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Konig vom Odenwalde

Die Gedichte des Königs vom

Odenwalde . . .hrsg von Edward

Schröder.

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Die Gedichte des Königs vom Odenwalde

Zum erstenmal vollständig herausgegeben und mit einer Einleitun.Q? versehen

EdTsrard Schröder

Professor an der Universität Marburg

Darmstadt

Selbstverlag des Historischen Vereins für das Grossherzogtum Hessen Kommissionsverlag der Hofbucbhandlung von A. Bergsträsser

1903

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Die Gedichte des Königs vom Odenwalde

Zum erstenmal vollständig herausgegeben und mit einer Einleitung versehen

EdTÄTard Scliröder

Professor an der Universität Marburg

498583

Darmstadt

Selbstverlag des Historischen Vereins für das Grossherzogtum Hessen Kommissionsverlag der Hofbuchhandlung von A. Bergsträsser

1900

Sonderabdmck aus dem Archiv für Hessische Geschichte und Altertums- kunde. Neue Folge, Band III, Heft 1. Herausgegeben von Dr. Eduard Anthes.

JjLmter dem wundersamen Namen „der König vom Odenwalde" birgt sich, ein Dichter aus der Periode des Ver- falles der mittelhochdeutschen Litteratur, dessen Lebenszeit, Umgebung und soziale Stellung ich im nachfolgenden genauer und nicht unwesentlich abweichend von der vorausgegangenen ^Forschung bestimmen will. Eben diese präziseren Erkennt- nisse mögen auch das Interesse an den Gedichten selbst, das vorwiegend ein kulturgeschichtliches ist, steigern und «s rechtfertigen, dass ich von ihnen eine neue und die erste vollständige Ausgabe veranstalte, obwohl ich mich dabei nicht auf eigene handschriftliche Funde stützen und das zulezt von Karl von Bahder vorgelegte Material nur sichten und nicht vermehren kann.

Seither muss man die Reimereien unseres Poeten an vier Stellen zerstreut suchen: das Gedicht ,,von den Barten" ^Nr. VII) in den Altdeutschen Wäldern der Brüder Grimm Bd. 2, S. 84 88, wo es ohne den Namen des Autors aus ■der Gothaer Hs. abgedruckt wurde, das ,, Gänselob" (Nr. III) in Wackernagels Altdeutschem Lesebuch 5. Aufl. S. 1137 bis 1140 mit Auslassung von 10 Versen, die beiden Fabeln {Nr. VIII und X) bei Franz Pfeiffer im Altdeutschen Uebungsbuch S. 155 158, die acht übrigen Gedichte schliesslich und dazu ein unechtes (Von dem Übeln Weibe) in der Germania 23, S. 292 314, wo sie im Gefolge einer eingehenden Monographie über den Dichter (ebenda S. 193 222) erscheinen. Der Herausgeber K. v. Bahder hat in dieser Erstlingsarbeit den Dialekt des Königs vom Oden- wald sorgfältig beschrieben, sodass neuerdings G. Ehrismann bei eingehendem Forschungen über die ostfränkische Litteratur und Sprache des 14. Jahrhunderts (Beiträge z. Geschichte d. deutschen Sprache u. Litteratur, hrsg. v. E. Sievers Bd. 22, S. 288 ff". 335 ff.) an ilim eine gute Vorarbeit besass, und er hat sich um die Kritik und Erklärung der Gedichte ge-

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"wiss verdient gemacht. Wenn er aber den fränkischen Spruch- dichter zu einem „Spielmannskönig" stempelt, wenn er ihn weiterhin entgegen der zutreffenden Datierung J. B. Docens- (um 1340, V. d. Hagen und Büschings Altdeutsches Museum I, 146) als einen Zeitgenossen Hugos von Trimberg ansieht und bis an die "Wende des 13./ 14. Jahrhunderts hinaüfrückt (wobei er allenfalls einige der didaktischen Gedichte den ersten Jahrzehnten des neuen Jahrhunderts zuweisen will), so hätte er damit nicht den Beifall F. Vogts erwerben sollen (Pauls Grundriss d. german. Philologie II 1, 382).

Die Ueberlieferung der Gedichte des Königs vom Odenwalde beschränkt sich auf zwei Handschriften, welche beide in Würzburg entstanden sind, die eine, welche sämt- liche Gedichte mit ausdrücklicher Angabe des Verfassers^ enthält, um die Mitte, die andere, in der nur ein Gedicht namenlos überliefert ist, gegen Ende des 14. Jahrhunderts. Die ausführliche Beschreibung dieser Hss. wird den besten Anhalt zur Datierung geben.

M, die jetzt im Eigentum der Kgl. Universitätsbibliothek zu München') befindliche prächtige Würzburger Pergamenthandschrift des Michael de Leone Es ist der zweite Band jenes grossen litterarischen Sammelwerks,^ welches der der Mainzer Patrizierfamilie Jud entstammende Canonikus am Neumünster und Protonotarius des Würz- burger Hochstifts, Michael vom Löwenhofe, in den 40er Jahren des 1 4. Jahrhunderts unter Mitwirkung eines ganzen Stabes von Schreibern veranstaltete. Vom ersten Bande sind nur noch Bruchstücke vorhanden: aber wir besitzen vor dem erhaltenen Band II das vollständige Register auch zu Band I und wissen also, dass von dem König vom Oden- walde nichts verloren ist. Die eingehende Beschreibung der Handschrift, welche ßuland (1851) im Archiv des hist. Ver. f. Unterfranken Bd. XI H. 1, S. 1—59 lieferte, hat- neuerdings (1897) eine höchst wertvolle Ergänzung durch die genaue Bestimmung der Lagen und der Schreiber in Wilh. Meyers (aus Speyer) Abhandlung „Die Buchstaben- Verbindungen der sog. gothischen Schrift" (Abhandlungen d. kgl. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, phil. hist. Kl., N. F. I, 6) S. 103 107 erfahren, zu der ich unten einige Ergänzungen biete. Es stellt sich heraus, dass allein an der Eintragung

') Herrn Oberbibliothekar Dr. Schnorr von Carolsfeld, der mir die Handschrift zunächst in seinen Geschäftsräumen zugänglich gemacht und später zweimal ihre Hersendung an die Marburger Universitäts-Bibliothek gestattet hat, sage ich dafüi meinen aufrichtigsten Dank.

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der Gedichte des Königs vom Odenwalde nicht weniger als 4 Schreiber beteiligt waren.

Diese Gedichte stehen auf Bl. 192 Sp. 1 bis Bl. 201 Sp. 4 (I— VII) und weiterhin auf Bl. 277 Sp. 1 bis 279 Sp. 3, Bl. 280 Sp. 1 bis Mitte von Sp. 4 (VIII— XII). Sie sind aber nicht in zwei, sondern in mindestens 4, wahrscheinlich 5 2:eitlich getrennten Absätzen geschrieben. Das scheint von vorn herein dafür zu sprechen, dass sie nicht etwa aus •einer fertigen Gesamtausgabe kopiert, sondern dem Sammler erst nach und nach zugänglich wurden. Die Eintragung geschah in folgender Weise:

Der Hauptschreiber b des Codex, von welchem die vorausgehenden Lagen III (womit ursprünglich die Hs. begann, s. W. Meyer S. 104 N. 2) bis XIX, BU. 13—191 herrühren, schrieb auch die Lage XX und begann sie auf Bl. 192 mit K. v. O. Nr. I „Kuh", worauf er Nr. II „Huhn und Ei", Nr. Itl „Gans", IV „Bad", Nr. V „Stroh" folgen Hess und dann mit dem von v. d. Hagen in seiner Germania Bd. 3, S. 116 ff. unter irreführendem Titel gedruckten Ge- dicht zu Stücken anderer Herkunft übergmg. Es fehlten also, mindestens als er diese Lage abschloss, wahrscheinlich aber noch längere Zeit, die Blätter 197—199: auf Bl. 200 Sp. 1 oben stehen die Epilogverse zur ,,Gans" dicht vor den Prologversen zum „Bade", womit dieser Anschluss ge- sichert ist. Später aber wünschte der Schreiber a, höchst wahrscheinlich Michael de Leone selber (,,oder sein ver- trautester Schreiber" fügt Meyer S. 104 mit übertriebener Vorsicht hinzu) das ,,Lob des Schafes" (VI) in passende Umgebung zu bringen: so schaltete er in die Mitte des Quinio hinter Blatt 196 an den Schluss der „Gans" ein Doppelblatt ein, behielt aber davon noch 2^ ja Spalten übrig, und da er das (später auf Bl. 277 f. von ihm selbst ein- getragene) ,, Schwein", welches sich hier hätte unterbringen lassen, offenbar noch nicht zur Hand hatte, Hess er noch ein Teilblatt von 21 Zeilen Höhe (199) einheften und nun durch den Schreiber h ^), der sich blasserer Tinte bedient, das Gedicht auf die Bartmode (VII) kopieren. Jch habe die Gedichte so numeriert, wie sie zeitlich eingetragen sind, da hiermit von vornherein die Möglichkeit einer Chronologie gegeben ist, auf die Michaels nachträgliche Anordnung

') den W. Meyer S. 164 von a nicht geschieden hat: die Identität ist aber völlig ausgeschlossen, der Ductus ist steiler und sorgfältiger, die Majuskelbuchstaben zeigen starke Unterschiede. Dagegen hat a (Michael) einmal vorübergehend auf Bl. 201 Sp. 2 den Schreiber b abgelöst: V (, Stroh") V. IÜ3 108 sind von ihm geschrieben.

6 Edward Scliröder

natürlicli keine Rücksicht nimmt. Dass die Einschaltung von VI, VII aber vor der Kopierung von VIII XII erfolgt ist, ergiebt sich auch daraus, dass Michael (a) selbst am Schlüsse der ,,Kuh" einen Hinweis auf das „Schaf* (und keinen auf das Schwein!) eingeklemmt hat: üö' dru hlet'e uindest du vO de schafe. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte er eben das ,, Schaf"' am liebsten hier direkt hinter die „Kuh" noch untergebracht, aber dies Stück (I) schloss nicht mit dem Blatte, hier war also eine Einheftung un- thulich.

Die weitern Stücke befinden sich am Schlüsse der ersten wie auf dem ersten Blatte der zweiten nicht mehr numerierten Lage, die deutlich einen Nachtrag darstellen. Ausser Michael (a) ist hier ein neuer Schreiber (f) beteiligt. Zunächst schrieb Michael selbst mit Blatt 277 oben einsetzend Nr. VIII, IX und die Ueberschrift von X (Bl. 278 Sp. 3 Z. 1, 2); dann überliess er dies Stück dem Schreiber f, der es auf Bl. 279 Sp. 3 Z. 4 zu Ende führte. Nun griff er selbst wieder zur Feder und füllte zunächst den Lagenschluss annähernd mit einem Gedichte anderer Herkunft, das von Bahder als seine Nr. XI aufgenommen hat. Da immer- hin noch 7 Zeilen frei geblieben sind, hat er die nächste Lage, die er mit den Gedichten XI und XII (Blatt 280 bis Mitte von Sp. 4) eröffnete, schwerlich in einem Zuge mit dem vorausgehenden geschrieben. Jch meine also, dass die Gedichte etwa in folgenden Absätzen geschrieben wurden, wobei ich die Schreiber immer hinzufüge:

I V: b (in V gelegentlich abgelöst von a).

VI: a . . . VII: h.

grössere Pause

VIII, IX: a -I- X: f.

XI, XII: a.

Dass die Gedichte des Königs vom Odenwald dem Michael de Leone aus unmittelbarer Nähe zukamen, dafür giebt es zunächst noch verschiedene Anzeichen. Bei dem Lobe des Strohes (Nr. V) aber nur bei diesem Gedicht sind die Ränder oben und unten dermassen mit Nach- trägen des richtigen Schreibers (b) in kleinerer Schrift be- deckt, wie ich es kaum in einer zweiten mittelalterlichen Handschrift gesehen habe: auf Bl. 200 Sp. 4 unten 4 Zeilen; auf der Vorderseite von Bl. 201 unten in 5 Columnen (8+8+8+6+2) zusammen 32 Zeilen; Bl. 201 Sp. 3 oben 6 Zeilen^); ebenda Sp. 4 unten 4 Zeilen. Dass es sich hier

') dazu quer über der Seite noch 2 Zusatzverse von fremder Hand.

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durchgehends um versehentliche Auslassungen handeln sollte, erscheint ausgeschlossen^): 1) dem Schreiber b, der weit über die Hälft-e der ganzen Handschrift geschrieben hat, passiert so etwas sonst so gut wie niemals ; 2) in keinem Fall ist ein äusserer Grund für die Auslassung ersichtlich. Man verfallt zunächst auf den begreiflichen Ausweg, das Originalmscr. des Dichters zu vermuten, also den Schreiber b mit dem ,, König vom Odenwalde" zu identifizieren. Das erweist sich aber sofort als unmöglich wegen gewisser Fehler^ wie sie zweifellos nur einem Abschreiber passieren.

Es handelt sich um folgende Verse unseres Textes: 39—42, 103—134, 169—174, 219—222. Alle miteinander könnten sie fortbleiben, ohne dass wir sie vermissen würden. Das beweist aber bei der absoluten Dispositionslosigkeit gerade dieses Poems gar nichts, vielmehr sind die Verse gewiss sämtlich echt, sie haben alle charakteristischen Unarten unseres Reimschmieds: aber allerdings sehen wenigstens die kleinern Versgruppen wirklich wie Nachträge aus, ohne dass es sich beweisen Hesse, am deutlichsten V. 219 222, wo offenbar die zuerst etwas unvermittelte Einführung der ,, Oblaten" vorbereitet werden soll, dabei aber das nunmehr unpassend gewordene und demie V. 223 stehen geblieben ist. So bleiben nur zwei Möglichkeiten, die aber beide den Dichter dem Schreiber örtlich naherücken würden: entweder versetzte der Zustand des Originalmanuscripts den Schreiber wiederholt in Verlegenheit, er sah nicht immer gleich, wo er die am Rande nachgetragenen Stücke unter- zubringen hatte; oder aber der Dichter hatte von diesem Poem, das für ihn, wie wir sehen werden, besonders cha- racteristisch ist, eine zweite, vermehrte Ausgabe veranstaltet, und der Schreiber b trug deren Zusätze nachträglich an den Rand seiner längst fertigen Handschrift ein.

Einen weiteren Hinweis auf persönliche Beziehungen Michaels und seiner Schreibgehilfen zu dem Dichter könnte man in der wechselnden Behandlung seines Namens erblicken: wenn man in den Ueberschriften zwischen ,,der künig vom Otenwalde" (so auch im Register c. XXVI.) und „der künig" abwechseln konnte freilich ganz so, wie es der Autor selbst that, so scheint sichs doch um eine den Schreibern wohlbekannte Persönlichkeit zu handeln. Und wenn Michael selbst sich herausnimmt, am Schlüsse von XI

') Zugeben müsste man das allenfalls für die zweite, grössere Aus- lassung, die ;32 Verse (103 134) umfasst, genau einen Spalteninhalt unserer Handschrift: die Vorlage könnte die gleiche (freilich eine auch sonst häufige) Zeilenzahl gehabt haben.

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hinter das letzte Eeimpaar: Ist das alles niht geeffet gnuk, So wer der kuiiig niht gar klug noch mit einem sonst un- erhörten Dreireim hinzuzufügen: Daz sprach ein alter ezzigkrug, so mag diese übermütige Anspielung auf das Lügenmärchen „Achtzehn "Wachteln in den Sack" (v, 4) kaum bestimmt gewesen sein, dem „König" und seinem Bekanntenkreise vorenthalten zu bleiben.

Wann die Gedichte des K.v.O. und namentlich die zweite Gruppe (VIII XII) in die Würzburg-Münchner Hs. eingetragen wurden, das können wir ziemlich genau be- stimmen. Der Tractat ,,De pestilentia" Bl. 218 222 trägt den Beisatz ,,editus Parisius a. d. 1348" im Titel. Das auf Bl. 232 und 233 stehende Gedicht des Otto BaJdemann und Lupoid Hornburg „Der zange strit", handelt von dem Auftreten des falschen Waldemar im Sommer 1348. Auf Bl. 261^' unten am Rande hat Michaels eigenes Schriftchen zum Preise seines Bischofs (,,De laudabilibus gestis recolende memorie domini Ottonis Wolfskel Herbipolensis"), welches ursprünglich mit einem Gebet für den verstorbenen Bischof und den neuen Electus schloss (Böhmer, Fontes I 465, Z. 18), einen Nachtrag von der Hand des Verfassers in zwei kurzen Kapiteln erhalten (Böhmer Font. I 465 Z. 19 bis 466 Z. 2), welcher sich auf das Spätjahr 1345 und die Jahre 1349/50 bezieht und zweifellos im Sommer 1350 niedergeschrieben ist^). Dieser Nachtrag, der sich ähnlich in der andern Würz- burger Hs. findet, aber in der Ebracher (Arch. f. Unter- franken XIII, 203 f.) fehlt, ist im Context des Registers c. XXXII (Ruland S. 12) bereits einbezogen. Das Register ist mithin nach dem 18. Juni 1350 angefertigt. Nun ist aber das letzte „Kapitel" dieses Registers (XXXI II), die historische Arbeit Michaels „De cronicis temporum hominum modernorum", welche ursprünglich mit dem Sommer 1349 schloss (letztes Datum 24. Juli; bei Böhmer a. a. 0. S. 478 Z. 10 conbustorum^) und erst nachträglich in zwei Absätzen Erweiterungen für 1350 und 1353/54 (bei Böhmer S. 479 Z. 8) erhielt. Für diese Zeitgeschichte hatte Michael ursprünglich mehr Raum berechnet : die ganze Lage Bl. 268 279 ist noch mit der roten Kapitelzahl XXXIII überschrieben; als Michael schon auf Bl. 268 Sp. 3 zu Ende war, liess er für Nachträge Bl. 269 frei und beauftragte

') Die beiden Daten dieses Kapitels (Tag und Monat) hat Michael abermals (mit hellerer Tinte) nachgetragen.

*) In den gleichen Schluss mündet die knappe Kaiserchronik von Karl d. Gr. ab, welche ganz zuletzt auf der angehefteten Lage Bl. 281 285 eingetragen ward.

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den Schreiber f, zunächst die Gedichte des Heinzelein von Konstanz Bl. (270 276) zu kopieren, dann fuhr er selbst (a) mit K.v.O. Vm, IX fort, überliess wieder dem Schreiber f K.v.O. X, füllte den Lagenschluss mit dem ,,Uebeln Weib" und trug auf das erste Blatt einer letzten heran- geholten Lage (280) K.v.O. XI und XII. ein. Alle diese Stücke also, Heinzeleins beide Gedichte und König vom Odenwalde VIII XII fehlten noch bei der ursprünglichen Anlage des Registers, sind also sicher erst nach dem Juni 1350 zur Abschrift gelangt. Rückwärts zwischen ihnen und K.v.O. I bis V4-VI-}-VII stehen mehrere Sachen, die auf 134 zu datieren sind, und dann die historischen Arbeiten Michaels, die mit dem Sommer 1 349 schliessen. Die Kopie der Gedichte I VII des Königs wird kaum vor das Jahr 1348 fallen, sie ist aber auch nicht jünger als der Sommer 1349.

G, die Gothaer Sammelhandschrift Ch. A. Nr. 216 (vgl. Jakobs und Ukert, Beitr. z. alt. Litteratur II, 2, 294 ff.), vielbenützt, aber noch immer nicht ausgeschöpft, enthält in ihrem poetischen Teile auf Bl. 93 Sp. 2 94 Sp. 1 das ■Gedicht Nr. VII mit der später nachgetragenen Ueberschrift „Von den berten", aber ohne Autornamen (danach gedruckt „Altdeutsche Wälder" 11, 84—88).

Der würzburgische Ursprung der Handschrift war auch K. V. Bahder S. 195 bekannt, und ihr Wert für die würz- burgische Verfassungs- und Rechtsgeschichte ist zuletzt von Rockinger, Berichte über die Untersuchung von Hand- schriften d. sog. Schwabenspiegels X (Wiener Sitz-Ber. phil. hist. Kl. 119, X, 1889) S. 28 hervorgehoben werden. Die Papierhandschrift besteht aus 5 verschiedenen Teilen:

I. Bl. 1 55 (sieben signierte Lagen) enthält bis Bl. 40 Sp. 2 das Landrecht und von da ab unmittelbar anschliessend das Lehenrecht des Schwabenspiegels; Mitte des 14. Jahr- hunderts.

IL Bl. 56 73 (zwei unsignierte Lagen, die zweite unvollständig) bringt Abschriften von Würzburger Kaiser- und Königsurkunden, beginnend mit Arnulf a. 889 (Mühlb. Nr. 1785) und heruntergehend bis auf Karl IV.: das letzte Stück (Böhmer Nr. 1708) ist vom 2. Jan. 1354. Diese Sammlung ist zweifellos angelegt von dem Würzburger Protonotar Michael de Leone (f 3. Jan. 1355); das für alle seine Sammelhandschriften charakteristische Schiboleth „Nota digna" findet sich z. B. Bl. 67^. Es liegt aber hier eine Kopie aus der Zeit bald nach seinem Tode vor.

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m. Bl. 74 111, drei unter sich signierte Lagen, ent- halten 18 deutsche Gedichte didaktischen und erzählenden Inhalts, von denen 6 in den Altdeutschen Wäldern II u, III., andere anderwärts gedruckt sind. Unter den ungedruckten scheint am wichtigsten das 1341 vor Lucca spielende Ge- dicht „Von eim münch und von eim soldner" Bl. 106 Sp. 'd bis 109 Sp. 3. Die Gegenstände sind sehr verschiedener Natur: neben Legenden (wie Juliana, Bruder Felix) stehn Jnvektiven auf die Geistlichkeit und schmutzige Erfindungen, wie das in den Altdeutschen Wäldern III, 164 167 ge- druckte ,, Gebot des Papstes an Jungfrauen und Trauen'^ mit seinem blasphemischen Schluss. Gleichwohl vermut ich, dass die Sammlung in den Kreisen der höheren würz- burgischen Geistlichkeit zu Stande gekommen ist, und zwar mindestens unter Beisteuer des Michael de Leone. Der auf Bl. 94 Sp. 1—97 Sp. 2 enthaltene ,,Facetus" ist, wie ich mich an dem noch erhaltenen Einzelblatte (es wird auf der Münchener Hof- ^^nd Staatsbibliothek unter cgm. 195 als Fol. 16 aufbewahrt) überzeugt habe, abgeschrieben aus dem jetzt zertrümmerten I. Bande von Michaels grosser Pracht- handschrift. Das Gedicht des Königs vom Odenwald von den Barten weist hingegen einzelne bessere Lesarten auf; wenn auch die Angabe v. Bahders (S. 219) über Vers 1 auf einem Irrtum beruht (hier haben beide Hss. funde!), so bleiben doch andere Lesarten übrig, welche es sicher stellen, dass hier 0 nicht aus W, sondern aus dessen Vorlage schöpfte, vgl. die Varianten zu V. 35, 43, 59, 62, 80, 106.

Als Stücke fränkischer Herkunft, die anderwärts nicht überliefert sind, nenn ich noch Rupprechts von Würz- burg „Von zwei Kaufleuten" (zuletzt hrsg. von M. Haupt, Zeitschr. f, deutsche Phil. 7, 65 90) und des Johann von Nürnberg^) ,, Klage des fahrenden Schülers": f„De vita vagorum" Bl. 103 Sp. 1 105 Sp. 1, abgedr. Altdeutsche Wälder" II, 49 59). Auch in der Aufnahme von Konrads von Würzburg „Weltlohn" Bl. 97, 98 (der Held heisst hier ,,Wernher von Grafenberg") bekundet sich das fränkische Lokalinteresse, das Michael de Leone bei seinen litterarischen Liebhabereien überall durchblicken lässt. Nichts in der Sammlung reicht über die Mitte des 14. Jahrhunderts herab, die Handschrift aber, d. h. dieser HL Teil, gehört erst in die Zeit um 1400.

IV. Bl. 112 134 (zwei Lagen unsigniert), eine Samm- lung der Einungen (composiciones) zwischen den Würzburger

*) So hat W. Grimm richtig gedruckt (Nürberg), Jacobs las Ämberg.

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Bischöfen und der Bürgerschaft, beginnend mit Bischof Iring (1261) schliessend mit der ..Richtung"' Bischof Albrechts von Hohenlohe 1357. Auch dieser Teil ist ganz sicher nur die erweiternde Abschrift einer von Michael de Leone an- gelegten Sammlung: Bl. 123 Sp. 1 unter seinem Bischof Otto von WolfskehP) findet sich wieder das signifikante „Nota digna", und vor den Scheidebriefen, welche den Zwist von 1354 zum Abschluss bringen und mit denen die Arbeit Michaels (Bl. 129 Sp. 4) endigt, hat er sich zunächst über die Veranlassung der ganzen Sammlung (Bl. 124 Sp. 4 unter der Ueberschrift „Tenor composicionum") ausgesprochen und dann eine eigene kleine „Cronica nota digna i!) de obsidione ciuitatis Herbipolensis et ceteris ut infra" (1354) eingeschaltet. Die beiden letzten Stücke von 1355 und 1357 (Bl. 129 Sp. 4 Bl. 134) sind als Nachträge nach Michaels Tode hinzugekommen.

