lung mit T. R.-Präparaten erzielen läßt. ; Wright und nach seinem Vorgange viele Phthiseotherapeuten kontrollieren die Bakteriotherapie der Tuberkulose durch die Bestimmung des opsonischen Index (S. 171 u. 209). Es dürfen keine zu starken Reaktionen und keine zu großen negativen Phasen erzeugt werden. Der Index dient auch zur Festsetzung der Zeit- intervalle für die Injektionen. Zur Ausführung des Opsoninversuches werden die Tuberkelbazillen von der Oberfläche von Bouillonkulturen abgenommen und mit Alkohol getrocknet; hierbei gehen sie zugrunde. Die Mehrzahl der Kliniker ist indessen von der Verwertung des opsonischen Index für die Immunisierung der Tuberkulösen wieder abgekommen und zieht hauptsächlich die genaue klinische Beobachtung, die Beeinflussung des lokalen Krankheitsprozesses, des Allgemein- befindens und des Körpergewichtes zur Beurteilung der Heilwirkung des Tuber- kulins heran. Auch für die Diagnose der Tuberkulose kann die Bestimmung des opsonischen Index des Blutes verwertet werden. Ist er bei Verdächtigen gegenüber dem normalen Durchschnittsindex herabgesetzt, so kann auf Tuberkuloseinfektion geschlossen werden. Wassermann und Bruck sowie neuerdings besonders Besredka schreiben der Bestimmung spezifischer Ambozeptoren nach der Komplementbindungsmethode (Bordet und Gengou) eine große Bedeutung für die Bewertung der Tuberkulin- behandlung zu. Die Anwendung dieses Verfahrens wird indessen von den Klinikern als unnötig erachtet. Wenn bisher die Heilbehandlung bereits erkrankter Individuen besprochen wurde, muß jetzt kurz auf die Methoden eingegangen wer- den, die eine aktive Immunisierung gesunder Individuen durch Behandlung mit spezifischen, aus Tuberkelbazillen hergestellten Präpa- raten zur Aufgabe haben. Sie haben praktisch nur für die Tiermedizin Bedeutung. Die Immunisierung von Menschen als Mittel im Kampfe Tuberkulose. 763 gegen ‚die Tuberkulose ist bei einer so chronisch verlaufenden und so weit verbreiteten Krankheit aussichtslos und auch entbehrlich, weil wir, _ wie wir später sehen werden, genügend wirksame Mittel besitzen, um ' die Ausbreitung der Krankheit zu verhüten. eg, Behring immunisierte Rinder gegen Tuberkulose dadurch, daß er sie mit rockneten lebenden Tuberkelbazillen des Typus humanus vorbehandelte. Dieser ‚ Bovovakzin genannt, ist je nach der Herkunft und Virulenz des Stammes ‚sehr verschieden wirksam und muß deshalb vor Abgabe im Tierversuch Fee E rüft werden; nur solche Präparate. werden abgegeben, die selbst für Meer- . schweine nur eine sehr geringe Virulenz aufweisen. Das Bovovakzin wird von den Behringwerken in Marburg in Röhrchen von 5 und 20 Immunitätseinheiten (1IE entspricht 0'004 g Bazillensubstanz) geliefert und ist etwa 1 Monat haltbar. ‚Es wird vor der Verwendung in Kochsalzlösung aufgelöst. Zur Immunisierung eignen sieh besonders Kälber, die nicht über 4 Monate alt sein sollen, ältere Rinder nur dann, wenn sie auf Tuberkulin nicht reagieren. Die Impfung soll zweimal in einem Zeitraum von 3 Monaten ausgeführt werden. Zu beachten ist, daß die Tiere eine gewisse Zeit nach den Impfungen bis zum Eintritt der vollen Immunität über- ' empfindlich und infolgedessen für Tuberkulose besonders disponiert sind. Die bis jetz+ veröffentlichten experimentellen Arbeiten über die Immunisie- ‘ rung von Rindern gegen Perlsucht mit Tuberkulosekulturen vom Typus humanus - — es seien die von Hutyra, Rossignol und Vallee, Belfanti und Stazzi, Eber und die im Reichsgesundheitsamt zu Berlin angestellten Untersuchungen von Weber und -Tütze genannt — haben an wissenschaftlich kontrollierbaren Ergebnissen nur fol- gendes gezeitigt: Mit frischen lebenden Tuberkelbazillen vom humanen Typus läßt sich bei Rindern durch intravenöse Vorbehandlung eine erhöhte Widerstands- fähigkeit gegen die Perlsuchtinfektion erzeugen ; diese Resistenz dauert kaum länger als 1—2 Jahre. Eine vollkommene Immunität aber besteht weder gegenüber ' der experimentellen noch der natürlichen Perlsuchtinfektion. = - Noch ungünstiger sind die Urteile über das v. Behringsche Bovovakzin. Die _ — Immunisierungskraft dieses Präparates ist, namentlich gegenüber der natürlichen _ Infektion vom Verdauungskanal aus, viel geringer als die von lebenden frischen Tuberkulosekulturen. Weber und Titze fassen auf Grund zahlreicher eigener Ver- suche und aller in der Literatur enthaltenen Angaben ihr Urteil dahin zusammen, - daß „wir uns noch immer im Versuchsstadium befinden“ und daß man mit dem Ur- teil über den praktischen Wert der Schutzimpfung um so vorsichtiger sein muß, wenn man sich auf den Standpunkt r. Behrings stellt, daß die Infektion der Rin- der mit Tuberkulose fast ausschließlich vom Verdauungskanal aus erfolgt. Über die Dauer des erreichten Impfschutzes gehen die Ansichten noch weit auseinander. Auch muß erst durch weitere Erfahrungen festgestellt werden, ob und wie weit ‘ durch den Genuß des Fleisches oder der Milch der vakzinierten Tiere eine Infek- - tionsgefahr für den Menschen gegeben wird, denn wir wissen nicht, wann und wie die dem Tiere einverleibten menschlichen Bazillen den Körper wieder verlassen. Von einzelnen geimpften Rindern werden die menschlichen Tuberkelbazillen mit der Milch tuberkulös erkrankter Euter monatelang in größerer Menge ausgeschieden. Daß durch die Impfungen das mit den Tieren umgebende Personal selbst nicht un- erheblich gefährdet ist, dürfte wohl feststehen. . Ex: Neuerdings wollen Calmette und Guerin mit Rindertuberkelbazillen, die 12 Jahre auf Rindergalleglyzerinnährböden fortgezüchtet und dadurch angeb- _ lieh in ihrer Virulenz erheblich abgeschwächt waren, bei Rindern mittelst intra- venöser Injektion von 100 mg eine Immunität gegen die natürliche und die experimentelle, für Kontrollrinder rasch tödliche Infektion erzielt haben. Es fehlt vorläufig noch an einer Bestätigung für diese nur an kleinen Versuchsreihen er- zielten Resultate. Als Ergebnisse der Immunisierungsversuche kann der ‚ Satz hingestellt werden, daß die Tuberkuloseimmunität beim Menschen und bei empfänglichen - Tierarten offenbar nur so lange dauert, als lebende Tuberkelbazillen im Körper - vorhanden sind. R Römer und Joseph steliten fest, daß diese Immunität nur gegen eine bestimmte Menge des reinfizierenden Virus ausreicht. Sobald eine gewisse Dosis überschritten ist, erkranken die Tiere nach der Reinfektion, und sogar schwerer als die Kontroll- tiere. In der Praxis dürfte deshalb auch die Dosierungsfrage schwierig sein. Fried- marnns Tuberkulose- heilmittel. 764 41. Vorlesung. An dieser Stelle muß noch eines Mittels kurz gedacht werden, das besonders in der neuesten Zeit mit großer Reklame empfohlen wird. Es handelt sich um das Friedmannsche Tuberkuloseheilmittel. Friedmann, der schon früher (1903) Immunisierungsversuche an Meerschweinchen und Ratten mit avirulenten Schild- krötentuberkelbazillen angestellt hatte, empfahl 1912 die Anwendung von Kulturen solcher Bazillen, die er nach mehrjähriger Umzüchtung als sicher avirulent und atoxisch für den Menschen betrachtet, für Heil- und Schutzimpfungen bei mensch- licher Tuberkulose. Die Idee, säurefeste Bakterien von geringer oder minimaler Pathogenität zur Erzeugung einer Resistenz oder „Infektionsimmunität“ zu benutzen, stammt von früheren Autoren (u. a. Grancher, Ledoux, Macfadyen, Lignieres, v. Behring, Römer) und ist von Friedmann auf eine „ganz ungefährliche“ Kultur übertragen. Nach seinen Mitteilungen sollten über 6000 Fälle aller Tuber- kuloseformen mit durchaus günstigem Erfolge mit diesem Präparat behandelt worden sein. Die in Deutschland und besonders auch in Amerika daraufhin vorgenommenen Nachprüfungen führten zu einer ziemlich einmütigen Ablehnung des Mittels. Abgesehen von dem Versagen der Schutz- und Heilwirkung zeigte es sich, daß das Präparat sehr oft mit saprophytischen Bakterien stark verunreinigt war und daß die in ihm enthaltenen Tuberkelbazillen keineswegs apathogen für Tiere waren. Auch tiber schwere Gesundheitsschädigungen und Todesfälle bei mit diesem Mittel behan- delten Kranken wurde verschiedentlich berichtet. Westenhöfer z. B. stellte bei der Obduktion eines solchen Kranken an der Injektionsstelle eine”ausgesprochene Tu- berkulose mit Tuberkeln, Riesenzellen und zahlreichen Bazillen fest; Bischoff, Schmitz und Fromme fanden die Schildkrötenbazillen noch monatelang nach der Injektion lebend im Eiter einer doppelseitigen schweren Mastitis bei einer Patientin. In neuester Zeit ist besonders Kruse für das Mittel eingetreten, dessen einwandfreie fabrikatorische Herstellung er überwacht. Von mancher Seite wird jetzt über sehr günstige Erfolge namentlich bei chirurgischer Tuberkulose, aber auch bei leichteren und mittelschweren Fällen von Lungentuberkulose berichtet. Weitere Erfahrungen werden abzuwarten sein, bevor über das nunmehr angeblich wesent- lich vervollkommnete Präparat ein endgültiges Urteil gefällt werden kann. Man muß sich für die Beurteilung der Heilwirkung dieses Mittels aber stets vor Augen halten, daß bei einer so chronischen Infektion auch ohne spezifische Behandlung * häufig ein Rückgang der tuberkulösen Prozesse, ja eine Heilung erfolgt. Ganz be- sonders gilt das für Knochen-, Drüsen- und Bauchfelltuberkulose, Die optimistischen Auffassungen der letzten Zeit über das Friedmannsche Mittel sind andrerseits aber durch viele Berichte angesehener Kliniker widerlegt oder als unberechtigt erwiesen worden. Weder therapeutisch noch prophylaktisch sind bis jetzt sichere klinische oder experimentelle Beweise erbracht worden, daß die Injektion des Friedmannschen Mittels dasselbe oder sogar mehr leistet wie andere therapeutische Maßnahmen, namentlich die mit Sonnen- und Freiluftbehandlung und guter Diätetik kombinierten Tuberkulin- kuren. Während experimentell die Tuberkulinbebandlung bei tuberkulösen Tieren Reaktionen und in Lebensverlängerung und Narbenbildungen sich unverkennbar dokumentierende Wirkungen entfaltet, die allerdings nicht zu einer Ausheilung der Tuberkulose (z. B. der Meerschweinchen) führen, läßt sich mit kleinen oder großen, einmaligen oder mehrmaligen Injektionen der Friedmannschen Bazillen weder pro- phylaktisch. noch therapeutisch irgend welche Beeinflussung der Meerschweinchen- tuberkulose erreichen (M. Kirchner, Wolff, Uhlenhuth, Kolle und Schloßberger).: Zahlreich sind die Bemühungen gewesen, durch Übertragung des Serums tuberkuloseimmuner Tiere eine passive Immunisierung gesunder oder an Tuberkulose bereits erkrankter Menschen oder Tiere zu erzielen. Auf diese Versuche kann hier nur in kurzen Zügen eingegangen werden. Eine besondere praktische Bedeutung kommt ihnen bisher nicht zu. Am bekanntesten ist das Tuberkuloseserum Maraglianos. Dieser Autor behandelt Pferde 4-—-6 Monate lang mit steigenden Dosen besonderer Gifte, die er aus Tuberkulosekulturen isoliert, und will dadurch ein antitoxisches Serum erzielt haben, das bei kranken wie auch bei gesunden Meerschweinchen die Wirkung tödlicher Tuberkulindosen aufzuheben imstande ist. Er nimmt an, daß dieses Serum E beim Menschen eine selbsttätige Bildung neuer spezifischer Schutzkörper gegen die Tuberkelbazillen anzuregen vermag und dadurch eine Immunisierung des gesunden und eine Heilung des bereits an Tuberkulose erkrankten Organismus hervorruft, wenn der Prozeß noch nicht zu weit vorgeschritten ist. Von diesem Serum soll den Tuber- kulösen 1'/, Monate lang alle 2 Tage 1 ccm eingespritzt werden. In Italien ist das Maraglianosche Tuberkuloseserum in ziemlich großem Umfange und angeblich und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 59. Starke Kutanreaktion mit Areabildung nach Instillation von 25proz. Alttuberkulin. 2Impfstellen, in der Mitte Kontrollstelle. Nach v. Pirquet. Fig. 3. RR Cu Äh nt ro nn - BRIRHEe 7 77% 57 ativ abgestufte Kutanreaktion nach lation von unverdünntem (I) und im tnis 1:4 (2) bzw. 1:16 (3) und -@) verdünntem Alttuberkulin. 5: Kon- trollstelle. Nach v. Pirquet. Skrofulöse Reaktion nach Instillation von 25proz. Alttuberkulin. Nach v. Pirquet. (Fig. 1-3 nach Moulagen, die 48 Stunden nach der Impfung von Dr. Henning aufgenommen wurden.) Fig. 4. Unverändertes (Kontroll-) Ange. Positive Konjunktivalreaktion. Verlag von Urban & Schwarzenberg. Berlin urd Wien. Tuberkulose. 765 mit guten Erfolgen verwendet worden, in Deutschland und Frankreich jedoch fielen die Nachprüfungen wenig günstig aus, sodaß man also keine Berechtigung hat, - das Präparat zu empfehlen. 2 Bei der Herstellung des Tuberkuloseserums nach Marmorek werden - die Tiere nicht mit Reinkulturen der Tuberkelbazillen, sondern mit den spezifischen Stoffen und den besonderen Giften immunisiert, die in tuberkulösen Geweben vor- - handen sein sollen. Bei Fällen chirurgischer Tuberkulose soll sich das Marmoreksche _ Serum verschiedentlich so bewährt haben, daß weitere Prüfungen empfohlen werden. Bei Lungentuberkulose aber sind deutliche Heilerfolge von der Mehrzahl der Ärzte, ‚die anwandten, nicht festgestellt worden. Die Hoechster Farbwerke haben in ihren Laboratorien ein eigenartiges Tuberkuloseserum an Pferden, Rindern und Eseln hergestellt, die durch Injektion lebender Tuberkelbazillen tuberkulinempfindlich gemacht waren. Die auf diese Weise sensibilisierten Tiere werden dann mit Tuberkulin und anderen Tuberkelbazillen- präparaten behandelt, bis die Empfindlichkeit erloschen ist. Dann wird die Tuber- - kulinempfindlichkeit durch Injektion lebender Tuberkelbazillen wiederhergestellt und - die Immunisierung eventuell mehrmals wiederholt. Hochwertiges derartiges Serum - soll gegen die Tuberkuloseinfektion der Meerschweinchen schützen und außerdem die Giftigkeit zerriebener Tuberkelbazillen und albumosefreien Tuberkulins aufheben. - Über die therapeutische Wirksamkeit dieses Serums beim Menschen sind umfang- - reichere Erfahrungen noch nicht mitgeteilt worden. Rt: v. Behring hat bekanntlich empfohlen, die Kinder im frühesten Lebensalter dadurch gegen Tuberkulose zu immunisieren, daß man sie mit der Milch gegen Tuberkulose immunisierter Kühe ernährt, um ihnen die in dieser Milch enthaltenen - Schutzkörper zuzuführen. Er ging dabei von der Ansicht aus, daß die Entstehung der menschlichen Schwindsucht durch intestinale Infektion der Kinder mit Rinder- tuberkelbazillen, die in der Milch enthalten sind, erfolge. Wenn auch diese Behauptung - heute als zweifellos unrichtig betrachtet werden muß, so ist doch die Möglichkeit nicht ganz von der Hand zu weisen, daß die Zuführung fertiger Schutzkörper auf diesem Wege vielleicht in prophylaktischer Beziehung nicht ganz wirkungslos ist. - Calmette u. a. haben auch durch Stoffe, die sie aus Tuberkulosekulturen gewannen, - oder mit Tuberkulin eine lokale Gewebsresistenz des Darmepithels gegen die - intestinale Tuberkuloseinfektion zu erzeugen versucht. Es müssen noch eingehende Prüfungen dieser Angaben an Tieren abgewartet werden, ehe sich hierüber ein abschließendes Urteil fällen läßt. 4 - Im Anschluß an die Serumtherapie seien kurz die bisherigen Versuche einer - Chemotherapie der Tuberkulose erwähnt. Finkler suchte nach chemischen Mitteln, die imstande wären, die schützende Wachshülle der Tuberkelbazillen zu durch- dringen und so die letzteren zu schädigen, ohne daß sie auch bei längerem Gebrauch für den menschlichen Organismus gefährlich werden könnten. Finkler und vr. Linden ‘ glauben auf Grund planmäßiger Untersuchungen derartige Mittel im Kupferchlorid und in komplexen Kupferlezithinverbindungen in Kombination mit Methylenblau - (Chlor- oder Jodwasserstoffsalz des Methylenblaus) gefunden zu haben. Bei experi- - menteller Tuberkulose des Meerschweinchens ließen sich nach Anwendung dieser Präparate gewisse Heilerfolge erzielen. Meißen will auch bei der Lungentuberkulose des Menschen eine anscheinend günstige Wirkung beobachtet haben. Strauß sah Erfolge der lokal applizierten Kupferverbindungen bei Lupus. Er empfiehlt dafür eine Lekutylsalbe, die aus zimmetsaurem Kupferlezithin mit 1?/,°/, Kupfergehalt - und 10°/, Zykloform besteht, und rät die gleichzeitige innerliche Verabreichung von u Kupfersalzen an. Auch andere Autoren sahen bei äußerer Tuberkulose günstige - Erfolge der Kupferbehandlung. Von Bruck und Glück sowie von Spieß und Feldt - ist in neuerer Zeit auch die Anwendung von Goldsalzen (Aurum-Kalium eyanatum, - Aurokantan, Krysolgan) empfohlen worden, die anscheinend elektiv wirksamer, aber - auch differenter wie Kupfer sind. % Die Chemotherapie der Tuberkulose ist über das Versuchsstadium noch nicht - hinausgekommen, für die allgemeine Praxis ist sie noch nicht reif. Die soziale Bedeutung der Tuberkulose ist bekanntlich eine - außerordentlich große. Abgesehen von dem Unglück, das die Krankheit - in zahlreiche Familien bringt, verursacht sie alljährlich einen enormen Ausfall an Nationalvermögen. M. Kirchner hat berechnet, daß trotz der 7 in neuerer Zeit erreichten Besserung der Tuberkulosehäufigkeit in den Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 50 Chemo- therapie. Soziale Be- deutung der Tuberkulose. Tuberkulose- bekämpfung. 166 41. Vorlesung.) letzten Friedensjahren — auf die Zunahme der Mortalität während des Krieges soll später eingegangen werden — noch allein in Preußen über 60000 Menschen jährlich an Lungentuberkulose zugrunde gingen, unge- rechnet die Fälle von allgemeiner Miliartuberkulose, Knochen-, Gelenk- und Organtuberkulose. Wenn man annimmt, daß auf jeden dieser Todes- fälle durchschnittlich 10 Erkrankungen kommen, so beträgt die Zahl der an Tuberkulose Leidenden in Preußen jährlich etwa 600000. Rechnet man den Ausfall der Erwerbseinnahmen dieser großen Zahl von Kranken mit den durch Arzt, Arznei, Krankenpflege und durch die Beerdigung der Gestorbenen entstehenden Kosten zusammen, so resultieren außer- ordentlich hohe Summen, die alljährlich durch diese Mindereinnahmen und Mehrausgaben dem Nationalvermögen erwachsen. Die Bekämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit ist, nachdem ihre infektiöse Natur und ihre Übertragungsweise dank den Arbeiten Kochs erwiesen war, in allen Ländern mit großer Energie und, man kann sagen, mit einem gewissen Enthusiasmus in die Wege geleitet worden. Die Wege, die hierbei eingeschlagen wurden, waren allerdings anfangs sehr verschieden. Wie wir gesehen haben, sind die Erreger der Rindertuberkulose für die Menschen verhältnismäßig unschädlich. Sie kommen für die Ver- breitung der menschlichen Tuberkulose nicht in Betracht, da sie keine generalisierte Tuberkulose und im besonderen keine Lungenschwind- sucht hervorrufen. Nur gegen die letztere haben sich die Maßnahmen zu richten, welche die Tuberkulose als Volksseuche bekämpfen sollen. Wir werden also in erster Linie die Tuberkelbazillen des Typus hu- manus unschädlich zu machen haben, und diese werden nur durch den an offener Tuberkulose, und zwar namentlich an Lungen- und Kehl- kopfschwindsucht erkrankten Menschen verbreitet. Der allergrößte Wert ist auf die unschädliche Beseitigung‘ des infektiösen Auswurfes zu legen, und es ist Pflicht eines jeden Arztes, die Kranken durch unablässige Belehrung dahin zu erziehen, daß sie mit ihrem Sputum nicht leichtsinnig umgehen und durch ihre mit Auswurf beschmutzten Hände nicht ihr@ Angehörigen und Mitmenschen gefährden. In jedem Krankenzimmer muß ein mit Wasser — nicht ‘mit Sand! — gefüllter, bequem zugänglicher Spucknapf aufgestellt sein, der auskochbar oder verbrennbar ist. Am Krankenbett darf das Spei- glas nicht fehlen. Außerhalb der Wohnräume soll jeder Tuberkulöse ein Taschenspuckfläschchen bei sich führen, das leicht sterilisiert werden kann. Der Gebrauch von Taschentüchern hat bei Kranken mit offener Tuberkulose seine Bedenken, weil das Sputum in ihnen aus- trocknet und bei späterem Gebrauch und bei der Reinigung leicht zerstäubt. Nicht gleichgültig ist die Frage, wie das Sputum desinfiziert werden soll, denn der Tuberkelbazillus ist, wie wir wissen, sehr widerstandsfähig gegen die gebräuchlichen Desinfektionsmittel. In Lungenheilstätten sind jetzt wohl überall die besonders zweckdienlichen und zuverlässigen, mit strömendem Wasserdampf arbeitenden Sputumdesinfektionsapparate eingeführt. In den Wohnungen der Tuberkulösen haben sich aber die von M. Kirchner, Bofinger, Kirstein u. a. empfohlenen einfachen Sputumkochapparate nicht einzubürgern, vermocht, weil ihre Handhabung immerhin mit einer gewissen Umständlichkeit und Unappetitlich- keit verbunden ist. re ie ee Er R ES N u en ber er ET are a Fan nn Tuberkulose. | 1767 0 Das Ausgießen des Inhaltes der Spucknäpfe und Speigläser in Aborte mit - Wasserspülung entfernt zwar, wenn es mit der nötigen Vorsicht ausgeführt wird, den _ Auswurf schnell und in einer für die Wohnung ungefährlichen Weise, aber die Er- fahrung, daß sich Tuberkelbazillen in städtischen Abwässern und Kanaljauche monäate- ang lebens- und infektionsfähig erhalten, läßt ein solches Verfahren doch nicht als unbedenklich erscheinen. Man kommt also, wenn man gewissenhaft verfährt, ohne - ehemische Desinfektion nicht aus. Bei längerem Gebrauch muß das Desinfektions- - mittel aber frei von auf die Dauer unerträglichem Geruch sein. Viel verwendet wird für diese Zwecke 5prom. Sublimatlösung. Über die Zuverlässigkeit ihrer Wir- E kung auf tuberkulösen Auswurf gehen die Ansichten der Autoren noch auseinander, ' man kann aber wohl annehmen, daß sich bei einer Einwirkungsdauer von 6 Stunden die Sterilisation des Sputums auf diese Weise erreichen läßt. Allerdings sind der allgemeinen Aufnahme dieser Desinfektionslösung in der Praxis ihr hoher Preis und ihre große Giftigkeit hinderlich. Kirstein empfahl als Sputumdesinfektionsmittel das - Phobrol (eine 50proz. Lösung von Chlor-m-Kresol in rizinolsaurem Kali), das fast - völlig geruchlos ist. 5proz. Lösungen dieses Mittels müssen allerdings 12 Stunden _ auf das Sputum einwirken, wenn der Erfolg sicher sein soll. Uhlenhuth, Jötten und Hailer fanden bei vergleichenden Untersuchungen das Alkali-Lysol (hergestellt von Schülke & Mayr) besonders wirksam. Es stellt eine Lösung von 4°/, Alkali - und 65°, Kresolen dar und tötet beim Zusammengeben von 5Ucem Sputum und 100cem einer 5proz. Lösung des Mittels Tuberk2lbazillen im Auswurf in längstens 4 Stunden ab; wenn die Desinfektionslösung vor der Zugabe auf 80° erhitzt wird, soll eine ?/,stündige Einwirkungsdauer genügen. Ebenso wird von den genannten Autoren die Verwendung einer als Parmetol (Parol) in den Handel gebrachten Lösung von Chlormetakresol in Alkali und andere Kresollaugen empfohlen. — Die Taschentücher der Phthisiker sind durch längeres Kochen oder durch mehrstündiges Bi in eine wirksame Desinfektionslösung zu desinfizieren. Empfehlenswert sind auch Papiertaschentücher, die nach Benützung verbrannt werden. - Die Desinfektion der Wohnung Schwindsüchtiger geschieht am zweckmäßigsten durch gründliche Abscheuerung aller der Stellen mit starker Karbol- oder 5prom. Sublimatlösung, die durch Sputum verun- ' reinigt sein könnten. Im übrigen soll eine sachgemäße Formalindesin- - fektion der gesamten Wohnung von 7stündiger Dauer und Dampfdes- infektion der Betten, Kleider und Gebrauchsgegenstände erfolgen. Die ‚Leibwäsche ist durch längeres Kochen zu desinfizieren. 2 Die wichtigste Maßregel zur Bekämpfung der Tuberkulose wäre zunächst die Anzeigepflicht, denn nur wenn wir über die einzel- nen Fälle orientiert sind, können wir sie als Quellen weiterer Infek- tionen unschädlich machen. Die Durchführung dieser Maßnahme wird vielfach noch für unmöglich gehalten und ist leider noch nicht gesetz- lich angeordnet, sie ist aber zweifellos von der allergrößten Bedeutung, ‘wenn nicht eine große Zahl von gefährlichen Infektionsquellen über- - sehen werden soll. Ein erster Schritt auf dem Wege zu diesem er- - strebenswerten Ziel ist durch die Bestimmungen des preußischen Seuchen- _ gesetzes gemacht worien, das Meldepflicht für jeden Todesfall an '$ Schwindsucht vorschreibt. Die Anzeigepflicht hätte sich nur auf die - Fälle offener Tuberkulose zu erstrecken, denn nur von diesen aus kann - ja eine Verstreuung der Krankheitserreger ausgehen. Es müßten dann besondere Anstalten eingerichtet werden, in denen der Auswurf ver- dächtiger Kranker unentgeltlich in sachkundiger Weise auf Tuberkel- bazillen untersucht und somit die Frage entschieden würde. ob eine offene Tuberkulose vorliegt oder nicht. Eine Isolierung aller an offener Tuberkulose Leidenden in Krankenhäusern ist leider undurchführbar, aber erstrebenswert ist die Anstaltsaufnahme für möglichst viele Schwindsüchtige und besonders für die Kranken, die sich in den letzten Stadien des Leidens befinden, 50* 768 41. Vorlesung. a re ee weil sie große Mengen von Tuberkelbazillen ausscheiden und somit besonders leicht Gesunde anstecken können. Es müssen Heime für un- heilbare Schwindsüchtige in immer größerer Anzahl gegründet werden, damit in zunehmendem Maße die Schwerkranken als Infektionsquellen ausgeschaltet werden können. en Besondere Erwartungen hat man in den letzten Dezennien auf stättn. die Erfolge der Heilstätten gesetzt, und die Heilstättenbewegung ist deshalb in Deutschland unter Führung von E. v. Leyden, B. Fränkel und Pannwitz mit besonderer Energie unter Unterstützung wohltätiger Vereine und staatlicher und städtischer Körperschaften gefördert worden. In Krankenhäusern und Heilstätten wurden in Preußen an Tuberkulose behandelt: im Jahre 1877 etwa 12000 Personen | im Jahre 1905 etwa 87 000 Personen „ar, 1886. >,,:22008 5 ls: IR DDLORN & sn. 21910 5 Er A a RE SEE ” >. 26. IBLD 5 I 0 5 In die Heilstätten werden grundsätzlich nur solche Kranke aufgenommen, bei denen man durch allgemeine hygienisch-diätetische Behandlungsmethoden, Luftkuren, besondere Diät usw. in nicht allzu- langer Zeit eine Heilung der Tuberkulose erwarten kann. Es kanr kein Zweifel darüber bestehen, daß die Wirksamkeit der Heil- stätten außerordentlich segensreich ist. Der Gesamtorganismus wird durch die zweckentsprechende. Ernährung und durch den Aufenthalt in der Luft, der auch bei schlechter Witterung und im Winter möglichst lange durchgeführt wird (Liegehallen), gekräftigt, und so kommt es vielfach zur Ausheilung tuberkulöser Affektionen. Gleichzeitig werden die Kranken — und das ist von großer Bedeutung — in hygienischem Sinne erzogen. 'Sie werden belehrt, wie sie mit ihrem. Auswurf umzugehen haben, und tragen, wenn sie entlassen werden, die Kenntnisse von der Verbreitungs- weise der Schwindsuchtserreger in weite Schichten des Volkes hinein. Aber die Erfolge der Heilstätten können nur dann gute und vor allem dauernde sein, wenn die Fälle richtig ausgewählt werden und wenn eine lange Behandlungsdauer gewährleistet ist. Es genügt nicht, daß ° die Kranken so weit gebessert werden, daß sie wieder erwerbsfähig sind, denn wenn der tuberkulöse Prozeß nicht ausgeheilt ist, tritt früher oder später doch wieder eine Verschlimmerung des Zustandes ein, und der Patient wird zur Infektionsquelle für andere. Die Heilerfolge werden zweifellos dadurch noch verbessert, daß in den Heilstätten, wie dies jetzt auch schon in ausgedehntem Maße geschieht, neben den bisher üblichen hygienisch-diätetischen Maßnahmen die Tuberkulinbehandlung angewendet wird. Be: = = nl “ * ® & & ee Außer den im Anfangsstadium der Tuberkulose befindlichen Kranken, stellen für . . RG \ z Tuberkulöse. die in Heilstätten aufzunehmen sind, und denen, die schon so vorge- schrittene Stadien der Schwindsucht aufweisen, daß ihre Unterbringung in besonderen Heimstätten oder allgemeinen Krankenhäusern angebracht erscheint, sind noch die Patienten 'als Ansteckungsquellen für andere auszuschalten, die weder zu den ersteren noch zu den letzteren gehören, die trotz ihrer Tuberkulose noch arbeitsfähig sind und ihre gewöhnliche RER EROETENPERS Tuberkulose. 769 2 PRFDRIRSICR fortsetzen. Für diese Phthisiker, deren Zahl sehr groß ist, - muß durch Einrichtung zahlreicher Fürsorgestellen gesorgt werden. Calmette war es, der zuerst Anstalten ins Leben rief, die für Tuber- kulöse, die keiner Krankenhausbehandlung bedurften, unentgeltlichen Rat und Behandlung sowie materielle Unterstützung bieten sollten. Allmäh- lich hat sich dann die Aufgabe dieser „Dispensaires“ erweitert. Auch _ in Deutschland hat man unter Führung von M. Kirchner, v. Leyden u. a. - Institute nach ihrem Muster eingerichtet. Sie sollen im weitesten Sinne den Tuberkulösen durch Rat und Tat helfen, nicht nur durch unentgeltliche Untersuchung und Behandlung, sondern auch - durch Belehrung; sie sollen sich ferner um die Wohnungsverhältnisse der Patienten kümmern; wenn es nötig ist, sollen sie für gesundheits- gemäße Verpflegung und Unterkunft sorgen, eventuell bessere Räume mieten und dafür Sorge tragen, daß die Phthisiker in geson- derten Räumen schlafen und mit ihrer’Familie in einer nicht allzu nahen Berührung leben. Wo die Behandlung durch Fürsorgestellen selbst _ nicht angebracht erscheint, sind die Kranken entweder der Behandlung - von Privatärzten oder Krankenhäusern zuzuführen. Diese Fürsorgestellen haben für die Tuberkulosebekämpfung eine Bedeutung, die hinter der der Heilstätten nicht zurücksteht, vielleicht sogar noch größer ist. Wenn sie erst in großer Zahl überall vorhanden und gut geleitet sind, werden sie eine immer segensreichere Wirkung entfalten. E* Mehr, als dies bisher geschieht, müßte die Resistenzerhöhung - durch eine systematische Tuberkulinbehandlung Infektions- - bedrohter und Leichtkranker als wichtiges Hilfsmittel im Kampf gegen die Tuberkuloseausbreitung herangezogen werden. Sie kann ambulant _ erfolgen, ohne daß die Behandelten ihrem Beruf und ihrer Familie ‘entzogen werden, und wird bei der überaus großen Zahl derer, die - einer längeren Heilstättenbehandlung nicht teilhaftig werden können, - zweifellos ausgezeichnete Erfolge zeitigen, wenn sie sachgemäß und ge- - nügend lange durchgeführt wird. Das geht aus den Erfahrungen von - FPetruschky, Kutschera, v. Aichbergen und namentlich von Wilkinson - hervor, der in England für diese Behandlungsart besondere „Tuberkulin- Dispensarys“ schuf. Für die Einrichtung gleichartiger Anstalten in - Deutschland ist Löffler sehr warm eingetreten. Bei der Durchführung aller dieser Bekämpfungsmaßregeln hat - die private Wohltätigkeit noch weiten Raum zur Betätigung ihrer hu- - manen Bestrebungen. Es gilt, da der Staat und die kommunalen Be- - hörden die für diese Zwecke erforderlichen bedeutenden Geldmittel allein nicht aufbringen können, Anstalten für Kranke und Erholungs- stätten für Rekonvaleszenten in möglichst großer Zahl zu errichten, _ für gänzlich Unbemittelte Freibetten zu gewähren, ferner für ausreichende Unterstützung der Familien zu sorgen, denen der Ernährer während der - Heilstättenbehandlung oder infolge der Erkrankung zeitweise genommen - wird, usw. Daß durch Ausstellungen, Vorträge und ähnliche Unter- _ nmehmungen die Idee und der Segen der Tuberkulosebekämpfung dem _ Volke vor Augen geführt und sein Interesse dafür wachgehalten wird, erscheint nicht unwesentlich. Der Staat wird in erster Linie dadurch - einen überaus wichtigen Anteil an der Verhütung der Schwindsuchts- “ ausbreitung nehmen können, daß er durch Gesetzgebung für die Ver- - besserung der Wohnungsverhältnisse der ärmeren Bevölkerungsschichten 7709 41. Vorlesung. tatkräftig eintritt. Gerade hier kann aber auch die private Wohltätig- keit eingreifen, indem sie den Schwindsüchtigen mit offener Tuber- kulose, soweit sie nicht in Krankenanstalten verpflegt werden können, angemessene Schlafräume ermöglicht. Nach Kayserling bewohnten von den in ihren Wohnungen verstorbenen Phthisikern 40°/, nur einzimmerige Wohnungen. Je mehr die Statistik in die Einzelheiten dringt und die Schwindsuchtsterblichkeit nach Straßen und Häusern registriert, desto mehr zeigt sich die Gefahr der unhygienischen und zu kleinen Woh- nungen. Man findet Häuser und Wohnungen, in denen sich Tuberkulose- todesfälle auffallend gehäuft haben und immer wieder zeigen. Nicht die Armut und das soziale Elend allein begünstigen in solchen Fällen die Infektion, sondern die vermehrte Ansteckungsmöglichkeit infolge zu. enger Wohnräume und mangelnder Einzelschlafräume für die Phthisiker. Außer für die an Lungen- und Kehlkopftuberkulose Erkrankten wird mit vollem Recht auch für die an anderen Formen der Tuberkulose Leidenden in neuerer Zeit in möglichst weitgehendem Maße gesorgt. Besonders die Heilung des Lupus wird von der vom Deutschen Zentral- komitee zur Bekämpfung der Tuberkulose eingesetzten und von M. Kirchner geleiteten Lupuskommission mit erheblichen Mitteln in allen erfolgversprechenden Fällen gefördert. Ebenso erkennt man mehr und mehr den Wert besonderer Heilanstalten für Kinder mit Knochen- und Gelenktuberkulose, auf die das Sonnenlicht so mächtig wirkt (Rollier-Leysin und Bernhard-St. Moritz). Daß durch die hier kurz skizzierten Maßnahmen Großes geleistet werden kann, steht außer Frage. In Preußen ist, wie die in Fig. 99 wiedergegebene Kurve zeigt, die Tuberkulosemortalität seit 1886 bis zum Beginn des Weltkrieges dauernd zurückgegangen. Der Krieg hat allerdings infolge der großen Ernährungsschwierigkeiten und der Un- möglichkeit, die Kranken so wie früher zu versorgen, einen sehr erheblichen Wiederanstieg der Kurve mit sich gebracht, der aber nach Überwindung dieser ungünstigen Umstände verhältnismäßig schnell wieder zurückging. Sieht man von diesen außergewöhnlichen und hoffentlich bald wieder völlig ausgeglichenen Kriegseinflüssen ab, so würden, wenn die gleichen Verhältnisse, wie etwa im Jahre 1880 be- stünden, wie R. Koch dargelegt hat, im Deutschen Reich jetzt alljähr- lich 100000 Menschen an Schwindsucht mehr sterben, als es tatsäch- lich der Fall ist! Ähnlich liegen die Verhältnisse z.B. in England und Schweden, während in manchen anderen Ländern die Sterblichkeits- kurve auch heute noch gegen früher nicht wesentlich geändert ist oder sogar noch steigt (z. B. Irland, Norwegen, Japan). Der Rückgang der Tuberkulosesterblichkeit ist zweifellos der ständig zunehmenden Kennt- nis über die Gefahr und Verbreitungsweise der Krankheit zuzuschreiben, zu einem nicht geringeren Teil aber auch der sozialen Besserstellung der ärmeren Bevölkerung. Einen besonderen Einfluß dürfte in dieser Beziehung, die Unterbringung der Schwerkranken in Krankenhäusern haben, die in den erstgenannten Ländern schon in großem Umfange stattfindet. Man kann nicht erwarten, daß die Tuberkulose in wenigen Jahren auszurotten ist, es wird bei einer so chronisch verlaufenden Krankheit, wo der einzelne Kranke so lange als Infektionsquelle für andere in en, Ede zn Fe N EB Tuberkulose. 771 Betracht kommt, langer Zeiträume bedürfen. Wenn aber erreicht wird, daß die Abnahme der Morbiditätsziffern gleichmäßig fortschreitet, dann wird schließlich der Tag kommen, an dem diese am Marke der Völker ‘ zehrende Krankheit in den Kulturstaaten verschwunden ist. Als Vorbild - muß: hier die Lepra gelten, die einst in Europa weit verbreitet war - und heute so gut wie ausgerottet ist. Gerade die bei der Ausrottung dieser Krankheit aus den meisten Kulturstaaten gesammelten Er- % Fig. 99. In Preußen stırbön an Tuberkulose von je 10000 Lebenden: Ar T .* Fi... 2 + E2 + - 1875 7380 885 1890 - 1895 7900 1905 1910 7915 7920 fahrungen führen aber notwendigerweise zu der Forderung, die unheil- _ baren Tuberkulösen, sobald ihre Anzahl nicht mehr zu groß sein wird, ausnahmslos dauernd in lleimstätten unterzu- bringen und so als Infektionsquellen auszuschalten. Literatur. R.Koch, Die Ätiologie der Tuberkulose. Mitt. aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. 2, 1884. — Berl. klin. Wochenschr.. 1882. — Deutsche med. Wochenschr., 1897. — Verhandlungen des Tuberkulosekongresses zu London. Deutsche med. Wochen- schrift, 1901 u. 1902. — Verhandlungen d. I. internat. Tuberkulosekonferenz. Berlin 1902. — Zeitschr. f. Hygiene, Bd. 67, 1910. 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In den germanischen Dialekten des Mittelalters wurde sie Miselsucht (miselleux), Maltzei, Malaatheid, Malatten, Malatirott, Spedalskhed, Lipkra, Leprosy benannt. Das Vorkommen des Aus- 'satzes ist wohl zum ersten Male im Papyrus Ebers um 1500 v. Chr. beschrieben. In Indien und China hat er gleichfalls schon 600—1000 Jahre v. Chr. unzweifel- haft geherrscht. Auch im alten Testament ist Lepra mit dem Namen „Zaraath“ erwähnt. Höchstwahrscheinlich haben die Israeliten diese Krankheit aus Ägypten mit nach Palästina gebracht. Aus Persien und Griechenland liegen Berichte vor, daß Lepra schon mehrere Jahrhunderte v. Chr. bekannt war. Der Name Morbus phoenieicus deutet darauf hin, daß wahrscheinlich durch die Phönizier die Krankheit nach Italien, ‚ Syrien und’von dort weiter nach der iberischen Halbinsel verschleppt wurde. Schon in diesen weit zurückliegenden Zeiten scheint man die Lepra als ansteckende Krankheit erkannt zu haben, denn in den alten Überlieferungen ist verschiedentlich davon die Rede, daß man den Aussätzigen meiden soll. Die Leprösen wurden in besonderen Stadtvierteln oder an einsam gelegenen Plätzen abgesondert, offenbar, weil man die Übertragung auf Gesunde vermeiden wollte. - In den ersten Jahrhunderten nach Christus kam es durch die Römerzüge und die großen Volksverschiebungen in Ost- und Zentraleuropa, später, im Mittelalter, besonders durch die Kreuzzüge zu einer epidemischen Ausbreitung des Aussatzes. Die Zahl der Leprösen in Europa war so groß, daß besondere Anstalten, die Aus- satzhäuser oder Leprosorien, für sie gegründet werden mußten. Schon im 6. und 7. Jahrhundert gab es Leprosorien. Ihre Zahl wuchs während der Kreuzzüge in Deutschland, Italien, der Schweiz, Frankreich und England in die Tausende. In Frankreich allein gab es im 15. Jahrhundert deren 1500. Die Orden des heiligen Lazarus und des heiligen Georg sowie die Deutschritter nahmen sich pflicht- und berufsmäßig der Pflege der Aussätzigen an. Der Ordensmeister des Lazarusordens mußte selbst ein Lepröser sein. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir die Grund- lage des heutigen Krankenhauswesens in der Gründung der Aussatzhospitäler sehen. Der Erfolg dieser Bestrebungen, die im vorigen Jahrhundert in zielbewußter Weise in Norwegen durch die Gründung zahlreicher Leprosorien wieder aufgenommen = worden sind, machte sich in einer Verminderung des Aussatzes bemerkbar. Schon im 16. Jahrhundert ging die Krankheit in den europäischen Kulturstaaten rapide zurück und zog sich gewissermaßen in die peripheren Teile Europas zurück (Lesser'. Die Zunahme der Reinlichkeit und der allgemeinen hygienischen Maßnahmen haben hierbei mitgewirkt, der Hauptteil des Erfolges ist aber auf die für die Lepra- kranken eingeführten Isolierungs- und Absperrungsmaßnahmen zurückzu- n, denn in Ländern, in denen diese vernachlässigt wurden, z. B. in Norwegen, hielt sich der Aussatz in unvermindertem Maße bis zum 19. Jahrbundert und nahm erst in dem Maße an Ausbreitung ab, in dem die Isolierung der Leprösen seit der ‚Mitte der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts durchgeführt wurde. Geschicht- liches und Verbreitung 776 42. Vorlesung. Die Lepra ist bei ihrer Verbreitung über die Erde stets dem menschlichen Verkehr gefolgt. Von den drei primären großen außereuropäischen Herden, die Jeanselme annimmt, Westafrika, Südchina und Indien, wurde sie im Laufe der letzten 3 Jahrhunderte vielfach durch die Verschiffungen lepröser Eingeborener, nach Zentral-, Nord- und Südamerika durch die von Afrika importierten Neger- sklaven, nach Australien und den Hawaischen Inseln durch chinesische Kulis, nach Südafrika durch indische Händler verschleppt. Überall dort hat sie kleinere und größere Herde gebildet und sich stets unter den Teilen der Bevölkerung, die mit den Infizierten in Berührung kamen, zuerst ausgebreitet. Noch heute kommt die Lepra fast in allen Ländern der Erde vor, am meisten in den eben genannten. Die Gesamtzahl der augenblicklich vorhandenen Leprösen wird auf 1—2 Millionen geschätzt. Bei Beurteilung der jetzigen Ver- breitung der Krankheit, namentlich in Europa und Amerika, muß man aber die Lepraherde von den sporadischen, aus exotischen Ländern eingeschleppten Fällen unterscheiden. Die heute existierenden Lepraherde bestehen zum Teil schon von altersher; bei anderen ist es (nach Jadassohn) nicht.mehr zu entscheiden, ob sie Reste der alten Lepra oder vor kürzerer oder längerer Zeit durch Einschleppung neu entstanden sind, und bei wieder anderen ist das letztere sicher der Fall. In Deutschland gab es in den letzten Dezennien nur eine geringe Anzahl Aussätziger. Abgesehen von den Kranken, die sich im Auslande infiziert hatten und in verschiedenen Teilen des Reiches aufhielten, hatten sich im bisherigen preußischen Kreise Memel durch Einschleppung aus Rußland 5 kleine Lepraherde gebildet. Nach den Angaben M. Kirchners sind seit dem Jahre 1848 dort im ganzen 77 Krank- heitsfälle festgestellt worden. Ende 1920 lebten in Deutschland im ganzen nur 11 Lepröse, und zwar 6 in Preußen, 2 auf hamburgischem Gebiet und je 1 in Braun- schweig, Hessen und Lübeck. In dem in der Nähe von Memel gelegenen, jetzt abgetretenen Aussatzheim, dessen Errichtung vor allen Dingen der Initiative von M. Kirchner zu verdanken war, sind nur noch 2 in Deutschland beheimatete Kranke untergebracht. Die Einrichtung eines neuen Lepraheims ist in der Nähe von Göttingen geplant. % Im ehemaligen Gebiete Österreichs gab es Herde in Bosnien und in der Herzegowina, deren Alter nicht genau festzustellen ist. In der Schweiz besteht ein von Jadassohn aufgefundener kleiner Herd im Wallis, der ungefähr 100 Jahre zurück- verfolgt werden kann. Er ist in einem abgelegenen Bergdorfe gelegen und breitet sich nicht aus. InFrankreich findet man alte kleine Herde in der Bretagne und in den Seealpen; außerdem leben in Paris 150—200 importierte Aussätzige. England, Holland, Belgien, Dänemark sind bis auf eingeschleppte Fälle, die sich namentlich in den größeren Städten (London, Brüssel, Amsterdam, Kopenhagen) finden, so gut wie frei von Lepra. In Schweden und namentlich in Norwegen gibt es alte Aussatzherde, die seit dem 11. Jahrhundert historisch verbürgt sind. Dasselbe gilt für Island. In Rußland hat sich die Lepra während des vorigen Jahrhunderts ausgebreitet. 1908 sollen etwa 3000 Lepröse dort gezählt sein, die meisten in den Ostseeprovinzen. Für Spanien, Portugal und Italien sind die statistischen Angaben recht ungenau. Es gibt aber in allen 3 Ländern kleinere Herde. Ähnlich liegen die Verhältnisse in den Balkanländern. In Asien ist die Lepra fast überall endemisch und im allgemeinen sehr weit verbreitet. In Klein-Asien, Persien, Palästina, Syrien und Arabien findet man viele Lepröse, ebenso in Britisch-Indien. Malakka ist sehr verseucht, ebenso Hinter-Indien. In letzterem leben nach Ehlers etwa 20000 Lepröse, in Niederländisch-Indien etwa 12000. In Japan gibt es nach den offiziellen Statistiken 40000 Lepröse, ihre wirkliche Zahl dürfte noch größer sein. Die Zahl der Aussätzigen in China, von dem namentlich der südliche Teil befallen ist, dürfte, prozentual auf die Bevölkerung berechnet, die gleiche sein. Afrika hat in allen Ländern Lepra. Am verbreitesten ist sie in Ägypten (mehr als 6000), in Abessinien, Mozambique, Kapkolonie und Transvaal, Basutoland, Kamerun, Togo und fast an der ganzen Westküste; ferner gibt es viele Lepröse auf Madagaskar (1908: 8000), Madeira und den anderen Inseln. In Nordamerika trifft man ziemlich viel aus China und den Inseln des Stillen Ozeans sowie aus Schweden und Norwegen eingeschleppte Leprafälle (300-400), aber nur in Florida, Louisiana und Texas endemische Herde. Die großen und kleinen Antillen sind gleichfalls Lepraherde. In Südamerika zeigen Kolumbien und Brasilien die stärkste Durchseuchung mit Lepra (5000 bzw. 8000 Fälle). Lepra. 777 Während Australien wenig Lepröse hat, sind die australischen In- seln stark durchseucht. Besonders auf den Sandwich-Inseln hat sich die 1840 durch Chinesen eingeschleppte Lepra rasch verbreitet und erst seit der Einrichtung von Leprosorien abgenommen. Interessant war auch die Ausbreitung des Aussatzes in der Sträflingskolonie Neu-Caledonien. 1861 wurde die Lepra dort ein- geschleppt und 1888 zum ersten Male bei einem europäischen Sträfling festgestellt. . 1892 konnten unter den Sträflingen bereits 132, 1910 235 Aussätzige gezählt werden. Der Erreger der Lepra ist der von Armauer Hansen im Jahre 1873 entdeckte und von ihm und A. Neisser näher studierte Leprabazillus. Die Leprabazillen finden sich im leprös erkrankten Gewebe hauptsäch- lich in den sog. „Leprazellen“, die sie ganz erfüllen können. Virchow war der Erste, der auf das konstante Vorkommen dieser sehr großen 'rundlichen Zellen in den Lepraknoten, den sog. Lepromen, aufmerksam machte. Bei Betrachtung von Zupfpräparaten, die aus Lepraknoten her- gestellt sind, kann man die Leprabazillen im Innern dieser von Ar- mauer Hansen, Boeck und Danielsen als Globi oder Kugeln bezeichneten Zellen als ziemlich stark lichtbrechende, unbewegliche Stäbchen erkennen. Die mit den Bazillen vollgestopften Zellen haben häufig eine leicht bräunliche Färbung und zeigen im Innern Lücken, die als Vakuolen aufgefaßt worden sind. Bergengrün sah in Schnitten von leprös ver- änderter Schleimhaut der oberen Luftwege oft große Mengen von Ba- zillen, zu langen Bändern oder Streifen angeordnet, sich in den Ge- 'webslücken hinziehen. Er hält infolgedessen die „Globi“ für querge- troffene Thromben in varikös dilatierten Lymphgefäßen, die aus Bazillen Bazillenresten, Zoogloea und geronnener Lymphe bestehen. Die Annahme von Unna, daß die Leprabazillen sich hauptsächlich in den Lymph- spalten und Hohlräumen des Gewebes ausbreiten, würde durch diese Auffassung ihre Bestätigung finden. Setzt man zu Zupfpräparaten Ätz- ‘ kali hinzu, so werden nach Auflösung der Wand der Globi die Bazillen frei, liegen aber trotzdem noch in Haufen zusammen. Morphologisch haben, wie das gefärbte Präparat erkennen läßt, die Leprabazillen eine große Ähnlichkeit mit den Tuberkelbazillen, denen ' sie im Bakteriensystem sehr nahe stehen, sind aber meist etwas ge- ' drungener in ihren Dimensionen und seltener als diese leicht gebogen oder winklig geknickt. Ihre Länge beträgt 4—6y., ihre Breite 03—0'4 u. Sehr charakteristisch ist in Schnitt- und Ausstrichpräparaten die Zu- sammenlagerung der Stäbchen in Haufen. Die Leprabazillen sind eben- so wie die Erreger der Tuberkulose unbeweglich und gehören wie diese zur Gruppe der säurefesten Bakterien. Sie sind allerdings weniger resi- ‘ stent gegen Säuren als die Tuberkelbazillen und entfärben sich leichter bei Anwendung von Säuren und Alkohol; andrerseits sind sie mit ge- wöhnlicher Fuchsinlösung leichter färbbar als die Tuberkelbazillen. Aber diese Färbungsunterschiede sind nicht groß und konstant genug, um differentialdiagnostisch verwertbar zu sein. Bei Anwendung des Gram- schen Verfahrens verhalten sich die Bazillen positiv. In den Leprabazillen sind nicht nur Babes-Ernstsche Körper- chen (s. S. 26), sondern auch Körnchen nachweisbar, wie sie bei Tu- berkelbazillen konstant vorkommen und als sog. Granula beschrieben sind. Diese Körnchen sind besonders gut nach der verlängerten Gram- färbung (s. S. 707) darstellbar. Zwischen den Granula, besonders an den Enden der Bazillen kommen Vakuolen vor, die aber mit Sporen nichts Der Lepra- bazillus. Morphologie. 178 42. Vorlesung. zu tun haben. Zuweilen findet man auch kugelige Anschwellungen an den Enden der Bazillen, die als Involutionsformen aufgefaßt werden. Unna hat die Aufmerksamkeit auf Schleim- und Gloeabildung bei den Leprabazillen hingelenkt, die die Ursache für die Zusammenlagerung der Bazillen abgeben soll. Bei der Beurteilung der Säurefestigkeit der Leprabazillen muß das Alter der Bazillen in Rechnung gezogen werden. Emile Weil fand, daß die Bazillen in älteren Lepraknoten ihre Säure- und Gramfestigkeit verlieren. Andere Autoren geben an, daß auch ganz junge Bazillen wenig säurefest sind. Für die Färbbarkeit ist der Umstand, ob die Bazillen noch am Leben oder abgestorben sind, und ferner die Art des umgebenden Gewebes von erheblicher Bedeutung. Das Auftreten zahlreicher Körnchen ist wohl .als Degenerationserscheinung zu deuten. Durch folgende besondere Färbung läßt sich nach Unna eine Fettsubstanz in den Leprabazillen nachweisen: Fixierung in Flemmingschem Gemisch (24 bis 48 Stunden), Spülung in fließendem Wasser, Alkohol, Zelloidin. Glyzerin mit 2 Tropfen lproz. Argentum nitricum für 12 Stundenim Dunkeln, Agq. dest., 10—20proz. Lösung von unterschwefligsaurem Natron 6—12 Stunden, Ag. dest., Alkohol, Öl, Balsam. Man sieht dann graue Bazillen mit tiefschwarzen Körnern. omg Die Züchtung der Leprabazillen ist bis jetzt nicht gelungen. Hansen, Neisser, Schottelius, Scholtz und Klingmüller, Dieudonne, Rouz, Ohantemesse und viele andere wohlgeübte Untersucher hatten bei ihren Kulturversuchen negative Resultate. Wenn einzelne Forscher (z. B. Bar- doni-Uffreduzzi, Campana, Emile Weil, Carasquilla) behaupteten, die Erreger des Aussatzes auf Nährböden gezüchtet zu haben, sind sie den Beweis schuldig geblieben, daß es sich bei ihren Kulturen nicht um Tuberkelbazillen oder andere säurefeste Bakterien handelte. In anderen Fällen sind Bazillen, die sich auf künstlichen Nährmedien als nicht säurefest erwiesen, aus leprösen Krankheitsprodukten isoliert worden; ihre Identifizierung mit den Leprabazillen ist nicht angängig. Von anderen Forschern sind diphtherieähnliche Bazillen und Streptotricheen, die teils säurefest,- teils nicht säurebeständig waren, aus’ Lepraknoten gezüchtet worden, aber auch hier steht nicht fest, daß es Leprabazillen waren und daß die Züchtung dieser Mikroben einigermaßen regelmäßig gelingt. Das gilt auch für die Befunde von Kedrowsky, Bertarelli, Levy, Olegg, Campana usw. Aus säurefesten Bakterien, die er von der Haut oder Schleimhaut von Leprösen züchtete und als Streptothrix leproides bezeichnete, hat Deycke mit Äther eine Substanz, das sog. „Nastin“, extrahiert, die zu den Lipasen zu gehören scheint. Weil man sichere Leprabazillen bisher auf keinem künstlichen Nährboden zur Vermehrung gebracht hat, sind viele Fragen der Leprapathologie der experimentellen Forschung noch entzogen und deshalb dunkel geblieben. are ‚Ein weiterer Grund für unsere etwas lückenhaften Kenntnisse in genität. der Pathologie dieser chronischen Infektionskrankheit liegt in dem Um- stand, daß Lepra auf Tiere nicht übertragbar ist. Es ist bisher keinem Forscher gelungen, durch Übertragung von Lepraknoten, selbst wenn in ihnen massenhaft Leprabazillen enthalten waren, bei Tieren, auch nicht bei Affen, regelmäßig lepröse Veränderungen oder überhaupt eine wirkliche Infektion, d. h. durch Vermehrung der Leprabazillen im Tierkörper bedingte spezifische Krankheitserscheinungen, namentlich auch metastatische Lepraknoten oder Veränderungen an den Nerven zu erzielen. Zwar halten sich Leprabazillen, die mit Lepragewebe in den Tierkörper eingeführt sind, in diesem oft ziemlich lange lebens- fähig, vor allem dann, wenn durch enfzündliche Vorgänge eine Abkapse- Lepra. 779 lung des eingeführten Gewebes erfolgt, aber von einer nennenswerten Vermehrung der Bazillen und der Bildung pathologischer Produkte, die den Lepromen ähnlich oder gleich wären, kann bei derartigen Vor- gängen keine Rede sein. Gegenüber den negativen Resultaten, Menschenlepra auf Tiere zu über- tragen, die von Hansen, Neisser, Koebner, Schottelius, Holst, R. Koch, Arning, Kitasato, Babes, Campana stammen, wollen Damsch, Melcher und Ortmann, Vossius, Barannikow zuweilen positive Ergebnisse, ja sogar metastatische Lepraknoten bei Kaninchen erhalten haben. Es ist noch nieht einwandfrei bewiesen, daß es sich hier nicht um eine abgekapselte Konservierung der Leprabazillen oder um Tuberkulose oder eine andere spontane Tierkrankheit gehandelt hat. Nicolle, Marchoux und Bourret experimentierten an Schimpansen, aber auch mit zweifelhaftem bzw. negativem Erfolg. Kyrle will durch kutane und subkutane Verimpfung von sehr bazillenreichem Pustelinhalt eines Leprakranken bei drei- Rhesusaffen in der Supraorbitalzone nach 18—22tägiger Inkubation kirschkerngroße Knoten erzielt haben, die keine Neigung zu Erweichung zeigten und sich nach 4wöchigem Bestehen zurückbildeten. Allgemein- erscheinungen traten nicht auf, die Wassermannsche Reaktion blieb negativ. Die Knoten zeigten in den ersten Stadien ein in Proliferation begriffenes Entzündungs- gewebe mit vakuolisierten Riesen- und Leprazellen, die zahlreiche Leprabazillen als säurefeste Stäbchen oder Körnerreihen in sich schlossen. Bei. aller Skepsis über die bisherigen Ergebnisse der Tierversuche braucht man aber die Hoffnung nicht aufzugeben, einmal einen tiervirulenten Leprabazillenstamm ‘oder eine wirklich geeignete Inokulationsmethode zu finden, wenn man bedenkt, wie verschieden sich die einzelnen Stämme der Syphilisspirochäte gegenüber Kaninchen . verhalten (Jadassohn). “ Verschiedene Autoren haben auch mit den aus Lepraknoten isolierten Kulturen (s. 0.) Tierversuche angestellt, meist mit negativem Resultat. Die wenigen angeblich erzielten itiven Ergebnisse bedürfen der Bestätigung und lassen die an der Echtheit ig angeblichen Leprakülturen geäußerten Zweifel bestehen. Mit den negativen Ergebnissen der Übertragungsversuche stimmt es auch gut überein, daß spontane Lepra bei Tieren nicht beobachtet worden ist. Nur bei Ratten kommt spontan eine Krankheit vor, die eine gewisse Ähnlichkeit mit dem menschlichen Aussatz hat und deshalb auch als Rattenlepra bezeichnet ist. In manchen Gegenden, z. B. in Odessa und Paris, ist sie recht ver- breitet. Sie tritt als reine Drüsenerkrankung oder als Hautmuskelform auf; bei letzterer sind auch barte, große Drüsen zu fühlen, zum Teil mit Erweichungsherden. Bei der Hautmuskelform entwickeln sich in der-Haut unter Ausfall der Haare bis bohnen- große Knoten. Die Muskeln in der Umgegend der Knoten sind eigenartig weiß und zerreißlich. Bei beiden Formen kommen bronchopneumonische Herde vor. Der Tod der Ratten erfolgt meist durch Kachexie. Der Bazillus der sog. Rattenlepra ist dem Leprabazillus ähnlich, hat aber etwas mehr abgerundete Ecken als dieser. Auch Granula kommen vor. Er färbt sich nach Gram und verhält sich bezüglich der Säurefestigkeit ungefähr so. wie der Lepra- bazillus des Menschen. Ganz wie dieser findet er sich in den Krankheitsherden in Massen innerhalb der Zellen, vor allem in Endothelien, aber auch in Muskel- und Drüsenzellen, die zum Teil in Riesenzellen oder den Virchowschen Leprazellen ähnliche Gebilde umgewandelt sind. Auch im Milzsaft, im Herzblut und im Nasen- schleim haben einige Autoren die Bazillen nachgewiesen. Kulturversuche sind negativ ausgefallen (Dean, Wherry, Kitasato). ; Die Übertragung der Krankheit von Ratte zu Ratte ist bei Verimpfung von bazillenhaltigem Material meist erfolgreich, während andere Tierarten nicht zu infizieren sind. Zuweilen wird Spontaninfektion beobachtet, wenn kranke Ratten mit gesunden in einem Käfig gehalten werden. Die von Bayon geäußerte Ansicht, Rattenlepra und Menschenlepra seien ätiologisch identisch, ist nicht genügend F ‚begründet, trotzdem die große Ähnlichkeit beider Krankheitsprozesse in klinischer und pathologisch-anatomischer Beziehung sowie bezüglich der Biologie des Erregers zugegeben werden muß. . Eine Krankheit des -Rindes, die am Darm lokalisiert ist, die Enteritis — hypertrophica bovis specifica, wird gleichfalls durch einen säurefesten, nicht züchtbaren Bazillus hervorgerufen. Die Bazillen finden sich in Massen in den ver- größerten Zellen der verdiekten Darmschleimhaut. | Klinische Er- soheinungen. 780 42. Vorlesung. Das Vorkommen solcher durch säurefeste Bazillen bedingten Tierkrankheiten muß man, wie Jadassohn hervorhebt, bei der Beurteilung von positiven Übertragungs- versuchen von Menschenlepra auf Tiere stets vor Augen haben. Nach dem klinischen Krankheitsbild unterscheidet man drei Formen der Lepra, und zwar: 1. die sogen. tuberöse Form, Lepra tuberosa; 2. die makulo-anästhetische, Lepra maculo-anaesthetica, und 3. die gemischte Form des Aussatzes, Lepra mixta. Die erstere Form ist durch die Bildung von harten Knoten charakterisiert, die meist zuerst im Gesicht (s. Taf.56, Fig. 1), besonders in der Stirngegend und um die Nase auftreten, aber auch am übrigen Körper beobachtet werden. Bei der makulo-anästhetischen Form fehlen größere Knotenbildungen ; im Vorgrunde des klinischen Bildes stehen hier eigenartige, mit Pigmentierung einhergehende trophische Störungen, Fleckenbildungen, Blasen (Pemphigus leprosus) der Haut und Veränderungen an’ den peripheren Nerven, die zu Anästhesien, Geschwürsbildungen (s. Taf. 56, Fig.2) und Gangrän führen können. Auf trophische Störungen sind auch die elephantiastischen Verdickungen, die Atrophien und Lähmungen der Muskeln zurückzuführen. Die Infiltrate und Knoten bezeichnet man auch als Leprome. Bei der gemischten Form finden sich sowohl Knoten wie anästhetische Flecken und Veränderungen an den Nerven. Die Lepra ist eine chronisch verlaufende Krankheit. Ihre Inku- bationszeit ist sehr lang und wird in manchen Fällen auf 10—12 Jahre bemessen. Die Frühsymptome bei der tuberösen Form bestehen meist in der Bildung kleiner, nur wenig über die Haut hervorragender harter Knötchen an der Stirn oder an den Nasenflügeln. Auch Ausfallen der Augenbrauen wird häufig lange vor dem Auftreten sonstiger manifester Veränderungen beobachtet. Nach diesen Frühsymptomen stellt sich das erste Exanthem ein. Es treten Flecken von Linsen- bis Flachhandgröße und darüber auf, die anfänglich lebhaft rot sind, späterhin ein immer mehr braunes Kolorit annehmen, an der Oberfläche etwas schuppen und das Niveau der normalen Haut deutlich überragen. Die Flecken 4 sind anfänglich unregelmäßig lokalisiert und können auf allen Körper- stellen auftreten: erst im späteren Verlauf tritt die Vorliebe für gewisse Teile, besonders das Gesicht, immer deutlicher hervor (Lesser). Ein Teil der Flecken verschwindet unter Zurücklassung von Pigment, ein anderer wird stärker infiltriert und geht in die typischen Knoten über. Bei genauer Palpation der Leprome fühlt man, daß die Knoten in der Haut oder Schleimhaut selbst liegen und deshalb über der Unter- lage verschieblich sind. Besonders stark verdächtig ist die Anordnung der Knoten und Flecken in Form von Schmetterlingsflügeln zu beiden Seiten der Nase. Häufig bestehen Veränderungen in der Nase, die sich als chronischer Stockschnupfen äußern. Die primäre Eingangs- pforte scheint bei vielen Leprainfektionen die Nasenschleimhaut zu sein, denn bei Untersuchung mit dem Nasenspiegel werden nicht nur bei vorgeschrittenen Fällen, sondern auch im Anfangsstadium, wie Koch und Sticker zeigten, an der Nasenscheidewand oder den Muscheln Geschwüre gefunden, in deren Grund zahlreiche Lepra- bazillen nachweisbar sind. Die gleichen Veränderungen in der Nase finden sich auch bei anästhetischen und gemischten Formen häufig sehr früh. Flecken, die anästhetisch sind und für die eine andere Ätiologie (Hautkrankheiten, Syphilis, Rotz usw.) nicht nachgewiesen Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel Fig. 1. Lepra tuberosa. — Fig. 2. Lepra mutilans im vorgeschrittenen Stadium. (Aus Jakobis Atlas der Hautkrankheiten.) Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. ee ET \ Lepra. | 781 werden kann, sind bei Patienten, bei denen eine Infektion mit Lepra möglich ist, stets verdächtig. Bei allen Formen der Lepra kommen Exazerbationen vor. Unter plötzlich mit Schüttelfrösten einsetzendem Fieber treten dann an den verschiedensten Körperstellen neue Flecke, Infiltrationen oder gar Knötchen mit Bläschen auf der Haut auf. Man gewinnt den Ein- druck, daß es sich um eine Aussaat des Infektionsstoffes auf dem Blut- wege handelt. In der Tat sind während der Fieberattacken Leprabazillen im Blute, freiliegend oder in Leukozyten aufgenommen, mikroskopisch nachzuweisen. Es wird berichtet, daß nach solchen akuten Eruptionen bei manchen Patienten eine Art Heilung der Krankheit als Folge einer Immunisierung eintritt. Die Knoten in der Haut kommen dann zur Erweichung und Resorption; es tritt ein gewisser Stillstand im Fort- schreiten des Prozesses ein. Verschiedene Autoren deuten die rein anästhetischen Formen überhaupt als geheilte Formen der Lepra und vertreten die Ansicht, daß jeder Fall von Lepra anaesthetica zuerst mit Entwicklung von Knoten, wenn auch nur im beschränktem Maße, begonnen habe. Daß Heilungen nach langem Bestehen der Lepra anaesthetica vorkommen, ist kaum zu bezweifeln. Es wird eine gewisse Immunität und ein Zugrundegehen fast sämtlicher Bazillen innerhalb der Gewebe erzielt. Die schweren anatomischen Veränderungen an den Nerven sind allerdings nicht rückgängig zu machen. Die Unterschiede, die die Lepra in ihrem Gesamtverlauf, nament- lich bei der Entstehung der beiden Hauptformen aufweist, hat man 1. durch Differenzen in den pathogenen Eigenschaften der Leprabazillen, ‚2. durch Verschiedenheiten der angeborenen oder erworbenen Disposition und 3. durch Unterschiede im Modus und Ort der Infektion zu er- klären versucht. Über die biologischen Eigenschaften des Erregers, als ' deren Ausdruck wir die Virulenz bezeichnen könnten, fehlen uns bisher nähere Kenntnisse. Abgesehen davon, daß sich in den Lepragegenden Lepra tuberosa und Lepra anaesthetica ziemlich gleichmäßig verteilt finden, wird nicht selten der Übergang der einen Form in die andere beobachtet. Auch die Menge des einverleibten Infektionsstoffes dürfte nach unseren Erfahrungen bei fast allen anderen Infektionskrankheiten kaum eine Rolle spielen. Es ist aber auch unwahrscheinlich, daß Unter- schiede im Modus und Ort der Infektion von Bedeutung sind. In dieser Beziehung ist so gut wie gar nichts Sicheres bekannt. Wir wissen nur, daß bei beiden Formen der Lepra sich häufig Erkrankungen der Nase finden, die als Primäraffekte betrachtet werden, aber in einem großen Prozentsatz der Fälle läßt sich die Eintrittspforte bzw. die als primär zu deutende Nasenerkrankung nicht nachweisen. Das gilt für beide Formen der Lepra. Es ist also am wahrscheinlichsten, daß es Unter- schiede in der individuellen Disposition sind, die für den Verlauf der _ Krankheit und namentlich für die Entstehung der: einen oder anderen Form ausschlaggebend sind. Diese individuelle Disposition könnte natürlich ebensogut angeboren wie erworben sein. Daß solche Unter- schiede der: individuellen Disposition vorhanden sind, darauf deutet namentlich auch die Form der Gewebsreaktion hin, die bei den ein- zelnen Individuen verschieden ist und in einem ziemlich gesetzmäßigen und, wie es scheint, zur Zahl der in den erkrankten Geweben vor- handenen Bazillen umgekehrten Verhältnis steht. „Je stärker die erste Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 51 782 42. Vorlesung. Gewebsreaktion ist, desto geringer ist die Zahl der Bazillen, und je geringer diese wird, ohne gleich Null zu werden, um so chronischer ist oft der Verlauf und um so geringer wird die Gewebsläsion“ (Jadassohn). Das Vorkommen beider Formen, der tuberösen und makulo- anästhetischen Lepra bei einem Individuum schließt die Bedeutung des eben geschilderten gesetzmäßigen Verhaltens für den Verlauf der Lepra und der Gewebsreaktionen nicht aus, denn wir wissen, daß unter | dem Einflusse der Infektion sich die Reaktionsfähigkeit des Organismus ändern kann. Es ist auch bei anderen Infektionen, namentlich bei Hautkrankheiten, ferner bei der Syphilis, die der Lepra ja in so vieler Hinsicht nahe steht, erwiesen, daß die Umstimmung der Gewebe ; als allergische Überempfindlichkeit oder als Abnahme der Empfind- | lichkeit sich nicht auf den ganzen Körper, sondern nur auf einzelne Teile erstrecken kann. Nimmt die Reaktionsfähigkeit des Körpers ab, so entsteht z. B. aus der tuberösen Lepra eine makulo-anästhetische. Aber es ist ebenso sehr wohl denkbar, daß die Empfindlichkeit ds Organismus zunimmt. So würde sich der Übergang von Lepra anaesthe- tica in die tuberöse Form erklären, der im allgemeinen aber seltener ist als das umgekehrte Verhalten. Es sind bei anderen Infektions- krankheiten, z. B. bei Tuberkulose und bei Syphilis, hierfür Analoga 1 zu finden. ; en Die Leprabazillen finden sich beim kranken Menschen in allen beim Kran- Jeprösen Veränderungen. Namentlich in den Knoten der Haut und “ Sehleimhaut, zerfallenen und nicht zerfallenen, trifft man sie in sehr großen Mengen. Bei vorgeschrittener Lepra sind sie auch in Milz und Leber, in den Testikeln, überhaupt fast in allen inneren Organen nach- zuweisen. Bei der anästhetischen Lepra erfüllen sie die Zellen des Zentral- nervensystems, des Rückenmarks und Gehirns und sind auch an den veränderten Stellen der peripheren Nerven häufig zu finden. In Flecken der Haut, die frisch entstanden sind, vermißt man sie fast nie. Im Blut können sie, wie bereits erwähnt, hauptsächlich während der akuten - Eruptionen, vielfach den Endothelien angelagert oder in weiße Blut- zellen eingeschlossen, nachgewiesen werden. Fast konstant scheint das Vorkommen der Leprabazillen im Nasenschleim zu sein, sobald Geschwüre in der Nase vorhanden sind. Die sämtlichen pathologisch-anatomischen Veränderungen deuten auf die ätiologische Bedeutung der Bazillen bei Lepra tuberosa, maculo- anaesthetica und mixta, die auch klinisch zusammengehören, hin. Es wäre wie Jadassohn sagt, „nach allen unseren Kenntnissen auf dem Gebiete der pathologischen Histologie der Infektionskrankheiten absurd, die Leprabazillen als Nosoparasiten aufzufassen“. Auch die Schwierig- keit, die Bazillen bei manchen Leprösen, namentlich bei der makulo- anästhetischen Form, intra vitam aufzufinden, ändert nichts an ihrer alleinigen ätiologischen Bedeutung. Schon vor fast 100 Jahren haben Pfefferkorn und Lori darauf hingewiesen, daß bei Leprösen häufig, bevor sich irgendwelche Verän- derungen der äußeren Haut zeigen, prodromale Schleimhautaffektionen der Nase bestehen. Auch Boeck und Danielsen, die zuerst die patho- logische Einheit der Nerven-, Knoten- und Eingeweidelepra zwar ohne ‘ die Grundlage der bakteriologischen Ära, aber doch überzeugend und auf annehmbare Weise gestützt, erkannten, fanden bei tuberöser wie . Lepra. 183 - bei makulo-anästhetischer Lepra häufig Geschwüre in der Nase. Diese letzteren kommen in der Tat bei so vielen Fällen vor,. daß Jeanselme und Laurens, Sticker u. a. behaupteten, die Lepra setze ihren Primär- affekt stets in die Nase. Von dort aus sollen die Leprabazillen in das Lymphgefäßsystem eindringen. Die eigenartige Ausbreitung der ersten Veränderungen im Gesicht bei manchen Leprösen und auch der Umstand, daß in weitaus der Mehrzahl aller Fälle sich die all- einigen Veränderungen an der Haut des Gesichts und an den Schleim- häuten der Mund- und Nasenhöhle finden, sprechen in der Tat sehr für diese Annahme. Verschiedentlich ist behauptet worden, daß der Leprabazillus sich primär auch an anderen Körperstellen, z. B. im Digestionstraktus oder im tieferen Respirationstraktus, ansiedeln könne. Wissen- schaftlich verwertbare Tatsachen für die Möglichkeit eines solchen . Infektionsmodus liegen nicht vor. Von verschiedenen Forschern sind aber Beobachtungen mitgeteilt, nach denen man wohl die Haut bzw. deren Lymph- und Blutgefäße als erste Ansiedlungsstätte der Erreger auffassen könnte. So ist berichtet worden, bei barfuß gehermden Menschen beginne die Lepra häufig an den unteren Extremitäten (Arning, Mantegazza), ferner seien Primäraffekte der Haut nach Verletzungen, Ekzemen usw. nicht selten. Auch durch die Schutzpockenimpfung, wenn sie von Arm zu Arm geschieht, könne die Lepra in die Hautlymphgefäße eingeimpft ' werden. Aber die Zahl der Fälle, in denen ein solcher Infektionsweg angenommen werden konnte, ist so verschwindend klein, daß die 3 primäre Ansiedlung der Leprabazillen in der Haut zum mindesten zu den Ausnahmen gehört. Die direkte Einimpfung in die Blutgefäße der Haut ohne Erzeu- eines Primäraffektes könnte durch blutsaugende Insekten ge- schehen. Eine größere Anzahl Forscher hat sich dem Studium dieser Frage zugewandt. Als Überträger der Lepra sind untersucht Moskitos, - Fliegen, Wanzen, Flöhe und Milben. Die Möglichkeit, daß Insekten als “ Zwischenwirte für den Leprabazillus in Frage kommen, ist natürlich gegeben. Aber es läßt sich die Übertragung der Lepra von Kranken - auf Gesunde auch ohne die Insekten erklären, wie weiter unten -bei Schilderung der Epidemiologie noch besprochen wird. Folgende Tat- - sachen sprechen aber gegen die vorwiegende Bedeutung der Insekten - als Lepraüberträger: Nach den sorgfältigen Untersuchungen von Ehlers kommen säurefeste Bazillen überhaupt bei stechenden Insekten nur - selten vor. Sichere Leprabazillen sind in den Stechrüsseln der Insekten = aber noch niemals gefunden worden, denn eine Identifizierung der säurefesten Bakterien, die bei Insekten gelegentlich vorkommen, mit = Leprabazillen ist wegen der mangelnden Tierpathogenität und der = Kulturschwierigkeiten bis jetzt nicht möglich. Gerade die Schwierig- keit oder Unmöglichkeit, die Leprabazillen außerhalb des mensch- lichen Gewebes zur Vermehrung zu bringen, spricht ‚gegen die Über- © tragung durch Insekten. Die relative Seltenheit, daß in gut geleiteten Leprosorien Ärzte, Pfleger oder Verwaltungspersonal leprös” infiziert werden, ist ein weiteres Argument. Wenn sich also eine Lepra- i übertragung durch Insekten auch nicht völlig ausschließen läßt, so gehört die Annahme ihres Vorkommens doch bis jetzt in das Gebiet der Mutmaßungen. 51* Allgemeine Pathologie. 784 42. Vorlesung. £ Die Leprabazillen werden, wie schon erwähnt, in den pathologisch veränderten Geweben meistens in großen Mengen angetroffen (s. Taf. 57, Fig. 1—3); doch ist das keineswegs immer der Fall. In den Knoten peripherer Nerven bei Lepra anaesthetica, in den veränderten inneren Organen und ‚in den leprösen Verdickungen der Haut bei Lepra tube- rosa findet man oft nur sehr spärliche Bazillen. Diese bazillenarmen Formen, die viel seltener sind als die bazillenreichen, werden auch als „tuberkuloide“ bezeichnet und haben, worauf Jadassohn besonders hin- gewiesen hat, Analoga in gewissen tuberkulösen Krankheitsprodukten (Lupus) und in manchen Erscheinungen der sekundären und tertiären Syphilis. Was die Ursache für das Zustandekommen der bazillenreichen und bazillenarmen Formen der Lepra ist, darüber lassen sich bisher nur Vermutungen aufstellen. Sicher ist aber, daß fast ‚alle bazillen- armen Produkte der späteren Krankheitsperioden bei ihrer Enstehung bazillenreich waren. Die Bazillen verschwinden erst mit dem Beginn der Heilung, wenn es zu ausgedehntem Gewebszerfall und nachfolgender Narbenbildung kommt. Bei der bazillenreichen tuberösen Form treten aber sowohl in der Haut als in den Schleimhäuten und Nerven die Gewebsreaktionen trotz der Anwesenheit zahlreicher Bazillen völlig zu- rück. Auf diesen Mangel an Gewebsreaktion, der ein Ausdruck des Fehlens einer Allgemeinreaktion des Körpers überhaupt ist, führt Jadassohn die langsame Entwicklung der Tubera zurück. Die allgemeine Pathologie der Lepra ist noch keineswegs in allen Einzelheiten genügend erforscht. Das Zustandekommen vieler Ver- änderungen ist zwar durch die Eigenschaften und: die Ausbreitung des Erregers im erkrankten Körper ohneweiters zu erklären, ebensoviele Fragen sind aber noch ungelöst. Wie lange die Inkubationszeit der Lepra dauert, ist noch nicht bekannt. Es entzieht sich deshalb unserer Kenntnis, wo sich die Bazillen in einzelnen Fällen oft jahre- oder jahrzehntelang halten können, ohne sichtbare Krankheitserscheinungen auszulösen. Es ist möglich, daß ihre erste Entwicklung in den Lymph- bahnen speziell des Gesichtes und der Nasenschleimhaut stattfindet. Wenn. nun auch von dort gelegentlich eine Ausbreitung der Krank- heit durch Kontinuität, z. B. entlang den Nervenbahnen, den Muskeln, Knorpeln usw. stattfinden kann oder die Bazillen auf dem Wege der regionären Lymphbahnen örtliche Erkrankungen hervorrufen, so spielt bei der Verbreitung des Infektionsstoffes sicher das Blut die größte Rolle. Nur so läßt es sich erklären, daß im Verlaufe der beiden Formen der Lepra unter Fiebererscheinungen zahlreiche, oft sym- metrische Flecken und disseminierte Eruptionen auf der Haut des ganzen Körpers auftreten. Der Nachweis der Bazillen im Blute, na- mentlich während der fieberhaften Stadien, ist ein weiteres Beweis- moment für diese Auffassung. Es finden derartige Nachschübe jeden- falls häufiger statt, als es sich in allen Fällen exakt verfolgen läßt. Die chronisch-entzündlichen Veränderungen, die sich an alle diese Erup- tionen anschließen, beginnen fast stets in den Wandungen der kleinsten Gefäße. Es entstehen perivaskuläre Infiltrate. als Folge der Ansied- lung der Leprabazillen an den Wänden der Gefäße. Diese Ent- zündungen weisen in der weiteren Entwicklung den Charakter der 7 infektiösen Granulationsgeschwülste auf, zeigen aber bei Be 7 Lepra. 185 ginn vielfach den Typus der akuten Entzündungen, wobei eine seröse Exsudation im Vordergrunde steht. Es hängt für den Verlauf der ein- zelnen örtlichen Erkrankungen, wie oben auseinandergesetzt ist, wesent- lich von der Reaktionsfähigkeit des Körpers ab, ob_die Wucherung der Bazillen oder die von ihnen gelieferten Gifte mehr oder weniger zu Rückbildungsvorgängen oder zu Neubildungen im Sinne der Granula- tionsgeschwülste führen. Die von den Bazillen gelieferten Giftstoffe beeinflussen das Allgemeinbefinden der Kranken wenig. Nur in zwei Richtungen äußern sie sich: einmal in Fieberbewegungen, die vor- übergehend sind und mit der Aussaat der Bazillen durch den Blutstrom in Zusammenhang stehen, und zweitens in toxischen Wirkungen auf das Zentralnervensystem, als deren Folge wohl die Degenera- tionen im Rückenmark und an den peripheren Nerven aufzufassen sind. Es kommt durch sie zu den bekannten trophoneuritischen Ver- änderungen an den Knochen, die zu Nekrose, zu Atrophien und Ab- schnürungsprozessen führen können. ‘Auch die Bildung von Erythemen, von Blasen und Geschwüren wird auf diese chronisch-toxischen Wirkungen und ihre Folgen und Erscheinungen im Nervensystem zurückgeführt. Die lokalen Wirkungen der Leprabazillen können eine Einschmelzung des Gewebes, namentlich bei der tuberösen Form, bedingen, wobei es zu Nekrose und ausgedehnter Erweichung kommt. Auch in den Nerven kommen solche offenbar durch Toxine der Ba- zillen verursachten Erweichungsherde vor. Wie bei allen chronischen Infektionskrankheiten können sich, sobald Gewebszerfall eingetreten ist, auch sekundär-infizierende Mikroorganismen ansiedeln, die dann den Krankheitsverlauf meist ungünstig beeinflussen. Für die Epidemiologie und Prophylaxe ist die Frage von Wichtigkeit, 'wie die Leprabazillen aus dem Körper des Kranken in die Außenwelt gelangen. Eine Ausstreuung des Infektionsstoffes kann erst eintreten, wenn die leprösen Neubildungen der Haut und der Schleim- häute zerfallen und die Leprabazillen mit den Sekreten der dadurch entstandenen Geschwüre nach außen entleert werden. Im Urin und in den Fäzes sind nur sehr selten Leprabazillen nachweisbar, ebenso im Lungensputum. Dagegen pflegt der Nasenrachenschleim, wenn lepröse Veränderungen in der Nase (Geschwüre) vorhanden sind, große Mengen der Bazillen zu enthalten, die nun in der mannigfachsten Weise beim Sprechen, Husten, Niesen usw. verbreitet werden. Es ist notwendig, kurz auf einige pathologisch-anatomische Ge- sichtspunkte hinzuweisen, die namentlich für differentialdiagnostische Untersuchungen wichtig sind. In den Lepromen der Haut finden sich ebensowenig wie in den inneren Organen oder den Nerven, wenn diese ergriffen sind, Riesenzellen oder Nekrose. Wo derartiges bei Leprösen vorkommt, dürfte Mischinfektion mit Tuberkelbazillen vorliegen. Die Lepraknoten sind reich an Blutgefäßen. Es kommt infolge der Invasion der Leprabazillen zu einer Vergrößerung der bereits vorhandenen Ge- webszellen. Der Lepraknoten entsteht jedoch nicht nur durch die Ver- größerung der präformierten Zellen, sondern durch eine Wucherung von Zellen unter dem Einflusse der Bakterien. Sobald Lepra längere Zeit besteht, findet sich regelmäßig eine starke Vergrößerung der Leber und Milz. Auf dem Durchschnitt sieht man in diesen Organen weißliche Knötchen,, die sich bei mikroskopischer Untersuchung als Nester von Mikro- biologische Diagnose. 186 42. Vorlesung. Leprazellen erweisen. In den Nieren fehlen stärkere Veränderungen fast nie, in vielen Fällen kommt es zu Schrumpfungen, die direkt den Tod herbeiführen können. An den Nerven entstehen da, wo die Leprabazillen sich ansiedeln, starke Verdickungen; es kommt zu einer Vermehrung der Bindegewebszellen und zur Bildung von Knoten, die bei der sehr häufigen Schrumpfung die Nervenfasern zur Atrophie bringen. Die Veränderungen an den Rückenmarkshinterhörnern werden sekundär auf diese Atrophie der Nervenfasern bezogen. Wie reichlich bei Aussätzigen nach mehrjähriger Dauer der Krankheit die Wucherung der Lepra- bazillen in den Nervenzellen des Gehirns und Rückenmarks sein kann, zeigt Fig.5 der Taf. 57. Schnitte aus fast allen Teilen des Zentral- organs des Nervensystems ergeben bei den an schwerer Lepra tuberosa verstorbenen Menschen gleiche oder ähnliche Bilder. In ausgesprochenen Fällen ist die Diagnose, mag es sich um die knotige, die gemischte oder die Nervenform der Lepra .handeln, allein schon auf Grund der klinischen Erscheinungen leicht zu stellen. In allen zweifelhaften Fällen aber und bei beginnender Erkrankung ist die bakteriologische Untersuchung unentbehrlich. Die Leprabazillen pflegen, wie bereits mitgeteilt, bei der Mehrzahl der Leprafälle in allen durch sie pathologisch veränderten Geweben sehr reichlich vorhanden zu sein. Nur bei der anästhetischen und der tuberkuloiden tuberösen Form sind sie spärlich, namentlich wenn Tendenz zur Heilung besteht. Durch mikroskopische Ausstrichpräparate lassen sie sich im Gewebssaft der Knoten oder Flecken, ferner im Sekret aus. den Geschwüren des Nasenseptums und im Nasenschleim (Taf. 57, Fig. #), meist in charak- teristischer Anordnung in Haufen zusammenliegend, nachweisen. Man kann auch kleine Knoten aus der Haut herausschneiden und in Mikrotom- schnitten auf Leprabazillen untersuchen. Namentlich die Exzision kleiner Stücke aus verdickten Nerven kann in Fällen, in denen die Differential- diagnose zwischen Syringomyelie und mutilierender Lepra zu. stellen ist, bei positivem Befunde schnell zum Ziele führen. Uhlenhuth und Steffenhagen hat sich beim Nachweis spärlicher Leprabazillen im Nasen- sekret und im Sputum, ebenso aber auch in Organen, Drüsen und Hautstücken das Antiforminverfahren sehr bewährt. Man verwendet hier 7'5—10Oproz. Lösungen und erzielt durch die Anreicherung noch positive Resultate, wo die gewöhnlichen Untersuchungsmethoden ver- sagen. Bei Lepraverdacht sollte man niemals, wenn Ausfallen der Augenbrauen, schmetterlingsflügelartige Exantheme in der Nasengegend oder kleine anästhetische Hautstellen beobachtet werden, die Unter- suchung der Nase mittelst des Spiegels unterlassen (Köbner). Das Auf- finden von Geschwüren und die Entnahme von Sekret für die bakteriolo- gische Untersuchung aus dem Grunde der Ulzerationen wird in diesen Fällen häufig eine einwandfreie Diagnose, die kaum auf anderem Wege zu erbringen ist, ermöglichen. Für die Auffindung der Bazillen in Schnitten ist die Einbettung in Paraffin nicht zu empfehlen, sondern nur die Zelloidineinbettung, die auch eine bessere Protoplasmafärbung ergibt (Unna). Für die Färbung ist es ratsam, die Schnitte 2—3 Stunden in konzentrierter Karbolfuchsinlösung. zu lassen und nur mit 10proz. Salpetersäure vorsichtig zu entfärben, ohne Anwendung von Alkohol. Gute Bilder erhält man auch, wenn die Schnitte 20—50 Minuten in Karbolfuchsinlösung gefärbt, dann in Wasser abgespült und 1 Minute in 25proz. Alkohol, darauf 2 Minuten » ———_ nn DIT NET Teer mare En BEL EHRE ee ur ne ‘ u ‘ Lepra. 187 in eine Lösung von 1 Teil Jod+2 Teile Karbolsäure auf 100 Teile Wasser und zuletzt in Alkohol abgespült werden, bis sie lichtgrüne Färbung zeigen. Für diagnostische Zwecke ist auch die Komplementbindungsreaktion heiangenogeh worden, und zwar unter Verwendung spezifischer und unspezifischer ie spezifischen Antigene wurden nach verschiedenen Methoden (Extraktion mit Wanser, Äther, Alkohol ete.) aus Lepraknoten und Organen Lepröser hergestellt, die unspezifischen aus Luesmaterial, normalen Organen und Kulturen bzw. Produkten verschiedener Mikroorganismen. Das Serum von Leprösen gibt in einem großen "Prozentsatz eine positive Komplementbindungsreaktion mit Antigenen aus normalen und syphilitischen Organen (Wassermannsche Reaktion), und zwar so häufig auch in F ‚„ in denen keine Anzeichen für Lues vorliegen, daß man diese nicht- spezifische Reaktion als charakteristisch für Lepra bezeichnen kann. Es ist noch unentschieden, ob hier dieselben mit Lipoiden reagierenden Substanzen, die bei Syphiliskranken die positive Reaktion bedingen, oder andere Stoffe den positiven Ausfall bedingen, weil wir bisher keine Methoden kennen, um die bei Lues und Lepra komplementbindenden Substanzen rein darzustellen. Daß es sich bei der Lepra um eine nichtspezifische Komplementbindung handelt, dafür sprechen auch Versuche, die mit Sertum Lepröser und Tuberkulin als Antigen angestellt sind. Hier erfolgt häufig positive Komplementbindung, die das Serum Tuberkulöser mit Tuber- kulin nicht gibt. Das Tuberkulin enthält allerdings Stoffe, die bei Leprösen auch nach subkutaner Injektion Reaktionen ähnlich wie bei Tuberkulösen auslösen, Sie sind zwar diagnostisch nicht zu verwerten, deuten aber auf nahe biologische Be- ziehungen beider Krankheiten und ihrer Erreger hin. Das epidemiologische Verhalten der Lepra läßt erkennen, daß diese Krankheit unter den heutigen hygienischen Verhältnissen nicht sehr ansteckend ist. Mit dem Gewebssaft zerfallender Geschwüre und dem Nasensekret werden von Leprösen vielfach enorme Mengen von Leprabazillen in die Außenwelt ausgestreut. Bei Berücksichtigung dieser Tatsache muß man annehmen, daß die Lepra nur unter beson- deren Bedingungen übertragen wird. Vor allem scheint ein enges Zusammenleben mit Kranken notwendig zu sein. Die Tröpfchen- infektion, durch die bei Tuberkulose, wie Flügge nachgewiesen hat, beim Husten, Niesen usw. die Krankheitserreger auf Gesunde über- tragen werden,. reicht bei Lepra allein zur Infektion offenbar nicht aus. Man gewinnt vielmehr den Eindruck, daß die Leprabazillen pathogene Wirkungen nur dann entfalten, wenn sie bei großer Unsauberkeit in die Schleimhaut eingerieben werden bzw. in größeren Mengen auf defekte Teile der Haut oder Schleimhaut gelangen, die ihnen das Haften er- möglichen. Darauf ist es wohl auch zurückzuführen, daß Arzte, Krankenwärter und Pflegerinnen so außerordentlich selten infiziert werden. Auch die geringe Verbreitungsfähigkeit des Aussatzes in allen Ländern, in denen die modernen hygienischen Einrichtungen mehr und mehr zum Gemeingut der Massen werden, wo Reinlich- keit und gute Wohnungsverhältnisse herrschen, ist auf diese Weise zu erklären. Fäzes und Urin können zwar unter Umständen auch Leprabazillen enthalten, spielen aber für die Verbreitung der Krank- heit offenbar keine große Rolle. Für alle epidemiologischen Betrachtungen muß die Lehre von der Kontagiosität der Lepra als die bestbegründete betrachtet werden. Von verschiedenen Autoren ist berichtet worden, daß von leprösen Eltern stammende Kinder bereits mit Lepra behaftet auf die Welt ge- kommen seien. Die Möglichkeit einer Infektion der Frucht im mütter- lichen Organismus ist bei der außerordentlich großen Verbreitung der Epidemio- logie. 788 42. Vorlesung. Krankheitserreger im Körper Schwerkranker vielleicht nicht ganz von der Hand zu weisen, immerhin dürfte aber die hereditäre -Lepra zu den größten Seltenheiten gehören. Die Kinder lepröser Eltern sind im Momente der Geburt fast immer frei von Lepra und werden erst im extrauterinen Leben infiziert. Das wird durch zahlreiche Fälle. bewiesen, in denen Kinder hochgradig lepröser Eltern von Lepra verschont blieben, wenn sie kurz nach der Geburt von ihnen getrennt wurden. Die Vererbungstheorie, die früher bei der Tuberkulose und Lepra in so aus- gedehntem Maße zur Erklärung der Tatsache herangezogen wurde, daß beide Krank- heiten häufig in bestimmten Familien bei verschiedenen Generationen beobachtet werden, hat in neuerer Zeit fast alle Anhänger verloren. Die neueren Studien über die Vererbung haben mehr Klarheit nicht nur in das biologische Problem, sondern auch in die Benennung gebracht. Nach der biologischen Auffassung kann das Wort: „Vererbung“ überhaupt nur für die Übertragung von Eigenschaften oder Stoffen des Keimplasmas von Mutter oder Vater auf das Kind gebraucht werden. Ein Infektionsstoff als etwas Körperfremdes, dem Keimplasma Heterogenes, nur Anhaftendes oder Beigemischtes kann nicht vererbt, sondern nur übertragen werden, und zwar plazentar oder germinativ. Für die Vererbung einer allgemeinen oder spezifischen. Disposition für Lepra liegen bis jetzt keine Anhaltspunkte vor. Es gilt hier im allgemeinen das Gleiche, was über die Vererbung der Disposition zu Tuberkulose (S. 746) gesagt wurde. Selbst wenn es eine solche Disposition gäbe, könnte sie nur da von Bedeutung sein, wo der Leprabazillus vorhanden ist. Nicht zum ‚wenigsten haben die mit der Prophylaxe erzielten Erfolge für die Anschauung, daß die Lepra im postuterinen Leben durch Ansteckung erworben wird, Beweise geliefert. Diese fußt aber auf den Beobachtungen, daß die Krankheit von dem Kranken auf den Gesunden durch Kontakt übertragen wird. Einwandfreie Beweise für die Ansteckungsfähigkeit des Aussatzes liefern die Erkrankungen bei Missionären, Ansiedlern, Forschern und Reisenden, die in leprafreien Ländern von gesunden Eltern geboren waren und von der Krankheit befallen wurden, nachdem sie einige Zeit unter Leprösen gelebt hatten. Mehrfach konnte der direkte Nachweis einer Kontaktinfektion erbracht werden, z. B. bei Personen, die sich bei näherem Umgang mit den in leprafreie Länder einge- wanderten Leprösen infizierten, oder bei Ärzten und Wärtern in Leprosorien, die im Anschluß an Verletzungen bei Operationen und Obduktionen erkrankten. Die Gegner der Kontagiositätslehre berufen sich besonders auf die Erfahrung, daß es bei Gesunden, die unter ungünstigen Bedingungen mit Leprösen zusammen- leben, z. B. Ehegatten, von denen einer leprös ist, trotz intimsten Umganges sehr oft nicht zu einer Infektion kommt. Solche Fälle sind kein Beweis gegen die Kon- tagiosität, sondern nur ein Argument für die Annahme, daß das Haften der Infek- tion jedesmal von besonderen, uns noch unbekannten Momenten und Bedingungen abhängig sein muß. In diesem Sinne sprechen auch die mit Lepramaterial ausge- führten Inokulationsversuche an Menschen, die nur zum Teil positiv, zum Teil aber auch negativ ausfielen. „Auch die Menschenversuche,“ sagt Jadassohn, „ergeben also nichts Definitives. Aber selbst wenn sie alle absolut negativ ausgefallen wären, würde das die unzähligen Tatsachen, welche für die Kontagiosität der Lepra sprechen, nicht aus der Welt schaffen können. Wir müssen auch dann noch annehmen, daß es eben bisher noch nicht gelungen ist, selbst im Menschenexperiment die natür- lichen Infektionsbedingungen nachzuahmen. Ort und Art der Inokulation können andere sein, als die von den Experimentatoren gewählten, ja man könnte auch annehmen, daß nur oft wiederholte Einzelinokulationen schließlich zum Haften der Kraukheit führen. * Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 57. 1. Schnitt durch die Leber eines Leprösen. — 2. Schnitt durch Lepraknoten der Haut. — 3. Schnitt durch eine leprös veränderte Zunge. — 4. Leprabazillen im Nasensekret. — 5. Spinalganglienzelle mit Leprabazillen. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Lepra. 789 | Der Schwerpunkt der Bekämpfung der Krankheit liegt in der Absonderung der Leprösen. Als Grundlage des prophylaktischen Systems gilt der Satz: „Omnis lepra ex lepra.“ Die Krankheit wird nur durch den infizierten Menschen, und zwar meist direkt vom Aussätzigen auf den Gesunden übertragen. Die Lepra ist keine Tierkrankheit, und es En bis jetzt auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß sich die Leprabazillen außerhalb des menschlichen Körpers saprophytisch ver- mehren. Es ist ja allerdings denkbar, daß auch der Leprabazillus sich an infizierten Gegenständen ebenso lange hält wie der Tuberkelbazillus, aber die epidemiologischen Erfahrungen zeigen, daß die Ansteckungsfähig- keit der Lepra, wenn nur den gewöhnlichsten Regeln der Reinlichkeit und Hygiene Rechnung getragen wird, unvergleichlich viel geringer ist, als die der Tuberkulose. Alles spricht dafür, daß ein inniger Kontakt die wesentlicnste Vorbedingung für die Übertragung der Lepra ist, und daß die bei der Tuberkulose gefürchtete Tröpfcheninfektion durch ver- sprühtes Sputum, Nasensekret usw. beim Aussatz weniger gefährlich ist. Für die Prophylaxe spielt die Frage nach der Eintrittspforte des Infektionsstoffes nur eine untergeordnete Rolle. Daß Insekten, z. B. Flöhe, Wanzen, Krätzmilben, die Krankheit übertragen können, ist theoretisch wohl denkbar, bisher aber noch nicht bewiesen. Wie die Erfahrungen in Norwegen gezeigt haben, ist es keineswegs notwendig,daß alle Leprösen in Aussatzhäusern untergebracht werden. Wenn nur gewisse Bedingungen, die durch die Aufsichtsbehörden von Zeit zur Zeit geprüft werden müssen, erfüllt sind, kann man die Kranken in ihren Familien lassen, ohne ' eine Infektion der letzteren befürchten zu müssen. In Norwegen werden die Aus- sätzigen, wenn sie es wünschen, nicht in Leprosorien gebracht, wenn sie den Nach- _ weis erbringen können, daß sie in einem besonderen Zimmer wohnen und schlafen, daß die von ihnen benutzten Eß- und Trinkgeschirre getrennt - von dem übrigen Geschirr des Haushaltes gereinigt werden und daß ihre Wäsche für sich gewaschen und desinfiziert, alle Verbandstoffe aber verbrannt werden. Bei allen vorgeschrittenen Fällen wird im Interesse der Kranken die Über- führung in ein Leprosorium notwendig sein. Welche Erfolge mit der eben geschil- derten, seit Mitte des vorigen Jahrhunderts durchgeführten Prophylaxe in Nor- wegen erzielt sind, zeigt sehr deutlich die nachstehend wiedergegebene Tabelle: m Zahl der Leprösen - J > hr RE außerhalb der ; Gesamtzahl Neue Fälle 1856 235 2598 2833 | 238 1860 539 2218 2757 | 219 1865 772 1910 2682 201 1870 764 1762 2526 187 1875 623 1499 2122 134 1880 617 1178 1795 72 1885 522 855 1377 71 1886 522 748 1270 48 1887 514 704 1218 47 1888 524 631 1156 27 1889 530 551 1081 27 | 1890 507 447 954 10 | I In Deutschland fällt der Aussatz unter die Bestimmungen des Reichsseuchen- gesetzes. Es ist die Meldepflicht für ihn eingeführt, und es sind gesetzliche Handhaben gegeben, die Aussätzigen zu isolieren. Sie müssen (nach Kirchner) = ein besonderes Schlafzimmer und ein besonderes Bett haben und auch in Räumen ‚wohnen, die nicht von anderen, als den zum Umgange mit ihnen zugelassenen Be- Therapie. 790 42. Vorlesung. Personen (Angehörigen, Pflegern) benutzt werden. Die ihnen zur Verfügung stehen- den Gebrauchsgegenstände dürfen nur von ihnen benutzt werden und müssen kenntlich gemacht sein. Der Besuch von öffentlichen Badeanstalten, Barbier- und Friseur- geschäften,, Schulen und dgl. ist Leprakranken und -verdächtigen untersagt. Leprösen, die deutliche Zeichen des Leidens aufweisen oder in ihren Absonderungen Lepra- bazillen ausscheiden, ist der Besuch von Theatern, Wirtschaften und dgl. sowie die Benutzung der dem öffentlichen Verkehr dienenden Fuhrwerke untersagt. Für ihre Beförderung auf der Eisenbahn gelten besondere einschränkende Bestimmungen. Aussätzige, die bei der Art ihrer Krankheitserscheinungen nach dem Gutachten des beamteten Aıztes hinsichtlich der Weiterverbreitung der Krankheitserreger beson- ders gefährlich sind, ist jeder Verkehr an öffentlichen Orten (Straßen usw.) zu untersagen. Lepröse dürfen keine Beschäftigung ausüben, bei der sie mit nicht aussätzigen Personen in unmittelbare Berührung kommen, z. B. Wartung von Kindern, Bedienung anderer Personen usw. Kranke oder krankeitsverdächtige Personen, die in ihrer Behausung abgesondert sind, werden allmonatlich einmal unangemeldet vom beamteten Arzt besucht. Erweist sich ihre Absonderung als nicht ausreichend, so werden sie in ein Lepraheim überführt. Kinder können leprösen Eltern genommen und anderweitig untergebracht werden, wenn sich dies als notwendig erweist. 7% 9 Personen, die mit Leprösen: in Wohnungsgemeinschaft leben oder gelebt haben (Ansteckungsverdächtige), sind 5 Jahre lang, gerechnet vom Tage der letzten Ansteckungsgelegenheit, einer. Beobachtung zu unterwerfen. In Preußen werden sie halbjährig mindestens einmal ge- nau untersucht, damit sie beim Auftreten lepröser Krankheitserschei- nungen sofort isoliert werden können. Die Pfleger der Leprakranken sind zur Befolgung der Desinfektionsvorschriften anzuhalten. Jugendliche Personen aus einem Haushalt, in dem sich ein Aussätziger befindet, werden vom. Schulbesuch ferngehalten, aber anderweitig unterrichtet. Die Bett- und Leibwäsche, Badewanne, Eß-. und Trinkgeschirre und sonstige Gebrauchsgegenstände der Kranken und Krankheitsverdächtigen werden regelmäßig desinfiziert, ebenso erforderlichenfalls die ganze Wohnung. Anscheinend geheilte Lepröse werden noch dauernd als krankheitsverdächtig angesehen und überwacht. Ein Mittel, den Aussatz sicher zu heilen, besitzen wir noch nicht. Auf dem Wege -der Serumtherapie hier Erfolge zu erzielen, dürfte ebenso schwierig sein, wie der Versuch der Behandlung mit Präparaten, die dem Tuberkulin nachgebildet sind; denn wir können die Leprabazillen nicht außerhalb des Tierkörpers züchten und sie deshalb nicht in solchen Mengen rein gewinnen, wie sie für Immunisierungs- versuche notwendig wären. Das Tuberkulin ruft bei subkutaner Injektion in etwas größeren Dosen als solchen, in denen es auf Tuberkulose wirkt, auch bei Leprösen lokale und allgemeine Reaktionserscheinungen hervor. Die therapeutische Wirkung langdauernder Tuberkulinküren ist aber trotz vieler Reaktionen und lokaler Besserung oder Erweichung der Knoten nur gering. Oft bringen bei Leprakranken die Jodpräparate, die viel angewandt werden, eine erhebliche Besserung der Erscheinungen und führen durch Begünstigung der Resorption aus den Knoteri zu Allgemeinreaktionen. Unna empfiehlt die Ent- fernung aller Knoten durch Ätzung mit Karbolsäure, Pasta caustica oder Pyro- gallol. An der Südsee, in Japan und China wird zur Erweichung der Lepra-. knoten Chaulmoograöl (Oleum Gynocardiae) benutzt, das innerlich, rektal oder sub- kutan gegeben wird. Aus verschiedenen Ländern (Ägypten, Rumänien, Spanien, Südamerika, Indien, Norwegen, Estland usw.) liegen günstige Berichte über die . ee AT NE ; F Lepra. ; 7a "Wirkung des Kihzlästers des Chaulmoograöls vor, der nach den Angaben von Engel-Bey von F. Hofmann in den Eiberfelder Farbwerken unter dem Namen „Antileprol“ hergestellt wird. Auch Injektionen von Nastin, dem kristallisierbaren Fettkörper der Streptothrix leproides, haben oft deutliche therapeutische Erfolge, ebenso auch aus anderen säurefesten Bakterien hergestellte Extrakte, z. B. das Leprolin von Rost. Das letztgenannte Mittel ruft, wenn es in die Knoten wird, in vielen Fällen ausgesprochene Reaktionen im leprösen Gewebe hervor, führt aber keineswegs eine Heilung des Leidens herbei. Ein in engerem - Sinne spezifisches Heilmittel für Lepra ist das Leprolin und Nastin ebensowenig wie ‚das Chaulmoograöl oder das Jodkalium. Es lag nahe, die auch gegenüber manchen Bakterienarten (z. B. dem Milz- Ei: und dem Rotlaufbazillus) wirkenden Arsenobenzole, namentlich das Salvarsan, beiLepra therapeutisch zu versuchen. Aber die an Leprösen angestellten Heilversuche mit Balrassan sind durchaus negativ verlaufen. Literatur. Hansen, Lepra. Handbuch der pathog. Mikröorganizmen. 1. Aufl., Bd. 2, 1903. = . Babes, Lepra.. Ebenda. Nachtragsband 1, 1907. Jadassohn, Lepra. Ebenda, 2. Aufl., Bd. 5. Jena, G. Fischer, 1913. un Zaraath der hebräischen Bibel. Hamburg und Leipzig 1893. — Der Aussatz & Ägypten. Dermatolog. Zeitschr., Bd. 1, 1893. m. Archiv, Bd. 71, 1880. Er Danielsen, Traite de Spedalskhedea. Paris, Bailliere, 1848. Reihe, Breslauer ärztl. Zeitschr., 1879; Verhandlungen der Berliner Internat. prakonferenz, 1897, Bd. 1; Virchows "Archiv, Bd. 103. Unna, onatshefte f. Dermatol., "1885. — Med. Klinik, 1909 und 1911. anereen Zentralbl. f. Bakteriol.., Bad. 1. Damsch, Virchows Archiv, 1832. RB: Koch, Bericht über Lepra in Ostpreußen. Klin. Jahrb., Bd. 6, 1898. Sticker und Dieudonne, Verhandlungen der Internat. Leprakonferenz, 1897. En Untersuchungen "über Lepra in Südafrika. Deutsche med. Wochenschr., 1899. 2 zw alıner, Verhandlungen des II. Internat. Dermatologenkongresses 1832. & - Sticker, Münchener med. Wochenschr., 1897. I, ‚ Lepra in Leber und Milz. Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte, ‚Bd. 14, ‚1898. 3 an Verhandlungen des Internat. med. Kongresses Berlin 1890. Uhlenhuth und Westphal, Histologische und bakteriologische Untersuchungen über - einen Fall von Lepra tuberoso-anaesthetica mit besonderer Berücksichtigung des Nervensystems. Klin. Jahrb., Bd. 3, 1901. Kirchner und Kübler, Die Lepra in "Rußland. Klin. Jahrb., Bd. 6, 1898. Carasquilla, Verhandlungen der Internat. Leprakonferenz Berlin 1897. van Dorssen, Die Lepra in Ostindien während des 17. und 18. Jahrhunderts’ Ins Deutsche übersetzt. Berlin 1901. Kemer, Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche. Jena, G. Fischer, 1907. — Die in Deutschland und den deutschen Schutzgebieten seit 1897 ergriffenen Schutzmaßregeln gegen die Lepra. Klin. Jahrb., Bd. 22, 1909. Jeanselme und Laurens, Semaine medicale, 1897. - Bergengrün, Lepra tuberosa der oberen Luftwege. Klin. Jahrb., Bd. 19, 1908. „Lepra, Bibliotheca internationalis“, enthält umfassende Literaturverzeichnisse neuerer - = Autoren. Kyrle, Beitrag zur Frage der Lepraüberimpfung auf Affen. Frankfurter Zeitschrift ee, für ... Bd. 19, 1916. Einteilung der Spirochäten. 43. VORLESUNG. Allgemeines über Spirochäten und Spirochätenkrankheiten. Als Spirochätenkrankheiten oder Spirochätosen bezeichnet man Infektionen, deren Erreger zur Klasse der Spirochäten gehören. Der vielfach synonym gebrauchte Name „Spirillosen“ ist unangebracht, weil er zu der Annahme verleiten könnte, daß die Erreger dieser Krankheiten zu den als Bakterienart bekannten Spirillen (s. S.23) in Beziehung stünden. Die letztgenannten Mikroorganismen haben mit den Spirochäten nichts zu tun. he Die erste Spirochäte, welche genauer beschrieben wurde, war die im Jahre 1838 von Ehrenberg aufgefundene Spirochaeta plicatilis. Später hat man zahlreiche neue, darunter auch pathogene und bei Menschen oder Tieren schmarotzende Spirochätenarten gefunden. So wissen wir, daß das Rückfallfieber des Menschen durch die 1868 von Obermeier gefundene Spirochaeta Obermeieri hervorgerufen wird, und daß die im Jahre 1905 von Schaudinn entdeckte Spirochaeta pallida der Erreger der Syphilis, die Spirochaeta pertenuis der der Framboesie, die Spirochaeta icterogenes der Erreger der Weilschen Krankheit ist. In neuester Zeit hat Noguchi .bei Gelbfieber eine Spirochäte als ursächliches Moment nachgewiesen. Bei Gänsen kommt eine Seuche vor, deren Erreger eine besondere Spirochätenart, die Spirochaeta anserina, ist; ebenso gibt es bei Hühnern eine durch die Spirochaeta gallinarum hervorgeruföne Spirochätose. Auch bei Rindern, Pferden, Schafen sind pathogene Spirochäten im Blute gefunden worden. . Da nach Ansicht mancher Forscher unter dem Begriff „Spiro- chäten“ ais Bezeichnung eines Genus ganz verschiedenartige Mikro- organismen zusammengefaßt sind, suchte man durch Aufstellung einer ganzen Anzahl von Gattungen bzw. Klassen den morphologischen und biologischen Unterschieden gerecht zu werden. Auf diese Weise sind die Bezeichnungen Treponema, Leptospira, Spirosoma, Spirochaeta entstanden, die wir aber aus den weiter unten zu nennenden Gründen lediglich als synonyme Bezeichnungen für das Genus Spirochaeta betrachten. Wenn es auch für einige als Spirochäten aufgefaßte Mikroben noch zweifelhaft ist, ob sie diesem Genus zuzurechnen sind, so ist doch für die als Krankheitserreger in Frage kommenden und auch für an EN ERT TU TREE TE aIse= EEE EHNETELSCHT VEDTELEECE VEN TLELEWOZEERZEEGETETERERTERTTENTN Allgemeines über Spirochäten und Spirochätenkrankheiten. 793 die meisten saprophytischen Arten sicher, daß sie trotz gewisser morphologischer und biologischer Unterschiede dem Genus Spirochaeta | : zugehören. Es ist bei dem bisherigen Stande unserer Kenntnisse nicht mög- lich, die Spirochäten in naturwissenschaftlich begründete Klassen einzu- teilen. Für medizinische Zwecke sondert man sie am zweckmäßigsten einstweilen nach ihren biologischen Eigenschaften und berücksichtigt - bei dieser Gruppeneinteilung besonders, ob sie lediglich Saprophyten oder Erreger von Krankheiten sind und ob sie in letzterem Falle wesentlich als Blut- oder als Gewebsschmarotzer eine Rolle spielen. Als Schmarotzer des Darmes und des Verdauungstraktes bei verschiedenen Tierarten gehören zusammen die Spir. balbiani (Austerndarm), Spir. anodontae (Anodonta-Darm), Spir. Eberthi (Hühner, Enten, Gänse), Spir. dysenteriae (Darm des Menschen), Spir. dentium, bucealis (Mundhöhle des Menschen). Eine zweite Gruppe bilden die saprophytischen Spirochäten: Spir. plicatilis (Sumpfwasser) und Spir. gigantea (Brackwasser). Eine dritte Gruppe würde die eigentlichen Blutparasiten umfassen: Spir. Obermeieri (Menschen), Spir. anserina (Gänse), Spir. gallinarum (Hühner), Spir. Theileri (Rinder), die vierte endlich die Gewebsparasiten: Spir. pallida (syphilitische Krankheits- produkte des Menschen), Spir. pertenuis (Framboesie), Spir. icterogenes (Weilsche Krankheit), Spir. icteroides (Gelbfieber). Während sich die pathogenen Spirochäten, abgesehen von künst- lich hergestellten Kulturen, außerhalb des Tier- und Menschenkörpers nicht vermehren, können sieh die saprophytischen Arten auch im mensch- lichen Körper, allerdings nur auf der Oberfläche von Schleimhäuten oder in totem Gewebe, vermehren. So werden in zersetzten Massen, z. B. im "Inhalt kariöser Zähne, in Tonsillarpfröpfen, in zerfallenen Karzinomen, in stagnierenden Sekreten und Exkreten, z. B. im Präputialsekret, kon- stant mehr oder minder zahlreiche Spirochäten gefunden. Auch im Speichel der normalen Mundhöhle und im Darmschleim kommen regel- mäßig Spirochäten vor, denen eine pathogene Bedeutung nicht bei- gemessen werden kann. Bei dem Studium der Morphologie der Spirochäten ist ein wichtiger Gesichtspunkt-zu berücksichtigen, den Margarete Zuelzer auf Grund ihrer umfangreichen und sehr genauen Studien an sicher para- ‚sitischen und freilebenden Spirochäten betont: Das Medium, in dem sich die Spirochäten befinden, hat einen sehr erheblichen Einfluß auf 2 die Form und Größe dieser Mikroben. Deshalb ist die künstliche Kultur, namentlich in den von Ungermann eingeführten flüssigen Nährböden, wichtig, da es so bei derselben Art möglich ist, die morphologischen Eigenschaften unter künstlichen und natürlichen Verhältnissen mit- Morphologie. einander zu vergleichen. Rekurrensspirochäten zeigen z. B. in der Maus . große, lockere Windungen, die sich bei den Bewegungen verändern, während sie in flüssigen Serumkulturen enge, auch bei Bewegungen regelmäßig erhaltene Windungen aufweisen. Ein weiteres Beispiel für den Einfluß des Mediums bietet die Spirochaeta ieterogenes. Sie hat in der Maus eine Durchschnittslänge von 6—8 u, im Meerschweinchen und in flüssigen Kaninchenserumkulturen aber ist sie 12—15 u, in Esel- serum 120-150 u. lang. Das Medium, in dem sich die Spirochäten 794 43. Vorlesung. befinden, hat aber, wie M. Zuelzer nachwies, auch einen Einfluß auf die Teilungsintensität und den Modus der Querteilung. Die Spiro- chaeta pallida zeigt z. B. in Kulturen Zwei-, Drei- und Vierteilungen, während im Tierkörper nur Zweiteilungen beobachtet werden. Das gleiche gilt für die Spirochaeta icteroides, die Spirochaeta gallinarum und die Spirochaeta recurrentis. Die Spirochaeta Duttoni zeigt im Tier- körper 8—12 Windungen, in Kulturen aber je nach der Teilungsintensi- tät und der Konzentration des Nährmediums 4—120 Windungen. In Rücksicht auf diese durch das Medium bedingten Unterschiede, die bei einer und derselben Spirochätenart festgestellt werden, kann die Verschiedenheit der Formgestaltung (Anzahl der Windungen) und der Teilungsintensität nicht mehr als Abgrenzungskennzeichen für ein- zelne Gattungen, Unterarten und Spielarten des Genus Spirochaeta gelten. Es gibt fließende Übergänge in dem morphologischen- Ver- halten der Spirochäten, die durch Mutation und Adaptation bzw. Modu- lation infolge äußerer Einflüsse bedingt werden. Das gilt nicht nur für die pathogenen oder parasitischen Arten, sondern auch für die frei- lebenden Typen. Die Differenzierung der Spirochäten kann aber vielfach, wo die morphologischen Merkmale versagen, durch biologische Kenn- zeichen, spezifische Pathogenität, spezifische Wirkungen auf die Gewebe, Serumreaktionen oder das Verhalten gegenüber chemotherapeutischen Mitteln durchgeführt werden. Nach unseren bisherigen Erfahrungen und Kenntnissen ist das biologische Verhalten der Spirochäten in dieser Beziehung ein konstantes Merkmal, mindestens nach der posi- tiven Seite hin. Trotzdem bleibt zur Abgrenzung vieler Arten aber das morpho- logische Verhalten wichtig, so namentlich zur Entscheidung der Frage, ob ein Mikrobe überhaupt den Spirochäten zuzuzählen ist. Für die Zugehörigkeit eines Organismus zu dem Genus Spirochaeta müssen nach M. -Zuelzer neben der starken aktiven Flexibilität in lebendem Zustande wesentliche morphologische Kennzeichen, wie sie in besonders typischer Weise die große, freilebende Spirochaeta plicatilis aufweist, gefordert werden. Allerdings ist bei vielen kleinen und kleinsten Spiro- chätenarten der Nachweis dieser Kennzeichen, z. B. der Achsenfäden, nicht regelmäßig allen Autoren gelungen; es liegt das wohl an der Unvollkommenheit unserer bisherigen Untersuchungsmethoden. Aber wir sind nicht auf das Fehlen oder Vorhandensein eines einzelnen Kenn- zeichens angewiesen, zumal die Technik des Untersuchers hier eine große Rolle spielt (M. Zuelzer) und die Methodik oft noch nicht zur Differenzierung feinster. Gebilde, z. B. der Achsenfäden, genügend fein ausgestaltet ist. Die Abgrenzung von Gattungen wie Treponema, Spiro- soma, Leptospira ist daher biologisch nicht genügend begründet. Es genügt für alle hier in Frage kommenden Mikroben der Genusname „Spirochaeta“. Die Spirochaeta plicatilis — als Typ dieses Genus — hat ein spiralig nach Art von Schraubengängen um eine ideale Längsachse gewundenes Plasma, das von einem fast geradlinig gestreckten, elasti- schen, die Stabilität des Organismus bedingenden Organell, dem Achsen- faden durchzogen ist, Sie besitzt eine starke aktive Flexibilität, bei der wie bei allen Bewegungen, auch wenn sie zu Ortsveränderungen führen, die primären oder Elementarspiralen als solche erhalten bleiben. Die ae Be oh #2 nn Sale, a PER) EN a sc Allgemeines über Spirochäten und Spirochätenkrankheiten. 795 ‚Höhe der Spiralwindungen, d. h. der Schraubengänge, kann dabei wechseln. - Der Querschnitt der Spirochäte, an der keine morphologisch differen- zierte Membran nachzuweisen ist, ist kreisrund. Die Vermehrung er- folgt ausschließlich durch Querteilungen, sei es in Form von Zwei- oder Vierteilungen. Längsteilungen kommen nicht vor. Nur bei manchen Arten, z. B. bei den Muschelspirochäten (Cristi- spiren) ist eine Trennung des Leibes in Hülle (Membran) und Proto- plasma sicher festgestellt und dadurch die Zugehörigkeit dieser Mikro- | en zum Genus Spirochaeta zweifelhaft. Bei allen anderen, namentlich den kleineren Spirochätenarten, ist das Vorkommen einer eigentlichen, scharf von dem Protoplasma abgegrenzten und von ihm in Struktur und chemischem Verhalten verschiedenen Membran noch fraglich. v. Prowazek, Neufeld, Levaditi und Rosenbaum fanden bei systematischen Untersuchungen, daß sich ‘diese kleineren Spirochäten, ’ zu denen die pathogenen gehören, gegenüber gallensauren Salzen und ' hämolytischen Substanzen (Cobralysin, Cobralecithid usw.) ebenso wie Blutzellen und Protozoen verhalten, d. h. gelöst werden; sie unterscheiden sich hierdurch also von den Bakterien und den Cristispiren. Früher glaubte man, namentlich auf Grund der Studien an Cristi- spiren, daß alle Spirochäten mit einer undulierenden Membran ver- sehen seien. Heute sind aber die meisten Forscher der Ansicht, daß undulierende Membranen vielfach nur durch optische Erscheinungen - vorgetäuscht werden, aber noch nicht einwandfrei bei den Spirochäten E: nachgewiesen sind, vielleicht abgesehen von den überhaupt eine Sonder- stellung einnehmenden Cristispiren. Immerhin bedarf die Frage noch weiterer Studien und ist noch nicht endgültig abgeschlossen. Das gleiche gilt für die Endgeißeln, die im Gegensatz zu den morphologisch scharf differenzierten, vom Zelleib abgegrenzten Bakterien- —— geißeln allmählich in den Körper übergehen und auch dieselbe Art der * Windungen wie diese zeigen (Sobernheim). Namentlich ist die Geißel- natur der peritrichen Fortsätze nicht anerkannt, die manche Autoren bei einigen Spirochäten (z. B. Zettnow bei der Spirochäte der Recurrens _ africana, Borrel bei Gänsespirochäten) annehmen, denn es entstehen - geißelähnliche Gebilde in peritricher Anordnung auch bei Mazeration von Spirochäten in Natronlauge, destilliertem Wasser usw. Die end- - ständigen Geißeln sind nach M. Zuelzer vielmehr bei der Querteilung - ausgezogene Protoplasmateile ohne eigentliche lokomotorische Funktionen. Deshalb. kann auch die sogenannte Mäusespirochäte, bei der end- - ständige lokomotorisch wirkende Geißelbündel vorkommen, den echten Spirochäten nicht zugezählt werden. Ss Für das Vorkommen von Geschlechts- und Dauerformen spricht vielleicht der Umstand, daß sich in infektiösen Zwischenwirten ‘ die von diesen mit dem Blute aufgenommenen Spirochäten zeitweise - nicht nachweisen lassen, ebenso der Übergang der Spirochäten durch — Vermittlung der Eier auf die junge Zeckengeneration bei Rekurrens- - spirochäten. Aber bisher sind solche Entwicklungsformen der Spirochäten nicht nachgewiesen. 4 Die komplizierten Bewegungen, die von den Spirochäten ausgeführt werden, lassen sich in drei Formen auflösen: 1. Beuge- oder - Flexionsbewegung, 2. Rotationsbewegung um die Längsachse, 3. Orts- Beweglich- keit. 796 43. Vorlesung. bewegung nach beiden Richtungen der Längsachse (Vor- und Rück- wärtsbewegung). Die Beugebewegung ist die am meisten in die Augen fallende Bewegungsform und kann zu mehrfachen Knickungen des Leibes führen. Die Rotationsbewegungen sind meistens mit einer Vor- oder Rückwärtsbewegung verbunden. Die Ortsveränderung ist bei manchen Spirochätenarten sehr gering, bei anderen so groß, daß in kurzer Zeit ganze Gesichtsfelder durchquert werden. Kultur. Die Züchtung der Spirochäten, die zuerst Mühlens bei der Spiro- chaeta dentium glückte und später auch bei verschiedenen pathogenen Spirochäten mit Erfolg ausgeführt ist, gelingt in Reinkulturen auf festen und halbfesten Nährböden ohne Begleitbakterien und in Einzelkolonien. Bei manchen Arten ist aber die Kultur auch in flüssigen Nährböden gelungen (Ungermann), wodurch besonders wichtige Aufschlüsse über die Morphologie der Spirochäten erhalten sind. ; Manche Autoren, z. B. Cl. Schilling, trennen auf Grund der Untersuchungen von Schaudinn und E. Hofmann von den Spirochäten des Typus der Rekurrens- spirochäte, die sie „Spirosomen“ nennen, als besondere Gattung die „Trepo- nemen“ ab und stellen folgende Unterscheidungsmerkmale auf: Die Spirosomen haben einen fibrillär gebauten Periplast (zarte Außenhaut) und eine Randleiste; sie bilden Endfäden nach der Teilung. Die Treponemen dagegen, die viel kleiner sind als die Spirosomen, haben einen nicht strukturierten Periplast und keine Rand- leiste. Die fadenförmigen Fortsätze an einem oder beiden Körperenden, die die Treponemen oft erkennen lassen, sind nicht, wie die sogen. Geißeln der Spirosomen, als Auffaserungen des Periplasts zu deuten, sondern als Endstadien der Teilung. In die Gattung Treponema werden eingereiht: Trep. pallidum, Trep. pertenue, Trep. balanitidis, Trep. buccale, Trep. dentium. Hess aan, Charakteristisch für eine Anzahl der menschen- oder tierpathogenen schenträger. Spirochäten, von denen die meisten vorwiegend oder allein Blutparasiten sind, ist die Übertragung durch bestimmte Insekten. So ist bei der Übertragung der Hühnerspirochätose die Zeckenart Argas als Zwischenwirt festgestellt worden. Für das in Ostafrika vorkommende Rückfallfieber, das bezüglich seiner Pathologie und Ätiologie mit dem in Europa und Amerika vorkommenden Rückfallfieber höchst- wahrscheinlich identisch ist, hat Koch den Nachweis erbracht, daß eine besondere Zeckenart, der Ornithodorus moubata Murray, der Überträger ist. Auch die Rinderspirochäten gelangen durch den Biß von Zecken, in denen sie sich, wie Koch entdeckte, vermehren, aus den infizierten in gesunde Rinder. Für die Gänsespirochäten sollen Flöhe oder Läuse als Zwischenwirte dienen. Die Gelbfieberspirochäten werden durch Stechmücken übertragen. Nur bei den Syphilisspirochäten findet eine direkte Übertragung vom kranken auf den gesunden Men- schen durch Einimpfung statt. Pet Die Stellung der Spirochäten im System der einzelligen Lebewesen Spirochäten. jst eine zur Zeit noch umstrittene Frage. Einige Forscher haben ver- sucht, sie kurzerhand den Protozoen einzureihen, und zwar als den Trypanosomen sehr nahestehende Organismen. Mit einer solchen Annahme wäre zunächst das Verhalten auf künstlichen festen Nährböden schwer zu vereinen. Ferner spricht gegen eine Verwandtschaft mit den Trypa- nosomen vor allen Dingen der Umstand, daß es bis jetzt nicht gelungen ist, eine eigentliche undulierende Membran und solche differenzierten Geißeln, wie sie bei den Trypanosomen nie vermißt werden, einwandfrei nachzuweisen. Auch die Art der Teilung spricht Tr EEETTERE TEE EEE LEEREN EEENUTTRNE un Be Tele len a 1 BE 0 28 ale ln en ae Allgemeines über Spirochäten und Spirochätenkrankheiten. 797 2 ‘im gleichen Sinne. R. Koch zeigte, daß sich die Spirochäten der afrikanischen Rekurrens durch Querteilung vermehren (Taf.58, Fig.3). Andere Autoren (z.B. Carter, Dutton und Todd, Breinl) haben allerdings behauptet, daß auch Längsteilung bei Spirochäten vorkomme, doch dürfte diese Ansicht irrig sein. In Kulturen konnten Ungermann und M. Zuelzer bei den Rekurrensspirochäten sowohl wie der Spiro- chaeta icterogenes und der Hühnerspirochäte ausschließlich Querteilung beobachten. Meirowsky tritt auf Grund eingehender morphologischer Studien an ver- schiedenen Spirochätenarten für die pflanzliche Natur der Spirochäten ein. Er deutet die Knötchen und runden Körperchen, die ‘häufig an den Spirochäten, namentlich in Kulturen („Kulturspirochäten“) zu sehen sind, nicht wie E. Hoffmann als Fremdkörper oder wie andere Autoren als plasmolytische Erscheinung, sondern als Entwicklungsstadien der Spirochäten und denkt dabei offenbar an einen Ver- gleich dieser Körperchen mit den Sporen der Bakterien. Meirowsky verweist auf die Befunde von Hübener und Reiter, Uhlenhuth und Ido und Inada an den Spiro- chäten der Weilschen Krankheit sowie auf die Mitteilungen von Noguchi über die Kulturspirochäten. Noguchi gibt hierüber an: „In allen Kulturen findet man am Körper der Spirochäten eine verschiedene Zahl von runden, stark lichtbrechenden ee Bis Zahl der Individuen wit diesen. Körnern ist in. den einzelnen Kul- turen verschieden. Es scheint jedoch, daß sie größer sind, wenn das Wachstum der Kultur sich dem Maximum nähert. Die Bedingungen, unter denen sich diese Körperchen fortpflanzen, legen den Gedanken nahe, daß sie nur eine Phase im Entwicklungskreislauf der Spirochäten bilden und nicht als plasmolytische Er- scheinungen angesehen werden müssen, wie einige Untersucher meinen.“ Diese n der Körnchen und Kügelchen bedürfen indessen noch weiterer ein- deutiger Beweise. Es wäre verfrüht, allein daraufhin die pflanzliche Natur der Spirochäten zu proklamieren.} Sehr umstritten ist auch. noch die Bedeutung der abnormen Wuchsformen und Seitenverzweigungen, die in Kulturen der Spirochäten z. B. von Meirowsky beschrieben sind. Man darf bei der Beurteilung solcher Gebilde nicht außer acht lassen, daß die meisten Spirochäten sich in künstlichen Kulturen bis jetzt nur sehr ‘schwer zur Vermehrung bringen lassen, und auch dann, wenn das Nährmedium nicht ganz zusagend ist, zur Bildung von Degenerations- und Zerfallsformen neigen, wodurch die abnormen Wuchsformen und sogar Verzweigungen vorgetäuscht werden können. Wie man sieht, ist noch keineswegs eine Einigkeit bezüglich - der Auffassung der Natur der Spirochäten und ihrer systematischen Stellung in der Mikrobenwelt erzielt. Immerhin läßt sich auf Grund der mitgeteilten Tatsachen und Erwägungen sagen: sie sind Mikro- organismen, die eine besondere Gruppe oder Art von Kleinlebe- wesen darstellen, eben die Species Spirochaeta, der wir bis auf weiteres eine Mittelstellung zwischen Protozoen und Bakterien E zuweisen müssen. Zeigen doch die Spirochäten einige Eigenschaften, die sie den Protozoen zugehörig erscheinen lassen, und gleichzeitig auch solche, die wir bisher nur bei den Bakterien kannten. Auf eine nahe Verwandtschaft mit den Protozoen deuten das Verhalten gegenüber gewissen Farbstoffen (z. B. Eosin) hin und ferner die Vermehrung in Zwischenwirten und ihre Übertragung von diesen oder deren Nach- kommen auf den eigentlichen Wirt. Andrerseits sprechen manche Tat- sachen für die nahe Verwandtschaft der Spirochäten zu den Bakterien, z. B. das Verhalten in künstlichen Kulturen, das in den speziellen Kapiteln näher zu erörtern sein wird. Ferner werden z. B. nach Novy und Knapp die Spirochäten durch Kalilauge und destilliertes Wasser morphologisch nicht verändert, ganz wie Bakterien, während Trypanosomen unter den gleichen Verhältnissen rasch der Auflösung verfallen. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 52 798 43. Vorl. Allgemeines über Spirochäten und ‚Spirochätenkrankheiten. rue In den aromatischen Arsenverbindungen sind Substanzen von Spirochäten- Starker therapeutischer Wirksamkeit bei den Spirochätenkrankheiten ge- rankheiten. Sonden worden. Mit einigen dieser Präparate ist es gelungen, bei den experimentellen Spirochäteninfektionen der Tiere und auch bei den akuten und chronischen Erkrankungen des Menschen die Therapia sterili- sans magna Ehrlichs zu erzielen. Namentlich das stark parasitotrope, aber wenig giftige Salvarsan entfaltet bei sämtlichen Spirochäten- erkrankungen starke therapeutische Effekte. Bei der Besprechung der Chemotherapie des Rücktallfiebers, der Hühnerspirillose und der Syphilis soll auf die Heilerfolge, die mit den Arsenikalien erzielt sind, und auf die Entwicklung und Theorie der Chemotherapie noch näher eingegangen werden. Das Verhalten gegenüber diesen Chemikalien spricht wiederum für eine nahe Verwandtschaft der Spirochäten.und Trypanosomen. Literatur. Sobernheim u. Löwenthal, Spirochätenkrankheiten. Handb. d. pathog. Mikroorg., .2. Aufl., Bd. 7, 1913. Zettnow, Färbung "und Teilung bei Spirochäten. Zeitschr. f. Hygiene, Bd. 52, 1906. — Geißeln bei Hühner- und Rekurrensspirochäten. Deutsche med. Wochenschr., 1906. Ungermann, Züchtung der Weilschen Spirochäte, der Rekurrensspirochäte usw. Arb. aus d. Kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. 51, 1918. Dönitz, Die wirtschaftlich wichtigen Zecken. Leipzig, J. A. Barth, 1907. Ehrlich u. Hata, Die experimentelle Chemotherapie der Spirillösen. Berlin, J. Springer, 1910. Wladimirof, Immunität bei Spirochätenerkrankungen. Handb. d. pathog. Mikroorgan., 1. Aufl., Bd. 4, 1904. Cl. Schilling, Immunität bei Protozoeninfektionen. Ebenda, 2. Aufl.. Bd.7, 1913. Gabritschewsky, Beiträge zur Pathologie und Serumtherapie der Spirochäteninfektionen. Zentralbl. f. Bakt., Bd. 23, 1898. Zuelzer, Biologische und sy stematische Spirochätenuntersuchungen, Zentralbl. f. Bakt., Bd, 85, 1921. 44. VORLESUNG. Rückfallfieber (Febris recurrens). Das Rückfallfieber war in Europa seit langem heimisch und bis in Verbreitung md Ge- die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts auch in Deutschland weit serichtliches. - verbreitet. Es liegen aus früheren Zeiten bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts Berichte über große Epidemien aus Irland, Schottland und England vor. Seit dieser Zeit ist das Rückfallfieber in Europa dauernd im Rückgang und kommt hier nur noch in Rußland, in Bosnien und der Herzegowina, in der Türkei und in Griechenland vor. Dagegen herrscht es endemisch in Asien und Afrika, namentlich aber in Ägypten und in einigen Ländern Amerikas noch in ziemlich weiter Verbreitung. Nach Eggebrecht hat schon im Jahre 1741 Rutly das Rückfallfieber von dem Abdominaltyphus und Flecktyphus als selbständige Krankheit abgegrenzt. Das ‚klinische Studium haben besonders Griesinger, Wunderlich und Murchison gefördert. 1868 entdeckte Obermeier im Blute Rekurrenskranker feinste, Eigenbewegung zeigende Fäden, die Rekurrensspirochäten, und veröffentlichte im Jahre 1873 diese wichtige Entdeckung. Der junge Forscher starb leider in demselben Jahre an Cholera, nachdem er noch eine ganze Anzahl wertvoller wissenschaftlicher Be- obachtungen über das Rückfallfieber veröffentlicht hatte. 1878 gelang es Carter und Koch, durch Verimpfung von Blut rekurrenskranker Menschen Affen zu infizieren. Münch und Moczutkowski übertrugen die Krankheit in gleicher Weise auf gesunde Menschen. Wesentliche Fortschritte in unseren Kenntnissen vom Wesen der Infektion verdanken wir den Arbeiten von Gabritschewski und Metschnikoff über die Immunität und Serumtherapie des Rückfallfiebers. 1905 wies Koch nach, daß sich die Spirochäte des afrikanischen Rückfallfiebers in der Zecke Ornithodorus moubata Murray vermehrt und durch deren Biß auf den gesunden Menschen übertragen wird. Die afrikanische Rekurrens, die von R. Koch in Ost-Afrika ein- gehend studiert wurde, zeigt, klinisch betrachtet, einige Unterschiede ‚gegenüber der europäischen. Diese sind aber immerhin so geringfügig, - daß man nicht eine besondere Krankheit, sondern nur eine klinische Abart anzunehmen hat. Das gleiche gilt für die amerikanische und nordafrikanische Rekurrens. Auf die biologischen und morphologischen Unterschiede der in den einzelnen Erdteilen Rekurrens verursachenden Parasiten wird weiter unten eingegangen. Das Rückfallfieber ist eine Infektionskrankheit, die in plötzlich aus vollster Gesundheit einsetzenden Anfällen auftritt. Meist ohne Pro- drome kommt es nach einer Inkubationszeit von 5—7 Tagen zu einem heftigen Schüttelfrost, an den sich ein mehrtägiges Fieber mit geringen 52* Krankheits- bild. 800 e. 44. Vorlesung. Remissionen und Intermissionen anschließt (Fig. 100). Unter starkem Schweißausbruch endigt das Fieber mit kritischem Abfall, wobei die Temperatur bis unter die Norm sinkt. Häufig findet sich vorher ein starker Anstieg der Temperatur, oft bis 41°C, die sogenannte Perturbatio eritica. Vielfach tritt der Tod beim ersten Anfall ein, und zwar fast stets während der Krisis, die auch in den glücklich verlaufenden Fällen mit außerordentlich bedrohlichen Allgemeinerscheinungen einhergeht. Es kommt zu starkem Kräfteverfall, Aussetzen und Verlangsamung des Pulses, Zyanose und Kollapserscheinungen. Neben den Krisen werden auch Pseudokrisen, vorübergehende Temperaturerniedrigungen beobachtet. Jedem Anfall folgt zunächst ein Stadium subnormaler Temperatur und dann eine fieberfreie Zeit. Je öfter sich die Anfälle wiederholen, desto kürzer wird die Fieberdauer, desto länger das fieberfreie Intervall. ° Von Menschen, die zum erstenmal: von der Krankheit ergriffen werden, Fig. 100. IRB RIED U EI ES EI EB EB ES ED EB EI ES ED ED EI EI ER EN ED ER ED zi3® as] aslar lau] us] so = ITTT IT! I Rn IT IH, I IH BEBnE| Bu’ nuamanpa"aner sun r IH IT I ITIT JUNBERERBRERHRBERSERUR] JBBESBERBRBEEREEREERHRRBRMI! II73 Ir Ju100] ZIIIIIT IL II 0 T I T I ans m = - 44 == = = 1 - m en > .2u® nun — u 44 tt Europäisches Rückfallfieber (nach Eggebrecht). haben nach Eggebrecht 22:3°%/, 1, 378°/, 2, 36°3°/, 3, 31%, 4, 05%, 5, 0:08°/, 6 Anfälle. Nach demselben Autor stellt sich das Verhältnis der Dauer der Anfälle auf 6?4:3:2:1 Tage, während die Dauer der fieber- freien-Zeit zwischen den Anfällen 7:8:9:12 Tage beträgt. Die in Fig. 101 gezeigte Kombinationskurve aus 30 symptomatisch behandelten Fällen gibt ein gutes Bild über die Rezidive, deren Verlauf und die Zeitintervalle, in denen sie auftreten. Fast konstant ist eine nicht sehr hochgradige Milzschwellung vorhanden, die in der fieber-- freien Zeit etwas zurückgeht, um während des neuen Anfalls wieder zuzunehmen. Auch Leberschwellung und Ikterus sind fast stets vor- handen, erreichen jedoch für gewöhnlich keinen hohen Grad. Der Puls ist frequent und hochgespannt. Während des Fiebers, besonders aber gegen Ende des Anfalles besteht starke Leukozytose des Blutes. Eine gefährliche Komplikation des Rückfallfiebers ist die Pneumonie. In einem großen Teil der Fälle wird auch Nephritis beobachtet, die aber in Heilung übergeht, sobald die ursächliche Spirochäteninfektion abgelaufen ist. Petechiale Hautblutungen und hämorrhagische Kolitis sind nicht selten. Ob diese letzteren und die bei Rückfallfieberkranken im letzten 2 EEE TEE TEE CL UT EFT TUT ESTER TORTEN b nn Rückfallfieber (Febris recurrens). 801 ‘ Kriege oft beobachteten Ödeme stets ursächlich auf die Rekurrens- 1 Infektion zurückzuführen sind oder aber auf’ vorausgegangene oder gleichzeitige andere Infektionen und die Schädigungen des Krieges, im besonderen schlechte Ernährung und Ermüdungszustände, bedarf noch der Aufklärung. Fig. 101. Krankheitstage z 4.5.5.7. 8.9.10 12.132.1.18.16 12 121020. 9.22 3.24 25.26.2228 29 0313233.%.35.36.37 3830 40.42 fa v2 66 Stunden Ss S FEN >41 i SW, x RL S - u 36° LIE / Tag | | 9 Tagı 9 Tage vi Fieberverlauf bei Rekurrens. Kombingsionskurve aus 30 symptomatisch behandelten Fällen. Bei dem afrikanischen Rückfallfieber (Zeckenfieber) sind die Anfälle bei der ersten Erkrankung von viel kürzerer Dauer und ge- ringerer Intensität als bei dem europäischen (Fig. 102). Auch ist die - Mortalität hier niedriger. Fig. 102. SRIlshsssrssgendsasnsshähgkugigrsz 40 N N N F li | J 37 S fi a f 7 14 7 AN rYVVN 114 36 “ILL LLORNELI00L ONE LOL 0-oldorcn Zeckenfieber (nach R. Koch). Beim europäischen wie beim afrikanischen Rückfallfieber kommen gelegentlich meningitische Erscheinungen, ferner isolierte Lähmungen, insbesondere im Fazialisgebiet, Iritis und Iridozyklitis vor. Lähmungen und Regenbogenhautentzündungen bilden sich "gewöhnlich erst dann heraus, wenn die Erscheinungen der Blutinfektion nahezu abgeklungen sind. Iritis ist auch bei -Versuchstieren (Affen) gelegentlich beobachtet worden. Obduktions- befund. Die Rekurrens- spirochäten. Morphölogie und Biologie. 802 44. Vorlesung. Unter den pathologisch-anatomischen Veränderungen bei den an Rekurrens Verstorbenen ist das konstanteste und fast ausschließliche Kennzeichen die Milzschwellung. Fast regelmäßig findet man Infarkte in der Milz. Die Malpighischen Körperchen sind stark vergrößert, und zwar, wie sich auf Schnitten nachweisen läßt, durch eine Infiltration mit weißen Blutkörperchen. Die Leber pflegt etwas vergrößert zu sein und enthält häufig kleine nekrotische Herde. Recht charakteristisch sind Erweichungsherde im Knochenmark. An den übrigen Organen kommen parenchymatöse Degenerationen vor. Auch bei Tieren, die an Rekurrens eingegangen sine, werden in der stark vergrößerten Milz Infarkte gefunden. Entnimmt man dem Rekurrenskranken ein Tröpfehen Blut und untersucht es, mit etwas physiologischer Kochsalzlösung verdünnt, im hängenden Tropfen mit der Ölimmersion, so sieht man die Spiro-- chäten in lebhafter Bewegung. Meist erfolgen die Drehungen und Win- dungen so rasch, daß die feinen Gebilde, die fast das gleiche Licht- brechungsvermögen wie die umgebende Flüssigkeit haben, kaum zu erkennen sind. Man kann ihr Vorhandensein zunächst nur dadurch bemerken, daß die Blutkörperchen von ihnen weggedrängt oder zur Seite geschleudert werden. Erst wenn nach einiger Zeit die Bewegungen langsamer werden, kann man die Spirochäten näher studieren. Am besten beobachtet man sie im Dunkelfeld. Es lassen sich hier leicht drei Arten der Bewegungen erkennen: die Vorwärts- und Rückwärtsbewegung der ganzen Spirale, ferner eine Drehung um die Längsachse, entsprechend den Drehungen einer Schraube, und schließlich seitliche Verbiegungen um eine in der Mitte zu denkende Achse. Im gefärbten Präparat stellen sich die Spirochäten als feine, 1 x breite, mehrfach gewundene Fäden von 10—20—30y. Länge dar. Die im Deckglaspräparat scheinbar in einer Ebene befindlichen Windungen sind in verschiedenen Ebenen liegend zu denken, da wir es mit einer echten Spirale zu tun haben. In manchen Exemplaren finden sich abwechselnd dunkler und heller gefärbte Partien. An einzelnen Spirochäten, besonders an den langen Exemplaren, sind häufig Lücken zu sehen (Taf.58, Fig. 3, Taf. 59, Fig. 1). Die Färbung gelingt mit den meisten Farbstoffen. Besonders empfeh- lenswert ist nach vorheriger Fixierung der Präparate mit Alkohol und Äther die Färbung nach Giemsa. Diese eignet sich bei diagnostischen Untersuchungen auch für die Methode des dicken Tropfens. Auch das folgende, von Günther angegebene Verfahren gibt gute Resultate: Die Deckglaspräparate werden bei 75°C eine Stunde lang fixiert und dann für 10 Sekunden in 5proz. Essigsäure gelegt. Nachdem die letztere durch Waschen und dadurch, daß man die Deckgläschen über Ammoniak hin- und herbewegt, entfernt ist, wird die Färbung mit Gentianaviolett oder Dahlia angeschlossen. Auch durch einfaches Wässern der fixierten Ausstrichpräparate kann die färbbare Substanz aus den roten Blutzellen ausgelaugt und so eine deutliche Färbung der Spirochäten erzielt werden. Nach Gram lassen sich die 'Rekurrenserreger nicht färben. In Schnitten ist ihre Darstellung außerordentlich schwierig, jedoch lassen sich nach dem Löflerschen Universalfärbeverfahren leidliche Bilder erzielen. Ein ausgezeichnetes Verfahren zum Nachweis der Spirochaeta Obermeieri und, wie hier gleich gesagt sein möge, aller Spirochäten, ist die modifizierte Burri- sche Methode. 'Bringt man ein kleines Tröpfehen. spirochätenhaltiges Blut auf einen Objektträger und mischt es mit der gleichen Menge einer gleichmäßigen Auf- schwemmung von chinesischer Tusche, so kann man in dem dünn ausgebreiteten und dann getrockneten Ausstrich die Spirochäten als helle Spiralfäden auf dunklem Grunde leicht auffinden. Ist ihre Zahl gering, so gelingt ihre Feststellung leichter im Dunkelfeldpräparat. Will man die Spirochäten durch Vitalf ärbun g zur Darstellung bringen, so breite man auf einem Objektträger zunächst einen Tropfen alkoholischer Methylen- blaulösung in flacher Schicht aus, lasse ihn antrocknen und lege dann das mit x Rückfallfieber (Febris reeurrens). 803 . einem frischen Bluttropfen beschickte Deckglas auf die Farbschicht. Die Spirochäten färben sich sofort blau und zeigen noch eine Zeit lang ihre typische Beweglichkeit. Morphologisch zeigen die auf den verschiedenen Kontinenten vorkommenden Rekurrens-Spirochäten nach Uhlenhuth und Haendel sowie ©. Fränkel nicht unerhebliche Unterschiede. Die afrikanische Spirochäte (Spirochaeta Duttoni) ist die dickste und größte und hat sehr große und flache Windungen, während die Windungen der dünneren amerikanischen Spirochäte (Spirochaeta Novyi) viel enger und zahlreicher sind. In der Mitte zwischen beiden steht die europäische Rekurrensspirochäte (Spirochaeta Obermeieri). Der Ge- übte kann bei Beobachtung der lebenden Spirochäten im Dunkelfeld auch konstante Unterschiede in der Art und Schnelligkeit der Eigen- bewegung feststellen. Beim rekurrenskranken Menschen ist die Spirochaeta Obermeieri in wechselnder Menge im zirkulierenden Blut nachweisbar. Die Schwan- kungen in ihrer Zahl unterliegen bei einem und demselben Individuum während des Verlaufes des Fiebers keinen Gesetzmäßigkeiten. Während beim europäischen Rückfallfieber ziemlich zahlreiche Spiro- chäten im Blute vorhanden sind, sind sie bei Recurrens africana sehr spärlich, und zwar nicht nur beim Menschen, sondern auch beim experimentell infizierten Affen. Sehr wichtig ist die Tatsache, daß häufig kurz vor der Krisis, meist. zur Zeit des Schweißausbruches, und während des kriti- schen Abfalls selbst die Spirochäten aus dem zirkulierenden Blute ganz verschwinden. Wenn man um diese Zeit einen Blut- tropfen untersucht, findet man als Zeichen ihres Zerfalls vielfach runde Körnchen, die den Pfeiferschen Granula sehr ähnlich sind. Offenbar werden beim Zugrundegehen der Spirochäten die so verderb- lichen Giftstoffe frei. Bei tödlichen Fällen kann es gegen Ende der Krisis, wenn die Agonie einsetzt und die Zirkulation schon vollkommen darniederliegt, wieder zu einer Vermehrung der Spirochäten in den Kapillaren kommen. Ist die Krisis glücklich überstanden, so lassen sich im zirkulierenden Blute, wenn zahlreiche Präparate durchmustert werden, auch im fieberfreien Intervall vereinzelte Parasiten nachweisen. Ebenso ' erweist sich während des Intervalles entnommenes Blut, wenn es auf empfängliche Tierarten - verimpft wird, gewöhnlich als infektiös. Mit dem Beginn des nächsten Anfalles treten die Spirochäten wieder zahl- reicher auf. In die Se- und Exkrete des Körpers gehen die Rekurrens- erreger nicht über, dagegen sind sie verschiedentlich im Blute von Föten, die von rekurrenskranken Müttern geboren wurden, nachgewiesen worden. Sie treten in die Frucht auf plazentarem Wege über. Diese Tatsache bietet also ein Analogon zu dem Übertritt von Syphilisspiro- chäten von-der: Mutter auf die Frucht. Nach dem Tode des kranken Wirtes gehen die Spirochäten im Blute und in den Organen bald zu- grunde, doch findet man sie häufig kurz nach dem Tode noch in größerer Menge und in Knäueln zusammengefilzt in den kleinen Blut- gefäßen innerer Organe. Außerhalb des menschlichen Körpers können sich die Spirochäten bei zweckmäßiger Aufbewahrung ziemlich lange lebensfähig halten. Im Blut, das einem kranken im Stadium des Fieberanstieges ent- nommen, defibriniert und im Eisschrank aufbewahrt war, erwiesen Verhalten im Organismus. Resistenz außerhalb des Körpers. Züchtung. Tierpatho- genität. 804 44. Vorlesung. sie sich bei den Versuchen von Novy und Knapp noch nach Wochen als infektionstüchtig. In Blutegeln sollen noch 100 Tage nach der Auf- nahme infektiösen Blutes lebende Spirochäten nächgewiesen worden sein. Die Einwirkung der verschiedenen Wärmegrade auf die Lebens- dauer der Spirochaeta Obermeieri ist aus den folgenden Feststellungen Heidenreichs ersichtlich: Bei Zimmertemperaturen . . . .(15'5 bis 22'0°) leben die Spirochäten 2'/,—14 Tage „ normalen Körpertemperaturen . (370 „ 380%) „ , ; 15—21 Stunden „ Fiebertemperaturen . ... . BIT & 4—12°), :„ „ hyperpyretischen Temperaturen (425 „ 46°0°) % 5 17,31, » „ Temperaturen um O° herum (++ 75 „ —6°) “ „9Stunden bis 3 Tage „ Frosttemperaturen . . . . (—105 „ —180%9), „ 5 8 Stunden. Man erkennt das Absterben der Spirochäten zunächst daran, daß die Beweglichkeit aufhört. Es bilden sich Agglomerationsfiguren, dichte Knäuel von Spirochäten, und mit dem Auge kann man verfolgen, wie die einzelnen Individuen rasch zerfallen und spurlos in der umgebenden Blutflüssigkeit aufgelöst werden. Setzt man einem spirochätenhaltigen Bluttropfen Säure oder Alkali zu, so sterben die Mikroorganismen fast momentan ab. Auch Chloroform und Alkohol und ebenso gewisse Medikamente wirken sehr rasch zerstörend. Chinin, Salizyl, Kreosot, Arsen und Jodkali führen zwar in vitro ein rasches Zugrundegehen der Spirochäten herbei, haben aber keinen Einfluß auf die Entwicklung und den Verlauf der Spirochätose beim Menschen. Dagegen haben wir im Salvarsan ein Mittel, das nicht in vitro, dafür aber um so wirksamer im lebenden Körper die Spirochäten rasch vernichtet. Schon das Atoxyl und Arsenophenylglyzin, die als Heilmittel wegen ihrer toxischen Nebenwirkungen wieder aufgegeben sind, hatten ebenso wie das atoxyl- saure Quecksilber sehr starke therapeutische Wirkungen im Tierversuch enfaltet und die Anregung zu weiterem Ausbau der Chemotherapie der Rekurrens gegeben. Die Kultur der Rückfallfieberspirochäten gelang in einwandfreier Weise zuerst Noguchi, der als Nährboden Aszites- oder Hydrozelen- flüssigkeit ‚verwandte, die frische Gewebsstückchen von Kaninchen enthielt. Die Kulturen, die mit Paraffinöl überschichtet wurden, erreichten das Maximum der Spirochätenentwicklung bei einer Züchtungstemperatur von 37°C in 8—10 Tagen. Ungermann erzielte günstige Kulturerfolge in sterilem, frisch gewonnenem Kaninchenserum, das unverdünnt oder in ' Verdünnung mit geringen Mengen physiologischer Kochsalzlösung oder Ringerscher Flüssigkeit in kleinen Reagenzgläsern 30 Minuten auf 58—60°C erhitzt, dann sogleich durch steriles Paraffinöl gegen Luft- zutritt abgeschlossen und nach genügender Abkühlung beimpft wurde. In diesem Nährboden ließen sich ohne Schwierigkeiten lange Zeit hin- durch Kulturpassagen fortführen. Die Pathogenität der Spirochäten blieb dabei gut erhalten. Die Überimpfungen werden zweckmäßig alle 5 Tage vorgenommen. Die Tierpathogenität der Rückfallfieberspirochäten ist am größten für Affen, und zwar besonders für die Schmalnasen: Semnopithecus (Schlankaffen), Cercopithecus (Meerkatzen), Macacus (Makaken) und Cynopithecus (Hundsköpfe). Die Infektion gelingt sowohl durch subkutane Verimpfung von Blut wie auch durch infizierte Zecken (Ornithodorus). ESTER Tr Rückfallfieber (Febris recurrens). 805 ' Die Parasiten treten in reichlicher Menge im Blut auf und führen eine schwere, meist tödliche Erkrankung herbei. Bei der Übertragung von Rekurrensspirochäten auf andere Tiere haben sich gewisse Unterschiede ergeben, je nachdem das Infektions- material von afrikanischer, amerikanischer oder europäischer Rekurrens stammte. Es spricht dies für das Vorkommen verschiedener Varie- täten der Rückfallfieberspirochäte, die sich auch durch die Immunitäts- reaktionen unterscheiden lassen. Ratten, Mäuse (zahme und wilde), Meerschweinchen, Kaninchen sind gegen die europäische Spiro- chäte sehr resistent, die Infektion haftet oft nur bei intraperitonealer und intravenöser Injektion. Die Spirochäten vermehren sich bei Meer- schweinchen und Kaninchen aber nur kurze Zeit und lassen sich bei ihnen gewöhnlich nur durch Rückimpfung von Blut auf empfänglichere Tiere nachweisen. Meerschweinchen, Kaninchen und Hunde können mit der afrikanischen Rekurrensspirochäte von vornherein infiziert f - werden, die Übertragung der europäischen Spirochäte auf diese Tier- arten gelingt aber in der Regel erst, wenn das von kranken Menschen gewonnene Infektionsmaterial zunächst mehrere Male auf Affen verimpft worden ist. Während die afrikanische Rekurrens bei Tieren häufig eine tödliche Erkrankung unter starker Vermehrung der Spirochäten dar- stellt, ist die europäische für sie weniger infektiös als für den Menschen. Die Zahl der Spirochäten bleibt hier meistens gering, und die Tiere pflegen der Infektion nicht zu erliegen. Die Spirochäten des ameri- kanischen Rückfallfiebers verhalten sich in ihrer Pathogenität fast ebenso wie die des afrikanischen Zeckenfiebers. Durch fortgesetzte Tierpassagen kann die Virulenz für den Menschen verloren gehen. Solche Spirochäten können im menschlichen Organismus ‘zunächst noch leben, sie vermehren sich aber nicht in ihm, sondern gehen nach einigen Tagen zugrunde, ohne eine Erkrankung hervor- zurufen (Weichbrodt). ; Der Verlauf der Erkrankung bei Ratten und Mäusen, die mit europäischer Rekurrens infiziert sind, gestaltet sich verschieden je nach _ - der Virulenz der benutzten Spirochäten. Impft man einen Stamm von Maus zu Maus oder von Ratte zu Ratte jeden 2. Tag weiter, so nimmt die Virulenz ständig zu, sodaß man bei Einverleibung einer genügenden Dosis eine tödliche oder schwere Erkrankung erzielt. Mit großen Dosen virulenten Materials kann man in jedem Falle eine schwere Erkrankung oder den Tod der Tiere herbeiführen. Überstehen Tiere den ersten, am 4. oder 5. Tage nach der Infektion endigenden Anfall, so erweist sich das Blut bei mikroskopischer Untersuchung spirochätenfrei bis zum Eintritt des Rezidivs, das nach 5—6 Tagen beginnt und 2 bis 3 Tage dauert. Die Rezidive werden dann kürzer und leichter. Die Zahl der Parasiten im zirkulierenden Blute ist bei den ersten Anfällen um so größer, je virulenter die Spirochäten sind und je mehr von ihnen injiziert wurden. Wie sich bei künstlich von Maus auf Maus übertragenen Spirochäten die Rezidive gestalten, darüber gibt die umstehende, auf Grund der Untersuchungen im Ehrlichschen Laboratorium aufgestellte Tabelle Aufschluß. Sie enthält die Kontroll- versuche zu den mit Farbstoffen und verschiedenen Arsenderivaten angestellten Heilversuchen. Über- - tragung. 806 44. Vorlesung. Passage 1—60 Passage 61—130 Passage 131—200 . Dauer (Tage) R- & Dauer (Tage) ‘2 u Dauer (Tage) = & g ei = | Er £ == 3 = 28 E E Es B 5 & . Ele 1, ZI E) E IE ls) al arg 5 i:! 3 Sa 5 E 3 3 ei | = & = a FA a = Au: = = = eg” = FE a 3: 1. Anfall . 5.172.738 10| 3 |45 61|3|43 1. Intervall ER en en ey | 37.422129 61:.1:1236 1. Rezidiv . 6° .1 1.30 1:1007 11 3 I 58 | 100 5. 1 32 | 1C0 2. Intervall 4424-1782 8.1:4.:72%8 15.451:728 2. Rezidiv.|| :5| 1 | 2:6 | 100 TAI TEE 83 7 #:::1,234..89 3. Intervall 6:1-.:1°4 30 91 3.147 131.2 151 3. Rezidiv.. 441 17 |80°6 2 1 18 40 47718 58 4. Intervall | 11 | 1 |) 40 SET EL: 4. Rezidiv . f 1 1:3 1516 Ka 5 15 5. Intervall 1 )41 ER | Ar 5. Rezidiv..| .2| ı |22 |0|( ge 6. und 7. Re- kamen nur äus- 2 a iz al zidiv. . nahmsweise vor | : 2 Mortalität 15'4 Prozent 40°9 Prozent 46°'6 Prozent Die Heilversuche wurden in der Weise angestellt, daß 24 Stunden nach der Infektion das zu prüfende Mittel subkutan eingespritzt wurde. Der Spirochätengehalt des Blutes wurde, wenn nach Einverleibung wirksamer Substanzen das Blut innerhalb von 1—2 Tagen spirochäten- frei wurde, mikroskopisch 60 Tage lang kontrolliert. Breinl und King- horn fanden, daß bei negativem Parasitenbefund das Blut bei der Ver- impfung auf Tiere noch infektiös sein kann. Es ist noch unbekannt, in welcher Form sich die Spirochäten während der rezidivfreien Periode im Körper halten, ob vielleicht in einer Dauerform oder als Spirochäten, die der Blutuntersuchung entgehen. Ehrlich und Hata befanden von allen Präparaten, die sie prüften, das Salvarsan als das wirksamste und haben auf Grund dieser Versuchsergebnisse das Mittel für die Therapie der menschlichen Rekurrens empfohlen. Koch und Dutton haben festgestellt, daß die afrikanische Re- kurrens durch den Stich einer Zecke übertragen wird, die.den Namen Ornithodorus führt. Der Ornithodorus moubata Murray (Fig. 103) gehört zu den Argasinae, die mit der anderen großen Gruppe der Ixodinae die Ordnung der Zecken bilden. Bei den Argasinae werden wiederum zwei Gattungen unterschieden,: Argas und Örnithodorus. Dönitz führt in seiner Monographie über die wirtschaftlich wichtigen Zecken folgende Merkmale für die Argasinen an: „Die Haut ist weder auf der Ober- noch auf der Unterseite durch schildartige Verdickungen ausgezeichnet, son- dern bei beiden Geschlechtern in gleicher Weise gerunzelt oder mit Warzen besetzt. Die Geschlechter unterscheiden sich äußerlich nur durch die Form des Porus geni- talis, der beim Weibchen einen Querspalt, beim Männchen eine rundliche Öffnung darstellt. Die Mundteile sitzen an der Unterseite des Körpers, und zwar unter dem stark vorspringenden Vorderrande. Bei der Larve ist diese Vorwölbung des Vorder- randes noch so schwach entwickelt, daß sie nur die Basis der Mundteile bedeckt. Diese sind daher bei ihnen von oben her sichtbar. Die Palpen haben 4 ziemlich gleichlange drehrunde Glieder. Die Stigmen sind weiter nach vorn gerückt, als bei den Ixodinen, und liegen seitlich vom Zwischenraum der Coxae III und IV. Die Hüften und der Rüssel werden vom Rande des Körpers durch einen Wulst getrennt. der diese Teile hufeisenförmig, also vorn und an den Seiten umzieht. Wenn Augen 14 1% F RR % Ber Ä 14 Be Rückfallfieber (Febris recurrens). 807 ' vorhanden sind, sitzen sie auf diesem Wulst, und zwar jederseits ein Auge auf der Höhe von Coxa I und ein zweites auf der Höhe des Zwischenraumes zwischen Coxa II und 111.“ "Während die meisten Ixodinen beständig auf ihrem Wirte lebende Schmarotzer sind, die zum Teil ihre ganze Entwicklung vom Ei bis zur geschlechtsreifen Zecke auf der Haut des Wirtes durchmachen, suchen die Argasarten ihren Wirt nur nachts auf, wenn sie Blut saugen wollen. Tagsüber verkriechen sie sich in Schlupf- winkeln. Der Ornithodorus moubata Murray ist eine langlebige Zeckenart, die sich bei Tage unter dem Boden der Hütten und Wohnungen, unter Matten usw. : versteckt hält. Nur nachts kommt er zu den Menschen, um sich voll Blut zu sau- gen. Die Tiere haben, nachdem sie aus dem Ei ausgeschlüpft sind, ungefähr die Größe eines Stecknadelkop- fes, wachsen dann aber, nachdem sie sich mehrmals ge- häutet haben, zur Größe einer Linse heran. Damit sind sie geschlechtsreif und paaren sich. Das Weibchen legt Eier in die Erde. aus denen nach einiger Zeit junge Zecken ; ausschlüpfen. Der Ornithodorus moubata bewohnt das tropische und subtropische Afrika. In Ostafrika sind die Zecken weit verbreitet und finden sich auch regelmäßig am Boden der Schutzdächer, unter denen die Karawanen nachts rasten. Sie können nur an trockenen Orten leben, nicht dagegen an Stellen, die vom Regen getroffen Fig. 103. Ornithodorus moubata Murray, von unten und von oben gesehen. 2 ‘ werden oder feucht sind. ‘ Wenn die Zecke von einem Rekurrenskranken Blut gesogen hat, verschwinden die Spirochäten nach einigen Tagen aus dem Magen, um sich an der Ober- E08 fläche des _ Ovariums anzusammeln. Präpa- riert man den Eierstock der Zecke und stellt aus ihm durch Zer- quetschen ein Deckglas- präparat her, so kann man nach geeigneter Fixierung und Färbung Spirochäten aus den Zecken (Ovarium). mit Giemsa-Lösung die Spirochäten in großen Mengen, oft in dichten Knäueln (Fig. 104) nachweisen. Es kann dem- nach kein Zweifel bestehen, daß eine Vermehrung der Spirochäten in der Zecke stattgefunden haben muß. Besonders wichtig ist, daß die Spirochäten von infizierten Zecken auf die Eier übergehen. Sie lassen sich allerdings nicht im Inhalte aller gelegten Eier nachweisen, sondern es sind, wie Koch fand, immer nur einzelne Gelege und auch in diesen nur wieder einzelne Eier, die mit Spirochäten infiziert sind. In den Eiern vermehren sie 808 44. Vorlesung. sich und können große Haufen bilden (R. Koch, Kleine und Eckard). Leishman, Balfour, Hindle und Fantham haben angenommen, daß die Spirochäten in den Zecken eine Entwicklung durchmachen und dabei ein Körnchenstadium durchlaufen. Es sind jedoch bisher sichere Be- weise für die Richtigkeit dieser Anschauungen nicht beigebracht worden. Nach Wittrock sowie Kleine und Eckard sind in infektiösen Zecken stets Spirochäten in den Organen nachweisbar. Schlüpfen aus den Eiern junge Zecken aus, so kann man mit diesen die Rekurrens auf Affen über- tragen. Es spricht vieles dafür, daß die Spirochäten nicht durch den Rüssel der Zecke übertragen werden, sondern durch das beim Sau- gen abgesonderte Sekret der Koxaldrüsen in die Stichwunde gelangen (Leishman, Kleine und Eckard). Koch konnte in Ostafrika in fast allen Orten an der Karawanenstraße von DaresSalam bis über Kilossa hinaus und auch auf anderen Strecken infizierte Zecken, die zum Teil 15°/,, ja 50°/, der untersuchten ausmachten, nachweisen. „Gewisse Beob- achtungen“, so berichtete er, „sprechen dafür, daß die Rekurrens in Deutsch-Ostafrika in weiter Verbreitung seit jeher endemisch herrscht, daß die Eingeborenen die Krankheit in der Regel in der Jugend über- stehen und infolgedessen mehr oder weniger immun werden, sodaß sie gar nicht mehr oder nur mit einigen leichten Anfällen erkranken. Der Europäer kann sich gegen die Infektion am einfachsten dadurch schützen, daß er sein Zelt an solchen Stellen aufschlägt, wo niemand vor ihm gelagert hat.“ Die Übertragung des europäischen und des nordameri- kanischen Rückfallfiebers erfolgt in erster Linie durch Läuse, und Zwar sowohl durch Kleiderläuse als durch Kopfläuse. Das wird zunächst durch die epidemiologischen Erfahrungen bewiesen. Im Kriege 1914 bis 1918 kamen Rekurrensinfektionen besonders häufig bei stark verlausten Truppenteilen vor, und fast immer wurden bei den Erkrankten Läuse gefunden. Nach gründlicher Entlausung hörten die Neuinfektionen auf. Bei den experimentellen Untersuchungen, die Nicolle, Blaizot und Conseil, später Toyoda u. a. anstellten, konnte allerdings durch den Biß infizierter Läuse eine Übertragung der Spirochäten nicht erreicht werden. Die Mehrzahl der Autoren, die sich experimentell mit dieser Frage beschäftigten, nimmt heute an, daß die Infektion nicht durch den Biß der Laus zustandekommt, sondern wahrscheinlich durch Zerquetschen der infektiösen Läuse auf der Haut und das Eindringen der Spirochäten in die Kratz- wunden. Sergent und Foley sowie Nicolle und Blane fanden, daß Spirochäten in der Laus erst einige Tage nach dem Saugen mikro- skopisch nachweisbar sind. Nach Toyodas Befunden sind jedoch schon 24 Stunden, nachdem die Laus von einem Rekurrenskranken Blut sog, Spirochäten in ihrer Leibeshöhle festzustellen, und diese halten sich dort durch mehrere Tage (festgestellt bis zum 8. Tage) und vermehren sich anscheinend auch. Ebenso fand Töpfer Spirochäten in den infi- zierten Läusen und konnte durch den aus solchen Läusen hergestellten Preßsaft Mäuse mit Rekurrens infizieren. In den Fäzes der Läuse finden sich keine Spirochäten. Daß Spirochäten auch die intakte Haut und Schleimhaut durchdringen können, bewies Manteufel einwandfrei an Ratten. Die Rekurrenserreger werden von der Laus auf ihre Nach- kommenschaft vererbt. Man hat sie zwar mikroskopisch in den Eiern Rückfallfieber (Febris recurrens). | 809 nicht nachweisen können, aber es gelang, mit zerquetschten Eiern und Larven Affen zu infizieren. -. Die Frage, wie die Laus den von Kranken aufgenommenen In- fektionsstoff auf die Gesunden überträgt, bedarf noch weiterer Klärung. Vorläufig fehlen noch exakte experimentelle Beweise für das Eindringen der Spirochäten von den zerquetschten Läusen aus in den Körper, und andrerseits kann die Übertragung durch den Läusebiß noch nicht als endgültig widerlegt gelten. Weitere Untersuchungen sind auch über die Vermehrung und Haltbarkeit der Parasiten in der Laus erwünscht. Nach dem Urteil mancher Autoren kommt, in gleicher Weise wie die Laus, gelegentlich auch die Wanze als Überträgerin des Rückfallfiebers in Betracht. Natürliche Immunität gegen Rekurrens besitzen, wie sich experimentell feststellen läßt, alle Tiere mit Ausnahme der Affen, Mäuse ‘und Ratten. Worauf sie beruht, konnte bisher nicht festgestellt werden. Bei den empfänglichen Tierarten und beim Menschen kann eine Im- munität gegen die natürliche und künstliche Infektion durch Über- stehen der Krankheit erworben werden. Beim Menschen genügt dazu allerdings ein Anfall in der Regel nicht, sondern die Unempfäng- lichkeit pflegt sich erst nach 2—3 oder mehr Anfällen einzustellen. Auch dann ist die Immunität nicht immer von lebenslänglicher Dauer, denn nach Jahren kann es bei Neuinfektionen wieder zu einer Er- krankung kommen, die dann allerdings vielfach sehr leicht verläuft. Bei Affen, Ratten und Mäusen genügt häufig schon ein einziger in Genesung übergehender Anfall zur Etablierung einer langdauernden Immunität. Immunität. Rezidive kommen aber auch bei diesen Tierarten vor, und _ 'Neuinfektionen sind nach 6—12 Monaten möglich. Zur Erklärung des Phänomens, daß im Momente der Krisis die Spirochäten aus dem Blute verschwinden, sind verschiedene Hypothesen aufgestellt worden. Metschnikof behauptet, daß hauptsächlich die Phagozyten in der Milz die Spirochäten aufnehmen, verdauen und so das Blut und den Organismus von diesen Mikroben befreien. Die nicht durch Phagozytose zerstörten Spirochäten sollen in der Milz liegen bleiben, nach einiger Zeit sich .wieder vermehren und dann zur Aus- lösung eines neuen Anfalles führen. Demgegenüber behaupten Pfeifer und Gabritschewsky, daß das Zugrundegehen der Spirochäten bei der Krisis auf der Bildung spezifischer Antikörper beruht, welche die Spirochäten zur Abtötung bringen. Es wäre demnach dieser Vor- gang ein Analogon der Bakterienauflösung im immunisierten Tierkörper und als Ausdruck der eingetretenen Immunisierung aufzufassen. Daß.es im Serum von Rekonvaleszenten tatsächlich derartige spezifische Stoffe gibt, läßt sich im Versuch an Affen zeigen. Wenn man Affen Serum von Menschen oder Tieren einspritzt, die kürzlich Rekurrens überstanden haben, werden sie dadurch gegen Infektionen mit virulentem Material geschützt. Auch in vitro läßt sich die Wirk- samkeit des spezifischen Immunserums nachweisen. Mischt man spirochätenhaltiges Blut mit dem spezifischen Serum, so werden, wenn die Mischung bei 37°C aufbewahrt wird, die Rekurrenserreger nach 1—6 Stunden immobilisiert und eventuell agglomeriert, während sie in der Kontrollprobe mit normalem Serum unter gleichen Verhältnissen Wirkungen des Immun- serums. 810 44. Vorlesung. oft tagelang, mindestens aber 24 Stunden beweglich bleiben. Zu solchen Versuchen lassen sich allerdings nur in vitro gut bewegliche Spirochäten verwenden. Den „bakteriziden Koöffizienten“ des Serums ermittelt man dadurch, daß man die Zahl der Stunden, welche die Spirochäten im normalen Blut beweglich bleiben, durch die Zahl der Stunden, die sie im Immunblute sich lebensfähig erhalten, dividiert. Es ist sehr schwer, in vitro spezifische Agglutinationswirkungen des Immunserums zu er- kennen, weil die Agglomeration dieser Mikroben vielfach auch spontan und in normalem Serum erfolgt. Auf Grund dieser spezifischen Wirkung hat man das Immunserum auch therapeutisch zu verwenden versucht. Zur Anwendung gekommen ist Serum von Immunaffen und von Pferden, die mit Spirochätenblut in steigenden Dosen längere Zeit vorbehandelt waren. Die beim Menschen mit diesem Serum erzielten Erfolge sind bis jetzt noch nicht sehr befriedigend, wenngleich sich ein gewisser Einfluß auf die Rezidive bei mehrmaliger Injektion nicht verkennen ließ. Von Uhlenhuth und Haendel sind die Wirkungen spezifikchön Serums in der Versuchsanordnung des Pfeifferschen Versuches zur Differenzierung der Spirochäten von Recurrens africana, americana und europaeensis herangezogen worden. Immunserum wird zusammen mit spirochätenhaltigem Blut Mäusen intraperitoneal einverleibt. Wenn dem Immunserum homologe Spirochäten injiziert werden, tritt eine Auflösung mit 'raschem Zugrundegehen der Spirochäten ein. Da das von Affen stammende, auf afrikanische Rekurrensspirochäten wirksame Serum nicht ‚auf die europäische Spirochäte wirkt und umgekehrt, müssen beide Arten voneinander verschieden sein. Kolle und Schatiloff haben im Serum von Menschen, die mehrere Anfälle überstanden hatten, auch spezifisch komplementbindende Stoffe nachgewiesen, mit deren Hilfe die drei Arten der Rekurrensspirochäten unterschieden werden konnten. Mit diesen Versuchsergebnissen steht im Einklang, daß C©. Fraenkel die drei Spirochätenarten auch bei aktiv immunisierten Tieren unterscheiden konnte, wenn er sie. ihnen in die Bauchhöhle spritzte. Dabei wurde allerdings häufig bei einem Teil der Tiere ein Über- greifen der aktiven Immunität beobachtet. Diese Erscheinung zeigt, daß die als Erreger des Rückfallfiebers in den drei Erdteilen gefundenen Spirochäten sich einander sehr nahe stehen; sie haben viele gemeinsame Rezeptoren, die eine gewisse gemeinsame aktive Immunität bedingen. Durch Levaditi und Roche ist gezeigt worden, daß Serum aus dem Intervall die Spirochäten des vorausgegangenen Anfalles abtötet, während es gegenüber denen des folgenden Anfalls wirkungslos ist. Castelli, Toyoda, Kudicke und Feldt haben dann nachgewiesen, daß die Spirochäten aus den späteren Anfällen von denen des ersten Anfalls und voneinander immunisatorisch verschieden sind. Diese Rezidiv- stämme sind, da stets Blutmengen mit zahlreichen Spirochäten über- impft werden, nach Kudicke und Feldt gewöhnlich Mischstämme, die neben der Rezidivmodifikation noch das Ausgangsantigen enthalten. Bei längerer Passage in normalen Tieren geht die Rezidivmodifikation allmählich verloren. Solche Rezidivstämme können auch in Tieren zur Entwicklung kommen, die nach Infektion mit Ausgangsantigen mehrere Anfälle überstanden haben und dadurch gegenüber diesem Antigen Rückfallfieber (Febris recurrens). 811 immun geworden sind. Es verhalten sich also die Rezidivstämme ganz ähnlich den Rekurrensvarietäten. Was sie von den letzteren unter- scheidet, ist, daß sie ihre Besonderheiten nicht dauernd bewahren. Die nach Überstehen des Rückfallfiebers nachweisbare Immunität ist danach das Gesamtresultat der im Verlauf der einzelnen Anfälle sich abspielenden Immunisierungsvorgänge. Auch in den meisten Gebieten Asiens (Indien, Kleinasien, China) und in Nordafrika (Algier, Ägypten, Tunis, Marokko) kommt Rückfall- fieber vor. Die in diesen Ländern gefundenen Spirochäten unterscheiden sich von den in Amerika, Europa (Osteuropa) und Zentralafrika gefun- denen Spirochäten nicht nur morphologisch (Zahl und Art der Windungen, Länge und Dicke), sondern auch durch biologische Merkmale, die zum - Teil allerdings geringfügig sind. Die in Nordafrika gefundene Spirochäte _ (Spirochaeta berbera) ist für Affen sehr wenig pathogen und läßt - sich in ihnen nicht weiterzüchten. Auch die klinischen Erscheinungen der durch diese verschiedenen Spirochäten beim Menschen hervorgerufenen Krankheiten weichen von den bei anderen Spirochäteninfektionen be- schriebenen ab. So ist z.B. die indische Spirochäteninfektion (Spiro- chaeta indica seu Carteri) eine sehr schwere und häufig tödliche Krankheit, während das nordafrikanische Rückfallfieber sehr leicht und mit sehr geringer Mortalität verläuft. Auch in der Zahl der Anfälle, der Größe der Intervalle und der Menge der im Blute nachweisbaren _ Spirochäten bestehen nicht unerhebliche Unterschiede zwischen dem europäischen, zentralafrikanischen, amerikanischen, indischen und nord- afrikanischen Rückfallfieber. Diese klinischen Unterschiede haben ebenso wie das Verhalten der Spirochäten gegenüber den Immunitätsreaktionen -- und die verschiedene Tierpathogenität einzelne Forscher, besonders Balfour, veranlaßt, die einzelnen Krankheiten und die dazu gehörigen Spirochäten einzeln zu beschreiben und scharf voneinander abzugrenzen. Wenn auch diese Differenzierung für den Spezialforscher auf diesem Gebiete wertvoll und vom Standpunkte des Biologen wissenschaftlich berechtigt sein mag, so haben wir doch unter Berücksichtigung der Zwecke, denen dies Werk dienen soll, von der getrennten Besprechung der genannten Abarten abgesehen, zumal Wiederholungen nicht zu ver- meiden gewesen wären. Eine neue Ära der Therapie des menschlichen Rückfallfiebers ist rm durch die Einführung des Salvarsans eingeleitet worden. Dieses von 2 Ehrlich entdeckte und in den Arzneischatz als Spezifikum gegen 8pirochätenkrankheiten eingeführte Präparat hat sich auch bei Rekurrens als ein zuverlässiges Heilmittel erwiesen. Jversen stellte zu- - „erst fest, daß das Salvarsan, wenn es während eines Rekurrensanfalles “ eingespritzt wird, innerhalb 12 bis 24 Stunden bei ungefähr 90°/, der Erkrankten die rasche und rezidivfreie Heilung des Rückfallfiebers bewirkt. Zu demselben Ergebnis kamen fast gleichzeitig Bitter und Dreyer in Cairo. Ein Blick auf die von Iversen als Gegenstück zu den in Fig. 101 wiedergegebenen Ergebnissen zusammengestellte Kombina- tionskurve aus 20 mit dem Mittel behandelten Fällen (Fig. 105) zeigt die Berechtigung der Behauptung, daß die Therapia magna sterilisans bei dieser Spirochätenkrankheit mit einem einzigen „Schlag“ möglich ist. Wird einem Rekurrenskranken eine genügende Dosis Salvarsan 812 44. Vorlesung. (03— 05 g) intramuskulär injiziert, so tritt nach 3—4 Stunden ein Schüttelfrost auf, und nach geringem Anstieg der Temperatur erfolgt innerhalb von 6 bis 18 Stunden, etwas langsamer als bei der spontanen Krise, unter profusem Schweiß, aber ohne Kollaps ein Absinken der Temperatur bis unter die Norm. Die Spirochäten verschwinden voll- ständig aus dem Blute, nachdem sie schon vorher ihre Färbbarkeit ein- gebüßt hatten. Selbst in den Fällen, wo Rezidive eintreten, sind Spiro- chäten nicht immer nachzuweisen. Bei intravenöser Injektion des Sal- varsans in Dosen von 0'4—0'6 g treten die beschriebenen Erscheinungen schneller, nach 3—4 Stunden auf. Stämme, die gegenüber den gebräuchlichen Salvarsandosen eine mehr oder weniger ausgesprochene Widerstandsfähigkeit zeigen, sind z. B. beim afrikanischen Rückfallfieber wieder-” Fig. 106. holt beobachtet worden Kıuspetstog (Klemm, Kudicke,Plaut, 23° 3. 4 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.12 13. 15.16.17 Lau na Eu un BADER ENT Weichbrodt). STE “ Die Ursachen der „13 Rezidive nach Salvar- „1182 santherapie können in #s' a drei Möglichkeiten be- "NT gründet sein, auf de ® bereits Prüssian hinge- gel wiesen hat, 1. in zu 39° kleinen Salvarsandosen, 315 2.indem Ausbleibendes °" WVLATNTLLr & Ictus immunisatorius, / 7 weil das Salvarsan nicht eK im richtigen Moment 35° gegeben wurde, und 3.in en: der Bildung arsenfester ee Rekurrensstämme. Wei- ter ist für das Zustandekommen von Rückfällen wesentlich, ob die Sal- varsantherapie beim ersten, zweiten oder dritten Anfalle eingeleitet wird. Die klinische Beobachtung und die Analyse des einzelnen Falles wird zeigen, welche dieser Ursachen jedesmal in Frage kommt. Sicher aber bleibt die Tatsache bestehen, daß mit großen Salvarsandosen (05—0'6 g), die von den Kranken fast immer gut vertragen werden, wenn sie während des Anfalles gegeben werden, bei 95—100°/, aller reinen Rekurrens- fälle die Therapia magna sterilisans, die Heilung ohne Rezidive gelingt. Wo, wie bei afrikanischer Rekurrens, eine erhöhte Arsenresistenz der Spirochäten zu. vermuten ist, empfiehlt es sich, der ersten Injektion nach einem Abstand von etwa 7'Tagen eine zweite folgen zu lassen und * nicht erst zu warten, bis ein Rückfall eintritt. Komplikationen mit an- deren Krankheiten erschweren die rezidivfreie Heilung wesentlich. Literatur. Brault u. Montpellier, Note sur la presence du Spirille de la Fieyvre Recurrente Nord-Africaine dans quelques liquides et excreta de l’organisme. Bull. Soc. Path., Bd.7, 1914. Breinl u. Kinghorn, Observ. on the animal reactions of the spir. of ARE, Tick- fever. Lancet, 1906. Le ER = Zn un & DZ a 42. up Ze Rückfallfieber (Febris recurrens). 813 Dre Deutsche med. Wochenschr., 1879. Dei ceppi reeidivi nella infezione sperimentale da spironema recurrentis. eh. Ist. Sieroterap., Milanese 1917. Dönitz, Die wirtschaftlich wichtigen Zecken. Leipzig, J. A. Barth, 1907. Dutton u. Todd, The nature of human Tick-fever. 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Hatte die Krankheit einen mehr chronischen Verlauf, so ist eine Atrophie fast aller Organe nachweisbar. Die Erreger dieser Spirochätose i _ sind im Blut oft schon vor Beginn des Fiebers, d.h. also während des Prodromalstadiums festzustellen. Sie nehmen rasch an Menge zu und bilden schließlich gegen Ende der Krankheit dichte Knäuel. Die Spiro- ehaeta anserina ist in Größe, Beweglichkeit und Färbung von der Spirochaeta Obermeieri (s. S.802) nicht zu unterscheiden. Die Krank- _ heit kanu von Tier zu Tier durch Verimpfung des Blutes übertragen werden. Die Inkubationszeit nach der experimentellen Infektion beträgt 12-36 Stunden. Auf welche Weise die natürliche Ansteckung statt- - findet, ist noch nicht mit Sicherheit erwiesen, doch sind höchstwahr- scheinlich Zecken (vielleicht Argas persicus) oder eine besondere Wanzenart die Überträger dieser Seuche. Außer Gänsen sind Enten und - Junge Hühner bei experimenteller Infektion für die Spirochäten empfäng- lich; ältere Hühner erkranken nur leicht. Säugetiere sind immun. Experimentelle Untersuchungen über die Immunität bei Gänse- ‘ spirochätose haben ergeben, daß hier die gleichen Gesetze wie bei der - Febris recurrens gelten. Nach dem Überstehen eines Anfalls, der selten von einem Rezidiv gefolgt ist, tritt eine langdauernde Immunität gegen - die experimentelle und natürliche Infektion ein. Im Serum der immuni- sierten Gänse lassen sich spezifische Antikörper nachweisen, die im 53* 816 45. Vorlesung. ® Tierkörper als Schutzstoffe wirken und auch im Reagenzglase die Spirochäten schädigen. Das Immunserum wirkt außerdem agglutinie- rend, eine Tatsache, die Gabritschewsky als Ursache für die Entstehung der großen Häufchen während der Krise angesehen hat. Es gilt aber auch hier für die Agglutination das gleiche, was über die Agglomera- tion der Rekurrensspirochäten gesagt ist. 2. Hühneiepiroehliione Die Hühnerspirochätose ist eine seuchenhafte Krankheit der Hühner, die in Brasilien, in Nord- und Südafrika, auch in Osteuropa einheimisch ist. Ihr Erreger, die Spirechaeta gallinarum, wurde von Marchoux und Salöimbeni in Rio de Janeiro entdeckt. Die Symptome der Krankheit und die pathologisch-anatomischen Veränderungen gleichen den bei der Gänsespirochätose beschriebenen mit geringen Abweichungen, die wenig Bedeutung haben. Auch in der Morphologie und Biologie der Erreger beider Krankheiten bestehen keine wesentlichen Unterschiede. Fig. 106. Schwarze Leghornhenne, an akuter Spirochaetosis leidend. Die Hühnerspirochätose setzt mit hohem Fieber (42—43°C) ein, das erst kurz vor dem Tode subnormalen Temperaturen weicht. Die auffälligsten klinischen Symptome sind Durchfall und Somnolenz (Fig. 106). Als Nachkrankheit werden bei den genesenen Tieren häufig Schwäche und Lähmungen beobachtet; die Tiere sterben dann meist an Marasmus. Schon bald nach dem Ausbruch des Fiebers erscheinen die Spirochäten in großer Menge im Blut (Fig. 107 u. Taf. 59, Fig.) und bilden dort mit- unter Haufen. Auch diese Spirochätenart vermehrt sich durch Querteilung. Mit der Krisis verschwinden die Spirochäten teils unter dem Einfluß spirochätenlösender Antikörper, teils durch phagozy- täre Vorgänge aus dem zirkulierenden Blut. Die natürliche und künstliche Infektion hinterläßt bei den überlebenden Tieren eine lang- dauernde, meist lebenslängliehe Immunität. Die Krankheit läßt sich von kranken auf gesunde Hühner durch intramuskuläre Verimpfung von Blut übertragen. Am 1. Tage nach der Impfung findet man meist noch keine N ee a 1 et Spirochätenkrankheiten der Tiere. 817 Spirochäten im Blut, am 2. Tage sind sie spärlich, am 3. in großer Menge nachweisbar. Bis zum 4. oder 5. Tage, wo die Krankheit ihren Höhepunkt erreicht, nehmen sie an Zahl zu, um dann plötzlich zu ver- schwinden, wenn die Heilung eintritt. Ungefähr ein Drittel der Tiere erliegt der Infektion; bei den überlebenden erscheinen die Spirochäten nur selten wieder im Blute und auch dann nur wenige Tage nach dem Anfall. Fig. 107. Hübnerspirochäten. Tuschepräparat nach Bwri Die natürliche Ansteckung gesunder Hühner erfolgt durch den Biß von Zecken, die zur Familie der Argas gehören. Es sind mehrere Argasarten als Zwischenwirte festgestellt, so in Afrika Argas persicus, in Cypern Argus reflexus, in Brasilien Argas miniatus. Marchoux und Salimbeni haben in Zecken, die sich durch Saugen spirochätenhaltigen Blutes infiziert hatten, noch nach 5 Monaten mikroskopisch die Spiro- chäten nachweisen können. Nach den Untersuchungen von Marchoux unterliegt es keinem Zweifel, daß sich die Spirochaeta gallinarum in den Argaszecken in ähnlicher Weise vermehrt, wie es Koch für die Spirochaeta Obermeieri und den Ornithodorus festgestellt hat, denn durch den Biß infizierter Zecken kann man die Krankheit auf gesunde Hühner übertragen. Die Inkubation beträgt 5—6 Tage. Außerhalb des Tierkörpers gehen die Spirochäten rasch zugrunde. Die Züchtung der Spirochaeta gallinarum gelingt ohne Schwierigkeit bei Anwendung des 818 45. Vorlesung. von Ungermann für die Kultur der Rückfallfieberspirochäten erprobten Verfahrens (S. 304). Die Frage, ob die Spirochäten auf die Eier in infizierten Zecken übergehen, ist noch. nicht spruchreif (Ficker und Rosenblatt, v. Prowazek). Das Serum von Tieren, die einen Anfall überstanden haben, hat präventive und kurative Eigenschaften in gleichem Maße, wie es für das Rekurrensserum beschrieben wurde. Die in verschiedenen Ländern bei Hühnern vorkommenden Spirochäten zeigen untereinander nur geringfügige Unterschiede, etwa ebenso wie die verschiedenen Rekurrens- spirochäten (s. d.), und gehören nach Ansicht der meisten Forscher zu einer Art. Uhlenhuth, Levaditi und Me. Intosh wiesen nach, daß Atoxyl in Dosen von 005—0'1g schützende und heilende Kraft gegenüber der Hühnerspirochätose entfaltet, obwohl es die Spirochäten in vitro nicht nennenswert schädigt. Uhlenhuth und Gross studierten diese Wirkung des Atoxyls auf die Spirochäten näher und fanden in dem atoxyl- sauren Quecksilber ein noch wirksameres Mittel. Die Heildosis schwankte bei ihm zwischen 0'1—0'05g pro Kilogramm Körpergewicht. Das Atoxyl wirkt, wie Ehrlich fand, dadurch, daß es im Organismus zu dreiwertigen Arsenverbindungen (Paraminophenylarsenoxyd) reduziert wird. In systematischer Weise hat Hata unter Ehrlichs Leitung die Wirkung der aus dem Atoxyl durch Reduktionsprozesse nach den an späterer Stelle ausführlich besprochenen Grundsätzen hergestellten Arsenpräparate auf ihre therapeutische Wirkung bei experimenteller Hühnerspirillose untersucht. Das Verhältnis zwischen Heildosis und ertragener Dosis gestaltete sich beim Huhn folgendermaßen: Aloiyli He en 0:03 :0'06=1:2, ATSAZOUN. 2 a a 003: OT Se Arsenophenylelyzin . .-. ....012 :04 =1:33, Arsenylsaures Quecksilber . . . . 004 :01 =1:25, Dioxydiamidoarsenobenzol «. . . . 0'0035:0'2 =1:58, Amidophenylarsenoxyd. . . .. . 0'0015 : 003=1 : 20. Die Behandlung wurde gewöhnlicb am 2. Tage nach der experimentellen Infektion, wenn nur wenige Spirochäten im Blute nachweisbar waren, begonnen. Die Substanzen wurden intramuskulär injiziert. Es zeigte sich, daß bei ausreichender Dosis die Spirochäten schon am nächsten Tage aus dem Blute verschwanden und meist nicht wieder erschienen. Zweifellos wirken bei der chemotherapeutischen Heilung der Spirochätose der Hühner die Immunkörper, die auch bei der Spontan- heilung dieser Krankheit eine Rolle spielen, mit. Der Ietus immunisatorius wird durch die zugrunde gehenden Spirochäten ausgelöst. Diese Ergebnisse bildeten zusammen mit den bei der experimentellen Rekurrens- erkrankung der Mäuse und Ratten gemachten Beobachtungen die Grundlage für die therapeutische Anwendung des Salvarsans bei der Kaninchensyphilis und der menschlichen Syphilis. Wie die Untersuchungen von Kolle, Hartoch und Rothermundt gezeigt haben, ist die Hühnerspirochätose auch eine geeignete Krankheit, um die verschiedenen Quecksilberpräparate auf ihre therapeutische Wirksamkeit zu prüfen. Auch bei den in Wasser unlöslichen Präparaten kann an spirochäteninfizierten Hühnern der chemotherapeutische Koeffizient gut ermittelt werden. 3. Spirochätosen des Rindes, des Pferdes und des Schafes. Die Rinderspirochätose wurde bis jetzt nur in Afrika be- obachtet. Die sie verursachende Spirochäte gleicht morphologisch den eben beschriebenen, ist jedoch länger und breiter. Sie .wurde von Theiler in Transvaal zufällig bei Rindern entdeckt, die an Texasfieber Bude 1 BE le 05 As nl m Rh ah en in ne = a ee nd ee RN N. Di Si m DEN a Na a a en aan Spirochätenkrankheiten der Tiere. 819 oder Trypanosomiasis erkrankt waren, und ist seitdem verschiedentlich ‚bei Rindern festgestellt worden. Die Spirochaeta Theileri ist in der Regel wohl ein harmloser Parasit, kann aber scheinbar unter Umständen auch eine fieberhafte Erkrankung hervorrufen. Koch wies in Zecken, die auf den Rindern in Ostafrika gefunden wurden, die Spirochäten im Ovarium und in den Gelegen nach. Im Blute von Pferden wurden Spirochäten beobachtet von T'heiler in Südafrika. von Martin in Französisch-Guinea und von Story in _ Britisch-Ostafrika, im Blute von Schafen von Martoglio und Carpano in Abessinien, von Theiler in Transvaal und von Ziemann in Kamerun. Theiler übertrug die Rinderspirochäten auf Schafe, Dodd die Pferde- spirochäten auf Rinder und Schafe. Wenn auch nach diesen Versuchen die Pferde-, Rinder- und Schafspirochäten wahrscheinlich identisch sind, müssen doch noch exakte Beweise für die Richtigkeit dieser An- _ nahme erbracht werden. 4. Kaninchenspirochätose. . Bei Kaninchen kommt eine chronisch verlaufende Infektionskrank- heit vor, die durch entzündliche und ulzerierende Veränderungen am Genitalapparat gekennzeichnet ist und in deren weiterem Verlaufe sich zuweilen papulöse und zu Zerfall neigende Veränderungen an anderen Körperstellen zeigen. Erreger dieser Erkrankung ist eine der Spirochaeta pallida außerordentlich ähnliche Spirochäte, die Spiro- chaeta cunieuli. Von Jägern und Tierärzten ist schon seit längerer Zeit behauptet worden, daß eine syphilisähnliche Erkrankung, die sogenannte Hasen-Venerie, bei Feldhasen vorkommt, aber aus den bis zum Jahre 1912 in der Literatur enthaltenen Mittei- lungen über sogenannte Syphilis der Hasen und Kaninchen läßt sich ein klares Bild über die Einheitlichkeit einer derartigen Erkrankung nicht gewinnen. Es wurden unter den beschriebenen Krankbeitsbildern neben den unten genauer angegebenen Veränderungen der spezifischen Geschlechtskrankheit Befunde beschrieben, die auf Pseudotuberkulose, durch Nekrosebazillen hervorgerufene Geschwülste usw. schließen ließen. Immerhin geht aus den Mitteilungen aber hervor, daß bei Hasen und Kanin- # chen eine seuchenartige Erkrankung vorkommt, die im wesentlichen auf den Genital- . apparat beschränkt ist. Ein spezifischer Erreger für die Erkrankung wurde zunächst nicht nachgewiesen. Zu diesen Krankheiten gehört die schon 1874 von Bollinger beschriebene Seuche bei Feldhasen, die äußerlich durch eine starke Vergrößerung der Hoden und durch ulzerative Prozesse im Gebiete der Haut der Genitalregion charakterisiert — wurde. Außer diesen äußerlich erkennbaren Veränderungen konnten bei der Sektion - in Leber, Lunge und Mesenterialdrüsen knötchenförmige, prominierende Erosionen — machgewiesen werden, deren Zentren erweicht waren. Die jüngsten Entwicklungs- stufen dieser Knötchen zeigten mikroskopisch eine Zusammensetzung aus kleinen - rundlichen Zellen mit glänzenden Kernen, eingebettet in eine spärliche strukturlose Zwischensubstanz. Das Bild hatte Ähnlichkeit mit Miliartuberkulose oder Syphilis. = Das Zentrum der größeren Knötchen bestand aus fettigkörnigem Detritus mit etwas = kohlensaurem Kalk, kleinen Fettropfen und Myelinkugeln. Bollinger vermutete, daß es sich um eine epizootisch unter den Hasen auftretende, wahrscheinlich kon- tagiöse Krankheit handle und wollte für sie den Namen Syphilis oder Venerie beibehalten wissen. Maier beschrieb den Sektionsbefund eines Feldhasen, der auf der Jagd erlegt und wegen sogenannter Hasenvenerie zum Verkauf und menschlichen Genuß nicht freigegeben war. Es handelte sich um ein großes, kräftiges, wohlgenährtes Tier. dessen Hoden etwa um das 4fache vergrößert waren. Am rechten Hoden befand ‚sich ein 3:2cm messendes, oval geformtes Ulkus mit unterminierten Rändern. Beim Geschicht- liches. s20 45. Vorlesung. Einschneiden in das Gewebe der Organe zeigte sich deren Parenchym in eine gelb- lich gefärbte, weichliche Masse verwandelt, in welcher, eine besondere Struktur für das bloße Auge nicht erkenntlich war. Die Sektion der- inneren Organe ergab makro- wie mikroskopisch keinen vom normalen abweichenden Befund. Maier fand im Hoden kleine Stäbchen ‘und glaubte auf Grund des pathologisch-anatomischen Bildes den Fall ala Wundinfektionskrankheit auffassen zu müssen. 1914 berichteten Ol? und Ströse über eine Knotenseuche unter den Feldhasen. Außer Veränderungen an den Geschlechtsorganen wiesen die kranken Tiere Knoten in den Organen auf, deren Ätiologie nicht sichergestellt werden konnte. Sustmann beschrieb 1919 dieselbe Krankheit für Kaninchen. Ebenso erwähnen - Fröhner und Zwick in ihrem Lehrbuch eine Geschlechtskrankheit der Kaninchen mit infektiösem Charakter. Nach der Entdeckung der Spyphilisspirochäte durch Schaudinn begann die Erforschung der durch Verimpfung von menschlichem Syphilismaterial bei Kaninchen erzeugten Infektion mit Spirochaeta pallida. Bertarelli, Uhlenhuth und Mulzer haben im Jahre 1906 in einer ausgedehnten Versuchsreihe die Infizierbarkeit der Kaninchen mit der Spirochaeta pallida erwiesen. Später gelang Kolle und Ritz der Nach- weis der spontanen Übertragung der Pallida-Infektion bei Kaninchen durch den Geschlechtsakt von infizierten Kaninchenböcken mit gesunden Weibchen. Wie noch weiter gezeigt werden wird, ist die originäre Kaninchen- syphilis pathologisch-anatomisch, in ihrem Verlaufe sowie durch biolo- gische Versuche von dieser in Kaninchen fortgezüchteten menschlichen Syphilis durchaus abgrenzbar. Über Spirochätenbefunde bei den mit nichtmenschlichem Material geimpften Kaninchen haben zuerst Bayonne und Ross berichtet. Ihre Befunde sind aber zu spärlich, um irgendwelche Schlüsse über die Natur der Krankheit, die sie beobachteten, daraus zu ziehen. Die Untersuchungen über das Problem der originären Kaninchen- syphilis begannen mit den Arbeiten von Arzt und Kerl. Arzt und Kerl erhoben 1914 verschiedentlich Spirochätenbefunde bei Kaninchen, die direkt aus den Züchtereien kamen und mit mensch- lichem Syphilismaterial nachträglich nicht infiziert waren. Sie konnten 2 Affen mit dem vom spontan erkrankten Kaninchen stammenden Material nicht infizieren. Sie untersuchten in der Umgebung Wiens 853 Kaninchen auf das Vorkommen von spontanen Genitalveränderungen mit Spirochäten und fanden 26°9°/, davon infiziert. In einem Fall ist ihnen die künstliche Weiterverimpfung nach 27 Tagen geglückt. Sie konnten auf Grund ihrer wenigen Versuche nicht entscheiden, ob es sich um Tiere handelte, die bereits früher einmal mit menschlicher Syphilis. infiziert wurden und nochmals in den Handel kamen, oder ob es bei Kaninchen eine am Genitale lokalisierte spontane Erkrankung gibt, als deren Erreger Spirochäten anzusprechen sind, die von der Spirochaeta pallida nicht zu unterscheiden sind. Für die erste Annahme sprach die Ähnlichkeit der klinischen Erscheinungen der spontanen Er- krankungen mit jenen, die von menschen-luischem Material herrühren. Gegen die Deutung als Infektion mit Spirochaeta pallida könnten die beiden negativen Affenversuche angeführt werden. 1920 berichtete Arzt abermals über Spirochätenbefunde in Genital- veränderungen ungeimpfter Kaninchen. Er hatte 1919 in Innsbruck einen Herd gefunden, bei dem 31°/, der erwachsenen Tiere mit Genital- veränderungen behaftet waren, in denen sich Spirochäten nachweisen ließen, die färberisch und mikroskopisch nicht von der Spir. pallida zu Spirochätenkrankheiten der Tiere. | 821 "unterscheiden waren. Dadurch, daß sich in Innsbruck nie jemand mit experimenteller Kaninchensyphilis beschäftigt hatte, gewann die An- nahme eine große Wahrscheinlichkeit, daß es eine am Genitale lokalisierte spontane Erkrankung der Kaninchen gibt, als deren Erreger Spirochäten von einer der Spirochaeta pallida sehr ähnlichen, aber verschiedenen Art anzusprechen sind. 1919—1921 studierten Kolle, Ruppert und Möbus an großem Material die spontan beim Kaninchen vorkommende Geschlechtskrankheit. Sie suchten die Frage, ob es sich bei den Spontanerkrankungen der Kaninchen an den Genitalien, als deren Erreger eine Spirochäte angesprochen werden muß, um eine Krankheit sui generis oder um eine Infektion mit Spirochaeta pallida durch in den Handel ge- kommene, bereits einmal künstlich mit menschlicher Syphilis infizierte Kaninchen handelt, rimentell auf breitester Basis zu entscheiden. Es gelang ihnen, die Artverschiedenheit der beiden Spirochäten namentlich durch zahlreiche Impfungen mit dem im- Kaninchen durch künstliche Übertragung fortgezüchteten Stamm von i ta cuniculi einerseits und mit Spirochaeta pallida (Stamm Bertarelli) andrerseits auf die mit den homologen und heterologen Stämmen infizierten Tiere vice versa (sog. Kreuzimpfungen) sicher zu beweisen. Ferner zeigte sich bei zahl- reichen Tierimpfungen, daß die klinischen Erscheinungen, die Primäraffekte und der Verlauf beider Krankheiten verschieden sind. Die spontane Kaninchensyphilis ist nach den bis jetzt vorliegenden - Mitteilungen in England, Deutschland, Österreich, Holland und Frank- reich verbreitet. In Deutschland wurde sie in Wien, Innsbruck, Frank- furt a. M., Berlin, Hamburg, Marburg und Blindham festgestellt. In der Umgebung Frankfurts ist die Seuche so verbreitet, daß es nur einer Aufforderung an die Kaninchenaufkäufer bedarf, um zu frisch infizierten Tieren zu gelangen. Der Laie als Kaninchenzüchter bezeichnet die für spontane Kaninchenspirochätose charakteristischen Veränderungen der Genitalien als „Überhitzung“; er versteht darunter eine durch zu häufigen . Geschlechtsakt hervorgerufene Entzündung des Genitalapparates. - In den primären Krankheitsprodukten findet sich, wie schon er- wähnt, regelmäßig in ziemlich großen Mengen eine der Spirochaeta pallida durchaus gleiche und von ihr durch kein Verfahren differenzier- bare Spirochäte, die als Spirochaeta eunieuli zu bezeichnen ist. Die Bewegungen, bei denen die eng gewundenen Spirochäten fast unver- ändert bleiben, unterscheiden sich nicht von denen der Spirochaeta pallida. Färberisch ist die Spirochaeta eunieuli nach den Methoden von Becker, Fontana, Ruppert und Giemsa gut darstellbar. Auch in Schnitten ist sie nach der von Jahnel angegebenen Methode zu färben und durchaus der Spirochaeta pallida ähnlich. Nicht nur in den primären Lokalisationen der Erkrankung, sondern auch in den im sekundären Stadium zuweilen auftretenden Papeln und Erosionen, die sich an der Schnauze und gelegentlich auch an anderen Körperteilen — After, Augen, Nase, Nasenseptum — zeigen, treten die Spirochäten auf. ‚Die natürliche Infektion kommt durch den Geschlechtsverkehr zustande, kann aber sicher gelegentlich auch durch den Biß der Tiere, wenn sie an Maul oder an der Nase Papeln haben, erfolgen. Setzt man gesunde Kaninchenböcke oder -weibchen mit infizierten Tieren, die Erosionen oder Papeln an den Genitalien haben, zusammen, so erkranken sie nach einer Inkubation von 60—120 Tagen. Die primären Erosionen halten sich ohne Behandlung außerordentlich lange an den Genitalien Ätiologie. 822 45. Vorlesung. und am Maul. Künstlich läßt sich die Infektion durch Verreiben von spirochätenhaltigem Material in die Schleimhäute, namentlich die Genital- schleimhäute, übertragen. Wenn man die letzteren vor der Infektion mit Glaspapier leicht ritzt, erkranken 80-—100°/, nach einer Inku- bationszeit von 20—70 Tagen. Auch durch Einimpfung infektiöser Hautstückchen oder Injektion von Preßsaft ist die Krankheit über- tragbar. Es konnten jedoch bei dieser Art der Überimpfung von Kolle, Ruppert und Möbus nie solche Primäraffekte wie mit Spirochaeta pallida erzielt werden; die infolge der Infektion auftretenden Erscheinungen bestanden vielmehr außer in einem leichten Infiltrat in feiner Schuppen- bildung und schuppenförmiger Abblätterung der Epidermis des Skrotums. Spirochäten konnten in solchen Veränderungen der Haut nach der charakteristischen Inkubation nachgewiesen werden. Beim Verlauf der Erkrankung, der sich am besten bei künstlich infizierten Tieren verfolgen läßt, sind zwei Perioden zu unterscheiden, die Periode der Primärerkrankung und die der Generalisierung. Drei Wochen nach der Infektion pflegen sich die ersten lokalen Ver- änderungen einzustellen. Zwischen Vorhaut und Penis wird wässeriges Sekret sezerniert, in dem sich in vielen Fällen, aber nicht immer, vereinzelte Spirochäten nachweisen lassen. Das Sekret wird nach 2 bis 3 Wochen schleimig-eitrig, an der Vorhaut und am Vaginarand treten feine hirsekorngroße Geschwüre auf. Vorhaut und Vagina sind gerötet und geschwollen. Im vorgeschrittenen Stadium erreicht die Schwellung ein drei- bis vierfaches des Normalzustandes. Im weiteren Verlauf werden die Geschwüre trockener, es bilden sich kleine Schuppen, die leicht abblättern. Die veränderten Geschlechtsteile bleiben aber dabei weiterhin geschwollen und gerötet. In solchen Veränderungen findet man stets Spirochäten. Im Anfangsstadium sind sie seltener, mit dem Vorschreiten der Erkrankung lassen sie sich häufiger nach- weisen, und auf dem Höhepunkt der Erkrankung fällt es nicht schwer, in jedem Gesichtsfeld eines Dunkelfeldpräparates zahlreiche Spirochäten zu sehen. Wie sich in Schnitten durch die Vagina spontan erkrankter Kaninchen erkennen läßt, sitzen die Spirochäten ganz oberflächlich direkt unter der äußersten Hautschicht — im Gegensatz zu der Spirochaeta pallida im Kaninchen, die tief in das Gewebe eindringt. Das Stadium der Generalisierung des Virus kennzeichnet sich durch das Auftreten von Papeln am After, an der Schnauze und an verschiedenen Teilen des Kopfes, namentlich in der Nähe der Nase. Die Papeln sind flache, trockene Erhebungen der Haut bzw. der Übergangs- falten; entstehen sie auf behaarten Stellen des Kopfes, so fallen die Haare aus. Im späteren Verlauf bilden sich kleine Erosionen auf der Spitze der Papeln, bei deren Anstechen sich ein seröses, zahlreiche Spirochäten enthaltendes Sekret entleert. Nach zwei- bis dreiwöchigem Bestehen pflegen die Papeln sich unter Bildung von kleinen Schuppen zurückzubilden und einzutrocknen. Die Infiltration in ihrer Umgebung ist nur gering. Die Spirochäten lassen sich in den oberflächlichen Schichten meist leicht nachweisen; entfernt man die beim Eintrocknen auftretenden Schuppen, so kann man sie, wenn auch nur in geringer Zahl, so doch regelmäßig in der austretenden serösen Flüssigkeit feststellen. Von manchen Autoren ist die Ansicht geäußert worden, daß die jetzt beobachtete spontane Kaninchenspirochätose nichts anderes wäre, Spirochätenkrankheiten der Tiere. | i 823 als eine modifizierte Form spontan übertragener menschlicher Syphilis. Diese Forscher gehen von der Auffassung aus, daß, nachdem seit 1906 in zahlreichen Laboratorien Kaninchen mit menschlichem Material infiziert sind, dadurch eine Verbreitung der menschlichen Syphilis bei Kaninchen zustande gekommen sei, namentlich nachdem Kolle und Ritz nachgewiesen haben, daß die Übertragung der menschlichen, in Kanin- chen fortgezüchteten Syphilis auch auf natürlichem Wege bei Kaninchen erfolgen kann. Wenn diese Annahme auch bis zu einem gewissen Grade plausibel erscheinen könnte, so sprechen doch wichtige Gründe gegen ihre Richtigkeit. Vor allem ist die Form der Primäraffekte eine andere. Auch ist bisher niemals die für die durch menschliche Spirochäten hervorgerufene Kaninchensyphilis so charakteristische Keratitis bei den mit spontaner Kaninchenspirochätose behafteten Tieren beobachtet worden. Es läßt sich aber, wie Kolle, Ruppert und Möbus zeigten, durch sogenannte „Kreuzimpfungen“ die biologische Verschiedenheit der Spirochaeta pallida und der Spirochaeta cuniculi nachweisen. Es ist eine allgemein anerkannte, zuerst von Truffi, Tomascezewski, Uhlenhuth, Mulzer und dann in einer großen Versuchsreihe, die sich auf mehrere hundert Tiere erstreckte, von Kolle, Ruppert und Möbus erwiesene Tatsache, daß mit menschlicher Lues infizierte Tiere niemals unter Entwicklung typischer Primäraffekte, wie sie bei 80°/, der erstmalig infizierten Tiere entstehen, erkranken, wenn sie mit Spirochaeta pallida- haltigem Material später als 120 Tage nach der ersten Infektion nach- infiziert werden. Die kreuzweise ausgeführten Nachimpfungen mit Material, das einerseits die Spirochaeta pallida (Truffistamm), andrerseits die Spi- rochaeta cuniculi von spontan oder experimentell infizierten Tieren ‚ enthielt, ergaben bei Kaninchen, die mit den betreffenden Stämmen infiziert waren, daß die mit menschlichem Syphilismaterial geimpften Tiere mit der Spirochaeta euniculi, die mit der Spirochaeta cunieculi _ geimpften mit der Spirochaeta pallida unter Hervorrufung der für jede Spirochätenart charakteristischen Primäraffekte ir 80—-85°/, infiziert werden konnten. Bei korrespondierenden Kontrollversuchen mit den homologen Stämmen blieb die Infektion aus. Es ist dadurch- auf breiter biologischer Basis in großen Versuchsreihen die Artverschiedenheit der beiden Spirochätenarten sicher be- wiesen. Die in Züchtereien vorkommende spontane Kaninchen- syphilis ist demnach verschieden von der durch Verimpfung menschlichen Materials erzeugten Kaninchensyphilis. Sie muß als Krankheit sui generis aufgefaßt werden. Dafür spricht auch die Feststellung von Levaditi und seinen Mitarbeitern, daß die Über- - tragung der originären Kaninchenspirochätose auf den Menschen nicht möglich ist. Da bei Kaninchen nicht selten Bißwunden und sonstige Verletzungen am Genitalapparat vorkommen, die mit Entzündungen und Geschwürs- bildung einhergehen, ist zur Stellung der endgültigen Diagnose der Nachweis der Spirochäten erforderlich. Am leichtesten gelingt dieser bei Anwendung des Dunkelfelds. Differentialdiagnostisch ist von der spontanen Kaninchenspirochätose die vom Menschen auf das Kaninchen übertragene, echte Menschensyphilis zu unterscheiden. Die Verschieden- Diagnose und Differential- diagnose. Be- handlung. 824 E 45. Vorlesung. heit beider Krankheiten wurde, wie bereits-erwähnt, von Kolle, Ruppert und Möbus sicher bewiesen. Die Differenzierung ihrer Erreger ist zwar mit den gebräuchlichen mikroskopischen Untersuchungsmethoden und Färbeverfahren nicht sicher möglich, die Verschiedenheit tritt aber meistens zutage, wenn man ’'die nach der Infektion sich entwickelnden pathologischen Veränderungen miteinander vergleicht. Bei der spontanen Kaninchenspirochätose treten nie die typischen harten Schanker mit den derben Infiltraten auf, die wir bei Übertragung der im Kaninchen fortgezüchteten menschlichen Syphilis zu sehen gewohnt sind. Die nach experimenteller Infektion von exzidierten Stückchen oder von Preßsaft an den Schleimhäuten auftretenden Primäraffekte sind bei spontaner Kaninchenspirochätose viel kleiner, weniger saftreich und viel weicher als die nach der Verimpfung des menschlichen Passage- virus erzielten Primärsklerosen. An der Skrotalhaut entstehen nur schuppende Infiltrate. Die Arsenobenzolderivate sind spezifische Heilmittel für Kaninchen, die spontan an Spirochätose erkrankt sind. Durch Gaben von 0'04 bis 0:06 g Silbersalvarsannatrium auf 1 kg Körpergewicht lassen sich chronisch mit Spirochaeta cuniculi infizierte Kaninchen stets heilen. Die geheilten Tiere können mit infektiösem Material von neuem infiziert werden. Eine Immunität tritt also durch das Uberstehen der Krankheit nicht ein. 5. Spirochäten bei Mäusen. Die Frage, ob die sogen. Mäusespirochäte (Spirochaeta muris), die im Blute von weißen und auch grauen Mäusen als harmloser Schmarotzer in unseren Breiten vielfach angetroffen wird (Taf. 58, Fig. 7 u. 8), den Spirochäten zuzurechnen ist, ist noch nicht spruchreif. Nach den Feststellungen von M. Zuelzer trägt dieser stark bewegliche Parasit an den Enden ein aus feinsten Geißeln zusammengesetztes Geißelbüschel und bei Exemplaren, die kurz vor der Querteilung stehen, in der Mitte rings um den Körper einen Kranz von Geißeln, die nach vollzogener Teilung an den Tochterparasiten zu einem endständigen Geißelbüschel verkleben. Das würde dafür sprechen, daß diese Parasiten zu den Spirillen, also zu den Bakterien gehören. Auch der Spirochaeta morsus muris (s..S. 825) wäre vielleicht, wenn sich bei ihr das gleiche Verhalten ergeben sollte, eine Sonderstellung außerhalb des Genus Spiro- chaeta zuzuweisen (M. Zuelzer). Rattenbißkrankheit. Zu den pathogenen Spirochäten gehört, wie durch die Unter- suchungen von Futaki, Takaki, Taniguchi und Osumi, Kitakawa, Ishi- wara, Ohtawara und Tamura festgestellt wurde, auch der Erreger der besonders in Japan, aber auch auf Ceylon, in England und Italien vor- kommenden Rattenbißkränkheit (Sodoku). Wie schon der Name sagt,. wird die Erkrankung durch den Biß infizierter Ratten gelegent- - Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 58. Spirochäten der afrikanischen Rekurrens. Nach Koch und Zettnow. 1 und 2: Geißeln. — 3: Querteilungsfiguren im Rattenblut. #, 5 und 6: Spirochäten, nach der Querteilung zusammenliegend. Mäusespirochäten. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. Tafel 59. Rekurrensspirochäte im menschlichen Blut. Rekurrensspirochäte im Mäuseblut. Fig. 4. Schnitt durch Leber. Hühnerspirochäten im Ausstrichpräparat aus Rekurrensspirochäten. (Gefärbt nach Leraditi ) Herzblut. Färbung mit Gentianaviolett. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Spirochätenkrankheiten der Tiere. / 825 ‘ lieh auch auf den Menschen übertragen. Nach einem meist 1—3 Wochen dauernden Inkubationsstadium kommt es plötzlich im Bereich der in der Zwischenzeit meist abgeheilten Bißwunde zu Rötung, Schwellung und Geschwürsbildung mit gleichzeitiger Vergrößerung der regionären Lymphdrüsen. Die Körpertemperatur steigt sehr rasch auf 40° und höher. Gleichzeitig erscheint auf der ganzen Körperoberfläche ein erythematöses oder papulöses Exanthem. Die Patienten klagen besonders über Schmerzen in Muskeln und Gelenken. In schwereren Fällen werden auch Albuminurie, Delirien, Sopor, Koma beobachtet. Nach einigen Tagen kontinuierlichen Fiebers tritt meist kritischer Temperaturabfall ein, dem aber nach einigen fieberfreien Tagen oder Wochen ein neuer Anstieg folgt. Diese mit einem jedesmaligen erneuten Aufflackern der Krankheitserscheinungen verbundenen Rezidive können sich bei unbe- ‚handelten Kranken jahrelang in unregelmäßigen Abständen häufig wiederholen. Die Prognose der Erkrankung ist im allgemeinen gut: die Mortalität beträgt etwa 10°/,. Die Todesfälle, welche unter den Erscheinungen des Kollapses oder schwerer Sepsis erfolgen, treten ge- wöhnlich schon während des ersten Anfalls ein. Bei der Obduktion ist vor allem eine Hyperämie der Pia mater im Bereich des Rückenmarks und eine Vermehrung der Spinalflüssigkeit festzustellen. Die parenchy- matösen Organe, vor allem Nieren und Nebennieren, zeigen einen außerordentlichen Blutreichtum, gelegentlich auch kleinere hämor- rhagische Herde. Ogata hat zuerst die Krankheit durch den Biß infizierter Ratten auf Meerschweinchen übertragen. Wie neuerdings besonders Futak:, Ishiwara und ihre Mitarbeiter nachwiesen, kann die Krankheit auch durch subkutane oder intraperitoneale Injektion von Organemulsionen (Lymphdrüsen, Gehirn, Nebennieren) auf Meerschweinchen, Murmel- tiere, Ratten und Mäuse unbegrenzt weiter übertragen werden. Bei Meerschweinchen verläuft die Infektion stets tödlich, während Ratten und’ Mäuse zwar erkranken, sich aber nach einiger Zeit wieder erholen. Auch Affen sind für die Rattenbißkrankheit empfänglich; die Infektion zeigt hier einen ähnlichen Verlauf wie beim Menschen (Ishiwara, Kitakawa). i Die von Futaki, Takaki, Taniguchi und Osumi bei einer Anzahl von menschlichen Erkrankungsfällen während des Fieberstadiums und bei etwa 3°/, der Hausratten (Mus decumanus) in Japan vor allem im Blute und in den vergrößerten Lymphdrüsen erstmals nachgewiesene Spirochäte, Spirochaeta morsus muris ist dicker als die Spirochaeta pallida, aber zarter als-die Rekurrensspirochäte. Sie ist sehr gut be- weglich, färbt sich leicht mit Anilinfarbstoffen, vor allem mit Giemsa- scher Lösung. und besitzt gewöhnlich zwei endständige Geißeln, aber keine undulierende Membran. Die Zahl der Windungen schwankt zwi- schen 2 und 19, beträgt jedoch gewöhnlich nur 3 bis 4. Im Blute wurden vorwiegend die kleineren, in den Geweben die längeren Formen ‚gefunden. Bei den experimentell infizierten Versuchstieren konnten die Mikroben nach einer gewissen Inkubationszeit im Blut und in den Organen regelmäßig nachgewiesen werden. Auch die Züchtung auf künst- lichen Nährböden ist gelungen. Da die Spirochäten beim erkrankten Menschen in den entzündlichen Krankheitsprodukten und im Blute meist nur in geringer Anzahl vorhanden und deshalb schwer nachzuweisen 826 45. Vorlesung. sind, empfiehlt es sich, zur Sicherung der Diagnose Drüsensaft oder Emulsionen . von exzidierten Hautstückchen auf Meerschweinchen oder besser noch auf Mäuse zu verimpfen. Nach einem in der Regel 5 bis 14 Tage, selten länger währenden Inkubationsstadium sind, falls es sich tatsächlich um Rattenbißkrankheit handelte, im Blute der Versuchs- tiere die Spirochäten in größerer Menge nachzuweisen. Die Behandlung der Rattenbißkrankheit war früher rein sympto- matisch; verschiedenartige Mittel, u. a. Chinin, aber auch Arsenikalien, wie Kalium arsenicosum, wurden ohne nennenswerten Heilerfolg ange- wandt. Nachdem aber Frugoni im Jahre 1911 eine günstige Wirkung des Atoxyls beobachtet hatte, wurde auf Veranlassung von Hata zuerst in’Japan Salvarsan mit ausgezeichnetem Erfolg angewandt. Die wei- tere Erprobung hat diese Angaben bestätigt (de Lange und Wolf u. a.). Futaki, Ishiwara und ihre Mitarbeiter konnten neuerdings auch im Tierversuch ein rasches dauerndes Verschwinden der Spirochäten aus dem Blut der infizierten Mäuse und Ratten unter der Wirkung des Salvarsans feststellen. Nach einem Krankheitsfall, den Vorpahl als klinisch typisch be- schrieb, hat es, obwohl der Nachweis der Spirochäten im Blutausstrich nicht gelang, den Anschein, als ob die Rattenbißkrankheit auch in Deutschland vorkommt. Literatur. Fröhner und Zwick, Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie der Haus- tiere. 8. Aufl., Bd. 2. Stuttgart, F. Enke, 1920/21. 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Im folgenden Jahre wurde der infektiöse Ikterus als beson- dere Infektionskrankheit von Fiedler aufgestellt. Die in der Literatur beschriebenen Ikterusepidemien ließen mehrfach einzelne charakteristische Züge des Krankheitsbildes vermissen; nach unseren heutigen Kennt- nissen vom Wesen dieser Erkrankung ist es aber trotzdem nicht zweifelhaft, daß es sich auch bei ihnen um Weilsche Krankheit gehandelt hat. Derartige Epidemien von „katarrhalischem Ikterus“ wurden häufig bei Soldaten beobachtet; so sollen im Sezessionskriege 1861—1865 über 70000 Mann an dieser Krankheit gelitten haben. Eine kleinere Epidemie (744 Erkrankungen) wurde 1871 bei dem I. Bayerischen Armeekorps in Frankreich beobachtet. Während des Krieges 1914—1918 sind Erkrankungen an Icterus infeetiosus auf verschiedenen Kriegsschauplätzen in gehäufter Form vorgekommen. Als Kriegs- seuche hat die Weilsche Krankheit indes keine Rolle gespielt. Wohl aber haben die bei dieser Gelegenheit ausgeführten ätiologischen Forschungen zur Auffindung des Erregers geführt. Es gelang auch die Übertragung der Krankheitserreger auf Tiere, bei denen ein dem menschlichen infektiösen Ikterus ähnliches Krankheits- bild erzeugt wird. So war der Nachweis erbracht, daß die Weilsche Krankheit eine durch ein spezifisches Virus hervorgerufene echte Infektionskrankheit ist. Der charakteristische Verlauf der Weilschen Krankheit ist folgender: Nach einer Inkubationszeit, die mindestens 7 Tage dauert, beginnt die Krankheit ohne weitere Prodromalerscheinungen, meist von Schüttelfrost eingeleitet, mit heftigem Fieber, Kopfschmerz, Gehirn- kongestionen, schweren allgemeinen und gastrischen Symptomen (Übel- keit, Erbrechen, Durchfälle) und vermehrtem Durstgefühl. Sehr bald, meist schon am 2. Tage, treten heftige Muskelschmerzen, nament- lich in den Waden, auf, die oft wochenlang anhalten. Am 3.—7. Tage stellt sich infolge von Gallenstauung Ikterus ein, der in der Regel er Hi Lid u A Weilsche Krankheit (Ieterus infectiosus). 829 ‘mit Schwellung und Schmerzhaftigkeit der Leber verbunden ist. Auf der Haut und den sichtbaren Schleimhäuten, namentlich auf den Kon- junktiven entstehen gleichzeitig kleine Blutungen (Ekchymosen). Das Fieber hat einen typischen Verlauf, hält gewöhnlich 8—12 Tage an und fällt dann staffelförmig ab. Bei etwa ®/, der Fälle tritt nach einer 5—Stägigen fieberfreien Periode ein erneuter Anstieg der Temperatur ' ein, der aber meist nur von kurzer Dauer und geringer Intensität ist. - Fast regelmäßig wird Albuminurie beobachtet. Der Harn ist an Menge anfangs vermindert, eine Zeit lang gallenfarbstoffhaltig, zuweilen auch bluthaltig. Die Milz ist in der Mehrzahl der Fälle, besonders im Anfang der Krankheit, geschwollen und erreicht häufig eine beträchtliche Größe. Herpes, Erytheme der Haut uud starkes Hautjucken gehören zu den gewöhnlichen Begleiterscheinungen (Taf. 60, Fig. 1), ferner werden ' _Nasenbluten und Anginen häufig beobachtet. Die Rekonvaleszenz geht langsam vor sich. Die Krankheit verläuft aber keineswegs immer unter dem soeben geschilderten Bilde, vielmehr sind die Symptome in den einzelnen Fällen und bei den verschiedenen Epidemien sehr ungleichartig. Den völlig ausgebildeten Weilschen Symptomenkomplex findet man meist nur auf der Höhe der Epidemie bei Leuten, die während des Inkubationsstadiums größeren Anstrengungen ausgesetzt waren. Jedes einzelne Symptom, sogar die das Leiden am meisten charakterisierende Gelbsucht kann gelegentlich fehlen. Anstatt der letzteren treten manchmal an Pruritus und Scharlach erinnernde Hautausschläge auf. In der Regel nimmt die Krankheit einen gutartigen Verlauf. In den Fällen, in denen sie zum Tode führt, wird als wichtigstes Sektions- ergebnis eine intensive Gelbfärbung aller Körpergewebe fest- ‚gestellt. Die Leber ist meist deutlich geschwollen. Der Grund hierfür ist aber, wie Beitzke feststellte, nicht eine Stauung in den großen Gallenwegen. sondern die in der Quellung einer Anzahl von Leberzell- kernen sich deutlich verratende Schädigung des Lebergewebes und das an dem Sichtbarwerden der perikapillären Lymphräume erkennbare Ödem, das als toxisches Ödem aufzufassen ist. In Haut und Schleim- häuten, besonders denen des Magendarmkanals und der Atemwege, sieht man mehr oder weniger ausgedehnte Blutungen, die auf eine ausgebreitete toxische Schädigung der Haargefäße schließen lassen. Gleiche Blutungen finden sich oft auch im Peri- und Endokard, in der Nierenbeckenschleimhaut, in den Hirnhäuten und im Milzgewebe. Die Milz "ist entweder gar nicht oder nur in geringem Grade vergrößert. Beson- ders schwere Veränderungen sind an den Nieren nachweisbar. Sie sind stark vergrößert, von grüngelber Farbe und bieten durch die un- regelmäßigen, dunkelroten Flecken an der Oberfläche einen sehr cha- rakteristischen Anblick. Das Nierengewebe läßt in ungewöhnlich starkem Grade trübe Schwellung, nicht selten auch Hämorrhagien erkennen. Verfettungen fehlen. In der Körpermuskulatur finden sich, abge- sehen von punkt- und strichförmigen kleinen Blutungen, zahlreiche eigenartige kleine Entartungsherde, die die im Krankheitsverlauf auf- tretenden heftigen Muskelschmerzen — besonders in den Waden — völlig erklären. Häufig zeigen sich, worauf auch schon Hecker und Otto hinwiesen, Schwellungen der Halslymphdrüsen. Nach dem patho- logisch-anatomischen Befund handelt es sich also um eine septische Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. ! 54 Obduktions- befund. Ätiologie. 830 46. Vorlesung. Allgemeininfektion, die ihr besonderes Gepräge durch allgemeine Gelbsucht, massenhafte kleine Blutungen, eine schwere Nierenerkrankung und Entartungen der Skelettmuskulatur erhält (Beitzke). / Die Ätiologie der Krankheit war bis in die neueste Zeit dunkel. Man warf den infektiösen Ikterus meist mit anderen Krankheiten zu- sammen, die einen ähnlichen Verlauf zeigen können. Vom Abdominal- typhus und Paratyphus ist der Morbus Weilii, wenn auch das Kranken- serum deren Erreger häufig in auffallend hohem Grade agglutiniert, klinisch unschwer abzugrenzen, ebenso von der akuten gelben Leber- atrophie. Größere Ähnlichkeit hat sie in ihren Erscheinungen schon mit dem tropischen Gelbfieber. Daß das zuerst von Griesinger im Jahre 1852 in Kairo beobachtete und noch jetzt in Alexandria, Smyrna usw. vor- kommende „biliöse Typhoid“ mit der Weilschen Krankheit wahrschein- lich identisch ist, wurde schon erwähnt. Von den verschiedensten Seiten waren Mikroorganismen beschrieben worden, die aus dem Harn der Kranken und den inneren Orgauen der an Weilscher Krank- - heit Verstorbenen isoliert und als Erreger der Krankheit angesprochen wurden, so z.B. von Jaeger gewisse Proteusarten. Aber alle diese Befunde haben bei aus- gedehnteren Nachprüfungen der strengen Kritik nicht Stand gehalten. Das betonten besonders auch Hecker und Otto, die gelegentlich einer im Sommer 1910 unter den Truppen in Hildesheim aufgetretenen Epidemie eingehende und den modernen ätiologischen Forschungen Rechnung tragende Untersuchungen angestellt und auch das Material früherer Militärepidemien sorgfältig und kritisch verarbeitet haben. Sie hatten bei Anwendung der bakteriologischen Methoden völlig negative Ergeb- nisse und schlossen daher aus ihren Untersuchungen, die aus Mangel weiteren Untersuchungsmaterials frühzeitig abgebrochen werden mußten, daß der noch unbe- kannte Erreger der Krankheit mit großer Wahrscheinlichkeit kein züchtbares Bakterium, sondern ein sich außerhalb des Körpers entwickelnder, vielleicht durch Zwischenträger (Insekten) verbreiteter Mikroorganismus sei, der — ähnlich wie das Virus des Gelbfiebers und Pappatacifiebers — nur bestimmte Zeit im Blut- strom kreist. Eine Klärung der Ätiologie brachten erst die im Jahre 1915 ausgeführten Untersuchungen von Auebener und Reiter, Uhlenhuth und Fromme einerseits und die 1914 ausgeführten, aber erst 1916 ver- öffentlichten Arbeiten der Japaner Inada, Ido, Hoki, Kaneko und Ito andrerseits. Die genannten deutschen Autoren beobachteten fast gleich- zeitig und unabhängig voneinander Epidemien von Weilscher Krank- heit unter Truppen der deutschen Westfront in Frankreich. Dabei gelang zuerst Huebener und Reiter die Übertragung der Krankheit auf Meerschweinchen, während Uhlenhuth und Fromme die schon von Huebener und Reiter gesehenen Erreger als Spirochäten erkannten. Unabhängig von ihnen haben die japanischen Forscher /nada und Ito bei ihren in Japan ausgeführten Versuchen die Weilsche Krankheit auf Tiere, speziell auf Meerschweinchen übertragen können und gleichzeitig die Spirochäte entdeckt. Während sich Mäuse, Katzen, Ferkel, Hammel, Hühner ganz unempfänglich gegen das Virus zeigen oder nach Einbringung größerer Mengen von infektiösem Material nur leichte Intoxikationserscheinungen aufweisen, sind Meerschweinchen für die Infektion sehr empfänglich. - Wenn man defibriniertes Blut von kranken Meerschweinchen in Mengen von 0'5—2'Occm intraperitoneal oder besser noch intra- kardial injiziert, erkranken die Tiere fast regelmäßig am 4. oder 5. Tage in typischer Weise an Fieber, Abmagerung, ausgesprochenem Ikterus en ee ’ Weilsche Krankheit (leterus infectiosus). 831 ‘ und eventuell Blutungen der Haut und der Konjunktiven, Freßunlust und Lockerung des Haarkleides. Die Infektionen gelingen aber nur, wenn das verimpfte Blut an den ersten Krankheitstagen entnommen wurde. Erkranken die Tiere, so gehen sie fast stets zugrunde und bieten bei der Sektion im wesentlichen genau das gleiche Bild, das wir auch bei der Obduktion des an Morbus Weilii verstorbenen Menschen feststellen können (s.o.). Beim Meerschweinchen ist außerdem Schwellung und Rötung der Nebennieren zu finden. Auch die mikroskopischen Ver- änderungen sind die gleichen wie beim Menschen (Blutungen, Ent- Zellinfiltrate und Ödeme in Leber, Nieren und Muskeln). Es besteht also kein Zweifel, daß hier eine typische Krankheitsübertragung vorliegt, und eine solche läßt sich auch mit Blut oder Organ- . aufschwemmungen der erkrankten Tiere auf weitere. Meerschweinchen in vielen Passagen fortführen. In Blut, Urin, Milz, Pankreas, Galle, Darmdrüsen, Hoden, Gehirn, Knochenmark, Kammerwasser und Glaskörper, in besonders reichlichen Mengen aber in der Leber der an dieser Infektion eingegangenen Meer- schweinchen lassen sich die Spirochäten nachweisen. Die Spirochäte der Weilschen Krankheit wird bei uns jetzt all- gemein nach dem Vorschlag von Uhlenhuth und Fromme Spirochaeta ieterogenes genannt. Die von Huebener und Reiter gebrauchte Bezeichnung „Spirochaeta nodosa* ist weniger gut, weil Knötchen auch bei anderen Spirochäten vorkommen. Ebenso - hat sich der von den Japanern vorgeschlagene Name „Spirochaeta ieterohaemorrhagiae“ iu Deutschland nicht eingebürgert. Die von Ungermann und von Zuelzer gebrauchte Bezeichnung „Weilsche Spirochäte“ ist deshalb ‚nicht empfehlenswert, weil sie den Glauben erwecken könnte, daß Weil ihr Entdecker sei. Die Durchschnittslänge der Spirochaeta ieterogenes beträgt 12—15 u es kommen aber unter den gleichen biologischen Bedingungen 6— gu. lange und andrerseits (selten) bis zu 80p. lange Exemplare vor (Taf. 60, Fig.2, und Taf. 61, Fig.1 u. 2). Die Breite ist konstant und beträgt etwa 02 u. Diese Spirochäte ist also noch feiner als die Spirochaeta pallida. Sie ist nach dem Typus der Spirochaeta plicatilis gebaut, d.h. sie wird von einer echten plasmatischen Spirale gebildet, die schrauben- förmig in regelmäßigen engen Windungen einen zentral gelegenen, gerade gestreckten -Achsenfaden umwindet. Die äußersten Enden des Achsenfadens werden nicht mehr vom Plasma umwunden, sondern ragen frei aus der Spirale hervor. Sie sind — was besonders charakteristisch für diese Spirochäte ist — stets umgebogen und selbständiger Be- wegung fähig. Ihre Spitzen endigen in je ein deutlich ausgeprägtes Endkorn. Die Vermehrung erfolgt durch Zweiteilung, mitunter auch durch Dreiteilung (Taf. 60, Fig. 3). Die Unmöglichkeit, die Spirochäte oder Teile von ihr mit Kern- farbstoffen zu färben, läßt den Schluß zu, daß sie achromatisch, frei von Nukleoproteiden ist. Hierauf deutet auch das so sehr geringe Lichtbrechungsvermögen hin, das es unmöglich macht, die Spirochäte ohne Dunkelfeldbeleuchtung in lebendem, ungefärbtem Zustande zu er- kennen (M. Zuelzer). Bei Giemsafärbung, die man nach Fixierung der Präparate mit Alkohol oder mit Osmiumsäuredämpfen 15—20 Minuten lang durchführt, zeigt sie einen blaßrötlichen Farbenton ähnlich der Spirochaeta os (Taf. 62, Fig. 2). Auch in Schnitten der Leber ge- 54* Spirochaeta icterogenes. . Nachweis im Organismus. 832 46. Vorlesung. lingt der Nachweis dieser Mikroorganismen durch die Silbermethode nach Levaditi unschwer (Taf. 61, Fig. 3, und Taf. 62, Fig. 3). Sehr geeignet ist auch das Versilberungsverfahren nach Fontana-Tribondeau, das folgendermaßen ausgeführt wird: 1. Ein Tropfen Leberbreiauszug oder Kultur- tlüssigkeit wird in dünner Schicht sorgfältig auf einem Objektträger verteilt. — 2. Fixieren 1 Minute durch Aufgießen einiger Tropfen folgender Lösung: Eisessig lccm, 40proz. Formol 2ccm, Aqua dest. ad 100cem. — 3. Waschen in fließendem Wasser. — 4. Beizen durch Aufgießen der nachstehenden Lösung auf den Objekt- träger, indem man 30 Sekunden bis zum Aufsteigen von Dämpfen erhitzt: Acidum carbolicum.liquefact. Icem,. Tannin 69, Aqua dest. ad 100cem. — 5. Waschen in fließendem Wasser. — 6. Imprägnieren durch Aufgießen folgender Silberlösung, die man wieder 30 Sekunden bis zum Aufsteigen von Dämpien erhitzt: Argentuu nitricum 0'250, Aq. dest. 100ccm. — Vor Krhitzen Zusatz von so. viel Tropfen Ammoniak, wie nötig sind, um den Niederschlag wieder aufzulösen, der sich nach Zusatz der ersten Tropfen von Ammoniak bildet. — 7. Waschen in fließendem Wasser und Trocknen. — Die Spirochäten erscheinen schwaızbraun auf gelblichem Grunde. r Im Dunkelfelde sieht man in Verreibungen infektiöser Meer- schweinchenleber oft große Mengen. träge mit wurmartigen Krümmungen sich bewegender Spirochäten. Daß wir es hier mit dem Erreger der Weilschen Krankheit zu tun haben, kann nach den regelmäßigen und zahlreichen Befunden bei den experimentell infizierten Tieren als sicher erwiesen gelten. In gleichem Sinne sprechen auch der gleichmäßige Ausfall der Impfungen von Tier zu Tier bei durchaus typischem Sektionsergebnis — auch wenn nur kleinste Mengen Blut verimpft wurden — und die später zu er- wähnenden Feststellungen beim Menschen. Bei den geimpften Tieren _ läßt sich die Spirochaeta icterogenes schon am dritten Tage nach der Infektion in der Leber nachweisen. Die Empfänglichkeit der Meer- schweinchen für die Infektion ist so groß, daß auch Spontaninfektionen vorkommen. Uhlenhuth und Fromme gelang die Übertragung auch durch Einbringung infektiösen Materials auf unverletzte Schleimhäute der Meerschweinchen und in kleinste Hautschrunden. Im Blut des kranken Menschen sind die Spirochäten in gefärbten Ausstrichpräparaten bisher nur von den japanischen Forschern nach- gewiesen. Es ist möglich, daß sie in sehr geringen Mengen und nur während gewisser Krankheitsstadien (vielleicht vor Auftreten des Ikterus) in ihm enthalten sind. Durch die Verimpfung des Blutes auf das Meerschweinchen, in dessen Leber offenbar eine weitgehende An- reicherung zustande kommt, läßt sich aber zeigen, daß das Krank- heitsvirus nur in den ersten Krankheitstagen im Blut zirkuliert. Mit dem in späteren Krankheitstagen oder während der Rezidive ent- nommenen Blut läßt sich ein positives Impfergebnis nicht mehr erzielen. Auch die Verimpfung des Harns des Kranken hat oft eine typische Erkrankung der Meerschweinchen zur Folge, doch haben wir noch keine genauere Kenntnis darüber, ob der Urin immer und in welchen Krank- heitsstadien er vorwiegend infektiös ist. Es hat den Anschein, daß die Spirochäte der Weilschen Krankheit im mensch- lichen Organismus sehr schnell zugrunde geht. Jedenfalls ist ihr Nachweis in Aus- strichpräparaten aus inneren Organen von Menschen, die der Krankheit erlagen, bisher nur ganz ausnahmsweise geglückt. Beitzke fand in Schnittpräparaten bei Levaditifärbung nur einmal eine Spirochäte in einer Leberzelle und einmal in einem Muskel zwei, @. Herxheimer konute dagegen in einem Falle Spirochäten in großer Zahl in den Nieren nachweisen. Fa r ’ eh En u Weilsche Krankheit (Ieterus infeetiosus). | 833 Im Blute der intraperitoneal infizierten Meerschweinchen müssen die Erreger in ziemlich großen Mengen. vorhanden sein, denn selbst 1/9000 ccm des Blutes der schwerkranken Tiere genügt, um andere Meer- schweinchen tödlich zu infizieren. Dabei erweist sich das Serum als ebenso infektiös wie die gewaschenen Blutkörperchen. Wenn das verimpfte . Blut von einem Patienten stammt, dessen Krankheit schnell tödlich endete, ohne daß es zur Ausbildung eines intensiven Ikterus kam, gehen ‘ die mit diesem Blut behandelten Meerschweinchen meist unter toxischen Erscheinungen frühzeitig zugrunde. Dem hier ebenfalls noch fehlenden Ikterus entspricht ‘ein sehr spärlicher Spirochätenbefund. Es handelt sich hier wohl um besonders virulentes Virus. Im allgemeinen scheint beim Meerschweinchen die Zahl der nachweisbaren Spirochäten dem 3 Grade des Ikterus parallel zu gehen. : Außer dem Meerschweinchen sind auch Hunde und Kaninchen für die experimentelle Infektion mit dem Erreger der Weilschen Krank- heit empfänglich. Namentlich junge Kaninchen gehen nach der intra- venösen oder intraperitonealen Einspritzung virulenten Blutes unter ähnlichen er nealunpen zugrunde, wie sie die infizierten Meerschweinchen bieten. Die Übertragung des Erregers der Weilschen Krankheit auf Affen ist allem Anschein nach Hecker und Otto gelungen. Nach den Untersuchungen der Japaner sind Affen für das Krankheitsvirus emp- fänglich, Auch Huebener und Reiter hatten hier positive Erfolge und konnten das Virus von Affen wieder auf Meerschweinchen übertragen. Bei den Versuchen von Uhlenhuth und Fromme führte die Ein- 'spritzung größerer Mengen von Meerschweinchenvirus nicht zur Er- krankung von Affen. Ob das Virus der Weilschen Krankheit filtrierbar ist, steht noch nicht sicher fest. Huebener und Reiter bestätigten die von Hecker und Olfo ausgesprochene Ansicht, daß der Erreger keimdichte Filter- kerzen passiere, denn sie konnten auch mit Berkefeldfiltraten von _ infektiösem Blut Meerschweinchen infizieren, wenn auch die Tiere später erkrankten, als die mit nicht filtriertem Blut behandelten Kontrolltiere. Ebenso sprechen die Befunde der japanischen Autoren dafür, daß das Virus durch bakteriendichte Filter hindurchgeht; allerdings gelang der Beweis nicht immer. Bei den Versuchen von Uhlenhuth und Fromme erwiesen sich Berkefeldfiltrate des virushaltigen Blutes als nicht infektiös. Die Frage der Filtrierbarkeit dieser Spirochäten bedarf also weiterer Klärung. Hinsichtlich der Resistenz den Virus haben die bisherigen Ver- anihe gezeigt, daß spirochätenhaltiges Blut und spirochätenhaltiger Harn bei Aufbewahrung bei Zimmertemperatur mehrere Tage lang ihre Infektiosität "bewahren. Gegen Fäulnis scheint ebenfalls eine nicht unerhebliche Widerstandsfähigkeit zu bestehen, wenigstens konnten Uhlenhuth und Fromme in faulendem Blut noch 3 Tage lang die Spiro- chäten mikroskopisch nachweisen. In Kulturen sind die letzteren gegen die Verunreinigung mit Bakterien im allgemeinen sehr empfindlich, doch scheinen Alkalibildner (z. B. Alkaligenesbazillen) unschädlich zu sein oder gar eine Wachstumförderung zu bewirken (Manteufel). Durch Erhitzung auf 50° werden die Erreger der Weilschen Krankheit inner- Pathogenität für Kanin- chen und Affen. Filirierbar- keit. Resistenz. Züchtung. 834 46. Vorlesung. halb 15 Minuten vernichtet, ebenso gehen sie bei Eintrocknung schnell zugrunde. 1proz. Karbolsäure tötet sie in 2 Stunden ab, Iprom. Sublimat- lösung erweist sich aber in dieser Zeit als unwirksam. Eine künstliche Züchtung der Spirochäte der Weilschen Krank- heit ist zuerst Ungermann und den japanischen Autoren gelungen. Ersterer hat sie in unverdünntem Kaninchenserum, das zur Entfernung des Sauerstoffes auf 58° erhitzt und mit sterilem Paraffinöl überschichtet war, kultiviert (Taf. 60, Fig. 4), letztere nach der Methode von Noguchi in erstarrtem Serum. Die Spirochaeta icterogenes ist, wie jetzt feststeht, weder ein obligater Anaörobier, noch ein obligater Aörobier. Noguchi bevorzugt als Medium eine halbstarre Mischung, die zur einen Hälfte aus sterilem Menschen-, Kaninchen- oder Pferdeserum in Ver- dünnung mit der 4fachen Menge Kochsalzlösung oder Ringerscher Lösung, zur anderen aus dem gleichen Substrat mit einem Zusatz von Ägar besteht. Manteufel hat ein sehr einfaches Kulturverfahren angegeben, bei dem als Nährboden (nach Uhlenhuths Vorgang) eine starke Ver- dünnung von Kaninchenserum in Leitungswasser verwendet wird. ‘ Man füllt eine Reihe kleiner Reagenzgläschen mit je 2ccm Leitungswasser und sterilisiert sie dreimal. Nach dem Erkalten werden in jedes Röhrchen mit einer Pipette 4 Tropfen - steriles Kaninchenserum gebracht und 1 Stunde bei 58° inaktiviert. Die der Sterilitätsprobe unterworfenen Röhrchen halten sich wochenlang gebrauchsfertig und können sowohl für die Züchtung unmittelbar aus dem Tier- körper‘ als auch für die Fortzüchtung von Passagekulturen benutzt werden. Die beimpften Röhrchen kommen ohne Paraffinüberschichtung, vor Licht geschützt, auf (nicht in) den 37°-Brutschrank und werden am 3.—4. Tage nach dem Dunkelfeld- verfahren untersucht. Die Weiterimpfung der Passagen braucht nur in etwa l4tägigen Zwischenräumen zu erfolgen. In analoger Weise lassen sich nach den Erfahrungen Manteufels die Spirochäten direkt aus dem Blut des an Weilscher Krankheit leidenden. Menschen züchten, wenn man bei Venenpunktion 2—3cem Blut in Röhrchen mit 8—10cem sterilen Wassers einlaufen läßt. Das zur Kultur nötige Serum wird hier durch das Krankenblut selbst ge- liefert; man muß aber stets mehrere Röhrchen beimpfen, da das Blut oft nur sehr spärliche Spirochäten enthält. Ungermann konnte die gleiche Kultur über 2 Jahre lang in 200 Serumpassagen fortpflanzen. Die Diagnose der Weilschen Krankheit kann im Beginn einer Epidemie große Schwierigkeiten bereiten, weil, wie schon erwähnt, die ersten Fälle oft ein nicht so deutlich ausgesprochenes Krankheitsbild zeigen, wie die Erkrankungen auf der Höhe der Epidemie: Hier wird der diagnostische Tierversuch oft klärend wirken, wenn den Patienten in den ersten Krankheitstagen Blut entnommen und in Mengen von 1—2 ccm auf mehrere Meerschweinchen intrakardial oder intra- peritoneal verimpft wird. Erkranken die Tiere nach 5—6 Tagen in typischer Weise, so ist die Diagnose gesichert; wenn aber im Verlauf von etwa 14 Tagen die Tiere völlig gesund bleiben, wird der Verdacht auf Weilsche Krankheit abzulehnen sein. Auch bei abgelaufenen Krank- heitsfällen kann unter Umständen die Diagnose dadurch erhärtet wer- den, daß das Serum des Genesenen auf seine Wirksamkeit im Tier- versuch gegenüber dem Virus geprüft wird. = Weilsche Krankheit (Icterus infectiosus). 835 r Fragen wir uns nun, was über die Epidemiologie und über die natürliche Übertragung der Krankheit bekannt ist, so bestehen hier noch große Lücken in unseren Kenntnissen, die vermutlich aber jetzt nach der Feststellung der Krankheitsursache bald ausgefüllt werden - dürften. Um Klarheit zu gewinnen, muß man besonders auch die sporadischen Fälle erforschen, die allem Anschein nach weit häufiger - auftreten, als ınan früher annahm. Die Übertragungsweise unter natürlichen Verhältnissen ist noch dunkel und konnte auch mit Hilfe unserer neuen Kenntnisse noch nicht geklärt werden. Für die Notwendigkeit von Insekten oder anderen Zwischenwirten als Vermittlern der natürlichen Infektion haben sich bisher sichere Beweise nicht erbringen lassen, wenngleich zunächst epidemiologisch manches für dieWahrscheinlichkeit einer derartigen Infektionsart sprach. Im Experiment gelang es Uhlenhuth und Kuhn, die Spirochaeta ietero- genes von Meerschweinchen zu Meerschweinchen durch den Stich der gewöhnlichen Stallfliege (Stomoxys caleitrans) zu übertragen. Reiter erzielte positive Erfolge mit einer anderen Stechfliege, der Haematopota pluvialis, Dietrich mit Läusen. Andere Autoren hatten nur negative Resultate. Von den schon mehrfach genannten japanischen Autoren wird angenommen, daß die Infektion in ähnlicher Weise wie bei Ankylostomiasis vor sich geht. Damit stimmt gut überein, daß die perkutane Infektion bei Meerschweinchen mit Wasserkulturen leicht gelingt (Manteufel). Als Eintrittspforte der Spirochäte beim Menschen kommen nach Miller in erster Linie wohl die hinteren Abschnitte der Nasen- und ‘ Mund-Rachenhöhle, daneben aber anscheinend auch Kontinuitäts- trennungen der Körperhaut in Betracht. Uhlenhuth und Fromme halten Kontaktinfektionen für durch- aus möglich und gründen diese Ansicht darauf, daß bei Tieren das Aufträufeln virushaltigen Blutes auf die Schleimhäute unschwer zur Erkrankung führt und daß auch Stallinfektionen bei Meerschweinchen auftraten, bei denen die Übertragung entweder durch Biß oder durch infektiösen Urin (vielleicht allerdings -auch durch Läuse?) zustande gekommen sein muß. Auch 2 Laboratoriumsinfektionen beim Menschen beobachteten diese Autoren. In dem einen dieser Fälle vermuten sie das Eindringen der Krankheitserreger durch Hautrisse an den Fingern, in dem andern durch die Augenbindehaut, auf die infektiöses Meer- schweinchenblut verspritzt wurde. Einer Infektion durch verstäubte Tröpfehen, die auf die Augenbindehaut gelangten, erlag bei Arbeiten im Georg Speyer-Haus auch Dr. Gonder. Huebener und Reiter sprechen ebenso wie früher Hecker und Otto der Kontaktübertragung bei Mensch und Tier unter natürlichen Bedingungen keine Bedeutung zu, obwohl sie durch Einführung infektiösen Materials per os und per anum beim Meerschweinchen die Krankheit erzeugen konnten. Möllers sah unter seinen Patienten niemals Kontaktinfektionen, obwohl alle Vorbedingungen dazu bei dem engen Zusammenleben unter unhygienischen Lebensverhältnissen gegeben waren. Besonders wichtig für die Epidemiologie der Weilschen Krankheit sind die Ratten. : Uhlenhuth und Fromme konnten wilde Ratten durch Verfütterung von infektiösem Material mit der Spirochaeta icterogenes infizieren, Immunität. 836 .. 46. Vorlesung. “: was durch Verimpfung der Rattenorgane auf Meerschweinchen er- wiesen wurde. Auch bei wilden, in den Schützengräben gefangenen Ratten wurde durch den Tierversuch festgestellt, daß sie die Spiro- chäten mit den Urin ausscheiden. Weitere Untersuchungen haben dann gezeigt, daß das Virus der Weilschen Krankheit in weiter Verbreitung bei wilden Ratten vorkommt. Uhlenhuth und Zuelzer. wiesen es bei etwa 10°/, der in Berlin gefangenen Ratten nach; ebenso wurde es z. B. bei Pariser Ratten festgestellt. In Brasilien wurden in Säo Paolo von Smillie sogar 75°/, infiziert befunden, in Japan von Miyajima u. a. 39°/,. Man muß also annehmen, daß der Icterus infectiosus in ähn- licher. Weise wie die Pest eine primäre Rattenkrankheit ist. Daß die Weilsche Krankheit trotz der weiten Verbreitung des Erregers unter den Ratten beim Menschen verhältnismäßig selten vor- kommt, hat wohl hauptsächlich darin seinen Grund, daß das Virus außerhalb des Körpers sehr schnell seine Virulenz verliert. Die Infek- tionen in den Schützengräben und in den Unterständen des Stellungs- krieges sind leicht dadurch erklärlich, daß die dort zahlreichen Ratten überall Gelegenheit hatten, die Nahrungsmittel der Soldaten anzufressen und mit ihrem Urin zu verunreinigen. Auch für die mehrfach be- schriebenen Epidemien, in denen die Infektion zweifellos in Bade- anstalten erfolgte (z. B. bei der von Hecker und Otto geschilderten lfildesheimer Epidemie), liegt es nahe, die Ratten als Überträger hin- zustellen, die durch ihre Exkremente, besonders den Urin, das Wasser verunreinigen. Immerhin bietet hier die Erklärung der Infektion bei der großen Verdünnung, die das Virus im Wasser erfährt und bei seiner erwiesenen schnellen Virulenzabnahme in der Außenwelt Schwierig- keiten, wenn man nicht mit Manteufel annehmen will, daß die mit dem eiweißhaltigen Urin der Ratten ausgeschiedenen Spirochäten bei ihrem offenbar sehr geringen Eiweißbedarf unter Umständen in der Außenwelt im Oberflächenwasser die Bedingungen zu einer saprophytischen Ver- mehrung und Anreicherung finden, bis sie dann von der Haut aus wieder in empfängliche Lebewesen eindringen. Uhlenhuth und Zuelzer untersuchten zahlreiche Wässer von Teichen, Seen, Kanälen, Kläranlagen usw., konnten aber die Spirochaeta icterogenes niemals fest- stellen. Sie fanden aber in weiter Verbreitung Spirochäten, die ihr morphologisch fast völlig gleichen, aber für Meerschweinchen apathogen waren und die Tiere auch nicht gegen eine spätere Infektion mit der Spirochäte der Weilschen Krankheit zu immunisieren vermochten (Spirochaeta pseudoicterogenes). Die Nichtidentität dieser Spirochäten ist schwer zu beweisen. Immerhin besteht, zumal einige phylo- genetische Zusammenhänge zwischen der Spirochaeta ieterogenes und der Spir. pseudo- ieterogenes nicht zu leugnen sind, die Möglichkeit, daß durch Mutation oder Adaption die letztgenannte Art sich an den Rattenkörper anpaßt und für ihn virulent wird. Die Ratte wird dann Parasitenträger und kann ihrerseits wieder zur Infektion des Wassers führen, aus dem der Mensch die Krankheit akquiriert. Weitere Studien über die Mutations- und Anpassungserscheinungen der Spirochäten dieser Gruppe sind zur endgültigen Klärung der hier skizzierten Probleme notwendig. am de Durch das Überstehen der Weilschen Krankheit erwirbt der Mensch nach den klinischen Erfahrungen eine ziemlich sichere Immunität gegen spätere Neuinfektionen. Auch bei Tieren läßt sich allem Anschein nach durch Hervorrufen einer leichten Erkrankung, wenn diese zur Entstehung eines Ikterus geführt hat, eine aktive Immunität gegen die nachfolgende intravenöse Behandlung mit hochvirulentem Virus erzeugen. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 60. Fig. 1. Exanthem bei Weilscher Krankheit (nach Uhlenhuih und Fromme). Bd Fig. 2, . Spirochaeta ieterogenes aus Kaninchenserumkultur. Die verschiedenen Formen stammen aus dem gleichen, mit Osmiumdampf fixierten und nach May-Grünwald gefärbten Präparat. Vergr. 1:1800. (Nach M. Zuelzer.) 1.3. Fig. 4. d € a—d: Zweiteilung der Spirochaeta ieterogenes. Bei a halbkreisförmige Einbiegung des Mittelstückes, bei 5 und e Ausziehung des Verbindungsfadens, bei d an der Knickstelle des Mittelfadens ein Endkorn. — e: Beginn einer Dreiteilung: Einknickung der Spiro- chäte an zweiStellen. Vergr. 1:1800. (Nach M. Zuelzer.) Reinkultur der Spirochaeta icteroge- nes im Ungermannschen' Nährboden. Dauerfärbuug mit verdünnter Giemsa- lösung. (Nach einem Präparat von Dietrich.) Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Fig. 1. Spirochaeta ieterogenes im Leuchtbild. Vergr. %%).. Fig. 2. Spirochaeta ieterogenes im Leuchtbild. Vergr. 1°%/,. Spirochäte der Weilschen Krankheit im Schnittpräparat aus Meerschweinchenleber. Levaditi-Färbung. Nach Huebener und Reiter. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Tafel 61. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 62. u Weilsche Krankheit des Meerschweinchens. Gelbe Verfärbung der Haut, Unterhaut und Knorpel; ausgedehnte Haemor- rhagien in Unterhaut, Peritoneum. Bauchorganen und Lunge. Fig. 2. Spirochaeta icterogenes ‘in Ausstrich nach Meerschweinchenleber. in Leberschnitt. Färbung nach Leraditi. Färbung nach Giemsa. [Nach Uhlenhuth & Fromme.) Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Weilsche Krankheit (Icterus infeetiosus). 837 - Uhlenhuth und Fromme gelang eine aktive Immunisierung z. B. durch subkutane oder intramuskuläre Injektion infektiösen Blutes, die häufig - nur eine vorübergehende Erkrankung der Meerschweinchen bedingt. Abgetötetes Virus hingegen hatte keinen immunisatorischen Erfolg. Praktisch wichtig ist vielleicht die Frage der passiven Immu- nisierung. Wenn man hochinfektiöses Meerschweinchenblut mit dem Blute von Rekonvaleszenten vermischt und die Mischung nach !/, Stunde _ auf Meerschweinchen verimpft, erkranken diese Tiere nicht. Es müssen - demnach im Rekonvaleszentenserum spezifische Schutzstoffe - „enthalten sein. Über die Schutzwirkung der Rekonvaleszentensera haben zuerst Huebener und Reiter berichtet. Eingehendere Untersuchungen dar- - über stellten dann Uhlenhuth und Fromme an. Sie fanden bei 8 quantitativ ' untersuchten Seren 4mal einen Titer von O'l, 4mal einen noch höheren Titer. bis zu 001 herab. In diesen geringen Mengen vermag also das Rekonvaleszentenserum ein Meerschweinchen noch gegen die sonst sicher tödliche intravenöse Einspritzung von 1 ccm Virusblut zu schützen. Der passive Serumschutz hält jedoch nur kurze Zeit vor. Tiere, denen 11 Tage nach der Injektion. von Rekonvaleszentenserum virulentes Material eingeimpft wurde, erwiesen sich nicht mehr als immun, wohl aber noch Tiere, die am 6. Tage nach der Serumeinspritzung infizier wurden. Auch Heilwirkungen übt das Rekonvaleszentenserum in gewissem Grade aus. Uhlenhuth und Fromme konnten Meerschweinchen noch 3 Tage nach Verabfolgung der für”die Kontrolltiere sicher tödlichen Virusmenge durch Einspritzung von 1 cem eines Rekonvaleszenten- serums retten. Spätere Seruminjektionen waren allerdings wirkungslos. Die Autoren haben auch an Tieren (Kaninchen, Hammeln und Eseln) ' durch planmäßige Vorbehandlung mit steigenden Dosen virulenten Materials Sera hergestellt, die Schutzstoffe in stärkerer Konzentration enthalten und somit als Heilsera bei dem an Weilscher Krankheit leidenden Menschen erfolgreich verwendbar sein sollen. Mit dem Serum von Rekonvaleszenten, das durch Berkefeldfilter filtriert war, wollen verschiedene Autoren (Herbach, Heidenheim, Sick, Mann u. a.) günstige therapeutische Wirkungen beim kranken Menschen erzielt haben. Das an Tieren durch Immunisierung mit Meerschweinchenorganen und „Wasserkulturen“ der Spirochaeta icterogenes hergestellte Serum ist auf Wirksamkeit beim Menschen in der Praxis noch nicht erprobt worden. Inı Tierversuch war es sehr wirksam. . Die Chemotherapie hat bei der Weilschen Krankheit zu gün- - stigen Ergebnissen noch nicht geführt. Salvarsan, Neosalvarsan, Atoxyl, - Optochin usw. ließen keine eindeutigen Wirkungen erkennen. 4 Bei der Prophylaxe und Bekämpfung des Morbus Weilii muß einstweilen, solange über die natürliche Infektionsweise noch keine sicheren Feststellungen vorliegen, an der frühzeitigen Isolierung der Kranken und der Desinfektion ihrer Abgänge (Urin) festgehalten wer- - den. Daß man daneben auch der Fernhaltung von Mücken und Unge- - ziefer, die vielleicht als Überträger des Virus in Frage kommen könnten, > besondere Aufmerksamkeit schenken muß, ist selbstverständlich. Beson- - ders wichtig ist die Bekämpfung der Rattenplage. Be- kämpfung. 838 46. Vorlesung. Siebentagefieber. ‚Unter der Bezeichnung „Siebentagefieber“ werden verschiedene in tropischen und subtropischen Gegenden vorkommende, meist gut- artige Krankheitszustände zusammengefaßt, deren Identität bis jetzt noch nicht erwiesen ist. Neben intermittierendem Fieber werden vor allem Konjunktivitiden, Erytheme der Haut, Muskelschmerzen, Verdauungs- stöürungen, mitunter auch Lymphdrüsenschwellungen und Albuminurie = im Verlauf der Erkrankungen beobachtet. Im Jahre 1905 beschrieb Rogers eine derartige sporadisch in indischen Hafenstädten vorkommende Krankheit unter diesem Namen und glaubte, einen von ihm aus dem Blut der Patienten gezüchteten coliähnlichen beweglichen Bazillus als Erreger ansprechen zu dürfen. Andere Autoren, vor allem Castellani, stehen auf dem Standpunkt, daß das sogenannte Siebentagefieber nichts anderes als Denguefieber oder eine Abart dieser Krankheit darstellt. Neuerdings haben /do, /to und Wani als Erreger des in gewissen Bezirken Japans endemisch vorkommenden, als Nanukayami bezeich- neten Siebentagefiebers, das in seinen Krankheitserscheinungen an eine atypische, ohne Ikterus verlaufende Weilsche Krankheit erinnert, eine morphologisch von der Spirochaeta icterogenes nicht unterscheidbare Spirochätenart festgestellt, die sie Spirochaeta hebdomadis sive nanukayami nannten. Diese Spirochäte ließ sich durch Verimpfen von Patientenblut und -urin auf junge Meerschweinchen regelmäßig nach- weisen und auch auf künstlichen Nährböden züchten. Im Blutserum von Siebentagefieber-Rekonvaleszenten konnten spezifische spirochätizide Antikörper, die auf die Spirochaeta hebdomadis eingestellt sind, die Spirochaeta icterogenes aber unbeeinflußt lassen, nachgewiesen werden. Umgekehrt wurde die Spirochaeta hebdomadis durch Immunserum, das . durch Vorbehandeln von Pferden mit der Spirochäte der Weilschen Krankheit gewonnen war, nicht abgetötet. Als normales Wirtstier des Erregers kommt vor allem die Feldmaus (Microtus montebelli) in Betracht; bei 3°3°/, der untersuchten Tiere konnten die Spirochäten in Nieren und Urin nachgewiesen werden. Die Ausdehnung der endemischen Herde in Japan fällt mit dem Verbreitungsgebiet Meer Nagetiere zusammen. Literatur. Weil, Über eine eigentümliche, mit Milztumor, Ikterus und Nephritis einhergehende akute Infektionskrankheit. Arch. f. klin. Med., Bd. 39, 1886. Beitzke, Über die pathologische Anatomie der ansteckenden Gelbsucht (Weilsche Krankheit). Berliner klin. Wochenschr., 1916. : Dietrich, Morphologische -und biologische Beobachtungen an der Spirochäte der Weilschen Krankheit. Zeitschr. f. Immunitätsforschung, Bd. 26, 1917. Fromme, Zur Übertragung der Weilschen Krankheit durch Ratten. Med. Klinik, 1918. Hecker und Otto, Beiträge ‘zu der Lehre von der sogenannten :Weilschen Krankheit. Veröffentl. aus dem Gebiet des Militär-Sanitätswesens, H. 46, Berlin, A. Hirsch- wald, 1911. Huebener und Reiter, Beiträge zur Ätiologie der Weilschen Krankheit. Deutsche med. Wochenschr., 1915 u. 1916; Berliner klin. Wochenschr., 1916; Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. 81, 1916. Inada, Ido, Hoki, Kaneko und Ito, "The etiology, mode of infection and specific therapy of Weils disease (Spirochaetosis icterohaemorrhagica). Journ. of experim. med., Bd. 23, 1916. Kolle-Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 63. Spirochaeta bebdomadis im Meerschweinchen-Leberschnitt. (Nach einem Levaditi-Präparat von Inoda.) Vergr. 1000 fach. Fig. 2. Spirochaeta hebdomadis im Leuchtbild. Vergr. 1700 fach. erlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. ” No 2 Weslache Krankheit (Icterus infectiosu) 839 ; Manteufel, Vereinfachung des Züchtungsverfahrens von Weit-Spirochäten. Deutsche med. 'Wochenschr., 1921. Über die pathologische Anatomie und die Übertragung der Weilschen Krank- Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. 86, 1918. rs zur Epidemiologie der Weilschen Krankheit. Arch. f. Hygiene, 1920. ee 78 üller, Ieterus infeetiosus. Deutsche. med. Wochenschr., 1916. Quincke, Teterus infeetiosus, Weilsche Krankheit. Nothnagels spezielle Pathologie und Therapie, Bd. 18. | Reiter, ‘Die Weilsche Krankheit. Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 88, 1919. e Sehast, um Klinik der Weilschen Krankheit. Münch. med. Wochenschr., 1916. E uth, Zur Kultur der Spirochaeta ieterogenes. Deutsche med. Wochenschr., 1917. Uhlenhuth und Fromme, Experimentelle Untersuchungen über die sog. Weilsche "Krankheit (ansteckende Gelbsucht). Med. Klinik, 1915; Berliner klin. Wochenschr., 1916. — Zeitschr. f. Immunitätsforschung, Bd. 2, 1916 und Bd. 28, 1919. — > won Schutz- Es Heilserum gegen die Weilsche Krankheit. Deutsche med. Bit 1918. 4 Untenhuth un = Kuhn, Fiparimentälle Übertragung der Weilschen Krankheit durch = Stallfliege (Stomoxys ealeitrans). Zeitschr. f. Hygiene und Infektionskrankh., R® 84, 1917. 3 Unten und Zuelzer, Über das Vorkommen des Erregers der ansteckenden Gelb- E. Be 81 freilebenden Berliner Ratten. Med. Klin. 1919. — Zentralbl. f. Bakt., : 921. Züchtung der Weilschen Spirochäte usw. Arb. aus d. Kaiserl. Gesund- e 'heitsamt, Bd. 51, 1918. i a Zuelzer, Beiträge ' zur Kenntnis der Morphologie und Entwicklung der Weilschen Re „Spirochäte, Arb. aus d. Kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. 51, 1918. [: Ido, und Wani, Spirochaeta hebdomadis, the causative agent of seven-day-fever (Sanukayami). Journ. of exp. Med., zen; 28, 1918 und Bd. 29, 1919. Geschicht- liches. Krankheits- bild. 47. VORLESUNG. Gelbfieber. Das Gelbfieber, auch „gelbe Pest“ (engl. Yellow fever) genannt, ist eine In- fektionskrankheit, von der die ersten Nachrichten schon bald nach der Entdeckung Amerikas nach Europa gelangten. Es ist allerdings vielfach angezweifelt worden, ob es sich bei den aus jenen Zeiten beschriebenen Epidemien wirklich um Gelbfieber gehandelt hat. Die ersten Berichte, welche die Seuche unverkennbar darstellen, stam- men von dem Pater dw Tertre aus dem 17. Jahrhundert, als das Gelbfieber auf den Antillen in ausgedehntem Maße herrschte. Das eigentliche Heimatland der Krank- heit ist das tropische Amerika. Von hier aus erfolgten die weiteren Übertragungen nach dem nördlichen Amerika, West-Afrika und Europa (vgl. die Kartenskizze auf S. 848). Asien, Ost- und Süd-Afrika und Australien sind bisher völlig verschont geblieben. In Europa trat das Gelbfieber zuerst im 18. Jahrhundert auf und verur- sachte in den Hafenstädten Spaniens, Portugals und Italiens eine größere Anzahl von Epidemien. In Norddeutschland kam es trotz zahlreicher Einschleppungen nur 3mal, in den Hafenstädten Englands und Frankreichs nur hin und wieder zu wenigen Neuerkrankungen, die jedoch zu einer weiteren Ausbreitung der Seuche nicht führten. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts herrschte das Gelbfieber endemisch nament- lich in Brasilien, wo z. B. im Jahre 1894 beinahe 5000 Menschen an der Infektion starben. Genaue Angaben über die jetzige Verbreitung der Krankheit in Brasilien liegen nicht vor. Auch in Westafrika, namentlich an der Küste in der Gegend der Senegalmündung, existiert ein endemischer Herd, von dem aber noch unbekannt ist, wie weit er sich im Hinterlande längs der Senegalufer ausbreitet. Es tritt deut- lich zutage, daß das Gelbfieber eine ausgesproehene Tropenkrankheit ist, die nur gelegentlich durch den Schiffsverkehr nach subtropischen Gegenden ver- ‘ schleppt wird, ohne dort Fuß zu fassen. Was die klinischen Erscheinungen des Gelbfiebers betrifft, so beginnt die Krankheit nach einem Inkubationsstadium, das in der Regel 3—6 Tage dauert, meist mit Schüttelfrost und hohem Fieber. Der Puls ist frequent, es treten heftige Stirn-, Kopf und Kreuzschmerzen ein, und der hochfiebernde Kranke wird unruhig und fühlt sich sehr matt und schwach. Schon in diesem frühen Krankheitsstadium ist: ein eigenartiger Foetor ex ore bemerkbar, der an den Geruch eines Flei- scherladens erinnert (Ferrari) und für diese Krankheit nach M. Otto besonders charakteristisch ist. Das Gesicht ist stark gerötet, die Kon- junktivalschleimhaut stark injiziert. Nach 3 Tagen erfolgt fast stets unter Abfall des Fiebers eine subjektive und objektive Besserung des Zustandes, an die sich bei einer großen Anzahl der Fälle allmähliche Genesung anschließt. Häufig tritt aber nach diesem Nachlaß der Symptome sehr bald die Krankheit in ihr zweites, schwereres Stadium. Es stellt sich unter Te N N N EDLER Ka a en En ua and ul ah) - erneutem Anstieg der Temperatur sehr bald Ikterus ein, dem die Krankheit ihren Namen verdankt, und Erbrechen schwärzlicher Massen, das auf Magenblutungen schließen läßt. Die Kranken klagen über starke - Schmerzen in der Magengegend. Auch starke Blutungen aus der Nase, ' aus dem Zahnfleisch usw. sind nicht selten, ebenso Darmblutungen. Durchfall fehlt in der Regel, die Kranken pflegen vielmehr an hart- - näckiger Verstopfung zu leiden. Die Harnsekretion nimmt ab und kann - mitunter völlig aufhören. Der Harn enthält Gallenfarbstoff, reichlich Eiweiß und Zylinder, oft auch Blut. Druck auf die Magen- und die _ Lebergegend wird von den sonst apathischen Kranken, deren Bewußtsein - jedoch völlig erhalten ist, als äußerst schmerzhaft angegeben. Milz- - schwellung fehlt, ebenso ist die Anschwellung der Leber meist nur un- _ bedeutend. Der Tod tritt durchschnittlich in etwa 35°/, der Fälle ein, ' und zwar meist im Kollaps oder unter den Erscheinungen der Urämie; - es sind aber auch schwere Epidemien beschrieben worden, bei denen die - Mortalität 70—80°/, betrug. Das ganze Krankheitsbild hat eine gewisse - Ähnlichkeit mit dem der akuten gelben Leberatrophie und der Phos- - Neben diesen schweren Fällen kommen Gelbfiebererkrankungen - vor, bei denen auch die Symptome des ersten Krankheitsstadiums nur - sehr wenig ausgeprägt sind, und die als einfache Magenkatarrhe oder - Grippeerkrankungen aufgefaßt und nicht weiter beachtet werden. Ge- rade diese Fälle, die besonders bei Kindern beobachtet werden, sind - epidemiologisch insofern von besonderer Wichtigkeit, als sie den Mücken - Gelegenheit geben, sich zu infizieren und die Krankheitserreger weiter . zu verschleppen. | - Bei den Leichen der an Gelbfieber Verstorbenen lassen sich verschiedene - pathologisch-anatomische Veränderungen feststellen, die in ihrer Gesamtheit als - typisch gelten können. Auffallend sind, abgesehen von der ikterischen, oft violett gefleckten Hautdecke, zunächst die zahlreichen Ekchymosen, die auf allen Schleim- ' und serösen Häuten angetroffen werden. Namentlich das Perikard und die Serosa des Darmes weisen regelmäßig Blutaustritte auf. Die Leber überschreitet in ihrer - Größe die normalen Maße meist nicht wesentlich. Sie ist im allgemeinen blutleer, _ zeigt aber eine mehr oder minder ausgesprochene Gelbfärbung, die stellenweise blaß- und bräunlichgelbe Nuancen aufweist und zusammen mit den auch hier nur selten fehlenden Ekchymosen dem Organ ein eigenartig buntfleckiges - Gesamtaussehen verleiht. Mikroskopisch finden sich fettige Degeneration und Ne- krose der Leberzellen. Die Nieren sind meist in geringem Grade vergrößert und - bieten ebenfalls durch rötliche Flecken auf dem gelblichbraunen Grunde ein buntes Aussehen. Auf dem Durchschnitt heben sich die roten Pyramiden scharf von der - braungelben verbreiterten Rindenschicht ab. Die gewundenen Kanälchen sind mit hyalinen und gekörnten Zylindern ausgefüllt. Die Serosa der Baucheingeweide ist _ hochgradig hyperämisch. Magen- und Darmschleimhaut sind geschwollen und stellen- weise mit Blutungen durchsetzt. Mikroskopisch findet man bei allen weiter vor- - geschrittenen Fällen allgemeine fettige Degeneration der Organzellen. Diese Erschei- - nungen sind in der Regel in der Leber, in den Nieren und im Herzmuskel besonders | E stark ausgeprägt; auch die Kapillarendothelien sind meist betroffen. & Obwohl das übertragende Insekt seit längerer Zeit bekannt war -(.8.84$) und auch die auf dieser Kenntnis aufgebaute Bekämpfung - des Gelbfiebers, wie später noch zu besprechen ist, zu glänzenden Er- - folgen führte, waren alle Bemühungen, den Erreger aufzufinden, zunächst - vergeblich. Verschiedene Bakterien, denen eine ätiologische Bedeutung - zugesprochen wurde (z. B..der „Cryptococcus xanthogenicus“ von Freire und der „Bacillus ieteroides“ von Sanarelli), konnten bei Nachprüfungen Gelbfieber. | 841 Obduktions- befunde. Ätiologie. 842 . 47. Vorlesung. als Krankheitsursache nicht anerkannt werden. Schaudinn und nach 4 ihm Knapp und Novy vermuteten, daß der Erreger eine Spirochäte sei, weil bei diesen Mikroorganismen das Vorkommen kleinster Formen (Körnchen), die bakteriendichte Filter passieren, bekannt ist. Die Ver- suche der französischen Gelbfieberkommission hatte die Filtrierbarkeit des Gelbfiebererregers festgestellt. Durch den Nachweis von spirochäten- artigen Gebilden, die Stömson in den Nieren einer Gelbfieberleiche fand ° und wegen ihrer an ein Fragezeichen erinnernden Form als „Spiro- chaeta interrogans“ bezeichnete, war nicht überzeugend dargetan, daß eine Spirochäte tatsächlich der Erreger der Krankheit ist. Erst die planmäßigen Untersuchungen, die Noguchi im Jahre 1918 in Guayaquil, der Hafenstadt von Ecuador, anstellte, führten zur Entdeckung des Krankheitsvirus. Noguchi übertrug Blut, das zu Beginn der Krankheit ‘ entnommen war, in größeren Mengen auf verschiedene Säugetiere und Vögel und stellte fest, daß Affen, Hunde und Meerschweinchen nach der Impfung erkrankten. Durch infizierte Mücken war die Übertragbarkeit des Gelbfiebers schon früher von Marchoux, Simond und Thomas, die Empfänglichkeit des Meerschweinchens von Thomas festgestellt worden. Besonders die Meerschweinchen, die schon früher bei der Auf- klärung der Ätiologie der Weilschen Krankheit (s. Vorlesung 46), ausgezeichnete Dienste geleistet hatten, erwiesen sich Noguchi für diese Versuche als sehr geeignet. Eindeutige und gleichmäßige Erfolge wurden aber nur erzielt, wenn ihnen Blut intraperitoneal injiziert wurde, das mit Kochsalzlösung, Serum und Agar gemischt und, mit Paraffin über- schichtet, 3 Tage lang bei 20—25° C bebrütet war. Die Tiere erkrankten dann nach einer Inkubation von 3—6 Tagen zum Teil leicht, zum Teil aber auch schwer und tödlich unter Erscheinungen, die mit denen des menschlichen Gelbfiebers weitgehend übereinstimmten (Fieber, Ik- terus, Blutungen, Eiweißharnen usw.). Wenn Blut oder Organverreibungen der auf diese Weise infizierten Tiere auf gesunde Meerschweinchen in gleicher Weise weiterverimpft wurden, kam es auch bei diesen zu typischen Infektionen. Die Übertragung gelang auch, wenn die Impf- stoffe in leichte Hautverletzungen bei Meerschweinchen eingerieben wurden; die Inkubation war in diesem Falle aber um einige Tage verlängert. Im Leberbrei der infizierten Meerschweinchen fand Noguchi bei Untersuchung im Dunkelfeld spärliche Mengen einer dünnen Spirochäte, die große Ähnlichkeit mit der Spirochaete icterogenes (s. S. 831) hat und der er den Namen Leptospira icteroides gab. Die Leptospira ieteroides ist ein äußerst zartes, biegsames Gebilde von 4—9p. Länge und 0'2y. Breite, das feine, regelmäßige -Windungen von 0'25 u. Länge zeigt und an den Enden zu sehr dünnen Spitzen ausgezogen ist. In lebendem Zustande ist sie nur bei Dunkel- feldbeleuchtung zu sehen. Sie führt in zusagendem Medium lebhafte, seitlich schlagende, drehende und sehr schnelle Rückwärtsbewegungen aus, letztere offenbar durch rasche Schraubenflügelbewegungen der Endfäden. Zur Färbung eignet sich am besten die Giemsasche Methode, doch nimmt die Spirochäte alle Farbstoffe nur sehr schwer an. In fixierten und gefärbten Präparaten ist die natürliche Form des Gelbfiebererregers nicht so gut zu erkennen, wie im lebenden Dunkelfeldpräparat, nament- Gelbfieber. | 843 lich sind die feinen Windungen nicht mehr deutlich sichtbar. In der Morphologie und Färbbarkeit ergeben sich also große Ähnlichkeiten mit der Spirochäte der Weilschen Krankheit, die aber im allgemeinen länger ist. | - Wie bei vielen anderen Spirochäten, kommen auch bei der Leptospira ieteroides Entwicklungsstadien vor, die die Form kleiner Körnchen haben. Man hat mit alten Kulturen, die früher große Mengen typischer Leptospiren, später aber nur noch stark lichtbrechende Körnchen ent- hielten, im Tierversuch positive Ergebnisse mit regelrechtem Spirochäten- befund erzielt. Das Blut der intraperitoneal infizierten Meerschweinchen - erwies sich bei Weiterverimpfung manchmal schon nach 48 Stunden als infektiös, regelmäßig aber nach 72 Stunden, ebenso Leber und Nieren. Im Dunkelfeld wurden die Spirochäten jedoch gewöhnlich nicht vor dem 5. Tage gefunden. Sie nahmen dann schnell an Menge zu und vom 8. Tage zuerst im Blut, darin auch in den Organen wieder ab und verschwanden vor dem Eintritt des Todes. Ihr Untergang im Organismus wird wahrscheinlich durch den Übertritt der Gallenbestand- teile ins Blut verursacht. 5 Die Gelbfieberspirochäte wird, wie ‚nach den Übertragungs- ' versuchen zu erwarten war, auch beim gelbfieberkranken Men- . schen gefunden. Sie wurde, wenn auch sehr spärlich, im strömenden Blut in Dunkelfeldpräparaten nachgewiesen, ebenso später in Blut- ausstrichen, die nach Giemsa gefärbt waren. Auch in der frisch entnommenen Leber eines an Gelbfieber Verstorbenen gelang ihr Nachweis nach dem Versilberungsverfahren. Im Urin der Kranken wurde sie bisher nicht festgestellt, obwohl Meerschweinchen durch ihn angeblich infiziert werden können. Der direkte. Leptospirenbefund beim Gelbfieberkranken ist aber bei der heutigen Technik eigentlich immer ein Zufallstreffer. Für diagnostische Untersuchungen ist das Tier- , experiment unentbehrlich, weil das Virus sich im Meerschweinchen- organismus offenbar anreichert. > Die Züchtung der Leptospira icteroides gelang Noguchi auf dem gleichen Nährboden, der sich ihm schon früher bei der Spirochäte der Weilschen Krankheit bewährt hatte, einem haltbaren Medium, das aus 1 Teil Kaninchenserum, 3 Teilen Kochsalzlösung und einem Zusatz von 0°3 proz. neutralem Agar besteht. Die Reaktion des Gemisches soll _ leicht alkalisch sein, bei saurer Reaktion bleibt das Wachstum aus. Sauerstoff darf nur in geringen Mengen vorhanden sein, ist aber nicht ganz entbehrlich. Das Kulturmedium bleibt makroskopisch meist unver- ändert, nur manchmal ist nach einigen Wochen bei besonders reich- lichem Wachstum eine hauchartige Trübung des Nährbodens sichtbar. Das Temperaturoptimum liegt bei etwa 37°C, bis 26°C hält sich die Kultur aber länger infektiös. Bei Temperaturen unter 10° und über 42° findet keine Vermehrung statt. Durch Verimpfung von Reinkulturen der Leptospiren lassen sich bei Meerschweinchen genau die gleichen Krankheitserscheinungen hervorrufen, wie mit dem Blut der Gelbfieber- kranken. Die Inkubationszeit beträgt hier in der Regel 8 Tage. Schon 0:00001 ccm Kultur genügte bei Noguchis Versuchen zur Erzielung eines positiven Ergebnisses. Bei Weiterverimpfung auf künstlichen Nährböden verringert sich die Virulenz aber schnell und geht schließ- lich ganz verloren. Über- tragung: 844 47. Vorlesung. Das Studium der Kulturleptospiren hat uns auch über die Bio- logie des Gelbfiebererregers schon mancherlei Aufschlüsse gebracht. So ließ sich leicht feststellen, daß die Vermehrung durch Querteilung erfolgt. Die Resistenz in der Außenwelt ist äußerst gering. Sowohl Austrocknung wie Hitze, Desinfektionsmittel und Fäulniseinwirkungen verträgt die Leptospira ieteroides weniger wie ein anderer pathogener Mikroorganismus. Auch in Kulturen ist sie übrigens gegen bakterielle Verunreinigungen höchst empfindlich. Daß sie außerhalb des lebenden Organismus sehr schnell zugrunde geht, erhellt daraus, daß in der dem kranken Meerschweinchen frisch entnommenen Leber schon nach 12 Stunden keine lebenden Leptospiren mehr vorhanden sind. Es be- » steht hier also ein .bemerkenswerter Gegensatz zu der Spirochäte der Weilschen Krankheit, die sich längere Zeit in den Organen entwick- lungsfähig erhält. In Galle und Lösungen von taurocholsaurem und glykocholsaurem Natrium werden die Leptospiren schnell aufgelöst. während Saponin sie nicht abtötet. Mit der schon vor langen Jahren festgestellten Tatsache, daß das Gelbfieber durch Blut der Kranken, das durch bakteriendichte Filter geschickt war, übertragbar ist, stimmt das Ergebnis der Filtrationsversuche mit Kulturleptospiren überein, durch die bewiesen wurde, daß die Gelbfieberspirochäte Berke- feldfilter V und N ungeschädigt passiert. Die Krankheit kann experimentell auf Gesunde dadurch über- tragen werden, daß man. ihnen geringe Mengen Blut oder Blutserum einspritzt. Unter natürlichen Verhältnissen wird die Seuche, ähnlich wie die Malaria, auf Gesunde nur durch den Stich von Moskitos übertragen, die sich durch Blutsaugen an Gelbfieberkranken mit dem Krankheitskeim infiziert haben. Daß Mücken, und zwar speziell die Stegomyia calopus, als Überträger des Gelbfiebers anzusehen seien, hatte schon Carlos Finlay 1881 in Havanna richtig - erkannt. Seine Angaben wurden aber nicht geglaubt und gerieten bald völligin Ver- gessenheit. Genauere Aufschlüsse über die Übertragungsweise brachten erst die Ar- beiten der Kommissionen, die von verschiedenen interessierten Staaten zum Studium der Gelbfieberfrage ausgesandt wurden. Namentlich der Kommission der Vereinigten Staaten von Nordamerika, deren Mitglieder Reed, Carroll, Agramonte und Lazear waren, haben wir sehr wichtige Entdeckungen zu verdanken. Die Einatmung der Luft infizierter Gegenden, der Genuß infizierten Wassers oder bestimmter Nahrungsmittel, die man früher vielfach der Verbreitung der Krankheitskeime beschuldigte, ist gänzlich belanglos. Auch durch Bett- und Leib- wäsche der Kranken, Handelswaren und Gebrauchsgegenstände, mit denen Gelb- fieberkranke in Berührung gekommen sind, werden die Erreger nicht verschleppt. Diese Tatsachen wurden von der amerikanischen Kommission, von deren Mitgliedern zwei sich selbst mit Erfolg und eines sogar mit tödlichem Ausgang durch Stiche infizierter Stegomyien die Krankheit einimpften, auf Grund geniöser Versuchs- anordnungen festgestellt. An einem. gelbfieberfreien Orte wurden folgende Fundamentalversuche an- gestellt. In einem moskitosicheren Raume lebten 12 Versuchspersonen wochenlang in innigstem Kontakt mit_den Betten, Kleidern und Geräten von Gelbfieberkranken. Keine von ihnen erkrankte an Gelbfieber. Durch nachträgliche erfolgreiche Impfung mit Blut Gelbfieberkranker wurde bewiesen, daß die Versuchspersonen für Gelb- fieber empfänglich waren. Ein zweites Haus wurde gleichfalls mückensicher abge- dichtet und enthielt nur desinfizierte Betten und Gegenstände, die mit Gelbfieber- kranken oder -leichen nicht in Berührung gekommen waren. Aber in dieses Haus wurden einige infizierte Stegomyiae eingebracht. Die Bewohner wurden von diesen Mücken gestochen, sobald sie es zuließen, und erkrankten nach der richtigen Inkubationszeit an Gelbfieber. N DL EL WU OHRLIEETTR BE a al ua du Dial Eh u 2 a iu nn ud a Ua nn a Ana änn Hllı aan in Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 64. Gelbfieber-Spirochäten in Nierenschnitt. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. weh De Mr nn. Gelbfieber. 845 Das Gelbfieber ist also nicht direkt ansteckend, sondern kann sich, wie die Malaria, nur dort unter einer Bevölkerung aus- breiten, wo die zur Entwicklung der Krankheitskeime nötige Mückenart vorhanden ist und die sonstigen Übertragungsbedingungen, die später besprochen werden sollen, gegeben sind. Daraus erklärt es sich auch, daß das Gelbfieber in manchen Erdteilen nicht festen Fuß fassen kann. Das Insekt, das den Gelbfiebererreger überträgt, ist die Stegomyia ealopus, auch Culex calopus oder Stegomyia fasciata genannt, eine zur Familie der Culiziden gehörige Mückenart. Daß außer dieser noch andere Arten als Überträger in Betracht kommen, ist unwahr- scheinlich. Wenigstens spricht die Tatsache, daß es „Marchoux und Simond u. a. trotz zahlreicher Versuche niemals gelang, durch andere in Gelbfiebergegenden vorkommende Culexarten die Krankheit experi- mentell zu übertragen, zugunsten dieser auch durch epidemiologische Erfahrungen gestützten Annahme. Fig. 108. Stegomyia ealopus. - Die Stegomyia calopus (Taf. 78 u. Fig. 108). ist eine zierliche Mücke von brauner bis schwarzgrauer Färbung. Besonders charakteristisch für sie sind die lyra- ähnliche Zeichnung am Thorax und die bandartigen Streifen der Beine. Während Femur und Tibia einfarbig sind, weisen der Metatarsus und die 3 ersten Tarsi weiße Bänder auf. Am deutlichsten ist dies am letzten Beinpaar sichtbar, das von der sitzenden Mücke stets in der Luft gehalten wird und dabei schwingende Be- wegungen ausführt. Die Abdominalringe sind mit silberglänzenden Strichen und E Flecken versehen. Die Flügel liegen beim Sitzen der Mücke übereinander, sind - etwas kürzer als der Leib, fleckenlos und stark irisierend. Der Unterschied zwischen - dem männlichen und weiblichen Insekt ist annähernd durch die gleichen Merkmale 4 gegeben, die wir schon bei der Besprechung der malariaübertragenden Mücken - kennen gelernt haben. Als Brutstätten wählt die Stegomyia ebenso wie der Anopheles kleine und - kleinste Wasseransammlungen. Auch schmutzige Wässer werden von ihr keineswegs - verschmäht, wenn sie sich nur in der Nähe menschlicher Wohnungen betinden. Die Stegomyia ist eben, wie M. Otto sich treffend ausdrückt, ein „Haustier“, das seinen Aufenthaltsort nur unter besonders zwingenden Umständen verläßt. Die Eier werden einzeln abgelegt und schwimmen, in gleichmäßigen Reihen oder auch unregelmäßig - angeordnet, mit der Breitseite aneinanderliegend auf dem Wasser. Die Larven und - Puppen zeigen keine wesentlichen Abweichungen von denen .der gewöhnlichen Culexmücken. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 55 Die Gelb- fiebermücke. Verhalten des Virus in der Mücke. 846 47. Vorlesung. Die Stegomyia kann nur dann das Gelbfieber übertragen, wenn sie von einem Gelbfieberkranken Blut gesogen hat. Nach den Feststel- lungen der amerikanischen Kommission (Reed, Carrcll, Agramonte und Lazear), die im Jahre 1900 auf Kuba die Seuche studierte, kreist das Virus im Blute der Gelbfieberkranken in der Form, die von den Mücken aufgenommen wird, nur in den ersten 3 Krankheitstagen. Es gelingt nicht, Mücken an Kranken zu infizieren, die sich in späteren Stadien der Krankheit befinden. Die Mücken, die infektiöses Blut ge- sogen haben, sind aber nicht sofort imstande, durch ihren Stich ge- sunde Personen zu infizieren, sondern erst nach einem Zeitraum von mindestens 10—12 Tagen. Dann bleiben sie aber bis zu 60 Tagen infektiös.‘ Vor„der Entdeckung der Leptospira ieteroides nahm man allgemein an, daß der Gelbfiebererreger ähnlich wie die -Malaria- plasmodien in der Mücke einen besonderen Entwicklungskreislauf durchmachen müsse, der eben 10—12 Tage dauere. Diese Annahme wurde aber durch die Feststellung Noguchis in Frage gestellt, daß Mücken, die durch Saugen an gelbfieberkranken Meerschweinchen infi- ziert waren, schon nach 8 Tagen die Krankheit weiter übertragen können. Da beim künstlich infizierten Meerschweinchen, wie schon er- wähnt, das Virus in viel größeren Mengen im Blute kreist als beim gelbfieberkranken Menschen, ist ‚wohl der Schluß erlaubt, daß der Zeit- - punkt, an dem die Mücken infektiös werden, wesentlich von der Menge der Leptospiren abhängt, die sie aufgenommen haben. ‚Wenn diese sehr gering ist, ist eben eine größere Zeitspanne erforderlich, bis ‚sich das Virus in der Mücke so weit vermehrt hat, daß es zur Infektion des Menschen ausreicht. Nur die befruchtete weibliche Mücke ak als Überträgerin in Betracht, und nur dann erfolgt in ihr eine Vermehrung der Erreger, wenn genügend hohe Lufttemperaturen vorhanden sind. Um sich an einem Orte dauernd erhalten zu können, bedarf die Stegomyia eines Klimas, dessen Nachtmitteltemperaturen nicht unter 22° heruntergehen und dessen Tagesmitteltemperaturen über 25° bleiben (Marchouz, Salömbeni und Simond). Namentlich gegen tiefere Nachttemperaturen sind diese Mücken sehr empfindlich. Die Infektion des Menschen erfolgt fast ausschließlich zur Nachtzeit.. Nur die soeben aus der Puppe ausge- schlüpften und dann sofort befruchteten Mücken stechen auch am Tage; sie kommen aber, da sie sich unmittelbar nach dem ersten Blut- saugen in dunkle Ecken zurückziehen, für die Übertragung des etwa von ihnen aufgenommenen Gelbfiebererregers nicht in Betracht. . Marchoux und Simond stellten fest, daß gelegentlich auch eine Vererbung des Gelbfiebererregers von Mücke zu Mücke vorkommt. Es gelang ihnen, eine Infektion dadurch hervorzurufen, daß sie Imagines, die aus den Eiern infizierter Stegomyiae gezüchtet waren, Gesunde stechen ließen. Infizierte Mücken gehen aber nur aus solchen Eiern hervor, die von dem Weibchen frühestens 12 Tage nach dem Saugen virulenten Gelbfieberblutes abgelegt sind. Die Imagines können dann erst 2 Wochen, nachdem sie aus den hereditär infizierten Eiern hervor- gegangen sind, wieder das Virus ‘übertragen. Allerdings scheint diese Vererbung nur selten einzutreten. und sich auch nicht auf weitere Generationen auszudehnen, denn ‚sonst müßte in Ländern, in denen die Mücken in der kalten Jahreszeit verschwinden, im Frühjahr, auch Bar a as ne nn in ‘ Gelbfieber. : 847 ohne daß der Krankheitskeim von neuem PRIETEER wird, häufig ein Neuaufflackern der Seuche beobachtet werden. Das ist aber nicht der Fall. Immerhin können hereditär infizierte Mücken in endemisch verseuchten Gegenden mitunter von Bedeutung sein. Die _Virulenz des Erregers soll bei ‚der hereditären Übertragung in der ‚Mücke abnehmen: Der Stich der infizierten Blesoriyia- calopus führt keineswegs immer zu einer Erkrankung. verleiht aber- in solchen negativ ver- laufenden Fällen auch keine Immunität; diese kann nur durch Überstehen eines, wenn auch noch so leichten Gelbfieberanfalles er- worben werden. Die Frage, ob es unter den Menstiien und vielleicht auch unter den Tieren sog. Virusträger gibt, ist noch nicht spruchreif. Es mag zwar in verseuchten Gegenden häufiger vorkommen, daß besonders widerstandsfähige oder immune Personen den Gelbfiebererreger in sich aufnehmen, ohne zu erkranken, und daß sich an ihnen Mücken neu infizieren. Es liegen aber keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, daß man mit einem langen Verweilen der Leptospiren im Körper gesunder Menschen oder Tiere rechnen müßte. Die Erfahrungen bei der planmäßigen Gelbfieberbekämpfung sprechen ‚sogar gegen eine derartige Annahme. Bei wilden Ratten, die ja so häufig die Spirochäte der Weilschen Krankheit beherbergen (s. S.836), suchte Noguchi ver- gebens nach der Leptospira icteroides. Überall, wo Gelbfieber endemisch herrscht oder epidemisch um sich greift, findet sich auch die Stegomyia. Das Ausbreitungsgebiet dieser Mücken ist sehr ausgedehnt (Kartenskizze auf S. 849); es liegt im allgemeinen zwischen den beiden Wendekreisen, reicht jedoch mit seiner nördlichen Grenze bis nach Japan, Spanien und Nordamerika, mit seiner südlichen Grenze bis nach Südaustralien. Am weitesten verbreitet ist die Gelbfiebermücke, wie Havelburg angibt, an der Nordküste und dem nördlichen Teil der Ostküste Südamerikas, an der Nordküste Mittelamerikas und in der Umgebung des Golfs von Mexiko, ferner an dem größten Teile der Westküste und Teilen der Ostküste Afrikas, in Vorder- und Hinterindien, Japan, an der Ostküste Australiens, auf Neuguinea, Celebes, den Philippinen und ferner in Spanien. ‘Diese Länder sind mit Ausnahme des tropischen Mittelamerika = und der Westküste Afrikas gelbfieberfrei. Das Verbreitungsgebiet des Gelbfiebers deckt sich also augenblicklich nicht mit dem der Stegomyia. Trotzdem kann es natürlich überall dort, wo die Stegomyia heimisch ist, zu größeren Epidemien kommen, wenn die Mücken Gelegenheit - haben, sich an eingeschleppten Gelbfieberfällen zu infizieren. Wir haben also ganz ähnliche Verhältnisse wie bei der Malaria, wo ebenfalls zum Zustandekommen neuer Infektionen außer den Stechmücken der Malaria- kranke als Infektionsquelle für die Mücken gegeben sein muß. Früher glaubte man, daß das Gelbfieber nur an den Meeresküsten und’ in den 3 Niederungen gewisser Flüsse heimisch sei. Heute wissen wir, daß auch im Binnenlande größere Epidemien vorkommen, und zwar überall, wo die Stegomyia heimisch ist und wo genügend hohe Temperaturen zur Entwicklung der Keime gegeben sind. 55* Epidemio- logie und Aus- breitung. 848 -47. Vorlesung. Mit dem zunehmenden Verkehr ist auch das Gelbfieber von seinen ursprünglichen Heimatländern aus weiter vorgedrungen (s. Kartenskizze auf S. 850) entweder dadurch, daß infizierte; Stegomyiae mit dem 700. 80 - 60 40 rahn Yor: 40 nnd I Beltimore ig ’s Norfolk = ‚riest TE y Vehnaht: N 22 StAaugustin /veston Nu. SGfrempieo_ Keywest........ WENDEKREIS_ P] = EEE, Re Nr Tu re re 0 © ‘= Guadeloupe Barbados Mbrtinique S.s4 ira Colen RE “ Nıcara Zr NE = < 5 gifendr 0 a) «° \AQUATOR Guayaquıl (8 \ECUADO i ; 3 x ARD Ascension Calao\y rnambucd u . Brds ke Bahia 20 2 ; : f S "Helena .._ WENDERREIS |. PaAnSUAY ZPhip desaneire Er SEP ee LS: ET ne Faber ehe eh: S.Cathärina Montevideo IS 60 B 700 80 60 40 20 (0) 20 40 EA@r.,ge* Verbreitung des Gelbfiebers. Endemische und verschleppte Fälle. Ausbreitung der Stegomyia calopus schraffiert. Ä Verkehr verschleppt wurden, oder dadurch, daß Gelbfieberkranke in ‘Länder kamen, in denen die Mücken bereits vorhanden waren, aber bisher keine Gelegenheit hatten, den Krankheitskeim aufzunehmen und durch ihren Stich ‚weiter zu verbreiten. Daß es auch in notorischen Gelbfieberländern Städte oder Gegenden gibt, die „immun“ sind, findet o — & 081 091 04 021 001 08 09° 0% 02 Ö 02 0% 09 08 001 021 | SNIOITVI WVIAWODFILS «ap 21qaBsBunylauquaA Bert Bi ee RN Ra ot ersten re ee er len Hl PT er se), A N Er 14 [177 ü RE ENRAEN, UARES ? 1 SIauNannam N, SR Be all EN ET nr hg 7) Hypspld uk | eyeg, a uaıay . nqweusad‘ A 5 0 B 0 Ö vr volyn = „ (A “Aa w L pay des - = f | SE r 2 Es x 1a) ag 5 en oluuo, 2 a a a a BR, N: Boss Bier RR ee „Me. EN as ET Ya Aa a4 Fra oe Arten Aeieieiie: (Ka Sıauuhanam | | | 5 ” "rauen Vepnwuog® „do he * ’ @uupaeg, Immunität. . maliges Befallenwerden gehört also zu den Seltenheiten. 850 47. Vorlesung. dadurch seine Erklärung, daß an diesen Stellen den Moskitos keine günstigen Lebensbedingungen geboten sind, und daß sie, wenn sie eingeschleppt werden, zugrunde gehen. BETT: Eine natürliche Immunität gegen Gelbfieber kommt bestimmten Rassen oder einzelnen Individuen anscheinend nicht zu. Wenn vielfach die weiße Rasse empfänglicher genannt wird als die dunkle, so beruht dies wahrscheinlich darauf, daß die Eingeborenen der Gelbfieberländer 120 100 '. 80 60 40 20 0 207% ME Endemische Herde des Gelbfiebers. O Orte, in denen Gelbfieber eingeschleppt wurde. i durch Überstehen der Krankheit in frühester Jugend, ähnlich wie wir es bei der Malaria finden, immun geworden sind. Er Das Überstehen der Krankheit hinterläßt in der Regel eine fast absolute Immunität. Ferrari fand unter 100 Gelbfieberkranken nur 4, bei denen eine Neuinfektion angenommen werden konnte. Ein zwei- Bemerkenswert ist ferner, daß Menschen, die sich lange Zeit in Gelbfiebergegenden aufhalten, verhältnismäßig viel seltener erkranken, als frisch-zugereiste Personen. Von den im Jahre 1892 in Rio de Janeiro an Gelbfieber gestorbenen 4312 Kranken waren weniger als 1 Jahr Gelbfieber: ; 851 in der Stadt ansässig 2226, 1—2 Jahre 731, 2—3 Jahre 298, 3—4 Jahre 126, 4—5 Jahre 50, mehr als 5 Jahre 69, während sich bei 802 die Aufenthaltszeit nicht feststellen ließ. Man hat diese auf- fallende Tatsache als eine „Immunität durch Akklimatisation“ bezeichnet und sie dadurch zu erklären gesucht, daß in solchen Fällen eine häufige Zuführung geringer Mengen des Infektionsstoffes die relative Unempfänglichkeit bedinge, oder aber, daß das Virus durch Stiche der Mücken in Modifikationen eingeimpft werde, die keine ausgesprochene Erkrankung ‚hervorrufen, dennoch aber immunisierend wirken. Diese Art der Immunität scheint . durch längeren Aufenthalt außerhalb der Gelbfiebergegenden bald wieder verloren zu ‚gehen, denn man hat wiederholt beobachtet, daß Leute, die jahrelang von der Krankheit verschont blieben, nach Rückkehr von einer Europareise bald an Gelbfieber erkrankten ‚und starben. Wenn’ auch schon von Marchoux, Salimbeni und Simond die wichtige Tatsache ermittelt war, daß Serum der Kranken vom 4. Krank- heitstage ab und in noch stärkerem Maße Serum von Rekonvaleszenten gesunden Personen Schutz gegen die experimentelle Infektion verleiht und in bestimmten Grenzen auch Heilwirkungen- entfaltet, so wurde doch die genauere experimentelle Erforschung der Gelbfieberimmunität erst durch die Entdeckung der Leptospira icteroides ermöglicht. Noguchi stellte fest, daß: Rekonvaleszentenserum, wenn es zusammen mit spirochätenhaltigen Organverreibungen oder- Kulturspirochäten Meer- schweinchen intraperitoneal eingespritzt wird, die Spirochäten abtötet und die Tiere vor Erkrankung schützt; Serum von Gesunden oder von Kranken, die kein Gelbfieber hatten, zeigte diese Wirkung nicht. Auch die Prüfung des Verwandtschaftsverhältnisses zwischen den Spirochäten des Gelbfiebers und denen der Weilschen Krankheit konnte jetzt mit Hilfe der Immunitätsreaktionen vorgenommen werden. Es wurden‘mit verschie- denen Stämmen beider Spirochätenarten an Kaninchen monovalente Sera hergestellt. ‚und im Agglutinations-, Komplementbindungs-, Pfeifferschen Versuch und im Schutzversuch. mit den einzelnen Kulturen. wechsel- seitig ausgewertet. Ebenso wurde auch das Verhalten aktiv immuni- sierter Tiere bei späterer Infektion mit den verschiedenen Stämmen geprüft. Die Stimme der -Gelbfieberspirochäte ließen sich durch- alle diese Reaktionen von der Spirochäte der Weilschen Krankheit ohne- weiters differenzieren, reagierten aber untereinander im wesentlichen identisch. : Nur die mit der Spirochaeta icterogenes. hergestellten Sera zeigten auch schwache Verwandtschaftsreaktionen mit. den Gelbfieber- stämmen, und andererseits zeigten Meerschweinchen, die eine Gelbfieber- infektion durchgemacht hatten, bisweilen auch eine gewisse Resistenz- steigerung gegenüber einer Infektion mit dem Virus der Weilschen Krankheit. Die Verwandtschaft beider Typen ist also vielleicht so groß, daß man 'sie-als Unterarten oder Rassen der gleiehen 'Spirochätenart auffassen | ‚kann. Ein durch planmäßige intravenöse Immunisierung am Pferde gewonnenes Immunserum schützte Meerschweinchen je nach dem 5 Zeitpunkt der Injektion gegen 2000—20 000 tödliche Dosen der Lepto- _ _ spira ieteroides. Im Inkubationsstadium genügten 00001—0 001 cem; in der Fieberperiode verhüteten 0'01—0O'l1cem das Fortschreiten der Infektion, und nach Auftreten des Ikterus wurden durch 01—1'0 ccm Serum von 4 Tieren noch 3 gerettet. Es besteht kein Aeritel, daß ein 852 47. Vorlesung. solches Immunserum auch beim Gelbfieber des Menschen gute thera- peutische Erfolge zeitigen wird; allerdings ist eine Wirkung nur zu Fig. 109. Da en 32 2 TBB TER! ne a er ih u; TE EEEEUNE TIEREN TEURER Verklebung vor der -Räucherung. erwarten, so lange noch nicht das hämorrhagische Stadium eingetreten ist und Urämie und Cholämie noch fehlen. Gelbfieber. 853 Die Maßnahmen, die eine Bekämpfung des Gelbfiebers bezwecken, „Sun, decken sich im großen und ganzen mit denen, die sich bei der Be- kämpfung der Malaria als wirksam erwiesen haben. Wir besitzen aller- dings kein dem Chinin entsprechendes Arzneimittel, durch das wir die Fig. 111. on Be a. it IL. re Claytonapparat, die Meteorwasserkanäle in Rio de Janeiro ausräuchernd. Netzkasten nach Murchoux in einem Gelbfieberkrankenhause in Rio de Janeiro Gelbfiebererreger im kranken Menschen vernichten und diesen somit als Infektionsquelle für die Mücken ausschalten könnten. Jeder Gelb- fieberfall und jede verdächtige Erkrankung ist zur Anzeige zu bringen. Die Erkrankten sind strengstens durch Moskitonetze oder durch Über- 854 47. Vorlesung. führung in mückensichere Räume zu isolieren. In endemisch durchseuchten Ländern werden besondere Gelbfieberhospitäler er- richtet, in denen sich diese Maßnahmen leicht durchführen lassen. Gleichzeitig müssen möglichst weitgehende Maßnahmen zur Ver- nichtung der Stegomyia durchgeführt werden. Diese Aufgabe ist 4 äußerst schwierig, aber es läßt sich, wie namentlich die Erfolge dr . Amerikaner in Havanna gezeigt haben, bei zielbewußtem Vorgehen in dieser Beziehung doch viel erreichen, wenn man besonders auf die Aus- rottung der infizierten Stegomyiae bedacht ist. Der Kampf gegen die Mücken muß in erster Linie in der Vernichtung der Brutplätze be- stehen und ist namentlich in den Gegenden in Angriff zu nehmen, ww sich neue Erkrankungsfälle zeigen, wo man also das Vorhandensein infizierter Moskitos annehmen kann. Abbrennen von Insektenpulver oder Erzeugung von schwefligen Dämpfen wird die im Innern der Wohnungen sich versteckt haltenden Stegomyiae vernichten. Die Tötung der Larven in. den Gärten und in der Nähe infizierter Wohnungen gelingt am besten durch Übergießen der Tümpel und Wasseransammlungen mit Pe- troleum etc. Wo sich die Stegomyia klima- tischer Verhältnisse wegen nicht ver- mehren kann, braucht man gegen die Einschleppung des Gelbfiebers besondere Vorkehrungen nicht zu treffen. Dagegen müssen .in tropi- - schen und subtropischen Ländern alle aus Gelbfieberhäfen kommenden Schiffe: mit besonderer Vorsicht be- handelt werden. Nocht weist auf die Notwendigkeit hin, die von den Ver- einigten Staaten Nordamerikas für die Behandlung solcher Schiffe er- Fig:118: - i r aa LEEREN ———mm mm nen nn nenn nen ' EZ - — a _ Netzkasten. lassenen Bestimmungen allgemein einzuführen. . Der Schiftsarzt En alle 4 während der Reise aufgetretenen fieberhaften Erkrankungen in die Bücher eintragen und zu diesem Zweck täglich zweimal die Körper- E temperatur der Reisenden kontrollieren. Alle Fiebernden ‚müssen, wenn nicht andere Ursachen für das Fieber (z. B. durch die Blutuntersuchung) 4 ermittelt werden und. Gelbfieber ausgeschlossen werden kann, wie Gelb- fieberkranke in -mückensicheren Häusern an Land behandelt werden. Die übrigen Insassen des Schiffes werden unter ärztliche Beobachtung gestellt und ihre Körpertemperatur zweimal täglich gemessen. Alle Räume des Schiffes müssen von Mücken befreit werden. Die Abbildungen 109—113, die nach photographischen Aufnahmen von M. Otto angefertigt wurden, zeigen die in Kuba und Brasilien ein- geführten. Verfahren und Einrichtungen zur Vernichtung, der Mücken und die Abdichtung der Wohnungen und. Krankenhäuser durch Netze. Gelbfieber. 855 In den Gelbfieberhospitälern findet die Isolierung der Kranken durch Moskitonetze statt. au Die früher für notwendig erachteten umfängreichen Desinfektionen der Reiseeffekten und überhaupt aller Gebrauchsgegenstände, die mit Gelbfieberkranken in Berührung gewesen waren, sind völlig nutzlos. Auch die Desinfektion der Wohnung, der Dejekte, des Auswurfes usw. der Gelbfieberkranken hat keinen Zweck. Das hat sich deutlich in Havanna gezeigt, wo die Zahl der Gelbfiebererkrankungen durch die Einführung der Desinfektion gar nicht beeinflußt wurde, während die Bekämpfung und Vernichtung der Stegomyia calopus sofort ein starkes Absinken der Gelbfiebermorbidität herbeiführte. Länder, in denen die ‚klimatischen Verhältnisse ein Fortkommen der Stegomyia unmöglich machen, sind vor dem Ausbruch einer größeren Gelbfieberepidemie überhaupt geschützt; hier könnten höchstens in warmen Räumen von Schiffen mittransportierte Mücken sich an einem eingeschleppten Krank- heitsfall infizieren und so zu Neuerkrankungen Veranlassung geben. Wichtig ist es also, die Schiffe und Ladegüter von etwaigen infizierten Stegomyien zu befreien. Dazu wird eine Ausräucherung mit dem Clayton- apparat die besten Dienste leisten, während die Passagiere unbeanstandet ausgeschifft werden können. Die‘ prophylaktischen Maßnahmen, die der Einzelne in Gelb- fiebergegenden gegen die Infektion zu ergreifen hat, ergeben sich aus den obigen Darlegungen von selbst. Sie haben in der Meidung solcher Häuser, in denen frische— Erkrankungen vorkamen, und in einer strengen Anwendung sicherer Moskitonetze während der Dunkel- heit zu bestehen. ‚Kurz erwähnt seien hier noch die Beobachtungen von Sandwirth und Rufer über das Vorkommen von epidemischem Ikterus mit 20—30°/, Mortalität in Ägypten, Griechenland und Syrien. Da sich die Stegomyia ealopus in diesen Mittel- meerländern findet, ist es nicht ausgeschlossen, daß es sich hier um eine besondere Form des Gelbfiebers handelt. Sichere Behauptungen über die Natur dieses Ieterus epidemicus lassen sich aber, da der Erreger noch unbekannt ist, nicht aufstellen, . ebensowenig wie über ähnliche in Indien beobachtete Erkrankungen. Literatur. M. Otto, Gelbfieber. Handbuch der pathog. Mikroorganismen. 2. Aufl., Bd.8, 1913, Carrol, Gelbfieber. Menses Handbuch der Tropenkrankh., 1. Aufl., Bd.2, Leipzig, J. A. Barth, 1908. : Agramonte, Report of bacteriological investigations upon yellow fever. New York med. News, 1900. Finlay, El mosquito ete. Annal. Roy. Acad. de la Havane, 1881. Havelburg, Die Ursache des Gelbfiebers und die Resultate der prophylaktischen Be- kämpfung desselben. Hyg. Rundschau, 1905. Hoffmann, Gelbfieber, die neueste Spirochätenkrankheit. Deutsche med. Wochenschr., 1920. Marchoux, Salimbeni u. Simond, Ann. de l’Inst. Pasteur, T.17, 1903, u. T. 25, 1906. -Nocht, Vorlesungen für Schiffsärzte. Leipzig, G. Thieme, 1906. Noguchi, Etiology of yellow fever. Journ. of experim. Med., Bd. 29—33, 1919—1921. 856 ° 47. Vorlesung. Gelbfieber. ; u Be. Otto u. Neumann, Studien über Gelbfieber in Brasilien. Zeitschr. f. Hygiene u. Infektions- = krankheiten, Bd. 51, 1905. - Reed, Carrol, Agramonte u. Lazear, Preliminary note on the sunlogy: of yellow fever. Philadelph. med. Journal 1900. _ Reincke, Die Bedeutung des Gelbfiebers für den Nürden Europas. Hamburg. 1875. da Rocha-Lima, Gelbfiebergruppe und verwandte Krankheiten. Handb.d. pathogenen Protozoen, herausgeg. von v. Prowazek. Leipzig, J. A. Barth, 1914. - Sanarelli, Etiologie et de de la fievre jaune. Ann. de VInstitut Pasteur, E. 1897. De Scheube, Die Krankheiten der warmen Länder. 4. Aufl., Jena, G. Fischen 1910. ei Schilling, Tropenhygiene. Leipzig, 'G. Thieme, 1909. ag Sternberg, The history and geographical distribution of yalllı fever. Dans, Arch. B- internat., Amsterdam 1896/1897. Ei . Theobald, A Monograph of the Culieidae or ers London 1001. Thomas, British med. Journ., 1907. 48. VORLESUNG. Sp irochäten bei Plaut-Vincentscher Angina, Siomatitie ulcerosa, Gingivitis pyorrhoica und Alveolarpyorrhoe. Bei den Spirochätosen ist noch eine Mandelerkrankung zu bespre- - chen, die vorwiegend bei Erwachsenen beobachtet wird und eine gewisse Ähnlichkeit mit der Diphtherie und manchen syphilitischen Angina- formen aufweist. Bei ihr werden in den Membranen neben Kokken regelmäßig Spirochäten gefunden, die die alleinige oder dominante Rolle in der Ätiologie dieser Angina spielen. Daneben kommen, offen- bar in Symbiose, eigenartige spindelförmige Bazillen vor, über die zuerst von Babes berichtet wurde. Plaut, Vincent und später Bernheim haben dann auf das konstante Vorkommen der Spirochäten neben den fusiformen Bazillen hingewiesen. Auch bei Erkrankungen der Mundhöhle, namentlich‘ den mit Nekrose am Zahnfleisch oder der Wangenschleim- haut einhergehenden, finden wir die eben erwähnten Spindelbazillen und Spirochäten. Was zunächst das klinische Bild der später allgemein als Plaut- Vincentsche Angina bezeichneten Krankheit betrifft, so verläuft, der Prozeß mit Fieber. Man pflegt klinisch zwei Formen der Krankheit zu unterscheiden, die diphtheroide und die ulzeröse. Bei ersterer bilden : - sich auf den Mandeln schmutziggraue Pseudomembranen, die zum Zer- fall neigen und nicht so fest anhaften wie echte diphtherische Mem- branen. Die Membranen werden nekrotisch abgestoßen und hinterlassen Geschwürsflächen, die langsam abheilen. Bei der ulzerösen Form kommt es zu frühzeitiger Nekrose des infizierten Gewebes, sodaß schmierig belegte Geschwüre entstehen, die an syphilitische erinnern. Injektion von Diphtherieserum hat auf den Verlauf der Krankheit keinen Einfluß. Das Allgemeinbefinden der Patienten ist häufig nicht wesentlich gestört, doch kommen auch ernste Erkrankungen, ja sogar Todesfälle vor. Die Krankheit dauert meist 2—4 Wochen, oft aber längere Zeit. Bemerkenswert ist, daß sie in vielen Fällen wie die aphthöse Stomatitis mit einer Eruption von Bläschen am Zahnfleisch oder der Wangen- schleimhaut beginnt. Die Erkrankung der Mandeln ist häufig einseitig und kann auch durch Geschwürsbildung auf der Wangenschleimhaut kompliziert werden. Fast immer besteht starker Foetor ex ore. Plaut- Vincent- sche Angina. Fusiforme Baeillen Vincents. Spirochäten- befunde. 858 48. Vorlesung. Die „fusiformen Bazillen“ stellen 6—12u. Jange und 06—0'8 u. breite, an beiden Enden scharf zugespitzte, stäbchenartige Gebilde dar. Sie zeigen eine oder mehrere leichte Krümmungen und legen sich häufig zu S-förmigen Gebilden aneinander, sodaß sie an Spirillen oder Spirochäten erinnern. Zur Färbung eignet sich die Zöffler- Roma- nowskysche Methode. Der Farbstoff wird jedoch nicht gleichmäßig auf- genommen: es finden sich hellere Stellen abwechselnd mit dunkleren, sodaß ein streifiges Aussehen entsteht (Taf. 67, Fig. 1). Bei Anwendung des Romanowskyschen Verfahrens sieht man ein oder mehrere scharf differenzierte Chromatinkörner im blau gefärbten Protoplasma (Taf. 67, ig. 2). Nach Gram färben sich die fusiformen Bazillen nicht. Sie sind unbeweglich. Er. Züchtungsversuche mit Material, das die spindelförmigen Ba- zillen enthält, sind auf den verschiedensten Nährböden angestellt wor- den. Die Angaben über die Ergebnisse lauten widersprechend. Einige Autoren sahen kleine Kolonien sich entwickeln, die aus einem Gemisch von Bakterien und Spindeln, wie sie in dem Ausgangsmaterial vorhan- den waren, bestanden. Andere behaupten, daß die Spindeln auf künst- lichen Nährböden nicht zur Entwicklung kommen. Eine Aufklärung hierüber war deshalb von Bedeutung, weil es bei der morphologischen Eigenart der Bazillen, ihrem Verhalten gegenüber der Romanowskyschen Färbung und auch gegenüber den gewöhnlichen Anilinfarben fraglich erscheinen könnte, ob sie überhaupt Bakterien darstellen, wie Vincent u.a. angenommen haben. Diese Frage ist dadurch entschieden, daß es Mühlens, Veillon, Lewkowiez, Ellermann, Tunnicliff u. a. gelungen ist, .den Bacillus fusiformis sowohl wie die neben ihm fast regelmäßig bei dieser Anginaform vorkommenden Spirochäten (s. u.) zu züchten. Der Bacillus fusiformis wächst nur bei 37°C und unter streng anaeroben Verhältnissen auf Nährböden, die Serum, Aszites oder natives mensch- liches bzw. tierisches Eiweiß enthalten, und zwar am besten in Stich- kulturen. Die gelblichweißen Kolonien werden nicht größer als 2—3mm im Durchmesser; ihre Ränder sind infolge der feinen Ausläufer, die von ihnen ausgehen, oft unregelmäßig. Die Kulturen verbreiten einen fauligen, sehr unangenehmen Geruch. Die Tierpathogenität des Bazillus ist sehr gering, selbst nach Einverleibung großer Mengen treten keine Krankheitserschei- nungen auf. ; Bi; Von Wichtigkeit für die Beurteilung der ätiologischen Rolle des Bacillus fusiformis ist die von Mühlens festgestellte Tatsache, daß er sich in jeder Mundhöhle findet, und zwar, auch ohne daß Erkrankungen 4 bestehen, in den Belägen der Zähne an der Grenze des Zahn- fleisches oft in enormen Mengen und in Reinkultur. Auch in den La- E kunen normaler Tonsillen, ferner bei Balanitis erosiva, Ulcus molle und in diarrhoischen Stühlen wurde er häufig in großen Mengen ge- funden. Ehe nicht der Nachweis erbracht ist, daß die bei der Plaut- Vincentschen Angina vorkommenden Spindelbazillen von den bei den genannten anderen Krankheiten und in der gesunden Mundhöhle ge- fundenen verschieden sind, wird man davon Abstand nehmen müssen, den Bacillus fusiformis als Erreger dieser Anginaform zu erklären. Neben den spindelförmigen Bazillen finden sich in den Aus- strichen, die aus den Membranen bei Plaut-Vincentscher Angina ge- Spirochäten bei Plaut-Vincentscher Angina, Stomatitis ulcerosa etc. 859 macht werden — besonders empfehlenswert ist hier auch das Tusche- 'präparat! —, regelmäßig andere Bakterien in wechselnder Menge und feine Spirochäten. Die Bakterien sind als harmlose Schleimhautepi- phyten oder höchstens als Misch- oder Sekundärinfektionserreger aufzu- fassen. Bemerkenswerter ist indessen das regelmäßige Vorkommen der Spirochäten zusammen mit den spindelförmigen Bazillen (Taf. 66, Fig. 1 und Taf. 67, Fig. 2). Mühlens. hat durch getrennte Reinzüchtung den Nachweis erbracht, daß diese Spirochäten nicht etwa ein Entwicklungsstadium der fusiformen Bazillen darstellen. Die Spirochäten wachsen nur bei Körpertemperatur und nur anaörob, und zwar auf serumhaltigen Nährböden in der Tiefe des Impfstiches. Die Kolonien der Spirochaeta dentium, deren Rein- züchtung Mühlens gelungen ist, sind klein und erscheinen wie band- ‚artig als leicht weißlich getrübte Stellen des Nährmediums. Sie lassen sich am besten bei durchfallendem Licht gegen grauen Hintergrund betrachten. Ältere Kolonien zeigen ein gelbliches Zentrum und Ausläufer, Stichkulturen eine wolkige Trübung längs des Impfstiches und perl- schnurartige Kolonien. Oft trübt sich der Nährboden in ganzer Aus- dehnung milchig. Die Kulturen. haben, ähnlich wie die des Bacillus fusiformis, einen stechend widerlichen Geruch. Oberflächenkulturen sind bisher nicht gelungen. In den Nährböden halten sich die Spirochäten längere Zeit, bis zu 3 und 4 Wochen, lebensfähig. Über die Züchtung der anderen Spirochätenarten gehen die Ansichten noch auseinander. Kranz und Schloßberger konnten—durch Verimpfen von spirochäten- haltigem Eiter auf. erstarrtes Pferdeserum auch ein Wachstum der gröberen Mundspirochäten. ‚allerdings nur in Mischkultur mit Bak- terien erzielen. Fusiforme Bazillen und Spirochäten lassen sich in geringer Menge mitunter auch in der wenig gepflegten Mundhöhle Gesunder und vor allem bei Mundentzündungen aller Art nachweisen. Besonders findet man sie bei Stomatitis ulcerosa, bei Noma und bei luetischer Angina symbiontisch vereinigt. Hier treten sie aber niemals in so großen Mengen auf. wie bei der Plaut-Vincentschen Angina, bei der sie ganz regelmäßig und sozusagen in Reinkultur festzustellen sind. Nach Jochmann sind als Erreger der Krankheit in erster Linie die Spirochäten aufzufassen, nicht, wie z.B. Vincent und auch Reiche annahmen, die Spindelbazillen. Es ist unwahrscheinlich, daß z.B. infolge Herabminderung der lokalen Resistenz die an sich harmlosen, - in jeder Mundhöhle vorkommenden Spirochäten zu besonders pathogenen - - Wirkungen befähigt werden und nun in Symbiose mit den fusiformen Bazillen ihr. Zerstörungswerk auf der Schleimhaut der Tonsillen und der Mundhöhle ausüben. Vielmehr muß die Plaut- Vincentsche Spiro- chäte als eine besondere pathogene Art ünd als Erreger dieser auch klinisch charakteristischen Krankheit aufgefaßt werden. Eine Stütze für die Annahme der dominanten Bedeutung der Spiro- chäten bei der Angina Vincenti ist die Heilwirkung des Salvarsans ‚bei dieser Krankheit. Die Spirochäten verschwinden bald nach der intra- venösen Injektion des Mittels unter gleichzeitigem Rückgang der Ent- zündüng und Schwellung und unter Reinigung der Geschwüre. Auch lokale Pinselungen mit Salvarsanlösungen (01 auf 5°0 Glyzerin) haben sich ‚therapeutisch bewährt. .. 860 48. Vorlesung. Stomatitis ulcerosa. Gingivitis pyorrhoica und Alveolar- pyorrhoe. In nahem ätiologischen Zusammenhang mit der Plaut-Vincent- schen Angina stehen mehrere ziemlich weitverbreitete Krankheiten der Mundhöhlenschleimhaut: die Stomatitis ulcerosa, die ngiriHia pyorrhoica und die Alveolarpyorrhoe. Bei der Stomatitis uleerosa werden am Zahnfleischrand oder am Zungenrande anfangs entzündliche Schwellungen, später mehr oder weniger ausgedehnte Ulzerationen gefunden, die sich dann sekundär als sogenannte Abklatschgeschwüre auch auf der Wangenschleimhaut- bilden. Die Ränder der ulzerierten Stellen sind intensiv gerötet und die Geschwürsflächen meist überaus leicht blutend; vorwiegend tritt die Erkrankung an den Schneidezäbnen und an den Weisheitszähnen auf. Das Primäre bei dieser Erkrankung ist stets ein Epithelverlust in der Mundschleimhaut; bei intakter Schleimhaut kommt es nie zur Stomatitis ‘uleerosa. Man kann 3 verschiedene Formen unterscheiden: 1. die primäre Stomatitis ulcerosa als selbständiges Krankheitsbild; 2. die im Gefolge gewisser Metallvergiftungen (Quecksilber, Wismuth, Blei, Gold, Kupfer, Phosphor). und 3. die sekundär als Teilerscheinung schwerer hämorrhagischer Diathese (Noma, Skorbut u. a) auftretende ulzeröse Stomatitis (Kranz). Der Grund der Geschwüre ist mit grau- gelblichen Massen bedeekt und enthält, wie ein gefärbtes Präparat, das Burrische Tuscheverfahren oder die Dunkelfelduntersuchung zeigt, große Mengen von Spirochäten, die den Plaut-Vincentschen ähnlich oder mit ihnen identisch sind, und ebenfalls fusiforme. Bazillen in großer Zahl. Es besteht starker Foetor ex ore. Die Infektion kann sich, namentlich bei Kindern, mit starker Schwellung der Gewebe auf die Wangen- und Mundschleimhaut ausbreiten und durch septische Komplikationen den Tod herbeiführen. Die intravenöse und vor allem die lokale An- wendung des Salvarsans führt unter Verschwinden der Spirochäten: zur Heilung dieser Infektion und beweist dadurch, daß diesen Mikro- organismen bei dem Zustandekommen des Krankheitsprozesses eine wesentliche Rolle zukommt. Unter dem Namen Ainsoläpracchui wurden bisher ver- schiedene mit Eiterausfluß aus Zahnfleischtaschen und Zähnfächern einhergehende Erkrankungen zusammengefaßt, was auch die wider- sprechenden Resultate bei den gleichen therapeutischen Maßnahmen erklärt. Von verschiedenen Autoren..wurde die mit Eiterabsonderung einhergehende Gingivitis, die als Gingivitis pyorrhoica zu bezeichnen ist, gleichfalls als Alveolarpyorrhoe bezeichnet. Das ist nicht angängig. Loos und Kranz betonen mit Recht, daß auch nach dem Sitz des Krankheitsprozesses zu unterscheiden ist zwischen der Gingivitis pyorrhoica, bei der sich die Eiterung auf Zahnfleischtaschen beschränkt, und der Alveolarpyorrhoe, bei der ein Eiterungsprozeß FE im Zahnfach besteht. Bei der Gingivitis pyorrhoica sind im eitrigen Sekret und im Geschabsel aus der Tiefe der Taschen, die zwischen Zahnfleisch und Zahn entstehen, wie Gerber, Kolle und Beyer nachwiesen, Spirochäten und fusiforme Bazillen in großer Menge nach- | weisbar (Taf. 66, Fig. 2). Die intravenöse und lokale Anwendung des Salvarsans führt unter Verschwinden der Spirochäten zur Heilung dieser Krankheit und beweist dadurch, daß bei ihrer Ätiologie Spirochäten dominant beteiligt sind. Infektionsversuche mit Reinkulturen ‚ der ‘olle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 65. Fig. 1. Sp. inaequalis — N — Sp. dentium ;p- tenuis Sp. undulata \ Sp. denticola Sp. recta Verschiedene Formen der Mundspirochäten nach Gerber. Fig. 2. Sp. dentium Sp. inaequalis Sp. tenuis Sp. denticola Sr. dentium Sp. recta Mundspirochäten. Starke Vergrößerung. (Nach Gerber.) flag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. ” . * D : y Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 66. Fig. iv Spirochäten bei Plaut-Vincentscher Angina. Spirochäten bei Gingivitis pyorrhoica. Tusehepräparat, Tuschepräparat. Spirochaeta pallida im Dunkelfeld. V. — 1/,. Spirochaeta pallida und Spirochaeta refringens im Au aus dem Sekret eines nässenden breiten Kondylom {Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. He und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 67. 1. Ansstrichpräparat aus Mandelbelag bei Angina Vincenti. Färbung mit verdünntem Boraxmethylenblau. — 2. Spirochäten und fusiforme Bazillen bei Angina Vincenti. Chromatinfärbung. — 3. Deckglaspräparat aus Gewebssaft einer nässenden Papel, Färbung nach Giemsa. Vergr. 1:1000. Nach Sobernheim. 4. Deekglaspräparat aus Gewebssaft der geschwollenen Leistendrüsen. Färbung’ nach Giemsa. Vergr. 1:1000. Nach Sobernheim. — 5. Schnitt durch die Lunge eines hereditär- syphilitischen Kindes (weiße Pneumonie). Färbung nach Leraditi. Nach Finger. — 6. Schnitt durch Primäraffekt bei hereditärer Lues. Färbung wie bei 5. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. # - $pirochäten bei. Plaut-Vincentscher Angina, Stomatitis uleerosa ete. - 861 ; verschiedenen Spirochäten müssen zeigen, ob hier eine spezifische J tenart als Erreger anzusehen ist oder mehrere, die in Symbiose . ‘ leben, und inwieweit diese Gingivitis pyorrhoica ätiologisch mit der Stomatitis uleerosa in Zusammenhang steht. = Bei der eigentlichen Alveolarpyorrhoe dagegen kommen Spiro- chäten oder sonst bestimmte Mikroorganismen als Erreger nicht in Betracht und demgemäß ist auch das Salvarsan bei ihr wirkungslos. F: Auch bei dieser Erkrankung beginnt der Prozeß am Zahnfleisch- 3 and als eine Gingivitis, die durch irgendeine Gewebsschädigung bedingt - wird. Als äußere Läsionen kommen mechanische, thermische oder E: bakterielle in Frage, die unter Umständen gemeinsam wirken, als - innere chemische oder chemisch-toxische Schädigungen in Verbindung mit Gefäß- und Stoffwechselerkrankungen (Diabetes, Gicht, Infektions- ‘ krankheiten). Im Beginn besteht stärkere Abstoßung am Zahnfleisch- - _ rand („marginaler Detritus“), die Interdentalpapillen sind geschwollen und bläulichrot verfärbt. Es kommt ‘zu geschwürigem Zerfall und zur - Tiefenwucherung des Epithels der Mundschleimhaut, zum Übergreifen auf. die Wurzelhaut und zur Bildung der charakteristischen Taschen. In diesen lagert sich Zahnstein ab und mit ihm Kokken, Spirochäten, -Faden-, Schimmel- und Sproßpilze aller Art. Dadurch wird die Epithel- wucherung, die Eiterbildung und die Umwandlung des Bindegewebes .in zellreiches Granulationsgewebe weiter gefördert. Die Wurzelhaut und - die Knochenwand werden zerstört. Die klinischen Verschiedenheiten des WVerlaufes bis zu der typischen Pyorrhoea alveolaris sind offenbar zum Teil durch die zugrundeliegende Gewebsschädigung bedingt, zum Teil - aber auch durch die verschiedene Wirkung und Virulenz der in das Zahnfleisch und die Taschen eindringenden Mikroorganismen. F ‚Die Schwierigkeit der Differenzierung der bei-diesen Erkrankungen gefundenen B- Spirochäten und ihrer Abgrenzung von den in der gesunden Mundhöhle sapro- » phytisch vorkommenden liegt in dem Umstande, daß einerseits die Reinzüchtung der Arten oft nicht gelingt und daß selbst in Kulturen und Kolonien nicht immer eine Unterscheidung möglich ist, ob es sich um Abarten oder differente Spezies - "handelt. Mikroskopisch aber ist, worauf besonders Gerber hinweist, unter den in 3 der Mundhöhle vorkommenden Spirochäten eine scharfe Differenzierung sowohl im Dunkelfeld wie im gefärbten Präparat unmöglich. Gerber hat auf Grund sorgfältiger - Untersuchungen folgendes systematische Schema aufgestellt, das die Abgrenzuüg der - Mundspirochäten (Taf. 65, Fig. 1 u. 2) nach Größe, Zahl und Weite der Windungen, Dicke ete. im mikroskopischen Bilde ermöglichen soll: . Spir. undulata . Spir. inaequalis (Erstarrungsform von 1?) = p- = Spi ir. buccalis. . Spir. dentium. . Spir. denticola Ko: en Abarten von 1 und 2, 1 oder 2? = Spir. Vincenti? — Spir. dentium. nrnpen Die ziorpholagischen Charaktoristike haben allerdings keinen absoluten, sondern - nur einen relativen Wert. Es ist z. B. schwer, manche saprophytische Spirochäten von der Spirochaeta pallida abzugrenzen. Auch Formen, die von der Spirochäte der - Weilschen Krankheit morphologisch nieht unterschieden werden können, kommen - als Saprophyten in der Mundhöhle 'vor (sog. Spir. BURPROLOREN, Hoffmann). Kipcalnn Abel, Zur Bakteriologie der Stomatitis ulcerosa. Zentralbl. f. Bakt., Bd.24, 1898. Beitzke, Über Angina mit fusiformen Bazillen. Münchener med. Wochenschr. 180L Bernheim, Über einen bakteriellen Befund bei Stomatitis ulcerosa. Zentralbl. f. Bak- teriologie, Bd. 23, 1898. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 56 862 48. Vorl, Spirochäten bei Plaut-Vincentscher Angina etc. Beyer, Alveolarpyorrhoe. Med. Klinik, 1917. TE Blühdorn, Zur Frage der Spezifizität der Plaut- Vincentschen Auginaerrgen, Deutsche med. Wochenschr., 1911. Bruce, On Vincenti Angina. Lancet, 1904. E. Czaplewski, Eulenburg - Kolle- Weintrauds Lehrbuch der klinischen Untersuchungs- i methoden, Bd.1, 1904. E ‚Ellermann, Über die Kultur der fusiformen Bazillen. Zentralbl. f. Bakt., Bd. 37, 1904. de: Bi Spirochäten in den oberen Luft- und Verdauungswegen. Zentralbl. f. "Bakt., Be Bd. 56, 1910. Gins, Bacillus fusiformis. Handbuch der pathogenen Mikroorganismen, 2. ‚Aufl, Bd.5, 1913. . Kolle, Spirochätenbefunde bei Alveolarpyorrhoe. Med. Klinik, 1917. Kranz, Zur Pathologie, Pathogenese und Therapie der Alveolarpyorrhoe. Deutsche Monatsschr. f. Zahnheilk., 1919. — Die Alveolarpyorrhoe, ihre Ätiologie, Patho- logie und Therapie. Berlin, Meusser, 1922. Kranz und Schloßberger, Über die Züchtung von Mundspirochäten. Deutsche Monatsschr. f. Zahnheilkunde, 1921. En Loos, Über atrophische und dystrophische. Zustände. am Zahntortsatz. Deutsche zahnärztl. Wochenschr., 1922. a: Mayer und Schreyer, Zur. Klinik und Ätiologie der Angina membranacea. Deutsche 2 med. Wochenschr., 1905. | Miller, Die Mikroorganismen der Mundhöhle. Leipzig 1902. _ Mühlens und Hartmann, Über Bac. fusiformis und Spiroch. dentium. Zeitschr. R Hyg. und Infektionskrankheiten, Bd. 55, 1906. } Plaut, Studien zur. bakteriellen Diagnostik der Diphtherie und der Anginen. Deutsche E med. Wochenschr., 1894. B. Rodella, Il-bac. fusiforme di. Vincent-Bernheim. Giorn. di R. Societ. ‚ital. @’Igiene, m 1903. Salomon, Weitere RBB, ‚über Spirochätenbazillen - Aue Deutsche med. Wochenschr., 1901. Többen, ‚Über Angina und Stomatitis uleerosa. Berliner klin. Wockimidir: 1904. 2 Vincent, Recherches bact. sur P’angine & bac. fusiforme. Ann. de Pinstitut Pasteur, 189. Wright, On a anaiee organism. Lancet, 1904. “ 49. VORLESUNG. Syphilis und Framboesie. eb ‚Syphilis. ‚ben über Geschlechtskrankheiten. Nachweislich ist aber bei den alten Kultur- n, einschließlich der Japaner und Inder, nur der Tripper vorgekommen. Ob he Schanker schon im Altertum in Europa vorkam, ist nicht mehr mit - Sieherheit festzustellen. Die genauen Forschungen von I. Bloch lassen keinen Zweifel - darüber, daß die Syphilis im Jahre 1493 von Amerika durch die Besatzung der Schiffe ‚Columbus nach Europa eingesehleppt ist. Mit ungeheurer Schnelligkeit tete sie sich durch. die Truppen Karl VIII. von Frankreich während des eldzuges gegen Neapel 1494/95 zuerst in. Italien, von da über ganz Europa in rchtetsten Seuchen. In den Chroniken .der zeitgenössischen Ärzte und Ge- ‘ schichtsschreiber wird dieses wichtige Ereignis der Verbreitung der Syphilis, des - „Morbus novus et inauditus“, ausführlich besprochen. Fast jedes Land, in das die Syphilis eingeschleppt wurde, benannte sie nach ihrer angenommenen Herkunft; so bezeichneten sie die Deutschen als „Franzosenkrankheit“, ‚die Franzosen als „Mal de Anpkar, die Russen als „polnische” Krankheit“. _ Die Syphilis trat während der letzten Jahre des 15. und in den ersten Dezennien des 16. J underts in schwerer Form auf und ging erst gegen Mitte oder Ende des letzteren in die noch heute beobachtete Form über. Unter dem Eindruck, der en Verbreitung wandten die Ärzte ihr ganzes Interesse dieser Seuche und - Geschlechtskrankheiten überhaupt zu und gelangten bei ihren Untersuchungen ‚Betrachtungen zur Auffindung eines Heilmittels,, des Quecksilbers, aber auch zu teilweise irrtümlichen Vorstellungen über die Natur der Krankheit und: ihre ung. Das Quecksilber war im Orient als Mittel gegen Hauterkrankungen schon t und wurde deshalb bei den syphilitischen Hautaffektionen versuchs- eise verwendet. Als es sich bei änßerlicher Anwendung wirksam zeigte, gab man es ‚auch innerlich, vielfach allerdings in übergroßen Dosen bis zum Auftreten schwerer Durchfälle. So trat bald eine Gegenströmung unter den Ärzten gegen die Anwen- ung des Mittels ein; man faßte die tertiären Erscheinungen als Folgen der Queck- } E lberwirkung auf. Die ärztliche Welt war hinsichtlich der Syphilisbehandlung in zwei Lager — Merkurialisten und. Antimerkurialisten — geteilt. - Um diese Zeit entstand auch die Lehre von der Identität der verschiedenen erg ek Gifte. Zwar unternahm es der englische Arzt John Hunter, experimentell die Frage durch Verimpfung der Sekrete der verschiedenen Geschlechtskrankheiten oE zu klären, aber er deutete, wie wir jetzt wissen, die Ergebnisse in falschem Sinne. ' Er verimpfte nämlich Sekret einer von ihm als Tripper angesehenen Affektion und - erzielte ein typisches syphilitisches Geschwür mit nachfolgenden Drüsenschwellungen. ©.E8 ist anzunehmen, daß Hunter von einem tripperkranken Syphilitiker oder viel- leicht von einer syphilitischen Induration der Harnröhrenmündung abimpfte. Es ntstand so die Huntersche Identitätslehre der Gonorrhoe und Lues. Diese Irr- 56* den Schriften. des Alreriooe, namentlich den erotischen, finden sich viele SER ‚einer Pandemie. Dann überzog sie die ganze Welt und wurde überall eine. Geschicht- liches. 864 9. are R } jr erhielt sich trotz ihrer einwandfreien Widerlegdug durch Kxperimänte ‚von Benjamin Bell bis in das 19. Jahrhundert. Erst Ricord beseitigte sie endgültig, indem er durch zahlreiche Impfversuche und genaue klinische Untersuchung die Verschiedenheit des Trippers von der Syphilis nachwies. Obwohl auch Ricords Schlußfolgerungen noch manche Irrtümer enthielten, so z. B. die Annahme einer ätiologischen Einheit von Uleus durum und Uleus molle und der Nichtinfektiosität der sekundären Syphilis, hatte die Forschung doch nun feste Grundlagen, auf denen die Experimentatoren ' weiter bauten. v. Rinecker, Anonymus und Wallace stellten die Infektiosität der Syphilitiker auch während der sekundären Periode ni Krankheit fest, und Clerc, Basserean, Rollet, v. Bärensprung, Zeissl u. a. be deten experimentell die Lehre von der ätiologischen - Verschiedenheit des harten und weichen Schankers und der Abgrenzung des Trippers von beiden. Die ätiologische Forschung brachte weitere Fortschritte, als im Jahre 1889. die‘ Ätiologie des Ulcus molle von Duerey durch Entdeckung des nach ihm benannten Streptobazillus geklärt wurde. Nach dem Erreger der Syphilis ist angesichts der offenkundigen Infektiosität dieser Krankheit schon seit langer Zeit eifrig geforscht worden. Schon im 17. Jahrhundert sahen Athanasius Kircher (1658) und David Abercromby kleinste Lebewesen als das Contägium animatum der Syphilis an. 2. die Verbesserung der optischen Hilfsmittel eingehendere Studien ermöglichte, wurden eine ganze Anzahl Mikroorganismen der verschiedensten Art als Erreger der Lues angesprochen. Aber einer strengen Kritik haben alle diese Angaben nicht Stich gehalten. So konnten z.B. die säurefesten Stäbchen, die Lustgarten in syphilitischen Produkten nachgewiesen hatte, bei Nachprüfungen’ als regeimäßige Befunde nicht anerkannt werden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß es sich hier um Smegma-. bazillen gehandelt hat. Die Angaben von van. Niessen, der ziemlich große Bazillen als Erreger der Lues beschrieben hat, sind nicht ernst zu nehmen. Siegel fand im Blute und im Organsaft der erkrankten Gewebe bei syphilitischen Menschen und Affen ,—1yg große, zuweilen auch kleinere, meist birnförmig gestaltete, mit Geißeln versehene Gebilde, die er als Protozoen ansah und: als „Cytorrhyetes luis“ bezeich- nete. Aber auch diese Befunde konnten nicht bestätigt werden. Es handelt sich hier um nichtspezifische Elemente, die auch in normalen menschlichen und tieri-. schen Geweben und Flüssigkeiten vorkommen. Auch Spirochäten waren als Ursache der Syphilis von Schwediam und Donne um 1830 beschrieben worden; aber es aa . delte sich hier, wie Rille und E. Hoffmann bewiesen haben, um ‚harmlose ei phyten, die Spirochaeta refringens. ‘Einen wichtigen ‚Fortschritt in der Erforschung der Syphilis stellte de von Metschnikof und Roux erbrachte Nachweis dar, daß durch Verimpfung mensch- licher syphilitischer Krankheitsprodukte auf Affen eine der menschlichen re is: ‚ ähnliche und von Affe zu Affe weiter verimpfbare Krankheit entsteht. Durch 1907 gelungene Übertragung der Syphilis auf Kaninchen, bei der zunächst ( e Impfung in die Kornea, dann in die Haut und Schleimhaut der Genitalorgane erfolgreich war, wurde dann (Bertarelli, Truffi, Uhlenhuth) die Möglichkeit ; geben, die Experimentalforschung an einem auch in Europa leicht zu beschaffend ‚Versuchstier durchzuführen. . Es war dadurch auch die Grundlage für die noch I erwähnenden chemotherapeutischen Versuche von P. Ehrlich geschaffen. on Im Jahre 1905 entdeckte Schaudinn im Gewebssaft einer syphi- litischen Papel eine außerordentlich zarte Spirochäte, die er we ihrer schlechten Färbbarkeit mit Anilinfarben „Spirochaeta pallida“ na ‘ Nach Metschnikoffs Angabe haben Bordet und Gengou diese Spirochäte bereits Schaudinn gesehen, aber für etwas Zufälliges gehalten und nicht weiter verfol; In gemeinsamer Arbeit mit E. Hofmann hat Schaudinn dann das Vorkommen Spirochaeta pallida auch in anderen syphilitischen Manifestationen eingehend diert und sie auch in Primäraffekten, syphilitischen Leistendrüsen usw. ge Der weitere Ausbau des Spirochätennachweises ist Gegenstand äußerst zahlrei Untersuchungen zuerst von E. Hoffmann, nach ihm von den Syphilidslogen £ aller Länder gewesen. Die ätiologische Bedeutung der Spirochaeta pallida ist, weı auch gewisse Fragen noch der endgültigen Lösung harren, über allem Zwei erhaben. In den Primäraffekten und den Krankheitsprodukten der sekund Periode dieser Infektionskrankheit wird sie fast stets gefunden. Ihr Nachweis deshalb von großer diagnostischer Bedeutung vor allem für das Frühstadium Schankers geworden. Aber auch bei der tertiären Form und ebenso bei heredi Syphilis, bei Paralyse und Tabes konnte sie nachgewiesen werden. Die Zahl positiven Befunde und ebenso die der negativen KO ONERTIIEE EEE bei Ge- Syphilis und Framboesie. Be 865 a an anderen Kränkheiten Tnitenden ist so groß, daß die Spirochäte als ger der Syphilis mit Sicherheit angesehen werden kann, zumal neuerdings ens, Hoffmann, Noguchi, Grouven, Sowade, Arnheim u.a. das letzte der - Postulate — die Kultivierung und erfolgreiche Verimpfung der Rein- n — erfüllt ist. Bei anderen Krankheiten, die zweifellos nichtsyphilitischen £ ‚sind, ‚werden Spirochäten mit allen für die Spirochaeta pallida charak- en nie gefunden. Ein letzter Beweis für die alleinige Rolle der als Virus der Syphilis ist in der Heilungsmöglichkeit der Syphilis durch SUR 72 . ; ‘Die Spirochaeta pallida (Taf. 68 u. 69) ist ein spiraliges Ge- Bu lesen Länge im Mittel 6—15 «, in selteneren Fällen aber bis zu 26 » beträgt. Ihre Dicke ist kaum meßbar, sie beträgt eise bis etwa !/,v. Die Zahl der Windungen schwankt n 630. Die Windungen, die im einzelnen etwa */,—?/; y. breit se an Höhe ab. Die Enden der. Spirochäte sind leicht zugespitzt und weisen zuweilen 1, oder seltener auch 2 fadenförmige Fortsätze auf. noch. nicht festgestellt werden. Schaudinn gab an, daß ihr Querschnitt n cht bandartig, sondern kreisrund se. > ‚Untersucht man Gewebssaft aus nicht ülzerierten syphilitischen - Primäraffekten im: ungefärbten Zustande mit: der Ölimmersion am zweckmäßigsten bei Dunkelfeldbeleuchtung —, so kann man fest- ‚stellen, daß die Spirochäten eine Sehr charakteristische Eigen- be wegung aufweisen, dje unter Umständen recht lebhaft sein kann. ‚Sie t in einer Rotation um die Längsachse und in Beugebewegungen des ‘ganzen ‚Körpers. . Auch Ortsveränderungen durch Vor- und Rück- % gleiten um das Mehrfache der Eigenlänge sind zu beobachten. Fdisödien selbst urteilte über die ‚morphologischen Eigentümlich- E eiibe: der Syphilisspirochäte folgendermaßen: „Bei vergleiehenden Untersuchungen findet man-bald heraus, daß die in rein syphilitischen Produkten allein vorkommende E. jaeta pallida nur eine geringe Variationsbreite besitzt und. im Gegensatz zu den meisten übrigen bekannten Spirochäten leicht zu charakterisieren ist. Am leben- den Objekt-ist die Unterscheidung von’ anderen Formen bei einiger‘ Übung wohl am E- n; die Zartheit und das geringe Lichtbreehungsvermögen der Spirochäeta pallida, vereinigt mit der charakteristischen Gestalt der 'Spirale mit engen, tiefen, regelmäßigen meist zahlreichen (10—26) Windungen, sind kaum mit:anderen Objekten Zi ı verwechseln. Die Hauptsache ist aber, daß man am lebenden Objekt erkennen kann, daß der Organismus diese typische Spirale nicht nur im Zustande der Bewe- ang, sondern auch beim Stillstehen aufweist, während alle übrigen ähnlichen Spi- -rochäten die spiralige, mit engen Windungen versehene Einrollung nur während der lebhaftesten Bewegung ‘zeigen, in der Ruhe aber in die flachgewundene, mehr der $: Linie sich nähernde Gestalt zurückkehren. Das eigentümlich starre, man E önnte sagen, gedrechselte Aussehen der Spirochaeta pallida beruht aber darauf, dal nn Spirale bei ihr präformiert ist und nur gelegentlich bei Schädigungen auf- ‚das spezifisch auf Spirochäten wirkende Heilmittel Paul Ehrlichs, . Spirochaeta pallida. Morphologie und Beweg- lichkeit. ‚Ob auch die. Syphilisspirochäte, ebenso wie manche größere Spirochäten- - arten, eine undulierende Membran besitzt, konnte mit Sicherheit bisher 1 in ben wird, während umgekehrt die übrigen Former’ die enge Spirale nur gelegen _ ei lebhafter Rotation bilden, um bei Rückkehr zur Ruhe sich zu strecken.“ Wenn man die Präparate durch Umranden der Deckgläschen mit Wachs gut gegen Austrocknung und gegen den Zutritt der Luft schützt na sie im Brutschrank bei 37° C aufbewahrt, findet man noch nach vielen Stunden die Spirochäten in Form und Beweglichkeit unverändert vor. Zur Verdünnung des Gewebssaftes wird am besten mit physiolo- Fischer Raksaleliuung: oder RIOSE INNE verdünntes Blutserum von 860 49. Vorlesung. ee i Färbbarkeit. ‘ reiteten und gut gemischten Lösung von 10. Tropfen Giemsalösung in 10 cem Ag. dest. . Wasser abspülten. und .die Eigenbewegung schnell in erheblichem Grade. ja auch den Namen „pallida“ eingetragen. Wir können nicht alle die ‚sicheren Auffindung dieses Mikroben empfohlen worden sind, wollen uns ‘Spirochäten erscheinen in grünlich-bläulichem Lichte und heben s Menschen, Kaninchen oder Pferden benutzt: Glyzerin schädigt die Form Das färberische Verhalten der Spirochaeta pallida ist insofern besonders charakteristisch, als sie die Farblösungen sehr viel schwerer annimmt als andere Spirochäten. Diese Eigenschaft hat ihr zahlreichen Färbeverfahren beschreiben, die zu einer schnellen und vielmehr auf die wichtigsten und allgemein gebräuchlichen beschränken. Zur Färbung von Gewebssaft-Ausstrichpräparaten eignet sich am besten - die Giemsasche Methode. Die sehr dünn -ausgestrichenen Präparate werden ‘zur Fixierung entweder 15—20 Minuten lang in Alkohol absolutus gelegt oder aber für einen Augenblick Formalin- oder Osmiumsäuredämpfen ausgesetzt. Bei der letzt- genannten. Art der Fixierung soll die Form der Spirochäten am wenigsten verändert werden. Die frisch bereitete Farblösung muß mindestens 1 Stunde einwirken, doch ist eine 4—6—12stündige Färbung meist vorzuziehen. Haben sich störende Nieder- schläge gebildet, so können diese nach Neumanns Angaben durch kurzes Abspülen mit 90proz. Alkohol und kurze Nachfärbung mit Giemsalösung beseitigt werden. Nach Weidenreichs Erfahrungen soll sich Niederschlagsbildung ganz vermeiden lassen, wenn man die zu beschickenden Objektträger schon vor der Herstellung des Aus- striches mit Osmiumdämpfen präpariert. Empfehlenswert ist ferner das Herxheimer- sche Verfahren, das in 15 Minuten langer Einwirkung heiß gesättigter filtrierter ” Gentianaviolettlösung besteht, und die Fonzanasche Versilberungsmethode (s. S. 832). Sehr gute Bilder liefert die von Ruppert angegebene Methode: Dünne Aus- strichpräparate werden nach guter Trocknung an der Luft 1—2 Minuten in Rugescher Lösung A (1'0 Eisessig, 20'0: Formalin, 100'0 Wasser) fixiert und nach Wasser- spülung mit gesättigter wässeriger Brillant-Reinblau-8-G-Extraktlösung übergossen. Nach Aufkochen, Abkühlung und Wasserspülung erfolgt Nachfärbung der Präparate mit verdünnter Ziehlscher Lösung (1:5) für 3 Sekunden. EWR Fi Von den sogenannten „Schnellfärbungen* sei die von Giemsa empfohlene Methode erwähnt. Man übergießt die dünnen, durch dreimaliges vorsichtiges Durch- ziehen durch eine mittelstarke Gasflamme fixierten Ausstriche:mit einer frisch be- und erwärmt diese hoch über einer Gasflamme vorsichtig bis zur Dampfentwicklung. ° Die Farbflüssigkeit soll ?/, Minute einwirken und-wird dann abgegossen. Unter Aufträufeln neuer Farblösung. wird diese Prozedur 3—4mal wiederholt, nur mit dem Unterschiede, daß man das Farbgemisch das letztemal 1 Minute lang auf dem Präparat läßt. Oppenheim und Sachs erzielten gute Resultalte, indem sie die möglichst dünnen Ausstrichpräparate ohne Fixierung mit.einer Mischung ‚aus 10cem konzentrierter alkoholischer Gentianaviolettlösung und 100 cem Ö5proz. wässeriger Karbolsäurelösung langsam bis zur Dampfbildung färbten und dann vorsichtig mit Die Syphilisspirochäten weisen in den Präparaten, die mit Giemsa lösung gefärbt wurden, eine differentialdiagnostisch wichtige (s. S. 872 Rotfärbung, bei der Verwendung von Gentianaviolett aber einen violette Farbton auf. Der Gramschen Methode gegenüber verhalten sie sich negativ. Sehr gut geeignet für das Auffinden von gefärbten Spirochäten ist das sog. Leuchtbildverfahren von E. Hofmann (s. Vorlesung 1). Di scharf vom Untergrunde ab. Eine brauchbare Methode zum Studium der Morphologie und zum Nachweis der Spirochäte ist auch das Burrische” Tuscheverfahren. An Stelle der Tusche kann auch das kolloidale Silber (Kollargol) benutzt werden. Bi Für den Nachweis der Syphilisspirochäte in Schnitten hat sich besonders das Verfahren Levaditis bewährt, das (nach Hoffmann) folgendermaßen ausgeführt wird; Die Fixierung geschieht mit Formalin (149 Wasser) und ist nach 24 Stunden vollendet; längerer Aufenthalt schadet nichts. Älteres und anders fixiertes Material bringt man noch einmal für 24 Stunden in frische Formalinlösung. Kleine, bis E Syphilis- und Framboesie. 867 ‚ höchstens 2 mm dicke Scheiben werden zunächst über Nacht in 95proz. Alkohol ; am folgenden Morgen kommen sie in destilliertes Wasser, das mehrmals Be ch elt wird, bis sie zu Boden sinken (10-15 Minuten). Dann werden sie in ‚eine- 100 ccm fassende, weithalsige, dunkle Flasche mit Glasstöpsel gebracht, die 15— . Silbernitratlösung enthält, und hierin im Brutschrank bei 35—37°C -5 Tage belassen. Hierauf wird nach "Abgießen der Argentumlösung die am besten | smal frisch bereitete Reduktionslösung (Pyrogallol 40, Formalin 5cem, Ag. dest. 00:0) über ‚die in derselben Flasche Heihenden Stückehen gegossen, um bei Zimmer- temperatur in 24—48 Stunden die Reduktion zu vollenden. Manche Autoren emp- fehlen, sowohl die Argentumlösung als auch die Reduktionsmischung täglich zu wechseln. Nach Vollendung der Reduktion wird kurze Zeit mit destilliertem Wasser rewaschen, dann in Alkohol von steigender Konzentration entwässert und in Paraffin eingebettet. — Noch bessere Resultate gibt die Argentum-Pyridin-Methode nach zditi und Manouelian. Hier kommen die Organscheiben, die in gleicher Weise, ‚ eben beschrieben, fixiert und gehärtet wurden, in eine jedesmal frisch zu be- ‚reitende Mischung von 90cm 1—15 öproz. Silbernitratlösung und 10ccm reinstem ‚Pyridin. In dieser Mischung werden sie in einer dunklen, mit Glasstopfen gut ver- ; Flasche 2—3 Stunden bei Zimmertemperatur und dann noch weitere 3—5 Stunden im Paraffinschrank bei 45—50°C gehalten. Dann wird diese Lösung 'abgegossen und, ohne vorherige Abspülung der Präparate mit Wasser, durch die Reduktionslösung ersetzt. Letztere ist stets unmittelbar vor dem Gebrauch herzu- stellen durch Mischung von 30 ccm einer 4proz. Pyrogallollösung mit 10 ccm reinen Azetons und Zugabe von 15ccm Pyridin zu 85cem der Mischung. Sie muß bei Zimmertemperatur etwa 12 Stunden einwirken. Darauf Abspülung mit Wasser, -in steigendem Alkohol und. Paraffineinbettung. Es empfiehlt sich, die -- Sehnitte, die etwa 5—8p dick sein sollen, mit Unnablau oder Toluidinblau nach- E zufärben und dann mit Ätherglyzerinmischung nach Unna zu differenzieren. Eine derartige Nachbehandlung ist aber nicht unbedingt notwendig. Die Spiröchaeta pallida zeigt in Ausstrichpräparaten eine gewisse Beziehung zu den Blutkörperchen;-sie wird sehr oft diesen an- oder aufliegend gefunden. Nach’ Schaudinn kann sie auch in die Zellen des treten. Auch in die Ganglienzellen des Gehirns und wahrscheinlich auch in Zellen der verschiedensten Organe dringt die Spirochäte ein, wie an ER iGoräparaten nachgewiesen ist. Die Spirochaeta pallida vermag bakteriendichte Tonfilter nicht zu en ai Baermann, Uhlenhuth. und Mulzer u. a. überein, die fest- stellten, daß Filtrate von Aufschwemmungen syphilitischer Gewebe im - Tierversuch unwirksam sind. B: - Die Züchtung der Spirochaeta pallida auf künstlichen Nährmedien 3 ist zuerst Schereschewsky geglückt, der allerdings zunächst Mischkulturen von Spirochäten und Bakterien in halberstarrtem Pferdeserum erhielt. _ Reinkulturen gewann als erster Mühlens und züchtete sie weiter. Noguchi e Bahd nach ihm W. H. Hoffmann, Grouven und Sowade, Arnheim erzielten : - durch Verimpfung von Reinkulturen der Spirochaeta pallida bei Kaninchen - syphilitische Veränderungen. Diese Befunde sind später von F. Levaditi, Boas, Tomaszewski u. a. bestätigt -und durch weitere Versuche ergänzt = worden. E Für die Züchtung. sind verschiedene Nährböden angegeben worden. Schere = schewsky brachte spirochätenhaltige Gewebsstückchen in halberstarrtes Pferdeserum, - ließ es erstarren und bewahrte die damit beschickten Röhrchen bei 37°C auf. Nach 5—12- Tagen läßt sich in dem teilweise durch die Begleitbakterien verflüssigten - Nährboden eine Vermehrung der Spirochäten nachweisen. Noguchi brachte Gewebs- stückehen in einen Aszitesagar von schwach alkalischer Reaktion (2 Teile 2proz. 'Agar auf 1 Teil Aszitesflüssigkeit), dem ein. Stück frischen Kaninchenhodens oder ' Niere zugesetzt ist. Der Agar wird in hoher Schicht in Reagenzgläser gefüllt, mit _ dem zerkleinerten Gewebsmaterial beschickt und mit Paraffin überschichtet. Andere kranken Gewebes eindringen und demnach als Zellschmarotzer auf- | - passieren. Es stimmt diese Tatsache sehr wohl mit den Erfahrungen von . Biologisches Verhalten. 868 49. Vorlesung. Autoren haben’ ähnliche, mit Serum oder Organflüssigkeit en Nährböden angegeben. Ungermann erhielt in seinem Spirochätennährboden (s. S. 804) den Syphiliserreger bis zu 10 Tagen und durch 5 Nährbodenpassagen lebensfähig. er sah lebhafte Teilungsvorgänge und konnte in den ersten 24 Stunden durch Aus- zählung auch eine unzweifelhafte Vermehrung der Spirochäten durch Zwei- und Mehrfachteilung feststellen. Die frühzeitig einsetzende Degeneration überwog aber bald die Vermehrungstendenz, sodaß die Gewinnung einer unbegrenzt fortpflanzbaren Kultur, wie sie bei der Spirochaeta ieterogenes, den Rekurrensspirochäten tun] der Hühnerspirochäte gelang, in flüssigem Serum bisher: nicht ‘möglich war. = Die Züchtung der Spirochaeta pallida gelingt nicht bei jedem Falle von er sondern nur unter gewissen Voraussetzungen und erfordert Übung, ‚Da die Erf: * gezeigt hat, daß nur in einem Bruchteil der mit Gewebe beschiekten Röhrchen, die ni vor dem Züchtungsversuch auf ‚Sterilität geprüft werden, eine Spirochätenkultur auf- geht, ist es notwendig, stets 20—30 Röhrchen zu impfen. Das Ausgangsmaterial muß gut bewegliche Spirochäten enthalten und gut zerkleinert werden. Die Gewin- nung der Spirochaeta pallida aus den ersten, stets mit Bakterien gemischten Kul- turen geschieht meistens- nach‘ dem Prinzip des Verdünnungsverfahrens, wie es 'Mühlens zuerst empfahl und Sowade verbesserte, in Serumagar (2 Teile Agar und 1 Teil iraktivierten Pferdeserums) oder aber nach einer Methodik, die W. H. Hoffmann zuerst anwandte. Hoffmann beobachtete, daß in Mischkulturen von Bakterien und Spirochäten in der äußersten Randzone sich fast nur Spirochäten finden, die: sich in den festen Nährboden weit. hineinbohren. Es lassen sich Reinkulturen gewinnen, wenn man von diesen, oft leicht hauchig getrübten Partien des Agars kleine Mengen auf eine größere Anzahl frischer Röhrchen überträgt. Fast jeder Forscher, der Reinkulturen der. Spirochaeta allida- gewonnen hat, mußte, ehe er zu einem Resultate gelangte, viele ver- gebliche Züchtungsversuche anstellen, und. auch: diejenigen, welche die von anderen angegebenen Methoden nachprüften, machten die gleiche Erfahrung und gelangten vielfach zu Modifikationen, mit denen, ihnen selbst die Züchtung gelang, anderen, ‚die sie nachprüften, aber nicht. Eine ganz sichere und zuverlässige Technik der. Kulti- 5 vierung der Spirochaeta pallida auf künstlichen Nährmedien gibt es bisher nicht. Die Gewinnung von Reinkulturen gelingt nicht mit gleicher Regelmäßigkeit wie bei den Bakterien. Namentlich ver- sagt die‘ Fortzüchtung der erhaltenen Kulturen sehr leicht. Wegen der: Wichtigkeit, die unter Umständen gerade die Technik der Rein- züchtung der Spirochaeta pallida haben kann, ist ein weiteres eier dieser Frage. notwendig. Über die Kulturen des Syphiliserregers und das morphologische und biologische Verhalten der „Kulturspirochäten“ seien hier eine Anzahl Charakteristika mitgeteilt, obwohl betont werden muß, daß die Angaben der Autoren noch in wichtigen Punkten vielfach auseinander gehen. Die Spirochaeta pallida gedeiht nur unter ana@roben Verhältnissen, in erster Generation am besten mit Bakterien, und bildet im 3 sowohl abgegrenzte zarte Kolonien wie hauchige Trübungen. Mühlens vergleicht die Einzelkolonien, die in Stichkulturen am häufigsten sind (Taf. 68, Fig. 4), mit denen des Schweinerotlaufbazillus. Die Reinkul- turen sind völlig geruchlos; angeblicher übler Geruch ist wohl stets: Begleitbakterien zurückzuführen. Streng anaörobe Bedingungen s besonders für die Züchtung in flüssigen Nährböden erforderlich, En Serum oder Blut als Zusatz erhalten müssen. i Die Morphologie der Kulturspirochäten (Taf. 68, Fig. 5) wird von den einzelnen Autoren ebenso different angegeben wie das biologisch Verhalten der Kulturen. Offenbar spielen Unterschiede in der Zusamme setzung des Nährbodens für das morphologische Verhalten der Spirochät .; z) Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 68, Fig. 1. Fi Spirochaeta pallida. Spirochaeta euniculi. Vergr. :@0/,. Vergr. 199,,. Sp'rochaeta pallida im Gehirn eines Paralytikers (Schnittpräparat). Fig. #. Fig, 5. altır der Spirochaeta pallida in hoher Schicht. Ausstrich aus einer Reinkt Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Syphilis und Framboesie. 869 eine große Rolle. -Der Grundtyp der normalen „Kulturspirochäten“ ent- | El ben, der „Gewebespirochäten“, doch scheinen auch Abweichungen 29 u. selten vorzukommen. Inwieweit diese, namentlich das Auftreten ze ten „Refringenstypus“ der Pallida-Kultur (vergl. die Be- ‚schreibung der Spir. refringens auf S.872) und die Vielgestaltigkeit der | chäten (dünne, zarte, kürzere und dickere, längere Formen mit bald flacheren, bald steileren Windungen) neben dem charakteristischen idatypus“ auf Mischinfektionen mit anderen Spirochäten (z. B. der pirochaeta refringens) oder auf die Zusammensetzung des Nährbodens zurtekzuführen sind, bedarf noch der Klärung. . - - Die Tierpathogenität, der Kulturspirochäten ist ‚bei Affen und Kaninchen gere wieder von den einzelnen Untersuchern mit ver- e- Erfolg. Mit Mischkulturen (Bakterien und Spirochäten) E 1. und 2: ion erzielte Sowade bei intrakardialer Infektion von aninc Allgemeinsyphilis mit Papeln, Drüsenschwellung und Iritis. ewski konnte Tiere mit. Mischkulturen auch nach viermaliger tung noch infizieren.. Mit Reinkulturen .1. und 2. Generation haben Noguchi, Bruckner und Galasesco bei Kaninchen Hodensyphilis, bei Affen Primäraffekte an der Gesichtshaut erzielt. W. H. Hoffmann onnte aus einer von ihm. mit Reinkultur erzeugten Hodensyphilis die ir .pallida wieder züchten. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß an der Hhchen: j er, die Spirochaeta pallida rein zu züchten, nicht mehr zu zweifeln ist, und daß die mit den Reinkulturen erzielten - positiven Impfergebnisse neue Bausisuiktel für ihre ätio- logische Bedeutung darstellen. E 7.Die: Spirochaeta pallida Schaudinn wurde bei 'einwandfreier ad in den Krankheitsprodukten aller Stadien der erworbenen Syphilis und ebenso bei hereditärer Syphilis, fast ‘konstant bei den spätsyphilitischen oder sog. parasyphilitischen ee eennen des Zentralnervensystems, der progressiven : Paralyse und der Tabes dorsalis in den zur Untersuchung geeigneten Fällen gefunden. Nicht nur im Gewebssaft des Primäraffektes und in den geschwollenen regionären Lymphdrüsen, sondern auch in ‘allen Manifestationen der sekundären Lues ist der Nachweis verhältnismäßig - leicht zu erbringen. Allerdings muß man sich die für diese Untersuchungen notwendige Übung und Ausdauer angeeignet haben. Die Unterschiede des Spirochätengehaltes der verschiedenen syphilitischen Krankheits- produkte sind sehr groß. Am reichlichsten wird die Spirochaeta pallida - in den Primäraffekten und zugehörigen Bubonen und in den Papeln der E enadärperiode gefunden, am spärlichsten in den tertiären Syphiliden. Sehr zahlreich findet man sie auch bei hereditärer, tödlich verlaufener - Ines: in den inneren Organen. Über die Befunde der Syphiliserreger im strömenden Blut lauten die Angaben der Autoren sehr verschieden. ° Anscheinend sind sie dort nur in geringer Zahl und vielleicht auch nur zu bestimmten Zeiten vorhanden, sodaß die Untersuchung sehr häufig negativ ausfällt. Daß aber das Blut die Erreger enthalten kann’ und muß, steht absolut fest und wird auch dureh den Verlauf der Infektion 3 (Roseola) und durch die Erzeugung aligemeiner Syphilis bei jungen .: Kaninchen, die mit Blut von frischen Fällen sekundärer unbehandelter Fundorte beim Kranken. 870 49, Vorlesung. Lues geimpft waren, bewiesen. Die maltiple Entstehung. der Roseola kann eben nur durch Aussaat der Spirochäten auf dem Blutwege erklärt werden. Der Nachweis der Syphilisspirochäte ist, und zwar mehrfach schon vor Ausbruch der Roseola, in Ausstrichpräparaten des Blutes einwandfrei erbracht worden. Zudem gelang es E. Hofmann, durch Ver- impfung des Blutes von Kranken auf, Affen festzustellen, daß schon in der 6. Woche nach der Infektion, also mehrere Wochen vor Ausbruch der Sekundärerscheinungen, das Virus im zirkulierenden Blute enthalten ist. Ebenso wie im Blute lassen sich auch im Milzsaft, in dem Serum ‚von Blasen, die durch Kantharidenpflaster an den verschiedensten Stellen der Haut erzeugt werden, in einzelnen Fällen auch im Sperma Syphilitischer Spirochäten nachweisen. Bei Lues maligna sind im Ver- hältnis zu. den schweren Allgemeinerscheinungen und den meist aus- gedehnten Syphiliden nur spärliche Spirochäten vorhanden. - Schwierig schien anfangs die Erklärung der Mißerfolge, die bei der Untersuchung der Produkte der Tertiärsyphilis beobachtet wurden. Aber systematische Untersuchungen von Doutrelepont und Grouven, Tomasczewski, Finger und Landsteiner, Neisser, Hofmann u.a. haben ergeben, daß auch im Gumma Spirochäten zu finden sind, Ihre Zahl scheint dort allerdings meist sehr gering zu sein. Nach den Feststellungen von Finger und Landsteiner erhält man positive Befunde hier leichter, wenn man das junge, noch lebensfähige Gewebe ‘des Randinfiltrates des Gumma als Objekt wählt; in den zerfallenden Massen des Zentrums scheinen sie meist abgestorben zu sein. In den Organen hereditär-syphilitischer Föten wurde die Spirochaeta pallida schon sehr bald nach ihrer Entdeckung von Buschke und Fischer nachgewiesen, deren Befunde dann allseits bestätigt warten (Taf. 67, 4 Fig.5 und 6). Wir sehen also, daß in keinem der Krankheitsprodukte, die nach der klinischen Be Erfahrung mit der syphilitischen Infektion in ursächlichen Zusammenhang zu bringen sind, der Schaudinnsche Parasit vermißt wird. In den tieferen Gewebsschichten der syphilitischen Manifestationen wird er allein ‚gefunden, sodaß auch die Annahme, Es daß er vielleicht, ähnlich wie z. B. die Streptokokken beim Scharlachfieber, . ein sehr häufig anzutreffender Begleitmikroorganismus- neben dem noch nee Ä spezifischen Virus sei, keine Berechtigung hat. Für seine ätiologische Bedeutung 5 spricht weiterhin als sehr wesentlicher Faktor der regelmäßige Befund des Parasiten bei der experimentellen Affensyphilis, bei der er in den charakteristischen Krankheits- produkten auch dann nicht vermißt wird, wenn das Virus in langer Passagereihe von Affe zu Affe übertragen ward. Der von verschiedenen Seiten gegen die Spezifizität der Spirochaeta pallida erhobene Einwand, daß es sich um einen ubiquitären Schmarotzer handle, der unter besonderen Umständen von der Körperoberfläche aus in die Ge- webe eindringe, wird dadurch entkräftet, daß bei Gesunden oder an nichtsyphilitischen Krankheiten Leidenden Spirochäten mit den charakteristischen Eigenschaften der Pallida niemals gefunden worden sind: Die in der ersten Zeit nach der Schaudinnschen Entdeckung yon verschiedenen Seiten aufgestellten gegenteiligen Behauptungen haben sich als falsch herausgestellt. Bei sorgfältigem Studium der von einigen Autoren angeblich in gesunden Organen von Tieren gefundenen „Syphilisspirochäten“ haben sich von geübten Untersuchern stets Unterschiede gegenüber der Spirochaeta pallida feststellen lassen. Auch das konstante Vorkommen der Pallida in den inneren Organen, den spezifischen Exanthemen (Pemphigusblasen) und im Blute kongenital, syphilitischer Kinder, ihr Nachweis im Gehirn bei Paralyse und Tabes bildet ein sehr bedeutungsvolles Glied in der Kette der Beweismomente. Die Tatsache, daB Syphilismaterial mittels Filtration durch Bakterienfilter, die auch Spirochäten zurück- halten, seiner Infektiosität beraubt wird, ist ein Beweis dafür, daß ein ultravisibles Virus neben der Spirochaeta pallida keine Rolle bei der Syphilis spielt. Endlich ist, -wie schon erwähnt, die Wirkung der Salvarsanpräparate, der Spezifika gegen > Er ee und Erauchosnie, | 871 ocl te FE auf die Spirochaeta pallida, kenntlich an dem Verschwinden en aus den pathologischen Veränderungen und dem damit parallel ver- ne ein endgültiger’Beweis, daß allein die Spirochaeta pallida = und nur diese die Ursache der Syphilis ist. BR Erfahrungen klinischer und pathologischer Art, die mit ne dab die Syphilis eine Spirochätenkrankheit 1e ganze Reihe von Fragen bezüglich der Pathogenese, deren Klärung eiteren Studien vorbehalten bleiben muß. Stichhaltige Gründe für die ich diskutierte und auch von Schaudinn vertretene Annahme, daß die Sp eta pallida im infizierten Organismus zeitweise auch in Form _ anderer Entwicklungsstadien vorkommen müsse, sind nicht mehr Je} Area die anfangs ergebnislosen Bemühungen des Nach- E Dr Nachweis der Spirochäten ist diagnostisch von großer = ale De für die Erkennung zweifelhafter Fälle und leistet Be e- Dienste besonders auch bei der Frühdiagnose: Maßgebend für den Erfolg der Untersuchung ist die richtige Auswahl des Unter- sets und die Methode für dessen Entnahme. In dem Sekret von ulzerierten Primäraffekten und Papeln kann "man oft schon durch gewöhnliche Ausstrichpräparate von der Oberfläche positive 5 Panda erzielen, doch ist diese Methode im- allgemeinen wenig zuverlässig. Bessere FRpe: erhält man, wenn man die Wundfläche unter Bespülung mit steriler Koch- lange reibt, bis reichlich Serum hervorsickert. In diesem aus den tieferen "Schie ten der Sklerose stammenden „Reizserum“ und ebenso in dem „Geschabe“, das man durch Abkratzen des Geschwürsgrundes mit‘ einem Platinspatel erhält, ‚ lassen sich meist reichliche Spirochäten finden, ohne daß andere Mikroorganismen i einer Bierscher Saugkappen, die er auf die ulzerierten Stellen aufsetzte, Spirochäten- nachweis. mit 'sterilen Tupfern gut reimigt und dann mit einer starken Platinöse Zahl das Bild wesentlich stören (Taf. 67, Fig. 3). Zabolotny hat mittelst _ ten in großer Menge und geradezu in Reinkultur mühelos erhalten können in Fällen, bei denen die anderen Methoden nur wenige Spirochäten ergaben (sog. Sangmethode"). Offenbar wurden durch die starke Saugwirkung auch aus den us spirochätenreicheren Gewebsschichten .die Parasiten an die Oberfläche ge- _ bracht. Sind die Sklerosen bereits mit Kalömel, Jodoform oder dergl. behandelt, so ist die "Untersuchung erst nach gründlicher Entfernung der Antiseptika und mehr- NZ Abwarten aussichtsvoll. Intakte Effloreszenzen (Papeln der Haut und u -Schl eimhäute, Roseolaflecken) werden zweckmäßig derart untersucht, daß - mach gründlicher Reinigung die Epidermis mit einem scharfen Skalpell entfernt wird (sog. „Geschabemethode“ nach Mulzer). Stärkere Blutungen sind hierbei zu - vermeiden; es kommt vielmehr darauf an, daß man möglichst reinen Gewebssaft _ und aus der Tiefe austretendes Reizserum erhält. Das läßt sich auch durch tiefen Be; 'mittelst einer scharfen Platin-Iridiumnadel erreichen. Manche Untersucher Er 2 benutzen die seröse Flüssigkeit, die sie durch Quetschen mit einer Kornzange oder _ — Arterienklemme gewinnen, zur Untersuchung (sog. Quetschmethode“). Auch durch Pressen kleiner exzidierter Stücke von Primäraffekten und Papeln kann ein spiro- - chätenhaltiger Preßsaft erhalten werden. Für die Untersuchung des Drüsensaftes empfiehlt sich besonders die Punktion der Drüsen durch eine mit starker Kanüle armierte Spritze. Wenn man . die Drüsen mit der linken Hand gut fixiert und nach Einstechen der Kanüle durch _ die gut desinfizierte und dann mit sterilem Wasser abgespülte Haut leicht massiert, ‚erhält man durch Aspiration aus einer oder mehreren, von derselben Einstichöffnung aus erreichbaren Drüsen genügende Mengen Gewebssaft. Nach Erfahrungen von Hoffmann und Lipschütz sollen - die peripheren Teile der Drüse reichlicher Spiro- chäten aufweisen als die zentralen (Taf.67, Fig. 4). Der färberische Nachweis der Syphilisspirochäte im Blut gelingt ‚nach Noeggerath und Staehelin am besten, wenn man das aus einer Vene entnommene Differential- diagnostische Merkmale. 872 | 49. Vorlesung. Blut mit der 10fachen Menge '/,‚proz. Essigsäure versetzt, scharf zentrifugiert und aus den verschiedenen Schichten des Bodensatzes Ausstrichpräparate herstellt. Über die Färbung der Präparate hatten wir schon früher (8.866) gesprochen und auch betont, daß sich für den Praktiker vor allem die Untersuchung des frischen Materials bei Dunkelfeldbeleuchtung empfiehlt, weil diese besonders charak- teristische Bilder gibt und bei genügender Übung schnell zum Ziele führt. Auch das Burrische Tuscheverfahren und das nach einer der oben angegebenen _ Methoden gefärbte Präparat leistet gute Dienste. Die Unterscheidung der Spirochaeta pallida von anderen Spiro- chätenarten bietet keine besonderen Schwierigkeiten. Differential- diagnostisch sind namentlich einige Spirochätenarten zu 'beachten, die als Saprophyten auf der Haut und auf Schleimhäuten vorkommen und in Geschwüren und zerfallenden Gewebsmassen für ihre Vermehrung günstige Bedingungen finden. Bei Balanitis und Uleus molle, ferner in spitzen Kondylomen und in zerfallenden Karzinomen trifft man nicht selten derartige Formen an. Der Spirochaeta pallida am ähnlichsten ist von d:esen harmlosen Spirochätenarten die Spirochaeta refrin- : gens.(Taf.66, Fig. 4). Aber auch sie läßt sich für den Geübten unschwer von.der Pallida differenzieren. Sie ist dicker, hat weitere und flachere Windungen und ist mit gewöhnlichen Farbstoffen (Gentianaviolett, Karbolfuchsin usw.) leicht färbbar. --- Bei der Untersuchung iu lebendem. Zustande ist zu beachten, .daß infolge der Prä- Experimen- . telle Syphilis bei Tieren. Syphilis bei Affen. _ empfänglich, aber die höheren Affen in wesentlich höherems$ra die ‚niederen. Bei ersteren. läßt sich eine Infektion ohne”Desondere formiertheit der Windungen die Pallida die typische Spiralform auch während des Stillstehens beibehält, während andere Arten enge Windungen nur zur Zeit leb- hafter Bewegung aufweisen und in‘der Ruhe‘ eine mehr flachgewundene oder gar‘ fast gerade Gestalt zeigen. Im Ausstrichpräparat lassen sich prägnante Unterschiede am deutlichsten durch Anwendung der -Gremsaschen Färbemethode zum Ausdruck bringen. Hier zeigt die Pallida ‘eine deutlich rötliche bezw. bei Fixierung’ durch Farbstoffe leichter und intensiver aufnehmen, sehen blau aus. Osmiumdämpfe rotviolette Färbung, die anderen Spirochätenarten dagegen, ‘die alle Bis vor wenigen Jahren nahm man an, daß eine ‚Übertragung der Syphilis auf Tiere nicht möglich sei. Erst im Jahre 1902 fanden Nicolle und Hamonic, daß sich bei einigen niederen Affenarten (Macacus) durch Impfung mit syphilitischem Material Krankheitserscheinungen her- vorrufen ließen, die anscheinend spezifischer Natur waren. Im Jahre 1903 stellten dann Metschnikof und Roux fest, daß beim Schimpansen die - Impfung mit syphilitischem Gewebssaft regelmäßig zur. Bildung ört- licher und später ‘auch allgemeiner Infektionserscheinungen führt und auch eine Weiterimpfung von kranken Affen auf gesunde Affen den Ausbruch typischer primärer oder sekundärer syphilitischer Krankheits- erscheinungen zur Folge hat. Die Erscheinungen und der Verlauf der Affensyphilis sind dann, seitdem man durch den Spirochätennachweis die Verbreitung der Infektion ‘genauer verfolgen kann, Gegenstand eifriger Studien gewesen, die uns über eine große Menge klinisch, experimentell und namentlich therapeutisch wichtiger Tatsachen Auf- schluß gegeben haben. Außer den genannten französischen Autoren haben sich hier namentlich A. Neisser, v. Prowazek, Finger und Land- steiner und. bezüglich der. noch zu besprechenden Übertragung der ° ‚Syphilis auf Kaninchen Bertarelli und Truffi, Uhlenhuth und Mulzer; Delbanco und Graetz Verdienste erworben. Die Erscheinungen und der Verlauf der Affensyphili: wurden a zunächst in -Batavia von Neisser und v. Prowazek in umfaägreichen Versuchen: studiert. Sämtliche Affen sind für die Syph Schwierigkeiten. an den verschiedensten Körperstellen dadurch hervor- rufen, daß man das Virus einfach in kleine Hautwunden einreibt. Es gb Ah U Re 20 Da a ara ai „ Brohilie und Framboesie. 873 Eile dann: ein ER Primäraffekt. Bei niederen Affen dagegen erzielt man positive Impferfolge mit einiger Regelmäßigkeit nur, wenn = man als | Infektionsstelle die Augenbrauen oder aber den Mons veneris ihlt und: reichliches Impfmaterial in tiefe Skarifikationswunden oder och’ "besser in Hauttaschen bringt (Taf. 69, Fig. 3). Drüsenschwellungen commen im Anschluß an die Primäraffekte auch bei niederen Affen or, : sekundäre Effloreszenzen in Form von Papeln, Flecken, nässenden xanthemen, Kondylomen und Alopecia stellen sich aber regelmäßig nur R - bei anthropoiden Affen ein. Die IRRRBRBRREON ist, wie beim Menschen, ‚eine ie = er schildert den Verlauf der Impfoyphilis beim Affen folgender- 1 Ben: „Die dureh die Impfung. gesetzten kleinen Verletzungen heilen zunächst ab, . dann aber bilden sich nach einer Inkubationszeit von (10—42) durchschnittlich = En Tagen | an den Impfstellen kleine fleckige Rötungen, deren Zentrum sich bald '. . knötchenförmig eleviert. Diese Knötchen wachsen bis zu Linsengröße an, bedecken er ich durch. ‘oberflächlichen Zerfall mit Börkchen, unter denen sich flache, scharf 8 ‚ gelbrote Erosionen befinden, welche blutiggelbes Serum ausschwitzen. Be ‚ Vergrößerung und Konfluenz benachbarter Erosionen entstehen ausgedehntere, - landkartenförmig konturierte Ulzerationen, die zuweilen größere Bezirke, z. B. fast “= : En ‚ganzes oberes Augenlid, einnehmen. Nach verschieden langem, stets aber mehr- Bestande heilen die Ulzerationen und hinterlassen entweder blasse oder “(bei ‚den Cynoke — und Cercopitheken) von einem Pigmentsaum eingeschlossene ‘Narben. Am Boden der Ulzeration läßt sich zuweilen eine leichte Infiltration nach- - weisen, der Geschwürsgrund ist etwas eleviert, aber nicht nennenswert induriert, _ während bei anthropoiden Affen die Induration und damit die Skleroseähnlichkeit deutlich ist. Bei den niederen Affen ist mit der Ausheilung des Primäraffektes der ' Ablauf der Syphilis meist abgeschlossen; In relativ seltenen Fällen entstehen einige Wochen nach Abheilung der Initialaffekte um deren Narbe herum schmale bogen- förmige Infiltrate, die unter dem Bilde serpiginöser, schuppender Papeln nach außen . fortschreiten, zuweilen ziemliche Ausdehnung erlangen und mit Pigmentierung ab- heilen... Bei den anthropoiden Affen, besonders bei den Schimpansen, entwickeln - sich etwa 8-10 Wochen nach der Impfung Erscheinungen generalisierter sekundärer orale. makulöse und papulokrustöse Exantheme an der allgemeinen Decke, den ‚ Handtellern und Fußsohlen, zerfallende Papeln an den Schleimhäuten.*“ A. Neisser beschreibt die Primäraffekte als blaßrote, mehr oder weniger gegen Fe Umgebung abgegrenzte derbe oder kantige Infiltrationen. Die Oberfläche ist _ „bald schuppend, bald weist sie ganz charakteristisch gefirmißte, spärlich sezernie- a rende Flächen auf“. Es entwickeln sich zuweilen an der Impfstelle aber auch tiefere Se ionen.. Trotz dieser wechselvollen Erscheinungen der Primäraffekte nach Tiefe FR und. Ausdehnung ist das Bild nach Neissers Urteil im großen und ganzen nicht 25 ea Charakteristisch als bei den menschlichen Primäraffekten. = ep is der anthropoiden Affen ist der des Menschen klinisch außer- ‚ordentlich nlich. Das Virus ist an allen Körperstellen zur Haftung zu bringen. - Am empfänglichsten scheinen von den Anthropoiden die Schimpansen zu sein. 3 Be ‚Die Haftung des Virus bei niederen Affen erfolgt, wenn die Impfung an den. ‚Augenbrauen oder den -Genitalien stattfindet, meist regelmäßig. Die Inkubation beträgt im Mittel 22 Tage, im Minimum 10 Tage. Nach Finger und Landsteiner -148t sich die Infektion am sichersten dureh Einführung von Infektionsmaterial in ‚ Hauttaschen erzielen. E. Hoffmann und Löhe, nach ihnen Uhlenhuth und Mulzer haben auch bei niederen Affen im Anschluß an Hodenimpfungen und intravenöse Injektion -. von hilitischem Material annulär und sätellitenartig angeordnete pustulöse und papulozirzinöse Exantheme sowie Schleimhautpapeln auftreten sehen. Daß es sich bei allen diesen Veränderungen um spezifisch luische Krank- heitserscheinungen handelt, läßt sich unschwer durch den Nachweis der Spirochaeta pallida und durch die Überimpfbarkeit der Sekrete auf andere Affen beweisen. Auf . gleiche Weise konnte übrigens festgestellt werden, daß auch bei den niederen Affen- ‚arten, obwohl die klinische Beobachtung eine allgemeine Disseminierung des Virus - wicht wahrscheinlich erscheinen ließ, eine Allgemeinerkrankung eintritt: die Spiro- .. chäten dringen auch bei ihnen in das Blut ein und werden durch dieses in alle Kaninchen- syphilis. 874 = 49. Vorlesung. Körperorgane verschleppt. Es entwickelt sich z. B. bei Schimpansen nach Ver- impfung von Milz infizierter niederer Affen eine typische Afienlues mit Sekundär- effloreszenzen. Die Impfung von Affen mit syphilitischem Material des Menschen haben .es ermöglicht, die Spirochäten in Blut, Organen, Krankheits- ‚produkten und Sekreten von Syphilitikern vielfach nachzuweisen, wo de Auffindung der Spirochäten nach anderen Methoden nicht gelang. 30 : 1 wurden die Spirochäten mit Hilfe des Affenversuches nicht selten im Blute, in der Zerebrospinalflüssigkeit, bei sekundärer Syphilis, im Nasen- schleim und in Organen hereditär-syphilitischer Kinder von Neisser, in den Gummen Ter tiärsyphälitischer von Er und Landsteiner nach- gewiesen. und wertvolle Versuchstiere. Außer dem Affen hat sich das Kaninchen als ein für die ‚Syphi- litische Infektion empfängliches Versuchstier erwiesen. “Bereits im Jahre 1881 hat Haensell bei Kaninchen, denen er menschliches Syphilis- material aus der primären, sekundären und. tertiären Periode in die Kornea oder vordere Kammer brachte, anscheinend spezifische Keratitis und Jritis erzeugt. Aber diese Versuchsergebnisse waren. nicht voll’ beweiskräftig und sind in Vergessenheit geraten. Erst Bertareli hat - durch einwandfreie Versuche gezeigt, daß nach Hornhautimpfungen und Einspritzung syphilitischen Materials in die vordere Augenkammer fast. regelmäßig spezifisch syphilitische Affektionen der Hornhaut (Keratitis syphilitica, Taf. 69, Fig. 4) und Iritis specifica ent- stehen. Diese treten erst nach Ablauf “eines Inkubationsstadiums, das j bis zu 2 Monaten dauern kann, auf und beginnen mit einer starken perikornealen Injektion der Gefäße. an der Impfstelle Es tritt dann eine ebenfalls von der Impfstelle ausgehende und sich unter starker E Gefäßentwicklung ausbreitende Trübung und Verdickung der Hornhaut (Pannus) ein; auch kann es zu Geschwürsbildung kommen. Unter Umständen wird auch die Iris in den krankhaften Prozeß stellen- = weise mit einbezogen. In der erkrankten Hornhaut lassen sich durch Schnittpräparate zahlreiche Spirochäten nachweisen (Taf. 69, Fig. 2). Diese Untersuchungsergebnisse wurden von Scherber, E.Hoffmann, Greef, und Clausen, Kraus und Volk, Schucht, Tomasezewski, Schereschewsky, Uhlenhuth und Mulzer u.a. bestätigt. Durch fortgesetzte Übertragung der Spirochäten von Hornhaut zu Hornhaut wurde ein Infektionsmaterial- gewonnen, das in 100°/, . positive Impferfolge gab (Bertarellis Passage- virus) und, obschon sehr selten, im Anschlusse an die parenchymatöse E Keratitis und Iritis auch eine 'generalisierte Syphilis der Kanin- chen mit Spirochätenbefund in den Organen zur Folge hatte (Grouven, E. Hoffmann). Das Kaninchenvirus behielt seine Virulenz für Affen trotz der offenbar eingetretenen Anpassung an den Kaninchenkörper. Von Ossola, später namentlich von Truffi ist gezeigt worden, daß sich experimentell durch Impfung in oder unter die Hodenhaut (Skarifikation mit Einreibung des Materials oder subkutane Impfung) beim Kaninchen noch eine zweite Form der Syphilis erzeugen läßt, die Skrotumsyphilis. Bringt man in einen. kleinen Hautsack an der unteren Hälfte des Skrotums, wo die Haut besonders dünn und zart Zu Untersuchungen über die Propii der Syphilisinfektion | und zu wissenschaftlichen Studien sind die Affen also sicher geeignete E - Syphilis und Framboesie, | 875 . Material von ahiähen Primäraffekten oder Hornhautteilchen ı Keratitis syphilitica, in denen reichlich Spirochäten enthalten sind, er injiziert spirochätenhaltigen Preßsaft unter die Skrotalhaut ROHR, ‚Uhlenhuth und Mulzer, Lühe, Kolle und Ritz), so heilt nde, wenn sie nicht durch miteingebrachte Bakterien zu stark in igt ist, reaktionslos zu. Ungefähr 14 Tage nach der Impfung an der Stelle, an der die Impfstückchen liegen, eine weißliche r leicht gerötete Infiltration. Nachdem diese unter langsamer Zu- ne unge ähr die Größe einer Bohne erreicht hat, tritt Zerfall der 1 Partien ein, und es entwickelt sich allmählich ein Geschwür aufgeworfenen Rändern. Der Gründ des so entstandenen -ist meist grau belegt und mit nekrotischen Schorfen bedeckt, en Entfernung es leicht zu einer Blutung kommt. Das dem menschlichen Schanker sehr ähnliche Uleus syphiliticum f. 70, Fig. 1) des Kaninchens kann außerdentlich lange bestehen bleiben, oft 4—8 Monate, ohne wesentliche Rückbildung zu erfahren. In den Geschwürsrändern und in den knorpelharten Partien sind stets große - Mengen von typischen Spirochäten vorhanden, wie sich durch die Entnahme ® und ‚Untersuchung von. Reizserum leicht feststellen läßt. Die Infiltration = nicht selten von der Skrotalhaut und dem Unterhautzellgewebe 3 ‚auf die Tunicae des Hodens und diesen selbst über. Es kommt dann - zu einer diffusen ‘oder zirkumskripten Periorchitis und Orchitis . syphilitica. In solchen Fällen kann auch eine Schwellung der Inguinal- - drüsen auftreten. Nach dem Vorgange von Parodi wiesen Hoffmann, Uhlenhuth und Mulzer nach, daß die Orchitis syphilitica (Taf. 70, Fig. 2) sehr regelmäßig auch durch direkte Einführung von Syphilismaterial in die ‚Hodensubstanz erzeugt werden kann. In dem Hoden, der dabei stark vergrößert ist, finden sich die Spirochäten in Reinkultur. Das gleiche gilt nach den Feststellungen von Arzt und Kerl, Kolle und Ritz auch. für die nach intravenöser Injektion auftretende Orchitis (8. 0.). Auf die histologischen Befunde bei Kaninchensyphilis soll weiter unten } 2 »n werden. Nicht selten kommt es vom infizierten Hoden aus zu einer Ver- ren der Spirochäten im ganzen Körper. Zuerst erkranken in solchen Fällen die von den Hoden kommenden Lymphgefäße, "nach . diesen die zugehörigen Lymphdrüsen. Auf dem Blutwege können dann die Spirochäten in Leber, Milz und Knochenmark, in das Auge (Keratitis _ parenchymatosa) und den Hoden der anderen 'Körperseite des Tieres ‚verschleppt werden (Brown und Pear.ce). Kolle und Ritz erzielten bei Kaninchenweibchen ziemlich regel- Big Primäraffekte durch Injektion spirochätenhaltiger Hodenemulsion die Vaginalschleimhaut. Auch an verschiedenen Hautstellen, z.B. der - Rückenhaut, konnten diese Autoren typische Schanker, die meist eine große Flächenausdehnung gewinnen, durch subkutane und intrakutane - Impfung von Hodenpreßsaft hervorrufen. Nicht selten treten gerade nach dieser Impfung an anderen Körperstellen Primäraffekte auf, die vielleicht durch Biß oder Lecken verursacht werden. Bei Impfung in die Haut eines Hodens entwickeln sich zuweilen am anderen Hoden - gleichfalls Schanker.. B* Syphilitische Allgemeinerkrankung wurde von Uhlenhuth und Mulzer, Arzt und Kerl leicht bei jungen Kaninchen erzielt, denen 876 Ee 49. Vorlesung. spirochätenhaltiges Material in die Blutbahn eingespritzt war (Tat. 69, Fig.5). Während ältere Tiere sich auf diese Weise schwer- infizieren lassen, entstehen bei jungen Kaninchen einige Zeit nach der Impfung eigenartige, den Gummiknoten der Menschen ähnliche Granu- lationen an dem Knorpeleingang der Nase und am Ansatz des Schwanzes, ferner Papeln an Anus und Scheide und Geschwüre an der Fußwurzel. In allen diesen Krankheitsprodukten wurden Spiro- chäten nachgewiesen. Die allgemeinsyphilitisch gewordenen Kaninchen- ' weibchen werfen, wenn sie trächtig werden, Junge mit den gleichen Erscheinungen, also hereditär syphilitische Früchte. Die Er- zeugung von Allgemeininfektion bei jungen Kaninchen durch intravenöse Infektion kann nach Uhlenhuth und Mulzer auch diagnosti- sche Bedeutung haben, wenn es sich um den Nachweis spärlicher Spirochäten in Flüssigkeiten (Blut, Sperma, Zerebrospinalflüssigkeit von Syphilitikern) handelt. Die Syphilisinfektion der Kaninchen an Hoden ‚und Hodeihaut ist nie mit absoluter Sicherheit zu erzielen. Bei einem Teil der Tiere (etwa 15°/,) geht die Infektion gar nicht oder nur so wenig an, daß man über die syphilitische Natur der erzielten Infiltration im Zweifel sein kann. Unsicher sind die Resultate auch dann, wenn die Impfung mit menschlichem Syphilismaterial ausgeführt wird. Die anfangs ent- wickelte Infektion heilt bei etwa 10-—-15°/, der geimpften Tiere rasch spontan ab, so daß die Krankheitsprodukte weder für weitere ‚Terptangen, E noch für diagnostische Untersuchungen zu gebrauchen sind. Papeln, meistens symmetrisch angeordnet an Ohrwurzel, Schw wurzel, an der Streckseite der Extremitäten, an der. Schnauze, dem Nasenrücken oder den Lidrändern, sowie die 2—3 Monate nach der Hodenimpfung auftretende Keratitis ‚sind als der manifeste Ausdruck einer Allgemeininfektion. aufzufassen und kommen bei etwa 25%, der Tiere zur Beobachtung. In allen diesen Produkten sind Spirochäten nachzuweisen. Aber auch die Tiere, die keine manifesten Allgemein- erscheinungen zeigen, bleiben während. ihres ganzen -späteren Lebens syphilitisch. Das läßt sich vor allem durch die ne Reinfektion nachweisen, die der Ausdruck einer latenten Infektion — Infektions- 2 immunität — ist (s. Vorlesung über Chemotherapie). e Die sekundäre Keratitis der Kaninchen macht sich zuerst durch: ’ das Auftreten von perikornealer Injektion mit Neubildung von Gefäßen kenntlich, die in die sich bald trübende und weiß erscheinende Kornea hineinwachsen. Gleichzeitig spielen sich an der Iris entzündliche | Er- scheinungen mit Auflagerungen auf der Membrana Descemetii, ganz ähnlich wie bei der Iritis syphilitica des Menschen, ab. Im Reizserum sind: viele Spirochäten nachweisbar. Histologisch findet man neben d Gefäßneubildung Einwanderung von Rundzellen und perivaskuläre Iı trate, die schon vor dem Auftreten makroskopischer Erscheinungen i Schnitten nachweisbar sind. Zuweilen wuchern auch die fixen Bin gewebszellen und führen zur Bildung von gummaähnlichen Syphilomen (Grouven, Kolle und Ritz). Nach dem Abklingen des Prozesses kann die Korneatrübung völlig verschwinden, bei starker Ausbreitung aber bleibt eine pannusartige Narbe zurück. ei. Ein von Trufi gewonnener Syphilisspirochätenstamm ist auf a Kaninchen im Georg Speyer-Haus in Frankfurt am Main in 80 bis -Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 69. 1. Schnitt durch die Hornhaut eines Kaninchens bei Keratitis syphilitica. Färbung nach I ti..— 2. Spiro ehaeta pallida im Tuschepräparat. — 3. Syphilitische Primäraffekte an den Augenbrauen eines Rhesus-Aff — 4. Keratitis syphilitica beim Kaninchen. — 5. Allgemeinsyphilitisches junges Kaninchen mit papulo-ı ılzerö sen Syphiliden im Gesicht. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. PB a nn enden in ee ._ # Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Schanker in Rückenhaut beim Kaninehen. Orchitis syphilitica beim Kaninchen. Sekundärsehanker bei gener infektion des Kanin Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 7L. Fig. 1. Fig. 2. Geschwüre an Vorhaut und Penis eines Kaninchens Geschwüre an der Vulva eines Kaninchens nach Koitus nach Koitus mit einem durch Spirochaeta pallida in- mit einem durch Spirochaeta pallida infizierten Bock. fizierten weiblichen Tier. Fig. 3. Vaginal-Primäraffekt nach spontaner Infektion mit Spirochaeta ceunicenli. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Be) Era ES Syphilis und Framboesie. 877 90 Passagen fortgezüchtet worden, indem Stückchen von den knorpel- harten Schankern übertragen wurden. Die Inkubation hat sich im der Jahre ziemlich gleich erhalten; sie beträgt im Durch- 20—25 Tage. Zunächst ist das eingeimpfte Stückchen zu fühlen, stellt sich in der dritten Woche ein ganz kleines Infiltrat ein, h um dieses spirochätenhaltige, knorpelharte, allmählich der Re- n verfallende Schankerstückchen entwickelt. Es kommt dann aber ı und rasch zur Vergrößerung der Infiltration, zuweilen era 'eintretender ödematöser Schwellung, und nun fangen die äten an, sich reichlich zu vermehren. Man weist sie im Reiz- sch, das durch Nadelstich gewonnen und im Dunkelfeld unter- wird. Die Höhe der Entwicklung der Impfschanker wird meist den 40. bei manchen Tieren aber auch erst um den 50. oder Tag nach der Infektion erreicht. Ihre Größe heträgt auf der Höhe - Entwicklung durchschnittlich 25cm im Durchmesser. Die Rück- bildung. der voll zur Entwicklung gekommenen Schanker erfolgt spontan erst nach 6. 8, 10 oder gar 12 Monaten. Dieser Frankfurter philisstamm besitzt nach den vielen Passagen eine verstärkte passung an den Kaninchenkörper und eine zunehmende igung zur Erzeugung allgemeinsyphilitischer Verände- ngen im Kaninchenkörper. Bei diesem Stamm sind von Kolle und Ritz auch Spontan- nfektionen bei Kaninchen’) durch Koitus beobachtet worden. fehrere Kaninchenböcke infizierten sich an einem weiblichen Kanin- chen, das nach intravenöser Injektion von Schankermaterial (Hoden- material) ‚große nässende Papeln an der Vagina hatte. Die histologischen Befunde bei syphilitischen Kaninchen - sind von Uhlenhuth und Mulzer sowie von Delbanco und Graetz ein- E: ‚gehender studiert worden. Diese Autoren stellten durch Schnittunter- 3 n und. Punktion der Hoden fest, daß die Spirochäten bei Orchitis syphilitica sich stets in großen Mengen in einem Gewebe nden, das als Granulationsgeschwulst zu bezeichnen ist und im zensatz zur Syphilis der Menschen nicht zu Degeneration und Zerfall „ sondern sich wie embryonales Gewebe bei kongenitaler Sy- is verhält. Die Primäraffekte bestehen im Zentrum meistens aus inem weitmaschigen, zellarmen Gewebe, während am Rande ein zell- - reicheres, dem embryonalen ähnliches, zu reichlicher Proliferation nei- gendes Zellstratum vorhanden ist. Delbanco und Graetz weisen auf die _ Alinlichkeit dieses Gewebes mit dem der Whartonschen Sulze des - Nabelstranges hin. Die Räume zwischen den spindel- und sternförmigen - Zellen werden durch eine homogene, gallertige Masse ausgefüllt, die aber keine Muzinreaktion gibt. Es liegt wohl im wesentlichen einge- _ diekte Lymphe vor, deren ed mit der Entwicklung der Spirochäten‘ parallel. geht. - Die übrigen in den Syphilomen zu -indenden Zellen gruppieren sich in’ Form von Infiltrationen um die Gefäße. Es handelt sich Peistens. um Plasmazellen Iymphatischen Charakters. So entstehen in ey. Über die spontane Kaninchenspirochätose, die durch die .der e pirochaeta pallida sehr ähnliche, aber biologisch von ihr abtrennbare Spirochaeta R. euniculi hervorgerufen wird, s. 8.819. - j Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 2 By Übertragung auf Meer- schweinchen. Immunität. 878 49. Vorlesung. der zellarmen Grundsubstanz der Syphilome die Knötchen, deren Menge von der Gefäßentwicklung abhängt, die ziemlich beträchtlich ist. Mit zunehmendem Wachstum der Primärsyphilome kommt es infolge end- arteriitischer und endophlebitischer syphilitischer Prozesse zu Oblitera- tion der Gefäße und damit zur Rückbildung der Tumoren. Ob dabei regelmäßig Nekrose entsteht, ist noch strittig. Uhlenhuth und Mulzer leugnen es, Delbanco und Graetz treten dafür ein. Mit dem Übergreifen des Prozesses auf Hoden und Nebenhoden, die häufig durch die Muskeln und die Tunica vaginalis geschützt wer- ‘den, kommt es zu schweren Veränderungen an diesen :Organen. Das Gewebe des Hodens und Nebenhodens geht dabei zugrunde, und man findet an ihrer Stelle unregelmäßige und mit Zelldetritus und Eymphe gefüllte Hohlräume. Die histologischen Bilder entsprechen also ebenso wie der Spiro- chätenreichtum den Befunden bei kongenitaler Lues des Menschen und Fig. Primäre Periode (9 Wochen) ge. urn er er Bühllrndan 6 Wochen ER ö Ay nF 3 . 34.lnkıu- Zum" 2 : Latenz periode ; bations$ Astadium? ” 2 7 a Fr Schema des Syphilisverlaufes ihren pathologischen Veränderungen. In den Lymphdrüsen finden sich bei generalisierter Lues der Tiere charakteristische Veränderungen. Es entstehen miliare Knötchen vom Charakter kleinster Gummiknoten in den Keimzentren der Drüsen, bedingt durch eine Wucherung der Plasmazellen. Auch die Verimpfung syphilitischen "Materie auf Meer- schweinchen kann erfolgreich sein. Bertareli und später. Truff, E. Hoffmann u.a. haben Primäraffekte erzielt. Aber. die Impfresultate scheinen sehr unsicher zu sein. Es entsteht keine Allgemeinerkrankung, die lokalen Herde enthalten wenig Spirochäten, und die Weiterimpfung in Reihenversuchen mißlingt in der Regel. Das Meerschweinchen kommt also als Versuchstier für Syphilis nicht in Frage. Die früher ganz allgemein vertretene Annahme, daß das ‚mit Heilung im biologischen Sinne, d. h. mit einer Ausmerzung aller Infektionserreger verbundene Überstehen der Syphilis eine lebensläng- liche Immunität des Menschen gegen Neuinfektion bedinge, kann nach den Erfahrungen, die uns. das Stadium der mit Spirochaeta pallida beim Affen und Kaninchen erzeugten chronischen Infektionen gelehrt Syphilis und Framboesie. 879 E hat, und nach neueren sorgfältigen klinischen Beobachtungen nicht ® mehr aufrecht erhalten werden. Es ließ sich zeigen, daß bei Affen auch nach dem Eintritt syphilitischer Erscheinungen (Primäraffekt) eine erneute Infektion erfolgreich ist. Allerdings ist hier der Verlauf der - Infektion ein anderer, als nach der ersten Impfung: die Inkubationszeit ist kürzer, die spezifischen Veränderungen der Impfstelle sind weniger > bi det und laufen schneller ab. Auch bei Affen, die eine typische is durchgemacht hatten, von dieser aber durch Atoxyl oder 3 ee Medikamente völlig geheilt waren, ließ sich eine neue Infektion 3 mit regelrechtem Primäraffekt erzeugen. Kolle konnte bei Kaninchen, die mit Spirochaeta pallida chro- 2 nisch: infiziert waren, durch Reinfektionen niemals wieder Primäraffekte - erzeugen. Große Versuchsreihen zeigten, daß die einmal syphilitisch - infizierten Kaninchen unempfänglich bleiben. Daß: es sich hier um - eine Infektionsimmunität latent syphilitischer Tiere handelt, läßt sich S ne Fr i 5 : Se Te + Er pP. - 1 1-3 Jahre 5 ee 5 20 Jahren) Pe _ - — — spätsekundär SPNER: Lateng- Dauernde l ode terti & Latenz ae ee ein ri SI e: duch Aberapentische Wablahnen beweisen. Unterwirft man syphilitisch - infizierte Kaninchen innerhalb von 45 Tagen nach der Infektion einer RE. may” mit Salvarsan, so werden die Tiere in 80°/, sterilisiert, “2 h. biologisch geheilt und sind dann für Reinfektionen mit typischen Sehankern empfänglich. Beim Menschen liegen nach neueren Untersuchungen die Ver- - hältnisse wohl ganz ähnlich. Wir müssen annehmen, daß durch die ‘ Wirkung der Spirochäten im Organismus Immunisierungsvorgänge ausgelöst werden, die sich aber erst ganz allmählich steigern. Auch zur ‘Zeit des Eintrittes der sekundären Erscheinungen besteht noch - keine volle Immunität, denn sonst würde eine Reaktion des Körpers auf die Verbreitung des in ihm kreisenden Virus und ebenso auf fremdes Virus nicht möglich sein. Im Gegenteil besteht während - bestimmter Perioden der Infektion (vgl. das Schema in Fig. 114) sogar - ein Zustand der Anaphylaxie im Sinne ». Pirquets. Die starken Reak- - tionen der Haut, die bei manchen Personen auf die metastatische Aus- Saat relativ weniger Spirochäten erfolgen, lassen sich jedenfalls, wie Jadassohn zuerst richtig bemerkt hat, als Ausdruck dieser zeitweisen 4 rg des Organismus gegen die Spirochäten auffassen. 57* 880 | 49. Vorlesung. In den meisten Stadien ist die Immunität gegen Syphilis also nur eine unvollkommene und wird deshalb ganz allgemein als „Allergie“ be- zeichnet. Der Syphilitische befindet sich in einem Zustand "spezifisch ver- mv a ae ee änderter Reaktionsfähigkeit gegenüber dem Syphilisvirus. Viele Forscher zweifeln aber auf Grund experimenteller Ergebnisse, ob überhaupt bei Syphilitikern eine vollständige Immunität, wie sie bei viele bakteriellen Erkrankungen eintritt, erzielt werden kann. A. Neisser hat mit Recht die Frage aufgeworfen, ob die Immunität der latent Syphilitischen nicht nur eine erhöhte Resistenz infolge der latenten Infektion ist. Heute ist es wohl allgemein anerkannt, daß die von solchen latenten Infektionsherden ausgehende Resorption spezifischer Substanzen oder der von ihnen aus erfolgende dauernde Übertritt von Spirochäten in die Blutbahn eine erhöhte Resistenz oder eine Umstimmung des Orga- nismus bedingt, die eine wahre Immunität vortäuscht. So wird nun die Entstehung der Rezidive, die oft nach langen Latenzperioden ausbrechen, verständlich. Sobald die Resistenz des Organismus aus irgend welchen inneren oder äußeren Ursachen durchbrochen wird, der labile Immuni- . tätszustand aufhört, kommt es zu Rezidiven. Daß bei Auftreten sekun- därer und tertiärer Rezidive nicht: nur an den Stellen der Eruptionen, sondern allgemein die Resistenz des Organismus herabgesetzt ist, geht aus den klinischen Beobachtungen und Experimenten am Affen sowie aus den Feststellungen Fingers hervor, daß die Impfung mit spirochäten-. haltigem Material an den verschiedensten Stellen der Haut positiv ausfällt. Tertiärsyphilitische reagieren auf Impfung. mit virulentem Material, das von sekundärluischen Produkten stammt, mit Veränderun- gen tertiärsyphilitischer Natur. Diese Tatsache zeigt, daß für die Art und Form des Krankheitsproduktes bei Syphilis-Infizierten die Umstim- mung des Organismus von Bedeutung ist, und daß höchstwahr- scheinlich nicht Änderungen in. den biologischen Eigenschaften der Parasiten, wie man sie sich im Verlaufe der Erkrankung entstanden denken könnte, die verschiedenen Charakteristika der Reaktionsprodukte bedingen. Die Umstimmung der Gewebe muß nach dem Urteil der meisten Syphilidologen jedenfalls zur Erklärung der im Verlaufe der Syphilis zutage tretenden Manifestationen der Parasiten und der Gewebs- reaktion herangezogen werden. ‚Vieles weist darauf hin, daß gerade die Entwicklung annulärer Roseolen und zirzinärer Papeln, die an den ein-. { zelnen Körperstellen verschieden sein kann, sich am besten durch Umstimmung des Organismus erklären läßt. Wenn die Syphilis aufhört, Sekundärerscheinungen zu bilden, folgt eine Periode der: Immunität, für die das oben Gesagte gilt. Nach diesem sogenannten zweiten Latenz- stadium erfolgt der Ausbruch neuer Erscheinungen, die allerdings den | völlig veränderten Charakter der tertiären Formen haben. Finger fabt deshalb die tertiäre Lues als Äußerung des Virus in einem „umgestimmten“ Organismus auf, einem Organismus, der, noch weitgehend immun,. eine reichliche Proliferation des Virus nicht zuläßt, bei dem aber eine Überempfindlichkeit und damit gesteigerte Gewebs- proliferation mit nachfolgendem Zerfall zustande kommt. Die Entwick- lung sogenannter maligner Lues ist nach den Experimenten von Jadas- sohn, die den Pirquetschen Versuchen bei Tuberkulose nachgebildet waren, die Folge von. weitgehender Idiosynkrasie für das syphilitische Virus. Von zahlreichen Syphilitischen reagierte auf kutane Impfungen Syphilis und Framboesie. 881 mit Leberextrakt nur ein Patient: der an lee Lues litt und stets wa reagierte, wenn er geimpft wurde. Auch an der Möglichkeit, daß Menschen, deren Syphilis völlig au eilt ist, von neuem infiziert werden können, ist nach dem Aus- Sal der exakt kontrollierbaren Affenversuche nicht zu zweifeln. Schon x = y auf Grund vereinzelter Beobachtungen die Möglichkeit einer "Neuinfektion bei völlig ausgeheilten Syphilitikern behauptet. Gegen diese Annahme wurde aber immer ins Feld geführt, daß wahr- . schei nlich die erste Infektion keine Syphilis gewesen sei. Seit der Ent- _ deckung der Spirochaeta pallida und der Wässermannschen Reaktion $ ist, die syphilitische Neuinfektion der mit Salvarsan geheilten Syphilitiker vielfach ‚(mehr als 100 in der Literatur veröffentlichte Fälle) über allen E en ‚sichergestellt. Auch die von Kolle an Kaninchen ausgeführten Versuche beweisen die Möglichkeit der Sterilisierung i im Primärstadium der ‚Syphilisinfektion. Sehr bald nach Entdeckung des Eitegers der Syphilis a: die Ping sich dem Problem der Serumdiagnostik dieser Infektions- krankheit zuzuwenden. Die Benutzung der für die Diagnostik anderer _ Infektionskrankheiten so wertvollen Agglutinine und Lysine mußte aller- dings von vornherein auf Schwierigkeiten stoßen, weil es nicht gelang, das für solche Versuche notwendige Kulturmaterial leicht und sicher in ' größerer Menge zu gewinnen. Es haben zwar Hofmann, v. Prowazek und Zabolotny über das Vorkommen der genannten Stoffe im Serum yon Ssohllitikern berichtet, aber eine für die Praxis brauchbare - Untersuehungsmethode hat sich auf diesen Befunden nicht aufbauen lassen. Von Erfolg gekrönt waren dagegen die zuerst von Wassermann und F. Bruck aufgenommenen Bemühungen, die Bordet- Gengousche ; Norsuchsanordnung: der Komplementbindung für die Serumdiagnostik ‚heranzuziehen. | Das Prinzip dieser von Wassermann und F. Bruck zuerst wissen- E " schaftlich erprobten und von ihnen zusammen mit A. Neisser in die E Praxis eingeführten und als Wassermannsche Reaktion allgemein bekannten, praktisch außerordentlich wichtigen Untersuchungsmethode - und die Technik der Komplementbindung ist schon früher besprochen 4 . worden, sodaß wir hier nur auf die besonderen, bei ihrer Ausführung mu "beachtenden Einzelheiten und auf ihre Verwertung in ‚der Praxis F einzugehen brauchen. | ° - . Die Entdecker dieses Untersuchungsverfahrens und alle, die sich in der = ersten Zeit mit ihm beschäftigt haben, betrachteten die Reaktion als eine für Lues im Sinne der Immunitätsreaktionen streng spezifische. Es wurde angenommen, - daß auch hier durch das Zusammentreffen des Antigens mit einem spezifischen “ Antikörper und Komplement eine Bindung des letzteren eintrete. Man fand aber $- bald, daß nicht nur Extrakte aus syphilitischen Organen, in denen ein stärkerer Freal: an Spirochäten festzustellen war, namentlich Extrakte aus Lebern Bere eincher Föten, als Antigene verwendbar waren, sondern auch alko- ische Extrakte aus Organen gesunder Menschen und Tiere. Die Später noch kurz zu besprechenden Untersuchungen über die Wirkung künst- = lieber Chemischer Antigene lassen keinen Zweifel daran, daß die "Reaktion = nicht ohne weiteres mit den Komplementbindungserscheinungen , wie sie bei - der: Vereinigung von echten Antikörpern mit Antigenen beobachtet werden, zu "identifizieren ist, und daß sie überhaupt nicht eine in diesem Sinne absolut F eeritineh biologische Reaktion auf Lues ist. Ihre praktische Braueh- ‘ früher hatten mehrere über reiche Erfahrungen verfügende Syphili- Serum- diaynostik der Syphilis. Wasser- mannsche Reaktio m. 882° 49. Vorlesung. barkeit für die Diagnostik der Syphilis ist aber, wie wir noch sehen werden, durch diese Feststellung nicht erschüttert, denn sie ist, wie hier gleich vermerkt werden muß, bei Einhaltung gewisser Versuchsbedingungen eine für Syphilis ausgesprochen charakteristische Reaktion. Die Einzelheiten der Reaktion sind aus der Taf. 72 ohne weiteres verständlich. Wenn wir zunächst auf die für sie erforderlichen Stoffe kurz eingehen, so kommen als Antigene in erster Linie die alkoholi- schen Extrakte aus Organen luischer Föten, sei es mit oder ohne Cholesterin, in Frage. Die wässerigen Extrakte sind fast überall zu- gunsten der alkoholischen aufgegeben, weil sie zu unempfindlich sind. Des historischen Interesses wegen sei ihre Herstellung kurz skizziert: Man verfährt bei ihrer Herstellung zweckmäßig so, daß man die Organe in möglichst frischem Zustande fein zerkleinert, im Verhältnis 1:4 mit einer Lösung von 05 g Karbolsäure in 100 cem 0'85proz. Kochsalzlösung versetzt und 24 Stunden im Schüttelapparat extrahiert. Dann wird durch scharfes Zentrifugieren der Extrakt möglichst von den zelligen Elementen befreit. Will man Organe zur Bereitung des wässerigen Extraktes vorrätig halten, so geschieht dies am besten in der Weise, daß man sie in einem Morgenrotkschen Frigoapparat gefrieren läßt. Die zuerst von Weil, Porges und Meier als Antigen empfohlenen alkoholischen Extrakte haben vor den wässerigen den Vorzug leichterer Gewinnbarkeit und fast unbegrenzter Haltbarkeit und werden derart bereitet, daß ein Gewichtsteil Organsubstanz mit 5 oder mehr Volumteilen Alkohol extrahiert wird. Zur Gewinnung der alkoholischen Extrakte eignen sich auch getrocknete Organe. Levaditi stellt sich aus dem Organ, das er im Vakuumapparat getrocknet hat, durch Ver- reibung im Mörser ein Pulver her. Das getrocknete Pulver, das sich lange unverändert hält, wird dann mit absolutem Alkohol im Verhältnis 1:30 mehrere Stunden geschüttelt, die Mischung darauf einige Stunden im Brutschrank bei 37°C gehalten und durch Zentrifugieren geklärt. Der Extrakt muß völlig klar und steril sein und ist lange Zeit kon- servierbar. Alkoholische Extrakte müssen vor dem Gebrauch mit Kochsalzlösung in geeigneter Weise verdünnt werden, weil der Alkohol als solcher von störendem Einfluß auf die Wirkung des hämolytischen Systems und auch für die Wassermannsche Reaktion nicht gleichgültig ist. Bei der Ver- dünnung der alkoholischen Extrakte mit physiologischer Kochsalzlösung ist, wie A. Sachs und Rondoni gezeigt haben, die Art des Vorgehens von wesentlicher Bedeutung. Bei raschem Mischen erhält man helle Verdünnungen von mehr oder weniger geringer Wirksamkeit, bei lang- samer (fraktionierter) Verdünnung wird die Lösung milchig-opaleszent und damit erst für die Serodiagnostik hinreichend’ empfindlich. Die geeignete Verdünnungsweise muß bei jedem Extrakt besonders erprobt werden. Die Versuche, für den aus luischen Organen hergestellten Extrakt Ersatzmittel zu finden, sind erfolgreich gewesen. Alkoholische Ex- trakte von Organen normaler Menschen und Tiere, namentlich von Meerschweinchen- und Rinderherzen, sind für die Reaktion brauchbar, während wässerige Extrakte aus den Organen normaler * Menschen und Tiere ungeeignet sind. Die aus normalen Organen gewonnenen Extrakte stehen an Wirksamkeit den luischen Extrakten im großen ganzen nicht nach, da die in einem Extrakte vorhandenen Stoffe dem Gehalt der Organe ‘ Syphilis und Framboesie. 883 - an Spirochäten keinesfalls parallel gehen. Wie normale Organe, so liefern auch die Lebern syphilitischer .Föten nicht immer einen brauchbaren “ Extrakt. Anderseits können aber aus gewissen syphilitischen Lebern optimal wirksame Extrakte gewonnen werden. Ähnlich liegen die Ver- ‚hältnisse bei der Bereitung von Extrakten aus normalen Organen, und - es muß daher zweifelhaft erscheinen, ob den ersteren prinzipiell ein 3 Vorteil für die Extraktbereitung zuzusprechen ist. : Der Ersatz der Organextrakte durch einzelne Lipoide, z.B. Lezi- thin (Por ges und Meier) oder oleinsaures Natrium (Sachs und Altmann), hat sich in der Praxis nicht bewährt. Dagegen hat sich aus den Unter- suchungen von Sachs und Rondoni die wichtige Tatsache ergeben, daß sich durch Zusammenmischen mehrerer Lipoidsubstanzen, z..B. von Lezithin, Seifen und Fettsäuren, einigermaßen brauchbare künstliche Gemische - für die Wassermannsche Reaktion herstellen lassen. Wenn auch diese ' Gemische als vollwertiger Ersatz der Organextrakte für die Praxis nicht zu betrachten sind, so hat sich doch gezeigt, daß bei dem Zusammen- wirken des Syphilitikerserums mit den ÖOrganextrakten nicht eine chemische Einheit in letzteren das maßgebende ist, sondern eine ge- eignete Zusammensetzung von Lipoidsubstanzen, die zusammen ein für die Wassermannsche Reaktion wesentliches physikalisches Gepräge ergeben. Die Folge dieser Feststellungen war, daß man daran gehen konnte, natürliche Organextrakte, die ja nicht ohne weiteres die e geeignete Zusammensetzung oder hinreichende Menge ‘der Lipoidsub- stanzen besitzen müssen, in geeigneter Weise zu verstärken. So ent- stand das von H. Sachs eingeführte Prinzip der Verbesserung der Organ- extrakte durch Zusatz von einzelnen Lipoidsubstanzen, wobei sich der Zusatz von Cholesterin bei Rinderherz- und Meerschweinchenherz- extrakten ausgezeichnet bewährt hat. -_ Jedes Antigen muß vor der Benutzung zu diagnostischen Zwecken geprüft und eingestellt werden, denn jedes wirkt in einer optimalen Breite, die jeweils besonders festgestellt werden muß. Da es sich bei der Syphilisdiagnostik um eine folgenschwere Entscheidung handelt, darf ein Antigen als zuverlässig nur dann anerkannt werden, _ wenn bei einem großen und vielseitigen Untersuchungsmaterial im Ver- _ gleich zu mehreren bereits erprobten Standardantigenen ge- - prüft ist, ob es mit Normalserum von sicher nichtsy philitischen Personen -auch negativ reagiert. Die Prüfung ist nur gewährleistet in der Hand eines erfahrenen Fachmannes und in einem stets mit genügendem . Material versehenen und technisch nach allen Richtungen ausgestatteten Institut. In Deutschland erfolgt die Prüfung der Extrakte und Ambozeptoren im Institut für experimentelle Therapie zu Frankfurt a. M. nach folgen- ' den im Reichsgesundheitsrate festgestellten Voischriften: a) Prüfung der Extrakte. 1. Die Prüfung der Extrakte zur Feststellung ihrer Reaktionsfähigkeit mit dem Blutserum von Syphiliskranken und zur Feststellung, daß sie keine unspezifi- schen Reaktionen mit dem Blutserum von nicht an Syphilis erkrankten Personen geben, erfolgt durch vergleichende Unteisu:hung mit 5 Standardextrakten der stelle. = 2. Als Standardextrakte werden von der Prüfungsstelle Extrakte benutzt, deren spezifische Wirksamkeit während 4 Wochen an mindestens 20 Tagen nach 884 Se >49. Vorlesung. der „Anleitung zur Ausführung der Wassermannschen Reaktion“ (s. 8. 886): an mindestens 250 Sera von Syphiliskranken und an mindestens 100 Kontrollsera genau erprobt und sichergestellt ist. Von den zur Einstellung der Standardextrakte bennteien 250 Sera von Syphiliskranken sollen mindestens 10°, von primären, 30°/, von latenten, 20%, von - in Behandlung stehenden Syphilisfällen herrühren.. . Von den 100 Kontrollsera soll eine größere Anzahl von Geschwulstkranken oder von an fieberhaften Krankheiten, Ulcus molle oder Tuberkulose leidenden. Per- sonen stammen. 3. Bei der Prüfung müssen die ee Operationsnummei der eingesandten- Extrakte während 14 Tagen bei Untersuchung an mindestens 6 Tagen im Vergleich mit den Standardextrakten und in gleicher Weise wie die Standardextrakte mit mindestens 80 Sera von Syphiliskranken und mit mindestens 40 Kontrollsera unter- sucht werden. Von den 80- Sera von Syphiliskranken sollen wieder mindestens 10°/, von primären, 30°, von latenten und 20°, von in Behandlung stehenden Syphilisfällen herrühren und von den 40 Kontrollsera mindestens 10 von Geschwulst- kranken ‘oder von an fieberhaften Krankheiten, Uleus molle- oder Tuberkulose leidenden Personen stammen. Extrakte, die in Alkohol oder anderen Tipoidiösungumiktehe (z. B. Azeton) gelöst sind, müssen zur een mindestens 6fach mit 0’85proz. Kochsalzlösung verdünnt werden. Die Extrakte dürfen in der Gebrauchsverdünnung (0:5 ccm) beim Arbeiten mit O'5cem Hammelblutaufschwemmung im Vergleich mit den Standardextrakten an und für sich keine Hemmung der Hämolyse verursachen. Die Extrakte dürfen _ in dem doppelten Multiplum der Gebrauchsdosis und bei Zusatz von 0'5 ccm 10fach verdünnten Meerschweinchenserums nicht hämolytisch wirken (Versuchsanordnung: 1 cem Extraktverdünnung+0’5 ccm 10fach verdünntes Meerschweinchenserum ce 0:85proz. Kochsalzlösung+0'5 cem Hammelblutaufschwemmung). : 4. Ein Extrakt ist als tauglich: anzusehen, wenn er den Anforderungen unter Ziffer 3 entspricht, mit den 40 untersuchten Kontrollsera keine positiven Reaktionen gegeben hat und hinsichtlich der Anzahl der positiven Reaktionsergebnisse mit den Sera von Syphiliskrauken gegenüber den mit den Standardextrakten erhaltenen age Ergebnissen um nicht mehr als 5°/, zurückgeblieben ist. 5. Ein als tauglich befundener Extrakt ist nach 6 Monaten erneut zu u prüfen, wenn die betreffende Operationsnummer des Extrakts bis dahin noch nicht ver- braucht ist. Bei der wiederholten Prüfung ist der Extrakt im Vergleich mit den 5 Standardextrakten nur während 8 Tagen mit 40 Sera von SYPDINARERRREN und Bi mit 20 Kontrollsera zu untersuchen. Werden bei der wiederholten Prüfung stärkere Veränderungen des Extrakts festgestellt, so hat die Prüfungsstelle die Einziehung des noch vorhandenen Extrakts ‘- dieser Operationsnummer anzuordnen. 3 6. Über den Verlauf der Prüfungsuntersuchungen sind von der Prüfungsstelle a genaue Aufzeichnungen zu. führen. | b) Prüfung des Ambozeptors. 1. Zur Prüfung darf nur ein Ambozeptor eingesandt werden, der von Kaninchen stammt und durch Vorbehandlung der Kaninchen mit roten Hammelblutkörperchen gewonnen ist. . 2. Die Prüfung erfolgt zur Feststellung der Wertigkeit des Serums. 3. Der Prüfungsversuch wird in der Weise ausgeführt, daß an drei Tagen mit verschiedenen Komplementen je zwei Prüfungsreihen, eine mit dem Standard- ambozeptor der Prüfungsstelle und eine zweite miı dem zu prüfenden Ambozeptor, nach den in der Anleitung zur Ausfübiung der Wassermannschen Reaktion ge- gebenen Vorschriften für den Hämolyseversuch angesetzt werden. 4. Der Ambozeptor, welcher mindestens einen Titer von 1:1000 haben soll, ist als brauchbar und genügend hochwertig anzusehen, wenn er auf Grund des Vergleichs mit dem Standardambozeptor ‘mindestens den angegebenen Titer auf- weist. und sein Titer ir. Vergleich zu dem des Standardambozeptors bei den ver- gleichenden Untersuchungen an den 3 Untersuchungstagen konstant bleibt. 5. Über den Verlauf der Prüfungsuntersuchungen sind von der Prüfunge- stelle genaue ‚Aufzeichnungen zu führen. en NT RE LEER, us er BER: £ 2 re en We ot ih De er ae I: Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Schema für die Ausführung der Was I. Vorversuche. 4A. Bestimmung der kleinsten völlig lösenden Dosis - des Ambozeptors (,Titerdosis‘‘). | 7 4 SE FA z 4 Sg KOZuOE 0755000 OSzooo Immo "Oz 07Srzooo 072000 Ambo2. B. Bestimmung der völlig lösenden Dosis nach vorherigem C. Prüfung der Zusammenwirken von Extrakt und Komplement unter Ver- Extrakte auf wendung sensibilisierten Blutes. Eigenhämolyse RN su, 0.4 3500 kr] 4 0.2590 Farbenerklärung: Hamm elblutkörnerchen Aufschwenir in Ambozeptor-Verdünnung Komplement-Verdünnung Extrakt-Verdünnung Serum-Verdünnung Kochsalzlösung Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. | tion (nach der amtlichen Vorschrift). IE Hauptversuch mit Kontrollen. I I ın Serum-Kontrollen #5, Passt Krankensern N E Vergleichsserum 11] Tafel 72. f Vu na je gr 1,7 ES PERAITRE ehe Re en a Dane ex Syphilis und Framboesie. | 885 ; Das zu eihende Serum darf nicht in likirein Zustande zur Untersuchung benutzt werden, weil hier durch die Beschaffenheit i 2 obuline uncharakteristische Reaktionen eintreten können und weil ‚das in nicht aktiviertem Serum etwa noch vorhandene Kom- sment störend auf den Gang der Versuche wirken kann. Es muß vor de Versiiche inaktiviert werden, und zwar !/, Stunde bei 56°, nicht - bei höherer Temperatur und nicht länger, da sich sonst im Serum antikomplementäre Stoffe bilden können und die charakteristische nsfähigkeit des Serums. durch stärkere Temperatureingriffe scht (H. Sachs). Das zur Gewinnung des Serums notwendige Blut wird möglichst steril entweder mit dem Schröpfkopf oder durch Venen- ion gewonnen, und zwar in nicht zu geringer Biene, damit quantitative Untersuchungen möglich sind. Die Technik der so einfachen und ungefährlichen Venenpunktion ist die ende: Um den Oberarm wird eine Gummibinde gelegt und so fest angezogen, ß der Radialpuls noch eben fühlbar ist. Dann wird die Einstichstelle mit Alkohol ‚und mit einer etwa 2 mm weiten Punktionsnadel die Vene punktiert. Das ausfließende Blut wird in einem sterilen Reagenzglas in der Menge von etwa 6—8 ccm on. Dann wird die Nadel herausgezogen, die Wunde mit sterilem Tupfer ‚primiert, die Binde gelöst, der Arm gehoben und in dieser Stellung kurze Zeit ug Die Blutung steht sofort. Dieser Eingriff ist vielen Menschen angenehmer, ‚das Setzen eines Schröpfkopfes; nur bei sehr fetten Individuen und Kindern letzterer empfehlenswerter. Für die Zwecke der Praxis empfiehlt sich sehr ein einem Dreiwegehahn und einem Saugballon versehener Apparat, mit dem man zunächst ansaugen und dann das Blut nach Umdrehen des Hahnes in das darunter er Reagenzglas einfließen lassen kann (modifizierter Schröpfkopf). FR - Das Meerschweinchenkomplement darf nur ganz frisch Beat ‘oder höchstens 24 Stunden auf Eis aufbewahrt werden, weil der Gehalt des Serums an Komplement sich bei längerer Aufbewahrung verringert. _ Der. Ambozeptor wird von Kaninchen gewonnen, denen ge- Msschöne. Hammelblutkörperchen in steigenden Dosen von 3—12 cem intravenös oder intraperitoneal in Abständen von 3—6 Tagen ein- gespritzt wurden. Das hämolytische Serum soll möglichst hoch- wertig und ebenfalls genau titriert sein. Vor jedem Versuch, bei dem eine Anzahl Sera gleichzeitig ünter- sucht wird, muß das hämolytische System. mit seinen verschiedenen variablen Größen (Gehalt und Wirkungsart des Ambozeptors, Fragilität der Erythrozyten, Wirkungsart des Komplements) genau kontrolliert und - eingestellt werden. Da aber auch die Bestimmung des hämolytischen _ Titers des Systems nichts über die Deviabilität, d. h. Bindbarkeit des F 'Komplements aussagt, empfiehlt es sich, diese letztere noch besonders zu prüfen. Das geschieht zweckmäßig durch Titrierung des Komple- - mentes einmal mit, einmal ohne Antigen, und zwar in der höchsten zu verwendenden Dosis und unter Verwendung von Standardseris bei dem Versuch selbst. Von größter Wichtigkeit für die Zuverlässigkeit der Serum- _ diagnostik der Syphilis mittels der Wassermannschen Reaktion ist _ die Benutzung mehrerer Antigene. Die an vielen Hunderttausenden E: von Fällen gesammelten Erfahrungen haben nämlich ein merkwürdiges _ Verhalten der Antigene aufgedeckt. Es zeigte sich, daß häufig Sera von ‚sicher esphiklischen Personen mit einem zuverlässigen -Antigen positiv, 886 % 49. Vorlesung. mit einem anderen. Antigen negativ reagierten. Es handelt sich hier nicht um einmalige .oder zufällige Erscheinungen, sondern um Phäno- mene, die sich immer wieder feststellen lassen, wenn die Untersuchung der Sera mit einer ganzen Anzahl von Antigenen erfolgt. Deshalb ist es notwendig, jedes Serum mit mindestens 3, empfehlenswert, es mit 5 Antigenen zu üntersuchen. Die von einer Sachverständigenkommission des Reichsgesundheits- rates ausgearbeitete und als Verordnung für alle amtlichen Unter- suchungen (Gutachten usw.) vorgeschriebene Anleitung für die Ausführung der Wassermannschen Reaktion hat folgenden Wortlaut: Anleitung für die Ausführung der Wassermannschen Reaktion. _ 1. Zur Ausführung der Wassermannschen Reaktion sind nur staatlich ge- prüfte Extrakte und als Ambozeptor nur staatlich geprüfte hammelblutlösende Kaninchensera zu verwenden. Andere Extrakte und Ambozeptoren dürfen nicht benutzt werden. 2. Das Komplement muß von den Untersuchungsstellen selbst gewonnen und die Hammelblut-Aufschwemmung muß von den Untersuchungsstellen selbst her- gestellt werden: Das Komplement darf nur von Meerschweinchen, die noch nicht zu anderen Versuchen verwendet worden sind, stammen. Es soll frisch oder höchstens am vorhergegangenen Tage entnommen sein. Die Aufbewahrung des Meerschweinchen- serums muß im letzteren Falle auf Eis oder im Eisschrank erfolgen. Es empfiehlt sich, das Komplement von mehreren Tieren zu mischen. Die roten Hammelblutkörperchen müssen durch sorgfältiges 3maliges Waschen 3 mit der mindestens 5fachen Menge 0'85 proz. Kochsalzlösung und nachfolgendes Ausschleudern von allen Resten anhaftenden Serums befreit werden. Die als Bodensatz ausgeschleuderten Blutkörperchen sind mit steriler 0'85 proz. Kochsalzlösung derart aufzuschwemmen, daß die Blutkörperchenauf- schwemmung stets in gleicher Dichte benutzt wird und der Mischung von Icem Bodensatz und 19 ccm O'85proz. Kochsalzlösung entspricht. Bei der Versuchsanordnung sind folgende Vorschriften zu beachten: 3. Das menschliche Serum darf nur in inaktiviertem Zustand untersucht werden, d.h. nach '/,stündiger Erhitzung im Wasserbade auf 55° bis 56°C. Je ein Teil des inaktivierten Serums ist mit 4 Teilen steriler 0:8öproz. 2 Kochsalzlösung zu verdünnen. 4. Jedes menschliche Serum muß gleichzeitig mit mindestens 3 verschieden- artigen Extrakten, darunter möglichst einem aus syphilitischer Leber gewonnenen Extrakt untersucht werden. Es empfiehlt sich indessen, besonders auch bei Wieder- holungen der Untersuchung und bei früher bereits sicher festgestellter Lues, mit 5 Extrakten zu arbeiten. en Die Gebrauchsdosis der: einzelnen Extrakte ist durch Vergleichsprüfung an einer größeren Reihe als „sicher positiv“ und „sicher negativ“ bekannter Menschen- sera ausprobiert. Auf den Fläschchen ist angegeben, mit wieviel physiologischer Kochsalzlösung 1 ccm des Extraktes verdünnt werden muß, damit die Gebrauchs- dosis beim Arbeiten mit je 0O'5 ccm der einzelnen Komponenten in 0'5 ccm der Ver- dünnung enthalten ist. Die Extrakte müssen kurz vor Ansetzen des Versuchs durch Zugabe dr entsprechenden Mengen steriler physiologischer Kochsalzlösung verdünnt werden. In welcher Art (unter Schütteln, langsam oder schnell usw.) die Verdünnung zu erfolgen hat, geht aus der den Fläschchen beigegebenen Anweisung hervor. I 5 ua 7 en Syphilis und Framboesie. 2 887 5 Die, RENTEN Reaktion wird in der Weise Essen, daß jede in Betracht kommenden Komponenten in einem ‚Flüssigkeitsvolumen von "enthalten ist. Das Gesamtvolumen beträgt demnach in jedem einzelnen rchen 25 ccm. ıs Sp eitsrücksichten darf die Flüssigkeitsmenge der einzelnen Kom- , auch auf 025 ccm, das Gesamtvolumen auf 125 ccm herabgesetzt werden. In Falle” sind die folgenden Zahlenangaben sinngemäß auf die Hälfte zu Koslühruug der Wassermannschen Reaktion ist jeweils die Wirksamkeit rs und des hämolytischen Ambozeptors in Vorversuchen Resplamient wird sowohl in den Vorversuchen wie auch im Haupt- in 10facher Verdünnung (1 Teil Meerschweinchenserum + 9 Teile steriler z. Kochsalzlösung) bzw. in 20facher Verdünnung (1 Teil Meerschweinchen- n + 19 Teile steriler O‘8öproz. Kochsalzlösung) verwendet. - Hämolytischer Vorversuch. = 8 dem hämolytischen Ambozeptor (Hammelblutkörperchen lösendes E: ıche ) werden, um die im Hauptversuch anzuwendende „Gebrauchsdosis“ zu ermitteln, ‚absteigende Mengen (bzw. verschiedene Verdünnungen) geprüft, um E. zunächst: die kleinste völlig lösende Dosis festzustellen. zer Zugleich wird unter Verwendung eines Extraktes die eigenhemmende (anti- komplementäre) Wirkung der Extraktverdünnung auf das jeweils benutzte Kom- "plement durch folgende Feststellung berücksichtigt. Es werden einerseits Mischungen von ge Mengen von Ambozeptor und Hammelblutaufschwemmung (sen- ' rote Blutkörperchen), andererseits ein Gemisch von Komplement und kt innung hergestellt. Nach 45-Minuten langem Verweilen dieser Gemische E:; ıtsc k werden den Ambozeptor und Hammelblutaufschwemmung enthalten- ee Be heröhrchen gleiche Mengen des Gemisches von Komplement und Extrakt- E- g zugefügt, so daß die unter diesen Bedingungen völlig lösende Dosis E- gen ermittelt wird. - Der Vorversuch gestaltet sich daher bei einem Titer des hämolytischen Ambo- ars 1:2000 folgendermaßen : A. 4 r Bestimmung der völlig lösenden Dosis. Hammelblut- Komplement EEE körperchen Hämolytischer Ambozeptor Koehsalz- lösung LT En U TRR SON TE us DLR REN \ a R Kr D I 4 2 A “ Sr \ . rt r , s h he ah m 3 a Rz re y. jR ERER n NER \ N un wi ; wie R 1/15 ccm Verd. 1:3000 [=0"5 ccm 1:1000] |0O |0'5cem 1:10|0'5ecm 1:20 7210, „ , [205 „ 1:100] |05 ö . 13105, !’ 5} T0: , 1:20] 107 z : vn ee [=05 . 1:3000] |1-0 : i et 1 13000 [05 ” -1:4000] 0 : u DE A [=05 ‘„ 1:6000] |0°5 = z EHI. 5 = 5.I=605,:.1:8000] 1075 - 5 8l0o5, . ; T=05 , 1:120001|10 : ; Be] 0 15 ” n = DR in eckigen Klammern beigefügten Verdünnungen stellen die Ambozep- - torenverdünnungen, auf ein Volumen von 0'5 ccm berechnet, dar, also auf diejenigen ze bezogen, wie sie im Hauptversuche praktisch zur Anwendung gelangen. 888 | | 49. Vorlesung. B. Bestimmung der völlig lösenden Dosis nach vorherigem Zusammen- wirken von Extrakt und Komplement unter Verwendung sensibili- sierten Blutes. [=] NS © ; zu E Hämolytischer ruhe 38 ee = > 10| 05 .cem 1:100 [1:100] |0. Döcem ERDIN ana [11/025 „ 1:100 [1:200] 10:25 i Pen nn 12/105 ,„.:1:300 [1 :300] 6) = euren era ern im 13/03 „ 1:300.[1:500] 102 : Beeren er 00, 14102 . 1:300 [1:750] [03 5 Tonnung, phrolmschee Kine: 15| 015 „ 1:300 [1:1000] | 0:35 5 salzlösung und 10fach verdünntem 16! 01 5 1:300 f1:1 500] 04 N Meerschweinchenserum zugefügt. Die fertig beschiekten Röhrchen werden 1 Stunde im Brutschrank oder !/, Stunde im. Wasserbade bei 37° gehalten. Danach wird im Vorversuch A die kleinste lösende Dosis („Titerdosis“) des Ambozeptors bestimmt durch Feststellung desjenigen Röhrchens von 1 bis 9, in dem gerade noch völlige Lösung der Blut-, körperchen eingetreten ist, Die Blutkörperchen dürfen bei alleinigem Komplementzusatze keine Lösung zeigen. Demgemäß muß in dem Röhrchen 9 die oberhalb der Blutkörperchen 2 stehende Flüssigkeit farblos bleiben. _ ‚Aus dem Vorversuche B (Röhrchen 10 bis 16) ergibt sich die völlig lösende Ambozeptordosis bei vorheriger Einwirkung des Extrakts auf das Komplement. Sie ist durch die antikomplementäre Extraktwirkung bzw. durch Abschwächung des verdünnten Komplements größer als bei der einfachen Bestimmung des Ambozeptor- titers. Es muß daher einerseits mindestens die im Vorversuche B völlig lösende Ambozeptormenge, andererseits mindestens das 4fache der in Reihe A ermittelten Titerdosis für den Hauptversuch angewandt werden. Enthält z. B. im Vorversuch A Röhrchen 3 die kleinste völlig lösende Dosis, im Vorversuche B Röhrchen 13, so ergibt sich als Gebrauchsdosis 0'’5cem der 500fachen Ambozeptorverdünnung. Enthält aber z. B. im Vorversuch A Röhrchen 3 die völlig lösende Dosis, im Vorversuch B aber Röhrchen 11, so ergibt. sich als Gebrauchsdosis für den : Hauptversuch 0'5 cem einer Ambozeptorverdünnung von 1 : 200. Enthält endlich z. B. im Vorversuch A Röhrchen 3 die völlig lösende Dosis, im Vorversuch B aber Röhrchen 15, so ergibt sich als Gebrauchsdosis 0°5 cem der Ambozeptorverdünnung 1: 500. Zugleich sind die beiden Vorversuche A und B in gleicher Weise anzusetzen, nur mit dem Unterschiede, daß das Komplement anstatt in 10Ofacher in 20facher Verdünnung zur Anwendung gelangt. Dabei ist in dem Versuchsteil B derjenige Extrakt zu verwenden, der auch im Hauptversuche bei 20 facher Komplement- a verdünnung benutzt wird. Die Gebrauchsdosis ergibt sich -auch in diesem Falle aus den oben Tre 3 Regeln. ') 7. Um eine Gewähr dafür zu haben, daß im Hauptrersuch einerseits eine hinreichende Komplementmenge vorhanden ist, andererseits ein Komplementüber- schuß vermieden wird, empfiehlt es sich, unter Verwendung der nach dem Ver- 2 fahren in Ziffer 6 bestimmmten Gebrauchsdosen des Ambozeptors den se der. Komplenieplwirknng quantitativ auszuwerten. Kr ') Wenn ausnahmsweise im Vorversuche B unter Verwendung 20 facher Komplementverdünnung auch bei der größten Ambozeptormenge in Röhrchen 10 keine völlige Lösung eintritt, kann trotzdem der Hauptversuch mit der größten ‘ Ambozeptormenge des Vorversuchs B ausgeführt werden. Tritt in derartigen Aus- nahmefällen in den Kontrollröhrchen nicht vollständige Hämolyse ein, so ist bei sich ergebenden Zweifeln die Untersuchung mit demselben Serum zu wiederhulen. Syphilis und Framboesie. b 889 | derartiger Kontrollversuch gestaltet sich folgendermaßen: FF Le Z5 | Ambozeptor-Gebrauchsdosis | 52° s2 an “4 I) 05 | für Komp. Verd. 1:10 .0°5 [0-5 ccm $: 10 ” ” =05 „ 1:20 |1. ” - 5) ei 0125] - E . 5 s „. 1:160=05 „ 1:80 105 | e. - = E) „05 „ 1:160|1 » 5 „ 1:20 =05 „ 1:10 /05 |für Kompl. Verd.1: :20 05 S: 3 =05:,-1:20 ]1 5 = 5 n =05 „ 1:40 |1725 ” n n „.2:10=05 „:1:80:105 5 = = = en, 1:10071 = 5 - Na Die fertig 'beschiekten Röhrchen werden 1 Stunde im Brutschrank ad Fo im Wasserbade bei 37° gehalten. Danach werden diejenigen Röhrchen beiden: Versuchsreihen bestimmt, in denen gerade noch völlige Lösung der utkörperchen eingetreten ist. Diese beiden Röhrchen geben den Komplementtiter ‚und zeigen, ob in den Komplementverdünnungen 1:10 bzw. 1:20 hinreichend d nicht zu viel Komplement enthalten ist. Der Komplementgehalt ist sicher hin- reichend, wenn die Komplementverdünnungen 1:10 bzw. 1:20 das Doppelte des = Komplementtiters enthalten, d.h. wenn in Röhrchen 2 bzw. in Röhrchen 8 gerade € ez völlige Lösung der Blutkörperchen eingetreten ist. Ist die ‚hämolytische E- ‚geringer, so liegt ein schwacher Komplementgehalt vor, ist sie stärker, so = De omplementüberschuß vorhanden. Bei der Anordnung mit 20 fach erdnnalin : Meerschweinchenserum kommt ein Komplementüberschuß nur in Ausnahmefällen u Betracht. ee Dieser Versuch ist nur als Sicherung für die Beurteilung einer Versuchsreihe einem jeweiligen Tage zwecks Berücksichtigung des schwankenden Komplement- titers- aufzufassen. Wenn also z. B. aus dem Versuche hervorgeht, daß das Meer- schweinchenserum sehr komplementarm war und im Hauptversuch eine auffällende Menge von partiellen Hemmungen vorhanden ist, so mahnt diese Kontrolle zur rsicht in der Beurteilung positiver Fälle bzw. zur Neuanstellung des Versuchs Ben sende | Hauptversuch =; en .r Kubar der eigentlichen Prüfung der. eingesandten menschlichen Unter- such ngsflüssigkeit muß durch Vergleichungsuntersuchungen festgestellt werden: a) daß das verwendete hämolytische System kun | „Extraktkontrollen“ - alleinigen Zusatz der Extrakte in seiner Wirksam, z keit nicht beeinflußt wird, (Röhrchen 1, 2 und 3). | db) daß ein aus früheren Versuchen als „sicher negativ“) „Negative Standard- - bekanntes Menschenserum bei richtiger Versuchs Kontrollen“ (Röhrchen anordnung keine Hemmung der Hämolyse bewirkt, 4, 5 und 6) oo daß aber durch ein aus früheren Versuchen als „Positive Standard- „sicher positiv“ bekanntes Menschenserum Ang Kontrollen“ (Röhrchen “ der Hämolyse hervorgerufen wird, 7, 8 und 9) .d) daß ohne Zusatz der Extrakte die zu untersuchen- . den Flüssigkeiten in der Menge von 1 ccm der. Ver- „Serumkontrollen“ dünnung 1:5 das hämolytische System in seiner | (Röhrchen 19 bis 28) Wirksamkeit nicht beeinträchtigen. 9. Um eine gute Übersicht zu. haben, empfiehlt es sich, in den Reagenz- Re 3 en die einzelnen, mit den entsprechenden Nummern versehenen Röhrchen - so aufzustellen, daß alle das gleiche Serum enthaltenden Röhrchen hintereinander, alle den gleichen Extrakt enthaltenden Röhrchen nebeneinander stehen. 890 49. Vorlesung. Die Ausführung der Hauptversuche gestaltet sich demnach bei der Unter- suchung von drei Krankensera unter Verwendung von drei Extrakten folgendermaßen: sb . % = zn 5 25 1838 8 183 = Menschenserum Extrakte | & EB E42 = B = ; ä (1:5) 3 (ABO = ®% ® En 4 E 23 \ Hammelblut [21 0.9 © © 5 MB oIM® S 3 >: 1 — AO0dcem O’5cem| — 05 cem 05 ccm|05 ccm FE ; 2 —_ BUS: F7% — PER ER r E28 u C05., — I'dcem „ 7 ER 5: - 4 | Negat.Vergl.-Serum 051405 „ dem — | — | „I, Er 5 ” n ” n B05 n nr TER yı ” a | 3 2 6 n 2) ” „1005 „|. — |0'dcem BER b) n Er 7| Posit. Vergl.-Serum 05|A05 „ |05cm| — |. — ® e" SE 8 B05 —_ ee 388 ” ” n n 7 7 7 [77 Ra Bee — [05 cem 2 ch E 10) Krankenserum I 05 JA05 „ |Odcem| — —_ 0O'5cem Si Di: ne B05 n » Ex 3 ” n. 121 . & er ar — 05cm — “ = 13) Krankenserum II 05 |A05 „ |Odeem — _ = = 14 b) n.n B 05 ” n Ber Seo -n ” 15 n ar 05 5 — (Ibcem — 3 N 16 | Krankenserum III 05)A 05 „ |0'dcem| — — a a 17 ” 22,...9 B 0:5 n n ARE PIE ”, 18 * rer — 05cm — “ 19 | Negat.Vergl.-Serum 1°0 = Odcem — - & 5 E: 20 „ ” >) „ N s rap 05 ccm = ” ” h 2 21 | Posit. Vergl.-Serum 1'0 = Odcem — — De : ” = 22 ” n 2. = .—.|0dcem| — b) : N = 23| -Krankenserum 110 | — [öde m — | —- | „| „ ta 24 n non I — [Irdeem| — nr n „a 25 Krankenserum II 10 _ Odcemı — _ EN r2 = 26 » „ n Pet N aa 05 ccm er er) 1 6 \ „ 4 hass n 27 | Krankenserum III 10 — :0dceml — u R TE 28 rege _. — .Ibceem| — per Auch bei Benutzung von mehr als drei Extrakten wird immer nur ein Extrakt 5 mit der Komplementverdünnung 1:20 angesetzt. ne 10. Es werden zunächst das menschliche Serum, die Extrakte und das Komplement (in den Röhrchen 1, 2 und 3 an Stelle des Serums die entsprechende Menge Kochsalzlösung) miteinander gemischt und alle Röhrchen 1 Stunde bei 37°C ‘) In denjenigen Röhrchen, die 20fach verdünntes Komplement enthalten (also in Röhrchen 3, 6, 9, 12, 15, 18, 20, 22, 24, 26 und 28) ist die Gebrauchs dosis des hämolytischen Ambozeptors eine andere als in den übrigen Röhrchen, in denen die Komplementverdünnung 1:10 benutzt wird. Die Gebrauchsdosis ergibt sich aus den in Ziffer 6 beschriebenen Vorversuchen. en. 3 Byohilie au: Framboesie. | 891 ' Brutschrank gehalten. Hierauf erfolgt der Zusatz des sensibilisierten Hammel- ‚Zur Sensibilisierung sind Ambozeptorverdünnung und Hammelblutkörperchen- nmung gut zu mischen und '/, Stunde bei 37°C im Brutschrank zu halten. Röhrehen kommen nach kräftigem Durchschütteln ihres nunmehr überall 2:5 cem tragenden Gesamtinhalts wiederum in den Brutschrank oder in das auf 37°C Jurch zeitweise Betrachtung der Röhrchen wird der Verlauf der Reaktion t und der Zeitpunkt festgestellt, an dem in Kontrollröhrchen 1 bis 6 und die Blutkörperchen überall völlig gelöst sind. Alsdann wird das Ergebnis a Fe - Bei der Untersuchung von Lumbalflüssigkeiten werden absteigende Mengen it inaktivierten Lumbalflüssigkeit (05 — 04 — 0'3 — 0:2 — O'l1cem) mit dem t gemischt. Es genügt hierbei die Verwendung einer 10fachen Komplement- nung und die Benutzung von 2 Extrakten, wobei für den zweiten Extrakt Iflüssigkeit nur in der Dosis von 0°5 benutzt wird. e Untersuchung einer Lumbalflüssigkeit gestaltet sich demnach folgender- r ämolytischer = | Extrakte (A B) ger Kochsalz- es mn Gebrauchsdosis 1:10) [eng (Gebrauchs- 1:20 N: dosis) S=L2%-0 -A0deem 05 cem - _ Odcem | Odcem IS NE, BR » 01 N ” 78 1:03 „ ” 02 » E) 402, » > 03 “ ” 5» L- 01 „ ” n 04 ” n ” Sr =D n- 05 ” n 27.5 Obcem B05 cem _ = & = See n 05 # = 9° 10cm = a = S ; 10 in 06 n => ” 04 ” ” 24.1.0904 , — = 0:6 ? = ı2 | o2, = : 08 2 E Steht von der Lumbalflüssigkeit zu wenig Material zur Verfügung, so gemügt "unter Umständen, falls nicht eine Herabsetzung. der Flüssigkeitsmengen der ein-- zelnen Komponenten auf die Hälfte vorgezogen wird (vgl. Ziffer 5, Abs. 2) das ‚Arbeiten mit einem Extrakt. In diesem Falle scheiden also die Röhrchen 7 und 8 aus. 2 _*) Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Reaktion eine biologische - ist und als solche trotz Einhaltung. aller Kautelen eine gewisse Breite der Be- ' arteilung verlangt, sei auf folgendes hingewiesen: -— = In den Versuchsreihen, die eine Komplementverdünnung 1:20 enthalten, - tritt die Hämolyse in der Regel langsamer ein. Bei der Ablesung und Beurteilung - müssen daher die Reihen mit der Komplementverdünnung 1:10 und 1:20 gesondert behandelt werden. Wenn eine Serumkontrolle mit der Komplementverdünnung 1:10 zu einer - Zeit’nicht gelöst ist, zu der die anderen Serumkontrollen bereits gelöst sind, so ist - das betreffende Serum als zu stark eigenhemmend nicht zu beurteilen. Die Be- - urteilung der übrigen in dem gleichen Versuch angesetzten Sera wird dadurch nicht - beeinträchti — Die Eigenhemmung des Serums ist zuweilen bei der Komplementverdünnung 1:20 ausgesprochener als bei der Komplementverdünnung 1:10. Die Ergebnisse - bei Verwendung 20fach verdünnten Komplements (Extrakt C) sind dann mit ent- eerhender Vorsicht zu verwerten und müssen unter Umständen (bei unzureichen- E Zen 19% in den Kontrollen) bei der Beurteilung ausgeschieden werden. (Siehe . Ziffer 13.) - - 892 N 49. Vorlesung. Im übrigen gilt für die Untersuchung von Lombälfitesigkeiten. das gleiche, was unter Ziffer 10 für die Serumuntersuchung gesagt ist. . 2 12. Der Ausfall der Reaktion in den einzelnen Röhrchen ist in den Befund- : niederschriften überall gleichmäßig in. folgender Weise zu verzeichnen: +++ bedeutet: Blutkörperchen ungelöst, darüberstehende Flüssigkeit füchlos‘ +++ bedeutet: Blutkörperchen fast ungelöst, darüberstehende ee schwach rosa gefärbt. ++ bedeutet: zu etwa '/, gelöst: sogenannte „, Große Kuppe*. — bedeutet: zu °/, oder mehr gelöst: sogenannte „Kleine Kuppe“. —_ bedeutet: völlig gelöst: klare, lackfarbenrote Flüssigkeit. Beurteilung der Befunde, 13. Die Reaktion darf nur dann als positiv bezeichnet a wenn die Kontrollen vollständig gelöst sind, d.h. wenn diejenigen Röhrehen, welche die doppelte Menge der Untersuchungsflüssigkeit (ohne Extrakt) und die einfache Extraktmenge (ohne Serum) enthalten,- völlige Auflösung der Blutkörperchen auf- . weisen. Ist in den Serumkontrollen nicht völlige Hämolyse eingetreten, so kommen folgende Möglichkeiten’ in Betracht: a) In den Hauptversuchsröhrcehen (Extrakt + Untersuchungsfinnsigkkärt: ent- haltend) ist die Lösung der roten Blutkörperchen vollständig oder mindestens ebenso stark wie in den Kontrollen eingetreten: das Ergebnis ist dann als’ negativ Dr zu bezeichnen. Be b) In den Hauptversuchsröhrchen ist vollständige Hemmung der Hämolyse 4 oder stärkere Hemmung als in den Kontrollen eingetreten: das Ergebnis ist dann offen zu lassen. In diesen verhältnismäßig seltenen Fällen kann durch Wiederholung der Versuche mit absteigenden Serummengen unter Umständen noch ein mens Bi positives Ergebnis erhalten werden. = Im übrigen gelten für die Beurteilung der Untersuchung folgende Giundektes) = s Das Ergebnis ist als „positiv“, „verdächtig“ oder „negativ“ zu bezeichnen. ‚Bei dem biologischen Charakter der Methode soll der Erfahrung und dem Ermessen des Untersuchers ein gewisser Spielraum gelassen werden. Insbesondere wird es sich für die Entscheidung nicht selten empfehlen, mit der gleichen Probe am nächsten Tage die Untersuchung mit absteigenden Serummengen zu wiederholen. Bei dem Ergebnis „verdächtig“ empfiehlt es sich, die. TONERARE einer Blutprobe nach etwa 14 Tagen zu veranlassen. Be. A. Beurteilung der mit Blutserum angestellten Wä-Rsakkioin: - Das Serum ist als positiv zu bezeichnen, wenn bei der Mehrzahl der ver- .wendeten Extrakte (also bei Verwendung von 3 Extrakten bei 2 Extrakten, bei der Verwendung von 5 Extrakten bei 3 Extrakten) völlige oder fast völlige Hemmung: der Hämolyse festzustellen war (++++ oder +++). Ist nur bei der Minderheit der verwendeten Extrakte völlige Hemmung fest- zustellen, oder ist bei allen bzw. der Mehrzahl der Extrakte eine Kuppe(++ oder- vorhanden, so ist das Serum als „verdächtig“ zu bezeichnen. Ergibt sich aus de Anamnese früher ein Lues, so ist das Ergebnis nach der positiven. Se zu deuten. Ist Hemmung der Hämolyse nur bei demjenigen Extrakte vorhanden, der mit 20 fach verdünntem Meerschweinchenserum angesetzt wird, so darf das Ergebnis nicht als positiv, sondern nur als verdächtig bezeichnet werden. Im übrigen sind für die Beurteilung die unter Ziffer 7 zur ei beschriebenen Ausführungen sinngemäß zu herückaichgue A & B. Beurteilung der mit Lumbalflüssigkeit angestellten Wa. -Reaktior (Vgl. Z. 11.) Der Befund ist als positiv zu bezeichnen, wenn bei einem Extrakte voll ständige Hemmung der Hämolyse eingetreten ist. Es genügt hierbei, wenn das i denjenigen Röhrchen, die die größte Menge Lumbalfiüssigkeit enthalten, der Fall ist. Die. Versuchsreihen müssen regelmäßig verlaufen, d. h. der Hemmungsgrad muß mit absteigender Menge der Lumbalflüssigkeit (Röhrchen 1 bis 5) EINEN oder abnehmen. = und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. | Tafel 73. A Poste Wassermannsche |Reaktion mit fallenden Dosen Antigen und konstanten Dosen von Serum und Komplement. 01 5 0:05 0'005 0'001. = . Neratire Wassermannsche Reaktion, mit fallenden Dosen Antigen und konstanten Dosen von Serum und Komplement. RER N, w ae 002 0001. von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Syphilis und Framboesie. 893 Ist die Hemmung der Hämolyse nur partiell, aber auch in den nur die ge- geren Lumbalflüssigkeitsmengen enthaltenden Röhrchen vorhanden, so ist das h im allgemeinen als verdächtig und nur bei hinreichenden anamnestischen Angaben bzw. bei gleichzeitig positivem Ausfall der Wa.-R. mit Blutserum des- selben Kranken als positiv zu bezeichnen. Ist nur bei Verwendung der größten eiamenge partielle Hemmung der Hämolyse eingetreten, so ist die "Lumbalflüssigkeit als negativ bzw. unter Umständen (klinisch-anamnestische Angaben) als verdächtig zu bezeichnen. = Sollen zum Zwecke der klinischen Differentialdiagnostik (sogenannte Aus- = wertungsmethode) die geringsten Mengen der Lumbalflüssigkeit, die noch positiv E.; haben, bzw. die größten Mengen mit negativer Reaktion bezeichnet werden, so sind die sich aus der unter Ziffer 11 angeführten Tabelle ergebenden Zahleuwerte a u pe m verdoppeln. Sp 10 08 — 06 — 0:4 — 02 ccm.) Listenführung. E a; Über die ausgeführten Untersuchungen sind von den Untersuchungsstellen iR Listen zu führen, welche Herstellungsstätte, Operationsnummer und Verdünnungs- E bzw. Gebrauchsdosen der Extrakte und des hämolytischen Ambozeptors, mit - den enen ‚die men Untersuchungen ausgeführt sind, ersehen ‚Iassen müssen. Re Die Rogeln. die die vorstehende Anleitung enthält, stellen auf experimenteller - Grundlage ruhende und durch Erfahrung bewährte Vorschriften für die Methodik der Wassermannschen Reaktion dar. Wenn daher die hier beschriebene Methodik - als Mindestforderung für öffentliche und amtliche Untersuchungen betrachtet werden muß, so soll damit nicht ausgeschlossen werden, daß neben ihr bzw. zu ihrer Er- BAREUBE auch andere Methoden angewandt werden können. ' Für alle diese zusätzlich ausgeführten besonderen Verfahren bleibt aber auch die grundsätzliche Verantwortung dem ausführenden Untersucher überlassen. Ins- besondere ist zu betonen, daß die staatlich geprüften Extrakte in ihren Gebrauchs- - dosen bzw. in den Verdünnungsgraden nur für die hier beschriebene Methodik - bestimmt sind, und daß daher die quantitativen Zahlenangaben keineswegs für er ee Abänderung der Technik und Methodik Geltung beanspruchen können. Be; Was die Beurteilung der Versuchsergebnisse der Reaktion im $ Einzelfalle betrifft, so muß auf diese praktisch so wichtige Frage mit E einigen Worten eingegangen werden. Für die Bewertung der Befunde ist eine komplette Hämolyse oder komplette Hemmung entscheidend. =s ‚Inkomplette Hemmungen sind zwar auch verwertbar, namentlich wenn - sie bei der quantitativen Titrierung innerhalb der abgestuften Skalareihe E: zwischen kompletter Hemmung und Hämolyse eingeschaltet sind; da- - gegen sind sie, wenn sie sich nur bei der höchsten Dosis finden, nur als „verdächtig“ zu bezeichnen, denn sie sind auch bei einigen anderen Krankheiten beobachtet und können bei mangelhafter Methodik oder Ver- sagen des einen oder anderen Ingrediens vorkommen. Solche inkomplette Hemmungen finden sich übrigens bei unbehandelter und generalisierter - manifester Lues selten oder gar nicht, öfter aber im Beginn der Er- - krankung, in der Latenz und unter dem Einfluß der Behandlung. Es - empfiehlt sich in solchen Fällen, die Untersuchung nach einiger Zeit - zu wiederholen. Das Ergebnis hat auch bei inkompletter Hemmung bei - der höchsten Dosis des Antigens zum mindesten den Wert, bei zweifei- - haften Erkrankungen den Verdacht auf Lues zu erhärten, und der - Kliniker kann unter Umständen solche Resultate auch verwerten, nament- lieh bei klinisch sichergestellter Lues (E. Sonntag). 3 Nur bei Beobachtung einer absolut genauen und exakten Methodik - berechtigt die Serumdiagnostik bei Syphilis zu weitgehenden Schlüssen. Es ist namentlich für die Klärung zweifelhafter Fälle und solcher, bei Kolle und Hetsch, Bakteriölogie. 6. Aufl. 58 Beurteilung der Ergeb- nisse. ‘ Biologen auf ein Minimum herabzudrücken. Das Verfahren, bei der Aus- zu benutzen, ist namentlich bei der Kontrolle der therapeutischen Maß- Modifika- tionen der "Wasser- mannschen Reaktion. ‘immer ‚sofort nach der Abnahme zur Reaktion benutzt werden könnte und immer ‚gefördert. Es wird, da es sich um eine biologische Reaktion handelt, ‚sultate ergeben. Aber die Mißstände, daß Modifikationen der Wasser- a “ Wassermannschen Reaktion hier aufzuführen. Nur einige sollen kritisch ‚lytischen Hammelblut-Ambozeptors der im Serum der Menschen vorhandene normale ‘ Hammelblut-Ambozeptor benutzt wird, nicht brauchbar, weil der Ambozeptoren- 2 E% 49. Vorlesung. denen die Reaktion infolge langer spezifischer Behandlung nur mit einzelnen besonders wirksamen Antigenen positiv ausfällt, wünschens- wert, durch Aufstellen einer Reihe. mit fallenden Dosen des Antigens unter Zusatz gleicher Serummengen oder, wie Boas vorschlägt, mit fallen- den Dosen des Serums die hemmenhde Grenzdosis des Serums genau festzustellen. Durch sorgfältige Titrierung des verdächtigen Serums mit mehreren Antigenen wird es möglich, auch bei zweifel- haften Fällen die Fehlerfolge der Reaktion in der Hand eines geübten Er Jul dh re buch Fi 3 3 führung der Reaktion eine einzige Dosis des zu untersuchenden Serums a nahmen nicht so zuverlässig, wie die Titrierung. Auch wenn die Kontrolle: mit der. doppelten Dosis des Serums und mit Antigen allein gemacht ist, können bei Benutzung nur einer Dosis, zumal wenn mit wenigen Antigenen gearbeitet wird, nicht so genaue, quantitativ vergleichbare Resultate erhalten werden. 2% RER: ee Durch die Festlegung der Richtlinien und Grundnormen für die Ausführung der Wassermannschen Reaktion und für die Prüfung der Extrakte und Antigene, die in der von vielen erfahrenen Fachmännern im Reichsgesundheitsrate ausgearbeiteten Anleitung erfolgt ist, ist sicher die Zuverlässigkeit der Methodik und ihre Einheitlichkeit bei allen Unter- suchungen, die mit geprüften Extrakten ausgeführt werden, wesentlich zwar immer Fälle geben, bei denen in zwei Untersuchungsanstalten mit demselben Serum ausgeführte Prüfungen voneinander abweichende Re- mannschen Reaktion oder mit ungeeigneten Extrakten oder unzuläng- licher Methodik, oft noch dazu von wenig erfahrenen Serologen aus- geführte Untersuchungen die Serodiagnostik der Syphilis in Frage zu stellen drohten, sind beseitigt. Es. ist, nachdem eine einheitliche Methodik wenigstens für das Deutsche Reich festgelegt ist, auch nicht mehr notwendig, alle in der Literatur niedergelegten Modifikationen der. E besprochen werden, namentlich diejenigen, die erfahrungsgemäß zu Irr- tümern und Fehldiagnosen Anlaß geben. Wer sich eingehend über alle Modifikationen der Wassermannschen Reaktion orientieren will, findet in dem Werk von Harald Boas über. die Wassermannsche Reaktion eine vollständige Übersicht. a Bezüglich der Modifikationen der Wassermannschen Reaktion sei hier l- gemein bemerkt, daß alle nicht mit genau ‚abgemessenen Mengen arbeitenden Methoden von vornherein ausgeschaltet werden müssen. Aber auch von den anderen Modifikationen erwecken manche große Bedenken. So ist die von J. Bauer vor geschlagene Modifikation, bei der an Stelle des von Kaninchen stammenden hämo- gehalt der Menschensera nicht stets der gleiche. ist, Bei 10°/, der Menschen ist er so gering, daß das Serum auf Hammelblutkörperchen überhaupt keine lösende Wirkung ausübt. Bedenken erweckt auch die Heranziehung aktiver Sera, weil- diese sehr oft allein eine Wirkung haben, die zusammen mit der Wirkung der allein nicht hemmenden Dosis. des Extraktes eine positive Reaktion vortäuschen kann. Ebensowenig erfolgreich ist der Versuch gewesen, das im Menschenserum enthaltene Komplement an Stelle des Meerschweinchenserums zu setzen, wie es von Hecht vorgeschlagen wurde. Die Hechtsche Methodik wäre brauchbar, wenn das Serum Syphilis und Framboesie. 895 mnibend die gleiche ER Komplement enthielte. Das ist nicht der Fall. Die 2... tzung der nicht inaktivierten Sera hat nach den Untersuchungen von Sachs, ın, Schatilof” und Isabolinsky noch das Bedenken, daß diese Sera recht häufig allein hemmend wirken und daß ferner das Komplement des Serums beim Stehen ‚rasch zugrunde geht. Verschiedene Sera weisen hierin sehr große Unterschiede auf. Aus diesen Gründen ist die Zuverlässigkeit des Szternschen Verfahrens zu bezweifeln. Auch die von Tschernogubow vorgeschlagene Modifikation, neben dem im Menschen- blut enthaltenen Komplement Menschenblutkörperchen statt des Hammelblutes zu E n, ergibt keine sichere Methodik, denn die Komplemente des Menschen- _ -gerums sind unsicher in der Wirksamkeit auf Menschenblut, auch wenn man einen = _ für Menschenblutkörperchen wirksamen Kaninchen-Ambozeptor benutzt. ee - Die Versuche, die meist darauf hinauslaufen, die Reaktion nicht in quanti- tativer Weise durch "geübte Biologen im Laboratorium ausführen zu lassen, sondern sie als eine Reaktion des Praktikers hinzustellen, der sie jederzeit auch ohne Berück- ‚sichtigung der quantitativen Verhältnisse der einzelnen Ingredientien ausführen sea sind fehlgeschlagen und müssen als zu Irrtümern führend abgelehnt werden. "Besonders muß vor allen Modifikationen gewarnt werden, die mit sehr kleinen Anka arbeiten, den sogenannten „Mikroreaktionen“, zu denen z. B. die Weidanzsche on ‚gehört. Die Gefahr der Erhöhung der Versuchsfehler ist hier sehr ' Bei der v. Dungernschen Modifikation fehlt jede Kontrolle, namentlich über > 'Selbsthemmung des Serums und die Dosierung von Serum und Komplement. - Es ist bei ihr auch nicht möglich, quantitativ oder überhaupt genau zu arbeiten, & zumal sich der Gehalt des alten getrockneten Komplementes an wirksamen Stoffen ‚nicht. feststellen läßt. TE > Tolaeschern ausgeführt werden und wird um so zuverlässiger, -je ‚besser eingerichtete und mit allen Hilfsmitteln ausgestattete Zentral- ä ite, in denen täglich viele Untersuchungen ausgeführt werden, für die Untersuchungen zur Verfügung stehen. In solchen Zentral- instituten ist es auch möglich, die Serumproben neben der Wasser- mannschen Reaktion noch mit den neuen Flockungsmethoden zu unter- suchen ünd einzelne Serumproben, bei denen die erste Untersuchung nicht ganz eindeutige Resultate ergab, einer genauen quantitativen _ Auswertung mit fallenden Dosen des Serums, der Antigene oder des Komplementes (Boas, Kolle, Kaup) zu unterwerfen. Auch solche feineren Methoden, wie sie z. B. von Boas für die zahlenmäßige Feststellung der Blutkörperchenlösung mittelst einer Hämoglobinskala (Feststellung der - sogenannten Hämolysezahl mit Hilfe einer Vergleichsskala) angegeben = ‚sind, können hier angewendet werden. 4 ‚Die Kaupsche Modifikation fordert eine genaue Austitrierung des Kondle: ments‘ einerseits ohne Zusatz, andrerseits aber auch nach Zugabe von Normalserum allein, von Extrakt allein und von Normalserum und Extrakt zusammen. Beim . Hauptversuch wird jedes Serum mit der i-, 1%/,-, 2-,3- und 4-fach lösenden Mindest- menge des Komplements, die mit dem betreffenden Extrakt und einem Normal- serum ermittelt wurde, angesetzt; als Ambozeptordosis dient die vierfache Menge. Durch entsprechende Extrakt-, Serum- und Extrakt-Nornalserum-Kontrollen sucht _ Kaup die störenden Extrakt- ‘und Serumeigenschaften möglichst auszuschalten und die Empfindlichkeit der Reaktion zu steigern. Es ist notwendig, mit einigen Worten auf die Versuche einzugehen, die angestellt sind, um das Wesen der Wassermannschen Reaktion zu erklären. Sehr wertvoll waren in dieser Richtung die mit Lezithin und ähnlichen reinen Lipoiden als Ersatzmitteln der Leberextrakte von - H. Sachs, Rondoni, Altmann u. a. vorgenommenen Versuche. Daß es sich bei der Reaktion’ im wesentlichen um eine Lipoidreaktion handeln könnte, wurde auf Grund der Ausflockung von Lezithin und oleinsaurem Natrium durch Serum von Syphilitikern nach Porges und Meier wahr- scheinlich Bene Wenngleich nun vieles dafür BURHBS daß die 58* Die Wassermannsche Reaktion soll nur von serologisch geschulten Wesen der Reaktion. 896 49. Vorlesung. Syphilisreaktion als eine kolloidale Fällungsreaktion zwischen gewissen hydrophilen Kolloiden und denjenigen den Globulinen zuzurechnenden Eiweißkörpern anzusehen ist, die im Luesserum infolge geringerer Sta- bilität eine größere Fällungszone hervorrufen (Bruck), so läßt sich doch durch diese physikalisch-chemische Annahme der Mechanismus der Re- aktion nicht völlig erklären. Man hat anzunehmen versucht, daß bei der Wassermannschen Reaktion zwei verschiedene Vorgänge in Erscheinung treten, eine nicht- spezifische Lipoidreaktion und eine spezifische, auf einer Bindung von echten Luesantikörpern mit den Luesantigenen beruhende Komplement- bindung. Ob aber eine spezifische Komplementbindung in letzterem Sinne beteiligt ist, darüber kann man nur Vermutungen hegen. Ein Beweis fehlt, seit man eben ohne spirochätenhaltiges Material zu voll- wertigen Extrakten gelangt ist. Was die von Weil und Braun. auf- gestellte Hypothese anlangt, daß es sich um eine durch weitgehenden Gewebszerfall veranlaßte Autoimmunisierung handle, so fehlt bezüglich der Extrakte noch der Nachweis, daß sich mit ihnen Antikörper erzeugen lassen (Kolle, Schatilof und Isabolinski), die als spezifische Kom- ponenten der Komplementverankerung in Tätigkeit treten. Nach den Versuchen von F. Bruck und Stern ist es wahrscheinlich, daß die reagierenden Stoffe des Syphilitikerserums (sogenannte Reaktions- körper) direkt aus den Organen durch Zellzerfall frei werden und ins Blut übertreten. Es gelang den Autoren, durch Digerieren mit normalen Organen negative Menschensera zu positiv reagierenden zu machen. In manchen Versuchen ist das auch H. Sachs durch Digerieren mit- Seifen und E. Nathan durch Digerieren mit Bazillensuspensionen möglich gewesen. Bei der. Bewertung derartiger Befunde ist allerdings eine gewisse Vorsicht der Beurteilung notwendig. Denn nach Hirschfeld und Klinger sowie E. Nathan können rein physikalische (globulinverändernde) ‘ Einflüsse zu einem Positivwerden negativer Sera führen, ein Vorgang, der allerdings, wie Nathan gezeigt hat, meist an die Aktivität des Serums gebunden ist. Einen weiteren, sehr beachtenswerten Beitrag, wie die Entstehung und Wirkung der Reaktionskörper vielleicht erklärt werden kann, hat U. Friedemann gegeben. Er nimmt an, daß sie bereits im normalen Serum vorhanden sind, hier aber in ihrer Funktion unter- drückt werden, dagegen im Luikerserum durch den Fortfall der physiologischen Hemmung in Tätigkeit treten können. Ausgehend von der Tatsache, daß die Reaktionskörper an die Globulinfraktionen des Serums gebunden sind, erzielte er auch bei normalen Seris einen positiven Ausfall der Wassermannschen Reaktion, wenn er Globulin und Albumin in geeigneter Weise trennte und wieder mischte. Nach seinen Beob- achtungen hält Friedemann es für wahrscheinlich, daß. die charakteristi- sche Reaktion des Luikerserums in letzter Linie "auf einer veränderten Bildung oder. Zusammensetzung der Eiweißbestandteile beruht. Was den Vorgang des Komplementschwunds bei der Wasser- mannschen Reaktion anlangt, so besteht auch dann, wenn man die Beteiligung einer spezifischen Antigen-Antikörperbindung ausschließt, nach den neueren Anschauungen kein Grund, zwischen dem Komplement- schwund bei der spezifischen Komplementbindung und bei der Wasser- mannschen Reaktion einen prinzipiellen Unterschied zu machen. Ins- besondere ist von H. Sachs die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung ri A a a a nn nn Syphilis und Framboesie. 897 ler "Giobalinveränderungen für die antikomplementären Wirkungen ge- enkt und von gleichen Gesichtspunkten aus auch der Komplement- chwund bei der Wassermannschen Reaktion als Komplementinaktivie- ng infolge einer Globulinveränderung bestimmten geeigneten Grades gesehen worden. Nach dieser Betrachtungsweise, die durch um- ‘he Untersuchungen gestützt ist und der auch die Anschau- von Friedemann, P. Schmidt, Hirschfeld und Klinger u. a. ent- 1 ir: die Vorbedingung für die Komplementinaktivierung in leı "Fällen eine Globulinveränderung im Sinne einer begrenzten Ver- erung der Dispersität (Sachs), die dann zum Manifestwerden der ntikomplementären Globulinwirkung (Friedemann) führt. Nach den ıte eangen von Sachs und Altmann entspricht der Einfluß von rändeı der Reaktion des Mediums und-der Temperatur dieser ‚uffassung. Die positive Wassermannsche Reaktion wäre danach als ein Analogon | zu der von Sachs und Teruuchi beschriebenen Kom- N ktivierung im salzarmen Medium zu betrachten. Die Ursache der Globulinveränderung wäre im Falle der Wassermannschen Reaktion das Zusammenwirken der Extraktlipoide mit der für Syphilis cha- schen Serumkomponente. Die letztere braucht aber keine besondere Substanz zu sein, sie kann mit den Globulinen in engem ammenhang stehen (Lipoid-Eiweißverbindungen nach Friedemann 'und Rosenblatt), und der Komplex kann durch. die syphilitische Er- krankung (V eränderungen der Lipoidzusammensetzung) gegenüber der Norm so alteriert sein, daß ein physikalisch-chemisches Zusammen- wirken mit den Extraktlipoiden zustande kommt, das nach Sachs zu der geeigneten Globulinveränderung führt. In neuerer Zeit sind Bestrebungen von Erfolg begleitet gewesen, _ die Serumdiagnostik der Syphilis mittelst Ausflockung zu führen. Während frühere Versuche in dieser Richtung (Porges und Meier, Porges, Neubauer, Elias und Salomon, Hermann und Perutz, Jacobsthal, Bruck und Hidaka, Klausner, Bruck u. a.), durch Verwen- dung chemisch definierter Substanzen, wie Lezithin, Cholesterin oder glycocolsauren Natriums, oder durch Globulinfällung mittelst destillierten assers (Klausner), Salpetersäure, Milchsäure oder Alkohol (Bruck) eine ‘Syphilis charakteristische Fällungsreaktion aufzufinden, nicht den ‚gewünschten praktischen Erfolg gezeitigt haben, hat sich gezeigt, dab s doch möglich ist, die Bedingungen so zu gestalten, daß Organextrakte mit Syphilitikerserum hinreichend empfindlich und, wie es scheint, charakteristisch im Sinne einer Ausflockung zusammenwirken. Es kommt i darauf an, daß die direkte Fällbarkeit der Serumglobuline, die cht allein bei Syphilis erhöht ist. praktisch ausgeschaltet wird und trotzdem eine Fällung durch das Zusammenwirken von Extraktbestand- ‚teilen und den für Syphilis charakteristischen Serumstoffen zustande kommt. Meinicke sowie Sachs und Georgi haben das Verdienst, mittelst vielfach veränderter Versuchsbedingungen (Gewinnung und Verdünnung der Extrakte, Temperatureinflüsse auf den Ablauf der Reaktion usw.) nicht nur praktisch brauchbare Methoden, die zur Ergänzung der Wassermannschen Reaktion dienen können, geschaffen, sondern auch für die theoretische Auffassung der Serumdiagnostik der Syphilis und _ der dieser zugrunde liegenden, für Syphilis charakteristischen Serum- | E > veränderungen neue eg geliefert zu haben. Schon früher Aus- flockungs- reaktionen. 898 49. Vorlesung. hatten Gay, Moreschi, L. Michaelis, Liefmann, Jacobsthal, Bruck und Hidaka und andere nachgewiesen, daß die Wassermannsehie Reaktion ihrem Wesen nach auf den meist subvisibel bleibenden Fällungen in der Mischung Syphilisserum + Organextrakt beruht. Jacobsthal gelang es, in diesen Gemischen mittelst des Ultramikroskops eine eigenartige Schollenbildung festzustellen. Bruck und Hidaka konnten diese feinsten Ausflockungen durch elektrisches Zentrifugieren auch makroskopisch zur Darstellung bringen. Für die Meinickesche Reaktion (sogenannte Lipoidbindungs- . reaktion) sind von Meinicke drei verschiedene Verfahren ausgearbeitet worden, von denen für die Praxis an erster Stelle das-als- „einzeitige“ Methode oder dritte Modifikation (D. M.) bezeichnete in Frage kommt. Das älteste, die „Wassermethode“ verläuft ganz im salzfreien Medium, ist aber aufgegeben. Dagegen wird die sogenannte „Kochsalz- methode“ noch angewandt, die auch theoretisch interessant ist. Ihre Technik ist zweizeitig. Es werden zunächst durch Verwendung geeigneter Extrakte und deren Verdünnung in destilliertem Wasser sämtliche Sera ausgeflockt und nachher durch Zugabe von Kochsalz- lösung geeigneter Konzentration die Flocken nichtsyphilitischer Sera elektiv wieder aufgelöst. Die Verdünnung der Extrakte mit destilliertem Wasser muß sehr langsam erfolgen, in der Regel so, daß die Extrakt- verdünnung etwa 28 Minuten in Anspruch nimmt. Das. Patientenserum wird nur !/, Stunde bei 55° inaktiviert. Die Ausführung geschieht derart, daß je O'2ccm des inaktivierten Serums mit 0'8 bzw. Icem des 8fach ; verdünnten Extraktes gemischt werden. Die Mischungen bleiben 20—24 Stunden im Brutschrank stehen, wonach die überwiegende Mehrzahl der Sera mehr oder weniger starke Ausflockung zeigen muß. Nunmehr erfolgt Zusatz von je lccm einer austitrierten Kochsalzlösung. Die Titration wird in der Weise vorgenommen, .daß zu mehreren bereits bekannten positiven und negativen Seris, die in gleicher Weise mit Extrakt vorbehandelt sind, Kochsalzlösungen verschiedener Konzentration (zwischen 1'4 und 2'4°/,) zugefügt werden. Für den Hauptversuch wählt a al a un -man dann diejenige Kochsalzlösung, die bei den negativen Seris des 4 Vorversuchs die Flocken innerhalb einer Stunde gerade noch vollständig EB gelöst hat (meist 1'6proz: Kochsalzlösung). Nach 1 stündiger weiterer Einwirkung bei 37° liest man die Ausflockung, etwa ebenso wie bei der im folgenden besprochenen Sachs-Georgischen Reaktion, ab. Lumbal- flüssigkeiten eignen sich vorläufig nicht für diese Untersuchung. Wegen ihrer Kompliziertheit hat diese sog. zweizeitige Methode von Meinicke weniger Anhänger gefunden als die sog. dritte Modifi- kation (D. M. der Meinicke-Reaktion), die einzeitig ist. Bei dieser Methode mischt man 0'8cem der vorher eingestellten Extraktverdünnung mit 02 ‘ccm der. '/, Stunde lang bei 55° inaktivierten Sera; die ' Röhrchen werden 24 Stunden lang in den Brutschrank bei 37° gestellt. Die luischen Sera zeigen dann, wie mit bloßem Auge oder mit Hilfe einer Lupe festgestellt werden kann, mehr oder weniger starke Aus- flockung, während diese bei den negativen Seris fehlt. Diese D. M. der = Meinicke-Flockungsreaktion ist im Anschluß an die Arbeiten von Sachs und Georgi von Meinicke ausgearbeitet worden und stellt neben der Sachs-Georgischen die wichtigste Ergänzungs- bzw. Ersatzmethode: der Wassermannschen Reaktion dar. Die bei der D.M. entstehenden Flocken Syphilis und Framboesie. 2R 899 ° nd wegen der Slaier bedeutenden Menge de zugesetzten Serums groß eicht sichtbar. Ein Vorteil der D. M. ist ferner die Benutzung von cholesterinierten Extrakten. i ie Ausflockungsreaktion von Sachs und Georgi ist ebenso und einzeitig wie die D. M. der Meinicke-Reaktion. Wesentlich ie ist die Verwendung in geeigneter Weise cholesterinierter Organ- kte und deren Verdünnungart. Die Ausführung gestaltet sich .beim ensein geeigneter Organextrakte folgendermaßen: Der Extrakt. verdünnt, daß zunächst gleiche Teile Extrakt und physiologischer lösung rasch gemischt werden. Nach leichtem Schwenken dieser ng werden weitere fünf Teile physiologischer Kochsalzlösung rasch zeben. O’5ccm der derart bereiteten 6fachen Extraktverdünnung "mit 1cem 10facher Verdünnung des zuvor durch ‘/, stündiges Er- n auf 55° inaktivierten Patientenserums gemischt. Zur Kontrolle den Iccm der 10fachen Serumverdünnung mit 05.ccm 6fach mit ysiologischer Kochsalzlösung verdünnten Alkohols (Serumkontrolle) und 05.ccm der Extraktverdünnung mit I ccm 085 proz. Kochsalzlösung tra Brakealle), gemischt. Die Gemische bleiben 24 Stunden im Brut- nk bei 37° stehen. Das Ergebnis wird sodann bei schwacher Ver- rößer im Kuhn- Woitheschen Agglutinoskop abgelesen. Bei positiver Reaktion ‘zeigen sich helle Körnchen auf dunklem Grunde, ähnlich. wie bei der Bakterienagglutination. Die Methode scheint an Empfindlich- it ler Wassermannschen- Reaktion nicht nachzustehen und sie in- n zu ergänzen, als manche syphilitische Sera nur mittels Aus- flockung, manche hingegen nur mittels Wassermannscher Reaktion . Die Sachs-Georgische Reaktion eignet sich auch zur Unter- suchung vom Lumbalflüssigkeiten, erreicht aber hierbei bisher nicht die findlichkeit der Wassermannschen Reaktion. \ _Dold hat darauf aufmerksam gemacht, daß der makroskopisch der mikroskopisch wahrnehmbaren Flockung sowohl bei der Sachs- :orgischen Methode wie der D. M. von Meinicke ein Stadium vorausgeht, in dem 'sich eine positive Reaktion durch eine mit bloßem Auge wahr- ‚nehmbare Trübung kenntlich macht. Dieses auf Vergrößerung der kolloidalen Teile der Gemische beruhende Phänomen wird von ihm nach — 4stündigem Aufenthalt der Proben im Brutschrank bei '37° C elesen und als „Trübungsreaktion“ bezeichnet. Die Ablesung folgt, indem man die Röhrchen gegen das Fenster hält. Ist Frübung vorhanden, also die Reaktion positiv, so ist das Fensterkreuz nicht oder nicht scharf zu erkennen; ist das Serum negativ, .so ist das Fenster- kreuz scharf abgezeichnet. Kontrollen bieten die nicht mit Extrakten versetzten Röhrchen desselben Serums. Es handelt sich bei der sog. Doldschen Trübungsreaktion nicht um ein neues Prinzip, sondern um - zur Orientierung und Sicherstellung der Flockungsreaktionen nach Meinicke und Sachs-Georgi dienende Frühablesung dieser Reaktionen. ‘© Ausführung und Beurteilung erfordert besondere Vorsicht und ist nur bei völlig klaren Serumproben statthaft. - — » Dürch die Flockungsreaktionen und die von Hörsehfeld und Klinger angegebene Gerinnungstheori ie, über die noch kurz das prinzipiell Wichtige mitgeteilt werden soll, ist die Erörterung und experimentelle Bearbeitung der Frage nach dem Wesen der Wassermunnschen Reaktion aufs neue in Fluß gekommen. Nach der Annahme dieser Autoren 'bestehen anta- 900°: 49. Vorlesung. gonistische Wechselbeziehungen zwischen den Albuminen und Globulinen des Serums, die zur Bildung des Thrombins führen, des Fermentes, das die Blutgerinnung durch Fällung der fibrinogenen Substanz bewirkt. Da nun -das Thrombin aus Serozym (Thrombogen) und Zytozym (Thrombo- kinase), das lipoidartig ist, bei Gegenwart von Ca-lonen entsteht und der alkoholische Organextrakt das Zytozym ersetzen kann, kamen Klinger und Hirschfeld durch diese Erwägungen auf den Gedanken, ‚die Wirkung positiver und negativer Sera auf die Zytozymwirkung der alkoholischen Extrakte zu prüfen. Bei der Gerinnungsreaktion dieser Autoren tritt durch Zusatz von normalem Serum die Gerinnung einer Mischung von Zytozym + Fibrinogen ein, während sie bei Verwendung syphilitischen Serums ausbleibt. Als fibrinogene Substanz dient Oxalat- plasma eines Tieres. Die Hirschfeld-Klingersche Reaktion hat unter anderem wegen ihrer Kompliziertheit keine praktische Bedeutung gewonnen, aber sie spricht, wie die Flockungsreaktionen, für die große Bedeutung physi- kalischer oder physikalisch-chemischer Phänomene bei der Wasser- mannschen Reaktion. Auch die Konglutinationsprobe (Karvonen) und die Meiostagminreaktion von Ascoli und Jzar sowie die ver- schiedenen zur serologischen Luesdiagnose im Liquor cerebrospinalis angegebenen Kolloidfällungsmethoden von Lange (Goldsolreaktion), Emanuel (Mastixreaktion), Kirchberg (Berlinerblaureaktion) haben mit den eben erwähnten Flockungsreaktionen das gemeinsame, daß physikalische Veränderungen, wie z. B. die Oberflächenspannung, die Oberflächen- löslichkeit, der Adsorptionskoeffizient u. v. m., eine Rolle spielen. Aber bei allen Erklärungsversuchen, die bei der Komplementbindung bzw. beim Inaktivieren das Primäre in physikalischen Vorgängen sehen, muß man sich doch darüber klar sein, daß die letzte Ursache all dieser physikalischen Phänomene, die zur Komplementinaktivierung oder Ad- sorption infolge Entstehung mehr oder weniger grober disperser Kom- plexe (aus Extraktlipoiden und: Serumglobulinen) oder Verminderung der Dispersität der Serumteilchen führen, vielleicht doch eine chemische ist. Die interessante Hypothese von Hörschfeld und Klinger über die Ursachen des Dispersitätsgrades. der Teilchen kolloider Lösungen zieht auch chemische Körper (Eiweißabbauprodukte, z. B. Polypeptide und Alkali sowie Natriumbikarbonatverbindungen von Aminosäuren, die an der Teilchenoberfläche adsorbiert sind), als „Löslichkeitsvermittler* zur Erklärung der. Ausfloekung heran. Sie wirken dadurch dispersitäts- verringernd, daß sie um jedes wasserunlösliche kleinste Globulinteilcken Wassermoleküle ansammeln und so die Dispersitätsvergrößerung (mikro- skopische und dann makroskopische Ausflockung) verhindern. Damit E: stimmt überein, daß Zusatz von Säure, welche die Entstehung freier, sehr wasserlöslicher Aminosäuren bewirkt, die Ausflockung begünstigt. Die Verklebung verhindernden Aminosäuren werden an der Oberfläche der Teilchen abgestoßen, d. h. sie gehen vermehrt in Lösung. Alkalien verhindern dadurch die Ausflockung der Globuline, daß sie durch Förde- rung der hydrolytischen Aufspaltungen der Eiweißkörper mehr „Löslich- keitsvermittler“ schaffen. Damit steht auch im Einklang, daß die In- aktivierung der Sera bei 55°C, bei: der hydrolytische Abbauvorgänge der Eiweißkörper und Vermehrung der Alkalität des Serums erfolgen, zur Stabilisierung der Globuline führt. E = = 3 I. } F Ki Syphilis und Framboesie. 901 Alle Sieikalisih:heinigciien foklännigeyeisüche der Wassermann- | schen Reaktion haben aber bezüglich eines Punktes noch keine be- friedigende Erklärung gegeben, nämlich der Tatsache, daß, abgesehen _ von einigen wenigen anderen Krankheiten, die Wassermannsche Re- aktion nur bei der Syphilis positiv ist. Es deutet das immer wieder darauf hin, daß, ähnlich wie bei den Antikörper-Antigenreaktionen, doch vielleicht als das Primäre der physikalischen und physikalisch- ehemischen Vorgänge, die "unzweifelhaft bei der Wassermannschen Re- aktion eine dominante Rolle spielen, chemische Affinitäten im Sinne - der Antikörper-Antigenreaktionen angenommen werden müssen. Da nun ein Antikörper (Ambozeptor) gegen Spirochäten ausgeschlossen ist, hat v. Wassermann, wie bereits früher Weil und Braun, einen Lipoidanti- körper angenommen und durch Versuche nachzuweisen gesucht. Um die | immun-biologische Natur seiner Reaktion, die jetzt nicht eine Spiro- chätenantigen-Spirochätenantikörper-Reaktion, sondern eine Reaktion - „zwischen Organextrakt bzw. Lipoid und Lipoid-Antikörper sein soll, zu beweisen, führt er gewisse theoretische Vorstellungen und Versuche ins Feld. Die Antigennatur der Organextraktlipoide folgert v. Wassermann daraus, daß die Doppelverbindung Organlipoid und Lipoidantikörper — sog. Wassermann -Aggregat — bis zu einer gewissen Zeit reversibel bzw. in seine Teile zerlegbar sei, wie bei einer echten Antigen-Anti- körperreaktion. Die Organlipoide sollen auch infolge Affinität zu Zell- gruppen des Organismus zur Antikörpererzeugung führen. Im syphilitisch - infizierten Organismus werden Eipeide in größerer Menge durch die Spirochäteninfektion und den durch sie bedingten Zellzerfall frei und können so antigen wirken. Diese Theorie v. Wassermanns hat in verschiedenen Punkten Wider- ‚legung bzw. Einwände erfahren. Die Reversibilität bzw. Trennung des „Wassermann-Aggregates“ beweist nicht die Antigen-Antikörpernatur desselben. Auch das Langesche Aggregat — Eiweiß-Goldpräzipitat, ge- wonnen mit Goldhydrosol — ist in Eiweiß und Goldazidose trennbar, obwohl sicher kein Antikörper vorliegt. Die positive Reaktion des Serums normaler, d. h. nichtsyphilitischer Kaninchen spricht gegen. die Antikörpernatur der Serumstoffe. Die Mehrzahl der Forscher auf diesem Gebiete hat sich zur Erklä- rung der Wassermann-Reaktion auf den Boden physikalisch-chemischer Theorien gestellt. Wenngleich viele der so erzielten Anschauungen und Auffassungen hypothetischen Charakter tragen und manche Versuchs- 3 ergebnisse noch kontrovers sind, so sind die verschiedenen physikalisch- chemischen Theorien und Hypothesen doch vielfach einleuchtend und bei dem heutigen Stand unserer Kenntnisse befriedigender als die immunbiologischen. Auf den Versuchen von Landsteiner und Müller, Friedemann, P. Schmidt basiert die „Globulintheorie“. Die aus jedem 3 Menschenserum mit CO, ausfällbare Globulinfraktion hat komplement- bindende Eigenschaften, wie Landsteiner und Müller fanden. Friedemann = sieht, nachdem er die Aufhebung dieser Globulinkomplementbindung durch Albumine nachgewiesen hatte, in der Störung des Albumin- Globulin-Gleichgewichtes des Normalserums die Ursache für die Kom- plementbindung. P. Schmidt und Herzfeld und Klinger brachten durch Versuche weitere Anhaltspunkte zur Erklärung dieser Labilität der Euglobuline. Sie hängt nach den Filterversuchen von P. Schmidt mit 902 | .49. Vorlesung. der Teilchengröße derselben, diese wieder nach Herzfeld und Klinger mit dem schon geschilderten Verhalten. der Löslichkeitsvermittler zu- sammen. Meinicke ist auf Grund der beim Studium seiner Flockungs- methoden gemachten Beobachtungen zu dem Schlusse gekommen, „daß in. der positiven Lipoidbindungsreaktion die Serumglobuline mit den Extraktlipoiden unter Abwanderung von Kochsalzionen eine feste Ver- bindung eingehen und demgemäß Flocken bilden,- die sich im Gegensatz zum negativen Versuch durch Kochsalz nicht wieder in ihre beiden Komponenten zerlegen lassen“. Nicht ganz in Übereinstimmung mit en Auen kngee stehen die von Paul und Epstein, Niederhoff und Scheer durch chemische Unter- suchung der Flocken erhaltenen Ergebnisse. Die Flocken bestehen zum weitaus größten Teil aus Lipoidsubstanzen. Es kann sich also viel eher um eine Ausflockung der Extrakte als um eine solche der Serum- ‚globuline handeln. Die Ursache der Ausflockung liegt offenbar in den Unterschieden der elektrischen Ladung der Eiweißphase der Luessera. und der Normalsera, Der Bedeutung der elektrischen Ladung und ihres. Einflusses auf .die Oberflächenspannung und Dispersität der Eiweiß- teilchen und Lipoide tragen auch Baumgärtel und P. Schmidt Rechnung, wenn sie das Zusammenwirken ‚dieser Reaktionskörper als eine „elektro- “ chemische Kolloidreaktion“ bezeichnen. Namentlich Baumgärtel hat durch Versuche bei verschiedenen Temperaturen und Zusammenfassung: vieler einzelner‘ Beobachtungen über Flockungsvorgänge die elektro- chemische Hypothese über das Zusammenwirken von Serumglobulin- lipoid und Extraktlipoid zu beweisen versucht. Baumgärtel sagt: Die kolloidal-disperse Globulinlipoidphase . des Luikerserums adsorbiert die Na-Ionen der als Verdünnungsmedium benutzten Kochsalzlösung und erhält dadurch eine elektropositive Ladung, welche sich mit der elektro- negativen Ladung der Extraktlipoide neutralisiert. ‘ Dieser elektro- chemische Neutralisationsvorgang hat das Auftreten einer Flocken- bildung zur Folge. Da die gebildeten elektroamphoteren Flöckchen sich vollkommen in Alkohol bzw. Äther auflösen, scheint die weitere Annahme berechtigt, daß es sich dabei um ausgeflockte Lipoide handelt und .daß die Luesglobuline bei jenem Entladungsvorgang lediglich die Rolle eines Elektrizitätsüberträgers spielen, d. h. daß die gemeinsame Flockung der kxtrakt- und Serumlipoide durch die. an die Globulin- lipoidphase des Serums adsorbierten OICKUODWARTEN Na-Ionen ‚hervor- gerufen wird. Mit dieser Ansicht ließe sich die neueste Feststellung von.Otto in Einklang bringen, wonach das „Wassermann-Aggregat“, wie Anaphylaxie versuche zeigen, tatsächlich kleinste Serumbeimengungen enthält, während. die künstlich z. B. durch Säure in negativen Seris erzeugten Flocken keine anaphylaktischen Anfälle auslösen. Wenn man das große Versuchs- und Tatsachenmaterial, von dem hier das Wichtigste wiedergegeben ist, überblickt, so ergeben sich eine große Reihe feststehender Ergebnisse.. Die zu ihrer Erklärung heran- gezogenen Hypothesen und Theorien sind, so gegensätzlich sie vielfach zu sein scheinen, doch nach vielen Richtungen übereinstimmend. Die Lücken, die sie bieten, werden aber kaum eher auszufüllen sein, als nicht durch die Eiweißchemie und die Chemie überhaupt die rein chemischen Fragen über das Eiweißmolekül. weiter geklärt sind. Es a u 5 er Ta a dd u Syphilis und Framboesie. 903 hat deshalb auch keinen Zweck, immer neue Hypothesen aufzustellen. - Die hier mitgeteilten Tatsachen genügen, um zu zeigen, daß die Wasser- mann-Reaktion wie die Flockungsreaktionen sehr empfindliche, mit ‘ labilen Körpern arbeitende Reaktionen sind und physikalischen wie - chemischen und physikalisch-chemischen Einflüssen bzw. Kräften unter- ' ‚liegen, die wir zum Teil noch nicht in ihrer Wechselwirkung präzisieren - können. Es gilt für sie, wie für fast alle biologischen Probleme, das - Wort „Ins Innere der Natur dringt kein erschaffener Geist“, selbst wenn die weitere Atom- und Molekularchemie uns noch ungeahnte Fort- - schritte bringt. E; Überblicken wir die praktischen Ergebnisse der Serumdiag- nostik, so läßt sich zusammenfassend sagen: Die Wassermannsche Reaktion ist zwar im biologischen Sinne nicht so streng spezifisch für Syphilitiker, wie die bei der Vereinigung von Antigenen und Antikörpern (z. B. von Bakterien mit dem homologen Immunserum) erfolgende spezi- - fische Komplementverankerung, aber sie ist für Syphilitiker charakte- - ristisch. Die Statistiken, die in der Literatur vorliegen und sich etwa auf 7000-8000 Kontrollfälle beziehen, haben ergeben, daß die Sera von - Menschen, die eine nicht auf Syphilis verdächtige Anamnese haben, nur außerordentlich selten (in etwa 0'5°/, der Fälle) positive Reaktion geben. Für einen Teil dieser positiv reagierenden Fälle kann man an- nehmen, daß doch eine Syphilisinfektion stattgefunden hatte, aber ‘übersehen wurde. - Es ist auch zu berücksichtigen, daß vielfach wohl - die Methodik nicht ganz einwandfrei war oder einmal im Stich ließ und daß, wie bei allen biologischen Untersuchungen, gelegentlich einmal Fehler vorkamen, die bei mehrfachen -Untersuchungen noch hätten ausgeschaltet werden können. Mit der Verbesserung der Methodik, „insbesondere mit der Auswahl genau eingestellier und stark wirksamer, - hinreichend geprüfter Extrakte ist die Zahl. der positiv reagieren- den Sera von Menschen, bei denen sicher keine Syphilis vorliegt, verschwindend klein geworden und dürfte nicht höher ‚als auf 1°/,, zu veranschlagen sein. Für die Praxis bleibt diese Zahl ohne jede Bedeutung. Manche Fehldiagnosen werden auch dadurch ver- 4 ‚mieden werden können, daß man in jedem Falle durch die Anamnese - alle in der letzten Zeit etwa überstandenen Krankheiten feststellt. Es gibt nämlich einige nichtsyphilitische Infektionskrankheiten, bei Diagnostische - denen die Wassermannsche Reaktion in einem gewissen Prozentsatz - der Fälle positiv ist. Hierhin gehört zunächst die Lepra, speziell deren . tuberöse. Form. Es ist auf Grund unserer bisherigen Kenntnisse vom = Wesen der Reaktion nicht zu entscheiden, ob es sich hier um die = gleiche Serumveränderung wie bei Syphilis handelt. Praktisch wichtiger = ist das vorübergehende Auftreten der Reaktion bei Scharlach, das von = Much und Eichelberg festgestellt wurde. Die Reaktion findet sich nur während der Dauer der Krankheit und in der ersten Zeit der Rekon- wvaleszenz. Das Vorkommen. positiver Reaktion bei Framboesie ist bei Berücksichtigung der klinischen und ätiologischen Beziehungen dieser Krankheit zur Syphilis leicht erklärlich. Die mit dem Serum von Malariakranken angestellten Versuche sind zum Teil positiv aus- gefallen. Es bedarf aber noch weiterer Untersuchungen, ehe man hier ein abschließendes Urteil fällen darf. Immerhin sollte bei diagnostischen Erwägungen auf das Bestehen derartiger Infektionen Rücksicht ge- Klinische Bedeulung der Reaktion. 904 - 49. Vorlesung. nommen werden. Es sei noch erwähnt, daß sich im Serum von Schwer- kranken, die sicher. nicht syphilitisch waren, kurz vor dem Tode unter Umständen agonale Veränderungen einstellen, die ebenso wie bis- weilen die Sera von Leichen eine positive Wassermannsche Reaktion vortäuschen. Leichenserum und Serum von Schwerkräanken ist, zur Unter- suchung also nicht brauchbar. Das Vorkommen positiver Reaktion bei Lungentuberkulose, bei kruppöser Pneumonie und sonstigen Infektionskrankheiten wird im all- gemeinen verneint werden können, falls bei den Untersuchungen richtig eingestellte Extrakte benutzt werden. Man muß ferner in Rechnung ziehen, daß positiv reagierende Tuberknlöse oder Pneumoniker möglicher- weise eine latente Syphilis aufweisen. Durch alle diese bei anderen Krankheiten gelegentlich oder vorübergehend vorkommenden positiven Ergebnisse wird die praktische Bedeutung der Reaktion in keiner Weise verringert. In zweifelhaften Fällen muß die Reaktion gegebenenfalls wiederholt werden. Die Flockungsreaktionen nach Meinicke und Sackatgeorgi geben bei Benutzung geeigneter Extrakte Resultate, die eine weitgehende Über- einstimmung mit der Wassermannschen Reaktion aufweisen. Sie sind in der Hand des Geübten wohl imstande, in der Praxis zur Ergänzung dieser Reaktion in diagnostischer Hinsicht und bei sicherer Lues zur Kontrolle der therapeutischen Effekte herangezogen zu werden. Uber den Ausfall der Wassermannschen Reaktion in den ein- zelnen Stadien der Syphilis gibt die in Fig. 115 wiedergegebene Tabelle Auskunft. Sie ist auf Grund-von mehr als 2500 im Berner Institut zur Erforschung der Infektionskrankheiten ausgeführten Untersuchungen zusammengestellt und stimmt mit geringen Abweichungen mit den von anderen zuverlässigen Untersuchungsstellen veröffentlichten großen stati- stischen Ergebnissen überein, wie sie in den Arbeiten von Citron, Boas, Plaut, Sonntag u.a. enthalten. sind. Für das Primärstadium wird der Prozentsatz der positiven Reaktionen von den einzelnen Autoren sehr verschieden angegeben. Der Grund für die zwischen 40 und 100°/, liegenden Differenzen ist vor allem in der Zeit zu suchen. Die Re- aktion stellt sich im allgemeinen in der 6. Woche nach der Infektion ein, es kommen aber auch Fälle vor, in denen sie schon am Ende der 2. Woche positiv ist. Aber selbst mehrmalige negative Reaktionen beweisen während des Primärstadiums nicht, daß es sich nicht um Syphilis handelt. Die positive Reaktion ist aber ein sehr wert- volles Unterstützungsmittel für die Diagnose, wenn sie auch, worauf Jadassohn schon - vor Jahren hingewiesen hat, gegen den Spirochätennachweis in diesem Stadium der Krankheit zurücktritt. Im Sekundärstadium der Syphilis schwanken die Ergebnisse zwischen ii 70 und 100°/,. Wenn verschiedene Extrakte benutzt werden und die Untersuchung mehrmals wiederholt wird, ist in fast jedem Falle von manifester, nicht spezifisch behandelter Sekundärlues, sei es während des 1. oder 2. Ausbruches, die Reaktion positiv. Es liegen hierüber in der Literatur Berichte vor, die sich auf Tausende von Fällen stützen. Nur die maligne Lues scheint eine Ausnahme zu machen, da E hier, wahrscheinlich infolge mangelhafter Reaktionsfähigkeit des Körpers, Antikörper und" komplementverankernde Stoffe nicht gebildet werden. Während bei Verdacht auf sekundäre Syphilis, wenn keine spezifische Behandlung erfolgt war, durch den negativen Ausfall der Reaktion die Diagnose Lues äußerst unwahrscheinlich ge- macht wird, läßt sich bei antiluisch behandelten Syphilitikern der Sekundärperiode durch die negative Reaktion Syphilis nicht ausschließen („Lues latens seronegativa“). Immerhin ist aber auch in letzterem Falle der Prozentsatz der negativen Reaktionen nur sehr gering. Wenn das klinische Bild typisch ist, ist der diagnostische Wert der Reaktion im Sekundärstadium nicht sehr groß. In allen Fällen aber, wo nur geringe ‚Syphilis und Framboesie. ; 905 8 Zeichen von sekundärer Syphilis oder einzelne Erscheinungen (die z. B. Kopf- schmerzen, Periostitiden, fast abgelaufene Papeln, Haarschwund, Alopezie, Ver- dickungen der Mundschleimhaut usw.) vorhanden sind, wird sie wertvoll sein. Aber auch beim Fehlen irgendwelcher manifester Erscheinungen ist eine bei nochmaliger Untersuchung positive Reaktion („Lues oceulta seropositiva“) ein Beweis für das - Bestehen einer Syphilis, und zwar meist eines okkulten aktiven Spirochätenherdes. - Man entgeht dann, wenn man eine positive Reaktion feststellt, der Gefahr, die 3 Be Syphilis auf ein einzelnes Symptom hin abzugeben. Die Wassermannsche Reaktion ist bei Syphilis, die gar nicht therapeutisch beeinflußt ist, während des Sekundärstadiums fast immer sehr viel stärker als bei behandelten Syphilisfällen. Fig. 115. Tem . ee \m © RN N \ EETIÄÄBSEBEENNN RG N N \ 1 \U TE NV IND An; Lues Früh-| Spät- zweifel: Diagnose I ı 1 | MI | latenz. Tabes | Nicht heretilör| haft | [Zahl derfälte | 21 |uı | 90 107 | sul2uz| 33] 18] 69 |aos h2oo | zi 0 0 0 a0.) olıs !aslı34| m) A| 23 419 | 6% ei oı 114):7101:01 01 361.00] 31.|90 | 9ı | 37/101 | 22| 14 | a6| 20 a7 755 11090 | 850| 44.0 144,7 |666 |777 1665 | 8.0 | 39,3 negativ | reglich positiv | positiv % 3 _ Für die tertiäre Periode 'ergibt sich ebenfalls, daß unbehandelte Tertiär- - syphilitiker fast ausnahmslos eine stärkere Reaktion aufweisen, als die durch die ! - Therapie während der früheren Periode der Krankheit beeinfiußten Fälle, und daß = die Reaktion bei völlig unbehandelten Fällen manifester tertiärer Lues ein konstantes © Symptom der Krankheit darstellt. Sie kann in 100°, der Fälle positiv sein. = ©. Bei latenter bzw. okkulter Syphilis können Schlüsse nur aus einer E positiven Reaktion gezogen werden. Eine solche findet sich während des 1. und = 2.Latenzstadiums weit häufiger und ist stärker bei gar nicht oder ungenügend be- handelten Fällen, als bei Patienten, die während der früheren Periode einer energi- ' schen antisyphilitischen Behandlung unterworfen waren. Die von verschiedenen | - Autoren während der Latenzstadien (nach primärer, sekundärer und tertiärer Er- 5 krankung =1., 2. und 3. Latenzstadium) erhältenen Zahlen differerieren zwischen 7 30 und 80*®/,. Diese Schwankungen beruhen zu einem Teil in der Auffassung des 906 | 49. Vorlesung. Begriffes „Latenz“, dann aber auch in der verschiedenen Zeitdauer, die seit Beginn der Syphilis oder seit den letzten Symptomen verstrichen ist. Ein prinzipiell wichtiger Punkt darf bei ‘der Bewertung der Reaktion niemals außer acht gelassen werden. Der positive Ausfall ist, wie zuerst A. Neisser betont hat, nur ein Symptom dafür, daß der Betreffende ein Syphilitiker ist; er gibt aber keinen Aufschluß darüber, ob ‚eine gerade bestehende Erkrankung, die auf Syphilis ver- dächtig ist, nun auch wirklich eine luische ist. Außerdem läßt sich niemals mit Hilfe der Serumdiagnostik allein feststellen, welches Organ erkrankt ist. Es ist auch stets ‘bei der klinischen Bewertung der Reaktion zu bedenken, daß eine positive Wassermannsche Reaktion gelegentlich auch durch andere Krankheiten bedingt wird. Deshalb kann da, wo gar keine sonstigen Anhaltspunkte für Lues bei ‘einem Menschen vorliegen, ein Schluß aus der positiven Reaktion erst bei mehrfacher, REN: freier Feststellung des Resultates gezogen werden. - Große Bedeutung hat die Reaktion für die Aufklärung der Atiologie der Tabes und der Paralyse gehabt. Bei Paralyse wurde nach manchen Statistiken in 100°/, der Fälle ein positiver Ausfall festgestellt, und zwar nicht nur im Serum, sondern auch bei Benutzung der Zerebrospinal- flüssigkeit; doch pflegt das Serum die Reaktion stärker zu geben, als. 4 die letztere. Es ist auf diese Weise eine biologische Bestätigung der Annahme erbracht worden, daß zwischen Syphilis und Paralyse ein ätio- - logischer Zusammenhang besteht, und es ist deshalb der Satz jetzt wohl ohne Einschränkung zulässig: „Ohne Syphilis keine Paralyse“. Bei paralyseverdächtigen Erkrankungen wird also eine negative Reaktion, namentlich wenn keine Behandlung vorangegangen ist, gegen die Diagnose ‚der progressiven Paralyse zu verwerten sein. Die positive Reaktion der Zerebrospinalflüssigkeit ist ein weiterer Indikator dafür, daß der be- treffende Kranke nicht nur Syphilitiker mit positiver Reaktion, sondern 4 ein Syphilitiker mit einer Erkrankung des Zentralnervensystems, und zwar höchstwahrscheinlich, wenn die klinischen Erscheinungen dafür sprechen, luischer Natur ist. Es kommen in solchen Fällen vor allen Dingen Tabes und Gehirnsyphilis, bei der die Zerebrospinalflüssigkeit ebenfalls meist positiv reagiert, in Frage. Die Mehrzahl der Autoren 3 - stimmt darin überein, daß bei 90°/, der ONE die Reaktion der 7 Zerebrospinalflüssigkeit positiv ist. Die mit Hilfe der Wassermannschen Reaktion pefnndnanet Tatsachen E über die Ätiologie der Paralyse und Tabes. wurden bestätigt und er- . weitert durch die Spirochätenbefunde im Gehirn und Rückenmark der 3 Leichen von Paralytikern. Noguchi hat zuerst bei einer Anzahl von Syphilitikern die Spirochaeta pallida mittelst der Dunkelfeldbeleuchtung und in Schnitten im Gehirn nachgewiesen. Levaditi, Marie und Bankowski, ferner Jahnel haben diese Befunde bestätigt und erweitert. Namentlich Jahnel verdanken wir eingehende Studien über das Verhalten der Spirochäten und die Art ihres Vorkommens in den verschiedenen Abschnitten und Geweben des Gehirns. Er wandte sowohl die Dunkel- feldmethode wie die Schnittuntersuchung nach der Methode Fontana- Tribondeau an und untersuchte möglichst viele Stellen des Gehirns, Syphilis und Framboesie. 907 “namentlich der Rindenschicht des Vorderhirns. Die Spirochäten finden | i ' sich bei der Paralyse nicht gleichmäßig im Hirn verteilt, sondern nester- © weise. Mit dieser Tatsache hängt es vor allem zusammen, daß die Parasiten nicht bei jedem Falle von Paralyse aufzufinden sind. Man muß . also, um die kleineren und größeren Spirochätennester, die nur mikro- 'skopisch zu erkennen sind, nicht zu übersehen, möglichst viele Stückchen herausschneiden und mit Kochsalzlösung zu Brei verreiben; von dem Hirnbrei werden dann Dunkelfeld- und Giemsa-Präparate angefertigt. Die bei Paralyse gefundenen 'Spirochäten weisen alle Charakteristika der ” _Spirochaeta pallida auf, wie sie in anderen. Syphilisprodukten vor- ‚kommt: (Taf. 68, Fig. 3). Jahnel fand die Spirochäten am häufigsten bei den während eines “ paralytischen Anfalles verendeten Kranken, viel seltener bei interkurrent - gestorbenen Paralytikern, und schloß daraus, daß die paralytischen An- ' fälle die. Folgen einer akuten Exazerbation des Prozesses durch Aus- saat und Vermehrung der Spirochäten im Gehirn sind. ‘Am häufigsten wurden die Parasiten im Stirnlappen (Stirnpol), in den großen Stamm- “ ganglien (Linsen- und Schweifkern) ‘und im Kleinhirn gefunden, und zwar überall in der grauen Substanz. Wie schon erwähnt, ist nicht die | gesamte im Verlaufe der Paralyse atrophierte bzw. pathologisch ver- änderte Hirnrinde gleichmäßig von Spirochäten durchsetzt, sondern sie - enthält nur mehr oder weniger zahlreiche herdförmige Ansammlungen - der Spirochaeta pallida. In diesen Herden werden die Spirochäten in bienenschwarmähnlichen Haufen und Knäueln, die Jahnel mit " kleinen Kolonien vergleicht, und in mehr diffuser Verteilung inner- ” halb des Erkrankungsherdes gefunden. Mit Vorliebe siedeln sie sich, ” wie sich bei Schnittfärbungen erkennen läßt, in der Umgebung großer Ganglienzellen und an Gefäßen mit infiltrierter Wandung an, während die Neurogliaschicht der Rinde frei ist. Die Erkrankung und Atrophie großer Teile der grauen Hirnrinde erfolgt dann offenbar durch all- mähliche Ausstreuung der Parasiten im Verlaufe der jahrelangen Er- . krankung, wie sie in ähnlicher Weise. auch bei Syphiliden der Haut und Schleimhaut vorkommt. ” - Die nunmehr gesicherte Tatsache, daß die progressive Dar a- = Iyse durch eine Ansiedlung und Wucherung der Spirochäten - im Nervengewebe des Gehirns hervorgerufen wird, wird durch die - Forschungsergebnisse von Nissl, Alzheimer, Gennerich, Binswanger, = Nonne u.a. ergänzt. Hiernach kann als ziemlich feststehend gelten, daß die sogenannten metaluischen Erkrankungen Paralyse und Tabes vor- 14 wiegend von einer spezifischen Erkrankung der Meningen ausgehen, die | - ihrerseits wieder mit den syphilitischen Prozessen an den Gefäßen zu- # sammenhängt. Von den Meningen und ihren Gefäßen werden die Spiro- - chäten in die Rindensubstanz verschleppt und führen hier zu den erwähnten chronischen Prozessen. Die von Gennerich, Nonne u.a. in- augurierte systematische Untersuchung des Liquor cerebrospinalis, aus dessen Verhalten sich Rückschlüsse auf die Erkrankungen der Meningen ziehen lassen, hat die Bedeutung der syphilitischen Meningealinfektion > Mein neues Licht gerückt. Bei der Mehrzahl aller Syphilitiker, soweit sie nicht einer frühzeitigen erfolgreichen Abortivkur unterworfen werden, #° tritt neben der durch Lymphe und Blut vermittelten Allgemeininfektion 0° des Körpers eine Infektion der Hirnhäute, vor allem der Pia mater 908 49. Vorlesung. ein. Es ist wahrscheinlich, daß diese pathologischen Befunde des Liquor (positive Wassermannsche Reaktion, Nonnes Reaktion, Vermehrung der Leukozyten, @oldsol-Reaktion) in erster Linie mit der Meningealinfektion zusammenhängen. Es sprechen viele Tatsachen dafür, daß namentlich bei ungenügender Therapie diese Spirochäteninfektion der Hirnhäute und des Liquor oft den Hauptspirochätenherd im Körper des Syphili- tikers nach Ablauf der Hauterscheinungen darstellt. Die chronische, durch Spirochäten bedingte Entzündung der Pia mater kann jahrelang, wie auch Altmann und Dreyfus, Nonne, Ravault u.a. nachwiesen, während der Sekundärperiode latent bleiben und klinisch okkult verlaufen. Gennerich nimmt eine schwere funktionelle Schädigung der Piamater, die den Liquor vom Nervengewebe trennen soll, durch die chronische Spirochäten- infektion als Hauptursache der metaluischen Erkrankungen des Nervensystems an. Durch diese funktionelle Schädigung der weichen Hirnhaut wird dem mit Spiro- chäten infizierten Liquor das Eindringen in das Gehirngewebe ermöglicht und zu- gleich eine Schädigung der Nervenzellen herbeigeführt, so daß die Abwehrreaktionen des Gehirns gegen die Spirochätenvermehrung ausbleiben. Die Spirochätenvermehrung _ und das Eindringen des Liquors führen dann zum Zugrundegehen des Nerven- gewebes. Wenn aus diesen Tatsachen und ihrer Verknüpfung durch Theorien, die für die weitere Forschung heuristisch wertvoll sind, hervorgeht, daß. die metaluischen Erkrankungen des Nervensystems als chronische Spätrezidive der Syphilisinfektion im Sinne der Monorezidive aufzufassen sind, so ist die Entstehung der Paralyse und. Tabes damit noch nicht restlos erklärt. Nachdem wir wissen, daß bei. den meisten, wenn nicht allen Syphilitikern eine Spirochäteninfektion der Meningen und des Liquor eintritt, steht noch eine Erklärung dafür aus, warum nur bei einer kleinen Zahl der Syphilitiker die Entwicklung von Paralyse und Tabes erfolgt. Es muß noch weiter erforscht werden, inwieweit syphilitische Erkrankungen anderer Organe, der Grad der Umstimmung der verschiedenen Gewebe, namentlich des Gehirns im Verlauf der Syphilis, die begünstigende Wirkung anderer Schädlichkeiten, die Art der Therapie oder sogar besondere Eigenschaften 4 der Erreger, z. B. an die Gehirnsubstanz ängepaßte Varietäten, sog. Virus nervosum .(Levaditi), dessen Existenz nach den Untersuchungen von Jahnel allerdings noch sehr fraglich ist, eine Rolle bei der Bat stehung der Metalues des Nervensystems spielen. Ähnliche Betrachtungen sind auch für eine andere spätinische E Erkrankung, die Aortitis syphilitica, die häufigste Ursache der Aneurysmabildung, angebracht. Auch bei dieser Erkrankung stellen die in der Aortenwand angesiedelten Spirochäten oft den einzigen oder den das Krankheitsbild beherrschenden Spirochätenherd dar. Die thera- peutische Beeinflussung auch dieser der tertiären Periode der Syphilis entsprechenden Affektion führt selten zu völliger Heilung. Wir müssen logischerweise annehmen, daß die in den Spätstadien der luischen In- fektion erfolgende Umstimmung des Körpers, auf die wiederholt hin- gewiesen ist, hier, wie bei der Paralyse, ein Hauptgrund für die geringe ° Wirksamkeit der stärksten spirochätentötenden Mittel ist. Die große Bedeutung der Behandlung der Syphilitiker unter E Kontrolle der Wassermannschen Reaktion des Blutes und des ‘Liquor während der ersten 3—4 Jahre nach der Infektion steht außer allem Zweifel. Von manchen Syphilistherapeuten wird die Fortsetzung "Syphilis und Framboesie. 909 . der spezifischen Therapie bei pathologischen Liquorbefunden, eventuell der endolumbalen Behandlung, bis zur Herstellung nor- malen Liquors gefordert. Ob bei allgemeiner Durchführung dieser Gesichtspunkte die Verhütung der Entwicklung der metaluischen Er- - krankungen des Nervensystems möglich ist, darüber herrscht noch keine Einigkeit. Die Therapie der manifesten Tabes und Paralyse ist bisher wenig erfolgreich gewesen. Sobald die Spirochäten erst einmal in der Nervensubstanz Fuß gefaßt und zu destruierenden, mit Zerstörung der nervösen Elemente des Gehirns einhergehenden Prozessen geführt haben, kommt die Therapie meist zu spät. Es gelingt durch keinerlei Therapie mit Sicherheit, die in der Nervensubstanz befindlichen Spirochäten rest- los abzutöten. Es kommt zu Rezidiven und Exazerbationen, und die Degeneration der Systeme schreitet fort, auch wenn die Vernichtung der Spirochäten gelungen sein sollte. Auch Abbauprozesse im Sinne der Abderhaldenschen Lehre von den Abbaufermenten (Fauser) spielen dann vielleicht eine Rolle. Er Bei der kongenitalen Syphilis pflegt die Wassermannsche Re- aktion, wenn manifeste Erscheinungen bestehen, außerordentlich stark zu sein. Positiver Ausfall findet sich bei manchen’ Statistiken in den- selben Prozentverhältnissen vermerkt, wie bei der erworbenen Syphilis mit manifesten Erscheinungen. Kinder von Eltern, die nachweisbar Syphilitiker sind, brauchen aber nicht immer eine positive Reaktion aufzuweisen, und eine positive Reaktion bei neugeborenen Kindern syphilitischer Mütter kann in kurzer Zeit selbst ohne Therapie negativ werden. Die Kinder zeigen in solchen Fällen häufig keine Erscheinungen kongenitaler Syphilis. Das läßt sich so erklären, daß die von der Mutter stammenden Stoffe, welche die Reaktion bedingten, in dem Fötus kurze Zeit nach der Geburt noch kreisten, dann aber verschwanden. Untersucht man das Blut von Frauen, die nachweislich einmal mit Syphilis infiziert waren, und von deren Kindern systematisch, so sind, wie Boas ausgeführt hat, folgende Fälle möglich: 1. Die Mutter zeigt keine positive Reaktion, wohl aber das Kind. Dies zeigt obne weiteres an, daß die Mutter an latenter Syphilis leidet und daß das Kind syphilitisch infiziert ist und infolgedessen eine positive Reaktion aufweist. 2. Die Mutter kann positiv reagieren, während das Kind negativ reagiert. In diesem Fall kann das Kind dauernd gesund bleiben und braucht niemals eine positive Reaktion aufzuweisen. Es wurde eben nicht. infiziert. Es st aber auch möglich, daß sich noch nachträglich mit aktiven Erscheinungen eine positive Reaktion einstellt. ° 3. Die Mutter und das Kind reagieren beide positiv. In diesem Falle ist eine Infektion des Kindes möglich, braucht aber nach dem eben Auseinandergesetzten ‘nicht vorzuliegen. 4. Wenn weder die Mutter noch das Kind positiv reagieren, können beide gesund sein, oder aber das Kind kann nachträglich erkranken. Das Kind kann aber auch gesund bleiben und braucht wiemals eine positive Reaktion aufzuweisen. &4 - . Da sich ein positiver Ausfall bei kongenitaler manifester Syphilis in 100°/, der Fälle findet, hat die Wassermannsche Reaktion hier einen großen diagnostischen Wert, denn das Ausbleiben der Reaktion spricht bei Kindern syphilitischer Eltern bestimmt gegen die Annahme der Infektion des Kindes, namentlich in Fällen mit verdächtigen Er- scheinungen. Unmittelbar nach der Geburt lassen sich aber aus dem positiven oder negativen Ausfall der Reaktion für die Diagnose keine Schlüsse ziehen. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 59 En. a Therap die Reuktion, Zusammen- fassende Be- trachtungen. 910 49. Vorlesung. Von sro Wichtigkeit für die Auffassung der Reaktion ist der Einfluß der antisyphilitischen Behandlung auf sie. Wenn eine genaue Titrierung des Serums — gleichgültig, ob das Antigen oder das Serum in fallenden Dosen benutzt wird — erfolgt, läßt sich, wie das aus den Statistiken hervorgeht, unter allen Umständen ein Parallelismus zwischen dem Abnehmen oder Verschwinden der Reaktion und. der Abnahme der anderen Symptome infolge der Therapie fest- stellen. Auch bei latenter Syphilis wirkt die energische antisyphilitische Behandlung auf die Reaktion in dem Sinne ein, daß sie entweder ganz verschwindet oder schwächer wird. Während bei-unbehandelten Syphi- litikern die Reaktion sich im allgemeinen lange stark positiv zu erhälten pflegt, läßt sich bei gut behandelten Patienten während der Latenzstadien häufig ein negativer oder nur schwach positiver Ausfall feststellen. Daß die Reaktion durch die antisyphilitische Behandlung fast stets beeinflußt wird, wird auch durch die Tatsache nicht in Frage gestellt, daß in einem kleinen Prozentsatz der Fälle die bisher negative Serumreaktion trotz der antisyphilitischen Behandlung positiv wird und bleibt. Die Mehrzahl der Kliniker und Serologen steht heute auf dem Stand- punkt, daß bei Syphilis eine positive Reaktion ein Zeichen von aktiven Spirochätenherden. ist. Hierfür spricht das Wiederer- scheinen der während der Latenzstadien negativen Reaktion beim Ausbruch von Rezidiven und ferner die therapeutische Beeinflussung der Reaktion während der Krankheitserscheinungen und in den Latenzstadien. Endlich ist die experimentell ermittelte Tatsache von Wichtigkeit, daß man mit antisyphilitischen Mitteln behandelte Affen mit Syphilis nur dann von neuem infizieren kann, wenn die Reaktion negativ ist, daß sich da- gegen Affen, die eine positive Reaktion, also noch aktive Krankheits- . herde mit lebenden Spirochäten aufweisen, nicht zum zweiten Male er- folgreich luisch infizieren lassen (E. Neisser). Ein wichtiges Argument für die Annahme, daß die Reaktionsstoffe der Ausdruck von aktiven luischen Prozessen im Körper sind, liefern die Untersuchungen an Leichen von Syphilitikern. Nach Lesser finden sich bei diesen, wenn der Tod in den späteren Perioden der Krankheit erfolgt war, in etwa 50°/, der Fälle frische syphilitische Veränderungen in den’ Organen. Auch das Vorhandensein der Reaktion bei Tabes und Paralyse spricht nicht gegen die Annahme, dab sich noch aktive Herde irgendwo in Zentralnervensystem oder im Körper finden. Der Einwand, daß die Re- aktion durch die antisyphilitische Therapie vielfach nicht beeinflußt wird, ist unzutreffend. Bei genauer Titrierung des Serums zeigt sich als Erfolg der antisyphilitischen Behandlung stets ein Schwächerwerden der Reaktion. Es muß allerdings zugegeben werden, daß die Reaktion auch ohne Behandlung nach längerem Bestehen der ae oft von selbst verschwindet. Man kann die klinische Bedeutung der Reaktion am besten präzisieren, wenn man sie analog den anderen syphilitischen Symptomen auffaßt. Sobald man sie den anderen Erscheinungen der Krankheit klinisch an die Seite stellt, ist es auch nicht verwunderlich, daß man z.B. durch Lezithininjektionen dieses Symptom vorübergehend zum Verschwinden bringen und durch provokatorische, d. h. kleinste, ” nicht heilende Salvarsandosen verstärken kann. Das Bestehen einer posi- Syphilis und Framboesie. 911 “ tiven Reaktion bei: Syphilitikern ist sehr wichtig für prognostische - Sehlüsse auf das Entstehen von Rezidiven. Die klinischen Erfahrungen ' und Statistiken zeigen, daß eine deutliche oder starke Reaktion während der Latenzstadien sehr häufig dem Ausbruch von Rezidiven vorausgeht und daß dies besonders häufig bei Luikern . vorkommt, die während der Latenzstadien unbedeutende Erscheinungen aufweisen. Namentlich gilt dies für die Frühlatenz. Wird das Symptom der positiven Reaktion aber durch eine energische antisyphilitische "Therapie zum Verschwinden gebracht, so ist es möglich, den Rezidiven vorzubeugen. Wie jedes manifeste luische Symptom muß auch die positive Reaktion dem Arzt die Veranlassung geben, daß er den be- treffenden Kranken energisch behandelt, womöglich das Symptom dadurch beseitigt und damit auch die Krankheitsursache, die Spiro- ' ehäten, oder Krankheitsherde chemotherapeutisch beeinflußt. Die Serum- diagnostik der Syphilis muß also, wenn sie häufiger wiederholt wird, namentlich für die Erfolge langdauernder intermittierender Behandlung der Krankheit nach den bisher geltenden ARicordschen Grundsätzen Anhaltspunkte geben. Eine negative Reaktion kann in keinem Stadium der Krankheit prognostisch oder therapeutisch verwertet werden, weil in den Latenzstadien der Krankheit trotz bestehender Infektion die Re- aktion negativ sein kann. Es wird auch nicht möglich sein, wegen des Fehlens der Reaktion etwa eine antisyphilitische Behandlung zu unter- lassen, denn wir wissen aus Erfahrung, daß gerade bei der Syphilis die Rezidive oft unerwartet auftreten, und daß sich bei ihnen in jedem 2 Moment eine positive Reaktion einstellen kann. Die Wassermannsche Reaktion ist also ein bg klinisches Hilfsmittel, das in vielen Fällen von verdächtigen Erkrankungen bei positivem wie negativem Ausfall große Bedeutung für die Diagnose und Therapie besitzt. Es sei hier ferner auf den Wert der Serum- diagnostik bei der Ammenuntersuchung und bei vielen Gehirn- erkrankungen, aber auch bei Lungen-, Leber-, Knochen-, Gefäß- und Augenerkrankungen zweifelhafter Ätiologie hingewiesen. Die Schluß- folgerungen, die der Arzt aus dem Ausfall der Reaktion für Diagnose, Prognose und Therapie zu ziehen hat, müssen- kritisch und ‘unter ‘ genauer Berücksichtigung der Klinik von Fall zu Fall gezogen werden. Voraussetzung ist hierbei, daß die Untersuchung in einem Zentral- institut nach wissenschaftlichen Grundsätzen, wie sie oben dargestellt sind, ausgeführt wird. Dann kann die Reaktion auch in der forensi- schen Medizin, bei der Prostituiertenuntersuchüng und bei der Bekämpfung der Syphilis wertvolle Dienste leisten. Bei ungenügender Methodik, bei Vernachlässigung der quantitativen Verhältnisse, Be- - nutzung nicht genau eingestellter Extrakte, Komplemente und Ambo- #° zeptoren, bei Fehlen der nötigen Kontrollen besteht aber bei dieser #° biologischen Reaktion die Gefahr, daß nicht nur positive Reaktionen dem #° ÜUntersucher entgehen, sondern daß durch sie positive Reaktionen vor- ‘ getäuscht, d. h. Menschen zu Syphilitikern gestempelt werden, die es U nicht sind. Die neueren ale auf dem Gebiete der Syphilis haben EB sich naturgemäß auch auf die Auffindung von Schutz- und Heil- N ‚ methoden mittels der Spirochäten und der aus ihnen gewonnenen E ER 59* Spezifische Schutz- und Heilmethe- den. Bekämpfung der Syphilis. 912 Sn 49. Vorlesung. spezifischen Stoffe erstreckt. . Bisher sind in dieser Richtung aber anerkannte Erfolge leider nicht zu verzeichnen. Die Versuche, das syphilitische Virus mittels Passagen durch weniger empfängliche Affenarten abzuschwächen, die zuerst von Metschnikoff und Roux unter- nommen wurden, haben bisher zu eindeutigen Ergebnissen nicht geführt. Ebenso hat sich durch andere Abschwächungsmethoden ein Vakzin, das _ im Tierversuch den Ausbruch der Impfsyphilis zu verhindern imstande wäre und demnach die Ausbildung eines Schutzimpfungsverfahrens für den Menschen erwarten ließe, noch nicht darstellen lassen. Auch eine passive Immunisierung, die an Äffen von Neisser, Finger und Land- steiner u.a. versucht wurde, ist bisher nicht gelungen. Das Blutserum von Menschen und von Affen, die Syphilis überstanden haben, hat sich bei den experimentellen Prüfungen weder als Schutz- noch als Heilmittel irgendwie bewährt. Es kann aber die Möglichkeit, daß wir später vielleicht zu wirksamen Serumpräparaten kommen, nicht bestritten werden. Einige Beobachtungen von Ehrlich sprechen für die Möglich- keit der Gewinnung von Schutz- und Heilstoffen bei Syphilis. Bei syphilitischen Personen wurde nach der Behandlung mit Salvarsan das Auftreten solcher Stoffe in dem Serum nachgewiesen. Auch die Milch von den mit Salvarsan behandelten Frauen führt, obwohl kein organisches oder anorganisches Arsen in ihr nachgewiesen ist, ein rasches Verschwinden der luetischen Krankheitserscheinungen bei den Säuglingen herbei. Vorbedingung für die Gewinnung von Antikörpern in größerer Menge für therapeutische Zwecke beim Menschen werden allerdings weitere Fortschritte in der Reinzüchtung der Syphilisspirochäte sein, denn ebenso wie bei anderen Infektionen Wird auch bei der Lues die Gewinnung hochwertiger Sera an Tieren von der Möglich- keit zielbewußter Immunisierung mit steigenden, genau abmeßbaren Dosen des In- fektionsstoffes abhängig sein. Kraus und Spitzer wollten bei der Behandlung der menschlichen Syphilis nach den bei anderen Krankheiten bewährten bakteriotherapeutischen Prinzipien vorgehen und empfahlen die Injektion steigender Dosen von spirochätenreichen Sklerosenaufschwemmungen, die möglichst früh nach der Feststellung der Spiro- chäten im Primäraffekt beginnen und eine aktive Immunisierung des Kranken be- zwecken soll. Sie wollen als Erfolg dieser Behandlungsmethode in mehreren Fällen das Ausbleiben jeglicher Sekundärerscheinungen beobachtet haben. Bestätigungen dieser Behauptungen sind noch nicht bekannt geworden. Neisser, Landsteiner und Kreibich hatten bei ihren Nachprüfungen negative Resultate zu verzeichnen. Bei der Beurteilung der von Kraus und Spitzer mitgeteilten bakteriotherapeutischen Er- folge muß man sich vor Augen halten, daß auch bei nicht behandelten Syphilitikern die Sekundärerscheinungen häufig ausbleiben. = Die Bekämpfung der Syphilis als Seuche deckt sich im wesent- | lichen mit derjenigen der anderen venerischen Infektionen. Die früh- zeitige Diagnose des Einzelfalles wird sich durch die sachgemäße Unter- suchung des Primäraffektes und des Gewebssaftes der geschwollenen Drüsen auf Spirochäten sehr viel sicherer und schneller erbringen lassen, als es früher der Fall war. Sie wird die rechtzeitige und sachgemäße Behandlung der Kranken und somit ihre Ausschaltung als Quellen für weitere Infektionen wesentlich erleichtern. Ist hier schon mit der Quecksilberbehandlung viel erreicht worden, so dürfte noch erheblich mehr das Salvarsan berufen sein, die Syphilitischen rasch und vielfach dauernd von den spirochätenreichen Krankheitserscheinungen an den Genitalien, den Lippen, der Mund- und Rachenschleimhaut zu befreien. So. verdankt die Medizin Ehrlich nicht nur ein Heilmittel, sondern auch ein Bekämpfungsmittel der Syphilis. Die Möglichkeit der erfolg- reichen Abortivbehandlung, also der biologischen Heilung der Syphilis durch restlose Befreiung des infizierten Organismus von den. Spiro- chäten, hängt von der frühzeitigen Stellung der einwandfreien Diagnose 7 Gl a a a dr Ba al ulm a. u) co Syphilis und Framboesie. -913 ab. E. Hofmann, Blaschko, Jadassohn, Scholtz, v. Wassermann, Wechsel- mann u.a. haben auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Nachweis der Spirochaeta pallida in den Primäraffekten bei jeder luesverdächtigen Affektion so rasch wie nur irgend möglich durchzuführen, damit keine Stunde zur Heilung der Infektion verloren wird. Wenn durch den Spirochätennachweis, ergänzt durch die Wassermannsche Reaktion, die ’Frühdiagnostik der Syphilis in weitem Umfange eingeführt ist, werden sich die Erfolge der Bekämpfung erheblich bessern. Die Ausrottung der Syphilis als Volksseuche nach den gleichen Grundsätzen, die sich bei anderen- Seuchen bewährt haben, wird aus zahlreichen Gründen, die zum Teil in der Natur des Leidens und in sozialen und ethischen Momenten gegeben sind, vorläufig noch ‘ein pium desiderium bleiben. Die Ansichten der erfahrensten Syphilido- logen und Fachmänner auf dem Gebiet der Bekämpfung der Geschlechts- krankheiten gehen noch über einen der wichtigsten Punkte in dem Bekämpfungsprogramm, die Anzeigepflicht für Syphilis, weit auseinander. Die Aufklärung weitester Volkskreise, namentlich der jungen Männer, über die Gefahren der Syphilis ist von großer Bedeutung, weil dadurch der so wichtigen individuellen Prophylaxe Anhänger zugeführt werden. Auf diese Weise wird. der Eindäimmung der Seuche bis zu einem ‘ gewissen Grade genützt. Eine Abnahme der Volksseuche Syphilis muß eintreten, wenn jeder Kranke so früh als möglich und intensiv mit Salvarsan und Quecksilber behandelt und so von seiner Ansteckungs- fähigkeit möglichst befreit wird. - Unter den Maßnahmen, die er eine individuelle Prophylaxe hinzielen, sind besonders die "Anwendung von hochprozentigen Kalomel- salben und Waschungen mit Sublimatlösung zu erwähnen. Metschnikoff ' und Roux fanden, daß bei niederen Affen und Schimpansen sowie bei einem Menschen die Syphilisimpfung mißlang, wenn die Impfstelle . 1—20 Stunden nach der Impfung mit 30°/,iger Kalomelsalbe bestrichen ward. Ähnliche Wirkungen werden von anderen Autoren auch für Chinin- und Atoxylsalben angenommen. Bei frühzeitiger und intensiver Anwendung kommt diesen Salben zweifellos eine große Bedeutung zu, aber als ein unfehlbares Präventivmittel wird man sie wohl kaum ansehen können. Daß das syphilitische Virus von seiner Eintrittspforte aus unter Um- ständen sehr schnell in den Lymphstrom übertritt, . beweisen die Ver- suche Neissers, in denen es auch bei frühzeitiger Exzision der Impf- stellen bei Affen nicht immer esse den Ausbruch weiterer Krankheits- erscheinungen zu verhindern.‘ 1. Framboesie. Daß das Genus Spirochaeta auch noch weitere Bedeutung für die - menschliche Pathologie hat, geht aus Befunden hervor, die zuerst von Castellani bei Framboesie erhoben worden sind. Castellani hat als Erreger dieser Krankheit eine Spirochäte gefunden, die von ihm Spirochaeta ' pertenuis, später Spirochaeta pallidula und neuerdings Treponema pertenue genannt wird. Zahlreiche Autoren haben diese Befunde bestätigt. Be 914. 49. Vorlesung. Die Framboesie hat ihren Namen von den himbeerähnlichen _ Papeln (Framboise = Himbeere), die sich im Laufe der Erkrankung auf der. Haut bilden (Taf. 74, Fig. 1 u. 2). Die Krankheit ist in allen tro- pischen Ländern verbreitet und wird meist extragenital durch Kontakt (Eßgeschirre, Küssen, Säugen etc.) vom Kranken auf den Gesunden übertragen. In. den verschiedenen Ländern ist sie mit folgenden Namen belegt: Yaws (englische Kolonien), Pian (Brasilien), Parangi (Ceylon), Puru (Südsee), Tona (Samoa). Auf Grund histologischer Untersuchungen wird sie auch als Polypapilloma tropicum bezeichnet (Charlouis). Ganz wie bei der Syphilis entwiekelt sich an. der Stelle, an der die Spirochäten eindringen, 2—3 Wochen nach der Infektion ein Primäraffekt, dem nach 20—-30 Tagen der Ausbruch eines Exanthems folgt. Dieses besteht anfangs aus konfluierenden Papeln, die mit Borken bedeckt sind und nach deren Ablösung sich die charakteristi- schen himbeerartigen Wucherungen erkennen lassen. Die Drüsen sind geschwollen und bleiben es, bis die Rezidive, die bei weitem nicht so häufig wie. bei Syphilis sind, ausbleiben. Doch wird die Fram- boesie in einem Prozentsatz der Fälle, wie schon durch die jahre- lang bestehende positive Wassermannsche Reaktion bewiesen wird, zu einer chronischen Erkrankung, bei der auch Tertiärerscheinungen und, wie Baermann annimmt, tabesähnliche Erkrankungen des Nervensystems verkommen. Die Framboesieerreger gehen anscheinend nicht, ABK ae Frucht über. Außer der Kontaktübertragung wird von einigen Talchein auch 4 eine Übertragung durch stechende Insekten für möglich. gehalten, ns u bisher einwandfrei bewiesen zu sein. Die Übertragung auf Affen gelingt leicht, auch auf soll | die bereits mit Syphilis infiziert waren, wie umgekehrt framboesie- - infizierte Affen mit Spirochaeta pallida infiziert werden können. Hier- durch wird die biologische Verschiedenartigkeit der Spirochaeta fram- boesiae und Spirochaeta pallida sicher bewiesen (Levaditi, Castellani, Halberstädter). Von den anderen Tierarten ist einwandfrei nur das . Kaninchen als empfänglich nachgewiesen, bei dem die Hoden- impfung eine der Syphilis ähnliche Erkrankung erzeugt (ödematöse Tumoren und Ulzera).. Die nach 15—90tägiger Inkubation bei Affen auftretenden Primäraffekte an den Augenbrauen unterscheiden sich durch ihre papillöse Form und die ödematöse Durchtränkung der Ge- webe von den: luischen, die flach und trocken sind.(Neisser, Baermann und Halberstädter, Nichols). Durch Verimpfung von Drüsensubstanz und Knochenmark von kranken Affen auf gesunde konnte der Nach- weis erbracht werden, daß das Virus generalisiert wird. Auch sekundäre Hauteruptionen sind bei Affen, namentlich beim Schimpansen beobachtet (Castellani, Halberstädter). In Kaninchen läßt sich das Virus Be durch Impfung fortzüchten. (Baermann.) = u eg Das Treponema pertenue (Taf. 74, Fig. 3) ist -»morphologisch R “von der Spirochaeta pallida nur äußerst schwer zu unterscheiden. Nach den vergleichenden Untersuchungen v. Prowazeks ist die Framboesie- spirochäte etwas dicker als die Luesspirochäte, ein Verhalten, das be 9 sonders in sehr. dünn a oBtrirnbneN und nach dem Löfflerschen Ver-. = 5 Syphilis, und Framboesie. ; 915 = führen gefärbten. Präparaten klar zutage tritt. Ihre Windungen sind nicht so starr und regelmäßig, es folgen oft auf mehrere tiefe Win- dungen ganz flache. Die Enden sind oft hakenartig oder ösenartig = umgebogen, der Spirochätenfaden ist nicht so elastisch und formbe- ständig wie bei der Spirochaeta pallida. Geißelartige Endanhänge sind bei der Framboesiespirochäte nicht so regelmäßig wie bei der Syphilis- . spirochäte darstellbar. Die Angaben der Forscher gehen aber über diese Basphnlogischen Einzelheiten in manchen Punkten auseinander. SrpKilis "1° Framboesie Verbreitung _ Pandemisch, hauptsäch- | Nur in den Tropen, auch 5 lich in Städten. auf dem Lande . Übertragung Meist genital. Erblich | In der Regel extragenital, RE : übertragbar. erblich nicht übertragbar. - Primäraffekt Induriert, flach, trocken: Ödematös, “weicher, spitzborkig. Biologie Induration mit Gefäß- Papillom. neubildung. Yang der RE Bindegewebe, Lymph- |Nur in der. Epidermis, im Primäraffekt | spalten;-Blutgefäße. nicht an Blutgefäßen und : : . im Korium. Effloreszenzen Polymorph, nicht | Mehr Ken; sehr häufig juckend. juckend. _ Immunität Schützt nicht gegen Schützt nicht gegen 2 Framboesie. Syphilis. Nervensystem Häufig Tabes und Keine Nachkrankheiten eg Paralyse. des Nervensystems. 3 Die Treponemen finden sich vor allem in den Papeln reichlich. Wie nach dem Versilberungsverfahren gefärbte Schnitte zeigen, liegen sie mesterweise in der Epidermis, dagegen fehlen sie und die ° durch sie erzeugten Veränderungen in den Gefäßen und im Korium. . Castellani konnte auch in den Drüsen und in der Milz die Treponemen mikroskopisch nachweisen. Wie beim Menschen, so werden die Spiro- © - chäten auch beim framboesiekranken Affen gefunden. Früher wollten manche Autoren die Framboesie als eine beson- dere Form der Lues hinstellen.- Heute wird jedoch von den. meisten ‘Forschern, die sich mit dem Studium: dieser Frage beschäftigt haben, als zweifellos sicher angenommen, daß die Erreger der beiden © Krankheiten artverschieden sind. Auch die Übertragungen auf - - spphilisinfizierte Affen, die Castellani in Ceylon, Ashburn und Craig auf den Philippinen, Neisser, Baermann und Halberstädter auf Java mit positivem Befund (frischer Primäraffekt) vornahmen, haben diese Annahme bestätigt. Wir hätten demnach in der Spirochaeta pallida und der Spirochaeta“pertenuis zwei morphologisch fast gleiche Spirochäten 916 49. Vorlesung. vor uns, die aber biologisch different sind. Das braucht nicht so sehr wunderzunehmen, denn ebenso besitzen ja z.B. auch die Spirochaeta gallinarum und die Spirochaeta anserina trotz völliger morphologischer Identität verschiedene biologische Eigenschaften. a Gegen die Annahme, daß das Treponema nur eine Varietät der Spirochaeta pallida sei:und die Framboesie eine leichtere Form der Syphilis, sprechen neben biologischen Kennzeichen auch klini- sche. Die wichtigsten Unterschiede in diesen Richtungen sind nach Mühlens auf vorstehender Tabelle (S. 915) zusammengestellt. Die Wassermannsche Reaktion verhält sich bei frischen Fällen ganz ähnlich wie bei der Syphilis; sie ist bei ausgebreiteter frischer Framboesie in 100°/,, bei lokalisierten Formen in etwa 89 %/, der Fälle positiv. Im späteren Verlauf der Krankheit und bei behandelten Fällen ist sie aber kein zuverlässiger Indikator für den Zustand der Infektion (Baermann). a gi Das Salvarsan und die anderen Arsenobenzolderivate, wie Silber- salvarsan, Neosilbersalvarsan und die Sulfoxylatsalvarsane 1882 und 1917, haben sich als außerordentlich wirksame Mittel bei Framboesie- kranken bewährt. Schon kurze Zeit nach einer intravenösen Salvarsan- einspritzung verschwinden die 'Treponemen aus den Effloreszenzen, die im Laufe weniger Tage völlig abheilen. Das Serum der mit Salvarsan behandelten Kranken zeigt gleichfalls starke Heilwirkungen. Auch bei Affen und Kaninchen erfolgt nach Salvarsaninjektion rasche Heilung. Die von Ehrlich als Idealmethode angestrebte Sterilisatio magna durch eine ein- oder zweimalige Injektion hat sich bei der Framboesie in einem hohen Prozentsatz der Fälle als wirksam bewährt. = Literatur. Sobernheim und Löwenthal, Spirochätenkrankheiten. Handbuch der paihogenen Mikroorganismen. 2. Aufl., Bd. 7, 1913. c Sobernheim, Syphilisspirochäte. Ebenda.. : 7 Schaudinn, Zur Kenntnis der Spirochaeta pallida. Deutsche med, Wochenschr., 1905, und Arb. aus d. Kaiserl. Ges.-Amt, Bd. 26, 1907. ee E Schaudinn u. Hoffmann, Vorläufiger Bericht über das Vorkommen von Spirochäten in syphilitischen Krankheitsprodukten und bei Papillomen. Arb. aus d. Kaiserl. | 'Ges.-Amt, Bd. 22, 1905. — Deutsche med. Wochenschr., 1905 und Berliner = klin. Wochenschr., 1905. are = v. Prowazek, Vergleichende Spirochätenuntersuchungen. Arb. aus d. Kaiserl. Gesund- heitsamt, Bd. 26, 1907. ; E. Hoffmann, Die Ätiologie der Syphilis. Berlin, J. Springer, 1906. Roscher, Spirochaeta pallida und Syphilis. Med. 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Die sikäranautischen Probleme m it besonderer Berücksichtigung der Chemo- | therapie der. Syphilis. Br Wenn auch schon im Ägypten der Pharaonenzeit von der An- wendung. von Chemikalien, darunter auch Metallen, zwecks Heilung 5 er Krankheiten berichtet wird, so hat diese empirisch-w. ahl- zw Anwendung von Chemikalien mit der modernen experimentellen _ Chemotherapie ebensowenig zu tun, wie die Iatrochemie des Paracelsus, ' der giftige Kupfer-, Quecksilber- und Bleipräparate (Kupfervitriol, Blei- zucker u.a.) in seinem Arzneischatz hatte und wahllos verwandte. Im ' Mittelalter sind zahlreiche von. den Alchymisten hergestellte Präpa- rate als „Antiphlogistika“ zur. Beeinflussung des „Phlogistons“, des mit Ex dm Verbrennungsvorgängen des Körpers in Verbindung stehenden Prin- = ups. verwandt. Einen großen Erfolg erzielten. aber die Empiriker, als sie das. schon im Altertum bei Hautkrankheiten erfolgreich benutzte a äer. bei der um 1500 in Europa sich ausbreitenden Syphilis, weil diese auch für eine Hautkrankheit gehalten wurde, zuerst als Salbe _ zur Behandlung. der Geschwüre benutzten. In der auf diesem empirischen We ‚erfolgten Verwendung des Quecksilbers sind die Ärzte bereits kurze Zeit, nachdem die Syphilis sich seit ihrer Einschleppung aus Amerika in Europa verbreitete, in den Besitz eines Heilmittels gelangt, . das wir in gewissem Sinne als chemotherapeutisches bezeichnen müssen. 5 Die Heilung der Lues erfolgte bis in die neuere Zeit hauptsächlich @ _ durch die empirisch weiter ausgebaute Anwendung dieses Mittels. Da das Quecksilber sichere. Heileffekte fast ausschließlich gegen Syphilis E: entfaltete, wurde es als ein Spezifikum für Lues betrachtet. Der Empirie _ verdankt die ärztliche Wissenschaft noch zwei andere chemothera- E- _ peutische Spezifika, das Sumpffieber heilende Chinin bzw. Dekokt der = Chinarinde und die von Kolbe synthetisch dargestellte Salizylsäure, das Heilmittel gegen akuten Gelenkrheumatismus. ; Mit der ungeahnten Entwicklung der synthetischen Chemie auf - Grund der Arbeiten von Wöhler; Liebig u.a. und dem damit zusammen- hängenden Aufblühen der chemischen Industrie, vor allem der deutschen, begann eine umfangreiche Herstellung von Chemikalien für therapeutische Zwecke. Es handelte sich aber hier meistens um synthetisch dargestellte EUER, die zufällig oder durch wahllose Anwendung bei den ver- Ehrlichs gru ndlegende Arbeiten. 920 | | 50. Vorlesung. schiedensten Krankheiten als Symptomatika oder Narkotika bzw. schmerz- stillende Mittel erkannt wurden. Die wissenschaftliche Pharmakologie hat auf diesem Gebiete dann wichtige Gesetze für die Synthese der Narkotika und Symptomatika, besonders auch der Antifebrilia aufge- stellt und die experimentellen Grundlagen für die chemotherapeutische. Verwendung beim Menschen geschaffen. Wenn wir aber hier von chemo- therapeutischen Problemen sprechen wollen, so muß bei dem Begriffe der Chemotherapie an das zielbewußte und nach Gesetzen suchende- Streben gedacht werden, mit Hilfte des Tierexperimentes Substanzen zu gewinnen, „die die Krankheit als solche vernichten und damit das. Übel von der Wurzel aus bekämpfen“, wie es in den Arbeiten von P. Ehrlich zutage tritt. Das Ziel der Chemotherapie ist also dasselbe, wie das der ihr nahe verwandten Serumtherapie, die bei einigen Infek- tionskrankheiten die Befreiung des erkrankten Organismus von den Infektionsstoffen in vollkommenem Maße zu bewirken imstande ist. Wie wir aber bereits gesehen haben, versagt die serumtherapeutische Behand- lung bei einer Reihe von Infektionen, speziell bei Protozoenerkrankungen, bei Tuberkulose u. a., mehr oder weniger. vollständig. Hier sucht nun die Chemotherapie durch Auffinden geeigneter chemischer Stoffe eine Be- freiung von den krankmachenden Mikroorganismen zu erzielen. Es ist das Verdienst von Paul Ehrlich, das notwendige Suchen nach neuen chemischen Mitteln zur Heilung von Infektionskrankheiten auf eine wissenschaftliche Basis gestellt und - zugleich durch genial angelegte Versuche Beweise für die Richtigkeit der Theorien erbracht zu haben, die er auf Grund scharfsinniger Über- legungen geschaffen hatte. Ehrlich ging bei seinen zielbewußten Be strebungen, die Infektionsstoffe im lebenden Körper abzutöten, von einem, wie er sagt, selbstverständlichen Grundsatz aus, den wir mit seinen Worten wiedergeben: „Wenn für die Chemie das Gesetz gilt: corpora non agunt, nisi liquida, so ist für die Chemotherapie maß- gebend: corpora non agunt, nisi fixata. Auf den speziellen Fall angewandt, soll letzteres heißen, daß Parasiten: nur von Solchen Stoffen abgetötet werden können, zu denen sie eine gewisse Verwandtschaft haben, dank deren sie von den Bakterien verankert werden. Solch Stoffe bezeichne ich als parasitotrop. Nun sind alle Substanzen, die zur Abtötung der Parasiten dienen, auch Gifte, gleichzeitig auch organotrop, d. h. sie haben Verwandtschaft zu lebenswichtigen Organe und werden in ihnen gebunden. Es ist ohne weiteres ersichtlich, d nur solche Substanzen praktisch als Heilstoffe Verwendung find können, in denen Organotropie und Parasitotropie in einer richtigen Verhältnis stehen.“ x E Man kann daher die Chemotherapie ganz allgemein als die Leh - von der Heilung der Infektionskrankheiten durch chemisel definierte Substanzen (M. Jacoby), im besonderen nach ihrem Be- gründer P. Ehrlich als die Wissenschaft bezeichnen, die sich mit der Auffindung und Erprobung von spezifisch auf die Infektion erreger wirkenden chemischen Körpern zu beschäftigen hat. Bei der experimentell-biologischen Untersuchung derartiger Mittel ist der lebende gesunde oder infizierte Tierkörper das feinste Reagens, fa immer viel empfindlicher als die chemischen Prüfungen. Der Versuch im Reagenzglas kann das Tierexperiment, wie wir noch weiter unten Die chemotherapeutischen Probleme. 991 ‘sehen werden, nicht ersetzen. P. Ehrlich wandte sich aus diesem Grunde F frühzeitig den Vitalfärbungen zu, um mit Hilfe der Farbstoffe das Verhalten des tierischen Organismus und einzelner Organe zu den Farbstoffen kennen zu lernen und dadurch die chemotherapeutisch benutzbaren Verteilungsgesetze von Farbstoffen zu erkennen. Im Verfolg der Ergebnisse der Forschungen über die Fixation der Farben auf Pflanzenfasern und auf tierische Zellen (Blutfärbungen) enstanden so allmählich die Richtpfeiler, nach denen gebaut werden konnte. - _ Ehrlich bemühte sich, zur Lösung der Probleme der Chemotherapie der Infektionskrankheiten und um den Zusammenhang zwischen che- mischer Konstitution der Heilmittel einerseits und ihrer Verteilung in den Organen sowie ihrer Wirkung auf den infizierten Körper und die Parasiten andrerseits zu klären, die. chemische Auffassung .mit der @ biologischen zu vereinigen. Die Klärung der die chemischen Probleme berührenden Fragen, warum die chemischen Körper so verschieden auf die einzelnen Krankheitserreger wirken und wie sie es tun, wurde ihm wesentlich erleichtert durch die bei seinen Blutfärbungsstudien und später bei Trypanosomenkrankheiten mit mehreren Chemikalien gemachten Beobachtungen und die im Anschluß daran. aufgestellten Theorien. 5 .Für die Studien Ehrlichs über die Chemorezeptoren waren von großem Nutzen seine und seiner Schüler Arbeiten über die sog. - „Rezidivstämme“. Bei den Versuchen über die Heilung der Try- panosomeninfektion der Mäuse mit Chemikalien beobachtete Ehrlich, daß im Serum der geheilten Mäuse Antikörper auftreten. Denn das Serum solcher Mäuse wirkt trypanozid. Sind aber ungenügende, subtherapeutische Dosen des Mittels angewandt, so tritt ein Rezidiv ein. Die zum Rezidiv führenden Trypanosomen, die also von dem . Chemikale nicht getroffen waren, zeigen nun ein biologisch abweichendes Verhalten von dem Ausgangsstamm A, sie werden von den auf diesen wirkenden Autikörpern nicht mehr beeinflußt und behalten diese = Eigenschaft auch bei Passagen durch frische Mäuse bei. Der so durch Anpassung an die Antikörper vom Stamm A entstandene „Rezidiv- stamm B“ ist also als eine mit neuen vererbbaren Eigenschaften aus- gestatte Varietät des Ausgangsstammes A zu betrachten. Zhrlich konnte das Auftreten der Rezidivstämme auch demonstrieren, indem er denselben Stamm A auf 2 Mäuse verimpfte und die eine mit einer sterilisierenden Dosis heilte, die zweite aber mit einer subtherapeuti- schen so behandelte, daß ein Rezidiv auftrat. Impft man den Ausgangs- stamm A auf die geheilte Maus, so geht er nicht an; wohl aber führt der _ Rezidivstamm B von der zweiten Maus zur Infektion der ersten Maus, wenn sie damit geimpft wird.‘ Hierdurch wird die biologische Ver- schiedenheit des Rezidiv- und des Ausgangsstammes bewiesen. Diese Verschiedenheit der Ausgangsstämme und der sog. „serum- festen“ Rezidivstämme mußte zur Annahme verschiedener Rezeptoren in dem Ausgangsstamm führen. Ehrlich nahm auf Grund der Vererbbar- keit der Serumfestigkeit an, daß die gegen die Antikörper gefestigten Rezidivstämme keine Rezeptoren für die Antikörper besitzen und rechnete diese Rezeptoren zu den „Nutrizeptoren“. Die Antikörper werden hiernach, wie die Nahrungsstoffe, von bestimmten Zellkomplexen gebunden und von ihnen assimiliert. Es wird also bei den Rezidiv- stämmen der für den Ausgangsstamm schädliche trypanozide Anti- 922: 50. Vorlesung. körper in der an ihn gewöhnten Zelle nicht verankert, wie beim Aus- gangsstamm; er ist daher wirkungslos. | BR Neben den Nutrizeptoren, die hauptsächlich der Assimilation ' dienen, sind in der Parasitenzelle die ‚„Chemorezeptoren“ vorhanden. Ihnen verdankt der Parasit die Fähigkeit, bestimmte -Chemikalien zu verankern. Es war gelungen, eine Anzahl chemischer Stoffe aufzufinden, - die Heilwirkung bei trypanosomeninfizierten Tieren entfalten. Diese Stoffe haben zu dem Protoplasma der Trypanosomen, das mit be-. stimmten Gruppierungen — Chemorezeptoren — ausgestattet gedacht werden muß, eine Verwandtschaft. Der Beweis für das Vorhandensein solcher Chemorezeptoren in jeder Zelle wurde durch das Studium der Trypanosomenrassen gefunden, die gegen bestimmte trypanosomen- tötende Mittel künstlich „fest“. gemacht sind, d.h, nicht mehr durch das betreffende Medikament beeinflußt werden können. Behandelt man nämlich trypanosomeninfizierte Tiere mit nichtheilenden Dosen der ver- schiedenen Mittel — Arsenikalien, bestimmter Azofarbstoffe (Trypan- rot, -blau und -violett) oder gewisser basischer Tryphenylmethanfarbstoffe 4 . (Parafuchsin, Methylviolett) —, so werden die nicht durch das Mittel ab- getöteten Trypanosomen vor allem dann, wenn man das Verfahren mehrere Male wiederholt, gegen die. Wirkung des verwendeten "Medikamentes 1 allmählich gefestigt. Ehrlich konnte zeigen, daß die Festigkeit dadurch . zustande kommt, daß. die betreffenden Chemorezeptoren der Parasiten verloren gehen oder eine Aviditätsverminderung zu den entsprechenden Chemikalien erfahren. Das kann durch langsame Gewöhnung (Anpassung, Adaption) oder durch Mutation eintreten. Die Festigung der Trypano- somen gegen Arsenikalien durch längere Behandlung mit: steigenden E Dosen derselben ist ein Beispiel für die adaptive Arzneifestigkeit, wogegen die einmalige Behandlung trypanosomeninfizierter Tiere mit Farbstoffen der Akridin-, Pyronin- und Oxazinreihe ein Beispiel für die mutative Festigung bietet. Diese Festigung ist spezifisch und kann sich jahrelang bei den Parasitenstämmen erhalten. BE Die Vielheit der Chemorezeptoren der Parasiten wurde von Ehrlich vor allem bei seinen Studien über Arsenfestigkeit gefunden nd bewiesen. Ehrlich und Röhl ermittelten hierbei, daß ein Parasitenstamm gegen Arsenikalien fest sein kann, aber durch Farbstoffe noch im Tier- körper beeinflußt wird. Umgekehrt wurden Stämme beobachtet, die sich gegen mehrere chemische Körper als fest erwiesen. Besonders wichtig war für diese Studien das Verhalten .von Trypanosomenstämmen, die gegen verschiedene 'Arsenikalien: (Atoxyl, Arsenophenylglyzin) durch Vorbehandlung fest gemacht waren. Die atoxylfesten Stämme konnten durch Arsenophenylglyzin beeinflußt werden, während die mit dem letzteren gefestigten Stämme nicht durch Atoxyl beeinflußt werden konnten. Auch andere Arsenobenzole, die den Essigsäurerest enthalten, zeigen ein gleichartiges Verhalten wie das Arsenophenylglyzin. Ehrlich nahm deshalb an, daß neben dem Arsenorezeptor der Parasitenzelle noch ein Azetikorezeptor vorhanden sein muß. Hierauf weiter bauend, kam Ehrlich zu der Annahme von primären und sekundären haptophoren Gruppen in den chemotherapeutischen Mitteln. ‘So läßt sich die Wirkung E des Arsenophenylglyzins auf die atoxylfesten Trypanosomen erklären. Der Arsenorezeptor fehlt bei atoxylfesten Trypanosomen, aber da der Azetikorezeptor vorhanden ist, kann das Arsenophenylglyzin durch die Si Die chemotherapeutischen Probleme. 993 _ haptophore Gruppe des Azetikorezeptors an die Parasiten verankert - werden, sodaß dann der Arsenrest der Arsenobenzolverbindung — die & toxophore Gruppe — die Parasiten vernichten kann. P. Ehrlich drückt diese Verankerung der Arsenikalien durch primäre Haptophore und ihre dadurch eintretende toxische Wirkung mit Hilfe der toxophoren Gruppe in einem Bilde sehr plastisch aus: „Der Arzneistoff wird ge-- ' wissermaßen in seinen verschiedenen Gruppierungen sukzessive von be- sonderen Fängen des Protoplasmas gefesselt, gleich wie ein Schmetterling, dessen einzelne Teile mit verschiedenen Nadeln fixiert werden.“ - Karrer hat darauf hingewiesen, daß chemisch ganz different kon- stituierte Verbindungen, z.B. Salizylsäure und die Atophanverbindungen, eine ausgesprochene Organotropie zu gewissen Geweben, z. B. zu den “ Gelenken, namentlich entzündeten Gelenken, haben. Er hat ferner auf die Bedeutung der salzbildenden Gruppen für die ÖOrganotropie hin- gewiesen. Es sollen hierbei dieselben salzbildenden Gruppen, die bei der Verbindung solcher Stoffe mit Schwermetallen in Frage kommen, auch bei der Verankerung an die Zellen des Körpers in Funktion treten, indem sie zur Bildung innerer Komplexsalze führen. Karrer hat darauf- hin die Hypothese aufgestellt, daß auch die Fixierung chemotherapeutisch wirksamer Substanzen an die Parasitenzelle nach Analogie der Bildung dieser sogenannten inneren Metallkomplexsalze erfolgt. . Der Nachweis der Entstehung von arsenfesten, trypanrotfesten und parafuchsinfesten Trypanosomenstämmen durch mehrmalige oder häufige Anwendung eines Mittels führte nun Ehrlich logischerweise zur Aufstel- lung einer, man kann wieder sagen selbstverständlichen Forderung, um eine möglichst rasche und vollständige Heilung, d.h. restlose Befreiung eines infizierten Organismus von den Parasiten herbeizuführen. Es war die Forderung einer „Therapia magna sterilisans“. Denn nur auf diese Weise kann es gelingen, die Entstehung der Parasitenstämme, die sich gegen die Wirkung der anzuwendenden chemischen Körper im Laufe einer Behandlung mit mehrmaligen Gaben des betreffenden Mittels festigen, zu verhüten. Die Befreiung des lebenden Körpers von Krankheitserregern mittelst „eines Schlages“ wird durch die Auffindung . von Mitteln, die optimale Parasitotropie und minimale Organo- tropie besitzen, ermöglicht. Fast ideale therapeutische Mittel von stärkster Parasitotropie und geringster Organotropie stellen die spezifi- schen Serumpräparate dar, welche nach Art von „Zauberkugeln“ ihren Weg fast allein zu den Mikroben, die zu ihrer Gewinnung benützt wurden und auf die sie also eingestellt sind, suchen und finden. Das . Verhältnis der Parasitotropie und Organotropie kann man am einfachsten durch den chemotherapeutischen Quotienten ausdrücken, d.h. das Verhältnis der Dosis curativa zur Dosis toxica bzw. Dosis tolerata. Je kleiner dieser Quotient ist, umso größer ist der Abstand der wirk- > samen Menge von der schädlichen oder tödlichen Dosis, um so besser - ist das Mittel praktisch brauchbar. Dureh die Injektion eines derartigen maximal parasitotropen Präparats ist die Möglichkeit gegeben, mittelst einer einzigen Injektion eine Abtötung aller Infektionserreger im in- fizierten Körper zu erzielen. Die große Gefahr, durch mehrmalige Gaben, die zwar therapeutisch wirken, aber nicht alle Parasiten ab- töten (subtherapeutische Dosen), die gegen das betreffende Medikament resistenten Stämme zu erzeugen, wird so vermieden. Therapia magna sterilisans, Etappen- behandlung. Parasilo- tropie und Organo- tropie. 924 50. Vorlesung. Die Therapia magna sterilisans muß naturgemäß ein gewisses Risiko enthalten, denn Mittel, die den lebenden Körper von einem gefährlichen Infektionsstoff befreien sollen, können nicht ungiftig sein und müssen -als heroische gelten. Es ist aber bisher in der Medizin kaum ein Mittel bekannt, das starke Wirkungen ohne jede Giftigkeit für den infizierten Körper besäße. Ehrlich hat auf das Vorgehen des Chirurgen bei gefähr- lichen Erkrankungen verwiesen: „Das Vorgehen der modernen Chemo- therapie, der es in unzähligen Tierexperimenten gelingt, mit einem Schlage schwerste Infektionen zu heilen, möchte ich in Analogie setzen mit dem Vorgehen des Chirurgen. Dieser entfernt mit seinem Eingriff das Kranke aus dem Körper. Es handelt sich hier wie bei der Chemotherapie um Instrumente, die unter Umständen gefährlich werden können. Aber die Chirurgie verdankt ihre Triumphe dem Prinzip,: daß sie ein gewisses Risiko nicht scheut und nicht zu ihrer Devise „primum, ne noceas“, sondern „primum, ut profieiatur“ gewählt hat. Wenn wir nur die Überzeugung haben — und diese ist durch die Tierversuche gegeben —, daß wir ein wirkliches Heilmittel haben, das Schwer- erkrankte der Genesung zuführen kann, so scheint es geboten, lieber sich mit einem gewissen Risiko zu belasten, als unter Vermeidung ‚eines solchen den Erfolg zu vereiteln und schließlich den Patienten seinem Schicksal zu überlassen. Natürlich sind das schwierige und wichtige Fragen, und man wird, genau wie es der Chirurg bei der Wahl seiner Operation tut, hierbei ausschließlich die Schwere der Er- krankung entscheidend sein lassen.“ Bei denjenigen Trypanosomen- und Spirochätenkrankheiten, bei denen sich die Parasiten vorwiegend oder ausschließlich im Blute finden, hat sich dieses Prinzip durchaus bewährt (s. Fig. 116). Aber bei gewissen Trypanosomeninfektionen (Schlafkrankheit, Beschälseuche der Pferde) und namentlich bei der menschlichen Syphilis, bei denen sich die Parasiten in den Drüsen und im Gewebe, auch in Zellen befinden, läßt die Therapia 5 magna sterilisans nicht selten im Stich und wird, zumal sie gefährlich werden kann, durch die Etappenbehandlung ersetzt. Das ist dann mög- lich, wenn eine Festigung der Parasiten, wie z. B. bei den Spirochäten, gar nicht oder nur sehr schwer eintritt. Hier werden kleinere, wirk- same Dosen in Intervallen wiederholt gegeben, die eine große gefährliche Operation wird gleichsam durch eine Anzahl kleinerer, aber ungefähr- licher ersetzt. Das Beispiel hierfür ist die Behandlung der Syphilis durch - ‚Salvarsan- und Quecksilberkuren mit einer größeren Zahl von Injektionen. Alle bis jetzt bekannten chemischen Heilmittel haben infolge ihrer nie ganz fehlenden Organotropie Nebenwirkungen, die mehr oder weniger starke Vergiftungserscheinungen des infizierten Organismus bedingen. Das Quecksilber, das Chinin, die Salizylsäure, das Salvarsan haben derartige Nebenwirkungen. Sie unterscheiden sich hierdurch von den bakterientötenden oder giftneutralisierenden spezifischen Serum- präparaten, die bei optimaler Parasitotropie für viele Indi- viduen gar keine Organotropie aufweisen, wenn man von der Serumidiosynkrasie mancher Personen und den dadurch erentuall be- 4 dingten Nebenwirkungen absieht. Die Nebenwirkung der Chemotherapeutika auf den Orzanian : d.h. ihre Organotropie, beruht aber nicht allein auf direkter Bindung 4 3. e = 7 Die chemotherapeutischen Probleme. 925 der Substanzen an alle möglichen Organe, sondern auch auf physikalisch- ehemischen Veränderungen, die sie in der Blutflüssigkeit, in einzelnen Zellen oder Organen hervorrufen, endlich zum Teil auf unvermeidbaren, beim Abbau der Chemikalien oder der durch sie geschädigten Zel- oder Organteile entstehenden Giftstoffe. Denn jeder Organismus sucht sich = durch Abwehrvorgänge verschiedener Art, deren Ausdruck eben diese Neben- - erscheinungen sind, mit Hilfe seiner vitalen, in letzter Instanz chemischen Eat Kräfte der körperfremden Elemente zu entledigen. Ein typisches Bei- Fig. 116. 3 ; 4 Zugrundegehen der Trypanosomen nach Injektion einer großen Dosis von Salvarsan. Er 1. Vor der Injektion. — 2. 1 Stunde nach der Injektion. —3. 2 Stunden nach der Injektion. —4. 4 Stunden ; BE nach der Injektion. E spiel dieser Art bildet die eben erwähnte, nach Injektion artfremden Eiweißes in manchen Fällen eintretende sogenannte Serumkrankheit, die - durch den Abbau der körperfremden, an Zellen teilweise gebundenen Proteinkörper zustande kommt. Es ist beim Aufsuchen von chemotherapeutisch beim Menschen | zu verwendenden Mitteln die Aufgabe des Experimentators, die verschiedenen Tierarten mit den betreffenden Parasiten zu infizieren und nun die optimal parasitropen und minimal organotropen Substanzen herauszufinden. Der Abstand der Dosis toxica bzw. der Dosis bene tolerata von der Dosis sterilisans soll mög- ° Kolle und Hetsch, Bakteriologie, 6. Aufl. 60 Wirkungs- prüfung chemothera- peutischer Mittel. telle Grundlage bieten und die relative Unschädlichkeit wirksamer Dosen teilungsgesetze der Chemikalien-geändert sein können. Ehe neue chemo- ‚gegeben werden können, müssen in Krankenhäusern, in denen eine genaue 926 50. Vorlesung. lichst groß sein. Erst wenn die Tierversuche eine genügende experimen- ergeben haben, kann man Versuehe beim Menschen anstellen. Hier muß allerdings von vornherein mit angeborener oder erworbener Über- empfindlichkeit gegen’ die Chemikalien gerechnet werden. Über die Empfindlichkeit von normalen oder mit leichten Erkrankungen behaf- teten Menschen muß man experimentell durch Vorversuche mit kleinen Dosen Aufschluß zu erhalten versuchen. Menschen mit schweren Organ- erkrankungen sind aber für solche Vorversuche ungeeignet, da hier dieVer- therapeutische Präparate für die allgemeine ärztliche Behandlung frei- =» | Beobachtung der Kranken möglich ist, ausreichende Erfahrungen über die Dosierung, die Indikationen und Kontraindikationen der Anwendung sowie über die Art und Folgen der Nebenwirkungen gesammelt werden. Die Organotropie chemischer Mittel kann jedoch unter Umständen auch therapeutisch ausgenützt werden. Dies ist dann der Fall, wenn es sich um Infektionskrankheiten handelt, deren Erreger eine gewisse Ver- wandtschaft zu bestimmten Zellarten, Zellkomplexen oder Organen auf- weisen. Bei derartigen Erkrankungen wird man versuchen müssen, wirksame chemische Stoffe aufzufinden, die dieselben Affinitäten im Organismus besitzen wie die Krankheitskeime. Ein Beispiel hierfür bildet die Salizylsäure, die, wie sich durch Tierversuche nachweisen läßt, beim akuten Gelenkrheumatismus in den erkrankten Gelenken änge- reichert wird und dadurch eine Beeinflussung der dort ansässigen Krank- heitserreger bewirkt. Dasselbe gilt nach den Untersuchungen Morgen- i roths für die antimalarische Wirkung des Chinins, das ebenso wie de Plasmodien eine besondere Affinität zu den roten Blutkörperchen be- sitzt und daher in diesen angereichert wird, sodaß es die ausschwärmen- den Sporozoiten an ihrem Eindringen in die Erythrozyten hindert a (Repulsionstheorie). Bei der experimentellen Prüfung chemotherapeutisch a wirksamer Substanzen kann man in zweifacher Weise vor gehen, indem man entweder die zu prüfenden Substanzen mit den Parasiten in vitro mischt und den Versuch sich im Reagenzglase ab- spielen läßt, oder aber indem man die Substanzen im infizierten Tiere auf die Parasiten wirken läßt. Wider Erwarten gehen nun beide Versuche keineswegs parallel. Es kommen vielmehr, wie die EEyBSN somenstudien gezeigt haben, vier Möglichkeiten in Frage. :S Es kann erstens. beobachtet werden, daß eine im Hönkennzien stark auf Parasiten wirkende Substanz im lebenden infizierten Körper gar keine Wirkung entfaltet. Die im Reagenzglase in stärksten Ver- dünnungen Krankheitserreger abtötenden Mittel, z. B. Phenol, Sublimat, Kresol ete., beeinflussen die von denselben Mikroorganismen hervor- gerufenen Infektionsprozesse auch in großen, gerade erträglichen Dosen fast gar nicht. Nach Ehrlich ist dieses Verhalten leicht zu verstehen, wenn wir daran denken, daß die Organotropie dieser Mittel unverhältnis- mäßig viel größer ist als ihre Parasitotropie. Der zweite Fall ist der für viele chemische Körper zutreffende, = daß die geprüfte Substanz im Reagenzglase keine Wirkung auf die: Parasiten besitzt und sich ebenso | im Tierkörper verhält. Wir DR a i e } } h 1 ö 1 \ [2 f Be: = er. I 1} 15 E i 5 ; I ae Be - j P * -. ri ae we -. ri \ “ 1 v- I. Er SE id 6-8 43 we. Y4 3 Die een Probleme. 927 = sieren nie: Ehrlich das chemotherapeutische Verhalten eines solchen Körpers. dahin, daß er keine Rezeptoren bei den untersuchten Parasiten findet und infolgedessen aparasitotrop ist. Solche Körper können natür- lich organotrop sein. Im dritten Fall beeinflußt das betreffende chemische Präparat ge- wisse Krankheitserreger sowohl im Reagenzglas als auch innerhalb des | & infizierten Organismus. Diese Art der Wirkung finden wir z. B. bei den - von Morgenroth geprüften Chininderivaten, so beim Äthylhydrokuprein (Optochin), das Pneumokokken noch in starker Verdünnung in vitro und - in vivo abtötet. Hier handelt es sich um einen besonderen Fall der -* Chemotherapie, den-man am besten als „innere Desinfektion“ oder „Ge- websdesinfektion“ bezeichnet. Ganz sichere. chemotherapeutische Erfolge sind mit den auch in vitro wirkenden Mitteln bisher nicht erzielt worden. Der vierte und, wie Ehrlich mit Recht hervorhebt, wichtigste Fall ist der, daß die im infizierten. Körper. in starken Verdünnungen auf. die Infektionserreger wirkende Substanz selbst in konzentrierter - Form im Reagenzglase die Parasiten gar nicht beeinflußt. Dieses para- dexe Phänomen wird vielfach durch die an den eingeführten Heilsub- - stanzen sich vollziehenden Reduktions-- oder Oxydationsvorgänge, die sich innerhalb des Körpers abspielen, bedingt. Das Atoxyl z. B. hat auf die Trypanosömen der Schlafkrankheit in vitro gar keine Wirkung, bringt aber, wie R. Koch zeigte, beim schlafkranken Menschen innerhalb weniger Stunden die Parasiten in Blut und Drüsen zum Verschwinden. Es wird, wie Ehrlich annimmt,-im menschlichen und tierischen Körper reduziert, wobei das Arsen aus der fünfwertigen Form des Atoxyls- in - die dreiwertige Form. übergeführt wird. Ehrlich drückt den sich daraus ergebenden therapeutischen Effekt so aus: „Der Arsenorezeptor des Trypanosoma ist nur auf dreiwertige Arsenradikale eingestellt und daher nicht imstande, auch fünfwertige Arsenradikale an sich zu reißen.“ - Aber außer diesen direkten Heileffekten, wobei die in vitro “ "unwirksamen Verbindungen reduziert werden ‚und sich mit den Rezep- toren der Parasiten verbinden und die letzteren abtöten, können noch andere indirekte Wirkungen der Chemikalien im Tierkörper bedeutungs- - voll werden. Viele Chemikalien wirken nämlich gar nicht ‚direkt “ abtötend, sondern sie beeinflussen nur die Vermehrungsfähigkeit der Parasiten. Das ist im Reagenzglasversuch, wo vielfach (z. B. bei Try: panosomen) keine nennenswerte Vermehrung erfolgt, nicht zu erkennen. Aber im lebenden Organismus wird bei einem durch Parasiten von sehr “ beschränkter Lebensdauer hervorgerufenen Infektionsprozeß die Auf- hebung der Vermehrungsfähigkeit eine Abtötung aller Parasiten zur Folge haben. Denn wenn wir es mit Infektionserregern zu tun haben; die keine Dauerformen bilden, so wird der Körper von den Parasiten be- freit, sobald diese sich nicht mehr vermehren können und daher absterben. ‚Eine solche innere Desinfektion durch Mittel, die an den Chromidial> . apparat.der Parasiten verankert werden und so eine Proliferation un- möglich machen, wird z. B. wahrscheinlich bei den Trypanosomen durch bestimmte basische Anilinfarbstoffe bewirkt. Hieran läßt sich erkennen, daß die für die versehiedenen Chemikalien: einpassenden Chemorezep- toren in der Parasitenzelle örtlich getrennt vorhanden sein können. Die in der verschiedensten Weise durch Entwicklungshemmung "indirekt wirkenden Mittel bieten den Vorteil, daß sie nur in kleinen 60* 928 50. Vorlesung. Dosen angewandt zu werden brauchen. Durch die neueren Untersuchungen mit einer Anzahl von Silber- und Quecksilberverbindungen, die Kolle und Aitz bei syphilitischen Kaninchen .anwandten, wird es z. B. sehr wahrscheinlich gemacht, dai auf einer solchen indirekten Wirkung des Quecksilbers die Heilkraft dieses Metalls bei der menschlichen Syphilis beruht. Das Quecksilber, ein aligemeines Protoplasmagift, wird im ganzen Körper wahrscheinlich als Eiweiß-Quecksilberverbindung verteilt und findetssich bei genügender Dosierung in allen Geweben und Flüssig- - keiten in solcher Menge vor, daß die Vermehrung der Spirochaeta pallida unmöglich ist. Infolgedessen kommt es zu einem allmählichen, durch Erreichen des natürlichen Alters bedingten Absterben der Spiro- chäten und damit einhergehend zur Heilung der Krankheit. Außer dieser. entwicklungshemmenden Eigenschaft hat aber das Quecksilber in den kleinen therapeutisch üblichen Dosen offenbar auch eine proto- plasmaaktivierende Wirkung auf .die Zellen des Organismus, die sich in einer Steigerung der Abwehrkräfte des erkrankten Körpers doku- mentiert. Andere Metalle scheinen sich ähnlich zu verhalten, z.B. das - Silber mit. seinen Verbindungen, das an therapeutischer Wirksamkeit beim Kaninchen das Quecksilber übertrifft, weil es in Dosierungen, die wenig giftig sind, wirksam ist. Auch für diesen Fall der indirekten Wirkung durch Aufhebung der Vermehrungsfähigkeit der Parasiten und der Stimulierung der Abwehrkräfte des Organismus gilt die Wichtigkeit der Ermittlung des chemotherapeutischen Index. Eine direkte spiro- chätentötende Wirkung läßt sich, wie Kolle und Ritz bei Kaninchen- syphilis nachwiesen, bei den bisher bekannten Quecksilberverbindungen ‚nicht feststellen. Offenbar wirkt auch das neuerdings von Sazerac und Devadeh auf Grund von Tierversuchen in die Syphilistherapie eingeführte weinsaure Wismuth (Kalium-Natrium-Wismuttartrat), das unter dem Namen Trepol im Handel ist, nicht direkt abtötend auf die Syphilis- spirochäten, sondern entwicklungshemmend. Dafür spricht vor allen 4 Dingen das außerordentlich langsame Verschwinden der Spirochäten _ aus den nur allmählich sich zurückbildenden Krankheitsprodukten. Chemo- therapie und Antikörper- bildung. Bemerkenswert ist ferner, daß im Kaninchenversuch nach Trepol- Behandlung häufig Reindurationen der fast völlig oder völlig geheilten Schanker mit frischer Spirochätenvermehrung beobachtet werden (Kolle). Bei der Wirkung vieler Chemikalien spielt neben der direkten Beeinflussung der Parasiten noch die infolge der Abtötung vieler Para- siten vom infizierten Körper ausgehende Reaktion eine Rolle. Sobald die Chemikalien einen Teil der Parasiten abgetötet haben, kommt es unter bestimmten Bedingungen zur Antikörperbildung. Die Erfahrung zeigt, daß dieser Reaktionsvorgang des Körpers nur dann in genügender Intensität ausgelöst wird, wenn der Körper innerhalb kurzer Zeit mit den aus den abgetöteten Parasiten stammenden Stoffen überschwemmt wird. Man bezeichnet dies nach Ehrlich als „Ietus immunisatorius.“ Eine Vorbedingung für den Erfolg dieses Immuni- sierungsschlages würde also das Vorhandensein einer genügenden Menge von Parasiten im infizierten Körper sein. Bei. den mit einer Krisis endigenden Infektionskrankheiten- wird dieser Ietus immunisatorius von dem Körper selbst häufig ohne therapeutische Maßnahmen herbeigeführt. Neben der Anregung der spezifischen Antikörperreaktion len ai ae ine en main 2 2 a a ne Die chemotherapeutischen Probleme. 929 durch die Chemotherapeutika müssen wir auch die Auslösung von anderen, die Mikroben schädigenden oder vernichtenden nicht- spezifischen Reaktionsprodukten annehmen. Das wird durch die Tatsache bewiesen, daß sich die Therapia magna sterilisans bei manchen Krankheiten nur solange erzielen läßt, als der Körper imstande ist, die zur Heilung nötigen Stoffe zu liefern. In diesem Sinne müssen die E: Chemotherapeutika, soweit sie Heilmittel im biologischen Sinne sind, d.h. zur Sterilisierung des infizierten Körpers führen, nieht nur direkt -auf die Parasiten wirken, sondern auch indirekt durch Vermittlung von Zellen, die sie zwecks endgültiger Vernichtung der Infektionserreger reizen bzw. aktivieren. Werden die für eine Therapia magna sterilisans geeigneten Me- dikamente in zu kleinen, nicht völlig sterilisierenden, sogenannten sub- therapeutischen Dosen gegeben, so stellt sich häufig ein para- doxes Phänomen ein, das Ehrlich als „Konträreffekt“ bezeichnet hat. Man hat hierunter die Erscheinung zu verstehen, daß die in vitro stark wirksamen Substanzen in vivo nicht nur keine Wirkung zeigen, sondern sogar eine Vermehrung der Parasiten bedingen. Die kleine, zur Abtötung nicht ausreichende Menge wirkt nicht als Gift, sondern als ' Reiz und führt so eine erhöhte Lebenstätigkeit der Parasiten herbei. - Die Richtigkeit dieser Theorien kann experimentell und klinisch bestätigt werden. Bei infizierten Tieren, die mit untertherapeutischen Dosen von Heilmitteln behandelt werden, tritt eine Vermehrung, ver- stärkte Beweglichkeit und Entfaltung pathogener Wirkungen z. B. der Trypanosomen und Spirochäten zutage. Klinisch äußert sich das in er- höhtem Fieber, Allgemeinwirkungen oder lokalen Gewebsreaktionen. Die scharfsinnigen theoretischen Überlegungen Ehrlichs und seine darauf aufgebauten Versuche .geben der wissenschaft- lichen Chemotherapie auch Richtlinien für die Zukunft. Man 4 ' muß bei dem Suchen nach spezifischen Mitteln die für jeden Parasiten eigenartigen, d.h. spezifischen, primär verankernden Gruppen, die ver- möge eines spezifischen, auf die betreffende Parasitenart gerichteten Rezeptorenapparates bestimmte chemische Körper an die Parasiten heran- bringen, ausfindig machen. Wie Ehrlich bei Untersuchung substjtuierter . Arsenverbindungen fand, ist z. B. der Azetikorezeptor die auf Trypano- - somen, der Jodorezeptor die auf Spirillen eingestellte Substituente. „Der- artige Gruppierungen, die einen spezifischen, d. h. auf eine bestimmte Para- sitengruppe gerichteten Rezeptorenapparat besitzen, ausfindig zu machen, ist Wesen und Inhalt der Erforschung der therapeutischen Biologie der Parasiten. Der Chemotherapeut muß zielen lernen, d.h. eben für jede Therapie diese Nebengruppierungen finden, mit deren Hilfe man ein bestimmtes therapeutisches Radikal — z. B. den Arsenrest — den ‚betreffenden Parasiten implantieren kann.“ Damit war aber auch die Möglichkeit gegeben, die bei gewissen . Infektionen als wirksam erkannten Grundsubstanzen einer zielbewußten Variation durch Einführung von Substituenten zu unterwerfen. Wenn wir auch noch nicht in der Lage sind, hierfür allgemein gültige Ge- setze aufzustellen, so sind doch für gewisse Einzelfälle, worauf beim . Salvarsan noch eingegangen wird, Regeln gefunden. Wir wissen z.B. von der Wirkung der Arsenobenzole auf Trypanosomen und Spiro- -chäten, daß die Methylierung gewisser Substituentien. dystherapeutisch 930° „ 50. Vorlesung. wirkt, d. h. es vermindert sich die Parasitotropie, verglichen mit der ‘ Organotropie. Die Einführung des Formaldehydsulfoxylrestes z. B. in das Salvarsanmolekül aber wirkt, wie die verminderte Giftigkeit des. Neosalvarsans im Vergleich mit Altsalvarsan zeigt, entgiftend auf die Arsenobenzole ein, ebenso, wie die Einführung des Essigsäureradikals die. Giftigkeit vermindert. Da diese Verbindungen aber sehr- oxydabel sind (Arsazetin), können sie wieder giftiger werden. Reduktion wirkt . partial die Giftigkeit erhöhend, weil ungesättigte Valenzen entstehen. _ Aus der relativ unaggressiven Kohlensäure (CO,) von £.-B: durch Reduktion das giftige Kohlenoxyd (CO). Die Wirkung der verschiedenen chemotherapeutischen Mittel wird man um so vollkommener ‚verstehen, je mehr man sich über die Wir- kungen des infizierten Organismus auf die einverleibten chemischen _ Verbindungen klar wird. ‘Der Körper sucht ‚alle körperfremden. Stoffe, soweit sie giftig wirken, möglichst unschädlich zu machen. Nach Kobert (zitiert nach Schwenk) geschieht das z.B. un intravenöser Beireiker bung meistens auf drei Wegen: 1. die: injizierte Substanz wird. inverandent wieder sngsschiähih: 2. die chemische Substanz wird durch relative Bindung in be- stimmten Organen fixiert, wobei schwerlösliche Verbindungen entstehen, die nur allmählich in jeweils geringen Mengen und Konzentrationen in Blut und Säfte gelangen. In diesem Falle wird also ein Depot des Chemotherapeutikums in einem Organ, zu dem die ‚Substanz Tropie hat, erzielt; 3. die injizierten Substanzen werden, wenn sie stark giftig sind, e. in mehr oder weniger ungiftige lösliche Körper verwandelt, die durch die Nieren ausgeschieden werden. Dies geschieht meistens durch Oxy- dations- oder Reduktionsvorgänge. "Neben diesen chemischen Prozessen spielen aber auch physikalisch-chemische Vorgänge nach Art der FIORENN der Kolloide, z.B. durch Kochsalz, eine Rolle. > Übertragung er dieser Prin- zipien auf die Arsen- reihe. Viele gelungene Versuche. sprechen dafür, daß dureh: Kombi nation verschiedener Mittel mit verschiedenen Aneriffspunkten an den E Parasiten einerseits und an den Organen des infizierten Körpers andrer- seits sich ein gesteigerter, potenzierter Effekt bei ‚verminderter Giftigkeit erzielen läßt. Pharmakologisch ist das Gleiche von E. Bürgi für die Narkotika gefunden. Es wird so aller Voraussicht nach gelingen, bei verschiedenen Infektionskrankheiten spezifisch parasitotrope Mittel mit minimaler Organotropie ‘zu erhalten, wie wir sie. bisher in den spezifischen Serumpräparaten kennen. gelernt haben, deren spezifischen Substanzen fast jede Organotropie fehlt, und in dem Salvarsan, das nur in geringem Grade organotrop wirkt und deshalb für den Körper 2 bei starker Parasitotropie relativ ungiftig ist. die chemische Synthese wirksamer Körper zu- schaffen, hat Zhrlich durch seine klassischen Arbeiten über das Salvarsan ‚bewiesen. Da die. Art und Weise, ‘wie es durch :systematisches Arbeiten gelang, ein spe- zifisch wirksames Präparat mit der Eigenschaft der maximalen Parasito- Daß es durch heuristische Verwertung. dieser Theorien tatsächlich ze gelingt, statt des langwierigen und nicht immer: oder nur zufällig zum Erfolge führenden Weges der Empirie den zielbewußten und den Zweck erreichenden Weg des.Experimentes zu gehen und so neue Bahnen für Die chemotherapeutischen Probleme. 931 tropie bei minimaler Grganatropie herzustellen, von grundlegender Bedeutung für die Weiterentwicklung der Chemotherapie ist, so sei sie durch eine kurze Skizzierung des Weges, den Ehrlich bei der "Auffindung F: des Präparates „Salvarsan“ verfolgte, erläutert. Den Ausgangspunkt der chemisch-biologischen Unter- ä suchungen bildete das Atoxyl, das durch Schmelzen von Anilin mit Arsensäure gewonnen wird. Bechamp hielt den dadurch entstehen- ‚den ee für Arsensäureanilid: H O=SAs-—NH< > H0/ SE fieses Arsenpräparat hat starke trypanosomentötende Eigenschaften, danshen . ‚aber eine große Affinität zu bestimmten edlen Nerven- = gebieten, namentlich dem Nervus optieus. Diese Organotropie gab Veranlassung, das für die Bekämpfung der Schlafkrankheit so wert- _ volle Medikament nur mit äußerster Vorsicht anzuwenden, weil es bei einem gewissen Prozentsatz der Behandelten zur Erblindung führt. Das Atoxyl entfaltet auch gegenüber den. Spirochäten starke _ Wirkung. Nachdem durch Uhlenhuth, Breinl und Kinghorn diese wichtige Tatsache festgestellt war, konnte von diesem Mittel weiter ausgegangen werden. Zunächst fanden Uhlenhuth und Manteufel im atoxylsauren Quecksilber eine Substanz, die nicht nur auf die Hühnerspirochäten, sondern auch auf die Spirochaeta pallida im Kaninchenkörper wie beim Menschen starke spirillozide Wirkungen entfaltet. Als aber Ehrlich und Bertheim die Konstitution des Atoxyls erkannt und festgestellt hatten, daß es nicht das Arsensäureanilid, sondern ‚das Natriumsalz der E: =. EN srsamame. = ‘NH, 0 u N =, ONa Yan NOH jet; ‚konnte Ehrlich zielbewußt versuchen, von dem Atoxyl aus zu _ weniger organotropen, dafür aber stärker parasitötropen Körpern zu. gelangen. Denn das Atoxyl erwies sich als eine sehr beständige und doch stark reaktionsfähige Substanz. 3 Ehrlich beschritt um das therapeutisch-biologische Problem zu lösen, ‚den Weg der chemischen Synthese, und ging von dem von ihm als wirksam erkannten Prinzip aus, „am Arsenrest des Präparates zu giften und am Benzolring“, in den er Substituenten auf Umwegen einführte, „zu entgiften“. Er nahm solche Substituenten, die nach den Grundlinien der Chemotherapie bezweckten, die Toxizität für den infizierten Körper herabzusetzen, andrerseits aber die parasitentötende Wirkung zu erhöhen und gleichzeitig das Präparat dadurch haltbarer oder leichter löslich zu ‚machen. Auf diesem Wege, den wir mit Ehrlichschen Worten kurz skizzieren wollen, wurde das Präparat -Nr.606 oder „Salvarsan“, das Dioxydiamidoarsenobenzol, gefunden, 932 50. Vorlesung. das neben dem Quecksilber das wichtigste therapeutische Agens gegen- über dem Syphiliserreger ist. a Herstellung . „Man kann diese Substanz herstellen, indem man vom Atoxyl ausgeht, aber es ist ein langer und schwieriger Weg bis zum Ziel. Die erste Etappe auf diesem Wege ist die p-Oxyphenylarsinsäure, die auf zweierlei Art hergestellt werden kann, entweder indem das Atoxyl durch Behandlung mit salpetriger Säure in die p-Diazo- phenylarsinsäure übergeführt und aus dieser dann durch Umkochen die p-Oxyphenyl- arsinsäure gewonnen wird, oder aber, wie die Höchster Farbwerke gefunden haben, durch Einführung von Arsensäure in Phenol. EEE Behandelt man nun die p-ÖOxyphenylarsinsäure in geeigneter Weise mit Salpetersäure, so lassen sich je nach den gewählten Bedingungen ein oder zwei Nitro- reste in die Substanz einführen. Zur Herstellung von Salvarsan dient die Mono- Nitroverbindung; sie stellt ihrer Gruppierung nach eine Metanitro-p-oxyphenyl- arsinsäure dar, in ihr befindet sich die NO,-Gruppe in Orthostellung zum H rdroxyl. Es ist mithin diese Substanz als ein Abkömmling eines Orthonitrophenols Ba ae Durch fortschreitende Reduktion dieser Substanz gelangt man zum Dioxydia- midoarsenobenzol. Es gelingt, diesen Prozeß so zu leiten, daß verschiedene Zwischen- produkte faßbar sind, als deren erstes unter dem Eimfluß ‘'gelinder Reduktions- mittel die p-Oxyamidophenylarsinsäure entsteht. Es ist dies eine Substanz, die leicht- lösliche Salze bildet; sie enthält noch den fünfwertigen Arsenrest und ist relativ ungiftig. Durch einen weiteren Reduktionsakt gelingt es, die zweite Reduktionsstufe, das p-Oxyamidophenylarsenoxyd, zu gewinnen, das dann durch einen dritten Akt in die Arsenoverbindung, die das Präparat 606 darstellt, übergeführt werden kann.“ ' Folgendes Schema gibt die Formeln der ;hier geschilderten Verbindungen des Salwarsans. wieder: a o BE asZon asLon ö y? SERIE 0. As—-OH N NOH | ee ern Beer ; i Se Anhy ri i BE ii 5 w en er E Nr, N-0H 7... 00 wo Paramidophenylarsinsäure. P-Dinzophanylasigsine ns Ö Ber EEE AsZOH As/ OH AsZoH m /N NOH a, =, 0 ee Da NO, ” NE, Y Paraoxyphenylarsin- Metanitro-p-oxy- Metamido-p-oxyphenylarsin- säure. phenylarsinsäure. säure. BE II. IV. Az As SE AR N | f | S | sy a > g Re N ÖH OH H Metamido-p-oxyphenylarsin- .Dioxydiamidoarsenobenzol=Salvarsan. oxyd. vi. vo. Die chemotherapeutischen Probleme. 933 Nachdem von Benda ein technisch brauchbares Verfahren zur Darstellung der für die Gewinnung der Salvarsanpräparate notwendigen Nitrooxy-Phenylarsinsäure gefunden war, konnten die von Ehrlich‘ und Bertheim hergestellten und von Ehrlich erprobten Arsenover- bindungen im großen dargestellt werden. Nach den ausgedehnten Untersuchungen Ehrlichs ist der drei- wertige Arsenrest in letzter Instanz derjenige Teil der Verbindung, der die Parasiten, in diesem Falle die Spirochäten, abtötet. Das Salvarsan hat sich als ein Spezifikum von kaum geahnter Wirksamkeit nicht nur bei den akuten, sondern auch bei chronischen tierischen und menschlichen Spirochätenkrankheiten, wie der experimentellen Syphilis des Kaninchens, der Frambösie und der menschlichen Syphilis, bewährt. Große Schanker, ausgedehnte Ver- änderungen der Haut und Drüsenschwellungen können durch eine ein- malige Injektion zur Heilung gebracht werden (Taf. 75). Schon 24 bis 48 Stunden nach der Injektion einer genügend großen Dosis verschwinden die Spirochäten aus den Krankheitsprodukten, die innerhalb einiger r- ‚Wochen zurückgehen. Es hat den Anschein, als öb bei vielen Fällen menschlicher Syphilis, bei denen das Mittel in der richtigen Art und im richtigen Zeitpunkte angewandt wurde, die Therapia magna sterilisans hiermit erreicht wird. Es wäre allerdings verfrüht, über den Prozentsatz der Dauerheilungen einer Krankheit, wie der Syphilis, schon jetzt ein .abschließendes Urteil abzugeben. Die Zeit, die seit der allgemeinen An- wendung des Salvarsans bei Syphilitikern verstrichen ist, ist zu kurz. Aber es steht doch schon fest, daß zahlreiche Syphilitiker durch eine ein- malige Injektion oder eine Anzahl Einspritzungen von allen Krankheits- ‚ erscheinungen befreit sind, ohne daß Rezidive aufgetreten wären. In sehr vielen Fällen sind bei den mit einem syphilitischen Primäraffekt Be- hafteten nach der Salvarsanbehandlung die Sekundärerscheinungen und die Wassermannsche Reaktion ausgeblieben. Bei einem Prozentsatz der Behandelten sind allerdings Rezidive beobachtet worden, und die Wasser- mannsche Reaktion ist positiv geworden. Vielleicht ist es deshalb not- _ wendig, in schweren Fällen und bei Rezidiven größere Dosen zu injizieren. ' Damit kann. allerdings ein Risiko verbunden sein, das der Arzt von Fall zu Fall und unter Ausschluß ungeeigneter Fälle (schwere Gefäß- und ÖOrganveränderungen, namentlich des Nervensystems) abwägen muß. Die Frage, ob mit Salvarsan eine Dauerheilung der Syphilis- . infektion, d. h. eine völlige Befreiung des infizierten Körpers von den Spirochäten erzielt werden kann, hat das größte praktische Interesse. Als sicherer Beweis für die gelungene Sterilisatio magna kann die Reinfektion mit typischem Primäraffekt gelten. Seit der Einführung des Salvarsans sind solche Reinfektionen bei Syphilitikern, die mit Salvarsan behandelt waren, vielfach beobachtet worden. Da aber vor allem die Ermittlung des vom Momente der Infektion an gerechneten Zeit- abschnittes, innerhalb dessen die Sterilisation Aussicht auf Erfolg hat, für das therapeutische Handeln von Wichtigkeit ist, hat Kolle durch den Tierversuch diesen Zeitpunkt näher präzisiert. Die mit Syphilis- virus infizierten Kaninchen wurden 3, 15, 30, 45, 60 beziehungsweise 90 Tage nach der Infektion einer Salvarsankur mit 3 großen, sicher 2 erträglichen Dosen unterworfen; am 130. Tage nach der Infektion Salvarsans. 954 50. Vorlesung. erfolgte dann die Reinfektion. Als Resultat dieser Versuche ergab sich die bemerkenswerte Tatsache, daß sich von den mit Spirochaeta pallida infizierten Kaninchen in den ersten 2—3 Wochen dürch drei Injektionen fast 100°/, heilen ließen; der Infektionserreger wurde hier durch das Sal- varsan beseitigt. Die geheilten Tiere verhielten sich, da keine Immunität nach der Infektion zurückbleibt, wie ein gesundes Tier, d. h. die erneute Zufuhr syphilitischen Virus bewirkte einen in Größe und Spirochäten- gehalt typischen Primäraffekt. Je längere Zeiträume nach der Infektion bis zum Beginn der Behandlung vergehen, desto geringer wird im Tierversuch der Prozentsatz der positiven Reinfektionen. Vom 60. Tage ab hörte die Möglichkeit der Reinfektion unter den geschilderten Be- dingungen überhaupt auf. Dann ist also die Syphilis nicht geheilt, das Kaninchen ist vielmehr latent syphilitisch und befindet sich im Stadium der Infektionsimmunität (s. 8.83). Bei der Syphilis ist‘ nämlich Immunität gegen Neuinfektion identisch mit latenter oder manifester Infektion, also nicht gleichbedeutend mit der wahren Immunität, wie sie sich bei anderen Infektionskrankheiten ausbildet und auch nach Verschwinden der Krankheitserreger aus dem Organismus zurück- zubleiben pflegt. Das mit Syphilis infizierte Kaninchen ist wie der mit Syphilis infizierte Mensch gegen Neuinfektionen unempfänglich. Mit dieser Tatsache steht nicht im Widerspruch, daß beide gegen manifeste Rezidive ihrer eigenen Spirochäten nicht geschützt sind. Rückfäle bleiben nur .so lange aus, ‘als sich die Abwehrkräfte des infizierten Körpers und die Angriffskräfte der Spirochäten das Gleichgewicht halten; tritt Dekompensation .der Abwehrkräfte ein, so kommt es zum Rezidiv. 4 Die. mitgeteilten Versuche Kolles sind ein experimenteller Beweis für die Bedeutung des Salvarsans in der Frühperiode der Syphilis und die Möglichkeit der „Sterilisatio magna“ des frisch infizierten Syphilitikerss durch Salvarsan in einem hohen Prozentsatz der Fälle. Se . Bezüglich der trotz Salvarsanbehandlung bei Syphilitikern- auf- 4 tretenden Rezidive hat Wechselmann darauf hingewiesen, daß es sich hierbei vielfach um lokale Rezidive an Orten handelt, an denen infolge mangelhafter Gefäßversorgung die dort oft gerade sehr zahlreichen Spiro- chäten von dem Mittel nicht genügend getroffen werden. Zu den schlecht vaskularisierten Geweben gehören z. B. die meisten Nerven — vor allem B der Optikus. Es kann kein Zweifel sein, daß viele angebliche Schädi- gungen des Nervus acustieus und ‚anderer Gehirnnerven durch Salvarsan weiter nichts waren, als Reaktionen von aktiven Spirochätenherden bzw. deren Rezidiven, sog. Neurorezidive. Diese unter dem Einflusse der medikamentösen Behandlung, und zwar infolge Zerfalls der Spirochäten, eintretenden entzündlichen Reaktionen syphilitischer Gewebe sind als sog. Herxheimersche Reaktion auch. bei den syphilitischen Haut- erkrankungen als Begleiterscheinung der Salvarsanbehandlung fast, Ro stant zu beobachten. Dagegen scheinen bei manchen besonders kisknempfihältehen Individuen Hi ödem, Ikterus, komatöse Zustände und Blasenstörungen als direkte Giftwirkungen des Salvarsans vorzukommen.. Durch’ kleiuere; otter wiederholte Salve injektionen lassen sie sich vermeiden. .Das Salvarsan, das von den Höchster. Farbwerken im- wa hair gestellt und abgegeben wird, entfaltet gegenüber allen pathogenen Spiro- 2 chäten ( Hühnerspirochäten, Rekurrens- und Syphilisspirochäten), mit Aus- Die chemotherapeutischen Probleme. 985 nahme der Spirochäten der Weilschen Krankheit und des Gelbfiebers eine starke Wirkung. Bei Kaninchensyphilis läßt sich die Wirkung experimentell genau feststellen und mikroskopisch an den Schankern verfolgen. Nach Wechselmann und Hata beträgt die Heildosis bei Kaninchen 004 bis 001 g, wie folgende Tabelle erkennen läßt: < Resultate der Heilversuche bei Kaninchensyphilis mit Dioxydiamido- ‚arsenobenzol. Einmalige intravenöse Injektion. = I ER sr i i e- di Heil E Dosi yrokg . Ban una I ee (tatts ohne Komplikation) 004 9 1:25 24 Stunden 2-3 Wochen 008 „ 1:37 24 a © 2008: 5 1:5 ne Pe zu@Uid:, ET une 2—3 = "001 „ = #210 2 Tagen 2—3 S 00075 9 54214 2-3 Tagen 3-3 Wochen) ge 0005 „ 4:30 -, 2-3 , 3—4 ., 35 0004 9 1:35 nach 30 Tagen noch nicht gebeilt | :0003 „ 1:30 Michtyerseh Wunden 3 | @ Über die Anwendungsweise 5 Baltarsans sei noch kurz E bemerkt, daß nach der jeder Packung beigefügten Gebrauchsanweisung der Fabrik das Präparat sogleich nach Öffnung des Gläschens verwendet werden muß, weil es bei Luftzutritt ziemlich rasch der Zersetzung _— anheimfällt. Es wird mit sterilem Wasser verrieben und in alkalischer oder neutraler, nicht etwa in saurer Lösung .eingespritzt. Die intravenöse Einverleibung bietet vor der intramuskulären den Vorteil, daß keine - lokalen Reizungen der Muskeln und Nerven entstehen. Die Resorption erfolgt bei der intramuskulären Injektion dagegen nicht sehr rasch: es kommt vielmehr zur Bildung von Depots, die an sich für die B: Dauerwirkung von grober Bedeutung sein kann. Die subkutane - Injektion kommt nicht in Frage, weil die . lokalen Reizwirkungen zu E ‚groß sind. Die Kranken müssen sich 24 Stunden nach der Injektion - ruhig, am besten bei Bettruhe halten. Es muß von Fall.zu Fall und - aufGrund weiterer Erfahrungen entschieden werden, ob die. intravenöse 2 oder -die intramuskuläre Injektion. anzuwenden ist. = Die Arsenobenzole haben offenbar eine direkt parasitizide E: Wirkung, weil sie direkt an die Spirochäten verankert werden (Dale - und Rothermundt). Wie die mikroskopische Untersuchung ergibt, ver- ' schwinden die Spirochäten-beim Kaninchen wie beim Menschen inner- - halb 24 bis 48 Stunden nach der Injektion einer wirksamen Salvarsan- dosis aus den Krankheitsprodukten. Je größer die angewandte Dosis. E desto schneller werden die Krankheitsprodukte spirochätenfrei. Daneben = kommt aber therapeutisch: eine indirekte, Antikörperbildung auslösende Wirkung der Arsenobenzolderivate in Betracht. Als ein weiterer Beweis für die. spezifische Wirkung des Salvarsans 3 wird die Beeinflussung der Wassermannschen Reaktion an- gesehen. Bei einem großen Prozentsatz der Luiker. mit positiver m. ‚Reaktion. wird diese ‘durch das Salvarsan rasch zum Verschwinden 2 gebracht. Wiederholte serumdiagnostische Untersuchung und genaue klinische sea können erst zeigen, ob durch die Anw endung des Wirkungs- weise der Ärseno- benzole. 936 | 50. Vorlesung. Präparates ein dauernder Erfolg erzielt wird. Bei einem gewissen, allerdings nicht großen. Prozentsatz der Fälle wird die durch das Salvarsan negativ gewordene Reaktion aber wieder positiv, was mit dem Auftreten eines manifesten Rezidives in Parallele zu setzen ist. In diesem Falle war die Zahl der Spirochäten nur so stark verringert, daß die positive Reaktion nicht mehr ausgelöst werden konnte. Sobald die Spirochäten wieder anfangen sich zu vermehren, treten manifeste Rezidive und positive Reaktion auf. | : Daß bei der Wirkung des im richtigen Momente und in genügender Dosis angewandten Salvarsans auch der Ictus immunisatorius eine Rolle spielt, geht aus verschiedenen Beobachtungen hervor, die für das Auftreten von Antikörpern bei den mit Salvarsan Behandelten sprechen. Das Serum und die Milch stillender Frauen enthalten Heilkörper ‘für die Syphilisinfektion. Diese spezifischen Lues-Antikörper treten offen- bar nur dann in größerer Menge im Blute der Syphilitiker auf, wenn große Mengen von Spirochäten auf einmal abgetötet werden und so den Körper gewissermaßen mit den Stoffen ihrer Leibessubstanz überschwemmen. Nach Ehrlich muß das Salvarsan für bestimmte Fälle als dem Quecksilber: überlegen betrachtet werden, und zwar hauptsächlich zu- nächst bei den gegen Quecksilber refraktären Kranken. Zu diesen gehören „i. natürlich Personen, die. gegen Hg überhaupt refraktär sind, 2. Per- sonen, die kurz nach einer Hg-Kur ein Rezidiv aufweisen, 3. Personen, die trotz Hg immer wieder Rezidive bekommen, und 4. Personen, die eine Idiosynkrasie gegen Hg haben.“ Ferner ist bei maligner und galoppieren- der Lues, bei Lues hereditaria, den schweren Formen ulzeröser Lues und . den mit Psoriasis palmaris und mikropapulösen Exanthemen, ferner mit Mund- und Rachenaffektionen, und Schleimhauterkrankungen der Nase ’ einhergehenden Fällen das Arsenobenzol schon wegen der Schnellwirkung “und Auslösung des Ictus immunisatorius dem Quecksilber überlegen. Die Kontraindikationen gegen die Anwendung der Salvarsan- präparate sind, wie auch aus den vom Reichsgesundheitsrat aufgestellten Richtlinien hervorgeht, bei vorsichtiger Verwendung auf wenige Fälle - beschränkt. ER B Die neueren Erfahrungen: zeigen, daß bei allen Syphilitikern, die nach Salvarsantherapie Rezidive bekommen oder bei denen die anfänglich negative Wassermannsche Reaktion wieder positiv wird, eine erneute Anwendung des Salvarsans notwendig ist. Die Etappenbehandlung und in gewissen Fällen die Ergänzung der Salvarsantherapie durch Anwendung von Quecksilber- oder Wismuthpräparaten wird in- dessen der Möglichkeit einer Sterilisierung aller Syphilitiker und somit der allmählichen Ausrottung dieser Volksseuche den Weg ebnen. = Inwieweit sich durch den weiteren Ausbau der Methodik und die Ver- besserung der Behandlungsweise mit Hilfe des Salvarsans. dieses Ziel ‘ in praxi erreichen lassen wird, das kann nur die Zukunft lehren. Der 2 Ausblick ist aber aussichtsreich und eröffnet weitgehende Perspektiven. Das Problem ist zwar noch nicht völlig gelöst, aber seiner Lösung sehr nahe gebracht. ee ‘Vor allem ist die Frühbehandlung aller Syphilisinfektionen, die ° sog. Abortivbehandlung der: Infizierten anzustreben. Vorbedinsung für eine solche Behandlung ist die möglichst frühzeitige Diagnose durch den‘ Nachweis der Spirochäten an der verdächtigen Infektionsstelle. Die chemotherapeutischen Probleme. 937 Diese zuerst von E. Hofmann, Herxheimer, Scholtz, Wechselmann, Gennerich, Galewsky, Jesionek ausgeführte, heute von fast allen Syphili- dologen geübte Methode der Abortivbehandlung soll nach den Versuchen von v. Wassermann in der Frühperiode der Syphilis, wenn die Wasser- mannsche Reaktion noch nicht positiv ist, besonders deshalb Aussicht auf Heilung der Krankheit bieten, weil die Spirochäten bei den Infizierten noch nicht zu Gewebsparasiten geworden seien, sondern sich vor- wiegend in den Lymphspalten des Primäraffektes und der Drüsen ver- mehren und daher durch eine Salvarsankur leichter abzutöten sind. Ob hinsichtlich der therapeutischen Aussichten diese strenge Unterscheidung der Vor- und Nach-Wassermann-Periode, also eine scharfe Abgrenzung der sero- negativen und seropositiven Syphilis berechtigt ist, muß allerdings fraglich er- ‘scheinen. Man muß logischerweise annehmen, daß die positive Wassermannsche Reaktion sich langsam entwickelt. Sie wird nicht auf einmal stark positiv, sondern - zeigt einen Kurvenverlauf. Daraus’ ergibt sich, daß schon sehr frühzeitig die Stoffe, " welehe die Wassermannsche Reaktion bedingen, im Blute kreisen. Aber eist, wenn ein gewisser Schwellenwert dieser Stoffe erreicht ist, können wir in . unzweideutiger Weise mit Hilfe der Komplementbindungsmethode diese Substanzen nachweisen. Die klinischen Erfahrungen wie die Tierversuche sprechen dafür, daß es für die Heilungsmöglichkeiten in der Frühperiode ebenso wenig eine scharfe Grenze gibt, wie für das Auftreten der die Wassermannsche Reaktion bedingenden Stoffe. Vor allem sprechen auch die klinischen Erfahrungen gegen die Annahme, . daß die syphilitische Infektion im Primärstadium noch eine lokale Erkrankung darstellt. Es steht aber zweifellos das eine fest, daß wir die Heilung der Syphilis um so eher erreichen, je. früher wir die Behandlung einleiten. Es ist in dieser Frühperiode sicher bei der Mehrzahl der Syphilitiker auch ohne gleichzeitige Queck- silberanwendung die Möglichkeit der. Heilung durch Salvarsan gegeben, unabhängig _ von einer positiven oder negativen Wassermannschen Reaktion. Bei sog. seronegativen Primäraffekten ist die Heilungsmöglichkeit allerdings größer, als bei seropositiver Lues des Primärstadiums, aber nicht in allen Fällen sicher mit Salvarsan allein oder durch kombinierte Anwendung von Salvarsan und Quecksilber zu erzielen. 000. Es steht fest, daß das Salvarsan nicht neurotoxisch ist. Es ist zwar giftig, aber bei Ausschaltung ungeeigneter Fälle weder für das Leben noch für die Sinnesorgane (Optikus und Akustikus) & -gefährlich. Schädigungen minderwertiger oder erkrankter Organe lassen sich ebensowenig ganz vermeiden wie beim Quecksilber, das, wie Wechselmann hervorhebt,. in seinen starken unerwünschten. auf - allgemeinen Protoplasmawirkungen beruhenden Nebenwirkungen ebenso . unterschätzt wird, wie von manchen Seiten die toxischen Nebenwirkungen des Salvarsans übertrieben werden. Die nach Salvarsanbehandlung ein- tretenden Todesfälle sind prozentual nicht so groß, wie die durch Chloroformnarkose bedingten und nicht sämtlich allein auf das Medika- - ment, sondern auch auf die Krankheit zurückzuführen, die an lebens- wichtigen Stellen ihren Sitz haben kann. Todesfälle sind bei Beobachtung 4 der vom Reichsgesundheitsrat herausgegebenen Richtlinien der Salvarsanbehandlung seltener geworden. Die Nebenwirkungen des Salvarsans sind oft nicht unerheblich. Sie be- stehen bei intramuskulärer und subkutaner Injektion in Infiltraten und gelegentlich - vorkommenden, aber rasch heilenden Nekrosen. Nach intravenöser Injektion tritt bisweilen unter Schüttelfrost und Erbrechen Temperatursteigerung ein, selten bis zu 39° oder 40°C. Damit gehen bei manchen Patienten Senkung des Blutdruckes, - Herabsetzung der Gerinnbarkeit des Blutes, Leukopenie oder Leukozytenvermehrung, - - Mononukleose, Herzklopfen und Steigerung der Pulszahl einher. Diese Erscheinungen = werschwinden meist bald. Nur in sehr seltenen Fällen trat im Anschluß an Salvarsaninjektionen der Exitus ein. Diese gelegentlich nach intravenöser In- - jektion von Salvarsanpräparaten zu beobachtenden, akut eintretenden Vergiftungs- ' erscheinungen haben schon vielfach bei Klinikern und Experimentatoren die Neo- salwarsan. Metall- salvarsane. ‚wie Milian sowie Jeanselme und Pomaret annehmen, mit Ausflockungen im Blutplasma . benzols herbeizuführen. Das so gewonnene Präparat No. 914, im Handel änderten chemischen Struktur entsprechen; es ist in Wasser von völlig 4 938 50. Vorlesung. Anschauung erweckt, daß diese Vorgänge in das Gebiet der Anaphylaxie gehören oder den -anaphylaktischen Vorgängen nahe stehen und,. soweit es sich um erst- malig Injizierte handelt, zur primären. Serumgiftigkeit in Parallele zu setzen wären. Man hat daher diese Zustände, die als angioneurotischer Symptomeh- komplex, von den Franzosen als Crises nitritoides bezeichnet werden, auch viel- fach mit dem Namen „anaphylaktoide* Anfälle belegt. Versuche, durch Sensibili- sieren und Reinjektion des Arsenobenzols bei dem für derartige Untersuchungen besonders geeigneten Meerschweinchen einen anaphylaktischen Shock. hervor-- zurufen, verliefen jedoch stets negativ. Kolle, Schloßberger und Leupold erzielten indessen bei weißen Mäusen durch intravenöse Injektion kleiner Dosen ver- schiedener Salvarsanpräparate einen sicheren Schutz gegen die 24 Stunden später erfolgende Einspritzung einer. absolut tödlichen Menge des homologen oder eines anderen Arsenobenzols. Da aber diese Schutzwirkung gegenüber den Salvarsanen außer durch Arsenobenzole auch durch intravenöse Einspritzung kleiner Kollar- golmengen erreicht werden konnte und umgekehrt kleine Salvarsanmengen die Tiere gegen die nachfolgende toxische Kollargolddse zu schützen vermochten, war bewiesen, daß es sich bei diesen Phänomen nicht um eine spezifische Wirkung im Sinne chemischer Eigenschaften und -Affinitäten handeln kann, Es ist vielmehr n Anbetracht des kolloidalen Charakters der wirksamen Salvarsanpräparate anzu- nehmen, daß die Erscheinungen, ganz ähnlich, wie es für die Eiweißanaphylaxie an- genommen wird, in das Gebiet der physikalischen Vorgänge gehören und daß sie vielleicht mit veränderten Quellungs- und damit Resorptionsverhältnissen, vielleicht auch, wegen zu geringer Alkalireserve des Blutes zusammenhängen. Für die Praxis sind diese Versuche insofern ven Wichtigkeit, als sie die Möglichkeit bieten, bei be- sonders empfindlichen Individuen die akuten ‚Wirkungen intravenös einverleibter Salvarsanpräparate dadurch zu verringern, daß 12—24 Stunden vor der Injektion einer größeren Salvarsandose eine kleine Menge des Präparates injiziert wird. Die darüber bisher vorliegenden klinischen Ergebnisse, z. B. von Spiethof, haben de Brauchbarkeit dieser Methode erwiesen. : RR EP 7 Nachdem durch die experimentellen und klinischen Ergebnisse dr Beweis für die spezifische Wirkung des Salvarsans auf die Syphilis- spirochäten erbracht war, mußte es die Aufgabe der weiteren experi- mentellen Forschung sein, einerseits die Parasitotropie des Salvarsans zu steigern, andrerseits seine Giftigkeit für den infizierten Organismus herabzusetzen, d.h. einen noch günstigeren chemotherapeutischen Index zu erzielen. Ehrlich gelang es, durch Behandlung des Salvarsans mit: Formaldehydsulfoxylat eine teilweise Entgiftung des Dioxydiamidoarseno- Neosalvarsan genannt, hat auch einige weitere Vorzüge, die der ver- neutraler Reaktion leicht löslich. Die therapeutischen Wirkungen des Neo- salvarsans sind bei gesteigerter Dosis denen des Salvarsans gleich. Es ist also nur der chemotherapeutische Koeffizient der Verbindung ver- ändert, das Prinzip aber erhalten. Re a Durch die Steigerung der parasitiziden Wirkung der Arsenobenzole andrerseits suchte man in erster Linie das Quecksilber als Kombinations- mittel ausschalten zu können. Ehrlich hat dies dadurch zu erreichen versucht, daß er das Salvarsan mit Schwermetallen, deren keimtötende Wirkung ja schon länger bekannt ist, kuppelte. Das Kupfersalvarsan, die letzte von ihm im Tierversuch erprobte Salvarsanverbindung, hat sich zwar bei manchen Tropenkrankheiten, z. B. bei der Frambösie, sehr gut bewährt: bei der Syphilistherapie stellt dieses Präparat jedoch infolge seiner zu großen Toxizität gegenüber dem Alt- und Neosalvarsan keinen Fortschritt dar. a Im Anschluß an die grundlegenden Arbeiten von P. Ehrlich hatte Kolle in Gemeinschaft mit Benda, Binz, Bauer, Karrer, F. Leupold und Die chemotherapeutischen Probleme. 939 ' Ritz da experimentelle Stadien der Arsenobenzole weiter verfolgt und eine ' große Anzahl auf Grund der biologischen Ergebnisse hergestellte Arseno- 'benzolderivate auf ihre therapeutische Wirksamkeit im Tierversuch ge- prüft. Für eine praktische Erprobung am Menschen konnten nach dem eben Gesagten nur solche Präparate in Frage kommen, die keine wesentlich höhere absolute Giftigkeit als das Altsalvarsan aufweisen, die ‘einen höheren chemotherapeutischen Index besitzen, oder Verbindungen, _ die sonstige praktische Vorteile (z. B. leichte Löslichkeit bei neutraler "Reaktion, Haltbarkeit in gelöster Form, inangeinde Oxy dation an . der Luft) bieten. Die Auswertung der Präparate ae an FEREREIE und rekurrens- infizierten Mäusen und an syphilisinfizierten Kaninchen. Durch Injektion fallender Dosen wird die Grenzdose ermittelt, die bei einmaliger Injektion zur Abheilung der am schwersten: zu beeinflussenden Syphilome bei Kaninchen, nämlich der Primär- affekte, führt. Es wird neben der klinischen Ausheilung auch das: Verschwinden ..der- Spirochäten durch Gewinnung von Reizserum und Untersuchung im Dunkelfelde bestimmt. Die Fragen der Rezidive bei Kaninchen, der Monorezidive an den Schankern und der Monorezidive am Auge. (Keratitis) sowie der ehe ‘ bei Kaninchen können bei diesen Versuchen außer acht gelassen werden. Bei den chemotherapeutischen Versuchen an syphilitischen Kaninchen gibt es folgende Möglichkeiten: 1. Die Ausheilung der Primäraffekte. Die Schanker sind, solange sie noch in der Entwicklung begriffen sind, meist innerhalb der ersten 6 Monate nur außer- ordentlich schwer zu beeinflussen. Sie stellen die hartnäckigsten und intensivsten . lokalen Gewebsveränderungen dar, deren Heilung nur nach längerer Zeit (6—8—12 Monate) und nur bei einem kleinen Prozentsatz der Tiere spontan erfolgt, sich aber durch die spezifische Therapie erzielen läßt; 2. die Nichtheilung der Lokalaffekte, die auch nach zeitweiligem Verschwinden der Spirochäten resultieren kann; 3. die Monorezidive, zu denen gehören: a) die lokalen, i in den Schankern oder in deren Narben auftretenden Rezidive. Es handelt sich hierbei um das Analogon ‚der auch bei Menschen in sogenannten Pseudo-Primäraffekten bzw. in den Narben ‘ bei Zurückbleiben lebender Spirochätenherde sich entwickelnden Rezidive. 5) die ‘übrigen Monorezidive. Von diesen kommt bei Kaninchen nur die Keratitis paren- chymatosa zur Beobachtung. Das Spirochäten-Schleimhautmonorezidiv und das Neuro- rezidiv — das im Sinne Ehrlichs und Hoffmanns wohl auch nur als Monorezidiv zu deuten ist — konnte bisher bei Kaninchen nicht beobachtet werden; 4. Die allgemeine Generalisation der Syphilis. Sie kann .nur erkannt werden, wenn sich allgemeine multiple Eruptionen an Haut und Schleimhaut zeigen, Über die der menschlichen latenten Lues mit positiver Serumreaktion bzw. der - okkulten konstitutionellen Syphilis ohne nachweisbare Herderkrankung vergleichbare Kaninchensyphilis sind- wir bisher, wie gezeigt, noch wenig orientiert. Aus allen diesen Gründen ist die rezidivfreie Heilung der schwer zu beeinflussenden Primär- affekte beim Kaninchen als Maßstab für die Festsetzung des chemotherapeutischen Index gewählt worden. Bei vergleichenden Studien an syphilitischen Kaninchen müssen daher zur Ermittlung der direkten Heilwirkung der einzelnen Präparate nachfolgende Gesichtspunkte maßgebend sein: 1. das Verhalten der Spirochäten in dem Reizserum der Lokal- ‚affekte nach Einverleibung des Medikaments; 2. die Schnelligkeit bzw. die Zeit, in der die Spirochäten nach Ein- verleibung des Präparates verschwinden: ’ 3. die klinische .Heilung bzw. Nichtheilung der Primäraffekte; 4. das Auftreten von örtlichen Rezidiven, nachdem eine klinische ‚Heilung eingetreten war, bzw. das Wiederauftreten von Spirochäten im #° Reizserum, nachdem sie einmal verschwunden waren (Mono-Lokalrezidiv mit Spirochäten). 940 50. Vorlesung. Bei allen Präparaten muß durch größere Versuchsreihen mit fallen- den Mengen diejenige Dosis ermittelt werden, bei der gerade eine Heilung der Primäraffekte ohne Lokalrezidive der Kaninchen mit AMBONSE RER: der Spirochäten festzustellen ist. In der gegenüberstehenden Tabelle sind die experimentellen Er- gebnisse (Prüfung der Toxizität und der therapeutischen Wirksamkeit, chemotherapeutischer Index), die mit einer Reihe solcher neuer Arseno- benzolpräparate erzielt wurden, zusammenfassend wiedergegeben. Neben- dem von Karrer dargestellten Hexaminoarsenobenzol, dem von Giemsa erprobten Arsalyt (Bismethylaminotetraminoarsenobenzol), dessen Halogen- derivaten und dem von Danysz empfohlenen Galyl (Phosphorsalvarsan) sind hier einige der von Karrer hergestellten Metallsalvarsane, ferner verschiedene von Kolle biologisch studierte Pyrazolonverbindungen des Arsenobenzols (Präparate Nr. 1495, 1496, 1497, 1882, 1917 usw.), zum Vergieich außerdem die entsprechenden mit Alt- und Neosalvarsan er- haltenen Werte aufgeführt. Wie aus dieser Aufstellung hervorgeht, heben sich ‚unter Berücksichtigung der oben erörterten Gesichtspunkte einige dieser Präparate besonders ab, nämlich das Silbersalvarsan und die Pyrazolonverbindungen. vor allem Nr. 1495. Das Silbersalvarsannatrium ist ein in Wasser leicht lösliches kom- plexes Salz von schwach alkalischer Reaktion, das zuerst von Ehrlich 1912 im Anschluß an die übrigen, schon früher von ihm hergestellten Metallsalvarsane gewonnen, von Karrer zuerst chemisch studiert, dann von Binz und Bauer im Georg Speyer-Haus und von den Chemikern der Höchster Farbwerke Ammelburg, Reuter, Fritzsche, Streitwolf bezüglich seiner chemischen Konstitution weiter untersucht und von Kolle als das von allen Arsenobenzolderivaten am stärksten auf die Spirochäten wirkende Präparat erkannt wurde. Das Silbersalvarsannatrium besitzt von allen bekannten Salvarsanverbindungen im Tierversuch. den günstigsten thera- peutischen Index für Syphilisspirochäten und ist zur Abortivbehandlung der Syphilis um so mehr geeignet, als es durch die in ihm enthaltene: antisyphilitisch wirkende Silberkomponente ein Kom DNAERORE im Sinne von. Ehrlich u.a. darstellt. Bei dem näheren Studium des Silbersalvarsans ergab ale daß Fr Bilbari in Form des kolloidalen Silbers allein eine ausgesprochene Wirkung auf die Kaninch ensyphilis ausübt (Kolle und Ritz, v. Notthaft). Die Spirochäten verschwinden nach der Injektion von 0'03g Kollargol pro Kilogramm innerhalb einiger Tage, und es erfolgt klinisch eine Verkleinerung, ja Heilung der Primäraffekte. Mit Quecksilberverbindungen läßt sich, wie Kolle mit Ritz feststellte, bei Kaninchen e ein derartiger Effekt nicht erzielen. Die Wirkung des kolloidalen Silbers auf die Kaninchen-Impfschanker ist um so bemerkenswerter, wenn man berücksichtigt, wie schwer die Spirochäten durch chemische Mittel, abgesehen von anderen Arseno- benzolen, in den vollentwickelten Kaninchenschaukern abzutöten oder zum Ver- schwinden zu bringen sind. Im Silbersalvarsan sind also zwei chemotherapeutisch wirksame Komponenten enthalten. Außer der direkten spirochätiziden Wirksamkeit des Silbers kann im Silbersalvarsan aber auch noch die physikalische Wirkung des Silbers auf das Salvarsanmolekül (z. B. in Form einer Katalyentor wirkung d. h. eine Aktivierung des Salvarsans in. Frage kommen. Durch umfangreiche klinische Erprobung wurde die von Kolle an- erkannte starke therapeutische Wirksamkeit des Silbersalvarsans bei Kaninchensyphilis auch bei der menschlichen Syphilis bewiesen. Es bietet auch ohne Anwendung von Quecksilber die von alien Seiten an- erkannte Möglichkeit, die Syphilis in den Frühstadien zu heilen, und Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. schweres papulöses Syphilid eines Säuglings. Coryza, syph. Infiltration der Li Dasselbe Kind, 8 Tage nach der Injektion von Salvarsan. (Nach Wechs . 941 Die chemotherapeutischen Probleme. nowosouwdÄr] 1094 weryamug) (, "Al 0.88 :I| 0099: 1 | 0004 :1 &=T | 009: | 004: | .2T: I 08T :T || ET :T |1800:.0| 10:0 81:0 gG[.0 UBSIBATBSAOATISOON "OL A = * oe 9:7: 1/0001: LE | 008: 1 | 000: 1. | 00r:T |ear:ı | 100| 800 | 20 98.0 | 26HL IN yeiwdgag 'GI A N ae 008: I ons 8: T | 0091: IT 0881: I 097: 1 Gel:] Se ze aRE ER a I6PL IN yeredrag FI ’ Br ie 00T :1 Ka 2:11 008:1 | 002:1 001: 1 08:'T II 81T: I 10:01 800 020 80 GEFT 'ın yemwdyag 'gI Al 86:1} 0009:1 | 009P :T 14.8: 110081: I |0001: T | 008: | 88:1 | 04: | 8000| 700-0 1:0 081.0 UBSIBATBS-IOALIS "CT “Al 92000 88:1! 0008:T | 0091 :T |14:&: T |0008T : TIOOOT: I o0r: I 098: T #:T | 700-0 811 900-0| 80.0 80.0 ||" mwesıwapeg-p[oH "TI al &L:T| 0008: T | 0009°T &' T I00GT: I 10001: IK | 008: I 00# 1.1101 :T | 800.0| 00-0 G.0 20.0 “ UBSIBATRS-UNGLE OT GT: TSIA [00081 :TSTLIOOOGT:TSIA 008: T SIq "Al G.8L:T| 00097 :T | 00001 :1 16:6: T | 0088: I 0008: I 004: 1 009: 1 6:7 | 800-0] #00-0 |480.0 F0.0 A RS RR it * UBSAIRARS-1oJdny "6 9.8:1 mi 009:T. 119.8: L| 092: 1] 009: T | 008: 1 O8L:T | — 19200:0| 19.0 ar. _ . 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Zwar läßt sich auch mit dem Silbersalvarsan nicht bei jedem Syphilitiker in der Frühperiode die Therapia magna sterilisans nach Ehrlichs Grundsätzen erzielen, aber doch bei einer sehr großen Zahl aller Patienten, die im sogenannten seronegativen Primärstadium in die Behandlung treten. Das Präparat hat aber auch für die Be- handlung der sekundären und tertiären Syphilis — sei es mit, sei es. ohne Quecksilber — weite Verbreitung gefunden. In vereinzelten Fällen ist allerdings, in ähnlicher Weise wie beim Salvarsan, der sogenannte angioneurotische Symptomenkomplex nach intravenöser Injektion des Mittels beobachtet worden; Todesfälle sind jedoch bisher nicht vor- gekommen. = 2ER Die Arsenobenzolpyrazolonverbindungen „Sulfoxylsalvarsane“ bieten im Gegensatz zu den übrigen Salvarsanpräparaten den Vorteil, daß sie in gelöster Form haltbar sind. Die wirksamsten dieser Präparate sind das nicht oxydable Salvarsan-Sulfoxylat Nr. 1495/1882. Es ist für die intermittierende Dauerbehandlung und als Ersatz des an der Luft oxydabeln Neosalvarsans besonders zu empfehlen, zumal es nicht so rasch aus dem Körper ausgeschieden wird wie die anderen Arsenobenzol- ‘derivate. Es eignen sich die Sulfoxylsälvarsane deshalb zur Nachbehand- lung von Syphilitikern, die nach regelrechten Salvarsankuren noch posi- tive Serumreaktion aufweisen. Diese wird nach 2—3 Injektionen großer Dosen in längeren, 2—3wöchigen Intervallen in einem hohen Prozent- satz negativ. Die Sulfoxylsalvarsane sind ferner die stärksten auf Re- kurrensspirochäten wirkenden Mittel. (Kolle.) a In Anbetracht der von vielen Klinikern trotz dieser Verbesserung der Salvarsanpräparate immer ‘wieder betonten Notwendigkeit, bei der Behandlung der menschlichen Syphilis das Quecksilber zur Unterstützung der Salvarsantherapie heranzuziehen, und andrerseits infolge der allgemein anerkannten mächtigen Wirkung, die die Metallsalvarsane, namentlich das Silbersalvarsan, auf die Spirochäten und die Manifestationen der mensch- lichen Syphilis ausüben, hat Kolle die Frage der Wirkung von Quecksilber- präparaten in Kombination mit Arsenobenzolderivaten bei experimen- teller Kaninchensyphilis zu klären gesucht. Diese experimentellen Unter- suchungen ‘wurden vor allem auch durch die neuerdings von Klinikern vielfach angewandte sogenannte „Mischspritze“, d. h. die einzeitige intra- venöse Salvarsanquecksilbertherapie veranlaßt. Diese von Linser ein- geführte Behandlungsmethode besteht darin, daß Gemische verschiedener Salvarsanpräparate, vor allem das Neosalvarsan, mit gelösten Queck- silberverbindungen (Sublimat, Novasurol u. a.) den Patienten intravenös eingespritzt werden. ‚Wie von klinischer Seite angegeben wird, soll durch diese Art der Therapie eine dauerhaftere, gesteigerte und beschleunigte Beeinflussung der syphilitischen Krankheitsprodukte erzielt werden. Im Tierversuch zeigte sich zunächst, daß bei der Linserschen Mischung von Sublimat mit Salvarsanpräparaten gleichzeitig eine größere Anzahl chemischer Reaktionen eintreten. Altsalvarsan wird zu 4-Oxy-3-Aminoarsenoxyd oxydiert, während das Sublimat zu Kalomel oder, bei Anwendung kleiner Sublimatmengen, zu metallischem Queck- silber reduziert wird.: Bei Anwendung von Neosalvarsan oder von Sulfo- xylat 1495 wird dem Sublimat außer der Arsenogruppe auch noch die en te m lsen id un. - Die chemotherapeutischen Probleme. 943 ' ebenfalls stark reduzierend wirkende Sulfoxylatgruppe geboten. Neben - „verschiedenen Arsenverbindungen entsteht hier u.a. kolloidales metalli- ' sches Quecksilber, das nach einiger Zeit in sehr fein verteilter Form sich abzuscheiden beginnt. Die Einführung von Neosalvarsan- Sublimatgemischen nach Linser bedeutet also eine Zuführung von metallischem Quecksilber. in höchstem Dispersitätsgrade in . einer zum Teil, jedoch nicht in unerheblichem Maße durch das bei- Sublimat veränderten Neosalvarsanlösung (Rothmann, Binz und Bauer). Im Tierversuch ergab sich tatsächlich, daß durch die Bei- -mischung kleiner Sublimat- oder Novasuroldosen zum Salvarsan keine Erhöhung der Giftigkeit, wohl aber eine Verringerung der akut auf die Spirochäten wirkenden Dosis eintritt. Es wird ferner ein schnelleres Verschwinden der Spirochäten nach Einverleibung der Gemische erzielt, ‚als es bei gleichen oder sogar noch höheren Dosen der genannten \ a Salvarsanpräparate ohne Quecksilber erfolgt. Die Schanker werden rascher weich als bei gleichen oder höheren Salvarsanmengen ohne Hg, die Ödeme gehen zunächst zurück. Wir haben also eine chemothera- peutische Aktivierung der Salvarsanwirkung auf die Spirochäten vor uns, aber keine stärkere Dauerwirkung, als sie mit ent- sprechend wirksamen Dosen des Salvarsans allein erzielt werden kann. Da das Novarsurol und das Sublimat ohne Salvarsan erst in solchen Dosen auf die Syphilisspirochäten im Kaninchenkörper . wirken, die nahe an der verträglichen Menge liegen oder mit dieser zusammenfallen, und da ein Ausheilen der syphilitiscben Primäraffekte selbst bei Verwendung der dosis tolerata bei den meisten Tieren nicht - erzielt wird, weil sie infolge der relativ hohen Quecksilberdosen sterben, - kann die Beimischung der kleinen Mengen von Quecksilber nicht ohne ' weiteres im Sinne einer einfachen Kombinationswirkung und dadurch. erfolgenden Potenzierung der Wirkung gedeutet werden. Da aber andrer- seits trotz der gesteigerten momentanen Wirkung der Dauereffekt, d. h. die rezidivfrei jheilende Wirkung der Präparate durch die kleine Beimengung von Quecksilberpräparaten nicht: gewährleistet wird, weil trotz raschen Verschwindens der Spirochäten und langsamen Rück- - ganges der Kaninchenschanker bis zu kleinsten Infiltraten auffallend - häufig und früh Reindurationen mit Spirochätenbefund eintreten, ist anzunehmen, daß es sich nicht um eine durch Salvarsan verstärkte direkte Wirkung der Quecksilberpräparate auf die Spirochäten handelt. Man kann verschiedene Erklärungen für die geschilderte chemothera- - peufische Aktivierung heranziehen. Am wahrscheinlichsten ist, daß durch die stark an das syphilitische Gewebe und an die Spirochäten verankerten Salvarsanpräparate das. in feinster Verteilung und zum Teil -kolloidal ausgefällte Quecksilber, für das die auch auf diese Weise stärker kolloid gewordenen Salvarsanpräparate gewissermaßen ein Schutz- kolloid darstellen, mit in die syphilitischen Gewebe hineingerissen wird und dort indirekt auf die Spirochäten wirkt. Ganz allgemein kann man jedenfalls von einer chemotherapeutischen Aktivierung (Kolle) sprechen, ohne daß wir imstande wären, das Wesen dieses Vorganges, soweit es die Heilung der Primäraffekte der Kaninchensyphilis betrifft, völlig zu übersehen. Sicher ist nur, daß die Quecksilberverbindungen, gemischt mit den Salvarsanpräparaten, die starke Affinitäten zu den Spirochäten und zum syphilitischen Gewebe besitzen, in die spiro- 61* Neosilber- salwarsan. 944 50. Vorlesung. chätenhaltigen Teile des Organismus, also hier hauptsächlich in die Schanker in viel größerem Umfange gelangen, als wenn Quecksilber- verbindungen allein injiziert werden. Wichtig ist aber, daß man bei der Rekurrensinfektion, bei welcher die Anwendung von Mischungen des Novasurols und des Sublimats mit verschiedenen Salvarsanpräparaten versucht wurde, keine Erhöhung des Titers der Arsenobenzole durch Quecksilber erreicht. Im Gegensatz zu diesen in ihrer chemischen Zusammensetzung unkontrollierbaren Quecksilbersalvarsangemischen stellen die Metall- salvarsane, vor allem das Silbersalvarsan, einheitliche stabile Verbin- dungen dar, bei denen keinerlei chemische Umsetzungen mehr stattfinden. In Anbetracht der starken Wirkungen des Silbersalvarsans hat Kolle weiterhin versucht, das Neosalvarsan in Form eines stabilen Metall- salvarsans chemotherapeutisch zu aktivieren, d.h. ein ungiftigeres Silber- salvarsan zu gewinnen, um höhere Dosen desselben anwenden zu können und ferner womöglich durch die Einführung entgiftender Gruppen eine Beseitigung des von manchen Praktikern als störend empfundenen angioneurotischen Symptomenkomplexes zu erreichen. In gemeinsamer Arbeit mit Binz und Bauer zeigte Kolle, daß bei der Einwirkung von . Neosalvarsan auf Silbersalvarsan unter Einhaltung bestimmter Mengen- verhältnisse ein neuer Körper, das Neosilbersalvarsan, entsteht. Es handelt sich hierbei um eine einheitliche, im Gegensatz zum Neo- salvarsan relativ stabile Verbindung, welche selbst nach längerem (vier- undzwanzigstündigem) Stehen an der Luft fast keine Zunahme an Giftigkeit erfährt und im Gegensatz zum Silbersalvarsan durch Kohlen- säure nicht ausgefällt wird. Das Neosilbersalvarsan ist ein braunschwarzes Pulver, das ebenso wie die übrigen Salvarsanpräparate in evakuierten Röhrehen in den Handel kommt. Es ist sehr leicht und klar mit hell- brauner Farbe und schwach alkalischer Reaktion löslich. Der Arsen- gehalt beträgt etwa 20°/,, der Silbergehalt etwa 6°/,. Bei Zutritt von Luft und Feuchtigkeit tritt allmählich eine Zersetzung ein; dabei . verändert sich die Farbe und Löslichkeit des Pulvers. Die Lösung ‚ist in diesem Falle nicht klar, sondern milchartig getrübt und miß- farben. Derartige Lösungen zeigen unter dem Mikroskop große Schollen und Kugeln, während bei einwandfreien Operationsnummern das Gesichts- feld optisch leer ist. Hinsichtlich der Toxizität für Versuchstiere nimmt das neue Präparat eine Mittelstellung zwischen Silbersalvarsan und Neosalvarsan ein; bei der experimentellen Kaninchensyphilis ist der chemotherapeutische Index. entsprechend. Es stellt daher ein durch Ein- fügung der Silberkomponente biologisch aktiviertes Neosalvarsan dar. Durch die seit etwa. 2 Jahren durchgeführte klinische Erprobung wurde die starke Wirksamkeit der Verbindung bei allen Formen der Lues, vor allem bei der Frühbehandlung, und seine gute Verträglichkeit bestätigt. Das Präparat verbindet die chemotherapeutischen Vorzüge des Silbersalvarsans mit der praktisch wichtigen leichten Löslichkeit und guten Verträglichkeit des Neosalvarsans, ohne dessen Oxydierbarkeit aufzuweisen und wird als Mittel der Wahl seither von vielen Praktikern auch in der ambulanten Praxis verwendet. Es ist fraglich, ob wir je ein Verfahren oder ein Präparat er- halten werden, das ohne jede Gefahr und Schädigung die Syphilitiker der ‘Heilung zuführt. Auch für die Therapie gilt das Wort: „Sunt certi se ee ee Da ce re a a Ye eh N Die chemotherapeutischen Probleme. 945 ' denique fines.“ Nebenwirkungen haben alle Präparate, die als ätiotrope Heilmittel bekannt sind, das Chinin, die Salizylsäure, die Heilsera, das Quecksilber und viele wertvolle Medikamente, die für die symptomatische : Behandlung von Krankheitszuständen unentbehrlich geworden sind. Die n einer energischen Quecksilbertherapie, wie sie bis zur Auffindung des Salvarsans notwendig war, wurden — und werden _ vielleicht auch jetzt noch — von vielen unterschätzt. Darauf hat besonders Wechselmann hingewiesen. Jedenfalls bieten aber die neuen 'Salvarsanverbindungen die größte Aussicht, die Nebenwirkungen des ' Salvarsans (sogenannte Salvarsanschädigungen) und die Salvarsantodes- fälle auf ein Minimum zu beschränken und vielleicht Salvarsantodesfälle ganz auszuschalten. Die auf der ganzen Erde anerkannte Ehrlichsche Selrsspnniherapie erfährt damit eine weitere Befestigung. Im Georg 'Speyer-Haus in Frankfurt a. M. in erster Linie, dann aber auch in verschiedenen anderen Laboratorien ist auf Grund der Ehrlichschen Erfahrungen die Bearbeitung weiterer chemotherapeuti- scher Probleme in Angriff genommen. Bei mehreren Krankheiten sind dabei mit neuen, nach den obigen Gesichtspunkten gewonnenen Prä- paraten Erfolge erzielt. Die Antimonpräparate wurden systematischen Untersuchungen als Therapeutika der Trypanosomeninfektionen von Kolle und seinen Mitarbeitern Hartoch, Rothermundt und Schürmann unterworfen. Es konnte zunächst festgestellt. werden, daß nur das dreiwertige Antimonradikal an die Trypanosomenrezeptoren verankert wird, während die fünfwertigen Verbindungen unwirksam sind. Cloetta und seine Mitarbeiter hatten nachgewiesen, daß ‘die pharmakologische Wirksamkeit dieser Präparate gleichfalls an die Dreiwertigkeit des Antimons gebunden ist. Säugerzellen haben also bezüglich der Antimonrezeptoren eine Ähnlichkeit mit den Trypanosomen- zellen. Die weitere Untersuchung neuer, auf Grund dieser Erkenntnis hergestellter Antimonverbindungen durch Kolle, Rothermundt und Schürmann und der schon _ bekannten, aber chemotherapeutisch nicht geprüften Antimonkörper ergab, daß das Antimontrioxyd (Sb, 0,) ein unerwartet wirksames Mittel gegen Trypanosomen- infektionen bei relativ geringer Toxizität ist. Die Therapia magna sterilisans gelang bei der so schwer heilbaren Dourine-Infektion der Kaninchen und anderer Tiere in einem hohen Prozentsatz der Fälle, ebenso bei Affen, die mit Trypanosoma gambiense infiziert waren. Versuche an schlafkranken Negern mit dem im Handel als „Trixidin“ käuflichen Präparat waren vor dem Ausbruch des Krieges in Afrika im Gange, sind aber durch die kriegerischen Ereignisse unterbrochen worden. Auch die von Uhlenhuth mit Antimonverbindungen unternommenen Versuche haben aussichtsvolle Ergebnisse gezeitigt. Es wurden von diesem Autor mehrere organische Antimonverbindungen gefunden, die stark trypanozid wirken, so das Stibazetin, ein Analogon des Arsazetins. 3 Schöller, Schrauth, Schilling haben aromatische Hg-Karbonsäuren, F. Blu- ® menthal Hg-Verbindungen, ‚in denen das Hg mit beiden Valenzen an aromatische Kerne gebunden ist, systematisch untersucht und erstere dadurch das Asurol, letz- terer das dinitrophenylmerkuridikarbonsaure Natrium gefunden, beides bei 'Spiro - ehätenkrankheiten stark wirksame und wenig toxische Hg-Verbindungen. Weiter sind hier kurz zu erwähnen die umfangreichen Untersuchungen von Kolle, Rothermundt und Dale, welche die Auffindung neuer Quecksilberpräparate von chemotherapeutiseh günstiger Wirkung zur Aufgabe hatten. Es wurde hierbei durch systematische Versuche eine Quecksilberverbindung, das Pyrazolon-Sulfamino- Quecksilber, gefunden, die bei Hühnerspirochätose einen günstigen chemothera- peutischen Koeffizienten aufwies. Neuerdings hat Kolle eine größere Anzahl Quecksilberverbindungen auf ihre therapeutische Wirksamkeit bei der experimentellen Kaninchensyphilis geprüft. Während die meisten Präparate hier nur bei Verwendung von Dosen heilend wirken, die ganz in der Nähe der tödlichen Mindestmenge liegen oder mit ihr zusammenfallen, führten zwei Verbindungen (Bi. Hg 52 und SI) in sicher erträglichen Dosen ein Verschwinden der Spirochäten und ein Ausheilen der Schanker Neuere ° chemothera- peutische Versuche, 946 _ 50. Vorlesung. herbei. Allerdings erfolgte, . wie bereits erwähnt, der Rückgang der Krankheits- erscheinungen und das Verschwinden der Erreger bedeutend langsamer als nach Injektion. von Arsenobenzolderivaten. Auch. sind nach .alleiniger- gosrkanber- anwendung Reindurationen häufiger als bei der Salvarsanbehandlung. Trotzdem ist aber die Auffindung von praktisch brauchbaren Quecksilberverbindungen als Kombinationsmittel für die Arsenobenzoltherapie von außerordentlichem Wert. Nach den Untersuchungen von Kolle ist die Annahme naheliegend, daß speziell bei den organischen Quecksilberverbindungen der Übergang von der zweiwertigen zur ein- wertigen Form bzw. die Gewinnung von präformierten oder im Körper entstehenden einwertigen Quecksilberverbindungen (Merkuroverbindungen) das therapeutische. Prinzip wirksamer Quecksilberpräparate darstellt. Einen wesentlichen Fortschritt auf dem Gebiet der Chemotherapie der Trypanosomenkrankheiten, vor allem der Schlafkrankheit des Menschen, die seither nur sehr schwer chemotherapeutisch zu heilen war (Atoxyl, Salvarsan, Brechweinstein) bedeutet die Entdeckung des - von den Elberfelder Farbwerken hergestellten Präparates „Bayer 205. Diese Verbindung besteht nur aus ungiftigen Atomen, nämlich Kohlen- stoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff, und stellt ein Harnstoff- derivat dar. Der Harnstoffrest dient zur Verbindung einer Anzahl substituierter Benzol- und Naphtholringe. Mit diesem relativ ungiftigen Präparat ist, wie die Ergebnisse der Tierversuche und auch die bisher vorliegenden klinischen Beobachtungen zeigen, eine Therapia sterilisans magna auch bei chronischen Trypanosomeninfektionen möglich. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, daß eine einmalige Injektion dieses Präparates und auch die oräle Verabreichung genügt, um auf viele Monate einen Schutz gegen die Trypanosomeninfektion zu verleihen (Martin Mayer). Es ist also nicht nur in allen Stadien der Trypanosomenkrank- heit ein Heilmittel von ganz überraschender Wirkung, sondern, da es sich offenbar im Organismus lange Zeit in wirksamer Form hält, auch als _Prophylaktikum zu gebrauchen (Haendel und Joetten, M. Mayer, Mühlens). Während, wie wir gesehen haben, auf dem Gebiete der Chemo- therapie der Protozoenerkrankungen bisher sehr große Erfolge erzielt wurden, ist die Chemotherapie der bakteriellen Infektionen erst noch in der Entwicklung begriffen. Wir kennen allerdings schon eine Anzahl von chemischen Verbindungen, die bei bakteriellen Infek- tionen therapeutische Wirkungen entfalten: So wirken z. B. die Arseno- benzolderivate auf die Erreger des Milzbrandes im infizierten Orga- nismus. Auch die Infektion mit Schweinerotlaufbazillen wird durch die Arsenobenzolderivate beeinflußt. Es gelingt im Tierversuch allerdings nur höchstens 24 Stunden nach der Infektion, Heilerfolge mit diesen Präparaten zu erzielen. Kolle, Schloßberger, Hundeshagen. und Leupold haben den Nachweis erbracht, daß die Wirkung der Arsenobenzol- derivate bei experimentell mit Schweinerotlaufbazillen infizierten Mäuse sofort aufhört, sobald die Bakterien im Blute auftreten. Bei allen anderen i bakteriellen Infektionskrankheiten lassen sich- aber -sichere Heil- oder Schutzwirkungen mit den Salvarsanpräparaten nicht erzielen. Dagegen sind bei bakteriellen Infektionen zwei Gruppen von Körpern aufGrund experimenteller Untersuchungen praktisch verwendet worden, nämlich Farbstoffe und Chininderivate. Was die ersten betrifft, so ist von den Acridinfarbstoffen das Trypaflavin ein stark wir- kendes und die Zellen des Körpers wenig schädigendes Wunddesinfektions- mitte. Namentlich hat sich diese von Benda hergestellte Verbindung, \ Die chemotherapeutischen Probleme. 947 das 36 Diamino-10-methylaeridiniumchlorid, in Form des Streupulvers als ein die Bakterien auch in den Körpergeweben und Säften in der = Umgebung infizierter Wunden stark beeinflussendes oder abtötendes "Mittel, als ein chemotherapeutisches Antiseptikum erwiesen. Als chemotherapeutische Antiseptika sind auch die von dem _ Chinin hergeleiteten Körper, deren Studium nach dieser Richtung namentlich von Morgenroth gefördert ist, zu bezeichnen. Der Methyl- äther des Kupreins ist der Ausgangspunkt einer ganzen Reihe- von wichtigen Verbindungen geworden. Durch Reduktion und Entfernung . der Methylgruppe sowie durch Herstellung von hohen Homologen des - Hydrochinins ist es gelungen, eine Anzahl von Verbindungen zu ge- winnen, die zum Teil spezifisch auf bestimmte Bakterienarten ein- ‚gestellt sind. Morgenroth wies nach, daß das Äthylhydrokuprein (Optochin) ein auf Pneumokokken wirkendes Mittel darstellt. Leider ist das Präparat stark optikotrop und deshalb in Dosen, die eine sichere ‘ Heilwirkung (z. B. beim Ulcus corneae serpens) gewährleisten, nicht zu - gebrauchen. In diese Gruppe gehört auch das Wunddesinfektions- mittel Vuzin (Isoktylhydrokuprein), das als Tiefenantiseptikum für. die Desinfektion der Umgebung infizierter Wunden bereits Eingang in die praktische Chirurgie gefunden hat. Die Zhrlichschen chemotherapeutischen Ideen sind auch auf ein anderes - Gebiet mit Erfolg übertragen, die Uhemotherapie des Krebses. A. v. Wassermann . zeigte, daß bestimmte Eosin-Selenverbindungen eine anscheinend spezifische Affinität zu den Zellen des Mäusekarzinoms haben. ——— E Gbsrhlicken ‚wir die Erfolge der neuen, durch Ehrlich so glücklich, äh gletelen Ära der Chemotherapie der Infektionskrankheiten, so läßt sich sagen, daß manches in Verfolgung der Ehrlichschen Richtlinien r ‘ schon erreicht ist. Zwar ist es bisher nicht gelungen, Spezifika für andere Infektionskrankheiten von derartig starker Heilkraft zu gewinnen, wie es das Salvarsan und Neosalvarsan für die Spirochätenkrankheiten sind (Syphilis, Framhösie, Rekurrensfieber, Plaut-Vincentsche Angina). Die biologischen Verhältnisse bei den verschiedenen pathogenen Para- sitengruppen einerseits und die Wechselbeziehungen zwischen chemischen Körpern und tierischem Organismus und Parasiten andrerseits sind so :verschiedenartig und kompliziert, daß sich ein Schema nicht aufstellen ‚läßt. Die Fundamente des Gebäudes, das es nun weiterzuführen und zu erweitern gilt, sind von Ehrlich gelegt. Aber ein Schlüssel, der alle Türen in dem chemotherapeutischen Gebäude öffnet, ist bis jetzt nicht vorhanden. Mit den Fortschritten in der Chemie der Eiweißkörper E: wird die Sicherheit, chemotherapeutische Probleme zu lösen, zunehmen. Bis auf weiteres ist es aber notwendig, nach den Ehrliehschen Richt- ' linien durch zielbewußtes Zusammenarbeiten der Biologen und Chemiker weiterzubauen. So wird ‘man bei den einzelnen Infektionskrankheiten von denen jede für sich chemotherapeutisch besondere Probleme stellt. vorwärts kommen. B.. Literatur. . 3 P. Ehrlich, Grundlagen und. Erfolge der Chemotherapie. Stuttgart, F. Enke, 1911. — Ges. Äbhandlungen über Salvarsan. 4 Bände. München. J. F. Lehmann, 1911 15 Ehrlieh u. Hata, Die 2 reg Chemotherapie der Spirillosen. Berlin, Julius Springer, 1910. 948 50. Vorlesung. Die chemotherapeutischen Probleme. Ehrlich u. Gonder, Chemotherapie. Kolle-v. Wassermanns Handbuch der pathogenen Mikroorganismen, 2. Aufl., Bd. 3, 1913. — Experimentelle Chemotherapie. v. Pro- ‚.wazeks Handbuch der pathogenen Protozoen. Leipzig, Joh. Ambr. Barth, 1914. Ehrlich u. Karrer, Arsenometallverbindungen. Ber. d. deutsch. chem. Ges., Bd. 48, 1915. Uhlenhuth, Deutsche med. Wochenschr., 1912. Uhlenhuth u. Mulzer, Deutsche med. Wochenschr., 1910. F. Blumenthal, Med. Klinik, 1911. Morgenroth u. "Halberstädter, Sitzungsber. d. kgl. Preuß. Akad. d. Wiss., Bd. 38, 1910. Morgenroth u. Levy, Berl. klin. Wochenschr., 1911. Kolle, Hartoch, Rothermundt u. Schürmann, Deutsche med. Wochenschr., 1912. Kolle, Rothermundt u. Dale, Med. Klinik, 1912. v. Wassermann, Keysser und M. Wassermann, Berl. klin. Wochensehr., 1912. Schöller, Schrauth u. Schilling, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., 1910 u. 1911 und Zeitschr. f. Chemotherapie, 1912. -- Lippmann, Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte der Näturwissenschaften, Leipzig, Veit & Co., 1913. Schwenk, Grundlagen u. 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Wir lehnen uns dabei vorwiegend an die Dar- stellung an, die Doflein in seinem Lehrbuch der Protozoenkunde und im Handbuch der pathogenen Mikroorganismen gegeben hat. “ Als die ersten wissenschaftlichen-Veröffentlichungen über Protozoen sind die Mitteilungen Leeuwenhoeks über die „Aufgußtierchen“ zu betrachten, obschon Leeuwenhoek dem damaligen Stande der Wissenschaft und der mikroskopischen Technik entsprechend nicht feststellen konnte, daß es sich bei den von ihm mit seinem primitiven Mikroskop gesehenen Infusorien um einzellige Lebewesen handelte. -- ‚Man hielt sogar bis in das 19. Jahrhundert hinein, wie die Arbeiten von Johannes Müller zeigen, das Vorkommen von einzelligen Lebewesen für unwahrscheinlich. Unter den von Goldfuss als Protozoen bezeichneten kleinsten Lebewesen wurden nicht nur Protisten im heutigen Sinne, sondern auch kleinste Metazoen aufgeführt. Im Jahre 1841 hat Siebold als Erster die Protozoen als einzellige Lebewesen, denen die Organe und die Differenzierung des Leibes der höheren Tiere fehlten, von den niedersten pflanzlichen und tierischen Lebewesen abgegrenzt. Die Lehre von den Protozoen, die inzwischen mehrfach als Krankheitserreger festgestellt waren, wurde dann von Leuckart auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt, die bald durch die Arbeiten von Bütschli, R. Hertwig und Ludwig Pfeiffer erweitert wurde. Die grund- legende Entdeckung, daß die Erreger der Malaria Blutparasiten von Protozoen- charakter sind, brachte die Protozoenforschung rasch im Fluß. Bald wurde der Ent- wieklungskreislauf der Kokzidien durch R. Pfeiffer, Leger, Schaudinn, Schuberg u.a. ‚aufgedeckt und dadurch die Verfolgung der Entdeckungen von Ace. Callum, Manson, Grassi und R. Koch über den Entwicklungskreislauf der Malariaparasiten in Mensch und Mücke erleichtert. Diese wichtigen Arbeiten .ermöglichten dann rasche Fort- ‘ schritte in der Erkenntnis anderer wichtiger menschlicher und tierischer Protozoen- krankheiten, die für die Tropenpathologie eine so große Bedeutung besitzen. Die Größe der Protozoen schwankt sehr stark. Die kleinsten ' Arten sind nur wenige Mikra groß, während die größten einige Zenti- meter Durchmesser aufweisen, so daß sie makroskopisch sichtbar werden. Ebenso verschieden wie die Größe ist die Form der Protozoen, die außer der häufigen Kugelform Ei-, Zylinder-, Scheiben- oder Spindel- gestalt annehmen können. Der Formenreichtum der Protozoen wird so groß vor allem durch die Entwicklung von Organellen, d. h. Äqui- valenten der Metazoenorgane in und an der Zelle, die Differenzierung der Außenschicht des Leibes und die damit in Zusammenhang stehende Geschicht- liches. Größe und Form. System- stellung. ‚ lichen Zelle zu tun hat, so kann die Unterscheidung doch oft schwierig. Lebensweise. i Bau der Protozoen- zelle. Protoplasma. 950 51. Vorlesung. Ausbildung von Anhangsgebilden (Bew egungsörganen, ; Schutzhiillen, Öffnungen zur Nahrungsaufnahme ete.). Die Protozoen stehen in der Entwicklungsstufe zwischen den zusammengesetzten tierischen Lebewesen (Metazoa) und den niedersten einzelligen Lebewesen pflanzlicher Natur, den Protophyten, denen die Bakterien sehr nahe stehen oder zum Teil zuzuzählen sind. Es ist nicht immer leicht, eine scharfe Grenze zwischen den einzelligen tierischen Lebewesen, den Protozoen, und den Protophyten, den einzelligen Pflanzen, zu ziehen. "Wenn man sich auch bei der Mehrzahl der Mikroorganismen bald darüber klar wird, ob man es mit einer tierischen oder pflanz- sein. Das gilt zum Beispiel für die Schleimpilze oder Myxomyzeten. Gewisse Schwierigkeiten entstehen oft auch bei der Differenzierung von Eiern höherer Parasiten (Würmer) von den Zysten der les in Gewebsschnitten. Vom Standpunkte des Hedirinnähen Biologen trennen wir die uns interessierenden Protozoen in saprophytische, d. h. räuberisch lebende, und parasitische. Die ersteren werden frei in der Natur gefunden (in unreinen Flüssigkeiten, im Erdreich usw.), und wir wissen von vielen dieser Arten, daß sie sich zwar von einzelligen Lebewesen ernähren, aber in oder auf den Zellen der Metazoen nicht leben können. Ein Beispiel dieser Art stellen die Strohamöben dar. Die parasitischen Protozoen dagegen sind auf den tierischen Wirtsorganismus angewiesen. Doch kommen Übergänge zwischen beiden Gruppen vor. Der Bau der Protozoenzelle ist infolge Anpassung an die äußeren Lebensverhältnisse sehr vielgestaltie. Die Grundlinien der Lehre vom Zellbau und der Zellvermehrung der Protozoen sollen für den Arzt hier kurz skizziert werden, damit er mit richtigem Verständnis die Kapitel über die pathogenen Protozoen lesen kann. Aus solchen Betrachtungen wird der Mediziner aber auch neue Gesichtspunkte für das Verständnis der Zellhistologie der Metazoen gewinnen. \ Wir unterscheiden an jedem Protozoon das Protoplasma und den Zellkern. Diese beiden wichtigen Bestandteile der Protozoenzelle weisen eine besondere Struktur auf und vermögen unter verschiedenen Bedingungen weitgehende Differenzierungen einzugehen, die aber nicht zur Bildung von echten Geweben oder echten Organen fortgeführt werden. Doflein präzisiert dies folgendermaßen: „Die Protozoen be- sitzen kein Nervensystem, keinen Darm, keine Nieren und keine Ge- schlechtsorgane. Die eine Zelle muß alle jene wichtigen Funktionen, welche die Zellen höherer Tiere unter sich verteilt haben, mit Hilfe ihres Protoplasmas leisten. Manche dieser Funktionen werden ohne die Ausbildung besonderer dauernder Apparate vollbracht; bei verschiedenen Formen der Protozoen bildet aber die Zelle für verschiedene Funktionen besondere Apparate, welche Produkte der Zelle sind; wir ‚nennen sie zum Unterschied von den vielzelligen Organen der Metazoen die Organellen oder Zellorgane der Protozoen.“ ' Das Protoplasma, dessen Aggregatzustand man sich mehr oder weniger zähflüssig zu denken hat, ist der Träger des Lebens, enthält den Kern, den es häufig ganz verdeckt und an Masse meistens um ein ze ten ne u dm Morpholgiche und biologische ‘Merkmale der Protozoen. 951 vielt vielfaches übertrifft; und läßt eine "wabenartige oder alveoläre Struktur erkeann. 1 An Bean: ‚kann: das am oplsune (Gerüstsubstanz) Schaumstraktur ‚des Protoplasmss m Amoeba vespertilio. eg Doflein. j) : ‚von dem Hyaloplasma oder Enchylema (der Substanz in den Hohl- Be weiteres oder durch geeignete Verfahren differenziert = werden. Die dem Kern anliegenden Teile des Protoplasma pflegen von weicherer Kon- sistenz zu sein, wäbrend die nach der Außen- seite der Zelle liegenden Protoplasmateile ‚sich meist verdichten und eine mehr oder ‚weniger zähe Schicht darstellen, das Ekto- plasma, dessen Außenfläche häufig in Form 'einer Membran ganz differenziert zu er- kennen ist. Bütschli hat auf Grund der wohl bewiesenen Annahme, daß der Aggre- a gatzustand des Protoplasma flüssig sei, die . Wabenstruktur in Analogie mit der Struk- tur von Schaumalveolen (Fig. 117) gesetzt. Es ‚spricht in der Tat vieles dafür, daß Gerüstplasma und Enchylema zwei mit- einander nicht vermischbare Flüssigkeiten verschiedener Konsistenz sind, wie sie auch die Vorbedingung des Zustandekommens Re.“ "Eacn Schaan) von Schaumalveolen sind, z. B. bei Seifen- een, - - - gemisehen. Die Gerüstsubstanz des Beotopkasına bildet: also ein Wabenwerk, dessen Grenzflächen von soge- nannten Alveolarsäumen eingefaßt sind, in dem die Wände der ZUNG £ "Balantidium minutum aus. PT Vakuolen. Kerne. 952 51. Vorlesung. artigen Alveolarräume sich im äußeren Teile des Plasmas senkrecht zur Oberfläche anordnen und so eine Reihe parallel gestellter Waben dar- stellen. Innerhalb des Protoplasmas finden sich mancherlei für Protozoen charakteristische Gebilde oder Einschlüsse verschiedener Art (Kristalle, Pigmentkörnchen, Nahrungsstoffe, Stoffwechselprodukte), wie es z. B. in Fig. 118, 129 und 130 dargestellt ist. In ‘vielen Protozoenzellen sieht ‚man eine fibrilläre oder lamelläre Differenzierung der Protoplasmasub- stanz, und zwar so, daß verdichtete Stellen in charakteristischer An- ordnung mit weniger dichten abwechseln. Von manchen Autoren werden auch ‚elastische Faserzüge oder Fibrillen in dem Protoplasma an- genommen, die mit den Bewegungsorganen in Zusammenhang stehen. Fast konstant finden sich im Protoplasma aller Protozoen Va- kuolen (s. Fig. 129 u. 130). Diese können entweder durch Zusammen- fließen von den im Protoplasma gelösten Nahrungsteilen, Fermenten etc. entstehen oder durch Anfüllung von präformierten Hohlräumen mit Fig. 119. ; Fig. 120. Kern von Amoeba blattarım Bütsehli. Bläschen- Entamoeba africana Hartm. Ganzes förmiger Kern mit starker, doppelt konturierter Tier; im bläschenförmigen Kern ist Membran. - Bi Binnenkörper. p Chr. peripheres Chro- der Binnenkörper mit seinem Zentriol matin. d M doppelt konturierte Membran. Plum- erkennbar. (Nach JNHartmann und gebundes Plasma. (Nach Doflein.) : v. Prowazek.) gelösten Endprodukten des Stoffwechsels. In letzterem Falle. handelt es sich um kontraktile, mit besonderen Funktionen ausgestattete Gebilde. Man kann unter dem Mikroskop beobachten, wie die Vakuolen nach und nach entstehen, indem sich in einem bestimmten Teil der Zelle, wahrscheinlich in einer präformierten Spalte oder in einem kleinen Hohlraum, Flüssigkeit ansämmelt. Sobald die Vakuole eine bestimmte Größe erreicht hat, pflegt sie plötzlich zu verschwinden, offenbar dadurch, daß die angesammelte Flüssigkeit durch die Kontraktion der Vakuolenwand ausgepreßt wird. Diese periodische Funktion macht es höchst wahrscheinlich, daß die Vakuole ein Exkretionsorgan der Zelle ist. Die Kerne der Protozoen sind recht verschieden gebaut. Doflein teilt sie in massige und bläschenförmige ein. Die massigen Kerne färben sich mit Kernfarbstoffen meist gleichmäßig und imponieren als kom- pakte Scheiben ohne viel Differenzierung, während die bläschenförmigen Kerne eine deutliche Kernmembran und sogenannte Binnenkörper (Fig. 119 u. 120) aufweisen. Der Binnenkörper ist oft so stark differen- ziert, daß er sich wie ein Kern im Kern ausnimmt, und wird dann als Karyosom bezeichnet. Morphologische- und biologische Merkmale der Protozoen. 953 Wenn man geeignete Färbemittel anwendet, z. B. Karmin oder: Hämatosylin, kann man im Kern der Protozoen eine stark färbbare f 2 = Substanz, das Chromatin, von der schwächer gefärbten Gerüstsubstanz des Kernes, für welche der Name Linin eingeführt ist, unterscheiden. Neben dem Chromatin findet sich in Form der Kernkörperchen oder - Nukleolen das Plastin oder Paranuklein. Der innere Teil der _ Kerne pflegt im allgemeinen reicher an Chromatin zu sein als die äußeren Schichten. Man kann demnach vier voneinander differenzierte Bestandteile des Protozoenkernes unterscheiden: 1. die Kerngerüstsub- stanz (Linin und Achromatin), die häufig mit einer Kernmembran in Verbindung steht, 2. den Kernsaft oder das Kernenchylema, 3. das Chromatin oder Nuklein, das sich am intensivsten mit den Kernfarb- stoffen tingiert, und 4. die Nukleolarsubstanz (Plastin oder Paranuklein), die sich in gleicher Weise, aber schwächer als das Chromatin färbt. Fig.:121. Iehthyophthirius multifiliis. %@ Eirwachsenes Tier, 5b Zystenbildung mit Teilungsformen und jungen Individuen, e Junges : RT (Nach Bütschli.) Im Zusammenhange mit dem Kern muß das Vorkommen einer Substanz im Protoplasma besprochen werden, die gewisse Beziehungen zum Kern hat und deshalb als Chromidialkörper bezeichnet wird. Man faßt darunter ring- oder strangförmige Körper zusammen, die, obwohl im Protoplasma der Zelle gelegen, sich doch färberisch wie die Kernsubstanzen verhalten. Ihre Zusammensetzung und Bedeutung ist indessen noch nicht hinreichend erforscht. Bei manchen Protozoen, be- sonders oft bei den Flagellaten, findet sich neben dem Hauptkern, der den vegetativen Vorgängen dient; ein kleinerer, von dem Karyosom abstammender Nebenkern, der sogenannte Blepharoplast. Dieser wird auch als lokomotorischer Kern oder Geißelkern bezeichnet, weil ‚von ihm die Geißeln ihren Ursprung nehmen (Fig. 122). Ebenso mannigfaltig wie der Bau der Kerne sind auch die Vorgänge bei der Kernteilung der Protozoen. Letztere verläuft bei vielen Arten völlig analog der Kernteilung der Metazoenzellen Bewegungs- organe. ‘folgen durch fließende Organellen (Pseudo- Bedarf aus dem Protoplasma ausgesandt 954 51. Vorlesung. durch Mitose mit Bildung von Chromosomen. Bei anderen Arten führen allerdings Kernzerschnürungen in einfachster Weise zur Tollung der Zellen. Wenn mitotische Vorgänge bei den Broihkebn auftreten, finden sich auch häufig Spindelfiguren (Fig. 127) und Zentrosome (Zentral- körner), die ihren Ursprung aus dem Kern der Zelle nehmen. £ Außerordentlich wichtig für die Einteilung der Protozoen ist die Anordnung der Bewegungsorgane. Sie dienen zur aktiven Orts- veränderung der Protozoen, die dem Auge bald als Gleit-, bald als Schwimm- EBER.,,; bewegung erscheint. Die Bewegungen er- podien) oder durch schwingende Organellen (Geißeln und Zilien). In weiter Verbreitung findet i im Proto- zoenreich die Bewegung durch Vermittlung von Pseudopodien statt. Man versteht unter Pseudopodien faden- oder lappenför- mige Fortsätze, die von den Protozoen nach Fig. 122. 'Trypanosoma mega. Zellulosepanzer von, Opa hiru- Ve Solihee Vorderende. Bi Blepharoplast. N Korn. M undnlie- dinella, zusammengesetzt aus Einzel- rende Membran. @ Geißel. Die Myoneme treten als helle °. platten. Rf Ringfurche. Streifen hervor. (Nach Dutton und Todd.) (Nach Lauterborn.) ; und ebenso wieder eingezogen werden. Mittelst dieser Fortsätze be- wegen die Mikroben den hierbei oft in der Form stark veränderten Zelleib vorwärts. Am bekanntesten ist das Vorkommen der Pseudopodien 2 | ‚bei den Amöben. Je nach der Struktur teilt man die Pseudopodien ein in Lobopodien, d. h. breite, abgerundete Ausläufer, Filopodien, . EB d. h. fadenförmige Fortsätze, und I EIDIRR, d.h. verästelte und anastomosierende Ausläufer. Die Schwimmbewegungen werden Anrch Vermittlung von "Wim- 'pern und Geißeln vermittelt. Die größten schwingenden Organellen Morphologische und biologische Merkmale der Protozoen. 955 - heißen Geißelhaare oder Flagellen. Es sind das dünne, peitschenförmige . Gebilde, die vom Kern oder Abschnürungen des Kernes ausgehen. Die Art, wie im Körper der Flagellaten die Geißeln inseriert sind, ist für viele Spezies das wichtigste Merkmal zur Systematisierung. "Vielfach entspringen die Geißeln direkt von kleinen, am Ektoplasma gelegenen sogenannten Basalkörnern, in anderen Fällen aber von den Zell- kernen oder den sogenannten Geißelkernen oder Blepharoplasten. Die Geißeln (Fig. 122) sitzen meist am Vorderende, seltener am Hinter- ende und versetzen wie die Flügel einer Propellerschraube (Doflein) _den ganzen Körper in Rotation. Andere Protozoen benutzen zu ser Bewegung’ Zilien oder Wimperhärchen. Diese Gebilde (s. Fig. 118, 121 und 130) sind meist sehr kurz, in großer Menge vorhanden und haben die größte Ähnlichkeit mit den Zilien der Zellen höherer Tiere. Die Zilien entspringen vom ‘ Ektoplasma, vielfach von besonderen verdickten Partien, den sogenannten Basalkörperchen, und sind in regelmäßigen Reihen angeordnet. Alle "Wimpern, die in einer Reihe hintereinander stehen, schlagen in bestimmtem Rhythmus nacheinander; dabei führen in allen Wimper- _ reihen die der Quere nach nebeneinander stehenden Zilien gleichzeitig dieselbe Bewegung aus. Durch Verschmelzung einer größeren Anzahl von Wimperhaaren entstehen die undulierenden Membranen (s. Fig. 122), Membranellen und Zirren. Die Bewegung der undulierenden Membran erfolgt wellen- . förmig, genau in der Weise, .als-handle es sich um eine nicht ver- schmolzene Zilienreihe (Doflein). Die vereinigten Basalkörner stellen A den Basalsaum oder die Basallamelle dar. Membranellen sind ge- wissermaßen undulierende Membranen von geringerer Größe. Sie ent- stehen, wenn kleinere Gruppen von Zilien zu einer. Platte vereinigt werden. Die Zirren sind den Membranellen ähnlich, unterscheiden sich aber von ihnen durch die Art der Bewegung, die nicht gleichmäßig, sondern ruckweise erfolgt. Verschiedene Protozoen, namentlich die Diatomeen, Gregarinen und gewisse Stadien von Kokzidien, bewegen sich durch Absonderung eines stark quellbaren Schleimes. Die Bewegungen der Protozoen würden regellos sein, wenn den Organellen nicht bestimmte Stützpunkte geboten würden. Diese können starre Skeletteile sein, sie können aber auch elastische oder kontraktile Elemente därstellen, durch welche zugleich die äußere Körperform der Protozoen verändert wird. Als derartige Gebilde werden die kontraktilen Fibrillen oder Myoneme (Fig. 122) be- zeichnet, die als Längsfasern (z.B. bei den Stentorarten) oder als B 'Ringfasern (z. B. bei den Gregarinen, Fig. 126) zu beobachten sind. i Die festen Skeletteile sind als Befestigungspunkte für die Bewe- gungsorganellen bei allen höheren Protozoen ausgebildet. Die starren Skeletteile stehen in engem Zusammenhange mit den Hüllen, die teils I : Verdickungen des Ektoplasma, teils durch Exkretion von erstarrenden Substanzen geschaffene Gehäuse darstellen. Die ersteren werden als E Pellikula bezeichnet. die letzteren als Sekretionsmembram oder Kuti- kula. Doflein führt für die kutikularen Bildungen folgende Typen an: 1. Hüllen: «) Membranen; 0) Schalen, — 2. Gehäuse, — 3. Stiele, — ‘4. Innenskelette. Skelett. - Fort- pflanzumg. 956 51. Vorlesung. Die Gehäuse unterscheiden sieh von den Hüllen dadurch, daß sie der Plasmaschicht infolge Retraktion der letzteren dicht anliegen. Sie sind gallertig oder häutig und können infolge Inkrustation mit Kalk oder anderen Substanzen eine erhebliche Festigkeit erhalten (Fig. 123). Die Stiele finden sich bei den festsitzenden Protozoen. Sie können aus dem Protoplasma oder, wie es häufiger vorkommt, aus den Hüllsub- stanzen gebildet werden (Fig. 124). Es. entstehen so Kolonien von Protozoen. Die Innenskelette sind häufig mit Kieselsäure, Sign oder kohlensaurem Kalk imprägniert. Fig. 124. Codonocladium umbellatum. Kolonie eines Choanoflagellaten mit pellikularen (?) Stielen. Vergr. 480. (Nach Saville Kent und Lang.) Die Fortpflanzung geschieht bei allen Protozoen auf dem Wege der Zellteilung mit ihren verschiedenen Modifikationen der Zweiteilung (Quer-, Längsteilung,‘Knospung) oder der multiplen Teilung. Vorwiegend und gewissermaßen typisch bei den Protozoen ist die Zweiteilung, die als Quer- und Längsteilung verläuft. Bei der Knospung (Fig. 125) bleibt das Mutterindividuum bestehen, sodaß zwei oder im Falle mul- tipler Knospung mehrere ungleiche Teilunesprodukte entstehen. Bei der multiplen Teilung, z. B. bei den Malariaplasmodien, zerfällt das Mutterindividuum in eine größere Anzahl von Tochterindividuen. Die Zweiteilung einer Amöbe vollzieht sich nach Dofein. in 1 folgender Weise: „Der Kern teilt sich, während die Pseudopodien- bildung ihren Fortgang nimmt, zunächst in zwei Tochterkerne. Schon Morphologische und biologische Merkmale der Protozoen. 957 während‘ des Kernteilungsvorganges spricht ER eine Polarität am Amöbenkörper aus, indem an zwei entgegengesetzten Polen, entsprechend der Achse der Kernteilungsfigur, lebhaftere Pseudopodienbildung be- ginnt, während sie sich im äquatorialen Teil des Tieres vermindert. Nach vollzogener Kernteilung zerschnürt sich allmählich der Plasma- leib in zwei Tochterhälften, indem die beiden polaren, um je einen ‘ Tochterkern angesammelten Teile mit Hilfe ihrer Pseudopodien nach _ verschiedenen Richtungen kriechen. Dabei bleiben sie zunächst durch einen dünnen Plasmafaden verbunden, der schließlich durchreißt. Die E ' kontraktile Vakuole gerät dabei in eine beliebige Hälfte, in der an- deren bildet sich schon vor der Durchtrennung eine neue.“ - Die Produkte der multiplen Teilung werden als Merozoiten _ bezeichnet, wenn die neuen Individuen oder Teilstücke durch Zerfall der Zelle entstehen. Diesen Vorgang bezeichnet man auch als Schizo- Fig. 126. - Knospung bei se gemmipara. Kn Knospe. M Makronukleus. Nn Mikronukleus. Tr Triehter. Tr, Trichter der Knospe. F Haftscheibe. (Nach R. Hertwig.) gonie. Findet die multiple Teilung innerhalb einer Zyste statt, so spricht man von Sporogonie und bezeichnet die Teilungsprodukte als Sporozoiten oder Sporen. Diese Sporen sind aber keineswegs mit » den Bakteriensporen zu verwechseln, denn während es sich bei den - letzteren um Dauerformen handelt, welche der Arterhaltung dienen, sind die Sporen der Protozoen als Fortpflanzungsformen, wie sie bei der geschlechtlichen Vermehrung vorkommen, aufzufassen. Die Teilung der Protozoenzellen beginnt fast stets mit einer Tei- lung des Kernes, das Plasma folgt der Kernteilung zeitlich nach. Nur = ausnahmsweise beginnen die Teilungsvorgänge im Plasma und Kern — „zu gleicher Zeit. E: Die Teilung der Kerne verläuft bekanntlich bei den Metazoen- zellen’ ziemlich einheitlich, entweder mitotisch oder amitotisch. Im Gegen- satz hierzu teilen sich die Kerne bei den Protozoen nach außerordent- lich verschiedenen Typen und lassen auch hier noch viele Übergänge Kolls und Hoatsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 62 Kern- teilung Befruch- tungs- vorgänge. “sich an der dünnsten Stelle. 958 51. Vorlesung. erkennen. Diese Verschiedenartigkeit wird noch dadurch kompliziert, daß wir bei den Protozoen neben der Zweiteilung und multiplen Teilung einfache und multiple Knospung finden. Bei allen diesen Prozessen verhält sich der Kern verschieden. Hierzu kommt noch, daß die massigen und chromatinreichen Kerne, deren Substanz vorwiegend dickflüssig ist, sich anders verhalten als die bläschenförmigen Kerne, die reicher an Kernsaft und ärmer an Kerngerüstsubstanz sind. Bei den massigen Kernen stellt sich zu Beginn der Teilung _ eine Vergrößerung infolge Auflockerung der Kernsubstanz ein. Die Alveolen werden dabei nach einer Richtung gestreckt, sodaß eine ovale Form des gesamten Kernes resultiert, der eine ausgesprochene Längs- streifung erkennen läßt. Dann entsteht in der Mitte eine Einschnürung, wodurch der Kern ein hantelförmiges Aussehen erhält. Die Kernsubstanz reißt schließlich an der dünnsten Fig. 126. Stelle durch, sodaß sie auf beide Teile gleichmäßig ver- teilt ist. Während wir hier eine der amitotischen Teilung der Metazoenkerne ähnliche Art der Kernteilung hatten, finden wir bei den bläschenförmigen Kernen weit häufiger mitotische Vorgänge. Diese sind verschieden, je nachdem die Kerne zentrale Binnenkörper besitzen oder nicht. Bei Kernen ohne zentrale Binnenkörper findet : eine Verteilung der Chromatinpartikelchen in der äqua- torialen Zone des Kernes statt, während die achromatische Substanz sich an den Polen des Kernes anhäuft. In der Äquatorialplatte differenzieren sich die Kernschleifen, auch Chromosomen genannt, und bilden Tochterplatten, die auseinander weichen (Fig. 127). Der Kern nimmt Spindelform an, geht dann-in Hantelform über und trennt Neben den Kernen können sich auch andere Zellbestandteile, Schema einer namentlich die Organellen, teilen. Bei Längsteilung werden manche we Organellen, z. B. Geißeln und undulierende Membranen, längs ge- De Re spalten; bei Querteilung erfahren sie eine Querspaltung. Die Vermehrung durch Teilung ist bei vielen Protozoenarten be- grenzt und führt zum Stillstand der Vermehrungsfähigkeit, wenn nicht abwechselnd Befruchtung eintritt. Das Wesen der Befruchtung ist darin zu suchen, daß Zellbestandteile von verschiedenen Individuen einer Art miteinander verschmelzen. Wenn diese Verschmelzung annähernd vollständig ist, bezeichnet man dies als Kopulation. Findet dagegen nur ein partieller Austausch von Zellbestandteilen zweier Individuen, z. B. der Kerne, statt, so wird von Konjugation gesprochen. Bei der Kopulation gehen der eigentlichen Verschmelzung Umwandlungen vor- aus, die wir als Gametenbildung bezeichnen. Die der Befruchtung dienenden Gameten können den Agameten gegenübergestellt werden. Unter letzterer Bezeichnung faßt man alle nicht für die Konjugation oder Kopulation bestimmten Zellformen zusammen, also hauptsächlich die für die ungeschlechtliche Teilung bestimmten. Gleichartige Gameten werden als Isogameten und ihre Vereinigung als Isogamie bezeichnet. Wenn aber erhebliche Unterschiede in der Größe oder in der Form der geschlechtlichen Zellen vorhanden sind, spricht man von Anisogamie. 4 Morphologische und biologische Merkmale der Protozoen. ; 959 Bei der Isogamie vereinigen sich nach einer Periode der Differen- ERDE: die namentlich die Kernsubstanz betrifft (Reifung, Reduktion), die morphologisch völlig glei- chen geschlechtlichen Formen und enzystieren sich. Die ver- schmolzenen Individuen werden als Zygoten bezeichnet. Diese Zygoten teilen sich dann in neue Individuen, die sich ihrer- seits wieder durch Teilung ver- mehren. Bei der anisogamen Kopulation können die Unter- schiede der Gameten sehr groß sein. Die einzelnen Vorgänge der anisogamen Kopulation sind in den Vorlesungen „Kokzidien- krankheiten“ und „Malaria“ näher geschildert und in Fig. 128 bei Coceidium Schubergi skizziert. Die hier beschriebe- nen Vorgänge, die vor und nach der Kopulation an den Zellen zu beobachten sind, haben die größte Ähnlich- keit mit der Reifung und Befruchtung der Metazoen- zellen. Im Gegensatze hierzu ist die Konjugation von der Befruchtung der Zellen höherer Tiere sehr verschie- den. Bei der Konjugation, die bisher nur bei den Ziliaten beobachtet ist, findet eine Anein- anderlagerung der Zellen statt. Von isogamer Konjugation spre- chen wir dann, wenn sich Zellen, die sich von den vegetativen For- men nur wenig unterscheiden, vereinigen. Die Kerne der Indi- viduen reduzieren sich und teilen sich darauf. Es entsteht dann - . eine Protoplasmabrücke, und durch diese wandern die männ- lichen neuentstandenen Wander- _ kerne wechselseitig über, um mit dem weiblichen gleichfalls neu- gebildeten Kern zu verschmelzen. enge des Kerns von Eaglypba a alyeolata. TDije Konjugation ist also eine gegenseitige Befruchtung durch partiellen Kernaustausch. Vor allem erfahren die Kerne eine Umwandlung, sobald die Gameten sich aneinandergelagert haben. 62* Fig. 127. Ge- schlechtlich differenzierte Zeilen. 960 51. Vorlesung. Bei der anisogamen Konjugation treten zwei. ihrer Größe nach sehr verschiedene Individuen zusammen. Es wird aber nur der große - Konjugant durch den Wanderkern des kleinen befruchtet. Die umge- kehrte Befruchtung kommt nicht zustande, vielmehr wird das kleinere Individuum von dem größeren resorbirt. ee ke Eine besondere Art der Befruchtung bilden die Autogamie und die Pädogamie, bei denen die nach vorausgegangener Reifung mit- einander verschmelzenden Kerne bzw. Gameten Geschwisterkerne oder Geschwisterzellen darstellen. Es wird angenommen, dal diese beiden Arten der Fortpflanzung sekundär von den typischen Befruchtungs- vorgängen abzuleiten sind. Ebenso stellt die Parthenogenesis gegen- über der typischen Befruchtung eine Rückbildungserscheinung dar. Das Wesentliche dieses Vorganges besteht darin, daß weibliche Gameten sich ohne vorherige Befruchtung fortpflanzen. _ I e.1 Hartmann hat besonders darauf hingewiesen, daß die Befruchtung ursprüng- lich mit der Fortpflanzung nichts zu tun hat. Das ist besonders bei den Formen, bei denen sich die Befruchtung als Autogamie oder Parthenogenesis abspielt, klar ersichtlich. Die Art der Fortpflanzung ist in allen diesen Fällen vor und nach der Befruchtung stets die gleiche, und man kann dann nur von einer agametischen Fortpflanzung und einem zwischen eine Reihe von Generationen eingeschöbenen Be- fruchtungsvorgang reden. Von einer geschlechtlichen Fortpflanzung, einer Gameto- gonie, kann nur dann gesprochen werden, wenn sich in allmählicher Anpassung an die Befruchtungsvorgänge, speziell die Kopulation, besondere Geschlechtsformen (Gameten) herangebildet haben, die auf andere Weise hervorgebracht werden als die en Individuen, sodaß sie nach Bau und Entstehung sich von diesen unter- Schelden, a 5 Es ist notwendig, auf die Gameten noch mit einigen Worten einzugehen. Je kleiner die Gameten sind und je mehr sie sich in der Form den Spermatozoen der Metazoen nähern, wie das z, B. bei den Sporozoen und Flagellaten der Fall ist, desto weniger sind sie zur Ver- mehrung ohne Befruchtung und zur vegetativen Existenz geeignet. Man bezeichnet solche kleine Gameten auch als Mikrogameten, im Gegen- satz zu den großen Makrogameten, die den Metazoeneiern. ähnlich sind. Bei den Mikrogameten sind vor allen Dingen die Fortbewegungs- organellen stark entwickelt, während die Makrogameten meist sehr wenig Bewegung zeigen. Sie sind dafür unter Umständen einer selbst- ständigen Entwicklung ohne vorhergehende Kopulation fähig. Die Ent- stehung der Malariarezidive aus den großen Gameten der Plasmodien kann dafür als Beispiel gelten. i ER 5 Diese großen Differenzen in der Form der Gameten haben manche Forscher zu der Annahme geführt, daß, ähnlich wie bei den Metazoen, auch bei den Protozoen männliche und weibliche Formen vorkommen. In diesem Sinne werden die Mikrogameten als männliche, die Makrogameten als weibliche Formen bezeichnet. Die gereiften Gameten erfahren wahrscheinlich durch chemotaktische Wirkungen eine Annäherung und verschmelzen. Zusammenfassend können wir also die Befruchtung als eine Vereinigung der Kernsubstanz von verschiedenen Zellen be- zeichnen, die durch Reifungserscheinungen in einen von ein- ander abweichenden Zustand gebracht worden sind. Vielfach sind bei den Protozoen-Gameten Vorrichtungen anzu- treffen, die eine mehrfache Befruchtung nach Möglichkeit verhindern sollen. Es bilden sich in solchen Fällen alsbald nach der Befruchtung IB IRgweRe und biologische Merkmale der Protozoen. 961 = undurchlässige Hüllen oder Zysten. Wie bei den Eizellen der Meta- ® zoen finden sich auch bei den Protozoen an den befruchteten Zellen 'Reifungsvorgänge, bei denen charakteristische Erscheinungen an den = Kernen beobachtet werden. Die Zahl der Chromosomen wird durch Ausstoßung in das Plasma auf die Hälfte reduziert. Diese Ausstoßung von Chromosomen steht in engem Zusammenhang‘ mit der Bildung von sogenannten Richtungskörpern, wie sie bei der Eireife zutage treten. £ - Während aber bei den Eiern der Metazoen die Befruchtung einen ge- waltigen Entwicklungsreiz darstellt, der zu einer unhemmbaren Teilung und Differenzierung neuer Zellen führt, ist bei den Protozoen ein der- artiger Entwicklungsreiz keineswegs immer nachzuweisen. Es findet sich vielmehr vielfach als Folge der Befruchtung eine Verlangsamung der vitalen Vorgänge, namentlich der Teilung, ja bei manchen Arten tritt _ die Zygote infolge der Befruchtung in ein Stadium absoluter Ruhe. 3 „Andrerseits können als Folge der Befruchtung Entwicklungserscheinungen wahrgenommen werden, die zu neuen organischen Bildungen. führen. Wir sehen diese Entwicklungserscheinungen namentlich bei den höheren Protozoen. Eine solche Entwicklung, wie sie z. B. bei den Gregarinen vorkommt, wenn sich die Sporozoiten allmählich zu den - die typischen Artmerkmale aufweisenden Individuen heranbilden, findet sich aber nicht nur als Folge der Befruchtung bei den Gameten, son- E dern auch bei der agamen Zweiteilung, bei der multiplen. Teilung und bei den Anpässungserscheinungen, die infolge äußerer Einwirkungen zutage treten. Es gehören in diese Entwicklungsgeschichte der Proto- zoen die viel beobachteten Regenerationsvorgänge der komplizierter gebauten Ziliaten, ‘bei denen die verschiedensten Organellen, Zilien, Kutikula ete., neu gebildet werden. Derartige Regeneration wird auch ‚ bei einfacher Teilung beobachtet und bei den Knospungsformen an den Tochtertieren. An den Knospen sind vielfach die Organellen schon prädestiniert, werden aber erst nach Ablösung der Knospe vom Mutter- tier weiter entwickelt und differenziert. Bei dieser Wiederherstellung werden die Organellen Dilwaie neu gebaut, und es gehen damit weitgehende Einschmelzungserscheinungen ‚anderer Organellen einher: auch die Teile des Kernes können sich auf = diese Weise regenerieren. Mitunter findet nicht nur eine Wiederher- ‚stellung verloren gegangener oder abgestorbener Teile, sondern sogar - eine Überregeneration statt. Mancher der: hierbei auftretenden Vorgänge hat große Ähnlichkeit mit den. Teilungs- und Knospungs- bzw. Kon- 3 jJugationsprozessen. Bei manchen Protozoenarten .finden wir.aber nicht nur eine Dif- ferenzierung in der Form des einzelnen Zellindividuums, einhergehend ‚mit Verlagerung von Kern, Plasma oder Organellen, sondern wir finden auch Vorgänge, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der Entwicklung und Differenzierung der Metazoenzellen haben. Hier ist der Übergang der Protozoenzellen zu den vielzelligen Organen der Metazoen bzw. der entwicklungsgeschichtliche Zusammenhang mit diesen gegeben. Es ge- - _ hört hierzu die Kolonienbildung mancher Arten,’ z.*B. der Pandorina und Platydorina. In diesen Kolonien sind vielfach die Zellen in vege- tative und solche, die der geschlechtlichen Vermehrung dienen, differen- ziert. Es kann auch die Bildung vereinigter Sporen in einer Mutter- zelle bei den Sporozoen hierher gerechnet werden. Wir gelangen hier 962 51. Vorlesung. also zur Aufstellung des Zeugungskreises, in dessen Verlauf außerordent- lich stark differenzierte Individuen entstehen können. Die Entwicklung der Sporen und Gameten, wie sie bei Gregarinen und Kokzidien (Fig. 128) stattfindet, bietet Beispiele dieser Art. Mit dem Auftreten solcher stark differenzierten progamen und metagamen Teilungsformen sind wir dann beim Generationswechsel angekommen, der als Folge der äußeren Le- bensbedingungen der Protozoen auftritt. Die Formen des Zeugungs- kreises sind von den einzelnen Autoren mit ganz verschiedenen Namen belegt worden, die in folgender Tabelle einander gegenübergestellt sind: FE En nn Schaudinn (1899, Hartmann | Dofleins Mo- 1900), Lang (1901) | Grassi (1902) (1903, difikationen Lühe (1900): Auffassung I) | der letzteren Schizont . . .||Monont Monont Agamont (aga- |das „Kokzi- mes Individu- | dium“*, die um) „Gregarine* etc. -Schizogonie . . || Monogonie Monogonie Agamogonie a Merozoit . . . || Gymnospore Sporozoit(mo-| Agamet | (monogonisch)| nogonisch) gametogene geschlechtliche | progame Tei- Monontenge- Individuen (= | lungen der neration Gamonten) Gamonten Gamogonie Makrogamet . . | Makrogamet Makrospore | Makrogamet (Oogonium) Far Mikrogametozyt || Antheridium Antheridium | Mikrogametozyt Mikrogamet . - || Mikrogamet. :. | Mikrospore | Mikrogamet Kopula . . . . || Zystozygote Sporont (Oozyste)| Amphiont "| Ampbiont Zygote Sporogonie . .|| Amphigonie Amphigonie | metagame Tei- lungen (der Zygote) | Sporozoit . . . || Gymnospore Sporozoit (am-| Sporozoit er (amphigonisch)) phigonisch) Nach Doflein würde. sich nach dieser Terminologie die Lebens- geschichte des Coccidium Schubergi folgendermaßen abspielen: „Ein junges Kokzidium wandert in eine Wirtszelle ein (Fig. 128, I und m), wächst dort heran (III und IV)*) und vermehrt sich durch multiple Teilung (V bis VI). Die Nachkommen infizieren neue Zellen (VIII—X). Nachdem sich dieser Vor- gang mehrmals wiederholt hat (nach mehreren agamen Generationen), treten junge Individuen auf (Gamonten), die beim Heranwachsen zweierlei verschiedene Wege : einschlagen (XI und XII). Die einen (XIIa—XIIe) liefern die Mikrogameten, wir nennen sie die Mikrogametozyten, die anderen (XIa—XIe) liefern die Makrogameten, wir nennen sie Makrogametozyten. Nachdem je-zwei Gameten kopuliert (XIII bis 'XIV) haben und die Karyogamie (XIV) eingetreten ist, umgibt sich die Zygote (XV) mit einer Hülle (Zyste). Innerhalb derselben erfolgen Teilungen, welche zur Bildung von jungen Kokzidien führen, von denen in diesem Falle je zwei in eine besondere Sporenhülle eingeschlossen sind. (Der Inhalt der Zygote zerfällt zu- nächst in 4 Sporenmutterzellen [XVI—XVIII], deren jede sich in zwei junge Kok- zidien [Agameten] teilt [XIX—XX], nachdem sie sich mit einer festen Sporenhülle umgeben hat.)“* *) Da es durch ungeschlechtliche Vermehrung zur Bildung von Agameten führt, kann man es zum Unterschied von den Gamonten in diesem Stadium auch Agamont nennen. u Morphologische und biologische Merkmale der Protozoen. 963 Fig.f128. Entwicklungskreis von Coceidium Schubergi. (Aus Lang nach Schaudinn.) Ent- wicklungs- geschichte. 964 51. Vorlesung. Wenn wir die Entwicklungsgeschichte der Protozoen über- blicken, müssen wir mit Doflein zu der Überzeugung kommen, daß die Deutung der Entwicklungsstadien von Protozoen im Sinne biogene- tischer Betrachtungen, z.B. im Sinne des sogenannten biogenetischen er Grundgesetzes, nur mit größter Vorsicht und Zurückhaltung erlaubt ist. Es ist vielmehr der. Einfluß äußerer. Faktoren, der bestimmte Formen im Laufe der Entwicklung zutage treten läßt, maßgebender, als es die ‘ atavistischen Vorgänge sind. Mit Bütschli wird. man deshalb „die Aus- Generalions- wechsel. Lebens- bedingungen. bildung bestimmter Formen nicht ohne weiteres als einen Rückschlag zu einer früheren Organstufe der Protozoen auffassen, sondern vielmehr als eine bestimmter Zwecke wegen allmählich erlangte besondere Aus- bildung der Sprößlinge. Nur im ersteren Falle läßt sich die allmähliche Entwicklung der Organisation des Muttertieres aus dem Fortpflanzungs- körper (Sprößling, Spore etc.) als ein der ontogenetischen Entwicklung der höheren Organismen entsprechender Vorgang betrachten. In letz- terem Falle hingegen könnte man höchstens von. einer Metamorphose sprechen; die die Protozoen infolge des sich in ihren Entwicklungsgan häufig einschiebenden Enzystierungsprozesses durchmachen“. A ‚Da - lein teilt diese Ansicht. Viele Protozoen sind so. kompliziert gebaut und besitzen so ße: Körperformen, daß man vielfach im Zweifel ist, ob man diese nieder- sten tierischen Lebewesen als einzellig auffassen kann. Die niedersten Formen der Protozoen nähern sich andrerseits oft dem Typus der so- genannten Kernzellen, d.h. solcher Zellen, die wesentlich nur den Bau und die Substanz eines Kernes besitzen. Den Übergang zu den Meta- zoen bilden jedenfalls die in der Ausbildung ihrer Organellen sehr hoch entwickelten Protozoen, bei denen entweder außerordentlich komplizierte Organellen vorhanden sind oder bei denen eine Vereinigung einer ganzen Anzahl von Individuen stattfindet. Die Protozoenkolonien oder Zellstöcke treten als eine Vereinigung von Zellen im Sinne eines einheitlichen Tieres auf und sind von den Metazoen oft sehr schwer zu unterscheiden; sie bilden eben eine Zwischenstufe. und den Übergang zu den höher ER sierten Tieren mit zusammengesetzten Geweben. Von besonderer Bedeutung für das Verständnis der ‚Entwicklung der Protozoen ist der Generationswechsel, d. h. das abwechselnde Vorkommen, von geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Vermehrung bei einer und derselben Art. Daß äußere Bedingungen von erheblichem Einfluß auf den Generationswechsel sind, wird wohl nicht zum wenig- sten mit durch das häufig beobachtete zeitliche Zusammenfallen des Generationswechsels mit dem Wirtswechsel bewiesen. Die bei vielen oder gar allen Protozoen vorkommende Abwechslung in der Fortpflanzung — einerseits die ungeschlechtliche durch Teilung, andrerseits die .der ‚Befruchtung folgende Vermehrung — gab Weis- mann zu besonderen teleologischen Betrachtungen Anlaß. ‚Er hielt die Protozoenzellen in dem Sinne für unsterblich, daß durch und während der Teilung das Leben der Zellen ohne den natürlichen Tod der MaNar zelle auf zwei oder mehrere Individuen übergeht. Wenn wir die Lebensbedingungen der Drotszenn kurz skizzieren, so gilt als Gesetz, daß sie ausnahmslos für die normalen Lebensvorgänge genügender Feuchtigkeit, häufig auch be- Morphologische und biologische Merkmale der Protozoen. 965 'stimmter Temperaturen bedürfen. Viele Protozoen sind außer- ordentlich empfindlich gegen Wärmeschwankungen und entwickeln ihre volle Lebensenergie -nur innerhalb ziemlich enger Temperaturgrenzen. Überhaupt sind die meisten Protozoen sehr empfindlich gegen äußere Einflüsse und büßen vielfach bei Veränderung der Lebensbedingungen - rasch ihre Lebensfähigkeit ein. Die Atmung findet nicht nur in sauerstoffreichem Medium statt, sondern wir kennen gerade so wie bei den Bakterien auch unter Sauerstoffabschluß, d.h. anaörob lebende - Protozoen. Zu letzteren gehören namentlich die saprozoischen, d. h. - in Faulflüssigkeiten lebenden Arten und die protozoischen Darmschma- - rotzer niederer und höherer Tiere. Es gibt sowohl obligatorische wie fakultative Anaörobier. - — Die Ernährung findet teils durch Aufnahme von gelösten Stoffen in das Zellinnere auf dem Wege der Osmose statt, teils durch Auf- nahme von ‚korpuskulären Elementen. So werden z. B. Bakterien, Pflanzenteile usw. in das Innere der Protozoen aufgenommen. Für diese Zwecke dienen bei vielen Protozoen, namentlich den räuberisch lebenden, mit festen Hüllen versehene besondere Organe. Während die Amöben mit ‚jedem Teil ihres Körpers ein Objekt, z. B. Bakterien, umfließen, dann in das Zellinnere aufnehmen und verdauen können, ‚sind bei manchen freilebenden Arten, die eine Kutikula haben, Zellöffnungen ‘für- Ein- und Ausfuhr der Nahrung — Mund, Schlund und After: Zytostoma, Zytopharynx (Fig. 130) und Zytopyge — und ferner Organellen zur Heranschaffung oder zum Aufsuchen der Nahrung not- wendig. Bei vielen Arten erfüllen die Bewegungsorganellen auch diese Zwecke, bei anderen aber, z. B. den festsitzenden, sind die Zilien oder Geißeln um den Mund angeordnet und dienen allein der Nahrungs- ‚aufnahme. Man bezeichnet derartige Organellen dann als Strudel- apparate. Der Nahrungsaufnahme dienen auch die vom Ektoplasma ausgehenden Saugröhren, die bei manchen Arten beweglich sind (Fig. 129 Ka). Die Reste der im Zellinneren verdauten Stoffe, welche die Fäkalien darstellen, werden durch den präformierten Zellafter (Zy- . topyge) entleert. Der Exkretion der Stoffwechselprodukte und vielfach zugleich der Atmung dienen die kontraktilen und pulsierenden Vakuolen (Fig. 129 u. Fig.130). Die Vakuolen sind vielfach, z. B. bei den Flagellaten und Ziliaten, an ganz bestimmten Stellen der Zelle gelegen und mit einem Kanalsystem verbunden, durch das gelöste und gasförmige Stoffe zu- und abgeführt werden. Die Zahl der Vakuolen ist bald konstant, bald bei ein und derselben Art sehr verschieden. Bezüglich des Verhaltens zum Wirtsorganismus unterscheiden wir bei den parasitischen Protozoen 3 Arten, die Kommensalen, Sym- bionten und die echten Parasiten. Unter Kommensalen ver- stehen wir Protozoen, die sich von den Abfallstoffen oder den unbe- nutzten Nährstoffen des Wirts z. B. in seinem Darmkanal oder in anderen Körperhöhlen nähren. Sie haben von dem Wirtsorganismus Vorteil und fügen ihm keinen Schaden zu, sondern führen ein rein saprophytisches Dasein. Die Symbionten nähren sich vom Wirte und bieten ihm zugleich Vorteile dar. Die echten Parasiten leben von den Nährstoffen des Wirtsorganismus, und zwar auf dessen Kosten, indem sie ihn im allgemeinen oder bestimmte Teile seines Körpers Einteilung der parasitischen Protozoen. 966 51. Vorlesung. oder seiner Zellen schädigen. Je nachdem diese 3. Kategorien auf der Oberfläche des Wirtsorganismus oder in dessen Innern leben, unter- scheiden wir Ento- und Ektokommensalen, Ento--und Ektosymbionten und Ento- und Ektoparasiten. Fig. 129. Fig. 130. FREE 72 0 AI rE DL ; Paramaecium caudatum. K Kern. Stentor coeruleus. N Hauptkern. Nn Nebenkerne. NK Nebenkern. (© Cytopharynx. ‘-Spi adorale Spirale. V Vestibulum. O0» kontraktile N Nahrungsvakuolen. Cv kon- Vakuole. Kazuleitende Kanäle. traktile Vakuolen. (Nach Doflein.) . (Nach Doflein.) Die wichtigsten Vertreter der dritten Klasse sind die patho- genen Protozoen. Organparasiten nennt man solche, die in den Hohlräumen der Organe, mag es sich auch nur um die mikroskopisch kleinen Lymphspalten handeln, leben. Die Gewebsparasiten finden sich im Gewebe selbst. Unter Zellparasiten versteht man solche, die nur in Zellen vorkommen; unter ihnen gibt es Parasiten, die das Plasma, andere, die den Kern bevorzugen. Viele Protozoen kommen Morphologische und biologische Merkmale der Protozoen. 967 nur in bestimmten Zellarten vor, während sich andere, wenn sie in einen Körper eingedrungen sind, unter Umständen in allen Geweben gleichmäßig vermehren. Es muß allerdings betont werden, daß sich die scharfe Differenzierung in Zell-, Blut- und Organparasiten für die meisten pathogenen Arten nicht durchführen läßt. Manche Protozoen finden sich nur bei einer Tierspezies, während andere bei verschiedenen Arten vorkommen. Zu den ersteren gehören z. B. die Malariaparasiten, die nur beim Menschen (und vielleicht den menschenähnlichen Affen) vorkommen, zu den letzteren z. B. die Tsetseparasiten. Für die Beurteilung der Rolle, die die parasitischen Proto- zoen in der Pathologie spielen, ist es von Bedeutung, in welchen Organen oder Geweben sich die Parasiten mit Vorliebe ansiedeln, wie groß ihre Vermehrungsfähigkeit unter dem Einfluß der Abwehr- bestrebungen des infizierten Individuums ist, und endlich inwieweit die Stoffwechselprodukte der Parasiten für den Wirtsorganismus giftig sind. Die Trypanosomen der Schlafkrankheit werden z. B. durch ihre Neigung und. Fähigkeit, sich im Gehirn und seinen Häuten anzusiedeln und zu vermehren, die Ngana-Trypanosomen durch die schrankenlose Vermehrung im Blut, die Piroplasmen und Malaria- parasiten durch die Zerstörung der roten Blutzellen gefährlich; die Kokzidien und Dysenterieamöben schädigen durch ihre gewaltige Ver- mehrung im Darmepithel und in der Leber und die daraus resul- tierende Zerstörung der Gewebe die Funktion REDEN Organe des Wirtes. Haben die Gewebs- und Zellschmarotzer eine große Vermehrungs- fähigkeit, so können sie auch mechanische Reiz- und Druck- wirkungen entfalten und so Reaktionserscheinungen seitens der Organe „oder bestimmter infizierter Zellen auslösen. Diese Reaktionswirkungen sind bei den Protozoen meistens, im Gegensatz zu bakteriellen Infek- tionen, keine entzündlichen, sondern Degenerations-, Einschmelzungs- und Neubildungsvorgänge der Gewebszellen. Toxine sind bisher nur bei den Sarkosporidien nachgewiesen (Draun und Teichmann). Am häufigsten führen zu solchen Schädigungen die eigentlichen Zellschmarotzer, die entweder aktiv, wie z. B. die Malariaparasiten, in bestimmte Zellen eindringen oder aber von den Gewebszellen auf- genommen werden, wie es für die Protozoen der Gruppe Leishmania angenommen wird. Manche Zellschmarotzer, z.B. die Gregarinen, haften mit dem größeren Teil ihres Leibes auch häufig nur der Oberfläche der Wirtszelle an, dringen nur mit einem Teil ihres Körpers, z. B. Aus- läufern, in die Zelle und ernähren sich durch diese von den Zellen. Die in und an Zellen schmarotzenden Parasiten passen sich in ihrer Form weitgehend an die Wirtszelle an, wie umgekehrt die letztere durch den Parasiten Formveränderungen erleidet (Form und Größe der Blutzellen bei Tertianainfektion, Lage des Kernes bei Sporozoen-, Kokzidien- und Gregarineninfektion). Als Beispiel für die durch Zellschmarotzer hervorgerufenen Zellveränderungen können die nach Infektion mit Caryolysus lacertae an den Blutkörperchen der Eidechse gefundenen gelten. Der Kern wird verlagert und bis auf das drei- und vierfache vergrößert und zerfällt in mehrere Teile; die Zelle ist gleichfalls vergrößert und zeigt eine starke Anhäufung von verdicktem gg um den Parasiten. Art der pathogenen Wirkung. Anpassungs- vermögen. 968 51. Vorlesung. Nicht alle Klassen der Prötozoen liefern Vertreter für die drei obengenannten Kategorien der Kommensalen, Symbionten und echten Parasiten. Dagegen gibt es keine Metazoenklasse, bei der nicht die eine oder die andere Protozoenart parasitär vorkäme. Bei ihrem Parasitismus lehnen sich die Protozoen, namentlich die echten Parasiten, die sich fast stets auch unter Erzeugung von patho- logischen Veränderungen im Wirtsorganismus vermehren, abgesehen von ihrer Form, in ihren Funktionen in weitgehender Weise an die Organe und Zellen des Wirtsorganismus an. Das ist für die Pathologie sehr wichtig. Eine dieser Anpassungserscheinungen ist das Phänomen der Enzystierung vieler Arten, die eintritt, sobald sie in Gefahr geraten, unter dem Einfluß der Körpersäfte oder Körpersekrete (z. B. im Darm von. Tieren) ver- er | B nichtet zu werden. Die Enzy- ge Fig. 131. stierung, zu deren Verständ- nis Fig.131 dienen kann, geht oft mit der Einleitung von Vermehrungsvorgängen im Zellinnern einher, wobei sich in den Zysten Sporozoiten bilden. Diese haben eine ge- wisse Ahnlichkeit mit den Bakteriensporen insofern, als sie meist auch widerstands- fähigere, der Arterhaltung dienende Formen sind. Nach der Auflösung der Zysten, die z. B. im Darmkanal oder in den Lymphsäften von geeig- neten Tierarten stattfindet, _ werden die Sporozoiten frei und. können nun den Ent- wicklungskreislauf von neuem Monoeystis. ajunge Zyste mit zwei Individuen; bzwei beginnen. NN veneinannen Bee Aber auch die saprozoi- (Nach ‚Osieniot.) schen Protozoen können sich an Se den Aufenthalt in Wirtstieren, namentlich in deren Darminhalt, anpassen, sei es vor- übergehend, sei es dauernd. Eine besondere Bedeutung für die Pathologie hat die An- passung der Protozoen an die Lebensbedingungen der blutsaugenden Insekten und Würmer gewonnen. ‚Denn fast alle im Blut- oder Lymphgefäßsystem der höheren Tiere vorkommenden Protozoen stammen aus dem Darm oder aus den Drüsen des Stech- . und Beißapparates der genannten Blutsauger, die sie beim Stechen oder Beißen in oder auf die Haut der Tiere oder des Menschen bringen. Die Annahme liegt nahe, daß sie sich im Darm der Insekten in gleicher Weise an die Nährstoffe wie an die ; protozoenfeindlichen Stoffe des Blutes, das von den Insekten gesaugt wurde, an- gepaßt haben. Sie gewöhnen sich im Darm des Blutsaugers auch an die osmotische Ernährung durch die Oberfläche und verlieren die Fähigkeit, feste Nahrungsstoffe aufzunehmen. Als Folge des Überflusses an Nahrungsstoffen, die ihnen im Darm und im Blut stets zur Verfügung stehen, tritt bei den Protozoen dieser Gruppe als wichtige Eigenschaft eine starke und. schnell erfolgende Vermehrungsfähigkeit im Blut und in der Lymphbe auf, Da sich Anpassungserscheinungen dieser Art mög- ‚licherweise auch dauernd bei saprozoischen Protozoen vollziehen können, verdienen die letzteren, namentlich die als Darmschmarotzer vorkommenden, die Beachtung der medizinischen Protezoenforscher und der. Pathologen. 3 Morphologische und biologische Merkmale der Protozoen. 969 Pathogene Protozoen lösen im Organismus der Metazoen, die sie befallen haben, vielfach Immunitätsvorgänge aus. Bei manchen Arten ist eine Immunisierung auf keine Weise gelungen. Es genügt andrerseits bei einigen Protozoenarten nur eine ganz leichte Erkrankung Immunität. des Wirtes, um eine Unempfänglichkeit gegen die natürliche und _ künstliche* Infektion hervorzurufen, z.B. bei den Piroplasmosen. Dieser Zustand ist oft durch eine chronische Infektion bedingt, die allerdings zu Exazerbationen führt, sobald den infizierten Körper Schädigungen treffen. Bei anderen Protozoenkrankheiten wird erst nach langem Be- stehen der Infektion eine Immunität beobachtet. Ein Beispiel hierfür bietet die Immunisierung der Neger in endemischen Malariagegenden. Wir wissen durch die Untersuchungen von R.Koch, daß diese Un- empfänglichkeit der Neger gegen die Malariainfektion durch eine chronische Infektion im Kindesalter zustande kommt. Die Protozoen- immunität ist im Gegensatz zur Bakterienimmunität auch viel weniger vollständig. Sie kann durch äußere schädigende Einflüsse, die ein Individuum treffen, zeitweilig oder dauernd verloren gehen (labile Immunität nach Schilling). Eine wahre Immunität von verschieden langer Dauer kann da zustande kommen, wo durch Spontanheilung beim ersten Anfall oder durch Anwendung chemischer Mittel alle Parasiten im Körper abgetötet wurden. Reinfektionen sind, so lange dieser Zustand dauert, dann erfolglos. Meist handelt es sich aber nur’ um , eine vorübergehende Immunität. Im allgemeinen ist bei allen : Protozgeninfektionen die Immunität gegen Neuinfektion eine Folge einer latenten und meist labilen Infektion. Bezüglich der künstlichen Immunisierung muß unser Bestreben - darauf hinausgehen, durch Entdeckung geeigneter Abschwächungs- methoden Vakzinen herzustellen, um mit Hilfe der unschädlichen, weil wenig virulenten Infektionserreger gegen die vollvirulenten anzukämpfen. Bei den Trypanosomenkrankheiten ist dieser Weg bereits mit Erfolg beschritten worden, und es ist anzunehmen, daß bei seiner methodischen Verfolgung noch vieles zu erreichen ist. Vielleicht gelingt es auch, das ‘Serum spontan oder künstlich immunisierter Tiere für die Zwecke der Schutzimpfung und Therapie heranzuziehen. Bei einigen Trypanosomen- - krankheiten sind bereits spezifische Schutzstoffe im Serum im- - - muner Tiere (parasitizide Ambozeptoren) nachgewiesen worden, daneben Präzipitine, agglomerierende Antikörper, in vitro Iytisch wirkende Körper, Opsonine und komplementbindende Stoffe. Wenn wir erst über die Art, wie die Protozoen ihre pathogene Wirkung entfalten, näher orientiert sind, wenn wir erkennen können, ob sie und gegebenenfalls welche Giftstoffe sie abscheiden, und wenn wir über die Gewinnung der letzteren Genaueres wissen, dann wird auch dieses Forschungsgebiet sicher nicht fruchtlos bleiben. Zum Schlusse ist noch mit einigen Worten der Beziehungen der Protozoen zur Zellularpathologie zu gedenken. Ebenso wie durch die Bakterien können auch durch die einzelligen tierischen Lebe- wesen pathologische Prozesse an den Zellen eingeleitet werden. Es kommt zu atypischen Teilungsfiguren, zu pathologisch vermehrter Zell- tätigkeit, zur Bildung von Riesenzellen und zur Nekrose der neu- gebildeten Zellen. Manche Forscher neigen dazu, die Zellveränderungen, wie sie in den echten Geschwulstbildungen beobachtet und ganz all- Protozoen und Zellular- pathologie. 970 51. Vorlesung. gemein als „Einschlüsse“ b6zeichnet werden, für spezifische Produkte einer Protozoeninfektion oder gar für parasitäre Protozoen zu halten. Das ist aber wissenschaftlich nicht ohneweiters zulässig, denn bevor die Protozoennatur dieser fraglichen Zelleinschlüsse anerkannt wird, müßte zuvor der Entwicklungskreislauf aufgedeckt, mindestens aber die Zellnatur der Gebilde mit Sicherheit festgestellt sein. Andrerseits muß aber erwiesen werden, daß die in den Zellen der Geschwülste vorkommenden Körper nicht Degenerationserscheinungen sind, die vielleicht unter dem Einfluß der noch unbekannten Erreger entstanden sind. Die als Protozoen gedeuteten Einschlüsse in Krebszellen und in den zelligen Wucherungen des Molluscum contagiosum, die Vakzine- körperchen in der Hornhaut der mit Pockenvirus infizierten Kaninchen sind vielleicht nichts weiter als durch noch unbekannte Erreger bedingte “spezifische Degenerations- oder Ausfällungserscheinungen der Zellen. Wenn man die Protozoen als niedrigste Formen von Lebewesen bezeichnet, verknüpft man, worauf mit Nachdruck v. Wasielewski hinweist,. mit dieser Auffassung häufig die irrige Vorstellung, als ob die Protozoen keine Entwicklungsreihe, ähnlich derjenigen der Meta- zoen bis zu dem Zustand, in dem wir sie jetzt finden, hinter sich hätten. Man sollte auf Seiten der medizinischen Biologen mehr, als dies bisher geschieht, die Gedankenreihen berücksichtigen, denen v. Wasie- lewski in so prägnanter Weise Ausdruck gegeben hat: „Man glaubt in ihnen die niedrigsten Lebensformen vor sich zu haben und bezeichnet sie als Urwesen, weil man annimmt, daß sie den Urformen des Lebens am ähnlichsten geblieben sind. Dabei wird in der Regel nicht berücksichtigt, daß sie von letzteren durch ebensolange Entwicklungsreihen entfernt sein können, wie die höchstentwickelten Tiere. Denn genau so lange Zeit, wie der Zellenstaat der Vielzelligen bis zu seiner heute erreichten Vollendung gebraucht hat, um die Ver- richtung seiner zahlreichen Zellen und Gewebe zu vervollkommnen, haben auf der anderen Seite die Protisten hinter sich, um alle Fähigkeiten organischen Lebens auf kleinstem Raume zu vereinigen und Kraftleistungen zu ermöglichen, die den Leistungen der höchstentwickelten Vielzelligen ebenbürtig sind. Die Betätigung der Protisten als Gesteinsbildner, in der Gärungsindustrie und als Seuchenerreger findet kaum ihresgleichen in den Umwälzungen, welche auf der Erde durch vielzellige lebende Wesen hervorgebracht sind oder werden.“ en Von Doflein und v. Prowazek ist ein System der Protozoen auf- “ gestellt worden, das auf der Einteilung der Urtierchen von Bütschli. in Sarkodina, Sporozoa, Mastigophora und Infusorien fußt und sicher noch nicht ein endgültiges ist, weil die noch in der Entwicklung be- griffene Forschung ständig neue Tatsachen zutage fördert oder eine andere Systematik verlangt. Für den jetzigen Stand der Wissenschaft aber ist dieses System, in dem Doflein die Unterstämme der Plasmo- dromen und Ziliophoren abgrenzte, immerhin sehr brauchbar und zur raschen Orientierung geeignet. _ Stamm: Protozoa. I. Unterstamm: Plasmodroma. Protozoen mit Pseudopodien oder Geißeln als Fortbewegungsorganen, einem oder mehreren bläschen- förmigen Kernen, iso- oder anisogamer Befruchtung und einem meist dizyklischen Entwicklungskreis, in dem geschlechtliche Generationen mit-ungeschlechtlichen abwechseln (Doflein). : as Morphologische und biologische Merkmale der Protozoen. 971 I. Klasse: Mastigophora. Bewegung durch Geißeln. I. Unterklasse: Phytomastigina. II. Unterklasse: Zoomastigina. 1. DERUUNg: Chrysomonadina. . 1. Ordnung: Protomonadina. 2. = . Cryptomonadina. 2. x Polymastigina. 3. F Dinoflagellata. 3. ii Hypermastigina. 4. = Euglenoidina. 4. _„.... Distomatina. 5; e . Chloromonadina. = FE Cystoflagellata. 6. # Phytomonadina. II. Klasse: Rhizopoda. Bewegung durch Pseudopodien. 1. Ordnung: Amoebina. — 2. „ . . Rhizomastigina. 3. = Heliozoa. 4. ie Radiolaria. 5. ® Foraminifera. 6. 5 Myzetozoa. III. Klasse; Sporozoa. Bewegung verschiedenartig. Ver- mehrung durch zahlreiche Fortpflanzungskörper (Sporen). ck Unterklasse: Telosporidia. 1. Ordnung: Coceidiomorpha. I. Unterordnung: Coceidia. ll. 2 Haemosporidia. 2. Ordnung: Gregarinida. I. Unterordnung: Eugregarinaria. II. = Schizogregarinaria. II. Unterklasse: Neosporidia. 1. Ordnung: Cnidosporidia. 1. Unterordnung: Myxosporidia. 1. = Mikrosporidia. IH. ” Aktinomyxidia. = 2: Ordnung: Sarcosporidia. 3. Haplosporidia. » I. Unterstamm: Ciliophora. Protozoen mit zahlreichen Zilien als Bewegungsorganen , mit einem oder mehreren dicht gebauten Haupt- ‚kernen und einem oder vielen bläschenförmigen Nebenkernen (aber selten zahlreichen der letzteren Art allein) versehen. Befruchtung durch anisogame Verschmelzung oder durch Austausch von Kernsubstanzen ohne Verschmelzung der Zelleiber. Vermehrung nur durch einfache Teilung oder Knospung: die Befruchtung bedingt keine - besondere _ Fortpflanzungsform (Doflin). 972 51. Vorlesung. 1. Klasse: Ciliata. Zilien während des ganzen Lebens vor- handen; Nahrungsaufnahme durch Osmose oder durch Zytostomie. ke Ordnung: Holotricha. 2. 2 Heterotricha. 3. »„ ... . Oligotricha. 4. » .. .. Hypotricha. 5; s Peritricha. II. Klasse: Suetoria. Zilien nur in den Jugendstadien vor- handen. Nahrungsaufnahme durch röhrenartige Organellen. Hartmann teilt die Protozoen in folgende 6 Klassen ein: 1. Sarkodina. — 2. Cnidosporidia.. — 3. Mastigophora. — 4. Tricho- nymphidae. — 5. Telosporidia, — 6. Infusoria. £ Da die Bewegungsorgane und die durch sie bedingte Art der Ortsbewegung die sinnfälligsten Differenzierungsmittel sind, ist. es für denjenigen, der sich z. B. als Arzt nicht wie der zoologische Fachmann alle Einzelheiten der Protistenkunde aneignen kann, am leichtesten, das von v. Wasielewski. aufgestellte Schema als Grundlage des Gliederungs- DEUUDEE zu benutzen: Ortsveränderung erfolgt Klasse Beispiel dureh 1—6—8 Geißen . ... .. Mastigophora Trypanosomen Reichs (Geißelträger) - „..Scheinfüße . . . .° . 2... Rhizopoda (Sar- - Amöben ; 7 kodetierchen) ie „.. . Zellmuskeln (ohne freie Fort- TERRA NE Sporozoen (Sporen- Gregarinen tierchen) 5 » . zahllose Wimpern... ... || Ciliata (Wimper- Balantidium tierchen) > * * In den ‚folgenden Vorlesungen werden die für die menschliche: 4 und tierische Pathologie wichtigsten pathogenen Protozoen besprochen werden: Dysenterieamöben, Trypanosomen, Kokzidien, Malariaparasiten, Piroplasmen usw., die sich auf alle Klassen mit Ausnahme der Suctoria_ 4 verteilen. Für letztere ist eine Bedeutung für die Pathologie bisher nicht nachgewiesen. Literatur: Doflein, Lehrbuch der Protozoenkunde. 4. Aufl., Jena, G. Fischer, 1916. Doflein und Köhler, Überblick über den Stamm der Protozoen. Kolle- Wassermanns q Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. 2. Aufl., Bd. 7, 1913. Kisskalt und Hartmann, Praktikum der Bakteriologie und Protozoenkunde. 2. Teil: Protozoologie. 4. Aufl., Jena, G. Fischer, 1921. Morphologische und biologische Merkmale der Protozoen. 973 ® Prowazek, Handbuch der pathogenen Protozoen. Leipzig, 7. A. Barth, 1911. — _ Taschenbuch der mikroskopischen Technik der Protistenuntersuchung. 3. Aufl., herausgegeben von Jollos, Leipzig, J. A. Barth, 1922. i Braun, Naturgeschichte der tierischen Parasiten des Menschen. 5. Aufl., Würzburg, ce. "Kabitzsch, 1915. Caikins, The Protozoa. Columb. Univ. Biolog. Soe., 1901. R. Hertwig, Die Protozoen und die Zelltheorie. Arch. f. Protistenkunde, Bd. 1, 1902. & Leuckart, Die Parasiten des Menschen. 1879—18%. ’Schaudinn, Studien über krankheitserregende Protozoen. Plasmodium vivax usw. Arb. aus d. Kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. 19, 1902. — Untersuchungen über die Fortpflanzung einiger Rhizopoden. Ebenda, Ba. 19, 1903. — Neuere Forschungen über is Befruchtung der Protozoen. Verh. d. Deutschen zool. Gesellsch., Breslau 1905. — Untersuchungen über den Generationswechsel der Kokzidien. Zool. Jahrb., Bd. 13. — Über Kernteilung bei Amoeba crystalligera. Sitzungsber. der Kgl. preuß. Akad. d. Wissenschaften, 189. v. Wasielewski. Sporozoenkunde. Jena, G. Fischer, 1896. — Studien und Mikrophoto- gramme zur Kenntnis der pathogenen Protozoen. Heft 1: Kokzidien; Heft 2: Blut- schmarotzer. Leipzig, J. A. Barth, 1904 u. 1908. Schilling, Immunität bei Protozoeninfektionen. Handbuch der pathogenen Mikro- organismen. 2. Aufl., Bd. 7, 1913. \ Hartmann und Schilling, Die pathogenen Protozoen und die durch sie verursachten Krankheiten. Berlin, J. Springer, 1917. Xolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 63 Geschicht- liehes. « 52. VORLESUNG. Amöbendysenterie. Die Dysenterie wird bereits in den’ Schriften des Sanskrits und in den Werken der alten Ärzte vor und nach Christus erwähnt. Wenn aus diesen Beschreibungen auch nicht mehr mit Sicherheit entschieden werden kann, ob es sich damals um bazilläre Ruhr oder um Amöbendysenterie gehandelt hat, so ist es doch höchst- ‘ wahrscheinlich, daß die vorwiegend in den Tropen und Subtropen verbreitete, durch Klinische‘ Er- scheinungen. Amöben verursachte Ruhr auch in jenen. weit zurückliegenden Zeiten schon in den Ländern geherrscht hat, in denen sie auch heute noch vorkommt. Bei dieser Form der Ruhr hat man lange vergeblich nach den Erregern gesucht. Über Amöben- befunde in den Dejekten gesunder und darmkranker Menschen hatten namentlich Lewis und Cunningham iu den Jahren 1870 und 1871 aus Indien und Lösch be- richtet. Lösch kam in gleicher Weise wie Grassi zu dem Schlusse, daß die im Kolon vorkommenden Amöben, die er als Amoeba coli Lösch bezeichnete, mit den Erkran- kungen des Diekdarms nichts zu tun hätten. Erst durch die Untersuchungen von R. Koch und S. Kartulis wurde die ätiologische Bedeutung einer bestimmten Amöbenart- für die Dysenterie bewiesen. Amöben waren zwar schon vorher von verschiedenen Forschern in dysenterischen Geschwüren aufgefunden worden, aber ihre Beziehungen zu dem Krankheitsprozeß waren nicht völlig geklärt. Kartulis untersuchte bei einer großen Anzahl von Ruhrkranken die Entleerungen und fand fast regelmäßig in mehr oder minder großen Mengen eine wohlcharakterisierte Amöbe, — die Ruhr- amöbe. Auch in Schnitten (Fig. 132) gelang ihm wiederholt ihr Nachweis in der Tiefe des. Gewebes, ebenso in Leberabszessen. Die späteren Forschungen von Schaudinn, Viereck, Nocht, M. Hartmann u.a. haben dann dieses Gebiet weiter erschlossen. Die ätiologische Bedeutung der Amöben für die Dysenterie wurde in der Folgezeit allerdings verschiedentlich angezweifelt. So bestritten sie z. B. Grassi und andere italienische Forscher, weil sie diese Protozoen in den Dejekten des kranken Menschen oder in den Darmgeschwüren bei Ruhrleichen mikroskopisch oder in Schnitten häufig nicht nachweisen konnten, andrerseits aber auch im Darme ge- sunder Menschen °Amöben fanden, die damals von den bei Dysenterie festgestellten nicht unterschieden werden konnten. Wir wissen jetzt, daß diese negativen Befunde keineswegs gegen die pathogene Bedeutung der Ruhramöben sprechen, denn es ist: ja durch die bakteriologischen Forschungen erwiesen, daß es außer der Amöben- dysenterie noch eine zweite Form der Ruhr gibt, die bazilläre oder epidemische Dysenterie, die bereits in Vorlesung 20 ausführlicher besprochen wurde. Wenn wir zunächst das klinische Bild der Amöbenruhr kurz betrachten, so haben wir es mit einer anfangs fieberlos verlaufenden Krankheit zu tun, die nach wechselnder Inkubationszeit meistens zu- nächst akut unter kolikartigen Schmerzen und mit ausgesprochenem Tenesmus einsetzt, Erscheinungen, wie sie bei fast allen katarrhali- schen Entzündungen der Dickdarmschleimhaut zu bestehen pflegen. Es stellen sich diarrhoische Entleerungen ein, die in typischen Fällen ein himbeergeleeartiges Aussehen haben und starke Beimengungen ©: # ,dossis»& Sur 3110 Amöbendysenterie. | 975 | von Blut und Schleim zeigen.-. Das Allgemeinbefinden der Kranken ist zunächst wenig gestört. Wenn keine entsprechende Behandlung erfolgt, macht der Krankheitsprozeß rasche Fortschritte und führt zur 'Geschwürsbildung in der Schleimhaut des Dickdarmes. Der ganze Leib ist druckempfindlich, und es stellt sich häufig Erbrechen ein. Die Stühle nehmen eine blutig-fäkulente Beschaffenheit an und riechen aashaft, die Schleimhaut des Dickdarmes wird in Fetzen abgestoßen. In diesem Stadium der Krankheit besteht nicht selten mäßiges Fieber. Viele akute Ruhrfälle kommen bei geeigneter Behandlung in 1—2 Wochen zur Genesung, bei einem großen Prozentsatz der Fälle aber schließt sich an das akute Stadium eine chronische Erkrankung an. Diese Fig. 132. Ruhramöben in den Drüsenschläuchen der Darmwand. (Nach Kartulis). sich oft über viele Jahre hinziehenden, mit Rezidiven und Latenz- perioden abwechselnd einhergehenden chronischen Erkrankungen bilden eine ernste Gefahr für die Kranken selbst und als ständige Infektions- quellen auch für deren Umgebung. Der Ernährungszustand der Patienten nimmt rasch ab, sodaß ein Zustand der Inanition und Erschöpfung ent-- - steht, in dem meist durch Herzschwäche oder Komplikationen der;Tod eintritt. Die gefährlichste und häufigste Komplikation der Amöben- ruhr ist der Leberabszeß. Die Dysenterieamöben. werden von den Geschwüren der Schleimhaut auf dem Wege der Lymphbahnen in die Leher verschleppt und erzeugen dort nekrotische Herde. Es kommt zur . Einschmelzung des Lebergewebes, sodaß eine Abszeßhöhle entsteht. Die 63* Obduklions- befunde. Ätiologie. 976. 52. Vorlesung. operative Entleerung des Eiters vermag nur selten den tödlichen Aus- gang des Grundleidens zu verhüten. Die Amöben können auch in das Gehirn, die Lunge und andere Organe verschleppt werden und daselbst zur Entstehung von Abszessen führen. Als Nachkrankheit entwickelt sich häufig eine Peritonitis, die durch Perforation zustande kommt und in der Regel zum Tode führt. Eine Komplikation der tropischen Dysenterie bilden ferner oft Entzündungen des Wurmfortsatzes, der. Gelenke und Sehnenscheiden. Eine Folge der schweren, durch die Darmerkrankung bedingten Ernährungsstörungen und Auto- intoxikationen sind wahrscheinlich die nicht selten nach BER beobachtete Myelitis und Neuritis. Die Sektionsergebnisse lassen erkennen, daß die tropische Ruhr vor allen Dingen eine Erkrankung der Dickdarmschleimhaut ist. Die. Prädilektionsstellen für den Sitz der dysenterischen Veränderungen sind das Coecum und die Flexura sigmoidea. Ebenso oft ist aber auch die ganze Diekdarmschleimhaut krankhaft verändert. In den ersten Stadien des Krankheitsprozesses besteht eine hämorrhagisch-katarrhalische Entzündung und Schwellung der Solitärfollikel mit ödematöser Durch- tränkung der Schleimhaut. Die pathologischen Veränderungen am Darm entsprechen dem Sitz und der Verbreitung der Amöben, die durch die Epithelschichten der Schleimhaut, namentlich in den Drüsen, durch- wandern und sich im submukösen Bindegewebe ansiedeln. Dort ver- mehren sie sich und führen zur Nekrose und Einschmelzung des (Gewebes. So entstehen die Geschwüre. Je länger die Dysenterie besteht, desto stärker wird die Verdickung der Schleimhaut und desto tiefer ‚greifen die Geschwüre. Die Ulzera zeigen alle Übergänge von leichtesten Erosionen bis zu tiefgehenden und ausgebreiteten Substanz- verlusten von serpiginösem Charakter. Ihre Ränder sind unterminiert. Neben der durch die Ansiedlung der Amöben hervorgerufenen Gewebs- einschmelzung sind Infiltrationen, fibrinöse Exsudation ‘und Hämor- rhagien der Schleimhaut für die Tropenruhr charakteristisch. Wenn der Krankheitsprozeß chronisch geworden ist, pflegt auch eine Hypertrophie der Muscularis mucosae vorhanden zu sein. Auch Verwachsungen der Serosa mit benachbarten Organen werden dann vielfach gefunden. Die Abszesse in der Leber bleiben entweder vereinzelt oder treten multipel auf und stehen dann häufig miteinander in Verbindung. Die Erreger der tropischen Ruhr sind Amöben, d. h. Protozoen aus der Klasse der Rhizopoden. Der Name „Amöbe“ stammt von der Eigenschaft dieser einzelligen Mikroorganismen, ihre Gestalt zu ver- ändern. Zur Fortbewegung und Herbeischaffung von Nährmaterial strecken sie bekanntlich gröbere und feinere Fortsätze, sogenannte Pseudo- podien, aus. Es gibt saprophytische Amöben, die in Wasser, in faulen- den Flüssigkeiten usw. leben, und parasitische Amöben. Zu den letzteren gehören die pathogenen. Die Leibessubstanz der Amöben besteht aus einem Kern und dem Plasma; letzteres zeigt vielfach, jedoch nicht _ regelmäßig eine innere dunklere Schicht, das Entoplasma, und eine äußere hellere Schicht, das Ektoplasma. Das Entoplasma ist gekörnt und enthält den Kern mit Kernkörperchen; das Ektoplasma ist homogen und glasartig. Amöbendysenterie. EL 977 Hartmann charakterisiert die Ordnung Amoebinae, zu denen die pathogenen Amöben gehören, mit folgenden prägnanten Worten: „Die Ordnung Amoebinae umfaßt Protozoen, die während des ganzen Lebens stark wechselnde Gestalt aufweisen und sich durch sogenannte Pseudo- podien bewegen. Diese Eigentümlichkeiten sind bedingt durch das . Fehlen innerer Skelettelemente und die nackte Oberfläche. Eine Differen- zierung in Ekto- und Entoplasma sowie kontraktile Vakuolen sind nicht bei allen Formen vorhanden. Kerne, meist echte Karyosomenkerne, finden sich in der Ein- oder Mehrzahl. Die Fortpflanzung geschieht durch Zwei- oder Mehrteilung. Von Befruchtungsvorgängen ist sowohl Hologamie wie Merogamie und Autogamie nachgewiesen.“ Man war geneigt, auf Grund der Untersuchungen von Xocht, Viereck, Hartmann u. a. anzunehmen, daß Tropenruhr durch mehrere Amöbenarten hervorgerufen werden könne. In Asien wurde als Erreger die Entamoeba histolytica Schaudinn, in Afrika und Amerika in der BE Regel die Entamoeba tetragena ne ua s. africana nachgewiesen. Aber durch ist es so gut wie sicher bewiesen, daß es sich hier nur um Spielarten der gleichen Amöbe handelt. S Die Dysenterieamöbe (Taf. 76, Fig. 1), von Schaudinn Amoeba hi- stolytica genannt, hat im Ruhe- zustand eine runde Gestalt. Ihr Durch- messer beträgt 20—30 p, der des Kernes 5—6 u. Das Entoplasma ist feinkörnig und enthält meist die auf- genommenen Nahrungsstoffe, Bakte- rien, Blutzellen und feine Pflanzen- Entamoeba tetragena. fasern. Eigentliche, mit Pulsation aus- Gewöhnliche vegetative Form in fixiert ä & und gefärbtem Präparat. gestattete Vakuolen fehlen, jedoch sind eigenartige, rundliche Gebilde in den Amöben zu sehen, die von manchen Autoren für Vakuolen gehalten -werden. Die Beweglichkeit der Entamoeba histolytica ist sehr lebhaft. Im hängenden Tropfen, der bei Blutwärme gehalten wird, läßt sich leicht verfolgen, wie die Gestaltsveränderungen in rascher Folge vor sich gehen. Innerhalb einer Minute durchqueren diese Protozoen, indem sie dahinzufließen scheinen, das Gesichtsfeld. In Taf.76, Fig. 2 ist in Anlehnung an eine Zeichnung von Jürgens versucht worden, die durch die Pseudopodienbildung bedingten Gestaltsveränderungen, die sich in wenigen Sekunden abspielen, festzuhalten. Sobald die Amöbe abzusterben - beginnt, nimmt sie eine rundliche Gestalt an. Hartmann hat die von Viereck als Zyste zuerst beschriebene Entamoeba tetragena (Fig. 133) näher studiert, ihren Entwicklungskreislauf aufgedeckt und - ist dabei zu der Überzeugung gelangt, daß die Amoeba histolytica mit der tetragena identisch ist. Es soll nach diesem Autor die Amoeba histolytica ebenso wie die in Japan gefundene Amoeba nipponica und die Amoeba tropicalis nur eine Varietät der als Dysenterieerreger weitverbreiteten Amoeba tetragena sein. Was als Ergebnis der Forschung von Hartmann für die Entamoeba tetragena hier ' mitgeteilt wird, gilt daher auch für die Amoeba histolytica. die Untersuchungen von M. Hartmann Die Ruhr- amöben. 918: , ‚52. Vorlesung, Im Entoplasma liegt als kugeliges Bläschen der Kern, der in einem mit Chromatinkörperchen ausgestatteten wabigen Liningerüst ein osom enthält. In dem Karyosoma ist durch bestimmte Färbeverfahren ein Zentralkorn (Zentriol) nachweisbar. Im Inneren des Entoplasmas finden sich fast regelmäßig rote Blut- körperchen, selten Bakterien, im Gegensatz zur Entamoeba coli. Die Fortpflanzung geschieht durch Zweiteilung, wobei Fig. 134. der in Mitose befindliche Kern stark in die Länge gezogen wird. Die in den Ent- leerungen Ruhrkranker häufig gefunde- nen, von den typischen Individuen ab- weichenden Formen hält Hartmann für Fig. 135. Degenerationsformen von Entamoeba tetra- Degenerationsform von Entamoeba tetra- gena. Vergr. etwa 1950fach. (Nach unpubli- gena mit großem Karyosom und aufgelöstem zierten Zeichnungen von Ornstein). Außenkern. Vergr. etwa 1950fach. (Nach Hartmann.) Degenerationsformen, für die er zwei Typen angibt (Fig. 134 u. 135). Bei dem ersten Typus bläht sich der Kern und zerfällt schließlich in Chromatinklümpchen, bei dem zweiten verkleinert sich der Kern durch Verlust des Außenkernes. Die Zystenbildung der Amöben (Fig. 136) erfolgt meist während der Heilung der Krankheit reichlicher als in den vorhergehenden Stadien. Die für die Fig. 136. Fig: 137. Zystenbildung von Entamoeba tetra- gena. 'Vierkernige Zyste ohne Chromi- Chromidienbildung bei Entamoeba dialkörper. Vergr. etwa 1950fach. (Nach tetragena. Vergr. etwa 1950 fach. Hartmann.) (Nach Hartmann.) pathogenen Entamöben charakteristische Bildung von Chromidien (Fig. 137) aus dem Kern, der dabei seine normale runde Gestalt verliert und Ausbuchtungen zeigt, geht der Zystenbildung voraus. Vor der Bildung der Zystenmembran verschwinden alle Nahrungsreste aus der Amöbe, die Kugelgestalt annimmt. Nun setzt die Teilung der Kerne mit Spindel- und Zentriolenbildung wie bei den vegetativen Formen ein, der Chromidialkörper verschwindet, und die beiden Kerne bleiben in Ruhe, um sich nach einiger Zeit nochmals zu teilen, sodaß 4 Kerne entstehen. Wo im Laufe der Entwicklung die Befruchtung bei der Amoeba tetragena stattfindet, ist noch “ unbekannt. RR, u Amöbendysenterie. 979 Die Dysenterieamöben können mit ashoihyterien und parasitischen Amöben verwechselt werden. Die ersteren werden bei diagnostischen Untersuchungen zu Zweifeln seltener Veranlassung geben, wohl aber ‚einige der parasitischen, nicht pathogenen Arten, die beim Menschen vorkommen. Während die Entamoeba buccalis, die mitunter in hohlen - Zähnen angetroffen wird, und die Entamoeba maxillaris s. Kartulisi, . die gelegentlich bei Eiterungsprozessen im Unterkiefer gefunden ist, schon des Fundortes wegen seltener zu Irrtümern führen, ist die Kenntnis der Entamoeba coli Loesch wegen ihres Vorkommens im Darm und ihrer Ähnlichkeit mit der ke für die Differentialdiagnose von größter Bedeutung. Die Unterschiede der Entamoeba coli Loesch (Taf. 77, Fig. 1) ‘und der Entamoeba histolytica sind verhältnismäßig gering. Für die Unterscheidung ist von Wichtigkeit, daß die Entamoeba coli selbst bei reichlichem Blutgehalt des Stuhles Pig. | niemals Blutkörperchen ent- hält oder höchstens ganz aus- nahmsweise und dann nur ver- einzelte (Schiff). Ihr Kern ist nach M. Mayer chromatinreicher (ununterbrochener kreisförmiger Chromatinring) als der der Ruhr- ..amöbe (gezackter Kreis), ‚ihre Pseudopodien sind weniger zähe. Ektoplasma und Entoplasma er- scheinen im Ruhestande bei ihr nicht different; nur bei der Be- wegung läßt sich das körnige Ento- plasma von dem hyalinen, in die Pseudopodien ausfließenden Ekto- Eimeemkelökläng Bi ERtamneba. coli plasma abgrenzen. Ein wichtiges Loesch. ernige v - . etw 5 = 1850fach. ergu etwa Artkennzeichen für die Entamoeba RER NEE TERROR.) eoli ist ferner die Enzystierung. Es entsteht auf der Oberfläche eine gallertartige Schicht, aus der sich, nachdem eine Kernteilung stattgefunden hat, eine derbe Hülle bildet. Diese Zysten unter- scheiden sich von denen der Dysenterieamöbe in charakteristischer Weise durch ihre größeren Dimensionen und durch ihre auch am lebenden Objekt gut erkennbaren 8, zuweilen 16 Kerne (Fig. 138). Bei der vegetativen Vermehrung der Entamoeba coli werden neben der einfachen Zweiteilung nach Schaudinns Untersuchungen gleichfalls 8 Kerne gebildet, um die sich 8 kleine Amöben gruppieren, die nach Zerfall des Mutterindividuums sich nach allen Seiten verteilen _ (Taf. 77, Fig. 2). Die Entamoeba coli findet sich nach Schaudinn als harmloser Kommensale bei einem großen Prozentsatz von Menschen, z. B. in Ostpreußen bei 50°/, und in Berlin bei 20°/, der Untersuchten. Sie bewohnt den oberen Teil des Diekdarmes, erscheint meist in enzystierter Form im Stuhle und vermehrt sich im Darm durch Schizogonie und einfache amitotische Teilung. Differen- zierung von der Enta- moeba coli. Dauer- . . formen, Künstliche Züchtung. Tier- pathogenität. 980 52. Vorlesung. Die Dysenterieamöbe bildet die Dauerformen (Zysten) dann, wenn die Lebensbedingungen für sie ungünstiger werden. Das scheint vor allen Dingen der Fall zu sein, wenn der dysenterische Prozeß beim Menschen in Heilung übergeht. Es entstehen zunächst Veränderungen, die Schaudinn folgendermaßen beschreibt: „Der Kern liegt ganz peripher, ist sehr verkleinert. und meist in Gestalt einer platten Scheibe an der - Grenze des Entoplasma zu finden. Oft wird er unter den Augen des Beobachters ganz ausgestoßen, indem sich ein Plasmabuckel mit ihm hervorwölbt und abschnürt. Die peripheren, ektoplasmatischen Teile des Plasma, die zuerst ganz homogen sind, nehmen an verschiedenen Stellen unter Buckelbildung eine parallel zur Oberfläche verlaufende feinfaserige Struktur an. Es wölben sich allmählich in 2 bis 3 Stunden, oft unter heftigen Strömungserscheinungen, im Innern des Plasma immer mehr solcher kleiner Buckel hervor, sie heben sich mehr über die Oberfläche in schönen, schließlich konzentrisch-faserig strukturierten Kugeln von 3—7 p. Durchmesser ab. Bald scheiden diese Kugeln, ohne ihre Struktur zu verändern, auf ihrer Oberfläche eine anfangs farblose, doppelt konturierte Membran ab. In einigen Stunden nimmt diese aber eine hell bräunlichgelbe Färbung und starkes Lichtbrechungsvermögen an ; man kann nun im Innern der Kugel keinerlei Struktur mehr erkennen. Der Rest der Amöbe geht allmählich zugrunde.“ Diese Dauerzysten eignen sich besonders zur Infektion der Katze und des Menschen (Kartulis, Walker). Im alkalischen Darmsafte werden die Zystenwände aufgelöst oder quellen auf, sodaß die im Magen vor der Verdauung geschützten Amöben aus den. Zystenwänden ausschlüpfen und in das Epithel ein- . dringen können. In neuerer Zeit wollen einige Untersucher die Entamoeba histo- Iytica außerhalb des menschlichen Darms, z. B. im Kondenswasser von Agarröhrchen, gezüchtet haben, also in gleicher Weise, wie man bereits früher von ‘den Stroh- und Erdamöben Kulturen gewonnen hatte. Diese: Angaben bedürfen indessen noch der Bestätigung. Es . gelingt jedenfalls nicht, von Amöben Reinkulturen in dem Sinne herzustellen, wie man Bakterienkulturen rein züchtet, denn alle Amöbenkulturen sind von Bakterien nicht zu befreien, weil die Bak- terien im Innern’ der Zellen enthalten sind und von diesen als Nähr- mittel gebraucht werden. Bezüglich der Tierpathogenität ist zunächst zu betonen, daß Amöbendysenterie als spontane Tierkrankheit nicht beobachtet wird. Wohl aber läßt sich bei einigen Tierarten, und zwar bei Hunden und vor allen Dingen bei jungen Katzen experimentell eine Infektion der Dickdarmschleimhaut mit Dysenterieamöben herbeiführen. Bei jungen Katzen kann man sowohl durch Verfütterung mit zystenhaltigem Material als auch durch hohe Klysmata von Milch oder Wasser, in denen vegetative oder enzystierte Formen suspendiert waren, nach 5—6tägiger Inkubation einen zum Tode führenden Krankheitsprozeß des Dickdarms mit Ansiedlung der Amöben in der Schleimhaut und daraus folgender Geschwürsbildung, Entzündung und Verdickung der Darmwand erzeugen. In Schnitten sind die Amöben zwischen den Epithel- zellen, in der Tiefe der Geschwüre und in der Submukosa nachzuweisen. Während des Lebens äußert sich die Dysenterie der jungen Katzen durch. blutigschleimige Durchfälle; die Tiere verweigern die Nahrungs- " Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 76. Fig. 1. Entamoeba histolytica, im hängenden Tropfen gesehen. ‚ ——Nach Jürgens. Fig. 2, Verschiedene Formen ein und derselben, in ihren Bewegungen verfolgten Ruhramöbe. Nach „Jürgens. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. olle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. | | Tafel 77. Fig. 1. Amoeba coli. Fig. 2. Entwicklungskreislauf der Amoeba coli. Nach Harlmann. 1—5 Schizogonie der vegetativen Formen. 3 und 4 Kernvermehrung durch multiple Kernteilung. 5 Zer- fallteilung. 3a Zweiteilung der vegetativen Formen. 6—12 Autogamie innerhalb der Zyste. 7 erste Kern- teilung. 8 darauf folgende unvollständige Zellteiluong und Chromidienbildung. 9 Bildung der Gameten- kerne aus den Geschl 'h idien. 10-Bildung je zweier Reduktionskerne. 1/ Teilung der reduzierten Gametenkerne im Wanderkern (männl.) und stationären Kern (weibl.). 12 die beiden Synkarien nach Ver- schmelzung der beiden Wander- und stationären Kerne. 13 und 14 Sporogonie innerhalb der Zyste. 13 Zyste mit 8 Kernen, die durch fortgesetzte Mitose aus den 2 Synkarien hervorgegangen sind. 14 Platzen der Zyste und Freiwerden der 8jungen, durch Sporogonie entstandenen Amöben im Darm eines neuen Wirtes. 1 Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Amöbendysenterie. | 981 aufnahme und gehen schließlich an Entkräftung zugrunde. Wichtig ist, daß auch bei den experimentell infizierten Katzen von Marchoux Leberabszesse mit Amöben beobachtet worden sind. Auch M. Mayer sah bei 126 Katzeninfektionen 4mal Leberabszesse auftreten, die außer lebenden Amöben auch Zysten enthielten. : ‚Eine sichere Diagnose der Amöbendysenterie ist nur durch die mikrobiologische Untersuchung möglich. Da mitunter beide Formen der Ruhr bei demselben Menschen vorkommen, darf man sich auch bei - positivem Amöbenbefund- nicht mit der mikroskopischen Unter- - suchung allein begnügen, sondern muß die kulturelle Untersuchung der _ Fäzes zum Nachweise etwaiger Ruhrbakterien stets als Ergänzung heranziehen; ebenso muß man auch in Gegenden, wo Amöbendysenterie häufiger vorkommt, bei positivem Befund von Dysenteriebazillen nach Amöben fahnden. Amöben in blutig-schleimigen Stühlen, besonders wenn sie im Innern Erythrozyten enthalten, sprechen stets für Amöbenruhr. Solche Stühle sind glasig-schleimig und leukozytenarm im Gegensatz zu den zähen, weißlichen Eiterstühlen der akuten Bazillenruhr, die „Reinkulturen“ von Leukozyten darstellen (Willmore und Shearman). | Zum Nachweis der Amöben ist die geeignetste Methode die Untersuchung von Schleim und Eiterflocken aus den frisch entleerten Fäzes im hängenden Tropfen. Die Untersuchung der Stuhlproben muß möglichst bald nach der Entleerung geschehen, weil die Amöben, die sich nur in alkalisch reagierenden Substraten vermehren, in den rasch saure Reaktion annehmenden Fäzes bald zugrunde gehen. Kann man die Dejekte nicht gleich an Ort und Stelle untersuchen, so stellt man am besten hängende Tropfen und Deckglas- präparate zur späteren Untersuchung her. Ein heizbarer Objekttisch ‘ist nicht unbedingt notwendig, weil die Amöben, wie sie in frisch . entleerten Fäzes vorhanden sind, auch bei Zimmertemperatur ihre Beweglichkeit längere Zeit bewahren, namentlich dann, wenn man die Präparate einige Zeit im Brutschrank bei 37°C beläßt. Wenn die . Dejekte noch ziemlich viel Nahrungsreste enthalten, sind sie, mit physiologischer Kechsalzlösung zu verreiben. Um möglichst viele Amöben zu erhalten, empfiehlt es sich, den Patienten Karlsbader Salz zu geben, durch das die in den oberen Abschnitten des Darmes zahlreicher als in den unteren vorhandenen Amöben herausgeschwemmt werden. Man sucht zunächst bei schwacher Vergrößerung die Amöben auf, die durch ihr Lichtbrechungsvermögen, ihre grünliche Färbung, die Zell- und Bakterieneinschlüsse und ihre Größe dem Geibten ohne weiteres auf- fallen, und benutzt dann die Ölimmersion, um die Beweglichkeit und - die Struktur der Amöben näher zu studieren. Differentialdiagnostisch kommt hauptsächlich die Entamoeba coli in Betracht, für deren Unter- scheidung die wichtigsten Merkmale oben angegeben sind. Besondere Kennzeichen der Dysenterieamöben sind vor allen Dingen das - Fehlen der Kernmembran und die Sonderung von Ektoplasma _ und Entoplasma im Ruhezustande. Bei den Zysten, die von An- ä . fängern manchmal mit Luftbläsen verwechselt werden, ist auf die Zahl der Kerne genau zu achten. Man kann die 4 kernigen Zysten der Dysenterieamöbe, die von einer einfachen Zystenhülle umgeben und 982 52. Vorlesung. kleiner (6—15.) sind, von den 8- oder mehrkernigen, größeren (15—30 g.) und von einer derberen, doppelt konturierten Membran ein- geschlossenen Zysten der Coliamöbe leicht unterscheiden. Schwieriger ist die Diagnose der bei chronischen oder in Heilung übergehenden . Infektionen vorherrschenden kleinen sogenannten Minutaformen der Dysenterieamöbe. Sie sind, ebenso wie die aus ihnen hervorgehenden Zysten, vor allem an den reichlichen, mit Eisenhämatoxylin sich stark färbenden Chromidialklumpen (Plaques. siderophiles) kenntlich (Hart- mann d Bela’). 3 Das gefärbte Präparat leistet für die Diagnostik nicht entfernt soviel wie das frische ungefärbte Objekt. Man kann in ihm die vegetative Form der Ruhramöbe nach Hartmann mit einer für den Praktiker ausreichenden Sicherheit erkennen, wenn die konzentrische Anordnung des Chromatins um das Karyosom sehr stark ausgesprochen ist und wenn Degenerationsformen in großer Zahl auftreten. Mitunter ist aber keine dieser beiden Voraussetzungen deutlich gegeben (Schif). Zu diagnostischen Zwecken eignet sich das von W. Riegel angegebene Schnell- färbeverfahren. Man verwendet dabei eine Chloroform-Ausschüttelung der bekannten Mansonlösung (5 g Borax, 29 Methylenblau, in 100 ccm kochend heißem Wasser gelöst), die man herstellt, indem man nach dem Erkalten 1cem der Lösung im Reagenzglas mit 4 bis 5cem säurefreiem Chloroform etwa */, Minute lang kräftig schüttelt und dann mit Chloroform auf 10cem auffüllt: Das tief rotviolett gefärbte Chloroform schichtet sich bald unter die wässerige Lösung und wird dann abpipettiert. Um alle Spuren der wässerigen Farblösung zu entfernen, läßt man den Pipetteninhalt nicht unmittelbar, sondern durch ein Papierfilter in das Farbschälchen laufen. In diese Chloroformfarblösung werden die Präparate ohne vorherige Fixierung gebracht. Man taucht das Deckgläschen mit den möglichst dünn und gleichmäßig aus- gestrichenen Dejekten aus frischen Stühlen für 20-40, höchstens 60 Sekunden mit der noch feuchten Schicht nach oben in der Farblösung unter. Nach dieser Zeit soll die Schicht die Farbe gut angenommen haben. Das Deckgläschen wird herausgenommen und rasch, eventuell nach vorherigem kurzen Abspülen in reinem Chloroform, bevor es trocken geworden ist, in Paraffinum liguidum eingeschlossen. Das Präparat ist dann zur Untersuchung fertig. Die Amöben fallen bei.Betrachtung mit starken Trockensystemen sofort als verbältnismäßig große, stark rotviolett ge- färbte Scheiben auf, in denen der Kern meist als ein zarter Ring zu erkennen ist. Besonders stark färben sich, soweit vorhanden, die Chromidien; auch die von den Amöben aufgenommenen Fremdzellen sind meist sehr deutlich gefärbt. Die Zysten nehmen im allgemeinen den gleichen Farbton an wie die Amöben. ; Das Riegelsche Verfahren gibt keine Dauerpräparate. — Will man solche her stellen, so verfährt man am besten in der Weise, daß man die-dünn ausgestrichenen Dejekte durch Osmiumsäuredämpfe fixiert. Man bringt das Deckgläschen über eine kleine feuchte Kammer, in der einige Tropfen Osmiumsäure verdunstet werden. Nachdem diese Dämpfe etwa 10—20 Minuten eingewirkt haben, wird nach - Alkoholhärtung die Färbung mit Hämalaun, Hämatoxylin-Eosingemisch, mit Methylenblau oder nach der Romanowskyschen Methode vorgenommen. Auch die Fixierung in feuchtem Zustande mit einer Mischung von 2 Teilen gesättigter wässeriger Sublimatlösung + 1 Teil Alkokol absol. + 2 Tropfen konzentrierter Essig- säure (nach Doflein) wird empfohlen. Die mit Schleimflöckchen beschickten Deck- gläschen werden auf dieser Flüssigkeit, die auf 60°C erwärmt ist, einige Stunden schwimmend erhalten und dann für einige Sekunden in die gleiche kalte Lösung gebracht, darauf für 15 Minuten in 5Oproz. Alkohol, dem einige Tropfen Jodtinktur zugesetzt sind, und schließlich in 60proz. Alkohol. Die Färbung erfolgt nachher mit Hämalaun. ° Se Schilling empfiehlt zur Erzielung scharfer Bilder das Verfahren nach Breinl- Rosenbusch: Die Präparate werden aus Wasser in 3'5proz. Eisenalaunlösung über- tragen und verbleiben darin während einer Nacht. Dann kommen sie nach Ab- spülung in Wasser in Iproz. Lösung von Hämatoxylin in 96proz. Alkohol, der ge- sättigte wässerige Lithiumkarbonatlösung tropfenweise zugesetzt ist, bis eine schöne Amöbendysenterie. 983 4 kirschrote Färbung entsteht, und verbleiben darin wieder eine Nacht. Nach Ab- - spülung in Wasser erfolgt "Differenzierung in stark verdünnter Eisenalaunlösung, =: bis es Kerne scharf hervortreten ; dann Wasser, Alkoholstufen etc. ‘Für Schnitte eignet = nach Huebschmann die Bestsche Glykogen- E Sb, für deren gutes Gelingen allerdiugs eine direkte Alkoholfixierung Vor- | aussetzung ist. — u 79 Zr Unterscheidung der pathogenen Amöben von den sapro- _ phytischen kann, wenn die Bestimmung der morphologischen Charak- teristika nicht zum Ziele führt und das Untersuchungsmaterial Amöben ' in genügender Zahl enthält, der Tierversuch herangezogen werden in - der Form, wie er bei der Besprechung der Tierpathogenität der Amöben | skizziert ist. E = en wir nun auf die Epidemiologie der Amöbenruhr ein- gehen, so bietet zunächst die geographische Verbreitung Bemerkens- wertes dar. Sie ist vorwiegend eine Krankheit der tropischen und subtropischen Länder, wo sie endemisch herrscht und gelegentlich zu epidemischer Verbreitung gelangt. In gemäßigten Klimaten ist sie sehr viel. seltener und neigt eigentlich nie zu epidemi- scher Verbreitung. Die Hauptherde ihrer Ausbreitung liegen in Afrika, sowohl in den nördlich an das Mittelmeer grenzenden Ländern, wie in - den tropischen Gebieten Ost-, Zentral- und Westafrikas. In Asien erstreckt - sich ein Hauptverbreitungsgebiet über Indien, die Länder am persischen _ Meerbusen, Mesopotamien und Arabien. Ein zweites großes, endemisch - durehseuchtes Gebiet befindet sich im Osten und umfaßt China, Cochin- china, Anam, Tonkin sowie Manila. Auch im tropischen Amerika kommt Amöbendysenterie häufig vor. Die epidemische Ausbreitung der Ruhr wird vor allen Dingen durch jahreszeitliche Verhältnisse und große - - Menschenanhäufungen, Kriegszüge usw. bedingt. Am Ende der heißen - Jahreszeit kommt es in allen von der Ruhr endemisch heimgesuchten Ländern zu einer starken Zunahme der Erkrankungen. Der verderbliche Einfluß von großen Menschenansammlungen wird uns am besten durch die gewaltige Ausbreitung der Ruhr bei den in Mekka unter schlechten hygienischen Verhältnissen auf engem Gebiete versammelten Pilgern vor Augen geführt. Wasser und Nahrungsmittel spielen als Träger des Infektionsstoffes eine große Rolle. Es sind vor allen Dingen die oben beschriebenen Dauerformen, welche, mit Wasser-und Nahrungs- - mitteln in den Magendarmkanal aufgenommen, die Infektion hervorrufen. Die vegetativen Formen der Amöben gehen außerhalb des ' menschlichen Körpers verhältnismäßig rasch zugrunde. In der gemäßigten Zone kommen ebenfalls Erkrankungen an - Amöbenruhr häufiger vor, als man früher annahm, in Südeuropa z. B. i besonders in Spanien, Italien, Griechenland und auf dem ganzen Bal- - kan. Auch in Frankreich, in England und in Deutschland gibt es Amöben- dysenterie. Man hat nach dem Weltkriege, der zur Infektion der Heeres- _ angehörigen besonders auf den Balkankriegsschauplätzen, aber auch - in den Kampfgebieten des Westens durch den Kontakt mit fremd- - rassigen und Kolonialtruppen vielfach Gelegenheit bot, erst besonders - darauf geachtet. In England fanden Yorke, Mackinonn u. a. unter Sol- daten, die England niemals verlassen hatten 7°8°/, Ruhramöbenbehaftete, . unter der Zivilbevölkerung 1°5°/,. W. Fischer konstatierte bei 120 Pa- Epidemio- logie. Prophylaxe. 984: 52. Vorlesung. _ tienten mit Magen- und Darmstörungen, die er an der Göttinger Medizinischen Klinik wahllos untersuchte, 2mal Infektionen mit Ruhr- amöben. In dem einen dieser Fälle war die Infektionsquelle ganz dunkel, in dem anderen war die Infektion wahrscheinlich früher an der Ostfront erfolgt. In Ostpreußen war das Vorkommen von Amöbenruhr schon früher festgestellt. Die Verhütung der Krankheit ist nicht leicht, wenn man be- denkt, daß die Hauptverbreitungsgebiete Länder mit einer Bevölkerung von verhältnismäßig gering entwickeltem Reinlichkeitsgefühl und nie- driger hygienischer Kultur sind. Eine weitere Schwierigkeit für die Verhütung und Bekämpfung der Amöbenruhr bietet der Umstand, daß der Krankheitsprozeß sich über lange Zeiträume hinziehen kann. Namentlich die chronischen Ruhrfälle bieten dauernde Quellen der Infektion. Es sollte deshalb die Behandlung chronischer Ruhrfälle in Krankenhäusern stattfinden, um so nach Möglichkeit die Infektionsquellen unschädlich zu. machen. Vor allem aber muß man bestrebt sein, durch geeignete Behandlungsmethoden zu ver- hüten, daß. sich aus den akuten Anfällen die chronische Ruhr- erkrankung entwickelt. Bei Bettruhe, richtiger Diät, Verabreichung von Calomel und Adstringentien (Tannineingießungen, Simaruka- Granatrinden-Dekokt) läßt sich wohl in den meisten Fällen der akute Ruhranfall völlig zur Ausheilung bringen. ee Im übrigen deckt sich die Verhütung und Bekämpfung der Tro- penruhr fast völlig mit den Maßnahmen, die für den Typhus und die bazilläre Ruhr in Frage kommen und in den betreffenden Kapiteln bereits besprochen sind. Als ein sehr wirksames Mittel gegen die Amöbenruhr hat sich in neuerer Zeit das Emetin bewährt, ein synthetisch darstellbares, zur. Gruppe der Purine gehöriges Alkaloid, das auch in der Ipecacuanhawurzel vorkommt. Die Wirkung dieses per os zu verabreichenden Mittels auf pathogene Amöben ist eine anscheinend spezifische (Rogers). Das Emetin wäre danach zu den chemotherapeutischen Präpa- raten zu rechnen. Mühlens und Mens empfehlen Yatren-Einläufe. Literatur. Hartmann, Morphologie und Systematik der Amöben. Handbuch d. pathog. Mikro- organismen von .Kolle und v. Wassermann, 2. Aufl., Bd. 7, 1913. Kartulis, Die Amöbendysenterie. Handbuch der pathogenen Mikroorganismen, 2. Aufl., Bd.7, 1913 und Nothnagels Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie, Bd. 5, 1900. : Doflein, Lehrbuch der Protozoenkunde, 4. Aufl., Jena, Gustav Fischer, 1916. Fischer, W., Über Darmamöben und Amöbenruhr in Deutschland. Berliner klin. Wochenschr., 1920. — Die Amoebiasis beim Menschen. Ergebn. d. inn. Med. u. Kinderheilkunde, Bd. 18, 1920. . Grassi, Arch. ital. di biol., Vol. 9. Hartmann-Schilling, Die pathogenen Protozoen. Berlin, J. Springer, 1917. Hartmann und Bela’, Die parasitischen Amöben des Menschen und der Säugetiere. Handb. d. pathog. Protozoen, Bd. 3. Leipzig, J. A. Barth, 1921. Hübschmann, Zur Färbung der Ruhramöben. Zentralbl. f. Bakt., Bd. 85, 1921. Jürgens, Zur Kenntnis der Darmamöben und der Amöbenenteritis. Veröffentlichungen aus dem Gebiete des Militärsanitätswesens, Heft 20, Berlin, A. Hirschwald, 1920. Kruse und Pasquale, Untersuchungen über Dysenterie und Leberabzeß. -Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankheiten, Bd. 16, 1895. ar ee A TEE TEEN REIT RENTE Amöbendysenterie. ee: 985 Kas: osenhäfe: Kuskicktung von Amöben im Dickdärm. Virchows Archiv, Bd. 65, 1875. Lüdke, Deutsche med. Mechenschn. 1906. = r, M., Klinische, Amplelögsshe und FITERRES N Beobachtungen bei Amöben- erkrankungen. ‚Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg., Bd. 23, 1919. ww zek, Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. 21, 1903. Über Protozoenenteritis. Berliner klin. Wochenschr., 1894. Roos, Über Amöbenenteritis. Berliner klin. Wochenschr., 1896. Ziegel, Ein einfaches Verfahren zur Schnellfärbung von Ruhramöben zu diagnosti- schen Zwecken. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg., Bd. 22, 1918. ’uge, Amöbenruhr. Handbuch der Tropenkrankheiten ER C. Mense). ipzig, Joh. Ambr. Barth, 1905. Schaudinn, Untersuchungen über die Fortpflanzung. einiger Rhizopoden. Arbeiten >... r’a08 dem Kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. 19, 1903. Scheube, Die Krankheiten der warmen Länder. 4. Aufl., Jena, G. Fischer, 1910. Zur mikroskopischen Diagnose der Amöbenruhr. Arch. f. Schifis- u. uses , Beiheft 4, Bd. 23, 1919. ourn. of the Americ. med. ass., 1902. Viereck, Studien über die in den Tropen erworbene Dysenterie. Beiheft zum Archiv ar Schiffs- und Aropeukygiens, 1907. Begriffs- Umgrenzung. 53. VORLESUNG*) Übersicht über die Morphologie und Biologie der Flagellaten, im besonderen der Trypano- somen. Die beim Menschen parasitierenden Flagellaten gehören entweder zu den Polymastiginen oder zu den Protomonadinen bzw. Binukleaten. Sie kommen als harmlose Bewohner von Körperhöhlen oder von nor- malen oder erkrankten, namentlich geschwürig veränderten Schleim- häuten und endlich als Blut-, Gewebe- und Zellparasiten vor. Voraus- setzung für ihre Vermehrung im menschlichen Körper ist eine zu- sagende Reaktion der Medien, in denen sie sich ansiedeln. Die größte Bedeutung haben die im Blut vermehrungsfähigen Flagellaten, die Trypanosomen. Die Flagellaten sind Protozoen, die eine oder mehrere zur Bewegung dienende Geißeln besitzen. Wenn mehrere Geißeln vorhanden sind, pflegt eine von ihnen stärker ausgebildet zu sein. Diese Hauptgeißel ist bei der Bewegung gewöhnlich nach vorn gerichtet, während die Nebengeißeln, auch Schlepp- geißeln genannt, als Steuerruder dienen (Hartmann). Die Hauptgeißel ent- springt von Blepharoplasten, die nach neuerer Auffassung kleine Kerne darstellen oder von dem Kern abstammen und mit ihm in Verbindung stehen, und zieht sich bei manchen Arten als Randfaden an dem Körper entlang. Zwischen dem Randfaden und dem Protoplasma findet sich dann ein dünner Protoplasmasaum, der als undu- lierende Membran bezeichnet wird. Von manchen Forschern, z.B. Schaudinn, Hartmann und v. Prowazek, wird angenommen, daß der Rändfaden und die Geißeln elastische Fasern besitzen. Diese letzteren sollen dazu dienen, die ungeordneten Bewegungen in geordnete zu verwandeln. Die Fortpflanzung erfolgt durch Längsteilung oder multiple Teilung. Bei manchen Arten wird auch Isogamie bzw. Anisogamie und in anderen Fällen Autogamie angenommen. Wird die Teilung unvollständig durchgeführt, so ent- stehen Kolonien von Flagellaten, sogenannte „Rosettenformen“, die nicht mit den Agglomerations- und Agglutinationsformen (z. B. der Trypanosomen) zu verwechseln sind. Von den echten Flagellaten müssen die geißeltragenden Formen gewisser Rhizopoden und niederer Pflanzen getrennt werden. : Flagellaten kommen als Blutparasiten oder Parasiten in Zellen, in denen sie die Geißel abwerfen, sowie auf Schleimhäuten fast im ganzen Tierreich vor. Sie leben teils in ihren Wirten, ohne Krankheits- erscheinungen auszulösen, teils aber verursachen sie bei den Wirtstieren - *) Für die Umarbeitung und Ergänzung dieser Vorlesung sind wir Herrn Medizinalrat Dr. Kudicke zu großem Dank verpflichtet. ‚ En a m an a an un a a Bene ae Din i d = Morphologie und Biologie der Flagellaten, im bes. der Trypanosomen. 987 „ mehr oder weniger schwere Krankheitsprozesse. Manche Arten halten ' sich, nachdem sie zunächst einen akuten oder chronischen Krankheits- zustand bedingt hatten, sobald die Genesung eingetreten ist, als harm- lose Symbionten dauernd: in ihren Wirten. Die Trypanosomen wurden im Jahre 1841 von Gluge im Frosch- blut gefunden und von Gruby 1843 als „Trypanosoma“ (von +sörzwv — — Drehkörper oder Schraubenkörper) bezeichnet. Seitdem ist eine große Zahl verschiedener im Blut von Kaltblütern und Warmblütern lebender Arten beschrieben worden. Fig. 139. Fig. 140. ! Fig. 141. Trypanoplasma eyprini. Trypanoplasma intestinalis. A erwachsenes Individuum A Exemplar mit Längs- aus dem Blut des Karpfens. reihe von Granulationen. B Form aus dem Darm von B Exemplar mit Verdopplung Hemiclepsis marginata, des Blepharoplasts. (Nach 4 Tage nach dem Saugen. Zeichnungen von Leger aus (Nach Brump’.) Woodeock.) Je nach der Zahl der Geißeln, die die im Biut von Wirbeltieren vorkommenden Flagel- Prypanoplasma eyprini M. Plehn. laten besitzen, lassen sich zwei Gruppen unter- Bi Blepharoplast. N Kern. Vergr. = 4 etwa 200ofach. (Nach Doft:in.) scheiden: 1. Trypanoplasma. 3 Die Angehörigen der ersten Gruppe, die mit zwei Geißeln ver- - sehen sind, werden in der Gattung Trypanoplasma vereinigt (Fig. 139 bis 141). Im Blut kommen sie nur bei Fischen vor. Manche Arten - schmarotzen im Magen und Darmkanal von Fischen und Lurchen oder in den Geschlechtsorganen von Schnecken und Strudelwürmern. In _ ihrem Bau zeigen sie Beziehungen zu zweigeißligen Darmparasiten des - Menschen und der Tiere, von denen sie sich jedoch durch den Besitz - einer sogenannten undulierenden Membran unterscheiden. Doflein ver- - einigt sie deswegen mit den genannten Parasiten in der Unterfamilie - der Bodoninae (Familie der Herpetomonadidae, Ordnung: Proto- _ monadina). E Die Gattung Trypanoplasma (Laveran & Mesnil 1901) umfaßt - längliche, an einem Ende gewöhnlich etwas dickere Flagellaten mit einem - im verdickten Abschnitt befindlichen runden oder ovalen Kern und Art- bestimmung. 988 53. Vorlesung. einem in seiner Nähe gelegenen, meist ziemlich großen, langgestreckten kernähnlichen Gebilde, dem Blepharoplasten. Von dem letzteren ent- springen mit Hilfe von zwei seinem hinteren Ende aufsitzenden Körn- chen (Basalkörnern) die beiden Geißeln, deren eine frei aus dem Plasmaleibe nach hinten herausragt, während die andere als Rand- faden einer undulierenden Membran, durch die letztere mit dem Körper verbunden, zum vorderen Ende des Parasiten zieht, um dann frei hervorzuragen.. Die Vermehrung erfolgt durch Spaltung, bei der der Kern sich in Form einer primitiven Mitose teilt, während der Blepharo- plast eine einfache Durchschnürung erfährt. Die Länge der Parasiten schwankt zwischen 12 und 40 u, ihre Breite variiert noch stärker. Trypanoplasmen kommen bei zahlreichen Süßwasserfischen Mittel- europas und wahrscheinlich auch anderer Erdteile vor, besonders häufig bei Karpfen, Schleien, Brachsen, Rotaugen, Hechten. Die wichtigste Art ist Trypanoplasma Borreli, in der neuerdings mehrere andere Arten vereinigt werden. Überträger ist nach Keysselitz ein Rüsselegel Pisecicola geometra, in dessen Fig. 142. Magen eine schnelle Vermehrung der mit dem Fisch- blut aufgenommenen Parasiten stattfindet. Angeblich soll dieser Vermehrung zunächst eine Kopulation zweier sexuell differenzierter Individuen voraus- gehen. Nach Keysselitz wechseln im Egeldarm Ver- mehrungs- und Ruheperioden ab. Bei den letzteren heften sich die Parasiten unter teilweisem Verlust ihrer Geißeln an die Darmwand an. Beim Saugen an einem neuen Fisch gelangen die Trypanoplasmen - in den Rüssel des Egels und werden so auf einen frischen Wirt übertragen. Bei diesem vermehren sie sich, soweit bekannt, lediglich im Blut. Mehrere Arten, über die aber sonst wenig bekannt ist, sind im Verdauungskanal von Meeres- Se fischen (Box salpa, Cyelopterus lumpus, Conger mal ig niger) gefunden worden. Trypanoplasma ranae Form aus künstlicher (Walker 1910) lebt im Darm des Frosches (Rana- (Nach Bouet.) palustris, Nordamerika). In den Geschlechts- | Er organen von Wirbellosen schmarotzen: Trypanoplasma helicis (Leidy 1846) bei verschiedenen Schnecken, Trypanoplasma dendrocoeli (Fantham & Porter 1910) beim Strudelwurm Dendrocoelun lacteum, Trypanoplasma vaginalis (Hesse 1910) beim medizinischen Blutegel. 2. Trypanosominae. Die eingeißeligen Flagellaten, die im Blut und in den Zellen ihrer Wirte leben, faßt Doflein in der Unterfamilie der Trypanosominae zusammen (Familie der Herpetomonadidae, Ordnung: Protomonadina). In ihrer Gestalt sind sie meist schlank, gewöhnlich spindelförmig. In ihrem Bau zeigen sie sonst mit den vorher beschriebenen unverkenn- bare Ähnlichkeiten. Der Blepheroplast ist allerdings sehr viel kleiner, häufig nur punkt-, in anderen Fällen ei- oder stäbchenförmig. Er liegt vor oder hinter dem Kern, vielfach auch in dessen unmittelbarer Nachbarschaft. Die Geißel entspringt von ihm meist ebenfalls durch u Tin Zu an u Da nam ul, u" A ul Le En Morphologie und Biologie der Flagellaten, im bes. der Trypanosomen. 989 ‘ Vermittlung eines Basalkorns. Sie zieht, entweder in der Tiefe oder an der Oberfläche liegend, zum einen Ende des Parasiten und ragt hier frei heraus. Im .ersteren Fall fehlt eine undulierende Membran, im letzteren ist sie gewöhnlich vorhanden oder doch wenigstens in be- ” stimmten Entwicklungsstadien deutlich erkennbar. Die Vermehrung er- Folgt durch Längsteilung oder Zerfallsteilung. Er Je nach der Lage des Blepharoplasten zum Kern und dem Vor- _ handensein oder Fehlen der Ruderhaut, d. h. also entsprechend der oberflächlichen oder tiefen Lage des zellulären ;Geißelteiles, werden ver- schiedene Gestaltstypen unterschieden: a) die Herpetomonas- oder Leptomonasform. Die Geißel liegt im Inneren der Zelle, eine undulierende Membran fehlt demgemäß (Fig. 142). Der Blepharoplast liegt gewöhnlich vor dem Kern, kann sich aber auch hinter ihm befinden, wodurch dann Formen entstehen, die mit den typischen Trypanosomen große Ähnlichkeit haben (sog. Lepto- trypanosomen nach Chatton und Leger). b) die Crithidia- und Trypanosomaform. Die Geißel verläuft an der Oberfläche der Zelle und gibt dadurch Veranlassung zur Aus- bildung einer undulierenden Membran, d.h. einer Ausstülpung - der obersten Plasmaschicht, deren Rand dann die Geißel als sog. Rand- faden bildet. : Liegt bei diesen Formen der Blepharoplast vor oder neben dem Kern, so spricht man von einer Crithidiaform, liegt er hinter dem Kern, von einer Trypanosomaform. ec) die Leishmaniaform. Alle Trypanosomen haben die Neigung, sich unter ungünstigen äußeren Bedingungen abzurunden und dabei die Geißel abzuwerfen. Es entstehen so Ruheformen, die vielfach lediglich _ absterbende Stadien darstellen. Bei einzelnen Gattungen kommen aber ' regelmäßig solche runde Formen vor, die dann wichtige Funktionen haben und gewöhnlich innerhalb von Zellen leben und sich in diesen auch vermehren. Sie sind als Leishmaniaformen bekannt. Die Herpetomonasform:. ist bisher im Blut von Wirbeltieren nur selten beobachtet worden. -Sehr häufig ist sie dagegen bei den nächsten - Verwandten der Blutflagellaten, die im Darm zahlreicher Insekten schmarotzen. Bei bestimmten Arten von Blutflagellaten findet sie sich ‘- in der künstlichen Kultur. Die am häufigsten im Wirbeltierblut anzu- -- treffende Form ist die Trypanosomaform, seltener finden sich hier Crithidien. Dagegen sind die letzteren wiederum häufig in Insekten, teils als Entwicklungsstadien von Trypanosomen, teils als selbständige Insektenparasiten. Im übrigen können alle genannten Formen im Verlauf der Ent- - wicklung der Flagellaten vorkommen, bald nur in unvollkommener, _ bald in voller Ausbildung. Unter bestimmten Bedingungen pflegt eine bestimmte Form vorzuherrschen und dann als Hauptmerkmal der 7 Gattung zu dienen. Nachstehende Gattungen sind zurzeit mit Sicherheit abgrenzbar: 1. Herpetomonas (Kent) = Leptomonas (Bütschli). E: Eine undulierende Membran fehlt. Der Blepharoplast liegt vor dem Kern. Der intrazelluläre Geißelteil ist verdickt (Rhizoplast). Vom Kolle und Hatsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 64 990 \ 53. Vorlesung. Blepharoplasten aus verlaufen vielfach fädige Bildungen am Kern vorbei nach hinten, die bald einfach, bald doppelt vorhanden, aber in ihrem Vorkommen auch bei der gleichen Art nicht konstant sind (Doppel- faden »v. Prowazeks, Axostyl oder Rhizostyl Alexeeffs). x - Diese Arten parasitieren in zahlreichen Abarten im Darm und in den Malpighischen Gefäßen von Insekten und Insektenlarven. Bekanntester- Vertreter ist Herpetomonas muscae domesticae Burnett. Wichtig sind noch die Herpetomonaden der blutsaugenden Insekten, ins- besondere der Flöhe, da sie zu Verwechslungen mit Angehörigen der Gattung Leishmania Anlaß geben können. Bei zahlreichen Insekten sind schon die Jugendstadien der Larven oder Nymphen mit Herpe- tomonas infiziert. Weiter sind Vertreter der Gattung bekannt aus der Mitteldarmdrüse einer Schnecke (Herpetomonas patellae Porter), aus der Kloake und dem Blut verschiedener tropischer Eidechsen und aus dem Blut von südafrikanischen Fischen (Herpetomonas denticis. Fantham & Porter). Neuerdings sind auch im Saft mancher Pflanzen (Euphorbiazeen, Urtikazeen) Herpetomonaden gefunden worden (Lafont, Franca, Franchint). | ® Bei den Parasiten der Insekten wechseln Schwarm- und Haft- formen ab. Die letz- teren finden sich zu- weilen in dichten Pol- stern am . Epithel der Darmwand oder der ' Malpighischen Gefäße. £ . Die Anheftung erfolgt & “mit dem vorderen Ende X unter Verlust oder star- ker Verkürzung der ET: Geißel. Einzelne Arten E N bilden dabei „Riesen- | — Ba ER | formen“ mit : sehr 1°." "allaeiyius. (Wach Mont za re langem Hinterende. Die A sog. „Sehwimmformen“ sind gewöhnlich lebhaft beweglich. Sie "zeigen bald die typische Herpetomonasform, bald die der Leptotrypa- nosomen. ‚Ganz besonders häufig tritt die letztere Form im untersten Darmabschnitt auf, in dem die Flagellaten sich unter Rückbildung, Ein- ziehen oder Abwerfen der Geißel in Zysten umwandeln. Diese Dauer- stadien sind von einer schleimigen, gelegentlich radiär gestreiften Hülle umgeben und dienen der Verbreitung auf einen neuen Wirt, indem sie _ mit dem Kot ausgeschieden werden. Auch Ruhestadien von Leishmania- form sind beschrieben. ; 2. Endotrypanum (Mesnil und Brimont, 1908): in Blutkörperchen schmarotzende Parasiten, von denen bisher nur eine beim Faultier gefundene Art (Endotrypanum Schaudinni) bekannt ist. Der spindel- förmige Körper enhält 2 Kerne und am vorderen Ende eine Geißel (Fig.143). | : 3. Schizotrypanum(Chagas, 1909): ein beim Menschen und in dem Zwischenwirt Conorhinus megistus vorkommender Parasit, der neben ' Autoren angenommene Periplasthülle. Morphologie und Biologie der Flagellaten, im bes. der Trypanosomen. 991 nform im Körper der genannten Metazoen durch multiple Teilung entstehende geißelfreie, den Leishmanien ähnliche Formen bildet. SPIOIRELS S. 1012). 4. Leishmania (Ross 1901). Die Gattung parasitiert im Men- schen und im Hund und kommt bei beiden Wirten nahezu aus- - schließlich in der geißellosen abgerundeten Form innerhalb von Endo- ® thelzellen und großen einkernigen Blutzellen vor. Die Vermehrung findet innerhalb dieser Zellen durch Zweiteilung statt. Es entstehen dadurch unter Umständen große Parasitenhaufen. Die Zugehörigkeit : - dieser Formen zu den Flagellaten ist an dem Vorhandensein eines stäb- ‚chenförmigen Blepharoplasten neben dem Kern erkennbar. Sie wird dadurch bewiesen, daß in Blutagarkulturen aus den Leishmanien herpeto- monasähnliche Flagellaten entstehen. Die Umwandlung in diese Fla- gellaten findet auch im Wanzendarm statt (Patton 1907, 1912). Zwei Arten werden unterschieden: Leishmania Donavani und Leishmania tropica. Weiteres über diese Parasiten wird in der folgenden ung . mitgeteilt werden. 5. Trypanosoma. In diese Gattung gehören ‚neben len harmlosen Parasiten sehr wichtige Krankheitserreger des Menschen und der Tiere, deren morphologische und biologische Eigentümlichkeiten hier zunächst ‚vom allgemeinen Gesichtspunkte aus. besprochen und - die dann in den nächsten agrsangen im. einzelnen näher geschildert werden sollen. Die Trypanosomen sind "äuf Grund entwicklungsgeschichtlicher Beob-- achtungen von einigen Forschern (Schaudinn, Hartmann u.a.) mit den Piro- plasmen und Hämosporodien ‘zu einer Gruppe, den Binukleaten, zu- sammengefaßt. Den Grund für diese Gruppierung bildet der Nachweis von Flagellaten- formen in der Entwicklung der Hämosporidien und Piroplasmen sowie das Vor- } ‚ kommen eines Blepharoplasten neben dem Hauptkern während dieser Entwicklung. Wenn wir nun auf die Morphologie der Trypanosomen im allgemeinen etwas näher eingehen, so sind die wichtigsten Punkte folgende: Das Protoplasma erscheint im ungefärbten Zustande leicht - grünlich mit glänzenden Körnchen. Bei Färbung mit der von Giemsa modifizierten Romanowsky-Methode erscheint es blau (Taf. 80); oft finden sieh kleine rote Chromatinkörnchen in das Protoplasma eingestreut. Swellengrebel hat stabartige Verdickungen, sogenannte Axialfäden, bei manchen Trypanosomen nachgewiesen. Der Kern nimmt die rubinrote - Chromatinfärbung an und zeigt bei stärkerer Vergrößerung eine alveoläre - Struktur. Außer dem Hauptkern haben die Trypanosomen einen Nebenkern, den sogenannten Blepharoplasten. Dieser ist nach An- E sicht Schaudinns und vieler anderer ein durch heteropole Mitose ab- gespaltener Nebenkern mit Zentrosoma und Chromosomen. Von dem - Blepharoplasten geht die Geißel aus, die bei manchen Arten von einem dem Blepharoplasten angehörigen Basalkorn (Geißelwurzel) entspringt. - Sie färbt sich gleich dem Blepharoplasten wie Chromatin und bildet den Saum der undulierenden Membran, die aus dem Protoplasma der Zelle hervorgeht und mit ihm zusammenhängt. Bei vielen Trypanosomen- 4 arten finden sich im Protoplasma Vakuolen und Granula. Von - einigen Forschern wird das Vorhandensein von echten Vakuolen bei den Trypanosomen allerdings bestritten. Dasselbe gilt für die von manchen 64* » 992. 53, Vorlesung. Die Trypanosomen kommen nicht immer in der beschriebenen typischen Form vor, sondern neigen zur Bildung von Degenerations- bzw. Anpassungsformen. Sie sind verhältnismäßig labile Gebilde, die bei Änderung der äußeren Bedingungen innerhalb wie außerhalb des Tierkörpers leicht zugrunde gehen. Als Degenerations- oder An- passungsformen sind die Birnformen, die amöboiden Gebilde und bestimmte rundliche Körper, die keine Geißel mehr besitzen, aufzufassen. Ganz ähnliche Formen treten auch in künstlichen Kulturen, die bei einigen Trypanosomenarten außerhalb des Tierkörpers erzielt worden sind, auf. In Kulturen erfolgen oft zahlreiche Teilungen, ohne daß die Tochterindividuen vor der nächsten Vermehrung wieder die Größe der Fig. 14£. Trypanosoma equiperdum Doflein. A ruhendes Stadium. B und C erste Andeutungen der Zwei- - teilung. Beginnende Streckung des Blepharoplasten, Hantelform des Binnenkörpers und Spindel- - bildung des ‘Kerns. Bl Blepharoplast, V neben ihm befindliche Vakuole. N Kern, Nsp dessen Teilungsspindel.. Bi Binnenkörper, um undulierende Membran. @ Geißel. Vergr. etwa 4000fach. (Nach Doflein.) Mutterindividuen erreichen. Nach Doflein erklärt sich so die Bildung außer- ordentlich kleiner Sprößlinge (Herpetomonasformen), die von den erwachsenen, im Tierkörper vorkommenden Trypanosomen abweichen. Ihre sehr lebhafte Beweglichkeit verdanken die Trypanosomen besonders der Geißel und der undulierenden Membran. Nach den Unter- suchungen v. Prowazeks können sich diese Protozoen aber auch durch . Kontraktionen ihres Körpers gleichsam vorwärts bohren. Doflein unterscheidet 3 Typen der blutbewohnenden Trypanosomen: 1. Individuen mit mittleren Eigenschaften (indifferenter Typus); 2. Individuen mit reinem, reservestoffarmem Plasma, von langer, schlanker Form, mit extrem ausgebildeten Bewegungsorganellen, großen Blepharoplasten, viel- fach auch im Verhältnis zum Plasma reichlicher Kernsubstanz, aber mit absolut kleinem Kern, im ganzen spermatozoenähnliche Gebilde (männlicher Typus); Ban a Al naar ra Morphologie und Biologie der Flagellaten, im bes. der Trypanosomen. 993 er Individuen mit stark granuliertem, zöservestoffreichem Plasma, von breiter, gedrungener, oft plumper Form, mit gering ausgebildeten Bewegungsorganellen (kurzer Geißel, schmaler, undulierender Membran), kleinen Blepharoplasten, großem Kern (weiblicher Typus). Daß diese EEE Typen geschlechtlich differenzierte Formen darstellen, ist bisher noch nicht erwiesen. ‘Über die Ernährung der Trypanosomen wissen wir bis jetzt nur 4lgemeine ai wenig. Es werden aber höchstwahrscheinlich vorwiegend osmotische Bes, . Vorgänge sein, durch welche gelöste Nährstoffe in den Körper dieser . Protozoen hineingelangen. Auch über die nähere Ursache ihrer patho- en Wirkung sind wir bisher noch nicht genauer orientiert. So Fig. 145. Trypanosoma equiperdum Doflein. Teilung. D Stadium mit 2 Blepharoplasten und 2 undulie- renden Membranen, dessen Kern jedoch erst Hantelform angenommen hat. E- Stadium mit 2 Kernen und weiter ausgebildeter zweiter undulierender Membran. F Stadium mit weitgehen- der Spaltung der Tochtertiere, weiche aber noch nebeneinander liegen und nur mehr an den Hinterenden Bezeichnungen wie in vorhergehender Figur; außerdem: Bu, u. Bl, (in Fig. D u..E verdruckt BC, u. BC,) erster und zweiter Blepharoplast. um, u. um, alte un neue undulierende Membran. N,. N, erster und zweiter Kern. 6,. & Geißeln der beiden rung Vergr. etwa 4000fach. (Nach Doflin. Su schwer das von den Trypanosomen besorgen Krankheitsbild in vielen Fällen ist, so wenig ist es bis jetzt gelungen, eine Erklärung für die wich- tigsten Krankheitssymptome und pathologischen Veränderungen zu finden. Es ist ja wohl kaum zweifelhaft, daß es Giftstoffe sein werden, welche z. B. die bei vielen Trypanosen beobachteten starken Wirkungen auf die blutbildenden Organe und das Blut, die sich in schwerer Anämie ausdrücken, bedingen. Bei der relativ geringen Zahl von Para- siten, die beispielsweise bei Schlafkranken vorhanden ist, läßt sich das schwere Krankheitsbild nur durch die Annahme einer Giftwirkung der Trypanosomen erklären. Aber andererseits hat man bisher noch 994 | 53. Vorlesung. . keine Toxine mittelst derjenigen Methoden nachgewiesen, ‚durch die wir bei anderen pathogenen Mikrorganismen die toxischen. Effekte demonstrieren können. Was’ die Vermehrung der Trypanosomen betrifft, so rd zunächst im Tierkörper ungeschlechtliche Vermehrung sowohl durch Längs- wie durch multiple oder Zerfallsteilung beobachtet (Fig. 144—146: Längsteilung des Tryp. equiperdum). Im Prinzip sind beide Teilungs- ‚arten gleich; die multiple Teilung unterscheidet sich von der Längs- teilung eigentlich nur dadurch, daß Teile des Protoplasma der sich ab-. schnürenden jungen Individuen nach der Teilung zusammenhängend -bleiben. Wenn sich die Trypanosomenzelle zur Teilung anschickt, wird dieser Vorgang zunächst an dem Blepharoplasten bemerkbar. Es ent- steht eine zweite Geißelwurzel, von der aus eine neue zweite Geißel gebildet wird. Dann kommt die Bildung eines zweiten Kernes durch Mitose zustande, und um ihn und den Geißelapparat gruppiert sich die Fig. 146. Endstadium der Längsteilung bei Trypanosoma equiperdum. Indem die Trypanosomen mit den Hinterenden vereinigt bleiben, wird der Eindruck einer Querteilung vorgetäuscht. Vergr. etwa 4000 fach. (Nach Doflein.) : inzwischen vergrößerte Protoplasmamasse. Sie schnürt sich ab, wenn die Bildung des neuen Individuums weit genug vorgeschritten ist. Bei den Trypanosomen wird neben der ungeschlechtlichen Ver- mehrung durch“Teilung eine geschlechtliche Fortpflanzung von Robert Koch, :Gray und Tulloch, v. Prowazek und Kleine angenommen. Sie soll in bestimmten Überträgern, namentlich Insekten (Glossinen, Flöhen) stattfinden. In den Glossinen kann es zu einer Differenzierung in verschiedene Typen kommen, die als männliche und weibliche Formen gedeutet wurden, deren geschlechtliche Differenzierung aber neuerdings bestritten wird. Die Befunde von Koch und Kleine bei Trypanosoma gambiense und Trypanosoma Brucei sowie diejenigen von v. Prowazek bei Trypanosoma Lewisi würden dann als metagame V ermehrungsformen zu deuten sein. Die als Überträger pathogener Trypanosomen wichtigsten. Insekten, die Glossinen (s. S. 1029), kommen in Europa nicht vor, sind ‘aber in Afrika weit verbreitet. Verhältnismäßig leicht sind sie daran zu er- kennen, daß sie einen Stechrüssel besitzen und eine ‚ganz eigenartige Morphologie und Biologie der Flagellaten, im bes. der Trypanosomen. 995 Stellung der Flügel aufweisen. Sie legen nämlich nicht, wie fast alle anderen Fliegenarten, die Flügel parallel nebeneinander, sondern gekreuzt übereinander (Taf. 78). Welche der zahlreichen Arten der Glossina die ‚einzelnen Krankheiten übertragen, wird später kurz zu besprechen n sein. - Die Trypanosomen lassen sich auch auf künstlichen Nährböden züchten, aber eine länger dauernde Kultivierung bzw. eine unbegrenzte Kette von Übertragungen der Kulturtrypanosomen ist bisher meistens fehlgeschlagen. Nur Novy und Me. Neal haben in vielen Generationen -Kulturen des Tryp. Brucei von Röhrchen zu Röhrchen fortzüchten können. Als Nährboden diente ihnen Agar, der mit Kaninchenblut ver- setzt war. Die Vermehrung der Trypanosomen erfolgt dann haupt- sächlich in dem bluthaltigen Kondenswasser. j Die Artunterscheidung der im Blut bzw. in den Geweben von Tier und Mensch vorkommenden Trypanosomen (vgl. Übersicht auf S. 997) ist eine theoretisch und praktisch wichtige Frage. Ist doch eine Bekämpfung der Trypanosomenkrankheiten — mag es sich um die Verhütung der Krankheit oder um die Heilung infizierter Menschen oder Tiere handeln — nur möglich, wenn die Diagnose, welche Trypa- nosomenart vorliegt, mit Sicherheit erbracht werden ‚kann. Robert Koch hat vorgeschlagen, die Trypanosomen 1. nach dem morphologischen Verhalten, 2. nach der Virulenz, 3. nach den Beziehungen zum Wirtstier zu differenzieren und hat von diesem sa Lan aus sei große Gruppen abgegrenzt. Die erste Gruppe umfaßt das ER Lewisi und das Trypanosoma Theileri. Diese Trypanosomen unterscheiden sich nicht nur morphologisch von denen der zweiten Gruppe, sondern besitzen auch konstant die gleiche Virulenz gegenüber ihren Wirtstieren und kommen weiterhin nur in einer bestimmten Tierart vor. Koch bezeichnet sie nach der Mutationstheorie von de Vries als feste Arten, die sich bereits bestimmten Wirtstieren angepaßt, d.h. höchstwahrscheinlich durch außerordentlich langen Aufenthalt in einer und derselben’ Tierart feste, vererbbare Charakteristika angenommen haben. Im Gegensatz zu diesen beiden Arten sind die Trypanosomen der zweiten Gruppe noch in der Entwicklung begriffene, weitgehender Anpassung fähige Spezies. Zu ihnen gehören als wichtigste die Erreger der Tse-tse-Krankheit, der Surra, des Mal de Caderas, der Beschälseuche der Pferde und die Trypanosomen des Menschen. Diese Arten sind in ihrer Morphologie außerordentlich vielgestaltig. Sie zeigen beispielsweise in ihrer Größe erhebliche Unterschiede, je nachdem sie in der einen oder der anderen Tierart beobachtet werden; auch in der Virulenz zeigen sie große Schwankungen. Bei Übertragung von Tier zu Tier einer bestimmten Spezies passen sie sich nach und nach an diese an, indem sie immer höhere Virulenz für diese Tierart bekommen, während sie ihre pathogenen Eigenschaften für andere Arten zu ‚gleicher Zeit einbüßen. Die Trypanosomen dieser Gruppe finden sich nicht ausschließlich in ‚einer Tierspezies, sondern lassen sich auf die verschiedensten . Tiere übertragen. Verlauf der Trypano- . somen- infektton. 