V. Bl. 135 160 fass ich als Schlussteil zusammen, obwohl daran Schreiber aus sehr verschiedener Zeit beteiligt sind. Zunächst in zierlicher Schrift (bald nach der Mitte des 14. Jhs.) die Würzburger Herbstordnung (Bl. 135 Sp. 1, 2) und die „Stabunga juramenti" mit der Polizeiordnung Bischof Ottos von 1342,43 in einer von der Würzburg- Münchner Hs. (Kap. XXX, hrsg. von Ruland a. a. O. S. 74 108) mehrfach abweichenden Fassung (s, ßockinger a. a. O. S. 28 N. 2) bis Bl. 144 Sp. 2. Dann folgt ein Kirchen- verzeichnis der Würzburger Diöcese (Hand d. 15. Jhs.), Recepte (Hand d. 16. Jhs.), schliesslich Bl. 151 160 wieder von einer Hand um 1400 die Statuten Bischof Gerhards V. J. 1376.

Die gesamte Ueberlieferung der Gedichte des Königs vom Odenwalde geht somit auf den „obersten Schreiber" des Hochstifts Würzburgum die Mitte des 14. Jhs., auf Michael vom Löwenhofe zurück: keines seiner Gedichte macht in unserer Ueberlieferung den Eindruck, als habe es schon mehrere Handschriften passiert, die verschiedenen Schreiber werden der Sprache, in welcher die Gedichte geschrieben sind, in annähernd gleicher Weise gerecht. Es ist mir bei einem eingehenden Studium der gedruckten wie der ungedruckten Litteratur jener Zeit, wobei ich namentlich die Sammel- handschriften berücksichtigt habe und allen Spuren der Bibliothek des Michael de Leone ^) nachgegangen bin, nicht

]) = Monumenta Boica Bd. XLI. S. 81 ff. (Nr. XXXIII.) ") über dessen litterarische Interessen und Verdienste ich ander- wärts im Zusammenhang handeln werde.

12 Edward Schröder

gelungen, ein weiteres anonym überliefertes Gedicht unserem Autor zuzuweisen. Der König vom Odenwald hat obendrein dafür gesorgt, dass seine Sachen sich nicht so leicht unter namenlosem Gut verlieren. Es ist nützlich, sich über die äussere Signatur, die er mit leichten Variationen allen seinen Dichtungen mitgab, genau zu unterrichten. Die Autorschaft unseres Dichters ist

1) durch das Register in M (Ruland S. 10) an- gekündigt: zunächst unter Kap, XXVI, das als Rede des kuniges von Oetheivalde aufführt Nr. I. IL III. VI. VII. IV. V, wozu dann nachträglich eine Anmerkung etwas ungenau (Ruland S. 11) von den späteren Stücken nur noch IX und

X namhaft macht, mit dem Zusatz in Rotschrift: Ditz siiche dort hinden am ende dieses häches in dem dri und driczigsten Caxntel : als das Register angefertigt und damit die Sammlung als abgeschlossen angesehen wurde, fehlten VIII XII noch ganz.

2) Des weitern nennt sich der Autor in zweifellos zum Text gehörigen Schlusszeilen:

a) einfach der kü?iig: in Nr. I. II. VIII. IX. X. XI.

b) der kiinig vom Otemcalde: in Nr. III. IV. V.

3) Er nennt sich ferner in einem eigenen kurzen Pro- log: Der kunig vom Otenwalde in Nr. IX.

4) Im Context führt er sich ein: in Nr. VI v. 149 (3. Pers. der kunig); in Nr. VII v. 11. 16. 113. 117 (Anrede: kunig). Nr. IX v. 28 (ich kunig).

5) Die Ueberschrift nennt ihn

a) bei Nr. VIII : Bitz liot getihtet kunig von dem Oten- walde.

b) bei Nr. XI. XII: Ein rede des kunges.

Somit ist die Autorschaft für die meisten Gedichte in mehrfacher Weise und nur für XII durch die Ueberschrift allein bezeugt: da aber der Dichter in den übrigen 11 Stücken darauf hält sich zu nennen, so dürfen wir auch diese Ueber- schrift als von ihm selbst herrührend ansehen.

Man beachte übrigens, dass, so sehr auch der König mit der Form und Einführung seines Namens variiert, doch immer einige Stücke in der Reihenfolge der Eintragung mit gleichem Modus zusammenstehen: ein deutlicher Hinweis, dass die handschriftliche Folge zugleich die Entstehungszeit der Stücke annähernd widerspiegelt.

Unechtes und Unsicheres. Das zwischen X und

XI der Würzburger Hs. zur Blatt- und Lagenfüllung verwendete Stück „Ditz ist von einem ubeln wibe"

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 13

hätte V. Bahder (Germ. 23, 305 f., vgl. 220 f.) schon darum nicht aufnehmen sollen^ weil ihm jede äussere Bezeugung der Autorschaft iehlt. Und auch innere Kriterien sprechen gegen den König als Verfasser. Zwar auf das Fehlen eines der charakteristischen Reime mit Abfall des infinitivischen - n lege auch ich kein Gewicht. Freilich entfallen nach meiner Zählung auf die im ganzen 830 Reimpaare der echten Gedichte (820 Text, 10 Vor- und Nachworte) 45 Fälle dieser Art, also 1: 18 19 Reimpaare, und unser Gedicht zählt 52 Verse. Aber man kann deutlich beobachten, wie der K.vO. diese Reime als dialektisch empfunden und sie darum in I (wahrscheinlich seinem frühsten Gedicht) nur spärlich verwendet hat: es entfallen hier 1 : 59 Reim- paare, während III. und IV 1 : 9 Reimpaare bieten. Die beiden Reime ä: ö, welche im „Uebeln Weib" dicht bei- einander stehen (v. 21 f., 27 f.), beweisen eher gegen als für den K.v.O. Denn so sicher es ist, dass sie seiner Aussprache durchaus gemäss waren, so klar zeigt sich, dass er sie meidet: von den 5 Beispielen, die er aufweist, entfallen 3 auf Nr. V „Vom stro", wo sie schwer zu umgehen waren (Titel- reim, 113 f., 195 f.). die beiden übrigen begegnen II 249 f. und X 87 f.; 9 Gedichte sind ganz frei davon.

Aber auch der Inhalt sjpricht gegen unseren Autor. So eng dessen Horizont und so klein sein Können ist, in dem was er bietet, ist er selbständig und originell: es ist mir nicht gelungen, ihm eine Entlehnung nachzuweisen, ja nicht einmal litterarische Reminiscenzen greifbarer Art sind mir aufgestossen. Das „übele Weib" aber ist geradezu aus Anleihen und Gemeinplätzen zusammengeflickt: schon V. Bahder hat auf eine ganze Versreihe hingewiesen, die es mit der in Lassbergs Liedersaal II, 503 531 gedruckten Jüngern Version des Gedichtes von der bezähmten Wider- spenstigen („Zombraten") gemein hat; er hätte auch die von Moriz Haupt (1871) herausgegebene Erzählung „Von dem Übeln Weibe" heranziehen können, die ähnliche, offen- bar so gut wie sprichwörtliche Wendungen wie der Eingang des „Zornbratens" und der „Frauenzucht" voraussetzt, aber sie frei variiert und selbständig ausspinnt.

Das in der Gothaer Hs. Bl. 101 Sp. 3—102 Sp. 1 ohne Automamen überlieferte Gedicht von der Trunken- heit (von späterer Hand „De ebriosis et vinosis" über- schrieben) will ich hier erwähnen, weil es mir anfangs wie ein Werkchen des K.v.O. vorgekommen ist. Es steht in. den „Altdeutschen Wäldern" II 188 ff. abgedruckt und nmfasst 119 Verse. Wie bei K.v.O. Nr. II 20 Eierliebr

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haber von verschieden gerichtetem Geschmack aufgezählt werden, in Nr. IV 20 Gründe zum Baden, in Nr. VII 10 Gründe für das Tragen eines Bartes, so erfahren wir hier 1 0 Formen, in denen sich die Trunkenheit bei den Menschen äussert. Die würzburgische Umgebung, in der das Gedicht steht (wenige Blätter hinter dem Bartgedicht K.v.O. Nr. VII), ein dialektischer Reim wie 87 f. dar zu: tii(yi)^ ein paar syntakt- ische und stilistische Anklänge, scheinen auf die gleiche Atmo- sphäre zu weisen, und vielleicht ist der Autor geradezu ein Nachahmer des „Königs". Dass er mit ihm nicht iden- tisch ist, bezeugen schon Reime wie v. 5 f. kün:hestün (bestüende) , 115 f. meister: geleisten, die sich der „König" nicht gestattet.

Um die Zeit unseres Autors, den wir bisher nur ver- mutungsweise in die Nähe des Michael de Leone gerückt haben, genauer zu bestimmen, haben wir einmal den Stand seiner Kunst ins Auge zu fassen : der Versbau verwehrt es ohne weiteres, ihn noch ins 13. Jh. zu setzen, aber da wir eine zusammenhängende Kette ostfränkischer Litter aturerzeugnisse aus dem halben Jahrhundert zwischen 1300 uüd 1350 nicht besitzen, verbietet sich eine genauere Datierung von tech- nischen und künstlerischen Kriterien aus. Dass der König für seine erste Fabel (VIII) nicht den um 1340 publicierten ,,Edelstein" des Ulrich Boner (Nr. 70), für die zweite nicht den um fast ein Menschenalter altern ,, Renner" seines Landsmanns Hugo von Trimberg (V. 3509 3629) benützt hat, erwähn ich, ohne davon Gebrauch machen zu können: es ist mir überhaupt nicht gelungen, eine direkte litterarische Abhängigkeit aufzufinden, so bequem sich die Erscheinung des Königs dem Gesamtbilde der Zeit einfügt, in der wir ihn zu- suchen haben.

Es bleiben die Anspielungen auf zeitgenössische Sitten und Ereignisse. Mit dem Tadel XI 53 f , dass die Ritterschaft sich wenig um die Lombardei, Preussen und Toscana kümmere, ist nicht viel anzufangen. Wer der Herzog von Sachsen war, der sich vor seinen Gläubigern ins Bad flüchtete und nach- her den Humor besass, es auszuplaudern^) (Nr. IV v. 49 f.), habe ich auch mit Hilfe Paul Zimmermanns nicht ermitteln können. Auch mit der Polemik gegen die „Kesselhüte" (in Nr. XII), die unserm König als eine recht unritterliche Tracht erscheinen, ist uns wenig geholfen: in Oberdeutsch-

') ob gerade in einem , Gedichte", wie v. Bahder in der Anmerkung S. 311 meint, scheint niir recht zweifelhaft.

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land ist das Wort und die Sache freilich erst im 14. Jh. bezeugt, in Niederdeuts^chland aber schon weit früher, und unsere "Waffenspezialisten lassen uns hier im Stich : Wendelin Böheim in seinem Handbuch der Waifenkunde kennt sonderbar genug die Bezeichnung gar nicht! Aber ein Gedicht haben wir, für das sich ein fester Terminus ante quem non gewinnen lässt: Nr VII, das als Traum eingeführt, im Zwiegespräch zwischen dem Dichter und einer vornehmen Dame neckisch 10 Gründe anführt, die den Menschen veranlassen können, einen Bart zu tragen. Nun wissen wir aus zeitgenössischen Aeusserungen der Chronisten wie der Poeten, dass die Sitte, sich den Bart wachsen zu lassen, um 1330 wieder aufkam. In diesem Jahre vermerkt sie der in solchen Dingen sehr aufmerksame und zuverlässige deutsch- böhmische Historiker Peter von Zittau^), und die litterarischen und künstlerischen Urkunden stimmen dazu aufs beste. Etwa gleichzeitig mit dem Chronisten von Königssaal schrieb der Verfasser des Gedichtes, welches ebenfalls in der Würz- burg-Münchner Hs. aufbewahrt und von v. d. Hagen in seiner Germania 3,116 129 unter dem ganz verkehrten Titel „Klagegedicht auf Herzog Johann v. Brabant" heraus- gegeben ist^) : ein Mann der alten Zeit, der sich auch in diese neue Mode nicht finden kann (v. 16lj. Die Minne- sängerhandschriften B und C und der etwas jüngere Codex Balduineus kennen noch keine Barte! Ludwig der Bayer war bei seiner Kaiserkrönung im Jan. 1 328 noch ohne Bart, und so schildert ihn Albertino Mussato (1329: Font. I. 189): mento teretU auch auf den in Eiezlers Geschichte Bayerns II 375 erwähnten Skulpturen erscheint er bartlos^). Ob er sich später einen Bart wachsen Hess ? Heinrich von Herford {ed. Potthast) S. 271 nennt ihn: capUlis et barba proUxis niger (?!J et diffusus; seinen Nachfolger Karl IV. kennen wir nur bärtig. In Franken dürfte die Sitte schwerlich vor dem fünften Jahrzehnt allgemeiner geworden sein: um- soweniger als auch der Fürstbischof Otto von Wolfskehl (f 1345), wie sein Grabmal im Würzburger Dom beweist, dem Bartscherer treu blieb. Wir kämen also mit unserem Gedicht auf die Zeit um 1340, eher später als früher.

Das Gedicht von den Barten ist als Nr. VII unter den Gedichten des „Königs" eingetragen, würde also nach meiner

') hrsg. V. Lorerth, Die Königssaaler Geschichtsquellen S. 469, ^) Ich habe dazu einen eingehenden historischen Kommentar seit Jahren bereit liegen.

*) nach den Mitteilungen von Dr. F. v. d. Leyen, der meine un- sicheren Erinnerungen berichtigt hat.

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Auffassung auch zeitlich etwa in die Mitte seiner litterarischen Produktion gehören. Ist es nun nötig, für diese paar Ge- dichte mit im ganzen 1660 Versen einen längern Zeitraum, ein Jahrzehnt oder mehr anzunehmen? Ich glaube es nicht. Man rechnet überhaupt in der mittelalterlichen Litteratur- geschichte zu wenig mit der Thatsache, dass auch damals wie heute, die dichterische Bethätigung für Viele nur eine Episode war. Gewiss, Konrad von Würzburg hat wohl ein volles Menschenalter, "Walther von der Vogelweide und (170 Jahre später) Peter Suchenwirt haben gar mehr als 40 Jahre hin- durch gedichtet, aber das waren Berufspoeten mit einem wech- selnden und über weite deutsche Landschaften verbreiteten Publikum ! Unser König dagegen war in seinem Hörer- und Leserkreis beschränkt und scheint „seiner Künste Lade" (IV 1 ) nur wenige Jahre geöffnet zu haben. Wenn es bestehen bleibt, was ich hier nicht näher ausführen kann, dass das Gedicht Nr. I auch das frühest entstandene ist, Nr. XII aber, das über die eingerissenen Missbräuche im Fehdewesen klagt, zu den letzten Erzeugnissen des Königs gehört, so darf es immer- hin auffallen, dass sich der Autor XII 40 über die neuauf- kommenden Kesselhüte beklagt (Es kument an kezzelhutej, während er sie schon in 1 129 f. ganz harmlos erwähnt (Der riem am kezzelhüt Füren ritter, hiehte gut): die That- sache hat aber nichts Befremdliches, wenn zwischen den ersten und den letzten Gedichten des K.v.O. nur wenige Jahre liegen, sie also samt und sonders den 40er Jahren des 14. Jhs. angehören.

Ich will die Entstehungsweise und Folge der Gedichte, wie ich mir sie vorstelle, hier kurz andeuten. Die Reaktion gegen die konventionelle Liebes- und Frühlings- lyrik der ritterlichen Gesellschaft hatte über die höfische Dorfpoesie Neidharts von ßeuenthal hinaus im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts zu den Herbstliedern, Fress- und Saufliedern der Schweizer Minnesänger Steinmar und Hadlaub geführt, die, von ihren Urhebern zunächst als litterarische Parodie gedacht, bald den lebhaftesten Anklang

wie alle Parodien in jenen Kreisen fanden, die zu der parodierten Poesie selbst nur ein sehr entferntes oder gar kein Verhältnis besessen hatten. An diese Richtung knüpfte der König vom Odenwald an: selbst ohne musikalische Anlage und Bildung das beweist seine Metrik Schritt für Schritt konnte er sie nur in der reimpaarigen Spruch- poesie zum Ausdruck bringen. ,, Preisen so viele ihr Liebchen

ja werden selbst die alten Weiber zu Grabe geläutet,

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SO "will ich lieber von der preiswürdigen Kuh singen und von all dem guten was sie uns spendet" (I). „Meine Kunst muss sich aufrafien, und ich weiss ihr ein hohes Ziel. Der Frühling naht, und mit ihm alle Freuden aber was ist alle Vogelsang gegen das Gackern der Hühner!" (II). Mit diesen beiden umfangreichsten Gedichten, dem Lobe der Kuh (und der Milch) und dem Lobe des Huhnes (und der Eier\ hatte der Autor sich sofort ein eigenstes Gebiet ge- schaffen, und der Beifall der Gesellschaft ermutigte ihn zu zu dem „Gänselob", das wie II vom Vogelsang ausgeht und weniger gewandt als jenes auf die fetten Bissen des „nutz- baren Vogels" überspringt..

Damit aber glaubte der ,, König" und mit Recht sein Thema, den Preis der Küchentiere, erschöpft zu haben. Er verfasste zunächst das Gedicht Nr. IV (Miner kmiste lade müz tihten von dem bade) mit einfacher, matt humoristisch gefärbter Aufzählung der Gründe, die den Menschen an- treiben, ein Bad zu nehmen. Diese Manier, etwas kunst- voller eiügekleidet, in Traumgesicht und Dialog, hat er bald darauf in VII ,,von den Barten" fortgebildet.

Inzwischen aber hatte er einen Einfall, der in die Bahnen der ersten Erfolge einlenken sollte, nicht ohne das Publikum ein wenig zu verblüffen: er verfasste das „Lob des Strohes" (V). Es hätte nahe gelegen, dies ebenso mit dem Preis der Frühlingsblumen zu kontrastieren, wie das Hühner- und Gänselob mit dem Preis der gefiederten Sänger des Frühlings. "Wenn er das unterlässt, so such ich den Grund dafür darin, dass ihm die typischen Eingänge von I. II. III nicht mehr gegenwärtig waren, oder aber verbraucht erschienen.

Hatte sich der Poet am Schluss von I. H nur der „kunig" genannt, so giebt er sich in der Folge III. IV. V eindrucks- voller als ,,der künig vom Otenwalde" in der letzten Zeile zu erkennen. Vielleicht war diese Weiterbildung des Pseudonyms (oder auch die Ausbildung eines Namens zum Pseudonym) erst das Resultat des mit I. II erzielten Erfolgs.

Und dieser Erfolg hielt an. Eine vornehme Dame war es, die ihn zu dem ,,Lobe des Schafes" (VI) veranlasste freilich kein junges Mädchen, sondern eine verheiratete Frau, aber dies „Darzu hat mich eine frauice bracht^' v. 2 erinnert uns doch mit schmerzlicher Ironie an die so ganz andere Zeit, wo Walther von der Vogelweide sang : muoz ich singen aber als e, darzuo hänt mich giiote Hute bräht (72, 31 f.)

Noch ein zweites Mal kehrte der K.v.O. gediängt von seinem Publikum zum Preis eines Küchentieres zurück:

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Wan ich 7111 7iiht 7iüwe hin, So sprichet 7naniger „nu icol hin! Wir solden haben ein nüwes: Kunig^ tihte uns ein ge- trüwes!" Sider ich den7ie müz nüwe svn, So wil ich tihte7i V07n sioin (IX). Jene Sachen, die ironischen Enkomien, waren also seine Spezialität, das ,,neue", und widerwillig schrieb es dies letzte, kleinste Gedicht in der für ihn bereits abgethanen Richtung.

Inzwischen hatte er sich mit der humoristischen Schilde- rung der Bartmode (VII) auf dem satirischen Gebiete ver- sucht, das ihm vorher durchaus fern zu liegen schien : Gelegenheit zu satirischen Ausfällen hätte sich ihm auch früher geboten, wir sind manchmal überrascht, wie gleich- giltig seine katalogisierende Darstellung über Dinge hinweg- geht, die den Spott herausfordern mussten, wie z. B. in II 171 ff. der widerwärtige junkerliche Sport des Hühnerhetzens, der nur eben leise humoristisch gefärbt erscheint.

Mit der Fabel (VIII und X) betrat der K.v.O. das Feld, auf dem er das Beste geleistet hat: darin stimm ich V. Bahder durchaus zu. Die Darstellung ist hier, gerade wenn man des Königs letzte, ihm unbekannte Vor- gänger, für VIII Boner und für X Hugo von Trimberg vergleicht, durchaus rühmlich, die Handlung durch einzelne feine Züge belebt, der Dialog natürlich und drastisch. Der Satiriker tritt in der angehängten Schlussmoral scharf und mit einer ausgesprochenen Tendenz zur Kritik öffentlicher Zu- stände hervor: allgemeiner gehalten ist sie in X 115 f.: Also get geivalt 7iu vür daz reht, Utid bricht daz kruTnme für daz sieht usw; präziser zu einer Mahnung an die Fürsten gestaltet in VIII 78 ff. : Ir fursten, die bedeyiket! Helfet den

dy bie uch bliben Und sich niht lau von uch triben.

Tut hin die vederlesen ! Man ist versucht, an ganz bestimmte Verhältnisse zu denken: etwa an Michael de Leone, den Gönner des „Königs vom Odenwalde", der unter Otto von Wolfskehl eine hervorragende Rolle gespielt hatte und nun, nachdem das fünfjährige Schisma zwischen dem Electus Albrecht von Hohenlohe und dem Provisus Albrecht von Hohenberg (nicht ohne sein Verdienst) beseitigt und der Provisus glücklich nach Freising transferiert war, viel- leicht von Schmeichlern des Hohenlohers wegen seiner freundschaftlichen, durch die gemeinsamen litterarischen und wissenschaftlichen Interessen genährten Beziehungen zu dem Hohenberger verdächtigt wurde? Das Gedicht steht ja auf der vorletzten Lage der Hs., die wir frühstens ins Spätjahr 1350 setzen können. Aber freilich, die Urkunden geben über solche interne Reibungen keine Auskunft.

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Den Schluss bilden dann die Gedichte „vom "Wideräffen" XI und ,,voni Unglimpf XII. Hier verzichtet der Dichter auf Eahmen und Einführung durchaus und geht direkt auf sein Ziel los : er geisselt dort die allgemeine Yemachlässigung •der Pflichten gegen den Nebenmenschen und gegen das Ideale, hier speziell die Verrohung des Fehdewesens.

Eine eigentümliche Episode in der Geschmackswandlung des Autors wenn wir von einer solchen reden dürfen und nicht vielmehr an äussere Einflüsse zu denken haben bilden die geistlich gewendeten Schlüsse der späteren Enkomien. Während I und III einen ausgesprochen derben Abschluss finden, II wenigstens recht nüchtern ausläuft, setzt der ..König'' an den Schluss von V^) die Verwendung des Strohs bei der Hostienbereitung und lässt das ganze in eine gebetartige Formel ausklingen ; in VI wird das gepriesene Schaf zuletzt mit dem Erlöser verglichen und der frömmelnde Schluss wirkt noch aufdringlicher. In IX*), wo die Auf- gabe recht schwierig erschien, überraschen uns zuguterletzt die Schweinshaare als Weihwedel, und so ist auch hier ein fiommer Wunsch als Ausgang ermöglicht: den man nutzt auch durch gut,,daz man got Mb in siner hat.

Ich weiss wohl, das der obige Versuch, die Gedichte des K.v.O. chronologisch zu begreifen, von einem starken Vertrauen zu der Reihenfolge ihrer Eintragung in die Handschrift des Michael de Leone ausgeht und noch der Stütze durch eine philologische Prüfung bedarf. Aber für eine solche ist hier nicht der Raum, und vorläufig mag die innere Wahrscheinlichkeit einer derartigen Entwickelung für sich sprechen : von katalogisierenden, bequem (wie in I) oder gar nicht (wie in V) disponierten ironischen Preis- Gedichten auf nützliche Tiere und Gegenstände, die anfangs eine parodistische Einführung erhalten (I III), später auf diese ganz oder fast ganz verzichten (V, VI und IX), zuerst -als eigenste Einfälle dargeboten werden (I III und V), nachher nur noch auf Wunsch oder Aufforderung aus dem Publikum entstehen (VI und IX), folgen humoristische Schilde- rungen von Sitten und Moden mit einfacher aber fest- gehaltener Disposition (IV und VII), dann Fabeln mit satirischer Nutzanwendung (VIII und X) und schliesslich, ohne jede Einkleidung, scharfe Strafpredigten gegen die ritterliche Gesellschaft (XI. XII).

') IV (das .Bad*) fällt wegen seiner besondern Anlage aus. ") YII (die „Bartmode*) und VIII (die 1. Fabel) kommen wieder nicht in Betracht.

2*

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Der Versuchung, in diesem "Wechsel mit der litterarischeri Gattung und dem immer stärkeren Hervortreten der satirischen Tendenz zugleich eine Charakterentwickelung des Autors zu erblicken, darf man nicht zu weit nachgeben. Es steckt auch in dieser polternden Zeitsatire der epigonischen Spruch- dichter sehr viel litterarische Konvention, und die Gesell- schaft, gegen die sie sich richtete, war abgebrüht genug das zu wissen und zahlte den ungefährlichen Poeten gelegent- lich ebenso für die Straf gedichte wie für die Preislieder. Gab es doch unter den Fahrenden „schelter" von Beruf, die sogar in einer Systematik der Gewerbe als solche aufgezählt werden (neben „erhalden, Sprechern, sengern") Anz. f. Kde. d. d. Vorz. 1856 S. 303.

Die Sprache des K.v.O. zeigt nach K. v. Bahders durch Ehrismann bestätigter Darstellung ausgeprägt ost- fränkischen Charakter: das passt zu Würzburg, dem politischen und geistigen Centrum dieses Dialektgebietes, es widerspricht aber auch nicht von vorn herein der Heimat des Dichters, dem Odenwald, dessen östliches Randgebiet noch ostfränkisch ist, während er in der Hauptsache der rheinfränkischen Mundart zugehört, s. zuletzt die Karte in 0. Heiligs Grammatik der Mundart des Taubergrundes (Leipzig 1898). Es ist aber auch ebensogut möglich, dass der Poet in jüngeren Jahren aus dem rheinfränkischen Odenwald herüberkam und sich die Besonderheiten des Ost- fränkischen erst während eines längeren Aufenthaltes in "Würzburg angewöhnte: es bleibt immerhin bemerkenswert, dass er von den charakteristischen dialektischen Reimfrei- heiten, die er sich später gestattete, in I das ä : ö noch gar nicht verwertet und das - e : e(n) nur zweimal, d. h. einmal auf 59 Reimpaare, während sie späterhin sich durchschnitt- lich einmal auf 16 und in einzelnen Stücken einmal auf 9 Reimpaare einstellen.

Der geographische Gesichtskreis des K.v.O. ist eng: er reicht nur unter einem Gesichtspunkt über Franken hinaus dem kulinarischen: V 129 f. erzählt er von der Zubereitung eines offenbar niederrheinischen (dafür spricht das Suffix -hin) Gebäcks: grakolikin daz izzet man U dem Bin", und wenn er, der Franke, dem hutern das allein ge- läufige Wort ist (so 121. VI 29!), gelegentlich ein Gericht eier in anken nennt (H 73), so zeigt er damit, dass ihm auch die südwestdeutsche Küche nicht ganz fremd war. Wir wollen uns das merken.

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Einen Orts- oder Personennamen nennt der „König" nirgends: aber seine Dichtungen setzen deutlich ein höfisches Publikum und dafür einen Mittelpunkt voraus, und als diesen hab ich unbedenklich Würz bürg angenoramen. Das lässt sich nicht nur aus der Sprache und der üeberlieferung folgern, wir haben auch ganz bestimmte Andeutungen, die sich so am besten verstehen lassen. In dem pedantischen Streben, die Verwendung aller Teile der Kuh vorzuführen, hat der K.v.O. I 77 auch die „helmsliorn" , offenbar die sog. Büffelhörner als Helmzierde gestreift. II 242 ff. beim Huhn erwähnt er in demselben Sinne die Federquasten, und hierfür führt er als Beispiel an die von Seckendorf, von Ehenheim, diefhrenz groz unde klein'^) ; im „Gänselob" (III) giebt ihm bald darauf der „Federwisch" Anlass, sich etwas ausführlicher auf den Helmschmuck der von Neuen- stein und von Veinau^J zu berufen V. 92 ff.:

Ich zügez an die von Nüwenstein, die haben drunder ir ere bewarf vor den reinen frauicen zart, [d. h. im Turnier] 95 und die von Finnauicen

lant sich in eren schauwen: [wie oben]

die füren hals unde haubt, [sc. der Gans als Helmschmuck]

daz in lange ist erlaubt.

Und noch ein drittes Mal, in V. 185 ff., exemplifiziert er auf ein ritterliches Geschlecht: die von Sahsenflür führen „m dem melme''\ d, h. im Turnier, einen Strohschaub. Man beachte, wie die Art der Einführung abermals für die von mir angenommene Chronologie spricht: in I, wo die viel- gebrauchten Büffelhörner doch so gute Gelegenheit gaben, liegt ihm der Einfall, bestimmte Geschlechter namhaft zu machen, noch fem, in 11. ist es eine flüchtige Erwähnung, in III. wird daraus unter ausdrücklicher Hervorhebung des Turniersports eine deutliche Huldigung an zwei Familien, in V. verklingt das Beispiel wieder ziemlich schematisch, aber das Turnier ist geblieben.

V. Bahder hat nun aus der Erwähnung dieser Ge- schlechter, die alle in Ostfranken zu Hause sind, aber ihre Stammsitze z. T. weit getrennt von einander hatten^), einen Schluss auf das „Wanderleben" des Dichters und seine

') Die Vergleichung der Wappen bei Siebmacher gibt v. Bahder a. a. 0. S. 211.

*) von Seckendorf und von Ehenheim im heutigen bayr. Mittel- franken, von Neuenstein und von Veinau im württemb. Jaxtkreis, von Sachsenflur im bad. ünterrheinkreis.

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„Abhängigkeit von der Ritterschaft" gezogen: der Dichter nenne jene Geschlechter nur, ,,um sich bei ihnen in Gunst zu setzen" (S. 212). Nur an der letzten Behauptung ist ein Körnlein wahres: gewiss war dem Poeten an dem Beifall und den Spenden der ritterlichen Gesellschaft gelegen, wie er es am deutlichsten in der Einleitung zu II. ausspricht, V. 5fF.: liez ich iiu kirnst verderben, wie sblt ich denne er- loerhen der herren gunst und auch ir gut? Aber zu etwas, das einer Verherrlichung ähnlich sähe, hat er doch eigent- lich nur in III. einen Anlauf genommen. Und hier wie in V. erfahren wir ja auch, wo er die Herren in ihrem Helm- schmuck kennen gelernt hat : bei Gelegenheit von Turnieren, und die fanden nicht auf den Burgen des kleinen Adels- statt, sondern an den Höfen der grossen weltlichen und geistlichen Herren. In Franken war insbesondere "VVürzburg, der Sitz des Fürstbischofs, der als Herzog von Ostfranken an weltlicher Pracht mit den mächtigsten seiner Standes- genossen wetteiferte, sowohl im 14. wie nach dem Wieder- aufleben der Turniere in der zweiten Hälfte des 15. Jahr- hunderts (vgl. die sog. Memoiren des Wilwolt von Schaum- burg von Ludwig von Eyb) eine Hauptpflegestätte dieses ritterlichen Sportes. Und alle jene fünf Geschlechter gehörten nachweislich zum Vasallenstaat des Würzburger Hochstifts. Für vier von ihnen gibt hier schon das älteste, die Zeit des Bischofs Andreas 1303 1 U7 umfassende Lehenbuch, das im Archiv d. bist. Ver. f. Unter- franken Bd. 24, S. 1 fi". gedruckt ist, hinreichend Aufschluss: dort finden wir unter Nr. 30 (S. 10) „Go. de Sahsenfliir", •unter Nrr. 58 (S. 14), 228 (S. 37), 365 (S. 52), 616 u. (519 (S. 88) und sonst Herren von Seckendorf, unter Nrr. 569 (S. 80), 818 (S. 114) Herren von Ehenheim, unter Nr. 1068 (S. 149) ,,Ulr. de Nüwenstein". Die Namen Seckendorf^ Ehenheim und Neuenstein lassen sich auch aus Monumenta Boica Bd. 40 42 öfter belegen. Für die Herren ,,von Finnauwe" schliesslich, von denen einer (,,Conrat von Fynawe") Monumenta Boica 41, 171 (Nr. 69) in einer würz- burgischen Urkunde Krafts von Hohenlohe v. J. 1345 als Zeuge erscheint, hat mir Herr Kreisarchivar Göbl in Würz- burg, dem ich für liebenswürdige Förderung dieses Teiles meiner Studien zu Danke verpflichtet bin, den Nachweis geliefert, dass sie mit ,,Heinricus de Finauwe" unter Bischof Wolfram von Grumbach (1322 1333) unter den würzburg- ischen Vasallen auftreten.

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Die Frage ;,wer war der König vom Odenwalde?'' scheint anfs engste, zusammenzuhängen mit der andern „was bedeutel: sein Name?" In diesem Sinne haben Wilhelm Wackemagel und Karl von Bahder das Rätsel zu lösen versucht. Der erstere, (s. Wackernagel-Martin, Litte- raturgeschichte I. 376) hat unsern Autor bloss auf die Er- wähnung der Helmzierden hin (die sich aber, wie wir sahen, aus der Oekonomie dieser Kataloggedichte von selbst ergab) mit der Heroldsdichtung zusammengebracht und hinter seinem Namen einen ,, Obersten im Heroldsamte" vermutet nach Analogie des französischen ,,roi d'armes", des englischen „king at arms" (mlat. „rex armorum", s. Du Gange s. v. „arma"). In der That hat es auch in Deutschland später ähnliches gegeben: so ist 1444 am Hofe K. Friedrichs II]. ein Rudolf Romreich als „kunig der wapen" bezeugt (Deutsche Städte-Chroniken III, 39y, 36) \\ Aber hat denn imser Autor irgend etwas aufzuweisen von dem, was für die Heroldsdichtung charakteristisch ist? Er gibt keine Wappen- blasonierungen, er schildert keine Turnierfahrten, er liefert keine Preislieder auf lebende, keine Klagegedichte um ver- storbene Herren. Mit Recht hat daher v. Bahder S. 214 f. gegen diese Einordnung des Königs vom Odenwalde protestiert : aber was er an die Stelle setzt, ist kaum besser. Er macht ihn (S. 216) zu einem ,, Spielmannskönige", zu einem ..Ober- sten der Spielleute im ganzen Odenwalde". Das klingt sehr schön, möchte aber doch selbst im Falle der Wirklich- keit ein Titel gewesen sein, der wenig einbrachte: denn ob es im Odenwalde jahraus jahrein soviel für die Spielleute zu verdienen gab, dass sie sich auf dies Gebiet beschränken konnten, oder ob der Odenwald zu jener Zeit weitere deutsche Landschaften mit Spielleuten versorgte, das scheint mir doch beides recht zweifelhaft. Und weiter: unsere Litterarhistoriker denken bei dem Begriff ,, Spielmann" viel zu sehr an die paar Träger dieser Bezeichnung, die sich litterarisch bethätigt haben, und viel zu wenig an die tausende von Musikanten, die mit oder ohne Sangesgabe die deutschen Lande durchzogen. Ein „König der Spielleute" (,,rex om- nium histrionum" am Hofe Karls IV. 1355) musste doch in erster Linie, mochte er nun von einem hohen Herrn^) er-

') s. Rud. Hildebrand im Deutschen Wörterbuch V. f697 unter 8), wo man über diese und verwandte Bezeichnungen die beste Auskunft findet.

*) In den von ühland Germania 6, 324 angeführten beiden Fällen der Ernennung durch den Erzbischof von Mainz (1385) und durch Pfalz- graf Ruprecht (1393) ist der .König^ beidemal ein Pfeifer!

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nannt oder von seinen Berufsgenossen gewählt sein, eine musikalische Kapazität vorstellen, eine Art Kapellmeister, Musikdirektor, Musik Inspizient, dem es u. A. gewiss oblag, bei grösseren Festlichkeiten und sonstigen Ansammlungen dem Zudrang der unberufenen Artisten zu steuern. Unser Autor aber, der die Strophenform gänzlich verschmäht, auch da wo er strophische Dichtung zu parodieren scheint, der sich ausschliesslich in harten, klapperigen Reimpaaren be- wegt, macht ganz und gar nicht den Eindruck, als ob ihm musikalische Bildung zu Teil geworden sei. Man wende nicht ein, dass die Art seiner Katalogdichtung die Strophen- form ausschliesse : ein anderer Günstling des Michael de Leone, Lupoid Hornburg von Rotenburg, ,,der lange Luppolt" (der sich in unstrophischen Gedichten als fleissigen Leser Konrads von "Würzburg zeigt), hätte sein Lobgedicht auf die ,, Zwölf alten Singer" (von der Hagen Minnesänger lY. 881 f.) auch weit bequemer in Reimpaaren dichten können, aber gerade den musikalisch gebildeten bürgerlichen Poeten, welche schon damals als Nachfolger der fahrenden Spruch- dichter des 13. und als Vorläufer der sesshaften Meister- singer des 15. Jahrhunderts in manchen grösseren Städten hausten, ging die Pflege der strophischen Kunstform über alles. Der Kunstabstand des ,, Königs" von seinem Zeit- genossen und Landsmann Lupoid zeigt aufs deutlichste, dass er kein Berufsdichter war und kein ,, Spielmannskönig" sein konnte!

Ein armer Schlucker soll unser ,, König" gewesen sein wie der typische Spielmann. Gewiss, er legt Wert auf Gunst und Gabe der Herren, wie wir gesehen haben, aber nirgends treffen wir die stereotype Anspielung auf die ,, Milde", und was von Bahder S. 213 für die Armut und Dürftigkeit des Dichters anführt, möchte einer abweichenden Deutung wohl fähig sein. Ich spare mir die Betrachtung der betr. Stellen (VI. 149 ff. und IX. 51 f) bis gegen den Schluss auf.

Der heute weitverbreitete Familienname ,, König" stammt aus den allerverschiedensten Quellen. ,, Könige" gab es seit dem späten Mittelalter, wo die bürgerlichen Familiennamen auf- kommen, in allen möglichen Berufsarten: vom Herold bis zum Abtrittsfeger herunter (s. Hildebrand a. a. 0.). "Weiter blieb der Name „König" (ähnlich wie , »Herzog", ,,Abt", ,, Bischof") öfter an Familien haften, die einst auf Königs- eigen gesessen hatten, also ,,küneges man" gewesen waren. Dann steuerten Häuser, die ein gekröntes Bildnis in Stein, Holz oder auch nur in flacher Bemalung als Zeichen führten,

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zu dieser Familienbezeichnung bei. SchKesslicli ist durch die urkundlichen Forschungen von Preuss, die freilich zu- nächst nur das lippische Gebiet betreffen, erwiesen, dass König (Konig, KoningJ in ganz bestimmten Fällen nur die patronymische Ableitung zu Kone („Kuno"), einer Koseform von Konrad, darstellt. Diese Erklärung ist auch für "Würz- T^urg, wo der Name Konrad, wie in ganz Franken und Hessen, der gebräuchlichste aller Vornamen war, nicht von vornherein abzuweisen: in der That finde ich hier Kuning sowohl als Vornamen (Mon. Boica 40, 150 v. J. 1337) wie als Zunamen (ebenda S. 423 v. J. 1342). Daraus konnte durch einen bekannten Lautschwund (dem auch unser „König" mhd. künic aus ahd. kuning seine Entstehung verdankt) sehr leicht Künig werden und ist es in Familiennamen dieser Gegend auch sicher geworden. Aber die Erklärung stimmt gerade für unsern Fall schlecht: fühlte man damals noch (wie es wahrscheinlich ist) die Zugehörigkeit zu Kuonrat und den Diphthong He in Küenifnjg, so lag es durchaus nicht nahe, einen solchen, obendrein nicht seltenen Namen, als „König" (künig) umzudeuten und ihm den Zusatz ,,vom Odenwalde" zu geben. Dafür lockt eine andere Er- kläruu'^: im Odenwalde liegt heute noch ein Ort mit dem sonderbaren Namen ,, König", an der Mümling zwischen Michelstadt und Höchst. Es ist die aus der Karolingerzeit bekannte Mark Quintichü; Cunticha, schon 1349 (bei Simon Geschichte der Dynasten und Grafen von Erbach S. 134) als Kunnich d. i. Künnich bezeugt, wie auch noch heute die Aussprache lautet^). Kam unser Autor etwa durch die Be- ziehungen des einem Odenwälder Geschlecht entsprossenen Bischofs Otto von "Wolfskehl (1335 1345) nach Würzburg und brachte seinen Familiennamen ,, Künnich", dem niemand (und vielleicht er selbst nicht mehr) die örtliche Herkunft ansah, mit, so konnte dieser von Leuten, die wie wir heute in künig das g am Schluss spirantisch (wie ch in ich) aus- sprechen, für das Appellativum angesehen und danach um- gemodelt werden, und von da bis zum ..künig vom Oden- walde" war nur noch ein kleiner Schritt. Eine Möglichkeit, aber kaum eine Wahrscheinlichkeit.

Wir verzichten zunächst auf die Aussicht, eine plausible Deutung des Namens zu gewinnen und versuchen, der Per- sönlichkeit des „Königs vom Odenwalde", die begreiflicher-

') die Ausführungen von Dr. F. Schreiber Archiv N. F. 2. 369 ff. greifen im etymologischen durchweg fehl: sprachlich ist gegen die Identität von Quinticha und Cunticha nichts einzuwenden (vgl. nhd. Quitte und ahd. cutina = lat. cotonea); das topographische kann ich nicht beurteilen.

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weise unter diesem Namen weder in der gedruckten noch (wie mir Herr Kreisarchivar Göbl auf Grund eigner Durch- forschung versichert) in der ungedruckten urkundlichen Ueberlieferung Würzburgs aufzufinden ist, auf anderem Wege näher zu kommen. Zunächst kann es nichts schaden, wenn wir den würzburgischen Ursprung der Dichtungen noch weiter festigen.

Die Handschrift des Michael de Leone, unser W, ent- hält ausser den gleichzeitigen Dichtungen des Lupoid Hom- burg von Rotenburg ob der Tauber und des Otto Balde- mann von Karlstadt am Main, die aber gar keine Berüh- rungen bieten, ein echt würzburgisches Stück aus der Zeit Michaels und des „Königs", die von dem Bischof Otto von Wolfskehl 1342/43 erlassene Polizeiordnung (WPOOj welche Ruland im Archiv d. hist Vereins für Unterfranken Bd. 11, S. 74 108 zuverlässig abgedruckt hat. Der Be- rührungspunkte mit unsern Gedichten sind naturgemäss nur wenige, immerhin verdient einiges hervorgehoben zu werden. Würzburg ist nächst Bamberg die nördlichste Stadt, in welcher die Bezeichnung pfister für den Bäcker üblich war: WPO. § 75. 78. 81; diese kehrt beim K.v.O. VIL 82 wieder, woneben freilich 84 auch der hecke erscheint. Die Bezeichnung des "Weizenbrotes wechselt bekanntlich, je nach- dem das Material (semele) oder die Form (ivecke) den Aus- schlag giebt. In Würzburg erscheinen beide Ausdrücke neben einander: semein WPO. § 12, icecke § 77; dazu semelin iveckelm § 10. 11; ebenso K.v.O. VII. 35 semein, 83 wecke. Für das Schwarzbrot haben beide die Bezeich- nung ruckin hrot WPO.. § 9. 75—79, K.v.O. VH. 17. Auch die für Würzburg hervorragend charakteristischen Collectiva^ auf -lecli, die zugleich als Plural der Diminitiva auf -liyi dienen, sind hier wie dort belegt: WPO. § 77 orüveckelech, § 78 kächelech, § 89 käffelech; K.v.O. I. 180 haubtlech (Hs. haubtloch). II. 82 phanküchelecli. Das ist nicht viel, aber immerhin genug, um die Gleichheit des sprachlichen Lokal- tons zu bekräftigen.

Weiter haben wir in der Würzburger Hs, das älteste Kochbuch in deutscher Sprache, das als „Ein Buch von guter Speise" 1844 [von Maurer-ConstantJ für den Stutt- garter Litterar. Verein in Bd. IX herausgegeben und etwa gleichzeitig von W. Wackernagel in der Zeitschr. f. deutsche» Altertum 5, 11 ff. unter Mitteilung von Auszügen besprochen worden ist (BvgSp.). Schon v. Bahder hat den Wortschatz dieses sprachlich und kulturgeschichtlich interessanten Büch- leins gelegentlich zur Erläuterung der Gedichte des Königs

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 27

vom Odenwald herangezogen, aber ohne auszusprechen oder anzudeuten, dass die Beziehungen zwischen ihnen andere als zufällige seien. Eine nähere Betrachtung ergibt bald, dass die Ausdrucksweise beider sowohl in Bezug auf den lokalen Hintergrund wie auf die Voraussetzungen der mate- riellen Kultur auffällig übereinstimmt. Ich hebe nur weniges bemerkenswerte heryor und sehe dabei von allem ab, was sich aus des trleichheit des Schreibers hinreichend erklärt, wie etwa honicsanm BvgSp. § 2. 29. 49 und langsaume K.v.O. IV. 20: denn das BvgSp. ist von demselben Haupt- schreiber b geschrieben wie K.v.O. I V Das charakte- ristische CoUectiv megelech BvgSp. § 91 (K.v.O. und WPO. s. o.) wird man schon nicht mehr dazu rechnen dürfen. Die bemerkenswerten Formen butern BvgSp. § 10. 20. 23. 25. 38. 43—45. 52 u. ö. und müich BvgSp. § 1 (3 mal). 3 (2 mal) u. ö. sind im K.v.O. sogar durch den Reim gesichert: Indem I. 21, müich II. 84. gelebte müich ist so ausser im BvgSp. § 25 nur eben beim K.v.O. I. 11 bezeugt. Ein Lieblingsgewürz ist für beide das peterlin (Petersilie) BvgSp. § 7. «. 15. 19. 35 u. ö., K.v.O. II. 88. 161, IX. 36. krepfelin treffen wir im BvgSp. § 44 und K.v.O. II. 131, IX. 40. Das Nebeneinander von schon brot BvgSp. § 9. 21. 22. 31. 47 und seineln § 50 für zwei Arten Weissbrot kehrt im K.v.O. VII. 17 und 35 wieder. Die flemen (bei Lexer noch fehlend, vgl. aber Vibnar S. 104, Crecelius I. 377) in der Bedeutung von ,, Nierenfett" haben wir BvgSp. § 22 und K.v.O. I. 212, wo die Haut vom Nierenfett zur Fensterbekleidung dient. Von Fremdwörtern taucht pastede, bastede in unsem beiden Quellen am frühesten auf: BvgSp. § 15. 89, K.v.O. H. 131. Ein anderer durch die Kochkunst importierter Fremdling erscheint hier wie dort in denselben zwei verschiedenen Formen: mursel BvgSp. § 28 (mürsel § 47, morsel § 30) und K.v.O. III. 14 (im Reim) anderseits mursal BvgSp. § 45 und K.v.O. I. 2b. 37 (im Vers).i)

Da man in den Gedichten keine vollständigen Recepte erwarten wird, so finden sich natürlich kaum weitergehende Uebere instimmun gen : immerhin treten soviel Berührungen zu Tage, wie man sie zwischen derartigen Reimereien und einem prosaischen Kochbuch nicht voraussetzt. Erwähnt ein Gänserecept BvgSp. § 42 gekröse^ flugele und diech , so kehren alle drei auch in der gewissenhaften Aufzählung der

') Dazu bemerk ich, dass das ganz gleichartige Fremdwoi"t schapel (so im Vers V. 65) im Reim V. 683 als schapal (: liberal) erscheint.

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essbaren Bestandteile des Vogels K.v.O. III. 15. 19. 21 wieder. Das ßecept 8 des BvgSp. rät zum Füllen der Spanferkel (ferkelin) rohe Eier zu nehmen, das Rezept 28 empfiehlt frische Eier an zerschnittene Brathühner zu schlagen. An ebensolche Gerichte denkt K.v.O. II. 136 man füllet junge wenstelin [mit EiernJ oder II. 100 der ahtzehende klopft sin ei an ein hiin. Die Zubereitung zerkleinerter Hühner im Mörser, welche (auf verschiedene Art) BvgSp.'§ 11. 23. 28 beschrieben wird, erinnert an K.v.O. II. 164 f. man versüt ein htm zemol und stbzzetz in eime mbrser.