996 53. Vorlesung. Es mußte nun von großer Wichtigkeit sein, auch die Trypanosomen dieser zweiten Gruppe noch weiter mit Sicherheit differenzieren zu können. So ist es zum Beispiel von praktischer Bedeutung, festzustellen, ob die Trypanosomen des Menschen und die Erreger der Tse-tse-Krankheit trotz gewisser morphologi- scher Unterschiede nicht doch einer Art angehören und also nur durch Anpassung veränderte Spielarten sind. Eine Bekämpfung der Schlafkrankheit des Menschen ist ohne Kenntnis der Tatsachen über die Identität oder Nichtidentität beider Arten- kaum möglich. Man hat versucht, mittelst spezifischer aktiver Immunisierung die Arten zu trennen, doch haben diese Versuche nicht überall zu ganz eindeutigen Re- sultaten geführt, vor allem deshalb, weil eine wahre Immunität gegenüber Trypano- somen überhaupt nicht immer aufzutreten pflegt. Tiere, die gegen einen schwach virulenten Stamm immun sind, erkranken trotzdem, wenn sie später mit einem starken Virus desselben Stammes infiziert werden. Mehr Aussicht für die Differenzie- rung scheint, wie Untersuchungen von Kleine zeigen, die spezifische Wirkung künst- lichen Immunserums zu bieten. Aber mit Rücksicht auf diese nicht immer ein- deutigen und zeigraubenden Differenzierungsverfahren hat Koch darauf aufmerksam gemacht, daß beim Entwicklungskreislauf der Trypanosomen in den Stechfliegen. Geschlechtsformen auftreten, die eine Differenzierung gestatten, denn die in den Glossinen entstehenden männlichen und weiblichen Formen der Trypanosomen bieten durch die Form und Lage der Blepharoplasten und durch die Größenverhältnisse des Gesamtkörpers sichere Unterscheidungsmerkmale, wie. aus folgender Tabelle her- vorgeht. Länge Breite Trypanosoma Brucei-. . +... gr: 25. 5 gambiense . ..... f Weibchen | 37 u Bu Brucei Soon. A f 402 u 21u . gambiense . i MAnGEheR | 34 u 08 u. Neben diesen der Differenzierung dienenden Kennzeichen können auch Unterschiede in der Infektionsweise zur weiteren Abgrenzung der Arten bzw. Gruppen dienen. Es sei hier nur auf die afrikanischen und indi- schen Trypanosen der Tiere hingewiesen. Die Erreger dieser Krankheiten unterscheiden sich durch die Arten der Zwischenwirte, in denen sie vor- kommen (vgl. Tabelle auf S. 1046— 1049). Bei verschiedenen Krankheiten ist allerdings noch nicht festgestellt, welche Zwischenwirte in Frage kommen. Die Trypanosomen finden sich zwar in allen Zonen, aber am meisten verbreitet in den Tropen, wo sie durch die infizierten Wirte oder Zwischenwirte verbreitet werden und als Erreger von Krankheiten eine sehr wichtige Rolle spielen. Bei vielen empfänglichen Wirtstieren nimmt die Infektion mit den in Rede stehenden T'rypanosomen einen schubweisen Verlauf, d. h. es treten anfallsweise, gewöhnlich unter - Temperatursteigerung, Trypanosomen im Blut auf und verschwinden nach einiger Zeit wieder. In den Zwischenzeiten können sie so spärlich sein, dab sie mikroskopisch gar nicht nachweisbar sind und ihr Vorhandensein sich erst durch Ver- impfung größerer Blutmengen auf empfängliche Tierarten oder durch Zentrifugieren eines größeren Blutquantums erkennen läßt. Im wei- teren Verlauf der Infektion verwischen sich die Grenzen zwischen An- fall und Intervall häufig. Es kann dann zu einem Bild chronischer Erkrankung xommen, bei dem die Trypanosomenzahl Schwankungen zeigt. Vielfach kommt es auch zu einem scheinbaren Verschwinden der Trypanosomen und damit auch der Krankheitserscheinungen. In anderen Fällen bilden sich in (dieser Periode Symptome heraus, die eine Erkrankung der: inneren-Organe, ‘insbesondere eine solche des Zentral- nervensystems anzeigen. Dabei vermehren sich die Trypanosomen offen- bar in diesen Organen, wobei wahrscheinlich die Grenzen des Gefäß- Morphologie und Biologie der Flagellaten, im bes. der Trypanosomen. 997 systems überschritten werden und ein Eindringen in das Parenchym Ganz besonders häufig ist diese Erscheinung bei den Trypano- somen der Schlafkrankheit und bei manchen Tiertrypanosomen, u. a. bei ‚der Beschälseuche (Dourine). Es können hier nervöse Symptome zum Teil schwerster Art bestehen und sich fortentwickeln, ohne daß Trypa- nosomen im Blut nachweisbar sind. Bei der Schlafkrankheit findet man sie in solchen Fällen‘ mit Regelmäßigkeit in der Zerebrospinal- flüssigkeit. Wahrscheinlich gilt das auch für die entsprechenden Tier- krankheiten. Der Nachweis, daß diese nervösen Erkrankungen durch Trypanosomen bedingt sind, läßt sich auch dadurch erbringen, daß das Blut der Wirte auf Trypanosomen eingepaßte Antikörper enthält. Es treten nämlich im Verlauf der Erkrankung im Blut der befallenen Tiere Stoffe auf, die in ihrer Wirkungsweise den bei den bakteriellen Infektionen bekannten im allgemeinen entsprechen. Nur Antitoxine sind bisher nicht nachgewiesen, wie auch der Nachweis echter Toxine bei den Trypanosomen bisher nicht gelungen ist. Dagegen lassen sich agglu- tinierende, trypanozide und auch komplementbindende Anti- körper nachweisen und zu diagnostischen Zwecken verwenden. Theo- retisch bedeutungsvolle Ergebnisse haben die Untersuchungen über die trypanoziden Abwehrkörper gehabt, die besonders von Paul Ehrlich und seinen Schülern gefördert worden sind. Es ist durch diese Unter- ‚suchungen gezeigt worden, daß solche Körper bei jedem Anfall entstehen’ und nach dem Anfall im Blutserum nachweisbar sind. Die Trypanosomen . des nächsten Anfalles werden aber durch diese Stoffe in ihrer Ver- mehrung nicht behindert, sie haben sich den Abw ehrkörpern angepaßt. Es lassen sich so aus den einzelnen Anfällen, die ein bestimmtes Tier im Verlauf der Erkrankung durchmacht, besondere Rassen gewinnen und zum Teil auch weiterzüchten: sogenannte Rezidivstämme, deren jedem auch ein besonderer Typus von Antikörpern entspricht. Nach allgemeiner Ansicht sind es diese Antikörper, die das Ende einer Ver- mehrungsperiode herbeiführen. Sind sie in genügender Menge gebildet, so wird die Mehrzahl der Trypanosomen abgetötet, während der Rest sich anpaßt und nach einiger Zeit zu neuer Vermehrung schreitet. Die Trypanosomen der einzelnen Anfälle unterscheiden sich morphologisch nicht voneinander. Ebenso findet man in den späteren Infektionsstadien die gleichen Former wie zu Beginn der Erkrankung. Eine gute Übersicht über die in den nächsten Vorlesungen zu besprechenden Trypanosomen bietet die Gruppierung-von M. Mayer: 4. Säugetiertrypanosomen: 1. Auf bestimmte Wirte Barzeeek wenig virulente, in der Kultur leicht züchtbare und unter normalen Verhältnissen nur auf die eigentlichen Wirte “übertragbare Arten; zum Teil durch morphologische Merkmale charakte- risiert: Tr. Lewisi — Rindertrypanosomen der Tr. Theileri-Gruppe — Try- panosomen verschiedener Säuger. 2. Bei natürlicher Infektion nur bei bestimmten Wirten vorkommende, aber auf andere übertragbare Arten: die verschiedenen Erreger von Pferde- - seuchen (Tr. equiperdum, equinum, hippicum) — Tr. gambiense und rhodesiense. 3. Bei den verschiedenen Säugetieren spontan vorkommende pathogene Arten: Tr. Brucei, Evansi und verschiedene afrikanische Tiertry panosomen. 4. Endrotrypanum Asse, Sehizotrypanum Cruzi sowie die geißellose Leishmaniaform. B. Vogeltrypanosomen. €. Kaltblütertrypanosomen. 998 53. Vorlesung. Morphologie und Biologie der Flagellaten etc. Literatur. Jollos, Darmiflagellaten des Menschen. Handbuch der pathogenen MIR EUOESRRIRDER. 2. Aufl., Bd. 7, 1913. M. Mayer, EEE als. Krankheitserreger. Handb. d. pathog. Mikroorganismen. : 2. Aufl., Bd. 7, 1913. R. Koch, Über die Unterscheidung der Trypanosomeniarten. Sitzungsberichte der königl. preuß. Akademie der Wissenschaften, 1905. —. Deutsche med. Wochenschr., 1907. Laveran et Mesnil, Trypanosomes et Trypanosomiases. Paris, Masson & Comp., 1904. — Identification des trypanosomes pathogenes. Essais de serodiagnostic. Comiptos rendus de l’Acad. des sciences, T. 123, 1906. Schaudinn, Generations- und Wirtswechsel bei Trypanosoma und UERBME: Aroeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt, Bd. 20, 1904. Sauerbeck, Beitrag zur pathologischen Histologie der experimentellen Trypanosomen- infektion. Zeitschr. f. Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd. 52, 1905. Doflein, Lehrbuch der Protozoenkunde. 4. Aufl., Jena, G. Fischer, 1916. Schilling,{Immunität bei: Protozoeninfektionen. Handb. d. pathog. Mikroorg., 2. Aufl., Bd.7, 1913. Hartmann und Schilling, Die pathogenen Protozoen. Berlin, I: Springer, 1917. 54. VORLESUNG.) Trypanosomenerkrankungen des Menschen. Anhang: Parasitische Flagellaten der Körperhöhlen. 0.1. Die afrikanische 'Schlafkrankheit. Die Schlafkrankheit ist bereits im Jahre 1803 dureh Winterbotton als eine unter den Negern der Sierra Leone weit verbreitete Krankheit beschrieben worden. Die Schwellung der Nackendrüsen wird von schon diesem Autor als ein Frühsymptom erwähnt. Die .Aufmerksamkeit der Ärzte wurde auf sie zuerst 1864 in Martinique gelenkt, als aus Afrika importierte Neger an Bord der Sklavenschiffe, auf denen sie eingeführt waren, oder einige Zeit-nach ihrer Ankunft auf der Insel unter dem eigentümlichen Krankheitsbilde starben. Die Erkrankung wurde allerdings mehr für ein Kuriosum und auch nicht für ansteckend gehalten, weil man nur die importierten 'Sklaven sterben sah, nie aber solche, die in Martinique selbst geboren waren, oder ‚andere Eingeborene, die mit den Schlafkranken auf der Insel in Berührung kamen. “ Schon damals hatte man beobachtet, daß ein langes Iukubationsstadium vorhanden sein kann, denn einzelne Neger erkrankten zuweilen noch 6—8 Jahre, nachdem sie ihre afrikanische Heimat verlassen hatten. In Afrika selbst ist die Krankheit, wie - Becker in einer alten arabischen Handschrift des 14. Jahrhunderts feststellte, schon lange bekannt und gefürchtet gewesen. ; Gegen Ende des vorigen, namentlich aber im 20. Jahrhundert hat die Schlaf-. krankheit begonnen, sich in Afrika in unerwarteter Weise auszudehnen, und damit wurde wieder das Interesse der Ärzte und Forscher aller an der Erschließung des ' schwarzen Erdteils beteiligten Staaten auf sie gelenkt. Von dem endemischen B°.. Gebiete, den Flußläufen des tropischen Westafrika, namentlich dem Senegal, Niger und vom Kongobecken, hat sich die Krankheit langsam über die Grenzen des Kongostaates hinaus einerseits nach Portugiesisch-West- afrika, andrerseits entlang dem Niger und Kongo in Zentralafrika aus- “ gebreitet. .Sie ist um die Jahrhundertwende nach dem Albert-Nyanza gelangt ‚und hat sich 1901 am Vietoria-Nyanza und am oberen Nil, bald darauf auch am Tanganika gezeigt. Die Hauptverbreitungsgebiete der Schlafkrankheit sind _ jetzt die Flußtäler des Kongo, Niger, Senegal, des oberen Nil und die Ufer- streifen längs der Küste des Vietoria-Sees und des Tanganika. Berichte der Missionäre und Forschungsreisenden geben an, daß bereits mehrere hunderttausend Schwarze - an der unheimlichen Seuche gestorben sind, seit sich diese Geißel des ‘ tropischen Afrika dem zunehmenden Verkehr entsprechend stark ausgebreitet hat. Das Studium der Schlafkrankheit trat in ein neues Stadium. als : Castellani in der Zerebrospinalflüssigkeit Trypanosomen fand, ihre Identität mit den 1902 von Dutton beim Menschen in Senegambien Er 2) Bei der Umarbeitung dieses Vortrages war uns in dankenswerter Weise Herr Medizinalrat Dr. Kudiecke behilflich. Ätiologie. Krankheits- erscheinun- gen, 1000 54. Vorlesung. gefundenen Tryp. gambiense erwies, und als Bruce die Bedeutung dieser Protozoenart für die Pathologie der Krankheit erkannte. Zur genaueren Erforschung der Seuche wurden von verschiedenen interessierten Staaten besondere Expeditionen nach den Gebieten, in denen die Krankheit jetzt herrscht, entsandt, so von der portugiesischen und französischen Regierung, von der Royal Society in London und äuch vom Deutschen Reiche. Die Ergebnisse ihrer For- schungen haben unzweifelhaft bewiesen, daß die Schlafkrankheit eine Trypanose des Menschen ist. Damit sind alle früheren Vermutungen über die. Ätiologie der interessanten Krankheit hinfällig geworden, so z. B. die Annahme Ziemanns, daß die Schlafkrankheit nichts anderes sei als eine chronische Vergiftung mit gewissen Maniokarten, oder die Behauptung von Manson, daß Filaria perstans die Ursache der Krankheit sei: Auch das Ankylostoma duodenale war als ätiologisches Moment beschuldigt worden, aber diese Annahme mußte man ‘fallen lassen, denn die Ankylo- stomiasis ist eine über weite Teile "der Erde verbreitete Krankheit, während die Schlafkrankheit bis jetzt nur auf ganz bestimmte tropische Gegenden beschränkt ist. Von dem portugiesischen Forscher Bettencourt und seinen Mitarbeitern waren mit Regelmäßigkeit in der Lumbalpunktionsflüssigkeit der Kranken und in Schnitt- präparaten des Gehirns Streptokokken, und zwar in den kleinzellig infiltrierten Wandungen der kleinsten Gehirnarterien gefunden_worden. Sehr wahrscheinlich hat es sich dabei um Mischinfektionen gehandelt, die zwar bei Schlafkranken nicht selten sind, offenbar aber beim Zustandekommen der typischen Symptome des Leidens eine besondere Rolle nicht spielen. Wenn wir uns kurz über die klinischen Symptome orientieren, so entzieht sich der erste Beginn der Krankheit häufig der Beobachtung. In einzelnen Fällen sind neuerdings lokalisierte entzünd- liche Schwellungen der Haut, die als Primäraffekte gedeutet werden, beobachtet. Gewöhnlich sind Fieberanfälle von meist kurzer Dauer wohl die ersten Erscheinungen, die aber vielfach nicht beachtet oder falsch gedeutet werden, was umso leichter geschieht, als ihre Begleit- symptome (Kopfschmerzen, Schwindel, Mattigkeit, Gliederschmerzen) durchaus uncharakteristisch sind. Früher oder später gesellt sich zu diesen Anfällen, die durch die Vermehrung der Trypanosomen im Blute be- dingt sind, eine Schwellung der Lymphdrüsen hinzu, die besonders in der Hals- und Nackengegend ausgesprochen. ist (Taf. 79, Fig. 2), sich nahezu ebenso häufig aber auch in der Achselgegend, der Schenkel- beuge, am Ellbogen nachweisen läßt. Die erkrankten Lymphdrüsen sind von einer charakteristischen, festweichen Konsistenz und können Kirschgröße erreichen, zuweilen sogar überschreiten. Sie vereitern nicht, können sich aber im weiteren Verlauf der Erkrankung unter Schrumpfung zurückbilden. Wenigstens findet man häufig schwere Fälle, bei denen die Drüsenschwellung entweder fehlt oder die charak- teristische Beschaffenheit vermissen läßt. Eine Rückbildung der Drüsen findet mit Regelmäßigkeit auch im Verlauf der Behandlung mit Arseni- . kalien statt, was zwar als Zeichen der Beeinflussung des Krankheits- prozesses, niemals aber allein als ein Beweis der Heilung angesehen werden darf. Neben der Polyadenitis treten flüchtige Ödeme am Rumpf und an den Extremitäten, ferner Exantheme und Erytheme der Haut auf. Die Milz ist häufig vergrößert, doch ist es zweifelhaft, ob diese Schwellung stets allein durch die Trypanosomeninfektion bedingt ist. Die Dauer dieses Krankheitsstadiums, in dem nervöse Symptome noch völlig fehlen, kann sicherlich mehrere Monate, ja ein Jahr und mehr betragen. Dann treten nervöse Erscheinungen in den Vordergrund. Zunächst bestehen sie nur in leichtem Tremor der Finger und der vor- gestreckten Zunge. In vorgeschritteneren Fällen finden sich Lähmungen Trypanosomenerkrankungen des Menschen. -1001 einzelner Muskelgruppen, Nerven oder ganzer Extremitäten. Auch Hemiplegien können auftreten. Verhältnismäßig früh sind Paresen im Fazialisgebiet erkennbar. Die Haut-, Schleimhaut-, Periost- und Sehnen- reflexe sind gewöhnlich erhöht. Der Babinskische Fußreflex ist nicht selten auf einer oder beiden Seiten vorhanden. Augensymptome fehlen dagegen. In allen vorgeschrittenen Fällen zeigen die Kranken starke Unsicherheit, Schwanken oder Taumeln beim Gehen und das Romberg- sche Phänomen. Sehr häufig bestehen Hyperästhesien der Haut und der tieferen Teile. - Gleichzeitig pflegt jetzt das Symptom aufzutreten, das der Krank- heit den Namen gegeben hat, die Schlafsucht. Sie kann so hohe Grade ‚erreichen, daß die Patienten kaum zu erwecken sind und sogar mit dem Bissen im Munde dem Schlaf verfallen (Taf. 79, Fig. 2). Gelegent- lich findet sie sich bei Leuten, bei denen sonstige Zeichen der zerebralen Erkrankung nahezu fehlen, meist ist sie jedoch mit schweren nervösen Symptomen vergesellschaftet. In nicht wenigen Fällen fehlt die Schlaf- - sucht völlig, oder es bestehen sogar ausgesprochene Erregungszustände mit Neigung zu aggressivem Verhalten, blinder Zerstörungswut, lärmen- dem Wesen, Größeniden u. ähnl. Andere Kranke sind vorwiegend depressiv gestimmt mit ausgesprochener Selbstmordneigung oder zeigen ein negativistisches Verhalten. Je länger die Krankheit dauert, umso gleichförmiger pflegen die psychischen Erscheinungen zu werden; die’ Zeichen der Verblödung beherrschen dann das Bild. Sehr häufig sind epileptiforme Anfälle, besonders bei Schwerkranken. Sie fehlen aber auch bei scheinbar Leichtkranken nicht und führen hier wie dort in sehr vielen Fällen zum plötzlichen Tode. Wo sie überstanden werden, können . Mono- oder Hemiplegien, Sprachstörungen eine Zeitlang oder dauernd . zurückbleiben. Viele Schwerkranke zeigen ausgesprochene meningiti- sche Symptome (Nackenstarre, Äernigsches Phänomen usw.). Bei der Obduktion finden sich pathologisch-anatomische Ver- änderungen vorwiegend an der weichen Hirnhaut, deren Gefäße injiziert und, wie sich auf mikroskopischen Schnitten zeigt, fast stets mit einer verdickten, kleinzellig. infiltrierten Wandung versehen sind. An denGefäßen des Gehirnes sind die gleichen Veränderungen festzustellen. Die Pia mater selbst ist trübe und kleinzellig infiltriert. Als Folge dieser entzündlichen Vorgänge an den Gefäßen zeigt auch das Parenchym sekundäre degenerative Veränderungen. Milz und Leber sind erheblich vergrößert, die Lymphdrüsen des ganzen Körpers, besonders die des Nackens und des Halses geschwollen. Die Trypanosomen finden sich bei Schlafkranken im Blut (Taf. 80, Fig. 2). im Saft der Drüsen (Taf. 80, Fig. 1) und in der Zerebrospinal- flüssigkeit. Im Blut erscheinen sie zunächst gewöhnlich anfallsweise, zuweilen, in großer Zahl. Später pflegen sie spärlicher und seltener auf- zutreten, so daß dann ihr Nachweis erhebliche Schwierigkeiten machen kann. Wenn man sich aber der Methode des dicken Tropfens be-' dient, führen häufigere Untersuchungen meist zum Ziel. Kann man so lange nicht warten, so empfiehlt es sich, größere Blutmengen zu zen- ' trifugieren oder den Versuch zu machen, die Trypanosomen in den 4 Drüsen oder in der Zerebrospinalflüssigkeit aufzufinden. In den Drüsen wie auch in der Flüssigkeit des Subarachnoidealraums zeigt die Zahl . der Trypanosomen, wenn die Infektion überhaupt einmal eingetreten Obduktions- 1002 54. Vorlesung. ist, im allgemeinen keine. größeren Schwhnkbigen: Daß bei RE lung mit Arsenikalien die Trypanosomen aus den Drüsen schnell: und endgültig zu verschwinden pflegen, wurde bereits erwähnt. In der Zerebrospinalflüssigkeit zeigen sie ein durchaus anderes Verhalten. In sehr vielen Fällen sind sie hier auch bei intensiver Behand- lung dauernd nachweisbar. Wo sie verschwinden, kehren sie in der Regel nach Aussetzen der Behandlung, - häufig noch während derselben wieder. Die Anwesenheit von Trypanosomen in der Zerebrospinalflüssig- keit führt zu einer Zellvermehrung in derselben, die sehr beträchtliche Grade erreichen kann. Es handelt sich zunächst um eine Einwanderung von Lymphozyten. Später finden sich charakteristische größere ein-: kernige Zellen mit stark vakuolisiertem Protoplasma. Trypanosomen sind am häufigsten bei den mittleren Graden der Zellvermehrung an- - Trypano- i soma gambiense. Morphologie. zutreffen, bei geringen und bei sehr hohen Zellzahlen kann ihr Nach- weis mißlingen. Gleichzeitig mit der Zellvermehrung ist erhöhter .Albumin- und Globulingehalt nachweisbar. Wichtig ist, daß die geschil- derten Liquorveränderungen gar nicht selten schon bei Kranken nach- weisbar sind, die irgendwelche nervöse Erscheinungen nicht erkennen lassen. Im Blut der Schlafkranken treten im Verlauf der Infektion. Stoffe auf, die in ihrer Wirkung den Bakteriolysinen, den Bakterio- tropinen, den agglutinierenden und komplementbindenden Antikörpern . entsprechen. Ihr Nachweis hat allerdings bisher in der Praxis kaum _ Verwendung gefunden. Für das Studium der orale Eigenschät > des ee nosoma gambiense eignen sich am besten Blutausstrichpräparate, die nach Giemsa gefärbt sind. Gerade im Blut zeigt sich das Trypanosoma in charakteristischer Weise (s. Taf. 80, Fig. 2). Es ist 15—30p. lang und 14—2,. breit, besitzt eine undulierende Membran und eine Geißel, die an einem rundlichen, nahe dem Hinterende gelegenen Blepharoplast entspringt. In der Nähe der Geißelwurzel ist vielfach eine hellere Stelle nachweisbar, die von manchen Autoren als Vakuole gedeutet wird. Der ovale Kern liegt in der Mitte und zeigt in feuchtfixierten Präparaten einen deutlichen Binnenkörper (Karyosom). Das Zellplasma ist häufig von Körnchen erfüllt, die bei Giemsa- FArbuRe: einen dunkelvioletten Farbenton annehmen. Im Blut des Menschen und mehr noch. Bi . Blut empfänglicher Versuchtiere treten die Trypanosomen in zwei Formen auf, die durch Übergangsformen verbunden sind. Einmal, so besonders in Zeiten akuter Vermehrung, d. h. also im allgemeinen während der Fieberanfälle, finden sich lange schlanke Flagellaten mit allmählich sich verjüngendem Hinter- ende und langer, freier Geißel. Daneben findet man meist in geringerer Zahl plumpe Formen mit stumpfem Hinterende, bei denen das freie Geißelende sehr kurz ist oder auch fehlt. Vielfach sind diese Formen als männliche und weibliche unterschieden worden. Der Nachweis, daß es sich hier um: sexuelle Verschiedenheiten handelt, ist jedoch bisher nicht erbracht. Nach Miß Robertson sollen allein die kurzen ‚Formen zur Entwicklung im Überträger befähigt sein. Die Kultur des Parasiten auf künstlichen Nährböden ist bisher in brauchbarer Form nicht gelungen. Anfänge von Kulturen haben Thomson und Sinton erzielt. | Trypanosomenerkrankungen des Menschen. 1003 | ‚Das Trypanosoma gambiense läßt sich experimentell durch Ver- impfung auf eine ‘ganze Anzahl von Tierarten ‚übertragen. Bei keiner Tierart jedoch, selbst nicht bei Affen, ist es möglich, eine der Schlafkrankheit des Menschen klinisch gleiche Erkrankung hervor- zurufen. Bei Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten, Mäusen, Hunden - und Affen kommt es zu einer chronisch ‚und stets tödlich verlaufenden Septikämie. Vielfach treten aber auch schnell tödlich endende Blut- _ infektionen ein, wenn sich die Parasiten — oft nach langer Inkubationszeit — ganz plötzlich massenhaft vermehren. Die Trypanosomen der Schlaf- _ krankheit zeigen große Schwankungen in ihrer Virulenz für die ge- nannten Tierarten, noch mehr aber für größere Tiere, Pferde, Rinder, Schafe und Ziegen. Bei diesen treten die Parasiten sehr spärlich im Blute auf und verschwinden meist nach einigen Monaten, wie Kleine fand, ohne das Tier zu töten oder erheblich krank zu machen. Nach englischen Autoren ist Trypanosoma gambiense auch auf Antilopen über- tragbar und in deren Blute lange Zeit nachweisbar. - Der Überträger der Schlafkrankheit ist die G@lossina palpalis (Taf. 78). Man trifft diese Stechfliegenart überall im äquatorialen Afrika, wo Schlafkrankheit vorkommt. In allen Gegenden, in denen die Glossina palpalis heimisch ist, breitet sich die von infizierten Eingeborenen pathogenität. eingeschleppte Seuche aus. Wo aber die Glossinen fehlen, entstehen auch 4 keine Neuinfektionen. : Bruce hat die Fliegen an schlafkranken Negern Blut saugen lassen und dann gesunden Affen angesetzt; die Tiere erkrankten an Trypanoso- 4 . miasis und zeigten das Trypanosoma-gambiense in ihrem Blut. Im Darmkanal von gefangenen Glossinen, die an Schlafkranken gesogen hatten, haben zuerst Gray und Tulloch Trypanosomen zum Teil in großer Menge nachgewiesen. Zum Teil hat es sich dabei um das Trypanosoma Grayi aus dem Krokodil gehandelt, zum Teil aber wohl auch um Entwicklungsformen des Schlafkrankheitserregers; denn die Autoren haben Trypanosomen auch in den Speicheldrüsen gefunden, in denen das Krokodiltrypanosoma, soweit bis jetzt bekannt, nicht vorkommt. ‚R. Koch, der ebenfalls gefangene Fliegen untersuchte, hat ähnliche Befunde erhoben und aus den in wilden Glossinen vorkommenden Flagellaten eine Anzahl - von Typen ausgesondert, deren zwei er wegen ihres alleinigen Vorkommens im Schlafkrankheitsgebiet mit großer Wahrscheinlichkeit als Entwicklungsstadien des Trypanosoma gambiense ansprechen konnte. Der endgültige Nachweis, daß der Erreger Jer menschlichen Trypanosomen- krankheit einen ganz bestimmten Entwicklungsgang in der Fliege durchmacht, bevor er von dieser weiter übertragen werden kann, ist Kleine und Taute ge- lungen. Diese Autoren verwendeten gezüchtete Fliegen, die niemals Trypanosomen beherbergen (Stuhlmann, Kleine und Taute), ließen sie zunächst an schlafkranken, - dann weiter täglich an gesunden Affen saugen und konnten dann zeigen, daß die Fliegen erst nach einem Zeitraum -von etwa 20 Tagen imstande "sind, neue Tiere zu infizieren. Während dieser Periode vermehren sich die Trypanosomen zu- nächst im Fliegendarm. Bruce kam zu gleichen Befunden und zeigte mit seinen Mitarbeitern, daß die Fliegen erst infektiös werden, sobald die Trypanosomen in die Speicheldrüsen eingewandert sind und in diesen ein Stadium der Entwicklung erreicht haben, das der kurzen Blutform gleicht. Kleine und dessen Mitarbeiter haben diese Angaben bestätigt und ebenso wie die englischen Autoren gefunden, daß die Darmformen, so zahlreich sie sind, sich in einem Wirbeltier nicht vermehren . können. Kleine und Taute sind in Anlehnung an die Anschauungen, die vor ihnen schon R. Koch bezüglich der Trypanosomen der Tse-tse-Fliegen vertreten hatte, der Meinung, daß die Entwicklung in der Glossina palpalis auf geschlechtlichen Vorgängen beruht. Sie unterscheiden demgemäß im Fliegendarm sehr schlanke, spermatozoenähnliche, hellergefärbte Trypanosomen mit langem Kern als männliche und kurze, plumpe, nach Giemsa sich dunkler und mehr bläulich färbende Fla- gellaten als weibliche. Eine Vereinigung dieser Formen wird angenommen und ist Diagnose. 1004 54. Vorlesung. nach Ansicht der genannten Forscher die Grundlage der ungeheuren Vermehrung, die im Darm stattfindet. Bruce lehnt diese Deutungen ab. Für die Auschauung von Kleine und Taute spricht das plötzliche Erlöschen der Infektiosität trotz erwiesener Vermehrungsfähigkeit, gegen sie der Umstand, daß es bisher keinem Beobachter gelungen ist, Kopulationsvorgänge zu beobachten. Die Vermehrung der Try- panosomen beginnt nach unserer jetzigen Kenntnis im Mitteldarm und schreitet nach vorn fort. Im Proventrikel und zum Teil auch im vordersten Darmabschnitt findet man statt der oben erwähnten Formen hauptsächlich bandartige Trypanosomen mit langem Hinterende und länglichem segmentiertem Kern. Diese Stadien wandern in die Speicheldrüsen, und zwar, wie Miß Robertson vermutet und Kleine und Mit- arbeiter nachgewiesen haben, auf dem Wege über die Ausführungsgänge. Im Lumen der Drüsen nehmen sie Crithidiafornen an, heften sich als solche an der Wand ‘ an und vermehren sich so, bis nach einiger Zeit wieder Trypanosomen auftreten, die, wie erwähnt, der kurzen Blutform gleichen. Damit ist die Entwieklung vollendet. Die Zahl der künstlich infizierbaren Fliegen schwankt beträchtlich. Zuweilen läßt sich eine Entwicklung unter einer großen Zahl nur bei einigen wenigen erzielen. In anderen Fällen können bis zu 10°, infektiös werden. Kleine und Mitarbeiter glauben‘, daß Trypanosomen, die sehr lange im Tierkörper verweilt haben, sich in Fliegen weniger gut entwickeln. Nach Miß Robertson ist die Entwicklungsfähigkeit von dem Vorhandensein einer bestimmten Form abhängig (s. oben). Aus unbekannten Gründen geht zuweilen die im Darm begonnene Entwicklung ‚ nicht auf die Speicheldrüsen über, oder die Infektion der letzteren tritt erst mit beträchtlicher. Verzögerung ein. Nach englischen Autoren lassen sich Glossinen auch an Tieren infizieren, dis nur spärlich Trypanosomen im Blute haben. So geben Bruce u. a. an, daß es ihnen gelungen ist, Trypanosomen aus künstlich infizierten Rindern und Antilopen in der Glossina palpalis zur Entwicklung zu bringen und durch die Fliegen weiter zu übertragen. Bruce und ganz besonders Duke haben seitdem die Ansicht vertreten, daß den genannten Tierarten eine wesentliche Rolle bei der Verbreitung der Schlaf- krankheit zukomme, was Kleine und dessen Mitarbeiter bestreiten. Die Glossina palpalis lebt, wie R. Koch festgestellt hat und Bruce bestätigen konnte, vielfach hauptsächlich von Krokodilblut, ferner nach Zupitza vom Blut von Eidechsen (Waraneidechse). Wo keine Krokodile oder Eidechsen leben, nährt sich ° die Fliege von dem Blute anderer Kaltblüter u B. Schlammspringer, Periophthalmus) oder. Warmblüter. ; Die Diagnose der Trypanosomen-Infektion des Menschen und der afrikanischen Schlafkrankheit kann unter Umständen schon auf (rund der klinischen Befunde mit einer an Sicherheit grenzenden Wahr- scheinlichkeit gestellt werden. Wenn in den infizierten Gegenden Afrikas fiebernde Kranke mit stark vergrößerten Lymphdrüsen von charakteri- stischer Konsistenz oder mit dem typischen Bilde der ausgesprochenen Schlafkrankheit angetroffen werden, ist die Diagnose Trypanosomen- Infektion so gut wie gesichert. Aber bei den leichten und beginnenden Fällen läßt die klinische Beobachtung im Stich, namentlich wenn die Fieberbewegungen gering und die Drüsen noch nicht merklich vergrößert - sind. Das gleiche gilt für Fälle von Schlafkrankheit oder Blutinfektion in vorgeschrittenem Stadium, wenn die anfangs geschwollenen Drüsen sich bereits wieder verkleinert haben. Zur Unterscheidung von Menin- gitis anderer Ätiologie oder von Fieberzuständen, die durch ätiologisch differente Blutinfektionen bedingt sind, kann allein der Nachweis des Trypanosoma gambiense die Diagnose sichern. Als Untersuchungs- material kommen in Frage das zirkulierende Blut, die Punktions- flüssigkeit der vergrößerten Drüsen und endlich die durch Lumbalpunktion gewonnene Zerebrospinalflüssigkeit. Beim Blut erhält man recht zuverlässige diagnostische Resultate, wenn man es in dicken Tropfen antrocknet und die Präparate in der Weise Trypanosomenerkrankungen des Menschen. 1005 behandelt, wie es Ross und Ruge für Untersuchung des Blutes Malaria- kranker empfohlen haben (s. S. 1085). Wenn das mikroskopische Prä- parat, was nur selten vorkommt, bei mehrmaliger Untersuchung nicht zum Ziele führt, wird das verdächtige Material auf empfängliche Ver- suchstiere, am besten Meerkatzen, überimpft. Durch den Tierversuch lassen sich vielfach,auch spärliche Trypanosomen nachweisen. Manche Autoren (Dutton und Todd, Bruce und Nabarro, Martin, Leboeuf und Roubaud, Broden) bevorzugen zum Nachweis spärlicher Trypanosomen im Blut die Untersuchung des Sediments einer fraktio- niert zentrifugierten größeren Blutmenge. Broden empfiehlt Zentrifu- gieren bei einer Umdrehungsgeschwindigkeit von 900—1500 Runden in der Minute solange, bis Blutkörperchen und Plasma hinreichend ge- - trennt sind. Das Plasma, das noch trübe aussehen muß und die Leuko- zyten, die Trypanosomen und eine kleine Menge von Erythrozyten ent- hält, wird: vorsichtig abgegossen und 10 Minuten lang wiederum bei 1500 Runden in der Minute zentrifugiert. Enthielt das Blut eine größere Zahl von Trypanosomen, so findet man sie jetzt bereits im Sediment. Ist das nicht der Fall, so muß man die überstehende Flüssig- keit zum zweiten Male vorsichtig abgießen und noch einmal 15 bis 20 Minuten lang bei 1500—2000 Umdrehungen zentrifugieren. Das Sediment wird dann frisch untersucht. Das Blut muß bei der Ent- nahme mit 6proz. Natrium eitricum-Lösung im Verhältnis 1:9 versetzt- werden, da es sonst gerinnt. Der Lymphdrüsensaft kann frisch oder nach Ausstreichen in fixiertem und gefärbtem Zustande untersucht werden. In beiden Fällen muß die zu untersuchende Schicht so dünn sein, daß die Zellen sich nicht decken und auch nicht zu dicht aneinander liegen, wozu unter Umständen eine Verdünnung des Drüsensaftes mit physiologischer Kochsalzlösung (eventuell mit Zusatz von Natr. citricum) notwendig ist. Zur Färbung der gehärteten Ausstrichpräparate ist es notwendig, kon- zentriertere Farblösungen zu verwenden, sie länger einwirken zu lassen und unter Umständen die- Farblösung mehrfach zu erneuern. In der Zerebrospinalflüssigkeit lassen sich Trypanosomen meist leicht nachweisen, wenn man 10 ccm 10—20 Minuten lang kräftig zentrifugiert und das Sediment frisch mit einem starken -Trocken- system untersucht. Bei reichlichem Zellgehalt und auch bei geringer Zell- vermehrung können sie fehlen oder dem Nachweis entgehen. Die Zell- zählung kann bei Untersuchung des Liquors Schlafkranker nicht entbehrt werden, da sie zuweilen ‚allein Anhaltspunkte dafür gibt, ob ein Ein- dringen der Trypanosomen in das Zentralnervensystem bereits statt- gefunden hat. Für Zwecke der Zellzählung, die am besten direkt in der Fuchs-Rosenthalschen Zählkammer vorgenommen wird, genügt die Ent- nahme von 1—2 ccm. Liquor. Auch beim Liquor bevorzugen einige Autoren die Verimpfung größerer Mengen auf Meerkatzen. Meist wird sie zu entbehren sein. Für die Behandlung der Schlafkrankheit steht jetzt eine größere Zahl von Medikamenten zur Verfügung, die sich in 3 Gruppen einordnen lassen: Arsenikalien, Antimonpräparate und Farbstoffe. Die Arsentherapie der Trypanosen hat ihren Ausgangspunkt von den Beobachtungen von Bruce und Lingard genommen, die zuerst trypano- Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 65 Therapie. 1006 54. Vorlesung. ° ziıde Wirkungen der arsenigen Säure feststellten. Laveran und seine Mitarbeiter studierten die Schutz- und Heilwirkungen der anorganischen Arsenpräparate bei kleinen, mit Nganaparasiten -oder Trypanosoma# gambiense infizierten Tieren. 1905 fand Thomas in Liverpool in dem organischen Arsenpräparat Atoxyl ein trypanozides Mittel, das von ihm und Breinl für die Heilung der Schlafkrankheit empfohlen wurde. Ayres Kopke, R. Koch, Beck, Kleine und Broden stellten die Wirksamkeit des Mittels auf das "Trypanosoma gambiense beim schlafkranken Menschen fest. Ahrlich führte eine Reihe weiterer von ihm dargestellter Arsen- präparate in die Therapie der Schlafkrankheit ein: das Arsazetin, Ar- senophenylglyzin, Salvarsan und Neosalvarsan.. Von Antimonpräparaten ist der Brechweinstein, der zuerst von Mesnil und Nicolle empfohlen, von Plimmer und Thomson im Tierexperiment als wirksam erwiesen war, insbesondere von französischen Autoren (Martin und Darre, Thiroux, @. Martin und Ringenbach u. a.) vielfach verwendet worden. Nach den Untersuchungen Kolles ‘und seiner Mitarbeiter Rothermundt, Hartoch und Schürmann wirkt weiter- . hin das Antimontrioxyd stark auf Trypanosoma gambiense. Heilungen ließen sich mit diesen Präparaten aber nur in geringem Prozentsatz erzielen. Unter den Farbstoffen fand zuerst Ehrlich im Benzidinfarbstoff Trypanrot ein trypanozides Mittel. Nicolle und Mesnil entdeckten die Wirksamkeit des zur gleichen Gruppe gehörigen Trypanblaus. Wendel- stadt reihte ‘diesen die Triphenylmethanfarbstoffe Malachitgrün und Brillantgrün an und Ehrlich das Parafuchsin. Während alle diese Farbstoffe in der Praxis kaum Eingkhg ge- funden haben, da ihre Wirkung. sich als nicht ausreichend erwies, scheint neuerdings in dem von den Bayerschen Farbenfabriken dar- gestellten Präparat „Bayer 205“ ein Mittel gefunden zu sein, das im ‘ Tierexperiment alles in den Schatten stellt, was bisher an trypanoziden Medikamenten erprobt wurde‘ und vielleicht berufen ist, nicht nur der Behandlung, sondern auch der Bekämpfung der Schlafkrankheit eine neue, früher kaum geahnte Wendung zu geben. Eine ein- oder zweimalige Injektion des Mittels, das im Tierversuch einen hohen chemothera- peutischen Index hat, genügt bei experimentell infizierten Tieren in einem hohen Prozentsatz zur Sterilisierung. Das Blutserum der so behandelten Tiere besitzt. wochenlang beträchtliche trypanozide Eigenschaften. Dem entspricht eine lange anhaltende prophylaktische Wirkung. Nach diesen im Laboratorium gemachten Erfahrungen ist zu hoffen, daß das Mittel auch beim Menschen erheblich günstigere Wirkungen entfalten wird, als sie mit den bisher üblichen Medikamenten erzielt wurden. Ob es freilich möglich sein wird, damit auch bei der T'rrypanosomenerkrankung des Zentralnervensystems gute Erfolge zu erzielen, ist zweifelhaft. Erfahrun- gen, die an chronisch dourinekranken, mit nervösen Erscheinungen be- hafteten Pferden gemacht sind, lassen das Gegenteil befürchten. Von den erwähnten Heilmitteln ist bisher wohl am meisten das Atoxyl angewendet worden. In großem Umfange hat Robert Koch seine Wirksamkeit bei schlafkranken Menschen in gemeinsamer Arbeit mit Beck und Kleine bei der Deutschen Schlaf- krankheitsexpedition in den Jahren 1906—1909 erprobt und das Präparat als außer- ordentlich brauchbar beurteilt. Koch stellte durch Beobachtungen an einem großen, Trypanosomenerkrankungen des Menschen. 1007 - von ihm auf den Sesse-Inseln des Vietoria-Nyanza mit Atoxyl behandelten Kranken- material die Dosierung des Mittels, seine Wirkungen und Nebenwirkungen und die heste Art der Behandlung fest. Das Atoxyl wird subkutan einverleibt, und zwar in der Form von Doppelinjektionen von 059g in 10tägigen Pausen. Schon nach wenigen Einspritzungen läßt sich nach den Berichten der Deutschen Kommission eine augenfällige Besserung nachweisen, die bei Fortsetzung der Atoxylgaben noch weiter fortschreitet. Unter dem Einfiusse der Behandlung verschwinden die Trypano- somen aus Drüsen und Blut. Selbst Schwerkranke mit deutlichen Symptomen der Schlafsucht werden gebessert. Das Körpergewicht nimmt zu, und auch die Erschei- nungen von seiten des Gehirns zeigen eine auffällige Abnahme. Diese Besserung hält allerdings in allen schweren Fällen nach Aussetzen der Behandlung nicht an. Nach kürzerer oder längerer Latenzzeit treten wieder Trypanosomen im Blut auf, oder die Kranken verschlechtern sich und gehen schließlich unter Zunahme oder Wiederauftreten der zerebralen und spinalen Symptome zugrunde. Auch bei einer großen Zahl derjenigen Kranken, die ursprünglich nervöse oder psychische Krank- heitserscheinungen nicht zeigten, bleiben diese trotz fortgesetzter oder wiederholter Behandlung nicht aus, und damit wird das ungünstige Ende nahezu unvermeidlich. Eine Steigerung der Atoxyldosis kann nur bis zu einem gewissen Grade vorgenommen werden, weil das Mittel unter Umständen Sehstörungen, ja bei Personen, die für Arsen besonders empfindlich sind, eine Atrophie der Sehnerven herbeiführt. Ein Teil der Kranken, welche längere Zeit mit großen _Atoxyldosen (10 g pro dosi) behandelt wurden, erblindete. Große Atoxyldosen hatten auf die im Blute kreisen- den Trypanosomen keine bessere Wirkung als mittelgroße (059 pro dosi). Das Atoxyl ist später bei der Bekämpfung der Schlafkrankheit in Deutsch- Ostafrika bei mehreren tausend Kranken angewandt worden. Auch anderen Orts im Eingopadiet, in verschiedenen westafrikanischen Kolonien usw. hat man sich seiner mit Vorliebe bedient. Die deutschen Ärzte haben zumeist in Anlehnung an die - Erfahrungen der deutschen Schlafkrankheitsexpedition Doppelinjektionen von 05 9 in 10 bis 14tägigen Pausen verabfolgt und nach 10 Doppelinjektionen die Behandlung für mehrere Monate unterbrochen oder endgültig ausgesetzt. Inwieweit mit einer solchen Kur sich definitive Heilungen erzielen lassen, ist an einem größeren Material nicht festgestellt worden. Broden, der die gleiche Methode ver- suchsweise im Kongoögebiet anwandte, aber bis zu 40 und mehr Doppelinjektionen gab, fand, daß von 42 Kranken, deren Spinalflüssigkeit bei Beginn der Behandlung normale Verhältnisse bot, die also sicher im Anfangsstadium der Krankheit waren, 21 = (50°/,) während einer Zeit von 2?/,—19 Monaten rezidivfrei blieben, während bei ıken mit veränderter Spinalflüssigkeit oder mit ausgesprochenen nervösen Sym- ptomen nur mehr oder weniger lang anhaltende Besserungen erzielt wurden. Kudicke, der im Bukobebezirk (Vietoria-See) ein großes Material von Schlaf- kranken in glossinenfreier Gegend behandelte, fand unter 154 Kranken ohne nervöse Symptome, die in einer kontinuierlichen Behandlungsserie durchschnittlich 30 4 Atoxyl, in-einer späteren kleineren noch einmal 109g erhalten hatten, 62, die zwei Jahre nach Beendigung der Behandlung rezidivfrei blieben (= 40°/,). Die gleichen Ergebnisse hatte Kudicke bei Kranken, die in 2—3 Behandlungsserien insgesamt 22 bis 35 g Atoxyl erhalten hatten, Da zu Beginn der Behandlung der Liquor nicht untersucht war, kann nicht angegeben werden, wie viele dieser Kranken sich wirk- lich im Frühstadium befunden haben. Ganz ähnliche Resultate lassen sich erzielen, wenn man, wie Broden vor- geschlagen hat, wöchentlich 1 g injiziert. Broden ist dabei bis zu Gesamtdosen von 50 g und mehr gegangen, und gibt an, daß Kranke der Frühperiode diese Dosen obne Schädigung vertragen haben. Auch Martin und Darr€ haben über verhältnismäßig günstige Erfahrungen mit der Atoxyl-Behandlung der Schlafkrankheit berichtet. Allerdings geben sie der Kombination mit Tartarus stibiatus den Vorzug. ee Alles in allem lassen die vorstehend mitgeteilten Erfahrungen erkennen, daß R. Koch im Recht war, wenn er das Atoxyl zwar nicht als sicher wirkendes EDEN, aber doch als eine gewaltige Waffe im Kampfe gegen die Schlafkrankheit ıinstellte. Arsazetin ist verhältnismäßig wenig angewandt worden, da Sehstörungen da- nach wesentlich häufiger waren als beim Atoxyl. Kudicke fand unter 14 Kranken, denen Ulrich 10 Doppelinjektionen von 1'0g nach dem Muster der Atoxyl-Behandlung in 1—2 Serien gegeben hatte, 9, die zwei Jahre lang rezidivfrei geblieben waren. Auf . das Arsenophenylglyzin wurden anfangs große Hoffnungen gesetzt, da es schien, 65* kämpfung. 1008 54. Vorlesung. als ob es möglich sei, mit diesem Mittel das Ziel der Therapia sterilisans magna zu erreichen. v. d. Hellen gab 1913 die Zahl der in Togo bei Frühfällen erzielten vorläufigen Heilungen, deren Dauer zwischen 9 Monaten und 3 Jahren schwankte, auf 58°/, an. Broden ist in seinem Urteil zurückhaltend. Er gibt die Möglichkeit der definitiven Heilung im Frühstadium zu, betont aber, daß man, um eine solche mit einem Schlage zu erreichen, Dosen wählen müsse, die dicht an der toxischen liegen (0:05—0'055 pro Kilogramm Körpergewicht). Die deutschen Ärzte in Ostafrika haben das Präparat, das sich in großen Dosen wie auch bei wiederholter Anwendung kleiner Gaben als toxisch erwies, zumeist ungünstig beurteilt. Alle Autoren stimmen darin überein, daß das Medikament für vorgeschrittene Stadien ungeeignet ist. Mit Salvarsan haben Broden sowie Mouchet und Dubois am Kongo bei einmaliger oder mehrmaliger Anwendung von Gaben zu 0'6 in der Frühperiode zufriedenstellende Ergebnisse gehabt. Ähnlich hat Zupitza geurteilt. Die bekannt- gegebenen Zahlen sind, was längere Beobachtungszeit anlangt, jedoch nur klein. Lurz hat am Tanganika mit Einzelinjektionen wenig günstige Resultate erzielt. Über Kupfersalvarsan haben versehiedene Autoren zunächst verhältnismäßig günstig berichtet. Über die Ergebnisse längerer Beobachtung ist aber nichts bekannt geworden. Nach den Versuchen, die Kudicke am Tanganika anstellte, dürfte seine Heilwirkung etwa der des Arsenophenylglyzins entsprechen. Auripigment ist besonders von den französischen Autoren Thirouzx "und d’Anfreville verwendet worden, meist als Unterstützungsmittel anderer Medikamente. Seine bequeme Anwendungsweise wird gerühmt. Es wurde per os in Dosen von 0:15—1'0 gegeben. Mouchet und Dubois geben an, daß es in mittleren Dosen unwirksam, in großen giftig war. Bei seiner geringen Löslichkeit kann es sicherlich nur eine sehr langsame Wirkung entfalten. Auch der Brechweinstein hat als Kombinationsmittel, meist zusammen mit Atoxyl oder anderen Arsenikalien, vielfach Verwendung gefunden. Das allgemeine Urteil kann dahin zusammengefaßt werden, daß er zweifellos geeignet ist, die Wirkung dieser Mittel zu verstärken. Es ist aber notwendig, die Injektionen häufig zu wiederholen, da er aus dem Blut sehr schnell verschwindet (Morgenroth und Rosenthal). Meist sind Einzelgaben von 0'1—0'2 verwendet worden. Über „Trixidin“-Behandlung (Antimontrioxyd in öliger Suspension) liegen nur wenige Erfahrungen vor. Von den Farbstoffen haben Trypanrot und Trypanblau, die die Gewebe stark färben, kaum Eingang in die Praxis gefunden. Tryparosan hat nach Broden, in großen Dosen innerlich gegeben (25 9 in 3 Tagen), eine die Arsenikalien verstär- kende Wirkung. Trypaflavin ist vereinzelt ebenfalls als Kombinationsmittel mit gutem, Erfolge intravenös gegeben worden (Broden). Das schwierigste Problem bei der Behandlung der Schlafkrankheit ist "die Beeinflussung der zerebralen Erkrankung. Alle Autoren stimmen darin überein, daß da, wo nervöse oder psychische Symptome bestehen, Heilungen nur in ganz vereinzelten Ausnahmefällen zu erzielen sind. Aus den Angaben Brodens u. a. muß sogar geschlossen werden, daß schon relativ geringfügige Veränderungen der Zerebrospinalflüssigkeit die Prognose zu einer unsicheren und meist schlechten machen. Spätrezi- diven, die sowohl zum Wiedererscheinen von Trypanosomen im Blut wie auch in der Spinalflüssigkeit führen können, treten unter Umständen noch nach sehr langer Zeit (bis zu 2 Jahren) auf. Demgegenüber scheint die Schwierigkeit, die durch das Auftreten arzneifester Stämme dargestellt wird, in den Hintergrund zu treten. Zweifellos kommen solche Trypanosomenstämme unter natürlichen Be- dingungen vor. Es muß aber darauf aufmerksam gemacht werden, daß nicht in jedem Falle, wo ein Mittel bei einem Kranken versagt, ohne weiteres Festigkeit der Trypanosomen angenommen werden darf. Zur Bekämpfung der Schlafkrankheit hat man verschiedene Wege eingeschlagen. Allen Methoden gemeinsam ist das Bestreben, möglichst viele Kranke, so frühzeitig als angängig, ausfindig zu machen Trypanosomenerkrankungen des Menschen. 1009 _ und von ihrer Umgebung durch Verbringung in Konzentrationslager - -abzusondern, um sie zugleich mit trypanoziden Mitteln zu behandeln. In Deutsch-Ostafrika hat man nach den Vorschlägen von R. Koch gleich- zeitig in den verseuchten Gebieten einen energischen Kampf gegen die Glossina palpalis unternommen, hat Uferwälder gelichtet oder von 'Gestrüpp gereinigt, den Busch und Dickichte, wo sie den Fliegen als Schlupfwinkel dienten, gerodet und durch Anpflanzungen niedriger Nutzgewächse ersetzt u. v. m. In mehrjähriger mühseliger Arbeit ist es dort den Ärzten unter Leitung von F.K. Kleine gelungen, am Victoriasee, wo im Bukobebezirk die Krankenzahl über 800 betrug und im Shiretibezirk, wo sie 1000 über- schritt, die Seuche zum Erlöschen zu bringen. Am Tanganika, wo die Verhältnisse wesentlich schwieriger lagen und insgesamt auf deutscher Seite etwa 10000 Kranke vorhanden gewesen sein dürften, hatte man bei Beginn des Weltkrieges doch soviel erreicht, daß weite Strecken des verseuchten Ufers nicht nur gefahrios passierbar, sondern auch wieder bewohnbar geworden waren. Verständnisvolle Berücksichtigung der Eigen- heiten der Bevölkerung im Verein mit einer geschickt gehandhabten Kontrolle des Land- und Seeverkehres hat auch hier dazu geführt, daß weitaus die meisten Kranken der Behandlung unterzogen werden und damit, soweit eine Heilung nicht zu erzielen war, doch wenigstens monatelang - als Ansteckungsquelle ausgeschaltet werden konnten. Wo Gesundungsmaß- nahmen nicht durchgeführt werden konnten, beschränkte man sich auf Räumung der betreffenden — meist nicht sehr- weiten — Gebietsteile. Am britischen Teil des ;Vietoriasees, wo die Seuche schon: seit einer Reihe’ von Jahren festen Fuß gefaßt und zahllose Opfer gefordert hatte, hat man den Hauptwert auf die Evakuierung der verseuchten Ufer und Inseln gelegt. Man hoffte dabei, daß damit in diesen Gebieten die Seuche in kurzer Zeit zum Erlöschen gebracht werden könne und . daß dann einer Wiederbesiedlung nichts mehr im Weg stehen würde. Soweit ersichtlich, haben sich diese Erwartungen bisher nicht oder doch ‚ nicht völlig erfüllt. Nach den Berichten von Duke beherbergen wenig- stens in bestimmten Teilen dieser Gebiete die Glossinen noch Trypano- somen, die morphologisch und hinsichtlich ihrer Pathogenität vom Trypanosoma gambiense nicht zu unterscheiden sind. Nach Ansicht des genannten Forschers sind an Stelle des Menschen jetzt Nilpferde und Sumpfböcke Quelle der Nahrung und auch der Infektion. Der Kampf gegen die Schlafkrankheit ist auch im Kongogebiet und in den westafrikanischen Kolonien aufgenommen worden. Bei der ungeheuren Ausdehnung der verseuchten Länder kann hier. vorläufig nur von lokalen Erfolgen gesprochen werden. 2. Rhodesiafieber. In Rhodesia, Nyassaland, Portug. Ostafrika und im Süden des ehe- maligen Deutsch-Ostafrika sind in Gegenden, in denen die Glossina palpalis nicht vorkommt, eine natürliche Infektion mit Trypanosoma gambiense also ausgeschlossen ist, Infektionen mit einem von letzterem in mehr- facher Hinsicht verschiedenartigen Trypanosoma beim Menschen beob- . achtet. Die Krankheit verläuft weniger chronisch als die durch das - Trypanosoma gambiense verursachte Erkrankung, hat aber klinisch 1010 34. Vorlesung. große Ähnlichkeit mit dieser. Nur die für die Schlafkrankheit so charakteristischen Drüsenschwellungen fehlen im allgemeinen. Nervöse psychische Symptome scheinen zuweilen früher aufzutreten als bei der eigentlichen Schlafkrankheit. Das von Stephens und Fantham näher beschriebene Trypanosoma rhodesiense (Fig. 147) besitzt im Vergleich zum Trypanosoma gambiense zunächst andere tierpathogene Eigenschaften. Es ist für alle Tierarten virulenter und tötet auch Schafe und Ziegen. Im Menschen ist es vom Try- panosoma gambiense nicht zu unterscheiden, nur ist es häufig im Blut in größerer Zahl zu finden als dieses. Morphologisch charakteristisch sind je- doch Formen, die Stephens und Fantham bei künstlich infizierten Ratten fanden und die auch in anderen stark empfänglichen Tieren (Affen) vorkommen. Es sind kurzgeißelige, stumpfe Trypanosomen mit einem . in das Hinterende verlagerten Kern. Zuweilen liegt sogar der Kern hinter dem Blepharoplasten. Im übrigen ist das Trypanosoma rhodesiense ausgesprochen polymorph, zeigt also schlanke Formen mit einem langen freien Geißelende und kurze, stumpfe AREOIAE ohne frei hervorragendes Geibßelstück. Fig. 147. Verschiedene Formen von 'Irypanosoma rhodesiense. (Nach Stephens und Fantham.) Als Zwischenwirt für das Trypanosoma rhodesiense ist nach Ainghorn und Yorke, Bruce und Mitarbeitern die Glossina morsitans (Taf. 78) zu betrachten. Eckard ist es auch gelungen, das Trypanosomen im Experiment. durch Glossina palpalis zu übertragen. Nach den Feststellungen der englischen, von Bruce geleiteten Kommission entwickelt ‚sich das Tryp. rhodesiense in der Glossina morsitans in der gleichen Weise wie es beim Tryp. gambiense beschrieben worden ist. Das Endstadium der Entwicklung wird also in den Speicheldrüsen erreicht. Es ist eine Form, die den kurzgeißeligen Trypanosomen des Menschenblutes sehr ähnlich ist. Während das Trypanosoma, wie erwähnt, im Blut der Versuchstiere vom Try- panosoma gambiense morphologisch zu unterscheiden ist, zeigt es bei diesen morpho- logisch und biologisch das gleiche Verhalten wie das Tsetsetrypanosoma. In der Art der Entwicklung in der Fliege und in den dabei auftretenden Formen lassen sich zwischen den genannten drei Trypanosomenarten keinerlei Unterschiede feststellen. Dieser Umstand sowie die Tatsache, daß morphologisch und biologisch gleich- artige Formen sich bei zahlreichen im infizierten Gebiet von Rhodesia lebenden Antilopenarten fanden, haben Bruce und seine Mitarbeiter zu der Annahme geführt, daß das Trypanosoma rhodesiense mit dem Trypanosoma Brucei, dem Erreger der Tsetsekrankheit, identisch sei. Demgegenüber sind von verschiedenen Seiten Tatsachen angeführt worden, die nicht geeignet sind, diese Ansicht zu stützen. Nach Laveran vermag Trypanosoma rhodesiense sich in Schafen, die gegen Trypanosoma Brucei durch Überstehen einer künstlichen Infektion immun geworden sind, ungehindert zu entwickeln. Von nor- malem Pavianserum wird es nach Weck nicht beeinflußt, während Trypanosoma Brucei dadurch abgetötet wird. Gegenüber normalem Menschenserum verhält es sich, wenigstens in der ersten Zeit nach der Herauszüchtung aus dem Menschen, wie Trypanosomenerkrankungen des Menschen. 1011 Trypanosoma gambiense, d.h. es ist dagegen ERBETEN während Trypanosoma Brucei auch. durch. dieses Serum stark beeinflußt wird (Zaveran und Nattan-Larrier, Weck). Allerdings scheint diese Eigenschaft nicht konstant zu sein und vor allem auch im Verlauf von Tierpassagen verloren zu gehen, wie auch die Resistenz des osoma gambiense gegenüber Normal-Menschen-Serum dabei verschwinden kann (Mesnil und Ringenbach). ... Wiehtiger als diese Tatsache, die immerhin Unterscheidungsmerkmale be- treffen, die nicht feststehend sind, erscheinen epidemiologische Feststellungen. Weite Gebiete Afrikas sind mit der Tsetsekrankheit verseucht und doch zeigen ihre menschlichen Bewohner keinerlei Trypanosomenerkrankungen (Kleine). Endlich ist durch Infektionsversuche, die Taute, sowie Taute d‘ Huber in. Tsetse- gegenden und zum Teil auch in der Nähe von Rhodesiafieberherden an sich selbst und an über 100 Farbigen vorgenommen haben, erwiesen,‘ daß das gewöhnliche tierpatho- gene Trypanosoma Brucei nicht imstande ist, sich im Menschen zu entwickeln. -- Allerdings ist hierzu zu ei daß die Pathogenität gegenüber be- stimmten Tierarten auch sonst bei Trypanosomen wechselt, d. h. verlorengeht und gewonnen werden kann, und zwar sowöhl durch Anzüchtung (Laveran, Bruce u.a.) in anderen Tierarten, als auch durch Rezidivstammbildung (Äudicke). Es ist auch ein Fall bekannt geworden, ‚der nach den bisherigen Mitteilungen die Deutung zu- läßt, daß ein tierpathogenes Trypanosoma plötzlich aus unbekannten Gründen menschenpathogene igenschaften erworben hat (Infektion des Prof. Lanfranchi, der in seinem Laboratorium nur einen Stamm von Trypanosoma Evansi besaß). Immer- hin ist diese Möglichkeit nicht über jeden Zweifel erbaben und man wird daher gut tun, nach den Versuchen von Taute und Huber daran festzuhalten, daß zwar Trypa- nosoma rhodesiense und Trypanosoma Brucei morphologisch völlig, biologisch zum größten Teil übereinstimmen, sich aber dadurch unterscheiden, daß das eine menschen- pathogen ist, das andere nicht. - : Die Behandlung des Rhodesiafiebers begegnet wesentlich größeren Schwierig- keiten als die der eigentlichen Schlafkrankheit. Das Trypanosoma rhodesiense ist gegenüber allen Arsenikalien stark resistent. Weck erzielte nur mit wiederholten Gaben von Arsenophenylglyzin Beeinflussung des Krankheitsverlaufes. Dagegen gelang es Breuer und Wölfe! sowie Kudicke und Wölfel durch Anwendung von Brechwein- stein (jeden zweiten Tag 0'15—0'2 intravenös, mehrere Wochen lang gegeben) in Verbindung mit Atoxyl, die Trypanosomen für mehrere Monate zum Verschwinden zu bringen und den Zustand der-Kranken soweit zu beeinflussen, daß sie zum Teil sogar arbeitsfähig blieben. GE Ob mit dieser Behandlung sich Heilungen erzielen lassen, ist nicht bekannt. Andernorts hat .die. Brechweinsteinbehandlung auch versagt. Neuerdings ist über einen Kranken berichtet worden, der große Mengen von Tartarus stibiatus und anderen Medikamenten vergeblich erhalten hatte und seine Trypanosomen erst nach Anwendung von „Bayer 205“ verlor. Zur Bekämpfung des Rhodesiafiebers ist von englischen Autoren einer Ver- nichtung oder Zurückdrängung der Wildbestände das Wort geredet und. damit ein Vorschlag wieder aufgenommen worden, den R. Koch zur Ausrottung der Tse-tse- Krankheit gemacht hatte._ Es ist fraglich, ob so umfangreiche Maßnahmen nötig sind. Das Rhodesia- fieber hält sich, worauf insbesondere Taufe hingewiesen hat, durchaus an den Menschen und wird durch seine W anderungen verbreitet. Es müßte demnach hin- reichen, die Bekämpfungsmaßnahmen, soweit warmblütige Wirte in Frage kommen, ‚auf den kranken Menschen zu beschränken. Da ein Kampf gegen die übertragende Fliege zunächst aussichtslos ist, wird es notwendig sein, verseuchte Gebiete zu evakuieren und zu sperren. Inwieweit hierin etwa durch Anwendung des Präparates aanyer 205* Änderungen eintreten können, muß abgewartet werden. 3. Chagaskrankheit. ‚Zu den Try panosomenerkrankungen des Menschen gehört weiter- hin die durch das Schizotrypanum hervorgerufene Chagaskrankheit. Das Schizotrypanum wurde von Chagas in Brasilien zuerst im Darm einer Wanzenart (Conorhinus megistus, Taf. 84, Fig. 7), dann im Blute ‘von Menschen gefunden. die ein. sehr.eigenartiges und charakteristisches Krankheitsbild darbieten. Chagas berichtet darüber (zit. nach Rotschuh): 1012 54. Vorlesung. — „Die durch Schizotrypanum hervorgerufene Infektion ergreift in Chagas- den endemischen Gebieten die ganze Bevölkerung, sodaß die Kinder krankheit. Sust alle im ersten Lebensjahre erkranken und entweder sterben oder die chronische Form behalten. Die akute Erkrankung — die mit Ausnahme der in die infizierte Gegend aus nicht verseuchten Gegenden zugewanderten Erwachsenen fast ausschließlich sich bei kleinen Kindern zeigt — verläuft mit kontinuierlichem, leicht ‚remittierendem Fieber und fühlbarer Vergrößerung der Schilddrüse. Viele Lymphdrüsen sind geschwollen, Milz und Leber vergrößert. An der Gesichtshaut läßt sich bei Druck eine eigenartige Krepitation nachweisen. Der TIOBRr hat das Gefühl, als ob er auf Gelatine drückte. Die ehronische Fig. 148. Form tritt in verschiedener Weise auf. Das auffallendste Symptom bei ihr ist die oft sehr starke Vergrößerung der Schildrüse (Fig. 148) mit Ausfallserscheinungen wie: beim endemischen Kropf und Myxödem, sodaß Cha- gas die Krankheit als Pseudo- myxödem bezeichnete. Der Gesichtsausdruck der Kran- ken ist stumpf, und es be- = steht bronze-bläuliche Blässe. Die palpablen Drüsen sind ge- schwollen. Tachykardie, Darm- und Nervenstörungen sowie Konvulsionen treten auf. Je nachdem die Nerven- oder die ‚Herzstörungen überwie- gen, kann man von einer Forma nervosa oder cardiaca sprechen.“ Die Krankheit ist in der brasilianischen Provinz Minas Geraes verbreitet und ar Kropfbildung infolge von Infektion mit bietet vor allem wegen der Schizotrypanum Cruzi. geschilderten, auf Erkran- ‘kung der Schilddrüse zurückzuführenden Symptome großes een namentlich weil sie den Anhängern. der Theorie über die infek- tiöse Ursache des endemischen Kropfes der Gebirgsländer neues Material geboten hat. Pnse Das Schizotrypanum Cruzi (Fig. 149 und Taf. 84, Fig. 3) kommt Crui. als freier Parasit, der den Trypanosomen sehr ähnlich ist, im Blut von Menschen, Affen und Meerschweinchen vor, und zwar in zwei Formen, die als schlanke und runde bezeichnet werden können. Bei der ersten ist der Kern längsoval oder bandförmig; die kurze Geißel entspringt von dem am Hinterende gelegenen Blepharoplasten. Die runden Formen haben einen runden und locker gebauten Kern und eine ‚Ile und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. | Tafel 78. sitzend rollgesogen Stegomyia jasciata @ 5 N natürl. Größe Ru 7 Larve Puppe von Glossina palpalis er Glossina palpalis Glossina morsitans vollgesogen ; Glossina morsitans, er sitzend Rhipicephalus appendiculatus Ö Ixcodes ricinus Ö . (Rückenseite) (Bauchseite) erlag von Urban & Schwarzenberg, Berlın und Wien. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 79. Fig 1. Halsdrüsenschwellung bei Trypanosis. Fig. 2. Schlafkrankes junges Mädchen. (Aus dem Bericht der Deutschen Schlafkrankheits-Expedition.) 2 R Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. ie ee er Trypanosomenerkrankungen des Menschen. 1013 Geißel, die von einem gleichfalls im Hinterende gelegenen kleinen Blepharoplasten entspringt. Beim Meerschweinchen werden neben den _ sieh frei im Blute und in den Gewebsflüssigkeiten bewegenden auch endoglobuläre Formen gefunden. Auch hier sind die beiden Typen der runden und länglichen Parasiten differenzierbar. ' Beim Menschen, beim Meerschweinchen, Affen und bei der Maus - ist ferner von Hartmann, Vianna, M. Mayer und da Rocha-Lima Schizo- onie nachgewiesen. Zysten mit zahlreichen Gebilden, welche die größte Ähnlichkeit mit den Erregern der Kala-Azar und der Orientbeule, den Leishmanien, aufweisen, kommen in vielen. Organzellen, vorwiegend in der Herzmuskulatur, ferner in Lunge, glatter Muskulatur, Lymph- ‚drüsen, Knochenmark und Unterhautzellgewebe vor. Durch Streckung oder Aufrollung entstehen aus ihnen begeißelte Stadien, die anfangs - zum Teil Chritidiengestalt, später Trypanosomenform haben und als Fig. 149. 1.u. 2.Sehizotrypanum Cruzi im Blut des Meerschweinchens. — 3. Schizogonie (Gamo- gonie?) aus der Lunge des Meerschweinchens. — #. u. 5. Schizotrypanum aus Conorhinus- larve. — #. 12 Stunden nach dem Saugen. 5 30 Tage nach dem Saugen (Schizogonie). — 6. u. 7. Große Crithidienformen (Schizotrypanum?) ans Conorhinuslarve, 18 Tage nach dem i : Saugen. (Nach MM. Mayer,} solche in das Blut gelangen. Im Blut teilen sie sich nicht, sondern sie dringen in neue Zellen ein, runden sich ab und vermehren sich in den Zellen wieder in der Leishmaniaform. Das Charakteristische der Gattung ‚ist also der regelmäßige Wechsel zwischen geißellosen intrazellulären und trypanosomenartigen, frei im Blut vorkommenden Formen sowie | i die Beschränkung der Vermehrungsfähigkeit auf das intrazelluläre Stadium. Chagas hatte ursprünglich angenommen, daß die Parasiten ‘vorübergehend in Erythozyten einwanderten. Das hat sich als Irrtum herausgestellt. Ebenso sind Schizogonieformen, die er in der Meerschwein- chenlunge gefunden hatte, als zu einem anderen Parasiten (Pneumo- eystis carinii) gehörig erkannt worden. Die Infektion der Versuchstiere, sei es, daß sie durch Injektion von parasitenhaltigem Material oder durch Stich der Wanze Conorhinus erfolgt, verläuft akut oder chronisch und ist fast immer tödlich. ‚Bei Affen, Meerschweinchen, Hunden, Ratten und Mäusen tritt eine mit Fieber, Abmagerung, Anämie und Drüsensehwellung verlaufende 1014 54. Vorlesung. chronische Erkrankung ein. Durch Passagen läßt sich, wie M. Mayer und da Rocha-Lima zeigten, die Virulenz sehr steigern. Der Überträger der Krankheit ist, wie alle Wanzen, schwer aus den Häusern, in denen er nachts aus‘ Schlupfwinkeln hervorkommt, zu vertreiben. Der Conorhinus sticht häufig im Gesicht und wird daher „Barbeiro* genannt. Die durch Saugakt in den Darm der Wanze aufgenommenen Parasiten ver- lieren nach den Angaben von Chagas im Mitteldarm zunächst Geißel und undulierende Membran und werden rund. Durch Teilungsvorgänge entstehen kleine runde Formen, die sich zu birnförmigen Flagellaten vom Crithidientypus umwandeln, in den hinteren Teil des Mitteldarmes gelangen und sich dort durch Teilung weiter vermehren (Fig. 149). In den Speicheldrüsen der Wanze wurden gleichfalls die Flagellatenstadien des Schizotrypanum gefunden, die dann beim Biß des Conorhinus in den neuen Wirt gelangen. Nach Brumpt, Mayer und da Rocha-Lima werden aber auch infektiöse Stadien von Trypanosomengestalt mit dem Kot ausgeschieden. Es gelang den Autoren mit solchem Kot auch Infektionen durch unverletzte Schleimhäute hindurch hervor- zurufen. Es scheint danach der wirkliche Infektionsweg noch nicht völlig klargelegt zu sein. Während Infektion durch Stich mehrfach gelungen ist (0. Cruz, Torres), ist Brumpt der Ansicht, daß die Übertragung ähnlich wie beim Trypanosoma Lewisi durch den Kot vermittelt. wird. Auch Mas yer und da Rocha-Lima neigen dieser Ansicht zu. Ein Übergang der Flagellaten auf die Brut der Wanzeh findet nicht statt (Mayer und da Rocha-Lima). Es ist Brumpt auch gelungen, die Flagellaten in Bettwanzen zur Entwicklung zu bringen. Mayer und da Rocha-Lima haben das be- stätigt und ein gleiches Ergebnis auch ‚mit Ornithodoren-erzielt. Es gelang aber nicht, mit diesen Stichinfektionen zu erzielen, während‘ Mäuse leicht infiziert werden konnten, wenn man Ornithodoren an sie verfütterte.‘ Die Ornithodoren beherbergten infektionstüchtige Flagellaten noch nach 5 Jahren. Neiva ist eine Übertragung von Schizotrypanum mit der Zecke Rhipicephalus sanguineus gelungen. Flagellaten, die von den Enitwicklungsformen von Schizotrypanum t zu unterscheiden sind, hat man neuerdings bei zahlreichen südamerikanisch 0n0- rhinus (Triatoma-)Arten nachgewiesen, zum Teil auch von Orten, wo die ares. krankheit unbekannt ist. Ähnliche Flagellaten fand Lafont auch bei Conorhinus rubrofaseiatus auf Mauritius. Sie waren auf Mäuse übertragbar und traten bei diesen in Trypanosomenform im Blut auf (Trypanosoma Boylei). Chagas und Torres sehen neuerdings das südamerikanische Gürteltier als Virusträger an. Chagas züchtete das von ihm entdeckte Protozoon auf Blutagar (nach Novy-Mac Neal), Nöller in Kolonien auf dem von ihm angegebenen Pferdeblut-Dextrose-Azar. Die junge Generation der Parasiten auf diesem Nährboden zeigt crithidienähnliche Formen, ganz ähnlich den in der Wanze vorkommenden. Das künstlich gezüchtete Schizotrypanum bleibt in den Kulturen lange am Leben: und infektiös. Von den echten Trypanosomen unterscheidet sich das Schizo- trypanum, abgesehen von den geschilderten Entwicklungsvorgängen, auch durch seine Resistenz im Tierkörper gegenüber allen bisher _ bekannten trypazoniden Mitteln. Weder Atoxyl, Arsenophenylglyzin und Salvarsan noch Antimonpräparate oder Anilinfarbstoffe haben selbst in größten Dosen den mindesten Effekt auf die Parasiten und beeinflussen den tödlichen Krankheitsverlauf gar nicht (Martin Mayer, da Rocha- Lima). Auch das Präparat . „Hayer,, 205° ist wirkungslos. 4. Leishmaniosen. Unter dem Namen „Leishmaniosen“* werden drei klinisch ver- schiedenartige Erkrankungen (Kala-azar, Leishmaniosis infantum und Orientbeule) zusammengefaßt, weil’die bei ihnen als Erreger festgestellten Parasiten ihren morphologischen und‘ biologischen Eigenschaften nach f Trypanosomenerkrankungen des Menschen. 1015 zu derselben Gattung gehören. Diese Parasiten, die von Koss zuerst als eine besondere Protozoenart erkannt und zu Ehren der Entdecker ‚Leishman und Donovan als Leishmania Donovani bezeichnet wurden, bilden in künstlichen Kulturen Flagellaten-(Leptomonas-)Formen, durch die sie den Trypanosomen im System nahestehen. Auch die klinischen Erscheinungen der Kala-azar und Kinder-Leishmaniosis sind denen der chronischen Trypanosomenkrankheiten ähnlich. Wenn auch die Abgren- zung der vorwiegend in den Mittelmeerländern beobachteten Kinder- Leishmaniosis von der Kala-azar-Krankheit auf Grund neuerer Arbeiten wieder zweifelhaft geworden ist, soll diese Trennung hier doch vorläufig beibehalten werden. Die Orientbeule ist im Gegensatz zu den beiden eben genannten Krankheiten eine lokale Leishmaniose der Haut. 1. Kala-azar. Die als Kala-azar (= schwarze Krankheit) oder tropische, fieberhafte Splenomegalie bezeichnete Krankheit kommt in tropischen und subtropischen Gegenden, vor allem in China, Südasien, Afrika Krankheits- bild. (Sudan, Tunis, Madagaskar) und auch im südlichen Europa (Griechen- land, Italien) vor. Sie beginnt nach 3- bis 6wöchiger Inkubation mit unregelmäßigem Fieber und Schwäche. Es stellen sich sehr bald Anämie und Ödeme ein. die Kranken bekommen Darmkatarrhe mit schwächenden Durchfällen und magern stark ab: Leber und Milz sind dabei vergrößert. Häufig tritt während dieses ersten akuten Anfalles der Tod durch Thrombosierung von Gehirngefäßen ein, bei manchen Patienten aber geht das akute Stadium in ein chronisches über, Die Vergrößerung der Milz pflegt bei chronisch Kranken sehr bedeutend zu sein. Der Hämoglobingehalt des Blutes ist stark verringert, ebenso die Leukozyten- ‘ zahl. Auch die nicht fieberhaften, mit Schwellung von Milz und Leber = einhergehenden Kachexien, die man in den genannten Ländern vielfach - antrifft,. gehören ätiologisch zur Kala-azar-Krankheit, weil bei ihnen die gleichen Parasiten wie bei der fieberhaften Splenomegalie gefunden werden. Die Erkrankung kann auch ausheilen. Meist verläuft sie aller- dings nach 6—20 Monaten oder längerer Zeit tödlich. Pathologisch-anatomische Veränderungen finden sich, wenn wir von Petechien und Pigmentierungen der Haut absehen, vor allen Dingen an den Unterleibsorganen. Leber und Milz sind stark ver- 2 größert, blutreich und von ziemlich harter Konsistenz. Der Darm, namentlich der Dickdarm, ist gleichfalls hyperämisch und weist häufig in seinem ganzen Verlaufe mehr oder minder ausgebreitete Geschwüre auf. An den übrigen inneren Organen ist nicht viel Abnormes nach- zuweisen, nur Petechien fehlen auch hier selten. Die Ätiologie der Krankheit war dunkel, bis Leishman und Donovan bei den Leichen der an Kala-azar Verstorbenen am häufigsten in Milz, Leber und Knochenmark, gelegentlich aber auch in Lungen. Drüsen und Schleimhautgeschwüren des Dünn- und Dickdarmes, meist in Zellen eingeschlossen oder im zirkulierenden Blute im Innern von = Leukozyten, sehr selten frei liegend kleine unbewegliche und stark lichtbreehende rundliche Gebilde fanden, die einen Durchmesser von ungefähr 2—3 p. haben (Taf. 85, Fig. 1 u. 3). Bei Benutzung der ' Romanoıskyschen Färbemethode läßt sich an diesen Parasiten ein Leishmania Donovani. 1016 | 54. Vorlesung. Chromatinkern und Plasma unterscheiden. Das Chromatin ist in Form eines Hauptkernes und eines Nebenkernes angeordnet. Die ersten Kulturen erzielte Rogers, der auf diese Weise den Nachweis erbrachte, daß die Kala-azar-Parasiten Protozoen sind und den Trypanosomen sehr nahestehen. Als er durch Punktion mit einer Spritze, die 1Oproz. Natrium eitricum-Lösung enthielt, Milzsaft eines Kala-azar-Kranken entnahm und in Röhrchen bei 22° C aufbewahrte, sah er nach einigen Tagen in dem Zitratblut Flagellaten entstehen. Seine Befunde wurden durch COhristophers bestätigt und mit den Flagel- latenformen. echter Trypanosomen in künstlichen, nach Novys Vor- . Fig. 150. Kala-azar-Parasit. a Junger Flagellat aus Kultur. — 5 Junge Kultur. Beginn der Chromidial- und Geißelbil- dung: — c Kulturflagellat in Teilung. — d Breite Flagellatenformen aus 4tägiger Kultur. — e Rosette schlanker Flagellaten aus ötägiger Kultur. (Nach Mayer.) schriften auf Blutagar angelegten Kulturen verglichen. Die Parasiten vermehren sich, wenn auch langsam und spärlich, auf dem Novy-Me Nealschen, von Nicolle modifizierten Kaninchenblutagar. Nieolle gab folgende Vorschrift für den Nährboden an: Aq. dest. 900 4, Agar- Agar 140, Kochsalz 6'0. Der Agar wird mit defibriniertem Kaninchenblut im Ver- hältnis 2:1 versetzt. Auch Hundeblut ist brauchbar. Wie bei den Trypanosomen muß man allerdings zahlreiche ‚Röhr- chen mit dem Material beschicken, da nur in einem kleinen Prozentsatz von ihnen die Kulturen angehen. Auch die Fortzüchtung der Kulturen ist sehr schwierig und unsicher. Die aus Kala-azar-Parasiten hervorgehenden Flagellaten (Fig. 150, a und 5b) haben keine - Flimmermembran, wohl aber eine freie Geißel, die von einem Blepharoplasten entspringt. Dieser liegt vor dem Hauptkerm in der Richtung nach der Geißel zu, die sich am Vorderende befindet st a ln na u la au Sm u cl a Trypanosomenerkrankungen des Menschen. 1017 (at 85, Fig. 2). In den Kulturen findet man sowohl ovale wie schlanke : ersgende Formen (Fig. 150. d und e). Die Vermehrung erfolgt durch Längsteilung (Fig. 150, ce). In den entstehenden Rosetten liegen die Geißeln im Zentrum. Weitere Forschungen müssen zeigen, ob die aus Kala-azar-Kranken gezüchteten Trypanosomen Leptomonasformen "entsprechen. . Die Art der ‚Übertragung der Kala-azar-Krankheit ist noch dunkel. Wir wissen bisher nicht, ob die Parasiten direkt vom Kranken auf Gesunde übertragen werden oder durch einen Zwischen- wirt. Vielleicht sind Flöhe die Überträger. Andere ‘Forscher halten Wanzen für die Zwischenwirte. Patton und Donovan haben im Darm von Wanzen (Cimex rotundatus), die in der Wohnung Kala-azar-Kranker gesammelt waren, Flagellaten gefunden, die sich von den eben be- schriebenen Crithidienformen (d. s. trypanosomenähnliche Flagellaten, bei denen sich aber der Blepharoplast vor oder neben, nicht hinter dem Kern befindet) in den Kulturen der Kala-azar-Parasiten nicht unterscheiden lassen. Beweisende Versuche über die epidemiologische Bedeutung der Wanzen fehlen aber noch. Die Übertragungsmöglichkeit der echten, namentlich in Indien vorkommenden Kala-azar auf Tiere. '# vor allem auf Hunde, ist noch strittig. Neuerdings ist Ro: angeblich die Infektion von Affen durch Einspritzung von Organsaft geglückt. Bei kleineren Laboratoriumstieren (Meerschweinchen, Ratten, Mäusen und Kaninchen) gelang bisher nur eine Abortivinfektion (Laveran und Pettit, Yakimof und Kohl-Yakimoff, Velpino). Die Diagnose der Krankheit bei klinisch verdächtigen Erkran- kungen wird durch die mikroskopische Untersuchung des Milzsaftes erbracht. In den: nach Giemsa gefärbten Präparaten . finden sich die _ charakteristischen Formen der Parasiten. "Mittel, durch die sich die Krankheit mit Sicherheit heilen oder « tragung. Diagnose. verhüten ließe, sind noch nicht bekannt. Am besten haben sich thera- peutisch bisher die Arsenpräparate bewährt. 2. Leishmaniosis infantum. Von der eben beschriebenen Krankheit wird bis auf weiteres die Leishmaniosis infantum abgegrenzt, die in Süditalien und anderen Mittelmeerländern hauptsächlich bei Kindern vorkommt, die unter ärm- lichen und unhygienischen Verhältnissen leben. Die bei dieser Infektion festgestellten Parasiten sind in Gewebsausstrichen den Kala-azar-Para- siten gleich, unterscheiden sich von ihnen aber durch ihr kulturelles Verhalten und die Tierpathogenität. ‘ Im Gegensatz zu den Kala-azar-Parasiten lassen sich die Erreger der Leishmaniosis infantum leicht und üppig auf dem Novyschen Agar (Modifikation nach Nicolle, s. 0.) zur Vermehrung bringen und in beliebiger Zahl von Generationen bei 22°C weiterzüchten. Mit den Kul- turen haben verschiedene Forscher, so z.B. Novy, erfolgreich Hunde infiziert. Bei Hunden entwickelt sich nach der Verimpfung von Organ- stückchen der an der Krankheit verstorbenen Kinder eine chronische ‚Infektion, die ausheilt oder nach einer ungefähr 1 Jahr dauernden und Leishmania infantum. Über- tragung. Krankheits- bild. 1018. . 54. Vorlesung. mit Kachexie endenden Erkrankung zum Tode führt. Die Infektion läßt sich mit parasitenhaltigem Milzsaft oder Organteilen der Hunde in Reihenversuchen weiter übertragen, am besten durch Einspritzung in die Leber. Auch Affen sind für das Virus empfänglich; sie erkranken chronisch, haben Fieber und starke Schwellung‘ der Milz. Die Para- siten finden sich im Milzsaft in reichlicher Menge. Andere Versuchs- tiere zu infizieren, ist bisher nicht gelungen. Leishmaniosis kommt, wie Nicolle und seine Mitarbeiter in Tunis fanden, auch spontan bei Hunden vor. Weitere Untersuchungen haben an zahlreichen Orten der Mittelmeerländer diese Befunde vollauf be- stätigt und zugleich zur Vermutung geführt, daß diese Leishmaniosis der Hunde mit der an den gleichen Orten beobachteten Kinder- f Leishmaniose in ursächlichem Zusammenhang steht. Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht. besonders die Übertragbarkeit der . Parasiten durch blutsaugende Insekten. Es lag nahe, an die bei Hunden ‘so verbreiteten Flöhe als Zwi- schenwirte der Parasiten zu denken, zumal ‘bekanntlich der Hundefloh, Pulex serraticeps, auch am Menschen Blut saugt, wie umgekehrt der Menschenfloh, Pulex irritans, auf Hunde übergeht, wenn er kein Men- schenblut findet. Die daraufhin von Basile und Visentini angestellten Versuche sind, wie M. Mayer richtig betont, noch nicht absolut bewei- send, haben aber gezeigt, dal sowohl der Hundefloh wie der Menschen- floh auf gesunde Hunde die Kinder-Leishmaniosis übertragen kann. Dazu müssen Reihenversuche mit gezüchteten Flöhen angestellt werden, die man einerseits an Hunden mit spontaner Leishmaniosis und andrer- seits an künstlich infizierten Hunden saugen läßt und dann gesunden Hunden in einer von Leishmaniosis freien Gegend ansetzt. Nach den Versuchen von M. Mayer u.a. scheint eine Heilung oder Besserung der Krankheit mit Tartarus stibiatus möglich zu sein. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß in der Frage der Pathogenese der Kala-azar wie der Kinder-Leishmaniosis noch manches zu klären ist, und daß es auch noch nicht ganz sicher ent- schieden ist, ob die hauptsächlich im Mittelmeergebiet vorkommende Kinder-Leishmaniosis durch Parasiten hervorgerufen wird, die biologie von den Kala-azar-Erregern völlig verschieden sind. 3. Orientbeule. Die auch als Leishmaniosis furuneulosa oder tropiea bezeich- nete Orientbeule ist eine lokale Erkrankung der Haut. Sie kommt endemisch in bestimmten tropischen und subtropischen Landstrichen aller Erdteile vor und wird von deren Einwohnern mit den verschie- densten Vulgärnamen benannt (Aleppobeule, Nilbeule, Saharageschwür, Dattelbeule, Delhi-Sor usw.). Nach sehr schwankender Inkubation @—-10 Wochen) entwickelt sich fast ausschließlich an den durch Kleidung nicht bedeckten Körper- stellen ein roter Fleck — wie nach einem Moskitostich —, auf dem ein sich langsam vergrößerndes papelähnliches Knötchen entsteht oder deren mehrere. Jedes Knötchen vergrößert sich im Laufe einiger Monate bis zu Nußgröße, wobei die umgebenden Hautpartien entzündlich ge- di el a UN 2 Can aa ml Sl Lei und La = A akt nal ud Zul u a u nd ea ll U an Le an re TE ; RR RATE TREUEN Sa 203 EZ RE: Trypanosomenerkrankungen des Menschen. 1019 - " —-_ rötet werden. Wenn keine Rückbildung des Kno tens durch Resorption — - eintritt, entstehen aus dem Infiltrat durch degenerative Prozesse unter - Zerstörung der Epidermis eine oder mehrere Ulzerationen, die mit einem. Schorf bedeckt sind. Bald entwickeln sich Granulationen, und unter Schrumpfung heilen die Geschwüre aus. Es entsteht eine „je nach Form der Ulzeration rundliche oder ovale, zuweilen auch unregel- mäßige, haarlose, meist bräunlich pigmentierte oder fleckige Narbe ' von Einpfennig- bis Fünfmarkstückgröße“ (Reinhardt). So können namentlich im Gesicht, wenn Geschwüre in größerer Anzahl vor- ‘handen waren, starke Defekte entstehen. ‚Nach Reinhardt gibt es For- men der Örientbeule, bei denen die Knoten einen bedeutenden Umfang annehmen und z.B. eine ganze Gesichtshälfte bedecken können. Auch warzenähnliche, nicht ulzerierende Infiltrate von tumorähnlichem Cha- rakter kommen einzeln und multipel vor. Verdickung der Lymph- stränge und Vergrößerung der Lymphdrüsen wird häufig beob- achtet, namentlich bei den Erkrankungen, die länger als ein Jahr dauern. Allgemeinerscheinungen (Frösteln, Kopfschmerzen usw.) fehlen meist, werden aber gelegentlich zu Beginn der Infektion festgestellt. Sobalä Geschwüre auftreten, kann Mischinfektion -mit Bakterien das ” Bild verändern. Als kürzeste Zeitdauer der Erkrankung wird ein halbes Jahr angegeben. Der Erreger der Orientbeule wurde zuerst von Cunningham gesehen, aber erst von Wright richtig gedeutet und beschrieben. Er gleicht in Ausstrichpräparaten ganz der Leishmania Donovani und ist wie diese fast nur in Zellen (einkernigen und mehrkernigen Leukozyten) eingeschlossen zu finden. Novy züchtete den Parasiten zuerst. Die Kulturformen unterscheiden sich von denen der Leishmania infantum ‘nur dadurch, daß die Geißel länger und gewundener ist und sich früher teilt. Die Fortzüchtung ist Ross in 35 Generationen gelungen; es bestehen in der Kultivierbarkeit aber Unterschiede zwischen den in verschiedenen Ländern vorkommenden Parasiten. Nicolle und seine Mit- arbeiter haben Affen und Hunde erfolgreich mit Geschwürssekret, in dem die Parasiten vorhanden waren, geimpft. Die nach 2- bis 3wöchiger Inkubation entstehenden Knoten, in denen zahlreiche Leishmanien- intra- zellulär gefunden werden, bilden sich nach einigen Wochen zurück. Es gelang nicht nur, die Beule von Affe zu Affe und von Hund zu Hund weiterzuimpfen, sondern auch mit Affenvirus beim Menschen Örient- beule zu erzeugen. Nicolle hat auch mit Kulturen dieser Leishmania | - Menschen und die genannten Tierarten infiziert. Schon vor Entdeckung der Parasiten hatte die Entwicklung der Beulen an den unbedeckten Körperstellen es wahrscheinlich gemacht, daß die Übertragung des Infektionsstoffes in die Haut durch stechende Insekten erfolge. Da eine Entwicklung der Parasiten bisher in keinem Insekt sicher nachgewiesen ist, muß man annehmen, dab der Erreger von den Geschwüren auf oder in die Haut des Gesunden durch verschiedene Insekten (Moskitos oder Fliegen) mechanisch über- tragen wird. Vielleicht ist aber zum Haften der Infektion ein Insekten- stich nicht einmal notwendig. -Es ist sehr wohl möglich, daß die Krank- heit auch durch Einreiben der Parasiten in die Haarbälge entstehen kann (Unna). Experimentell läßt sich die Orientbeule durch Einimpfung Leishmania tropica. Über- tragung. Inmunität. 1020 54. Vorlesung. von dehnen in eine kleine Wunde von ‚Mensch zu Mensch übertragen. Durch Überstehung der Krankheit wird eine anscheinend lebens- längliche Immunität gegen Neuinfektion erworben. Deshalb sieht man in endemischen Gebieten, in denen die Bevölkerung meist schon in der Jugend durchseucht wird, nur die neu Zugewanderten erkranken. Auf Grund dieser Erfahrung ist an manchen Orten eine künstliche Immunisierung der Kinder durch Inokulation des Geschwürssekrets in Gebrauch. Durch die Impfung, bei der man sich den Sitz der Beule auswählen kann, wird die Entstehung entstellender Narben im Gesicht und an den Händen vermieden. Nicolle konnte bei Affen während der ersten Zeit der Krankheit höhere Empfänglichkeit bei Neuimpfungen feststellen, nach Heilung der Beulen aber eine vollkommene Immunität. Manson hat aaf Grund der Tatsache, daß hauptsächlich Kameltreiber an Orientbeule erkranken, die Hypothese aufgestellt, daß die Kala-azar-Parasiten unter natürlichen Verhältnissen auch auf Kamele übertragbar seien, daß sie im Körper der Kamele für den Menschen abgeschwächt würden und dann bei letzterem nur eine lokale Erkrankung hervorzurufen imstande wären. Diese rein hypothetische Annahme ist aber noch nicht experimentell bewiesen. Leishmanienähnliche Gebilde bei anderen Infektionen. Bei verschiedenen Krankheiten, namentlich tropischen Hautaffek- tionen, sind leishmanienähnliche Gebilde gefunden, deren Natur noch nicht genügend geklärt ist. So wurden bei den in den Tropen vor- kommenden Genitalgeschwüren, die weder Spirochäten noch Ducrey- sche Bazillen enthalten und von den englischen Ärzten als „Ulcerating granuloma of the pudenda“* bezeichnet sind, von Donovan 1905 und anscheinend unabhängig von diesem von Carter Parasiten nachgewiesen, die den Erregern der Orientbeule ähnlich und meist intrazellulär ge- lagert sind. Es bedarf noch weiterer Studien, um die Stellung dieser Parasiten im System genau bestimmen zu können. Einige Forscher halten die erwähnten Gebilde für Hefen. Es ist also eine Binigkeit über ihre Protozoennatur noch nicht erzielt. Anhang: Parasitische Flagellaten der Körperhöhlen. Auf den Schleimhäuten, die mit der Außenwelt in Verbindung stehen, trifft man beim Menschen, zum Teil regelmäßig, Trichomonas vaginalis, Trichomonas intestinalis und Lamblia intestinalis an, die zu den Polymastiginen gehören. 1. Trichomonas vaginalis (Fig. 151) wurde im Jahre 1835 von Donne entdeckt. Der 0:02 mm lange Flagellat hat 3—4 Geißeln am Vorderende und eine dünne undulierende Membran, einen bläschenförmigen Kern und eine feingekörnte Leibessubstanz, abgegrenzt von einer Kutikula. Der Parasit vermehrt sich durch Teilung. Er lebt vor allem in dem infolge katarrhalischer Affektion der Schleim- haut sauer reagierenden Vaginalschleim von Frauen jeden Alters und ist bei diesen auch während der Schwangerschaft und Menstruation nachweisbar, solange die Re- aktion des Sekretes in der Scheide sauer bleibt. Gelegentlich wird der Parasit in die Blase verschleppt und hält sich in ihr, wenn er eine saure Reaktion der Schleimhaut antrifft. Auf weibliche Tiere läßt 'sich Trichomonas nicht übertragen: Trypanosomenerkrankungen des Menschen. 1021 2. Triehomonas intestinalis (Fig. 152) wurde von Marchand und Leuckart - beschrieben. Er ist etwa 0'012 mm lang und besitzt 3 Geißeln und eine undulierende * Membran. Die Parasiten kommen bei Darmkranken im alkalischen Inhalt des Dünndarms vor und werden gelegentlich, namentlich nach Anwendung von Abführ- mitteln, in den Fäzes gefunden. In Magen sind sie bei Carcinoma ventriculi häufig nachweisbar, für dessen Erkennung sie eine gewisse, die Diagnose stützende Be- - deutung haben sollen. Bei Anazidität aus anderer Ursache sind sie aber mitunter im Magen ebenfalls anzutreffen. Diese Trichomonasart pflanzt sich durch Enzy- ' stierung und multiple Teilung fort. Fig. 151. - Fig. 152. Trichomonas vaginalis. Triechomonaslintestinalis. (Nach Biöchmann.) A und B nach Grassi. C Vermehrung nach Kruse. Fig. 153. Lamblia intestinalis. A von der Bauchseite. B von links gesehen. C an Epithelzellen angesaugt. D ebenso bei ‚stärkerer Vergrößerung. (Nach Grassi und Schewiakoff.) Diesem Parasiten sehr ähnlich, von ihm aber durch den Bau des Geißelapparates verschieden ist Tetramitus Mesnili. Er wurde von Wenyon auf den Bahama-Inseln im Darm der Eingeborenen festgestellt. 3. Lamblia intestinalis (Fig. 153) wurde zuerst von Lambl gesehen. Der ‚etwa 0'01 mm lange Parasit besitzt 4 Paare von Geißeln, die an einem Apparat von - Basalkörnern und Strängen befestigt sind. Der Kern ist hantelförmig. Am Vorder- E. oe befindet sich ein Haftorgan. Nach der Kopulation zweier Individuen entstehen ysten. Es i Die Lamblia kommt beim Menschen und verschiedenen Tieren im Dünndarm - vor, während im Dickdarm und ‚in den Fäzes nur die Zysten nachweisbar sind. Auch ' im Magen kann sie sich bei anaziden Zuständen ansiedeln. Eine pathogene Be- Sera scheint dem Parasiten, der sich an die Epithelzellen ansaugt, nicht zu- ommen. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 66 1022 54. Vorlesung. ... Zu den an Größe hinter den Polymastiginen zurückstehenden Protomonadinen gehören außer den ausführlich besprochenen Trypanosomen die Flagellaten von der Gattung Cercomonas und Bodo. 1. Cercomonas hominis. Die etwa 0'01 mm langen birnförmigen Parasiten haben eine Geißel, mit. der sie sich lebhaft bewegen. Sie werden in sehr seltenen Fällen im Darm und den Dejekten des Menschen gefunden. ’ "2. Monas. Den vorigen ähnlich, myrtenblattförmig, mit langer dicker Geißel. 3. Bodo urinarius ist eine in zersetztem Urin vielfach TaOBRSRHROBRN Flagel- latenart und hat keine pathogene Bedeutung. Die in Ceylon von Castellani und Chalmon gefundene Prowasukia asiatica gehört nicht zu den Protomonadinen, sondern zu den Binukleaten. Sie besitzt neben dem Hauptkern einen Blepharoplast, von dem zwei Geißeln ausgehen. Kulturen gelingen in flüssigen wie gap Nährböden. Literatur. M. Mayer, Trypanosomen als Krankheitserreger. Handb. d. pathog. Mikroorganismen. 2. Aufl., Bd. 7, 1913. Laveran et Mesnil, Trypanosomes et Trypanosomiases. Paris, Masson & Comp., 1904. — Identification des trypanosomes pathogenes. Essais de serodiagnostic. Comptes rendus des sciences, T. 123, 1906. 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Arbeiten über Tryp. rhodesiense unter verschiedenen Titeln in: "Proc. Roy. Soe., Bd. 85—88, 1912—1914. Nicolle et Mesnil, Traitement des trypanosomiases par les couleurs de Benzidine. Ann. Inst. Pasteur, Bd. 20, 1906. Kolle, Hartoch, Rothermundt u. Schürmann, Chemotherapeutische Experimentalstudien bei Trypanosomeninfektionen. Zeitschr. f. Immunitätsforsch. und exper. Ther., Bd. 19, 1913. -Kolle, Hartoch u. Schürmann, Chemotherapeutische Experimentalstudien bei Trypano- someninfektionen. Ebenda Bd. 20, 1914. — Deutsche med. Wochenschr., 1914. Ss _ Martin & Darre, RBesultats eloignes du traitement dans la trypanosomiase humaine. Bull. Soc. Pathol, Exot., 1910. van den Branden, Note pr@liminaire sur quelques essais de traitement de la trypanose humaine par Salvarsankupfer. Arch. f. Sch. u. Trop.-Hyg., Bd.17, 1913 und . Bd. 18, 1914. 66* 1024 54. Vorlesung. Trypanosomenerkrankungen des Menschen. v. d. Hellen, Über den Zeitpunkt des Auftretens von Rückfällen der menschlichen Trypanosomiasis nach ihrer Behandlung mit Arsenophenylglyzin. Arch. f. Sch.- u. Trop.-Hyg., Bd. 17, 1913. BE Zupitza, Heilversuche mit Salvarsan und Neosalvarsan bei Schlafkranken in Togo. Arch. f. Sch.- u. Trop.-Hyg., Bd. 24, 1920. ER Broden et Rodhain, L’Arsenophenylglyeine et son succ&dane dans les trypanoses humaines et animales. Ann. Soc. Belge Med. Trop., 1920. — L’Atoxyl dans le traitement de la trypanose humaine. Ebenda, 1921. ) ae Lurz, Heilungsversuche mit Salvarsan bei Schlafkrankheit. Arch. f. Sch.- a. Trop.- Hyg., Bd. 18, 1914. Thiroux & d’Anfreville, Quelques considerations sur la therapeutique dans la try- panosomiase humaine. Bull. Soc. Path. Ex., Bd. 2, 1909. a Mouchet & Dubois, Essais therapeutiques dans la trypanosomiase humaine. Arch. f. Seh.- u. Trop.-Hyg., Bd. 18, Beiheft 3, 1914. Broden, Rodhain & Corin, Le salvarsan et la trypanose humaine. Arch. f. Sch.- u. Trop.-Hyg., Bd. 16, 1912. N Morgenroth u. Rosenthal, Experimentelle Studien bei Trypanosomeninfektionen. 1. Mitt. Über die Wirkung des Kaliumantimonyltartrats auf die Trypanosomeninfektion der Mäuse. Zeitschr. f. Hyg., Bd. 68, 1911. — Über die Beeinflussung der Antimonwirkung bei experimenteller 'Trypanosomeninfektion durch Kalium- .. „hexatantalat. Zeitschr. f. Hyg., Bd. 68, 1911. ee: Stephens & Fantham, On the peculiar morphology of a Trypanosome from a case of sleeping sickness and the possibility of its being a new species (Trypanosoma rhodesiense). Proc. Roy. Soc., Bd. 83, 1910. ; Laveran, Experiences d’immunite croisde avec Tryp. brucei, Tr. brucei var. Werbitzki et Tr. rhodesiense. Bull. Soc. Path. Ex., Bd.5, 1912. — Au sujet du Tryp. rhodesiense et du Tryp. brucei. Ebenda, Bd. 6, 1913. — Au sujet d’un Tryp. gambiense qui conserye depuis 12 ans chez des animaux est reste resistant au serum humain. Ebenda, Bd. 8, 1915. Laveran & Nattan-Larrier, Serodiagnostic des infections & Tryp. gambiense et ä Tryp. rhodesiense. Bull. Soc. Path. Ex., Bd. 5, 1912. Weck, Beobachtungen über Trypanosomen des Menschen und der Tiere am Rovuma- -fluß. Arch. f. Sch.- u. Trop.-Hyg., Bd. 18, 1914. Kleine, Zur angeblichen Identität der Tr. brucei und 'Tr. rhodesiense. Zeitschr. f. Hyg., Bd. 77, 1914. Taute, Untersuchungen über die Bedeutung des Großwildes und der Haustiere für die Verbreitung der Schlafkrankheit. Arb. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. 45. Taute u. Huber, Die Unterscheidung des Tryp. rhodesiense vom Tryp. brucei. Arch. f. Sch.- u. Trop.-Hyg., Bd. 23, 1919. Kinghorn & Yorke, On the transmission of human trypanosomes by Glossina morsi- tans and the oceurrence of human trypanosomes in game. Ann. trop. Medic. a. Parasit., Bd. 6, S. 1, 1912. 55. VORLESUNG.) Trypanosomenkrankheiten der Tiere. "Anhang: Befunde apathogener Trypanosomen bei Tieren. 1. Tse-tse-Krankheit. Die Tse-tse-Krankheit oder Ngana (ngana in der Zulusprache = kraftlos) ist eine in Afrika weit verbreitete Krankheit. Liringstone beobachtete sie bereits, als ‘er den Zambesi von Süden nach Norden überschritt, und teilte auch schon die von den Eingeborenen gemachte Beobachtung mit, daß die Krankheit den Tieren durch den Stich der Tse-tse-Fliege .eingeimpft wird. Bruce entdeckte als Erreger dieser Seuche, die in weiten Gebieten von Afrika das Halten von Haustieren unmöglich macht, während seines Aufenthaltes in Natal 1894 ein Trypanosoma, das Plimmer und Bradford 1899 Trypanosoma Brucei benannt haben. Die Ngana kommt spontan bei Pferden, Eseln, Mauleseln, Rindern, Büffeln, Hunden, Katzen, Schweinen, Schafen und Ziegen vor. Der Verlauf der Krankheit ist mehr oder weniger chronisch und zeigt je nach der Art des befallenen Tieres Verschiedenheiten, indem bei den einen diese, bei anderen jene Symptome besonders hervortreten. Die Inkubationszeit beträgt bei künstlichen Infektionsversuchen häufig nur wenige Tage, hängt aber von der Virulenz der verwendeten Trypano- somen ab. Allen Tierarten gemeinsam ist wohl der Beginn mit Temperatur- steigerungen, die im weiteren Verlauf bald einen intermittierenden, bald unregelmäßig remittierenden Charakter annehmen. E Bei Pferden treten dann neben uncharakteristischen Allgemein- symptomen (Mattigkeit, Trägheit) sehr bald Ödeme am Unterbauch, an — den Extremitäten und Genitalien auf. Zuweilen findet sich bei ihnen eine Urtikaria. Rauhes Haarkleid ist regelmäßig vorhanden, Augentränen, Nasenausfluß verhältnismäßig häufig. Im weiteren Verlauf wird der Geschicht- liches. Krankheits- bild. Puls beschleunigt, der Gang schwankend, das Fettpolster schwindet, die Zeichen der Anämie nehmen zu. Der Tod kann unter fortschreitendem Verfall der Körperkräfte eintreten, gelegentlich auch plötzlich unter Krämpfen oder plötzlichen Lähmungserscheinungen. Die Krankheits- dauer kann Wochen oder Monate betragen. ‘) Für die Umarbeitung dieser Vorlesung sind wir Herrn Medizinalrat “ Dr. Kudicke zu Dank verpflichtet. 1026 55. Vorlesung. Ganz ähnlich sind die Erscheinungen bei Eseln und Maultieren bzw. Mauleseln. Maultiere und manche Eselrassen (Massaiesel Ost- afrikas) pflegen gegenüber der Infektion. widerstandsfähiger zu sein als ihre edleren Verwandten. Beim Rind — wenigstens beim afrikanischen Buckelrind — ist: der Verlauf ausgesprochen chronisch, das Fieber unregelmäßig remittie- rend. Ödeme fehlen so gut wie stets. Im übrigen sind die Krankheits- zeichen denen der Equiden ähnlich. Abmagerung und Anämie stehen im Vordergrunde. Schafe und Ziegen sind ausgesprochen resistent, In manchen Tse-tse-Gegenden sind sie die einzigen Haustiere, die sich längere Zeit am Leben erhalten lassen. Spontane Heilüngen, die bei Equiden und Rindern zu den Ausnahmen gehören, scheinen bei ihnen häufiger’ vor- zukommen. Kranke Tiere zeigen Abmagerung, Mattigkeit, gelegentlich Ödeme, Ausfluß aus Nase und Augen. Von Schweinen zeigen eingeführte Rassen einen akuten, ge- wöhnlich tödlich endenden Krankheitsverlauf. Eingeborene Rassen pflegen resistenter zu sein. Alle Wildarten (Antilopen, Büffel, Wildschweine, Zebras) sind gegenüber einer Tse-tse-Infektion ungewöhnlich 'widerstandsfähig, ob- gleich sie sehr häufig, wenn auch sehr spärlich Trypanosomen im Blute beherbergen (Bruce, Dutton und Todd, Montgomery und Kinghorn, Bruce und Mitarbeiter, Kleine und Fischer, Fraser und Duke u. a.). Auffallend ist, daß domestizierte Zebras einer künstlichen Infektion erlagen ( Grothusen, Martini). Von kleineren Tieren sind Hunde ganz besonders empfänglich. Meist führt die Infektion bei ihnen in wenigen Wochen zum Tode, bei großer Virulenz der Trypanosomen unter Umständen schon nach —14 Tagen. Fieber, Mattigkeit, Abmagerung, Anämie sind die zunächst ins Auge fallenden Symptome. Sehr häufig findet man Konjunktivitis, Keratitis und Entzündungen des inneren Auges, die zu völliger Er- blindung führen können. Paresen der Hinterhand sind nicht selten. Katzen erkranken in ähnlicher Weise akut. Bei den meisten Affen führt die künstliche Infektion zu einer innerhalb 2—4 Wochen tödlich endenden Septikämie Eine Aus- nahme machen allein die Hundsaffen (Paviane), die sich bisher als völlig refraktär erwiesen haben. Ihr Serum ist imstande, Tse-tse- Trypanosomen abzutöten. Kaninchen und Meerschweinchen erkranken chronisch. Bei ersteren sind lokalisierte Hautschwellungen mit Haarausfall und Ulzerationen der Haut häufig beobachtet. Ratten und Mäuse zeigen bei künstlicher Intektios das Bild einer chronischen oder akuten Septikämie. Die Krankheitsdauer hängt auch hier von der Virulenz ab. Durch Fortzüchtung in der gleichen Tierart läßt sie sich für diese so hoch treiben, daß der Tod unter ungeheuerer Vermehrung der Parasiten in wenigen Tagen eintritt. Die Ngana-Trypanosomen sind außerdem auf zahlreiche andere Tierarten übertragen worden. In Gänsen und Hühnern können sie lange am Leben bleiben (Schilling, Goebel u. a.). Auch auf Kaltblüter lassen sie sich mit Erfolg übertragen (Wendelstadt und Fellmer); eine nennenswerte Vermehrung scheint allerdings in diesen Tieren nicht TRETEN TER EEE ETETETETEEN FERTIG \ " z Trypanosomenkrankheiten der Tiere. 1027 einzutreten, denn nur durch Rückimpfung auf empfängliche Säugetiere läßt sich ihr Vorhandensein eine Zeitlang erweisen. Der pathologisch-anatomische Befund ist nicht sonderlich charakteristisch. Eine meist erhebliche Milzschwellung ist stets vorhanden. Häufig findet sich eine allgemeine oder lokalisierte Lymphadenitis. Bei chronisch kranken Tieren ist die Perikardial- und Peritoneal- flüssigkeit vermehrt, ebenso der Liquor cerebrospinalis. Mönckeberg und Simons fanden bei neueren Untersuchungen erhebliche Schädigungen des Blutes und der blutbildenden Organe, Umwandlung der Iymphati- schen Elemente in Plasmazellen, Stauungen in. den Lymphknoten, sowie parenchymatöse Veränderungen in Nieren und Degenerationen im Zentral- nervensystem. Die letzteren sind zuerst von Spielmeyer als „Trypano- somefitabes“ bei chronisch kranken Hunden beschrieben worden. Das Trypanosoma Brucei tritt im Blut der befallenen Tiere mit dem ersten Fieberanfall auf und zeigt bei vielen ausgesprochene Ver- mehrungsperioden, die durch nahezu parasiten- und gewöhnlich auch fieberfreie Intervalle getrennt sind. Bei allen stark empfänglichen Tieren ist es in den Vermehrungsperioden in großen Mengen nachweisbar, doch richtet sich das nach der Virulenz und ändert sich auch häufig im späteren Verlauf, wo die Zahl der Parasiten trotz schwerer Krankheits- erscheinungen auffallend gering sein kann. Bei resistenteren Tieren trifft man die Trypanosomen meist nur spärlich. In erster Linie ist das Trypanosoma ein Blutparasit, doch kann es von dort auch in die Gewebe (Lymphdrüsen, Zentralnervensystem u. a.) übertreten (Wolbach und Binger). Nach Schuberg und Böing vermehrt es sich unmittelbar nach dem Eindringen zunächst in der Haut, in den ‘ Lymphspalten und Sinus der .Lymphdrüsen, bevor es in die Blutbahn “gelangt. Nicht selten ist es bei chronischkranken Tieren in den serösen Flüssigkeiten zu finden, besonders im Liquor cerebrospinalis (E. Martini u.a.). Im Blut scheint es nach dem Tode schnell abzusterben, während es in den inneren Organen (Lunge nach R. Koch, Knochenmark nach ‘Cl. Schilling u.a., Leber nach Simons) sich länger lebensfähig erhält. ; Das Tse-tse-Trypanosoma ist bei spontan infizierten Tieren Afrikas polymorph, hat aber bei Fortzüchtung in kleinen Versuchstieren (Mäusen, Ratten usw.) die Neigung, diese unter natürlichen Bedingungen stets nachweisbare Eigenschaft (Bruce und Mitarbeiter, Kleine u. a.) zu ver- lieren. Soweit bekannt, sind alle Stämme, die seit Jahren in europäischen Laboratorien in kleinen Versuchstieren fortgezüchtet sind, monomorph, ‚obgleich sie von dem ursprünglich vielgestaltigen Nganastamm Bruces abstammen. Diese morphologische Umwandlung ist neuerdings auch mehrfach direkt verfolgt worden (Bruce und Mitarbeiter, Braun und Teichmann, Oehler u. a.). Wie das Trypanosoma gambiense zeigt der Nganaparasit im . gehärteten und gefärbten Ausstrichpräparat schlanke Formen mit langem freien Geißelende und plumpe mit kurzem oder nahezu fehlendem freien Geißelstück. Wie beim Trypanosoma rhodesiense finden sich in empfänglichen Versuchstieren (Affen, Hunden, Nagern) unter den > kurzgeißligen Formen auch solche, deren Kern in das Hinterende, seltener in das Vorderende verlagert ist. Lang- und kurzgeißlige Formen sind durch Übergänge verbunden. Trypano- soma Brucsei. 1028 55. Vorlesung. .... Pie Auffassung, daß die beiden Formextreme geschlechtlich differenzierte Individuen seien, ist bisher nicht bewiesen, wie es auch noch bei keinem Trypanosoma gelungen ist, die Vereinigung solcher angenommener Geschlechtsformen einwandsfrei zu. beobachten. Die schlanken Formen, die nach obiger Auffassung die männlichen sind, finden sich hauptsächlich zu Beginn der Vermehrungsperioden, die plumpen, kurzgeißligen meist gegen Ende derselben oder in den Inter- vallen; doch sind diese Beziehungen nicht ganz konstant (Oehler). Die Größe der Tse-tse-Parasiten zeigt in den verschiedenen Tier- arten Schwankungen. Als Durchschnittsmaße werden 12—-30 u. für die Länge und 15-25 v. für die Breite angegeben. Der im etwas abge- stumpften Hinterende gelegene Blepharoplast ist verhältnismäßig. klein und rund, die undulierende Membran gewöhnlich gut entwickelt und wellig. Der ovale Kern liegt in der Mitte. Die Vermehrung geschieht Fig. 154. Teilung des Trypanosoma ‘Brucei. durch Zweiteilung (Längsspaltung, s. Fig. 154). Bei sehr lebhafter Ver- mehrung können sich die Tochterindividuen schon teilen, bevor noch ihre eigene Trennung vollendet ist. Das Protoplasma ist häufig reich an sich dunkelfärbenden Körnchen. Im frischen Präparat zeigen die Parasiten lebhafte schlängelnde Bewegungen, ohne jedoch dabei ihren Ort in beträchtliehem Maße zu verändern. Die künstliche Infektion durch subkutane oder intraperitoneale Einspritzung parasitenhaltigen Blutes gelingt leicht bei allen überhaupt empfänglichen Tierarten (s. o.). Novy und Mac Neal haben auf einem Blut-Agar (1 Teil Agar- nährboden, bei 55°C gemischt mit 2 Teilen defibrinierten Kaninchenblutes) zuerst Kulturen des Trypanosoma Brucei erzielt. Das Wachstums- optimum liegt bei 25°C. Die Trypanosomen wachsen im Kondenswasser des Nährbodens und bleiben. 1—2 Monate auf neue Nährböden über- tragungsfähig. Die Fortzüchtung der Kulturen, die auch in erster Generation .nicht immer leicht zu erzielen sind, gelang Novy und Mae Neal bis zur 50. Generation. ’ a a A Bine a a . ee u DR rd 2 u 2 an Om gms u li u Te nd al il null al um Aa ud ul al a oc tn Trypanosomenkrankheiten der- Tiere. 1029 Behrens hat für die Züchtung den Nährboden noch verbessert [250 eem kalt hergestellter Rindfleischextrakt (aus 125 9), nach Filtration und 1—2tägiger Dialyse aufgefüllt auf 12, dazu 2°/, Pepton, 0'5°/, NaCl, 0:01°/, CaCl,, 1°/, Normal-Na, CO; - Lösung, 2°/, Agar]. Vor dem Gebrauch ist der Nährboden im flüssigen Zustand bei 60° mit der doppelten Menge defibrinierten Kaninchenbluts zu versetzen. u) ‚Übertragung erfolgt unter natürlichen Verhältnissen durch die Tse-tse-Fliegen oder Glossinen (Wiedemann). Die Glossinen gehören zu der Dipterenfamilie der Muscinae. Sie haben einen hornigen, nicht einziehbaren Stechrüssel, mittelst dessen sie das zu ihrer Ernährung notwendige Blut saugen. Die Flügel werden in der Ruhe so über- 'einandergelegt, daß sie sich wie Blätter einer Schere decken (Taf. 78). Die Tse-tse-Fliegen gebären lebendige Nachkommen, und zwar in Zwischenräumen von je 14 Tagen eine Larve fast von der Größe des Fliegenleibes, die sich nach wenigen - Stunden verpuppt. Aus dieser Puppe geht nach einigen Wochen eine geschlechtsreife Fliege hervor. Die Fiederborsten (Antennen) sind nur an der Vorderseite gefiedert und jede Fieder ist geteilt. ‚Bisher sind 14 Arten der Glossinen beschrieben, deren Systematik besonders von Austen und Newstead, Minchin sowie von Stuhlmann studiert und in Mono- graphien beschrieben wurde. Neuerdings hat die Artenzahl noch eine weitere Ver- me ‘erfahren. Die für die Pathologie wichtigsten, weil als Zwischenwirte für e Protozoen nachgewiesenen, sind die Glossina palpalis und Glossina morsitans, Gl. brevipalpis, Gl. tachinoides, Gl. fusca. Glossinen sind bisher nur im tropischen und subtropischen Afrika ge- funden worden. Sehr wichtig ist die Kenntnis ihrer Lebensgewohnheiten. Diese sind für die einzelnen Artei nicht völlig übereinstimmend. Während, wie erwähnt, das Vorkommen der Glossina palpalis auf verhältnismäßig schmale, an Baum- und Strauchwuchs reiche Uferstreifen von Seen und Flüssen beschränkt ist, bevorzugt die Glossina morsitans und die ihr sehr ähnliche Glossina pallidipes ' mehr die trockenere Baumsteppe, in der sie örtliche Begrenzungen kaum zu kennen scheint. Glossina brevipalpis und Glossina tachinoides finden sich mehr in vege- tationsreichen, also feuchteren Gegenden usw. In Häuser dringen sie im allgemeinen nicht ein. Die Puppen findet man meist an bestimmten, gegen Regen und Sonnen- brand in gleicher Weise geschützten sandigen Stellen. Bei denjenigen Arten, die ‘in ihrer Nahrung hauptsächlich vom Großwild abhängen (Glossina morsitans) wird vielfach ein Aufenthaltswechsel je nach dem Standort des Nahrungsspenders ange- geben. Männliche Glossinen findet man sehr häufig auf Wegen, Wildpfaden und ähnlichen freien, aber nicht zu sonnigen Stellen sitzen und kann feststellen, daß sie wie andere Fliegen auch, die Neigung haben in kurzem bogenförmigen Fluge zum Ruheort zurückzukehren. Die Weibehen halten sich mehr verborgen, sind aber gewöhnlich am lebenden Köder (Mensch oder Tier) leicht zu fangen. Manche Arten - (Glossina morsitans u. a.) scheinen ihrem Opfer lange Zeit zu folgen. Männchen und Weibchen nähren sich in gleicher Weise. Wenn sie nicht verscheucht werden, saugen sie so lange, bis Vorderdarm und Kropf mit Blut gefüllt sind. Der Flug ist leise, der Stich in mäßigem Grade schmerzhaft. Glossina palpalis saugt mit Vorliebe in ' den heißen Tagesstunden, die übrigen Arten bevorzugen die kühleren Tageszeiten. Zuweilen sind sie auch in hellen Mondnächten rege. In der Gefangenschaft lassen - sie sich bei regelmäßiger Fütterung, die je. nach der Art täglich oder alle 2 bis 5 Tage stattfinden muß, in Gläsern oder, Drahtkäfigen lange am Leben erhalten und züchten. = Die Glossinen sind wahrscheinlich an und für sich alle in gleicher Weise zur Übertragung der überhaupt auf einen Wirtswechsel ein- gestellten Trypanosomenarten befähigt. Sie spielen aber nicht bei allen durch die letzteren verursachten Krankheiten die gleiche Rolle. So ist für die eigentliche Schlafkrankheit durch Versuche von Taute, Fischer u. a. bewiesen, daß sie künstlich auch durch Glossina morsitans übertragen 9 werden kann, während die allgemeine Erfahrung zeigt, daß diese Fliege Über- tragung. Entıricklung der Trypano- somen in den Glossinen. 1030 55. Vorlesung. bisher eine Rolle bei der Ausbreitung der Krankheit nicht gespielt hat. Andrerseits hat sich die Tse-tse-Krankheit in gewissen Gegenden Ost- afrikas nicht durch Glossina brevipalpis übertragen lassen, obgleich eine Darminfektion der Fliegen experimentell durch Fütterung an infizierten Tieren leicht zu erzielen war. Allem Anschein nach sind diese Besonder-. heiten durch eine verschiedenartige Einstellung bedingt, die die ein- zelnen Trypanosomenarten gegenüber äußeren Einflüssen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit u. ähnl.) zeigen und die eine abschließende Entwicklung ‘ begünstigen oder verhindern. Bruce war auf Grund seiner ersten, im Zululand angestellten Versuche zu der Anschauung gekommen, daß die Übertragung der Tse-tse-Krankheit durch die Glossina morsitans, die er einwandsfrei be- weisen konnte, auf mechanischem Wege erfolge. Es war R. Koch. vor- behalten, Tatsachen festzustellen, die dafür sprechen, daß die Flagellaten x Fig. 155. eo... — ———— 2% g h D er Entwicklungskreislauf der Tse-tse-Parasiten in den Glossinen. (Nach: R. Koch.) in den Fliegen eine Entwicklung durchmachen. Kleine und seinen Mit- arbeitern (Taute, Fischer u. a.) gelang es, hierfür klare experimentelle Belege beizubringen. Am weiteren Ausbau unserer Kenntnisse über die Übertragung und Entwicklung der pathogenen Säugetier-Trypanosomen _ i sind Bruce und seine Mitarbeiter sowie Roubaud wesentlich beteiligt. 1905 beschrieb R. Koch aus Darm und Rüssel gefangener Glossinen (Glossina brevipalpis und Glossina tachinoides) Flagellaten, die er wegen ihrer großen Ähnlichkeit mit den Trypanosomen als Entwicklungsstadien derselben auffaßte. Er unterschied im Darm weibliche Formen von dicker, plumper Gestalt mit kurzer Geißel, stark färbbarem Proto- plasma und rundem Kern, ferner männliche, auffallend schlanke, blasse Trypanosomen mit großem beweglichem, lockerem Kern und nahm an, daß diese beiden Formen sich vereinigen und so die Grundlage für die auffallend starke Vermehrung der Flagellaten im Fliegendarm ab- geben. Die Anfänge dieser Vermehrung sah er in mehrkernigen plumpen Formen, bei denen abweichend vom gewöhnlichen Teilungsvorgang die N . nee Trypanosomenkrankheiten der Tiere. 1031 Teilung des Blepharoplasten und der Geißel ausgeblieben war. Durch Zerfallsteilung sollten aus diesen Formen junge einkernige, zunächst geißel- und blepharoplastlose Individuen hervorgehen, die dann zu Crithidien und endlich zu typischen Trypanosomen auswüchsen. Die letzteren fand R. Koch vor allem im Stechrüssel, zum Teil in . großer Menge, und zog daratıs den Schluß, daß sie das Endglied der = Entwicklungsreihe darstellten, das zum Übergang in den Warmblüter bestimmt und befähigt sei, sich in ihm zu entwickeln. Die letztere - Fähigkeit müßte nach dem negativen Ausfall entsprechender Versuche den Darmtrypanosomen abgesprochen werden. Neben den oben ge- schilderten Formen fand R. Koch noch Bündel von langen dünnen Trypanosomen, die er geneigt war, für besonders geartete Vermehrungs- stadien zu halten, und Crithidien mit sehr kurzem Vorder- und auf- fallend langem Hinterende. In Fortsetzung der von R. Kock begonnenen Versuche konnte Stuhlmann in Gemeinschaft mit Kudicke feststellen, daß bei gezüchteten Glossinen (Glossina brevipalpis), bei denen Stuhlmann niemals Flagellaten - gefunden hatte; solche zur Entwicklung gelangen und sich stark ver- mehren, wenn sie an tse-tse-kranken Tieren gesogen haben. Es gelang, . einen großen Teil der von Koch beschriebenen Formen’ bei diesen künstlich infizierten Fliegen wiederzufinden. Es war aber nicht möglich. diese Entwicklung bis zum Schlusse zu verfolgen. ‘ Kleine und Taute waren die Ersten, denen es gelang, mit gezüchteten und demzufolge vor der Fütterung sicher parasiten- -freien Glossinen die Tse-tse-Krankheit zu übertragen. Sie zeigten insbesondere, daß die Glossinen erst nach Ablauf einer ganz bestimmten - Zeitspanne, die je nach der. verwendeten Fliegenart im Minimum 11 . und 18 Tage betrug, zur Verbreitung der Krankheit imstande sind. ‘ Gleichzeitig bewiesen sie, daß diese Fähigkeit, die Infektion zu über- tragen, nicht nur der Glossina morsitans, sondern auch der Glossina palpalis zukommt. Sie bestätigten das Vorkommen der von R. Koch beschriebenen Formen und schlossen aa auch der Deutung an, die er diesen gegeben hatte. Bruce und seine Mitarbeiter zeigten dann, daß die Entwicklung in der Fliege sich in gleicher Weise vollzieht wie beim Trypanosoma gambiense, wie auch morphologisch die Entwicklungsformen der beiden Arten in der Fliege nicht zu unterscheiden sind. Das Endstadium der Entwicklung wird in den Speicheldrüsen gebildet. Die Fliege wird infektiös, sobald dieses erreicht ist. Gegen die Deutung, die R. Koch seinen grundlegenden Befunden gegeben hatte, wurde insbesondere von Novy geltend gemacht, daß es sich dabei um Parasiten des Insektendarms handle, wie sie bei zahl- reichen blutsaugenden und nicht blutsaugenden Insekten bereits bekannt geworden waren. Dieser Einwand muß als durch die Versuche von Kleine und Bruce widerlegt‘ betrachtet werden. Gezüchtete Glossinen haben Flagellaten nur im Darm oder anderen Teilen ihres Verdauungs- ' apparats, wenn sie an Tieren gesogen haben, die mit Trypanosomen infiziert sind. _ Die Zahl der Fliegen, in denen Tse-tse-Trypanosomen zur Ent- - wicklung gebracht werden können, ist verhältnismäßig klein. Die Ziffer Epide- miologie. Immunität. Be- kämpfung. 1032 0.2 00% 55. Vorlesung. von 10°/, wird kaum überschritten. Nur in einem Teil von diesen pflegt die Entwicklung auch zum Abschluß zu kommen.. Einmal infizierte Fliegen können ihre Parasiten wahrscheinlich während ihres. ganzen Lebens behalten. Eine Vererbung der Trypanosomen auf die Nach- kommenschaft findet nicht statt. Männliche Fliegen können in gleicher. Weise als Krankheitsüberträger dienen wie weibliche. Die direkte, d. h. rein mechanische Übertragung durch Glossinen spielt neben der ge- schilderten wahrscheinlich nur eine geringe Rolle. Möglich ist sie, wie auch andere Stechfliegen auf diese Weise die Krankheit verbreiten können (Stomoxys, Haematopota). Wichtig für die Epidemiologie der Tse-tse-Krankheit ist die Tatsache, daß in der Regel nur da, wo Glossinen vorkommen, Neu- infektionen beobachtet werden. Untersucht man in solchen Gegenden eingefangene Glossinen, so finden sich bei einem erheblichen Prozentsatz von ihnen die von Koch entdeckten Formen der Trypanosomen in großer Menge. Da die Fliegen auch in Gegenden infiziert befunden werden, wo nganakranke Tiere nur sehr spärlich vorkommen, muß man annehmen, daß die Trypanosomen sich viele Wochen oder Monate in den einmal infizierten Glossinen halten, was ja auch durch die Ver- suche bewiesen wird. In manchen Tse-tse-Gegenden sind die einzigen Säugetiere, auf deren Blut die Tse-tse-Fliegen angewiesen sind, die großen Antilopenarten. Im Blute dieser Tiere sind die Parasiten aber stets nur außerordentlich spärlich vorhanden. Trotzdem ist nicht daran zu zweifeln und durch zahlreiche Beobachtungen festgestellt, daß gerade ( die Wildarten es sind, die als Quelle der Infektion in Tse-tse-Gegenden dienen. Sehr wahrscheinlich beherbergen sie das Virus in einer Form, die für die Entwicklung in den Glossinen besonders geeignet ist. Es gibt Tiere, die eine natürliche Immunität gegenüber dem Trypanosoma Brucei besitzen, aber auch künstlich kann eine gewisse Immunität bzw. Resistenz erzielt werden. So hat Koch den Nachweis erbracht, daß durch Vorbehandlung mit schwach virulenten Tse-tse- Parasiten unter Umständen eine Unempfänglichkeit der Tiere gegen die Infektion mit stärker virulenten Parasitenstämmen erzielt werden kann. Schilling hat diese Versuche wiederholt und ebenfalls eine gewisse Im- munität bzw. Resistenz erzielt. Daß es sich in solchen Fällen um echte Immunität handelt, wird bewiesen durch das Auftreten von Schutz- stoffen und in vitro agglomerierend und immobilisierend wir- kenden Körpern, die von Martini und Kleine im Blut immuner Tiere nachgewiesen wurden. Durch geeignete Vorbehandlung lassen sich diese spezifischen Stoffe im Serum anhäufen. Bei länger vorbehandelten Tieren treten auch Agglutinine und Präzipitine im Blut auf. Aber es ist bis- her noch nicht gelungen, Tiere künstlich gegen die natür- liche Infektion mit hochvirulentem Virus zu immunisieren. Sämtliche von Schilling in Kamerun mit abgeschwächten Trypanosomen vorbehandelten Tiere sind, wie dieser Autor feststellte, später der natürlichen Infektion erlegen. Bei der großen Bedeutung, die die Tse-tse-Krankheit für die Vieh- zucht in den Ländern des tropischen Afrika hat, ist es natürlich, daß a ar me a ar EN NE ! Trypanosomenkrankheiten der Tiere. 1033 man frühzeitig Mittel suchte, mit denen eine Bekämpfung der Seuche möglich ist. Es ist aber bisher noch niemals gelungen, eine tse-tse- verseuchte Gegend für die Viehzucht geeignet zu machen. Nur da. wo die fortschreitende Bodenkultur ein Zurückweichen der Wald- una Buschsteppe im Gefolge hatte, nahm die Seuche ab. In Südafrika ist nach Theiler ein Verschwinden der Tse-tse-Fliegen und damit der Ngana auch dem Schwinden des Wildbestandes gefolgt. Da bei‘der ungeheuren Ausdehnung der verseuchten Busch- und Baumsteppen an eine Vertreibung der Fliegen, etwa durch Abholzen, nicht zu denken ist, hat man vielfach (R. Koch und englische Autoren) den Vorschlag gemacht, eine Bekämpfung der Fliegen durch Vertreiben oder Ver- nichtung des Wildbestandes zu versuchen. Bisher sind diese Vor- schläge, soweit bekannt, noch nicht in die Praxis umgesetzt worden, und es sind auch Stimmen laut geworden, die bezweifeln, daß das Ziel auf diesem Wege erreicht werden könne. Abholzungen hat man gelegentlich versucht, um die Fliegen von Transportwegen fernzu- halten. Auch hierbei sind Erfolge nicht erzielt worden. Es scheint, als wenn die Flugweite der Insekten doch größer ist, als man bisher annalım. =>. 21: ', Wie schon erwähnt, sind vielfach Versuche unternommen worden, Haustiere gegen die Tse-tse-Krankheit zu immunisieren. R. Koch ver- wendete Trypanosomen, die durch Züchtung in wilden Ratten in ihrer Virulenz für Rinder abgeschwächt waren, um die letzteren gegen die natürliche Infektion zu schützen. Andere Autoren haben Trypano- somen zu den Impfungen benutzt, die durch chemische Mittel oder durch thermische Einwirkung abgeschwächt oder abgetötet waren. Alle ‚, diese Versuche sind fehlgeschlagen, auch da, wo Laboratoriumsexperi- mente ein günstiges Ergebnis erhoffen ließen. Die scheinbar unbe- ' grenzte Fähigkeit der Trypanosomen, sich den etwa gebildeten Anti- körpern anzupassen (Rezidivstammbildung), ist wohl die wichtigste Ur- sache der Mißerfolge. Wo es gelang, einzelne Tiere gegen die nachfol- gende Impfung mit virulenten Stämmen widerstandsfähig zu machen, zeigte sich, daß sie keineswegs frei von Trypanosomen waren. Sie waren Virusträger, die nicht einmal gegenüber ihren eigenen Trypano- somen auf die Dauer gesichert waren. Zur Behandlung sind bei der Ngana die gleichen Mittel verwendet worden, die bei der Schlafkrankheit bereits besprochen worden sind. Am wirksamsten sind die zuerst von Bruce und Lingard, später von Laveran und Mesnil angewandten Arsenpräparate. Löffler empfahl für die experimentelle Ngana der kleinen Laboratoriumstiere die gleichzeitige Verabreichung von Acid. arsenicosum (0'004 9 auf das Kilo Meerschweinchen) per os und von Atoxyl sub- kutan. Die arsenige Säure erwies sich auch in Form einer 1proz. Salbe, die auf der Haut verrieben wird, wirksam. Die neuen, nach Ehrlichs chemotherapeutischen Vor- stellungen hergestellten Arsenpräparate haben für die Therapie auch dieser Krank- heit große Bedeutung. Antimonpräparate, vor allem Tartarus stibiatus, ent- falten gleichfalls erhebliche therapeutische Wirkungen, auch bei großen Tieren. Wie Tsuzuki bei experimentellen Untersuchungen an Mäusen, die mit Nganaparasiten ‚ infiziert waren, feststellen konnte, ist die von Ehrlich empfohlene Kombination miehrerer Mittel aus verschiedenen chemischen Gruppen das beste Verfahren, um eine Therapia magna sterilisans bei dieser- Infektion durchzuführen. Mit dem von ‚Kolle, Rothermundt und Schürmann empfohlenen Antimontrioxyd läßt sich bei kleinen und großen Tieren dieses Ziel erreichen. Be- handlung. Trypano- soma Evansi. 1054 55. Vorlesung. 2. Surra. “ . Die Surra ist eine in Indien, Indochina, Turkestan und. auf den Philippinen und Mauritius vorkommende Trypanose der Pferde, Esel, . Kamele, Elefanten und Hunde. Die künstliche Infektion der genannten Tierarten gelingt ebenso wie die Übertragung des Infektionsstoffes auf Mäuse, Ratten und Meerschweinchen. Rinder, Büffel, Schafe und Ziegen erkranken meist nur leicht. Als Erreger der Surrakrankheit wurde im Jahre 1880 von Evans in Indien ein Trypanosoma entdeckt. Das Trypanosoma Evansi läßt sieh. morphologisch kaum von dem Trypanosoma Brucei (S. 1027) differenzieren. Nach den Beschreibungen ist es unter natürlichen Verhält- nissen monomorph, ähnelt also in seinem Aussehen den Laboratoriums- stämmen des Trypanosoma Brucei, mit denen es ja auch die direkte Übertragungsweise gemeinsam hat. Einen polymorphen Surrastamm hat Bruce beschrieben. Auch seine pathogenen Eigenschaften sind, abgesehen von der geringen Virulenz für Rinder, nicht von denen des ns der Tse-tse-Krankheit verschieden. Als Überträger unter natürlichen Verbaltuissen sind Tabankden Stomoxys und Hämatopotaarten anzusehen. Nur kurzfristige Übertragungen sind bisher gelungen (Leese, Fraser und Symonds, Mitzmain). Alle Versuche, in den Tabaniden Entwicklungsformen der Trypanosomen festzustellen, sind fehlge- schlagen. Die Krankheit zeigt vielfach Beschränkung auf sumpfige, mit niederer, dichter Vegetation bestandene Gegenden, die auch der Entwicklung der genannten Stechfliegengattungen günstig sind. Auf der Zunahme dieser Fliegen in bestimmten Jahreszeiten beruht wohl auch. das zu diesen Zeiten gehäufte Auftzeten der Infek- tionen. Bei der Therapie der Surra scheint sich das Auripigment (Arsentrisulfid) bei längerer interner Anwendung von 15—20g in mehrtägigen Pausen zu bewähren. Auch kombinierte Anwendung von Brechweinstein und Auripigment ist erfolgreich, ebenso sind von löslichen Arsenikalien gute Erfolge berichtet. Dem Trypanosoma Evansi stehen morphologisch und biologisch Trypanosomen nahe, die aus Nordafrika als Erreger von Krankheiten der Equiden und Kamele beschrieben und auf Grund des Ergebnisses der Kreuzimpfung als besondere Arten ABRTRCOBEN sind (s. Tabelle im Anhang). 3. Mal de Caderas. "Als Mal de Caderas wird eine in Südamerika unter den Equiden ziemlich weit verbreitete Krankheit bezeichnet, die vor allen Dingen Pferde, dann aber auch Esel und Maulesel und gelegentlich Hunde befällt. Sie führt meistens innerhalb 10—14 Tagen zum Tode, kann aber auch chronisch verlaufen und monatelang dauern, ehe der letale Ausgang erfolgt. Der Fiebertypus ist ein remittierender. Die Tiere magern, nachdem die Krankheit einige Wochen bestanden hat, stark ab und zeigen Lähmungen an verschiedenen Gliedern. Ödeme sind. seltener; dagegen wird konstant eine starke Albuminurie beobachtet. Bei den verendeten Tieren findet man- Milzvergrößerung, Schwellung der Lymphdrüsen und starke Veränderungen an den Nieren, ähnlich wie sie sich bei parenchymatöser Nephritis einstellen. ENTER, ah nn Trypanosomenkrankheiten der Tiere. _ 1035 Der Erreger der Krankheit ist das von Elmassian gefundene und von ihm und Voges genau beschriebene Trypanosoma equinum. Es ist ein 20—25u. langes und 2—4y. breites Trypanosoma, welches einen sehr kleinen, runden Blepharoplasten hat. An dieser charakteristi- schen Form des Blepharoplasten kann es erkannt werden. Experimentell läßt sich die Krankheit auf Affen, Katzen, Hunde, Meerschweinchen, Mäuse und Kaninchen übertragen, dagegen sind Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen sehr resistent. Bei den Seuchen- ausbrüchen sollen kleine Tiere, die sog. Carpinchos (Hydrochoerus capi- bara), die für die Krankheit sehr empfänglich sind, als Infektionsquelle vielfach eine besondere Rolle spielen. Bei Tieren, welche die künstliche oder natürliche Infektion überstanden haben, stellt sich eine aus- gesprochene Immunität gegen Neuinfektionen ein; in ihrem Serum lassen sich spezifische Schutzstoffe nachweisen. Der Überträger der Parasiten bei natürlicher Infektion ist noch nicht bekannt. - In Mittelamerika kommt bei Equiden eine dem Mal de Caderas ähnliche Krankheit vor, deren Erreger unter dem Namen Trypanosoma hippicum als besondere Art abgegrenzt wird. Er unterscheidet sich vom Trypanosoma equinum durch den großen rundlichen Blepharoplasten. Da aber auch bei Mal de Caderas Trypanosomenexemplare mit größerem Blepharoplast vorkommen sollen, ist die Frage, inwieweit die Abtrennung der Art berechtigt ist, wohl noch nicht ganz geklärt. Die Übertragung des Trypanosoma hippiecum soll nach Darling durch nichtstechende Fliegen vermittelt werden, die die Trypanosomen auf Geschwüre oder Schleimhäute verschleppen. - _ 4. Dourine. Die Dourine (Beschälseuche, Zuchtlähme) war früher auch in Europa eine sehr weit verbreitete Krankheit der Pferde, kommt jetzt aber hier nur selten zur Beobachtung. Nur in Spanien und in den Donau- ländern findet sie sich noch, wenn auch nicht in großer Verbreitung. Ihr jetziges Hauptverbreitungsgebiet ist Algier, Nordamerika und Süd- amerika. In Deutschland sind neuerdings wieder Einschleppungen erfolgt, nachdem schon früher die Krankheit in beschränkter Aus- breitung mehrfach in Ostpreußen aufgetreten war. Die Dourine ist eine chronische Krankheit, in deren Verlauf sich drei Stadien unterscheiden lassen (Friedberger und Fröhner, Lingard, Zwick und Fischer). Im Anfangsstadium finden sich hauptsächlich Ödeme des Schlauchs, des Skrotums und der Inguinalgegend oder der Vulva, die sezernierende Ulzerationen aufweist, und der Unterfläche des Bauches. Es besteht mäßiges Fieber. Der Geschlechtstrieb ist während dieses etwa 1 Monat dauernden Stadiums stark gesteigert. Im zweiten Stadium stellen sich eigenartige Erytheme und Flecken der Haut sowie Quaddelbildung ein, die höchstwahrscheinlich vasomotorischen Ursprunges sind. Die Inguinaldrüsen sind geschwollen, und auch die anderen Lymphdrüsen des Körpers zeigen Vergrößerung. Im dritten Stadium wird starke Anämie, Abmagerung und Lähmung ein- zelner Nerven (insbesondere des Kopfes und der hinteren Extremitäten) beobachtet. Bei verendeten Tieren finden sich außer Vergrößerung der Milz und der Lymphdrüsen als besonders charakteristische ‘Merkmale Veränderungen in dem unteren Abschnitte de$ Rücken- Trypano- soma equi- num. 1036 Fi 55. Vorlesung. marks: degenerative Prozesse ‘infolge von zahlreichen Erweichungs- herden, die ihrerseits wieder neuritische er an incl age pheren Nerven zur Folge haben. ee Der Erreger der Krankheit ist das im Jahre 1894 von Bouads ge perdum. fundene Trypanosoma equiperdum, welches eine Länge von 25— 281. hat und eine freie Geißel von etwa 6u. Länge besitzt. Der :rundliche Blepharoplast liegt im Hinterende, der ovale Kern in: der Mitte: Der Nachweis der Trypanosomen begegnet häufig großen Schwierigkeiten. Am leichtesten sind sie in frischen Fällen im Genitalsekret: aufzufinden; später in den lokalen Hauteruptionen. Im Blut schlägt ‘der Nachweis häufig fehl, ganz besonders in den späten Krankheitsstadien, wo viel- fach lediglich durch Antikörperreaktionen (Agglutination, Präzipitation, Komplementbindung) die Ätiologie aufgeklärt werden kann. Ob Trypa- nosomen in’ diesen Fällen in der Zerebrospinalflüssigkeit nachweisbar sind, was an und für sich wahrscheinlich ist, darüber ist nichts bekannt. Die natürliche Übertragung des Trypanosoma findet durch Berührung der Schleimhäute beim Koitus statt. Besonders wichtig ist, daß es mit diesem Trypanosoma auch gelingt, kleinere Versuchstiere von der intakten Schleimhaut aus zu infizieren. Tropft man Kaninchen, die weitaus die empfänglichste kleinere Tierart für dieses Trypanosoma darstellen, in den Augenbindehautsack Blut, welches das Trypanosoma equiperdum enthält, so erkranken die Tiere, und gehen an Trypanosomiasis ein. Die Virulenz des Trypanosoma für Affen, Schafe, Ziegen und Rinder ist sehr gering. Auch auf Mäuse, Ratten und Meerschweinchen lassen die Parasiten sich keineswegs immer mit Erfolg übertragen. Dagegen sind Hunde relativ sicher zu infizieren, namentlich intraperitoneal. Die wechselnden Resultate, die einzelne Forscher bei verschiedenen Tierarten erhielten, hängen wohl mit der Virulenz dieses Trypanosoma zusammen, die besonders starken Schwan- kungen unterworfen zu sein scheint. | Pferde, welche die Krankheit überstanden haben, sind gegen eine natürliche oder künstliche Neuinfektion gefeit. Im Serum solcher Tiere: lassen sich auch spezifische Schutzstoffe nachweisen. | In der Behandlung der Beschälseuche sind bisher wirklich be- friedigende Erfolge nur selten erzielt worden. Atoxyl, Arsenophenyl- glyzin, Brechweinstein, Trixidin, die bei kleineren Versuchstieren zum } Teil zu recht guten Ergebnissen führten, haben in der Praxis eine sehr wechselnde Beurteilung erfahren. Das gilt auch für das neue Präparat „Bayer 205“. Möglicherweise beruhen die Mißerfolge darauf, daß die Tiere häufig zu spät zur Behandlung kommen. Es ist bereits bei der Schlafkrankheit betont worden, wie sehr die Prognose sich verschlechtert, wenn eine Trypanosomenerkrankung auf das Zentral- nervensystem übergegriffen hat. ? Die Bekämpfung der Krankheit kann, da Insekten als Zwischen- wirte nicht in Frage kommen, mit veterinärpolizeilichen Maßnahmen leichter durchgeführt werden, als es bei der Tse-tse-Krankheit der Fall ist. Durch Tötung der erkrankten Tiere und Ausschluß infizierter Pferde von der Zucht hat sich, wie oben mitgeteilt wurde, die Dourine in den meisten europäischen Ländern ausrotten lassen, I ui: a Trypanosomenkrankheiten der Tiere. 1037 5. Infektionen mit Trypanosoma dimorphon und verwandten Flagellaten. Als Erreger einer Pferdeseuche wurde in Senegambien von Dutton und Todd ein Trypanosoma festgestellt, das sich von dem Erreger der Ngana durch seine geringe Größe, die schmale undulierende Membran und durch das Fehlen der freien EDER b Geißel unterscheidet. Die Autoren gaben ihm Fig. 156. den Namen Tryp. dimorphon, weil sie auch Formen mit langer freier Geißel fanden. Laveran und Mesnil stellten jedoch fest, daß solche -Formen nicht vorkommen, daß aber die ein- zelnen Individuen in ihrer Größe erhebliche Unterschiede aufweisen können (Fig. 156). Dem Tryp: dimorphon, das für die meisten großen und kleinen Tiere pathogen ist, sind morpbologisch .und biologisch sehr ähnlich Trypanosomen, die teils als Tryp. congolense, teils als Tryp. pecorum be- Trypanosoma dimorphon (etwa 2000fach). 7 srabsa. 2. keins. Form. (Nach zeichnet worden sind. Alle diese Trypano- Laveran und Mesmil.) somen werden durch Glossinen übertragen, bei denen sie sich im Darm und Stechrüssel ver- mehren. Eine Einwanderung in die Speicheldrüsen findet nicht statt. Als Virus-. träger dienen hauptsächlich Antilopen. 6. Infektionen mit Tryp. Cazalboui (Tryp. vivax) und verwandten Flagellaten. _ Das Tryp. Cazalboui wurde 1906 von Laveran als Erreger der Souma, einer in Französisch -Westafrika bei Wiederkäuern und Pferden vorkommenden Seuche beschrieben. Es ist wahrscheinlich identisch mit dem 1905 von Ziemann in Kamerun gefundenen Tryp. vivax. Beide Trypanosomen sind monomorph, haben ein ziemlich langes freies Geißelende und sind sehr lebhaft beweglich. Kleinere Versuchstiere, besonders Mäuse, Ratten und Meerschweinchen sowie Affen sind gegen sie gewöhnlich refraktär. Überträger sind hauptsächlich Glossinen, in denen eine Entwicklung nur im Stechrüssel stattfindet. Als kurzfristige Überträger können auch Stomoxys-, Hämatopota- und Tabanusarten dienen. (Über weitere Verwandte dieser Trypanosomen s. Tabelle 1046— 1047.) Anhang: Befunde apathogener Trypanosomen bei | | Tieren. I. Trypanosomen bei Säugetieren. Ratten-Trypanosomen. Die Ratten-Trypanosomen haben für die einzige Tierart, bei der sie spontan vorkommen, die Ratten, nur geringe pathogene Bedeutung, doch können sie unter Umständen auch diese Tiere krank machen und akut töten, wie es ab und zu nach künstlicher Infektion beobachtet wird. Meist leben sie im Blute der Tiere, ohne Krankheitserscheinungen auszulösen. Es muß hier kurz auf die Morphologie und Biologie dieser Parasiten eingegangen werden, um das von den Trypanosomenkrankheiten entworfene Bild zu vervollständigen; denn wir verdanken dem Studium der Ratten-Trypanosomen eine Anzahl recht wichtiger Beobachtungen, - die für die Kenntnis der pathogenen Trypanosomen von Bedeutung sind. Das Ratten-Trypanosoma wurde im Jahre 1878 von Lewis in Indien im Rattenblut gesehen und schon damals als Flagellat erkannt. Es ist bisher nur bei Ratten, und zwar sowohl bei der Hausratte (Mus rattus) - wie bei der Wanderratte (Mus decumanus) und bei Mus rufescens in allen Weltteilen gefunden worden und läßt sich auf keine andere Tier- E. art übertragen. Die neueren Angaben von Roudsky, daß es ihm gelungen Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. >67 Trypano- soma dimorphon. Trypano- soma Lewisi. 1038 55. Vorlesung. sei, das Trypanosoma Lewisi auch auf Mäuse zu übertragen, bedürfen noch der Nachprüfung. Die Größe schwankt zwischen 10—20 u, neben großen Individuen kommen auch kleine, neben länglichen auch runde vor. Das Trypanosoma Lewisi ist außerordentlich lebhaft beweglich. Es hat eine kräftige und lange Geißel, die sich am Vorderende befindet und in die undulierende Membran als Randfaden übergeht. Die undulierende - Membran ist starr und wenig gewellt. Chromatinkörnchen sind im Plasma nicht sichtbar. Der ovale Kern liegt im vorderen Drittel, d.h. nach dem die Geißel tragendem Ende zu, der Blepharoplast ist stäbchenförmig und meist quergestellt. Das Hinterende ist schnabelartig spitz ausgezogen und ermöglicht eine Differenzierung von den anderen Trypanosomenarten schon allein durch dieses morphologische Charakteristikum. Hartmann Fig. 157. Teilung des Trypanosoma Lewisi. nimmt Zentralfasern im Innern der Zelle und Periplastfasern, sogenannte Myophane, an, welche zusammen mit dem Randfaden die formbeständigen Elemente der Trypanosomen darstellen. v. Wasielewski und v. Prowazek machten auch eine Periplasthülle sichtbar. Es kommt sowohl Längsteilung wie multiple Vermehrung vor. Bei letzterer werden Rosettenformen gebildet, wobei oft 8—16 junge Parasiten mit den Hinterenden zusammenhängen, während die Geißeln radiär nach außen angeordnet sind (Fig. 157). Das Ratten-Trypanosoma wird in erster Linie durch Flöhe übertragen. Schein- bar kann es sich in allen Flöhen, die überhaupt an Ratten schmarotzen, weiter entwickeln. Nach Minchin und Thomson dringen die Trypanosomen in die Epithel- zellen des Flohmagens ein und vermehren sich hier sehr schnell durch Zerfallsteilung. Nach etwa 3 Tagen ist diese Entwicklung vollendet und die Trypanosomen wandern dann in den untersten Darmabschnitt, wo nunmehr die Weiterentwicklung in der Weise vor sich geht, wie. sie früher bei den Insektenparasiten besprochen wurde. DE ll en EEE LUEELELE VERNKTE TE EENTEHERLLE NUDE EUER RENT RETTET Trypanosomenkrankheiten der Tiere. 1039 Sie besteht in einem Wechsel zwischen Schwimm- und Haftformen, welch letztere ‚teils am Epithel des Rektums. sitzen, teils auch in der Gegend des Pylorus. Bei dieser Entwicklung treten zunächst Crithidienformen auf, die allmählich zu schlanken oder stumpfen Trypanosomen auswachsen. Die letzteren Formen sind diejenigen, die die Infektion eines neuen Wirtes ermöglichen. Die ganze Entwicklung nimmt . etwa 5 Tage in Anspruch. Die vor dieser Zeit auftretenden Formen sind nicht im- stande, sich bei Übertragung auf eine Ratte zu vermehren. Die Infektiosität ist also an das Auftreten eines ganz bestimmten Stadiums von Trypanosomengestalt ge- bunden. Nöller hat diese Angaben. in allen wesentlichen Teilen bestätigt, ins- besondere auch die Entwicklung innerhalb der Epithelzellen des Magens. Er hat weiter nachgewiesen, daß die Übertragung auf neue Ratten nicht durch den Stich des Flohes erfolgt, sondern durch Kottröpfchen, die vom Floh beim Saugen auf die Haut des Wirtes abgelegt und von der Ratte aufgeleckt werden. Das infektiöse _ Stadium wird also mit dem Kot ausgeschieden. Das Vorkommen sexueller Vorgänge wird von Minchin und Thomson und auch von Nöller geleugnet. Eine Entwicklung der Ratten-Trypanosomen findet auch in Rattenläusen (Haematopinus spinulosus) statt. ®». Prowazek hat aus der Rattenlaus Kopulationsvorgänge mit Bildung von Ookineten beschrieben. Auch Baldrey und Rodenwald haben ähnliche Angaben ge- macht. Die künstliche Infektion mit Hilfe von Rattenläusen ist u. a. Manteufel, Nuttall und Gonder gelungen. Solche Übertragungen sind aber scheinbar nur erfolgreich, wenn sehr zahlreiche Läuse dazu benutzt werden. Nach Nöller erlischt die In- fektion in der Laus sehr. bald, während sie im Floh, wenn dieser einmal infiziert ist, sehr lange, vielleicht während des ganzen Lebens bestehen bleibt. Will man künstlich die Trypanosomen von einer infizierten Ratte auf eine parasitenfreie übertragen, so geschieht es am sichersten durch intra- peritoneale oder subkutane Einverleibung des trypanosomenhaltigen Blutes. Bei weißen Ratten vermehren sich die Parasiten nach einer 5—6tägigen Inkubationsdauer, um dann wieder an Zahl abzunehmen. Es kommt zuweilen sogar zu einem Krankheitsanfall bei diesen Tieren, dem sie erliegen können. Im Serum der weißen Ratten treten nach Ablauf . des Anfalles spezifische Substanzen auf, denn das Serum schützt . weiße Ratten, die noch nicht infiziert waren, gegen die Infektion. Die Ratten-Trypanosomen halten sich außerhalb des Tierkörpers, z.B. im Blut aufbewahrt, bei höherer Temperatur bis zu 6—7 Tagen, bei niederer (Eisschranktemperatur) bis zu 2—3 Monaten infektiös, sind also ver- hältnismäßig widerstandsfähig. Von Novy und Mac Neal wurde die Möglichkeit, die Trypanosomen in künstlicher Kultur zu züchten, nachgewiesen. \ Man mischt Agar mit Kaninchenblut zu gleichen Teilen, läßt den Nährboden in Röhrchen schräg erstarren und prüft ihn auf Sterilität durch 24stündiges Ein- stellen in den Brutschrank. Alsdann wird ein Tröpfchen trypanosomenhaltigen Blutes auf die Oberfläche und in das Kondenswasser übertragen. Nach 2—3 Tagen beginnt bei Zimmertemperatur die Vermehrung der ausgesäten Parasiten im Kondenswasser. Die Bewegung dieser auf künstlichem Nährboden gezüchteten Trypanosomen ist eine andere, als sie bei den im Tierkörper vorkommenden gesehen wird. Es hängt das wohl damit zusammen, daß die undulierende Membran nur schlecht ausgebildet ist oder völlig fehlt, sodaß die Fortbewegung mit den Geißeln ausgeführt werden muß. Bei diesen Crithidienformen ist der Blepharoplast vor oder neben dem Haupt- kern gelegen. Nach Delanoe treten in den Kulturen nach einiger Zeit auch echte Trypanosomen auf. Die Kultur bleibt monatlang, nach Novry und Mac Neal sogar fast ein Jahr lebens- und fortzüchtungsfähig. Die Fortzüchtung ließ sich jahrelang durchführen, und mit Parasiten aus späteren Generationen sind erfolgreiche Infektions- versuche an Ratten ausgeführt worden. Die Kultur-Trypanosomen hängen häufig mit den Geißeln zusammen, bleiben in Kugeln zusammenliegen und bilden so rosetten- artige Formen, die aber nicht mit den charakteristischen Teilungsrosetten, die in vivo entstehen (Fig. 157h), verwechselt werden dürfen. Laveran und Mesnil beob- achteten diesen der Agglutination der Bakterien ähnlichen Vorgang bei Trypano- 67* Kultur der Ratten- irypano- somen. Trypano- soma Theileri.. 1040 55. Vorlesung. somen in vitro und belegten ihn mit dem Namen „Agglomeration“. Trotz der Verklebung. untereinander führen die Trypanosomen mit den Vorderenden lebhafte Bewegungen aus. Nicht selten findet man eine Anzahl Rosetten miteinander agglo- meriert. Die Agglomeration erfolgt unter dem Einfluß von niederen Temperaturen bei Aufbewahrung im Eisschrank .sowie durch spezifisches Serum (Immunserum), Normalserum verschiedener Tierarten und chemische Substanzen. Das Immunserum wird von Ratten gewonnen, die mehrfach mit Trypanosoma Lewisi geimpft sind, und wirkt am stärksten. Die Agglomeration ist später auch bei anderen Trypanosomen, sowohl Kultur- wie Blutparasiten, nachgewiesen und näher studiert worden. Trypanosomen bei Hamstern und anderen Nagetieren. Beim Hamster kommen Trypanosomen vor, die von manchen Autoren mit dem Trypanosoma Lewisi identifiziert werden (Taf 80, Fig. 4 und Taf. 82, Fig. 3). Das erscheint indessen nicht angängig, denn weder lassen sich die Hamster-Trypanosomen auf Ratten, noch die Ratten- Trypanosomen auf Hamster übertragen. Auch morphologisch bestehen nicht unerhebliche Unterschiede zwischen beiden Arten. Das Hamster- Trypanosoma steht morphologisch dem Trypanosoma Brucei näher als . dem Trypanosoma Lewisi. Bei zahlreichen Nagern der verschiedensten Erdteile sind Trypano- Somen gefunden worden, die in Gestalt und vielfach auch in der Größe dem Trypanosoma Lewisi außerordentlich ähnlich sind. Sie werden ge- ‘ wöhnlich als besondere Arten betrachtet, da es im allgemeinen nicht gelingt, sie auf andere Nager zu übertragen. Hierher gehören Try- panosoma Nabiasi (Railliet 1895) aus dem wilden Kaninchen und das Trypanosoma Duttoni (Thiroux 1905) aus afrikanischen Haus- mäusen; das letztere wird neuerdings lediglich als Abart des Ratten- Trypanosoma betrachtet. Morphologisch zeigen sie mit den Ratten- Trypanosomen weitgehende Ähnlichkeit, wenngleich sie, wie es scheint, in den Größenverhältnissen zuweilen abweichen. Trypanosoma Theileri. De Trypanosoma Theileri ist ein ungewöhnlich urahl: Trypanosoma von 30—70u. Länge und 2—5 p. Breite, dessen länglich ovaler Kern in der Regel in der Mitte liegt. Der ovale oder 'stäbchenförmige Blepharoplast befindet sich in der Nähe des spitzen Hinterendes; die Geißel ist sehr lang, oft bis zu 25 u. Auf diese lange kräftige Geißel ist auch wohl die lebhafte Beweglichkeit des Trypanosoma zurückzuführen. Theiler betrachtete das von ihm entdeckte Trypanosoma als den Er- reger der sogenannten Galziekte (Gall sickness), einer Rinderkrankheit, die mit Anämie verläuft und so genannt wird, weil sich bei der Obduktion eine ziemlich starke -Schrumpfung der verwachsenen Gallenblase zeigt. Es ist, wie sich herausgestellt hat, aber nur ein harmloser, unter Rindern in vielen Ländern weit verbreiteter Parasit. Dieser Nachweis wurde durch Kulturversuche, die fast immer positiv ausfallen und auch die Feststellung spärlicher, mikroskopisch im Blut nicht nachweis- barer Trypanosomen ermöglichen, in Manila, Nordamerika, Algier, Tunis, Deutschland, Schweden, Frankreich und Südamerika erbracht. Das Trypanosoma kann von Tier zu Tier durch subkutane Blut- injektion übertragen werden. Unter natürlichen Verhältnissen findet die Trypanosomenkrankheiten der Tiere. 1041 ° Überimpfung höchstwahrscheinlich durch eine Stechfliege, Hippo- bosca rufipes, statt. Nach Nöller sind in Europa Tabaniden die Über- träger. Ob in den genannten Fliegen eine Entwicklung stattfindet, ist noch nicht völlig sichergestellt. Die in den verschiedenen Erdteilen gefundenen Rindertrypanösomen _ haben vielfach: besondere Artbezeichnungen erhalten; wahrscheinlich han- delt es sich aber in allen diesen Fällen um die Vertreter einer einzigen Art. Riesentrypanosomen der. Wiederkäuer. Bei wildiebenden Wiederkäuern des afrikanischen Erdteiles sind durch Bruce u. a. sehr große Trypanosomen gefunden worden, die in ihrem Aussehen eigentlich mehr an die Flagellaten der Kaltblüter (Krokodiltrypanosoma) erinnern. Sie führen die Namen Trypanosoma ingens (Bruce, Hamerton, Bateman und Mackie 1909) und Trypano- soma tragelaphi (Kinghorn und Yorke 1913). Möglicherweise handelt es sich bei beiden um die Vertreter einer einzigen Art. Ein ähnliches Trypanosoma fand Dodd bei javanischen Zwergmoschustieren im zoologi- . schen Garten zu Sydney. Endlich beschrieb Mayer 1913 ein. solches Trypanosoma, das Schönebeck 1910 in Ostafrika bei einer kranken Kuh im Blut beobachtet hatte. Für das Trypanosoma ingens werden Maße von 72—122 u. Länge und 7—10 u. Breite angegeben. Trypano- soma tragelaphi erreicht Längen von 50—60 u, Trypanosoma Schönebecki solche von 70—80 u. Schaf-Trypanosomen. Neuerdings ist auch beim Schaf in Europa, und zwar in Deutsch- land wie in England, ein Trypanosoma nachgewiesen worden, das seinen Wirt offenbar nicht schädigt. Nöller gelangte auf Grund des Vergleiches . der Kulturformen dieses Trypanosoma mit denen eines Flagellaten aus . der Schaflaus, der 1908 von Flu Crithidia melophagia genannt worden war, zu der Ansicht, daß beide Entwicklungszustände der gleichen Art seien. Kleine hat dann nachgewiesen, daß in der Tat in Lausfliegen, die am infizierten Schaf gefüttert werden, sich Crithidien von Aussehen der Schaflausparasiten entwickeln. Er fand auch "Trypa- nosomenstadien im Rüssel und in.den Speicheldrüsen. Danach ist die Schaflaus (Melophagus ovinus) mit größter Wahrscheinlichkeit als Überträger des Schaftrypanosoma anzusprechen. Das letztere muß nach den Regeln der Namengebung Trypanosoma melophagium heißen. Es findet sich im Schafblut stets sehr spärlich, hat eine Länge von 25—40 vu. und eine Breite von 2—3n.. Der rundliche Kern liegt etwa in der Körpermitte, der große eiförmige Blepharoplast in seiner Nähe im Hinterende. Das letztere ist meist ziemlich lang ausgezogen, die undulierende Membran schwach entwickelt, das freie Geißelende kurz Trypanosomen bei anderen Säugetieren. . „Bei Affen sind mehrere’ Trypanosomenarten beschrieben worden, die in ihrer Gestalt teils Beziehungen zum Trypanosoma Lewisi teils zum Trypanosoma Theileri, in einzelnen Fällen auch zu den pathogenen - Säugetiertrypanosomen erkennen lassen. Genannt seien die Arten ' Trypanosoma Vickersae (Brumpt 1909) aus Macacus cynomolgus, 1042 55. Vorlesung. das auf andere Affen, auf Nager und Hunde übertragbar ist und sich auch züchten ließ, und das Trypanosoma rhesii (Terry 1911) aus Macacus rhesus. Aus dem brasilianischen Affen Hapale (Callithrix) penicillatus beschrieb Chagas 1909 das Trypanosoma minasense. Bei Menschen- affen und Halbaffen Kameruns fand Ed. Reichenow 1917 Trypanosomen, die dem Flagellaten des Rattenblutes sehr ähnlich waren. Er nannte sie Trypanosoma Lewisi primatum. ; Bei Fledermäusen hat Battaglia 1904 das Trypanosoma vespertilionis gefunden. Es ist verhältnismäßig klein und zeichnet sich durch seine eigentümliche Bewegungsform, die an die der Mücken- larven erinnert, aus. In Trockenpräparaten zeigt es eine gewöhnlich nach einer Seite gekrümmte Haltung. Das Hinterende ist kurz zuge- spitzt und trägt einen runden Blepharoplasten. Der ovale Kern liegt im hinteren Drittel. Die freie Geißel ist verhältnismäßig lang. Die Trypanosomen der Fledermäuse sind offenbar ziemlich weit verbreitet. Auch fliegende Hunde beherbergen Flagellaten nicht selten im Blut. Als Überträger werden Wanzen oder Milben verdächtigt. Bei Insektenfressern sind bekannt geworden das Trypa- nosoma Legeri (Mesnil und Brimont 1910) und das Trypanosoma petrodromi (Bruce und Mitarbeiter 1915). Il. Trypanosomen bei Kaltblütern. Bei Fischen des Süßwassers und der Meere sind Trypanosomen sehr häufig. Gewöhnlich sind sie im Blut nur in spärlicher Zahl nach- weisbar. Sie sind in ihrer Form meist auffallend schlank und zeigen lebhafte schlängelnde Bewegung. Die Längenmaße schwanken auch bei den Angehörigen der gleichen Art ganz beträchtlich. Die Länge der größten Formen übertrifft 100. gar nicht selten. Die Übertragung geschieht durch Egel und zwar bei den Süßwasserfischen nach Brumpt durch Hemiclepsis marginata, nach Keysselitz? durch Piscicola geometra, bei den Meeresfischen durch Trachelobdella- und Pon- tobdella-Arten (Neumann und Robertson). Im Magen dieser Überträger werden zunächst herpetomonas- und erithidienartige Flagellaten gebildet, die sich stark vermehren. Sehr bald treten dann wieder Trypanosomen auf, die in die Rüsselscheide eindringen und von da aus bei einem neuen Biß auf einen anderen Fisch übertragen werden. Die Fischtrypanosomen vermehren sich leicht schon zwischen Deckglas und Objektträger. Auch auf Blutagar nach Novy-Mac Neal-Nicolle lassen sie sich ohne Schwierigkeit züchten. Nach Ponselle ist salzfreier Blutagar für ihre Kultur be- sonders geeignet. . Bei europäischen Fischen sind beschrieben worden: Trypanosoma granu- losum (Lav. & Mesn. 1904) aus dem Aal, Trypanosoma carassii (Mitrophanoy) aus der Karausche, Trypanosoma tincae (Lav. & Mesn. 1904) aus der Schleie, Trypanosoma remaki (Lav. & Mesn. 1901) aus dem Hecht und ferner noch andere. Arten aus Brachsen, Grundeln, Barschen und anderen Süßwasserfischen. Auch aus Meeresfischen ist eine ganze Reihe von Arten bekannt geworden. Aus Lurchen sind die bekanntesten Trypanosomen das Trypa- nosoma rotatorium, das sich in Fröschen, Laubfröschen, Kröten in der ganzen Welt findet, und das im wesentlichen auf die Mittelmeer- . länder beschränkte Trypanosoma inopinatum. ME u Zr 1, 14 # air DE ea ll. Se Te Le A TE a I u a a al 5 N EN ED Trypanosomenkrankheiten der Tiere. 1043 Trypanosoma rotatorium Mayer 1843 wird nach den Unter- suchungen von Nöller in Europa bereits im Larvenstadium des Frosches übertragen. Es erscheint im Blut der Kaulquappen zunächst in Form kleiner schlanker Trypanosomen mit spitzem Hinterende und - langer freier. Geißel. Im weiteren Verlauf der Infektion nimmt die Zahl dieser Flagellaten allmählich ab. Gleichzeitig ändert sich ihre Gestalt. Bei erwachsenen Fröschen findet man teils blattartige Formen, die sich am vorderen Ende stark zuspitzen und eine kurze Geißel tragen. Der Kern dieser Formen ist häufig halbmondförmig und zeigt kappenartige Chromatinanhäufung. ‘ Der Blepharoplast liegt gewöhnlich in seiner Nähe. Außerdem finden sich im Blut der er- wachsenen Frösche nahezu runde oder ovale Riesenformen, die durch ihre rollenden Bewegungen die Bezeichnung des Trypanosoma veranlaßt haben. Vielfach zeigt ihr Protoplasma im gefärbten und ungefärbten Präparat eine Längsstreifung. Die undulierende Membran dieser Formen ist gewöhnlich ziemlich schmal und wie auch die Geißel häufig nur kümmerlich entwickelt. Endlich treten noch gelegentlich ver-. hältnismäßig große Formen von typischer Trypanosomengestalt auf, die die Längsstreifung mit den letztgenannten Riesenformen gemein haben. Diese Formen sind ursprünglich als besondere Arten beschrieben worden. Nach den Untersuchungen von Nöller gehören sie jedoch alle in den Entwicklungskreis einer Art. Das Froschtrypanosoma wird in Europa durch Rüsselegel (Hemiclepsis marginata) übertragen. Die Vermehrung im Egelmagen findet zunächst in der Crithidiaform statt. Nach 8 Tagen treten auch Trypanosomen in Magen und Rüssel- scheide auf. Egel lassen sich nach Nöller an erwachsenen Fröschen nicht, an Kaulquappen dagegen leicht infizieren. Ebenso gelingt es leicht, die Trypanosomen auf Kaulquappen zu übertragen, während die gleichartigen Versuche bei Fröschen, wie es scheint, nur bei Verwendung großer Trypanosomenmengen Erfolg haben. Das Froschtrypanosom ist leicht kultivierbar. Es schreitet gewöhnlich auch schon im Deckglas- präparat zu lebhafter Vermehrung. Die Kulturformen sind ungemein vielgestaltig. Crithidienstadien herrschen vor. Trypanosoma inopinatum (Ed. et Et. Sergent 1904) ist in Nordafrika und Portugal bei Fröschen gefunden worden. In seiner Entwicklung bewahrt. es auch in den größten Formen die typische Trypanosomengestalt. Es ist beträchtlich kleiner als das Trypanosoma rotatorium. Nach Brumpt ist es für europäische Frösche häufig pathogen. Übertragen wird es nach Billet, Brumpt und Franga durch Helobdella algira. Brumpt hat die auffällige Angabe gemacht, daß die Infektion bei diesem Egel auch auf die Nachkommenschaft übergeht. Auch beim Trypanosoma inopinatum sind eine Reihe von Entwicklungsformen ursprünglich als besondere Arten beschrieben worden. Aus Kröten sind u.a. beschrieben: Trypanosoma Bocagei (Franga 1911) (Afrika, Asien), das den blattartigen Formen des Frosch-Trypanosoma ähnlich ist; Trypanosoma Chattoni (Mathis & Leger 1911) (Tonkin), das den Riesenformen des Trypanosoma rotatorium gleicht. ; Auch aus Schwanzlurchen sind Trypanosomen bekannt: Trypanosoma diemyetuli (Tobey 1906) aus einem amerikanischen Molch; Trypanosoma tritonis (Ogawa 1913) aus einem japanischen Molch. Bei Schlangen sind gefunden: Trypanosoma erythrolampri (Wenyon 1909) (Amerika); Trypanosoma celozeli (Bouet 1909) (Westafrika); Trypanosoma primeti (Mathis & Leger 1909) (Tonkin). Andere Formen. sind aus der schwarzen Speischlange und aus Puffottern bekannt. Es handelt sich zumeist um ziemlich große Flagellaten, die teils den großen Formen des Trypanosoma inopinatum gleichen, ‚teils Ähnlichkeiten mit den jungen Formen des Frosch-Trypanosoma aufweisen. 1044 55. Vorlesung. ‘ Aus Eidechsen sind ebenfalls zahlreiche Arten bekannt, sämtlich aus tro- pischen Gegenden. Erwähnt seien: das Trypanosoma leschenaultii (Robertson 1908), das Trypanosoma platydactyli (Catouillard 1909),- das erstere in Ceylon, das letztere in.Nordafrika bei Geckoarten vorkommend, mit im allgemeinen spindel- förmiger Gestalt, spitz ausgezogenem Hinterende und kräftig entwickelter undulie- render Membran. Aus Riesenechsen ist beschrieben Trypanosoma varani (Wenyon 1909), das sich mehr den Blattformen der;Frosch- und Kröten-Trypanosomen : nähert. Bei Schildkröten sind bekannt geworden: Trypanosoma damoniae und das auch in seiner Entwicklung genauer erforschte Trypanosoma vittatae - (Robertson 1908). Es wird durch einen Egel, eine Glossosiphonia-Art, über- tragen. Die Entwicklung in letzterem scheint keine wesentlichen Verschiedenheiten gegenüber der der Fisch- und Frosch-Trypanosomen zu bieten. : Die Panzerechsen sind ebenfalls häufig mit Trypanosomen infiziert. Von: einiger Wichtigkeit ist das im Nilkrokodil vorkommende Trypanosoma Grayi (Novy). Entwicklungsformen dieses Trypanosoma in Form von plumpen und von auf- fallend schlanken Crithidien mit großem stäbehenförmigem, quergestelltem Blepharo- plasten finden sich sehr häufig im Darm der Schlafkrankheitsfliege, Glossina pal- palis, und sind, so lange man den Zusammenhang mit dem Krokodiltrypanosoma nicht kannte, als reine Darmschmarotzer dieser: Fliege betrachtet worden. Nach Minchin u. a. sollen sie Zysten bilden und so auf neue Fliegen über- tragen werden. Kleine und Taute haben zweifelsfrei erwiesen, daß sie mit dem schon früher von der deutschen Schlafkrankheitsexpedition im Krokodil nach- gewiesenen Trypanosoma in Zusammenhang stehen. Die Blutform des Trypanosoma hat eine Länge von 90y, eine Breite von 6—7 u. Das Protöplasma zeigt im Vorder- ende deutliche Streifung. Der große runde Kern und der ebenfalls rundliche Blepha- roplast liegen nahe beieinander im hinteren Drittel des Körpers. Il. Trypanosomen der ‚Vögel. Vogeltrypanosomen sind zuerst von Danilewsky 1888 genauer studiert und beschrieben worden. Sie kommen in allen Zonen der Erde bei zahlreichen Vogelarten vor, insbesondere sind Raubvögel und Sperlingsvögel häufig infiziert. Durch die Arbeit Schaudinns „Genera- tions- und Wirtswechsel bei Trypanosoma und Spirochaeta“ (1904), in der ein Zusammenhang des Trypanosoma aus dem Steinkauz mit dem beim gleichen Vogel sich findenden Blutzellparasiten Halteridium und Leukozytozoon angenommen wurde, ist die Aufmerksamkeit zahlreicher Forscher auf die Trypanosomen der Vögel gelenkt worden. Wir müssen uns hier auf die Angabe beschränken, daß nach späteren Untersuchungen (Novy & Mac Neal, Minchin und Woodeock, v. Schuck- mann und Wernicke, Nöller) die Annahme Schaudinns als nicht zurecht- bestehend aufzufassen ist. Über die Entwicklung der Vogeltrypano- somen im Vogelblut ist verhältnismäßig wenig bekannt, ebenso ist der Überträger und die Art der Übertragung noch in Dunkel ge- hüllt. Im Vogelblut sind die Trypanosomen gewöhnlich nur sehr spär- lich nachweisbar, lassen sich aber häufig auch da, wo der mikro- ‚skopische Nachweis nicht gelingt, auf Blutagar züchten. Die Infektion der Vögel erfolgt wahrscheinlich schon in frühester Jugend, und es mag dies der Grund dafür sein, daß man akute Vermehrungsstadien selten zu Gesicht bekommt. Bei erwachsenen Vögeln sind Trypanosomen häufiger im Knochenmark zu finden. Nach Minchin und Woodeock findet überhaupt die Vermehrung —- wenigstens beim Trypanosoma des Steinkauzes (Athene noctua) — im Knochenmarksgewebe statt. Sie unterscheiden hiebei 3 Formen: die kleine Spindelform, schlanke ah a a 1. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel SO. Fig. 2. nosoma gambiense in Punktionsflüssigkeit aus Drüsen. Trypanosoma gambiense im Blut. Trypanosoma Lewisi. Teilungsformen. Hamster-Trypanosomen im Blut. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. u Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 81. Afrikanische Flußniederlassung, ein Hauptstandort der Glossinen. Fig. 2. Brutplatz der Glossinen. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. NT BER Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 82, Trypanosomen im Fischblut. Trypanosomen aus Vogelblut. Fig. 4. Hamster-Trypanosomen. Färbung mit Borax-Methylenblau. Trypanosoma ingens (nach Bruce). Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Tafel 83. Teilungsformen des Trypanosoma Lewisi aus Drüsen. Fig. 2. Frosehtrypanosomen. 1. u. 2. Trypanosoma costatum (var. I u. II). 3. Trypanosoma rotatorium. (Nach Athias u. Franga.) g von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Lande r Bi ıy $ Ma] FR * Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 84. Fig. 1. Längssehnitt durch einen quergestreiften Muskel eines mit Trypanosoma Cruzi infizierten Meerschweinchens. EB .:9 Conorhinus megistus (1, Gr.). Fig. 3. ae RE TEE EDEL LEE LETZT TEN ns N son x e3 IT» b) N u A 5 6 7 9 z Trypanosoma Cruzi (Chagas-Krankheit). £ 1 Vollständig im Blutkörperchen eingschlossener 3 Weiblicher freier Parasit Y Parasit, ohne Geißel und undulierende Membran. # Männlicher „ e S 2 Teilweise eingeschlosssener Parasit. 5 Junger = e 6—9 Parasiten in Vorbereitung für die Schizogonie. "Werlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. NET: a IE Tee y A olle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. | Tafel 85. © Flagellatenformen der Kala-Azar- Parasiten aus Kultur. Milzausstrich bei Kala-Azar. Färbung nach Leishman. g von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. = a RER BR RE in ee 2 ERTTRETEE a 0 2 Dial nu Saln ln un ZU Din _ Trypanosomenkrankheiten der Tiere. 1045 > mittelgroße Trypanosomen und -große Formen, die auseinander hervor- gehen. Im Blut finden sich ihrer Angabe nach Trypanosomen in einer Zahl, die einen mikroskopischen Nachweis ermöglicht, nur im Sommer, in und zwar in Form kurzer breiter Spindeln. Nur diese Form ist an- scheinend zur Entwicklung im Überträger befähigt. Die Überträger der Vogeltrypanosomen sind aber, wie erwähnt, noch nicht mit Sicher- heit bekannt. Nach Schaudinn sollten es Stechmücken sein (Culex E pipiens). Woodcock konnte in der Tat in gezüchteten Culexweibchen, die er an Steinkäuzen saugen ließ, eine Vermehrung der aufgenommenen Trypanosomen in Crithidienform feststellen. Aus diesen Crithidien entwickelten sich schon nach wenigen Tagen wieder Trypanosomen, -und zwar teils auffallend lange, bandartige, mit langem Kern versehene, - teils kurze-Formen, die sich an der Wand des Magens ansetzten und demzufolge eine freie Geißel nicht mehr besaßen. Eine Übertragung dieser Trypanosomen auf neue Vögel ist nicht geglückt. Eine Züchtung der Vogeltrypanosomen gelingt in den meisten Fällen auf dem Blutagar von Novy und Mac Neal ohne Schwierigkeit. Sie wachsen auch im einfachen Blutpräparat zwischen Objektträger und Deckglas. Zuweilen geschieht das sogar, wenn das Blut mikro- skopisch scheinbar Trypanosomen nicht enthält (M. Mayer). - In der Unterscheidung der Arten besteht noch wenig Klarheit. | Danilewsky beschrieb die ersten von ihm bei Vögeln gefundenen n Trypanosomen unter dem Namen Trypanosoma avium. Er fand sie bei Blauraken und beim Waldkauz. Erwähnt seien von den zahlreichen, später als besondere Arten aufgefalten Trypanosomen die folgenden: Trypanosoma noctuae (Schaudinn 1904) aus dem Steinkauz Athene noctua. Minchin und Woodeock unterscheiden an diesem Trypanosoma 4 Entwicklungsstadien, die oben besprochen wurden. Ein im Waldkauz Syrnium aluco vorkommendes Trypanosoma beschrieb Laveran als Trypanosoma avium em. Laveran. Nöller nannte denselben Parasiten, den M. Mayer zu Halteridiumformen des gleichen Vogels in Beziehung brachte, Trypanosoma syrnii. Beim Fichtenkreuz- schnabel fand Nöller ein Trypanosoma, das er Tryp. loxiae nannte. Es zeichnet sich dadurch aus, daß in der Nähe des Kerns im Proto- plasma ein feines stäbchenartiges Gebilde nachweisbar ist. Ganz ähnliche Trypanosomen hat Nieschulz später bei zahlreichen Singvögeln, die er auf der biologischen Station in Helgoland untersuchte, . gefunden. Aus den Finken beschrieb Woodeock 1910 das Trypanosoma fringil- linarum, mit ähnlichen Entwicklungsformen, wie sie oben beim Flagel- laten des Steinkauzes erwähnt sind. Aus dem Reisfinken Padda oryzivora ist das Tryp. paddae bekannt, das T'hiroux auf andere Reis- finken sowohl bei Verwendung von Blut wie auch von Kulturmaterial übertragen konnte. Es wurden dabei auch Teilungsformen im Blut beobachtet. : Bei tropischen Vögeln aller Arten sind Trypanosomen stark ver- breitet, bei Raubvögeln ebenso wie bei Hühnervögeln (Haushuhn, Feld- huhn), bei Fasanen, Sperlingsvögeln und Reihern. Wahrscheinlich gibt es kaum eine Vogelart, die gänzlich frei von Trypanosomen ist. Meist beziehen sich die Beschreibungen auf einzelne Befunde. Über die Ent- eng im Blut oder im etwaigen Überträger ist näheres nicht nnt. 1046 55. Vorlesung. Übersicht über die wichtigsten pathogenen (Nach Knuth und du Toit, Art der BER RE . Gruppe >, Hauptvertreter Synonyme resp. nahe ver- Sur“ Nr. ertragung |lin der Fliege der Gruppe wandte „Arten“ 1 snor gung 8 pp D n Krankheit? I | Durch den = T. equiper- Doflein, Beschäl- | Koitus dum 1902 ’ seuche oder 2 uriue T. equi Blacklock & Yorke, n » 5 1913 - Murrina_ II || Mechanisch, _ T. hippiecum | (Darling, wahrscheinl. 1910 3 durch nicht stech. Flieg. 2 (Musca ?) s T. venezuelense | Mesnil, 1910 Desren- - gadera III || Mechanisch, = T. equinum | Voges, 1901 Mal de Ca- wahrscheinl. deras durch Stech- fliegen (Ta- banus, Sto- moxysS) IV ||Mechanisch = T. Evansi | Steel, 1885 Surra durch Stech- Ä i ; Mbori fliegen (Ta- T. Evansi var. Laveran, 1904 es banus, Hae- mborii matopota a Stomoxys T. soudanense | Laveran, 1907 || El Debab usw.) ? ; : T. elephantis | Bruce, Hamerton, = Bateman & Mackie, 1909 T. annamense Laveran, 1911 (Surra) T. dromedarii Priecolo; 1912 Ah T. berberum | Ed. et Ei. Sergent || (El Debab) | & Lheritier, 1912 Ö T. marocanum | Ed. Sergent, Lhe- ber ritier & 7 V || Durch Glos- ||Entwicklung| T. vivax Ziemann, sinapalpalis, nur im 1905 tachinoides, || - Rüssel longipalpis, - Re T. Cazalboui Laveran, 1906 || Souma und en T. angolense Broden (1906?) - usw. T. bovis Kleine, 1910 T.. caprae Kleine, 1910 T. uniforme | Bruce, Hamerton, Bateman & Mackie, 1911 Trypanosomenkrankheiten der Tiere. 1047 . Trypanosomen des Menschen und der Säugetiere. vas abgeändert.) Tr Ka Größe des. are, || Erregers in u dere MerkmalellFreie Geißel Pathogenität Kto: Länge | Breite : Könsopn, Asien, || 24—28 | Bis 2:6 || Monomorph; Hin- || Stets vor- || Auf alle Versuchstiere Nordafrika, : terende zuweilen handen übertragbar (manchmal Amerika - gespalten jedoch schwer) Nordafrika || 14-36 Dimorph : bei den ||Bei den klei- e \ kleinen Formen E nen Formen ||- in „Hinterendstel- |ifehlend oder lung“ ganz kurz Zentralamerika || 16-28 | 1-5—3 || Monomorph; Kern || Stets vor- || Auf alle Versuchstiere 7 ziemlich weithinten handen übertragbar (nach Dar- ing zuwei- len fehlend) Venezuela 18—30 .1°7 || Ist dem T. Evansi Stets vor- : sehr ähnlich, handen Ä Fropinches Süd- 22—26 1—2 |Monomorph ; Blepha- & ny amerika roplast sehr klein oder fehlend . Asien, Nord- || 18—35 |1'5—2-5 || Monomorph ; ziem- = N “afrika lieh lebhaft beweg- j lich ördliches äqua-| 18—35 |1-5—2-5 | Morphologisch iden- = ;» toriales Afrika tisch mit T. Evansi Nordafrika || 18-35 11-5—2°5 = » PR Uganda ea. 18 Ähnlich dem T. sou- em A : danenss orphologisch iden- 2 » tisch mit T. Evansi Nordafrika dentisch mit T. sou- >> 35 danense ’ 7, Marokko er Das tro- || 18—30 | 2-3 || Monomorph; außer- || Stets vor- || Auf die kleinen Ver- pische Afrika ordentlich beweglich| handen, |) suchstiere nur selten z g kräftig ent- übertragbar wickelt r2 ca.21 1:5 „ 2) ” Angola ca.21 1:5 ‘|| Identisch mit 55 T. Cazalboui Deut.-Ostafrika || ca.21°5] 1'8 Monomorph ; außer- a Soll nur auf Rinder ordentlich beweglich und Ziegen übertragbar sein Ostafrika ea.7| 3 ll größeru.plumper A Auf kleine Versuchs- und Nyasaland ein als T.Cazalboui tiere nur selten über- 5 tragbar Uganda 12—19 |i1'5-2'5 || Kleine Varietät des > T. vivax 1048 55. Vorlesung. — nasse NER: Art der Eut- Hauptvertreter Synonyme resp nahe Be | Erreger wieklung in ; j “ ‚welcher a EEE der Fliege ame Otuppe here ern Krankheit?) VI [Durch 'Glos- || Entwick- T. dimor- Laveran sinapalpalis, | lung im phon ..& Mesnil, tachinoides, || ganzen Ver- 1904 “ longipalpis dauungs- h = morsitans |traktus vom T.:0ongolense Broden, RR usw. und Enddarm ; ROBBE mechanisch bis zum 2 ; > d. Stomoxys Rüssel. Ti -panım Laveran, 1905 usw. - 3 BER T. confusum Montgomery j & Kinghorn, 1909 e 'P. pecorum. Bruce, Hamer- ton, Bateman 5 ‚& Mackie, 1910 T. Montgomeryi | Laveran, 1911 T. Frobeniusi |Weißenborn, 1011| T. somaliense | Martoglio, 1911 || Ghindii 'T. eellii‘ | Martoglio, 1911 Gobiat T. simiae Bruce, Harvey, Hamerton, Davey & Lady, Bruce : 79988 T. ignotum Br Kinghorn % & Yorke, 1912 vıI Durch Glos- || Entwick- | T. Brucei Plimmer Bi Ngana . sina morsi- |lungi.Darm| & Bradford, tans, palpa- ||u. Speichel- 1899 lis, brevi- drüsen ; palpis, palli- dipes, longi- ; pennis usw. A R 6 : T. togolense |Mesnül & Brimont 1909 T. multiforme |Kinghorn &Yorke, Sei 1912 T. ugandae |Stephens & Black- lock, 1913 RE J - Entwieck- | T. Pecaudi Laveran, 2 . Baleri ungi. Darm 1907 und Rüssel Y Entwick- T. rho- Stephens Pe lung i.Darm|| desiense |-& Fantham, u.Speichel- 1910 er drüsen Ä Schlaf- Durch Glos- Entwickl. || T.gambiensi Dutton,, y krankheit sina palpa- ||in Darm u. 1902 £ lis, morsi- Speichel- tans usw. * drüsen T. rovumense |Beck & Weck, 1913 Wr T. nigeriense | Maefie & Galla- > j : gher, 1913 , ' Trypanosomenkrankheiten der Tiere. 1049 _ Verbreitun - N es Erregers in} dere Merkmale) Freie Geißel Pathogenität RER _1} Länge } Breite [_ Ägnatorial- 12—25 | 1-2 Dimorph; kommt E. od. || Meerschweinchen und bei der Bewegung || ganz kurz Ratten sind zuweilen kaum vorwärts refraktär 10—24 |15-3 Dimorph a. 6 N 10—16 | 1-2'5|| Soll monomorph su In der Regel auf kleine sein Versuchstiere nicht über- F “tragbar Identisch mit T.di-|j zu morphon Identisch mit T. di- z morphon + congo- ; lense . Rhodesia .10—20 | 3—3-75|| Breiter als T. congo- 5 5 : 2. i lense Togo 10—15 | bis 3'4 ||Identisch m. T. con- r Meerschweinchen und Eee golense Ratten sind refraktär Somaliland = Kaninchen und Mantel- ; paviane sollen refraktär ; sein $ 5, Hunde, Mantelpaviane, ; = Ratten u. Mäuse sollen ; 5 i | refraktär sein : Nyassaland |} 14—24 | 1-275| Monomorph = Rinder, Antilopen, Pa- = viane, Hunde, Meer- en mm schweinchen, Ratten u. i ; - Mäuse sind refraktär Rhodesia Identisch mit T. n Se : : simiae Östl. u. süd- || 18—38 | 1'5—4 || Dimorph. Kern- Bei den || Übertragbar auf alle östl. Afrika hinterendformen || großen For-| Versuchstiere außer auf : : men vor- Paviane handen, bei den kleinen fehlend Togo u. Nach- E2) ER ”„ barländer Rhodesia 10°5-33°5 Ähnlich T. gam- = Nicht übertragbar auf E ; biense - < Meerschweinchen Uganda 13—38 Wie T. Brucei ne "Wie T. Brucei Nördl. äquator. || 14-35 | 15—4 || Wie T. Brucei r Wie T. Brucei Afrika j FE Rhodesia || 12—39 "Wie T. Brucei _ n: Wie T. Brucei || Das ganze tro- || 13—33 | 1'5—2 Dimorph % Auf alle Versuchstiere pische Afrika übertragbar Rovuma-Fluß Wahrsch. identisch = „ mit T. rhodesiense Nigeria Identisch mit T. er Soll weniger virulent gambiense für den Menschen sein 1050 55. Vorlesung. Trypanosomenkrankheiten der Tiere. Literatur. Rabinowitsch und Kempner, Beitrag zur Kenntnis der Blutparasiten, speziell der Rattentrypanosomen. Zeitschr. f. Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd. 30, 1899. Martini, Vergleichende Beobachtungen über Bau und Entwicklung der Tsetse- und Rattentrypanosomen. Festschrift für R. Koch. Jena, G. Fischer, 1903. — 1- panosomenkrankheiten und Kala-azar. Jena, G. Fischer, 1907. v. Prowazek, Studien über Säugetiertrypanosomen. Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt, Bd. 22, 1905. ‚Schilling, Über Tsetsefliegenkrankheit (Surra, Ngana) und andere Trypanosen. Arch. f. Schiffs- und Tropenhygiene, Bd.7, 1903. Bruce, Preliminary Report on the Tsetsely disease or Ngana in Zululand. Ubombo 1895 u. 1896. — Proceedings of the Royal Society. London 1909, 1910 u. 1911. Elmassian, Conference faite au conseil nationale d’hygiene, 19. Mai 1905. Assuneion 1901. Annales de l’Institut Pasteur, April 1903. Novy and Me Neal, Contributions to medical research !1903. — Journ. of inf. diseases. Vol. 1, 1904. — On the tryp. of birds. Ibid., Vol. 2. — The eultivation of the. surra trypanosoma. Journ. of the american medical association, 1904. Theiler, A new trypanosome. Journ. of comp. path. and therap., Vol. 14, 1903. ‘ Novy, Tryp. of tsetse fly. Journ. Inf. Diseases, 1906. Zupitza, Beitrag zur Kenntnis der Vogel- und Fischtrypanodemen. Beihefte zum Archiv f. Schiffs- und Tropenhygiene, Bd. 13. Minchin, Proc. Royal Soc. 1905, Bd. 76. Stuhlmann, Arb. aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt, Bd. 26, 1907. Minchin und Thomson, Quart. Journal of Microse. Se., 1915. Nöller, Die Übertragungsweise der "Rattentrypanosomen. Arch. f£. Protistenkunde, Bd. 25 und 34. Zwick, ERERRSUENR, Handbuch der pathog. Mikroorg., 2. Aufl., ‚Bd. 7, 1913. 56. VORLESUNG. Kokzidienkrankheiten. Kokzidien kommen als Krankheitserreger bei fast allen Klassen „Die... der Wirbeltiere und auch bei Insekten und Mollusken vor. Sie sind Morphologie Schmarotzer der Zellen oder Kerne, in denen sie den größten Teil Br a ihrer Entwicklung vollführen. Mit Vorliebe befallen sie die Epithelzellen des Darmes und der mit ihm zusammenhängenden großen Drüsen; aber auch in den Geschlechtsorganen werden sie angetroffen. Die Kokzidien sind rundliche oder ovale Sporozoen, die sehr mannig- faltige Formen aufweisen. Man trifft in einem infizierten Organismus kleine wurmförmige Individuen, andere größere von ovaler oder kugeliger Gestalt, einkernige, mehrkernige und vielkernige Gebilde, winzige Flagellatenformen usw. Entgegen der lange Zeit herrschenden Ansicht, daß als reife Kokzidien die einkernigen Schizonten anzusehen seien, ‚stellen die Individuen von Würmcehengestalt, die man als Merozoiten oder Sporozoiten bezeichnet, die typischen Kokzidien dar. Nur diese bleiben längere Zeit, oft tage- oder wochenlang, unverändert, alle anderen Stadien befinden sich in einem ständigen Wechsel (Reichenow). Die Fortpflanzung geschieht teils durch Teilung (Schizogonie), teils durch geschlechtliche Formen. Der Generationswechsel geht meist dem Wirtswechsel parallel. 2 Als Beispiel eines solchen doppelten Entwicklungskreislaufes ist in Fig. 128 die Entwicklung des Coceidium Schubergi s. Eimeria Schubergi, eines im Darm des Tausendfußes (Lithobius forficatus) vorkommenden Parasiten wiedergegeben. Die jungen Sporozoiten, die sich aus den geschlechtlichen Formen nach der Be- fruchtung entwickelt haben, dringen in die Epithelzellen ein und wachsen dort zu rundlichen Kugeln heran, in denen sich durch Teilung junge Parasiten bilden. Von diesen kann die Infektion neuer Epithelzellen mit nachfolgender Vermehrung durch Teilung ausgeben, oder ein Teil der Schizonten dringt in die Epithelzellen ein, und es findet dann eine Differenzierung in Makro- und Mikrogametozyten statt. Die weiblichen Formen werden befruchtet und verwandeln sich dann in Oozysten. Der Kern teilt sich ; es entstehen Sporoblasten, und aus ihnen entwickeln sich die jungen Sporen, die sich dann in Sporozoiten verwandeln, um nun aufs neue den - „ungeschlechtlichen oder geschlechtlichen Entwicklungsgang durchzumachen. Im Ent- . wicklungskreislauf dieser Protozoen kommen Organellen in Form von Geißeln bei den Mikrogameten vor. Es läßt sich nämlich bei den männlichen Formen eine Geißelwurzel und ein Basalkörperchen erkennen. Die Kokzidien ernähren sich meist durch Osmose. Bei ihrem Wachstum in den Zellen oder deren Kernen erzeugen sie Reizwirkungen auslösende Stoffe, die zu einer Vergrößerung der Wirtszellen führen. 1052: . 56. Vorlesung. Diesem Stadium der Vergrößerung der Zellen folgt, sobald die Parasiten eine gewisse Größe überschritten haben, sehr bald der Zerfall. Der Kern degenerirt, und das Plasma wird von den Parasiten zerstört. Nach der Zahl der Sporen werden die Kokzidien in 4. Familien eingeteilt: 1. Familie: Disporea mit 2 Sporen, 2. n Tetrasporea mit 4 Sporen. 3. . Polysporea mit zahlreichen Sporen. 4. ». Asporea mit vielen nackten Sporozoiten in der Zyste. Für die Färbung der Kokzidien eignen sich besonders die Häma- . toxylinfarbstoffe in Form des Eisenhämatoxylins nach Heidenhain oder des Hämalauns nach Meyer. Auch Safranin ist eine für diese Zwecke brauchbare Farbe. Für die Untersuchung von Schnittpräparaten empfiehlt es sich, die Härtung der Organe in Sublimatälkohol (2 Teile konzentrierte wässerige Sublimatlösung + 1 Teil Alcohol absolut. mit einem Zusatz von Eisessig) vorzunehmen oder das Material mit starker Flemmingscher Lösung (15 Teile 1proz. Chromsäure + 4 Teile 2proz. Osmiumsäure Fr 1 Teil Eisessig) vorzubehandeln. _ Pathogenität. Kokzidien trifft man sehr häufig als Krankheitserreger bei Tieren. Von den Haustieren ist nur beim Schwein und beim Pferd das Vorkommen von Kokzidiose noch nicht erwiesen. Praktisch am wich- tigsten sind dieKaninchenkokzidiose, die als „rote Ruhr“ bezeichnete Kokzidiose der Rinder und die Kokzidiose der Schafe und Ziegen. In weiter Verbreitung trifft man Kokzidien ferner bei Katzen und Hunden, Mäusen, Maulwürfen und auch bei Vögeln und Fischen. Auch beim Menschen sind Kokzidien als Erreger von Krankheitszuständen wiederholt hingestellt worden. Man trifft die gleichen Kokzidien, die gelegentlich zu pathologi- schen Prozessen: führen, in spärlicher Zahl bei anderen Tieren derselben Art als harmlose Schmarotzer an und kann deshalb eigentlich nicht zwischen pathogenen und apathogenen Kokzidien unterscheiden. Man muß annehmen, daß das Auftreten von Krankheitserscheinungen davon abhängt, ob örtliche Verhältnisse die Aufnahme besonders zahlreicher Oozysten und infolgedessen einen besonderen Parasitenreichtum bei einem Wirte verursachen (Reichenow). Die Wirkung der Parasiten auf den Wirt ist eine rein mechanische; zur Annahme besonderer toxischer Wirkungen fehlen alle Anhaltspunkte. re Die Kaninchenkokzidiose herrscht in manchen Züchtereien enzootisch und befällt. dann fast jedes neugeworfene Tier. Der Parasit, der den Namen Eimeria Stiedae (Lindemann) führt, wird durch Futter übertragen, das durch die Entleerungen infizierter Kaninchen verunreinigt ist. Bei jungen Tieren verläuft die Krankheit in der Regel akut unter Fieber und Diarrhoe. Die Tiere magern ab, sind ikterisch und gehen häufig an der Infektion zugrunde. Man findet dann eine vergrößerte Leber mit zahlreichen kleineren und größeren grauweißen Knötchen, die sich mehr oder minder scharf vom gesunden Lebergewebe abheben. Sie sind in zerfallenes Lebergewebe eingebettet und von ent- zündlichen Reaktionsprodukten umgeben. Der Inhalt der Knoten kann bei längerem Bestande der Krankheit ausgestoßen werden. Es kommt in diesem Falle zur Vernarbung, wobei das unter dem Einflusse der en = = e h es & ERSEESENNEHEIEIT ER T RR u TR Kokzidienkrankheiten. 1053 . Kokzidieninfektion neugebildete Bindegewebe sehr bald schrumpft. Am Darm, besonders am Blinddarm, lassen sich die Infektionsherde an dem Vorhandensein von weißlichen Stellen schon mit bloßem Auge erkennen. In der Umgebung der Lieberkühnschen Drüsen trifft man entzündliche Infiltrate. Die Epithelzellen sind in großer Ausdehnung infiziert und verfallen der Nekrobiose.. Wenn die Krankheit zur Ab- heilung gekommen ist, finden sich nur noch Oozysten im Epithel des Blinddarmes, in der Gallenblase und in der Leber. Nach Metzner sollen die Kokzidien bei Kaninchen auch in das submuköse Gewebe des Dünndarmes, des Coecums und des Kolons eindringen. "Die Infektion geht so vor sich, daß zunächst die jungen frei- werdenden Sporozoiten (Sichelkeime) in die Epithelzellen eindringen und dort in ähnlicher Weise heranwachsen, 30 wie es für das Coccidium Schubergi be- schrieben ist. In den Zellen des Darmes und der Leber erfolgt eine Differenzierung der herangewachsenen ovalen Kokzidien in Makro- und Mikrogametozyten. Sobald enzystierte Sporozoiten in den Magendarm- kanal der Kaninchen gelangen, werden die Zysten zunächst aufgelöst. Nachdem sich der Kern des Makrogameten durch Re- duktionsteilung verdoppelt hat, wird er von dem Kern des frei beweglichen Mikro- gameten befruchtet. Aus den Makrogame- ten entstehen die grünlich glänzenden, ovalen ÖOozysten, deren Größe erheb- lichen Schwankungen unterworfen ist. Auch Dauerformen werden von dieser Kokzidien- art gebildet. DieSporenbildung (Fig. 158) erfolgt nicht im Darm oder in der Leber des Kaninchens, sondern außerhalb des Kaninchenkörpers und umfaßt also den ektogenen Entwicklungskreislauf. Es bilden sich 4 Sporoblasten und in jedem von ihnen 2 enzystierte Sporozoiten, die Oosysten- und Sporenbildung von Ooc- dann nach Auflösung der Zyste im Magen Kaninehens. (Nach Balbieni) Und Darm von Kaninchen wieder aufs ? neue in Epithelzellen oder Leberzellen eindringen. Da der Entwicklungskreislauf der Darm- und Leberkokzidien gleich ist, werden beide von den meisten Forschern für identisch gehalten. Die rote Ruhr der Rinder wird durch ein Kokzidium hervor- gerufen, das Coccidium oviforme s. Eimeria bovis genannt worden ist. Die Krankheit kommt in allen Erdteilen und Ländern vor. Namentlich in der Schweiz ist sie ziemlich weit verbreitet und wurde dort von Pröger und Zürn, Zschokke, Hess und Guillebau näher studiert. In Deutschland trifft man sie besonders in den Marschgebieten Schleswig- Holsteins. Im Dickdarm bilden sich Oozysten, die beim Zugrundegehen der Zellen mit dem Kot nach außen gelangen. In ihnen entstehen nach wenigen Tagen 4 Sporen mit je 2 Sporozoiten. Diese werden mit dem Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 68 Kokzidiose bei Rindern, Schafen und- Ziegen. Geflügel- kokzidiose. Kokeidien- befunde beim Menschen. 1054 : 56. Vorlesung. Kokzidienkrankheiten. Futter wieder in den Darm aufgenommen und dringen von dort in äh Epithelzellen des Dickdarms ein. Die Erkrankung verläuft akut mit starkem Fieber und führt zu starker Abmagerüng der Tiere, geht aber meist in Heilung über. Die bei der epizootischen Kokzidiose der Schafe und Ziegen yOrKoiInOL Kokzidien sind wahrschemlich mit der Eimeria bovis identisch "i WBei Vögeln, namentlich Fasanen, kommt eine Kokzidieninfektion vor, der viele junge Tiere unter dem Bilde einer zur Degeneration der Leber und der Nieren führenden hämorrhagischen Enteritis erliegen. ' Ströbring und Macfadyen, Fantham und Hadley haben die Krank- heit näher erforscht. Silvestrini und Rivolta stellten die gleichen Protozoen (Eimeria avium) als Erreger von. Enteritiden auch bei Hühnern, Gänsen, Enten und Truthühnern fest. Auch bei Kalt- blütern (Fröschen, 'Salamandern und Fischen) wurden Kokzidien. als Krankheitserreger nachgewiesen (Mor und Fiebiger). : Beim Menschen sind, z.B. von Leuckart, Dreckalen: Sattler, Eimer u. a, in kleinen Geschwülsten und Zysten der Leber und in Epithelzellen des. Darmes Kokzidien festgestellt worden. Eimer fand solche auch bei Pyothorax. Wenn das gelegentliche Vorkommen dieser Protozoen in inneren Organen des Menschen, an denen gleichzeitig pathologisch- anatomische Veränderungen nachgewiesen wurden, nicht bestritten werden soll, so dürften Kokzidienfunde beim Menschen doch zu den größten Seltenheiten gehören. Nach der kritischen Beurteilung der diesbezüglichen Literaturangaben durch Dobell, der sich auch Reichenow anschließt, hat es sich bei einem großen Teil der Befunde nicht um Kokzidien gehandelt. Es ist jedenfalls noch nicht einwandfrei bewiesen, daß Erkrankungen des Menschen durch Kokzidien allein hervorgerufen werden können. Nach Dobell sollen bei englischen Sol- daten, die während des Weltkrieges in den Mittelmeerländern (nament- lich auf Gallipoli) stationiert waren, vielfach Kokzidien im Stuhl nach- gewiesen worden sein. Der Entwicklungskreislauf der hier in Betracht kommenden Kokzidien ist noch nicht aufgedeckt, sodaß es sich noch nicht entscheiden läßt, ob sie besondere Arten darstellen. Auch bei Hauterkrankungen wollen Blanchard, Rixfort, Gilchrist und Wernicke im an ndegewebe Kokzidien mehrfach festgestellt haben. Literatur Braun, Naturgeschichte d.tierischen Parasiten. 5. Aufl., Würzburg, B. Kabitzsch, 1915. Doflein, Lehrbuch der Protozoenkunde. 4. Aufl. Jena, Gustav Fischer, 1916. Doflein u. Köhler, Überblick über den Stamm der Protozoen. Handbuch der patho- genen Mikroorganismen, 2. Aufl., Bd. 7, 1913. Jollos, Kokzidiosen. Ebenda. Metzner, Untersuchungen an Coceidium eunieuli. Arch. f. Protistenkunde, Bd. 2, 1903. Rivolta, Delle cellule oviforme dei villi del cane. Pisa 1877. Schaudinn, Untersuchungen über den Generationswechsel bei Kokzidien. Zoologisches Jahrbuch, Bd. 13, 1900. — Studien über krankheitserregende Proton, Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. 18, 1902. Guillebau u. Hess, Schweizer Archiv f. Tierheilk., 1893 u. 189. Zschokke, Ebenda, 1892. . Ströbring, Beiträge zur Kenntnis einiger Protozoen. Zentralbl. f. Bakt. Bd, 22, 1897. v. Wasielewski, Untersuchungen über den Bau, die Entwicklung und über die 'patho- gene Bedeutung der Kokzidien. Leipzig, J. A: Barth, 1904. Reichenow, Die Kokzidien. Handb. d. pathog. Protozoen, Bd. 's, Leipzig, J. A. Barth, 1921. Dobell, A revision of the eoceidia parasitic in man. Parasitology, Bad. 11, 1919. 57. VORLESUNG. Malaria. ‚Die Malaria, auch Wechselfieber, Sumpffieber, kaltes Fieber genannt, ist eine durch ihre eigenartigen Fieberzustände aueh klinisch wohl charakterisierte chronische Infektionskrankheit, deren Erreger im Blute lebende und in den Blutkörperchen schmarotzende Protozoen sind. Die Frage nach dem wahren Wesen der Malaria und ihrem Ursprunge war trotz eifrigster Forschungen lange Zeit dunkel; die Krankheit wurde als Folge- erscheinung übler Ausdünstungen sumpfiger Gegenden betrachtet und als „miasmatisch- kontagiös“ bezeichnet. Erst im Jahre 1880 wurden die Erreger der Malaria von Laveran, einem französischen Militärarzt, im Blute eines Wechselfieber- kranken entdeckt. Wenn dieser Forscher auch einige Formen der Parasiten nicht richtig deutete, so kann doch an der Tatsache, daß er zuerst die Malariaparasiten gesehen und als spezifische Erreger dieser Krankheit angesprochen hat, nicht ge- zweifelt werden. Dies muß ausdrücklich gegenüber den Behauptungen der italienischen ' Forscher Celli und Marchiafara festgestellt werden, die für sich Prioritätsansprüche erheben. Der Entdeekung Larerans folgten dann sehr bald weitere für die Biologie der Erreger, ihre Vermehrung im Körper und ihre Übertragung auf den Menschen sehr wichtige Ermittlungen. Es wurde festgestellt, daß bei verschiedenen Formen . der Malaria auch die Parasiten verschiedene Gestalt besitzen, es wurden weiterhin die näheren Beziehungen der letzteren zu den roten Blutzellen genauer studiert.- ——- Die Entdeckung einer besonderen Färbungsmethode von Romanowsky und Ziemann ermöglichte ein genaues Studium der Morphologie der einzelnen Arten in den ver- schiedenen Entwicklungsstadien. Golgi fand, daß die Periodizität der Malariaanfälle von dem Erscheinen neuer Parasitengenerationen im Blute abhängt. . - Die Frage, wie die Malariaplasmodien in den menschlichen Körper eindringen und wie sie auf andere Menschen übertragen werden, blieb vorläufig noch dunkel. Analogieschlüsse, die auf den bei anderen Parasiten tierischer Natur gewonnenen Erfahrungen beruhten, führten schließlich zu der Annähme, daß die Parasiten auch außerhalb des menschlichen Körpers sich in infektionstüchtigem Zustande halten müßten und daß sie, da die Exkrete des Kranken offenbar nicht als Infek- tionsquellen in Betracht kamen, auf eine besondere Weise aus dem infizierten Körper auf Gesunde übertragen würden. Man hatte nämlich beobachtet, daß die Malaria- erkrankungen oft in Häusern oder Stadtteilen gehäuft auftraten... Ferner sah man, daß die Malaria durch kranke Menschen in malariafreie Orte eingeschleppt wurde und sich nun ausbreitete, genau so wie andere Infektionskrankheiten. Man nahm auf Grund epidemiologischer Erfahrungen an, daß blutsaugende Insekten die Überträger der spezifischen Erreger seien, und schuldigte im speziellen die Moskitos an. Weitere Fortschritte zur Klärung der vorläufig nur hypothetischen Annahme, daß Mücken die Überträger der Krankheit seien, wurden erst. durch Manson er- bracht, der die Vermutung aussprach, daß sich der Entwicklungskreislauf der Malaria- parasiten wahrscheinlich in ähnlicher Weise vollzöge, wie der eines anderen Blut- parasiten, der Filaria, als deren Überträger und Zwischenwirte bestimmte Mücken- arten schon von ihm festgestellt waren. 68* Ver- breitung. 1056 57. Vorlesung. Ronald Ross konnte, diesem (redanken Mansons folgend, als Erster im Jahre 1897 bestimmte Entwicklungsformen der Malariaparasiten in der Mücke (Anopheles) nachweisen und damit zeigen, daß tatsächlich eine Weiterentwicklung des Krank- heitserregers in der Mücke vor sich geht. Eine restlose Aufklärung dieses Entwick- lungsganges gelang ihm bei den menschlichen Malariaparasiten nicht, wohl aber nach jahrelangen emsigen Bemühungen beim Parasiten der Vogelmalaria (Proteosoma) in der Culex-Mücke. Diese Parasiten boten der Untersuchung weniger Schwierigkeiten als die der menschlichen Malaria. Ross’ Entdeckungen wurden mit Erfolg weiter- geführt von italienischen Forschern, unter denen namentlich Grassi zu nennen ist. Grassi konnte auch die späteren Entwieklungsstadien i in der Mücke bei den mensch- lichen Parasiten in der gleichen Weise verfolgen, wie Ross dies für die Vogelmalaria gelungen war. Er bestimmte auch genau die Mückenart, die als Überträger der mensch- lichen Malaria anzusehen ist. Diese Entdeckungen erfuhren eine Ergänzung durch die von Me Callum beobachtete Befruchtung der Mikrogameten im Menschenblut. Außer den Namen der genannten Forscher ist in hervorragender Weise noch der Robert Kochs mit der Geschichte der Malariaforschung verbunden. Koch ist es, dem wir vor allem die scharfe Abgrenzung der einzelnen Parasitenarten, namentlich des Tropenfieberparasiten, und weitere Studien über die epidemiologischen Beziehungen zwischen Mückenausbreitung und Malariaerkrankungen verdanken. Er bewies, daß die Malariaparasiten ausschließlich zwischen Mücke und Mensch zirkulieren "und sich nicht etwa auch im Blute von Tieren fortpflanzen können. Koch hat sich be- kanntlich ferner ganz besonders bei der Ausarbeitung einer zielbewußten Malaria- prophylaxe auf Grund der ätiologisch und epidemiologisch gewonnenen Tatsachen unvergängliche Verdienste erworben. Durch die Arbeiten von Grassi und Schaudinn wurde die Kenntnis der einzelnen Entwicklungsstadien der Parasiten weiter gefördert, sodaß wir die Biologie und Morphologie der Malariaerreger jetzt fast lückenlos übersehen können. Die Malaria ist in den Tropen die häufigst vorkommende und wichtigste Krankheit. Sie ist aber keineswegs auf die Tropen be- schränkt. Auch in Europa finden wir Länder, die schwer unter Malaria zu leiden haben. Im nördlichen Europa gilt dies besonders für die russischen Ostseeprovinzen, die Gegend der Pripjetsümpfe und andere sumpfige Gebiete Rußlands, ferner für Südschweden, Flandern und Holland, während England fast ganz malariafrei ist. In Deutsch- land hatten wir vor dem Kriege nur noch 3 kleinere Herde, und zwar in der Nähe von. Wilhelmshaven, in Emden und Umgebung und im Kreise Pleß (Oberschlesien). In den Ländern Mitteleuropas ist die Malaria schon häufiger und weiter verbreitet, so in Südrußland, Ungarn, Siebenbürgen und im Kaukasus. Im südlichen Europa haben wir bereits sehr ausgedehnte und stark durchseuchte Gebiete, zu denen namentlich die istrische Küste, die lombardische Ebene und Teile von Dalmatien, Bosnien, Herzegowina, Serbien, Bulgarien und Rumänien ge- hören. In Griechenland, Süd- und Mittelitalien haben die wasserreichen Provinzen stark unter der Malaria zu leiden, in Spanien ist namentlich das Delta des Ebro verseucht. Schwer heimgesucht sind besonders auch die Inseln Korsika, Sardinien, Sizilien und Malta. Afrika ist besonders an den Küsten stark oalariavera auch in den Flußtälern und den Seengebieten trifft man die Krankheit überall. Nur in den trockenen Steppengegenden, in einzelnen besonders hoch gelegenen Gebieten und auf gewissen der Küste vorgelagerten Inseln werden Wechselfieber vermißt. In Asien kennen wir in den südlichen Ländern ausgedehnte Malariaherde, so in Indien, Turkestan, auf dem Malaiischen Archipel, auf den Philippinen und auf Formosa. In Amerika ist die Krankheit besonders stark ausgebreitet an den Küsten des Mexikanischen Golfes, Mittelamerikas und des nördlichen Südamerika. Ebenso ist auf den westindischen Inseln. in Australien und auf den. Malaria. 1057 - Inseln des Stillen Ozeans die Malaria wohl überall heimisch und stellen- weise stark ausgebreitet. Was die geographische Verbreitung der einzelnen Fieberarten anbelangt, so ist nach Ruge das Tertianfieber an der Peripherie des Gesamt- malariagebietes vorherrschend. Das Tropenfieber nimmt an relativer Häufigkeit nach dem Äquator hin immer mehr zu und spielt in manchen tropischen Gegenden (z. B. Westafrika) weitaus die bedeutungsvollste Rolle. Das Quartanfieber, die seltenste Fieberart, tritt herdweise auf, ohne daß besondere Beziehungen zu den Tropenzonen zu erkennen wären. Weit verbreitet ist die Malaria quartana z. B. im Mittelmeergebiet. - - Während des Weltkrieges sind von infizierten indischen, afrika- nischen und amerikanischen Truppen viele: Tropika-Infektionen auf den europäischen Kriegsschauplätzen verursacht. Der Krieg hat ferner durch die Verschiebung und die Heimkehr zahlloser Soldaten, die auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen (Mazedonien, Türkei, Rußland, Flandern) Malaria erworben haben, eine weite Ausbreitung der Infektion in Mitteleuropa zur Folge gehabt. Da die Malariamücken auch bei uns viel weiter verbreitet sind, als man früher allgemein annahm, ist es auch an vielen Orten, die vorher sicher malariafrei waren, zu Neu- infektionen gekommen. Durch die Chininbehandlung ist äber eine Ausheilung der Infizierten gelungen, sodaß die Bildung neuer endemischer Herde wohl nicht anzunehmen ist. Das gehäufte Auftreten der Malariainfektionen ist von Jahres- ‚zeitlichen Einflüssen mehr oder,weniger abhängig. Das Tertianfieber ist vorwiegend eine Krankheit der Frühjahrs- und Frühsommermonate, während das Tropenfieber hauptsächlich im Spätsommer und Herbst auftritt — daher auch die italienische Bezeichnung „Astivo-Autumnal- fieber.“ Diese Sonderuug der Krankheitsformen nach der „Saison“ tritt auch in Gegenden deutlich in Erscheinung, in denen beide Malaria- ' arten zusammen vorkommen. Welche volkswirtschaftliche Bedeutung der endemischen Ma- laria für ein Land zukommt, dafür ist Italien das nächstliegende Bei- spiel. Dort wurden bis zum Jahre 1900 durchschnittlich jährlich 16000 Todesfälle durch sie bedingt. Und doch kann man aus der Todesziffer allein sich kein richtiges Bild von der Bedeutung dieser Krankheit machen. Man muß bedenken, daß in stark durchseuchten Gegenden fast die ganze Bevölkerung krank ist, daß schon in der Kindheit das Siechtum beginnt und daher die Volkskraft im allgemeinen ganz ungeheuer ge- schwächt wird. Früher in hoher Kultur stehende Landesteile müssen der Fieber wegen von der Bevölkerung verlassen werden und veröden dann. Die ehemals dicht bevölkerte und fruchtbare römische Campagna wurde in eine öde und verlassene Steppe verwandelt, weil durch die Ausbreitung der Sumpffieber die Besiedlung und Bodenkultur unmöglich wurde. Noch größere Bedeutung für das Volkswohl hat die Malaria in den Tropen. Hier sind durch sie weite Gebiete zu dauerndem Aufenthalt des Menschen so gut wie unbrauchbar. Wir wissen, daß in den beson- ders heimgesuchten Distrikten alle Eingeborenen durchseucht sind, daß man schon bei den Kindern Folgeerscheinungen der Infektion nur selten vermißt. Die weißen Ansiedler und die Kolonialtruppen der europäischen Mächte haben naturgemäß ‚ebenso wie die Eingeborenen unter der Malaria zu leiden, wenn nicht besondere Vorsichtsmaßregeln gegen die Infektion getroffen werden. Volkswirt- schaftliche Bedeutung. Die Malaria- parasiten, 1058 > 57. Vorlesung. - ; \ Einige Beispiele hierfür führt Schilling an. In Tonkin erkrankten im Jahre 1902 von den 9810 Europäern 2842 an Malaria (= 32°/, der Gesamtmorbidität). Die Malariatodesfälle machten 31°/, der gesamten Todesfälle aus. In den französi- schen Kolönien zusammen lieferte die Malaria 216°, aller Krankenzugänge und 0:68°/, der Todesfälle unter den Europäern. Auf je 1000 Weiße entfielen 35:68 Heimsendungen und 3079 Behandlungstage infolge Malaria. Die französischen Kolonialtruppen hatten im Jahre 1903 bei einer Iststärke von 23261 Köpfen an Malaria einen Krankenzugang von 8632 (= 35'2°/,) Mann, die 154280 Krankheits- tage beanspruchten. 33°/, der Todesfälle wurden durch Malaria bedingt. In den ehemaligen deutschen Schutzgebieten spielt die Malaria ebenfalls für die Europäer eine sehr wichtige Rolle. Nach den amtlichen DA ER NE, sind 2, B. in Deutsch-Ostafrika von den Europäern in den Jahren 1905—1906 1906—1907 1907—1908 - | 1908-1909 an Malaria er- er ; krankt . . 833 (=44-16°/,)|764 (=31'51°/,))818 (= 27°95°/,) 892 (= 27-10°),) an Malaria ge- storben . .| 7 (=05°%,) | 10 (=07%,) | 9. =04%/,) | 13 04%) Es er der Anteil der Malaria und Schwarzwasserfieber an der Gesamtmorbi-. i dität 1.3954 | 409%, 309%, 1° 307%, Gesamtmorta- | Be u | 21:99, 19:5°/, 254%, | 2 83259, In Kamerun stellten sich die Verhältnisse noch ungünstiger. . Die Malariaparasiten gehören zu den Protozoen, und zwar zu deren Unterklasse „Hämosporidien“. Sie stehen den viel größeren und - nieht amöboiden Kokzidien nahe, unterscheiden sich von diesen aber dadurch, daß sie im Innern oder an der Oberfläche der roten Blut- körperchen leben und sich, wie die Pigmentierung zeigt, von ihnen ernähren, während die Kokzidien Parasiten der Epithelzellen sind und kein Pigment führen. Auch durch morphologische Unterschiede bei der Sporogonie sind die Kokzidien und Hämosporidien differenzierbar. ‚Die Malariapar asiten machen einen doppelten Entwicklungsgang durch, der in Fig. 159 schematisch veranschaulicht ist: - 1. einen geschlechtlichen Entwicklungsgang, der sich in dem „eigentlichen Wirt“, dem Steckmückengenus Anopheles, vollzieht („exogener Entwicklungsgang“ oder „Sporogonie*), und 2. einen ungeschlechtlichen Entwicklungsgang, der sich im Blute des Menschen. des „Zwischenwirts“ abspielt („endogener Entwicklungsgang“ oder „Schizogonie“). Wir kennen 3 verschiedene Arten menschlicher Malariaparasiten mit konstanten morphologischen Kennzeichen: | 1. den Parasit der Febris tertiana (— Plasmodium vivax, ‚Grassi und Feletti), 2. den Parasit der Febris quartana (=. Plasmodium malariae, Laveran),- 3. den Parasit der Febris tropica (= Plasmodium immaculatum, Grassi und Feletti). Malaria. | 1059 Es gibt heute wohl nur noch wenige Malariaforscher, die die Ver- schiedenheit/dieser 3 Parasiten nicht anerkennen. Diese sog. „Unitarier“, Fig. 159. Endogener Entwicklungsgang Kleine (im Menschen) IHnglorm Weiblicher Gamet _ nz und Rezidiv Exogener Entwicklungsgang (in der Mücke) ae EHE N ED " Zysten in der Magenwand 2 HF Schematische Darstellung des Entwicklungsganges der Malariaparasiten. riel: Tertianparasit.) zu denen ne Löseran und A. Plehn gehören, vertreten die An- sicht, daß es nur eine Art von Malariaparasiten beim Menschen gibt, RN Der Tertian- PET Form der endogenen Entwicklung als eiförmiges, ovales Körperchen, das in seinem Durchmesser etwa dem 5. Teil des befallenen Erythrozyten 1060 57. Vorlesung. bei der. Umwandlungen durch das Klima, die Jahreszeit und sonstige Einflüsse vorkämen. Bei den Ubergangsformen, die diese Autoren be- schrieben haben, handelt es sich aber nach Nocht und Mayer um Doppelinfektionen mit mehreren Parasitenarten, bei denen periodisch bald ‘die eine, bald die andere Art in den Vordergrund tritt und im Blut gefunden wird (vgl. S. 1080). Eine einwandfreie wissenschaftliche Begründung für die Annahme einer Einheit der drei Malariapıspin: ist nicht erbracht. Der TAARICKIUNERBENE der Malariaparasiten im menschlichen Blut. Die Entwicklung läßt sich am besten in Ausstrichpräparaten des "” Blutes verfolgen, die entweder mit Methylenblaulösung nach Manson oder aber mit einem besonderen Chromatindarstellungsverfahren nach Romanowsky-Ziemann oder Giemsa gefärbt sind (s. Taf. 86/87). Im unge- färbten lebenden Präparate, im hängenden Tropfen betrachtet, treten die Einzelheiten der Formen viel weniger deutlich in Erscheinung, so- daß der Ungeübte sie leicht übersehen kann. Zur Stellung der Diagnose genügt schon die einfache Färbung mit Mansonschem Methylenblau. Man kann in Präparaten, die in richtiger Weise nach dieser Methode hergestellt sind, auch Einzelheiten zur Darstellung bringen. Die nach- folgende Beschreibung bezieht sich daher zunächst auf die im einfach gefärbten Präparat sichtbaren Formen. 1. Der Parasit der Febris tertiana erscheint in seiner jüngsten entspricht, kurze Zeit darauf aber als feiner Ring von etwa doppelter Größe. Diese Ringform, die als „kleiner Tertianring“ bezeichnet wird, hebt sich bei richtiger Färbung trotz ihrer Zartheit durch ihre blaue Farbe scharf von dem grünlich-gelben Plasma des Blutkörperchens ab. Sie kann von verschiedenem Aussehen sein. Entweder ist die eine Hälfte des Ringes sehr fein und mit einer knopfartigen Verdiekung versehen, während die andere gegenüberliegende Hälfte dicker und von ' mondsichelähnlicher Gestalt ist, oder aber diese „Siegelringform“ ist weniger deutlich ausgeprägt und der Ring erscheint in allen seinen Teilen mehr gleichmäßig. Durch Verzerrungen, die bei der Präparation leicht entstehen, können die Formen mehr. oder weniger verändert werden (Papierdrachen-, Kaulquappenform usw.). Diese jungen Formen des Tertianparasiten sind dann im Blute des Kranken zu finden, wenn der Fieberanfall gerade seinen Höhepunkt erreicht oder aber eben überschritten hat (s. das Schema auf Taf. 89). Von diesem Zeitpunkt an wächst der Parasit, wobei sich das be- fallene Blutkörperchen bis zum 1!/,- oder sogar 2-fachen seiner ursprünglichen Gestalt vergrößert. Das Blutkörperchen wird zudem durch Zerstörung des Hämoglobins blasser und zeigt, worauf zuerst Schüffner hingewiesen hat, in seinem Plasma eine feine, gleichmäßige, allmählich immer deutlicher werdende Tüpfelung, die bei gut gelungener | Chromatinfärbung sehr auffällig ist. Dieses Verhalten des Blutkörperchens ist, wie vorweg betont sein mag, für die Febris tertiana charakteristisch, Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. TERTIANFIEBER-PARASIT. Ringformen verschiedener Größe, oben ein getüpfelter Erythrozyt, unten ein Lymphozyt. Färbung nach Manson. TERTIANFIEBER-PAÄRASIT. Links ein freier männlicher, rechts ein noch nicht fertig gebildeter weiblicher Gamet, in der Mitte ein polynukleärer Leukozyt. Färbung nach Giemsa. QUARTANFIEBER-PARASIT. Links freier weiblicher Gamet, rechts ein noch nicht freier männlicher Gamet, unten eine Teilungsfigur, links oben ein mononu- kleärer Leukozyt, rechts oben ein metachro- matisch gefärbter Erythrozyt. Färbung nach Giemsa. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. en TERTIANFIEBER-PARASIT. Halberwachsene Foımen, teilweise mit der für den Tertianparasiten charakteristischen Tüpfelung der Blutkörperchen. Oben und unten je ein Leukozyt, rechts Blutplättehen. ; 5 Färbung nach Giemsa. _ g Fig. 6. 'TERTIANFIEBER-PARASIT. Rechts eine noch geschlossene, links eine - schon zerfallene Teilungsform, oben und unten je ein Leukozyt. Färbung nach Giemsa. TROPENFIEBER-PARASIT. Kleine und mittlere Tropenringe. Links oben ein Erythrozyt mit basophiler Körnung, rechts oben ein polynukleärer Leukozyt, rechts unten ein metachromatisch gefärbter Erythrozyt. Färbung nach Manson. _ _ TERTIANFIEBER-PARASIT. „Zerrissene* Formen des halberwachsenen Parasiten. Färbung nach Manson. 3 QUARTANFIEBER-PARASIT. _ Ringformen verschiedener Größe, rechts oben eine eosinophile Blutzelle, unten ein poly- chromatisch gefärbter Erythrozyt. Färbung nach Giemsa. TROPENFIEBER-PARASIT. _ Große Tropenringe und Gameten in Halb- mond- oder Spindelform. Färbung nach Giemsa. " TERTIANFIEBER-PARASIT. Erwachsene Formen, rechts ein freier Gamet, oben ein Leukozyt. unten ein metachroma- tisch gefärbter Erythrozyt. Färbung nach RR Manson. QUARTANFIEBER-PARASIT. Bandformen des halberwachsenen und er- wachsenen Parasiten. Links ein Leukozyt, rechts oben ein metachromatisch gefärbter Erythrozyt, rechts unten Blutplättchen. Färbung nach Manson. TROPENFIEBER-PARASIT. Teilungsformen, zum Teil schon zerfallen. Ausstrich aus dem Organsaft der Milz. Färbung nach Manson. Malaria. 1061 - denn der Parasit des Quartanfiebers, der sich in seiner Form während dieses Entwicklungsstadiums von dem des Tertianfiebers kaum unter- scheiden läßt, bewirkt niemals eine Vergrößerung der von ihm befallenen Blutzelle. Auch die Schüffnersche Tüpfelung kommt bei der Febris quartana höchstens ab und zu andeutungsweise, niemals aber in aus- geprägter Form zur Beobachtung. _ ae Etwa 24 Stunden nach dem Fieberanfall sieht man die soge- nannten „großen Tertianringe“, die in allen Dimensionen wesentlich größere, aber auch unregelmäßigere Gebilde darstellen als die kleinen Ringe. Neben der Ringform weisen die Tertianparasiten um diese Zeit . aber sehr häufig auch andere unregelmäßige Gestalten auf, die sich mit - Amöbenformen sehr gut vergleichen lassen. Jetzt sind die Parasiten auch deutlich mit braunen oder schwarzen Pigmentstippchen durchsetzt, die Zeichen der Zerstörung des Blutkörperchens sind (soge- nannte „halberwachsene Parasiten“). Immer weiter wächst der Parasit auf Kosten des nunmehr regel- mäßig stark vergrößerten und im Vergleich zu parasitenfreien Erythrozyten blasser erscheinenden Blutkörperchens, dessen freier Plasmarest stetig schwindet. Nach 36 Stunden sieht man Ringformen nicht mehr, nach etwa 40 Stunden füllt der Parasit als ovale oder . unregelmäßig eckige Scheibe das Blutkörperchen fast vollständig aus. Das Pigment hat sich um diese Zeit zu einem Klumpen gesammelt, der entweder als runde Masse in der Mitte des Parasiten liegt oder aber radspeichenförmig angeordnet ist. Allmählich schickt sich nun der Parasit zur Teilung an. Zunächst bekommt der Rand eine gelappte Form, und dann wird die Bildung von Segmenten auch im Innern deutlicher; es entsteht so die : eharakteristische Maulbeerform (Morulaform), die der Größe nach etwa den 1t/;fachen Durchmesser eines Erythrozyten aufweist. Der Parasit besteht nunmehr aus etwa 15—20 oder noch mehr einzelnen ovalen Teilen, den jungen Sprößlingen (Merozoiten), die nach Platzen des sie als Hülle umgebenden Blutkörperchens frei werden und von neuem Blutkörperchen infizieren. Das Pigment wird bei diesem Teilungs- oder Merulationsvorgang !) ausgestoßen und später von Leukozyten auf- genommen. Mit diesem Befunde, der 48 Stunden nach Beginn des ersten Anfalles vorliegt, geht klinisch der Beginn des zweiten Anfalles parallel, d. h. während des neuen Fieberanstieges findet man vorwiegend Formen des Parasiten, die auf die Teilung hinweisen, auf der Höhe des Fiebers aber die frei ausschwärmende junge Para- sitengeneration. Danach wiederholt sich der gleiche Entwicklungszyklus. Die einzelnen Parasiten entwickeln sich nun jedoch nicht in allen ihren Phasen auf die Stunde gleichmäßig, sondern bei dem einen kommt es etwa einige Stunden früher zur Teilung, als bei dem anderen, und demnach sind auch die anderen Entwicklungsformen der einzelnen Para- siten zur gleichen Zeit nicht immer genau gleich weit fortgeschritten. Daraus erklärt sich, daß man z. B. auf der Fieberhöhe neben Ring- !) Der häufig hierfür gebrauchte Ausdruck „Sporulation“ ist zu verwerfen, weil er leicht den Eindruck erwecken könnte, daß die Sporulation in irgendwelchen . Beziehungen zur „Sporogonie“ stände. Teilungs- formen. Gameten. Der Quartan- Reberparasıt. 1062 | 57. Vorlesung. formen noch ungeteilte, aber dicht vor der Teilung stehende Plasmodien sieht. Immerhin läßt sich aus den Stadien der Parasiten, die man bei Durchmusterung eines Blutpräparates in der überwiegenden Mehrzahl findet, sehr wohl auf das zur Zeit der Blutentnahme VOrlBpWER Stadium des klinischen Anfalles ein Schluß ziehen. Neben den bisher beschriebenen asexualen Formen (Schizonten) des Tertianparasiten findet man im Blute des Malariakranken noch andere Formen, die man als sexuale bezeichnet hat. Diese Formen, „Sphären“ oder „Gamonten“, im unreifen Stadium auch „Gameto- zyten“, im reifen Stadium „Gameten“ genannt, kommen, wenn die Infektion schon einige Zeit besteht, während aller Stadien des klinischen Verlaufes des Tertianfiebers vor und gleichen bis zu einem gewissen - (Grade erwachsenen asexualen Parasiten. Es sind runde oder ovale, bei Manson-Färbung blau aussehende Scheibchen, die bis etwa doppelt so ‘groß sein können wie ein rotes Blutkörperchen. Sie lassen entweder noch einen schmalen Saum eines Blutkörperchens an ihrer Peripherie erkennen oder aber sie sind’völlig frei. Ihr Pigment ist gieichmäßig über das ganze Gebilde verteilt. Von den beschriebenen Anzeichen der beginnenden Teilung, die gleich große asexuale Parasiten nie vermissen lassen, findet man keinerlei Andeutung. Weiter unten (S. 1066 u. 1069) werden wir diese Gebilde in ihrem Aussehen und ihrer Bedeutung näher . zu besprechen haben. Es sei hier nur erwähnt, daß Schaudinn, als er das Blut desselben Malariakranken in kurzen Zeiträumen mehrfach untersuchte, die Verwandlung solcher (weiblicher) Gameten in partheno- genetische Teilungsformen und den Zerfall der letzteren beobachtet hat. Die aus den Teilungsformen entstehenden jungen Parasiten sollen dann den oben skizzierten Entwicklungsgang durchmachen. Schaudinn er- klärt durch diese Rückbildung der Geschlechtsformen in geschlechtslose Formen das Auftreten der Rezidive (vgl. S. 1081 u. Fig.-159). 2. Der Parasit der Febris quartana. Das Quartanfieber unter- scheidet sich vom Tertianfieber klinisch bekanntlich dadurch, ‘daß der . Fieberanfall sich nicht nach 2x 24, sondern nach 3x 24 Stunden wieder- holt. Schon daraus geht hervor, daß die Entwicklung des Quartan- parasiten wesentlich langsamer vor sich gehen muß. In ihren Jugend- formen lassen sich die genannten beiden Parasiten voneinander nicht unterscheiden; die Ringformen des Quartanparasiten sehen ‚genau So aus wie die des Parasiten der Febris tertiana. Die Unterscheidung beider Arten ist aber möglich durch das Verhalten der Blutkörperchen. Sind parasitenhaltige Blutkörperchen deutlich vergrößert und blasser im Vergleich zu den nicht befallenen, oder zeigen sie bei intensiver Giemsa-Färbung deutlich ausgesprochene Schüffnersche Tüpfe- lung, so kann es sich nur um Tertiana, nicht um Quartana handeln. Wenn der Quartanparasit plasmareicher wird, erscheint er in der Regel als keil- oder bandförmiges Gebilde, das sich anfangs schmal und wenig pigmentiert, später breiter und sehr pigmentreich quer durch das Blutkörperchen von einer Peripherie zur anderen zieht und für den Kenner äußerst charakteristisch ist. Aber auch in diesem Stadium, das etwa 48 Stunden nach Beginn des Fieberanfalles angetroffen wird, ist der befallene Erythrozyt durch den QnaTian- parasiten w eder vergrößert noch entfärbt. Malaria. : 1063 = Die Entwicklung des Quartanparasiten weist niemals so unregel- mäßige amöbenähnliche Formen auf, wie die des Tertianparasiten. Die Teilung geht in ganz analoger Weise vor sich wie beim letzteren. - Der sich zur Teilung anschickende Schizont zeigt häufig die Gestalt einer Margaretenblume. Die Zahl der sich bei der Merulation um den zentral gelegenen Pigmentblock bildenden jungen Parasiten beträgt - beim Quartanparasiten 6—8 bis höchstens 12. - > Gameten werden beim Quartanfieber ebenso beobachtet wie bei der Febris tertiana, nur erreichen sie nicht die gleiche Größe, sondern gehen in ihrem Durchmesser niemals über den eines roten Blutkörper- chens hinaus. Dafür sind sie aber in der Regel stärker und gröber - pigmentiert als die Tertiangameten. 3. Der Parasit des Tropenfiebers ist von den bisher beschrie- benen Plasmodien in wesentlichen Punkten verschieden. Man hat ihn auch als „kleinen Malariaparasiten“ bezeichnet im Gegensatz zu den ßen Parasiten des Tertian- und Quartanfiebers. Im Beginne der ieberhöhe sehen wir auch beim Tropenfieber Ringformen. In ihrer aber schärfer gezeichnet und erheblich kleiner, da sie etwa dem 6. oder 8. Teile eines Erythrozyten entsprechen. Sie tragen stets die knopfförmige Verdickung des einen Ringteiles und werden „kleine Tropenringe“ genannt. Während der Dauer des Fieberstadiums nehmen die Parasiten an Größe zu, ohne vorläufig ihre Gestalt zu ändern. Die „mittelgroßen Tropenringe“, die man gegen Ende der Fieberhöhe antrifft, haben einen Durchmesser, der etwa dem 4. oder 3. Teile des Erythrozyten- durchmessers entspricht. Mitunter öffnet sich um diese Zeit die Ring- form an der einen Stelle, sodaß der Parasit eine hufeisenförmige Ge- stalt annimmt; zuweilen weist der Ring anstatt der einen zwei knopf- ‚artige Verdickungen auf, die sich dann gegenüberliegen. Vielfach sieht ‚man an den mittelgroßen Tropenringen auch schon eine mondsichel- Der Tropen- feberparasit. Gestalt gleichen diese annähernd den kleinen Tertianringen, sie sind ähnliche Verdickung des dem Knopf gegenüberliegenden Ringabschnittes. _ Die letztgenannte Erscheinung wird dann während der weiteren Ent- wicklung immer deutlicher und ist stark ausgeprägt bei den „großen - Tropenringen“, die in den Blutpräparaten vorwiegend gegen Ende des Fieberanfalles und in der fieberfreien Zeit sichtbar sind. Sie sind etwa !/,- bis ı/,mal so groß wie ein rotes Blutkörperchen. Teilungs- formen der Tropenfieberparasiten sieht man bei Ausstrichen - aus dem peripheren Blut fast niemals, sodaß von manchen For-: schern ihr Vorkommen im zirkulierenden Blut geleugnet wird. Um so zahlreicher sind sie aber in Ausstrichpräparaten aus Milz, Knochenmark und Gehirn zu finden. Sie erscheinen als runde Scheiben von etwa !/,—!/, Erythrozytendurchmesser und lassen im Innern 1 oder 2 Pigmentklumpen erkennen. Bei ihrem Zerfall lösen - sich diese Teilungsformen in 12—16, ausnahmsweise auch in 8—10 oder 20—25 junge Parasiten auf, die der Form nach den jüngsten Tertian- parasiten sehr ähnlich, doch wesentlich kleiner als diese sind. Kleine Tropenringe trifft man in demselben Präparat meist nur vereinzelt an, die mittleren Ringe häufiger, die großen Tropenringe fast immer in großer Anzahl. Nicht selten sieht man bei Febris tropica, 1064 57. Vorlesung. daß ein und dasselbe Blutkörperchen gleichzeitig mit mehreren Parasiten infiziert ist. 5—6, ja 8 Ringe kann man in einem einzigen Erythrozyten antreffen. | Bei den vom Tropenfieberparasiten infizierten Erythrozyten fällt bei inten- siver Chromatinfärbung häufig eine eigenartige purpurrote Fleckung auf, die von Maurer als „Perniciosafleckung“ beschrieben wurde. Die Flecken sind größer, weniger zahlreich und unregelmäßiger verteilt als die Stippchen bei der Schüffner- schen Tüpfelung (S. 1060) und werden bei Tertiana- oder Quartanainfektion in den Blutkörperchen so häufig und charakteristisch wie beim Tropenfieber nicht _ gefunden. Die im Blute des Tropenfieberkranken vorkommenden sexualen Formen des Parasiten haben im ausgewachsenen Zustande die Gestalt von Halbmonden. Sie weisen abgerundete Enden auf und zeigen in ihrer Mitte stäbchen- oder klumpenförmig angeordnetes Pigment. Bei der einfachen Methylenblaufärbung wird die Mitte weniger intensiv ge- färbt als die beiden Polenden, an denen sich das Plasma hauptsächlich angehäuft hat. Die Größe der. Halbmonde übertrifft, wenn man den Längsdurchmesser als Maßstab wählt, die der Blutkörperchen oft um das Doppelte. Sie liegen meist frei, doch sieht man zuweilen den Rest - des Blutkörperchens auf der konkaven Seite noch als matt gefärbtes Gebilde angedeutet (Taf. 86/87, Fig.11). Wenn die Halbmonde eine spindelförmige und später eine mehr runde Gestalt annehmen, ent- stehen Gebilde, die in Form und Färbung den Tertian- und Quartan- gameten ähneln, aber kleiner sind als diese. Diese Formen werden aber seltener beobachtet als die Halbmondformen. Während Koch, Ruge, Nocht und mit ihnen zahlreiche andere Forscher nur eine einzige Art von Tropenfieberparasiten annehmen, sind andere geneigt, zwei oder noch mehr Unterarten abzugrenzen. Namentlich italienische Autoren (Marchiafava und Bignami) trennen nach den Verlaufseigentümlichkeiten der von ihnen erzeugten Krankheit Parasiten der sogenannten „Quotidiana“ und der „Tertiana maligna“. Auch Ziemann, Mannaberg u.a. nehmen zwei Varietäten des Tropenfieberparasiten an. Die Frage ist noch nicht spruchreif. Jedenfalls finden sich morphologische Unterschiede, die zu einer Trennung berechtigen, hier kaum in größerem Maße, als sie auch bei verschiedenen Stämmen der sogenannten großen Parasitenarten hier und . dort beschrieben wurden. Gehen wir nun kurz auf die feinere Struktur der Malaria- parasiten ein. Der Unterschied zwischen Plasma und Kernsub- stanz läßt sich nur deutlich machen bei Anwendung der von Ziemann und Romanowsky angegebenen und von Giemsa zu einer praktisch brauchbaren Methode modifizierten Chromatinfärbung. Bei dieser Färbung erscheint das Plasma der Parasiten blau, das Chromatin (Kernsubstanz) leuchtend rot, die roten. Blutkörperchen rosa, während die Leukozyten je nach der Art ihrer Granulationen (basisch, neutrophil oder eosinophil) oder durch die Basophilie des körnchenfreien Proto- plasmas (Lymphozyten, große Mononukleäre usw.) ihre charakteristische, bald mehr blauviolette oder rötliche Färbung annehmen. Die Färbung zeigt uns, daß bei den Ringformen das Chro- matin in der knopfartigen Anschwellung liegt, die sich als rotes Korn von dem blau gefärbten Ring scharf abhebt. Bei den jüngsten plasmaarmen Formen der Parasiten nimmt das Chromatin als rote, scharf begrenzte ovale Masse die schmälere Seite des eiförmigen Parasiten ein, und das Plasma schließt sich an diese Gurt I. Ze Ed ul Si 9 Ten un nu sa anna limn NEE Malaria. 1065 ' als blaugefärbte Sichel auf der breiteren Seite an. Das Chromatin ist jedoch nicht immer an einem Punkte angehäuft, es kommt auch in Form von mehreren Stäbchen vor. - Bei den älteren Formen des Tertian- und Quartanparasiten tritt das Chromatin zunächst in unregelmäßiger Verteilung auf, in den weiteren Stadien kann man jedoch verfolgen, wie es sich zu einem Haufen zusammenzieht und wie diese in der Mitte liegende Chromatinmasse sich dann später in zunächst zwei, dann mehrere Teile teilt (Taf. 90, Fig. 2). Dieser „Kernzerschnürungsvorgang“ ist der Ausdruck einer echten Mitose. Er geht der Teilung (Merulation) des Parasiten stets voraus und tritt beim Tertianparasiten etwa 12 Stunden, bei dem Quartanparasiten etwa 24 Stunden vor Beginn des neuen Anfalles ein. In den Gameten (S. 1062) kann die Menge des Chromatins ver- schieden sein. Man trifft Formen, bei denen die Kernsubstanz in ziem- lich reichlicher Menge in einem schwach bläulich gefärbten Plasma, und andrerseits solche, bei denen geringe Mengen von Chromatin in einem tiefblau gefärbten Plasma liegen. Auch bei den Halbmonden und Sphären des Tropenfieberparasiten kann man diese beiden Formen beobachten (Taf. 90, Fig.2). Die chromatinreichen Formen sind die Ursprungszellen der männlichen Gameten (s. S. 1069) und werden daher „Mikrogametozyten“ genannt, während die chro- matinarmen Formen die weiblichen Geschlechtsformen dar- stellen und „Makrogameten“ heißen. Erwähnenswert ist, daß es in neuerer Zeit gelungen ist, eine Vermehrung der Malariaparasiten in vitro zu erzielen. Die ersten Erfolge bei derartigen Versuchen hatte Bass; später folgten Bestätigungen seiner Angaben durch Thomson, Ziemann u.a. Wenn man 10 ccm defibriniertes Blut, das Ringformen der Malariaparasiten enthält, mit O'1 ccm einer sterilen 50proz. Dextroselösung vermischt und - das Kulturröhrchen bei 40—41°C hält, tritt eine Weiterentwicklung der Parasiten zu Teilungsformen, ein Ausschwärmen der jungen Merozoiten und somit eine Vermehrung ein. Diese Forschungsergebnisse, die übri- gens als im Sinne sonstiger „Kulturen“ gelungene Züchtungen von der Mehrzahl der Forscher nicht anerkannt werden, haben vorläufig ein rein wissenschaftliches Interesse. Praktisch — z.B. zur Diagnose- stellung — sind sie, zumal die Technik umständlich und unsicher ist, ohne Bedeutung. Es sind nun dıe Bilder kurz zu schildern, die wir bei Beob- achtung der lebenden Parasiten im hängenden Tropfen sehen können. Wenn man frisches Blut eines an Febris tertiana Leidenden nach Verdünnung mit physiologischer (0'85proz.) Kochsalzlösung mit der Ölimmersion untersucht, sieht man die jüngsten Formen des Para- siten („Merozoiten“ nach Schaudinn und Lühe, „Sporen“ nach Ross) im Innern des Blutkörperchens als feinste, helle, rundliche, vakuolenähn- liche, umhertanzende Flecke ohne besonders charakteristische Eigen- schaft. Leichter zu erkennen und mit Sicherheit als Malariaparasiten zu bestimmen sind diese Gebilde erst. wenn deutlich amöboide Bewegungen unter Pseudopodienbildung bemerkbar sind, und wenn Pigmenthäufchen in ihrem Innern auftreten. Kultur- Parasiten. ‘@eißel- bildung. 1066 57. Vorlesung. Wenn der Parasit in einem späteren Stadium zur Beobachtung . kommt, also als erwachsener Parasit („Schizont“ nach Schaudinn und Lühe), kann man deutlich sehen, wie das befallene Blutkörperchen gegenüber den anderen größer geworden und abgeblaßt ist; der Parasit erscheint jetzt als graue, etwa die Hälfte des Blutkörperchens ein- nehmende, in seinen Konturen sich schwach bewegende Masse, die im Innern reichliches Pigment enthält. Das Chromatin ist als solches nicht erkennbar; häufig läßt jedoch ein im Innern des Parasiten liegen- der, stärker lichtbrechender Fleck den Ort der Kernsubstanz vermuten. Parasiten, die sich zur Teilung anschicken, lassen die schon beschrie-: bene Zusammenziehung des Pigments deutlich erkennen. Die sich bildenden jungen Parasiten kann man als kleine, ovale, hellglänzende Flecke im grauen Plasma des nunmehr fast das ganze Blutkörperchen einnehmenden Parasiten unterscheiden. Wenn. die jungen Parasiten fertig gebildet sind, sieht man das Blutkörperchen platzen und die neuen Parasiten in das Blut auseinanderfallen, während der ‚Pigment klumpen ausgestoßen wird. Die Entwicklung des Quartanparasiten gibt im hängenden Tropfen, abgesehen von den bereits früher erwähnten Abweichungen, entsprechende Bilder. Die amöboiden Bewegungen treten hier weniger deutlich zutage, dafür ist aber der Parasit als solcher infolge seines größeren Pigmentgehaltes deutlicher sichtbar. Die Erkennung der Tropenfieberparasiten in ungefärbtem Zustande ist sehr schwierig. Dies liegt hauptsächlich daran, daß Pigment bei den jüngeren Ringformen ganz fehlt und auch bei den großen Ringen erst spät und nur in geringen Mengen sichtbar ist. Halbmonde E oder Sphären lassen sich verhältnismäßig leicht nachweisen. Diese Gebilde findet man aber gewöhnlich nur dann, wenn das el na bereits längere Zeit besteht. Besonders interessante Erscheinungen kann man nun bei der Betrachtung der lebenden Gameten aller drei Parasiten im hängen- den Tropfen beobachten. Im Gegensatz zu dem fast ruhig liegenden Pigment der asexualen Formen sieht man bei den Gameten das über das ganze Gebilde gleichmäßig verteilte Pigment in sehr lebhafter „schwärmender“ Bewegung. Man kann weiterhin beobachten, wie zu: einer bestimmten Zeit einzelne der freien Gameten von krampfartigen Zuckungen befallen und hin- und hergeworfen werden. Aus ihrer Peripherie sieht man dann etwa 4 bis 6 lange, dünne Geißelfäden hervörschießen (Fig. 160), die sich sehr lebhaft bewegen, die in ihre Nähe kommenden Blutkörperchen peitschend in Bewegung setzen, sich schließlich losreißen und mit großer Geschwindigkeit durch das Ge- sichtsfeld schwimmen. Die Bedeutung dieser Geißeln, die nichts anderes sind als Spermatozoen der männlichen Gameten, wird uns später (S. 1069) noch eingehender beschäftigen, da sie bereits zum exogenen Entwicklungsgang der Malariaparasiten gehören. Es sei hier aber noch die wichtige Entdeckung von Me Callum erwähnt, der die Befruchtung weiblicher Gameten durch die freigewordenen geißelartigen Gebilde und dadurch ihre Spermatozoennatur nachwies. Laveran wurde durch diese sexualen, mit Geißeln versehenen Parasiten in seinen UBER Präparaten zuerst auf die Malariaparasiten aufmerksam. Malaria. 1067 Der Entwicklungsgang der Malariaparasiten in der Stechmücke. Während die bisher skizzierte ungeschlechtliche Entwicklung der Malariaparasiten und die Bildung der sexualen Formen (Gameten),im menschlichen Blute vor sich geht, erfolgt ihre geschlechtliche Ent- wieklung in der Stechmücke, die nach der Auffassung der Zoologen als „eigentlicher Wirt“ zu betrachten ist im Gegensatz zum Menschen, welcher der „Zwischenwirt“ ist. Als Überträger der menschlichen Malaria kommen unter den Stechmücken, wie wir durch Grassis und Kochs Forschungen wissen, nur die Arten des Genus Anopheles in Betracht. Wir müssen deshalb, bevor wir uns mit der Entwicklung .der Malariaparasiten in der Mücke beschäftigen, kurz diese Mückenart betrachten. Das Genus Anopheles gehört ebenso wie das ihm sehr nahestehende Genus Culex zu der Unterklasse „Oulieidae* der Dipteren. Die Gattung Culex, zu der unsere gewöhnlichsten Stech- Fig. 160. Geißelbildung bei männlichen Gameten. mückenarten gehören, kann bei oberflächlicher Betrachtung leicht mit den Anopheles verwechselt werden und muß deshalb vergleichsweise in diese Beschreibung mit aufgenommen werden. Auffallende Unterschiede zwischen der ausgewachsenen Anopheles- und Culex-Mücke ergibt zunächst die Untersuehung des Kopfes und im besonderen des Stechapparates (s. Fig. 161). Bekanntlich ist der hohlnadel- förmige Stachel der Stechmücken von einer aus zwei Lippen bestehenden aufklapp- baren Scheide umgeben, die für gewöhnlich den Stachel ganz verdeckt. Zu beiden Seiten dieses eigentlichen Stechapparates sitzen die beiden Taster oder Palpen, die mit borstenartigen Haaren besetzt sind. Von diesen wiederum nach außen gehend, stoßen wir auf das Fühler- oder Antennenpaar. Letztere bestehen aus 15 Gliedern, deren jedes an seiner Wurzel einen Kranz von Haaren trägt, die beim Weibchen kurz, beim Männchen lang sind. Die Männchen, die bei beiden Arten kleiner und zarter gebaut sind als die Weibchen, lassen sich also durch die Fiederung der Antennen leicht erkennen. Bei der Gattung Culex sind beim Männchen (Ö) die Palpen 1'/,mal so lang als der Rüssel, während das Weibchen (DO) nur sehr kurze Palpen von etwa dem achten Teil der Rüssellänge hat. Bei der Gattung Anopheles dagegen ist die Länge der Palpen bei beiden Geschlechtern gleich, sie entspricht ziemlich genau der desRüssels. Außer diesen prägnanten Unterscheidungsmerkmalen bietet noch die nach dem Exogene Ent- wicklung (Sporogonie). ' Unterschiede zwischen Anopheles‘ und Oulex. 1068 57. Vorlesung. 2. Fig. 161. Culex. Anopheles EEE : E RR IT ENT. \ ' NS ALR UNE Y [4 Kuhn 39 Die Eier werden zusammenhängend (in „Schiffehen“) abgelegt. 2 Larve hängt fast senkrecht zur Wasseroberfläche. Die Larve liegt parallel a "Wasseroberfläche. Der Leib der sitzenden Mücke steht zur Wand- fläche in’ einem Winkel von etwa 45°. Haltung gerade. Der Leib der sitzenden Mücke steht parallel zur Wandfläche. j Haltung gekrümmt. i x Ye \ RN R Die Palpen sind bei beiden Geschlechtern Die Palpen sind beim Weibehen ( ) sehr kurz, beim annähernd gieich Hung, fatwa 0 an Wk Männchen (()) länger als der Rüssel. der Rüssel. Schematische Darstellung der Hauptunterschäsde zwischen Culex und Anopheles. Malaria. 1069 Adernetz bestimmbare Fleckung der Flügel gewisse Kennzeichen, die namentlich . zur Bestimmung der einzelnen Anopheles- und Culexarten herangezogen werden; fast sämtliche Anophelesarten haben gefleckte Flügel, während die Culexarten mit nur wenigen Ausnahmen Flecken auf den Flügeln nicht besitzen. Auch die Ringelung ° ‚der Beine, die Art der Beschuppung und Behaarung der einzelnen Körperteile, nach Doenitz ferner die Form der Augen kann bei der Artbestimmung verwertet werden. Immerhin sind aber diese Kennzeichen von praktisch geringerer Wichtig- keit und sollen deshalb hier nicht näher erörtert werden. Wir haben aber noch andere Merkmale, die uns die Unterscheidung des Anopheles vom Culex ermöglichen. Wenn man Exemplare: beider Arten an der Zimmerdecke oder an einer Wand sitzen sieht, fällt folgendes sehr charakteristische Verhalten auf; der Culex hält seinen Körper fast parallel der Wand- fläche, während der Leib des Anopheles etwa in einem Winkel von 45° zu ihr steht. Bei Culex ist außerdem der Thorax gegen den Unterleib winklig abgebogen, während beim Anopheles Leib und Thorax eine gerade Linie bilden. Unterschiede in der Haltung kann man auch bei den Larven beobachten: die Ano- pheleslarven schwimmen der Wasseroberfläche fast parallel, während die Culexlarve von der Wasseroberfläche nach abwärts hängt. Der Grund für diese Verschiedenheit liegt in der Länge des Atmungsrohres und in dessen Stellung zum Körper der Larve. Für die Übertragung der menschlichen Malariaparasiten kommt, wie bereits erwähnt, nur das Genus Anopheles in Betracht. Ob von diesem alle Unterarten als Überträger dienen, ist noch nicht mit Sicher- heit entschieden. Bei der weitaus größten Mehrzahl der bisher bekannten Spezies ist die Entwicklung der Parasiten im Mückenleibe experimentell beobachtet worden; es sind nur ganz vereinzelte Arten, bei denen ein solcher Nachweis trotz aller Bemühungen nicht gelungen ist, und die auch, aus der Freiheit in Malariagegenden eingefangen, stets parasiten- frei befunden wurden. Daß an der Malariaübertragung nicht alle Ano- phelesarten gleichmäßig beteiligt sind, scheint festzustehen. Nur die Weibchen der Stechmücken saugen Blut, die . Männchen leben ausschließlich von vegetabilischer Nahrung, namentlich von Früchten. Nun sind aber nicht alle Formen der Malariaparasiten, Übertragung der Malaria durch Anopheles. die wir im menschlichen Blut kennen gelernt haben, geeignet, in der Mücke einen weiteren Entwicklungsgang durchzumachen. Wenn. die Mücke von einem Malariakranken zu einer Zeit Blut saugt, in der er nur ringförmige Parasiten in seinem Blute beherbergt, gehen diese. sehr bald in der Mücke zugrunde, und die Mücke ist nicht imstande, einen anderen Menschen durch ihren Stich mit Malaria, zu infizieren. Nur wenn sie die Formen der Parasiten in sich aufgenommen hat, die wir unter dem Namen „Gameten“ kennen gelernt haben, tritt eine Weiterentwicklung der Parasiten in der Stechmücke ein. Die Gameten sind, wie schon ihr Name besagt (von yzuso — erzeugen), dazu berufen, die geschlechtliche Fortpflanzung der Malariakeime in der Mücke zu gewährleisten. Die Formen der Gameten, die bei der Doppel- färbung reichliche Mengen Chromatin und ein nur schwach färbbares Protoplasma führen, sind die männlichen, die chromatinärmeren und in ihrem Plasma gut färbbaren Formen die weiblichen Gameten. Erstere, die sogenannten Mikrogametozyten, sind es, bei denen sich die auf S. 1066 beschriebene Geißelbildung beobachten läßt. Die Geißelfäden, die Mikrogameten, sind die eigentlichen männlichen Geschlechtsformen der Malariaplasmodien und bestehen vorwiegend aus Chromatin. -Sie entsprechen den Spermatozoen höher organisierter Lebewesen, denn sie dringen, nachdem sie sich von dem sie bildenden Mikrogametozyten Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 69 1070 57. Vorlesung. - losgerissen haben, in die weiblichen Gameten ein und befruchten sie. Entwicklung der Parasiten in der Mücke. mit diesem blitzartig wieder eingezogen wird. .Gestalt von Würmcehen an. Diese Würmchen Die männlichen Halbmonde des Tropenfieberparasiten, die vor den weiblichen wiederum durch ihren Chromatinreichtum ausgezeichnet sind, verwandeln sich vor der Geißelbildung in runde Sphären; ebenso tun dies die weiblichen Halbmonde vor der Befruchtung. Die weitere Entwicklung der menschlichen Malariaparasiten in der Mücke gestaltet sich nun folgendermaßen. Im Magen der Mücke, in den das vom Malariakranken aufgesogene Blut gelangt, findet durch die Geißeln die DIE Befruchtung der weiblichen Gameten statt. Nach Schaudinns Beobachtungen am Tertian- parasiten verliert dabei zunächst das Pigment des Makrogameten seine Beweglichkeit. Aus der Kernsubstanz des Makrogameten wölbt sich dann, etwa 10—20 Minuten nach dem Saugen, ein kleiner buckelartiger Höcker vor, der sich in kurzer Zeit abschnürt und zerfällt. Die ausgestoßene Kernsubstanz dient wahr- scheinlich zur Anlockung der Mikrogameten, denn diese werden nur in der Nähe solcher Makrogameten getroffen, bei denen die be- schriebene Reduktionserscheinung stattfand. Der reduzierte Makrogamet streckt dann einen Plasmahügel (Empfängnishügel) aus, der, so- bald ein Mikrogamet an ihm haften bleibt, . Eine Überfruchtung wird anscheinend dadurch verhindert, daß nach der Konzeption von dem - Makrogameten eine gallertartige Substanz abgesondert wird, welche .die mit ihr in Be- rührung kommenden Geißelfäden lähmt. Die befruchteten Makrogameten nehmen nun all- mählich im Verlaufe von etwa 12 Stunden die (nach Schaudinn und Lühe „Zygoten“ oder wegen ihrer Eigenbewegung „Ookineten“ ge- nannt) bohren sich durch die Magenwandung hindurch und bilden an dessen Außenseite subserös kleine pigmentierte Zysten, die nach‘ 48 Stunden etwa der Größe eines „ngeweidseinesAnopheles, roten Blutkörperchens entsprechen. Die Zysten dessen Magen mit zahlreichen („Oozysten“) wachsen im Verlauf der nächsten CHR SE vedeckt it. Tage derartig, daß sie etwa das Sechsfache ihrer ursprünglichen Größe erreichen (Fig. 162), und bilden dann in ihrem Innern Tochterzysten (nach Schaudinn und Lühe „Sporo- blasten“). Im Inhalt dieser Tochterzysten entstehen etwa am 6. oder 7. Tage, nachdem die Mücke das infizierte Blut aufnahm, kleine sichelförmige Gebilde, die sog. Sichelkeime (Sporozoiten). Die Zyste gewinnt dadurch ein gestricheltes Aussehen (Fig. 163). Nach der Reifung dieser Gebilde platzen die Zysten, die Sichelkeime treten in die Leibes- höhle der Mücke aus und dringen von hier aus vermöge ihrer Beweg- . N ” Malaria. SE 1071 lichkeit und anscheinend infolge einer besonderen Affinität in die Speicheldrüse ein. Be — Die Sichelkeime, die, aus den Zysten entleert, meist eine lanzett- förmige Gestalt haben, sind etwa 1'/,;—2mal so lang als der. Durch- messer eines roten Blutkörperchens und zeigen lebhafte Beweglichkeit. In ungefärbtem Zustande betrachtet, haben sie ein graues, fein granu- liertes Aussehen, bei der Färbung nach Romanowsky-Giemsa erkennt Fig. 163. Bildung der Sporozoiten in den Oozysten von Plasmodium praecox. (Nach Grassi.) - man in ihrer Mitte ein großes Chromatinkorn; das umgebende Proto- plasma färbt sich an den Enden des Sichelkeims stärker als in der Nähe des Chromatins. : . Wenn man die Speicheldrüsen der Mücke (Fig. 164) vorsichtig frei präpariert und mit einem stärkeren Trockensystem des Mikroskops betrachtet, sieht man in den Drüsenläppchen die Sichelkeime meist in größeren Haufen zusammenliegen, sodaß sie den Eindruck eines feinen Gitterwerkes erwecken (Fig. 165); seltener liegen sie einzeln in 69* 1072 .. 57. Vorlesung. einem Drüsenläppchen. Die mittleren Lappen der Speicheldrüsen sind meist viel stärker mit Sichelkeimen besetzt als die Seitenlappen. Wenn Fig. 164. Schematischer Längsschnitt durch Anopheles. - A Kopf. B Ihorax. © Abdomen. 1 Ösophagus. ? Speicheldrüse der linken Seite. 3- akzessorische linke Saugblase. # ventrale Hauptsaugblase. 5 Eingangskanal des Magens. 6 erweiterter Teil des Mitteldarms (Magens). 7 MipDuche Gefäße. & Enddarm. 9 Rektum.. 10 Flügel. 11. Beine. (Nach Grassi.) / nun die Mücke einen bialier ‚gesunden Menschen sticht, werden mit der geringen Speichelmenge, die bei jedem Stich entleert wird, Sichelkeime in das Blut die- ses Menschen übertragen, wo sie in die Ery- throzyten ein- dringen und darin den früher beschriebenen unge- schlechtlichen Entwicklungsgang durch- machen. Die Entwicklung der Malaria-. . parasiten in der Mücke, also von der Aufnahme der Gameten an gerechnet bis zur Ablagerung der Sichelkeime in der Speicheldrüse, dauert bei mittlerer Sommertemperatur (etwa 25° C) 10—14 Tage, bei niedrigerer Tempe- ratur etwas länger (14—18 Tage und mehr). Liegt die Außentemperatur dau- - ernd unter 15°C, so findet eine Fort- pflanzung und Entwicklung der Para- siten in der Mücke nicht statt. Sind aber im Beginn der Entwicklung höhere Wärmegrade vorhanden gewesen, so Um = schädigen, wie van der Scheer, Schoo Schema des dorsalen Schlauches einer und Jancaö ‚feststellten. selbst Tempe ri raturstürze bis auf 9° die Weiterentw ick- ME Be De Jung nicht. Die wichtige Entscheidung der Frage, ob die Malariakeime. mit Fig. 165. den Eiern infizierter Anophelen auf die junge Brut übergehen können, Malaria. 1073 ist bisher noch nicht zu erzielen ‚gewesen, weil die Züchtung der Anophelen aus Eiern bisher nicht gelungen ist. Ebensowenig ist bisher eine sichere Methode der Züchtung der Malariaplasmodien bekannt. In Kulturröhrchen, die nach Bass und Johns mit Natriumzitrat-Dextroselösung und parasitenhaltigem Blut beschickt sind, gelingt es zwar, die Entwicklung der Parasiten bis zur Merulation zu fördern, aber keine neuen Generationen zu erzielen. Das klinische Bild der Malariakrankheiten ist im Fiebertypus und im akuten Anfall äußerst charakteristisch. Die an ganz bestimmten Tagen wiederkehrenden, mit steilem Anstieg beginnenden und ebenso steil abfallenden Fieberanfälle haben zu dem bezeichnenden Namen „Wechselfieber“ geführt. Das abgesehen von einer gewissen Mattigkeit nach. Beendigung des Anfalles in der fieberfreien Zeit ungestörte Wohl- befinden des Patienten und das Fehlen jeglicher sonstigen Krankheits- erscheinungen außer einer akuten Milzvergrößerung und dem schoh skizzierten Blutbefunde charakterisieren das Leiden als-eine ausgespro- chene Krankheit des Blutes. Die Malaria ist -eine chronische In- fektion, die sich fast stets — mit und ohne Therapie — über Jahre - hinzieht. Wir wollen zunächst die Krankheitserscheinungen besprechen, die die frische Infektion zur Folge hat. Die Inkubationsdauer der Malaria beim Menschen, d.h. die zwischen dem infizierenden Mückenstich und dem Einsetzen der ersten E Krankheitserscheinungen liegende Zeitspanne, ist bei den einzelnen Fieberarten verschieden und vielleicht bis zu einem gewissen Grade auch von der Zahl der durch die Mückenstiche eingeimpften Sichel- 4 keime abhängig. Es muß sich erst eine gewisse Zahl. teilungsreifer Parasiten angesammelt haben, ehe es zum Ausbruch der Krankheit kommt. Die Inkubationszeit der Malaria tertiana schwankt zwischen 10 und 14 Tagen (Durchschnittswert nach Mannaberg 11 Tage), die $ . der Malaria quartana zwischen 10 und 20 Tagen (Durchschnittswert 13:4 Tage), die des Tropenfiebers zwischen 5 und 10 Tagen (Durch- schnittswert 65 Tage). Die experimentellen Infektionen, die. verschie- dentlich durch Einspritzung von Malariablut bei Gesunden erzielt wur- den, haben im großen und ganzen ähnliche Inkubationszeiten erkennen ‚lassen, wenn bei ihnen nicht allzugroße Blutmengen Schwerkranker verwendet wurden. Es kommen offenbar aber auch Fälle vor, in denen erst 3—5 Wochen oder noch später nach der Übertragung ganz spärlicher Keime die Krankheit manifest wird. Eine derartige verlängerte Inkubationsdauer und Latenz der Malaria wird aber häufiger nur bei Personen beobachtet, die Chinin- prophylaxe trieben; sie kann hier mehrere Monate, bis zu 1 Jahr und unter Umständen noch länger dauern (s. S. 1091). Bei Leuten, die nicht unter Chininschutz standen, muß man ‚mit der Annahme einer längeren Latenz zum mindesten sehr vorsichtig sein; meist werden hier Anfälle schon vorangegangen sein, die aber nicht voll ausgebildet oder atypisch waren und deshalb nicht als Malariaanfälle erkannt wurden. Die während des Krieges gesammelten Erfahrungen lassen immerhin die Möglichkeit bestehen, daß aus noch unbekannten Ursachen gelegentlich bei einem Menschen die Inkubationsdauer wesent- lich verlängert sein kann. Krankheits- bild der Malaria. 