Nach alledem lohnt es sich, das seit seiner Veröffent- lichung wenig mehr beachtete Kochbuch, das unserm Poeten unzweifelhaft zeitlich und örtlich sehr nahe steht, einmal näher ins Auge zu fassen. Das Buch von guter Speise ist, was schon der Titel besagen will, kein Handbuch für die bürgerliche Küche. Suppe, Gemüse und Braten fehlen darin fast gänzlich, wir erhalten vielmehr fast ausschliesslich Re- zepte zu Delikatessen : Geflügel und Fische in teilweise raffi- nierter Zubereitung, Ragouts, Pfeffer und Aspics, Saucen und Brühen, Compot, Backwerk und sonstige Nachgerichte für den Tisch des Gourmets. Es ist ohne weiteres klar, dass die Entstehung eines solchen Werkchens nur in der Nähe einer üppigen Hofhaltung, nicht in einem weltabgelegenen Kloster oder gar auf einer „Ritterburg" zu suchen ist.

Das Büchlein hat, wie es uns vorliegt, schon eine Ge- schichte hinter sich. Es endete in der ersten Auflage mit den beiden Scherzrecepten 53 und 54, von denen sich das erstere schon wie eine Schlussnummer einführt (So mache zum yttngesten ein klein lecker köstelin usw.), das letztere aber metrisches Kleid trägt ebenso wie der Prolog. Das ursprüngliche Ende bezeichnet deutlich der Satz hinter § 54 : Diz ist ein gut lere von guter spise (S. 19). Was dann folgt bis zu dem zweiten Schluss Hie get uz die lere von der kocherie, sind Nachträge aus den Aufzeichnungen eines Fachmannes, der seine Spezialität in süssen Speisen und Fladen hatte: von den 42 Rezepten dieses zweiten Teiles gelten 11 (56. 57. 85—93) „Fladen" aller Art, 4 (58-61) den Fastenkrapfen. Es tauchen verschiedene neue Wörter auf (so in § 92. 93. 94. 95, das mir in seiner Bedeutung nicht ganz klare bastel}, auch die Ausdrucksweise weicht vielfach ab, trotzdem ist es möglich, dass dieser Nachtrag zwar aus fremden Quellen geschöpft, aber doch von dem Verfasser des ersten Abschnitts selbst hinzugefügt wurde.

Ich habe mit Absicht oben von einer „ersten Auflage" des Werkchens gesprochen: denn es handelt sich da nicht

Die Gedic hte des Königs vc m Odenwalde 29

um eine zufällige Ansammlung bewährter Rezepte, wie sie sich unsere Hausfrauen anlegen, sondern um ein veritables „Kochbuch für die feinere Küche", dessen Verfasser nicht ohne litterarischen Elirgeiz war. Vielleicht war die Würz- burger Hofküche gar durch ihn berühmt geworden und dieses Büchlein zur Mitteilung an befreundete Höfe bestimmt.') Die litterarische Form spricht sich schon darin aus, dass das Ganze mit einem Prolog in Reimen eingeführt ^) wird und mit einem ebenfalls gereimten Scherzrecept schliesst.

Im Prolog treffen wir zwei dialektische Reime von der- selben Art wie sie beim K.v.O. wiederkehren: einen Reim mit Abfall des infinitivischen -n : v. 19 f. lerne(n) : gerne, genau denselben wie K.v.O. X. 3 f., und dann v. 15 f. vernemen : enscliemen als klingenden Ausgang und gleich- zeitig e mit jungem Umlaute -e reimend, also etwa ent- sprechend K.v.O. IV. 97 f. verrmnen: kr einen {= kraemen).

Sollte sich imser schriftstellemder Gastronom, der so viele seiner Gerichte betitelt, nicht auch, wie das alle ehr- geizigen Meister der Kochkunst thun, durch die Benennung irgend eines Rezeptes verewigt haben ? Da treffen wir u. A. bei § 49 am Schlüsse auf die Notiz ,^u7icl heizzet sicallenhirges salse''. Der Taufpate dieser Sauce oder dieses Pfeffers war schwerlich ein Feinschmecker aus dem Hause des Grafen von Schwalenberg, sondern ein berühmter oder selbstbe- wusster Koch mit dem ähnlich klingenden bürgerlichen Namen. Nirgends aber tritt die Benennung des Gerichts so aufdringlich hervor, wie bei § 28 : das Rezept ^) führt sich nämlich ein mit Diz lieizzent küniges hünre und schliesst ebenso mit daz heizzent kiniges hünre. Ich habe das natür- lich früher ganz harmlos wie jeder andere Leser als „Königs- hühner" aufgefasst, so etwa wie wir eine „Kaisertorte", einen „Königskuchen" oder eine ,, Königinsuppe" haben. Aber diese. Bezeichnungen sind doch, soviel ich sehe, alle neueren Datums und, wie es scheint, erst der französischen Küchensprache nachgebildet, die ja in ganz anderer "Weise als bei uns mit der königlichen Küche zusammenhängt. Das BvgSp. hat denn auch in der That gar nichts irgend-

*) Aus dem nächsten Jahrhundert haben wir in einer Basler Hs. v. J. 1460 ein Kochbuch von ,,meister Hannsen des von Wirtenberg koch", Zeitschr. f. d. Alt. 9, 365 ff.

*) Ob die beiden gereimten Titelzeilen dem Verf. oder dem Schreiber gehören, bleibt unsicher und gleichgiltig.

*) Es ist eines jener drei (s. o. S. 28), in welchen gebratene resp. gesottene Hühner zerschnitten und in einem Mörser pikant zubereitet werden: zu dem K.v.O. II. 164 ff. angedeuteten stimmt es nicht.

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wie dem vergleichbares, und so bin ich geneigt, in jenem künig oder richtiger Künig, der hier ganz wie sein Kunst- kollege Swallenberg und nur etwas nachdrücklicher einge- führt wird, den Autor des Kochbuchs zu erblicken. Mit anderen Worten: der Verfasser des Buches von guter Speise ist der König vom Odenwalde.

Wir kehren noch einmal zu den Gedichten des Königs zurück. Ich erwähnte oben (S. 20) die Enge seines Ge- sichtskreises und betonte, dass er nur im kulinarischen einen weiteren Blick hat. In der That ist die Kenntnis, die dieser angeblich ,,in Armut und Dürftigkeit" auf den Burgen landsässiger Ministerialen sein Brot suchende ,, Spiel- mannskönig" von der feinern Kochkunst besitzt, staunens- wert. Spielend zählt er in II zwanzig Arten auf, die Eier zu bereiten, er weiss, wie man ein Spanferkel zu füllen und anzurichten hat (II. 136 ff.) und wie man eine Kraftbrühe aus Hühnern herstellt (II. 164 ff.), er kennt aufs genaueste die Verwendung aller Teile der Kuh (I) wie der Gans (III), er liefert die wertvollsten Beiträge zu der von Moriz Heyne ersehnten ,, Geschichte der deutschen Wurst" (II. 106, IX. 14ff.).

Nun geb ich ja gern zu, dass die mittelalterlichen Spielleute so gut wie ihre modernen Nachfahren, die heutigen Poeten und Journalisten, Schauspieler und Artisten, öfters Feinschmecker auch über ihre Verhältnisse hinaus sein mochten, aber wie einer von ihnen bei der beständigen Ebbe im Geldbeutel dazu kommen sollte, sich technische Er- fahrungen in der feinern Kochkunst zu erwerben, das will mir nicht in den Sinn, üeberall blickt nicht nur gute Kund- schaft, sondern directe Erfahrung durch: „das nächste Huhn beim Hahn" gilt als das beste (II. 156 f.), und während manche Eleischarten zu bestimmten Zeiten im Jahre wenig schmack- haft sind, gilt das nicht vom Huhn (IL 261 ff.). Und nun gar das besondere Interesse am Anrichten, wie es für den Küchenchef so charakteristisch ist! Bemerkt der Dichter V. 103 f. (beim Stroh) nur trocken: man bmt drin loüdpret, vische, die mmi treu zu tische^ so geht er ein andermal direkt zur Anweisung über, wenn er II. 137 f. für Spanferkel empfiehlt: hauhtlin unde füeze sol man in eiern grüeze d. h. „mit Eiern garnieren."

Besonders lehrreich, mehr noch als der Preis der „acht- baren" und „nutzbaren" Haustiere, ist das Lob des Strohes (V). Das Thema ist gewiss und das sollte es! auch dem Publikum überraschend erschienen, das schon drei von jenen Enkomien (I. III.) kannte. Wie war er nur darauf ver- fallen? Nicht etwa derart, dass er den Frühlingsblumen

I

Die Gedichte des Königs vom Odenwalds 31

parodistisch einen recht derben Eivalen gegenüberstellen ■wollte, denn er ver:wertet diese Antithese gar nicht, wie "wir gesehen haben. Er sah sich vielmehr, nachdem er das Thema der Haushaltstiere genügend traktiert zu haben glaubte, im Bereich seiner Küche, die ihm die früheren Stoffe geboten hatte, nach etwas neuem um, und da verfiel er auf das Stroh. Das ganze Gedicht, das, wie ich oben betonte, jeder Disposition entbehrt, ist durchzogen mit Hinweisen auf den Nutzen des Strohes in der Küche und im Backofen. Man ist überrascht, wie vielerlei Yerwendungsarten sich gerade hier darboten: niemand ausser eben einem Küchen- meister konnte sie so im Gedächtnis haben. Das erste was "wir erfahren, ist die Verwendung des Strohes zum Feuer- anzünden (V. 10 f.), den Schluss macht die Zubereitung der Hostien, die an manchen Orten (wie in Köln) besonderen „Gottesbäckern" oblag, anderwärts gelegentlich wohl auch dem bischöflichen Koch anvertraut werden mochte. Und dazwischen hören wir u. A. vom Brotbacken (v. 14 ff.), vom Besengen der Schweine (v. 18), vom Herrichten der Schinken (v. 19 f.), vom Braten der Fische (v. 79), wieder vom Backen (v. 80 ff.), vom Einlegen der Bückinge (v. 99 f.), vom An- richten des Wildprets und der Fische (v. 103 ff.), vom Be- reiten der ,,grakölikin" (v. 128 ff.), vom Auslöschen der Kohlen (? v. 139 f.), vom ,, Beschlagen" der Osterbraten (v. 145 ff.), von Herrichtung der Rühreier (v. 161 f.), vom Weinklären (v. 16.7 f.).

üeberblicken wir noch einmal das vorgeführte, so ist ohne weiteres zuzugeben: es sind keine Weisheiten, die mit 7 Siegeln verschlossen waren, jeder Topfgucker und Küchen- schmarotzer konnte sich schliesslich derartige Kenntnisse er- werben. Aber wem alle diese Dinge so in der Phan- tasie leben und stets gegenwärtig sind, der muss ein Küchenmeister von Beruf seini

Ich kehre nun noch einmal zu den oben S. 24 berührten Aeusserungen zurück, welche angeblich die Armut des Fahrenden verraten sollen, dem „bei Aufzählung leckerer Gerichte ein Stossseufzer entfährt, dass er dergleichen auch gern eiumal essen möchte" (so v. Bahder S. 213). Es sind eigentlich nur zwei Stellen.

VI. 149 ff. Der künig saget von schafen vil, der im doch keinz heklihe icil. nu icol! so hegen ich mich: die si Jiabent, da hin ich umschreib ich so: „Der König redet so viel von Schafen die ihm doch alle unter den Händen verschwinden. Aber was machts"? ich finde meine Nahrung [auch ohne Herdenbesitzer zu sein] bei den Leuten, die genug davon

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haben". Noch einfacher und von v. Bahder direkt missdeutefc ist IX. 51 f.: Ein speclin an die vische daz mich daz icht verwische! „Ein Stück Speck an die Fische das darf ich nicht vergessen!" nämlich: ,,in meiner Aufzählung", aber vielleicht auch mit Doppelsinn für sein Publikum: „in der Küche".

Ich habe den Leser genau den Weg geführt, den ich. selbst gegangen bin, obwohl ich die Darstellung leicht über- zeugender und jedenfalls eindrucksvoller hätte gestalten können: indem ich nämlich zuerst alles aufdeckte, was in den Gedichten des Königs vom Odenwalde auf den Kenner der Kochkunst und des ganzen Küchenwesens hinzuweisen scheint, und dann aus der gleichen Handschrift des Michael de Leone das „Buch von guter Speise" hervorzog.

Natürlich hab ich nun in den Würzburger Urkunden eifrig nach Köchen aus jener Zeit gesucht, und Herr Kreis- archivar Göbl hat mich in liebenswürdiger Weise unterstützt. Leider erscheinen die Vertreter dieser von den geistlichen Herren hochgeschätzten Kunst gleichwohl selten in den Ur- kunden: von dem Koch des Bischofs Otto und von dem Koch des Kanonikus und Protonotar Michael de Leone hat sich keine Spur auffinden lassen, und das sind doch wohl die einzigen Bewerber um den litterarischen Ruhm des Königs vom Odenwalde. Aus der Zeit von 1320 1360 hat Göbl im ganzen drei ,,coci" aufgetrieben, die alle drei den gut würzburgischen Namen Konrad führen: aus der Zeit des B. Wolfram von Grumbach einen ,,Conradus cocus Aplonis Vulpis", aus der Zeit B. Ottos von Wolfskehl einen „Conradus Kocus Her. de Tunfeld", aus der Zeit B. Albrechts von Hohenlohe den Koch des Domcantors Marquard von Heiden, dem sein Herr 1354 testamentarisch 25 Pfund Heller vermachte („Conrado coco meo" Mon. Boica 42, 87).

Ob unser Autor Koch des Bischofs oder seines Proto- notars war, das vermag ich nicht zu entscheiden: er könnte auch nach dem Tode des einen in den Dienst des andern übergetreten sein, denn der Electus Graf Albrecht von Hohen- lohe brachte gewiss seinen eigenen Küchenchef mit. Nähmen wir an, dass der „König" gar als ein „rex cocorum" zu seinem Namen gekommen sei, so müssten wir ihm wohl schon die bischöfliche Küchenleitung zugestehn. Wie sehr Michael de Leone neben den geistigen die materiellen Ge- nüsse zu schätzen wusste, das zeigt ja deutlich genug die Aufnahme des ,, Buchs von guter Speise" in die grosse Sammelhandsch] ift , wo es seinen Platz zwischen dem ,, deutschen Lucidarius" und einem lateinischen ,, Regimen

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 33

sanitatis'' erhielt wenige Blätter von den „Liedern des Meisters von der Vogelweide Herrn Walthers".

Also ein praktischer Koch im Dienste eines geistlichen Herrn nicht etwa der Inhaber des Küchenmeister-Hof- amts ^) als Verfasser von deutschen Gedichten, nüchternen und z. T. abgeschmackten Reimereien freilich, die aber doch einer der kundigsten Litteraturfreunde jener Tage für würdig hielt, unmittelbar hinter die Gedichte Walthers und Reimars eingereiht zu weiden: es sieht fast so aus, als ob Michael, dem wir ja die Nachrichten über Walthers Grab in Würz- burg und Reimars von Zweter (den er mit dem alten Reimar zusammenwarf; Grab in Essfeld verdanken, dadurch die an- dauernde Pflege der „Poesie" in Franken dokumentieren wollte.

So völlig isoliert ist die Erscheinmjg dieses dichtenden Kochs in der Litteratur jener Tage übrigens nicht. Auch jener bürgerliche Heinzelein oder Kleinheinze aus Konstanz, dem wir zwei (nur in der Sammlung des Michael de Leone vereint überlieferte) Streitgedichte verdanken, war Küchen- meister: im Dienste des Grafen Albrecht V. von Hohenberg"), des Domherrn von Konstanz, der im Jahre 1345 von Papst Clemens VI. als Bischof von Würzburg providiert wurde, ohne dort je durchzudringen. Ein sonderbarer Zufall frei- lich — und nichts als ein Zufall! denn so sicher die per- sönlichen Beziehungen zwischen Michael de Leone und dem Hohenberger bezeugt sind, so wenig zeigt sich eine Spur von Zusammenhang zwischen den Gedichten des Königs vom Odenwalde und Heinzeleins von Konstanz. Von dem Küchengeruch und Stallduft, der jenen anhaftet, ist die Poesie Heinzeleins unberührt geblieben: auf ihr ruht noch, im wesentlichen durch Konrad von Würzburg vermittelt, ein Wiederschein der höfischen Glanzperiode unserer Dicht- kunst.

Ich habe mich bemüht, Zeit und Ort des Königs vom Odenwald festzustellen und - so einen festen Anhalt für die litterarhistorische Einordnung des Mannes zu gewinnen, dessen Name unsere Phantasie mehr anregt als alle seine Gedichte. Wie er zu diesem Namen gekommen ist, ob er ihn sich selbst beigelegt hat, nachdem er litterarisch hervor- getreten war, ob ihn seine Umgebung, seine Gönner damit

') das für das Hochstift Würzburg damals, soviel ich sehe, die Küchenmeister von Nortenberg innehatten.

•) vgl. jetzt Götting. Gel. Nachrichten, Phü.-hist. KL 1899, S. 65 f.

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neckisch auszeichnen wollten, das werden wir nie erfahren. Dass er dem Odenwalde entstammte, scheint selbstverständ- lich, dass er unter dem schlichten bürgerlichen Namen „König" in einer vornehmen Würzburger Küche seines Amtes waltete und, wahrscheinlich ehe er als Poet auftrat, das erste Kochbuch in deutscher Sprache verfasst hat, hoff ich glaubhaft gemacht zu haben.

Damit ist die Aufgabe dieser Einleitung erschöpft. Die Gedichte des Königs vom Odenwalde, so arm sie an poetischem Gehalt sind, haben einen doppelten Wert: sie sind einmal, besonders im Zusammenhang ihrer Ueberlieferung und Ent- stehung betrachtet, wichtige Dokumente zur Geschichte des litterarischen Geschmacks; zum andern enthalten sie eine Fülle von Beiträgen zur Kenntnis der mittelalterlichen Privat- altertümer. Wir erfahren nicht nur, was wir von dem Koch am ehesten erwarten dürfen, die Verwertung von Kuh und Kalb, Schaf und Schwein, Huhn und Gans, Milch und Ei im Haushalt unsrer Vorfahren vor reichlich 500 Jahren, auch hunderte von Gegenständen des täglichen Gebrauchs, die äusserst selten oder nie auf uns gekommen sind, werden im Fluge gestreift: von den mit ,, Tieren und Meerwundern" bemalten Bettdecken aus Schaf leder (VI. 119 if.) herunter bis zu den Finkennäpfchen aus Hörn (I. 60 ff.), den Nadel- büchsen aus Stroh (V. 164) oder Federkiel (III. 39) und den Kinderbällen aus Kuhhaaren (I. 169 0".).^) Auch für die Geschichte der Sitten und Gebräuche fällt manches ab: den „Hahnentanz", der später in der Geschichte der Fastnacht- spiele Bedeutung gewinnt, lernen wir hier (II. 235 ff) hundert Jahre früher kennen. Ausgeführte Schilderungen dieser Art enthält leider nur das II. Gedicht: v. 170 209 wird uns anschaulich ein wenig anmutendes Vergnügen der damaligen guten Gesellschaft geschildert : eine Hetze auf zahme Hühner, die mit der rasch ins Werk gesetzten Zubereitung der Beute endigt; daran schliesst sich, eingeleitet durch die Bemerkung ,,Am Huhn wird mancher leicht zum Koch", die Schilde- rung des Treibens der Eossbuben, die tagsüber geplagt und abgehetzt, am späten Abend sich die ihnen überlassenen Füsse, Köpfe und Hälse (kragen) braten und sie in Heu ver- steckt dem Mantelsack anvertrauen, um sich auf der Fahrt gegenseitig mit dem auszuhelfen, was sie in guter Laune ihr „Huhn" nennen.

*) Auch eine neue Auflage von Wattenbachs ,, Schriftwesen" wird aus diesen Gedichten, besonders aus II. und V. allerlei nützliche Daten gewinnen können.

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 35

Die Gedichte nach dieser Richtung auszuschöpfen, liegt mir fern: sollten die Anmerkungen einen vollständigen Kommentar geben, so müsste er an Umfang das Werk des Autors überschreiten. "Was ich hier gebe, soll die Be- nutzung eines mittelhochdeutschen Wörterbuchs nicht über- flüssig machen und nur da einsetzen, wo ich eine Schwie- rigkeit des Ausdrucks heben zu müssen glaube. Die fleissigen Anmerkungen v. Bahders stellen eine oft stillschweigend benutzte Vorarbeit dar, und mit freudigem Danke bekenn ich mich dem ausgezeichneten Kenner des mittelhoch- deutschen "Wortschatzes verpflichtet, dem ehrwürdigen Pro- fessor Dr. Fedor Bech in Zeitz, dessen Beiträge ich mit (F. B.) ausgezeichnet habe. Die "Wortliste zum Schlüsse verzeichnet kurz alle bemerkenswerten lexikalischen Belege. "Wo ich selbst mit dem Verständnis nicht durchgedrungen bin, hab ichs nicht verschwiegen.

Im allgemeinen ist für die Ausdrucksweise und speziell für die Syntax die Nachlässigkeit charakteristisch, mit der eine Gedankenreihe oder ein Satzgebilde abgebrochen wird, um zuweilen nach einer Unterbrechung oder Parenthese ungeniert wieder aufgenommen zu werden. Die Interpunction dieser Texte stellt auch sonst dem Herausgeber Schwierig- keiten in den Weg, die ich mir durchaus nicht einbilde überwunden zu haben.

Was die sprachliche Form des Textes anlangt, so hab ich geglaubt, hier mehr Zurückhaltung üben zu müssen, als mir sonst zusagt: die Gedichte des Königs sind in der Hs. M von Schreibern aufgezeichnet, die dem Dichter zeit- lich und örtlich sehr nahe standen, und diesen Glücksfall soll man respectieren und sich vor einer Uniformierung hüten, wie sie andernfalls wohl angebracht wäre. Ich habe daher, abgesehen von der Beseitigung wirkKcher Textver- derbnisse, nur solche Aenderungen vorgenommen, welche notwendig waren, um dem Dichter seine reinen Reime und erträglichen Verse zu sichern. Ueber alle diese Aenderungen geben die Lesarten Auskunft, nur die Freiheit, zwischen mid und 2mde zu wechseln, hab ich mir ohnedies gestattet.

Die Hs. setzt innerhalb der Gedichte sehr selten ab, und das entspricht wohl dem etwas atemlosen Vortrag. Gleichwohl hab ich im Interesse des modernen Lesers die Absätze vermehrt.

3*

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I.

Bi. i92Sp. 1 Hie bebt sieb an die rede toii der kilwe.

Maniger lobt sins hertzen trut:

So müz ich stille und uberlut

Klagen, daz man glocken gut

Den tugentlozen luten tut. 5 Man lut den alten wiben,

Wenne sie tot beliben;

Daz ist ein michel müe.

Man solt der guten kue

Lüten wol mit flizze: 10 Die git die milich wizze,

Luter und gelebt,

Der man sich über hebt

Wol gesaltzen in dem huz:

Da werden auch gute kese uz, 15 Molken dicke und dünne.

Daz ist der kinde wünne:

Von milich müs und brye

Ist auch ein gute krye,

Wenne man schriet: ,,er ist bereit!" 20 Des wirt maniger da gemeit.

Darzü die frischen butern:

Zwischen Bolan und Salem

Vant man bezzer ezzen nie

Sicherlicher denne die. 25 Güte mursal die sie treit,

Die man zu den rüben leit.

Da pfliget man wol der lüten mit.

So lücht man mit dem ünslit.

Würste vom hirne 30 So werden uz der stirne

Die zehen flegelhüte

(Daz ist auch ein gute).

16 wunne M 17. 18 brey aus bry : krey M 19 er aus ez M 21 Dar- aus Da- M 22 salut'n M 29. 30 hirn : stirn M V. 31 Zehen flegel hüte M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 37

Bi. 192 Sp. 2 Damit man körn drischet

Luter und gemischet. Der gut rintfleischbraten hat,

Dem wirt ein suppe, hat er ein brät

So treits ein mursal heizzet mark:

Davon so werden lüte stark.

So macht man nz dem beine 40 Würfel groz und kleine,

Die laufent uf dem brete snel:

Verspilt manig bübe sin vel,

Daz ime wirdet zorne.

So werden uz dem home 45 Güte strelere:

Waz junger kinder were.

Der pflege man dermite wol,

Als man billichen pflegen sol.

Vom Jiome laterne, 50 Die hat man auch gerne:

"Wanne man licht drin tut,

So ist sie für den wint gut.

Ich sage üch von dem hörne me:

Wem ist in dem rucke we, 55 Dem schrapfet man dermit.

So han die jeger einen sit.

Den haben sie in uzderkorn:

Sie vazzen in den riemen daz hom,

Daz sie dermit blasen vil. 60 Wer denne vogel ziehen wil,

Lerchen ader vinken,

Den git man daruz trinken.

So bewirfet man vorne

Den boltz mit kuhorne; Bi. 192 Sp. 3 65 So machet man mit krefte

Uz hörne mezzers hefte;

So sehen die schribere

Ir horner note lere:

Sie schriben druz den lüten. 70 So werden uz den hüten

Wite stifel gut.

Derm leder rehte tut,

Fürfuze unde soln,

Wotsecke unverholn,

35 vor brate Rasur M 39 machet M 45. 46 streler : wer M 47

dermit M 49 hörn M 49. 50 latern : gern M 53 hom M 63 biwerfet M

63. 64 vorn : hörn M 65 macht . . kreft M 66 hörn M 67. 68 schriber : 1er M 72 reht M 73 und suln M

38 Edward Schröder

75 Hute über den saumner, Der wil man niht ember, Brustleder, triehter, helmshorn; So lidert man damit die sporn. So wil ich. niht vermuche:

80 Ich sage ü vom sluche,

Damit man abe lezzet den win: Der ist auch rinderin, Und die silhalsen wert, Da imie ziehent die pfert,

85 Und die jochriemen,

Daz verkert mir niemen. Da ziehen auch die rinder an. Des beget sich manig man: Giirteln breit unde smal,

90 Die man treit uberal, Uzzem bein rinken dran Tragen frauwen unde man. Hantschüch und vingerhut. Wer dez bedarf, dem ist ez gut ;

95 Bulgen unde taschen.

Man macht uz hüten ilaschen, Bi. 192 Sp. 4 Triehter unde zaphen drin, Daz beheltet den win; Fezzel unde scheide

100 (Swert und mezzer beide). Und die wehen fütervaz. Noch müz ich tihten baz: Die blasbalge müzzen her, Daz ist auch der smide ger.

105 So ist denne der zagel edel: Daruz wirt ein gut wedel, Wenne man pfert beslahen sol, Daz man dermit weren sol. Daz orgeln hellen überlut,

110 Daz kumt allez von der hut; Von ädern ein hengel In dem glokenswengel ; Falkenhuben, wintbant, Armleder, beingewant,

115 Wopenhentschühe, kürin, Daz ist allez liderin

76 emb'n M 79 v'^muchew, n fortradiert M 91 rinken von anderer Hand auf Rasur M 96 machet M 108 kan weren wol?

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 39

Und ist von der kuwe kumen,

Daz wir alle han vemumen. Ich sage von einer decke; 120 Uz hüten macht man secke

Über hüben und den heim:

Wa man sie fürt durch den melm,

Daz ez schon belibe

Und den rost vertribe. 125 Man uberzuht denne her

Mit ädern schilt und bukeler

Und mit kuwehuten,

Daz sag ich den luten.

Der riemen am kezzelhüt Bi. i93Sp.i 130 Füren ritter, knehte gut.

Von der hüte einen stül,

Daz ist gut für den pfül.

Ein bisschof drufe sitze.

Der pfliget guter witze. 135 Man wil auch nit vermiden,

Man hat die hut zu bliden;

Und wil üch denne mere sagen:

In dem hangenden wagen

Macht man küwehüte, 140 Daruf sitzen brüte.

Ich sage mere von der hut:

Man machet groze bücher trut,

Daran man singet unde list.

Waz v^ der hüte kumen ist, 145 Trummen und tammureu,

Dabi sol man niht truren.

Ez ensin niht träume:

Geiseln, halftern, zäume,

Stigleder, bintriemen, afterreif, 150 Furbuge, taschen man begj'eif,

Gegenleder, [lederjgurt:

Ein man deste baz gehurt.

So ziert man setel reine

Mit leder und mit dem beine. 155 Nu müz ich mich noten:

Die kint die spiln der koten;

Nu sol ich gedenken

Der küssin uf den benken,

121 mein M 123. 124 beleih : vertreib M 129 riem M 132 pfül M 133 druf M 137 mer M 142 macht groz M 145. 146 tammum : trurn M 147. 148 träum : zäum M 151 Gegen leder gurt M 153 zieret M 153. 154 rein : bein M

40 Edward Schröder

Die sint mit hüten überzogen;

160 Hieran ist man unbetrogen, Bi. 193 Sp. 2 Die holtschühe sint hie vor, Uf den get man enpor, Schuhe wit und enge, Die kürtze und auch die lenge,

165 Und limeln zeware.

So macht man uz dem hare Bambast, seil unde filtz ; So macht man zaumgetiltz (?), Den kinden hors zu eim balle:

170 Dar nach so laufFen alle Beide wider unde für. Man sieht den zagel in die tür. Damit man zühet uf und zu. Daz kumt allez von der kü.

175 Noch ist daz lob niht voUebraht Daz von der küwe ist erdaht: Sie bringet junge kelber knuz, Da werden varren, ohsen uz: Die feizten kalbeskrose,

180 Die haubtloch sint niht böse; Gesoten und gerostet "Wirt man ir getröstet. Daz ist allez niht gelogen : Armbrust und hürninbogen

185 Töhte niht ein halbez ei,

Ez brech allez gar enzwei, Wenne die zehen ädern gut, Die man von der küwe tut. Zerfe, damit man spennet

190 (Einer der da rennet), Scheiden über armbrust, Daz ist der_ selben gelust. Bi. 193 Sp. 3 So nimt man denne klawen.

Die swartzen und die grawen,

195 Und drauwet paternoster druz Und macht dem tüfel einen gruz.

Ir went, ich wolt ü rosen, Vergezze ich nu der blosen: Daz ist auch ein guter pfeifersag.

200 Der denne gelebt den viertag.

160 umbetrogen M 165 limeln Beck ] luneln M 165. 166 zwar har M 179 feitzten M 196 machet M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 41

So wirt ez auch ein blaterspil.

Der derme hunde verjagen wil,

Der stricke ein blasen an den zagel:

So wenet er, ez si der hagel, 205 Und schriet mit grimme.

So lernen drufe fwimme

Beide knaben unde kint,

Wa sie uf dem wazzer sint. So tünt denne die lute daz, 210 Die niht haben venfterglaz,

Sie beginnent remen

Der vil guten ilemen,

Sie beziehen ire venster mit

Nach dem altem gutem sit. 215 Lebern, nieren, lungen,

Hertze, gurgeln, zungen,

Mütze, sultze, füzze,

Daz müllin alfo füzze,

Manigvalt dermelin 220 Wizzer denne ein hermelin.

So künde ich nimmer vollenklagen,

Daz ich vergezzen het des magen

Und des üters also gut,

Daz man da rostet uf der glüt, B1.193 Sp.4 225 Und den feizten arsdarm.

Daz getünge nimt man also warm

Und bestricht [da] mit den boden.

Der böse ecker denne wil roden.

Der bedarf des mistes wol derzü. 230 Man solt einer guten

Billicher klagen iren lip,

Denne ein übel alt wip.

Daz die jungen sin gemeit,

Daz was ie den alten leit. 235 Der genade die von der küwe ge.

Der enweiz der künig niht me. Hie get daz uz von der kü, Daz sol üch dünken sin kein mü.

204 went M 206 lern druf M 210 -glaz aus -faz M 219 derm- lin so vin M 227 dem boden M 231 billichen M 235 ku If

Hinter den Schlussversen steht von der Hand a (d. i. Micliaels) in M: üb' dru blet'e uindest du v5 de fchafe.

42 Edward Schröder

II.

Bi. i93Sp.4Mitte. Diz ist YOii dem hfiii und dem ey, Da Yindet man rede manigerley.

Wer ich der kimste niht ze laz,

So wolt ich tihten etwaz.

Waz mir darum geschiht,

Ich laze doch underwegen niht. 5 Liez ich nu kunst verderben,

Wie solt ich denne erwerben

Der herren gunst und auch ir gut,

Der ritter, knehte hochgemut?

Nu wil ich tihten, ab ich kan, 10 Gein der zit so hebe ich an. Der liehte sumer nahet,

Der winter hinnan gahet.

Den süln wir varn lazzen.

Des frauwen sich die blazzen, Bi. i94Sp.i 15 Die da trurig sin gewest.

leder vogel wil sin nest

Aber wider machen

Und lazzen truren swachen;

Da legent sie ir eyer in 20 Und brütent junge vogellin.

So grünent die wisen

Beide jenen unde disen.

Der walt der stet mit bletem.

Oheim unde vetern, 25 Basen unde mümen,

Frauwet üch der blümen.

Die springent uf dem anger,

Er ift ir worden swanger.

Vial, lilgen, grüner kle 30 Siht man da herfür ge

Und des meyen blute.

Das meint des sumers gute.

So wollen sich die hecken

Mit rosen bedecken, 35 Du beide nimmer valwe.

So kumet storch und swalwe,

5 künste M 18 trurn M 26 Fraut M 29 lilgen übergeschrieben über blumen M 34 bedeken M 36 kumt M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 43

Eglester und heher

Die machentz dennoch weher;

Den gauch den hört man gütze, 40 Daz ist hierzu nutze,

Lerchen, troschebi, nahtigal,

Was die gesingen uberal;

Und die kleinen vogellin

Die lazzen auch ir swigen sin, 45 "Wenne sie sind also frech:

In gent ir munde so gezech, Bi. 194 Sp. 2 Däz sie wol singen nu dermit.

Daz ist gein dem sumer sit.

Der gesang wer gar enwiht, 50 Und getzten die hüner niht! *

Nu wil ich allez abetün.

Ein ahper vogel ist ein hün!

Von dem hün kumt daz ey

Und brenget manigerley 55 Güter gerihte:

Davon müz ich tihte!

Wolt ir nu sprechen, ich wer frum,

Waz gnade von dem eye kum,

Die wolt ich bescheide 60 Man und frauwen beide.

Der erste wil ufz geverte

Und macht sin eye herte;

Der ander sprichet: „truter.

Brat mir min eye luter". 65 Der dritte wil sin toter weich,

Er git ime anders einen streich;

Der vierde wil drin niht stopfen,

Er machet einen kolhopfen;

Daz diinket den fünften nihtes wert, 70 Er sieht sin ey in den hert.

Der sehste wil sine in ein smaltz.

Darüber wirfet er ein saltz;

Der sibende eier in anken.

Davon wil er niht wanken. 75 Daz wil dem ahten lieben:

Er sieht eier über grieben.

Der nünde sprichet danne:

„Reich mir eine pfanne

38 mahtenz M 47 über nu von anderer Hand wol M 54 maniger- leie M 64 Brate M 65 sine M 72 wirft M 75 den ahten M 77 nuende M 78 ein M

44 Edward Schröder

Bi. i94Sp.3 Und rür mirs under einander.

80 Darzü bin ich selbander".

Der zehende ift also frech

Und eischet pfanküchelech;

Der eilfte ift fo getrilich

Und sieht sine in ein milich; 85 Der zwelfte hat [im] uzerkorn

Und "wil sin eier verlorn; .

Der drizehende eischet sicherlich

Peterlin und ezzich,

Da snidet er sin eyer in; 90 Der vierzehende [macht] ein süffelin:

Dem ist in dem haubet we, Daz ez ime davon zerge.

Der fünfzehende der wil schallen

Und eischet ein hirn wallen; 95 Der sehzehende einen eierbri,

Da wil er sitzen bi.

Der sibenzehende giht: „ich enrüchen"

Und wil ein eyerküchen;

Der ahtzehende wil ein anderz tun 100 Und klopfet sin ej an ein hün;

Der niinzehende füllet hüner mit,

Daz ist auch ein guter sii;

Der zweinzgest [tut] an ein molken daz ey

Lihte werden ir zwei. 105 Daz wil ich sagen ie:

In hirnwürste tut man sie.

So wil mans auch ge füllet han:

Daz machet einer der ez kan.

Eyermüser, kachelmutzen, 110 Der endarf man da niht tutzen, Bi. 194 Sp. 4 Die machent schone frauwen.

Die mag man gerne schauwen. Wie danne ist ein man wunt.

Dem ift das ey gesunt, 115 Da wirt doch uz ein pflaster

Daz enist kein laster.

Man müz daz ey zu tinten han.

Einer der da schriben kan.

Man pulvert mit und stirket 120 Hüllen, der ez wirket.

80 selbe ander M 89 snit M 91 haubt M 95 sezehende M 102 site M 103 zweingest M 109 karhel mutzen M 110 tutzen M 119 stirket M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 45

Man verbet win und armbmst

Mit den eiern, daz ist gelust.

Mit den eiern machet man

Leder daz man tut an: . 125 Hentschühe wizze,

Die man treit mit flizze;

Wizze stival gemeit.

Die man treit durch klükeit. Man sieht sie auch an fische 130 Die man treit zu tische.

Krepfelin und bastede

Macht man uz eyem bede;

Eyer uf dem scharte,

Der mag man gerne warte. 135 Dennoch miiz einz sin:

Man füllet junge wenstelin,

Haubtlin unde fuzze

Sol man in eyern gruze,

Morchen, krebze, junge swin, 140 Da fült man auch die eyer in.

Fladen gedüiet,

Ze oftem fleisch gewihet Bi. i95Sp. 1 Ift mit eyem überslagen

Und siht manz after wege tragen, 145 Gehacket darunder

Wiz und gel besunder.

Eyer gewurtzet,

Man hat sie auch gestiirtzet. So werden junge hüner druz, 150 Die da laufen also knuz:

Die siht man also gerne,

Und heizt ein nüwe eme. Nu ift daz kein überlast:

Wer hat einen lieben gast, 155 Er wil in früntschaft manen:

Daz neheft hün bi dem hauen

Hat man für die besten,

Die bret er sinen gesten.

So ift im unverboten, 160 Er habe ein hün gesoten,

Mit peterKn ein brü daran.

Wer ez vermag, der wil ez han.

123 macht M 124 der ez 1 vor daz M 132 beide M 139 krebzze J/ 145 Gehaket drunder Jf 151 also] alzu M 151. 152 gern: ern M 155 in ] im Jf 159 im ] nu M 161 dran M 162 wilz Jf

46 Edward Schröder

So verswige ichz dennoch dol: Man versüfc ein him zemol

165 Und stozzetz in eime mörser

Und eischet denne ein tücli her, Daz manz derdurch winde ; Daz nützt ein krank gesinde.

So würde die herfart nimmer gut: 170 Wenne daz hün git hohen müt

Grafen unde frien. Die laufen unde schrien: Sie sint gewopent ader bloz, Nach dem hün get ein doz Bi.i95Sp.2 175 Mit ftecken und mit brügel, Sie werfenz an die flügeL Ritter unde knehte Die haben ein gebrehte, Sie schrien alle „vaha, vach!"

180 Nach dem hüne ist in gach Über zun unde graben, "Werz begrifet der wilz haben. Einer sprichet „sicherlich: Unders holtz verslüft ez sich".

185 Den [andern] ist alfo gach Unde slifen binden nach, Daz er niht selber hruz kan kumen. Einer helfe ime denne ze frumen. So geschiht in denne heil,

190 Daz sie ir han ein michel teil. Sie fürenz in dem sweize, Biz sie wollen erbeize. So sint sie worden murwe. Man tut hin daz gehürwe,

195 So Stent sie unde lachent, Biz sie ein für gemachent. Man heizzet wazzer über tu: Da sehen fürsten, grafen zu, Biz man sie beraufet,

200 Gebrüet und beftraufet. So. schriet dirre unde der: „Saltz und lebern und magen her!" Die müz man denne holn Unde werfen uf die koln.

205 E sie vollen gebraten sin,

leslicher sprichet: „der ist min"

168 nutzet ein kranke M 182 begrift M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 47

Bi.i95Sp.3 ünde zückenz uz der glüt,

Daz git in hohen müt.

Den ez brennt der schriet „ochl" 210 Daz hün daz machet manigen koch,

Fuzze unde hünerhaubt

Sint den hüben ein derlaubt.

Des tages habent sie erbeit,

So sint sie gein der naht gemeit, 215 So gent sie unde raten,

Biz die andern [han] gebraten.

Die heizzet man denne dar tragen.

Der breter der hat die kragen,

Die in über worden sin, 220 Da stözzet man ein heu in

Und ftecketz in den wotsak

Lihte biz an den dritten tak,

Daz in aber not wirt;

Ir keiner denne verbirt. 225 Zu sime knehte sprichet er:

„Hol mir ein hün her,

Lüga. wie rotsam ich bin."

Er sprichet zu eime: „zerra hin!

Und büt eime bi dir, 230 So gib ich eime bi mir". Daz lat üch wol behagen I

Man setzet den hauen uf den wagen,

Daz er künde die zit

Des nahtes so man nider lit. 235 Den hauen zu glantze

Setzet man uf im tantze.

Da siht man ümbe springe

Meide und getelinge. Bi. 195 Sp. 4 So er darzü nimme gut ist,

240 So hat man aber einen list,

Daz man in abe tut.

So sin denne die vedem gut,

Daruz so wirt ein quaste.

Stet uf dem heim vaste: 245 von Seckendorf, von Ehenheim

die fürenz groz unde klein. Und denne die kappunen,

Die grawen und die brunen.

209 brennet M 234 nider Ut v. Bahder ] sich nider leit M 236 ime ]k 237 um M 243 quast M

48 Edward Schröder

Die swartzen und die roten, 250 Daz sin auch gute broten!

Swer der selben vil hat,

Daz ist ein gut husrat,

Daz vom hün kumen ist.

ISo müz man haben auch den mist: 255 Davon so sol man machen

Die roschen lilachen,

Die leg man über und under.

So ift daz auch ein wunder:

So kündet daz hün den tag, 260 Des ich niht verswigen mag. Fürwar so sprich ich:

Manig fleisch leidet sich

Zu eimal ime jare,

Denne daz hün zware, 265 Daz ist gut durch daz jar;

Daz sage ich üch offenbar.

Als ich üch bescheiden wil,

Man nert damit daz vederspil.

Wotmol unde bestehaubt, 270 Bringet daz hün, des mir gelaubt. Bi. 196 Sp. 1 So hat daz nahthün daz reht,

Daz sprechen ritter unde kneht,

Die eigen lüte mit behaben

Und herberge, so sie zu draben. 275 Daz hat in got beschaffen

Und kanz der künig beklaffen. Hie endet sich die rede gut Vom hün, die manigem git hohen müt.

III.

[DER GENSE LOB.]

Diz ist die rede von der gense, Daz ist kein gedense.

Man seit von wiltprete, Daz habe gut gerete. Man giht von vogelsingen: Ich mein ein bezzerz bringen!

263. 264 jar: zwar M

III. Der Titel ist ans V. 114 entnommen. 1. 2 wiltpret : geret M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 49

5 Nahtigal, troscheln, zisen, Ich wil ein bezzerz brisen: Galander, lerchen, amselan, Die haben alle niht daran, Pfowen, hüner, ente, 10 Daz ist allez ein getente:

Ich sage [ü] in der kurtzen frist. Wie nutzber vogel ein gans ist!

Ez si tunkel ader hei, So treit sie riche mursel; 15 Hüte und die diehe.

Da wolt ich von niht fliehe. Und die pfaffensnitze, Dabi so wolt ich sitze. Flügel, kemmenaten 20 Weren gut gebraten, Bi. i96Sp.2 Kragen, füzze, krose

Wem niht gesoten böse. Daz drüfet in die pfannen. Von dem sage ich dannen: 25 (Daz lazzet üch niht müwe) Daz wirt ein gute brüwe. Und daz sie grozze eyer leget, Daruz man junge gense heget. Daz ich sage, daz müz heruz: 30 Und kernen zweinzig in ein huz, Lege ein gans bim füre Ez tühte sie gehüre, (Von dem füir get ein rauch r^ Sie gedehten alle: „ir wirt dir auch". 35 Sin, du mir die kunst bemerst.

Nu hebt sich der nutz aller erst. Als ich üch bescheiden wil: Man schribet mit dem vederkil Und nützt in zu dem nadelkar; 40 Man vidert boltze, zeine gar, Damit ein man sin hus derwert, Darinne er sine kint emert. Ich tihtez alterseine: Man vehet mit dem beine 45 Wachteln, die man izzet. Der ez rehte mizzet,

7 amelsan M 8 dran M 20 Wem M 25 muwe über ruwe M 31. 32 fuir : gehuir.ilf 32 tüht M 34 gedenken, ht übergeschrieben M 35. 36 stehn in M mit Verweisungszeichen hinter 37. 38 39 nutzet M 40 zein M

4

50 Edward Schröder

Noch get der nutz niht abe:

Die snider müzzen [ir] auch habe,

Als ich üch bescheiden wil:

50 Sie nauwen über vederkil. Maniger macht durch die lust Den vederkil inz arenbrust, Bi. 196 Sp. 3 Daz die nuz niht uz var.

Daz ist noch niht der nutz gar:

55 Der vederkil ist so vin,

Man vazzet kuwegsilber drin. So hat die gans einen sit, Daz man vehet wolfe mit, Wa man sie bindet uf ein hurt.

60 Ez ist ein nutzberlich geburt, Ungelich den tuben. Man hat den kil zur hüben, Daran so hanget ein slape: Die fürt ein frischer knape.

65 Ein fischer wils niht mangeln Er hat den kil zun angeln, Daz er die snür trage empor. Noch ift daz beste hie vor: Ez ist ungelogen,

70 Man hat den kil zum steinbogen, Daz er die senwen scheide. Darnach, sol man sich kleide, Die gans die hat nütze vil: Die wiberin spült über den kil,

75 Damit sie hüllen weben Und deste baz geleben. Man hat in zu dem blaterspil, Da einer bleset durch den kil, So man zu tantze pfifet,

80 Mit banden sich begrifet. Ein diehe veder krumbe, Macht man die reizzel drumbe. Man enmag ir niht emper. Ez ist auch ein guter wehter. Bi. 196 Sp. 4 85 Mit dem vederwische

Kert man benke und tische Und wedelt mit [den] koln. Wer ir bedarf, der heiz sie holn

60 nutzberliche M 61 Unglich M 74 spulen(t) ? 81. 82 krump drump M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 51

Unde bindenz den heim: 90 Dar under ftubet der melm.

Der mirz nit gelaubefc ein,

Ich zügez an die von Nuwenstein,

Die haben drunder ir ere bewatr

Vor den reinen frauwen zart, 95 Und die von Finnauwen

Lant sich in eren schauwen:

Die füren hals unde haubt,

Daz in lange ist erlaubet. Nu get [aber] der nutz an: 100 Mit dem bein pfifet man,

üaz die lüte werden hochgemut.

Hort waz man uf den betten tut,

Da die vedern inne sint:

Daruf machet man die kint, 105 Ein man mit sinem wibe:

Die reinen zarten libe

Würkent heren, furften,

Die sol nach eren durften,

Pfaffen, ritter, knehte, 110 (Ich wene ich rede rehte)

Burger und gebur.

Die rede wart mir sur

Unde tun sie bekant:

Der gense lob ist sie genant 115 Und hat getihtet balde

Der künig vom Otenwalde. Bi.200Sp.i Hie hat die rede von der gense

ein ende, Nieman sol mich dar üm[be]

phende.

IV.

Dicz ist von dem bade, Baz ist nieman kein schade.

Miner künsten lade Mfiz tihten von dem bade: Durch wie vil sache badet der man Daz wil ich roten, ab ichz kan.

89. 90 heln : mein M 90 stubt M 91 gelaubt M 114 genselob M

4*

52 Edward Schröder

5 Die ßnne haben mir geseit:

Einer bade durch reinikeit,

Der ander vor froste

Mere denne vor roste,

Der dritte gedenket, ez G. nutze, 10 Und badet für den urdrütze.

"Wer wil den vierden strafe?

Er badet, daz er geslafe.

Der fünfte ift in der maze:

Er bat, daz man ime laze. 15 Der sehte badet über lut,

Daz in jucket die hut.

Der sibende badet gahe,

Daz man ime daz haubet twahe.

Der ähte ift niht da heime 20 Und badet langseime,

Biz man ime kleider wasche.

Darum bat er niht rasche.

Der nünde badet uff er vart,

Daz man ime scher den bart. 25 Der zehende get auch dar

Und badet, daz er gut spar.

Der eilfte badet uf den sin, Bi. 200 Sp. 2 Daz man lone für in.

Der zwelfte der hat witze: 30 Er badet, daz er ges witze.

Der drizehende ist also behaft

Und badet durch geselleschaft.

Der vierzehende badet drinne

Und went, er süUe minne. 35 Den fünfzehenden müt und badet auch,

Daz er gerüwe, und flüht den rauch.

Dem fehtzehenden schüche swacht;

Er badet, biz mans ime gemacht.

Der sibenzehende [ist] wunt und nit ze geil 40 Und badet, daz er werde heil.

Der ahtzehende dünket ungeberde,

Er badet, daz er nühtern werde.

Der nünzehende gibt: „es müze mir tüge"

Und badet, daz er getrinken müge. 45 Der zweinzigest müz des bades gern

Vor sinen schuldern:

13. 14 moze : lazze M 18 haubt M 20 langsaume M 21 wahsse M 31 drizenhen M 35 funfzehende muwet M 36 fluhet M 37 seht- zehende M 38 bat M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 53

Wenne er sie niht zu rillten hat, So birget er sich in daz bat, Hertzoge von Sahsen schänden on, 50 Er giht, er habez auch geton. Nu ist daz bat so manigvalde Daz tiht der künig vom Otenwalde.