1074 57. Vorlesung. Dem akuten Fieberanfall gehen gewisse Vorboten voraus, die in allgemeinen Beschwerden wie Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Kopfschmerz und Gefühl der Schwere in den Gliedern bestehen. Diese Prodrome werden indessen bei sog. „Erstlingsfiebern“ meist nicht recht beachtet. Mitunter beginnt die Krankheit ganz plötzlich mit einem starken Schüttelfrost, an den sich dann das Stadium des hohen Fiebers an- schließt. Man muß, wenn man über den Fiebertypus ein genaues Bild _ gewinnen will, die Malariakranken im Verlaufe eines Tages 6—8mal messen; sonst werden leicht Einzelheiten der Kurve übersehen, die namentlich für die Diagnose des Tropenfiebers oft von Wichtigkeit sind. Der Abfall der Temperatur erfolgt meist unter starkem Schweißaus- | 'bruch. Während der Anfälle bestehen Kopfschmerzen, Milzschmerzen, völlige Appetitlosigkeit, Erbrechen und Steigerung der Pulsfrequenz. Bei Tertianfieber wird häufig Herpes labialis beobachtet, bei den anderen Malariaformen viel seltener. Der Harn zeigt eine vermehrte Urobilin- und Urobilinogenausscheidung, enthält nach wiederholten Anfällen oft auch Eiweiß. Beim Tropenfieber treten vielfach auch Durchfälle auf. Bemerkenswert ist ferner, daß im Stadium der Anfälle (nicht aber im Latenzstadium!) die Wassermannsche Reaktion bei etwa einem. Drittel £ aller Kranken positiv ausfällt. Schwere, sog. „perniziöse“ Formen des Krankheitsbildes entwickeln sich entweder bei allgemeiner schwerer Infektion oder bei gefährlicher Lokalisation der Krankheitserreger. Nach Nocht und Mayer kommen hier hauptsächlich in Betracht: 1. lebensgefährliche Fieberhöhe: die Temperatur steigt über 41°C und. höher; es bestehen starke Kopfschmerzen und Delirien. Der Zustand erinnert oftan Insolation und wird vielfach auch durch intensive Sonnenbestrahlung ausgelöst; 2. die sog. algide Form, an das Stadium algidum der Cholera erinnernd, charakterisiert durch raschen Kräfteverfall, Facies hippocratica, drohenden Kollaps. Der Zustand wird durch schwere Infektion, Herzschwäche usw. bedingt; 3. die komatöse Form mit Apathie, Somnolenz und Koma. Diese Form, die fast ausschließlich beim Tropenfieber, Erstlingsfiebern wie Rezidiven, beobachtet wird, ist auf eine besonders starke Überflutung der Hirnkapillaren mit Parasiten zurückzuführen: 4. die meningitische Form mit gesteigertem Lumbaldruck; durch Emmbal- punktion können die Krankheitserscheinungen vorübergehend wesentlich gemildert werden; 5. die pneumonische Form mit Lungenblutungen und Asphyxie; sehr selten beobachtet und durch vorwiegendes Ergriffensein der Lungenkapillaren bedingt; 6. die dysenterische Form mit blutig-schleimigen Entleerungen und Darm- blutungen, bedingt durch Überfüllung der Darmschleimhautkapillaren mit Parasiten; 7. allgemeine Neigung zu Hämorrhagien. Bei kleinen Kindern ist das Krankheitsbild meist atypisch, sodaß die Infektion meist übersehen wird. An Stelle des Schüttelfrostes treten hier oft Kraupie, und es entsteht allmählich eine starke Blutarmut. Auffallend ist die eigenartige graugelbe Hautfarbe der Malariakranken, die sich manchmal schon nach wenigen Anfällen einstellt. Sie ist ein Zeichen,dafür, daß durch den massenhaften Zer- fall von roten Blutkörperchen, der bei jedem Anfall eintritt, sehr ei eine hochgradige Anämie entsteht. Wird die Malaria nicht behandelt, so wiederholen sich die Anf älle zunächst regelmäßig in den durch die Parasitenentwicklung bestimmten Zeiten. Allmählich werden sie jedoch kürzer und schließlich hören sie auch ganz auf, wenn der befallene Organismus eine relative Immunität ausgebildet hat. Ehe es aber zu einer solchen Selbstheilung kommt, leidet der Gesundheitszustand des Kranken erheblich. Malaria. _ 1075 Wenn die kurzen, 6—8 Stunden währenden Fieberanfälle von nur einem fieberfreien Tage unterbrochen sind, sich also alle 48 Stunden wiederholen, haben wir es mit der Febris tertiana zu tun, wenn sie aber alle 72 Stunden wiederkehren, also 2 fieberfreie Tage zwischen den einzelnen Anfällen lassen, liegt eine Febris quartana vor. ‘Mitunter tritt der Fieberanstieg des neuen Anfalles nicht immer genau zu der gleichen Tagesstunde ein wie der des vorigen; er be- einnt vielmehr um wenige Stunden früher oder aber später. Derartige Fieber werden als Febris (tertiana bzw. quartana) anteponens-oder postponens bezeichnet. Ihr Zustandekommen ist noch nicht genügend geklärt.- Man hat angenommen, daß hier die Entwicklung der meisten im Blute vorhandenen Parasiten bereits vor Ablauf voller 48 bzw. 72 Stunden bis zur Merulation gediehen (Febris anteponens) oder aber um diese Zeit noch nicht völlig beendet (Febris postponens) sein müsse. Aber sorgfältige Untersuchungen von Blutpräparaten aus solchen Fällen ‚haben keine Beweise für diese Annahme zu erbringen vermocht. Ruge . hat eine eigenartige Zerrissenheit der kleinen, namentlich aber der halb- und dreiviertelerwachsenen Parasiten bei anteponierenden Fiebern beschrieben. ohne jedoch aus diesem Befunde eine Ursache für den verfrühten Fiebereintritt zu folgern. Bei Tertian- und Quartanfieber sind die Fieberkurven ty isch und ähneln sich, wenn man Kurven von verschiedenen Kranken vergleicht. sehr, wenigstens so lange, als es sich um frische Erkrankungen handelt, deren Verlauf durch Chininbehandlung noch nicht beeinflußt ' wurde. Sie weisen einzelne Temperaturzacken mit steilem Anstieg und Abfall und meist scharfer, seltener etwas breiterer Spitze auf. Über die Formen der Plasmödien, die man in den einzelnen Phasen des An- falles findet, war schon kurz gesprochen worden. Wir hatten gesehen, daß zu einer bestimmten Zeit die Parasiten, die man in dem durch- E musterten Präparat findet, vorwiegend das gleiche Entwicklungsstadium zeigen. Einzelne Parasiten, die der Mehrzahl gegenüber in der Ent- wicklung entweder etwas zurückblieben oder aber etwas voran sind, können den Allgemeineindruck des Präparates nicht ändern. Aus dem ‘ Blutbefunde kann man also auf das Stadium, in dem sich die Krank- heit zur Zeit der Biutentnahme befand, Rückschlüsse ziehen. Das Fieber beginnt zur Zeit der Parasitenteilung (Meru- lation). Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß spezifische, von den Parasiten stammende Giftstoffe die Ursache für das Fieber sind, und daß sie auch die Allgemeinsymptome bedingen. Aber wir wissen zurzeit noch nicht, ob die Gifte sezerniert oder von den Parasiten beim - Zerfall, namentlich im Momente der Merulation geliefert werden (art- fremdes Protoplasma ?): Es gibt Malariafieber, bei dener täglich ein Anfall eintritt. Diese „Febris quotidiana“ wurde früher für eine besondere Form der Malaria gehalten. Heute wissen wir aber, daß sie nur eine klinisch besondere - Form .des Tertian-, Quastan- oder (seltener) des Tropenfiebers ist. Wenn dasselbe Individuum an zwei aufeinander folgenden Tagen mit Tertian- parasiten infiziert wird, oder wenn sich sonstwie im Laufe ein und derselben Infektion nach und nach im Blut zwei Parasitengenerationen ausbilden, deren Entwicklungsgang in seinen einzelnen Phasen immer Febris ante- ponens und postponens. Quotidian- fieber. Tropen- \_Beber. 1076 57. Vorlesung. um 24 Stunden differiert, Haan wird die zweite Parasitengeneration 24 Stunden nach der ersten zur Merulation kommen und demgemäl zu dieser Zeit einen neuen Fieberanfall auslösen. Nach abermals 24 Stunden wird wieder durch die erste Generation ein Anfall aus- gelöst, und so geht es fort. Wir haben hier also eine „Febris tertiana duplex“ vor uns. Ebenso kann ein Quotidianfieber durch Quartanparasiten | hervorgerufen werden, wenn sich 3 verschiedene Generationen in Ab- ständen von je 24 Stunden entwickeln („Febris quartana triplicata“). Letzteres ist allerdings seltener als die Doppelinfektion mit Tertian- parasiten. Daß das (uotidianfieber keine ätiologisch besondere Form der Malaria darstellt, davon kann man sich durch genaue Untersuchung des Blutes überzeugen. Bei der Febris tertiana duplex findet man, wenn man von den als Nachzügler oder verfrühte Formen aufzufassenden Bildungen absieht, nur immer Stadien des Tertianparasiten, die um 24 Stunden auseinanderliegen, und ebenso bei dem dreifachen Quartan- fieber Stadien des Quartanparasiten, die in ihrem Alter 24 und 48 Stunden differieren. Unter Umständen kann auch durch zwei verschiedene Generationen des Tropenfieberparasiten ein tägliches Fieber ver- ursacht werden. Formen, die zur Annahme eines besonderen Quotidian- fieberparasiten berechtigen, gibt es nicht. Daß es übrigens auch. Mischinfektionen mit verschiedenen ‚Para- sitenarten gibt, sei hier nur PEWERRE Wir ran später darauf zurück- kommen. Die Fieberkurve der Febris tropica ist nicht so typisch wie die der bisher geschilderten Formen, aber sie ist auch, wenigstens in frischen, unbehandelten Fällen, nicht so vielgestaltig, wie man früher annahm. Koch zeigte, daß die Tropenfieberkurve eine wohlcharakterisierte ist (Fig. 166), obwohl sie verschiedene Modifikationen aufweisen kann. Der Anstieg ist meist nicht so steil wie beim Tertian- und Quartanfieber. Die Temperatur hält sich dann gewöhnlich 20 bis 30 Stunden auf der Höhe und weist in dieser Zeit nur eine tiefere oder mehrere flachere Einsenkungen auf. Der Abfall ist wieder ziemlich steil, manchmal aber auch durch eine oder mehrere Zacken unterbrochen. Der neue Anfall schließt sich meist nach Verlauf nur weniger fieberfreier Stunden an, mitunter aber kommt es überhaupt nicht zu einer Apyrexie, sondern der neue Anstieg der Temperatur beginnt, während noch vom vorherigen Anfall Fieber von etwa 38°5 oder 38°C besteht. Es ist in diesen Fällen ohne Blutuntersuchung unmöglich, sich über die einzelnen Stadien der Anfälle zu orientieren. Auch beim Tropenfieber sind die Kurven nur bei Neuerkrankungen typisch; in älteren Fällen und in solchen, die bereits durch Chinin beeinflußt sind, verwischen sich die Charakteristika . der Fieberschwankungen bedeutend, sodaß man aus der Kurve allein ein klares Bild des. Verlaufes nicht mehr gewinnen kann. Bei einem Teil dieser sogenannten Fälle von Febris tropica continua weist das Fieber allerdings, wie Ruge durch sorgfältige, auch nachts durchgeführte Messungen feststellte, doch kurze Remissionen auf; bei einem anderen Teil handelt es sich offenbar um zwei verschiedene Parasitengenerationen. Die nicht genügend . begründete Ansicht einiger Autoren, daß es einen besonderen Parasiten der Febris tropiea quotidiana gebe, wurde bereits erwähnt. DE Da in a et ne laut m LE = Inn nn due a 1 ae ti ek ae tn u Malaria. 1077 Wenn man das Blut des Tropenfieberkranken während des etwa - 4-12 Stunden dauernden Fieberanstieges und im Beginn der Fieberhöhe untersucht, findet man meist gar keine Parasiten. Erst wenn schon mehrere Stunden hohes Fieber bestanden hat, treten einige spärliche kleine Ringformen auf („kleine Tropenringe“). Etwa von der Mitte der Fieberhöhe bis zur Mitte des Fieberabfalles trifft man mittelgrobe -Ringformen und erst gegen Ende des Fieberabfalles und in dem kurzen » = 4 no © SNHOaYyNnHoRaKnHon En Hand fieberfreien Stadium die großen Tropenringe. Mitunter können letztere übrigens als Nachzügler während}des neuen Fieberanstieges in geringer ; Fig. 166. B.Aug. | MAug. | BAug. | V6Aug. | IZAug. | 18.Auy. [8110 SGCEETERBBBT EBEBRREBREIERBERNEROGE $ 3 yhr A R ESF =T;°E 3 Sc = BAR; Fi zn ER, be da a FR = 1? Stets AERERERENTEITZENSE Ben SERSIER Pe) & : a an 2 Ge e zw m © ri SEC ee = Sh=T:* zip > RE ‘ x Bis 7 = =E T = > 5 AG 3 2 um” 2: R HF Si > FSK =F ol = » EIZE 393 £ JE IBES®# E =12 5 - 2 Eu a = MEER r r1 ZDERE 0 IE j£ ne er G er s 1 cr} ‘ ;* Ri | B x = oO Fr a o 3 a d Br: pt ai 5 a al v4 Inr mi Hk: "58 } Typus des Tropenfiebers nach R. Koch. . Zahl gefunden werden. Da die Teilung der Tropenfieberparasiten in den Kapillaren der Milz, der Leber, des Knochenmarkes und des Gehirns vor sich geht, findet man Teilungsfiguren nur im Blut dieser Organe: im peripheren Blut wird ein derartiger Befund nur sehr selten und - bei schwersten Krankheitsfällen erhoben. Auch die kleinen und mittleren Ringformen sind bei frischen Infektionen in der Regel‘ nur spärlich nachweisbar; nur die großen Tropenringe trifft man in demselben Präparat häufig in größerer Anzahl an. Die geringe Zahl der Parasiten im zirkulierenden Blut ist besonders auffällig in chronischen Fällen, ‚die klinisch oft schwere Symptome bieten. Dieses scheinbar paradoxe Schwarz- wasser- fieber. 1078 57. Vorlesung. Phänomen ist wohl nur dadurch zu erklären, daß die Parasiten sich beim Tropenfieber überhaupt mehr in den inneren. Organen anhäufen, als im peripheren Blut. In ganz besonders schweren Fällen von Tropen- fieber, die schnell tödlich . verlaufen, ist allerdings das Blut oft von Parasiten geradezu überschwemmt; man sieht hier fast jedes Blut- körperchen infiziert und findet nicht selten in einem und demselben Erythrozyten mehrere Ringformen. Beim Tropenfieber sind die klinischen Erscheinungen meist viel schwerer als bei der Febris tertiana und quartana. Aus diesem Grunde wird das Tropenfieber ja auch vielfach „Malaria perniciosa“ genannt. Stärkerer Schüttelfrost tritt hier allerdings weniger regelmäßig auf, als bei den .intermittierenden Fiebern, dafür ist aber das Unbehagen der Patienten bei Beginn der Anfälle viel ausgesprochener. Während des Anfalles fallen die Kranken durch ihr stark gerötetes Gesicht und die brennendheiße, völlig trockene Haut auf. Besonders charakteristisch sind die äußerst "heftigen Kopfschmerzen und die Schlaf- losigkeit. Die Patienten sind sehr matt und klagen über starken Durst. Schmerzen im Rücken und in den Beinen und über Brechneigung. Milzschwellung wird bei Tropenfieberkranken nicht so regelmäßig gefunden wie bei den anderen Fieberarten. Die Anämie kann schon nach wenigen Anfällen bedrohliche Grade annehmen, es kommt häufig zu ausgesprochener Herzschwäche. Weiterhin treten sehr oft Darm- störungen auf, die unter Umständen dysenterischen Charakter an- nehmen und das Krankheitsbild nicht unerheblich beeinflussen. Auch unstillbares Erbrechen wird beobachtet. Im Gebiete der Respirations- organe komplizieren mitunter Pneumonien und Pleuritiden die Krankheit. Schwere Erscheinungen bietet auch das Nervensystem dar. Bald sind ausgesprochene Delirien vorhanden, die sich bis zu Geistes- störungen steigern können, bald liegt der Kranke im-schwersten Koma völlig apathisch da. Kinder werden vielfach von Krämpfen befallen. Einen besonderen Krankheitszustand, der den Malariafiebern und unter ihnen besonders dem Tropenfieber eigentümlich ist, bildet das Schwarzwasserfieber. Der Schwarzwasserfieberanfall beginnt nach plötz- lich auftretendem erheblichem Unwohlsein mit einem starken, mehrere Stunden dauernden Schüttelfrost, während dessen die Temperatur steil in die Höhe geht. Äußerst heftiger Kopfschmerz und galliges Erbrechen | stellen sich ein. Die Pulsfrequenz ist sehr hoch, auch tritt Atemnot auf. Der von Angstgefühl gequälte Kranke wird zuerst äußerst blaß, dann ikterisch und verfällt sehr schnell. Der Urin ist auf der Höhe des Anfalles schwarzrot und enthält große Mengen von Hämoglobin . und von Eiweiß. Auch die Darmentleerungen können schwarz gefärbt sein. Milz und Leber sind nachweisbar vergrößert. Der Erythrozyten- gehalt des Blutes sinkt außerordentlich schnell, oft bis auf 1 Million im Kubikmillimeter und Menieer; ebenso erheblich fällt der Hämoglobin- gehalt, mitunter bis auf 25°/,. Wenn infolge der Verstopfung der Harn- kanälchen durch Hämoglobin langdauernde Anurie eintritt, geht der Kranke gewöhnlich in dem Anfall unter den Zeichen der Herzschwäche zugrunde: bleiben aber die Nieren funktionsfähig, so gehen die be- schriebenen Erscheinungen . allmählich "zurück, und nach ri, oder kürzerer Rekonvaleszenz tritt Genesung ein. Malaria. 1079 Das Wesen des Schwarzwasserfiebers besteht also in einem plötzlichen massenhaften Zerfall roter Blutkörperchen und derAusscheidung derZerfallsprodukte durch die Nieren. Über ‚die Ursachen dieses Krankheitszustandes ist man lange Zeit im unklaren gewesen. Das Schwarzwasserfieber wurde als besondere, schwerste Form der Malaria angesehen. Heute wissen wir, daß es mit der Malaria nur sekundär zusammenhängt und als besondere Komplikation aufzufassen ist. Zur Erkrankung an Schwarzwasserfieber gehört eine Disposition, die fast ausnahmslos durch eine bestehende oder früher überstandene Malariainfektion im Verein mit bestimmten klimatischen Faktoren ge- schaffen wird. Am häufigsten wird Schwarzwasserfieber bei Tropen- fieberkranken beobachtet, doch kommt es auch bei Leuten vor, die an Tertiana oder Quartana erkrankt waren. Die Krankheit tritt bei Leuten auf, die in gewissen tropischen und subtropischen Ländern weilen oder geweilt haben. Merkwürdigerweise bleibt nämlich die Disposition auch nach dem Verlassen derartiger Gegenden noch lange Zeit bestehen. Meist handelt es sich um Personen, die schon seit langer Zeit an Malaria leiden und bedeutende Milzschwellung haben. Genauer sind wir über die Entstehung der Disposition nicht unterrichtet. Wenn auch bisher keine Länder mit Sicherheit bekannt geworden sind, in denen Schwarzwasserfieber ohne Malariaerkrankung erworben werden kann, so ist es jedenfalls auffallend, daß in den einzelnen malariaverseuchten tropischen Gegenden das Schwarzwasserfieber so verschieden häufig vorkommt. Englische Forscher haben die Vermutung-ausgesprochen, daß das Schwarzwasserfieber die Folge einer Misch- "infektion mehrerer Malariaparasiten mit anderen, ebenfalls durch Anophelinen über- tragbaren Parasiten (ultramikroskopisches Virus, z. B. Pappatacifieber oder dergl.) sei. Andere Forscher wieder mutmaßen eine besondere Form der Virulenz für die Malariaparasiten in den am meisten von Schwarzwasserfieber befallenen Ländern. Sichere Anhaltspunkte liegen aber für diese Annahmen bisher nicht vor. Der einzelne Schwarzwasserfieberanfall wird fast stets durch Medikamente ausgelöst, und zwar meist durch .Chinin, seltener durch Methylenblau, Antipyrin, Salipyrin, Phenazetin, Sal- varsan usw. Im Laufe einer ungenügenden und besonders einer unregel- mäßig durchgeführten Behandlung der Malaria werden solche Kranke . gegen die Medikamente allmählich immer weniger tolerant, sodaß schließlich geringe Mengen von diesen zur Auslösung des Schwarzwasser- fieberanfalles genügen können. Auch andere Gelegenheitsursachen, 2. B. starke und langdauernde Abkühlung der Haut, Durchnässung usw. können zum Schwarzwasserfieber führen. Bei den Eingeborenen der tropischen Malarialänder tritt Schwarzwasserfieber sehr selten und dann meist in viel leichterer Form auf als bei Europäern. Als Ursache für dieses Verhalten ist wohl die bei den Eingeborenen früh erworbene relative Malariaimmunität anzusehen. So häufig also auch die Hämo- globinurie mit Malaria vergesellschaftet ist, so ist sie doch für sie keineswegs spezifisch. Sie kann als Krankheitssy mptom in allerdings seltenen Fällen auch mit anderen Leiden ursächlich in Zusammenhang stehen. Bei jedem Schwarzwasserfieberkranken ist jegliche Chininverab- reichung sofort auszusetzen. Auch bei den leichtesten Fällen ist unbedingte Bettrahe und Zuführung reichlicher Flüssigkeitsmengen anzuordnen. In schweren Fällen sind subkutane oder intravenöse Infusionen von Kochsalz- oder 3’5proz. Misch- infektionen. Rückfälle. 1080 57. Vorlesung. Natrium carbonicum-Lösung geeignet, dem Versiegen der Harnsekretion vorzubeugen und den drohenden Kollaps zu bekämpfen. Wenn der Anfall vorüber, die Tem- peratur wieder regelrecht und Blut und Eiweiß aus dem Harn völlig verschwunden sind, muß der Kranke zur Weiterbehandlung seiner Malaria in vorsichtiger Weise unter ständiger Temperatur- und Harnkontrolle allmählich wieder an Chinin ge- wöhnt werden. Mischinfektionen mit verschiedenen Parasiten kommen nicht selten vor. Es können sowohl Tertian- als auch Quartanparasiten neben - dem Parasiten des Tropenfiebers gefunden werden. Ein gleichzeitiges’ Vorkommen von Tertian- neben Quartanparasiten ist seltener. Nur eine aufmerksame Blutuntersuchung kann das Vorliegen einer Mischinfektion entscheiden, denn die Fieberkurve ist unter solchen Umständen in der Regel völlig uncharakteristisch. So kann z. B. ein kontinuierliches Fieber resultieren, wenn die Tertianaintermission durch die lange 36stündige Fieberhöhe ausgefüllt wird, die von einer gleichzeitig bestehenden Tropenfieberinfektion herrührt. Lange Zeit pflegen sich übrigens zwei verschiedene Parasitenarten nebeneinander nicht im Blute zu behaupten. Meist wird der Tertian- bzw. Quartanparasit von dem Tropenfieber- parasiten verdrängt, mitunter aber räumt letzterer das Feld und die Kurve nimmt dann, wenn die Erkrankung noch nicht sehr lange Zeit besteht, das typische Bild einer Febris tertiana oder quartana an. Man beobachtet mitunter aber auch, daß die eine dieser Infektionen längere Zeit latent bleibt und daß z. B. ein Kranker, der im Herbst an Tropen- fieber litt, im nächsten Frühjahr wieder einen Rückfall seiner ehe- maligen Tertianainfektion erleidet. ‚Wie schon erwähnt, muß die Malaria als chronische Krank- heit angesehen werden, bei der die einzelnen Fieberanfälle nur der Ausdruck besonderer, von Zeit zu Zeit sich ausbildender Steigerung der Infektion sind (Nocht und Mayer). Man muß in jedem Falle mit dem Auftreten von Rückfällen rechnen, auch wenn große Chinin- gaben lange Zeit hindurch gegeben werden. Das Ausbleiben jeglichen Rezidivs ist eine Seltenheit. Mitunter jedoch hören auch bei mangelhaft durchgeführter oder ganz unterlassener Chinintherapie nach einer Reihe von Anfällen die Fieberbewegungen zunächst infolge einer gewissen Selbstimmunisierung auf, bei Tropenfieber meist früher als bei Tertian- und Quartanfieber. Die Krankheit ist sodann in das Latenzstadium getreten. Entspre- chende Latenzstadien gibt es auch später zwischen den einzelnen Rück- fällen. In diesen anfallfreien Perioden, die unter Umständen jahrelang dauern .können, fühlt sich der Kranke oft völlig wohl. Er befindet sich in einem Zustande der Immunität, die aber labil ist und durch Schädigungen des Körpers aufgehoben werden kann („labile Infektion“ bzw. „labile Immunität“). Manche chronisch Infizierten zeigen, wenn schon zahlreichere und schwerere Anfälle überstanden sind, ein fahles Aussehen, klagen über Appetitmangel, fühlen sich schlecht und haben Milzschwellung und vermehrte Urobilin- und Urobilinogenausscheidung im Harn. Das Blutpräparat zeigt eine Vermehrung der mononukleären Leukozyten und vielfach eine basophile Färbung der Erythrozyten. Malariaparasiten fehlen, nur ausnahmsweise werden vereinzelte Gameten angetroffen. Malaria. 1081 | Die Latenzstadien der Malaria werden bald früher, bald später - von Rückfällen unterbrochen. Diese Rückfälle treten mitunter in ziem- lich regelmäßiger Zeitfolge auf, z. B. alle 3 Wochen. Sehr häufig sind klimatische und jahreszeitliche Einflüsse für das Aufflackern der In- fektion bedeutungsvoll, namentlich die Frühjahrs- und Frühsommer- monate bringen bei Malariakranken oft Rezidive mit sich. Daß äußere Einwirkungen, vor allem Durchnässungen, Erkältungen, Überanstren- gungen, Exzesse und psychische Aufregungen vielfach den unmittelbaren Anlaß zu Rückfällen bieten, ist allgemein bekannt. Im Kriege sah man die gleiche Wirkung auch bei Verwundungen und bei Vornahme von Sehutzimpfungen. Rückfälle lassen sich auch künstlich hervorrufen durch kalte allgemeine Duschen, Milzduschen, heiße Umschläge auf die Milz, Heißluftbäder, Bestrahlung mit ultraviolettem Licht, Adrenalin, Hypophysin, durch körperliche Anstrengung (Märsche, Holzhacken usw.) und durch Einspritzung von Milch, Pferdeserum, durch Röntgen- und Radiumstrahlen usw. Derartiger Provokationsverfahren kann man. sich mit gutem Erfolg bedienen, wenn man feststellen will. ob eine Malariainfektion schon ausgeheilt ist oder nicht. - Klinisch verhalten. sich die Rezidive ganz ähnlich wie die Erst- lingsfieber. Kranke, die schon häufiger Malariaanfälle hatten, erkennen ihr Nahen an den schon erwähnten Vorboten im voraus. Die ersten Anfälle der Rezidive sind — was übrigens auch für die Erstlingsfieber zutrifft — vielfach rudimentär. Es kommen auch Rückfälle bei alten Infektionen vor, die so atypisch sind und sp schnell vorübergehen, daß E. ‚sie nicht diagnostiziert werden. Zülzer fand eine periodische Schwellung der Milz und Leber auch bei leichten Anfällen. Zur Erklärung der Rezidive wird von vielen Forschern die” ' zuerst von Schaudinn behauptete und schon kurz erwähnte Möglichkeit angeführt, daß weibliche Gameten, die sich im Latenzstadium lange in Milz, Knochenmark usw. halten können, eine Rückbildung in Schizonten erfahren. Außerdem können aber Rückfälle auch von vereinzelten unge- schlechtlichen Formen ausgehen, die in den inneren Organen untätig erhalten bleiben und dann nach längerer Zeit durch irgendwelche äußeren Anlässe zu erneuter Weiterentwicklung gebracht werden. Es ist von individuellen Verhältnissen und von der Art und Dauer der Behandlung abhängig, wie lange sich die Parasiten bei einem einmal infizierten Menschen, ohne daß eine Neuinfektion erfolgt, halten und zu Rezidiven führen können. Viele Autoren, unter ihnen z. B. Ziemann und Schilling, halten Rückfälle auf Grund ihrer Erfahrungen noch viele Jahre nach der Infektion für möglich. Nocht und Mayer vertreten die Ansicht, daß, wenn Neuinfektionen ausgeschlossen sind, die Malaria in der Regel in wenigen Jahren ganz ausheilt. | Bei Personen, die in malariaverseuchten Gegenden immer erneuten Infektionen ausgesetzt waren, kommt es zu Krankheitsbildern, die schlechtweg als chronische Malaria bezeichnet werden. Hier verwischen sich die oben skizzierten Fiebertypen und überhaupt das klinische Bild der Anfälle immer mehr und mehr. Dabei ist es gleichgültig, ob Chinin gegeben wurde oder nicht. Man kann dann die Art der Malaria nicht mehr aus der Fieberkurve feststellen, sondern nur aus der Unter- Krankheits- bild der chronischen Malaria. 1082 57.. Vorlesung. suchung des Blutes. Die einzelnen Entwicklungsstadien der Parasiten sind aber auch nicht mehr so scharf begrenzt wie bei Neuerkrankungen. Man findet namentlich bei der chronischen Febris tropica alle möglichen Stadien des Parasiten nebeneinander. Überhaupt geht beim Tropenfieber am schnellsten das typische Krankheitsbild verloren, während es sich bei der Febris quartana am längsten rein zu erhalten pflegt. Bei den. chronischen Fiebern kann der Parasitenbefund im allgemeinen recht spärlich sein; man findet aber verhältnismäßig weit mehr Gameten im Blut, als bei frischen Fällen. Bei langer Dauer (der Infektion und wiederholter Reinfektion entwickelt sich schließlich der schwere Krankheitszustand, den wir als Malariakachexie bezeichnen. Die Kranken zeigen eine hochgradige Anämie, sind sehr matt und magern stark ab. Milz und Leber sind .stark geschwollen (Fig. 167), am Gesicht und an den Gliedmaßen finden sich häufig. Ödeme. Das Blutbild läßt eine starke Verminde- rung der Erythrozyten erkennen, es treten Normoblasten und Megalo- blasten auf. Die einkernigen: Leuko- zyten sind vermehrt, sonst besteht aber Leukopenie. Der Hämoglobin- gehalt des Blutes kann um 40 bis 50°/, herabgesetzt sein, der Harn ‚enthält oft Eiweiß und reichlich Urobilin. Fig. 167. N ‚Kurz zu besprechen sind noch Krankheitszustände bei ehemals mit Malaria infizierten Personen, die man unter dem Namen „larvierte - Malaria“ häufig erwähnt findet. Es handelt sich hierbei meist um Stö- rungen im Gebiete des Zentral- nervensystems, die periodisch wieder- i £ FR kehren und von völlig freien Zeit- u abschnitten unterbrochen sind. Sie £ lassen sich durch Chinin erfolgreich behandeln. Neuralgien, nament- lich im Gebiete des Trigeminus und des Supraorbitalis, werden am häufigsten hierher gerechnet, oft auch Neuritiden, Paresen und Psy- chosen. Malariaparasiten werden dabei nicht gefunden. Mitunter treten jene Krankheitserscheinungen erst jahrelang nach dem Uberstehen eines Wechselfiebers auf, vielfach lassen sich zweifelsfreie Malaria- infektionen anamnestisch überhaupt nicht ermitteln. Die Ätiologie dieser Zustände ist noch dunkel. Inwieweit derartige Krankheitsformen überhaupt zur Malaria zu rechnen sind, kann nur durch genaue Beachtung sonstiger Symptome der chronischen Malaria und durch | exakt durchgeführte Blutuntersuchungen oder durch Prüfung der Chinin- wirkung entschieden werden. Malaria. 1083 Quartan- und Tertianfieber verlaufen im akuten Stadium wohl ‚niemals tödlich, wohl aber hat man öfter Gelegenheit, bei den an - akutem Tropenfieber Verstorbenen die pathologisch-anatomischen Veränderungen zu studieren, die als Folge dieser Krankheit anzusehen sind. Abgesehen von hochgradiger Anämie, finden sich zunächst makroskopisch sichtbare Veränderungen an der vergrößerten Milz, die in einer eigenartigen schokoladebraunen Färbung und in einer leichten Zerreißlichkeit des Parenchyms bestehen.. Die Leber ist nicht nennenswert vergrößert, aber von charakteristischer graubrauner bis ® grauschwarzer Farbe. Ebenso sieht das Knochenmark infolge der Pigmentablagerung mehr oder weniger schiefergrau aus. Am charakteristischsten sind die Befunde am Gehirn. Der akute % Malariatod ist immer ein Gehirntod, d.h. durch schwere Schädi- gung lebenswichtiger nervöser Zentren bedingt, die sich schon beim Kranken durch die stürmischen, meist ohne Vorboten einsetzenden und schnell zur Bewußtlosigkeit führenden zerebralen Störungen bemerkbar macht. Regelmäßig sieht man. worauf zuerst Marchiafava i im Jahre 1884 aufmerksam machte, punktförmige Blutungen im Gehirn und in der Retina. Bignami wies auf die ausgedehnte Endothelerkrankung der hin, der eine Verfettung zugrunde liegt. Auch im Gehirn findet sich. oft eine starke Pigmentierung, besonders in der grauen z;, sie ist aber kein absolut konstantes Merkmal. Nach den Untersuchungen Dürcks, die während des Weltkrieges auf den südöst- lichen Kriegsschauplätzen an einem großen Sektionsmaterial bestätigt würden, ist als wichtigste und am meisten charakteristische Veränderung _ im Gehirn bei akutem Malariatrd die Bildung umschriebener E Zellknötehen anzusehen, die sich um kleine, meist kapilläre, mit . Plasmodien gefüllte Gefäße gruppieren. Anfangs handelt es sich um - ungeordnete Häufchen gewucherter Gliazellen, später zeigen die Zellen eine Neigung zu deutlicher Radiärstellung. Diese Malariaknötchen sind als eine spezifische Reaktionserscheinung des nervösen Gewebes gegenüber der Reizwirkung der intravasalen Malariaparasiten aufzu- fassen und stellen wie der Tuberkel und das Syphilom eine reaktive Schutzvorrichtung zur Demarkation der Giftwirkung im Gewebe dar (Dürck). Sie können auch nach dem Abklingen der akuten Erschei- - nungen zu dauernden Funktionsstörungen führen. Wenn man aus den inneren Organen, namentlich aus Milz und Knochenmark, Ausstrichpräparate anfertigt, fallen in ihnen die großen Mengen von Pigment und die zahlreichen Teilungsfiguren auf. Weiterhin finden sich auch mit Pigment beladene Leukozyten. In den Kapillaren des Gehirns sind häufig derartige Mengen von erwachsenen Parasiten und von Pigment vorhanden, daß sie damit ganz vollgestopft erscheinen (Fig. 168). Es hat historisches Interesse, darauf hinzuweisen, daß die Pigmentklumpen der Parasiten in Milz- und Gehirnkapillaren schon lange Zeit vor Entdeckung der Malariaerreger von Virchow u. a. mikro- skopisch gesehen und ebenso wie die durch Pigmentablagerungen be- dingte schwärzliche, mit bloßem Auge sichtbare Verfärbung der Organe als charakteristisch für diese Krankheit beschrieben wurden. Das Malariapigment ist ein dem Hämatin ähnlicher Körper, der bei Zusatz von Ferroeyankalium keine Berlinerblaureaktion gibt, in Äther, Chloroform, Alkohol und Säuren unlöslich ist, in Alkali aber gelöst wird. Es kann verwechselt werden Obduktions- befunde. Diagnose. 1084 57. Vorlesung. mit Hämosideriu, das beim Blutzerfall frei wird, mit den aus Lipoiden entstehenden Lipochromen und dem aus Eiweißkörpern entstehenden Melanin. Auch die sog. Formalinpigmente, d.h. durch Verbindung von Formaldehyd mit gelöstem Hämo- globin entstehenden dunklen Pigmente können zu Täuschungen Veranlassung geben. Beim Schwarzwasserfieber bieten natürlich die Nieren die ausgesprochensten Veränderungen. Man sieht hier neben schweren De- 'generationszuständen der Epithelien die Harnkanälchen von Zylindern, Detritus und Hämoglobin vollgestopft. Durch die Anhäufung dieser klein- und grobstrahligen Massen erscheinen die Pyramiden mit dunkel- roten Streifen durchzogen. Re Bei chronischer Malaria, besonders bei chronischer Febris ter- tiana und quartana, findet man die Milz oft in sehr beträchtlichem Grade vergrößert und namentlich das interstitielle Gewebe hypertrophiert. Die Leber bietet chronisch-entzündliche Veränderungen. Pigment ist auch Fig. 168. Gehäufte Teilnngsformen des 'Tropenfieberparasiten in einer Gehirnkapillare bei Malaria comatosa. : (Zeichnung nach da Rocha-Lima.) 2 h - hier, namentlich in Milz und Knochenmark, massenhaft abgelagert, doch ist der Parasitenbefund selbst in den inneren Organen meist nur ein sehr spärlicher. FREE SE Eine einwandfreie Malariadiagnose kann nur mit Hilfe des Mikro- 4 skops gestellt werden, indem man Blutausstriche in dünner Schicht nach besonderen Verfahren färbt und auf Malariaparasiten durchmustert. . Die Herstellung der Blutpräparate geschieht am zweck- mäßigsten in der Weise, daß man durch Einstich in die mit Äther gut ° gereinigte Haut der Fingerkuppe oder des Ohrläppchens einen kleinen Bluttropfen gewinnt und mit der Kante eines gut gesäuberten Deck- gläschens aufnimmt. Dieses Deckgläschen wird dann mit der den Blut- tropfen tragenden Kante in einem Winkel von etwa 45° derart auf einen ebenfalls gut gesäuberten Objektträger gestellt, daß sich das Blut längs der Berührungslinie strichförmig ausbreitet. Unter Beibehaltung dieser Winkelstellung wird dann das Deckgläschen nach der dem stumpfen Winkel entsprechenden Seite über den. Objektträger hinge- zogen. Auf diese Weise erhält man, ohne daß ein Druck ausgeübt wird, ganz dünne, gleichmäßige Ausstriche, die eine genaue Untersuchung der Präparate wesentlich erleichtern. Nachdem das Präparat lufttrocken 2 Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. S Tafel 88. Fig. 1. Blutelemente bei Giemsa-Färbung. Nach Ruge. 1. Kleiner Lymphozyt. 4. Kernhaltiges rotes Blutkörperchen. 2. Polynukleärer Leukozyt. 5. Kleine und große Blutplättchen. 3. Polychromatisch gefärbtes rotes 6. Großer mononukleärer Leukozyt. Blutkörperchen. 7. Eosinophile Zelle. Blutelemente bei Manson-Färbung. Nach Ruge. 1. Blutplättchen. 4. Metachromatisch gefärbtes rotes 2. Makrophagen aus der Milz, nur Blutkörperchen. mit Pigment. 5. Kernhaltiges rotes Blutkörperchen. 3. Makrophagen aus der Milz mit 6. Basophil gekörntes rotes Blut- Malariaparasiten und Pigment. körperchen. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. = Tafel SQ. i ee der | ]. Anfallstag | Fieberfreier Tag | Fieberfreier Tag IH. Anfallstag er r- x an: ; «| arc s) b Re ze Hitze 5 { 35 Frost Schweiß Frost Schweiß —,; O BB / 8 & : a BE d e a I. Anfallstag Fieberfreier Tag| ‘U. Anfallstag Fieberfreier Tag & 41°C b . oD : : a ee: = Itze e z / \ F\ 3 F rost Schweiß e .-——— | Frost Schweiß : £ : \ \ ie 0 ® i a a € d U. Anfall Il. Tag IV. Tag Ei arec u. Fieberfreie Zeit |} zwischen 2 An- | & \ fällen \ : e h. N 2 N 37°C $ 1 8 a a matische Darstellung des Zusammenhanges des Fieberverlaufs mit den Entwicklungsstadien = der Malariaparasiten im menschlichen Blut. 2 er z ' von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. een nt nr = Pr Fern Bi 2 AN Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. : Tafel 90. Fig. 1. - Quartan- und Tropicaparasiten bei starker Vergrößerung (nach Hartmann u. Kisskalt). Färbung nach Giemsa. - ı. Halberwachsener, 2. fast erwachsener Quartanparasit. 3. Quartanparasit nach der ersten Kernteilung. — -4.—6. Tropicaparasiten: 4. Ringform, 5. weiblicher. 6. männlicher Gamet. — Zwischen den Blutkörperchen einige Blutplättchen. Entwicklung des Tertianparasiten und Verhalten des Chromatins bei Färbung nach Romanowsky-Nocht. ]. Jüngstes Stadium des Schizonten, kurze Zeit nach dem Eindringen des Merozoiten. — 2. 8 Stunden alter Schizont. — 3. Sogenannter mittlerer Tertianring. — 4. Sogenannter großer Tertianring. — 5. 36 Stunden alter Schizont. — 6. Verschmelzung des feinkörnigen Chromatins zu einer Äquatorialplatte im Kern. Die amöboide Bewegung hat fast ganz aufgehört: — 7. Teilung des Chromatins in die Tochterplatten. — 8. Auseinander- rücken der Tochterplatten, die unregelmäßige Gestalt annehmen. — 9. Kernvermehrung zur Schizogonie. — 10. Vollendete Schizogonie. (Nach Schaudinn.) TE ertee 7 77, BER Ur = 1ER, TerEienEMER, MIENSRERRGEL . JEAN | TmiHIEREN- in, . > PEN De Er Malaria. : 1085 ' geworden ist, wird es durch Einlegen in eine Mischung von Alkohol und Äther zu gleichen Teilen während 5—10 Minuten fixiert. Deckglas 4 /-Bluttropfer S ® Objektträger Als Färbemethode für diagnostische Untersuehungen ist unter anderen die Mansonsche Färbung empfehlenswert, die in Anwendung einer verdünnten Borax-Methylenblaulösung besteht. Diese Färbung hat den Vorzug der größten Ein- fachheit und läßt alle Einzelheiten der Parasiten, soweit sie zur Diagnosenstellung nötig sind, schnell und gut erkennen. Die fertigen Präparate sollen eine hellgrüne Farbe zeigen. Die roten Blutkörperchen erscheinen meergrün, die Leukozyten matt- blau in ihrem Plasma und dunkelbau in ihren Kernen. Die Malariaparasiten werden ebenfalls blau gefärbt, und zwar so, daß sie sich von den grünen Erythrozyten gut abheben und ihre Struktur, die Pigmentbildung usw. gut erkennen lassen. Die Kern- bestandteile der Parasiten färben sich bei diesem Verfahren gewöhnlich nur bei ‚Ringen, wo sie eine dunkelbläuliche Farbe mit einem Stich ins Rote annehmen; bei älteren Formen und Gameten sehen sie wie Vakuolen aus (Nocht und Mayer). Für die Praxis genügt dieses Färbeverfahren vollständig. Bei einiger Übung und Kenntnis der normalen Blutelemente (vgl. Taf. 88) fallen etwaige Parasiten. sofort deutlich in die Augen, vorausgesetzt, daß das Präparat dünn ausgestrichen und nicht überfärbt ist. ; i Will man besonders schöne Bilder erzielen, so muß man die Chromatin- färbungsmethode anwenden, wie sie ursprünglich von Ziemann und Romanowsky angegeben und später von Giemsa zu einem einfachen und zuverlässigen Verfahren modifiziert worden ist. Bei diesen Färbungen erscheinen die Erythrozyten mattrosa (Eosinton), das Plasma der Lymphozyten und der großen mononukleären Leukozyten ' himmelblau mit vereinzelten roten Stippchen, das der polynukleären Leukozyten graurot. Die Kerne der Lymphozyten und Mononukleären sind dunkelviolett, die der Polynukleären lila gefärbt. Die an ihrem aufgefaserten Rand erkennbaren kleinen Blutplättchen erscheinen dunkelviolett bis schwarzrot (Ruge). Die Malariaplasmodien heben sich durch ihre kobaltblaue Färbung scharf von ‘den rosa gefärbten Erythro- ‘ zyten ab und zeigen außerdem eine leuchtend rote Färbung ihrer Chromatinbestand- teile (Taf. 86/87 u. 90). - Wenn man bei der Untersuchung von Blutpräparaten, die nach der bisher beschriebenen Methode hergestellt sind, trotz sorgfältiger Durchmusterung mehrerer Präparate keine Parasiten findet, trotzdem aber den dringenden Verdacht aufrecht erhalten muß, daß es sich bei dem Patienten um Malaria handelt, so empfiehlt es sich, ein ursprüng- lich von Ross angegebenes, dann aber von Ruge u. a. modifiziertes Verfahren anzuwenden, das die Durchmusterung dickerer Blut- schichten und somit auch die Untersuchung größerer Quantitäten des Blutes ermöglicht (sog. „Dicke Tropfenmethode‘). . Man verteilt 2 oder 3 mittelgroße Bluttropfen in dieker Schicht auf einem Objektträger und läßt sie staubsicher etwa 2 Stunden gut trocknen. Dann wird das Präparat ohne Fixierung mit Giemsalösung gefärbt, und zwar entweder mit der in gewöhnlicher Weise (1 Tropfen Stammlösung auf 1 com leicht alkalischen Wassers) verdünnten */, Stunde lang, oder mit einer durch Mischung von 1 Tropfen Stamm- lösung mit 2cem Wasser verdünnten 1—1?/, Stunden lang. Die früher empfohlene vorherige Behandlung des Präparates mit destilliertem Wasser kann fortfallen, weil auch durch die Giemsalösung das Hämoglobin entfernt wird. Die gefärbten Präparate werden nachher vorsichtig gespült und — ohne Anwendung von Fließpapier — durch Senkrechtstellen der Objektträger getrocknet. Die Parasiten sind zwar durch die langsame Eintrocknung der dicken Blutschicht etwas geschrumpft und entstellt, aber für den Geübten in ihrer charakteristischen Färbung und Form zwischen den mehr oder weniger erhaltenen weißen Blutzellen und den Blutplättchen leicht und schnell auffindbar. Von verschiedenen Autoren wurde empfohlen, die parasitenhaltigen Blut- körperchen durch Zentrifugieren des Blutes am Boden des Röhrchens anzureichern Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 70 Epidemio- " logie. 1086 57. Vorlesung. oder die Parasiten aus dem nach Zusatz von Essigsäure zentrifugierten Blut im Bodensatz zu konzentrieren und aus letzterem . Äusstrichpräparate . anzufertigen (Stäubli, Hegeler). Diese Verfahren haben jedoch keine besseren Resultate ergeben als die Untersuchung des „dicken Tropfens.“ (Werner). Wenn Malariaparasiten gefunden werden, wird es sich nach den früheren Auseinandersetzungen über den: endogenen Entwicklungsgang meist unschwer entscheiden lassen, welcher Parasitenart sie angehören und in welchem Entwicklungsstadium sie sich zur Zeit der Blutentnahme befanden. Letzteres festzustellen, ist deswegen von besonderer Wichtig- keit, weil nach der. Entwicklungsphase der Zeitpunkt des nächsten zu erwartenden Anfalles mit annähernder Sicherheit berechnet werden kann. Und die Berechnung dieses Termins ist oft für die näheren Be- stimmungen der Therapie wichtig. Bemerkenswert für die Diagnose ist auch die Feststellung von Stephens, daß im akuten Malariaanfall die Zahl der Leukozyten vermindert ist (Leukopenie). Bestimmt man das relative Zahlenverhältnis der einzelnen Formen der weißen Blut- zellen, so findet man: iın normalen bei Malaria Blut kleine mononukleäre Taukositah (Lymphozyten) . . 18—19/, 20— 25°), große ee eh 26—41°), : 4—10%, polymorphkernige AS AT 2.3955), nn eosinophile . r N RR RE 0,4—0'6°/, 040), Für die Parasitenzählung ist die von Werner eingeführte Ermitt- - lung des zahlenmäßigen Verhältnisses von Parasiten zu den Leukozyten eines Präparates, wie sie bei Untersuchung mit der schwachen Ver- größerung leicht durchführbar ist, von Nutzen. Es lassen sich so Parasitenkurven gewinnen. Auch eine Differentialzählung soll nach Werner so möglich sein,: wenn nach Ehrlichs alter Methode‘ „zwei Deck- gläschen aufeinander abgezogen werden. Wenn wir nun kurz auf die Epidemiologie der Malariafieber eingehen, so gilt auch für diese Infektionskrankheit als wichtigste Tat- sache, daß den Ausgangspunkt neuer- Erkrankungen immer der kranke Mensch bildet. Von einem malariainfizierten Menschen aus bilden sich Malariaherde. Zumeist sind es die Mitbewohner desselben Hauses, die zuerst erkranken, aber auch auf benachbarte Häuser breitet sich der Infektionsstoff langsam durch Vermittlung der Mücken aus. Es ent- stehen Malariahäuser, Straßen und Dörfer mit malariainfizierten Menschen und Mücken. In den Tropen vollzieht sich das rascher als in den nördlichen und gemäßigten Klimaten, wo der Winter im allgemeinen die Malariaverbreitung unterbricht. Nur wenn die Anopheles Gelegenheit hatten, von einem Malariakranken Blut zu saugen, können sie die in ihnen weiterentwickelten Parasiten übertragen. Der Kreislauf der Er- reger — Mensch-Mücke-Mensch — muß geschlossen sein,‘ wenn es zu einer Ausbreitung der Malaria kommen soll, und zur Schließung dieses Kreises müssen wiederum bestimmte Bedingungen erfüllt sein. So muß vor allem die Außentemperatur genügend hoch sein, damit die EA siten sich in der Mücke entwickeln können. Die frühere Annahme, daß die Malariaparasiten sich im ‚Boden halten und : vermehren, ist läugst verlassen worden. Diese „Bodentheorie* stützte sich be- sonders auf die Erfahrung, daß bei größeren Erdarbeiten die Zahl der Malariafälle häufig.bedeutend anstieg. Man nahm infolgedessen an, daß durch die Aufwühlung a Ede Ki Zi & ; 3 ei it Malaria. re, 1087 . des Bodens die Erreger frei und nun durch Einatmung vom Menschen aufgenommen würden. Auch dem Trinkwasser hat man früher eine entscheidende Rolle für die Entstehung und Ausbreitung der Malaria zuzuschreiben versucht. Diese Annahme wurde jedoch durch mehrfach wiederholte Experimente als irrig erkannt, welche zeigten, daß Bewohner malariafreier Gegenden, die Sumpfwasser aus malariaver- seuchten Gebieten zum Trinken bekamen, von der Krankheit verschont blieben, während bisher gesunde Leute in- Malariagegenden trotz der Versorgung mit ein- wandfreiem Trinkwasser an Fieber erkrankten. _ er - Seitdem wir wissen, daß Stechmücken die Überträger der Malaria- _ parasiten sind, sind uns die epidemiologischen Beziehungen dieser Krankheit erst völlig klar geworden. Es gibt heute wohl keine Frage ' bezüglich der Entstehung und Verbreitung der Malaria mehr, die sich -durch die Moskitotheorie nicht befriedigend erklären ließe. - Das Auftreten der Malaria ist bekanntlich an bestimmte Jahres- ‘zeiten gebunden. Dies hat seinen Grund darin, daß zur Entwicklung der Malariaplasmodien in der Mücke, wie bereits mehrfach betont, höhere Temperaturen notwendig sind. Im allgemeinen kann man sagen, daß die Tertian- und Quartanparasiten zu ihrer Entwicklung minde- stens Wärmegrade von 16°C benötigen, Tropenfieberparasiten dagegen ‘wesentlich höhere Temperaturen (etwa 25°C). Nur wenn die Entwick- lung bereits begonnen hat, können niedrigere Temperaturen, wenn sie nicht zu lange anhalten, vertragen werden. Je höher die Temperatur ist, desto schneller geht der Entwicklungsgang im Anopheles. vor sich. Deshalb erfolgt auch in tropischen Gegenden der Anstieg der Neu- erkrankungsziffern nach Erreichung der geeigneten Lufttemperaturen viel schneller (nach R. Koch bei Temperaturen von 27°C in 3 Wochen) als bei den niedrigeren Wärmegraden nördlicher Länder (in Wilhelms- haven z.B. 28 Tage). . Die Infektion des Menschen geschieht vorwiegend zwi- schen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, denn die Ano- phelen sitzen während des Tages in dunklen Schlupfwinkeln und | 'schwärmen in der Dunkelheit. Die Mücken brauchen zum Absetzen ihrer Eier stehendes - Wasser. Nicht nur Teiche und Gräben dienen- ihnen als Brutplätze, sondern auch die kleinsten Wasserpfützen. Daher vermehren sich die Anophelen in Gegenden, wo ihnen geeignete Brutplätze,in ge- nügender Anzahl zur Verfügung stehen, z. B. in Sumpfgegenden, auch ' in besonders starkem Maße. Es finden durch diese Tatsache verschiedene Beobachtungen eine ungezwun- gene Erklärung, die früher falsch gedeutet wurden, zunächst die bereits erwähnte Häufung von Neuerkrankungen bei größeren Erdarbeiten, Deichbauten usw. Es ist ‚klar, daß bei Aufwühlung der Erdoberfläche auch zur Bildung vieler kleiner, durch Regen- und Gebrauchswasser gebildeter Wasserlachen Gelegenheit gegeben wird. Dadurch werden aber Brutplätze für die Mücken geschaffen, und wenn, wie das beispielsweise bei Deichbauten in der Nähe von Wilhelmshaven einwandfrei nach- gewiesen - werden konnte, . die Mücken Gelegenheit haben, sich an zugewanderten, Malariakeime in ihrem Blute führenden Arbeitern zu infizieren, dann sind Neu- erkrankungen unvermeidlich. Auch die längst bekannte Tatsache, daß das offene Land im Vergleich zu den Städten eine wesentlich höhere Malariamorbidität aufweist, wird nunmehr klar. Im Inneren der Stadt finden die Anophelen eben nicht in dem Maße die für die Fortentwicklung ihrer Art günstigen Bedingungen. Sie halten sich deshalb vorwiegend außerhalb der Städte auf, wo ihnen Brutplätze in großen Mengen geboten werden. Je kultivierter eine Gegend ist, desto weniger pflegt auch Malaria in ihr zu herrschen, weil auch hier wieder die zunehmende Bebauung die Zahl der Brutstätten wesentlich reduziert. 70* 1088 57. Vorlesung. In tropischen Gegenden, die ausgesprochene Regen- und Trockenzeiten aufweisen, steigt die Kurve der Malariaerkrankungen etwa 2 Monate nach Beginn der Regenperiode an. Auch diese Erfahrungstatsache erklärt sich, leicht dadurch, daß die Mücken in der Regenzeit Brutstätten in Menge finden. Die jungen Generationen gebrauchen annähernd 4 Wochen zu ihrer Entwicklung und weitere 3 Wochen etwa zur Reifung der Parasiten. Zu diesen Zeiten hat man die Inkubationszeit des infizierten ‘Menschen hinzuzurechnen. An Bord von Schiffen kommen Neuinfektionen mit Malaria nur dann vor, wenn sich die Besatzung in malariaverseuchten Häfen aufgehalten hat. Wenn dagegen das Schiff weit draußen auf der Reede vor einem solchen Hafenplatz liegen bleibt und die Mannschaft nur am Tage an Land kommt, treten keine Neu- erkrankungen auf. Der Anopheles fliegt, wenn ihn nicht günstige Luftströmungen forttragen, durchschnittlich nur 1, höchstens 1'/, km weit. Von gegnerischer Seite sind bis in die neueste Zeit hinein die verschiedensten Einwände gegen die Moskitotheorie erhoben wurden, aber sie alle lassen sich auf. Grund unserer heutigen Kenntnisse leicht widerlegen. Immer. wieder ist behauptet worden, daß es Fiebergegenden gebe, wo Anophelen nicht vorkämen. Diese’ Be- hauptung stützt sich aber nur auf mangelhafte Beobachtungen. Überall, wo Menschen mit Malaria infiziert werden, gibt es auch Anophelen: das ist durch sorgfältiges Aufsuchen der Mücken in den Wohnungen und ihre Züchtung aus den in Wasser- tümpeln gefundenen Larven zur Genüge bewiesen worden. Ferner wurde als Einwand erhoben, daß der Anopheles in den fieberfreien Zeiten, die sich in tropischen Gegen- den von den Fieberzeiten deutlich abgrenzen lassen, keine Infektion hervorruft, obwohl er noch sticht. Diese eigenartige Tatsache hat ihren Grund darin, daß die Parasiten in jenen kühlen Monaten sich in der Mücke nicht weiter entwickeln, und stimmt durchaus mit den Erfahrungen R. Kochs überein, der trotz sehr zahlreicher Untersuchungen in der kühleren Jahreszeit niemals Sichelkeime in den Speichel- drüsen der Anophelen fand. Die Neuerkrankungen zu Beginn der wärmeren Jahres- zeit in den nördlichen Gegenden und Ländern der gemäßigten Zone müssen wir uns entweder dadurch erklären, daß infizierte Anophelen an dunklen warmen Orten, z. B. in Ställen oder Kellerräumen, über- wintern und die Sichelkeime in entwicklungsfähigem Zustande während dieser Zeit beherbergen, oder aber dadurch, daß sie sich erst im Beginn der neuen Fieberperiode an Rezidivkranken von neuem infizieren. Es kann wohl kaum zweifelhaft sein, daß in kälteren Ländern für die in den Zimmern überwinternden Anophelen durch das Heizen ein „künst- liches Klima“ geschaffen wird, und daß infizierte Mücken deshalb unter besonders günstigen Umständen in dem gleichen Hause auch zur Winterszeit die Krankheitskeime übertragen können. Will man sich in malariadurchseuchten Ländern ein Bild von der Ausbreitung der Krankheit in der Bevölkerung -machen, so gibt die Feststellung der Milz- schwellung wichtige Anhaltspunkte. Bei Kindern bis zu 5 Jahren kann ein Milztumor mit größter Wahrscheinlichkeit auf Malaria zurückgeführt ‘werden, wie z. B. sehr deatlich aus der folgenden Tabelle ersichlich ist, die Panses Untersuchungsergebnisse in Tanga (Ostafrika) wiedergibt: Milzschwellung war vorhanden Milzschwellung fehlte - Alter Zahl . . : bei bei . bei bei positivem | negativem | . positivem | negativem insgesamt , der Untersuchten Blutbefund ; Blutbefund unter 2 Jahren. . | 12 6 1 53:3°/, 1 4 2-5 Jahre... ..| 74 37 10 63:5°/, 15 12 6-36 |, 15 15 315°), 16 49 11-15, 2:38 1 5 20°/, 4 20 DO TEL Bam dd en andren 6 Du Malaria. i 1089 Über die Frage, ob es eine natürliche oder künstlich erworbene Immunität gegen Malaria gibt, herrschten lange Zeit die widerstrei- tendsten Anschauungen. Aus der Erfahrung, daß die Eingeborenen der Küstengebiete Ostafrikas nur selten und dann meist leicht an Malaria . erkranken, schloß man auf eine natürliche Unempfänglichkeit der Neger. Dem ist jedoch nicht so. Durch R. Kochs Untersuchungen wissen wir, daß es sich hier nicht um eine natürliche, sondern um eine im Laufe der Jahre erworbene Immunität handelt. Als die kleinen Kinder systematisch auf das Vorhandensein von Parasiten untersucht wurden, stellte es sich heraus, daß sie in ‚überaus großer Zahl, in einzelnen Gegenden bis zu 100%/, infiziert waren. Mit zunehmendem Alter der Kinder nahm auch die Prozentzahl der positiven Blutbefunde ab, nur die Milzvergrößerung ließ vermuten, daß Malaria vorlag oder vorgelegen hatte. Durch Rückfälle und fortwährende Neuinfek- tionen bildet sich eben bei den Eingeborenen, falls sie nicht in früheren Jahren den Fiebern erliegen, allmählich ein hoher Im- munitätsgrad aus, sodaß die Erwachsenen gegen Malaria fast völlig . refraktär sind. Bei Europäern, Kindern sowohl wie Erwachsenen, wird eine Immunisierung viel schwieriger erzielt. Bej dieser Immunität handelt es sich aber, wie die neueren Forschungen ergeben haben, um ‚eine sogenannte „Immunitas non sterilisans“. Wenn man das Blut der - Erwachsenen wiederholt nach der Methode des dicken Tropfens (S: 1085) untersucht, findet man doch zeitweise Parasiten, die eben nur nicht zu Fieber oder sonstigen, leicht-erkennbaren Krankheitserscheinungen führen. Die einmal infizierten Menschen bleiben dauernd Parasiten- träger. Es liegt also eigentlich eine „latente Malaria“ vor. Eine der- artige „Immunisierung“ tritt zudem, wie Dempwolff feststellte, nur in . Gegenden ein, in denen die Eingeborenen ständig unter dem Reiz der Neuinfektion stehen: nur dieser ständige Reiz erzielt und unterhält die Immunität. An Orten, an denen malariafreie Zeiten mit ausgespro- ‚chenen Malariazeiten abwechseln („Saisonmalaria“), kommt es nicht mehr so regelmäßig zur Ausbildung einer Immunität, und ebenso erlischt diese meist, wenn Leute, die in einer ständig malaria- durchseuchten Gegend immun werden, in Gegenden mit Saisonmalaria auswandern. Diese Malaria-Immunität, die zu der früher geschilderten relativen Immunität oder Resistenz bei Tuberkulose in Parallele zu setzen ist, _ ist nur für die Fieberart wirksam, die zu ihrer Bildung Veranlassung gab. Wenn z. B. ein Mensch sieh eine Immunität durch Überstehen von Tropenfieber- erwarb, ist er gegen Tertian- und Quartanfieber keines- wegs geschützt. Auf Grund der Erfahrungen über das Wesen und die Epidemio- logie der Malariafieber ist durch exakte wissenschaftliche Untersuchungen die Möglichkeit bewiesen worden, durch prophylaktische Maßnahmen den Ausbruch von Malariaerkrankungen zu verhüten. Die richtige An- wendung des Chinins setzt uns, wie zuerst R. Koch und die Gebrüder Plehn zeigten, in den Stand, nicht nur den einzelnen Menschen vor der Erkrankung zu schützen, sondern auch, wie wir später sehen werden, Malariaepidemien wirksam zu bekämpfen. Wenn in einigen besonders schwer verseuchten Ländern und namentlich unter den schwierigen Ver- Immunität. Malaria- prophylaxe. 1090 57. Vorlesung. hältnissen eines Krieges die Erfolge der Malariaprophylaxe nicht voll und ganz in Erscheinung treten, so unterliegt es doch keinem Zweifel, daß es sich hier um Ausnahmen von der Regel handelt, die die allgemein anerkannten, äußerst segensreichen Wirkungen der plan- mäßigen Chininanwendung nicht in Frage stellen können. Die letztere bezweckt, daß im Körper immer so viel Chinin kreisen soll, daß die durch Stiche infizierter Anophelen aufgenommenen Parasiten so früh- zeitig abgetötet werden, daß sie sich nicht vermehren und Anfälle hervorrufen können. R. Koch schlug ursprünglich in Rücksicht auf die häufigste Inku- bationsdauer der Malaria vor, an jedem 10. und 11. Tage 1g Chinin zu nehmen. Es zeigte sich aber bald, daß die 9tägigen Pausen zu lang waren, daß in ihnen gelegentliche Resorptionsausfälle, die aus irgend einem Grunde auch bei regelmäßiger Prophylaxe (z. B. bei Durchfällen und Magenkatarrh) eintreten können, zu große Bedeutung hatten und dadurch den Erfolg in Frage stellten. Man verkürzte daher die Pausen bis auf 5 Tage und gab an 2 aufeinanderfolgenden Tagen jeder : Woche je 1'0g Chinin, nach Nocht zweckmäßig in mehreren Einzel- gaben am Tage verteilt. Diese Art der Chininprophylaxe hat sich z. B. im früheren Deutsch-Ostafrika gut bewährt. In stark infizierten Gegenden- war im Kriege 1914/18 noch wirksamer das Ziemannsche Verfahren, bei dem alle 4 Tage oder immer an 2, und zwar immer den-. & selben Wochentagen (z. B. am Mittwoch und Sonntag) je 109g . Chinin gegeben wird. Wird das Chinin in 2 Malen —. morgens und abends je zur Hälfte — genommen, so werden Belästigungen fast ganz vermieden, sind zum mindesten auch bei empfindlichen Leuten sehr gering. Am wenigsten belästigt das Cellische Verfahren, bei dem täglich 0'25—0'3 g Chinin’ gegeben wird. Bei ihm muß aber, wie Nocht, Eugling u. a. mit Recht betonen, — analog den therapeutischen Erfahrungen mit lange fortgesetzten täglichen Gaben von 1'0g Chinin und mehr — mit einer allmählich eintretenden Abstumpfung der Chinin- wirkung gerechnet werden. Es wird sich deshalb empfehlen, diese täg- liche Prophylaxe, wenn angängig, nicht zu lange fortzusetzen, sondern überall, wo es nur möglich” ist, durch die Pausenprophylaxe zu ersetzen oder mit ihr äbwechseln zu lassen. Welche Methode der Chininprophylaxe für ein bestimmtes malaria- verseuchtes Gebiet die geeignetste ist, kann nur ein in der Malaria- pathologie erfahrener Arzt unter Berücksichtigung der besonderen lokalen ° Verhältnisse. bestimmen. Es wird dringend gewarnt, weniger Chinin nach eigenem Ermessen, besonders in größeren Pausen zu geben, etwa weil auch dabei kein Fieber beobachtet wird. Die Malariainfektion braucht sich klinisch zunächst nicht als Fieber zu zeigen, aber unge- nügendes oder unregelmäßiges Chininnehmen schafft latente ‘Infektionen, die bei Erkältungen (Übertritt in kühlere Gegenden), Magendarmstörungen, Anstrengungen oft erst: nach längerer Zeit klinisch deutlich in Erscheinung treten, der Behandlung gegenüber viel hartnäckiger sind als frische Fälle und außerdem die Gefahr er- höhen, daß bei Schädigungen Schwarzwasserfieber auftritt. Kinder, die regelmäßig Chinin erhalten können, 'sollen nach der ee Vorschrift von Ross für jedes 3. Lebensjahr 0:06 g Chinin, über 12 Jahre alte Kinder je 0'3g Chinin erhalten. Kinder, die nur 2—8mal in ee r en TR lie ed Dar it en ad Ada Shih n zur aan a nd RER Fe 1091 ‘ der Woche kontrolliert waren können, bekommen 0:06 g für jedes ‘2. Lebensjahr. Wenn bei einer derartigen, ‚seit Betreten der malariaver- seuchten Gegend ganz regelmäßig durchgeführten Chinin- - prophylaxe ein Mensch von einer infizierten Mücke gestochen wird, kommt es in der Regel nicht zu einer Entwicklung der Malariapara- - siten in seinem Blute, weil das Chinin die jungen Formen sicher ab- _ tötet. Nur in seltenen Fällen bricht die Krankheit später nach Aus, setzen des Chinins aus, unter Umständen erst längere Zeit nach dem Verlassen der Malariagegend. Man kann sich solche Fälle, die einwand- frei beobachtet worden sind, nur dadurch erklären, daß sich trotz des ‚Chinins besonders chininresistente Parasitenformen, wahrscheinlich Makro- gameten, im Körper ansammeln und längere Zeit entwicklungsfähig er- halten. Daß man sich durch regelmäßigen Chiningebrauch auch in ver- rufenen Fiebergegenden malariafrei erhalten kann, ist durch zahlreiche Erfahrungen sicher erwiesen. Es muß diese Chininprophylaxe aber mit unerbittlicher Strenge und peinlichster Genauigkeit durch- geführt werden, weil auch nur einmaliges Auslassen der Chiningaben naturgemäß eine Infektion zur Folge haben kann. Die Wirksamkeit der Chininprophylaxe ist nach den Erfahrungen . des Krieges 1914/18 allerdings früher überschätzt worden, soweit das Zustandekommen der Infektion in Frage kommt. Das Chinin ver- hindert auch bei regelmäßiger Einnahme nicht immer das Auf- treten von Infektionen, die -dann allerdings chronisch und latent verlaufen können, um erst nach Aufhören der Chinindarreichung mani- fest zu werden. Trotzdem bleibt der Wert der Chininprophylaxe ein - großer. Denn die Infektionsgefahr, die von einem unter Chininwirkung ‘ stehenden „latenten“ Parasitenträger ausgeht, ist gering, weil bei ihm nur selten Parasiten im Blute kreisen, die von den Mücken aufgenommen - und übertragen werden könnten. Die Chininprophylaxe schützt sicher die Mehrzahl der Infizierten vor den Anfällen und. erhält sie arbeitsfähig. Truppen, die unter Chininschutz stehen, bleiben, wie der Weltkrieg be- wies, schlagfertig. Mit der strengen Durchführung der Chininprophylaxe muß eine sehr gewissenhafte Behandlung ünd Nachbehandlung der etwa eintretenden Erkrankungen Hand in Hand gehen (s. S. 1097). Die westafrikanische Station der deutschen Marine hatte nach den Angaben von Mühlens in den Jahren 1893—1901 609 Neuerkrankungen und 409 Rückfälle ‚an Malaria aufzuweisen; als 1901 eine rationelle Nachbehandlung der Fieber und Chininprophylaxe eingeführt wurde, sank in den Jahren 1901—1904 die Zahl der Neuinfektionen auf 119, die der Rezidive auf 9. Unverkennbaren Einfluß hat die - Chininprophylaxe nach dem übeinstimmenden Urteil der Tropenärzte besonders auch auf die Zahl der Schwarzwasserfieber-Erkrankungen. Ziemann beobachtete solche bei Nichtprophylaktikern in 60°/, (} 28°/,), bei Prophylaktikern in 17°/, (r 4'3°/,) der Malariafälle. Auf die anderen. Mittel, die der Malariaprophylaxe dienen, den Gebrauch von Moskitonetzen, Schleiern und Handschuhen, die Einrichtung mückensicherer Wohnungen usw., kann hier nicht ausführlicher eingegangen werden. Auch diese Maßnahmen weisen bei strenger Durchführung ausgezeichnete Erfolge auf. Sie sind besonders wirksam, wenn sie mit einer ausgiebigen Verwendung des Chinins Hand in Hand gehen. Auf die Mückenbekämpfung wird noch eingegangen ‚werden. Bekämpfung der Malaria. 1092 57. Vorlesung. Das Chinin ermöglicht eine Ausrottung der Malariafieber in verseuchten Gegenden. Kochs Malariabekämpfungssystem geht darauf hinaus, durch konsequente und sachgemäße Behandlung aller infizierten Menschen den Mücken die Gelegenheit zu nehmen, daß sie sich an diesen infizieren. Der Kreislauf Mensch-Mücke-Mensch wird durch- brochen, wenn in dem infizierten Menschen die Parasiten planmäßig durch das Chinin vernichtet werden. Es muß zu diesem Zwecke bei allen Menschen der betreffenden Gegend, auch bei den klein- sten Kindern, systematisch eine wiederholte Untersuchung des Blutes auf Malariaparasiten vorgenommen werden, und alle als infiziert Befundenen müssen so lange behandelt werden, bis sie sicher frei von Plasmodien sind. Man geht also auch hier in analoger Weise, wie es bei der Bekämpfung der Cholera, der Pest, des Typhus usw. geschieht, den einzelnen Krankheitsfällen nach und macht diese als Quellen weiterer Infektionen unschädlich. Daß die Durchführung der Kochschen Malariabekämpfung namentlich in Ge- genden, wo die Bevölkerung stark fluktuiert, mit nicht geringen Schwie- rigkeiten verknüpft ist, liegt auf der Hand. Aber es fällt gar nicht so schwer ins Gewicht, wenn wirklich ein Infizierter der Untersuchung entgeht. Man wird auf ihn aufmerksam, sobald er zu Neuerkrankungen in seiner Umgebung Veranlassung gibt, und muß dann gegen den neuen Herd sofort energisch vorgehen. Die Erfolge der Kochschen Malariahekämphine sind überall, wo sie sachgemäß und lange Zeit durchgeführt wurde, sehr befriedigend gewesen. Es ist nicht nur in kleinen, leicht übersehbaren Gebieten, z.B. auf Inseln, gelungen, der Malaria völlig Herr zu werden, sondern auch in größeren Distrikten Afrikas hat sich die Methode durchaus bewährt. Allerdings braucht man Zeit, um die Prophylaxe wirksam zu gestalten. Es wäre verkehrt, anzunehmen, daß sich innerhalb weniger Monate eine Krankheit, an der Menschen mehrere Jahre leiden, in einem durchseuchten Distrikte ausrotten läßt. Dazu gehören unter Umständen Jahrzehnte anstrengender Arbeit. Die systematisch durchgeführte Chininprophylaxe und die Behandlung aller Malariaerkrankungen mit Chinin bis zur Heilung hat in dem von Malaria so stark heimgesuchten Italien :zu einer raschen Abnahme der Malariamortalität geführt (@osio). Ein deutliches Bild der Erfolge geben die in den Fig. 169—171 wieder- gegebenen graphischen Darstellungen und folgende Tabelle: Staats-Chininverbrauch und Malariasterblichkeit in Italien. Chininverbrauch Malariasterblichkeit Finanzjahr verkaufte ky Jahr Todesfälle 1902— 1903 2243 1900 15 865 1903— 1904 7234 1901 13 338 1904—1905 14 071 1902 9903 1905 —1906 18 712 1903 8512 1906 — 1907 20 723 1904 8501 1907 — 1908 24 351 1905 7838 1906 4871 1907 4 160 Zul hei > Malaria. | 1093 Mit der Zunahme der Chininverabreichung geht also eine ständige Abnahme ' der Malariasterblichkeit Hand in Hand. Zur Durchführung der Chininprophylaxe - sind besondere Angestellte des Staates ernannt, die unter ärztlicher Leitung das Chinin an die nomadisierende Bevölkerung verteilen. An Unbemittelte wird es vom Staate unentgeltlich abgegeben. Nach der Vorschrift Cellis erhält der Erwachsene Fig. 169. . SIELSEIEBEATSEIESEILZENEIENDIEL SEE IE 10209 10000 3800 r 3500 9u00 9250 9000 = IN 860 l 800 8200 A 3000 A | s00 \ rs D- \ 00 4 \ \ 200 | _ 4 A >: \ 5 7000 INH 6800 | J \ [27 1: \ E00 1 y N 1 ezoo| 1% fi a 6000 a * \ H' s300 Ya Sr IR ! 5560 au F- i \ 5200 pr & ' 1 5200 zZ ml y 5000 x \ \ a800 \ \ \ 4800 2, 4300 ne A200 + 8000 e” - 3800 \ y 3500 v 1 3200 ee 3200 EN 28300 N 2600 2a00 IN 2200 Y 2000 | 1800 z 1600 1a00 AN 1200 1000 en sooB-i 1 ei u, — S ER 200 zu Fe N . 200 : in 2 za E Abnahme der Mortalität an Malaria in 4 Norditalien, B Mittelitalien, C Süditalien, D Sizilien, Sardinien. 5 Lazio. _ täglich 0'4 g Chininum bisulfurieum, das Kind 0'2g. Diese Art der Chininprophylaxe - soll zu keinerlei Gesundheitsstörungen wie Ohrensausen usw. führen, da sehr schnell - eine Gewöhnung an das Mittel eintritt. Eine solche Behandlung kann unbedenklich - 5—6 Monate, eventuell auch länger fortgesetzt werden. 4 Außer der Chininanwendung ist bei der Malariabekämpfung von größter Wichtigkeit die möglichst weitgehende Vernichtung der Mücken. F Wenn man nach Möglichkeit alle Sümpfe austrocknet, alle stehenden 1094 57. Yorleane (Gewässer ableitet und die Entstehung unnötiger Wasseransammlungen in der Nähe der menschlichen Wohnungen verhütet, wenn man ferner dort, wo sich dies nicht erreichen läßt, die Oberfläche aller Gräben, Tümpel usw. mit Petroleum übergießt, wird man die Möglichkeit der Entwicklung von Mückenlarven wesentlich beschränken. Wasseransamm- lungen, die zur Entnahme von Trink- oder Gebrauchswasser oder als Viehtränken dienen oder sonstwie wirtschaftlich unentbehrlich sind und nicht ‚mit Petroleum übergossen werden dürfen, werden zweckmäßig mit Fischen oder Insekten besetzt, die als Mückenlarvenfeinde bekannt sind. Fig. 170. 7892] 93 | ou 105 | 96 | 97 | 98 199 1900101 102 103 104 105.106 Malaria- Mortalität in den Hospitälern Roms und Chininprophylaxe in der römischen Caapaan GR; Todesfälle. ///// mit Chinin prophylaktisch behandelte Personen. Unter diesen haben sich die Notonekten (Rückenschwimmer) besonders bewährt, ferner Libellenlarven, Schwimmkäfer und ihre Brut, Wasser- wanzen und Wasserskorpione. Im Winter muß man gegen die Mücken vorgehen, die in dunklen Ä Räumen, namentlich in Kellern, Ställen und Aborten, deren Gerüche sie anlocken, und in gegen Kälte geschützten Hohlräumen von Mauerwerk: überwintern. Meist sind dies weibliche befruchtete Exemplare. Zu ihrer Vernichtung eignen sich das Abbrennen mit kleinen Spirituslampen oder Fackeln, die Blausäurevergasung, das Verbrennen mückenbetäu- bender Mittel (schweflige Säure, Pyrethrummischung, Tabak-Salpeter- gemisch) in den möglichst gut abgedichteten Räumen oder das Ab- . k k E } Malaria.” 1095 spritzen mit Pyrethrumtinktur, Mikrothan oder Formaldehydseifenge- ‚mischen. Die durch die letztgenannten Verfahren nur betäubten Mücken müssen zusammengekehrt und verbrannt werden. [Nähere Angaben über Mückenbekämpfung enthält das vom Reichs-Gesundheitsamt in Berlin. ge Merkblatt „Die Mückenplage und ihre Bekämpfung“.] Fig. 171. slsslsoisıisniss]aalss [as Iar las | ae isgeloı [02/03/0805 'o6 tr ETEETTELERTTETTBETRTTERTEITEETTT TEE | Su Malariasterblichkeit und Chin: nverbrauch in Italien. PA Zahl der Malariatodesfälle seit 1887. ///// Kilogramm Chinin, dureh die Privatindustrie gelisfert. WM Kilogramm Chinin, vom Staate geliefert. Daß auch diese Maßnahmen, "wenn sie streng durchgeführt wer- den, sehr viel Gutes stiften, unterliegt keinem Zweifel, aber eine völlige Ausrottung der Mücken gelingt dadurch nun und nimmer. Die Anophelen werden doch Mittel und Wege finden, für ihre Nachkommenschaft zu sorgen, sie werden ihre Eier in alle möglichen Wasseransammlungen Chinin- therapie. 1096 57. Vorlesung. ablegen, die nicht so leicht auffindbar sind. Als solche sind z. B. ge- ringe Wassermengen gefunden worden, die sich in der Regenzeit der Tropen in den Blattscheiden. gewisser Palmenarten bilden. Das Vorgehen gegen die Mücken wird also für sich allein bei der Malariabekämpfung niemals zu durchschlagenden Erfolgen führen, bietet aber eine wesent-: liche und unerläßliche Ergänzung der früher geschilderten Maßnahmen. Besonders zu erwähnen ist noch, daß namentlich in Ländern. in denen die Malaria noch nicht weit: verbreitet ist — wie z. B. in Deutschland — die Anzeigepflicht für alle Erkrankungsfälle ein - unbedingtes Erfordernis für eine schnell PIRSPIE DAR: wirksame Be- kämpfung bilden muß. Die Feststellung der Parasitenart und der zeitlichen Verhältnisse ist auch für die Chinintherapie der Malaria bedeutungsvoll. - Nach Verabreichung des Chinins lassen sich, wie Schaudinn feststellte, an den Malariaparasiten ganz bestimmte Veränderungen nachweisen. Wie die Wirkung des Chinins zustande kommt, muß noch durch weitere Untersuchungen geklärt werden. Man weiß noch nicht, ob das Chinin direkt oder mittelbar, z. B. durch spezifische Beeinflussung bestimmter Zellgruppen des Körpers wirkt. Es werden nicht alle Formen der. Malariaparasiten gleichmäßig beeinflußt. Am empfindlichsten gegen das Mittel sind die allerjüngsten Parasiten; aber auch die älteren Schizonten bis zu den erwachsenen, auch den schon. in Teilstücke zerfallenen Parasiten, werden stark angegriffen. Die geschlechtlichen Formen da- gegen, namentlich die weiblichen Gameten, die nach Schaudinn durch ‚ Rückbildung zu Schizonten die Rezidive bedingen können, werden .viel weniger beeinflußt. Aber auch unter: den Schizonten bleiben selbst nach starken Chiningaben immer einzelne Individuen, offenbar die widerstands- fähigsten, am Leben. Hieraus ergeben sich ganz bestimmte Anhalts- punkte für das therapeutische Vorgehen, die namentlich Nocht auf Grund seiner großen Erfahrungen im Institut für Schiffs- und Tropen- krankheiten in Hamburg präzisiert hat. Die Anhänger der direkten Wirkung des Chinins führen vor allem die Ver- suche von Binz, v. Prowazek und Giemsa an. ‘Diese Autoren wiesen nach, daß das Chinin auf Amöben und andere Protozoen in vitro stark parasitizid wirkt. Aber die zur Abtötung der Pretozoen notwendigen Konzentrationen können bei der Therapie wegen der Giftwirkung des Chinins auf den Körper der Parasitenträger nicht annähernd erzielt werden. Auch die „Chininformen“ der Malariaparasiten brauchen nicht notwendig durch die direkte Chininwirkung zustande zu kommen. Die auf Malariaparasiten beschränkte Heilwirkung des Chinins, das bei anderen Protozoeninfektionen (z. B. Typanosomenkrankheiten) gar keine Heilwirkung ent- 'faltet, läßt sich jedenfalls durch die in vitro beobachtete direkte Abtötungskraft gegenüber Protozoen nicht erklären (Nocht). Ebensowenig sind aber bisher einwand- freie Unterlagen für die Vorstellung der Art, wie das Chinin indirekt wirken könnte, vorhanden. Man ist über Hypothesen nicht hinausgekommen. Bei der indirekten Chininwirkung hat man an eine Erhöhung der Resistenz. und als deren Folge an die vermehrte Abwehrwirkung des Körpers mit seinen verschiedenen Hilfsmitteln gedacht oder an die Folgen der Chininspeicherung in den Wirtzellen der Parasiten, den roten Blutkörperchen. Nach der von Morgenroth aufgestellten sogen. „Repul- sionshypothese“ gehen die Parasiten zugrunde, weil sie am Eindringen in die roten Blutkörperchen durch das in diesen enthaltene Chinin verhindert werden und sich infolgedessen nicht ernähren und vermehren können. Durch 2—3malige, wenn ‚auch noch so hohe Chinindosen kann 2 man weder eine Malariainfektion heilen, noch Rezidive mit Sicherheit verhindern, sobald sich Makrogameten gebildet haben. Die Bildung der Malaria. 1097 ‚weiblichen Geschlechtsformen erfolgt aber so früh nach der Infektion, meist schon nach dem 2. oder 3. Fieberanfall, daß es notwendig ist, jeden Malariakranken so früh als möglich zu behandeln, um die - Gefahr der Rezidive zu vermindern. Den günstigsten Moment für die Verabreichung des Chinins würde der Zeitpunkt darstellen, in . dem die Mehrzahl der Parasiten noch nicht ausgewachsen ist oder sich . zu Geschlechtsformen umgewandelt hat. Daher ist die alte Regel, das Mittel 4—6 Stunden vor dem zu erwartenden Anfall zu geben, an sich - durchaus richtig. Aber es ist oft schwer, die Zeit richtig zu treffen. Am besten beginnt man mit der Chininbehandlung sofort, ohne Rück- sichtnahme auf die Anfälle oder die fieberfreien Intervalle. Wenn man in der nachstehend angegebenen Weise vorgeht, ist man sicher, daß gerade zur richtigen Zeit genügende Chininmengen im - Körper vorhanden sind. 3 Die Methoden, wie das Chinin therapeutisch verabreicht wird, sind ebenso - zahlreich, wie die für die Prophylaxe empfohlenen. Einig sind sich die Autoren in der Mehrzahl nur darin, daß als Tagesmenge 1'0g zu geben ist. Darüber hinaus- zugehen, ist überflüssig und hat stärkere Nebenwirkungen zur Folge. Die Tages- menge wird zweckmäßig in Einzelgaben von 0'25 g verteilt (sog. Nochtsches Ver- fahren), wobei die Nebenerscheinungen geringer und die Resorptionsverhältnisse - günstiger sind. Die Chininverabreichung muß längere Zeit fortgesetzt - werden, wenn Rezidive vermieden werden sollen. Das Verschwinden der Parasiten aus dem peripheren Blut genügt keinesfalls, um eine Heilung _ anzunehmen. E: Die angewandten Chininpräparate sollen rein und frisch‘sein und sich _ gut lösen (Kapseln! Pillen!). Am empfehlenswertesten für die innerliche Verab- _ reichung sind das Chininum hydrochlorieuii und das Chininum sulfurieum. Dihydro- - €hininum hydrochlorieum ist noch etwas wirksamer, dagegen sind Chininum tannicum - und Euchinin weniger zuverlässig (Nocht). Kindern gibt man zweckmäßig Chinin- - schokolade in einer Menge, die der 2—2%/,fachen Dosis des reinen Chinins entspricht. - An letzterem sollen so ‚viel Dezigramme verabfolgt werden, als das Kind Jahre zählt. .. Das Chinin wird in der eben genannten Dosierung täglich ohne Pause gegeben, solange noch Fieber auftritt, und nach dem letzten Fieber- > tage noch 5 Tage lang; dann soll man eine 4tägige Pause folgen lassen und danach zwischen 3tägiger Chininbehandlung und 4tägigen Pausen abwechseln. Länger als 5—6 Wochen braucht die Behandlung in dieser Weise nicht zu dauern, wenn nicht Blutarmut und andere klinische Erscheinungen eine _ Verlängerung angezeigt erscheinen lassen. Für das Aussetzen der Behandlung soll nicht allein der fehlende Parasitenbefund, sondern auch der Allgemeineindruck des _ Kranken und der klinische Befund maßgebend sein. R — — Im’allen Fällen, in denen die Resorption des Chinins in Frage ge- - stellt ist (Magen- und Darmkatarrh, ruhrartige Erkrankungen, Achylie, Chinin- - empfindlichkeit, die sich im Eintreten von Durchfällen nach Chinin äußert, Er- - brechen, Somnolenz, Bewußtlosigkeit, sehr hohes Fieber, sonstiger schwerer Allge- - meinzustand) oder wo die Beobachtung auf mangelhafte Chininwirkung hindeutet, ist das Chinin intramuskulär zu geben. Man spritzt in solchen Fällen am besten Urethan-Chinin unverdünnt (gewöhnlich 1'0 9 Chinin, bei Tropenfieber in den ersten 2—3 Tagen des Anfalls auch 2mal täglich 1'0 g Chinin) in die Gesäß- muskeln. Die Einspritzung muß bei entspannten Muskeln und Nerven vorgenommen werden, und zwar grundsätzlich in das obere äußere Viertel der Gesäßhälfte. Be: Wo es auf eine besonders schnelle Chininwirkung ankommt, ist die intra- venöse Einspritzung vorzunehmen. Sie ist namentlich angezeigt bei Tropen- fieber mit stärkerer Beteiligung des Gehirns und bei sehr hohem Fieber (41—42°). Man spritze in diesen Fällen in die Vene 05 g Urethan-Chinin, verdünnt mit . 10—20 ecm blutwarmer O-9proz. Kochsalzlösung ein oder, wenn man gleichzeitig die _ Herzkraft heben will, 05 g Urethan-Chinin verdünnt 'mit 100—200 ccm Kochsalz- _ lösung. Die Gabe von 0'5g Urethan-Chinin genügt oft zur augenblicklichen gün- ' stigen Beeinflussung der Krankheit, ist aber bei ausbleibender Besserung zu wieder- Ei ne dem Aufhören der Lebensgefahr greift die gewöhnliche Chininbehand- a ; ung tz. ’ 1098 a 57. Vorlesung. Häufig, insbesondere bei allgemeiner Schwäche und Blutarmut, empfiehlt es sich, neben der Chininkur sofort eine Arsenkur einzüleiten. Zweckmäßiger als die innere Verabreichung der gewöhnlichen Arsenmittel (Liq.. Kalii arsenicosi, Arsen- pillen, arsenhaltige Wässer) ist die Subkutanbehandlung mit Natrium kakodylieum oder Solarson. Jeder Malariarückfall i6t wie ein frischer Anfall zu behandeln, doch darf nicht jede schnell vorübergehende Temperaturerhöhung ohne weiteres als Malariarückfall gedeutet werden. Tägliches ununterbrochenes und länger als 8 bis 10 Tage fortgesetztes Einnehmen von Chinin in Gaben von 1'’0 und mehr ist zu vermeiden, weil es nichts nützt und. zur air dan, der Chininwirkung oder zu Chininnebenwirkungen führen kann. Mit einer Chiningewöhnung ist zu BERN wenn trotz vorschriftsmäßiger Chininbehandlung die ungeschlechtlichen Parasiten nicht verschwinden oder hartnäckig alsbald immer wiederkehren, auch wenn sie keine Anfälle bedingen. Wenn in solchen Fällen kein Fieber besteht, kann man ruhig das Chinin 14 Tage. “aussetzen und dann wieder mit der Chininkur beginnen. Besteht Malariafieber. so bekämpft man es am besten mit Salvarsan (s. u.). Also nicht jeder Rückfall bedeutet gleich Chiningewöhnung. Die Geschlechtsformen, besonders. die der Malaria tropica (Halbmonde), sind außerordentlich widerständsfähig gegen Chinin; sie verschwinden gewöhnlich erst nach mehreren, oft erst nach mehr als 3 Wochen.. Länger dauernder Befund von Gameten bedeutet also keine Chiningewöhnung. Auch größere Chiningaben, selbst tägliche, sind dagegen nutzlos. Zu versuchen sind dann Behandlung mit Bädern, Arbeitstherapie, Milzduschen oder heißen Milzumschlägen, abwechselnd mit Chinin- behandlung in 5tägigen Pausen (2 Tage Chinin, 5 Tage Pause). Zusammenfassend läßt sich über den Heilwert des Chinins ' sagen, daß dieses Alkaloid ein äußerst wertvolles Mittel bei der Be- 4 handlung der Malaria ist. In manchen Fällen, namentlich bei frischen Infektionen, führt es eine rasche Heilung herbei. Das Chinin ist aber kein echtes Chemotherapeutikum, es wirkt nicht direkt abtötend auf die Parasiten und versagt, vor allem bei länger bestehender Erkrankung, bei manchen Menschen vollkommen. Die Gründe für dieses Versagen ‚sind zum Teil oben angeführt. Besonders hirizuweisen ist aber noch auf die Abstumpfung der Wirkung des Chinins. Diese beruht nicht auf einer Festigung der Parasiten gegen das Mittel, wie die von Ehrlich fest- gestellte Festigkeit der Trypanosomen, denn die letztere ist dauerhaft und verliert sich nicht. Die Chininfestigkeit der Malaria erlischt aber, sobald der Malariainfizierte längere Zeit kein Chinin erhalten hat. Das Versagen des Chinins dürfte vielmehr meistens auf einer Abstumpfung des Körpers, auf den in ihrem Mechanismus noch ungeklärten Wir- kungen des Chinins auf den infizierten Organismus bzw. auf einer Giftwirkung beruhen, vielleicht auf einer Schädigung von Knochenmark und Milz, die mit den Abwehr- und Immunisierungsprozessen im engsten Zusammenhange stehen. Bei Fehlen oder Exstirpation der Milz ver- laufen Malariainfektionen stets sehr schwer und rasch tödlich. Gegen . die Wirkung des Chinins als eines echten Chemotherapeutikums im Sinne Ehrlichs spricht auch die Tatsache, daß große und täglich wochenlang wiederholte Chinindosen meist nicht mehr erzielen als kleinere und seltenere, in Pausen von Tagen und Wochen verabreichte Mengen. Die Frage der Chininfestigkeit ist im Eu erneut erörtert worden. Werner unterscheidet verschiedene Grade und bezeichnet als Resistenz dritten Grades das völlige Versagen des Chinins, wie es bei Soldaten, die in bestimmten Örtlichkeiten infiziert waren, festgestellt wurde. Bei der relativen Resistenz (1. und 2. Grad) treten auch unter A EN ERT ee EEE ER TREE RT "Malaria. ne 1099 | SE inbehandlong leicht Rezidive auf. Eine sichere Klärung des Prob- ‘ lems wäre nur durch Infektionsversuche am Menschen herbeizuführen, namentlich auch mit Hilfe der absichtlichen Überimpfung der Parasiten ‘Anophelen, die ihrerseits wieder mit Malariablut von chinin- ob a priori chininresistente Parasitenrassen existieren oder ob es auf _ dem Wege der Selektion resp. Mutation entstandene chininfeste Plas- modienstämme gibt (Rodenwaldt). Wir sind also einstweilen auf eine ee zeune der Resistenz mancher Malariaerkrankungen = on anderen Malariaheilmitteln ist zunächst das Methylenblau zu. nennen. Es wird in Einzeldosen von 0:1—0'2 y bis zur Tagesmenge - von 1'0g gegeben, hat sich aber nicht sehr eingebürgert und wird höchstens bei ausgesprochener Chininidiosynkrasie willkommen sein. istenten. Fällen jetzt viel gegeben. Auch diese Mittel beeinflussen nso wie das Chinin die Gameten gar nicht und können daher eine herapia magna sterilisans nicht herbeiführen. Sie stehen aber dem - Chinin hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Wirkung zweifellos nach, - wenn auch die Schnelligkeit der Wirkung auf die Parasiten bei den Arsenobenzolderivaten eine erheblich größere ist. Am besten wirken diese - Präparate beim Tertianfieber zu Beginn der Anfälle, am unsichersten „Btägigen Zwischenräumen) sind nicht notwendig. Dorendorf erzielte mit _ sehr großen Dosen von Neosalvarsan, das von Malariakranken auffallend gut vertragen wird, bemerkenswert gute Resultate. Da jedoch eine Falle eine Nachbehandlung mit Chinin anzuschließen. Ärsalyt wirkt ebenso wie Salvarsan. Es wird in Dosen von 0'3—0'45 g intravenös injiziert und die Behandlung nach mindestens 10tägiger Pause erforder- chenfalls wiederholt. H. Werner hat die drei Mittel, die klinisch gewandt, indem er sie eines nach dem anderen intravenös injzierte (z. B. 0:4 Salvarsan, dann 075 Chinin), und so auch bei chininresistenten Fällen Erfolge erzielt. 3 RR als Chinin, ist aber wegen seiner Nebenwirkungen gefährlich und - kann für die Malariabehandlung entbehrt werden (Nocht und Martin Mayer). Auch das Cuprein, Chinpropylin, Cinchonin und andere höhere - Homologe des Chinins sind dem Chinin nicht gleichwertig, dagegen ist das Dihydrochinin (Morgenroth, Werner) dem Chinin in seiner 3 _ antiparasitären Wirkung zumeist überlegen. E- Die bei der Therapie der Trypanosomenkrankheiten so wirksamen Farbstoffe (Tryparosan, Trypanblau, Akridinfarben wie Trypaflavin u.a. _ mehr) haben im Gegensatz zum Methylenblau weder bei intravenöser _ noch stomachaler Zufuhr eine nennenswerte Wirkung auf die Malaria- Parasiten, weder auf Schizonten noch auf Gameten (Kolle, Kalberlah und Schlossberger).. resistenten Fällen infiziert sind. Das ist aber aus verschiedenen, auch . _ ethischen Gründen nicht möglich. Nur so könnte sich entscheiden lassen, Ivarsan, Neosalvarsan und Silbersalvarsan werden bei chinin- . - beim Tropenfieber. Mehr als 2—3 Einspritzungen (03—045 g in. _ Dauerwirkung auf die Malariaerreger nicht ausgeübt wird, ist in jedem kungsvoll sind, Salvarsan, Chinin und Methylenblau gemeinsam an- ‚Optochin (Athylhydrocupreinum Ayirochlbnieem) wirkt nicht . heilm ittel. 1100 57. Vorlesung. Malaria bei Tieren. Den menschlichen Malariaparasiten ähnliche Blutschmarotzer finden sich bei verschiedenen Tierarten. In Europa sind bei Fledermäusen ‚und Hunden von Ziemann, Gonder und Dionis Parasiten gefunden, die morphologisch und in ihrem Entwicklungskreislauf von den Malaria- erregern des Menschen verschieden sind. In den tropischen Gegenden kommen bei Affen Protozoen im Blute vor, die den Malariaplasmodien sehr nahe stehen. So fand Koch in Afrika bei Meerkatzen und Hundsaffen den Tertianparasiten ähnliche Gametozyten und Ringformen, die Kossel näher beschrieb, Ziemann tropikaähnliche Parasiten bei Kameruner Affen, Dutton und Todd bei Kongo-Affen. v. Prowazek und Halberstädter studierten die Erreger‘ der Affenmalaria auf Java bei Orangs und Makaken und konnten den Entwicklungskreislauf der Parasiten aufdecken, der auch von Mayer im Hamburger Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten beschrieben wurde. Das beim Orang ee Plasmodium pitheci bildet, ähnlich wie der Tropenfieberparasit, kleine Ringe mit einem runden Chromatinkorn, neben dem häufig noch ein kleineres sichtbar ist (Taf. 91, Fig. 1 u. 2). Die größeren Formen haben goldgelbes Pigment und ähneln denen der menschlichen Tertianparasiten, namentlich bei der Teilung. Sehr charakteristisch und für die Stellung der Parasiten im System der Protozoen wichtig ist die Zweiteilung, die neben der -Schizogonie beobachtet wird. Die Makrogameten und Mikrogametozyten sind ebenfalls bis zu einem gewissen Grade den gleichen Formen der _ menschlichen Tertianparasiten ähnlich. Wie bei der Tertiana des Menschen wird auch bei der Affenmalaria eine Vergrößerung und Tüpfelung der ‚roten Blutzellen beobachtet. Flu hat die von Mayer festgestellten Befunde durchaus bestätigt und die Affenmalaria klinisch und experimentell weiter studiert. Die Krankheit kann durch subkutane Verimpfung von Blut infizierter Affen auf Makaken und Zerkopitheken übertragen werden. Nach einer Inkubation von 9 bis 11 Tagen tritt eine rasche Vermehrung der Parasiten ein, die mit einem etwa dem Tertiantypus entsprechenden Fieber einhergeht. Die Affen werden schon durch eine 8—10 Tage dauernde Attacke sehr anämisch und erkranken häufig an Rezidiven, erliegen der Infektion auch nicht selten. Bei der Obduktion solcher Affen findet man außer Pigmentanhäufungen in Leber und Milz und Anämie der inneren Organe keine wesentlichen Veränderungen. Die von Mayer, Flu sowie Halberstädter und v. Prowazek be- schriebenen Parasiten sind, wenn nicht identisch, so doch einander sehr nahe verwandt (Plasmödium inui eynomolgi). Durch die Untersuchungen der neueren Zeit ist aber festgestellt, daß Menschenaffen auch für die Malariaparasiten des Men- schen empfänglich sind. Reichenow wies zuerst bei Gorillas und Schimpansen, die teils auf der Jagd erlegt, teils lebend eingefangen ‘ waren, Tropenfieberparasiten nach. Er fand meist nur spärliche, aber typische Halbmonde, die sich von denen des tropenfieberkranken Menschen morphologisch in keiner Weise unterschieden, bei zwei jungen Schimpansen aber auch verhältnismäßig zahlreiche Schizogoniestadien Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 91. Fig. 1. Malariaparasiten bei Affen. Junge Parasiten, zum Teil mit zwei geteilten Kernen. Nach Martin Mayer. Fig. 2. Malariaparasiten bei Affen. Ältere Parasiten in getüpfelten Blutzellen und Teilungsformen der Parasiten (10, 11, 12). Nach Martin Mayer. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Malaria. 1101 im peripherischen Blut. Auch Tertianfieberparasiten, deren experi- mentelle Übertragung auf einen Schimpansen schon vorher Mesnil und Roubaud (1917) gelungen war, ließen sich bei freilehenden Gorillas und Schimpansen nachweisen. Sie glichen morphologisch und biologisch (Entwicklungsdauer) durchaus den Tertianfieberparasiten des Menschen und führten ebenso wie die letzteren zur Vergrößerung der befallenen Erythrozyten. Das Vorkommen von Quartanfieberparasiten bei Menschenaffen ist — obwohl Reichenow bei zwei Schimpansen, die schon längere Zeit in Gefangenschaft gehalten waren, Befunde erhob, die in hohem Grade für das Vorliegen dieses Parasiten sprachen (Band- formen des heranwachsenden Schizonten, keine Vergrößerung der Blut- körperchen) — noch nicht ganz sicher erwiesen; es fehlt hier auch noch die Bestätigung durch die experimentelle Übertragung. - Das Vorkommen der menschlichen Malariaparasiten beim Gorilla und Schimpansen ist dadurch leicht zu erklären, daß diese Affen ihre Nachtlager sehr oft in unmittelbarer Nachbarschaft der Dörfer auf- schlagen und somit den Anophelen vielfach Gelegenheit geboten wird, die Parasiten von den. stark malariadurchseuchten Eingeborenen auf die Affen zu übertragen. Im allgemeinen ist bei älteren Affen der Gehalt des Blutes an diesen Parasiten so gering, daß der Nachweis nur in Präparaten gelingt, die nach der Methode des dicken Tropfens her- gestellt sind. .Bei jungen Affen führt oft aber schon die Untersuchung gewöhnlicher Blutausstrichpräparate zu einem positiven Ergebnis. Die Infektionsstärke scheint somit, genau wie beim Eingeborenen, im Laufe der Entwicklungsjahre nachzulassen. Die früher von Lühe (1906) und Halbstädterjund Prowazek (1907) mitgeteilten Beschreibungen der Parasiten der Affenmalaria schliessen ' es nicht aus, daß diesen Autoren bei der Untersuchung des Affenblutes vielleicht wenigstens teilweise ebenfalls menschliche Malariaparasiten vorgelegen haben (Reichenow). Literatur. Ruge, Malariaparasiten. Handb. d. pathog. Mikroorganismen. 2. Aufl., Bd. 7,-1913. — Einführung in das Studium der Malariakrankheiten mit besonderer Berücksich- - tigung der Technik. Jena, G. Fischer, 2. Aufl., 1906. Ziemann, Malaria. Menses Handbuch der Tropenkrankheiten. 2. Aufl., Bd. 6, 1917. — Über Malaria- und andere Blutparasiten. Jena, G. Fischer, 1898. — Über die Beziehungen der Moskitos zu den Malariaparasiten. Deutsche med. Wochenschr., . 1900. — Über wichtigere Probleme der modernen. Malariaforschung. Berliner klin. Wochenschr., 1920. Laveran, Acad. de med. 23. XI. u. 28. XII. 1880. — Traite du Paludisme, 1898. Golgi, Mitteilg. an die R. Accad. di Medieina di Torino, 20. XI. 1895. Marchiafava u. Celli, Berliner klin. Wochenschr., 1890. Ross, Untersuchungen über Malaria. Deutsche Übersetzung von Schilling. Jena, G. Fischer, 1905. Koch, Berichte über die Tätigkeit der Malariaexpedition. Deutsche med. Wochenschr., 1899 u. 1900. — Über Schwarzwasserfieber. Zeitschr. f. Hygiene u. Infektions- krankheiten, Bd. 33, 1899. — Über die Entwicklung der Malariaparasiten. Ebenda, Bd. 32. E _V. Schilling, Tropenkrankheiten in: Kraus u. Brugsch, „Spezielle Pathologie und Therapie innerer Krankheiten.“ Berlin und Wien, Urban & Schwarzenberg, 1915. Mannaberg, Die Malariakrankheiten. Wien, Hölder, 1899. Grassi, Die Malaria. Studien eines Zoologen. Jena, G. Fischer, 1901. Schaudinn, Plasmodium vivax, der Erreger des Tertianfiebers beim Menschen. Ar- beiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. 19, 1902. Kolleund Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 71 1102 e 57. Vorlesung. Malaria. Doflein, Lehrbuch der Protozoenkunde, 4. Aufl., a G. Fischer, 1916. Hartmann und Schilling, Die pathogenen Protozoen. Berlin, J. Springer, 1917. _ 'Dempwolff, Bericht über eine Malariaexpedition nach Deutsch-Neuguinea. Zeitschr. für Hygiene und Infektionskrankh., Bd. 47, 1904. Ollwig, Bericht über die Tätigkeit der nach Ostafrika zur Bekämpfung der Malaria entsandten Expedition. Ebenda, Bd.45, 1903. Nocht, Über Schwarzwasserfieber. Verhandl. des Deutschen ‚Kolonialkongresses, 1905. — Über Chinintherapie bei Malaria. Ebenda. — Zur Färbung der Malariapara- siten, Zentralbl. f. Bakt., Bd. 25, 1899. — Die Behandlung der Malaria. ün- chener med. Wochenschr., 1921. Panse, Über Schwarzwasserfieber. Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. 62, 1902. Vagedes, Die Malaria unserer Kölonien im Lichte der Kochschen Forschungen. Fest- schrift für R. Koch. Jena, G. Fischer, 1903. Eysell, Die Stechmücken. Menses Handbuch der Tropenkrankheiten, 2. Aufl., Bd. 1, 1913 Dönitz, Beiträge zur Kenntnis der Anopheles. Zeitschr. f. Ayamme u. Infektions- krankheiten, Bd. 41, 1902 u. Bd. 43, 1903. Giemsa, Färbemethoden für Malariaparasiten. Ebenda, Bd. 31, 1902. Meixner u. Kudicke, Chininprophylaxe in Deutsch- Ostafrika. Archiv f. Schiffs- u. Tropenhygiene, Bd.9, 1905. A. Plehn, Beiträge zur Kenntnis der tropischen Malaria. Berlin, A. Hirschwald, 1896. — Die Malaria der afrikanischen Negerbevölkerung, besonders mit Bezug auf die Immunitätsfrage. Jena, G. Fischer, 1902. Nocht u. Mayer, Die Malaria. Einführung in Klinik, Parasitologie und Bekämpfung. Berlin, J. Springer, 1917. — Merkblatt zur Vorbeugung und Behandlung der Malaria sowie zur Bekämpfung ihrer Überträger, der Stechmücken. Münchener med. Wochenschr., 1916. Cl. Schilling, Tropenhygiene. Leipzig, G. Thieme, 1909. _ i Scheube, Die Krankheiten der warmen Länder. 4. Aufl. Jena, @. Fischer, 3 1910. Halberstädter u. v. Prowazek, Untersuchungen über die Malie DEREN der Affen. Arbeiten aus d. Kaiserl. Gesundh. -Amt, Bd. 26, 1907. Mayer, Affenmalaria. Arch. f. Protistenkunde, Bd. 12. Flu, Arch. f. Protistenkunde, Bd. 12. Mühlens, Die Plasmodiden (Die Malariaerreger und die Plasmodien der Tiere). Handb. d. pathog. Protozoen, Bd.3, Leipzig, J. A. Barth, 1921. H. Werner, Neuere Ergebnisse der Malariaforschung. Ergebnisse d. inneren Med. u. u. Kinderheilkunde, Bd. 18, 1920. Dürck, Die pathologische Anatomie der Malaria. Münchener med. Wochenschr., 1921. — Handb. d. ärztl. Erfahrungen im Weltkriege 1914/1918, Bd. 8. Leipzig, J. A A. Barth, 1921. . Rodenwaldt, Zur Frage der Chininresistenz der Plasmodien der menschlichen Malaria. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg., Bd. 23, 1919. Martini, Kritische Betrachtungen zur Lehre von der Einheit der Malariaerreger. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg., Bd. 24, 1920. Reichenow, Über das Vorkommen der 'Malariaparasiten des Menschen bei den A afrikanischen Menschenaffen. Zentralbl. f. Bakt., Bd. 85, 1920. 58. VORLESUNG. Piroplasmosen. - Unter Piroplasmosen oder Pirosomosen verstehen wir Krank- ae Kan die durch Piroplasmen (synonym: Babesien oder Pirosomen) RE, hervorgerufen werden. Es handelt sich um Blutinfektionen, denn die genannten Mikroorganismen, die zu den Protozoen gehören, sind aus- gesprochene Schmarotzer der roten Blutkörperchen. Wir kennen mehrere Arten von Piroplasmen, die verschiedene Krankheiten 3 hervorrufen. Beim Rind allein sind 3 verschiedene Piroplasmen be- - schrieben worden: 1. das Piroplasma bigeminum, der Erreger des Texasfiebers, — 2. das Piroplasma mutans, der Erreger der afrikanischen Piroplasmose, und — 3. das Piroplasma annulatum, der Erreger der sog. tropischen Piroplasmose, die vielleicht mit der afrikanischen ‚ identisch ist. Ferner kommt eine Piroplasmose des Hundes, des Pferdes und des Schafes vor. Die bei den einzelnen Tierarten gefundenen - Piroplasmen lassen sich durch Blutimpfung von infizierten Tieren auf gesunde Individuen derselben Art, nicht aber auf andere Tierarten ‘ _ übertragen, also z. B. nicht das beim Hunde vorkommende Pirosoma auf Pferde und umgekehrt. “ Der Name „Piroplasma“ oder „Pirosoma“, der jetzt für alle Parasiten dieser Gruppe gebraucht wird, stammt ursprünglich daher, daß sie größtenteils birnförmig sind. Beim afrikanischen Ost-Küstenfieber der Rinder zeigt die Mehrzahl der Parasiten Stäbchen- oder Ringform und nur einzelne haben etwas birnähnliche Gestalt. Schilling und K.F. Meyer haben den Erreger dieser Krankheit (Piroplasma parvum) als Theileria parva bezeichnet und von den echten Pirosomen, denen er sehr nahe steht, auch deshalb abgegrenzt, weil der Parasit nicht durch Blutimpfung übertragen werden kann, nach Abheilen der In- fektion aus dem Blute dauernd verschwindet und Entwicklungsformen im Tierkörper durchmacht, die bei den echten Piroplasmen bisher _ _micht nachgewiesen sind. Wenn man diese Abgrenzung der Theileria - parva von den echten Piroplasmen akzeptiert, lassen sich die letzteren in 3: Gruppen einteilen: E: 1. runde oder birnförmige, die echten Piroplasmen (Piroplasma bigeminum, Piroplasma canis, equi, ovis); 4 2. die Gruppe der kleinen stäbehenförmigen Piroplasmen, deren - "Teilungsformen gelegentlich in Kreuzform liegen (Piroplasma mutans); 71* Biologische Eigentüm- lichkeiten der Piroplasmen. 1104 58. Vorlesung. 3, die bei tropischer Piroplasmose gefundenen ring- oder bazillen- förmigen Parasiten (Piroplasma annulatum). Wo Jie Piroplasmen, denen die Theileria parva jedenfalls nahe- steht, im System der. Protozoen einzuordnen sind, ist noch nicht endgültig festgelegt. Sie bilden eine Gruppe, die ziemlich isoliert von den anderen im Blute vorkommenden Protozoen dasteht. Die von Hartmann angenommene Verwandtschaft mit den Flagellaten bedarf noch weiterer biologischer Beweise. Für die Verwandtschaft von Piro- plasmen und Trypanosomen spricht die Auffindung von Flagellaten- formen des Pirosoma canis durch Breinl und Hiändle. Ein für alle Piroplasmosen gemeinsames Charakteristikum ist der Umstand, daß die Parasiten aus dem Wirtsorganismus fast nie wieder. verschwinden. Sie ‚bleiben nach dem akuten Anfall noch jahrelang mikroskopisch oder durch Verimpfung von Blut auf empfäng- liche Tiere nachweisbar, oft ohne dem Wirt irgendwelchen Schaden zuzufügen. Durch äußere oder innere Schädlichkeiten kann nicht selten ein Rezidiv der Krankheit ausgelöst werden. Es besteht der Zustand der sog. labilen Infektion (Schilling). Vielfach bedingt diese chronische Infektion allerdings auch eine mit Zerstörung der roten Blutkörperchen einhergehende Anämie und Kachexie. Die Piroplasmen liegen als ziemlich stark lichtbrechende Gebilde innerhalb der Erythrozyten und zeigen amöboide Bewegungen’ Im ge- färbten Trockenpräparat haben sie neben birnförmigen auch runde und ovale Formen. Das Chromatin findet sich meist in einem größeren und einem kleineren Klümpchen vereinigt, die nach Annahme einiger Forscher einem Haupt- und Nebenkern mit Karyosom entsprechen. Der Mechanismus der hämolytischen Wirkung der Piroplasmen ist noch nicht geklärt; offenbar "sind aber Giftstoffe. die von den Parasiten geliefert werden, die Ursache der Auflösung der Erythrozyten. Als Folge des Zerfalls großer Mengen von Erythrozyten tritt Anämie, Hämoglobinurie und Leber- und Nierenschädigung auf, die zum Tode führen können. Charakteristisch für alle Piroplasmosen ist ferner die bereits von Smith und Külborne bei Studien über das Texasfieber ermittelte Tat- sache, daß unter natürlichen Verhältnissen die Übertragung durch bestimmte Zeckenarten erfolgt. In den Zecken findet eine Ent- wicklung der Parasiten statt, wahrscheinlich nach Befruchtungs- vorgängen, deren erste Stadien Koch bei der Untersuchung des Piro- plasma bovis in Afrika gefunden hat. Auch auf die Nachkommen der Zecken geht der Infektionsstoff über. Es ist noch nicht für alle auf- geführten Krankheiten mit Sicherheit ermittelt, ob nur eine einzige Zeckenart imstande ist, die Entwicklung der betreffenden Piroplasmenart zu ermöglichen, ob also die Verhältnisse ähnlich liegen wie bei den Malariaparasiten. die sich nur im Genus Anopheles vermehren. Manche Beobachtungen sprechen dafür, daß verschiedene, teils der Familie der Ixodinen, teils der Familie der Rhipizephalen angehörende Zecken die Infektion mit einer bestimmten Piroplasmenart unter natürlichen Verhältnissen vermitteln können. Das nähere Studium der verschiedenen Zeckenarten und die Untersuchung ihrer Organe auf etwaige Entwicklungsstadien der Parasiten wird diese Frage in der Zukunft zu entscheiden haben. . Piroplasmosen. i 1105 Außerhalb der Zecken und des Tierkörpers, auch im extravasalen - Blute können sich die seem nicht vermehren. Ihre Kultur ist . noch nicht gelungen. Die Artbestimmung der Zecken ist nicht leicht. Die Unter- schiede der einzelnen Spezies sind nicht nur im Stadium des geschlechts- reifen Tieres, sondern auch bei den aus den Eiern hervorgehenden Larven und den aus den Larven sich entwickelnden Nymphen außer- ordentlich geringfügig. Es bedarf eingehender Spezialstudien, um die Zecken, deren in Mitteleuropa am meisten bekannter Vertreter der sogenannte Holzbock (Ixodes ricinus, Tat. 78) ist, mit Sicherheit zu bestimmen. Nur die wichtigsten allgemeinen Gattungsmerkmale seien kurz skizziert. Die Zeeken gehören zu der Familie der Arachnidae, sind daher acht- beinig und haben einen mit dem Thorax verwachsenen Kopf. Sie unterscheiden sich von den ihnen nahestehenden Spinnen dadurch, daß auch der Rumpf nicht vom Thorax zu trennen ist, sodaß also ihre 3 Körperteile miteinander verwachsen sind. Das gleiche ist übrigens bei den Milben der Fall. Die Zecken führen ausnahmslos ‚eine parasitische Lebensweise, und zwar nicht nur bei Warmblütern, sondern auch bei Kaltblütern (Eidechsen ete.). Sie haben Mundteile, die zum Saugen eingerichtet sind. Die Atmung findet durch ein Stigmenpaar statt, das in der Nähe des Ansatzes der Hinterbeine gelegen ist and zu den Tracheen führt. Alle Zeekenarten haben getrennte Geschlechter. Die Genitalöffnung liegt auf der Unterseite weit vorn zwischen den Vorderbeinen. Das Geschlecht der reifen Tiere ist daran zu erkennen, daß beim Männchen die ganze Rückenfläche mit einer Chitinschicht bedeckt ist (großes Schild), beim Weibehen nur-.ıler vordere Teil (kleines Schild). Manchen Zeckenarten fehlen die Augen. Die Weibchen legen Eier, aus denen sich sechs- beinige Larven entwickeln. "Nach der Häutung kriechen aus ihnen die achtbeinigen geschlechtslosen Nymphen aus, aus denen nach nochmaliger Häutung die geschlechts- reifen- Tiere (Imagines) hervorgehen. Die Larven suchen ebenso wie die Nymphen und Imagines nach der Meta- . morphose Wirtstiere auf, an deren Haut sie sich mit Blut vollsaugen, um sich dann fallen zu lassen und zu weiterer Entwicklung bzw. zur Eiablage zu verkriechen. Die Aufnahme und Übertragung von Blutparasiten ist in jedem Stadium möglich. Wir unterscheiden nach Dönitz bei den Zecken 2 Klassen : die Argasinen und Ixodinen. Über die Argasinen ist bereits in der Vorlesung über das Rückfall- fieber (8.806) das Wichtigste mitgeteilt. Zur kurzen Charakterisierung der Ixodinen wollen wir auch hier wieder die Beschreibung von Dönitz im Wortlaut wiedergeben: „Bei den Ixodinen sitzen die Mundteile vorgestreckt am Vorderrande des Körpem. Auf dem Rücken tritt immer eine panzerartige Chitinisierung auf, welche bei den Männchen die ganze Rückenfläche einnimmt, bei den Weibchen aber nur vorn in der Form eines Schildes auftritt. Analplatten kommen nur bei Männchen vor. Solche sekundäre Geschlechtsunterschiede haben sich für die Systematik so nützlich erwiesen, daß man deshalb für die Männchen und Weibchen besondere Bestimmungs- tabellen aufgestellt hat. Die Weibchen sind manchmal gar nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Die Ixodinen zerfallen in Tiere mit langem und solche mit kurzem Rüssel. Diese beiden Gruppen bezeichnet man nach dem Hauptgenus, das sie enthalten, als Ixodae (mit langem Rüssel) und Rhipicephalae (mit kurzem Rüssel).“ Die weitere Einteilung der Ixodinen und der Zecken überhaupt beruht auf Unterschieden, die in Spezialwerken nachgesehen werden müssen. In dieser Beziehung sei auf die Werke von €. L. Koch, der bereits im Jahre 1844 eine systematische Übersicht der Ordnung der Zecken gab, und auf das kritische Werk von @. Neumann verwiesen. 1. Texasfieber oder Hämoglobinurie der Rinder. -Diese auch als Malaria der Rinder, seuchenhaftes Blut- _ harnen, Rotnässen, Weiderot, Red water, Tristeza usw. benannte Rinderseuche ist in vielen Ländern, auch den meisten europäischen, Allgemeine Morphologie und Biologie der Zecken. Ver- breitung. Pirosoma bigeminum. 1106 58. Vorlesung. verbreitet. In einigen, namentlich subtropischen. und tropischen Land- strichen. tritt sie unter dem Weidevieh gehäuft auf,. mit Vorliebe in bestimmten Jahreszeiten, was mit der Vermehrung und Entwicklung bestimmter Zeckenarten und mit der Außentemperatur zusammenhängt. Die Krankheit lenkte zuerst in Amerika die Aufmerksamkeit der Tier- ‚ärzte und Forscher auf sich. Es wurde beobachtet, daß Rinder aus den südlichen Staaten Nordamerikas. wenn sie nach den Nordstaaten ge- bracht wurden, an einer bis dahin wenig beachteten Krankheit zugrunde gingen, deren wichtigste Symptome in Hämoglobinurie und hohem Fieber bestanden. Rinder aus den Nordstaaten, die nach Texas transportiert wurden, erkrankten unter den gleichen Symptomen. Es wurde von der nordamerikanischen Regierung eine Kommission ein- gesetzt, um die Krankheit in Texas, der Heimat des importierten Viehs, zu studieren. "Den amerikanischen Forschern Theobald. Smith und Kilborne gelang es, als Erreger dieser Rinderkrankheit eigenartige Parasiten der roten Blutkörperchen nachzuweisen, die sie wegen der birnförmigen Gestalt und der in der Regel zu beobachtenden Aneinanderlagerung zweier Exemplare als Pirosoma bigeminum bezeichneten. Der von Smith und Kilborne als Protozoon erkannte Parasit war schon vorher von Babes in Rumänien gesehen, aber fälschlich als „Hämatokokkus“, also als Bakterium beschrieben. Er wurde dann in der Folgezeit überall, wo mit geeigneten Methoden die seuchenhafte Hämoglobinurie der Rinder untersucht wurde, wiedergefunden. Untersucht man Blut der an Texasfieber leidenden Rinder in unge- färbtem Zustande im hängenden Tropfen, so sieht man die Erreger der Krankheit den roten Blutkörperchen als mäßig stark lichtbrechende _ birnförmige Gebilde meist zu zweien aufgelagert. Die Pirosomen weisen lebhafte Bewegungen auf, indem sie nach Art von Amöben ihre Gestalt . verändern. Färbt man die Präparate nach geeigneter Fixierung nach der Mansonschen Methode, so heben sich die Parasiten durch ihre blaue Farbe (Taf. 92/93 A) auf den gelbgrünlichen Blutscheiben deutlich ab. Der zentrale Teil der Parasiten ist fast stets wenig gefärbt, während die Konturen die Farbe stark aufnehmen. An dem schmalen: Ende hängen die Pirosomen häufig durch’eine sehr feine Brücke miteinander zusammen. Nicht alle Pirosomen weisen die typische Form der Birne oder des Weidenblattes auf, sondern es kommen fast alle Übergänge von kleinen runden bis zu unregelmäßig gestalteten Formen vor. Zu Beginn des Fieberanfalls finden sich sehr häufig stäbchenförmige Para- siten. Kock sieht in ihnen die Jugendformen der Pirosomen. Bei den nach Romanowsky gefärbten Präparaten (Taf. 92/93 B) findet man eine schöne Differenzierung des Zelleibes in Plasma und Chromatin, welch letzteres meistens an einer Stelle angehäuft ist, zuweilen aber auch in zwei voneinander getrennten Häufchen liegt. die als Kerne . gedeutet werden. Der Entwicklungskreislauf der Pirosomen innerhalb des tierischen Organismus bedarf noch weiterer Aufklärung. Es sind allerdings bei anderen Piroplasmen, nämlich denen des Hundes, Befunde erhoben worden, die dafür sprechen, daß die Vermehrung durch Teilung stattfindet, aber bei dem Pirosoma bigeminum sind diese Teilungs- formen bisher noch nicht gefunden worden. Piroplasmosen. 1107 Die Parasiten finden sich am zahlreichsten während der akuten Anfälle und verschwinden mit dem Nachlassen des Fiebers. Aber auch noch Wochen und Monate nach Ablauf der eigentlichen Krankheit können sie durch mikroskopische Präparate bei den einmal infizierten Tieren aufgefunden werden. Es kommt nur darauf an, eine genügend große Menge von Präparaten zu durchmustern. Durch Verimpfung von Blut lassen sie sich während des ganzen Lebens der einmal infizierten Tiere nachweisen. Sie bleiben für gesunde Tiere dauernd infektiös. In gewissen Zeckenarten findet eine Entwicklung der Piro- plasmen statt. Ein klares Bild über diesen eigentümlichen Entwicklungs- | gang gibt uns die Schilderung Robert Kochs, die wegen der Bedeutung g der Entdeckung hier im Wortlaut wiedergegeben werden soll: Fig. 172. nu - x eg er, € 3 ne ;- } 4 Entwicklung des Pirosomä bigeminum in der Zecke. „Der birnförmige Parasit, dessen Chromatin sich in der Regel schon vorher in zwei voneinander getrennte Massen geteilt hat (Fig. 172 a), verläßt das rote Blut- körperchen und streckt sich in die Länge, wobei einer der beiden Chromatinkörper an das vordere Ende des Parasiten tritt und eine dunkel gefärbte scharfe Spitze bildet. Die andere Chromatinmasse bleibt ungefähr in der Mitte des Parasiten liegen: sie hat ein weniger kompäktes Aussehen (Fig. 1725). Es erscheinen darauf strahlen- artige Ausläufer unterhalb der Spitze, anfangs 2—3, später mehr. Auch am unteren Ende des Parasiten bilden sich oft mehrere Strahlen oder Zacken. Immer hat der Parasit ein eckiges, strahliges Aussehen (Fig. 172c, d und e). Oft gleicht er einem unten spitz zulaufenden Kolben,, an dessen oberem Ende ein von Strahlen umgebenes Chromatinkorn wie ein Stern sitzt (Fig. 172/ und g). Vom 2. Tage ab finden sich neben den eben beschriebenen Formen oft noch sölche, bei denen zwei Individuen ' an ihren unteren Enden miteinander verbunden sind, sodaß also ein Körper ent- steht, der ein Mittelstück und an beiden Enden desselben mit Strahlen besetzte sternähnliche Chromatinkörper besitzt (Fig. 172%). Ich möchte diese Form für eine Art von Kopulation halten. Dann treten kugelige Gebilde auf, deren innere Wand ‚streckenweise mit Chromatin belegt ist, und die an der Peripherie noch eine Chro- Krankheits- bild. 1108 58. Vorlesung. matinspitze trägen (Fig. 172:). Es hat den Anschein, als ob diese aus kopulierten Parasiten hervorgegangen sind, welche die strahligen Fortsätze abgeworfen haben. Die mit Strahlen versehenen Parasiten haben eine große Neigung, sich zu Gruppen zu vereinigen. Man findet sie oft in Haufen von 3 bis zu 10 und mehr Exemplaren, unter denen sich gewöhnlich auch kopulierte Paare befinden. Ferner trifft man mitunter längliche, ovale oder birnförmige Körper, welche im blaugefärbten Plasma einen ziemlich großen Chromatinkern von körniger Beschaffenheit besitzen. (Fig. 172%). Diese letzteren scheinen mir den Übergang zu bilden zu den verhältnis- mäßig großen, ebenfalls birnförmigen Formen, welche ich öfters in den Eiern der infizierten Zecken angetroffen habe (Fig. 1727). Sie sind 3—4mal so groß als die Piroplasmen im Blute der Rinder, und es ist deswegen wohl anzunehmen, daß zwischen diesen beiden Formen noch Übergänge existieren. Diese werden in den jungen Zecken zu suchen sein, sei es noch innerhalb des Eies oder unmittelbar nach dem Aus- schlüpfen, da bekanntlich die junge Zecke imstande ist, zu infizieren. Bis jetzt ist es mir nicht gelungen, die Übergangsform zu finden.“ Fig. 173. August 420,19 1. 12. 13. 18, 216. 16. 17% 18, 19 30: 2:25; 22. 23. 24:26 26. „V 5 8 6 4 2 1.0 u PILL. A FIEH I 6TE SIE € Y HEIJERS EEE ER BBEZ zt 0 IN:P FÄ Be, * 5 5 YV 13% ©. ZA 1% ARE ES E2 A } Vie o 39,0 Ex ; „ä IN. \ W er \ : IS 6 G Tre) BE a 3 2 : “r. 797 LIET e UBER BE BE ALTER ix = £228 R = R 4 ” 2 NEE J Bluth. iu 2a SS 8 ulha‘ 0 3 EZ 3 8 vn 8 SIE S2] 8128188 188 au SsSl8$ 6 BRIE SeStsstastestes [este taste 4 Sgx2 ee SI Dt SE ws BE 9 nt $ 1:5 843 5 ; Sur mir un m. a ud © ErSS 37,0 7 Zur ONE Y DREa”T Tasmars 3 TE S Lich" 2 Typische Fieberkurve eines akuten Anfalles von Tegasfieber. (Nach H. Kossel.) Was die klinischen Symptome des Texasfiebers betrifft, so haben wir zunächst beim akuten Anfall. meistens eine schwere Erkran- kung vor uns, die mit hohem Fieber einsetzt (Fig. 173). Die Rinder zeigen Freßunlust und haben entweder Durchfall oder Verstopfung. Ihr Harn ist eiweißhaltig, blutig oder sogar dunkelschwarz gefärbt. Die Tiere kommen sehr rasch herunter. Es stellt sich Muskelzittern ein, und in schweren Fällen erfolgt am 4.—5. Tage der Krankheit der Tod. Wie bei allen Infektionskrankheiten gibt es natürlich auch leich- tere Fälle. Bei ihnen kann Blutharnen völlig fehlen, oder aber es ist so wenig Hämoglobin im Urin, daß es nur auf spektroskopischem Wege nachgewiesen werden kann. An den ersten Anfall kann sich nach einer fieberfreien Zeit von einigen Tagen oder einigen Wochen häufig ein zweiter Anfall, ein dritter ‘usw. anschließen. Durch diese Fieber- attacken, denen jedesmal eine Vermehrung der Parasiten mit Anhäu- fung in Leber, Milz und Knochenmark parallel geht, tritt infolge der starken Zerstörung der roten Blutkörperchen eine schwere, häufig mit re! ae IT NET END A NA 2 » o Ma LE nen BEA Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. u A. oe an MR | Au B® ah Sr < PT 2 8 (? B E. F 3 > i AR + : % i 0% ” 1 „2 ec u u Abs j . >» Li : - >, , a > 4 = 9 . Piroplasma bigeminum. Methylenblaufärbung. . Piroplasma bigemiuum. Rumanowsky-Färbung. . Piroplasma ceanis. . Piroplasma des Küstenfiebers. . Parasiten der tropischen Piroplasmose. Und m ', Getüpfelte Blutzellen und Chromatinkörnchen in den roten Blutkörperchen. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Tafel 92 und 93. Piroplasma equi. 14 ; Piroplasma canis. (Nach Nuilall.) Bilduug von 1 und 2 Parasitenpaaren in einem Blutkörperchen durch Teilung. 1. Amöboider, runder Parasit mit vereinigten Chromatinkörnern. — 2. Desgleichen mit kompaktem rundem Chromatinkorn. — 3. 4. 5. Das Chromatin teilt sich in einen größeren und kleineren Teil, die nur durch eine dünne Protoplasmabrücke hängen. — 6.7. Bildung von zwei kleinen Chromatinsprossen mit Protoplasmahülle. — 8.—11. Die Sporen mit Chromatin und Plasma wachsen. — 12. Teilung der größeren Chromatinmasse. — 13.—15. Loslösung der gestielten Chromatinkörner und Vollendung der Teilung. — 16.—20. Bildung von 2 Parasitenpaaren, und zwar: 16. 17. Zwei- teilung einer runden, amöboiden Form. — 18. Bildung der Sprossen wie bei 6. u. 7. — 19. 20. Gleiche Vorgänge bei mehreren Parasiten eines Blutkörperchens, die sich in verschiedenen Entwicklungs- stadien befinden. ® 4 ;x En Piroplasmosen. ? 1109 Ikterus einhergehende Anämie ein, an deren Folgen die Tiere unter den Erscheinungen der Kachexie zugrunde gehen. Die Zahl der roten - Blutkörperchen kann von 4—5 Millionen auf einige Hunderttausend im Kubikmillimeter sinken. Ei: Bei der Obduktion findet sich die Milz mehr oder minder stark _ vergrößert: an ihrer Oberfläche sind Infarkte sichtbar. Die Leber - ist gleichfalls vergrößert, hyperämisch und zeigt häufig parenchymatöse Degeneration. Die Galle ist eingedickt und einer dunklen Tomaten- ' sauce vergleichbar. An der Gallenblase werden Verwachsungen, am ' Perikard und auf der Darmschleimhaut Ekehymosen selten vermißt. Die Nieren sind entzündlich-hyperämisch verändert, in der Harnblase findet sich blutig gefärbter Urin. Das Knochenmark ist sehr blutreich. Die Befunde sind zum größten Teil durch die Wirkung der mit dem Zerfall der Blutkörperchen freiwerdenden Stoffe zu erklären. ‘ Die Diagnose der Piroplasmose der Rinder ist mit Sicherheit _ nur durch die mikroskopische Untersuchung des Blutes zu erbringen. Zwar wird man in Ländern, in denen die Krankheit ‘größere Verbrei- tung zeigt, auch schon auf Grund der klinischen Symptome das Texas- ' fieber erkennen können, aber eine absolut sichere Diagnose kann nur „durch das Auffinden der Piroplasmen gestellt werden. Man muß sich stets vor Augen halten, daß die Piroplasmen nur selten in großer - Menge im zirkulierenden Blut vorhänden sind; es ist deshalb notwendig, - eine größere Anzahl von Präparaten herzustellen und genauestens zu - durchmustern. Gewisse Schwierigkeiten können die runden Formen der - Parasiten insofern bieten, als sie von Ungeübten nicht richtig gedeutet ‚werden. Charakteristisch für diese runden Formen ist, daß sie sich meist zu zweien, häufig durch einen dünnen Stiel vereinigt, oder allein in einem Blutkörperchen finden. Zu Verwechslungen mit den runden ‘ Parasiten können kleine Gebilde, sog. basophile Granulationen, Veran- lassung geben. die vom Stroma der roten Blutkörperchen herrühren; - diese sind jedoch fast stets in größerer Anzahl vorhanden und weisen - auch bei Benutzung der Mansonschen Methode eine dunklere Färbung - auf. Derartige „getüpfelte“ Zellen finden sich bei allen schweren Blut- - krankheiten, also auch bei den Piroplasmosen. Nicht spezifisch sind ‘ auch die rot gefärbten runden Körnchen, die bei Giemsa-Färbung nament- - lieh am Rande der roten Blutzellen oft nachweisbar sind (Taf. 92/93 F). Sie werden bei Blutinfektionen aus anderer Ursache ebenso gefunden. ‘ In zweifelhaften Fällen wird die Überimpfung von Blut auf gesunde - Tiere, die unter täglicher Blutkontrolle gehalten werden, die Diagnose - ermöglichen. E Die Epidemiologie lehrt, daß das Texasfieber eine Seuche des - _ Weideviehs ist und vor allen Dingen in Gegenden vorkommt, in denen sich große Mengen von Zecken finden. Deshalb sind auch die sumpfigen Niederungen besonders heimgesucht. Wie die Erfahrung zeigt, werden die akuten Anfälle der Kranklıeit namentlich bei Witterungswechsel ausgelöst. Dies hat seinen Grund darin, daß die dauernd infizierten Tiere durch die Einwirkung von: Schädlichkeiten, wie sie beim Eintritt & kalten Wetters gegeben sind, für den Ausbruch der Krankheit beson- # Meist besteht eine starke Blässe oder gelbe Färbung der Schleimhäute. Diagnose. Epidemio- logie. Über- tragung. Chemo- therapie. Schutz- impfung. 11 10 58. Vorlesung. ‚ders disponiert werden. Die Häufigkeit der Krankheitsfälle in enzooti- schen Gebieten zeigt, abgesehen’ von diesen vorübergehenden Einflüssen, auch noch wesentliche Schwankungen im Verlaufe der Jahreszeiten. Besonders gegen Ende der wärmeren Zeit, wenn die Zecken das Maxi- mum ihrer Vermehrung erreicht haben, häufen sich die Erkrankungs- fälle durch Neuinfektionen bei bis dahin nichtinfizierten Tieren. Die ‘: wärmere Jahreszeit ermöglicht und begünstigt die Entwicklung der Parasiten in der Zecke. ' Epidemiologisch wichtig ist eine Erfahrung, die in vielen enzootisch -durchseuchten Gebieten festgestellt wurde und auch ein Licht auf das- Zustandekommen der Immunität wirft. Es zeigt sich, daß die jungen Tiere, namentlich die Kälber, gegen die Infektion viel resistenter sind “als die erwachsenen Tiere. Sie machen die Krankheit in außerordentlich leichter Form durch und kommen dadurch. in den Zustand einer relativen oder labilen Immunität. Es entsteht also auf dem Wege der natürlichen Durchseuchung eine Rinderrasse, die zwar dauernd die Parasiten in ihrem Blute beherbergt und so den Zecken Gelegenheit gibt, sich zu infizieren, die aber selbst, wenn nicht besondere schädigende Einflüsse auftreten, für die Krankheit nicht oder nur wenig empfänglich ist. Sobald aber in das enzootisch durchseuchte Gebiet mit immunem Rindviehbestand Rinder aus Gegenden, in denen die Krankheit nicht vorkommt, eingeführt werden, so erkranken diese. Werden andrerseits . aus verseuchten Gebieten Tiere nach. seuchefreien Ländern gebracht, so können sie zur Ausbreitung der Krankheit in epizootischer Form Veranlassung geben, wenn die zur Übertragung geeigneten Zeckenarten dort vorhanden sind und die klimatischen Bedingungen die Entwicklung. des Pirosoma in den Zecken gestatten. Die Übertragung des Texasfiebers kann dureh verschiedene Zecken vermittelt werden. Bisher sind durch einwandfreie Infektions- versuche als Überträger festgestellt worden Boophilus annulatus, Boophilus decoloratus, Rhipicephalus Evertsi, Rhip. capensis, Haemophysalis punc- tata und Ixodes rieinus (syn. reduvius). Die Boophilusarten machen ihren ganzen Entwicklungsgang (sechsbeinige Larve, achtbeinige Nymphe und achtbeinige geschlechtsreife Zecke) auf demselben Tier durch; bei ihnen muß also eine Infektion der Eier erfolgen. Die anderen genannten Zeckenarten dagegen wechseln zweimal das Wirtstier. Die Larve verläßt vor der Häutung ebenso wie die Nymphe, nachdem sie sich vollgesogen hat, ihren Wirt, um dann ein: frisches Tier aufzusuchen. Kossel stellte fest, daß bereits die Larven die Krankheit übertragen können, wenn sie von infizierten Zecken abstammen, und daß die Nymphen, wenn sie aus infizierten Larven hervorgegangen sind, gleich- ; falls die Pirosomen verbreiten. Den Verlauf der ausgebrochenen Krankheit ufknhalten: ist bis jetzt nicht möglich. Es fehlt uns'nech ein sicheres chemotherapeutisches Heilmittel, das auf die Piroplasmen in ähnlicher Weise wirkt, wie das Chinin auf die Malariaparasiten, wenngleich mit Trypanblau in großen Dosen (29) von Nuttall und Hadwen, Stockman und Dodd sowie T'heiler Erfolge bei der Behandlung des Texasfiebers erzielt wurden. Aus diesem Grunde hat man dort, wo Tiere der Infektionsgefahr ausgesetzt werden müssen — z. B. wenn Zuchtvieh zur Veredelung der Rasse aus seuchefreien . Ländern in infizierte Gebiete gebracht wird — durch Impfungen eine Unempfäng- lickkeit bei ihnen herzustellen versucht (Morgan, Kolle, Schröder, Kossel, Ligniöres, Knuth, Schütz, Weber und Miessner). Man ging dabei von der ‘Annahme aus, daß es. gelingen müsse, eine stabile Immunität gegen die natürliche Infektion in ähn- Mn En 4 a m mt Lu un Piroplasmosen. I 1111 ers Weise zu erzielen, wie sie in enzootischen Gebieten auf dem Wege der Durch- seuchung der jungen Tiere und Kälber zustande kommt. Es wird für diese Zwecke . das Pirosomenhaltige Blut von jungen Tieren verwendet, welche die Krankheit vor längerer Zeit in leichter Form überstanden haben. Man spritzt das defibrinierte Blut in der Dosis von 5—10ccm den Impflingen subkutan ein. Vorausgesetzt, daß man Tiere nimmt, die nicht älter sind als 9—12 Monate, and daß die äußeren n, unter denen die Tiere die Krankheit durehmachen können, günstig. a (gut temperierter und gelüfteter Stall, gute Pflege und Ernährung), gelingt es - bei ungefähr 80 bis 90°/, der Impflinge, eine verhältnismäßig leicht verlaufende künstliche Pirosomeninfektion zu erzielen. Immerhin ist das Schutzimpfungsverfahren er unbedenklich, denn man beherrscht weder die Zahl der einverleibten Piro- die in dem verimpften Blut enthalten sind, noch hat man die Virulenz des Infektionsstoffes vollkommen in der Hand. Auch spielt die Empfänglichkeit der Tiere eine Rolle, sodaß die Impfverluste in einzelnen Fällen doch recht erheblich . gewesen sind. Sie haben zum Teil bis zu 30, 40 und sogar 50°/, betragen, so z. B. bei Impfungen, die in Australien ausgeführt wurden. Aber trotz dieser großen ee hat man dort die künstliche Durchimpfung bedrohter Bestände bei- - behalten, weil die Erfahrung gezeigt hat, daß die Verluste bei Anwendung dieses Verfahrens immer noch geringer sind, als wenn man die Tiere nicht impft “und der natürlichen Infektion überläßt. Es scheint daraus hervorzugehen, daß durch die- künstliche Übertragung von Blut den Tieren meistens Pirosomen von anderer Viru- . lenz und Infektiosität einverleibt werden, als es bei der natürlichen Infektion “ dureh infizierte Zecken geschieht. Vielleicht wird man in diesen Verhältnissen _ klarer sehen, wenn man erst den ganzen Entwicklungsgang der Pirosomen kennt. Nach neueren Untersuchungen von F. K. Meyer bestehen erhebliche Größenunter- schiede. zwischen den Pirosomen der verschiedenen Erdteile. Die Ergebnisse der | Immunisierungsversuche sprechen ebenfalls für biologische Unterschiede zwischen dem afrikanischen und europäischen Pirosoma PIROREINDIN: 2 = Die Bekämpfung der Krankheit muß verschieden sein, je - nachdem. es sich darum handelt, seuchefreie Gebiete zu schützen oder die Krankheit in enzootisch durchseuchten Gebieten zu beschränken. Wenn in seuchefreien Gebieten die zur Übertragung geeigneten Zecken und die klimatischen Bedingungen vorhanden sind, die eine Verbreitung _ der Krankheit ermöglichen, kann nur eine strenge Absperrung der Grenzen und das Verbot der Einfuhr pirosomeninfizierten . Viehs einen Erfolg verbürgen. Bei der Einführung von infiziertem ' Vieh in kältere Länder, wo die Gefahr der Verbreitung der Seuche _ wegen der klimatischen Bedingungen nur gering ist, leisten, wie die Erfahrungen der Amerikaner gezeigt haben, die sogenannten Zecken- bäder für das zu importierende Vieh gute Dienste. Die Tiere müssen durch Bassins schwimmen, deren Wasser mit Seife und Petroleum bzw. einem anderen Mineralöl oder Mischungen von Teer, Soda und weißem ‚Arsenik versetzt ist (s. Fig. 174). Die Mineralöle. Teer usw. töten die den Rindern anhaftenden Zecken dadurch. daß sie ihre _ Tracheen verstopfen. Durch systematische Anwendung der Bäder kann k man die Zahl der Zecken, welche auch da, wo sie nicht infizieren, eine große Plage für das Vieh sind und durch Geschwürsbildung zu i E ‚ausgedehnten Schädigungen der Haut führen, ganz gewaltig dezimieren oder gar ausrotten. Auch durch systematischen Weidewechsel kann neben den 4 in regelmäßigen Zeitabschnitten wiederholten Zeckenbädern die Aus- 8 breitung der Krankheit in enzootisch durchseuchten Gebieten bekämpft und eingedämmt werden. Der Weidewechsel muß allerdings planmäßig von Sachverständigen überwacht werden, die den Zeitpunkt des Wechsels nach der Entwicklung der Zecken bestimmen. Für jede Zeckenart besteht ein ziemlich bekannter Zyklus der Entwicklung. Da die Zecken Be- kämpfung. 1112 58. Vorlesung. während der Metamorphose die Wirtstiere verlassen, werden also Tiere in bestimmten Perioden auch auf einer von Zecken verseuchten Weide von Zecken frei sein. Es folgt hieraus, daß der Weidewechsel zu der Zeit, wo die Rinder zeckenfrei sind, erfolgen und zu einer Befreiung der Rinder von Zecken selbst ohne Zeckenbäder führen muß, wenn die Herden auf zeckenfreie Weiden gelangen. Weiden werden ferner stets zeckenfrei, wenn sie 12—18 Monate ohne Weidevieh (Rinder, Pferde Schafe) sind. In Ländern mit großen Weideflächen (Süd- und Nord- amerika) ist dieses planmäßige Wechseln der Weiden bei der Be- kämpfung der Zeckenplage und der durch Zecken übertragenen Blut- krankheiten sehr erfolgreich gewesen. Fig. 174. Zeckenbäder. Daß die Immunisierung der jungen Tiere nach dem oben geschil- derten Verfahren von unterstützender Wirkung bei diesen Maßnahmen ist, wurde bereits gesagt. Die so immunisierten jungen Tiere neigen weniger zu Rezidiven als spontan infizierte Tiere, trotz der labilen Infektion, die sie davontragen, und erkranken fast nie tödlich, sondern meist leichter als erwachsene Rinder. 2. Piroplasmose des Hundes. Die Piroplasmose des Hundes ist eine in tropischen und auch sub- tropischen Ländern ziemlich weit verbreitete Krankheit, die mit Fieber, Hämoglobinurie und Ikterus verläuft. Ihre Ätiologie. wurde zuerst in Oberitalien von Piana und Galli-Valerio durch Nachweis des Parasiten aufgedeckt. Es wird eine akute und chronische Form unterschieden Piroplasmosen. 1113 Die akute Krankheit setzt nach T—10tägiger Inkubation ein und ver- - läuft unter Hämoglobinurie häufig schon in 2—3 Tagen tödlich. Bei der chronischen Form steht die Anämie im Vordergrunde des klinischen Bildes, während Blutharnen fehlt. Bei der Obduktion der an dieser Krankheit verendeten Hunde findet man eine starke Milzvergrößerung und Eindickung der Galle. Auf dem Perikard sind Petechien nach- weisbar, die inneren Organe sind blutarm. Die Harnblase enthält in akuten Fällen blutig aussehenden Urin. ' Die Ursache der Krankheit ist das Piroplasma canis (Babesia canis) (Taf. 92/93). Die Parasiten ähneln dem Piroplasma bigeminum, zeigen dünne Weidenblattformen, sind aber im allgemeinen etwas größer als die Rinderparasiten. Sie liegen meist zu zweien auf den roten Blut- -körperehen. Die jüngsten Formen sind nach Kinoshita und Hartmann kleine, runde, amöbenartige Zellen, die meist frei im Blute kreisen. Es sind zwei Chromatinhaufen vorhanden, von denen der eine als Haupt- kern, der andere als Blepharoplast gedeutet wird. Aus den runden Formen gehen, nachdem sie sich auf die roten Blutkörperchen auf- gelegt haben, durch Knospung junge runde Parasiten hervor. Man sieht die Parasiten zu 2, 4, 8, 16 Exemplaren, wie sie durch die Teilung entstanden sind, nebeneinander zusammenliegen. Die einige Zeit nach der Infektion auftretenden birnförmigen Parasiten, die sich durch Längsteilung vermehren, legen sich auf neue Blutkörperchen und wachsen zu Geschlechtsformen heran. : - - Ausführliche Studien über die Entwicklungsformen der Piroplasmen ‘im zir- - kulierenden Blute, über deren Deutung übrigens noch keine völlige Übereinstimmung - der Autoren erzielt ist, verdanken wir Nufttall-und Galli-Valerio. Das Auftreten - von geißeltragenden Formen soll die nahe Verwandtschaft der Piroplasmen - und Trypanosomen dokumentieren, die Hartmann als Binucleata mit den Hämo- _ sporidien in eine große Gruppe zusammenfaßt. Kleine hat in der Lunge zwei - verschiedene Arten von freien Formen der Parasiten gefunden, die vielleicht - geschlechtlichen und ungeschlechtlichen Formen entsprechen. Weiterhin konnte ' dieser Autor beobachten, daß die Parasiten außerhalb des Tierkörpers gleiche Formen ‘ annehmen, wie sie aus den Piroplasmen des Texasfiebers und den Küstenfieber- iten in der Zecke entstehen. Bewahrt man nämlich parasitenhaltiges Blut, mit - Kochsalzlösung verdünnt, bei 37°C auf, so wandelt sich ein Teil der Parasiten in die in Fig. 172«—h skizzierten Formen um (Taf.94, Fig.1 u.2). Verschiedene ÜUntersucher haben in neuerer Zeit diese Angaben angezweifelt, weil es ihnen nie - gelang, derartige Umwandlungsformen des Piroplasma canis zu erhalten. ’ Die Übertragung der Krankheit erfolgt nach den Feststel- lungen von Lounsbury durch Haemaphysalis leachii, in dem wahr- _ scheinlich die geschlechtliche Entwicklung vor sich geht. In anderen - Ländern spielen aber vermutlich auch andere Zecken eine Rolle, so = 2.B.in Indien der Rhipicephalus sanguineus und ferner in Europa der - Ixodes reduvius. Die Larven dieser Zeckenart saugen Blut, sind aber moch nicht infektiös; auch in den Nymphen ist das Virus noch nicht - zur Entwicklung gebracht. Erst dann, wenn das geschlechtsreife Tier aus der Nymphe hervorgegangen ist, wird es infektiös. Das Piroplasma «anis muß also in den Zecken eine Entwicklung durchmachen, die ebenso lange dauert, wie der Entwicklungskreislauf der Zecken selbst. = Die Parasiten bleiben nach Überstehen des Anfalles dauernd im - Blut der Tiere nachweisbar, auch wenn die Hunde ganz gesund er- scheinen. Durch Einimpfung von Blut läßt sich die Krankheit von den Über- dragung. 1114 58. Vorlesung. infizierten auf gesunde Hunde übertragen, dagegen nicht auf andere Tierarten, ebensowenig wie sich umgekehrt beispielsweise das Texas- fieber auf Hunde mit Erfolg überimpfen läßt. Die Virulenzunterschiede der verschiedenen Piroplasmenstämme für Hunde sind groß. Immunität. Durch das Überstehen der Krankheit wird eine Immunität gegen nachfolgende Infektion mit virulentem Blute oder gegen die spontane Infektion erworben. Durch systematische Injektion steigender Dosen parasitenhaltigen Blutes kann man die Immunität der Hunde so steigern, daß deren Serum starke spezifische Wir- kungen aufweist. Es entfaltet Schutzwirkung nicht nur dann, wenn es vor der Infektion eingespritzt wird, sondern auch noch während der Inkubationszeit. Chemo- Forst Nach den Angaben von Nuttall und Graham Smith soll die Hunde- %% piroplasmose chemotherapeutisch durch intravenöse Injektion von 05 cem gesättigter wässeriger Lösung von Trypanblau und Trypanrot heilbar sein. Diese Angaben sind von Jowett, Bumann, Goodall u. a. bestätigt worden. Es ist zweifellos eine Beeinflussung und Verminderung der Parasiten durch die genannten Mittel zu erreichen. 3. Pierdepiroplasmose. Die namentlich in tropischen und subtropischen Ländern, z.B. Indien, Südafrika, Ägypten, Italien, Südrußland, bei Pferden, Maultieren und Eseln vorkommende Piroplasmose verläuft mit Fieber, Ikterus und Durchfall oder Verstopfung. Vielfach wird sie wegen des nie fehlenden Ikterus „Gallenfieber“ genannt. Hämoglobinurie wird dagegen bei dieser Piroplasmose nur in einem kleinen Prozentsatz der Fälle beobachtet. Die Parasiten (Taf. 92/93), die zuerst von Guglielmi in Italien, dann von Bordet und Danysz in Transvaal festgestellt wurden, sind rund, birn- oder ringförmig und etwas kleiner als das Piroplasma bigeminum. Sie finden sich zu zweien, häufig aber auch zu vieren in se 7 auf den roten Blutkörperchen liegend. Manche Autoren nehmen zwei verschiedene Erreir an and bersichnen den ersten, dem Piroplasma bigeminum sehr ähnlichen, als Piroplasma oder Babesia caballi, den zweiten, kleineren, der durch stärkere amöboide Bewegungen ausgezeichnet sein und sich durch Vierteilung (Kreuzform) vermehren soll, als Nuttallia equi. | Als Überträger der Krankheit werden für Südafrika Rhipi- cephalus Evertsi und für Ägypten Hyalomma aegyptium, für Rußland Dermacentor reticulatus genannt. Die Krankheit kann auch durch Blut- impfung von Pferd zu Pferd übertragen werden und tritt dann ent- weder er akut tödlicher oder in leichter, mehr chronisch verlaufender Form au Therapeutische Versuche wurden mit Trypanblau' angestellt, doch nicht immer mit Erfolg (Teiler). a a a 4. Piroplasmose der Schafe. Die in Rumänien auch als „Carceag“ bezeichnete Krankheit wurde zuerst im Jahre 1888 von Babes ätiologisch untersucht, ihr Erreger daher deshalb vielfach als Babesia ovis bezeichnet. Der genannte Forscher sah . Piroplasmosen. : 1115 die Parasiten in den roten Blutkörperchen, allerdings ohne sie richtig zu ' deuten. Er hielt sie nämlich für Gebilde bakterieller Natur, erklärte sie für Kokken und nannte sie deshalb auch „Haematococeus ovis“. Erst später, als man durch die Untersuchungen von Smith und Kilborne die Pirosomen näher kennen gelernt hatte, wurden ‚auch die Piroplasmen der Schafe richtig als Protozoen erkannt. . Die Schafpiroplasmose kommt im südlichen Europa, in Asien (namentlich Westindien) und Afrika vor, ist also eine weit verbreitete - Krankheit. Ihre Symptome und pathologisch-anatomischen Veränderungen sind denen, die wir beim Texasfieber und bei der Piroplasmose des ‘Hundes und Pferdes kennen gelernt haben, fast gleich. Anämie, Hämo- ' globinurie und Diarrhöen stehen im Vordergrund. Die Sterblichkeit der ‘ Krankheit ist hoch; in Rumänien z. B. sterben 50—70°/, der erkrankten Tiere. Der Tad tritt meist in 14 Tagen ein. Die Parasiten zeigen im ungefärbten Präparat lebhafte amöboide Bewegungen und liegen einzeln oder aber auch zu 2, 4 und 6 auf den Blutkörperchen. Es kommen - ovale, runde und birnförmige Formen vor. Die Krankheit läßt sich durch pirosomenhaltiges Blut auf gesunde Tiere übertragen. Unter - natürlichen Verhältnissen ist der Rhipicephalus bursa der Über- ' träger. Die Larven und Nymphen dieser Zeckenart sind nicht im- stande, durch ihren Biß gesunde Tiere zu infizieren; nur die geschlechts- reifen Tiere übertragen das infektiöse Agens. > 5 Küstenfieber der Rinder und Pseudo-Küstenfieber. SE a) Küstenfieber.. Wenn wir hier das Küstenfieber, dessen Erreger auf Grund biologischer - Unterschiede von manchen Forschern von den Pirosomen abgegrenzt wird, unter den Piroplasmosen. und im Zusammenhange mit ihnen besprechen, so geschieht ‘es deshalb, weil der Parasit nach den morphologischen Gesichtspunkten (Auftreten - von Weidenblattformen) den Piroplasmen sehr nahe steht und die Entwicklungs- 2 zuge bei den echten Piroplasmen und bei den Küstenfieberparasiten, soweit sie _ bisher genau bekannt sind, jedenfalls nicht so erheblich differieren, daß es gerecht- - fertigt. wäre, eine völlige Artverschiedenheit anzuerkennen und den Küstehfieber- — parasiten als Vertreter einer besonderen Protozoengruppe hinzustellen. 2 Das Küstenfieber, eine Krankheit der Rinder, kommt in ver- schiedenen Teilen des östlichen Afrika, namentlich im ehemaligen - Deutsch-Ostafrika und an den Küstenstrichen bis zur Delagoabai in "ziemlich weiter Verbreitung vor. Auch im Innern Afrikas wird die Seuche, wenn auch nur strichweise, beobachtet. Das Küstenfieber ist - als besondere Krankheit der Forschung entgangen bis zu den in - Rhodesia angestellten Untersuchungen Kochs im Jahre 1903. Der Grund _ hiefür lag wohl darin, daß sehr häufig die an Küstenfieber erkrankten - Tiere auch mit Texasfieber-Parasiten infiziert sind. 3 Als Parasit des Küstenfiebers wird, wenn seine ätiologische Bedeutung auch noch nicht sicher feststeht (s. u.), das Piroplasma parvum (synonym Theileria parva) [Taf. 92/93 D] angesehen. Es ‚dringt wie der Texasfieberparasit in die roten Blutkörperchen ein, führt aber nie ein so massenhaftes Zugrundegehen der Blutzellen her- bei, wie es bei den echten Piroplasmosen erfolgt. In den Anfangs- Ätiologie. 1116 58. Vorlesung. stadien der Krankheit überwiegen die kleinen, oft leicht gebogenen stäbchen- und punkt- oder ringförmigen Parasiten. Die Zahl der be- fallenen Blutkörperchen kann ungeheuer groß sein; gegen Ende der Krankheit findet man häufig kaum ein Blutkörperchen, das nicht ‘mit 1,2 oder 4 Parasiten infiziert ist. Die Parasiten erinnern in ihrer Form lebhaft an kleine, schmale Bazillen, die leicht gekrümmt oder an den Enden häkchenförmig umgebogen sind. Oft liegen sie wie Schwerter gekreuzt. Bei Chromatinfärbung zeigen die Parasiten ein kleines Chromatinkorn, um das das Plasma in Form eines dünnen Ringes oder dünnen Hakens angeordnet ist. Während die Piroplasmen Fig. 175. zZ T . $ 1705 75 1 7 R Y N vi PARIS N n T N NE 7 + A A r N 703 Lost 7 u N "S f I N 1202 7 Hy 7 N # N Y 3 Aeki 01 EL Jo\2OO am ZUN II t 4 # { ZU 38 J Z Pi im ” 2) 7 f z 7 7%\ 36 - H r Fah I T ri heit 4 P- 7: = zlels|sIs|s Ir |s|s los Il 12 | Typische Temperaturkurve eines reinen Küstenfieberfalles. des Texasfiebers mit großer Regelmäßigkeit Zweiteilung zeigen, sodaß letztere für diese Parasitenart charakteristisch ist, finden sich beim Küstenfieber gelegentlich in Kreuzform (Malteserkreuz) angeordnete Parasiten, die das Ergebnis einer vierfachen Teilung sind. Die Ring- formen der Parasiten erinnern oft an die kleinsten Tropikaringe. Erst gegen Ende der Krankheit pflegen auch weidenblattartige Formen der Parasiten aufzutreten, die an das Piroplasma bigeminum erinnern, aber nie dessen Größe erreichen. Die ätiologische Bedeutung des Piroplasma parvum für das Küsten- 7 fieber ist neuerdings aber angezweifelt worden. Die Unmöglichkeit, die Krankheit mit paräsitenhaltigem Blut zu überimpfen, die Tatsache, ” R Hundepiroplasmen aus Kultur. Färbung \- TEN Hundepiroplasmen aus Kultur. Nach Kleine. AR & Schwarzenberg, Berlin und Wien. ’ nach Giemsa. Nach Kleine. N EUR RE N b h . Piroplasmosen. . 1117 daß die Tiere nach dem Überstehen eines Anfalles absolut immun sind und — entgegen dem Verbalten aller mit anderen Piroplasmen infizierten Tiere — nicht zu „Infektionsträgern“ werden, und endlich das Vorkommen der bei keiner anderen Piroplasmose vorhandenen Infarkte hat verschiedene Forscher, so Fülleborn, Ollwig und M. Mayer, zu der Annahme veranlaßt, die Ursache des Küstenfiebers in einem bisher. unbekannten und unsichtbaren Virus zu suchen. Die Piroplasmen würden dann nur als Mischinfektionserreger aufzufassen sein. Wenn M. Mayer eigenartige Zelleinschlüsse in den Infarkten als Beweis für das Vorhandensein eines ultravisiblen Virus des Küsten- - fiebers betrachtet hat, so steht dem die Tatsache gegenüber, daß _ K.F.Meyer durch Implantation von Milzstückchen küstenfieberkranker Tiere die Krankheit auf gesunde Rinder übertragen konnte. Wie Meyer berichtet, traten bei den so infizierten Tieren die typischen Parasiten in Kreuzform auf. Alle Lymphdrüsen, Niere, Leber, Milz, rotes und gelbes Knochenmark enthielten die Kochschen Plasmakugeln in überaus großer Menge. Letztere lagen meistenteils in Zellen, selten frei; ihre Chromatinteile waren größer als bei den natürlich erzeugten Fällen von Küstenfieber. "Nicht nur durch die morphologischen Unterschiede der Para- siten kann das Küstenfieber von dem Texasfieber differenziert werden, sondern auch der Verlauf ist bei beiden Krankheiten verschieden. Trotz der intensiven Infektion der Blutkörperchen mit Parasiten tritt beim Küstenfieber nur ein ganz geringer Zerfall der Erythrozyten ein. Es kommt im Gegensatz zum Texasfieber nie oder fast nie zu Hämo- 3 -globinurie, und ebensowenig entwickelt sich eine nennenswerte Anämie. - Die Krankheit pflegt nach einer Inkubationszeit von 14 Tagen ein- zusetzen und im allgemeinen nach ungefähr 4 Wochen zum Tode zu - führen. Die Mortalität beträgt 70—90°/,. Die klinischen Symptome des Küstenfiebers sind denen der Rinderpest nicht unähnlich: Ausfluß aus E der Nase, Konjunktivitis, diarrhoische, oft mit Blut gemischte Ent- leerungen, Fieber von ähnlichem Typus, Abmagerung, Dyspnoe, Drüsen- schwellungen und Stupor, der zuletzt in Koma übergeht. Bei der Obduktion findet sich ein großer Milztumor mit zahlreichen Infarkten; auch in der Leber und Niere sieht man infarzierte Stellen. Die Infarkte sind von Colland und M. Mayer mikroskopisch genauer studiert worden. Die Autoren fanden, daß es sich um typische Gewebsinfiltrationen handelt, wobei eine Ansammlung von ganz eigenartigen Zellen mit Einschlüssen erfolgt. Der Ausdruck „Infarkt“ ist also eigentlich nicht zutreffend, ebensowenig die An- nahme, daß diese pathologische Veränderung durch eine Zirkulations- hemmung infolge Anhäufung von Parasiten entstände. Stets ist eine mehr oder minder starke Schwellung der Lymphdrüsen nachweis- bar. Bei fast allen Kadavern der an Küstenfieber verstorbenen Rinder - finden sich außerdem ein mehr oder weniger starkes Lungenödem, das wohl meist die direkte Todesursache darstellt, ferner Ödeme der serösen Häute, Befunde wie bei Gastroenteritis, Blutungen in den __ Schleimhäuten. Besonders charakteristisch für Küstenfieber und für die Differential- _ diagnose gegenüber anderen Piroplasmen entscheidend ist das Vor- Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 72 Krankheits- bild. Obduktions- , befunde. 1118 58, Vorlesung. kommen von zahlreichen kugeligen Gebilden, die aus blau gefärbtem Plasma bestehen und in diesem eine Anzahl Chromatinkörner enthalten. Diese merkwürdigen „Plasmakugeln“ wurden von R. Koch in Leber, Nieren, Milz, Lymphdrüsen und in den sogen. Infarkten entdeckt. Sie sind übrigens auch bei Piroplasmose der Rinder in Rußland, Ägypten und China gefunden worden. In der Milz treten sie schon auf, ehe auf den Blutkörperchen die kleinen Parasiten erscheinen. Sie sind so regelmäßig vorhanden, daß ihr Befund bei geschlachteten Tieren zur sicheren Diagnose der Krankheit verwertet werden kann. Koch hielt die Bedeutung der kugeligen Gebilde noch nicht für genügend geklärt. Durch. die Forschungen. von @onder, Lichtenheld und F. K. Meyer sind die Befunde von R. Koch bestätigt und zum Teil erweitert worden. Wir haben uns. danach die Entwicklung der Parasiten im Rind so vorzustellen, daß zunächst nur durch Teilung Agamonten, und zwar in Milz und Lymphdrüsen, entstehen. Sie liegen in Zellen, die zerfallen. Aus den Agamonten werden durch Schizogonie die Agameten gebildet, die 2 Kerne aufweisen. Gonder nimmt an, daß aus den agamo- genen Parasiten . neue gamogene hervorgehen, zu. denen die in den Blutkörperchen auftretenden Formen gehören (Gametozyten). Die Bildung der Gamonten aus den Agamonten erfolgt nach Gonder und Meyer durch Schizogonie. Die Gametozyten sollen nach. Gonder ihre Weiterentwicklung in bestimmten Zecken erfahren, die in folgender Weise beschrieben wird : Die Gametozyten wändern im Magen der Zecke aus den Blutkörperchen aus und bilden Mikrogametozyten (männliche Geschlechtsformen) und Makrogametozyten (weibliche Geschlechtsformen). Daraus gehen nach Kopulationsvorgängen die Zygoten und Ookineten hervor, die dann nach Umwandlung in Sporozoiten in den Darmblindsack der Zecken und in die Speicheldrüsen gelangen, von wo sie beim Biß in das Blut der Rinder wandern und dort ihren Kreislauf zunächst in Drüsen und Milz wieder beginnen. F.K. Meyer hat auf Grund der bisherigen Forschungsergebnisse, die noch weiterer Prüfung ‘und Bestätigung bedürfen, den Lebenszyklus des Piroplasma parvum in folgendem Sch faßt: RE Bed ae Metagamet, ins Blut des Rindes durch Biß der Zecke übertragen Agamont } Agamogene Fe r Generation (Agamogonie) a ' im lymphatischen und Agamet hämopoetischen System des Rindes Gamont s (Gamogonie) ; Gametozyt 5 er in den roten Blutkörper- Progamogene und gamogene ‚ar “ chen des Rindes Senerstion Mikro-Makrogametozyten EN (Karyogamie) Zygote Ookinet im Magen und in den Speicheldrüsen der Zecke. Metagamogene (Oozystenbildung) Generation Metagamet (Sporozoit) ; ei rg RR 1119 22082. Die Übertragun g des Küstenfiebers het unter natürlichen Nerhältnissen durch Zecken, und zwar kommen alle Rhipicephalusarten tragung. in Frage. Die Infektion findet entweder während des Larvenstadiums - statt, oder die Tiere infizieren. sich als Nymphen. Im ersteren Falie - wird der Infektionsstoff auf neue Tiere durch die Nymphen übertragen. Die aus den letzteren hervorgehenden Imagines sind schon wieder frei - von Infektionsstoff. Die Zecken, die sich als Nymphen infiziert haben, ' übertragen die Infektion als Imagines, aus denen eine neue gereinigte, d.h. nicht infizierte Generation ‚hervorgeht. Bei den Zecken dieser Gruppe, die während ihres Lebens zweimal den Wirt wechseln, also 3 dreiwirtig sind, findet keine Vererbung des Infektionsstoffes auf eine . neue Zeckengeneration statt. Neben dem Rhipicephalus appendi- eulatus (Taf. 78), der als hauptsächlichster Überträger des Küsten- - fiebers angesehen werden muß, kommen noch, wenn auch seltener, als Zwischenwirte in Betracht Rhipicephalus capensis (Neumann), R. Evertsi, _R.simus, R.bursa und R.nitens. Während man die Pirosomen des Texasfiebers mit Leichtigkeit durch subkutane Injektion parasitenhaltigen Blutes auf gesunde Tiere ' übertragen kann, gelingt es mit dem Blut küstenfieberkranker Tiere auf diese Weise nicht, frische Tiere zu infizieren. Selbst wenn große ;- Dosen des Blutes mit ungeheuren Mengen von Parasiten an mehreren Tagen hintereinander injiziert werden, kommt eine schwere oder gar a tödlich verlaufende Infektion nicht zustande. K.F. Meyer und Theiler ist es aber gelungen, durch Verimpfung von Milzstückchen von Tieren, die an Küstenfieber verendet waren, die Krankheit auf gesunde Tiere zu übertragen. Haben die Rinder eine spontan erworbene Attacke des ostafrika- nischen Küstenfiebers überstanden, so zeigen sie eine absolute Immuni- tät gegen Neuinfektionen. Wie Koch feststellte, erweisen sich auch - Tiere, die mit infektiösem Blut behandelt sind, gegen die natürliche, durch Zecken vermittelte Infektion mit Küstenfieber immun, aber sie widerstehen der Infektion mit Pirosoma bigeminum nicht. Statt einiger Injektionen von großen Dosen infektiösen Blutes sind für die Immuni- _ sierungen in der Praxis von Koch mehrmalige Einspritzungen kleiner - Dosen mit Erfolg angewandt worden. T’heiler hat diese Methode Kochs - auf Grund der Meyerschen Befunde dadurch modifiziert, daß er statt - Blut Milzsaft nahm, und so bei 73°/, der Rinder Immunität erzielt. 2 Nach den Untersuchungen von Bruce, Lichtenheld und F. K. Meyer werden die Kälber in enzootisch durchseuchten Gebieten in der Jugend - mit den Parasiten infiziert und gehen zum großen Teil während eines - akuten Anfalles der Krankheit an Lungenödem zugrunde. Wo von den - immunen Rindern auf die Kälber eine partielle Immunität vererbt wird, Fr bleiben von letzteren etwa 25—30°/, am Leben. Bei einem Teil von - ihnen dauert die Krankheit mehrere Monate. Bei der Obduktion findet - man dann große Mengen von Plasmakugeln in den Lymphdrüsen und _ in der Milz, mitunter auch spärliche Parasiten. Alle Tiere, die die - Krankheit überstanden haben, sind für das ganze Leben immun, sie dienen: niemals als Reservoir der Parasiten, und niemals infiziert sich E: eine Zecke auf solchen Tieren. Sie können aber mit Erfolg mit Piro- E _ plasma bigeminum und Piroplasma mutans infiziert werden. E.: 72* Immunität. Be- kämpfung. 1120 58. Vorlesung. Im Serum von Tieren, die Küstenfieber überstanden haben, treten spezifische, d.h. nur gegen Küstenfieber, nicht aber gegen die anderen Piroplasmosen wirksame Schutzstoffe auf. Auf den mitgeteilten Beobachtungen fußt das Bekämpfungs- system. Werden z. B. 400—500 Rinder einer durchseuchten Farm unter Quarantäne gestellt, so sterben in 2—3 Monaten 50°/,; der Rest erkrankt, übersteht aber die Küstenfiebererkrankung und ist immun. In der Folge erkranken nur noch Kälber, die auf diese Weise immer wieder neue Zecken infizieren, sodaß in dem verseuchten Gebiete die Infektion unter den Zecken nicht erlischt. Werden aber 18 Monate lang alle Kälber getötet, so behält man 50°, der immunen Rinder und erhält zugleich eine absolut küstenfieberfreie Farm. Die Zecken werden allmählich von _dem Infektionsstoff befreit, da Neuinfektionen auf Rindern nicht stattfinden und die Zecken sich, wie man sagt, bei der Fortpflanzung selbst reinigen. In anderen Fällen hat man zur rascheren Erreichung des Zieles alle Rinder auf der infizierten Farm getötet und längere Zeit nur Schafe und Esel auf ihr geweidet. Unter diesen Umständen reinigen sich die Zecken ebenfalls. Wenn 18 Monate als längste Zeitspanne einer zweimaligen Zeckenentwicklung angenommen 5: werden, wird auch bei einem solchen Vorgehen nach dieser Frist die Farm küstenfieberfrei sein. Neuausbrüche der Seuche können auch in folgender Weise be- kämpft werden. Alle Tiere werden mit dem Thermometer gemessen. Fiebernde Tiere werden getötet oder ihrem Schicksal überlassen, die nicht fiebernden Tiere werden auf eine eingezäunte, nicht infizierte Weide A gebracht und 16 Tage lang täglich gemessen, fiebernde Tiere getötet. In dieser Zeit pflegt sich meist schon herauszustellen, welche Tiere infiziert sind. Larven, die am ersten Tag des Aufenthaltes der Herde auf der Weide A abgefallen sind, können sich nicht in 16 Tagen häuten und daher keine fremden Tiere infizieren; sie könnten es. frühestens vom 17. Tage ab. Am 16. Tage wird die Herde auf Weide B gebracht, da die Inkubationszeit bis zu 25 Tagen betragen kann. Auf Weide B bleiben die Tiere wieder 16 Tage und kommen dann auf Weide C. Auf Weide A konnten sich keine Tiere neu infizieren, auf Weide B auch nicht. Was also bei der Herde bis dahin noch nicht krank geworden ist, ist sicher gesund. Auf Weide © befinden sich also nur gesunde Tiere. Weide A,B und die Weide, auf der die Herde erkrankte, sind infiziert. Sie dürfen 18 Monate lang nicht von Rindern beweidet werden, sind dann aber nicht mehr infektiös, weil bis dahin alle Zecken tot sind oder sich an küstenfieberunempfänglichen Tieren gereinigt haben. Die beste Methode zur Bekämpfung des Ostküstenfiebers ist aber unstreitig das Baden. Durch das Baden werden die Larven, Nymphen und Zecken getötet oder wenigstens so schwer geschädigt, daß sie keine fruchtbaren Eier mehr legen. Nun bleiben Larven und Nymphen min- destens 3 Tage auf einem Wirt. Wenn also eine Herde alle drei Tage gebadet wird, wird jeder Überträger getötet. Wird: das Baden 14 Mo- nate lang fortgesetzt, so ist die Farm frei von Ostküstenfieber. Das & Baden wird von den Tieren sehr gut vertragen. be DIEDE 2 au 2 HE be u. Sn aan a Aal ar ar m oo. Piroplasmosen. Ä = 1121 ; Pi ; Das Pseudoküstenfieber ist eine dem Küstenfieber ähnliche, durch Rhipicephalus übertragene Krankheit, bei der aber die Hämo- globinurie fehlt. Die Hauptsymptome sind geringes Fieber und schwere Anämie. Die Obduktion ergibt außer Milzvergrößerung und Ikterus keine charakterischen Erscheinungen. 5b) Pseudoküstenfieber. > Theiler wies bei dieser Krankheit ein dem Küstenfieberparasiten _ morphologisch sehr ähnliches, aber durch Blut verimpfbares Piroplasma, | das Piroplasma mutans, nach (Taf. 92/93 E). Dieses bei Rindern in Afrika und anderen Erdteilen weit verbreitete, sehr kleine, häufig in | weidenblattähnlichen Vierergruppen auftretende Pirosoma führt nach = einer Inkubation von 4-6 Wochen zu akuten Fieberattacken und _ _ ehronischer Infektion, in deren Folge Anämie und Ikterus auftritt. Die E einmal infizierten Tiere sind wie bei den echten Piroplasmosen Träger des Infekionsstoffer. 6. Be Wosische Piroplasmose. : Den echten Piroplasmen steht offenbar auch das von Dschunkowsky beschriebene, durch Blut überimpfbare Piroplasma annulatum sehr nahe. Einige Forscher halten dieses - Piroplasma für identisch mit _ Piroplasma mutans, andere grenzen es allerdings von letzterem ab. Die durch das Piroplasma annulatum hervorgerufene sog. tropische Piroplasmose kommt namentlich in Nord- und Zentralasien vor. Sie 2 hat in Symptomen und Verlauf die größte Ähnlichkeit mit dem Küsten- - fieber der Rinder. 2 Es entsteht also die weitere Frage, ob Piroplasma parvum und E Piroplasma mutans bzw. annulatum identisch sind. Nach den Fest- 3 stellungen der meisten zuverlässigen Untersucher (Theiler, Neufeld, E.K. Meyer, Fülleborn, Ollwig, Kleine, Gonder, Lichtenheld) ist das _ Piroplasma mutans im tropischen und subtropischen Afrika ‚außer- _ ordentlich verbreitet und wird als Erreger des „Pseudoküstenfiebers“ - betrachtet. Wir müssen annehmen, daß vielleicht in bestimmten Ge- genden sogar fast jedes Rind in der Jugend damit infiziert wird. 2 Experimente einerseits an europäischen, nach Afrika importierten - Rindern mit Zecken, die mit Küstenfieber infiziert waren, und mit Verimpfung des. Blutes von küstenfieberkranken Tieren, sowie andrer- - seits Zeckenversuche und Impfungen mit Blut, das von Rindern stammte, - die mit Küstenfieber und Piroplasma mutans infiziert waren und nach 3 Europa importiert wurden, haben die jetzt noch bestehenden Meinungs- werschiedenheiten dahin geklärt, daß Piroplasma parvum und Piroplasına - mutans verschieden sind. Es dürfte also berechtigt sein, sie getrennt - zu beschreiben und auch als Ursache der genannten Krankheiten, vor - allem das Piroplasma parvum als besonderen Parasiten des Küsten- ‘ fiebers zu betrachten, wie es geschehen ist. E Die von Theiler bei den mit Piroplasma mutans infizierten Tieren B _ gefundenen kokkenähnlichen Gebilde, die meist am Rande eines Blut- - körperchens liegen und daher als Anaplasma marginale bezeichnet - sind, weisen bei Chromatinfärbung eine diffuse bläulichrote Farbe auf. Piroplasma mudtans. 1193. 58. Vorlesung. Piroplasmosen. Sie sind wohl kaum als Parasiten zu deuten, wie T'heiler vorgeschlagen hat, sondern nach dem Vorgange von V. Schilling als Ausdruck von Regenerationsprozessen oder Degenerationserscheinungen der Erythro- zyten, denn sie sind auch bei den mit Pirosoma bigeminum labil infizierten Tieren nicht selten zu finden (Smith und Kilborne, Knuth u. a.). 7. Piroplasmen bei anderen Säugetieren. P. H. Ross entdeckte ein Piroplasma in Ausstrichen aus inneren Organen von Cercopithecus. Dieser Parasit wurde von Nuttall und Graham-Smith genauer studiert und in seinem Entwicklungsgang ver- folgt. Es finden sich 2, 4, 8 und 16 Parasiten in den roten Blutzellen. Der Vorgang der Teilung und die amöboiden Formen ähneln sehr den bei Piroplasma canis beobachteten. Bei einem kleinen N agetier, Ctenodactylus gondi, ade von Nieolle Piroplasmen gefunden, die zwei scharf getrennte Kerne haben, in Viererform, ähnlich dem Piroplasma canis, auftreten und als Piroplasma "quadrigeminum bezeichnet wurden. Auch bei Damhirschen und Igeln sind Piroplasmen festgestellt worden, deren Beschreibung aber ein sicheres Urteil über ihre Natur noch nicht -zuläßt. 8. Piroplasmen beim Menschen. Bei einer eigenartigen, in Tälern der Rocky Mountains beobachteten fieberhaften exanthematischen Krankheit des Menschen sollen echte Piroplasmen im Blut beobachtet worden sein. Auch diese Befunde sind bisher von keiner Seite bestätigt worden; namhafte Forscher haben die angeblichen Piroplasmen vielmehr für Kunstprodukte erklärt, die bei der Herstellung der Präparate entstanden wären. Literatur. Smith u. Kilborne, Bulletin Ir. 1. Bureau of animal industry. eause 1893. Babes, Comptes rend. de l’Acad. des sciences, 1888 u. 1902. Laveran, Piroplasma equi. Comptes rend. Soc. biolog., 1901. Cl. Schilling u. K sn Meyer, Pirosomosen. Handb. d. PaMDgENEN Mikroorganismen, 2. Aufl., Bd. 7, 1913. cl. Schilling, Immunität bei Protozoeninfektionen. Ebenda. Theiler, Schweiz. Archiv f. Tierheilk., Bd.43, 1901. — Bull. de /’Institut Pasteur, ‚1905. — Das Trypanblau und Trypanrot in der Behandlung der Piroplasmosen. so Zeitschr. für Infektionskrankheiten der Haustiere, Bd. 11, 1912. Fröhner u. Zwick, Lehrbuch d. spez. Pathologie u. Therapie a. Haustiere. 8. Aufl. Bd. 2, Stuttgart, F. Enke, 1919/20. Nocard u. Leclainche, Maladies mierobiennes des animaux, 1903, t. 3. R. Koch, Reiseberichte. Berlin, J. Springer, 1898. Galli- Valerio, Referate im Zentralbl. £. Bakt., 1895 u. 1903. Nuttall, Journal of Hyg., 1904, 1905 u. 1907. — Parasitology, Vol. 2, 1910. Hartmann u. Schilling, Die pathogenen Protozoen. Berlin, J. Springer, 1917. Knuth & du Toit, Tropenkrankheiten der Haustiere. Bd. 6 des Handbuches d. Tropen- krankheiten, 2. Aufl., Leipzig, J. A. Barth, 1921. ‚ Doenitz, Die wirtschaftlich wichtigen Zecken. "Leipzig, J. A. Barth, 1907. Bumann, Beitrag zur Behandlung der Hundepiroplasmose mittels Trypanblau. Zeitschr. f. Hyg., Bd. 67, 1910. Dee er TE TE 59. u ed Allgemeines über sog. „filtrierbare“ Krankheitserreger. Für eine ganze Reihe von Krankheiten, die in jeder Beziehung als typische Infektionskrankheiten anzusehen sind und auch seit langer E: Zeit als solche aufgefaßt wurden, ist das Suchen nach wohlcharakteri- sierten Bakterien oder Protozoen als Krankheitserreger trotz Anwendung der verschiedenartigsten Färbungs- und Kulturmethoden vergeblich _ gewesen. Und doch konnte bei verschiedenen von ihnen in außerordent- lich starken Verdünnungen der Organe oder Sekrete der kranken Menschen oder Tiere, bei deren Untersuchung man nicht zum Ziele kam, in denen man aber die Anwesenheit der Infektionserreger an- nehmen mußte, durch Verimpfung auf empfängliche Tiere das Vor- _ handensein eines spezifischen Krankheitsvirus zweifelfrei nachgewiesen E werden. Man filtrierte diese infektiösen Materialien durch Filterkerzen, "die die kleinsten bisher bekannten Infektionserreger (z.B. Influenza- bazillen, Hühnercholerabazillen, Mierococcus melitensis) mit Sicherheit zurückhalten, und konnte auch mit den so gewonnenen Filtraten_ die - Krankheit noch übertragen. Daraus wurde der Schluß gezogen, daß die Erreger dieser Krankheiten „submikroskopisch“ oder „ultramikro- skopisch“ klein seien, d.h. jenseits der Grenze des Auflösungsvermögens unserer heutigen Mikroskope lagen. Man sprach von „invisiblem . Krankheitsvirus“. Zuerst hat wohl Pasteur (1881) das Vorkommen solcher mikroskopisch unsichtbaren Krankheitserreger angenommen, und zwar für die Lyssa. Der erste experimentelle Nachweis mit Filtrationsversuchen gelang im Jahre 1892 Iwanow bei der sog. Mosaikkrankheit des Tabaks. Besonders eingehende Untersuchungen in - diesen Fragen, die auch für die ätiologische Erforschung mancher anderen Infektionen - — worbildlich geworden .. sind, wurden dann im Jahre 1897 von Löffler und Frosch mit dem Virus der Maul- und Klauenseuche (s. Vorlesung 64) angestellt. Seitdem Geschicht- liches. sind unsere Kenntnisse über derartige Infektionserreger nach manchen Richtungen hin erweitert worden, wenn sie auch noch keineswegs zu völlig befriedigenden Er- gebnissen geführt ‘haben. Die späteren, sehr eifrig von allen Seiten aufgenommenen Studien haben zu dem Ergebnis geführt, daß bei manchen der hier in Rede 3 - stehenden Infektionen durch besondere Färbungsverfahren kleinste, meist - kokkenförmige Gebilde von etwa !/,u Durchmesser in den infektiösen ‚Körpersekreten vorkommen, die, wenn sie auch nicht genauer differen- ziert werden können, wegen der großen Menge, in der sie regelmäßig Charakteri- sierung der „fllrierbaren Erreger“. 1124 59. Vorlesung. auftreten, und der gleichmäßigen Gestalt mit mehr oder minder großer Wahrscheinlichkeit als Erreger der betreffenden Krankheit oder als besondere Entwicklungsformen des Erregers angesprochen werden. Man tut aus diesem Grunde und weil immerhin die Möglichkeit nicht aus- zuschließen ist, daß uns eine exakte mikroskopische Darstellung dieser kleinsten Gebilde bei Verbesserung unserer jetzigen optischen Hilfs- mittel und unserer Färbeverfahren doch noch gelingen wird, gut, den Namen „invisible Virusarten“ fallen zu lassen und an seine Stelle die Bezeichnung „filtrierbare Infektionserreger“ zu setzen. Damit wird einstweilen nur zum Ausdruck gebracht, daß diese Infektionserreger bakteriendichte Filterkerzen passieren. Bau und "Wirkung der Wenn wir aus dieser Eigenschaft Schlüsse auf die Größe und su Beschaffenheit solcher Mikroorganismen ziehen wollen, müssen wir uns ” zunächst kurz über den Bau und die Wirkung der Bakterienfilter in- formieren. Die sog. Hartfilter bestehen aus Kieselgur, Kaolin, Ton oder Porzellaumasse. ‘ mit oder ohne Zusatz fein verteilter Kieselsäure und werden in der Rotglut ge- brannt. Über die Struktur dieser Filterkerzen, deren Prototyp die Berkefeldfilter sind, haben uns die Untersuchungen von v. Esmarch, Rosenthal, P. Schmidt u.a. näheren Aufschluß gegeben. Die Filterwand läßt auf dünnen Schliffen zum ‚Teil größere, unregelmäßig begrenzte Hohlräume erkennen, die von kleinen Bakterien sehr leicht durchwandert werden könnten, dann aber äußerst feine Spalten und Kanäle, die diese Hohlräume verbinden. Diese feinen kapillaren Anastomosen sind es, die den Filtrationseffekt bedingen. Wenn diese engen Kanäle vermiedeu werden, können auch größere Bakterien, die Zeit haben, Umwege durch die größeren Hohlräume der Filterwand einzuschlagen, durch solche Filter mit der Zeit hindurchdringen. Wir sprechen dann von einem „Durchwachsen“ der Filter. Aber bei Filtrations- versuchen, bei denen durch Druck- und Saugwirkung von dem zu filtrierenden Material die Filterwand auf dem kürzesten Wege und in verhältnismäßig kurzer Zeit passiert werden muß, kommt es eben darauf an, wie eng die feinsten Spalten sind, die sich den korpuskulären Elementen hindernd in den Weg stellen. Diese engsten Stellen hat Rosenthal als „wirksame Porengröße* bezeichnet. Man kann die wirksame Porengröße durch physikalische Methoden ziemlich genau bestimmen, indem man die Durchflußgeschwindigkeit reinen Wassers bei gleichbleibendem Druck feststellt oder den Minimaldruck auswertet, bei dem sich Luft durch ein völlig benetztes Filter pressen läßt. Auf diese Weise werden von den Fabrikanten die Filterkerzen je nach ihrer Filtrationskraft in verschiedene Marken eingeteilt (z. B. Chamberlandfilter-Marke B und F, Berkefeldfilter-Marke M, N und V). Aber diese Filtrationswerte sind viel zu ungenau, um aus ihnen zuverlässige Anhaltspunkte für die Berechnung der Größe der filtrierten Mikroben “ gewinnen zu können. Die einzelnen Exemplare derselben Marke sind oft recht ungleich in ihrer Wirkung und ändern sich auch beim Sterilisieren, sodaß nicht einmal bei wiederholter Benutzung des- selben Filters vergleichbare Werte erhalten werden. Wie Dörr betont, wirken auf das Passieren oder Steckenbleiben kleinster Teilchen in sehr feinporigem Filtermaterial komplizierte und ‘ überdies von Fall zu Fall verschiedene Faktoren ein. Es kommt nicht: nur die Größe, sondern auch die Gestalt, die Elastizität der Elemente, die-Viskosität ihrer Oberfäche, die Beschaffenheit des Menstruums, vor allem sein Gehalt an Eiweiß oder anderen kolloidal gelösten Stoffen, die Filtermasse, die durch Adsorption und molekulare Attraktion in den Prozeß eingreifen kann, und das Kapillaritätsverhältnis der Filterporen in Betracht. ee. Man muß sich, wie das zuerst Marchoux gefordert hat, bei Fil- versuche. trationsversuchen an eine bestimmte Methodik halten, die diesen Fak- toren nach Möglichkeit Rechnung trägt. Man soll virushaltiges Serum a ee > re Ar De A nn le en a Du a Allgemeines über sog. „filtrierbare“ Krankheitserreger. 1125 ' möglichst stark verdünnen, Gewebe, die vermutlich intrazelluläre Formen enthalten, entsprechend erschließen und gleichzeitig mit einem oder mehreren Testobjekten filtrieren. Jede Filterkerze soll vor dem Versuch mit destilliertem Wasser auf ihre Ergiebigkeit (nach Zeit und Maß) ' geprüft werden, und zwar bei einem bestimmten Druck. Dabei wird es sich empfehlen, nur kleine Filterplatten in besonderen Apparaten zu verwenden, wie sie Rosenthal für diese Zwecke angegeben hat, oder bei - Filterkerzen nur einen kleinen, in der Mitte der Kerze gelegenen ring- förmigen Bezirk, während die anderen Teile mit Zelloidin, Paraffin oder heißem Agar abgedichtet werden. Nur die ersten Portionen der Filtrate sind zu benutzen. Erst dann, wenn bei Veröffentlichung von Versuchs- ' ergebnissen die angewandte Methode ausführlich beschrieben wird, wenn im besonderen der Eiweißgehalt der Ausgangsflüssigkeit, die Temperatur und der Filtrationsdruck mitgeteilt wird, werden sich die Resultate mit denen anderer Forscher vergleichen lassen (Dörr). 4 Man hat für diese Zwecke auch andere Filterarten zu verwerten gesucht, sogen. Ultrafilter (Bechhold), bei denen auf einer als Stützkörper dienenden porösen Masse (Kieselgur, Filtrierpapier oder dergl.) Kolloidgallerten aus Gelatine, “Agar, Kollodium oder Eisessigkollodium in dünner Schicht ausgebreitet werden. Diese sehr dichten Filtermembranen wirken nur bei starkem Druck. Sie können, wie die Untersuchungen von Giemsa, v. Prowazek und Beaurepaire-Aragao gezeigt haben, mit großem Vorteil verwendet werden, um filtrierbare Infektions- - erreger zu konzentrieren und dadurch stark virushaltige Flüssigkeiten für - mikroskopische Untersuchungen, Kulturversuche und Tierimpfungen zu gewinnen. - Absolut gleichmäßig hinsichtlich der Größe der zurückgehaltenen unbekannten Er- -. reger wirken aber auch die Ultrafilter nicht. Ein großer Nachteil der Gallert- - Ultrafilter ist die leichte Verletzbarkeit der Filterschicht und die Notwendigkeit - einer Stützeinlage für diese. - Als ein wesentlicher Fortschritt war daher die Herstellung der sogen. Mem- _branfilter nach Zsigmondy und Bachmann zu begrüßen. Durch Eintrocknen von - planmäßig zusammengesetzten Lösungen gewisser Kolloide erhielten diese Autoren unter Einhaltung ganz bestimmter Bedingungen pergamentähnliche Membranen oder - auch solche vom Aussehen des Glanzpapiers oder des weißen Glac&-Handschuhleders, die infolge ihrer Widerstandsfähigkeit jede festhaftende Stütze entbehrlich machen. Dabei ist die Möglichkeit gegeben, die Dicke und Porenweite innerhalb weiter - Grenzen zielbewußt zu variieren. Die von der Firma de Haön in Seelze bei Hannover - fabrikmäßig hergestellten Membranfilter werden auf eine gelochte Siebplatte oder _ auf eine weitporige Unterlage aufgelegt und dann auf einen mit der Wasserstrahl- - pumpe verbundenen Apparat aufmontiert. Das unter dem Filter hergestellte Vakuum erhält sich selbst nach Unterbrechung des Pumpens längere Zeit, ein Beweis für - die Feinheit der Filterporen. Die Filteroberfläche kann obne Schädigung der Fil- _ trationswirkung mit einer weichen Bürste und Wasser von anhaftendem Schlamm- - niederschlag gereinigt werden. u a Ale Ar _ Fragen wir nun nach-der Natur der filtrierbaren Krankheits- _ erreger und der Stellung, die ihnen im System der Mikroorganismen - zuzuweisen ist, so stellen sie anscheinend keine einheitliche Gruppe dar. - Sie weisen so erhebliche biologische Differenzen auf, daß man ein end- - gültiges Urteil hier noch nicht fällen kann. Zum Teil gehören die in - Rede stelienden Infektionserreger nach der Ansicht vieler Autoren zu 3 den Protozoen, weil sie ebenso wie diese durch Zwischenwirte über- tragen werden (z. B. Virus des Pappatacifiebers u.a.), zum Teil werden sie aber wegen ihres biologischen und morphologischen Verhaltens den - Bakterien zugerechnet (z. B. Virus der Peripneumonie des Rindes). - Bei einer größeren Gruppe der durch filtrierbare Mikroorganismen 2 hervorgerufenen Krankheiten sind in den vorwiegend befallenen Körper- n Ultrafilter. Natur der ‚filirierbaren Infektions- erreger. Ein- schlüsse. 1126 59. Vorlesung. organen regelmäßig charakteristische Zellveränderungen zu finden, die wohl mit Sicherheit auf die Invasion und Wirkung der Erreger zurück- zuführen sind. Man nimmt nach dem heutigen Stande der Wissenschaft an, daß diese Reaktionsprodukte („Einschlüsse“, „Körperchen‘) das spezifische Virus oder wenigstens gewisse Entwicktungsutaglian von ihm enthalten. Nach Lipschütz entstehen unter dem Einflusse der Infektions- _erreger zum Teil proliferative, zum Teil hypertrophische oder degene- ' rative Veränderungen der befallenen Zellen (Wirtszellen) des Ektoderms (Vakzine, Molluscum, Geflügelpocke usw.) oder des Mesoderms (haupt- sächlich Schafpocke, ferner Scharlach) mit Bildung eigenartiger, für die betreffende Affektion charakteristischer Einschlüsse, die nach der heute allgemein geteilten Ansicht als Abwehr- und Reaktionsprodukte der Zelle auf das parasitische („symbiozelluläre“) Virus aufzufassen sind. Chlamydo- zoen-Stron- gyloplasmen. Die Einschlüsse liegen im Zytoplasma in der Nähe des Kernes, der dann eingedellt oder an die Peripherie gedrängt und zur ‚Atrophie ge- bracht wird. Die bekanntesten derartigen „Einschlüsse* sind die Negri- schen Körperchen bei Lyssa, die Guarnierischen Körperchen bei Variola- vakzine und die Trachomkörperchen bei Trachom. Gegen die Annahme, daß diese Einschlüsse selbst die Erreger der Infektionen darstellen könnten, spricht zunächst besonders der Umstand, daß sie von den Filtern zurückgehalten werden und daß das von ihnen befreite Filtrat virulent ist, ferner daß auch mit einschlußfreiem Gewebs- material die Infektion vermittelt werden kann (z. B. bei Hühnerpest). Zu den Protozoen dürfen sie deshalb nicht ohneweiteres gerechnet werden, weil sie vielfach homogen sind und eine Differenzierung in Kern und | Protoplasma nicht erkennen lassen, und weil sie sich bei ihrer Poly- morphie nicht in den Rahmen bekannter Entwicklungsformen von Pro- tozoen einreihen lassen (v., Prowazek). Die Einschlußgebilde mit den in ihnen gelegenen Kürperchen hat man wegen der mantelartigen Hüllen der Körperchen als Chlamydozoen (vw. Prowazek) bezeichnet. Die Körperchen stellen kleinste, rundliche, schwer färbbare, durch hantelförmige Abschnürung sich vermehrende Gebilde dar: Strongyloplasmen (Lipschütz). Für den Nachweis der Chlamydozoen-Strongylore en ist eine besondere Technik erforderlich, die von der Untersuchungsmethode für Bakterien und Protozoen in manchen Punkten abweicht. Wenn klare Bilder erzielt werden sollen, muß das in der Regel ja an Virus sehr ° ‘ reiche Untersuchungsmaterial stark verdünnt werden. Es empfiehlt sich zunächst vor allem die Untersuchung bei Dunkelfeldbeleuchtung, weil sie uns über das Aussehen der Gebilde im nativen Präparat unter- richtet und von vornherein Täuschungen verhütet, zu denen im ge- färbten Präparat Farbstoffniederschläge oder Kunstprodukte Veranlassung geben können. Auch über die Art der Beweglichkeit gibt das ungefärbte ° Präparat Aufschluß. ». Prowazek hat empfohlen, das Material auf dem Deckgläschen antrocknen zu lassen und, auf Wachsfüßchen montiert, ” ohne Einschlußmedium zu untersuchen. Will man gefärbte Präparate 7 herstellen, so streicht man das Material in der nötigen Verdünnung auf 7 dem Objektträger in der gleichen Weise aus, wie es für die Blutunter- suchung bei Malaria Vorschrift ist (8. 8. 1084), oder man fertigt durch A ei De te re Die ec. A Ye Zee 2 ae ee 1 Ka U La dA 0m Li u A DE Zn aa = Allgemeines über sog. „Ältrierbare“ Krankheitserreger. 1127 -Aufdrücken eines gut gesäuberten Deckgläschens auf das infizierte Gewebe Klatschpräparate an. Die Fixation der Präparate erfolgt durch Einlegen in Alkohol absolutus, Alkohol-Äther aa oder Methyl- alkohol; auch die Anwendung von Osmiumdämpfen ist empfehlenswert. Präparate, die nach Giemsa gefärbt werden sollen, werden am besten zur feuchten Fixation (nach Schaudinn) für mehrere Stunden in ein Gemisch von 2 Teilen einer konzentrierten wässerigen Sublimatlösung und 1 Teil Alkohol absolutus eingelegt. -. Zur Färbung eignen sich besonders das Löfflersche Geißel- färbungsverfahren und die Giemsafärbung. Bei dem erstgenannten Ver- . fahren tut man gut, die fixierten Präparate vor der Färbung für mehrere Stunden in destilliertes Wasser zu legen, damit die dem - Material anhaftenden Serumreste entfernt werden; die kleinen Gebilde ‘treten dann auf dem klaren farblosen Grunde schärfer hervor, und zwar in leuchtend dunkelroter Farbe. Durch die Giemsasche Farblösung, die man zweckmäßig mehrere Stunden bei Brutschranktemperatur ein- wirken läßt, erscheinen sie rötlich bis violettrot. Andere Färbungs- methoden, z.B. die May-Grünwaldsche Eosin-Methylenblaufärbung, die - mehrfach empfohlen wurde, liefern weniger gute Bilder. Bei Gram- färbung entfärben sich die Chlamydozoen. Die Einschlüsse, die ja er- heblich größer und deshalb im nativen Präparat und vielfach auch im - Tuschepräparat leicht aufzufinden sind, nehmen auch gewöhnliche Farb- stoffe meist gut an. Für den Nachweis der Gebilde in Schnitten eignet sich nach der Gewebsfixierung in Formalin, Alkohol, Sublimatalkohol usw. die Färbung mit Eisenhämatoxylin, Hämatoxylin-Eosin, Methylgrünpyronin, Triazid usw. Die Chlamydozoen-Strongyloplasmen kommen in Schnitten am besten durch das Silberimprägnierungsverfahren nach Volpino-Levaditi oder durch die feuchte Giemsafärbung zur Darstellung. Was die Morphologie der Strongyloplasmen-Chlamydozoen anbe- langt, so werden von den Autoren über die bei den verschiedenen Krank- - heiten erhobenen Befunde ziemlich gleichlautende Angaben mitgeteilt. - Es handelt sich um äußerst kleine, kreisrunde oder doch rundliche, scharf umrandete Gebilde („Elementarkörperchen“ nach v. Pröwazek), _ die in dem erkrankten Gewebe in großen Massen meist intrazellulär, ‚oft sogar im Kern der Zellen, oder in nächster Umgebung der Zellen, ‚seltener in der zellfreien Gewebsflüssigkeit liegen. Ihre Größe schwankt nach Lipschütz um !/;w, geht aber nie unter ’/,, vw herab. Bei der = Löfflerschen Färbung sieht man oft eine deutliche Hofbildung, die von - einzelnen Autoren (Borrel, Paschen) auf eine die Erreger umgebende Schleimschicht zurückgeführt wird. Geißem oder Kapseln sind nicht mit Sicherheit nachzuweisen, wie überhaupt morphologische Details nicht 3 darstellbar sind. "Hinsichtlich der Biologie wäre zunächst zu erwähnen, daß Rouz 3 und für die Elementarkörperchen der Vakzine auch Volpino den Chla- - mydozoen-Strongyloplasmen eine lebhafte Beweglichkeit zuschreiben: die Mehrzahl der Autoren hält die Annahme einer Eigenbewegung aber nicht für gerechtfertigt. Die: Vermehrung erfolgt durch Querteilung, - meist in Form einer hantelförmigen Abschnürung; es entstehen dabei - Biskuit- und sog. Doppelpunktformen. Die Frage, ob es weitere Ent- wicklungsstadien der Elementarkörperchen gibt, ist generell noch nicht Färbung. Morphologie. Biolosie. " Resistenz. 1128 59. Vorlesung. spruchreif. Bei Vakzine hat v. Prowazek und bei Trachom Lindner ebenso wie Halberstädter und v. Prowazek größere und auch färberisch von den Elementarkörperchen abweichende Gebilde als spätere Entwick- lungsstadien aufgefaßt und als Initialkörperchen bezeichnet; bei Trachom haben die letztgenannten Autoren sogar noch ein zwischen den Elementar- und den Initialkörperchen SINZU BERGE Stadium, die sog. „Restkörper“, angenommen. Die Mikroorganismennatur der eben beschriebehin Gebilde wird wegen der großen Schwierigkeiten, die sich einer exakten Differenzierung und Identifizierung entgegenstellen, keineswegs von allen Autoren aner- kannt. Es sprechen aber, wie Lipschütz ausführt, doch sehr gewichtige Gründe für eine solche Auffassung und für eine ätiologische Bedeutung dieser regelmäßig zu erhebenden Befunde. Zunächst sind in der ge- samten Zytologie keine Gebilde bekannt, die wie die Elementarkörper- chen durch runde Form, scharfe Konturen und Vermehrung durch hantelförmige Zerteilung, bei der sämtliche Zwischenstadien verfolgt werden können, ausgezeichnet sind (Hartmann). Um gewöhnliche Zell- bestandteile oder -körnchen kann es sich nicht handeln, weil die Ele- mentarkörperchen auch frei im Serum und (bei Peripneumonie des Rindes) in großen Mengen in serösen Pleuraexsudaten vorkommen und Zerfallsprodukte der Zellen bei dem Löflerschen Färbungsverfahren niemals so intensiv, gleichmäßig und scharf konturiert hervortreten. Die auf Wachstumsvorgänge zurückgeführten Größenunterschiede und die erwähnten Entwicklungsstadien sprechen ebenfalls für eine belebte Natur der Körperchen. Vor allem aber ist der konstante Befund so zahlreicher Körperchen in den spezifischen Krankheitsprodukten und 5 ihr Fehlen in Kontrollpräparaten aus anderen Geweben in diesem Sinne verwertbar und ferner die Möglichkeit, dab man mit virushaltigem Material, das von allen Zellen befreit ist, in größeren Passagereihen bei empfänglichen Tieren immer wieder die gleichen „Einschlüsse“ mit Elementarkörperchen experimentell erzeugen kann. Immerhin müß die Frage, ob wirklich die Einschlußkörperchen Krankheitserreger sind oder Entwicklungsstufen oder unter dem Einflusse eines invisiblen Erregers entstandene Zellveränderungen, so lange offen gelassen werden, bis ganz unzweideutige Beweise für die eine oder andere Annahme vorliegen. Die Resistenz der filtrierbaren Krankheitserreger gegen äußere schädigende Einflüsse ist sehr verschieden. Gegen Eintrocknung ist z.B. das Virus der Maul- und Klauenseuche, der Schweinepest und der. Rinderpest äußerst empfindlich, hingegen ist das Virus der Lyssa, der Kuhpocken, der Geflügelpest usw. auch in getrocknetem Zustande gut haltbar. Ebenso verschieden ist die Widerstandsfähigkeit der ein- zelnen Virusarten gegen hohe Temperaturen, gegen Licht, Fäulnis und chemische Desinfektionsmittel einschließlich Antiformin. Wenn von verschiedenen Autoren hinsichtlich der Resistenz im einzelnen ganz differente Untersuchungsergebnisse erzielt wurden, so ist dies möglicher- weise auf Dauerformen zurückzuführen, die in dem untersuchten Material nicht immer vorhanden sind. Bemerkenswert ist die durchweg sehr er- hebliche Resistenz gegen Glyzerin. Eingehend wurde auch das Ver- halten der filtrierbaren Krankheitserreger gegen Saponin, Galle und taurocholsaure Salze studiert, weil man in ihm Beweismomente für Allgemeines über sog. „filtrierbare“ Krankheitserreger. 1129 die bakterielle ‚oder protozoische Natur der Mikroben zu finden hoffte; es stellte sich aber heraus, daß auch hier die einzelnen Arten sich ganz verschieden verhalten. Werden die Virusarten in ihren natürlichen Substraten (Blut, "Lymphe, Gewebsflüssigkeiten) in Glaskapillaren eingeschlossen und bei niedriger Temperatur aufbewahrt, so erhalten sie sich meist wochen- oder monatelang virulent. Ebenso können sich die Erreger vielleicht, a a a Te a u a TE ne wenn sie mit Darmentleerungen, Harn oder Blut ausgeschieden werden, in der Außenwelt längere Zeit lebensfähig erhalten. Es liegen aber ‚keinerlei Beweise dafür vor, daß eine Vermehrung in der Außenwelt, z.B. im Boden, stattfinden könnte. v. Esmarch, Cano und andere Au- toren haben bei ihren Versuchen, filtrierbare Virusarten im Boden, in der. Luft usw. aufzufinden, stets negative Resultate erzielt. - Über die Frage der künstlichen Kultivierung sind allgemein- gültige Forschungsergebnisse ebenfalls nicht zu verzeichnen. Ein filtrier- bares Virus, dessen zuerst von Nocard und Roux nachgewiesene Zücht- barkeit auf künstlichen Nährböden allerseits anerkannt ist, ist das Virus der Peripneumonie der Rinder (s. Vorlesung 68). Auch die Erreger der Hühnerpest (Marchoux) und der Geflügeldiphtherie (Bordet) können als züchtbar gelten. Wenn in neuerer Zeit auch über gelungene künst- liche Kulturen des Poliomyelitisvirus, des Variolavakzinevirus usw. be- - richtet worden: ist, so bedürfen diese Angaben noch der Bestätigung. Wir werden in den einschlägigen Kapiteln auf diese Frage im einzelnen einzugehen haben, möchten aber von’ vornherein betonen, daß eine „Kultur“ hier häufig durch Quellungsvorgänge oder dadurch vorge- täuscht werden kann, daß von den meist außerordentlich große Virus- ' mengen enthaltenden Materialien aus infolge der erheblichen Resistenz auch nach. mehrfachen Überimpfungen in die „Kulturröhrchen“ noch vereinzelte Mikroben übertragen sein und bei "Verimpfung auf Tiere infektiös wirken können, daß also in Wirklichkeit keine Vermehrung in den künstlichen Nährböden erfolgte, sondern eine Verdünnung des ursprünglichen Materials.. Es genügen ja (z. B. bei der Hühner- pest und bei der Maul- und Klauenseuche) außerordentlich geringe - Virusmengen, um bei empfänglichen Tieren die Krankheit experimentell zu erzeugen. Die filtrierbaren Infektionserreger gelangen in den Organismus - durch verschiedene Eintrittspforten, die für die einzelnen Arten aber meist gleich bleiben. Die Erreger der Vakzine, der Lyssa, der Geflügel- pocke usw. dringen durch die verletzte Epidermis ein, andere (z. B. -- die Erreger der Variola und der Lungenseuche des Rindes) von den -_ Respirationsschleimhäuten aus, wieder andere (z. B. die Erreger der - Maul- und Klauenseuche, der Schweinepest und der Hühnerpest) von den Schleimhäuten des Digestionsapparates aus. Manche dieser Virus- - arten können wohl auch verschiedene Eintrittspforten. benutzen. Bei _ einigen sind wir über den Infektionsmodus überhaupt noch nicht - näher orientiert. Sehr bemerkenswert ist, daß eine Reihe dieser Krankheits- - erreger durch Insekten als Zwischenwirte übertragen wird. Das ist - namentlich beim Pappatacifieber der Fall (Phlebotomus papatasii, ) beim - Denguefieber (Culex fatigans) und bei der Pferdesterbe (Stegomyia und Anopheles). Kultur. Eintriits- pforten. Zwischen- wirte. Affinität zu bestimmten Körper- geweben. Bakterio- phages Virus. Immunität. 1130 | 59. Vorlesung. Durch die Infektion mit diesen Mikroorganismen entstehen ent- weder akute allgemeine Infektionskrankheiten, oder aber die Erreger zeigen eine spezifische Affinität zu bestimmten Körpergeweben. Lipschütz teilt die filtrierbaren Krankheitserreger demnach ein in: l. Erreger von Allgemeininfektionen beim Menschen: Pappatacifieber, Denguefieber, Masern, Scharlach; bei Tieren: Pferdesterbe, Schweinepest, Geflügelpest u4; '2. lokalisierte epidermale oder epitheliale Were Trachom, Molluscum contagiosum, Verrucae; 3. dermotrope Virusarten Variola-Vakzine, Maul- und Klauenseuche, en, Ge- flügelpocke usw.; 4. neurotrope Virusarten Lyssa, Poliomyelitis, Geflügelpest, Hondesauns usw.; 5. hämotrope Virusarten Leukämie der Hühner, perniziöse Anämie der Pferde; ; 6. organotrope Virusarten Parotitis epidemica (?), Peripneumonie der Rinder usw. Wie bereits früher (s. 5.369) ausgeführt wurde, nimmt dHörelle an, daß das von ihm entdeckte bakteriophage Agens, das er „Bacteriophagum intestinale“ nennt, ein belebtes Virus, einen obli- gaten Parasiten der Bakterien darstellt und wegen seiner Filtrier- barkeit durch Chamberlandsche Porzellankerzen den Ultramikroben zuzurechnen sei. Den Beweis für diese Auffassung erblickt er haupt- | sächlich in der Feststellung, daß der wirksame bakterienauflösende : Stoff sich bei Überimpfen von Bakterienkultur zu Kultur nicht auf braucht, sondern nach Art eines Lebewesens vervielfältigt. Die Unter- suchungen anderer Autoren, vor allem von Kabeshima, Bordet und Ciuca, Bail, Gratia, Gildemeister, Otto und Munter u. a. Sprechen indessen gegen diese Annahme, machen es vielmehr wahrscheinlich, daß ein katalytisch wirkendes, aus den Bakterien selbst stammendes und sich auf diese Weise dauernd regenerierendes, vielleicht an sog. „Bakteriensplitter“ (Bail) gebundenes Ferment die > due heuer, des Phänomens darstellt (Schlossberger). Über die Immunität sind wir bei manchen der durch filtrierbare Erreger hervorgerufenen Infektionen in vieler Beziehung ebenso gut orientiert wie bei den durch bekannte Bakterien oder|j Protozoen be- dingten Krankheiten. Wir wissen, daß das einmalige Überstehen der Krankheiten dieser Gruppe fast überall eine langdauernde Immunität gegen Neuinfektionen zur Folge hat. Bei einigen dieser Infektionen verfügen wir bekanntlich seit langen Zeiten über außerordentlich zuverlässige Schutzimpfungsverfahren (bei Pocken und Lyssa), die empirisch erfunden wurden, bei andern haben systematische Immunisierungsversuche zu Ergebnissen geführt, die, wenn auch nicht völlig befriedigend, so doch sehr beachtenswert sind. Zum Teil gibt die aktive Immunisierung mit abgeschwächtem Virus die besten Resultate (durch Austrocknung z.B. bei Lyssa, Poliomyelitis, ES Allgemeines über sog. „filtrierbare“ Krankheitserreger 1131. _ Geflügelpest, durch Erhitzung bei Vakzine [v. Prowazek]), zum Teil die .passive oder kombinierte Immunisierung [Serumvakzination] (z.B. bei . Maul- und Klauenseuche). In den nächsten Vorlesungen sollen die wichtigsten der durch Hiktierbare Infektionserreger hervorgerufenen Erkrankungen des Men- ‚schen Sega der Tiere kurz besprochen werden. - ET BEL TR N a ee Ä . vr ) Literatur. Lipschätz, Filtrierbare Infektionserreger. Handbuch der pathog. Mikroorganismen, 2. Aufl, Bd.8, 1913. — Über mikroskopisch sichtbare, filtrierbare Virusarten Strongyloplasmen). Zentralbl. f. Bakt., Bd.48, 1908. — Über Chlamydozoa- oplasmen. Wiener klin. Wochenschr., 1919 u. 1920. Löffler Dörr, Über filtrierbares Virus. Zentralbl. f. Bakt., Referate, Bd. 50, 1911, Beiheft. Kraus, v. Eisler und Fukuhara, Über Adsorption der filtrierbaren Yira Zeitschr. f. er Immun. -Forschung, Bd.1, 1909. Ex r. Esmarch, Über kleinste Bakterien "und das Durchwachsen von Filtern. Zentralbl. i f. Bakt., Bd. 32, 1902. - Lafer und Frosch, Berichte der Kommission zur Erforschung der Maul- und 3 Klauenseuche. Ebenda, Bd. 23, 1898. : Pfuhl, Ergebnisse einer erneuten Prüfung einiger Kieselgur- und Porzellanfilter. Festschr. f. R. Koch, Jena, G. Fischer, 1903. } y und Bachmann, Über neue Filter. Ztschr. f. anorg. u. allgem. Chemie, - .Bd.103, 1918. = v. Prowazek, Chlamydozoa. Arch. f. Protistenkunde, Bd. 10, 1907. Remlinger, Les microbes filtrants. Bullet..de l’Inst. Pasteur, 1906. F: Rosenthal, Filtrierapparat zur Gewinnung keifafreier Lymphe. Zentralbl. f. Bakt., S "Bd. 45. — Über die Filtration von Hühnerpestvirus. IN: f. Hygiene u. In- 3 fektionskrankh., Bd. 60, 1908. - 8 = ‚Schmidt, Über den Mechanismus der Bakterienfiltration mit Berkefeldfiltern. - Zeitschr. f. Hygiene u. Infekt.-Krankh., Bd.65, 1910. berger, Das d’H£rellesche Phänomen. Sammelreferat. Zentralbl. f. Haut- und Er ampRlebtakrankheiten, Bd.4, 1922. Geschicht- liches. Krankheits- bild. 60. VORLESUNG. Pappataci- und Denguefieber. Mit dem Namen „Pappataeifieber“ bezeichnet man eine an den Küsten des Mittelmeeres und in Osteuropa (Donauländer, Balkan, Süd- rußland) heimische Infektionskrankheit, die in der heißen Jahreszeit auftritt und durch ein dreitägiges kontinuierliches Fieber und schwere Allgemeinerscheinungen charakterisiert ist. Einmaliges Überstehen der an sich stets gutartig verlaufenden Krankheit hinterläßt eine dauernde Immunität, sodaß bei den alljährlichen Sommerepidemien nur die von Orten außerhalb der endemischen Gebiete neu zugereisten Personen von der Krankheit befallen werden. In der kälteren Jahreszeit werden i Erkrankungen nicht beobachtet. Die Krankheit ist in den von ihr befallenen Ländern seit alters- her bekannt, aber wegen ihrer Gutartigkeit wohl nicht genügend ge- würdigt worden. Meist werden die Anfälle mit Malaria, Typhus und sonstigen endemischen Krankheiten in Verbindung gebracht. Erst im Jahre 1886 wurde das Pappatacifieber von den letzteren durch Pick ° klinisch als besondere Infektionskrankheit abgegrenzt, und 1904 kam Taussig auf Grund seiner epidemiologischen Beobachtungen zu der Überzeugung, daß Mücken die Krankheitsüberträger seien. Eingehendere ° Untersuchungen über die Pathogenese und die Verbreitung dieser Fieberart wurden in den folgenden Jahren dann namentlich von Dörr, Franz, Russ, Birt u. a. angestellt. ‘Die klinischen Erscheinungen sind meist sehr charakteristisch. Nach einer Inkubationszeit, die zwischen 3 und 7 Tagen schwankt, und einem mehrstündigen Prodromalstadium mit den Empfindungen allgemeinen Unwohlseins setzt die Krankheit plötzlich mit hohem Fieber ein. Die Temperatur steigt rasch auf 39—40°. Der Kranke klagt über äußerst heftige Kopf- und Rückenschmerzen, unter Umständen auch Schmerzen im Bereich des Ischiadicus (Adelmann) sowie Druckgefühl in den Augen. Die Bindehäute der Augen sind stark injiziert, besonders in der Lidspalte, wo die Rötung streifenförmig von beiden Augenwinkeln zu den Hornhauträndern zieht (Picksches Zeichen). Die Mund- und . Rachenschleimhaut ist gerötet, die Zunge weißlich belegt. Die Muskulatur des ganzen Körpers ist druckempfindlich. Meist besteht ausgesprochene Pulsverlangsamung. Das Blutbild weist regelmäßig eine während des Pappataei- und Denguefieber. _ 1133 Fiebers zunehmende Verminderung der neutrophilen und eosinophilen vielkernigen RR mit Lymphozytose auf und gestattet durch den fehlenden Plasmodienbefund die differentialdiagnostische Abgrenzung von Malaria (Fürst). Das Fieber dauert in der Regel 2—3 Tage, seltener 4-7 Tage und fällt dann Iytisch in kurzer Zeit ab (Fig. 176). In schwereren Fällen gesellen sich zu den bisher beschriebenen Krankheitserscheinungen Schleimhautblutungen, namentlich der Konjunk- = tiva und der Nasenschleimhaut, ferner Diarrhöen und Erbrechen galliger _- Massen. Exantheme kommen nicht selten vor, sind aber nicht so aus- gedehnt und so regelmäßig feststellbar wie’ beim Denguefieber (s. u.). Es handelt sich hier entweder um flüchtige Erytheme oder um petechiale oder roseolaartige Fig. 176. Flecken. Ikterus ist wieder- holt beobachtet worden. Das r Krankheitsbild weist also viel- PITL 1 OR a = 3 | w.Ta6 fache Ähnlichkeit mit dem- jenigen leichter Fälle von Gelbfieber auf. Auch epi- lun tacifieber mit dem in Vor- = NN lesung 47 geschilderten Gelb- % fieber eine weitgehende Über- AL 2 einstimmung. IN Fieberrückfälle nach ei- ner Zwischenzeit von 1 oder 36 Fe! 2 Tagen, mitunter auch von 35 1—3 Wochen kommen nicht seiten vor, Rezidive nach Temperaturverlauf bei Pappataeifieber. mehrmonatigem fieberfreien u er Bram sei Tenseig) Intervall sind aber bisher nicht beobachtet worden. Die Rekonvaleszenz geht gewöhnlich ohne weitere Störungen vor ’ £. 2 \ - sich, doch wird oft noch mehrere Wochen lang allgemeine Mattigkeit, mitunter auch psychische Depression beobachtet. Das- Virus des; Pappataeifiebers kreist im Blute des Kranken, kann aber mit unseren heutigen diagnostischen Hilfsmitteln nicht - nachgewiesen werden. Durch Blut oder Blutserum, das durch bakterien- dichte Filter geschickt wurde, läßt sich die Krankheit auf gesunde - Menschen übertragen. Eine solche Übertragung gelingt aber nur, - wenn das Blut dem Patienten am ersten Tage der Erkrankung ent- nommen wurde. Gegenüber der Einwirkung chemischer Mittel (Galle, _ Trypanrot, Salvarsan) besitzt das Virus eine erhebliche Widerstands- fähigkeit. Unter natürlichen Verhältnissen wird die Krankheit durch eine - Stechmücke übertragen, die den Namen Phlebotomus papatasii führt - und zur Familie der Psychodideen (Schmetterlingsmücken) gehört. Überall, wo diese Mücke fehlt, kommen Neuinfektionen nicht zustande. Dort, wo - sie vorhanden ist und Gelegenheit hat, sich an Kranken zu infizieren, - ruft sie durch ihren Stich bei Personen, die in ihrem Leben Pappataci- - fieber noch nicht überstanden haben, also nicht immunisiert sind, die -Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 73 demiologisch zeigt das Pappa- Krankheits- virus. Über- tra gung. Immunität. des Weibchens ist glatt und läuft spindelförmig zu. . dunklen Ecken auf, besonders an der Decke von Zimmern 1134 60. Vorlesung. Krankheit hervor. Auch an fieberfreien Orten konnten Dörr und Birt eine Erkrankung an typischem Fieber bei Gesunden hervorrufen, die sie von infizierten Mücken stechen ließen. Durch direkten oder indirekten Kontakt zwischen Kranken und Gesunden wird das Fieber niemals übertragen. Die Pappatacimücke (Fig. 177), die von Grassi näher untersucht und be- schrieben wurde, ist 2 mm lang und von leicht durchscheinender gelblicher Farbe. Sie hat eine auffallend gekrümmte Haltung. Der Kopf ist unbeweglich und sitzt _ direkt dem Thorax auf, Mit Ausnahme kleiner nackter Felder amı Kopf und Thorax ist der ganze Körper mit gelblichen feinen Haaren bedeckt. Auch die 6 Beine, die. sehr lang sind, sind behaart. Die Flügel sind (nach Dörr) 15 mm lang und an den Rändern fransenartig behaart. Sie werden vom sitzenden Insekt derart nach auf- wärts gehalten, daß ihre Spitzen in die Höhe gerichtet sind und weit voneinander abstehen; dabei sind die medialen Ränder gesenkt, die lateralen gehoben. Das . Männchen unterscheidet sich vom Weibchen dadurch, daß das Abdominalende einen komplizierten, mit Borsten und RE: Haaren bedeckten Apparat trägt, der zum Festhalten ds Fig. 177. Weibchens bei der Kopulation dient. Das Abdominalende BASS, Der Phlebotomus papatasii schwärmt nur bei Dun- kelheit und hält sich tagsüber, wie der Anopheles, in - und Ställen. Im Gegensatz zu den Malariamücken findet die Eiablage nicht in Wassertümpeln, sondern in schat- tigen Kellerräumen, in der Nähe von Latrinen und Schutt- haufen statt (Bruck, Adelmann). Nur das Weibchen saugt Blut. Die Stiche der Mücken hinterlassen im allgemeinen. keine erkennbaren Spuren. Bei manchen Menschen sollen sie aber große Quaddeln hervorrufen, die oft mehrere Tage bestehen bleiben und unter Umständen zur Bildung eines Bläschens und später eines kleinen Geschwüres führen (Sekundärinfektionen?). Die Mücken übertragen das Virus der Krankheit nicht unverändert, sondern das letztere muß in ihnen eine exogene Entwicklung durchmachen, ebenso wie es bei den Maläria- parasiten im Anopheles geschieht. Denn durch Versuche wurde einwandfrei festgestellt, daß die Mücken frühestens 7 Tage, nachdem sie das Blut der Kranken in sich aufgenommen haben, Ge- ’ sunde durch ihren Stich infizieren können. Phlebotomus papatasii, Da Rückfälle bei Menschen, welche die n. gasggchh Krankheit im Sommer oder Herbst überstanden ‘haben, im Winter und Frühjahr nicht beobachtet werden, mit Bann der wärmeren Jahreszeit aber regelmäßig Neuinfektionen auftreten, . ist die Annahme begründet, daß das Virus in den Larven der Phle- botomen überwintert. Es wird durch die hereditäre Übertragung in der Mücke offenbar .abgeschwächt, -denn die ersten Fälle des Pappataci- fiebers in jedem Jahre verlaufen im Vergleich zu den späteren. Fällen auffallend leicht. Durch die Übertragung von Mensch zu Mensch nimmt die Virulenz dann wieder zu. Ähnliche Erfahrungen hat M. Otto ja auch beim Gelbfieber festgestellt. ‘Auf Tiere läßt sich das Pappatacifieber nicht übertragen. Einmaliges Überstehen der Krankheit schützt, wie bereits er- wähnt, meist vor späteren Neuinfektionen. Nach Adelmann kommt es Pappataei- und Denguefieber. - i 1135 allerdings in 17—21°/,, nach Brack sogar in etwa 33°/, zu Rückfällen. Die Immunität bildet sich erst allmählich aus. Dörr und Russ ver- mischten Blutserum von Personen, die Pappatacifieber vor 2 Jahren überstanden hatten, mit dem virulenten Blut Kranker aus den ersten 24 Fieberstunden und fanden, daß dieses Gemisch für Menschen nicht mehr infektiös war. Hier hatten also- die Immunstoffe des Blutes der früher erkrankt gewesenen Person das Virus vernichtet. Wurde aber in einem anderen Falle Serum eines Menschen verwendet, der erst vor 7 Tagen Pappatacifieber überstanden hatte, so vermochte dieses die Infektiosität des Krankenblutes nicht aufzuheben, sondern höchstens ab- zuschwächen, sodaß die mit dem Blutserumgemisch infizierten Menschen erst nach einer auffallend JADERE BP PBRBBEN: und in leichter Form erkrankten: Die Proshriare des Pappatacifiebers wird vorwiegend in der Vermeidung der Phlebotomenstiche und in der Bekämpfung der über- tragenden Mücken zu bestehen haben. Diese ist jedoch noch schwieriger als die Bekämpfung des Anopheles und der Stegomyia, weil die Bio- logie und die Lebensgewohnheiten des Phlebotomus papatasii noch wenig bekannt sind und gegen die Brutplätze, die anscheinend vorwiegend in feuchten Kellern, Schutt, Gruben und Kanälen zu suchen sind, nur . schwer vorgegangen werden kann. Die Kranken sind am ersten Fieber- tage nach Möglichkeit so zu isolieren, daß sich an ihnen Mücken nicht 2 infizieren können. Die gewöhnlichen Moskitonetze sind für diese!Zwecke jedoch unbrauchbar, weil ihre Maschen von den kleinen Pappatacimücken mit Leichtigkeit durchwandert werden. Die bisherigen Versuche, durch chemotherapentische Mittel, vor allem durch Chinin, die Krankheit zu beeinflussen, waren ergebnislos. Sie müssen aber erweitert und fortgesetzt werden. Vorläufig ist die F = Taorapie rein symptomatisch (Pyramidon, Aspirin). Mit dem Pappataeifieber sind nach der Art des Virus und der Übertragungsweise allem Anschein nach identisch oder wenigstens nahe 4 verwandt andere Fieberarten, die in tropischen Ländern, vorzugsweise in wasserreichen Gegenden, vorkommen und die verschiedensten, meist von der Örtlichkeit hergeleiteten Namen (Shangaifieber usw.) führen. Auch das sogenannte Denguefieber weist in seinem epidemiolo- gischen und klinischen Verhalten mit diesen Infektionen große Ähnlich- - keiten auf. Es ist in den warmen Ländern weit verbreitet und kommt - in Europa in Südspanien, in der Türkei, in Griechenland und auf den - der Balkanhalbinsel vorgelagerten Inseln vor. Bei ihm werden im Beginn - regelmäßig diffuse Erytheme der Haut, besonders im Gesicht, beobachtet, in den späteren Stadien ausgesprochen masern-, scharlach- oder urtikaria- - ähnliche Exantheme, die sehr stark jucken und zu kleienförmiger ;: Abschuppung der befallenen Hautstellen führen. Diese Exantheme er- - möglichen im Verein mit den fast ausnahmslos beobachteten starken - Gelenkschmerzen die klinische Abgrenzung des Denguefiebers vom - Pappatacifieber. Durch Graham, Ashburn und Craig wurde festgestellt, daß das ö 3 Denguefieber durch Culex fatigans übertragen wird. 73* Prophylaxe. Verwandte Fieberarien. Dengue- fieber. 1136 2 x? 00: Vorlesung. Pappataei- und Denguefieber. Literatur. Adelmann, Be zur EKonyitais des Pippätackiährrt Arch. R: Schiffs- u. Tropenhyg., Bd. 23, 1919. Birt, Experim. investig. of „simple continued fever“. Journ. of the Royal Army Medice. "Corps, 1908 und 1910. — Phlebotomus fever and Dengue. Franmagt: of Soc. : of trop. med., 1913. Brack, Pappatacimücken und Pappatacierkrankungen. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg., Ba. 21, 1917. - Dörr, Das Pappatacifieber (Phlebotomusfieber), Handb. d. pathog. N 2. Aufl., Bd. 8, 1913. — Über ein neues invisibles Virus. Berliner klin. Wochen- schrift, "1908. da Rocha-Lima, Gelbeheigrüppe und verwandte Krankheiten. Handb, d. pathogenen - Protozoen von v. Prowazek, 1914. Dörr, Franz und Taussig, Das Pappatacifieber. Leipzig und Wien 1909. Dörr und Russ, Weitere Untersuchungen über das Pappatacifieber. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg., Bd. 13, 1909. Fürst, Epidemiologie, : Diagnose und Prophylaxe der Malaria und "malariaähnlichen Erkrankungen (Pappataei u. Reeurrens). Ergebn. der Hyg., Bakteriol. ete., Bd.4, 1920. Graham, Dengue. Journ. of trop. med., 1903. = ; Ashburn und Craig, Etiology of Dengue-fever. Philipp. Journ. of Science, Bd. 2, 1907. van der Burg, Das Banpnetieber. Menses Handb. d. Tropenkrankh,, 1. Aufl., Bd. 2. 1905. . Scheube, Die Krankheiten der warmen Länder. 4. Aufl, ‚Jena, G. Baden 1910. if ws „ f » 61. VORLESUNG. — Tollwut (Lyssa). E * Die Tollwut, auch ER Hydrophobie, Wasserscheu, Hundswut B a ist eine Infektionskrankheit, die sich in erster Linie unter - den Tieren verbreitet, gelegentlich aber von diesen aus auch auf den Menschen übertragen werden kann. Die Bezeichnung Lyssa beruht auf der früheren Anschauung, daß ein Würmchen (6 N) unter der Zunge die Krankheit verursache. war, geht aus unverkennbaren Hinweisen auf die Wut bei Tieren in den Schriften des Aristoteles (4. Jahrhundert v. Chr.) hervor: Auch damals schon galt die Biß- verletzung durch ein wutkrankes Tier als das Wichtigste bei der Krankheits- entstehung. Celsus (1. Jahrhundert n. Chr.) beschreibt die Wut auch als Menschen- krankheit und empfiehlt zu ihrer Verhütung das Ausglühen der Bißwunde. Galen (200 n.Chr.) rät das Ausschneiden der Wunde an. Die zahlreichen Schriften, die wir aus dem Mittelalter über Lyssa überkommen haben, beweisen, daß man sich - "über das Wesen dieser Krankheit die mannigfaltigsten und eigenartigsten Vorstel- lungen gemacht hat. Aus der dem jedesmal herrschenden System. entsprechenden - Anschauungsweise erklärt sich. die große Menge der abenteuerlichsten Heilvor- schriften, die wir in den verschiedenen alten medizinischen Werken antreffen. Die - Hitze, Durst, Unterdrückung des Geschlechtstriebes usw. zurück; für eine spezifische ' Infektionskrankheit sah man sie nicht an. - Erst im 19. Jahrhundert hat die experimentelle Forschung unsere Kenntnisse über die Lyssa bereichert und geklärt. Eine experimentelle Übertragung der Toll- - wut war schon im Jahre 1804 Zinke gelungen, der den Speichel eines tollwütigen - Hundes in eine Wunde eines gesunden Hundes brachte und diesen danach unter den - eharakteristischen Erscheinungen der Lyssa erkranken sah. Auch ein Kaninchen und ein Huhn konnten in gleicher Weise infiziert werden. Grundlegend für die Erforschung der Wut sind für alle Zeiten die Studien von Louis Pasteur geworden. B. ‚bewies, daß die Krankheit ihren Sitz im Zentralnervensystem hat, und begründete - auf dieser Erkenntnis im Jahre 1883 experimentell die spezifische" Immunisierungs- # "möglichkeit von Hunden gegen das noch unbekannte Virus der Hundswut und die - Behandlung der von wutkranken Hunden gebissenen Menschen während der Inku- bationsperiode. Wenn auch schon 2 Jahre vorher Galtier gezeigt hatte, daß der - Geifer wutkranker Tiere immunisierende Eigenschaften besitzt, so müssen doch als - Grundlage der Tollwutschutzimpfungen, wie wir sie heute anwenden, die kübnen und genialen Experimente Pasteurs und seiner Schüler angesehen werden. Die überall mit unermüdlichem Eifer unternommenen Bemühungen, den R. spezifischen Erreger der Lyssa festzustellen, haben allseits anerkannte Ergebnisse - bisher nicht gehabt, berechtigen aber zu der Hoffnung, daß die Ätiologie der Krank- - heit bald völlig geklärt werden wird. Wesentliche Fortschritte in der Forschung © wurden dadurch erzielt, daß Negri im Jahre 1903 eigenartige kleine, intrazelluläre B Körperchen beschrieb, die er im Zentralnervensystem wutkranker Tiere und Menschen Daß das eigenartige Krankheitsbild der Lyssa schon im Altertum Deka. - Entstehung der Wut beim Hunde führte man auf besondere Schädigungen, große. Geschicht- tiches. 1138 61. Vorlesung. ‘mit großer Regelmäßigkeit feststellen konnte. Über die Natur dieser Gebilde und ihre ätiologische Bedeutung gehen die Anschauungen der Autoren noch weit aus- einander, aber ihr Nachweis ist doch, wie wir später sehen werden, diagnostisch von großer Bedeutung. In neuerer Zeit hat Babes die Verwendung spezifischen antirabischen Bokiir neben der üblichen Schutzimpfung für Fälle besonders schwerer Bißverletzungen. empfohlen. rer Die Tollwut ist heutzutage noch in allen der Kultur “ erschlossenen Ländern mit Ausnahme von England verbreitet. Sie tritt jedoch meist nur in vereinzelten Fällen auf. Früher kam es mitunter zu einer solchen Häufung der Erkrankungen unter den Hunden und, von ihnen ausgehend, unter den Menschen, daß man von Wutepidemien sprechen konnte. Lyssa-Epizootien bzw. -Epidemien herrschten z. B. im Jahre 1851 in Hamburg, 1852 in Berlin, 1861 in den Rheinlanden, 1863—1871 in Württemberg, 1865—1866 in Sachsen. Jetzt ist, da strenge sanitätspolizeiliche Maßnahmen gegen die Aus- breitung der Wut getroffen sind, der Ausbruch großer Epizootien so gut wie ausgeschlossen. Auch in Deutschland ist die Lyssa heimisch, wenn auch in geringerem Grade als in anderen europäischen Ländern, namentlich in Rußland, Ungarn, Galizien, Norditalien, Spanien, Belgien und Frankreich, die stark verseucht sind. England ist infolge des Ver- botes der Einfuhr von Hunden, nachdem es durch äußerst strenge Maßnahmen die Tollwut erfolgreich bekämpft BaNIe, seit längeren Jahren frei von Lyssa. Die Tollwut ist, wie bereits kurz erwähnt, zunächst eine Kiaak- heit der Tiere und wird von diesen auf den Menschen übertragen. Es können wohl sämtliche Säugetiere von ihr befallen werden. Am weitaus häufigsten erkranken Hunde, danach Rinder und a ei Schweine, Katzen, Schafe und Ziegen. Die natürliche Übertragung des Virus se hauptsäch- lich dadurch, daß der Speichel wutkranker Tiere mit der verletzten Haut anderer Tiere oder auch des Menschen in - Berührung kommt. ' Meist erfolgt die Infektion durch einen Biß. In den europäischen Ländern sind es in erster Linie die Hunde, die für die Weiter- verbreitung . des Virus in Betracht kommen. Die Hunde werden be- kanntlich während der Krankheit besönders bissig und haben außerdem, da sie frei herumlaufen, am häufigsten Gelegenheit, BRARER Tiere oder den Menschen zu: infizieren. Über die Ausbreitung der Wut geben uns die Morbiditätsziffern der Meuschbs kein richtiges Bild, denn wir sind, wie wir später sehen werden, durch ein wirk- sames Schutzimpfungsverfahren imstande, den Ausbruch.der Krankheit bei der Mehrzahl der von tollen Tieren gebissenen Menschen zu verhüten. Wir’ müssen also als Maßstab für die Ausbreitung der Lyssa die Wuterkrankungen der Tiere heranziehen. Wenn man z.B. aus den Jahren 1902—1907, über die vollständige . statistische Angaben vorliegen, die Tollwutfälle, die unter Tieren vorkamen, einer näheren Betrachtung unterzieht, so ergibt sich über die Verbreitung der Krankheit in Preußen, was aus umstehender Tabelle ersichtlich ist. Die meisten Erkrankungen . hatten aufzuweisen die Provinzen Schlesien, Ostpreußen, Posen und Westpreußen. Es kamen also in den Landesgebieten die meisten Tollwutfälle vor, welche die östliche Grenze des Reiches bildeten. Der Grund für diese Tatsache ist darin zu suchen, daß die Krankheit hier aus den stark durchseuchten Nachbarländern (Ruß- .land, Ungarn) immer wieder von neuem nach Deutschland eingeschleppt wurde. Ungefähr ebenso gestaltete sich, wie aus nachstehender Kartenskizze ersichtlich ist, die örtliche Verbreitung -der Tollwutfälle bei Hunden in den Jahren 1886—1%01. 2 EEE: AU NEHET BA um 20 40 u 2 Er Zn m Tollwut (Lyssa). a 1139 Infolge von Tollwut sind erkrankt und gefallen oder getötet: Im Jahre 3 Hunde | Katzen | Rinder Pferde Schafe | Ziegen | Schweine Summe 1902 . | ı 8513| 3 1 7 || :534 Tiere 1903 . 6801 51.9881 5 2 1 4 | 75°. 51904. .:..I1 sa| 5lıo| »2 12 = 12 9 „ 1905: . .| 623 | 18 s3| 21 4 = >R 7149 - „ 1906. . .1 5466| 5 49 6 5 1 2 DIE’. 51907 =: |: 617 1 62 | 16 7 1 24 728 „ 3715 | 35 :| 467 | 63 | 32 aı.| 9 4365 Tiere Die Wut bei Hunden und ebenso auch bei den anderen, in erst einmal die äußeren Zeichen der Krankheit bemerkbar gemacht haben, einen tödlichen Verlauf. Sie tritt in zwei verschiedenen Formen auf: als „rasende Wut“ (Tollwut) und als sogenannte „stille Wut“. Der Ausbruch der Krankheit erfolgt nicht unmittelbar nach der infizierenden = Verletzung, sondern es geht ihm ein Inkubationsstadium voraus, das meist 3—6, seltener 7—10 Wochen währt, in seiner Dauer jedoch auch einerseits bis zu einer Woche herunter- oder andrerseits bis zu 5—7 Monaten hinaufgehen kann. Während dieser Zeit erscheinen die Tiere völlig gesund, sind aber trotzdem vom Ä 8. Tage vor dem Ausbruche der ersten Erscheinungen an fähig, die Krankheit auf andere Tiere oder den Menschen durch Biß oder Lecken etc. zu übertragen. Lyssa der ‚ R Re > S x Tiere. - gleichem Maß empfänglichen Tierarten nimmt in der Regel, sobald sich Br 8 9 o rn 12 3 » K} “ y m Ei} Er} 20 21 22 7% ER 7 e Oertliche Verteilung HF & derinden Jahren 1886-1901 | |& | Sf. x [ zur Meldung gekommenen i-+ 155 TOLLWUTFÄLLE beiHlunden | A DEUTSCHLAND s A 53 \ E I 5 | 4, / En) SR 2 5 - s 7 13 14 . 16 17 6} E77 1140 | 61. Vorlesung. In dem auf diese Inkubationszeit folgenden ersten Stadium der eigent- lichen Krankheit sind die Hunde bald auffallend freundlich, bald mürrisch und träge, ungehorsam und scheu. Sie sind unruhig und wechseln häufig ihre Lager- stätte, wobei ihre Mattigkeit und Schwerfälligkeit auffällt. Sie fressen im allge- meinen wenig, verschlingen aber manchmal schon jetzt unverdauliche Gegenstände, Holz, Stroh, Federn u. dgl. Die alte Bißwunde scheint empfindlich zu sein und. wird viel geleckt. Nach 1—3 Tagen geht dieses Stadium in ein zweites, meist 3 bis 5 Tage dauerndes über, das durch die anfallsweise auftretenden Paroxysmen der rasenden Wut besonders charakterisiert ist. In dieser Zeit zeigt sich ein auf- fallender Drang zum Herumschweifen und zum Beißen. Die Tiere sind ohne Veran- lassung zornig und verbeißen sich häufig in irgend welche Gegenstände. Ihre Stimme ist heiser und mehr -heulend als bellend, die einzelnen’ Anschläge sind nicht wie beim gewöhnlichen Bellen getrennt, sondern gehen ineinander über. Eine eigent- liche Wasserscheu besteht nicht. Ebensowenig ist die weitverbreitete Ansicht rich- tig, daß wutkranke Hunde stets geradeaus laufen und den Schwanz eingezogen Fig. 178. Schlaffe Extremitätenlähmungen bei experimenteller L,yssa des Kaninchens (nach J. Koch). tragen. Die Angaben über Wasserscheu sind vielmehr auf die dkhrend dieses Stadiums. häufig auftretenden refiektorischen Schlingkrämpfe zurückzuführen, die Fressen und Saufen unmöglich machen können. Die Neigung, unverdauliche Dinge zu verschlingen, tritt jetzt noch mehr zutage; dabei ist die Schleimhaut des Maules auffallend trocken, und die Tiere magern schnell ab. Als drittes und letztes Stadium der Krankheit folgt das der Lähmungen (Fig. 178), die meist in den Muskel- gruppen der hinteren Extremitäten und der Kinnladen beginnen und mitunter von Krampfanfällen unterbrochen sind. Die Bissigkeit ist noch unverändert, doch ist das Tier durch die Lähmung der Kiefermuskulatur unfähig, zu schnappen. Die Heiserkeit nimmt immer mehr zu, und die Tiere gehen meist am 4. bis 6. Tage zugrunde. Von diesem kurz skizzierten Bilde der rasenden Wut unterscheidet sich das der sogenannten stillen Wut dadurch, daß die Erscheinungen des zweiten Stadiums zurücktreten oder ganz fehlen und die Lähmungen sich früher einstellen. B Außer den typischen Erkrankungen kommen aber bei empfänglichen Tieren auch rudimentäre, atypische Tollwutfälle vor, von denen die Tiere genesen. Bei Kaninchen, die mit Straßenwut (s. S.1154) intramuskulär infiziert waren, sah J. Koch wiederholt, daß das eine Tier, das an Fieber, Abmägerung, Aufregungs- zuständen, leichten Paresen der Extremitäten und anderen nervösen Symptomen erkrankt war, sich allmählich erholte und in der Folgezeit gesund blieb,. während ein anderes, zur gleichen Zeit und mit dem gleichen Material geimpftes Tier an er r ul A rn u a u ne u u 3 = zusammen - 11025(1694) 137 (71) 115 (40) | 6 (6) | 1 (1) | 4 (4) |1080(1817) Tollwut (Lyssa). ee 1141 typischer. Lyssa ad ging. Die atypische Wut äußert sich bei Kaninchen und Ratten oft auch im Auftreten einer Paraplegie der Hinterhand mit Blasen- und Mastdarmstörung, die später wieder zurückgeht. Durch den Nachweis der Negrischen Körperchen und die Verimpfung des Hirnes derart erkrankter Tiere konnte mehr- fach der Beweis erbracht werden, daß es sich wirklich um Lyssa handelte. Auch bei Hunden gibt es bei der experimentellen Infektion analoge atypische- Lyssaerkran- : kungen, wie Babes, Remlinger, Dammann und Hasenkamp, J. Koch u.a. gezeigt haben. Schon Pasteur waren derartige Fälle aufgefallen. Es ist. nicht daran zu ‘ zweifeln, daß Heilungen auch bereits ausgebrochener natürlicher Wut bei Hunden . vorkommen. Nicht selten erfährt man, daß Hunde, die Menschen tödlich mit Lyssa infiziert hatten und dann nicht getötet, sondern eingesperrt und tierärztlich über- wacht wurden, am Leben blieben. Wie oft Heilungen vorkommen, entzieht sich noch unserer Kenntnis. Mitunter sieht man bei künstlich infizierten Hunden auch, daß die Tiere sich nach dem Auftreten typischer Krankheitserscheinungen wieder erholen und dann später doch an Wut verenden. Man muß daher Versuchshunde lange ‚Zeit beobachten, ehe man sie als. geheilt betrachten kann. Bei Hunden, Katzen, Rindern und Ratten kommt ein lyssaähnliches Krank- s heitsbild. vor, dessen Ätiologie noch nicht geklärt ist. Diese mit Speichelfluß, Muskel- zuckungen und Juckreiz am Maul einhergehende, fast immer tödlich endende In- fektion wurde von Aujeszky im Jahre 1912 beschrieben und als „Pseudowut“ be- zeichnet. Im Gehirn der an ihr verendeten Tiere wurden aber die noch zu bespre- ebanden, Negrischen Körperchen nicht gefunden. _ Die Lyssainfektion des Menschen wird a wie es bei der = | erde der Krankheit unter den Tieren der Fall ist, in der über- wiegenden Mehrzahl der Fälle durch Bißverletzungen seitens kranker Tiere übertragen. Über die Häufigkeit, in der solche Verletzungen in sußen vorkommen, und von welchen Tierarten sie ausgehen, mag 3 die folgende Übersicht Doeberts aus den Jahren 1903—1907 Aufschluß % er Die in Klammern gesetzten Zahlen geben die Zahl der von den den Tieren angegriffenen Menschen an. Anzahl. und Art der verletzenden Tiere y Jahr : Hunde Katzen | Rinder Pferde Schafe |Schweine Summe 1903 183 @&90) | 612) I|2 a Jı miı m!ı | 194 (307) 1904 211 BI) 5A) 5 lı I — |2 @)| 226 (364) 1905 211 BEI TA) IA I2 A| — — | 224 (368) 1906 22 Idee — — || 213 -(373) - 1907 218 382) 2 I) |ı O) | — 1: (1) || 232 (405) . Es sind in diesen 5 Jahren also 1817 Verletzungen bei Menschen ; 5 dureh tollwütige Tiere hervorgerufen worden, unter ihnen 1694 (= 92°2°/,) _ durch Hunde. Was das Alter der Verletzten betrifft, so findet man eine vorwiegende Beteiligung des jugendlichen Alters, die wohl ihren Grund hauptsächlich darin hat, daß sich die Jugend häufiger und in- - timer mit Hunden abgibt, als die Erwachsenen, und leichter gebissen - wird. Die jüngsten Altersklassen der Kinder, die mehr unter dem "Schutze _ des Hauses stehen, werden weniger oft gebissen. Es folgt dann aber - ein rapider Anstieg der Kurve der Gebissenen bei der Altersstufe von 6-10 Jahren und deren Höhepunkt bei 11—15 Jahren. Im Alter bis zu 15 Jahren standen von den 2043 Gebissenen 872—=42'7°/,. Vom 30.Lebensjahre ab geht die Kurve mit zunehmendem Alter Ständig - und regelmäßig abwärts. Das männliche Geschlecht ist in weit höherem - Maße beteiligt als das weibliche. Lyssa des Menschen. 1142 er 61. Vorlesung. Nicht alle Individuen, die von tollwütigen Tieren gebissen werden, . erkranken an Wut. Diese auch für die verschiedenen Tierarten geltende Tatsache ist aber vielleicht weniger einer ungleichen Empfänglichkeit für das Wutgift zuzuschreiben, als vielmehr dem Umstand, daß nicht bei jedem -Biß genügende Mengen des Virus in die Wunde gelangen. Wenn Hunde mehrere Personen hintereinander beißen, haften zuletzt an ihren Zähnen wahrscheinlich nur geringe Mengen des infektiösen Geifers; ferner wird beim Biß in bekleidete Körperteile der Infektions- stoff vielfach durch die Kleidungsstücke zurückgehalten. Gesichtswunden und Verletzungen der Hände sind deshalb häufiger die Eintrittspforten der Wuterreger als solche der übrigen, meist bekleideten Körperteile. Doebert berechnet aus seinem bereits erwähnten Material, daß im ganzen nur 14'8°/, der Gebissenen an Wut erkranken. Zu ganz gleichen. Mor- biditätszahlen kommt v. Kordnyi auf Grund seiner Erfahrungen. Das Wichtigste bei einer Bißverletzung in prognostischer Hinsicht ist der Sitz und die Ausdehnung der Wunde. Je näher dem Zentralnervensystem und je tiefer und größer der Biß, desto größer ist die Gefahr, desto kürzer die Inkubationszeit bis zum Ausbruch der Krankheit. Die unverletzte äußere Haut vermag das Lyssavirus nicht zu durchdringen, oft genügen ihm aber ganz oberflächliche Hautver- letzungen als Eintrittspforte. So können Infektionen dadurch zustande kommen, daß eine nur in geringem Grade durch Kratzen oder Haut- abschürfungen verletzte Hand von kranken Tieren im Anfangsstadium der Wut, wo sie noch nicht aggressiv sind, beleckt wird. Auch dann, wenn durch den Biß infolge des Schutzes der Kleidung nur eine Kon- tusionswunde entstanden ist, kann diese durch den Geifer infiziert werden, der die Kleidungsstücke durchnäßt und nun mit der Wunde in Berührung kommt. In Gegenden, in denen der Wolf vorkommt, sind die Bißver- letzungen durch diese Tiere besonders gefürchtet, weil sie fast stets sehr tief und ausgedehnt sind. Die Bisse durch die stumpien Zähne der Wiederkäuer sind im Vergleich zu denen der Hunde meist oberflächlicher und deshalb prognostisch günstiger. 5 Inkubation. Die Inkubationszeit der Lyssa ist auch beim Menschen sehr verschieden. Durchschnittlich beträgt sie 15—60 Tage. Für die seltenen Fälle, in denen die Krankheit erst viel später nach der Bißverletzung ausbricht — es sind schon Inkubationsstadien bis zu einem Jahre und mehr beobachtet worden —, könnte man annehmen, daß das Wutgift sich irgendwo im Körper, beispielsweise in dem der Bißwunde zunächst gelegenen Gewebe, einkapselt und sich von dort aus erst gelegentlich unter besonderen, bisher unbekannten Bedingungen weiter verbreitet. Als kürzeste Inkubationszeit werden 13—14 Tage angegeben. Die Dauer . der Inkubation wird von dem Sitz der Wunde und der Schwere der Verletzung, von der Art der von ihr betroffenen Körpergewebe und der Menge und Virulenz des eingedrungenen Infektionsstoffes beein- flußt. Auch die allgemeine Widerstandskraft des Organismus spielt eine gewisse Rolle. eeebhsits- Die Krankheitserscheinungen des wutkranken Menschen, deren Bild sich allerdings durch die individuellen Eigentümlichkeiten des Patienten sehr verschieden gestaltet, beginnen meist mit einem ein- bis re ee Tollwut (Lyssa). : 1143 zweitägigen Prodromalstadium, in dem Kopfschmerz, Schlaflosigkeit und Unruhe, abnorme Sensationen, mitunter Anschwellung und Schmerz- haftigkeit der alten Bißstelle, Schlingbeschwerden und infolgedessen Abneigung gegen Essen und Trinken zur Beobachtung kommen. Die Schlingbeschwerden steigern sich dann. im folgenden, 1—3 Tage dauernden Stadium bis zu schweren reflektorischen Schlund- krämpfen, denen 'sich allmählich Krämpfe der Atmungsmuskulatur und der Muskeln des Rumpfes und der Extremitäten anschließen. In der’anfallsfreien Zeit beherrschen Angstzustände und Delirien das Krank- _ heitsbild. Gewöhnlich besteht starker Speichelfluß. Der Kranke wird von sehr heftigem Durst geplagt, bekommt aber bei jedem Schluck- versuch, ja oft schon beim Anblick des ihm dargebotenen Getränkes Krämpfe. Er ist auffallend unruhig, springt oft von seinem Lager auf, tobt, schreit, schlägt um sich, bietet also die Zeichen der rasenden Wut dar. Auch hier folgt zuletzt ein Stadium der Lähmungen; in ihm tritt nach raschem Kräfteverfall, sehr häufig infolge akuter Herz- lähmung, der Tod ein. Außer der soeben beschriebenen rasenden Wut gibt es auch beim Menschen eine stille oder paralytische Form der Lyssa, die in - ihren Erscheinungen durchaus der stillen Wut der Tiere entspricht. { Die paralytische Wut ist aber beim Menschen viel seltener als die konvulsive Form, und auch relativ seltener als beim Tier. Besondere Gründe, die ihre Entstehung gegenüber der rasenden Wut erklären könnten, gibt es nicht. Für die von manchen Seiten aufgestellte Behauptung, daß _ der Sitz und die Ausdehnung der Bißverletzungen die klinische Form der Krankheit beeinflusse, haben sich ebensowenig zwingende Beweise erbringen lassen wie für die - hier und dort vertretene Ansicht, daß die stille Wut bei Aufnahme besonders E° Ber Mengen des Infektionsstoffes entstehe. Anscheinend erkranken neuropathische dividuen verhältnismäßig häufiger an dieser Form der Lyssa als vorher Gesunde. Die Erscheinungen der stillen Wut gleichen im Inkubations- und Prodromalstadium völlig denen der rasenden Wut. Es fehlt aber später völlig das Stadium der Erregbarkeit, das der rasenden Wut ein - so charakteristisches Gepräge gibt. In der Umgebung der Bißwunde stellt sich ein eigentümliches Erstarren. der Empfindung und Beweglich- - keit ein, ein Gefühl der Schwere des verletzten Gliedes und ausstrahlende, - zentripetal fortschreitende Schmerzen. Auch fibrilläre Zuckungen und - leichte, krampfartige Kontraktionen der der Infektionsstelle zunächst gelegenen Muskelgruppen werden beobachtet. Unter Zittern setzt eine schnell zunehmende Bewegungsunfähigkeit und Gefühllosigkeit der be- - fallenen Körperpartien ein, die sich bald zur völligen Lähmung steigert. _ In gleicher Weise entstehen auch Lähmungen der übrigen Körper- teile. Atmungs- und Schlingstörungen treten erst spät auf, zu einer _ ausgesprochenen Hydrophobie kommt es in der Regel nicht. Der Tod - der Kranken erfolgt unter denselben Erscheinungen wie im Endstadium - der rasenden Wut, meist ‘aber später, etwa am sechsten Tage nach Ausbruch der Krankheit. E; Es bedarf kaum der Erwähnung, daß nicht bei allen Lyssainfek- - tionen des Menschen eine strenge Scheidung in die beiden typischen - Krankheitsformen möglich: ist. Es gibt auch Übergangsformen, die in ihrem Verlauf die Erscheinungen bald dieser, bald jener Form mehr - oder weniger deutlich erkennen lassen. ‚Abortivfälle. 1144 | 61: Vorlesung. Die Prognose der menschlichen Tollwut wurde früher all- gemein als absolut letal bezeichnet. Aber in neuerer Zeit mehren sich doch ‚die Beschreibungen eigenartiger Krankheitsformen bei Gebissenen, die bei genauerer Betrachtung als Fälle abortiver Lyssa anzusprechen sind. Schon die auffallend verschiedene Länge des Inkubationsstadiums bei der Wut und die Erfahrungstatsache, daß nur ein geringer Prozent- satz der von nachweislich tollwütigen Tieren gebissenen Menschen unter den charakteristischen schweren Erscheinungen der Lyssa erkrankt, lassen die Annahme als sehr naheliegend erscheinen,. daß der Mensch durch den verletzenden Biß viel öfter infiziert wird, als bisher gedacht wurde. Nach den Untersuchungen J. Kochs müssen wir annehmen, daß die Krankheitserreger sich zuweilen sehr lange in latentem Zustande im Zentralnervensystem aufhalten können, bis irgendeine Gelegenheits- ursache (Traumen, Fall, Schläge, Mißhandlungen, Überanstrengung und Ermüdung, Kälte, psychische Einflüsse, Alkoholismus) eine starke Ver- mehrung herbeiführt und dadurch den plötzlichen Ausbruch der Krank- heit bedingt. Wenn aber eine Infektion des Menschen häufiger statt- findet, muß man folgerichtig aus dieser Tatsache schließen, daß der Mensch auch häufiger eine latente Lyssaerkrankung durchmacht, deren Symptome allerdings entweder gar nicht erkennbar oder wenig charak- teristisch sind, weil sie gewissermaßen nur in abortiver Form in Er- scheinung treten. Vor allem ist die Charakterveränderung, ein trauriges, gedrücktes Wesen, bei Kindern eine weinerliche Stimmung ein sehr wichtiges Symptom, das bei einem von einem wutverdächtigen Tier gebissenen Individuum die vollste Aufmerksamkeit des Arztes ver- dient. Derartige Erscheinungen sind von verschiedenen Beobachtern beschrieben und als Symptome einer sehr leichten Lyssainfektion ge- deutet worden. Ein besonderes Interesse beanspruchen hier aber Krankheits- zustände des Nervensystems, die ebenfalls als Ausdruck einer abortiven Wuterkrankung aufgefaßt werden. Es sei hier gleich betont, daß diese Erkrankungen stets im Verlaufe oder kurze Zeit nach Beendi- gung der mehrwöchigen Schutzimpfung beobachtet worden sind und deshalb vielfach als Folgen der letzteren, also als Impfschädigungen angesehen werden. Sie zeigen klinisch meist das Bild einer schnell einsetzenden Paraplegie der Beine mit Blasen- und Mastdarmstörung, seltener das der aufsteigenden Landryschen Paralyse oder noch seltener das peripherischer Nervenentzündungen. Die Erkrankungen sind sehr selten und kommen in allen Ländern vor, in denen Tollwutschutzimpfungen vorgenommen werden. Nach Papamarku treten sie vorzugsweise bei Personen auf, deren Nervensystem stark in Anspruch genommen ist, also besonders bei Gebildeten und Geistesarbeitern. Auch. Überanstrengungen und Erkältungen sollen als Gelegenheitsursache eine bedeutsame Rolle spielen. Während des Weltkrieges wurden solche Lähmungen relativ häufig bei Soldaten festgestellt, die aus dem Felde kamen. Aus den Jahren 1888-1911 hat Simon 84 Fälle zusammengestellt, die auf im ganzen 211779 Schutzgeimpfte entfielen. Es ergibt sich somit eine Morbiditätsziffer von 0'48°/,,. Die Inkubationszeit dieser Erkrankungen ist kürzer als bei der typischen Lyssa: 88°/, der Lähmungen traten 11—30 Tage nach der Bißverletzung auf, die meisten während der Kur, etwa ein Viertel der Fälle innerhalb der ersten Woche nach deren Beendigung. Die ersten Symptome der abortiven Krankheit sind ‚gewöhnlich Kreuzschmerzen und Steifigkeitsgefühl in der Lendengegend, häufig auch Parästhesien der unteren, seltener der oberen Extremitäten. Dieses Vorläuferstadium dauert einige wenige Tage, dann setzen die Lähmungen ein. - Leichte Fazialisparesen, die Tollwut (Lyssa).‘ ; ’ | 1145 = mit. 'vermehrter Speichelsekretion, Abgeschlagenheit, Schmerzhaftigkeit der Impf- stellen, .Kopfweh und Schlaflosigkeit einhergehen, werden während der Schutz- pfung wohl häufiger beobachtet, als es nach den oben genannten Zahlen Simons Be: Anschein hat. Sie werden nicht immer genügend beachtet, zeigen aber einen bemerkenswerten Reizzustand des Zentralrervensystems an und müssen zur Vorsicht und sorgsamen Beaufsichtigung des Patienten mahnen. Bei weitem am häufigsten sind Erkrankungen des Rückenmarks, speziell des Lendenmarks, von den leichtesten Extremitätenlähmungen bis zu ausgesprochenen Paraplegien der Beine und der © schweren Form der aufsteigenden Landryschen Spinalparalyse. B% - Der Verlauf dieser eigenartigen Krankheitszustände ist in etwa zwei Dritteln e- Fälle: akut, in einem Drittel der Fälle chronisch. Die Prognose ist in allen Fällen unsicher. Von den 84 von Simon zusammengestellten Lähmungen wurden 65 = = 11 4°/,) geheilt oder gebessert, 19 (= 22'6°/,) Patienten starben. Die Paraplegien - und besonders die aufsteigenden Lähmungen geben im allgemeinen eine ungünstigere Prognose als die Fazialislähmungen. Es können jedoch einerseits auch schwerste und andrerseits anfänglich ganz leicht Erkrankte in kurzer Zeit unter den ‚schwersten ‚Symptomen sterben. £ Bei der Obduktion der. an solchen Lähmungen Verstorbenen findet sich E 2 Myelitis hauptsächlich des Lendenmarks mit Zerstörung der weißen Substanz. ° Bemerkenswert ist, dad NS Körperchen in diesen Fällen bisher niemals nach- ... gewi ; worden sind. Der klinischen Diagnose könnte vielleicht, wenn man von der Verletzung durch ein wutverdächtiges Tier und der Durchführung der Schutzimpfung absieht, Abgrenzung von der Poliomyelitis anterior acuta Schwierigkeiten bereiten. Das Fehlen atrophischer Lähmungen charakterisiert hier aber unsere Fälle in genügender Weise, ebenso wie sie das Fehlen der auffälligen Reflexerregbarkeit und der Schling- E und Atemkrämpfe von der typischen Lyssa unterscheidet. - Über die Pathogenese dieser Erkrankungen des Nervensystems bei den _ von wütigen Tieren gebissenen und dann schutzgeimpften Menschen sind, wie schon Feet verschiedenartige Hypothesen aufgestellt-worden. J. Koch hält die über- _ wiegende Mehrzahl der Lähmungen für abortive Lyssafälle. Er sieht sie als Ausdruck _ einer wenig virulenten, also abgeschwächten und heilbaren allgemeinen Infektion mit Straßenwutvirus (s. S.1154) an, die auf die weniger widerstandsfähigen Ganglien- zellen des Rücken-, besonders des Lendenmarks noch krankmachend zu wirken, nicht aber die des Gehirns anzugreifen vermag. Er wird in dieser Annahme beson- ' ders durch die Erfahrung bestärkt, daß bei Hunden, Ratten und Kaninchen bei “a . experimenteller Lyssa Paraplegien. vorkommen, die mit den menschlichen Krank- ‚ ‚heitsfällen durchaus übereinstimmen. Koch gelang es auch, durch Verimpfung des eines Patienten, der 23 Tage nach der Verletzung durch ein wut- snkoe Tier und am 12. Tage nach Beginn der Schutzimpfung von einer auf- an Rückenmarkslähmung .betroffen wurde und später, nach Besserung der i gserscheinungen, an Sepsis starb, bei Hunden und Katzen konsumptive Wut zu erzeugen, während Babes in analogen Fällen negative Resultate erhielt. Die _ Annahme von Koch hat zweifellos sehr viel für sich. Es geht aber wohl nicht an, a alle diese Lähmungserscheinungen als atypische Infektionen mit Straßenwutvirus in - einem schon mehr oder weniger immunisierten Organismus aufzufassen. Daß auch die Injektion von Virus fixe derartige Krankheitserscheinungen ervorzurufen vermag, wird dadurch sehr wahrscheinlich, daß auch bei Per- nen, die nicht gebissen waren und sich nur vorsichtshalber der Sehutzimpfung unterzogen hatten, schon mehrfach die gleichen Krankheits- zustände beobachtet worden sind. Die Methode der Sehutzimpfung ist anscheinend nicht von wesentlichem Einfluß auf die Häufigkeit dieser Erkrankungen. Sehr fraglich erscheint es, ob, wie Kühne annimmt, die in dem verimpften Rückenmark enthaltenen Bakterien von Einfluß auf das Virus fixe im Sinne einer meer sein können. Für diese Annahme fehlen experimentelle Unterlagen. 2 Erkrankungsformen dieser Art in überraschend schneller. Weise in Heilung über- { = Die pathologischen Veränderungen ‚die an Wut verendete E Tenschen ‘oder Tiere bieten, haben im allgemeinen wenig Charakte- - ristisches. Die Körper sind in der Regel stark abgemagert, ihr Blut _ teerartig eingedickt, aber nicht geronnen. Gehirn und Rückenmark sind Sektions- befunde. Ätiologie. 1146 61. Vorlesung. meist hyperämisch und von kleinen Erweichungsherden und miliaren Blutungen durchsetzt. Die inneren Organe zeigen zuweilen parenchy- . matöse Schwellung. Eine sichere Diagnose auf Tollwut kann aber aus diesen makroskopischen Veränderungen nicht gestellt werden, da sie sich auch bei anderen Krankheiten finden. Bei Hunden wird oft ein Befund erhoben, der für Lyssa immerhin charakteristisch ist: im Magen finden sich allerlei unverdaubare Gegenstände, Holz, Glasscherben, Haare, Steine, Erde, Stroh usw. Dabei ist die Schleimhaut des Magens und oft auch des oberen Dünndarms geschwollen und mit kleinen Blutungen durchsetzt. Johne und Dexler beschrieben eine Leukozyteninfiltration um die "Gefäße. Babes sieht als für die Wut typische Veränderungen eine mit Schwund der chro- “matischen Elemente und Vakuolenbildung einhergehende Degeneration der Nerven- zellen des Rückenmarkes und die Einwanderung von lymphzellenähnlichen Gebilden sowohl in die Nervenzellen selbst, ais auch in deren Umgebung an. In ‚Schnitten _ sollen regelmäßig kleine Knötchen (sogenannte „Wutknötchen“). gefunden werden, die durch Ansammlung embryonaler Zellen um die Nervenzellen entstehen. Auch Högyes hält ein frühes Zugrundegehen- des Chromatins in den Nervenzellen für charakteristisch, das in den der Verletzung zunächst gelegenen Teilen des Rücken- markes zuerst bemerkbar sein soll. Yan Gehuchten und Nelis halten einen Schwund der Nervenzellen und eine Wucherung der Kapselendothelien um die peripheren zerebrospinalen und sympathischen Ganglien für diagnostisch verwertbar, die das Bild der kleinzelligen Infiltration darbieten, G@olgi Vakuolenbildung in den Zellen des Gehirns und des verlängerten Markes sowie eine progressive Atrophie an den Zellfortsätzen und in späteren Stadien der Krankheit eine körnig-fettige Degeneration der Nervenzellen. Wenn die genannten Erscheinungen auch in vielen Fällen von Lyssa gefunden werden und somit die Diagnose erleichtern können, so kommen sie - doch zweifellos nicht ausschließlich bei der Tollwut vor, und auch bei dieser nicht mit absoluter Regelmäßigkeit, sondern bilden die Erscheinungen einer allgemeinen Encephalomyelitis parenchymatosa (Golgi). Charakteristischer sind das van Gehuch- tensche Phänomen und die „Nodules rabiques“ von Babes. In neuerer Zeit wurde mit Recht die von Garcia, Ramon y Cajal und Franga konstatierte Hypertrophie der Neurofibrillen in der Medulla oblongata, im Rückenmark und in den Ganglien des Vagus betont. Der spezifische Erreger der:Wut ist trotz der eifrigsten Be- - mühungen, die seit Pasteurs Untersuchungen mit allen Methoden der Negrische Körperchen Bakterien- und Protozoenforschung unausgesetzt seiner Auffindung zu- gewandt wurden, auch heute noch nicht mit Sicherheit bekannt. Es. sind wiederholt Bakterien, Sproßpilze und Protozoen beschrieben worden, denen ‚einzelne Forscher ätiologische Bedeutung beimaßen, aber einer strengen Kritik haben alle diese Befunde nicht standhalten können. Nachdem Remlinger und di Vestea im Jahre 1903 zuerst mit einer durch Berkefeld- und Chamberland£ilter gesaugten Markemulsion toll- wütiger Tiere ‚positive Impferfolge hatten, ist die Filtrierbarkeit des Wutvirus von verschiedenen Seiten bestätigt worden (Bertarelli, Volpino, de Blasi, Schüder). Mazzei hat auch den Preßsaft infizierter Speicheldrüsen filtriert und durch Verimpfung des Filtrates Wut er- zeugen können. Das Wutvirus ist also zu den filtrierbaren Infek- tionserregern zu rechnen. Als ätiologisch bedeutungsvoll müssen die Befunde angesehen werden, die Negri im Jahre 1903 in verschiedenen Teilen des Zentral-. nervehsystems, besonders im Ammonshorn Iyssakranker Menschen und Tiere feststellte. Er sah hier regelmäßig eigenartige, intrazellulär. lie- gende Körperchen (Taf. 95), die bei zahlreichen Kontrolluntersuchungen Tollwut (Lyssa). 3 1147 von Hirnen gesunder oder an anderen Krankheiten gestorbener Menschen und Tiere niemals nachzuweisen waren. Der Durchmesser der Negrischen Körperehen ist sehr verschieden, er schwankt zwischen 1 und 27 y. Ihre Gestalt ist rund, oval oder bei größeren. Formen auch elliptisch und birnförmig. Die innere Struktur ist von wabenartiger Beschaffenheit und weist ein oder mehrere vakuolenartige Gebilde auf; den äußeren Abschluß der Körperchen bildet eine deutliche Membran. Die Negrischen Körperchen lassen sich von Geübten schon in Zupfpräparaten frischer Hirne in ungefärbtem Zustande erkennen. Man zerreibt ein kleines Stückchen Gewebe in einem Tropfen stark ver- dünnter Essigsäure und untersucht das mit einem Deckgläschen be- deckte Präparat mit der Ölimmersion. Sicherere Resultate erhält man, wenn man ein sehr kleines Gewebsstück einige Stunden lang in Iproz. Osmiumsäure fixiert, '/, Stunde in Wasser wäscht und einige Stunden lang in Alkohol härtet. In Rasiermesserschnitten, die man dann ohne Einbettung anfertigt, lassen sich die Körperchen dadurch gut erkennen, daß sie sich vom Zellprotoplasma durch ihre dunklere Farbe und ihre Refraktion deutlich abheben. Wesentlich erleichtert wird ihre Auffin- dung, wenn die Gehirnteile nach der Schnelleinbettungsmethode mit Azeton und Paraffin fixiert und dann Schnittserien angefertigt und nach der von Mann oder von Lentz angegebenen Methode gefärbt werden. E:. Bei der Mannschen Färbung kommen die etwa 6u. dicken Schnitte für 1 bis - 4 Minuten in folgende Farblösung: 36 ecm 1proz. wässerige Methylenblaulösung _ +35 .cem 1proz. wässerige Eosinlösung+100 cem Aq. dest. Nach Abspülen in Wasser - und absolutem Alkohol überträgt man sie für 10—20 Sekunden in Alcohol abso- - Jutus, dem auf 30 ccm 5 Tropfen einer 1proz. Lösung von Natronlauge in absolutem Alkohol zugefügt sind. Hierauf folgt wieder Abspülen in reinem Alkohol, Über- tragung in reines Wasser für 1 Minute, dann in leicht mit Essigsäure angesäuertes - Wasser für 1—2 Minuten, schnelle Entwässerung und Einbettung in Kanadabalsam. . Das Lentzsche Färbeverfahren gibt noch bessere Bilder und ermöglicht nicht - nur ein leichtes Auffinden der karmoisinrot auf blauem Grunde erscheinenden Ge- - bilde, sondern auch eine genauere -Orientierung über ihre Struktur. Lentz bringt . die 2—3. dicken Schnitte, die auf dem Objektträger angeklebt und vom Paraffin - befreit worden sind, vor der Färbung in absoluten Alkohol. Dann wird 1 Minute lang in einer Eosinlösung (Eosin extra B-Höchst 05, 60proz. Äthylalkohol ’100°0) - gefärbt, mit Wasser abgespült, darauf 1 Minute lang in Löflerschem Methylenblau - gefärbt und wiederum mit Wasser abgespült. Nun folgt 1 Minute jang eine Beizung - mit Lugolscher Lösung und nach abermaliger Wasserspülung die Differenzierung in - Methylalkohol, bis kein Blau mehr sichtbar ist und das Präparat ganz rot aussieht. - Darauf wird wiederum mit Wasser gespült und ‘/, Minute lang mit Löfflerschem - Blau nachgefärbt. Dann Abspülen in Wasser, Abtrocknen durch vorsichtiges Auf- - drücken auf Fließpapier, Differenzieren in alkalischem Alkohol (Ale. absol. 300 + - 5 Tropfen einer 1proz. Lösung von Natr. caust, in Ale. absol.), bis das Präparat nur noeh schwache Eosinfärbung erkennen läßt. Darauf Differenzierung in saurem - Alkohol (Ale. absol. 30'0+1 Tropfen 5Oproz. Essigsäure), bis die Ganglienzüge noch eben als schwach blau gefärbte Linien zu sehen sind, kurzes Abspülen in Ale. absol., - Übertragung in Xylol und Einbettung in Kanadabalsam. E Wenn man auf eine intensivere Färbung der Innenkörperchen verzichten will, kann man die Beizung unterlassen und an die erste Methylenblaufärbung - nach Wasserspülung und vorsichtiger Trocknung unmittelbar die Differenzierung im alkalischen Alkohol usw. anschließen. Die Lentzsche Methode eignet sich auch zur Färbung von Ausstrichpräparaten,- die zunächst 1 Minufe lang in Methylalkohol Äixiert und dann in absoluten Äthylalkohol übertragen werden. re Man erkennt an den Körperehen deutlich eine feine blaugefärbte Membran und im Innern der homogenen rotgefärbten Masse verschiedene Vakuolen, in deren Zentrum mitunter ein dunkelblau gefärbtes ring-, stab- oder punktförmiges Gebilde 1148 61. Vorlesung. sichtbar ist. Die Anordnung der Vakuolen scheint bei den größeren Formen nicht regellos zu sein. Man sieht bei den runden und ovalen Formen meist 1 oder 2 größere Vakuolen von einem Kranz kleinerer umgeben sder bei den elliptischen Formen 3—6 Vakuolen eine Kette .bildend.