Ade . ade . ade , ade .

Diz ist uz vom bade.

V.

Diz ist die rede vom stro

Der sie sacht der vindet sie aldo.

Einer git geteilter vil,

Der ander nimt welhez er wil. Bi. 200 Sp. 3 Nu bin ich uberein kumen

Und han mir ein geteilz genumen: 5 Borten dar von liden

Die wolt ich lieber miden

Denne die vom stro:

Machen die lute fro.

Ez ift ein edelliche stuir: 10 Mit ftro enzundet man daz fuir,

Da becket man den lüten bi:

Daz lazze ich also ß.

Ez ift niht ein ungelaube:

Von ftro kument schaube, 15 Damit man nu decket

Und in dem ofen becket

Schonez unde ruckin.

Mit ftro senget man die swin,

Man ftozzet in die backen, 20 Die henken sie zu dachen.

Mit ftro man ftuben hitzet.

Man lit druf unde sitzet.

Dennoch weiz ich einen list:

Vom ftro kummet auch der mist, 25 Man tünget ecker, garten

Daz sage ich den zarten.

48 birgt M 49 one M 9 stuir M 10 enkundet M 14 hier und an vielen andern Stellen (18. 24. 28. 59. 61 usw.) wird der Vers glätter, wenn wir mit v. Bahder die z. B. in v. 57. 63 von der Es. bewahrte Dativ- form strowe einfuhren; ich habe mich aber dazu nur vor der letzten Hebung berechtigt gehalten. 17 Schonz M

54 Edward Schröder

Ich rede ez on ge verde:

Mit ftro ftrauwet man pferde;

Man kert, wisschet, ribet mit,

30 Daz man deste baz gerit.

Man ftrauwet eseln und küwen (Die lütten unde lüwen), Swinen, schofen, geizze. Uf stro wehset weizze, Bi. 200Sp. 4 35 Da werden wizze semein, Die weren gut bi hemeln. Uf stro wahsen rispen Die sin bezzer denne ispen , Da wird brimel, grutze,

40 Daz ist auch gar nütze, Und den pferden füter: Daz meint haber guter. Waz ufem strowe ste, Des wil ich ü sagen me

45 Ez wer anders gar verlorn: Gersten, dinkel unde körn. (Beide kichern unde ris Daz beheltet sinen pris, Erweiz, linsen, wicken.)

50 Uz stro kan man stricken Seil damit man bindet, Wes man niht derwindet. Daz stro deckt man bi die huf: Damit bindet man die reben uf.

55 Daz rede ich one haz: Korbe unde fütervaz Kument von dem strowe gut. Schaubin sezzel, schatehüt, Von stro b adehüte

60 Geben gut gemüte. Von stro schribestüle, Semfte und niht küle. Von strowe buckeler und schilt, Der mich noch nie bevilt.

65 Strowin schapel unde ring, Daz ist auch ein gut ding.

Der matten uf den benken Von stro sol ich gedenken.

35 wem M V. 39 42 Nachtrag am untern Band M, fehlt hei v. Bahder 43 stro M 48 sine M 53 decket M bl Kumt vom M 59 Vom M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 55

Mit stro blest man blosen wit, 70 Wa man sie den kinden git. Bi. 201 Sp. 1 Von stro ein kleines schaubelin

Stozzen frauwen spinnein in.

Man trit daz stro in den kleib,

Daz er bi einander bleib. 75 Daz stro sol man reichen,

Mit stro kan man zeichen

Säten die man sauwet,

Die snit man unde mauwet.

Uf stro brotent vische. 80 Vom stro ofenwische,

Damit man den ofen kert,

Des sich manig pfister nert.

Ufm stro backen wecke,

Die schüzzet in der becke, 85 Von dem stro kumet rauch.

Mit stro verstozt man flaschen auch,

Mit stro liihtet man nahtes hein,

Daz ieman stoze sine bein. Ich sage von dem strowe me: 90 Man strauwetz, daz man drufe ge,

Uf dem yse (daz ist ein list)

Und swa der wek entreinet ist.

Einz mir wol gevellet:

Mit stro man vögeln stellet. 95 Ich wil ez niht verderben:

Stro in saltzkerben,

Daz sie oben sin behüt.

Man stro in legein, butten tut. In daz stro machet man 100 Bükinge, der ez kan.

Wa man denne niht hat laub,

Man nimt stro unde schaub, Bi. 201 Sp. 2 Man bint drin wilpret, vische,

Die man treit zu tische. 105 Zwor ich wolte wette:

Stro under bette

Leget man, daz weiz ich wol,

Also man zu rechte sol.

73. 74 klab : blab M 85 Vom stro kumt M 89 vom stro M 90 druf M 96 in ] vn iif 98 butten legein, aber mit angedeuteter Umstellung M V. 103 108 ist (im Context) von der Hand a (MichaelsJ geschrieben M 107 Legt M 108 Als M

56 Edward Schröder

Mit rtro bewint man gerne HO Sicheln in der erne

Von dem stro kumet heil:

"Wa man hat hier veil,

Da fteket man uf ein stro,

Daz man ez erkenne do. 115 Vom rtro üseln wert,

Die man zu dem wahs begert,

Daz man in tafeln ribet

Und denne darin schribet.

Durch stro man laugen rennet, 120 Mit stro man lieht enbrennet.

Wer danne trinket durch den halm,

Daz druff stet daz mag er maln. Der rede solt ir gaumen:

Stro zu beltzbaumen. 125 Man leget stro under vaz,

Daz sie liegen deste baz.

Dennoch ist unverswigen:

Durch stro hefen wirt gesigen,

Daz heizzet grakolikin, 130 Daz izzet man bi dem Rin. Stro in komit

Fürt man in den landen wit.

Het ichs vergezzen, daz wer übel:

Uz stro macht man vensterschübel 135 Und stoze in die hüte,

Daz wil ich bedüte.

Einz wil in mir türme:

Mit stro tot man würme.

Stro in den eschen, 140 Damit sie koln leschen.

Dennoch han ich einz gespürt:

Mit stro man die zene stürt.

Noch sol ich begriffen:

Man hat [daz] stro zu pfiffen. 145 Mit stro besieht man broten

Zu Ostern (die sie hoten),

Mit stro man sie betraufet

Einem der sie kaufet.

109. 110 gern : eren M 111 Vom stro kumt M 114 manz M 117 tafeln aus vseln M 118 drin M 121 danne eingeschaltet M haln aus halm M 122 druff aus vf M 128. 129 stro w. g. Hefen daz M 135 stoz M V. 135—166 auf Bl. 201 r unten am Rande nachgetragen M 141 einz am Band nachgetragen M 147, 148 betrauft : kauft M 148 Eim M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 57

Daz rede ich one nit: 150 Mit stro man gut uf git, Ez si ho ader nider, Mit stro liht man ez in wider.

Von stro kumet keffech, Daz machet daz vihe frech. 155 Von ftro kummen agen, Sol man in ofen tragen. Man hat auch strobenke vil. Mit stro mizzet man die spil: Mit dem habn zühet man, 160 Einer gewint dem andern an. Mit stro rüren eier Swaben, Franken, Beier.

Ez ist noch niht betihtet gar: Stro zu dem nadelkar. 165 Wa man pfert verkaufen wil, Mit stro zeich [ent] man ir vil. Bi. 201 Sp.3 Über stro tut man win.

Der wirt klor unde vin. Stro man under setel leit, 170 Swa man pfert zu vil gereit In überigen hitzen, Wa lle [denne] geswitzen.

Stro man in die bucher leit, Davon wird ein underscheit. 175 Bambast unde strosag,

Der schuhe ich niht verswigen mag, , Da stozzet man stro in,

Daz die füzz iht liden pin. Strowin seten unde nest 180 Die sin lange vor gewest. l Zwar ez ist ein klüger sit:

^ Man zieret taschen, kappen mit

^j Und die jungfrauwen fchapal,

1:^ Die sie tragen liberal.

f: 185 Stro uf [dem] helme

* Fürt man in dem melme,

':■ Daz ist ein weideliche für:

Und sin auch die von Sahsenflür.

152 lihet M 153 kumt kefiehe M 154 macht . . freche M 158 mizt M 161 rurn M V. 169—174 oben am Bande nachgetragen M 171 vbegbigen 31 178 zum Anschluss hieran hat eine kaum jüngere Hand oben am Rand in M nacligetragen : Den ars wischet man auch mit stro

Des werden die verer selten vro. 183 jungfrauwe M 185. 186 heim : melm M

58 Edward Schröder

In der herferte 190 Hat man schaube herte;

Maniger dar nach gahet

Und herberge mit vahet.

Man stült mit unde tischet

(Daz ist unvermischet), 195 So hutten sie mit dem stro.

Daz sage ich hie und anderswo:

Snahtes liget maniger druf,

Mit liebten schrien sie: „heb uf!" Mit stro kan man dempfen: 200 Wa man denne wirt kempfen,

Mit ftro macht man kreizze;

Dinne wirt in heizze,

Wa man denne turnieret,

Mit ftro wirt gezieret Bi. 201 Sp.4 205 Die wehen zäum und die ros,

Die da waten durch daz mos,

Daruf man eren weitet

Und den pris beheltet.

Ich spriche daz uf mine zuht: 210 Uf stro wehset reine fruht,

Damit man kumer büzzet.

Daz stro si gegruzzet!

Da minnet man sich ufe:

Dar uz wirt ein hufe, 215 Davon lüte werden.

Ez wehset uz der erden.

Von stro kumet hoher müt,

Daz von der siden niht entüt. Der also gewaltig ist, 220 Der hat gemäht den list

Und ez allez bedaht

Daz er hat voUebraht.

Und denne der kloren oblaten,

Dem sol man niht geraten. 225 Daz rede ich one spot:

Darin kumt der edel got,

In reiner priester hende

Lezzet er sich wende,

Darum daz wir sin haben frumen 230 Und daz wir zu gote kumen;

213 mint M uf, e von anderer Hand zugesetzt M 215 vor lute durch- gestrichen ein M 217 kumt M V. 219 222 unten am Band nachg etragen M 219 als M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 59

Daz siüle wir ime getruwe

Und nit die minner büwe.

Also hat gesprochen yoch

Der künig vom Otenwalde doch.

VI. sp. 197 sp. 1 Diz ist ein rede von dem schafe,

Die sol nieman nit tu strafe.

Getichtes han ich nu derdacht, Darzii hat mich ein frauwe bracht, Die hat ein edelichen man. Ich nenne ir nicht, sie loube mirs dan.

5 Man sol michs uugefraget lan! Sint ich es ir verlobet han, So hebe ich an schire Und sage von eime thire Und tichte von dem schafe.

10 Man wache oder slafe,

So hot man sin nutz und ere. Wer mir daz verkere, Der tedte mir unrechte. Die herren, ritter, knechte,

15 Die sich der schaf nu begen, Fürsten, greven dar noch sten, Daz He an den schafen haben teil. Nu ist ez niht ein groz unheil, Wer ir hat den vollen.

20 Sie tragen auch die wollen, Die man weschet unde schirt, Da nu riche wat uz wirt. Die hüte man auch gerwet. Die wollen zceyset, verwet.

25 Sie kemmen unde spinnen. Damit sie gut gewinnen, Sie haspeln unde winden Vorne unde binden, Sie spulen, weben, walken,

30 Damit lie auch wol schalken.

Am Schluss von Hand a in M:

Hie get uz der rede vom ftro

Quere plus in fine huius voluminis in tertio folio. 5 mich' von späterer hand für mich sin M 10 slaphe M 14 hern rittere vn M

60 Edward Schröder

Bi. 197 Sp. 2 Sie wollen sich auch niht schäm,

Sie spannen ez an die ram, Sie smiren, karten, strichen, Davon sie sich geliehen.

35 So mezzen ez watmenger.

Und wirt geschorn mit der scher; Die snider schroten manig cleit: Da gewinnet ez ein underscheit. Weme schaf geraten wol,

40 Dem wirt kiste und käste vol, Er hat auch golt und silber, Stir und auch die kilber. Der maniges wol gedihet, Daz manz zu oftern wihet.

45 Sie sint groz unde dein

Und cleident füze unde bein Mit hofen und mit focke. Auch füter unter rocke; Sie cleyden houbt unde Hb,

50 Sie zirent man unde wib, Knaben und die meyde, Sie brengen augenweyde Mit manteln und mit rocken gar. Ir nemet der kursenbelze war:

55 Die sint swarz unde wiz.

An tenisch legit maniger fliz: Daz inist kein klugheit, Wenne man sie vor die kelte treit. Waz nutzes an den schaf en lit,

60 Taphart, kutten, kotzen wit, Muniche und nunnen schepeler, Die sie tragent vil gewer. Bi. 197 Sp. 3 Man solz auch in der kirchen han,

Wenne ez tut der prister an,

65 Hüben, surkat, sufen, Suknie, vilze, gufen, Tücher ubir bare, Daz sage ich vor wäre: Man henkit sie ubir den wagen.

70 Davon muz ich sagen: Fiirbüge, setel, afterreyf, Daz man mit tuche begreyf.

32 Spannes M 33 smirn M 44 man ez M 50 wip M 59 scafen M 63 sol ez M 65 suphen M 71. 72 afterreyfe : begreyfe M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 61

Und maniger hande flecke,

Daz die hut icht blecke. 75 Molken, ziger, scheffekese,

Der milch man auch wol genese,

Bruwe von kesen herte

Weren gut geverte,

Auch butem von den schafen 80 Die sol nieman strafen.

Zu vasten ez sich junget.

Mit schafen auch man tunget. Hort der wehen liste:

Sie vischen mit dem miste, 85 Da siehe phert uf stallen.

Daz sage ich uch allen.

Noch mer nutz daz ich meine:

Fleisch, fuze und beine,

Krose, haupt, hirn, sülzen gut, 90 Zungen, unslit, kappen, hut

Kumet von den schafen vil,

Und manig suze seitenspil

Kumt von schafe darmen.

Ich sagez riehen und armen. Bi. 197 Sp. 4 95 Auch wollenslcher snure,

Sullent si vaste rure.

Ir sullet auch vememen:

Man vindet in den kremen

Hantschu. rymen, bütel, 100 Daruz so werden kütel.

Nu wil ich beduten:

So werden uz den hüten

Gürtel, taschen unde schüch

Hosenestel, pergemint und buch, 105 Futervaz, watsecke.

Darin man cleider stecke. Scheffin leder ist gesunt.

Wer ist in den vinger wunt,

Wo die bösen bloteren sin, 110 Da hört ein wullin fadin in.

Wer dan hat ein materaz,

Der lit in reisen deste baz,

Und ist von wollen gemacht.

Ir hat der deckelachen acht, 115 Geformet und geviret,

Damit man beste ziret.

80 straphen M 90 and hut M 91 Kumt M 93 Kumet M

62 Edward Schröder

Damit (?) hat man sie auch ruch, Die legt man über vor den schuch. Lederlachen malet man

120 Daz tut einre der daz kan Mit tyren und (mit) merwunder: Man minnet drufFe und drunder. Der edeln frauwen namen Die wirken an den ramen

125 Mit iren claren henden Tucher bi den wenden, Bi. 198 Sp. 1 Zyechen unde teppich,

StuUachen, daz sage ich, Gurte haben sie uzderkorn

130 Und einz, dran henket man daz hörn. Von wollen manige snure dar, Und die sie flechten in daz har, Die kurzen und die langen. Und da die hüte an hangen.

135 So hant sie bruche wullin, Da zihent sie sich unten in (Des hant sie sich beraten), Daz note ire veter taten. Von den schafen gemeit

140 Kumen riche wapencleit. Decke und coopertur. Von schafen gehur, Des maniger wirt gefrumt Und weidelichen kumt.

145 Uf dem heim stent die wider Beide hoch unde nider. Krump gehorn tragen die stern. Die sint gut zu luchtern.

Der kunig saget von schafen vil,

150 Und im doch keinz beklibe wil. Nu wol, so begen ich mich, Die sie habent, da bin ich.

Ein iglich erzebischof, Wil er kumen in de)i hof,

155 Der sol habe ein pallium,

Daz muz von den schafen kum. Daz schaff vil manigen riebet. Nu höret weme ez glichet:

118 legit M 121 merwundern M 122 dar uffe und darunder M 130 daran M 144 wedelichen M 157. 158 rieht : glicht M 158 hört M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 63

BL 198 Sp. 2 Wanne man ez tötet,

.160 Keins schrien s ez sich notet Daz habet uch vor keinen spot: Also tet der edel got, Willichlichen er ez leit. Sin riche wolle uns sin bereit, 165 Daz wir alle kumen dar in Des helffe uns die muter sin.

VII. -

Von den langen berten der lute,

Die sie von zehen Sachen tragen hüte.

Hort der spehen funde, Die wil ich uch künde, Die laufen in der werlde hin: Als manig haubt als manig sin!

5 Mich duht in einem träume.

Wie unter einem bäume Ein fchone frauwe mir widergienk, Die mich fo tugentlich enphienk. ich dankt der erentrichen.

10 Do fprach fie zuchteclichen:

,,Saga, kunig, war ftet din ger?" Ich sprach: ,,frawe, ich wil da her". Sie fprach: ,,ich folt dich frogen: Wolt ez dich niht betrogen,

15 Eins solt du bescheide mich".

Sprach fie, ,, kunig, des bit ich dich." Ich sprach: ,,frawe, nu sagent an. Ich bescheide uch wes ich kan" Do fprach He zu mir life:

20 ,,Du folt mich unterwife, Die die langen berte tragen. Von den solt du mir etwaz sagen. Bi. 198 Sp. 3 Wie fie daz nu gemeinen.

Des solt du mich vereinen:

25 Ob einer als für fech oder als füz, Oder ob er in trage müz."

160 Cheins M 1 der, vgl. VI 83 ] die G 2 euch künden G 5 frauw" i¥9 erentrichen so MG 11 gir G 12. 17 u.ö. fraw' M 14 niht fe.hlt G 17 nun G 20 solt fehlt G 25 si'ch M sie G

64 Edward Schröder

30

„Frawe, daz sage ich nit von in", Sprach ich, ,,ich weiz einen andern lin". Do fprach die frauwe wolgetan: ,,Den folt du mich wizzen lan".

I. Worumbe der erste treit den hart Ich sprach: „frawe, einer treit einen zorn Gen eim, der hot sin huld verlorn, Der tet ime einen widerdriez, Daz er ime felbe gehiez, 35 Daz er nimmer bart geschirt, Biz er an im gerochen wirt; Darumb er sinen bart nu treit, Ez ieman lieb oder leit".

II. Von dem andern harte. Die frawe fprach: ,,nu fag mir me,

40 Wie ez umb den andern ste." ,,Der ander hat einen andern list, Daz er ein schult schuldig ist, Daz er den bart niht schern wil abe, Biz er die schult vergolten habe.

45 Der selbe dunket sich gewer:

Dar umb wil er den bart nit scher".

III. Von dem dritten barte. Die frawe sprach mit sitten: ,,Nu sag mir von dem dritten". ,,Der dritte wil eine wallevart:

50 Dar umb treit er sinen bart, Daz er des niht wil werden an, Bi. 198 Sp. 4 Die wallevart sie vor getan.

Und treit in auch dar umbe Die sliht und auch die krumbe".

nn. Yon dem virden barte. 55 Mich frogt die edel frauwe gut.

Wie der vierde wer gemut.

,,Der vierde ift im selber zart

Und lat wahfen finen bart,

Daz ez bedut die manheit. 60 Dar umb er sinen bart nu treit".

30 due M du G die roten Ueberschriften fehlen G 34 er fehlt G selben G 35 Dar M 38 ieman ] im if 43 den fehlt M 48 vmb den G 51 des barts M 54 sliht M krumme MG 58 wahsche M 59 bedeutet G beduht M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 65

V. Von dem fünften barte.

Die frauwe fpracli: .,nu sage mir baz Von dem fünften etewaz". „Der fünfte want dem barte by Und ift sins mütes also fry, 65 Der meint fiir ander lute tun Und treit sinen bart durch rün. Nu lert mich ie min tummer sin, Geschehs, man saget ez von in".

VI. Von dem sehsten barte.

Die frawe sprach: ,,nu sag mir bi der zit", 70 Wie ez umb den sehsten lit''.

„Der sehst ift ein gevangen man, Daz er gerne were von dan, Daz er sinen bart wil trage, Biz daz man in ledig sage".

VII. Von dem sibenden barte.

75 Da sprach die edel frauwe zart: „War umb treit der sibend bart?" „Der sibend treit in hin und her, Als billich als dir und der. Also meint er an dem sinne sin Bi. 199 Sp. 1 80 Und treit den bart drumb uz und in".

Vin. Worumb der ahte bart trage.

Die frawe sprach: „nu trachte:

Wie lebt danne der achte?"

,,Der achte in im selber tobt:

Er hat als ture gelobt, 85 Daz er ein wil minne,

Die hat er in dem sinne,

Daz er den bart niht scher wil e,

Biz daz sin wille an ir derge.

Darumb treit er sinen bart. 90 Nu seht, wie lit ez dem so hart".

61 die sprach M 62 etwaz M 64 sines MG also fehlt M 65. 66 tun : run M 68 Gescheh ez G saget ez ] sagts M sagt G 69. 70 zi't : liet M 79 in den sinnen G 80 darumb auch M 82 dan G 83 aht M 84 tur M 85 ein ] in G 85. 86 minnen : sinnen G 87 scher ] sehen G 88 erge G 90 liet M

66 Edward Schröder

IX. Von dem nunden harte. Die frawe sprach: ,,nu sage mir: Wie gevellet der nünde dir?" ,,Der nünde treit in durch sin lieb, Und ist er doch kein minnendieb.

»5 Niht anders so gert er daby, Wenn daz er ir Hb auch sy, Und meint sins herzen frauwen. Mit hart lat er sich schauwen Bi.i99Sp.2 In irem dinst ze aller zit.

100 Wart, wie na ez deme lit".

X. Wovon der zehende trage bart. Da sprach die vil gehure:

,,Nu tu mirs zeiner sture, Weist du von dem zehenden iht, Des solt du verswigen niht."

105 ,,Ich sag uch, frawe, in kurzer frist: Dem zehenden ez gesetzet ist. Wer bart in sinem orden treit. Durch got so lit er erbeit. Niht anders kan ich mich verstan,

110 Wor umbe fie die berte han".

Die frawe fprach: ,,ich bin nit am, Damit han ich daz ervarn." Sie fprach: ,,kunig, got lone dir!" Sie kert sich umme und gienk von mir.

115 Do ich der frauwen nimmer sach, Sie rief herwider unde sprach: ,,Kunig, dir ist einz vergezzen, Daz solt du noch drin mezzen". Bi. i99Sp. 3 Ich sprach: ,,frauwe, on allen haz,

120 Saget ir mir, waz ift daz?"

Sie sprach: ,,da liez ichs gut sin, Daz im der bart niht in den win Hienge, wan er trunke. Und ime her ab iht sunke.

125 Von reinelichen ryspen,

Von salbein und von yspen Dar ab wer bezzer trunken zwar. Dann von irem hartes har".

98 la G 100 nach G 102 zu einer MG 106 ez ] er M 107 Der G sim M 108 got fehlt G 118 dar in MG 119 one M &n G 120 ir mir ] mir nun G 121 daz liez ich alles sin G 122 im ] in MG 123 Hieng M 124 ich G 128 barts M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 67

Ich sprach: ,,frawe, nu wol hin, 130 So get ir unde sagets in. Ich wil, zarte frauwe min, Da mit unbeworren sin".

vm.

Bi.277Sp.i Ditz hot gelichtet kunig Ton dem Otenwalde: Ton der muse rat uff die katzen, daz da get uff die da raten daz sie nicht tun wollen.

Ein richer man der hett ein hus,

Darinne wonet manig mus.

Ein katz die tet in manig leit.

Die braht sie [dicke] in arbeit: 5 "Welch mus ir was entrannen,

Die ducht, sie hett gewunnen.

Si wonet bi in drinne:

Die muse warn in dem sinne,

Wie sie mit der katzen teten, 10 Daz sie vor ir fride heten.

Der muse was vil zesamen komen

Und hetten einen berat genomen,

By einander warn sie gewesen.

Wie vor der katzen sie genesen, 15 Ein fumeme spiczmus

Gar kundig in dem hus

Die sprach: „mich dunket einz gar gut,

Davon wir alle sin behüt".

Die andern sprachen: ,,nu sag an! 20 Du machst sin uns auch immer man,

Und gib uns dinen truwen rat,

Wan ez uns kummerlichen stat".

Sie sprach: ,,nu lazt uch wol behagen,

Ich wil ez uch joch ietzunt sagen. 25 Nicht bezzers ich erdenken kan:

Da sollen wir henken an

Der katzen eine schellen,

Die sol gar lut erhellen,

Wa die katze here ge, B1.277 Sp.2 30 Daz wir uns verbergen e,

132 unbewoUen M

1. 2 hus : mus M 10 hetten M 28 lut M

68 Edward Schröder

Wan die schelle erklinge.

Daz sul wir voUenbringe" .

Die andern sprachen: „wol dich wart!

Daz din ie gedacht wart,

36 Daz was ein edel stunde, Sit du mit dinem munde Uns sogtan lere kanst geben, Daz wir fristen unser leben. Und ist allez wol bedacht

40 Hett wir ez auch voilebracht!" Ein alte mus die was wise, Beide gro unde grise, Die saz mitten under in Und sprach: ,,ez ist ein klüger sin!

45 Dunkt ez uch dann alle gut,

Sol ich dann sagen minen müt?" Die andern sprachen alle: ,,ja!" Do redde sie hinwider da Und sprach: ,,du solt auch bedenke,

50 Wer der katzen die schein an henke, Daz sie ir icht abe valle!" Secht, da swigen sie alle. Sie zugen iren ödem in, Ez ducht sie nicht gar gut sin.

55 Die vor da hetten grozen bracht, Der wart aller widermacht. Die alte mus die sprach in zu: ,,Berot ir uch biz morgen frü: Welch dann die schelle an henke wil,

60 Die kume bie dem selben zil". Des morgens qwam ir ir keine dar : B1.277 Sp.3 Sie bliben alle uzze gar.

Diz bispel bedutet die reter. Die vil geroten hin und her:

65 Wann mans ding sol grifen an, So gent sie alle verre hindan. Maniger git dem andern rete, Daz er selber note tete; Daz mag man bi den smeichern spur:

70 Die bringen sich mit Worten für Wann ez an den ernest get, Daz ir keyner dann bestet.

40 auch ] oegg M 42 grä M 48 Do redde ] Redden M 56 wider mabt M 63 rether M 66 verre hindan ] hin verre in dan M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 69

Wer niclit bliben wil daby,

Der solt in keinem rate sy. 75 Der by dem dinge bliben wil,

Der ret ez billich unde vil.

Der selben keiner wenket. Ir farsten, die bedenket!

Helfet den dy bie uch bliben 80 Und sich niht lan von uch triben.

Ez lege herren dicke swer,

"Wann ir frumen diener,

Die haben elenthaften mut.

Den solt ir mite teiln uwer gut! 85 Tut hin die vederlesen!

"Wer wil mit den genesen?

"Wirt er gein in vermutet,

Si lazen in, so ez giltet.

Die lib und gut da wagen 90 Mit frunden und mit magen,

Die selben daz ding derwinden,

Die lazen uch dort binden.

Lat ir varen die smeicher hin : B1.277 Sp.4 Ir siet unbewart mit in.

95 Also hot der kunig getichtet doch,

und get die katze one schellen noch.

IX.

Ditz ist ein rede yon dem swin Und auch yon dem nütze sin. Die hot getiht so balde Der kunig Tom Otenwalde.

"Wan ich niht nüwe bin, So sprichet maniger: „nü wol hin! "Wir solden haben ein nüwes, Kunig, tihte uns ein getruwes!" Sider ich danne müz nüwe sin. So wil ich tihten vome swin. Ir schrien mag man billich doln Von in küment lebersoln.

74 rat M 81 h'rn M swere M 82 dinnere M 89 übe M 92 uch ] dich M 6 vom M

70 Edward Schröder

Gefüllet und gebroten:

10 (Nu wol in die sie boten!) Gebrüet und gebecbet, Des sint sie ungeswecbet.

Nu sol icb betrachten Wurste in vier achten:

15 Vom hirne und vom sweize, Auch leberwürste heize, und wurste vom brote, Die behelt man spote. Braten bie der glüte

20 Geben auch gemüte,

Betreifte sniten drunder, (Daz inist kein wunder). Höbet, oren, zegel, füz Und einez damit ez rüz,

25 Und die vier swinin bein B1.278 Sp. 1 In ezzig und in galrein ;

Zunge, mutze und den magen, Davon müz ich kunig sagen: Davon werdent biegerichte.

m Nu merket, waz ich tichte!

Die blasen nützet man auch wol, "Worzü man sie nützen sol. So hot man spek uff erwiz In daz hün und an den spiz.

36 Wa gesoten hünre sin.

Daran hört spek und peterlin. Dannoch leg ich einz darbi: Griben in müz und uff die bri. Phankuchen und krepfelin

40 Küment alle von dem swin. Klozze vom buzl Die dünken sich so hüzl. Edel wiltbreht so ist daz.

Ich sage uch vom swme baz:

45 Schultern unde hammen Nerent meide und ammen; Vom swine kument veizte krut Sie ezzent brütgam unde brut. Ez ifb ein gewonlicher sit:

50 Man bezzert alle koft damit.

9. 10 gebroten : boten M 11. 12 gebecht : ungeswecht M 15 hirn M 15. 16 sweiz : heiz M 17. 18 brot : spot M 21 Betreift M 24 einz M 33. 34 erweiz : spicz M 36 gebort M 37. 38 daibie : bri' M 44 swin M 45 Schulthern M 47. 48 krut : brut M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 71

Ein speclin an die vische,

Daz mich daz icht verwische!

Die zene nützet wer ez kan,

Ez sin frauwen oder man. 55 Die grozen smerleibe unde smalz,

Darzu müz man haben salz.

Man smirt damit an maniger stat Bi.278Sp.2 Leitern, daz sie werden glat.

Bucher, setel, bugkeler 60 "Werden von der hut gewer.

So haben danne die smide snel

Von der hiite schurtzevel.

Riemen uff dem helme

Furn sie in dem melme, 65 Nehften und vurbinden,

"Wa sie sie veil vinden.

Riemen zu dem scharsach,

Daz selb ich hört unde sach,

Daz er daran strichet vil, 70 Wan er die berte scheren wil.

So vint man von der hüte bereit

Gurtein smal unde breit.

Ich sag uch von den bürsten wor:

Damit suchten sie daz hör; 75 Ein ieglich schüchworchter

Mag der bürsten nicht enper;

"Weber und auch die moler

Haben zu den borsten ger,

Darzü ein ieglich goltsmit 80 "Wirket auch sin werk damit.

Mit den borsten machet man

Gleser schoen, wer ez kan.

So sin danne die bürsten edel:

Man tut sie in den wihewedel, 85 Den man nützet auch durch gut,

Daz man got hab in siner hüt.

Der kunig hat gemachet daz:

"Wer ez nu kunne, der tichte baz!

51. 52 vische : verwische M 54 sint M 81 mäht M 85 nutzt M

72 Edward Schröder

X.

Bi.278Sp.3yoii dem wolfe, vom huiide und von dem esel nnd von irre bichte.

"Waz guet gemute machet

Und wes man vil gelachet,

Wo ich daz mocht gelerne,

Daz wolde ich tichten gerne. 5 Dru tier die wolten wallen,

Daz "wil ich sagen uch allen:

Wolt ir des nicht empern,

Ich laz uch wizzen, wer si wem.

Ein Wolf, ein Esel und ein Hunt, 10 Die taten ire sunde kunt,

Ir eins wolt dem andern bichten

Und iren sunden lichten.

Die sunde wart dem dritten swer!

Nu höret wunderliche mer. 15 Der Wolf zu dem Hunde sprach

Nu muget ir hören, wi er jach:

„Hunt, höre mich, als tun ich dich."

Der Hunt sprach: „gerne, daz tun ich.

Wolf, sich: ich wil dir geben trost, 20 Daz du von sunden wirst erlost".

Der Wolf sprach: ,,so hebe ich an.

Wo ich by dye gense quam,

Waz ich der mochte erbizze,

Daz tet ich wol mit flizze, 25 Si weren krump oder siecht".

Der Hunt do jach: „da hette du recht".

„Des nachtes brich ich in den stal,

Dy schaff derbizze ich uberal,

Waz ir nicht mag, dy lazze ich ligen.

30 Sich Hunt, hyezu bin ich gedigen".

Bi.278Sp.4 Der Hunt do sprach: ,,la hine gani

Ez ist allez wol getan".

,,Ich beyz ein swin, pfert und eine kü".

Der Esel stunt und horte zu 35 ,,Wann ich danne undir daz vihe lief,

So enruchte ich waz der hirtte rief,

3 mochte M SA gelern : gern M 1 ir des ] irs M 29 die Aender- ung waz [ich] ist kaum nötig

Die Gedichte des Königs vom Odenwal«le 73

Da karte ich mich wenig an:

Waz mir fuget, ich trug ez hindan.

Ich leyt mich drüber und az mir gnüg". 40 Der Hunt sprach: „daz was din gefug".

.,Niht mer so wil ich bichten dir",

Der Wolf sprach: ,,Hunt, nu bicht ouch mir!" Der Hunt sprach : ,,daz wil ich tun :

Laz mich haben dinen sun!" 45 Der Hunt sprach: ,,ich wil verjehen,

Daz ich dich dicke han gesehen,

Daz du etwaz trüge

Swer und ungefüge.

Ich wart an dich gehetzet: 50 Du wurde nye geletzet

Von mir, ich liez dich lauffin hin;

Andirswo stunt mir der sin.

Mich schulten vrawen unde man,

Ich dorste den Wolf nicht griffen an; 55 So ziimt min herre und sin knecht."

Der Wolf do sprach: „daz were unrecht,

Daz yeman an dir reche,

Daz du din truwe nicht breche."

,,Wann man min danne nicht gar wol phlag, 60 So beyt ich bitz hin kam der tag:

Waz ich kese in der stuben vant,

Di gaz ich alle do zuhant, Bi.379Spi Ez were küche, vleysch oder brot".

Der Wolf do sprach: ,,des tet dir not!" 65 -Ich bizze ein verlin, ant oder hün".

Der Wolf do sprach: ,,das salt du tun".

,, Nicht wil ich dir bichten me,

Frege den esel, wiez im st«".

Der Wolf do sprach: ,,nu sage mir, 70 Esel, wie ist ez gangen dir?

Alle dine sunde

Salt du mir hye künde".

Der Esel sprach: ,,waz sal ich sagen?!

Ich han grozze secke getragen, 75 Siege han ich vil derliten;

Ich bin ouch gellecht geriten.

Ich trug auch kotzen die woren swer."

Der Wolf jach: ,,was sollen dise mer?

:-i9 acz M 43. 44 tun : sun M 5,5 meyn M 59 meyn M 63 vleychs M 65 oder ] ein M 72 künden M 75 derliden M

74 Edward Schröder

Du bist mit sunden ubirladen! 80 Sag, wem du getan hast schaden."

Der Esel sprach: ,,so bicht ich baz.

Eins morgens was ez sere naz:

Ich gieng ein hohen berg [hin] uff

Und trug gar swer uf miner huff. 85 Min meyster der do vor mir gieng,

Daz heu im uz den schuhen hieng,

Daz er drin hatte gestozzen.

Do mochte ich nicht gelozzen,

Daz ich mich nider bücket, 90 Ein wenig ich do gezucket:

Dazu mich der hunger twang.

Darnach stunt aller min gedang.

Daz ist daz groste daz ich ye getet

Daz bicht ich hye an dirre stet." Bi.279Sp.2 95 Der Wolf sprach: ,,hastu daz getan?

We, wie muez ez dir dergan!

Ez wirt an dir gerochen:

Du hast din trüwe gebrochen

An dime rechten herren! 100 Din schade der muez sich merren.

Zucket ich einer gans eine feder,

Man sprach, ich hette gezzin leder."

Der Wolf sprach : ,,Hunt, du solt mir sagen:

Waz büze sol der Esel tragen?" 105 Der Hunt sprach do sozehant:

,,Do hat er den Ein verbrant!

Der babist kondez im nicht vergeben !

Ich wene, ez koste im auch sin leben.

Nicht anders kan geraten ich." HO Do sprach der Wolf : ,, als dunckt auch mich." Der Wolf der beyz do forne dran.

Der Hunt der greyf in binden an.

Da waz nichtznicht wider:

Der Esel lag dernider. 15 Also get gewalt nu vur daz recht

Und bricht daz krumme für daz siecht.

Wer den andirn ubirwinden mag.

Der stozzit in gerne in den sag.

Wem manz ding gelimphen wil, 120 Waz der tuet, daz heyzzet spil.

81 beicht M 82 Eins morge M 86 hyeng M 87 dorin If 90 do sin Jf 92 meyn M 95 wegen der sprichwörtlichen Anspielung in v. 102 ist vielleicht der Hunt der Sprechende? 100 mern M 110 also duncket M 113 da ] daz M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 75

Wem manz nicht [wil] gelimphen, Mit dem wil nieman schimphen. Veit der stein uf den kriig, So wirt er zerbrochen gnüg; 125 Veit der krüg uff den stein,

So kumpt er selten gantz hin heim B1.279 Sp.3 Also tet der "Wolf und der Hunt:

Dy gazzen den Esel in den slunt.

Der künig gar unmüzig was, Biz daz zusamen er ez gelas.

XI.

B1.280 sp.i Ein rede des knnges von dem widereffen.

Kond ich getichte vinden, Ich wolte nicht erwinden, Ich tichte wiez in der werlde stat. Mit eren manger sich begat,

5 Manger auch nach schänden strebt: Und daz ist ungelich gelebt. Von den snoden wil ich varn, Mit den byderin mich bewam, Die nach steten truwen sten

10 Und mit tugenden sich begen. So tiht ich von der werlde list, Der manigvalt verborgen ist, Und auch ist offenlichen Den armen und den riehen.

15 Ein list der heizt das widereffen,

Dorumb so soll mich nieman treffen. Daz effin manigvaltig ist, Daz nieman kan den selben list Volschriben und durchgrunde.

20 Alle tage nüwe funde Vinden die uf erden sint. Daz ist der vater und sin kint; Die Stent nach argen listen, Und heizzent alle cristen.

25 Mangem mak man nicht getruwen, Daz ieman mog uf in gebuwen.

126 heym M

11 tiht, e wol übergeschrieben M 13. 14 -liehen, riehen, e nachträg- lich übergeschrieben M 23 listen M 26 gebuwen M

76 Edward Schröder

Ein bruder wider bruder ist,

Igslicher der hot sinen list;

Ein kint ist wider den vater sin, 30 Dorumb so muz er liden pin;

Ein frawe auch efFt iren man; B1.280 sp.2 "Wo er sich niht behüten kan.

Daz ist ein ungetruwer list,

Des manig fraw unschuldig ist, 35 Die man darzu nicht nennen sol.

Manig erber wip ist tugende vol,

Die mannen geben guten mut

Und doch vor schänden sint behut. Ein widereffen muz ich rure: 40 Man sweret nu die grozten swure,

Des sie wenig sin gebeten.

Got wolle die argen sweren jeten

Uz der guten lute samen!

Die von guter art ie kamen, 45 Die suUen miden unrecht sweren,

Damit sie die sele neren. Ein widereffin ich bedute,

Daz effin triiFet gar vil lute:

Raub und brant daz ist ir site, 50 Da woln sie lop irwerbe mite.

Wer des allermeist nu tut.

Der ist frey und hochgemut.

Lamparten, Pruzssen und Tusckan,

Da kerent sie sich wenig an, 55 Und wollen doch sin gesellen

Und graben under die s wellen.

Hievor man über swellen gie,

Drunder hin sliefent sie:

Daz ist auch ein widereffen, 60 Damit sie mangen treffen.

Ift daz allez niht geeffet gnug

So wer der kunig niht gar klug.

40 swert M 43 gute lothe M 44 guther M 48 trift M 49. 50 sith : mithe M .51 nu tut M auf V. 62 folgt noch: Daz sprach ein alter ezzigkrug M

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 77

XII. B1.280 sp.3 Ein rede des kunges von dem ungelimph.

Hie vor was truw und eren spil:

Die ist auch noch und nicht so vil.

Funden ist ein nuwez reht.

Hievor was ritter oder kneht, 5 Er hiez den vinden widersagen;

Ee er uf sie wolde jagen.

Ein andern site habent sie:

,,Ich sach sinen kachelofen nie"

Gibt einer unde brennet in; 10 Also stet des selben sin.

Ein ander ist vermezzen:

„Ich han keins phawen gezzen

Mit im'' gibt er zu der stunt,

Niht anders widersagt sin munt. 15 Daz ist ein böser sitte !

So sprichet dann der dritte:

,,Er ist min gevater noch min tot,

Ich bin als bald do als eyn bot,

Der im widersagen sol. 20 Ich wil sine kuwe hol."

Hievor ein werder furste reit

Mit graven, herren unverzeit

Uf der beide und durch daz gras,

Aldemach er danne was. 25 Ein ritter gut der hilt daby:

„Wie manig ros mag da gesy?

Sprach er, der mirs wolte spehen!"

Ein rischer sprach: „ich wils besehen."

Er reit zutz in und besach, 30 Er quam erwider unde sprach,

Als er gebrufet hete; Bi289Sp.4 Daz seit er ime stete.

Der rosse der ist vil abkumen;

Ein nüwe frag hon ich vernumen: 35 Man solt noch krönten helmen fregen

Die sint wol halbe underwegen.

Bekelhuben, slappen

Furten ritter und knappen ;

7 siten M 17. 18 toet : boet {oder toct : boct ?) M 31. 32 het : stet M 32 im ilf

78 Edward Schröder

Sich wandelt ir gemute: 40 Ez kument an kezzelhute, Daz man sie nennet uberal Und sie brufet an der zal. Nu wil ichs lazzen underwegen: Sie sint doch gut für den regen 45 Und geben für die sonnen schaten. Innen haben sie badewaten Sam mir der heilige Crist! - Daz ez ein schemlich wopen ist Einem riehen ritter gut, 50 In fürt dan einer vor armüt. Ez ist niht ein guter schimph Und heizzet wol ein ungelimph.

49 richer M

"»X—

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 79

Anmerkungen.

F- B. = Fedor Beck, v- B. = v. Bahder I.

3 f. glocken guot (der Gegensatz dazu boese glocke in Konrads v. Haslau Jüngling V. 909) lutea (correcter lüten) tuon „gute Glocken zum Läuten bringen" d. h. „Gutes laut nachreden". F. B.

12 der man sich über bebt war ich geneigt, mit v. B. zu über setzen „von der man sich aufhebt'' ; F. B. übersetzt „auf die maji sich ettcas einbildet", „die tnan für überaus köstlich hält".

27 der luten, der schwaclie Genetiv hat eine Parallele in miner kunsten IV 1.

31 Die zeben flegelbute icie 187 die zeben adem (F.B.)

83 silbalsen „hab ich sonst nicht gelesen; balse nicht = Kummet (v. B.J, aber ein Riemen, der die Stelle des Kummets [besonders] bei den ZugocJisen vertrat (?), vgl. seibogen et strenge in den Erfurter Weistümern hrsg. v. Kirchhoff 44, 14" (F.B.)

100 swert und mezzer beide; ich hob es nicht für erlaubt gehalten, den Lativ in den Reim beiden ( : scheiden) einzu- führen, da auch swert und mezzer ohne die zu ericartende Kasusendung sind; dieselbe Unterdrückung der Flexion auch V 33 swinen, scbofen. geizze (:weizze) und VI 121 mit tyren und merwunder ( : drunder).

115 kurin bleibt unerklärt; v. B. idll es als Plural eitles kürie zu frz. courroie = lat. corrigia stellen, F. B. ist ge- neigt, darin ein nachgestelltes Attribut kurin „ledern", „coria- ceus" zu erblicken.

132 pfül (:stül!j für pfulwe bleibt eine auffällige Form, die icie Vermengung mit pfuol „palus" aussieht; aber die Vermengung ist schliesslich nicht sonderbarer, als der Zusam- menfall von Eis und Eisen u. ä. in andern Dialekte?!.

150 man begreif (sc. mit Rindsleder), vgl. VI 72 Daz man mit tuche begreyf, ico auch zugleich unter dem Reim-

80 Edward Schröder

zwang das Präteritum statt des Präsens wiederkehrt. Diese sprachliche Freiheit oder vielmehr Rohheit ist für unsern Reimschmied charakteristisch: vgl. die sie hoten ( : broten, gebroten) für die si haben(t) V 146. IX 10, daz ez bi ein- ander bleib ( : kleib) V 74, und sogar der Konjunktiv daz man deste baz gerit ( : mit) V 30.

165 luneln der Hs. erklärte v. B. für die tat. lunulae, „mondförmige Zierstücke aus Metall'^, was aber \J hier keinen Sinn gibt und 2) in Deutschland sonst unbezeugt ist. So hab ich die Konjektur von F. B. in den Text aufgenommen: limeln (für limmeln) aus limbeln sind „Schuhflecke' ^ : sowohl zum Schmuck (etwa in roter Färbung) wie zur Reparatur der Fussbekleidung.

167 bambast, s. zu V 175.

168 getiltz (aus Kuhhaaren!) bleibt in jedem Falle etymologisch unklar, mag ich nun zaumgetilz als „Fransen am Zaumzeug" nehmen, oder es mit F. B. als zum getilz „zum Tändeln, Spielen" auflösen und dann aufs folgende beziehen.

169 hors ist jedenfalls = häres Gen. zu nehmen und nicht etwa = höre ez „gehöre es".

1 80 haubtloch für haubtlech (Kollektiv, dann auch Plural zu haubtlin) hab ich nicht angetastet, obwohl II 82 pfankuchelech ■durch den Reim auf frech gesichert ist: es kann sehr wohl aus -lach (Weinhold Mhd. Gramm. § 280) im Nachton ent- standen sein.

189 £f. F. B. (der zu dieser Anmerkung das beste beige- stetiert hat) war geneigt zu lesm: Zerfe, damit man spennet, Einem der da rennet Scheiden über armbrust. Allein die Aenderung in einem ist überflüssig: der parenthetische, das Reimpaar füllende Satz mit Einer erläutert mir das man, 'Wie ähnlich an einer ganzen Reihe von Stellen: vgl. II 117 f. Man müz daz ey zu tinten han: Einer der da schriben kan; VI 119 f. Lederlachen malet man Daz tut einre der daz kan ; V 90 f. In daz stro machet man Bukinge, der ez kan ; Vl4öf. Mit stro besieht man broten Zu Ostern (die sie hoten). Also einer der da rennet, ein Reisiger, oder wohl genauer: ein reitender bewaffneter Bote pflegt mit deyn zerfe die Armbrust zu spennen d. h. zu spannen oder etiva: zu umspannen? spennen 7iehm ich als die bekannte schwache Nebenform zu dem starken spannen, ich 7nuss also den freund- lichen Hinweis von F. B. auf die geschift oder gespenet armbrust bei Brucker, Strassburger Zimft- u. Polizeiordnungen S. 15 ablehnen^ da, dies spenen (d. i. spsenen) ztt spän „Holz- span" zu gehören scheint, wie schiften zu schaft. Aber was

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 81

icar U7id wozu diente der zerf, der, wie uns&re Stelle ergibt, aus Rindersehnen hergestellt ward? Ganz unklar ist der Sinn der Stellen, ivo gezer{p)fe im Jung. Titurel auf scher(p)fe reimend begegnet, in verdächtiger Nachbarschaß mit geserwe, D&n dem es denn auch die Gelehrten nicht zu trennen ver- mögen, s. zidetzt Borchling, Der jütigere Titurel (Gott. 1897) S. 121; auch die gezerpes kist bei Thilo von Kulm, in der der bogen behalten ist (Walter Müller, TJeber die mitteldeutsche Paraphrase des Buclies Hiob, Halle 1882, S. 34), bringt keine Klarheit. In Ulrich v. Eschenbachs Alexandreis V. 12292 u. 17413 steht gezerf (aJ. zerO beidemal neben bogen, tmd in dieser Nachbarschaß erscheint das Wort dann noch iciederholt in Rüstungsinventaren utid Waffenlisten des 14. Jlis.: so bei Zeller- Wer dmüller, Die Züricher Stadtbücher I 38 (Nr. 99): 162 ambrust, 47 cerf (vgl. die Anm. 4 ebenda); ibid. S. 47 (Nr. 121): 6 armbrüst und 3 gecerf und ein spanbank, 2 armbrust und gecerf ; ferner bei Schmeller- Frommann II 1149: 1000 t«la et zwei zerif (Waidhofen 1316), 1 zerif cum telis paganicis (Waidhofen 1303); 20 puchsen, 20 armbrost, 5 klain spanböck, 9 zerff, 2000 pfeil. Die zerfe erscheinen hier immer in geringerer Anzahl als die Armbrüste, meist gegen die Hälfte; sie icaren nicht identisch mit den Spannböcken oder Spannbänken; da aber das weseyiüiche an ihnen die Rinder- sehnen icaren, so scheint mir doch nur zweierlei möglich: ent- weder icar es eine kleinere Armbrustioinde, oder aber es waren die Armbrustsehnen selbst, vielleicht besonders starke, sodass dann also Y 189 nur eine Erläuterung oder Ergänzurig zu Y. 187 f. wäre.