- Mitunter kann man die großen ellip- tischen Formen auch durch einen schräg verlaufenden Spalt in 2 Teile getrennt finden. Blutkörperchen färben sich bei Benutzung dieser Methode hellziegelrot und unterscheiden sich dadurch ohne weiteres von den Negrischen Körperchen. Negri hält diese Gebilde für Protozoen und möchte sie, da zahl- reiche Kontrolluntersuchungen an Gehirnen gesunder oder wenigstens nicht wutkranker Menschen und Tiere negativ ausfielen, als die Erreger der Lyssa betrachtet wissen. Seine Befunde sind, sowohl was die Be- schreibung der Körperchen und ihre Verteilung im Zentralnervensystem, als auch ihr ausschließliches Vorkommen: bei Lyssa anbetrifft, von: vielen Seiten bestätigt worden. Die diagnostische Verwertbarkeit dieser Gebilde wurde von Bertarelli, Volpino, d’Amato, Abba und Bormanns, Luzzani, Schiffmann, Pace, Williams und Lowden, Bohne u. a. zum Gegenstand eingehender Untersuchungen gemacht. Bohne fand die Körperchen bei 109 Tieren, deren Tollwut durch das Tierexperiment festgestellt war, 99mal, obwohl er hier nur das Ammonshorn unter- suchte. Niemals blieben Kaninchen bei der diagnostischen Impfung am Leben, wenn im Ausgangsmaterial jene Körperchen nachgewiesen waren. Bei Menschen, die an Lyssa verstorben waren, wurden die Gebilde ebenfalls in großer Menge im Ammonshorn gefunden, in geringerer Zahl auch im Kleinhirn, vereinzelt in Rinde, Medulla oblongata, Thalamus opticus und Ala ceinerea; sie wurden vermißt im Rückenmark, in der Brücke und im Nucleus caudatus. Nach diesen Ergebnissen ist die Untersuchung von verdächtigen Hirnen auf Negrische Körperchen für die Diagnose von großem Wert, denn es läßt sich bei Anwendung der genannten Methoden schon in wenigen Stunden bei positivem Befunde ein Urteil fällen, das der Tier- versuch frühestens in der dritten Woche liefert. Bei negativem Befunde muß allerdings stets der Ausfall der diagnostischen Verimpfung des Gehirns auf Tiere abgewartet werden. Daß die Negrischen Körperchen Gebilde sind, die für Toll- wut spezifisch sind, scheint somit festzustehen. Damit ist aber keines- wegs gesagt, daß sie Protozoen und auch die Erreger der Lyssa sind. Wenn wir sie als Erreger auffassen wollten, so wäre vorläufig die Tat- sache unerklärlich, daß wir sie in anderen Teilen des Zentralnerven- systems wutkranker Tiere nicht finden, obwohl diese Partien des Gehirns und Rückenmarks auch infektiös sind, und daß sie -vor dem Ausbruch der Wut noch nicht nachgewiesen werden können, obwohl auch hier die Verimpfung des verlängerten Markes auf Kaninchen Lyssa hervor- ruft. Da man auch mit Markemulsionen, die durch bakteriendichte Filter geschickt wurden, bei Kaninchen Wut erzeugen kann, die Negri- schen Körperchen aber größere Maße aufweisen als die Filterporen, steht fest, daß die Infektiosität eines Wutgehirns nicht nur an das Vorhandensein der Negrischen Körperchen gebunden ist, sondern daß kleinere infektionsfähige Formen des Erregers existieren müssen. Auf Grund dieser Tatsachen und auf Grund des verschiedenen Verhaltens der Negrischen Körperchen beim Straßenvirus und beim g Virus fixe hat man auf verschiedene Entwicklungsformen und Entwick- lungszyklen des Wuterregers geschlossen (O. Heller). Die Körperchen "Bunoggnadto oyamg 'sungauunyy UOJOPUo.0A InM um Haufe waogyuommy sup yoanp yuyag wouw ur uoymtodioyt oyonrdDar uor7 yowua Bunganı wuvpy yawu Bunaamıt Tafel 95. E E B rg s E Ü 8 -_ u») g E © er S y Ö F hr & 5 E .n BE © ei L " = N E B E vo — m a Nee Sl ER ee Tollwut (Lyssa). 1149 sind übrigens bisher nachgewiesen worden bei Wuterkrankungen von Hunden, Katzen, Pferden, Rindern, Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten, Mäusen, Hamstern, Füchsen, Gänsen und, wie gesagt, auch beim Menschen. Lentz hat bei an Virus fixe verendeten Kaninchen zwischen den Zellen des Ammonshorns eigenartige Gebilde gefunden, die gewisse Ähnlichkeit mit den Negrischen Körperchen besitzen, mit ihnen jedoch nicht identifiziert werden dürfen. Diese „Passagewutkörperchen“ sind ovale, spindelförmige oder seltener rundliche Gebilde. Ihre Grundsubstanz färbt sich eösinrot, im Innern finden sich meist mehrere klumpige, dunkelblau gefärbte Anhäufungen. Die Negrischen Kör- ‚perchen variieren sehr in ihrer Größe und erreichen bei Kaninchen höchstens die Größe eines roten Blutkörperchens, die Lentzschen sind annähernd gleich groß und entsprechen etwa 1'/,—2 roten Blutkörperchen. Den wichtigsten Unterschied sieht Lentz in ihrer Lagerung. Die Negrischen Körperchen liegen stets im Innern der Ganglienzellen oder deren Fortsätzen, die neuen Gebilde dagegen anscheinend ganz frei im Gewebe zwischen gut erhaltenen Ganglienzellen. Die Passagewutkörperchen lassen sich im ganzen Ammonshorn, in den Clarkschen Säulen der Medulla oblon- gata und des Rückenmarkes nachweisen. Da sie sich höchst selten bei Tieren und Menschen, die an Straßenwut verendet sind, dagegen beinahe stets bei der Impfung mit Virus fixe finden, hält Lentz den Nachweis der Passagewutkörperchen für ein wichtiges differentialdiagnostisches Mittel zur Abgrenzung der Passagewut von der Straßenwut. Die Passagewutkörperchen wie auch die Negrischen Körperchen verdanken jedenfalls ihre Entstehung einem Degenerationsvorgange in der Ganglienzelle, der vermutlich unter einem spezifischen Einfluß des Wutvirus steht. » J. Koch und Rißling beschrieben kokkenartige Gebilde verschie- dener Größe, die sie in der grauen Substanz des Ammonshorns und . der Großhirnrinde, in den Ganglienzellen des Gehirns und des Rücken- ‚marks sowie in den Gefäßen lyssakranker Tiere und auch in den Leichen an Lyssa verstorbener Menschen fanden. Sie halten diese Gebilde, die besonders gut nach einem von v. Krogh angegebenen Verfahren (Fär- bung mit polychromem Methylenblau, danach Beizung in 2proz. Chrom- säure und Differenzierung in 5proz. Gerbsäure) darzustellen waren, nach ihrem ganzen morphologischen und tinktoriellen Verhalten im Ausstrich- "und im Schnittpräparat, der feineren Struktur der größten Formen, ihrem Eindringen in die Ganglienzellen und der differenten Färbung innerhalb der letzteren für parasitäre Gebilde, die wahrscheinlich mit - den Innenformationen der Negrischen Körperchen identisch, aber von den staubförmigen Granulationen von Babes (Färbung mit Ziehlscher Lösung nach Beizung) verschieden sind. Pröscher hält auf Grund seiner Untersuchungen die Annahme, daß das Lyssa- virus filtrierbar sei, nicht für bewiesen und konnte nach der Antiforminmethode die Existenz eines mikroskopisch sichtbaren Mikroorganismus im Gehirn tollwut- kranker Tiere und Menschen feststellen. Bei Färbung mit Methylenazurkarbonat . (Unna-Giemsa) fand er in den verschiedensten Passagewutstämmen äußerst kleine, _ an der Grenze der Sichtbarkeit stehende Kokken (Durchmesser etwa 02x) in Form von Diplokokken oder Gruppen, blaßblau, teilweise metachromatisch, violettblau gefärbt; ferner etwas größere Kokken (etwa 0'3% Durchmesser) von gonokokken- - ähnlicher Gestalt und tiefblauer Farbe, kurze, ovale Bazillen von etwa 03—05 u Länge und 02x Dicke, schlanke, gerade oder leicht gebogene, oft an ihren Enden | - zugespitzte Bazillen von 154 Länge und 01x Dicke, vereinzelte Spirochäten von blaßblauer Farbe, etwa 5—7 u. lang, mit flachen Windungen, und schließlich komma- förmig oder flach S-förmig gebogene Gebilde mit einer knopfförmigen Anschwellung an einem Ende oder in der Mitte. Er rechnet alle diese Formen einem einzigen, Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 74 Sonstige Befunde. 1150 5 & aan. besonders pleomorphen Mikroorganismus zu und glaubt, daß die am reichlichsten nachweisbaren Kokken einem Ruhestadium der Spirochäten entsprechen, die als eigentliche Erreger der Lyssa bei disponierten asp von der Bißstelle aus in die Nervenbahnen einwandern. ee Noguchi hat berichtet, daß ihm die Kultur des Wuterregers ‚gelungen sei. Er brachte aseptisch gewonnene kleine, unzerriebene Stückchen der Gehirn- und Rückenmarksubstanz von Kaninchen, die mit Straßenvirus oder Passagevirus infiziert und vor dem natürlichen - Ende getötet waren, in Aszitesflüssigkeit, der ein Stückchen frischer, steriler Kaninchenniere zugefügt war. ; In einem Teile der Kulturröhrchen, die nach Bebrütung bei 37° C makro- skopisch keine Veränderungen zeigten, konnte er bei mikroskopischer Untersuchung ‚zahlreiche granuläre Chromatinkörperchen von verschiedener Größe nachweisen. Einige waren kaum sichtbar, andere maßen ungefähr 02—0'3 ». Auch Gruppen von kleinsten pleomorphen chromatoiden Körperchen, die etwa 0'2—0‘4u in der Breite und 04—0'5u in der Länge maßen, wurden bemerkt. Diese färbten sich nach Giemsa rot oder etwas bläulich. Sie konnten in dem gleichen Medium, niemals aber in einem anderen Nährboden, in vielen Generationen fortgezüchtet werden. Mehrfach wurde die Entwicklung einkerniger, runder oder ovaler, mit einer Membran versehener Körperchen in Kulturen beobachtet, die ursprünglich nur granuläre oder pleomorphe Körperchen enthalten hatten. Diese Körperchen waren zahlreich und von wechselnder Größe (1—12n) und fanden sich einzeln oder in Gruppen von 2, 3, 4 oder mehr Zellen. Die Kerne färbten sich in Giemsa-Lösung dunkelblau oder violett, das Zytoplasma azur und die Membran rötlich. Es fanden sich darunter Individuen, die mit den Negrischen Körperchen absolut identisch waren. Andrer- seits fanden sich in den Kulturen: auch aus kleinsten Chromatingranulis bestehende Körperchen, die offenbar den Formen entsprachen, die Negri als Sporulationsstadien seiner Körperchen angesprochen hat. Wenn Kulturen, die granuläre oder granuläre a und einkernige Körperchen enthielten, auf Kaninchen, Meerschweinchen und Hunde | übertragen wurden, entstand eine typische Wut, die sich auch durch die Weiter- verimpfung des Gehirns dieser Tiere als charakteristisch erwies. . Bis eine Bestätigung dieser sehr bemerkenswerten Untersuchungs- ergebnisse vorliegt, kann die Frage nach der Natur und Züchtbarkeit des Lyssaerregers nicht als abgeschlossen betrachtet werden. EI Zur näheren Erforschung der Natur des Lyssavirus und seiner Verbreitung im infizierten Organismus haben die Tierversuche aus- gezeichnete Dienste geleistet. Seit Galtiers Studien sind hierzu in erster Linie die für die experimentelle Wut hochempfänglichen Kaninchen herangezogen worden. Pasteur wies nach, das der Infektionsstoff eine besondere Affinität zum Zentralnervensystem hat und in ihm fast überall, besonders aber im verlängerten Mark während der Erkrankung in starker Konzentration anzutreffen ist. Da wir in dem steril heraus- . präparierten Mark an Tollwut verendeter Tiere nicht mit dem Vor- handensein anderer Mikroorganismen zu rechnen brauchen, sondern das Wutgift gewissermaßen in Reinkultur vor uns haben, kann man sich über dessen Verhalten im Tierversuch und über seine biologischen Eigenschaften dadurch unterrichten, daß man Emulsionen solchen Markes auf Tiere verimpft. Auf Kaninchen läßt sich die Wut so in verschiedenster Weise übertragen. Eine zuverlässige Infektionsmethode ist die sub- durale Impfung, die schon Pasteur anwandte. Man trepaniert nach Spaltung der Haut und Entfernung des Periosts mit einem Handtrepan ein kleines Knochenstück von etwa 6 mm Durchmesser in der Höhe des hinteren Augenwinkels neben der Mittellinie aus dem Schädeldach des Tollwut (Lyssa). = 1151 f nken En und injiziert unter die Süihegende Dura mit einer ge- - bogenen Kanüle wenige Tropfen einer Markemulsion. Nach Entfernung ‘ der Kanüle wird die Hautwunde vernäht und mit Kollodium verklebt. Ebenso gute Resultate gibt die intrazerebrale Methode, bei der nach Anbohrung des Schädeldaches durch einen Drillbohrer eine starke Kanüle - durch die Lamina interna direkt in das Gehirn eingestoßen und durch sie etwa 02 ccm Markemulsion injiziert wird. Die Tiere vertragen diese = Behandlung, wenn sie sachgemäß ausgeführt wird, gut. Eine Meningitis _ tritt, wenn das Mark frisch war und unter aseptischen Kautelen ge- "arbeitet wurde, nie ein. Die Kaninchen erkranken infolge dieser Impfung nach Ablauf des Inkuhationsstadiums mit absoluter Sicherheit an Wut. Auch die intramuskuläre Injektion wirkt zuverlässig, wenn ge- ' nügende Mengen der Gehirnemulsion, nach Marz 3—5 ecm, zu beiden - Seiten der Wirbelsäule in die Rückenmuskulatur eingespritzt werden. - Von verschiedenen Seiten ist auch die intraokuläre Impfung empfohlen ‘worden, bei der nach Ablassen des Kammerwassers geringe Mengen der Markemulsion in die vordere Augenkammer des Kaninchens verbracht werden. Diese Methode steht den bisher erwähnten Verfahren an Sicherheit zweifellos nach. Auch die intravertebrale und subkutane Methode erscheint weniger zuverlässig. ‘ Durch intravenöse Injektion von Wutvirus gelingt es nur ausnahmsweise, die Krank- heit hervorzurufen. Die Frage,-ob das Wutgift auch von den Gersrleirten Schleim- häuten aus wirkt, ist lange Zeit Gegenstand von Kontroversen ge- wesen. Namentlich von Galtier wurde behauptet, daß von den Schleim- _ häuten des Mundes und der Luftwege eine Aufnahme der Erreger in - den Organismus stattfinden könne. Högyes erhielt positive Resultate bei ‘ Einspritzung in die Nasengänge. Nachprüfungen haben die Richtigkeit dieser Behauptung nicht erweisen können. Es ist bisher nicht bewiesen, - daß intakte Schleimhäute für das Wutgift ‚permeabel sind, und es liegt die Annahme nähe, daß dort, wo eine Invasion des Wutvirus durch normale Schleimhäute behauptet wurde, Rhagaden oder kleine Ver- - letzungen vorlagen, die dem Wutgift den Eintritt in das Gewebe und - eine Verbreitung auf dem gewöhnlichen Wege ermöglichten. Daß die Schleimhäute des Digestionstraktus als Invasionspforten nicht in Be- - tracht kommen, ist durch größere Reihen von Fütterungsversuchen von _ Nöcard u. a. erwiesen. Außer den Kaninchen sind, wie die Untersuchungen von Fermi, - Schindler u. a. bewiesen haben, auch 'Muriden für experimentelle _ Lyssaimpfungen brauchbar. 564 Mäuse und Ratten, die Fermi subkutan — mit dem Virus impfte, gingen sämtlich an Tollwut ein. Schindler zeigte - jedoch, daß die Virulenz der einzelnen Passagewutstämme für Muriden sehr verschieden ist. Straßenwutvirus dagegen tötete bei subkutaner - Einverleibung Ratten und Mäuse in 77:7°/, der Fälle. Auch die intra- - muskuläre Impfung ergab ähnliche Resultate. Die Krankheit verläuft bei diesen Tieren stets unter dem Bilde der stillen Wut. Für den 2 sktischen Gebrauch bei der Wutdiagnose aus Tierhirnen eignet E sich die Maus nicht, weil die Beobachtung der Krankheitssymptome wegen der oft nur sehr kurzen Krankheitsdauer schwierig ist. Bunte Ratten dagegen können neben dem Kaninchen nach Heymanns Er- = fahrungen mit Vorteil für diese’ Zwecke verwendet werden. Erwähnens- wert ist ferner, daß Fermi durch Verfütterung von Wutmaterial bei Mäusen eine deutlich ausgesprochene Immunität erzeugen konnte. Mäuse 74 * Infektions- wege. 1152 61. Vorlesung. zeigten sich zu 100°/, gegen die spätere subkutane Infektion mit , Straßenvirus immun, wenn sie 30 Tage lang, zu 90%/,, wenn sie 20 bis 25 Tage, und zu 30°/,, wenn sie 10 Tage in dieser Weise vorbehandelt wurden. / Daß das Lyssavirus im Körper des an Wut erkrankten oder ver- storbenen Menschen oder Tieres im Zentralnerveusystem in kon- zentrierter Form angetroffen wird, wurde: bereits erwähnt. Weniger regelmäßig wird es in den Speicheldrüsen und deren Sekret ge- funden. Auch peripherische Nerven erweisen sich häufig, aber keines- wegs immer als virushaltig. Der Sitz der Bißwunde ist hierfür von großer Bedeutung. Von anderen Körpergeweben und Ex- oder Sekreten, in denen gelegentlich das Lyssavirus vorkommen kann, werden Neben- nieren, Tränendrüsen, Pankreas, Brustdrüse, Glaskörper, Milch, Lymphe und Blut genannt. Einige Autoren wollen auch in den Föten wutkranker Tiere das spezifische Virus nachgewiesen haben. Über die Infektionswege des Lyssavirus gehen die Ansichten der Autoren teilweise noch auseinander. Pastewr und seine Schüler glaubten anfangs an die Fortleitung durch die Blutbahn. Später aber wurde auf Grund der experimentellen Forschungen fast allgemein an- genommen, daß das Virus sich von der Eintrittspforte aus zum Zentralnervensystem in erster Linie in den Nervenbahnen fortpflanze. Diese Ansicht ist auch heute noch die vorherrschende. Wenn man Schnittflächen größerer Nerven, z.B. des Nervus ischiadicus, mit infektiöser Markaufschwemmung bestreicht, tritt bei den so behan- delten Tieren mit Sicherheit Lyssa ein. Tötet man die Versuchstiere kurz vor Ausbruch oder bei Beginn der Krankheitssymptome, so erweist sich das Lendenmark schon als infektiös, während höher gelegene Ab- schnitte des Rückenmarks und das Gehirn noch frei von Wutgift sind. Wird ein zentral gelegenes Stück des infizierten Nerven reseziert, so wird der Ausbruch der Erkrankung hinausgeschoben oder aber die Allgemeininfektion ganz verhindert. Auch in die Speicheldrüsen soll das Wutgift auf dem Wege der Nervenbahnen gelangen, und zwar durch die Chorda tympani. Unterbindung oder Resektion der letzteren ver- hütet, daß die Speicheldrüse der zugehörigen Seite infektiös wird, nicht jedoch die Unterbindung der zuführenden Gefäße (Lentz). Be- sonders die große Verschiedenheit der Inkubationsdauer wird als Stütze für die Annahme der Propagierung des Wutgiftes auf dem Wege der Nervenbahnen angeführt. Der kürzere. oder längere Weg, den das Virus in den letzteren zurückzulegen hat, soll für die Dauer der Inkubations- zeit bestimmend sein. ‚Andere Autoren, z,B. Schüder, sprechen neben der Nervenleitung der Fortleitung des Virus durch das Blut resp. die Lymphe eine mehr oder minder große Bedeutung zu. Namentlich J. Koch ver- tritt die Ansicht, daß die primäre Infektion der Prädilektionsorte des Zentralnervensystems, des Lenden- und Halsmarkes, durch die Lymph- und Blutbahn erfolge. Sind Lymphbahnen durch den Biß eröffnet, so kann der Erreger der Wut in diese aufgenommen und mit der Lymphe in die- allgemeine Zirkulation übergeführt werden. Auch eine direkte Infektion des Gehirnes durch das Blut erscheint möglich, namentlich bei Kopfverletzungen. Ebenso kann durch die zum Gehirn und Rücken- Tollwut (Lyssa). ; 1153 mark führenden Lymphbahnen eine direkte Infektion ohne den Umweg über die allgemeine Zirkulation stattfinden. Daß sich an dieser Fort- leitung auf direktem Wege auch die die Nerven umgebenden Lymph- bahnen beteiligen, ist nicht zu bezweifeln. Für sehr unwahrscheinlich hält es J. Koch aber, daß sich der Erreger in dem Achsenzylinder der Nerven selbst verbreitet. An der Weiterverbreitung des Virus im Zentralnervensystem ERS een Invasion sind die Blut- und nphne wesentlich - beteiligt. - Für eine sekundäre Weiterverbreitung auf dem Blutwege sprechen vor allem ‚die histologischen Befunde, die zahlreichen Thrombosen der Gefäße, die das Gefäß- lumen, oft umgebenden Nekrosen und die perivaskulären Infiltrationen, vor allem aber auch der Umstand, daß entferntere Partien des Zentralnervensystems, z.B. Hals- und Lendenmark, bei subduraler Infektion zuerst virulent werden können. Daß eine sekundäre Infektion des Blutes vom Gehirn aus erfolgen kann und ver- -hältnismäßig häufig stattfindet, geht ferner daraus hervor, daß mit dem Blute an Lyssa verendeter Hunde Versuchstiere mehrfach infiziert werden konnten. Auch der _ - wiederholt erbrachte Nachweis des Virus in den inneren Organen der infizierten Tiere läßt sich mit dieser Annahme am einfachsten erklären. Es wird wesentlich darauf ankommen, ob das in die Lymph- bahnen aufgenommene Wutvirus bald zu den "Lymphwegen des Zentral- - nervensystems vordringen kann. Ist dies nicht möglich, wie z. B. bei - der subkutanen Einspritzung infektiöser Marksubstanz an peripheren Körperteilen, so wird das Virus größtenteils oder völlig im Organismus - vernichtet werden, ehe es seine krankmachenden Eigenschaften ent- falten kann. Jedenfalls muß mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß - das Lyssavirus unter Umständen in kurzer Zeit Gehirn und Rücken- - mark erreicht. Es ist nicht notwendig, daß dadurch sogleich Krank- E heitserscheinungen ausgelöst werden. Paltauf ließ von 4 Personen, die vor 22—27 Tagen von wutkranken Tieren gebissen, dann aber während der Schutzimpfungsperiode an interkurrenten Krankheiten gestorben waren, Teile der Medulla oblongata auf Kaninchen verimpfen. Die Tiere - erkrankten und starben, allerdings erst nach langer Zeit, an typischer - _ paralytischer Wut. Eine Weiterimpfung gelang nur einmal, was, ebenso wie die lange Inkubationszeit für eine sehr geringe Virulenz des Virus "spricht. Bei drei weiteren Fällen, die erst. längere Zeit nach Beendigung - der Schutzimpfung infolge anderer Krankheiten tödlich verliefen, miß- - lang der Tierversuch. Daraus ist zu schließen, daß das Lyssavirus als - ein wenig pathogener Parasit im Zentralnervensy stem längere Zeit in latentem Zustande vegetieren kann, bis durch Ursachen, über die wir ' noch nichts Genaueres wissen, plötzlich eine starke Vermehrung eintritt. Durch die Immunisierung, die durch die Schutzimpfung bewirkt wird, - wird das Virus allmählich in seiner Virulenz abgeschwächt und schließ- - lich in der Regel ganz abgetötet. E Die Resistenz des in Gehirn und Mark enthaltenen Lyssavirus gegen äußere Schädigungen aller Art ist ziemlich groß. Iproz. Karbol- - lösung macht in 24 Stunden eine Markemulsion nicht unwirksam, son- dern setzt nur ihre Virulenz etwas herab (verlängerte Inkubationsdauer). = 3proz. Karbollösung und 70pröz. Alkohol vernichten das Virus innerhalb 24 Stunden, Formaldehyddämpfe, Chlordämpfe, Sublimatlösungen und cu Kaliumpermanganat schon in kürzerer Zeit. In Glyzerin, das bekannt- = lich die meisten vegetativen Bakterienformen in einigen Tagen abtötet, Resistenz des Vırus. Infektiosität. 1154 61. Vorlesung. konserviert sich das Wutgift mehrere Wochen. Nach Pröschers Unter- suchungen ist es auch gegen Antiformin sehr resistent. Mit einer infek- tiösen Markemulsion, auf die eine 15proz. Antiforminlösung 10 Minuten eingewirkt hatte, ließen sich noch positive Impfergebnisse bei Kanin- chen erzielen. Jod, Lysoform, Wasserstoffsuperoxyd töten selbst nach‘ mehrstündiger Einwirkung das Virus nicht ab. Ebensowenig hat Arseno- phenylglyzin einen abtötenden Einfluß in vitro (Friedberger u. Sachs). Durch höhere Temperaturen wird die Infektiosität des Wutgiftes sehr schnell vernichtet: bei 50°C in etwa einer Stunde, bei 60° in wenigen Minuten. Kälte dagegen ist ein gutes Konservierungsmittel. Die Tem- peratur der flüssigen Luft (—190°) und des flüssigen Wasserstoffs (—252°) verändert die Eigenschaften des Lyssavirus auch nach Mgnaten nicht. Markemulsionen, die bei —5° aufbewahrt werden, erweisen sich noch nach einem Jahr als virulent. Gegen allmähliche Austrocknung ist die Resistenz nur verhältnismäßig gering. Nach 24 Stunden ist das völlig getrocknete Mark nicht mehr infektiös. Fäulnisprozesse wirken eigentümlicherweise nur langsam schädigend ein, es gelingt der Nach- weis des Lyssavirus in der Medulla oblongata durch das Tierexperiment häufig noch bei Kadavern, die schon mehrere Wochen vergraben und stark in Verwesung übergegangen waren. Wauschkuhn konnte unter R. Pfeiffers Leitung feststellen, daß direktes Sonnenlicht und Bogenlicht nur geringe Wirkung auf den Lyssaerreger entfalten, da sie ihn selbst nach zweistündiger Einwirkung nicht abzutöten vermochten. Die Infektiosität des Lyssavirus wird aus seinen Wirkungen bei Verimpfung auf Kaninchen bestimmt. Wenn man Kaninchen gleich starke Emulsionen von Rückenmark verschiedener an Wut verendeter Tiere subdural injiziert, tritt der Tod der Tiere in verschiedener Zeit ein. Die Virulenz ist also nicht immer gleich. Die Inkubationszeit schwankt in der Regel zwischen einer Woche und einem Vierteljahr (Marx), doch sind auch Fälle von viel längerer Inkubation beschrieben worden. Für die einzelnen Tierarten läßt sich die Virulenz des Wutgiftes in verschiedener Weise künstlich abschwächen und auch erhöhen. Die Kenntnis der Abschwächungsmethoden ist praktisch wichtig, weil sie, wie wir sehen werden, bei der Bereitung‘ des Impfstoffes für die Toll- wutschutzimpfung eine wichtige Rolle spielen. Es sei aber ‘schon hier betont, daß die Wirkung der am meisten gebräuchlichen Abschwächungs- verfahren wohl mehr auf einer Verminderung der lebenden Erreger beruht, als auf einer Abnahme der Virulenz. Die Steigerung der Infek- tiosität für Kaninchen wird durch fortgesetzte Passagen durch diese Tierart erreicht. Die Gründe dieser meist durch Virulenzzunahme er- klärten Änderung der Eigenschaften sind bisher unbekannt; mit ihrer Deutung beschäftigen sich verschiedene Hypothesen (Marx, Babes, Kraus, Schüder, O. Heller). Wenn man Rückenmark eines nach spontaner Wut- infektion eingegangenen Hundes — Pasteur hat für dieses Virus die Bezeichnung „Straßenvirus“ eingeführt — einem Kaninchen nach Eröffnung der Schädeldecke unter die Hirnhaut bringt, erkrankt das Tier etwa 2—3 Wochen später an Wut. Wird nun mit dem Mark dieses Tieres in gleicher Weise ein zweites, von dem zweiten ein drittes usw. geimpft, so nimmt die Inkubationszeit immer mehr ab, bis sie schließ- e Se Tollwut (Lyssa). - 1155 lich 7 Tage beträgt und dann konstant bleibt. Auch der Krankheits- 'verlauf wird mit der Verkürzung der Inkubationszeit ein rascherer, als bei den nach natürlicher Infektion erkrankten Tieren. Man nennt ein solches Virus, das durch längere Kaninchenvassagen eine konstante Pathogenität für Kaninchen angenommen hat, „Virus fixe“. - Wenn man Virus fixe in Luft mit starkem Sättigungsdefizit bei konstanter Temperatur trocknet, kann nach der Dauer dieser Trock- nung in leichter und absolut zuverlässiger Weise ein Mark gewonnen werden, dessen Verimpfung auf Kaninchen ‚erst nach einer mit der Austrocknungsdauer immer mehr zunehmenden Inkubation zur Erkran- - kung führt, bis schließlich die Infektiosität völlig erlischt. Die Ab- schwächung erfolgt hier. dadurch, daß durch den Trocknungsprozeß in ‘quantitativer Beziehung eine Verminderung des Virus erreicht wird. Högyes konnte nämlich zeigen, daß auch Emulsionen von virulentem Mark, wenn sie stark verdünnt werden, Tiere je nach dem Ver- dünnungsgrad in verschieden langen Zeiträumen töten und bei ganz starker Verdünnung sich auch als völlig avirulent, aber doch immuni- satorisch wirksam erweisen. Mark, das 1 oder 2 Tage getrocknet wurde, ist für Kaninchen bei subduraler Einverleibung noch ebenso virulent wie frisches. 5 Tage währende Trocknung verlängert die sonst dem Virus fixe zukommende Inkubationszeit (7 Tage) schon um 8—12 Tage. Bei 6- bis Ttägigem Mark wird der Erfolg des Tier- experiments schon unsicher, und 8 Tage ‚getrocknetes Mark ist in den meisten Fällen wirkungslos. Jedoch ist das Mark eines Tieres, das nach Infektion mit mehrere Tage lang getrocknetem Mark und in- folgedessen ‚nach verlängerter Inkubation an Wut verendet, genau so ' infektiös wie nicht getrocknetes Mark. Die Inkubationsdauer kehrt nach einer Passage zur Norm zurück. Eine Abschwächung des Lyssavirus läßt sich auch dadurch erreichen, daß _ man an Affen oder Hühnern Passagen vornimmt. Auffallenderweise bewirken auch längerdauernde experimentelle Übertragungen von Hund zu Hund eine Abschwächung des Giftes für Hunde und andere Tierarten, eine Tatsache, die zur Aufstellung be- N sonderer Hypothesen über die Verschiedenheit von Straßenvirus und Virus fixe geführt hat. ? Die Erkennung der Lyssa beim Menschen ist in den Anfangs- stadien der Krankheit sehr schwer, wenn nicht die Anamnese auf eine Tollwutinfektion hinweist, was ja in der Regel der Fall sein wird. In den späteren Krankheitsstadien sind die Erscheinungen der rasenden Wut meist unverkennbar. Die frühzeitige Feststellung, ob bei einem verdächtigen Tier tatsächlich eine Lyssainfektion vorliegt, ist, wie später noch zu besprechen sein wird, insofern von größter praktischer Bedeu- . tung, als sie die Veranlassung bietet, alle Personen, die von dem Tiere _ - gebissen wurden oder sonst mit ihm in nähere Berührung kamen, un- gesäumt der Schutzimpfung zu unterziehen. Wenn wir uns zunächst die Frage vorlegen, welche Bedeutung in dieser Hinsicht der Nachweis Negrischer Körperchen hat, so ist durch die Untersuchung eines umfangreichen Tiermaterials in den ver- schiedensten Ländern nachgewiesen worden, daß diese Gebilde bei 90 bis . - 950/, aller wutkranken Tiere gefunden werden. Der sichere Nachweis dieser Gebilde wird also zur Stellung der Diagnose durchaus berechtigen. Lyssa- diagnose. 1156 61. Vorlesung. Es hat en bei vergleichenden Untersuchungen herausgestellt, daß in allen den Fällen, wo die Verimpfung des Gehirns.der. tollwutverdächtigen. Tiere auf Kaninchen ein positives Resultat ergab, die Negrischen Körperchen fast niemals vermißt werden. Immerhin gibt es aber Fälle, wo die mikroskopische Untersuchung des Gehirns die Diagnose nicht. ermöglicht. In allen diesen Fällen, möglichst aber bei der Untersuchung eines jeden verdächtigen Tier- oder Menschenhirns,. ist zur Sicherung der Diagnose die Tierimpfung heranzuziehen, die früher, ehe die Negri- schen Körperchen bekannt waren, stets angewandt wurde und sehr zuverlässige Resultate ergibt. Man verimpft eine Emulsion des verlängerten Markes auf mehrere Kaninchen - oder Ratten. Für Kaninchen empfiehlt sich, wenn das zur Untersuchung eingesandte Hirn frisch ist, die subdurale Injektion. Ist dagegen das Mark schon in Fäulnis übergegangen, so ist die intramuskuläre Einverleibung der subduralen vorzuziehen, weil bei letzterer eine Meningitis bei den Impftieren entstehen würde. Nach Marx geht man in diesen Fällen am besten so vor, daß man zur Verreibung der Medulla oblongata nicht, wie gewöhnlich, Bouillon verwendet, sondern Iproz. Karbollösung. Wenn man die Emulsion 24 Stunden im Eisschrank stehen läßt und dann mehrere Kaninchen in der früher beschriebenen Weise intramuskulär impft, hat das Des- infektionsmittel die Fäulnisbakterien meist vernichtet oder soweit geschädigt, daß sie eine Septikämie der Tiere nicht mehr hervorrufen und das resistentere Lyssa- virus seine Wirksamkeit entfalten kann. Necolle empfiehlt, das Gehirn vor der Verimpfung auf Tiere für 48 Stunden in reines Glyzerin zu legen, wenn es schon Zeichen der Fäulnis erkennen läßt. Die diagnostischen Tierversuche geben uns, wenn die Fäulnis des Markes nicht allzuweit vorgeschritten war, einen absolut zuver- -Jässigen Aufschluß, ob bei dem betreffenden Tiere Wut vorlag oder nicht. Es kommt unter den überaus zahlreichen Impfungen, die in den Wutinstituten ständig ausgeführt werden, kaum jemals vor, daß der Tierversuch in Fällen, wo das betreffende Tier nachweislich Menschen oder andere Tiere infiziert hatte, versagt. Wenn auch die mit Straßen- virus subdural geimpften Kaninchen in der Regel in der 3. Woche ein- gehen, kommen doch gelegentlich, wie wir früher sahen, auch länger dauernde Inkubationszeiten vor. Namentlich gilt dies für Fälle, in denen in Phenollösung verriebenes Mark zur Impfung verwendet werden mußte. Hier ist möglicherweise das Lyssavirus durch das Desinfektions- mittel so abgeschwächt, daß die Wut erst sehr viel später zum Aus- bruch kommen kann. Nach Schueder starben von Tieren, die mit Kar- bolsäureemulsion behandelt waren, im Laufe der 4. Woche noch 20%), im Laufe der 5. Woche noch 14°/,. Selbst am 86., 101. und 122. Tage nach der Impfung gingen solche Tiere noch unter den typischen Er- scheinungen der Wut zugrunde. Aus diesen Erfahrungen ergibt sich, daß die Beobachtungszeit der infizierten Kaninchen mindestens auf 2—3 Monate ausgedehnt werden muß. Zu den diagnostischen Impfungen sind stets mehrere Tiere zu verwenden, weil bei einzelnen Tieren infolge atypischer Lokalisation, ungenügender Vermehrung oder geringer Virulenz des Erregers in dem Impfmaterial mit Mißerfolgen gerechnet werden muß. Von 91 Gehirnen sicher lyssakranker Tiere, die J. Koch auf je 4 Ver- suchstiere (2 Kaninchen und 2 Ratten) verimpfte, führten nur 79 zum Tode sämt- licher Versuchstiere. Allein Teile vom Ammonshorn und von der Medulla oblongata zu verreiben und zu verimpfen, ist nach den Erfahrungen Schiemanns nicht richtig, da unter Umständen einmal nur im Rückenmark größere Virusmengen enthalten sein könnten. u hr a a a Dre Tollwut (Lyssa). 1157 Die Aufgaben der Tollwutprophylaxe erstrecken sich nach zwei Richtungen hin. Einerseits kommt es darauf an, die Möglichkeit einer Infektion bei Mensch und Tier auf das geringste Maß herabzusetzen, und andrerseits gilt es, wenn eine Infektion beim Menschen zustande ge- kommen ist, den Ausbruch der Krankheit zu verhüten. Beide Aufgaben lassen sich mit gutem Erfolge lösen. Was zunächst die Maßnahmen anbetrifft, die zur Verminderung - der Infektionsgefahr dienen sollen, so sind diese in erster Linie durch gesetzliche Verordnungen festgelegt (in Deutschland Reichs-Viehseuchen- Gesetz und Ausführungsbestimmungen). ; Die Besitzer von Haustieren, die an Tollwut erkrankt oder dieser Krankheit verdächtig sind, haben der Polizeibehörde Meldung zu erstatten und die Tiere ent- weder sofort zu töten oder sicher einzusperren. Ebenso sind die Tierärzte zu sofor- tiger Anzeige etwaiger Fälle von Wutverdacht bei Tieren verpflichtet. Die Polizei- behörde nimmt dann die Überwachung und Unschädlichmachung sämtlicher Tiere in die Hand, die von jenen tollwütigen oder tollwutverdächtigen Tieren gebissen wurden. Ist der Ausbruch der Tollwut durch den beamteten Tierarzt festgestellt, so sind alle gebissenen Hunde, Katzen usw. zu töten. In diesem Falle wird ferner für die Dauer der Gefahr in dem gesamten gefährdet erscheinenden Bezirk eine allgemeine Hundesperre verhängt. Es ist hier nicht möglich, auf alle diese tzlichen Einzelvorschriften, die sich auch auf die sachgemäße Beseitigung der adaver tollwutkranker Tiere und auf die Desinfektionsmaßnahmen be- ziehen, näher einzugehen. Ihre Erfolge sind unverkennbar und würden vielleicht noch besser sein, wenn die Bevölkerung die gewissenhafte Ausführung der vorge- schriebenen Maßnahmen den Behörden mehr erleichtern würde, als dies bisher teils aus Gleichgültigkeit, teils aus mangelnder Kenntnis über die "Bedeutung und Ver- - breitung der Wut geschieht. Jedenfalls ist seit der Durchführung der erwähnten sanitätspolizeilichen Gesetze, die durch Besteuerung der Hunde und namentlich durch den Maulkorbzwang noch wirksam unterstüzt werden, die Zahl der Toll- wutfälle unter den Hunden bedeutend zurückgegangen. Während in Deutschland (mach statistischen Berechnungen aus den Jahren 1889-1894) 1 toller Hund auf - 99991 Einwohner kommt, stellen sich diese Zahlen für Frankreich (in demselben Zeitraum) auf 1:29945, für Österreich (1885—1888) auf 1:27534 und für Ungarn -(1890—1892) auf 1: 15614. Da diese Länder den unsrigen annähernd gleichartige gesetzliche Vorschriften für die Bekämpfung der Wut haben, ist der größere Erfolg in Deutschland zweifellos der strengeren Durchführung der erlassenen Vorschriften zu verdanken. Wenden wir uns nun den Maßnahmen zu, die nach Bißverletzungen durch wutkranke Tiere den Ausbruch der Erkrankung beim Menschen verhüten sollen, so ist zunächst zu betonen, daß alle inneren Mittel, die - zu diesem Zwecke empfohlen worden sind (Belladonna, Kanthariden, - Kalomel, Arsenik usw.), völlig nutzlos sind. Wichtiger und aussichtsvoller ist schon die Behandlung der "Wunde, welche die Eintrittspforte des Wutgiftes bildet. Das Ausbrennen - der Wunde mit glühendem Eisen oder Ätzung mit rauchender Salpeter- — säure sind hier die empfehlenswertesten Maßnahmen. Die Anwendung - von Höllenstein ist deswegen unrationell, weil dessen Wirkung nicht ” tief in die Gewebe reicht und sich unter dem gebildeten Schorf das Virus ungestört weiter verbreiten kann. Aber nur wenn eine sachgemäße - Kauterisation der Wunde kurze Zeit nach der Verletzung vorgenommen wurde, hat sie einigermaßen Aussicht auf Erfolg. Namentlich bei aus- gedehnteren Verletzungen mit- Durchtrennung von Nervensträngen wird das Virus ziemlich schnell von der: Wunde aus weitertransportiert. Die lokale Behandlung der Bißstelle wird uns daher niemals auch nur — einigermaßen sichere Garantie dafür bieten, daß das Lyssavirus in der Verhütung der Lyssa. Schutz- : impfung. y 1158. 61. Vorlesung. Wunde völlig zerstört ist. Sie verringert denn auch, allein angewendet, die Sterblichkeitsziffer unter den Gebissenen, wie statistische Erhe- bungen ergeben haben, nur in geringem Grade. Wesentlich bessere Aussichten bietet die von Louis Pasteur ein- geführte Tollwutschutzimpfung. Sie bezweckt, dem infizierten Men- schen durch allmähliche Vorbehandlung mit dem für ihn abgeschwächten Lyssavirus während der Inkubationszeit eine aktive Immunität zu ver- leihen: An Tieren läßt sich experimentell zeigen, daß tatsächlich eine echte aktive Immunisierung gegen Lyssa. nach stattgehabter Infektion möglich ist. Wenn man einem Kaninchen ein in keimfreier Bouillon fein verriebenes Stückchen vom Rückenmark eines an Tollwut veren- deten Tieres unter die Haut spritzt, das durch längeres Austrocknen in seiner Infektiosität abgeschwächt ist, und dann in regelmäßigen Zwischenräumen Mark injiziert, das immer kürzere Zeit getrocknet wurde, also immer infektiöser ist, so verträgt das so behandelte Tier schließlich Einspritzungen auch des wirksamsten Tollwutgiftes, ohne daß es erkrankt; es ist also gegen Lyssa während des Latenzstadiums der Krankheit immun geworden. Auf gleiche Weise lassen sich, wie Pasteur zeigte, auch Hunde gegen die natürliche Infektion schützen, die durch den Biß tollwütiger Hunde zustande kommt. : Auf diesen Erfahrungen ist das Prinzip der Tollwutschutzimpfung des Menschen aufgebaut. Da diese, wie bereits bemerkt, eine Immuni- sierung während der Inkubation bezweckt, kommt es darauf an, möglichst rasch und sicher mit dem abgeschwächten Virus eine Im- munität hervorzurufen, damit der virulente Infektionsstoff einen im- munen Organismus vorfindet, wenn er nach Ablauf der Inkubation seine deletäre Wirkung entfalten will. Der Impfstoff wird von mit Virus fixe geimpften Kaninchen gewonnen, die man vor der Agone tötet und dann sogleich enthäutet. und aufspannt. Die Heraus- nahme des Rückenmarks aus dem Körper des Kaninchens muß selbstverständlich unter streng aseptischen Kautelen erfolgen. Man durchtrennt dicht am Kopf und über dem Kreuzbein durch einen Querschnitt vorsichtig die Wirbelsäule, stößt mit einem sterilen Stieltupfer das Rückenmark von unten nach oben heraus und schlingt es mit einem sterilen Seidenfaden an. Die Keimfreiheit des Markes ist durch Über- tragung kleiner Stücke in Bouillon zu kontrollieren. Nur solches Mark darf zur Impfung benutzt werden, durch das während 24stündiger Bebrütung keine Trübung der Bouillon bewirkt wurde. Das herausgenommene Mark wird in großen sterilen Glasgefäßen über Ätzkali aufgehängt und, vor Licht geschützt, in einem auf 20° eingestellten Brutschrank getrocknet. Gleich lange Stücke des Rückenmarks von . Kaninchen, die durch Virus fixe getötet sind, enthalten annähernd gleiche Virus- mengen. Diese verringern sich aber durch die Austroeknung des Markes in von Tag zu Tag fortschreitendem Grade, sodaß man mit Sicherheit in einem 8 Tage "lang getrockneten Mark weniger Virus hat als in gleicher Menge ‚eines 6 Tage ge- trockneten, und in dem letzteren wieder weniger als in 4tägigem Mark. Wenn z.B. Stägiges Mark verimpft werden soll, wird von dem getrockneten Mark nach 8 Tagen ein 1 cm langes Stück in 5 cem steriler Kochsalzlösung oder peptonfreier Bouillon in einer keimfreien Glasschale fein verrieben. Die Emulsion wird dem zu immuni- sierenden Menschen nach sorgfältiger Desinfektion der Haut in der Unterbauch- gegend subkutan eingespritzt. Für weniger frequentierte Institute empfiehlt es sich, das Impfmaterial nach dem Vorschlage von Calmette in Glyzerin zu konservieren. Das Rückenmark der sezierten und gesund befundenen Tiere. wird in der oben erwähnten Weise bei einer konstanten Temperatur von 20°C über Ätzkali getrocknet und das für die Impfung erforderliche Material: nach den üblichen Zeitabschnitten abgeschnitten und in Glyserin DIEBE Im sage wird das Material vom Glyzerin befreit Tollwut (Lyssa). 2 1159 en in Kochsalzlösung verrieben. ‚Das konservierte Mark kann, ohne daß das Wut- virus nennenswerte Veränderungen aufweist, 2—3 Wochen bei 20°C aufbewahrt werden. Dieses Verfahren erfordert nicht die tägliche Impfung mehrerer Kaninchen und hat den Vorteil, daß man trotzdem stets ganze Serien auf Lager hat. Das Pasteur-Institut in Bern bedient sich dieser Konservierungsmethode seit Jahren mit ie Erfolge. 0 Pasteur begann An die Behandlung mit 15tägigem Mark und N a allmählich Tag für Tag, bis schließlich 5tägiges Mark zur Ver- NG Kan. Diese 15 Tage dauernde Immunisierung empfahl er für - leichte Bißverletzungen (Traitement simple). Bei schwereren Fällen -(Kopfwunden und ausgedehnteren Verletzungen) wurde eine 21tägige Behandlung vorgenommen, bei der zuletzt 3tägiges Mark injiziert wurde (Traitement intensive). Wenn auch das Prinzip der Pasteurschen Methode im wesentlichen noch jetzt verfolgt wird, so sind doch im Laufe der ' Zeit Änderungen dieses Schemas vorgenommen worden. ‘Man kam zu der Überzeugung, daß die anfängliche Injektion von 1ötägigem Mark unnötig ist. Weil eine schnell immunisierende Wirkung von so altem Mark nicht erhofft werden konnte und wirksame Sorten erst relativ spät zur Anwendung kamen, begann man mit kürzer ge- trocknetem Mark und stieg möglichst rasch bis zu 2tägigem an. Aus den Untersuchungen von Babes an 300 von tollwütigen Wölfen ge- bissenen Menschen wurde gefolgert, daß man schon in den ersten Be- handlungstagen zu vollvirulentem Itägigem Mark übergehen könne, ohne eine Impfwut befürchten zu müssen. Das Virus fixe war selbst im frischen Zustande anscheinend nicht fähig, den Menschen vom Unter- - hautzellgewebe aus wutkrank zu machen. Wir würden bei energischerem - Vorgehen zweifellos. früher als bisher einen wirksamen Impfschutz er- - ‚zielen und so vielleicht Fälle mit kurzer Inkubationszeit retten können, bei denen sich die alte Behandlungsmethode unwirksam erwies. Man - darf aber die Einführung intensiverer Immunisierungsverfahren in die - allgemeine Praxis nur ganz allmählich und unter BEN Kontrolle E der statistischen Ergebnisse vornehmen. Die Immunisierungsschemata, nach dem die Schutzimpfung im Institut für Infektionskrankheiten „Robert Koch“ in Berlin vorgenommen wird, sind: -» Nr || Alter des Marks Alter des Marks Alter 'des Marks ‘ Behand- nach Tagen Behand- nach Tagen. "Behand- nach Tagen | .lungstag | lungstag | __f lungstag IB 41.850 -#:4.5-.8:120 F:}. 5|515 er 15. ı1ı113 a: 414 4 9: 3 5 3 16. 1 1 5 = 3 02331:::9 10. 2 |-4 5 17. 3 3 4 4. 2 205. TL. 1 3 4 18. 2 2 3 5. 4 = 4 12. 1 2 3 19. 1 1 o 6. 4 3 13. 32h: 8::555 20. 1 1 4 T. a 5 14. 2 2 4 21. 1 1 3 An den einzelnen Tagen werden je 2ccm einer Verreibung von 1cm der be- trefienden Marksorte in 5cem steriler Bouillon injiziert. Das „schwere Schema“ 4A wird in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle angewendet, das „mittlere Schema“ B — dann, wenn nur leichte Verletzungen vorliegen ‘und der Tollwutverdacht des ver- — lIetzenden Tieres zweifelhaft bleibt. Das „leichte Schema“ C wird dann gewählt, wenn ängstliche oder nervöse Personen ohne zwingende Indikation, mehr zu ihrer ‚Beruhigung behandelt werden. 1160 61. Vorlesung. In der Pasteur-Abteilung des Berner Institutes zur Erforschung der se krankheiten hat sich folgendes Behandlungsschema bewährt: Für leichte Fälle: Trocknungs- Menge des Behandlungs- et: ee Behandlungs- dauer nach Marks _ tag .. Tagen nach ccm tag Tagen nach cem 3: 10—9 10 13. 3 05 Di 8—7 10 14. 3 05 3. 6 0:5 18. 6 05 4. 5 05 16. 5 05 D. 4 05 L% 4 05 6. 3 05 18. 3 05 2 3 05 4 6 05 Dazu bei schweren Fällen: 2 5 05 10. 5 05 19. 2 05 74, 4 0 20. 3 05 12. 4 05 21. 2 05 Die Injektionen werden durchweg gut vertragen, Abszesse kommen bei sach- gemäßer Ausführung der Impfungen nur sehr selten vor. Kurze Erwähnung verdient noch das Vorgehen einzelner Autoren, die eine Abschwächung des Virus fixe auf anderem Wege als durch Trocknung anstreben. _ Babes stellte fest, daß man die Virulenz des Virus fixe durch Erhitzen auf 55—58° C während eines zwischen 2 und 14 Minuten schwankenden Zeitraumes vermindern kann. Er konnte Hunde mit derartig behandeltem Virus immunisieren. Puskariu empfahl, die Abschwächung nicht durch Variierung der Zeitdauer, in der eine konstante Temperatur auf das Mark einwirkt, zu bestimmen, sondern durch Variierung des Hitzegrades bei gleichbleibender Einwirkungszeit. Er fand, daß eine 10 Minuten lange Erhitzung zwischen 80° und 60° das Virus fixe vollständig zer- störte, daß ein Virus nach gleich langer Einwirkung von 50° Kaninchen in 12 Tagen und nach gleich langer Einwirkung von 35° in 9 Tagen tötete. Nach diesen Erfah- rungen bewertete er die zur Schutzimpfung zu verwendenden Marksorten. Das Babes-Puskariusche Verfahren, das in den Wutinstituten zu Jassy und in Japan angewendet wird, gibt nach den in der Literatur mitgeteilten Erfahrungen ebenfalls günstige Resultate. Fermi benutzt zur Abschwächung des Virus Karbolsäure, die er verschieden lange einwirken läßt. Zu erwähnen ist noch eine andere Art der Impfstoffgewinnung, die von Högyes empfohlene Dilutionsmethode. Ihr Prinzip ist folgendes: Von dem steril entnommenen Rückenmark eines am 9. Tage nach der Infektion mit Virus fixe getöteten Kaninchens wird ein abgewogenes Stück mit 100 cem physiologischer Kochsalzlösung verrieben, und aus dieser Emulsion werden weitere Verdünnungen verschiedenen Grades mit Kochsalzlösung hergestellt. Die Behandlung beginnt mit “ einer 10000fachen Verdünnung und geht allmählich zu stärkeren Konzentrationen über, bis die Verdünnung 1:100 erreicht ist. Die Dilutionsmethode wird, obwohl die Herstellung des Impfstofies einfacher und die Dosierung bei ihr zweifellos genauer ist, bisher noch wenig angewendet. Die meisten Institute für TO SESF EEE verfahren nach dem Pasteurschen Prinzip. Die Methode der Pasteurschen Wutschutzimpfung ist sicher der Verbesserung fähig. Das Prinzip, ein für den Menschen abgeschwächtes Virus durch die Kaninchenpassage zu erzielen, muß aufrecht erhalten werden, aber die Dosierungsfrage müßte in anderer Weise als durch die Trocknung geregelt werden. In dieser Beziehung sind die Versuche von Högyes sehr beachtenswert. O0. Heller gelang es, durch mechanische Verreibung der in flüssiger Luft fest gefrorenen Marksubstanz (Mac- Fadyen) die Infektiosität zu vernichten und mit dem so gewonnenen Material Kaninchen zu immunisieren. Kühne betont mit Recht, daß die jetzige Methode der Impfstoff- ‚bereitung auch insofern bedenklich sei, als das Rückenmark der Passage- kaninchen trotz aller Vorsichtsmaßnahmen beim Herausnehmen doch LUFT RSERRNTENN 1507 10.% Tollwut (Lyssa). : 1161 oft einen recht erheblichen Keimgehalt aufweise. Schon die einfache Sterilitätsprobe im Bouillon (s. S. 1158) ergebe, daß etwa der sechste Teil aller Markproben unbrauchbar sei. Als die fertige Emulsion unter Verwendung von Spezialnährböden untersucht wurde, fanden sich sehr häufig, manchmal auch in großer Zahl die verschiedenartigsten Misch- bakterien, die zwar im Tierversuch nicht pathogen wirkten, aber doch ' vielleicht bei der Verimpfung auf den Menschen nicht ganz harmlos sind und die häufiger beobachteten Infiltrate erklären könnten. J. Koch - und Kühne halten es nicht für unmöglich, daß diese mit dem Wutvirus dem Impfling einverleibten Mischbakterien vielleicht das Passagevirus aggressiv machen. Man muß auf Grund dieser Feststellungen jedenfalls fordern, daß die zur Markgewinnung dienenden Kaninchen frühzeitig getötet werden, damit die Überschwemmung des Blutes und dadurch auch des Markes mit Bakterien während der Agone vermieden wird. Von besonderem Interesse, namentlich für Fälle schwerer Bißver- letzungen, ist eine von Babes und Marie vorgeschlagene Methode, die nach ihrem Charakter den Simultanschutzimpfungen zuzurechnen ist. Hier wird neben den Virus fixe-Emulsionen Hundswut-Immunserum injiziert, das durch Vorbehandlung von Hammeln gewonnen wird, um auf diese Weise während der aktiven Immunisierung gleichzeitig eine passive Immunität zu erreichen. Man verreibt 1 g des verlängerten Markes eines Passagekaninchens fein und bereitet eine Emulsion in 10ccm schwach alkalischer Bouillon oder Kochsalzlösung, die man ‘durch ein Leinentuch treibt. Zu 2 ccm dieser 10proz. Verdünnung fügt man &ccm antirabischen Hammelserums hinzu und injiziert diese Mischung an zwei verschiedenen Stellen unter die Bauchhaut. Die gleiche Einspritzung wird an den - drei folgenden Tagen wiederholt. Darauf wird die Kur mit Injektionen getrockneten Markes (von sechstägigem Mark an beginnend) fortgesetzt. Diese Methode, die ein - intensiveres Vorgehen ermöglicht, wird am Institut Pasteur in Paris nur in dring- lichen Fällen von tiefen Bißwunden im Gesicht angewendet und dann, wenn die Kranken sehr spät zur Behandlung kommen. Über die Beeinflussung der aktiven Immunität durch das Immunserum ein endgültiges Urteil zu fällen, ist noch nicht . angängig. E- - Über die Personen, die sich einer Schutzimpfung unterzogen haben, | wird ein Entlassungsattest ausgefertigt und dem Landrat des Kreises, - in dem die Geimpften ihren Wohnsitz haben, oder bei Stadtkreisen der - Ortspolizeibehörde übersandt. Auf Grund dieses Zeugnisses hat der zu- - ständige Kreisarzt ! Jahr lang den Gesundheitszustand des Entlassenen - zu überwachen und über etwaige Krankheitserscheinungen, die mit der “früher erlittenen Bißverletzung in ursächlichem Zusammenhang stehen könnten, zu berichten. Auf diese Weise wird der Erfolg der Schutz- — impfung genau kontrolliert. m. Fragen wir uns nun nach den Ergebnissen der Pasteurschen Behandlungsmethode und nehmen als Maßstab die Erfahrungen der beiden preußischen Wutschutzanstalten (Berlin und Breslau) aus den Jahren 1902—1907. Von den 1700 Personen, die in diesem Zeitraum — von sicher tollwütigen Tieren gebissen wurden, unterzogen sich 1586 - (=993°/,) der Schutzimpfung. Von der Gesamtzahl der Gebissenen - starben an Wut 40 Personen, und zwar 18 Ungeimpfte und 22 Geimpfte. Non letzteren erkrankten 4 bereits, ehe die Schutzimpfung bis zu Ende - durchgeführt werden konnte, und weitere 3 innerhalb 14 Tagen nach - deren Beendigung, d. h. bevor die volle Wirkung der Schutzimpfung Simultan- impfung. Erfolge der Schutz- Impfung. . 1162. | 61. Vorlesung. PR, war. Zieht man diese Todesfälle bei der Mortalitätsberechnung, wie sie in allen Wutschutzanstalten üblich ist, ab,- so ergibt sich eine Sterblichkeitsziffer von 0'86°/,. Ähnlich sind die Behandlungsergebnisse anderer Institute. Wenn man dieses Mortalitätsverhältnis mit dem der unbehandelten Fälle vergleicht, das meist auf 16—20°/,, nach Zusammen- stellungen von Högyes, Bouley und. Proust jedoch, die ausschließlich Bißverletzungen durch nachgewiesenermaßen tollwütige Tiere be- treffen, auf 40—50°/, berechnet wird, so springt der außerordentliche Nutzen der Pasteurschen Behandlung deutlich in die Augen, selbst wenn die letztgenannten Zahlen zu hoch gegriffen wären. Einen sicheren Erfolg verbürgt aber auch die rechtzeitig. ein- geleitete Schutzimpfung nicht in allen Fällen. Ob man sich hier die Unwirksamkeit der Behandlung durch besonders schwere Verletzungen zu erklären hat, bei denen dem Virus das Vordringen in den Körper besonders erleichtert war, oder dadurch, daß der betreffende Mensch ' überhaupt nicht imstande war, die spezifischen Schutzstoffe zu bilden, ‘sei dahingestellt. Mehrfach hat man beobachtet, daß. die Wut in solchen Fällen auffallend spät zum Ausbruch kam. Man nimmt infolgedessen an, daß hier das Wutvirus mit.der Zeit das Übergewicht über die ge- bildeten Schutzstoffe gewann. Wenn diese Annahme richtig ist, muß sich durch eine Wiederholung der Impfungen möglicherweise der Ausbruch der Wut in solchen Fällen vermeiden lassen. Bei besonders schweren Verletzungen werden deshalb jetzt in den meisten Wutinstituten die Patienten einer zweiten Schutzimpfung unterzogen, die einen Monat nach Abschluß der ersten beginnt und wiederum 21 Tage dauert. Todes- fälle nach zweimal- durchgeführter Immunisierung sind bisher noch nicht beobachtet worden. 4 Es ergibt sich aus den mitgeteilten Erfahrungen, daß die Schutz- impfung um so bessere Aussichten hat, je früher sie eingeleitet wird. | Keinesfalls darf mit ihr gewartet werden, bis die Tollwut des verletzen- den Tieres erwiesen ist. Wenn man einerseits berücksichtigt, daß der volle Impfschutz erst 2—2!/, Wochen nach Beendigung der 21 Tage dauernden Immunisierung eintritt, und andererseits bedenkt, daß die Inkubationszeit nur selten länger dauert als 60 Tage, häufig aber kürzer ist, wird es klar, daß keine Zeit zu verlieren ist. Für die Praxis ergibt sich daraus die Folgerung, in allen verdächtigen Fällen die Sehutz- impfung sofort emzuleiten. Die im Verlaufe der Sehutzimpfung . beobachteten Tabinngen dürfen keinesfalls Veranlassung geben, die so segensreiche Wirkung der ‘spezifischen Behandlung zu schmälern, selbst dann nicht, wenn man sie alle als Impfschädigungen ansprechen will. Wenn auf 2117 Schutz- geimpfte eine Lähmung kommt, so darf uns dieser Umstand von der Anwendung des Verfahrens ebensowenig abhalten, wie uns die statistische Erfahrung, daß auf etwa 2000 Chloroformnarkosen ein Todesfall ent- fällt, von einer notwendigen Narkose abhalten wird (Simon). bes © Über das: Wesen der Immunität, die wir durch die Pasteursche | Schutzimpfung erzielen, sind wir nicht genauer unterrichtet. Es spricht vieles dafür, daß auch hier, ebenso wie bei der Immunisierung z.B. gegen Typhus oder Cholera, die Leibessubstanzen der in den Märk- emulsionen enthaltenen Wuterreger die Bildung der spezifischen Schutz- L : Tollwut (Lyssa). : 1163 "stoffe anregen. Jedenfalls lassen sich im Serum schutzgeimpfter Tiere rabizide Substanzen nachweisen (Kraus). Mischt man solches Serum in vitro mit einer Virusemulsion, deren Infektiosität ohne Serumzusatz kontrolliert wird, und läßt die Substanzen einige Zeit in Kontakt, so kann man selbst bei intrazerebraler Verimpfung des Materiales keine Tollwut mehr hervorrufen. Über die Natur dieser Antikörper wissen wir noch wenig. Heller und Tomarkin konnten im Komplementbindungs- versuch spezifische Stoffe im Hundswutimmunserum nicht nachweisen, ein Resultat, das von anderen Autoren (Friedberger) bestätigt wurde. Die Dauer der durch die Schutzimpfung erzielten Immunität des ‚Menschen dürfte auf mehrere Jahre zu veranschlagen sein, wenn auch - praktische Erfahrungen für die Beurteilung dieser Frage naturgemäß nicht zu Gebote stehen. Die Behandlung der ausgebrochenen Wut kann nur sym- en sein. Wir verfügen über kein Mittel, das den. Krank- eitsprozeß in spezifischer Weise zu beeinflussen imstande wäre. Auch die Anwendung des antirabischen Serums versagt hier. Durch Salvarsanbehandlung will Tonin bei einem Lyssafalle Heilung erzielt haben, doch steht seine Angabe bisher vereinzelt da. v. Zumbusch hatte mit dem Mittel keine Erfolge. Auch nach den . Tierversuchen, die - _Miefßner und Isabolinsky sowie Friedberger und F. Sachs anstellten, - muß. dem Salvarsan ebenso, wie dem Arsenophenylglyzin jede’ Beeinflus- - sung der Lyssainfektion abgesprochen werden. ; Selbstverständlich ist jeder Tollwutkranke streng abzusondern -_ und mit einem geeigneten Pfleger zu versehen. Daß das Pflegepersonal bei den Wutanfällen der Kranken oft einer großen Infektionsgefahr - ausgesetzt wird, braucht nicht besonders betont zu werden. In allen - Fällen, in denen durch Verletzungen, Anspucken oder dergl. eine Über- “ tragung des Krankheitsstoffes auf den Pfleger als wahrscheinlich oder = möglich angesehen werden muß, ist dessen Schutzimpfung unbedingt 2 ‚anzuraten. & Literatur. E a: Methode | pour prevenir la.rage apr&s morsure. 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Wenn es auch keinem Zweifel unterliegt, daß früher Fälle von spinaler Kinder- lähmung ebenso wie heute vorgekommen sind, so ist doch von einem gehäuften _ Auftreten der Krankheit in früherer Zeit nicht berichtet worden. Die Erscheinungen des Leidens wurden von. denen anderer Gehirn- und Rückenmarkskrankheiten nicht t, bis Heine im Jahre 1840 auf Grund sorgfältiger klinischer Beobachtungen, die er im Jahre 1859 in einer Monographie veröffentlichte, ein klares Bild der eigenartigen Krankheit aufstellte. In der Folgezeit wandten dann die Kliniker und namentlich auch die pathologischen Anatomen dieser Lähmungskrankheit ihr be- sonderes Interesse zu und stellten fest, daß die Lokalisation des Krankheitsprozesses > auch von der typischen spinalen Form abweichen kann. Die Lähmungen können bulbär, pontin oder zerebral bedingt sein und auch unter dem Bilde der Landryschen Paralyse verlaufen. Als Infektionskrankheit hat die akute Foliomyalıpik zuerst . Strümpell aufgefaßt. Die Krankheit kam, wie gesagt, in früherer Zeit anscheinend nur in sporadischen Fällen zur Beobachtung. Von eigentlichen Epidemien ist erst um den Beginn unseres Jahrhunderts zuverlässig berichtet worden. 1899 beobachtete Medin in Stockholm eine kleinere Epidemie. In den Jahren 1903—1905 trat die Krankheit in größerer Ausdehnung in Norwegen, 1905 und 1906 in Schweden (über 1000 Fälle) auf. me wurden Epidemien in Holland, Dänemark, Amerika, Österreich usw. fest- i In Deutschland breitete sich die Krankheit im Sommer 1911 vom Rhein- d er von Westfalen aus allmählich nach den anderen Provinzen zu aus (Han- nover, Hessen-Nassau, Vorpommern, Schlesien usw.); sie führt hier auch jetzt noch zeitweise zu einem gehäuften Auftreten von Fällen. Näheren Aufschluß über das Wesen der Krankheit verdanken wir namentlich den Untersuchungen von Wickman, Roemer, Landsteiner und Popper, Leiner und vr. Wiesner, Grober. Der klinische Verlauf der Krankheit kann recht verschieden sein. Die Inkubationsdauer beträgt durchschnittlich 1 Woche. Die Angaben Wickmans, der sie auf I—4 Tage bemißt, sind durch neue einwandfreie Forschungen als zu niedrig befunden. Nach E. Müller teilt man den Verlauf bei typischen Fällen zweckmäßig in 3 Stadien ein: 1. das Frühstadium mit fieberhaften Vorläufererscheinungen und den akut einsetzenden Lähmungen, 2. das Reparationsstadium und 3. das Kolleund Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 75 Geschicht- liches. Krankheits- bild. 1166 = 62. Vorlesung. Endstadium ‘in Form der bekannten schlaffen und atrophischen Spinal- - ähmung. Fieberhafte Vorläufererscheinungen fehlen fast nie, werden . aber-namentlich bei jungen Kindern, da sie nicht sehr ausgeprägt sind, häufig übersehen. Es entwickelt sich bei den Kranken, die während des. Inkubationsstadiums höchstens über unbestimmte Allgemeinerscheinungen wie Müdigkeit, Kopfschmerzen oder Appetitlosigkeit geklagt haben, ein ein- oder mehrtägiges Fieber von mäßiger Höhe. Oft, aber nicht immer werden gleichzeitig Angina, Schnupfen oder Bronchialkatarrh beobachtet, in anderen Fällen wieder Störungen von seiten des Verdauungstraktus, Erbrechen, Durchfälle oder Verstopfung, oder aber meningitische Er- scheinungen. Schüttelfrost und Krämpfe, die bei anderen Infektions- . krankheiten des Kindesalters so oft den Krankheitsbeginn begleiten, fehlen hier in der Regel. Der Charakter des Fiebers ist unbestimmt, oft mehr remittierend, oft ziemlich kontinuierlich, im Abfall bald Iytisch, bald krisisartig. Beim Auftreten der Lähmungen wird oft ein erneuter Anstieg der Temperaturkurve beobachtet. Als besonders charakteristi- sches Frühsymptom muß in diesem Krankheitsstadium die außerordent- liche Überempfindlichkeit der Haut angesehen werden, die fast niemals fehlt und meist auch mit großer Schmerzhaftigkeit der Muskulatur bei passiven Bewegungen verbunden ist. Auffallend häufig ist eine starke Neigung zum Schwitzen bemerkbar, die gleich im Beginn der Krank- heit einsetzt und sich manchmal wochenlang erhält. Die Schwere der Vorläufererscheinungen und die Höhe des Fiebers lassen keinerlei prognostische Schlüsse auf den weiteren Krankheitsverlauf zu. Im direkten Anschluß, mitunter auch schon während der fieber- haften Initialerscheinungen treten dann die Lähmungen auf. In nahezu 80°/, der Fälle werden die Beine von ihnen befallen, entweder einseitig oder häufiger doppelseitig. Die Paresen entwickeln sich nicht ganz plötzlich und auch nicht in allen Muskelgruppen gleichzeitig, erreichen aber an Intensität und Extensität bald ihren Höhepunkt. Wenn schwere Lähmungen ‘der unteren Extremitäten eingetreten sind, ist oft auch eine Beteiligung der Rumpfmuskulatur festzustellen. Letztere ist gar nicht selten aber auch allein befallen, was anfangs leicht übersehen werden kann. Die Muskulatur der Arme wird für sich allein fast nie gelähmt. Nach den Erfahrungen E. Müllers treten die Armparesen, die gewöhnlich einseitig oder wenigstens einseitig stärker sind, in Form aufsteigender Lähmungen sekundär zu Beinparalysen hinzu. An den oberen Extremitäten wird die Schultermuskulatur, namentlich der Musculus deltoideus, besonders oft betroffen. Die Lähmungen sind in typischen Fällen schlaff, die Sehnenreflexe in den befallenen Gebieten erloschen. Es kommen jedoch auch in dieser Beziehung Ausnahmen von der Regel vor. Grobe Störungen der Sensibilität fehlen meist. Masern- oder scharlachähnliche Exantheme sind mehrfach be- schrieben worden. Wenn überhaupt, so treten sie meist am Ende der ersten oder in der zweiten Krankheitswoche auf und verschwinden ‚bald wieder. Das zweite Stadium der Krankheit, das sog. Reparationsstadium, setzt in der Mehrzahl der Fälle bald nach der völligen Ausbildung der Lähmungen ein; nur selten dauert es eine oder mehrere Wochen. bis sich Rückbildungserscheinungen bemerkbar machen. Die Dauer der Zeit, Poliomyelitis acuta. 1167 innerhalb deren weitere Besserungen des Lähmungszustandes erhofft werden können, wird auf etwa 1 Jahr veranschlagt. Die Besserung der Muskellähmungen erfolgt allmählich, kann aber auch sehr schnell vor _ sich gehen. Die Muskeln bekommen dann wieder eine erhöhte Spannung, ‚die Sehnenreflexe kehren wieder, sind sogar anfangs oft vorübergehend gesteigert. In manchen Fällen tritt jedoch eine Besserung des Zustandes nicht mehr auf. Die Muskeln behalten dann ihre Weichheit und ver- fallen bald. der Atrophie, die sehr hohe Grade annehmen kann. Wir haben das Endstadium der Krankheit vor uns, in dem infolge der Muskelentartung schwere Deformitäten und Wachstumsanomalien mit sekundären Veränderungen am Knochen- und Gelenkapparat (Sko- liosen usw.) entstehen, die uns von Charcot, Erb, Heine u.a. so treff- lich geschildert sind. Die Gliedmaßen, die von diesen schwersten Folge- erscheinungen der Krankheit betroffen sind, bestehen vielfach nur noch aus Haut und Knochen; die Haut ist zyanotisch und kalt und zeigt oft geringgradige ‘Ödeme. Die bulbäre oder pontine Form der epidemischen Kinder- lähmung läßt neben den bisher beschriebenen spinalen Erscheinungen, oder diese klinisch in den Hintergrund drängend, Hirnnervenlähmungen erkennen, die häufig leichterer Art und vorübergehend sind, mitunter . aber auch zum Tode der Kranken führen. Die Lähmungen können einen fortschreitenden Verlauf unter dem Bilde der Landryschen Para- Iyse annehmen, indem sie von den Beinen auf die Rumpfmuskulatur, dann auf die Arme und die Halsmuskeln übergreifen und schließlich zu bulbären Symptomen von .Gehirnnerven (Fazialisparese, Augenmuskel-, Hypoglossuslähmungen usw.), vor allem aber zur Schädigung des Re- spirationszentrums führen. Solche Kranke gehen unter dyspnoischen . Erscheinungen, oft nach Eintritt von Cheyne-Stokesschem Atmen, meist am 3.—4. Tage zugrunde (Jochmann). Auch absteigende Lähmungen . kommen in selteneren Fällen vor. Alleinige Hirnnervenlähmungen, die bei sorgfältiger Beobachtung der Kranken in manchen Epidemien sehr "häufig sind, geben fast stets eine gute Prognose. Als enzephalitische Form rechnet Strümpell zur epidemischen Kinderlähmung eine Erkrankung, die mit Fieber, Erbrechen und Krämpfen beginnt und bei der sich spastische Lähmungen einer Körper- hälfte, einer Extremität oder des Gesichtes einstellen. Es ist aber noch nicht sicher erwiesen, ob diese Krankheit wirklich mit der Heine- Medin- schen Poliomyelitis anterior ätiologisch identisch ist. In allen Epidemien gibt es nun neben den typischen Krankheits- fällen abortive Formen in größerer Zahl. Diesen Erkrankungen, die zuerst von Wickman richtig erkannt wurden, kommt natürlich epide- miologisch eine besondere Bedeutung zu. Bei sorgfältiger klinischer Untersuchung werden sehr häufig in Familien, in denen ein Kind in typischer Weise mit Lähmungen erkrankt, bei Geschwistern fieberhafte Erkrankungen festgestellt, die die früher beschriebenen Vorläufer- _ _ erscheinungen in allen ihren Eigenarten mehr oder weniger deutlich erkennen lassen, die dann aber ohne weitere Folgeerscheinungen zur Heilung kommen. Auch schnell vorübergehende Fazialislähmungen, die von weiteren Paresen nicht gefolgt werden, können wohl hierher ge- rechnet werden. Die Feststellung und richtige Deutung solcher abortiver Krankheitsfälle ist ug schwer und nur bei epidemischem Auf- 75* Atypische Formen. Abortire Fälle. Sporadische Fälle. Obduktions- befund. \ 1168 62. Vorlesung. treten der Poliomyelitis und in der Umgebung typischer Fälle einiger- maßen sicher begründet. Daß diese Formen aber tatsächlich ätiologisch der; Heine-Medinschen Krankheit zuzurechnen sind, wird durch den Ausfall der serumdiagnostischen Reaktionen bewiesen, auf die später eingegangen werden soll. Nach E. Müller sollen die abortiven Fälle die typischen an Zahl übertreffen und bei Erwachsenen relativ häufiger zur Beobachtung kommen als bei Kindern. Die Disposition zur akuten Poliomyelitis ist zweifellos am größten im Kindesalter, und zwar im frühen Kindesalter. Nach den Ermittlungen, die X. Müller während einer größeren Epidemie in Hessen- Nassau anstellte, entfielen ®/,, aller Fälle auf die ersten 5 und mehr als >/, aller Fälle auf die drei ersten Lebensjahre. Diese Erfahrungen wurden im allgemeinen auch bei anderen Epidemien bestätigt. Erwach- sene werden sehr viel seltener befallen als Kinder, und auch dann meist nur in jugendlichen Jahren. Die Gründe für die Unterschiede der Empfänglichkeit der Menschen in verschiedenen ag sind noch nicht näher bekannt. Kurz zu erwähnen sind hier noch die sog. sporadischen Fälle von Kinderlähmung, bei denen Infektionsquellen, wie sie eine Epidemie bietet, nicht feststellbar sind. In Analogie zu anderen Infektionskrank- heiten, z. B. der epidemischen Genickstarre, müssen wir annehmen, daß die Infektionswege hier noch dunkel sind. Nur durch die Über- tragung des spezifischen Virus kann die Krankheit entstehen. Das Vor- kommen der soeben geschilderten abortiven Krankheitsfälle gibt leicht eine Erklärung dafür, daß die Fäden, die sich von einem Erkrankungs- fall zum anderen spinnen, nur äußerst schwer verfolgbar sind. Die pathologisch-anatomischen Befunde lassen im Frühstadium der epide- mischen Kinderlähmung (nach E. Müller) eine spezifische Form akuter disse- minierter Erkrankung des Nervensystems erkennen, die unter geringer Be- teiligung der Pia mit Vorliebe die graue Substanz des Rückenmarks zu befallen und mit schwerer, auch primärer Schädigung der motorischen Vorderhornganglien- zellen und auffälligen „Neuronophagien“ daselbst einherzugehen pflegt. Die Aus- breitung der entzündlichen Infiltration mit ihren vorwiegend lymphozytären Ele- menten scheint besonders an den Lymphapparat des Nervensystems, vor allem an die Lymphräume gebunden zu sein, welche die Blutgefäße — Arterien sowohl wie Venen — umscheiden. Makroskopisch finden sich bei klarer, meist vermehrter Zerebrospinaltlüssigkeit eine starke arterielle, venöse und kapilläre Hyperämie und die Zeichen erheblicher seröser Durchtränkung in dem ödematösen und von makro- skopisch ausgesprochener Herderkrankung meist freien Rückenmark. Die graue Substanz ist besonders im Bereich der Vorderhörner gerötet und erscheint zum Teil „blutgesprenkelt“. Die Trennungslinie zwischen weißer und grauer Substanz ist infolge des Ödems gegen die Norm verwischt. Mitunter sind Hyperämie und Odem in den bulbären Gebieten besonders ausgesprochen. Nach dem charakteristischen mikroskopischen Befunde liegt in frischen Fällen in den oft sehr ungleichmäßig affizierten Vorderhörnern nicht nur eine Poliomyelitis anterior vor, sondern auch eine Poliomyelitis posterior. Diese Erkrankung der ganzen grauen Substanz pflegt in den Anschwellungen, und hier wiederum in der unteren bzw.in dem Lumbosakralmark am stärksten zu sein. Mit der vorherrschen- den Poliomyelitis verbindet sich regelmäßig eine im mikroskopischen Bilde bald mehr diffuse, bald mehr herdförmige Leukomyelitis, und mit dieser Veränderung im Rückenmark gehen gleiche, wenn auch an Intensität meist geringere Prozesse im Bulbus und in einzelnen Teilen des Großhirns einher. Neben der „disseminierten Enzephalomyelitis“ bestehen kleinzellige entzündliche Infiltrationen der Pia; sie sind im Bereich des Lumbosakralmarks und an den vorderen Rückenmarkspartien, vor allem an der vorderen Fissur weitaus am stärksten. -An der Rundzelleninfiltration . beteiligen sich in erster Linie die Lymphozyten. A SL ent nn 4 A Fr BEZ anna an aa a ne RS gan ae er Ba Poliomyelitis acuta. : | 1169 Die Frage‘, ob die Erkrankung der -Ganglienzellen, welche Schwellungen, Abrundungen, Schrumpfungen und erst relativ spät Degenerationen ihres Kerns mit vorangehendem Chromatinverlust erkennen läßt, als sekundär auftretende oder als - primäre aufzufassen ist, ist noch nicht sicher entschieden. E. Müller hält ebenso wie z. B. Leiner und v. Wiesner auf Grund der histologischen Untersuchungen die letztere, schon von Charcot vertretene Auffassung für die richtige und sieht den Prozeß demgemäß als einen parenchymatösen und interstitiellen an. Im Reparationsstadium ist der Prozeß bei der spinalen Form mehr auf die Vorderhörner lokalisiert, im Endstadium zeigt sich in schweren Fällen eine deutliche „Atrophie der Vorderhörner“ (Prerert und Vulpian), der sich auch die vorderen Wurzeln und zum Teil auch die an das Vorderhorn Sagronzenden weißen Stränge anschließen. Wenn wir nun fragen, was über den Erreger der Poliomyelitis acuta bekannt ist, so muß zunächst betont werden, daß allen Bakterien- befunden, die mitgeteilt worden sind, eine ätiologische Bedeutung für die Krankheit nicht zukommt. Es sind namentlich Diplokokken, die im 'Rachensekret der Kranken (Geirsvold) oder in der Rückenmarksflüssig- - keit (Schultze u.a.) gefunden wurden, als Erreger der Heine-Medinschen Krankheit hingestellt. Hier hat es sich aber zweifellos um Verunreini- ‚gungen, günstigenfalls um Mischinfektionserreger gehandelt. Eine der Poliomyelitis ähnliche Erkrankung ließ sich bei Tieren mit den Kulturen dieser Bakterien niemals hervorrufen. Die meisten Autoren, die ein- wandfrei arbeiteten, fanden die Zerebrospinalflüssigkeit, in der der Erreger am ehesten zu finden sein müßte, steril. Einen ‘wesentlichen Fortschritt in der ätiologischen Erforschung. der Krankheit brachten die Versuche an Affen. Die Feststellung, daß die Poliomyelitis experimentell auf Affen übertragbar ist, verdanken wir den Untersuchungen Landsteiners und Poppers, deren Ergebnisse von Knöpfelmacher und dann von P. Roemer, Flexner und Lewis, Land- ‚steiner und Levaditi sowie Leiner und v. Wiesner bestätigt und erweitert wurden. Wenn man Affen, namentlich anthropoiden, Aufschwemmungen von Gehirn oder Rückenmark eines an akuter Poliomyelitis gestorbenen Menschen intrazerebral, intravenös oder intraperitoneal injiziert, erkrankt das Tier nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich 9 Tagen (unter Umständen aber auch bis zu 33 Tagen) in ganz ähnlicher Weise, wie wir es bei der Besprechung der menschlichen Infektion geschildert haben. Auch hier werden als Prodromalerscheinungen Erregbarkeit, Schwäche, Hyperästhesien, gastrointestinale Störungen usw. beobachtet, auch hier treten dann schlaffe Lähmungen der verschiedensten Art mit den charakteristischen Begleiterscheinungen auf (Fig. 179). Auch Hirnnerven-(Fazialis-)lähmungen kommen vor (Fig. 180), ebenso abortive Formen. Die Affenpoliomyelitis endet nach P. Roemer in etwa 76°/, der Fälle tödlich. Meist gehen die Tiere im Reparationsstadium zugrunde, bevor es zu typischen Atrophien kommt. Das Sektionsergebnis entspricht durchaus dem beim Menschen erhobenen. Man kann auf diese Weise dureh Verimpfung des Zentralnervensystems kranker Tiere auf weitere Affen das Virus gewissermaßen in vivo fortzüchten. Die Infektion der Affen gelingt, wenn man jüngere Tiere wählt und größere Mengen des infektiösen Materials verimpft, fast regelmäßig. Am sichersten wird sie bei intrazerebraler (subduraler) oder intra- peritonealer Infektion erzielt — KRoemer empfiehlt die Kombination beider —, aber auch die intravenöse und intraneurale, ja bei genügender Ätiologie und Tier- versuche. 1170 62. Vorlesung. Menge und Virulenz des Impfstoffes sogar die subkutane Einspritzung führt zum Ziele. Die Verfütterung des Virus per os kann ebenfalls die Krankheit hervorrufen. Außer den Affen sollen nach den Untersuchungen: von Krause und Meinicke auch Kaninchen für die experimentelle Infektion empfänglich sein: Die meisten Autoren hatten aber keine oder keine typischen Erfolge und lehnten daher das Kaninchen als Versuchstier ab. Die Übertragung der Krankheit gelingt beim Kaninchen jedenfalls nicht mit derartiger Regelmäßigkeit und unter Eintritt eines so typischen Fig. 179. Fig. 180. teller .Poliomyelitisinfektion. (Nach Leraditi und Stanesco.) Krankheitsbildes und Sektions- befundes wie beim Affen, so dab weitere Nachprüfungen notwendig unter günstigen Bedingungen — Alte Lähmung nach experimenteller Polio- myelitisinfektion. (Nach Levaditi.) peritoneale oder intravenöse In- jektion genügend virulenten Mate- rials usw. — auch Kaninchen infizieren kann und in ihnen passage- weise fortzuimpfen ist. Beweisend ist beim Fehlen typischer Krankheits- bilder der Kaninchenversuch allerdings erst dann, wenn die Rückimpfung des Virus aus dem Kaninchen auf den Affen gelingt. Bei den Unter- Linksseitige Fazialislähmung nach experimen- sind. Marks gibt an, daß das Virus Verwendung junger Tiere, intra- | 3 : F ; R suchungen von Marks soll letztere erfolgreich gewesen sein. Nach den ° neueren Experimentalergebnissen von Amoss findet jedoch eine Ver- mehrung des Poliomyelitisvirus im Gehirn von Kaninchen nicht statt, vielmehr hält es sich darin nur etwa 4 Tage lang lebensfähig. Die Ergebnisse aller dieser Experimentalstudien sind also noch nicht eindeutig. Poliomyelitis acuta. : 1171 Für die Annahme, daß das Poliomyelitisvirus auf noch andere Tiere über- tragbar sei, haben die bisherigen Versuche an Mäusen, Ratten, Meerschweinchen, ‘Hunden, Katzen, Ziegen, Schafen, Schweinen, Kälbern, Pferden, Gänsen, Tauben, Hühnern usw. keine Anhaltspunkte gebracht. Wenn von einzelnen Autoren (z. B. Wickman, Krause, E. Müller) mitgeteilt wurde, daß während menschlieher Polio- myelitisepidemien an einigen Stellen ein gehäuftes Sterben von Tieren (Kaninchen, Schweinen, Ziegen, Hunden, Hühnern) unter Lähmungserscheinungen beobachtet ‘worden sei, so kann aus solchen immerhin seltenen Vorkommnissen nicht der Schluß gezogen werden, daß es sich hier um Infektionen mit den Erregern der Heine- Medinschen Krankheit gehandelt hat. Möglicherweise hat eine zufällige Häufung ‘von Tierseuchen vorgelegen, die unter ähnlichen Krankheitsbildern verlaufen. Die mehrfach vertretene Anschauung, daß der Ratte eine besondere Bedeutung bei der Übertragung der akuten Poliomyelitis zukomme, wurde durch die Untersuchungen von Amoss und Haselbauer widerlegt. Diese Autoren konnten durch Versuche an Affen feststellen, daß sich das Virus im Rattengehirn nicht vermehrt, vielmehr ' spätestens nach 4 Tagen zugrunde geht. _ Das eingehende Studium der experimentellen Affenpoliomyelitis hat zu weiteren Ergebnissen geführt, die uns in mancher Beziehung über die Natur des Krankheitsvirus und die Pathogenese der epidemi- schen Kinderlähmung wichtige Aufschlüsse gebracht haben. Was zunächst die Fundorte der Erreger im kranken Tier betrifft, so ist, wie schon erwähnt, das Virus in größter Menge im Zentralnervensystem vorhanden. Es ist sowohl im Rückenmark nach- gewiesen wie in Medulla oblongata, Hirnrinde, Intervertebralganglien und im Bulbus des Nervus olfactorius. Von einer 5proz. Rückenmarks- aufschwemmung ausgehend, erzielten Leiner und v. Wiesner noch positive Impfergebnisse bei Einspritzung von 0'2ccm einer 100fachen Ver- dünnung. Blut und Zerebrospinalflüssigkeit erwies sich nur in verein- zelten Fällen bei der Verimpfung größerer Mengen als virushaltig. ‚ Meist erhält man hier ebenso wie beim kranken Menschen negative Resultate. Die inneren Organe der experimentell infizierten Affen (Milz, Nieren, Leber, Knochenmark, Pankreas, Darmschleimhaut usw.) enthalten die Krankheitserreger nicht. Dagegen wurden die Lymph- drüsen von verschiedenen Autoren übereinstimmend als infektiös be- funden, und zwar besonders die zervikalen oder mesenterialen je nach ihrer Lage zur Infektionsstelle. Dieser Befund läßt in Verbindnng mit anderweitigen Erfahrungen den Schluß gerechtfertigt erscheinen, daß das Virus auf dem Wege der Lymphbahnen fortgeleitet wird. Die wichtige Tatsache, daß auch mit zerriebener Nasen- und Pharynx- schleimhaut sowie Tonsillenmasse der intrazerebral oder intraneural infizierten Affen die Krankheit verimpft werden kann, ist hierdurch auch erklärlich. Landsteiner, Levaditi und T'homsen fanden das Virus - ferner in dem Nasenrachensekret der erkrankten Affen. Auf die Bedeutung, die diese Feststellungen und die analogen Untersuchungen beim kranken Menschen für die Erforschung der Pathogenese der Dauer der Infektiosität des Rückenmarks und der anderen erwähnten Körpergewebe liegen größere Erfahrungen noch nicht vor. Es hat den „Anschein, als ob dasVirus sich unter Umständen lange Zeit im Körper in infektionstüchtigem Zustande halten kann. Osgood und Lucas wollen es in den Schleimhäuten der oberen Luftwege fast 6 Monate nach der Infektion nachgewiesen haben. Durch die Versuche an Affen wurde weiterhin einwandfrei fest- gestellt, daß das Virus der Poliomyelitis filtrierbar ist (Flexner und Virusbefund ‚beim Tier. epidemischen Poliomyelitis haben, werden wir später eingehen. Uber die - Filtrier- barkeit des Virus. Kultur- versuche. 1172 62. Vorlesung. Lewis, Landsteiner und Levaditi). Mit Organzerreibungen, die durch Berkefeld-, Chamberland- und ähnliche Filter geschickt sind, lassen sich ebenso positive Impferfolge erzielen, wie mit unfiltrierten. Es tritt nur insofern eine Änderung der Ergebnisse ein, als die Inkubationsdauer der Krankheit bei Verimpfung der filtrierten Zerreibungen länger ist als bei Einspritzung unfiltrierten Materials. Die Filtrierbarkeit ist schon ein Beweis dafür, daß der Erreger der Kinderlähmung äußerst klein ist. Trotz der größten Bemühungen ist es noch nicht gelungen, über seine Morphologie sichere Aufschlüsse _ zu gewinnen. Ebenso boten die Kulturversuche große Schwierigkeiten. Bei den wolkigen Trübungen, die Flexner, Lewis und Levaditi in Serumbouillon auftreten sahen, die sie mit infektiösem Rückenmark beimpft hatten, hat es sich anscheinend um eine Proteinfällung gehandelt. Jedenfalls gelang es mit weiteren „Kulturen“, die aus diesen getrübten Originalröhrchen angelegt wurden, nicht, die Krankheit auf Affen zu übertragen. Die Kultur scheint aber später Flexner und Noguchi und neuerdings Smillie geglückt zu sein, die Gehirnstückchen von Poliomyelitisleichen in Aszitesröhrchen einsäten, die mit einem Stückchen steriler normaler Kaninchenniere beschickt und nach der Beimpfung mit sterilem Paraffin überschichtet wurden. Nach 5tägiger Bebrütung dieser Röhrchen bei 37° zeigte sich ein charakteristisches Anaörobenwachstum, das zunächst in Form einer Opaleszenz und. zarten Trübung um die Gehirnstückchen herum erkennbar war und sich dann allmählich nach oben ausdehnte ‚bis zu einer gewissen Grenze, wo das Vorhandensein von Sauerstoff ‘ die weitere Entwicklung hemmte. Diese Kulturen ließen sich auf weitere Röhrchen serienweise überimpfen, und auch mit späteren Kultur- generationen konnten mehrfach, aber keineswegs immer, Affen experi- mentell infiziert werden. Dem an sich berechtigten Einwand, daß bei der außerordenkick geringen Menge virulenten Materials, das zur Infektion von Affen oft ausreicht, hier viel- leicht nur eine Weiterübertragung der in das Originalröhrchen eingesäten Virus- menge von Röhrchen zu Röhrchen, also eine Verdünnung, nicht aber eine Vermehrung vorgelegen haben könnte, begegnen die Autoren mit dem Hinweis darauf, daß die Pathogenität der Passagekulturen sehr verschieden war, aber keines- wegs die ersten aus dem Originalmaterial gewonnenen Kulturen immer bessere Impferfolge ergeben hätten als die späteren Serien der Kultur. Bei dem von Anfang an sehr verschiedenen Pathogenitätsgrad der einzelnen Virusstämme können einzelne sehr bald — schon in der zweiten Passage — für das Tier avirulent sein, andere aber in einer größeren Reihe von Kulturpassagen ihre Pathogenität unver- ändert bewahren. In ihren Kulturen sahen Flexner und Noguchi nach Anwendung der Giemsafärbung kleinste globoide Körperchen von runder Form und blaß-rotvioletter Farbe, die in kurzen Kettenpaaren und -konglomeraten zusammenhingen und oft von einem schwach- oder ungefärbten Hof umgeben waren. Die einzelnen Individuen ‘wiesen einen Durchmesser von 0:16—0'3u. auf. Auf festen Nährböden gewachsene Kulturen sollen diese Kettenbildung nicht zeigen. Diese beschriebenen Gebilde waren Gram-positiv. Auch andere Autoren haben derartige kleine runde Körperchen gesehen, auch in Berkefeldfiltraten von Emulsionen viru- lenten Markes und bei Anwendung der Dunkelfeldbeleuchtung oder der Löflerschen Geißelfärbung. Leiner und v. Wiesner aber konnten sich von der Richtigkeit und ätiologischen Bedeutung dieser Angaben nicht u Poliomyelitis acuta. : 1173 überzeugen. zumal sie ähnliche Gebilde auch in normalem Rückenmark festgestellt haben wollen. Es bedarf also noch eingehender Nach- prüfungen, bevor die Frage der Morphologie und Züchtung der Poliomyelitiserreger als endgültig gelöst angesehen werden kann. : Zu erwähnen sind hier noch die eigenartigen Einschlüsse, die Bonhof im Kern der Gliazellen fand, als er Rückenmarks- und Gehirn- schnitte von Leichen Poliomyelitiskranker nach der von Lentz modi- - fizierten Mannschen Methode (s. S. 1147) färbte. Es handelte sich um durchschnittlich 2 » im Durchmesser große, meist rundliche oder ei- förmige Gebilde mit hellerem Hof, die eine gewisse Ähnlichkeit mit den Negrischen Körperchen bei Lyssa aufwiesen. Walter beschrieb ähn- liche Einschlüsse in den Ganglienzellen. Weitere Bestätigungen dieser Befunde sind nicht bekannt geworden. Über die Resistenz des Poliomyelitisvirus haben die Prüfungen der infektiösen Filtrate ebenfalls schon einigen Aufschluß gegeben. Es wurde festgestellt, daß Temperaturen von 50—55° C in !/,—1 Stunde & die Infektiosität vernichten, daß aber Kälte das Virus nicht schädigt. Temperaturen von —10 bis —15° C sind sogar besonders geeignet zur - Konservierung und Virulenzerhaltung. Der Eintrocknung widersteht das Virus nach den Versuchen von Roemer und Joseph u. a. 20—30 Tage lang. Über die Wirkung chemischer Desinfektionsmittel liegen erst spärliche Untersuchungsergebnisse vor: Kaliumpermanganat tötete die - ebenso- 1proz. Wasserstoffsuperoxydlösung. Welche Erfahrungen lassen sich nun aus den Ergebnissen der ‚Affenversuche und den pathologisch-anatomischen Befunden für die Pathogenese der epidemischen Poliomyelitis des Menschen ableiten? - Wir müssen annehmen, daß die oberen Luftwege und vielleicht auch der Magendarmkanal die Eintrittspforte der Krankheitserreger bilden, und daß die letzteren von hier aus bei Personen, die für die Krankheit disponiert sind, hämatogen oder — wahrscheinlicher — auf dem Wege der die Nerven begleitenden Lymphgefäße in die weichen Häute des Rückenmarks vordringen. Die Bedeutung dieses Infektionsweges läßt sich im Affenexperiment in verschiedenster Weise zeigen: impft man das Virus in einen Extremitätennerv, so erkrankt das infizierte Glied meist - zuerst (Flexner und Lewis u.a.); bindet man nach der Infektion den betreffenden Nerven (z. B. den Nervus ischiadicus) proximal ab, so bleibt - die Erkrankung aus. Ist das Virus in das Rückenmark gelangt, so erfolgt die Infektion entweder direkt durch Übergreifen vom peripheren Nerven aus auf die vorderen Wurzeln und Vorderhornganglienzellen eder indirekt durch Vermittlung der Pia. Im Rückenmark verbreitet sich das Virus hauptsächlich durch die Lymphscheiden der Gefäße: 3 die Prädisposition der motorischen Ganglienzellen ist wohl auf seine besondere Affinität zu diesen zurückzuführen. Das Virus geht an die Zellen heran, schädigt sie, und bald darauf treten in der Umgebung Leukozyten (Neuronophagen) auf, die die lädierten Ganglienzellen an- nagen und zum Verschwinden bringen. Ein anderer Teil der Ganglien- zellen geht unter der Einwirkung schwerer interstitieller Veränderungen - sekundär zugrunde (Jochmann). Die gesunde Nasenschleimhaut scheint Einschlüsse. Resistenz des Virus. Poliomyelitiserreger in iproz. Lösung bei Istündiger Einwirkung ab, Patho- genese. 1174 62. Vorlesung. als Schutzorgan gegenüber der Poliomyelitisinfektion eine wichtige Rolle zu spielen. Wie nämlich Flexner und Amoss zeigen konnten, gelingt es bei Affen nur in einem kleinem Prozentsatz der Versuche, durch nasale Applikation des Virus eine Infektion zu bewirken. a Die Epidemiologie der Krankheit birgt einstweilen noch. che 2“ Rätsel in sich. Die schon von Wickman vertretene Auffassung, daß die infektiöse Poliomyelitis nur direkt oder indirekt von Person zu Person übertragen wird, ist durch die genauen epidemiologischen Ermittlungen der neueren Zeit nach mancher Richtung hin gestützt worden und wird heute wohl von der Mehrzahl der Forscher als richtig anerkannt. Namentlich in kleineren Epidemien auf dem Lande oder in kleinen Städten, wo sich die. Fäden zwischen den einzelnen Krankheits- fällen besser verfolgen lassen als in Großstädten, ist ein Zusammenhang der einzelnen, örtlich mitunter weit getrennten Erkrankungen oft sehr deutlich zu erkennen. Es erkranken in kurzer Zeit mehrere Kinder in einem Hause oder in Familien, die zwar getrennt wohnen, aber mit- einander in Verkehr stehen oder durch gemeinsame Lieferanten usw. indirekt zueinander in Beziehung kommen. Bei größerer Ausdehnung der Krankheitsfälle lassen sich solche Gruppenerkrankungen manchmal als getrennte Herde der weiteren Ausbreitung feststellen. Die Krankheit befällt dann in Städten meist bestimmte Straßen oder Bezirke, in den Provinzen nur einzelne Ortschaften, während andere, oft dicht benach- barte Orte verschont bleiben. Die Verkehrsbeziehungen spielen ,bei ‘ weiterem Umsichgreifen der Krankheit natürlich eine wichtige Rolle, lassen sich aber in der Regel nur in kleinen Verhältnissen an wi maßen sicher übersehen. Die epidemiologischen Erfahrungen machen es währscheiahek dab der Krankheitsstoff in der Regel nicht durch direkten Kontakt von einem kranken Kinde auf das andere übertragen wird — wenn dies i auch sicherlich vorkommen wird —, sondern häufiger durch gesunde Menschen (Erwachsene) als Zwischenträger. Wiederholt wurde mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgestellt, daß nach dem Besuch erwachsener Verwandter oder Bekannter, die sich vorüber- gehend in einer von Poliomyelitis befallenen Stadt aufgehalten hatten, die Krankheit bei Kindern einer Familie ausbrach,; in. deren Wohnort jahrzehntelang ähnliche Krankheitsfälle nicht‘ beobachtet waren. Nicht immer sind die ersten Fälle nach der Einschleppung des Infektions- stoffes typisch. Man wird oft erst dann den richtigen Zusammenhang erkennen, wenn man den früher beschriebenen atypischen und abortiven Fällen sorgfältig nachgeht. E. Müller fand bei der Epidemie in Hessen- Nassau die Morbidität bei der seßhaften, rein bäuerlichen Bevölkerung sehr gering, auffällig groß jedoch bei Gewerben, bei denen die Väter oder andere Familienangehörige entweder selbst in infizierte Gegenden kamen oder einen lebhaften Verkehr mit auswärtigen Personen in ihrem eigenen Hause hatten (Gastwirte, Kutscher, Schuhmacher, Landbrief- träger usw.). Es hat den Anschein, daß sich das Poliomyelitisvirus bei den gesunden Zwischenträgern ziemlich lange in infektionsfähigem Zu- stande erhält. Wahrscheinlich beherbergen sie es in ihrem Rachen- schleim und übertragen es gelegentlich auf empfängliche Individuen auf dem Wege der Tröpfcheninfektion. Daß die Schleimhäute der oberen re Ks a Fu a DEREN ART Poliomyelitis acuta. S 1175 | Luftwege, die wir. als mutmaßlich wichtigste Eintrittspforten des Virus ‚bezeichnet haben, auch als Ausscheidungsstätten der Erreger anzusehen sind, lehren die Versuche bei intrazerebral infizierten Affen, bei denen sich später der Rachenschleim als infektiös erwies. Wo plötzlich aufgetretene Epidemien auf die Einschleppung viru- lenten Infektionsstoffes aus Gegenden, in denen die Krankheit herrscht, nicht zurückgeführt werden können, bleibt nur die Annahme übrig, daß die Häufung der Krankheitsfälle von einem sporadischen Krank- heitsfall ausging, der wegen leichten Verlaufes unbeachtet blieb und bisher weitere Infektionen nicht verursachte. Über die Gründe, die in solchem Falle zu einem plötzlichen Seuchenausbruch führen, wissen wir vorläufig nichts. Es können Umstände sein, die entweder die Infek- tiosität des Virus erhöhen oder aber die Empfänglichkeit der Menschen steigern. Bei der epidemischen Genickstarre liegen die Verhältnisse ja ähnlich.: Wir können aber bei der epidemischen Kinderlähmung nicht wie dort die Häufigkeit katarrhalischer Erkrankungen für die Häufung der Krankheitsfälle verantwortlich machen, denn die Kinderlähmung tritt-in epidemischer Form nach unseren bisherigen Erfahrungen vorwiegend in den Sommer- und Herbstmonaten auf, nicht aber im Winter und im Frühjahr. Daß dte Krankheit auf anderem Wege als durch Kontakt übertragen wird, ist unwahrscheinlich. Man hat vielfach eine Übertragung durch Nahrungsmittel angenommen, aber strikte Beweise für diese Annahme nicht erbringen können. Gegen die Verbreitung durch Kuhmilch spricht, wie E. Müller mit Recht betont, - schon die Tatsache, daß häufig auch Brustkinder erkranken. Wo gehäufte Erkran- kungen in Familien auftraten, die eine gemeinsame Milchbezugsquelle haben, liegt der Gedanke ebenso nahe, die Person des Überbringers als Zwischenträger anzu- . sehen. Für die Möglichkeit einer Krankheitsübertragung durch Wasser liegen ebensowenig sichere Anhaltspunkte vor wie für die Bedeutung. tierischer -Zwischen- wirte. Daß Ungeziefer bier keine ätiologische Rolle spielt, geht schon daraus hervor, daß in städtischen Epidemien die Kinder der bestsituierten Familien ebenso erkranken wie die. der armen Bevölkerung. Die von den Gegnern der- Kontakt- infektion hervorgehobene Erfahrungstatsache, daß Krankenhausepidemien bisher kaum bekannt geworden sind, läßt sich vielleicht dadurch erklären, daß die Kinder in der Regel erst in einem späteren Krankheitsstadium in das Krankenhaus aufge- ‚ nommen werden, wo die Zeit der größten Infektiosität wahrscheinlich schon vorüber ‚ist. Die Bemühungen, Spontaninfektionen bei Affen zustande zu bringen, die mit kranken Tieren im gleichen Käfig gehalten wurden, sind übrigens auch vergeblich gewesen. Die großen Unterschiede, die sich in den Erscheinungen und im Verlauf bei den einzelnen Epidemien der Kinderlähmung zeigen und die viel auffälliger sind als bei den meisten anderen Infektionskrank- heiten, können wir uns noch nicht erklären. Die Verschiedenheit in den Vorläufererscheinungen . — hier Anginen und Bronchitiden, dort gastrointestinale Störungen — und in Art, Sitz und Häufigkeit der Lähmungen könnten im Verein mit den Ergebnissen der Affenversuche zu der Annahme führen, daß sie durch verschiedene Eintrittspforten der Erreger bedingt würden. Aber sichere Anhaltspunkte fehlen uns hier noch. Möglicherweise spielen Virulenz- und Qualitätsunterschiede des Virus eine bedeutungsvolle Rolle, vielleicht auch die Art von Misch- infektionen, die wir. noch nicht übersehen können. Die Morbidität ist bei den einzelnen Epidemien ebenso ver- schieden wie die Mortalität. Während z. B. in der Epidemie in Hessen- Nassau nach E. Müller nur 0'005 Proz. der Bevölkerung befallen wurden, 1176 62. Vorlesung. sah Wickman in einem schwedischen Ort etwa 10°/, der Einwohner erkranken. Die Sterblichkeit schwankte bei den Epidemien in Deutsch- land und Österreich bei den mit Lähmung einhergehenden Fällen zwi- schen etwa 11 und 16°/,. Wickman stellte jedoch in einem beschränkten Krankheitsherd bei besonders bösartigem Verlauf eine Mortalität von 42:3°/, fest. Bei Erwachsenen nimmt die Poliomyelitis viel häufiger einen tödlichen Verlauf als bei Kindern. Diagnose. Die Diagnose der Krankheit ist zu Epidemiezeiten nicht schwer zu stellen, wenn es sich um Lähmungsfälle oder um typische Vorläufer- erscheinungen in der Umgebung solcher handelt. Bei Fällen mit aus- gesprochen meningitischen Symptomen wird die Differentialdiagnose gegen epidemische Genickstarre durch das Ergebnis der Lumbalpunktion geklärt werden. Diese ergibt bei Zerebrospinalmeningitis einen trüben Liquor mit zahlreichen Leukozyten und Meningokokken, bei Kinder- ' lähmung einen klaren Liquor mit spärlichen Lymphozyten. Bei Ver- dacht auf tuberkulöse Meningitis, bei der ein fast gleicher Liquorbefund vorliegt, wird nach Tuberkelbazillen zu fahnden sein. Daß das Affenexperiment bei der Feststellung unklarer Krank- heitsfälle, namentlich abortiver und sporadischer Erkrankungen, ausge- zeichnete Dienste leisten kann, steht fest. Leider ist es aber nur in seltenen Fällen anwendbar. Es steht jedoch zu hoffen, daß der ätio- logischen Diagnose mit dem Fortschreiten der Forschung auch bei dieser Krankheit immer weitere Aussichten eröffnet werden. Immunität. Bei Affen, die eine experimentell erzeugte Poliomyelitis überstan- den haben, bildet sich eine langdauernde Immunität aus. Es gelingt später selbst mit großen Dosen hochvirulenten Materials nicht, solche Tiere von neuem zu infizieren. Man ist demnach wohl zu der Annahme berechtigt, daß auch beim Menschen das Überstehen der Krankheit einen wirksamen Schutz verleiht. Direkte Beweise hierfür aus der Praxis liegen alterdings bei der relativen Seltenheit der Kinderlähmung bisher nicht vor. Die Immunität ist auf spezifische Antikörper zurückzuführen, die das Virus zu paralysieren imstande sind. Wenn man eine beim Kontrolltier hochpathogene Gehirnemulsion mit dem Serum eines Immun- affen vermischt und die Mischung nach längerem Kontakt einem ge- sunden Affen intrazerebral einspritzt, erkrankt dieses Tier nicht. Diese Tatsache wurde übereinstimmend von Roemer, Landsteiner und Levaditi, Leiner und v. Wiesner, Flexner und Lewis festgestellt. Serum nor- maler Affen und ebenso Serum von Tieren, die für die Poliomyelitis- infektion unempfänglich sind, übt die gleiche Wirkung nicht aus. Es ist also bewiesen, daß die erworbene Immunität dem Serum jene spe- zifische Eigenschaft verleiht. Es gelingt auch, Affen aktiv zu immunisieren durch Einspritzung von virulentem Mark, das vorher vorsichtig getrocknet (Landsteiner und Zevaditi) oder durch Erhitzung oder durch chemische Mittel abge- tötet ist. Ferner ist auch eine Simultanimpfung mit Immunserum und vollvirulentem Mark wirksam. ee Für die Poliomyelitis des Menschen werden sich die bei der Im- z munisierung von Affen gewonnenen Erfahrungen vielleicht auch ver- werten lassen. Zunächst liegt der Gedanke nahe, die Immunkörper la Zu u A | 4 en cn Zr Fee Re king - un a DE en 75 nn nn a Ben 223 Poliomyelitis acuta. d 1177 _ des Rekonvaleszentenblutes zu einer Serumdiagnose heranzuziehen. Wenn das Serum eines Kindes, das gelegentlich einer Poliomyelitis- epidemie in atypischer, aber verdächtiger Weise erkrankt war, mit der -Rückenmarksemulsion eines an der Krankheit verendeten Affen ver- mischt, diese Markaufschwemmung ihrer Infektiosität beraubt, kann mit Sicherheit geschlossen werden, daß die Krankheit des Kindes der epidemischen Kinderlähmung zuzurechnen ist. Zur Klärung mancher klinischen und epidemiologischen Streitfragen können solche Unter- suchungen mit Vorteil herangezogen werden, für die praktische Diagnostik sind sie aber einstweilen nicht von großer Bedeutung, weil. diese Versuche sehr kostspielig und umständlich sind, ein virulentes Krankheitsmaterial von Affen erfordern, und weil zudem die Antikörper im”Blute des Kranken erst ziemlich spät — einige Wochen nach der Infektion — auftreten und somit eine Frühdiagnose, die besonders wünschenswert wäre, nicht ermöglichen. -Ob sich in analoger Weise wie bei der Lyssa eine Schutzimpfung für bedrohte Menschen durch -planmäßige Vorbehandlung mit zunächst abgeschwächter und später allmählich virulenterer Markaufschwemmung infizierter Tiere erreichen läßt, mag dahingestellt bleiben. Die Mög- lichkeit, ein solches Verfahren zu finden, muß theoretisch zugegeben werden. In der Praxis liegen hier die Dinge aber deshalb für die Polio- myelitis viel ungünstiger wie für die Tollwut, weil die Inkubationszeit der ersteren wesentlich kürzer ist und deshalb zur Erzielung einer sicher wirksamen aktiven Immunität nicht die gleiche Zeit zur Ver- - fügung steht, wie während der langen Inkubationsdauer der Lyssa. Zudem ist die Zeit der wahrscheinlichen Infektion bei der Lyssa meist sicher festzustellen. Bei der Kinderlähmung könnte man zu einer ‚solchen, in ihren praktischen Erfolgen noch nicht erprobten Schutz- impfung nur beim Umsichgreifen einer Epidemie bei besonders ge- fährdeten Altersklassen greifen. aber niemals sicher sein, ob man nicht zu spät kommt. Eine wirksame Serumtherapie der Poliomyelitis gibt es bisher nicht. Die Versuche der Verwendung des Serums aktiv immunisierter Affen haben ebensowenig günstige Erfolge gezeitigt wie die Einspritzung menschlichen Rekonvaleszentenserums. Es hat den Anschein, als ob die Immunsubstanzen in zu geringer Konzentration in dem Serum enthalten sind, um die Krankheit beeinflussen zu können. Auch chemothera- peutische Mittel, die zuverlässig sind, kennen wir bisher nicht. Die Bekämpfung und Verhütung der epidemischen Poliomyelitis würde wesentlich erleichtert werden, wenn die Krankheit dauernd unter die meldepflichtigen Infektionen aufgenommen würde (E. Müller). Jetzt wird die Anzeigepflicht nur in den einzelnen Provinzen angeordnet, wenn die Gefahr einer größeren Epidemie droht. Es würden auf diese Weise vielleicht die sporadischen Fälle vollzähliger als jetzt zur Kenntnis der Medizinalbehörden kommen, und die Ärzte würden überhaupt mehr auf diese so folgenschwere Infektionskrankheit hingewiesen werden. Alle Kranken sind unbedingt abzusondern, so lange sie Fieber haben. Ihre Entleerungen, namentlich auch das Sputum, sind fortlaufend zu desinfizieren, ebenso Bett- und Leibwäsche, besonders Taschen- - tücher. Am Schluß der Krankheit oder bei der Überführung der Patienten Schutz- impfung und Serum- therapie. Be- kämpfung- 1178 62. FOERBRNR: Poliomyelitis acuta. in. das Krankenhaus ist die Wohnung ebenso zu desinfizieren, wie bei Tuberkulose, Genickstarre usw. | Die Umgebung der Kranken soll durch sorgsame Mundpflege, namentlich durch Gurgeln mit Wasserstoffsuperoxyd-, Kaliumperman- ganat- oder Menthollösungen oder dgl. die Ansiedlung der Krankheits- erreger nach Möglichkeit zu verhüten suchen. Geschwister und Ange- hörige von Poliomyelitiskranken sollten sich zum mindesten so lange vom Verkehr mit anderen Kindern und jugendlichen Personen zurück-- ziehen (Schulbesuch, Kirchgang usw.), als sie im Inkubationsstadium sein könnten. Literatur. Landsteiner, Poliomyelitis acuta. Handb. d. pathog. Mikroorganismen, 2. Aufl., Bd. 8, 1913: Heine, Beobachtungen über Lähmungszustände der ünteren Extremitäten und ‚deren Behandlung. Stuttgart 1840. — "Spinale Kinderlähmung (2. Aufl.), 1860. 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Jahrhundert auch nach Deutschland. Überall, wo die Pocken auftraten, wurden sie zur Pandemie und forderten enorme Opfer. In Deutschland erreichten sie den Höhepunkt ihrer Ausbreitung im 18. Jahrhundert. Die Krankheit war damals so weit verbreitet, daß fast kein Kind das 10. Lebensjahr erreichte, ohne die Pocken durchgemacht zu haben (Gins). Gegen Ende des 18. Jahr- hunderts waren in Preußen jährlich etwa 40000, im ganzen Reiche 70000 Todes- = fälle an Blattern zu verzeichnen. Als die Pocken von den Spaniern unter Cortez im 16. Jahrhundert nach Mexiko, wo sie bis dahin unbekannt waren, verschleppt ' wurden, kam es durch sie zu einem Aussterben der Bevölkerung in manchen Landes- strichen. Mehr als 3'/, Millionen Menschen aller Altersklassen sollen glaubwürdigen Nachrichten zufolge damals von der Seuche dahingerafft worden sein. Derartige = ‘ Verheerungen sind bei den Pocken beim ersten Auftreten in einem Lande nichts seltenes. _ Heutzutage haben wir die Blattern infolge der wirksamen Schutz- impfungsmethode, die wir Edward Jenner verdanken, als Seuche in - Deutschland und in allen Ländern, in denen der Impfzwang eingeführt - ist, nicht mehr zu fürchten. Es kommt zwar häufig noch zu Ein- _ schleppungen .des Virus nach Deutschland aus benachbarten Ländern, _ aber epidemische Ausbreitungen sind dank dem deutschen Reichsimpf- gesetz nicht mehr möglich. Trotzdem ist das Studium der Pocken für | - den Arzt eines der interessantesten und wichtigsten Kapitel. Denn bei dieser Krankheit sind grundlegende Tatsachen über die künstliche Immunität und Schutzimpfung sowie über die Spezifizität der Infektion gewonnen worden, durch welche die späteren Arbeiten von Pasteur und Koch auf dem Immunisierungsgebiete angebahnt wurden. ‚Die Blattern sind eine Krankheit, für die alle Menschen in hohem - Grade empfänglich sind. Die schwarzen Rassen weisen für sie eine _ noch höhere Disposition auf als die weißen. Experimentell lassen sich _ mit dem in den Pockenpusteln enthaltenen Virus Rinder, Pferde, Esel, _ Kaninchen und einige Affenarten infizieren. Spontan kommen Pocken- ausschläge, die in ihrem Aussehen der menschlichen Variola in hohem Geschicht- liches. Empfäng- lichkeit der Menschen und Tiere. Kuhpocken. 1180 63. Vorlesung. Grade ähnlich sind, bei Kühen (Cow-pox) und bei Pferden (Horse-pox) vor. Weiterhin gibt es pockenähnliche Erkrankungen bei Schweinen, Ziegen und Schafen. Die Pocken aller dieser Tierarten sind, wenn auch ihre gegenseitigen Beziehungen noch nicht völlig geklärt sind, unter- einander anscheinend ätiologisch nahe verwandt. G@ins nimmt auf Grund . experimenteller Untersuchungen an, daß sie alle ursprünglich von der weitest verbreiteten Pockenart, den Menschenpocken, abstammen. Er konnte durch mehrere Passagen über die Kaninchenhaut echte Menschen- pocken, Schweine-, Ziegen- und Schafpocken in Kuhpocken umzüchten. Die beim Geflügel vorkommenden pockenähnlichen Erkrankungen haben mit den eben erwähnten Pocken nichts zu tun; wir werden sie in einer späteren Vorlesung besprechen. Besonders bedeutungsvoll für die Erforschung der menschlichen Pockenerkrankung wurde das nähere Studium der Kuhpocken (Variola vaccina). Jenner zeigte, daß nicht nur die Übertragung des Virus auf den Menschen (Taf. 96) gelingt, sondern daß es auch möglich ist, den Menschen durch Einverleibung des Kuhpockenkontagiums gegen das Virus der Variola humana wirksam zu immuni- sieren. Umgekehrt lassen sich mit menschlichem Pockenvirus unter . geeigneten Maßnahmen bei Rindern Pocken erzeugen, die schon nach Variola. Krankheits- bild. einer einzigen, höchstens aber nach zwei Passagen durch den Körper des Rindes so verändert werden, daß sie bei Rückübertragung auf den Menschen nicht Pocken, sondern Vakzinepusteln hervorrufen und diesen Charakter dauernd beibehalten. Es werden daher die Kuhpocken heute von vielen Autoren nicht als eine selbständige Krankheit, sondern als Abkömmlinge der menschlichen Pocken aufgefaßt. ' Das gleiche gilt wohl von den relativ selten beobachteten pockenähnlichen Erkrankungen der Pferde, die den Kuhpocken ätiologisch anscheinend nahe ver- wandt, wenn nicht identisch sind. Jedenfalls ergibt die Impfung mit Variolavirus und Kuhpockenvirus bei Pferden ein den natürlichen Pferdepocken durchaus ähn- liches Krankheitsbild, und bei der Rückimpfung auf das Rind entstehen wieder „Kuhpocken“. Auf den Menschen übertragen, verleiht die Pferdepoekenlymphe einen ähnlich wirksamen Schutz gegen die Blattern wie die Vakzine.; Durch die Übertragung auf den Körper des Rindes erfährt also das Pockenvirus eine derartige Abschwächung seiner Virulenz, daß es unmittelbar nur eine leichte Erkrankung beim Menschen auslöst, nichts- destoweniger aber einen langdauernden Schutz gegen die Infektion mit hochvirulentem Virus der Variola humana verleiht. | Diese jetzt endgültig geklärte Frage hat lange Zeit zu erbitterten wissen- schaftlichen Kämpfen geführt. Trotz der erfolgreichen Übertragung der mensch- lichen Variola auf Kühe, die zuerst dem bayrischen Arzt Gassner in Günzburg gelang und später von Neumann in Utrecht, Billing in Stockholm, Mac Phail in ° Baltimore und vielen anderen Autoren gleichfalls ausgeführt wurde, und obwohl überall die so gewonnene Variola-Vakzine mit Erfolg zur Impfung von Kindern be- nutzt worden war, gab es viele Ärzte, die an der Artverschiedenheit der Menschen- und Kuhpocken festhielten. In Frankreich sind auch heute noch zahlreiche Autoren Anhänger dieser dualistischen Auffassung. Wenn wir in aller Kürze das klinische Bild der Variola skiz- zieren, so unterscheidet man je nach dem Verlaufe der Krankheit schwere Pocken, Variola vera genannt, und leichte Fälle, die als Variolois bezeichnet werden. FR BT Spontane Infektion mit „ w pox“ an der Hand. _ Spontane Infektion mit „Co “ an der Hand = x > Die erste Impfung mit humanisierter „Cow pox“. dem Originalwerke von Jenner: An Inquiry into the causes and effects of the Variolae vaceinae etc. von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. x 2 BR RL ZA = AR RE N Be; Er Tafel 97. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. BRRRIANN . anio (usgroyyueayynerf Jop sejIy sIgoynf suy) "BIoA Pole‘ m Won Danltin u Gab wasenaen han nn Er RETTEN = aa er a dig ee Pockch. . = t181 Die Krankheit beginnt nach einem meist 10—l5tägigen, in schweren Fällen wohl auch kürzeren Inkubationsstadium, das, ab- gesehen von allgemeinem Unwohlsein, Kopf- und Kreuzschmerzen, meist keine charakteristischen Erscheinungen bietet. Es folgt sodann das Stadium der Prodrome, das in der Regel mit einem Schüttelfrost einsetzt. Die Patienten haben ein ausgesprochenes Krankheitsgefühl, . ziehende Schmerzen in den Gliedern und sind oft leicht henommen. Sehr häufig, in manchen Epidemien fast regelmäßig, tritt um diese Zeit unter Fieberausbruch ein Exanthem auf, das den bei Masern oder Scharlach vorkommenden Ausschlägen ähnlich ist und seinen Sitz -namentlich am Unterbauch, an der Innenseite der Oberschenkel, am Rücken und an den Seitenflächen des Thorax hat. Am 3. oder 4. Krank- heitstage kommt es dann, nachdem das Initialexanthem abgeblaßt ist; zum Ausbruch der eigentlichen Pockenpusteln. Auf einzelnen roten Flecken bilden sich anfangs Knötchen, dann Bläschen, die in der - Mitte eine Delle aufweisen und zunächst mit einer wasserklaren, später - - allmählich eitrige Beschaffenheit annehmenden Flüssigkeit gefüllt sind (Taf. 97). Die Blasen, die den Höhepunkt ihrer Entwicklung etwa am 9. Krankheitstage erreichen, bilden nicht einen einzigen Hohlraum, sondern sind durch feine Bälkchen in verschiedene Kammern geteilt. Beim Anstechen fällt die Blase daher nicht völlig zusammen. Wenn der Inhalt vereitert ist, kapselt sich die Pustel ab und es kommt zur Schorfbildung. Nach Abstoßung des Schorfes bleibt eine tiefliegende Narbe zurück. Das Initialstadium geht mit meist sehr schweren Krankheits- erscheinungen, Schüttelfrost und Fieber bis zu 40 oder 41° C, äußerst - intensiven Kreuz- und Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen, Delirien, eft.auch mit Krämpfen einher. Mit dem Beginn des Eruptionssta- - diums lassen diese Symptome gewöhnlich etwas nach, das Fieber geht - bis auf etwa 38° herunter. Nachdem aber die Pusteln völlig ausge- - bildet sind, tritt wieder eine wesentliche Verschlimmerung des Krank- - heitsbildes ein infolge einer Entzündung der die Pusteln“ umgebenden - Haut oder Schleimhaut, die für die Kranken äußerst schmerzhaft ist. - Dieses sekundäre, durch eingedrungene Bakterien (Staphylokokken und - namentlich Streptokokken) bedingte Fieber wird auch als „Eiterfieber“ = bezeichnet. Es ist häufig der Ausdruck einer septischen, von den = ausgegangenen Allgemeininfektion, der die Patienten schließlich _ erliegen. =: Die Pusteln entwickeln sich besonders dicht im Gesicht (Taf. 98, = Fig. 1) und an den Händen; die Stellen, die vom Initialexanthem be- _ fallen waren, sind meist nur in geringem Grade mit Pusteln bedeckt. j| Aber nicht nur die äußere Haut ist der Sitz der Blasen, sondern auch die Schleimhaut des Mundes, des Rachens, des Kehlkopfes, der Trachea _ und des Ösophagus, ferner auch die des äußeren Gehörganges, der Tuba Eustachii und der Urethra. Nicht selten wird auch die Kon- _ jünktiva und Kornea befallen. S Bei günstigem Ausgang der Infektion fällt das Fieber etwa vom - 12. Tage an Iytisch ab, während die allgemeinen Erscheinungen all- mählich geringer werden und die Eintrocknung der Pusteln und die Schorfabstoßung ihren Fortgang nehmen. In den schweren Fällen tritt _ unter hohem Anstieg des Fiebers und bedrohlichen Allgemeinsymptomen 5 Kolleund Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 76 Variolois. Kompli- kationen. ‘die Variolainfektion, wie schon erwähnt, eine sehr leicht und atypisch : ‘das Vorhandensein eines gewissen Schutzes annehmen kann. Zweifel- . Kindern etwa 30°/,. 1182 = 63. Vorlesung. der Tod ein. In diesen Fällen bieten meist auch die Pusteln ein. be- sonderes Aussehen dar. Sie bleiben’ nicht isoliert, wie bei den leichten : und mittelschweren Fällen, sondern konfluieren (Variolae confluen- tes), oder es erfolgen Blutungen in das Innere der Knötchen (Variolae haemorrhagicae, schwarze Pocken). Bei besonders schwerer Infektion. kommt es mitunter überhaupt nicht zum Ausbruch von Pusteln; es werden dann nur Blutungen in die Haut und die Schleimhäute beob- achtet, und der Tod erfolgt bereits in den ersten Krankheitstagen. Diese Form der Variola hat man auch Purpura variolosa genannt. Außer dem bisher besprochenen typischen Krankheitsbilde kann verlaufende Erkrankung zur Folge haben, die man. allgemein als Variolois bezeichnet. Ob es sich hier immer um eine besondere -indi- viduelle Widerstandsfähigkeit des Organismus gegen das Pockengift handelt oder um eine geringe Virulenz des letzteren, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Als feststehend muß aber die Erfahrung gelten, daß an solchen rudimentären Formen der Pocken vorwiegend Personen erkranken, die sich schon, wenn auch vor langer Zeit, der Schutzpockenimpfung unterzogen haben, bei denen man also noch los ist aber eine derartige künstlich erworbene Resistenz gegen das Virus nicht die einzige Ursache für den leichten Verlauf solcher Fälle.‘ Es hat auch vor Einführung der Impfung nach den Schilderungen alter Pockenepidemien stets neben ausgesprochenen und schweren Erkran- kungen solche leichte Fälle gegeben, und bei anderen Infektionen finden wir ja bekanntlich ein analoges Verhalten. Die Variolois zeigt bei den einzelnen Fällen einen durchaus verschiedenen Verlauf. Die Perioden der Krankheit kann man meist nicht so deutlich voneinander abgrenzen, wie dies bei Variola vera der Fall ist. Einzelne Erscheinungen treten entweder gar nicht auf oder sind nur rudimentär vorhanden. Namentlich gilt dies von dem eigentlichen Pockenexanthem, das sich hier nur in geringer Ausdehnung zu entwickeln und, bevor es zur Bi ldung charakteristischer Bläschen kommt, schnell zurückzubilden pflegt. Oft lassen sich nur wenige unvollkommene und bald zur Ver- schorfung führende Pusteln im Gesicht oder auf dem Kopfe nachweisen. Die anfangs unter Umständen sehr hohe Körpertemperatur geht nach dem Erscheinen des Aus- schfages zurück und bleibt dann meist dauernd normal. Zu einem eigentlichen Eiter- fieber kommt es nicht; auch bleiben, da die Eiterung nicht in die-Tiefe geht, keme auffallenden Narben zurück. Das Pockenexanthem kann bei den leichten atypischen Fällen auch vollständig fehlen. In analoger Weise, wie bei den ohne Ausschlag- bildung verlaufenden Fällen anderer akuter Exantheme CRRRMORHN Scharlach), spriehg 3 man daun von Variola sine exanthemate. 2 Die Sterblichkeit an Pocken ist je nach der Form der Erkran- 3 kungen in den einzelnen Epidemien sehr verschieden. Am Ende des 18. Jahrhunderts betrug die Mortalität bei Er 2100 bei Über die Eintrittspforte des Pockenvirus wissen wir bis jetzt nichts Sicheres, jedoch sprechen viele klinische Beobachtungen ° dafür, daß die Aufnahme der Keime von den Schleimhäuten des Re- spirationstraktus oder von der Rachenhöhle aus erfolgt. ; Als Komplikationen der Pocken treten zumeist Entzündungen der Luftwege in Erscheinung, schwere Bronchitiden, Pneumonien, manchmal mit Pleuritiden vergesellschaftet, ferner Gelenkentzündungen, Nephritis, Endo- und Perikarditis, Parotitis, Orchitis, schwerste Darmkatarrhe usw. Pocken. I - 1183 An die lokalen Veränderungen der Haut und der Schleimhäute schließen sich oft Geschwürsbildungen an, die je nach ihrer Lage zu Hautgangrän, | Otitis purulenta, Keratitis usw. führen können. Bei graviden Frauen tritt meist eine vorzeitige Unterbrechung der Schwangerschaft ein. Die stoßenen Früchte zeigen häufig sehr starke Blattern, ein Beweis dafür, daß das Pockenvirus die Plazenta. passiert. Nicht selten bleiben nach schweren Blattern Geisteskrankheiten, Seh- und Hörstörungen, "mitunter auch Lähmungen zurück. Auch äußerlich bleiben die „Geblat- terten“ für Lebenszeit gekennzeichnet. Die Obduktionsbefunde bei den Leichen Pockenkranker sind naturgemäß je nach dem Krankheitsstadium, in dem der Tod erfolgte, sehr verschieden. Die bereits geschilderten Veränderungen der Haut und der Schleimhäute sind die wesentlichsten Befunde. Die histologische Untersuchung (Taf. 99, Fig.1 u.2). der Effloreszenzen läßt nach Weigerts Angaben erkennen, daß eine durch das Variolavirus hervorgerufene Köagulationsnekrose in den tieferen Epidermisschichten die Ursache der Pustelbildung ist. Weigert nimmt an, daß um diese Nekroseherde sich sekundär eine entzündliche Schwellung der benachbarten Gewebsteile bildet. Die Ergußbildung zwischen den nekrotischen Zellen ist mikroskopisch sehon nachweisbar, ehe es zu einer bläschen- förmigen Abhebung der oberen Epidermisschichten kommt. Wenn letzteres infolge der allmählichen Vermehrung der lymphatischen Flüssigkeit eingetreten ist, wird durch Zellstränge, die sich in dem Nekroseherd erhalten, eine Verbindung zwischen der Unterläge und der Decke der Blase geschaffen. Die Einsenkung in der Mitte des Pockenbläschens kommt wohl hauptsächlich durch die Zugwirkung zustande, die diese Zellstränge bei der weiteren Entwicklung der Effloreszenz ausüben. Der ‚Entzündungsprozeß geht in den peripherischen Teilen noch weiter, wenn im Zentrum ' bereits ein gewisser Stillstand eingetreten ist. Die Zellstränge, die wohl mehr mem- branartig sind, sind auch der Grund dafür, daß das Bläschen im Innern aus mehreren Kammern besteht. Durch Einschmelzung der Zwischenwände im weiteren ‚ Verlauf des Prozesses wird das Bläschen später manchmal einkammerig. Die Trü- bung des anfangs rein serösen Inhaltes der Bläschen kommt durch allmähliche Ein- wanderung von en zustande. Die eitrige Einschmelzung ist im wesentlichen auf die Wirkungen der sekundär von der Hautoberfläche- einwandernden Staphylo- kokken und Streptokokken zurückzuführen. Wird bei der Eiterung auch der Papillar- körper in größerer Ausdehnung zerstört, so kommt es nach Abstoßung des Schorfes zur Bildung tiefer Narben. Bei Variola 'baemorrhagica sind Blutungen in das Innere des Bläschens nachweisbar. Die Purpura variolosa entsteht durch Auswanderung (Diapedese) der Erythrozyten durch .die Wände der feinsten Blutgefäße in den durch das Variolavirus affizierten Hautgebieten. Eine Zerreißung der Gefäße findet nicht statt. Die Schleimhauteffloreszenzen bieten mutatis mutandis histologisch das gleiche Entstehungsbild wie die Blasen der Haut. Für Varizellen sind. bei frühzeitiger Untersuchung die Riesenzellen besonders charakteristisch, die oft den ganzen Boden des Bläschens bilden. - Abgesehen von den soeben kurz skizzierten pathologisch-anatomi- schen Veränderungen an Haut und Schleimhäuten sind bei unkompli- zierten, frühzeitig zum Tode führenden Pockenfällen charakteristische - Öbduktionsbefunde nicht zu erheben. An den Nieren sind im mikro- 3 skopischen Bilde Veränderungen, die als exsudativ-interstitielle, herd- förmige Nephritis anzusprechen sind, besonders in der Markzone nach- weisbar. Die Milz pflegt in mehr oder minder erheblichem Grade ge- schwollen zu sein, ist aber nicht zerreißlich wie bei Sepsis. Bei den hämorrhagischen Formen findet man oft auch größere oder kleinere 3 Blutungen auf sonst nicht affizierten Schieimhäuten, auf den serösen - Häuten und im Subkutangewebe; bei der Purpura variolosa fehlen auch nicht Blutungen in der Skelettmuskulatur, im Knochenmark, an der Dickdarmschleimhaut, an den Genitalschleimhäuten, ganz wie bei schwerer 76* Obduktions- befunde. 1184 63. Vorlesung. hämorrhagischer Diathese. Sobald es zu einer ausgedehnten Vereiterung der Haut- und Schleimhautblasen gekommen ist, lassen sich auch in den Drüsen, unter Umständen auch in den inneren Organen Verände- rungen nachweisen, die man sonst nach pyämischen Prozessen gewöhn- lich findet. Parenchymatöse Degeneration der Nieren, der Leber usw. werden bei Personen, die in späteren Stadien der Krankheit erlagen, nur selten vermißt. Daß durch die mannigfachen Komplikationen und Folgezustände der Pocken auch das Sektionsergebnis wesentlich beein- | flußt wird, bedarf nicht der Erwähnung; als für Variola charakteristisch | können die durch sie bedingten Befunde nicht gelten. BEN. | Differential- er Die klinische Differenzierung der Pocken von en mit ähnlichen Exanthemen, namentlich Windpocken, ist unter Umstän- den schwierig, namentlich wenn es sich um Variolois bei Geimpften oder Revakzinierten handelt. Gerade diese Fälle haben aber große medizinalpolizeiliche Bedeutung. Man hat daher nach exakten und schnell arbeitenden Methoden der Pockendiagnostik gesucht. Paul hat dazu die Korneaimpfung der Kaninchen gewählt. Er verfolgte die Beob- achtung von Hückel weiter, daß sich der mit Vakzine infizierte Teil der Kaninchenkornea nach Einlegen in Sublimatalkohol schneller trübt als der normale, und fand, dal die geimpfte Hornhaut eigenartige und charakteristische Veränderungen aufweist, die bei Verimpfung von Varizellenpustelinhalt nicht entstehen. Dieses Verfahren, das ohne Heranziehen mikroskopischer Methoden: die Pockendiagnostik mit Hilfe des Tierversuches ermöglicht, ist von Gins in ausgedehntem Maße auf Zuverlässigkeit und Brauchbarkeit für die medizinalpolizeilichen Zwecke geprüft worden. Gins konnte bei Untersuchung des großen Materials, das dem Berliner Institut für Infektionskrankheiten zur Verfügung stand, feststellen, daß die Paulsche Methode, wenn der Versuch an der Kornea positive, typische Resultate ergibt, für Pocken beweisend ist, bei negativem Aus- fall aber die klinische Diagnose und der Verdacht auf Pocken nicht erschüttert werden darf. Ungermann und Zuelzer sahen bei sicheren Pockenfällen in 82°/, positive, bei andersartigen Erkrankungen aber fast durchweg negative Resultate. Die Methode von Paul stellt also, wenn sie auch nicht in absolut zuverlässiger Weise die Differenzierung aller verdächtigen Erkrankungen ermöglicht, einen wesentlichen Fort- ; schritt dar. E ‘Die Technik des Versuches und sein Verlauf gestalten sich folgendermaßen R 4 Der Inhalt der verdächtigen Pusteln wird in dieker Schicht auf einem ge- reinigten Objektträger ausgestrichen und nach dem Antrocknen unfixiert zur Unter- suchungsstelle eingesandt. Hier wird das angetrocknete Sekret mit einigen Tropfen 50proz. Glyzerins aufgenommen und die Lösung auf die Kornea eines Kaninchens aufgetragen, auf der vorher mit einer dünnen und scharfen Stahlnadel ein Gitter- werk von Kratzern angelegt war. Bei richtiger Ausführung sind die traumatischen Erscheinungen in der Regel nach 24 Stunden verschwunden. Wenn es sich um Pocken handelt, werden bei achtfacher Lupenvergrößerung nach etwa 48 Stunden ° bei klar bleibender Kornea an und zwischen den Kratzernarben kleinste, spitze Erhebungen von etwa 1 mm Durchmesser sichtbar. Wenn das Auge herausgenomm und in Sublimatalkohol eingelegt wird, entstehen nach 2—5 Minuten runde, milch- weiße Trübungen von '/,—2 mm Durchmesser, die den Ansiedlungsstellen ii hin 4 virus entsprechen (Taf. 98, Fig. 2). 7 Pocken. . z 1185 Ungermann und Zuelzer haben diese makroskopische Methode von Paul durch folgendes mikroskopisches Verfahren ergänzt, das die gleichen Resultate ergibt und auch zum Nachweis der Guarnierischen Körperchen sehr geeignet ist. ° Vor der Entnahme des Materials wird das kokainisierte Kaninchenauge, nach- dem es aus der Orbita herausluxiert ist, mit Kochsalzlösung gut abgespritzt, um Eiterzellen, die den Epithelzellen anzuhaften pflegen, zu entfernen. Dann werden unter Lupenkontrolle mit einem kleinen stumpfen Skalpell mit scharfer, aber stumpf- winklig geschliffener Schneide unter mäßigem Druck kleine und größere Epithel- fetzen abgeschabt, auf einem dem Auge fest angelegten Spatel gesammelt und, wenn‘ eine genügende Menge beisammen ist, zur weiteren Präparation in einem Tropfen physiologischer Kochsalzlösung auf Objektträgern verteilt. Die Kochsalz- sung, in der die Epithelgewebestückchen eingebracht werden, wird mit einer Kap ipette oder Fließpapier abgesogen und ein- oder mehrmals erneuert, um den Schleim zu entfernen, der das Bild der Zellen bei der Färbung trüben würde. Die Kochsalzlösung wird schließlich mit Filtrierpapier möglichst vollständig ent- ‚fernt, jedoch ohne daß das Präparat dabei trocken werden darf. Nun wird ein Tröpfchen Farbe auf die Gewebsstückchen gebracht und diese darin möglichst fein zerzupft. Als Farblösungen erwiesen sich als am besten geeignet frisch hergestellte Gemische von 1 cem Iproz. wässeriger Methylenblaulösung mit 6 ccm physiologischer Kochsalzlösung oder eine Mischung von 1'5cem einer '/,proz. Brillantecht-Kresyl- -blaulösung und 5ccm physiologischer Kochsalzlösung. Von besonderer Wichtigkeit ist die möglichst feine und gleichmäßige Ver- teilung der Epithelzellen in der Farblösung. Unterbleibt sie, so ist das Bild, obwohl eine Überfärbung nur schwer eintritt, infolge einander überschneidender und ver- deekender Zell- und Kernumrisse unklar. Die Zerteilung der Gewebsfetzen wird am sichersten unter der Präparierlupe mit feinen Präpariernadeln erzielt. Je kleinere ° Fetzchen bei der Präparation entstehen, um so- bessere Bilder ergeben die Präparate, weil sich kleine Zellgruppen schneller und gleichmäßiger mit der Farblösung durch- tränken und die morphologischen Einzelheiten des Kerns, des Plasmas und der Einschlüsse besser erkennen lassen. Es ist zweckmäßig, das Zerzupfen des Materials in ziemlich wenig Farblösung auszuführen, sodaß die Epithelstückchen nur eben ‚ gut damit befeuchtet sind. Da aber eine Eintrocknung der Zellen durchaus ver- mieden werden muß, läßt man von Zeit zu Zeit aus einer feinen Kapillarpipette etwas Farbe nachfließen. Gibt man zu viel Flüssigkeit auf die Zellen, so schwimmen ‘die Epithelstücke und können von der Präpariernadel nur schwer gefaßt werden. Sind die Epithelfetzen genügend verteilt und glatt ausgebreitet, so wird das Prä- parat mit einer größeren Menge der Farbflüssigkeit beschickt und in einer feuchten - Kammer bis zur genügenden Durchfärbung aufgehoben, was etwa 30 Minuten nach dem ersten Auftropfen der Farbe erfolgt zu sein pflegt. 3 Dann wird auf das von der Farblösung noch bedeckte Präparat ein Deckglas ‚vorsichtig mit der Pinzette aufgelegt, damit die Epithelstückchen möglichst aus- Bier liegen bleiben und das ganze Präparat schließlich mit Vaseline umrandet. Jie Herstellungsdauer eines Präparates beläuft sich im Höchstfalle auf etwa 1 Stunde. Es liefert also seine diagnostischen Anhaltspunkte in nicht viel längerer Zeit als der Paulsche Versuch. Das Verfahren, bei dem es sich jedenfalls um keine reine Vitalfärbung han- _ delt und das daher am besten als Frischfärbun g bezeichnet wird, ist für das Studium der feineren histologischen Veränderungen des Hornhautepithels gerade nach Beimpfung mit Variola-Vakzinematerial auch zu diagnostischen Zwecken sehr zu empfehlen. Es ermöglicht in einfacher und schnell arbeitender Technik die Erkennung spezifischer Veränderungen und zeigt für mehr theoretische Fragestel- lungen morphologische Einzelheiten in so ursprünglicher Form, wie sie das Schnitt- präparat, das wieder eine Reihe anderer Vorzüge besitzt, nicht zu liefern vermag. Der Erreger der Pocken ist noch nicht mit Sicherheit bekannt. Über seine Natur Aufschluß zu erhalten, haben sich die Forscher von - jeher mit großem Fleiß und großer Ausdauer bemüht. Außerordentlich zahlreich sind die Veröffentlichungen, in denen bestimmte Kokken und - Bazillen als Erreger der Krankheit hingestellt wurden, die aus den Pockeneffloreszenzen oder dem Blute der Pockenkranken und -leichen Der Pocken- erreger. 1186 63. Vorlesung. oder aus den Schutzpocken isoliert waren. Alle diese Bakterienbefunde sind aber, wie man heute weiß, rein akzidenteller Natur gewesen. Das ‚geht zweifellos aus der Tatsache hervor, daß auch vollkommen bakterien- freier Pustelinhalt bei der Übertragung auf das Kalb eine ungeschwächte Wirksamkeit besitzt. Es ist ferner durch wiederholte und von ver- schiedenen Autoren bestätigte Versuche einwandfrei bewiesen, daß der . Inhalt der Pockenblasen auch dann unvermindert wirksam bleibt, wenn er durch bakteriendichte Filterkerzen (Berkefeldfilter) hindurch- geschickt wird. Wir haben den Pockenerreger allem Anschein nach ‚nicht unter den Bakterien zu suchen, sondern, worauf schon im Jahre 1887 L. Pfeiffer hingewiesen hat, unter den Protozoen. Pfeiffer und van der Loeff waren wohl die Ersten, die kleine protoplasmatische Gebilde genauer _be- schrieben, die sie in Pockenpusteln fanden und mit der Ätiologie der Krankheit in Zusammenhang brachten. N ana Im Jahre 1892 teilte dann Guarnieri mit, daß. es ihm nach Ver- Körperchen. Impfung von Vakzinelymphe auf die Hornhaut von Kaninchen gelungen sei, im Hornhautepithel die gleichen Zelleinschlüsse nachzuweisen, die sich in der Haut Pockenkranker fanden und die wohl mit den von van der Loeff und von Pfeiffer beschriebenen Gebilden identisch seien. In Schnittpräparaten durch die Kornea, die 2 oder 3 Tage nach der Impfung hergestellt, vorsichtig fixiert und in geeigneter Weise gefärbt wurden, zeigte sich an der Verletzungsstelle und in ihrer Umgebung ‚fast jede Epithelzelle mit eigentümlichen Zelleinschlüssen besetzt, die meist in der Nähe des Kernes lagen und diesen in charakteristischer Weise einbuchteten. Diese Guarnierischen Körperchen (Cytor- rhyctes variolae Guarnieri) (Taf. 99, Fig. 3) fanden sich auch frei im Zytoplasma, in den Interzellularschichten und den Bindegewebs- ri zellen der Hornhautgrundsubstanz. Meist waren sie von einem hellen Hof umgeben. In der Nähe der Impfstelle fanden sich die größten, weniger gut gefärbten, nach der Peripherie zu kleinere, aber besser gefärbte Körperchen. Bei geeigneter Differenzierung ließen sich bis- ° i weilen in einem schwächergefärbten Medium ein oder mehrere dunklere Körner nachweisen. Es traten Hantelformen, Kugeln mit zahlreichen, oft. gleichgroßen, kleinsten Chromatinpunkten, Sproßbildungen auf (Paschen). n Die Befunde Guarnieris wurden von den verschiedensten Autoren bestätigt, es entspann sich aber ein heißer Kampf darüber, wie sie zu deuten wären. Die einen halten die Vakzinekörperchen Guarnieris für nichtspezifische Zelldegenerationsprodukte, andere glauben, daß sie für ° Vakzine spezifische Degenerationsprodukte der Leukozyten oder fixer Gewebszellen seien. Die Ansicht von Ungermann und Zuelzer, die die ‘Körperchen als Vielheit des in seiner Einheit unsichtbaren Pocken- erregers gewissermaßen als intrazelluläre Kolonie desselben auffassen, . ° deren Entwicklung durch die besondere Beschaffenheit des Epithelzell- plasmas bedingt sei, ist noch nicht allgemein anerkannt. Sie ohne weiteres als die Erreger der Pocken aufzufassen, dazu liegt keine Be- rechtigung vor. Das Urteil der meisten Autoren, die sich mit diesen Fragen eingehend beschäftigt haben, geht jetzt dahin, daß die Guar- nierischen Körperchen durch eine spezifische Reaktion der Zelle © auf das Variolavakzinevirus entstehen. Ob der in dem Epithel = Pocken. E 1187 "sich entwickelnde Erreger selbst zu ihrer Bildung Veranlassung gibt oder aber Giftstoffe, die in die Zelle eindringen, ist zweifelhaft. Daß eine Beteiligung der Leukozyten nicht erforderlich ist, geht aus Experimenten von ». Prowazek und Aldershof hervor, die diese Ein- schlüsse in charakteristischer Form und Anordnung auch auftreten sahen, als sie die Hornhaut enukleierter Augen impften und in eine feuchte Kammer brachten. - Zur Darstellung der Guarnierischen Körperchen empfiehlt Böing, die Kornea- schnittpräparate 10 Minuten lang mit Iproz. Säurefuchsinlösung zu färben, der un- mittelbar vor dem Gebrauch eine Spur Eisessig zugesetzt wird. Die Nachfärbung soll nach ausgiebiger Abspülung in destilliertem Wasser mit alkoholischer Azur- lösung (059g Azur! in 150g 70proz. Alkohol) vorgenommen werden, bis ein rot- violetter Farbenton erzielt wird. Zu erwähnen sind hier weiterhin die Befunde von Funck und von Dom- browski. Ersterer sah regelmäßig in allen wirksamen Lymphen und allen Vakzine- blasen einen zu den Protozoen gehörigen Zellschmarotzer, den er „Sporidium vaccinale“ nennt und für den Erreger der Kuhpocken hält. Dieser Mikrobe tritt teils in Gestalt von glänzenden Kügelchen, teils in Form von eiförmigen Zellen, teils in großen Zysten, Sporoblasten oder auch in Morulaformen auf. Die Ver- . impfung derartiger Morulaformen in Bouillonaufschvemmung bewirkte gegen den 6. Tag bei Kälbern charakteristische Blasenbildung und Unempfänglichkeit gegen jede weitere Übertragung. In den echten Pockenblasen wurden ganz äbnliche Zell- schmarotzer gefunden. Dombrowski untersuchte während einer Epidemie zahlreiche Pockenfälle und fand im Pustelinhalt, namentlich zu Zeiten, wo letzterer rote und weiße Blut- körperchen noch nicht in größeren Mengen enthielt, Mikroben von der Gestalt feiner, dunkler Punkte, meist mit hellem Saum, in steter rascher Pendel- und daneben . auch in langsamer progressiver Bewegung. Am 2. Tage erschienen größere Gebilde von undeutlicher. Form mit 4 dunklen, ihre Lage wechselnden Punkten. Mit der Vereiterung des Pustelinhaltes nahmen diese Gebilde an Zahl stetig ab, um immer mehr größeren, regelmäßig geformten Kugeln Platz zu machen. Dombrowski ist der ‘Ansicht, daß dieser Parasit nicht zu den Protozoen, sondern viel eher zu den Blasto- myzeten gehört und sich ausschließlich durch Knospung vermehrt. Später haben Paschen, v. Prowazek, Fornet u. a. auf das regel- mäßige Vorkommen großer Mengen von kleinsten, runden Körperchen in der Kinderlymphe und in den spezifischen Haut- veränderungen bei Variola aufmerksam gemacht, die zu den analogen Befunden bei Molluscum contagiosum, Geflügelpocke, Trachom usw. in Vergleich zu stellen sind (Taf. 99, Fig. £). Bei diesen meist als Paschen- sche Elementarkörperehen bezeichneten Gebilden handelt es sich — - in Einzelheiten gehen die Beschreibungen der Autoren auseinander — um gleichmäßig etwa !/,;» große, runde, bei Färbung mit Löfflerscher und Karbolfuchsin leuchtend rot erscheinende Körperchen, die sich offenbar durch Zweiteilung vermehren. Etwas größere Formen sind Vorläufer der Teilung. Gelegentlich läßt sich an den einzelnen Körperchen ein sehr zarter, kurzer Faden konstatieren, der wohl von der Teilung herrührt. In manchen Präparaten ist mehr, in anderen weniger Hofbildung um diese Gebilde sichtbar, die als Ausdruck einer umgebenden Schleimschicht aufgefaßt wird. Bei intensiverer Färbung, die naturgemäß auch die Größe beeinflußt, wird die Schleimschicht mit- gefärbt. Bei Giemsa-Färbung erscheinen die Körperchen bläulich und sind kleiner, nach vorheriger Anwendung einer Beize wird die Färbung deutlicher und die Hofbildung ausgesprochener. Mit Thionin und Karbol- fuchsin färben sie sich schwach, ebenso mit Eisenhämatoxylin. In - frischem Zustande Sind sie bei 1000facher V ergrößerung als runde, Sonstige Befunde. Kultur- versuche. 1188 I 63. Vorlesung. matte, wenig lichtbrechende, Molekularbewegung zeigende Körperchen sichtbar. Bei Dunkelfeldbeleuchtung sieht man sie etwas besser. In Ausstrichen nach Burri erscheinen manchmal kleinste, weiße Lücken im Untergrund, doch ist bei der Kleinheit der Gebilde die: Untersuchung zu unsicher. Vorbehandlung mit Kalilauge beeinflußt die Färbbarkeit. der Körperchen nicht; durch Antiformin werden sie zerstört. Das Charakteristische ist neben der schweren Färbbarkeit ihr Auftreten in enormer Zahl, ihre geringe Größe (!/, ») und die Hofbildung, bei der Dunkelfeldbeleuchtung die charakteristische Gestalt und der geringe Glanz (Paschen). In Verbinduug mit dem Paulschen Kornealversuch (s. 8.1184) ist der sichere Nachweis der Körperchen in Ausstrichpräparaten aus der geimpften Kaninchenhornhaut diagnostisch sehr wertvoll. Die sehr zahlreichen Versuche, das Pockenvirus aus dem serösen Pustelinhalt, dem Blut der Kranken oder der durch bakteriendichte Filterkerzen filtrierten, biologisch wirksamen Pockenlymphe rein zu züchten, waren trotz der weitestgehenden Variation der Versuchs- bedingungen und der Anwendung der verschiedenartigsten Nährböden vergeblich. Auch in Kollodium- oder Schilfsäckchen, die intraperitoneal Tieren eingenäht wurden, und in sterilen Schwämmchen, die in einer Hauttasche am Kaninchenohr untergebracht wurden, trat keine Ver- mehrung des Erregers ein. Wenn einzelne Autoren früher von erfolg- reichen Übertragungsversuchen auf künstlichen Nährmedien und von der Wirksamkeit der gewonnenen „Kulturen“ im Tierversuch berichtet haben, so können diese, wie Paschen mit Recht betont, nur. dadurch erklärt werden, daß der in dem Ausgangsmaterial in enormen Mengen vorhandene Vakzineerreger bei der Übertragung von Platte zu Platte an den sonstigen Mikroorganismen haften blieb. Es steht ja fest, dab selbst Verdünnungen des Virus von 1:1000 und darüber im Tier- versuch noch wirksam sind. Fornet hat im Jahre 1913 mitgeteilt, daß es ihm gelungen sei, durch Äther- E behandlung der Lymphe die in dieser stets vorhandenen Begleitbakterien mit Sicher- heit zu vernichten. Er schüttelte eine Mischung von etwa 1g Rob und 30cem Äther 24 Stunden und nötigenfalls länger im Schüttelapparat bei 22°C und gewann schließlich eine I,ymphe, die sich bei Anwendung aller a&roben ‘und anaöroben Kulturverfahren als gänzlich bakterienfrei erwies, dennoch aber den Pockenerreger in wirksamer Form "enthielt. Am Kaninchen, am Kalbe und auch am Menschen erzielte er mit dieser Lymphe typische Impfeffekte. Auch die Weiterzüchtung des Pockenerregers aus dieser bakterienfreien Lymphe ist dem Autor angeblich gelungen. Die ätherisierte Lymphe hielt sich, in Bouillon verbracht, monatelang unverändert wirksam und konnte auf Rinderserum und Bouillon weiterverimpft werden, sodaß auch mit diesen Kulturen die Krankheit sich in charakteristischer Weise bei Tieren 4 hervorrufen ließ. Die gleichen Ergebnisse wurden mit dem Inhalt der Pusteln eines Pockenkranken erzielt. Als geeignetste Kulturmethode empfiehlt Fornet die Züchtung in einem Gemisch von ?/, Traubenzuckerbouillon und '/, Rinderseram unter streng anaöroben Bedingungen. Die Nährböden sollen nicht weniger als 10 Tage und bei nicht höherer Temperatur als 37°C bebrütet werden. Die spezifischen Körperchen, die er in. der ätberisierten Lymphe und den aus ihr angelegten Kulturen ohne Beimengung anderer Mikroorganismen fand und die er mit den von Paschen, v. Prowazek u. a. beschriebenen Gebilden identifiziert, nennt Hornet „Microsoma = variolae s. vaccinae* B. Die Angaben 'Fornets bedürfen eingehender Nachprüfungen. Daß hier wirk- lich eine „Kultur“ des Erregers erzielt wurde, kann bisher nicht als erwiesen an- gesehen werden. Daß durch die Ätherbehandlung eine weitgehende oder völlige Be- seitigung der Begleitbakterien in der Rohlymphe zuweilen erzielt werden kann, erscheint glaubhaft und war schon früher durch Tomarkin und Carriere beobachtet. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Fig. 3, D} Fig. “. Fig. 1. , Werlaxz von Tirban £ Schwarzanharo Rarlin und Wian. auf der geimpften )80 Pockenepithe Tafel 98. ‚hen aus auf viele Haut- Durch Kratzen von prin Pockenexanthem bei einem Kinde. Y z, Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 99. Schnitt durch Impfpocke am 5. Tag der Entwicklung. Vakzine-Körperchen in der Hornhaut des Kaninchens. Schnitt, gefärbt nach R. Pfeiffer. Fig. 4. Schnitt durch Impfpocke während des Stadiums der Schorfbildung. Einschlußkörperchen nach rv. Provazek. (Starke Vergrößerung ) Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Pocken. ; 1189 Ob dies aber regelmäßig gelingt, ist noch fraglich, denn es kommt hier sehr viel auf die Art und Resistenz der Begleitbakterien an. Von verschiedenen Autoren wurde festgestellt, daß durch länger dauernde EINE auch die Virulenz des Vakzinevirus sehr erheblich beeinträchtigt wird. Die Resistenz ‚des Variolavakzineerregers kann unschwer näher untersucht werden, wenn man wirksame Lymphe in verschieden- ster Weise äußeren Schädigungen aussetzt und nachher feststellt, wie sie sich bei der Übertragung auf das Kalb verhält. Es hat sich bei diesen Versuchen gezeigt, daß das Virus in einer Glyzerinemulsion, wie sie gewöhnlich zur Impfung benutzt wird, höheren Tempera- turen nur kurze Zeit widersteht. Ein Aufenthalt in einem 37°-Brut- schrank von wenigen Tagen genügt, um die Lymphe unwirksam zu machen; Temperaturen von 55—60°C vernichten das Virus in etwa . 15—20 Minuten. Kälte dagegen schädigt ihre Wirksamkeit nur in sehr geringem Grade, selbst wiederholtes Einfrierenlassen und Wieder- auftauen oder stundenlange Aufbewahrung bei Kältegraden bis zu 15° (v. Prowazek) macht die Lymphe nicht unwirksam. Voigt hält die Auf- bewahrung der glyzerinisierten Kuhpockenlymphe .in gefrorenem Zu- stande, die zuerst von Blaxall und Fremlin empfohlen wurde, für die beste und unbegrenzt lange anwendbare Methode der Impfstoffkonser- vierung. Gegen Austrocknung ist der Pockenerreger sehr resistent. Mit den Borken der Impfpusteln von Kindern und Kälbern konnte auch dann noch ein positiver Impferfolg erzielt werden, wenn diese 220 Tage bei Zimmertemperatur aufbewahrt waren. Allerdings muß in solchen Fällen grelles Licht, namentlich Sonnenlicht, ferngehalten werden, denn dieses übt einen sehr schädigenden Einfluß aus. In getrocknetem Zu- stande zeigt das Virus übrigens gegen hohe Temperaturen eine wesent- ‘lich höhere Resistenz, als soeben für die Glyzeriniymphe angegeben wurde. Die Kenntnis dieser Tatsachen. ist für eine rationelle Aufbe- wahrung des Impfstoffes, namentlich auch in tropischen Gegenden, be- 3 deutungsvoll. Die gebräuchlichen Desinfektionsmittel vernichten das Pockenvirus in verhältnismäßig kurzer Zeit. Aus den bisherigen Ausführungen geht hervor, daß wir durch die zielbewußten und eifrigen Untersuchungen der neueren Zeit zwar man- nigfache Aufschlüsse über die Natur des Pockenerregers erhalten haben, daß wir aber noch weit davon entfernt sind, ihn in seiner Eigenart als bekannt ansehen, exakt nachweisen und sicher reinzüchten zu können. Es wird noch weiterer emsiger Studien, ja wahrscheinlich neuer Unter- suchungsmethoden bedürfen, ehe die vielen noch dunklen Fragen der Pockenätiologie sich endgültig klären lassen. Die Tatsache der Fil- - -trierbarkeit durch bakteriendichte Filter steht fest und be- rechtigt zu der Vermutung, daß der Pockenerreger vielleicht den sog. ultravisiblen Virusarten zuzurechnen ist. Sie kann aber nicht als ein unumstößlicher Beweis dafür angesehen werden, dab die Guarnierischen Körperchen ätiologisch bedeutungslos sind. Bei Proto- . ‘ zoen können in dem virulenten Material Entwicklungsstadien der ver- schiedensten Größe vorhanden sein, von denen nur die kleinsten die - Filterporen passieren. Daß die Guarnierischen Körperchen für die - Infektion charakteristisch sind, wird, wie schon erwähnt, heute von den _ meisten Forschern angenommen. Wenn man Lymphe 1 Stunde auf 60° tragung des Pocken- virus, 1190 63. Vorlesung. erwärmt, treten sie in der mit ihr geimpften Hornhaut des Kaninchens nicht auf. v. Wasielewski hat gezeigt, daß das Virus in der Kaninchen- kornea sich beliebig lange fortpflanzen läßt. In über 40 Generationen konnte er es von Hornhaut zu Hornhaut übertragen und dann mit der verriebenen Kornea bei Kälbern typische Vakzinepusteln erzeugen, die: bei der Weiterzüchtung im Rinderversuch immer ein typisches Ver- halten zeigten. Stets waren hier die Körperchen nachweisbar, sie fehlten aber bei der Impfung mit wirkungslosen Lymphen und ebenso bei Kontrollimpfungen mit anderen reizenden Stoffen. Ob und inwieweit die anderen vorher erwähnten Befunde kleinster protozoenähnlicher Gebilde mit der Anwesenheit der Gwarnierischen Körperchen in ursäch- lichen {Zusammenhang zu bringen sind, wird durch weitere Unter- suchungen zu klären sein. : Wenn wir nun nach den Fundorten des Erregers im infizierten .Körper fragen, so ist es zweifellos, daß der‘ seröse sowohl als auch der eitrige Inhalt der Pockenpusteln ihn in überaus großen Mengen enthält. Auch in den abfallenden Borken ist er in vollwirksamer Form enthalten. ; Daß das Virus in bestimmten Krankheitsstadien, namentlich während des Eruptionsstadiums auch im Blute kreisen muß und mit diesem in alle Organe verschleppt wird, ist nach dem Krankheitsverlauf und nach Analogieschlüssen, die wir von anderen, in ähnlicher Weise sich aus- breitenden Infektionskrankheiten zu ziehen berechtigt sind, als sicher anzunehmen, wenn auch zahlreiche Forscher bei der Verimpfung des - Blutes und der Aufschwemmungen der inneren Organe immer Mißerfolge hatten. Ob die Körpersekrete (Harn, Speichel, Auswurf, Fäzes) der Kranken die Erreger enthalten, muß nach den bisherigen Unter- suchungen als zweifelhaft gelten. Die Übertragung des Pockenvirus vom kranke Menschen auf . den gesunden erfolgt in erster Linie wohl durch kleinste Sekret- Sohutz- impfungs- verfahren. Variolation. tröpfchen, die der Pockenkranke beim Sprechen, Husten, Niesen usw. in seiner Umgebung verbreitet. Nur auf diese Weise läßt sich die enorme Kontagiosität der Pocken erklären. Auch Verstäubung von Pockenschorfen und Gegenstände, die mit Pockeneiter behaftet sind, können als Infektionsquelle in Betracht kommen. Es ist anzunehmen, daß sich das Pockenvirus bei Genesenden unter Umständen noch wochen- lang nach der Entfieberung in chronisch entzündeten Pustelresten auf der Schleimhaut der oberen Luftwege hält und von dort auf dem Wege der Tröpfcheninfektion in infektionstüchtigem Zustande ausgeschieden wird. Die Eintrittspforten der Infektion bilden die Respirationsschleim- häute. Die. Aufnahme des Virus durch die Haut ist unwahrscheinlich. Die Erfahrung, daß einmaliges Überstehen der Blattern den Men- schen mit nur sehr seltenen Ausnahmen gegen spätere Infektionen mit dem Pockenvirus schützt, ist sehr alt. Die Kenntnis der Tatsache, daß fast kein Mensch von der ausgebrochenen Seuche verschont blieb, und die gewaltige Sterblichkeit an Pocken führten daher schon in frühen Zeiten dazu, daß man bei leicht verlaufenden Epidemien Gesunde, na- mentlich Kinder, absichtlich der Infektion aussetzte, damit sie sich durch eine leichte Erkrankung Immunität erwerben sollten. Man hoffte durch diese Maßnahme eine Mortalitätsyerminderung bei späteren Pocken.. h 1191 _ \ chriren Epidemien und eine Verhütung der so oft nach den Pocken - zurückbleibenden Schäden, wie Taubheit, Blindheit usw., erreichen zu können. Die Chinesen übertrugen den Infektionsstoff von leichten Fällen auch dadurch, daß sie den Kindern zerriebene Pockenschorfe in die Nase steckten oder sie mit der eiterbeschmutzten Wäsche der Kranken bekleideten. Die Inder ritzten die Haut der Arme und impften in die Wunden den. an Stäbchen angetrockneten Pustelinhalt ein. ‘Diese und ähnliche Verfahren, die als „Variolation“ in der Literatur ‚bekannt sind, stellen also sehr alte Schutzimpfungsmethoden dar. Sie waren von zweifellosem Erfolge begleitet, führten aber in nicht seltenen Fällen zu schweren Erkrankungen und zum Tode der Geimpften und verbreiteten den Ansteckungsstoff. In Europa wurde das. Verfahren all- gemein bekannt, als im Jahre 1714 Timoni: über die Erfolge der in u inopel angewendeten Inokulationen berichtete. Es wurde dann 1721 durch Lady Wortley Montague, die Gemahlin des englischen Ge- sandten, weiter verbreitet und gewann namentlich in England, später aber auch auf dem Kontinent, z. B. in Deutschland durch Friedrich den Großen, zahlreiche Anhänger. Nach der Entdeckung der Schutzimpfungs- methode durch Edward Jenner wurde die Variolation aufgegeben. - Edward Jenner machte sich bei seinen Studien die in seiner Yakzination. Heimat, der englischen Grafschaft Gloucestershire, im Volke schon lange bekannte Erfahrung zunutze, daß Überstehen der Kuhpocken beim Menschen eine gleiche Immunität gegenüber den menschlichen Blattern - verleiht, wie das Überstehen der letzteren selbst. Schon vor Jenner E. war: übrigens die gleiche Erfahrung, wie Gins berichtet, bekannt und hatte in Deutschland z. B. dem Pächter Jensen und dem Lehrer Platt (1791) und in England dem Landwirt Jesty (1774) Veranlassung zu - Impfversuchen gegeben. Aber diese Versuche wurden nicht weiter ver- ‚folgt. Jenner erforschte die Übertragbarkeit der Kuhpocken auf den Menschen planmäßig weiter und stellte fest, daß das Kuhpockenvirus - auch nach wiederholter Impfung von Mensch zu Mensch die gleiche Wirkung ausübt, daß es nur eine unbedeutende Reaktion im Körper des Geimpften hervorruft, und daß bei geimpften Personen das Virus der menschlichen Blattern bei späterer Inokulation nicht haftet. Jenner ging äußerst vorsichtig vor; fast zwei Jahrzehnte währten seine Unter- suchungen, bis er im Jahre 1796 die erste Schutzimpfung mit Kuh- - pockenlymphe, die „Vakzination“, vornahm. Seine Entdeckung fand - anfangs zahlreiche Zweifler und Gegner, aber bald wurde sie in Eng- - land immer mehr und mehr anerkannt. Die Kunde von der Schutz- wirkung der neuen Methode gegenüber der natürlichen Blatterninfektion breitete sich mit einer für die damaligen Verkehrsverhältnisse über- | raschenden Schnelligkeit aus, und in allen Ländern Europas beeilten sich die Ärzte, Jenners große Entdeckung auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Die Ergebnisse dieser Beobachtungen bestätigten vollauf die Erwartungen, die man auf die Impfungen gesetzt hatte. Die Geimpften - blieben von den echten Pocken verschont, und überall, wo die Impfungen - im großen Maßstabe durchgeführt wurden, ließ sich ein unverkennbares Zurückgehen der Krankheits- und Sterbefälle an Blattern feststellen. - Infolge dieser günstigen Erfahrungen nahmen sich schon frühzeitig die R Enger der einzelnen Länder der Impffrage an und ordneten en Re- vakzination. - also zu einer erheblich verlängerten Immunitätsperiode gegen die Vak- Verlauf der Vakei- nations- und Revakzi- nationser- scheinungen. 119277 63. Vorlesung. finden wir in Bayern bereits im Jahre 1807, in Baden 1815, in Würt- temberg 1818. Später stellte es sich heraus, daß der durch eine einmalige Vak- zination erreichte Impfschutz kein dauernder ist, eine Erfahrung, die übrigens schon Jenner selbst gemacht hatte. Es erkrankten ‚Leute, die vor mehr als 10 Jahren geimpft waren, trotzdem an Pocken, wenn auch seltener und mit einem leichteren Krankheitsverlauf als Nichtgeimpfte. Auf Grund dieser Beobachtung wurde die Wiederholung der Impfung nach etwa 10 Jahren, die „Revakzination“, empfohlen. Aber auch seit Einführung der Revakzination ereignet es sich ab und zu, daß mehr- mals Geimpfte an echter Variola erkranken. Liegt der Zeitpunkt der Impfung weit zurück, dann können sogar schwerere Erkrankungen ein- treten, wenn auch Todesfälle, die allein der Pockeninfektion -zuzu- schreiben sind, bei wiederholt Geimpften zu den Seltenheiten gehören. Diese Tatsachen beweisen nicht das Geringste gegen den Wert der Impfung, sondern zeigen nur, daß es Individuen gibt, bei denen eine komplette Immunität von kürzerer oder längerer Dauer nicht erzielt wird. Mehr als 90°/, aller Menschen sind aber für die ersten Jahre nach der Schutzpockenimpfung gegen natürliche Ansteckung völlig gefeit. { Die Revakzination der zwölfjährigen Kinder ergibt, wie BEuaare Impfstatistiken erkennen lassen, einen „vollen Erfolg“ bei 25—30%), der Impflinge, eine dritte Impfung nach weiteren 10—12 Jahren nur | 10—12°/,. Erst nach Ablauf von 18—20 Jahren, von der zweiten Impfung an gerechnet, treten wieder die vollen Impferfolge bei etwa 25—30°/, auf. Die erste Revakzination im zwölften Lebensjahre führt ru zination und auch 'gegen die Infektion mit echter Variola (Gens). Ein genaues klinisches Studium der Vakzinations- und Revakzinations- erscheinungen verdanken wir v. Pirquet, dessen Ausführungen wir im wesentlichen nun folgen. Auf die Impfung folgt zunächst eine traumatische Reaktion, be stehend in einer leichten Rötung der Haut oder in einer Quaddelbildung in der Umgebung der Impfstelle. Diese Lokalreaktion ist nach 24—48 Stunden ver- schwunden, und es bleiben nur winzige Schüppchen an der Haut zurück, wie bei kleinen Kratzeffekten überhaupt. Nach einer Periode der Latenz von 4—5 Tagen zeigen sich die ersten spezifischen Veränderungen an der Impfstelle. Es tritt Rötung ein, und in der Mitte der geröteten Hautpartie wird ein kleines, hell- ° rotes Knötchen- sichtbar, das zunächst flach ist, immer mehr und mehr empor- wächst und sich am 6. Tage nach der Impfung scharf gegen die gerötete Haut abhebt. v. Pirquet bezeichnet dieses Stadium als Differenzierung der Papille (Papel) oder als „Aula“ (Taf.100, Fig. 1). Am 9. Tage stellt sich eine starke Infil- tration und entzündliche seröse Durchtränkung der ganzen Umgebung der Impfstelle ein; ». Pirquet nennt dieses Stadium „Area“ (Taf. 100, Fig. 2). Die Bildung der ° Area erinnert lebhaft an die Ausbreitung des Erysipels. Es-finden sich dabei alle Farbentöne von Hellrot bis Dunkelrot, die mit dem Abklingen des Prozesses ins Bläuliche übergehen. Von den oft gezackten Rändern der Area ziehen hellrote Stränge nach den regionären Lymphdrüsen. Gleichzeitig mit der Bildung der Area geht die Entwieklung der Papille weiter und führt namentlich zur Entstehung der ° eigentlichen Pockenpustel, des „Jennerschen Bläschens“, das mit der gelblich gefärbten Lymphe gefüllt ist und mit seiner zentralen Delle das Hauptcharak- teristische des Impfprozesses darstellt. Es beginnt nun die Involution der Pustel. Diese bedeckt sich mit einer Kruste und trocknet ein. Nach 16-18 Tagen ist die ° Kruste abgefallen und eine strahlige, pigmentlose Impfnarbe zurückgeblieben, an der wir die erfolgreiche Impfung erkennen. i Die Körperwärme zeigt während der Erstimpfung regelmäßig A 2 von der Norm. Während der Entwicklung der Papille ist sie leicht erhöht, wird zu Fieber während der Entstehung der Area und sinkt dann kritisch zur Norm Pocken. N -- 1193 E ; sobald die Höhe des Prozesses überschritten ist. Nur bei Neugeborenen soll - ein ganz fieberloser Verlauf vorkommen. Bei schwer anämischen Kindern fehlt die / m Pirquet u nennt diese Form der Reaktion die „kachektische“. Ä Als Abweichung vom gewöhnlichen Impfverlauf muß das Auftreten sogenannter Nebenpocken und einesallgemeinen Kuhpockenexanthems erwähnt werden. Es finden sich dann in der Nähe der Impfstelle oder über den ganzen Körper ver- - streut Vakzineeruptionen, welche die gleiche Entwicklung durchmachen wie die - Bildungen an den Impfstellen. Diese Exantheme kommen durch Verschleppung von Keimen auf dem Wege des Blut- und Lymphstromes zustande; ihr Ausbruch erfolgt im Stadium der höchsten Entwicklung des Impfbläschens. Sie sind in here ge mit dem bei Variola inoeulata auftretenden Ausschlag zu setzen und - seharf zu trennen von den durch Selbstimpfung mittelst der Fingernägel etc. ent- + ‚stehenden Pocken. IE Nach der Revakzination ist bei den nach längerem Intervall Wiederge- impften der Verlauf der klinischen Erscheinungen nicht so einheitlich wie bei Erst- . im Die örtliche Reaktion weist da, wo sie überhaupt eintritt, eine zeitlich beschleunigte Areabildung auf oder bleibt ganz aus. Der ganze Prozeß spielt sich rascher ab und verläuft rudimentär, wobei die einzelnen Impfstellen große = Unterschiede aufweisen. Fieber und Allgemeinerscheinungen fehlen häufig. 5 eines ‚kurzen Zeitraumes nach der Erstimpfung geschehen. Bei Revakzinationen zeigt sieh nach v. Pirquet die Area zu gleicher Zeit wie die primäre Impfpapel und - verläuft stark beschleunigt. Wird die Nachimpfung in den ersten Monaten nach der ‚Erstimpfung vorgenommen, so entsteht auffallenderweise keine völlige Immunität, ‚sondern es erfolgt stets eine beschleunigte Reaktion. Besonders instruktiv sind Edi ungen bei Sukzessivimpfungen nach der Erstvakzination (Taf. 100, Fig. 3). = v. Pirquet faßt seine Beobachtungen darüber in folgende Worte zusammen: „Imp- En ne ee in der Zeit zwischen der Erstimpfung und der darauffolgenden Allgemein- 3 on verhalten sich anfangs ungefähr wie die erste Impfstelle, werden aber vor- zeitig in ihrer Entwicklung abgeschnitten. Das Stadium der Latenz und der Papel ist es folgt eine scharfe Differenzierung der Papille und Area; die Papille entwickelt sich rasch weiter zum Bläschen und wird gleichzeitig mit der Erstvakzine, - die sie an Größe niemals einholt, zur Pustei, worauf die Involution beginnt. Die 3 Area tritt gleichzeitig mit der Area der Erstvakzine ein; ihre Größe steht im Ver- - hältnis zur Ausdehnung, welche die Pustel bis zu diesem Termin erreicht hat. Je später die Revakzine gesetzt ist, desto kleiner fällt sie aus. Alle nachgeimpften - Pusteln verlieren ihre Virulenz gleichzeitig mit der ersten Pustel. Bei weiterer E- _ Fortsetzung der Nachimpfung zeigt sich nicht Immunität, sondern die stereotype E- em kleiner, kurzfristiger Reaktionen, die „Frühreaktion® genannt werden are * (Taf. 100, Fig. 4 u. 5.) Über die Erfolge der RR liegen so zahllose E eehistische Angaben aus den verschiedensten Ländern vor. daß jeder, der ur einigermaßen objektiv der Frage gegenübersteht, an der unbedingten Wirksamkeit der Impfung nicht zweifeln kann. Überall, wo die Imp- - fungen streng durchgeführt wurden, zeigte sich alsbald eine so schnelle und dauernde Abnahme der Pockensterblichkeit, wie sie früher in der - Geschichte der Seuche niemals beobachtet wurde (Fig. 181 u. 182). In - Ländern, in denen die Zwangsimpfung streng durchgeführt wird, sind die endemischen Pocken erloschen, während sie in benachbarten Staaten, die nichts zur Unterdrückung der Seuche tun, ihre frühere Mortalitäts- - frequenz beibehalten. Die Landesgrenze wird dann vom Zeitpunkt der Einführung der Impfung zugleich die Scheide für die Pockenmorbidität _ trotz der Zunahme des Verkehrs, der eine Verschleppung des Virus erleichtert. Bei anderen Volksseuchen haben wir derartige Erfahrungen - nie gemacht. Im folgenden sind nur einige wenige Beispiele der Impferfolge angeführt, = Fäs der im Jahre 1896 im Reichsgesundheitsamt von Kübler bearbeiteten Denk- 5 Brent „Blattern und Schutzpockenimpfung“ entnommen sind. E23 Entwicklung der Area vollkommen, die der Papille ist dafür aber um so größer... Anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn die Nachimpfungen innerhalb Erfolge der Pocken- schutz- impfung. 1194 63. Vorlesung. In Berlin wurden Schutzimpfungen vom Jahre 1801 ab ganz allmählich vor- genommen; erst im Jahre 1810 wurde erreicht, daß 80°/, von den Geborenen eines i Jahres geimpft waren. Es entfielen dort auf Pocken von 100 Todesfällen ' i im Jahrfünft 1795—1799: 652, „ Pr 1800—1804: 748, 1805— 1809: 6°36, 1810—1814: 0:74, 1815—1819: 1'34, 1820—1824: 0:15. 373. 4:38 > 2 I | Fig. 181. > nn dan a ann a A ı Zum "3.2 nam TTRTBETTTTTITEEE +ELJ 700 550 500 1 DI I U U RI DR I ER DR U RD DD DR RR I EI I IBEEENEREBERLEHBERER EBENEN ERENEHRNENERRRERER! T H T i "E _ H i us zE PrrH FrH Su= | SESN Bam : - une = a2 us #1 t BZ zu 4 t + ICH au \ N 1 1 I 1 N 4 71 1 71 . Hl n Ben = NEBuHNE H aut zu LErTIE \ HH anBer uu . r = BU 1 L 1 — I . u m 17801 1 1-1 1791-18 1801-1810 "| 18l7- }8 1821-1 837-1840 | 1841-1850 | 1851-1 Pockensterblichkeit in Schweden von 1774--1860, berechnet auf 1 Million Einwohner. 1801 Einführung der Impfung, 1816 Einführung der Zwangsimpfung. In Stuttgart starben an Pocken im Durchschnitt für je 5 Jahre 1782—1788: 177 Personen, 1787—1791: 189 nr 1792—1796: 224 1797— 1801: 274 1802—1806: 154 1807—1811: 2 1812—1816: 0 1817—1821: 10 1822—1828: 0 a Be RT N Pocken. : 1195 Sehr lehrreich ist ein Vergleich der Pockensterblichkeit unter der Zivil- und _Militärbevölkerung Preußens. Aus der in Fig. 182 wiedergegebenen Tabelle ersehen wir, daß in der Armee schon seit 1835 die Mortalitätszahlen gegenüber denen der ö Zivilbevölkerung ganz auffallend zurückblieben und nur in den Kriegsjahren 1870/71 noch einmal eine erhebliche, aber im Verhältnis zur Zivilbevölkerung immer noch unbedeutende Steigerung erfuhren. Im Heere wurde nämlich die Impfung bzw. die Wiederimpfung bereits im Jahre 1834 angeordnet, während die Impfungen unter der Zivilbevölkerung zwar staatlich empfohlen, aber nicht zwangsweise durchgeführt wurden. Erst das Impfgesetz vom 8. April 1874 brachte hier den eklatanten Erfolg. Fig. 182. Pockensterblichkeit der Zivil- und Militärbevölkerung in Preusen. Von je 100000 starben an den Pocken: Zivilbevölkerung. FRrErEIE ER 7 | 7 7} = 3 1700 SEEFFEEEF + + Ss 0 + 30 + PL) = == = — == — e") FH 2 = = = +0 ee = = P = JRR 243 a 2 — | Te | - - 1 = = 2 z ei slajr/rj” > S 7 4 - 5 re Sr aNmmarıen 7° DD Du a Dr ar Militärbevölkerung. " Nach Eriaß des Impfgesetzes. L 2 { z + keRt > SE <= ARE EI S 5 2 Li a wu ss 200 == =: : + EB 20. 70 so = so = = ee 30 20 ı0 Si CHE: - SE REERZEN N mm Kun An I 31 1189) u “FT BEE 11 ri u : n 1834 Impfung bzw. Wiederimpfung aller Nen- 1. April 1875 Inkrafttreten des deutschen, eingestellten obligatorisch. Reichs-Impfgesetzes. (Nach der im Kaiserl. Gesundheitsamt bearbeiteten Denkschrift „Blattern und Schutzpockenimpfung“.) ER VRNenze u DER m ; EFT IT Be ek GREEN Seit der Durchführung der im Iimpfgesetze enthaltenen Bestim- mungen ist Deutschland frei von endemischen Pocken geworden. Es werden zwar bei den regen Verkehrsbeziehungen zu den benachbarten Ländern, die keinen Impfzwang haben, immer wieder Pocken ein- - geschleppt, und es kommt gelegentlich auch vor, daß Übertragungen auf Personen, bei denen die Vakzination oder die Revakzination schon ‘ längere Zeit zurückliegt, stattfinden, aber die Bildung größerer Pocken- herde haben wir nicht mehr zu befürchten. 1196 63. Vorlesung. Todesfälle an Pocken im Deutschen Reiche. \ Jahr || Absolute Zahl ne. Jahr Absolute Zahl ee 1889 . . 200 0411 1:1904 #2 25° ae r 1890. . 58 - 0118 1905... 30 0050. 1891. . 49 0:098 106.75 47 0:077 1892 . . 108 0'215 1907:. - 63 0'102 1893. . 157 0308 1908. . 65 0'103 IBHE ©; ...88 0171 1909. . 26 . 0'041 1893. .1 27 0:052 1910. 34 0053 1896 . .: 10 0:019 IE: 35 1.2-0053° 1897. 21: h) 0:009 1912.28. 35 0053 1898... 15 0.028 4913: 5 12 0018 1899. . 28 0'052 1.191437. 18 0057 - 1900 ... 49 0'087 1915. . 28 DOT 1901... 56 0.099 19162 93 ATISDE 1902. . 15 0'026 1917. 454 0'643 1903 . . 20 0:034 1918. . 0 0055 Bei einer Bevölkerung‘ivon 64 Millionen müßten in Deutschland, wie M. Kirchner berechnet hat, im Durchschnitt jährlich ‘160000 Menschen an Pocken sterben, wenn die > Pockensterblichkeit noch so groß wäre wie im 18. Jahr- hundert. In Wirklichkeit fielen aber im Durchschnitt der letzten 10 Friedensjahre jährlich nur 38 Personen der Krank-. heit zum Opfer. Das sind gewiß Erfolge der Impfungen, dezen Ber i weiskraft der Einsichtige sich nicht verschließen kann. se Daß während des Weltkrieges auch in Deutschland vorab * eine Häufung der Pockenerkrankungen eintrat, braucht nicht wunder zu nehmen. Im Jahre 1916 wurden durch wolhynische Rückwanderer zahlreiche Pockenfälle eingeschleppt und der Infektionsstoff besonders durch die zuerst mitergriffenen Landstreicher und die Arbeitermassen, die den mit Kriegslieferungen betrauten großen Betrieben zuströmten und ihre Arbeitsstätten häufig wechselten, im Lande schnell verbreitet. Im Laufe von etwa ®/, Jahren kam es in Preußen zu rund 2500 Pocken- erkrankungen, von denen etwa der 10. Teil tödlich endete. In’ ganz Deutschland betrug die Zahl. der Pockentodesfälle in den Jahren 1916 und 1917 zusammen 547. Auch die Erfahrungen dieser Epidemie sprechen ” durchaus im Sinne unserer bisherigen Ausführungen für die Wirksam- keit der Impfungen. Etwa /, aller in dieser Zeit Erkrankten waren ‚älter als 45 Jahre. Es erkrankten im wesentlichen nur Leute, bei denen 4 der durch Impfung und Wiederimpfung erzielte Impfschutz bereits ° wieder verschwunden war, was nach neueren Untersuchungen im Lauf des 4. Jahrzehntes bei einem erheblichen Teil der Geimpften der Fall ° zu sein pflegt. Der Krankheitsverlauf entsprach bei der Mehrzahl, bei den jüngeren Leuten sogar regelmäßig dem Bild der Variolois, also ° der bei Geimpften auftretenden gemilderten Form der echten Pocken, Nur die ältesten Kranken, bei denen keine Spur von Impfschutz mehr vorhanden war, zeigten die Pocken in ihrer ungemilderten Schwere und Gefährlichkeit und bewiesen damit, daß. nicht die Krankheit an sich 2 abgeschwächt war, sondern lediglich die Pockenempfänglichkeit der : Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Fig. 1. Tafel 100. Fig.$2. Normale Erstvakzination. Stadium der Normale Erstvakzination. Stadium der Aula: Gedellte Papille, von einem schma- Area: len, roten Saume umgeben. Kurz vor Ein- tritt der Area. 8. Tag. 1 2 3 B 5 6 Papille im Zentrum vertrocknet. 11. Tag. Die Insertion fand statt bei: 1 vor5?/; 2 „ 5i, 3 „ 54/2 4.5 &o 5 „ Zlfa ae IE E 9 „ 50 10 „ 4 I 31. 7 20 12 ,:.80:1% 13 „ 24 (* 31% 15: ,:38-10 16 3 Sukzessivimpfungen an der Innenseite des Unterarmes. Fig. 4. nz ' Barmen Hyperergische Frühreaktion. Maximale Hyperergische Frühreaktion. Dieselbe Entwicklung 24 Stunden nach der Insertion Stelle wie Fig. 4 am 7. Tage. von frischer humanisierter Lymphe. Aus r. Pirquet: Vakzinale Allergie. Pocken. 1197 Geimpften (Gins). Zum Vergleich sei angeführt, daß infolge des Krieges 1870/71 in Deutschland, das damals keinen Impfzwang® hatte, in den Jahren 1871, 1872 und 1873 834885, 77226 und 12894 Pocken- todesfälle zu verzeichnen waren und daß während des Weltkrieges 1914/18 in Österreich 1915 26310 und 1916 23602 Personen an Pocken starben. Die Erfolge der Vakzination lassen sich auch dann deutlich demonstrieren, wenn man die Pockenerkrankungen eines bestimmten Zeitraumes nach ihrem Verlauf und dem ‚jeweiligen Impfzustande der Erkrankten näher betrachtet. Verlauf und Ausgang der im Deutschen Reiche in den Jahren 1906 =; bis 1908 gemeldeten Pockenerkrankungen unter Berücksichtigung : des Impfzustandes. + (Nach den mediz.-statist. Mitteilungen des Kaiserl. Gesundheitsamtes, Bd. 11 u. 13.) h i e > Der Erkrankten T er Es erkrankten er een Es starben ER Zahl - Impfzustand | h . BT ven. leicht unbekannt 190 ungeimpft . i 73=384 %, 342%, 152-274 9, 8| erfolglos geimp 8=211 ,, 36-47 7°; FA, zu spät geimpft | 14—280 „ 6=120 „| 27=540 „| 3=60° i rer a 30=1075 „ >29. 271003; 1..2=0 75; 3| zu spät wieder- e 3 geimpft . En 2 a ee a rg Br wiedergeimpft — 648, | %=2r4 „ | 2334=7155.| 2=056 „ _ 45! unbekannt 22—=489 „ 15=333 8=178.. ah i 176=170 7, | 266=257 ”, 1582562 ”,| 111 7, > | ER Aus vorstehender Tabelle geht Mae daß von den 1035 Erkrankten dieses - "Zeitraumes nur 17 von’je 100 gestorben sind, während die Pockensterblichkeit - früher 40—50°/,- der Erkrankten erreichte, und daß diese Sterblichkeit bei den Wiedergeimpften 648, bei den einmal Geimpften 1075 und bei den Ungeimpften -.38:4°/, der Erkrankten betrug. In den Fällen aber, die nicht tödlich endigten, war _ der Verlauf schwer oder mittelschwer bei den Wiedergeimpften in 21'41, bei den einmal pften in 27°6 und bei den Ungeimpften in 34°2°/, der Fälle. Umgekehrt war der Verlauf leicht bei den Wiedergeimpften in 71'55°,,, bei den einmal Ge- u a in 60°9/, und bei den Ungeimpften in 27-4°/, der Fälle. m. - Wie günstig die Pockenmorbiditätsverhältnisse Deutschlands im ME - REN zu denen der Nachbarstaaten liegen, geht aus der auf S. 1198 - _ wiedergegebenen Kartenskizze und folgenden Zahlen hervor. Auf 1000000 Einwohner starben an Pocken 1889—1893 durchschnittlich im Jahre: in Rußland 8364, in Österreich 3133, in Belgien 2529, in Frankreich 147-6, in Deutschland 2-3. Während des Krieges 1870/71 _ erlagen den Pocken bei den Kranzbeischen Truppen 23400 Mann, während bei der geimpften deutschen Armee nur 459 Mannn starben. = Das sind doch Zahlen, welche die zahlreichen Gegner des Impfzwanges 4 3 — sogar unter den Ärzten gibt es unbegreiflicherweise noch solche! —- @ eines Besseren belehren sollten. 4 Das deutsche Impfgesetz schreibt die Impfung aller Neuge- borenen im Laufe des auf die Geburt folgenden Kalenderjahres und v0 die Revakzination aller Kinder im 12. Lebensjahre vor. Junge | er, die als militärtauglich befunden sind, werden auch bei ihrem 77 Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 1198 63. Vorlesung. Dienstantritt noch einmal geimpft. Nähere Bestimmungen über die Ausführung des Impfgesetzes sind durch Bundesratsverordnungen er- lassen, zuletzt am 22. März 1917. | ee Als Impfstoff wird für die Impfungen jetzt ausschließlich “-animale Lymphe verwendet, die von staatlichen Anstalten abge- geben wird. Die ursprünglich von Jenner empfohlene Impfung mit Menschenlymphe, wobei der Inhalt der Pockenpusteln von Mensch zu Mensch übertragen wurde, ist schon seit dem Jahre 1864 allgemein ‚verlassen worden, weil die Möglichkeit der Mitübertragung von Krank- 20 39030 5 20 5 so 65 Kid 75 80 85 0) Y Die Häufickeitder Pockentodesfälle inden Staaten Europas währenddes Zeitraumes von 1893-1897. (Taf. VI.indervom Kaiserlichen Gesundheits- amt herausgegebenen Denkschrift „Blattern 1 und Schutzpockenimpfung. 3“Auf)| | a A Ze al Le min u mn LU na 1.d. grösseren Städtevor, d. Berechnungen konnten für Ceinede den, Norwegen u.Spanien nur auf Glahre au ed 5 / 3 Y / / : & E Anmerkung: AusDänemark a.Frankreich liegen nur An- { Ka 45; \ IS h Avfj ije eine Million Envohnereneke inner- A halb des gedachten Zeitraumes jährlich fockentodesfalle: i nd FT72 über O biszu 5. | r ZB - 5: -“\ Tr "10 = + 100 | 100 - 200 ; N > K222533. Keine Angaben vorhanden £ -Matz ger heiten, hauptsächlich von Syphilis und von Ekzemen, bei diesem Ver- fahren nicht völlig auszuschließen ist. ‘Der zur Vakzination dienende animale Impfstoff kann auf verschiedene Weise gewonnen werden. Nach Paul kommen folgende Verfahren in Betracht: 1. Die rein animale Fortzüchtung zufällig auf Kühen gefundener, Bogeniae genuiner oder originärer Kuhpocken; 2. die rein animale Fortzüchtung der durch Variolation des Rindes erhaltenen „Väriolavakzine“, welcher Ausdruck also gegenwärtig in einem anderen Sinne auf- zufassen ist als Jenner ihn gebraucht hat; | ‘8. die Rückimpfung des flüssigen Inhaltes der kindlichen Schutzblattern, der "= sogenannten Kinderlymphe oder humanisierten Lymphe, auf das Rind, die Retro- vakzination, wobei entweder schon die Lympheernte der ersten Passage (die Retro- vakzine I. Generation) zu. Kinderimpfungen verwendet oder aueh noch durch einige Passagen von Tier zu Tier fortgezüchtet wird, bis deutliche Abschwächung, das sog. „Abreißen“ des Stammes eintritt; Pocken. ; 5 ie die ausschließliche Verwendung der Retrovakzine I. Generation als Stamm- E zu den Tierimpfungen, wobei die Weiterimpfung von Tier zu Tier aus prin- a Gründen nur bis zur zweiten, ausnahmsweise auch bis zur dritten Passage (Generation) fortgesetzt wird, wenn die laufende Eeruplienserie deutliche Zeichen einer ‚Virulenzabsehwächung zeigt. Die zur Gewinnung des tierischen Impfstoffes errichteten staatlichen Kasslien ‚werden von den einzelnen Bundesstaaten unterhalten. Zurzeit bestehen in Preußen 8 solche Anstalten (in Berlin, Cassel, Hannover, Köln, Halle a. S., Königsberg, Stettin), in Bayern 1 (Zentralimpfinstitut i in München), i in Sachsen 1 (Dresden), ürttemberg 1 (Cannstatt), in Baden 1 (Karlsruhe), in Hessen 1 (Darmstadt), in ke schserin 1 (Schwerin), in Sachsen-Weimar 1 (Weimar), in Anhalt 1 (Bernburg), in Lübeck 1, in Hamburg 1. Etwaige private Institute, die neben diesen eicher W Instituten sich mit der Lymphegewinnung befassen, unterliegen in 8 eicher Weise wie die letzteren der staatlichen Aufsicht. cn: Zu Ss ee rs ee a eK ER Zur Lymphegewinnung benutzt man gesunde Kälber, die mindestens "Wochen alt sein sollen, oder Jungrinder. Die Tiere werden vor ‘dem Ankauf tier- . ärztlich bracht, BP} sie noch mehrere Tage auf ihren Gesundheitszustand beobachtet werden. =: Tiere, € ie, ‚in Preußen auch solche, die auf Einspritzung von Tuberkulin eine zerung von mehr als 1°C bekommen, werden ausgeschieden. Bei den denen Kälbern wird die Haut des Unterbauches und der Innenfläche ikel rasiert und mit Seife und Bürste gründlich gereinigt und danach geimpft, daß in lange, parallel verlaufende, mindestens i cm vonein- entfernte seichte Schnitte, de möglichst wenig bluten sollen, Lymphe auf- ird (Taf. 101, Fig. 1). Nach Eintroeknung der Lymphe bedeckt man zur Fernhaltung ' von Schmutz das ganze Operationsfeld zweckmäßig mit einem Tegmin- = Aufkle dünner Watteschichten mit einer aus Wachs, Gummi arabicum, E: Glyzerin, Wi ‚und 5°/, Zinkoxyd bestehenden Paste). ‚Die Lymphe wird nach ; > Verlauf von durchschnittlich 4 Tagen abgenommen, wenn die in den. Impfschnitten = 1 en auf der Höhe der Entwicklung sind. Die Impfung geschieht ebenso wie die Abnahme der Lymphe mit Instrumenten, die durch Erhitzen auf 150°C keimfrei tsind. Vor der Abnahme wird die ganze beimpfte Hautfläche - wiederum gründlich gereinigt, mit 2proz. Lysollösung abgerieben und danach zur - Entfernung der Desinfektionsflüssigkeit mit abgekochtem lauwarmem Wasser abge- - spült. Mit einer starken Kurette werden die Pocken des noch feuchten Impffeldes ® uter ten Druck rasch und in einem Zuge abgestreift, wobei darauf Bedächt daß der Rand des scharfen Löffels nicht den blutenden Pockengrund eh sure bereits ‚abgelösten Pockenreihe streift, weil dadurch der Rohstoff mit Blut ver- ‚unreinigt und die aus ihm bereitete Lymphe mißfarbig wird (Paul). - Strenge Asepsis wird auch bei der weiteren Verarbeitung des Rohstoffes beobachtet. Der Tokztere wird in keimfreie graduierte Gläser gebracht, in denen sein Nettogewicht bequem festzustellen ist. Er wird dann mit der 3—5fachen Menge sterilisierten, wasserhaltigen Glyzerins (80 Teile reinsten Glyzerins-+ 20 Teile Wasser) vermischt und in diesem mit einem sterilen Glas- oder Metallspatel so zerteilt, daß das Glyzerin gleichmäßig auf ihn einwirken kann. Wenn bei der 24 Stunden "nach der Impfstoffabnahme erfolgten Schlachtung des Tieres durch den Tierarzt ein - des Impfstoffes bedenklich erscheinen läßt (z. B. Perlsucht), wird der Rohstoff .ver- ‘- nichtet; ist das Tier aber gesund befunden, so wird der Rohstoff unter die ver- wendbaren Vorräte eingereiht und in den Listen der Anstalt unter genauer Angabe - der notwendigen Daten eingetragen. Er bleibt unter der Einwirkung des Glyzerins 4 Wochen stehen und wird erst dann in besonderen Lymphmühlen so fein -ver- £ - rieben, daß eine gleichmäßig getrübte, aber von Bröckelchen freie Lymphe entsteht. Schließlich wird der fertige Impfstoff je nach der zur Abgabe kommenden Portionen- zahl auf sterile Gläschen oder Kapillaren abgefüllt. Die in den modernen Impf- amstalten gebräuchlichen Lymphmühlen (Fig. 183 u. 184) und Abfüllapparate sind 80 eingerichtet, daß sie in allen ihren Teilen leicht sterilisiert werden können und eine nachträgliche Verunreinigung des Impfstoffes bei sorgsamem Arbeiten aus- geschlossen ist, "= 7 Eine bakteriologische Kontrolle der abzugebenden Lymphe ist E- wünschenswert. Präparate, die einen auffallend hohen Keimgehalt auf- = weisen b und namentlich ER ee pyogenes aureus enthalten, sind auszuschließen. 77% dd an 7 ee 'höhte Temperaturen, Durchfall, Husten oder sonstige Krankheitserschei- pathologischer Befund an den inneren Organen erhoben wird, der die Verwendung. genau untersucht und sodann in einen_ besonderen Beobachtungsstall ge- Bakterio- logische Kontrolle der Lumphe. 1200 63. Vorlesung. - Auch die Untersuchung auf Tetanusbazillen und -sporen durch subkutane Verimpfung der Lymphe auf weiße Mäuse ist empfehlenswert und wird in einzelnen Lymph- gewinnungsanstalten regelmäßig durchgeführt (Paul). Die Verwendung des Glyzerins in der Technik der Lymphgewinnung, die zuerst von dem ehemaligen’ Direktor der Schutzblatternanstalt in Berlin, E. Müller, im Jahre 1866 empfohlen wurde, bedeutet einen großen Fortschritt. Der Glyzerin- zusatz ‚konserviert nicht. nur das Variola-Vakzinevirus in ausgezeichneter Weise, sondern vernichtet im Laufe der Zeit fast alle Bakterien, die man in der frisch- gewonnenen Lymphe findet. Vollvirulente frische Vakzine ruft, auch wenn sie an sich frei von fremden Mikroorganismen ist, unerwünscht heftige Reaktionen hervor. Durch längeren Kon- takt der Lymphe mit Glyzerin wird diese hohe vakzinale Virulenz gemildert. Frische Vakzine ist auch dann noch sicher wirksam. wenn sie mit der 20—25fachen Menge Fig. 183. € Lymphmühle nach E. Tomarkin. (Modell des Schweizer Serum- und Impfinstituts.) Glyzerin versetzt wird. Es empfiehlt sich jedoch, einen so hohen Verdünnungsgrad nur dann zu wählen, wenn der Impfstoff bald nach der Verdünnung verwendet werden soll. Bei längerer Aufbewahrung schwächt sich die Wirksamkeit einer so stark verdünnten Lymphe zu erheblich ab. Für gewöhnlich wird man, wie schon erwähnt, vor der Lagerung der Lymphe nur eine 3—5fache Menge Glyzerin zufügen. Die Dauer der Lagerung soll (nach Paul) nicht unter 3—4 Wochen und nicht mehr als 3 Monate betragen. Wenn mitunter auch Glyzerinlymphe, die */, Jahr und länger gelagert war, noch ausgezeichnete Erfolge hatte, so tritt doch sehr oft schon nach dreimonatiger Aufbewahrung eine deutliche Virulenzabschwächung ein. Nur im Notfall wird man die genannten Grenzen nach oben oder nach unten über- schreiten können. Mannigfache Versuche, die Glyzerinkonservierung der Lymphe durch andere © Mittel zu ersetzen, haben bisher zu brauchbaren Ergebnissen nicht geführt. Weder’ die Erhitzung noch die Ozonisation oder die Versetzung des Rohstoffes mit Chloro- form, Toluol usw. hat sich bewährt. PN. En TE BT te re a LE + ED DZ nenne Pocken. 1201 Der Bakteriengehalt der Lymphe ist von jeher ein besonderer Angrifis- punkt der Impfgegner gewesen, und mit vollem Recht war man bemüht, ihn mög- lichst zu beseitigen. Wenn auch durch peinlichste Sauberhaltung der bei den Impf- tieren beimpften Hautpartien, wie sie sich beispielsweise durch Anlegung von Teg- minverbänden (s.o.) erreichen läßt, und durch strenge Durchführung aseptischer Maßnahmen bei der Lymphegewinnung ein keimarmer, ja unter Umständen ein nahezu keimfreier Impfstoff erzielt werden kann, so sind doch alle solche Maß- nahmen nicht verläßlich. Die Bakterien, die man in dem vom Tiere gewonnenen Rohmaterial in der Regel antrifit, sind größtenteils harmlose Saprophyten, es kom- Fig. 184. Bakterien jehali der Luymphe. Lymphmühlen nach Chalybaus men aber oft auch Strepto- und namentlich Staphylokokken in der Lymphe vor, die sich im Tierversuch als pathogen erweisen und auch sonst alle Merkmale der als Eitererreger beim Menschen festgestellten Kokkenarten aufweisen. Man darf aber die Bedeutung dieser Kokken für den Verlauf des Vakzinationsprozesses nicht über- schätzen, wie dies z.B. Landmann getan hat. Die im Jahre 1896 von der preußi- schen Regierung zur Prüfung der Impfstofffrage eingesetzte Kommission hat nach dem von Frosch erstatteten Berichte festgestellt, daß Parallelversuche mit bakterien- reicher und bakterienarmer Lymphe keine deutlichen Unterschiede in den nach der Impfung auftretenden Reaktionen erkennen ließen. Auch bei denselben Personer war keine Differenz festzustellen, wenn sie an dem einen Arm mit stark bakterien- haltigem, am anderen mit keimfreiem Impfstoff geimpft wurden. Bakteriologische Untersuchungen ergaben, daß sehr oft in völlig reizlosen Impfpusteln Staphylokokken Angebliche Impfschädi- gungen, Vorbehandlung gewonnenen Detritus in verschiedener Weise’ mit Wasser, Kochsalz- gleichsimpfungen .an einer größeren Anzahl von Erstimpflingen vornehmen, wenn "neuerer Zeit ein ‚Verfahren angegeben, das hinreichend exakte Resultate gibt. Die reichen Bestimmungen des Impfgesetzes Sturm zu laufen. Die Forderung, 1202 ‚63. Vorlesung. nachweisbar waren, während sich stark entzündliche Pusteln als steril erwiesen. Paul nimmt auf Grund seiner Erfahrungen an, daß ein gewisser Antagonismus zwischen den in der Schutzblatter assoziierten Mikroorganismen (dem Vakzinekeim und den Eiterungserregern) bestehe, der es bewirkt, daß der a priori stärkere Vak- zinekeim die Entwicklung und Vermehrung der Eitererreger wohl nicht zu hemmen vermöge, jedoch kräftig genug sei, die Entfaltung ihrer pyogenen Eigenschaften zu verhindern. Nur dann könnten die Eitererreger zur Geltung kommen, wenn sie mit einem in seiner spezifischen Virulenz von vornherein abgeschwächten Vakzine- keim assoziiert seien. Jedenfalls ist die keimtötende Kraft des Glyzerins auf alle verunreinigenden Bakterien der Lymphe so zuverlässig, daß wir von einer regelrecht abgelagerten Glyzerinlymphe keinerlei unerwünschte Nebenwirkungen zu erwarten haben. Frosch hat durch exakte Versuche gezeigt, daß künstlich der Glyzerinlymphe zugesetzte Streptokokken bei Zimmertemperatur nach 11, bei Eisschranktemperatur nach 18 Tagen mit Sicherheit absterben. Die Glyzerinlymphe, die von. unseren staat- lichen Anstalten abgegeben wird, kann praktisch als keimfrei gelten und bietet die denkbar sicherste Garantie, daß püßer dem Kuhpockenvirus IUAREDEIRSTTENNE mit y ihr nicht verimpft werden. N Fornet hat, wie bereits (8. 1188) erwähnt, zur Vernichtung der in der Lymphe enthaltenen Bakterien die Ätherschüttelung empfohlen. Tomarkin und Carriere be- nutzten Xylol und nahestehende Körper mit gleich gutem Erfolge. Seiffert und Hüne empfahlen zu gleichem Zwecke einen Zusatz von 3prom. Chinosol, der auch die resistentesten Begleitbakterien abtöten, die Wirksamkeit der Lymphe‘ ‚aber nicht beeinträchtigen sol. Paul hat die Aufschließung, Isolierung und Einengung von reinem vakzinalen Virus aus den ‘tierischen Impfpusteln auf mechanischem Wege angestrebt. Er verdünnt den aus unzerriebener Glyzerin-Rohlymphe durch besondere. lösung und Bouillon, zentrifugiert dann und filtriert durch chemisch reine, sterile Asbestwolle. Das bakterienfreie Asbestfiltrat kann dann durch a N eiefchen mit 3proz. Agar in beliebiger Weise eingeengt werden. Eine Wertbestimmung der Schutzpockenlymphe Jäßt. sich durch Ver- e eine einwandfreie und möglichst gleichmäßige Technik befolgt wird. Außer dem persönlichen Erfolg (Prozentzahl der „mit Erfolg“ Geimpften) und dem Schnitterfolg. (Prozentzahl der iu Pustelbildung übergegangenen Impfschnitte) wird dabei ein be- stimmter Pustel- und Areabewertungsindex und die durchschnittliche Pustelbreite festgelegt. Die diesem Verfahren immerhin anhaftenden Nachteile lassen sich ver- meiden durch Verwendung des Kaninchens zur Wertbestimmung. Die hierfür früher von Calmette und Querin angegebenen Methoden sind ungenau, Groth hat aber in intrakutane Impfung des Kaninchens führt bei Einhaltung "bestimmter orbedin-. gungen zu spezifischen Gewebsveränderungen (Rötung und infiltrative Schwellung) mit ‘deutlich der Menge des einverleibten Virus entsprechenden Abstufungen. D Vergleiche des nach dem Grothschen Verfahren festgestellten Bewertungsindex und des Durchmessers der vakzinalen Infiltration mit den Ergebnissen der Impfung bei Erst- und Wiederimpflingen konnte die praktische Brauchbarkeit dieser. ng methode zur Wertbestimmung der Lymphe bestätigt werden. Bes ‘Wir müssen uns nun in kurzen Zügen noch den okonanki Ei Impfschädigungen zuwenden, die nach der Impfung hier und da beobachtet werden und den Impfgegnern immer wieder Veranlassung geben, in maß- und kritiklos übertriebener Weise gegen die so segens- daß die Ausführung der Impfung unter Beöbachtung strenger Asepsis, also namentlich mit sterilen Instrumenten geschieht, und daß auch jegliche Verunreinigung des Impfstoffes nach seiner Abgabe aus der Anstalt sorgsam vermieden wird, ist selbstverständlich. Daß Über- Ri tragungen von Syphilis und Tuberkulose, die früher bei der direkten Verimpfung menschlicher Lymphe vorgekommen sein mögen, heute bei ° der ausschließlichen Benutzung animalen Impfstoffes nicht zu befürchten sind, ist für den Einsichtigen ohneweiters klar. Bei Verwendung mangel- = 2 = *: IE 2.20 3 Lo. we schiede. Decken, 1203 & hafter Lymphe können aber Eiterungsprozesse bei den Impflingen her- vorgerufen werden. Es sind, namentlich aus früheren Zeiten, genügend "Beispiele gehäufter derartiger Erkrankungen, die im Anschluß an die Impfung auftraten, beschrieben worden. Levy hat über schwere reaktive Entzündungen und Eiterungen berichtet, die er im Elsaß im Jahre 1902 bei Erstimpflingen auftreten sah. Es handelte sich hier aber um die Verwendung einer erst vor 24 bzw. 48 Stunden vom Kalb abgenom- ' menen und mit Glyzerin versetzten Lymphe; Impfungen, die mit dem gleichen Impfstoff 8 Tage später vorgenommen wurden, ergaben völlig reizlose Impfpusteln. Von Eiterungsprozessen ist wohl am häufigsten die als Impetigo contagiosa bezeichnete Erkrankung als Impffolge- krankheit beobachtet worden, aber auch hier stammen die Berichte über das gehäufte Vorkommen der Krankheit zum größten Teil aus der früheren Zeit, wo die animale Lymphe noch nicht so sorgsam ‚hergestellt wurde wie heute, und wo vielfach noch der Impfstoff von Kind zu Kind direkt übertragen wurde. Man hat auch den Bakteriengehalt der Hast des Impflings als Ursache besonders starker Impfreaktionen angesehen und alle. mög- lichen strengen Desinfektionsvorschriften für das Operationsfeld aufge- stellt. Versuche Freyers. die von anderer Seite mehrfach bestätigt wurden, haben ergeben, daß auch die Bakterien, die man auf der vor- her nur mit Wasser und Seife gewaschenen. Haut noch antrifft, für den nach der Impfung eintretenden Reaktionsprozeß bedeutungslos sind. - Wurde die Impfung bei den gleichen Personen sowohl an dem einen desinfizierten, als auch am anderen undesinfizierten Arm vorgenom- men, so zeigten sich in der Entwicklung -der Blattern keinerlei Unter- Die wichtigste Forderung bezüglich der Vermeidung von Impf- schädigungen ist die Verhütung der sekundären Infektion der Impfpusteln, wie sie durch Zerkratzen der juckenden Effloreszenzen mit schmutzigen Nägeln trotz aller Belehrungen so oft eintritt. Das ‚Anlegen von ‚wirksamen Schutzverbänden (z. B. Tegminverband oder Benutzung der vielfäch empfohlenen Schutzkapseln) kann hier zweifellos sehr erfolgreich sein, ist eg in der en Impfpraxis Schwer durchführbar. ‚Selten kommt es zur Entstehung einer „generalisierten Vak- zine“, d.h. zur Ausbildung von Vakzinepusteln auf mehr oder minder ausgedehnten Hautbezirken außerhalb der Impfschnitte (Taf. 98, Fig. 3). Es handelt sich hier oft um mechanische Übertragungen des Vakzine- virus von den Impfstellen aus durch die Finger des Impflings, mitunter aber zweifellos auch um echte Metastasenbildung auf dem Wege der Blutbahn.. Die Lymphe an sich ist für ein solches, in der Regel übrigens unbedenkliches und keine schädlichen Folgen bedingendes Vorkommnis ' nicht verantwortlich zu machen, es ist vielmehr eine besonders starke _ individuelle Empfänglichkeit des Impflings der Grund dieser Generali- sierung und ebenso der sonst in der Umgebung der Blattern auftreten- den stärkeren Reizerscheinungen. Hiermit sind aber wohl alle ernsteren Gesundheitsstörungen, - die . der Impfung eines an sich: gesunden Menschen zur Last gelegt. werden könnten, erschöpft. Gewisse Reaktionen sind unvermeidlich und müssen Gene- ralisierte Vakeine, Trocken- lymphe. Lymphe- gewinnung bei anderen Tieren. Lapina. ‘erhaltenen Pusteln trocknen allerdings leicht ein. Ebenso läßt sich bei als „Lapina* bezeichnete Kuhpockenimpfstofi der Kaninchen hat im wesentlich 1204 63. Vorlesung. vorhanden sein, wenn der Körper eine Immunität gegen das Pocken- virus ausbilden soll. Diese normalen Reaktionserscheinungen sind aber (lurchaus unbedenklich und gehen schnell vorüber. Wo stärkere lokale lteizzustände bestehen, lassen sie sich durch Bedecken der Pusteln (!urch Verbände mit Borvaseline, weißer Präzipitätsälbe ‘oder mit essig-. saurer Tonerde und durch Ruhigstellung des Armes in der Regel leicht ınildern. Kinder, denen wegen irgend welcher Krankheitszustände eine ‚derartige Reaktion ohne Schaden für ihre Gesundheit nach ärztlichem Ermessen nicht zugemutet werden darf, sind von der Impfung so lange zu befreien, als dieser Zustand besteht. Daß alle möglichen schweren Krankheiten durch die Impfung hervorgerufen werden könnten, wie die Impfgegner behaupten, ist durch nichts bewiesen. Obwohl alle behaup- teten Schädigungen pflichtgemäß von den Impfärzten zur Anzeige ge- bracht und diese Fälle mit größter Gewissenhaftigkeit verfolgt werden, haben sich trotz der millionenfach ausgeführten Impfungen niemals stichhaltige Gründe dafür erbringen lassen, daß die Schutzpockenimpfung in ihrer jetzigen Form abgeändert werden müßte oder könnte, me daß ihre so segensreiche Wirksamkeit gefährdet wird. er nn Die Vakzine: läßt sich auch in völlig trockenem Zustande unter Luftabschluß sehr lange in voller Wirksamkeit aufbewahren und widersteht in dieser Form, wie Tomarkin durch eingehende Unter- suchungen darlegte, äußeren Schädlichkeiten, namentlich der Einwirkung höherer Temperaturen, noch besser als die glyzerinhaltige Lymphe. Die „Trockenlymphe“ ist deshalb für die wärmere Jahreszeit und nament- = lich für die Tropen sehr brauchbar. Ar Außer dem Kalbe eignen sich, wie die Erfahrungen der Franzosen in Saigon gezeigt haben, auch Büffel zur Herstellung von Lymphe. In Nordafrika, wo Rinder und Büffel zum Teil schwer zu erhalten sind, wurden von Fargin auch Ziegen dazu verwendet. Die bei letzteren Pferden und Eseln mit Vakzine und Variola Impfstoff gewinnen (Equine), der für den Menschen brauchbar ist. Es ist auch gelungen, auf der Kutis von Kaninchen mit Blatternimpfstoff und mit Kuh- pockenlymphe Eruptionen zu erzeugen, die den Vakzinebläschen beim E Rinde ähnlich sind und sich zur Lymphegewinnung eignen. Die Wirkung der Variola und Vakzine auf Kaninchen wurde zuerst im Jahre 1901 von Calmette und Guerin untersucht. L. Pfeiffer und Voigt verfolgten in ausgedehnten Versuchsreihen diese Frage weiter und stellten folgendes fest: Der die "gleichen Eigenschaften wie die von Kühen und Kälbern gewonnene Lymph Er liefert bei Erstimpfungen gleich gute Resultate wie Kälberlymphe, zeichnet si jedoch vor letzterer durch einen milden und reizlosen Verlauf des Impfprozesses aus. Bei Wiederimpfungen wirkt er allerdings anscheinend schwächer als Kälber- lymphe. Die Lapina bleibt auch bei längerer Fortzüchtung von Kaninchen Kaninchen für den Menschen wirksam und ruft, auf das Rind übertragen, wieder typische Vakzinepusteln hervor. In Glyzerinwasser. behält sie ihre volle Virulenz längere Zeit, sicher 3—4 Monate lang. Voigt und Freyer sind auf Grund ihrer Erfahrungen sogar zu der Schlußfolgerung gekommen, daß die Kaninchenimpfung sich zur "Auffrischung abgeschwächter Kälberlymphe eignet. Der Verwendung der Lapina beim Menschen steht auch mit Rücksicht auf etwaige Kaninchenkrankheiten nichts im Wege, da eine Übertragung der letzteren auf den Menschen nicht zu befürchten ist. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Fig. 1. Tatel 101. Schnittimpfung beim Kinde. Lapina. Pusteln auf der Rückenhaut Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. eines Kaninchens. Pocken. - 1205 Die Herstellung der Lapina geschieht in folgender Weise. Der Rücken weißer Kaninchen wird in einer etwa handtellergroßen Fläche rasiert, das gereinigte Impfgebiet mit Sandpapier abgerieben oder skarifiziert und die Kälberlymphe ein- gerieben. Nach etwa 4 Tagen treten typische, gelbe, flache Bläschen mit zentraler Delle auf, die sehr bald unter Bildung einer Kruste eintrocknen (Taf. 101, Fig. 2). Bevor die Eintrocknung erfolgt, wird das Tier getötet, abgebalgt, das Feli aus- gespannt und die Impffläche mit einem Löffel abgekratzt. Der gewonnene Rohstoff, dem reichlich Haare beigemengt sind, wird mit etwa der 3fachen Menge Glyzerin- wasser verrieben, mit einer kleinen, speziell für diesen Zweck konstruierten Presse durch ein Sieb getrieben und ist dann gebrauchsfertig. Obwohl die Lapina die von Kälbern gewonnene Lymphe für allgemeine prak- tische Impfzwecke nicht ersetzen kann, ist die Kaninehenimpfung doch empfehlens- wert, um in Gegenden, wo Kälber nicht erhältlich sind (z. B. in den Tropen), leicht und bequem Impfstoff herzustellen. Auch für diagnostische Zwecke kann die kutane Impfung von Kaninchen wegen der Erzeugung typischer Impfpusteln wertvoll sein. Beim Affen verläuft der Vakzinationsprozeß ähnlich wie beim Menschen. Brinckeshoff und Tyzzu haben in Manila den Variolaverlauf bei Affen näher studiert Verlauf der Pocken- impfung und festgestellt, daß zunächst an der Impfstelle eine spezifische Lokalreaktion auf- beim Affen. tritt. Sobald die Pockenpustel auf der Höhe der Entwicklung ist, beginnt die All- gemeinreaktion. Unter hohem Fieber und Allgemeinerscheinungen stellt sich das Exanthem ein, das dem des Menschen ähnlich ist. Das Fieber geht dann Iytisch herunter. Der ganze Prozeß ist nach 14 Tagen abgelaufen. Serologische Immunitätsstudien haben ergeben. daß im Blut- serum von Menschen und Tieren, welche die künstlichen oder natür- ‚lichen Pocken überstanden haben. spezifische Stoffe auftreten, die als Träger der Immunität anzusehen sind, für therapeutische Zwecke aber wohl kaum Verwendung finden dürften. Beelere, Chambon und. Menard stellten fest, daß das Serum von Kälbern, die geimpft waren, bei Ver- mischung mit virulenter Lymphe deren. Wirksamkeit im Tierversuch aufhebt. Der Nachweis gelang oft schon am 9.,stets aber vom 12. Tage ‚nach der Impfung an. In gleicher Weise wirkt das Serum von vakzi- nierten Menschen, Pferden und Affen und von Pockenrekonvaleszenten. Schın 3 Monate nach der Impfung waren diese Stoffe in weit geringeren Mengen nachweisbar, nach Verlauf von 10—20 Jahren konnten sie überhaupt nicht mehr gefunden werden. Ihr erstes Auf- treten im Blut soll in die Zeit fallen, in der- die Virulenz des Pustel- inhaltes erlischt. ; Die Immunität, die ein Individuum durch die Impfung erwirbt, scheint das Kreisen dieser Schutzstoffe im Blute wesentlich zu über- dauern, denn es konnte wiederholt gezeigt werden, daß eine neue Impfung auch dann noch negativ ausfällt, wenn das Blutserum des Ge- impften seine antiinfektiöse Beschaffenheit im Tierversuch verloren hat. Auf die Anwesenheit dieser Schutzstoffe im Blute wird die Beobachtung zurückgeführt, daß Frauen, die während ihrer Gravidität die Blattern überstanden, Kinder zur Welt bringen, die gegen Pocken immun sind. Heller & Tomarkin und Friedberger suchten die Natur der Anti- körper näher zu studieren und spezifische Ambozeptoren, die man doch als Träger der Schutzkraft annehmen muß, nachzuweisen. Diese Versuche fielen negativ aus. Klein, v. Konschegg und Gastinel dagegen erzielten mit der. Komplementverankerungsmethode nach Bordet und Gengou günstige Ergebnisse. Als Antigen war am wirksamsten Extrakt von frischen Variolaborken. Die diagnostische " Verwertung der Reaktion erfährt allerdings nach Habetin dadurch eine bedeutende Einschränkung. daß geniigende Mengen von Antikörpern relativ spät, oft erst nach Immunität. 1206 63. Vorlesung. Eintritt eindeutiger klinischer Symptome auftreten und daß andrerseits auch im Blute Vakzinierter komplementbindende Stoffe. vorkommen (Paul). Nach den Untersuchungen von Panten und Jakobsthal scheint auch ‚die Präzipitationsreaktion verwertbar zu sein, wenn sie bei Mischung eines fraglichen Pustelinhaltes mit dem Serum gegen Variolavakzine . hochimmunisierter Kaninchen positiv ausfällt. Mit der Bildung von Antikörpern stehen offenbar auch die Unter- schiede der Reaktionen bei erstmalig Vakzinierten und Revakzinierten in Zusammenhang, auf die besonders v. Pirquei aufmerksam gemacht hat (vgl. S. 1192). Durch die Erstimpfung wird im menschlichen Or- ganismus eine Allergie erzeugt, d.h. ein Zustand veränderter Reaktions- fähigkeit auf Einverleibung neuer gleichartiger Infektionsstoffe. Die Allergie kann eine völlige, wahre Immunität sein. Eine solche kommt indessen nur ausnahmsweise zustande und besteht nur kurze Zeit nach einer mit Fieber und Drüsenschwellung verlaufenen Erstimpfung; nach der Revakzination tritt völlige Unempfindlichkeit nie ein. Die durch die Vakzination und Revakzination oder das Überstehen der Variola her- . vorgerufene Allergie äußert sich darin, daß der Organismus fortan in . anderer Weise reagiert, als bei der ersten Infektion. v. Pirquet unter- scheidet: 1. die maximale Frühreaktion des oftmals Vakzinierten und die beschleunigte Reaktion mit übermäßiger Areabildung als Folge einer Überempfindlichkeit des Organismus und 2. als Zeichen einer Über- empfindlichkeit die kaum sichtbare Frühreaktion, die beschleunigte Reaktion mit ganz kleiner Area und die verschiedenen Formen der : Variolois Vakzinierter, letztere natürlich, wenn es sich um Variola- Pocken- bekämpfung und -prophylaxe. infektion handelt. Die Frühreaktion führt v. Pirguet auf den Zusammen- ‚tritt. des Giftes mit den vorhandenen Antikörpern zurück, ja. über- haupt alle an der Infektionsstelle sich abspielenden Entzündungs- erscheinungen und das allgemeine Blatternexanthem werden durch diese Verbindung zweier Komponenten erklärt. Wenngleich diese An- nahme ». Pirguets noch weiterer experimenteller Stützen bedarf, so erscheinen doch seine Auffassungen auf Grund unserer bisherigen Kenntnisse über Immunität durchaus plausibel und regen zu weiterer Forschung an. Die Versuche einer passiven Immunisierung des Menschen und des Tieres gegen das Virus der Variolavakzine haben die ver- - schiedenartigsten Resultate ergeben je nach der Menge des verwendeten Serums, der Art seiner Applikation und namentlich der zwischen Impfung und Blutentnahme verstrichenen Zeit. Als feststehend kann man ansehen, daß nur große Mengen eines kurz nach der Impfung gewonnenen Immunserums einen leidlichen :Impfschutz verleihen können. Serum, das 16 Tage nach der Impfung oder noch später entnommen wird, ‚Srwenst. a sich als wirkungslos. Die zur Bekämpfung und Verhütung von Pockenonläcstine zu treffenden Maßnahmen sind im Deutschen Reichs-Seuchengesetz vom 30. Juni 1909 und der vom Bundesrat am 28. Januar 1904 heraus- gegebenen „Anweisung zur Bekämpfung der Pocken“. festgelegt. Es ist die Anzeigepflicht für alle Pockenerkrankungs- ‘und -verdachtsfälle vorgeschrieben und in jedem derartigen Falle den beamteten. Ärzten: eine strikte Weisung zur ‚Ermittlung der: Infektionsquellen gegeben: Pocken. ; 1207 Die. strenge Isolierung eines jeden Pockenkranken und Pocken- ist die erste und wichtigste Forderung, um eine Weiter- verbreitung des Infektionsstoffes zu verhüten. Da der letztere, wie früher erwähnt, sehr resistent ist und durch flugfähige Stäubehen und 2 Tröpfchen außerordentlich leicht weitergetragen wird, bietet die Iso- in der Wohnung der Patienten keine genügende Sicherheit. In | jedem Falle sind daher die Pockenkranken in ein Krankenhaus ‘zu überführen und hier tunlichst in einer abgelegenen Isolierbaracke = ‚abzusondern, die luftdicht, geräumig und gut ventiliert sein soll. In ' Weise, aber in völlig getrennten Räumen sind alle Krank- heitsverdächtigen' zu isolieren und zu behandeln, d.h. alle Personen, bei denen Krankheitserscheinungen bestehen, die den Verdacht einer _ Pockeninfektion erwecken. Da eine Übertragung des Pockenvirus schon vor dem Ausbruch der ersten Krankheitserscheinungen, ja schon im - Inkubationsstadium erfolgen kann, ist auch eine sorgfältige Überwachung und eventuelle Isolierung aller Ansteckungsverdächtigen unerläß- lich, d.h. aller der Personen, die in letzter Zeit mit Pockenkränken in Berührung waren. Die Desinfektionsmaßnahmen haben sich in erster Linie auf die Abscheidungen der Kranken zu erstrecken, die erfahrungsgemäß den Ansteckungsstoff beherbergen, also den Eiter der Pockenpusteln, die Hautschuppen, das Sputum und das Nasensekret. Die Bett- und Leibwäsche, die Taschentücher und die Verbandstoffe sind unmittelbar nach ihrer Benutzung im Krankenzimmer selbst in Behälter mit Des- infektionsflüssigkeiten zu legen und in ihnen hinreichend lange zu be- 3 lassen. Eine sorgfältige Schlußdesinfektion des ganzen Zimmers und aller seiner Geräte, der Betten usw. ist nach Abschluß der Krankheit . anzuschließen. SER Die Leichen Pockenkranker. sind mit größter Vorsicht zu be- handeln. Sie sollen in mit Sublimatlösung getränkte Tücher einge- schlagen und baldmöglichst in einem luftdicht schließenden Sarg ver- - schlossen werden. Beisetzungsfeierlichkeiten sind zu verbieten. 7 Bei gehäuftem Auftreten der Pocken können noch weiter- gehende Maßnahmen getroffen werden, so Verbote größerer Menschen- E "ansammlungen (Märkte, Feste u. dgl.), Schließung der Schulen, Ausfuhr- - und Einfuhrverbote usw. Das wichtigste und wirksamste Bekämpfungs- mittel bietet hier aber die Schutzpockenimpfung. Wo auf Grund landesrechtlicher Bestimmungen Zwangsimpfungen beim. Ausbruch 3 - einer Pockenepidemie zulässig sind — in Preußen ist dies nach einem Regulativ von 1835 der Fall, ebenso sind in anderen Bundesstaaten entsprechende Verordnungen in Geltung — ist darauf hinzuwirken, daß alle der Ansteckung ausgesetzten Personen, sofern sie nicht die Pocken 3 _ überstanden haben oder durch Impfung hinreichend geschützt sind, sich impfen lassen. Wo Zwangsimpfungen nicht zulässig "sind, ist in geeig- meter Weise auf eine weitgehende Durchführung der Sehutzpocken- _ -impfung hinzuwirken. Dies gilt besonders für die Bewohner und Be- sucher von Häusern, in denen Pocken aufgetreten sind, für das Pflege- personal, die Ärzte, die bei der Einsargung der Pockenleichen beschäf- tigten Personen, ferner für Leichenbeschauer, Seelsorger, Urkunds- i personen, Wäscherinnen, Desinfektoren und, wenn größere Betriebe den Ausgangspunkt von Pockenerkrankungen gebildet haben, für alle 1208 63. Vorlesung. Arbeiter dieser Anlagen. Es ist dafür zu sorgen, daß in den einzelnen bedrohten Ortschaften unentgeltliche Impfungen vorgenommen und die Termine, an denen hierzu Gelegenheit geboten wird, öffentlich bekannt- gegeben werden. Unter den für besondere V erhältnisse geltenden Vorschriften seien die Meldepflicht für zureisende Personen und die strenge Beaufsichtigung der Besucher der Herbergen,. Obdachlosen- asyle und der fremdländischen Arbeiter besonders hervorge- hoben. Da erfahrungsgemäß in Deutschland stets ein großer Prozent- satz der Pockenerkrankungen auf fremdländische Arbeiter entfällt (im ‚Jahre 1905 z. B. 53°5°/,), ist es von großer Wichtigkeit, daß die Be- hörden ermächtigt sind, deren Impfung anzuordnen. Literatur. Jenner, An inquiry into the causes and effects of the variolae-vaceinae ete. Über- setzt von Ballhorn. Hannover 1798. — Neue Übersetzung von V. Fossel in „Klassiker der Medizin“, herausgeg. von K. Sudhoff. Leipzig, J. A.$Barth, 1911. Kraus, Die Schutzpockenimpfung. Nürnberg 1820. Bollinger, Über Menschen- und Tierpocken. V: ale Samml. klin. Vorträge, 1867. Tomarkin und Carriere, Variola und Vakzine. Handb. d. pathog. Mikroorganismen, 2. Aufl., Bd. 8, 1913. ® Lipschütz, Filtrierbare Infektionserreger. Ebenda. L. Pfeiffer, Die Vakzination. Tübingen 1884..— Hyg. Rundschau, 1905. — Medizinal- statistische Mitt. d. kais. Gesundheitsanites, Bd. 9. Hückel, Die Vakzinekörperchen. Jena 1898. Kübler, Die Geschichte der Pocken und der Impfung. Berlin, A. Hirschwald, 1901. Peiper, Die Schutzpockenimpfung. Berlin und Wien 1901. “ Schulz, Impfung, Impfgeschäft und Impftechnik. Berlin 1891. Bornträger, Das Buch vom Impfen. Leipzig 1901. Jochmgnn, Pocken- und Vakzinationslehre. Wien u. Leipzig; Hölder, 1913. Kussmaul, Briefe über Menschenpocken und Kuhpockenimpfung. Neu herausgeg. von Gins. Berlin, R. Schötz, 1914. v. Pirquet, Klinische Studien über Vakzination und vakzinale Allergie. Leipzig und Wien, Franz Deuticke, 1907. Heller und Tomarkin, Ist die Methode der Komplementbindung beim Nachweis spezifischer Stoffe für Hundswut und Vakzine brauchbar? Deutsche med. Wochenschr., 1907. ; Tomarkin und Serebrenikoff, Über die bakterienfeindlichen und konservierenden Eigenschaften einiger Aufbewahrungsmittel der animalen Lymphe. Archiv f. Schiffs- u. Tropenhygiene, Bd. 14, 1910. Haceius, Variola-Vaccine. Geneve, Verlag von Georg, 1892. Paul, Technik und Methodik der Vakzination. Handbuch der Technik und Methodik der Immunitätsforschung von Kraus-Levaditi. Bd. 1, Jena, G. Fischer, 1908. — - Über Aufschließung, Isolierung und Einengung von reinem vakzinalen Virus - (Paschens Körperchen) aus tierischen Schutzblattern auf mechanischem Wege. Deutsche med. Wochenschr., 1913. — Zur histologischen Technik des Korneal- versuches. Deutsche med. Wochenschr., 1918. — "Ätiologische Untersuchungen bei Variola. Übersichtsreferat, Btrge. z. Klinik d. Infekt.-Krankh. und zur Immunit.-Forschg., Bd. 7, 1919. Freyer, Ein erprobtes V erfahren zur Anzüchtung neuer Variola-Vakzinestämme ver- mittelst des Kaninchens. Klin. Jahrb., Bd. 22, 1910. Kirchner, Schutzpockenimpfung und Impfgesetz. Berlin, R. Schötz, 1911. Voigt, Über die Aufbewahrung des Kuhpoekenimpfstoffes in gefrorenem Zustande und über die dazu nötigen Einrichtungen. Hyg. Rundschau, 1913. — Über die Verwendbarkeit der Kaninchen zur Gewinnung des Kuhpoekenimpfstoffes. Verh. der 22. Vers. der Gesellsch. für Kinderheilkunde. Meran 1905. Seifert und Hüne, Gewinnung von keimfreier Lymphe durch Chinosol. Zentralbl, f. Bakteriologie, Bd. 71, 1913. a a u a a N 1 ST Wr Acc a Mac Zi: 7er ee A ei” 1 ae Pocken. : 1209 Pusckssı; Zur Ätiologie der Yaridla und Vakzine. Deutsche med. Wochenschr., 1913. — Über den Erreger der Variolavakzine. — Immunitätsverhältnisse bei Variola- vakzine. Handb. d. Technik u. Methodik d. Immunitätsforschung von Kraus und Levaditi. Erster Ergänzungsband, 1911. — Über die ige Hyg. Rund- schau, 1919. Fornet, Die Reinkultur des Pockenerregers. Berliner klin. "Wochenschr., 1913. — ge med. Wochenschr., 1913. Gins, Über experimentelle Vakzine und Vakzineimmunität. Zeitschr. f. Hygiene und Infektionskrankh., Bd. 82, 1916. — Der Pockenschutz’ des deutschen Volkes. Berlin, R. Schötz, 1917. — Erfahrungen mit der experim. Pockendiagnose nach Paul. Deutsche med. Wochenschr., 1916. — Zur histologischen Technik des Kornealversuches. Deutsche med. Wochenschr., 1918. — Über die Bedeutung der Schutzimpfung für die Bekämpfung der Pocken. Ztschr. f. ärztl. Fortbildg., 1918. — Über Beziehungen zwischen Tier- und Menschenpocken. Ztschr. f. Hyg. u. Infekt.-Krankh., Bd. 89, 1919. Ungermann und Zuelzer, Beiträge zur experimentellen Pockendiagnose, zur Histo- logie des kornealen Impfeffektes und zum Nachweis der @uarnierischen Körper- chen. Arb. aus d. Reichsgesundheitsamt, Bd. 52, 1920. ‚Neues über Pocken und Pockenschutzimpfung. Korrespondenzbl. f. Schweizer Ärzte, 1919. Hammerschmidt, Über die Herkunft der Guarnierischen Körperchen. Ztschr. f. Hyg. u. Infekt.- Krankh., Bd. 89, 1919. Böing, Zur Färbung der Guarnierischen RER Berliner klin. Wochenschr., 1920. Groth, Über Wertbestimmung der SERIEN, Zeitschr. f. Hyg. u. Infekt.- Krankh., Bd. 92, 1921. 64. VORLESUNG. \. Maul- und Klauenseuche. Ähnlich wie die in Vorlesung 61 besprochene Lyssa ist auch die 'Maul- und Klauenseuche eine gelegentlich auf den Menschen übertragbare - Tierkrankheit,. deren Ätiologie zwar noch nicht geklärt ist, deren Wesen aber durch experimentelle Studien soweit erforscht werden konnte, daß auf Grund der dabei gewonnenen Erfahrungen eine rationelle Bekämp- fung der Seuche in die Wege geleitet, ja sogar wirksame Schutzimpfungs- verfahren gegen sie aufgefunden werden konnten. Der Erreger der Maul- und Klauenseuche ist noch unbekannt. Es. sind zwar Mikroorganismen der verschiedensten Art aus dem Inhalt der für diese Krankheit charakteristischen Haut- und Schleimhautblasen gezüchtet und als spezifische Erreger gedeutet worden, aber strenger Kritik haben alle diese Befunde nicht standgehalten. Durch die Unter- suchungen von Frosch und Löffler wissen ‚wir, daß Aufschwemmungen des Blaseninhaltes ihre Infektiosität auch dann nicht verlieren, wenn sie durch bakteriendichte Filter geschickt werden. Wir . müssen also annehmen, daß die Erreger der Seuche außerordentlich klein sind und daß es wohl nur an der “Unvollkommenheit unserer heutigen optischen Hilfsmittel liegt, daß wir sie nicht. sehen können. : Die Züchtungsversuche bieten außerordentliche Schwierigkeiten und haben bisher zu anerkannten Erfolgen nicht geführt. In’ jüngster Zeit hat Titze mitgeteilt, daß es bei einem bestimmten, in seinen Einzel- heiten einstweilen noch nicht näher bekanntgesebenen Züchtungsver- 1 fahren gelinge, den Erreger der Maul- und Klauenseuche zur Vermehrung zu bringen. In dem besonders zusammengesetzten, flüssigen Nährboden soll eine allmählich an Intensität zunehmende opaleszierende Trübung E entstehen, die bei Weiterübertragung auch in den später beimpften Röhrchen auftritt. Mikroskopisch ließen sich in dem getrübten Substrat zwar keinerlei morphologisch eharakterisierbare Gebilde nachweisen, die Kulturen hatten ‘aber ausgesprochen antigene Eigenschaften gegen- { über Maul- und Klauenseuche-Immunserum. Intravenöse Verimpfung der getrübten Nährflüssigkeit auf gesunde Rinder, Schweine und Meer- schweinchen führte zwar, abgesehen von geringgradigem Fieber, nicht zu Krankheitserscheinungen, machte die Tiere aber gegen eine folgende, für Kontrolltiere infektiöse Nachimpfung mit virulenter Lymphe immun. Maul- und Klauenseuche. - 1211 ' Über die biologischen Eigenschaften des Virus können wir gewisse Anhaltspunkte gewinnen, wenn wir das Verhalten des infektiösen Inhaltes .der Blasen oder der infektiösen Milch prüfen. Es zeigt sich, daß die Resistenz der Erreger gegen Eintrocknung und ebenso gegen unsere gewöhnlichen Desinfektionsmittel sehr gering ist. Kälte können sie gut vertragen, Hitze dagegen nicht. Eine halbstündige Erwärmung auf 65°C tötet sie sicher ab, höhere Temperaturen (80°C) vernichten sie in wenigen Minuten. Dagegen soll sich das Virus in Lymphe, die in geeigneter Weise in Kapillaren aufbewahrt wird, monatelang infektions- fähig erhalten. u IE u u rc) lern une 1 re a a ce 27 Surf: we Die Maul- und Klauenseuche, auch Aphthenseuche genannt, ist eine spezifische Infektionskrankheit und kann niemals autochthon entstehen, sondern ist immer auf eine Ansteckung mit dem von kranken : "Tieren stammenden Virus zurückzuführen. Die Krankheit ist charak- terisiert. als ein akutes Blasenexanthem und befällt hauptsächlich Rinder, Schweine, Ziegen und Schafe, wesentlich seltener Pferde, Hunde, Katzen und Geflügel. Außer diesen Tierarten können auch Kamele, Hirsche und Rehe erkranken. Bei Hunden und Katzen ist die Spontan- erkrankung wohl stets auf den Genuß infizierter Milch zurückzuführen. Mit Virus von hinreichender Virulenz können experimentell, wie in neuerer Zeit Waldmann und Pape, Ernst, Uhlenhuth und Hobmaier feststellten, auch Meerschweinchen infiziert werden. Nach intravenöser Einverleibung von Lymphe der an der Seuche erkrankten Rinder treten bei Meerschweinchen typische Blasen an den Pfoten auf, deren Inhalt sich erfolgreich weiterverimpfen läßt. Waldmann und Pape .erzielten ein Haften des Infektionsstoffes bei Meerschweinchen auch durch Ein- reibung in die vorher skarifizierte unbehaarte Plantarfläche des Meta- tarsus. Es entstehen dabei Blasen, die vom 3. Tage an der langsamen Eintrocknung verfallen. Nach dem Abklingen dieses lokalen Krankheits- . prozesses kommt es aber zu einer Generalisierung der Infektion, denn es treten etwa 3—7 Tage nach der Impfung bei den Meerschweinchen, die an einem Beine geimpft waren, an dem anderen, ungeimpften Bein und zuweilen an der Zunge typische Blasen wie an dem geimpften Bein auf. Für die Allgemeininfektion des Meerschweinchen sprechen auch die stärkeren Temperaturschwankungen, die Gewichtsabnahme, die Freßunlust und die Kachexie, der manche Tiere zum Opfer fallen. Wald- mann und Pape konnten auch das Virus in Meerschweinchen fortzüchten und durch Rückimpfungen auf das Schwein mit Virus der 60. Meer- schweinchengeneration den Nachweis erbringen, daß es sich um echtes, nicht abgeschwächtes, vielleicht sogar in der Virulenz gesteigertes Maul- und Klauenseuchevirus handelt. Da Spontaninfektionen nach den Ver- suchen dieser Autoren beim Meerschweinchen nicht vorkommen, dürfte das letztere für wissenschaftliche Studien über die Maul- und Klauen- seuche sehr geeignet sein. Kaninchen und Ratten zeigen bei gleicher Infektion keine Blasenbildung, aber fibröse Hautknötchen, die das Virus enthalten, und eigenartige Veränderungen am Maul (Hobmaier). Hühner erkrankten nach subkutaner Infektion prompt unter hohem, langwährendem Fieber und Blasenbildung am Zehenballen. Die Inkubationszeit der Infektion beträgt beim Rinde durch- schnittlich 3—6 Tage, beim Schwein 1—2 Tage. Die Prodromal- 1212 | 64. Vorlesung. erscheinungen bestehen in Freßunlust, starkem Speichelfluß und geringen Fiebererscheinungen. Die Maulschleimhaut oder die Haut zwischen den Klauen ist geschwollen oder entzündlich gerötet. Nachdem diese Erscheinungen 1 oder 2 Tage bestanden haben, kommt es zur Bildung erbsen- bis walnußgroßer Blasen, die durch ein wasserklares- seröses Exudat unter Abhebung der obersten Schleimhautschicht oder bei der Klauenseuche durch Vorstülpung der Epidermis gebildet werden. Die Blasen platzen namentlich an solchen Stellen, wo die Schleimhaut straffer mit ihrer Unterlage verwachsen ist oder leicht gedrückt und gezerrt wird, schon am Tage ihrer Entstehung; an den gegen äußere Einwirkungen mehr geschützten Stellen dagegen können sie sich mehrere Tage erhalten. Die nach dem Platzen vom Epithel oder von der Epidermis entblößten Stellen sind schmerzhaft und heilen infolge des eingeriebenen Schmutzes nur langsam ab. Im Maul trifft man die charakteristischen Veränderungen meist am Körper des Oberkiefers, am Zahnfleisch und an der Lippenschleimhaut. Bei ausgedehnter Blasen- bildung im Maul verweigert das Tier die Futteraufnahme und verliert infolgedessen schnell an Gewicht. Die Affektion der Klauen, bei der die Blasen besonders an der Haut der Krone, im Vorderteil und zwischen den Spalten auftreten, bedingt eine Lahmheit der betroffenen Gliedmaßen. Bei den weiblichen Tieren bilden sich vielfach auch am Euter, besonders an den Zitzen, Blasen aus. Schafe, Ziegen und Schweine erkranken in der Regel nur an der Klauenseuche, Pferde nur an Maulseuche. Wenn bei Schweinen auch die Maulschleimhaut affiziert ist, greift der Krankheitsprozeß meist noch auf die Rüsselscheibe über. Bei gutartigem Verlauf der Seuche kommt es etwa im Verlauf einer Woche zum Abheilen der Blasen und zu allmählicher Genesung. Zuweilen treten aber bösartige Formen auf, die durch schwere Katarrhe der Respirationswege und ausgedehnte Entzündungen der Magendarm- schleimhaut kompliziert werden. In diesen Fällen tritt der Tod der Tiere vielfach am 4.—6. Krankheitstage ganz plötzlich unter dem Bilde der Herzlähmung ein. Die Sektion ergibt dann schwere Veränderungen am Herzmuskel, der ein gelbgeflecktes Aussehen zeigt und ‘auffallend mürbe ist, ferner ein blutigseröses Exsudat im Herzbeutel, Blutungen des Epikards und meist auch Zeichen schwerster Gastroenteritis. : Bei jungen Kälbern, seltener bei ausgewachsenen Tieren, gesellt sich zu der Erkrankung der Maulschleimhaut häufig eine akute Gastroenteritis, die zweifellos mit der Aphthenseuche in ursäch- lichem Zusammenhang steht. Ob bei dieser Erkrankungsform die spezi- fischen Erreger mit dem Speichel verschluckt werden und sich dann . auf der Schleimhaut des Magendarmkanals ansiedeln, oder ob resorbierte toxische Stoffe auf hämatogenem Wege die Entzündung bedingen, ist noch nicht geklärt. Man muß stets bedenken, daß die Erreger RER im Blute kreisen und sich darin vermehren. Von Nachkrankheiten der Seuche, die auch bei gutartigem Verlauf den Viehbesitzern schwere pekunäre Verluste bringen, sind bei Kühen namentlich Ver- sagen der Milchsekretion und Verkalben sowie die verschiedensten Entzündungs- formen an den Klauen und am Euter gefürchtet. „Epiae, Für die Epidemiologie ist zunächst von Wichtigkeit, dab das ® - Virus in dem serösen Exsudat der aphthösen Entzündungsherde und im Speichel der maulseuchekranken Tiere enthalten ist und mit Maul- und Klauenseuche. - 1213 ; diesen Sekreten verbreitet wird. Es kommt mit ihnen auf die Streu, in die Krippe und an Hände und Kleidung des Pflegepersonals. Zur Übertragung der Erreger auf andere Tiere des gleichen Bestandes ist also bei mangelnder Vorsicht reichlich Gelegenheit geboten. Nach außen wird die Seuche meist durch Händler, Fleischer und andere Personen verschleppt, die mittelbar oder unmittelbar mit kranken Tieren in Be- rührung kamen. Ebenso kommt auf Märkten, Weiden und Wegen, die von infizierten Tieren betreten wurden, leicht eine Infektion gesunder Tiere zustande. In neuerer Zeit ist mehrfach auch auf die Möglichkeit der Virusverschleppung durch Federvieh hingewiesen worden. Durch die Federn von Tauben, die sich ihr Futter im infizierten Material suchen mußten, konnte die Krankheit experimentell auf Rinder übertragen werden. Löffler nahm auf Grund besonderer etdeniölogicher Erfahrungen an, daß das Virus der Maul- und Klauenseuche in gleicher Weise, wie dies von den Erregern anderer Infektionskrankheiten der Menschen und Tiere bekannt ist, unter beson- deren Umständen in der Maul-, Rachen- oder Nasenhöhle einzelner Tiere noch monatelang nach Ablauf der Krankheit fortvegetieren und durch deren Sekret in infektionstüchtigem Zustande in die Außenwelt entleert werden könne. Ob diese Annahme richtig ist, und in welchem Umfange man mit dem Vorkommen derartiger Dau erausscheider rechnen müßte, wird durch weitere Studien zu klären sein. ’ Wie die Aufnahme des Virus in den Körper erfolgt, darüber gehen die Meinungen der Autoren noch auseinander. Viele Tierärzte neigen der Ansicht zu, daß der Erreger der Maul- und Klauenseuche nicht nur direkt von der Haut der Klauen oder der Mundschleimhaut aufgenommen wird, sondern auch mit der Inspirationsluft in die Luft- wege eindringen und von hier aus durch die Blutbahn zu den für die Erkrankung besonders disponierten Stellen gelangen kann. Die Virulenz des Infektionsstoffes scheint bei den einzelnen Epizootien sehr verschieden zu sein. Das geht zunächst daraus hervor, daß von der Gesamtzahl der empfänglichen Tiere eines Bestandes mit- unter nur etwa 60—70°/, erkranken, während bei einer anderen Epizootie ‘ kein einziges Tier, das der Ansteckung ausgesetzt war, verschont bleibt. Auch der Verlauf der Seuche ist je nach der Virulenz der Erreger verschieden. Es gibt Seuchenausbrüche, dei denen keine nennenswerten Verluste eintreten, und wiederum solche, bei denen sehr viele Tiere der Infektion zum Opfer fallen. In Württemberg wurden z. B. im letzten Seuchengang in einzelnen Gehöften 80—100°/, Todesfälle festgestellt. Erkrankungen des Menschen an Maul- und Klauenseuche kommen vor, aber die Empfänglichkeit des Menschen für das Virus ist im allgemeinen gering. Meist ist die Milch von Kühen, die am Euter die charakteristischen Blasen aufweisen, die Infektionsquelle. Auch Butter und Käse, die aus soleher Milch hergestellt sind, können in Frage kommen. Bekannt sind die Selbstversuche von Hertwig, Mann und Pillain, die rohe, frisch ermolkene Milch von einer an hochgradiger Aphthen- seuche erkrankten Kuh tranken und sämtlich am 2. Tage unter Fieber- erscheinungen typische Blasen auf der Mundschleimhaut und an den Händen bekamen. Durch den Milchgenuß erkranken naturgemäß relativ am häufigsten Kinder, namentlich Säuglinge. Gleichzeitige Infektionen verschiedener Personen ein und derselben Familie werden häufiger beobachtet. Mehrfach ist berichtet worden, daß in der Umgebung Kolleund Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 78 Krankheits- bild beim Menschen. Diagnose. Be- kämpfung.. 1214 64. Vorlesung. ernsterer «Krankheitsfälle leicht verlaufende Stomatitisfälle. und Durch- fallerkrankungen in größerer Zahl auftraten. Es kommt. also. wohl ein großer Teil der leichten Fälle gar nicht zur ärztlichen Kenntnis. Die Pfleger und Melker kranker Tiere können sich auch dadurch infizieren, daß sie infektiöses Sekret an ihre Hände bekommen und dann unbewußt beim Essen usw. in den Mund übertragen. Ferner werden zuweilen Ansteckungen bei den Schlächtern auf Viehhöfen beobachtet.‘ Auch beim Menschen geht dem.Ausbruch der eigentlichen Krank- heitserscheinungen ein Prodomalstadium voraus, dessen Symptome in leichtem Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und allgemeiner Mattig- keit bestehen. Die Schleimhaut des Mundes schwillt an und ist stark gerötet .und schmerzhaft; zudem besteht starker Speichelfluß. Ähnlich wie bei den kranken Tieren bilden sich Blasen auf der Schleimhaut der Lippen und Wangen und an der Zunge, seltener auch äußerlich in der Umgebung des Mundes und der Nase. Wenn die Blasen platzen, entstehen schmerzhafte Geschwürsflächen. Die regionären Lymphdrüsen sind meist geschwollen. Bei Melkern und Knechten, die kranke Tiere gepflegt haben, kommt es mitunter zur Bildung von Aphthenblasen an den Fingern. Auch Erkrankungen an den Zehen, ja sogar Blasenbildungen an den weiblichen Brüsten sind mehrfach beschrieben ‚worden. Bei Kindern werden auch Magendarmkatarrhe im Gefolge der Aphthen- seuche beobachtet. Wir haben also beim infizierten Menschen im wesentlichen die gleichen Krankheitsformen, die auch das kranke Tier aufweist. Beim Menschen verläuft die Infektion in der Mehrzahl der Fälle günstig. Daß sie unter besonderen Umständen aber auch tödlich enden kann, lehrt ein von Veiel bei einer 33jährigen Frau beobachteter Krankheitsfall. Therapeutisch haben sich nach dem Urteil verschiedener Autoren bei der Erkrankung des Menschen die SalRBERABDEAURE bewährt. Die Diagnose der Maul- und Klauenseuche beim Tier ist nicht schwer, wenn es sich um typische Fälle handelt. Beim Menschen dagegen kann die Erkennung der Krankheit große Schwierigkeiten bereiten, wenn nicht bestimmte anamnestische Angaben auf die Ätiologie der Infektion hinweisen. Es können gutartige Aphthen und Stomatitis ulcerosa namentlich bei Kindern differentialdiagnostisch in Betracht kommen. Da wir die Erreger weder im mikroskopischen Präparat, noch auf kulturellem Wege nachweisen können, bliebe zu einer absoluten Sicherstellung der Diagnose nur. eine intravenöse Verimpfung des auf- geschwemmten Blaseninhaltes auf Rinder oder Schweine übrig. Die Verhütung und Bekämpfung der Aphthenseuche ist durch veterinärpolizeiliche Bestimmungen geregelt. Letztere verlangen auf Grund der Meldepflicht in erster Las eine strenge EN Isolierung der erkrankten Tiere, Absperrung der befallenen Gehöfte und der zugehörigen Weideflächen vom Verkehr, Verbot oder Beschränkung der Viehmärkte, Körungen .usw. und eine gründliche Desinfektion der Stallräume und Utensilien nach Erlöschen der Seuche. Die unschädliche Beseitigung des als infiziert anzusehenden Düngers ist streng zu überwachen, ebenso die einwandfreie Behandlung der Kadaver und Kadaverteile (Fleisch, Häute, "Blut, Eingeweide, Hörner, ' Klauen usw.) der an der Seuche gefallenen Tiere. Wenn Seuchengefahr besteht, empfiehlt es sich, frisch angekaufte Tiere einer 14tägigen Isolierung und Beobachtung zu unter- ziehen. Besondere Aufmerksamkeit ist. den sogenannten Treiberschweinen .zuzu- FE EN ER SET Maul- und Klauenseuche. ; 1215 die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen, so ist alles dort eingestellte Vieh schleunigst zu schlachten und dann vor Neuantrieb eine gründliche Desinfektion des ganzen Schlachthofes vorzunehmen. Milch darf aus Gehöften, die als verseucht erklärt wurden, in ungekochtem Zustande nicht abgegeben werden, besonders nicht an Sammelmolkereien, von denen aus die Krankheit erfahrungsgemäß sehr oft ver- breitet wird. Daß sich der Ausbruch”der Seuche unter den Tieren durch eine spezi- fische Sehutzimpfung wirksam verhüten läßt, werden wir später sehen. Für die persönliche Prophylaxe des Menschen genügt es in der Regel, daß der Genuß ungekochter Milch und von Butter und Käse, die aus solcher hergestellt sind, vermieden wird. Der Genuß des Fleisches maul-.und klauenseuchekranker Tiere wird zu Erkrankungen kaum jemals Veranlassung geben. Im Gesetz über die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 3. Juni 1900 und in den dazugehörigen Aus- führungsbestimmungen ist angeordnet, daß, falls keine schwere Begleit- krankheit vorliegt, nur die krankhaft veränderten Stellen und die wert- losen Teile der kranken Tiere (Klauen) unschädlich zu beseitigen sind. Kopf und Zunge können unbedenklich freigegeben werden, wenn sie unter amtlicher Aufsicht in kochendem Wasser gebrüht werden. Für Leute, die mit den an Aphthenseuche erkrankten Tieren zu tun haben, sind größte Sauberkeit und wiederholte Waschungen mit desinfizier enden Lösungen notwendig. Daß Tiere durch Überstehen der Maul- und Klauenseuche eine Immunität gegen spätere Erkrankungen erwerben können, steht außer Zweifel. Man sieht sehr häufig, daß unter größeren Viehbeständen, in denen vor nicht allzulanger Zeit die Krankheit herrschte, bei Neuein- schleppung des Virus nur solche Tiere erkranken, die später angekauft wurden, während die übrigen, obwohl sie direkt zwischen den kranken _ Tieren stehen, gesund bleiben. Aber die Dauer der Immunität scheint wenden, die erfahrungsgemäß sehr oft die Krankheit verbreiten. Ist in Schlachthöfen . Immunität. sehr verschieden zu sein. - Mitunter erstreckt sie sich über mehrere Jahre, man findet aber auch Fälle, in denen Tiere schon nach sechs Monaten zum zweitenmal infiziert werden. Nach den praktischen Er- fahrungen, die während des letzten Seuchenganges gewonnen wurden, hat es den Anschein, als ob die durch das natürliche Durchseuchen aus- gebildete Immunität nicht gegen alle Stämme des Krankheitsvirus gleichmäßig wirksam sei. Die Tatsache, daß Tiere schon bald nach Ablauf einer ersten Infektion erneut, und zwar auch schwer erkranken können, wäre demnach dadurch zu erklären, dafs das zweite Virus von dem ersten immunisatorisch verschieden war. Waldmann und Pape untersuchten experimentell, wie lange Zeit nach der Infektion eine Neuinfektion mit demselben Virusstamm haftet. Es ergab sich, daß bereits gleichzeitig oder unmittelbar nach der Emp- tion der Bläschen eine Superinfektion bei Schweinen, die intravenös in- fiziert waren, nicht haftet. Durch Prüfungen an Meerschweinchen wird sich leicht feststellen lassen, wann die Schutzstoffe im ‚Blut auftreten und ob diese. frühe Unempfänglichkeit gegen die Superinfektion über- haupt auf spezifische Antikörper oder auf Erhöhung der Resistenz zurückzuführen ist. Für Viehbesitzer, die ihre Bestände vor den großen Verlusten, die eine Verseuchung mit Aphthenerkrankung im Gefolge hat, schützen wollen, ist die Möglichkeit wirksamer Schutzimpfungen von besonderem 18* Schutz- impfung. 1216 64. Vorlesung. ‘ Interesse. Hier bieten sich aber große Schwierigkeiten, die besonders in der Unmöglichkeit einer Züchtung des Erregers und seiner außer- ordentlich schwankenden Virulenz begründet sind. Namentlich Hecker, Löffler und Frosch haben sich um die Auffindung und Verbesserung der Schutzimpfungsverfahren große Verdienste erworben, Das Blutserum . von Rindern, die Maul- und. Klauenseuche überstanden haben, enthält zwar Schutz- stoffe, die, zusammen mit virulenter Lymphe Tieren eingespritzt, die Wirkung der letzteren aufheben, aber die Menge der wirksamen Stoffe ist im Rekonvaleszenten- blut so gering, daß für reine Serumimmunisierungen zu große Dosen verwendet werden müßten. Es galt also, die Immunität der serumliefernden Tiere durch Injektion steigender Dosen des Virus hochzutreiben, um hochwertiges Serum zu erzielen. Die Lymphe, die zu diesen Immunisierungen nötig ist, wird aus dem Inhalt der Aphthenblasen gewonnen und nach Verdünnung mit steriler Kochsalzlösung durch Berkefeldfilter geschickt, um die darin enthaltenen Bakterien und Schmutz- teilchen zu entfernen. Löffler stellte fest, daß das Schwein das geeignetste Tier zur Gewinnung größerer Lymphmengen ist, und daß sich zur Prüfung des Schutzwertes der Immunsera besonders Ferkel eignen. Dadurch, daß er Pferde längere Zeit mit steigenden Mengen des Virus intravenös vorbehandelte, erzielte er schließlich Sera, von denen 5 bis 20 cem, je nach der Größe der Tiere, genügten, um Schweine und . Schafe inmitten kranker Tiere wirksam vor der Infektion zu schützen. Die Baur des Impfschutzes ist aber sehr begrenzt. Für Rinder ist das an Pferden . gewonnene Serum weniger: kan . Hier muß ein hochwertiges Immunserum verwendet werden, das durch planmäßige Vor- behandlung an Rindern selbst hergestellt wird. Löffler hat festgestellt, daß man Rinder durch etwa alle 10 Tage. wiederholte Einspritzungen von 20ccm eines solchen Rinderserums über einen beliebig langen Zeitraum vor der natürlichen Ansteckung schützen kann, und daß in der Regel 4 solche Injektionen genügen, weil: die Seuchengefahr im Einzelfalle sich nur selten auf eine längere Zeit erstrecken wird. Das Serum entfaltet bis zu einem gewissen Grade auch Heilwirkungen. Soll eine länger dauernde Immunität erreicht werden, was für ‚die praktische a ee EEE Brauchbarkeit des Verfahrens unbedingt erforderlich ist, so käme eine aktive . Immunisierung in Betracht. Die. V orbehandlung mit stark abgeschwächtem In- fektionsstofi, nämlich mit Lymphe, die entweder durch 12stündiges Erhitzen auf 37°C oder durch länger dauernde Lagerung im Eisschrank unwirksam gemacht ist, gibt, obwohl ihr eine immunisierende Wirkung zweifellos zukommt, keine gleich- mäßigen Resultate, offenbar weil die Virulenz bei Lymphen verschiedener Herkunft = allzusehr‘ schwankt und infolgedessen ein sicherer Maßstab für die Beurteilung der Wirksamkeit des abgeschw ächten Präparates fehlt. Es gelang Löffler schließlich, ein kombiniertes Immunisierungsverfahren auszuarbeiten, das allerdings mehrmalige Vorbehandlung der zu immunisierenden Tiere erfordert, dafür aber, . E abgesehen von seiner Kostspieligkeit, weitgehenden Erwartungen zu entsprechen scheint. Das Verfahren besteht darin, daß zunächst durch subkutane Einspritzun s R: 1 eines Serum-Lymphgemisches eine Grundimmunität erzielt wird. Das Serum sowo| wie die Lymphe muß vor der Abgabe im Tierversuch genau austitriert sein. Die zu = verwendenden Mengen beider Substanzen sind so zu wählen, daß die Lymphe zwar nicht mehr krankmachend wirken, aber dennoch eine Reaktion des Körpers und infolgedessen die Bildung‘ von Schutzstoffen auslösen kann. Durch spätere Ein- -spritzung geringer Lymphmengen wird dann die Grundimmunität gesteigert: es sollen nach etwa 3°/, Wochen 0°003ccm, dann nach 12--14 Tagen 0'Olcem und nach weiteren 12—14 Tagen 0:04 ccm Lymphe subkutan injiziert werden. Mit dieser Methode soll sich eine hochgradige und mindestens !/,—1 Jahr dauernde Immunität 2 erreichen lassen. Das letztgenannte, immerhin sehr teure und von ale 'Zufälligkeiten abhängige Immunisierungsverfahren würde sich, weil der volle Impfschutz erst nach mehreren Wochen eintritt, besonders für Bestände eignen, in denen Erkrankungen noch nicht vorgekommen sind. Wenn es gilt, in Stallungen oder Gehöften, in denen die Seuche bereits ausgebrochen ist, Immunisierungen vorzunehmen, ist es nach den Erfahrungen, die bei den ausgedehnten Epizootien der letzten Jahre gesammelt sind, empfehlenswert, das Zöflersche Immunserum zu sog. Notimpfungen zu verwenden und die Tiere nachher mit dem Speichel oder Aphthensaft erkrankter Rinder zu infi- zieren, um dadurch die nachträgliche Ausbildung einer aktiven Immunität anzuregen. Nach Schern genügen wahrscheinlich 2cem des hochwertigen Serums auf den Zentner N Maul- und Klauenseuche. ek 1217 erwachsenes Rind und bei Kälbern 1—2cem für jedes Tier, um Todesfälle zu ver- hüten. In großem Umfange und mit bestem Erfolge wurde in letzter Zeit das leichter erhältliche Serum von rekonvaleszenten Rindern für solche Not- impfungen verwendet. Von 3630 Rindern, die Zinck beispielsweise |mit Rekon- valeszentenserum behandelte, sind 147 (= etwa 4°/,) an der Seuche gefallen oder wegen ihr notgeschlachtet worden. Durch die Serumimpfung (erkrankte Tiere er- hielten 30— 100, ansteckungsverdächtige 30—60, gesunde 20—40 ccm subkutan) wurde die Anzahl der Todesfälle erheblich vermindert und der Verlauf der Seuche wesent- lich gemildert. In entsprechender Weise bewährte sich auch die Verimpfung des Blutes durchgeseuchter Schweine bei der Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche der Schweine. Bei der aktiven und der kombinierten Immunisierung ist stets zu be- denken, daß unvorsichtiges Arbeiten mit der Lymphe eine V erschleppung des In- ee rg zur Folge haben kann. Literatur. Casper, Maul- und Klauenseuche, Handb. der pathogenen Mikroorganismen von Kolle u. v. Wassermann, 2. Aufl., Bd.6, 1912. — Schutzimpfungen gegen Maul- und Klauenseuche. Handb. der Technik und Methodik der Immunitätsforschung von Kraus u. Levaditi, Bd.1, 1908. Ebertz, Die Ergebnisse der neueren Untersuchungen über Maul- und Klauenseuche ne ihre praktische Anwendung. Arch. f. wissenschaftl. u. prakt. Tierheilkunde, 1 Friedberger u. Fröhner, Lehrbuch der spez. Pathologie und Therapie der Haustiere. 7. Aufl., Stuttgart 1908 Himmel, Impfungen mit Löfflerschen Maul- und Klauenseuchenserum. Berl. tierärztl. Wochenschr., 1920. ' Hutyra u. Marek, Spez. Pathologie und Therapie. der Haustiere. 4. Aufl., Jena, G. Fischer, 1913. Löffler, Die Serotherapie, die Seroprophylaxie und die Impfung bei Maul- und Klauenseuche und deren Wert für die Veterinärpolizei. Bericht über den 9. in- ternationalen tierärztl. Kongreß im Haag, 1909. Löffler u. Frosch, Summarischer Bericht über die Ergebnisse der Untersuchungen der Kommission zur Erforschung der Maul- und Klauenseuche. Deutsche med. Wochenschr., 1897 u. 1898. Löffler u. Uhlenhuth, Über die Schutzimpfung gegen die Maul- und Klauenseuche. - Ebenda, 1901 u. 1903. Merkblatt über Notimpfung gegen bösartige Maul- und Klauenseuche. Ausgearbeitet .von der Bayerischen veterinärpolizeilichen Anstalt. Deutsche tierärztl. Wochen- schrift, 1920. Nocard, La serotherapie anti-aphtheuse. Revue generale de med. veter., 1903. - Schern, Über Notimpfungen gegen Maul- und Klauenseuche in der Praxis und über Versuche mit kleinen Dosen Löffler-Serums. Berl. tierärztl. Wochenschr., 1920. Titze, Die Probleme der Maul- und Klauenseucheforschung unter Berücksichtigung des letzten Seuchenzuges. Arch..f. wissenschaft. und prakt. Tierheilkunde, Bd. 47, - 1921. — Die Züchtung des Erregers der Maul- und Klauenseuche. Berl. tierärztl. Woechensehr., 1922. Veiel, er Maul- und Klauenseuche beim Menschen. "Münch. med. Wochenschr., 1 Uhlenhuth, Über den heutigen Stand und den weiteren Ausbau der Maul- und Klauenseucheforschung. Deutsche tierärztl. Wochenschr., 1920. — Übertragung en ae und Klauenseuche auf Meerschweinchen. Deutsche med. W ochenschr., Waldmann u. Pape, Die künstliche Übertragung der Maul- und Klauenseuche auf das Meerschweinchen. Berl. tierärztl. Wochenschr., 1920. — Experiment. Unter- suchungen über Maul- und Klauenseuche. Ebenda 1921. Zinck, Serumimpfung zur Bekämpfung der bösartigen Maul- und Klauenseuche mit Rekonvaleszentenserum. Buneh. tierärztl. Wochenschr., 1920. 65. VORLESUNG. Trachom. | Molluscum contagiosum. Verrucae. it Halberstädter und v. Prowazek fanden im Jahre 1907 bei Trachom- kranken auf Java charakteristische Gebilde in den Epithelzellen der Konjunktiva, faßten sie als Entwicklungstadien von Mikroorganismen, e die den Chlamydozoen zuzurechnen seien, auf und stellten sie als de Erreger des Trachoms hin. Als erstes unter den Entwicklungsstadien dieser bald allgemein als „Trachomkörperehen* bezeichneten Gebilde beobachteten sie einen Zustand der Zelle, in dem sich in der Nähe des Zellkernes ein bei Giemsa-Färbung den Farbenton der Nukleolen an- nehmender Körper von dem Protoplasma des Zelleibes abhebt. Innerhalb dieser Gebilde sind bei geeigneter Färbung rot bis rotviolett erscheinende, runde oder oval gestaltete Körperchen nachweisbar, die nach vorausge- gangener Größenzunahme durch Teilung Gestalt und Lagerung von kleinsten Doppelkokken annehmen (Taf. 102, Fig. D). BEINEN: Von echten Kokken sind diese Gebilde, die außer den aber 'ge- Kernen. nannten Autoren auch Greef schon gesehen hatte, durch ihren außer-- ordentlich geringen Umfang wohl zu unterscheiden. Das aus Plastin- massen gebildete Reäktionsprodukt der Zelle nimmt entsprechend der Vermehrung der in ihm enthaltenen Körperchen an Größe zu. bläht sich auf und zerfällt schließlich. Die Körperchen werden deshalb ° auch öfters im Plasma: ohne jede Spur eines Reaktionsproduktes an- getroffen, und zwar zu einer Zeit, in der sie erst in ganz geringer Zahl in der Zelle vorhanden sind, und mitunter auch im Innern des Kernes. Gerade diese intranukleären Körperchen scheinen Ver- anlassung zum Austritt von Kernsubstanz ins Plasma und somit zur Entstehung des plastinartigen Reaktionskörpers zu geben. x Die Körperchen selbst sind nach der im großen und ganzen übereinstimmenden Beschreibung, die Halberstädter und v. Prowazek, Greef, Frosch und Clausen, di Santo, Leber und Hartmann u. a. geben, klein, ziemlich scharf umrandet und stets von einem hellen Hof umgeben. Die Größe der Körner schwankt; sie’ scheinen später erößer zu sein als zu Beginn, also zu wachsen. Einzelne Formen sind bei stärkster Vergrößerung gerade noch sichtbar. Vielfach trifft man 2 Körner dicht zusammenliegend, als ob sie sich gerade geteilt hätten. „1 1 0 U Wa u er y Kt de a a a ba a la Malin de 2 cl Lund lu du ET UT Au N 7 Ta E RR Trachom. : 1219 “ Leber und Hartmaiın: sahen mehrfach auch eine Verbindung zweier Einzelkörner durch einen längeren Verbindungsfaden in Hantelform. In Ausstrichen lassen sich die Körperchen besonders gut zur Dar- stellung bringen, wenn man die Präparate feucht in Sublimatalkohol oder Herrmannscher Flüssigkeit (Platinchlorid-Osmium - Essigsäure) fixiert und mit Heidenhains Eisenhämatoxylin färbt. Sie erscheinen dann tief schwarz, die Kernmassen grau. Auch die Giemsalösung gibt bei riehtiger Anwendung gute Bilder. Bei ihr färben sich die .Körperchen im allgemeinen blau, doch wechselt der Farbenton je nach ‚der Färbedauer und Färbekraft der Lösung (Clausen, di Santo). Bei Behandlung der Präparate mit saurem Alkohol werden sie rot ge- färbt. Der Farbenton allein ist nicht charakteristisch. Lindner empfiehlt, die Jufttrockenen und dann in absolutem Alkohol fixierten Epithelabstriche, Schichtseite nach abwärts, 1 Stunde (oder länger) auf folgender Lösung schwimmen zu lassen: 5 Tropfen Giemsalösung + 10 cem Aq. dest+ 1 Tropfen 1 proz. Essigsäure. Darauf Abtrocknen und Einschließen in Zedernöl. Schnitte sollen in der gleichen Lösung 8—12 Stunden verbleiben ; dann Ale. absol., Xylol, Zedernöl. Die Natur dieser Einschlußkörperchen ist noch nicht er- forscht. Die von Halberstädter und v. Prowazek, Frosch Greeff und Clausen vertretene Anschauung, daß es sich um Mikroorganismen handle, wurde von vielen Autoren geteilt, fand aber auch Gegner. Die Färbung. Deutung der Einschluß- körperchen Anhänger der Parasitentheorie sehen besonders in der Zunahme der Körnchen beim Wachsen des. Einschlusses und in dem Auftreten der Doppelformen Beweise für das Vorliegen vermehrungsfähiger Gebilde. ‚Sie nehmen an, daß es sich um Protozoen handeln müsse, denn bei Protozoen sind solche Formen weit verbreitet, bei Bakterien aber bis- her nicht bekannt. Da die kleinsten nachgewiesenen Formen an der Grenze der Sichtbarkeit stehen, sei es nicht unwahrscheinlich, daß es auch noch kleinere, invisible Formen dieser Parasiten gebe. Bei strenger Kritik muß aber betont werden, daß sichere Beweise dafür, daß die Halberstädter-v. Prowazekschen Körperchen Mikroorganismen oder be- sondere Entwicklungsformen solcher sind, bisher nicht erbracht sind. Die Frage, ob die beschriebenen Gebilde für das Trachom spezifisch sind, ist Gegenstand sehr zahlreicher Untersuchungen in den verschiedensten Ländern gewesen. Bei frischen, unbehandelten Trachomfällen wurden sie fast konstant nachgewiesen, bald nach ein- geleiteter Behandlung waren sie jedoch nicht mehr aufzufinden. Die Übertragung auf Affen glückte Halberstädter und v. Prowazek und nach ihnen vielen Autoren (Taf. 102, Fig. 2). Es entwickelte sich bei diesen Tieren eine Konjunktivitis, "die dem. menschlichen Trachom äußerst ähnlich war. Kontrolluntersuchungen an gesunden oder ander- weitig erkrankten Augen fielen zunächst negativ aus. Sehr bald zeigte sich aber, daß die gleichen Körperchen auch bei Blennorrhoea neonatorum (Halberstädter und v. Prowazek, Lindner) und auch bei der gonorrhoischen .Konjunktivis der Erwach- senen (Flemming) und bei Follikularkatarrh (Paschef, Flemming) gefunden werden. Ferner konnten die gleichen Befunde erhoben werden bei der Urethritis gonorrhoica eines Mannes, bei einem gonorrhoi- schen Zervixkatarrh (Heymann) und bei gonokokkenfreier Urethritis (Lindner). Diese Feststellungen haben verschiedene Autoren (Lindner, Einschluß- körperchen bei anderen Krankheiten. - 1220 65. Vorlesung. Wolfrum u. a.) zu weitgehenden Schlußfolgerungen bezüglich der Be- deutung der Einschlußkörperchen veranlaßt. Sie sehen die letz- teren als die Erreger der Prozesse, bei denen sie gefunden worden sind, ‘an, weil es angeblich gelungen sein soll, durch Verimpfung des blenorrhoischen Sekretes auf die Konjunktiva der Affen echtes Trachom zu erzeugen, und sprechen deshalb von einem „Trachom der Säuglinge“ und einem „Trachom der Geschlechtswege“. Die Gonokokken werden, wenn sie gleichzeitig nachweisbar sind, als Mischinfektionserreger auf- gefaßt, ja nach Herzogs Ansicht sollen die Trachomkörperchen sogar Involutionsformen der Gonokokken darstellen. Zu. derartigen, doch mindestens recht hypothetischen, ja fast abenteuerlichen Auffassungen liegen keinerlei zwingende Gründe vor. Wie Flemming mit Recht betont, ist der einwandfreie Beweis, daß durch die Überimpfung des Sekretes von menschlichen Trachomfällen oder von Genitalsekreten auf die Bindehaut der Affen ein echtes Trachom hervorgerufen wird, nicht erbracht. Nicht die Follikelbildung allein darf hierfür als ausschlaggebend angesehen werden, sondern es muß erwiesen sein, daß auch die für das menschliche Trachom besonders charak- teristischen sonstigen Veränderungen, die narbige Entartung der Schleim- haut und der Pannus der Hornhaut bei den infizierten Tieren auftreten; und das ist bisher nicht festgestellt worden. Wir können somit die sogenannten Trachomkörperchen. obwohl sie bei frischen und unbehandelten Fällen von Trachom: fast regelmäßig nachweisbar sind, als Erreger des Trachoms nicht hin- stellen, sondern können sie nur als zerfallene Reaktions- produkte der Zellen auffassen, die in katarrhalisch affizierten 'Schleimhäuten sehr oft angetroffen werden und wahrscheinlich auf die Wirkung invisibler Infektionserreger zurückzu- führen sind. Der Erreger des Trachoms ist noch unbekannt und gehört offenbar zu den Mikroorganismen, die wir mit unseren heutigen Unter- suchungsmethoden noch nicht nachweisen können. In analoger Weise wird man die Befunde bei der nichtgonor- rhoischen Urethritis, der sogenannten „Einschlußblennorrhoe® (s. S. 491) beurteilen müssen. Lipschütz stellt das Trachomvirus in die Reihe 2 von ihm als „dermotrope Virusarten“ bezeichneten filtrierbaren Infektionserreger (8. 