212 mit den flemen, die als Fensterbekleidung dienen, isi hier die iceiche Haut zwischen Bauch und Hinterschenkeln gemeint (Vümar, Idiotikon von Kurhesseii S. 104; Crecelius, Oberhess. Wörterbuch S.377).

II.

14 f. die blazzen, die da trurig sind gewest und die sich nun ganz besonders über deyi Frühling freuen, sind ganz gewiss nicht die Blässhüh'ner „fulicae atrae" (v. B.), die ja m. W. gar nicht bei uns zu überunntern pflegen, schwerlich mich „die Blossen, Nackten, Armen'' (F. B.), sondern am ersten noch „die Blassen, Kränklichen^ , die sich am meisten nach dem Frühling gesehnt haben.

35 valwe(n) ist natürlich der dem König geläufige ost- fränk. - thüring. Infinitiv ,.fahl icerden, fahl sein" und darf

6

82 Edward Schröder

nicht mit v. B. als Ädjectiv gefasst und dann durch Ein- schaltung eines ist gestützt werden.

68 kolhopfen aus kogelhöpfen hat ?Uchts anstössiges, wenn loir den Rauptaccent so für den zweiten Bestandteil ansetzen, vgl. die heutigen Eigennamen Eothkohl, Linnenkohl, zur Bedeutung vgl. Schmeller- Frommami I 880.

83 für getrilich weiss auch der kundige F. B. keine Auskunft.

109 das handschriftliche karhel lässt sich ebensoleicht in kackel loie in karchel ändern, und da für letzteres bisher keine befriedigende Erklärung vorliegt (auch F. B., Germ. 24, 425 f. gibt keine solche), so mag die Vermidung kachelmutzen j^ Mutzen, die in oder auf der Kachel gebacken werden^\ er- laubt sein.

136 f. junge wenstelin sind die Spanferkel, deren Kopf und Füsse man in eyern gruze, d. h. beim Anrichten mit Eiern garnieren soll.

139 vgl. BvgSp. S. 9 Nr. 23.

141 f. vgl. VI 43 f.

152 ein nuwe erne (,,eine neue Ernte") für eine jmige Brut Hühner kann ich sonst nicht belegen.

153 „es ist nicht überflüssig zu, erwähnen.'' 178 haben für heben.

194 daz gehurwe „den Kot'', hier wol der Abfall, alles loas ungeniessbar ist.

253 ff. ist schwerlich „eine scherzhafte Anweisung" (v. B.): ich vermute, dass man getrockneten Hühnerkot tatsächlich zmn Stärken des Bettzeugs benutzte. Welchen Wert das Mittelalter einer „krachend" steifen Wäsche beimass, zeigen die Belege für röschez betgewant, pette im Deutschen Wörterbuch VIII 1162 s. v. rösch 3) und für krachend bette, bett mit krachen- den leilachen (aus den Weistümern) bei Lexer II 1700, krachend tischlachen im Deutschen Wörterbuch V 1920 unter 4) b) ^).

269 f. Wotmol und bestehaubt Bringet daz hün ver- steh ich so: das Huhn erscheint als Abgabe im Geleit von Watmal und Besthaupt. (Das Komma hinter bestehaubt ist zu streichen.)

271 ff. übersetz ich so: „So hat es mit dem „Nachthuhn" /offenbar ein terminus der RechtsspracheJ die rechtliche Be- wa7idtnis, dass Ritter und Knechte es beanspruchen (sprechen), welche darauf und auf Herberge bei plötzlicher Einkehr gegen- über ihren Eigenleuten ein Anrecht haben".

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 83

III.

7 amelsan der Handschrift Mb ich in amselan geändert, obwohl auch diese Formjnit ihrem archaisch aussehenden -an auffällig bleibkrietleicM darf man an die Dojypelheit schapel vnd schapal, mursel nnd mursal erinnern.

17 ..Pfaffenschnitte^'' heissen nach dem Deutschen Worte?'- buch VII 1592 die besten Stücke vom Braten, „insbes. die Brustschnittchen vom gebratenen Geflügel.'^

19 kemmenaten bleibt mir hier unverständlich : es f<chemt ein Teil des ,. Gänsekleins^^ damit gemeint zu sein. Bech denkt an Gänsebrüste: wohl im Kamin geräucherte?

35 „Verstand, Ueberlegung, du steigerst, regst an meine Kunst l''^ vgl. IV 5 Die sinne haben mir geseit.

IV.

28 Daz man lone für in versteh ich nicht. Heisst es etica: ,^entzieht sich der Lohna2iszahlung" , flieht ins Bad vor seiJien Lohnarbeitern, wie der zicanzigste vor seinen GläiOjigern? Bech gibt auch das „seibat" zu erwägen und veneeist für diese Einrichtung auf das TJrkundenbuch von Arnstadt S. 148.

37 dem . . , schüche (Gen.) swacht, „gebricht es an Schuhzeug^' .

^ * V.

1 ff. 7nei7it offenbar das sog. ,Jeu parti^, in dem die Vorzüge zweier contrastierter Gegenstände oder Begriffe discutiert oder dialogisch erörtert icerden. So werden hier im Eingang die seidenmi Borten zurückgestellt zu Gunsten des Strolis. Ich han mir ein geteilz genumen wird also Jieissen: ich habe meine Partei genommen, riämlich die Partei des Strolis. Bech erinnert zu VI. 2 auch an die sprichwörtlicJie Bedensart von teilen unde wein.

33 geizze statt geizzen detn Reim zu Liebe, s. zu I 100.

38 Ein besonders grelles Beispiel sinnloser Reimfüllung. 53 Ist dem Sinne nach zweifelhaft: ist an anitergium zu

denken? Bech gibt zu erwägen (und meine Interpu7iktimi nimmt das auf): der Weinbergarbeiter, der die Reben aufbindet, hat das dazu nötige Stroh an die linke Hüfte gesteckt.

Ib Daz stro sol man reichen kann sich nur auf einen rechtssymbolischen Act beziehen, wie er deutlicher V 150 ff. er- scheint.

96 saltzkarb mitteldeutsche, besonders rheinische Neben- form von -korb, s. Deutsches Wörterbuch V 1797; der salz-

6*

84 Edward Schröder

korb (vgl. Spütendorfs Benkunlrdigkeüen ed. Opel S. lOS und Becks Glossar) ist ein oben loeit und unten spitz geflochtener Korb von Salweide, zum Sieden gebraucht, nach Hondorf, Be- schreibung des Salzwerkes in Halle S. 59 (F. B.).

122 Der Vers ist mir wie v. B. miklar geblieben.

131 f. Hierzu notier ich, obwohl mir ihre Bedeutung nicht ganz klar ist, die sprichwörtliche Wendung „Stroh gehört ins Kummet^' bei Theob. Hock, Schönes Blumenfeld (1601) 4, 80 Ein Stroh ins Cummet nur thnt ghern; 50, 10 Ey in eim Kummet gehört ein Stro.

173 f. Strohhalme als Lesezeichen.

IIb bambast m.. hat v. B. als bambs bei Frisch und im Beutschen Wörterbuch 1 1095 nachgewiesen: gleichwohl ist die Bedeutmig keineswegs sicher. Ursprünglich mag das Wort, aus bombyx, bombycium abgeleitet, eine Polsterung aus Baum- toolle oder eine Baumicollenauflage auf Wunden bezeichnen. Aus Haaren bestehend scheint der bams bei Stieler und der bombast oben 1 167; hier neben dem Strohsack loeiss ich ihn nicht recht zu deuten.

177 f. vgl. X 86 f.

189 192 Ich bin mir über das Verhältnis der ersten beiden Verse zu den beiden folgenden nicht klar: V 191, 192 ist offenbar der Strohwisch als Kennzeichen der Herberge oder Gastwirtschaft gemeint.

193 Für tischen verweist Bech (der mir auch für stulen und hütten reichlich Belege zur Verfügung stellt) auf Zarncke, Priester Johatmes I Abt. S. 966, 848 ich wolt iu chünden disen rät, wie sich der herre getischet hat. Ob hier von Strohdecken auf Tischen die Rede ist, oder von einem festen Strohüberzug auf der Tischplatte, ist nicht zu entscheiden.

VI.

30 damit sie auch wol schalken kann nur heissen „wo- bei sie auch tüchtig betrügen^' : sei es durch schlechtes Material, sei es durch schlechte Arbeit.

33 karten mit der Weberkarde behandeln; vgl. Schiveicl- nitzer Tuchwirkerordnung (a. 1SS5) im Cod. dipl. Silesiae VIII 17, 10 wolle slon, karten adir schern (F. B.J.

42 Wemi kilber hier die Mutterlämmer sind (ahd. chil- bira, chilburra, „agna^', so liegt es nahe in stir eine Verderb- nis aus ster(n) „Widder^' (so V. 147) zu vermuten.

56 tenisch hat natürlich nichts mit dem Damicild zu tun (v. B.); es ist das bekannte, sehr dünne dänische Leder von

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 85

Lammfellen, das hier als schlechter Schutz gegen die Kälte bezeichnet icird.

66 sufen (suphen) j^wd 67 gufen bleiben unsicher, schon der Form nach; loiU man suphe als entstellt aus schope „Jacke^' (Lexer II 770) erklären, so bleibt für das Reimicort keine passende Bedeutung übrig; und icenn man gufe etica = goufe, koiphe d. L fz. coiffe nimmt (etica wollene Kopf- bedeckung hinter dem Helm), so entsteht die imigekehrte Schioierig- keit. Immerhin bin ich jetzt geneigt, als die vom Dichter ge- icollten Formen supfen : gupfen anzuseilen.

100 mhd. kiutel, nhd. keutel (Deutsches Wörterbuch V 656) bedeutet sonst eine kleine herabhängende Geschiculst, scheint aber hier einen kleinen Beutel zu bezeichnen.

1 35 flP. Wenn ich die Stelle recht versteh, ist hier vom 7ieumodischen Aufkmnmen (daz note ire veter taten) icollener Hosen oder icohl richtiger UnterJiosen die Rede, die man über die Beine anzog, icährend die alte „Bruch''^ um die Ober- schenkel geknüpft ward.

VII.

38 Ich bin nicht sicher, ob hier die Lesart von G icirk- lich den Vorzug verdiente vor im M.

63 want (want) dem harte by ,^bildet sich eticas ein auf seinen Bart^^?

IX.

8 lebersol(e) im Wachtelm. (ed. Massmann) V. 102. F.Bech iceist mir- das Wort als Eigetinamen nach im Nassau. Vrkundenbuch III 802 z. J. 1356157; ferner Ennen Quellen z. Gesch. V. Köln I 285 . . . dabant carnes de porco cum condimento dicto leyversole et cum smalendeyer, vgl. S. 290; die lateinische Bezeichnung liegt wohl vor Zs. f. d. Alt. XV, 516 „salsucia jecorina",

41 f. buzl : huzl bleibt unsicher; bei buzl könnte man an beuzel m. „tuberculum'^ (Deutsches Wörterbuch 1 1755 f) denken, wofür Stieler 266 auch bützel ,.tuber jutnentorum'' bietet: unklar bliebe immerhin, welclie essbaren Geschicülste^' gemeint sind; hüzl könnte allenfcdls an hiuze „munter, keck^^ ange- schlossen u'erden.

65 nebsten bleibt unerklärt, man wird es aber wohl als nesten (vgl. V 43 wiltbrebt) nehmen und zu nestel „Schnür- riemen^^ stellen dürfen.

65 vürbinden, icas hier gemeint ist, bleibt unsicher; F. B. 7iotiert, dass das Wort im ersten Druck des Schicabenspiegels

86 Edward Schröder

als Variante zu virmbinde erscheint (Lassberg S. 166 d = Wackernagel § 845 Ayim. 241 u. 246).

X.

76 gellecht gehört zu galle (vlozgalle) „Beule, Blase" bes. der Pferde, s. Deutsches Wch^terbuch IV la, 1196 f. s. vv. gällicht und gallig, gellig.

102 Hier wird offenbar auf das bekannte Sprichiüort an- gespielt, das schon bei Freidank 138, 17 erscheint: Der hunt hat leder gezzen, so man dienstes wil vergezzen und in zahlreichen ähnlichen Wendungen bezeugt ist; s. Zingerle, Die deutschen Sprichiüörter im Mittelalter S. 74; dazu Benner 18865 Swer truwen und dienstes wil vergezzen, Der sprichet, sin liunt hab leder gezzen. Dann wird mayi die Worte am ehesten dem Hunde zutrauen, und dazu stimmt, dass V. 108 der Wolf, der doch in der Ueberlieferung von V. 95 ab spricht, wider das Wort erg^'eift. Es scJwinen also zwischen V. 100 u. 108 ein paar Verse ausgefallen zu sein, die eine Bede des Hundes einleiteten.

105 Do hat er den Ein verbrant, unmögliche Anschul- digung, für die das Deutsche Wörterbuch VUI 854 einen ältesteti Beleg aus dem etivas jungem Teichner beibringt.

123 126 ein Sprichwort, für das hier der älteste Beleg vorzuliegen scheint; vgl. Körte, Die Sprichwörter der Deutschen Nr. 8572; Wander, Sprichwörterlexicon II, 1643 („Krug" Nr. 25).

XI.

Was der Verfasser unter widereffen versteht, lässt sich nicht so leicht sagen: er meint offenbar eine Umkehr alter Sitte, lüobei doch die äussere Haltung und der alte Anspruch gewahrt erscheint. Der Ausdruck selbst begegnet bereits in eitler lyrischen Strophe der Berner Handschr. Ditit. II 260 unten (s. MSH III 417 b): waz diu minne widereffendes kan!

56 graben under die s wellen übertragen für „betrügen" ; vgl. die vom Deutschen Wörterbuch IX 2489 citierten Stellen aus dem Wilden Mami tmd Ottes Eraclius.

XII.

8 Der Kachelofen dürfte damals in Franken noch etwas ziemlich neues geivesen sein; für das Wort haben ivir hier den frühsten Beleg; z. Sache vgl. Heyne, Deutsches Wohnungs- wesen S.241.

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde 87

31 krönte (d. i. gekrönte,) helme sind nicht die icirk- lichen Kopfbedeckungen der Ritter, die hier vielmehr kezzel- hute heissen (V 40), sondern die Helme des Adelswappens: es scheint, dass ftn-moch auf vornehmen Rang, nicht mehr auf Kriegstüchtigkeit Wert gelegt wird.

36 versteh ich nicht.

46 Die bade waten, mit denen nach dem Spott des Dichters die Kesselhüte innen ausgestattet sein sollen, weiss ich 7iicht zu deuten. Gilt dem König schon der Versuch, den Druck des Eisenhelms durch ein netzartiges Futter (wate ^.Zugtietz'^) ah- zuschicächen, als verweichlichend und schimpflich?

88

Edward Schröder

Wortliste.

Wörter, die in den Anmerkungen besproclten sind, hah ich mit einem * versehen; solche, für welche der König vom Odenwalde die einzigen oder die frühsten tnhd. Belege zu bieten scheint, sind durch Sperr druc k' ausgezeichnet. Die Mehrzahl der Wörter wird hier nur als Beitrag zum altdeutschen Lexikon aufgeführt.

ader f. Sehne 1 111. 126. afterreif m. Hinterriemen

1149. VI 71. agen fplur. zu agen m.) Spreu

V155. anke f. Butter II 73. armleder n. 1114. arsdarm m. 1 225.

bache swm. Schi?iken, Speck- seite V 19.

badeMt m. f von Stroh) V59.

*badewate f. fim Kesselhut) XII 46.

*bambast m. I 166. V 175.

bastede II 131.

begen, sich (m. gen. d. Sache) sich abgehen mit, ernähren von I 88. VI 15. 151; (m. präp. mit) XI 10.

beingewant n. I 114.

beltzbaum m. frisch gepfropf- ter Baum V 1 24.

bemeren sivv. = bemeren III 35.

berat m. VIII 12.

bestehaubt n. II 269.

blaterspil n. Spiel auf dem Ludelsack III 77.

*blazzen, die (= blassen ?) II 14.

breter = brätaere II 218.

brustleder n. 177.

buckeler m. Schild mit Buckel

126. V63. 1X59. bulge f. Tasche, Sack I 95. butern Z'. I 21 u. ö.

c vgl. k.

diech^^. diehe n. Oberschenkel

III 15, dazu: diehe-veder f. III 8 1 . dol = täl aus tälanc heute

II 163.

eiermuos 7i. II 109. erne f. V 110; ein nuwe erne = eine junge Brut II 152.

f vgl.

V.

galrei = galreide f. Gallerte

1X26. gegenleder n. I 151. *gehürwe 7i. Kot, Abfall (Ein-

gewäde?) II 194. gelimphen swv. c. dat. pers.

eine7n etwas nachsehen X

119.121. gelebte milich „coagulum"

111.

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde

89

*gellecht aclj. mit Gallen, Geßchwülsten behaftet X 76.

gestürtzet eier II 148.

geteling m. jtmger Bursch II 235.

geteilte n. Spielerei, Possen III 10.

getünge «. Du)ig, Mist 1226.

getzen s^cv. gackern (der Hüh- ner) II 50.

gefug m. Schicklichkeit, was einem zukommt X40.

gewer (gewaere) aclj. zuver- lässig, haltbar IX 60.

*glocke f., guote g. en lüten 14.

grakolikin n. ein niederrhein- isches Hefeyigebäck V 129, vgl. niederländ. krakeling, Kringel, Bretzel.

gutzen sicv. vom, Rufe des Kuckucks II 39.

hamme f. Hinterschenkel,

Schinken 1X45, helms-liorii n. I 77. hirnwurst f. II 106. huUe f. Ueberkleid, Mantel

ni20. III 75. hurt f. Flechtwerk (über eitler

Wolfsgrube) III 59. hüt m. Ueberzug 1 75. Lutten stüv. V 195.

ispe (yspe) VII 126.

7n. Ysop V38.

jochrieme m. 185. jungen sicv. refl. gebären VI 81 .

*kaclielmutze (f.) ? II 109. *kachelofen m. XII 8. kalbes-krose n. I 179. *karten sicv. VII 33. *keffech n. V 153.

*kemmenate f. ? III 19.

kezzelllüt 1 129. XII 40.

kilber f. Mutterlamm VI 42.

kleib m. Lehm zum kleiben V73.

knuz adj. keck, munter 1 177. II 150.

*kolliopfe sicm. II 68.

coopertur f. Pferdedecke, Scha- bracke VI 141.

koete f. Knöchel (als Würfel) I 156; vgl. Deutsches Wörter- buch V 1885.

kotze f. Korb, Rückenkorb X77.

krepfelin 7i. n 131. 1X39.

krye f. Kampfgeschrei 1 18.

*kronte helme XII 35.

krose n. U12i. VI 89.

*küri(n) ? 1115.

kursenbelz m. VI 54.

*k&tel ? VI 100.

langseime adv. IV 20.

lazen (einem) zur Ader lassen

IV 14. leberwurst f. IX 16. [lederjgurt m. 1 151. *Hmel = limbel n. ? 1 165. Udem sicv. I 78. louben = erlouben VI 4. lunel ? vgl. limel. lütten SICV. (= lüten) voti der

Stimme des Esels V 32. luwen swv. (= lüejen) vom

Rindvieh V32.

materaz n. VI 111. mau wen = maejen V 78. melm m. Staub 1190; meta-

phor. Turnier V 186. IX 64. mezzers-haft m. I 66. morcbe f. II 139. mursal n. I 25. 37; mursel

III 14.

90

Edward Schröder

nadelkar n. Nadelbüchschen

III H9. V 164. *nahtliün n. II 271. iiauwen = nsejen III 50. *nelisten ? IX 65. note adv. notgednmgen,

schiverlich VI 138. VIII 68. nuz f. nussförmige Vertiefimg

im Schafte der Armbrust

III 53.

ofenwisch m. V 80.

peterlin n. Petersilie II 161.

IX 86. *pfaffensnitz m. III 17. phankuchelech dem, plur.

kleine Pfannkuchen II 82. pfeffersag m. I 199. *pfül für pfulwe I 132.

reizzel 7n. Lockspeise III 82.

remen (= rsemen) stcv. stre- ben, trachteyi I 211.

rihten siüv. zufriedenstellen, bezahlen IV 47.

rintfleisch-brate m. 135.

*rösch adj. II. 256.

ruckin adj. von Roggen V 17,

rüzen swv. scJinüffeln, wühlen 1X24.

*saltzkarb m. V 96. sat (= sät) f. plur. säten V 77. saumner m. == soamsere I 75. sauwen sivv. = ssejen V 77. Schalken siüv. betrügen VI 30. schapal n.Y 183 ; schapel V 65. schart m. Pfanne II 133. schaub m. Strohwisch, -bündel

V14. schaubelin 7i. V 71. schaubin adj. von Stroh V 58. schepeler m. Schlüterkleid der

Mönche und Nonnen VI 6 1 .

schonez brot n. Weizenbrot

V17. schribestül m. V 61. schüchworchter m. IX 75. schuldere m. Gläubiger IV 46. sete f Korb V 179. *silhalsen ? I 83. slape, slappe f. beutelartiger

Ansatz einer Kopfbedeckung

III 63. XLI37. smerleib m. Laib Speck oder

Schmalz IX 55. speclin n. kleines Stück Speck

1X51. spmnel f. Spindel V 72. spülen stüv. III 74. VI 29. stallen swv. harnen (vom

Pferde) VI 85. steinboge siom. Bogen zum

schleudern von Steinen III

70. ster swm. Widder VI 147, vgl.

zu VI 42. stigleder n. I 149. stirken swv. = sterken II 119. stival m. II 127. stoz m. im Hut: Futter V 135. strelere m. Kamm 1 45. strobank f. V 157. stülen swv. Sitze bereiten V 1 93. suffelin 7i. Tränklein II 90. suknie f. VI 66. sün m. Sühne X44. surkat m. VI 65. *s wachen sicv. IV 37. sweiz m. Blut (geschlachteter

Schiveine) IX 15. swere sicm. der Schwörer

XI 42.

taphart m. VI 60. *tenisch (leder) VI 56. *tischen sicv. V 193. *turmen sicv. = tirmen „ter- minare" ? V 137.

Die Gedichte des Königs vom Odenwalde

91

tutzen siüv. zum Schweigen bringen, verschiveigen II 110.

uherig adj. übennässig V171.

überlast f. II 153,^^-

urdriitze stm.'fVerdruss, Ekel IV 10.

üsel/l Aschenstmibchen V 115.

falkenhube f. I 113. *valwen swv. II 35. vederlese simn. Federleser,

Schmeichler VIII 85. venstersohübel m. Fensterladen

V134. verlorne eier II 86. vermutet werden zu milde

werden VIII 87. vermuchen sivu. unterschlagen,

verschweigen I 79. verstozen swv. (Flaschen) zu- stopfen (oder verpacken ?)

V86. vidern swv. III 40. vingerhüt m. (aus Leder) I 93. flegelhüt m. lederner üeber-

zug des Dreschflegels 131.

*fleme f. 1212.

fregen swv. = fragen X 6S..

XII 35. *vurbinde f. 1X65. furbuge n. 1 150. f&rfüz m. Socke I 73. fütervaz w. Futteral I 101.

VI 105 (von Leder); V 56

(von Stroh).

wapenhent schuh m. 1 115. watmal (wotmol) n. grobes

Wollenzeug II 269. watmenger m. Tuchhändler

VI 35. watsack m. VI 105. *wenstelin n. II 136. wiberin f. = Weberin HI 74. wintbant n. Hundeseil? 1 113. wollensleher-snür f.

VI 95.

*zaumgetilz n. ? I 168. zein m. Pfeilschaft III 40.

92 Edward Schröder, Die Gedichte des Königs vom Odenwalde

Nachträge zur Einleitung.

Die lange Verzögerung des Druckabschlusses ermöglicht es mir, hier noch zwei Notizen nachzutragen.

Zu S. 3 : Zur Sprache des Königs vom Odenwald vgl. jetzt auch Zeitschr. f. d. Alt. 44, 290. 305: K. Zwierzinas Bemerkungen über die e- Reime.

Zu S. 12 f.: inzwischen ist das Gedicht „Von dem Übeln Weibe" (Germania 23, 305) von K. Euling in seinen „Studien über Heinrich Kaufringer" (Breslau 1900) S. 24 schon für die litterarische Nachwirkung des Königs vom Odenwalde ins Feld geführt worden! Um so nachdrück- licher sei hier wiederholt, dass sich dies Stück nur durch eine Unachtsamkeit v. Bahders unter die echten Gedichte eingeschlichen hat.

Druck der L. C. Wittich'schen Hofbuchdruckerei, Darmstadt.

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