8. 1130) und grenzt von dieser Gruppe als Untergruppe die Virus- arten ab, die eine besondere Affinität zu den Epithelien oder zur Epi- dermis haben und bei denen eine Verbreitung auf dem Blutwege nicht anzunehmen ist. Außer dem Trachomvirus rechnet er zu dieser Unter- gruppe nach. die unbekannten Erreger des Ma contagiosum und der Verrucae. Als Molluscum contagiosum bezeichnet man beim Menschen auftretende multiple, gutartige, kleine, weiche Hautgeschwülste, deren Übertragbarkeit die Dermatologen schon lange kennen. Die eigenartigen „Molluskumkörper“, die man in den oberen Zellagen der Geschwülste regelmäßig findet, wurden von Paterson, Henderson, A. Neisser u. v. a. eingehend studiert und früher für s > N 4 M En z u Sep pa] a = er le ek 5) ee ee m Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 102. Trachomkörperchen beim Menschen (Ägypter) (Giemsa-Färbung). el Zelleinschlüsse in Konjunktivalzellen an Schweinepest erkrankter Schweine. Trachomkörperchen beim Affen nach Di Santo. Giemsa-Färbung. "Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. ee, Er Fk jr ; DAT BT w. EL Tampbom. - 1221 die Erreger gehalten. Es handelt sich hier um runde oder ovale, große, nzte Gebilde, die mit Osmiumsäure Fettreaktion geben und durch Jodtinktur gelbbraun, durch Salpetersäure gelbgrün gefärbt werden. Daß es sich bei diesen großen Gebilden nicht um die Erreger handeln kann, wurde im Jahre 1905 durch Juliusberg bewiesen, der feststellte, daß die Krankheit auf die Haut Gesunder auch durch Verreibungen von Molluskumgeschwülsten übertragen werden kann, die vorher durch _ Chamberlandfilter filtriert waren. Nach Lipschütz sind als Erreger des Molluscum ceontagiosum die etwa !/,u. großen, rundlichen, sich hantelförmig teilenden Elementar- . körperchen anzusehen, die im Innern der Zellen nachweisbar sind. ‘Sie sind unbeweglich und haben weder eine Geißel noch eine Membran. Zur Darstellung dieses „Strongyloplasma hominis“ (Zipschütz) eignet sich besonders das Giemsa-Verfahren oder die Löfflersche Geißelfärbung. - Die Molluskumkörper sind: wohl als Teile der Reaktionsprodukte der Zellen (wahrscheinlich keratinartiger Natur) auf die Invasion des filtrier- baren Erregers aufzufassen. Sie entstehen nach einer Inkubationszeit von mindestens 8 Wochen. Die Infektion geschieht offenbar durch direkte Übertragung des Virus in kleine Epithelabschürfungen. Ähnlich zu beurteilen ist anscheinend die Ätiologie der Verrucae, der gewöhnlichen Warzen. Ihre Übertragbarkeit, bei der allerdings ebenso wie bei dem Molluscum contagiosum der persönlichen Disposition eine große Bedeutung zukommt, ist ebenfalls lange bekannt. Dali es ‚sich auch hier um ein filtrierbares Virus handelt, wurde 1907 durch Ciufo gezeigt. Einschlüsse Charaktekistischer Art sind‘ bisher nicht fest- gestellt worden. Literatur. SRTER. Trachom. Kolle und r. Wassermanns Handb. d. pathog. Mikroorg., 2. Aufl., 8, 1913. Greeff, Frosch u. Clausen, Untersuchungen über die Entstehung und Entwicklung des Trachoms. Arch. f. Augenheilkunde, Bd. 58, 1907 u. 59, 1908. Clausen, Wie sind die Trachomkörperchen differentialdiagnostisch zu verwerten? Klin. Jahrb., Bd. 21, 1909. Flemming, Über Chlamydozoen vom Standpunkt des Mediziners. Zentralbl. f. Bakteriologie, Referate, Bd: 47, Beiheft, 1910. — Untersuchungen - über die sogenannten Trachomkörperchen. Arch. f. Augenheilkunde, Bd. 66, 1910. Halberstädter u. v. Prowazek, Über Zelleinschlüsse parasitärer Natur beim Trachom. Arb. aus dem Kaiserl. Gesundh.-Amt, Bd. 26, 1907. Hartmann, Über Chlamydozoen. Ber. üb. d. 4. Tagung der freien Vereinigung für Mikrobiologie. Zentralbl. f. Bakteriologie, Referate, Bd. 47, Beiheft, 1910. Leber u. Hartmann, Untersuchungen zur Ätiologie des Trachoms. Klin. Jahrb., Bd. 21. 1909. Lipschütz, Filtrierbare Infektionserreger. Kolle u. v. Wassermanns Handb. d. pathog. Mikroorg., 2. Aufl., Bd. 8, 1913. di Santo, Untersuchungen über die sogenannten Trachomkörperchen. Klin. Jahrb., Bd. 21, 1909. Wesen der Krankheit, ‚Klinisches Bild. 66. VORLESUNG. Verruga peruviana. Mit dem Namen Verruga peruviana wird eine eigenartige Infek- tionskrankheit bezeichnet, die in gewissen Hochtälern der peruanischen Anden heimisch und durch langdauerndes, zu Anämie führendes Fieber und Auftreten von warzenähnlichen Geschwülsten auf der Haut und den Schleimhäuten der inneren Organe charakterisiert ist. Die Krankheit ist oft mehrfach in Form großer Epidemien auf- getreten. So fielen ihr z. B. im Jahre 1870 beim Bau der von Lima nach Oroya gehenden Zentralbahn 7000 Arbeiter zum Opfer. Wie die peruanischen Ärzte mit Bestimmtheit angeben, ist sie unter natürlichen Verhältnissen nicht. von ‚Person zu Person übertragbar. Daß es sich aber um eine Infektionskrankheit handelt, wird durch die mannigfach gelungenen Übertragungsversuche auf Tiere und auch durch das Experi- ment eines peruanischen Arztes namens Carrion bewiesen, der sich Blut einer Verruga-Geschwulst in die Oberarme impfte und nach 23tägiger ; Inkubation in typischer Weise tödlich erkrankte. Nach ihm wird das Leiden auch Carrionsche Krankheit genannt. Die klinischen Erscheinungen der Krankheit sind recht ver- schiedenartig und in ihren Zusammenhängen noch nicht genügend erforscht. Namentlich ist die Frage noch strittig, ob das eigenartige Fieber, das in Peru „Oroyafieber“ genannt wird, als akutes Stadium zur Verrugakrankheit "gehört oder durch eine anderweitige gleichzeitige Infektion bedingt wird. Jedenfalls geht häufig der Eruption der Ge- schwülste eine schwere fieberhafte Erkrankung vorauf, oder eine solche wird beim Ausbruch der Hautaffektion oder auch bei deren Rückbil- dung beobachtet. 2 Der Fieberverlauf ist unregelmäßig intermittierend oder vomik a tierend. In den typischen schweren Fällen sind neben der hoch- gradigen Anämie Ödeme, Hämorrhagien, rheumatische Be schwerden und schwere Krankheitserscheinungen von seiten des Magendarmtraktus und des Nervensystems nachweisbar, die mit- unter vor dem Auftreten der Hauterkrankung zum Tode führen. Letztere besteht im Ausbruch miliarer oder großknotiger Geschwülste, die sich vorwiegend im Gesicht und an den Extremitäten entwickeln. Daneben trifft man oft sudaminaähnliche, verhornte. vesikulöse und pustulöse BEREITETE ERENTO RTETRNT nee een na 25 127 210 01 DZ Ze ee Eure GENE TRETEN EN TEEN ES ee: : ; wi ‘ Verruga peruviana. ; 1223 . Effloreszenzen. Auch die Schleimhäute der Mundhöhle, die Konjunktiven und selbst die Magenschleimhaut, das Peritoneum, die Pleura und die Schleimhäute des Respirationstraktus sind mitunter Sitz solcher Ver- ‚änderungen. Die Effloreszenzen treten in sehr verschiedener Zahl und Größe auf. Sie entwickeln sich in den oberflächlichen oder in den tieferen Teilen der Kutis im Unterhautzellgewebe und stellen in ihrer vollen Ausbildung dunkelrote, stark erhabene bis pilzförmige, platte oder auch höckerige, im ganzen weiche, stark blutende Gebilde dar, die sich später mit Schuppen und Krusten bedecken und oft ulze- rieren (Taf. 103, Fig. 1). Sie können sich völlig zurückbilden. Einmaliges Überstehen. der Krankheit bedingt die Ausbildung einer anscheinend lebenslangen Immunität. Die Ätiologie der Yarkiga peruviana ist noch dunkel. Barton ‚stellte zunächst als Erreger des Oroyafiebers einen zur Paratyphus- gruppe gehörigen Bazillus hin, der auch von späteren Untersuchern - mehrfach gefunden und für die fieberhafte Allgemeinerkrankung ver- antwortlich gemacht wurde. Das Verrugaexanthem wird durch ihn aber wahrscheinlich ebensowenig hervorgerufen wie durch die von XNicolle, Letulle u. a. in den Hautwucherungen nachgewiesenen säurefesten Stäbchen. i ' Später beschrieben Barton (1905), Bifi und Gastiaburu und andere Autoren eigenartige Zelleinschlüsse in den Erythrozyten der fiebernden Kranken, die die Form kleiner Körnchen oder ganz kurzer plumper Stäbchen zeigten oder anaplasmaähnlich aussahen. Nach Barton, der sie zuerst sah, werden diese Einschlüsse Bartonella bacilliformis ‚genannt. M. Mayer, V. Schilling u.a. sprechen diese Befunde aber als Degenerationsprodukte der roten Blutzellen an, die durch die schwere Anämie zustande kommen. Mayer, da Rocha Lima und Wir fanden im Exanthemstadium ‘ der Krankheit die Erythrozyten unverändert. aber in den Knoten in den großen spindelförmigen Zellen verschiedenartige Chlamydozoen- einschlüsse, sodaß sie für die eigentliche Verruga ein filtrierbares Virus anzunehmen geneigt sind. Die Einschlüsse sollen in zwei ver- schiedenen Arten vorkommen: 1. als kleinere, bei Giemsafärbung Kern- . färbung annehmende Gebilde von 1-15 u. bis zu Erythrozytengröße. teils homogen, teils fein granuliert, paranukleär und auch frei: 2. als größere, hell- oder ziegelrot gefärbte Gebilde, ausgedehntere Teile des Zellprotoplasmas erfüllend, aus distinkten feinen Körnchen zusammen- gesetzt.. Wahrscheinlich gehen beide Formen ineinander über. Sie liegen in großen, homogenen, hellblau-protoplasmatischen Spindelzellen mit großen ovalen Kernen. Die Mitglieder einer von Richard P. Strong geleiteten Expedition. die im Auftrage der Haward-Universität die Krankheit i in ihrem Heimat- _ lande eingehend studierte, halten die Abgrenzung des durch die Barto- nella bacilliformis hervorgerufenen, häufig tödlich verlaufenden Oroya- fiebers von der Verruga peruviana für notwendig. Die ihrem im Jahre 1915 erschienenen Bericht beigefügten Abbildungen sprechen dafür, daß die Bartonella bacilliformis, die auf künstlichen Nährböden nicht wächst, vielleicht ein Parasit ist. Er hat Ähnlichkeit mit dem Erreger des afrikanischen Ostküstenfiebers. In den Endothelzellen der Gefäße finden Äticlogie. Natürliche Übertragung. 1224 66. Vorlesung. NTORS peruviana. . sich Einschlüsse. Es gelang nicht, das Oroyafieber auf Tiere zu über- tragen. Der Infektionsstoff der Verruga peruviana dagegen ließ sich auf Hunde, Kaninchen und Affen verimpfen. Weder bei diesen Tieren noch bei Menschen, die an der fieberlosen Form der Verruga peruviana litten, waren die beim Oroyafieber nachgewiesenen Blutparasiten und Endotheleinschlüsse zu finden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind jedenfalls der weiteren Erforschung bei einer größeren Zahl von Fällen zu unterwerfen, ehe sich ein abschließendes Urteil über sie fällen läßt. Besondere Aussichten bieten hier die Tierversuche. Jadassohn und Kolle, die in Bern einen Fall dieser Krankheit bei einem Bergführer aus dem Wallis, der sich in Peru. infiziert hatte und nach einer min- destens 60tägigen Inkubation erkrankte, beobachten konnten, gelang zuerst die experimentelle Übertragung der Geschwülste auf Affen (Cer- copithecus und Rhesus). Bei diesen Tieren traten an den Augenbrauen ganz ähnliche Hautaffektionen auf, wie sie der kranke Mensch bietet (Taf. 103, Fig. 2). Der amerikanischen Kommission (Townsend) gelang später, wie schon erwähnt, auch die Übertragung der Krankheit auf Hunde und Kaninchen. Ob die bei verschiedenen Tieren (Pferden. Eseln, Maultieren, Hunden, Schweinen, Lamas, Rindern, Hühnern und Truthähnen) spontan auftretenden verrugaähnlichen Geschwülste, wie manche Autoren annehmen, mit der hier geschilderten Krankheit des Menschen identisch sind, steht noch nicht sicher fest. . Die in Peru allgemein verbreitete Annahrie, daß. die Krankheit auf den Genuß infizierten Wassers oder auf das Baden in solchem zurückzuführen sei, hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Näher lag von vornherein die Annahme, daß das noch unbekannte Virus durch Insekten in den Körper übertragen wird. Dafür spricht besonders das Vorkommen in ganz bestimmten Gegenden, namentlich in den Tälern .der Anden. Nach den neueren Feststellungen ist als Überträger eine besondere, ausschließlich innerhalb der Verrugaherde lebende Phlebo- tomusart anzusehen, die Townsend „Phlebotomus verrucarum“ nannte. Townsend scheint sowohl die natürliche Infektion eines Affen durch infizierte Phlebotomen gelungen zu sein, als auch die Erzeugung der Krankheit bei einem Hunde, dem er eine Verreibung | von 20 weib- lichen Phlebotomen subkutan injizierte. Literatur. Anderson, Verruga peruviana. Verh. d. internat. med. Kongr. zu London, 1913. Jadüssohn u. Seiffert, Über einen Fall von Verruga peruviana; gelungene Über- tragung auf Affen. Zeitschr. f. Hygiene und Infektionskrankh., Bd. 66. 1910. Mayer, ‘Über Einschlüsse der Erythrozyten bei Verruga peruviana. Zentralbl. f. Bakt., Bd. 56, 1910. da Rocha Lima, „Verruga peruviana* in Menses Handb. d. Tropenkrankh,., 2. Aufl., Bd. 3, 1914. . Schilling, Tropenkrankheiten in Kraus-Brugsch, „Spezielle Pathologie u. Therapie innerer Krankheiten“, Berlin und Wien, Urban & Schwarzenberg, Bd. I1/2, 1915. Strong, Report of First Expedition to South Amerika ; Cambridge, Haward Uni- versity Press, 1915. h Townsend, The transmission of verruga by Phlebotomus. Journ. of Amerie. assoc., T. 59, 1913. Re ie Da eb Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 103. Fig... Fig. 2. Verruga peruviana. Fig. 1. Geschwülste im Gesicht des Menschen. Fig. 2. Krankheitserscheinungen beim experimentell infizierten Affen. » (Nach Jadassohn.) Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. 67. VORLESUNG. Rinderpest. Die Rinderpest ist eine vorwiegend die Rinder befallende Seuche. deren Verheerungen schon seit vielen Jahrhunderten in Asien und Europa gefürchtet waren. Sie ist jetzt hauptsächlich in Afrika und Zentralasien heimisch — daher die Bezeichnung „orientalische Pest“ — herrseht aber auch im östlichen Europa, namentlich in den Steppen- ländern des Balkans und Südrußlands. Die große Ansteckungsfähigkeit der Krankheit wurde in den westeuropäischen Staaten schon verhältnis- mäßig früh erkannt. Strenge Abwehrmaßnahmen, die in der Tötung aller kranken Tiere und in Sperren gegen die Einfuhr verdächtigen Viehs aus dem Östen bestanden, hatten zur Folge, daß um die Mitte des vorigen Jahrhunderts Europa mit Ausnahme Rußlands und der Balkan- ' staaten frei von Rinderpest war. In Deutschland ist es seitdem nur in ‘ den Jahren 1870/71, 1877 und 1881 zu Neueinschleppungen gekommen, die Ausbreitung ließ sich aber jedesmal schnell im Keime ersticken. - Im neuester Zeit bedroht die Rinderpest Deutschland aber von Polen ' und Litauen her, wo sie sich infolge der Nachwirkungen des Krieges bis an die deutschen Grenzen ausgebreitet hat. In Belgien, wo es durch _ eingeführtes Vieh 1920 zu einer schnellen und starken Verseuchung der Rinderbestände (auch im bisher deutschen Kreise Eupen) kam, - ist die Seuche inzwischen erloschen. Die Kenntnis der Krankheit und der erforderlichen Vorbeugungsmaßnahmen ist also jetzt wieder be- sonders wichtig. - © _ Die Geschichte der Rinderpest zeigt, daß schon in der Mitte des 18. Jahr- hunderts ihre Infektiosität durch Impfversuche ‚von Dodson, Camper u. a. erkannt ‚wurde. Die Forschungen nach dem Erreger sind bis heute erfolglos geblieben. Wenn es auch noch strittig ist, ob der Erreger den eigentlichen filtrierbaren Virusarten zugehört, so ist er doch inyisibel. Trotzdem ist es gelungen, Immunisierungsverfahren gegen die Seuche zu finden. Koch hatte mit der Galle, Kolle und Turner, Danysz ; . and Bordet mit Simultanmethoden Erfolg. Mit dem einen oder anderen dieser ‘Verfahren gelingt es, die Ausbreitung der Seuche wirksam zu bekämpfen. Die Rinderpest kann spontan auf Kamele, Büffel und Antilopen und experimentell auch auf Schafe, Ziegen und Schweine übertragen werden. - Andere Tiere zeigen dem Erreger gegenüber eine natürliche Widerstands- - fähigkeit. Der Mensch ist für die Infektion völlig unempfänglich, sodaß - 2. B. ein wochenlang fortgesetzter Genuß des rohen Fleisches von Rin- dern, die an Rinderpest litten, zu keiner Erkrankung führt. Wesen und Verbreitung. 1226 ; 67. Vorlesung. en - Die Krankheitserscheinungen sind sehr verschieden. Gewöhnlich beginnen sie bei Rindern nach 3- bis. 6tägigem Inkubationsstadium mit auffälliger Apathie und hohem Fieber, das mit geringen Morgen- remissionen während der ganzen Krankheitsdauer bestehen bleibt (Fig.185 und 186). Es treten Entzündungen der Konjunktival-, Nasen- und Maul-. schleimhäute auf, die zu starker eitriger Sekretion und zu Geschwürs- bildungen führen. Infolge der Freßunlust magern die Tiere schnell ab. Fig. 185. Datum ]12)13/14|15/16/17|18/19/20 12/13/14 115|)16 17/18/1920 Zeit |MAIMAIMA AM AIMA MAMA MA MAIM AIMIAIM AIMA|MJA MIA IMIAIMIAIMIAIMIA 109 108 107 IH 106° : | BEE Ber m Em II Sb | I = 4 m oO & an, rt I rl Lt md in ui hi be | “ug —- oO PM, «tr .- It 1 4-4 k- | | mem — = [n. - + « tt nem Temperatur (Fahrenheit) FEN oO oo, mu 7 ——. 44177 ea 11 71. HS un - nl 3 Tt2E>H -TIT > Pr a. © oo zu tn = 447 LH “© u zn | Typischer Verlauf der Temperaturkurve bei Rinderpest. Spontanerkrankung. ° “= Im weiteren Verlaufe der Krankheit stellen sich heftige, vielfach mit / Blut untermischte Durchfälle ein, welche die Entkräftung beschleunigen. Ebenso kommt es zu schleimig-blutigem Ausfluß aus der Vagina. Nach 5—6 Tagen gehen die Tiere unter Koma und Kollapserscheinungen zugrunde. Die Sterblichkeit beträgt bei den westeuropäischen Rindern 90—95°/,, beim Steppenvieh 50—62°/, (Gerlach, Angeloff). et Bei der Sektion zeigen sich ds auffallendsten Veränderungen ‘im Verdauungstraktus (Taf. 104). Man findet entzündliche Ver- > AR ART NE HER ern FR a ae A ei ll SER N a Pa er ne an une, N 2 Da BEER En Sal de al a wall En hr u u 2 a la 5 1 a DEREN Da an Rinderpest. 5 1227 änderungen namentlich. der Schleimhäute des 'Rachens und der Zunge, des vierten Magens, des Dünndarms und .des Mastdarms. Es - kommen. alle Übergänge von Hyperämie und trüber Schwellung der Schleimhaut bis zu den schwersten hämorrhagisch-diphterischen Ent- zündungen vor. Gerade die Blutungen in der Schleimhaut des Darmes sind für die Krankheit charakteristisch. Die Mukosa ist häufig mit fibrinösen Belägen bedeckt und weist dann in großer Ausdehnung Geschwürsbildung auf. Die übrigen Organe zeigen sich, abgesehen von den bereits eralnten Schleimhäuten der Maul- und Nasenhöhle, meist - frei von krankhaften V eränderungen. Fig. 186.) Die Vorläufer der Geschwüre an den | — Schleimhäuten sind „gelblichgraue Knötchen mit gekörnten, .breiigen, AIMAMA AMAMmA| plattenartigen Auflagerungen“, an denen das Epithel allmählich der ; 16]17 18] 19/20|21 a1 2228 24125 na | | ne E 3 i Durch Konfluieren der. linsengroßen oo BH&H# =E Ulzera entstehen die größeren Ge- wre | schwüre, die mit einem schmierig- grauen Belage bedeckt sind. Die Leber ist parenchymatös oder fettig degeneriert, die Gallenblase prall , N mit Galle gefüllt, der oft Blut bei- 18 MERFERH BFH gemischt ist. Die Schleimhaut ist S 103 - geschwollen und nicht selten von ER : NH #1 Ekchymosen durchsetzt. Die Nieren ‚0 . sind parenchymatös degeneriert, die S or Hr x 3 Schleimhaut der Harnwege zeigt ka- Ne = ' tarrhalische Schwellung und Ekchy- y ‚mosen. Auch am Peri- und Endo- u. i 3 kard kommen Ekchymosen zur Be- ER 2 + obachtung. er = - Unter natürlichen Verhält- er nissen entsteht die Krankheit vor- wiegend durch Aufnahme- des In- Be fektionsstoffes in das Maul und den #. Fieberverlauf bei experimenteller Infektion Ver dauungstr aktus oder auf die 5 Faalb. Rinderpest. Schleimhaut der Nase mit infiziertem Futter oder Wasser. Auch indirekt kien die Infektion durch die Hände der Wärter übertragen werden. Die Empfänglichkeit der einzelnen Rinderrassen ist nicht gleich. Gebirgs- rinder, Büffel und das langhornige Steppenvieh Asiens und Afrikas sind viel weniger empfänglich als die veredelten Rassen. Die Empfänglich- keit kann außerdem mit der Häufigkeit des Vorkommens der Rinder- pest in den verschiedenen Gegenden zusammenhängen. Die Verluste sind in Herden, die vor Jahren Rinderpest durchgemacht hatten, nicht so groß, wie die Verluste in einer Herde, in der seit Jahrzehnten keine Rinderpest aufgetreten war. Das Virus der Rinderpest ist noch nicht bekannt. Es sind zwar zahlreiche Mikroorganismen, Bakterien sowohl wie Protozoen, als Nekrose verfällt (Hutyra uud Marek). Übertragung. Rinderpest- virus. 1928 67. Vorlesung. spezifische Erreger der Krankheit beschrieben worden, aber keiner dieser Befunde hat der kritischen Betrachtung standgehalten. Wir wissen nur, daß der Erreger der Rinderpest nicht zu den kleinsten Mikroben ge- hören kann, denn es ist nicht möglich, ihn durch keimdichte Bakterien- filter zu filtrieren. Die Angaben von XNicolle, daß im Filtrat von Rinderpestblut der Infektionsstoff durch erfolgreiche Verimpfung auf Tiere nachzuweisen .sei, sind durch die Versuche von Kolle und Turner sowie von Bitter und Todd widerlegt worden. Die spezifischen Erreger sind sicher im Blut der kranken . Tiere enthalten, denn es genügen selbst minimale Mengen von Immunität und Schutz- impfung. diesem, um durch subkutane Einverleibung empfängliche Tiere zu infi- zieren. Demgemäß erweisen sich auch alle bluthaltigen Gewebe kranker Tiere während der ganzen Dauer der Krankheit als infektiös. Die pathologisch veränderten Sekrete der Nasen- und Maulschleimhaut, die Dejektionen und der Harn sind viel weniger infektiös, wenn auch durch sie eine Übertragung durch subkutane Einverleibung und Aufschmieren- auf die Schleimhaut des Maules und der Nase fast stets gelingt. Das noch unbekannte Virus zeigt gegen äußere Schädigungen eine _ mittlere Resistenz. 1prom. Sublimatlösung, Iproz. Kalkmilch und Phenol in 2proz. Lösung töten, dem Blut oder infektiösen Sekreten zugesetzt, innerhalb einiger Stunden die Erreger ab (Kolle). Erwärmung auf 55 bis 60°C vernichtet sie innerhalb 1 Stunde, ebenso Eintrocknung in dünner Schicht. In faulenden Flüssigkeiten geht das Virus innerhalb einiger Tage zugrunde. In feuchtem Zustande oder in Blut, das sich, in dieker Schicht z. B. mit Dejekten vermischt, halbfeucht erhält, bleibt der: Erreger aber oft mehrere Wochen oder gar Monate infektiös (Krajewsky). Als Diagnostikum der Rinderpest wurde neuerdings von Ruppert die Präzipitinreaktion empfohlen. Als präzipitierendes Serum wurde Antiserum von einem gegen Rinderpest hochimmunisierten Rind be- nutzt. Es eignen sich hierzu aber nicht alle Antisera in gleicher Weise. Als Präzipitinogen wurde Organextrakt von an Rinderpest verendeten Rindern verwendet. Bestätigungen über die Brauchbarkeit dieses ver: 3 fahrens liegen noch nicht vor. Schon sehr früh hatte man sich auf Grund der Erfahrung, daß Rinder, die eine natürliche Infektion überstanden hatten, eine ausge- sprochene, meist für das ganze Leben ausreichende Immunität zeigten, bemüht, auf künstlichem Wege durch Impfungen den Tieren eine leichte Form der Erkrankung beizubringen und sie dadurch gegen spätere natürliche Infektion zu schützen. Man hatte dies namentlich durch Herabsetzung der Virulenz des als Impfstoff benutzten natürlichen Virus zu erreichen gesucht und zu diesem Zweck entweder das viru- lente Blut kranker Tiere durch Desinfizientien, Lichteinwirkung, Er- hitzen u.dgl. oder durch Verimpfung auf weniger empfängliche Tier- arten abzuschwächen getrachtet. Aber alle diese Maßnahmen führten , E nicht zu befriedigenden Erfolgen. Obwohl der spezifische Erreger der Rinderpest noch nicht ge- funden wurde und demzufolge manche Fragen über das Wesen und die Verbreitung der Krankheit nicht in der Art studiert werden konn- ten, wie dies bei Infektionen mit bekannten Erregern möglich ist, j Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 104. Hämorrhagien der Darmschleimhaut bei Rinderpest. Typische Rötung entsprechend den Längsfalten des Rektums bei Rinderpest. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. | Rinderpest. i 1229 haben uns doch umfangreiche und exakte Beobachtungen, die nament- lich durch R. Koch und’ seine Schüler in Südafrika gesammelt wurden, über die Immunitätsverhältnisse bei Rinderpest wichtige Aufschlüsse gegeben und zu wirksamen Schutzimpfungsmethoden verholfen. Koch fand, daß die Galle kranker oder verendeter Tiere die Fähigkeit hat, gesunde Rinder gegen spätere experimentelle Infektionen mit virulentem Blut zu schützen, und daß die mit Galle vorbehandelten Rinder auch der natürlichen Ansteckung gegenüber immun waren. Er empfahl daher die Gallenmethode zur Schutzimpfung. Die mit diesem Verfahren erzielten Resultate waren befriedigend und wurden auch fast überall anerkannt. Die Einverleibung der Galle wird von den Tieren, ohne daß erheblichere Krankheitserscheinungen auftreten, gut vertragen. In Fällen, in denen ein zersetztes Präparat ver- _ wendet wird, kommt es allerdings häufiger zur Abszeßbildung, aber auch hierdurch werden dauernde Schädigungen nur selten bedingt. Wenn von verschiedenen Seiten behauptet worden ist, daß durch diese Impfmethode direkt die Krankheit verbreitet werden könnte, - so. besteht eine solche Angabe nicht zu Recht. Die genaue Unter- suchung hat stets ergeben, daß dann, wenn unmittelbar nach der Impfung mit Galle Erkrankungen unter den Tieren einer Herde beob- achtet wurden, die Herde schon vor der Gallenimpfung mit Rinderpest infiziert war. Die bereits infizierten Tiere erkrankten trotz der Gallen- injektion. Die Injektion der Galle bewirkt eine aktive Immunisie- rung der Tiere. Über das Wesen dieser Immunisierung bestehen allerdings noch Meinungsverschiedenheiten. Höchstwahrscheinlich wird - durch irgendwelche antagonistische Gallenbestandteile, die sich aber ' nur während der Erkrankung bilden, das Virus bei den Impflingen lokalisiert oder im Subkutangewebe abgeschwächt, denn Galle von normalen Rindern, die mit virulentem Blut vermischt wird, hat keine immunisatorische » Wirkung. Tiere, die mit einer künstlichen Blut- Gallemischung vorbehandelt werden, gehen entweder an Rinderpest zugrunde, oder es tritt bei ihnen, wenn sie nicht erkranken, keine Immunität ein; sie erliegen dann einer späteren Impfung mit virulentem But oder der natürlichen Infektion. Im ersteren Falle ist also die normale Galle nicht imstande gewesen, das Virus an der Injektions- stelle zu lokalisieren, im zweiten Falle aber wurde letzteres zerstört. In der Rinderpestgalle ist, wie Kolle durch Zentrifugieren der Galle und Verimpfung des gallefreien Bodensatzes auf gesunde Tiere fand, der Infektionsstoff in virulenter Form vorhanden. Daß wir es bei der Gallenimpfung mit einem aktiven Immuni- sierungsprozeß zu tun haben, geht auch daraus hervor, daß der Impf- schutz nicht sofort nach der Injektion eintritt. Der Tierkörper hat zur . Ausbildung der Immunität eine gewisse Zeit — nach den vorliegenden Erfahrungen etwa 10 Tage — nötig. Es ergibt sich daraus, daß Erkrankungen in infizierten oder der Infektionsgefahr ausgesetzten Herden während dieser Zeit nicht als Impfverluste angesehen werden dürfen, wie dies von einigen Forschern geschehen ist, sondern daß es sich in solchen Fällen um Tiere handelt, die bei der Impfung sich entweder schon im Inkubationsstadium befanden, oder bei denen die In- fektion vor Ausbildung der Immunität eintrat. In seuchefreien Gegenden Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 79 1230 67. Vorlesung. kommen Erkrankungen unmittelbar nach der Gallenimpfung nicht zur Beobachtung. Die Unschädlichkeit und Wirksamkeit der Methode ist auf Grund der sehr zahlreichen Erfahrungen nicht zu bezweifeln. Die Dauer des durch die Gallenimpfung erzielten Impf- schutzes wird auf mindestens 4—6 Monate veranschlagt, sie ist in geringen (Grenzen von der bei den einzelnen Rassen variierenden Empfänglichkeit abhängig. Die Erfolge der Rinderpestschutzimpfung nach der Gallöimetiöde: sind unverkennbar, und es unterliegt nach den in Afrika und in Asien gesammelten Erfahrungen keinem Zweifel, daß das Verfahren bei obli- gatorischer Durchführung, namentlich zu Beginn einer Epizootie, ein gutes Bekämpfungsmittel der volkswirtschaftlich so wichtigen Seuche darstellt. Auch passive er ungineienden wurden vielfach an- gewendet. Es stellte sich heraus, daß größere Mengen des Blutserums von Tieren, die eine Spontaninfektion überstanden hatten, bei der Übertragung auf gesunde Rinder schützende Eigenschaften aufwiesen, und daß diese Wirkung noch erhöht wurde, wenn gleichzeitig oder bald nach der Seruminjektion virulentes Blut eingespritzt wurde. Kolle und Turner gelang es, die Immunität der nach der Gallenmethode vorbehandelten Rinder durch Einspritzung von steigenden Dosen viru- lenten Blutes allmählich so hochzutreiben, daß diese Tiere selbst mehrere Liter hochvirulenten Materials ohne wesentliche ‚Erkrankungserschei- nungen vertrugen und nun die Schutzstoffe in starker Konzentration im Blute aufwiesen. Diese Autoren begannen mit 50 ccm virulenten Blutes und stiegen dann auf 100, 300, 500, 1000, 2000 cem in wöchent- lichen Zwischenräumen. Nach jeder Injektion tritt eine fieberhafte Allgemeinreaktion ein. Nicolle und _Adil Bey haben die von Kolle und Turner inaugurierte Hochtreibung der Immunität dadurch zu erzielen gesucht, daß sie den Tieren, die einen Anfall der Krankheit überstanden hatten, 2 Z virulenten Blutes 1—2mal injizierten. Die Schutzwirkung, die Rindern durch passive Immunisierung mit derartigem hochwertigen Serum verliehen werden kann, ist sicher und- bei Anwendung der nötigen Dosen auch nachhaltig. Die ; Serumimpfungen kommen für die Schaffung eines Gürtels immunisiertter Tiere um abgrenzbare Seuchenherde in Frage. Da jedoch für jedes zu immunisierende Tier 100—200 cem Serum benötigt werden, ist in der Praxis die Durchführung solcher Impfungen an größeren Beständen mit Schwierigkeiten verknüpft. Außer der aktiven und der passiven Immunisierung sind schließlich noch mehrere Methoden der kombinierten Immunisierung zu erwähnen. Zunächst wurde die Anwendung von größeren Mengen defi- brinierten Immunblutes mit nachfolgender Infektion versucht. Letztere wurde einige Tage nach der Blutinjektion entweder durch Einreibung infektiösen Materials (Nasenschleim oder Darminhalt) in Maul und Nase der zu immunisierenden Rinder erreicht, oder aber es wurden die Tiere mit notorisch kranken Tieren zusammengebracht und so der natürlichen Infektion ausgesetzt. Dieses 1897 in Südafrika unter dem Namen der „French method“ empfohlene Verfahren ist jedoch sehr bald wieder ver- lassen worden, weil seine Erfolge einerseits zu unsicher waren, andrer- Rinderpest. I 1231 seits aber durch die Einverleibung größerer Blutmengen von Rind zu Rind auch leicht andere Seuchen (Texasfieber, Trypanosomiasis usw.) verbreitet wurden. Im weitem Umfange praktisch angewandt ist die von Kolle und Turner empfohlene Simultanimpfung, die in gleichzeitiger Ein- i hochwertigen Serums und kleiner Mengen virulenten Blutes Aeeht Als Folge dieser Impfung stellt sich eine leichte, in Verlauf. der Temperatur bei der Simultanmethode. bei diesem Verfahren erzielt, wenn das Immunserum und das Virus = nicht gemischt, sondern räumlich getrennt an verschiedenen Körper- stellen injiziert werden. An virulentem Blut benötigt man etwa 1/,—1 ccm. Die Serumdosis muß auf Grund vorheriger Prüfung ihrer Wirksamkeit _ an einer größeren Anzahl von Tieren derart bemessen werden, daß die der Simultanimpfung unterzogenen Rinder deutliche Reaktionen auf „die Einverleibung des Virus zeigen (Fig. 189; sie schwankt zwischen . 20—50 cem. EEE TIEREN ENTER 79* Temperatur (Centigrade) 5 : 2 ee : E . - Fig. 187. - [Das Jı2 [1311271516117 1819 [20121[22723722725726127 Zeit AIMAIM AIM AIMAIM AM AIM AM AM AIM AIMAMAM AM AM AIMAMAMAIMA| —rrn = FFFrHH HF ae \ = E48 Be E ERFEFFERSEFEH Fe? 51 1 Bi: 1 FE B);: | SE=EEHH FE % —— sis 106 1 E* = 10: + - R EEE Ei ee H | =|s L - i i < E — 7 T 1 E Sehe A f Roos } 1tH | Ä \ Fr AFFEN Hat BESFE sg & SS SERS SEES BEI SIBSESSEESEEEESE | KH 1 E 3 ESF | & ; sEFERNEF EN | Eger AREA F Be u SEBE en A Ps T t F A = I = IH ESE= E H St = 2 IN H BT me sam: FH HF -EEH = 5 BEER He ai = IE : z 5 ling übergehende Rinderpestattacke ein. Die besten Resultate werden 1232 67. Vorlesung. . Die Kolle-Turnersche Simultanmethode hat sich in ver- schiedenen Ländern als wirksames Bekämpfungsmittel der Rinderpest bewährt. Die Impfverluste betragen, wie umfangreiche Statistiken von Kolle und Turner, die Erfahrungen von Bitter und Todd in Ägypten und die in China und von Nicolle in der Türkei vorgenommenen Impfungen gezeigt haben, bei ihr kaum mehr als 1°/,, wenn die Tiere nicht mit komplizierenden Infektionskrankheiten, Piroplasmosen oder Trypanosen behaftet sind. Das Verfahren wird namentlich in Gegenden, in denen .die Seuche längere Zeit endemisch herrscht, und wo die Bereithaltung hochwertigen Immunserums keine Schwierigkeiten bereitet, anzuwenden sein. In Ländern dagegen, wo die Seuche neu eingeschleppt ist, wäre zunächst, wenn das rücksichtslose Töten aller kranken und der An- steckung verdächtigen Tiere, das bei der Einschleppung der Rinderpest in Belgien so schnell zum Ziele führte, nicht durchführbar ist, die aus- gedehnte Anwendung der Kochschen Gallenimpfung anzuraten, da der hierzu nötige Impfstoff nach dem Auftreten der ersten Fälle jeder- zeit zur Hand ist, bis zur Gewinnung wirksamen Serums dagegen immer eine gewisse Zeit vergehen wird. Nur für gewisse Fälle ist es nach den vorliegenden Erfahrungen ratsam, von der aktiven und auch von der kombinierten Immunisierung abzusehen. Wenn man es nämlich mit Beständen zu tun hat, die mit Blutparasiten (Pirosoplasmen, Trypanosomen usw.) durchseucht oder latent infiziert sind, wird die leichte Rinderpestinfektion, die durch die Impfung hervorgerufen wird, vielfach genügen, um die latente Protozoeninfektion anzufachen, und die Tiere werden dann an der doppelten Infektion zugrunde gehen. Auch können die Blutparasiten mit dem Blut von infizierten Rindern auf gesunde Tiere verimpft werden. In derartigen Fällen ist die passive Immunisierung mit großen ‘Dosen wirksamen Rinderpestserums allein, die ja auch für ‚mehrere Monate sicheren Schutz gewährt, vorzuziehen. Ebenso empfiehlt es sich vom wirtschaftlichen Standpunkte aus, Milchkühe und trächtige Rinder nur passiv zu immunisieren, weil auch die leichteste Infektion hier die Milchproduktion aufhebt oder zu Abortus führt. : Dem hochwertigen Blutserum rinderpenii Rinder koinmdn, wie Kolle und Turner zeigten, außer der immunisatorischen Wirkung zweifellos auch Heilwirkungen zu. Es gelingt durch ein- malige frühzeitige Injektion einer großen Dosis hochwertigen Serums, kranke Tiere zu retten. Worauf die Heilwirkung des Serums beruht, darüber können, solange der spezifische Erreger der Rinderpest un- 3 bekannt ist, nur Vermutungen ausgesprochen werden. Allem Anschein . nach handelt es sich um direkt antiparasitäre Wirkungen, denn wir haben keinerlei Berechtigung, anzunehmen, daß das Wesen der Rinderpest- erkrankung auf einer Vergiftung des tierischen Organismus durch lösliche, von dem Erreger sezernierte Gifte beruhe, und daß das spezifi- sche Serum gegenüber diesen Giften antitoxische WIRKUNG entfalte. Literatur. Dieckerhoff, Geschichte der Rinderpest und ihre Literatur. Berlin, Enslin, 1890. Gerlach,- Die Rinderpest. Hannover, Schmorl & v. Seefeld, 1867. Koch, Reiseberichte über Rinderpest, Texasfieber etc. Berlin, J. Springer, 1898. Rinderpest 1233 n Kalt, Rinderpet Lubarsch-Ostertags „Ergebnisse dar pathol. Anatomie“, 6. Jahrg., 1899. — Rinderpestserum. Kraus-Levaditis Handbuch der Technik u. Methodik ‚der Immunitätsforschung, Bd.2, 1909. _Kolle u. Turner, Über Achailsistpfünken und Heilserum bei Rinderpest. Zeitschr. für Hygiene und Infekt.-Krankh., Bd. 29, und Deutsche med. Wochenschr., 1898. Maberly, The Rinderpest in Sonth Africa. Lancet, 1898. _ Mießner, Die, Rinderpest. Deutsche tierärztl. Wochenschr., 1920. ie) Über Immunisierung gegen Rinderpest. Zeitschr. f. Hygiene und Infektions- are Bad. 35. Die Präzi pitinreaktion bei Binderpest. Deutsche tierärztl. Wochenschr.., 1919. | aeg 0 Rindpest. Zeitschr. £. Infektskr. d. Haustiere, Bd. 2, 1921. on a E , Ätiologie der Rinderpest und die Bekämpfung dieser Seuche. Deutsche Zeitschr. F Tiermedizin, Bd. 22. = 50 ernheim, Rinderpest. Kolle- Wassermanns Handbuch d. pathog. Mikroorganismen, 2. Aufl., Bd. 8, 1913. & Theiler, Rinderpest in Südafrika. Schiabir, Archiv f. Tierheilk., Bd. 39. se ae Berliner tierärztl. Wochenschr., 1897. 68. VORLESUNG. Durch filtrierbare Erreger bedingte tierische Infektionskrankheiten. (Schweinepest. Lungenseuche des Rindes. Afrikani- sche Pferdesterbe. Perniziöse Anämie des Pferdes. 4 Bornasche Krankheit. Schafpocken. Hundestaupe. Geflügelpest. Geflügelpocken. Geflügel-Diphtherie. 4 Hühnerleukämie.) | Außer den in den vorhergehenden Kapiteln geschilderten Krank- 3 heiten gibt es bei Tieren noch eine Reihe Infektionen, die sicher oder ‘ mit großer Wahrscheinlichkeit- durch filtrierbare Erreger verursacht werden. Die wichtigsten. von ihnen sollen im Folgenden vom Stand- punkt der ätiologischen Forschung kurz besprochen werden. 1. Schweinepest. Die als besondere Krankheit von anderen Infektionskrankheiten der Schweine, namentlich von der Schweineseuche, zuerst von Salmon und Smith (1885) abgegrenzte Schweinepest ist eine durch ein spezifi- sches filtrierbares Virus bedingte hämorrhagische Septikämie. Klinisch äußert sie sich in ihrer reinen Form zunächst in einer schweren fieberhaften Allgemeinerkrankung und einem akuten Katarrh der Schleim- häute. Namentlich die Augenbindehäute und die Nasenschleimhaut sondern ein reichliches eitrig-schleimiges Sekret ab. Auf der Haut treten verschiedenartige Entzündungen auf, entweder in Form eiterhaltiger „Pockenblasen“ oder in Form mehr oder weniger umschriebener, zu Blutungen und Nekrose neigender Affektionen oder Ekzeme. Auch scharlachartige Hautexantheme werden beobachtet. Später ‘kommt es zu Anämie und erheblicher Abmagerung der Tiere, zu Gelenkschwellungen, oft auch zu Ikterus. Der Verlauf kann sehr verschieden sein. Manche Fälle enden in wenigen Tagen akut tödlich, andere wieder nehmen einen mehr oder weniger chronischen - Verlauf. Man unterscheidet nach den vorwiegenden Krankheitssym- ptomen eine pektorale Form, eine intestinale Form und Misch- formen: beider. Pathologisch-anatomisch ist die erstere durch eine aw Er NE dia I nn 3 9 mn cn Durch filtrierbare Erreger bedingte tierische Infektionskrankheiten. 1235 gewöhnlich hämorrhagische und kruppöse, seltener katarrhalische, später in multiple Nekrose übergehende Lungenentzündung charakterisiert, ‘ der sich vielfach eine fibrinöse oder serofibrinöse Pleuritis und Peri- karditis anschließt. Die häufigere intestinale Form führt zu Durchfällen and läßt am Darmkanal, vorwiegend im Blind- und Dickdarm, schwere - Veränderungen erkennen, die sich bei älteren Fällen bis zu ausgedehnten, tiefen Geschwürsprozessen steigern können. Die Entwicklung des klinischen Bildes, der Krankheitsverlauf und die in den einzelnen Epizootien sehr verschiedene Mortalität der Schweinepest wird wesentlich beeinflußt durch Mischinfektionen, die - sich fast regelmäßig der Schweinepestinfektion zugesellen. Wir haben bereits an früherer Stelle (S. 619) mitgeteilt, daß die Krankheit sehr häufig mit der Schweineseuche vergesellschaftet ist, und haben auch in dem Bacillus suipestifer (S. 622) einen sehr wichtigen Mischinfektions- erreger kennen gelernt. Dieser bewegliche, dem Paratyphusbazillus biologisch nahestehende Bazillus wird, wie schon erwähnt wurde, so ' regelmäßig bei den an Schweinepest erkrankten Tieren gefunden, dab er bis zum Nachweis der Filtrierbarkeit des Virus allgemein als Erreger der Infektion angesehen wurde. Inwieweit diese Mischinfektion . die einzelnen Krankheitserscheinungen und Obduktionsbefunde mit ver- ursacht, ist schwer zu entscheiden. Wir wissen aber von den verhältnis- ' mäßig seltenen perakut verlaufenden Erkrankungen, deren Symptome sich mit denen der experimentell infizierten Tiere annähernd decken, daß das filtrierbare Virus der- Schweinepest in erster Linie die Erscheinungen einer Septikämie hervorruft, Blutungen in der Rachen-, Magen- und Darmschleimhaut, in den‘ serösen Häuten (Peritoneum, ' Pleura, Perikard), in Haut und Muskulatur. E& Die Ätiologie der Krankheit ist heute zunächst in der Richtung . geklärt, daß dem Bacillus suipestifer eine ursächliche Bedeutung als primärer Erreger sicherlich nicht zukommt. Es geht dies aus den exakten Untersuchungen hervor, die wir de Schweinitz und Dorset, ‚Me. Bryde, Bolton sowie Uhlenhuth und seinen Mitarbeitern verdanken. Es ergab sich, daß die Schweinepest durch Einspritzung des keimfrei filtrierten Blutes pestkranker Schweine auf gesunde Schweine über- tragbar ist und daß die auf diese Weise experimentell erzeugte Krank- heit für andere Tiere hochgradig konfagiös ist. Durch subkutane In- jektion von Reinkulturen des Baecillus suipestifer lassen sich zwar auch Krankheitszustände hervorrufen, die dem klinischen Bilde der Schweine- . pest oft sehr ähnlich sind, aber die Verimpfung des Blutes der nur mit dem Bazillus infizierten Tiere führt bei gesunden Schweinen nicht zur Erkrankung an Schweinepest und zu - einer natürlichen Weiterverbreitung der Krankheit. Das Über- stehen der durch Verimpfung von Suipestiferkulturen hervorgerufenen Krankheit macht Schweine gegen eine spätere natürliche Schweinepest- infektion nicht immun, und Tiere, die Schweinepest überstanden haben. sind wohl gegen diese, nicht aber gegen die Infektion mit dem Bacillus suipestifer immun. Wir haben es bei der Schweinepest also mit einem Infektions- erreger zu tun, der bakteriendichte Filterkerzen passiert. Unsere sonstigen Kenntnisse über die Natur dieses Virus sind aller- dings sehr gering. Seine Züchtung ist bisher trotz aller Bemühungen 1236 4% “68. Vorlesung. \ nicht gelungen. Mikroskopische Untersuchungen der infektiösen Sekrete ließen keine charakteristischen Befunde feststellen. Zwar fanden Uhlen- huth und Böing in den Konjunktivalzellen bei fast allen an Schweine- pest erkrankten Schweinen in den ersten 5—10 Krankheitstagen Zell- einschlüsse, die den Trachomkörperchen außerordentlich ähnlich waren, aber es zeigte sich bei Kontrolluntersuchungen, daß die gleichen Einschlüsse, wenn auch verhältnismäßig selten, bei gesunden Schweinen vorkommen. Die Verimpfung von Material, das solche Einschlüsse ent- "hielt, auf andere Tierarten mißlang. Man kann demnach, wie die ge- nannten Autoren selbst urteilen, aus den Einschlußbefunden keine sicheren Schlüsse auf ihre ätiologische Bedeutung für die Schweisie: ”s pest zieben. Die Krankheit ist auf Schweine, namentlich at Fürkal, außer-“ ordentlich leicht experimentell übertragbar, dagegen | verhalten sich alle anderen Tiere ihr gegenüber refraktär. Durch die experimentellen Untersuchungen, bei denen Blut, Aus- 2 E scheidungen, Organsäfte usw. der kranken Schweine nach Filtration durch bakteriendichte Filterkerzen auf gesunde Ferkel verimpft wurden, ist ein- wandfrei festgestellt worden, daß sich das filtrierbare Virus überall im Körper findet, besonders im Blut, im Konjunktival- und Nasen- sekret, in den Krankheitsprodukten der Haut, und daß es durch den Kot und Urin ausgeschieden wird. Durch die Prüfung infektiöser ‘ Blut- und Serumfiltrate haben wir aber weiterhin wichtige Aufschlüsse über die Resistenz des Schweinepestvirus in der Außenwelt er- halten. Es’ hat sich herausgestellt, daß sich flüssiges virushaltiges Material bei Zimmertemperatur 10—14 Wochen lang virulent erhält und ‚Hitzegrade von: 60 bis 70°C bis-zu 1 Stunde verträgt. Auch gegen. niedrige Temperaturen ist das Virus sehr widerstandsfähig, ebenso gegen Belichtung (Sonnenlicht) und gegen Austrocknung. Fäulnisprozessee dagegen vernichten die Virulenz anscheinend schnell. Mit infektiösen Organen, die 3 Tage lang vergraben waren, ließ sich die Krankheit nicht mehr übertragen. Auch im Kot geht das Virus infolge der Wirkung der Fäulniserreger bald zugrunde. Von Desinfektionsmitteln tötet Sublimat, e in Are Lösung infektiösem Urin zugesetzt, das Virus etwain 15 Minuten ab, 25proz. Karbollösung vernichtet es’ aber in dieser Zeit noch nicht mit Sicherheit. 'In eiweißhaltigen Medien müssen diese Desinfektions- . mittel aber tagelang mit dem Virus in Kontakt sein, wenn. eine sichere e; Wirkung erzielt werden soll. Interessant ist die Wirkung des Anti- formis auf das Virus und die mischinfizierenden Bazillen. Es’ vernichtet 4 in 2'5proz. Lösung das filtrierbare Virus noch nieht in 1-Stunde, während es Aufschwemmungen des Bacillus suipestifer schon in /, Stunde sicher 3 abtötet. ei Die experimentellen lektionerersadies haben hinsichtlich er natürlichen Infektion erwiesen, daß die Übertragung der Schweine- pesterreger hauptsächlich wohl mit dem Futter erfolgt, in das sie mit = dem Bindehaut- und Nasensekret, besonders aber ‘mit dem Urin der kranken Tiere hineingelangen. Der Kot spielt als Infektionsquelle an- scheinend eine geringere Rolle (Uhlenhuth und Haendel). Eine Infektion Br kann aber auch von den Schleimhäuten der Atmungsorgane und von = kleinen Hautwunden aus erfolgen. . Durch filtrierbare Erreger bedingte tierische Infektionskrankheiten. 1237 Durch das Überstehen der natürlichen oder experimentell durch - Einimpfung virushaltigen, aber bakterienfreien Blutes hervorgerufenen Schweinepesterkrankung wird bei Schweinen eine Immunität erzielt. Der- artige Tiere erkranken, wie die Untersuchungen von Dorset, de Schwei- mitz, Boxmeyer, Uhlenhuth und seinen Mitarbeitern, v. Ostertag, Hutyra - und». Wassermann zeigten, bei späterer experimenteller Infektion nicht - mehr und sind auch gegen die natürliche Ansteckung geschützt. Eine praktisch brauchbare und zuverlässige rein aktive Immunisierungs- methode gibt es bisher nicht; abgetötetes Virus ruft keine Immunität her- vor, und die Virulenzabschwächung gelingt nicht ‘mit der nötigen Sicher- heit und Gleichmäßigkeit. Man kann aber durch vorsichtige allmähliche Immunisierung von Schweinen Sera herzustellen, die ausgesprochene Scehutzwirkungen entfalten. Nach den Erfahrungen Uhlenhuths und seiner Mitarbeiter genügen schon Serumdosen von 15—30 ccm je nach 7 ‚dem Alter der Schweine, um für die Dauer von 4—8 Wochen eine passive Immunität gegen die natürliche Infektion zu gewährleisten. Wenn passiv immunisierte Tiere mit schweinepestkranken Tieren in demselben 3 Stalle gehalten werden, erwerben sie durch die Aufnahme .des Virus zugleich eine aktive Immunität, sodaß sich die Dauer des Impfschutzes dann wesentlich erhöht. In Amerika und Ungarn werden Simultan- impfungen angewendet, die sich gut bewähren sollen. Die Heilwirkung des Immunserums ist nur sehr eng begrenzt. 2. Lungenseuche des Rindes. . Die Lungenseuche oder Peripneumonie ist eine epizootisch auftretende Infektionskrankheit der Rinder, die in der Regel akut oder ‚subakut, mitunter aber auch chronisch verläuft und durch eine exsu- dative Entzündung der interlobulären Lymphgefäße und des : alveolären Gewebes der Lungen bei gleichzeitiger serofibrinöser Brustfellentzündung charakterisiert ist (Hutyra und Marek). Die infek- tiöse Natur der Krankheit wurde zuerst durch Chabert (1793) erkannt, - aber erst durch Willems (1836) experimentell begründet. Der letztge- _ nannte Autor impfte mit einer Lanzette gesunden Rindern Lungenlymphe - eines an Lungenseuche erkrankten Tieres subkutan ein und sah nach - einer zwischen 6—20 Tagen schwankenden Inkubationszeit die Krankheit - in ihren typischen Erscheinungen ausbrechen. ‘Für die Ätiologie wurde die Beobachtumg von Pasteur (1882) wichtig. daß das Virus in vollkommen bakterienfreien Krankheitspro- dukten enthalten und in gewöhnlicher Nährbouillon nicht züchtbar ist. - Nocard, Roux und ihren Mitarbeitern Borrel, Salimbeni und Dujardin- 5 Beaumetz gelang der Nachweis, daß in Kollodium- oder Schilfsäckchen, “ die mit Lungeniymphe der kranken Rinder beschickt und längere Zeit _ in die Bauchhöhle von Kaninchen oder Meerschweinchen eingenäht - waren, eine Kultur der Erreger in vivo möglich ist. Der Inhalt der - Säckchen besteht dann aus einer albumösen, opaleszierenden Flüssig- keit, in der bei Dunkelfelduntersuchung eine große Zahl kleinster, licht- brechender Körperchen sichtbar ist. Später gelang die Züchtung des - Virus auch außerhalb des Tierkörpers, und zwar in einer besonderen - Serumbouillon (Bouillon aus 200-300 g zerkleinertem Schweine- _ magen, 10 9 reiner Salzsäure und 10009 Wasser von 50° C, versetzt 1238” 68. Vorlesung. | | I N mit 10—15°/, Kaninchenserum) und auf Serumpeptonagar, der ent- sprechend hergestellt ist. @Giese hat in neuerer Zeit darauf hin- gewiesen, daß das Gelingen der Kultur wesentlich davon abhängig ist, daß die Serumbouillon auf eine bestimmte Wasserstoffionen- konzentration eingestellt ist. Die Kultur in Serumbouillon erscheint nach 2—Btägigem Wachstum bei 37°C ebenfalls opaleszierend wie der Inhalt der Kollodiumsäckchen. Auf dem Agar werden nach 4—5 Tagen feinste, nur bei Lupenbetrachtung zu erkennende tautropfenartigeKolonien sichtbar. Bei Untersuchung mit einer schwachen mikroskopischen Ver- größerung zeigen die Kolonien ein körniges Aussehen und eine leicht bräun- liche Färbung. Das warzenähnliche Zentrum wird von einer allmählich breiter werdenden, dünneren Randzone umgeben. Die Kolonien haften fest auf der Unterlage des Nährbodens und lassen sich schlecht abstechen. Das Virus der Lungenseuche ist, wie Nocard und Rouz . feststellten, durch Berkefeld- und Chamberlandkerzen filtrierbar. Es bietet aber ein Beispiel dafür, daß mit der Eigenschaft der Fil- trierbarkeit nicht gleichzeitig die Invisibilität verbunden sein muß. Wenn man aus dem Inhalt der Kollodiumsäckchen oder aus Serumbouillonkulturen dünne Ausstrichpräparate herstellt und nach dem Löfflerschen Geißelfärbungsverfahren oder mit Giemsalösung färbt, sieht man bei Anwendung starker Vergrößerungen feine, kurze F äden, 3 bald gebogen, bald gewunden, in S- oder Spirillenformen, daneben 2 aber auch rundliche Körnchen, deren Zentrum blaß erscheint. In den nach Löffler gefärbten Präparaten erkennt man auch kokkenähnliche Gebilde, die zum Teil zu Häufchen vereinigt oder in Diplokokkenform oder in kurzen Ketten zusammenhängen und anscheinend von einer schleimigen Hülle umgeben sind. In dieser Hülle bilden sich bei Tei- lungen verzweigte und Sternformen, die zu der Benennung des Virus mit dem Namen Asterococcus mycoides Veranlassung gegeben = haben (Borrel, Dujardin-Beaumetz, Jeantet und Jouan). Wir haben es also mit einem anscheinend pleomorphen Mikroorganismus zu tun. Über seine Natur und Systemstellung ist ein abschließendes DER bis- her nicht möglich. a Das Virus ist experimentell auf Rinder übertragbar. Die subkutane und intrakutane Verimpfung führt nach einer Inkubationszeit ° von 6—20 Tagen zu ausgedehnten ödematösen Infiltraten am Stamm oder an den Extremitäten und zu einem fieberhaften, fortschreitenden ° Infektionsprozeß, dem die Tiere in der Regel erliegen. Bei der ° Impfung am Schwanzende treten dagegen nur geringe Reaktionen auf, in deren Folge sich aber eine sichere Immunität des Tieres aus- bildet. Die Infektion per os mit infiziertem Futter gelingt nicht, wohl ° aber unter besonderen Bedingungen die Inhalationsinfektion. Auf andere Tiere ist die Lungenseuche der Rinder nicht übertragbar. Der natürliche Infektionsmodus ist noch nicht klargestellt, wahr scheinlich findet die Ansteckung durch Tröpfcheninfektion statt. Eine Schutzimpfung ist in aktiver Form durch Impfung de gesunden Tiere am Schwanzende möglich (s. o.). Man erreicht dadure einen Impfschutz, der 1—2 Jahre andauert. Das Verfahren wird aber ° wegen der Schwierigkeiten, die die Beschaffung geeigneter Lymphe bietet, und wegen mannigfacher Impfschädigungen, die auch den Tod 3 der Impflinge zur Folge haben können, nicht viel angewendet. = Durch filtrierbare Erreger bedingte tierische Infektionskrankheiten. 1239 Durch planmäßige Weiterbehandlung immun gewordener Rinder mit steigenden Mengen von Kulturen des Virus kann man ein hoch- wertiges Immunserum gewinnen, das spezifisch agglutinierende und präzipitierende Wirkungen zeigt und diagnostisch verwertet werden kann. Schützende und heilende Wirkungen übt dieses Serum in zuver- lässiger Weise aber nicht aus. 3. Afrikanische Pferdesterbe. - In Südafrika ist unter den Pferden und Maultieren eine Infektions- krankheit weit verbreitet, die wegen ihrer hohen Mortalität den Namen „Pferdesterbe“ erhalten hat, aber auch Pferdepest, engl. Horse-sickness, genannt wird. Sie ist durch Fieber, Lungenerscheinungen, ödematöse Schwellungen der Subkutis und Blutungen in den inneren Organen charakterisiert. Die natürliche Übertragung erfolgt mit größter Wahrscheinlichkeit durch stechende Insekten, denn es erkranken fast nur Tiere, die nachts im Freien gehalten werden, während Stallinfek- tionen kaum vorkommen. Welche Insektenarten die natürlichen Über- träger sind, steht aber noch nicht fest. T’heiler und Pitschford erzielten mit Anophelen und Stegomyien positive Übertragungsergebnisse, Kuhn und Schuberg auch mit Stomoxys. Reinecke will die Krankheit auch durch Zecken übertragen haben. Das Virus der Pferdesterbe ist nach den Untersuchungen Macfadyens, die von anderen Autoren später bestätigt wurden, durch Chamberland- und Berkefeldfilter filtrierbar. Es kreist während des ganzen fieberhaften Krankheitsstadiums im Blut, denn durch sub- ' kutane, intravenöse und intrapulmonale Injektion von Blutfiltraten läßt sich die Krankheit auf gesunde Pferde und Maultiere übertragen. Außer dem Blut ist auch das. Konjunktival- und Bronchialsekret und das im Lungengewebe reichlich vorhandene Ödem infektiös. Die mehr- fach vertretene Ansicht, daß auch die Darmentleerungen der kranken Tiere. das Virus enthielten, konnte nicht allseits bestätigt werden. Mikroskopisch lassen sich im- infektiösen Blut keinerlei Mikroorga- nismen feststellen. PR. Kuhn fand im Protoplasma der Nierenepithelien Einsehlüsse, die in Anordnung, Form und Größe den beim Trachom usw. nachgewiesenen Einschlüssen sehr ähnlich sind. Sollten diese Angaben Bestätigung finden, so wäre das Virus also den Chlamydozoen zuzu- - — rechnen. Im Blut, das unter aseptischen Kautelen aufgefangen und in zugeschmolzenen Röhrchen im Dunkeln aufbewahrt wird, hält sich das Pferdesterbevirus nach Nocard eventuell jahrelang. Gegen Sonnen- licht und Austrocknung scheint es empfindlich zu sein, hingegen zeigt es der Fäulnis, der Erhitzung (45°C) und gewöhnlichen Desinfektionsmitteln gegenüber eine ziemlich erhebliche Re- sistenz. Nach den Versuchen von R. Koch, Theiler, Rickmann u. a. kann man gesunde Tiere durch Simultanimpfung gegen Pferdesterbe im- munisieren. Man treibt die Immunität von Pferden, die die natürliche Krankheit überstanden haben, also „gesalzen“ sind, durch Einsprit- zungen von steigenden Dosen virulenten Blutes allmählich höher und spritzt das Serum solcher hochimmunisierten Tiere später zusammen 1240 68. Vorlesung. mit geringen Mengen virushaltigen Blutes den gesunden Tieren ein. Wenn vorsichtig vorgegangen wird, lassen sich größere Impfverluste vermeiden. Die Dauer des erzielten Impfschutzes beträgt etwa 1 Jahr. 4. Perniziöse Anämie der Pferde. Als akute oder chronische Erkrankung, die schwere "anämische und kachektische Zustände zur Folge hat und nur ausnahmsweise in Heilung übergeht, verläuft eine andere Infektionskrankheit der Pferde, die perniziöse oder infektiöse Anämie. Sie ist auch bei uns hei- misch, wenn auch weniger ‚verbreitet als z. B. in eng Nord- amerika und anderen Ländern. Auch das Virus dieser Krankheit ist, wie die den Untersuchungen von Carre und Vallee zeigten, die von. Östertag, Marek: u.a. nachgeprüft und bestätigt worden sind, durch bakterien- dichte Kerzen filtrierbar. Es ist im Blut und im Harn der kranken Tiere enthalten, nach Ansicht mancher Autoren auch im Kot. Mikro- skopische und kulturelle Untersuchung des Blutes führte stets zu nega- tiven Ergebnissen. Durch subkutane und intravenöse Überimpfung kleiner Mengen von Blut oder Blutserum, das den kranken Tieren im Fieber- stadium entnommen ist, können ‚gesunde Pferde mit Sicherheit infiziert werden. Die natürliche Übertragung geschieht wohl durch Futter oder Tränkwasser, das mit virushaltigem Harn verunreinigt ist. ‚Es hat aber den Anschein, als ob eine größere Virusmenge oder eine wieder- - holte Virusaufnahme zur Infektion erforderlich sei. Die Krankheit hat auch keine sehr große Tendenz. zu epizootischer Ausbreitung. Direkte Übertragungen von Tier zu Tier scheinen nicht vorzukommen. Auch für die Annahme, daß Fliegen oder sonstige Insekten als Virusüberträger eine Rolle spielen, liegen bisher sichere Anhaltspunkte nicht vor. Be- merkenswert ist, daß Tiere, die die Krankheit überstanden haben, die Erreger noch lange Zeit mit dem Harn ausscheiden (Virusträger). Diese Tatsache erklärt in Verbindung mit der erheblichen Resistenz, die das Virus namentlich gegen Fäulnis und Eintrocknung aufweist, daß die } Bekämpfung der Seuche sehr schwierig ist. Schutzimpfungen sind bisher nicht gelungen. - Manche Autoren nehmen eine gewisse Verwandtschaft zwischen der perniziösen Anämie und der afrikanischen Pferdesterbe an und. wollen die erstere als eine milde europäische Form der letzteren aufgefaßt wissen. Stichhaltige Gründe für eine solche Annahme liegen nieht vor. 5. Bornasche Krankheit der Pferde. Als dritte Infektionskrankheit der Pferde, die wahrscheinlich durch E ein filtrierbares Virus hervorgerufen wird, wäre noch die sogenannte Bornasche Krankheit zu erwähnen, eine enzootisch auftretende Ge = hirn-Rückenmarksentzündung. Sie stellt nach den Untersuchungen von Joest und Deegen pathologisch-anatomisch eine akute, disseminierte, infiltrative, nichteitrige Enzephalitis von Iymphozytärem Typus und vor- wiegend vaskulärem Charakter dar, die meist von einer unbedeutenden Meningitis von gleichem Typus begleitet ist und in den histologischen Veränderungen manches Übereinstimmende mit der Poliomyelitis acuta DE BD Da ann Bu 3 ul IE En te un u non Durch filtrierbare Erreger bedingte tierische Infektionskrankheiten. 1941 des Menschen bietet. Das klinische Bild der meist tödlich endenden Krankheit ist ziemlich vielgestaltig.. Die erkrankten Pferde zeigen De- pressionszustände, Bewußtseins- und Gleichgewichtsstörungen, Krämpfe und Lähmungen. >; Johne und ÖOstertag stellten als Erreger der Bornaschen Krank- heit Diplostreptokokken hin. Auch R. Kraus wies durch intrazerebrale - Infektion von Kaninchen in den spezifischen Krankheitsprodukten wohl- charakterisierte Diplokokken nach, mit deren Reinkulturen er auch bei subdural infizierten Pferden angeblich die Krankheit hervorrufen konnte. . Bestätigungen dieser Versuchsergebnisse stehen noch aus. Einstweilen nehmen die meisten Autoren an, daß doch vielleicht ein filtrierbares Virus vorliegt. - 2 Joest wies mit Hilfe der Lentzschen Färbung in den großen poly- - - morphen Ganglienzellen, besonders des Ammonshorns, in fast allen unter- suchten Fällen eigenartige Kerneinschlüsse nach und faßt diese auf Grund vergleichender Studien mit großer Wahrscheinlichkeit als Re- aktionsprodukte der Zellen auf die Invasion eines organisierten, parasi- tären Agens auf, das den Chlamydozoen nahestehen dürfte. 6. Schafpocken. Ein filtrierbares Virus wird weiterhin angenommen bei den origi- nären Schafpocken. Die Krankheit verläuft unter einem ähnlichen klini- schen Bilde wie die Kuhpocken, ist aber auf andere Tiere, ausgenommen vielleicht Ziegen, und auf den Menschen nicht übertragbar, mithin eine selbständige Infektionskrankheit. Außer auf der Haut und den äußeren ’Schleimhäuten findet man die das Leiden charakterisierenden Pocken- bläschen auch auf den Schleimhäuten des Magendarmkanals und der Luftwege. Diese originäre Infektionskrankheit der Schafe ist also nicht zu verwechseln mit den durch Kuhpockenvirus beim Schafe erzeug- baren Pocken. \ R . Das Virus ist in großen Mengen in den Haut- und Schleimhaut- _ effloreszenzen und im Gewebssaft der inneren Organe enthalten und -- wird im zirkulierenden Blut nur kurze Zeit, unmittelbar vor der’ allge- Meinen Pockeneruption angetroffen. Borrel wies nach, daß das Virus bakteriendichte Filterkerzen passiert. In dem eitrigen Pustelinhalt finden sich große Zellen von etwa 40—50 u. Durchmesser, die neben - dem Kern charakteristische Einschlüsse enthalten (Borrel). Diese sind als Reaktionsprodukte der Zellen auf das Virus aufzufassen, wie - wir sie ja auch bei anderen durch dermotrope Virusarten bedingten Infektionskrankheiten kennen. Außerdem sind nach den Untersuchungen ‚von Borrel und Paschen bei Giemsascher oder Löfflerscher Färbung in den Krankheitsprodukten in großen Mengen kleinste Elementar- körperchen (Strongyloplasmen) nachweisbar, die wahrscheinlich die Erreger selbst darstellen (Lipschütz). Das Schafpockenvirus ist äußerst _ resistent und wird unter natürlichen Verhältnissen von den gesunden Tieren wahrscheinlich eingeatmet. Man kann mit dem Pustelinhalt analog wie bei der Variola- Vakzine wirksame Schutzimpfungen gegen Schafpocken ausführen. Das e. Ban ig Tieren, die die Krankheit überstanden haben, enthält auch eilstoffe. 1242 68. Vorlesung. 7. Hundestaupe. Die Staupe ist eine weitverbreitete akute, übertragbare Krank- heit der jungen Fleischfresser’ und namentlich der jungen Hunde, die neben fieberhaften Erscheinungen durch akute Katarrhe der Schleim- häute, durch katarrhalische Lungenentzündungen, in vielen Fällen außerdem durch nervöse Symptome gekennzeichnet ist (Hutyra und Marek). Vom Virus dieser Krankheit wissen wir aus den Untersuchungen Carres, daß es durch bakteriendichte Filterkerzen filtrierbar ist. Man kann mit Filtraten von Blut und von Nasensekret der kranken Tiere gesunde Hunde unschwer infizieren. Pathologisch-anatomisch liegt eine disseminierte Myelitis und Poliomyelitis vor. Standfuss und Lentz fanden in den Ganglienzellen des Ammonshorns Einschlüsse („Staupe- körperchen“), die sich von den XNegrischen Körperchen der Lyssa sowohl durch das Fehlen von Innenkörpern als auch durch ihre Lage- rung frei im Gewebe oder in den in Zerfall begriffenen Ganglienzellen unterscheiden lassen. Es hat also den Anschein, als ob auch das Virus der Hundestaupe den Chlamydozoen-Strongyloplasmen (Lipschütz) an- gehört. Die von Lignieres u. a: oft gefundenen Bakterien sind offenbar Mischinfektionserreger, die, ähnlich wie der Bacillus suipestifer bei der Schweinepest, von den erkrankten Schleimhäuten aus sekundär in den Körper eindringen und dann vielleicht zusammen mit dem din ei Virus der Krankheit ihr besonderes Gepräge geben. Auch beim Geflügel gibt es eine Reihe von Infektionskrank- heiten, die durch filtrierbare Erreger verursacht werden. Zunächst ist hier zu nennen die 8. Geflügelpest (Hühnerpest). Es handelt sich um eine als Septikämie verlaufende, en ordentlich ansteckende Seuche, die- vorwiegend Hühner, seltener Trut- hühner, Fasanen, Amseln, Sperlinge, Papageien und Eulen befällt. In ihren klinischen Erscheinungen ist die Krankheit der Geflügelcholera (S. 616) in mancher Hinsicht ähnlich, doch fehlen die für letztere so charakteristischen Durchfälle. Außer Fieber stellen sich Schlafsucht, Lähmungs- und ataktische Erscheinungen ein. Der Ausgang ist meist tödlich, sodaß bei der großen Ansteckungsfähigkeit der Seuche oft in kurzer Zeit große Hühnerbestände völlig aussterben. Bei der Obduktion finden sich makroskopisch als einzige regelmäßige Befunde Blutungen in der Schleimhaut des Drüsenmagens. Die Zeichen der schweren Darmentzündung, die regelmäßig, und die Entzündungen der Lungen und des Herzbeutels, die sehr oft bei der Hühnercholera ge- funden werden, fehlen bei der Hühnerpest, ebenso natürlich die durch das mikroskopische Blutpräparat und die Züchtung so leicht festzu- stellenden Hühnercholerabazillen. Das Virus der Hühnerpest ist mikroskopisch nicht nachweis- bar. Es ist in großen Mengen im Blut der kranken Tiere enthalten, außerdem aber auch in allen Organen, in der Galle, im Kot und im Nasenschleim; es geht auch in die Eier der Hühner über (Centanni). Nach Xitt genügen schon Mengen von 0000001 cem Blut eines kranken - Durch filtrierbare Erreger bedingte tierische Infektionskrankheiten. 1243 Huhnes, um gesunde Hühner sicher tödlich zu infizieren. Lode und Gruber wiesen nach, daß die Erreger der Hühnerpest Berkefeldfilter passieren; andere Autoren bestätigten diese Beobachtung und erweiterten sie auf andere bakteriendichte Filter. Kulturversuche, die Lode und Gruber, Ostertag, Wolffhügel und Bugge auf den verschiedenartigsten Nährmedien anstellten, hatten "stets ein negatives Ergebnis; auch die Züchtung in vivo in Kollodium- oder Schilfsäckchen mißlang. Marchoux hat allerdings angegeben, daß ihm auf einem mit Hühnerblut hergestellten besonderen Agar die Züch- tung gelungen sei und daß er mit geringsten Kulturmengen aus der 10. Kulturpassage noch tödliche Infektionen bei Hühnern habe erzielen können. Bei dem außerordentlich hohen Virusgehalt des Blutes erscheint aber der Beweis, daß hier tatsächlich eine Vermehrung der Erreger und hicht nur eine noch wirksame Verdünnung vorlag, nicht sicher erbracht. — Die Resistenz des Virus gegen äußere Schädigungen ist ziemlich groß. Erhitzung auf 60° C vernichtet es bei halbstündiger Ein- wirkung nicht, 1 prom. um muß nach vo. Ostertag 30 Minuten, 1 proz. Schwefelsäure, 2 proz. Kalilauge und 3 prom. Chlorkalklösung 10 Minuten einwirken, um es sicher abzutöten (Friedberger). Auffallend ist die hohe Widerstandsfähigkeit gegen Glyzerin, die ja auch andere filtrierbare Infektionserreger aufweisen; Maue fand Hühnerpesthirn, das in Glyzerin aufbewahrt war, noch nach 270 Tagen infektionstüchtig. Durch Fäulniseinilüsse wurde das Hühnerpestvirus in Harn und Dünger - bei den Versuchen von Ostertag und Bugge erst nach 39 Tagen ver- _ michtet, Lode und Centanni dagegen stellten eine geringe Resistenz - gegen Fäulnis fest. Auch Belichtung und Austrocknung verträgt das - „Virus längere Zeit, ohne an Infektiosität wesentlich einzubüßen. Die natürliche Übertragung erfolgt offenbar hauptsächlich durch Futter, das mit Kot, Blut oder Nasenschleim kranker Tiere — beschmutzt ist. Zwischenwirte als Überträger anzunehmen, liegt nach den = Versuchen Centannis keine Veranlassung vor. Die experimentelle Übertragung der Hühnerpest auf gesunde Hühner gelingt außerordentlich leicht bei Anwendung der verschiedensten Infektionsmethoden, auch bei Verfütterung virushaltigen Materials und bei Einbringung in kleinste Hautverletzungen und in den Kon- junktivalsack. Bei jungen Gänsen kommt es nach subkutaner oder intramuskulärer Infektion zu einer vorübergehenden Septikämie und - zu einer dauernden Lokalisation des Virus im Zentralnervensystem (Kleine). Rosenthal, F.K. Kleine, Schiffmann u. a. fanden im Gehirn der in- fizierten Tiere intra- und extrazelluläre, runde oder ovale, mitunter auch ringförmige Gebilde; Schif'imann beschrieb auch besondere „Hühner- - pestkörperchen“ mit punktförmigen Innengebilden. v. Prowazek konnte diese Befunde nicht bestätigen, sah aber in Zupfpräparaten _ aus dem Hirn regelmäßig bald einzeln, bald nesterweise liegende ovale oder runde, 1—1Y/, u große, oft zu zweien hantelartig zusammen- $ hängende, wohlumschriebene, zuweilen an mehreren Stellen leicht ein- gedellte Körperchen, die sich bei Giemsafärbung gelblichrosa färbten und im Innern einen runden oder länglichen.bakterienähnlichen Körper von ‚dunkelroter Farbe bargen. Auch große endothelartige Zellen mit stark färbbaren Einschlüssen wies er nach. Über die Nafur und die 1244 ; 68. Vorlesung. ätiologische Bedeutung dieser Befunde läßt sich einstweilen kein sicheres Urteil fällen. Hühner, die die natürliche Krankheit ausnahmsweise überstanden haben, zeigen eine echte Immunität, sodaß sie später auch mit großen Dosen des Virus nicht mehr zu infizieren sind. Man kann bei solchen Tieren durch wiederholte Behandlung mit größeren Mengen infektiösen Blutes auch ein Serum gewinnen, das das Hühnerpestvirus in vitro zerstört. Die mannigfach angestellten Versuche einer aktiven oder passiven Schutzimpfung haben aber bisher zu praktisch brauchbaren Ergebnissen nicht geführt. 9. nkgsipoaken (Epithelioma contagiosum). Die beim Hausgeflügel, vornehmlich bei den Hühnern auftretenden Geflügelpocken sind klinisch durch die Bildung graugelblicher, flacher, an der Oberfläche verkrusteter Knötchen oder Tumoren der Haut charakterisiert. Sitz dieser Hautveränderungen sind hauptsächlich der- Kamm, die Kehllappen, Augen- und Schnabelwinkel. Auch auf den Schleimhäuten kommen bei manchen Epizootien analoge Veränderungen vor, vielfach bietet sich hier aber das Bild einer kruppös-diphtherischen Entzündung. Mit den menschlichen Pocken, zu denen sie früher in ‚ätiologische Beziehung gebracht wurde, hat die Krankheit nichts zu tun. Das Virus der Geflügelpocken ist filtrierbar (Marx und Sticker). Die mikroskopische Untersuchung der infektiösen Krankheitsprodukte läßt, wie zuerst Borrel im Jahre 1909 nachwies, als typischen Befund sehr zahlreiche, unbewegliche, runde Körperchen von etwa !/,u. Durch- messer erkennen, die oft in Häufchen zusammenliegen und vielfach hantelförmige Teilungsfiguren zeigen. Sie sind nach dem Giemsaschen und Löflerschen Geißelfärbungsverfahren gut darstellbar und verhalten sich bei. der Gramschen Färbung negativ. Als „Geflügelpocken- körperchen“ bezeichnet man die größeren, in den hypertrophischen Retezellen neben dem Kern sichtbaren Gebilde, die schon im Jahre 1865 von Rivolta beschrieben und von Sanfelice als Blastomyzeten ange- sprochen wurden. Sie werden heute als spezifische Reaktionsprodukte des Gewebes auf das Virus aufgefaßt und demnach in Parallele mit den Guarnierischen und Negrischen Körperchen gestellt. Lipschütz rechnet das Geflügelpockenvirus zu den dermotropen Virusarten und nennt es Strongyloplasma avium. Die Züchtung des Virus ist bisher nicht gelungen. Auffallend ist seine große Resistenz gegen alle äußeren Schädigungen, Erhitzung, Belichtung, Austrocknung und Desinfektionsmittel. Der Krankheitserreger ist am reichlichsten in den erkrankten Hautpartien enthalten; man kann auch mit außerordentlich stark ver- dünnten Aufschwemmungen der letzteren die Krankheit kutan und sub- kutan auf gesunde Hühner und Tauben übertragen. Aber auch im Blut zirkuliert das Virus, denn Aufschwemmungen der inneren Organe sind ebenfalls infektiös, und zwar auch bei Hühnern, die die Krankheit überstanden haben und sich gegen eine erneute experimentelle Infektion . als immun erweisen. Über die Art der natürlichen Infektion steht Sicheres noch nicht fest; Burnet konnte die Krankheit durch Verfüttern ne: nn >, “ Durch filtrierbare Erreger bedingte tierische Infektionskrankheiten. 1245 virushaltiger Nahrung hervorrufen. Das Studium der Immunitäts- verhältnisse hat zur Auffindung praktisch brauchbarer Schutzimpfungs- methoden noch nicht geführt. Mit der Geflügelpocke ist allem Anschein nach aa igerr identisch die als 10. Geflügeldiphtherie bezeichnete Krankheit. Wir hatten schon erwähnt, daß die Geflügelpocke auf Schleimhäuten in der Form’ diphtherischer Prozesse auftreten kann. Daß es sich bei den Geflügelpocken und der Geflügeldiphtherie um - verschiedene Erscheinungsformen ein und derselben Krankheit handle, ist ‘ schon von Röll (1867) und später von verschiedenen anderen Autoren auf Grund praktischer Erfahrungen gemutmaßt worden. Experimentell gestützt wurde diese Annahme aber erst durch Carnwath, dem es im Jahre 1908 gelang, einerseits durch Verimpfung von reinem Pocken- material auf Schleimhäuten diphtherische Veränderungen und andrer- - seits durch Verimpfung von diphtherischen Material typische Haut- pocken bei Hühnern zu erzeugen. Diese Versuche sind dann von anderen Forschern bestätigt worden, sodaß heute die Mehrzahl der Autoren die Identität beider Krankheitsprozesse annimmt. Es gibt aber auch strenge Gegner dieser Auffassung. Zu diesen gehören besonders Bordet und Fully, die als Virus der Geflügeldiphtherie kleinste, nach - G@iemsa färbbare Körperchen ansehen, die sie angeblich auf Blut-Glyzerin- Kartoffelagar reinzüchten und auch erfolgreich auf die Mundschleim- - — haut von Hühnern übertragen konnten. Es.ist immerhin aber möglich, daß neben der durch das Virus der Geflügelpocken erzeugten Geflügel- . diphtherie auch andere, ätiologisch von ihr zu trennende Formen von E- Diphtherie beim Geflügel vorkommen. Bisher ist jedenfalls nur das Ge- - Hügelpockenvirus als Erreger der in Mitteleuropa beobachteten seuchen- ‚haften Geflügeldiphtherie nachgewiesen (Uhlenhuth und Manteufel). 11. Hühnerleukämie, : Durch die Untersuchungen von Ellermann und Bang ist die Ätio- logie einer weiteren Infektionskrankheit der Hühner wesentlich geklärt - worden, die hin und wieder in enzootischer oder epizootischer Form auf- tritt, nämlich der Hühnerleukämie. Sie ist durch schwere Leukämie, starke Milz- und Leberschwellung und Leukozytenproliferation in den Leber- und Knochenmarkskapillaren charakterisiert. Hirschfeld und Jakoby stellten bei einigen Tieren auch schwere Blutungen fest, die sie als Ausdruck einer hämorrhagischen Diathese auffassen. Das Virus der Hühnerleukämie ist nach den Feststellungen von Ellermann und Bang durch Berkefeldfilter filtrierbar und gehört zu den von Lipschütz als hämotrop bezeichneten Virusarten. Durch intravenöse oder intraperitoneale Verimpfung von Leber-, Milz- oder Knochenmark- emulsionen kann man die Krankheit auf gesunde Hühner, nicht aber auf andere Tiere überimpfen. Die Übertragung gelingt allerdings nur bei einem Bruchteil (etwa 40°/,) der Hühner; auch unter natürlichen Verhältnissen scheint die Krankheit nicht sehr kontagiös zu sein. Be- 3 - merkenswert ist, daß die Blutveränderungen bei der natürlichen wie - der experimentellen Infektion auch fehlen können. Hirschfeld und Jakoby Kolleund Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 80 1246 68. Vorl. Durch filtrierbare Erreger bedingte tier. Infektionskrankh. sahen in den Leukozyten Einschlußkörperchen, die bei Giemsa- färbung einen rötlichen, bei Methylgrünpyroninfärbung einen roten Farbenton annahmen, eine feinere Struktur aber nicht erkennen ließen. Wenn sich diese Befunde bestätigen sollten, wären wohl auch diese Ein- schlüsse als Reaktionsprodukte der Zellen auf das filtrierbare Virus an- zusehen. Literatur. Borrel, Sur les inelusions de l’epith. contagieux des oiseaux. Compt. rend. de la soc. de Biol., 1904. Carnwath, Zur Ätiologie der Hühnerdiphtherie und Geflügelpocken. Arb. a. .d. Kais. Gesundh. -Amt, 1907. Carr£, Sur la maladie des chiens. Bull. de la soc. de med. vet., 1905 u. 1906. Carr& und Vallee, Compt. rend. de l’acad. d. sc., 1904 u. 1905. Dujardin-Beaumetz, Die Peripneumonie ‘der Rinder. Handb. d. pathog. Mikroorg., 2. Aufl., Bd. 8, 1913. Giese, Die Ermittlung der Lungenseuche des ‚Rindes mit Hilfe der Komplement- ablenkungsmethode. Berl. tierärztl. Wochenschr., 1921. Hutyra und Marek, Spezielle Pathologie und Therapie der Haustiere. 4. Aufl., Jena, G. Fischer, 1913. Joest, Enzootische Gehirn-Rückenmarksentzündung (Bornasche Krankheit) des Pferdes. Handb. d. pathog. Mikroorg., 2. Aufl., Bd. 6, 1913. Kraus R., Über die Ätiologie der Meningo- -Encephalitis epizootiea (Bornasche Krank- heit). "Zeitschr. f. Immun. -Forsch., Bd. 30, 1920. Lipschütz, Filtrierbare Infektionserreger. Handb. der pathog. Mikroorg. 2. Aufl., Bd. 8, 1913. — Untersuchungen über Epithelioma contagiosum der Vögel. Zentralbl. f. Bakt., Bd. 46, 1908. Marx und Sticker, Untersuchungen über das Epithelioma contagiosum des Geflügels. Deutsche med. Wochenschr., 1902 u. 1903. , Nocard, Roux, Borrel, Salimbeni und Durjadin-Beaumetz, Le mierobe de la peri- pneumonie. Ann. de l’Inst. Pasteur, 1898. — Bull. de la soe. centr. de zu vet., 1899 u. 1901. ». Östertag, Hühnerpest. Handb. d. pathog.' Mikroorg., 2. Aufl., Bd. 6, 1913. Schiff'mann, Zur Histologie der Hühnerpest. Zentralbl. f. Bakt., Bd. 45, 1908. Uhlenhuth und Haendel, Schweinepest und Schweineseuche. Handb. d. pathog. Mikro- organismen, 2. Aufl., Bd. 6, 1913. : Uhlenhuth, Hübner, X, ylander und Bohtz, Untersuchungen über das Wesen und die Bekämpfung der Schweinepest. Arb. a. d. Kais. Gesundh.-Amt, Bd. 27, 1908. Uhlenhuth und Manteufel, Neue Untersuchungen über die Beziehungen "zwischen Geflügeldiphtherie und Geflügelpocke. Ebenda, Bd. 33, 1910. — Zentralbl. f. Bakt., Bd. 85, 1921. 69. VORLESUNG. Fleckfieber. = Da Fleckfieber, auch h Flecktyphun Typhus exanthematicus, Petechialtyphus, EN Febris petechialis, Hungertyphus, Typhus bellicus genannt, ist seit der Zeit, wo es - als spezifische Krankheit von den Ärzten erkannt und beschrieben wurde, wie kaum 'eine zweite Infektionskrankheit bis auf die heutige Zeit vorwiegend eine Kriegs- -seuche gewesen. Fracastorius, Joachim Burserus und Heinrich Wolfius haben im - 16.und 17. Jahrhundert zuerst Fleckfieberepidemien in Italien und Deutschland be- 3 _ obachtet und die wichtigsten klinischen Kennzeichen der Krankheit so beschrieben, 'wie wir sie heute noch sehen. Das epidemische Auftreten des Fleckfiebers ist in "Europa fast stets mit den großen Kriegen zeitlich zusammengefallen. Elend. und _ Verarmung, Verwahrlosung und Hungersnot in weiten Volksschichten sind immer mit den großen Kriegswirren verbunden und bieten so die Vorbedingung für die Verbreitung des Ungeziefers, insbesondere der Läuseplage, die bei der Epidemiologie des Fleckfiebers die entscheidende Rolle spielt. Der dreißigjährige Krieg, der Feldzug "Napoleons in Rußland, der Krimkrieg von 1862, der russisch-türkische Feldzug 1878 ‚liefern Beweise für diese Behauptung. Das Fleckfieber ist deshalb auch als Lager- krankheit, Typhus castrensis und als ungarische Soldatenkrankheit, Morbus ungaricus, beschrieben worden (Reder). Aber auch da, wo sich in Friedenszeiten Elend, Verarmung und in ihrem Gefolge die Läuseplage einstellt, sind Fleckfieber- Hirsch trefiend sagt, die Geschichte des menschlichen Elends. Beide sind auf das Gebiet und die Volksschichten beschränkt, die unter den geschilderten hygienischen Mißständen leiden. Beispiele für solche” Epidemien bieten der „Hungertyphus“ in "Irland, der 1846 und 1847 fast 400000 Menschen befiel, die von Virchow 1847/48 in Oberschlesien erforschte Fleckfieberepidemie und die 1884 in Russisch-Polen von 'Swacer beschriebene. Bei allen Fleckfieberepidemien hat man die Beobachtung ge- ae daß in Ortschaften oder Gebäuden mit starker Menschenansammlung und in "unh Serie en Wohnungen die Seuche sich besonders intensiv und leicht reis: Be auf den älteren Segelschiffen, auf denen alle hyeienischen Einrichtungen fehlten, in den Gefängnissen der früheren Zeit und in Herbergen hat das Fleck- fieber mit Vorliebe Fuß gefaßt und Verbreitung gefunden. Auf die epidemiologischen Verhältnisse des Fleckfiebers haben | erst die experimentellen Forschungen der neueren Zeit helles Licht andere Forscher auf Grund ihrer Beobachtungen bei Fleckfieber- _ epidemien die Vermutung geäußert hatten, daß der Infektionsstofi durch Wanzen, Flöhe oder Läuse verbreitet würde, ist erst seit den grundlegenden Forschungen der französischen Bakteriologen Nicolle, _ Conseil und Conor der wissenschaftliche Beweis für die Bedeutung des Ungeziefers bei der Verbreitung des Fleckfiebers erbracht. Durch - die experimentellen Arbeiten dieser Autoren, die als erste das Fleck- - fiebervirus auf Tiere sen und ihre epidemiologischen Studien s0* epidemien vorgekommen. Die Geschichte des Fleckfiebers ist, wie der Historiker _ geworfen. Nachdem schon früher R. Koch, Yersin, E. Gotschlich und Geschichi- liches. Krankheits- bild. 1248 | / 69. Vorlesung. ist-mit Sicherheit festgestellt, daß die Kleiderlaus der einzige Überträger des Fleckfiebererregers ist. Die in der deutschen und österreichischen Armee während des Weltkrieges 1914/18 gesam- melten Erfahrungen haben, wie aus den Arbeiten von Jürgens, Brauer u.a. hervorgeht, die zugleich die Beobachtungen von Nicolle epidemiologisch ergänzt und erweitert haben, diese Feststellungen vollauf bestätigt und zu einem wirksamen Bekämpfungssystem der bisher so gefürchteten Kriegsseuche geführt. Namentlich durch die systematisch durchgeführten Entlausungsverfahren ist die Geißel des Stellungskrieges und langdauernden Lagerlebens ihrer Schrecken beraubt. Die Krankheitserscheinungen beginnen meist plötzlieh mit Schüttelfrost. Prodromalsymptome fehlen led völlig oder bestehen in leichtem Frösteln, Schwindelgefühl, ‘Kopfschmerzen und oft in influenzaartigen, katarrhalischen Er- scheinungen. Die Patienten bieten schon während der ersten Fieber- tage das Bild Schwerkranker mit starker psychischer Verstimmung, Niedergeschlagenheit und starkem Schwindelgefühl. Bald pflegt sich Benommenheit einzustellen. Die Kranken nehmen häufig eine eigen- artige Haltung mit angezögenen Beinen in Rückenlage ein. Diese. charakteristische Lage und. die Muskelsteifheit werden auf einen Reizzustand des Zentralnervensystems zurückgeführt (Jürgens, Munk). Das Gesicht ist meist dunkelrot. und etwas gedunsen, die - Konjunktiva gerötet und hat injizierte Gefäße, die streifenförmig nach den Augenwinkeln ziehen. Infolge der Lichtscheu haben die Kranken oft einen eigenartigen Gesichtsausdruck, den Munk für ein diagnostisch verwertbares Zeichen hält. Der Puls ist fast immer frequent, -dikrot und hat Extrasystolen. Die Milz ist vergrößert, die Leber oft druckempfindlich, der Leib eingezogen. Schon früh- zeitig stellt sich Bronchitis mit trockenem Husten ein (Jürgens), häufig gefolgt von Bronchopneumie. In der Regel besteht Stuhl- verhaltung, doch kommen nicht selten auch leichte Durehfälle vor. Die Zunge ist belegt und meist feucht, zeigt aber an den Rändern und der Spitze rote Farbe. Der Kranke hat. üblen Geschmack und Geruch aus dem Munde. Der Urin ist eiweißhaltig und zeigt im Fieberstadium bei fast allen Kranken Diazoreaktion. Zwischen dem 4. und 7. Tage nach Beginn der Krankheit und dem steilen Anstieg der Temperatur stellt sich das charakteri- stische Exanthem (s. Taf.105 u. 106) ein, nach dem die Krankheit ihren Namen hat. Es tritt fast immer in Form kleiner Flecken auf, die zunächst vereinzelt auf der Brust und an den Extre- .mitäten erscheinen, sich aber im Laufe von 1 bis 2 Tagen rasch ver- mehren und schließlich an Hals, Rumpf und Extremitäten bis zu den Hand- und Fußinnenflächen meist in großer Menge zu finden sind. Das Exanthem ist anfangs der 'Typhusroseola ähnlich und wie bei Masern hellrot, nimmt aber, je länger es besteht, um so mehr einen bläulichen Farbenton an. Die Größe der einzelnen Flecke schwankt zwischen Kleinstecknadelkopfgröße und Linsen- größe. Um die eigentlichen Roseolaflecken entwickelt sich oft ein „graubläulicher Hof“ (Brauer), der wohl ebenso auf tiefer in der. DE et Du Ban Zn 20 u IE m out a tm nn Flecktieber. i 1249 Be Haut a engen zurückzuführen ist, wie die flächen- E: haften blaßbläulichen Flecken, auf die Murchison Er iesen hat. Sie finden sich neben der Roseola, geben der Haut die subkutikuläre Marmorierung und erwecken den Eindruck, als ob . „die Haut an der Stelle einen kleinen Stoß erhalten habe“ (Brauer). = Die Blutungen im Bereiche des Exanthems, von denen das Fleck-. fieber den Namen „Petechialtyphus“ erhalten hat, treten nicht immer auf. Sie sind in der Regel am Rücken oder an gewissen, einem - Druck ausgesetzten Stellen der Haut zu. finden und bilden meist kleine runde, seltener größere, dunkelrot bis schwarz gefärbte Flecken. Neben diesen Petechien im Gebiete der Roseola treten auch sub- F:: kutane Blutun 8 en, namentlich an Druckstellen des Kör- 2 = = Von Draner ist auf ein Symptom hingewiesen, = sich mit Abklingen der - _Fieberperiode besonders nach Abseifung der Haut oder nach einem Vollbade ein- stellt und als kleienförmige Schuppung der Haut beschrieben wird: „Die kleien- — förmige Abschuppung der Haut macht sich etwa mit dem 12.—15. Krankheitstage bemerkbar. Schon etwa mit dem 8.—10. Tage nimmt die Haut beim seitlichen Darüberblicken einen feinen, grauweißlichen Schimmer an. Wird nun in dieser Phase mit mäßiger Intensität” mit dem Finger die Haut, die noch keine spontane - "Schilferung darbietet, gerieben, so läßt sich die obere Epidermisschicht in feinen Schuppen abreiben, "und die Haut darunter erscheint in zarter Hyperämie. Das _ Ganze macht den Eindruck, als habe man mit einem weichen Gummi radiert. Dieses Phänomen geht der spontanen kleinschuppigen Abschilferung der Haut um Bean Tage voraus.“ Dieses mei änomen? soll differentialdiagnostische Bedeutung haben. - Bemerkenswert ist, daß das Exanthem oft nur rudimentär a aus- gebildet ist und auch völlig fehlen kann /Lichtheim). Murchison z.B. ‚vermißte jegliches Exanthem bei 11,5% der Fälle, R. Otto bei 14%. "Andere Autoren sahen das Fleckfieber ebenfalls in etwa 15% der Fälle ohne Ausschlag verlaufen. Jürgens vertritt dagegen die An- sieht, daß das Fehlen jeglicher Flecken zu den größten Seltenheiten gehört, und daß die Angaben über Fleckfieber ohne Exanthem darauf zurückzuführen sind, daß der Ausschlag übersehen wird, weil er oft he geringfügig ist und nur kurze Zeit besteht. Häufig erfolgt mit der vollen Ausbildung des Exanthems unter : oma; Konvulsionen und Nachlassen der Herztätigkeit der Tod der Kranken. In der Mehrzahl der Fälle tritt der Exitus aber, ohne daß das Bewußtsein völlig gestört ist, bei sinkender Temperatur und ' unregelmäßiger Atmung infolge von Herzschwäche erst Ende - der zweiten oder im Verlaufe der dritten Woche ein. Eine günstige "Wendung der Krankheit läßt sich zu Beginn oder in der Mitte der zweiten Krankheitswoche meist daran erkennen, daß der Puls zu- nehmend regelmäßiger, langsamer und voller wird und einhergehend damit die Erscheinungen von seiten des Zentralnervensystems zu- rückgehen. Zur Vervollständigung der wichtigsten Züge des klinischen - Bildes ist es notwendig, noch einige Tatsachen über. Temperatur- kurve, Verhalten des Zirkulationssystems und eigentümliche Erscheinungen des Nervensystems - - hinzuzufügen, wie sie in den neueren klinischen Studien von Jürgens, Brauer, Munk, Ceelen und Zlatogorofj niedergelegt sind. 1250 69. Vorlesung. Die Temperatur bleibt nach einem raschen Anstieg zum Maximum der überhaupt während des Krankheitsverlaufes erreichten Höhe. auf diesem Niveau mit nur geringen, meist nur 1/,°C be- Fig. 188. M. T. 6 718 9 l10o | 11 Jı2 |13. | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 |19 120 K. T. 41516 )71819]10|1 ]12 ]13.]14]15.)16 117 18] - P. RE hi 150 40 e TS NZ \ Aw 130 39 Er vrT ! ® u T f, 7 a v 7 Pr % 14 wi > x 110 38 eu T lt N - _ 90 37 ur N \V. T 70 36 er 50 35 T T E = Br T +77 EB 7EaEE + F +F + + - Fleckfieber, schwerer Verlauf, petechiales Exanthem, charakteristische Nerv heinung Fig. 189. MT. 110 | 11 ]12 | 13 | 14 |15 | 16 117 |18 119 |20 |21:122]23]24 KT. 2637) 415|6|j 771819 J10 |11 |12 ]13 114115 116 ]17 SE i Ä | 150 40 + TAN EER) — | /. 1 7\ \ N I H y 1 V I} 130 39 7 wi [a I 1 N 17 T \ b Z 1 1 uk 110 38 tr K \ FE Ri 5 j Y H LT 1 2 a , l ws \ 90 37 rn a | 1} } x u x a 70 .36 7 - | 50 35 —- E +1 - + TEE Fr! = 30 34 — Fleckfieber, leichter Verlauf, lang anhaltende Gefäßlabilität. tragenden Remissionen. Diese Continua continens dauert bei den ausgesprochenen Fällen ziemlich gleichmäisig 13—16 Tage, um dann der Periode der Entfieberung Platz zu machen (Fig. 188 u. 189). Fleckfieber. j 1251 Die letztere vollzieht sich „in einem Zuge ohne stärkere Remissionen und so gründlich, daß sie — unten angelangt — sich in ruhigen Bahnen weiterbewegt, ohne die bekannten Schwankungen, die beim Typhus, aber auch bei anderen Infektionskrankheiten der Ent- fieberung so gerne folgen“ (Jürgens). Daß von diesem für Fleck- fieber fast gesetzmäßigen Verlauf der Fieberkurve Abweichungen ‘vorkommen, namentlich bei leichteren Fällen (Fig. 190), ist für jeden, der biologisch und klinisch die Infektionskrankheiten kennt, selbst- verständlich. Stärkere Temperatursenkungen während der Continua . kommen vor, meist bei Komplikationen (Pneumonie) (Reder). 3 Sehädigungen der Kreislauforgane treten beim Fleckfieber frühzeitig auf und sind für den Ausgang sehr bedeutungs- voll. Im Beginn der Erkrankung sind sie auf Toxine zurückzu- führen. Der Puls ist stark beschleunigt, kaum fühlbar, fadenförmig Sri. und dikrot, der Spitzen- ZIRERE: stoß des Herzens sehr schwach, die Herzdämp- 5 fung- verbreitert. Messun- 39 1 ı gen des Blutdruckes, die E Be Munk ausgeführt hat, haben ergeben, daß in diesen meist letai unter | a Ba den Erscheinungen der i ' Herzinsuffizienz verlau- fenden Fällen der arte- rielle Blutdruck stark, bis zu 60mg Hg, ver- BE N mindert ist. Es handelt 35. sich hier vielfach um Fleckfieber. Leichte Erkrankung bei einem Kinde mit Menschen ’ namentlich typischem, aber blassem Exanthem. ältere, deren Kreislauf- : organe schon vor der Fleckfiebererkrankung geschädigt oder erkrankt waren. Diese Beobachtung erklärt die hohen Mortalitätszahlen bei älteren Per- - sonen, die an Fleckfieber erkranken. Klinisch dokumentieren sich diese Fälle in grauzyanotischer Verfärbung des Gesichtes, leichtem Exophthalmus, verfallenen Gesichtszügen und. leichenhaftem Aus- sehen. Derartige kollapsähnliche, tagelang anhaltende Zustände sind fast stets die Vorboten des Todes, der unter allmählichem Erlöschen ‚der Körperfunktionen langsam erfolgt. Die livide Verfärbung des Exanthems und das Auftreten von Petechien sind nach Munk auf die starke Senkung des Blutdruckes zurückzuführen, ebenso die von Patry und Jürgens beschriebenen Gefäßkrämpfe, die symmetrisch an den peripheren Teilen der Extremitäten auftreten und häufig zu Gangrän der Finger, Zehen oder gar der Füße führen. Im Gegensatz zu Munk faßt Jürgens die Gangrän als eine neu- rotrophe auf. Je leichter der Fall ist, desto weniger ausgesprochen - sind die geschilderten Symptome. Bei den Rekonvaleszenten macht sich noch lange Zeit eine auffällige Pulsbeschleunigung bemerkbar, sobald auch nur leichte Körperbewegungen vorgenommen werden. Atypische Fälle. 1252 | 8. Vonlbeuäb: Die Erscheinungen, die auf die toxische Schädigung des Nervensystems zurückzuführen sind, können in psychische einerseits und motorische und funktionelle andrerseits eingeteilt werden (Munk). Zu ersteren gehören Wahnvorstellungen, Delirien und Exzitationszustände, weiterhin auch Katatonie, bei deren voller Entwicklung der eigenartige Zustand der sogenannten Flexibilitas cerea (Fig. 191) beobachtet wird. Zu der zweiten Gruppe gehören die Reizzustände der Muskulatur, die die eigenartige Spannung der Muskeln, die Kontrakturen und das Zittern bedingen, ferner Störungen der Sphinktereninnervation. Funktionell sind die Störungen der Sprache, die Parästhesien, Ohrensausen, Schwerhörigkeit und Schwindelgefühl aufzufassen. Wie bei anderen Infektionskrankheiten, kommen auch beim Fleckfieber atypische Formen vor. Zu ihnen gehören die foudroyanten, schon inner- en halb weniger Tage mit dem Fig. 19. Tode endigenden Fälle (Febris TE siderans nach Zlatogoroff) und die leichten, abortiven Erkranküngen. Letztere sind besonders häufig bei jugend- lichen Personen, namentlich Kindern, und führen, abge- sehen von geringem Fieber : und schwachem, rasch ver- schwindendem Exanthem, oft gar nicht zu merkbaren klini- schen Symptomen (ambulante Form, „Infection inapparente“ Nieolles). Dagegen ist die An- nahme, daß es Fleckfieber- erkrankungen ohne Fieber und ohne Exanthem (sog. latente 2 OMAN Es Formen älterer Autoren) gibt, Pi, beim Are Baron & bisher durch nichts sicher be- ach A wiesen. Die bei anderen schweren Infektionakrankhse so häufigen = Komplikationen, namentlich mit Pneumonie, und Mischinfektionen ' sind selten (Reder). Obduktions- befunde. Während außer Milzvergrößerung, Hryeramss von Leber, Nieren und Zentralnervensystem und bronchopneumonischen Herden sowie Ekehymosen am Perikard sich grobe pathologisch-anatomische Veränderungen bei Fleckfieberleichen nicht nachweisen lassen, sind als charakteristische Befunde von Popoff und Benda in der Rinde des Groß- und Klein- hirns kleinste Entzündungsherde beschrieben worden. Ferner wurden von E.Fraenkel mikroskopische Veränderungen derklein sten Arterien der Hautroseolen (Taf. 107, Fig.1) nachge- _ wiesen. Diese Befunde sind vielfach bestätigt. Sie bestehen in um- schriebenen Veränderungen der Endothelzellen, gekennzeichnet dureh blasige Auftreibung, die dann zu einer nur mikroskopisch sichtbaren ‚Kolle und Hetsch, 'Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 105. Fleckfieber-Exanthem. Nach Jürgens. Zr ar ZZ SD oo Barliin mund Wien. Tafel 106. ie. 6. Aufl. "Hetsch, suodanf YDRN "OWAJUBXL-IOOFNOOLA ı1e erlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und W - Fleckfieber. a 1253 a Nekrose der Inkime und zuweilen der Muskularis der kleinsten Gefäße in den Roseolen führt. Ganz ähnliche Vorgänge spielen sich “nach den Untersuchungen von Ceelen an den kleinsten Arterien und Kapillaren des Gehirns und fast aller Organe ab. Auch hier ei der Prozeß an den Intimazellen der Gefäße (Taf. 107, Fig. 2). Anschluß an die Aufquellung der vielleicht auch proliferierten Se _ zellen, die abgestoßen werden oder der Nekrose verfallen, tritt eine Proliferation der Adventitiazellen der Gefäße und der "Zellen der Gerüstsubstanzen ein mit exsudativ-entzündlichen Pro- zessen und Auswanderung von Leukozyten. Es entstehen so ovale oder kugelige Verdickungen der Gefäße. Im Gehirn geht das be- troffene präexistierende Gewebeparenchym zugrunde Die Herde "können, obwohl nur mikroskopisch sichtbar, wegen ihrer großen Menge für die Erklärung der Zirkulationsstörungen, der Ausfalls- und Reizerscheinungen des Gehirns und des zentralen Nervensystems sehr wohl als bedeutungsvoll angesehen werden. Sie sind zwar regellos - auf die Gefäße eines Organes verteilt, haben aber doch, z.B. im Ge- -. hirn, gewisse ‚Prädilektionsstellen, die Medulla oblongata und den 1 Boden des 4. Ventrikels. Ceelen fand die für Fleckfieber charak- teristischen Knötchen auch im Plexus chorioideus der Hirnventrikel, - in der Leptomeninx, an den Gefäßen der peripheren Nerven und an den Vasa vasorum der großen Gefäße. Wegen der großen Ähnlichkeit,-die das klinische Bild des Fleckfiebers mit dem des hus bietet, seien kurz die wichtigsten differentialdiagnostischen Befunde nach einer Übersicht O0. Müllers gegenübergestellt. Die Differentialdiagnose zwischen Masern, Pocken (initiales Exanthem) ist dem Geübten fast immer leicht möglich. Bei . Masern sind die Koplikschen Flecken, bei Pocken däs Aufschießen der Jennerschen 3 erg aus dem Initialexanthem entscheidend. nserleibstypbus. Fleckfieber. 1. Lange Inkubationszeit (3 Wochen). 1. In der Regel kürzere Inkubationszeit Bee, | | (4—5—14 Tage). 2. Allmählicher Krankheitsbeginn. 2. Plötzlicher Krankheitsbeginn?(oft mit Schüttelfrost). 3. Die Temperatur steigt allmählich und 3.-Die Temperatur steigt raseh und ist ' erreicht gegen den 8. bis 10. Tag den schon am dritten Tag bei hohen - Höhepunkt. Werten angelangt. 4. Temperaturremissionen von 1° und 4. Kontinuierliche Temperaturen mit ‘mehr. Schwankungen von weniger als 1°. 5. Lytischer Temperaturabfall im Laufe 5. Kritischer Temperaturabfall im Laufe einer Woche. von 48 Stunden. 6. Roseol-papulöser beschränkter Aus- 6. Der Ausschlag ist anfangs roseol und schlag am meisten auf dem Bauch, später petechial, an der Peripherie Rücken, seltener an den Händen und des Fleckes unregelmäßig und ver- Beinen, an Handtellern und Fuß- schwimmend. Am meisten an den sohlen nie. Weiehen,dem Schultergürtel, der Stirn, Klinische Differential- diagnose. den Armen und Beinen; oft deutlich . ee: j an Handtellern und Fußsohlen. - 7. Der Ausschlag tritt schubweise auf. 7. Der Ausschlag tritt nie schubweise auf, AR sondern erscheint plötzlich und bleibt s dann deutlicher werdend bestehen. 8. Die Flecken verschwimmen seltener 8. Die Flecken verschwimmen öfter zu ineinander. 3 oder 4 ineinander und können Kreise bilden. R 9. Bei Druck mit dem Glasspatel ver- 9. Der Ausschlag verschwindet nicht . schwinden die Roseolen. Petechien auf Druck, da er rasch petechial sind selten. wird. Ätiologische Forschungen. 1254 69. Vorlesung. 10. Laryngitis, Tracheitis, Bronchitis und 10. Laryngitis, Tracheitis, Bronchitis und Bronchopneumonie sind häufig, Gau- Bronchopneumonie sind häufig. Gau- menrötung und Konjunktivitis unge- menrötung und Konjunktivitis in der wöhnlich. Zunge breit auseinander- Regel nachweisbar. Zunge nicht so geflossen, charakteristisch rissig und breit, weniger rissig und weniger belegt. belegt, sich an den Rändern und an der Spitze bald hellrot reinigend. 11. Apathie und Prostration treten erst 11. Apathie und Prostration treten früh- längere Zeit nach dem Beginn auf. zeitig auf. ‘ 12. Herpes labialis kommt eigentlich nur 12. Herpes labialis wird-in 6, der Fälle bei komplizierenden Pneumonien vor. beobachtet. 13. Durchfälle häufig und, wenn vor- 13. Durchfälle nur ausnahmsweise, Darm- handen, charakteristisch. Oft Darm- blutungen wohl äußerst selten. - blutungen. 14. Kopfschmerzen können baldjauftreten 14. Kopfschmerzen ungewöhnlich stark und pflegen nach 2 Wochen zu ver- _ während der ganzen Krankheitsdauer. schwinden. Gliederschmerzen selten. Gliederschmerzen und namentlich Wadenschmerzen und Milzstiche früh- zeitig und häufig. 15. Nachschübe und Rückfälle nicht sel- 15. Nachschübe und Rückfälle niemals, ten. Bazillenträger häufig und wichtig. Bazillenuträger nicht beobachtet. 16. Aus dem Blut sind namentlich zu 16. Aus dem Blute werden nie Kulturen Beginn Bazillen der Typhusgruppe der Typhusgruppe erhalten, es sei zu erhälten. denn, daß eine Mischinfektion vorläge. 17. Im weiteren Verlauf wird die Gruber- 17. Die Gruber-Widalsche Reaktion Widalsche Reaktion in 95°/, der bleibt negativ, es sei denn, daß vor- Fälle positiv. her eine Typhusschutzimpfung vor- genommen war. - . 18. Von Seiten derweißen Blutzellen Leu- 18. In der Regel leichte Leukozytose, kopenie (wenn keine pneumonischen Verhalten der Eosinophilen nicht hin- Prozesse vorliegen) und Mangel der reichend studiert. Eosinophilen (wenn nicht aus einem anderen Grund vorher Eosinophilie bestand). Das Suchen nach dem Erreger des Fleckfiebers hat viele Forscher beschäftigt. Mikroorganismen der verschiedensten Art sind im Blute bei Flecktieberkranken und in den Organen von Fleckfieber- leichen gefundeh und mit mehr oder weniger großer Sicherheit als Erreger der Krankheit hingestellt worden: Spirochäten von Cal- mette, Thoinot und Lewascheff, Diplobazillen von Fürth, M. Rabino- witsch, P. Th. Müller, Hoogenhuijze u.a., Diplokokken von Baljour, Porter, Dubieff und Brühl, von Predtjetschensky aörobe, von Ploiz, Olitzky und Baehr anasrobe Stäbchen. Alle diese Befunde hielten der Kritik nicht stand. Die Mehrzahl aller Untersucher hat bei sorg- fältiger Technik in zahlreichen Fällen das Blut der Kranken und die Organe der Fleekfieberleichen steril befunden. Die bisher als Fleck- fiebererreger beschriebenen Bakterien kommen — darüber besteht namentlich seit den gleich zu besprechenden Untersuchungen von Nicolle, Ricketts und Wilder und v. Prowazek kaum noch Uneinigkeit bei den Mikrobiologen, die sich mit ätiologischen Forschungen bei Fleckfieber beschäftigt haben, — als Erreger der Krankheit nicht in Frage. Wenn eines dieser Bakterien der Erreger des Fleckfiebers wäre, müßte es mikroskopisch in Schnitten bzw. Ausstrichpräparaten oder durch Züchtung konstant und in großen Mengen nachweisbar sein. Das ist aber nicht der Fall, ja die Bakterien werden bei Läusen, die fleckfieberinfektiös sind, fast regelmäßig nicht gefunden, höchstens - a dl Anl re a m zu a a rd Al ID ae ann ZuEr ne aa re Fleckfieber. : 1255 zufällig oder ganz selten. Dieser Satz gilt auch für den von Weil und Felix aus Fleckfiebermaterial (Harn oder Blut) gezüchteten Br ‚Proteusbazillus (Taf. 108, Fig. 3). 0 Die Proteusbazillen weisen nach den Untersuchungen von H. Braun, Jötten, Pe Schäffer, Bach u. a. Unterarten auf, die sich kulturell verschieden verhalten. Manche Er: aicht (io ‚bilden Indol und vergären Mannit und Maltose, andre haben diese Fähigkeit Die none v. toghem). Die bei Fleckfieber gefundenen sogenannten zu der ersteren Gruppe. Das serologische Verhalten der ver- Br Pe ei neerärten geht dem kulturellen nicht parallel. Es gibt auch unter den SE nieht Bobüdenden Arten Stämme, die den X-Bazillen serologisch nahe stehen, und ER unter den indolbildenden solche, die sich serologisch leicht von den SSR: en trennen lassen (Braun). Fe: - Charakteristisch für die X-Bazillen ist, daß sie durch das Serum = von g eisskhiäherkranken konstant agglutiniert werden. Die Ergebnisse der bei vielen. tausend Fleckfieberkranken angestellten serologischen _ Untersuchungen und der entsprechenden Kontrollversuche an Ge- _ _sunden und an anderen Krankheiten leidenden Menschen sind so ein- deutig, daß der Ägglutination mit bestimmten Stämmen des Weil- — Felizschen Bazillus: diagnostische Bedeutung für Fleckfieber zu- _ kommt. Das Serum Fleckfieberkranker agglutiniert namentlich den won Weil und Felix gefundenen Proteusstamm X 19 so spezifisch, daß die Frage geprüft werden mußte, ob dieser Bazillus nicht der Er- reger des Fleckfiebers sei. Nachdem Kolle und Schlossberger im = Serum von Fleckfieberkranken _spezifisch komplementbindende und - bakteriolytische Stoffe nachgewiesen hatten, wurde von einigen For- schern unter Berücksichtigung der Agslutinationsverhältnisse, der Komplementbindung und der Tatsache, daß der Stamm X 19 von Weil aus dem Harn eines Fleckfieberkranken isoliert war, die Behauptung tatsächlich aufgestellt, man habe in diesem Proteusstamm den Fleck- fiebererreger vor sich. Aber es sind gewichtise Tatsachen und Gründe dafür vorhanden, dem Weilschen _ Bazillus keinerlei ätiologische Bedeutung für das Fleckfieber zuzuerkennen. Die wichtigsten seien angeführt. Bei Meerschweinchen läßt sieh mit Blut Fleckfieber- ‚kranker eine spezifische, von Tier zu Tier übertragbare Krankheit ‚erzeugen, die durch das Fleckfiebervirus hervorgerufen wird. (,„Fleck- fieberinfektion der Meerschweinchen.) Bei den Tieren finden sich die gleichen Veränderungen an.den Gefäßen des Gehirns und anderer "Organe wie bei dem menschlichen Fleekfieber. Durch Injektion selbst ‚großer Mengen von X 19-Kultur ist wohl eine akute Proteusinfektion, aber nicht dieses Fleckfieber der Meerschweinchen zu erzeugen (Kolle, Ritz, Schlossberger). Tiere, die gegen die tödliche Dosis : der Kultur immunisiert sind, werden gegen das Fleckfiebervirus nicht 'schweinchen, die eine Fleekfieberinfektion überstanden haben, nach Einverleibung der tödlichen Menge X 19-Kultur ebenso rasch wie die unvorbehandelten Kontrolltiere zugrunde, während sie sich gegen- über einer wiederholten Einspritzung von Fleckfiebervirus (Blut, 5 Nebenniere) refraktär verhalten. Tiere, die mit Fleckfiebervirus vor- behandelt sind, weisen keine Weil-Felixsche Reaktion auf (Dietrich, _Kolle und Schlossberger). Wichtig ist auch, daß noch niemals eine Laboratoriumsinfektion mit dem Stamm X 19 erfolgt ist, trotzdem immun (da Rocha-Lima, Schlossberger). Umgekehrt gehen Meer- Weil. Felizsche Reaktion. 1256 69. Vorlesung. in vielen Laboratorien jahrelang .mit der Kultur ohne besondere Vorsichtsmaßregeln gearbeitet worden ist. Auch absichtliche In- fektionsversuche mit diesem Bazillus haben nicht zur Fleckfieber- erkrankung geführt. Da die Übertragung des Fleckfiebers durch Läuse über jeden Zweifel erhaben ist, müßte der Bazillus X 19 regel- mäßig auch in Läusen, die Fleckfieberblut gesogen haben, gefunden werden. Das ist aber. nicht der Fall. Auch im Blute von Fleck- R fieberkranken ist der Bazillus X 19 bei vielen Tausenden von Unter- suchungen nur selten durch Kultur nachgewiesen worden: Diese Tat- sache spricht auch gegen die Bedeutung der Bazillen als Misch- infektionserreger etwa nach Analogie der Rolle, welche die so- genannten Schweinepestbazillen bei der durch ein filtrierbares. Virus hervorgerufenen Schweinepest. spielen. Der Bazillus X 19 wurde allerdings von Zeiss aus dem Blute von 278 Fleckfieberkranken 11mal gezüchtet. Der Wert dieses Befundes im Sinne der ätiologischen Bedeutung wird aber durch die Untersuchungen von Dienes ab- geschwächt, der bei 7 Personen, die nicht an Fleckfieber litten, den Bazillus ebenfalls züchten konnte. Der Bazillus X 19 ist für Mäuse, die für Fleckfieber nicht empfänglich sind, in gleicher Weise pathogen, wie der gewöhnliche Proteusbazillus. Was hier über die ätiologische Bedeutung des Barilins x19:: gesagt ist, gilt in ähnlicher Weise auch für die von Plotz, Olitzky und Baehr, Rabinowitsch, Wilson, Fürth und Predtjetschensky be-. schriebenen Bazillen. Obwohl der Bazillus X 19 also als Erreger des Fleckfiebers nicht in Frage kommt, hat er wegen seines eigenartigen, auf -Fleck- fieberserum eingestellten Rezeptorenapparates große Bedeutung für die Fleckfieberdiagnostik. Diese ist durch die Weil-Felixsche Re- aktion auf eine sichere Grundlage gestellt. Die auf X 19 eingepaßten Agglutinine und komplementbindenden Stoffe des Fleckfieberserums sind schon frühzeitig, oft bereits am 2: oder 3. Fiebertage im Blut nachweisbar und erreichen in der 2. Krankheitswoche ihre größte Konzentration. Mit dem Aufhören des Fiebers nehmen sie ab, sind aber oft noch monatelang im Blute auffindbar. Sie können daher auch zur retrospektiven Diagnose einer überstandenen Fleckfieber- erkrankung benutzt werden, was von großer Bedeutung für die Epi- - demiologie ist. Die anderen, aus Fleckfieberfällen gezüchteten Bak- terien treten, obwohl sie auch zum Teil nur von Fleckfieberserum in starken Verdünnungen agglutiniert werden, weit hinter dem Bazillus X 19 in Bezug auf die Konstanz der Agglutination und deren Inten- sität zurück und haben daher für die Fleckfieberdiagnostik praktisch keine. Bedeutung. Für de Ausführung der Ageiutinai ist die makroskopische Methode die geeigneste, da mit ihr am genauesten die für die sichere Diagnostik notwendige Bestimmung des Gehalts des Serums an Proteusagglutininen vorgenemmen werden kann. Endtiter des Serums von 1 : 100 für Proteus X 19 kommen bei Gesunden und an anderen Krankheiten Leidenden nicht vor. Bei der Mehrzahl der Fleckfieberkranken werden höhere Werte, 1:500 bis 1 :2000 und darüber gefunden. Werden also bei einem verdächtigen Serum Agglutinationswerte von mindestens 1:100 einem zuver- - Fleckfieber. - 1257 lässigen X 19-Stamme gegenüber ermittelt, so ist die Diagnose Fleck- fieber gesichert. Gleichzeitige Anstellung von Kontrollen mit Serum _ von gesunden Menschen und von Kranken, die sicher nicht an Fleck- . Sieber leiden, darf niemals unterlassen werden. Über das Wesen der Weil-Felixzschen Reaktion sind verschiedene Theorien aufgestellt. Während einige Autoren das Phänomen als den Ausdruck ‘einer Mischinfektion mit Fleckfieber- virus und Proteusbazillen betrachten, sehen andere darin einen Paragglutionationsvorgang. Beide Theorien haben wenig Wahr- ‘scheinlichkeit für sich. Die Mischinfektion ist: weder durch bakterio- ‚logische Untersuchung an Fleckfieberkranken, noch an Fleckfieber- leichenorganen bewiesen. Sie müßte wegen der Konstanz des Phäno- mens aber regelmäßig vorhanden sein. Die Paragglutinationstheorie - im Sinne von Kuhn ist abzulehnen, weil die X 19-Bazillen schon seit Jahren ihre Eigenschaft, durch Fieckfieberserum agglutiniert zu . werden, bewahren, während Paragglutinabilität nach den Unter- suchungen ihres Entdeckers Kuhn und vieler anderer nicht vererbbar ; ist, sondern nach mehreren Kulturpassagen verschwindet. Möglich ist die Annahme, daß die X 19-Bazillen zufällig auf die Stoffe des ‚Serums von Fleckfieberkranken eingepaßte Rezeptoren besitzen (Kolle und Schlossberger) oder daß die normalen, gegen diese Bakterien gerichteten Agglutinine unter dem Einfluß des Fleckfiebervirus stark - vermehrt werden (Braun). Der-Vorgang ähnelt am meisten der - Gruppenagglutination, die unter der Einwirkung von Immunserum ‚bei Bakterien vielfach beobachtet wird. | Er Otto, Öttinger und Papamarku haben mit. Erfolg saprophytische Proteuskeime -, dureh Züchtung in Kulturen, die Blut Fleckfieberkranker enthielten, agglutinabel - für Fleckfieberserum gemacht. Schürer und Wolff haben ferner bei systematischen — Züehtungsversuchen aus Blut von Fleckfieberkranken Proteusstämme mit fließenden ' _ Übergängen erzielt, nämlich 1. gewöhnliche, von Krankenserum nicht beeinflußte Stämme, 2. vorübergehend agglutinable Stämme und 3. däuernd Paragglutination _ __ zeigende Kulturen. R. Otto kommt deshalb zu der Ansicht, daß die X-Stämme ihre Agglutinabilität für Fleckfieberserum im Organismus des Fleckfieberkranken er- = worben haben, und daß einzelne dieser Stämme dauernd die Agglutinabilität be- halten: Diese dauernd „Pararezeptoren“ enthaltenden Stämme würden nach @tfo dann _ eine neue, durch Mutation oder ‚Anpassung im Fleckfieberkranken entstandene Proteusvarietät darstellen. Das. weitere Studium der X 19-Stämme bezüglich ihrer serologischen Be- ‚ziehungen zu anderen Proteusstämmen und des Rezeptorenapparates hat praktisch - und theoretisch wichtige Ergebnisse gezeitigt. H. Sachs stellte fest, daß die auf - 80°C erhitzten Aufschwemmungen von X 19-Bazillen sich von denen anderer-Proteus- arten mittelst künstlich mit X 19 hergestellter Kaninchenantisera scharf differenzieren lassen, was mit lebenden Kulturen nicht möglich ist. Da die Erhitzung der Kulturen - das Bindungsvermögen der X 19-Kulturen stark herabsetzt, also zu einer Vernichtung 2 ‚der Rezeptoren führt, kann nur die Annahme von thermostabilen Rezeptoren, die Träger der Spezifizität sind, neben thermolabilen dieses Phänomen erklären. Auch die von Sachs und Schlossberger mit den auf verschiedene Temperaturgrade erhitzten 3 Kulturen hergestellten Immunsera sprechen für diese Theorie, die eine weitere Stütze durch das Verhalten der sog. O-Form und der H-Form des Bazillus X 19 - erfährt. Die O-Form ist der Kolonietypus auf der Agaroberfläche ohne Ausläufer - “und Hauchbildung, während die H-Form den Typus des sich hauchartig über die ganze Oberfläche des Agars ausbreitenden Proteuswachstums darstellt (Taf. 108, Fig.1u.2), Man kann, wie H. Braun zeigte, die nicht-schwärmende O-Form der Proteusbazillen aus der schwärmenden H-Form jederzeit sofort künstlich dadurch hervorrufen, daß man den A ährböden geringe Zusätze von Karbolsäure, "Thionin, Trypaflavin zusetzt oder die Züchtung auf nährstoffarmem Agar vor- nimmt. Auch Zuckerzusatz zum Nährboden wirkt in derselben Weise. Der Verlust Tier- versuche. 1258 3 69. Vorlesung. des Schwärmvermögens und das Verschwinden bestimmter Agglutinogene ist durch ‘ die Geißellosigkeit solcher O-Formen bedingt (Braun, Jötten). Durch lange Zeit ° fortgesetzte Züchtung auf karbolhaltigen oder nährstoffarmen Nährböden gelang es Braun und Schaeffer Stämme zu gewinnen, die eine Zeitlang auch unter normalen Bedingungen hauchlos wuchsen. Sie fassen deshalb die aus alten Kulturen von Weil und Felix gewonnenen O-Stämme als teratologische Wuchsformen, nicht als Variationen auf. Nach den Untersuchungen von Weil und Felix enthält die O-Form mehr spezifische Rezeptoren für Fleckfiebersera als die H-Form. Damit wäre ein neuer Anhaltspunkt zur Erklärung des serologisch verschiedenen Verhaltens der- erhitzten und nicht erhitzten bzw. lebenden Kulturen durch Annahme zweier ver- - schiedener Rezeptoren in den X 19-Kulturen gewonnen. Praktisch ergibt sich aus diesen Untersuchungen die Forderung der Ver- wendung von auf 80°C erhitzten Kulturen für die Fleckfieberdiagnostik. Ein so hergestelltes Diagnostikum besitzt auch den Vorzug der Haltbarkeit und gleich- mäßigen Zusammensetzung und ist daher von H. Sachs und von Schiff empfohlen und auch im Handel erhältlich. Bien und Sonntag haben durch Konservierung mit 50proz. Alkohol ein Dauerdiagnostikum hergestellt, das sich nach den bis jetzt vor- liegenden Mitteilungen sehr gut bewährt hat. Grundlegend für unsere Kenntnisse über die Ätiologie des Fleckfiebers sind die Forschungen von Nicolle, Conseil und Conor. geworden. Die Tierversuche dieser Autoren waren eine Fortsetzung der kühnen Experimente von Motzukowski, der sich 1900 selbst mit Fleckfieberblut infizierte, und von Yersin und Vassal, die 1908 in Tonkin Eingeborene 14 bis 21 Tage nach der Blutüher- impfung an Fleckfieber erkranken sahen. Niecolle gelang es zuerst, bei Tieren durch Verimpfung von Blut Fleckfieberkranker die Krankheit her- vorzurufen. Ein von ihm mit Blut geimpfter Schimpanse er- krankte nach 24tägiger Inkubation mit siebentägigem Fieber und charakteristischem Exanthem. Mit dem Blut des Schimpansen konnte der Forscher auch bei Macacus sinieus die spezifische Infektion her- vorrufen und das Virus von einem Affen dieser Art auf den anderen übertragen. Die Tiere erkrankten nach 12—14tägiger Inkubation mit typischem Fleckfieberexanthem, Fieber und Rötung der Kon- junktiven, so daß kein Zweifel über die Natur der experimentell er- zeugten Krankheit bestehen konnte. Ebenso ließen sich Makaken direkt mit infektiösem menschlichem Blute infizieren. Später gelang es den französischen Forschern zu zeigen, daß sich nach intraperitonealer Injektion von Blut fleckfieberkranker Affen und Menschen bei Meerschweinchen eine nach 8 bis. l5tägiger Inkubation einsetzende und mit Fieber verlaufende Er- krankung von 8—10tägiger Dauer einstellt, bei der die Tiere stark abmagern. Verschiedene Forscher (M. Mayer, da Rocha-Lima, Otto und Dietrich, Kolle und Schlossberger, Ritz, Dörr u.a.) haben diese Befunde bestätigt. Wenn verschiedentlich bezweifelt wurde, ob dieses Fieber eine spezifische #leckfieberwirkung sei, so sind diese Zweifel unbegründet. Für die Pathogenität des Fleckfiebervirusim Meerschweinchenorganismus haben wir, wie Dörr zu- sammenfassend ausgeführt hat, hinreichende Beweise in folgenden Tatsachen: 1. Die Erkrankung läßt sich nicht nur durch Injektion von Fleckfieberkrankenblut hervorrufen, sondern auch durch die Ein- spritzung von Blut . oder Örganzerreibungen fleckfieberinfizierter Tiere, von Emulsionen aus Läusen, die an Fleckfieberkranken gesogen ; e 5 = > r ; i Fleckfieber. ; 1259 | E- Alm und von BE sfschwenmingen solcher Läuse. Daß die Ur- j sache der krankmachenden Wirkung auf die Anwesenheit lebender , Fleckfiebererreger zurückzuführen ist, erhellt schon aus der Ver- sehiedenartigkeit dieser Substrate und aus der Tatsache, daß selbst äußerst geringe Mengen, Dezimilligramme, von ihnen zur Erkrankung führen (Landsteiner und Hausmann, da Rocha-Lima, Nicolle). Werden diese Substrate abgetötet, so verursachen sie keine fieberhafte Er- krankung (Gavino und Girard, Anderson und Goldberger). — 2. Das =: fiebererzeugende Virus läßt sich von Meerschweinchen auf Meer- - sehweinchen, Affen, Kaninchen und Ratten weiter übertragen, wenn Blut oder zerriebene Organe kranker Tiere überimpft werden. Neben dem Blut haben sich vor allem Nebennieren und Gehirn als reich an Virus erwiesen. Niecolle erzielte auf diese Weise 175 Passagen. Da nicht alle Meerschweinchen, die so infiziert werden, erkranken, sind, um Passagereihen zu erzielen, stets mehrere Tiere zu impfen . Ritz, Dörr). — 3. Die Fleckfiebererkrankung des Meerschweinchens ver- Re: läuft meist nicht tödlich, hinterläßt aber, wie bereits erwähnt, ebenso wie die Erkrankung des Menschen und des Affen eine spezifische, ı das im Blut und in den Organen der erkrankten Individuen sthaltens Fleckfiebervirus gerichtete aktive Immunität (da Rocha- Lima). Die verschiedenen, oben genannten Substrate sind hinsichtlich des Immunisierungseffektes gleichwertig, d.h. ein nach Injektion von Fleckfieberblut erkranktes Meerschweinchen ist gegen eine spätere Einspritzung z.B.von Läuseemulsion immun, und umgekehrt. — - 4. Bei den infizierten Meerschweinchen, die unter Fieber erkrankt -_ waren, lassen sich, wie Löhlein, Otto und Dietrich, Dörr und Kirsch- ner, Nicol u.a. zeigten, enzephalitische Herde und Knötchen ähnlich = denjenigen nachweisen, die in menschlichen Fleckfieberleichen ge- funden wurden (Taf. 107, Fig. 3). ee Auffällig ist, daß das Serum der keriniikierten Meer- E schweinchen Aufschwemmungen des Bazillus X 19 nicht agglutiniert. - Man darf hieraus aber, wie Dörr betont, nicht den Schluß ziehen, E: daß die Erkrankung des Meerschw einehens keine Fleckfieberinfektion 3 Er sei, sondern es ist durch diese Feststellung nur erwiesen, daß das Virus im Meerschweinchenorganismus nicht ebenso wie im mensch- E - lichen Körper und vielleicht im Organismus anderer Tiere die Bildung - der flockenden Stoffe auslöst. Weil und Felix und nach ihnen Fried- E - berger und Schifj haben mitgeteilt, daß sie in dem Serum von Kanin- 3 - chen, denen Gehirnemulsion fleckfieberinfizierter Meerschweinchen ein- _ oder mehrmals intraperitoneal injiziert wurde, Agglutininwerte gegen die H-Form des Bazillus X 19 bis 1: 500, gegen die 0-Form bis zu - 1:1000 nachgewiesen hätten. Wenn es sich bei weiteren Nach- - prüfungen dieser Angaben bestätigen sollte, daß eine solche Wirkung bei Kaninchen mehr oder weniger regelmäßig eintritt, wäre damit - erwiesen, daß in der Tat das Zustandekommen der Reaktion durch die besondere Beschaffenheit der Tierart, der man das Virus parenteral _ einverleibt, entscheidend beeinflußt wird, und zugleich ein weiteres R:- Beweismoment für die F leckfiebernatur der 'Meerschweinchener- E. Benkung erbracht. E: ‚Nicolle war auf Grund seiner epidemiologischen Beobachtungen zu der Überzeugung gelangt, daß die Kleideriäuse die Ver- 1260 69. Vorlesung. breiter des Fleckfieberinfektionsstoffes sind, und stellte zum Beweise seiner Annahme an Affen weiteregrundlegende Versuche an. Er ließ Kleiderläuse an fleckfieberkranken Makaken Blut saugen und setzte sie dann zwei gesunden Makaken an mehreren aufeinander- folgenden Tagen an. Die Makaken erkrankten nach 20tägiger In- kubationszeit an Fleckfieber. Diese Versuche wurden gleichzeitig durch Anderson und Goldberger, Gaviro und Girard sowie von Ricketts und Wilder mit dem in Mexiko vorkommenden Fleckfieber — dort „Tabardillo‘“ genannt — ausgeführt und voll bestätigt. Das Virus ist in der Laus frühestens am 4. oder 5. Tage nach der ersten Aufnahme von Fleckfieberblut nachweisbar (Nicolle, da Rocha-Lima). Sehr bemerkenswerte Feststellungen sind von Nicolle und v. Prowazek bei Fleckfieberkranken an den Leukozyten gemacht. Ersterer wies nach, daß die gewaschenen, von Leukozyten befreiten roten Blutkörperchen und das von weißen Blutkörperchen durch Zentrifugieren befreite Serum infizierter Affen nicht infektiös sind. Die beim Gerinnen des Blutes sich an der Oberfläche der Blutschicht ansammelnden Leukozyten sind hoch infektiös; sie rufen selbst bei . Injektion ganz geringer Mengen bei Affen stets eine ‚schwere In- fektion hervor. ö Nicolle fand in den polynukleären neutrophilen Leukozyten infizierter Affen Nekrose der Kerne und. eosinophile Körnung des Protoplasmas. Eine gewisse Er- gänzung dieser Angaben bieten die Befunde von v. Prowazek und Hegler. Diese Forscher sahen in neutrophilen Leukozyten fleckfieberkranker Menschen und Affen nach Giemsa sich karminrot färbende Gebilde, die sie als spezifisch für Fleckfieber ansahen und als Erreger erklärten. Markl, Gavino und Girard fanden ähnliche Körperchen. Wie weit diese Gebilde mit den Rickettsien zusammenhängen, ist einstweilen schwer zu entscheiden. Zweifellos ‚sind sie den letzteren sehr ähnlich, sodaß eine Identität nicht ausgeschlossen erscheint (da Rocha-Lima). Die von Nicolle und Conseil, Goldberger und Anderson, Wilder, ne da Rocha-Lima, Olitzky u.a. durch Übertragung von menschlichem Fleckfieberblut auf Affen und Meerschweinchen und durch Infektion dieser Tiere mit infizierten Läusen in den verschiedensten Gegenden angestellten Versuche haben mit Sicherheit ergeben, daß das Fleck- fiebervirus ein gleichartiges und einheitliches ist. Das wird nament- lich bewiesen durch die wechselseitigen Immunitätsprüfungen der Tiere, bei denen Fleckfieber durch Blutübertragung oder durch Läuse- stich erzeugt war. So konnte Nicolle durch Versuche an Affen die Identität des nordafrikanischen Fleckfiebers mit dem osteuropäischen, Goldberger und Anderson die des amerikanischen mit der sogenannten Brillschen Krankheit nachweisen, die mit Fleckfieber identisch ist und aus europäischen Fleckfieberherden stammt. Die Inkubationszeit und der Verlauf der Krankheit bei Affen und Meerschweinchen sind bei den an verschiedenen Orten vorge- nommenen Versuchen so ähnlich und auch nach Übertragung durch infizierte Läuse wie nach Injektion virulenten Blutes so gleichartig, daß die Identifizierung des Fleckfiebers der Menschen und der Fleck- fieberinfektion der Tiere durchaus berechtigt ist. Bei Kaninchen und Ratten kommt es, wie Nicolle und seine Mitarbeiter und ferner Dörr und Pick, Otto und Winkler u.a. feststellten, nach der Einspritzung von Fleckfiebervirus zu „infeetions inapparentes“. Die Tiere zeigen keine charakteristischen Krankheits- Be as u Tan 1 da dt FAZ dan ie al m Qu bu m En un, Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 2 Tafel 107. I Schnitt durch tiefere Schicht der Kutis eines Fleckfieberkranken. Hautnerv N mit kleiner Hautarterie. Bei A normaler Gefäßumfang. Bei Ak kolbige Auf- treibung des Gefäßes durch Zellinfiltration. Starke Vergrößerung. (Nach Ceelen.) : Gehirnschnitt. Knötchen im Meerschweinchengehirn @= Gefäß von normaler Weite. Gk = kolbige bei Fleckfieberinfektion. Auftreibung des Gefäßes durch Zellanhäufung. Mittelstarke Vergrößerung. (Nach Ceelen.) - RE Sale FL: Fleckfieber. 2 | 1961 erscheinungen, durch die Verimpfung ihres Blutes oder ihres Ge- hirnes läßt sich aber bei Meerschweinchen die typische Erkrankung hervorrufen. Die Verimpfung von infektiösem Fleckfieberblut auf Mäuse, Schweine, Rinder, Pferde (Gavifo und Girard), Hammel, Ziegen, Hunde, Esel, Hühner (Nicolle und Conseil) verlief negativ. Das Virus kreist, wie die Tierimpfungen lehren, während der ' ganzen Fieberzeit im Blute der Kranken. Auch kurz vor Beginn des Fiebers und kurze Zeit nach der Entfieberung kann das Blut noch infektiös sein. Eine Ergänzung der Tierversuche bilden die positiven Resul- tate, die bei dr Übertragung des Virus auf gesunde - Menschen durch das Blut Fleckfieberkranker oder die an diesen infizierten Läuse gewonnen wurden. Motzukowsky, Otero und Yersin erzielten durch Verimpfung von Blut, das sie fiebernden Kranken entnommen hatten, typische Erkrankungen. Hamdi berichtet über . einen geistesgestörten türkischen Arzt, der 310 Personen je 5 cem Blut fiebernder Kranken subkutan injiziert hatte: 174 (56%) der so Infizierten erkrankten nach 7 bis 15 Tagen. Die Mortalität betrug 28%. Sergent, Foley und Vialatte übertrugen die Krankheit bei einer Versuchsperson durch Ansetzen von infizierten Läusen, in einem anderen Falle durch zerriebene Nissen, die von Fleckfieberkranken gesammelt waren und einer gesunden Person in eine skarifizierte Hautstelle eingerieben wurden._- Die Einimpfung von Fleckfieberblut in Oberflächenwunden führt beim Menschen nicht zur Infektion. Auch bei der subkutanen Über- impfung von Blut muß man mit etwa 50% Mißerfolgen rechnen; die Zahl der letzteren wird wohl dadurch beeinflußt, ob und in welchem Umfange bei dem Eingriffe kleine Gefäße eröffnet werden. Das Fleckfiebervirus dringt offenbar nicht aktiv in die tieferen Ge- websschichten ein, wie es z. B. in ausgesprochenem Maße bei den Spiro- ‚chäten der Fall ist, und findet in den oberflächlichen Wunden nicht die Wirtszellen, in denen es allein zu parasitieren vermag (Dörr). - Beim Suchen nach dem Fleckfiebererreger wurde seit ‘den Be- obachtungen von Ricketts und Wilder die Aufmerksamkeit der Forscher besonders auf die in Läusen gefundenen Gebilde gelenkt. Ricketts und Wilder fanden im Blute von Fleckfieberkranken ziem- lich regelmäßig polgefärbte Gebilde, die in Kontrollpräparaten von unden vermißt wurden. Gaviüo und Girard, Sergent, Foley und Vialatte haben offenbar dieselben Gebilde vor sich gehabt. ». Pro- wazek und da Rocha-Lima studierten dann systematisch den Darm- inhalt der Fleckfieberläuse in gefärbten und ungefärbten Präparaten. Die Körperchen, die in solchen Läusen enthalten und zu Ehren der Ersten, die sie gesehen bzw. gedeutet haben, Rickettsia Prowazeki genannt sind (Taf. 108, Fig. 4), beschreibt da Rocha-Lima folgender- n: „Die Grundform der Körperchen ist elliptisch; sehr kurz, fast kugelig im Moment des Entstehens, strecken sie sich dann etwas in die Länge bis zur Teilung in wiederum zwei kurze Elemente. Nach der ‚Teilung und im Verlaufe der zur Teilung führenden Abschnürung der Körperchen ist die sich schwach färbende - äußere Hülle am deutlichsten sichtbar. Auch nach der Teilung bleiben die jungen “ Elemente durch sie noch eine Weile aneinander gebunden. Dadurch entsteht die Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 81 Ricketisia Prowazeki. 1262 | E 69. Vorlesung. für diese Körperchen charakteristische Gestalt in Giemsapräparaten: die Biskuit- oder Hantelform. Bei der Betrachtung dieser Formen im Dunkelfeld erkennt man in der Regel nur die zwei nebeneinander liegenden kurzelliptischen Körperchen. Dieselben Elemente erscheinen dagegen in Cyanochinpräparaten als verhältnismäßig lange Stäbchen. Eine diesem letzten Bild entsprechende Färbung erhält man meistens mit der Geißelfärbungsmethode nach Löffler, bei welcher die Körperchen bedeutend größer, als plumpe Stäbchen von verschiedener Länge erscheinen. Es kommt aber auch vor, daß nach dieser Methode die kleinen olivenförmigen Körperchen scharf gefärbt werden, während die äußere Substanz nur als heller, sie umgebender Hof erscheint. - In Giemsapräparaten findet man auch Entwicklungsformen des Körperchens, die an Bazillen mit Polfärbung erinnern. Es handelt sich offenbar um bereits geteilte ' kleine Elemente, deren schwach gefärbte Hülle sich noch nicht abgeschnürt hat. . Eine zwar nicht absolut regelmäßige, aber doch fast konstante und bis zu einem gewissen Grade charakteristische Erscheinung sind kleine oder größere Haufen von Körperchen, meistens in großer Zahl im. Präparat verstreut. - Da viele von den bereits beschriebenen, allerdings sehr. unwahrscheinlichen „Flecktyphuserregern“ Gram-positive Bakterien sind, wurden die Körperchen sorg- -fältig auf ihr Verhalten bei der Gram-Färbung geprüft. Selbst nach unvollständiger Entfärbung des zuerst besonders lange mit Gentianaviolett gefärbten Präparates sind die vorher gut gefärbten Körperchen verschwunden bzw. in der Kontrastfärbung angedeutet, aber im Dunkelfeld mit Leichtigkeit in großen Mengen nachweisbar. Was die Größe der Körperchen anbelangt, so habe ich noch keine genauere Messung vornehmen können, als die der bei 3000facher Vergrößerung gezeichneten Exemplare. Die kleinen messen danach etwa 0'3u. x 04» und die biskuitförmigen Doppelkörperehen ungefähr 0'34.x 0'9u. Ein Vergleich mit bekannten Bakterien. ist aber in der Praxis eine mindestens ebenso wertvolle Angabe wie Messungsergebnisse, _ In konzentriertem. Karbolfuchsin, Karbolgentianaviolett- und Giemsapräparaten sind die Körperchen zweifellos kleiner als der mit verdünntem Karbolfuchsin oder Tionin gefärbte Mierococcus melitensis und Baeillus prodigiosus. Auch der Vergleich dieser Ausstrichpräparate im Dunkelfeld läßt die größeren Dimensionen der Vergleichs- bakterien erkennen.“ Auch R.Otto und Dietrich, Töpfer und Schüßler und andere Autoren haben diese Gebilde in Läusen, die von Fleckfieberkranken gesammelt oder künstlich an” solehen infiziert waren, regelmäßig nachgewiesen. Auffallend und für. ihre Deutung als Krankheits- erreger zweifelerweckend war vor allem aber die Tatsache, daß auch in einwandfreien Kontrolläusen mitunter, wenn auch selten, ähn- liche Befunde erhoben wurden (s.u.). Es war nicht möglich, diese (rebilde in den Ausstrichpräparaten aus den Läuseorganen von viel- leicht harmlosen Bakterien mit Sicherheit zu differenzieren, zumal alle Kulturversuche mißlangen. Ihre Mikroorganismennatur stand‘ durch die morphologischen Eigentümlichkeiten und dureh den Nach- weis ihrer durch Längsteilung vor sich gehenden Vermehrung fest. Da Rocha-Lima gelang es nun, in Schnittpräparaten ein wich- tiges biologisches Merkmal der Mikroorganismen in den Fleckfieber- läusen festzustellen, nämlich ihr EindringenindieEpithel- zellen des Verdauungstraktus, ihre starke Vermehrung dortselbst und die Erzeugung von tiefgreifenden charakteristischen Veränderungen der befallenen Zellen. Die Vermehrung der Rickett- sien erfolgt in der Regel zunächst nur in einem begrenzten Teil des Protoplasmas dieser Zellen, nicht weit vom Kern. Die Eigentüm- lichkeit, sich in einem scharf abgegrenzten Teil des Protoplasmas zu entwickeln und so neben dem Kern große Zelleinschlüsse zu bilden, erinnert sehr an die Chlamydozoen. In einem weiter fortgeschrittenen Stadium ist das ganze Protoplasma befallen, es wölbt sich nach dem Darmlumen zu und platzt schließlich, wodurch die Rickettsien in das Darmlumen entleert werden. Es kommt auch vor, daß ein Eu Ha hal ea m. Lu aan m nr =; Fleckfieber. . 1263 f Teil des.befallenen Protoplasmas sich abschnürt, sich von der Zelle trennt und im Darminhalt als große, kugelförmige, mit Rickettsien beladene Masse erscheint. Während zum Nachweis der Rickettsien ER mit allen ihren morphologischen Merkmalen bei Schnittpräparaten sehr gute Romanowsky-Giemsa-Färbung notwendig ist, - lassen sich. die Veränderungen der stark befallenen Darmzellen auch bei weniger guter Färbung nachweisen (Taf. 108, Fig.5). Das Proto- plasma erscheint hell und feinkörnig im Gegensatz zur dunklen 3 ‚Färbung und homogenen Beschaffenheit der normalen Zellen. Ein gleieher Befund wurde bei der Untersuchung sehr zahl- reicher normaler, aus einer fleckfieberfreien Gegend stammender Läuse niemals erhoben. Die. zur Feststellung der Rickettsien un- _ genügenden morphologischen Merkmale finden nach da Rocha-Lima - indem Nachweis dieser biologischen Eigentümlichkeit die notwendige Br Ergänzung, die erst der Beurteilung der Befunde einen höheren Grad - von Sicherheit gewährt. Die an Originalfleckfieberläusen festge- stellten Veränderungen wurden bestätigt an Läusen, die im Labora- . torium von einer einwandfreien Aszendenz aus dem Ei gezüchtet und dann Fleekfieberkranken während des Fieberstadiums angesetzt wurden. Auch hier wurden fast ausnahmslos. bei allen diesen Läusen . die geschilderteri Befunde experimentell hervorgerufen, während Läuse, die an Gesunden oder an Rekonvaleszenten gefüttert wurden, niemals solche Veränderungen: zeigten. Die Natur dieser Körperchen ist durch die bisherigen Unter- suchungen noch nicht endgültig geklärt. Nach R. Otto sind die i e: Riekettsien weder den Bakterien, noch den Protozoen zuzurechnen, sondern stellen etwas Besonderes dar. v. Prowazek hielt sie für Strongyloplasmen im Sinne von Lipschütz. Dörr ist der. Ansicht, ;.. daß die bakterielle Natur des Parasiten mit der Zunahme unserer _ genaueren Kenntnisse an Wahrscheinlichkeit stetig. gewinnt. Die ‘Frage, ob die Rickettsia der Erreger des Fleckfiebers ist, ist durch das Auffinden von anderen Rickettsien bzw. rickettsiaähnlichen Ge- bilden in Läusen kompliziert worden. Von Töpfer wurden bei Läusen, = die an Personen mit Wolhynischem Fieber Blut gesogen hatten, von Ricketts und Wilder, da Rocha-Lima, Otto, Nicolle, Brumpt u.a. bei -Läusen, die an gesunden Personen gesogen hatten, Rickettsien ge- funden. Diese lassen sich rein morphologisch nicht von einander differenzieren. Deshalb hat da Rocha-Lima für diese ‚nach ihren färberischeri Eigenschaften (stärkere Färbung mit Karbolfuchsin) von der Rickettsia Prowazeki abgegrenzten Rickettsien den Namen 3 „Rickettsia pedieuli“ vorgeschlagen. Die. Rickettsia Pro- wazeki läßt sich von.den anderen, bei nicht mit Fleckfieber infizierten Läusen gefundenen auch dadurch unterscheiden, daß sie sich „stets als zarte, feinkörnig aussehende Änsiedelung in den Epithelzellen entwickelt, während die anderen nur ausnahmsweise in die Zellen .. eindringen und es dann offenbar in groben, diehten Massen tun, 30- daß ein von der Fleckfieberlaus verschiedenes Bild entsteht“ (da Rocha-Lima). Das kann am besten in Serienschnittpräparaten von - Läusen festgestellt werden. Die Versuche an Meerschweinchen haben nun für die ätiologische Bedeutung der. Riekettsien weitere sehr beachtenswerte Tatsachen 81* 1264 69. Vorlesung. ergeben. Wenn man Meerschweinchen Darminhalt normaler Läuse subkutan, intraperitoneal oder intravenös injiziert, so vertragen sie diese Behandlung ohne jegliche Folgeerscheinungen. Spritzt man ihnen aber den Darminhalt von Läusen ein, die mit Rickettsien be- haftet sind, so reagieren sie darauf mit einer fieberhaften Erkrankung, £ die sich serienweise auf andere Meerschweinchen übertragen läßt, genau ebenso verläuft wie die Infektion mit Blut von Fleckfieber- kranken und eine Immunität der Tiere gegen eine nachträgliche Impfung mit Fleckfieberblut hervorruft. Die zahlreichen Tierver- suche, die da Rocha-Lima gleichzeitig mit der mikroskopischen Untersuchung der Läuse anstellte, ergaben eine fast absolute Über- einstimmung zwischen Rickettsieninfektion und Infektiosität der Laus für Meerschweinchen. Während bei den unter 23°C gehaltenen Läusen und solchen, die weniger als 5 Tage zuvor zum erstenmal bei Fleckfieberkranken Blut gesogen hatten, der Rickettsienbefund negativ war und der Tierversuch ebenfalls negativ verlief, erkrankten fast ausnahmslos alle Meerschweinchen, denen mit Rickettsien in- fizierte Läuse eingespritzt wurden. Die Versuche ergaben ferner, daß die Rickettsia ebenso wie das Fleckfiebervirus etwa 5 Tage ge- braucht, um sich in der Laus zu entwickeln, und daß der fiebernde Fleektyphuskranke stets die Fähigkeit besitzt, Läuse zu infizieren, während eine Infektion der Läuse beim Rekonvalszenten nach dem fünften fieberfreien Tag nicht mehr gelingt. Die Rickettsien ent- wickeln sich nur, wenn die Läuse nach dem Saugen an Fleckfieber- kranken bei 32° fe gehalten werden. Die Rickettsia Prowazeki ist wie das Fleckfiebervirus nicht filtrierbar. Ihre Kurz ist vielleicht Kuczynski gelungen. Einfachere Züchtungsmethoden, wie sie sich Noeller bei der Schaflaus-Rickettsie (Rickettsia melophagi) in der Verwendung eines Traubenzuckerblutagars und Werner und Benzler angeblich auch bei der Rickettsia pediceuli in der Benutzung von Aszitesagar als erfolgreich erwiesen, ver- sagten hier. Als aber als Nährflüssigkeit ein von Menschen oder Meerschweinchen gewonnenes Hirudin- oder Zitratplasma, dem im Verhältnis von 2:7 hydrolytisch ab- gebautes Menschenblut („Iymphadaptiertes Plasma“) zugesetzt war, verwendet wurde und 9 Teile dieser Nährflüssigkeit zusammen mit 1 Teil fein verriebenen und in Ringer-Lösung emulgierten Gehirnes von fleckfieberinfizierten Meerschweinchen in festverschlossenen Zelloidinsäckchen in die Bauchhöhle von Meerschweinchen ge- bracht wurden, erwies sich der Inhalt der nach 3. bis 10 Tagen herausgenommenen Säckchen als pathogen. Meerschweinchen, die mit ihm infiziert wurden, erkrankten unter typischem Fieber, zeigten den charakteristischen Knötchenbefund im Gehirn. und waren, wenn sie das Fieber überstanden hatten, gegen Passagevirus immun. Wenn dagegen das gleiche Gemisch von Nährflüssigkeit und Meerschweinchengehirn nur in Reagenzgläsern gehalten wurde, erlosch die Virulenz spätestens in 48 Stunden. Mit dem Inhalt der intraperitoneal gehaltenen Säckchen ließ sich auch direkt eine zweite Nährbodenpassage erzielen, die die gleichen Eigenschaften aufwies wie die erste. Die mikroskopische Untersuchung des pathogenen Säckcheninhaltes nach intensiver Giemsa-Färbung ergab außerordentlich zahlreiche kleinste Formelemente, die in ihrem morphologischen und färberischen Verhalten den Rickettsien der Fleckfieberläuse glichen und in negativen Kulturen fehlten. Kuczynski hält auf Grund dieser Befunde den Nachweis der Züchtbarkeit des Fleckfiebervirus für erbracht. Bestätigungen dieser Angaben sind abzuwarten. Trotz aller dieser Tatsachen konnte die Rickettsia Prowazeki aber nicht sicher als Erreger des Fleckfiebers betrachtet werden, weil der Nachweis dieser Gebilde beim fleckfieberkranken Menschen bisher nicht gelang. Der Fleckfiebererreger muß aber in großen Mengen im Blute der Kranken vorhanden sein; sonst ließe Fleckfieber. aa 1265 sich die leichte Übertragung des Virus auf Läuse durch Saugen eines kleinsten Bluttröpfehens nicht erklären. Von Interesse ist die von Otto mitgeteilte Tatsache, daß die Rickettsien beim Kaninchen nur gegen sich selbst, nicht aber gegen den Bazillus X 19 Agglutinine . erzeugen. Nun haben in neuerer Zeit Kuczynski und Jaff€ und unabhängig von ihnen Wolbach und Tood Befunde mitgeteilt, die vielleicht diese Lücke ausfüllen. Sie sahen nach einer modifizierten Giemsa-Färbung in Paraffinschnitten aus Fleckfieberorganen in den Kapillarendo- thelien Gebilde, die nach Größe und Färbung den Läuserickettsien ' glichen, auch deren Hantel- und Diploformen aufweisen und von einer hofartigen Aufhellung des Protoplasmas umgeben waren. Wo, wie z.B. im Gehirn, die charakteristischen perivaskulären Zellan- häufungen feststellbar waren, lagen diese als Rickettsien gedeuteten Gebilde in einer gequollenen, nekrotischen Endothelzelle des zentralen präkapillaren Gefäßes. Ihre Verteilung scheint ungleichmäßig zu sein. Während im Gehirn meistens nur eine oder höchstens zwei Rickettsien in den befallenen Zellen gefunden wurden, sahen Wolbach und Tood in den Hauteffloreszenzen des mexikanischen Fleckfiebers - (Tabardillo) die Körperchen: in Haufenform in den einzelnen Zellen liegen. Es wird die nächste Aufgabe der Forschung sein, diese An- gab@n nachzuprüfen, die bisher ein zu spärliches Material umfassen, um sichere Schlüsse daraus zw-ziehen. Sehr überzeugend sind die bis jetzt mitgeteilten Befunde nicht. Eine Anreicherung des Virus im Wandbelag der Hautgefäße, die im Bestätigungsfall aus den Be- - funden von Wolbach und Tood geschlossen werden könnte, würde mit. dem von Lipschütz angenommenen Dermotropismus des Fleckfieber- erregers gut übereinstimmen und auch teleologisch die Erleichterung der Virusaufnahme durch die Laus erklären (Dörr). Bevor nicht durch weitere Untersuchungen an verschiedenen Stellen geklärt ist, ob in der Tat derartige Rickettsienbefunde im Organismus des Fleckfieberkranken regelmäßig zu erheben sind, ist im Urteil über die Frage der Identität der Rickettsia Prowazeki mit dem Fleckfiebervirus noch eine gewisse Zurückhaltung geboten „Es ist einstweilen“, so urteilt zutreffend da Rocha-Lima, „mit der Möglichkeit zu rechnen, daß ein nicht erkennbarer Mikroorganismus sich neben der Rickettsia Prowazeki in der Fleekfieberlaus vermehrt. "Doch spricht die Nichtfiltrierbarkeit des Fleckfiebervirus gegen einen ‚ultramikroskopischen Erreger. So müßte dieser einstweilen hypo- thetische Mikroorganismus aus irgend einem anderen unbekannten Grund nicht erkennbar sein. Dieser Umstand läßt aber das Vor- kommen eines solchen aus unerklärlichen Gründen unsichtbaren Organismus in der Laus erheblich weniger wahrscheinlich erscheinen, als die Erregernatur der Rickettsia Prowazeki, die aus begreiflichen - Gründen im Körper des Menschen schwer nachweisbar sein könnte.“ Für die Annahme, daß das Fleckfiebervirus filtrierbar sei, liegen bisher keine zwingenden Beweise vor. Die anscheinend sichergestellte Tatsache, daß Läuse erst am 5. bis 7. Tage nach der Aufnahme von . Fleckfieberblut infektiös sind, spricht dafür, daß der Erreger im Körper der Laus eine Entwicklung durchmacht. 1266 | 69. Vorlesung. - Über die biologischen Eigenschaften des Fleckfiebervirus wish wir bis jetzt noch wenig. Nach Goldberger und Anderson wird viru- lentes Blut schon durch 15 Minuten währende Erhitzung auf, 55°C seiner infektiösen ‚Eigenschaften beraubt. Er Von den epidemiologischen Erfahrungen ist schon kurz er- “ wähnt, daß das Fleckfieber von jeher als Kriegsseuche ge- fürchtet war. Die großen Epidemien, über die wir zuverlässige Aufzeichnungen besitzen, sind in Europa fast stets während der - Kriege oder im Anschluß an sie entstanden. Die Ursache für diese ‘ Erscheinung ist die Zunahme der Läuseplage. Aus der Zeit des Weltkrieges ist z.B. durch einen Bericht des amerikanischen Roten Kreuzes bekannt geworden, daß in Serbien im Jahre 1915 innerhalb 6 Monaten 150000 Fleckfiebertodesfälle vorkamen. Auf der Höhe der Epidemie wurden täglich etwa 2500 Kranke in die Hospitäler auf- genommen. Von 350 serbischen Ärzten, die die Kranken behandelten, erkrankte die Mehrzahl bei einer Mortalität von 36%. Wo eine Be- - völkerung, die in Elend und Armut lebt, dauernd stark verlaust ist, nistet sich das Fleckfieber, wenn der Infektionsstoff eingeschleppt ist, endemisch ein. Das ist z.B. im europäischen Rußland der Fall, wo in den Jahren 1900 bis 1908 nach Gaul jährlich etwa 50000, 1908 sogar 92764 amtlich gemeldete Fleckfieberfälle vorkamen., Sie betrafen fast ausschließlich die arme Bevölkerung, die in unhygieni- schen und schmutzigen Wohnungen eng zusammengedrängt lebt. Dort hält und verbreitet sich auch das Ungeziefer. Nach Zlatogorojff betrafen die während 9 Jahren in Petersburg . beobachteten Fleck- fieberfälle zu 95,8% die Armen, zu 3,5% den Mittelstand und nur zu 0,8% die wohlhabende. Bevölkerung. Während im östlichen Europa (Rußland, Balkan- länder, Bosnien, Herzegowina, Türkei) das Fleck- fieber endemisch bis zur Jetztzeit geherrscht hat, war das westliche Europa mit Ausnahme von Irland seit Ende des vorigen Jahrhunderts bis auf sporadische, aus den genannten Ländern ein- geschleppte. Fälle frei. Endemisch kommt die Seuche auch in Nordafrika (Ägypten, Tunis, Algier, Marokko), Kleinasien, China und Mexiko vor. In den Tropen fehlt sie völlig. Das Fleckfieber: breitet sich mit Vorliebe im Spätwinter und Frühjahr aus, um im Sommer ganz zu verschwinden oder doch stark abzunehmen. Es ist noch nicht genügend erforscht, wor- auf diese zeitliche Ausbreitung der Epidemien beruht. Zum Teil hängt die Akme im Winter mit dem engeren Zusammenleben der Menschen während der kälteren Jahreszeit, mit dem Tragen von dickeren Kleidern, in denen sich das Ungeziefer besser hält, und mit - dem Mangel an Hautpflege zusammen. Das Verschwinden im Sommer aber beruht auf den höheren Temperaturen, die bei Insolation direkt ein Zugrundegehen der Läuse in den Kleidern bedingen können, auf der besseren Hautpflege und dem häufigeren Baden. Die epidemio- logischen Eigentümlichkeiten des Fleckfiebers sind aber noch nicht völlig aufgeklärt und bedürfen weiterer Studien. Schon vor dem Bekanntwerden der Experimente von Nicolle hatten manche Forscher auf Grund bestimmter Beobachtungen an- NE Fleckfieber. - 1267 Fe genommen, daß Ungeziefer als Überträger der Krankheit eine Rolle ht i i spielen könnte. Die Erfahrung, daß die Kranken in der Regel ver- laust waren, und das häufige Auftreten von Fleckfieber bei den mit Ungeziefer behafteten Insassen von Gefängnissen und Segelschiffen wies auf die Bedeutung stechender Parasiten bei seiner Ausbreitung -. hin. Dafür sprachen auch die Erfahrungen im Krimkriege und russisch- türkischen Kriege. R. Otto erklärte deshalb schon im Jahre 1909 die Läusebekämpfung für eine grundsätzlich in jedem Kriege notwendige seuchenprophylaktische Maßnahme. "© Exakte epidemiologische Beobachtungen, aus denen auf die Rolle der Läuse bei Fleckfieberepidemien einwandfreie Schlüsse gezogen werden konnten, sind zuerst von Nicolle und Conseil während einiger großen Epidemien in Tunis in den Jahren 1909 und 1910 gesammelt worden. Diese Forscher stellten fest, daß nur solche Fleckfieberkranke und deren Kleider infektiös waren, die mit Läusen behaftet waren. In den Hospitälern in Tunis wurde jeder Kranke vor der Aufnahme in das Krankenhaus gebadet und mit frischer Wäsche versehen. Während die mit verlausten Kranken oder Klei- dungsstücken in Berührung kommenden Leute häufig an Fleckfieber ‘erkrankten, kamen in den Krankensälen weder bei Ärzten noch beim Pflegepersonal oder bei anderen Kranken Infektionen vor. An- steckung aber trat des öfteren bei denjenigen Ärzten ein, die in der . Stadt die Kranken in ihren von_Ungeziefer wimmelnden Wohnungen besuchten und untersuchen mußten. Nicolle prüfte auch die Frage, ob auch Wanzen oder Flöhe das Fleckfieber übertragen könnten, fand aber keine Beweise für eine solche Annahme. Diese epidemio- . logischen Feststellungen führten dann zu den oben beschriebenen Versuchen mit Läusen an Affen und Meerschweinchen. Während des Krieges 1914/18 sınd die hier mitgeteilten Be- obachtungen nach allen Richtungen bestätigt worden. Es ist durch Versuche und epidemiologische Studien namentlich von v. Prowazek, da Rocha-Lima, Jürgens u.a. und durch die Erfolge der in den deutschen und österreichischen Armeen durchge- führten Entlausungsmaßnahmen der sichere Beweis er- bracht, daß auch bei dem Fleckfieber des Krieges die Kleider- laus der einzige Überträger der Seuche ist. Die Kopflaus kommt rach den Untersuchungen von Heymann praktisch nicht in Betracht. Das Fleckfieber wird weder durch Tröpfchen- infektion noch durch Hautschuppen und Sekrete verbreitet. Wo Läuse fehlen, kann es nicht Fuß fassen oder sich ausbreiten, es ist bei Abwesenheit von Läusen keine ansteckende Krankheit. - - In Fleckfieberlazaretten, in denen infolge der systematisch durchgeführten Entlausungsverfahren keine Läuse vorhanden sind, kommen Infektionen unter Ärzten und Pflegepersonal nicht vor. ' Man kann, wie das Jürgens getan hat, zuverlässig entlauste gesunde Menschen wochenlang mit läusefreien Fleckfieberpatienten in den- selben Räumen, ja in denselben: Betten halten, ohne daß.eine Infektion erfolgt. Aber beim Unterbleiben der Entlausung geht die Ausbreitung . des Fleckfiebers in eng belegten Quartieren sehr schnell vor sich, so daß oft kein einziger der Insassen verschont bleibt. Es erkranken 1268 69. Vorlesung. auch unter den besten hygienischen Verhältnissen, z..B. in modernen Krankenhäusern, Ärzte und Pfleger, sobald sie mit läusebehafteten Fleckfieberkranken zu tun haben. Auch durch das Betreten stark verlauster Räume, in denen Fleckfieberkranke sind, kann man, ohne die Kranken zu berühren, infiziert werden. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, wie leicht infizierte Läuse vom Lagerstroh, vom Fußboden usw. an das Schuhwerk oder auf die Kleidung gelangen können. Wichtig erscheinen ferner die von V. Schilling in Meso- potamien gemachten Beobachtungen über die Verstreuung der Läuse durch stärkere Luftströmungen auf Entfernungen, die bis zu 40 m betragen können. Möglicherweise führt eine derartige Übertragung der Läuse mitunter zur Infektion von Menschen, die mit Kranken gar nicht direkt in Berührung gekommen waren. Auch durch Fliegen können Läuse, die sich an ihnen festkrallen, auf größere Entfernungen weggeführt werden. Das Fleckfieber ist also, wenn keine Entlausungs- maßnahmen durchgeführt werden, eine außerordentlich leicht übertragbare Krankheit und deshalb so ge- fürchtet. Auf welche Weise sich das Krankheitsvirus in endemisch ver- seuchten Gegenden nach dem Ablauf der Epidemien im Sommer infek- tionstüchtig erhält, ist noch nicht geklärt. Man könnte einerseits annehmen, daß es sich, ähnlich wie bei anderen Infektionskrankheiten, im infizierten und nach Ablauf der Krankheit gesund erscheinenden Menschen hält (Virusträger), und andrerseits, daß es in der Laus fortwuchert und in ihr auf die kommenden Generationen vererbt wird. Beweisgründe für die Annahme menschlicher Virusträger sind noch nicht erbracht. Fonyo allerdings behauptet im Gegensatz zu den Erfahrungen anderer Autoren, namentlich zu den exakten Ver- suchen von da Rocha-Lima u.a., daß das Blut von Rekonvaleszenten noch Wochen oder Monate nach der Entfieberung für Läuse eine Ansteckungsquelle bilden könne, aber in den deutschen Kriegsge- fangenenlagern ist es dort, wo große Mengen von Rekonvaleszenten vorhanden waren und durch neu hinzugekommene, aber fleckfieber- freie Gefangene später wieder Läuse in das Lager eingeschleppt wurden, niemals wieder zum Auftreten neuer Erkrankungsfälle oder gar zum Ausbruch einer neuen Epidemie gekommen. Die Annahme, daß das Virus in der Laus fortlebt, ist nicht ganz von der Hand zu weisen, aber auch hier verfügen wir zurzeit noch nicht über einwandfreie Erfahrungen in genügender Zahl. Sergent, Foley und Vialatte zerrieben eine größere Anzahl von Nissen, die sie bei einem Fleckfieberkranken entnommen hatten, und brachten die Verreibung auf eine leicht skarifizierte Hautstelle bei einem Gesunden. Dieser erkrankte nach 5 Tagen an Fleckfieber. - Da Rocha-Lima schließt aus seinen mit frisch gezüchteten und dann infizierten Läusen angestellten Tierversuchen, daß die Vererbung der Infektion in der Laus möglich ist, aber scheinbar nicht allzu häufig vorkommt. Jedenfalls kann die erbliche Übertragung in der Laus die Persistenz des Fleckfiebervirus zwischen zwei zeitlich weit voneinander getrennten Epidemien allein wohl kaum erklären. Am wahrscheinlichsten ist es, daß nach dem Aufhören der Krankheitshäufung der Fleckfiebererreger von Mensch zu Mensch u Tr Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 108. ' O-Form. Rickettsien in dem Ausstrich einer Fleckfieber- Rickettsien in dem Darmepithel einer experi- 2:02 laus. (Mikrophotogramm vou Zetinow nach mentell infizierten Laus. (Mikrophotogramm t- einem Präparat von da Rocha-Lima. Giemsa- von Zeiinow nach einem Präparat von 5 färbung.) Vergr. 1:1000. da Rocha-Lima.) Vergr. 1:1000. “ = _ Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Fleckfieber. ER 1269 weiterübertragen wird, daß aber die Erkrankungsfälle außerhalb der Epidemien atypisch oder leicht verlaufen und als Fleckfiebererkran- kungen nicht erkannt werden. Wir müssen jedoch zugeben, daß wir hier die Wege der Natur noch nicht kennen. Die Frage, ob außer der Kleiderlaus vielleicht auch anderes Ungeziefer die Krankheit übertragen könne, ist ebenfalls Gegen- ‚stand eingehender Untersuchungen gewesen. Einige Autoren nehmen an, daß auch die Kopflaus unter Umständen die Rolle der Über- trägerin des Virus spielen könne. Die Ergebnisse der Tierversuche von Anderson und Goldberger, die als Zeugnis hierfür angeführt werden, sind nicht beweiskräftig. Nach den Untersuchungen von Heymann, die auch durch die epidemiologischen Erfahrungen bestätigt werden, kommt die Kopflaus praktisch nicht in Betracht. Flöhe sind als Vermittler der Fleckfieberinfektion anscheinend bedeutungs- los. Von den verschiedensten Seiten sind Beobachtungen mitgeteilt worden, daß in Krankenhäusern oder Gefangenenlagern, die zwar läusefrei waren, in denen man aber der Flohplage nicht Herr werden konnte, niemals Übertragungen des- Fleckfiebers vorgekommen seien. Was für die Flöhe gilt, gilt nach den bisherigen Erfahrungen auch für de Wanzen. Epidemiologisch eigenartig ist die eminent schnelle Ausbreitung, die das Fleck- ' fieber sehr oftin großen Menschenmengen nimmt, die verlaust sind und unter nicht igen äußeren Bedingungen leben. Sehr lehrreich waren in dieser Hinsicht die n des Weltkriegs in den deutschen Kriegsgefangenenlagern, wo große Massen russischer Gefangener aus den verschiedensten Teilen der Ostfront zusammen- strömten und in den auf einen solchen Massenbesuch naturgemäß zunächst nicht — Barackenlagern untergebracht werden mußten, und wo auch die Bade- - und Entlausungsanstalten erst allmählich so ausgebaut und vervollkommnet werden konnten, daß sie allen Anforderungen genügten. Der Gang solcher Epidemien ist nach ' Jürgens in der Regel der, daß zunächst Meldungen über influenzaartige Erkrankungen eingehen, daneben aber dem Lazarett ungewöhnlich zahlreiehe Kranke mit typhus- _ verdächtigen Symptomen überwiesen werden. Da dieser starke Krankenzuwachs sich täglich wiederholt, sind bald alle Räume des Lazaretts überlegt, und plötzlich steht - die Epidemie in ihrer überwältigenden Eigenart vor uns. Sobald die ersten Fälle als Fleckfieber diagnostiziert sind, hat man dann bei genauer Durchmusterung aller Lagerinsassen oft schon massenhafte Infektionen, und wenn der in der. Erkennung des Fleckfiebers erfabrene Arzt den anfänglichen Influenza- und Unterleibstyphusfällen näher nachgeht, dann werden auch diese meist sämtlich als Fleckfiebererkrankungen erkannt. Der überraschend plötzliche Beginn der Fleckfieberepidemien ist also unter verlausten Menschenmassen besonders charakteristisch. Wenn man sich nun fragt, wie es zu einer so außerordentlich schnellen Verbreitung des Krankheitsvirus kommen kann, so wird sich aus den Krankengeschichten und Fieberkurven und aus der nach- träglichen Epikrise verdächtiger Fälle in der Regel unschwer beweisen lassen, daß die ersten unerkannt gebliebenen Fleckfieberfälle schon weit zurücklagen. Jürgens kennte bei einer Epidemie z.B. verschiedene Todesfälle an Influenza, Meningitis und reblichem Abdominaltyphus (durch die Sektion nicht bestätigt) eruieren und ebenso Fälle von symmetrischer Gangrän, die bis zu mehreren Monaten vor dem plötzlichen "Ausbruch der Massenerkrankungen eintraten. Daß sich in so langer Zeit die Infektion unter den Läusen des Lagers in ungeheurer Weise verbreiten kann, liegt auf der Hand. Es bedärf also nicht der Annahme unerkannt gebliebener Virusträger oder der Neueinschleppung großer Mengen des Ansteckungsstoffes kurze Zeit vor dem Ausbruch der Epidemie, sondern die Verkennung der ersten, vielleicht nicht tödlich ver- laufenen Fleckfieberfälle genügt vollkommen zur Erklärung des plötzlichen Seuchen- ausbruchs. r : Wenn das Virus in eine bis dahin von der Krankheit verschonte Baracke ein- Bealenpt wird, kommt es zunächst natürlich zu Gruppenerkrankungen. Die - Läuse haben ja nicht die Neigung, weite Wanderungen vorzunehmen, wenn ihnen _ menschliches Blut zur Verfügung steht. Es werden also von dem zuerst Erkrankten kämpfung. 1270 69. Vorlesung. aus durch die Läuse in der Regel zunächst die Schlafnachbarn infiziert, und erst später greift die Seuche, wenn nicht rechtzeitig vorgebeugt wird, auch -auf die anderen Barackeninsassen über. In dieser Erfahrungstatsache liegen wichtige Fingerzeige für eine schnelle und wirksame Fleckfieberbekämpfung. - N Daß die Fleckfiebererkrankungen am Ende einer Epidemie vom klinischen und epidemiologischen Standpunkt aus anders zu beurteilen wären als im Beginn der Epidemie, wie dies von. manchen Autoren behauptet wird, hält Jürgens nicht für erwiesen. Die Epidemie erschöpft sich natürlich auch dann, wenn sich sicher wirksame Entlausungs- und Absonderungsmaßnahmen nicht mehr durchführen lassen. Mit der - Zunahme der Zahl der Rekonvaleszenten, die für die Läuse ja keine Infektionsquelle mehr bilden, wird die Infektionswahrscheinlichkeit der Gesundgebliebenen allmählich geringer. Bei der allgemeinen Empfänglichkeit des Menschen für das Fleckfieber kommt es aber zu einem völligen Erlöschen einer umfangreichen und durch Entlausung und . Absperrung nicht mehr zu bannenden Epidemie meist erst dann, wenn alle Insassen des Lagers durchseucht sind. Man muß allerdings auch immer die Möglichkeit im Auge behalten, daß das Ende der Epidemie von gewissen äußeren Bedingungen beeinflußt werden kann, die für die Fortentwicklung des Krankheitsvirus ungünstig sind und diese entweder verzögern oder ganz aufhören lassen. Daß z.B. beim Ein- treten der heißeren Jahreszeit die Epidemien oft schnell abflauen, ist bekannt. Die Fleckfieberbekämpfung muß ihren Ausgang nehmen von der obligatorischen Meldepflicht eines ieden Fleckfieberfalles und jeder fleckfieber- verdächtigen Erkrankung. Da die Differentialdiagnose zwischen Abdominaltyphus und Fleckfieber oft sehr schwierig ist, namentlich wenn die Kranken erst im vorgeschrittenen Stadium der _ Krankheit dem Arzt zu Gesicht kommen, kann nicht genug Wert darauf gelegt werden, daß der. Verdacht auf Fleckfieber überall da sehr weitgehend in Betracht gezogen wird, wo mit der Möglichkeit des Vorliegens der Seuche gerechnet werden kann, wie das z. B. im letzten Krieg in den endemischen Fleckfiebergebieten Rußlands und Polens sowie in den Kriegsgefangenenlagern der Fall war. Die frühzeitige Feststellung der ersten Krank- heitsfälle ist beim Fleckfieber wohl noch wiehtiger und für den schnellen Erfolg aller Bekämpfungsmaßnahmen entscheidender, als bei anderen Infektionskrankheiten. Es wurde bereits im vorigen Abschnitt besprochen, wie außerordentlich schnell sieh die Seuche unter . verlausten Menschenmassen auszubreiten pflegt, wenn ein- geschleppte Einzelfälle durch Wochen und Monate unerkannt bleiben. Es kommt in solchen Fällen allmählich zur Infektion so zahlreicher Läuse und zu einer so weitgehenden Verschleppung des Krankheits- virus, daß in kurzer Zeit eine Unzahl von Infektionsquellen vorhanden ist. Es ist auch bereits darauf hingewiesen, daß bei der Organisierung der Bekämpfung, wenn es sich nicht schon um eine sehr weite Zer- streuung des Krankheitsstoffes handelt, zuerst in der nächsten Um- gebung der Einzelfälle eingegriffen werden muß und daß es bei sach- gemäßer Durchführung der erforderlichen Maßnahmen dann oft gelingt, eine große Zahl von Personen, die mit den Kranken in einer Baracke liegen oder in einem Hause wohnen, vor der Infektion: zu bewahren. Jeder Fleckfieberkranke und Fleckfieber- verdächtige ist schnellstens zu isolieren, und zwar in einem Krankenhaus. Bei der Aufnahme muß er gründlich gebadet, geschoren und entlaust werden. Zweck der Absonde- rung ist aber nur, zu verhüten, daß verlauste Menschen mit dem Fleckfieber. 1271 RER in- Berdhrung kommen und somit Läusen die Möglichkeit gegeben wird, das Krankheitsvirus aufzunehmen und weiter zu über- Auch alle Personen, die mit den Kranken oder- Krankheits- in näherer Berührung waren, also in Lagern z.B.alle, ; = die “mit ihm in derselben Baracke untergebracht waren, sind als et ansteckung sverdächtig zu entlausen, in läusefreie Ge- bäude zu verlegen und dort streng abzusondern und so lange ärztlich zu beobachten, bis 23 Tage lang unter ihnen keine Fleckfieberfälle mehr aufgetreten sind. Die Wohnung, in der alle diese Leute vorher = wohnten, ist inzwischen ebenfalls gründlichst zu entlausen und zu Außer der frühzeitigen Erkennung und Absonderung der Fleck- E.= fieberkranken und -verdächtigen ist für die Niederwerfung der Seuche ! Fig. 192. Fig. 193. - Pedieulus vestimenti. Ö . Körpergliederung: ce Kopf; a Fühler; 7, 7], II Pro-, Meso- und Metathorax; 1-9 Tergite der Abdomi nte: co. Hüfte; ir. Schen- : a Tech f- Schenkel ; ti. Schiene; is. Fuß; Pedieulus vestimenti. OÖ mW Klaue. . ae wie in Fig. 192. "von der allergrößten Bedeutung die sache: und wirksame Be- 3 kämpfung der Läuse. Diese Aufgabe ist bei großen, eng _ zusammenlebenden und sehr oft in bezug auf die Unterkunft und die : sonstigen " hygienischen Faktoren auf recht primitive Verhältnisse Angewiesenen Menschenmassen keineswegs leicht. | Zum näheren Verständnis der Anforderungen, die in dieser "Richtung zu stellen sind, müssen zunächst die wichtigsten Tatsachen ‘aus der Anatomie und "Biologie der Kleiderläuse kurz besprochen _ werden, deren Kenntnis ja auch für die ätiologischen Studien (siehe k E 8.1259) wichtig ist. Es soll hierbei den Ausführungen gefolgt werden, die J.Müller in seiner Monographie über die Naturgeschichte der = Kleiderlaus gegeben hat. ‘Wer ‘sich über weitere Einzelheiten auf ‚diesem Gebiete näher unterrichten will, sei insbesondere auch auf die ee. _ ausführlichen Arbeiten von A. Hase und H.Sikora über die Anatomie ‚und Biologie der Kleiderläuse hingewiesen. Morphologie und Biologie der Kieider- laus. 12720 | "88, Vorlesung. Die Kleiderlaus, Pediculus vestimenti, gehört ebenso wie die an dem Menschen schmarotzende Kopflaus (Pedieulus eapitis) und die Filzlaus (Pedieulus pubis) zur Familie der Pedikulinen. Der Körper besteht aus Segmenten, die die drei Körperregionen des Kopfes, der Brust und des Hinterleibes zusammensetzen. Am Kopf befinden sich die Fühler, seitlich die Augen, die Mundöffnung und der Stechapparat. Der Thorax, aus Vorder-, Mittel- und Hintertrakt bestehend, und das Hinterteil, das bei Männchen und Weibchen verschieden gebaut ist (Fig. 192 u. 193), umschließen die inneren Organe, vor allem die Ver- dauungs- und Geschlechtsorgane, das Herz und den Fettkörper. Die Kleiderlaus hat drei Paare von Beinen, und zwar je ein Paar am Vorder-, Mittel- und Hintertrakt. Die Beine sind Klammerwerkzeuge und besitzen daher kräftige Muskeln und am Ende eine starke, hakenförmige, braune Kralle, den Ungui- kulus. Die Körperhülle der Laus besteht aus einer dicken Chitinschicht, die bei jeder Häutung abgestoßen. und erneuert wird, und der darunter befindlichen Fig. 194. Fig. 195. : Zirkulationsapparat der Kleider- x Darmkanal der.Kleiderlaus laus (schematisch, na: ASRIRSEIRERR H.—Herz; A.— Aorta. — Die Pfeile deuten - ph. a. — Pharynx anterior; ph. p. — Pharynx die Riehtung des Blutstromes in der Leibes- posterior; oe. — Oesophagus; a.c. — Stech- höble an. apparat (Stachelscheide); dr., = Drüsen des : Stechapparates; dr, = behuenfürmige Speichel- £ £ - drüsen; dr.,— hufeisenförmige Speicheldrüsen; Hyvpodermis. Die Chitinhülle kleidet auch m. — Magen; m , =hinterer, schlauchförmiger \YP 2% ax - Ek der . Teil des Magens; Bl. = Blindsäcke des Ma- die Eimstülpungen des to erms ıB gens; ma. — Malpighische Schläuche (Exkre- den nach außen gelegenen Partien aus, Honsorgane); i. = Dünndarm; a.r. = Rektal- ebenso den vorderen und hinteren Teil ba rt Fe ri des Darmtraktus und die Ausführungs- gänge der Geschlechtsdrüsen. An der Chitinhülle sind innen die stark entwickelten Körpermuskeln inseriert und außen die Borsten und Härchen. Die inneren Organe sind wie bei allen Insekten von dem Fettkörper umgeben, der besonders stark im Abdomen entwickelt ist. Der Darmtraktus zerfällt in Vorder-, Mittel- und Enddarm (Fig. 19). An der Mundöffnung beginnt am vorderen Ende des Kopfes der Vorderdarm und führt in die Mundhöhle. Diese ist mit Chitinhäkchen ausgestattet, mittelst deren die beim Saugakt rüssel- i förmig vorgeschobene Mundhöhle an der Haut des Menschen festgehalten wird. Von der Mundhöhle geht ferner die Stachelscheide aus, in der sich der Stechapparat befindet. Die Fortsetzung der Mundhöhle ist der mit Muskeln reichlich ausgestattete Pharynx, das Organ für das Pumpen des aufgesaugten Blutes aus der Mundhöhle in den Magen. Eine Anzahl Speicheldrüsen und andere Drüsen unbekannter Funktion entleeren ihr Sekret in den Vorderdarm. Der Mitteldarm wird vom Magen an gerechnet, dessen Wand aus dünnen Muskelschichten und Drüsen- Fleckfieber. B 1273 zellen besteht. Die im unteren Abschnitt des Mitteldarmes befindlichen sog. Mal- pighischen Schläuche stellen Exkretionsorgane dar, da sie Harnsäure, Oxalate etec. enthalten. Der Magen ist als ein in lebhafter Peristaltik begriffenes Organ auch an - der lebenden Laus mit Lupenvergrößerung leicht zu sehen, wenn er mit Blut ‚gefüllt ist. Der sich an den Mitteldarm anschließende, durch den Pylorus abge- grenzte Enddarm besteht aus dem drüsenhaltigen lleum und dem Mastdarm, dessen unterer Teil, das Rektum, die stark entwickelte Muskulatur des Sphincter ani be- ‚sitzt. Der Mastdarm ist mit Chitin ausgekleidet. “ Aus Magen und Enddarm diffundiert das verdaute Blut durch die Wandungen in die Leibeshöhle und gelangt in die die ganze Leibeshöhle ausfüllende Hämo- lymphe. Diese wird durch das aus dem pulsierenden Teil (dem Herzen) und dem elastischen Schlauch (Aorta) bestehende Rückengefäß- in der durch die Pfeile in FE ig. 195 angedeuteten Richtung vermittelst, des Klappenapparates des Gefäßes an alle Organe herangespült. Die Hämolymphe enthält spärliche kleine Blutzellen. Fig. 156. RER a) $ WAn.an Br “ ? N I N Ei der Kleiderlaus im ersten . ! Stadium. Tracheensystem der Kleiderlaus. (Inhalt gleichmäßig granuliert.) s1.,—st., —Stigmen (Luftlöcher); 1—7 Quer- tracheenstämme, /. — Längstrach ta ; . e.1—€.3= die drei ea ug ihr Die Heranführung des den ÖOr- e.4 = präanale Querkommissur. — Die Tra- & cheenverzweigungen sind nur im Kopf, in BAER notwendigen Sauerstoffes erfolgt _ den Füblern, Beinen und auf der rechten Nicht durch die Hämolymphe, sondern proximalen. Seite des Abdomens dargestellt. direkt vermittelst des alle Organe mit den feinen Endverzweigungen durch- = £ : ziehenden Tracheensystems(Fig. 196). Die Tracheen;sind Einstülpungen der Chitinhülle, im äußeren Teile chitinisiert, mit Staubhärchen versehen und durch Muskeln abschließbar. Die Tracheen fixieren zugleich die inneren Organe. Das Nervensystem der Läuse besteht aus den im Kopf gelegenen Gehirn- ganglien mit Sehnerv (N. opticus) und Fühlernerv (N. olfactorius). Von den Bauchganglien gehen Ausläufer zu den inneren Organen und Muskeln. Die Geschlechtsorgane befinden sich im Hinterleib. Beim Weibchen besteht der Geschlechtsapparat aus den 2 Ovarien, jedes mit 5 Eiröhren, in denen 70 Eier enthalten sind. Die Eier erhalten ihre charakteristische Chitinhülle in den Eifächern der Röhren und wandern durch die Ovidukte in den Uterus und die Vagina. ‘Beim Männchen sind doppelseitige Hoden mit Vas deferens und Ductus ejaculatorius, der im Penis mündet, vorhanden.‘ Bei der Begattung liegt das Männchen unter dem Weibchen. Die befruchteten Eier (Nissen), von denen täglich 4—7 gelegt werden (Fig. 197), gelangen nach der Ablage zur Entwicklung, für 1274 69. Vorlesung. deren Dauer Temperatur, Feuchtigkeit und vielleicht noch unbe- kannte Faktoren von ausschlaggebender Bedeutung sind. Am mensch- lichen Körper erfolgt das Ausschlüpfen der jungen Läuse nach 5- bis . 6tägiger Entwicklung, an abgelegten Kleidungsstücken, namentlich. bei kühler Temperatur, aber wesentlich später (s.u.). Die jungen Läuse machen bis zur Geschlechts reife4 Entwicklungstadien mit 3 Häutungen durch, wobei die Chitinhülle abgestoßen und-durch eine neue ersetzt wird. Auch die Chitinpartien der Tracheen, des Darmtraktus usw. werden dabei abgestoßen. Nach der dritten Häutung erfolgt die Kopulation. Mit den Häutungsprozessen gehen auch andere Veränderungen an ‚den Organen vor sich, deren Aufzählung hier zu weit führen würde. Die Lebensdauer der erwachsenen Laus beträgt ungefähr 6—8 Tage. Die ausgewachsenen Männchen sind 3—3'/, mm lang und dunkler ‚gefärbt als die Weibchen, die auch größer (3'/,— 4), mm lang) sind . und grauweiß aussehen. Die Kleiderlaus hält sich unter natürlichen Bedingungen nur am Menschen, nicht an Tieren, und zwar an den Kleidern und an behaarten Körperstellen, wo sie auch ihre Eier ablegt. Sie findet sich vor allem in den Fälten und Nähten der Kleider, wo sie ruhig sitzt, bis sich der Hunger nach Blut bei ihr einstellt. Die Laus kann. sich ziemlich rasch auf der Haut und auf rauhen Flächen durch Kletterbewegungen bewegen, in 1 Minute bis zu 20cm weit. Gegen . Hunger ist sie recht empfindlich. Man nahm früher an, daß die Laus bei Hunger schon nach 3—4 Tagen abstirbt, auf Grund der Feststellungen von J. Müller und A. Hase muß man aber diese An- ° sicht korrigieren. Da die einzige Nahrung, die Läuse, abgesehen von Affen-, Schweine- und Meerschweinchenblut (®. Prowazek), aus- nehmen, das Blut des Menschen ist, muß jedenfalls jede Laus, die innerhalb 10 Tagen nicht Blut saugen kann, zugrunde gehen. Bis zum 5. Hungertage findet seitens der Weibchen ‚noch eine Eiablage statt. Die Eier halten sich viel länger, bei kühler Temperatur bis zu 27 Tagen entwicklungsfähig. Da auch die ausgeschlüpften Larven noch ein Ttägiges Hungern vertragen, darf man abgelegte verlauste Kleider, die sicher verschlossen . w erden, erst nach 39 os En un- bedingt läusefrei ansehen (Hase). Die Kleiderlaus läßt sich züchten und am Lehen erhalten, wenn man sie nach dem Vorgange von Nöller an Schweinen Blut saugen läßt. Auch ‚Affenblut ist ein = gutes. Nahrungsmittel. Meerschweinchenblut ist für sie in geringer Menge unschädlich, dagegen giftig, wenn es in größerer Menge von hungrigen Läusen aufgenommen wird. Die Schweinelaus ist nach Sikora ziemlich lange auf dem Menschen haltbar. Eine streng spezifische Anpassung der einzelnen Läusespezies an das Blut nur des- jenigen Wirtes, bei dem sie unter natürlichen Verhältnissen fast ausschließlich vor- kommt, scheint demnach nicht zu bestehen. Die Widerstandsfähigkeit der Läuse gegen 2 höhere Temperaturen und chemische Desintizientien ist keine große. Niedere Temperaturen (nach Zucker bis —12°C) werden von den Läusen, die zwar erstarren, aber bei Erwärmung wieder zum Leben kommen, gut vertragen. Bei allen Versuchen mit läusetötenden Mitteln ist der S cheintod der Läuse im Auge zu behalten, den z.B. Laznia und Pick näher studiert haben. Namentlich nach Ver- wendung von gasförmigen Mitteln erscheinen die Läuse leblos, er- 3 Fleckfieber. - 1275 a aber später zum Leben; sie waren nur betäubt. Pick hielt Läuse 22 Stunden unter Wasser, in dem die Tiere wie leblos mit sistierter Herztätigkeit lagen, und sah sie wieder erwachen, als er sie auf Fließpapier trocknete. Ein sicheres Kennzeichen des Todes der Laus ist die rotbraune bis schwarzrote Verfärbung des Körpers, - der schrumpft und hart wird. Ein dauernder Verschluß der Respira- tionsorgane durch Fette (Vaselin, Öle, tierische Fette usw.) führt zum sicheren Tod. Eingefettete Läuse kriechen noch einige Zeit _ umher und sterben dann langsam, aber sicher ( Pick ). Darauf beruht = die läusetötende "Wirkung der Salben. * Wenden wir uns nun der Durchführung der Entlausungs- anne en im einzelnen zu, so ist bei der — Entlausung des Menschen folgendermaßen zu ver- fahren: Die Entkleidung soll tunlichst auf einem weißen, mit Petro- ‘ leum oder Kresolseifenlösung besprengten Laken erfolgen, damit eine - Verstreuung der Läuse vermieden wird. Wenn der Verlauste völlig entkleidet ist und alle seine Sachen zur Entlausung abgegeben hat, wird er geschoren. Unter Umständen wird auch eine Enthaarung an der Schamgegend, in den Achselhöhlen und in der Sitzkerbe erforder- lich sein. Gerade an diesen Körperstellen trifft man an den Haaren oft große Mengen von Nissen, die so festgekittet sind, daß sie bei dem folgenden Bad nicht entfernt werden. Wenn diese Nisse am Körper verbleiben, führen sie naturgemäß beim Ausschlüpfen der Läuse sehr bald zu einer Wiederverlausung. Die Enthaarung kann mit der Schere oder mit dem Rasiermesser geschehen oder aber durch Anwendung einer Strontiumsulfidpaste. Ein Gemisch ’von 25 Teilen ‘ Strontiumsulfid, 5 Teilen Zinkoxyd und 70 Teilen Talkum wird unmittelbar vor dem Gebrauch zu einem dünnen Brei gerührt und mit einem Holzspatel in messerrücken- dieker Schicht auf die zu enthaarenden Stellen gestrichen. Nach 5 Minuten — nicht länger — wird die Paste durch Abschaben mit einem Holzspatel und nachfolgendes Abwaschen entfernt. Das Enthaarungspulver zersetzt sich leicht durch die Feuchtig- E keit der Euft und muß daher sehr-gut verschlossen aufbewahrt werden. Nun folgt nach gründlichem Einseifen ein längeres warmes Bad und nach diesem bei Personen, die stark verlaust waren und bei denen eine Enthaarung nicht - stattfand, die Einreibung der Scham- und - Achselgegend mit grauer Salbe. Nach Beendigung dieser Prozedur ist frische Wäsche zu verabfolgen oder, wenn dies nicht möglich ist, - die alte Leibwäsche nach gründlicher Entlausung zurückzugeben. Die Entlausung der Kleider und sonstigen Sachen erfolgt am sichersten nach physikalischen Methoden. Man muß besonders streng darauf achten, daß keine Gegenstände, die ein -verlauster Mensch bei sich hat, der Entlausung entgehen. Wenn sich die Kleiderläuse auch, wie wir sahen, vorwiegend in den Falten der Wäsche und unmittelbar am Körper aufzuhalten pflegen, so findet man doch bei stark Verlausten auch an anderen Stellen der Kleidung und auch an den von ihnen benutzten Gebrauchsgegenständen sehr oft Läuse oder deren Eier, so z.B. unter den Schnallen der Hosen- träger, an den Amulettbändern usw. Für Wäsche, Kleider und Decken ist ein absahnt zuverlässiges Entlausungsmittel der strömende oder gespannte Wasserdampf. Wenn der Dampfdesinfektionsapparat, der ja im Notfall auch behelfs- Entlausungs- maßnahmen. 1276 69. Vorlesung. mäßig leicht herzurichten ist, richtig arbeitet und die Objekte so locker in ihm aufgehängt werden, daß der Dampf überall frei hin- durehströmen kann, ist volle Gewähr geboten, daß in wenigen Minuten alle Läuse und Nisse vernichtet werden. Empfehlenswert ist auch die Anwendung trockener Heiß; luft. Die Läuse gehen bei einer Temperatur von 45°C schon in 1 Stunde, bei 55° in ®/, Stunden, bei 60° in 15—20 Minuten zugrunde. Nisse werden bei einer. Temperatur von 55°C in 1!/, Stunden, bei 60° in 1 Stunde, bei 80° in 15 Minuten so geschädigt, daß Läuse nicht mehr auskriechen. Das Verfahren wird angewendet in besonderen Heißluftkammern oder in gewöhnlichen Backöfen. Man soll in ihnen aber nicht allzu hohe Temperaturen auf die Sachen ein- wirken lassen, weil diese die Objekte, auch längere Zeit getragene Tuchstoffe, doch erheblich schädigen. Man gehe nicht über 80—85° C hinaus und lasse diese Temperaturen der Sicherheit halber 2 bis 3 Stunden einwirken. Man kann mit trockener Heißluft auch Leder- sachen und Pelze entlausen, wenn sie völlig trocken sind. Getragenes Schuhwerk schließe man aber von dieser Behandlung aus, da es leicht brüchig wird. Bei Wäsche- und Kleidungsstücken hat sich ferner wiederholtes trockenes oder feuchtes Ausbügeln mit einem heißen Eisen sehr bewährt; man muß dabei besonders gründ- lich die Nähte und Falten behandeln, in denen die Läuseeier vorzugs- weise sitzen. EAN An Stelle der ruhenden Heißluft kann auch bewegte heiße Luft gebraucht werden. Der für diesen Zweck konstruierte sog. Vondran-Apparat z. B., den Baert-. lein erprobt hat, preßt heiße Luft, deren Temperatur beliebig eingestellt und mühe- los konstant gehalten werden kann, durch die in der dicht abgeschlossenen Kammer aufgehängten Kleider und Ausrüstungsstücke in dauernder Zirkulation hindurch, so- daß alle Teile bei richtiger Beschickung der Kammer in kurzer Zeit gleichmäßig durchwärmt werden. Man kann bei diesem Apparat, wenn man Temperaturen von 80° einwirken läßt, mit einer Einwirkungszeit von 1 Stunde auskommen. Die zur Desinfektion empfindlicher Gegenstände in neuerer Zeit konstruierten Vakuum-Formaldehyd-Dampfdesinfektionsapparate lassen sich zu Ent- lausungszwecken ebenfalls mit Vorteil verwenden. Auch bei ihnen ist die hohe Temperatur, die auf die Sachen einwirkt, das. wirksame Moment, denn Formal- dehyddämpfe sind für Läuse und deren Eier unschädlich, und auch das Vakuum, wie es in solchen Apparaten zur Anwendung kommt, vermag nach den Versuchen von Hase ausgewachsene Läuse nicht einmal in 26 Stunden und Nisse sogar in 30. Stunden nicht restlos -abzutöten. ; Von den chemisch wirksamen Verfahren sei zunächst die Schwefelung besprochen. Man kann durch Schwefligsäure- dämpfe Kleider, Decken, Ledersachen und Gebrauchsgegenstände aller Art zuverlässig entlausen. Als Regel gilt, daß eine Schwefligsäure- konzentration von 2 Volumprozent 6 Stunden lang auf die verlausten Sachen einwirken soll. Bei der Entlausung der Wohnung Fleckfieber- kranker, in der das Ausbreiten der Sachen auf Bügeln für den Des- infektor mit einer nicht unerheblichen Gesundheitsgefahr verbunden und daher zu unterlassen ist, entwickle man, damit auch dickere Kleider- und Wäscheschichten von dem Gas genügend durchdrungen werden, 3 Volumprozent und lasse diese 4 Stunden einwirken. Die Räume, in denen dieses Verfahren angewendet werden soll, müssen ebenso sorgfältig wie bei dem Formaldehyd-Desinfektionsverfahren abgedichtet werden. Die Ritzen an Fenstern und Türen sind mit Papier zu überkleben, die Öfen und Ofen- rohre zu verstopfen. Sollen in Baracken oder dergl. besondere Schwefelkammern DR ARRN TE REEN . r x An, 2 leie Ne RN N REN LS NE m Re Fleckfieber. SE angelest werden, so empfiehlt es sich, dazu Räume von mindestens 100 cbm Raum- inhalt zu wählen und sie besonders herzurichten, indem man Wände, Fußboden und ecke mit Dachpappe ausschlägt und deren Fugen mit heißem Teer dicbtet. Die Fenster müssen von außen zu öffnen sein, damit eine möglichst rasche Entfernung der Schwefeldämpfe erreicht werden kann. Die Kleidungsstücke, die entlaust werden an: werden auf Gestellen oder Leinen aufgehängt (Taschen entleeren oder um- en!) 'Schwefligsäuredämpfe lassen sich am einfachsten gewinnen: 1. durch Verbrennen von Stangen- oder Stückenschwefel, das am sichersten zum Ziel führt bei Anwendung der von Grassberger empfohlenen Schwefel- pfannen. Diese bestehen aus Rinnen von 2 mm starkem Eisenblech, 150 cm lang, an beiden Enden durch schräg gegen den Boden der Rinne abfallende, angeschweißte Dreieckstücke verschlossen. Die Blechrinnen sind auf 2 Paar Spreizfüßen von etwa 50 cm Höhe befestigt und auf ihrer Innenfläche zweckmäßig mit einem Chamotte- - polster versehen, das derart hergestellt wird, daß man 2 kg Chamotteerde unter Zugabe von 50—60 4 Kuhhaaren oder Schweinsborsten in Wasser unter stetem Rühren allmählich zu einem zähen Teig gründlich durchknetet und dann mit einem Maurerspatel glatt aufstreicht. Die Chamottepolsterung muß vor der Verwendung der Rinnen gründlich trocknen, was durch Aufstellen in einem stark geheizten Raum beschleunigt wird. Ein besonderes Brennen der Chamottemasse ist unnötig. Sprünge, die sich in ihr nach längerem. Gebrauch bilden, haben ebensowenig Bedeutung wie das Absetzen kohliger Beläge. Man stelle die Schwefelpfanne in der Mitte der Schwefelkammer auf, jedoch so weit von den Kleidern oder Ausrüstungsgegenständen entfernt, daß diese von : - Flammen nicht ergriffen werden können. Auf je 10 cbm Luftraum werden für zmpresent 300 g, für 3 Volumprozent 450 g Stückenschwefel benötigt. Die ig ausgebreitete Schwefelmasse wird mit so viel Brennspiritus übergossen, fi auf 1kg Schwefel 40 ccm Spiritus kommen. Der Spiritus wird mit einem Streich- lz angezündet; 2. durch Verdampfen verdichteter schwefliger Säure, diein Bomben käuflich ist. Auf je 10 cbm Rauminhalt sind bei diesem Verfahren für 2 Volum- prozent 600 g, für 3 Volumprozent 900 g schweflige Säure zu rechnen; 3. durch Verbrennen eines Gemisches von Schwefelkohlenstoff (90 Gewichtsprozent), Wasser (5 Gewichtsprozent) und denaturierten Spiritus [6) Gewichtsprozent), das man sich am besten selbst herstellt. Es werden hier auf je 10cm Luftraum für 2 Volumprozent-400 9, für 3 Volumprozent 6004 - Gemisch benötigt. Das Schwefelkohlenstoffgemisch, das vor dem Eingießen gut durchzuschütteln ist, wird in flachen Eisen- oder Emailgefäßen, die einen genügenden Fassungsraum haben (z.B. Kohlenkästen, Waschschüsseln) verbrannt. Für 100 edm Raum ist mindestens ein Gefäß zu nehmen. Die Gefäße sind — tunlichst auf einer Unterlage von Eisenblech — so aufzustellen, daß keine Feuersgefahr entsteht. Schwefelkohlenstoffgemische von etwa oben genannter Zusammensetzung sind mit zugehörigen Verbrennungsgefäßen unter den Namen „Salforkose“ auch fertig im Handel erhältlich. Sie sind aber etwa dreimal so teuer wie die selbst her- .. gestellten Gemische. In neuerer Zeit hat sich als schneli und zuverlässig wirksam die Vergasung von Cyanwasserstoff (Blausäure) er- wiesen. Das Verfahren ist nach den Untersuchungen Teichmanns in allen Räumen anwendbar, die gut abgediehtet werden können. Das dureh Einwirkenlassen verdünnter Schwefelsäure auf Cyannatrium gewonnene Gas durchdringt leicht und schnell alle irgendwie porösen Stoffe und schädigt Kleiderstoffe, Ledersachen, Metalle, Farben usw. in keiner Weise. Wenn man in bewohnten Räumen, die verlaust sind, nach sorgfältiger Abdichtung aller Öffnungen, Ritzen, Fugen usw. eine Cyanwasserstoffkonzentration von 1 Volumprozent einwirken läßt, sind in 6 Stunden alle Läuse und Nisse mit: Sicherheit abgetötet. Bei geringerer Konzentration muß eine längere Einwirkungsdauer Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 52 1278 69. Vorlesung. gewählt werden. Wenn man zur Entlausung größerer Kleidermengen besondere Blausäurekammern einrichtet, die ziemlich eng beschickt werden müssen, so muß die 1stündige Einwirkung von 2 Volum- prozent Cy ranwasserstoff verlangt werden. Auch hier müssen die Kleider und Decken so ausgebreitet oder aufgehängt werden, daß das Gas überall, ohne besondere Widerstände zu finden, eindringen kann. Das Gas läßt sich durch einfache Ventilation leicht und schnell aus den Räumen entfernen, so daß diese sehr bald wieder beziehbar sind. Das Verfahren erfordert außer einfachsten Entwicklungsgefäßen keine besonderen Apparate und ist mit verhältnismäßig geringen Kosten verbunden. Bei der außerordentlichen Giftigkeit der Blau- säure müssen natürlich besondere Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, um Unglücksfälle zu verhüten. Einen Fortschritt gegenüber dem fast geruchlosen Cyanwasserstoff bedeutet die Verwendung von Cyklon (Cyankohlensäureester), das bei gleicher Wirk- samkeit wie Blausäure schon in einem Mengenverhältnis von 1% der zur Ungeziefervernichtung nötigen Konzentration die Respira- tionsschleimhäute stark reizt und dadurch bei Mißachtung der Ab- sperrungsvorschriften das Eintreten von Menschen in die durchgasten Räume unmöglich machen würde (K.B. Lehmann). Als weiteres chemisches Entlausungsmittel ist hessndend die Sprozentige Kresolseifenlösung oder Karbollösuug zu empfehlen. Sie dient vor allem zur Vernichtung der Läuse in den Wohnungen, aber auch zum Entlausen von Wäsche, die in ihr völlig - untergetaucht mindestens eine Stunde verbleiben soll, und von Leder- zeug, namentlich Schuhwerk. Wenn die Wäsche in Kresolseifenlösung getränkt und dann ohne Wasserspülung getrocknet wird, soll ihr Tragen auch einen besonderen Schutz gegen das Ankriechen und Ansiedeln von Läusen am Körper des Trägers bilden. Sublimat- lösung ist weniger wirksam, Formaldehydlösung ganz 4 unbrauchbar. Von den sonstigen, in großer Zahl als „unfehlbar“ angepriesenen Läusevertilgungsmitteln ist allenfalls in prophylak- tischer Beziehung hier und da einiger Nutzen zu erwarten, besonders von: Trikresolpuder, Naphthalinpuder oder Paradichlorbenzol (Glo- bol), die in die Wäsche und Unterkleidung gestreut oder in Säckchen- form auf dem Hemd usw. getragen werden sollen. Auch Mischungen von ätherischen Ölen sind in aller möglichen Zusammensetzung empfohlen worden, ferner Perubalsam, Tabakabkochungen usw. Um die Entlausung eines Menschen zu erreichen, sind alle diese Mittel nicht zuverlässig, sie vermögen wohl auch nicht mit Sicherheit das 4 Ankriechen und den Biß einer hungrigen Laus zu verhindern. Die Art und Weise, wie man besondere Entlausungsan stalten einrichtet, wird je nach den Räumen, die zur Verfügung stehen, ‚verschieden sein. Man muß aber streng auf die Trennung der _ E „reinen“ Seite von der „unreinen‘“ Seite halten und schon bei der Anlage der Anstalt dafür sorgen, daß ebenso wie bei allen neuzeit- lichen Desinfektionsanstalten der zwangsläufige Weg nicht durch- brochen werden kann. Die Leute müssen ihre Sachen zur Entlausung e auf der unreinen Seite abgeben und empfangen sie erst, wenn sie ge- schoren, durch das Bad gegangen und mit reiner Wäsche ausgestattet sind, auf der reinen Seite zurück. Nur auf diese Weise und wenn 5 3 > ei = ER n a r Fleckfieber. z 1279 sie auch nach dem Verlassen der Anstalt nach Möglichkeit von dem Verkehr mit nicht sanierten Menschen und Unterkünften ferngehalten werden, kann eine baldige Wiederverlausung verhütet werden. Eine Wiederholung aller dieser Entlausungsmaßnah- . men, des Bades sowohl wie der Dampf- bzw. Heißluft- oder Schwefel- behandlung der Sachen, ist unbedingt nach 8-10tägiger Zwischenzeit erforderlich, denn es kann zu leicht vorkommen, daß bei der ersten Entlausung vereinzelte Nisse der Vernichtung ‚entgehen und sich später zu Läusen entwickeln. Diese werden dann im Sinne der diskontinuierlichen oder fraktionierten Sterilisierung, die wir bei der Herstellung unserer bakteriologischen Nährböden anwenden, durch die zweite Entlausung beseitigt. Wenn die (Gefahr einer Wiederverlausung von außen her ständig groß ist, muß das Entlausungsverfahren natürlich in regelmäßigem Turnus wiederholt werden. Br Im Kriege haben sich für die Entlausung der Truppen auch transportable Badezelte, wie sie z. B. Moldovan empfahl, und Eisenbahnzüge — je ein Wagen für Ankleide-, Auskleide- und Baderaum, letzterer -in der Mitte zwischen - den beiden erstgenannten gelegen — sehr bewährt. Der in der Lokomotive erzeugte Dampf diente zur Erhitzung des Wassers für das Brausebad und zum Betriebe der Heißluftkammern, die in den Wagen leicht herzustellen waren. Große Menschenmassen lassen sich gleichzeitig nur in großen. sta- bilen Anlagen entlausen. An der Ostgrenze Deutschlands wurden im Winter 1914/15 nach den Angaben von Heisch Sanierungsanstalten großen Umfanges überall dort eingerichtet, wo die Eisenbahniinien die Grenze überschritten. Sie sollten bei Truppenverschiebungen und bei der Rückkehr der Truppen alle Infektionsstoffe von der Heimat wie ein Filter fernhalten und dienten auch zur Sanierung der Gefangenen, der Saisonarbeiter, der Bevölkerung der angrenzenden besetzten ‚Gebiete üsw. Die Gebäude waren nach den Regeln aller neuzeitlichen Desinfektions- ‘ anlagen streng in eine „reine“ und eine „unreine Seite“ getrennt. In jeder Anstalt konnten bei 24stündigem Betriebe 12000 Personen saniert werden. Die ihr zuge- . "führten Personen wurden gebadet und geschoren, ihre Kleidung in Dampfdesinfektions- apparaten, ihre Ledersachen und Ausrüstungsstücke in-Heißluft- oder Schwefel- kammern behandelt. Außerdem wurden die Truppen mit neuer Leibwäsche, erfor- derlichenfalls auch mit neuen Uniformen versehen und beköstigt. Nach Beendigung der 8stündigen. Sanierungsdauer wurden sie in neu herangeführten, läusefreien Eisenbahnzügen weitertransportiert. ; - Daß es bei sorgsamer Befolgung der geschilderten Entlausungs- maßnahmen auch unter ungünstigen Bedingungen in kurzer Zeit gelingt, einer selbst starken Läuseplage Herr zu werden, haben die E en in den Truppen der verbündeten Mittelmächte und in ihren Kriegsgefangenenlagern während des letzten Krieges deutlich bewiesen. Dank der Erkenntnis der ausschlaggebenden Rolle, die die Kleiderlaus in der Epidemiologie des Fleckfiebers spielt, ist es ge- lungen, diese früher so unheimliche Kriegs- und Notstandsseuche durch sachgemäße Läusebekämpfung ebenso ihrer Schrecken zu be- rauben, wie dies bei den Pocken durch die obligatorische Pocken- schutzimpfung erreicht wurde. Einige Bemerkungen müssen noch der persönlichen Prophylaxe gewidmet werden, die besonders Infektionsbedrohte, also in erster Linie Ärzte und Pfleger von Fleckfieberkranken und Desinfektoren üben müssen. Ganz allgemein wurde schon darauf hingewiesen, daß keines der chemischen Mittel, die mit großer Re- klame angepriesen werden, als zuverlässig angesehen werden kann. Niehtsdestoweniger mag die Anwendung von Paradichlorbenzol, 82* 1280 69. Vorlesung. Naphthalin- oder Trikresolpuder und das Tragen von kresoldurch- tränkter Wäsche als Vorbeugungsmittel empfohlen werden. Von Flügge und Heymann, Neufeld, Grassberger, Knack u.a. sind für Ärzte und Pfleger, die mit Fleckfieberkranken zu tun haben, besondere Schutzanzüge angegeben worden. Auf die Einzelheiten der Vor- schläge soll hier nicht eingegangen werden. Es eignen sich am besten für sie völlig glatte Stoffe, wie Öltuche, Schlangenhaut usw., weil auf ihnen die Läuse sich nicht dauernd festzuhalten und fortzukriechen vermögen. Der Anzug soll, möglichst aus einem einzigen Stück bestehend, den ganzen Körper bedecken und auf der Rückseite schließbar sein. Die Ansichten über den Wert solcher Schutzanzüge sind sehr geteilt. Ein großer Teil der Ärzte, die sie er- probt haben, hat sie für die Behandlung und Pflege der Kranken als unzuverlässir und falsche Sicherheit erweckend wieder verworfen. Bei der nötigen Vorsicht wird man auch beim Tragen einer anderen zweckmäßigen Berufskleidung (nach Art der hinten schließenden Operationsmäntel) das gleiche erreichen. Größere Bedeutung kommt der Schutzkleidung zweifellos dann zu, wenn zu Epidemiezeiten bei der Er- mittlung der Seuchenherde Ärzte und Medizinalbeamte stark verlauste unhygienische Wohnungen besuchen müssen. Bei der Kleidung, die beim Verkehr mit Fieckfieber- kranken und -verdächtigen angelegt wird, muß besonders an den offenen Stellen eine möglichst weitgehende Gewähr geboten sein, daß die Läuse nicht auf die Innen- seite der Kleidung kriechen können. Hohe glatte Stiefel und Gummihandschuhe, für. Wärter auch Fausthandschuhe aus Billrothbatist, sind empfehlenswert. Das Tragen einer Maske ist ganz überflüssig, weil mit einer Stäubchen- oder IUPREBER: übertragung des Krankheitserregers nicht zu rechnen ist. Weitere Maßnahmen, die zu beachten sind, sind folgende. Man soll die Krankenzimmer nur bei guter Beleuchtung betreten. Man sieht auf diese Weise die Läuse besser, und letztere sind erfahrungsgemäß im Dunkeln auch viel lebhafter als bei hellem Licht. Auch Kälte und Luftzug lieben die Läuse nicht. Es ist daher ratsam, die Kranken bei offenem Fenster zu untersuchen. Das Aufdecken der Betten soll behutsam erfolgen, damit die Läuse nicht verstreut werden. Man soll unnötige . Berührungen der Betten und Decken möglichst vermeiden, weil bei solcher Gelegen- heit sehr leicht Läuse auf die Kleidung des Arztes oder Krankenpflegers über- kriechen. Nach Beendigung des Krankenbesuches soll man die Oberfläche des bei ihm getragenen Anzugs zunächst auf Läuse absuchen lassen und ihn dann behutsam — um ein Weiterwandern etwa übersehener Läuse zu verhindern — ausziehen und sogleich in Kresolseifenlösung legen. Ein Vollbad und Wäschewechsel ist nach jedem Krankenbesuch unbedingt anzuraten, denn auch die Schutzanzüge sind an sich, wie gesagt, niemals alsolut zuverlässig. Wo es irgendwie möglich ist, sollte zur Behandlung an Pflege Fleckfieberkranker und zu Desinfektions- und Entlausungsarbeiten bei Fleckfieberepidemien nur Personal verwendet werden, das durch Überstehen der Krankheit sich eine Immunität gegen Fleckfieber erworben hat. Jedenfalls sollten abet Ärzte und Pfleger, die in schon vorgerücktem Lebensalter stehen oder sonst an ihrem Kreislauf- system irgendwelche krankhafte Veränderungen aufzuweisen haben, von der Behandlung Fleckfieberkranker tunlichst ferngehalten werden. Im Weltkriege 1914/18 betrugen die Fleckfiebertodesfälle im Deutschen Heere nur 0,91% der Gesamtmortalität an Krankheiten (d.h. also abgesehen von den Verwundungen). Dabei wurde der Krieg zum großen Teile im Gebiete der jahrhundertealten Fleckfieberherde des Ostens geführt. Unsere Feinde hofften, diese gefürchteten Länder würden den Deutschen ein ähnliches Massengrab bereiten, wie 1812 den Heeren Napoleons. Es ist das unvergängliche Verdienst deutschen Wissens und deutscher Ordnung, wenn diese Hoffnung zu schanden geworden ist (Willführ). Flecktieber. Ben 1281 Durch das Überstehen desFleckfiebers erwirbt der Mensch einelangdauernde Immunität, höchstwahrscheinlich auf Lebensdauer. Selbst leichte Attacken führen nach den Er- fahrungen in Ländern mit endemischem Fleckfieber, in denen die Krankheit meist im Kindesalter in leichter Form dur chgemacht wird, ‘zu einer kompletten oder relativen Immunität für Lebenszeit. Auch gegen die subkutane Injektion massiver Dosen Passagevirus ist der durchseuchte Mensch refraktär (Doerr und Starkenstein). Nicolle, Anderson und Goldberger fanden, daß bei Affen sich nur nach einem schweren Anfalle eine längerdauernde Immunität einstellt. Wenn man Menschen, Affen und Meerschweinchen, die das natürliche oder ex- ee Fleckfieber überstanden haben, bald nach Ablauf der rankheit Blut entzieht, kann man mit dem Serum gesunde emp- fängliche Tiere gegen die experimentelle Infektion schützen. Es ist dabei gleichgültig, ob die Serumapplikation vor, gleichzeitig oder kurze Zeit nach der Infektion erfolgt. Dieser Schutz wird durch virulizide Substanzen bedingt, die in wirksamen Mengen ebenso im Serum von Pferden, Esein und Ziegen nach -Vor- behandlung mit Organen fleckfieberinfizierter Meerschweinchen auf- treten. Worauf die aktiv erworbene Immunität beruht, ist noch un- klar. Sie allein auf das Vorhandensein dieser viruliziden Stoffe zurückzuführen, ist nicht angängig, denn das Serum der Rekon- valeszenten und Immuntiere. erweist sich einige Wochen nach Ablauf der Infektion, obgleich die Serumspender selbst weiter immun sind, bei passiver Übertragung als wirkungslos. Eme prophylaktische Immunisierung des Menschen gegen Fleckfieber ist, wie eben erwähnt, durch Injektion von Rekonvaleszentenserum bzw. "Serum spezifisch immuni- sierter Tiere möglich. Die Wirkungsdauer dieser passiven Schutzimpfung ist aber naturgemäß eng begrenzt. Auch ist der Gehalt der verschiedenen Sera an viruliziden Stoffen so ungleich- mäßig, daß man günstige Ergebnisse nur von solchen Präparaten er- warten kann, bei denen die Prüfung im Tierversuch ‘einen ge- nügend hohen Titer ergab (Nicolle. Doerr und Pick, Russ und Kirschner). Die therapeutische Anwendung des Rekonvales- zentenserums oder der an Tieren gewonnenen Immunsera hat sich bis jetzt nicht bewährt. Es ließ sich mit ihnen selbst bei frühzeitiger Anwendung weder eine Abkürzung des Krankheitsverlaufes noch eine Herabsetzung der Mortalität erzielen (Anderson und Goldberger, Nieolle und Blaizot, Cantacuzene u.a.). Die aktive Schutzimpfung ist auf verschiedene Weise . versucht worden. Mehrfach wurden Impfstoffe aus Kulturen von Mikroorganismen empfohlen, die als Erreger des Fleckfiebers ange- sehen wurden. Während des Krieges wurden z.B. mehrfach Impfi- stoffe aus Kulturen der früher (S. 1254) erwähnten Bazillen von Plotz, Olitzky und Baehr angewendet. Da diese Bazillen als Erreger der Krankheit nicht in Betracht kommen, ist es klar, dals von einer aus ihnen hergestellten Vakzine günstige Ergebnisse nicht zu erwarten - sind. Es hat sich dann auch gezeigt, daß trotz mehrfacher Injektionen dieses Impfstoffes eine ganz Reihe Geimpfter an Fleckfieber erkrankte Immunität und Schutz- impfung. 1282 N 69. Vorlesung. und daß-auch eine Milderung des Krankheitsverlaufes bei den trotz der Impfung Erkrankten nicht zu beobachten war. . Richtiger war zweifellos das Bestreben, als Impfstoff das Blut von flecekfieberkranken oder mmunen Menschen. zu verwenden. Daß das Blut der Fleckfieberkranken des spezifischen Infektionserreger enthält, ist durch die Tierversuche und noch be- weiskräftiger durch die früher: & 1261) Boch Menschenver- suche bewiesen. Rechad hat das Krankenblut nach der Defibrinierung eine Stunde lang auf - 60°C und später auf 58°C erhitzt und dann zur Schutzimpfung in Mengen von 10 ccm subkutan injiziert. Besondere Reaktionen traten nicht ein. Von 500 nach ‘ diesem Verfahren Behandelten sollen, obwohl sie in einer stark fleckfieberverseuch- ten Gegend lebten, nur 8 erkrankt sein, und zwar leicht. Ein Todesfall wurde unter diesen Erkrankten nicht beobachtet. Auch aus Affenversuchen, bei ‘denen Rechad nach der Impfung 5cem hochvirulenten, für unvorbehandelte Kontrollaffen sicher tödlichen Krankenblutes einspritzte, geht hervor, daß sich auf diese Weise eine ge- wisse Immunität erzielen läßt, die zwar eine Erkrankung nicht immer verhindert, aber doch einen wesentlich leichteren Krankheitsverlauf bedingt. Nicolle ging bei der Gewinnung seines Impfstoffs von der Annahme ‚aus, daß das Virus-im Blut an die Leukozyten gebunden ist. Er verwendete das Blutserum Flecktieberkranker, das durch Zentrifugieren und andere Maßnahmen von allen Zellen befreit, sonst aber anscheinend nicht erhitzt oder mit Desinfektionsmitteln versetzt wurde, subkutan in Dosen von 05 und 1'Ocem. Auch hier erfolgten keine nennenswerten Reaktionen. Über die Wirksamkeit dieses Verfahrens liegen beweis- kräftige Erfahrungen nicht vor. Neukirch : stellte einen Impfstoff 'her, indem er is Blut häckbeberkränker Menschen unter Bildung einer Speekhaut gerinnen ließ. Diese Speekhaut, die die Leukozyten und mit ihnen (nach den Ergebnissen der Nieolleschen Experiinente) die Erreger enthält, zerquetschte er und setzte sie dem Blutserum zu. Zur Abtö- tung der Erreger wurde der Impfstoff dann in geschlossener Flasche mit einem Über- schuß von Chloroform versetzt, stark geschüttelt und 48 Stunden stehen gelassen. Die Impflinge erhielten 3ımal in. Abständen von je 3—4 Tagen 2, 2 und 4 ccm sub- .kutan. Die Injektionen sind infolge des Chloroformgehalts. des. Impfstofts etwas schmerzhaft. Als Allgemeinreaktionen wurden bei einer Anzahl der Geimpften mehr- tägige Temperatursteigerungen bis 37:8°, Rückenschmerzen und Gefühl von Unwohl- sein beobachtet. Über die Wirksamkeit dieses Verfahrens ‚kann ein wahgebeuäbe: Urteil ebenfalls noch nicht gefällt werden. ; ' Hamdi hat an im ganzen 160 Menschen Schutzimpfungsversuche angentallt, nachdem er sich zuvor bei 19 zum Tode verurteilten Verbreehern von der Unge- fährlichkeit der verwendeten Impfstoffe und von ihrer immunisierenden Wirkung durch spätere Injektionen virulenten Krankenblutes überzeugt hatte. Er fand, daß die 2malige Einspritzung von Blut, das den Kranken im Stadium des hohen Fiebers entnommen, defibriniert und dann zur Abtötung der Erreger erhitzt war (am ersten Tag 2ccm, am sechsten Tag 3 ccm), keinen vollen Schutz hervorrief, wohl aber eine 3malige Injektion dieses Impfstoffs (am ersten Tag lccm, am vierten Tag 2cem, am siebenten Tag 3 ccm). Gut schützte auch die Dmalige Einspritzung inaktivierten Blutes, das dem Kranken kurz nach dem Fieberabfall entnommen war (erste Injek- tion: am ersten Tage 2 ccm, zweite Injektion: am sechsten Tag 3 ccm). Hamdi schlägt vor, die Inaktivierung des Blutes dadurch VOTERREBIIENN, daß man es 24— 48 Stunden. im Schnee stehen läßt. In den von den deutschen Truppen besetzten Bickfichae .Ge- _ bieten wurden während des Krieges 1914/18 bei besonders gefährdeten Personen Impfungen in größerem Umfange vorgenommen. Als Impfstoff diente Blut, das Fleekfieberkranken während des Fieberstadiums oder in den ersten 4 Tagen nach der Entfieberung entnommen, defibriniert und in sehr vorsichtiger Weise im Wasser- bade bei 60°C ‘/, Stunde lang inaktiviert war. Von dem in zugeschmolzenen Am- pullen aufbewahrten sterilen Impfstoff wurden am 1. und 4. Tage je 2ccm und am r. Tage 4cem subkutan injiziert. Möllers und Wolf’ haben über 650 derartige Schutzimpfungen berichtet. Ihr Urteil geht dahin, daß die Impfung keinen absoluten Schutz gegen die Infektion gewährt, aber scheinbar die Erkrankungszahl und be- Aula or tan ZEN TEE el rest 2 a are 2 ale lea ln aarale Lullln a an nn a a a nn Fleckfieber. - 1283 sonders die Sterblichkeitsziffer herabsetzt. O7to und Rothacker impften rund 750 Per- sonen. Sie sahen keinen Einfluß der Impfung auf die Morbidität an Fleckfieber, dagegen war bei den Geimpften die Sterblichkeit an Fleckfieber erheblich geringer, als bei den Nichtgeimpften der gleichen Seuchentrupps. Sehr wünschenswert wäre es, wenn sich an Stelle des Kranken- . blutes geeignetes Material von fleckfieberinfizierten Meerschweinchen verwenden ließe, damit man auch in Zeiten und an Orten, wo zur ' Blutentnahme geeignete Fleckfieberkranke nicht zur Verfügung stehen, die Möglichkeit zur Impfstoffbereitung hat. Versuche nach dieser Riehtung hin wurden schon von Nicolle in die Wege geleitet. Eine Erprobung solcher Impfstoffe ist aber in der Praxis bisher in größerem Umfange nieht vorgenommen worden. Das Gleiche gilt . von einem Impfstoff aus Fleckfieberläusen, den la Rocha-Lima sowie Martini empfohlen haben und der nach da Rocha-Lima im Meer- ‚schweinchenversuch eine gute Immunisierungswirkung zeigte. Doerr und Schnabel gelang es allerdings trotz mannigfacher Variation der Versuchsanordnung nicht, Meerschweinchen auf diese Art aktiv zu immunisieren. Doerr nimmt daher an, daß die antiinfektiöse Immuni- tät gegen Fleckfieber nur durch den Infektionsablauf herbeigeführt werden könne. Diese Auffassung findet ihre Stütze auch in den Be- ‘ funden von Nicolle, Russ und Kirschner. Nach diesen Autoren er- ‘wiesen sich nämlich Affen und Meerschweinchen, denen Gemische von Fleekfiebervirus und antiinfektiösem Serum injiziert worden waren, bei einer späteren Reinfektion mit Virus allein als nicht immun. Das Ausbleiben der Infektion ist also offenbar auch die Ursache für das Fehlen einer Immunität. Auf Grund dieser experi- mentell festgestellten Tatsachen würde sich demnach für die prakti- schen Zwecke der Schutzimpfung nur vielleicht die abortive Infektion verwenden lassen. Nach Nicolles Angaben soll jedoch nur die schwere Fleckfieberinfektion einen genügenden Schutz gegen Neuinfektion hinterlassen. Weitere experimentelle und prak- tische Versuche werden entscheiden müssen, ob eine wirksame und ungefährliche Fleckfieber- schutzimpfung des Menschen dem Prinzip nach ohne Gefahr überhaupt möglich ist. Das Bestehen eines erheblichen Grades von natürlicher Immunität gegen Fleckfieber bei einzelnen Menschen ist durch den schon erwähnten Versuch an Menschen äußerst wahrscheinlich gemacht. Durch das Versehen eines Arztes wurde (nach Hamdi) in der Türkei 310 Menschen infektiöses Blut von Fleckfieberkranken in- liziert. Es erkrankten aber nur 56% der Geimpften. Die übrigen zeigten keinerlei Krankheitserscheinungen, obwohl für die Mehrzahl jedenfalls die Annahme nieht begründet war, daß sie Fleckfieber über- standen hatten. Es ist demnach anzunehmen, daß das Verschont- bleiben mancher Menschen von der Infektion, der sie dauernd aus- gesetzt sind, auf einer natürlichen relativen Immunität beruht. Manche Beobachtungen sprechen auch dafür, daß die verschiedenen Menschenrassen gegenüber der Fleckfieberinfektion eine verschiedene Resistenz, die besonders in den Mortalitätszifflern zum Ausdruck kommt, besitzen. Die Beobachtungen von Jürgens in den Gefangenen- lagern zeigten andrerseits aber, daß die Empfänglichkeit des Menschen Therapie. 1284 69. Vorlesung. für Fleckfieber unter ungünstigen, die Infektion -befördernden Be- dingungen gegenüber der natürlichen Ansteckung, wie sie dureh Läuse erfolgt, doch eine sehr große ist. Wenn nicht rechtzeitig Vor- beugungsmaßregeln gegen das Umsichgreifen der Seuche getroffen waren, sah er häufig nicht einen einzigen Insassen einer Lager- abteilung (Kompagnıe) von der Infektion frei bleiben. Vielleicht ist ° durch die Kriegsstrapazen und die Gefangenschaft die natürliche Resistenz gegen virulente Infektionserreger herabgesetzt. Während Säuglinge anscheinend refraktär gegen Fleckfieber sind und Kinder die Krankheit fast stets so leicht überstehen, daß man bei ihnen von einer relativen Immunität gegen Fleckfieber sprechen kann (Martini u.a.), nimmt die Empfänglichkeit mit stei- gendem Alter zu. Die Mortalität ist bei Kindern dementsprechend sehr gering (oft nur 1%), erreicht aber bei Menschen in den mitt- leren und höheren Jahren 'Prozentzahlen von 40 und. mehr.- Da weder mit Serum noch mit chemischen Mitteln bisher eine spezifische Behandlung des Fleckfiebers gelungen ist, kann die Therapie nur symptomatisch sein. Sie besteht in der Verwendung von Herzexzitantien bei stärkeren Zirkulations- stöürungen und von lauen Bädern, Fieberdiät usw. Erwähnenswert, namentlich mit Rücksicht auf die oben mitgeteilten Befunde an den weißen Blutkörperchen, ist die Erzeugung von sterilen, künstlich durch Injektion von Terpentinöl erzeugten Abszessen, eine Methode, mit der Mossley und Nicolle eine geringere Moftalität der Fleckfieber- kranken erzielt haben wollen. Auch das Chinin, innerlich in kleinen Dosen täglich gegeben (C. Hirsch), hat nach dieser Auffassung als ein die Leukozyten ine des Mittel Berechtigung und eine gewisse W irkung auf den Verlauf. Literatur. 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B. bei deutschen Truppen an der Maas fest. Das Krankheitsbild, namentlich die Fieberkurve ist ziem- lich charakteristisch, Abweichungen vom normalen Verlauf sind im all- gemeinen selten (Lehndorff und Stiefler). Unter heftigen subjektiven Beschwerden, die vorwiegend in Glieder- und Kopfschmerzen sowie = Druckgefühl in Stirn- und Augenhöhlen bestehen, treten mit Herpes labialis einhergehende Fieberanfälle auf, deren Zacken sich in Ab- ständen von 5 zu 5 Tagen wiederholen und eine Höhe zwischen 38 und 40° erreichen. Es kommt jedoch auch vor, daß einmal bei klinisch typischen Beschwerden ein Anfall ausbleibt (sog. „Äquivalent“ nach Werner und Hänssler, s. Fig. 198), oder daß durch Anteponieren oder Postponieren die Regelmäßigkeit der Fieberkurve verwischt wird. Die einzelnen Anfälle ähneln klinisch weitgehend dem Malariaanfall und dauern bis zum völligen Ablauf in der Regel 24, oft jedoch auch 48 Stunden. In seltenen Fällen wird auch ein Vier- oder Sechstagetypus des Fiebers in regelmäßiger Periode beobachtet. Als pathognomonisch Krankheits- verlauf. Ätiologie. 1288 70. Vorlesung. müssen, wenn sie vorhanden sind, die Schienbeinschmerzen betrachtet werden; sie können so heftig sein, daß sie die Kranken aus dem Bette treiben. Es handelt sich hier offenbar um toxische Schädigungen, die durch eine elektive Affinität des Giftes der Erreger oder dieser selbst zu den Periostnerven bedingt sind. Diese Schmerzen sind aber nicht bei allen Fällen von Febris quintana vorhanden. Die Knochen- und Glieder- schmerzen, die oft als „rheumatische“ Beschwerden aufgefaßt werden, verschwinden auch in den anfallsfreien Zeiten nicht ganz, werden aber beim Fieberanfall erheblich gesteigert und verlaufen in ihrer Intensität parallel der Fieberkurve. Die Periodizität und der zyklische Ablauf der Temperatur- und Schmerzsteigerungen müssen als das am meisten charak- teristische klinische Kennzeichen der Febris quintana betrachtet werden. Die Unregelmäßigkeiten im zyklischen Ablauf der Erkrankung sind von Lehndorf und Stiefler in folgende Abarten eingeteilt: 1. Die Gipfelpunkte der einzelnen Fieberanfälle können von ungleicher Höhe sein. Gegen Ende der Erkrankung zeigt sich häufig. eine Tendenz zum Absinken der Gipfelpunkte. 2. Die fieberfreien Intervalle zwischen den einzelnen Anfällen können an Dauer variieren. Mit zunehmender Dauer der Erkrankung ziehen sie Fig. 199. M-glo1l 11. 112 113.1 70.175. 176.177 |18.179.120.] 27. |22.123.|2# |25.]26.]27 |28.|29.130.137.]7.2.) 2. Er I I. 7 2 ; 39° 7 7” 38° n 37° \ A / \ / / N > N RR GA 35° Fieberremission bei einem Anfalle von Fünftagefieber. sich häufig, aber nicht immer in die Länge. 3. Die Basis des Fieberanfalles kann sich verbreitern, wobei dann im Giebel tiefere Remissionen (über 1°C) auftreten können (Fig. 199). 4. Es treten auch im Intervall kleinere, meistens nur subfebrile Zacken auf. Diese Form zeigt sich meist nur gegen Ende der Erkrankung, wo die Fieberkurve überhaupt nicht selten an Regelmäßigkeit verliert. Bei einem Teil der Fälle wird Milzschwellung festgestellt, auch Vergrößerung und Druckschmerzhaftigkeit der Leber wird gelegentlich beobachtet. Das Blut läßt nach den Untersuchungen von Benzler an den Erythrozyten außer leicht toxischen Schädigungen keine Veränderungen erkennen, wohl aber eine Leukozytose, die vor allem auf der Vermehrung der neutrophilen Granulozyten beruht und im Fieberintervall fast völlig zur Norm zurückgeht. Von einigen Autoren ist Vermehrung der Eosino- philen, namentlich im Intervall, gefunden (toxische Eosinophilie); von seiten der Lungen, des Magendarmkanals, des Herzens, des peripheren Zirkulationssystems und der Haut sind Besonderheiten nicht zu ver- zeichnen. Das Fünftagefiebervirus ist noch unbekannt. Jedenfalls sind trotz weitgehender Ähnlichkeiten, die die Krankheit mit Malaria und . Rückfallfieber zeigt, Plasmodien oder Spirochäten nicht nach- zuweisen. Daß der Erreger der Krankheit im Blute kreisen muß, geht daraus hervor, daß die Infektion durch intramuskuläre Verimpfung des während des Fieberanfalles entnommenen defibrinierten oder nicht Fünftagefieber (Werner-Hissche Krankheit). 1289 defibrinierten Blutes von Kranken auf Gesunde übertragen werden konnte (Werner, Benzler, Wiese und Strisower). Die Inkubationsdauer betrug dabei etwa 3 Wochen. Im Blute sind ganz verschiedenartige Gebilde nachgewiesen und als Erreger angesprochen worden. Zunächst seien Befunde vereinzelter Spirochäten erwähnt, über die von mehreren Autoren berichtet wurde, die aber bei späteren Untersuchungen nicht bestätigt werden konnten. Jungmann und Kuczynski behaupten, regelmäßig in Ausstrichpräparaten im Anfall diplobazillenähnliche Gebilde nachgewiesen zu haben, Brasch fand in dicken Tropfen-Präparaten bei allen Fällen in reichlicher Zahl während der Anfälle, spärlich auch in den Intervallen Diplokokken, die etwas zierlicher als Pneumokokken, aber auf Blutagar, Aszitesagar und in Bouillon nicht zu züchten waren. Korbsch sah, wenn er Blutpräparate ganz im Beginn des Anfalls anfertigte, ähnliche Doppelkörner in perl- - sehnurartiger Anordnung bis zu 8 Einzelgliedern, sodaß sie eine „gekörnte 'Spirochäte“ bildeten, die mitunter eine lebhaft schlagende Bewegung zeigte. Werner und seine Mitarbeiter bestreiten die richtige Deutung dieser Befunde, weil man ähnliche Gebilde bei entsprechender Herstellung und Färbung der Präparate auch im Blute Gesunder findet und ohne Kultivierung jedenfalls nicht als Parasiten ansehen darf. Werner und Benzler gelang es, in anaöroben Kulturen aus dem Blute von Quintana- kranken strongyloplasmenähnliche Gebilde zu isolieren („Stron- gyloplasma febris quintanae“), die morphologisch den in infizierten Läusen gefundenen Rickettsien (s. u.) sehr ähnlich waren. Nach dem Krankheitserreger wurde, seitdem die Läuseübertragung mehr und mehr an Wahrscheinlichkeit gewann, eifrig auch in den Läusen gefahndet, die an Fünftagefieberkranken Blut gesogen hatten. Zuerst stellte Töpfer im Magen solcher Läuse Gebilde fest, die den beim Fleckfieber gefundenen Rickettsien (s.S. 1261) morphologisch in hohem Grade ähnlich sind und etwa vom 5. Tage nach dem Saugen an, auftreten. Diese Befunde wurden dann von verschiedenen Autoren be- stätigt und erweitert. da Rocha-Lima fand bei systematischen Unter- suchungen, daß diese Rickettsien. die er im Gegensatz zu den Fleckfieber- rickettsien „Rickettsia pediculi“ nennt, nicht bei allen Läusen auftreten, die Blut von Quintanakranken aufgenommen haben, aber doch bei einem sehr erheblichen Prozentsatz (bei 51 von 70 untersuchten Fällen), und daß sie niemals, wie die Rickettsia Prowazeki, in die Epithelzellen des Läusemagens eindringen, wodurch sie von der letzteren zu unterscheiden sind. Ob diese Gebilde aber, wie dies z. B. Jungmann als ziemlich sicher annimmt, die Erreger des Fünftagefiebers sind oder zu ihnen in Beziehung stehen, muß zum mindestens noch als fraglich bezeichnet werden, denn auch bei einem großen Prozentsatz von Läusen, die von gesunden Menschen gesammelt sind, kann man die gleichen Befunde erheben. So fand Werner z. B. in Ostgalizien 5°/, und in Rumänien sogar 10°/, solcher „wilden“ Läuse mit Rickettsien behaftet. Er bedarf also noch weiterer sorgfältiger Untersuchungen zur Klärung der Ätiologie der Febris quintana. Die Weil-Felixsche Reaktion (s.S. 1255) mit Proteusbazillen fällt nach da Rocha-Lima beim Fünftagefieber stets negativ aus. Die Übertragung der Krankheit auf Tiere ist bisher nicht sicher gelungen. 1290 70. Vorlesung. Immunität. Eine länger dauernde Immunität wird durch das Überstehen der Febris quintana scheinbar nicht hervorgerufen. Werner z. B. sah ı/, Jahr, Bittorf sogar schon 6 Wochen nach Ablauf einer Fieberperiode von neuem typisches Fünftagefieber auftreten; in letzterem Falle war 'es aber fraglich, ob nicht ein Rezidiv vorlag. Spezifisch wirksame Stoffe ließen sich im Blutserum der Kranken bisher nicht nachweisen. anne, Hinsichtlich der Epidemiologie steht jetzt fest, daß ehenso wie beim Fleckfieber auch beim Fünftagefieber das Krankheitsvirus durch die Laus übertragen wird. In einwandfreien Experimenten konnten Werner und Benzler sowie Jungmann gesunde Personen da- durch infizieren, daß sie ihnen Läuse ansetzten, die einige Tage zuvor an fiebernden Quintanakranken Blut gesogen hatten. Das Fünftagefieber ist vorwiegend eine Erkrankung der kalten Jahreszeit und erreicht gegen Ende des Winters die größte Verbreitung. In den Sommermonaten werden nur spärliche Fälle beobachtet. Weiterhin . zeigt die Erfahrung, daß auffällige Häufungen der Krankheit fast nur in Kriegszeiten vorkommen. Diese Tatsachen sind durch die Läuseübertragung ohneweiters erklärlich. Gegenüber dem Fleckfieber, bei dem sonst ganz ähnliche epidemiologische Verhältnisse vorliegen, besteht aber darin ein wichtiger Unterschied, daß bei der Febris quintana so ausgedehnte und so außerordentlich schnell um sich greifende Epidemien nicht entstehen. Wir sehen vielmehr in der Regel eine deutliche Gruppenbildung der Infektionen und eine enge Begrenzung auf bestimmte Wohngemein- schaften (Jungmann). Worauf dieser Unterschied beruht, ist noch nicht genügend geklärt. Man könnte daran denken, daß die Empfänglichkeit der Menschen für das Fünftagefiebervirus nicht so allgemein und so groß ist wie beim Fleckfieber. Jungmann nimmt an, daß die Mehrzahl der Erkrankungen überhaupt oder während langer Zeit rudimentär ver- läuft und daher nicht erkannt wird. Lehndorff und Stiefler beobachteten, daß bei stark verseuchten Regimentern die Neuerkrankungen aufhörten, als die Leute beim Stellungswechsel gründlich entlaust wurden, daß aber bei den vorher . gesunden Ablösungstruppen bald nach dem Beziehen der . 'verlausten Stellungen die Krankheit ausbrach. Auch diese Erfahrung spricht deutlich für die Bedeutung der Läuse als Überträger des Krank- heitserregers. Wenn früher auf Grund der Beobachtungen in Wolhynien behauptet wurde, daß die Krankheit besonders in Sumpfgebieten herrsche und deshalb eine Übertragung durch Mücken anzunehmen sei, so haben sich diese Angaben später als nicht zutreffend erwiesen. Auch in bergigen, . trocknen, mückenfreien Gegenden kommt Fünftagefieber vor, wenn die Truppen verlaust sind. Ebenso ließen sich die an vielen Orten fest- gestellten Lazarettinfektionen wohl durch Läuseübertragung, nicht aber durch Mückenübertragung erklären. In sicher läusefreier Umgebung sind bisher Quintanainfektionen nicht beobachtet worden. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte für die Annahme, daß außer der Laus andere Übertragungs- möglichkeiten, z.B. Kontakt-, Tröpfchen- oder Wasserinfektion, bei der Verbreitung der Krankheit praktisch eine Rolle spielen. Eee Für die Verhütung und Bekämpfung des Fünftagefiebers sind demgemäß die gleichen Maßnahmen anzuwenden, die sich beim Fleck- fieber bewährt haben und in der vorigen Vorlesung eingehend be- sprochen wurden. Fünftagefieber (Werner-Hissche Krankheit). 1291 Die Therapie muß rein symptomatisch sein. Ein spezifisch wirken- des Mittel kennen wir bisher nicht. Die Antipyretika einschließlich des - Chinins beeinflussen die Temperaturkurve in keiner. Weise. Zur Linde- rung der subjektiven Beschwerden, besonders der quälenden Kopf-, Kreuz- und Beinschmerzen, bewährten sich noch am besten wiederholte . Gaben von Pyramidon. Salvarsan hat sich nach dem Urteil der meisten - Autoren, die es anwandten, als wirkungslos erwiesen. Auch andere chemo- therapeutische Mittel, z.B. die kolloidalen Kupfer- und Silberpräparate, ge keine günstige Beeinflussung des ERNERBCIERIEDRONBER (Jungmann). Literatur. His ne Jungmann,, Febris wolhynica. Berliner klin. Wodliesiär. 1916. - Jungmann, Das Wolhynische Fieber. Berlin, J. Springer, 1919. Brasch, Zur Kenntnis des wolhynischen Fiebers. Münch. med. Wochenschr., 1916. Korbsch, Zur Kenntnis der Febris wolhynica. Deutsche med. Wochenschr., 1916. Lehndorff und Stiefler, Über Febris quintana. Beiträge zur Klinik der. Infektions- krankheiten, Bd.7, 1918. Munk und da Rocha-Lima, Klinik und Ätiologie des sog. Wolbynischen Fiobers ‚(Werner-Hissche Krankheit). Münch. med. Wochenschr., 1917. , Experimentelle u. klinische Beiträge zur Febris quintana. Münch. med. > Wochenschr., 1918. Warner, Über rekurrierendes Fieber mit Fünftageturnus. Münch. med. Wochenschr., 1916 u. 1918. — Zur Ätiologie der Febris quintana. Zentralbl. f. Bakt., Bd. 82, 1919. — .Über den gegenwärtigen Stand der Quintanaforschung. Weichhardts Bine d. Hygiene usw., Bd.3, 1919. — Über Febris quintana. Berlin und - Wien, Urban & Schwarzenberg, 1920. Werner und Hänssler, Über Fünftagefieber. Münch. med. Wochenschr., 1916 Werner, Benzler und "Wiese, Zur Ätiologie des Fünftagefiebers. Ebenda. Therapie. 71. VORLESUNG. Infektionskrankheiten, deren Ätiologie noch ungeklärt ist. Masern. Als Erreger der Masern sind die verschiedenartigsten Bakterien beschrieben worden. Meist handelt es sich, namentlich wenn Konjunk- tivalsekret als Untersuchungsmaterial benutzt wurde, um gewisse dem Diphtheriebazillus ähnliche Stäbchen oder noch häufiger, bei den Unter- suchungen der: Sekrete des Respirationstraktus, um influenzaähnliche Bakterien. Derartige Befunde erhielten z. B. Giarre und Picchi, Gundobin, Zlatogoroff, Iwanow und Borini. Die Kulturen sollen vom Serum Masernkranker oft bis etwa zur Verdünnung 1 :200 agglutiniert worden sein. Canon und Pielicke isolierten bei einer größeren Anzahl von Masernfällen aus Blut, Sputum, Nasen- und Konjunktival- sekret Bazillen, die in ihrer Größe und Färbbarkeit eine bedeutende Variabilität aufwiesen und sich einige Male in Bouillon, nicht aber auf den gewöhnlichen festen Nährböden züchten ließen. Was die Befunde influenzaähnlicher Stäbchen anbelangt, so wissen wir heute, daß derartige Mikroorganismen auf der Respirationsschleim- haut auch bei manchen katarrhalischen Zuständen, besonders bei Keuch- husten, nicht selten in großer Menge angetroffen werden. Vielfach wird es sich auch um Pfeifersche Iufluenzabazillen gehandelt haben, die namentlich zur Zeit von Influenzaepidemien und noch lange Zeit nach deren Ablauf auf den Schleimhäuten mancher Menschen vegetieren, und von denen wir wissen, daß sie Masernkranke leicht befallen. Andere Autoren fanden mehr oder weniger regelmäßig Mikrokokken. Lesage z. B. züchtete während der Eruptionsperiode der Krankheit aus dem Nasenschleim und Kehlkopfsekret, mitunter auch aus dem Blut äußerst kleine Kokken, die Tiere unter dem Bilde der hämorrhagischen Septikämie töteten. Aus dem Umstande, daß Tiere, denen Nasenschleim Masernkranker in die Nasenschleimhaut eingerieben oder Blut dieser Kranken injiziert wurde, unter den gieichen Erscheinungen zu- grunde gingen, glaubt Lesage die ätiologische Bedeutung seines Mikrokokkus folgern zu können. Döhle sah im Blute spindelförmige Gebilde, die er für Protozoen hielt. Ähn- liche Formen fand er auch bei Pocken und bei Syphilis. Um spezifische Gebilde scheint es sich hier nicht zu handeln. Die bakteriologischen Befunde haben die Ätiologie der Masern noch nicht aufgeklärt, denn sie geben weder ein abge- schlossenes Bild von der pathogenen Bedeutung der betreffenden Infektionskrankheiten, deren Ätiologie noch ungeklärt ist. 1293 Mikroben, noch sind sie hinreichend bestätigt worden, um als konstant gelten zu können. Anderson und Goldberger (1911) konnten durch Injektion von Blut ‚Masernkranker bei Rhesusaffen eine typische Krankheit erzeugen, die mit Fieber und einem masernähnlichen Exanthem einherging. Das Blut erwies sich nur als virulent, wenn es vor dem Ausbruch des Exanthems (nach Nieolle und Conseil schon 24 Stunden vor diesem) oder 24 Stunden nach diesem entnommen wurde. Bei der bakteriologischen Untersuchung zeigte sich das Blut völlig steril. Es vermochte aber Affen auch zu in- fizieren, wenn es vorher durch Berkefeldfilter keimfrei filtriert wurde. Versuche mit Blut, das 60 Stunden nach dem Auftreten des Aus- schlages dem Menschen entnommen und Affen eingespritzt wurde, ver- liefen negativ. Auch von Affe zu Affe konnte die Krankheit übertragen werden. Nach diesen von Nicolle und Conseil sowie Blake und Trask bestätigten Untersuchungsergebnissen kann man annehmen, daß der Erreger der Masern, wie es schon von verschiedenen Forschern längst vermutet wurde, wahrscheinlich zu den filtrierbaren Virus- arten gehört. = Andere Autoren halten aber auf Grund ihrer Versuche die Frage, ob die „Affenmasern“ den Menschenmasern gleichzusetzen ‚sind, noch nicht für spruchreif. Jedenfalls sind, wie neuerdings auch Zeiss betont, weitere Untersuchungen abzuwarten, bevor ein endgültiges Urteil dar- über abgegeben werden kann. Noch fraglicher sind wohl die Behaup- tungen von Neven und Bittmann sowie Grund, daß sich dureh intra- venöse Verimpfung des Blutes von Masernkranken auch bei Kaninchen eine echte Masernerkrankung erzeugen lasse. Die meisten Forscher hatten bei ihren Versuchen, die Krankheit auf kleine Säugetiere zu übertragen, stets negative Ergebnisse. Über die Resistenz des Masernvirus wissen wir aus weiteren Versuchen an Affen einstweilen nur, daß es durch Austrocknung in 24 Stunden noch nicht vernichtet wird. wohl aber durch 15 Minuten lange Erhitzung auf 55° C. Die Krankheitserreger werden offenbar vom Kranken auf Gesunde durch Tröpfcheninfektion übertragen, und zwar. nach zweifelsfreien epidemiologischen Beobachtungen nicht nur während des katarrhalischen Stadiums der Krankheit, sondern auch schon während der Inkubationsperirde. Ob die. Hautschuppen das Virus enthalten, wie vielfach angenommen wird, steht noch nicht fest; Anderson und Goldberger erzielten bei Affen durch Injektion einer Auf- schwemmung von Hautschuppen keine positiven Resultate. Nach den inzwischen vielfach bestätigten Untersuchungen, die Degk- witz in 172 Fällen durchführte, eignet sich das Rekonvaleszenten- serum zu Schutzimpfungen. Das Serum wird dem Rekonvaleszenten am 7.—21. Tage nach der Entfieberung entnommen. Bis zum 4. In- kubationstage soll 3,5 ccm, am 5. und 6. Tage 6 ccm injiziert werden. Injektionen an späteren Tagen können die Krankheit weder verhindern noch abschwächen. Werden in den ersten Inkubationstagen zu geringe Mengen Serum verabfolgt, so tritt eine deutliche Abschwächung der Masern ein. Wir haben hier in der menschlichen Pathologie zum ersten Mal die Tatsache vor uns, das ein homologes Immunserum einen hohen Schutzwert zeigt, wie es aus der Tierpathologie schon länger vom Rinder- pestserum bekannt war. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 83 1294 ; ; 71. Vorlesung. Scharlach. Bei Scharlach sind bekanntlich von verschiedenen Autoren Strepto- kokken als die spezifischen Erreger hingestellt worden. Der so häufige, ja fast regelmäßige Befund von Streptokokken auf den entzündlich veränderten Gaumentonsillen bei Scharlach, namentlich aber ihr Vor- kommen im Blut und in den inneren Organen der Scharlachleichen ließ diese Annahme als begründet erscheinen. Besonders verfochten wurde die ätiologische Bedeutung der Streptokokken durch Fraenkel und Freudenberg und später durch Baginsky und Sommerfeld. Für eine solche Auffassung schienen weiterhin die Angaben von d’Espine und de Marignae, Kurth u. a. zu sprechen, die an den aus dem Blute Scharlachkranker gezüchteten Streptokokkenstämmen mannigfache kulturelle und biologische Unterschiede gegen- über anderen, z. B. aus Erysipelfällen gewonnenen Stämmen feststellen konnten. Auch die teilweise sehr günstigen Wirkungen, die man bei der Behandlung von Scharlachkranken mit Streptokokkenseris beobachtete, haben wohl in dieser Beziehung die Anschauungen vieler Ärzte beeinflußt. Erwähnenswert erscheinen an dieser Stelle noch die Untersuchungen von Class, der in über 300 Scharlachfällen einen dem Gonokokkus ähnlichen „Mierococeus* oder „Diplococeus scarlatinae“ züchtete, der bei Schweinen angeblich dem Scharlach- fieber des Menschen ähnliche . Krankheitserscheinungen (Temperatursteigerung, Exanthem mit nachfolgender Abschuppung der Haut, Nephritis) hervorrief. Diese Angaben wurden anfangs von mehreren Autoren bestätigt, später hat man aber nichts mehr von solchen Befunden gehört. Offenbar hat es sich auch hier. um Streptokokken gehandelt. Der spezifische Erreger der Scariatins dringt wahrscheinlich durch die Tonsillen in den Körper ein und bereitet hier die sekundäre Invasion der auf den Mandeln fast stets vorhandenen Streptokokken vor, die unter solchen Verhältnissen zur Entfaltung !einer besonderen Virulenz angefacht werden. Jedenfalls kommt den Streptokokken, die sich in einer großen Anzahl von Scharlachfällen aus Blut und inneren Organen züchten lassen, eine ursächlicheBedeutungfürden Scharlach nicht zu. Auf diesem Standpunkt stehen heute die meisten namhaften Autoren. Nach den Untersuchungen Slawyks fehlen Streptokokken häufig gerade ‚in den schwersten und rasch tödlich verlaufenden Fällen, in denen das ; Scharlachvirus anscheinend rein seine Wirkung entfaltet, und wo es deshalb nicht zur Ausbildung einer sekundären Infektion kommt. Regel- mäßig. werden Streptokokken im Blut bei Scharlach gefunden, wenn ulzeröse Veränderungen im Rachen nachweisbar sind. Aber der Um- stand, daß die Epidemiologie und der Verlauf des Scharlachs sich mit der Biologie der Streptokokken und mit dem Verlauf anderer Strepto- kokkeninfektionen nicht in Übereinstimmung .bringen läßt, spricht dafür, daß wir im Scharlachfieber eine spezifische, durch einen vor- läufig unbekannten Erreger hervorgerufene Infektionskrankheit zu sehen haben. Die Erfolge, die z. B. das polyvalente Antistreptokokken- serum von Moser (S. 510) bei Scharlachkranken mitunter aufweist, be- weisen keineswegs eine ätiologische Bedeutung der Streptokokken für das Scharlachfieber. sondern nur eine therapeutische Beeinflussung der bei dieser Krankheit so bedeutungsvollen Streptokokken-Mischinfektion durch das Serum. Daß kein Grund vorliegt, den bei Scharlach gefun- denen Kettenkokken eine besondere Stellung gegenüber anderen patho- genen Streptokokken einzuräumen, haben wir bereits früher (8. 496) auseinandergesetzt. er a DD ee 1 er Be a A WITT INT TE RE zu ET NE ee hr RER a a So N nn un 2 De EDIT, EIER = h late: , g ae . Ri L \ Be nkaeten, deren Ätiologie noch ungeklärt ist. 1295 Eisssesähinliche Gebilde hat zuerst wohl Mallory als Erreger des Scharlachs angesprochen. Duval, Field, v. Prowazek, Hlava, Bern- hardt und Höppli haben diese Befunde bestätigt und erweitert. Sie fanden in Schnitten aus der Haut Scharlachkranker teils zwischen den Epithelien angeordnet, teils auch in den Zellen ovale oder unregelmäßig begrenzte Körperchen mit dunkel gefärbten, oft rosettenartigen Ein- schlüssen. Analogieschlüsse zu anderen Infektionen, bei denen die An- nahme filtrierbarer Infektionserreger heute allgemein als berechtigt angesehen wird, haben im Verein mit den Ergebnissen der neueren Unter- suchungen die schon von v. Prowazek im Jahre 1907 ausgesprochene - Ansicht immer mehr befestigt, daß wir es auch bei der Scarlatina mit einem filtrierbaren Virus zu tun haben. _ Die ätiologischen Forschungen wurden wesentlich erleichtert, als die Übertragung des Scharlachs auf Tiere gelang. Schon Grünbaum war im Jahre 1904 die Infektion eines Schimpansen gelungen, als er - ihm Scharlachmaterial in die Mundschleimhaut einrieb. Genauer festge- stellt wurden die Ergebnisse der experimentellen Infektion aber erst im Jahre 1911 durch Cantacuzene, Bernhardt, Landsteiner, Levaditi und Prasek. Es steht jetzt fest, daß nicht nur anthropoide, sondern auch niedere Affen auf die zweckmäßige Einverleibung virulenten Ma- . terials von Scharlachkranken nach einer allerdings wechselnden Inkubation mit Fieber,. Exanthem und Drüsenschwellungen erkranken. Auch an- fängliche Anginen bei Infektion von der Mundhöhle aus und Nephritis werden beobachtet. Hectoen und Weaver wollen eine Scharlachübertragung auf Affen ferner dadurch -erzielt haben, daß sie den Tieren infektiöses Material aus der Mundhöhle Scharlachkranker mit Milch vermischt ver- fütterten. Auch Passageinfektionen von Affe zu Affe sind gelungen. Be- stätigungen der Angaben Cantacuzenes, daß auch Kaninchen der experi- mentellen Scharlachinfektion zugänglich seien, liegen von anderer Seite nicht vor. 5 Chlamydozoen-Einschlüsse kommen nach den Untersuchungen von Doehle, Hoefer, Bernhardt, Cantacuzene u. v. a. sowohl beim schar- lachkranken Menschen als auch beim experimentell infizierten Affen mit großer Regelmäßigkeit zur Beobachtung, und zwar sowohl in’ den Ton- sillen als auch in den inneren Organen (Leber, Nieren, Mesenterial- drüsen usw.). Neben dem Kern sieht man in den befallenen Zellen bei gut gelungener Giemsafärbung eine vom übrigen Protoplasma mehr - oder weniger differenzierte, meist homogen aussehende Zone, die eine große Anzahl (10—40) feiner, leuchtender Körnchen enthält. Die letz- teren, die in ihrer Größe zwischen 0'1 und O'3u. schwanken, liegen häufig zu zweien dicht aneinander oder sind durch feine Fäden hantel- artig verbunden. Verschiedene Autoren betonen auf Grund zahlreicher Vergleichsuntersuchungen, daß sich diese Einschlüsse bei der Abgrenzung _ - einer Scharlachinfektion von Masern, Röteln, Serumexanthemen usw. mit großem Vorteil differentialdiagnostisch verwerten lassen. Über die Deutung der Zelleinschlüsse kann ein endgültiges Urteil heute noch nicht gefällt werden. Die von Doehle beschriebenen Leukozytenein- 'schlüsse, die zum Teil auch gewundene, spirochätenähnliche Formen zeigen, sind nicht für Scharlach spezifisch. da sie, wenn auch nicht mit der gleichen Häufigkeit, ebenso bei Pneumokokken- und Streptokokken- infektionen sowie bei Diphtherie vorkommen und sich außer durch 83* 1296 21. Vorlesung. Infektion mit Scharlachmaterial auch z. B. durch Diphtherietoxin, Alt- tuberkulin usw. bei Tieren experimentell erzeugen lassen. _ Das Scharlachvirus wird durch die Rachenschleimhäute und durch die Haut ausgeschieden (Löffler) und ist gegen Austrocknung scheinbar sehr resistent, sodaß es auch durch leblose Gegenstände, die mit ihm infiziert werden, verschleppt werden kann. Epidemiologisch wichtig ist auch die Erfahrungstatsache, daß es sich vielfach recht lange bei den Rekonvaleszenten in virulentem Zustande hält, sodaß letztere noch 4—6 Wochen nach ihrer Genesung die (Quelle weiterer Infektionen werden können (Baginsky u. a.). Für die Verschleppung spielen wohl ambulante Leichtkranke eine besonders wichtige Rolle (Kobrak). Die Scharlachgenesenen weisen eine meist für Lebensdauer be- stehende Immunität auf. Ihr Serum ist vielfach zu Schutz- und Heil- impfungen empfohlen worden, doch gehen über die Wirksamkeit dieser Impfungen, vor allem darüber, ob solches Serum im Vergleich zu gleichen Mengen normalen menschlichen oder tierischen Serums bei Scharlach spezifisch wirkt, die Ansichten der Autoren noch weit aus- einander. Daß durch die sachgemäße Anwendung von Streptokokken- serum beim Scharlach oft dadurch günstige Wirkungen erzielt werden, daß die Streptokokken-Mischinfektionen verhütet oder beseitigt werden, wurde schon erwähnt. Sicher wirkende chemotherapeutische Mittel gibt es für die Behandlung der Scarlatina nicht, von vielen Seiten wird aber die Salvarsananwendung gerühmt und empfohlen. Röteln. Auch der Erreger der Röteln (Rubeolae) ist noch unbekannt. Das Rötelnexanthem kann bekanntlich dem Ausschlag rudimentärer Masern- und Scharlachfälle äußerst ähnlich sein, und es "bestand deshalb früher bei vielen Autoren die Neigung, die Röteln als eine mildere Abart der . Masern oder des Scharlachs aufzufassen. Daß es sich aber um eine selb-- ständige Infektion handelt, beweisen die Immunitätsverhältnisse: weder 'schützt das Überstehen der Masern oder des Scharlachs vor einer Rö- telnerkrankung, noch umgekehrt. Mehrfach sah man Rötelnepidemien in Kinderkrankenhäusern bei Masern- oder Scharlachrekonvaleszenten auftreten. Die Kontagiosität der Erkrankung ist nicht so groß wie bei Masern und Scharlach; es scheint ein enger Kontakt mit Kranken zur Übertragung des Virus nötig zu sein, und zwar vorwiegend im Inku- bationsstadium oder auf der Höhe des schubweise auftretenden und meist nur 2—3 Tage bestehenden Exanthems. Die Röteln befallen fast ausschließlich Kinder und werden sehr oft von einer charakteristischen Schwellung der zervikalen und okzipitalen Lymphdrüsen begleitet. In seltenen Fällen treten nach 2—3 Wochen Rezidive auf. Die sog. Vierte und Fünfte Krankheit. Nach den zuerst von Filatof und Dukes mitgeteilten’ Beobakh, tungen wird in neuerer Zeit neben Masern, Scharlach und Röteln noch eine weitere exanthematische Infektionskrankheit des Kindesalters auf- gestellt, die als Vierte Krankheit bezeichnet wird. Ob diese Erkran- kung eine gesonderte Existenzberechtigung hat, steht noch nicht fest; RA ln a ni nd 0A Infektionskrankheiten, deren Ätiologie noch ungeklärt ist. 1297 die Beobachtungen sind noch zu spärlich (Rolly). Den klinischen Er- scheinungen und dem Verlauf nach soll sie leichtem Scharlach, andrer- seits aber auch den Röteln sehr ähnlich sein. Das Fehlen der wechsel- ‚seitigen Immunisierung bildete den hauptsächlichsten Grund der Ab- trennung. Nach dem Urteil Jochmanns ist die Annahme einer Identi- tät der Vierten Krankheit mit dem Scharlach besonders wegen der langen Inkubationsdauer (9—20 Tage), des stets milden Verlaufes ohne Nachkrankheiten und wegen des schnellen Verschwindens der An- - „ steckungsfähigkeit abzulehnen, dagegen erscheint ihre Abgrenzung gegenüber den Röteln noch nicht genügend gestützt. Als Fünfte Krankheit wäre vielleicht noch das von Sticker, Schmid, Berberich, Brüning u. a. beschriebene Erythema infecetiosum acutum oder Megalerythema infeetiosum Plachtes anzugliedern. Es handelt sich hier um ein Kinderexanthem, das nach 7—14tägiger Inkubationszeit vorwiegend im Gesicht und an den Streckseiten der Extremitäten auftritt und aus großen, scharf begrenzten, intensiv roten, erhabenen, quaddelartigen Flecken besteht, die später vielfach zu un- regelmäßigen guirlanden- oder landkartenähnlichen Figuren zusammen- laufen. Über die Immunitätsverhältnisse ist noch nichts Näheres bekannt. Infektiöse Parotitis. - Als Erreger der infektiösen Parotitis, die bekanntlich häufig, namentlich unter den Kindern, in epidemischer Form auftritt, sind mehrfach besondere Kokken hingestellt worden. Laveran und Catrin z. B. züchteten unter 92 Fällen 67mal aus Blut, Hoden- saft, Hautsaft, 2mal auch aus Gelenkflüssigkeiten einen }Diplokokkus. Allgemeine Bestätigungen dieser und anderer Kokkenbefunde sind, obwohl sich zahlreiche Autoren mit dieser Frage beschäftigt haben, nicht mitgeteilt worden. Wahrscheinlich hat es sich, wie auch Merray und Walsh betonen, bei den meist aus dem Speichel oder aus dem Drüsensaft gezüchteten Kokken um harmlose Staphylokokken gehandelt. Mirone fand das Blut unter 43 Parotitisfällen 39mal steril und nur bei 4 Fällen, die sämtlich mit Komplikationen verliefen, kokkenhaltig. Wiederholt sind auch typische Pneumokokken aus dem Gewebssaft der erkrankten Drüsen gezüchtet worden. Es gibt also Parotisentzündungen mit verschiedener Ätiologie, wie auch die Entstehung der Entzündung im Anschluß an Typhus, "Influenza “und Masern beweist. Aber diese nach wohlcharakterisierten Infektions- krankheiten sich einstellenden Entzündungen der Parotis, bei denen auch Streptokokken eine Rolle spielen, sind abzutrennen von der spezi- fischen genuinen Parotitis epidemica, dem „Ziegenpeter“ oder „Mumps“, der den Menschen nur einmal im Leben befällt. Die Parotitis - epidemica ist häufig kompliziert mit Epididymitis. Der Erreger dieser Infektionskrankheit ist noch unbekannt. Granata will im Speichel von Parotitiskranken ein filtrierbares Virus nachgewiesen haben, das bei der Verimpfung auf Kaninchen Fieber erzeugte und bei Hornhautimpfungen chlamydozoenartige Ein- schlüsse in den Zellen hervorrief. Eine Bestätigung dieser Angaben ‚liegt noch nicht vor. Es erscheint aber durchaus wahrscheinlich, daß auch die epidemische Parotitis durch ein sog. filtrierbares Virus verursacht wird. Neuere, im KRockefeller-Institut zu New-York von Marte und Wollstein ausgeführte Untersuchungen scheinen das zu be- stätigen. Als Speichel parotitiskranker Menschen durch bakterien- dichte Filter gesaugt und in die Parotis oder die Testikel gesunder 1298 71. Vorlesung. Katzen injiziert wurde, entstand bei den Tieren eine dem Mumps des Menschen ähnliche Erkrankung. Die Weiterübertragung der Infektion gelang auch mit den Filtraten des Speichels der erkrankten Katzen. Neben schmerzhafter Schwellung der Parotis wurde auch eine Vergrößerung der nächstgelegenen Lymphdrüsen verursacht. Noma. Als „Noma“ oder „Wasserkrebs“ bezeichnet man eine gangrä- nöse, von der Mundschleimhaut aus schnell auf die tieferen Gewebe der Wange vorschreitende und oft auch die Kieferknochen zerstörende Entzündung. Sie tritt namentlich im Anschluß an erschöpfende Infek- tiönskrankheiten (Typhus, Masern, Diphtherie, Tuberkulose) bei schwäch- lichen Kindern oder jugendlichen Personen auf und führt durch Sepsis fast stets zum Tode. Als Erreger dieser Krankheit stellte Perthes einen zur Gruppe dr Strepto- triebeen gehörigen Mikroorganismus hin, dessen Kultivierung nur bei anaerober Züchtung gelang. Passini und Leiner fanden in den oberflächlichen Schichten der grangränösen Hautpartien eines Nomafalles neben Pilzfäden besondere Bazillen, die auch bei Stomakace nachgewiesen waren, in den tieferen Partien dagegen und an - der Grenze des gesunden Gewebes in Reinkultur Diphteriebazillen. Sie kommen daher, ebenso wie Freimuth und Petruschky, zu dem Schluß, daß Noma durch Diphteriebazillen erzeugt wird. Von anderen Autoren, z. B. Rona, Weiss, Korsch u.a., wurde über den Befund von Spirillen und fusiformen Bazillen berichtet und auf mannigfache Analogien hingewiesen, die die Krankheit zu der Plaut- Vincentschen Angina (S. 857) hat. Als eigentliche Krankheitserreger werden dabei die Spirillen angesehen, die sich vorwiegend im: Innern des brandigen Gewebes finden, während die fusiformen Bazillen und die sonst oft nachweisbaren Kokken und verschiedenartigsten Bazillen sich nur sekundär an dem ZRTBEDTSEBRNERRE .be- teiligen sollen. Die Mehrzahl der Forscher neigt heute zur der Ansicht daß unter besonderen Bedingungen, die wir zurzeit noch nicht übersehen können, verschiedene Krankheitserreger — mehrfach wurden z.B. auch Typhusbazillen gefunden — an dem als Noma bezeichneten Krankheits- bild ätiologisch beteiligt sein können. Pemphigus neonatorum. Als Erreger des Pemphigus neonatorum, der gelegentlich in (rebäranstalten eine epidemieähnliche Ausbreitung gewinnen kann, sind vielfach, so z. B. von Almgiist, Kokken hingestellt worden, die aus dem Inhalt der Hautblasen gezüchtet wurden. Überzeugende Beweise, daß es sich hier um die spezifischen Erreger einer. übertragbaren Krankheit handelte, konnten nicht erbracht werden. Es liegt vielmehr die Annahme sehr nahe, daß) es sich um saprophytische Kokken gehan- - delt hat, die auch bei anderen Hauterkrankungen, z. B. in den Pocken- pusteln, gefunden werden, ohne daß man ihnen eine ätiologische Bedeutung beimessen darf. Impetigo contagiosa. Während frühere Untersucher vielfach Hyphomyzeten als Erreger - der Impetigo contagiosa ansahen, glaubte man in neuerer Zeit eher bestimmten Kokkenarten eine ätiologische Bedeutung für dieses Leiden zuschreiben zu müssen. Kurth z. B. isolierte bei einer größeren Anzahl Infektionskrankheiten, deren Ätiologie’ noch ungeklärt ist. 1299 von Fällen streptokokkenähnliche Mikroorganismen; ÄKaufmann dagegen will einen dem Staphylokokkus nahestehenden Mikroben als spezifischen Erreger angesehen wissen, mit dessen Reinkultur es ihm angeblich ge- lungen ist, er Impetigoblasen beim Menschen zu erzeugen. Auch hier liegen keine zwingenden Gegenbeweise vor, daß es sich nicht um von der Haut stammende saprophytische Keime gehandelt hat. Die Übertragbarkeit des Leidens durch die Reinkultur jener Kokken kann deswegen nicht als stichhaltiges Beweismoment gelten, weil die Kultur möglicherweise die mit dem Ausgangsmaterial übertragenen, noch un- bekannten Erreger gleichzeitig neben den Kokken enthielt. Fraglich in ihrer Deutung sind auch die Befunde von Pick, der bei 35 Fällen im Inhalt der Impetigoblasen Gebilde fand, die in den Formenkreis der Kokzidien zu gehören scheinen. Auf der Kaninchen- konjunktiva und auf der menschlichen Haut will Pick durch Über- impfung der Blasenflüssigkeit einen entzündlichen Krankheitsprozeß her- vorgerufen haben, dessen Sekret außer Kokken auch Kokzidien enthielt. _ Gelenkrheumatismus. Daß die Polyarthritis rheumatica, die in ihrem klinischen Verlauf und ihrem Auftreten so prägnante Erscheinungen bietet, eine Infektionskränkheit sei, wurde schen verhältnismäßig frühzeitig ver- mutet. Man suchte die spezifischen Erreger im Gelenkinhalt, im Blut, in den Vegetationen der Herzklappen bei rheumatischer Endokarditis, in dem Exsudat bei rheumatischer Pleuritis, im Harn und schließlich . - auch in den Tonsillen, die im Beginn der Krankheit fast stets schwere entzündliche Veränderungen aufweisen und daher fast allgemein als Eintrittspforten der Erreger angesehen werden. Von den sehr zahlreichen Arbeiten, die über Befunde von angeblich spezi- ‚fischen Mikroorganismen bei Gelenkrheumatismus berichten, sollen hier nur die relativ wichtigsten kurz erwähnt werden. Im Jahre 1897 behaupteten zwei französische Forscher, Thiroloix und Achalme, daß in zahlreichen Fällen im Blut von Rheu- matikern und in der Pleura- und Perikardialflüssigkeit bei Leichen ana&robe Bazillen nachweisbar seien. Eine größere Anzahl von Autoren, Triboulet, Bettencourt, Mel- . kich, Carriere u. a., bestätigten diese Angaben. Es muß aber zweifelhaft bleiben, oballe Autoren wirklich Stäbchen der gleichen Art vor sich hatten ; die Beschreibungen der Befunde sind so unvollständig, daß hier die größte Skepsis am Platze ist. Ebenso wie beim Scharlach gehörten die weitaus meisten der sonst beschriebenen „Erreger“ des Gelenkrheumatismus den Kokken. und zwar. vorwiegend. den Streptokokken an. v. Leyden gelang es im Jahre 1894, bei 5 Fällen von maligner Endokarditis, die sich im Anschluß an akuten Gelenkrheumatismus entwickelt hatte, zarte Diplo- kokken in Schnitten der Herzklappen festzustellen ; in einem dieser Fälle wurden diese Kokken von Klemperer gezüchtet. Wassermann wies in der Mitralklappe, dem Gebirn und dem Blut eines an postrheumatischer Chorea Verstorbenen feine Strepto- kokken nach, deren Kulturen bei Kaninenen immer typische multiple Gelenkent- zündungen hervorriefen ; die gleichen Erscheinungen bedingte auch die Verimpfung des Gelenkexsudates der kranken Tiere. Ähnliche Kokkenbefunde sind von zahlreichen anderen Autoren mitgeteilt worden. Es seien nur noch die Angaben von Meyer erwähnt, der bei der kulturellen Untersuchung des Mandelbelages in frischen Fällen von Gelenkrheumätismus regelmäßig Kokken fand, die bei Tieren Exsudate der Gelenke und serösen Häute verursachten und sich dadurch deutlich von Kokken unterschieden, die z. B. von den Tonsillen Gesunder oder an nichtrheumatischen Rachenaffektionen Leidender iso- liert waren. 1300 71. Vorlesung. Daß die bei Gelenkrheumatismus gefundenen Kokken als spe- zifische Erreger dieser Krankheit anzusehen sind, ist trotz der tatsächlich nachgewiesenen Affinität zu den Gelenken, die im Tierversuch zutage tritt, nicht bewiesen. Es ist auch recht fraglich, ob die einzelnen oben genannten Autoren die gleichen Kokken in den Händen hatten. Die Anordnung zu Diplokokken wird nur stellenweise hervorgehoben, doch wird meist betont, daß die Gebilde von den gewöhnlichen Streptokokken verschieden seien. Wir haben früher erwähnt, daß sich die einzelnen Streptokokkenstämme je nach ihrer Virulenz und nach den Bedin- gungen, die sie für ihre Weiterverbreitung im infizierten Organismus vorfinden, in biologischer Beziehung unter Umständen sehr verschieden verhalten können, daß wir aber daraus keinesfalls auf eine Vielheit der Streptokokkenarten schließen dürfen. Daß durch Streptokokken, die im Blute kreisen, exsudative Ver- änderungen an den Gelenken und ebenso an den Herzklappen hervor- gerufen werden können, läßt sich nicht bestreiten. Aber wir sind durch solche Befunde absolut nicht berechtigt, Streptokokkenals die allei- nigen und spezifischen Erreger des Gelenkrheumatismus hinzustellen. Ähnliche Krankheitserscheinungen können unter Umständen auch, wie einwandfrei festgestellt wurde, durch Pneumokokken, Meningokokken, Friedländerbazillen usw. zustande kommen. Im übrigen sind diese Be- funde viel zu selten, um als ausreichende Stütze für die ätiologische Bedeutung der Streptokokken in solchen Fällen zu dienen. In der Mehrzahl der Fälle wird ebenso der Erguß der kranken Ge- lenke völlig steril befunden wie auch das Blut, in dem doch nach dem Krankheitsbilde die Erreger während des Höhestadiums sicher angetroffen werden müßten. Wir müssen also auch bezüglich der Ätiologie des Gelenkrheuma- tismus zugeben, daß alle zur Feststellung eines bestimmten Erre- gers unternommenen Bemühungen bisher vergeblich waren. Die therapeutischen Leistungen der Streptokokkensera bei Gelenkrheuma- tismus, die von Menzer u.a. gerühmt werden, können auch hier nicht als Beweis für die ätiologische Bedeutung ‘der Streptokokken ver- wertet werden. Wir haben es, in gleicher Weise wie beim Scharlach, anscheinend mit der Beeinflussung einer Streptokokkenmisch- Infektion durch das Serum zu tun. Denn Streptokokken dringen, eben- so wie bei Scharlach, Pocken, Diphtherie usw., sehr häufig von den Mandeln, die als Eintrittspforten der Erreger gelten müssen, mit den spezifischen Erregern zusammen in den Körper ein. Beri-Beri. Beri-Beri, von den Japanern als Kakkekrankheit bezeichnet, ist vor allem in Asien, in geringerer Ausdehnung auch im tropischen Afrika und Amerika verbreitet und teils durch neuritische und neurotrophische Störungen an den peripherischen Nerven der Glied- maßen, teils durch Schädigungen der Herznerven und des Vagus charakterisiert. Scheube unterscheidet vom klinischen Standpunkte 4 Formen der Beri-Beri. Die rudimentäre Form, bei welcher Herzklopfen, Ameisen- kriebeln, Störungen der Sensibilität und der motorischen Funktionen RR 7 Ba ih a han 0 > Tl An bt na ln Ze ET, Infektionskrankheiten,, deren Ätiologie noch ungeklärt ist. 1301 sowie leichte Ödeme an den Beinen bestehen, führt zur Heilung oder geht in die atrophische oder die hydropische Beri-Beri über. Bei der atrophischen Form überwiegen die Muskelatrophien, die übrigens nie zur völligen Paralyse der Muskeln führen. Die Sensibilität der Haut ist herabgesetzt. Zirkulationsstörungen sind vorhanden, erreichen aber nie die Ausdehnung wie bei der hydropischen Beri-Beri. Bei dieser bestehen Herzbeklemmung und funktionelle Geräusche. Es sind starke Ödeme vor- handen, deren Ausdehnung mit der Zu- oder Abnahme der Herztätig- keit fällt und steigt. Die hydropische Form. geht sehr häufig in die atrophische über. Die akute perniziöse oder kardiale Form der _Beri-Beri schließlich setzt plötzlich ein und bedingt bedrohliche Er- scheinungen seitens des Herzens, das in heftigste frequente Palpitationen gerät. Es tritt enorme Herzdilatation und oft in wenigen Stunden der Tod im Kollaps ein. Bei den drei ersten, chronisch verlaufenden Formen kommen zu Anfang und in den späteren Krankheitsstadien häufig Fieberbewegungen vor. Bei den an Beri-Beri Gestorbenen findet man neben Blutungen hauptsächlich Veränderungen an den Nerven und Muskeln, aber auch an der Leber (Muskatnußleber). Die histologische Untersuchung der be- fallenen peripherischen Nerven zeigt. daß die entzündlichen Erscheinungen hinter den degenerativen Prozessen weit zurückstehen. Nach den Unter- suchungen Dürcks sind die‘ Veränderungen charakterisiert durch eine ' von der Peripherie gegen das Zentrum zu fortschreitende Faserdege- neration mit Umwandlung der nervösen Substanz in ein leitungsun- fähiges Gewebe, -die entweder isoliert und auf wenige Fasern oder Stränge beschränkt bleiben kann oder von allen Seiten her gleichzeitig und gleichmäßig den großen Hauptstämmen, den Plexus und den Zentren zustrebt. Die gelähmten willkürlichen Muskeln zeigen Schwund der kontraktilen Fasern und eine oft ganz enorme Vermehrung der Muskelkerne. Im Rückenmark finden sich, je nach der Dauer der Erkrankung, alle Stufen von geringen bis zu den schwersten Strukturveränderungen in einzeinen Ganglienzellengruppen (Vorderhör- ner und ÖOlarkesche Säulen) und zur vollständigen Sklerose der Goll- schen und Burdachschen Stränge. Die Veränderungen haben eihe große Ähnlichkeit mit den bei der Akoholneuritis vorkommenden Befunden. Es deutet vieles darauf hin, daß sie durch Giftwirkungen bedingt sind. Die einzelnen Länder und Gebiete, in denen die Krankheit herrscht, weisen sehr verschiedene Morbiditäts- und Mortalitätsziffera an Beri-Beri auf. In Hongkong betrug die Sterblichkeit im Durchschnitt von 10 Jahren 48°6°/,, in Gefängnissen und ähnlichen Anstalten werden stellenweise noch wesentlich höhere Mortalitätsziffern beobachtet. Nocht hat darauf hingewiesen, daß unter der Bemannung von Segelschiffen, die sehr oft auf langdauernden Genuß von Konserven angewiesen ist, beri-beri- ähnliche Krankheitserscheinungen nicht selten vorkommen und in ähnlicher Weise wie der Skorbut, mit dem sie ätiologisch große Ähnlichkeit haben, durch Zufuhr frischen Gemüses behoben werden. Ob es sich in diesen Fällen von sogenannter „Segelschiff-Beri-Beri“ um echte Beri-Beri handelt, ist noch nicht sicher erwiesen. Die Ätiologie der Beri-Beri ist noch dunkel. Einige Autoren nehmen an, daß verschiedene Ursachen das typische Bild der Krankheit erzeugen können, und unterscheiden namentlich eine infektiöse Poly- - neuritis vor der alimentären. Ob eine solche Trennung berechtigt ist, steht dahin. 1302 71. Vorlesung. Daß es sich um eine Infektionskrankheit handelt, wurde aus zäh reichen Beobachtungen in einzelnen Krankenhäusern, bei Truppen usw. geschlossen, in denen sich an erste Erkrankungsfälle in der Um- gebung der Kranken bald weitere Fälle anschlossen und sonstige Ent- stehungsursachen, wie z. B. schlechte Ernährung, anscheinend auszu- schließen waren. Desinfektionsmaßnahmen erwiesen sich fast stets als wirkungslos. Dagegen ließen sich durch rechtzeitige Isolierung der Pa- tienten weitere Erkrankungen verhüten. Faktoren, welche die allgemeine Widerstandsfähigkeit des Körpers schwächen, wie Infektionskrankheiten, ungesunde Unterkunft, Alkoholismus, dauernde Internierung, Einflüsse sonstiger Krankheiten und des Klimas, Strapazen, namentlich aber schlechte und einseitige Ernährung, bedingen eine besondere Dispo- sition. Vorwiegend erkranken Leute der ärmeren und schwer: arbei- tenden Bevölkerung, während die Angehörigen der wohlhabenderen Kreise weniger befallen werden. Der überall festgestellte Einfluß einer einseitigen Ernährung hat andrerseits Veranlassung gegeben, die Ursache der Beri-Beri ausschließ- lich in der Art der Beköstigung zu suchen (s. u.). Die Ansicht, daß die tropische Beri-Beri durch ein infektiöses Agens hervorgerufen wird, wird aber auf Grund der erwähnten epidemiologischen Erfahrungen von manchen Forschern auch jetzt noch aufrecht erhalten. Sie würde ja die Bedeutung unzweckmäßiger und einseitiger Ernährung ebenso-_ wenig ausschließen wie die Annahme, daß es neben der echten infek- tiösen Beri-Beri noch eine dieser sehr ähnliche Krankheitsform mit einer auf Ernährungsstörungen infolge toxischer Affekte beruhenden Ätiologie gibt. Die Art und Weise, wie die Infektion zustande kommen soll, ist allerdings noch völlig unklar. Während einige Autoren annehmen, daß das Virus im Magendarmkanal seinen Sitz habe, vertritt Glogner, der bei der Mehrzahl der Fälle ein Ödem der Unterschenkel (prätibiales Ödem) feststellte, die Ansicht, daß kleine Verletzungen der Haut der Füße die Eintrittspforte der Erreger bilden. Alle Bemühungen, einen spezifischen Krankheitserreger zu entdecken, waren bisher ergebnislos. Auch hier wurden vielfach Kokken als Erreger proklamiert, aber bei Nach- prüfungen als solche niemals allgemein anerkannt. Häufiger waren es malariaähnliche Blutparasiten, die von ihren Entdeckern mit mehr oder weniger großer Sicherheit als das spezifische Virus dieser Krankheit angesehen wurden. Derartige Gebilde will z. B. @logner in vielen Fällen in dem durch Punktion gewonnenen Milzsaft nach- gewiesen haben. Voorthuis sah bei der Untersuchung von 60 Beri-Beri-Fällen regel- mäßig Blutparasiten, die nur ausnahmsweise innerhalb der roten Blutkörperchen lagen und auch in ganz fieberfreien Intervallen der Krankheit im Blute kreisten. Fajardo beschrieb ein Hämosporidium, das er bei 86°/, seiner Fälle nachweisen konnte. Es führte Pigment, lag teils innerhalb, teils außerhalb der Blutkörperchen und zeigte häufig auch amöboide Formen. Alle diese Befunde sind bisher in größerem Umtangk nicht bestätigt worden. Wir müssen daher zur Zeit die ätiologische Bedeutung bestimmter Mikro- _ organismen für Beri-Beri verneinen. ‘Der Infektionstheorie steht die Hypothese der alimentären Entstehung der Krankheit gegenüber. - Schon lange Zeit hat eine große Anzahl von ‚Forschern die Ernährung mit schlechtem Reis für den Eintritt des Leidens verantwortlich gemacht. Eine wesent- liche Stütze fand diese Annahme in den Ergebnissen der Tierversuche, die v. Eyck- mann, Axel Holst, Schaumann u. a. anstellten.. Durch ausschließliche Ernährung mit B th un ee er = ci [ld de en at lt nn ne aa SE aan ee a Infektionskrankheiten, deren Ätiologie noch ungeklärt ist. 1303 enthülstem und poliertem Reis oder Mais ließen sich bei Hühnern, Tauben, Kanin- chen und Meerschweinchen Krankheitsbilder erzeugen, die denen der Beri-Beri sehr ähnlich waren. Nach Schaumann ist es der Mangel der Nahrung an Phosphorsäure und Nukleo; teiden, der die Krankheit erzeugt. Dieser Autor konnte die beri-beri- artigen Erscheinungen, die er bei Tieren durch langdauernde Reisfütterung hervor- rief, durch spätere Zufuhr von getrockneter Hefe, Weizenkleie oder Kat-jang-idju- Bohnen heilen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß in vielen- Nahrungsmitteln, die der- artige Krankheitszustände erzeugen, die Nukleoproteide durch Schimmel- und Spalt- pilze, deren Phosphorbedürfnis ja im allgemeinen groß ist, zersetzt werden. Nach den Untersuchungen von Funk sind es die „Vitamine“, deren längeres Fehlen in der Nahrung die Krankheit hervorruft, und ‘deren Verabreichung sehr schnell zu einer Heilung führt. Es handelt sich um bestimmte organisch- chemische Stoffe, die Funk durch besondere Verfahren aus Extrakten von Reis, Kleie und Hafer in ziemlich reinem Zustand darstellen konnte und die als Mutter- substanz vorwiegend anscheinend Nukleinsäure und deren Verbindungen enthalten. Die Vitamine sind als lebenswichtige Nahrungsbestandteile heute allseits erkannt. Der Körper kann sie nicht aufbauen, sondern muß sie aus pflanzlichen Produkten ergänzen. Fehlen sie in der Nahrung oder sind sie in zu geringer Menge in ihr enthalten, so tritt ein Komplex von Stofiwechselstörungen auf, die von Funk. als "„Avitaminosen“ bezeichnet werden. Außer der Beri-Beri- Krankheit werden diesen Avitaminosen zugerechnet Skorbut, Pellagra, Barlowsche Krankheit und vielleicht Sprue, Rachitis, Spasmophilie usw. Bei dem Schälen und Polieren des Reis, auch durch zu langes Kochen oder Wässern oder langes Lagern werden die Vitamine zerstört. Die Bedeutung des Vitaminmangels für die Entstehung der -Beri-Beri wurde auch bei einer Abstimmung in der tropenhygienischen Sektion des internationalen medizinischen Kongresses zu London im Jahre 1913 allgemein anerkannt. "Noch weniger geklärt als die-Ursache der Bor Barı ist die Ätiologie der ihr in vielem nahestehenden Pellagra. Die Pellagra ist eine Krankheit, die unter der ärmeren ländlichen Bevölkerung der vorzugsweise Mais bauenden Länder besonders im Früh- jahr in großer Ausdehnung auftritt. Klinisch ist sie durch zunehmende gastrointestinale und nervöse Intoxikationserscheinungen und ein charakteristisches Exanthem der freien Hautflächen gekennzeichnet. Ihr Verlauf ist meist chronisch. . ' Die Ätiologie der Krankheit ist noch strittig. Manche Autoren bekennen sich zu der schon in früheren Zeiten. vielfach vertretenen Ansicht, daß die Pellagra eine eigenartige Infektionskrankheit sei. Diese Annahme wurde auf Grund epidemiologischer Betrachtungen namentlich von Sambon (seit 1905) und amerikanischen Forschern vertreten, die unter anderem besonders darauf hinwiesen, daß es in den befallenen Ländern trotz gleicher Lebensweise der Bewohner ganz bestimmte Gebiete gibt, in denen die Krankheit endemisch in größerem Umfange herrscht. Der noch unbekannte Erreger sollte durch Simulien, andere Fliegen (z. B. Stomoxys) oder auch Mücken übertragen werden. Hunter will einen Affen durch den Stich von Simulien mit Pellagra infiziert haben. Harris soll das gleiche gelungen sein, als er Organe eines Pellagrakranken durch Berkefeldfilter filtrierte und das Filtrat Affen einspritzte. Eigenartige Zelleinschlüsse, die Babes, Low u. a. in der Haut oder im Blut Pellagrakranker festgestellt haben, würden, . wenn solche Befunde bestätigt werden sollten, ebenfalls dafür sprechen, daß vielleicht ein filtrierbares Virus anzunehmen ist. 1304 71. Vorlesung. . Von den meisten Forschern wird jetzt aber die einseitige Mais- nahrung als Ursache angenommen oder die Wirkung von schlechtem, durch toxinbildende Pilze oder Bakterien verunreinigtem Mais. Nament- lich in Italien wurden durch eine von der Regierung eingesetzte, von Lustig geleitete Pellagraforschungskommission die Anschauungen Sambons widerlegt (Rondoni). Auch in den englischsprechenden Ländern ist durch die Arbeiten von Goldberger, Chittenden sowie Me. Collum und seinen Mitarbeitern die Ernährungstheorie wieder sehr gestützt worden. Raubitschek, Lode u.a. führen die Entstehung der schweren Pellagra- exantheme auf photodynamische Wirkungen sensibilisierender Lipoid- substanzen im Mais zurück, weil sie experimentell zeigen konnten, daß Mäuse, die ausschließlich mit Mais gefüttert wurden, im Dunkeln gesund blieben, aber pellagroide Krankheitserscheinungen boten, wenn sie längere Zeit der Sonne ausgesetzt wurden. Skorbut. Affanassieff beschrieb einen Kapselkokkus, den er im Eiter bei - 9—10 Skorbutfällen fand -und als spezifischen Erreger ansah, weil er bei Kaninchen „manchmal recht bedeutende“ Blutungen im Unterhautbinde- gewebe hervorrief. Andere Autoren glaubten in Bakterien, die offenbar zur Gruppe der Erreger der hämorrhagischen Septikämie gehörten, das spezifische Virus gefunden zu haben. Bestätigungen dieser Befunde stehen noch aus, sodaß man zu einem abschließenden Urteil keineswegs be- berechtigt ist. Ob der Skorbut überhaupt eine Infektionskrankheit ist, muß als sehr zweifelhaft bezeichnet werden. Nur wenige Forscher halten heute noch an der Möglichkeit einer infektiösen Entstehung fest. Anscheinend ist auch diese Krankheit den Avitaminosen zuzurechnen. Literatur. Anderson und Goldberger, Public Health Reports, 1911. — Journ. of the amerie. med. assoc., 1911. Canon und Pielicke, Über einen Bazillus im Blute von Masernkranken. Berliner klin. Wochenschr., 1893. Zlatogorof, Zur Mikrobiologie der Masern. Zentralbl. f. Bakt., Bd. 37, 1904. Zeiss, Die experimentelle Masernübertragung. Ergebn. d. inn. Med. u. Kinderheil- kunde, Bd, 20, 1921. Blake und Trask, Journ. of experim. med., Bd. 33, 1921. Degkwitz, Über Versuche mit Masernrekonvaleszentenserum. Zeitschr. f. Kinderheil- kunde, Bd. 25 u. 27, 1920. — Deutsche med. Wochenschr., 1922. Slawyk, Bakteriologische Blutbefunde bei infektiös erkrankten Kindern. Jahrb. f. Kinderheilk., N. F., Bd. 3, 1901. Jochmann, Bakteriologische und anatomische Studien bei Scharlach mit besonderer Berücksichtigung der Blutuntersuchungen. 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Die Fadenpilze (Hyphomyzeten oder Eumyzeten), vielfach auch als Schimmelpilze im weiteren Sinne bezeichnet, sind chlorophyll- freie niederste Pflanzen, die in der Natur außerordentlich weit verbreitet, vielfach saprophytisch auf totem organischen Material vorkommen. Sie -sind überaus anspruchslos, denn sie wachsen auch bei Gegenwart von sehr wenig Nährmaterial und bei minimalem Wassergehalt. Fadenpilze kommen parasitisch auch bei lebenden Pflanzen und Tieren vor und verursachen zum Teil krankhafte Veränderungen, so der Brandpilz, der Mutterkornpilz, der Rostpilz des Getreides, die Muskardine der Seiden- ‚raupen. In der menschlichen Pathologie spielen sie hauptsächlich als Erreger von Hautkrankheiten eine Rolle. Die Fadenpilze sind große Zellen von 2—10 ». im Querdurch- messer, die zu langen Fäden auswachsen. Sie haben wie alle Pflanzen- zellen eine deütliche, doppelt konturierte,. zellulosehaltige Membran, innerhalb deren das Protoplasma liegt. Dieses enthält bei vielen Arten Pigmentkörnchen, Vakuolen, Fetttröpfchen, aber niemals Amylumkörn- chen. Die Frage des Kernes ist insofern noch umstritten, als es nur bei wenigen Arten gelungen ist, einen ähnlich differenzierten Kern nach- zuweisen, wie wir ihn bei den Zellen der übrigen. Pflanzen und der Protozoen finden. Durch einseitiges Längenwachstum der Zellen kommt - es zu Faden- oder Hyphenbildung. Es entsteht ein weit verzweigtes Fadengewirr, Thallus genannt, innerhalb dessen man einzelne, durch Querwände geteilte Glieder unterscheiden kann. Vor Beginn der Fruk- tifikation besteht das gesamte Myzel aus einer einzigen Zelle, die keinerlei Querteilung, dafür aber Astbildung und Brückenbildung zwischen den einzelnen Fäden aufweist. Die Fäden differenzieren sich nach ihrer Funktion in die der Ernährung dienenden und die zur Fortpflanzung bestimmten Hyphen. Man bezeichnet die ersteren als Fadenmyzelien oder Mutterböden, während die letzteren Fruchthyphen genannt werden. An den Fruchthyphen befinden sich die der Arterhaltung dienen- den Sporen, die mit einer sehr derben Membran versehen und daher sehr gut gegen äußere Einflüsse, namentlich gegen Austrocknung ge- en Bedeutung der Fadenpilze und Sproßpilze. 1307 schützt sind. Werden Sporen auf ein geeignetes Nährmedium gebracht, so wachsen sie zu länglichen Zellen, den sog. Keimschläuchen, aus, durch deren Vermehrung wiederum verästelte Pilzfäden mit neuen My- zelien entstehen. Bei manchen Fadenpilzen entwickeln sich aus den Sporen keine Myzelien, sondern nur Sprossen, ähnlich wie bei den Hefezellen, und aus den Sprossen Tochtersprossen, die dann zusammen einen Verband, das sog. Sproßmyzel, bilden. Bei manchen Arten, den Monilien und Oidien, kommt neben Sproßmyzel auch Fadenmyzel vor. - Beim Wachstum können die Fadenpilze in die Nährmedien, auf denen sie schmarotzen, tief eindringen und dabei nicht selten große - Widerstände, z. B. Zellwände lebender Pflanzen, durchbohren und das Innere der Zellen durchwachsen. Bei dieser Energieentfaltung werden sie durch ‘besondere Organe, die Kletter- und Haftvorrichtungen unterstützt. Die Kletterorgane stellen gekrümmt verlaufende Fäden (Stolone) dar, die an den Berührungsstellen des Nährbodens ein Faden- geflecht bilden, das mit Wurzeln verglichen werden kann. Die Haftorgane sind Ausstülpungen des Protoplasmas und werden, da sie auch Nahrungs- zwecken dienen, auch Saugorgane oder Haustorien genannt. Die Myzelfäden sind bei manchen Arten nur locker miteinander verschlungen, bei anderen aber verfilzt und zu einer festen Haut, der Myzelhaut, verbunden. Bei manchen Schirmmelpilzen kommt es sogar - zur Entstehung von knollenartigen Gebilden mit Mark- und Rindenschicht. Derartige Myzelien werden auch als Sklerotien bezeichnet. Die Fruktifikation ist entweder — bei den niederen oder algenähnlichen Schimmelpilzen — eine geschlechtliche durch Bil- dung von ÖOosporen und Zygosporen oder — bei den höher organisierten Arten — eine ungeschlechtliche durch Sporen- bildung. Die Art der Sporenbildung ist verschieden und nebst der . kulturellen Eigenart das wichtigste Unterscheidungsmerkmal der einzelnen Pilzarten. Die Sporen entstehen entweder endogen, d. h. im Innern der Myzelfäden — Endosporen —, oder sie sind Ausstülpungen der Frucht- träger — Ektosporen oder Konidien. Die Bildung der Endosporen findet in den sog. Sporangien statt, besonderen, für die Entwicklung der Sporen ausgebildeten Zellen. Es kommt zu einer Verdickung der Endzelle eines Fruchtfadens und, - sobald diese ein bestimmtes Stadium erreicht hat, durch Teilung zu einer Abgrenzung einzelner kleinerer Kugeln im Protoplasma, die ‘nun Endosporen oder Gonidien genannt werden. Die sporenhaltige Zelle nennt man Askus oder Sporangium. Die Bildung der sog. Konidien erfolgt an den Endgliedern der Fruchtfäden durch Abschnürung, verbunden mit Querteilung besonderer Träger für die Sporen. Die an dünnen Stielen sitzenden Konidien- träger werden als Sterigmen bezeichnet. Sehr ähnlich der Konidien- Fruktifi- - kation. bildung ist die Entstehung der sog. Oidien, wobei die Fruchtfäden zer- fallen und so die Sporen liefern. Von Chlamydosporen spricht man. wenn sich Verdickungen an den Myzelfäden bilden, die als spindel- förmige Gebilde unter Zugrundegehen der Verbindungsstücke der. Hy- phen frei werden. Die Kultur der Fadenpilze gelingt fast nur bei Gegenwart von freiem Sauerstoff. Die Wachstumstemperatur liegt zwischen O0 und 37°C. Sie gedeihen am besten bei leicht saurer Reaktion des Nährbodens. Aber Züchtung. Pathogenität. ‚haltige Gewebe ist in vielen 1308 72. Vorlesung. auch auf Medien mit alkalischer oder stark saurer Reaktion und auf einem wasserarmen Nährboden kann ein üppiges Wachstum erfolgen. Zur Untersuchung ist zunächst das ungefärbte Präparat (hän- gender Tropfen) heranzuziehen. Man überträgt kleine Mengen des pilzhaltigen Materials in Wasser, dem zur Hälfte Glyzerin zugesetzt werden muß, weil sich die Schimmelpilze in reinem EIER Wasser schlecht verteilen. Zu- nächst orientiert man sich mit Hilfe einer schwachen Vergrößerung des Mikroskops über die Anordnung des My- zels, der Fruchthyphen und der Sporen und prüft dann die feineren Einzelheiten mit einem stärkeren Trockensy- stem. Zur Herstellung gefärb- ter Präparate eignen sich besonders die @ram-Färbung Fig. 201. und die Weigertsche Fibrin- färbungsmethode. Für pilz- Konidienbildung mit Sterigmen. (Nach Plaut.) Fällen eine Vorbehandlung mit einer schwachen Anti- forminlösung empfehlenswert. Als pathogene Vertreter der Fadenpilze sind besonders wichtig die Erreger des Fa- vus, der Trichophytie, der Mikrosporie, der Pity- riasis versicolor, desSoor und der Sporotrichose. Auch Schimmelpilze im engeren Sinne — Asper- eillazeen und Mukorazeen — können unter Umständen Krankheitsprozesse bedingen. Die Aspergillusarten un- terscheiden sich in Kulturen von den Mukorarten (Taf. 109, Mucor racemosus. Sporangienbildung. (Nach Plaut.) Fig.1.u.2) dadurch, daß die Sporen durch Bildung von Konidien (Fig.200) hervorgebracht werden, wäh- rend die Mukorarten Sporangien bilden (Fig. 201). Die Konidien werden häufig von kurzen Stielen, sog. Sterigmen, getragen. Die Endzelle der Hyphen, an der sich die Sterigmen ansetzen, pflegt dabei stark ver- dickt zu sein. Bei den Oidiumarten fehlen sowohl Sterigmen wie ver- dickte Endzellen, die Sporen werden durch Zerfall der Fäden frei. In künstlichen Kulturen pathogener Schimmelpilze und ebenso auf der . unreinen Haut finden sich viele Involutions- und Degenerationsformen, die die ältesten Individuen repräsentieren und oft sehr bizarr sind, z.B. große Blasen etc. darstellen. E ; £. . 3 MM. : 5 ; : , Bedeutung der Fadenpilze und Sproßpilze. 1309 ‘Die bei Favus, Herpes tonsurans und Pityriasis versicolor gefundenen Pilze, Achorion Schönleinii, Trichophyton tonsurans und Mikrosporon furfur, weisen verhältnismäßig geringe Unterschiede auf. Zudem kommt es, worauf schon seit längerer Zeit namentlich Plaut aufmerksam gemacht hat, zur Bil- dung von zahlreichen Varietäten bei diesen Pilzen. Da die letzteren wenig charak- teristische Merkmale bieten, ist eine so präzise, Trennung und Beschreibung der einzelnen Arten, wie wir sie für pathogene Bakterien und pathogene Protozoen in . den früheren Kapiteln dieses Buches gegeben haben, bei diesen Pilzen nieht möglich. "Wir müssen uns deshalb auf die Besprechung der wichtigsten Punkte beschränken und Leser, die sich auch über die weniger konstanten Eigenschaften der einzeluen Pilze näher orientieren oder di@ verschiedenen ‘Arten genauer bestimmen wollen, auf Spezialwerke verweisen. Favus. Der Favus, auch Tinea favosa oder Erbgrind genannt, ist eine Hautkrankheit. die vorwiegend die behaarten Stellen des Körpers, namentlich die Kopfhaut, befällt, sich gelegentlich aber auch über den sanzen Körper verbreitet. Favus kommt bei Menschen und Tieren, - unter letzteren namentlich bei-Mäusen. Kätzen und Hunden, seltener bei Pferden und Eseln vor. Die Krankheit ist ansteckend und wird . dureh Berührung von Mensch zu Mensch, aber sehr häufig auch vom Tier auf den Menschen übertragen. Auch an den Nägeln kommt es ‚gelegentlich zu Einwanderungen des Pilzes. Die’Nägel weisen Einlage- rungen auf oder sind in toto verdickt. Als Erreger des Favus des Menschen wurde im Jahre 1839 von Sehönlein der nach ihm von Remak Achorion Schönleinii benannte Schimmelpilz entdeckt. Remak infizierte sich selbst mit Erfolg durch Übertragung der Kultur. 1830 stellte Bennet den Mäusefavus fest. St. Cyr beobachtete zuerst Favus bei Katzen, Hunden und Kaninchen. Die schwefelgelben, grauen oder weißen Schuppen und Borken der Haut, die den Krankheitsprozeß charakterisieren, bestehen aus Pilzen und gruppieren sich meist um ein Haar. Entfernt man dieses, so hängt an ihm eine kleine Hautschuppe, die wegen ihrer Gestalt Skutulum (= Schüsselchen) genannt wird. Das Skutulum ist häufig von einem Haar durchbohrt, hat eine charakteristisch schwefel- oder stroh- - gelbe Farbe (Lesser) und enthält eine Reinkultur des Favuspilzes, die auch die Haare ganz durchwachsen kann. Das Myzel liegt am Rande der Schuppen, während die Sporen sich in der Mitte ansam- “meln. Wenn man ein solches Hautschüppchen untersuchen will, bringt man es am besten in 10—15proz. Natronlauge, weil in dieser die Pilzelemente von den gequollenen - Zellen besser differenziert werden können. Recht charakteristische Bilder erhält man, wenn man ein Schüppchen, an einem Deckglas haftend, in eine kleine feuchte Kam- mer . (hohlgeschliffener Objektträger) bringt. Von dem Schüppchen wachsen in 18—24 Stunden nach allen Seiten die Fruchthyphen aus, die von zahlreichen Sporen umgeben sind (Fig. 202). Der Pilz läßt sich verhältnismäßig leicht züchten, besonders wenn man ihn auf stickstoffreiche Nährböden bringt und bei Körpertempe- ratur hält. Er wächst-auch bei niederer Temperatur auf Gelatine und verflüssigt diese. Auf Agar bilden sich weiße Kolonien mit Myzel und Sporen. Grawitz wies nach, daß die früher mit dem Triche- phyton identifizierten Pilze sich von den Erregern des Herpes tonsurans auch in Kulturen unterscheiden. "Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. St Achorion Schönleinti. Krankheits- bild. 1310 72. Vorlesung. Zur Gewinnung der Reinkulturen des Pilzes empfiehlt es sich, Teile der mit sterilem Quarzsand verriebenen Skutula im neutralem Agar zu verteilen, der zu Platten gegossen wird. Von den nach 48 Stunden entwickelten Einzelkolonien wird eine kleine Menge abgeimpft und auf einen von Sabouraud ängegebenen Nähr- boden übertragen, der auf 100 ccm destillierten Wassers 4'0 Maltose, 2:0 Pepton und 1°5 Fucus erispus enthält. Auf diesem Nährboden läßt sich der radiär gefaltete „Menschenfavuspilz“ durch seine gelblich-wachsartige Farbe („Wachstypus“) von dem „Mäusefavus“, der ein hohes weißes oder rötliches Luftmyzel hat („Flaum- typus“), unterscheiden. Der Pilz ist gegenüber Erwärmung, chemischen Desinfektions- mitteln, schwefliger Säure, Alkohol, ätherischen Ölen usw. sehr wenig Fig. 202. Favus-Skutulum, in feuchter Kammer. gehalten. (Nach Plaut.) resistent. - Daß er als Saprophyt vorkommt, ist bisher nicht sicher nachgewiesen. ö Es gibt eine große Anzahl von Varietäten des Favuspilzes, deren Charakteristika aber nicht konstant sind, da sie sich durch Züchtungs- verfahren und Übertragung auf verschiedene Tierarten abändern lassen. Trichophypytie. Die Trichophytie ist eine Fadenpilzkrankheit, die sich vorwiegend als Haarkrankheit, hauptsächlich am Kopf- und Barthaar entwiekelt. Sie tritt entsprechend der häufigsten Ansteekungsart beim Rasieren als sogenannte Bartflechte meist im Gesicht und am Hals auf, nicht Bedeutung der Fadenpilze und Sproßpilze. 1311 selten entstehen aber durch Übertragung der Pilze vom Gesicht aus auch Krankheitsherde an den Händen und den Nägeln. Bei der oberflächlichen Form, die als Herpes tonsurans maculosus, squamosus und vesiculosus bezeichnet wird, bilden sich nach der Schilderung von Buschke und Plaut mehr oder weniger zahl- reiche, anfangs unscheinbare, rote, etwas erhabene, juckende Flächen, die schnell zu entzündlichen schuppenden Kreisen oder Ringen (soge- nannten herpetischen Ringen) auswachsen. Beim Zusammenlaufen benach- harter Ringe entstehen guirlandenartige Figuren. Je nach der Heftigkeit der Entzündungsvorgänge ist die Randzone nur gerötet oder mit Bläschen bedeckt. An den Händen hat der Krankheitsprozeß mehr das Aussehen eines Ekzems, doch ist der kreisförmige Bau der Herde auch hier meist deutlich zu erkennen. ” A Die tiefen Formen der Trichophytie, für die der Name Syeosis parasitaria gebräuchlich ist, entstehen durch Infektion der Haarfollikel. Es kommt zu einer multiplen. Vereiterung der letzteren ‚mit heftiger Entzündung der ganzen erkrankten Partie. Die Haare der befallenen Gebiete brechen leicht ab und haben einen trockenen, weißlichen, matten Überzug, der staubförmig aufliegt. Später bilden sich Pusteln, :knotige Verhärtungen der Haut und tiefe Vereiterungen, bei sehr akutem Verlauf große knollige Geschwülste mit reichlieber eitriger Absonderung aus Fistelöffnungen. | £F Die Kopf- und Nageltrichophytien sind im Vergleich zur Bart- 'triehophytie sehr selten. Die am Rumpf und an den Extremitäten auf- tretenden Trichophytien sind meist durch Übertragung bestimmter Varietäten der Pilze von Tieren aus bedingt. ' Als Erreger der Krankheit wurde im Jahre 1845 von Gruby und Malmsten ein Pilz entdeckt, der den Namen Triehophyton tonsurans ‚erhalten hat. Später stellte sich heraus, daß die Trichophytiepilze eine Gruppe verschiedener Varietäten bilden, die oft nur von Fachgelehrten auf Grund feinerer kultureller Charakteristika zu dif- - ferenzieren sind. Ein Teil dieser Trichophytiepilze ist tierischen Ursprungs: So kommen z. B. das Trichophyton equinum, granulosnm, radiolatum usw. - bei Pferden vor und werden von diesen auf den Menschen übertragen. Andere Arten wieder sind von vornherein als humane Typen zu betrachten. Die animalen Typen trifft man häufiger auf dem Lande, die humanen Typen mehr in den Städten an. Die Verbreitung der einzelnen Varietäten der Trichophytiepilze ist in den einzelnen Ländern und Städten sehr verschieden. Der große Krieg hat allerdings, _ wie wir aus den eingehenden Studien W. Fischers wissen, eine starke Verschiebung der früheren Verhältnisse mit sich gebracht. Die große Ausbreitung der Trichophytie, die nicht nur im Heere, sondern infolge Einschleppung der Pilze durch Kranke und Beurlaubte auch im Heimatsgebiete während des Krieges auftrat, war zum großen Teil durch Pilzvarietäten bedingt, die in Deutschland früher gar nicht oder nur äußerst selten beobachtet wurden und auf Belgien und Nordfrankreich als Ursprungsgebiet hinwiesen. Je nach der Sporengröße unterscheidet man großsporige und kleinsporige Trichophytiepilze. Die um die Haarfollikel gela- gerten Sporen sind einesteils. Ektosporen, andernteils Myzelsporen. Die ersteren sitzen meist an Sterigmen und sind kleiner und runder als die ovalen Sporen, die durch Zerfall der Myzelfäden frei werden. Auch Chlamydosporen kommen vor. Die Myzelien wachsen in der Längs- 84 * Ätiologie. 1312 72. Vorlesung. richtung in der inneren Wurzelscheide des Haares und dringen auch in die Haarsubstanz selbst ein. Die Trichophytiepilze lassen sich im Gegensatz zu. den Favus- pilzen bei 20— 24°C ebenso gut kultivieren wie bei en Sie wachsen auch auf stickstoff- | | “ armen Nährmedien gut, wenn Fig. 203. ihnen genügend Kohlehydrate zur Verfügung stehen. Gela- tine wird verflüssigt. Auf Agar entstehen sternförmige Kolonien mit vielen langen: strahlenförmigen Ausläufern. Das Zentrum ist später krater- förmig vertieft, bei manchen Arten aber auch spitz oder knopfförmig erhaben. Die Ober- fläche der Kultur ist oft mehl- RR; i artig bestäubt, mitunter wird en auch ein watteähnliches Luft- N myzel gebildet. Die Kolonien nehmen eine ‚gelbe, rötliche, violette, braunrote oder braunschwarze Farbe an. Von den eben geschilderten Arten sind die tavasahnlichen. Trichophytiepilze zu trennen. Diese bilden Kulturen, die den Fa- Fig. 204. Sporenbildung bei dem Trichophytonpilz. Sporenbildung bei dem Mikrosporonpilz. vuskulturen sehr ähnlich sind und diesen auch biologisch dadurch nahe- stehen, daß sie auf stickstoffarmen Nährböden, die kein Pepton ent- halten, nicht wachsen. Die favusähnlichen Trichophytiepilze werden auch als Kerionpilze bezeichnet, weil durch sie das sog. Kerion Celsi er- zeugt wird. Durch Entzündung vieler nahe gelegener Haarfollikel, die - _ Bedeutung der Fadenpilze und Sproßpilze. 1313 yon den Pilzen durchsetzt sind, entsteht eine kugelförmige Ver- dickung der Haut, aus der durch feine Kanäle eitriges Sekret abge- 'sondert wird. Das klinische Bild ähnelt der Sycosis parasitaria. Die Kerionpilze wachsen bei 37°C rasch und haben sowohl Myzelsporen wie Ektosporen. Sie bilden schneeweiße Kolonien mit einem PrO- tuberanzenähnlichen Strahlenkranz. Der Nachweis der Pilze durch .das mikroskopische Präparat gelingt beı oberflächlichen Formen der Barttrichophytie leicht in den Hautschuppen und Randhaaren der kreisförmigen Krankheitsherde. Vor der Untersuchung wird das Material in 10Oproz. Kalilauge oder 30proz. Antiforminlösung aufgehellt. Bei der tiefen Form (Sycosis parasitaria) und bei der Körpertrichophytie sind — bei letzterer in den Haut- schuppen — in der Regel nur wenige Pilze ERARIER; sodaß oft nur ‚das Kulturverfahren zum Ziele führt. Bemerkenswert ist noch, daß bei Trichophytie nach der Einsprit- zung spezifischer Antigene allergische und immunisatorische Zustandsänderungen des Organismus eintreten, die den analogen Folgeerscheinungen der Tuberkulineinverleibung bei Tuberkulösen völlig entsprechen. Das nach Art der Tuberkulinherstelluig aus den Tricho- - phytiepilzen gewonnene Trichophytin (Bruck, Bloch) ruft bei kutaner, . intrakutaner, subkutaner usw. Einspritzung je nach der Dosis und dem jeweiligen Empfänglichkeitszustand-des Kranken nicht nur eine Stich- reaktion und Ilerdreaktion, sondern auch eine Allgemeinreaktion- hervor. Letztere besteht in Fieber (bis 40°C und mehr), allgemeiner Abgeschla- genheit, Beteiligung des Lymphdrüsenapparates und in einer polynu- ' kleären neutrophilen Leukozytose mit gleichzeitiger Lymphozytenvermin- derung. Die gleiche Blutveränderung wird übrigens nach den Unter- suchungsbefunden von Miescher u.a. bei tiefer Trichophytie auch sonst . regelmäßig beobachtet. Die Trichophytinreaktion kann außer ihrer therapeutischen Verwertung (s.u.) in der Hand des Geübten bei den tiefen Formen der Krankheit auch diagnostisch wertvolle Dienste leisten. Bei den durch tierische Pilze verursachten Trichophytien, kommt es zu einer heftigeren Umstimmung und rascheren Immunisierung, als bei den geringer reagierenden und hinsichtlich der Krankheitsdauer prognestisch ungünstigeren humanen Formen. - - Die Übertragung. der Trichophytie erfolgt durch Verstreuung der pilzbehafteten Hautschuppen. Die oberflächlichen, stärker schuppenden Triehophytieformen sind deshalb besonders ansteckend. In erster Linie kommt es zur Weiterverbreitung der Pilze in Barbier- und Haar- schneidestuben durch Instrumente, Tücher und unsaubere Finger Über- tragung. des Personals, in Massenquartieren und Kasernen auch durch gemein- sam benutzte Kleidungs- und Gebrauchs sgegenstände, Kopf- kissen, Decken, Halsbinden, Wachtmäntel usw. Die Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Weiterverbreitung der Infektion ‘ werden nur dann wirksam sein, wenn es gelingt, möglichst bald alle Erkrankungs- fälle bei Menschen und bei Tieren aufzufinden und einer sachgemäßen Be- . handlung zuzuführen. Durch abschließende Verbände muß der Pilzverstreuung entgegengewirkt werden. Weiterhin ist die strenge ärztliche Überwachung der mit 'Rasieren und Haarschneiden beschäftigten Personen besonders wichtig. Es ist für regelmäßige sorgfältige Desinfektion der Rasier- und Haarschneideinstrumente (z. B. Prophylaxe und Therapie. Eczema marginatum. 1514 72. Vorlesung. durch Abreiben mit Spiritus oder Karbollösung oder durch Einlegen in 5 proz. ‚Wasserstoffsuperoxydlösung) und der Hände des Personals zu sorgen. Rasierpinsel sind zu verbieten, ebenso der gemeinsame Gebrauch von Haarschneidemänteln, Rasiervorstecktüchern und Handtüchern. Wenn nicht Papiertücher für den Einzel- gebrauch verfügbar sind, soll sich jeder zum Haarschneiden und Rasieren sein eigenes - Handtuch mitbringen oder sich mit seinem Taschentuch abtrocknen. Wenn möglich, - soll der Rasierte den Zipfel seines Hand- oder Taschentuches mit 2 proz. dena _ turiertem Salizylspiritus befeuchten, der vom Barbier vorrätig zu halten ist, und damit ohne vorherige Wasserwaschung- das Gesicht abtupfen und den Spiritus ver- dunsten lassen. Die Barbiere sind über das Aussehen und die Übertragbarkeit der Bartflechte zu belehren und mit strenger Anweisung zu versehen, daß sie Leute mit verdächtigen Krankheitserscheinungen nicht rasieren dürfen. Die Behandlung des Leidens besteht. bei den oberflächlichen Formen zunächst in Pinselungen mit Jodtinktur oder 2 proz. Salizylspiritus zwecks Fixierung und Abtötung der oberflächlich sitzenden Pilze. Wenn einige Tage hindurch-alle erkrankten Hautbezirke gepinselt sind, geht man zur Anwendung von 3—5 proz. Naphtolvaseline oder 10—20 proz. Schwefelsalbe über. Die Pilzverstreuung ist durch abschließende Verbände zu verhüten. Da auch in den frischen, oberflächlichen Krankheitsherden meist schon die Haare infiziert sind, soll man .sie mit der Zilien- pinzette von vornherein herausziehen, weil sonst nach anscheinender Heilung Rück- fälle auftreten. Bei den tiefen Formen leisten heiße Breiumschläge oder feuchte Umschläge mit essigsaurer Tonerde, Resorzinlösung usw. gute Dienste.. Hier ist auch die Behandlung mit Röntgenstrahlen zur Abstoßung der erkrankten Haare und zur Rückbildung . der Infiltrate empfehlenswert. Abszesse und größere Vereiterungen sind chirurgisch mit dem Paquelin oder durch Spaltung. mit nachfolgender Aus- kratzung zu. behandeln, weil oft im Granulationsgewebe Haarstümpfe als Fremd- . körper die Eiterung unterhalten (Buschke und Plaut). Über die Leistungen der . Vakzinetherapie gehen die Ansichten der Autoren noch auseinander, obwohl die Anwendung des Trichophytins von Bruck und ebenso des besonders von Bloch empfohlenen polyvalenten Mischpräparates Trichon zahlreiche Fürsprecher gefunden hat. z Als besondere Krankheiten sind das Eczema marginatum und die Tinea imbricata aufzufassen. Das Eezema marginatum entwickelt sich an bestimmten Prä- dilektionsstellen, an denen die Haut durch Schweiß oder Sekrete leicht- mazeriert wird, in den Kniekehlen und Achselhöhlen, in Hautfalten, z. B. an den Brüsten, am After, an den Genitalien, zwischen den Zehen etc. Es bilden sich entweder rote, diffus schuppende, runde Herde, die vielfach in‘ der Mitte abheilen und zu guirlandenartigen Figuren anwachsen, oder richtige herpetische Flecke. Der Krankheitsprozeß dehnt sich unter Entzündung und Jucken manchmal schnell über große Teile der Körperoberfläche aus, oft besteht er in milderer Form jahrelang. Das Gesicht wird nie befallen. Der diese Mykose verursachende Pilz, das Epidermophyton inguinale (Sabouraud), ist von den anderen Trichophytiepilzen zu differenzieren; in der Kultur treten reichlich kolbige, sehr charakteristische Spindelsporen auf; das Myzel zeigt eine große Neigung zur Entartung (Plaut). En Die Anwendung von Bädern und feuchten Umschlägen führt, da die feuchte Wärme die Entwicklung der Pilze begünstigt, in Kranken- häusern mitunter zu einer epidemischen Ausbreitung der Krankheit, die, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt wird, recht lästig werden kann und nur durch Einschränkung der hydrotherapeutischen Behandlungs- arten und gründliche Desinfektion der Bade- und Waschräume sowie der Wäsche zu beseitigen ist. Die Behandlung des Leidens deckt sich im allgemeinen mit der der anderen oberflächlichen Hauttricho- phytien. 2 = Ei k £ de Fe Bedeutung der Fadenpilze und Sproßpilze. 1315 In tropischen Ländern gibt es verschiedene Hautaffektionen, die dem Eczema marginatum klinisch sehr ähnlich sind und ebenfalls durch besondere Varietäten der Triehophytiepilze verursacht werden. Die am längsten bekannte Form dieser tropischen Mykosen ist die an der Südsee heimische Tinea imbricata, über die zuerst Manson und Koch Näheres berichtet haben. In manchen Ortschaften, z.B. auf Neu-Guinea, ist sie so verbreitet, daß fast alle Bewohner befallen sind. Bei ihr bilden sich auf der Haut, besonders an Rücken, Brust, Bauch und Schultern große, konzentrisch angeordnete Flecken, deren Schuppen sich dachziegelförmig decken. Die behaarte Kopfhaut bleibt frei, überhaupt dringen die Pilze nicht in die Hant ein. Mikrosporie, imbricata. Eine besondere Trichophytieform, die fast nur bei Kindern vor- kommt, bei Schülern oft epidemisch auftritt und daher meist „Schüler- trichophytie“ genannt wird, wird durch einen kleinsporigen Pilz verursacht, der von Gruby zu Ehren von Audouin Mikrosporon Audouini genannt wurde. Auch bei Tieren finden sich Varietäten dieses Pilzes (Mikrosporon equinum, felineum etce.). Die Mikrosporiepilze bilden eine Art Ubergang zwischen Favus- und großsporigen Trichophytiepilzen und sind heute von der Mehrzahl der Dermatologen als selbständige Pilze anerkannt, ‚die eine besondere, bei fehlender Behandlung sehr chronische Erkrankung hervorrufen. Diese Krankheit, die Mikrosporie, war zuerst in London ‚und Paris festgestellt, ist aber seither auch an vielen anderen Orten beobachtet und jetzt z. B. in Hamburg nach Plaut die häufigste aller 'Dermatomykosen. Ihre Kontagiosität wird vielfach überschätzt. Mit der Pubertät pflegt die Affektion zu verschwinden. Sie ist auf Erwachsene und auf Tiere wenig oder gar nicht “übertragbar. Die Haare sehen wie mit Asche bestaubt aus. Das wird bedingt durch Hautschuppen und Haarstümpfe, an deren Oberfläche die Sporen der Pilze haften, während die Myzelien das Haar durchwachsen. Die befallenen Hautstellen sind wie bei Herpes tonsurans ringförmig begrenzt, zunächst ohne Entzündungserscheinungen, aber juckend. Das Mikrosporon: Audouini bildet ‘ein häufig segmentiertes Myzel mit bambusartigen Anschwellungen, aus denen Chlamydosporen - entstehen. Außerdem kommen regelmäßig große Mengen von sehr kleinen Ektosporen vor. Das Wachstumsoptimum liegt bei 25°C, bei höheren Temperaturen bilden sich Involutionsformen. Die Sporen sind nicht sehr resistent, sie werden durch die üblichen Desinfektionsmittel in kurzer Zeit getötet. In den abgefallenen Haaren und Schuppen halten sich die Pilze etwa ein Jahr lebensfähig. _ Die Reinkulturen der Pilze zeigen ein ziemlich charakteristisches Verhalten: es entsteht nach 1—-2 Wochen ein niedriger, sammetartiger Saum mit zentraler Knopfbildung (Plaut), von dem in ziemlich regel- mäßigen Abständen radiäre Falten nach der Peripherie der Kolonie gehen. Das Mikrosporon Audouini weist, wie fast alle pathogenen Schimmelpilze, in der Morphologie der Einzelindividuen und der Kolonien . große Pleomorphie auf, die meist durch geringfügige Unterschiede in der Zusammensetzung der Nährböden bedingt wird. Neben diesem Erreger der typischen Mikrosporie werden nicht selten auch verwandte Pilze, z. B. von Haustieren aus, auf den Menschen übertragen und rufen neben der geschilderten Haarinfektion gewöhnliche, dem Herpes tonsurans Mikrosporon Audouini, 1316 72. Vorlesung. sehr ähnliche Krankheitsprozesse hervor. Plaut unterscheidet folgende Arten dieser Pilze: ee re I. Mikrosporiepilze menschlichen Ursprungs: 1. Mikrosporon Audouini (s. S. 1315). 2. Mikrosporon velveticum. Klinisch und mikroskopisch wie Mikro- sporon Audouini. Kultur weißer, trockener und geschlossener als bei letzterem. Auf Tiere nicht übertragbar. 3. Mikrosporon umbonatum. Klinisch und mikroskopisch nicht von | .Mikrosporon Audouini zu unterscheiden, entwickelt sich sehr langsam und gleicht nach 4 Wochen einem antiken Schwertbuckel, ausgewachsen einer zarten Blumen- krone. Auf Tiere nicht übertragbar. - 4. Mikrosporon tardum. Weicht klinisch und mikroskopisch nicht von M. Audouini ab. Zwerghafte Kulturen im Vergleich zu letzterem. Die Kultur ist weniger hoch, der Flaum trockener, kürzer und dichter. Feine, parallel der Näbr- bödenoberfläche stage Randstrahlen. Auf Tiere nicht ODErIEaEDEN: II. En eoepneiepilne tierischen Ursprungs: 5. Mikrosporon lanosum. ’ 6. Mikrosporon felineum, letzterem nahe verwandt. Kultur ohne Vor- sprünge oder. Falten, erst grau, später bräunlich. Rapides Wachstum. 7. Mikrosporon equinum. Erzeugt nur flüchtige, kleine Hautherde bei Menschen. Kultur bildet auf Bierwürze einen ta. ockerroten Stern mit regel- mäßigen Falten. 8. Mikrosporon tomentosum, von Pelagatti bei Kopkmikapapahie beob- achtet. Lebhaft wachsende, nabelförmige, flaumige Kultur. 9. Mikrosporon fulvum, von Uriburi in Buenos-Aires beobachtet. Gleicht dem Mikrosporon lanosum, wächst rapid und nimmt einen gelblichen Ton an. 10. Mikrosporon villosum, von Minne beim Kind beobachtet. Fellartig, lebhaft wachsende Kultur mit graubräunlichem Ton. 11. Mikrosporon pubescens. Bildet feine, seidenförmige, lebhaft wachsende Kulturen. gefunden. Pityriasis versicolor. Die Pityriasis ist keine eigentliche Dermatomykose, wie Favus und Herpes tonsurans, denn die Pilze wachsen nicht wie bei den genannten Krankheiten in dem eigentlichen Gewebe der Haut und in den Haaren selbst, sondern auf der Oberfläche der äußersten Epidermisschichten. Plaut hat sie deshalb im Gegensatz zu den erstgenannten Krankheiten, die er als Dermatomykosen RRDERBER eine Saprophytie der Haut genannt. Bei Pityriasis bilden sich rotbraune oder hellbraune, wenig über die Haut erhabene schuppende Flecken, die von den Follikeln ausgehen und nach einiger Zeit konfluieren. Sitz der Erkrankung ist haupt- sächlich die Haut der Brust, des Bauches, der. Gelenkbeugen und der Achselhöhle, seltener die Haut am Hals, Oberarm und Oberschenkel, sehr selten die Gesichtshaut. Durch mechanisches Reiben lassen sich die Schuppen außerordentlich leicht entfernen. Die Krankheit ist sehr wenig ansteckend. Dies hat seinen Grund vor allem wohl darin, daß eine ganz bestimmte Disposition für das Zustandekommen dieser _ Saprophytie notwendig ist. Pityriasis findet sich fast nur bei Personen, die stark schwitzen, häufig z. B. bei Phthisikern und Diabetikern. 12. Mikrosporon Iris. In einer Dorfepidemie bei Mailand von Pasinı Bedeutung der Fadenpilze und Sproßpilze. | 1317 Der Erreger der Krankheit wurde im Jahre 1846 durch Eichstedt are sap entdeckt und von Robin Mikrosporon furfur genannt. Er steht dem Favuspilz morphologisch und kulturell sehr nahe. Charakteristisch für ihn sind die kolbigen Anschwellungen der zahlreichen Verzweigungen des Myzels. Die Pilze sind. sehr reichlich in den Pityriasisschuppen enthalten, sodaß durch ihren Nachweis die Differentialdiagnose gegen- über ähnlichen RI krankungen leicht erbracht werden kann. Pityriasis versicolor-Elemente auf Hautschuppen. (Nach Plaut.) Fig. 206. Sproßverband von Mikrosporen furfur auf Kartoffel. (Nach Piaut.) Sehr ähnliche Pilze finden sich bei Erythrasma, das sich mit ro» sro - Vorliebe an der Innenfläche der Oberschenkel entwickelt. Es bilden simum. sich hier größere Flecken (bis zu Handtellergröße), in deren Schuppen sich die Pilze finden. Die Pilze sind etwas kleiner als die vorigen und führen die Bezeichnung Mikrosporon minutissimum.' Soor. Der Soor ist in erster Linie eine lokale entzündliche Er- - krankung der Schleimhaut des Mundes (sog. „Schwämmchen‘“). Er wird durch den Soorpilz hervorgerufen und namentlich bei kranken Oidium albicans. 1318 72. Vorlesung. und schwächlichen Kindern beobachtet, bei Erwachsenen nur, wenn schwere Ernährungsstörungen vorliegen, z. B. bei Diabetes, schweren Typhuserkrankungen usw. Aber auch an anderen Stellen des Körpers, z.B. in der Vagina bei Schwangeren, an den Brustwarzen von stillenden _ Frauen, auf der Hautoberfläche von Säuglingen, kann sich der Soorpilz ansiedeln und Entzündung hervorrufen. Es entstehen kleine Plaques, die sich ausbreiten und dann leicht ablösbare Membranen bilden. Der weiße Soorbelag hat ein sammetartiges Aussehen und unterscheidet sich dadurch ohne weiteres von den Belägen, die bei Diphtherie und Skorbut der Wangen- und Rachenschleimhaut beobachtet werden (Taf. 109, Fig. 4. Der Verlauf ist meist gutartig, sodaß es nicht zur Allgemeinerkrankung, zu einer Soormykose kommt. Bei Mangel an geeigneter Pflege und Behandlung schreitet der Prozeß bei atrophischen Säuglingen und Kindern aber nicht selten, worauf Vörchow, Heller, Zenker, Grawitz und Stooß ‚hingewiesen haben, von der Mundhöhle aus auf die Schleimhaut des Larynx und Ösophagus, zuweilen sogar des Darmes fort; es kommt dann zu einer Allgemeininfektion, durch die der Tod der Kinder herbeigeführt werden kann. Der Soorpilz, Oidium albicans, wurde im Jahre 1839 von Langenbeck entdeckt und 1841 von-@Gruby und Berg näher studiert. Züchtungsversuche gelangen zuerst Grawitz im Jahre 1871. Die Unter- suchungen der späteren Zeit haben ergeben, daß verschiedene, sich botanisch nahestehende Pilze Soor hervorrufen können (Linossier und Roux, Fischer und Brebeck). Die Gruppe der Soorpilze umfaßt mehrere Arten, die wieder Varietäten bilden. Ihre Stellung im System der Mikro- organismen ist noch keineswegs geklärt. Einige Autoren wollen sie den Schimmelpilzen zurechnen, andere den Sproßpilzen. Man unterscheidet hauptsächlich 3 Arten von Soorpilzen, die er sporige, Gelatine verflüssigende, die kleinsporige, nicht verflüssigende und die Hefeform, bei der im Gegensatz zu den beiden ersten kein Myzel, sondern nur Sproßzellen vorkommen. Die Myzelfäden des Oidium albicans sind deutlich doppelt konturiert und erzeugen Sporen durch Oidienbildung. Die mit Sprossen ausgestatteten Zellen des Soorpilzes sind 5—6. lang. Die häufigste Art ist die großsporige, deren kulturelles Verhalten Plaut folgendermaßen beschreibt: Auf Gelatine und Agar wächst der Soorpilz oberflächlich als schneeweiße, mit Hefeglanz versehene Halbkugel, in den tieferen Schichten ist randständiger feiner Fadensaum sichtbar. Mikroskopisch zeigen die oberflächlichen Kolonien ein granuliertes Aussehen, die tiefer gelegenen einen unregelmäßigen Myzelstern. Die Bierwürzegelatineplatte bleibt zunächst fest, nach 3—4 Wochen -erweicht sie zuerst in der Umgebung der Kolonien, dann in toto. Eine richtige Verflüssigung findet nicht statt. Auf festen Nährböden nimmt der Soorpilz häufig von der Farbe des Nährbodens auf; so wächst er auf der Runkelrübe fleischfarben, auf Maltoseagar bräunlich (Taf. 109, Fig. 3) etc. Auf Noeggerrathscher Gelatine wächst er mit violetten Mittelreifen und weißen Ausbuchtungen. In der Stichkultur auf Gela- tine oder Agar entstehen die bekannten Kolonien von Baumcharakter (Fig. 207). In Flüssigkeiten kommt es nur ausnahmsweise zu Kahmhautbildung, in der Re- gel entstehen am Boden der Gefäße Pilzwucherungen von verschiedener, meist weißer Farbe. Die Soorpilze sind echte Gärungserreger, jedoch ist ihre Gär- wirkung im Vergleich zu der der Hefen gering. Es gibt Stämme, die überhaupt nicht gären. Dextrin, Mannit, Alkohol, Milchsäure, Glyzerin Bedeutung der Fadenpilze und Spreoßpilze. 1319 ‘werden ohne Fermentation verbraucht. Der Pilz vergärt Traubenzucker, Lävulose, Maltose. Saccharose wird ohne Invertbildung aufgezehrt. - Die botanische Unterscheidung der Pilze hat keinen besonderen klinisch-diagnostischen Wert, zumal sich bei einem und demselben Kranken verschiedene Varietäten finden können. In den Soormembranen, die anfangs auf entzündeter, in späteren Stadien auf geschwürig zer- ‚fallener Schleimhaut fest aufliegen, findet man. mikroskopisch Pilzfäden - mit Einlagerungen und Sproßzellen, daneben Plattenepithelien, Leuko- .zyten, rote Blutkörperchen und zahlreiche Bakterienarten, namentlich Streptokokken und Staphylokokken, die als Mischinfektionserreger zu betrachten sind. Bei Erwachsenen und Kindern kann umgekehrt Soor als Mischinfektionserreger im Verlaufe von Fig. 207. Streptokokken-Angina und Diphterie vor- N kommen (Taf 109, Fig. £) und chronischen Verlauf der Krankheit bedingen. Bei Tieren läßt sich eine eigent- liche Soorerkrankung experimentell nicht hervorrufen, wohl aber kann man Kanin- chen durch intravenöse Injektion von Soor- pilzen unter dem Bilde der allgemeinen Soormykose töten. Bei jungen Kälbern, Fohlen und bei Geflügel kommt Soor ge- —tegentlich spontan vor. Aspergillus-Mykose. Bei einigen Vögeln, aber auch beim Soorpile. ‘Menschen kommen gelegentlich Erkran- kungen der Lunge und der Bronchien, des inneren und äußeren Ohres, seltener der Nase, des Rachens und der Kornea, ausnahmsweise auch Allgemeininfektionen vor, die durch die "Ansiedlung einer Aspergillusart, nämlich des Aspergillus fumigatus, verursacht werden. Dieser Pilz bildet in künstlichen Kulturen ein Mvzel, das sich nach einigen Tagen grünlichschwarz färbt (Taf. 109, Fig. 7). Die Sporen werden durch Konidienbildung an Fruchtträgern erzeugt, deren Endglieder kugelförmig verdickt sind, und sitzen an kurzen Stielen (Sterigmen). Der Aspergillus fumigatus gehört zu einer großen Gruppe von Schimmelpilzen, die in feuchten Wohnungen, in Kellern und in Vorratskammern sehr häufig an den Wänden und auf Nahrungs- mitteln zu finden sind. Sie unterscheiden sich untereinander durch das in den Kulturen entstehende Pigment und werden als Aspergillus niger, flavescens etc. beschrieben. Aber auch Mukorarten, z. B. Mucor rhizo- podiformis (Taf. 109, Fig. 2), sind unter Umständen pathogen. Sporotrichose. Die als Sporotrichose bezeichnete Krankheit wurde als spezifische Infektion zuerst von den amerikanischen Forschern Schenck, Heetoen und Perkins erkannt. Diese stellten als Erreger einen Fadenpilz fest, den sie Sporotrichon Schenckii benannten. De Beurmann und Gougerot haben klinisch und ätiologisch die Erkran- kung weiter auch durch Tierversuche, Agglutinations- und Komplementbindungsreak- tion erforscht und von ähnlichen Krankheitsprozessen, namentlich von Syphilis und Tuberkulose abgegrenzt. Die am weitesten in Frankreich verbreitete Dermatomykose Krankheits- bild. 13520 72. Vorlesung. wurde auch in verschiedenen anderen europäischen Ländern, so in der Schweiz (Jadassohn, Bloch), in Deutschland (Wolf in Straßburg, Lesser- in Berlin), in Wien und anderen Orten festgestellt und als Sporotrichose beschrieben. Die menschliche Sporotrichose kann akut verlaufen, tritt aber häufiger in chronischer Form auf. Das Charakteristische ist die Bil- dung von kleinen Knoten in der Kutis oder Subkutis, die sich hart und elastisch anfühlen und indolent und mit der Unterlage nicht verwachsen sind. Sobald die an kleine Gummata erinnernden Tumoren im Verlaufe von 1—2 Monaten die Größe von 4—5 cm Durch- messern erreicht haben, zeigen sie Erweichung und Verwachsungen mit der Haut, brechen spontan nach außen durch und lassen schleimig-serösen, leicht gelblichen Eiter ausfließen. Die unregelmäßige Fistelöffnung hat zackige, nicht unterminierte Ränder und ist von einer ins Violette verfärbten, wenig infiltrierten Haut umgeben. Nach einiger Zeit. bilden sich an der Wand der Abszeßhöhle violettrote Granula- tionen. Die Abszeßhöhle klappt wie ein „leerer Sack“ zusammen. Starke Veränderungen finden sich vielfach an den Lymphgefäßen, die in derbe, fingerdicke Stränge verwandelt werden und oft gummaähn- liche Knotenbildungen aufweisen. In diesen entstehen Erweichungs- herde, die nach außen durchbrechen und durch Fistelgänge Eiter ab- sondern. Während die Knoten und die Hautveränderungen bei einer Anzahl von Sporotrichosefällen mehr den - syphilitischen Gummen gleichen, sind bei anderen Fällen die Hautveränderungen tuberkulösen . Geschwüren ähnlich. Das Allgemeinbefinden, die Temperatur und das Körpergewicht der Kranken sind auch bei längerem Bestehen der Sporotrichose nicht gegen die Norm verändert. Nur bei akut verlaufenden Fällen sind Fieber, Abmagerung und Prostration beobachtet worden. Die Lokal- ‚erkrankung verläuft dann in Form eines heißen Abszesses. Gelegentlich finden sich sporotrichotische Herde auch an den Schleimhäuten, am Diagnose. Periost und in den Muskeln. Mikroskopisch weist das Sporotrichon Schenckii ein Myzel mit zahlreichen Sporen auf (Taf. 110, Fig: 3). Die Fäden sind ungefähr 2u breit und bilden Geflechte mit Verzweigungen und Verbindungen. Die Membranen sind deutlich erkennbar. Die Zellen sind 30 —40 u, die Sporen 4—5 u. lang, 2—3 u. breit und vielfach gestielt. Reinkulturen des Sporotrichon lassen sich am besten durch Aus- saat von Eiter, der durch aseptische Punktion geschlossener fluktuie- render Sporotrichome gewonnen ist, auf Glykoseagar oder auf Maltose- agar (3—4°/, Maltose) oder Tr aubenzuckeragar (1—2°/,) erzielen. Werden die Röhrchen bei 30°C oder auch bei Zimmertemperatur aufbewahrt, so entwickeln sich langsam kleine, charakteristische Pünktchen. von denen nach ungefähr 8—12 Tagen ein kleiner Strahlenkranz ausgeht. Die Oberfläche fängt dann an Falten zu bilden, während das Zentrum einsinkt. Nach einigen Wochen tritt Pigment auf (Taf. 110, Fig. 2), zuerst in der Mitte, dann am Rande, bis die ganze Kolonie in ein schwarzes, nur am Rande weiß umsäumtes Pilzhäutchen verwandelt ist. Die von den einzelnen Kolonien später auf frischen Nährböden ge- wonnenen Reinkulturen wachsen rascher und üppiger. Manche Stämme . gedeihen besser bei RE tur (etwa 20° C) als bei Bruttem- Peratur- FR Bedeutung der Fadenpilze und Sproßpilze. 1321 Auffallend ist die Tatsache, daß es bisher nicht gelungen ist. den ‚die Sporotrichose verursachenden Fadenpilz in den Schnitten des Ge- webes oder in den zerfallenden Gewebsmassen oder in Ausstrichpräpa- raten nachzuweisen. Das. gleiche Verhalten von Fadenpilzen wird übri- gens, worauf Sabouraud aufmerksam gemacht hat, bei der im Korium lokalisierten Trichophytie gefunden. Legt man aber aus den sporo- trichotischen Krankheitsprodukten Kulturen auf geeigneten Nährmedien ' an, so entwickeln sich die Pilze in erheblichen Mengen. Mit Reinkulturen des Pilzes läßt sich bei verschiedenen Tierarten ein der menschlichen Sporotrichose ähnliches Krankheitsbild. erzeugen. Namentlich Ratten sind, wie Lutz, Splendore und Gougerot fanden, sehr empfänglich für die experi- - mentelle Sporotrichose, an der sie akut oder chronisch erkranken können. Aller- dings bildet das Auftreten von Hauterscheinungen keineswegs die Regel. Bei der akuten Form sterben die Ratten innerhalb 14 Tagen infolge Degeneration des Parenchyms der Niere. Die Pilze können aus Blut und Niere gezüchtet werden. Es handelt sich also um eine Sporotrichonseptikämie. Bei der chronischen Form kommt es zunächst zu einer Ansiedlung der Pilze und im späteren Verlaufe zu multiplen Abszessen in den inneren Organen und vor allem in den Hoden (Taf. 110, 'Fig.4), die stark geschwollen sind. Nach intraperitonealer Infektion treten die Hodenveränderungen konstant, und zwar nach ungefähr 14 Tagen auf. Im Peri- - toneum werden zahlreiche kleine Knötchen gefunden; im Samenstrang, Nebenhoden und Hoden sind die äußeren Schichten verdickt und verwachsen, in den Organen . selbst sind einzelnliegende oder konfluierende Herde mit zentraler Nekrose und Vereiterung nachweisbar. Mikroskopisch lassen sich in den sporotrichotischen Herden die längsovalen, kugeligen oder keulenförmigen Formen der Parasiten nachweisen. Auch die Kultur gelingt leicht und liefert zahlreiche Kolonien des Pilzes. Spontane Sporotrichose kommt bei Ratten vor (Lutz und Spiendore), ferner bei Hunden (Gougerot und Caveron), bei Pferden und Mauleseln (Carongeau). Die Erkrankung verläuft der mensch- lichen ähnlich und ist auch in ihren Symptomen (Schmerzhaftig- keit, Entzündung der Lymphgefäße) der ersteren ähnlich. Bei Ratten scheint sich die Krankheit speziell in Form der Hodensporotrichose zu vererben. Wenngleich manche Glieder in der Beweiskette, daß das Sporo- trichon der Erreger der geschilderten menschlichen Erkrankung ist, vielleicht nicht so fest sind, wie bei anderen Infektionskrankheiten, so spricht doch vieles für die alleinige ätiologische Bedeutung der Pilze. Zu diesen Beweismomenten gehören noch die Serumreaktionen. Das Serum von Sporotrichotikern zeigt in Verdünnungen 1:800 bis 1:1000 spezifische Agglutinationswirkung gegenüber den Sporen der Pilze und Komplementfixation gegenüber den Kulturen. Wichtig nicht nur für die Annahme der ätiologischen Bedeutung der Pilze, sondern auch für diagnostische Zwecke ist die Subkutireaktion und Intradermoreaktion, die mit den bei 120°C abgetöteten und verriebenen Reinkulturen der Pilze (1 Öse Pilze auf 10 ccm Kochsalz- lösung, davon !/, ccm subkutan bzw. '/, cem intrakutan) angestellt wird. Die Reaktion fällt bei Sporotrichosekranken positiv aus (Bloch, de Beur- mann, Gougerot). Ferner ist der Nachweis der Pilze im Blute der Kranken, der Widal und Weil glückte, ein Beweismittel für ihre patho- gene Wirkung beim. Menschen. Immerhin ist die ätiologische Forschung über diese interessante Krankheit noch nicht abgeschlossen. Auf Gräsern, Gemüse, Blättern und auf Tierkadavern sind dem : Sporotrichon sehr ähnliche Fadenpilze gefunden worden. Ob diese sapro- 1322 _ 72. Vorlesung. phytischen Keime indessen mit den bei Sporotrichose gefundenen identisch sind, ist noch nicht mit Sicherheit erwiesen. Die Sporotrichose des Menschen ist durch Jodkali zu heilen und hinterläßt anscheinend keine dauernden Schäden. Bedeutung der Sproßpilze. Die Sproßpilze oder Hefepilze (Blastomyzeten) sind dadurch charakterisiert, daß sich ihre Vermehrung vorwiegend durch Sprossen- bildung vollzieht. Sobald die Sprosse eine bestimmte Größe erreicht Fig. 208. Blastomyzeten in Reinkultur. hat, löst sich die so entstandene Tochterzelle von der Mutterzelle ab. Die einzelnen Zellen sind oval oder kugelig (Fig. 208) und haben eine doppelt konturierte Membram. Sie bleiben vielfach nach der Sprossung aneinander haften und bilden große Verbände, : Die Sproßpilze spielen in der Natur und in den Gewerben eine große Rolle als Erreger der Gärungsprozesse, die durch spezifische Blastomyzeten hervorgerufen werden. Die Trennung der einzelnen Arten und Varietäten ist aber außerordentlich schwierig. Rein morphologische Unterschiede sind entweder gar nicht vorhanden oder so geringfügig, daß auf-sie allein hin eine Einteilung nicht durchzuführen ist (Fig. 209 u. 210). Eine Trennung wird aber durch die Prüfung der biologischen Eigenschaften ermöglicht: zur Differenzierung dienen die Temperaturen, ‚bei denen die Gärung erfolgt, und die dabei auftretenden Produkte, ferner die Art der Bildung von endogenen Sporen und der Kahmhaut.£Die Bü ee Dal le nn lan Aa ui a i® 3 nl Ed u Aa du ae re Bedeutung der Fadenpilze und Sproßpilze. 1323 Züchtungstemperatur der meisten Hefepilze liegt zwischen 20 und 30° C. Sie entwickeln sich am besten auf neutralen oder leicht sauren Nähr- böden, vor allem, wenn diesen Zucker oder Bierwürze zugesetzt ist. Bei der Gärung zerlegen sie den Traubenzucker in Kohlensäure und Alkohol. In flüssigen Nährmedien erzeugen die meisten Arten auf der ‚Oberfläche eine Kahmhaut. Man unterscheidet obergärige und unter- . gärige Hefepilze. Die durch obergärige Pilze hervorgerufene Gärung kommt am besten bei höherer Temperatur zustande. Es werden dabei die Verbände der sich außerordentlich rasch vermehrenden Hefepilze an die Oberfläche der gärenden Flüssigkeit gerissen, während die unter- gärigen Pilze sich bei niederer Temperatur vermehren und am Boden der igkeit ansammeln. Die Gärung findet in Gegenwart von sehr wenig Sauerstoff statt. Auf künstlichem Nährboden erzeugen die Hefepilze im Innern der Zellen resistente Sporen (Askosporen). Manche. Hefepilze Fig. 209. "Fig.7210. Ausstrichpräparat aus Kahmhaat von Wein- Bierhefe in Kahmhaut, gefärbt mit hefe, gefärbt mit Bismarckbraun. Bismarckbraun. - wachsen nur bei Zutritt von Sauerstoff, andere Arten auch unter an- aöroben Verhältnissen. Buchner zeigte, daß das wirksame Prinzip im Innern der Hefezellen enthalten ist und durch Pressung unter hohem Druck aus den Zellen entfernt werden kann. Dieser zellfreie Preßsaft (Zymase) ruft ebenso Gärung hervor, wie die lebenden und sich vermehrenden Hefezellen. _ Als Krankheitserreger spielen die Hefepilze in der Patrogenität. menschlichen und tierischen Pathologie keine große Rolle. Es sind allerdings einige Hefeaften gefunden und von L. Rabinowitsch näher studiert worden, die bei Kaninchen nach intravenöser Injektion sich- im Blute vermehren und eine zum Tode führende Erkrankung hervorrufen sollen. Die Annahme von Busse, Buschke u.a., dab gewisse sarkomähnliche Tumoren in den Knochen durch Ansiedlung von Hefezellen hervorgerufen werden, bedarf noch weiterer wissenschaft- licher Begründung. An dem Vorkommen von Hefezellen in Geschwülsten bestimmter Art soll keineswegs gezweifelt werden, aber es ist noch 1324 72. Vorlesung. die Konstanz des Vorkommens und die ätiologische Bedeutung der Sproßpilze zu beweisen. Weiterhin sind bei einigen Habterkrankuens Hefen als Erreger beschrieben worden. Es handelt sich meistens um entzündliche Pro- zesse, um Bildung kleiner gutartiger Tumoren in der Kutis oder um Entwicklung in Geschwüren. Man hat diese Erkrankungen unter dem Namen Blastomykosen zusammengefaßt. Buschke, Harris und Busse haben derartige Erkrankungen der Haut, die jedenfalls nicht häufig sind, beschrieben. Buschke macht darauf aufmerksam, daß diese Pro- zesse zum Teil durch Oidium hervorgerufen werden und daher als Oidiomykosen der Soorgruppe zugerechnet werden müssen. Bei anderen sogenannten Blastomykosen spielen jedenfalls mehrere Mikroorganismen zusammen eine Rolle, sodaß die ätiologische Bedeutung der Hefen hierfür in Frage gestellt ist. Eine ätiologisch sichergestellte Blastomykose der Haut scheint die von Kartulis beschriebene Blastomy cosis glutaealis fistulosa zu sein. Die in Ägypten anscheinend ziemlich weit verbreitete Erkrankung beginnt mit kleinen Knoten im Korium. 'Es besteht eine kleinzellige, ab- . gegrenzte Infiltration, in deren Umgebung Kapillaren und Bindegewebe wuchern. Nach einiger Zeit erweichen die Infiltrationen, brechen nach außen durch und führen so zur Fistelbildung. In den frischen Knötchen fand Kartulis die Hefen in großen Haufen in der Umgebung der Infiltra- tionen. Ihr Aussehen ist verschieden, je nachdem sie in den zentralen erweichten Teilen oder am Rande der Knötchen liegen (Taf. 111, Fig. 7). In den zerfallenen Teilen gehen sie zugrunde und bilden Degenera- tionsformen, in den Randpartien ‚aber haben sie die typische Struktur der Hefezellen. Sie färben sich in Ausstrichpräparaten mit Anilinfarben. und nach Gram, in Schnitten am besten nach Giemsa. Da diese Blastomyzeten sich im Gegensatz zu anderen Sprob- pilzen nieht in der Epidermis, sondern im Korium entwickeln, hält Kartulis es für möglich, daß sie vom Rektum auf dem Wege der Lymphspalten in die Unterhaut eindringen. Die Kultur dieser Hefen gelingt am besten auf Kartoffeln und Bierwürze- oder Zuckeragar. Sie entwickeln sich bei 36—37° 6 üppig und bilden einen dichten weißen Rasen von glänzender Öber- fläche: Auch in Zuckerbouillon erfolgt Wachstum, während auf allen nicht zuckerhaltigen Nährböden die Pilze nur schlecht gedeihen. Zucker wird vergoren, besonders stark Saccharose, weniger stark Laktose und Glukose. Durch Injektion von Kulturmasse in die Subkutis ließen sich bei Meerschweinchen in der Perianalgegend Knoten erzeugen, die sich lang- sam entwickelten und nach außen. unter Entleerung BARIEST Massen durchbrachen. ’ ‘ Bei Pferden und Rindern Be nicht selten eine rotzähnliche, mit Lymphangioitis einhergehende epizootische Erkrankung gefunden, bei der keine Rotzbazillen nachgewiesen werden können.. Die Pferde reagieren auch nicht auf Mallein positiv. Als Ursache dieser als „falscher“ Rotz oder Lymphangioitis epizootica bezeichneten Krankheit haben Sanfelice, Rivolta und Tokishige Hefepilze nachgewiesen (Taf. 111, Fig. 2). Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Fig. 1. Aspergillus fumigatus. Stägige Kultur auf Mältosepeptonagar. Nat. Größe. Fig. 3. 4 Wochen alte Soorkultur auf Maltosepeptonagar in natürlicher Größe. (Aus Plaut: Mykosen. Spezielle Pathologie und Therapie innerer Krankheiten, herausgegeben von Kraus & Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Tafel 109. Mucor rhizopodiformis, Kultur auf Maltosepeptonagar, 8 Tage alt und in natürlicher Größe. FE EN URN ve Mischinfektion von Soor und Diphtherie. Auf der rechten Seite herrscht die Sooraffektion vor, auf der linken Seite der diphtherische Belag. fc et u - Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 110. Fig. 3. SANT nung u nn - Er TEEN Sporotrichon, sporentragende Pilzfäden. Ü ’ | | 0, _ Wachstum des Sporotrichon y auf Maltoseagar. ed ge Sporotrichose des Rattenhodens. Schnitt, nach Gram- Weigert gefärbt. Mast Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. : Tafel 111. Fig. 1. Blastomyzeten (bei B) im Ausstrichpräparat aus dem Inhalt der Hautknoten bei Blastomycosis glutaealis fistulosa. Giemsa-Färbung. (Nach Kartulis.) Fig. 2. Blastomykose der Nasenschleimhaut des Pferdes. (Nach Buschke.) WVerlaz von Urban & Schwarzenberg. Berlin und Wien: Bedeutung der. Fadenpilze und Sproßpilze. 1325 Literatur. = $ Baden, Gougerot u. Vaucher, Orchitis sporotrichotica der Ratte. Annal. de 8 © ‚Dermat., 1908." s ‚de Beurmann u. Gougerot, Sporotrichosis. Iconographia dermatologica, Fasc. 3, 1908. — Multiple subkutane Abszesse mykotischen Ursprungs. Annal. f. Dermat. u. Syph., 1903. ; age Die allgemein-pathologische Bedeutung der Dermatomykosen. 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Die beim Menschen vorkommenden Ankylostomaarten sind nicht auf Tiere übertragbar, wie umgekehrt die bei Tieren vorkommenden Arten (z.B. das Ankylostoma canis) nicht auf den Menschen übergehen. Die Atiologie der Krankheit wurde im Jahre 1883 durch Dubini geklärt, der bei Obduktionen an Ankylostomiasis Verstorbener in Mailand den Parasiten fand und Ankylostoma duodenale benannte. Das regelmäßige Vorkommen des Wurmes bei gewissen Formen der Anämie, namentlich .bei der „ägyptischen Chlorose*, _ wurde dann durch Bilharz (1853) und Griesinger (1854) festgestellt und später durch die Arbeiten von Wucherer, der die Ankylostomen als Ursache der „tropischen Chlorose“ in Brasilien nachwies, weiter studiert. Grassi entdeckte im Jahre 1878 die Eier des Wurmes im Kot von anämischen Ziegelarbeitern in Italien und ermöglichte so die mikroskopische Diagnose der Krankheit, die in Europa zuerst die Aufmerk- samkeit weiterer Kreise auf sich lenkte, als im Jahre 1880 die beim Bau des St. Gotthard-Tunnels besehäftigten Arbeiter in großem Umfange an schwerer Anämie erkrankten. Auf Anregung von Perroncito ging man daran, die Ursache der schon bekannten Anämie der Bergwerksarbeiter (Cachexia montana, Andmie des mineurs) zu untersuchen, und konnte in Ungarn, an der Loire und an anderen Orten Anky- lostomen in den Fäzes der kranken Bergleute finden. Menche und Leichtenstern stellten fest, daß die Krankheit auch bei Ziegelarbeitern, die mit feuchter Erde. zu tun hatten, häufig vorkommt. Seifert und Müller fanden das gleiche in Heidings- feld bei Würzburg, Peiper in pommerschen Ziegeleien. Der Wurm war nach diesen Orten ebenso wie nach dem Gotthard-Tunnel durch italienische Arbeiter eingeschleppt. 1885 kamen schon die ersten Nachrichten über die Einschleppung des Wurmes in die westlichen Kohlenreviere, namentlich in den Oberbergamtsbezirk Dortmund, wo die Krankheit bei Arbeitern, die in den Schächten mit mehr als 20° C Temperatur arbeiteten, festgestellt wurde. In sogenannten kalten Gruben, in denen die Tem- peratur unter 20°C beträgt, trat die Wurmkrankheit nicht auf. Auch in Belgien und Frankreich, ferner in Ungarn und in England kommt in den warmen Gruben die Krankheit vor. Seit dem Jahre 1903 hat man im rheinisch-westfälischen Kohlen- revier umfassende Maßnahmen gegen ‚die Ausbreitung dieser Berufskrankheit der Bergarbeiter ergriffen. Auf die Art und die Erfolge der Bekämpfung werden wir später eingehen. RENTE LER EENN Ankylostomiasis. 1327 Die klinischen Erscheinungen der Ankylostomiasis stellen sich sehr häufig schon kurze Zeit, 4—6 Wochen nach der Infektion ein und kennzeichnen sich durch Koliken, Durchfälle und anämische Erschei- nungen, wie Öhrensausen und Herzklopfen. Die Entleerungen sind häufig mit Blut gemischt und werden mit dem Fortschreiten der Krankheit zahlreicher. Ohne eine zielbewußte Therapie nimmt die Anämie rasch zu. Die Zahl der roten Blutkörperchen kann bis auf ein Drittel herab- gesetzt sein, der Hämoglobingehalt ist sehr vermindert. Unter dem Symptomenbilde der perniziösen Anämie mit eosinophilem Blut- bild und Poikilozytose kann unter starker Abmagerung und Pro- stration nach einigen Monaten der Tod eintreten. Die Entstehung der Anämie wird in verschiedener Weise erklärt. Die einen Autoren schuldigen hauptsächlich die dauernden Blutverluste an, die durch die zahlreichen Parasiten be- en dingt werden. Nach Leichten- hie stern beträgt die Zahl der letzteren oft 1000 oder mehr. Namentlich zur Zeit der Begat- tung der Würmer, in der die letzteren einen häufigen Orts- wechsel ausführen, sind diese Blutverluste am stärksten. An- dere Autoren, so z.B. Zinn und Jacobi, nehmen an, daß die Parasiten beim Saugen auch toxische Stoffe abscheiden, die resorbiert werden und zu einer Zerstörung der roten Blut- körperchen führen sollen. Man geht wohl nicht fehl, wenn man das Zustandekommen der schwereu Anämie und die Or- gandegeneration auf eine kom- binierte Wirkung beider Ur- sachen zurückführt. Die pathologisch- anatomischen Verän- derungen zeigen eine große Blässe aller inneren Organe. Das Herz ist oft dilatiert, der Herzmuskel hypertrophiert. Weiterhin besteht meist Atrophie oder amyloide Degeneration der Leber, der Milz und der Nieren. An allen inneren Organen finden sich kleine Ekchymosen. Dünn- und Dickdarm sind häufig stark verengt. Im Duodenum und lleum lassen sich die Ankylostomen nachweisen. Sie sitzen mit ihrem Saugapparate an der Wand des Darmes fest und können nur mit Gewalt entfernt werden. Das Kopfende steckt im suhmukösen Gewebe. In der Umgebung der Bißstellen finden sich kleine, von Blutungen durchsetzte Entzün- dungsherde mit vielen eosinophilen Leukozyten (sog. Blutzysten von Bilharz und Grassi). In diesen sieht man neben Charcot-Leydenschen Kristallen (Löhlein) häufig die Kopfenden der Würmer (Fig. 211). Löhlein führt die Bildung der Blutzysten außer auf die mechanische Wirkung des Bisses auf die Wirkung der von den Würmern erzeugten Gifte zurück. Diese wirken nekrotisierend und sind hämolytische Blutgifte. Auch in den Drüsenschläuchen lassen sich die Parasiten durch Schnittpräpa- s5* Ankylostoma im Darmgeschwür. (Nach Löklein.) Krankheits- bild. Obduktions- befunde, Morphologie und Biologie der Parasiten. 1328 73. Vorlesung. rate nachweisen. Wenn der Wurm seinen Platz wechselt, können die Bißstellen intensiv bluten, da infolge des von ihm in die Schleimhaut < sezernierten, die Blutgerinnung verhindernden Fermentes das Blut nicht koaguliert. Im Darminhalt finden sich große Mengen von Eiern. Das im Darmkanal des Menschen vorkommende Ankylostoma duodenale (Fig. 212) wird von Peiper folgendermaßen beschrieben: „Die männlichen Parasiten sind meist von weißer, die weib- lichen von weißgelber, braunroter. oder rötlicher Farbe. Die Länge der Männchen beträgt etwa 7—11'2 mm, die Dicke 0'46 mm; die Weibchen sind bis 165 mm lang und 0'73 mm dick. Das Kopfende des drehrunden, beim Männchen vorn etwas verjüngten Wurmes ist bei Fig. 212. Ankylostoma duodenale. a weiblich, b männlich, c Larve, d Eier. (Nach E. Peiper.) beiden Geschlechtern nach hinten gebogen. Der Darmtraktus beginnt mit einem weiten, schief nach dem Rücken geneigten, mit 6 Papillen versehenen Munde, welcher mit einer glockenartigen Mundkapsel ver- sehen ist, an deren Rande sich 6 zahnartige Chitinleisten befinden. Das hintere Leibesende des Weibchens läuft in eine kurze, kegelförmige Spitze aus, das des Männchens ist etwas umgebogen und schließt mit einer breiten, schirmartig gerippten Bursa copulatrix, aus der häufig zwei etwa 2 mm lange Spikula hervorragen. Die Bursa copulatrix dient vermöge ihrer kontraktilen Parenchymrippen als Greifapparat, :mittelst dessen sich die Männchen während der Begattung am Leibe des Weibchens festhalten. Die weibliche Geschlechtsöffnung liegt dicht hinter der Mitte des Körpers und führt in eine kurze Scheide. Die der Scheide zunächst gelegenen Teile enthalten die befruchteten Eier. Diese haben eine ovale Gestalt und glatte Oberfläche. Ihre Länge beträgt 0'063 mm, ihre Dicke 0:036—0'04 mm. In enormen Mengen finden sie sich in den menschlichen Dejektionen und lassen je nach der Länge ihres Auf- te nn im Ankylostomiasis. - 1329 enthaltes im Darmkanal 2, 4 oder 8 Furchungskugeln erkennen. Eine ‚weitere Entwicklung findet erst außerhalb des menschlichen Organismus statt. Für diese gebrauchen die Eier eine Temperatur von 25 bis 30°C und flächenhafte Ausbreitung. Nach spätestens 3 oder 4 Tagen wird unter diesen Bedingungen der Embryo erkennbar, der nach - weiteren 24—48 Stunden an einem der Eipole die Schale durchbricht und lebhafte Eigenbewegungen zeigt. - Die junge Larve ist 02-025 mm lang und 0'015—0'017 mm dick. Nach vorn verjüngt, zeigt das hintere Leibesende eine allmähliche Verjüngung in eine pfriemenartige Spitze. Deutlich kann man die kurze, enge Mundröhre, den spindelförmigen Pharynx und .den kugelförmigen ' Magen erkennen, in dem sich eine Y-förmige Figur, die 3 Pharyngeal- zähne, in lebhafter Bewegung befindet. Der Darm endet in einem feinen ‚Röhrchen, dem After. Bald beginnt der Embryo zu wachsen und, nachdem er eine Länge von 0'7—0'8 mm erreicht hat, sich einzukapseln. Die Larve liegt schließlich in einer den Körper gleichmäßig umgebenden 'glashellen Scheide. Letztere bewahrt den Embryo vor der Einwirkung äußerer Schädlichkeiten, sodaß er monatelang im enzystierten Stadium seine weitere Entwicklungsfähigkeit bewahren kann. Eingeführt in den ° menschlichen Darm, entwickelt sich der Parasit nach Auflösung seiner Chitinkapsel im Dünndarm zu einem geschlechtsreifen Parasiten. Etwa - 5—6 Wochen nach stattgehabter Infektion erscheinen die ersten Eier in den menschlichen Dejektionen-“ . Völlige Eintrocknung der Fäzes und direktes Sonnenlicht töten die Eier ab, ebenso Frost und Erwärmung auf 50°C. Die Eier brauchen ‘ zur Entwicklung viel Sauerstoff, bei Sauerstoffabschluß entwickeln sie ‘- sich nicht weiter. Desinfektionsmittel müssen ziemlich lange und konzentriert einwirken, wenn eine Abtötung der Eier oder Larven erzielt werden soll. -Im Jahre 1902 wurde von $iiles in Amerika bei Bergwerksarbeitern ein von dem Ankylostoma duodenale dnrch den Bau der Mundkapsel unterscheidbarer, sonst aber biologisch und morphologisch gleicher Parasit gefunden. Dieser Ankylostoma americanum oder auch Necator americanus genannte Wurm ist durch Berg- arbeiter, die von Amerika in ihre Heimat zurückkehrten, auch in Europa, und zwar in Spanien und-Italien, verbreitet worden. Nach Löhlein, Fülleborn und Rodenwaldt trifft man ihn auch in Afrika in ziemlich weiter Verbreitung an. Beim Necator americanus ist das Männchen 7—10 mm, das Weibchen 9—11 mm lang; die Eier sind an den Polen stärker verjüngt als bei Ankylostoma duodenale. Die Epidemiologie der Ankylostomiasis zeigt, daß wir es in den nördlichen Klimaten, vor allem in Europa, ausgesprochenerweise mit einer Berufskrankheit zu tun haben, die bei den Arbeitern ' bestimmter, mit Erdarbeiten verknüpfter Betriebe in weiter Ver- breitung und epidemisch auftritt. In erster Linie werden Tunnel- und Bergarbeiter sowie in Ziegeleien beschäftigte Personen betroffen. Wird von einem mit Ankylostoma behafteten Menschen der - Infektionsstoff in die Belegschaft eines solchen Betriebes eingeschleppt, so wird der Parasit meist sehr bald auf das gesamte Personal übertragen. Einesteils die sorglose Art, in der die Arbeiter bei der. Entleerung ihrer Dejekte verfahren, andrerseits die häufige Gelegenheit . zu direktem und indirektem Berühren des nun bald in großer Aus- dehnung infizierten Bodens bringt es mit sich, daß der Infektionsstoff Epide- miologie und Ver- breitungs- weise. 1330 73. Vorlesung. sehr schnell verbreitet wird, denn die mit den Stuhlentleerungen ausge- schiedenen Eier der Parasiten verwandeln sich sehr bald in Larven, die sich enzystieren, sobald die. oben skizzierten äußeren Bedingungen ge- geben sind. Die Enzystierung erfolgt im Freien nur in der warmen Jahreszeit, während in den tieferen Bergwerken und Tunneln sich das ganze Jahr hindurch die genügende Wärme und Feuchtigkeit findet. Ganz besonders ist das der Fall bei Tunnelbauten, bei denen meist erhebliche Wassermengen die Arbeitsstätte dauernd feucht halten, und in Kohlenbergwerken, die zur Vermeidung der Explosionsgefahr künstlich bewässert werden. So werden die enzystierten Larven weit verbreitet und gelangen an die Kleidung und die Hände der Arbeiter. Im Gegensatz zu den Eiern des Parasiten und den jungen nicht enzystierten Larven sind die eingekapselten Larven infektionstüchtig. Gerade weil bei der Erkrankung Durchfälle bestehen, wird oft, trotz aller Vorschriften über die Deponierung. der Dejekte an bestimmten Örtlichkeiten, von den Arbeitern eine Infektion der oberen Erdschichten mit den eierhaltigen Fäzes in großem Umfange herbeigeführt. Hierbei muß die wichtige, von Bruns besonders betonte Tatsache berücksichtigt werden, daß nicht nur die Wurmkranken, sondern auch die an Zahl weit überwiegenden „gesunden Wurmträger“, d. h. Infizierte, die im Gegensatz zu den Wurmkranken keine Krankheitssymptome aufweisen, den Parasiten durch ihre Fäzes verbreiten können. Da die Arbeiter ferner trotz aller Vorschriften und Mahnungen ihre Mahlzeiten häufig mit schmutzigen Händen zu sich nehmen oder von den mit larvenhaltiger Erde beschmutzten Kleidungsstücken aus den Infektions- stoff beim Essen in den Verdauungstraktus miteinführen, ist es erklärlich, daß oft in kurzer Zeit das gesamte Personal einer Tunnel- belegschaft oder eines Bergwerkes infiziert wird. Wie Löbker und Bruns fanden, ist die Anwesenheit von mehreren Hundert Würmern im Darm nötig, um Krankheitserscheinungen auszu- lösen. Wenige Parasiten stören die Gesundheit in der Regel gar nieht. Je mehr Würmer vorhanden sind, desto intensiver pflegen die Symptome zu sein. Es bestehen allerdings erhebliche individuelle Unterschiede in der Reaktion des Körpers auf die schädigende Wirkung der Parasiten. Von besonderer Wichtigkeit für das Zustandekommen der Infektion ist die von Looss ermittelte Tatsache, daß die Embryonen auch im- stande sind, durch die unverletzte Haut des Menschen in die Lymphgefäße und von da in das Blut einzudringen. Looss be- obachtete, daß ein Tropfen larvenhaltigen Materials, der ihm auf die Haut fiel, eine nach wenigen Tagen vorübergehende brennende Rötung jener Stelle mit Schwellung des Unterhautzellgewebes zur Folge hatte, und daß einige Wochen nach diesem Tage in seinen Fäzes Ankylo- stomen auftraten. Ein analoger Versuch bei einem Krankenwärter bestätigte die Vermutung des Autors, daß die Larven sich nach Abwer- fung ihrer Scheide in die Epidermis der Hautfläche einbohren und dann in die Kutis gelangen, von wo sie entweder in die Lymphgefäße oder in die Blutgefäße übertreten. Juckende, durch die Ankylostomalarven hervorgerufene Hautaffektionen werden in Gruben nicht selten fest- gestellt; auch in den Teeplantagen von Assam und in Südamerika sind solche skabiesähnliche Hauterkrankungen beobachtet worden. Die in die Ankylostomiasis. $ 1331 Lymphwege gelangenden Larven passieren die Lymphdrüsen und treten dann ins Blut über, während die direkt in die Kapillaren eingewanderten in die Lunge verschleppt werden. Hier sollen sie nach Looss in das Bindegewebe und von da in die Bronchien, die Trachea und den Kehl- kopf übertreten, von wo sie dann in den Rachen und durch Schlucken in den Magen gelangen. Ebenso wahrscheinlich ist es aber, daß sie auch durch die Schleimhaut des Darmes aus den Darmkapillaren direkt in das Darminnere dringen. Fülleborn hat diese Art des Eindringens der Larven in die Trachea und von dort in den Magen durch Versuche mit Ankylostoma caninum bei Hunden experimentell bewiesen. Er nimmt an, daß der normale Infektionsweg für die perkutan eingedrungenen Ankylostomen von der Lunge über Trachea und Ösophagus zum Darm führt, während nur ein kleiner Bruchteil von den aus den Hautlymph- gefäßen in die Venen, aus diesen nach Durchwanderung der Lungen- venenkapillaren in das linke Herz und von da durch Embolien in die Darm- kapillaren gelangt. Aus den embolischen Herden wandern die Würmer in das Darmlumen. Malvoz und Lambinet, Bruns und Liefmann, Calmette und Breton, Herman u. a. haben diese Befunde bestätigt. Schaudinn ist es auch beim Affen gelungen, eine Infektion des Darmkanales von der Haut aus herbeizuführen. Diese Erfahrungen machen es verständlich, daß in warmen Ländern die Krankheit nicht mehr, wie in den nördlichen Klimaten, eine Berufskrankheit der Bergleute zu sein braucht, sondern sich unter der gesamten Bevölkerüng wie eine Volksseuche ausbreiten kann. Das gilt besonders für tropische und subtropisch gelegene Länder, in denen die Trink- und Gebrauchswasserversorgung nicht einwandfrei ist. So ist z.B. in Brasilien und Ägypten auf diese Weise die Krank- - heit weit verbreitet worden. Die während der trockenen Jahreszeit oft sehr lange stagnierenden Wassertümpel, die in der Regenzeit sich an- gesammelt haben (Brasilien) oder aus der Überschwemmungszeit der Flüsse zurückgeblieben sind (Ägypten), werden mit Ankylostomaeiern verunreinigt und geben allen Menschen, die das Wasser zu Gebrauchs- oder Trinkzwecken benutzen, Gelegenheit, sich von der Haut oder vom Mund aus zu infizieren. In Ägypten infizieren sich z. B. die Bauern beim Arbeiten in den überströmten Äckern, die sie mit nackten Beinen bearbeiten. Welche Infektionsart für die Verbreitung praktisch die größere Bedeutung hat, läßt sich schwer abschätzen. Die klimatischen und örtlichen Verhältnisse ermöglichen also die Entwicklung des Para- siten und seine Verbreitung, sie schaffen die Disposition für das Vor- kommen der Ankylostomiasis als Volksseuche. Für die Bekämpfung der Krankheit gelten im wesentlichen dieselben Gesichtspunkte, die sich bei den bakteriellen Infektionskrank- heiten bewährt haben. Der Kampf muß sich vor allen Dingen gegen den infizierten Menschen richten. Der Nachweis der Ankylostomainfektion muß durch die mikroskopische Untersuchung der Fäzes erbracht werden; die Feststellung der Anämie und Eosinophilie kann allein die Diagnose nicht entscheiden. Die direkte Untersuchung der Fäzes auf Eier führt, wenn man sorgfältig arbeitet und eine größere Anzahl (3—6) Präparate durch- mustert, zu praktisch befriedigenden Resultaten. Empfehlenswert ist Bekämpfung und Prophylaxe. 1332 73. Vorlesung. ‚die von Telemann angegebene Technik der Stuhluntersuchung, die darin besteht, die durch ein Gemisch von Äther und Salzsäure zu gleichen Teilen homogenisierten Fäzes zu zentrifugieren und den Bodensatz zu mikroskopieren. Dieser Methode ist das sog. Kulturverfahren von Looss noch überlegen. Die Fäzes werden mit Tierkohle verrieben und '5—6 Tage in den Brutschrank gestellt. Es entwickeln sich dann aus den Eiern der Parasiten die Larven, die im Zentrifugat der stark mit Wasser verdünnten Fäzes leicht nachweisbar sind. Bruns konnte unter den ermittelten Wurmträgern 40°/, durch das mikroskopische Verfahren, 65°/, . durch die Zentrifugiermethode, 99°/, durch das "kulturelle Ver- fahren nachweisen. Die einfache mikroskopische Untersuchung versagte in 300 Fällen, das ‚Zentrifugatverfahren in 217 Fällen, ie kulturelle Methode aber nur in 4 Fällen. Alle Personen, die durch den mikroskopischen Nachweis der Ankylostomaeier als infiziert erkannt sind, müssen ärztlich behandelt werden und dürfen einstweilen nicht in der Grube arbeiten. Nach Voll- endung der Abtreibungskuren müssen sie noch ein Vierteljahr alle 3—4 Wochen ihre Fäzes auf Eier untersuchen lassen. Werden Würmer gefunden, so ist die Kur zu wiederholen. Erst wenn durch mehrfache mikroskopische Untersuchung festgestellt ist, daß die Fäzes dauernd frei von Eiern sind, dürfen die Betreffenden als geheilt und infektions- frei betrachtet und zur Arbeit wieder zugelassen werden. Nach diesen Grundsätzen wird es gelingen, die Krankheit überall da, we sie als Berufskrankheit festgestellt ist, möglichst einzudämmen. Sehr wichtig ist die Belehrung über die Gefahren der Wurm- krankheit und ihre Verbreitung. Es muß den Arbeitern verboten ‘sein, in den Gruben ohne gründliche Waschung der Hände, zu der reichlich Gelegenheit gegeben sein muß, Nahrung zu sich zu nehmen. Über Waschungen, Bäder und Kleiderwechsel müssen genaue Vorschriften in jeder Grube erlassen werden, deren Durchführung dauernd zu über- wachen ist. Der Kot darf nur in die in möglichst großer Zahl und einwandfrei angelegten Aborte entleert werden; die Kübel der letzteren sind täglich auszuwechseln und zu desinfizieren. Beweiskräftige Zahlen über die Erfolge einer sachgemäßen Bekämpfung der Ankylostomiasis finden wir in dem von Bruns auf dem XIV. Internationalen Kongreß für Hygiene und Demographie zu Berlin erstatteten Referate über die Ankylostomafrage im rheinisch-westfälischen Kohlenrevier. In diesen Bergwerks- bezirken, die durch Zuwanderung italienischer, bei der Gotthardtunnel-Epidemie in- fizierter Arbeiter verseucht waren, wurde von Bruns die Gesamtuntersuchung fast aller Belegschaften durchgeführt. Durch den mikroskopischen Nachweis der Ankylo- stomaeier in den Fäzes ließ sich auf diese Weise ein annähernd zutreffendes Bild über die Verbreitung der Parasiten bei den Grubenarbeitern gewinnen. Bei allen Wurmbehafteten wurde eine gründliche Therapie eingeleitet und so lange fortgesetzt, bis bei mehrmaliger Untersuchung keine Wurmeier mehr in den Fäzes nachzuweisen waren. Die Erfolge dieses systematischen Vorgehens auf Grund der oft 10—15 mal wiederholten mikroskopischen Untersuchungen waren nicht zu verkennen. Die Zahl der auf diesen Grubenanlagen gefundenen Wurmbehafteten ist innerhalb weniger Jahre um etwa 95°/, gesunken (Fig. 213). Desinfektionsmaßnahmen in den gesamten Schachtanlagen sind nach den Erfahrungen von Bruns und Löbker schwer durchführbar und nicht nötig, wenn die oben angeführten Verhütungsmaßregeln streng befolgt werden. Es ist aber außerdem noch zu verhüten, daß der In- fektionsstoff durch infizierte oder kranke Personen von außen neu ein- Ankylostomiasis. 2 1333 geschleppt wird. Nur dann dürfen Arbeiter in die gefährdeten Gewerbe- betriebe aufgenommen werden, wenn sie durch genaue mikroskopische Untersuchung der Fäzes frei von Ankylostomaeiern befunden worden Fig. 213. Be- ginn der mikroskopischen Ergebnisse der Wurmbekämpfung auf der verseuchten Zechen des Oberbergamtsbezirkes Dortmund. (Nach Bruns). Untersuchungen, . 14 548Wurmbehaltete auf ten Schachtanlagen, den mehrfach untersuch- Mai— Oktober 1008, 2 2 © 2 nl © = rm -_ - - S 2 = S S S © Eu Es = = — = = - Z > S Be 2 > . = = - 5 a .2 E -[ -” =” nos a. en ou . Ss5. 8% In.. “ur u I Pa -+n RS s > cu =. 2. il u je | = S er "0 -Z = 2 on = || _ -ı =#: CE) 5-5 22 „> u - e: 35 Sal o > = ei a 2 Bas = -F SE 3 2 2::-93 =22 = EEE z En 4: Er E: CH 58 R 2< 5= =<7= = $ == 52 = < = = 2 < E2 2 &; = ER - 3 3 < = < =< Im. .® za. = wen. N} > no© u ar -— z ai 23 De< H a7 =E-) PB: ac >: gs“ 29% s = W 2 F- za= = an ® > -_.- m 7 - nn - = 5 E23 az PP = — Eu -] Zn >” 5 = _ „a >: vr: r - in a5 3 u .css z © Bi = 23 SEES = = = -—. = Sa > Be - - z > = u. oo = oO = > >. 2 [= = = - „ u -— Lu. = o = 22 = 5 -_ o - _ - - na “ m & > © - ac 85 SD Zn sS= = = en m, & Een Se 5 = a - _ B an ArE = => Ba e o © © = .- - S = > = S = E = 2 ei © P| © = = - = = 4 und > je} zZ _— - < << = 1307 1908 7209 1904 1905 1905 sind; 4 Wochen später findet eine neue Untersuchung statt. Durch diese Maßnahmen, deren Ausführung scharf kontrolliert werden muß, läßt sich die Infektionsgefahr auf ein Minimum herabsetzen. 1334 73. Vorlesung. Ankylostomiasis. In tropischen Ländern ist die Bekämpfung der Ankylostomiasis natürlich viel schwieriger und häufig infolge der besonderen Lebens- gewohnheiten der Bewohner ganz undurchführbar. Es muß dann be- sonderer Wert auf die individuelle Prophylaxe gelegt werden, d.h. auf die Vermeidung der Berührung mit infektionsverdächtigen Materialien. Der Genuß roher Gemüse und Früchte und ungekochten Wassers spielt in warmen Ländern bei der Übertragung sicher eine große Rolle. Reinlichkeit, namentlich beim Essen und bei der Zu- bereitung der Speisen, ist prophylaktisch bei parasitären Krankheiten dieser Art von größter Bedeutung. Personen, die der Infektion durch die Haut ausgesetzt sind, können sich durch Einsalben oder Teeren (grüner Barbadosteer) der Haut, namentlich an Handrücken, Unter- armen und Beinen, bis zu einem gewissen Grade schützen. Als wirksames Mittel zur Abtreibung der Würmer gilt das Thymol. Es wird, nachdem der Darm am Tage vor der Kur durch Kalomel entleert ist, in Dosen von 29 in 1—2stündigen Pausen bis zur Gesamtmenge von 8—15g in Oblaten oder Gelatinekapseln verabreicht. Dann werden Abführmittel gegeben. Bei schwäch- lichen Personen und Greisen, bei Nieren- und Herzkranken ist Vorsicht geboten, weil das Thymol Vergiftungserscheinungen hervorrufen kann. Es erscheint im Urin, den es schwarz färbt, wieder. Außer dem Thymol eignet sich Extractum filieis maris in Mengen von 8—10g zur Entfernung der Ankylostomen. Vielfach bat man auch Thymol und Extraetum filieis kombiniert oder mit Eukalyptusöl zusammen gegeben. Literatur. Braun, Naturgeschichte der tierischen Parasiten des Menschen. 5. Aufl., Würzburg, ©. Kabitzsch, 1915. Bruns, Ankylostomiasis. Handb. der pathog. Mikroorgan., 2. Aufl., Bi. 8.1913: Über Ankylostomiasis. Deutsche med. Wochenschr., 1911. — Die mikroskopische Untersuchung der Fäzes in ihrer Bedeutung für die Bekämpfung der Ankylo- stomiasis. (Bericht über den Stand der Wurmkrankheit im Ruhrkohlengebiet nach 10jähriger Bekämpfung.) Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. 78, 1914. Fülleborn, Untersuchungen über den Infektionsweg bei Strongyloides und Ankylo- stomum und die Biologie dieser Parasiten. Arch. f. Schiffs- und: Tropenhygiene, Beiheft 5 zu Bd. 18, 1914. Goldmann, Die Hygiene des Bergmannes. Halle, W. Knapp, 1903. Huber, Bibliographie der klin. Helminthologie. München, J. F. Lehmann, 1893. Leuckart, Die Parasiten des Menschen. 2. Aufl., Leipzig 1886—1891. Löbker, Die Ankylostomafrage. Verhandl. d. XIV. Intern. Kongr. f. Hygiene u. Demo- graphie, Bd. 2. Berlin, A. Hirschwald, 1907. Löbker u. Bruns, Über das Wesen und die Verbreitung der Wurmkrankheit mit besonderer Berücksichtigung ihres Auftretens in deutschen Bergwerken. Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. 23. Löhlein, Beiträge zur Pathologie der Eingeborenen von Kamerun. Archiv f. Schiffs- u. Tropenhygiene, Beiheft 9 zu Bd. 16, 1912. Looss, Würmer und die von ihnen hervorgerufenen Erkrankungen. Handb. der Tropen- krankheiten, herausgeg. von Mense. 2. Aufl., Bd.2, Leipzig, J. A. Barth, 1914. — Ztschr. f. klin. Med., Bd. 58, 1905. Mosler u. Peiper, Tierische Parasiten. Nothnagels Handbuch der spez. Pathol. u. Therapie, Bd.6, Wien, 1894. a Fadenwürmer. Deutsche Klinik, Bd.2. Wien und Berlin, Urban & Schwarzen- berg, 1903. Seifert u. Müller, Zentralbl. f. klin. Med., 1885. Telemann, Nachweis von Parasiteneiern in Fäzes. Deutsche med. Wochenschr., 1908. Tenholt, Münchener med. Wochenschr., 1905. ee bt neh a A Er De Fe 2 nel ri ide wine 74. VORLESUNG. Trichinosis. Die Trichinellen, die Erreger der Trichinenkrankheit (Trichinosis) des ‘Menschen und der Tiere, wurden im Jahre 1835 von James Paget, damals Student der Medizin, entdeckt und zuerst von Richard Owen ausführlich als enzystierte Entozoen beschrieben. Nach Braun sind sie bereits im Jahre 1828 von Peacock und 1833 von J. Hilton in der Muskulatur des Menschen gesehen worden. Nachdem die Entdeckung durch Henle und Bischoff bestätigt war, wendeten sich bald hervor- ragende Kenner der Würmer dem eingehenden Studium dieser als Parasiten zu- nächst beim Menschen gefundenen Nematoden zu, v. Sibold und du Jardin, später namentlich Zenker, Küchenmeister, Virchow und Leuckart. Es ist das Verdienst von Leuckart, durch Verfütterung trichinöser Muskeln an Mäuse festgestellt zu haben, daß die eingekapselten Trichinen ihre Kapseln im Darmkanal dieser Tiere verlieren und schneli an Länge und Breite zunehmen. Wie Stäubli mit Recht hervorhebt, wurden durch diese experimentellen Forschungen aber nicht immer Fortschritte in der Erkenntnis der Entwicklung der Trichinellen erzielt. Bei dem damaligen Stand der Kenntnisse über die Eingeweidewürmer war es nicht ver- wunderlich, wenn verschiedene Forscher andere Wurmarten, z.B. Trichokephalen, als Entwifklungsstadien der Trichinellen auffaßten. Aber bald darauf beobachtete “Leuckart, daß sich aus den jungen Darmtrichinellen geschlechtsreife Tierchen entwickelten, und daß nach der Befruchtung aus dem Uterus der Weib- chen die Embryonen heraustraten. Als Darm,.in dem diese Embryonen enthalten waren, an Tiere verfüttert wurde, gelang der weitere Nachweis, daß aus den Em- bryonen sich wieder Muskeltrichinellen bei dem neuen Wirt entwickeln; Leuckart stellte zuerst beim Menschen Erscheinungen der Trichinosis fest, die mit Lähmungen der Muskeln der Extremitäten und des Zwerchfelles einhergingen, und fast gleich- zeitig wies Zenker nach, daß die Trichinellen unter Umständen auch tödlich ver- _ laufende Infektionen hervorrufen können. Der Nachweis wurde bei der Leiche eines jungen Mädchens erbracht, das die Erscheinungen eines atypisch mit außerodentlich schmerzhaften Muskelerscheinungen verlaufenen Typhus dargeboten hatte. Bei der Sektion fanden sich keine Typhusgeschwüre, dagegen waren zahlreiche geschlechts- reife Trichinellen im Darm und Trichinellen ohne Kapsel in großer Menge in den Muskeln festzustellen. Das Fleisch des Tieres, von dem die Patientin genossen hatte, konnte noch untersucht werden und wies zahlreiche Trichinellen auf. Durch die weiteren Forschungen, bei denen sich auch Klaus, Davaine, Fuchs und Pagenstecher beteiligten, wurde dann der Entwicklungsgang der Trichinen ganz klargelegt. Sehr bald, nachdem die Ärzte durch die Beschreibung Zenkers auf das charakteristische Krankheitsbild aufmerksam geworden waren, wurden Trichinen- infektionen in den verschiedensten Ländern und Orten beschrieben. Die Frage, ob die Trichinen durch die Wanderratte nach Europa um 1800 eingeschleppt worden sind oder aber mit dem chinesischen Schwein, das zur, Kreu- zung mit dem europäischen im Anfang des 19. Jahrhunderts nach Europa eingeführt wurde, oder ob sie in Europa endogen waren, ist nach Braun strittig. In Deutschland kamen nach den Angaben von Stile in den Jahren 1860 bis 1880 8491 Erkrankungen mit 513 Todesfällen und Geschicht- "liches. Ver- breitung. Ätiologie. 1336 74. Vorlesung. _ von 1881 bis 1896 6326. Erkrankungen mit 318 Todesfällen vor. Fast in allen Fällen konnte erwiesen werden, daß die Erkrankten rohes Fleisch, meist in Form von Wurst oder Schinken, genossen hatten. Berühmt geworden ist z.B. die große Epidemie von 1865 in Haders- leben in Sachsen mit 337 schweren Erkrankungen (unter 2000 Ein- wohnern) und 101 Todesfällen. Größere. Trichinoseepidemien sind früher, als die Unsitte des Genusses rohen Hackfleisches noch weiter als heute verbreitet war, sicherlich unge vorsehen aber nicht richtig erkannt worden. Seit der Einführung der obligatorischen Fleischbendhsh sind die Trichinoseerkrankungen beim Menschen allmählich ständig zurückge-” gangen, besonders in Preußen und Sachsen, die früher das Hauptkon- tingent der Krankheitsfälle stellten. In Süddeutschland dagegen, wo sich die Trichinose unter den Schweinen erst in neuerer Zeit ver- breitete, hat sich dementsprechend eine relative Zunahme der Erkran- kungen auch beim Menschen gezeigt. Auch in anderen europäischen Ländern und ebenso in Amerika und Asien kommen Trichineninfektionen beim Menschen vielfach vor. In Amerika ist die Trichinenkrankheit der Schweine weit verbreitet, dagegen Trichinosis beim Menschen sehr selten. Die Ursache ist darin zu suchen, daß die bei uns leider noch weit verbreitete Unsitte, rohes . Fleisch zu essen, dort fast gar nicht angetroffen wird. Wie Ostertag angibt, ist die Trichinosis unter den Schweinen auch in Deutschland jetzt langsam im Abnehmen begriffen. _ Der Erreger der Trichinose ist die Trichinella spiralis. Das . Männchen ist 1'4—1'6mm lang und etwa 0'4 mm dick, während das Weibchen 3—4mm lang und 0'6 mm dick ist. Die geschlechtsreifen Individuen finden sich im Darminhalt und in der Darmwand. Von ihnen werden die Embryonen geboren, die zum größten Teil nicht mit dem Darminhalt nach außen gelangen, sondern in die Gewebe ein- dringen und auf dem Wege des, Blut- und Lymphstromes in die ver- schiedensten Organe verbreitet werden. Als Wirte der Trichinellen kommen namentlich in Betracht zahme und wilde Schweine, ferner Ratten, Mäuse, Hunde und Katzen. In selteneren Fällen werden Trichinen beim Dachs, Marder, Waschbär und beim Fuchs gefunden. Auch auf Kaninchen, Mäuse und Meerschweinchen läßt sich die Trichinella übertragen, ebenso auf große Haustiere, z.B. Rinder, Pferde und Schafe. Die Hauptverbreiter der Trichinose sind die Ratten. Sie infizieren sich durch Fressen der eigenen Artgenossen oder, wenn auch 'seltener, durch Fressen von Fäkalien, in denen Darmtrichinen enthalten sind. Billings fand, daß in einer Exportschlächterei in Boston 100%, der untersuchten Ratten trichinös waren. In Deutschland haben Fessler und Müller in Abdeckereien und Schlächtereien bis zu 50°/, und mehr trichinöse Ratten festgestellt. Die Infektion der Schweine, Hunde, Katzen usw. erfolgt fast ausnahmslos dadurch, daß diese Tiere trichi- nöse Ratten fressen, während der Mensch sich wiederum durch den - Genuß ungekochten oder ungenügend gekochten trichinösen Fleisches, ' am häufigsten durch Schweinefleisch infiziert. » x DE a a m dla 7 da 2 ie a nn a zuuanke Trichinosis. : 1337 Der Entwicklungskreislauf der Trichinellen läßt sich am Bntwick besten nach experimenteller Verfütterung von trichinösem Fleisch an tur der Tri Versuchstieren studieren. Wenn man eine größere Anzahl von Tieren auf diese Weise infiziert und dann von Tag zu Tag ein Tier tötet und Darm und Organe genau untersucht, ergibt sich, daß schon ganz kurze Zeit nach der Verfütterung die eingekapselten Trichinen, die in dem Muskelfleisch enthalten waren, im Darm frei werden. Die Salzsäure des . Magens löst die Kapseln auf. Im Duodenum und Jejunum bilden sich nun die geschlechtsreifen Trichinen, sogenannte Darmtrichinen. - Schon nach wenigen Tagen findet die Begattung statt. Die Männchen _ sterben nach dieser ab, während die Weibchen sich in der Schleim- haut der Darmzotten und in den Drüsenapparaten des Darmes an- siedeln. Die aus den. befruchteten Eiern hervorgehenden Embryonen werden teils in das Darmlumen, teils in die Darmwand geboren. Sie wandern in die Lymphspalten der Darmschleimhaut höchstwahr- scheinlich aktiv ein, gelangen dann in die Lymphgefäße, in die Lymph- drüsen und von dort durch die. großen Lymphgefäße in das Blut. -Stäubli wies nach, daß sich vom 7. Tage nach der Infektion an bei Kaninchen und Meerschweinchen die Trichinellen in großer Menge im Blut finden. Sie werden durch den Blutstrom -in den ganzen Körper gebracht und in den quergestreiften Muskeln, zu denen sie offenbar durch chemotaktische Vorgänge hingezogen werden, abgelagert. ‘Das Leben der Darmtrichinen ist ein ziemlich beschränktes. Nach - höchstens 7—8 Wochen sterben sie -ab, und damit hört das Übertreten junger Embryonen in die Blutbahn und in das Blut auf. In den Muskeln suchen die jungen Trichinen sehr bald die Primitivbündel auf. Dort wachsen sie zunächst in die Dicke; erst später erfolgt eine starke ‚Streckung. Nach ungefähr 14 Tagen haben die Muskeltrichinellen das 8—10fache ihrer ursprünglichen Größe erreicht und rollen sich nun, um ihre Oberfläche für die Einkapselung zu verringern, spindel- förmig auf. Wenn dieser Vorgang nach ungefähr 5—6 Wochen beendet - ‚ist, folgt das Stadium der Enzystierung. Die Größe der Muskeltrichinellen schwankt zwischen 0'8 und Zersieber lmm. Der Parasit weist im Innern eine ziemlich weitgehende Diffe- trieninelien. renzierung auf. Es hat sich ein Darm mit Mund- und Afteröffnung gebildet, und auch das Genitalsystem ist bereits ausgebildet. Der ganze Körper ist von einer feinen Kutikula überzogen, an der sich nach Leuckart eine Längsstreifung erkennen läßt. Die Geschlechtsorgane _ und der Darm liegen frei in der Leibeshöhle. Im vorderen Teil be- findet sich der Ösophagus, im hinteren Teil der Magen, die Geschlechts- drüsen und das Darmrohr. Bemerkenswert ist noch der sogenannte Farresche Körnerhaufen, über dessen Natur man noch nicht orientiert ist. Das latente Ruhestadium der Trichinellen kann außer- ordentlich lange dauern. Die Kapsel wird vielfach mit Kalk- salzen imprägniert und dient zum Schutze der erwachsenen Tri- chinellen. Eingekapselte Trichinen finden sich nur in dem querge- Er streiften, mit Sarkolemma ausgestatteten Muskelgewebe (Taf. 112, Fig. I). E Die von Trichinellen befallenen Muskelfasern gehen, wie sich an Schnitten ® erkennen läßt, zugrunde. Da im Herzen quergestreifte Fasern nicht — vorhanden sind, können sich in ihm die Muskeltrichinen nicht entwickeln, wenn auch eine Myokarditis entsteht. Die durch den Blutstrom dorthin Krankheits- : bild. Diagnose. 1338 74. Vorlesung. gebrachten Trichinellen sterben vielmehr im Herzmuskel ab oder wandern in das Perikard aus. Die Verkalkung kann auch auf die Trichinellen selbst übergreifen, nachdem diese abgestorben sind. Die Trichinellen- Zysten liegen meist in der Längsrichtung der Muskelfasern. Sie finden sich nicht in allen Muskelgeweben gleichmäßig, sondern in bestimmten Muskelgruppen als Lieblingsstätten angehäuft, namentlich in den Atmungsmuskeln (Zwerchfell, Kehlkopf-, Bauch- und Interkostalmuskeln). Die klinischen Erscheinungen der Trichinose äußern sich in der Regel zunächst in Magen-Darmbeschwerden, vor allem Er- brechen und Durchfällen. Dann stellen sich große Muskelmüdigkeit, Konjunktivitis, Ödeme der Augenlider und später oft auch des Ge- sichtes und vielfach brettharte, äußerst schmerzhafte Schwellungen der Muskeln ein. Das Fieber hat einen unregelmäßigen Typus und pflegt nicht sehr hoch zu steigen, kann bei leichten Fällen auch ganz fehlen. Weiterhin werden beobachtet Störungen der Augenbewegungen und der Atmung, Heiserkeit, Aphonie, Darmblutungen, Nasenblutungen, Ekchymosen auf Haut und -Schleimhäuten, Prurigo, Herpes, Miliaria, Pusteln, Furunkel, enorme Schweiße, Ödeme der Extremitäten, Ab- schuppung der Haut, selten größerer Dekubitus, Bronchialkatarrhe, hypostatische und katarrhalische Pneumonie und trockene und eitrige Pleuritis (Merkel und Seifert, Borndorf). In den tödlich verlaufenden Fällen beschließen Kollapserscheinungen mit Delirien usw. die Szene. Auffällig ist die starke Eosinophilie des Blutes, die schon tagelang vor den Erscheinungen der Muskeltrichinose einsetzt. Sie beginnt nach Schleips Ansicht mit dem Freiwerden der Trichinen aus den Kapseln im Darm und wird durch giftige Stoffwechselprodukte hervorgerufen, die positiv chemotaktisch auf. die eosinophilen Blutzellen und ihre Bildungsstätten im Knochenmark wirken. Leichte Fälle währen 3—6 Wochen, schwere bis zu vielen Monaten. Tödlicher Ausgang wurde in einzelnen Epidemien bis zu 30°/, der Fälle beobachtet, die Mortalität kann aber auch viel geringer sein; His sah unter 60 Trichinosefällen, die er 1915 in Nordpolen feststellte, nur einen tödlich verlaufen. Der Beginn der Erkrankung tritt zumeist 1—10 Tage nach Aufnahme des trichinösen Fleisches ein (Seifert). Die Diagnose der Trichinose ist zu Beginn der Krankheit klinisch schwierig und wird daher häufig nicht richtig gestellt. Statt Trichinose wird Sepsis, Typhus usw. angenommen. Eine sichere Ent- scheidung ist nur durch die mikroskopische Untersuchung des Blutes und exzidierter Muskelstückchen möglich. Der Nachweis der Embryonen im zirkulierenden Blut, auf den für diagnostische Zwecke zuerst Schleip aufmerksam gemacht hat, gelingt nach Stäubli am leichtesten, wenn man das Blut, um Gerinnung zu verhüten und eine Auf- lösung der roten Blutkörperchen herbeizuführen, in 3proz. Essigsäure bringt und dann zentrifugiert. Am zahlreichsten werden die jungen Trichinellen zwischen dem 15.—23. Tag gefunden. Will man Trichi- nellen im Muskelgewebe des Lebenden feststellen, so muß man durch sorgfältiges Abtasten besonders druckempfindliche Stellen der Extremi- tätenmuskeln aussuchen und hier zur Untersuchung etwa erbsengroße Stellen ausschneiden. Namentlich an den Sehnenansätzen liegen diese "Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 112. Schnitt durch Muskel mit Trichinellen. (Nach Stäubli.) Fig. 2. Fig. 3. Microfilaria nocturna. Microfilaria perstans. Hämatoxylinfärbung. Methylenblaufärbung. (Nach Schilling.) (Nach Schilling.) Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Jar As B Trichinosis. N 1339 Stellen, denn dort machen nach Zenker und Curschmann die Embryonen beim Durchwandern des Muskels halt „wie die Viehherde am Hinder- nisse“. His gelang der Nachweis der Trichinellen in exzidierten Muskel- stückchen bei '/, der Fälle, meist am 8—12. Krankheitstage. Wichtig ist die Untersuchung des der Infektion verdächtigen Fleisches. Eine ätiologische Therapie der entwickelten Krankheit durch Therapie. parasitentötende Mittel ist bisher noch nicht erzielt. Salvarsan ist wirkungs- los. Die Behandlung der Kranken besteht in Ausspülung des Magens, wenn in ihm noch Trichinellen anzunehmen’ sind, und Darmentleerung durch Kalomel usw., ist im übrigen aber rein symptomatisch. Die Prophylaxe der Trichinose ist einerseits eine staatliche, Prophylaxe. auf sanitätspolizeilichem Gebiet liegende und andrerseits eine persön- liche. In vielen Staaten ist die Trichinenschau durch gesetzliche Maßnahmen eingeführt, so z. B. in Preußen seit 1877 die obligato- rische Untersuchung des Schweinefleisches für. gewerbliche Schlachtungen. Es wird dabei so verfahren, daß von jedem Schwein von den Muskeln, die Lieblingssitze der Trichinellen sind, je ein Stück entnommen und in 6 kleine Teile zerlegt wird. Jeder Teil wird zwischen 2 Objektträgern zerquetscht und mikroskopisch untersucht. Das Fleisch. trichinöser Schweine wird als Nahrungsmittel nicht zu- gelassen. a Die persönliche Prophylaxe solite von niemand außer acht gelassen werden, denn selbst die obligatorische Trichinenschau kann das Vorkommen von Trichinoseepidemien nicht völlig verhindern. Die Unsitte, rohes oder ungenügend gekochtes Fleisch zu genießen, sollte allmählich aus den Kulturländern verschwinden. Literatur. * Askanazy, Die Lehre von der Trichinosis. Zentralbl. f. Bakt., Bd. 15, 185%. Blank, Über Trichinose. Deutsches Arch. f. klin. Med., Bd. 132,.1920. Braun, Naturgeschichte der tierischen Parasiten des Menschen. 5. Aufl., 1915. Edelmann, Lehrbuch der Fleischhygiene. 2 Aufl., Jena, G. Fischer, 1907. His, Beobachtungen über Trichinose. Med. Klinik, 1917. Leuckart, Untersuchungen über Trichina spiralis. Göttingen 1860. Merkel, Handbuch der Therapie von Penzoldt-Stintzing, Bd. I. Owen, Transact. zool. soe. London, 1, 1835. Riess, Trichinenkrankheit. Real-Enzyklopädie d. gesamt. Heilkunde, herausgeg. von A. Eulenburg, 4. Aufl., Bd. 14. Berlin u. Wien, Urban & Schwarzenberg, 1913. Schleip, Deutsches Archiv f. klin. Medizin, Bd. 80. ‚Seifert, Die tierischen Parasiten des Menschen. Klinisch-therapeutischer Teil. 4. Aufl., 1908. : Stäubli, Trichinose. Handb. d. pathog. Mikroorg. 2. Aufl., Bd. 8, 1913. Stiles, Proc. path. soc. Philadelphia, N. S. 4, 1910. Virchow, Darstellung der Lehre von den Trichinen. Berlin 1864 und 1865. Zenker, Über die Trichinenkrankheit. Arch. f. path. Anatomie, 1860. — Beitrag zur Lehre von der Trichinenkrankheit. Deutsches Arch. f. klin. Med., I, 1866. Einteilung der Filarien. 75. VORLESUNG. Filariosis. | Von den Nematoden spielen außer den Trichinen in der mensch- lichen Pathologie, und zwar ausschließlich in den Tropen und. subtro- pischen Ländern, die Filarien als Blut- und Gewebsschmarotzer eine große Rolle. Sie wurden im Jahre 1863 von Demarguay entdeckt und später namentlich von Lewis und Manson eingehender studiert. Unsere Kenntnisse über die Bedeutung, Verbreitung und Übertragung der Filarien sind in neuerer Zeit sehr vertieft worden, weisen aber noch mannigfache Lücken auf. Es bedarf zu deren Ausfüllung noch langdauernder und umfangreicher Studien, die sich besonders auch auf _ Filarienerkrankungen bei Tieren erstrecken müssen. Die Filarien des Menschen werden größtenteils durch blutsaugende Insekten übertragen. Die bisherigen Untersuchungs- ergebnisse an den medizinisch wichtigsten Arten der Filarien sind in dem auf S. 1341 wiedergegebenen Schema zusammengestellt. Die An- gaben stammen von Fülleborn und Rodenwaldt, die sich um die Er- forschung dieser Blutschmarotzer große Verdienste erworben haben. Man teilt die Filarien zweckmäßig in. 2 Gruppen ein. Die erste von ihnen umfaßt die Arten, bei denen: die jungen Stadien als mikro- - skopisch kleine Würmchen — Mikrofilarien — im Blut angetroffen Filaria Bancrofti. .werden, die zweite die Arten, deren Larven nicht in die Blutbahn des Wirtes übertreten, sondern von den Weibchen direkt nach außen ent- leert werden. Zwischen diesen beiden Gruppen steht die Onchocerca volvulus, bei der das Eindringen der Larven in das Blut wahrschein- lich, aber noch nicht sicher erwiesen’ ist. Die geschlechtsreifen Filarien sind meist haardünne Würmchen: von Spannlänge. Sie haben ihren Sitz im Bindegewebe oder im Lymph- gefäßsystem und sind demgemäß der Untersuchung nur unter besonderen Verhältnissen zugänglich. Sie leben im Körper des Infizierten oft lange Zeit, ohne nennenswerte Krankheitserscheinungen hervorzurufen. Die von den erwachsenen Würmern produzierten Mikrofilarien sind bei den zur ersten der obengenannten Gruppen gehörigen Arten im Blut meist un- schwer nachzuweisen. 1. Die Filaria Banerofti, die wichtigste der menschlichen Filarien, auch Fil. sanguinis hominis genannt, ist in fast allen tropischen und subtropischen Ländern verbreitet. In Europa kommt sie anscheinend _ Filariosis, 1341 ne in iin vor. Von den geschlechtsreifen Tieren ist das Weib- ‚chen 75—90 mm lang und 0'24—0'28 mm dick, während das Männchen nur etwa 45mm lang und O'l1 mm dick ist. Der knopfartige Kopf ist vom Rumpf etwas abgegrenzt, das Hinterende breit abgerundet und ‚beim: Männchen spiralig eingerollt. Larven Ver- breitung Krankheits- erscheinungen | Über- Geschlechts- tragusg tiere | Namen | Aussehen | 1 4. Filarien, deren Larven im Blute nachgewiesen sind: a Lymphstauun- Rees)" Verschie- | In zahl- | $en; Lymph- SEE Br: } Tepe Mikro- dene reichen eauciwe 4.%Fil. Br fil. Culex- |tropischen| "\nsen, chy/dse ee ae a noc- und An- | und sub- ehe 3% i e_ P” || turna opheles- |tropischen varmet > = k iv Zroß pischer Elephan- . und in tiasis Scheide : Be- - Binde- - : er Ä PER stimmte | Afrika: Sog. Calabar- 2.Fil. x er Stech- West- schwellungen. x 7, Be fliegen |küste und) Filarienabszesse. z nn —_ . |(Chrysops-| Uganda | Filarienfieber? S Arten) 3.Fil. | Tropi- perstans Mikro- . : Wahr- sches | Nicht besonders (Acantho-|. u, mit relativ || schein- | Afrika | charakteristisch, cheilo- per- S ee = lich und mitunter ähnlich - mema | Subperi- || stans e Mücken | Britisch- | wie bei Fil. loa | perstans) m. E Guayana und Fett-| = “ gewabe en mit : Wahr- | West- | 14. Fil. De- " : =| schein- "|indien und a Imarquayi De | spitzem ||| lich | Britisch- Keine SB: quayi 3 #| Mücken | Guayana E -_B. Filarien, deren Larven vielleicht ins Blut gelangen können, in ihm aber noch nicht sicher nachgewiesen sind: Mikro-| Groß, ohne | Anschei- | Tropi- za B Oncho- Binde- gl. Scheide, nend sches FaWee® ADRons: er gewebe || vol- | spitzschwän-|| Stech- West- sage alste | vulus zig mücken | afrika Sn ; . C. Filarien, deren Larven sicher nicht ins Blut gelangen: x Durch , Furunkelähn- $ Mikro-| Sehr groß, || Wasser - ,’ | liche Geschwüre, ee Binde- || fil. | mit langem, || (Cyelops- ng aus denen der Pr 2 gewebe || medi- dünnem Arten) on..j Wurm nach dinensis H or tropisches ‘ Inensis| Schwanz über- Süd- außen durch- tragen | „merika bricht Kolleund Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 86 Über- tragung. 1342 75. Vorlesung. Die Larven werden Mikrofilariae nocturnae genannt, weil sie vorwiegend zur Nachtzeit in das Blut übertreten. Sie sind etwa 0'3 mm lang und entsprechen in ihrer Dicke dem Durchmesser eines roten Blutkörperchens. Die ziemlich erheblichen Schwankungen in den Größen- angaben der einzelnen Autoren beruhen zum Teil wohl auf Verschieden- heiten in den Präparationsverfahren. Die Mikrofilarien sind sehr lebhaft beweglich und von einer sackartigen Scheide umgeben, in der sie sich bald nach vorn, bald nach hinten bewegen (Taf. 112, Fig. 2). Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, daß in der Regel das Ausschwärmen der Bancrofti- Mikrofilarien in die Abend- und Nachtstunden fällt. Am Tage findet man im Blute nur selten vereinzelte Exemplare, gegen Abend nimmt ihre Zahl wesentlich zu, um gegen Mitternacht ihre höchste Frequenz (bis zu 600 Stück und mehr in einem Bluttropfen) zu erreichen und gegen Morgen wieder herabzugehen. Für diese Periodizität konnte eine einwandfreie Erklä- rung noch nicht aufgestellt werden. Offenbar hängt sie auch mit den Lebeusgewohnheiten des Infizierten zusammen. Läßt man letzteren, wie zuerst Mackenzie gezeigt hat, am Tage schlafen und nachts wachen, so kehrt sich der Turnus nach 3—4 Tagen um und wird wieder nor- mal, wenn die betreffende Person zu ihrer alten Gewohnheit zurück- kehrt. „Es sind anscheinend noch unbekannte, in dem Chemismus des Stoffwechsels des Wirtes liegende Ursachen, welche die Filarien bei normaler Lebensweise des Wirtes höchst zweckmäßig zu denjenigen Stunden im Blutwechsel der Haut auftreten lassen, in denen sie die meisten Chancen haben, von den besonders abends und nachts saugen- den Mücken, ihren Zwischenwirten, aufgenommen zu werden“ (Fülle- . born und Rodenwaldt). Während des Tages halten sich die Mikro- filarien der typischen Varietäten im EapiliargrRiet der inneren Organe, vorwiegend der Lunge, auf. Der beschriebene Turnus ist aber keineswegs allen Bancrofti- Stämmen eigen. In bestimmten Gegenden, z. B. in der Südsee und auf Samoa, wird er nicht beobachtet, in anderen wieder ist er weniger charakte- ristisch ausgeprägt, obwohl keinerlei Unterschiede an den Würmern und Mikrofilarien feststellbar sind, die eine zoologische Abtrennung verschie- dener Arten rechtfertigen könnten. Es muß sich also um Charakteristika der Wurmvarietäten handeln, deren Gründe wir noch nicht übersehen können. Die Übertragung der Filaria Bancrofti erfolgt durch Stech- mücken. Bei verschiedenen Culex- und Anophelesarten wurde die Fähigkeit, durch den Stechakt die Würmer zu übertragen, experimen- tell bewiesen, doch scheinen nicht alle Arten hierfür geeignet zu sein. Wenn die Mücke von einem Filarienträger Blut gesogen hat, befreien sich die Mikrofilarien im Mückenmagen aus ihrer Scheide und dringen von hier aus in die Thoraxmuskulatur ein. Dort wachsen sie in 2 bis 6 Wochen — je nach der Außentemperatur — zu dünnen Würmern von etwa 15mm Länge heran, die zum Kopf und in die Rüssel- scheide der Mücke vordringen. Beim Stechen erfolgt dann die Einimp- fung der Würmer in die Haut. Es ist nicht notwendig, daß die Über- tragung durch den Stechakt selbst erfolgt; möglicherweise dringen die Filarien nach dem Stich von der Hautoberfläche in den Stichkanal ein. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 113. Schnitt durch Drüse mit zahlreichen Mikrofilarien. Verlag von Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien. Filariosis. : 1343 Aber auch ohne einen solchen präformierten Kanal können sie in die Tiefe dringen, wie Fülleborn bei Versuchstieren nachwies, denen er reife Filarienlarven auf die unverletzte Haut brachte. Im Körper des Menschen gebrauchen die Larven anscheinend längere Zeit, bis sie zu völlig geschlechtsreifen Würmern heranwachsen. Letztere haben wahr- scheinlich eine lange Lebensdauer, da mehrfach beobachtet worden ist, daß Krankheitserscheinungen bei "Menschen erst mehrere Jahre nach . dem Verlassen infizierter Gegenden auftraten. Die Filaria Bancrofti ruft bei den mit ihr infizierten Menschen keineswegs immer 'krankhafte Zustände hervor, sondern lebt in der größeren Mehrzahl der Fälle als harmloser Parasit im Organismus, ohne die Gesundheit zu stören. So fand Looss bei seinen Untersuchungen in - Westindien, daß nur 35'5°/, der- von ihm ermittelten Filarienträger Krankheitserscheinungen aufwiesen. Nur wenn die lebenden er- wachsenen Würmer größere Lymphgefäßstämme oder den Ductus thoracicus-verstopfen, kommt es zu schweren Folgeerschei- nungen. Es entstehen .dann je nach der Lage und Funktion des betroffenen Gebietes und dem Grade der Stauung Abszesse der zugehörigen Lymphdrüsen, variköse Schwellungen der Leisten- und Achseldrüsen, chylöse Ergüsse in die Harnwege (Chyl- urie), in die Bauchhöhle (chylöser Aszites) oder in den Darm (ehylöse Diarrhoe), Lymphstauungen an der “äußeren Haut (Lymphskrotum, Lymphvarizen) und in den inneren Organen (Or- - ehitis, Chylozele und Elephantiasis der Glieder, der Genitalien, des Kopfes, der Mammae und zirkumskripter Hautstellen (Manson). Die häufigste direkte Folge der Ansiedlung der Filaria Bancrofti beim Menschen ist eine Lymphangitis, die mit Schüttelfrost einsetzt und zu mehrtägigem Fieber führt. Die Haut schwillt über den verdickten Lymphgefäßen stark an. Der Anfall geht nach einigen Tagen vorüber. - Kommt es durch die häufig rezidivierenden Entzündungen (Elephantoid . fever) zu einer Verlegung der Lymphgefäße, so entwickelt sich die sog. „Elephantiasis Arabum“, hauptsächlich an den unteren Extremitäten, am Skrotum und Penis und an den Schamlippen. Es entsteht eine gewaltige Verdickung der Haut, wodurch die Glied- maßen geradezu unförmig werden. Vielfach ist die Hauterkrankung auch sklerodermartig. Die Wirkung der Filarien im Lymphgefäßsystem ist wahrscheinlich nicht lediglich eine mechanisch verstopfende, sondern es kommt wohl auch: durch sekre- torische Reizung zu einer Hypertrophie der Intima und zu Entzündungsprozessen. In der Haut und im Unterhautzellgewebe treten infolge der Filarienwirkung Sekun- därinfektionen durch Kokken oder andere Mikroorganismen anf, die die schweren irreparablen Veränderungen zum wesentlichen Teil mitbedingen. ; Besondere Erwähnung verdient die für den Tropenarzt wichtige Tatsache, daß auch anfallsweise auftretende Chylurie häufig durch Filariainfektion bedingt ist. Die Anfälle verlaufen mit Fieber. Im Urin sind Fett, Blut und Filarialarven nachweisbar. Therapeutisch kommt neben Bettruhe und fettfreier Diät die innerliche Anwendung von Oleum Santali, Methylenblau und Thymol in Frage (Seifert). 2. Die Filaria loa ist an der Westküste Afrikas und nach neueren Berichten auch in Uganda heimisch. Ihre Übertragung er- erfolgt durch bestimmte Stechfliegen (Chrysops dimidiatus und Chry- 86* Pathogene Wirkungen. Filaria loa. 1344 75. Vorlesung. sops silacea.) Das geschlechtsreife Weibchen ist 45—63 mm lang und etwa O’Dmm dick, das Männnchen hat eine Länge von 25—35mm und eine Dicke von 0'2—0'‘4mm. Der weißliche Wurm wird durch kleine durchscheinende Wärzchen besonders charakterisiert, die fast die ganze Oberfläche oberflächlich bedecken. Der Kopf ist nicht abgeschnürt, sondern nur etwas schmäler als der hinter ihm gologanp Teil des Rumpfes und läuft konisch zu. Die zugehörige Mikrofilaria diurna ist der Ben beschriebenen Mikrofilaria nocturna ähnlich, wird aber im Gegensatz zu ihr fast aus- schließlich zur Tageszeit im peripheren Blut angetroffen. Die Filaria loa hat ihren Lieblingssitz im Unterhautbindegewebe, namentlich an der Außenseite der Extremitäten, wird aber gelegentlich auch in Lymphgefäßen angetroffen. Bei Obduktionen findet man im Körper der Infizierten meist eine größere Zahl der Würmer. Ebenso wie die Filaria Bancrofti hat auch die Filaria loa anscheinend eine mehrjährige Lebensdauer. Die Mikrofilarien sind an sich harmlos, treten aber oft in großen Mengen in das Blut und sind mehrfach auch im Urin und im Speichel nachgewiesen worden. Die Filaria loa ist dadurch besonders charakterisiert, daß sie Wanderungen unter der Haut vornimmt. Man kann die schlängelnden Bewegungen des Wurmes unter der Haut manchmal deutlich fühlen und unter Umständen auch sehen. Wenn die Filarien sich mit der Pinzette fassen lassen, glückt gelegentlich auch ihre Exzision. Deutlicher und leichter sind sie unter der Konjunktiva und der Haut der Lider sichtbar. Sie rufen hier geringere oder stärkere Reizerscheinungen (stechende Schmerzen, Konjunktivitis, Lidödem, Sehstörungen) hervor, die mit dem Verschwinden des Wurmes wieder nachlassen (Martens). Auf die Wanderungen dieser Filarien sind auch die sogenannten Kalabar- oder Kamerunschwellungen zurückzuführen, die sich bei den Filarienträgern ganz plötzlich einstellen. Es handelt sich um teigige oder pralle, nicht scharf begrenzte Schwellungen, die an beliebigen Körperstellen, namentlich am Kopf, an den Unterarmen und Händen, in den Knöchelgegenden und an den Füßen unter Rötung, Spannung und Hitzegefühl in der Haut entstehen und nur in mäßigem Grade druckempfindlich sind. Daß diese Schwellungen durch die Filarien verursacht werden, geht daraus hervor, daß auch sie wandern und nach !;—4 Tagen wieder verschwinden. Oft treten neue Schwellungen gleicher Art längere Zeit hindurch an verschiedenen Körperstellen auf, sodaß die Kranken immerhin nicht unerheblich zu leiden haben. Im Gesicht können die Kalabarschwellungen entstellend wirken, an den Händen beeinträchtigen sie oft die Gebrauchsfähigkeit in stärkerem Grade. Über die Ursache dieser Erscheinungen ist genaueres noch nicht bekannt. Vielleicht handelt es sich um eine vorübergehende Ver- stopfung von Hautlymphgefäßen durch die Würmer. Nach Fülleborn und V. Schilling ist es. jedoch wahrscheinlicher, daß sie durch gewisse toxische Absonderungsprodukte der Würmer veranlaßt werden, die sich in dem befallenen Gewebe anreichern. Sie sollen sich bei den Infizierten unter Umständen auch durch äußere Reize hervorrufen lassen, sodaß die Gegenwart der Würmer selbst an der Schwellungsstelle nicht notwendig zu sein scheint. Pen NE VRR CE VON A B- a 1 < Be... E- Bl, 5 W N F 1 B 7. 72 3. ” En I: 2 21 >r Filariosis. Ä 1345 Außer den beschriebenen Schwellungen führt die Filaria loa häufig auch zu tiefsitzenden Muskelabszessen (Külz). Im ganzen ist sie jedoch wesentlich gutartiger als die Filaria Bancrofti. Bemerkens- wert ist die auffallende Steigerung der eosinophilen Blutzellen, die man bei den an dieser Filarienkrankheit Leidenden festgestellt hat. 3. Die Filaria (Acanthocheilonema) perstans wird im tropi- A Afrika in sehr weiter Verbreitung gefunden, sodaß in einzelnen Gebieten nach den Feststellungen von Koch, Low, Cook, Ziemann u. a, bis zu 85%, der Eingeborenen infiziert sind. Häufig kommt sie neben der Filaria Bancrofti oder der Filaria loa vor. Das geschlechtsreife Weibchen mißt 50—80 mm in der Länge und etwa 012 mm in der Breite, das Männchen etwa 35 —45 mm bzw. 0'08 mm. Der Kopf zeigt, ähnlich wie bei der Filaria Bancrofti, eine Abschnürung vom Rumpf. Die Kutikula hat an der Spitze des eingebogenen Schwanzes bei beiden Geschlechtern zwei mitraähnliche dreieckige Fortsätze. Die erwachsenen Würmer halten sich vorwiegend im intraperitonealen Binde- und Fettgewebe auf und wandern in diesem umher. Die Mikrofilarien (Taf. 112, Fig. 3) sind bei Tag und Nacht gleichmäßig im Blut nachweisbar. Sie sind U2—0'3 mm lang und 2 etwa 0'005 mm dick, haben keine Scheide und führen sehr lebhafte Bewegungen aus, bei denen sie sich abwechselnd strecken und ver- kürzen. In welchem Zwischenwtrt sich die Entwicklung dieser Filarie vollzieht, steht noch nicht fest. Die Untersuchungen; die hierüber an einer Reihe von Culex- und Anophelesarten sowie an Fliegen ange- stellt wurden, hatten noch kein klares Ergebnis. Die meisten Autoren .. neigen dazu, Mücken als Überträger anzunehmen. Die Annahme von Feldmann, Wellmann und Low, daß der Ornithodorus moubata (s. S. 806) der Überträger sei, kann nicht als bewiesen gelten. Besonders charakteristische Krankheitserscheinungen können der Filaria perstans nicht zugeschrieben werden. Nach Fülleborn kann sie Hautschwellungen, ähnlich wie die Filaria loa, ferner Abszesse und Filarienfieber mit Lungenerscheinungen hervorrufen. 4. Harmlos ist die Filaria Demarquayi, die im tropischen ‚Amerika heimisch ist. Unsere Kenntnisse über diese Filarienart sind noch sehr lückenhaft. Sie hat viel Ähnlichkeit mit der Filaria perstans und bevorzugt wie diese anscheinend das mesenteriale Fettgewebe. Die Mikrofilarien haben einen spitzen Schwanz und unterscheiden sich dadurch deutlich von denen der Filaria perstans. Als Überträger nimmt man auch hier Mücken an. 5. Die Filaria oder Onchocerea volvulus ist ebenfalls noch nicht genügend erforscht. Sie wird in Westafrika gefunden. Das ge- schlechtsreife Männchen hat eine Länge von etwa 3 cm und eine Dicke von 0:14—02 mm. Das Weibchen kann nach den Feststellungen von Prout, Rodenwaldt u. a. eine Länge von 35—40 em erreichen und mißt an der dicksten Stelle etwa 0:33 mm im Umfang; es hat eigenartige, tonnenreifartig vorspringende Kutikularverdickungen. Die 024—0°'3 mm langen und im Mittel 0:006—0°007 mm dicken I anaden haben einen spitzen Schwanz und keine Scheide. Fiiaria perstanse. Filaria Demarqguayi. Onchocerca volvulus. Filaria medinensis. 1346 75. Vorlesung. Onchocerca volvulus verursacht beim Menschen eigenartige, langsam bis zu Haselnußgröße anwachsende Hautgeschwülste, die kleinen subkutanen Lipomen oder Fibromen ähnlich sind und viele Jahre und Jahrzehnte bestehen bleiben, ohne ihren Träger wesentlich _ zu stören. Da sich sehr oft eine größere Anzahl von Einzelknoten an einer Stelle dicht aneinanderdrängt, entstehen schließlich Tumoren von der Größe eines Apfels. Besonders häufig sind die seitlichen Partien des Brustkorbes Sitz der Geschwülste. Im Innern der Knoten, die nur- in seltenen Fällen in Entzündung oder Abszedierung übergehen, trifft man in einer gelblichen, schleimigen. leukozytenreichen Flüssig- keit eine größere Zahl zusammengeknäuelter Würmer - beiderlei Geschlechts und zahlreiche freie Mikrofilarien an. Letztere sind auch in der hindegewebigen Tumorwand nachweisbar; daß sie aber von hier aus in größere Lymphgefäße und dann später in das Blutgefäßsystem ein- dringen, ist noch nicht mit Sicherheit festgestellt, im Hinblick auf die Verhältnisse verwandter Arten, die bei Pferden gefunden werden, aber wahrscheinlich. Auch die Filaria volvulus ae anscheinend durch Stechmücken übertragen. 6. Die Filaria medinensis, auch Dracuneulus medinensis und Medinä&- oder Guineawurm genannt, ist neben der Filaria Bancrofti die wichtigste und wegen der charakteristischen Erscheinungen, die sie beim Menschen hervorruft, in ihren Heimatsländern (Arabien, Persien, Indien, tropisches Afrika und Amerika) seit den ältesten Zeiten bekannt. Der Medinawurm ist im Vergleich zu den bisher genannten Filarien sehr lang. Das Weibchen ist nach Ewart 32—120 cm, im ‚Mittel 90cm lang und 15—17T mm dick; über das Männchen ist sicheres nicht bekannt, da es beim Menschen bisher einwandfrei nicht - festgestellt worden ist. Der Körper ist zylindrisch, wird nach hinten zu schmäler und trägt am Hinterende ein stachelartiges Haltorgan. Die Farbe des Wurmes ist weiß, nur die Seitenteile zeigen je ein schwarzes Band. Der sonstige Bau der Filaria medinensis bedarf noch eingehender zoologischer Untersuchungen. Die Larven sind 05 bis 0:75 mm lang und 0°015—0'025 mm dick und haben einen langen dünnen Schwanz, während ihr Kopfende leicht zugespitzt ist. Der geschlechtsreife Wurm lebt im Bindegewebe und wandert in ihm hin und her. An Körperstellen, die mit Wasser am ehesten in Berührung kommen, durchbricht schließlich der völlig ausgereifte Wurm die Haut, um seine Embryonen in großer Zahl nach außen zu entleeren. Bevorzugte Durchbruchs- stellen sind demnach die Füße (in etwa. 60°/, der Fälle) oder die unteren Gliedmaßen überhaupt (in etwa 92°/, der Fälle). Bei Wäscherinnen werden häufig auch die Hände und Vorderarme, bei Wasserträgern Rücken oder Kopf befallen, die mit den nassen Wassergefäßen benetzt werden. Es bildet sich an jenen Stellen, ohne daß besondere Anzeichen vorhergehen, eine gerötete erhabene Pustel, die nach wenigen Tagen aufbricht und dann wie ein kleines Geschwür aussieht. Im Grunde des Geschwüres wird der Wurm sichtbar und entleert, wenn kaltes Wasser aufgeträufelt wird, ein milchiges Sekret, das von Mikrofilarien wimmelt. Bei der Mehrzahl der Kranken kommt es nur zum Durchbruch eines ' Filariosis. 5 1347 Wurmes; es sind aber auch Fälle beobachtet worden, bei denen in kurzer Zeit mehrere, im ganzen bis zu 50 Würmern festzustellen waren. In der Zeit des Durchbruches treten mitunter Urtikaria, Fieber und sonstige mehr oder weniger schwere Allgemein- erscheinungen auf, die sich aber bald nach der Entleerung der Würmer verlieren. Die Durchbbruchsstellen der Haut vereitern häufig und führen zur Bildung von tiefgehenden Abszessen, die nicht selten eine tödliche Allgemeinerkrankung zur Folge haben. Die Larven gelangen beim Baden oder Wasserholen in das Wasser, indem sie sich längere Zeit lebend erhalten. Im Wasser werden sie von bestimmten, in fast allen oberflächlichen Süßwasser- ansammlungen vorkommenden kleinsten Wasserkrebsen (Zyklops- arten) aufgenommen, in denen sie sich weiterentwickeln (Fedtschenko). Dadurch, daß diese Zyklopsarten mit dem Trinkwasser in den Magen des Menschen gelangen, erfolgt die Infektion. Im Magen des Menschen werden die Krebschen durch die Salzsäure des Magensaftes aufgelöst; die resistenten Würmchen treten dann in die Körpergewebe ein, wo die Befruchtung stattfindet. Die Männchen gehen anscheinend bald danach zugrunde. Die Zeit von der. Infektion des Menschen durch das infizierte Wasser bis zur Ausstoßung der Mikro- filarien aus der Haut dauert annähernd 1 Jahr. Diese Tatsache ist nach Fülleborn auf eine natürliche Anpassung der Parasiten an die Benutzung des Wassers ‘dureh die Menschen (Trinken, Baden usw.) zurückzuführen, die ja in den Tropen weit mehr als bei uns in den Jahreszeiten sehr verschieden ist. Nach den neueren Untersuchungsergebnissen müssen wir annehmen, daß die Entwicklung der Larven im Zyklops, die etwa auf 5 Wochen veranschlagt wird, notwendig ist, und daß der Mensch nur dann infiziert wird, wenn er die bis zu einem bestimmten Ent- wicklungsgrad vorgeschrittenen Larven mit den Zyklopiden in sich auf- nimmt. Andere Wassertiere kommen als Zwischenwirte nicht in Betracht. Die Übertragung der Larven auf den Menschen durch Wasser ohne Einschaltung eines Zwischenwirts- ist nach den Untersuchungen Leipers nicht wahrscheinlich. Die Erkrankungen des Menschen durch die Filaria medinensis, die, ‚wie gesagt, sehr unangenehm, langdauernd ‚und infolge der häufigen Sekundärinfektionen mit Lebensgefahr verknüpft sind, lassen sich nur _ dadurch verhüten, daß die Trinkwasserentnahmestellen vor der Infektion ‚mit den Larven des Wurmes geschützt werden (Anlage einwandfreier Brunnen). Die Abtötung der letzteren unmittelbar bei ihrer Entleerung aus der Haut ist wohl im Einzelfalle durchführbar, aber bei den Ein- geborenen in jenen Ländern nicht stets zu erreichen. Die Entfernung der Würmer gelingt bei vorsichtigem Vorgehen oft dadurch, daß man Karbolsäure- oder Sublimatlösung in die fixierten Würmer einspritzt und diese dann allmählich extrahiert. Bei den mit dem Medinawurm behafteten Menschen wird eine ausgesprochene Eosinophilie des . Blutes beobachtet. Außer beim Menschen kommt Dracunculus medinensis bei Hunden, Pferden und Rindern, Affen und verschiedenen Wildarten vor. tragung. 1348 75. Vorlesung. Filariosis. Literatur. Fülleborn, Die Filarien des Menschen. Handb. d. pathog. Mikroorganismen, 2. Aufl., Bd. 8, 1913. — Münch. med. Wochenschr., 1907. — Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene, 1908, Beihefte 7—9 und 1912, Beiheft 4. Fülleborn und Rodenwaldt, Filarien. Eulenburgs Real-Enzyklopädie, 4. Aufl., Bd. 5, Berlin und Wien, Urban & Schwarzenberg, 1908. Scheube, Die Krankheiten der warmen Länder. 4. Aufl., Jena, G. Fischer, 1910. Looss, Würmer und die von ihnen hervorgerufenen Krankheiten. Menses Handbuch der Tropenkrankheiten, 2. Aufl., Bd. 2, Leipzig, J. A. Barth, 1914. Rodenwaldt, Die Verteilung der Mikkoklarien im Körper und zur Morphologie der - Mikrofilarien. Arch. f. Schiffs- und Tropenhygiene, 1908, Beiheft 10. Feldmann, Über Filaria perstans im Bezirk Bukoba. Archiv für Schiffs- und Tropen- hygiene, 1905. Braun, Naturgeschichte der tierischen Parasiten des Menschen. 5. Aufl, Würzburg, C. Kabitzsch, 1915. Seifert, Klinisch-therapeutischer Teil des vorgenannten Werkes. Ebenda, 2. Aufl., 1920. Kleine, Die Übertragung von Filarien durch Chrysops. Zeitschr. f. Hygiene Get In- fektionskrankh., Bd. 80, 1915. 76. VORLESUNG. Bilharziakrankheit. - Die Bilharziakrankheit verdankt ihren Namen dem Entdecker des Erregers, dem Kliniker Bilharz. Dieser studierte in Ägypten das .dort weit verbreitete Leiden und fand 1852, daß es durch - Sehistosomiden, Würmer aus der Klasse der Trematoden, hervor- gerufen wird. - Diese Würmer -haben im Gegensatz zu den meist ‘ hermaphroditischen anderen Klassen getrennte Geschlechter. Für den Menschen kommen als Krankheitserreger besonders in Betracht das Schistosomum haematobium oder Bilharzia haematobia der Erreger der ägyptischen Bilharziose, und Schistosomum japonicum, der Erreger der japanischen Katayama-Krankheit. Eine dritte Art, das Schistosomum Mansoni, ist in Amerika und in Ägypten bei Krankheitszuständen gefunden worden, die sich auf den Darmkanal beschränkten. Die erwachsenen Würmer bewohnen das venöse Blutgefäßsystem. Die Männchen sind nach der Beschreibung von V. Schilling etwa 6—12—14 mm lang und 0,5—0,7 mm dick, die Weibchen haben eine Länge von 10—20 mm und eine Dicke von etwa 0,2 mm. Beide Geschlechter besitzen einen vorderen, mit einer Mund- öffnung versehenen, trichterförmigen Saugnapf und in geringer Ent- fernung von diesem einen breiteren, als Haftorgan dienenden Bauch- saugnapf. Die Männchen lassen, wenn man sie bei stärkerer Ver- größerung betrachtet, einen an der Bauchseite vom Bauchsaugnapf bis zum Schwanzende hinziehenden Längsspalt erkennen, der durch die bauchwärts eingerollten Seitenkanten des eigentlich flachen Wurm- - körpers gebildet wird. Es entsteht dadurch ein geschlitzter Kanal. der Canalis gynaecophorus, in den das Weibchen während der Kopulation ganz oder teilweise auf- und mitgenommen wird (Taf. 114, Fig. 1 und Fig. 214). Die Farbe der Würmer ist blaß, weißlich oder schwach rötlich, doch schimmert beim Weibchen be- sonders der mit rotem, braunem oder schwarzem Blutpigment ge- füllte, gezackte Darmkanal stark durch. Die Oberfläche der ‚Würmer ist, abgesehen von dem kurzen, bis zum Bauchsaugnapf reichenden Vorderkörper, rauh, mit Wärzehen und an der Innen- fläche der Saugnäpfe, an der Bauchseite und den eingeschlagenen Ätiologie. Morphologie und Biologie der Bilhar- ziawürmer. 1350 76. Vorlesung. Seitenkanten des Männchens und an dem Hinterende des Weibchens mit feinen stacheligen Härchen bedeckt, die das Haften der Würmer aneinander und an der Venenwand erleichtern. Von den inneren Organen ist nur der Darmkanal leicht erkennbar. Er beginnt am vorderen Saugnapf mit einem kurzen Ösophagus und teilt sich in der Höhe des Bauchsaugnapfes in zwei Schenkel, die sich später wieder vereinigen, um in der Nähe des Schwanzendes blind zu endigen. Die Geschlechtsorgane mün- den dicht unterhalb des Bauchsaugnapfes und bestehen beim Männchen aus trauben- artig an einem Sammelkanal liegenden Hodenbläschen, beim Weibchen aus einem langen kanalartigen Uterus, der sich nach dem Hinterende zu in einem spindeligen, Fig. 214. a—e Scehistosomum haematobium: a kopuliertes Paar; b Querschnitt desselben ; ce Eiinfarzierung der Blasenwand; d bauchstachliges Ei; e endstachliges Ei. — f-i Schi- stosomum japonicum; f kopuliertes Paar; g Eiinfarzierung in der Leber; A stachelloses Ei; © Ei mit Kopfansatz. A Verteilung im Körper: ////// Gebiet des Sch. haematobium, \\\\ des Sch. japonicum, 2335 beider Arten. (Nach Fülleborn.) zeig % dorsalwärts etwas weiteren Eibildungsraum (Ootyp) verbreitert; vom Schwanzende her münden hier die vereinigten Ausführungsgänge des Dotterganges und des schlauchförmigen Eierstockes, die getrennt im hinteren Teile neben dem Darm liegen. Die Würmer erreichen anscheinend kein sehr hohes Alter. Sie sterben nach den bisherigen Beobachtungen spätestens nach 5 Jahren ab und werden dann ziemlich rasch resorbiert. Es bleiben nur die Eier im Gewebe liegen, die in späteren Stadien oft zu Tausenden die wichtigsten pathologischen Produkte der Krankheit darstellen und zu Krankheitserscheinungen Veranlassung geben (Taf. 114, Fig.2). Die Würmer stellen, wie Looss hervorhebt, nur eine mittelbare Ursache dar. Sie sind meistens nicht mehr am Leben wenn die Kranken ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen, und wirken nur dadurch, daß sie während ihres Lebens eine so große Menge von Eiern produzieren. Bilharziakrankheit. 1351 Die Eier der Bilharzia haematobia schwanken in ihrer Größe und Form ziemlich erheblich. Die Mehrzahl von ihnen ist spindel- förmig und hat einen end- (Bilharzia haematobia) bzw. seitenständigen (Bilharzia Mansoni) Stachel. Man unterscheidet anormale und nor- male Eier. Als anormale werden solche bezeichnet, die schon vor der eigentlichen Geschlechtstätigkeit infolge einer frühzeitigen Tätigkeit des Dotterstockes gebildet werden. Die normalen Eier werden von den geschlechtsreifen Tieren gebildet, sobald diese zu wandern beginnen oder sich festgesetzt haben. Während bei Bilharzia haematobia die normalen Eier. ziemlich gleichförmig und endstachelig sind, sind die anormalen Eier in ihrer Form viel unregelmäßiger. Auch der Stachel oder Dorn ist nicht so regelmäßig gebildet wie bei den normalen, endstacheligen Eiern. Es hängt das nach Looss damit zusammen, daß die endstacheligen Eier mit dünner, weicher Schale in den Uterus gelangen und erst dort ihre definitive Gestalt erhalten. Bei der Bilharzia japonica sind die Eier kleiner als bei Schistosomum haematobium und ovaler; sie zeigen nur einen knopfartigen, un- deutlichen Stachel oder ein solcher fehlt ganz. (Fig. 214). Die Eier können sich nicht aktiv bewegen, sondern werden durch den Blut- strom fortbewegt. Nach Looss sollen sich in Darm und Lunge meist normale, in der Leber anormale Eier in größerer Zahl finden. In der Blase kommen sowohl anormale wie endstachelige Eier vor; es überwiegen aber bei weitem_die endstacheligen, die deshalb auch in viel größerer Zahl im Urin erscheinen. Ausführliche Studien über die Bilharzia haematobia sind in Ägypten von Bilharz, Looss, Kartulis, Leiper, Ferguson, Madden und Fairley, in Südafrika von Symmers und Turner angestellt und haben neben wertvollen morphologischen Studien über die Form der Eier und Embryonen wichtige Ergebnisse über die Biologie der Würmer und damit Anhaltspunkte für die Bekämpfung der Krank- - heit geliefert. Ebenso haben die Experimente, die Fairley an Affen durchführte, unsere Kenntnisse von den Folgeerscheinungen der In- fektion nach manchen Richtungen erweitert. . Wenn die Eier im menschlichen Körper aus irgend einem Grunde _ zertrümmert werden, z.B. durch Druck der Eischale, die ja gelegent- lich verkalken kann, so bleiben sie in den Geweben ruhig liegen. Werden die Eier aber mit dem Urin oder Kot in Wasser ent- leert, so entfalten sie lebhafte Lebensäußerungen. Nach den Unter- suchungen von Fairley u.a. entwickelt sich im Wasser aus dem Ei des Bilharziawurmes ein bewimpertes Mirazidium, das sich im Ver- lauf von etwa 48 Stunden in den Weichteilen, der Leber und den . Verdauungsdrüsen gewisser Süßwasserschnecken, die als Zwischen- wirte dienen — bei Bilharzia haematobia: Bullinus sp. contortus oder Dybowski, bei Bilharzia Mansoni Planorbis Boissyi —, fest- setzt. Dort bildet es Sporozysten, aus denen die Zerkarien entstehen. Diese werden periodisch ins Wasser abgegeben und dringen dann innerhalb 48 Stunden in ihren definitiven Wirt, den Menschen, ein. Werden die Mirazidien nicht von Schnecken aufgenommen, so gehen sie in reinem Wasser schon nach wenigen Tagen zugrunde; sie sind überhaupt sehr empfindlich gegen alle möglichen physikalischen und chemischen Einflüsse. Sie zerfallen dann unter Bildung von Kugeln, Über- tragung. Ver- breitung. 1352 76. Vorlesung. die aber nicht entwicklungsfähige Formen der Mirazidien.oder etwa Sporozyten darstellen, sondern Zerfallsprodukte sind. Gelangen lebende Eier aus Harn oder Fäzes nicht in Wasser, so pflegen die Mirazidien nicht auszuschlüpfen, sondern sie sterben schon nach. wenigen Stunden ab (z.B. im Urin, der ruhig stehen gelassen wird). Die Übertragungsweise ist noch nicht völlig geklärt. Es sind zwei Theorien aufgestellt worden, die sich aber wahrscheinlich gegen- seitig nicht ausschließen, sondern ergänzen. Die eine ist die Trink- wassertheorie, bei der angenommen wird, daß die jungen Mirazidien entweder direkt oder durch Vermittlung von im Wasser vorkommenden Tieren (Insekten, Krebsen oder Fischen) in den Darm des Menschen kommen und von dort in die Blutgefäße ein- dringen, wo sie sich dann weiter zum geschlechtsreifen Tier ent- wickeln. Nach der anderen Auffassung kann aber auch eine Über- tragung durch die Haut stattfinden. Diese Theorie ist namentlich von Looss aufgestellt worden. Sie konnte allerdings bei der ägyptischen Bilharziosis experimentell nicht gestützt werden, denn der bei ihr nachgewiesene Wurm kommt nur beim Menschen vor und läßt sich auf keine Tierart, auch nicht auf Affen, über- tragen. Dagegen ergaben Versuche mit der Bilharzia japoniea, die auch bei Hunden, Katzen, Rindern und Fferden vorkommt, daß die Eintrittspforte dieses Wurmes nicht der Darm ist, sondern die Haut. Katsurada und Haschegawa. haben durch Benetzen der Haut mit infiziertem Wasser junge Hunde und Katzen, Fujinami und Nakamura Kälber infizieren können, während die Tränkung mit gleichem Wasser zu keinem Resultate führte. Matsuura hat sich auch selbst dadurch infiziert, daß er seine Extremität eine Zeit lang in Wasser tauchte, das Bilharziamirazidien enthielt. Es scheint demnach bewiesen zu sein, daß die Bilharziakrankheit, in ähnlicher Weise wie die Ankylostomainfektion, auch durch die unverletzte Haut auf gesunde Menschen übertragen werden kann. Die Zerkarien der Bilharzia haematobia gelangen schließlich in die Leber, wo sie geschlechtsreif werden und sich kopulieren. Dann wandern sie zum Portalkreislauf und legen ihre Eier in den kleinen Venen der Eingeweide, mit Vorliebe in den Blasenvenen, ab. Die Zerkarien der Bilharzia Mansoni deponieren ihre Eier im Gegensatz hierzu besonders in den kleinen Venen des Kolons und Rektums. Die Bilharziakrankheit hat vor allen Dingen zwei große Verbreitungszentren, Ostasien und Afrika. In ersterem ist China, Japan und höchstwahrscheinlich auch Persien stark ver- seucht, in Afrika besonders das Niltal. In Ägypten: kam schon in der 20. Dynastie, im Jahre 1250—1000 v. Chr., Bilharzia vor, wie Ruffer in Schnitten durch die Nieren von Mumien nachweisen konnte, in denen er verkalkte Bilharziaeier fand. Unter der 13 Millionen zählenden Bevölkerung dieses Landes sind 60—87% mit einer oder beiden dort vorkommenden Parasitenarten infiziert (Tsykalus); etwa 10% aller Einwohner sterben an den Folgezuständen der Bil- harziakrankheit (Madden). Auch in Südafrika, namentlich im Kap- Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Tafel 114. Bilharzia haemotobia. Ganz erwachsenes Pärchen in copula. Der Kopf des ist im Canalis gynaecophorus des () verborgen. Etwa 18fache Vergrößerung. (Nach Kartulis.) Schnitt aus einer Schrumpfniere mit Bilharziaeiern und 2 Kalkablagerungen im erkrankten Gewebe. Verlag von Urban & Schwarzenberg. Berlin und Wien. * N IR Ace Bilbarziakrankheit. 1353 land und in Natal, wo 1864 schon Harley Bilharziaformen fand, _ — jist die Krankheit im Gegensatz zur ostafrikanischen Küste in den : Flußniederungen verbreitet (@. Turner). Imklinischen Verlauf der Erkrankung lassen sich zwei . scharf getrennte Stadien unterscheiden. Das erste, sog. toxae- mische Stadium beginnt etwa 4—10 Wochen nach der Infek- tion und ist durch Fieber, Bronchitis, Urtikaria, Leibschmerzen, Leber- und Milzschwellung sowie Eosinophilie des Blutes charakte- risiert; im Stuhl lassen sich die Eier .des Erregers nachweisen. In dem viel später, mitunter erst nach Jahren einsetzenden zweiten - Stadium der lokalisierten Bilharziose stehen Krank- heitserscheinungen der Blase (bei Bilharzia haematobia) bzw. des Verdauungstraktus (bei Bilharzia Mansoni) im Vordergrunde des ‚klinischen Bildes. - Die pathologisch-anatomischen Veränderungen werden, wie gesagt, fast ausschließlich durch die Eier der Parasiten hervorgerufen, während die Würmer, die in den Blutgefäßen leben, an den Organveränderungen sehr wenig beteiligt sind. Die erwachsenen Würmer kommen zuweilen in sehr großen Mengen in den Unterleibsvenen vor. Sie sitzen hauptsächlichin der Pfortader, wo Kartulis bei einem _Bilharziakranken allein deren-600 fand, und in den unteren Bauch- und den Mesenterialvenen. Die Gefäße werden infolge der Ansiedlung der Parasiten zum Teil thrombosiert und varikös erweitert. In der Blase, im Darm und in den weiblichen Genitalien führt die Wande- rung der Eier zu starken Veränderungen. Sekundär kommt es dann auch, namentlich infolge Veränderungen an der Blase, zu Erweite- rungen und Erkrankungen der Ureteren und Nieren. = In der Blase wird zunächst gewöhnlich eine Entzündung ‚beobachtet. An einzelnen Stellen, wo sich die Eier in größerer Menge > unter dem intakten Epithel angehäuft haben, finden sich kleine Bläschen. In der Umgegend solcher Eiansiedlungen entstehen groS- zellige Gewebsinfiltrationen. Die Eier fangen nach einiger Zeit an, sich mit Kalk zu imprägnieren, wodurch der Ein- druck einer Kalkschicht in der Blasenwand hervorgerufen wird. In der Blasenschleimhaut kommt es dann zur Entstehung von kleinen und großen Knötchen, Warzen und Polypen. Es handelt sich um Granulationstumoren, durch die die ganze Blasen- wand bis zu 5 oder 6cm verdickt werden kann. In den späteren Stadien der Erkrankung schrumpft die Blase. Als ein Folgezustand der Infektion ist vor allen Dingen die Entstehung von Blasen- -steinen und Karzinomen zu erwähnen. Sekundär entstehen nicht selten infolge der in der Blase vorkommenden Steine Zyst- itis und Pyelozystitis, Pyelitis, Nephritis und Nephro- lithiasis. Greift die Erkrankung der Blase auf die Urethra über, so bilden sich oft Fisteln und perineale Abszesse. Die Fisteln gehen, wie Kartulis hervorhebt, fast immer vom Bulbus der Urethra aus. Finden sich die Bilharziawürmer in den Darmvenen, so sind die Krankheitsprozesse ganz ähnlich, wie wir sie für die Obduktions- befunde. Krankheits- verlauf. 1354 76. Vorlesung. Blase geschildert haben. Es kommt auch hier zu kleinzelliger In- filtration an den Stellen, an denen die Eier abgelegt sind. Das Darmepithel wuchert, und es entstehen Papillome der Darm- schleimhaut, die entweder gestielt oder flach sind. Namentlich in der Pars sigmoidea des Dickdarms finden sich häufig gestielte Polypen als Folge der Bilharziainfektion. Beim Weibe werden nicht selten Erkrankungen der Genitalien in Form polypöser Wucherungen beobachtet. Von der Pfortader aus gelangen die Eier der Würmer in die Leber, wo es zu einer Vergrößerung des Organs und zu inter- stitieller Hepatitis kommt. Es ist indessen noch fraglich, inwieweit diese Veränderungen direkt auf den Bilharziaprozeß zurückzu- führen sind. In der Milz, im Pankreas und in den Mesenterialdrüsen können ebenfalls. Funktionsstörungen entstehen, doch stehen diese im: allgemeinen klinisch und anatomisch hinter den anderen Krank- heitserscheinungen zurück. In der Lunge wurden sehr häufig Eier, die durch den Blut- strom:dorthin gelangt sind, gefunden. Turner wies sie bei 80% der . Bilharziafälle, die zur Obduktion gelangten, nach. Es kann dann zur Bildung von kleinen metastatischen Abszessen kommen: Bei der Bilharzia der Haut findet man starke Verdiekungen um die Entzündungsherde, die zu Fistelbildung führen; in der Nähe der Ausführungsgänge der Fisteln bilden sich häufig Hautfibrome. Bei der japanischen Bilharziakrankheit, die in Japan und China sehr verbreitet ist, finden sich die Eier nur in den Darmentleerungen, dagegen nicht im Harn, wie bei der afrikanischen Form. Dementsprechend sind auch pathologisch-anatomische Ver- änderungen nur im Darm nachweisbar. Die Eier werden durch den Blut- und Säftestrom weit in der Leber verbreitet. Es entsteht dann Aszites und Ikterus. Die Kranken gehen sehr häufig infolge von Darmblutungen an Anämie und Erschöpfung zugrunde. : - Viele Eier sterben in den Geweben ab und. werden dann mit. Kalksalz imprägniert. Verkalkte Eier haben ein grauweißliches 3 Aussehen und werden viel weniger mit den Sekreten der Bilharzia- krankheit ausgeschieden, offenbar weil sie viel schwerer durch den Blut- und Lymphstrom in die Lumina der Ausführungsgänge fort- geschwemmt werden. Der Verlauf der Bilharzia ist sehr chronisch. Die ' Krankheit führt in einer großen Zahl der Fälle direkt oder indirekt durch die schweren Veränderungen namentlich an Darm - und Nieren zum Tode, kann aber auch ausheilen. Ihre Hauptsym- ptome sind das Auftreten von Blutim Urin und die Erscher 4 nungen von seiten des Rektums. Das Harnlassen ist sehr schmerzhaft und von stärkem Brennen und Jucken in der Harn- röhre begleitet. Der Harn ist trüb, die Kranken fühlen sich außer- ordentlich angegriffen. Es kommt oft zu großen Blutverlusten. Ist das Rektum ergriffen, so besteht Stuhldrang und es geht Blut und Schleim ab, ganz ähnlich wie bei der Dysenterie. Bei der de nn Aal a a ce da 1 horn N N ENIETE TEN SETTTRONENN TEEN TOMTE TEN 2 »r \ D dr; Y ER E| ; - % T : } Se A: Bilharziakrankheit. - 1355 | in Bilharzia fehlen stärkere Erscheinungen von seiten der Leber. Appendieitis wird als Folge der Bilharzia fast nie beobachtet. Die Erkrankung der übrigen Organe führt, mit Ausnahme der sekun- .. dären Nierenerkrankungen, kaum zu ernsteren Folgeerscheinungen. haı m kteristisch ist dagegen die Blutveränderung. Sie besteht, wie ıs und Harley fanden, in starker Eosinophilie, wobei die ; kehren Leukozyten an Zahl stark herabgesetzt sind. Kautzki D) wies nach, daß der Hämoglobingehalt sich verringert, ohne daß die * en an Zahl abnehmen. - Die Diagnose der Erkrankung stützt sich wesentlich auf die 2 hans von Urin und Stuhl, in denen die Bilharziaeier leicht nachzuweisen sind. Komplementbindungsversuche mit einem aus den - Lebern infizierter Schnecken hergestellten alkoholischen Extrakt als Antigen und aktivem Patientenserum ergaben nach Fairley in frischen und chronischen Fällen angeblich 74—88% positive Resnl- tate, während das Serum von Syphilitikern und anderen Erkrankungs- fällen stets negativ reagierte. Die Stärke der Komplementbindung “und der Eosinophilie gingen parallel. Eine Differentialdiagnose zwischen Bilharzia haematobia und Bilharzia Mansoni war durch die Diagnose. Komplementbindung nicht möglich; es handelt sich also um eine Gruppenreaktion. | Eine ätiologische Therapie der Bilharziainfektion läßt sieh : nach neueren Erfahrungen anscheinend durch Injektionen von Emetin (8—10 Tage lang je 0,1—0,12 g) erreichen. Tsykalas berichtet, dai er durch diese Behandlung von über 2000 Kranken mehr als 90% dauernd geheilt habe. Das Mittel soll nicht nur auf die Würmer wirken, sondern auch die in den Eiern eingeschlossenen Embryonen abtöten. Extractum filieis hat keinen Einfluß. Die Behandlung der Folgezustände ist symptomatisch oder ehirurgisch. In letzterem Falle besteht sie hauptsächlich in der Entfernung von Blasensteinen, Beseitigung von Harnfisteln, Eröffnung von Abszessen und Beseiti- = ; ‚gung der Tumoren der Blase und des Darmes. ‚Die Prophylaxe der Krankheit stößt noch auf große Schwierig- : keiten, namentlich im Niltal, in dem sie so ausgebreitet ist. Dort wird während der Regenzeit das überschwemmte Land in weitestem "Umfange infiziert und die Landbevölkerung, die ohne Schutz durch - Kleidung und Schuhwerk im Wasser oder feuchten Boden arbeitet, stets einer großen Infektionsgefahr ausgesetzt. Die Grundsätze, die für die Verhütung spezifischer Infektionskrankheiten wirksam sind, müßten natürlich auch hier Anwendung finden. Wenn die infizierten - © Personen gezwungen werden könnten, Urin und Fäzes zu desinfizieren . ‚oder in eine gute Kanalisation abzuführen, müßten mit der Zeit die Neuerkrankungen verschwinden. Literatur. Looss u.Kartulis, Die Bilbarziakrankheit. Handb. d.’pathog. Mikroorganismen. 2. Aufl., Bd. 8, 1913. > Bilharz, Distomum ash und sein Verhältnis zu gewissen Veränderungen der menschlichen Harnorgane. Wiener med. Wochenschr., 1856. Therapie. Prophylaze. 1356 76. Vorlesung. Bilharziakrankheıt. Ebstein, Die Harnblase bei der Bilharziakrankheit. Leipzig, Grumbach, 1909. Kartulis, Über das Vorkommen der Eier des Distomum haematobium. Virchows Archiv, Bd. 99 (1885) und Bd. 152 (1898). Katsurada, Schistosomum japonicum. Ann. Zool. Japon., Tokyo 1904. Katsurada u. Haschegawa, Zentralbl. f. Bakt., Bd. 53, 1910. Looss, Würmer, und die von ihnen a ir Erkrankungen. Menses Handbuch der Tropenkrankheiten, 2. Aufl., Bd. 2, 1914. V. Schilling, Tropenkrankheiten. Spezielle Pathol. u. Therapie innerer Krankheiten, herausgegeben von Kraus und Brugsch, Bd. 2, 1915. Fairley, A comparative study of experim. bilharziosis in monkeys contrasted wich the hitherto deseribed lesions in man. Journ. of pathol. a. bakter., Bd, 23, 1920. — Egyptian Bilharziosis: Its recent pathology, symptomatology and treatment. Proc. Roy. Soc. of Med., Bd. 13, 1920. Martin Mayer, Behandlung der Bilharziakrankheit mit Emetin. Mönshönen And, Wochenschr., 1918. Tsykalas, Neue Wege in der Behandlung der Bilharziakrankheit in SDR, Wiener klin. Wochenschr., 1921. > \ A. - Abbescher Beleuchtungsapparat 5, 16. Abderhaldens Dialysierverfahren 215. Abdominaltyphus s. Typhus. Abfüllung der Sera 139. Abortivbehandlung der Syphilis 936. Abszesse durch Bact. coli 39. -— durch Staphylokokken 443. — durch Streptokokken 498, 502. .— durch Typhusbazillen 312, 315. Abwehrfermente nach u Acanthocheilonema perstans 1345. Achorion Schönleinii 1309. Achromatin der Protozoen 953. Achromatische Objektive 2. Acridinfarbstoffe, _chemotherapeutische Wirkung 946. Adhäsio tar 51. A&robiose bei Bakterien 48. — bei Proto- zoen 965. Affe, Dracunculus medinensis beim 1347. — Fleckfieberinfektion beim 1258. — Malaria beim 1100. — Poliomyelitis- infektion beim 1169. — Syphilisinfek- ‘ tion beim 872. — Trypanosomen beim 1041. — Vakzinationsverlauf beim .... 1205. Aumstinstion, Phänomen 175. — Wesen des Prozesses 177, 182. — Versuchsmetho- dik 200. — Diagnostische Bedeutung bei Bazillenruhr 380. — bei Cholera 284. — bei Diphtherie 657. — bei Genickstarre 463. — bei Mittelmeer- fieber 456. — bei Paratyphus 355, 364. — bei Pest 416, 417. — bei Rotz 694. — bei Staphylokokken 446. . — bei Tuberkulose 762. — bei Typhus 321, 322. Agelutinine 175. — Wirkungsweise 177, 182. — Auftreten im Blut 179. — außerhalb des Blutes 182. — Spezi- fizität 184. — Bedeutung für die Im- munität 186. — Bildungsstätten 187. — bei Rekonvaleszenten und Bazillen- trägern 181. Kolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. Sachregister. “ Die Ziffern bedeuten die Seitenzahlen. Agglutinoide 179. Aggresine 99, 172. Aktinomykose 675. — Verlauf 679. — Diagnose 680. — bei Tieren 680. Aktinomyzespilze 676. Albuminurie bei Infektionen 96. — bei ° Diphtherie 644. Alexine 116. — Beziehungen zu den Leu- kozyten 118. Alkalibildung durch Bakterien 36. Alkohol, Desinfektionswirkung 58. — bei Händedesinfektion 73. Allantiasis s. Botulismus. Allergie 120. Allgemeinerscheinungen bei Infektionen 9%. Alttuberkulin 748. — therapeutische An- wendung 761. Alveolarpyrrhoe 860. Ambozeptoren Ehrlichs 130. Amoeba coli 979. — histolytica 977. — tetragena 977. Amöbenruhr 974. — Ätiologie 976. — Diagnose 981. — Epidemiologie 983. — Prophylaxe 984. Amphitricha 29. Anämie bei Infektionen im allgemeinen 96. — bei. Ankylostomiasis 1327. — bei Malaria 1074, 1082. — perniziöse der Pferde 1240. Anaörobiose bei Bakterien 48. — bei Protozoen 965. Anaphylaktogene 224. Anaphylatoxin 224, 230. Anaphylaxie 220. — Wesen 222. — Prak- tische und theoretische Verwertbar- keit 231. — Spezifizität 103. — bei Serumtieren 137. Anaplasma marginale 1121. Angina, Streptokokken bei 506. — Plaut-Vincentsche 857. Anisogamie bei Protozoen 958. Ankylostoma duodenale 1328. — americanum 1329. — canis 1326, 1331. 87 1358 Ankylostomiasis 1326, 1331. — Epidemio- logie 1329. — Bekämpfung 1331. Anopheles als Überträger der Malaria- parasiten 1069. — Unterscheidungs- merkmale gegen Culex 1067. Anpassungsvermögen bei Bakterien 50, 52. — bei Protozoen 968. Anreichernngsverfahren für Choleravibri- onen 274, 282. — für Tuberkel- bazillen 737. — für Typhusbazillen 316, 318. Antagonismus bei Bakterien 52. Anthrax s. Milzbrand. Antiagglutinine 187. Antiaggressine 172. Antialexine 164. Antianaphylaxie 223. Antifermente 153. Antiforminverfahren 737. Antigen, Nachweis durch Komplement- verankerung 213. Antiimmunkörper 164.. Chemotherapie 928. Antikomplemente 164. Antileukozidin 152. Antimonpräparate, Wirkung 945. Antiphthisin 751. Antiseptika, Wirkungsweise 56. Antitoxine 141. — Bindung mit Toxin 143. — Chemische Eigenschaften 146. — Entstehung 147. — -Wertbemessung 148. — Gewinnung 150. — Heilwir- - kung 152. — Ausscheidung 152. — gegenüber tierischen und pflanzlichen Giften 153. Aortitis syphilitica 908. Apertur der Objektivlinsen 3. Aphonozoen 20. Aphthenseuche, s. Maul- und Klauen- seuche. Apochromatische Objektive 2. — Bildung bei Argasinen, allgemeine Merkmale 806. — als Überträger von Spirochäten 806, 815, 817. Arsalalyt bei Syphilisbehandlung 940. Arsazetin bei Schlafkrankheit 1006. Arsenobenzole als ätiotrope Mittel 930. ° — Wirkungsweise 935. Arterien, Veränderungen bei Fleckfieber 1252. Arthrosporen 33. Arzneifestigkeit, adaptive 922. Ascolis Thermopräzipitation 208. Asexuale Formen der Malariaparasiten s. Schizonten. Askosporen der Hefepilze 1323. Aspergillusmykosen 1319. Assoziationen von Infektionserregern 108. Asterococcus mycoides 1238. Aszitesagar, Wachstum der Gonokokken- 484..— der Meningokokken 461. Äthylhydrocuprein, chemotberspeuhnche Wirkung 947. chemotherapeutische Sachregister. Atoxyl 931. — bei Schlafkrankheit 1006. Atricha 29. Ätzkalk, Desinfektionswirkung 68. Ausflockungsreaktionen bei Syphilis ee Aussatz s. Lepra. | Austern als Tnfektionsquelle für Typhus 339. Autan, Desinfektionswirkung 73. Autogamie bei Protozoen 960. Autoklaven 71. Avitaminosen 1303. B. " Babes-Ernstsche Körperchen 26. — in Diphtheriebazillen 645. 646. Bac. anthracis 251. — avisepticus 616. — botulinus 591. — cadaveris sporogenes 581. — Ducrey 637. — dysenteriae 373 — enteritidis Gärtner 362. — fusiformis 858: — haemoglobinophilus canis 612. — icteroides 841. — influenzae 602. - — Koch-Weeks 612. — leprae 777. — meningitidis cerebrospin. sopticaemise 612. — oedematis maligni 579. — paratyphi, Typ. A 364. — Typ- B 347. — perfringens 576. — pertussis Eppendorf 608, 612. — pestis 404. — phlegmones emphysematosae 574, 576. — pneumoniae Friedländer 528. — proteus vulgaris bei- Nahrungsmittel- vergiftungen 596. — bei Fleckfieber . 1255, 1257. — putrificus Bienstock 581. — pyocyaneus 531. — sarcophysematos bovis 561. — suipestifer 623. — suisepticus 620. — tetani 536. — tuberculosis 704. — typhi 306. — X-19: 1255, 1257. ° Backsteinblattern der Schweine 626. Backwaren als Infektionsquelle bei Para- typhus 359. Bact. coli commune 388. — physiologische Bedeutung 391. erreger 391. .— lactis aörogenes 398. Bacteriophagum intestinale 370, 1130. Badewasser als Beer: bei Typhus 337. Bakteriämie 88. — Färbung . — als Krankheits- dh Der rn eh dann a N . Sachregister. n Bakterien, Allyerseine Morphologie 18. - ifizierung 21. — pleomorphe or en Bestandteile 25. — schleim- bildende 28. — Sporenbildung 31, 37. — Allgemeine Biologie 35. — Leucht- 38. — thermophile 38, 49. — Chemie 39. — denitrifizierende und nitrifizie- rende 40. — Lebensbedingungen 47. — Ernährung 47. — psychro- und ' kryophile 49. — Anpassung und Va- - zietäten 50. — individuelle Differen- . zen 5l. — Symbiose und Antagonis- ‚mus 52. — Mutationen 52. — hämo- - globinophile 598. Bakterienassoziationen 108. Bakterienfilter, Bau und Wirkung 1124. Bakteriengifte 46, 141. Bakterienpräzipitine 189. "Bakteriolysine 159. — Gewinnung und Eigenschaften 161. — Wirkungsweise . 162. — Konstitution 163. — Spezifi- zität 166. — "Therapeutische Verwer- tung 167. Bakteriotherapie 236. — Bedeutung der ' Bakteriotropine und Opsonine 237. .— Dosierung der Impfstoffe 239. —. bei Staphyl. "Infektionen 448. — bei Gonorrho&e 490. — bei Rotz 701. Bakteriotropine 170. — Methodik-.des Nachweises 209, 212. — Bedeutung für die Bakteriotherapie 238. J Barsiekowsche Nährböden bei Typhus- diagnose 308, 348. 'Bartonella baeilliformis 1223. Barttrichophytie 1310. „Bayer 205“, chemotherapeutische Wir- kung 946. — bei Schlafkrankheit 1006. = Bazillen 21, 23. Bazillenemulsion R. Kochs 750. — thera- peutische Verwertung 761. Bazillenruhr 367. — Ätiologie 368. — - Klinische Erscheinungen 370. — Ob- duktionsbefund 372. — Diagnose 378. Immunität 379. — Serumdiagnostik . 380. — Serumtherapie 382. — Schutz- impfung 383. — Epidemiologie 385. — Bekämpfung 386. ‚Bazillenträger, Agglutininbildung bei 181. — bei Cholera 289. — bei Diphtherie 652, 659, 660. — bei Paratyphus 358. — bei Ruhr 385. - — bei Typhus 332, 342. Bazillol, Desinfektionswirkung 67. Befruchtungsvorgänge bei Protozoen 958. Beizung bei Bakterienfärbung 29. Beleuchtungsapparat Abbe 5, 16. Bergarbeiter, Ankylostomiasis der 1326, 1329. Beri-Beri 1300. Beschälseuche der Pferde 1035. Beulenpest s. Pest. rege der Haklarien 33. — der Protozoen 954. -1359 Bilharzia haematobia 1349, 1351. — japonica 1349, 1352. — Mansoni 1349, 1351. Bilharziosis 1349. — Obäuktionsbefande 1353. — Verlauf 1354. — Diagnose, Therapie, Prophylaxe 1355. Binnenkörper der Protozoen 952. Biologie, allgemeine der Bakterien 35. — — der Protozoen 956. Blasentuberkulose 733. Blastomykose 1324. Blastomyzeten 1322. - Blausäure, Entlausung durch 1277. Blepharoplasten bei Protozoen 953. Blindschleichentuberkulose 721. Blut, Nachweis: von Malariaparasiten 1084. — von Muskeltrichinellen 1338. — von Rekurrensspirochäten 802. — von Syphilisspirochäten 871. — von Try- panosomen 1004. — von Tuberkel- bazillen 739. — von Typhusbazillen 312, 315. Blutalkaliagar für Choleradiagnose 283. Blutdifferenzierung durch Präzipitinreak- tion 191, 205. — durch Komplement- bindungsverfahren 213. Blutdruck, Verhalten bei Fleckfieber 1251. Blutentnahme beim Menschen 885. — bei Serumtieren 138. Bluttrypanose des Menschen 1001. Boden als Infektionsquelle für Typhus 339. Bodo urinarius 1022. Boophilus annulatus, Piroplasmenüber- tragung durch 1110: Bordet-Gengouscher Bazillus 609. Bornasche Krankheit der Pferde 1240. Borsäure, Desinfektionswirkung 68. Botulismus 590. — Prophylaxe 59. Botulismus-Antitoxin 59. Brillantgrün-Pikrinsäureagar 317. Bubonenpest 411. Büffelseuche 624. Bullinus contortus als Üb£erträger der Bilharzia haematobia 1351. Burrische Tuschepunktkultur 51. Butter, Nachweis von Tuberkelbazillen in 740. €. Cachexia montana 1326. Calabarschwellungen 1344. Carceag 1114. Castellanischer Versuch 186. Cereomonas hominis 1022. Chagaskrankheit 1011. Chemie der Bakterienzelle 39. Chemorezeptoren Ehrlichs 922. Chemotaxis bei Leukozytose 95. Chemotherapie, Allgemeines über 919. Chinaalkaloide, Desinfektionswirkung 70, 947. Chinin bei Malariaprophylaxe 1089. — bei Maiariabekämpfung 1092, 1096. 87* 1360 Chirosoter bei Händedesinfektion 74. Chlamydösporen der Schimmelpilze 1307. .. Chlamydozoen-Strongyloplasmen 1126. — Färbung, Morphologie, Biologie 1127. — Mikroorganismennatur, Resistenz 1128. — Kultur, Eintrittspforten, Zwischen- wirte 1129. — Affinität zu bestimmten Körpergeweben 1130. Chlorkalk, Desinfektionswirkung 68. Chlorose, ägyptische bzw. tropische 1326. Cholera 269. — Klinisches Bild 279. — Obduktionsbefund 281. — Diagnose 282. — Epidemiologie 289. — Be- kämpfung 294. — Prophylaxe 297. — Immunität und Schutzimpfung 298. -— Serumdiagnose und Serumtherapie 301. — nostras, Paratyphusbazillen bei 352. — — Streptokokken bei 505. Cholerarotreaktion 275. Choleraserum 301. Choleratyphoid 281, 394* Choleravibrio 271. — Kultur-Verhalten 272. — Resistenz 275. — Toxinbil- dung 276. — Tierpathogenität 277. — Virulenz 278. — Nachweis in Fäzes 282, im Wasser 289. Chromatin der Bakterien 25. — der Malariaparasiten 1064. — der Piroplasmen 1106. — der Protozoen 953. — der Trypanosomen 991. — Färbemethoden 1085. Chromidialkörper der Protozoen 953. Chylurie durch Filarien 1343. Ciliata, Einteilung 972. Ciliophora, Einteilung 971. Cladothrix 675. Clayton-Apparat bei Pestbekämpfung 430. Clostridiumsporen 32. Cobragift, hämolytische Wirkung 170. Coceidium ceuniculi 1052. — oviforme 1053. — Schubergi 962, 1051. Coliinfektionen 391. Colubridengifte 155. Conorhinus megistus 1011, 1014. Crithidiaformen der Trypanosominae 989. Cryptococcus xanthogenicus 841. Ctenodactylus gondi, Piroplasmen bei 1122. CGulex, Unterschiede von Anopheles 1069. Cyanwasserstoff, Entlausung durch 1277. Cyelon, Entlausung durch 1278. Cyclops, Filarienübertragung durch 1347. Cytorrhyctes luis 864. — variolae 1186. D. Dakinsche Lösung, Desinfektionswirkung 69. Dampfdesinfektion 71. — als Entlau- sungsmaßnahme 1275. Dampftopf nach Koch 71. Darmaktinomykose 680. Sachregister. Darmbakterien, physiolog. Bedeutung 395. Darmgeschwüre bei ‚Bazillenruhr ie —_: bei Typhus 313. Darmkatarrhe durch Bact. coli 394. — Streptokokken bei 505. Darmmilzbrand 259. — bei Tieren 260. Darmpest 413. Darmtrichinen 1337. Darmtuberkulose 731. Dauerausscheider, epidemiologische Be- deutung bei Bazillenruhr 385. — bei Cholera 289. — bei Diphtherie 658. — bei Paratyphus 358. — bei Pest 419. — bei Typhus 332, 335, 342. Dauerformen der Bakterien s. Sporen. — der Amöben 978, 979, 980. Degeneration, amyloide und ERRRRER IR "töse bei Infektionen 96. Degenerationsformen der Bakterien 30. Denguefieber 1135. Denitrifikationsmikroben 40. Dermacentor reticulatus, Piroplasmen- übertragung durch 1114. Desinfektion, chemische 56. — kombi- nierte 63. — innere 69. — physika- lische 70. — Praxis der 72. — Prü- fung der Erfolge 72, 73. Desinfektionsapparate 71. Dialysierverfahren Abderhaldens 215. Dicke Tropfen-Methode 1085. Dieudonne-Agar für Choleradiagnose 283. — Modifikationen 284. Differenzwert bei Giften 149. Digestionstraktus, Tuberkulose des 231. Dilutionsmethode der Lyssa-Schutzimp- fung 1160. Diphtherie 637. logie 658. — Immunität 660. — Se- rumtherapie 661. — Bekämpfung und Prophylaxe 670. 671. — Chemotherapie 672. Diphtheriebazillus 644. — Kulturelles Ver- halten 646. — Resistenz und Tierpatho- genität 647. — Virulenz 649. — Toxin- bildung 649. — Identifizierung 656. Diphtheriegift 649. Diphtherieheilserum 152, 661. — Wert- bestimmung 669. : Diplococcus crassus 470. — flavus 470. — intracellularis meningitidis s, ..Meningo- kokkus. — mucosus 470. — pneumoniae s. Pneumokokkus. Dispensaires für Tuberkulöse 769. Disposition für Infektionskrankheiten im allgemeinen 113. — für Meningitis 473. — für Schwarzwasserfieber 1079. — für Staphylekokkeninfektion 445. — für Tuberkulose 746. Doppelmethode beim Nachweis von Tu- berkelbazillen 738. Dourine 1035. — klinische Formen = . 639. — Diagnose 652. — Epidemio- — Schutzimpfung Dracunculus medinensis 1346. küugse Augen Staphylokokken 443. Drüsenpest 411. Drüsentuberkulose 731. Duereyscher Bazillus 634. Dunkelfeldbeleuchtuug 8. — farbige 13. . Dysenterie s. Amöben- bzw. Bazillenruhr. Dysenteriebazillen z. Ruhrbazillen. E . Echinokokkendiagnose, serologische 139, 2218. Eczema marginatum 1314 Eidechsen, Trypanosomen bei 1044. Eiernährböden für Diphtheriebazillen 654. Eigenbewegung der Bakterien 35. — der Protozoen 954. Eimeria bovis 1053. — Stiedae. 1052. Einschlußblennorrhoe 491. h -Einschlüsse bei filtrierbaren Krankheits- erregern 1125: Eintrittspforten der Infektionserreger 2.84, 89. Einzellkulturen 51. Eisentuberkulin 750. Eiterung als Lokalwirkung der Infektions- erreger 89. "Eiweiß, Zerlegung durch Bakterien 44. Eiweißdifferenzierung durch Präzipitin- reaktion 191, 205. — durch Komple- mentbindungsverfahren 213. Eiweißpräzipitine 189, 191. — Wertbe- stimmung 195. — "Spezifizität 197. —. Methodik der Versuche 205. Eizelle, Infektionsübertragung durch 97. Ektokommensalen, -symbionten, -para- . siten 966. Ektoplasma der Bakterien 25, 27. — der Protozoen 951. Ekzeme durch Staphylokokken 443. . Elementarkörperchen Paschens bei Variola- Vakzine 1187. Elephantiasis Arabum 1343. El Tor-Vibrionen 287. Embolien, infektiöse 87. Emetin bei Amöbenruhr 984. — bei Bilharziosis 1355. Emphysarkol 565. Emphysem, malignes (gangränöses) Ss „Ödem, malignes“. Empyem durch "Pneumokokken 522. — durch Streptokokken 506. Enchylema der Protozoen 951. Endokarditis durch Gonokokken 487. — durch Pneumokokken 523. — dureh Streptokokken 503. Endotoxine der Bakterien 46. Endotrypanum 9%. Entamoeba coli 979. . — histolytica 977. — tetragena s. africana 977. Sachregister. 1361 Enteritisbakterien Gärtners 362. Entlausungsmaßnahmen 1275. Entokommensalen, -symbionten, -para- siten 966. Entoplasma der Bakterien 25. Entzündung durch Infektionserreger 89. Enzymwirkungen der Bakterien 44 Enzystierung der Protozoen 968. — der Ruhramöben 980. Eosinophilie des Blutes bei Ankylosto- 'miasis 1327. — bei Bilharziosis 1355. — bei Filariosis 1347. Eosin-Selenverbindungen , peutische Wirkung 947. Epidermophyton inguinale 1314. Epithelioma contagiosum des Geflügels 1244. i Erblichkeit von Infektionskrankheiten 97. — der Syphilis 870, 909. — der Tuberkulose 745. — der Lepra 788. Ergotropintherapie 114. Ernährungsstörungen durch Infektions- erreger 96. Erysipel 501. Erysipeloid 502. Erythrasma 1317. Esel, Trypanosomen bei 1025, 1034. Etappenbehandlung bei Chemotherapie 924. — bei Tuberkulintherapie 761. Eutertuberkulose 743, 744. Exantheme bei Cholera 281. — bei Diph- therie 643. — bei Fleckfieber 1248. — bei Genickstarre 466. — bei Gono- kokkeninfektion 488. — bei Rotz 684. chemothera- FE. Fadenpilze s. Schimmelpilze. Fadenreaktion 177. Farbstoffbildung durch Bakterien 38. Fasanenseuche 623. Fäulnis, Bakterienwirkung b£i 41. Favus 1309. Fäzes, Nachweis von Tuberkelbazillen 738. Febris anteponens und postponens 1075. — quartana 1075. — quotidiana 1075. - — recurrens 799. — tertiana 1075 — tropica. 1076. — wolhynica 1287. Fermentwirkungen der Bakterien 44. — der Staphylokokken 439. Fettspaltang durch Bakterien 44. Feuchtigkeitsanforderungen der Protozoen 964. Fibrillen, kontraktile bei Protozoen 95». Fieber bei Infektionen 91. 93. Filaria Bancrofti 1340. — Demarquayi 1345. — loa 1343. | — medinensis 1346. | — perstans 1345. | — volvulus 1345. 1362 Sachregister. Filariosis 1340. Filopodien bei Protozoen 954. Filter für Bakterien 1124. Filtrierbarkeit von Krankheitserregern 1123. Fische, Trypanosomen bei 1042. Fischtuberkulose 721. Fischvergiftung s. Botulismus. Fixator Metschnikoffs 118. Flagellaten, allgemeine Morphologie und Biologie 986. Flagellateninfektionen 996. — des Men- schen 998. — der Tiere 1025. Fleckfieber 1247. — Krankheitsbild 1248. — Obduktionsbefunde ie — Ätio- logie 1254, 1261. — Weil-Felixsche Reaktion 1255. — her 1258. — Epidemiologie 1266. — Bekämpfung 1270. — Immunität und Schutzimp- fung 1281. — Therapie 1284. Fleckfiebervirus 1254, 1261. — Frage der Filtrierbarkeit 1264, 1265. — Kultur- versuche 1264. — Verhalten im Affen 1258. — im Meerschweinchen 1255, 1258. — im Kaninchen und in der Ratte 1260. Fledermäuse, Trypanosomen bei 1042. Fleisch, Präzipitinuntersuchung: 193. — als. Infektionsquelle für Tuberkulose 144. Fleischvergiftungen durch Bac. botulinus 590. — durch Bae. enteritidis Gärtner 362. — durch Bac. paratyph. 346, 358. — durch Bac. proteus und Bact. coli 596. Flexibilitas cerea bei Fleckfieber 1252. Flexnerscher Ruhrbazillns 368, 374. Fliegen, Ruhrverbreitung durch 386. — Typhusverbreitung durch 340. — s. auch Stechfliegen. Flöhe als Überträger der Pest 419, 421. — als Überträger der Rattentrypano- somen 1038. Flößerverkehr, 291. Fluoreszenz durch Bakterien 38. Formaldehyd, Desinfektionswirkung 6), 73. Fortpflanzung der Bakterien 36, 37. — der Protozoen 956. Fragmentation bei Bakterien 31. Fraktionierte Sterilisation 72. “ Framboesie 913. : Fremdkörper, Bedeutung bei Aktinomy- kose 678. — Gasbrand 573. Frettchenseuche 624. Froschtrypanosomen 1042. Fuchsinagar, Wachstum des Typhusbazil- lus und des Baet. coli 308. Fünftagefieber 1287. Fünfte Krankheit 1297. Fürsorgestellen für Tuberkulöse 768. Bedeutung bei Cholera G. Gallenimpfang bei Rinderpest 1229. Gallenwege, Typhusbazillen in 313, 332. — Colibazillen in 393. Galyl, Syphilisbehandlung mit DER Galziekte 1040. ; Gameten der Protozoen 960. — der Malariaparasiten 1062, 1063, 1064, 1065, 1066, 1069. Gänsespirochäte 815. Gärungspilze 1322. Gärwirkungen’der Bakterien42. — durch Soorpilze 1318. Gase als Desinfektionsmittel 69. Gasödem (Gasphlegmone, Gasbrand) 567, 569. — Obduktionsbefunde 571. — - Pathogenese 572. — Ätiologie 574. — Diagnose 582. — Serumprophylaxe und -therapie 587. : ; Gasödembazillen 574. Gasödemsera 587. Gaudanin bei Höndedesinfektion 74. Gebrauchswasser, Typhusinfektionen durch 337. Geflügelcholera 616. Geflügeldiphtherie 1245. Geflügelkokzidiose 1054. Geflügelpest 1242. Geflügelpocke 1244. Geflügeltuberkulose 717, 719. Gehirn, Streptothrixinfektionen 682. Geißelkerne der Protozoen 953. Geißeln der Bakterien 28. — Färbung 30. — der Malariaparasiten 1066, 1069. — der Protozoen im allgemeinen 955. — der Spirochäten 795. — der Trypanosomen 991. Geisteskrankheiten, Präzipitinunter- suchungen bei 198, © Gelbfieber 840. — Obduktionsbefunde, Ätiologie 841. — Übertragung 844. Epidemiologie 847. — Immunität 850. : — Bekämpfung 853. Gelenke, Gonokokkeninfektion 487. Gelenkrheumatismus 1299. — Ense ken bei 506. Gelenktuberkulose 732. Gemüse als Infektionsquelle für Typhus 339. — für Paratyphus 359. Generationswechsel bei Protozoen 964. Generatorgas bei Pestbekämpfung 429. Genickstarre s. Meningitis cerebrospinalis epidemica. . Genitalschleimhäute, Infektion durch Diphtheriebazillen 641. Gerinnungstheorie nach Hirschfeld und Klinger 89. Gerüstsubstanz der Protozoen 951. Geschabemethode bei Syphilisdiagnose 871. Geschwälste, Hefezellen in 1323. Getreidesrannen, Aktinomykoseinfektion durch 678. Gewebsparasiten, Protozoen als 966. a En ie ae ande a m a FE Lu nn Zee we 7 ri’ a ae a na - Gingivitis Bei, Spirochäten als Ü Gonokokkus 482. — Sachregister. Gemehssymbiose bei RER: | ehe Schnellfärbung für Syphilis spirochäten 866. ‚Giftbildung durch Bakterien 46. . Giftigkeit der Desinfektionsmittel 69. Giftimmunität, natürliche 119. der yemaern. er 90. 1860. berträger der Trypano- Glossinen — der Schlafkrankheit 1003. — der Tse-tse-Krankheit 1029: Färbbarkeit und kulturelles Verhalten 483. — Resistenz "und Giftbildung 485. tät 486. Gonorrhoe 481. — Verlauf 486. — Dia- gnose 488. — Immunität 489. — Serumtherapie und Vakzinetherapie 490. — Prophylaxe und Bekämpfung 490. Gramsche Färbung 25. ' Granula, Muchsche bei Tuberkulose 706. Grasbazillen, säurefeste 721. 'Grotan, Desinfektionswirkung 67. Gruber- Widalsche Reaktion 322, 323. = Grundgesetz, Pflüger-Arndisches 56. Gruppenagglutination 185. — bei Para- typhus 355. Guarnierische Körperchen 1186. Gumma, Spirochätengehalt 870. H. Habitus phthisieus 746. Haemaglutinine 187. Haematopinus spinulosus 1039. - Haematopota als Überträger von Trypa- nosomen 1034, 1037. Haemoglobinurie der Rinder s. Texasfieber. — bei Malaria s: Schwarzwasserfieber. Haemolysinbildung der Staphylokokken ) 439. | .— der Streptokokken 497. — der Vibrionen 288. Haemolysine 168. Haemophysalis als Pirosomenüberträger 1110, 1113. "Haemosporidien 1058. Haemotropine 173. Halbmonde der Tropenfieberparasiten 1064, 1066, 1070. | Halbparasiten 47. - Halsdrüsentuberkulose 732. Hamster-Trypanosomen 1040. Händedesinfektion 73. Hängender Tropfen 16. Haptine Ehrlichs 130. _ Harn, Spirochaeta icterogenes im 832. — Tuberkelbazillen im 733, 739. — Typhusbazillen im 314, 318. Harnröhrentripper s. Gonorrhoe. Infektion durch Bact. coli Harnwege, 392. — Pathogeni- 1363 ‘ Hartfilter 1124. Hauptagglutinine 185. Hautaktinomykose 679. Hautdiphtherie 641. Hautmilzbrand 258. — bei Tieren 260. Hautpest 412. Hautrotz 684, 686. Hauttuberkulose 132. Hefepilze, Systemstellung 20. — Gär- wirkung 42, 1323. — als Krankheits- erreger 1324. Heilsera, Gewinnung 133, 139. — Wert- bestimmung 148, 244. Heilstätten für Tuberkulöse 768. Heißluft, Entlausung mit 1276. Hell-Dunkelfeld-Kondensor 12. Hemiclepsis marginata als Überträger der Froschtrypanosomen 1043. d’Herellesches Phänomen 369. Herpes tonsurans 1311. Herpetomonas 989. Heyden-Agar, "Wachstum der Tuberkel- bazillen auf 709. Hippobosca rufipes 1041. Hirnagar, Wachstum der Tuberkelbazillen auf 710. Hitze, Desinfektionswirkung 71. Hodensyphilis der Kaninchen 874, 875. Homogene Immersion 1. Hühnercholera 616. — Verlauf und Ob- duktionsbefund 618. — Schutzimp- fung 619. Hühnercholerabazillus 616. — Patho- genität für den Menschen 617. — Virulenz und Verbreitung 618. Hühnerleukämie 1245. Hühnerpest 1242. Hühnerspirochätose 816. Hühnertuberkulose 717, 719. Hund, Vorkommen vor. Bilharziawürmern beim 1352. — Dracunculus medinensis beim 1347. — Trypanosbmen beim 1025, 1034. Hundepiroplasmose 1112. Hundesporotrichose 1321. Hundestaupe 1242. Hundswut s. Lyssa. Hungertyphus s. Fleckfieber. ran aegyptium, Piroplasmenüber- tragung durch 1114. Hyaloplasma der Protozoen 951. Hydrocephalus bei Genickstarre 466. Hydrochoerus capibara 1035. Hyper- und Hypoleukozytose bei Infek- tionen 9. Hyphomyzeten s. Schimmelpilze. ji Ieterus infeetiosus s. W eilsche Krankheit. Ietus immunisatorius' 928. Igel, Piroplasmen bei 1122. Immersionslinsen 1. Immunagglutininine s. Agglutinine, 1364 Immunisierungsmethoden 124. — - Beur- teilang der Erfolge 126. Immunität 111. — natürliche 112. — lokale 123, 161. — aktive erworbene 119, 121. — Giftimmunität 119. — passive 121. — negative Phase bei 125. — antitoxische 121. — antiinfek- tiöse 122, — depressive 121. — labile oder Infektions- 83. — Bedeutung der Bakteriolysine 159, der Agglutinine 186, der Schutzvorrichtungen und der Phagozytose 115. — bei Protozoen- infektionen 969. Immunitätseinheit, antitoxische 148. Immunkörper 162. — Konstitution 163. Impetigo contagiosa 1298. Impfgesetze, Wirkung der 1193. Impfschädigungen, angebliche 1202. . Index opsonischer 209. Indolbildung durch Bakterien im allge- meinen 46. — durch Bact. coli comm, 389. — durch Choleravibrio 275. — durch Paratyphusbazillen 351. — durch Ruhrbazillen 374. — durch Typhusbazillen 308. Infektion, Begriff 76, 82. — Verlauf 86. — Allgemeinerscheinnngen 90. — Be- ‘ deutung der Mischinfektion 107. — Inkubationszeit 85. — Schutzvor- richtungen des Körpers 83, 115. — erbliche Übertragung 97. Infektionserreger, Allgemeines 76. — Ein- trittspforten 84, 89. — Ausbreitung 87. — Virulenz 84. — Giftwirkung 86, 90. — Spezifizität 98, 101. Influenza 598. — Ätiologie 599. — Ver- lauf 602. — Epidemiologie und Be- kämpfung 606. — Immunität 607. Influenzabazillus 602. — Fundorte im Kör- per 604. — Nachweis 605. Inhalationstuberkulose 723, 740. Inkubationszeit bei Infektionen 85. — bei Giftwirkungen 141. Insekten als Überträger: der Leprabazillen 783. der Malariaparasiten 1069. der Piroplasmen 1104. der Ruhrbazillen 386. der Spirochäten 796. der Trypanosomen 994. der Typhusbazillen 340. der Verruga peruviana 1224. filtrierbarer Krankheitserreger 1129. Interzellularsubstanz, schleimige der Bak- terien 28. Intestinaltuberkulose 731, 743. Intrakutanreaktion bei Diphtherie 657 — auf Tuberkulin 756. Involutionsformen der Bakterien 30. Irisblende des Mikroskops 7, 16. Irrenruhr 369, 385. Isogamie bei Protozoen 958. Isolierställe für Serumtiere 134. Sachregister. Ixodes reduvius 1113. — rieinus 1105, 1110. Ixodinen, allgemeine Merkmale 1105. J. Jenners Schntzpockenimpfung 1191. Jodoform als Desinfektionsmittel 68. K. Kakkekrankheit 1300. Kala-Azar. 1015. Kalium chloratum, Desinfkbieneiih 68. Kalium permanganicum, Desinfektions- wirkung 68.: — bei Choleratherapie 302. Kaltblüter, Trypanosomen bei 1042. Kaltblütertuberkulose 721. Kamerunschwellungen 1344. Kaninchen, Fleckfieberübertragung auf 1260. Kaninchenkokzidiose 1052. Kaninchenseptikämie 624. Kaninchenspirochätose (Spiroch. cuniculi) 819. Kaninchensyphilis 874. Kapillarmethode bei Präzipitinversuchen 208. Kapselbazillen bei Ozaena und Rhino- sklerom 529. Kapseln der Bakterien 27. Karbolsäure, Desinfektionswirkung 66. Kardioidkondensor 11. Karyosoma der Protozoen 952. Katayamakrankheit 1349. Kehlkopftuberkulose 730. Keimträger s. „Bazillenträger“ „Kokkenträger“. Keratitis syphilitica des Kaninchens 874. Kerionpilze 1312. Kerne der Bakterien 25. zoen 952, 957. Keuchhusten 607. — Diagnose, Epidemio- logie 610. — Immunität und. Be- kämpfung 611. — Streptokokken bei 506. bzw. — der Proto- Keuchhustenbazillus Bordet-Gengou 2 Keulenformen bei Bakterien 30. Kieferaktinomykose: 679. Kinderlähmung, IERR 8. Poliomyelitis acuta, Kinderleishmaniose 1017. Kindertuberkulose, Besonderheiten der 735. Klassifizierung der Bakterien 21. — der Protozoen 970. Kleiderlaus, Fleckfieberübertragung durch . 1258, 1267. — Morphologie und Bio- logie 1271. — Bekämpfung 1275. Knochen, Präzipitinuntersuchung 193. Knochentuberkulose 732. Knöllchenbakterien 40. = Be eessntnblenkang 165. Na chi Bea al A hr a Fr - dh “c R N‘ * 2 e r ‘ 2b or - Kondensor des | Br Konspung; inaltiple bei Protozoen 956. a eg Bedeutung bei Agglutination ‚ Kohlehyarte, Umsetzung durch Bakterien Kohlenstoff, Einfluß d. Bakterien auf den - Kreislauf des 42. Kokken, 21, 23. Kokkenträge 5 Kokzidienkrankkeiten 1051. Kolitisbazillen 367. Ksestiousckulare D& Komplement :130, 162. — Konstitution 164. — Unter- - sachungsmethodik 212. — Anwendung - bei Rotz 695. Komplementoide ern Komplementophile Gruppen 130. h Mikroskops 5, 8. Konglutinationsprobe bei Rotz 697. Konidienbildung bei Schimmelpilzen 1307: Konjugation bei Protozoen 959. Konjunktiva, Dyphtherie der 641, Konjunktivalreaktion bei Tuberkulose 757. a bei Typhus 325. ne Konjunkürvitis durch Preimnskokken 523. — durch Bac. Koch-Weeks 612. Kontagien, Ansteckung durch 17. Kontaktinfektion bei Bazillenruhr 386. — bei Cholera 292. — bei Diphtherie 659 — bei Genickstarre 473. . — bei Lepra 787. — bei Paratyphus 358. — bei Pest 419. — bei Tuberkulose 741. — bei Typhus 340. - Konträreffekt nach Ehrlich 929. Köpfechensporen bei Bakterien 32. Kopftrichophytie 1310. Kopulation bei Protozoen 958. Körnchen, metachromatische bei Bakterien 26. — Färbung 646. Kornealversuch Pauls bei Pocken 1184. Körperchen, G@uarnierische 1186. — Negrische 1146. Krankheit, Carrionsche 1222. — Vierte und Fünfte 1296, 1297. — Werner- Hissche 1287. Krankheitserreger, sog. filtrierbare 1123. — Natur 1125. Kresole, Desinfektionswirkung 67. Kugelbakterien s. Kokken. Kuhpocken 1180. . Kupfersalvarsan 938. Küstenfieber der Rinder 1115. — Krank- heitsbild 1116. — Übertragung 1118. — Immunität, Bekämpfung 1119. - Kutanreaktion bei Tuberkulose 755. Kutikula der Protozoen 955. . Sachregister. r bei RER, 169, 412.- 1365 L; L,- und L+- Wert der Standardtoxine 149. Lackmus-Mannit-_ und Maltoseagar, Wachstum der Ruhrbazillen 374. Lackmus-Milchzuckeragar, Wachstum des Typhusbazillus 308. — des Para- typhusbazillus 347. — des Bact. coli 390. — der Ruhrbazillen 374. Lackmus-Molke, Wachstum des Typhus- bazillus307. — des Paratyphusbazillus 348. — der Ruhrbazillen 374. Lackmus-Nutrosennährböden, Wachstum des Typhusbazillus 308. — der Ruhr- bazillen 375- Lähmungen bei Diphtherie 643. — bei Poliomyelitis acuta 1166. Lamblia intestinalis 1021. Längsteilung bei Protozoen 956- Lapina 1204. Larynx, Erkrankung bei Diphtherie 640. Latenz von Infektionserregern 82. Läuse als Überträger des Fleckfiebers 1258, 1267. — des Fünftagefiebers 1290. — des Rückfailfiebers 808. — Bekämpfung 1275. Lebensbedingungen der Bakterien 47. — der Protozoen 964. Leberabszesse bei Amöbenruhr 975, 976, 981. — bei Bazillenruhr 371. Leishmania 991: — Donovani 1015. — infantum 1017 — tropica 1019. Leishmaniaformen der Trypanosomen 989. Leishmaniosen 1014. Lepra 775. — Verlauf und verschiedene Formen 780. — Allgemeine Patho- logie 784. — Diagnose 786. — Epi- demiologie 787. — Bekämpfung 789. Leprabazillus 777. — Züchtung 778 — Fundorte im Körper 782. — Aus- scheidung 785. Leptomonas 989. Leptospira ieteroides 842. — Züchtung 843. — Übertragung 844. — V erhalten in der Stegomyia 846. Leptospiren 792. . Leptothrix 675. Leuchtbakterien 38. Leuchtbildmethode 13. Leukozidin 439. Leukozyten, Gewinnung für Opsoninver- suche 210. Leukozytose bei Infektionen 9. Licht, Desinfektionswirkung 70. Lichtquellen für Dunkelfelduntersuchung % Ligroinverfahren 737. Linin bei Protozoen 953. Liquor ceresoli saponatus, wirkung 67. Lobärpneumonie 521. Desinfektions- | Lobopodien bei Protozoen 954. 1366 Sachregister. Lobulärpneumonie 522. Lokalwirkungen der Infektionserreger 89. Lophotricha 29. Lues 's. Syphilis. Luft, heiße, Desinfektionswirkung 71. — Anwendung bei Entlausung 1276. Lumbalpunktat, Meningokokken in 468. — Tuberkelbazillen in 739. Lungenaktinomykose 679. Lungenentzündungen, Allgemeines BDRR 512. Lungenerysipel 506. Lungenmilzbrand 259. — bei Tieren 260. Lungenpest 412, 419. Lungenseuche des Rindes 1237. Lungenstreptotrichose 682. Lungentuberkulose 726. — Streptokok- ken bei 506. Lupus 732. Lymphangioitis epizootica der Pferde 1324. Lymplhegewinnung für Vakzination 1198. Lymphgefäße, Wirkungen der Filarien 1343. Lymphmühlen 1199. Lymphskrotum bei Filariosis 1343. Lysol, Desinfektionswirkung 67. Lyssa 1137. — Verbreitung 1138. — Verlauf bei Tieren 1139, beim Men- | schen 1141. — Abortivfälle 1144. — Obduktionsbefund 1145. — Ätiologie 1146. — Experim. Diagnose 1155. — Prophylaxe 1157. — Schutzimpfung 1158. — Immunität 1162. — Therapie 1163: 7% Lyssavirus 1146. — Kulturversuche 1150. — Infektionswege 1152. — Resistenz 1153. — Infektiosität 1154. M. Madurafuß 681. Magendarmkanal ‚Diphtherieinfektion 641. — Pestinfektion 413. Makrogameten der. Protozoen 960. — der Malariaparasiten 1065. Nalachitgrünagar, Wachstum des Typhus- - bazillus 317. — des. Paratyphus- bazillus 351, 354. Malachitgrün-Galle-Agar 317. . Malachitgrün-Reinblau-Safraninagar 317. Malaria 1055. — Verbreitung 1056. — volkswirtschaftliche Bedeutung 1057. — Übertragung 1069. — V erlauf 1073. — Mischinfekti onen 1080. —— Rück- fälle 1080. — chronische Form 1081. — larvierte Form 1082. — Obduktions- befund 1083. — Diagnose .1084. — Epidemiologie 1086. — Immunität 1089. — Prophylaxe 1089. — Be- kämpfung 1092. — Chinintherapie 1096. Malariaknötchen des Gehirns 1083. Malariaparasiten 1058. — Entwicklung im Blut 1060. — Struktur 1064. — Lebensäußerungen 1065. — Kultur- versuche 1065. — Entwicklung in der Mücke 1067. — Nachweis, 1084. — bei Affen 1100. Malariapigment 1062, 1063, 1083. Mal de Caderas 1034. Malleinreaktion 691. "Maltafieber s. Mittelmeerfieber. Mandeln s. Tonsillen. Mansonsche Färbung für Malariaparasiten 1085. Masern 1292. — Streptokokken bei 506. Mastigophora, Einteilung 971. Mastixlösung bei Händedesinfektion 74. Maulbeerform des Tertianaparasiten 1061. Maul- und Klauenseuche 1210. — Epide- miologie 1212. — Krankheitsbild beim Menschen 1213. — Diagnose, Bekämp- fung 1214. — Immunität und asien impfung 1215. Mäusefavus 1310. Mäusetyphusbazillen, Bez. typhusbazillus 361. Meerschweinchen, Verhalten bei Infektion mit Virus: des Fleckfiebers 1255, 1258. — der Weilschen Krankheit 830, 832. — des Gelbfiebers 812, . Meinickesche Reaktion 898. Membran der Bakterien 25, 27. — der Protozoen 951. — undulierende 955. Membranellen der De JB. Membranfilter 1125. Meningitis RR epidemica 459. — Verlauf 464. — Diagnose 467,468. — ÖObduktionsbefund 467. — Epide- miologie 471. — Prophylaxe und Be- . kämpfung 474. - - Sera RR 475, — durch Pneumokokken 523. Meningokokkenserum 475. Meningokokkenträger 469, 472.: Meningokokkus 460. — . Resistenz 461. — Giftbildung, Tierpathogenität 462. — Identifizierung 463, 469. Merozoiten der Protozoen 957. — der. Malariaparasiten 1060, 16465. Merulation der Malariaparasiten 1000 = ige des Quartanfieberparasiten 1063. — des Tertianfieberparasiten 1061. — — des Tropenfieberparasiten 1063. Mesenterialdrüsentuberkulose 731, 782. Meßokulare 16. Metachromatische Körnchen 26. — Fär- bung 646. Metallsalvarsane 938.. Metastasen der. Infektionserreger 87. Methylenblau bei Malariabehandlung. 1099. Micrococeus catarrhalis 478. — .cinereus 470. — melitensis 454. — meningitidis s. Meningokokkus. zum’ Para- F u rl > nl dam lan Lam d 9 nal Bes mn A de De Zn aD Es Mittelmeerfieber 452. Microsoma variolae s. vaccinae 1188. Be erosporon Audouini 1315. - 1317. = = — en 1317. ‚der Protosoen 960. — der arasiten 1065. men, Erateilung I —_ All- emene Morphologie 18. —. Allge- meine Biologie 32. 1. — für ultraviolettes Licht - 4. — Gangder Strahlen 7. — binoku- Jares 13. — Gebrauch 14. ' Mikrosporie 1315. . Milch als Infektionsquelle bei Bazillen- | ruhr 386. — bei Cholera 292. — bei 2 Diphtherie 659. — bei Maul- und Klauensenche 1213. — bei Mittelmeer- fieber 457. — bei Paratyphus 359. “ — bei Tuberkulose 743. — bei Ty- phus 339. — Untersuchung auf Tu- berkelbazillen 740. Bl tnberkaloss 733. Milzbrand 250. — Pathologie 256. — - Klinischer Verlauf beim Menschen 258, beim Tier 260. — Diagnose 261. Epidemiologie 262. — Prophylaxe 263. — Immunität 264. — Schutzimpfung 265. — Serumtherapie 267. Milzbrandbazillns 251. — Sporenbildung 252. — Resistenz 253. — Tierpatlo- ' genität 254. — Virulenz 257. Ba sadaoram 266. — Wertbestimmung 7 s ‘ Milstomor bei Infektionen 96. = Mischblennorrhoe 492. Einfluß auf ER Mischinfektionen 105. — — wichtigste - Krankheitsverlauf 107. - Formen 109. Be Yalaria 1050: — durch Staphylokokken 443. — durch Streptokokken 506. _— .bei Tuberkulose 734. — Krankheitsbild 453. — Diagnose 456. — Epidemio- - . Jogie und Prophylaxe 457. Molekularbewegung der Bakterien 28. Molliment 750. _ Molluseum contagiosum 1220. 'Monas 1022. Monotricha 29. - Morphologie, leaniinei der Bakterien 18. - — — der Protozoen 949. Morulaformen der Tertianparasiten 1061. Moskitonetze bei Gelbfieber 855. Si — bei Malaria 1091. Muchsche Granula bei Tuberkulose 706. Mumps 1297. e Muskeltrichinellen 1337. Mutationen bei Bakterien 52. Sachregister. 1367 Myokarditis durch Streptokokken 503. Myoneme der Protozoen 955. Myzelien der Schimmelpilze 1306. N. Nackenstarre e Genickstarre 465. Nageltrichophytie 1311. :Nährmedien der Bakterien 47. — eiweißfreie 48. Nährstoffe der Bakterien 47. — der Protozoen 965. Nahrungsmittel, Präzipitinuntersuchung 192. — als Infektionsquellen bei Amöbenruhr "983. — bei Bazillenruhr 386. — bei . Botulismus 590. — bei Cholera 292. — bei Diphtherie 659. — bei sog. infek- tiösen Fleischvergiftungen 356, 358. — bei Tuberkulose 143. — .bei Typhus 339. - Nase, Diphtheriebazillen in der 640. _ Leprabazillen in der 780, 787. — Meningokokken in der 464, 469, 471. — Erkrankung bei Rotz 684, 685. Necator americanus 1329. Negative Phase der Immunisierung 195. Negrische Körperchen 1146. Nekroparasiten 47. Neosalvarsan 938. Neosilbersalvarsan 944. Nervensystem, Schädigung durch Infek- tionserreger 96. — Verhalten bei Fleck- fieber 1252. Neutralrotagar, Wachstum des Typhus- bazillus "308. — des Paratyphusbazil- lus 348. — des Bact. coli 390. — der Ruhrbazillen 374. Neutuberkulin 749. — therapeutische Ver- wertaung 761. Neaua 1025. Nieren, Schädigung durch. Infektions- erreger 96. Nierentuberkulose 733. Ninhydrinreaktion beim Abderhaldenschen Verfahren 217. Nitrifikationsmikroben 40. Noma 1293. Normalopsonine 171. Nutrizeptoren Ehrlichs 921. ®. Objektivlinsen des Mikroskops 2, 15. — optische Wirkung 4. Objekttisch des Mikroskops 15. — heizbarer 15. Obst als Infektionsquelle für Typhus 339. — für Paratyphus 359. Ödem, malignes 568. Öffnungswinkel der Mikroskoplinsen 3. Ohr, Erkrankung bei Diphtherie 641. Oidiomykosen 1324. | Oidium albicans 1318. 1568 Sachregister, Ökularlinsen des Mikroskops 4, 15. Oligodynamische Wirkung der Metalle 58. Ölimmersionslinsen 2. ÖOnchocerca volvulus 1345. Ookineten der Malariaparasiten 1070. Oosporen der Schimmelpilze 1307. ÖOozysten bei Malariamücken 1070. Ophthalmoblennorrhoea neonatorum 486, 491. ÖOphthalmoreaktion bei Rotz 694. — bei Tuberkulose 757. — bei Typhus 325. ÖOpisthotonus bei Genickstarre 465. — bei Tetanus 544. Opsonine 170. — Untersuchungsmethodik 209. — Bedeutung für die Bakterio- therapie 237. — bei Tuberkulose 762. Öpsoniser 211. Optochin, chemotherapeutische Wirkung 947. — bei Pneumokokkeninfektionen 528. — bei Malaria 1099. Orchitis syphilitica der Kaninchen 875. ÖOrganotropie der Heilmittel 920, 924. ÖOrganparasiten, Protozoen als 966. Örientbeule 1018, Örientierender Agglutinationsversuch 203. Ornithodorus moubata Murray 806. Oroyafieber 1222. Ötitis durch Pneumokokken 523. Oxytuberkulin 750. ÖOzaenabazillen 529. P. Paedogamie bei Protozoen 960. Panaritien, Staphylokokken bei 443. Papageienpestbazillus 356. Pappatacifieber 1132. — Virus und Über- tragung 1133. — Immunität 1134. — Prophylaxe 1135. Paraboloidkondensor 10. Paradiphtheriebazillen 656. Paraform-Permanganatverfahren bei Woh- nungsdesinfektion 73. Paragglutination 185. Paralyse, Syphilisspirochäten bei 869. — Wa.-R. bei 906. Paranuklein der Protözoen 953. Parasiten, Bakterien als 47. — Protozoen als 965. Parasitenzählung bei Malaria 1086. Parasitotropie der Heilmittel 920, 924. Paratyphus 346. — Krankheitsbilder 349, 363. — Obduktionsbefund 353. — Mischinfektionen 353. — Diagnose 354, 364. — Epidemiologie 358. — Prophy- laxe und Bekämpfung 360. — Immu- nität und Schutzimpfung 360,363, 365. Paratyphusbazillus, Typus A: 364. — Typus B: 347. — Resistenz, Toxin- bildung und Tierpathogenität 348. — Nachweis im kranken Menschen 354. — Vorkommen in der Außenwelt und bei Tierkrankheiten 356. — Beziehung zu nahestehenden Arten 361. i Paratyphusbazillus, Typus ß: 369. Parotitis, infektiöse 1297. Parthenogenesis bei Protozoen 960. Partialagglutinine 185. Partigene Deycke-Much 751. Passagewutkörperchen 1149. Pasteurellagruppe 615. Pasteurisierung 72. Pasteursche Wutschutzimpfung 1158. Pathogenität der Bakterien 47, 76, 81. — der Protozoen 967. Pellagra 1303. Pemphigus neonatorum 1298. Poptonwasser-Anreichen für Vibrionen 274, 282. Periorchitis syphilitiea der Kaninchen 875. Peripneumonie des Rindes 1237. Peritonitis durch Bact. eoli 393. — durch Pneumokokken 523. Peritricha 29. Perkutanreaktion auf Tuberkulin 756. Perlsucht 714. : Perlsuchtbazillus 716. Permanganat-Verfahren bei Wohnungs- desinfektion 73. Perniciosafleckung bei Malariaparasiten 1064. Pertussis s. Keuchhusten, \ Pest 403. — Verlauf 410. — Diagnose 413. — Epidemiologie 417. — Be- kämpfung und Prophylaxe 428. — Immunität 430. — Schutzimpfung 431, 434. — Serumtherapie 435. - Pestbazillus 404. — Kulturelles Verhalten 405. — Resistenz 406. — Giftbildung und Virulenz 407. — Tierpathogeni- tät 408. — Identifizierung 416. Pestseptikämie 411. Pestserum 433. Pfeifferscher Versuch 160. — "Methodik - 204. — bei Cholera 285. — bei Typhus 321. Pferde, Anämie perniziöse der 1240. — Bilharziawürmer beim 1352. — Dracunculus medinensis beim 1347. — Mikrosporie der 1316. — Piroplasmose der 1114. — Pocken der 1180. — Rotz der 685. — Spirochätose der 818. — Sporotrichose der 1321. — Tetanus der 539. — Triehophytie der 1311. — Trypanosen der 1025, 1034, 1035. Pferdesterbe 1239. Phagozyten, Rolle bei Infektionen 9. Phagozytische Zahl 209. - Phagozytose, Bedeutung für die Immuni- tät 115. Phänomen der Agglutination 175. — der Präzipipation 189. — d’Herellesches 369. — Pfeiffersches 160. - ri E: bi: “ E EB: E R- B: 3 3 2 E Phase, negative bei der Immunisierung -125. — bei Baktheriotherapie 239. _ Phenole, Desinfektionswirkung 66. Phlebotomus papatasii 1133. — verruca- rum 1224. Phlegmone durch Staphylokokken 443. _ Phobrol, Desinfektionswirkung 67. Phosphoreszenz durch Bakterien 38. 'Phosphorsalvarsan, Spphilisbehandlung a ‚der Malariaparasiten 1062, 1063, igt rien 38. entbildung der Staphylokokken 438. °i osen 1103. FENIERIEMENILSREE: 1104. — bei Affen 1122. beiHunden 1112. — bei Menschen 1122. -— bei Pferden 1114. — bei Rindern 1105, 1115. — bei Schafen 1114. - - Pirosoma annulatum 1121. — bigeminum 1106. — eanis 1113. — equi 1114. — mutans 1121. — ovis 1115. -. — parvum 1115. _. — quadrigeminum 1122. Pityriasis versicolor 1316. Planorbis Boissyi, Bilharziaübertrageng - durch 1351. Plasmodium vivax 1058, 1060. — malariae 1058, 1062. — immaculatum 1058, 1063. Plasmodroma 971. Plasmolyse und Plasmoptyse 37. Plastin bei Protozoen 953. - Plaut-Vincentsche Angina 857. Plazenta, Übergang von Infektionserre- gern durch 97. Plazenta-Serumagar für Meningokokken- kultur 461. Pleomorphie bei Bakterien 24. - Pleuritis durch Pneumokokken 523. - Pneumokokken-Keratitis 523. — -Konjunktivitis 523. — -Serum 525. Pneumokokkus 516. — Kulturelles Ver- ‘ halten 518. — Resistenz und Virulenz 519. genität 520. — Pathogenität für den Menschen 521. Pnenmonie, lobäre 515, 521. — lobuläre und atypische 522. — Komplikationen 822. — Diagnose 523. — Immunität 524. — Serumtherapie 526. — Che- motherapie 528. — durch Strepto- kokken 506. Pocken 1179. — Obduktionsbefunde 1183. | — Differentialdiagnose 1184. — Virus 1185. — Schutzimpfungsverfahren 1190. — Immunität 1205. — Be- kämpfung und Prophylaxe 1206. — Streptokokken bei 506. Polfärbung bei Bakterien 37. Sachregister. — Toxinbildung u. Tierpatho- | 1369 Ser gerne acuta: 1165. — atypische . und abortive Fälle 1167. — Obduk- tionsbefunde 1168. — Ätiologie 1169. — Pathogenese 1173. — Epidemio- logie 1174. — Diagnose, Immunität 1176. — Schutzimpfung, Bekämpfung 1177. Poliomyelitis-Virus 1169. — Tierpatho- genität 1169. — Fundorte, Filtrier- barkeit 1171. — Kultur 1172. — Re- sistenz 1173. Pollantin 153. . Polyarthritis rheumatica 1299. Polypapilloma tropicum 914. Polyvalenz bei Serumpräparaten 248. Porengröße, wirksame bei Bakterienfiltern . 1124. Präparate, Herstellung gefärbter 17. Präzipitine 189. — klinische Verwertung 193. — Wertbestimmung 195. — Spezifizität 197. — Herstellung präzip. Sera 194. — Versuchsmethodik 205. — Verwertung der Reaktion bei Milz- brand 262. — bei Rotz 697. Präzipitinoid 190. Prosperol 750. Proteine der Bakterien 47. Proteinkörpertherapie 114. Proteusbazillus X 19: 1255, 1257. Protoplasma der Bakterien 25. — der Protozoen 30. Protoplasmaaktivierung, 114. Protozoen, Allgemeine Morphologie 949. — Allgemeine Biologie 956. — Ent- wicklungsgeschichte 964. — Eintei- lung 950, 970. — Immunität gegen 969. Prowazekia asiatica 1022. Prüfung der Desinfektionserfolge 72. Pseudoaktinomykose 682. Pseudodiphtheriebazillen 655, Pseudoinfluenzabazillen 611. Pseudoküstenfieber 1121. Pseudoödembazillen 581. Pseudopodien der Protozoen 954. Pseudotuberkelbazillen 721, 740. Pseudotuberkulose 740. Psittakosebazillus 356. Ptomaine 47. Puerperalsepsis 504. Purpurbakterien 42. Pustula maligna 258. Putrifikusbazillen, Gruppe der 581. Pyoseptikämie 88. — durch Staphpylo- kokken 443. Pyozyanase 532. Pyozyaneus-Antitoxin 535. Pyozyaneus-Infektionen 534. Pyrazolon-Sulfamino-Quecksilber, chemo- therapeutische Wirkung 945. Pyrazolonverbindungen der Arsenobenzole 940. omnizelluläre durch Streptokokken 1370 Q. Quarantänemaßnahmen bei Cholera 294. — bei Gelbfieber 854. — bei Pest 428. i Quarantäneställe für Serumtiere 133. Quartanfieber 1075. Quartanfieberparasit 1062. Quarzlinsen für Mikroskope 4. Quecksilber, atoxylsaures, chemotherapeu- tische Wirkung 931. Quecksilberdampfquarzlampe für Wasser- sterilisierung 70. ' Quecksilber-Karbonsäuren, chemothera- peutische Wirkung 946. Querteilung bei Protozoen 956. (Quetschmethode bei Syphilisspir.-Nach- weis 871. Quotidianfieber 1075. — Quotidiana r ma- ligna 1064. R. Rachendiphtherie 639. Rachenmandel, Ansiedlung der Meningo- kokken 964, 969. — der Tuberkel- bazillen 731. Radiergummiphänomen bei Fleckfieber 1249. Rassenbildung bei -Mikroben 58. ‘Ratten, Trichinoseübertragung durch 1336. — Verhalten gegen Fleckfieber- infektion 1260. -— Sporotrichose bei 1321. Rattenbißkrankheit 824. Rattenlepra 779. Rattenpest 409, 419, 429. Rattentrypanosomen 1037. — Züchtung 1039 Räume, Desinfektion 72. Rauschbrand 560. — Diagnose 563. — Epidemiologie 564. — Prophylaxe und Schutzimpfung 565. Rauschbrandbazillus 561. Reagenzglasversuch, bakterizider 204. Reaktion der Nährböden, Bedeutung für Bakterienvermehrung. 49. Reaktionskörper, anaphylaktische 225. Regenerationsvorgänge bei Protozoen 961. Reichertscher Spiegelkondensor 10. Reizserum, Nachweis der SIRISISBIN. in 871. Rekonvaleszenten, Agglutinine bei 181. Rekurrens s. Rückfallfieber. Rekurrensspirochaeten s. Rückfallfieber- spirochäten. Resistenz, natürliche 113. — Steigerung 121. Revakzination 1192. Revolvervorrichtung für Objektivlinsen 15. Rezeptoren -Ehrlichs 129, 136. Rezidive bei Malaria 1062, 1080. Rezidivstämme, chemotherapeutische .Be- einflussung 921. . Sachregister. | Rhinosklerombazillus 529. ’ | Rhipizephalen 1105.. — als Überträger von Pirosomen 1110, 1113, 1114, Bu : 1118. -| Rhizopoda, Einteilung 971. Rhizopodien der Protozoen 954. _ Rhodesiafieber 1009. Rickettsia pediceuli 1263, 1289. — melophagi 1264. — Prowazeki 1261. - Rind, Bilharziawürmer beim 1352. — Dracunculus melinensis beim 1347. — 'Trypanosomen beim 1025, 1040, 1041. Rinderpest 1225. — Virus 1227. — Im- munität.und Schutzimpfung 1228. — Serumtherapie 1232. Rinder-Piroplasmose s. Texasfieber ns = Küstenfieber. Rinderseuche 624. — -Lungenscuche 1237. Rinderspirillose 818. Rindertuberkulose 714. Ringfasern bei Protozoen 955. Risus sardonicus bei Tetanus 544. Roseolen, Untersuchung auf Typhusba- zillen 316. — Befunde bei Fleckfieber 1248. Röteln 1296. Rotlauf der Schweine 626. — En i 629. — Prophylaxe und Schutzimpfung 630. — Serum- und Chemotherapie 631. Rotlaufbazillus 627. — Pathogenität für den Menschen 629. Rotz des Menschen 683, des Pferdes 685. — Diagnose 690. — Epidemiologie 699. — Prophylaxe, Bekämpfung 699. — Immunität 701. Rotzbazillus 687. — Resistenz 688. — Tierpathogenität 689. — Virulenz 690. Rückfallfieber 799. — Obduktionsbefund 802. — Übertragung 806. — Immu- nität 809. — Chemotherapie 811. Rückfallfieberspirochäten 802. — Ver- halten im Organismus und Resistenz 803. — Züchtung, “Tierpathogenität. 804: — Übertragung 806. Ruhr des Menschen s. Amöben- bzw. Ba- zillenruhr. — rote der Rinder 1053. Ruhramöben 977. Ruhrbazillen 373. — Differenzierung 374. — Resistenz, Toxinbildung 376. — Tierpathogenität 377. } Ruhrserum 381. Rüsselegel als Überträger der Frosch- | trypanosomen 1043. S.- Sabouraudscher Nährboden für Pilze 1310. Sachs-Georgische Reaktion 899. Sagrotan, Desinfektionswirkung 68. Saisonmalaria 1087, 1089. Salat als Infektionsquelle für Typhus 339. = Salmondagruppe 615, 623. > Salvarsan 931. — Herstellung 932. — Kara: he Eigenschaften 933. — Wirkt eise 935. — Anwendung bei Syphilis 913, 931, 933. — bei a E Framboesie 916. — bei Rückfallfieber 811. — bei Malaria 1099. — bei Plaut- ‚Vincentscher Angina 859. — bei Alveolarpyorrhoe 860. | Sanımelmolkereien als een bei Typhus 339. 'Sani stalten 1279. Sapokarpol, Desinfektionswirkung 67. - "Saprophyten, Bakterien als 47. — Protozoen als 950, 965. .. Sarkom, Hefezellenbefunde bei 1323. _ - Sarzinen 21. Saugröhren bei ER 965. Säureagglutination 183. Säurebildung durch Bakterien 36. ‚Schaf, Kokzidiose des 1054. — Piroplasmose des 1114. — Spirochätose des 818. — . Trypanosomen beim 1025, 1041. Sechs 1241. er — Streptokokken bei 506 -Scharlachdiphtherie, sogen. 644. Scharlachserum 510. rung Schaumorgane 579. - Scheuerdesinfektion 73. Schiffsverkehr, epidemiol. Bedeutung bei . Cholera 291. — bei Pest 417, 424. ' Schildkröten, Trypanosomen bei 1044. - Schimmelpilze, Gärwirkung 43. — Er- krankungen durch 1306. Schistosomum haematobium 1349, 1351. — japonicum 1349, 1352... — Mansoni 1349, 1351. Schizogonie der Protozoen im allge- meinen 957. .— der Malariaparasiten 1058, 1060. 2 Schizonten des Quartanparasiten 1061. . — des Tertianparasiten 1061. — des Tropenfieberparasiten 1063. . 'Schizotrypanum Cruzi 990, 1012. Schlafkrankheit 999. — klinisches Bild - 1000. — Obduktionsbefunde 1001. — Übertragung 1003..— Diagnose 1004. — Therapie 1005. — Bekämpfung 1008. 3 Schlangen, Trypanosomen bei 1043. Schlangengiftserum 153. — Anwendung in der Praxis 158. ‚Schleimbildung durch Bakterien 28. Schlußdesinfektion bei Infektionskrank- 2 heiten 72, 73. Schmierplattenverfahren bei Diphtherie- ‚diagnose 653. Schnellfärbung nach Giemsa für-Syphilis- _ spirochäten 866. 'Schraubenbakterien s. Spirillen. - Schülertrichophytie 1315. Schutzanzüge bei Fleckfieber 1280. Sachregister. 1371 Schutzimpfungsverfahren 111, 124. — Beurteilung 126. — bei Cholera 298. — bei Diphtherie 671. — bei Fleckfieber 1281. — bei Kinderlähmung 1177. — bei Lyssa 1158. — bei Milzbrand 265. — bei Pest 431, 434. — bei Rauschbrand 565. — bei Rotlauf 630. — bei Ruhr 383. — bei Schweineseuche 621. — bei .Tetanus 553. — bei Texasfieber 1110. — bei Typhus 325 Schutzvorrichtungen des Körpers gegen Infektionen 83, 115. Schwangerschaftsdiagnose nach halden 215. Schwanzwurzelstich bei Pestdiagnose 409. Schwarzwasserfieber 1078. Schwefelbakterien 42. Schweflige Säure, Entlausung durch 1276. — Entrattung durch 429. — bei Wohnungsdesinfektion 72. Schwein, Trypanosomen beim 1025. Schweinepest 622, 1234. Schweinerotlauf s. Rotlauf. Schweineseuche 619, 621. — Schatz- impfung und Serumtherapie 621. Sedimentierungsverfahren für tuberku- löses Sputum 737. Segelschiff-Beri-Beri 1301. Dr Sehnenscheiden, Gonokokkeninfektion 487. Seifen, Desinfektionswirkung 67. Seifenspiritus bei .Händedesinfektion 73. Seitenkettentheorie Ehrlichs 126. Sekretsymbiose bei Infektionserregern 106. Sekundärinfektionen 105. — Einfluß au! Krankheitsverlauf 107. —, Wichtigste Formen 109. Senkungsabszesse, bei Aktinomykose 679. Sepsis, Allgemeines 87. — durch Bact. col. 394. — durch Staphylokokken 443. — durch Streptokokken 502. Septicaemia haemorrhagica der Tiere 615. Septikopyämie, kryptogenetische 505. Serumdiagnostik,Untersuchungsmethodik Abder- 200. — bei Cholera 301. — bei Genickstarre 467. — bei Mittelmeerfieber 456. ° — bei Pest 417. — bei Poliomyelitis 1176. — bei Rotz 694. — bei Ruhr 380. — bei Syphilis 881. — bei Tuberkulose 762. — bei Typhus 321. Serumkrankheit 232. — Prophylaxe 233. 1372 Ser umpräparate, antitoxische 152. — Dar-. stellung in der Praxis 133. — Prüfung auf Sterilität und Unschädlichkeit 243. — Wertbemessung 244. — staatliche Kontrolle 242. — antiinfektiöse 244. — 'bakterizide, Desinfektionswirkung 69. — polyvalente 248. Serumtherapie, Allgemeines 241. — bei Cholera 301.; -— bei Diphtherie 661. — bei Meningitis 475, 476. — bei Milzbrand 267. — bei Pest 435. — bei Ruhr 382. — bei Streptokokkeninfektionen 509. — bei Tetanus 556. — bei Typhus 331. Sexuale Formen der Malariaparasiten s. Gameten. Shanghaifieber 1135. Shock, anaphylaktischer 227. Sichelkeime der Malariaparasiten 1070, 1071. Siebentagefieber 838. Siedehitze, Desinfektionswirkung 71. Silbersalvarsan 940. Silbersalze, Desinfektionswirkung 65.. Simulien, Bedeutung bei Pellagra 1303. Simultanimpfung bei Lyssa 1161. — .bei Milzbrand 266. — bei Rauschbrand 565. — bei Rinderpest 1230. — bei Schweinerotlauf 630. Skelett der Protozoen 955. Skorbut 1304. Skrotumsyphilis der Kaninchen 874. Smegmabazillen 739. Smithsches Phänomen 221. Sodalösung, Desinfektionswirkung 68. Sodoku 824. Soor 1317. - Sperma, Infektionsübertragung durch 97. Spezifizität der Infektionen und deren Erreger 81, 98, 101. Sphären s. Gameten. Spiegel des Mikroskops 5. Spiegelkondensoren 8. Spielarten der Mikroben, Entstehung 50, 53. Spindelbazillen Vincents 858. Spirillen 21, 23. Spirochaeta anserina 815. — Balbiani 793. — berbera 811. — bucealis, denticola, dentium, inaequa- lis, recta, tenuis, undulata 861. — euniculi 819, 821. — Duttoni 803. — gallinarum 816. — hebdomadis 838. — ieterogenes 831. — indica 811. — morsus muris 825. — muris 824. — Novyi 803. Sachregister. Spirochaetaz Obermeieri 802. — pallida 865. ten 867. — Fondorte beim Kranken 869. — Nachweis 871. — differen- tialdiagn. Merkmale 872. — pertenuis 914. — plicatilis 794. — refringens 872. — Theileri 819. Spirochäten, - Züchtung 7%. — Übertragung durch Insekten 7%. — Systemstellung 796. Spirochätenkrankheiten, Allgemeines 192. Chemotherapie 798. — der Tiere 815. 'Spirochätose der Gänse 815. — der Hüh- : ner 816. — des Rindes, Pferdes und Schafes 818. — der Kaninchen 819. Spirosomen 792. Splenomegalie, tropische 1015. Spongioplasma der Protozoen 951. Sporangienbildung bei Sehimmelpilzen, 1307. Sporen der Bakterien 31. 32. — Bedeutung 37. — der Protozoen 957. Sporenbildung bei Bakterien Rn 3 — bei Protozoen 957. _ — bei Schimmelpilzen 1307. Sporidium vaccinale 1187. ie Sporoblasten der Malariaparasiten 1070. Sporogonie der Malariaparasiten 1058, . 1067. — der Protozoen im allgemeinen ‚957. Sporotrichose 1319. Sporozoa 971. — EU rOUR ‚Sporozoiten der Malariaparasiten 1070. Sproßpilze 1322. — als KrangheiprEngne 1323. Sputum, Desinfektion bei Tuberkulose 766. — Untersuchung auf Tuberkel- bazillen 736. Stäbchenbakterien s. Bazillen. Stallungen für Serumtiere 134. Standardsera 148. Standardtoxine 149. Staphylokokken 437. — Biologie « 438. — Resistenz 440. — Tierpathogenität 441. — Menschenpathogenität 442. — als Mischinfektionserreger 443. — Agglutination 446. Staphylokokkenkrankheiten 437, 442. — Disposition und Immunität 445. Therapie 447. — Prophylaxe 18. Staphylokokkenserum 447. Starrkrampf s. Tetanus. Stativ des Mikroskops 15. Staub, Tetanusbazillen in 541. — Tuberkelbazillen in 741. Stäubcheninfektion. bei Tuberkulose 741. Stechfliegen als Überträger von Trypano- somen 994, 1003, 1029. — von Fila- rien 1343. biologisches Verhal- Allgemeines über 792. re ER ee Kran = Ka ! Da Wi), Ka a A ai FE Ze Dar a Hl ann Aa Lau dir na nun. 'Streptotricheenerkrank | 4 E: ;;, E: . Sachregister. Stechmücken als Überträger des Gelb- fiebers 845. — der Malaria 1069. — der Filariosis 1342, 1345, 1346. calopus 845. Stegomyia 'Sterigmenbildung b. Schimmelpilzen 1307. 'Sterilisie rung, fraktionierte 72. _ Prüfung der Immunsera auf = Sihreaktioer auf Tuberkulin 756. Stickstoff, Umsetzung durch Bakterien 40. Eee diphtherica 640. — . ulcerosa Rene als Überträger von Trypanoso- men 1034, 1037. im Mikroskop 7. Streptobacillus Ducrey 634. ‚Streptokokken 494. — Resistenz 495. — Differenzierung 496. — Hämolysin- bildung 497. — Tierpathogenität 498. - — Virulenz und Giftwirkung 499. — — Pathogenität für den Menschen 500. - — als Mischinfektionserreger 506. — bei Tierkrankheiten 513. Streptokokkeninfektionen 493, 500. — Diagnose 507. — Prophylaxe, Immu- nität 509. Streptokokkensepsis 502. Streptokokkenserum 509. — Wertbestim- mung 512. ungen 675, 681. Stromüberwachung bei Cholera 291, 294. Strongyloplasma avium 1244. — febris quintanae 1289. — hominis 1221. Strongyloplasmen s. Chlamydozoen. Strudelapparate bei Protozoen 965. Sublimat, Desinfektionswirkung 65. Substance sensibilisatrice Bordets 118. Substanz, agglutinable 178. — präzipi- table 189. Sucherokulare 16. Sulfoxylsalvarsane 942. Surra 1034 Süßwasserschnecken ; Bilharziaübertra- gung durch 1351. Sycosis parasitaria 1311. Symbionten, Protozoen als 965. Symbiose bei Bakterien 52, 105. Syphilis 863. — Erreger 865. — Ex- perimentelle Übertragung auf Affen 872, auf Kaninchen 874, auf Meer- schweinchen 878. — Immunität 878. Serumdiagnostik 881. — Spezifische Schutz- und Heilmethoden 911. — Be- kämpfung 912. Syphilisspirochäte 865. — Biologisches Verhalten 867. — Fundorte beim Kranken 869. — Nachweis 871. — ‘ Differentialdiagnostische Merkmale 872. System, hämolytisches bei Komplement- bindungsversuchen 213. _ optisches des Mikroskops 1. Systemstellung der Bakterien 20. — der Protozoen 970. XKolle und Hetsch, Bakteriologie. 6. Aufl. 1373 4 Tabaniden als Überträger von Trypano- somen 1034, 1037, 1041. Tabes, Syphilisspirochäten bei 869. — Wassermannsche Reaktion bei 906. Tebesapin 750. Teilung der Bakterien 22, 23, 24. Teilungsformen des Quartanfieberpara- siten 1063. — des Tertianfieberparasiten 1061. — des Tropenfieberparasiten 1063. Tellurseruamnährboden für Diphtherie- bazillen 654. Temperaturanforderungen der Bakterien 49. — der Protozoen 965. Tertianfieber 1075. Tertianfieberparasit 1060. Tetanolysin und -spasmin 551. Tetanus 536. — Bedingungen der Infek- tion 539. — Verlauf 542. — T. idio- pathicus 546. — Epidemische Aus- breitung 546. — Diagnose 546. — Pathogenese 548. — Immunität 551. — Schutzimpfung 553. — Serumtherapie 596. Tetanusbazillus 536. — Toxinbildung, Resistenz und Tierpathogenität 539. — Verbreitung 542. Tetanusgift, Wirkungsweise 548. — Natur 550. "Teianussernin 551. — Se und Heil- wirkung 552, 553, 556. stimmung 553. Tetragenuskokken 22, 449. — als Misch- infektionserreger bei Tuberkulose 734. Texasfieber 1105. — Krankheitsbild 1108. — Diagnose und Epidemiologie 1109. — Übertragung, Schutzimpfung 1110. — Bekämpfung 1111. Theileria s. Pirosoma. Therapia magna sterilisans Ehrlichs 923. Thermopräzipitation 208. — bei Milz- brand 262. Thymol bei Behandlung der Ankylosto- miasis 1334. Tierhaare, Milzbrandinfektion durch 259, 261, 264. Tierkadaver, Untersuchung aufLyssa 1156. — auf Pest 415. Tierkohle bei Choleratherapie 303. Tiertuberkulose 714, 717. Tinea imbricata 1315. — favosa 1309. Tollwut s. Lyssa. Tonsillen als Eintrittspforten für a gokokken 464, 469. — für Pestba- zillen 412. — für Tuberkelbazillen 725, 726, 731. Toxine der pathogenen Mikroorganismen 46, 141. — Bindung durch Antito- xine 143. — Wertbemessung 149. — Wirkung im Organismus 89, W. Toxoide 651. — Wertbe- 88° 1374 Toxone 650. Toxophore Gruppe der Toxine 129. Trachea, Erkrankung bei Diphtherie? 640. Trachom 1218. Trachomkörperchen 1218. Treponema pertenue 914. Treponemen 792. Trichinella spiralis 1336. Trichinosis 1335. — Ätiologie 1336. — Krankheitsbild, Diagnose 1338. — Therapie, Prophylaxe 1339. Trichobakterien 675. Trichomonas intestinalis 1021. — vaginalis 1020. Trichon 1314. Trichophytie 131". Trichophytin 1313, 1314. Trichophyton tonsurans 1311. Trinkwasser als Infektionsquelle: bei Amöbenruhr 983. bei Ankylostomiasis 1331. bei Bazillenruhr 386. bei Bilharziosis 1352. bei Cholera 292, 297. bei Filariosis 1347. bei Typhus 336. Tristeza s. Texasfieber. Trixidin 945. Trockenlymphe 1204. Tropenfieber 1076. Tropenfieberparasit 1063. Tröpfcheninfektion bei Tuberkulose 742. Tröpfchenkultur 51. Tropfen, Untersuchung im hängenden 16. Trübungsreaktion nach Dold 899. Trypaflavin, chemotherapeutische Wir- kung 946. Trypanoplasma 987. Trypanosen 996. — des Menschen 998. — der Tiere 1025. Trypanosoma avium 1045. — Borelli 988. — Brucei 1027. — Cazalboui 1037. — dendrocoeli 988. — dimorphon 1037. — Duttoni 1040. — egquinum 1035. — equiperdum 1036. — Evansi 1034. — gambiense 1002. — helieis 988. — hippicum 1035. — ingens 1041. — inopinatum 1042. — Legeri 1042. — Lewisi 1037. — melophagium 1041. — Nabiasi 1040. — petrodromi 1042. — ranae 988. — rhodesiense 1010. — rotatorium 1043. Sachregister. Trypanosoma Theileri 1040. — tragelaphi 1041. — vivax 1087. , Trypanosomen, Allgemeine ne 991. — Biologie 993. — Artunter- scheidung 995. — Übersicht der patho- genen 1046. — apathogene bei Tieren 1037. Trypanosominae 988. Trypanrot, Desinfektionswirkung 70. Tsetsefliegen 1029. RU Tsetsekrankheit 1025. — Epidemiologie, Immunität 1032. — BIER Be- handlung 1033. Tuberculosis verrucosa cutis 732. Tuberkelbazillus 704. — Kulturverhalten 708. — Resistenz 710. — Toxinbil- dung und Tierpathogenität 711. — Virulenz 713. — Eintrittspforten 722. — Nachweis 736. — Differenzierung 714, 739. — Typus bovinus 716. — bei "Geflügel 719. — bei Kaltblütern 721. — Variabilität der Typen 721. Tuberkelbildung 713. ; Tuberkuline 748. — lliehenafteke 750, — Diagnostische Verwertung 752. — Therapeutische Verwertung 757. — Wirkungsweise 759. — Wertbestim- mung 751. ER Tuberkulinreaktion, subkutane 752. — kutane 755. — perkutane, Stich- intrakutane 756. — SER reaktion 757. Tuberkulol 751. Tuberkuloplasmin 751. Tuberkulose 703. — Vorkommen bei Mensch und Tier 704. — Formen der T. beim Menschen 722. — Diagnose 736. — Übertragung 722. — Infek- tionsgelegenheit 744. — Vererbung . 745. — Disposition 746. — Immuni- tät 747. — Verwertung der Immuni- tätsreaktionen 762. — Chemotherapie 765. — Soziale Bedeutung 765. — . Bekämpfung 766. — der Rinder 714. — des Geflügels 717, 719. — bei Kalt- :blütern 721. Tuberkuloseheilmittel Friedmanns 764. Tuberkulosesera 764. ; Tuberkulozidin 751. Tumoren, Hefezellen in 1323. Tunnelarbeiter, Ankylostomiasis 1326, 1329. Tüpfelung, Schüffnersche bei Malaria 1060. Tuschepunktkultur 51. Tuscheverfahren zum Nachweis von Mi- kroorganismen 17. Tussis convulsiva s. Keuchhusten. Typenbildung bei Mikroben 53. Typhus abdominalis 305. — Pathogenese . 311. — Diagnose 315. — Immunität 319. — Serumdiagnose 321. — Schutz- ae Hinpfang 326. uintherapis 331. — ae niologie 332. — DAROIEE £ — ambulatorius 334. i esanthematicus s. Fleckfieber. Ty i 306. — Resistenz, Tier- "_ pathogenität, Virulenz 310. — Toxin- ung 311. — Fundorte im Orga- m nismus 312. — Nachweis im Blut 315. — in Fäzes 316. — im Harn 318. — im Wasser 318. — Identifizie- rungdurch die Immunitätsreaktionen 321. — Übertragung 336. ei bovinus des Tuberkelbazillus 714, : 2 — hanazus 714, 716. UV. Überempfindlichkeit s. Anaphylaxie. Uhrzeigerbazillen 581. Uleus corneae serpens 523. — Serum- ‚therapie 527. — molle 633. — Iomanität 635. ÜUltrafilter 1125. Ultramikroskop 8. Undulierende abs bei Protozoen 955. — bei Spirochäten 795. — bei nosomen 991. “ Ungeziefer als Überträger ‘bei Fleck- 2 fieber 1258, 1267, 1269. -— bei Pest 419. Universalkondensor 11. Unizeptoren Ehrlichs 130. Unsichtbare Krankheitserreger 1123. Urethanchinin b. een. 1097. Urin s. Harn. . Urobakterien 41. _ Urogenitaltuberkulose 733, 739. Urticaria febrilis der Schweine 626. V. — _ NVakuolen bei Bakterien 31. 0 — bei Protozoen 952, 965. = Vakuumtuberkulin 750. Vakzination 1191. bei Affen 1205. "Vakzinationstherapie s. Bakteriotherapie. Vakzine, Gewinnung 1198. — Bakterien- gehalt 1199. — generalisierte 1203. Vakzinekörperchen 1186. Variabilität der Bakterien 24, 50, 100. Varietätenbildung bei Bakterien 50: Variola vaccina 1180. — vera 1181. Variolation 1190. Variolois 1182. Verdauungswege, Tuberkulose der 731. Vererbung von Infektionskrankheiten 97. — der Lepra 788. ‘ — der Syphilis 870, 909. — der Tuberkulose 745. Vermehrung der Bakterien 36, 37. — der Protozoen 956. — Erfolge 1193. — Sachregister. - 1375 Verrucae 1221. Verruga peruviana 1222. Versuch, Castellanischer 186. — Pfeifferscher 160, 204. Verwesung, Bakterienwirkung bei 41. Verzweigungen bei Bakterien 30. — bei Schimmelpilzen 1306. Vibrion septique 568, 579. Vibrionen, allgemeine Morphologie 24. _ Anreicherung 274, 282. — Differen- - zierung 284, 287. Vibrionenträger bei Cholera 289. Vierte Krankheit 1296. Viperiden, Gifte der 155. Virulenz der Infektionserreger 84. Virus, bakteriophagus d’Herelles 369, 1130. Vitamine 1303. Vollparasiten 47. Vögel, Kokzidiose der 1054. -— Trypanosomen bei 1044. Vulvovaginitis gonorrhoica 486. Vuzin, chemotherapeutische Wirkung 947. w. Wachstum der Bakterien auf künstlichen Nährböden 36, 47, 48. — in homo- !ogem Immunserum 176. Wachstumtemperaturen für Bakterien 49. Wärmebildung durch Bakterien 38. Wasser, Untersuchung auf Choleravibri- onen 289. — auf Typhusbazillen 318. Wasser als Infektionsquelle: für Amöben- . ruhr 983. — für Ankylostomiasis 1331. — für Bazillenruhr 386. — für Bilharziosis 1352. — für Cholera 292, 293.-— für Diphtherie 659. — für Filariosis 1347. — für Milzbrand 263. — für Typhus 336. Wasserdampf, Desinfektionswirkung 71. Wassermannsche Reaktion bei Syphilis 881. — Prüfung der Extrakte 883. — der Ambozeptoren 884. — Anleitung zur Ausführung 886. — Beurteilung der Ergebnisse 892. — Modifikationen 894. — Wesen 895. — Diagnostische Bedeutung 903. — Klinische Bedeutung 904. — Einfluß der Therapie 910. — Zusammenfassende Betrachtungen 910. Wasserschnecken, Bilharziaübertragung durch 1351. Wasserstoffsuperoxyd, Desinfektionswir- kung 68. Wechselfieber s. Malaria. Weigerts Überregenerationsgesetz 127. Weil-Felixsche Reaktion bei Fleckfieber 1255. Weilsche Krankheit 828. — .Obduktions- befunde 829. — Ätiologie 830. — Diagnose 834. — Epidemiologie 835. — Immunität 836. — Bekämpfung 837. 88* 1376 Werner-Hissche Krankheit 1287. Wertbemessung der Heilsera 188, 244. Widalsche Reaktion bei Typhus 322. Wildseuche 624. Wimpern der Protozoen 954, Wohnung, Desinfektion 72, — Bedeutung bei Tuberkuloseübertragung 741, 744, 769. Wuchsformen, besondere bei Bakterien 30. Wunddiphtherie 641. 643. Wundinfektionen durch Gasbrandbazillen 569,573. — durch Staphylokokken 444. — durch Streptokokken 500. Wundrose s. Erysipel. Wundstarrkrampf s. Tetanus. Wurmträger, gesunde bei Ankylostomiasis 1330. Wurstvergiftung s. Botulismus. Wut s, Lyssa. Wutknötchen 1146. — -diphtheroid Y. Yaws 914. Y-Bazillus 369, 374. Yellow fever s. Gelbfieber. 2. Zahl, phagozytische 209. Zecken als Überträger von Pirosomen 1105. — von Spirochäten 796, 806, 815, .817, 819. Zeckenbäder 1111. Zedernölimmersion 2. Zellparasiten, Protozoen als 966. Sachregister. Zellularpathologie, Beziehungen der Proto- zoen zur 969. - Zentrosome der Protozoen 954. Zerebrospinalflüssigkeit, Meningokokken in 468. — Tuberkelbazillen in 739. Ziegeleiarbeiter, Ankylostomiasis 1326, 1329. r Ziegen als Infektionsquelle für Mittel- meerfieber 457. —: Kokzidiose 1054. — Trypanosomen bei 1025. Zilien bei Bakterien 28. — bei Protözoen 955. Zirkulationssystem, Verhalten bei Fleck- fieber 1251. Zirren bei Protozoen 955. ‚Zoogloea 28. Zuchtlähme der Pferde 1035. een, für Diphtheriebazillen 56 Zungenaktinomykose 679. Zweiteilung bei Protozoen 956. Zygosporen der Schimmelpilze 1307. Zygoten. der Protozoen 959. — der Ma- lariaparasiten 1070. Zyklopskrebse, Filarienübertragung durch .1347. Zymase 44, 1323. Zymophore Gruppen 129. - Zysten der-Malariamücken 1070. - Zystenbildung bei Protozoen 961. Zystitis durch Bact. coli 392. — durch Gonokokken 486. — durch Pneumokokken 523. — durch Typhusbazillen 314. Zytophile Gruppen 130. Zytostoma und Zytopyge der Protozoen 965. Zytotoxine 167. Zytotropine 173. Druck von Gottlieb Gistel & Cie., Wien, IH., Münzgasse 6. 0 $ $ pr. DIEIEEZSIEIUNG en PLEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY QR 175 K83 1922 Bd.2 BioMed Kolle, Wilhelm Die experimentelle Bakteriologie und die Infektionskrankheiten-mit besonderer Berucksichtigung der Immunitatslehre